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German Pages 231 [232] Year 2018
Lernwelt Öffentliche Bibliothek
Lernwelten
Herausgegeben von Richard Stang
Lernwelt Öffentliche Bibliothek Dimensionen der Verortung und Konzepte Herausgegeben von Richard Stang und Konrad Umlauf
Editorial Board Prof. Dr. Karin Dollhausen (Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, Bonn); Olaf Eigenbrodt (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky); Dr. Volker Klotz (Amt für Bibliotheken und Lesen, Bozen); Prof. Dr. Katrin Kraus (Pädagogische Hochschule Fachhochschule Nordwestschweiz, Basel); Dr. Bernd Schmid-Ruhe (Stadtbibliothek Mannheim); Dr. André Schüller-Zwierlein (Universitätsbibliothek der Universität Regensburg); Prof. Dr. Frank Thissen (Hochschule der Medien, Stuttgart)
ISBN 978-3-11-058771-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-059098-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-058787-6 ISSN 2366-6374 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Coverabbildung: donkeyru/iStock/thinkstock Satz: Michael Peschke, Berlin Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Richard Stang
Lernwelten Vorwort zur Reihe Bildung ist zum zentralen Thema des 21. Jahrhunderts geworden und dies sowohl aus gesellschaftlicher als auch ökonomischer Perspektive. Unter anderem die technologischen Veränderungen und die damit verbundene Digitalisierung aller Lebensbereiche führen zu vielfältigen Herausforderungen, für die ein Bewältigungsinstrumentarium erst entwickelt werden muss. Lebenslanges Lernen ist dabei der Imperativ biographischer Gestaltungsoptionen. Das traditionelle Bildungssystem stößt weltweit an seine Grenzen, wenn es darum geht, die entsprechenden Kompetenzen zur Bewältigung des Wandels zu vermitteln. Deshalb erstaunt es nicht, dass derzeit in allen Bildungsbereichen Suchbewegungen stattfinden, um Konzepte zu entwickeln, die diesen Herausforderungen Rechnung tragen. Die Reihe Lernwelten nimmt sich dieser Veränderungsprozesse an und reflektiert die Wandlungsprozesse. Dabei geht es vor allem darum, die Diskurse aus Wissenschaft und Praxis zu bündeln sowie eine interdisziplinäre Perspektive einzunehmen. Die verschiedenen Bildungsbereiche wie Hochschulen, Erwachsenenbildung/Weiterbildung, Bibliotheken etc. sollen so vermessen werden, dass für die jeweils anderen Bildungsbereiche die spezifischen Begrifflichkeiten, Logiken, Kulturen und Strukturen nachvollziehbar werden. Es handelt sich bei der Reihe auf diesen verschiedenen Ebenen um ein interdisziplinäres Projekt. Immer mehr Bildungs- und Kultureinrichtungen haben sich auf den Weg gemacht, Lernangebote konzeptionell und auch räumlich neu zu präsentieren, sowohl im physischen als auch im digitalen Kontext. Von Schulen über Hochschulen bis hin zu Erwachsenenbildungs-/Weiterbildungseinrichtungen. Doch auch von Bibliotheken und Museen werden neue Lernangebote und -umgebungen konzipiert. Basis dafür ist auch ein Perspektivenwechsel vom Lehren zum Lernen. Die Lernenden rücken immer stärker in den Fokus, was zu einer erhöhten Sensibilität gegenüber der Gestaltung von Lernarrangements führt. Dabei geht es nicht nur um veränderte didaktisch-methodische Settings, sondern im verstärkten Maße auch um die organisatorische, konkret bauliche und digitale Gestaltung von Lernwelten. Vor diesem Hintergrund wird in der Reihe versucht, einen ganzheitlichen Blick auf die verschiedenen Aspekte von Lernen und Lehren sowie Wissensgenerierung und Kompetenzentwicklung zu richten.
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Richard Stang
Thematische Aspekte der Reihe sind: –– didaktisch-methodische Lehr-Lern-Settings –– Angebotskonzepte –– organisatorische Gestaltungskonzepte –– Gestaltung von physischen Lernumgebungen –– Gestaltung digitaler Lernumgebungen –– Optionen hybrider Lernumgebungen –– Veränderung von Professionsprofilen. Die Reihe richtet sich an Wissenschaft und Praxis vornehmlich in folgenden Bereichen: –– Bibliotheken: Hier kommt der Gestaltung von Lernoptionen und Lernräumen sowohl im öffentlichen als auch im wissenschaftlichen Bereich eine immer größere Bedeutung zu. –– Erwachsenenbildung/Weiterbildung: Die veränderten Bildungsinteressen und -zugänge der Bevölkerung erfordern konzeptionelle, organisatorische und nicht zuletzt räumliche Veränderungen. –– Hochschulen: Es kündigt sich ein radikaler Wandel von der Lehr- zur Lernorientierung in Hochschulen an. Hier werden immer mehr Konzepte entwickelt, die allerdings einer konzeptionellen Rahmung bedürfen. Unter der Perspektive des Lebenslangen Lernens kann die Reihe auch für andere Bildungsbereiche von Relevanz sein, da die Schnittstellen im Bildungssystem in Zukunft fluider und die Übergänge neu gestaltet werden.
Inhalt Richard Stang Lernwelten Vorwort zur Reihe
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Richard Stang und Konrad Umlauf Einleitung 1
I Historische und gesellschaftliche Kontexte Richard Stang Gesellschaftliche Veränderungsprozesse und Lebenslanges Lernen Verortung Öffentlicher Bibliotheken im Bildungsdiskurs 9 Konrad Umlauf Lernort als Leitbild Öffentliche Bibliotheken im Wandel
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Frauke Schade Zielgruppen Öffentlicher Bibliotheken Bestandsaufnahme und Herausforderungen
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II Angebots- und Vermittlungskonzepte Kerstin Keller-Loibl Zur Etablierung einer Bibliothekspädagogik Professionalisierung der Bildungsarbeit Öffentlicher Bibliotheken
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Wilfried Sühl-Strohmenger Dimensionen der Learning und Teaching Library Veränderung von Lehr-Lernkontexten in Öffentlichen Bibliotheken
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Gudrun Marci-Boehncke Das Spiralcurriculum als Eckpfeiler Optionen für eine bibliotheksdidaktische Grundlegung
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Inhalt
Eva-Maria Singer und Astrid Diwischek Lernbegleitung und Lerncoaching Neue Perspektiven für Öffentliche Bibliotheken
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Bernd Schmid-Ruhe Bibliothekspädagogische Praxis Herausforderungen für die Konzeptentwicklung
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III Lernort- und Raumkonzepte Konrad Umlauf und Richard Stang Zur Relevanz physischer Verortung Raum- und Zonierungskonzepte für Öffentliche Bibliotheken Hannelore Vogt und Judith Petzold Be a Maker, not a Taker! Der Makerspace der Stadtbibliothek Köln als Lernort Richard Stang Digitale Lernoptionen als Add On Perspektiven für neue Angebotskonzepte
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Rudolf Fries Flexible Lernraumoptionen als Chance Zur konzeptionellen und räumlichen Gestaltung des Lerntreffs Trier
IV Kooperationsfelder Susanne Brandt Erste Schritte begleiten Frühkindliche Bildung und Öffentliche Bibliotheken Kathrin Reckling-Freitag Wege einer Bildungspartnerschaft Schulen und Öffentliche Bibliotheken
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Inhalt
Richard Stang Erwachsene im Fokus Kooperationsfeld Erwachsenenbildung/Weiterbildung Benno Homann Lernen 60plus Neue Optionen für Öffentliche Bibliotheken
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V Perspektiven Konrad Umlauf und Richard Stang Positionierungen neu gestalten Veränderte Kontextualisierung Öffentlicher Bibliotheken Autorinnen, Autoren und Herausgeber Register
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Richard Stang und Konrad Umlauf
Einleitung
Wenn heute vom Lernort Öffentliche Bibliothek gesprochen wird, werden damit sowohl inhaltliche Angebote als auch räumliche Strukturen adressiert. Dabei scheint der Begriff als Folie zu fungieren, die ein gemeinsames Verständnis suggeriert. Doch verbirgt sich in der Praxis eine Vielfalt von Konzepten, Inhalten und Raumarrangements dahinter, die für Außenstehende nur schwer durchschaubar ist. Diese Vielfalt und Unterschiedlichkeit legt es nahe, von einer Lernwelt Öffentliche Bibliothek zu sprechen, deren Grenzen nicht klar konturiert sind und deren innere Strukturiertheit je nach Einrichtung durchaus unterschiedliche Ausprägungen haben kann – unter anderem abhängig von der Größe der Bibliothek, den zur Verfügung stehenden Mitteln, den Kompetenzen des Personals, den räumlichen Rahmenbedingungen und den Anforderungen durch die Nutzerinnen und Nutzer. So stellt jede Öffentliche Bibliothek ein Unikat dar, das bezogen auf die Gestaltung des Lernortes eine spezifische Lösung benötigt; das heißt natürlich nicht, dass es keine grundlegenden konzeptionellen Orientierungen geben kann. Längst liegen vielfältige Konzepte für die methodische Gestaltung von inhaltlichen Angeboten vor – hier meistens mit den Schwerpunkten Leseförderung und Vermittlung von Informationskompetenz (Hanke/Sühl-Strohmenger 2016). Bezogen auf die Möblierung von Arbeits- und Lernarealen finden sich ebenfalls vielfältige Ansätze (Eigenbrodt/Stang 2014). Selbst die Frage nach einer Neudefinition der Aufgabe steht im Raum, wobei es hier häufig eher um eine Schwerpunktverschiebung als um eine wirkliche Neudefinition geht, denn Bibliotheken waren schon immer Lernorte. Allerdings hat die Diskussion über die Unterstützungsstrukturen für das Lebenslange Lernen diesen Aspekt wieder stärker an die Oberfläche geholt. Doch insgesamt scheint sich ein Wandel zu vollziehen, der, forciert durch die Digitalisierung aller Lebensbereiche, die konzeptionelle Konstitution von Öffentlichen Bibliotheken herausfordert. An der Oberfläche geht es um die Fragen, ob Medienbestand wichtiger ist als Arbeits-, Lern- und Kommunikationsflächen, ob der Fokus auf eine ruhige Atmosphäre von größerer Bedeutung ist als die Gestaltung eines kommunikativen Ambientes, ob die Kompetenz zur Erschließung von Medien elementarer ist als die Kompetenz zur (Lern-)Beratung, ob der Modus der Aufbewahrung und Bereitstellung zukunftsträchtiger ist als der Modus der Gestaltung und Einmischung, ob die Bibliothek besser als singuläre Einrichtung in die Zukunft geht oder als Teil einer integrativen Einrichtungsstruktur mit Institutionen wie Volkshochschule, anderen Kultureinrichtungen usw. Solche Fragen lassen sich sicher nicht eindeutig beantworten. Sinnvolle Antworten werden sich https://doi.org/10.1515/9783110590982-001
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zwischen den Polen einpendeln und werden nicht für die gesamte Bibliothekswelt einheitlich ausfallen, sondern jede Institution muss mit ihrem Umfeld diese Fragen für sich beantworten. Dies macht es heute für viele Bibliothekarinnen und Bibliothekare so schwierig, ihre Institution weiterzuentwickeln. Hier bedarf es sicher in Zukunft auch mehr Mut zum Risiko mit der Gefahr, dass bestimmte Pläne auch scheitern. So komplex sich die Problemlagen für Öffentliche Bibliotheken darstellen, so undurchsichtig ist die Struktur dieser Lernwelt für Außenstehende. Zwar kooperieren Öffentliche Bibliotheken vielfältig mit anderen Institutionen, doch scheint das traditionelle Bibliotheksbild noch immer die Perspektive der Anderen zu prägen. Es gelingt bislang nur sehr langsam die Vielfalt und die Veränderungen im Bibliotheksbereich in der Breite nach außen zu vermitteln. Manche Diskurse bleiben im selbstreferentiellen Rahmen einer Wohlfühl-Community, die sich lieber im heimatlichen Hafen über die eigene Bedeutung austauscht als sich mit ihren Kompetenzen auf die Fahrt über die raue See der Gestaltung einer zukünftigen Bildungslandschaft macht. Mit dem vorliegenden Band soll der Versuch unternommen werden – und mehr kann es nicht sein –, die beiden Perspektiven Innensicht und Außensicht zu moderieren. Das heißt, es geht auf der einen Seite darum, aktuelle Entwicklungen bezogen auf Konzeptionen der inhaltlichen Ausrichtung von Öffentlichen Bibliotheken in Bezug auf Lernwelt aufzuzeigen, aktuelle Entwicklungen von Raumstrukturen in den Blick zu nehmen, Anforderungen an das Personal zu identifizieren usw., auf der anderen Seite geht es darum, die Entwicklungen so darzustellen, dass sie für Diskurse in anderen Bildungsbereichen anschlussfähig sind. Was der Band nicht leisten kann, ist eine theoretische Unterfütterung der Lernwelt Öffentliche Bibliothek. Die Fragen, welche lerntheoretischen Konzepte einer Bibliothekspädagogik und Bibliotheksdidaktik zugrunde liegen, welche raumtheoretischen Überlegungen die Basis für die Entwicklung von Bibliotheksräumen bilden, welches professionstheoretische Verständnis der Beschreibung von aktuellen Professionsprofilen Orientierung liefert oder welcher organisationstheoretische Zugang eine dichte Beschreibung der Struktur von Öffentlichen Bibliotheken liefert, müssen hier offenbleiben. Es steht aber im Raum, dass diese Theoriearbeit teilweise noch geleistet werden muss. Um eine bessere Übersichtlichkeit zu gewährleisten ist der Band thematisch in fünf Themenfelder unterteilt. Der Band beginnt mit den historischen und gesellschaftlichen Kontexten, wendet sich dann Angebots- und Vermittlungskonzepten zu, um anschließend Lernort- und Raumkonzepte genauer in den Blick zu nehmen. Der Blick in relevante Kooperationsfelder soll die Vielfalt der Bezüge im Bildungsbereich deutlich machen. Perspektiven sollen Anreiz für die Diskussion über die Zukunft der Lernwelt Öffentliche Bibliothek bieten.
Einleitung
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Historische und gesellschaftliche Kontexte In dem Beitrag Gesellschaftliche Veränderungsprozesse und Lebenslanges Lernen – Verortung Öffentlicher Bibliotheken im Bildungsdiskurs (Richard Stang) werden gesellschaftliche und technologische Entwicklungen sowie das Konzept des Lebenslangen Lernens in den Blick genommen und darauf hin abgeklopft, welche Auswirkungen diese auf die Positionierung Öffentlicher Bibliotheken haben. Es werden Hinweise gegeben, wie die Rolle Öffentlicher Bibliotheken in der Zukunft aussehen könnte, und Beispiele präsentiert, die aufzeigen, welche Relevanz eine Neuausrichtung hat. Dabei wird deutlich, dass sich die Lernwelt Öffentliche Bibliothek verändert positionieren muss, um in einer zukünftigen Bildungslandschaft eine Rolle spielen zu können. Dass Bibliotheken schon immer Wandlungsprozessen unterworfen waren, wird im Beitrag Lernort als Leitbild – Öffentliche Bibliotheken im Wandel (Konrad Umlauf) aufgezeigt. Dabei werden die Perspektiven „Bibliothek als Kultureinrichtung“ und „Bibliothek als Lernort“ unter einer historischen Perspektive vermessen. Es werden Entwicklungslinien aufgefächert und das Problem thematisiert, dass sich nach wie vor einige Bibliotheken mit dem Leitbild Lernort schwertun, auch wenn es auf vielen Ebenen propagiert wird. Die (möglichen) Kundinnen und Kunden sollten im Zentrum der Aktivitäten von Öffentlichen Bibliotheken stehen. Eine Darstellung, um welche Zielgruppen es sich dabei handelt, steht im Fokus des Beitrags Zielgruppen Öffentlicher Bibliotheken – Bestandsaufnahme und Herausforderungen (Frauke Schade). Auf der Basis aktueller Nutzungsstrukturen werden Optionen der Ansprache der verschiedenen Zielgruppen aufgezeigt, aber auch auf Schwierigkeiten hingewiesen, die es bezogen auf einzelne Zielgruppen gibt.
Angebots- und Vermittlungskonzepte Der Frage, wie Bildungsarbeit in Bibliotheken kontextualisiert ist, wendet sich der Beitrag Zur Etablierung einer Bibliothekspädagogik –Professionalisierung der Bildungsarbeit von Öffentlichen Bibliotheken (Kerstin Keller‐Loibl) zu. Neben begrifflichen Klärungen werden Ziele, Zielgruppen und Arbeitsfelder der Bibliothekspädagogik aufgefächert und Zukunftsperspektiven eröffnet. Dabei wird auch auf die Bedeutung der Qualifikation des Personals hingewiesen. Der Beitrag Dimensionen der Learning und Teaching Library – Veränderung von Lehr-Lernkontexten in Öffentlichen Bibliotheken (Wilfried Sühl-Strohmenger) weitet den Blick über die Öffentlichen Bibliotheken hinaus auf die Wissenschaft-
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Richard Stang und Konrad Umlauf
lichen Bibliotheken und stellt Zugänge für die Gestaltung von Lehren und Lernen im bibliothekarischen Kontext vor. Dabei wird auch die Relevanz der Vermittlung von Informationskompetenz und des Lehr-/Lernorts Öffentliche Bibliothek herausgestellt. Die Perspektive der Leseförderung als ein wichtiger Bestandteil bibliothekarischer Bildungsarbeit wird in dem Beitrag Das Spiralcurriculum als Eckpfeiler – Optionen für eine bibliotheksdidaktische Grundlegung (Gudrun Marci-Boehncke) beleuchtet. Anhand von Beispielen werden Dimensionen des Spiralcurriculums aufgefächert. Wichtige Aspekte sind darüber hinaus das Verhältnis von Lehrkräften in Schulen sowie Bibliothekarinnen und Bibliothekaren und wie die Zusammenarbeit positiv gestaltet werden kann. Um ein Entwicklungsfeld bibliothekspädagogischer Arbeit geht es im Beitrag Lernbegleitung und Lerncoaching – Neue Perspektiven für Öffentliche Bibliotheken (Eva-Maria Singer und Astrid Diwischek). Mit Bezug auf konkrete Beispiele werden Perspektiven für eine zukünftige Rolle der Öffentlichen Bibliotheken bei der Unterstützung von Lernenden aufgezeigt. Dabei wird auch deutlich gemacht, wie wichtig Weiterqualifizierung in diesem Kontext für Bibliothekarinnen und Bibliothekare ist. Wie in der Praxis mit den vielfältigen Herausförderungen umgegangen werden kann, wird im Beitrag Bibliothekspädagogische Praxis – Herausforderungen für die Konzeptentwicklung (Bernd Schmid-Ruhe) aufgezeigt. Organisationskontexte und Personalentwicklung sind dabei genauso im Fokus wie Fragen der inhaltlichen Gestaltung und der Vernetzung mit anderen Akteurinnen und Akteuren, wobei von besonderer Bedeutung ist, wie die unterschiedlichen Interessen moderiert werden, um in der kommunalen Bildungslandschaft ein ansprechendes Angebot zu verankern.
Lernort- und Raumkonzepte Die Frage, welche Relevanz der Lernort Öffentliche Bibliothek auch in seiner physischen Präsenz hat, wird im Beitrag Zur Relevanz physischer Verortung – Raumund Zonierungskonzepte für Öffentliche Bibliotheken (Konrad Umlauf und Richard Stang) unter der Perspektive der Entwicklung des Lernortes beleuchtet. Gruppierung von Möbeln und Zonierung von Räumen wird ein besonderes Augenmerk gewidmet. Auch die Präsentation von Medien spielt in diesem Kontext eine Rolle. Anhand von Beispielen werden unterschiedliche Konzepte der Gestaltung vorgestellt.
Einleitung
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Makerspaces sind in den letzten Jahren zu einer Folie für räumliche Veränderungen in Bibliotheken geworden. Der Beitrag Be a Maker, not a Taker! – Der Makerspace der Stadtbibliothek Köln als Lernort (Hannelore Vogt und Judith Petzold) vermisst am konkreten Beispiel die Optionen eines solchen Konzeptes und zeigt auf, wie sich Öffentliche Bibliotheken durch ein spezifisches Beteiligungsangebot in der Medienlandschaft neu verorten können. Öffentliche Bibliotheken reagieren auf die Digitalisierung aller Lebensbereiche unter anderem damit, ihre elektronischen Angebote auszubauen. Der Beitrag Digitale Lernoptionen als Add On – Perspektiven für neue Angebotskonzepte (Richard Stang) lotet die Möglichkeiten und Grenzen aus und zeigt auf, wie solche Angebote zum Gewinn für eine kommunale Bildungsinfrastruktur werden können. Wie sich Öffentliche Bibliotheken im kommunalen Kontext mit veränderten Rauminszenierungen als Lernort positionieren können, zeigt der Beitrag Flexible Lernraumoptionen als Chance – Zur konzeptionellen und räumlichen Gestaltung des Lerntreffs Trier (Rudolf Fries) am konkreten Beispiel. Dabei wird auch deutlich, welche Potenziale im Institutionenverbund von Volkshochschule und Bibliothek liegen, wenn die Bedürfnisse potentieller Nutzerinnen und Nutzer in den Blick genommen werden.
Kooperationsfelder Die Kooperationsstruktur bezogen auf Lernen beginnt in Öffentlichen Bibliotheken bereits im Elementarbereich. Wie sich diese gestaltet, wird im Beitrag Erste Schritte begleiten – Frühkindliche Bildung und Öffentliche Bibliotheken (Susanne Brandt) entfaltet. Anhand von sechs inhaltlichen Bereichen wie Sprache und Sprechen, Lebenspraktische Kompetenz/Kulturelle Teilhabe vor Ort, Musischästhetische Bildung, Ethik (Religion/Philosophie), Bewegung sowie Natur und Umwelt werden Angebotsformen und Kooperationsmodelle vorgestellt. Die Kooperation von Schulen und Öffentlichen Bibliotheken ist in den letzten Jahren nachhaltig intensiviert worden. Der Beitrag Wege einer Bildungspartnerschaft – Schulen und Öffentliche Bibliotheken (Kathrin Reckling-Freitag) stellt Vorschläge vor, die helfen sollen, solche Kooperationen zu gestalten. Ein wichtiger Aspekt wird auch hier in der Weiterbildung der Bibliothekarinnen und Bibliothekare gesehen. Unter der Lernperspektive sind Erwachsene noch nicht sehr intensiv im Blick der Öffentlichen Bibliotheken. Dass sich dieses verändert bzw. verändern sollte, steht im Fokus des Beitrags Erwachsene im Fokus – Kooperationsfeld Erwach-
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Richard Stang und Konrad Umlauf
senenbildung/Weiterbildung (Richard Stang). Vor allem mit Einrichtungen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung – mit denen es eine gemeinsame Geschichte gibt – kann die Zusammenarbeit intensiviert werden, um den Nutzerinnen und Nutzern neue Optionen zu eröffnen. Der demographische Wandel rückt immer stärker die Zielgruppe der Menschen im Alter von 60+ Jahren in den Blick von Bildungsinstitutionen. Auch für Öffentliche Bibliotheken bietet sich an, hier die Angebote zu erweitern, wie im Beitrag Lernen 60plus – Neue Optionen für Öffentliche Bibliotheken (Benno Homann) deutlich gemacht wird. Für Seniorinnen und Senioren bedarf es allerdings spezifischer Angebote, die teilweise noch entwickelt werden müssen.
Perspektiven Die Verortung der Öffentlichen Bibliotheken in der Bildungslandschaft ist vielfältig. Doch scheint sie konzeptionell nur punktuell unterfüttert zu werden. Im Beitrag Positionierungen neu gestalten – Veränderte Kontextualisierung Öffentlicher Bibliotheken (Konrad Umlauf und Richard Stang) werden Perspektiven eröffnet, wie sich Öffentliche Bibliotheken in Zukunft positionieren könnten. Auf der Grundlage der Reflexion der Wandlungsprozesse werden Optionen, aber auch Notwendigkeiten der Veränderung aufgezeigt. Die Lernwelt Öffentliche Bibliothek gestaltet sich vielschichtig. Dies sollte durch die verschiedenen Blickwinkel, die sich in den Beiträgen dieses Bandes finden, deutlich geworden sein. Die entscheidende Frage lautet nun, wie sich Öffentliche Bibliotheken in der Zukunft in der Bildungslandschaft verorten werden. Jede Bibliothek wird hier ihren eigenen Weg finden müssen. Wir hoffen, dass wir mit dem Band einige Orientierungshilfen liefern können, die dabei helfen. Letztendlich geht es darum, zu agieren und nicht zu reagieren. Die Chancen, die Zukunft der Bildungslandschaft in Deutschland mitzugestalten, waren für Öffentliche Bibliotheken selten so gut wie heute.
Literatur Eigenbrodt, O.; Stang, R. (Hrsg.) (2014): Formierungen von Wissensräumen. Optionen des Zugangs zu Information und Bildung. Berlin; Boston: De Gruyter Saur. Hanke, U.; Sühl-Strohmenger, W. (2016): Bibliotheksdidaktik. Grundlagen zur Förderung von Informationskompetenz. Berlin; Boston: De Gruyter Saur.
I Historische und gesellschaftliche Kontexte
Richard Stang
Gesellschaftliche Veränderungsprozesse und Lebenslanges Lernen Verortung Öffentlicher Bibliotheken im Bildungsdiskurs
Einleitung Technologische Veränderungen wie die verstärkte Digitalisierung aller Lebensbereiche haben in den letzten Jahren vor allem in den hochindustrialisierten Ländern zu gravierenden Entwicklungsprozessen geführt. Zwar wurde bereits in den 1970er Jahren unter dem Begriff der Postmateriellen Gesellschaft (Bell 1973) darauf hingewiesen, dass Wissen und Information zu den zentralen Ressourcen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung werden würden, doch zeigt sich heute – vierzig Jahre nach „Erfindung“ des Personal Computers – wie grundlegend der Umbau der Gesellschaft durch digitale Infrastrukturen ausgefallen ist. Mit dieser Entwicklung gingen auch unterschiedliche Zyklen gesellschaftlicher Formierungsprozesse bzw. Zuschreibungen einher. Wurde zunächst aus der Industriegesellschaft die Informationsgesellschaft (Nora/Minc 1979), folgte dann die Wissensgesellschaft (Stehr 1994) und die Netzwerkgesellschaft (Castells 2001). Auch wenn diese Begrifflichkeiten unterschiedliche Foki bezogen auf die Analyse der Gesellschaft haben, weisen sie doch alle in eine Richtung: Durch die Digitalisierung wird menschliches Agieren sowohl im sozialen als auch im Arbeitskontext zunehmend „entkörperlicht“ und die Bedeutung von geistigen Fähigkeiten, aus Informationen Wissen zu generieren und dieses dann zu kommunizieren, nimmt zu. Dies zeigt sich zum Beispiel in der modernen Arbeitswelt, die durch eine fortschreitende Informatisierung und Automatisierung gekennzeichnet ist. In der modernen Industrieproduktion wird durch das Voranschreiten der Roboterisierung der Mensch nicht mehr für die Produktion, sondern für die Planung und Kontrolle der Produktion gebraucht. Wir erleben eine zunehmende Marginalisierung körperlicher Arbeit in den westlichen Industrienationen, in dem diese nur schlecht entlohnt oder eben gleich in Länder ausgelagert wird, die noch an der Schwelle von einer agrar- bzw. industriegesellschaftlichen Formierung zur Formierung einer Informationsgesellschaft stehen. Damit einher geht eine gesellschaftliche Spaltung, eine Öffnung der Schere zwischen Menschen, die von diesen Veränderungen profitieren, und denjenigen, die den Wandel nicht positiv für sich gestalten können. Durch eine verstärkte Zuwanderung, die auch in Anbehttps://doi.org/10.1515/9783110590982-002
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tracht des demografischen Wandels notwendig ist, verstärken sich gesellschaftliche Problematiken und Marginalisierungsprozesse noch. Gleichzeitig verlieren einstmals stabile gesellschaftliche Leitbilder und Strukturen zunehmend an Bedeutung. Dies hat zur Folge, dass die gesellschaftliche Differenzierung nicht nur bezogen auf den ökonomischen Kontext zunimmt, sondern auch die Diversität individueller und milieuspezifischer Ausdrucks- und Kommunikationsformen, die auch durch die Digitalisierung vorangetrieben wird, zu einer verstärkten Segmentierung der Gesellschaft führt. Doch lassen sich diese gesellschaftlichen Veränderungsprozesse heute kaum noch eindeutig erklären und Zukunftsprognosen schwer ableiten, da die Faktoren, die diese Veränderungsprozesse beeinflussen, vielfältig geworden sind (Grunow 2017). Demografischer Wandel, zunehmende Individualisierung, gesellschaftliche Fragmentierung, fortschreitende Urbanisierung, zunehmende Mobilität, Digitalisierung aller Lebensbereiche, Veränderung der Arbeitswelt, Wissensbasierung der Wirtschaft, Bedeutungszuwachs von Bildung, zunehmende Migrationsbewegungen, Differenzierung der Lebensformen usw. kennzeichnen diese multifaktorielle gesellschaftliche Gemengelage, die für den Einzelnen nur noch schwer einzuordnen ist (Stang/Eigenbrodt 2014, 233–234). Aus diesen Veränderungen der Lebenswelten (Schütz/Luckmann 2003) ergeben sich große Herausforderungen für die Gesellschaft und auch für die Wirtschaft. Der Zugang zu Information und Bildung wird zur zentralen Kategorie für die Bewältigung dieser gesellschaftlichen Segregationsprozesse, die sich heute nicht nur in Städten, sondern auch in der Region zeigen, und der Anforderungen, die sich aus der ökonomischen Struktur ergeben. Lebenslanges Lernen wird für die Individuen zur Voraussetzung, um diese Veränderungsprozesse zu bewältigen. Gleichwohl ist das Bildungssystem derzeit noch in einer versäulten Struktur (Schule, Berufsbildung, Hochschule, Erwachsenenbildung/Weiterbildung) verhaftet, die es erschwert, flexibel auf die sich ständig verändernden Anforderungen zu reagieren (Stang 2016, 188–204). Doch nicht nur die Lebenswelten, sondern auch die Lernwelten sind gravierenden Wandlungsprozessen unterworfen (Stang 2016), die sich sowohl in der Gestaltung der einzelnen Bildungsbereiche als auch in der Gestaltung virtueller Lernszenarien abzeichnen (Thissen 2017). Gleichzeitig zeigt sich allerdings auch, dass die Digitalisierung des Lernens an ihre Grenzen stößt. Für Lernende ist nach wie vor der physische Raum ein wichtiger Bezugspunkt (Stang 2017). Welche physischen Räume in Zukunft die Lernwelten im Prozess des Lebenslangen Lernens prägen werden, ist offen. Sind es die traditionellen Einrichtungen oder neue Akteurinnen und Akteure wie zum Beispiel die Öffentlichen Bibliotheken? Zur Beantwortung dieser Frage soll im Folgenden deshalb das Konzept des Lebens-
Gesellschaftliche Veränderungsprozesse und Lebenslanges Lernen
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langen Lernens und die Positionierung der Öffentlichen Bibliotheken in den Blick genommen werden.
Lebenslanges Lernen als Rahmung Lebenslanges Lernen wird als Antwort auf die gesellschaftlichen Herausforderungen betrachtet (Rausch 2015, 11). Spätestens mit dem Memorandum für Lebenslanges Lernen (Kommission 2000) wurde auf europäischer Ebene eine Entwicklung in Gang gesetzt, die den Fokus der Bildungsdiskussion auf ein biographieorientiertes Verständnis von Lernen richtete. Damit wurden Diskussionen aus den 1970er Jahren wieder aufgegriffen, die unter den Begrifflichkeiten Recurrent Education oder Education permanente ebenfalls die Bildungsbiographie insgesamt im Blick hatten (Kraus 2001, 8). 1996 folgte dann die Studie Lifelong Learning for all (OECD 1996), die den Diskurs über die Notwendigkeit des Lebenslangen Lernens weltweit auf die bildungspolitische Agenda brachte. Diese verschiedenen internationalen bildungspolitischen Impulse führten dann dazu, dass in Deutschland die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung ein Strategiepapier für Lebenslanges Lernen in der Bundesrepublik Deutschland veröffentlichte (BLK 2004), in dem als Ziel folgendes ausgegeben wurde: Ziel der Strategie ‚Lebenslangen Lernens‘ ist es darzustellen, wie das Lernen aller Bürgerinnen und Bürger in allen Lebensphasen und Lebensbereichen, an verschiedenen Lernorten und in vielfältigen Lernformen angeregt und unterstützt werden kann. Lebenslanges Lernen bezieht alles formale, nicht-formale und informelle Lernen ein. Dabei wird ‚Lernen‘ verstanden als konstruktives Verarbeiten von Informationen und Erfahrungen zu Kenntnissen, Einsichten und Kompetenzen. (BLK 2004, 5, H.i.O.)
Bündelt man nun die Forderungen, die in den verschiedenen Papieren zum Lebenslangen Lernen formuliert wurden, lassen sich folgende Eckpunkte des Konzepts festmachen (Rausch 2015, 40): –– Alle Menschen sollen die gleichen Bildungs- und Lebenschancen haben, –– die Teilhabe am kulturellen Leben soll allen ermöglicht werden, –– die Öffnung der Bildungsinstitutionen soll realisiert werden, damit alle diese nutzen können, –– der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit soll gewährleistet werden, –– die Orientierung an selbstgesteuerten Lernprozessen, die auch außerhalb von Bildungsinstitutionen stattfinden können, soll in den Fokus rücken, –– die Förderung der Kompetenzentwicklung sowie
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Richard Stang
–– die Veränderung der Bildungsinstitutionen und -systeme sollen vorangetrieben werden. Zentrales Element in den Überlegungen, wie Bildungsstrukturen der Zukunft aussehen sollen, ist die Perspektive, den Blick auf Bildung und Lernen nicht mehr nur auf den formalen Bildungs- und Berufsbildungskontext einzuengen, sondern nicht-formale und informelle Lernkontexte in die strategische Ausrichtung von Bildungssystemen einzubeziehen. Dies hat dann auch Auswirkungen auf die Gestaltung von Lernprozessen, wie es Arnold und Rohs formulieren: Es geht um eine Veränderung der Sichtweise, bei der nicht mehr fertige Inhalte, sondern offene, individuelle Angebote der Beratung und Begleitung im Mittelpunkt stehen. Ziele sind dabei die Beratung und die Befähigung bei der Identifikation individueller Kompetenzen und Lernchancen sowie die Unterstützung bei der Planung, Umsetzung und Auswertung der damit verbundenen Lernprozesse. Im Mittelpunkt stehen damit keine konfektionierten Seminare, sondern die Lebenspraxis mit ihren Lernmöglichkeiten. Nicht das Seminar und der Lehrende sind der Nukleus des Lernprozesses, sondern der Lernende in der Auseinandersetzung mit sich und seiner Umwelt. (Arnold/Rohs 2015, 24)
Für die Entwicklung der Persönlichkeit, die Möglichkeit zur Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen und die Beschäftigungsfähigkeit werden im Laufe der Biographie unterschiedliche Ressourcen genutzt. Waren es lange die traditionellen Bildungseinrichtungen, die eine Bildungskarriere prägten, kommen heute verstärkt neue Akteurinnen und Akteure hinzu, die die Lernwelten prägen (Bibliotheken, Museen, Makerspaces etc.). Dabei wird die Trennung der verschiedenen Bildungsbereiche zunehmend obsolet (Elsholz 2004). Nicht nur mit den digitalen Medien, die einen fast unbegrenzten Zugriff auf Informationen ermöglichen, sondern auch mit Institutionen wie zum Beispiel die Bibliotheken, die zwar immer schon Bildungseinrichtungen waren, aber sich selten als solche profiliert haben, erweitert sich der Zugang zu Information und Bildung vor allem unter der Perspektive des selbstgesteuerten Lernens (Stang 2016, 37–40).
Öffentliche Bibliotheken im Kontext des Lebenslangen Lernens Öffentliche Bibliotheken sind zentrale Supportstrukturen für das Lebenslange Lernen. Dabei ist die Niedrigschwelligkeit des Zugangs von zentraler Bedeutung. In der deutschen Bildungslandschaft haben Bibliotheken heute vielfältige lokale, regionale und überregionale Aufgaben der Informationsversorgung sowie der
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Unterstützung von Lernenden (Plassmann et al. 2011; Umlauf/Gradmann 2012; Stang 2016, 97–119). Einhergehend mit der bildungspolitischen Diskussion über das Lebenslange Lernen wurde Anfang der 2000er Jahre auch im Bibliotheksbereich die Diskussion über eine neue Verortung in der Bildungsstruktur als Lernort intensiviert (Stang/Puhl 2001). Dies hat zu einer Verlagerung der Aktivitäten gerade im Hinblick auf die bildungsbezogenen Angebote geführt: Neben der Information und Allgemeinbildung dienen sie [die Öffentlichen Bibliotheken] der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung, der sinnvollen Gestaltung der Freizeit und im besonderen Maße der Leseförderung und Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz. Vielerorts sind sie zu Stätten der Kommunikation geworden, die sich, je nach ihren räumlichen Möglichkeiten, zu einem multimedialen und multikulturellen Treffpunkt mit Veranstaltungen aller Art entwickelt haben. (Seefeldt 2015, 19)
Angebote wie Einführung ins Internet, Grundlagen der Informationsbeschaffung oder die Förderung von Informations- und Medienkompetenz sowie Beratungsangebote zum Beispiel zur Informationsrecherche sind Elemente, die in den letzten Jahren zu einer Etablierung der Öffentlichen Bibliotheken vor allem im Bereich der non-formalen Bildung geführt haben. Parallel erhalten Öffentliche Bibliotheken zunehmend die Funktion eines Lernorts, in dem sie unterschiedlichste Lernplätze und Lernsettings zur Verfügung stellen. Damit einher geht eine Veränderung der Perspektive bezogen auf die Öffentliche Bibliothek als Ort: In der Zukunft bedeutet Bibliothek als Wissensraum der Informations-, Wissens- und Freizeitgesellschaft für die allermeisten Bibliotheken nicht mehr in erster Linie, Speicher oder Anbieter gedruckter oder anderer Medien zu sein. Die weltweit diskutierte Zielrichtung für die Bibliotheken der Zukunft ‚from collection to access and from preservation to communication‘ meint dabei ganz besonders den Ort. (Werner 2015, 95, H.i.O.)
Die Formierung Öffentlicher Bibliotheken als Lern- und Wissensräume (Eigenbrodt/Stang 2014) zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie neben den Medien und den Informations- und Beratungsangeboten Lernmöglichkeiten sowohl für das individuelle Lernen als auch das Lernen in Gruppen zur Verfügung stellen. Dadurch eröffnen sie informelle Lernoptionen, die von den Lernenden flexibel im Rahmen der Öffnungszeiten genutzt werden können. Erweitert werden diese durch neue infrastrukturelle Raumszenarien wie zum Beispiel die Einrichtung von Makerspaces, in denen individuelles und kollaboratives Lernen und Arbeiten mit neuesten Techniken unabhängig von Kursstrukturen möglich sind (Vogt/ Petzold 2018). Weltweit sind in den letzten Jahren vielfältige Anstrengungen unternommen worden, den (Lern-)Raum Bibliothek neu zu denken. So haben zum Beispiel Joch-
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umsen, Skot-Hansen und Hvenegaard-Rasmussen (2014) mit ihrem Vier-RäumeModell eine Vision von der neuen Öffentlichen Bibliothek entwickelt. Für sie spielen vier Dimensionen eine zentrale Rolle, die den Ort Öffentliche Bibliothek räumlich prägen. Es sind die Raumdimensionen Inspirationsraum, Lernraum, Treffpunkt und performativer Raum, die sich wie folgt strukturieren: –– der Inspirationsraum, in dem die Menschen begeistert werden und bedeutungsvolle Erfahrungen machen sollen, –– der Lernraum, in dem Menschen Dinge entdecken, Erkenntnisse gewinnen und Kompetenzen entwickeln können, –– der Treffpunkt, in dem Menschen sich mit anderen treffen, gemeinsam aktuelle Probleme diskutieren und entspannen können, und –– der performative Raum, in dem Menschen kreativ und künstlerisch aktiv werden können sowie Zugang zu Werkzeugen und Materialien zum Gestalten haben (Jochumsen et al. 2014, 70–77). Damit geht nach Jochumsen et al. auch eine Veränderung der Hauptaufgaben der Öffentlichen Bibliotheken einher. Es geht in Zukunft eben auch darum, Erlebnisse zu gestalten, Beteiligung zu ermöglichen, Empowerment zu fördern und Innovation anzustoßen. Dabei sehen sie auch die gesellschaftliche Relevanz dieser Neuausrichtung: Während sich die ersten beiden Ziele besonders auf die Wahrnehmung, Erlebnisse und Beteiligung des Individuums auf seiner Suche nach Bedeutung und Identität in einer komplexen Gesellschaft beziehen, unterstützen die anderen beiden gesellschaftliche Bestrebungen: Empowerment betrifft die Entwicklung von starken und unabhängigen Bürgern/ innen, die ihre Alltagsprobleme selbständig lösen können, Innovation hängt mit dem Finden neuer Antworten auf praktische Probleme oder der Entwicklung komplett neuer Konzepte, Methoden oder künstlerischer Ausdrucksformen zusammen. Beides ist für das Überleben von Staaten im globalen Wettbewerb entscheidend. Angesichts dessen ist es insbesondere interessant zu betrachten, wie Bibliotheken Kreativität und Innovation als Wettbewerbskräfte anregen und verstärken können. (Jochumsen et al. 2014, 70)
Die hier nur angedeuteten Optionen der Weiterentwicklung Öffentlicher Bibliotheken machen deutlich, welches Potenzial in der Neugestaltung bezogen auf die Etablierung der Öffentlichen Bibliothek als Lernort steckt. Seit ca. zehn Jahren sind hier auch gravierende Veränderungen bei der Gestaltung Öffentlicher Bibliotheken festzustellen (Stang 2014).
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Betrachtet man neuere Öffentliche Bibliotheken, wie das Dokk1 in Aarhus1, zeigt sich, dass die Ausrichtung der inhaltlichen Angebote an den Bedürfnissen der Bevölkerung zu einer fluiden Bibliotheksstruktur (Eigenbrodt 2014) führt. Die Übergänge zwischen Lern-, Arbeits- und Entspannungsflächen sind fließend; die Seminarräume im Haus können von Bürgerinnen und Bürgern gebucht werden oder sie können spontan genutzt werden, wenn sie frei sind; die Flächen für einzelne Zielgruppen wie Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind strukturiert, aber in den Übergängen offen. So entsteht aus der Bibliothek ein offener Treffpunkt (Hapel/Schulz 2015), der alle Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt und einen umfangreichen Support für Lebenslanges Lernen bietet. Die Bibliothek wird zum öffentlichen Diskursort, an dem die Themen der Stadt verhandelt werden. Sie liefert die Medien und die Räume, die Bürgerinnen und Bürger bringen ihr Engagement und ihre Interessen ein. Dokk1 grew out of the vision of an open, adaptable library, relevant to the need of the time; an inviting place, catering for active users and encouraging others to be active. Dokk1 offers a wide range of facilities for social activities, clubs and associations and networking. With its halls, study cells, project and teaching rooms, transformation spaces, media, café, and not least its informal, non-designated spaces, the building and its facilities offer an adaptable, energizing haven to all who seek knowledge, inspiration and personal development – an open and accessible learning environment that promotes democracy and a sense of community. (Hapel/Schulz 2015, 21)
Die hier von Hapel und Schulz aufgeführten Eigenschaften machen deutlich, in welche Richtung sich Bibliotheken in der Zukunft entwickeln könnten: als Treffpunkt, an dem alle wichtigen gesellschaftlichen Themen verhandelt werden; als Lernraum, in dem für alle Lernbedürfnisse flexibel nutzbare Ressourcen zur Verfügung stehen; als sozialer Raum, in dem Begegnungen und Kommunikation über die Generationen und Milieus hinweg stattfinden können.
Fazit In dem Maße, in dem sich technologische, gesellschaftliche und ökonomische Veränderungen vollziehen, in dem Maße wird die Bedeutung von Orten, die für Bürgerinnen und Bürger valide Informationen, Orientierung und Austausch bieten, zunehmen. Öffentliche Bibliotheken sind Orte der kommunalen/regionalen Gemeinschaft, die für alle Altersgruppen, sozialen Milieus sowie Menschen 1 Die folgenden Informationen stammen unter anderem von einem Besuch und einem Gespräch mit der Leiterin des Dokk1, Marie Østergård, am 08.08.2017.
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jeglicher Herkunft Angebote und Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, auch wenn es noch nicht gelungen ist, diese enorme Breite der Zielgruppen gleichermaßen erfolgreich anzusprechen. Mit digitalen Angeboten wie E-Books, E-Learning-Angeboten oder Open Educational Resources (OER) ermöglichen die Öffentlichen Bibliotheken auch den zeit- und ortsunabhängigen sowie meist kostenlosen Zugriff auf Bildungsressourcen (Stang 2018). Durch bibliothekspädagogische Aktivitäten (Keller-Loibl 2018; Sühl-Strohmenger 2018; Marci-Boehncke 2018) werden Lernende unterstützt, bis hin zur Begleitung von Lernenden (Singer/ Diwischek 2018). Im Kontext einer bildungsorientierten Stadt- bzw. Regionalentwicklung sind Öffentliche Bibliotheken zentrale Ankerpunkte, deren Nutzung allen offen steht. Diese Funktion erfüllen sie umso mehr, wenn sie sich eng mit anderen Bildungseinrichtungen wie Schulen oder Institutionen der Erwachsenen/Weiterbildung vernetzen. Die Etablierung von Bildungs- und Kulturzentren in einigen Kommunen, in denen Bibliotheken mit anderen Bildungs- und Kulturpartnern auch räumlich eng zusammenarbeiten, sind sicher ein Ausdruck für eine Anpassung an die gesellschaftlichen Herausforderungen (Stang 2016, 155–176). Blickt man nun auf die Herausforderungen, die sich aus den Wandlungsprozessen unserer Lebenswelten ergeben, wird deutlich, dass sich auch die Lernwelten wandeln müssen, um flexibel reagieren zu können. Die Neugestaltung des Optionsraumes Lebenslanges Lernen (Stang 2016, 202–204) wird eine der großen Herausforderungen der Zukunft werden. Welche Position Öffentliche Bibliotheken in diesem Optionsraum einnehmen werden, hängt auch davon ab, wieweit sie bzw. die Bibliothekarinnen und Bibliothekare bereit sind, sich aktiv in den Bildungsdiskurs einzubringen und Konzepte zu entwickeln, die flexibel an die sich ändernden Herausforderungen angepasst werden können. Die Lernwelt Öffentliche Bibliothek wird sich verändert positionieren müssen, um im Bildungsdiskurs eine Rolle spielen zu können.
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Lernort als Leitbild Öffentliche Bibliotheken im Wandel
Einleitung Die Öffentliche Bibliothek als Lernwelt zu verstehen ist ein pädagogischer Anspruch. Und von einem pädagogischen Impetus wurden die Öffentlichen Bibliotheken – oder die Volksbüchereien, wie man sie bis in die 1960er Jahre meistens nannte – getragen. Aber von diesem frühen pädagogischen Selbstverständnis her konnte kein Weg zum Verständnis der Bibliothek als Ort selbstgesteuerten Lernens führen. Erst über mehrmalige Wandel des Selbstverständnisses und des Profils Öffentlicher Bibliotheken führte die Entwicklung zu den aktuellen Lernwelten Öffentlicher Bibliotheken.
Die Bibliothek als Informationspool Das bibliothekarische Selbstverständnis des Personals an Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland war bis in die 1950er Jahre von sozialpädagogischen, auf die Vermittlung nebuloser Werte des „Echten“ zielenden Ansprüchen geprägt, die bei teilweise tiefen Gegensätzen doch so viel gemeinsam hatten, dass erstens der freie Zugang der Leserinnen und Leser zu den Bücherregalen die Ausnahme blieb – die Bibliothekarin bzw. der Bibliothekar, in der Praxis fast immer eine Bibliothekarin, sollte durch individuelle Empfehlung der Leserin und dem Leser den Weg vom Kitsch zur Kunst weisen – und dass zweitens die Moderne in der Literatur kaum Eingang in die Bestände fand. Im Buchangebot dominierten der bürgerliche Realismus des 19. Jahrhunderts und seine Epigonen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In der DDR setzte sich erstaunlicherweise dieses Selbstverständnis fort, nur, dass jene nebulosen Werte durch scharf konturierte ideologische Ansprüche des SED-Staats ersetzt wurden. Erst in den 1960er Jahren wurde in der alten Bundesrepublik diese Art von Büchereipädagogik vollständig überwunden. Erst jetzt war überall die Freihandaufstellung realisiert, das heißt die Benutzerinnen und Benutzer konnten selbst ans Regal treten und Nachschlagewerke, Lehrbücher, Ratgeber, Reiseführer, Romane oder Schallplatten und Hörkassetten aus dem Regal nehmen. Auf dem Hintergrund einsetzender Bildungsreformen, der Ablösung der restaurativen https://doi.org/10.1515/9783110590982-003
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politischen Kultur der Adenauer-Ära durch einen emanzipatorisch-technokratischen Optimismus verstanden sich die Öffentlichen Bibliotheken als Informationszentrum, weiteten die Sach- und Fachbuchbestände massiv aus, abonnierten zahlreiche Zeitschriften und Zeitungen und wollten vor allem umfassend – ein nie zu realisierender Anspruch – die Informationsbedürfnisse der gesamten Bevölkerung […] für die Teilnahme am öffentlichen Leben, bürgerschaftliches und politisches Engagement, schulische und berufliche Ausbildung, Berufsausübung, berufliche Fort- und allgemeine Weiterbildung, Persönlichkeitsentwicklung und Sinnorientierung, Alltagsmanagement, Hobby und Freizeit, wissenschaftlich orientierte Betätigung (Bibliotheken ’93 1994)
befriedigen, wie es die bibliothekarischen Verbände 1994 zusammenfassend formulierten. Im Wesentlichen bis Mitte der 1970er Jahre fand eine beispiellose quantitative Ausweitung (Zahl der hauptamtlichen Bibliotheken sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Umfang der Bestände) statt (Umlauf 2001b). Dann setzten auf dem Hintergrund des schwächer werdenden Wirtschaftswachstums und der kommunalen Sparhaushalte Stagnationen und Umorientierungen ein.
Die Bibliothek als kulturelle Einrichtung In irgendeiner Bedeutung haben sich Öffentliche Bibliotheken immer auch als Kultureinrichtungen verstanden, und sei es nur, weil sie in den Organigrammen ihrer Träger meistens im Kulturressort erscheinen. Kübler stellte noch 1994 die kulturellen Aufgaben der Öffentlichen Bibliothek in den Kontext der „gemeinschaftlichen, demokratisch kontrollierten Kultur“ (Kübler 1993, 88) und knüpfte damit an aus den 1970er Jahren stammende Konzepte an, die eine Demokratisierung der Kultur durch selbstorganisiertes künstlerisches Schaffen und ebenso eine Demokratisierung der Gesellschaft durch Kultur anstrebten (Wingert 2014, 16). Programmatisch formulierte Hilmar Hoffmann, der langjährige Frankfurter Kulturdezernent dieses Verständnis in seinem viel zitierten Buch Kultur für alle (Hoffmann 1979). Indessen erscheinen die Öffentlichen Bibliotheken darin gemeinsam mit den Volkshochschulen unter der Überschrift Weiterbildung. Dass in kultur- und bibliothekspolitischen Debatten Kultur und Bildung oft nicht klar voneinander abgegrenzt werden, zeigt der Kulturförderplan Nordrhein-Westfalen 2016–2018 auf Basis des Kulturfördergesetzes des Bundeslandes. Darin sind 500.000 Euro vorgesehen, die den Öffentlichen Bibliotheken zum Ankauf von Medien für Migrantinnen und Migranten zur Verfügung gestellt werden sollen (Pilzer 2016) – eine Maßnahme, die ebenso gut oder eher als Bildungsmaßnahme
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verstanden werden kann. Besonders in den 1990er Jahren betonten etliche Bibliothekspraktiker und -praktikerinnen die kulturvermittelnden Aufgaben der Öffentlichen Bibliothek (besonders prägnant: Wolf-Hauschild 1993; Jouly 1992; Jouly 1993; Nagl 1988). Kaum reflektiert wurde die Verortung der Kulturarbeit im Dienstleistungsportfolio der Bibliotheken: Veranstaltungen als Instrument der Öffentlichkeitsarbeit oder um ihres kulturellen Eigenwerts willen (Umlauf 2017)? Schon die Denkschrift des Deutschen Bibliotheksverbands aus 1989 stellte die kulturellen Funktionen der Bibliothek heraus, die sich besonders in Veranstaltungen niederschlagen (Öffentliche Bibliothek 1989). Ob sich die verstärkte Fokussierung der Kulturarbeit auf eine Empfehlung des Deutschen Städtetages (Bibliotheken in der Kulturarbeit der Städte 1987) zurückführen lässt, sei dahingestellt. Die Dozentinnen und Dozenten in bibliotheksbezogenen Studiengängen präsentierten Konzepte, wie Kulturmanagement in ihre Studiengänge integriert wird (Harbo 1993; Sütheö 1993; Cropper 1993). Praktische Folge jener Konzepte für die Öffentlichen Bibliotheken waren einerseits eine verstärkte Veranstaltungsarbeit, andererseits die häufigere Unterbringung von Bibliotheken im selben Gebäude mit Einrichtungen der Stadtteilkulturarbeit (Wingert 2014).
Die Bibliothek als Lernort Ansätze der Profilierung Die oben erwähnte Denkschrift des Deutschen Bibliotheksverbands betonte freilich stärker noch als die kulturellen Funktionen die Bildungsaufgaben (Öffentliche Bibliothek 1989). Sie wurden hier indessen allein auf den Medienbestand bezogen: Medien für Schule, Ausbildung, Beruf, gesellschaftliches und politisches Leben sowie für höhere Freizeitansprüche. Schneider sah gar die Öffentlichen Bibliotheken am Scheideweg: Nur die Priorisierung der Medienangebote für die Bürgerinformation und die Ausbildung könne ihre Zukunft sichern (Schneider 1993). Diese Strategie praktizierte der Direktor der Stadtbibliothek Lübeck, später der Amerika-Gedenkbibliothek Berlin, Klaus Bock, mit bemerkenswerten Ausleiherfolgen: Die Öffentliche Bibliothek solle in erster Linie den medialen Schülerinnen- und Schülerbedarf bedienen, andere Sach- und Fachliteratur sei zweitrangig, Schöne Literatur nachgeordnet (Bock 1985). Auf diesem Hintergrund überraschte, dass Umlaufs polemischer Zwischenruf Schluss mit der Volksbespaßungsanstalt, mit dem er nichts Anderes forderte als die klare Ausrichtung der Öffentlichen Bibliothek auf Bildungsaufgaben (Umlauf 1997), eine lebhafte Kont-
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roverse unter Bibliothekarinnen und Bibliothekaren auslöste. Von der Bibliothek als Lernort war dabei noch nicht die Rede. Das meiste von dem, was in Deutschland in den 1990er Jahren als neue Rolle der Öffentlichen Bibliotheken für informelles Lernen und Unterstützung des formalen Lernens beschrieben wurde, nahm 1976 in den USA Margaret Monroe vorweg: Die neue Rolle der Öffentlichen Bibliotheken gegenüber dem Lebenslangen Lernen dürfe sich nicht darauf beschränken, entsprechende Medien in den Bestand aufzunehmen (Monroe 1976). Vielmehr müsse das Dienstleistungsspektrum erweitert werden um: –– Lernberatung, –– Kooperation mit Bildungseinrichtungen, –– Koordination der lokalen Akteurinnen und Akteure, die sich auf dem Feld des Lebenslangen Lernens engagierten, –– Angebote, die den verschiedenen Lernsituationen und Lernstilen der Benutzer entsprächen.
Auf dem Weg zum Lernort Erst spät begannen die Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland, sich explizit als Lernort zu verstehen. Die Datenbank Library and Information Science Abstracts verzeichnet den frühesten Beitrag, der eine Bibliothek als Lernort beschreibt, für das Jahr 1980 (Burkhardt 2000): Die Schulbibliothek des Kaufmännischen Schulzentrums in Böblingen wurde zum Lernort, indem Lernziele und die Rolle der Lehrerinnen und Lehrer neu definiert wurden. Die Schulbibliothek wurde im Curriculum verankert. Ab 2006 erscheinen fast jedes Jahr mehrere Beiträge, die Bibliotheken als Lernort verstehen. Bereits 1999 gab eine Tagung der ekz.bibliotheksservice GmbH und des Berufsverbands der Bibliothekarinnen und Bibliothekare an Öffentlichen Bibliotheken einen Impuls, Öffentliche Bibliotheken als Lernzentren zu gestalten (Dinebier/Feierabend 1999). Ein anderer früher Impuls, der die Idee des Lernorts Bibliothek propagierte, war das Seminar der Bibliothekarischen Auslandsstelle „Die Bibliothek als Ort des lebenslangen Lernens“ (Juli/August 1996 in Birkach bei Stuttgart). Der britische Bibliothekar John Allred führte aus, dass in fast jeder Öffentlichen Bibliothek in Großbritannien Offene Lernzentren bestünden. Durchschnittlich habe jedes Lernzentrum etwa 140 Lernpakete im Bestand. Aber es bedürfe einer guten Beratung, damit die Benutzerinnen und Benutzer die für ihren Bedarf und ihren Lernstil geeigneten Lernpakete fänden (Allred 1997). Derartige Ideen – ein Dienstleistungsportfolio, das nicht nur Lernmedien, sondern darüber hinaus Lernberatung umfasst und Lernarrangements in der Bibliothek provoziert – erprobte erstmals in Deutschland das
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Projekt Entwicklung und Förderung innovativer weiterbildender Lernarrangements in Kultur- und Weiterbildungseinrichtungen des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung an der Stadtbücherei Stuttgart 1999–2002 (Stang/Puhl 2001).
Projekte und Initiativen Es folgten zahlreiche weitere Projekte und Initiativen. Schließlich löste der PISASchock des Jahres 2000 eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Öffentlichen Bibliotheken aus. In zahlreichen Bundesländern bestehen Kooperationsverträge zwischen Schulministerien und Bibliotheksverbänden. Die Initiative Bildungspartner NRW1 startete 2005 und soll die Zusammenarbeit von Schulen mit außerschulischen Bildungseinrichtungen fördern. In 2017 bestehen Kooperationen zwischen Öffentlichen Bibliotheken und rund 1.000 Schulen. Pro Jahr nehmen über 150.000 Schülerinnen und Schüler an den Maßnahmen teil. Die Maßnahmen umfassen Einführungen in die Bibliotheksbenutzung, Recherchetraining, Lesefördermaßnahmen, Medienboxen, Autorenlesungen u.a.m. (Arens 2011). Unterentwickelt dagegen ist die spartenübergreifende Zusammenarbeit bei Angeboten für Schulen oder wenigstens die Koordination der Angebote, die von Öffentlichen Bibliotheken ebenso wie von Hochschulbibliotheken (für die gymnasiale Oberstufe) gemacht werden. Stadtbücherei und Universitätsbibliothek Regensburg entwickelten 2010 eine Kooperation zum gemeinsamen Aufbau eines modularisierten Angebots für Schulen (Schwarz et. al. 2010). Vielerorts wurden Modelle für Veranstaltungen zur Vermittlung von Lese-, Medien- und Informationskompetenz entwickelt, teilweise in Zusammenarbeit zwischen Pädagoginnen und Pädagogen sowie Bibliothekarinnen und Bibliothekaren. Auch Schulbibliotheken bzw. -mediotheken wurden mancherorts ins Leben gerufen oder modernisiert und aufgewertet. Schneiders Empfehlung, dass die Öffentlichen Bibliotheken sich vom Konzept eines ortsfesten Informationszentrums verabschieden und sich stattdessen als notwendiges Lernumfeld der Schule profilieren sollten, fand indessen kaum Umsetzung in der Praxis (Schneider 2007). Ebenso griffen die Öffentlichen Bibliotheken zwar das Konzept des Lebenslangen Lernens auf (Stang 2010), aber mehr um ihre Praxis mit überschaubaren Akzentverschiebungen zu legitimieren als um neue Konzepte zu entwickeln. Als Beispiel für Maßnahmen der Leseförderung, die auf die Kombination von elektronischen mit Printmedien setzen, sollen die Angebote der Stadtbibliothek Bremen angeführt werden: Benutzung von Nachschlagewerken in Print- und elek1 http://www.bildungspartner.schulministerium.nrw.de/Bildungspartner/index.html
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tronischer Form, Internetrecherche, ein Spieltisch mit offline installierten Computerspielen im Zentrum der Kinderbibliothek (Miedtke 2009). 2004 erneuerte die Stadtbibliothek Münster das Konzept ihrer Klassenführungen, die bis dahin weitgehend Frontalunterricht waren, mit dem Element des Spiralcurriculums und entwickelte Bausteine, die auf Methodenwechsel und Aktivierung der Teilnehmenden je nach Klassenstufe setzen: Arbeit im Stuhlkreis, in Kleingruppen, (Bewegungs-)Spiele, Bilderbuchkino, Recherche-Übungen u.a.m. (Klempnauer 2007). Das Bundesministerium für Bildung schrieb 2012 das Programm Kultur macht STARK – Bündnisse für Bildung aus. Der Borrromäusverein – der Fachverband der katholischen kirchlichen Öffentlichen Bibliotheken – beteiligt sich mit dem Projekt Ich bin ein LeseHeld (www.ich-bin-ein-leseheld.de). Es soll in Kooperation von Bibliotheken und anderen Akteuren (z.B. Feuerwache, Winzerkeller) Lesefördermaßnahmen für bildungsbenachteiligte Jungen zwischen vier und zehn Jahren durchführen. Im Mittelpunkt stehen das Vorlesen von Abenteuergeschichten durch männliche Vorleser und anschließende Aktionen, die den Stoff spielerisch umsetzen (Fritz 2014). 2005 stellte Ochudlo-Höbing fest, dass E-Learning noch nicht zu einem Standard-Angebot Öffentlicher Bibliotheken geworden ist (Ochudlo-Höbing 2005). Nach einer Untersuchung von Umlauf hat sich daran bis 2016 nichts geändert (Umlauf 2016). Weniger als 18 Prozent der Öffentlichen Bibliotheken (je nach Größenklasse unterschiedlich) bieten den Benutzerinnen und Benutzern digitale Sprachkurse oder digitale Lernkurse oder Videotutorials an. Ein frühes Beispiel für die systematische Einbeziehung digitaler Lernmedien in das Angebot Öffentlicher Bibliotheken ist das Projekt e-lernBar der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (Ochudlo-Höbing 2005). Sie begann in 2004, elektronische Lernressourcen für Jugendliche ab 14 Jahren zur Verfügung zu stellen: Sprach-Lernprogramme, E-Learning-Angebote zu allen Schulthemen, zu berufsbegleitenden Fragestellungen, zu Computer-Spielen und zur politischen Weiterbildung. Ergänzt wurden die Ressourcen durch Angebote zur Vermittlung von Informationskompetenz. Der Aspekt des Lernorts stand nicht im Zentrum, doch konnten die Ressourcen unter Beratung auch in der Bibliothek genutzt werden. Das Projekt wurde als Lernzentrum im Zusammenhang mit der Kinder- und Jugendbibliothek verstetigt.
Lernort als Leitbild Indessen lassen sich nur wenige Beispiele für die Integration des Motivs Lernort in Bibliotheksleitbilder finden. Im Leitbild der Öffentlichen Bibliotheken in Baden-Württemberg aus 2003 werden diese Bibliotheken ausdrücklich als Lernort angesprochen (Leitbild 2003). Auch im Leitbild der Öffentlichen Bibliotheken im
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Land Brandenburg werden diese explizit als Lernorte und als Orte des Lebenslangen Lernens dargestellt (Leitbild 2004a), ebenso im Leitbild für die Berliner Öffentlichen Bibliotheken (Leitbild 2004b). Ähnlich spricht der Bibliotheksentwicklungsplan für die Öffentlichen Bibliotheken im Freistaat Thüringen diese als Lernorte an, die „selbst organisiertes Lernen für den Einzelnen und in Gruppen“ ermöglichen (Bibliotheksentwicklungsplan 2015). Die Stadtbibliothek Bremen versteht sich in ihrem Leitbild als „Ort des lebensbegleitenden Lernens“ (Unser Leitbild 2011). Als „Lernort für Kinder und Jugendliche“ und als „Partnerin für Bildungseinrichtungen“ bezeichnet sich die Münchner Stadtbibliothek (Leitbild o.J.). Als letztes Beispiel soll das Leitbild der Stadtbibliothek Chemnitz zitiert werden; sie versteht sich als „Ort des lebensbegleitenden Lernens“ (Leitbild der Stadtbibliothek Chemnitz o.J.). Sowohl in den genannten Leitbildern wie auch im Bibliotheksentwicklungsplan Thüringen ist das Motiv des Lernorts eingebettet in das breite Spektrum weiterer Funktionen der Öffentlichen Bibliotheken von Informationsdienstleistungen bis zur Bibliothek als kulturellem Ort. Im Ergebnis kann man festhalten, dass die Funktion der Öffentlichen Bibliothek als Lernort und Bildungseinrichtung nicht in der Praxis aller Bibliotheken umgesetzt wird, aber doch im Selbstverständnis und in ministeriellen Verlautbarungen präsent ist. In Politikerreden wird das gewandelte Selbstverständnis zurückgespiegelt, prägnant beispielsweise im Grußwort des Bayerischen Staatsministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst zur Eröffnung des Bayerischen Bibliothekstags 2012: Vor allem aber sind sie [die Öffentlichen Bibliotheken] herausragende Bildungseinrichtungen, die lebenslanges Lernen ermöglichen. Die Schulen haben in den öffentlichen Bibliotheken starke Partner, wenn es darum geht, Lesekompetenz zu entwickeln. (Heubisch 2012)
Anspruch und Praxis Um den Anspruch in der Praxis wirksam werden zu lassen, müssen zielgerichtet folgende Handlungsfelder bespielt werden: –– Der Bestand muss in beträchtlichem Maß geeignete Medien umfassen. Insbesondere müssen einschlägige Netzpublikationen einbezogen und freie Ressourcen, soweit sie einer bibliothekarischen Qualitätsprüfung standhalten, verlinkt werden. Hierfür fehlt es bislang an Kooperationsstrukturen. –– Flächen und Möbel zur Nutzung als Lernort für Individuen und Gruppen müssen in ausreichendem Maß und geeigneter Form zur Verfügung stehen: Kombinationen von Einzelarbeitsplätzen mit Gruppenarbeitsräumen, spiele-
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rische Wissenslandschaften, Sitzkreisel, Raummöbel, Raumzellen, die durch transportable Raumteiler gebildet werden, u.a.m. (Werner 2016). Überall muss WLAN-Empfang möglich sein, vielerorts müssen Steckdosen das Aufladen der mobilen Endgeräte, Tablets und Laptops der Benutzer erlauben. –– Kooperation mit Bildungseinrichtungen. Die Kooperationen müssen strategisch geplant, gepflegt und in einem aktiven Partnerschaftsmanagement bewertet werden (Vonhof 2016). –– Management. Leitung und das gesamte Team müssen die Umprofilierung tragen und vorantreiben. Bei organisatorischen Verschränkungen mit Partnereinrichtungen wie etwa einer Volkshochschule sind in beiden Einrichtungen Maßnahmen der Personalentwicklung erforderlich. –– Es braucht übergreifende institutionelle Strukturen wie zum Beispiel Kooperationsvereinbarungen auf Landesebene oder Zielvorgaben auf kommunalpolitischer Ebene. Für die Trägerinnen bzw. Träger der beteiligten Einrichtungen muss erkennbar sein, dass ihre Konzepte in die Strategie der Trägerin bzw. des Trägers eingebunden sind (Gläser 2008). Fördermittel sind hilfreich. Nicht zwingend, aber förderlich ist die räumliche Nähe zu kooperierenden Bildungseinrichtungen. Die Unterbringung von Öffentlicher Bibliothek und Volkshochschule im selben Gebäude oder in unmittelbarer Nachbarschaft hat eine lange Tradition. Markante Beispiele aus den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg sind das Kulturzentrum in Ludwigsburg, eröffnet 1969, der Münchner Gasteig, der im Gebäude von 1984 neben Stadtbibliothek und Volkshochschule die Hochschule für Musik und Theater sowie die Münchner Philharmoniker beherbergt. Ein neueres Beispiel ist DAStietz in Chemnitz. Hier sind Volkshochschule, Stadtbibliothek, das Museum für Naturkunde und die Neue Sächsische Galerie im selben Gebäude untergebracht, aber darüber hinaus räumlich, organisatorisch und im Organisationsdesign nicht integriert. Einen Schritt weiter geht man im Zentrum für Information und Bildung Unna (ZIB): Im Selbstlernzentrum (Lernsoftware zur selbstständigen Benutzung mit Beratung) kooperieren Volkshochschule und Stadtbibliothek. Das Gebäude des südpunkt Nürnberg beherbergt unter anderem eine Filiale der Stadtbibliothek, ein Lernzentrum mit PC-Arbeitsplätzen für die Benutzung von Lernsoftware individuell oder in Gruppen sowie Kursräume des Bildungszentrums, also der Volkshochschule. Bibliothek und Bildungszentrum sind organisatorisch zusammengeführt. Die Benutzungsberechtigung für das Lernzentrum erwirbt man mit der Belegung eines Kurses des Bildungszentrums, womit der in Konzepten des Lebenslangen Lernens und des Lernorts Bibliothek angestrebte offene Charakter nicht gegeben ist. Im Wissensturm Linz sind seit 2007 Stadtbibliothek und Volkshochschule in einem gemeinsamen Gebäude untergebracht (Merschitzka/Gamsjäger 2005). Zur gemeinsamen Nutzung vorgesehen sind eine Ausstellungsfläche, ein
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multifunktionaler Seminarraum, das Selbstlernzentrum LeWis (Lernsoftware zur Nutzung vor Ort) und eine Medienwerkstatt (Produktion von Radio- und Fernsehprogrammen durch einen gemeinnützigen Verein, hinter dem die Stadt Linz und die Arbeiterkammer Oberösterreich stehen). Jedoch wurden auch organisatorische Integrationen realisiert. Hier geht es vor allem darum, Kurs- und Medienangebote fachspezifisch (Sprachen, Lesen & Literatur, Gesundheit u.a.m.) zu koordinieren. Das gemeinsame Leitbild2 hebt individuelles und kollektives Lernen, Begegnung und aktive Freizeitgestaltung sowie die Integration von allgemeiner, beruflicher, politischer und kultureller Bildung hervor. In etlichen Kommunen werden seit einigen Jahren Lernzentren konzipiert. Meist werden vorhandene Einrichtungen in einem Neubau zusammengefasst, organisatorisch enger aufeinander bezogen und um neue Dienstleistungen wie zum Beispiel ein Selbstlernzentrum mit entsprechender Software und Beratung erweitert (Stang 2010).
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Konrad Umlauf
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Frauke Schade
Zielgruppen Öffentlicher Bibliotheken Bestandsaufnahme und Herausforderungen
Einleitung Aus dem öffentlichen Auftrag der Bibliothek resultiert, dass für Öffentliche Bibliotheken alle Teilöffentlichkeiten vor Ort relevant sind. Zu den Zielgruppen Öffentlicher Bibliotheken gehören – neben ihren Kundinnen und Kunden – Medienvertreter und -vertreterinnen, Kooperationspartnern und -partnerinnen, Sponsoren und Sponsorinnen sowie Mitarbeitende, Ehrenamtliche und die breite Öffentlichkeit. Zielgruppen eint, dass sie dasselbe Kernmotiv mit der Bibliothek verbinden (Bruhn 2014, 203; Meffert et al. 2015, 116). Insbesondere Kunden und Kundinnen lassen sich als Nachfragende von Leistungen der Bibliothek in Demografie, Einstellungen und Verhalten konkreter beschreiben. Im Folgenden werden die Nachfragenden nach Bibliotheksangeboten auf der Grundlage aktueller Sekundärstudien beschrieben und es wird gezeigt, welchen Beitrag zur Daseinsvorsorge Öffentliche Bibliotheken im Koordinatensystem des kommunalen Raumes für diese Zielgruppen leisten.
Bibliotheksnutzung Rund zwölf Millionen Besucherinnen und Besucher zählten Öffentliche Bibliotheken 2016 in Deutschland. Die Anzahl hält damit das Niveau der letzten drei Jahre (2014 bis 2016).1 Öffentliche Bibliotheken gehören zu den meist frequentierten öffentlichen Einrichtungen in der Kommune. 7,4 Millionen Kundinnen und Kunden entliehen 2016 mindestens einmal jährlich Medien. Zwischen 2010 und 2016 sank die Anzahl der aktiven Kundinnen und Kunden um rund vier Prozentpunkte.2 Auch die Zahl der Neuanmeldungen ist rückläufig: Von 2010 bis 2016 ist sie um rund 4,5 Prozentpunkte gefallen. Eine Zeitreihe der letzten fünf Jahre 1 Deutsche Bibliotheksstatistik: Variable Auswertung: https://www.bibliotheksstatistik.de/ (Auswertung: 20.07.2017). 2 Deutsche Bibliotheksstatistik: Variable Auswertung: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/Tabellen_/lrbev01.html; https:// www.bibliotheksstatistik.de/ (Auswertung: 20.07.2017). https://doi.org/10.1515/9783110590982-004
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zeigt, dass der Anteil der aktiven Bibliothekskundinnen und -kunden an der Gesamtbevölkerung Deutschlands konstant zirka neun Prozent ausmacht.3 Über die Motive derjenigen, die die Bibliotheken nicht nutzen, ist wenig bekannt. Laut einer repräsentativen, aber nicht unumstrittenen Studie der Stiftung Lesen und des Deutschen Bibliotheksverbandes (dbv) zu den Ursachen der Nichtnutzung von Bibliotheken in Deutschland aus dem Jahr 2012 können insbesondere Männer im Alter von 60 bis 75 Jahren mit einfacher Bildung nicht für Bibliotheken gewonnen werden. Ebenso ist es schwierig, Männer im Alter von 20 bis 59 Jahren an die Bibliothek zu binden. Sie gehören zu den ehemaligen Kunden (dbv/Stiftung Lesen 2012, 18). Typisch für beide Gruppen ist, dass sie in ihrer Kindheit keine Bibliothek besucht haben und kein konkretes Bild von Bibliotheksangeboten haben. Auf über die Hälfte in beiden Gruppen wirkt die Bibliothek eher „muffig“ und „langweilig“ (dbv/Stiftung Lesen 2012, 27). Für die Nichtnutzung werden in erster Linie persönliche Gründe, wie mangelnde Zeit oder die Präferenz des Medienkaufs, genannt. In zweiter Linie liegen die Gründe für die Nichtnutzung im Angebot der Bibliotheken selbst. Rund 60 Prozent der Nichtnutzerinnen bzw. -nutzer wie auch der ehemaligen Nutzerinnen und Nutzer sagen aus, dass sie Medien auf anderen Wegen – zum Beispiel im Internet – schneller bekommen. Das Veranstaltungsangebot ist für 42 Prozent nicht interessant. Jede/r dritte ehemalige Nutzer/in und jede/r fünfte aktuelle Nichtnutzer/ in bemängelt die Öffnungszeiten. Darüber hinaus werden unattraktive Angebote und Räumlichkeiten als Gründe für die Nichtnutzung genannt (dbv/Stiftung Lesen 2012, 32–34).
Sekundärstudie zur Zielgruppensegmentierung Da es bei diesem Beitrag darum geht, Nachfragende von Bibliotheksangeboten aus der Makroperspektive zu beschreiben, wurden sowohl Studien der amtlichen Statistik als auch weiterer Institutionen ausgewertet, die Aussagen zu Zielgruppen von Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland treffen. Daneben gibt es eine Fülle von Studien, die die Zielgruppen einzelner Bibliotheken in den Blick nehmen und methodisch nicht immer als zuverlässige Marktforschung einzustufen sind (Schade/Umlauf 2016). Sie werden in diesem Beitrag ebenso wenig berücksichtigt wie Milieustudien, weil dazu keine Vergleichsstudien vorliegen. 3 Eigene Berechnung auf der Grundlage der Deutschen Bibliotheksstatistik und der Statistik der Bevölkerungsentwicklung auf der Grundlage des Mikrozensus 2011 - https://www.destatis. de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/Tabellen_/lrbev01. html; https://www.bibliotheksstatistik.de (Auswertung: 20.07.2017).
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Der Auswertung liegt die Fragestellung zugrunde, wie man Kundinnen und Kunden Öffentlicher Bibliotheken in den wesentlichsten demografischen, psychografischen und verhaltensorientierten Merkmalen vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen beschreiben kann. Ziel ist es, die Charakteristik der Zielgruppen in Bezug zu Öffentlichen Bibliotheken herauszuarbeiten. Ziel ist es nicht, diese Zielgruppen vollständig und untereinander vergleichbar abzubilden. Dies ist mit den vorliegenden Daten auch nicht möglich. Orientiert wird sich an einer demografischen Segmentierung, die Bibliotheken überwiegend verwenden. Vorgestellt werden die Kernzielgruppen Kinder, Jugendliche, Familien, Menschen mit Migrationshintergund, Geflüchtete sowie Seniorinnen und Senioren. Die Darstellung ist nicht vollständig. Die Motive und Bedarfe von beispielsweise Berufstätigen bilden sich über die gesamte erwerbstätige Gesellschaft ab und können auf der Grundlage der vorliegenden Studien nicht zuverlässig beschrieben werden. Darüber hinaus erhebt die Deutsche Bibliotheksstatistik (DBS) Angaben zur Bibliotheksnutzung weitgehend allgemein und bezieht sich nur bei Kindern sowie Seniorinnen und Senioren explizit auf deren Nutzung. Eine variable Auswertung, zum Beispiel nach demografischen Merkmalen ist mit der DBS nicht möglich. Für diesen Beitrag wurden unter anderem der Datenreport 2016 des Statistischen Bundesamtes (deStatis), die Forsight-Studie Gesellschaftliche Veränderungen 2030 im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), die Deutsche Bibliotheksstatistk (DBS), die BAMF-Kurzanalyse 2017 des Bundesministeriums für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die Kindermedienstudie 2016 (KIM), die Jugendmedienstudie 2016 (JIM), die Shell-Studie 2015 sowie eine Studie auf der Grundlage des Lebenszyklus-Modells auf der Datengrundlage der Markt-Media-Studie Best For Planning (b4p) ausgewertet.
Kinder und Jugendliche Informations- und Medienkompetenz gehören heute zu den anerkannten Schlüsselqualifikationen moderner Gesellschaften, die sich durch sich stetig verändernde Nutzungsroutinen und Rezeptionsweisen auszeichnen. Damit ist Informations- und Medienkompetenz eine wichtige Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg einer Gesellschaft, die mittlerweile politisch erkannt wurde und einen zentralen Stellenwert einnimmt, zum Beispiel in dem Strategiepapier der Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) Bildung in der Digitalen Welt 2016, der Digitale(n) Agenda 2020 der EU und in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen (UN).
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Öffentliche Bibliotheken leisten mit ihren Angeboten zur Sprach- und Leseförderung sowie zur Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz einen Beitrag, Lese- und Medienerfahrungen zu machen, stabile Leseneigungen auszubilden, Fertigkeiten im Umgang mit Medien und Information zu vertiefen (Umlauf 2016, 25; Keller-Loibl 2009, 9). Sie bieten bibliothekspädagogische Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche im Rahmen der Leseförderung an (z.B. Sprachspiele, Vorlesestunden und/oder -paten, Lesenächte, Schreibwerkstätten, Kreativangebote und Spiele), machen Angebote für Schülerinnen und Schüler zur Vermittlung von Informationskompetenz (z.B. thematische Medienboxen, Medien- oder Bibliotheksrallyes, Lesepässe und -tagebücher), unterstützen Eltern wie Lehrerinnen und Lehrer bei der Förderung des Lesens und im sicheren Umgang mit Information und Medien. Sie sind dabei häufig, aber nicht ausschließlich Partnerinnen von Kindergärten, Schulen und weiteren Kultur- und Bildungseinrichtungen (Umlauf 2016, 256). Kinder unter zwölf Jahren besuchen die Öffentliche Bibliothek häufiger und kontinuierlicher als andere Bevölkerungsgruppen (Keller-Loibl 2009, 9). Ihr Anteil an den aktiven Bibliothekskunden und -kundinnen betrug in den vergangenen fünf Jahren stabil um die 27 Prozent.4 5 2015 war ihr Anteil an den aktiven Nutzerinnen und Nutzern mehr als doppelt so hoch wie der der Gruppe der über 60-Jährigen. Jugendliche gelten in Öffentlichen Bibliotheken als schwer zu erreichende Zielgruppe. Über sie führt die DBS keine gesonderten Daten. Auch die Detailanalyse der 14- bis 19-Jährigen der Nichtnutzerstudie von dbv und Stiftung Lesen liefert kaum konkrete Angaben, die Rückschlüsse auf die Merkmale dieser Zielgruppe erlauben (dbv/Stiftung Lesen 2012b). Kinder und Jugendliche werden als Zielgruppen Öffentlicher Bibliotheken in Zukunft nicht an Relevanz einbüßen, ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wird jedoch sinken. Durch den Geburtenrückgang seit den 1970er Jahren wird die Altersgruppe der Sechs- bis 17-Jährigen nach Prognosen von DeStatis von neun Millionen im Jahr 2015 bis ins Jahr 2020 um 400.000 bis 500.000 abnehmen und bis ins Jahr 2060 auf sieben Millionen abfallen (DeStatis/WZB 2016, 206). Einstellungen und Verhalten von Kindern und Jugendlichen unterscheiden sich vonein ander. Was sie jedoch eint, ist die starke Prägung durch die soziale Herkunft der 4 Eigene Auswertung auf der Grundlage der Deutschen Bibliotheksstatistik. https://www.bibliotheksstatistik.de/vaZwischen (Auswertung: 30.07.2017).. 5 Der Anteil der aktiven Bibliothekskunden unter zwölf Jahren am Anteil der unter Zwölfjährigen in der Gesamtbevölkerung kann nicht dargestellt werden, da die Bevölkerungsstatistik andere Altersgruppen bildet. https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/Tabellen/AltersgruppenFamilienstandZensus.
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Eltern (mpfs 2016, 23; Albrecht et al. 2015). Dabei ist die intergenerationale soziale Moblilität6 in Deutschland gering (deStatis/WZB 2016, 217). Für Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren stehen Freunde, Fernsehen und Hausaufgaben/Lernen im Zentrum der nahezu täglichen Freizeitaktivitäten, dicht gefolgt von Spielen und Unternehmungen mit der Familie (mpfs 2016b, 10). Im Weiteren zeigen Mädchen und Jungen bei der Gestaltung ihrer Freizeit verschiedene Präferenzen. Mädchen haben eine höhere Affinität zu kreativen Tätigkeiten wie Malen, Zeichnen und Basteln. Jungen interessieren sich stärker für Online- und Konsolenspiele und sind sportlich aktiver (mpfs 2016b, 11–12). Hinsichtlich der Mediennutzung zeigt sich, dass jedes zweite Kind regelmäßig Bücher liest, wobei Mädchen mit 59 Prozent häufiger lesen als Jungen (38 Prozent) (mpfs 2016b, 11–12). Gut ein Drittel sieht regelmäßig Filme, Serien und Videos auf DVD oder über Streamingdienste. Jedes zehnte Kind besucht regelmäßig eine Bibliothek (mpfs 2016b, 11). Ob Kinder Zugang zu Büchern haben und angeleitet werden, Leseneigungen zu festigen, hängt deutlich vom formalen Bildungsgrad der Erziehungsberechtigten ab (mpfs 2016b, 23). Angebote der Lese- und der Medienkompetenzförderung Öffentlicher Bibliotheken sind damit immer auch ein Beitrag zur Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft. Mit zunehmendem Alter verändern sich die Freizeitaktivitäten von Kindern. Treffen mit Freunden oder der Besuch von Jugendgruppen werden wichtiger. Auch das Interesse an Internetdiensten wie Netflix, Amazon Video, YouTube und Onlinespielen steigt. Kreative Tätigkeiten, Brett- und Gesellschaftsspiele verlieren ebenso an Bedeutung wie Hörbücher und Hörspiele (mpfs 2016b, 12). Rechtlich gesehen sind Jugendliche Minderjährige im Alter von 14 bis 18 Jahren. Soziologisch wird die Jugendphase heute sehr viel weiter gefasst. Sie reicht von der Pubertät im Alter von zwölf bis 17 Jahren über die mittlere Jugendphase, die durch Berufsorientierung und bestenfalls durch einen oder mehrere Bildungsabschlüsse gekennzeichnet ist, bis hin zur späten Jugendphase der 20bis 30-Jährigen, die den graduellen Wechsel in die selbstständige Erwachsenrolle darstellt. In der Jugendphase bildet sich die Persönlichkeit Heranwachsender. Verschiedene Identitäten werden erprobt und die eigene Geschlechterrolle entwickelt. Reflektiert werden soziale, gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Bedingungen. Jugendliche sind erstmals autonome Marktteilnehmende, die eigene Präferenzen und Nachfrageverhalten ausbilden. Im Zentrum steht die 6 Das Konzept der sozialen Mobilität des Soziologen Max Weber beschreibt das Ausmaß, in dem sich Kindergenerationen in einer anderen Klassenposition befinden als ihre Elterngeneration (DeStatis 2016, 209).
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Auseinandersetzung mit sich selbst in der unmittelbaren sozialen und der mittelbaren medialen Interaktion (Vogelsang 2010, 42). Sowohl die Shell-Studie als auch die JIM-Studie zeigen zu den Einstellungen und dem Verhalten Jugendlicher im Alter von 13 bis 19 Jahren, dass diese Altersgruppe Freundschaft, Partnerschaft und Familie die höchste Priorität beimessen (Albert et al. 2015, 15; mpfs 2016b, 9). Die Jugendlichen verfügen über ein stabiles Wertesystem, in dem Respekt, kulturelle Vielfalt und Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spielen (Albert et al. 2015, 14, 28). In Folge wahrgenommener Risiken sehnen sie sich nach Sicherheit und stabilen Zukunftsperspektiven (Albert et al. 2015, 15–16, 26–27). In der Zeitreihe der Shell-Studie büßen materielle Werte im Vergleich zu den Vorjahren an Relevanz ein. Steigend ist das Interesse an Politik und politischen Aktivitäten – zumindest dann, wenn sie außerhalb des etablierten Parteiensystems stattfinden (Albert et al. 2015, 20–21). Der Werthorizont der Eltern bietet wieder mehr Resonanz als in früheren Jugendgenerationen. Sozialer Status und Milieuverortung werden dabei weitgehend von der Elterngeneration an ihre Kinder weitergegeben (Albert et al. 2015, 15–16). Nicht überraschend ist, dass Jugendliche eine hohe Medienaffinität haben. Die JIM-Studie zeigt, dass fast alle Jugendlichen täglich online sind und dass das Smartphone das „Zentrum für Kommunikation, Information und Unterhaltung ist“ (mpfs 2016a, 59). Jede/r Zweite hört täglich Radio, spielt Onlinespiele und schaut sich Fernsehsendungen, Fotos und Clips auf dem Smartphone an (mpfs 2016a, 11). Relevant bei der Identitätskonstruktion in der medialen Sozialisation von Jugendlichen ist das Konzept der Parasozialen Interaktion (PSI) (Horten/ Wohl 1956). PSI beschreibt die Interaktion zwischen einem Individuum und einer Medienperson, die Identifikation und Orientierung stiftet. In Medien wie Fernsehen, Filmen oder Clips auf DVD oder Streamingdiensten funktioniert dies nur einseitig über die Identifikation mit dem Medienprotagonisten. In sozialen Medien hingegen findet die Interaktion mit vermeintlich oder tatsächlich Gleichgesinnten statt. An die Stelle von Filmhelden und Prominenten treten mit Bloggerinnen und Bloggern oder YouTuberinnen und YouTubern die „Stars von nebenan“, die ihren Followern Identifikationspotenzial bieten und Orientierung geben (Grabs et al. 2015, 54; Pleil/Zerfaß 2014, 742). Dass digitale Medien das Buch nicht verdrängen, zeigt die Zeitreihe der JIMStudie. Rund 40 Prozent der befragten Jugendlichen gaben in den letzten zehn Jahren stabil an, dass sie regelmäßig gedruckte Bücher lesen (mpfs 2016a, 11, 15). Wie Kinder zeigen auch Jugendliche geschlechtsspezifische Präferenzen. Die Leseaffinität ist bei Mädchen höher (46 Prozent) als bei Jungen (30 Prozent). Jungen bevorzugen mehr als Mädchen digitale Online-Spiele, Streaming-Videos und -dienste und lesen mehr Zeitungen und Magazine. Mädchen hingegen neigen stärker zu Radio und Fernsehen. Im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich ein Zuwachs
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in der Internetnutzung. Ein deutlicher Rückgang ist beim Sehen von DVDs und Blu-rays erkennbar (mpfs 2016a, 11). Jugendliche suchen die Begegnung auf Augenhöhe. Möchten Öffentliche Bibliotheken sie besser erreichen, dann ist es notwendig ihre Lebenswelt ernst zu nehmen: von der Raumgestaltung und Einrichtung bis hin zum Veranstaltungsund Medienangebot, dem Personal und der Vernetzung mit anderen Einrichtungen der Jugendkultur (Keller-Loibl 2012, 173). Dies kann mit der Detailanalyse der Nichtnutzerstudie von dbv und Stiftung Lesen gestützt werden. Die befragten 14- bis 19-Jährigen wünschen sich unter anderem längere Öffnungszeiten (80%), mehr Computer und WLAN (76%), aktuellere Medien (65%), ansprechende Räumlichkeiten (64%) und mehr Musik auf allen Kanälen (62%) (dbv/ Stiftung Lesen 2012b, 43, 47, 51). Erfolgreiche Konzepte der Jugendbibliotheksarbeit wie zum Beispiel die Jugendbibliothek Hoeb4U in Hamburg beziehen dabei Jugendliche in die Angebotsentwicklung aktiv mit ein. Makerspaces bieten darüber hinaus offene, niedrigschwellige Orte, um gemeinschaftlich und kreativ mit neuen Medien und neuer Technik zu experimentieren (Vogt 2014, o.S.).
Familien Über Kinder und Jugendliche erreichen Öffentliche Bibliotheken im Besonderen Familien. Hier bieten sie Beratung und Unterstützung bei der Leseförderung sowie der Medienkompetenzvermittlung – häufig in Kooperation mit weiteren Partnern. Das Projekt Lesestart – Drei Meilensteine für das Lesen zielt beispielsweise auf die frühkindliche Leseförderung ab drei Jahren ab und ist eine Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und der Stiftung Lesen. Ebenfalls vom Familienministerium finanziert ist das Projekt Schau hin7, das für Eltern und Erziehende Material und Veranstaltungen zur Medienkompetenzvermittlung anbietet und Öffentliche Bibliotheken als Veranstaltungsplattform und Vertriebskanal nutzt. Zu Familien werden im Mikrozensus Familien alle Eltern-Kind-Gemeinschaften gezählt. In Deutschland lebten im Jahr 2015 rund elf Millionen Familien und damit rund zehn Prozent weniger als noch im Jahr 2005 (Statista 2017a). 70 Prozent der Eltern sind verheiratet. Im Zeitverlauf zeigt sich, dass der Anteil traditioneller Familien (Ehepaare mit Kindern) sinkt, der Anteil alternativer Familienformen (Alleinerziehende und Lebensgemeinschaften mit Kindern) steigt (DeStatis/WZB 7 Weitere Projektpartner der Initiative sind Das Erste, ZDF sowie die Programmzeitschrift TV SPIELFILM.
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2016, 51). Dabei lag der Anteil alleinerziehender Mütter 2014 bei 20 Prozent, der der alleinerziehenden Väter bei 3,5 Prozent (Statista 2017b). Familien haben im Schnitt 1,49 Kinder. Der überwiegende Teil der Kinder lebt mit mindestens einem Geschwisterkind gemeinsam in einem Haushalt (DeStatis/WZB 2016, 63). Eine Auswertung zu den Werten von Eltern im Vergleich zu anderen Lebenszyklen aus der b4p zeigt, dass die Geburt eines Kindes einen deutlichen Einschnitt in der Lebenswelt von Eltern darstellt (focuseleven 2015, 29–30). Verantwortungsgefühl und Pflichtgefühl steigen signifikant (focuseleven 2015, 29–30). Die Auswertung zeigt auch, dass Familien einen großen Teil ihrer freien Zeit im Kreis der Familie verbringen (focuseleven 2015, 31). Vorwiegende Themeninteressen sind Ernährung, Kindererziehung, Partnerschaft und Reisen. Da neben Beruf und Familie häufig wenig Zeit bleibt, setzt die Familienphase auf knappe Informationen in vertrauenswürdigen Quellen. Neben der Ausrichtung auf die spezifischen Themeninteressen ist für Öffentliche Bibliotheken in diesem Zusammenhang die Sonntagsöffnung ein zentrales Thema.
Menschen mit Migrationshintergrund Im Rahmen interkultureller Bibliotheksarbeit gehören Menschen, die keine deutschen Wurzeln haben, zu den Zielgruppen Öffentlicher Bibliotheken. Die amtliche Statistik verwendet seit 2005 den Begriff Menschen mit Migrationshintergrund, um die Auswirkungen von Migration auf die Bevölkerung in Deutschland feststellen zu können. Zu dieser Personengruppe gehören Menschen, die die deutsche Staatsbürgerschaft nicht durch Geburt erworben haben oder bei denen mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsbürgerschaft nicht durch Geburt besitzt (DeStatis 2017, 4). Die Ergebnisse des Mikrozensus zeigen, dass 2016 rund 18,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland lebten, was einen Anteil von 22,5 Prozent an der Gesamtbevölkerung ausmacht (DeStatis 2017, 37). Menschen mit Migrationshintergrund unterscheiden sich in ihren sozioökonomischen Merkmalen von Menschen mit deutschen Wurzeln. Der Grad der Bildungsbeteiligung ist deutlich geringer, da sie seltener über höhere und mittlere Bildungsabschlüsse verfügen und häufiger schul- und berufsqualifizierende Abschlüsse fehlen. In der Konsequenz ist die berufliche Qualifikation niedriger. Erwerbstätigkeit in prestigeärmeren Berufen, niedrigere Einkommen und Arbeitslosigkeit sind stärker ausgeprägt als bei Deutschen. Doppelt so häufig sind Menschen mit Migrationshintergrund von sozialen Risiken betroffen (DeStatis/ WZB 2016, 227). Dabei zeigt sich auch, dass Menschen mit Migrationshintergrund
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bei der Wohnungssuche benachteiligt werden, was die Segregation im urbanen Raum forciert (DeStatis/WZB 2016, 236). In dem Zwischenbericht der Migranten-Studie 2016 des vhw-Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V. und von Sinus Sociovision werden acht Migranten-Milieus der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2008 bestätigt, die zeigen, dass die Lebenswelt von Menschen mit Migrationshintergrund zwar von der ethnischen Herkunft maßgeblich geprägt wird, dies jedoch nicht zwangsläufig milieukonstituierend ist. Die Milieus (...) reichen von einer fortbestehenden Verankerung in konservativ-religiösen Traditionen über das Streben nach materieller Sicherheit, nach Erfolg, Besitz und gesellschaftlichem Aufstieg, dem Wunsch nach Selbstverwirklichung und Emanzipation bis hin zu Entwurzelung und Unangepasstheit (vhw 2016, 3).
Im Vergleich zur Vorgängerstudie zeigt sich einerseits der Trend der Konvergenz in der Mitte und in den modernen Migrationsmilieus, die sich kaum noch von Milieus der deutschen Bevölkerung unterscheiden, andererseits der Trend zur Divergenz in den traditionellen Milieus und am unteren Rand die, die sich in ethnische Enklaven mit einfacher sozialer Lage zurückziehen (vhw 2016, 5). Die Gewährleistung von Chancengerechtigkeit und die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund im Spannungsfeld ihrer kulturellen Diversität ist eine kommunalpolitische Aufgabe, um der Spaltung der Gesellschaft entgegen zu wirken. Im Rahmen interkultureller Bibliotheksarbeit bieten Öffentliche Bibliotheken fremdsprachige Führungen und Bestände, Veranstaltungen, die den interkulturellen Dialog fördern sowie Angebote zur Sprach- und Leseförderung an und arbeiten mit Anbietern von Integrationskursen zusammen (Homilius 2014, 584). Gerade für Mädchen aus streng muslimischen Familien ist die Bibliothek häufig ein akzeptierter öffentlicher Ort, an dem sie sich vorurteilsfrei aufhalten können. Die Diversität von Menschen mit Migrationshintergrund in ihrer sozialen und milieuspezifischen Zusammensetzung macht deutlich, dass Angebote für Menschen mit Migrationshintergrund von Bibliotheken nicht zu pauschal unterbreitet werden dürfen, sondern vor dem Hintergrund der spezifischen sozialen Zusammensetzung vor Ort profiliert werden müssen, um einen Beitrag zur Daseinsvorsorge leisten zu können.
Geflüchtete Die Motive von Geflüchteten sind Flucht vor Krieg, Armut, Umweltzerstörung und mangelnden Perspektiven (DeStatis/WZB 2016, 246). In Deutschland suchten
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2016 460.000 Menschen Asyl. Der Großteil der Geflüchteten stammt aus Syrien, gefolgt von Afghanistan, Irak, dem Iran, Eritrea, Pakistan, Nigeria, Somalia und aus der Russischen Föderation. Mit fast 70 Prozent ist der überwiegende Teil der Asylsuchenden männlich und im Alter von 18 bis 29 Jahren. Gegenüber 2015 ist jedoch die Tendenz zu erkennen, dass der Anteil der Frauen steigt (+ 4,5 Prozentpunkte) und dies überproportional bei Syrern und Irakern. Die jüngste Altersstruktur weisen Somalier und Eriträer auf; die älteste Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus der Russischen Föderation, die mehr als andere Nationalitäten nicht allein, sondern in Familienverbünden Asyl suchen (Neske 2017, 2). Über die soziale Zusammensetzung der Geflüchteten ist wenig bekannt. Angaben zu Ausbildung, Erwerbstätigkeit, Familienstand und Religion werden als sogenannte Soko-Daten auf freiwilliger Basis bei der Antragstellung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhoben. Sie bergen das Risiko strategischer Antworten (Neske 2017, 1, 2). Nach diesen Angaben ist die Hälfte der Antragstellerinnen und Antragsteller verheiratet. Ein Drittel gab den Besuch der Mittelschule als höchste Bildungseinrichtung an. Das Gymnasium und die Grundschule wurden jeweils von rund 20 Prozent besucht. Etwa jede/r zehnte Antragsteller/in arbeitete in seinem Herkunftsland als Handwerkerin bzw. Handwerker, gefolgt von Hilfstätigkeiten und Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich. Frauen sind deutlich schlechter als Männer gestellt. Lediglich die Hälfte der asylsuchenden Frauen besitzt eine Bildung auf Grundschulniveau. Darüber hinaus gaben sie häufiger als Männer an, in ihrem Herkunftsland nicht erwerbstätig gewesen zu sein (Neske 2017, 2). Das breite Spektrum der Geflüchteten zeigt, wie herausfordernd die Aufnahme, Betreuung und Integration in das soziale Gefüge und den Arbeitsmarkt ist. Bibliotheken leisten hier einerseits pragmatisch Unterstützung, indem sie Geflüchteten ohne amtliche Meldebescheinigung oder Aufenthaltserlaubnis einen Bibliotheksausweis ausstellen, mehrsprachige Medienboxen in Flüchtlingsunterkünften bereitstellen, Gesprächsgruppen zur Unterstützung des Spracherwerbes und Aktivitäten der Leseförderung anbieten.8 Um hier tatsächlich Hilfestellung bei Integration und Inklusion mit bibliothekarischen Angeboten leisten zu können, wären konkretere Daten, auch über die spezifische Lage vor Ort und die Nutzung der Bibliotheken durch Geflüchtete erforderlich.
8 Die dbv-Kommission Interkulturelle Bibliotheksarbeit gibt einen Überblick über die Angebote für Geflüchtete auf dem Bibliotheksportal: http://www.bibliotheksportal.de/themen/bibliothekskunden/interkulturelle-bibliothek/praxisbeispiele/bibliotheksangebote-fuer-fluechtlingeund-asylbewerber.html.
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Seniorinnen und Senioren Über 65-Jährige hatten 2015 einen Anteil von rund 21 Prozent an der Gesamtbevölkerung.9 10 Davon nutzten im gleichen Jahr nur rund fünf Prozent Öffentliche Bibliotheken aktiv.11 Ihr Anteil an der Summe der Bibliothekskundinnen und -kunden lag damit bei etwa zwölf Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Anteil der aktiven Bibliothekskundinnen und -kunden der über 60-Jährigen 2016 um sechs Prozent an.12 Öffentliche Bibliotheken bieten für diese Zielgruppe Hörbücher, Bücher in Großdruck, Veranstaltungen zur Computernutzung oder Recherche im Internet. Als Kernzielgruppe mit spezifischen Bedarfen wurden Seniorinnen und Senioren jedoch noch nicht erkannt. Eine differenzierte inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Zielgruppe in ihrer lebenszeitlichen Perspektive und Bildungsbiographie findet bisher selten statt (Homilius 2014, 581). Dies ist ein Desiderat. Denn durch die steigende Lebenserwartung bei gleichzeitigem Geburtenrückgang wird sich die Relation von Jung und Alt weiter verschieben. Das Statistische Bundesamt geht in einer Prognose davon aus, dass 2060 ein Drittel der Bevölkerung über 65 Jahre sein wird, während der Anteil der unter 20-Jährigen bei knapp 16 Prozent liegen wird (DeStatis/WZB 2016, 26). Durch die steigende Lebenserwartung wandelt sich die Lebenswirklichkeit von Seniorinnen und Senioren von einem beschaulichen Rückzug ins Private hin zu einem aktiven Lebensabschnitt, der gekennzeichnet ist durch den Anspruch nach Gesundheit, Engagement und Erlebnissen. Erst bei den Hochbetagten ab 80 Jahren treten vermehrt die alterstypischen Gebrechen auf, die dazu führen, dass die öffentliche Teilhabe sinkt (Göschel 2012, 53). Eine Auswertung der über 60-Jährigen nach dem Lebenszyklusmodell aus der b4p zeigt, dass Familie und Partnerschaft sowie Sicherheit im täglichen Leben zu den wichtigsten Werten
9 Auf der Grundlage des Zensus: Gesamtbevölkerung: 82.200.000, Alter 65 und mehr: 17.300.200 (Stand: 31.12.2015). https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/ Bevoelkerungsstand/Tabellen/AltersgruppenFamilienstandZensus.html; https://www.destatis. de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/Bevoelkerungsstand.html. 10 Es werden in diesem Beitrag die Bevölkerungsdaten aus dem Jahr 2015 herangezogen. Die Einwohnerzahlen zum Stichtag 31.12.2016 können nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes voraussichtlich erst Anfang 2018 bereitgestellt werden. https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/Bevoelkerungsstand.html. 11 Deutsche Bibliotheksstatistik, variable Auswertung: Aktive Nutzer über 60 Jahre im Jahr 2015: 867.355 (Auswertung: 25.07.2017). 12 Deutsche Bibliotheksstatistik, variable Auswertung: Aktive Nutzer über 60 Jahre 2016: 919.405 (Auswertung: 25.07.2017).
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dieser Altersgruppe zählt. Dabei haben die über 60-Jährigen ein hohes Interesse an Politik, Zeitgeschehen und Nachrichten sowie an Sport, Gesundheit und Wellness. Die Affinität zu sozialen Medien sowie der Nutzung von Apps und Tablets ist noch gering ausgeprägt; die Nutzung des Internets liegt hingegen bei rund 37 Prozent. Die Ungleichheiten und Unterschiede, die das Erwachsenenleben bestimmten, setzen sich in der Regel fort (focuseleven 2015, 45–46; Göschel 2012, 54). Die Konsequenzen der alternden Gesellschaft sind bisher kaum abzuschätzen (BMBF 2015, 57). Stadtentwicklung und Kommunalpolitik müssen sich auf den stark wachsenden Anteil der älteren Bevölkerung einstellen, um die aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglichst lange zu gewährleisten und den Bedarfen dieser Bevölkerungsgruppe bis ins hohe Alter zu entsprechen (Göschel 2012, 54). Auch die Anforderungen an das Bildungssystem werden sich verändern. In Zukunft werden Beschäftigte deutlich länger im Arbeitsleben aktiv sein müssen. Qualifizierte Seniorinnen und Senioren bringen ihre Erfahrungen und Kompetenzen schon heute als Senior Experts oder in ehrenamtlichen Engagements ein (BMBF 2015, 57). Lebenslanges Lernen sowie Informations- und Medienkompetenz wird in Zukunft beruflich wie privat eine immer bedeutsamere Rolle bei den über 60-Jährigen spielen, die von Öffentlichen Bibliotheken als Chance genutzt werden kann (Homilius 2014, 582).
Fazit Um das Angebot exakt an den Bedarfen von Zielgruppen auszurichten, ist eine genaue Kenntnis der Bevölkerung vor Ort in Demografie, Einstellungen und Verhalten notwendig. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Ausdifferenzierung der Gesellschaft, ihren spezifischen Bedarfen und Problemlagen vor Ort, ist dies für Kommunen und damit auch für Bibliotheken eine Herausforderung. Dabei werden Daten, die Zielgruppen exakt in Demografie, Einstellungen und Verhalten beschreiben, selten von Kommunen und Bibliotheken ausgewertet und noch selterner erhoben. Zielgruppen werden von Bibliotheken weitgehend nach Alter oder spezifischen Bedarfen definiert. Auch die DBS liefert für diese Zielgruppen wenig aussagekräftige Daten. Weitere Studien der amtlichen Statistik oder Einrichtungen, die Aussagen zu den Zielgruppen auch vor Ort erlauben, gehen nicht konkret auf die Fragestellungen von Bibliotheken ein und sind kaum miteinander vergleichbar. Weitere Zielgruppen von Bibliotheken, wie Mandatsträgerinnen und -träger, Medienvertreterinnen und -vertreter, Kooperationspartnerinnen und -partner
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lassen sich nicht konkret in Demografie, Einstellungen und Verhalten beschreiben, weil sich der Bezug zur Bibliothek durch den Handlungszusammenhang ergibt, durch den sie mit der Bibliothek in Verbindung stehen. Hier kommt es vielmehr darauf, die Motive herauszuarbeiten, die sie mit der Bibliothek verbinden.
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II Angebots- und Vermittlungskonzepte
Kerstin Keller-Loibl
Zur Etablierung einer Bibliothekspädagogik Professionalisierung der Bildungsarbeit Öffentlicher Bibliotheken Bibliothekspädagogik hat in den letzten beiden Jahrzehnten an Aktualität und Bedeutung gewonnen. Nach der PISA-Studie 2000 rückte die Bildungsrolle der Bibliothek wieder stärker in den Fokus. Bibliotheken unterstützen Lebenslanges Lernen und den Erwerb von Schlüsselqualifikationen wie Lese-, Medien- und Informationskompetenz. Durch diesen Paradigmenwechsel zum Lernort Bibliothek erhält die Bildungs- und Vermittlungsarbeit im Kanon der klassischen Bibliotheksaufgaben einen neuen Stellenwert. Der Begriff Bibliothekspädagogik, der sich seit 2000 als übergreifende Bezeichnung für die verschiedensten Bildungsangebote von Bibliotheken durchsetzt, trägt dieser Entwicklung Rechnung.
Begriff Bibliothekspädagogik Der Terminus Bibliothekspädagogik entstand in Analogie zu in Deutschland bereits etablierten angewandten Pädagogiken wie der Museumspädagogik, Theaterpädagogik oder Medienpädagogik. Die Einführung dieses Fachbegriffs in die Bibliothekswissenschaft geht maßgeblich auf Holger Schultka zurück, der in mehreren Publikationen seit den 2000er Jahren den Begriff verwendet und beschreibt, was unter einer Bibliothekspädagogik zu verstehen ist. 2005 definiert er Bibliothekspädagogik als übergeordnete Bezeichnung für alle pädagogischen Aktivitäten von Bibliotheken: Ich denke, um alle pädagogischen Tätigkeiten von Bibliotheken – egal welcher Sparte die Bibliotheken angehören, egal welche Kernaufgaben sie im Speziellen für sich definiert haben und egal welcher Art die pädagogische Tätigkeit ist – beschreiben zu können, bedarf es eines Begriffs. Als diesen Begriff möchte ich Bibliothekspädagogik vorschlagen, weil ich der Ansicht bin, dass damit alle pädagogischen Aktivitäten von Bibliotheken (z.B. Katalogeinführungen, Didaktisierung von Internetseiten, Entwicklung von Point-of-use-Hilfen, Informationskompetenztrainings, Bilderbuchkino, Bibliotheksrallyes, Mitarbeit in Propädeutiken) als pädagogisches Handeln in Bibliotheken beschreibbar werden. (Schultka 2005, 1466–1467, H.i.O.)
Schultka nennt die vielfältigen Arbeitsfelder, Angebote und Dienstleistungen von Öffentlichen und Wissenschaftlichen Bibliotheken, die pädagogisches Handeln https://doi.org/10.1515/9783110590982-005
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erfordern, und plädiert für die Verwendung des Begriffs Bibliothekspädagogik als übergeordneter Bezeichnung. Er definiert Bibliothekspädagogik als „Theorie und Praxis des pädagogischen Handelns in Bibliotheken“ (Schultka 2005, 1467) und als „Lehr-/Lerninszenierungen“ (Schultka 2013, 5) in Bibliotheken. Sein Verdienst ist es, den Begriff Bibliothekspädagogik spartenübergreifend in die Bibliothekswissenschaft einzuführen und nicht auf die Bibliotheksarbeit mit Kindern und Jugendlichen zu reduzieren. Nach Schultka ist die Bibliothekspädagogik darauf ausgerichtet, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Lernangebote zu unterbreiten. Lernvorgänge sollen angeregt, ermöglicht und befördert werden. (Schultka 2005, 1469) Schultkas Überlegungen zur Etablierung einer Bibliothekspädagogik sind Ausdruck eines neuen bibliothekarischen Selbstverständnisses im Hinblick auf die anstehenden Herausforderungen im Kontext des Lebenslangen Lernens und der Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz. Die gewachsenen Aufgaben an Bibliotheken als Bildungseinrichtungen erfordern eine neue Qualität pädagogisch orientierter Arbeit und eine entsprechende theoretische Fundierung, so dass ein Rekurs auf die Erziehungswissenschaft und eine Reflexion der Spezifik des Lernens in Bibliotheken naheliegt. Die Entwicklung der Bibliotheken zu Lernorten muss mit einer grundsätzlichen Verankerung des pädagogischen Denkens und Handeln in Theorie und Praxis einhergehen. Dazu bedarf es einer angewandten Pädagogik, die es als explizit formulierte Wissenschaftsdisziplin und praktische Handlungslehre in der Bibliothekswissenschaft bzw. Bibliotheksund Informationswissenschaft, wie sie im deutschsprachigen Raum etabliert ist, bis dato nicht gab. Arbeitsfelder der Bibliothekspädagogik waren bisher in Öffentlichen Bibliotheken in die Programm- und Öffentlichkeitsarbeit sowie in die Kinder- und Jugendbibliotheksarbeit integriert. Der Begriff Bibliothekspädagogik setzt sich in Theorie und Praxis des Bibliothekswesens in den letzten Jahren immer mehr durch, allerdings ist seine Verwendung nicht einheitlich. Häufig wird er zur Bezeichnung der bibliothekarischen Angebote für Kindergärten und Schulen verwendet. Von einem weiten Verständnis ausgehend, ist unter Bibliothekspädagogik eine angewandte Pädagogik zu verstehen, die sich mit einer breiten Palette an unterschiedlichen Formen pädagogisch geprägten Handelns in Bibliotheken beschäftigt. Trotz der Schnittmengen mit spezifischen pädagogischen Handlungsfeldern wie der Schulpädagogik, Medienpädagogik oder Erwachsenenbildung ist die Bibliothekspädagogik ein eigenständiges und spezifisches Theorie- und Praxisfeld, das auf den Lernort Bibliothek abgestimmt ist (Keller-Loibl 2013). Im Lexikon der Bibliotheks- und Informationswissenschaft sieht Homann (Homann 2011) Bibliothekspädagogik in der Schnittmenge zwischen Bibliotheks- und Informationswissenschaft einerseits sowie Pädagogik andererseits. In der Praxis dient der Begriff Bibliothekspädagogik
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als übergeordnete Bezeichnung für vielfältige Lernangebote, organisierte Lernprozesse, Lernraumgestaltungen und pädagogisch-didaktische Vermittlungsaktivitäten im Kontext der sozialen und institutionellen Rahmenbedingungen von Bibliotheken. Bisher nebeneinander stehende Ziele, Konzepte oder Formate wie zum Beispiel die bibliothekarische Sprach- und Leseförderung, die Vermittlung von Informationskompetenz oder die interkulturelle Bibliotheksarbeit werden auf diese Weise als Fachrichtungen einer gemeinsamen Wissenschaftsdisziplin systematisch erfassbar und zueinander in Beziehung gesetzt, da sie trotz ihrer unterschiedlichen Ziele, Zielgruppen und Gegenstände auf einen gemeinsamen Kern bibliothekspädagogischer Grundlagen zurückgreifen können. Neuere Publikationen entwickelten Teilgebiete der Bibliothekspädagogik weiter und tragen zu einer inhaltlichen Ausformung der Bibliothekspädagogik bei. Die Spannbreite reicht von Modellen für bibliothekspädagogische Klassenführungen (Keller-Loibl 2008) über die Erarbeitung von bibliothekspädagogischen Grundlagen und didaktischen Modellen für die Leseförderung und Medienkompetenzvermittlung in Öffentlichen Bibliotheken (Keller-Loibl/Brandt 2015) bis hin zur Entwicklung einer spezifischen Bibliotheksdidaktik als zentrales Teilgebiet der Bibliothekspädagogik (Hanke/Sühl-Strohmenger 2016) und einem Praxisratgeber für die bibliothekspädagogische Arbeit (Reckling-Freitag 2017).
Ziele, Zielgruppen und Arbeitsfelder der Bibliothekspädagogik Bibliothekspädagogik gründet auf einem emanzipatorischen Bildungsverständnis und verfolgt das Ziel, allen Menschen eine aktive Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Sie trägt zur Verwirklichung der Chancengleichheit des Einzelnen bei. Bibliothekspädagogik plant, initiiert und begleitet Lernprozesse in Bibliotheken für unterschiedliche Altersgruppen und unterstützt damit maßgeblich die Umsetzung des Bildungsauftrages von Bibliotheken. Der Deutsche Bibliotheksverband definiert diesen wie folgt: Öffentliche Bibliotheken […] unterstützen lebenslange, selbstgesteuerte Lernprozesse, in denen Menschen Fähigkeiten, Wissen und Werte erwerben, die den Prozess der Selbstentfaltung und der Entwicklung einer selbstbestimmten Persönlichkeit unterstützen. (Deutscher Bibliotheksverband 2012)
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Bibliothekspädagogische Angebote zielen deshalb nicht nur auf die Entwicklung einer positiven Einstellung zum Lesen und zur selbstständigen Nutzung der Bibliothek, sondern auch auf eine Entwicklung basaler Kompetenzen. In der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist die Leseförderung die Hauptaufgabe der Bibliothekspädagogik. „Lesekompetenz stellt eine Voraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben dar“ (Artelt et al. 2005, 5). Öffentliche Bibliotheken nutzen vielfältige Konzepte und Formate wie das Vorlesen und Erzählen, das Bilderbuchkino, Leseclubs, Autorenbegegnungen, Social Reading oder BookSlams, um Lesefreude und Leselust zu wecken (KellerLoibl/Brandt 2015, Kap. 4–5). Im Kindergartenalter zielen bibliothekspädagogische Angebote auf die Förderung von Literacy-Kompetenzen. Dazu gehören alle Erfahrungen, die Kinder vor dem Eintritt in die Schule mit Zeichen und Schrift machen. Ein unter pädagogischen Gesichtspunkten ausgewählter alters- und entwicklungsgerechter Buchund Medienbestand wird durch Anregungen zur Sprachförderung und zur Begegnung mit Literatur und Medien ergänzt. Vorlesen und Gespräche über Bücher in einer altersangepassten Einrichtung gehören ebenso dazu wie Angebote für Erzieherinnen und Erzieher in Kindertagesstätten, beispielsweise in Form von Medienboxen mit didaktischen Hinweisen. Eltern als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in der Leseförderung sind ebenfalls eine wichtige Zielgruppe. So etablierten sich in den letzten Jahren an Öffentlichen Bibliotheken Eltern-KindVeranstaltungen und spezifisch eingerichtete Elternbibliotheken. Die Bedeutung der Bibliothekspädagogik manifestiert sich besonders ausgeprägt in der Zusammenarbeit von Öffentlichen Bibliotheken mit Schulen und in der Schulbibliotheksarbeit. Anreize zum entdeckenden Lernen zu bieten, Spaß am Lesen und an der Literatur zu fördern, Kreativität und Fantasie anzuregen sowie Medien- und Informationskompetenz zu entwickeln, sind wesentliche Ziele der Bibliothekspädagogik für Schülerinnen und Schüler. Da die fachliche Betreuung vieler Schulbibliotheken nach wie vor unbefriedigend ist (Seefeld/Syré 2017, 75) und bibliothekspädagogische Arbeit oft nicht geleistet werden kann, übernehmen vielerorts kommunale Stadt- und Gemeindebibliotheken diese Aufgabe. Begleitend zu den Lehrplänen werden zum Beispiel Themenveranstaltungen, Informationskompetenzschulungen oder thematische Medienboxen für Schulen angeboten. Bibliothekseinführungen für Schülerinnen und Schüler, die früher häufig einen Rundgang durch die Bibliothek und eine Einführung in den Katalog beinhalteten, sind heute bibliothekspädagogische Klassenführungen, die handlungsorientiert sowie erlebnis- und themenzentriert entwickelt werden und Ansätze des kooperativen und kollaborativen Lernens, wie zum Beispiel verschiedene Formen der Partner- und Gruppenarbeit nutzen (Keller-Loibl 2008, 7).
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Um Angebote zur Förderung von Lese- und Informationskompetenz im Sinne der Nachhaltigkeit zu vernetzen, entwickelten Bibliotheken Spiralcurricula zur Vermittlung von Lese- und Medienkompetenz (Hachmann/Hofmann 2007; MarciBoehnke 2018). Sie sind Ausdruck einer intensiven Kooperation mit Schulen und eröffnen die Möglichkeit einer systematischen und langfristigen Kompetenzförderung. Diese bibliothekspädagogischen Curricula umfassen die gesamte Schullaufbahn und fixieren die jeweils benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten in Form von Lernzielen, Inhalts- und Methodenentscheidungen. Im Spiralcurriculum der Leipziger Städtischen Bibliotheken, das in Zusammenarbeit mit Lehrerinnen und Lehrern entstand, sind die Kompetenzziele mit den Zielen des Bildungsplanes abgeglichen, um die Bildungsarbeit von Bibliothek und Schule inhaltlich zu vernetzen (Keller-Loibl 2016, 401–403). Bibliothekspädagogische Angebote für Erwachsene sind auf verschiedene Lebens- und Interessenlagen ausgerichtet und variieren von Bibliothek zu Bibliothek. Die Bildungs- und Informationsbedürfnisse sind heterogen: Neben der Allgemeinbildung werden Informationen für die berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie Anregungen zur Unterhaltung und zur sinnvollen Gestaltung der Freizeit gesucht (Seefeldt/Syré 2017, 61). Das Angebotsspektrum umfasst Autorenlesungen, Literatur- und Themenausstellungen, Angebote zur Vermittlung von Informationskompetenz ebenso wie Kursangebote zur Einführung in das Internet oder zur Nutzung von Tablet-PCs für ältere Menschen (Keller-Loibl/Brandt 2015, Kap. 6). Um spezifische Zielgruppen zu erreichen, kooperieren immer mehr kommunale Bibliotheken mit Volkshochschulen, zum Beispiel bei Sprachkursen für Migrantinnen und Migranten und für Flüchtlinge oder bei Angeboten für leseschwache Erwachsene (Deutscher Städtetag 2016, 6; Stang 2018). Die neue Qualität der bibliothekspädagogischen Angebote zeigt sich darin, dass die Bildungsarbeit immer mehr auf der Grundlage von Erfahrungen und Erkenntnissen aus der Pädagogik und Psychologie entwickelt wird (Schultka 2005, 1464). In neueren Angeboten rücken die Lernenden ins Zentrum. Durch Entdecken, Erforschen und Anregung mit multiplen Sinnen sollen in einer anregenden Umgebung Lernerfahrungen in der Bibliothek ermöglicht werden. Die Planung von Lernsituationen ist in der Bibliothekspädagogik ein bewusster Vorgang, der pädagogische und didaktische Aspekte berücksichtigt. Für die Konzipierung und Gestaltung von Bildungsaktivitäten kann das Handlungswissen der Bezugswissenschaft Pädagogik genutzt werden. Dazu gehören beispielsweise Aspekte des Lernens und der Vermittlung, der Motivation und sozialen Interaktion. Wie förderliche Rahmenbedingungen für einen Lernprozess gestaltet werden können und wie neben einem kognitiven Wissenserwerb auch motivationale und soziale Lerneffekte erzielt werden können, dafür bieten die Pädagogik und Psychologie ebenfalls hilfreiche Ansätze und Theorien. Auch lerntheo-
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retische Annahmen zum Einsatz von Lernstrategien und zum selbstregulierten Lernen geben Hinweise für die bibliothekspädagogische Arbeit. Darüber hinaus ist es naheliegend, pädagogisch-psychologische Motivationstheorien und Grundlagen der Didaktik und Methodik nutzbar zu machen. Dazu gehören die Zielgruppenanalyse und die Festlegung von Zielen, Inhalten und Methoden ebenso wie die Strukturierung der Bildungsangebote und die Gestaltung von Lernräumen. Bibliothekspädagogik versteht sich als eine bibliothekarische Querschnittsaufgabe, die bereits in der Einrichtung einer Bibliothek, der Entwicklung eines benutzerfreundlichen Leit- und Orientierungssystems oder der Konzipierung eines Online-Tutorials zum Tragen kommt. Bibliothekspädagogik beginnt „bei der Ausgestaltung von Bibliotheken bis hin zur bibliothekarischen Beratung“ (Haase 2010, 3). Zu den zentralen Arbeitsfeldern der Bibliothekspädagogik in Öffentlichen Bibliotheken können folgende Tätigkeitsbereiche gezählt werden: –– personale Vermittlung (vielfältige alters- und adressatenbezogene Veranstaltungen, Workshops, kursorientierte Angebote, Lernberatung, Inhouse-Schulungen etc.), –– non-personale Vermittlung (digitale Lehr-/Lernkurse, Ausstellungen, Lernmaterialien, Medienboxen mit didaktischen Hinweisen, Informationsmaterial und Internetpräsenz der Bibliothek für verschiedene Zielgruppen etc.), –– Lernraumgestaltung unter pädagogischen und didaktischen Aspekten (Leitsystem, Lernumgebung, zielgruppenspezifische Bibliotheksräume, z.B. Kinderbibliothek, Jugendbereich, Lernlandschaften), –– Neu- und Weiterentwicklung von Angeboten und Services (weg von der bibliothekarischen Sicht hin zum Adressaten, E-Learning, Beteiligungsmodelle etc.), –– strategische, konzeptionelle und organisatorische Tätigkeiten (Entwicklung von Bildungsstandards, Kooperation mit Bildungspartnern, Evaluation etc.). Bibliothekspädagogische Arbeit bedeutet eine neue Qualität der Adressatinnenbzw. Adressatenbezogenheit und der pädagogischen Kompetenz im sozialen und kommunikativen Umgang mit Bibliotheksbesucherinnen und -besuchern ebenso wie die auf einem didaktisch-methodischen Konzept basierende bauliche, räumliche und digitale Gestaltung neuer Lernwelten in Bibliotheken. Besondere Arrangements und Inszenierungen sowie ein Angebot von Themeninseln oder Erlebniswelten sind zum Beispiel für Kinder und Jugendliche lernförderlich und ermöglichen Erfahrungen mit allen Sinnen (Keller-Loibl 2014, 68). In den letzten Jahren entstanden in Bibliotheken immer mehr Räume für offene Lernprozesse wie Lernstudios, Bibliothekslabore oder Makerspaces, die zum Selbermachen, Ausprobieren und Experimentieren anregen und vielfältige Lernaktivitäten ermöglichen. Diese Entwicklung trägt einem veränderten Lern-
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begriff Rechnung, der unter Lernen nicht nur das Lernen in formalen Kontexten versteht, sondern das selbstgesteuerte Lernen in allen Lebenssituationen hervorhebt. Insbesondere dem interessengeleiteten Lernen in der Freizeit wird eine neue Bedeutung beigemessen (Furtner-Kallmunzer et al. 2002, 10–12). Das Erleben von Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit sind entscheidende Bedingungen für die Entwicklung einer selbstbestimmten Motivation (Krapp et al. 2014, 204). Bibliothekspädagogische Angebote sollten deshalb ein hohes Maß an Eigenaktivität und das positive Erleben, aus eigener Kraft Anforderungen gewachsen zu sein, ermöglichen. Der Wunsch nach sozialer Einbindung erfordert eine vertrauensvolle Lernatmosphäre und den Einsatz verschiedener Sozialformen des Lernens im Rahmen organisierter Lernprozesse.
Herausforderungen und Zukunftsperspektiven Die bibliothekspädagogischen Angebote und Vermittlungsformen vieler Öffentlicher Bibliotheken, insbesondere in Groß- und Mittelstadtbibliotheken, wachsen kontinuierlich an. Allerdings fehlt häufig speziell ausgebildetes Personal, das die neuen bibliothekspädagogischen Arbeitsfelder ausfüllen kann. Um qualifizierten Nachwuchs zu garantieren, sind neben einer noch stärkeren Integration bibliothekspädagogischer Inhalte in die Hochschulausbildung von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren auch spezifische Fort- und Weiterbildungsangebote erforderlich, die noch nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sollten in der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung im Rahmen der Medienbildung die Themen Schulbibliothek und Kooperation mit Öffentlichen Bibliotheken im Curriculum verankert werden, um eine qualitätsvolle Schulbibliotheksarbeit zu befördern. Ein entscheidender Schritt im Hinblick auf eine Qualifikation von Bibliothekspädagoginnen und -pädagogen ist der im Jahr 2010 gestartete Masterstudiengang Bibliotheks- und Informationswissenschaft mit der Profilierungslinie Bibliothekspädagogik an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig. Im Rahmen dieser Profilierung werden Grundlagen der Pädagogik, der Entwicklungspsychologie und der Erwachsenenbildung ebenso wie Modelle des Lernens, die Gestaltung von Lernangeboten in unterschiedlichen Kontexten und die Vielfalt der anwendbaren Methoden und Techniken für unterschiedliche Zielgruppen gelehrt. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Ausbildung von pädagogischen und kommunikativen Fähigkeiten. Die Authentizität der Vermittlungsperson, deren Offenheit gegenüber anderen Menschen und die Fähigkeiten, Individuen zu motivieren, zu begeistern und ihnen Wertschätzung entgegen zu
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bringen, spielen in der pädagogischen Praxis eine entscheidende Rolle. Deshalb werden die theoretischen Inhalte durch praxisnahe Projekte und Praxisphasen ergänzt, um das eigene pädagogische Handeln zu erproben und zu reflektieren (Keller-Loibl/Giersberg 2011; Acquistapace/Ulbricht 2017, 342–344). 2013 fand der erste bibliothekspädagogische Kongress Forum Bibliothekspädagogik im deutschsprachigen Raum statt, der von Hochschulen in Hamburg, Leipzig, Stuttgart und Köln mit bibliothekswissenschaftlichen Studiengängen ins Leben gerufen wurde. In Thesen zur Bibliothekspädagogik (Keller-Loibl 2013), die als Ergebnis dieses Kongresses erschienen, wurden die Aufgaben und Ziele der Bibliothekspädagogik und die zu schaffenden Rahmenbedingungen formuliert. Mit Neuauflagen in den Jahren 2015 und 2016 hat sich das Forum Bibliothekspädagogik als ein wichtiges Weiterbildungsformat in Deutschland etabliert und verhilft der Verbreitung der Idee und des Begriffs Bibliothekspädagogik. Um die Bibliothekspädagogik in einem weiten Verständnis professionell und flächendeckend im Bibliothekswesen zu etablieren, ist eine Reihe von Herausforderungen in Zukunft zu meistern. Neben der Aus-, Fort- und Weiterbildung bedarf es einer Neupositionierung der Bibliothekspädagogik als Querschnittsaufgabe in den Bibliotheksstrukturen, die mit entsprechenden Planstellen besetzt werden. Zukunftsweisend ist die Gründung einer eigenen bibliothekspädagogischen Abteilung oder eines Fachbereichs wie zum Beispiel in der Stadtbibliothek Mannheim (Harling/Schmid-Ruhe 2015, 23). Mit einem Bildungskonzept, in dem Ziele und Zielgruppen für das eigene Haus festgelegt werden, wird ein pädagogisches Fundament geschaffen, auf dem ein planvolles pädagogisches Handeln möglich wird. Lernen ist ein organisierter Prozess mit klaren Bildungszielen. Zudem ist eine Qualitätssicherung erforderlich, die Standards in der Bildungsarbeit definiert und evaluiert. Die Etablierung einer Bibliothekspädagogik in Stadt- und Gemeindebibliotheken und eine Vernetzung mit Bildungspartnern vor Ort kann dazu beitragen, die Bildungsarbeit von Öffentlichen Bibliotheken sichtbarer zu machen und die oft noch fehlende Integration in die bildungspolitischen Konzeptionen der Bundesländer und Kommunen (Deutscher Städtetag 2016, 10) zu erreichen. Mit der Ausweitung der Zielgruppen, der Arbeitsfelder und der Formate ist die Bedeutung der Bibliothekspädagogik in den letzten Jahren maßgeblich gewachsen. Neben der Erweiterung des Methodenarsenals und der didaktischen Fundierung der Angebote gilt es in Zukunft Bildungsbedarfe aufzugreifen, die sich aus neuen gesellschaftlichen Entwicklungen ableiten lassen, so zum Beispiel die Konzipierung von Angeboten zur intergenerationellen Bibliotheksarbeit und zur demokratischen Bildung oder zu medienpädagogischen Themen wie Datenschutz und die Nutzung sozialer Netzwerke.
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Öffentliche Bibliotheken sind auf dem Weg, sich zu Orten der Inspiration, Kommunikation und Partizipation zu entwickeln. Dazu bedarf es einer wissenschaftlich begründeten und zukunftsorientierten Bibliothekspädagogik, die offen bleibt für sich wandelnde Interessen, Bildungsbedürfnisse und Lernmodelle.
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Wilfried Sühl-Strohmenger
Dimensionen der Learning und Teaching Library Veränderung von Lehr-Lernkontexten in Öffentlichen Bibliotheken
Einleitung Unter Öffentlichen Bibliotheken sind nicht nur die kommunalen und kirchlichen Bibliotheken, sondern auch die staatlichen Wissenschaftlichen Bibliotheken, Hochschul- und Landesbibliotheken zu verstehen, sofern diese gleichzeitig als Öffentliche Bibliotheken fungieren, also zum Beispiel für Schülerinnen und Schüler sowie Bürgerinnen und Bürger zugänglich sind und entsprechende Bildungsangebote vorhalten. Im hier verstandenen Kontext der Lernwelt Bibliothek findet sich der Terminus Learning Library fast ausschließlich im angloamerikanischen Raum (Australien, Großbritannien und USA), während die kommunalen Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland Bezeichnungen wie beispielsweise Lernort, Lernpunkt, Lernstudio, Lernwelt, Lerntreff, Lernzentrum oder Lern- & Arbeitsort verwenden. Der Terminus Teaching Library1 ist im Kontext der kommunalen und kirchlichen Öffentlichen Bibliotheken bislang kaum geläufig, nicht zuletzt mangels personeller und auch räumlicher Kapazitäten, während er im Bereich der Wissenschaftlichen Bibliotheken einigermaßen Fuß fassen konnte (Sühl-Strohmenger 2012; Franke 2015). Zu bevorzugen wäre der Terminus Lehr-Lernort (also analog der Wendung von der Learning und Teaching Library), weil das Lehren und Lernen untrennbar miteinander verbunden sind, bei den kommunalen und kirchlichen Öffentlichen Bibliotheken jedoch zur Zeit der Lernort vorherrschend ist, jedenfalls in Deutschland. In dem vorliegenden Beitrag wird das Problemfeld in theoretisch-systematischer Richtung dargestellt und reflektiert, auch mit Blick auf die Zukunft einer Learning und Teaching Library, die das weitere Feld der Öffentlichen Bibliotheken umfasst, dabei sowohl die Schnitt- und Kooperationsstellen zwischen diesen beiden Typen als auch zwischen diesen und den formellen Bildungsein1 Umfangreichere Darstellungen zur Teaching Library-Entwicklung im deutschsprachigen Raum bei Lux/Sühl-Strohmenger 2004, Krauß-Leichert 2007, Sühl-Strohmenger 2012, Franke 2015. https://doi.org/10.1515/9783110590982-006
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richtungen berücksichtigen2. Grundlegend in diesem Kontext ist das Leitprinzip der Informationskompetenz als umfassende Kategorie, die auch Lese-, Sprach-, Schreib- und Medienkompetenz einschließt, die zunächst skizziert werden soll.
Informationskompetenz Kernbegriff des Lehr-Lernorts Bibliothek ist – einschließlich der im Bereich der Öffentlichen Bibliothek geläufigen Lese- bzw. Medienkompetenzen – die Informationskompetenz (IK) (Sühl-Strohmenger/Barbian 2017), die immer wichtiger wird, auch angesichts der Gefahren durch die Verbreitung von Fake News. In Deutschland liegen verschiedene Empfehlungen zur Informationskompetenz seitens des Deutschen Bibliotheksverbandes (dbv), des Dachverbands Bibliothek & Information Deutschland (BID), der bibliothekarischen Personalverbände sowie der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) vor. Umfangreiche Handbücher (Sühl-Strohmenger 2012; Sühl-Strohmenger 2016) dokumentieren die dynamische Entwicklung des Konzepts Informationskompetenz im Bildungswesen; die Gründung einer Gemeinsamen IK-Kommission von dbv und des Vereins Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VDB) verdeutlicht den wachsenden Stellenwert von Informationskompetenz im Bibliotheks- und Informationswesen.3 In phänomenologischer Sichtweise (Sühl-Strohmenger/Barbian 2017, 34–39) umfasst die Informationskompetenz mehrere Dimensionen und Ebenen (siehe Tabelle 1). Neben dem persönlichen Informieren gehört zur Informationskompetenz das Kommunizieren mit anderen über Information, das Vermitteln von Information, sodann der Umgang mit Information, sowohl bezüglich des Informationsmanagements als auch der korrekten Verwendung von Information sowie im Hinblick auf die eigene Erkenntnis- und Wissensbildung. Informationskompetenz beinhaltet die Beherrschung basaler oder generischer Fähigkeiten und Fertigkeiten wie Lese- und Schreibfähigkeit sowie informationstechnisches Know-how, vor allem im Hinblick auf die Anforderungen der Digitalisierung in Wirtschaft, Gesellschaft und Bildung (Sühl-Strohmenger/ Barbian 2017). Dazu gehört die grundlegende Orientierungsfähigkeit in komplexen Informationsräumen, wie sie Bibliotheken, Massenmedien und das Internet darstellen. Informationskompetenz soll aber auch Neugier und Offenheit für 2 Siehe dazu auch das Themenheft von ProLibris (I/2015). http://www.bibliotheken-nrw.de/fileadmin/Dateien/Daten/ProLibris/2015-1_Pro_Libris_Web.pdf. 3 Gemeinsame Kommission Informationskompetenz von VDB und dbv. http://www.bibliotheksverband.de/fachgruppen/kommissionen/informationskompetenz.html.
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neue Informationen oder Medien in sich laufend verändernden technologischen und sozialen Kontexten anregen, vor allem soll sie den Jugendlichen und den Erwachsenen Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten des selbstständigen Suchens, Auffindens, kritischen Auswählens und Verarbeitens von Information auf verschiedenen Anspruchsebenen vermitteln, sei es in der Schule, im Hochschulstudium oder in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung, mit entsprechenden speziellen Vertiefungen. Informationskompetenz bedeutet auch Critical Information Literacy (McNicol 2016), die die Lernenden dazu ermutigen soll, kritische Fragen über ihr Verständnis von Wissen zu stellen und sie soll die Perspektive auf die Bedeutung der Informationspraxis in Politik, Beruf und Arbeitsplatz eröffnen. Tab. 1: Phänomenologie der Informationskompetenz. SICH-INFORMIEREN
ANDERE INFORMIEREN
MIT INFORMATIONEN UMGEHEN
Vielfalt erkennen Selektieren Lesen, Rezipieren Notieren Exzerpieren Interpretieren Meinung bilden Grenzen überschreiten Metakognition vollziehen
Mitteilen Kommunizieren Teilen Präsentieren Vortragen Erklären Schreiben Publizieren
Verarbeiten Gliedern Strukturieren IT anwenden Zitieren Wissen bilden Erkenntnisse gewinnen Bildung erweitern Probleme lösen Urheberrecht beachten Ethik einbeziehen
Learning und Teaching Library – Konkretisierungen Die Learning Library definiert sich in Bezug auf die Ermöglichung selbstorganisierten Lernens im Raum der Bibliothek. Angebote zum selbstständigen (digital gestützten) Lernen mithilfe entsprechender Softwaretools kommen hinzu. Die Learning Library hat unterschiedliche Realisierungen, zum Beispiel an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) Winterthur (Giella/ Konkol 2014) im Sinne eines Lernservice-Zentrums und einer Lernlandschaft, analog den besonderen Ausprägungen des aktuellen Lernverhaltens, des Lernbedarfs, auch des Selbstlernens bzw. des informellen (nicht-direktiven) Lernens.
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Besonders nah an den formalen Bildungseinrichtungen sind die Schulbibliotheken, die in Deutschland allerdings nur teilweise in den Unterricht eingebunden sind. In Südtirol beteiligen sich demgegenüber die Schulbibliotheken im Verbund mit den Lehrkräften aktiv am Unterricht, Informationskompetenz wird als integraler Bestandteil von Lernkompetenz gesehen, es wird an einem „Bibliothekscurriculum“ gearbeitet. Bei den deutschen kommunalen und kirchlichen Öffentlichen Bibliotheken existiert Ähnliches bislang nur vereinzelt, im Bibliotheksportal4 wird Deutschland bezüglich der Schulbibliotheken sogar als „Notstandsgebiet“ bezeichnet. Das betrifft nicht die Einrichtung und Gestaltung von Lernräumen (also in architektonisch-räumlicher Sicht), denn hier haben einige Städte, die genügend Finanzkraft haben, durchaus ihre Stadtbibliotheken modernisiert oder gar neu gebaut (wie z.B. in Duisburg). Realisiert sind sie bewusst auch als Orte des Lernens oder als Wissensräume (Eigenbrodt/Stang 2014; Stang 2016) oder sie sind mit anderen Kultur- und Bildungseinrichtungen räumlich-organisatorisch integriert, wie zum Beispiel in Trier: Dort besteht ein Bildungs- und Medienzentrum (BMZ), in dessen Rahmen sich das Selbstlernzentrum der Bibliothek in kurzer Zeit auch als zentrale Anlaufstelle für Grundbildung in Trier etablieren konnte (Fries 2017, 679; Fries 2018). Die Teaching Library betreibt die aktive Entwicklung und Förderung von Informations- und Medienkompetenz, sei es durch Coaching, durch Beraten, Motivieren, Unterrichten (Didaktik), durch Fördern und durch Stärken. Der Begriff Teaching Library (Sühl-Strohmenger 2012) dient als Ausdruck der stärkeren Einbindung der Bibliotheken in das Bildungssystem sowie in den Kontext des Hochschulstudiums5, das heißt der Modellierung der Bibliothek als Ort des Lehrens und Lernens mit dem Ziel der Förderung von Schlüsselqualifikationen, die für das Lebenslange Lernen wesentlich sind. Ihre Hauptkomponenten sind die pädagogisch-didaktisch basierte Vermittlung von Bibliotheks- und Informations- bzw. Medienkompetenz, die Realisierung eines entsprechend vielseitigen, möglichst fest in das übergreifende Bildungsprogramm integrierten Veranstaltungs-/Lehrangebots mit virtueller oder persönlicher Lernunterstützung sowie pädagogisch-didaktisch qualifiziertem Bibliothekspersonal. Die Teaching Librarians kümmern sich um die Organisation und Planung (Umlauf 2007; Sühl-Strohmenger 2012; Franke 2015), um die Planung und Durchführung der Bildungsan4 Deutscher Bibliotheksverband; Kompetenznetzwerk für Bibliotheken: Bibliotheksportal. Thema: Bibliothek und Schule – zwei starke Partner. http://www.bibliotheksportal.de/themen/ bibliothek-und-bildung/bibliothek-und-schule.html. 5 Frühzeitig hat diesen Zusammenhang dargelegt: Mittler, E. (1997): The teaching library. The LIBER quarterly 7, 573–582.
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gebote, um die Leistungsmessung und die Evaluation, um die Kooperationen und um das Marketing.6 Kommunale Öffentliche Bibliotheken verfolgen eher personalsparende Lernortkonzepte, während staatliche Öffentliche Bibliotheken7 den Fokus auch auf den Lehrort legen und dafür Personalkapazitäten aufbringen. Abbildung 1 veranschaulicht, wie der Lehr-Lernort Bibliothek mit jeweils spezifischer Profilierung die von den Zielgruppen benötigten Schlüsselkompetenzen beim Umgang mit Information, Literatur und Medien zu fördern versucht.
Abb. 1: Strukturmodell des Lehr-Lernorts Öffentliche Bibliothek (eigene Darstellung).
6 An der Technischen Hochschule Köln gibt es dazu einen Zertifikatskurs „Teaching Librarian“: https://www.th-koeln.de/weiterbildung/zertifikatskurs-teaching-librarian_9840.php. 7 Wie zum Beispiel: die Staatsbibliothek Berlin („Wissenswerkstatt, Schulungen“; Sachgebiet E-Services und Kommunikation), die Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen („Lernen & Lehren“; Informationszentrum), die Badische Landesbibliothek Karlsruhe („Wissenstor“; Beratung und Schule der Teaching Library), die Bayerische Staatsbibliothek München (Schulungen, E-Tutorials; Benutzungs-/Informationsdienste), die Universitäts- und Landesbibliothek Münster (Lern- u. Arbeitsort; Information und Schulungen), die Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (Schulungsprogramm; Informationszentrum), die Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel (Angebote für Schülerinnen und Schüler; Schülerseminar).
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Lehr-Lernort Bibliothek in statistischer Betrachtung Zur statistischen Bedeutung der Lern- und Lehrangebote Öffentlicher Bibliotheken: Die Learning bzw. Teaching Library erstreckt sich auf die Öffentlichen Bibliotheken im weiteren Sinne. Nicht nur die kommunalen und kirchlichen Bibliotheken sind dabei zu berücksichtigen, sondern auch die Wissenschaftlichen Bibliotheken, also die Regional-, Landes- und Staatsbibliotheken. Der Umfang an Bibliotheksveranstaltungen, darunter auch Führungen, Schulungen, Workshops, Wettbewerbe, Lesungen, hat sich in den vergangenen sechs Jahren immer weiter erhöht. Nach der Deutschen Bibliotheksstatistik (DBS, Rubrik 94: Zahl der Veranstaltungen, Führungen, Ausstellungen) für insgesamt 7.275 Öffentliche Bibliotheken (ohne die Staats- und Landesbibliotheken, die unter den Wissenschaftlichen Bibliotheken geführt werden) fanden im Jahr 2016 insgesamt 378.754 Veranstaltungen statt (Mittelwert: 52,78) gegenüber 317.586 (Mittelwert: 40,60) Veranstaltungen im Jahr 2010 (bei einer Zahl von 7.936 Bibliotheken, also deutlich mehr als 2016), das entspricht einer Zunahme um rund 20 bis 25 Prozent (siehe Tabelle 2). Den Lernwelten im Kontext Öffentlicher Bibliotheken kommt also eine unübersehbar gestiegene Bedeutung im Portfolio der Dienstleistungen zu, ohne dass dabei schon klar zu unterscheiden wäre, ob sich dies auf das Lernen generell oder auf gezielte Lehrangebote seitens der Bibliotheken bezieht. Auffällig ist, dass die weitaus überwiegende Zahl von kleineren kommunalen und kirchlichen Öffentlichen Bibliotheken ihren Nutzerinnen und Nutzern 2016 Bildungsveranstaltungen in einem Umfang nur im ein- oder zweistelligen Bereich anbieten können, während die mittelgroßen Einrichtungen im dreistelligen Bereich, aber unter der Zahl von 300 Veranstaltungen jährlich liegen, angesichts der häufig begrenzten personellen Kapazitäten dennoch ein beachtlicher Umfang. Bei den großen kommunalen Bibliotheken liegt die zahlenmäßige Bandbreite der Veranstaltungen im Jahr 2016 zwischen 300 und 1.000 Veranstaltungen. Darunter fallen beispielweise die Stadtbibliotheken Aachen (678), Bonn (728), Essen (583), Freiburg im Breisgau (820), Gütersloh (537), Halle/Saale (660), Magdeburg (924) oder Münster in Westfalen (886).
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Tab. 2: Lehr-Lernort Bibliothek: Anzahl von Veranstaltungen (Ranking nach DBS 2016). Kommunale Öffentliche Bibliotheken
Staatliche Öffentliche Bibliotheken
Bibliothek
Anzahl
Bibliothek
1 Hamburg, Bücherhallen
10.806
1 Bremen, Staats- u. Univ. Bibliothek (SuUB) 2 Dresden, Staats-, Landes- u. Univ.Bibliothek (SLUB) 3 Jena, Univ. u. Landesbibliothek (UuLB). 4 Berlin, Zentral- u. Landesbibliothek (ZLB). 5 München, Bayerische Staatsbibliothek (BSB) 6 Halle/S., Universitäts- u. Landesbibliothek (UuLB) 7 Karlsruhe, Badische Landesbibliothek (BLB) 8 Göttingen, Staats- u. Univ. Bibliothek (SUB) 9 Darmstadt, Univ.- u. Landesbibliothek (ULB) 10 Hamburg, Staats- u. Univ.Bibliothek (SUB)
2 München Stadtbibliothek
6.009
3 Dresden, Städtische Bibliotheken 4 Heilbronn, Stadtbibliothek
5.816
5 Berlin Tempelhof-Schöneberg, Bezirkszentralbibliothek 6 Stuttgart, Stadtbibliothek
4.506
7 Berlin Spandau, Bezirkszentralbibliothek 8 Frankfurt a. M., Stadtbücherei
4.506
9 Berlin Mitte, Stadtbibliothek
4.085
10 Mannheim, Stadtbibliothek
3.865
4.906
4.525
4.187
Anzahl 8.971 8.904 7.378 7.051 6.389 5.650 4.945 4.824 4.695 4.685
Zugänge zur Learning Library und zur Teaching Library Die Richtung, in der sich der Lehr-Lernort bei den kommunalen und kirchlichen Öffentlichen Bibliotheken entwickeln könnte, zeigt die Frankfurter Erklärung des Deutschen Bibliotheksverbands8, in der die Forderung vertreten wird, Medienbildung in der Schulbibliothek zu verankern. Die digitale Agenda des Bundes9 weist dazu den bildungspolitischen Weg. So könnte tatsächlich eine Learning 8 Deutscher Bibliotheksverband (dbv): Lesen und Lernen 3.0. Medienbildung in der Schulbibliothek verankern! Frankfurter Erklärung des Deutschen Bibliotheksverbandes (dbv) vom 22. April 2015. http://www.schulmediothek.de/fileadmin/pdf/DieFrankfurterErklaerung.pdf. 9 Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF): Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft. https://www.bmbf.de/pub/Bildungsoffensive_fuer_die_digitale_Wissensgesellschaft.pdf.
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und Teaching Library im Bereich der kommunalen Öffentlichen Bibliotheken entstehen, allerdings bedarf es dazu erhöhter Investitionen in die lernförderliche Ausstattung solcher Bibliotheken und in die personellen Kapazitäten sowie die bibliotheksdidaktische/bibliothekspädagogische Qualifizierung. Die Kooperation zwischen Öffentlichen Bibliotheken und Wissenschaftlichen Bibliotheken im Hinblick auf ihren Beitrag zum Bildungswesen ist in Deutschland noch schwach ausgeprägt. So existieren mit der dbv-Kommission Bildung und Schule sowie der Gemeinsamen IK-Kommission von VDB und dbv zwei Gremien nebeneinander ohne erkennbare Zusammenarbeit. Auf lokaler Ebene bieten Stadtbibliothek und Hochschulbibliothek häufig unkoordiniert Einführungen für Schülerinnen und Schüler an, mit wenigen Ausnahmen wie zum Beispiel der Regensburger Bibliothekskooperation: „Regensburger Bibliotheken für Schülerinnen und Schüler – Ihr Partner für die Vermittlung von Lesekompetenz, Medienkompetenz, Bibliothekskompetenz und Informationskompetenz“, wie es auf der Webseite des Projekts heißt10. Beteiligt daran sind die Stadtbibliothek, die Hochschulbibliothek, die Universitätsbibliothek und die Staatsbibliothek Regensburg. Der Lehr-Lernort hat sich hier zu einem gemeinsam von allen örtlichen Bibliotheken getragenen Lehr-Lern-Bibliotheksverbund entwickelt, der mit den Schulen eng vernetzt ist und Lernangebote für alle Schulformen und Jahrgangsstufen umfasst. Bemerkenswert erscheint die Kooperation auch deshalb, weil sie die ansonsten üblichen Träger- und Zuständigkeitsgrenzen der Politik überwindet. Im Gegensatz dazu hat das Land Nordrhein-Westfalen die Bildungspartnerschaft Bibliothek & Schule mit hohem Einsatz auf den Weg gebracht, jedoch gibt es offensichtlich kaum eine sichtbare Vernetzung zwischen kommunalen Öffentlichen Bibliotheken und Wissenschaftlichen Bibliotheken bei der Förderung von Informationskompetenz der Schülerinnen und Schüler.
Theoretische Fundierungen Die Learning und die Teaching Library können auf bibliotheks- und informationswissenschaftlicher Grundlage11, aber auch auf der Lehr-Lerntheorie (Hanke/ 10 RBV/Regensburger Bibliotheksverbund: Regensburger Bibliotheken für Schulen. http://www. regensburger-bibliotheken.de/schule. 11 Einer der wenigen ernst zu nehmenden Versuche der theoretischen Fundierung von Informationskompetenz als Kernstücks der Teaching Library stammt meiner Einschätzung nach von Thomas Hapke (Universitätsbibliothek der Technischen Universität Hamburg-Harburg), der dabei auch die internationale Diskussion und Forschungsliteratur einbezieht. Siehe dazu insgesamt: Hapke-Weblog. https://blog.hapke.de.
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Sühl-Strohmenger 2015; Stang 2016) bzw. Lernpsychologie, der Wirtschaftspädagogik12 oder der Bildungssoziologie (Eigenbrodt in Vorb.) begründet werden. Mit Blick auf einige Modelle Öffentlicher Bibliotheken in Dänemark wäre der Ansatz der Appreciate Inquiry (AI) zu erwähnen, der im Kern eine Methode des Lernens als wertschätzende und anerkennende Erkundung darstellt (Elbeshausen 2007). Eine solche bibliothekarische Vermittlungsethik wäre demnach vor allem für solche Öffentliche Bibliotheken interessant, die sich primär um die soziale und kulturelle Integration der Zielgruppen bemühen. Eine zu starke Zurückhaltung der Bibliotheken beim pädagogisch-didaktischen Handeln, wie sie traditionell zu beobachten sei, dient diesen Zielen aber nicht, wie Elbeshausen betont. Eine umfassende theoretische Fundierung steht bislang aus. Sie dürfte auch wegen der Komplexität der Bedingungsfaktoren und des erheblichen Mangels an empirischen Untersuchungen zum Informationsverhalten und zu den messbaren Effekten des Lehr-Lernorts Bibliothek schwer zu formulieren sein. Dazu bedürfte es der Beteiligung von pädagogischen, informations- und sozialwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen. Somit wird der Lehr-Lernort Bibliothek aus der Praxis der Learning und Teaching Library selbst heraus in verschiedenen Richtungen zu fundieren versucht, ohne dezidiert wissenschaftlich-systematischen Anspruch. Ein von angloamerikanischen Vorbildern inspirierter Ansatz zur theoretischen Begründung der aktiven Bildungsfunktion von Bibliotheken ist die Ausrichtung an Standards der Informationskompetenz. Die in Deutschland geläufigen fünf Standards betreffen die Formulierung des Informationsbedarfs, sodann den Zugang zur Information und die Recherche, die Bewertung und Auswahl von gefundener Information, die Verarbeitung und die Kommunikation der Information sowie schließlich die rechtliche und ethische Verantwortung bei der Informationsnutzung und Informationsweitergabe.13 Einen breiteren, auf alle Bildungsstufen zielenden Ansatz stellt der Referenzrahmen Informationskompetenz dar, der sich am Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen orientiert.14 Inwieweit die IK-Standards oder 12 Zu nennen sind die Forschungs- und Aktivitätsschwerpunkte des Instituts für Wirtschaftspädagogik (IWP) an der Universität St. Gallen unter der Leitung von Prof. Dr. Sabine Seufert zum Digitalen Lernen und zur Informations- und Medienkompetenz in Wirtschaft und Bildung. https:// iwp.unisg.ch. 13 Diese Standards gelten primär für Studierende und wurden 2009 vom dbv verabschiedet: http:// zpidlx54.zpid.de/wp-content/uploads/2015/02/DBV_Standards_Infokompetenz_03.07.2009_ endg.pdf. 14 Referenzrahmen Informationskompetenz. Erarbeitet von Andreas Klingenberg im Auftrag der dbv-Kommission Bibliothek & Schule und der Gemeinsamen Kommission Informationskompetenz von VDB und dbv. http://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/Kommissionen/ Kom_Infokompetenz/2016_11_neu_Referenzrahmen-Informationskompetenz_endg__2__Kbg. pdf.
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der Referenzrahmen IK in der Praxis des Lehr-Lernorts Bibliothek realisiert werden, ist bislang nicht untersucht worden. Dies gilt jedoch auch für die neuerdings im Bibliothekswesen diskutierten Schwellenkonzepte aus den USA. Die Tendenz zu einer bibliothekszentrierten Sichtweise des Lernorts Bibliothek und der Förderung von Informationskompetenz ist unübersehbar. Statt sich an Standards oder am Referenzrahmen zu orientieren, stehen vielfach die strategischen Überlegungen der lokalen Bibliothek im Vordergrund. Sie formuliert ihrerseits Bildungs- und Lernangebote, von denen sie annimmt, dass diese auf Interesse der Zielgruppen stoßen, oder von denen sie weiß, dass eine konkrete Nachfrage besteht. Indirekt wird auf diese Weise auch Informationskompetenz entwickelt, aber eben nicht von übergeordneten theoretischen Überlegungen aus, sondern am point of need. Die Nachfrageorientierung gilt vielen Öffentlichen Bibliotheken als überragender Maßstab für die Platzierung von Angeboten im Rahmen ihres Lehr- und Lernorts. Eng damit verbunden ist ein weiterer Begründungsansatz für die Learning und die Teaching Library, der auf das Informationsverhalten rekurriert, das den Zielgruppen der Bibliotheken zugeschrieben werden kann: Internet-Affinität, starke Nutzung sozialer Netzwerke, Trends zum Gaming, Bedarf an Unterstützung für das Lernen in Schule, Berufsausbildung und Weiterbildung15. Für die Teaching Library bedeutet diese Entwicklung, dass sie sowohl die für den Umgang mit den klassischen physischen Ressourcen einer Bibliothek erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten fördern, als auch und zunehmend die für die Nutzung der digital verfügbaren Medien erforderliche Informations- und Medienkompetenz schulen und stärken muss. Nicht nur Wissenschaftliche, sondern auch Öffentliche Bibliotheken eröffnen mithilfe der On leihe Zugänge zu einer Vielzahl elektronischer Bücher. Öffentliche Bibliotheken – nicht nur Bibliotheken in kommunaler und kirchlicher Trägerschaft, sondern auch Staats-, Landes- und Hochschulbibliotheken – definieren sich also nicht mehr nur in Bezug auf ihre traditionellen Bestände und Sammlungen, sondern zunehmend in Bezug auf ihre Funktionen für die Zugänge der Menschen zu digital verfügbaren Medien und Informationen, um somit durch verschiedene Online-Angebote auch dem E-Learning eine Basis zu bieten16. Leider lässt die Deutsche Bibliotheksstatistik keine Rückschlüsse auf die Zielgruppen der Veranstaltungen zu. Die Veranstaltungsstatistik unter dem Portal informationskompetenz.de weist für das Jahr 2015 aus, dass die dort erfassten 15 Zum Medienverhalten von Kindern und Jugendlichen geben die KIM- bzw. die JIM-Studien nähere Auskunft (vgl. dazu u. a. Sühl-Strohmenger/Barbian 2017, 77–79). 16 Exemplarisch dafür die eBuecherhalle der Hamburger Bücherhallen: https://www.buecherhallen.de/go/id/gtw.
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76 Wissenschaftlichen Bibliotheken (darunter auch die Staats- und Landesbibliotheken) etwa 35 Prozent ihres Angebots den Gruppen der Schülerinnen und Schüler, der Auszubildenden, der Lehrerinnen und Lehrer, der Seniorinnen und Senioren und sonstigen Gruppen widmeten, insgesamt über 7.000 Veranstaltungen. Die kommunalen und die wissenschaftlichen Öffentlichen Bibliotheken konzentrieren sich besonders auf Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe bzw. der gymnasialen Seminarkurse in Klassenstufe 11/12, die in das „vorwissenschaftliche Arbeiten“ (so wird es bei dem flächendeckenden Angebot für Österreich genannt; siehe dazu Feigl et al. 2015) und die Bibliotheksbenutzung eingeführt werden. Seitens der Bibliotheken bestehen gut entwickelte Anmeldeverfahren für interessierte Schulen, die nicht mehr per Telefon oder per E-Mail-Austausch erfolgen, sondern über elektronische Formulare auf der Homepage der Bibliothek.17
Fazit Die Problematik von Schulungskonzepten, insbesondere von Frontalunterricht, aber auch von personellen und zeitlichen Engpässen bei der Realisierung eines Lehrangebotes gilt als Schwachstelle des Ansatzes der Teaching Library. Hinzu kommt die Herausforderung der didaktischen Qualifizierung des Bibliothekspersonals, jedoch sind mittlerweile entsprechende Fort- und Weiterbildungsangebote realisiert worden, so zum Beispiel der Zertifikatskurs für Teaching Librarians an der Technischen Hochschule Köln. Im Hinblick auf das Management der Teaching Library (Umlauf 2007; Sühl-Strohmenger 2010) bestehen Anforderungen vor allem der Personalkapazitäten, bei der Learning Library bedarf die Gestaltung von Lernumgebungen finanzieller Investitionen für geeignete lerntechnologische Lösungen, diese müssen zudem didaktisch durchdacht sein. Nicht immer impliziert die Firmierung Lernort Bibliothek, dass es sich dabei um die Unterstützung des eigenen Lernens und Recherchierens handelt, sondern manche Stadtbibliotheken übernehmen die Recherche, im Fall der Stadtbibliothek Herrenberg für Schülerinnen und Schüler, die ein Referat ausarbeiten müssen.18 Auf die Förderung der Recherche- und Informationskompetenz wird hier zugunsten eines Serviceangebots der Bibliothek verzichtet. 17 Ein Beispiel dafür bietet die Universitätsbibliothek Freiburg mit dem „ASK UB“-Programm für Seminarkurse des Raums Freiburg (Brunner/Rauhut 2015): https://www.ub.uni-freiburg.de/ unterstuetzung/einfuehrungen-und-kurse/angebote-fuer-schuelergruppen/. 18 Auf der Homepage der StB Herrenberg heißt es dazu: „Beim Service ‚Fit für’s Referat‘ recherchieren die Mitarbeiterinnen der Stadtbibliothek themengenau nach geeigneten Materialien. Der Schüler/die Schülerin erhält ein Informationspaket bestehend aus Büchern, Zeitschriften, Da-
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Zwar wurde in der Allgemeinen Didaktik die Wende vom Lehren hin zum Lernen propagiert, jedoch haben sich mittlerweile didaktische Mischformen etabliert, zum Beispiel MOMBI (Hanke/Sühl-Strohmenger 2015, 133–135). Das Lehren, der Frontalunterricht werden nicht mehr prinzipiell abgelehnt, sondern in durchdachter Kombination mit Phasen der Aktivierung von Lernenden und vom Selbstlernen gesehen. Dieses kann durch eine entsprechende architektonisch-räumliche Gestaltung der Lernumgebung (Umlauf/Stang 2018), aber auch durch die Bereitstellung von Lerntechnologien und Makerspaces (Vogt/Petzold 2018) wie auch durch Lernberatung und Lernbegleitung (Singer/Diwischek 2018) unterstützt werden. Der Lehr-Lernort Öffentlicher Bibliotheken entwickelt sich trotz mancher kritischer Einwände zu einem Eckpfeiler zukunftsbezogener Bibliotheksarbeit, die sich zunehmend als Teil der Bildungsstruktur etablieren könnte, wenn sie aktiv mit den formalen Einrichtungen der vorschulischen Erziehung, des schulischen Unterrichts, der beruflichen Ausbildung, des Studiums und der Erwachsenenbildung kooperiert. Ohne ausreichende Lerninfrastrukturen in den Bibliotheken und ohne Personalkapazitäten kann eine Learning und/oder Teaching Library jedoch nur begrenzt einen nachhaltigen Beitrag zum Lebenslangen Lernen leisten.
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tenbankeinträgen und einer Linkliste mit geeigneten digitalen Quellen. Elektronische Informationen werden per Mail weitergeleitet“. http://stabi.agenturkrauss-web.de/leistungen-angebote/ bibliothek-und-schule/.
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Das Spiralcurriculum als Eckpfeiler Optionen für eine bibliotheksdidaktische Grundlegung
Einleitung Öffentlichen Bibliotheken kommt – neben der Schule – eine prominente Rolle in der Leseförderung zu. Für alle ist ihr Angebot erreichbar – vor Ort oder geliefert, analog oder digital. Die Öffentlichen Bibliotheken sind Bildungsinstitutionen, die Übergänge begleiten. Aber als Kooperationspartnerinnen müssen Bibliotheken wissen, wie Schulen organisiert sind, was für sie wichtig ist und an welchen Stellen sich Chancen und Bedarfe für die Zusammenarbeit bieten. Das fängt mit der Terminologie und der Organisationsstruktur an: Der Kompetenzbegriff, das fächerspezifische und das schulinterne Curriculum, der „Jahresplan“ mit Zeitfenstern für Klausuren und Konferenzen, Fahrten und Feiern – das alles sind wichtige Rahmenbedingungen für Kooperationen. Umgekehrt sollten auch Schulen und Kitas als Kooperationspartnerinnen für Bildungspartnerschaften wissen, mit wem sie kooperieren, was sie von solch einer Kooperation erwarten können bzw. was von ihnen erwartet wird. Gerade in Strukturen, die auf Freiwilligkeit basieren und verschiedene Träger zusammenbringen, ist gute Kommunikation entscheidend. Die Interessen der Kooperationspartner, ihr Selbst- und Fremdbild, ihre Stärken und Kompetenzen, ihre Schwächen und Problembereiche definieren die Art des Umgangs miteinander. Ein solches Bildungsnetzwerk verlangt Aufmerksamkeit von beiden Seiten – und zumindest auf Seiten der Schule gehört eine Vorbildung dazu, die bisher nicht verpflichtend zum Ausbildungskontext steht.1 1 Im Lehramtsstudium Deutsch an der Technischen Universität Dortmund wurde 2011 das Zertifikat Literaturpädagogik etabliert, das sich zum einen durch Profilbildung aus den regulären Angeboten im Fachstudium, zum anderen durch ergänzende Veranstaltungen zusammensetzt. Es bereitet Studierende aller Lehrämter theoretisch und praktisch auf die Kooperation mit Bibliotheken vor. Das Zertifikat beinhaltet zwei Blended-Learning Kurse, die quasi identisch sind mit der Fortbildung Experten für das Lesen für Bibliothekarinnen und Bibliothekare als Fortbildungsangebot des Zentrums für Bibliotheks- und Informationswissenschaftliche Weiterbildung der Technischen Hochschule Köln und für Lehrkräfte in NRW als Projekt innerhalb der Initiative BiSS – Bildung in Sprache und Schrift. Darüber hinaus gehören dazu eine Einführung in Kinder- und Jugendliteratur und -medien, je eine Veranstaltung zu Heterogenität/Inklusion und zu Deutsch als Zweiter Sprache, ein Seminar zur literarischen Bildung und Vermittlung, eine praxisvorbereitende Veranstaltung (meist in Kooperation mit jugendstil.nrw), zwei praktische https://doi.org/10.1515/9783110590982-007
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Um Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit zu erreichen, bietet es sich an, die Kooperation „spiralcurricular“ zu definieren. Ein Spiralcurriculum ist ein didaktisches Lehrprinzip. Es ordnet den Lernstoff so an, dass die vermittelten Inhalte und Formen – angepasst an die kindliche Entwicklung – zunehmend komplexer werden und sich Wissen aufbauend entwickelt. Dies ist in unterschiedlicher Form möglich. Einmal kann eine „kleine“ Spiralstruktur mit der jeweiligen Institution konzipiert werden. Dann aber kann auch die gesamte Lesebiographie spiralcurricular begleitet werden. Die Bibliothek als Institution, die die Lesenden das ganze Leben lang begleitet, sollte dabei – so weit es geht – vom Nutzenden aus denken und nicht nur beschränkt auf eine Institution. Das bedeutet, dass jede und jeder immer Angebote passend für sich erhält – egal, welchen konkreten Verlauf die eigene Bildungsbiographie nimmt.
Beispiele für ein spiralcurriculares Bibliotheksangebot Vorschläge für ein spiralcurriculares Bibliotheksangebot gibt es viele. Sie betreffen Kindertagesstätten, Grund- und weiterführende Schulen. Hachmann (2005) hat das Spiralcurriculum Lese- und Informationskompetenz für Brilon (NRW) vorgestellt. 2006 präsentiert Lücke aus Warendorf ihre spiralcurricular angelegte Lernwerkstatt für die Klassen eins bis acht mit Plänen für die Erweiterung in die Frühe Bildung. 2007 haben Hachmann und Hofmann für den Deutschen Bibliotheksverband (dbv) die Broschüre Wenn Bibliothek Bildungspartner wird... mit konkreten Best Practice Beispielen zur Leseförderung mit dem Spiralcurriculum in Schule und Vorschule herausgebracht. Wopperer (2006, 30) „durchforstet“ in Bayern die Lehrpläne, Ehlert (2007) entwickelt ein Jahr später im Rahmen einer Diplomarbeit für Erlangen ein spiralcurriculares Konzept für die Kindertagesstätte. Bei Reckling-Freitag (2017, 35–54) finden sich Überlegungen zur Entwicklung von Spiralcurricula als Grundlage für ein bibliothekspädagogisches Gesamtkonzept in Anlehnung an Bildungsstandards, Lehrpläne und Mediencurricula. Schon 2006 definierte sie die Verankerung der Zusammenarbeit curricular – und Tutorien zu inklusiver, digitaler Medienbildung, eine Ringvorlesung Bibliothekswesen (in Kooperation mit der Universitätsbibliothek, der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund, dem Archiv Wuppertal und der Medienberatung NRW) und ein mehrwöchiges Praktikum zur Lese- und Medienförderung in Kooperation mit einem weiteren Bildungspartner, eine schriftliche Studienarbeit, ein 30-seitiger Abschlussbericht inklusive Praxiskonzept und Evaluation. Mehr als 300 Studierende haben sich seit 2011 beteiligt.
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zwar unter Berücksichtigung verschiedener Bildungswege. Der Primarbereich, aber auch die Sekundarstufe I in verschiedenen Schulformen und die Sekundarstufe II sind berücksichtigt. Die berufsorientierte Bildung im tertiären Bereich und die sonderpädagogische bzw. inklusive Förderung wurden aber – wie fast überall – noch ausgespart. Das Bibliotheks- und Informationssystem der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (2010) präsentiert mit Schu:Bi – Schule und Bibliothek die dreijährige Bildungspartnerschaft zwischen Schulen und Bibliotheken auf spiralcurricularer Grundlage. Und Keller-Loibl (2016, 403) fokussiert besonders auf das Modell in Leipzig, das bereits in der Kindertagesstätte ansetzt. Auch hier sind allgemeiner Lehrplan und verschiedene Fachlehrpläne verbunden und Kompetenzhinweise gegeben. Es berücksichtigt die Medien in ganzer Breite und bietet zur Motivation vielfältige Arbeitsformen und Angebotsformate – zurzeit annähernd das ideale Modell. Angesichts der Bildungshoheit der Länder sind für ein Spiralcurriculum immer regionale Spezifizierungen notwendig. Über die Qualität der realisierten Bildungspartnerschaften zwischen Schulen, Kindertagesstätten und Bibliotheken gibt es wenige empirische Untersuchungen. Aus der Erfahrung der Lehrerinnen- und Lehreraus- und -fortbildung scheint es jedoch geraten, die je anderen Kooperationspartnerinnen und -partner verstärkt in den Blick zu nehmen und aus ihrer Perspektive Überlegungen für eine Zusammenarbeit zu formulieren, die Möglichkeiten und Bedingungen der Bibliothek berücksichtigen.
Anforderungen an die Ausbildung der Kooperationspartnerinnen und -partner Es ist Aufgabe fachdidaktischer Veranstaltungen im Studium bzw. in der Ausbildung, Erzieher und Erzieherinnen sowie angehende Lehrkräfte aller Schularten mit den fachspezifischen Curricula ihrer Bundesländer bekannt zu machen. Die Orientierungspläne/Bildungsgrundlagen etc. der Frühen Bildung berücksichtigen den Lernort Bibliothek ebenso wie dies für die Lehrpläne in den Schulen gilt. Das Fach Deutsch fordert hierzu in allen Stufen Kooperation mit der Bibliothek. Darüber hinaus bieten sich weitere Fächer an, für die eine Zusammenarbeit mit der Bibliothek sinnvoll sein kann. Der Besuch in einer Bibliothek gilt als schulischer Unterricht und ist verpflichtend. Was können Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrkräfte wissen und tun, um die Zusammenarbeit mit Bibliotheken effektiv vor- und nachzubereiten, damit die professionelle Kompetenz der Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeiter auch angemessen genutzt wird? Hier einige grundlegende Überlegungen, die nicht nur Wissensbestände betreffen,
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die in einer Ausbildung über solche Kooperationen vermittelt werden sollten, sondern auch Fertigkeiten und Haltungen.
Wertschätzung der bibliothekarischen Professionalität Lehrkräfte können nur dann auf der Arbeit der Bibliotheken aufbauen, wenn sie diese als professionelle Erweiterung ihres Unterrichts wertschätzen – Beispiel Recherchekompetenz: Lehrkräfte wissen, dass eine systematische Literatursuche und Bewertungskompetenz die Grundlage solider, fachwissenschaftlicher Arbeit darstellt. Sie nennen diesen Aspekt auch im Kontext der information literacy, die sie als Lehrkräfte fördern sollen (Bos et al. 2014; Eickelmann 2016, 157). Trotzdem findet diese Förderung in Deutschland selten statt. Das liegt ggf. an den digitalen Recherchewegen – 50 Prozent der deutschen Lehrkräfte haben im eigenen Studium noch ausschließlich mit Zettelkatalogen recherchiert. Erst seit Mitte der 1990er Jahre hat sich der Online Public Access Catalogue (OPAC) etabliert. Die nötigen Kompetenzen sind nicht zuverlässig bei jeder Lehrkraft vorhanden. Andererseits zählt Recherche zu den Basiskompetenzen. Es dürfte mit dem eigenen Selbstbild zu tun haben, dass hier eher ausgeblendet als aufgestockt wird. Ohne Gesichtsverlust diese Kompetenz bei der Bibliothek einzuholen und zu nutzen, sollte wichtiger Effekt einer guten Bildungskooperation sein (Mertes 2016, 178). Team-Teaching muss in der Ausbildung geübt werden. Als Lehrkraft muss man nicht alles besser können als die, mit denen man kooperiert, im Gegenteil – nur in der Ergänzung der Kompetenzen oder Anregungen wirken Kooperationen authentisch. Eine qualitative Befragung (Rose 2013) in drei Bundesländern macht skeptisch hinsichtlich der Wertschätzung von Bibliotheksmitarbeitern und -mitarbeiterinnen: „Insgesamt zeigt sich die Perspektive auf die Bibliothek wenig partnerschaftlich. Die befragten Kita-Verantwortlichen kooperieren vornehmlich mit Blick auf die Bibliothek als Dienstleister“ (Rose 2013, 257). 20 Prozent Zustimmung erhält die Beschreibung, dass Bibliotheken kompetente Partnerinnen im Bereich des frühen Lesens darstellen. Bei den Lehrkräften liegt die Wertschätzung mit 30,8 Prozent etwas höher (Rose 2013, 321). Aber im Vergleich mit der Wertschätzung der Räumlichkeiten und Beratung (84,6%) ist dies immer noch ein sehr geringer Prozentsatz. Hier hat die Lehrerinnen- und Lehrerausbildung eine zentrale Aufgabe bei der Reflexion des Selbstbildes von Lehrerinnen und Lehrern: die Erwartungen an das, was man als Lehrkraft können sollte, in Abgleich zu bringen mit dem, was man tatsächlich selbst kann. Den Umgang mit eigenen Defiziten angemessen zu gestalten: lebenslang lernen und weiterbilden – aber auch einzusehen, dass eine Lehrper-
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son heute nicht alles selbst wissen muss, aber Hilfestellung geben soll, dass Neues gelernt werden kann. Die Lehrendenrolle hat sich verändert. Behavioristische und auch ausschließlich kognitivistische Lerntheorien gelten nicht mehr als überwiegend wünschenswerte Grundlage der Unterrichtsplanung. Konstruktivistische und interaktionistische Konzepte verstehen Lehrende als Moderatorinnen und Moderatoren oder Coaches. Sie gestalten den Weg der eigenen Wissensaneignung und -vertiefung ihrer Schülerinnen und Schüler, sie vermitteln nicht jeden Inhalt. Aber sie vermitteln Expertinnen und Experten – wie hier eben die Bibliotheksmitarbeiter und -mitarbeiterinnen für die Informationssuche in Medien. Wechselseitige Anerkennung (Honneth 2010) auf Augenhöhe ist eine Haltungsfrage, die den Umgang unter Projektpartnerinnen und -partnern grundsätzlich verändert. Denn nur wer anerkannt wird, von dem kann umgekehrt auch Anerkennung erwartet werden.
Die Bildungskette berücksichtigen: Von den Nutzerinnen und Nutzern her denken Idealiter kennen Lehrkräfte das Spiralcurriculum der Bibliothek und bauen darauf auf. Dem Bibliotheksbesuch der Klasse sollte der Bibliotheksbesuch der Lehrkraft oder der Erzieherin bzw. des Erziehers vorausgehen. Hier ist Gelegenheit zu ausführlicher Information über die Inhalte der Angebote. So können sie auch modifiziert werden. Ganz besonders wichtig für beide Kooperationspartner ist es, das Interesse der Besucherinnen und Besucher, Kinder, Jugendlichen in den Blick zu nehmen. Niemand will den OPAC kennenlernen – die Nutzerinnen und Nutzer wollen Bücher oder Medien finden. Lehrkräfte wollen Recherchekompetenz vermittelt wissen. An diesem Ziel sollte der Besuch orientiert sein. Eine individuelle Förderung setzt bei der Schülerin und beim Schüler an und bietet verschiedene Aneignungsmöglichkeiten, die differenziert bewertet werden können. Dazu gehört auch ein breites mediales Angebot zur Texterschließung. Hörbücher, Filme helfen, an den Gesprächen über Geschichten teilzunehmen, auch wenn Leseschwierigkeiten da sind. Diese Überlegungen spielen auch in einem Spiralcurriculum eine Rolle.
Kenntnis und Modifikation der verschiedenen Angebotskonzepte Eine gut vorbereitete Lehrkraft hat sich vor Ort über die Angebote der Bibliothek informiert und bettet diese in den eigenen Unterricht ein. Eine Bibliotheksführung wird interessanter und nachhaltiger, wenn sie thematisch passt. Dies gilt
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für alle Schulstufen. Auch in der Sekundarstufe II sind Recherchetrainings an den tatsächlichen Facharbeitsthemen sinnvoller als eine Pauschaleinführung. Vielleicht können sich Vorschläge aus den standardisierten Planungen der Bibliotheken und individuelle Vorschläge ergänzen. Das bedeutet frühe und konkrete Planung, die zeitlich und inhaltlich verlässlich abgestimmt werden muss. Die Bibliothek sollte offen bleiben für Alternativen jenseits eigener Standardangebote. Sonst setzt sich im Spiralcurriculum der Bibliothek fort, was hinsichtlich der Klassensätze in der Schule immer beklagt wurde: zu wenig Aktualität und Veränderung. Mit gezielter Vorabsprache kann genau geplant werden – auch unter Berücksichtigung besonderer Bedarfe, etwa, wenn Kinder mit Sehschwierigkeiten in der Klasse sind oder diese noch nicht gut Deutsch sprechen und verstehen. Spiralcurriculum heißt zwar, dass ein verlässliches Grundmodell da sein muss – aber heute soll möglichst individuell gefördert werden. Dazu muss Flexibilität unbedingt möglich sein. Je informierter die Partnerinnen und Partner vorher voneinander sind, desto besser kann zugeschnitten werden.
Offenheit für alternative Lehr-/Lern- und Arbeitsformen Allgemeinbildende Schulen in Deutschland sind immer noch mehrheitlich an einem eher kognitivistisch ausgerichteten Lehrprinzip orientiert, bei dem die Lehrerin bzw. der Lehrer ein Modell anbietet, die Anwendungsstrategie vormacht und zum Nacharbeiten auffordert. Sie bzw. er ist Autorität und Tutorin oder Tutor. Bei konstruktivistischen und interaktionistischen Lehr-/Lernmodellen fungiert die Lehrerin bzw. der Lehrer hingegen als Coach, flankiert die Schülerinnen und Schüler bei der eigenen, zum Teil auch partizipativen Lösungssuche, statt den Weg bereits top-down vorzugeben. Solche Selbstlernsettings, die bottomup funktionieren, also vom Lernenden ausgehen, bieten Bibliotheken heute in Makerspaces und Gaming-Zones. Gerade im digitalen Raum ist in den Bibliotheken vieles zu finden, was in der Schule nicht möglich ist, jedoch Lernen sinnvoll ergänzt (Kontovourki et al. 2017). Lego WeDo etwa ist für viele Schulen zu teuer oder in der Bereitstellung schwierig. Ein Stundenrhythmus von 45 Minuten mit Lehrerwechsel macht hier die Organisation sehr schwer. Auch die Arbeit mit 3D-Druckern, bei der programmiert werden muss, kann eher in der Bibliothek inhaltlich betreut und koordiniert werden, die Geräte sind auch eher dort vorhanden. Die Planung der Objekte sollte idealerweise in Gruppen geschehen. Hier sollten sich auch die bereits vorliegenden Spiralcurricula der Bibliotheken nochmal öffnen: Zur Zeit orientieren sich alle weitgehend (Ausnahme: das neue Modell aus Leipzig; Keller-Loibl 2016) an den typisch schulischen Formen: Recherche-Training, diverse Formate zur Leseanimation, Überprüfungen wie
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Lesequiz (z.B. Antolin), Leseprojektarbeit, Medienführerschein o.ä. Medienboxen werden geliefert, Lesepatinnen und Lesepaten ausgebildet, der Sommerleseclub eingerichtet und Autorinnen- und Autorenlesungen gehalten. Selten zu finden: Science oder Poetry Slam als curriculares Angebot, die Bereitstellung einer Classcraft-Plattform zur Lernanimation (Schmidt 2016), oder ein Wiki-Battle um digitales Lesen zu üben, Minecraft zur Übung des Just-Community-Prinzips in Ethik (Maisenhölder/Rath in Druck). In der Dortmunder Stadt- und Landesbibliothek (Ideen für die Praxis, 4) wird Stadtgeschichte per Minecraft rekonstruiert. Lego-Education kann angeboten werden für den Informatik- oder Sachunterricht oder als Anlass für Vorgangsbeschreibungen in Deutsch. Warum nicht Assassin’s Creed als Angebot für den Geschichtsunterricht mit einer medienpädagogischen Einführung oder Diskussion zu Computerspiele – Chancen und Risiken? Debugger 3.16: Hack’n Run ist für die Kooperation mit dem Informatikunterricht interessant. Bei diesem Serious Game lernen die Schülerinnen und Schüler selbstständig eine Computersprache. Angebote, die nicht direkt auf eine Leistungsbeurteilung zielen, die spielerisch funktionieren, partizipativ, nach Regeln und mit einem Wettbewerbsaspekt trainieren Selbstlernprozesse, Zusammenarbeit und fordern Vernetzung. Bei der heutigen hohen Affinität zu Computerspielen können solche Settings emotional positiv besetzte Lernerlebnisse fördern – was die Merkfähigkeit erhöht. Spiralcurricula in Bibliotheken können ihre spezifischen Möglichkeiten in ganzer Breite nutzen: ihr freies und schnelles WLAN, ihre digitalen Mediengeräte und Spiele oder Arbeitsformen (Makerspaces), ihre Ressourcen, gerade für solche spielerischen Zugänge Geld auszugeben, Raum und Personal für die medienpädagogische Begleitung bereit zu stellen. So können sie wirklich alternative Lehr-/Lernformen anbieten, statt sich selbst in erster Linie in den Bahnen der Materialzulieferer zu definieren. Die größere Motivation für Kinder und Jugendliche, die durch die Arbeit in spielerischen, handlungsorientierten und partizipatorisch angelegten Formaten erreicht wird, führt zu einer besseren Merkfähigkeit.
Einbindung in eigene fachliche und didaktische Planungen Nicht nur die Angebote der Bibliothek müssen bekannt sein, sondern sie werden fachlich in die Unterrichtsplanung einbezogen. Nicht als Add-on – wie die Literaturverfilmung vor den Ferien –, sondern eingebettet in ein Lernszenario. Das, was die Bibliothek bietet, ist an genau der Stelle der Unterrichtsplanung notwendig. Darauf wird aufgebaut. In schulbibliothekarischer Betreuung gelingt dies am besten, weil räumlich Materialien und bibliothekarische Unterstützung länger und persönlicher zugänglich sind.
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Wichtig ist, dass das Wissen vernetzt wird – dazu braucht es eine Einbindung, eine Vor- und Nachbereitung. Und die wiederum ist nur dann leistbar, wenn die Lehrkräfte an den Angeboten mit teilnehmen oder zumindest sehr gut informiert sind und ihre allfällige Abwesenheit didaktisch motiviert ist.
Kontaktpflege: Anfragen, Informieren, Evaluieren, Rückmelden und sozial Kommunizieren Eine Partnerschaft verlangt Kontaktpflege. Die einmal entwickelten Angebote müssen angepasst werden. Dazu sollte am Ende evaluiert werden. Die Ergebnisse sollten gemeinsam besprochen werden, idealiter ist die Umfrage gemeinsam konzipiert. Kostenlose Umfrageprogramme für Bildungsinstitutionen (etwa: www.grafstat.de) ermöglichen dies digital und unkompliziert. Es gibt eine feste Kontaktperson und feste Termine für die Entwicklung/Spezifizierung des Curriculums in der Schule und in der Bibliothek. Kommunikation ist gerade in Zeiten der Digitalisierung ein schwieriges Gebiet: Was für die Beziehungspflege wünschenswert ist, kann unter den Eindrücken des information overkill zur Überlastung werden. Bibliotheken und Schulen oder Kindertagesstätten müssen das rechte Maß finden zwischen Standardisierung und Individualisierung. Eine spiralcurriculare Struktur ist sinnvoll, aber nur mit der geplanten Möglichkeit zur Individualisierung. Flankierend zu den geplanten Angeboten sind Justierungen wünschenswert und sollten auf beiden Seiten mit festen Terminen eingeplant werden.
Zusammenarbeit wörtlich verstehen und Public Value schaffen Die Stärken und Schwächen von Bibliotheken und Schulen können wechselseitig ausgeglichen werden, wenn sie den Partnerinnen und Partnern klar sind. Ein Spiralcurriculum schafft dabei Nachhaltigkeit und Planungssicherheit – personell, finanziell und strukturell. Eine Kooperation „auf Augenhöhe“ spart Ressourcen, nutzt die Interessen und Kompetenzen der anderen und schafft Möglichkeiten, eigene Schwächen zu kompensieren oder sogar voneinander zu lernen (Ekinci/ Marci-Boehncke 2017). Es bedarf einer gemeinsamen Schnittmenge, in der sich die Interessen und Kompetenzen decken: Lese- und Medienförderung von jungen Menschen ist inhaltlich und pädagogisch ein Ziel. Beide Seiten sprechen die gleiche Sprache, nutzen die gleichen didaktischen Modelle. Für die Lese- und Medienförderung heißt das: didaktisch handlungsleitend ist heute das Mehr ebenenmodell des Lesens (Rosebrock/Nix 2007). Und dieses ist eingebettet in das
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Verständnis unserer Gesellschaft als einer mediatisierten (Krotz 2007), also einer Gesellschaft, die sich im Kontext der Medien sozial, institutionell und kommunikativ entwickelt und dies auch beschreiben kann.
Handlungsempfehlung Spiralcurricula sind eine sinnvolle Strukturhilfe für die Kooperation von Bibliotheken mit Partnerinnen und Partnern der Bildungskette. Sie dürfen aber nicht starr und fest konfektioniert bleiben, sondern sollten Raum zur Individualisierung bieten. Natürlich sind sie an die jeweiligen landes- und schulartspezifischen Curricula anzupassen, sollten auch verschiedene Fächer berücksichtigen und bereits bei der Frühen Bildung starten. Einbezogen werden müssen auch Förderkontexte, Mehrsprachigkeit, inklusives Lernen und die berufliche Bildung. Der Kompetenzbegriff ist maßgeblich – allerdings sollten die Lehr-, Arbeits- und Lernformen verschiedene Lerntypen und -konzepte berücksichtigen. Kooperationsangebote durch Bibliotheken können entweder Ähnliches bieten wie Schulen oder Kindertagesstätten – oder explizit Anderes. Beides kann sinnvoll sein. Auf jeden Fall sind aber solche Angebote empfehlenswert, die Schule selbst nicht bieten kann – also pädagogisch vor allem auch spielerische Zugänge. Flexibilität ist bei der Gestaltung der Spiralcurricula hilfreich. Die technische Entwicklung fordert ständige Anpassung, aber auch die Inhalte verändern sich. Technikkompetenz, Inhaltewissen, pädagogische und didaktische Kompetenzen kommen zusammen, ergänzen sich. Grundbedingung für eine erfolgreiche spiralförmige Entwicklung ist die Zusammenarbeit auf der Basis wechselseitiger Anerkennung und eine Vorbereitung der Lehrkräfte dazu – schon im Studium (Marci-Boehncke 2016).
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Das Spiralcurriculum als Eckpfeiler
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Lernbegleitung und Lerncoaching Neue Perspektiven für Öffentliche Bibliotheken
Einleitung Lernbegleitung findet in Bibliotheken statt. Seit Tausenden von Jahren sind sie die Hüterinnen des Wissens und haben Lernen ermöglicht. Wie von Nachtwey treffend formuliert, sind „Öffentliche Bibliotheken [...] mit über 115 Millionen Besucherinnen und Besuchern die meistgenutzten Kultur- und Bildungseinrichtungen in Deutschland“ (Nachtwey 2017, 110). Die erweiterte Kontextualisierung von Lernprozessen, das erweiterte Wissen über das Lernen durch die neurobiologische Gehirnforschung und die Lerntheorien des Konstruktivismus und Konnektivismus haben unseren Blick auf das Lernen erweitert (Stang 2016, 26; 31−32). Es wurde aus dem Negativkontext von Zwang, Drill, Strafe, Mühsal und Angst herausgeholt und wieder zu dem gemacht, was es ist: „Die Lieblingsbeschäftigung unseres Gehirns“ (Spitzer 2002, 11). Wir wissen, dass jede und jeder beim Lernen einen eigenen Weg geht. Trotzdem werden in Schule, Studium, Ausbildung überwiegend einheitliche, geschlossen formulierte Lernarrangements für die Lernenden angeboten. Das Scheitern von Einzelnen bis hin zu ganzen Gruppen ist damit programmiert.
Bibliotheken als Orte der Lernberatung und Lernbegleitung An offenen Lernorten wie Bibliotheken finden sich methodische, soziale und räumliche Möglichkeiten für individuelles Lernen. Dies kann als Einzelperson oder im Kontext mit anderen Lernenden, variabel oder stringent, in Ruhe oder Bewegung erfolgen. Lernen findet beim Lesen, Sprechen, Bewegen, Hören, Sehen und Schreiben statt, wofür die unterschiedlichsten Medien zur Verfügung stehen. Diese Lernoptionen können von jedem Lerntyp jeden Alters genutzt werden. Bibliothek ist somit ein idealer Lernort. Um Lernenden diese Vielfalt zu erschließen, ist deren Begleitung, eine Lernbegleitung, notwendig. Die damit verbundene Lernberatung (siehe Abbildung 1) wird leider häufig mit Bildungsberatung gleichgesetzt. Bildungsberatung jedoch findet im Kontext von Ausbildung, bei Studienund Berufsberatung statt (siehe Abbildung 2). Dabei werden Möglichkeiten zur https://doi.org/10.1515/9783110590982-008
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Weiterbildung, beruflicher Veränderung und Entwicklung geklärt und Ausbildungswege aufgezeigt.
Abb. 1: Lernberatung – Bildungsberatung.
Abb. 2: Lernberatung – Lernbegleitung.
Bei der Lernberatung und Lernbegleitung steht das Lernen als Kompetenz im Fokus. Jede und jeder sollte die jeweiligen Lerntalente kennen und wissen, welche Lernwege ihr und ihm offen stehen. Eine solche Analyse mit anschlie-
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ßender Diagnose sind Sequenzen einer Lernberatung. Diese gehört in das Aufgabenfeld von Pädagoginnen und Pädagogen, Psychologinnen und Psychologen, hingegen nicht in das Portfolio von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren und von Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste. Lernbegleitung auf individuellen Lernwegen, die Vermittlung und Pflege der passenden Lern- und Arbeitstechniken ergänzen sich andererseits hervorragend mit dem bibliotheksspezifischen Transfer von Medien- und Informationskompetenz zu einer umfassenden individualisierten Unterstützung beim Lernen im Lebenslauf − für alle Menschen. Hierfür ist kein pädagogisches Studium notwendig. Das Kompetenzprofil der Bibliotheksmitarbeiter und -mitarbeiterinnen, die, wenn überhaupt, über informell erworbene pädagogische Fähigkeiten verfügen, lässt sich durch Weiterbildungen zur Lernbegleitung erweitern.
Weiterbildungskonzepte Passende Weiterbildungen hierfür entstanden 2006 am Wissensturm Linz und 2008 bei Helliwood media&education Berlin sowie beim Bildungszentrum Stadt Nürnberg als Konsortialpartner zum Abschluss des Projekts Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken (LRFN) des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft (Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Deutscher Bildungsserver, Innovationsportal 2009). Der Zertifikatslehrgang Lerncoach wurde am Wissensturm Linz in Zusammenarbeit mit der Universität Salzburg und der Pädagogischen Hochschule Österreich entwickelt. Diese Qualifikation umfasst sieben zweitägige Module zu den Themen Lernen mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, Beratungskompetenz, Selbstlernprozesse, E-Medien und E-Learning, Inklusion in Lernzentren, Recherche und Suchstrategien, Bibliothekarische Grundlagen und schließt mit einem Präsentationstag der erarbeiteten Konzepte, Zertifikatsverleihung und Praxistag ab. Er wurde 2006/2007 mit Mitwirkenden der Volkshochschule (VHS) und der Stadtbibliothek Linz durchgeführt, die seitdem als Lerncoaches am Lernzentrum im Wissensturm (LeWis) arbeiten. Das von Helliwood Berlin und Bildungszentrum Nürnberg in Kooperation mit der Evangelischen Hochschule Nürnberg, der Universität Erlangen-Nürnberg und der SRH-Hochschule Berlin geschaffene Fachprofil Lernbegleitung fand fünfzehnmal als offenes Angebot am Bildungscampus Nürnberg (Bildungscampus Stadt Nürnberg 2015a, 2015b) und bei Helliwood Berlin (Helliwood media&education Berlin 2011) statt. Dieser im Blended-Learning-Format konzipierte Lehrgang kann berufsbegleitend absolviert werden. Er umfasst vier Präsenzwochenendseminare,
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eine intensiv fachspezifisch betreute Lern- und Kommunikationsplattform, drei Praxisaufgaben mit Expertenfeedback, Facharbeit und Abschlusskolloquium. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bildungscampus Nürnberg (BCN) besuchten diese Qualifizierung vor Ort und sind heute als geschulte Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter in den Lernzentren des BCN tätig. Helliwood media&education führte die Lehrgänge neben offenen Angeboten im Auftrag des Bildungshauses Wolfsburg zweimal für dessen Mitwirkende der Lernzentren durch. Sie umfasst Themen aus der Lern- und Gehirnforschung, die Gestaltung von Lernszenarien mit digitalen Medien, die Unterstützung von Selbstlernprozessen und verschiedene Möglichkeiten der Kompetenzerfassung. Die folgenden Beschreibungen verdeutlichen, wie in Linz, Nürnberg, Unna und Wolfsburg Lernbegleitung in Öffentlichen Bibliotheken konkret verwirklicht wird.
LeWis1: Ein Markenzeichen für Lernbegleitung im Wissensturm Linz Im Herbst 2007 wurde der Wissensturm in Linz (Stadt Linz 2017b), ein innovatives Haus der Bildung, als neues Gebäude für die Volkshochschule, die Stadtbibliothek, das Lernzentrum und die Medienwerkstatt eröffnet. Das Lernzentrum im Wissensturm (LeWis) ist eine Einrichtung, die die Volkshochschule und die Bibliothek verbindet: Ein Ort zum Wissenserwerb nach eigenen Bedürfnissen, ein Ort, der das Lebenslange Lernen unterstützt. Grundvoraussetzung hierfür sind gute räumliche und technische Ausstattungen. So gibt es einen EDV-Raum mit Computerarbeitsplätzen, einen Hör- und Leseraum, eine Präsenzbibliothek mit Lern- und Unterrichtsmaterialien, Hörsessel, eigene Lernräume in unterschiedlichen Größen und − vor allem − eine ideale Lernatmosphäre. Untersuchungen und Erfahrungen zeigen, dass eigenständiges Lernen einer hohen Motivation bedarf. Um die Lernenden zu unterstützen, wurden Kursleiterinnen und Kursleiter der Volkshochschule und Bibliothekarinnen und Bibliothekare zu Lerncoaches ausgebildet. Die Lerncoaches helfen bei der Auswahl der richtigen Lernmedien und -programme sowie bei der Internetrecherche. Durch Lernbegleitung werden die Lernenden in ihren Lernprozessen unterstützt. Sie lernen Lernziele zu definieren, das Lernen zu organisieren und Selbstlernkompetenzen zu erwerben. Diese Kompetenzen sind die Grundlage, um optimal auf eine Prüfung vorbereitet zu sein. Die Dauer der Lernbegleitung richtet sich nach den jeweiligen Bedürfnissen. So wird zwischen Auskünften, Kurz- und 1 Stadt Linz (2017a): Lernzentrum LeWis.
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Intensivberatung unterschieden. Auskünfte und Kurzberatungen (fünf bis 15 Minuten) werden vom LeWis-Team während der Öffnungszeiten durchgeführt. Die Intensivberatungen (30 bis 60 Minuten) erfolgen durch VHS-Kursleiterinnen und -Kursleiter nach Terminvereinbarung. Alle Beratungen werden elektronisch erfasst und dokumentiert. Der Großteil der Besucherinnen und Besucher sind Menschen mit Migrationshintergrund, die ihre Deutschkenntnisse verbessern möchten. Im Lernklub international können sie Alltagsdeutsch üben, lernen Formulare korrekt auszufüllen und bearbeiten wichtige Themen zur Integration. Das von Lerncoaches begleitete Projekt Tandem basiert darauf, dass sich zwei Partnerinnen bzw. Partner mit unterschiedlichen Muttersprachen die jeweils fremde Sprache beibringen und sich gegenseitig beim Lernen unterstützen. Viele Bibliotheksbenutzerinnen und -benutzer arbeiten an den Computern, recherchieren im Internet, schreiben Texte, speichern oder versenden die Ergebnisse. Lerncoaches helfen dabei und können stundenweise „gebucht” werden. Stellensuchende sehen das Lernzentrum als Treffpunkt und sozialen Ort des Austausches. Sie schreiben an den Computern ihre Bewerbungen, die sie nach Bedarf ausdrucken können. Für sie gibt es Bewerbungsberatung und Hilfe bei der Stellensuche. Sprachinteressierte können ihre Kenntnisse mit den Online-Sprachprogrammen vertiefen. Mittels Einstufungstest wird das Sprachniveau festgestellt. Danach gibt es eine Einführung in das passende Lernprogramm und Beratung zu den Sprachlernmedien. Informations- und Medienkompetenzen zu vermitteln sind Hauptaufgaben der Mitwirkenden der Bibliothek. Im Lernzentrum gibt es entsprechende Angebote für Schulklassen, wie themenspezifische Bibliotheksführungen, Recherchetrainings für die vorwissenschaftliche Arbeit und Lernen mit interaktiven Medien. Ein wichtiger Bestandteil für die Weiterentwicklung und Implementierung der Lernbegleitung war die Durchführung von EU-Projekten. Im Projekt Deine Chance und Step IN wurden mehr als 200 Schülerinnen und Schüler und 100 Auszubildende regelmäßig dabei unterstützt, ihr Lernen zu verbessern, um die (Lehrabschluss-)Prüfung zu bestehen. Das Erasmus+-Projekt LinkINJob – Job hunting with help of librarians (Erasmus+ 2017) wurde mit sechs internationalen Bibliotheken durchgeführt. Dabei wurden Workshops für Arbeitssuchende und ein Trainingsprogramm für Bibliothekarinnen und Bibliothekare für ein besseres Verständnis der Bedürfnisse und zur Unterstützung der Arbeitssuchenden ausgearbeitet. Bibliotheken sind Zentren der Information und Bildung und übernehmen auch eine sozial-integrative Funktion (Büchereiverband Österreichs 2017), daher ist es eine Aufgabe der Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeiter diesen Personen im Sinne der Lernbegleitung zu helfen.
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Das Lernzentrum wird in Zukunft noch weiter zum Informations- und Beratungszentrum ausgebaut. Es werden Qualitätsstandards für die Lernbegleitung und die Beratungen erstellt. Zudem soll es eine bessere Abstimmung und einen effizienteren Informationsaustausch mit den VHS-Fachbereichen, der Bibliothek, dem Service-Center und dem Teleservice-Center des Magistrats Linz geben. Die neuen Qualitätsstandards werden in einer Wissensdatenbank erfasst, damit sie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wissensturms zur Verfügung stehen. Die Zahlen der Besucherinnen und Besucher (mehr als 20.000 jährlich) zeigen, dass sich das Konzept Lernzentrum bewährt hat und Lernen auch außerhalb von klassischen Bildungsinstitutionen immer wichtiger wird. Das LeWis hat eine große Bedeutung als Schnittstelle von Volkshochschule und Bibliothek. Da es sehr kundenorientiert geführt wird, kann man rasch auf Entwicklungen reagieren und neue Angebote schaffen. Ein wesentlicher Faktor des Erfolges ist die räumliche Positionierung in der Bibliothek, geöffnet zur Volkshochschule. Das Lernzentrum steht allen Besucherinnen und Besuchern des Wissensturms ohne Einschränkung und kostenlos zur Verfügung.
Lernzentren als Eckpfeiler für Bildung in Nürnberg2 Seit Anfang 2014 bilden die kommunalen Bildungseinrichtungen Nürnbergs, die Stadtbibliothek (StB), das Bildungszentrum (BZ) (= Volkshochschule) und Planetarium einen organisatorischen Zusammenschluss (Stadt Nürnberg 2017a). Der so entstandene Bildungscampus Nürnberg (BCN) gestaltet neben dem gemeinsamen Management umfangreiche personelle und inhaltliche Schnittmengen. „Bibliotheken und Volkshochschulen sind kommunale Marktplätze für Ideen und kreative Köpfe. Gemeinsam gestaltete Lernzentren werden zu Treffpunkten für jung und alt“, hat die Leitung des BCN formuliert (Bildungscampus Stadt Nürnberg 2015). Dies wird in Nürnberg sowohl in der Stadtbibliothek, die sich in ihrer Gesamtheit als Lernzentrum versteht, als auch im Lernzentrum des südpunkts (Stadt Nürnberg 2017c) deutlich (Stadt Nürnberg 2017b). Beide Lernorte sind von ihren Angeboten und Möglichkeiten her gesehen ideal an der Schnittstelle von StB und BZ platziert und werden als Eckpfeiler von beiden Institutionen gesehen. Im Lernzentrum des südpunkts arbeiten hausintern durch die Qualifikation Lernbegleitung qualifizierte Lernberaterinnen und
2 Gespräch mit Dr. Ursula Klimiont, Fachteamleitung Grundbildung, BCN und Leitung Lernzentrum am 5. Juli 2017.
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Lernberater3 festangestellt und Lerncoaches als Honorarkräfte, die professionelle Lernbegleitung anbieten. Sie führen mit den Kundinnen und Kunden Lerntypentests durch, erarbeiten die passenden Lernwege und geben erprobte Lerntipps. Die erfolgreiche Umsetzung dieser Tipps kann durch weiterführende Beratungsgespräche und Reflexionsschleifen unterstützt werden. Diese Angebote stehen allen Interessierten, unabhängig von Alter und Vorwissen offen, auch den Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern in der Grundbildung. Hier werden Einführungswochen für alle nachzuholenden Schulabschlüsse und die Berufsintegrationsklassen angeboten, in deren Rahmen das Lernen gelernt wird. Das Basiswissen für Lernbegleitung ist zudem ein fester Bestandteil der Fortbildungen für Kursleiterinnen und Kursleiter. Darüber hinaus stehen im südpunkt Lernplätze, mit und ohne PCs, Laptops, Spielekonsolen und Lernmaterialien zur Verfügung. In der Zentrale der Stadtbibliothek, direkt neben dem Haupthaus des Bildungszentrums gelegen, wirken neben den Bibliothekarinnen, Bibliothekaren und den Fachangestellten für Medien und Informationsdienste auch geschulte, als Honorarkräfte angestellte Navigatorinnen und Navigatoren. Sie ergänzen die Beratungs- und Trainingsangebote der festangestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch fachkundige Einweisung und Betreuung beim Gebrauch der elektronischen Medien. In 2018 wird der mediale Grundstock durch einen 3D-Drucker erweitert. So wird die Bibliothek zu einem umfassenden Lernzentrum, das viele individuelle und soziale Lernorte bietet, die rege genutzt werden. Die kompetente Unterstützung durch professionelle Lernexpertinnen und -experten garantiert die Nachhaltigkeit der individuellen, formalen und informellen Lernprozesse.
Lern-Treff-Punkt im ZIB Unna4 Seit 2004 finden die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Unna viele kommunale Kultur- und Weiterbildungsdienstleistungen in ein und demselben Haus, dem Zentrum für Information und Bildung (ZIB) (Stadt Unna 2017a). Der Bildungsbereich unter gemeinsamer Leitung umfasst Volkshochschule, Bibliothek und Lerntreff in einem Haus, die in enger synergetischer Kooperation arbeiten. Lernen, Lernbegleitung und der Lerntreff wirken als Bindeglied und Überschneidungspunkt von Volkshochschule und Bibliothek. Bisher räumlich getrennt, soll nach einem Umbau der Lerntreff in die Bibliothek eingebunden sein und zum noch 3 Siehe Qualifizierungsmodelle „Lerncoaching“ und „Lernbegleitung“ in diesem Beitrag. 4 Gespräch mit Rita Weißenberg, Leiterin des Bereichs Bildung im ZIB am 6. Juli 2017.
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besseren multifunktionalen Lernort werden. Ein seit Jahren erfolgreiches Projekt, das von festangestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volkshochschule und der Bibliothek gemeinsam für alle weiterführenden Schulen in Unna gestaltet wird, ist die Medienkompetenzschulung für die zehnte bzw. elfte Jahrgangsstufe. Hier ergänzen sich mediales und methodisch-didaktisches Knowhow der Mitwirkenden, die Räume von Bibliothek und Lerntreff werden parallel genutzt. So werden die Jugendlichen in Recherche, Medien- und Internetnutzung geschult und an wissenschaftliche Arbeitsformen herangeführt. Dies wird durch das Textbearbeitungsprogramm „Word für Facharbeit“ (Stadt Unna 2017b) ergänzt, das die Schülerinnen und Schüler als Wahlpflicht-AG im Lerntreff besuchen können. Dieses Selbstlernprogramm wird für die Kursdauer auf der Lernplattform ILIAS (Integriertes Lern-, Informations- und Arbeitskooperations-System) freigeschaltet. Obwohl eine Nutzung auch an anderen Orten, zum Beispiel zuhause möglich wäre, kommen die Schülerinnen und Schüler gerne in den Lerntreff, um gemeinsam und mit fachkundiger Lernbegleitung damit arbeiten zu können. Das ZIB wird für die Jugendlichen als attraktiver Lernort erlebt. Mittlerweile ist der Tipp: „Na, geh‘ doch ins ZIB“ ein geflügeltes Wort in den Schulen dieser Stadt, sobald Informationsbedarf besteht. Das ZIB wird als ein Zentrum für Lernen wahrgenommen − nicht Volkshochschule, Bibliothek, Lerntreff voneinander getrennt. Selbstlernangebote für EDV und Sprachen einschließlich Deutsch für Menschen mit Migrationsgeschichte finden sich hier ebenso wie Lern- und Bildungsberatung. Video2brain-Trainings, vornehmlich aus dem Kreativbereich, können bald kostenlos von Bibliothekskundinnen und -kunden per Onleihe genutzt werden, auch an den Lernplätzen im Lerntreff, möglicherweise über Präsenzphasen eingebunden in VHS-Kurse. Die Verschmelzung der Bildungsinstitutionen wird deutlich. Um den Lerntreff zum zentralen Punkt für lebensbegleitendes Lernen zu machen, wird angestrebt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bibliothek in prozessuale Lernbegleitung einzubinden und somit den sich wandelnden Ansprüchen der Nutzerinnen und Nutzer gerecht zu werden. Hierfür ist eine qualifizierte Weiterbildung notwendig, eine entsprechende Erweiterung der Ausbildung im Bibliotheksbereich in naher Zukunft unumgänglich. Unterstützt wird diese Veränderung des Bibliotheksspektrums durch die Selbstverbuchung mit Radio-Frequenz-Identifikationstechnologie (RFID), die seit Herbst 2017 beim ZIB möglich ist. Hierdurch werden menschliche, zeitliche und emotionale Ressourcen für Beratungen und Lernbegleitung frei.
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Ein Arbeitszimmer für alle im Bildungshaus Wolfsburg5 Das Bildungshaus Wolfsburg (Stadt Wolfsburg 2017) stellt mit Volkshochschule, Stadtbibliothek und Medienzentrum den „lernenden Menschen mit all seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt“ (Rabofski et al. 2014, 144) und bietet ein vielfältiges Bildungsangebot für die Menschen in der Stadt Wolfsburg und in deren Umgebung. Das Gesamtkonzept (Rabofski et al. 2014, 142–144) kann in Gänze erst im Neubau des Bildungshauses verwirklicht werden. Inhaltlich und personell wird es in den drei beteiligten Bildungseinrichtungen im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten bereits umgesetzt, räumlich im „Selbstlernzentrum Vorsfelde erprobt“ (Rabofski et al. 2014, 144−145). Die insgesamt vier Lernzentren der Stadt Wolfsburg sind in den Bibliotheken angesiedelt. Im Zuge von Modernisierungsprozessen konnten seit 2013 drei ehemalige Schulbibliotheken in moderne Lernzentren umgewandelt werden, ein weiteres Lernzentrum wurde im Herbst 2016 in der Zentralbibliothek geschaffen. Sie alle sind wöchentlich 38 bis 40 Stunden geöffnet, modern ausgestattet und arbeiten intensiv mit Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern, pädagogischem Fachpersonal, Erziehenden und Kooperationspartnern zusammen. Die klassische Medienberatung der Bibliothek wurde mit den Lernzentren zu einer multimedialen Medienkompetenzvermittlung mit integrierten Recherchetrainings weiterentwickelt. Perspektivisch soll die Arbeit der drei Lernzentren, die sich in Schulen befinden, auch ins Quartier ausstrahlen. Diese Lernbegleitung wird von Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeitern geleistet, die in zwei Fortbildungslehrgängen in Zusammenarbeit mit Helliwood media&education, Berlin, dafür qualifiziert wurden. Diese Weiterbildung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bibliotheken gemeinsam mit Mitwirkenden der Volkshochschule wurde in den Jahren 2012 bis 2014 zweimal mit insgesamt 28 Teilnehmenden durchgeführt. Solche Bausteine zur Personalentwicklung haben auch hinsichtlich der Digitalisierung einen hohen Stellenwert. Die dadurch erweiterten Kompetenzen fließen in die Lernbegleitungsarbeit ein, die weit über Recherchetrainings und die Vermittlung von Medienkompetenz hinausgeht. Diese Beratungsarbeit erfreut sich reger Nachfrage. Verstärkende Mitarbeit durch Medien- und Sozialpädagoginnen und -pädagogen, speziell in der Jugendarbeit wäre ideal. Trotz des spürbaren Kompetenzzuwachses durch Weiterbildung bringt der intensive Begleitungsbedarf mancher Lernender die
5 Informationen aus einem Gespräch mit Frau Dr. Birgit Rabofski, Leitung Bildungshaus Wolfsburg, und schriftliche Antworten von Petra Buntzoll, Leiterin der Stadtbibliothek Wolfsburg, am 7. Juli 2017.
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Bibliotheksmitarbeiterinnen und Bibliotheksmitarbeiter immer wieder an ihre Grenzen. Ein synergetisches Miteinander in dieser Beratungsarbeit würde den Lernbegleitungsoutput ebenso verstärken wie weitere pädagogische und methodische Zusatzqualifikationen. So entwickeln sich diese Lernorte zu öffentlichen Arbeitszimmern, zu „kommunalen Wohnzimmern“ (Stang 2017, 22). Hier findet jetzt und zukünftig der gesellschaftliche Umschwung im Bildungsbereich eine positive Kontextualisierung. Wieder wird die notwendige Veränderung der bibliothekarischen Ausbildungen und Studiengänge deutlich. Die Stadt Wolfsburg betreibt das Gelingen des Bildungshauses durch zukunftsweisende Personalpolitik. So hat das Bildungshaus eine gemeinsame Organisationsform und eine gemeinsame Leitung. Seit Anfang 2017 ist zudem das kommunale Bildungsbüro dort als Abteilung angesiedelt.
Lernbegleitung als Grundprinzip Jede Bibliothek ist ein idealer Lernort. Lernen findet in Bibliotheken ständig statt, auch ohne jede Begleitung. Um dieses Lernen für alle Nutzerinnen und Nutzer zu ermöglichen, es erfolgreich und nachhaltig zu machen, mit Spaß und Lust auf mehr zu verbinden, ist Lernbegleitung notwendig. Wie sie gestaltet werden kann, zeigen die vorangehenden Beispiele. Hier kooperieren Bibliotheken neben Schulen und Ausbildungsinstitutionen mit weiteren kommunalen Bildungs- und Kultureinrichtungen, meist Volkshochschulen und Medienzentren. Diese Schnittund Vereinigungsmengen der verschiedenen Institutionen erzeugen Synergien bei Personal, Angebot, Medien und Räumen. So wird Lernbegleitung für ein Lernen im Lebenslauf, auch außerhalb von Schule, Hochschule etc., lebendig. Für das seit Langem geforderte Lebenslange Lernen, für Aus-, Fort- und Weiterbildung in den verschiedenen Lebensphasen ist genau diese Begleitung unverzichtbar. Um sie effektiv durchführen zu können, ist neben der beschriebenen Kooperation eine Öffnung dieser Lernorte für Professionen wie Medienpädagogik und Sozialarbeit und eine Weiterbildung der Bibliotheksmitarbeiter und -mitarbeiterinnen wie zum Beispiel die beschriebenen Qualifizierungen „Lerncoach“ und „Lernbegleitung“ notwendig. Durch ihre modulare, mediengestützte Gestaltung passen sie mutatis mutandis für fast alle Bereiche. Mit dieser Kompetenz ausgestattet können die Mitwirkenden der Bibliotheken Lernbegleitung für Lernprozesse durchführen. Es ist wünschenswert, die Ausbildung der Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste und das Studium der Bibliothekarinnen und Bibliothekare in naher Zukunft dementsprechend zu erweitern.
Lernbegleitung und Lerncoaching
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Eva-Maria Singer und Astrid Diwischek
Stang, R. (2017): Kommunale Raumstrukturen für Lernen. Bibliotheken als Element einer bildungsorientierten Stadtentwicklung. Vortrag auf dem Bibliothekartag 2017 in Frankfurt am Main am 02.06.2017. https://opus4.kobv.de/opus4-bib-info/files/2851/Stang_Bibliothekartag_Kommunale_Raumstrukturen_170602.pdf.
Bernd Schmid-Ruhe
Bibliothekspädagogische Praxis Herausforderungen für die Konzeptentwicklung1
Einleitung Die Bibliothekspädagogik wurde in den letzten Jahren stetig profiliert. Heute ist es selbstverständlich, dass eine Verengung des Begriffs auf eine Theorie oder Strömung zu kurz greift. Bei der Bibliothekspädagogik handelt es sich vielmehr um ein Set von Praktiken statt um ein scharf konturiertes bibliothekarisches Handlungsfeld mit klar umrissenen Kompetenzen. Angesichts der stetigen Diversifizierung von bibliothekarischen Angeboten, der unterschiedlichen Profilierung der einzelnen Bibliotheken und den Wünschen der jeweiligen Klientel ergeben sich teilweise sehr differenzierte Angebotsstrukturen2. Gerade entlang der Trennlinie von Öffentlichen und Wissenschaftlichen Bibliotheken unterscheiden sich bibliothekarische Angebote hinsichtlich ihrer Inhalte, ihrer Tiefe, ihrer Ziele und nicht zuletzt in ihrer didaktisch-methodischen Aufbereitung. Insbesondere in Öffentlichen Bibliotheken3 zeigen die Bedeutungsunterschiede zwischen den einzelnen Interpretationen der Bibliothekspädagogik, welche Gemengelage an Aufgaben und Tätigkeiten sich hinter dem Begriff verbirgt. So wird „die Bibliothekspädagogik“ nicht selten auch als organisatorische Einheit verstanden, zum Beispiel als ein Sachgebiet, das bestimmte Angebote koordiniert und/oder durchführt. Unberücksichtigt bleibt in einer solchen Perspektive allerdings, dass gerade eine „pädagogische“ Sicht auf die Dinge mit dem Anspruch einher gehen muss methodisch adäquate Formate zu finden, Lernver-
1 Die vorliegende Betrachtung weist zwar einen Praxisbezug auf, ist aber explizit keine Handreichung, was Methodik und Maßnahmen angeht, sondern verweist vielmehr auf die Managementpraxis anhand der Erfahrungen in einer konkreten Bibliothek, nämlich der Stadtbibliothek Mannheim. 2 Der grundlegende Aufsatz Holger Schultkas zur Bibliothekspädagogik (Schultka 2005), der in vielen Teilen auch heute noch Gültigkeit besitzt, bestand auf einer „unifizierten Theorie“ für Öffentliche und Wissenschaftliche Bibliotheken, die sich heute allerdings angesichts der immer größeren Methodendifferenzierung kaum mehr halten lässt. 3 Da die hier wiedergegebene Perspektive der Mitarbeit in einer Öffentlichen Bibliothek geschuldet ist. Dementsprechend (zu) kurz kommen Praxisfragen aus „teaching libraries“ wissenschaftlicher Prägung mit dem Schwerpunkt Informationskompetenzvermittlung. https://doi.org/10.1515/9783110590982-009
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Bernd Schmid-Ruhe
halten zu reflektieren, Kenntnisse in der Sprach- und Leseförderung zu erwerben oder Methoden der Literaturvermittlung zu kennen. Eine praxisnahe Betrachtung der Bibliothekspädagogik gründet auch in der Reflexion ihrer viel benannten Geburtsstunde, dem PISA-Schock: Das Defizit an geeigneten bibliothekarischen Vermittlungsformaten war virulent und augenfällig geworden, da die pädagogische Vermittlung von bibliothekarischen Inhalten weder (kaum) praktiziert wurde noch Teil des bibliothekarischen Selbstverständnisses war. Die Folgen sind bis heute gerade in der Gewinnung bzw. Fortbildung von geeignetem Personal augenfällig, in der Frage, welche Zukunft Bibliotheken im kommunalen Bildungsgefüge haben und wie Vernetzungsaktivitäten auf lokaler Ebene – auch in Zukunft – gestaltet werden müssen.
Organisatorische Aspekte Öffentliche Bibliotheken haben teilweise mit der Schaffung von Sachgebieten wie Bibliothekspädagogik oder Bildung reagiert. Andere haben den Bereich der Öffentlichkeits- und Veranstaltungsarbeit inhaltlich erweitert. In kleineren Bibliotheken verteilen sich die Aufgaben meist auf die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Von besonderer Bedeutung für die Stadtbibliothek Mannheim war ein Profilschärfungsprozess, der 2003 mit der Gründung einer Bibliothekspädagogik ohne organisatorische Veränderung begann. Seit 2010 begnügt man sich nicht mehr nur damit, inhaltliche Schwerpunkte zu verschieben, sondern es wurden gleichzeitig organisatorische Prozesse angestoßen, wie die Bildung und Ausstattung der Bibliothekspädagogik als Sachgebiet, die Gründung des örtlichen und des mobilen Bibliothekslabors, die Erweiterung der Kinder- und Jugendbibliothek und das Engagement in kommunalen Bildungsprogrammen. Für diesen Bibliotheksentwicklungsprozess wurde die Pädagogisierung der bibliothekarischen Arbeit ein wesentlicher Bestandteil, wenn nicht sogar die wichtigste Triebfeder. Diesem Profilschärfungsprozess war eine weitreichende Organisationsveränderung bereits in den Jahren 2001 und 2002 vorgelagert, nämlich die Auflösung der Stadtbibliothek als eigenständiges Amt und ihre Eingliederung in einen Fachbereich Bildung4. Gleichzeitig wechselte sie aus dem Kulturressort ins Bildungsressort. Neben Bildungsplanung, Schulverwaltung, schulischer Pädagogik und Musikschule ist die Stadtbibliothek seitdem eine Abteilung dieses Fachbereichs 4 Stadt Mannheim: Fachbereich Bildung. https://www.mannheim.de/de/stadt-gestalten/verwaltung/aemter-fachbereiche-eigenbetriebe/bildung.
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und somit organisatorisch bestens vernetzt. Ebenso eingegliedert in den Fachbereich sind sowohl das medienpädagogische Sachgebiet in der Abteilung Schule als auch das Stadtmedienzentrum mit seinem abgeordneten Landesbeamten und städtischem Personal. Gerade die Arbeit der kombinierten Bibliotheken, die als Schulbibliothek und Öffentliche Bibliothek betrieben werden, profitiert hiervon. Die kurzen Wege in die Nachbarabteilungen sorgen dafür, dass die Bibliothek als wichtige Partnerin in Sachen Lese- und Sprachförderung früh in städtische Maßnahmen eingebunden wird. Gleichzeitig sind durch die Vernetzung mit dem kommunalen Bildungsmonitoring und dem kommunalen Bildungsmanagement Abstimmungsprozesse möglich, die es erlauben, bibliothekarische Maßnahmen zielgenau auf die lokalen Bedürfnisse zuzuschneiden. Durch die Eingliederung in den Fachbereich Bildung wurden nicht nur Rahmenbedingungen für die inhaltliche Ausrichtung verändert, sondern der Fokus auch auf andere Schwerpunkte verschoben. Gleichzeitig erhöhte sich die Sichtbarkeit der Stadtbibliothek für alle Akteurinnen und Akteure im Bildungsbereich, zum Beispiel durch die Berücksichtigung im städtischen Bildungsbericht5. Dieser Bericht unterscheidet sich explizit von der herkömmlichen Schulstatistik, da er Zusammenhänge aufzeigen und somit wirkungsorientierte Maßnahmen vom Bildungsmonitoring ableiten kann. Mit der Einführung eines Managementzielsystems hat die Stadt Mannheim zudem ein Instrumentarium für die wirkungsorientierte Steuerung entwickelt, das Indikatoren der jeweiligen Einrichtungen unmittelbar mit dem Haushalt verknüpft6. Für die Stadtbibliothek konnten hier bereits im Entwicklungsprozess Kennzahlen eingebracht werden, die das pädagogische Profil spiegeln und sich weniger an herkömmlichen Leistungskennzahlen in kommunalen Einrichtungen orientieren. Während in den Leistungszielen budgetrelevante Fragen wie Medienetat und Personalressourcen abgebildet werden, beziehen sich die Wirkungsziele auch unmittelbar auf pädagogische Ansätze der Bibliothek. Neben der Zahl der Besucherinnen und Besucher, der Ausleihfrequenz und der Menge der aktiven Leserinnen und Leser werden auch Veranstaltungsbesuche im Bereich der Leseförderung und Medienkompetenzvermittlung gezählt mit besonderem Augenmerk auf die minderjährigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Hiermit ist es gelungen, die Zielperspektive des bibliothekarischen Handelns unmittelbar mit der städtischen Steuerung zu verknüpfen; im politischen Prozess der Aushandlung der Ziele und Kennzahlen im zuständigen Ausschuss konnten so nicht 5 Stadt Mannheim: Bildungsbericht. https://www.mannheim.de/de/bildung-staerken/bildungsplanungschulentwicklung/bildung-in-zahlen/bildungsbericht. 6 Stadt Mannheim: Haushaltsplan 2016/2017: https://www.mannheim.de/sites/default/files/ page/73262/haushaltsplan_2016-2017_final.pdf.
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nur Anregungen für die eigenen Handlungsfelder gewonnen, sondern auch verdeutlicht werden, dass Bibliotheken die kommunalen Bildungsinitiativen positiv befördern können.
Personalentwicklung Wie schon an anderer Stelle angesprochen bleibt das Feld der Bibliothekspädagogik eine Nische in der bibliothekarischen Ausbildung (Harling/Schmid-Ruhe 2005, 25). Sie hat in der Vergangenheit kaum Berücksichtigung gefunden, Fragestellungen des Spracherwerbs bei Kindern, methoden- und zielgruppenspezifische Literaturvermittlung und -pädagogik, Alphabetisierungsmaßnahmen, aber in vielen Fällen auch der Umgang mit den neuen Medien waren im Studium höchstens Teil des Wahlbereichs oder ganz den persönlichen Vorlieben und Neigungen vorbehalten. Angesichts neuer Betätigungsfelder vor allem im Bereich der Medienkompetenzvermittlung wird deutlich, dass qualifiziertes Personal nicht im gewünschten Umfang zur Verfügung steht. Selbst junge Bewerberinnen und Bewerber haben in ihrem Studium oftmals andere Schwerpunkte gewählt und bringen von vorneherein einen Fortbildungsbedarf in die anstellende Einrichtung mit. Vor allem in größeren Bibliothekssystemen wird deutlich, dass Kompetenzen zwar punktuell vorhanden sind, diese aber etwa in Zweigstellen nicht einfach abgerufen werden können, insbesondere in als One Person Library (OPL) mit ehrenamtlicher Unterstützung betriebenen Zweigstellen. Neben dem bibliothekarischen Personal im gehobenen Dienst gibt es noch keine oder nur wenige Strategien für die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Fachangestellten für Medien und Informationsdienste bzw. Assistentinnen und Assistenten im Bereich pädagogisierter Angebote. In der Praxis führt das häufig dazu, dass bibliothekspädagogische Angebote weniger als institutionelle Aufgabe verstanden als vielmehr als eine persönliche Vorliebe gesehen werden. Inwieweit, in welchem Umfang und welcher Tiefe Fachangestellte für bibliotheks pädagogische Aufgaben herangezogen werden können, muss als Aufgabe noch bearbeitet werden und zum Beispiel im Rahmenlehrplan Niederschlag finden. Als gute Praxis hat es sich bewährt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Interesse an neuen Themen Schulungen zu ermöglichen, die zumeist vom Sachgebiet Bibliothekspädagogik organisiert und durchgeführt werden, aber auch von anderen Kolleginnen und Kollegen, die zum Beispiel Kompetenz aus dem privaten Bereich oder aus Fort- und Weiterbildungen außer Haus mitbringen. Diese Fortbildungen basieren größtenteils auf Freiwilligkeit, vor allem immer dort,
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wo es um den ganz konkreten Einsatz bestimmter Technologien und Methoden geht. Fortbildungen durch externe Dozentinnen und Dozenten sind zudem meist thematisch weiter gefasst (z.B. Arbeit mit Geflüchteten, Bibliothekspädagogische Angebote) und so organisiert, dass sich das jeweilige Wissen möglichst effektiv und gleichmäßig über die Institution verteilt.
Schwerpunkte der bibliothekspädagogischen Praxis Die Gefahr der Theoriearmut für die bibliothekarische Praxis hat Jochum bereits 2003 hinreichend beschrieben (Jochum 2003). Es sollte zudem selbstverständlich sein, dass vor der Umsetzung bestimmter Angebote bzw. der Besetzung bestimmter Handlungsfelder eine umfängliche Auseinandersetzung mit der Theorie stattgefunden hat und wirkungsgeleitete Zielvorstellungen formuliert wurden. Für die Stadtbibliothek Mannheim haben sich in einem längeren Prozess vier Handlungsfelder herauskristallisiert, die sich im weitesten Sinn als Inhalte der bibliothekspädagogischen Praxis definieren lassen. Die vier Handlungsfelder werden so verstanden, dass sie gegenüber der allgemeinen bibliothekarischen Praxis (z.B. Erwerbung, Katalogisierung, Systematisierung) prioritär sind: –– Sprach- und Leseförderung, –– Medien- und Informationskompetenzvermittlung, –– Aufenthaltsqualität/Zurverfügungstellung von Raum, –– Literaturvermittlung/Literaturförderung. Dabei sind die einzelnen Maßnahmen nicht nur einem Handlungsfeld vorbehalten, sie können durch „Nebeneffekte“ durchaus mehrere Aspekte abdecken. Eine Lesung vor Kindern durch eine Autorin oder einen Autor deckt sowohl die Sprach- und Leseförderung ab als auch die Literaturvermittlung. Wenn in diesem Fall auch noch ein Honorar an die Autorin oder den Autor gezahlt wird, stellt die Maßnahme darüber hinaus Literaturförderung dar; wird mit den Kindern vielleicht in einem zweiten Schritt eine Bildergeschichte mit Tablets erarbeitet, wird auch das Handlungsfeld Medien- und Informationskompetenz berührt. Eine der Herausforderungen besteht darin, auch in Zweigstellen, aber auch in Musik- und Fahrbibliotheken ein pädagogisches Angebot zur Verfügung zu stellen. Hierzu sollte idealerweise nicht nur die einmalige Organisation gehören, sondern auch (neben der selbstverständlichen Konzeption) die Verstetigung, Evaluierung und Anpassung. Das Ausrollen zentral vorgehaltener Veranstaltungsformate fordert schnell die Kapazitäten dieser zentral agierenden Mitarbei-
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terinnen und Mitarbeiter heraus. Zudem sind die Kenntnisse der örtlichen Kolleginnen und Kollegen, ihr Vernetzungswissen und ihre Eingebundenheit in das Netzwerk der Akteurinnen und Akteure vor Ort ein kritischer Erfolgsfaktor. Die authentische und glaubwürdige Ansprache, etwa bei Angeboten, die mit Migrantenvereinen geplant und durchgeführt werden, ist eher mit dem lokalen Personal gewährleistet als mit zentralen Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartnern. Oft macht es aber die sehr große Volatilität des Bildungsbereichs notwendig, Personal speziell für die Beobachtung von Veränderungen im technischen Bereich, aber auch zur Auswertung von neuen Bildungsplänen und regionalen Vorgaben, Kooperationen und Projekten abzustellen, was meist von den Kolleginnen und Kollegen vor Ort nicht noch zusätzlich geleistet werden kann.
Vernetzungsaktivitäten Von größter Bedeutung für die bibliothekspädagogische Praxis ist die Vernetzungsarbeit mit vielen Bildungspartnerinnen und -partnern vor Ort. Hierzu gehören nicht nur institutionalisierte staatliche oder kommunale Angebote wie Schulen, Kindertageseinrichtungen und Schulhorte, sondern ebenso migrantische Bildungsvereine, kommunale Einrichtungen der Bildung und Jugendhilfe, die Volkshochschule sowie andere Partnerinnen und Partner. Quantität und Güte der einzelnen Vernetzungsaktivitäten sind in einem hohen Maß von persönlichen Faktoren abhängig und variieren von Stadtteil zu Stadtteil. Während an dem einen Ort die Akteurinnen und Akteure schnell die Vorteile der Kooperation erkennen und die jeweilige Leistung gegenseitig anerkennen, kann woanders in der gleichen Konstellation kein gemeinsamer Nenner für die Zusammenarbeit gefunden werden. Die einzelnen Vernetzungsaktivitäten gipfeln im Idealfall in Bildungspartnerschaften, die auf Augenhöhe die inhaltlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen für die Kooperation festlegen. Im Idealfall wurden Kooperationsvereinbarungen ausgearbeitet und unterzeichnet. Von besonderer Bedeutung für die bibliothekarische Arbeit ist in Mannheim die Einführung eines kommunalen Programms für eigens hierfür ausgewählte Schulen, deren curriculares Programm durch außerschulische Partner unterstützt wird. 7 In diesem Mannheimer Unterstützungssystem Schule (MAUS) werden derzeit 15 Schulen gefördert, die sich für die Teilnahme bewerben und ausgewählt werden. In der Regel werden Schulen gefördert, deren Schülerinnen und 7 https://www.mannheim.de/de/bildung-staerken/bildungsplanungschulentwicklung/bildungsbuero/maus.
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Schüler einen besonderen Förderbedarf haben und/oder in Stadtteilen liegen, deren Sozialraumtypologie auf besondere Problemlagen hinweist. Bildungspartnerschaften bestehen vor allem mit allgemeinbildenden Schulen8, vor allem mit den Grundschulen im gesamten Stadtgebiet, aber auch mit Schulen außerhalb Mannheims, die teilweise auf das Angebot der Stadtbibliothek Mannheim zurückgreifen. Neben der üblichen Kooperation zwischen Schulen und Bibliotheken, zum Beispiel bei Bibliotheksbesuchen durch die Klasse und Gruppenausleihen bestehen engere Kontakte vor allem in bestimmten Projektsituationen. Neben den Kooperationen in MAUS bestehen beispielsweise in der Einbeziehung bei Veranstaltungen, vor allem im Rahmen des Aufenthalts des Kinder- und Jugendstadtschreibers diverse Kooperationsmöglichkeiten. Kindertageseinrichtungen erhalten zahlreiche Kooperationsangebote und bei Projekten wie dem Buntstift übernehmen Kinder nicht nur die Rolle der Rezipientinnen und Rezipienten, sondern auch die von Jurorinnen und Juroren. Lesefördermaßnahmen sind zielgruppenspezifisch abgestimmt, wobei das ganze Repertoire an Methoden zum Einsatz kommt, die üblicherweise als Lesefördermaßnahmen beschrieben werden (Keller-Loibl/Brandt 2015). Zu den Netzwerkaktivitäten zählen darüber hinaus nicht nur Kontakte zu den Schulen und Kindertageseinrichtungen selbst, sondern auch zu den Ausbildungsstätten, vor allem für Erzieherinnen und Erzieher, aber auch für angehende Lehrkräfte im Referendariat. Hier hat es sich gezeigt, dass eine frühzeitige Einladung der Lernenden und eine Darstellung des umfangreichen Angebots zu langfristigen Kontakten führen und dazu, dass die jeweiligen Pädagoginnen und Pädagogen das Angebot der Bibliothek in die jeweilige pädagogische Tätigkeit einfließen lassen. Gleichzeitig werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bibliothekspädagogik gerne als Referentinnen und Referenten für solche Einrichtungen eingeladen. Zudem hat die Stadtbibliothek für diese Zielgruppen einen eigenen Bestand aufgebaut. Neben unterrichtsbegleitendem Material hält die Stadtbibliothek 260 Klassensätze, 60 Erzählkoffer, 100 Kartensets für Kamishibai und 180 Medienkisten bereit, die eine inhaltliche, aber auch methodische Unterstützung bei bestimmten Unterrichtsinhalten zur Verfügung stellen. Die inhaltliche Fokussierung ergibt sich hauptsächlich aus Lehr- bzw. Bildungsplänen und erfährt eine kontinuierliche Erneuerung. Die Ausgabe eines kostenlosen Ausweises für Pädagoginnen und Pädagogen mit speziellen Leihkonditionen sorgt für eine rege Nutzung. Derzeit sind über 4.000 solcher Ausweise ausgegeben; 400 8 Die Stadt Mannheim verfügt derzeit über insgesamt 84 Schulen, deren Spektrum von Grundschulen, über Förderschulen, Werkrealschulen, Realschulen und beruflichen Schulen bis zu Gymnasien reicht. Gerade in den Förderschulen bestehen gesonderte Bedarfe in der bibliothekarischen Versorgung, zum Beispiel an der Schule für sehbehinderte Kinder.
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sind aktive Entleiherinnen und Entleiher, ca. 800 nutzen das Angebot mindestens einmal im Jahr. Zu den Vernetzungsaktivitäten kann auch die Beteiligung an weiteren kommunalen Bildungsprogrammen wie zum Beispiel der Entwicklungsplan Bildung und Integration9 der Stadt Mannheim gezählt werden. Einerseits konnten Mittel aus dem Programm genutzt werden, um Programme für die Sprachförderung zu initiieren, die auf die Integration von Kindern und Jugendlichen abzielen, die nicht muttersprachlich mit Deutsch aufgewachsen sind. Andererseits wurden diese Mittel genutzt, um im Verbund mit anderen Einrichtungen eine Erhebung der Ist-Situation zu erhalten. Durch eine eigene repräsentative Befragung konnte nachgewiesen werden, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund die Stadtbibliothek entsprechend der demographischen Rahmenbedingungen nutzen. 48 Prozent aller Menschen unter 27 Jahren in Mannheim haben einen Migrationshintergrund. 54 Prozent aller befragten Kinder und Jugendlichen unter 19 Jahren in der Stadtbibliothek geben an, einen Migrationshintergrund zu besitzen. Um auf diese Situation zu reagieren, wurde eine Zweigstelle in Bezug auf ihr Medienangebot mittlerweile zu einer internationalen Familienbibliothek umgebaut, ein umfangreiches Veranstaltungsangebot mit mehrsprachigen Veranstaltungen aufgebaut (Colorful Library – Colibri10), Family-Literacy-Projekte durchgeführt und andere Formen der zwei- oder mehrsprachigen Leselernvermittlung angestoßen. Mit dem Staatlichen Schulamt wurde zudem eine Kooperation vereinbart, die es erlaubt, im Rahmen eines Zentrums für Sprache und Interkulturalität in der Stadtbibliothek gemeinsame Beratungsstunden für Pädagoginnen und Pädagogen anzubieten, die zum Beispiel Vorbereitungsklassen unterrichten und hierfür sowohl eine pädagogische Beratung als auch Medien für den Unterrichtseinsatz benötigen.
Die Rolle von Medien- und Informationskompetenz Die Einrichtung von Makerspaces und FabLabs in Bibliotheken hat eine gewisse Virulenz erreicht (Vogt/Petzold 2018) und setzt sich an vielen Orten als die Methode durch, die es erlaubt, Medientechnologien in den Kanon bibliothekarischer Vermittlungsfelder aufzunehmen. Mehr als andere Entwicklungen der 9 https://www.mannheim.de/sites/default/files/institution/81361/entwicklungsplan_b_i.pdf. 10 Stadtbibliothek Mannheim: Colibri, das interkulturelle Angebot: https://www.mannheim. de/de/bildung-staerken/stadtbibliothek/colibri-das-interkulturelle-angebot.
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letzten Jahre – genannt seien zum Beispiel der Verleih von E-Books oder Computerspielen – hinterfragen Makerspaces die Bibliothek als Konzept. Wo Schultka „Bibliotheken als Orte quellenbasierten Lernens“ (Schultka 2005, 1463) definieren konnte, lösen Makerspaces genau diese Definition auf. Weder die Sammlung noch die Vermittlung einer Sammlung (das Sammeln selbst schon gar nicht) lassen sich mit Makerspaces, Fablabs und repair cafés in Deckung bringen. In der Praxis schlägt sich diese Diskrepanz von Bibliotheken mit und ohne Makerspace auf unterschiedlichen Ebenen nieder. Eine wurde bereits zuvor in der Frage nach dem geeigneten Personal genannt. Andere Aspekte sind allerdings durchaus politischer Natur und auf kommunaler Ebene unterschiedlich wirkmächtig. Vermeintliche Aufgabenüberschneidungen mit anderen Einrichtungen, die Unkenntnis der Materie durch Entscheiderinnen und Entscheider (insbesondere im Bereich der Medienkompetenz), althergebrachte Bibliotheksbilder, eine verkitschte Vorstellung eines nicht mehr zeitgemäßen Literaturbegriffs und -kanons führen nicht nur auf der operativen Ebene zu Unsicherheit, sondern auch in Bezug auf die strategische Ausrichtung einer Bibliothek. In der Stadtbibliothek Mannheim ergab sich im September 2014 die Möglichkeit der Schaffung eines Bibliothekslabors. Im Namen zeigt sich bereits, dass es sich nicht um einen Makerspace im herkömmlichen Sinn handelt, sondern vielmehr um einen Ort, an dem sich nicht nur die Besucherinnen und Besucher über neue Technologien informieren können, sondern auch die Bibliothek selbst einen Ort des Experimentierens und Ausprobierens hat. In diesem Sinne ist das Bibliothekslabor auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum zentralen Ort für die Erprobung von Methoden zum kreativen Umgang mit Medien geworden. Inhaltich folgen die Angebote des Bibliothekslabors dem Grundsatz, diejenigen Medien selbst gestalten zu können, die auch in der Bibliothek entleihbar sind. Mit Hörspiel- und Trickfilmwerkstätten, Buch- und Schreibwerkstätten, einem Musiklabor zur Erstellung von Tönen und Musik, Angeboten zum Programmieren von Robotern und inzwischen mehreren 3D-Druckern geht es sowohl darum, vor allem Kinder und Jugendliche an Technologien heranzuführen, aber auch darum, einen „Blick hinter die Kulissen“ zu ermöglichen, um zu verstehen, welche Prozesse Medien beeinflussen bzw. nötig sind, um sie zu erstellen. Diese Form der Medienkompetenz ist im Gegensatz zu der klassischen Technikkompetenzvermittlung und der Schaffung eines bewussten Umgangs mit Daten und der Privatsphäre kreativ und konstruktiv, weniger restriktiv und belehrend. Die letztgenannten Inhalte können so in der Praxis zwar angesprochen und vermittelt werden, die Kreativität und das Ergebnis der einzelnen Veranstaltungen und Angebote steht aber im Vordergrund, was die Attraktivität gerade für Kinder und Jugendliche beträchtlich steigert.
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Zentral vorgehaltene Angebote zur Steigerung von Medien- und Informationskompetenz kranken gerade in Städten ab einer bestimmten Größe an der Verteilung in der Fläche. Im klassischen Bibliotheksgeschäft haben hier die aufsuchende Bibliotheksarbeit, aber auch Bücherbusse abgeholfen, die aber gerade im Bereich der Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz nicht die Mittel der Wahl sein können. Die Stadtbibliothek Mannheim hat mit der Mobilisierung des Bibliothekslabors auf diesen Bedarf reagiert. Als Fahrzeug wurde ein Gefährt gewählt, das aufgrund seines Aussehens und seiner Farbe für Aufsehen sorgt – schon nach kurzer Zeit gibt es eine große mediale und emotionale Reaktion auf dieses Bibliotheksangebot. Mit einem Elektroantrieb ausgestattet bringt die Ape (ital. Biene) eine leicht zu variierende und auf die Zielgruppe anzupassende Ausstattung, die in Lernstationen ein möglichst umfangreiches Angebot bieten kann. Vom Trickfilmstudio über programmierbare Roboter bis zum 3D-Drucker können so niedrigschwellige Angebote vor allem in Schulen gemacht werden.
Fazit Angesichts einer wachsenden Zahl von Publikationen und Handbüchern zum Thema Bibliothekspädagogik, sowohl von Praxisleitfäden als auch von theoretischen Auseinandersetzungen, und angesichts der wachsenden Zahl von dezidiert bibliothekspädagogischen Veranstaltungen wie den „Foren Bibliothekspädagogik“11 sowie der steigenden Zahl von Vorträgen auf bibliothekarischen Fachveranstaltungen ist davon auszugehen, dass die Bibliothekspädagogik in der bibliothekarischen Praxis angekommen ist. In der Umsetzung machen allerdings die limitierenden Faktoren wie mangelndes Personal, räumliche Unterausstattung, fehlende Infrastruktur und mangelnde Priorisierung deutlich, dass noch die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um die Ideale der Bibliothekspädagogik gut umsetzen zu können. Zwischen den einzelnen Bibliotheken bestehen noch erhebliche Unterschiede. Der Einsatz bibliothekspädagogischer Maßnahmen und Methoden ist unmittelbar der Auftragssituation geschuldet, außerschulische Bildungsangebote in den Vordergrund der bibliothekarischen Arbeit zu stellen. Die Bibliothekspädagogik ist somit kein Selbstzweck, keine Mode, keine bibliothekseigene Innovation, sondern unmittelbar eine Antwort auf die Fragen, die sich aus den Ansprüchen einer kommunalen Bildungsarbeit ergeben.
11 https://forumbibliothekspaedagogik.wordpress.com/.
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Betrachtet man die operative Ebene der bibliothekspädagogischen Angebote, stellt sich aufgrund der hohen Disparatheit von Zielgruppen, demographischen Faktoren, Auftragslagen, Kooperationspartnerinnen und -partnern und räumlichen Voraussetzungen schnell heraus, dass es keine allgemeingültigen Rezepte für die Arbeit vor Ort geben kann, sondern die Kunst gerade darin liegt – bis auf die Ebene der einzelnen Zweigstelle hinab – geeignete Formate zu finden, die nicht nur fachlich sinnvolle Angebote bereitstellen, sondern auch solche, die das Publikum erreichen. In dem Maße, in dem Schülerinnen und Schüler in den Schulen und Bildungseinrichtungen bereits andere Angebote, zum Beispiel durch Sportvereine erhalten, wird ihnen keine Zeit mehr für bibliotheksnahe Aktivitäten zur Verfügung stehen. Die kontinuierliche Einführung von Ganztagesschulen wird alle Bibliotheken vor die Aufgabe stellen, Angebote der Sprach- und Leseförderung, aber auch der Medienkompetenzvermittlung in die Schulen zu tragen. Bibliothekspädagogik bedeutet für die Managementpraxis vor allem eine Abwägung einzelner Interessen, teilweise auch die Verschiebung einzelner Budgets und Ressourcen zugunsten von Aufgaben, die eventuell intern wie extern als bibliotheksfremd angesehen werden. Die Herausforderung wird darin bestehen, für den rasanten Wandel im Bildungsbereich und der Digitalisierung adäquate Antworten zu finden – nur so werden Bibliotheken auch in Zukunft relevant sein für die lokalen bzw. kommunalen Bildungslandschaften.
Literatur Harling, B.; Schmid-Ruhe, B. (2015): Die Bibliothekspädagogik in Mannheim. Der Motor der lokalen Bibliotheksentwicklung und seine Genese in den letzten zehn Jahren. Bibliotheksdienst 49/1 (2015), 22–36. Jochum, U. (2003): Informationsvermittlung. Informationskompetenz, Bibliothekspädagogik und Fachreferate. Bibliotheksdienst 37/11, 1450–1462. Keller-Loibl, K.; Brandt, S. (2015): Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken. Berlin; Boston: De Gruyter Saur. Schultka, H. (2005): Bibliothekspädagogik. Bibliotheksdienst 39/11, 1462–1488. Vogt, H; Petzold, J. (2018): Be a Maker – not a Taker! Der Makerspace der Stadtbibliothek Köln als Lernort. In: R. Stang; K. Umlauf (Hrsg.): Lernwelt Öffentliche Bibliothek. Dimensionen der Verortung und Konzepte. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 121–130.
III Lernort- und Raumkonzepte
Konrad Umlauf und Richard Stang
Zur Relevanz physischer Verortung Raum- und Zonierungskonzepte für Öffentliche Bibliotheken
Einleitung Die Bibliothek war als physischer Ort schon immer von großer Bedeutung. Doch scheint gerade im Zeitalter der Digitalisierung diese Bedeutung eine neue Qualität zu erhalten (Werner 2015, 95). Noch in den 1970er Jahren wurden Öffentliche Bibliotheken oft nach dem Vorbild damaliger Hochschulbibliotheken eingerichtet: Da gab es Stellflächen für die Regale, mehr oder minder gleichförmig und Platz sparend aufgestellt, und daneben Tische und Stühle für die Benutzerinnen und Benutzer, einzeln oder zu Reihen oder Blöcken gruppiert. Die Benutzerinnen und Benutzer nahmen diese an Schule erinnernden Plätze für Nutzerinnen und Nutzer wenig an; die Öffentlichen Bibliotheken fungierten weitgehend als Ausleiheinrichtungen. Auf dem Weg zum Lernort Bibliothek (Umlauf 2018) wurden nach und nach innovative Raum- und Einrichtungskonzepte entwickelt.
Trends und Konzepte Einen Meilenstein setzte der 1984 eröffnete Neubau der Stadtbibliothek Gütersloh: Die Benutzerinnen und Benutzer gelangten vom Eingang aus zunächst in das zentral im Erdgeschoss gelegene Lesecafé, umgeben von Trögen und Regalen im Stil von Marktständen unter bunten Planen. Hier konnte man bei einer Tasse Kaffee zur Zeitung greifen, in Krimis stöbern oder nach den neuesten Ratgebern Ausschau halten. Von hier führte eine Treppe ins Untergeschoss, wo sich – von natürlichem Licht durch hohe Fenster erhellt – die Kinder- und Jugendbibliothek befand. Eine rot angepinselte Badewanne lud zum lesenden Lümmeln ein. Die Kinder konnten sich in Wandnischen verstecken, wo hinter einem Regal ein Gespenst lauerte, und mit der Taschenlampe lesen oder im großen Bilderbuchtrog herumklettern. Im ersten Stockwerk, wohin man über eine offene, geschwungene Treppe oder mit dem Aufzug gelangte, schufen tiefe Sessel mit Beistelltischen Wohnzimmer-Atmosphäre. Das war die Belletristik-Abteilung, beleuchtet von ausladenden Stehlampen, wie sie damals modern waren. Die anderen Abteilungen waren nüchterner eingerichtet; da und dort warteten Tische und Stühle zwischen den Regalen. In einem Stockwerk stand ein Raum für Arbeitsgruppen https://doi.org/10.1515/9783110590982-010
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zur Verfügung. Das Konzept blieb Jahrzehnte lang einflussreich. Seine Elemente waren: –– keine strikte Trennung von Regalen und Leseplätzen, sondern eine Durchmischung, –– unterschiedliche Typen von Sitzmöbeln, darunter Stühle und Sofas, sowie Tischen je nach Bereich, –– Display und Dekoration, durch die die verschiedenen Bereiche atmosphärisch aufgeladen wurden, teilweise hervorgegangen aus Bastelaktionen mit Kindern nach Motiven aus Kinderbüchern, –– der Gruppenarbeitsraum. Später aufgekommene oder erfundene, vielleicht noch nicht realisierte Einrichtungselemente umfassen unter anderem (Werner 2016): –– Einzelstücke unter den Sitzmöbeln, die durch Design oder Funktion aus dem Rahmen fallen, beispielsweise das bekannte Tokyo Pop Sofa Driade von Tokujin Yoshioka oder – preiswerter – ein Sitzsack, –– Regale, in die Leseplätze integriert sind, –– Sichtachsen durch Regalaufstellung und Regalöffnungen, –– Präsentationstische für physische Medien, wie sie längst im Buchhandel üblich sind, –– Touchsreens als Tischplatte für grafische Anwendungen, Touchscreens an Regalstirnseiten zum Browsen im Bestand, der hier sowohl Repräsentanten der gedruckten wie der elektronischen Bücher umfasst, –– Sitzkreisel, ein schalenförmiges Raummöbel, das sowohl als introvertierter Rückzugsort wie als extrovertierter Nutzungsraum dienen kann, –– aus einer Kugelform entwickelte Sitzmöbel für Jugendliche, in denen die Nutzerinnen und Nutzer nicht nur mit dem Kopfhörer Musik hören können, sondern in denen das Audiosignal ein Vibrieren erzeugt als hörte man die Musik in dröhnender Lautstärke, –– amorph geformte Polsterelemente, die kurvig Boden, Wand und Decke umfassen, zu Sitzgelegenheiten aufwachsen und körperliche Medien in Nischen darbieten, –– veränderbare Raumzellen, die durch transluzente Vorhänge an Deckenschienen gebildet werden, –– Schall dämmende, leicht transportable Stellwände, die Nutzungszonen erzeugen und abgrenzen, –– verschiebbare, frei stehende Säulen, in die Mikrofone, Lautsprecher und elektronische Steuerung integriert sind und die durch Gegenschall Ruhezonen erzeugen,
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–– Akku betriebene Tischlampen, so dass die Flexibilität der Platzierung der Tische nicht durch Zwänge infolge von Kabelanschlüssen behindert wird. Seit den 1990er Jahren werden Licht, Farbe und akustische Qualitäten sehr bewusst als Gestaltungselemente eingesetzt: ein Wechsel von sehr hellen und weniger hellen Bereichen; hier lebhaft-laute, dort ruhig-stille Zonen; ein Wechsel von animierend-bunten und von dämpfenden Farben. Was Lücke und Holderried (2016, 204) über Gestaltungstrends in Schulbibliotheken ausführen, gilt allgemein: –– Regalflächen werden zugunsten von Arbeitsplätzen für Nutzerinnen und Nutzer reduziert. –– Die Aufenthaltsqualität wird durch Helligkeit, Transparenz, großzügige Raumwirkungen, durch Farbgebung und hochwertiges Design gesteigert. –– Die Anordnung der Arbeitsplätze für Nutzerinnen und Nutzer kann und soll durch die Nutzerinnen und Nutzer nach jeweiligem Bedarf verändert werden. –– Verschiebbare Elemente werden für die Bildung von Zonen eingesetzt. –– Nicht nur Medienrezeption, auch Medienproduktion wird ermöglicht, zum Beispiel Videobearbeitung oder Digitalisierung analoger Medien in Makerspaces. –– Digitale und physische Medien werden unter inhaltlichen Gesichtspunkten zusammengeführt; die digitale Bibliothek wird in der physischen Bibliothek sichtbar gemacht (Taubert 2013). –– Medientechnik und Software zum Ausprobieren wird zur Verfügung gestellt, entweder unter Anleitung durch Bibliotheksmitarbeiter bzw. -mitarbeiterinnen oder bei kollaborativem Austausch der Nutzerinnen und Nutzer untereinander. –– Besondere Räume oder Raumzonen laden zur konzentrierten und ergebnisorientierten Mediennutzung ein. Derartige Raumkonzeptionen werden in der bibliothekarischen Fachliteratur gerne unter euphemistischen Begriffen wie Lernstudio oder Bibliothekslabor behandelt. –– Outdoor-Bereiche werden konzeptionell integriert: Lesegärten, Terrassen, Innenhöfe. Dies hat allerdings eine lange Tradition, scheint jedoch wieder interessanter zu werden, nachdem viele Outdoor-Bereiche wegen Verwahrlosung aufgegeben wurden. In allen Bereichen muss ein starkes und schnelles WLAN zur Verfügung stehen, über das die Nutzerinnen und Nutzer mit ihrer Kennung den Internet-Zugang haben. Ob die Bibliothek Computer zur Verfügung stellt, macht man von den Zielgruppen und dem Profil abhängig. In 2016 verfügen je 100 Haushalte über 143 mobile PCs; von 100 Haushalten haben 69 mindestens einen Laptop und 38
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mindestens ein Tablet (Statistisches Bundesamt 2017). Dennoch spricht Einiges dafür, dass die Bibliothek Nutzerinnen und Nutzern auf Wunsch ein mobiles Endgerät in der Art eines Notebooks leihweise zur Benutzung in der Bibliothek zur Verfügung stellt; es wird wie ein Medium zur Ausleihe auf das Konto der Nutzerinnen und Nutzer verbucht und mit einem Sicherungsseil gesichert. Gegenwärtig sollte auch noch mehr oder minder an jedem Arbeitsplatz eine Stromsteckdose zur Verfügung stehen; in einigen Jahren, wenn die Akkus leistungsfähiger sind, reichen vielleicht Steckdosen an einigen wenigen Arbeitsplätzen.
Gruppierung und Zonierung der Räume Die Gruppierung der Räume bzw. die Bildung von Raumzonen ergibt sich aus dem Bedarf der Nutzerinnen und Nutzer. Man muss sich also vor Augen führen, was Nutzerinnen und Nutzer in der Bibliothek tun wollen. Dazu gehört insbesondere: –– gezielt nach Medien suchen, um sie auszuleihen, –– ungerichtet nach Medien stöbern und Anregungen suchen, –– konzentriert mit Medien der Bibliothek arbeiten, –– Medien der Bibliothek spielerisch nutzen, –– Spielen ohne Medien der Bibliothek zu nutzen, –– nicht Medien der Bibliothek, sondern mitgebrachte eigene Medien nutzen, –– schulische Hausaufgaben machen, –– Informationen im Internet recherchieren, –– Beratung in Anspruch nehmen, –– sich mit Leuten treffen, –– aus dem Fenster gucken, –– sich ausruhen, –– medientechnische Innovationen ausprobieren, –– an Kursen oder Schulungen teilnehmen, die die Bibliothek anbietet, und all dies teils individuell, teils in Zweier- oder größeren Gruppen. Und man muss sich vor Augen führen, dass diese und viele weitere denkbare Nutzungen großenteils in irgendeiner Bedeutung des Wortes als Lernen – Umgang mit Stimuli und Informationen – anzusprechen sind und mithin unendlich viele individuelle Ausprägungen haben. In Anlehnung an verbreitete Lernstilmodelle (Stang 2016, 41–43) kann man denken an: –– Lesen und Schreiben, –– praktisches Tun, Ausprobieren, –– Erfahrungen Sammeln und Beobachten,
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–– Abstrahieren, Schließen, Deduzieren, –– Kommunizieren und Aushandeln. Diese Voraussetzungen legen vielgestaltige Räume und eine abwechslungsreiche Einrichtung näher als eine gleichmäßige Möblierung. Bibliothekarinnen und Bibliothekare sollten im Planungsprozess Anforderungen an Räume und Einrichtungen formulieren statt konkrete Gestaltungen vorsehen. Gestaltung und Design sollten Expertinnen und Experten wie Architektinnen und Architekten oder Designerinnen und Designern überlassen bleiben. Zur Rolle des Bibliothekars oder der Bibliothekarin gehört aber, deren Entwürfe auf funktionelle Eignung zu hinterfragen. Dabei sollten die Bibliotheksvertreterinnen und -vertreter beachten, dass die Einrichtungszyklen von Bibliotheken im Allgemeinen lang sind und eher mehrere Jahrzehnte als nur mehrere Jahre umfassen. Wirtschaftlich erfolgreiche Ladengeschäfte oder Dienstleister können nah an jeweiligen Einrichtungsmoden in vergleichsweise kurzen Zyklen renovieren, umgestalten und neu möblieren. Das ist der öffentlichen Hand aus vielerlei Gründen fast nirgendwo möglich.
Inszenierung der Medien Ist die Bibliothek geplant und eröffnet, darf das Bibliothekspersonal die Medien nicht perfekt sortiert in Regalen und Trögen stapeln. Vielmehr kommt es auf Inszenierungen an: Inszenierungen gehen von einem Thema oder einer Zielgruppe (Was ist thematisch, medial oder emotional für diese Zielgruppe interessant?) aus, stellen dazu ausgewählte Medien zusammen und verknüpfen sie mit Dekoration und Blickfängen. Die äußerlich ziemlich gleichförmigen Medienobjekte werden erlebbar gemacht und abwechslungsreich dargeboten. Für szenisches Gestalten bieten vor allem Präsentationsmöbel Platz, zum Beispiel der gedeckte Esstisch, auf dem Kochbücher zwischen Geschirr und Gläsern liegen. In der Reiseabteilung kann eine zweieinhalb Meter hohe Eiffelturm-Attrappe ein wunderbarer Blickfang sein. Rucksack und Wanderstiefel oben auf dem Regal mit den Wander- und Freizeitführern setzen ein Signal, das stärker bemerkt wird als ein trockener Schriftzug. Den Blick auf die Zen-Bücher lenkt der Buddha-Kopf. In der Kinderabteilung kann die Bilderbuchecke als kleines Raumschiff gestaltet und in die Regale können Lesenischen integriert sein. Weitere Beispiele sind: Aus dem Krimiregal richtet, von hinten beleuchtet, Miss Marple ihre scharfen Augen auf die Nutzerinnen und Nutzer. In der Sportabteilung hängen Tennisschläger und ein Surfbrett von der Decke. Die 120 Zentimeter hohe Nachbildung der Nike von Samothrake (aus dem Fachhandel für Gartenaccessoires) in der Mitte des
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Präsentationstischs teilt ansprechender und emotionaler als ein Schriftzug mit, worum es hier geht: das besondere Buch. Auch mit wenig aufwändigen Materialien sind gelungene Medieninszenierungen möglich, beispielsweise mit einem Verlagsplakat zu einer Novität, das ein Porträt des Autors und einen prägnanten Satz zum Buch enthält und zur Hälfte über die Kante des Tisches hinabhängt. Auch Coverfarben können ein Gestaltungselement sein. Ein großer, immer frischer Blumenstrauß auf dem Pult des Beratungspersonals ist ein ausgesprochener Sympathieträger. Nützlich sind große Bildschirme, die derartige Deko-Elemente ohne materiellen Aufwand virtuell vor Augen stellen. Bildschirme sind auch unverzichtbare Schnittstellen zur Mediennutzung. In der Jugendabteilung können Videospiele, die aktive Bewegungen als Eingabe erfordern, den Bewegungsdrang der Zielgruppe aufnehmen. Bei aller Virtualität verkleiden sich Kinder gerne – Kostüme können dem entgegenkommen. Im Idealfall sind derartige Inszenierungen in Lernarrangements eingebunden, bündeln also die Elemente –– Lernanlass: die Inszenierung hat neugierig gemacht, –– Lernbegleitung: die Nutzerinnen und Nutzer werden auf Beratungsangebote aufmerksam, –– Lernort: einladende Möblierungen und Räume verführen zur intensiven Nutzung, und –– Lernstoff: der Inhalt der Medien hält das Versprechen der Inszenierung.
Quantitative Aspekte Für die Konzeption von Bibliotheksräumen und -einrichtungen enthält DIN 67700:2017-05 die grundlegenden Vorgaben. Die Norm nennt Flächenbedarfe für alle Funktionen in Bibliotheksräumen wie etwa Arbeitsplätze für Nutzerinnen und Nutzer, Aufstellung der physischen Medien, Servicefunktionen wie zum Beispiel Medienverbuchung für die Ausleihe, Veranstaltungsflächen, schließlich auch Arbeitsplätze für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ferner beschreibt die Norm Anforderungen an Lüftung, Klima, Licht und Beleuchtung, Raumakustik und Schallschutz. Zentrale Aussagen für den Flächenbedarf der Arbeitsplätze für Nutzerinnen und Nutzer enthält Tabelle 1:
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Tab. 1: Flächenbedarf der Arbeitsplätze für Nutzerinnen und Nutzer. Nutzungsart
1 Arbeitsplatz für konzentrierte Einzelarbeit je nach Gruppierung (Abstand zwischen allen Tischen oder die Tische zu mehr oder minder großen Gruppen zusammengestellt) 1 Arbeitsplatz für Computer- und sonstige technische Ausstattung 1 Carrel 1 Nutzerplatz für informelles Arbeiten 1 Nutzerplatz in einer Gruppenarbeitszone 1 Nutzerplatz im Gruppenarbeitsabteil 1 Gaming-Zone mit 2 Nutzerplätzen 1 Nutzerplatz in Einzelkabine 1 Nutzerplatz im Gruppenraum für 6 Personen 1 Nutzerplatz im Gruppenraum für 4 Personen 1 Nutzerplatz im Gruppenraum für 2 Personen 1 Eltern-Kind-Paar im Eltern-Kind-Raum 1 Nutzerarbeitsplatz im Schulungsraum Makerspace
Tischgröße in Zenti- Flächenbedarf in Quametern, Besonder- dratmeter je Einheit heiten
80x120
2,8–4,5
80x160
3,9–5,3
80x120 Sofa mit Beistelltisch 80x80 40x85 80x160, Regal 80x80 80x80 80x120 80x160, Spielfläche 80x80, zusätzlich Dozentenplatz In Abhängigkeit von der Möblierung individuell zu bestimmen
5,4 3,7 2,5 1,7 12,8 5,0 2,5 2,9 3,7 8,0 3,4
Die Flächenbedarfe in Tabelle 1 umfassen jeweils –– die Stellfläche (Bodenfläche von Möbeln), –– die Bewegungsfläche (Bedienfläche und Erschließungsfläche), –– nicht jedoch die Verkehrsflächen. Carrels sind verschließbare Arbeitskabinen, die jeweils einer Nutzerin oder einem Nutzer für eine Arbeitsphase bis zu mehreren Monaten zur Verfügung gestellt werden. Gruppenarbeitsabteile sind Raumzonen, die durch flexible Stellwände gebildet werden. Hier steht auch Präsentationstechnik zur Verfügung. In einer Gaming-Zone können die Benutzerinnen und Benutzer PC-, Konsolen- oder Online-Spiele nutzen. Gespielt wird meist zu zweit vor einem großen Bildschirm in bequemen Sesseln, Bewegungsspiele auch im Stehen. Der Schulungsraum erlaubt Schulungen in der Benutzung von Hard- und Software. Die Möblierung soll flexibel sein. Der Platz für Dozentinnen und Dozenten muss mit Präsentationstechnik ausgestattet sein. Im Makerspace können die Benutzerinnen und Benutzer digitale Medientechnik, zum Beispiel 3D-Drucker, individuell oder
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in Gruppen nutzen, unter Anleitung einer Dozentin bzw. eines Dozenten oder kollaborativ. Die Einrichtung besteht neben Tischen und Stühlen auch aus der Hardware sowie Regalen für die Lagerung von Werkstoffen und begonnener oder abgeschlossener Arbeiten. Carrels, Einzelkabinen und Eltern-Kind-Räume (für studierende Eltern) sind eher in Hochschul- als in Öffentlichen Bibliotheken anzutreffen. Für die erforderliche Anzahl der Arbeitsplätze für Nutzerinnen und Nutzer in einer Öffentlichen Bibliothek nennt DIN 67700 den Wert von mindestens 30 Plätzen oder einem Platz je 750 Einwohner, wobei der größere Wert ausschlaggebend ist, bei 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern also 30 Plätze und nicht nur 20.000/750=27 Plätze. Auf jeden Fall müssen genug Plätze vorhanden sein, um einer ganzen Schulklasse Plätze zur Verfügung zu stellen. Wenn man vom Flächenbedarf wie bei einem Schulungsraum ausgeht, ergibt sich ein Mindestflächenbedarf von 3,4x30=102 Quadratmetern für Arbeitsplätze für Nutzerinnen und Nutzer zuzüglich Verkehrsflächen. Die benötigte Art der Arbeitsplätze für Nutzerinnen und Nutzer, wie sie in Tabelle 1 aufgeführt sind, ergibt sich aus folgenden Aspekten des Bedarfs: –– an Einzel- und Gruppenarbeitsplätzen, –– an optischer, räumlicher und akustischer Abgrenzung von Arbeitsplätzen für Nutzerinnen und Nutzer beispielsweise in Form von Carrels oder Gruppenarbeitsräumen, –– an Arbeitsplätzen für Nutzerinnen und Nutzer für spezifische Funktionen, zum Beispiel Gaming, Relaxen, Makerspaces, –– an Aufsichtsdichte.
Perspektiven und Beispiele Längst findet die Gestaltung räumlicher Szenarien für Öffentliche Bibliotheken nicht mehr auf der Basis der Möbelauswahl aus dem Katalog statt, sondern wird auf der Basis konzeptioneller Überlegungen und Planungen realisiert. So wird zum Beispiel die Konzeption für die neue Stadtteilbibliothek Würzburg-Hubland mit der Methode des Design Thinking in Zusammenarbeit mit dem niederländischen Architekten Aat Vos entwickelt (Flicker/Bergmann 2017). Vos war als Architekt unter anderem auch zuständig für die Gestaltung der neuen Deichmanske Bibliothek Toyen und Jugendbibliothek Biblio Toyen in Oslo (Vos 2017). In diesen Konzepten wird die Bibliothek zu einem kommunalen Wohnzimmer, für das Menschen ihr Zuhause verlassen, zu einem Treffpunkt für das Unerwartete und zu einem freien Ort, in dem Menschen ihr Selbstvertrauen erhöhen können, sie stolz
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auf die Umgebung sein können, sich geschätzt fühlen und vor allem, in dem sie sich wirklich wichtig fühlen können (Vos 2017, 107). In Zeiten immer größer werdender Individualisierung und Orientierungslosigkeit scheinen physische Orte, die Sicherheit ausstrahlen und ein öffentliches Zuhause darstellen, in dem nicht konsumiert werden muss, immer wichtiger zu werden. Dass in den letzten Jahren gerade in Skandinavien innovative Bibliotheksbauten entstanden sind, die in der Grundausrichtung die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt rücken und nicht die traditionellen Bibliotheksfunktionen, dürfte auch an konzeptionellen Überlegungen liegen, wie sie Jochumsen, Skot-Hansen und Hvenegaard-Rasmussen (2014) mit ihrem Vier-Räume-Modell vorgelegt haben. Die Öffentliche Bibliothek hat nach ihrer Ansicht vier Raumfunktionen wahrzunehmen: Treffpunkt, Lernraum, Inspirationsraum und Gestaltungsraum (Jochumsen et al. 2014, 70–77). Das Vier-Räume-Modell war auch für den Neubau der Bibliothek in Aarhus der Ausgangspunkt für das Konzept des Dokk1, dem Urban Mediaspace, das 2015 eröffnet wurde1. Die traditionellen Bibliotheksflächen rücken in den Hintergrund, dafür werden Innovationsflächen wie Makerspaces und unterschiedliche Raumszenarien für das Lernen zur Verfügung gestellt. Die Lernenden können sich mit neuesten technischen Entwicklungen aktiv beschäftigen, aber auch Einzel- und Gruppenlernbereiche nutzen, die offen gestaltet oder in Carrels abgeschottet sind. Die unterschiedlichen Raumangebote stehen den Lernenden für soziale und kooperative Lernaktivitäten zur Verfügung. Die medial highend ausgestatteten Seminarräume können von Initiativgruppen und Lernendengruppen reserviert bzw. spontan genutzt werden, wenn sie nicht reserviert sind. Eine Vermietung der sehr ansprechenden Räumlichkeiten an kommerzielle Unternehmen für Schulungen, Veranstaltungen etc. ist nicht vorgesehen, obwohl es hier schon vielfältige Anfragen gibt. Eine große Lern- und Arbeitsterrasse (siehe Abbildung 1) mit unterschiedlicher Möblierung auf den einzelnen Stufen zeigt, dass auch in offenen Lernraumszenarien eine multifunktionale Lernlandschaft gestaltet werden kann (Stang 2014), die von den Nutzerinnen und Nutzern begeistert angenommen wird.
1 Die folgenden Informationen stammen unter anderem von einem Besuch des Dokk1 von Richard Stang und einem Gespräch mit der Leiterin des Dokk1, Marie Østergård, am 08.08.2017.
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Abb. 1: Lern-und Arbeitsterrasse im Dokk1 (Foto: Richard Stang).
Auch in den Niederlanden wurde bereits Anfang der 2000er Jahre an innovativen Konzepten für die Bibliotheken der Zukunft gearbeitet. Im Projekt Bibliothek 2040. Die Zukunft neu entwerfen (Bruijnzeels/van Tiggelen 2003) wurden visionäre Konzepte präsentiert, die dann in grundlegenden Überlegungen konzeptionell weiterentwickelt wurden (Bruijnzeels/Sternheim 2014). Bruijnzeels formuliert die Herausforderungen: Die gesellschaftlichen Änderungen sind so weitreichend, dass es nicht mehr reicht, das derzeitige Produkt- und Serviceangebot der Bibliothek zu modernisieren oder zu verbessern. Die Bibliotheksarbeit muss von Grund auf anders gestaltet werden. Dabei darf das Augenmerk nicht nur auf der persönlichen Entwicklung Einzelner liegen, sondern sollte vor allem die kollektive Intelligenz der lokalen Gemeinschaft gefördert werden [!]. Der Nachdruck liegt dabei auf der Stimulation der Wissensschaffung, auf neuen Arbeits- und Kooperationsformen mit Partnern und der Öffentlichkeit, auf Begegnungen, dem Austausch und Co-Creation. (Bruijnzeels 2015, 228)
Bezogen auf die Gestaltung des Gebäudes Bibliothek sieht er ebenfalls Handlungsbedarf: Man könnte sagen, dass eine Bibliothek noch immer ein überdimensionierter Zettelkasten ist, in dem alle Bücher gleich wichtig, und daher auch alle gleich unwichtig sind. Die wirkliche
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Herausforderung besteht darin, dem neuen Prozess in einem Bibliotheksgebäude der Zukunft Raum zu geben. (Bruijnzeels 2015, 228)
Wie ein solches neue Konzept aussehen könnte, zeigt sich zum Beispiel in der Chocoladefabriek in Gouda (Bruijnzeels 2015, 232–234)2. Dort wurden veränderte Raumstrukturen in den Fokus gerückt. Der Bibliotheksbestand (Inspiration) wurde stark konzentriert und dadurch Flächen für die Gestaltung (Schöpfung) und für die Kommunikation (Beteiligung) geschaffen. Die Bibliothek verbunden mit einem Restaurant bietet einen Ermöglichungsraum für Lernen, Kommunikation und Information. Offene Lernflächen, Lerncontainer, Makerspaces, Studios ermöglichen eine breite Palette von individuellen Lernaktivitäten (siehe Abbildung 2), wobei auch kursorientierte Angebote realisiert werden. In einer offenen Druckwerkstatt können an alten Druckmaschinen unterschiedliche Druckverfahren ausprobiert werden. Neue Typen für die Druckmaschinen können am 3D-Drucker hergestellt werden.
Abb. 2: Lerncontainer in der Chocoladefabriek in Gouda (Foto: Richard Stang).
2 Die folgenden Informationen stammen unter anderem von einem Besuch der Chockoladefabriek von Richard Stang und einem Gespräch mit der Leiterin am 01.03.2016.
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Dass die Gestaltung der Raumstrukturen unter einer sozialen Perspektive von großer Relevanz ist, zeigt sich im Konzept der Idea-Stores in London3. Ausgehend von einer Befragung der Bevölkerung wurde bereits Ende der 1990er Jahre für den Stadtteil Tower Hamlets, der damals durch eine problematische soziale Situation geprägt war, das Konzept für eine neue Art der Öffentlichen Bibliotheken entwickelt, um non-formale und informelle Lernmöglichkeiten für Kinder, Jugendliche und vor allem Erwachsene zur Verfügung zu stellen (Dogliani 2014). Heute bilden fünf „Idea Stores“ mit ihren multifunktionalen Gebäuden eine Infrastruktur dar, die den unterschiedlichen Nutzungs- und Lernbedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer gerecht werden. Neben der Medienpräsentation gibt es Galerien, Cafés, Seminarräume und Informationsflächen (siehe Abbildung 3). Durch flexible Raumarrangements werden niedrigschwellige Übergänge zwischen den jeweiligen Nutzungsbereichen bzw. Zonen geschaffen.
Abb. 3: Café im Idea Store Bow (Foto: Richard Stang).
Es zeigt sich bei diesen in der Bibliothekswelt inzwischen stark rezipierten Beispielen, dass der Raumgestaltung in allen Fällen eine intensive konzeptionelle Entwicklungsphase voranging, in der auch die Interessen der (potenziellen) Nut3 Die folgenden Informationen stammen unter anderem von einem Besuch der fünf Idea Stores von Richard Stang und Gesprächen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vom 21.-22.10.2015.
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zerinnen und Nutzer einbezogen wurden. Dass sich alle Konzepte in der Detailgestaltung stark unterscheiden, liegt daran, dass sie an die jeweiligen lokalen Rahmenbedingungen und Bedarfe angepasst wurden. Dies verweist darauf, dass es Bibliotheksräume und Zonierungskonzepte „von der Stange“ nicht gibt, auch wenn manche Architektinnen und Architekten heute noch denken, dass es ausreicht, Regale in eine Bibliothek zu stellen.
Literatur Bruijnzeels, R. (2015): Die Bibliothek: aussterben, überleben oder erneuern? Bibliothek Forschung und Praxis 39/2, 225–234. Bruijnzeels, R.; Sternheim, J. (2014): Neue Prozesse gestalten. Die Bibliothek im Umbruch. In: O. Eigenbrodt; R. Stang (Hrsg.): Formierungen von Wissensräumen. Optionen des Zugangs zu Information und Bildung. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 221–231. Bruijnzeels, R.; van Tiggelen, N. (Hrsg.) (2003): Bibliothek 2040. Die Zukunft neu entwerfen. Bad Honnef: Bock + Herchen. DIN 67700:2017-05. Berlin: Beuth. Dogliani, S. (2014). Innovation an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientieren. Die Idea Stores in London. In O. Eigenbrodt; R. Stang (Hrsg.): Formierungen von Wissensräumen. Optionen des Zugangs zu Information und Bildung. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 124–137. Flicker, A.; Berhmann, J. (2017): Design Thinking als partizipative Methode. Wie wir in Würzburg eine neue Stadtteilbibliothek für die Menschen und mit den Menschen entwickeln. https:// opus4.kobv.de/opus4-bib-info/frontdoor/index/index/docId/2854 Jochumsen, H.; Skot-Hansen, D.; Hvenegaard-Rasmussen, C. (2014): Erlebnis, Empowerment, Beteiligung und Innovation. Die neue Öffentliche Bibliothek. In: O. Eigenbrodt; R. Stang (Hrsg.): Formierungen von Wissensräumen. Optionen des Zugangs zu Information und Bildung. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 67–80. Lücke, B.; Holderried. A. (2016): Die Schulbibliothek. In: P. Hauke; K. U. Werner (Hrsg.): Praxishandbuch Bibliotheksbau. Berlin: De Gruyter, 198–211. Stang, R. (2014): Multifunktionalität als Option. Gestaltung von Lern- und Informationsräumen. In: O. Eigenbrodt; R. Stang (Hrsg.): Formierungen von Wissensräumen. Optionen des Zugangs zu Information und Bildung. Berlin/Boston: De Gruyter Saur, 81–93. Stang, R. (2016): Lernwelten im Wandel. Entwicklungen und Anforderungen bei der Gestaltung zukünftiger Lernumgebungen. Berlin; Boston: De Gruyter Saur. Statistisches Bundesamt (2017): Ausstattung privater Haushalte mit Informations- und Kommunikationstechnik: Deutschland. www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/EinkommenKonsumLebensbedingungen/AusstattungGebrauchsguetern/ Tabellen/Infotechnik_D.html. Taubert, J. (2013): Absentia in Praesentia. Wiesbaden: Dinges & Frick. Umlauf, K. (2018): Lernort als Leitbild. Öffentliche Bibliotheken im Wandel. In: R. Stang; K. Umlauf (Hrsg.): Lernwelt Öffentliche Bibliothek. Dimensionen der Verortung und Konzepte. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 20–29.
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Konrad Umlauf und Richard Stang
Vos, A. (2017): Die Bibliothek als dritter Ort für alle. Vortrag auf der Frühjahrsmesse „Inspirationen“ der ekz am 16.02.2017. http://www.ekz.de/fileadmin/ekz-media/ downloads/skripte/2017/Inspirationen/Inspirationen17_Aat_Vos.pdf. Werner, K. U. (2015): Bibliothek als Ort. In: R. Griebel; H. Schäffler; K. Söllner (Hrsg.): Praxishandbuch Bibliotheksmanagement. Band 1. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 95–107. Werner, K. U. (2016): Lernräume der Zukunft. In: P. Hauke; K. U. Werner (Hrsg.): Praxishandbuch Bibliotheksbau. Berlin: De Gruyter, 177–197.
Hannelore Vogt und Judith Petzold
Be a Maker, not a Taker!
Der Makerspace der Stadtbibliothek Köln als Lernort
Bibliotheken im Wandel Die Digitalisierung ist unumkehrbar auf dem Vormarsch, allenthalben ist von der vierten industriellen Revolution die Rede. Viele Bereiche der Gesellschaft befinden sich gleichermaßen im Umbruch, und dies gilt auch für die Rolle der Bibliotheken. Sie sind dabei nicht allein – weltweit müssen sich Institutionen, Organisationen und auch andere Branchen neu ausrichten. Die klassische Aufgabe der Bibliotheken ist die Vermittlung von Bildung und Wissen, und im Grunde hat sich daran nichts geändert. Bibliotheken müssen aber hinterfragen, wie sie diesem Auftrag unter den veränderten Rahmenbedingungen gerecht werden. Es geht dabei nicht nur um eine Anpassung des bisherigen Angebotes, sondern auch um ein visionäres Neudenken der Bibliotheksarbeit. Ein gleichberechtigter Zugang zu Wissen ist heute weit über das geschriebene Wort hinaus notwendig. Bildung im 21. Jahrhundert geht nicht mehr ohne eine digitale Bildung, denn der Umgang mit neuen Technologien und den sozialen Netzwerken ist einer der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe. Es stellt sich die zentrale Frage, wie die Digitalisierung in Bibliotheken gestaltet und vermittelt werden kann. Dabei gilt es, den Menschen und seine Bedürfnisse in den Blick zu nehmen. Für die nächsten Jahre wird ein eklatanter Mangel an MINT-Fachkräften prognostiziert (Siemann o.J.). MINT – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik – sind zentrale Kulturtechniken und werden in Zukunft zu einem „Standortfaktor von gesteigertem Wert“ (Keese 2016, 303). Bibliotheken können, neben der notwendigen und selbstverständlichen Lese- und Medienerziehung, Akzente setzen und junge Menschen mit entsprechenden Angeboten schon früh für diesen Bereich interessieren. Sie tragen damit dazu bei, dass Kinder digitale Angebote nicht nur aus der Konsumenten-Perspektive wahrnehmen. Kritische Journalistinnen und Journalisten konstatieren, dass Deutschland bei der Digitalisierung den Anschluss verpasst hat. „Wir brauchen deshalb nicht nur an Schulen einen angstfreien Umgang mit Zukunftstechnologien [...]. Wir brauchen ein zweites Bildungssystem, das auch Erwachsene schult“ (Gehlen 2017). Gehlen spricht von einem „neue[n] Generationenvertrag des Lernens“. Bibliotheken sollten hier Vermittlerinnen sein. https://doi.org/10.1515/9783110590982-011
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Bibliotheken sind heute Orte des Wissens zum Anfassen – sie sind keine Büchersammlungen, sondern lebendige Erlebnisräume. Sie sind auch keine bloßen Lesesäle, sondern Interaktionsräume, die zum eigenen Tun, aber auch zur Entschleunigung einladen. Der Begriff des Lernens wird hier bewusst weit gefasst und geht über das reine Lernen aus Büchern hinaus – Lernen durch eigenes Tun und Bürgerbeteiligung spielen eine wichtige Rolle. Bibliotheken verbinden Fortschritt mit Teilhabe. Die Menschen wollen nicht nur Rezipientinnen und Rezipienten, sondern selbst aktiv sein. Sie wollen Neues ausprobieren, kreativ sein, eigene Produkte herstellen und ihr Wissen und ihre Ideen mit anderen teilen. In Zeiten umfassender digitaler Kommunikation und Vernetzung braucht es verstärkt Orte des aktiven Tuns und der unmittelbaren Kommunikation von Mensch zu Mensch. Bibliotheken wandeln sich zum ‚dritten Ort‘ neben der Wohnung und der Arbeitsstelle. Der Soziologe Ray Oldenburg (Oldenburg 1989) kategorisierte unsere Lebensräume in erste, zweite und dritte Orte. Als erster Ort wird das Zuhause bezeichnet, der zweite Ort ist der Arbeitsplatz. Dritte Orte sind Räume der Begegnung, Orte der kulturellen und sozialen Interaktion. Das können öffentliche Räume im Stadtraum sein, aber auch halböffentliche Orte wie Bahnhöfe, moderne Kaffeehäuser wie Starbucks oder eben Bibliotheken. Gerade sie nehmen hier eine exponierte Rolle ein. Der digitale Wandel erfordert neue Strategien auch für den physischen Raum.
Der Makerspace als Ort des gemeinsamen Tuns Ein auf Partizipation, Inspiration und Wissenserweiterung angelegtes Bibliothekskonzept bedingt auch ein Umdenken bei der räumlichen Gestaltung. Es genügt nicht, nur ansprechende, schöne Raume zu gestalten, sondern es gilt ein Ambiente zu schaffen, das zu eigenem Tun und zum Denken anregt und auch zum ungeplanten Lernen und Entdecken einlädt. Ein Beispiel dafür ist der Makerspace der Kölner Stadtbibliothek (Vogt et al. 2017). Dabei handelt es sich nicht nur um einen Raum, in dem Workshops angeboten werden, sondern um eine Philosophie, die auf der aktiven Teilnahme der Bibliotheksnutzerinnen und -nutzer beruht. Bibliothekarinnen und Bibliothekare werden künftig noch mehr mit Menschen als mit Büchern arbeiten, denn die Menschen machen das Wesen einer Bibliothek aus. Die Bibliothek stellt dabei vor allem die Infrastruktur zur Verfügung und vernetzt die Interessentinnen und Interessenten. Hier entstehen Programme, die von Menschen leben, die ihre eigenen Ideen und Projekte einbringen. Das Konzept, das hinter dem englischen Begriff Community Engagement, der Bürgerbeteiligung, steht, wird in vielfacher Weise gelebt und der
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Slogan explore, create, share (Neues entdecken, Wissen schaffen, Wissen teilen) mit Leben erfüllt. So sind neue Veranstaltungsformate entstanden. Diese sind partizipativ und kollaborativ geprägt, so dass die Teilnehmenden auch zu Mitwirkenden werden oder zusammenarbeiten, um ein Ziel zu erreichen. Sie sind eingeladen, das jeweilige Format mit eigenen Beiträgen und konkreten Inhalten zu füllen. Weil sich jeder und jede mit Wissen und Fragen beteiligen kann, wird die bei traditionellen Veranstaltungen geltende Trennung zwischen Publikum und Rednerinnen und Rednern oder Trainerinnen und Trainern aufgehoben. Auf Basis dieses Vernetzungsgedankens bietet die Bibliothek damit als zutiefst demokratische Einrichtung ein Know-how außerhalb des regulären Bildungssystems für unterschiedlichste Alters- und Interessengruppen und trägt so aktiv zur gesellschaftlichen Entwicklung und zur Gestaltung der Stadtgesellschaft bei. Im Rahmen einer Pressereise des Deutschen Bibliotheksverbandes besuchte der Journalist und Blogger Tobias Kremkau von den Netzpiloten die Kölner Stadtbibliothek und zeigte sich begeistert von den neuen Möglichkeiten des Makerspace. Er schreibt: Ende letzten Jahres besuchte ich die Kölner Stadtbibliothek und lernte den Ort Bibliothek als etwas vollkommen Neues kennen. Die Bibliothek als Makerspace, wo ich Zugang zu Wissen erhalte, in dem ich es miterschaffe und nutze, statt nur in Büchern herum zu blättern oder das Internet danach zu durchsuchen. [...] Der Kerngedanke einer Bibliothek ist noch genauso erkennbar, wie die neuen Möglichkeiten als Makerspace. Das Bücherregal steht hier neben dem 3D-Drucker. […] Es waren viele Menschen vor Ort, testeten die verschiedenen Geräte aus, schufen Neues und lernten, mit den neuen Informationen und Möglichkeiten umzugehen. Dies ist ein offener Raum für neue Ideen, Potenziale und Do-ItYourself-Projekte. (Kremkau 2016a)
Das Konzept Die Stadtbibliothek Köln hat den aus den USA stammenden Trend der MakerBewegung bereits 2013 aufgegriffen. Der Makerspace ist ein offener Raum mit neuer Technologie, Tools und Medien zur freien kreativen Nutzung. Mit dem Makerspace werden Menschen angesprochen, die oftmals an dem herkömmlichen Buch- und Medienangebot nur ein zweitrangiges Interesse haben, dann aber erstaunt sind, wie breit gefächert das Bibliotheksangebot ist. Abweichend von vergleichbaren Konzepten in den USA gibt es eine Vinylbar zum Digitalisieren von Schallplatten sowie Digitalisierungsmöglichkeiten für eigene Musik- und Videokassetten (VHS). Bereits vorhandene Tontechnik und neue Instrumente wurden als musikalischer Anteil integriert. Als eine der ersten Technologien wurde in Köln die Möglichkeit des dreidimensionalen Druckens
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angeboten – nicht nur in Form von regelmäßig stattfindenden Vorführungen, sondern auch mit der Möglichkeit, eigene Dateien ausdrucken zu lassen. Dies ist ein Angebot, das nach wie vor stark genutzt wird. Kundinnen und Kunden, die einen zweiten Drucker selbst nutzen möchten, können eine Lizenz zum Drucken in einem zweistündigen Workshop erwerben. Diese Infrastruktur steht jedem zur Verfügung, Menschen aller Altersgruppen nutzen sie. Aktuelle Anschaffungen sind eine Baby-Overlock-Nähmaschine für kreative Handarbeitsprojekte sowie neueste VR-Brillen. Auch für längere Spaziergänge in virtuellen Welten mit der HTC Vive kann nun ein Führerschein gemacht werden. Der Makerspace in der Zentralbibliothek weitet sich räumlich und technisch mit innovativer Hardware aus, neue Technologien und aktivierende Angebote verteilen sich inzwischen im ganzen Haus. Die Makeridee wird permanent weiterentwickelt, dabei werden die implementierten Technologien, Services und Programme nach ihrer gesellschaftlichen Relevanz beurteilt. Die Ausstattung und Implementierung der neuen Angebote erfolgt in der Regel nicht mit eigenen Etat-Mitteln, sondern nach und nach mit Hilfe von akquirierten Drittmitteln und Sponsoring.
Erfolgreich durch Kooperationen Dies ist nur durch eine institutionenübergreifende Zusammenarbeit und neue, auch unkonventionelle Partnerschaften realisierbar. Die frühe Verbindung der Stadtbibliothek mit der regionalen Maker- und Kreativszene war für den Erfolg des Makerspace von großer Bedeutung. Mit der Schaffung eines technisch innovativen Forums zum Selbermachen in der Zentralbibliothek ist es der Bibliothek gelungen, sich in der Stadt als Initiatorin und Vermittlerin von kreativen Ideen und ihrer Umsetzung zu etablieren. Schnell fand sich eine ganze Reihe von versierten Menschen, die ihr Wissen zu Techniken und Geräten weitergeben wollten. Selten muss aktiv nach Workshop-Anbietenden gesucht werden. Die Szene vernetzt sich inzwischen mit den Makerspace-Verantwortlichen der Bibliothek, die sich in hierarchieübergreifenden Teams autodidaktisch mit den neuen Werkzeugen vertraut machen. Zur Vermittlung von Maker-Technologien an die Kundinnen und Kunden wurde ein Workshop-Programm entwickelt. Dieses Programm für Selbermacher erreicht mit Themen wie Selbstmarketing im Internet, 3D-Modellieren oder einer Cryptoparty ein neues Publikum. Die einzelnen Termine dauern in der Regel zwei bis vier Stunden, sind kostenlos und werden am Freitagnachmittag und am Samstag durchgeführt. Geleitet werden sie außer von Ehrenamtlichen auch von Schülerinnen und Schülern eines benachbarten Gymnasiums. Diese
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Junior Experts unterrichten Erwachsene in neuen Technologien. Die Devise lautet: Lernen durch Lehren. Der Umgang mit neuen Technologien ist den Jugendlichen vertraut – als Digital Natives haben sie nicht nur besondere Kenntnisse, sondern auch bereits Erfahrungen im praktischen Einsatz. Diese Kenntnisse geben sie in Workshops wie Komponieren mit dem iPad oder Filmschnitt weiter. Die Symbiose fruchtet auf beiden Seiten und das Konzept wurde prämiert. So erfährt die schon lange gepflegte Partnerschaft mit Schulen eine neue Qualität.
Ausweitung der Zielgruppe: Maker Kids und Coding Die Nachfrage nach Maker-Angeboten für Kinder ließ nicht lange auf sich warten. Die Stadtbibliothek entwickelte ein spezielles medienpädagogisches Ferienprogramm, das sich an die Zielgruppe der Acht- bis Zwölfjährigen richtet. In Workshops wird die Möglichkeit gegeben, durch eigenes Tun und außerhalb des institutionalisierten Bildungsangebotes Technik kennen zu lernen und für sich auszuprobieren. Unterstützt durch Förderprogramme und medienpädagogische Fachstellen werden Workshops zum Beispiel zu den Themen Roboter programmieren, Crazy Machines erfinden, T-Shirts drucken, Coding und Musikkomposition angeboten. Nach wie vor stehen aber auch das Geschichtenerzählen und die Auseinandersetzung mit literarischen Inhalten im Fokus. Beim Digital Storytelling können Kinder nach einer Buchvorlage einen eigenen Film erstellen. Das digitale Weitererzählen von Geschichten stärkt die Lese-, Sozial- und Medienkompetenz und schlägt eine Brücke zwischen Buch und Film. Die Teilnehmenden lernen den kreativen Umgang mit den Inhalten der Bücher und deren Umsetzung als Film mit Hilfe von Tablets. Fernab vom institutionellen Lernraum Schule kann die Bibliothek bereits frühzeitig Interesse an Coding und technologischen Inhalten generieren, um das Interesse an MINT-Themen in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft zu fördern. In diesem Kontext ist auch die MINT-Vorleseinitiative der Stiftung Lesen und der Deutschen Telekom Stiftung zu sehen. Viele naturwissenschaftliche oder technische Phänomene lassen sich über spannende Geschichten erklären und erzählen – und zwar so, dass Kinder und Erwachsene gleichermaßen begeistert sind. Gemeinsam suchen die Stiftungen ehrenamtliche MINT-Vorlesepatinnen und -paten, die Kinder im Kita- und Grundschulalter dabei unterstützen, ihre Sprachkompetenzen zu verbessern und sich gleichzeitig mathematisch-naturwissen-
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schaftlich-technische Inhalte zu erschließen. Auch hier werden Geschichten und digitale oder technische Entwicklungen spielerisch zusammengebracht. In der Stadtbibliothek Köln haben die Auszubildenden eine interaktive Lesung mit Bee-Bots® – kleinen Mini-Robotern in Bienen-Form – entwickelt (siehe Abbildung 1). Die Bienen fahren die Stationen des Biene-Maja-Bilderbuchs auf einem selbst entwickelten Flickenteppich ab. Die kleinen Roboter unterstützen spielerisch das Heranführen von Kindern ans Programmieren und fördern ihr analytisches und logisches Denken. Über große Tasten steuerbar, sind sie bereits für Vorschulkinder geeignet, die noch nicht lesen und schreiben können.
Abb. 1: Die Bee-Bots® (Foto: Stadtbibliothek Köln).
Künstliche Intelligenz und Robotics in der Bibliothek Roboter stehen in der öffentlichen Diskussion, besonders was ihren Einsatz in unterschiedlichen Arbeitsfeldern angeht. Dies ist ebenfalls eine gesellschaftlich relevante technologische Entwicklung, über die die Stadtbibliothek informiert. Der NAO-Roboter wird in Kooperation mit einem weiteren Gymnasium als neues Angebot der Bibliothek präsentiert (siehe Abbildung 2). Dessen IT-bewanderte
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Schülerinnen und Schüler haben damit bereits einen Roboter-Wettbewerb gewonnen und bieten nun auch Kurse zum offenen Programmieren in der Bibliothek an. Auch hier geht es der Bibliothek darum, den Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit zu geben, neue Technologien im nicht-kommerziellen Raum kennenzulernen. Nur so ist für den Einzelnen die Relevanz solcher Entwicklungen beurteilbar.
Abb. 2: Der NAO-Roboter (Foto: Stadtbibliothek Köln).
Kommt her, bringt Technik mit Mit der Veranstaltungsreihe geeks@cologne entstand vor einigen Jahren ein Format für Technikinteressierte. Trend-Scouts aus der Bibliothek machten sich auf in die Kölner Technologie-Szene und holten bestehende Formate – wie Science Slams oder Cryptopartys – in die Stadtbibliothek. Nach und nach wurden dann eigene Veranstaltungsprogramme entwickelt. Die Bibliothek bietet außerdem jährlich stattfindende Aktionstage wie den Maker Day oder den 3Day, im vorigen Jahr war es ein Tag der Virtuellen Realität. Dazu werden externe Partnerinnen und Partner eingeladen, die in den Räumen der Bibliothek ihre Erfindungen und Angebote für Selbermacher präsentieren. Teilnehmende sind Fab-Labs wie die Kölner Dingfabrik oder auch das Repair-Café und Organisationen, Firmen und
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einzelne Maker, die ihre Angebote zeigen und durch die Bibliothek einer größeren Öffentlichkeit bekannt werden. In Kooperation mit der Maker Media GmbH (Make Magazin) und dem Harenberg Verlag (Buchreport) wurde eine Maker-Messe veranstaltet. Auf der MiniMaker-Faire, auf der die Stadtbibliothek Köln als erste Partnerin aus dem Bibliotheksbereich mitgewirkt hat, konnten über 3.600 Besucherinnen und Besucher ihre Ideen zum Thema Do-it-yourself und Making austauschen (siehe Abbildung 3). Voraussetzung für die teilnehmenden Maker war, den Kundinnen und Kunden ein proaktives Angebot zu präsentieren.
Abb. 3: Die Mini-Maker-Faire (Foto: Stadtbibliothek Köln).
Perspektiven Die Wahrnehmung und das Image der Bibliothek haben sich durch den Makerspace radikal verändert: Gerade die Kooperationen mit Schulen und Angebote sowohl für die als auch von den Lernenden sind dabei für beide Seiten gewinnbringend. Ein Makerspace ist ein Angebot, das den Bildungs- und Kulturauftrag der Bibliotheken bereichert und stärkt! Die Bibliothek in Köln wird begeistert als innovativer und moderner Mitmachort wahrgenommen – dies übrigens auch seitens der Kölner Lokalpolitik.
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Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine Bibliothek sich nicht auf ihre Funktionen als Medienlager und klassischer Leseförderin reduzieren lassen sollte. Sie kann weit mehr und sollte ein Ort werden, der zu Innovationen inspiriert. Dabei gilt es zu beobachten, wie Wissen heute und in Zukunft gelebt und transportiert wird. Hinweise auf bibliotheksrelevante Innovationen finden sich in den meist jährlich erscheinenden Trendreports, wie beispielsweise in den Top 10 Technology Trends von Gartner (Top 10 Strategic Technology Trends 2017), in der Library Edition des Horizon Reports (Adams Becker et al. 2017) und den ALA Trends (Center for the Future of Libraries o.J.), aber auch diverse Studien zur Mediennutzung und zum Konsum- und Leseverhalten können aufschlussreich sein. Sich mit ihnen zu beschäftigen, hält den Blick für die Zukunft wach und hilft, das eigene Vorgehen zu überprüfen. Doch welche Trends sind für Bibliotheken in Zukunft relevant? Hier muss jede einzelne Bibliothek, abhängig von ihrem Umfeld und ihrem Strategiekonzept, Priorisierungen vornehmen und eine individuelle, auf ihren lokalen Bedürfnissen basierende Entscheidung treffen. Die MakerspacePhilosophie bietet jedenfalls eine hervorragende Grundlage für die strategische Erweiterung der Bibliothek auf Basis ihrer grundlegenden und schon immer bestehenden Funktionen. Das Digitale fungiert laut Kremkau dabei sehr gut als Katalysator für das Analoge, „denn das Digitale wird hier weder zur Überhöhung seiner Bedeutung vom Analogen getrennt, noch zur Abwertung vom Analogen isoliert“ (Kremkau 2016b). Dieser Bereich ist jedoch von höchst dynamischen Entwicklungen geprägt, zwingend ist es, bereit zu sein, den ständigen Wandel laufend und proaktiv weiter zu begleiten und zu gestalten. Das Motto explore, create, share gilt daher nicht nur für die Besucherinnen und Besucher des Makerspace, sondern selbstverständlich und auf Dauer auch für das Management und alle Mitarbeitenden der Bibliothek!
Literatur Adams Becker, S.; Cummins, M.; Davis, A.; Freeman, A.; Giesinger Hall, C.; Ananthanarayanan, V.; Langley, K.; Wolfson, N. (2017): NMC Horizon Report: 2017 Library Edition. Austin, Texas: The New Media Consortium. https://www.nmc.org/publication/nmc-horizon-report2017-library-edition/. Center for the Future of Libraries (o.J.): Trends. http://www.ala.org/tools/future/trends. Gehlen, D. von (2017): Vier Updates für Deutschland. http://www.sueddeutsche.de/digital/ digitalisierung-vier-updates-fuer-deutschland-1.3328903. Keese, C. (2016): Silicon Germany. Wie wir die digitale Transformation schaffen. München: Knaus. Kremkau, T. (2016a): Die Bibliothek wird als Ort der Arbeit neu gedacht. Netzpiloten Magazin. http://www.netzpiloten.de/bibliothek-makerspace-coworking-digitalisierung/.
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Kremkau, T. (2016b): Die Bibliothek erfindet sich als Ort der Arbeit neu. Netzpiloten Magazin. http://www.netzpiloten.de/bibliothek-ort-arbeit-coworking-niederlande/. Oldenburg, R. (1989): The Great Good Place. Cafes, Coffee Shops, Community Centers, Beauty Parlors, General Stores, Bars, Hangouts, and How They Get You Through the Day. New York: Paragon House. Siemann, C. (o.J.): Fachkräftemangel in MINT-Berufen – Was die Zukunft bringt. http://www. jobware.de/Karriere/Fachkraeftemangel-in-MINT-Berufen-Was-die-Zukunft-bringt.html. Top 10 Strategic Technology Trends 2017 (2016). http://blogs.gartner.com/smarterwithgartner/ files/2016/10/TopTenStrTechTrends2017_Infographic_Final.png?_ga=1.239869123.17176 1878.1479313694. Vogt, H.; Scheurer, B.; Pohla, H.-B. (2017): Orte für Kreativität und Wissenstransfer. Bibliotheken als Makerspaces. BuB Forum Bibliothek und Information 69/1, 20–25.
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Digitale Lernoptionen als Add On Perspektiven für neue Angebotskonzepte
Einleitung In seiner Untersuchung über den digitalen Bestandsaufbau in Bibliotheken zeigt Umlauf, welche Relevanz heute der digitale Bestand für die Öffentlichen Bibliotheken hat und welche Grenzen sich in der Umsetzung im Alltag auftun (Umlauf 2017). Auch wenn der physische Medienbestand nach wie vor eine große Rolle spielt, zeigen nicht nur Konzepte wie die der Digitalen Bibliothek, dass die Digitalisierung weitreichende Konsequenzen für die Bibliotheken haben wird. Nachtwey verweist auf Bedeutung von digitalen Infrastrukturen und Dienstleistungen von Bibliotheken: Gerade im Hinblick auf eine zunehmende Digitalisierung und Nutzung mobiler Endgeräte, haben Bibliotheken mehrheitlich ihre IT-Infrastruktur ausgebaut. PC-Arbeitsplätze und W-LAN gehören fast überall zum Standard, ebenso wie mobil nutzbare Webseiten und Online-Kataloge. Darüber hinaus sind zahlreiche neue digitale Dienstleistungen entstanden, die u.a. das (mobile) Lernen unterstützen sollen. Schließlich gilt Bildung als entscheidender Faktor für eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und Bibliotheken als eine Stütze des Lebenslangen Lernens. (Nachtwey 2017, 110–111)
Er nimmt Bezug darauf, dass Öffentliche Bibliotheken neben Textmedien auch Bildmedien und audiovisuelle Medien zunehmend digitalisiert im Angebot haben und neue Dienstleistungen im Kontext der digitalen Angebote entwickeln. Daneben haben sich weltweit im Internet Digitale Bibliotheken entwickelt, auf die auch von den Nutzerinnen und Nutzern von Öffentlichen Bibliotheken zugegriffen werden kann (ausführliche Darstellung: Gantert 2016, 416–433). Welche digitalen Angebote besonders unter der Perspektive der Lernwelt Öffentliche Bibliothek von Relevanz sind und welche Entwicklungsperspektiven sich daraus ergeben, soll im folgenden Beitrag in den Blick genommen werden.
Digitale Angebote Wie ausgeführt haben Öffentliche Bibliotheken in den letzten Jahren ihr digitales Angebot stark ausgebaut. Apps, Social Media-Anwendungen (Blogs, Facehttps://doi.org/10.1515/9783110590982-012
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book, Twitter usw.), E-Books, E-Learning, Social Bookmarking oder QR-Codes etc. werden eingesetzt (Wolf/Büttner 2015, 16–17). Die Verknüpfung bibliographischer Daten in Netzwerken mit anderen Bibliotheken und externen Anbieterinnen und Anbietern bieten dabei eine neue Qualität das Angebot zu erweitern (Gantert 2015, 6). Catalog Enrichment, durch das zusätzliche Informationen wie Klappentexte und Inhaltsverzeichnisse von Büchern etc. die Katalogdaten ergänzen (Stumpf 2015, 371), oder Linked Open Data (Pohl/Danowski 2015) sind Themen, die für Bibliotheken – vor allem für Wissenschaftliche, aber auch in zunehmendem Maße für Öffentliche – von Relevanz sind. Mit einem Blick auf die digitalen Medien unterscheiden Mittermaier und Reinhardt zwei Bereiche, die für Bibliotheken von Relevanz sind: Datenbanken, d.h. Sammlungen und Zusammenstellungen von Daten, Fakten, bibliographischen Angaben und Texten, die unter einer gemeinsamen Oberfläche retrievalfähig angeboten werden Elektronische Einzeldokumente, d.h. inhaltlich geschlossene, digitale Informationseinheiten, z.B. E-Books, elektronische Dissertationen, digitale audiovisuelle Medien oder Multimedia-Dokumente. (Mittermaier/Reinhardt 2015, 205, H.i.O.)
Viele Öffentliche Bibliotheken integrieren diese digitalen Angebote auf vielfältige Weise und versuchen damit als Informationsdienstleisterinnen den Nutzerinnen und Nutzern ein möglichst aktuelles Informations- und Medienangebot zur Verfügung zu stellen. Das Angebot fächert sich in mehrere Bereiche auf wie zum Beispiel Datenbanken, die Online-Ausleihe, Computer- und Konsolenspiele sowie mobile Anwendungen.
Datenbanken Bei den Datenbanken dürfte das Munzinger Archiv die von den meisten Bibliotheken genutzte Datenbank sein. Dort finden sich geprüfte Informationen aus folgenden Quellen: –– Munzinger Biographien (Internationales Biographisches Archiv, Personen aktuell, Internationales Sportarchiv – Biographien, Pop-Archiv International) –– Munzinger Länderinformationen (Internationales Handbuch – Länder aktuell, Internationales Handbuch – Zeitgeschehen) –– Munzinger Termine (Gedenktage Plus) –– Literatur – Filme – Musik (Kindlers Literatur Lexikon; Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, Kritisches Lexikon zur fremdsprachigen Gegenwartsliteratur, Neue Rundschau Archiv, Lexikon der Illus-
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tration, Komponisten der Gegenwart, Kritiken aus dem film-dienst, NAXOS Online Libraries) –– Wörterbücher und Lexika (Duden Sprachwissen – 17 Wörterbücher und Lexika, Duden Basiswissen Schule – die wichtigsten Schulfächer der Sekundarstufen I und II) –– Presse (Frankfurter Allgemeine Archiv, Süddeutsche Zeitung, Die Welt, Der Spiegel, PressReader) (Munzinger 2017). Besonders interessant wird die Nutzung von solchen Datenbanken, wenn der Zugriff auch von außerhalb der Bibliothek erfolgen kann (Kummrow 2015, 591). Gerade für das Lernen ist ein Zugriff auf solche Datenbanken eine immense Unterstützung. Doch zeigt Umlauf, dass nur 25 bis 50 Prozent der kleinen und mittleren und 82 Prozent der großen Öffentlichen Bibliotheken Datenbanken wie z. B. Munzinger lizenziert haben (Umlauf 2017, 229). Hier wird das Gefälle zwischen Groß- und Mittel- und Kleinstädten deutlich. Dies verstärkt die Unterschiede bezogen auf die Nutzungsoptionen des Internets nochmals, die in Deutschland je nach Ortsgröße variieren. In Großstädten wird das Internet von der Bevölkerung stärker genutzt als in Klein- und Mittelstädten (Initiative D21 2016, 59). Dies hat sicher mit unterschiedlichen Versorgungsstrukturen und auch demographischen Strukturen zu tun. Wenn dann allerdings auch die Öffentlichen Bibliotheken weniger digitalen Service anbieten, kommt es zu einer doppelten Marginalisierung bezogen auf digitale Infrastrukturen. Gerade für Kommunen im ländlichen Raum kann dies perspektivisch zu einem weiteren Wettbewerbsnachteil werden.
Online-Nutzung / Onleihe Gantert verweist darauf, dass die „‘Onleihe‘ der ekz-Tochterfirma divibib das am weitesten verbreitete System für diesen digitalen Service öffentlicher Bibliotheken“ (Gantert 2016, 304) ist. Mit Hilfe der Onleihe lassen sich die von den jeweiligen Bibliotheken lizensierten digitalen Publikationen von deren Nutzerinnen und Nutzern online ausleihen. Ein Gang zur Bibliothek ist nicht mehr notwendig, um diese Medien auszuleihen. Auf die Marktführerschaft der Onleihe in Deutschland weist Umlauf hin: Die Onleihe dominiert nicht nur als Geschäftsmodell hinsichtlich der Verbreitung verschiedener Geschäftsmodelle des Zugangs zu digitalen Medien, sondern sie dominiert auch beim Blick auf diejenigen Bibliotheken, die neben der Onleihe weitere Lizenzen abschließen. (Umlauf 2017, 228)
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Über 90 Prozent der Öffentlichen Bibliotheken bieten heute digitale Publikationen an, wobei sich in Teilbereichen vor allem die kleineren Bibliotheken schwer tun. So stellen hier nur 80 Prozent elektronische Zeitungen und Zeitschriften zur Verfügung (Umlauf 2017, 229). Die Problematik der kleineren Bibliotheken spiegelt sich auch bei der Verfügbarmachung digitaler Musik und digitaler Filme wieder. Während Angebote dieser Mediengruppe in ca. 50 Prozent der Bibliotheken lizensiert sind, haben 18 Prozent der Bibliotheken mit 5.000 bis 10.000 Medieneinheiten (ME) Musik lizensiert, gleichzeitig 75 Prozent der Bibliotheken mit 25.000 bis 50.000 ME digitale Filme (Umlauf 2017, 229). Auch beim Streaming gibt es starke Unterschiede, wenn man die Größenklassen der Bibliotheken in den Blick nimmt. So bieten 24 Prozent der Bibliotheken mit 5.000 oder weniger ME Medien per Streaming an, während dies bereits 32 Prozent der Bibliotheken mit über 100.000 ME tun; nicht planen tun dies 64 Prozent der Bibliotheken mit 5.000 oder weniger ME und nur 54 Prozent der Bibliotheken mit über 100.000 ME (Umlauf 2017, 230). Insgesamt zeigt sich in diesem Bereich in den letzten Jahren sehr viel Bewegung und es ist davon auszugehen, dass die digitalen Angebote in allen Medienbereichen zunehmen werden.
Computer- und Konsolenspiele Deeg verweist zwar auf die Bedeutung von Computer- und Konsolenspielen in Bibliotheken als Teil einer digitalen Strategie (Deeg 2013, 27) und Nötzelmann zeigt auf, wie sich Computer- und Konsolenspiele für die Kultur- und Wissensvermittlung in Bibliotheken einsetzen lassen (Nötzelmann 2013), doch fehlt es bislang an grundlegenden Analysen des Angebots von Computer- und Konsolenspielen in Öffentlichen Bibliotheken. Doch zeigt sich auch in diesem Bereich, dass Öffentliche Bibliotheken sich hier nicht nur als Ausleihstation von Computer- und Konsolenspielen etablieren, sondern durch Gaming-Zones auch die Möglichkeit eröffnen, vor Ort zu spielen. Gerade auch Computer- und Konsolenspiele eröffnen Perspektiven für das Lernen. Betrachtet man Serious Games (Marr 2010) sowie Ansätze des Game based Learning wird deutlich, welches Potenzial in spielerischen Lernmedien steckt. Um dieses Potenzial zum Tragen zu bringen, bedarf es allerdings strategischer Konzepte in Öffentlichen Bibliotheken. Diese fehlen aber bislang weitgehend.
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Mobile Anwendungen Wie bereits aufgeführt, weisen Wolf und Büttner darauf hin, dass es inzwischen viele mobile Anwendungen gibt, die in Öffentlichen Bibliotheken zum Einsatz kommen (können) (Wolf/Büttner 2015). Die Nutzung von Web-2.0-Tools etabliert sich immer stärker in den Öffentlichen Bibliotheken. Learningapps, Erklärvideos, Geocaching, Actionbound, Beacacons etc. sind digitale Services, die eine immer breitere Nutzung in Bibliotheken finden (Nachtwey 2017, 115–121). Die Frage, die sich für die Zukunft stellt, ist, wie sich neben Apps, Social- Media-Anwendungen etc. Anwendungen der Augmented Reality (AR) und der Virtuellen Realität (VR) in die Arbeit der Öffentlichen Bibliotheken einbinden lassen werden. Der Einsatz von Datenbrillen wird dabei sicher das geringste Problem sein, vielmehr wird es darum gehen, zu schauen, welche Anwendungen überhaupt Sinn machen.
Digitale Lerninfrastrukturen Ein sich in den letzten Jahren entwickelndes Feld ist das Angebot im Kontext von E-Learning. Um Lebenslangen Lernens zu unterstützen, haben sich Öffentliche Bibliotheken auf den Weg gemacht E-Learning-Angebote zur Verfügung zu stellen, damit sich die Nutzerinnen und Nutzer orts- und zeitunabhängig weiterbilden können (Nachtwey/Sterz 2014, 411). Doch weist Umlauf auf der Grundlage seiner Untersuchung zum digitalen Bestandsmanagement darauf hin, dass digitale Sprachkurse, Lernkurse und Videotutorials wenig verbreitet sind (Umlauf 2017, 230). Kritisch sehen Hanke und Sühl-Strohmenger eine zu große Fokussierung auf diese Angebote zum Beispiel bei der Vermittlung von Informationskompetenz: E-Learning soll also in erster Linie das individuelle Lernen unterstützen. Insofern kann es zum Lern- und Bildungserfolg auch bei der Entwicklung von Informationskompetenz beitragen, jedoch sollte es nicht als Allheilmittel oder gar als Argument missbraucht werden, um sich der Mühe des Lesens und des Lernens entziehen zu können. (Hanke/Sühl-Strohmenger 2016, 139)
Bereits 2009 wurde von den Bücherhallen Hamburg mit der eBücherhalle begonnen, eine Lernplattform aufzubauen, über die Kundinnen und Kunden der Bibliothek Zugriff auf Lernsoftware erhalten (Tiedtke 2011, 116). Im Rahmen des Projekts Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung durch neue mediale Lernangebote öffentlicher Bibliotheken des Landes Baden-Württemberg entwickelte die Stadtbibliothek Ludwigsburg gemeinsam mit weiteren Öffentlichen Bibliotheken
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eine Lernplattform auf der Basis des Lernmanagementsystems ILIAS. Inhaltliche Schwerpunkte sind dabei: EDV, Sprachen und Wirtschaft (Nachtwey/Sterz 2014, 411–416). Auf dieser Basis wurden auch Blended-Learning-Angebote mit der Volkshochschule Ludwigsburg entwickelt, bei denen neben kommerziellen E-Learning-Angeboten auch Eigenentwicklungen zum Einsatz kommen (Nachtwey 2017, 113–115). Seit 2016 werden E-Learning-Angebote auch über die Onleihe zur Verfügung gestellt (divibib 2017). Dass Blended-Learning-Konzepte, die Präsenz- und Online-Lernen verbinden, für Bibliotheken Perspektiven eröffnen, darauf verweisen auch Hanke und Sühl-Strohmenger: Es kommt also darauf an, die Vorzüge des E-Learning – orts- und zeitunabhängiges Lernen, Einfachheit und Beweglichkeit, Förderung von Interaktion und Kommunikation durch Chats, Einbinden von Ton und Video, um nur einige Vorzüge zu nennen – für die Lernprozesse sinnvoll zu nutzen, es eventuell mit Präsenzphasen zu verbinden (Blended Learning). (Hanke/Sühl-Strohmenger 2016, 139)
Auch werden in Zukunft nicht lizensierte kommerzielle Angebote als digitale Lernressourcen für Öffentliche Bibliotheken an Bedeutung gewinnen. Open Educational Resources (OER) bzw. freie Bildungsmedien sowie offene Bildungsressourcen werden ein wichtiger Angebotsbereich werden können. Für Fahrenkrog geht es dabei auch um die Positionierung Öffentlicher Bibliotheken im kommunalen Kontext als Ansprechpartner für lizenzfreie Lernressourcen: Öffentliche Bibliotheken haben – selbst wenn nur begrenzte Mittel und Kapazitäten zur Verfügung stehen – die Möglichkeit, einen Einstieg in das Thema freie Bildungsmedien zu finden und sich als Zentrum für Fragen zu OER am Ort zu etablieren. Sie können mit entsprechenden Angeboten auf die sehr dynamische Entwicklung auf dem Gebiet reagieren und Ansprechpartner für Belange rund um Nutzung, Bearbeitung und Verwaltung offener Bildungsressourcen sein. Das Engagement für OER würde die Bibliothek als Ort der digitalen (Weiter-)Bildung neu ins Blickfeld von Politik, Bildungspartnern und Öffentlichkeit rücken. (Fahrenkrog 2016, 18)
Plieninger sieht in dem Feld OER auch sehr gute Möglichkeiten Kooperationen mit Bildungsakteurinnen und -akteuren im kommunalen Kontext aufzubauen (Plieninger 2015, 1174). Volkshochschulen, Schulen, Medienzentren, Jugendhäuser etc. könnten für ein entsprechendes kommunales Netzwerk infrage kommen. Hier werden die Potenziale bislang kaum ausgeschöpft. Nicht abzusehen ist die Rolle der Öffentlichen Bibliotheken in Bezug auf digitale Lehrmedien zum Beispiel für den Schulbereich (Ott 2015). In dem Maße, in dem viele Schulbuchverlage eigene Plattformen aufbauen, um digitale Lehrmedien zur Verfügung zu stellen, wird zu klären sein, wie diese Angebote auch über
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die Bibliothek nutzbar gemacht werden können. Hier wird es maßgeblich darauf ankommen, dass übergemeindliche Akteurinnen und Akteure Lizenzen mit den Schulbuchverlagen bündeln und den Bibliotheken gegen angemessene Kostenbeteiligung zur Verfügung stellen. Im Bereich digitaler Lerninfrastrukturen kann bei den Öffentlichen Bibliotheken derzeit eher vom Aufbau gesprochen werden. Eine Konsolidierung der Angebote kann noch nicht in der Breite festgestellt werden. Auch wird sich zeigen, wie E-Learning-Angebote von den Kundinnen und Kunden in der Zukunft angenommen werden. Um hier zukunftsorientiert Perspektiven zu entwickeln, sollten Öffentliche Bibliotheken spezifische Strategien entwickeln, die sich vor allem auch auf lokale Netzwerke mit anderen Bildungsanbieterinnen und -anbietern beziehen.
Perspektiven Es ist abzusehen, dass Öffentliche Bibliotheken zentrale Dienstleisterinnen für die Verfügbarmachung von Informationsoptionen für alle Bevölkerungsschichten bleiben werden. Was im physischen Kontext bereits seit Jahrzehnten selbstverständlich ist, wird sich auch im digitalen Kontext realisieren. Interessant bleibt, wie beide Bereiche – gerade auch bezogen auf die Verfügbarmachung von Lernoptionen – in Zukunft ineinandergreifen werden. Konzepte wie Hybridbibliothek (Kempf 2014) oder Blended Library (Reiterer et al. 2016) geben Hinweise darauf, in welche Richtung die Entwicklung gehen könnte. Wichtig wird es dabei sein, den Zugang zu den digitalen Angeboten intuitiver zu gestalten, gemeinsame Zugänge auch für Lerngruppen zu ermöglichen und eben auch die digitalen Medien stärker sichtbar zu machen (Reiterer et al. 2016, 9). Dass sich die Lernwelt Öffentliche Bibliothek in Zukunft ausschließlich im digitalen Raum verorten wird, darf allerdings bezweifelt werden. Der physische Raum Bibliothek wird als sozialer Lernraum in Anbetracht der digitalen Angebote eher zunehmen, da die körperliche Verortung der Menschen auch in Zukunft von großer Bedeutung sein wird (Stang 2017). Betrachtet man diese wachsende Bedeutung des physischen Ortes Bibliothek, sollte stärker an Konzepten der Vernetzung digitaler und physischer Angebote gearbeitet werden. Diese Konzepte sollten dann allerdings auch in vernetzten Strukturen mit anderen Bildungsbereichen entwickelt werden. Vor allem Öffentliche Bibliotheken im ländlichen Raum könnten deutlich machen, welches Potenzial in ihrem digitalen Portfolio liegt. Digitale Lernoptionen, die von den Öffentlichen Bibliotheken zur Verfügung
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gestellt werden, könnten so nicht nur ein Gewinn für die Kundinnen und Kunden sein, sondern auch für jede kommunale bzw. regionale Bildungsinfrastruktur.
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Pohl, A.; Danowski, P. (2015): Linked Open Data in der Bibliothekswelt. Überblick und Herausforderungen. In: R. Griebel; H. Schäffler; K. Söllner (Hrsg.): Praxishandbuch Bibliotheksmanagement. Band 1. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 392–409. Reiterer, H; Rädle, R.; Butscher, S.; Müller, J. (2016): Blended Library. Neue Zugangswege zu den Inhalten wissenschaftlicher und öffentlicher Bibliotheken. Bibliothek Forschung und Praxis 40/1, 7–20. DOI: https://doi.org/10.1515/bfp-2016-0010. Stang, R. (2016): Lernwelten im Wandel. Entwicklungen und Anforderungen bei der Gestaltung zukünftiger Lernumgebungen. Berlin; Boston: De Gruyter Saur. Stang, R. (2017): Analoger Körper im digitalen Raum. Lernen im Zeichen einer ambivalenten Kontextualisierung. In: F. Thissen (Hrsg.): Lernen in Virtuellen Räumen. Perspektiven des mobilen Lernens. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 28–38. Stumpf. G. (2015): Sacherschließung und Kataloganreicherung. In: R. Griebel; H. Schäffler; K. Söllner (Hrsg.): Praxishandbuch Bibliotheksmanagement. Band 1. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 357–379. Tiedtke, W. (2011): Von der gewöhnlichen Homepage zum umfassenden Portal. Die „eBuecherhalle“. Virtuelle Zweigstelle der Bücherhallen Hamburg mit 24-Stunden-Service. BuB Forum Bibliothek und Information 63/2, 115–117. Thissen, F. (Hrsg.) (2017): Lernen in Virtuellen Räumen. Perspektiven des mobilen Lernens. Berlin; Boston: De Gruyter Saur. Umlauf, K. (2017): Praxis des digitalen Bestandsmanagements in Öffentlichen Bibliotheken. In: K. Umlauf; K. U. Werner; A. Kaufmann (Hrsg.): Strategien für die Bibliothek als Ort. Festschrift für Petra Hauke zum 70. Geburtstag. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 221 – 264. Wolf, S.; Büttner, S. (2015): Mobile Anwendungen in Bibliotheken. Bibliotheksdienst 49/1, 14–21.
Rudolf Fries
Flexible Lernraumoptionen als Chance Zur konzeptionellen und räumlichen Gestaltung des Lerntreffs Trier
Einleitung Vor über 15 Jahren begannen vornehmlich Akteure der lokalen Weiterbildung in Trier damit, das Thema Bildung in der Stadt neu zu diskutieren und auch neu zu organisieren. Ausgehend von den beiden Volkshochschulen vor Ort (Stadt und Landkreis) wurden Gremien zur Verbesserung der Kooperation und zur Entwicklung neuer Konzepte gegründet (z.B. ein Weiterbildungsbeirat für die Stadt und den umgebenden Landkreis, bestehend aus privaten und öffentlichen Bildungsträgern, den Kammern und den Hochschulen). Zur Erprobung und Umsetzung der neuen Ideen wurden Modellprojekte initiiert (z.B. Lernende Region von 2002 bis 2016 und Lernen vor Ort von 2009 bis 2014) und innerhalb der Stadtverwaltung fanden weitreichende organisationale Veränderungen statt: Ämter im Bildungsbereich wurden zu größeren Einheiten zusammengefasst (2004 Volkshochschule und Musikschule, 2009 ergänzt um die Öffentliche Stadtbibliothek, fortan geführt als Bildungs- und Medienzentrum – BMZ) und 2009 erfolgte die Konzentration aller bildungsrelevanten Ämter der Stadtverwaltung in einem neuen Bildungsdezernat. Nach Ablauf des Modellprojektes Lernen vor Ort1 richtet die Stadtverwaltung schließlich 2014 die Abteilung Kommunales Bildungsmanagement ein und schafft so eine Einheit, die für die Stadt wichtige Bildungsfragen jenseits der einzelnen Fachamtszuständigkeiten aufgreift und bearbeitet. All diesem Handeln liegt ein moderner Bildungsbegriff in einer Bildungspolitischen Leitlinie zugrunde. Sie wurde 2012 für Trier vom lokalen Begleitausschuss des Modellprojektes Lernen vor Ort verabschiedet. Sie greift das Lebenslange Lernen als roten Faden auf, bringt Begriffe wie Bildungsteilhabe und Chancengleichheit in die lokale Bildungsdiskussion ein und rückt auch neue Lernorte in den Fokus, wie etwa den Lerntreff in der Stadtbibliothek, der im Jahr 2014 als 1 Das Programm „Lernen vor Ort“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sollte zwischen 2009 und 2014 für Kreise und kreisfreie Städte die Rahmenbedingungen anbieten, ein kohärentes kommunales Bildungsmanagement zu entwickeln und zu verstetigen. Das Programm stellte damit einen zentralen Bestandteil der Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung „Aufstieg durch Bildung“ für mehr und bessere Bildung und Weiterbildung in allen Lebensbereichen dar. Für weitere Informationen zum Programm siehe auch: www.lernen-vor-ort.info. https://doi.org/10.1515/9783110590982-013
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neues Lernraumkonzept eröffnet wurde. Vordergründig nur ein spezielles Raumkonzept in der Bibliothek, ist der Lerntreff jedoch insgesamt die Verbindung einer neuen Raumgestaltung und neuer Technologien/Medien (Infrastruktur) mit einem veränderten (Bildungs-)Konzept und daran angepassten Personalstrukturen – in der Summe also ein komplexer Veränderungs- und Entwicklungsprozess. Nachfolgend werden diese Entwicklung, der Status Quo und bevorstehende Herausforderungen beschrieben.
Ausgangslage Die Volkshochschule Trier eröffnete 2005 ein Selbstlernzentrum in ihren Räumen am Trierer Domfreihof. Nach sechs Jahren des Betriebes musste festgestellt werden, dass ein Selbstlernzentrum in der damals gewählten Form mit einigen Nachteilen verbunden war: –– Die Bindung an die Öffnungszeiten der Volkshochschule wirkte einschränkend auf die Nutzung. –– Das starre Raumkonzept ermöglichte wenige Spielräume. –– Die Verortung in der Volkshochschule schuf zusätzliche Zugangsschwellen. Deshalb wurden ab 2011 im Rahmen des Programms Lernen vor Ort Überlegungen um eine sinnvolle Weiterentwicklung des Konzeptes Selbstlernzentrum angestellt. Sie waren sowohl von den Erfahrungen der Volkshochschule aus den zurückliegenden Jahren motiviert, als auch von der in dieser Zeit neu aufkommenden Beschäftigung mit dem Thema Analphabetismus beeinflusst. Die leo. – LevelOne-Studie der Universität Hamburg (Grotlüschen, 2012) rückte das Thema nachdrücklich in das Bewusstsein der Bildungsverantwortlichen und führte zu einer Reihe von Initiativen, so auch in Trier. Zwar hatte die Volkshochschule schon seit 1983 Lese- und Schreibkurse in ihrem Kurssystem, darüber hinausgehende Angebote gab es jedoch kaum. Das städtische Bildungs- und Medienzentrum erstellte in Folge ein Konzept, das sowohl die politische und öffentliche Verantwortung für die Themen Alphabetisierung und Grundbildung aufgreifen, als auch konkrete Maßnahmen über die Volkshochschulkurse hinaus etablieren sollte. So konstituierte sich 2011 das „Trierer Bündnis für Alphabetisierung und Grundbildung“ mit 80 Mitgliedern aus Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft mit den Zielen des Ausbaus eines engmaschigen Netzwerks, der Entwicklung neuer Wege der Beteiligungsförderung durch die sozialräumliche Ausweitung von Alphabetisierungsangeboten und der Gewinnung von Multiplikatoren aus unterschiedlichen beruflichen Branchen und
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gesellschaftlichen Bereichen (Stadtverwaltung Trier 2015c). Gleichzeitig wurden Projektmittel des Bundes akquiriert, unter anderem um das Maßnahmenangebot für die Zielgruppe zentral und dezentral in den Stadtteilen auszubauen2. Mittel der Wahl sollten Lerncafés in den Stadtteilen sein, aber auch ein zentraler Lernort für Grundbildung in der Stadtbibliothek, der Lerntreff.
Umsetzung Die öffentliche Stadtbibliothek in Trier für Grundbildungsangebote zu nutzen, war aus vielerlei Hinsicht naheliegend: –– zentrale Lage in der Innenstadt (Fußgängerzone), –– lange Öffnungszeiten bis in den Abend und am Samstag, –– gemeinsames Gebäude mit der Volkshochschule, so dass Beratungskompetenzen und Angebotsstrukturen beider Einrichtungen genutzt werden können, –– großes Medienangebot für alle Altersgruppen. Auf der anderen Seite war es für das Selbstverständnis der Bibliothek nicht naheliegend, das tradierte Angebot um ein derart aktives Lernangebot zu erweitern. Auch wenn Bibliotheken immer auch Orte der Bildung und des Lernens waren, gehört die aktive Bereitstellung von Lernanlässen nicht zu deren vorrangigen Kompetenzbereichen; zumindest traf dies für Trier zu. Insofern stellte die Entwicklung des Lerntreffs Anforderungen an sehr unterschiedliche Felder: –– an die Anpassung/Veränderung der Raumsituation und der Technik, –– an die Bereitstellung geeigneter Medien und –– an die Kompetenzerweiterung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Für die Umsetzung dieses komplexen Veränderungsprozesses war es sehr günstig, dass damals mit den Volkshochschulprojekten Lernen vor Ort und Arbeitsplatzorientierte Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener zwei aus Bundesmitteln geförderte Strukturen zur Verfügung standen, die die erforderlichen Konzepte entwickeln und den Gesamtprozess strukturieren und begleiten konnten. Zudem wurde externes KnowHow für Impulsinputs, die Begleitung des Prozesses und für Fortbildungseinheiten hinzugezogen.
2 Für weitere Informationen hierzu siehe: www.grundbildung.trier.de. Dort stehen auch die im Literaturverzeichnis benannten Titel aus dem Eigenverlag als Downloads zur Verfügung.
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Inhaltlich wurden für den Lerntreff folgende Punkte festgelegt: Schaffung eines barrierearmen Raumes in der Bibliothek, der die Nutzung von digitalen und analogen Medien zur Verbesserung der Lese- und Schreibkompetenzen ermöglichen sollte. Er sollte zudem Raum für das Lernen Einzelner, von Lern-Tandems und von Lerngruppen ermöglichen. Schließlich sollte der Raum weiterhin ein Teil der Bibliothek bleiben, in diesem Fall der Multimediaabteilung. Die Möblierung dieser Multimediaabteilung als Vorgänger des Lerntreffs folgte Ende der 1990er Jahre einer klassischen Bibliotheksorientierung: viele Regalmeter zuungunsten von Sitz- und Arbeitsmöglichkeiten und schwere, immobile Möbelstücke, die Mobilität und Unruhe unterbinden sollten; durchaus modern waren aber Konsolenspielplätze in der integrierten Spieleabteilung.
Abb. 1: Der Kubus – Raum-in-Raum-Lösung (Foto: Bildungs- und Medienzentrum Trier).
Im Zuge der Neuausrichtung zum Lerntreff wurden die Medienbestände und damit die Regale weitgehend reduziert. Heute werden im Lerntreff – außer an manchen Wänden – nur noch Regale auf Rollen genutzt. Für eine Neumöblierung wurden Möbel einschlägiger Ausstatter in anderen Bibliotheken oder bei den Herstellern selbst in Augenschein genommen. Letztlich fiel die Entscheidung auf ein System von Tischen, die auf Rollen mit einer Hand bewegt und zusammengestellt oder – wie auch die Stühle – gestapelt werden können, um Raum zu schaffen. Rollbare
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Paravents in verschiedenen Höhen können zur Abtrennung von Arbeitsbereichen genutzt werden und für Lerntandems oder Kleingruppen steht mit dem „Kubus“ eine Raum-in-Raum-Lösung für bis zu vier Personen zur Verfügung. Zur technischen Erweiterung gehörte die Bereitstellung von flexiblen und vorkonfigurierten Notebooks und eines freizugänglichen WLAN, um die möglichst einfache Nutzung eigener Endgeräte zu gewährleisten. Die Notebooks wurden mit gängigen und – in der Regel – freien Lernprogrammen ausgestattet oder greifen auf öffentliche Lernportale zu (Stadtverwaltung Trier 2015b, 23). Eine in die Decke integrierte Leinwand kann zu Präsentationszwecken genutzt werden; ebenso aber auch die großflächigen, mobilen Monitore, die bis dahin nur für die Spielekonsolen genutzt wurden. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Lerntreff (Wand an Wand) ist der Vortragssaal der Volkshochschule; dies erlaubt, dass die Logistik beider Abteilungen des BMZ gemeinsam genutzt werden kann.
Abb. 2: Blick in den Lerntreff (Foto: Bildungs- und Medienzentrum Trier).
Die räumliche Neugestaltung war in der Etablierungsphase nur ein Aspekt. Darüber hinaus sollten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf das neue Nutzungskonzept vorbereitet werden. Es wurde ein Team aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bibliothek, der Bundesprojekte Arbeitsplatzorientierte Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener sowie Lernen vor Ort und der Volkshochschule zusammengesetzt. In dieser Phase wurden zudem externe Expertinnen und Experten herangezogen, Entwicklungen in anderen Bibliotheken beobachtet und der Austausch mit Akteurinnen und Akteuren in bereits bestehenden Selbstlernzentren geführt. Es
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wurde eruiert, welche Lernprogramme an anderen Standorten besonders nachgefragt werden. Ebenso wurde im Rahmen eines internen Workshops der Blick auf neu zu gewinnende Zielgruppen und deren mögliche Interessen gerichtet. Vor allem das Bibliothekspersonal stand im Fokus dieser Fortbildungsmaßnahmen. Zwar gehört es zu deren alltäglicher Arbeit, Kundinnen und Kunden bei der Auswahl der Medien zu unterstützen, die aktive Gestaltung von Lernanlässen war aber zumindest in Trier ein bis dahin eher unbekanntes Arbeitsfeld (Stadtverwaltung Trier 2015a, 10). Die Finanzierung von Infrastruktur und Prozessbegleitung erfolgte ausschließlich über Drittmittel, zum größten Teil aus der Förderung der lokalen Nikolaus-Koch-Stiftung.
Aktuelle Entwicklung Der Lerntreff in der Trierer Stadtbibliothek wurde nach einer intensiven Vorbereitung im Mai 2014 seiner Bestimmung übergeben. Bis heute hat er sich zu einem multifunktionalen Lernort entwickelt. Intendiert als barrierearmes Selbstlernzentrum, ist er jetzt Lernort, Freizeitort, Tagungsraum, Kursort für die Volkshochschule, Beratungsstelle, Begegnungsstätte und einiges mehr. Die nachstehende Grafik gibt einen nicht ganz vollständigen Überblick (Stadtverwaltung Trier 2015b).
Abb. 3: Nutzungsmöglichkeiten des Lerntreffs (hellgrau: Infrastruktur, dunkelgrau: Aktivitäten)
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Bereich Lernen Zentral war die Idee, dass Lernende mit vorkonfigurierten Notebooks ihre Leseund Schreibkompetenz in einem Setting unterhalb der Kursebene verbessern können (Stadtverwaltung Trier 2015c, 26). Dieses Ziel besteht auch nach wie vor. Die Zuwanderung hat aber seit 2016 eine neue Funktion hervorgebracht, die derzeit statistisch einen größeren Raum einnimmt: Das Erlernen der deutschen Sprache. Die analogen und digitalen Medien wurden inzwischen dieser Anforderung angepasst. Die Lernsettings sind in beiden Bereichen unterschiedlich: Deutsche Lernerinnen und Lerner im Feld Alphabetisierung und Grundbildung arbeiten ausschließlich in Tandems oder Gruppen. Fremdsprachige Lernerinnen und Lerner, die ihre Deutschkenntnisse verbessern wollen, arbeiten zwar auch in Tandems und Gruppen, aber auch vielfach alleine. Im Lerntreff treffen sich regelmäßig ehrenamtliche Lernpatinnen und Lernpaten mit ihren Lernerinnen und Lernern sowie Gruppen aus Einrichtungen, die beispielsweise Zugewanderte betreuen. Mehr und mehr entdecken die Schülerinnen und Schüler der Schulen in der unmittelbaren Nachbarschaft (zwei Gymnasien und eine Grundschule) den Lerntreff. Sie machen dort Hausaufgaben, erteilen Nachhilfe oder verbringen Freistunden. Dabei nutzen sie die flexible Infrastruktur je nach den aktuellen Bedarfen und die kostenfreie WLAN-Technik.
Bereich Aufenthalt/Freizeit/Veranstaltungen Auch schon vor der Nutzung als Lerntreff standen in der Multimediaabteilung der Bibliothek Spielekonsolen zur Verfügung. Dies wurde im Lerntreff beibehalten. Freies WLAN ermöglicht zudem die Nutzung eigener Endgeräte zum Surfen usw. Außerhalb der Öffnungszeiten der Bibliothek wird der Lerntreff mit seiner Infrastruktur inzwischen multifunktionell genutzt: Für interne Meetings der Teams des BMZ, als Kursraum der Volkshochschule, für Lesungen oder für Vorträge (bis 60 Personen) oder als Raum für Fortbildungen, z. B. für die Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter.
Bereich Medien Der Lerntreff erweitert sein Medienangebot permanent. Dabei sind die unterschiedlichen Gruppen von Nutzerinnen und Nutzern im Fokus: Die klassischen Bibliotheksnutzerinnen und -nutzer finden digitale Lernmedien wie z.B. Sprachkurse; vor allem der Bereich Deutsch als Fremdsprache ist im Lerntreff konzen-
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triert. Literatur in leichter Sprache wird im Lerntreff nach und nach als eigener Bestand ausgebaut und richtet sich in erster Linie an die Lernenden, ob mit deutscher Muttersprache oder Zugewanderte, die Deutsch lernen wollen. An diese beiden Gruppen richten sich auch die zwölf Notebooks, die in einem Laptopwagen vorgehalten werden. Sie enthalten in der Regel kostenfreie Software zur Verbesserung der Literalität oder zum Erlernen der deutschen Sprache. Aber auch andere Grundbildungsthemen werden angeboten (z.B. zur Vorbereitung auf die Führerscheinprüfung). Zum Thema Alphabetisierung und Grundbildung haben die Mitarbeiterinnen des Lerntreffs Materialien zusammengestellt, die von haupt- und ehrenamtlichen Lernbegleiterinnen und -begleitern kostenfrei genutzt werden können. Sie stehen als einzelne Ausgaben in Regalen zur Verfügung oder sind thematisch in sogenannten Materialkisten zusammengestellt (Stadtverwaltung Trier 2015b, 12).
Bereich Beratung/Information Die Idee des selbstgestützten Lernens ist ein zentraler Aspekt im Lerntreff. Es hat sich aber in den rund drei Jahren der Nutzung bestätigt, dass gerade die Zielgruppe aus dem Feld Alphabetisierung und Grundbildung eine intensive Lernbegleitung benötigt. Deshalb ist es für die Infrastruktur unverzichtbar, Angebote in zwei Richtungen bereitzustellen: eine gute Lernberatung für die Lernenden auf der einen Seite und auf der anderen Seite eine mehrdimensionale Unterstützung der Lernpatinnen und -paten, die den Lerntreff regelmäßig nutzen. Letztere brauchen Informationen zu Materialien und Medien, aber auch Angebote zur Weiterbildung und letztlich zur Supervision ihrer Lernsettings (Stadtverwaltung Trier 2015c, 28). Darüber hinaus kommen regelmäßig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Einrichtungen in den Lerntreff, die mit den potenziellen Zielgruppen arbeiten, sei es zur Sensibilisierung etwa zum Thema Alphabetisierung und Grundbildung oder zur Beratung hinsichtlich der Nutzung von geeigneten Unterstützungsmedien und Lernportalen. Eine eigene Abteilung des Lerntreffs bildet die (Schul-)Laufbahnberatung. Der Bibliotheksbestand zu den Themen Berufsbilder oder Bewerbung ist dort konzentriert. Zudem steht die Trierer Lupe im Lerntreff, ein EDV-gestütztes Portal, das alle Schulformen in Trier darstellt, einschließlich der Zugangsvoraussetzungen, Abschlüsse oder Schwerpunkte der Schulen. Das Instrument kann selbstständig genutzt werden oder durch das Lerntreff-Team zur professionellen Beratung.
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Herausforderungen und künftige Gestaltung des Lerntreffs Eine lückenlose Statistik der Nutzung des Lerntreffs liegt nicht vor. Die Trierer Stadtbibliothek verzeichnet wie überall zurückgehende Ausleihzahlen bei den physischen Medien (Bestand 100.000 Medieneinheiten). Demgegenüber stehen sehr stark steigende Zahlen bei den Onleihe-Medien (Bestand 60.000 Medieneinheiten). Ein elektronisches Zählwerk am Eingang der Bibliothek registriert zudem jährlich steigende Besuchszahlen. Diese Zahlen unterstützen die Beobachtung, dass die Bibliothek längst nicht mehr nur Ausleihort für Bücher und CDs ist, sondern zunehmend mehr als Aufenthalts- und Lernort angenommen wird. Voraussetzung dafür ist eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität, der technischen Infrastruktur und eine Erweiterung der Kompetenzen des Bibliothekspersonals. Der Lerntreff belegt dies eindrucksvoll und zeigt gleichzeitig die Herausforderungen auf. So gehen die Anforderungen in dem Bereich Beratung/Information über die klassischen Kompetenzen von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren hinaus: Die Beratung zur Mediennutzung beherrschen sie traditionell sehr gut. In Trier existiert glücklicherweise in der Bibliothek eine hohe Kompetenz in der Nutzung der digitalen Infrastruktur. Eine umfassende Bildungsberatung, ob allgemein oder in speziellen Feldern wie beispielsweise der Alphabetisierung und Grundbildung, geht aber weit über die klassische Bibliothekskompetenz hinaus. Hier ist pädagogisches Fachpersonal erforderlich. In der Etablierungsphase des Lerntreffs konnte dieses Personal über zeitlich befristete Projektmittel (z.B. einer lokalen Stiftung) bereitgestellt werden. Für eine nachhaltige Ausstattung mit adäquatem Fachpersonal müssen aber weitere Lösungen gefunden werden. Unterstützung aus den Projekten und den anderen Abteilungen des BMZ schaffen hier nur zum Teil Abhilfe. Auch deshalb wird aktuell der Umbau des Bibliotheksteams diskutiert. Ob aufgrund der zurückgehenden Ausleihzahlen und der neuen Bildungsaufgaben bibliothekarisches Fachpersonal zugunsten pädagogischer Fachkräfte reduziert werden kann, ist hier eine Frage. Eine, bezogen auf die angesprochenen Professionen, sehr unterschiedliche Tarifstruktur ist bei deren Beantwortung ein gewichtiger, formaler Hemmschuh. Darüber hinaus muss zudem die Akzeptanz einer notwendigen organisationalen Veränderung im Bibliotheksteam entwickelt und gefördert werden. Schließlich braucht es die nachhaltige Unterstützung der Kommunalpolitik. Dies alles in den Blick zu nehmen, ist unter anderem Inhalt eines Zukunftskonzeptes 2025, mit dem die Bibliothek im Herbst 2017 in die städtischen Gremien der Stadt Trier gegangen ist.
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Literatur Grotlüschen, A; Riekmann, W. (Hrsg.) (2012): Funktionaler Analphabetismus in Deutschland. Ergebnisse der ersten leo. Level-One Studie. Münster: Waxmann. Stadtverwaltung Trier (2015a): Grundbildung. Ein (neues) Handlungsfeld für Bibliotheken. Der Lerntreff der Stadtbibliothek Palais Walderdorff in Trier. Trier: Eigenverlag. Stadtverwaltung Trier (2015b): Neue Lernorte. Kostenlose Grundbildungsangebote für Erwachsene. Lerncafés in den Stadtteilen, Lernpaten, der Lerntreff der Stadtbibliothek Palais Walderdorff. Trier: Eigenverlag. Stadtverwaltung Trier (2015c): Netzwerk Bildung. Kommunale Alphabetisierungs- und Grundbildungsstrategien am Beispiel der Stadt Trier. Trier: Eigenverlag.
IV Kooperationsfelder
Susanne Brandt
Erste Schritte begleiten Frühkindliche Bildung und Öffentliche Bibliotheken
Einleitung Als kompetente Dialogpartnerinnen ergänzen und unterstützen Bibliotheken die frühkindliche Bildung in vielen Bereichen. Sie sind mit dem Orientierungsrahmen der Elementarbildung im jeweiligen Bundesland vertraut und können auf dieser Basis im lebendigen Austausch mit den Kindertagesstätten vor Ort ein dazu passendes Medien- und Begegnungsangebot mitgestalten, Aktivitäten unterstützten, eigene Akzente setzen und ergänzende Impulse geben. In diesem Dialogprozess mit Partnern der frühkindlichen Bildung zeigen Bibliotheken sich –– interdisziplinär aufgeschlossen und informiert, –– familienorientiert, –– leicht zugänglich für alle, –– beweglich und vielfältig, aber nicht beliebig. Ausgerichtet auf die wichtigsten Themen- und Handlungsfelder der Orientierungspläne für die frühkindliche Bildung der Länder wird in den folgenden Abschnitten die grundlegende Rolle der Bibliotheken als Lernwelt für den Elementarbereich erläutert sowie an bewährten Projekten und Beispielen aus der Praxis Öffentlicher Bibliotheken konkretisiert und anschaulich gemacht.
Dialogisches Lernen auf der Basis von Orientierungsplänen und Kinderrechten Als Lernwelt für den Elementarbereich sind Bibliotheken nicht an einen bundesweit einheitlichen Lehr- oder Orientierungsplan gebunden. Manche Bibliotheken orientieren sich an einem für Bildungspartnerschaften entwickelten Spiralcurriculum, das für verschiedene Altersgruppen verschiedene Übungen, Lernschritte und Inhalte vorsieht, um Kompetenzen und Vertrautheit im Umgang mit Medien, Informationen und Recherchetechniken zu entwickeln.
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Dieses Spiralcurriculum aber berührt oft nur Teilbereiche eines umfassend zu verstehenden Bildungsbegriffs, etwa wo es um das erste Kennenlernen der Bibliothek, um die Gewinnung von Informationen oder um eine gezielte Auswahl und Handhabung verschiedener Medien geht. Musisch-ästhetische, ethische, emotionale, sinnliche und körperbezogene Aspekte, die gerade bei der frühkindlichen Bildung im Vordergrund stehen, werden allein durch solche Spiralcurricula oft nicht in allen Facetten oder nur am Rande berücksichtigt. Das Bildungsangebot, das Bibliotheken einbringen oder unterstützen können – hier bezogen auf das frühe Lernen im Elementarbereich –, umfasst ein deutlich breiteres Spektrum an Methoden und Inspirationen im Zusammenspiel mit verschiedenen Partnerinnen und Partnern. „Bildungsprozesse sind immer soziale und kommunikative Prozesse zwischen Kindern sowie zwischen Kindern und Erwachsenen“, heißt es in der Einleitung zum Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich für Niedersachsen (Niedersächsisches Kultusministerium 2005, 11). Andere Orientierungspläne der einzelnen Bundesländer beschreiben die frühkindlichen Bildungsprozesse ähnlich. Ergänzend dazu wird im Beispiel Niedersachsen weiter ausgeführt: „Für das Krippen- und Kindergartenkind ist das Spiel die wichtigste Form der handelnden Auseinandersetzung mit seiner inneren und äußeren Welt. Es ist seine bevorzugte Methode zu lernen.“ (Niedersächsisches Kultusministerium 2005, 11) Spielerische, handlungsorientierte, kommunikative und beziehungsstiftende Angebote stehen demzufolge auch im Mittelpunkt der Lernwelt Bibliothek für den Elementarbereich. Neben solchen Orientierungsplänen der Länder ist für Bibliotheken die Kinderrechtskonvention als verbindliche Grundlage anzusehen, von der sich ein weltweit gültiger Bildungsauftrag ableiten lässt. Speziell für die Elementarbildung besonders relevant und richtungsweisend (nicht nur) für Bibliotheken sind dabei folgende Leitgedanken, die sich im Sinne ausgewählter Kinderrechte formulieren lassen: Was Kinder sagen, wird gehört, respektiert und ernst genommen. Zu Fragen, von denen sie betroffen sind, können sie ihre Wünsche oder Sorgen äußern. Sie dürfen ihre Meinung erzählen, aufschreiben, malen, singen, tanzen oder wie auch immer zeigen und verbreiten, wenn dabei keinem anderen geschadet wird. Gleichzeitig darf niemand unerlaubt über Dinge, Gedanken und Geheimnisse verfügen, die allein für das Kind wichtig und kostbar sind. Jedes Kind hat eine Würde, die nicht verletzt werden darf. (vgl. Artikel 12 und 16) Kinder sollen auf verständliche Weise erfahren, was in der Welt passiert, wie Menschen zusammen leben und warum immer wieder Dinge verändert oder entschieden werden müssen. Der freie Zugang zu Informationen und Medien in allen Formen und in verschiedenen Sprachen soll für alle Kinder möglich sein. Es ist daher besonders wichtig, dass Kinderbücher hergestellt und verbreitet werden. Gleichzeitig ist Sorge dafür zu tragen,
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dass von frei verfügbaren Medien keine Verletzungen und Gefahren für Kinder und andere ausgehen (vgl. Artikel 17). […] Lernen ist nicht allein für den späteren Beruf und persönlichen Vorteil von Bedeutung. Es ist die Chance des heutigen Tages, dass Kinder Erfahrungen sammeln und Begabungen entfalten. Sie spüren, was ihnen gut tut und wie sie daran mitwirken können, dass es auch anderen gut geht: Frieden und Gerechtigkeit, Verständnis im Umgang miteinander und Achtung vor der Natur kann man jeden Tag lernen und weitergeben. Nicht nur die Schule – auch viele andere müssen dazu beitragen, dieses Wissen über ein gutes Leben zu teilen und zu verbreiten (vgl. Artikel 29). Jedes Kind hat ein Recht auf Spiel und Entspannung. Es muss Zeiten geben, in denen Kinder einfach Ruhe für sich finden und Dinge tun können, die ihnen Freude machen. Kinderbücher, Filme und Spielmaterialien helfen dabei, solche Zeiten zu genießen. Auch Orte, an denen sie Musik und Theater, Kunst und Bewegung erleben, sind wichtig dafür (vgl. Artikel 31). (Brandt 2014, 776)
Handlungsfelder, Kooperationsmodelle und Angebotsformen von Bibliotheken zur frühkindlichen Bildung Alles, was sich im Folgenden an sechs ausgewählten Kernbereichen der frühkindlichen Bildung mit Beispielen aus verschiedenen Bibliotheken konkretisieren lässt, ist vor diesem Hintergrund und auf der Basis dieser Grundhaltung zu denken. Es geht also um Handlungsfelder, Kooperationsmodelle und Angebotsformen von Bibliotheken, die dazu beitragen, Lernprozesse im Dialog mit Partnerinnen und Partnern mitzugestalten, frühkindliches Lernen als einen spielerischen und kommunikativen Prozess im Einklang mit den Kinderrechten zu begreifen und mit Leben zu füllen. In den verschiedenen Orientierungsplänen der Länder für die frühkindliche Bildung variiert die Gliederung und Benennung der verschiedenen Handlungs- und Erfahrungsfelder. Im Wesentlichen werden aber die folgenden sechs Bereiche, die hier exemplarisch vorgestellt werden, in allen Bundesländern mit berücksichtigt: Sprache und Sprechen, Lebenspraktische Kompetenz / Kulturelle Teilhabe vor Ort, Musisch-ästhetische Bildung, Ethik (Religion/Philosophie), Bewegung, Natur und Umwelt.
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Sprache und Sprechen Die gesprochene Sprache gehört zu den wichtigsten zwischenmenschlichen Kommunikationsmedien und ist im Sinne der 100 Sprachen des Kindes nach Loris Malaguzzi (Beek 2010) sehr weit zu fassen als die gesamte Welt der Kommunikation und Interaktion mit Mimik, Gestik, Tönen, Bildern und Zeichen. Spracherwerb beim Kind geschieht als eigenaktiver konstruktiver Vorgang und ist angewiesen auf Beziehung und Resonanz in einer inspirierenden Umgebung. Dabei kommt der Freude am Sprechen eine wichtige Bedeutung zu. Diese Freude zu wecken und wach zu halten, ist – wie der gesamte Prozess des Spracherwerbs – eine in den Alltag integrierte Erfahrung, an der Bibliotheken im Dreiklang mit Familien und Kindertagesstätten (Kitas) auf vielfältige Weise mitwirken können (Huppertz 2015). Sie bieten öffentliche Räume, die als sprachanregende Umgebung wirken und Menschen leicht zugängliche Aufenthaltsmöglichkeiten, ein vielfältiges Medienangebot und Gelegenheiten für Begegnungen bieten.
Beispiel: Mit Worten wachsen Eine bewusste Gestaltung und Kooperation erfährt dieses Anliegen z.B. im Bibliotheksprojekt Mit Worten wachsen, das in Schleswig-Holstein seit Frühjahr 2017 die Sprach-Kitas im nördlichen Bundesland mit Medien und Kooperationsangeboten unterstützt: Mit der Fokussierung auf Sprach-Kitas richtet sich das Bibliotheksprojekt an den Anforderungen des Bundesprogramms Sprach-Kitas. Weil Sprache ein Schlüssel zur Welt ist aus, das von 2016–2020 durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird.1 Daran beteiligt sind Kindertageseinrichtungen, die von einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Kindern mit besonderem Bedarf an sprachlicher Bildung und Förderung besucht werden. Allein in Schleswig-Holstein gibt es bereits im ersten Förderjahr über 100 teilnehmende Sprach-Kitas in allen Regionen des Landes. An den Standorten dieser Sprach-Kitas gibt es nahezu überall Öffentliche Bibliotheken, die durch das Projekt Mit Worten wachsen darin unterstützt werden, den Sprach-Kitas vor Ort als nachbarschaftliche Partnerinnen durch die Sprach-Kita-Medienboxen bedarfsgerechte Materialien zur Verfügung zu stellen. Diese speziellen Medienboxen, ergänzt um Kamishibai-Rahmen für das dialogische bildgestützte Erzählen, hält die Büchereizentrale Schleswig-Holstein als Austauschbestand vor und versetzt so auch kleine Bibliotheken im ländlichen Raum in die Lage, mit den 1 http://sprach-kitas.fruehe-chancen.de/
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Sprach-Kitas vor Ort partnerschaftlich zusammenzuarbeiten und dafür passende Materialien anzubieten. Die Medienauswahl für die Boxen umfasst vor allem Bilderbücher und Geschichten, die das interaktive und dialogische Sprechen über verschiedene sinnliche, musische und kreative Zugänge anregen. Ergänzend dazu gehören zum Inhalt der Boxen auch kleine Wochenendrucksäcke, um einzelne Bücher auch in die Familien zu tragen. Die Zusammenstellung wird unter Berücksichtigung von Erfahrungen und Empfehlungen der Sprach-Fachberaterinnen vorgenommen und besonders auf die folgenden drei Zielbereiche des Sprachförderprogramms abgestimmt: –– alltagsintegrierte sprachliche Bildung, –– inklusive Bildung, –– Zusammenarbeit mit den Familien. Ziel des Projekts Mit Worten wachsen ist es, die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Bereich Sprachförderung zu vertiefen, indem die Sprach-Kitas in ihrer Bibliothek vor Ort durch die „Sprach-Kita-Medienboxen“ und Kamishibai-Erzähltheater fachlich abgestimmte Materialien erhalten können, die im Sinne des Bundesprogramms einen unmittelbaren Nutzen für die pädagogische Praxis – und auf diesem Wege natürlich für die Kinder und Familien - haben. Partnerschaften zwischen Bibliotheken, Familien und Kitas werden auf diese Weise neu gebildet oder vertieft. Begleitet wird das Medienangebot durch kreative und spielerische Formen der Entdeckung von Bibliothek und Büchern, wenn sich die Sprach-Kita-Gruppe zu einem Bibliotheksbesuch anmeldet oder Familien das offene Veranstaltungsangebot der Bibliothek vor Ort nutzen (vgl. dazu: Mit Bilderbüchern in die Lesewelt 2016). Eine Ideensammlung zu Medien und Methoden, die in diesem Zusammenhang in der Bibliothek wie auch als Anregung für den Kita-Alltag eingesetzt werden können, wird fortlaufend durch das Lektorat der Büchereizentrale ergänzt und über einen Blog als Fundgrube für alle online zur Verfügung gestellt2.
2 http://www.bz-sh-medienvermittlung.de/thema/mit-worten-wachsen-materialien-zum-projekt.
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Lebenspraktische Kompetenz / Kulturelle Teilhabe vor Ort Dieser Lern- und Erfahrungsbereich berührt viele Orte und Anforderungen des Alltags zu Hause wie im öffentlichen Raum und weist zahlreiche Schnittmengen zu anderen Bereichen auf: Ortserkundungen sind mit Fortbewegung verbunden, die damit verbundene Kommunikation mit Sprache und manche Regeln, die es dabei zu beachten gilt, schlagen eine Brücke zu Grundfragen der Mathematik wie zur Fähigkeit, Zeichen zu deuten und Sozialverhalten einzuüben. Angesiedelt in diesem Bereich ist auch ein „Klassiker“ unter den Bibliotheksangeboten: die Einführung in die Bibliotheksnutzung, verbunden mit dem Kennenlernen von Menschen, Medien und Räumen wie mit dem Einüben von Regeln.
Beispiel: Ich bin Bib(liotheks)fit - der Bibliotheksführerschein für Kindergartenkinder Seit 2006 wird mit dieser Leseförderaktion der Katholischen Öffentlichen Bibliotheken den Bibliotheksteams wie den Verantwortlichen in Kindertagesstätten ein Planungskonzept an die Hand gegeben, das dabei helfen soll, Kindern bereits vor dem Schulalter den Ort Bibliothek und den Umgang mit Büchern vertraut zu machen. Im Vordergrund des dazu angebotenen Materialpakets stehen die Lesefreude und das spielerische Entdecken der Bibliotheksräume. Inhaltlich geht es bei den vier Veranstaltungen, die dazu in der Bibliothek durchgeführt werden, um Erzählen und Wissen, Vorlesen, Zuhören, Ausmalen, Aussuchen und Ausleihen, um „Was gibt es, wo finde ich es?“. Das dafür entwickelte Material besteht aus Rucksäcken für den Buch-Transport, Bibliotheksführerscheinen, Laufkarten für die Kinder und einem Stempel, mit dem den Kindern die jeweilige Teilnahme bescheinigt wird. Ziel des Programms ist es, Kindern zu vermitteln, dass der Umgang mit Büchern Spaß macht und Bibliotheken als öffentliche Orte in der Nachbarschaft vielfältige Angebote für Wissen und Vergnügen zu bieten haben. Ebenso richtet sich die Botschaft an Eltern, die eingeladen sind, das Angebot für ihre Familie zu nutzen. Erzieherinnen und Erzieher können in der Bibliothek Unterstützung für eine spielerische Leseförderung und kindgerechte Wissensvermittlung mit Medien finden. Das Bibliotheksfest als Abschluss des Programms und die feierlich überreichten „Bibliotheksführerscheine“ bieten einen weiteren Anreiz, um an dem Programm teilzunehmen. Bibfit ist ein eingetragenes Marken-
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zeichen und die Materialien dürfen nur mit genauen Quellenangaben in anderen Medien veröffentlicht werden.3
Musisch-ästhetische Bildung Ästhetik erschließt sich über die sinnliche Wahrnehmung. Kinder nehmen durch Fühlen, Riechen, Schmecken, Hören und Sehen ihre Umwelt wahr und verbinden diese Wahrnehmungen mit Gefühlen. Ästhetische Erfahrungen brauchen das unmittelbare Erleben mit allen Sinnen und lassen sich nicht oder nur sehr begrenzt „aus zweiter Hand“ vermitteln. Sie befähigen das Kind dazu, kognitive Strukturen aufzubauen. Welterfahrung über Symbolsysteme und ästhetische Erfahrungen über unmittelbare sinnliche Wahrnehmungen gehören daher untrennbar zusammen, da sich die ästhetische Bildung vieler Kommunikationsformen wie Musik, Tanz, bildnerischen Gestaltens, Sprachklang und -poesie bedient, die wiederum zur Sensibilisierung der Wahrnehmung beitragen. Dieser Zusammenhang wird in Bibliotheken überall dort berücksichtigt, wo Musik, Tanz, Kunst, Rhythmik etc. gezielt im Rahmen von Veranstaltungen für Kinder im Kita-Alter eingesetzt werden (Brandt 2009).
Beispiel: Die Klanggeschichten der Musikbücherei Hagen Klanggeschichten ist der Titel einer Veranstaltungsreihe, zu der die Musikbücherei in der Stadtbücherei auf der Springe in Hagen regelmäßig einlädt. Das Angebot richtet sich an Kinder ab vier Jahre und knüpft zu wechselnden Themen immer wieder neu Verbindungen zwischen Büchern und Musik. Neben viel Spaß steht dabei ebenso eine gezielte Sprachförderung im Mittelpunkt. Die Erfahrung zeigt: Viele Kinder reagieren auf Musik spontan mit Bewegung, mit Tanzen und Singen. Dabei trägt die Musik zugleich dazu bei, ein Gefühl für Sprache zu entwickeln. Erfahrungen mit Rhythmus in Liedern und Musik wie auch in Reimen und Versen wirken sich positiv auf das Empfinden für Sprachrhythmus und -melodie aus. Kinder erkennen so leichter die Betonungen in einem Satz und entwickeln ein Empfinden für Sprachstrukturen. Bei den Vorbereitungen zu den regelmäßig stattfindenden Klanggeschichten der Musikbücherei fand auch eine Zusammenarbeit zwischen der für das Angebot
3 http://www.borromaeusverein.de/lesefoerderung/bibfit-bibliotheksfuehrerschein/.
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Susanne Brandt
verantwortlichen Musikbibliothekarin und der Fachbereichsleiterin für die musikalische Früherziehung an der Musikschule Hagen statt. 4
Ethik (Religion/Philosophie) Kinder sind auf eine besondere Art Philosophen. Sie beginnen früh damit, über Sinn und Bedeutung nachzudenken und bei existentiellen Erfahrungen wie z.B. beim Tod eines Angehörigen Fragen nach dem Woher, Wozu und Wohin im Leben zu stellen. Ein weiteres großes Erfahrungsfeld ist das Vertrautwerden mit Festen und Ritualen, die z.T. religiös geprägt sind. Gleichzeitig erleben sie, dass Kinder und Familien unterschiedlicher Herkunft ganz verschiedene religiöse und kulturelle Prägungen kennen und leben. Das Kennenlernen von kulturellen und religiösen Festen und Ritualen im vertrauten Umfeld wie die Offenheit und Achtung für andere Kulturen, andere Sprachen und religiöse Bekenntnisse gehören daher zur Erfahrungswelt des Alltags und berühren viele ethische und soziale Aspekte des Miteinanders. Bibliotheken bieten hierfür eine vielfältige Lernwelt, indem sie z.B. immer wieder Gelegenheiten zu interkulturellen Begegnungen schaffen (Thürsam 2008), Themen aus dem Festkreis verschiedener Kulturen und Religionen aufgreifen5 und den Kitas Materialien dazu anbieten.
Beispiel: Nicht das Gedachte lernen – sondern das Denken lernen! Unter dem Motto Nicht das Gedachte lernen – sondern das Denken lernen! werden im Bücherbus 3 in Berlin-Mitte Philosophieprojekte mit Kindern in Kitas und Grundschulen angeboten. Dabei wird den Kindern über ein Jahr wöchentlich oder vierzehntäglich die Möglichkeit gegeben, sich „großen“ Fragen der Menschheit mit Gleichaltrigen in einem intensiven Gespräch zu nähern. Das Besondere für die Kinder ist, dass keine Form von Bewertung stattfindet und dass das
4 Die Veranstaltungsreihe „Klanggeschichten“ wurde von der Musikbibliothekarin Juliane Streu bei der AIBM-Tagung der Musikbibliotheken 2014 in Nürnberg als Praxisbeispiel zu einem Vortrag zum Thema vorgestellt: http://www.aibm.info/wp-content/uploads/2014/10/AIBM-VortragSusanne-Brandt.pdf. Nähere Auskünfte zum Angebot in Hagen: https://www.hagen.de/web/de/ fachbereiche/fb_48sb/fb_48sb_04/musikbuecherei.html. 5 Zum Beispiel als Aktion in der Adventszeit www.dezembergeschichten.de.
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Thema durch ein besonderes Buch eingeführt wird. So können Kinderliteratur und Kinder in einem kreativen Prozess zueinander finden.6
Bewegung Bewegung hat im Zusammenspiel mit der Wahrnehmung eine Schlüsselfunktion für die Entwicklung und das Lernen bei Kindern im Elementarbereich. Die Förderung kindlicher Kompetenzen kommt daher nicht ohne Bewegung aus. Bei allen Lernprozessen und der Entdeckung der Welt nutzen Kinder vielfältige Bewegungserfahrungen als Anreize für ihre körperliche und geistige Entwicklung. Über Wahrnehmung und Motorik bauen Kinder eine differenzierte Plastizität des Gehirns auf.
Beispiel: Geschichten bewegen Wie Bibliotheken die zentrale Bedeutung von Bewegung bei frühkindlichen Lernprozessen bewusst in ihre Angebote für den Elementarbereich mit einbeziehen können, war die zentrale Frage bei diesem interdisziplinären Transferprojekt, das vier niedersächsische Bibliotheken (Westoverledingen, Buxtehude, Georgsmarienhütte, Melle) in jeweils örtlichen Netzwerken mit Kindergärten, Schulen, Erwachsenenbildung und Universität in der Zeit von April 2010 bis März 2012 durchgeführt haben und das seither an vielen Orten weitergeführt wird. Erprobt wurden dabei zunächst Möglichkeiten der gemeinsamen Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller beteiligten Einrichtungen der Netzwerke für neue Wege einer lebendigen Vorlese- und Erzählkultur und erste Praxiserfahrungen mit den gemeinsam entwickelten Bewegungsideen an den vier Orten. Eine zentrale Erkenntnis für die beteiligten Institutionen ist seither, dass Sprache und Bewegung bei Kindern wesentliche Mittel der Erkenntnisgewinnung sind, die in engem Bezug zueinander stehen. Für eine bewegungsorientierte Sprachförderung benötigen Kinder deshalb eine anregende Umwelt. Konventionelles Vorlesen und Erzählen in Bibliotheken – so die Erfahrung vieler Kindertageseinrichtungen und Bibliotheken – bezieht Bewegung bislang nur selten bewusst mit ein in die Gestaltung der Lernsituation. Das Projekt gestaltet sich wie im Folgenden beschrieben:
6 https://www.berlin.de/stadtbibliothek-mitte/aktuelles/veranstaltungen/.
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Susanne Brandt
Wenn Kinder wie die Wölfe durch die Buchregale in der Stadtbibliothek streifen, dann haben sie vielleicht kurz vorher eine Wolfsgeschichte vorgelesen bekommen und setzen sie spielerisch in Bewegung um. Vielleicht flattern sie auch mal wie die Schmetterlinge mit den Händen, nein Flügeln, weil sich die Raupe in eine schöne neue Gestalt verwandelt hat.7
Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt von Renate Zimmer und ihrem Team vom Arbeitsbereich Sport und Erziehung der Universität Osnabrück. Die Finanzierung gelang mit Fördermitteln des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur.8
Natur und Lebenswelt Das Erforschen und Experimentieren mit Natur und Phänomenen der Umwelt erweitert den Wissenshorizont, fördert die Selbstständigkeit der Kinder zur Orientierung in ihrem Lebensumfeld und weckt das Interesse an kreativen Gestaltungen. Das Themengebiet ist besonders geeignet, Kooperationspartner an der Bildungsarbeit in der Tagesstätte zu beteiligen: Das sind zum Beispiel Naturschutzorganisationen und erfahrene Mitbewohner des Ortes, die mit den Kindern gemeinsam die Umgebung entdecken können. Aber auch Bibliotheken erweisen sich dabei als ideale Partnerinnen. Denn Sachbilderbücher, Naturgeschichten und multimediale Darstellungen können die unmittelbare Anschauung in der Natur und den praktischen Umgang mit Materialien ergänzen. So hat über viele Jahre das Egon-Naturgeschichtenprojekt (Brandt 2010) dazu eingeladen, die Natur vor Ort in Kooperation mit Kitas und Naturschutzgruppen zu entdecken und die Beobachtungen mit Geschichten, Liedern und Spielen zu vertiefen.
Beispiel: Bibliothek kooperiert mit „Haus der kleinen Forscher“ Die gemeinnützige Stiftung Haus der kleinen Forscher9 setzt sich seit 2006 für gute frühe Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) ein. Sie versteht Kindergärten dabei als Bildungseinrich7 h t t p s : // w w w. n o z .d e / l o k a l e s / m e l l e / a r t i k e l /3 2 1 9 4 6/ w e n n - k i n d e r- z u-w o l f e n werden#gallery&0&0&321946. 8 Ausführliche Projektbeschreibung: https://opus4.kobv.de/opus4-bib-info/frontdoor/index/ index/docId/886. 9 https://www.haus-der-kleinen-forscher.de/.
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tungen und regt die Umsetzung in lokalen Netzwerken an. Im niedersächsischen Nordenham spielt darin auch die Stadtbücherei eine zentrale Rolle. Sie engagiert sich dort als Koordinatorin der Initiative für die Region. Die Erzieherinnen werden dabei unterstützt, mit den Kindern einfache Experimente durchzuführen. Es geht um Fragen wie: Warum erlischt eine Kerze unter einem Reagenzglas? Warum schwimmt eine Reißzwecke auf dem Wasser? Die Themenschwerpunkte sind Wasser, Luft und Sprudelgase. Die Kindergärten erhalten dazu Koffer mit den Versuchsmaterialien und -beschreibungen und Angebote zur Fortbildung.
Fazit und Ausblick Bibliothekarische Angebote der frühkindlichen Bildung haben besonders dann Aussicht auf Erfolg und positive Resonanzen bei Familien und Kooperationspartnern vor Ort, wenn sie auf der Basis einer gründlichen Auseinandersetzung mit den Orientierungsplänen für Elementarbildung in den jeweiligen Ländern entwickelt und im interdisziplinären Austausch mit Fachkräften an den Kindertageseinrichtungen umgesetzt werden. Thematisch stehen dabei vor allem mediale Bezüge zu den Bereichen Sprache, lebenspraktische Kompetenzen, musisch-ästhetische Bildung, Ethik und Werte, Bewegung, Natur und Umwelt in ihren vielfältigen Erscheinungsformen im Mittelpunkt. Methodisch spielen – verbunden oder inspiriert von verschiedenen Medienformen – Bewegung, Wahrnehmung und sinnliches Erleben, dialogische Kommunikation, Freiräume für Fantasie, bildnerische und musisch-ästhetische Ausdrucksmöglichkeiten und handlungsorientierte Elemente bei der Gestaltung eines Angebotes in der Bibliothek eine wichtige Rolle. Organisatorisch sind Kooperationen mit den benachbarten Partnern der Elementarbildung wie auch eine gute Vernetzung mit familienbezogenen Einrichtungen vor Ort in die Planung und Gestaltung des Angebotes mit einzubeziehen. Verglichen mit ausführlichen Spiralcurricula für den Schulbereich sind umfassend ausgearbeitete Konzepte der Lernwelt Bibliothek für den Elementarbereich neben den hier genannten und vielen weiteren Einzelbeispielen erst selten beschrieben worden. Folgende Linksammlung zu ausgewählten Ansätzen aus verschiedenen Regionen des deutschsprachigen Raums soll dazu exemplarisch einige Anregungen liefern. –– Österreich: http://www.wirlesen.org/artikel/lesen-vernetzt/kooperationen/ kindergaerten-horte/kindergarten-bibliothek
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Susanne Brandt
–– Bayern: https://www.oebib.de/index.php?id=1091 –– Niedersachsen: http://www.schulmediothek.de/oeb_und_schule/spiralcurriculum/Niedersachsen.pdf –– Bremerhaven/Bremen: http://www.buecher-kindergaerten.de/ und https://www.bildung.bremen.de/detail.php?gsid=bremen69.c.22611. de&gsid=bremen69.c.22611.de#B%C3%BCcher-Kit –– Berlin: http://www.berlin.de/stadtbibliothek-friedrichshain-kreuzberg/ lesen-lernen/kinder-werden-wortstark/programm-module/wortstark/
Literatur Alt, K.; Hering, J.; Horstmann, I. (2016): Mit Bilderbüchern in die Lesewelt. Anregungen zur Sprach- und Erzählförderung in der Kita. Bremen: BIBF. http://www.bibf.uni-bremen.de/ images/Bilderbuecher-Lesewelt/Mit_Bilderbuechern_in_die_Lesewelt_1.pdf. Beek, A. v.d. (2010): Bildungsräume für Kinder von Drei bis Sechs. Weimar: das netz. Brandt, S. (2009): Lauschen und Lesen. Hörerlebnisse in der Sprach- und Leseförderung von Kinderbibliotheken. Berlin: Simon Bibliothekswissen. Brandt, S. (2010): Erzählen und Entdecken. Lebendige Spracherfahrungen mit Naturgeschichten. Ein Praxis- und Lesebuch für Bibliotheken, Schulen, Kindergärten und freie Gruppen. Berlin: Simon Bibliothekswissen. Brandt, S. (2014): Bibliotheken sind KINDERgeRECHT !? BuB Forum Bibliothek und Information 11–12, 774–448. Huppertz, M.; Huppertz, N (2015): Sprachbildung und Sprachförderung in Kindergarten und Krippe - lebensbezogen und alltagsintegriert. Freiburg: PAIS. Keller-Loibl, K.; Brandt, S. (2015): Leseförderung in Öffentlichen Bibliotheken. Berlin; Boston: De Gruyter Saur. Niedersächsisches Kultusministerium (2005): Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich niedersächsischer Tageseinrichtungen für Kinder. Hannover: Niedersächsisches Kultusministerium. Thürsam, M. (2008): Multikulturelle Bibliotheksarbeit. Vorschulische Sprach- und Leseförderung von Kindern mit Migrationshintergrund. Wiesbaden: Dinges & Frick.
Kathrin Reckling-Freitag
Wege einer Bildungspartnerschaft Schulen und Öffentliche Bibliotheken
Einleitung Leseförderung ist in Öffentlichen Bibliotheken schon immer ein wichtiges Feld gewesen, auf dem vielfältige Angebote und Konzepte geboten worden sind. Der Schritt, mit den Schulen gemeinsam Angebote und Konzepte für die Förderung von Medien-, Informations- und Recherchekompetenz zu entwickeln, ist erst seit Ende der 1990er Jahre durch die PISA-Studie (Keller-Loibl 2009, 38–40) und das Projekt der Bertelsmann Stiftung Öffentliche Bibliothek und Schule – neue Formen der Partnerschaft (1995–2000) (Mittrowann 1997 und 2000) wirklich aktuell geworden. Regionale BILDUNGslandschaft
Familienzentrum
Regionale SCHULlandschaft
Kita Weiterführende Schulen
Grundschulen
Eltern Berufsschulen Vereine Verbände JugendhilfeWeitere Partner z.B. einrichtungen Bibliotheken, VHS, Musikschulen usw. Abb. 1: Die Schullandschaft als Teil der Bildungslandschaft (nach Weiß 2011).
Chancengerechtigkeit ist ein Thema, das für unsere Gesellschaft von besonderer Relevanz (Schmidt 2012, 15–17) ist und bei dem alle Bildungsakteurinnen und https://doi.org/10.1515/9783110590982-015
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Kathrin Reckling-Freitag
-akteure einer Kommune gemeinsam in die Pflicht genommen werden sollten (Reckling-Freitag 2013, 4). Sie sollen im Sinne eines gemeinsam erarbeiteten Konzeptes zusammenarbeiten und so Kinder und Jugendliche unabhängig von der Herkunft und den familiären und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gerecht fördern (Maykus 2009, 39). Eine derart gemeinsam aufgestellte Bildungslandschaft (siehe Abbildung 1) wird von allen Institutionen – Schulen, Berufsschulen, Hochschulen, Erwachsenenbildung/Weiterbildung usw. – gebildet. Ergänzt wird das Umfeld durch weitere Einrichtungen, die Bildungsangebote an die Bevölkerung aller Altersstufen machen. Bibliotheken werden mit ihren Angeboten und Leistungen seit dem Bertelsmann-Projekt zunehmend als Bestandteil der kommunalen Bildungslandschaft wahrgenommen (Schuldt 2012). Dabei müssen sich die Bibliotheken mit ihren Angeboten und Serviceleistungen neuen Herausforderungen stellen. Ziel der Kooperation mit den Schulen muss es sein, die Zusammenarbeit aus der Beliebigkeit herauszuführen und die Angebote fest in den Schulprogrammen zu verankern. Das gilt vor allem dann, wenn die Stadt oder Kommune beschlossen hat, eine feste, strukturierte Bildungslandschaft in einem gemeinsamen Entwicklungsprozess zu installieren. (RecklingFreitag 2017, 19)
Grundlagen für die Kooperation mit den Schulen Von den 16 Bundesländern haben zurzeit sechs Länder Bibliotheksgesetze verabschiedet: Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen. In den einzelnen Gesetzestexten werden die Aufgaben und die Bedeutung der Bibliotheken als Bildungspartnerinnen für verschiedene Bereiche der Kooperation genannt und erläutert: für die Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz, für die Zusammenarbeit mit den Schulen und für die Situation der Schulbibliotheken. Die Rolle der Bibliotheken lässt sich auf der Grundlage der Bibliotheksgesetze wie folgt benennen (Reckling Freitag 2017, 25–26): –– Bibliotheken sind als Dienstleisterinnen der modernen Wissensgesellschaft anzusehen. Sie machen vielfältige Angebote für Lebenslanges Lernen und sind Orte der Information und Kultur. Damit gelten sie als Bildungseinrichtungen. –– Bibliotheken haben die Aufgabe, Lese-, Medien- und Informationskompetenz zu vermitteln und zu fördern. Sie sind in besonderer Weise verpflichtet, Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Leseförderung Angebote zu machen.
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–– Sowohl Öffentliche als auch Wissenschaftliche Bibliotheken sollen mit den Schulen und den Schulbibliotheken zusammenarbeiten. Als Schulbibliothekarische Beratungsstellen fungieren besonders Öffentliche Bibliotheken und unterstützen Schulen bei Aufbau und Betrieb von Schulbibliotheken. –– Schulbibliotheken leisten einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung des Bildungsauftrags der Schule. Sie arbeiten mit Öffentlichen und Wissenschaftlichen Bibliotheken zusammen, um die Aufgabe der Lese- und Lernförderung sowie der Vermittlung von Medienkompetenz zu erfüllen. –– Die Staatlichen Fachstellen für Öffentliche Bibliotheken sollen die Beratung und Betreuung der Schulbibliotheken als Aufgabe für sich ansehen. Die meisten Bibliotheksgesetze sehen hier die fachlichen Kompetenzen bei bibliothekarischen Fragestellungen und bei der Aus- und Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bibliotheken. Fast alle Bundesländer haben inzwischen Rahmenvereinbarungen getroffen, in denen die jeweiligen Bildungs- oder Kultusministerien mit den Bibliotheksverbänden die Ziele der Kooperation von Bibliotheken und Schulen miteinander vereinbart haben. Diese bilden die Grundlage für die Kooperationsvereinbarungen, die dann in den Kommunen zwischen Bibliotheken und Schulen getroffen werden. (Deutscher Städtetag, Deutscher Städte- und Gemeindebund & Deutscher Bibliotheksverband 2016) Ein weiterer wichtiger Grundstein für die Einbindung von Bibliotheksangeboten in schulisches Lernen bilden die Lehrpläne, Bildungspläne oder Fachanforderungen der einzelnen Bundesländer. Diese orientieren sich an den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz, die die Kompetenzen vorgeben, die die Schülerinnen und Schüler bei Erreichen der einzelnen Bildungsabschlüsse erreicht haben sollen. Die Verknüpfung der Lehrpläne mit dem bibliothekspädagogischen Spiralcurriculum (Marci-Boehncke 2018) erst bringt das Angebot der Bibliothek in einen engen Zusammenhang mit den Schulprogrammen und Stundenkontingenttafeln. Die Bibliothek ist damit eine feste Bildungspartnerin für die Lehrkräfte und bietet einen direkten Bezug zum Unterrichtsgeschehen.
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Kathrin Reckling-Freitag
Der Weg zur Kooperation Vorüberlegungen und Ist-Analyse Die Aufnahme von Kooperationsgesprächen basiert in den meisten Kommunen auf bereits vorhandenen Kontakten der einzelnen Bildungsinstitutionen untereinander. Anders als zu Beginn der Entwicklung, Bibliotheken als Bildungspartner zu positionieren, sind heute auch die einzelnen Partnerinnen und Partner miteinander vertraut. Auch wenn Lehrkräfte und Bibliothekarinnen und Bibliothekare immer noch in verschiedenen Systemen mit unterschiedlichen Begriffswelten unterwegs sind, haben die Entwicklungen der vergangenen 15 Jahre eine gute Grundlage für eine partnerschaftliche und gleichberechtigte Zusammenarbeit gelegt. Trotzdem sollten im Vorfeld einige grundlegende Überlegungen die jeweiligen Motive und Ziele der einzelnen Partnerinnen und Partner und die späteren Rollen in der Kooperation beleuchten. Die gegenseitige Kenntnis von Schulprogrammen und Bibliotheksprofilen ist eine gute Ausgangsbasis, um in gemeinsamen Gesprächen tragfähige Konzepte und Angebote aufzubauen. Die personellen und strukturellen Voraussetzungen der Bibliothek bestimmen die Möglichkeiten, Angebote und Serviceleistungen für die Schulen zu installieren. Es muss genügend Personal vorhanden sein und das Personal muss entsprechend geschult sein. Es ist zwar lobenswert, sich vorzunehmen, alle Schulen und alle Klassen der Kommune mit Angeboten (wie z.B. Klassenführungen und Recherchetrainings) zu versorgen. Aber wenn die Personaldecke es nur zulässt, sich um einen Teil der vorhandenen Klassen zu kümmern, ist es umso wichtiger, sich ein durchdachtes und vor allem nachvollziehbares System auszudenken, das die vorhandenen Ressourcen gerecht auf alle Schülerinnen und Schüler der Kommune verteilt. Die bisherige Zusammenarbeit sollte im Zuge der Kooperationsgespräche gründlich und auch kritisch analysiert werden. Die Kooperationsgespräche bieten die Chance, eingefahrene Wege zu verlassen und die bisherige Kooperation zu verbessern oder auch erstmalig aufzubauen.
Ziele definieren Eine Kooperation kann dann am besten gelingen, wenn die Ziele jeder beteiligten Partnerin und jedes beteiligten Partners in den Blick genommen und berücksichtig werden. Die Partnerinnen Schule, Kommune und Bibliothek stimmen aber nicht in allen Fragen überein. Die Sichtweisen und damit auch die Prioritäten einzelner Punkte können durchaus voneinander abweichen. Daher ist es ein
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wichtiger Bestandteil der Kooperationsgespräche, über die trennenden und verbindenden Werte und Ziele zu diskutieren. Eine Auswahl der Ziele und Motive soll zeigen, wie vielschichtig die einzelnen Interessen an der Vereinbarung von Kooperationen zwischen Bibliotheken und Schulen sind. Tab. 1: Ziele und Motive von Kooperationspartnern (Reckling-Freitag 2009, 10–11). Bibliothek bildungspolitisch
Schule
Kommune
Leseförderung für Schülerinnen und Schüler, auf die PISA-Debatte reagieren, Lehrpläne und Bildungsstandards erfüllen, Schulung der Informations- und Medienkompetenz , Vorbereitung auf Lebenslanges Lernen, Umsetzung der […] Rahmenvereinbarung
Positionierung als Bildungspartner
Unterstützung von besonders förderungswürdigen Schüler gruppen
Präsentation kommunaler Dienstleistungen im Themenbereich Bildung
zukunftsfähige Schulentwicklung vor Ort wirtschaftlich
zukunftssichernde Positionierung (Ansehen + Anerkennung), effektiver Einsatz der vorhandenen Mittel + Ressourcen, ggf. Einwerben neuer Mittel,
guter Service für die Bürger trotz Sparvorgaben, Synergieeffekte/ effektiver Mitteleinsatz bei kommunalen Institutionen
Koordinierung der verschiedenen Konzepte von Schul- und Stadtbibliothek einer Stadt, Vernetzung verschiedener Bereiche der Kinder- und Jugendarbeit einer Stadt, Bündelung kommunaler Bildungsangebote Attraktivitätssteige- Attraktivitätssteigerung rung des Bibliotheks des Schulangebots, angebots, Gewinnung Gewinnung neuer (geschulter) neuer Schüler Leser, vor allem unter den Kindern und Jugendlichen
Attraktivitätssteigerung der Kommune als Bildungsstandort und Ausbau damit verbundener Infrastrukturen
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Kathrin Reckling-Freitag
Bibliothek organisatorisch
Schule
auf Dauer angelegte, systematische und nachhaltige Zusammenarbeit, strukturierte und verlässliche Vereinbarungen, kalkulierbarer Arbeitsaufwand
Kommune Ressortübergreifende Vernetzung der Schulen mit den kommunalen Bibliotheken
Rücksichtnahme auf Rücksichtnahme auf die Gegebenheiten der die Gegebenheiten der Bibliothek Schule Nutzung der übrigen Bibliotheksangebote individuell
Einbindung der Angebote in den Unterrichtsablauf
gute, reibungslose Zusammenarbeit, die allen Partnern Entlastung und Motivation bringt, gegenseitiges Kennenlernen Nutzung der pädagogischen und didaktischen Kompetenz der Lehrkräfte
Einbringung städtischer Belange in die Gestaltung von Schule im Sinne erweiterter Nutzung der […] Medienkompetenz des Schulträgerschaften Bibliothekspersonals
Kooperationsvereinbarungen Schriftliche Kooperationsvereinbarungen sollten nicht zum Selbstzweck werden. Eine differenzierte Kooperationsvereinbarung, die zwar nach Außen dargestellt, aber nicht mit Leben gefüllt wird, dient niemandem. Anders herum schadet es einer guten Kooperation nicht, wenn das, was ohnehin schon miteinander gelebt wird, auch schriftlich festgehalten wird. Kooperationsvereinbarungen bringen dagegen einiges an Nutzen und Vorteilen: feste Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, definierte Angebote und Leistungen, Verbindlichkeit, aber auch Anerkennung in der Kommune, Außenwirkung der Bildungsarbeit der Bibliothek und manchmal sogar eine Verbesserung der personellen Situation der Bibliothek für ihre Aufgaben als Bildungspartnerin für die Schulen. Sollte in der Kommune eine feste Bildungslandschaft existieren, wird die Bibliothek in den Entwicklungsprozess hierzu eingebunden. Die Inhalte ergeben sich dann meist aus den dort definierten Zielen der Bildungslandschaft. Einige grundlegende Fragen sollten bereits im Vorfeld geklärt werden: Die Trägerinnen bzw. Träger der Bibliothek sollten in die Kooperationsverhandlungen mit einbezogen werden. Es muss geklärt werden, ob die Kooperationsvereinbarung jeweils bilateral mit einer Schule oder mit allen Schulen gemeinsam in
Wege einer Bildungspartnerschaft
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einer Vereinbarung abgeschlossen werden soll. Im Vorfeld werden die Ansprechpartnerinnen und -partner der Schulen kontaktiert. Für die einzelne Schule ist das der Rektor bzw. die Rektorin, für alle Schulen gemeinsam kann der Kontakt zur Konferenz der Schulleiterinnen und Schulleiter sowie zum jeweiligen Schulamt aufgenommen werden. Um die stadtweite Bedeutung hervorzuheben, sollten auch Bürgermeisterinnen bzw. Bürgermeister oder Beigeordnete in die Verhandlungen einbezogen werden. Wenn Angebote für die offene Ganztagsschule Bestandteil der Kooperationsvereinbarungen sein sollen oder wenn Fördervereine der Bibliothek von finanziellen Regelungen betroffen sein sollten, gehören auch Vertreterinnen und Vertreter dieser Institutionen mit an den Verhandlungstisch. (Reckling-Freitag 2009, 26–27)
Kooperation lebendig gestalten Die Kooperationsgespräche können in drei Schritte unterteilt werden, die auch deutlich machen, wie wichtig es ist, auch nach Abschluss der schriftlichen Vereinbarung miteinander im Gespräch zu bleiben (Reckling-Freitag 2009, 34–40): 1. Schritt: Kontaktaufnahme der Bibliothek mit den Schulen –– Präsentation der Ideen, Ziele und erster Konzeptentwürfe der Bibliothek bei den schulischen Partnern, –– Vorstellung der Bibliothek und ihres Konzeptes in der Konferenz der Rektorinnen und Rektoren der Kommune, –– Einzelgespräche mit den Rektorinnen und Rektoren der Schulen, –– Vorstellung der Angebote und Dienstleistungen in den Konferenzen der Lehrerinnen und Lehrer, –– Gespräche mit den von den Schulen benannten Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern, –– Informationsveranstaltungen in der Bibliothek. 2. Schritt: Gemeinsam statt einsam – Gemeinsame Zielentwicklung –– Gründung einer Arbeitsgruppe zur Entwicklung der Kooperationsinhalte und Konzepte, –– Einbindung der Vertreterinnen und Vertreter bzw. Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner der einzelnen Schulen, –– Einbindung der für Schulen zuständigen Vertreterinnen und Vertreter aus der Kommune, –– gemeinsame Konzeptentwicklung unter Einbeziehung der Ziele der einzelnen Partnerinnen und Partner,
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–– Rückkopplung des Konzepts im laufenden Entwicklungsprozess zur Überprüfung und Abstimmung mit den verschiedenen Kooperationspartnerinnen und -partnern und der kommunalen Politik. 3. Schritt: Leben in die Kooperation bringen –– Begleitung der Kooperation durch ein Netzwerk mit Vertreterinnen und Vertretern aller Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner, –– regelmäßige Treffen, –– lebendige, zeitnahe Kommunikation, –– fortlaufende Diskussionen und kreativer Austausch, –– Bewertung und Erfolgskontrolle, –– mindestens jährliche Evaluation der Kooperationsweise und der Kooperationsinhalte.
Statistik Auch für die Zusammenarbeit von Bibliotheken und Schulen können und sollten statistische Daten gesammelt und erfasst werden. Nur so kann eine – positive oder negative – Entwicklung nachvollzogen werden. Die Daten können als Argumentationshilfen in Gesprächen mit den Vertreterinnen und Vertretern der Kommunen eingesetzt werden und ermöglichen eine objektive Bewertung der Bildungsarbeit der Bibliothek. Die Bildungsarbeit der Bibliothek kann so wirkungsvoll präsentiert und werbewirksam in die Öffentlichkeit transportiert werden. Lassen Sie sich anregen, auch mal die Strukturen in Ihrer Gemeinde genauer unter die Lupe zu nehmen. Stellen Sie z.B. einmal fest, wie Ihr Klassenerfassungsgrad ist. Wie viel Prozent aller Klassen einer Gemeinde oder Stadt sind im Laufe des Jahres schon bei Ihnen gewesen? (Jede Klasse bitte nur einmal zählen.) Oder stellen Sie im Schülererfassungsgrad fest, wie groß der Anteil der örtlichen Schüler unter Ihren Nutzern ist. (Reckling-Freitag 2009, 42, H.i.O.)
Allerdings sind die Bibliotheken bei der statistischen Erfassung und Darstellung der Bildungsarbeit noch weitgehend sich selbst überlassen. Leider werden die Aufgaben der Bibliotheken als Bildungspartnerinnen zwar von allen Seiten gefordert und in weiten Teilen von den Bibliotheken umgesetzt, aber eine angemessene Erfassung und Darstellung findet in der Deutschen Bibliotheksstatistik (DBS) bisher nicht statt. Auch bei der Personalbemessung der Bibliothek wird eher selten ein „Aufschlag“ für die Bildungsarbeit gewährt und die dortigen Leistungen in die Berechnungen mit einbezogen. Eine bundesweite übergreifende Darstellung in der DBS könnte die Bibliotheken hier deutlich unterstützen.
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Kooperation in der Praxis Lernort Bibliothek Die Angebote, Serviceleistungen und Konzepte, die von Bibliotheken im bibliothekspädagogischen Bereich und in der Zusammenarbeit von Bibliotheken und Schulen gemacht werden, sind sehr vielfältig. Sie lassen sich in vier Bereiche aufteilen: –– bestandsbezogene Angebote: z.B. Medienkisten, Klassensätze, Handapparate, –– bibliothekspädagogische Angebote: z.B. Bibliothekseinführungen, thematische Klassenführungen, Recherchetrainings, Bibliotheksrallyes, –– Veranstaltungs- und Eventbereich: z.B. Beteiligung an Schulprojekten, Leseclubs, Lesenächte, Lesewettbewerbe, Autorenlesungen usw., –– Service- und Beratungsangebote: z.B. Schulbibliothekarische Beratungsstelle, Fortbildungen für Lehrkräfte. Bibliotheken werden heute mehr denn je als Orte der Kommunikation, des offenen Austausches und als Medien- und Informationszentrale verstanden. Ein Lernort sollte inspirierend gestaltet sein, viele Möglichkeiten des Arbeitens und Lernens bieten und die notwendigen Geräte und Materialien für vielfältige Arbeitsweisen zur Verfügung stellen. Ein Lernort transportiert eben nicht nur die Informationen (gedruckt oder digital), sondern bietet als eine Art Arbeitszimmer oder Makerspace auch Raum für kreative Schaffensprozesse für Einzelne genauso wie für Gruppen.
Kooperation mit Schulbibliotheken Die Möglichkeiten einer sinnvollen und für alle Partner gewinnbringenden Zusammenarbeit zwischen den Öffentlichen Bibliotheken und den Schulbibliotheken sind inzwischen vielfältig und werden in der Praxis in allen Varianten genutzt: (Kirmse 2014; Holderried/Lücke 2012) –– lockere Kooperation ohne feste Vereinbarungen, –– Serviceleistungen der Bibliotheken wie Schulbibliothekarische Beratungsstellen, –– Schulbibliotheken als Zweigstellen der Öffentlichen Bibliothek, –– kombinierte Stadt- und Schulbibliotheken, die in den Schulen angesiedelt sind.
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Kooperationsformen: lockere Kooperation ohne Vertrag
Aufgaben einer schulbibliothekarischen Arbeitsstelle Kooperationsinhalte:
Blockausleihen der Stadtbibliothek Beratung für die Schulbibliothek/ in die Schulbibliothek Schülerbücherei Absprachen beim Bestands- und Fortbildung der SchulbibliotheksAufgabenprofil der Bibliotheken Betreuer (Lehrer, Eltern, Schüler) Benutzung der gleichen Systematik „Runder Tisch“ für alle Schulbiblio(SfB) theken der Stadt bei der Stadtbiblio gemeinsame, ggf. stadtweite Lese- thek förderungsaktionen
zentrale Dienste der Stadtbibliothek für die Schulbibliotheken
Absprachen beim Bestandsaufbau
gemeinsame Nachweise in einem Katalog
Absprache bei der Bibliothekssoftware
fachliches Personal der Stadtbib „interner“ Leihverkehr, über die liothek arbeitet in der Schulbibliothek Stadtbibliothek auch zwischen den auf Rechnung für den Schulträger Schulen gegenseitige Anerkennung der Benutzungsausweise Verwaltung der Schulbücher durch die Stadtbibliothek auf Rechnung für den Schulträger
enge Kooperation mit Vertrag
Schulbibliothek als Zweigstelle der Stadtbibliothek
Abb. 2: Modelle von Zusammenarbeit zwischen Stadtbibliothek und Schulbibliothek (RecklingFreitag 2009, 25)
Kooperation mit Offenen Ganztagsschulen In Deutschland werden immer mehr Schulen als Ganztagsschulen eingerichtet und angeboten. Dabei muss aber zwischen gebundenen Ganztagsschulen und
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Offenen Ganztagsschulen unterschieden werden. Gebundene Ganztagsschulen bieten erweiterten Unterricht; die Schülerinnen und Schüler sind verpflichtet, daran teilzunehmen und die Angebote werden weitestgehend von den Lehrkräften der Schulen gemacht. Anders dagegen die Offenen Ganztagsschulen. Die Angebote hier sind eher freizeitorientiert und die Teilnahme der Schülerinnen und Schüler ist freiwillig. In diesem Bereich bietet sich der Bibliothek ein entsprechender Gestaltungsspielraum. Gesprächs- und Vertragspartner ist der Träger der Offenen Ganztagsschule, der nicht unbedingt mit der Schule oder dem Schulträger identisch ist. Die Bibliothek kann Angebote aus ihren eigenen (personellen) Ressourcen heraus machen. Hierfür lassen sich sowohl befürwortende als auch kritische Argumente finden. Gegebenenfalls können sogar die Ressourcen der Bibliothek entsprechend erweitert und aufgestockt werden. Die Entscheidung muss letztendlich jede Bibliothek aus der Sicht ihrer eigenen Situation heraus treffen. Die hier genannte Art des Angebots ist bei den Trägern der Offenen Ganztagsschule sicherlich die bevorzugte Variante, da in diesem Fall die entstehenden Personalkosten aus den personellen Ressourcen der Bibliothek gedeckt werden. Die Arbeitszeit im Rahmen der Offenen Ganztagsschule ist Dienstzeit und wird durch die Arbeitszeit der Bibliothek abgedeckt. Gegebenenfalls werden Materialkosten über die Offene Ganztagsschule abgerechnet. Diese Variante setzt voraus, dass die Bibliothek über ausreichende personelle Ressourcen verfügt. Da dies meist nicht der Fall ist, ist die Bibliothek aufgefordert, ihre verschiedenen Angebote an Schulen (z.B. Klassenführungen, Vorlesenachmittage, Angebote für die Offene Ganztagsschule usw.) zu überprüfen und ggf. Prioritäten zu setzen. (RecklingFreitag 2009, 21)
Die Bibliothek kann die gleichen Angebote aber auch auf Honorarbasis (auf privatrechtlicher Ebene, z.B. als Nebentätigkeit) oder mit Verrechnung innerhalb der Kommune anbieten und sich diese spezielle zusätzliche Dienstleistung auch separat bezahlen lassen. Die Bibliothek kann aber auch eine beratende und vor allem koordinierende Funktion ausüben, wenn sie diejenigen Kräfte, die zu Angeboten in die Offenen Ganztagsschulen gehen, begleitet, organisiert und schult. Die sicherlich einfachste Möglichkeit, die Schülerinnen und Schüler auch an den Nachmittagen in die Bibliothek zu bekommen ist, die Bibliothek als Ort für Angebote der Offenen Ganztagsschulen zu etablieren, die von anderen angeboten werden. Welchen Weg die Bibliothek auch wählt: Sie wird auf die Entwicklungen der Ganztagsschulen reagieren müssen, weil die Schüler und Schülerinnen an den Nachmittagen nicht mehr in der gewohnten Form „frei“ haben und von selbst in die Bibliothek kommen können.
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Kathrin Reckling-Freitag
Zusammenfassung und Ausblick Die Zusammenarbeit von Öffentlichen Bibliotheken und Schulen hat sich seit dem anfangs erwähnten Bertelsmann-Projekt Ende der 1990 Jahre sehr viel weiter entwickelt. Viele Bibliotheken sind mittlerweile feste und anerkannte Partnerinnen für die Schulen. Kooperationsvereinbarungen und die Einbindung der Bibliothek in die kommunale Bildungslandschaft sind keine Seltenheit mehr. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bibliotheken haben die Bereiche Bibliothekspädagogik und Medienpädagogik für sich entdeckt und ein neues berufliches Aufgabenfeld angenommen und mit Inhalten gefüllt. Die Kooperation mit den Schulen ist nicht mehr nur eine Aufgabe von vielen, sondern wird vielfach als Kernaufgabe der Bibliotheken verstanden, die durchaus existenzsichernden Charakter für die Bibliothek bekommen kann. Diese Aufgaben sollten in Zukunft einen wesentlich größeren Raum einnehmen. Bisher wird aber das Kooperationsfeld zwischen Bibliotheken und Schulen vielfach weder bei der Personalbemessung noch bei der finanziellen Ausstattung der Bibliothek mit Geräten und Medien berücksichtigt. Das kann sowohl von den Trägerinnen und Trägern der Bibliotheken als auch von den Bibliotheksverbänden durch eine Anpassung der (finanziellen) Bemessungsgrundlagen und durch eine gezielte statistische Darstellung der bibliothekspädagogischen Arbeit zum Beispiel in der Deutschen Bibliotheksstatistik unterstützt werden. In einen umfassenden Blick in die Zukunft gehört ebenfalls die Forderung der Verbesserung der unbefriedigenden Situation der Schulbibliotheken in Deutschland. Auch hier ist noch viel zu tun, um Bibliotheken stärker als Expertinnen für die Vermittlung von Medien-, Informations- und Recherchekompetenz in den Fokus zu bringen. Bibliothek als Konzept hat sich ebenso stark gewandelt wie sich das Berufsbild der Bibliothekarinnen und Bibliothekare verändert hat. Dem wird in den kommenden Jahren durch bibliothekspädagogische Fort- und Weiterbildung weiterhin Rechnung getragen werden müssen, um die Bibliothekarinnen und Bibliothekare auf die Kooperation Bibliothek und Schule 2.0 des digitalen Zeitalters vorzubereiten.
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Wege einer Bildungspartnerschaft
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Richard Stang
Erwachsene im Fokus Kooperationsfeld Erwachsenenbildung/Weiterbildung
Einleitung Die Diskussion über das Lebenslange Lernen hat in den letzten Jahren zunehmend kulturelle Einrichtungen wie Öffentliche Bibliotheken (Stang/SchüllerZwierlein im Druck) oder Museen (Lewalter/Noschka-Roos im Druck) als Lernort in den Fokus gerückt. Waren Öffentliche Bibliotheken über viele Jahrzehnte die Einrichtungen, die für die jeweilige Stadt und ihre Umgebung ein Informations-, Buch- und Medienangebot für die Breite der Bevölkerung und alle Alters- und Bevölkerungsschichten vorhielten – was sie heute noch immer tun –, zeichnet sich in den letzten Jahren eine Erweiterung der Funktion ab. Öffentliche Bibliotheken sind zu zentralen Anlaufstellen als Lernort und sozialer Ort geworden (Umlauf 2018). Die Zielgruppen von Öffentlichen Bibliotheken bilden die gesamte Lebensbiographie von Kindern bis Seniorinnen und Senioren ab (Schade 2018). Im Kontext der Leseförderung und der Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz waren lange vor allem Kinder und Jugendliche im Blick. Doch zeichnet sich in Anbetracht des demografischen Wandels und der wirtschaftlichen Herausforderungen, die von vielen Menschen eine permanente Weiterbildung und eben auch Informations- und Medienkompetenz erfordern, beim Angebot ein zunehmender Fokus auf Erwachsene ab. Dabei werden in Zukunft auch die Seniorinnen und Senioren verstärkt in den Blick genommen werden (Homann 2018). Auch erfordern die verstärkte Migration und der damit einhergehende Bedarf an Unterstützungsstrukturen für das Lernen neue Konzepte für die Arbeit mit Erwachsenen. Vor diesem Hintergrund ergeben sich vielfältige Anknüpfungspunkte mit der Arbeit von Einrichtungen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Besonders in räumlichen Kooperationsstrukturen, wie sie sich in Bildungs- und Kulturzentren finden, entstehen neue Konzepte der Arbeit mit Erwachsenen (Stang 2016, 155– 176). Auch international ist die Entwicklung der public libraries eng mit Einrichtungen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung verknüpft. So heißt es bereits 1994 im UNESCO Public Library Manifesto: „The public library, the local gateway to knowledge, provides a basic condition for lifelong learning, independent decision-making and cultural development of the individual and social groups“ (UNESCO 1994). https://doi.org/10.1515/9783110590982-016
Erwachsene im Fokus
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Im folgenden Beitrag sollen ein Blick auf die verschiedenen Aspekte der Kooperation von Öffentlichen Bibliotheken mit Institutionen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung gerichtet und Entwicklungsperspektiven aufgezeigt werden.
Historische Entwicklung des Kooperationsfeldes Die Systeme der Öffentlichen Bibliotheken und der Erwachsenenbildung/Weiterbildung sind in ihrer historischen Entwicklung eng miteinander verknüpft. Öffentliche Bibliotheken entwickelten sich im Zusammenhang mit Bildungsbewegungen, und hier vor allem mit der bürgerlichen Volksbildungsbewegung im 19. Jahrhundert weiter zu zentralen Orten der Bildung. Dies fand in der Bücherhallenbewegung ihren Niederschlag, die sich zum Ziel gesetzt hatte, ein an die Bedürfnisse der/des Einzelnen angepasstes Buchangebot für Bildung zur Verfügung zu stellen (Thauer/Vodosek 1990, 35). Umlauf fasst die zentralen Elemente dieser neuen Bibliotheken zusammen, die mit Bezug auf das amerikanische Public Library Modell gefordert wurden: –– weltanschauliche Neutralität, –– fachliche Leitung und gute finanzielle Ausstattung, –– günstige Öffnungszeiten und Zugänglichkeit für jedermann, ein gut sortiertes Sortiment an Büchern für Erwachsene und Kinder, die Kenntnisse vermitteln, aber auch unterhalten und zerstreuen (Umlauf 2001, 37). Umlauf verweist auch darauf, dass sich Anfang des 20. Jahrhunderts in manchen Städten Volkshochschule und Öffentliche Bibliothek unter gemeinsamer Leitung befanden (Umlauf 2001, 37). Durch die zunehmende Profilierung der Öffentlichen Bibliotheken als kulturelle Einrichtungen, die sich dem Guten und Wahren verpflichtet fühlten, rückte die pädagogische Perspektive im Laufe der Zeit allerdings in den Hintergrund. Die Öffentlichen Bibliotheken entwickelten sich zu Ausleihinstitutionen, die je nach großpolitischer Lage auch als ideologische Multiplikatorinnen genutzt wurden – wie im Nationalsozialismus oder der DDR. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten sich die Bibliothekssysteme in der Bundesrepublik und der DDR unterschiedlich. In der DDR wurden verstärkt Medien zur Verfügung gestellt, die der „Unterstützung des schulischen und beruflichen Lernens und der berufsbezogenen Weiterbildung“ (Umlauf 2001, 38) dienten. In der Bundesrepublik waren sie Ausleihinstitutionen, die mit Veranstaltungen wie Lesungen ihren kulturellen Anspruch unterstrichen. Allerdings gab es bereits nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik erste Initiativen, Bibliotheken und
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die Erwachsenenbildung/Weiterbildung – hier besonders die Volkshochschulen – wieder konzeptionell unter einem Dach zusammenzuführen. So eröffnete zum Beispiel 1955 mit der Marler insel ein entsprechendes Gebäude (Pöggeler 1959, 30–31) und 1969 mit dem Kulturzentrum Ludwigsburg (Stierle 2003). Mit der Bildungsreform in den 1970er Jahren rückten pädagogische Fragestellungen auch in der Bundesrepublik wieder stärker in den Blick der Öffentlichen Bibliotheken. Doch es dauerte bis in die 1990er Jahre, dass sich die Öffentlichen Bibliotheken auch konzeptionell als Lernort und als wichtiger Bestandteil des Bildungssystems begriffen. Konzepte wie Lernateliers, Lernstudios oder Teaching Library wurden entwickelt und damit Lernarrangements und Lernangebote konturiert, die die Öffentlichen Bibliotheken als Orte des Lebenslangen Lernens profilieren sollten. Im Rahmen dieser Aktivitäten wurde auch die Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung intensiviert, um das Lernangebot zu verbreitern und pädagogische Kompetenz einzubinden. Parallel dazu entwickelten sich unter der Perspektive der Verbesserung kommunaler Bildungsinfrastrukturen neue Organisationskonzepte, in denen Öffentliche Bibliotheken und Einrichtungen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung – hier besonders die Volkshochschulen – integriert werden. Beispiele wie das Zentrum für Information und Bildung in Unna (Eröffnung: 2004) oder der Wissensturm in Linz (Eröffnung: 2007) zeigten die Entwicklung hin zu integrierten Bildungs- und Kulturzentren, wie sie seit den 1990er Jahren in vielen europäischen Ländern aufgebaut werden (Stang/Hesse 2006). Allerdings zeigte sich in solchen Kontexten auch, wie unterschiedlich sich inzwischen die Organisationskulturen entwickelt hatten. Mickler (2013) und Franz (2014) haben dies in ihren Untersuchungen zu Kooperationsstrukturen in Bildungs- und Kulturzentren nachdrücklich aufgezeigt.
Lerninfrastrukturen Unabhängig von veränderten Kooperationsstrukturen mit Einrichtungen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung zeigt sich, dass Öffentliche Bibliotheken eine erhöhte Nachfrage als Lernort erfahren (Hanke/Sühl-Strohmenger 2016, 1–4; Gantert 2016, 64–66). Der Bedarf an Lernplätzen wächst in Öffentlichen Bibliotheken seit Jahren. Bibliotheken versuchen dieser Entwicklung dadurch Rechnung zu tragen, dass sie die Medienbestände teilweise auslagern bzw. reduzieren, damit Raum dafür die Gestaltung von Lernbereichen entsteht. Lag der Fokus bei der Gestaltung von Arbeits- und Lernplätzen lange auf der Organisation von ruhigen Einzelplätzen, zeigt sich inzwischen eine Vielfalt von Lernarrangements,
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die sowohl für das ruhige Einzellernen als auch für das kommunikative Lernen in Gruppen Optionen eröffnen. Der Einsatz von Notebooks und Tablets erhöht dabei noch die Flexibilität, so dass die Lernareale nicht mehr an traditionelle Computerräume erinnern, sondern sich als flexible Lernlandschaften an die Vielfalt der Lerninteressen und Lernstile (Stang 2016, 41–43) anpassen lassen (Stang 2014, 54). Neben Einzelarbeitsplätzen und Gruppenarbeitsplätzen erweitern Kommunikationsflächen und Loungebereiche die räumlichen Settings (Umlauf/Stang 2018), die auch verstärkt von Erwachsenen genutzt werden. Gerade in den Bildungs- und Kulturzentren zeigt sich, dass Literaturgesprächskreise oder Sprachenlerngruppen aus der Volkshochschule gerne die Lernatmosphäre in Bibliotheken nutzen. Besonders deutsch lernende Migrantinnen und Migranten bzw. Flüchtlinge nutzen diese Infrastruktur, da sie dort neben den Arbeitsplätzen auch Book- und Non-Book-Medien sowie oft einen kostenlosen WLAN-Zugang finden. In den Bereichen Alphabetisierung und Grundbildung gibt es inzwischen auch vielfältige Kooperationen zwischen Öffentlichen Bibliotheken und Einrichtungen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung, wobei die Angebote sowohl in den Räumen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung als auch der Öffentlichen Bibliothek stattfinden können. Es zeigt sich außerdem, dass Selbstlernzentren besser in Bibliotheken verortet sind, da dort ein individueller, zeitlich flexibler Zugang möglich ist. Einrichtungen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung sind stärker auf Gruppenlernen in Seminarräumen ausgerichtet, was sich auch leichter in Form von Kursgebühren abrechnen lässt – hier zeigen sich auch die unterschiedlichen Finanzierungsstrukturen. Infrastrukturen für individuelles Selbstlernen würden in Volkshochschulen immensen Aufwand bedeuten. Gerade an der Schnittschelle von Volkshochschulen und Bibliotheken hat sich gezeigt, dass das Selbstlernzentrum eingebunden in die Bibliothek vielfältige Optionen eröffnet, wie zum Beispiel im LeWis im Wissensturm in Linz (Singer/Diwischek 2018, 84–86; Hummer 2012) oder in der Lernwelt in der Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg (Sträter 2013). Mit der Entwicklung von Makerspaces (Vogt/Petzold 2018) erweitern Öffentliche Bibliotheken sukzessive ihre räumlichen Infrastrukturen. Nutzerinnen und Nutzer können dort eine breite Palette von technischer Infrastruktur wie Digitalisierungsmöglichkeiten für analoge Medien, 3D-Drucker, Musikinstrumente, Grafikcomputer etc. nutzen und sich mit anderen Interessierten austauschen. Dort erläutern zum Beispiel auch Jugendliche Erwachsenen den Umgang mit neuen Techniken. Hier wird technische Infrastruktur zur Verfügung gestellt – also ein Lernraum geschaffen – und die Nutzerinnen und Nutzer können ihren Lernweg selbst bzw. mit anderen organisieren. Dazu bieten dann die Öffentlichen Bibliotheken zusätzlich eine Fülle von Angeboten.
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Angebotsstrukturen Medien Das Medienangebot von Öffentlichen Bibliotheken reicht von Unterhaltungsüber Informations- bis hin zu Lernmedien. Neben Print-Medien wie Büchern, Zeitungen und Zeitschriften etc. bieten sie immer auch neuere mediale Angebote, die heute von der breiten Palette audiovisueller Medien (CDs, DVDs etc.) über E-Books bis hin zu Computer- und Konsolenspielen reichen. Lernmedien, zum Beispiel Sprachenlernmedien, haben hier in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und dies nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern auch für Erwachsene.
Digitale Angebote Öffentliche Bibliotheken bieten die Möglichkeit auf E-Books zuzugreifen, meistens realisiert mit der Onleihe, einem Lizenzmodell der Firma Divibib, die hierbei als Aggregator auftritt. Auch im Bereich des E-Learning wurden in den letzten Jahren die Bemühungen intensiviert die Angebote auszuweiten (Stang 2018). Im Rahmen eines Kooperationsprojektes der Stadtbibliothek und der Volkshochschule Ludwigsburg konnten zum Beispiel Blended-Learning-Angebote entwickelt werden, in deren Rahmen Teilnehmende der Volkshochschule auf eine Lernplattform der Bibliothek zurückgreifen konnten, um Lerneinheiten ergänzend zum Volkshochschul-Kurs durcharbeiten zu können (Nachtwey 2017, 113–114). Insgesamt haben Bibliotheken umfangreiche elektronische Kooperationsprojekte und Infrastrukturen aufgebaut, die die optimale Nutzung umfassender, national und international vorhandener Informations- und Weiterbildungsangebote ermöglichen. Diese Angebote werden weiter ausgebaut und bieten gute Anknüpfungspunkte für die Erwachsenenbildung/Weiterbildung.
Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz Angebote zur Einführung ins Internet, zur Informationsbeschaffung, zur Informations- und Medienkompetenzentwicklung sowie Beratungsangebote zur Informationsrecherche haben dazu beigetragen, dass Öffentliche Bibliotheken im Bildungsbereich eine wichtige Funktion einnehmen. Dies gilt umso mehr als Informations- und Medienkompetenz – die Fähigkeiten zur aktiven, selbstständi-
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gen und kritischen Informationsbeschaffung und -bewertung – wichtige Voraussetzungen für das Lebenslange Lernen sind. Bei der Vermittlung dieser Schlüsselkompetenzen gibt es vielfältige Anknüpfungspunkte zur Erwachsenenbildung/ Weiterbildung. Besonders in Bildungs- und Kulturzentren zeigt sich, dass Angebote der Bibliothek in das Angebot der Einrichtungen der Erwachsenenbildung/ Weiterbildung integriert werden können. Dies geschieht besonders in den Bereichen Alphabetisierung und Grundbildung.
Beratung Öffentliche Bibliotheken bieten einen wichtigen Service bei der Suche nach In formationen und deren Bewertung. Hierin liegt eine der Kernkompetenzen der Bibliotheken. Oft beziehen sich in Deutschland die Beratungen noch sehr stark auf den eigenen Bestand, statt auf die Beantwortung von Sach- und Orien tierungsfragen (Rösch 2012, 102). Doch vor dem Hintergrund eines zunehmenden Orientierungsbedarfs durch die Fülle an produzierten Infor mationen – unter anderem durch das Internet – wird der Beratungsbedarf im Hinblick auf verlässliche Informationen zunehmen. Hier ergänzen die Öffentlichen Bibliotheken auch Angebote der Erwachsenenbildung/Weiterbildung, die keine individuellen Informations- und Orientierungsberatungsangebote – es sei denn Bildungsberatung – zur Verfügung stellen. Auch der Umgang mit E-Book-Readern, mit Tablets oder anderen digitalen Medien ist inzwischen ein Beratungsthema in Bibliotheken, das vor allem von älteren Personen genutzt wird.
Lernberatung Darüber hinaus entwickelt sich das Thema Lernbegleitung und Lerncoaching zu einem wichtigen Angebotsbereich der Öffentlichen Bibliotheken (Singer/ Diwischek 2018; Schuldt 2012, 74–76). Die Unterstützung von Einzellernenden und auch Lernendengruppen steht dabei im Fokus. Das Portfolio der Angebote reicht über individuelle Lernberatung, Recherchetraining, Lerntypentests bis hin zur Beratung bezogen auch die Nutzung digitaler Technologien in Lernkontexten. Dabei werden die Beratungen inzwischen auch von Lernwegbegleiterinnen und -begleitern durchgeführt, die sich für das Thema Lernbegleitung weiterqualifiziert haben. In Öffentlichen Bibliotheken wird entweder eigenes Personal in diesem Bereich geschult oder externe Expertinnen und Experten werden hinzugezogen. Auch hier bietet sich eine Kooperation mit Einrichtungen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung an.
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Die hier nur kurz skizzierten Angebotsstrukturen Öffentlicher Bibliotheken machen deutlich, dass es vielfältige Schnittstellen zur Erwachsenenbildung/Weiterbildung gibt und Kooperationen in diesem Feld sinnvoll sind, wenn man die Zielgruppe Erwachsene mit einem entsprechenden Angebot bedienen will.
Potenziale der Kooperation Wenn die Bibliothek immer stärker als Lernort genutzt wird, steigt auch der Bedarf an pädagogischer Kompetenz des Personals. Doch befinden sich die Bibliotheken in einem Dilemma. Als Informationsspezialistinnen und -spezialisten verfügen Bibliothekarinnen und Bibliothekare nur bedingt über didaktisch-methodische bzw. pädagogische Kompetenzen, um Lernangebote und Lernarrangements konzeptionell und räumlich zu planen. Da die Beschäftigung mit pädagogischen Fragen – wenn überhaupt – nur einen minimalen Teil der Ausbildung bzw. des Studiums von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren ausmacht, stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll ist, sich pädagogische Kompetenz über Kooperationen in die Einrichtung zu holen. In Bildungs- und Kulturzentren, in denen Bibliotheken und zum Beispiel Volkshochschulen räumlich und/oder organisatorisch zusammengeführt sind, zeigen sich Synergieeffekte im pädagogischen Bereich (Stang 2016, 163–166). Zwar werden in den letzten Jahren verstärkte Bemühungen unternommen, eine Bibliothekspädagogik bzw. Bibliotheksdidaktik zu etablieren (Hanke/Sühl-Strohmenger 2016), doch richtet sich hier eher der Fokus auf Kinder und Jugendliche, Schülerinnen und Schüler sowie Studierende. Bezogen auf Erwachsene fehlt es bislang an angepassten pädagogischen Konzepten. In die gemeinsame Entwicklung von Angeboten und Dienstleistungen können Öffentliche Bibliotheken und Einrichtungen der Erwachsenenbildung/ Weiterbildung jeweils ihre spezifischen Kompetenzen einbringen und so zu zentralen Anlaufstationen für die Bürgerinnen und Bürger bezogen auf Information, Beratung, Bildung und Kommunikation werden. Gemeinsam können sie unterschiedliche räumliche Angebote sowie spezifische Lern-, Informations- und Beratungsangebote sowohl für Einzellernende als auch Gruppenlernende zur Verfügung stellen (Stang 2011, 9). In Datenabgleichen der Nutzerinnen und Nutzer von Öffentlichen Bibliotheken und Volkshochschulen zeigt sich in den jeweiligen Kommunen, dass sich diese Gruppen nur im geringen Umfang überschneiden. Darin liegt ein immenses Potenzial. Während Öffentliche Bibliotheken eher Personen ansprechen, die zeitlich flexibel individuellen Zugriff auf Information und Bildung haben wollen, sprechen Volkshochschulen eher Personen an, die gerne in festen Gruppen
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lernen. So kann zum Bespiel gemeinsame Öffentlichkeitarbeit die Zielgruppen für die jeweiligen Angebote erweitern (Kamm-Schuberth 2014). Auch spezifische Angebote für die Dozentinnen und Dozenten der Erwachsenenbildung/Weiterbildung sind ein interessantes Kooperationsfeld. Die Einrichtungen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung sind selten in der Lage, ihren Dozentinnen und Dozenten ein aktuelles Fachbuchangebot zur Verfügung zu stellen. Hier können Öffentliche Bibliotheken aktiv werden. Auch Materialien, die in den Kursen verwendet werden, können von der Bibliothek für die Teilnehmenden der Kurse zur Verfügung gestellt werden. Es gibt auch Bibliotheken, die auf freie Plätze in Kursen der Einrichtungen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung im jeweiligen Themengebiet hinweisen. Aber auch Einrichtungen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung stellen ihren Teilnehmenden Listen von Medien zum jeweiligen Thema des Kurses zur Verfügung, die in der Bibliothek auszuleihen sind. Dies sind nur einige Hinweise, wie die Kooperation von Öffentlichen Bibliotheken und der Erwachsenenbildung/Weiterbildung intensiviert werden könnte. In der Praxis gibt es sicher noch weitere Beispiele, wie die Zielgruppe Erwachsene durch eine inhaltliche und konzeptionelle Kooperation noch besser erreicht werden kann.
Fazit Öffentliche Bibliotheken sind wie viele Einrichtungen der öffentlich verantworteten Erwachsenenbildung/Weiterbildung (wie z.B. Volkshochschulen) „Einrichtungen für Bildung, Kultur und soziale Integration“ (Umlauf 2005, 12). In dieser Funktion bieten Öffentliche Bibliotheken vielfältige Angebote für die Bildungsund Lernbedarfe einer breiten Nutzendenschicht. Neben Kinder und Jugendliche werden zunehmend Erwachsene und hier vor allem auch Migrantinnen und Migranten in den Blick genommen. Im Baden-Württembergischen Gesetz zur Förderung der Weiterbildung und des Bibliothekswesens wird diese Funktion im §1 in besonderer Weise hervorgehoben: Öffentliche Bibliotheken haben die Aufgabe, durch einen entsprechenden Literatur- und Informationsdienst den Zielen der Weiterbildung […] zu dienen und der Bevölkerung die Aneignung von allgemeiner Bildung sowie von Kenntnissen für Leben und Beruf zu ermöglichen. Sie bieten allen Erwachsenen und Jugendlichen Bücher, Zeitschriften, Zeitungen, Musikalien und audio-visuelle Medien auf allen Gebieten der Weiterbildung an.
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Um das Potenzial für Öffentliche Bibliotheken in Bezug auf die Kooperation mit Einrichtungen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung auszuschöpfen, wird es notwendig werden, die Netzwerke im kommunalen Kontext auszubauen. Erfolgreiche Projekte der Zusammenarbeit von Bibliotheken und Einrichtungen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung zeigen, dass durch die Bündelung der jeweiligen Kompetenzen und der Ressourcen zum Beispiel auch bildungsfernere Gruppen oder Migrantinnen und Migranten besser erreicht werden können. Die Weiterentwicklung von gemeinsamen Konzepten und Strategien zur Unterstützung und Begleitung des Lebenslangen Lernens wird in Anbetracht der gesellschaftlichen Herausforderung an Bedeutung gewinnen. Aus kommunaler Sicht und aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger geht es darum, eine Bildungsinfrastruktur zu etablieren, die neben dem Informations- und Bildungsservice Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner als Bezugs- und Beratungspersonen zur Verfügung stellt, die die Lernenden jeden Alters je nach Informations-, Lern- und Beratungsbedarf unterstützen. Letztendlich ist es egal, in welchen Institutionen dies geschieht. Doch Öffentliche Bibliotheken und Einrichtungen der öffentlich verantworteten Erwachsenenbildung/Weiterbildung sind prädestiniert, diese Rolle auszufüllen. Die Kooperation ist hier eine große Chance, die Funktionen der Einrichtungen langfristig zu sichern.
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Benno Homann
Lernen 60plus Neue Optionen für Öffentliche Bibliotheken
Lernen im Alter Lebenslanges Lernen ist inzwischen unverzichtbar und auch im Alter erforderlich angesichts der demographischen Entwicklung und der ständigen digitalen Veränderungen in unserer Informationsgesellschaft (Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ 2011). Nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben entfallen die bis dahin auf den Arbeitsplatz ausgerichteten Anforderungen, sich neue Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen. Es entstehen Freiräume für die eigene Entfaltung. Der eigene Alltag und die Notwendigkeit, dort neue, auch selbst gestellte Anforderungen zu bewältigen, stehen nun im Mittelpunkt. Das Leben und das Lernen können selbst bestimmt werden. Der Anteil der Älteren, die diese Möglichkeit des Aktivseins positiv sehen und auch nutzen, nimmt zu. Das dominante Bild des pflege- und hilfsbedürftigen Menschen verliert in zunehmendem Maße an Bedeutung und wird durch eine differenzierte Sichtweise ersetzt, was sich in den Altenberichten der Bundesregierung zeigt (BMFSFJ 2016). Nicht zuletzt durch die gerontologische Forschung seit den 1970er Jahren (Lehr 1972; Lehr/Thomae 2000; Wahl 2017) wurde deutlich, dass Menschen auch in hohem Alter noch sehr aktiv sein können und dass das Lernen bis ins hohe Alter möglich ist. Wichtig ist dabei zu berücksichtigen, dass die Interessen der Menschen sehr unterschiedlich sind und diese sich maßgeblich auf die Bereitschaft zum Aktivsein und zum Lernen auswirken. Wir können heute nicht von einer homogenen Gruppe der alten Menschen oder pauschal von „dem alten Menschen“ sprechen, vielmehr muss von einer „Pluralisierung der Lebensstile im Alter“ (Kade 2009, 31) ausgegangen werden. Diese unterschiedlichen Lebensstile wirken sich auf die Interessen und die Motivation aus, etwas Neues zu lernen. Auch die gesamte Alterspanne der über 60-Jährigen wird inzwischen differenzierter gesehen. So ist vor allem die Unterscheidung in eine dritte und vierte Lebensphase sehr geläufig (Kruse 2017, 29): In der frühen dritten Lebensphase zwischen 60 und 80 Jahren sind die meisten älteren Menschen körperlich und geistig nur wenig oder gar nicht eingeschränkt. Die Bereitschaft, in dieser Phase Neues zu lernen, ist hier relativ hoch. In der vierten Lebensphase ab 80 Jahren schränken physische und kognitive Behinderungen zunehmend die Mobilität und die Teilnahme an https://doi.org/10.1515/9783110590982-017
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gesellschaftlichen Aktivitäten ein. Aber auch in dieser Phase ist das Interesse der älteren Menschen an Neuem und vor allem am kommunikativen Austausch immer noch vorhanden. Gerade die digitale Entwicklung eröffnet neue Möglichkeiten, das Lernen selbst in dieser Lebensphase zu ermöglichen. Doch die Fähigkeit zum Lernen verändert sich mit dem Alter. Für das Lernen Älterer ist die Erkenntnis bedeutsam, dass die Fähigkeit, sich schnell in völlig neue Wissensbereiche einzuarbeiten und ggf. bisher Gelerntes infrage zu stellen, nachlässt, während die Vertiefung bereits vorhandenen Wissens hin zur Expertise aufgrund des Vorwissens sogar leichter fällt. (Bubolz-Lutz 2010, 99)
Dies ist eine der wichtigsten Erkenntnisse der Psychologie und Gerontologie in den letzten Jahrzehnten und bedeutet, dass Lernangebote für Ältere nützlich und wichtig sind. Das Lernen im Alter kann dazu beitragen, altersbedingte Demenz zu verhindern oder zumindest zu verzögern (Almeida/Sousa 2009; Leipold 2012). Während der Schulzeit, der Ausbildung und Berufstätigkeit ist das Lernen meist eingebunden in Institutionen und formale Veranstaltungen mit Zeugnissen und Zertifikaten. Inhalte und Ziele des Lernens sind zum Großteil vorgegeben. Erfahrungen, die in diesen ersten beiden Lebensphasen gemacht wurden, wirken sich auch auf Lerneinstellungen nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben aus. Ein zentrales Merkmal des Lernens ab der dritten Lebensphase ist, dass es weitgehend außerhalb formaler Bildungseinrichtungen stattfindet. Lernen wird von situativen Herausforderungen und Zielen des Einzelnen geprägt und erfolgt in Gesprächen mit Freundinnen und Freunden, beim Zuhören in Vorträgen, beim Fernsehen oder dem Lesen einer Zeitung. Das einzelne Individuum entscheidet selbst, ob und was es lernen will, um zum Beispiel ein Vereinsfest zu organisieren, eine Reise zu planen oder die Internetverbindung zu Hause zu beschleunigen. Diese Form des Lernens wird als informelles oder nicht formales Lernen (Overwien 2005) bezeichnet und als charakteristisch für das Lernen der älteren Menschen gesehen (Tippelt et al. 2009; Bubolz-Lutz 2010; BMFSFJ 2010; Kruse/ Wahl 2010; Wahl 2017). Insbesondere ältere Menschen in höherem Alter sind geprägt von den traditionellen Medien und bevorzugen diese, um sich zu informieren und sich damit neues Wissen anzueignen. Biographisch bedingte Lernbarrieren, die häufig vorhanden sind, können durch ein Anknüpfen an die eher positiven Erfahrungen mit traditionellen Medien und informellen Lernerfahrungen überbrückt werden. Informelles Lernen im Alltag wird erleichtert und angeregt durch die offene Bereitstellung von Informationen, Beratungs-/Unterstützungsangeboten und Kommunikationsräumen.
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Hier liegt das Potenzial der Öffentlichen Bibliotheken. Sie verfügen über Räume, Medien, Technik und kompetentes Personal, mit dem sie das Lernen der Älteren unterstützen und fördern können. In Konzepten für ein Lebenslanges Lernen und in geragogischen Studien (Schröder/Gilberg 2005; Bubolz-Lutz 2010) wurden sie bisher kaum berücksichtigt. Gerade die potenzielle Offenheit und Flexibilität der Bibliothek prädestiniert sie jedoch als Bildungsraum für ältere Menschen und vor allem für das Erlernen der heute immer wichtiger werdenden Kompetenzen im Bereich der digitalen Medien und Kommunikation.
Anforderungen und Erwartungen an Bibliotheken Durch die digitale Entwicklung und das Internet haben Bibliotheken ihre frühere monopolartige Bedeutung für die Informationsversorgung verloren. Sie müssen sich in der Informationsgesellschaft mit ihren vielfältigen internetbasierten Informationssystemen neu positionieren. Wikipedia, Social Media und vor allem die Suchmaschine Google bestimmen inzwischen das Informationsverhalten und die Mediennutzung (Stark et al. 2014). Die gedruckten Medien, die bisher das Selbstverständnis und die Aufgaben der Bibliotheken in der Öffentlichkeit prägten, verlieren zunehmend an Bedeutung. Kurzinformationen über ein Land oder eine Person lassen sich schneller von zu Hause über das Internet oder ein Smartphone ermitteln als über ein Lexikon oder Reiseführer der Bibliothek. Öffentliche Bibliotheken werden aber immer noch als eine wichtige Bildungs- und Kultureinrichtung gesehen, wie eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach (2016, 7) zeigt, in der 58 Prozent der Befragten die Existenz Öffentlicher Bibliotheken auch zukünftig persönlich als wichtig oder sehr wichtig erachten. Insbesondere ältere Menschen mit höherem Bildungsabschluss nutzen Öffentliche Bibliotheken. Sie tragen maßgeblich dazu bei, dass seit einigen Jahren der Anteil Nutzerinnen und Nutzer über 60 Jahre kontinuierlich steigt, wie aus Abbldung 1 zu ersehen ist.
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Abb. 1: Anzahl der Entleiher ab 60 Jahren von 2008 bis 2016 (Deutsche Bibliotheksstatistik 2017, eigene Darstellung).
Während sich insgesamt die Zahl der aktiven Benutzerinnen und Benutzer Öffentlicher Bibliotheken bundesweit in den letzten acht Jahren um zehn Prozent verringerte, stieg die Zahl der Entleiherinnen und Entleiher in der Altersgruppe der über 60-Jährigen um 66 Prozent auf knapp 935.000 im Jahr 2016. Es ist zu erwarten, dass sich der Anteil dieser Gruppe in den nächsten Jahren weiter erhöht, da der Anteil der älteren Menschen mit höherem Bildungsabschluss zunehmen wird. Im beruflichen Ruhestand werden die Bibliotheken von vielen wieder entdeckt und genutzt. Hier liegt eine Chance, aber auch eine Herausforderung für die Öffentlichen Bibliotheken. Diese Gruppe der Älteren hat eine größere Affinität zu Bibliotheken und ist eher bereit, sich aktiv einzubringen. Diese Gruppe ist allerdings noch stark von einem traditionellen Bibliotheksbild geprägt und eher zurückhaltend bei digitalen Angeboten der Bibliothek. Deutlich wird dies in der Umfragestudie des Instituts für Demoskopie Allensbach (2016, 18–19) zur Zukunft der Bibliotheken in Deutschland. Nur ein Drittel der Älteren wünscht sich eine bessere Ausstattung der Bibliothek mit EDV-Arbeitsplätzen, mehr Beratungen bei digitalen Angeboten und eine Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten von digitalen Medien von zu Hause aus. Hier unterscheiden sie sich grundlegend von den anderen, jüngeren Gruppen (siehe Abbildung 2).
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Abb. 2: Anforderungen an Öffentliche Bibliotheken in Prozent der Altersgruppe (Institut für Demoskopie Allensbach 2016, 19–20, eigene Darstellung).
Auch wenn die skeptische Haltung teilweise verständlich ist, so ist es dennoch wichtig, die Bereitschaft dieser Altersgruppe für digitale Angebote zu erhöhen und die Fähigkeiten zur effizienten Nutzung zu steigern. Nützlich ist dabei die Orientierung an Konzepten und Modellen der Informations-/Medienkompetenzvermittlung, die sich durch eine Situations-/Handlungsbezogenheit und eine kritisch-reflektierende Komponente auszeichnen. (Homann 2000; Hanke et al. 2013) Ansatzpunkte für bibliothekarische Aktivitäten, die auf eine stärkere Bereitschaft zur Nutzung digitaler Angebote zielen, werden ebenfalls in der Studie deutlich. Wie aus Abbildung 2 ersichtlich, sind fast 60 Prozent der über 60-Jährigen an Lesungen und Vorträgen interessiert und mehr als 70 Prozent wünschen sich kompetentes Personal und eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Hier verfügen viele Öffentliche Bibliotheken über Erfahrungen und Angebote, die sie verstärkt einsetzen können, um die Älteren zum Beispiel über Vorträge und Beratungen für die digitale Entwicklung zu sensibilisieren und auch bisherige Nichtnutzerinnen und Nichtnutzer auf die Angebote und vor allem die digitale Informationskompetenz der Bibliotheken aufmerksam zu machen. Zwar steigt inzwischen generell auch bei jüngeren Älteren die Nutzung digitaler Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten (Initiative D21/TNS Infratest 2015), aber bedenklich ist, dass immer noch 68 Prozent der über 70-Jährigen keine Erfahrung mit dem Internet (SINUS Markt- und Sozialforschung 2016) haben (siehe Abbildung 3).
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Abb. 3: Häufigkeit der Internetnutzung über 60-Jähriger nach Alter und Bildung in Prozent (SINUS Markt- und Sozialforschung 2016, 33, eigene Darstellung).
Insbesondere bei Älteren mit niedrigen Bildungsabschlüssen nutzen fast 70 Prozent das Internet nie. Sie verfügen häufig nicht über entsprechende Endgeräte, haben möglicherweise negative Bildungserfahrungen und sind nur wenig motiviert, sich neue Fähigkeiten anzueignen. Hier besteht die Gefahr einer digitalen Spaltung. Der Alltag, auch der der Älteren, wird sich durch die digitalen Entwicklungen in den nächsten Jahren massiv ändern: Gedruckte Medien werden zunehmend durch digitale Publikationen ersetzt. Die analoge Welt des Fernsehens und der Radiosender wird durch neue digitale Angebote im Internet ergänzt und sukzessive abgelöst. Die Informationsmenge im Internet steigt exponentiell und erfordert neue Recherche- und Beurteilungsfähigkeiten. Die Social-Media-Angebote und deren Nutzung durch Smartphones verändert die Kommunikation nachhaltig. Die öffentliche Verwaltung wird zunehmend von digitalen Verfahren geprägt. Altersgerechte Assistenzsysteme werden in Wohnungen installiert und müssen richtig bedient werden. Alle diese Entwicklungen erfordern neue Fähigkeiten und Kenntnisse und vor allem auch die Bereitschaft, immer Neues hinzuzulernen (BMFSFJ 2016). Hier können die Öffentlichen Bibliotheken mit ihrem vielfältigen Angebot und ihren medialen, aber auch sozialen Kompetenzen den Weg der Älteren in die digitale Gesellschaft erleichtern.
Bibliotheksangebote als Lernanreize Viele Bibliotheken haben inzwischen die Bedeutung der älteren Menschen als Bibliotheksnutzerinnen und -nutzer erkannt und beginnen ihr Angebot für
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diesen Nutzendenkreis aufzubauen. Im Mittelpunkt steht dabei meist die Erweiterung des gedruckten Medienangebots unter anderem um Bücher in Großschrift und ergänzt um audio-visuelle Medien, wie Hörbücher, DVDs. Unter inhaltlichen Aspekten werden verstärkt Medien erworben, die sich an Interessen der älteren Menschen orientieren. Auf eine Präsentation der Medien in Sonderbereichen, speziell für Seniorinnen und Senioren, wird häufig verzichtet, da viele ältere Menschen dies eher als Diskriminierung empfinden (Schützhold 2014, 55). Mit diesen medialen, bestandsbezogenen Maßnahmen allein lassen sich nur wenige Lernanreize erzielen. Sicherlich ergeben sich besonders für die traditionellen, buchaffinen Nutzerinnen und Nutzer lernanregende Impulse aus den Aufstellungssystematiken und den alternativen Titelangeboten an einer bestimmten Stelle der Systematik. Neue Nutzerinnen und Nutzer, vor allem wenn sie schon über Interneterfahrung verfügen, lassen sich jedoch darüber allein kaum gewinnen. Die Situations- und Problembezogenheit des Lernens, die das Lernverhalten der meisten älteren Menschen kennzeichnet, erfordert Konzepte, die über das traditionelle Aufgabenverständnis der meisten Öffentlichen Bibliotheken, aber auch ihrer Unterhaltsträger hinausgehen. Von grundlegender Bedeutung für die Schaffung bibliothekarischer Lernanreize ist die Orientierung an den Themen und Problemen, mit denen sich ältere Menschen im persönlichen Alltag oder im kommunalen Kontext einer Bibliothek befassen. Als Informationsquellen sind deshalb Kontakte zu älteren Menschen und die Einbindung in kommunale Netzwerke wichtig. Informationen über die Wünsche und Bedürfnisse können die Bibliotheken im Rahmen ihrer Gespräche mit ihren Nutzerinnen und Nutzern erhalten. Eine systematische und nachhaltige Verankerung von Kontakten bietet jedoch die organisatorische Einbindung von Älteren als ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder über einen Beirat (Schützhold 2014; Büchereizentrale Niedersachsen 2017). Viele verfügen über Fähigkeiten aus ihrem früheren Berufsleben oder interessieren sich für Hobbies, mit denen sie die Alltagsarbeit unterstützen und Anregungen zur Weiterentwicklung einer Bibliothek geben können. Sie erhalten gleichzeitig einen Einblick in mediale Entwicklungen und lernen dabei zum Beispiel kostenlose Angebote mit Volltexten, spezielle Datenbanken mit regionalhistorischer oder lokalpolitischer Relevanz und Social-Media-Angebote für Seniorinnen und Senioren kennen. Über ihre persönlichen Kontakte zu anderen Älteren wirken sie als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und Werbeagentinnen und -agenten. Sie verbreiten das Wissen über das Angebot und den Nutzen der Bibliotheken. Gerade ältere Menschen, die in ihrem Leben keinen oder wenig Kontakt mit Bibliotheken hatten, erhalten so Informationen über das Angebot der Öffentlichen Bibliothek und Anreize, diese für ihre Fragestellungen
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zu nutzen. Ergänzend können Umfragen oder Fokusgruppen-Interviews durchgeführt werden. In die Durchführung und die Diskussion der Ergebnisse können Ältere systematisch im Rahmen eines Projekts eingebunden und mobilisiert werden. Ein wichtiger Punkt ist dabei aufzuzeigen, dass eine Bibliothek nicht mehr nur eine Sammlung von Büchern ist, sondern ein Medien- und Informationszentrum mit Informations- und Beratungsangeboten, die sich auf das gesamte Internet und elektronische Nutzungsangebote beziehen: Der elektronische Katalog und die Onleihe (divibib 2017) sind dabei zentrale Elemente des bibliothekarischen Angebotsspektrums. Die Rechercheoberflächen dieser Systeme bieten Ansatzpunkte, um effizientere Recherchemethoden über erweiterte Suchoptionen zu vermitteln. Gleichberechtigt mit den lokalen Medienangeboten sollten die über das Internet kostenlos zugänglichen Literatur- und webspezifischen Informationsangebote, zum Beispiel Wikis, Blogs oder ScreenVideos, gesehen und bei Beratungen berücksichtigt werden. Sinnvoll ist es dabei auch, auf alternative Recherchesysteme hinzuweisen wie Fachdatenbanken, Google-Scholar oder den Spezialkatalog BASE. Das Angebot sollte sich allerdings nicht nur auf die Recherche beschränken, sondern auch EDV-Arbeitsmöglichkeiten zur Weiternutzung und Präsentation von Ergebnissen anbieten. Die aus Kontakten mit Älteren ermittelten Themen eignen sich für Einzelveranstaltungen, aber auch für Projektaktivitäten von längerer Dauer. Einerseits können so das eigene bibliothekarische Expertenwissen bei der Nutzung digitaler Informations- und Kommunikationssysteme aufgezeigt und andrerseits Anreize zur Nutzung der gedruckten und digitalen Angebote sowie digitaler Weiternutzungsmöglichkeiten gegeben werden. Neue Informations- und Medienkompetenz wird so informell vermittelt. Bei vielen älteren Menschen, die in ihrem Leben keine oder wenige Kontakte mit dem Internet und Bibliotheken hatten, müssen andere Wege genutzt werden, um die Öffentliche Bibliothek mit ihrem Informations- und Lernangebot attraktiv zu machen. Ein Ansatzpunkt bieten die sozialen Bibliotheksdienste, die bisher von einigen Bibliotheken genutzt wurden, um mobilitätseingeschränkte Ältere mit Büchern zu versorgen (Schützhold 2014). Dieses Konzept einer organisatorischen Kooperation bzw. Vernetzung sollte weiterentwickelt und in die Projekte des „sozialen Quartiermanagements“ systematisch eingebunden werden (BMUB 2016; Drilling/Oehler 2016). Empfehlenswert ist dabei eine organisatorische Flexibilisierung, indem Veranstaltungen und Beratungen in sozialen Einrichtungen wie Altenheimen oder betreuten Wohnanlagen angeboten werden. Wichtig ist bei solchen Veranstaltungen ein Erfolgserlebnis zu vermitteln, indem den Teilnehmenden nicht nur eine Recherche oder Kommunikationsmöglichkeiten sehen, sondern selbst z.B. an eigenen oder ausgeliehenen Tablet-PCs erleben können.
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Solche Veranstaltungen können die Grundlage für den Aufbau einer virtuellen Arbeitsgruppe in einem virtuellen Bibliotheksraum über mehrere Einrichtungen bilden. Es gibt inzwischen ein breites Angebot an Social-Media-Tools, die Erfahrungen auf unterschiedlichen Niveauebenen vom einfachen ZUMPAD über Wikis oder Google-Drive bis zu komplexen WordPress-Seiten ermöglichen. Wichtig sind positive, aktivierende Erfolgserlebnisse, die für den Alltag nützlich sein können und Spaß machen. Gerade die mediale Eigenheit des Internets mit der ubiquitären Verfügbarkeit von Informationsangeboten bietet Öffentlichen Bibliotheken das Potenzial, sich als Bildungseinrichtung für Ältere zu profilieren. Es ist nicht mehr notwendig, in die physischen Räume der Bibliothek zu gehen, um digitale Angebote zu nutzen oder die eigene Expertise im Bereich der Informationsrecherche und -nutzung aufzuzeigen. Die Nutzung der Onleihe oder eines Online-Spiels oder von sozialen Plattformen zur Kommunikation oder die erweiterte Suche von Google lassen sich an jedem Ort mit Internetanschluss und bei jeder Seniorenveranstaltung in einem Heim aufzeigen. Für körperlich beeinträchtigte Menschen mit Mobilitätseinschränkungen eröffnen sich hier neue Möglichkeiten, von zu Hause aus über das Internet die Angebote der Bibliotheken zu nutzen und ebenfalls Lebenslanges Lernen zur realisieren.
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V Perspektiven
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Positionierungen neu gestalten Veränderte Kontextualisierung Öffentlicher Bibliotheken
Wandel der Rahmenbedingungen Die forcierte Industrialisierung in Deutschland mit einem zunehmenden Bedarf an qualifizierten und disziplinierten Arbeitskräften führte dem liberalen Bürgertum seit den 1860er Jahren vor Augen, dass das überlieferte Bildungswesen mit seinen starren Schulformen den wirtschaftlich-technischen Anforderungen nur unvollkommen nachkam. Zunächst wenige Pioniere, oft Professoren, gründeten die Vorläufer der heutigen Öffentlichen Bibliotheken, teils in Trägerschaft von Stiftungen und Vereinen, zunehmend in kommunaler Trägerschaft. Ziel war, wie Nörrenberg formulierte, „die harmonische Durchdringung der Person zur sittlichen und geistigen Freiheit“ (Nörrenberg 1896, 9), also ein aufklärerischer Gedanke. Mittel waren kostenlos ausleihbare Bücher, denn große Teile der Bevölkerung konnten sich ein eigenes, gut gefülltes Bücherregal nicht leisten. Aus derselben Erkenntnis – Bücher waren für Millionen von Menschen, denen Bildung aus Büchern vermittelt werden sollte, zu teuer – gründete auch die Arbeiterbewegung öffentlich zugängliche Bibliotheken. Deren Initiativen hatten keine längerfristigen Wirkungen, während die konfessionellen Bestrebungen eine große Zahl von kleinen, fast immer nebenamtlich betriebenen Büchereien entstehen ließen. Sie standen ursprünglich im engen Zusammenhang mit der Inneren Mission und der Bekämpfung antikirchlicher Tendenzen durch die Verbreitung von religiösen Büchern, haben sich heute aber zu Bibliotheken in Trägerschaft der Kirchengemeinden mit einem überschaubaren Sortiment an Büchern und anderen Medien für Lebenshilfe, Unterhaltung und Leseförderung emanzipiert. Indessen ist heute der Grundgedanke – Medien sind zu teuer, um ihre Bildungswirkung in der Breite der Bevölkerung entfalten zu können – verblasst. Ein Facharbeiter musste um 1900 eine Stunde arbeiten, um sich ein Reclamheft leisten zu können – heute hat er in sieben Minuten die Kaufkraft für ein Reclamheft erworben. Und vor allem: Um 1900 war, wenn Miete und Kohlen, Lebensmittel und Tanzvergnügen am Wochenende bezahlt waren, kaum noch etwas übrig, von dem man sich hätte Bücher kaufen können. Heute sind zwei Drittel der Frauen und die Hälfte der Männer Buchhandelskundinnen und -kunden. 47 Prozent der Personen in Haushalten bis 1.000 Euro Monatsnettoeinkommen kaufen regelmäßig Bücher. Aber nur neun Prozent der https://doi.org/10.1515/9783110590982-018
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Einwohnerinnen und Einwohner sind bei Öffentlichen Bibliotheken als Nutzerinnen und Nutzer eingeschrieben und können mithin auch digitale Medien aus dem Pool der Öffentlichen Bibliotheken downloaden. Aber gerade deren digitale Angebote stehen in einem scharfen Wettbewerb zu kommerziellen Anbietern elektronischer Bücher und anderer Medien. Für zehn Euro im Monat oder wenig mehr kann man bei Amazon, Skoobe, readfy oder Netflix aus einem Pool von elektronischen Büchern oder Filmen und anderen Netzpublikationen beliebig auswählen und je nach Höhe des Beitrags eine mehr oder minder große Zahl von digitalen Medien gleichzeitig ausleihen. Derartige Abo-Modelle, wie sie auch Aggregatoren wie maxdome.de anbieten, sind zwar um den Faktor fünf bis zehn teurer als die Jahresgebühren der meisten hauptamtlichen Öffentlichen Bibliotheken – aber das Angebot ist in aller Regel um mehr als den Faktor zehn umfangreicher als die E-Book- und generell E-Medien-Angebote Öffentlicher Bibliotheken. Die Flatrates bei E-Books, bei digitaler Musik und digitalen Filmen, hinsichtlich der Filme auch die Mietmodelle mit DVDs, verändern die Verhältnisse und die Stellung der Öffentlichen Bibliotheken beim Medienzugang strukturell. Die in den 1960er Jahren ausgestorbene kommerzielle Leihbibliothek kommt im technisch modernen Gewand zurück. Die ursprüngliche Legitimation der Öffentlichen Bibliotheken – Bildungsgüter müssen aus Steuermitteln finanziert werden, weil die private Kaufkraft für sie nicht ausreicht – ist weitgehend verblasst, zumal unter den Bibliotheksbenutzerinnen und -benutzern das unterste Einkommensfünftel einen kleineren Anteil als an der Bevölkerung hat.
Auf dem Weg zum Lernort Aber seit vielen Jahren betonen die Öffentlichen Bibliotheken, dass sie keineswegs in erster Linie Medienverleihanstalten sind, sondern wertvolle Aufgaben der Kulturvermittlung und Leseförderung wahrnehmen. Die deutschen Bibliotheksgesetze verstehen Bibliotheken durchgängig nicht als Medienverleihstellen, sondern als Bildungseinrichtungen und weisen ihnen Aufgaben im Bereich von Kultur und Bildung zu. Medien sind das Mittel dazu. Wenn Medien auch ohne Bibliotheken allgegenwärtig sind, entfällt der Zweck der Bibliotheken keineswegs, weil Medien nicht per se Aufklärung und Bildung bringen. Statt Medien in den Mittelpunkt zu stellen, lenkt dieser Ansatz die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass viele Bürgerinnen und Bürger wenig lesen, geringe IT-Kompetenzen haben und mit den gesellschaftlichen Anforderungen nur mühsam Schritt halten können. Die Aufgabe der Bibliotheken verschiebt sich dann vom Mittel der Medienausleihe in Richtung anderer Mittel, die geeignet sind, diese Ziele zu ver-
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folgen, ohne dass der Medienzugang durch die Bibliothek obsolet würde. Spätestens seit Ende der 1980er Jahre stellen die Öffentlichen Bibliotheken stärker noch als die kulturvermittelnden Aufgaben die Bildungsaufgaben heraus, zunächst weitgehend auf den Medienbestand bezogen. In dem Zusammenhang bilanzierte Umlauf 1997 allerdings Defizite im Medienangebot: Die Dominanz der Freizeit-, Alltags- und Unterhaltungsangebote, die eingeschränkte Bedeutung der Ausbildungsangebote und die schwache Position der berufsbezogenen Angebote plazieren die öffentlichen Bibliotheken gleichsam in einer gesellschaftlichen Schönwetterecke: Dieses Profil trägt teils nur eingeschränkt, teils nur indirekt zu den Leistungen bei, die als die zukunftsträchtigen und Wirtschaftsstandorte sichernden öffentlichen Aufgaben politisch anerkannt sind, vor allem die wirtschaftsorientierte Aktivierung der Humanressourcen Intelligenz, Innovation und Qualifikation. Es plaziert die Bibliotheken überwiegend auf den Feldern, die nach herrschender Auffassung über die Funktion der öffentlichen Hände Sache der einzelnen Privaten sind. Die gesellschaftliche Position der öffentlichen Bibliotheken könnte unter der kalten Sonne des Paradigmenwechsels beim Verhältnis von öffentlichen zu privaten Aufgaben ohne deutliche Umprofilierung der Bestände weiter marginalisiert werden. (Umlauf 1997, 352).
Seit den späten 1990er Jahren entwickeln zunächst noch zögerlich mehr und mehr Öffentliche Bibliotheken ein Dienstleistungsportfolio, das über Bildungsmedien hinaus Lernberatung, Kurse zur Förderung der Informationskompetenz – Tausende von Seniorinnen und Senioren haben in ihrer Öffentlichen Bibliothek besser googlen gelernt – und Maßnahmen der Leseförderung umfasst, schließlich Lernarrangements implementiert. Maßgebliche Impulse gab das Projekt Entwicklung und Förderung innovativer weiterbildender Lernarrangements in Kultur- und Weiterbildungseinrichtungen des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung an der Stadtbücherei Stuttgart 1999–2002 (Stang/Puhl 2001).
Erfordernis kommunalpolitisch getragener Bibliothekskonzepte Hinter diesem Trend stehen vor allem Einzelinitiativen. Eine staatliche Strategie ist trotz einschlägiger Zielformulierungen in den Bibliotheksgesetzen der Länder, soweit es sie gibt, kaum erkennbar. Für die einzelne Bibliothek kommt es darauf an, ein Konzept zu entwickeln, dass jenes Profil begründet und beschreibt und durch Beschluss der Gemeindevertretung der Bibliothek als Auftrag übertragen wird. Ein Bibliothekskonzept – man könnte treffender sagen: Marketingkonzept – soll über folgende Aspekte Auskunft geben und auf diese Weise das Dienstleistungsportfolio als Antwort auf die jeweilige kommunale Lage legitimieren.
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–– Leitbild: Das Leitbild wird allerdings erst als Abschluss einer Analyse und Konzeptentwicklung formuliert und enthält in Kurzfassung das Bibliothekskonzept. Es mischt Soll- und Ist-Aussagen in allgemein verständlicher Form ohne Fachterminologie und soll Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der Unterhaltsträgerin und dem Publikum Orientierung geben und die Frage beantworten: Wozu ist die Bibliothek gut? Umgekehrt ist das Leitbild die Vorgabe, an der sich operative Einzelentscheidungen ausrichten (Mehr gedruckte Lehrbücher oder mehr Online-Tutorials erwerben? Welchen Anteil sollen Gruppenarbeitsplätze, welchen Anteil Einzelarbeitsplätze haben?). –– Umfeld (z. B. sozio-ökonomische Struktur der Bevölkerung und soziale Milieus mit auffallend über- oder unterdurchschnittlichem Anteil, Schwerpunkte der Stadtentwicklung) und seine absehbaren Veränderungen; Förderbedarfe und Defizite beispielsweise bei der Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern oder bei Kompetenzen in Wissensmanagement bei Beschäftigten. Zu wenig Beachtung finden bei der Analyse des Umfelds meistens andere Bibliotheken. Öffentliche Bibliotheken scheinen dazu zu neigen, sich als Monopolanbieterinnen zu sehen und zu vernachlässigen, dass ihr Profil oft Überschneidungen mit den Profilen anderer Bibliotheken am Ort (beispielsweise kirchlicher Öffentlicher Bibliotheken, Hochschulbibliotheken) hat, die Ansatzpunkte für Kooperationen und für Profilschärfungen hergeben können. Aus Analysen auf diesen Feldern lassen sich mehr oder minder unmittelbar Handlungsoptionen und Erfolg versprechende oder kommunalpolitisch erwünschte informationslogistische Rollen ableiten. –– Ziele, Auftrag, informationslogistischen Rolle: Als informationslogistische Rollen bezeichnet man schlagwortartig benannte Profile wie zum Beispiel Tor zum Lernen für Schülerinnen und Schüler oder Individuelles Bildungszentrum. Den Profilen sind in der Fachliteratur jeweilige Dienstleistungsportfolios zugeordnet. Dabei geht es weniger um Aus-oder Einschluss von Dienstleistungen, vielmehr um ihren Stellenwert. Ihr Gewicht mehr als ihr Vorhandensein macht den Unterschied zwischen verschiedenen informationslogistischen Rollen. Dieses Gewicht kann man beispielsweise in Vorgaben für Arbeitszeitanteile ausdrücken. Bei der Rolle Individuelles Bildungszentrum kann etwa festgelegt werden, dass 40% der gesamten Arbeitskapazität des Bibliotheksteams für Aktivitäten wie Lernberatung, Vermittlung von Informationskompetenz, Kooperation mit Einrichtungen der Erwachsenenbildung und Angebote im Makerspace verwendet werden, während bei der Rolle Populäres Medienzentrum der Anteil derartiger Aktivitäten 10% umfasst und ein Makerspace nicht betrieben wird. –– Zielgruppen und ihre Bedarfe, ggf. mit Priorisierungen: Zielgruppe der Öffentlichen Bibliothek ist die gesamte Bevölkerung im Einzugsgebiet (Schade
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2018), jedoch reichen mehr oder minder ausnahmslos die Ressourcen nicht, um allen Teilzielgruppen (Kinder und Jugendliche, Familien, Menschen mit Migrationshintergrund, Flüchtlinge, Seniorinnen und Senioren usw.) mit gleichem Engagement qualitativ attraktive und quantitativ ausreichende Angebote zu machen. Im Zusammenhang mit der Wahl der informationslogistischen Rolle sind auch hier Priorisierungen erforderlich. –– Partnerinnen und Partner: Das Spektrum der Bildungseinrichtungen, die unter dem Gesichtspunkt bildungsorientierter informationslogistischer Rollen in Frage kommt, ist bereits in Mittelstädten außerordentlich breit und reicht von allgemeinbildenden und beruflichen Schulen über kommunale und kirchliche Erwachsenenbildungseinrichtungen bis zu privatwirtschaftlichen Fortbildungsdienstleistern. Ein kluges Partnerschaftsmanagement (Vonhof 2016) muss die knappen Personalressourcen dort bündeln, wo die Kooperation die größte Nähe zu den Zielen hat. Eine weitere Bedeutung der Partnerinnen und Partner besteht darin, sie lobbyistisch als Bündnispartnerinnen und -partner in Verteilungskämpfen um die knappen kommunalen Mittel zu gewinnen. Mitunter ist dieser Aspekt sogar der wichtigere im Partnerschaftsmanagement. –– Produktpolitik: Ein Soll-Profil des Medienbestands und ein Soll-Profil der Dienstleistungen werden formuliert. Es konkretisiert die informationslogistische Rolle mit detaillierten Aussagen auf operativer Ebene, in Bezug auf Dienstleistungen beispielsweise mit Soll-Aussagen über die Verwendung der Arbeitskapazitäten oder in Bezug auf die Medienbeschaffung mit SollAussagen über die Erwerbung von Lehrbüchern und die Lizenzierung von Online-Kursen. Die hier formulierte Programmatik muss allerdings nicht nur leistbar, sondern auch konsistent sein. Die einzelnen Maßnahmen müssen aufeinander abgestimmt sein, beispielsweise wenn es um Klassenführungen von der Vorschule bis zu Teilnehmerinnen und Teilnehmern an Abitur-Leistungskursen geht. Bei solcher Konsistenz der Maßnahmen weist die verbreitete Bibliothekspraxis indessen oft Defizite auf. Die Bibliothekare und Bibliothekarinnen engagieren sich nach Kräften, nicht selten mit dem Eindruck, sie kämen den Bedarfen kaum hinterher, aber die Maßnahmen haben zu oft etwas Beliebiges und sind nicht durchgängig aufeinander und auf das Leistungspotenzial der einzelnen Bibliothek bezogen. Eine besondere Bedeutung werden Open Educational Resources in der Produktpolitik von Bibliotheken einnehmen, die eine bildungsorientierte informationslogistische Rolle wählen. Open Educational Resources (OER, eine Verdeutschung ist bislang nicht üblich) sind Materialien zum Lehren und Lernen, die gemeinfrei oder unter einer freien Lizenz zur Verfügung gestellt werden, und zwar online. Sie umfassen vor allem Lehrbücher, Lehrveranstaltungskonzepte, Skripte,
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Aufgaben, Tests, Projekte für Lehre und Studium, schließlich auch Audio-, Video- und Animationsformate. Da sie ohnehin für jedermann online ohne Weiteres zugänglich sind und die Bibliothek als lizenzierende Instanz nicht benötigt wird, stellt sich die Frage, warum Bibliotheken hier Aufgaben übernehmen sollen, zumal das Bundesministerium für Bildung und Forschung seit 2016 den Aufbau einer Informationsstelle Open Educational Resources (OER) fördert. Sie betreibt ein Webportal, auf dem umfassende Informationen zum Thema bereitgestellt werden, und soll Maßnahmen zur Sensibilisierung und Qualifizierung ergreifen. Fahrenkrog und Plieninger sehen die Aufgaben Öffentlicher Bibliotheken in der Vermittlung zwischen Anbieterinnen bzw. Anbietern und Nutzern bzw. Nutzerinnen von Open Educational Resources. Es geht darum, Nutzerinnen und Nutzern bei der Auswahl geeigneter Angebote zu unterstützen und ihnen Funktionalitäten zu vermitteln. Viele dieser Materialien sind interaktiv und erfordern beträchtliche Kompetenzen in kollaborativem und partizipativem Arbeiten, ohne die sie ihr Potenzial nur unvollkommen entfalten (Fahrenkrog/Plieninger 2017). Wenige Bibliotheken haben einen Dienstleistungskatalog formuliert, der ihre Dienstleistungen aufzählt und beschreibt, was die Nutzerinnen und Nutzer erwarten können. Theoretisch ist nicht ausdiskutiert, ob raumbezogene Angebote wie beispielsweise Gruppenarbeitsräume, unterschiedliche Möbelformen und Gestaltungen der Arbeitsplätze für Nutzerinnen und Nutzer unter Produkt- oder unter Distributionspolitik firmieren sollen. Die Frage hat indessen allenfalls einen akademischen Wert. –– Distributionspolitik: Hier geht es um den Zugang zu Medien und Dienstleistungen, also um Öffnungszeiten, um Filialen, um Raumatmosphäre, um konzentrationsförderliche und inspirationsförderliche Nutzerarbeitsplätze, um freie Kommunikationsbereiche und unkonventionelle Arbeitsplätze für Nutzerinnen und Nutzer, ferner um Optionen der Fernnutzung über Internet oder Fernleihe. –– Gegenleistungspolitik: Die Bibliothek verweist auf die Gebührenordnung, die die Unterhaltsträgerin im Idealfall auf Basis der Empfehlungen der Bibliothek in Kraft gesetzt hat. Gute Erfahrungen haben Öffentliche Bibliotheken gemacht, die außer einer Jahresgebühr auch entsprechend niedrigere Monats- oder Vierteljahresgebühren vorsehen. Nicht wenige zögerliche Nutzerinnen und Nutzer wählten zunächst eine auf ein Vierteljahr beschränkte Nutzungsberechtigung mit niedriger Gebühr und dann, nachdem sie die Vorteile der Bibliotheksnutzung kennen gelernt haben, die Jahreskarte. Kinder, Jugendliche und Sozialhilfe-Empfängerinne und -empfänger sind fast ausnahmslos von den Gebühren befreit.
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–– Kommunikationspolitik: Die Bibliothekspraktikerinnen und -praktiker sprechen meistens von Öffentlichkeitsarbeit und verwischen damit den Unterschied zwischen Werbung für Medienangebote und Dienstleistungen einerseits und kulturellen Veranstaltungen andererseits (Umlauf 2017). Anders als bei der Zuordnung einzelner Maßnahmen zur Produkt- oder Distributionspolitik ist hier die Unterscheidung bedeutsam: Eine Lesung von Autorinnen und Autoren als Maßnahme der Werbung steht unter anderen Auspizien (Orientierung auf bekannte Namen, Kooperation mit der örtlichen Buchhandlung, Ziel ist ein volles Haus) als eine Autorenlesung, wenn sie im Kontext kulturpolitischer Ambitionen steht (Orientierung auf literarische Originalität, Kooperation mit der Volkshochschule, Ziel ist es, mit den Kennerinnen und Kennern literarische Innovationen auszukosten). –– Grundsätze der Personalführung und des Managements, insbesondere der Evaluation: Anders als im Controlling, das auf Finanzkennzahlen ausgerichtet ist, sind Kennzahlen zur Messung bibliothekarischer Dienstleistungen zwar konzeptionell gut durchdacht (ISO 11620:2014-06), aber die einzelne Bibliothek muss ein Set von Kennzahlen zur Steuerung wählen, das auf ihre Ziele abgestimmt ist. In der Praxis werden meistens nur wenige Kennzahlen, und diese oft rudimentär verwendet. Ilg schlug für Universitätsbibliotheken ein Set von Kennzahlen vor (Ilg 2017, 484–485); ein entsprechendes Konzept für Öffentliche Bibliotheken fehlt bislang. –– Scharnierfunktion in einem atmenden Bildungssystem: In Anbetracht der gesellschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen wird die Notwendigkeit eines atmenden Bildungssystems (Stang 2016,191–192), das sich schnell an die sich verändernden Rahmenbedingungen anpassen kann und bei dem der Wandel unproblematisch ist, immer offensichtlicher. Öffentliche Bibliotheken könnten in einem solchen Bildungssystem eine wichtige Scharnierfunktion einnehmen, wenn sie sich strategisch und konzeptionell mit der Frage der Gestaltung von Bildungslandschaften auseinandersetzen. Bibliotheken sehen sich im Allgemeinen als unterfinanziert an. Mehr Geld für Medien, mehr Personal, bessere und größere Räume usw. werden allenthalben gefordert Die Sicht des Unterhaltsträgers formulierte Marc Weigel, Kulturdezernent in Neustadt an der Weinstraße (Mittrowann 2011, 112): „Eine Stadt braucht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sagen, was geht und nicht nur, was nicht geht.“ Was geht, soll die Bibliothek in ihrem Marketingkonzept formulieren, und darüber hinaus soll sie Perspektiven aufzeigen, was bei zusätzlichen Ressourcen in genau definiertem Umfang zusätzlich möglich ist. Je deutlicher das Profil an anerkannten Bildungsaufgaben anknüpft und je klarer sie ihren Auftrag auf die Strategie der Stadtentwicklung bzw. Regionalentwicklung insgesamt bezieht,
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desto besser sind ihre Chancen, gute Resultate in den Verteilungskämpfen zu erzielen.
Netzwerke Eine besondere Bedeutung kommt in einem Bibliothekskonzept, das Bildungsaufgaben betont und die Bibliothek als Lernort profiliert, Netzwerken mit Bildungspartnerinnen und -partnern zu. Perspektivisch müssen die Öffentlichen Bibliotheken diese Netzwerke ausbauen. Dabei müssen sie sich Kompetenzen und Interessenlagen, Ziele und Motive auf Seiten der Partnerinnen und Partner vor Augen führen (Reckling-Freitag 2018). Anzustreben ist, dass die Bildung von Netzwerken durch Raumkonzepte gefördert wird, die die Bildungsinstitutionen und die Bibliotheken räumlich zusammenbringen. Wo es noch nicht geschehen ist, muss zwischen dem für die Schulen zuständigen Ministerium und dem Bibliotheksverband eine Rahmenvereinbarung über die Kooperation zwischen Schulen und Bibliotheken getroffen werden. Sie bilden die Grundlage für Kooperationsvereinbarungen auf kommunaler Ebene. Da sowohl die Öffentlichen Bibliotheken wie auch die meisten Schulen von den Kommunen getragen werden, sollten diese Kooperationsvereinbarungen unproblematisch sein. In der Praxis bestehen beträchtliche Hürden. Sie gründen in wechselseitigen unvollkommenen Kenntnisständen über die Partnerinnen und Partner und in unterschiedlichen Organisationskulturen. Köck hebt das Unbehagen vieler Lehrerinnen und Lehrer hervor, durch Unterrichtsmedien auf die Rolle des Arrangierens und der Koordination von Medien sowie des Kontrollierens von Lernzielen reduziert zu werden. Die herkömmliche, durch Lehrpläne stark reglementierte Unterrichtspraxis ermutige nicht zu Experimenten mit medial offen strukturierten Lernsituationen. So dominiere, obwohl offener Unterricht seit Langem propagiert werde, ein Rollenverständnis der Lehrerin bzw. des Lehrers im Unterricht, das durch straffe zielgerichtete Organisation unterrichtlicher Lernsituationen gekennzeichnet sei. Aus Sicht dieses Unterrichtsverständnisses erschienen Aktivitäten in der Schulbibliothek als Faktor, der die ohnehin zu knappe Unterrichtszeit noch weiter schmälere und den Schulpädagogen oder die Schulpädagogin ausrufen lasse: „Dann schaffe ich meinen Stoff gar nicht mehr!“. Um die enge Zweck-Mittel-Bindung der Medien in Richtung kritischer Indienstnahme der Medien durch die Schüler und Schülerinnen zu erweitern, müsse sich die Lehrerin bzw. der Lehrer aus einer zentralen Macherposition zurücknehmen und sich bewusst in die Rolle von Moderatorinnen bzw. Moderatoren, Tutorinnen bzw. Tutoren, Lernhelferinnen bzw. Lernhelfer, Beraterinnen bzw. Berater und
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Diagnostikerinnen bzw. Diagnostiker begeben (Köck 2005, 388–389). Allerdings haben seit Köcks Kritik vielerorts offene Unterrichtsformen und Konzepte selbst organisierten Lernens an Schulen Anwendung gefunden. Dennoch kommen den Lehrerinnen und Lehrern Bibliotheken – seien es Schulbibliotheken oder Öffentliche Bibliotheken –nicht überall ohne besondere Anstrengungen seitens des Bibliothekspersonals in den Blick. Das Bibliothekspersonal muss einerseits Gegebenheiten und Befindlichkeiten an den örtlichen Schulen kennen, andererseits mit den Pfunden wuchern, die die Öffentlichen Bibliotheken als Partnerinnen für die Schulen attraktiv machen können. Hierzu hat Marci-Boehncke in einer schematischen Liste Merkmale beider Partnerinnen gegenübergestellt (Tabelle 1). Tab. 1: Lese- und Medienvermittlungsprofile von Schule und Öffentlicher Bibliothek (MarciBoehncke 2017, 544, gekürzt). Schule
Öffentliche Bibliothek
Häufig noch kein freies WLAN Lehrkräfte mit wenig digitaler Recherchekompetenz Schule für Schüler eher unattraktiver Lernort
Häufig freies WLAN Personal mit hoher digitaler Rechercherkomptenz Außerschulischer Lernort für Schüler attrraktiver Möglichkeit zu projektorientierter Mittelakquise, ggf. in Kooperation mit Schulen Berufsbedingt offensives Umgehen mit den Möglichkeiten digitaler Medien Hohe digitale Medienkompetenz Bedarf an Besuchern – Schulkooperationen rechtfertigen Personaleinsatz Bei gemeinsamer Gestaltung der Angebote Peer-to-Peer-Lernen von Lehrkraft
Kaum Möglichkeit zu externer Mittelakquise Ambivalente Haltung der Lehrkräfte zu digitalen Medien Wenig Motivation zu digitalen Fortbildungen Bedarf an Anerkennung durch Schülerlob für attraktiven Unterricht Pädagogisch-didaktische Kompetenz vorhanden, gemeinsame Planung entlastet von alleiniger Unterrichtsgestaltung
Die Nutzerinnen und Nutzer nicht nur als Kundinnen und Kunden zu sehen, sondern sie als Netzwerk zu begreifen, ist noch wenig verbreitet. Ansätze hierzu bilden Fördervereine oder Makerspaces, in denen nicht nur das Personal als Berater und Dozent auftritt, sondern in denen bürgerschaftliches Engagement die Bürgerinnen und Bürger als Akteurinnen und Akteure auftreten lässt (Vogt/ Petzold 2018). Ebenso ist die Einbeziehung von Nutzerinnen und Nutzer in Innovationsprozesse (open innovation; Fingerle 2013) in Bibliotheken, besonders in Öffentlichen Bibliotheken bisher wenig verbreitet. Beide Ansätze der Netzwerkbildung müssen künftig an Bedeutung gewinnen, wenn die Öffentlichen Bibliotheken als Lernwelt noch attraktiver werden wollen.
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Raumkonzepte und Programmatik Nachdem die physische Bibliothek lange Zeit weitgehend als Speicherort für körperliche Medien, vor allem Bücher gesehen wurde und Arbeitsplätze für Nutzerinnen und Nutzer fast nur unter funktionalen Gesichtspunkten in den Blick kamen, spielen zunehmend Fragen der Raumgestaltung des Lernraums Bibliothek eine Rolle. Es geht also um erweiterte oder jedenfalls neu profilierte Funktionen des Raums. Verlangte man früher von Tisch und Stuhl für Nutzerinnen und Nutzer in der Bibliothek, dass sie ergonomisch einwandfrei geformt waren, so erwartet man heute von ihnen und den weiteren Elementen der physischen Bibliothek, dass sie darüber hinaus motivierende, inspirierende und stimulierende Wirkungen entfalten, und dies in ganz unterschiedlicher Weise je nach Lernanlass, Lernstoff, Lerntyp und Einzelperson bzw. Lerngruppe. Bibliotheksräume sollen künftig vier Potenziale entfalten (Vier-Räume-Modell, Jochumsen et. al. 2014): –– Als Inspirationsräume sollen sie Begeisterung schaffen und Erfahrungen anregen. –– Als Lernräume sollen sie Entdeckungen ermöglichen und helfen, Kompetenzen zu entwickeln. –– Als Treffpunkt sollen sie Begegnungen zwischen Menschen fördern und Kommunikation ermöglichen. –– Als performative Räume sollen sie kreative und künstlerische Aktivitäten ermöglichen und anregen. In diesen Zusammenhang gehört eine Kritik Walz‘: Der Bildungsbegriff, den die Öffentlichen Bibliotheken ihren bisherigen Dienstleistungen implizit zugrunde legen, sei einseitig auf Lernen instrumenteller Kompetenzen und auf kognitive Informationsverarbeitung ausgerichtet. Er empfiehlt, die Öffentlichen Bibliotheken sollen sich stärker Konzepten der Kulturellen Bildung öffnen (Walz 2017). Damit würden Bibliotheken an jene von Nörrenberg formulierte Intention anschließen, aber nun mit wirksamen Mitteln. Walz nennt Anknüpfungspunkte aus der Bibliothekspraxis: Bastelstunden in der Kinderbibliothek oder künstlerisch-kreative Projekte wie etwa die Gestaltung einer Bibliothekszeitung. Besonders Makerspaces und die Option von Videoschnitt oder die Programmierung von Computerspielen bieten hier ein kaum erschlossenes Potenzial. Die bisher beschriebenen Strategien verbleiben indessen im Rahmen eines Bildungsbegriffs, der den ganzen Menschen noch nicht in den Blick nimmt. Ilg (2017, 481) betrachtet sogar mit Büchern gefüllte Regale, auch wenn diese kaum noch benutzt werden, als wichtigen Stimulator für Lernverhalten und Motivation der Nutzer und Nutzerinnen und schätzt sie mithin als Bestandteil der Arbeitsatmosphäre; er spricht von „Lerntapete“ (Ilg 2017, 481), die durch nichts
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zu ersetzen sei. Künftige Bibliotheken müssen gegenüber heutigen eine größere Varianz an Gestaltungen und Typen der Nutzerarbeitsplätze aufweisen: Einzelplätze mit und ohne Tisch, Tischgruppen und runde Tische für Arbeitsgruppen, extravagante Sitzmöbel mit technischem Equipment, Lümmelsofas und Beistelltische, Polstersessel und Bistrotische, bewegliche Trennwände und Abteilungen aus verschiebbaren Vorhängen, Touchscreens in Tischen und Situationen für bewegungsgesteuerte Computeranwendungen, 3D-Drucker und hochauflösende Videoschnitttechnik, Hard- und Software für die Digitalisierung von analogen Medien sowie Gruppenarbeitsräume, abgeschirmte wie lebendige Bereiche. Bringt man Anforderungen an Raumkonzepte und an Netzwerke zusammen, liegen Raumgestaltungen nahe, die die Bildungspartnerinnen und -partner räumlich und vielleicht auch organisatorisch zusammenbringen oder sogar integrieren, wie es Umlauf 2001 vorschlug: Das gemeinsame Gebäude der Volkshochschule und Bibliothek entfaltet sich als mehrflügelige Anlage um einen überdachten, natürlich belichteten Innenhof, zu dem sich breite Galeriegeschosse öffnen. Diese sind Medienaufstellorte und Angebotsflächen für vernetzte Multimedia-Stationen, Arbeitsplätze für Nutzerinnen und Nutzer, Leseplätze. Die Galerien führen zu den Lernräumen, die sich entlang der Außenhaut des Gebäudes entwickeln. Die Lernräume werden von Kursgruppen, informellen Lerngruppen und von individuellen Lernenden benutzt. An den Beratungsplätzen kann das Publikum ebenso Auskünfte über individuell geeignete Medien wie über empfehlenswerte Lernsettings und Kurse bekommen und Kursbelegungen anmelden. (Umlauf 2001) Eingebettet könnte das Ganze in eine kommunale Bildungslandschaft sein, die die Lernende Stadt/Gemeinde strukturiert (Stang/Eigenbrodt 2014). Grundlage dafür wäre ein atmendes Bildungssystem (Stang 2016,191–192), in dem Bildungsinfrastrukturen von den Bedürfnissen der Lernenden her angelegt sind und die Übergänge fließend sind. Ob die beteiligten Institutionen dann noch ihre klaren Grenzen haben müssten, würde sich dann erweisen. Aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger wäre dies sicher nicht notwendig. Dies würde aber bedeuten, dass sich öffentliche Einrichtungen als das darstellen, was sie sind: Einrichtungen zum Wohle der Gemeinschaft und nicht nur der eigenen Institution. Diese Perspektive geht manchmal verloren. Die Öffentlichen Bibliotheken haben vorzügliche Ansätze und vielfältige Aktivitäten auf dem Weg zur Lernwelt entwickelt. Jetzt kommt es für die einzelne Bibliothek darauf an, diese Ansätze konzeptionell zu profilieren und kommunalpolitisch abzusichern.
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Literatur Fahrenkrog, G.; Plieninger, J. (2017): Management von Open Educational Resources (OER) in Bibliotheken. In: K. Umlauf; C. Vonhof, C. (Hrsg.): Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Hamburg: Dashöfer, Abschnitt 8.3.6. Fingerle, B. (2013): Mehr als Ideenfindung. Neue Chancen für den Innovationsprozess durch Open Innovationen. In: K.-R. Brintzinger; U. Hohoff (Hrsg.): Bibliotheken. Tore zur Welt des Wissens. 101. Deutscher Bibliothekartag in Hamburg 2012. Hildesheim: Olms, 179–194. Ilg, J. (2017): Lernraum Hochschulbibliothek als Managementaufgabe. In: P. Hauke; A. Kaufmann; V. Petras (Hrsg.): Bibliothek. Forschung und Praxis. Festschrift für Konrad Umlauf zum 65. Geburtstag. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 479–502. ISO 11620:2014-06. Information und Dokumentation - Leistungsindikatoren für Bibliotheken. Berlin: Beuth. Jochumsen, H.; Skot-Hansen, D. & Hvenegaard Rasmussen, C. (2014): Erlebnis, Empowerment, Beteiligung und Innovation. In: O. Eigenbrodt & R. Stang (Hrsg.): Formierungen von Wissensräumen. Optionen des Zugangs zu Information und Bildung. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 67–80 Marci-Boehncke, G. (2017): Vom Buchliebhaber zum Bildungscoach. In: Hauke, P.; Kaufmann, A.; Petras, V. (Hrsg.): Bibliothek. Forschung und Praxis. Festschrift für Konrad Umlauf zum 65. Geburtstag. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 540–547. Mittrowann, A. (Hrsg.) Bibliotheken strategisch steuern (2011). Bad Honnef: Bock + Herchen. Nörrenberg, C. (1896): Die Bücher- und Lesehalle, eine Bildungsanstalt der Zukunft. Köln: Greven & Bechtold. Reckling-Freitag, K. (2018): Wege einer Bildungspartnerschaft. Schulen und Öffentliche Bibliotheken. In: R. Stang; K. Umlauf. (Hrsg.): Lernwelt Öffentliche Bibliothek. Dimensionen der Verortung und Konzepte. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 165–177. Schade, F. (2018): Zielgruppen öffentlicher Bibliotheken. Bestandsaufnahme und Herausforderungen.In: R. Stang; K. Umlauf (Hrsg.): Lernwelt Öffentliche Bibliothek. Dimensionen der Verortung und Konzepte. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 30–44. Stang, R. (2016): Lernwelten im Wandel. Entwicklungen und Anforderungen bei der Gestaltung zukünftiger Lernumgebungen. Berlin; Boston: De Gruyter Saur. Stang, R.; Eigenbrodt, O. (2014): Informations- und Wissensräume der Zukunft. Von Hochgefühlen und lernenden Städten. In: O. Eigenbrodt & R. Stang (Hrsg.): Formierungen von Wissensräumen. Optionen des Zugangs zu Information und Bildung. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 232–244. Stang, R; Puhl, A. (Hrsg.) (2001): Bibliotheken und lebenslanges Lernen. Lernarrangements in Bildungs- und Kultureinrichtungen. Bielefeld: W. Bertelsmann. Umlauf, K. (1997): Bestandsaufbau an öffentlichen Bibliotheken. Frankfurt a.M.: Klostermann. Umlauf, K. (2001): Lernarrangements in der Öffentlichen Bibliothek. Berlin: Institut für Bibliothekswissenschaft (Berliner Handreichungen zur Bibliothekswissenschaft, 96). http:// www.ib.hu-berlin.de/~kumlau/handreichungen/h96. Umlauf, K. (2017), Konrad: Öffentlichkeitsarbeit und Kulturmanagement. Zeitschrift für Bibliothekswessen und Bibliographie 64/1, 4–13. Vogt, H.; Petzold, J. (2018): Be a Maker – not a Taker! Der Makerspace der Stadtbibliothek Köln als Lernort. In: R. Stang; K. Umlauf (Hrsg.): Lernwelt Öffentliche Bibliothek. Dimensionen der Verortung und Konzepte. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 121–130.
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Vonhof, C. (2016): Partnerschaftsmanagement. In: K. Umlauf; C. Vonhof (Hrsg.): Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Hamburg: Dashöfer, Abschnitt 3.9.11. Walz, M. (2017): Kulturelle Bildung als bibliothekarisches Aktionsfeld – oder nicht? In: P. Hauke; A. Kaufmann; V. Petras (Hrsg.): Bibliothek. Forschung und Praxis. Festschrift für Konrad Umlauf zum 65. Geburtstag. Berlin; Boston: De Gruyter Saur, 157–164.
Autorinnen, Autoren und Herausgeber Susanne Brandt, Dipl.-Bibliothekarin und Rhythmikpädagogin (BWR), ist Lektorin bei der Büchereizentrale Schleswig-Holstein u.a. mit den Schwerpunkten Kinderliteratur und Projekte. Sie hat zahlreiche Fachbücher unter anderem zu kreativen Wegen der Sprachförderung in der Frühen Bildung verfasst und bringt mit Vorträgen, Seminaren und Workshops bundesweit Impulse zum Thema ein. Kontakt: [email protected] Astrid Diwischek, MSc, Studium Bibliotheks- und Informationsmanagement an der DonauUniversität Krems, Ausbildung zum Lerncoach und zur Zertifizierten Erwachsenenbildnerin (WBA), von 1982 bis 2007 als Bibliothekarin in der Stadtbibliothek Linz tätig, seit 2007 Leitung des Lernzentrums im Wissensturm; Arbeitsgebiete: Aufbau des Lern- und Beratungszentrums LeWis, Entwicklung des Lehrgangs Lerncoach und der Lernbegleitung im Wissensturm, Einsatz von Lernprogrammen im Sprachunterricht, Lernen mit neuen Medien, Mitarbeit in verschiedenen EU-Projekten. Kontakt: [email protected] Rudolf Fries, Diplom-Pädagoge und M.A. (Ökonomie & Management) ist Leiter des Bildungsund Medienzentrums der Stadt Trier (BMZ). Das BMZ ist der Zusammenschluss der städtischen Volkshochschule, der städtischen Musikschule, der öffentlichen Stadtbibliothek und der seit 2014 neu etablierten Abteilung Kommunales Bildungsmanagement. Das BMZ ist in Trier seit vielen Jahren Treiber innovativer Bildungsinitiativen auf kommunaler Ebene und war von 2009–2014 Träger des Bundesmodellprojektes Lernen vor Ort. 2006 und 2012 hat das BMZ für seine Aktivitäten in den Bereichen Selbstlernzentren und Alphabetisierung jeweils den Weiterbildungspreis des Landes Rheinland-Pfalz erhalten. Seit 2012 setzt das BMZ in Trier Modellprojekte zur Alphabetisierung und Grundbildung im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung um. Kontakt: [email protected] Benno Homann, Lehramtsstudium Politikwissenschaft, Germanistik und Geschichte, ist seit 1990 Fachreferent an der Universitätsbibliothek Heidelberg sowie seit 2007 Lehrbeauftragter in den Fächern Politik- und Bildungswissenschaft an der Universität Heidelberg. Er leitet an der Universitätsbibliothek das Referat für Schulung und Informationskompetenz. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Vermittlung von Informationskompetenz, E-Learning, bibliothekarische Weiterbildung sowie Evaluation und Nutzerumfragen. In diesem Kontext entwickelte er DYMIK (Dynamisches Modell der Informationskompetenz). Derzeit leitet er das Projekt TUBLIK (Tutoren- und Blended-Learning basierte Vermittlung von Informationskompetenz) zur curricularen Verankerung von Informationskompetenz als multiplikatorenbezogenes und auf Moodle basierendes Konzept. Im Rahmen seiner kommunalpolitischen Aktivitäten befasst er sich mit der Förderung von Informations- und Medienkompetenz durch Öffentliche Bibliotheken insbesondere für ältere Menschen. Kontakt: [email protected] Kerstin Keller-Loibl, Dr. phil., Studium Germanistik, Geschichte und Pädagogik, ist seit 2000 Professorin an der Fakultät Medien der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig). Sie leitet die Profillinie Bibliothekspädagogik im Masterstudiengang Bibliotheks- und Informationswissenschaft an der HTWK Leipzig. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Leseförderung, Literatur- und Medienvermittlung, Bibliotheks pädagogik und Kinder- und Jugendbibliotheksarbeit. Neben zahlreichen Publikationen und Vorträgen im In- und Ausland ist sie Mitglied in verschiedenen Expertengremien und als https://doi.org/10.1515/9783110590982-019
Autorinnen, Autoren und Herausgeber
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Dozentin in der Weiterbildung aktiv. Sie berät Bibliotheken und Schulen bei der Gestaltung von Schul-, Kinder- und Jugendbibliotheken und bei der Entwicklung neuer bibliothekspädagogischer Angebote. Kontakt: [email protected] Gudrun Marci-Boehncke, Dr. phil., seit 2010 Professorin für neuere deutsche Literatur/Elementare Vermittlungs- und Aneignungsaspekte an der Technischen Universität Dortmund, seit 2011 Konzeption und Leitung des Aus- und Fortbildungskonzepts Experten für das Lesen für Lehrkräfte, Studierende sowie Bibliothekarinnen und Bibliothekare Öffentlicher Bibliotheken in Kooperationen mit der TH Köln/ZBIW und Bildungspartner NRW. Forschung und Lehre vor allem im Bereich Lese- und Medienförderung für unterschiedliche Zielgruppen sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Kontakt: [email protected] Judith Petzold, Diplom-Bibliothekarin, ist Leiterin der Abteilung Kommunikation/Veranstaltungen der Stadtbibliothek Köln. Zu ihren Aufgaben gehört die Vermittlung des Projekt- und Angebotsspektrums der Stadtbibliothek an Presse und Gesellschaft sowie die Koordination der ehrenamtlichen Arbeit in der Bibliothek. Sie ist außerdem für die Konzeption des Veranstaltungsformats wissenswert – Gespräche am Puls der Zeit verantwortlich. Kontakt: judith. [email protected] Kathrin Reckling-Freitag, Diplom-Bibliothekarin und Kultur- und Bildungsmanagerin, ist seit Oktober 2005 in der Büchereizentrale Schleswig-Holstein, Arbeitsstelle Bibliothek und Schule, tätig. Sie ist dort zuständig für die landesweite Beratung von Kooperationen zwischen Bibliotheken und Schulen und die Förderung bibliothekspädagogischer Angebote. Sie ist Projektleiterin diverser Projekte für Bibliotheken und Schulen. Seit Herbst 2014 ist sie Lehrbeauftragte an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). Seit Oktober 2015 ist sie Mitglied der dbv-Kommission Bibliothek und Schule. In ihrer freiberuflichen Tätigkeit ist sie Referentin für Vorträge, Seminare und Schulungen, Lehrbeauftragte, Bloggerin und Autorin. Kontakt: [email protected] Frauke Schade, Bibliothekarin, Kulturmanagerin MA, ist Professorin für Informationsmarketing und Unternehmenskommunikation am Department Information der HAW Hamburg. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Informationsökonomie, Marktforschung, insbesondere unter dem Aspekt der Zielgruppensegmentierung sowie Digitale Öffentlichkeiten und Social-Media-Kommunikation. In ihrem aktuellen Forschungsprojekt beschäftigt sie sich mit Geschäftsmodellen von öffentlich finanzierten Einrichtungen auf dem digitalen Informationsmarkt. Kontakt: frauke. [email protected] Bernd Schmid-Ruhe, Dr. phil., Studium Germanistik und Medienwissenschaft, leitet die Stadtbibliothek Mannheim seit 2010 und arbeitete zuvor als Koordinator für IT-Projekte an der UB Konstanz. Wichtiger Bestandteil seiner Arbeit ist heute die Frage nach der Modernisierung von Bibliotheken und die Weiterentwicklung der Sprach- und Leseförderung. Zentral hierfür sind auch die Entwicklung von Angeboten im Bereich der Informations- und Medienkompetenz und die Pädagogisierung der bibliothekarischen Arbeit. Kontakt: bernd.schmid-ruhe@mannheim. de Eva-Maria Singer, Lehrerin, Erwachsenenbildnerin, Trainerin für Unterrichts- und Organisationsentwicklung arbeitet als Expertin und Beraterin in den Bereichen Lernen und Bildungsprozesse vor allem bei öffentlichen Institutionen und Stiftungen. Als Mitarbeiterin des
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Autorinnen, Autoren und Herausgeber
Bildungszentrums Stadt Nürnberg bis 2012 Projektleiterin der Lernenden Regionen NürnbergFürth und Gesamtkoordinatorin des Bildungs- und Kulturhauses südpunkt. Von Beginn an aktiv und maßgeblich an Entwicklung und Durchführung der Qualifizierung Lernbegleitung beteiligt. Mitarbeit im Arbeitskreis Bildungs- und Kulturzentren (Hochschule der Medien/Deutsches Institut für Erwachsenenbildung). Kontakt: : [email protected]; Homepage: www.evamaria-singer.de Richard Stang, Dr. phil., Diplom-Pädagoge und Diplom-Soziologe, ist Professor für Medienwissenschaft im Studiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement in der Fakultät Information und Kommunikation der Hochschule der Medien Stuttgart (HdM). Er leitet u. a. das Learning Research Center der HdM (www.learning-research.center). Arbeitsschwerpunkte sind unter anderem Lernwelten, Bildungs- und Kulturzentren, Lernarchitektur, Medienentwicklung, Medienpädagogik und Innovationsforschung. Er leitet derzeit Forschungsprojekte zur Entwicklung von Bildungs- und Kulturzentren und zur Lernwelt Hochschule. Er berät Kommunen und Einrichtungen (Bibliotheken, Volkshochschulen usw.) bei der Gestaltung von Lernräumen und kooperativer Strukturen. Kontakt: [email protected] Wilfried Sühl-Strohmenger, Dr. phil., Studium und Promotion an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, war von 1986 bis 2015 an der Universitätsbibliothek Freiburg als Projektbearbeiter, als Fachreferent und als Dezernent tätig, außerdem langjähriges Engagement in den bibliothekarischen Berufsverbänden. Sein besonderes Interesse gilt dem Lehr-Lernort Bibliothek (Teaching Library) und der didaktisch fundierten Förderung von Informationskompetenz, ferner dem Schreiben in der Hochschule (CAS Zertifikat 2016 ZHAW Winterthur). Er ist als Lehrbeauftragter an verschiedenen Hochschulen und Weiterbildungsinstitutionen in Deutschland, Österreich und in der Schweiz tätig, sodann als Autor und Herausgeber zahlreicher Veröffentlichungen sowie als freier Dozent aktiv. Kontakt: [email protected]; Homepage: www. informationskompetenz.org Konrad Umlauf, Dr. phil., 1992 bis zur Emeritierung 2016 Professor am Institut für Bibliotheksund Informationswissenschaft der Humboldt-Universität Berlin. Karl-Preusker-Medaille 2015. Herausgeber u.a. von: Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen (Dashöfer 2002ff., zusammen mit C. Vonhof); Lexikon der Bibliotheks- und Informationswissenschaft (Hiersemann 2009–2014, zusammen mit S. Gradmann); Handbuch Bestandsmanagement in Öffentlichen Bibliotheken (De Gruyter Saur 2012, zusammen mit F. Schade); Handbuch Methoden der Bibliotheks- und Informationswissenschaft (De Gruyter Saur 2013, zusammen mit S. Fühles-Ubach und M. Seadle); Strategien für die Bibliothek als Ort (De Gruyter Saur 2016, zusammen mit K. Werner und A. Kaufmann). Kontakt: [email protected]. de Hannelore Vogt, Dr. phil, ist Direktorin der Stadtbibliothek Köln, die 2015 den nationalen Bibliothekspreis Bibliothek des Jahres erhielt, genauso wie die Stadtbücherei Würzburg, die sie davor leitete. Der Kölner Kulturrat zeichnete sie 2016 als Kulturmanagerin des Jahres aus. Sie verfügt über einen Masterabschluss im Fach Kulturmanagement und hat im Bereich Marketing promoviert. Daneben war sie unter anderem Beiratsvorsitzende I&B beim Goethe Institut, Mitglied im Metropolitan Libraries Standing Committee der IFLA und Strategic Advisor für die Bill & Melinda Gates Foundation. Sie ist Mitherausgeberin der Zeitschrift Bibliothek. Forschung und Praxis. Kontakt: [email protected]
Register 3D-Modellieren 124
Buxtehude 161
Aarhus 116 Allgemeinbildung 51 Alphabetisierung 141 Alternde Gesellschaft 41 Antolin 76 Appreciate Inquiry 65 Assassin’s Creed 76 Atmendes Bildungssystem 209, 213 Audiovisuelle Medien 182 Aus-, Fort- und Weiterbildung 51 Automatisierung 9
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg 72 Chemnitz 26 Chocoladefabriek Gouda 117 Classcraft-Plattform 76 Community Engagement 122 Computer- und Konsolenspiele 76, 134, 182 Critical Information Literacy 59 Cryptoparty 124, 127
Bee-Bots® 126 Benutzerarbeitsplätze 113, 181 Beratung 183 Berlin-Mitte 160 Bibfit 158 Bibliothek Toyen Oslo 114 Bibliotheksführerschein 158 Bibliotheksgesetze 166 Bibliothekskonzept 205ff, Bibliothekslabor 52, 101 Bibliothekspädagogik 47ff, 93 Bibliothekspädagogische Veranstaltungen 33 Bibliotheksrallyes 33 Bilderbuchkino 50 Bildungs- und Medienzentrum Trier 60, 140ff Bildungscampus Nürnberg 83, 86, 181 Bildungshaus Wolfsburg 89 Bildungslandschaft 165 Bildungspartner 52, 54, 64, 70, 72, 98, 99, 153, 165ff, 210 Bildungspläne 167 Bildungszentrum Nürnberg 83, 86, 181 Blended-Learning 136, 182 Brilon 71 Bücher in Großdruck 40 Bücherbus 3 Berlin-Mitte 160 Bücherhalle Hamburg 136 Bücherhallen Hamburg 136 Bücherhallen Hamburg 136 Buntstift 99 Bürgerbeteiligung 122 https://doi.org/10.1515/9783110590982-020
DAStietz Chemnitz 26 Datenbanken 132 Deichmanske Bibliothek Toyen 114 Deine Chance 85 Design Thinking 114 Digital Storytelling 125 Digitale Medien 131ff, 182 Digitalisierung 9 DIN 67700 112ff Distributionspolitik 208 Diversität 10, 38 Dokk1 Aarhus 116 Dortmunder Stadt- und Landesbibliothek 76 Dritte Lebensphase 189ff eBücherhalle Hamburg 136 Einzelarbeitsplätze 113, 181 Elementarbereich 154 Erwachsenenbildung 178ff Erzieher/innen 72 Ethik (Religion/Philosophie) 160 FabLabs 100 Fachanforderungen 167 Fachprofil Lernbegleitung 83 Fachstellen für Öffentliche Bibliotheken 167 Familien 36ff Flächenbedarf 113 Flüchtlinge 38ff Fluide Bibliotheksstruktur 15 Fort- und Weiterbildung 51 Forum Bibliothekspädagogik 54 Freie Bildungsmedien 136 Freizeitgestaltung 51 Frühkindliche Bildung 72, 153ff,
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Gaming-Zone 75 Ganztagsschulen 174f Gebühren 208 Geflüchtete 38ff Gegenleistungspolitik 208 Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen 65 Georgsmarienhütte 161 Gestaltungsraum 115 Gouda 117 Grundbildung 141 Gruppenarbeitsplätze 113, 181 Hack’n Run 76 Hagen 159 Hamburg 136 Haus der kleinen Forscher 162 Hochbetagte 40, 189 Hörbücher 40 Idea-Stores London 118 Industrialisierung 203 Industriegesellschaft 9 Information literacy 73, s.a. Informations- und Medienkompetenz Informations- und Medienkompetenz 33, 48, 49, 51, 58 ff, 97, 166, 182f, s.a. Information literacy Informationsgesellschaft 9 Informationslogistischen Rollen 206 Informatisierung 9 Informelles Lernen 22, 190 Inspirationsraum 115, 212 Inszenierung 111f Integration von Flüchtlingen 39 Internationale Familienbibliothek 100 Jugendbibliothek Biblio Toyen Oslo 114 Jugendbibliothek Hoeb4U Hamburg 36 Jugendliche 32ff Kinder 24, 71f, 99, 107, 111, 121, 125, 153ff Kinder und Jugendliche 15, 25, 32ff, 48, 50, 74, 94, 100, 166ff, 184, 208 Kinderrechte 154f Kita 73, 156 Klanggeschichten Musikbücherei Hagen 159 Klassenführungen 24, 49, 50, 168, 173, 175, 207
Köln 121ff Kommunikationspolitik 209 Konsolenspiele 182 Kooperation Bibliothek - Erwachsenenbildung 26, 51, 83, 86, 89, 136, 178ff Kooperation Bibliothek– Schule 64, 72, 165ff, 210f Kooperationen 52, 72, 184, 207 Kultureinrichtung 20 Kulturelle Teilhabe vor Ort 158 Learning und Teaching Library 57ff, Lebenslanges Lernen 11, 22, 48, 190 Lebenspraktische Kompetenz 158 Lego WeDo 75 Lego-Education 76 Lehrkräfte 72 Lehrpläne 167 Leipzig 72 Leitbild 24ff, 206 Lernanimation 76 Lernatelier 180 Lernbegleitung 81ff, 183 Lernberatung 82ff, 183 Lerncoaching 81ff, 183 Lerncontainer 117 Lernen Älterer 190 Lernende Region 83 Lernklub international 85 Lernmedien 22, 24, 84, 85, 134, 146, 182 Lernort, Lernraum 13, 19ff, 62ff, 81, 97, 107ff, 115, 145, 173, 184, 203, 212 Lernstilmodelle 110f Lernstudio 52, 117, 180 Lerntreff Trier 140ff Leseförderung 33, 49, 97, 166 Lesepässe und –tagebücher 33 Lesepate/in 76 Leseplätze 113, 181 Leseprojektarbeit 76 Lesequiz 76 Lesestart – Drei Meilensteine für das Lesen 36 LeWis 84, 181 LinkINJob 85 Linz 26, 83, 84, 180, 181 Literaturförderung 97
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Literaturvermittlung 97 London 118 Ludwigsburg 26, 135, 136, 180, 182 Makerspace 52, 75, 100, 117, 121ff, 181, 212 Managementzielsystem 95 Mannheim 94 Mannheimer Unterstützungssystem Schule 98 Marler insel 180 Medien- oder Bibliotheksrallyes 33 Medien- und Informationskompetenz 33, 48, 49, 51, 58 ff, 97, 166, 182f, s.a. Information literacy Medienboxen 33, 76 Medienführerschein 76 Mediennutzung 33ff Melle 161 Migranten 20, 37ff Minecraft 76 Mit Worten wachsen 156 Mobile Anwendungen 135 Möblierung 108, 113, 143, 181 Munzinger 132 Musikbücherei Hagen 159 Musisch-ästhetische Bildung 155, 159 NAO-Roboter 126 Netzwerk, Vernetzung 54, 98, 136, 210 Netzwerkgesellschaft 9 Nicht das Gedachte lernen 160 Nichtnutzer 31 Nürnberg 26, 83, 86, 181 OER 136 Öffentliche Bibliothek (Stadtteilbibliothek) Würzburg-Hubland 114 Öffentliche Bibliothek Berlin-Mitte 160 Öffentliche Bibliothek Brilon 71 Öffentliche Bibliothek Buxtehude 161 Öffentliche Bibliothek Chemnitz 26 Öffentliche Bibliothek Dortmund (Stadt- und Landesbibliothek) 76 Öffentliche Bibliothek Georgsmarienhütte 161 Öffentliche Bibliothek Hagen (Musikbücherei) 159 Öffentliche Bibliothek Hamburg (Bücherhallen) 136
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Öffentliche Bibliothek Köln 121ff Öffentliche Bibliothek Leipzig 72 Öffentliche Bibliothek Ludwigsburg 26, 135, 136, 180, 182 Öffentliche Bibliothek Mannheim 94ff Öffentliche Bibliothek Melle 161 Öffentliche Bibliothek Nürnberg 26, 83, 86, 181 Öffentliche Bibliothek Trier 142 Öffentliche Bibliothek Trier 60, 140ff Öffentliche Bibliothek Unna 26, 87, 180 Öffentliche Bibliothek Warendorf 71 Öffentliche Bibliothek Westoverledingen 161 Öffentliche Bibliothek Wolfsburg 89 Öffentlichkeitsarbeit 21, 48, 209 Oldenburg 72 Onleihe 133, 182, 196 Open Educational Resources (OER) 136 Open innovation 211 Oslo 114 Partnerschaftsmanagement 207 Personalentwicklung 96 PISA 47, 94 Platzbedarf 113 Poetry Slam 76 Postmaterielle Gesellschaft 9 Produktpolitik 207 Quartiermanagement 196 Raum- und Zonierungskonzepte 107ff, Raumbedarf 113 Roboterisierung 9 Schau hin 36 Schu:Bi – Schule und Bibliothek 72 Schulbibliothek 53, 60, 109, 167, 173 Schulen 64, 72, 165ff, 210f Science Slam 76, 127 Selbstmarketing im Internet 124 Senioren 40ff, 189ff, Serious Game 76 Social Media (Soziale Medien )131, 135, 191, 194, 195, 197 Sommerleseclub 76 Soziale Medien (Social Media) 131, 135, 191, 194, 195, 197 Soziales Quartiermanagement 196
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Spiralcurriculum 51, 70ff, 167 Sprach- und Leseförderung 33, 49, 97 Sprache und Sprechen 156 Staatliche Fachstellen für Öffentliche Bibliotheken 167 Stadt- und Landesbibliothek Dortmund 76 Stadtbibliothek Berlin-Mitte 160 Stadtbibliothek Brilon 71 Stadtbibliothek Buxtehude 161 Stadtbibliothek Chemnitz 26 Stadtbibliothek Dortmund (Stadt- und Landesbibliothek) 76 Stadtbibliothek Georgsmarienhütte 161 Stadtbibliothek Hagen (Musikbücherei) 159 Stadtbibliothek Hamburg (Bücherhallen) 136 Stadtbibliothek Köln 121ff Stadtbibliothek Leipzig 72 Stadtbibliothek Ludwigsburg 26, 135, 136, 180, 182 Stadtbibliothek Mannheim 94ff Stadtbibliothek Melle 161 Stadtbibliothek Nürnberg 26, 83, 86, 181 Stadtbibliothek Trier 142 Stadtbibliothek Trier 60, 140ff Stadtbibliothek Unna 26, 87, 180 Stadtbibliothek Warendorf 71 Stadtbibliothek Westoverledingen 161 Stadtbibliothek Wolfsburg 89 Stadtteilbibliothek Würzburg-Hubland 114 Step IN 85 Studios 52, 117, 180 südpunkt Nürnberg 26, 86 Teaching Library 57ff, 180 Teilhabe 12
Thematische Medienboxen 33 Treffpunkt 115 Trier 60, 140ff Unna 26, 87, 180 Unterhaltung 51 Urban Mediaspace Aarhus 116 Vernetzung, Netzwerk 54, 98, 136, 210 Vier-Räume-Modell Vier-Räume-Modell 14, 115 Volkshochschule 20, 26, 51, 83, 85, 86, 88, 89, 98, 136, 140, 141, 178ff, 184 Warendorf 71 Weiterbildung 51, 178ff Westoverledingen 161 Wiki-Battle 76 Winterthur 59 Wissenschaftliche Bibliothek 57, 167 Wissensgesellschaft 9 Wissensturm Linz 26, 84, 180, 181 Wissensturm Linz 83 Wolfsburg 89 Würzburg-Hubland 114 Zentrum für Information und Bildung Unna 26, 87, 180 Zertifikatslehrgang Lerncoach 83 Zielgruppen Zielgruppen 49, 30ff, 206 Zielgruppensegmentierung 32ff, Zonierungskonzepte 107ff, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) Winterthur 59