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German Pages 664 [676] Year 1961
HOLLEMAN / RICHTE R
ORGANISCHE CHEMIE
LEHRBUCH DER ORGANISCHEN CHEMIE Begründet von
A. F. H O L L E M A N f Bearbeitet von
FRIEDRICH
RICHTER
37. — 41. durchgesehene und verbesserte Auflage mit 114 Figuren
WALTER D E G R U Y T E R & CO. vormals G. J. Göschen'sAe Verlagshandlung · J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer Karl J. Trübner · Veit & Comp.
B E R L I N 1961
© Copyright IMI by WALTER DE GETJYTER & CO., vormals Q.J. GGschen'Sehe Verla gibandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Belmer — Earl J. Trübner — Veit & Comp., Berlin W SO — Alle Bechte, auch die des ausxogswelsen Nachdrucks, der pbotomeohanlschen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen and der Übersetzung, vorbehalten — Archiv-Nr. 628201 — Printed In Germany — Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 30
Vorwort zur 37. — 41. Auflage Obwohl seit dem Erscheinen der letzten Áuflage kaum ein Jahr verflossen ist, konnte die vorliegende Ausgabe abermals an zahlreichen Stellen ergänzt und durch Aufnahme neuer Forschungsergebnisse bereichert werden. Einige dieser Angaben finden sich aus drucktechnischen Gründen am Schluß des Bandes unter „Nachträge". Allen Fachgenossen, die mich durch Hinweise oder Auskünfte unterstützt haben, sei wiederum bestens gedankt. Frankfurt am Main, Mai 1961 Friedrich
Richter
VI
Vorwort
Vorwort zur 1. Auflage Es ist nicht zu verkennen, daß die vorhandenen kurzen Lehrbücher der organischen Chemie zumeist ein sehr großes Tatsachenmaterial geben; die Zahl der Verbindungen, welche darin vorgeführt wird, ist oft jedoch so ansehnlich, daß sie nur verwirrend auf den Anfänger wirken kann. Dagegen tritt der Gedankeninhalt dieses Teiles der Chemie ebenso häufig zurück; die Begründung der Strukturformeln ζ. B. läßt manchmal viel zu wünschen übrig. Wie nützlich diese Bücher zum Nachschlagen auch sein mögen, so sind sie als L e h r b u c h zu dienen doch oft wenig geeignet, wie wohl mancher aus eigener Erfahrung weiß. In dem vorliegenden Buohe habe ich versucht, einerseits das Tatsachenmaterial einzuschränken und anderseits die Theorie mehr in den Vordergrund zu stellen. Daher ist für fast alle Verbindungen der Strukturbeweis geliefert. In der aromatischen Reihe jedoch war dies für die höher substituierten Verbindungen nioht durchführbar; deshalb werden die Methoden der Ortsbestimmung in dieser Reihe in einem besonderen Kapitel behandelt. An passender Stelle sind physikalisch-ohemische Theorien, ζ. B. die Gesetze der Esterifikation, die Ionisation u. a., eingeschaltet. Ebenso sind wichtige technische Prozesse, wie die Darstellung von Alkohol, Rohrzucker usw., nicht unerwähnt geblieben. Das Buch will also in erster Linie als Lehrbuch betrachtet werden, macht dagegen nicht Anspruch darauf, ein „Beilstein" in sehr verkürzter Gestalt zu sein. Ich schließe mit einem Wort aufrichtigen Dankes an den Herrn Verleger für die ausgezeichnete Sorge, welohe er dieser Ausgabe gewidmet hat. Groningen (Niederlande), Oktober 1898. A. F.
Holleman
Vorwort zur 19. Auflage Die vorliegende 19. Auflage von H O L L E M A N s Lehrbuch der organischen Chemie ist auf Wunsch des Verfassers und der Verlagsbuchhandlung von mir einer durchgreifenden Revision unterzogen worden. Da der Grundgedanke des Werkes, wie ihn H O L L E M A N 1898 im Vorwort zur ersten Auflage ausgesprochen hat, auch heute nooh volle Anerkennung verdient, so habe ich mich bemüht, an dem Aufbau des Lehrbuches, für dessen Beliebtheit die ungewöhnlich hohe Auflagenzahl Zeugnis ablegt, so wenig wie möglich zu ändern. Auch ist die organische Chemie von der lebhaften Entwicklung, in der sich ihre Nachbardisziplinen heute befinden, vorerst nicht in dem Maße befruchtet worden, daß eine völlige Neugestaltung des Werkes jetzt schon geboten erschiene. Ich habe mich deshalb vielfach darauf beschränkt, veraltete Anschauungen auszumerzen, offenkundige Fehler zu verbessern und die Fortschritte der letzten Jahre zu berücksichtigen. Darüber hinaus erwies es sich als notwendig, einige in den früheren Auflagen etwas stiefmütterlich behandelte Kapitel wesentlich zu erweitern. In erster Linie sind hiervon neben den isocyclischen Verbindungen die heterocyolischen Verbindungen betroffen worden, deren Umfang auf das Doppelte angewachsen ist. Auch
Vorwort
VU
das physiologisch-chemische Grenzgebiet ist seiner zunehmenden Wichtigkeit entsprechend etwas stärker als früher berücksichtigt worden. Um das Buch trotzdem nicht ungebührlich anschwellen zu lassen, habe ich vielfach eine etwas gedrängtere Form der Beweisführung gewählt, die, wie ich hoffe, auch in didaktischer Hinsicht eine Verbesserung bedeuten wird. Sodann habe ich manches ausgeschieden, was nicht nnbedingt in den Rahmen eines Lehrbuches der organischen Chemie gehört und worüber sich der Studierende bei der weiten Verzweigung unserer Disziplin heute doch zwangsläufig in Speziallehrbüchern orientieren muß. Besondere Mühe habe ich schließlich auch der Revision der physikalischen Konstanten gewidmet, von denen nur die derzeit besten Werte Berücksichtigung gefunden haben. Berlin, im April 1930. Friedrich
Richter
Vorwort zur 26. Auflage I n nicht abreißendem und fast unübersehbarem Strom ergießen sich seit einigen Jahren die Forschungsergebnisse der Kriegs- und Nachkriegszeit in die wissenschaftliche Literatur. Der Zuwachs an Kenntnissen ist auoh bei zurückhaltender Beurteilung achtunggebietend, die damit verbundene Weitung des allgemeinen Gesichtskreises nicht minder eindrucksvoll. Die 26. Auflage sucht dem bei zunächst noch unveränderter Anlage Rechnung zu tragen und ist wieder sorgfältig dem Stand der Forschung angepaßt. Fast auf jeder Seite wird der aufmerksame Leser entsprechenden Ergänzungen oder Änderungen begegnen. Sie erstrecken sich ebensowohl auf die organische Chemie klassischer Prägung, die mit der ihr eigenen Methodik und Intuition das Feld in unverminderter Lebenskraft beherrscht, wie auf ihre Verknüpfung mit physikalischtheoretischen und biochemischen Beziehungen, aus denen sie ständig neue Impulse von steigender Wichtigkeit erhält. Daß das Lehrbuch im vergangenen J a h r auf das nicht gerade häufige Ereignis eines 50jährigen Bestehens zurückblicken konnte, verdankt es wohl vornehmlich eben der Betonung des Grundsätzlichen und dem Streben nach Einheit der theoretischen Vorstellungen, auf denen das Wundergebäude der organischen Strukturchemie ruht. Kein Erbe, dessen Besitz nicht auch hier ständig neu erworben werden müßte. Der große Wandel in den Verfahren der Technik hat in der vorliegenden Auflage gleichfalls in vielen Beispielen seinen Niederschlag gefunden. Wie in den Vorjahren bin ich auch diesmal zahlreichen Fachgenossen, unter denen ich besonders Herrn Prof. OTTO B A Y E R hervorheben möchte, für wertvolle Ratschläge und Auskünfte zu Dank verpflichtet. F r a n k f u r t am Main, im Oktober 1949. Friedrich
Richter
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Vorwort
Vorwort zur 31. und 32. Auflage Trotz der kurzen seit der letzten Auflage verflossenen Zeitspanne machte der Fortschritt der Forschung im Grundsätzlichen und in der Vielfalt der Erscheinungen, aus denen gemeinsam sich erst das volle Bild der organischen Chemie rundet, wieder zahlreiche Verbesserungen und Ergänzungen möglich. Der Begründer des Lehrbuchs, A. F. H O L L K M A N , bekannt vor allem durch seine Forschungen auf dem Gebiet der Benzolsubstitution und der Prototropie der Nitroverbindungen, verstarb am 11. August 1953 im hohen Alter von 94 Jahren. Sein Andenken lebt in dem Lehrbuch weiter, dem er bis in die letzte Zeit sein Interesse bewahrt hatte. Frankfurt-Höchst, im Juli 1954. Friedrich
Richter
Vorwort zur 35. und 36. Auflage Die 35./36. Auflage wurde wiederum sorgfaltig durchgesehen und an vielen Stellen umgearbeitet. Eine lange hinausgeschobene Erweiterung des Umfangs ließ sich angesichts des ständigen Zustroms von neuen Erkenntnissen nicht mehr umgehen. Es bedarf kaum einer Begründimg, daß diese vor allem den Gebieten der Naturstoffchemie (z. B. Kohlenhydrate, Proteine, Terpene, Sterine, Nucleinsäuren, Alkaloide) zugute kam. Aber auch den zahlreichen Fortschritten der reinen Chemie wurde nach Möglichkeit Rechnung getragen. Theoretische Kapitel, Erörterungen von Reaktionsmechanismen und Exkursionen in die medizinischen und technologischen Grenzgebiete wurden wie bisher an geeigneten Stellen eingeschoben. Entsprechend dem Charakter des Buches stand der didaktische Zweck überall im Vordergrund. Die bewährte, stofforientierte Anlage wurde beibehalten. Sie kommt unter anderem den Bedürfnissen von Anfangern lind Fortgeschrittenen in gleicher Weise entgegen und erleichtert den Überblick über die außerordentliche Mannigfaltigkeit der Verbindungstypen. Besondere Sorgfalt wurde wiederum den Abschnitten über Nomenklatur und Systematik gewidmet. Ihre Kenntnis ist heute für jeden Studierenden, der Zugang zur Originalliteratur sucht, unerläßlich. Literaturhinweise sollen den Leser zu eigenem Studium und zur Orientierung über noch im Fluß befindliche Fragen anregen. Sie sind, entweder in Form von Autorennamen oder in Form vollständiger Zeitschriftenzitate, etwas häufiger als früher gebracht. Schließlich sei erwähnt, daß auch dem Formelsatz im Hinblick auf einen einheitlichen Symbolismus Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Frankfurt am Main, Februar 1960. Friedrich
Richter
Inhaltsübersicht Sette
Einleitung
1
Qualitative and quantitative Analyse organischer Verbindungen Bestimmung des Molekulargewichts Allgemeine Operationen Bestimmung der wichtigsten physikalischen Konstanten Einteilung der organisohen Chemie
3 6 8 14 17
Verbindungen der Fettreihe (acyollsche oder aliphatische Verbindungen) K o h l e n w a s s e r s t o f f e und Verbindungen m i t einer funktionellen Gruppe Gesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkane) Alkohole (Alkanole) Optische Aktivität Chemische Bindung Alkylhalogenide, Ester, Äther Meroaptane, Thioäther, Sulfonsäuren Alkyl gebunden an Stiokstoff Amine Nitroverbindungen Nitrile, Isonitrile Alkyl gebunden an Phosphor und Arsen Alkyl gebunden an Elemente der Kohlenetoffgruppe Metallorganische Verbindungen Moüooarbonsäuren (Fettsäuren) Derivate der Fettsäuren Oxoverbindungen (Aldehyde, Ketone) Aldehyde (Alkanale) Ketone (Alkanone) Ungesättigte Kohlenwasserstoffe Alkylene (Olefine) Ο,,Η^ Kohlenwasserstoffe C n H 2 n _ 2 Ungesättigte Halogenverbindungen Polyhalogenverbindungen Ungesättigte Alkohole Ungesättigte Amine Ungesättigte Monocarbonsäuren Ungesättigte Oxoverbindungen Verbindungen mit mehreren funktionellen Gruppen Mehrwertige Alkohole Glykole Glyoerin Vier- und höherwertige Alkohole
. .
19 19 32 41 43 60 57 61 61 66 69 70 71 72 74 86 96 102 110 112 112 130 140 142 146 148 149 166 160 160 160 164 170
X
Inhaltsübersicht
Mehrwertige Verbindungen, die Hydroxyl- oder Aminogruppen enthalten Gesättigte Dicarbonsäuren Ungesättigte Dicarbonsäuren Dreibaeische Säuren Halogencarbonsäuren Kohlensäurederivate Sohwefelderivate der Kohlensäure Hydroxysäuren Stereochemie der Weinsäuren Mehrwertige Aldehyde und Ketone Halogenierte Aldehyde Hydroxyaldehyde und Hydroxyketone Kohlenhydrate Monosaccharide Disaccharide Biochemie der Kohlenhydrate Enzyme Trisacoharide, Tetrasacoharide Polysaccharide . . . . * Aminozucker Oxocarbonsäuren (Aldehyd- und Ketonsäuren) Aminosäuren Eiweißstoffe (Proteine)
Seit«
171 174 184 190 191 193 201 204 213 226 230 231 234 234 254 261 266 272 273 281 283 291 304
Iaoeyellsehe Verbindungen Einleitung
322
A. Monocycllsche Verbindungen
323
1. Alioyolisohe V e r b i n d u n g e n
323
Cyclopropanverbindungen Cyclobutanverbindungen Cyolopentanverbindungen Höhere Cycloalkane
323 324 325 327
2. A r o m a t i s c h e V e r b i n d u n g e n Struktur des Benzols Aromatische Substitution Aromatische Kohlenwasserstoffe Monohalogenverbindungen Mononitroverbindungen Monosulfoneäuren Einwertige Phenole Monoaminoverbindungen Zwischenprodukte bei der Reduktion von Nitroverbindungen Phenylhydroxylamin Axoxy- und Azobenzol Hydrazobenzöl
330 331 338 343 347 349 350 352 355 359 360 361 362
Inhaltsübersicht
XI Seite
Diazoverbindungen Hydrazine Monooorbonsäuren Einwertige Aldehyde und Ketone Phosphor, lind Areenverbindungen Metallorganisohe Verbindungen Benzolhomologe mit substituierten Seitenketten Halogenverbindungen Nitroverbindungen Carbonsäuren Alkohole Amine
365 371 372 374 378 378 379 379 380 381 382 382
Verbindungen mit ungesättigter Seitenkette Zwei· und mehrfach substituierte Benzolderivate
382 384
Folyhalogenverbindungen Halogennitroverbindungen Polynitroverbindungen Substituierte Sulfonsäuren Substituierte Phenole Mehrwertige Phenole Chinone Substituierte Aniline Mehrwertige Amine Azofarbstoffe Substituierte Benzoesäuren Eenzoldioarbonsäuren (Phthalsäuren) Substituierte Aldehyde
385 385 386 387 387 389 395 400 403 404 413 419 421
3. H y d r o a r o m a t i s o h e Verbindungen Cyolohexanverbindungen Monocyclisohe Terpene Bioyolisohe Terpene Sesquiterpene, Polyterpene Carotinoide
426 426 432 439 446 450
B. Polycycllsche Verbindungen
452
1. N i o h t k o n d e n s i e r t e a r o m a t i s c h e Syeteme Biphenyl Triphenylmethan Triphenylmethyl Diphenyläthan
452 452 455 463 466
2. K o n d e n s i e r t e a r o m a t i s o h e Syeteme Naphthalin Anthraoen Phenanthren Fluoren Naphthacen Pyren, Pyranthron, Violan thron, Cioronen
467 467 476 483 485 485 485
XII
Inhaltsübersicht Seite
3. P o l y c y c l i s o h e h y d r o a r o m a t i s c h e Phenanthren-Äbkömmlinge Vitamine, Hormone Sterine Gallensäuren Digitalisglykoside Harzsäuren
487 487 491 499 499 600
Heterooyellsche Verbindungen 1. S a u e r s t o f f bzw. Sohwefel e n t h a l t e n d e Heterooyolen Furan Thiophen Pyrone, Anthooyane
503 504 606 508
2. S t i o k s t o f f e n t h a l t e n d e Hetcroeyclen Pyridin Pyrrol Imidazol, Pyrazol, Thiazol Sydnone Chinolin Isoohinolin Indol Áoridin und Carbazol Harnsäuregruppe Nucleinsäuren Phenazone Phenoxazine Thiazine Âlkaloide
514 514 522 532 539 540 545 545 552 553 559 565 566 568 570
G r u n d z ü g e der o r g a n i s c h - o h e m i s c h e n N o m e n k l a t u r I. Allgemeine Grundsätze II. Nomenklatur einiger wichtiger Funktionen und ihrer Derivate
596 596 609
E i n f ü h r u n g in das c h e m i s o h e S o h r i f t t u m , S y s t e m a t i k Verbindungen
der o r g a n i s o h e n 617
Nachträge und Berichtigungen
624
Register
632
Einleitung Der Begriff der „organischen Chemie" ist aus der chemischen Erforschimg der lebendigen Substanz des Pflanzen- und Tierreiches erwachsen. B E R Z E L I U S , der ihn in die chemische Literatur einführte1, verknüpfte ihn mit dem Begriff des Organs2. Er verglich den Organismus mit einer chemischen Werkstatt, in der die Organe die Rolle von Instrumenten zur Erzeugung lebenswichtiger Produkte spielen. Die organische Chemie bedeutete für ihn die Wissenschaft, die die chemische Zusammensetzung des lebenden Körpers und die darin vor sich gehenden Prozesse beschreibt. Den gleichen Gedanken brachte L. G M E L I N , der 1 8 1 9 als erster die Chemie der organischen Verbindungen zusammenfassend behandelte3, zum Ausdruck: „Sie beschäftigt sich vorzüglich mit den chemischen Verhältnissen der einzelnen näheren Bestandteile des organischen Reichs." Die organische Chemie bildete also ursprünglich einen Teil der Physiologie, und zwar denjenigen Teil, den wir heute als chemische Physiologie bezeichnen würden. Diese uns fremd gewordene Begriffsbestimmung hängt mit den damaligen theoretischen Vorstellungen eng zusammen. Lange Zeit hindurch war man nämlich der Meinung, daß die chemischen Verbindungen, die in Pflanzen und Tieren vorkommen, unter dem Einfluß einer besonderen geheimnisvollen Kraft, der Lebenskraft, erzeugt würden und außerhalb des Organismus nicht künstlich darstellbar seien. Die künstliche Gewinnung von Harnstoff aus Ammoniumcyanat „ohne Nieren" durch W Ö H L E B ( 1 8 2 8 ) war zwar eine von der Nachwelt gefeierte Entdeckung. Sie wurde jedoch von W Ö H L E B selbst 4 nicht in ihrer vollen Bedeutung erkannt (was damals auch kaum möglich war) und blieb ohne Eindruck auf die Zeitgenossen. Schon vor 1828 waren zwei andere Synthesen beschrieben worden, die a m R a n d e der organischen Chemie standen. SCHEELE ( 1 7 4 2 bis 1 7 8 6 ) stellte 1 7 8 3 durch Glühen von Pottasche, Holzkohle und Salmiak Kaliumcyanid dar, und WÖHLEB beschrieb 1 8 2 4 die Gewinnung von Oxalsäure aus Cyan. Aber beide Reaktionen boten f ü r die damalige Zeit nichts Auffallendes. Denn B l a u s ä u r e galt als anorganische Verbindung, und Oxalsäure, die man noch als C 2 0 3 formulierte, wurde jedenfalls nicht als organische Verbindung im eigentlichen Sinn angesehen. 1 8 4 5 folgte die Synthese der Essigsäure durch K O L B E , 1 8 6 0 beschrieb B E R T H E L O T in seinem großen Werk „ L a chimie organique fondée sur la synthèse" bereits zahlreiche synthetische Darstellungen von Kohlenwasserstoffen, Alkoholen, Fetten usw. So bildete sich allmählich die Einsicht, daß für die Entstehung und die Umwandlungen der chemischen Verbindungen in der belebten und unbelebten Natur die gleichen Gesetze gelten. Heutigentags wird diese Tatsache besonders eindrucksvoll durch die glänzenden Synthesen veranschaulicht, durch die in der chemischen Industrie organische Verbindungen in größtem Maßstabe aus einfachsten Rohstoffen und zum Teil direkt aus den Elementen aufgebaut werden. 1 I n den Vorlesungen über Tierchemie (Stockholm 1806). Schon vor BERZELIUS findet sich die Bezeichnung „organische Chemie" in den nachgelassenen Aufzeichnungen des Dichters N O V A L I S , der sie vielleicht von dem Naturphilosophen SCHELLING übernommen hat. 1 Lehrbuch der Chemie, 3. Aufl., übersetzt von F. WÖHLER, Bd. III, 1. Hälfte S. 138 (Dresden 1827). » Handbuch der theoretischen Chemie, B d . I I I , S. 935 (Frankfurt a. M. 1819). 4
O . WALLACH, B r i e f w e c h s e l z w i s c h e n J . BERZELIUS u n d F . WÖHLER, B d . I [ L e i p z i g
S. 208; s. auch MCKIE, Nature 163, 608 (1944).
H o l l e m a n - R l c h t e r , Organische Chemie. 37. — 41. Auflage
1
1901],
2
Einleitung
Durch diese Synthesen ist die früher gemachte prinzipielle Unterscheidung zwischen organischen und anorganischen Verbindungen hinfällig geworden. Trotzdem hat man aus gleich zu erörternden Gründen an den alten Bezeichnungen festgehalten und nur durch eine schärfere Begriffsbestimmung dem Fortschritt der Erkenntnis Rechnung getragen. Die Beobachtung, daß alle im pflanzlichen und tierischen Organismus vorkommenden organischen Verbindungen Kohlenstoff enthalten, führte dazu, die organische Chemie als die „Chemie der Kohlenstoffverbindungen" zu definieren (GMELIN, KOLBE, KEKULÉ).
Mit dieser neuen Definition war folgerichtig eine allmähliche Loslösung der organischen Chemie von ihren Nachbarwissenschaften, wie Medizin und Pharmazie, verbunden. Durch die bahnbrechenden Arbeiten von LIEBIG (1803—1873) und WÖHLER (1800—1882) in Deutschland, von BERZELIUS (1779—1848) in Schweden, von GAYLÜSSAC (1778—1850), DUMAS (1800—1884), LAURENT (1807—1853) u n d GERHARDT (1816—1856) in Frankreich entwickelte sich die organische Chemie rasch zu einer
selbständigen Wissenschaft, und der Umfang des von ihr zutage geförderten Materials wuchs in einem erstaunlichen Maße. Es ist nicht zu verwundern, daß über der Fülle der neuen Forschungsobjekte das ursprüngliche Ziel der organischen Chemie, die Erforschung der Substanzen in der lebenden Natur, wenn auch nicht gänzlich vergessen wurde, so doch zeitweilig in den Hintergrund treten mußte. Heute ist das Gebiet der organischen Chemie so weit ausgebaut, daß die Anwendung der gewonnenen Erfahrungen auf die Erforschung der lebenden Materie wieder zu ihren vornehmsten Aufgaben gehört. Obwohl nun die ursprüngliche Scheidewand zwischen anorganischer und organischer Chemie längst niedergerissen ist, ist es auch jetzt noch zweckmäßig, die Kohlenstoffverbindungen als „Organische Verbindungen" getrennt von den Verbindungen der anderen Elemente zu behandeln. Denn der Kohlenstoff zeichnet sich dadurch aus, daß er imstande ist, sich durch seine 4 Bindungseinheiten mit zahlreichen weiteren Kohlenstoffatomen zu sehr beständigen Kohlenstoffketten und -ringen zu vereinigen und namentlich auch Wasserstoff sehr fest zu binden. Auch bei den nächsten Verwandten des Kohlenstoffs, dem Bor und dem Silicium, sind diese Eigenschaften nur noch in sehr geringem Grade vorhanden. Es ist deshalb verständlich, daß die Zahl der bekannten Kohlenstoffverbindungen die Zahl der Verbindungen aller anderen Elemente weit übertrifft : man kennt heute etwa 600000 organische gegenüber etwa 50000 anorganischen Verbindungen. Bei der geringen Anzahl der außer Kohlenstoff an dem Aufbau organischer Verbindungen beteiligten Elemente — es sind im wesentlichen immer nur Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel — ist diese erstaunliche Fülle von Verbindungen nur auf Grund einer Erscheinung möglich, die man als „Isom e r i e " bezeichnet. Sie besteht darin, daß in Verbindungen der gleichen Elementarzusammensetzung die Elemente in sehr verschiedener Art miteinander verknüpft sein können. So kennt man von der Formel C9H10O3 bereits über 100 Verbindungen, die sich durch ihr physikalisches und chemisches Verhalten scharf voneinander unterscheiden. In der anorganischen Chemie fehlt diese Erscheinung fast ganz. Außer der Vielzahl der Kohlenstoffverbindungen sprechen aber auch methodische Gründe für eine gesonderte Behandlung der organischen Chemie. Die Sonderstellung des Kohlenstoffs gegenüber den anderen Elementen spiegelt sich auch im physikalischen und chemischen Verhalten seiner Verbindungen. Die meisten organischen Verbindungen lösen sich nicht in Wasser, sind Nichtelektrolyte und reagieren bei chemischen Umsetzungen entsprechend langsam. Im Gegensatz zu der Mehrzahl der anorganischen Verbindungen sind sie auch thermisch wenig beständig, so daß Zerfall und Umbau bei
Qualitative und quantitative Analyse organischer Verbindungen
3
höheren Temperaturen die Regel sind 1 . Für die Untersuchung der Kohlenstoffverbindungen müssen daher andere Methoden angewandt werden, als sie bei anorganischen Stoffen gebräuchlich sind.
Qualitative und quantitative Analyse organischer Verbindungen Bereits L A V O I S I E R ( 1 7 4 3 — 1 7 9 4 ) fand, daß in der Mehrzahl der Kohlenstoffverbindungen nur wenige Elemente vorkommen, nämlich K o h l e n s t o f f , W a s s e r s t o f f , S a u e r s t o f f und S t i c k s t o f f . Verbindungen mit H a l o g e n e n sind weniger häufig, noch geringer ist die Zahl der S c h w e f e l oder P h o s p h o r enthaltenden Substanzen. Verbindungen von Kohlenstoff mit anderen als den genannten Elementen existieren nur in verhältnismäßig kleiner Anzahl. Von einigen Elementen sind Verbindungen mit Kohlenstoff überhaupt nicht bekannt. Die qualitative Analyse organischer Verbindungen kann nur den Charakter einer ersten orientierenden Vorprobe haben. Meist wird man sich auf den Nachweis der Anwesenheit oder Abwesenheit eines der wenigen in Frage kommenden Elemente beschränken. F a s t stets wird die Verbindung zunächst durch Oxydation zerschlagen (verbrannt), indem m a n sie mit einem Oxydationsmittel, meist Kupferoxyd, erhitzt. Hierbei oxydiert der Sauerstoff des Kupferoxyds den Kohlenstoff zu Kohlendioxyd, das an der Trübung von Kalkwasser erkennbar ist, und den Wasserstoff zu Wasser. Etwa vorhandener Stickstoff entweicht als Gas in Form von Stickstoff (meist über 80% des Gesamt-Stickstoffs) und Stickoxyden. E n t h ä l t die organische Verbindung Schwefel, Phosphor oder Halogene, so k a n n man sie im zugeschmolzenen Rohr mit Salpetersäure oxydieren (unter Zusatz von Silbernitrat im Fall der Halogene) und erhält dann Schwefelsäure, Phosphorsäure bzw. Halogensilber. Oft erweist sich die Oxydation mit Natriumperoxyd als ein sehr brauchbares Verfahren. Organisch gebundener Stickstoff kann vielfach durch Erhitzen der Substanz mit Natronkalk oder konzentrierter Schwefelsäure in Ammoniak übergeführt werden. Eine andere vielbenutzte, von L A S S A I G N E stammende Methode zum Nachweis des Stickstoffs besteht darin, daß man den zu untersuchenden Stoff mit einem Stückchen Natrium oder Kalium in einem engen Reagenzröhrchen aus schwer schmelzbarem Glas („Glühröhrchen") erhitzt. Ist die Verbindung stickstoffhaltig, so entsteht dabei Alkalicyanid, das sich durch Überführen in Berlinerblau leicht erkennen läßt. Die Halogene Chlor, Brom und J o d werden beim Glühen der Substanz mit Calciumoxyd in Calciumhalogenid übergeführt. Eine sehr empfindliche Methode, um Chlor und Brom nachzuweisen, ist die BEiLSTEiNsche Probe. Man bringt eine geringe Menge des Stoffes zusammen mit Kupferoxyd in die nichtleuchtende Flamme des Bunsenbrenners. Dabei entsteht Kupferhalogenid, durch dessen Dampf die Flamme prächtig grün gefärbt wird. Beide Methoden können immer angewandt werden. Schwefel läßt sich durch Erhitzen der Verbindung mit einem Stückchen Natrium in einem Glühröhrchen nachweisen. Hierbei bildet sich Natriumsulfid, das sich durch sein Verhalten gegen Bleiacetat oder gegen Nitroprussidnatrium leicht erkennen läßt. 1 Einige einfachere Verbindungen, die sich durch geringen Kohlenstoffgehalt, Felden von Wasserstoff und salzartigen Charakter auszeichnen, verhalten sich nicht wie typische KohlenstoffVerbindungen. Kohlensäure und ihre Salze, die Carbonate, Kohlenoxyd und zahlreiche Carbide werden deshalb in der anorganischen Chemie abgehandelt. Auch Harnstoff und Phosgen haben zwar wegen ihrer zahlreichen Wechselbeziehungen mit organischen Verbindungen ihren Platz in der organischen Chemie, stehen aber nach ihrer Zusammensetzung anorganischen Verbindungen sehr nahe.
1»
Qualitative und quantitative Analyse organischer Verbindungen
4
Auch die quantitative Analyse fußt in der organischen Chemie im wesentlichen auf der Oxydation, wenn man von den zahlreichen Spezialbestimmungen funktioneller Gruppen absieht. Die Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff wird stets in einer Operation ausgeführt. Das heute noch dafür angewandte Verfahren der Verbrennung der Substanz mit Kupferoxyd, die sogenannte E l e m e n t a r - A n a l y s e , stammt ursprünglich von GAY-LUSSAC. E r s t LIEBIG 1 hat ihm jedoch diejenige Form gegeben, die es zu einem allgemein anwendbaren und unentbehrlichen Werkzeug der organischen Chemie gemacht h a t . Die Elementar-Analyse 2 h a t im Lauf der historischen Entwicklung noch mancherlei Verbesserungen erfahren und wird heute meist in folgender Weise ausgeführt. Man vergast in einem horizontal liegenden Verbrennungsrohr die in einem Schiffchen befindliche Substanz durch Erhitzen im Sauerstoffstrom, der frei von Wasserstoff, Wasser und Kohlendioxyd sein muß, und leitet die Dämpfe bei Rotglut (etwa 700°) über Platindrahtnetz oder Kupferoxyd, die die Verbrennung zu Kohlendioxyd und Wasser katalytisch beschleunigen. Die aus dem Verbrennungsrohr abziehenden Gase leitet man durch zwei Absorptionsröhrchen, in denen das Wasser durch Magnesiumperchlorat, das Kohlendioxyd durch Natronasbest zurückgehalten wird. Die Gewichtsdifferenz der beiden Röhrchen vor und nach der Verbrennung ergibt die Menge des Wassers und Kohlendioxyds. E n t h ä l t die Analysensubstanz noch Stickstoff, Schwefel oder Halogen, so bilden sich bei der Verbrennung auch Stickstoff und Stickoxyde, Oxyde des Schwefels und Halogene, die ebenfalls eine Gewichtszunahme der Absorptionsgefäße hervorrufen würden. Sie müssen deshalb vorher beseitigt werden, ohne daß dadurch Verluste a n Wasser oder Kohlendioxyd eintreten. F ü r die Bindung von Halogen und Schwefel verwendet man metallisches Silber bei 200°. Stickoxyde können durch metallisches Kupfer zu Stickstoff reduziert werden. Doch muß man dann zur Schonung des Kupfers in Gasströmen geringen Sauerstoffgehalts, ζ. B. Luft, verbrennen. I n der Regel bindet man die Stickoxyde über Blei(IV)-oxyd bei 180—200° als basisches Bleinitrat. Da jedoch Blei(IV)-oxyd die Präzision der Resultate oft ungünstig beeinflußt, ist man teilweise dazu übergegangen, die Stickoxyde in einem zwischen Wasserund Kohlendioxyd-Absorptionsröhrchen geschalteten Blasenzähler in reiner konz. Schwefelsäure zu absorbieren. Von Zeit zu Zeit werden die Stickoxyde aus der entstandenen Nitrose durch Erhitzen auf 150° weggekocht. Es ist auf die geschilderte Weise möglich, in demselben Rohr sehr viele Analysen hintereinander auszuführen, ehe ein Wechsel der Rohrfüllung nötig wird. Fig. 1 und 2 zeigen zwei übliche Beschickungen des Verbrennungsrohrs f ü r eine C—Η-Bestimmung, Fig. 3 den Aufbau der gesamten Apparatur in ihrer einfachsten Form. Λ.
CuO
Ag-Wolle
OuaramUe\0uarmoHe\
Substanz
Fig. 1 \As\m%
t\*a
PbCrO,
CuO
Substanz
Fig. 2 1
Geboren 12. Mai 1803 in Darmstadt, gestorben 18. April 1873 in München. Er studierte in Bonn, Erlangen und Paris, wurde schon 1824 Professor in Gießen und wirkte von 1852 bis zu seinem Tode in München. Seine Bedeutung für die Entwicklung der organischen und physiologischen Chemie sowie der Agrikulturchemie ist außerordentlich. Es sei nur an seine grundlegenden Arbeiten über die Knallsäure, Chloral, Amygdalin und die alkoholische Gärung erinnert. Vgl. die große Biographie von J. VOLHARD (Leipzig 1909) sowie den Briefwechsel mit WÖHLER, herausgegeben v o n A . W. v . HOFMANN (Braunschweig 1888). 2
Verbrennung im leeren Rohr: INGRAM, Chemistry and Industry 195C, 103.
Qualitative und quantitative Analyse organischer Verbindungen
α Absorptionsrôhrchen 6 1 Gasheizung oder e / elektrische Heizung
5
d Substanz e Blasenzähler und Trockenrohr
Da das Gewicht der Rohrfüllung unverhältnismäßig viel größer als die Substanz Einwaage ist, die 4 mg bei der Mikroanalyse, 20—30 mg bei dem sog. „Halbmikro-Verfahren" beträgt 1 , muß man mit sehr reinen Materialien arbeiten und das Rohr mit der Füllung vor der ersten Analyse gründlich in einem getrockneten Gasstrom (Sauerstoff oder Luft) durchheizen, um die letzten Spuren von Wasser und verbrennlicher organischer Substanz zu entfernen. Dann wird das Schiffchen mit der Substanz eingeführt und die Verbrennung der Substanz im Sauerstoffstrom durch vorsichtiges Erhitzen mit freier Flamme bewerkstelligt. Meist ist heute auch dieser Teil der Operation durch Verwendung einer beweglichen elektrischen Heizung mit Motorantrieb völlig automatisiert. Die durch Normalschliffe mit der Apparatur verbundenen Absorptionsrôhrchen können offen gewogen werden, da die Diffusion durch die kapillaren Zuführungsrohre nur recht langsam erfolgt. Stickstoff in stickstoffhaltigen Substanzen kann nach D U M A S in der gleichen Apparatur bestimmt werden. Zur Zersetzung der Stickoxyde kommt aus naheliegenden Gründen nur metallisches Kupfer in Frage. Man verbrennt die Substanz, die in diesem Fall innig mit Kupferoxyd gemischt wird, in einem Strom von luftfreiem Kohlendioxyd (Rohrfüllung siehe Fig. 4, S.6) und fängt die Verbrennungsgase unter Weglassung der Absorptionsgefäße für C0 2 und H 2 0 in einem mit 50°/oiger Kalilauge gefüllten graduierten Meßrohr („Azotometer") auf (Fig. 5). Hierbei werden alle Abgase von der Kalilauge absorbiert mit Ausnahme des Stickstoffs, der auf diese Weise direkt volumetrisch gemessen werden kann. Die Bestimmung des Stickstoffs erfolgt also getrennt von der Bestimmung des Kohlenstoffs und Wasserstoffs. Verfahren zur gleichzeitigen Bestimmung dieser Elemente in einem einzigen Arbeitsgang sind bekannt, aber wenig verwendet. In vielen Fällen kann man zur Bestimmung des Stickstoffs die Methode von K J E L anwenden. Sie besteht in der Überführung des Stickstoffs der organischen Substanz in Ammoniak durch Kochen mit konzentrierter Schwefelsäure unter Zusatz von Quecksilberoxyd, Selen und Kupfersulfat als Sauerstoffüberträger. Meist wird die Masse zuerst durch Verkohlung schwarz; bei fortgesetztem Erhitzen erhält man jedoch eine farblose, klare Lösung. Der Kohlenstoff ist dann durch den Sauerstoff der Schwefelsäure völlig oxydiert. Nach Erkalten der Lösung verdünnt man mit Wasser, setzt überschüssige Lauge zu und bestimmt das Ammoniak in bekannter Weise durch Destillation. DAHL
1 LAVOISIER verwendete 1788 für die (mißglückte) Elementaranalyse von Rohrzucker mit Quecksilberoxyd die auch für damalige Zeiten hohe Einwaage von 50 g.
6
Qualitative und quantitative Analyse organischer Verbindungen
Dieses einfache Verfahren findet insbesondere zu Serienbestimmungen ausgiebige Anwendung. Bei Nitroso-, Nitro- und Azoverbindungen wird jedoch ein Teil des Stickstoffs nicht in Ammoniak verwandelt, sondern in elementarer Form entbunden. Dieser muß also im Azotometer gesondert bestimmt weiden, wenn man richtige Resultate erhalten will. Eine elegante, auf dem Prinzip der katalytischen Hydrierung beruhende Methode zur Stickstoff-Bestimmung verdankt man T E R M E U L E N . Die Substanz wird mit feinem Nickelpulver (mit 10% Th0 2 aktiviert) vermischt und in einem Wasserstoffstrom erhitzt. Die mit Wasserstoff gemischten Dämpfe streichen danach über Nickelasbest. Der Stickstoff wird so quantitativ in Ammoniak übergeführt, das durch Titrieren bestimmt wird.
Halogene kann man nach der Methode von C A R I U S bestimmen. Die Substanz wird dabei mit rauchender Salpeter-
Cu 0
Cu
Cu 0
Substanz
* Cu ΰ
Fig. 4
CuO
Fig. 5
säure und Silbernitrat in einem zugeschmolzenen Glasrohr („Schießrohr") unter Druck auf 250—300° erhitzt. Das entstandene Silberhalogenid wird gewogen. Bequemer ist jedoch die Oxydation mit Natriumperoxyd in einer kleinen Stahlbombe nach P A R R W U R Z S C H M I T T , mitunter auch die direkte Verbrennung der im Sauerstoffstrom vergasten Substanz in einer Leuchtgasflamme und geeignete Titration des in vorgelegter Natronlauge gebildeten Halogen-Ions. Auch Umsetzung mit Natrium in flüss. Ammoniak + Äther bis zum Auftreten einer blauen Färbung kann zur Freisetzung des Halogens dienen. Die Oxydation mit Salpetersäure nach CARITJS oder mit Natriumperoxyd kann ferner zur Bestimmung von Schwefel, Phosphor usw. angewandt werden1. Der Sauerstoff organischer Substanzen läßt eich nach den Verfahren von B Ü R G E R und sehr genau quantitativ bestimmen, indem man die Substanz im Stickstoffstrom bei 1120° über Kohlenstoff zersetzt. Der Sauerstoff erscheint dann quantitativ als Kohlenoxyd, das mit Jodpentoxyd Kohlendioxyd und Jod gibt, die in üblicher Weise bestimmt werden können. Auch Wasser kann in dieser Weise durch Überführung in Kohlenoxyd bestimmt werden, so daß das C/H-Verhältnis ohne Einwaage ermittelt werden kann (UNTERZAUCHER). UNTERZAUCHER
Bestimmung des Molekulargewichts Die Analyse lehrt nur die „empirische" Formel, auch Summenformel oder Bruttoformel genannt, dagegen noch nicht die Molekularformel einer Verbindung kennen: eine Verbindung der Formel CoH&O,. hat die gleiche prozentuale Zusammensetzung wie eine Verbindung (CaH(,Oc)n. Hat man also die quantitative Zusammensetzung einer Verbindung ermittelt, so ist noch ihr Molekulargewicht zu bestimmen. Auf rein chemischem Wege lassen sich bereits Anhaltspunkte für die untere Grenze des Molekulargewichts gewinnen. Die empirische Formel des Benzols ζ. B. ist CH. Aus Benzol erhält man nun leicht eine Verbindung CeH8Br, in der ein Sechstel des Wasserstoffs durch Brom ersetzt ist und die sich wieder zu Benzol reduzieren läßt. Hieraus folgt, daß dem Benzolmolekül wenigstens die Formel CeH„ zukommt. Sie wird jedoch auch C12H12 oder allgemein (CeHe)n sein können. 1 Eine ausführlichere Beschreibung der hier nur kurz behandelten analytischen Methoden findet man in GATTERMANNS Praxis des organischen Chemikers, 3 8 . Aufl. von Th. W I E L A N D (Berlin 1 9 5 8 ) . Siehe auch C.WEYGAND, Organisch-chemische Experimentierkunst, 2. Aufl. (Leipzig 1948).
Bestimmung des Molekulargewichts Eine untere Grenze für das Molekulargewicht gibt auch das von L A U R E N T entdeckte „Gesetz der paaren Atomzahlen", das wir heute als eine einfache Konsequenz der Vierwertigkeit des Kohlenstoffs betrachten. Wenn sich nämlich η Kohlenstoffatome miteinander zu einer Kette vereinigen, so verbraucht jedes dazu 2 seiner Bindungseinheiten, mit Ausnahme der beiden endständigen Atome, die nur 1 Bindungseinheit verbrauchen. Insgesamt werden also 2η — 2 Bindungseinneiten verbraucht, und 2n + 2 bleiben übrig. Diese Zahl ist durch 2 teilbar, also eine gerade Zahl, und deshalb muß auch die Summe der ungeradwertigen Elemente (Wasserstoff, Halogene, Stickstoff, Phosphor), die an Kohlenstoff gebunden sind, stets eine gerade Zahl sein. Eine Verbindung der empirischen Zusammensetzung CjH^O^N muß also mindestens das doppelte Molekulargewicht C 6 H 4 0 4 N J besitzen. Der hier gegebene Beweis läßt sich leicht für alle denkbaren Verbindungstypen verallgemeinern.
U m das Molekulargewicht zu ermitteln,, muß man daher physikalische Methoden anwenden. Sie beruhen in der Regel auf der Ermittlung des spezifischen Gewichts im Gaszustand (Gas- oder Dampfdichte) oder bei verdünnten Lösungen auf der Bestimmung des osmotischen Drucks oder meßbarer Eige Schäften, die mit ihm in theoretischem Zusammenhang stehen. In geeigneten Fällen stehen heute aber noch zahlreiche andere Verfahren zur Verfügung. Die t h e o r e t i s c h e n G r u n d l a g e n sowie die praktische Ausführung der Molekulargewichtsbestimmung nach den genannten Methoden, von denen besonders die kryoskopische und ebullioskopische Methode nach B E C K M A N N von Wichtigkeit sind, findet man in den Lehrbüchern der physikalischen Chemie. In praktischer Hinsicht steht die kryoskopische Molekulargewichtsbestimmung an erster Stelle. Hervorgehoben sei hier noch folge des. Die gefundene Gefrierpunktserniedrigung (bzw. Siedepunktserhöhung) ist Δ =
Κ
c M
wo Μ das Molekulargewicht der untersuchten Substanz, c die Konzentration in g für 100 g Lösungsmittel, Κ die kryoskopische (bzw. ebullioskopische) Konstante des Lösungsmittels bedeutet. Die Gesetze des osmotischen Drucks gelten streng nur für große Verdünnung. Will man also das genaue M berechnen, so müßte man die Gefrierpunktserniedrigung einer äußerst verdünnten Lösung ermitteln. Da dies aber praktisch undurchführbar ist, muß man von endlichen Konzentrationen auf Null extrapolieren (Fig. 6). B E C K M A N N und E I J K M A N haben für eine große Anzahl von Fällen gezeigt, daß die so erhaltene Kurve annähernd eine Gerade ist. Nur, wenn die gelöste Substanz stark „assoziiert" ist (S. 34), wie es ζ. B. für organische Säuren in Benzollösung der Fall zu sein pflegt, erhält man stärker gekrümmte Kurven.
Po
Λ
P2
P3
Prozente
Fig. β
Als Lösungsmittel kommen für die Bestimmung der Gefrierpunktserniedrigung namentlich die auf S. 8 aufgeführten in Betracht. Von diesen sind neben Phenol namentlich die letzten fünf sehr geeignete Lösungsmittel, weil sie nicht hygroskopisch sind, weil ferner ihr Schmelzpunkt höher als die Zimmertemperatur liegt, so daß keine Eiskühlung erforderlich ist, und endlich, weil die Konstante einen sehr hohen Wert hat. Besondere hoch ist die molekulare Gefrierpunktserniedrigung für Campher. Da diese Substanz in geschmolzenem Zustand ein ausgezeichnetes Lösungsmittel für sehr viele Verbindungen ist, stellt sie ein hervorragendes Mittel zu Molekulargewichtsbestimmungen dar (JOUNIAUX, JEFREMOW). Zur Bestimmung der Depression genügt in diesem Fall ein in ganze Grade geteiltes Thermometer. B A S T hat gezeigt, daß man sogar mit einem gewöhnlichen Schmelzpunktsapparat genaue Werte erhalten kann.
8
Allgemeine Operationen
Lösungsmittel
Schmelzpunkt
Molekulare Gefrierpunktserniedrigung 1 gefunden
Wasser Eisessig Benzol Nitrobenzol Phenol Naphthalin Urethan Stearinsäure p-Toluidin Campher
0° + 16-6 5-5 5-8 41 80 1 48-2 69 43-6 179
18-6 39 51 69 72—75 69 51 44—45 54 396
berechnet 18-6 380 50-7 69 781 69-4 50 47 51 407
Die molekulare Siedepunktserhöhung ist im allgemeinen kleiner als die molekulare Gefrier· punktserniedrigung, wie folgende Tabelle zeigt:
Lösungsmittel
Molekulare Siedepunktserhöhung 1
Siedepunkt 100° 34-6 78-3 80-2 61 -2 56 1
Wasser Äther Äthylalkohol Benzol Chloroform Aceton
gefunden
berechnet
5·2 21-6 116 26-4 380 17-3
5-2 220 11-8 26-4 37-7 17-2
Die in den vorstehenden Tabellen als berechnet angegebenen Zahlen sind mittels der VAN'Τ 0 · 02 Γ 2 sehen Formel Κ = ψ — gefunden, in der Κ die molekulare Gefrierpunktserniedrigung
HOFF
bzw. die Siedepunktserhöhimg (für 1 Mol in 100 g Lösungsmittel) darstellt, Τ die absolute Temperatur des Schmelz- (bzw. Siede-)Punktes und W die Schmelz- (bzw. Verdampfungs-)Enthalpie in cal/g Lösungsmittel. Die Gleichung läßt sich durch Kombination des RAOULTSchen Gesetzes mit der ÜLAUSius-CLAPEYRONschen Dampfdruckgleichung leicht ableiten.
Allgemeine Operationen Bevor wir auf die organischen Verbindungen näher eingehen, erscheint es zur Vermeidung von Wiederholungen zweckmäßig, eine kurze Übersicht über einige Operationen zu geben, die bei der Darstellung und Untersuchung organischer Substanzen eine wichtige Rolle spielen und auch in theoretischer Hinsicht bemerkenswert sind. Ausführlichere Angaben findet man in den Praktikumsbüchern der organischen Chemie2. Neben der Kristallisation aus geeigneten Lösungsmitteln ist die Destillation3 das am meisten angewandte Hilfsmittel zur Reinigung organischer Substanzen, sei es, daß man auf diese Weise die zu reinigende Substanz von einer nicht flüchtigen Beimengung abtrennt, sei es, daß man die Unterschiede in der Flüchtigkeit der Bestandteile eines Gemisches zu einer fraktionierten Destillation (s. u.) ausnutzt. Viele Stoffe, die sich beim Sieden unter Atmosphärendruck zersetzen, lassen sich unter vermindertem Druck unverändert destillieren, weil dann der Siedepunkt viel niedriger ist. Für 1 Mol, gelöst in 100 g Lösungsmittel. * Vgl. vor allem GATTERMANN-WIELAND, Die Praxis des organischen Chemikers 38. Aufl. (Berlin 1 9 5 8 ) ; W E Y G A N D , Organisch-chemische Experimentierkunst, 2 . Aufl. (Leipzig 1 9 4 8 ) . 1
3
Vgl. G. KORTÜM, H . BUCHHOLZ-MEISENHEIMER,
traktion von Flüssigkeiten (Berlin 1962).
Die Theorie der Destillation und E x -
9
Destillation
Eine geeignete Apparatur ist in Fig. 7 abgebildet. Die zu destillierende Flüssigkeit befindet sich in einem Kolben nach CLAISEN. In die Flüssigkeit taucht ein zu einer Kapillare ausgezogenes Glasrohr, durch das während des Evakuierens fortgesetzt kleine Luftbläschen eintreten; auf diese Weise wird das beim Sieden unter vermindertem Druck mitunter sehr heftige „Stoßen" der Flüssigkeit vermindert. Die Dämpfe werden nach dem Passieren eines Kühlers in der Vorlage kondensiert, die ihrerseits mit einem Manometer und der Wasserstrahlpumpe in Verbindung steht. Es empfiehlt sich, die Verbindungsröhren zwischen Kolben und Vakuum nicht zu eng zu wählen, weil man sonst mit Dampfstauungen und einem beträchtlichen Druckgefälle zwischen Kolben und Manometer zu rechnen hat. Der Druck im Kolben kann dann um mehrere Millimeter höher sein, als das Manometer anzeigt. Die Nichtbeachtung dieser Vorsichtsmaßregel hat viele ungenaue Siedepunktsbestimmungen zur Folge gehabt. Viele Substanzen, die sich auch im Vakuum der Wasserstrahlpumpe (d. h. 10—12 mm Druck) nicht unzersetzt destillieren lassen, können noch durch Destillation bei nie-
ist seit der Einführung der Quecksilberdampfstrahl-Pumpen in jedem Laboratorium leicht ausführbar geworden. Sie wird etwas irreführend meist Hochvakuumdestillation genannt, obwohl man erst Drucke unterhalb von etwa 0-001 mm als Hochvakuum bezeichnet; die wirklichen Destillationsdrucke pflegen aber bei 1—5 mm zu liegen. Für die Druckmessung gilt in erhöhtem Maße das oben Gesagte. Die Siedepunktserniedrigung gegenüber Atmosphärendruck beträgt bei Anwendung der Wasserstrahlpumpe etwa 100°, bei der Quecksilberpumpe etwa 150°.
—
ιοοο/Τ -
Fig. 9 Den Siedepunkt einer Substanz unter verschiedenen Drucken entnimmt man aus ihrer Dampfdruckkurve, die den Zusammenhang zwischen Dampfdruck und Temperatur wiedergibt.
Allgemeine Operationen
10
Nach CLAUSITJS und C L A P E Y R O N gilt in vereinfachter Form: In Ρ = — λ/RT + konst., wo ρ den Dampfdruck, R die Gaskonstante, Τ die absolute Temperatur und Ά die Verdampfungsenthalpie bedeutet. Der Dampfdruck ist also eine Exponentialfunktion und steigt viel stärker als die Temperatur an. In Fig. 8 ist die Dampfdruckkurve von Toluol wiedergegeben. In Fig. 9 ist log ρ gegen den reziproken Wert der Siedetemperatur (in 0 absol.) aufgetragen. Die resultierende Kurve ist eine Gierade, wie die obige Gleichung es erwarten läßt. Die CLAUSius-CLAPEYRONsche Gleichung gibt eine sehr bequeme Möglichkeit zur annähernden Schätzung von Siedepunkten unter vermindertem Druck, wenn man sie mit der TROUTONschen Regel (S. 34) kombiniert, nach der bei Atmosphärendruck λ/Γ oft = etwa 21 ist (nomographische Darstellung auf logarithmisch-hyperbolischem Papier als Geradenschar, die sich in einem Punkt schneidet).
Die T r e n n u n g eines Gemisches f l ü c h t i g e r S t o f f e von verschiedenem Siedepunkt bewirkt man durch fraktionierte Destillation. Sie beruht darauf, daß bei der Destillation eines Gemisches der Dampf reicher an dem flüchtigeren Bestandteil ist als die Flüssigkeit. Angenommen, man habe ein Gemisch zweier Flüssigkeiten, von denen die eine bei 100°, die andere bei 130° siedet. Zu Beginn der Destillation wird vornehmlich die bei 100° siedende übergehen, gegen Ende die bei 130° siedende. Fängt man also den Anteil, der bis 110° übergeht, und ebenso den zwischen 120—130° destillierenden gesondert auf, so hat man in diesen zwei „Fraktionen" bereits eine rohe Trennung erzielt, während die dazwischenliegende Fraktion 110—120° noch ein Gemisch darstellt. Um die Trennung so vollständig wie möglich zu gestalten, verfährt man systematisch in folgender Weise: Die Fraktion 100—110° wird aufs neue aus dem Fraktionierkolben destilliert, bis das Thermometer 110° zeigt. Dabei macht man die Er-
ISr*
Γ
Ί a
Γ
b
c Fig. 10
( a n a c h YOUNG-THOMAS, b n a c h W I D M E R ,
C n a c h VIGREUX, d n a c h
d GROLL-OLDERSHAW)
fahrung, daß dann noch eine gewisse Menge Flüssigkeit in dem Kolben übrig ist. Zu dieser gibt man die Mittelfraktion, erhitzt zum Sieden und wechselt erst dann die Vorlage, wenn das Thermometer wieder auf 110° steht. In die neue Vorlage destilliert man, bis das Thermometer 120° anzeigt, gibt darauf die Fraktion 120—130° hinzu und wechselt die Vorlage, wenn das Thermometer aufs neue 120° anzeigt. Den dann noch destillierenden Teil fängt man gesondert auf. Wiederholt man dieses Verfahren einige Male, wobei man zweckmäßig die Anzahl der Fraktionen vermehrt, so daß jede
Destillation
11
zwischen engeren Grenzen siedet, so verschwinden die mittleren Fraktionen meist fast ganz, und man erreicht eine nahezu vollständige Trennung. Theoretische Überlegungen zeigen in Übereinstimmung mit der Erfahrung, daß man durch fraktionierte Destillation nur die höhersiedende Komponente völlig rein erhalten kann, während die Reinigung des niedriger siedenden Anteils einen asymptotischen Prozeß darstellt und infolgedessen stets mehr Mühe kostet. Bezeichnend dafür ist ein Versuch von Y O U N G : er zeigte, daß ein Gemisch gleicher Teile Benzol und Toluol erst bei 86° zu sieden beginnt, obwohl reines Benzol schon bei 80° siedet.
Der Trennungseffekt einer Destillation kann durch Anwendung von Fraktionieraufsätzen (Kolonnen) (Fig. 10) in einer einzigen Operation vervielfacht werden. Der Aufsatz ist in seiner einfachsten Form ein Rohr, in dem durch Luftkühlung oder aufgesetzten Kühler ein Teil des Dampfes kondensiert wird, während der strömende Dampf sich mit dem Flüssigkeitsfilm durch Kondensation und Wiederverdampfung ins Gleichgewicht setzt, wobei die Diffusion im Dampf senkrecht zur Strömungsrichtung eine wesentliche Rolle spielt. Durch Einbau von „Böden" oder Füllung mit Perlen, keramischen Körpern oder Spiralen wird die Dampfströmung turbulent gemacht, wodurch Dampfdiffusion und Austausch verbessert werden. I n der Heligrid-Kolonne (PODB I E K S I A K ) besteht die Füllung aus einer Drahtspirale, die ihrerseits spiralig um ein in der Achse der Kolonne hegendes Rohr aufgewickelt ist. Als sehr wirksam haben sich Kolonnen mit rotierenden Teilen erwiesen. Die gebräuchlichste Form ist die zuerst von P O D B I E L N I A K angegebene Drehbandkolonne, bei der ein spiralig aufgewundenes Metallband mit 1200 Umdrehungen/Minute rotiert. Man kann den Trenneffekt einer Kolonne durch die Anzahl „theoretischer Böden" bei 100%igem Rückfluß ausdrücken und unter stark vereinfachenden Annahmen nach der Formel 8 = a N berechnen. Hierbei ist £ = (Γ/1 — Γ) Α = Ι /(Γ/1 — D » = 0 der Trenneffekt, « = ( 7 / 1 — Γ)/(Ζ/1 — X) die „relative Flüchtigkeit", auch „Trennfaktor" genannt, Ν die theoretische Bodenzahl, wenn X die Molfraktion der flüchtigeren Komponente einer binären Testmischung in der Flüssigkeit, Y die Molfraktion im Dampf, h die Höhe über der Flüssigkeit u n d l die Länge der Kolonne ist. Die Grenzen der Wirksamkeit hegen beispielsweise bei etwa 4 theoretischen Böden pro m für ein leeres Rohr und etwa 100 Böden für rotierende Kolonnen. Theoretischer und „praktischer" Boden unterscheiden sich durch die Fiktion, daß auf dem ersteren sich das thermodynamische Gleichgewicht wirklich einstellt. Das Siedevorhalten τοπ Flüsslgkeltegemischen soll im folgenden wegen seiner praktischen Bedeutung noch einer eingehenderen Betrachtung unterzogen werden. Um die Eigenschaften eines Gemisches zweier Flüssigkeiten A und Β bequemer übersehen zu können, stellt man sie graphisch in einem rechtwinkligen Koordinatensystem dar, indem man auf der Abszisse den
Fig. 11
Fig. 12
Fig. 13
Prozentgehalt an A (meist in Mol-°/0), auf der Ordinate die zu betrachtende Eigenschaft (Dampfspannung, Siedepunkt, Dichte) aufträgt. Ändert sich die Eigenschaft proportional der Zusammensetzung, so erhält man eine Gerade. Dieser recht seltene Fall ist ζ. B. bei der Dampfspannung
12
Allgemeine Operationen
einiger Flüssigkeitsgeznische (Benzol-Toluol) verwirklicht 1 . Meist erhält man indessen mehr oder weniger gekrümmte Kurven, deren verschiedene Typen für den Siedepunkt in Fig. 11 wiedergegeben sind. Man sieht daraus, daß die Siedepunktskurven entweder monoton verlaufen (I und I I ) oder aber ein Maximum ( I I I ) bzw. ein Minimum (IV) aufweisen. In den Fällen III und IV ist — wenigstens bei konstant bleibendem Druck — das Giemisch (im Gegensatz zu / und I I ) durch fraktionierte Destillation nicht zu trennen. Denn aus einer Mischung wird stets der flüchtigste (niedrigst siedende) Bestandteil in größerer Menge destillieren. Der Dampf wird also reicher an A, der Rückstand reicher an Β sein. Ist nun A leichter, Β schwerer flüchtig als irgendeine Mischung, wie dies bei der Gestalt I und II der Siedekurve der Fall ist, so muß fortgesetzte fraktionierte Destillation zu einer praktisch vollständigen Trennung von A und Β führen. Hat die Siedekurve aber ein Minimum bzw. Maximum, so sind die diesen Punkten entsprechenden Mischungen die am leichtesten bzw. am schwersten flüchtigen Bestandteile. Man wird beim Fraktionieren also stets eine Fraktion mit diesem höchsten bzw. niedrigsten Siedepunkt bekommen, die sich (bei konstantem Druck) nicht weiter trennen läßt. Man nennt ein solches Gemisch mit einem wenig glücklichen Ausdruck azcotrop (von α = nicht und ζέω = sieden). Dies läßt sich in folgender Weise noch deutlicher machen. Betrachten wir zunächst wieder eine Siedekurve I ohne Maximum oder Minimum (Fig. 12), die also die Zusammensetzung der Flüssigkeit beim Siedepunkt repräsentiert. Da der flüchtigste Teil stets in größerer Menge in Dampfform übergeht, enthält bei jeder Mischung der Dampf, der aus der siedenden Flüssigkeit entweicht, mehr A als die Flüssigkeit selbst. Bei einer Zusammensetzung 6 der Mischung wird also ihr Dampf die Zusammensetzung b' haben. Die Dampfkurve II liegt deshalb ihrer ganzen Länge nach höher als die Flüssigkeitskurve (Siedekurve). Hat aber die Siedekurve ein Maximum in b (Fig. 13), so wird zwar auf dem Abschnitt Ab der Dampf reicher an A sein als die Flüssigkeit, aus welcher er entweicht; auf dem Abschnitt b B dagegen wird der Dampf reicher an Β sein als die Flüssigkeit, denn nun ist Β der flüchtigste (am niedrigsten siedende) Bestandteil. Daraus folgt notwendig, daß im Maximum b der Dampf genau dieselbe Zusammensetzung wie die Flüssigkeit haben muß, d. h. die Mischung mit dem maximalen Siedepunkt destilliert völlig konstant, wie eine einheitliche Substanz. Dasselbe läßt sich in völlig analoger Weise für Flüssigkeitsgemische mit einem Minimum-Siedepunkt zeigen. In der graphischen Darstellung trifft dementsprechend die Dampfkurve mit der Siedekurve im Maximum (bzw. Minimum) zusammen. Die vollständige Trennung des Flüssigkeitsgemisches durch fraktionierte Destillation ist auch dann unausführbar, wenn die Siedepunkte der Bestandteile zu dicht beieinander liegen· Denn für α = 1 (gleichen Siedepunkten entsprechen gleiche Dampfdrucke) wird X = Y, d. h. Dampf und Flüssigkeit unterscheiden eich nicht mehr in ihrer Zusammensetzung. Trotzdem läßt sich auch bei geringen Dampfdruck-Unterschieden noch eine erhebliche Trennung erreichen, wenn man für genügenden Rücklauf in der Kolonne sorgt. Das Verhältnis von Rücklauf zu Destillat für eine weitgehende Trennung hängt wesentlich von dem Faktor
ab. J e
mehr sich also a der Einheit nähert, um so größer muß der Rücklauf sein. Häufig kann man auch die Unterschiede zwischen Dampf- und Flüssigkeitszusammen setzung durch Druckverminderung vergrößern. Aus diesem Grunde kann die fraktionierte Destillation im Vakuum von Vorteil sein.
Destillation mit Wasserdampf. Beim organischen Arbeiten hat man es häufig mit einem Rohprodukt zu tun, das durch Harze, teer- oder pechartige Massen verunreinigt ist. Um es zu reinigen, macht Fig. 14. Waeserdampf-Destillation man mit großem Vorteil von der Tatsache Gebrauch, daß viele Substanzen sich mit Wasserdampf verflüchtigen, wenn man sie im Wasserdampfstrom destilliert. Fig. 14 zeigt einen dafür geeigneten Apparat. 1
Die Siedepunktskurven sind dagegen auch in solchen Fällen keine Geraden, nähern sich aber solchen um so mehr, je kleiner die Differenz zwischen den Siedepunkten der beiden Bestandteile wird.
Ausschütteln
13
Die Destillation i m Wasserdampfstrom leistet auch sonst gute Dienste zur Trennung v o n Substanzen, v o n denen nur ein Teil mit Wasserdampf flüchtig ist. D a s Destillat scheidet sich entsprechend dem Unterschied in den spezifischen Gewichten mehr oder weniger leicht in eine wäßrige und eine ölige Schicht. Bei der Destillation mit Wasserdampf hat man es in den meisten Fällen mit zwei Flüssigkeiten (Wasser und destillierende Substanz) zu tun, die nicht in allen Verhältnissen mischbar sind. Betrachten wir den Grenzfall, daß die Flüssigkeiten ineinander völlig unlöslich sind. Dann wird die Dampfspannung der einen Flüssigkeit durch die Gegenwart der anderen nicht beeinflußt. Bringt man das Gemenge zum Sieden, so ist die Summe der Dampfspannungen der beiden Bestandteile gleich dem atmosphärischen Druck. Der Siedepunkt muß niedriger liegen als der des niedriger siedenden der beiden Stoffe unter gewöhnlichem Druck, da der Partialdruck natürlich kleiner sein muß als der Gesamtdruck, welcher gleich dem atmosphärischen Druck ist. Man erreicht daher durch die Destillation im Dampfstrom dasselbe wie durch Destillation unter vermindertem Druck, nämlich eine Verflüchtigung des Stoffes bei einer Temperatur, die niedriger ist als ihr Siedepunkt unter gewöhnlichem Druck. Man hat es also nicht mit einer spezifischen Wirkung des Wasserdampfes zu t u n ; die Möglichkeit einer Destillation mit Wasserdampf wird nur dadurch bedingt, daß der Stoff bei nahezu 100° bereits einen merklichen Dampfdruck besitzt. Davon ist es auch abhängig, ob der Stoff rasch oder langsam mit Wasserdampf übergeht. Es seien M1 und Mt die Molekulargewichte von Wasser und organischem Stoff, Cj und c2 die Anzahl der entsprechenden Moleküle im Dampf, so verhalten sich die Gewichte von Wasser und organischem Stoff wie c¡ M1:ciM2. Nach den Gasgesetzen verhalten sich aber Cj : Cj = φ1 : pj, wo p, und p 2 die entsprechenden Partialdrucke bedeuten, die in unserem Fall mit den Dampfspannungen der reinen Flüssigkeiten zu identifizieren sind. Daraus folgt für das Verhältnis von Wasser zu organischem Stoff p1 Ml : p¡ M2. Zur Trennung nicht mischbarer Flüssigkeiten dient der S c h e i d e t r i c h t e r (Fig. 15), dessen Abflußrohr m i t einem H a h n versehen ist. Diese Vorrichtung benutzt man auch zum „Ausschütteln", d. h. um eine in Wasser gelöste Substanz der wäßrigen Lösung durch Schütteln mit einer anderen Flüssigkeit zu entziehen, die mit Wasser nicht mischbar ist, ζ. B. Ä t h e r , P e t r o l ä t h e r , Chloroform, Schwefelkohlenstoff. D a s Ausschütteln wird schnell zum Ziel führen, wenn der der wäßrigen Lösung zu entziehende Stoff ζ. B. in Wasser schwer, in Äther leicht löslich ist ; in diesem Fall kann man durch einige Wiederholungen der Operation mit frischem Äther die wäßrige Lösung fast ganz erschöpfen. Ist aber umgekehrt der Stoff in Wasser leicht, in Äther schwer löslich, so m u ß sehr o f t ausgeschüttelt werden, und selbst dann bleibt die Extraktion unvollkommen. Setzt man zwei miteinander nicht mischbaren Flüssigkeiten einen Stoff zu, der in beiden löslich ist, so löst er sich in beiden Flüssigkeiten auf, und es stellt sich ein Gleichgewichtszustand nach dem Gesetz von B E R T H E L O T her, d. h. der Stoff Λ verteilt sich zwischen beiden L ö s u n g s m i t t e l n so, d a ß s e i n e K o n z e n t r a t i o n e n hcneiaein b e i d e n ein k o n s t a n t e s V e r h ä l t n i s k (Teilungskoeffizient) a u f w e i s e n . Ist die Menge x0 des gelösten Stoffes in der Menge Í des ersten Lösungsmittels (Wasser) vorhanden, wird diese Lösung mit einer Menge m des zweiten Lösungsmittels (Äther) geschüttelt, und nennen wir xt die Menge, die im ersten Lösungsmittel zurückbleibt, so gilt folglich die Gleichung : l
=
*B~*·
Zur Abkürzung führen wir ein
oder
m
kl 1
a
\m
+ k l )
k l tn
—=-=- = ρ und q = 1 — p. Ein zweites Ausschütteln mit κ l
derselben Menge m des zweiten Lösungsmittels gibt —L
_ Je x i
l m oder, nach Substitution von x¡ aus der ersten Gleichung, x i = xaP1 und für das η-te Ausschütteln analog xn = x0Pn, xn, die Menge, die im ersten Lösungsmittel (Wasser) zurückbleibt, wird um so kleiner, je größer η und je kleiner ρ ist. Da p" sich dem Nullwert wohl nähern, aber niemals Null werden kann, ist
14
Allgemeine Operationen
erschöpfendes Ausschütteln theoretisch unmöglich. Will man beim Ausschütteln mit wenigen Operationen (kleinem n) zum Ziel kommen, so muß offenbar m/Z k erfüllt sein. Ist also k > 1, so werden die zum Ausschütteln benötigten Mengen Lösungsmittel unbequem groß 1 . Durch n-maliges Ausschütteln mit der Menge m/n wird mehr ausgeschüttelt als durch einmaliges Schütteln mit der gesamten Menge m. Doch hat das fraktionierte Ausschütteln mit einer begrenzten Menge Lösungsmittel auch nur dann Vorteil, wenn mß > k. Eine Abart des Ausschütteins ist die fraktionierte Verteilung. Bei dem als „Gegenstromverteilung" bekannten Verfahren geht man ζ. B. apparativ so vor, daß man auf der Peripherie eines Kreises vertikal angeordnete Röhren in 2 Etagen genau aufeinander passend übereinanderstellt, die untere Abteilung mit dem schweren, die obere mit dem leichten Lösungsmittel füllt und in ein Röhrenpaar (Kr. 0) die Substanz gibt. Nach dem Verteilen durch Schütteln der Anordnung dreht man die obere Etage um 1 Rohr weiter, schüttelt wieder und fährt damit fort, bis das erste obere über dem letzten unteren Rohr angelangt ist. Trägt man jetzt die analytisch ermittelte Konzentration in den einzelnen Röhren (oben + unten) gegen die Röhrennummer (r = 0 bis n) auf, so erhält man nach der binomischen Entwicklung r-n 1
= £
n
|
Ρ""
€
eine Verteilungskurve mit Maximum, dessen Lage von ρ abhängt. Die Gesamtzahl der Ausschüttlungen ist n(n + l)/2. Durch Aufnahme solcher Kurven und Vergleich mit den berechneten Werten kann man die Konstanz von k und die Einheitlichkeit der Substanz prüfen. Auch kann man mehrere Substanzen voneinander trennen, wenn man η und k (geeignetes Lösungsmittel) zweckmäßig wählt. Sinnreiche Apparaturen ( M A R T I N , C R A I G , B R O C K M A N N - V . M E T Z ) erleichtern die Ausführung der analytisch und technisch gleich wichtigen Methode.
Bestimmung der wichtigsten physikalischen Konstanten Als Kennzeichen der Reinheit eines organischen Stoffes und somit des Erfolges der präparativen Arbeit dient die Konstanz seiner physikalischen Eigenschaften gegenüber fortgesetzter Reinigung. D a s wichtigste Kriterium für die Reinheit fester Stoffe ist der Schmelzpunkt, d. h. die Temperatur, bei der die feste Substanz mit ihrer Schmelze im Gleichgewicht steht. Schon geringe Mengen von Verunreinigungen bewirken infolge des kryoskopischen Effekts eine beträchtliche Depression und unscharfes Schmelzen. Die Schmelzpunktsbestimmung dient auch sehr oft dazu, Stoffe zu identifizieren. Vermutet man nämlich, daß eine Verbindung mit einer bereits bekannten Verbindung identisch ist, so gewinnt diese Vermutung eine starke Stütze, wenn der Schmelzpunkt beider Stoffe übereinstimmt 2 . Noch besser gelingt der Nachweis der Identität durch die Mischprobe mit der vermuteten Substanz. Ist die Vermutung richtig, so muß der Schmelzpunkt ungeändert bleiben, andernfalls wird er meist erheblich niedriger gefunden. Zur Schmelzpunktsbestimmung benutzt man meist den in Fig. 16 abgebildeten Apparat. Die fein pulverisierte Substanz wird in einem 1 mm weiten Kapillarröhrchen mit Hilfe von etwas konzentrierter Schwefelsäure an die Kugel eines geprüften Normalthermometers gebracht und in einem Schwefelsäurebad langsam bis auf die Schmelztemperatur erhitzt. I m Moment des Schmelzens liest man den Stand des Thermometers ab. Der gefundene Wert ist nach den Angaben der einschlägigen Lehrbücher für den herausragenden Faden zu korrigieren. Vielfach betrachtet man als den Schmelzpunkt 1 In diesem Fall ist unter Umständen eine kontinuierliche Extraktions-Methode („Perforation") vorzuziehen, bei der man das organische Lösungsmittel in einem getrennten Kölbchen fortlaufend abdampft. Die kondensierten Dämpfe dee reinen Lösungsmittels werden dem Extraktionsgut wieder zugeführt, beladen sich hier erneut und kehren durch einen Überlauf in das Siedegefäß zurück. 2 Vgl. W . U T E R M A R K , Schmelzpunkt-Tabellen organischer Verbindungen (Berlin 1 9 5 1 ) .
Bestimmung physikalischer Konstanten
15
diejenige Temperatur, bei der die Substanz unter Meniskusbildung klar geschmolzen ist. Infolge der schlechten Wärmeübertragung zwischen der Substanz und der umgebenden Flüssigkeit findet man so aber leicht zu hohe Werte (0-5—Io). Es ist aus
a / Ί ) II I Ί II
IO Fig. 16 Schmelzpunktapparat
Fig. 17 Siedekolben
Fig. 18 Pyknometer
diesem Grunde unbedingt erforderlich, in der Nähe des Schmelzpunktes sehr langsam zu erhitzen. Verfügt man über größere Substanzmengen (10—20 g), so erhält man genauere Werte durch Bestimmung des Erstarrungspunktes mit eingetauchtem Thermometer und kann aus dem Verlauf der AbkühIuno;skurve den Reinheitsgrad abschätzen. Unscharfer Schmelzpunkt kann außer durch Unreinheit auch durch Zersetzimg der Substanz während des Erhitzens bedingt sein ; in diesem Fall ist der Wert der Bestimmung nur beschränkt. Wegen der verfeinerten Beobachtungsmöglichkeiten gewinnt neuerdings die Bestimmung des Schmelzpunktes unter dem Mikroskop an Verbreitung (KOFLER). Für die rasche Bestimmung des Schmelzpunkts zersetzlicher Substanzen eignen sich Metallbänke mit Temperaturgefälle (KoFLEB-Block). Zur genauen Bestimmung des Siedepunkts — der nächst dem Schmelzpunkt wichtigsten Konstante — kann, wenn ausreichende Substanzmengen vorliegen, ein Kolben nach BERTHELOT (Fig. 17) dienen. Er vermeidet durch einen vom abfließenden Dampf selbst gebildeten Dampfmantel störende Abkühlung. Man gebraucht am besten abgekürzte Thermometer, damit der Faden seiner ganzen Länge nach dem Dampf der siedenden Flüssigkeit ausgesetzt ist. Eine Korrektur für den herausragenden Faden erübrigt sich dann. Wegen der Schwankungen des atmosphärischen Druckes ist es nötig, bei Siedepunktsbestimmungen den Barometerstand anzugeben ; z. B. bedeutet Kp 710 : 150° (korr.): der korrigierte Siedepunkt liegt unter 710 mm Druck bei 150°. Neben der Bestimmung des Schmelz- und des Siedepunktes sind für die Unterscheidung organischer Verbindungen noch andere physikalische Konstanten, z. B. das spezifische Gewicht, von Bedeutung. Zur Bestimmung des spezifischen Gewichts von Flüssigkeiten benutzt man das Pyknometer, von dem Fig. 18 eine sehr praktische Form zeigt. Es besteht aus zwei dickwandigen Kapillaren α und 6, die ein weiteres Rohr c einschließen, α trägt eine oder mehrere Marken, 6 läuft in eine Spitze aus. Man ermittelt zunächst den Bauminhalt des Gefäßes, indem man es einige Male mit Wasser von konstanter Temperatur bis zu der Marke füllt und wägt. Dann wird in gleicher Weise die Flüssigkeit, deren spezifisches Gewicht zu bestimmen ist, in das Gefäß gefüllt und abermals gewogen. Hieraus berechnet man die gesuchte Zahl. Organische Flüssigkeiten besitzen meist einen sehr viel größeren Ausdehnungskoeffizienten als Wasser. Ihr spezifisches Gewicht nimmt also auch stark mit der Temperatur ab; im rohen
Bestimmung physikalischer Konstanten
16
Mittel beträgt die Änderung —0-001 f ü r I o Temperatursteigerung. Es ist deshalb nötig, die Temperatur der Flüssigkeit genau zu bestimmen (Thermostat 1), und zweckmäßig, mehrere Bestimmungen bei verschiedenen Temperaturen zu machen. Eine andere Eonstante, die zur Charakterisierung mancher Verbindungen wichtig ist, ist die Drehung der Polarisationsebene. Verbindungen von asymmetrischem B a u drehen die Schwingungsebene des polarisierten Lichts nach rechts oder links. Derartige Verbindungen nennt man rechts- bzw. linksdrehend oder allgemein o p t i s c h - a k t i v (e. S.41). Eine linear polarisierte Welle kann als Überlagerung zweier entgegengesetzt zirkulär polarisierter Wellen betraohtet werden. In einem optisch-aktiven Medium pflanzen sich diese beiden Wellen mit ungleicher Geschwindigkeit fort. Ihre Zusammensetzung beim Austritt ergibt daher eine linear polarisierte Welle mit gedrehter Schwingungsebene. Die Drehung ist mithin Ausdruck einer zirkulären Doppelbrechung (FRESNEL), und ihre Größe α hängt mit den Brechungskoeffizienten n, und n, für links- und rechtszirkulares Licht in folgender Weise zusammen: =
η ι
~η' πΐ· wobei λ die Wellenlänge, l die Dicke der durchlaufenen Schicht ausdrückt. Fis. 19 zeigt die allgemeine Einrichtung eines Polarimeters. Das durch die Kondensorlinse Β lallende Licht der '
°
ρ
I)
S
t
. „
ο h
—
U
F
A
-
A
S
η —
P
I
-
®
—
Fig. 19. Polarisationsapparat Lichtquelle L wild in dem Polarisator-Nicol Ρ polarisiert. Sp und Sp' sind Blenden. Betrachtet man nunmehr die Lichtquelle durch das kleine Fernrohr 0 , so wird maximale Dunkelheit herrschen, wenn der Analysator-Nicol A gegen Ρ um 90° bzw. 270° gedreht ist. Schaltet man nun in den Strahlengang ein Rohr R mit der optisch-aktiven Flüssigkeit ein, so t r i t t infolge der Drehung der Polarisationsebene wieder Aufhellung ein, und man muß A um einen bestimmten Winkel drehen, um wieder maximale Dunkelheit zu erreichen. Der so gemessene Drehungswinkel ist proportional der Rohrlänge, die daher genau bekannt sein muß (meist 1 dm). Die Meßgenauigkeit einer solchen Anordnung ist nicht erheblich, weil die Einstellung auf maximale Dunkelheit schwierig ist. Man arbeitet deshalb heute nur noch mit dem Halbschattenpolarimeter von L I P P I C H . Bei diesem ist vor Ρ ein kleiner, die Hälfte des Gesichtsfeldes bedeckender Nicol eingeschaltet, der gegen Ρ um einen kleinen Winkel w o -ÄF das Molekulargewicht ist. Für Lösungen optisch-aktiver Substanzen ist 100« , 100 a r . [α] = —¡ oder [aj
l-c
l-p-d
wo c die Anzahl Gramme gelöster Substanz in 100 ml Lösung bedeutet, ρ die in 100 g Lösung enthaltenen Gramme gelöster Substanz und d das spezifische Gewicht der Lösung. Die Größe der spezifischen Drehung ist abhängig von der Wellenlänge des Lichts (Rotationsdispersion), in geringem Maße auch von der Temperatur, bei Lösungen ferner von der Natur des Lösungsmittels und der Konzentration. Der Einfluß der Konzentration ist meist gering. I n vielen Fällen wird bei der Messung Natriumlicht angewandt, dessen AVellenlänge der D-Linie des Sonnenspektrums entspricht. Um dies auszudrücken, schreibt man [α] i>. Von Wichtigkeit f ü r die organische Forschung ist auch die Bestimmung des Brechungsvermögens (Refraktion) von flüssigen Verbindungen. Die dazu nötigen Apparate werden in den Lehrbüchern der Physik beschrieben; f ü r chemische Zwecke werden meist die von A B B E
Einteilung der organischen Chemie
17
und von P u i . f r i c h gebauten Apparato benutzt. D e r B r e c h u n g s i n d e x η ist a b h ä n g i g von der Wellenlänge dee L i c h t s ; moist wird er für dio drei Hauptlinicn des Wasaerstofispektrurns 066, 4 8 0 und 434 m,u (tt„, n f , oder für die golbo Natriumlinie ( n D ) b e s t i m m t . Dio Differenz d e r Brechungsindizes f ü r verschiedene F a r b e n heißt Dispersion. Die R e f r a k t i o n ist ebenso wio das spczifisclio Gewicht der Flüssigkeit v o n der T e m p e r a t u r a b h ä n g i g . L o h e n t z (Leiden) und L o r u k z (Kopenhagen) h a b e n a u f unabhängigen theoretischen W e g e n gefunden, daß dor Ausdruck n: — 1
n" + 2 ' i '
wo d d a s spczifisclio Gowieht bedeutet, unabhängig von der T o m p o r a t u r sein m u ß . D i e s ist in eohr zahlreichen F ä l l e n experimentell b e s t ä t i g t worden. D e n W e r t , den m a n durch Multiplikation dieses Ausdrucks m i t d e m Molekulargewicht M e r h a l t , bezeichnet m a n als Mololcularrcfrnktton I i : Ä =
n*- + 2
.iL. d
S i e h a t die Dimonsion eines Volumens und ist natürlich von der Wellenlänge a b h ä n g i g . I h r e A n wendung zu Aussagen über dio K o n s t i t u t i o n werden wir s p ä t e r konnonlernen. D a n a c h M a x w e l l für unendlich lange YVollen die D i e l e k t r i z i t ä t s k o n s t a n t e c = n * ist, so folgt a u s obigen Beziehungen die schon von G l a u s i u s - M o s o t t i a b g e l e i t e t e G l e i c h u n g : e - r
ρ
M__
e+ 2 d wo F cino als Molekiilarpolarlsatiou bezeichnete Konstanto ist, die bei dipollosen Substanzen temperaturunabhängig und nahe gleich der auf unendlich lange Wellen extrapolierten Molekularrofraktion 1U ist. (Weiteres s. S. 40.) Über Absorptionsspcktrn, die für Charakterisierung und Konstitutionsbourteilung organischer Substanzen immer wichtiger werden, s. S. 3SIÜ. E r w ä h n t sai schließlich die auf dor lliolitungeqimntelung dor Elomentarmagncto beruhende paramagnotische Resonanzabsorption ungopaarter Elektronen (Iladikal-Nachwoie) und die analogo, u m G röQonordmingcn geringoro Kernresonanz, deron Lago von der strukturellen Umgebung a b h ä n g t („chemische Verschiebung") und damit wichtige Aufsclilüsso übor dio K o n s t i t u t i o n vermittelt. D i o orrogenden Frequenzen liegon im Mikro- und Radiowollcn-Gobiot. K c m m o m e n t e zeigen nur die K e r n e , deren Protonen- oder Neutrononzahl ungorndo ist. W i c h t i g ist v o r allem das P r o t o n ( „ 1 roton o n r e s o n a n z " ) , danobon namentlich " F und noch " N .
Einteilung der organischen Chemie E s hat sich im Lauf der Entwicklung der organischen Chemie als zweckmäßig erwiesen, die verschiedene Art, in der sich Kohlenatoffatome miteinander verbinden können, zur Grundlage dor Einteilung zu machen. Verbindungen, in denen die ICohlenstoffatome nur kettenförmig etwa in der folgenden Woise _C—C—C—C—
odor
—C—C—C °
xC-Cx < o - o > '
vorliegt. Man unterscheidet demgemäß „acyclische" und „oyclische" Verbindungen (von κύκλος = Kreis). Eine Untergruppe der cyclischen Verbindungen ergibt sich, wenn ein Teil der RinggÜeder durch mehrwertige anorganische Atome, in ereter Linie O, N, S, ersetzt wird. Solche Verbindungen nennt man „heterocyclisch" und stellt ihnen die nur Kohlenetoff als Bingglied enthaltenden Verbindungen als „isooyclische" oder „homocycliaclio" gegenüber. Mitunter findet sich für sie auch die Bezeichnung „oarbocyclisch"; da ja aber auch dio hetorooyclischcn Ringe noch Kohlenstoff als Bingglied enthalten, ist dieso Bezeichnung unzweckmäßig. lIoll«nmn.Richter, Organlicbe Chsmlo. 37.-41. AuflnRe
2
18
Einteilung der organischen Chomio
Wichtige Vertreter der acyclischcn Verbindungen sind die Petto und ihnen nahestellende Verbindungen; für sie hat sich deshalb seit A.W.v.HOFMANN die Bezeichnung „aliphatische Verbindungen" (von δλειφαρ = Fett) eingebürgert. Unsere Kenntnis der cyclbohen Verbindungen hat von „aromatisch" riechenden Naturstoffen (Benzoeh a « , TolubaJsnm, Bittermandelöl) Auagang genommen, und eine große Gruppo der iaocyclischcn Verbindungen hat deshalb auch den Namen „aromatische Verbindungen" erhalten. Wahrend über die Zuweisung einer chemischen Verbindung zur Klasse der acholischen oder ieooyoliachen Verbindungen selten Zweifel geherrscht hat, ist man mit der Abgrenzung der hetorocycliachen Klasse nicht immer streng nach der Definition verfahren. Anhydride, Lactone, Laotame, z.B.
Cotyiolûtmn BanitdmiaKoihjililil werden Beit altera in den Lehrbüchern mit Rücksicht auf die nahe Beziehung zu den Säuren, aus denen aio gewonnen werden, bei diesen Säuren, d. h. bei den aoyclischcn Verbindungen abgehandelt, obwohl sie der Definition gemäß ala hoterocycltscli anzusehen sind. Praktische Bedürfnisse gewinnen hier mitunter vor den systematischen den Vorrang.
Verbindungen der Fettreilie (Acyclisclic oder aliphatische Vcrliindun^cn)
Kohlenwasserstoffe und Verbindungen mit einer funktionellen Gruppe Gesättigte KohlemvasscrstoITc (Alleane, Paraffini::) Ala einfachste Vertreter der acyulbehen Verbindungen haben wir dio KoblcrnvasscrBtoffo zu betrachten, an deren Aufbau aufler dem Kohlenstoff nur noch dos Element Wasserstoff beteiligt ist. Wenn man sich vierwertigo Kohlenstof/atome durch einfache Bindungen kettenförmig miteinander verknöpft denkt, so stehen an den Enden der K e t t e j e 3, an allen übrigen ICohlenstoffatoraen je 2 ßmdungBoinheiton zur Absättigung durch Wasserstoff zu Verfügung:
J-LLLLLL I
I
I
I
1
I I
d . h . an η Kohlenstotfatomen insgesamt 2 n + 2 Bindungsoinheiten. Diese Zahl entspricht also dem Höchstwert an Wasserstoffatomen, dio von η aneinandergobundenen Kohlenatoffatomen aufgenommen werden können. Vorbindungen der allgemeinen Formol lu-ii heißen deshalb gesättigte Kohlenwasserstoffe 1 oder GrcnzkohlonwassoretoHo. Ein gesättigter Kohlenwasserstoff mit 1 Kohlenstoffotom besitzt dio Formel C H „ mit 2 KohlBnstoffatomen C¿H, usw. An Stelle der ausführlichen Fonuelbildcr H
K U
II II H
H-i-E
U-C-C-n
II—C—C—¿—H
H OH,
H II cilj.cn,
H Π H ΟΗ,-ΟΗ,ΌΙΙ,
bedionen wir uns im folgenden dur daran tors teilenden auf Grund traditioneller Schreibkonvention ohne weiteres verständlichen Formeln. Bovor wir dazu übergehen, dieso Verbindungen zu beschreiben und den Nachweis zu erbringen, dnû ihr A u f b a u dem hier erlSutorten Prinzip entspricht, seien einige Bemerkungen über die Benennung derartiger Substanzen vorausgeschickt. Dies ist auch deshalb wichtig, weil man dio Kohlenwasserstoffe als sogenannto „Stnminkörpcr" der Einteilung und Benennung der organischen 1 Wir worden apitcr Fälle Icennenlomon, wo Kohlerutoffatowo durch eine „doppelte Bindung" miteinander vertmüplt sind und entsprechend weniger Waasoretoffatomu binden, E. B. ^ > 0 = . C < y . Solche KolilonwiuKsetoIíe beiGen „ungesättigt", Sia lassen sich durch Addition von zwei WMserstoffatoraon loieüt in gesättigte Kohlenwasserstoffe überführen, indem dio Doppelbindung in eine Einfachbindung übergeht.
Acyclucho Verbindungen
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Vorbindungen überhaupt zugrunde zu legen pflegt. Denn jede organische Verbindung, die uuüer C und H noch andere Elemente enthält, läßt sieh als Abkömmling („DcrivaL") eines Kohlenwasserstoffs auffassen, in dem ein oder mehrere Wasserstoffatome durch andere Etemente oder zusammengesetzte Reste (Radikale) ersetzt („substituiert") sind; z. Ii. ist CHSQ ein Derivat von CH„ CH,-CH, OH ein Derivat von CH3 CH r Dia Nomenklatur der gesättigten Kohlenwasserstoffe fichlioßt geschichtlich an die Namen Methyl (vgl. S. 35), Äthyl, Propyl und Butyl fur die einwertigen Kohlenwasserstoff-Radikalo CHa—, t y i , — , C,HT—und 0*ΗΒ—an. Nach einem Vorschläge von A . W . V . H O F M A N N ist man übereingekommen, die Namen der ihnen entsprechenden Kohlenwasserstoffe auf die Endung -an ausgehen zu lassen. Die Namen der ersten 4 Glieder eind dementsprechend: CH4 C,Ht CjH s C|H,a Von C ( an hat mnn der Benennung worte zugrunde gelogt: Cjr„ C e H 1( CjII M CaHle
Methan Äthan Propan Butan grieehischo (vereinzelt nuch lateinische) Zahl·
Pcntan Hexan Heptan Oetan C J H J O Nonan C10Ht2 Rccan usf.
Die su ihnen gehörigen einwertigen Radikale C n Iij nt] — bezeichnet mau in ilircr Gesamtheit als Alkylo (abgeleitet von Alkohol), so daB sich als Klasscnbezeiehiiung für die gesättigten Kohlenwasserstoffe auch der Name Alkano ergibt. Gleichbedeutend damit ist ferner die Bezeichnung Paraffino', die die chemische Trägheit dieser Verbindungen andeuten soll (parum affinis) und am besten für djis Gomiseh der höheren, im technischen Paraffin vorkommenden Glieder reserviert wird. Die Namen der zu den genannten Kohlenwasserstoffen gehörigen einwertigen Alkylrodikale CeHlS—, C J H J S — usw. erhält man, indem man -an durch -yl ersetzt: Hexyl, Heptyl, Ootyl usw. Nur das Radikal CjH u — nennt man meist Amyl, neuerdings auch Pentyl. Eine Kohlenstoffkettc kann nonna! oder verzweigt sein. In normalen Ketten ist ein Kohlenstofftttom höchstens an 2 andere direkt gebunden: —C—C—C—C—C—; in den verzweigten Ketten kommen Kohlenstoffatoruo vor, die mit 3 oder 4 anderen ç direkt verbunden sind, ζ. B, — C — .
Verbindungen mit normaler Kette worden
häufig durch ein vor den Namen ges toll loa η gekennzeichnet (n-Hcxan). Eine verzweigte Kette kann
man als eine normale betrachten, deren H-Atoine teilweise durch Alkylgruppen substituiert sind. Diese Gruppen nennt man dann Seitenkettoil. Das Hexan der Formel ßJfpCH CH, CH» CH, kann demnach als Methylpentan bezeichnet werden. Um den Ort des Eintritts der Methylgruppe näher anzugeben, numoriort man die C-Atome der normalen Kette 1
Der Xanie „Paraffin" wunlo 1830 vr.n Frh. v. U E I C H E N D A C H für die von ihm im Buclicnholxteer aufgefundenen Grenikohlonwowora tuffo eingefühlt. Nuch allem, was man heute üher «lie Reaktionsfähigkeit der Paraffine weiß, besteht ihr Name mindestens für «lie Umsetzungen boi hühereii Tera¡»cmturen nicht mehr *u Recht.
Gesättigte Kohlenwasserstoffe
21
(„flnuptkotto") und gelangt so schließlich zu der korrekten und eindeutigen Bezeichnung 2-Methyl-pentan 1 . Kino Verbindung der Struktur ΟΪΓ,.ΟΪΙ,-ΟΗ.ΟΙ], CHj CH, wäre 3-Methyl-pentnn t u nennen. Will man C Ì D C Q komplizierter gebauten Kohlenwasserstoff benennen, so ist es üblich, zunächst dio längste in der Strukturformel enthaltene normale Ketto aufzusuchen und diese darauf so zu numerieren, daß die einom Endo zunächst stellende Seitenkctto eine möglichst niedrige Ziffer erhalt: CH,-CH·CII,Óíl, ÜH-CH,·CH,·CH, GH, 0,H, Ï.Mrtlirl-S-Jthrl-octiD
Noch einige andero Bezeichnungen mögen hier erläutert werden. Ein Kohlenstoff· atom, dos nur mit einem anderen Kohlenstofíatom verknüpft ist, wird als priinür gebunden bezeichnet; ist es mit zwei anderen verbunden, so nennt man es sokuridär gebunden; mit drei oder vier Kohlenstoffatomen verknüpft, heißt es tertiär bzw. quartär gobunden; es wird auch schlechthin primär, sekundär usw. genannt. Ein Kohlenstoffatom, das eich am Ende einer Kette befindet (und demnach primär gebunden ist), wird cudsfiintlig genannt. Methan und Homologo Die Verbindungen der Fettreiho können nach den Ausführungen auf S. 10 letzten Endes sämtlich eis Derivato des Methans CH, aufgefaßt werden. Wir beginnen daher mit dem Studium dieses Kohlenwasserstoffs. Motilan ist der weitaus überwiegende Bestandteil der sog. „Erdgaso", die als Begleiter von Erdölvorkommen auftreten und in neuerer Zeit als industrieller Rohstoff eine große Bedeutung erlangt haben. Aus dem Bodensclilamm von Sümpfen und dem „Faulschlamm" von Abwässern cntwickclt sich Methan durch Einwirkung anaerober Bakterien auf organische Abfiillo und nufKohlendioxyd. In den Stciukohlongrubcn entweicht es beim Abbauen der Flöze mit dem „Wottcrstrom". Daher stammen die veralteten Bezeichnungen Sumpf- und Grubengas. In bedeutender Mengo ist Metlmn auch in den Gasen enthalten, die boi der troclcnen Destillation der Steinkohlen entstehen; Leuchtgas enthält etwa 32%, Kokorcigos etwa 23—29% Methan. Auch bei der Kohlchydricrung und der Croclcdeatillation von Erdöl (S. 30) entstehen große Mengen von Methan als Nebenprodukt. Im Laboratorium hat man Methan früher durch Zersetzung von Aluminiumearbid (aus Aluminium und Kohlenstoff oberhalb 1000°) mit Wasser dargestellt.
C,Alt + 12 Η,Ο = 3 CH, + 4 Al(OH),
1 Verbindungen mit vertweiglor Ketto werden von den normalen dor gleichen IlruUoiormot häufig auch durch ein vorgeMtitca Is» unterschieden (Isoboian). Aue dorn oben Gesagten «hellt iibor, daß damit die Struktur noch nicht eindeutig ausgedrflckl ist. Von den S bekannten ΙΓοχηιιοη (8.26) ist nur cinoe normal, 4 w&ron ate IsoUexano zu boreichncn. Es ist «lahor goriau genommen willkürlich, wonn man, wie es meist geschieht, unter Isoliexan nur iliw 2-Metliyl.ptinUin verntcbt. Für KoliIenwaaeeiBtoffo mit tertiären mcthyl-iuhstitulertea C-Atomen hat eioh nouenlinga dio von S C H O H L E U U I R eingeführte Vorailbe Nee- eingebürgert: Tetramethylmethan CHyQCHjJj-CHj lieiDt K e o p c n t o n , 2-2-DÙBethyt-butan C U j - Q C H j J . C H ^ C H j N o o l i e x a n . Der KolileuwnsscntofF 2 • 2 ·J-Trimcthyl-buUm hat die Bezeichnung T r i p t a n erholten.
AcyclUcIio Verbindungen
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Die Synth eso von Methan mia den Elementen gelingt, wenn man foinvertoiUus Nickel, wie es durch Reduktion tica Oxyds erhalten wird, mit einer dünnen Schicht Ruß bedeckt und nun im Wnsscrstoffstrom erhitzt. Auch ohne Katalysator können sich Kohlenstoff und Wasserstoff bei höheren Temperaturen direkt vereinigen. Dio Reaktion ist eine Cleichgewichtsreaktion; bei 1100° wurde dna Gleichgewicht bei etwa 0· 8°/0 Methan gefunden, bei 500° bei otwa 05%. Methan entsteht ferner in exothermer Reaktion 1 durch Reduktion von Kohlenoxyd oder Kohlendioxyd mit Wasserstoff: CO + 3 H, « UHt + 11,0; Δ Π«ι = — CO kcat COt + 4 D , = CU, + 2HjO: Δ H m = — 60kcal. L'nter dem katalytîschen EinfluG von Nickel verlaufen diese Reaktionen glatt bei 250—300°; die Reduktion des Kohlenoxyds findet in der Technik Anwendung, um Wasserstoff von Spuren von Kohlcnoxyd zu befreien. Methan ist ein färb· und geruchloses Gaa. Es läüt sich zu einer PlQssigkoit vom Siedepunkt—IBI.5° verdichten und erstarrt bei—182· 6°. S e i n e kritische Temperatur Ut —83°, der kritische Druck beträgt 46 Atm. 1 Liter des Gasen wiegt bel 0 a und 7GO mm 0 -7168 g. I n Wasser ist Methan law praktisch unlöslich, etwaa mehr wird von ss» Alkohol aufgenommen. Methan ist entsprechend seiner großen Ilildungewürmo ice ! (S. 120) eine sehr beständige Verbindung. Aua Fig. 20 kann man ersehen, in welchem MaOe Methan bei steigender Temperatur ne gemäß dem Gleichgewicht SMP C+8H, IM zerfällt. Bei 250° wird der Zerfall in dio IM » & ν w « es ta ta 90 va Elemente in Gegenwart von Katalysatoren (Palladium) eben morldich, bei der M ß, im Glíichgtuicht hohen Temperatur des Induktionsfunkcn3 Fig. 20 oder des elektrischen Flamnienbogens wird es vollständig zerlegt. Die thermische Zersetzung von Methan bei 900—1400° wird in der Technik hei der Herstellung von Ruü verwertet. Durch thermische Zersetzung im Gleichetrumlichtbogen und Abschreckung der Rcaktionsgaae mit Wasser erhält man neben RuQ ein Gas, das neben rund 50°/o Wasserstoff und einigen Prozent Äthylen bis 17% Acetylcn enthält (AcetylcnPnrstellunu nach dem Oppauer Vcrfahron). Methan brennt mit schwach leuchtendor Flamme. Es reagiert mit Sauerstoff boi Abwesenheit von Katalysatoren schon boi 400° nach der Gleichung: CH« + O, ~ CO + 11,0 + Ii,.
I } ή
/
Weder "Wasserstoff noch Kohlenoxyd reagieren bei dioserTemperatur mitdem Sauerstoff weiter (HOHE), Erst bei höherer Temperatur erfolgt dann die vollständige Verbrennungb nach cir, + 2 o, = co, + 2 ι ι , ο . Die Hydrierung von Koldonoxyd zu Methau läOt sich umkehren, indem man Methan und Wasserdampf übor Nickel bei 000° umsetzt. Man erhält dadurch Kohlonoxyd* Ül»or dio Wirme tönung τοη chemischen Reaktionen vgl, S. 12G. Boi Ablauf der Jlcnktion von links »ach rechte abçtçebene Wärme meneen werden mit negativem Vorteichen vorsehen.
Gesättigte Kohlenwaase»stoffe
23
Wassorstoff-Gcmischo („Syiithesc-Gas"), wie man sio ζ. B . für dio Methanol-Synthcso und dio Fischer-Tropscli-Synthoso benötigt. Auch dio unvollständigo Verbrennung von Methan kann 7,ur Gewinnung solcher Gemische dienen. Dio eben erlñutorten Reaktionen spielen cino Rolle Lei der Verbrennung des LCUOIURMCS im Buneonl)rcnnrra tier BO konatruíort ist, da ö das Leuchtgas mit eiuor zur vollständigen Vorbrennung unzureichenden Í longe Luit (etwa der orfordorlioben Monge) gomisoht, wird. Im Innen· kegcl der Bunsenffomine, der etwa eine Temperatur von 1550° C besitzt, stellt sich dos WassorgasGleichgewicht ein (ΗΑΠΕΚ) : CO + IT,O CO, + II,; erst im bei Goti äu Boren Santa dor Itansonílamme (1800* 0) fimlot dio vollständige Verbrennung m COj + ILO statt. In dem Kaum zwbchoo Innen- und Außonkegel findet sieh kein freier Saucretoff: ,|in der Flamme kann nichts verbrennen". Die Piammo ist eine stolicmlo Explosion, dio dadurch zustande kommt, daD die Strömungsgeschwindigkeit dee Gases dio Fortpflanzung^· gcEohwindipkeit dar Exploeionswollo Obortrífít. liei zu kleiner Strömungsgeschwindigkeit odor zu Htarker Luftzufuhr schlägt dio Flamme zuröok. Boi geeigneter Zusammensetzung der Methan-Luft-G etnische (0—12 Vol.-% CH4) bzw. Mothan-Sauerstoff-Gemischo (β—55% CH4) erfolgt die Verbrennung unter heftiger Erplosion. Solehe Gaagemischo treten bisweilen io den Steinkohlengruben auf und eind an der Entstehung der geiürcli toten „schlagendon Wetter" beteiligt. I n Gegenwart von etwa 0.1 VoL-% NO kann Methan zwischen 600° und 000° durch Luft in schlechter Ausbeute zu Formaldchyd oxydiert werden. Mit Salpotore&uro gelingt eine Nitrierung in der Gnsphnne bei etwa 475°. Bei der Einwirkung von Chlor auf Methan, die eine Radikalkettonrcaktion ist und unter Eeuorerscheinung verlaufen kann, worden nacheinander sämtliche vier Wasserstoffatome durch Chlor ersetzt {„substituiert"): OU4 + Olj «= CH,C1 + HCl 011,01 -f Cl, =» CH,Ol, + HCl uaL Man erhält etete ein Gemisch der verschiedenen Chloriorungsstufen, dessen Trennung keine besonderen Schwierigkelten bereitet. Die Reaktion verläuft langsam bei 200°, am besten bei etwa 400°, wobei man zur Vermeidung von Explosionen im allgemeinen oino Komponente im Überschuß anwendet, Dio Homologen des Methans (vgl. S. 20) sind diesem in ihren chomisahen Eigenschaften sehr ähnlich. Die niedrigsten Glieder, Äthan C,H„, Propon CjH„, Butan C4H10, die namentlich aus Erdgasen, Craokgasen usw. gewonnen werden, sind bei gewöhnlicher Temperatur gasförmig. Vom Pentan CSH1S ab sind dio gesättigten Kohlenwasserstoffe flüssig, etwa vom Pcntadccan C, s H a i ab sind sio fest. Dio flüssigen Kohlenwasserstoffe riechen potroleumartig, dio feston dagegen sind (auf Grund ihres Behr geringen Dampfdrucks) geruchlos. I n Wasser Bind sio sämtlich unlöslich. Gegenüber Oxydationsmitteln, konz. Salpetersäure und cinor Ruiho anderer Stoffe sind sio wesentlich reaktionsfroudiger, ala man früher angenommen hat. Oxydation (mit Luft wenig übor 100°) und Sulfochloriorung (S. 00) der flüssigen Kohlenwasserstoffe sowie ihre Nitrierung in der Gasphase eind houto ganz geläufige Reaktionen. Der Name „Paraffine" hat insofern seine Berechtigung verloren. Bei der Einwirkung von Halogenen tauschen sio ihre Wasseratoffatomo teilweise oder ganz gegen Halogen aus. Von dem natürlichen Vorkommen dieser Kohlenwasserstoffe im Erdöl wird weiter unten dia Rede sein. Vorher wollen wir una jedoch über Konstitution und DarstellungBweiee dieeer Verbindungen Rechenschaft nblegon. Wir beschränken uns dabei zunächst auf Grundiätzliohu. Wichtige Bildungsprinzipien, insbesondere verzweigter und hochmolekularer Paraffino, werden uns in der Folge bei der Besprechung der Oicfino begegnen, auf dio hier vorwiesen sei.
Aoyclische Verbindungen
24
Struktur dor Grcnzkoblonwasscrstolto: Erscheinung der Isomeric Von don Formeln. CH4 bis CaH^ kennt man nur je eine Verbindung. Zwei Verbindungen sind bekannt, welche dio Formel C^Hm besitzen, drei von der Formel C5H1S, fünr von der Formel C f II M usw. Die Erscheinung, daU quantitativ glcieh zusammengesetzte Verbindungen dennoch ein verschiedenes physikalisches und chemisches Verhalten zeigen, wird Isomeri« (von ϊσα$ - gloicli und μέρος = Teil) genannt (BüitZEUUS 1830). Diese Erscheinung hat don alteren Chemikern viel Kopfzerbrechen gemacht, da man wohl dio Existenz gewisser Radikale in organischen Verbindungen erkannt hatte, aber über dio Verknüpfungsart der zahlreichen CAtomo unter sich weitgebend ita Unklaren blieb. Ala dann, vornehmlich durch FHAKKLAND, der Begriff dor mehrwertigen Elemente geschaffen war, erkannten 1857 fast gleichzeitig KFÎKULÉ1 und COÛTER die Vierwertigkeit des Kohlenstoffe. Bio zeigten, daD man die Zusammensetzung dor organischen Vcrbinduugou be· friedigend doutea kann, wenn man annimmt, daO Kohlens tuffa tomo sich untereinander in der gleichen Weise wie mit anderen Elementen verbinden können, und legten mit dieser nachmals als „Strukturtheorio" bekannten Hypothese 3 den Grund EU den uns beute geläufigen Strukturformeln. Diese Formeln, deren wir uns schon auf S. 10 bedient haben, lassen nun ohne weiteres erkennen, daß für die K o h l e n Wasserstoffe CH, bis CJHJ nur oino einzige Konstitution möglich iat. Darüber hinaus setzen sie uns aber in den Stand, diese Konstitution durch Synthese zu beweisen. Methyljodid CHjJ kann nach den obigen Annahmen nur Formel I besitzen : II
U H
!
L
H - 0—J
II.
I ït
1
H -C-O-J .
' ! Η Κ
Nimmt man nun aus2MoIekÜlen Methyljodid mitHilfevoaNatriumdas Jod heraus'· so vereinigen sich die frei gewordenen Κ ohlen wassere to f freste zu Äthan: II
II
Η II
ι ! I I - O - J + J-C—Η -4- 2 Na - Η—C—0—II -J- 2 Na J, I I ι ! Η Η Η Η (WL'irr/.scbo Synthese) Aus der Formel des Äthans folgt weiterhin für Äthyljodid die Formel H . Aus Äthyl· jodid und Methyljodid l&Qt sieh durch eraeulo WuRTZscho Synthese Propon aufbauen : Η Η
II
II Π Η
l· I J > | | II—C—C—J + J—O—II + 2 Ka « U—C—C—C—Η + 2 Να J . II I f î t H H H H H E « Geboren 1839 in Darmstadt, gestorben 1600 in Bonn; lolirto 1858—1805 in Gont, daniwti in Bonn. ¡Scino Leliron von der Viarwertigbeit «las Kohlenstoffs und von dor Koiwlitution dee Benzols bilüon dio Fundamento dor organischen Cbeinio. Vgl. eotiio Diogrephie von IT. ANJCHOTZ (Berlin 1020). * Der Auadruck stammt von BUTLEHOW, Zoltacbr. f. Citomio 4, 549 (1E01). ' Uber den Verlaul der hier nur echematisch wiedergegebene» Wunrasclicn Reaktion β. den Abschnitt Aromatiacho KohlenwussoretofT«.
Qeíittiglíj KoUlenwaaeoratotTo
25
Wir besitzen also in dieser Reaktion ein Mittel, um ausgehend vomMethan zahlreiche höhere Kohlen wnsseratoffe synthetisch aufzubauen. Die Betrachtung der Reaktionsgleichungen lehrt uns aber ferner, daß wir in vielen IMllen kein einheitliches Rcaktionsprodukt zu erwarten haben, z. B . worden bei der Bildung von Propan gleichzeitig Äthan CHJ-CIIJ und Butan CHj CH^CH, -CIT3 entstehen, weil ein Teil des Metbyljodids und ebenso des Äthyljodids für sich mit Natrium reagieren bann. Die Erfahrung bestätigt diese Aunahme und liefert damit eine starke Stütze für die Richtigkeit der Strukturtheorie. Dio Wintrzsche Methode erlaubt« es SCIIORLEMMKII, dio physikalischen Untcrecliiodu zweier Iloxano ( K p : 00°; D " : 0.058 und K p : CS"; D s l : O.OG7) als Stnikturisomene zu deuten. Dii3 höhersiedendo ITc.-can I V entsteht aus Propyljodid I I I , dessen Struktur auf anderem Wege bewiesen ist : III. OIVCHJ'CHJJ
IV. 0Η,.σΗ,.0Η5.0ΙΙ,·0Π,.σΗ,.
Das niedriger siedende Hexan VI minio analog aus einem isomeren Jodid, dein Isopropyljodld V, erhalten. Dessen Strulitnr ging daraus hervor, daü es aich zu dem gleichen Propan wio Propyljodid reduzieren ließ. V. CU,-OHJ.Ont—>
VL
g{fj>CH-GH Lösung des Isomcricproblems längere Zeit verzögert worden, da man natürlich anfänglich diese beiden Fallo (Strukturisomeric und Stereoisomcrie) niebt voneinander zu scheiden wuüto. Dio Synthese, wio wir sie oben an einigen einfachen Beispielen erläutert haben, ist der sicherste Konetltutlonebcwcis, den die organische Chemie kennt. Daneben hat man aber noch zahlreiche andere choniische Umwandlungen der Konstitutionsenntttlting dienstbar gemacht. Dio Motilado des Abbaus, der vielfach der Synthese vorangeht, steht ihr an Wich, tigkoit kaum nach. Beim Abbau zerschlügt man das Molekül in kleinere Bestandteile, deren Konstitution bereits bekannt ist, und baut daraus rückwärts die gesuchte Kon· atitutfonafonnel auf. Beispiele für derartige Reaktionen werden wir bei anderer Gelegenheit kennenlernon. Hier sei nur betont, daß die Methode dea Konstitutionsbeweises, wie aie soeben geschildert wurde, im allgemeinen nicht so einfach ist, wie es zunächst erscheinen machte. Ein vorsichtiger Experimentator wird sich nicht mit einer einzigen Umsetzung begnügen, sondern versuchen, die fragliche Konstitution eines Stoffes noch durch weitere Umsetzungen sicherzustellen. Führen dieso zu dem gleichen Resultat, ao kann die Konstitution als bewiesen gelten. Mitunter gelangt man indessen auf diesem Woge zu widerspruchsvollen Resultaten. Dann muß angenommen werden, daß cinTeil der Reaktionen nicht in „normaler" Weise, sondern unter gleichzeitiger Atom Verschiebung verlaufen ist. und es int festzustellen, bei wclchcr der fraglichen Reaktionen dios der Fall ist.
26
Acycllsobo VerbÍnJongon Kahl dor möglichen Isomeren
Geht mon von der Vierwertigkeit des Kohlenstoffs und der Annahme von A tornketten aua, so vermag man nlclit nur die bestehenden Isomerien zu erklären, sondern auch die Zahl der Überhaupt möglichen Isomeren vorauszusehen. Für eine Verbindung C J H J O z. B. kann man sich sowohl die Struktur CHj.CHj-CHj-CH, (Butan) als auch CH -CEI, (2-MethyI-propan) denken. Mehr Möglichkeiten gibt es hier nicht. Für eine Verbindung der Formel CjH,, sind drei Strukturformeln möglich: ι. Ο Η , - α ν ο Η , . ο π , . σ π , 2. cii,cíi,.CH CT,HS01 C M H H , CIEHSL) kommt in einigen Erdülon, ζ. B. im javanischen un d
'
3 +-T-nN-
4
3
μ* kT
'
wo k die Boltzmannsehe Konstante (1,37 · 10-18 erg/grad), Ν die L o s c H M i D T S c h e Zahl (6-10 23 ) und Ä„ die Molekularrefraktion für imendlich lange Wellen ist. Das Moment beträgt für Wasser 1,8 · 10 -18 , für Methyl- und Äthylalkohol 1,7 · 10~18 elektrostatische Einheiten X cm, abgekürzt 1,7 D (von Debye). Die Einzelwerte des Produkts e-r kann man nicht bestimmen. Berücksichtigt man aber, daß die Ladung eines Bindungselektrons rund 5-10 10 el.st.e. ausmacht, so können die Ladungsschwerpunkte nur um Bruchteile des Atomabstandes voneinander entfernt sein. Man hat auch versucht, die Größe der einzelnen Bindungsmomente theoretisch zu berechnen. Doch ist dies schwierig, weil an ihrem Zustandekommen außer der Elektronegativitätsdifferenz auch die Größenunterschiede der Atome, die Wirkung einsamer Elektronenpaare und schließlich die Polarisation des Molekülrestes durch die Bindungsmomente beteiligt sind. Untersuchungen über das Dipolmoment haben sich für Fragen der Stereocheraic als sehr wertvoll erwiesen, wovon wir uns noch häufiger überzeugen werden (S. 183,185,334). Die Tatsache ζ. B., daß Methan optisch inaktiv ist, berechtigt für sich allein noch nicht zu dem Schluß, daß das Methan ein reguläres Tetraeder ist. Sieht man von der aus anderen Gründen unwahrscheinlichen Annahme ab, daß das Methan eben gebaut ist, so bliebe immer noch die Möglichkeit, daß seine Konfiguration durch eine tetragonale Pyramide (Fig. 30) ausgedrückt wird, denn diese besitzt ebenfalls Spiegelebenen und würde deshalb keine optische Aktivität ergeben. In der Tat sind auch solche Modelle für einzelne Kohlenstoffverbindungen mehrfach in Erwägung gezogen worden. Dagegen ergeben Tetraeder- und Pyramidenmodell verschiedene Resultate hinsichtlich des Dipolmoments. a
1 Momente sind Vektoren, die in ihrer Richtung und parallel dazu verschoben werden dürfen. Der resultierende Vektor ist (wie im Kräfteparallelogramm) die Diagonale im Parallelogramm aus den beiden Summanden, d. h. die Schlußlinie im Vektorpolygon. Die Dimension des Dipolmoments ist gVs cm 5/ä sec - 1 , die Dimension der elektrischen Feldstärke g1/* cm —1'*sec~I. Das Produkt beider, also das Drehmoment, hat die Dimension g cm 2 sec - 2 einer Arbeit (doch ist zu beachten, daß die Arbeit ein Skalar, das Drehmoment ein Vektor ist). Der Ausdruck 4 π η μ Ο , wo η die Zahl der Moleküle pro cm* und C = 299,8 einen Umrechnungsfaktor bedeutet, hat den Wert einer Spannung (in Volt), die man an monomolekularen Schichten (S. 84) experimentell gemessen hat („Oberflächenpotential").
48
Acyclische Verbindungen
Das Vektordiagramm des tetraedrischen Methans bildet ein reguläres Tetraeder mit 4 gleichen Momentpfeilen, die vom Schwerpunkt C des Tetraeders nach den vier Ecken a, b, c, d weisen (Fig. 31). Die Höhe ae des Tetraeders wird durch C im Verhältnis 1 : 3 geteilt. Die Projektion der 3 Momente C b,C c, Cd auf a e ist deshalb je 1/3 C a, ihre Summe also gleich —Ca. Die vertikalen Komponenten kompensieren sich also zu 0. Das gleiche gilt für die horizontalen Komponenten, so daß sich das Gesamtmoment zu 0 ergibt. Führt man nun dieselbe Überlegung für die Pyramide durch, so kompensieren sich wohl die Horizontalkomponenten zu 0, die Vertikalkomponenten betragen dagegen je μιι sin S 0 2 + NaJ.
Amine
61
Alkyl gebunden an Stickstoff Amine Unter Aminen versteht man Verbindungen, die sich vom Ammoniak ableiten lassen, indem man seine Wasserstoffatome durch Kohlenwasserstoffreste ersetzt: CH3 · NH2 CHs · NH · CH3 CH3 · N(CH3)2 Methylamin
Dimethylamin
Trimetbylaniln
Eine charakteristische Eigenschaft des Ammoniaks ist seine Fähigkeit, durch Anlagerung eines Protons an sein einsames Elektronenpaar seine Koordinationszahl auf 4 zu erhöhen und das positiv geladene Ammonium-Ion zu bilden : H pH\ /Hl® H-)N I + HS = >N< H/ LH/ \ h j
(1)
Die gleiche Additionsfähigkeit für Protonen finden wir bei den Alkylaminen wieder. Auch die schwache Säure Wasser gibt ihr Proton bis zu einem Gleichgewicht an Ammoniak ab : NH3 + HaO ·. " NH4® + OH® (2) Die Ionen auf der rechten Seite der Gleichgewichtsbeziehung täuschen das Vorhandensein eines Ammoniumhydroxyds NH 4 · OH vor, dessen (geringe) scheinbare Dissoziation man aus der H-Ionenkonzentration berechnen kann, das aber in Wirklichkeit nicht existiert. Dagegen sind die völlig alkylierten Ammoniumhydroxyde, z. B. Tetramethylammoniumhydroxyd [(CH3)4N]® OH© leicht darstellbar. Die niederen Alkylamine bilden in Wasser stärkere Basen als Ammoniak, wie man z. B. daran erkennen kann, daß ihre wäßrige Lösung in äquimolekularer Konzentration den elektrischen Strom besser Desser leitet. leitet, uer Der .rrozeu Prozeß ist ganz analog ζzu formulieren : CHg-NHj + HjO und gestattet die
[0Η 3 ·ΝΗ 3 ]θ + ΟΗΘ
i f i n n einer P1TÌAP Basen-Dissoziationskonstante Ώα.αοη.Τίιβαη7ΪΛΗπηοΙ:ηηβίαη+ϋ Definition
gemäß [R · ΝΗ3Φ][ΟΗθ] = [R. NH2][H20] ~ b'. wobei [H 2 0] als konstant vernachlässigt bzw. = 1 gesetzt wird.
Dagegen können die vollständig substituierten Ammoniumionen R4N® natürlich kein Proton abspalten. Die quartären Ammoniumhydroxyde R 4 N · OH sind fast ebenso starke Basen wie die Alkalien. Als Maß für die Stärke der Amine als Basen ist im folgenden die Basen-Dissoziationskonstante kb bei 25° aufgeführt. Sinnvoller erscheint es aber, das Gleichung (2) entsprechende Gleichgewicht R-NH® ^ ß - N H , + H®, wonach das Amin als Base, die Ammonium-Verbindung als „konjugierte Säure" betrachtet wird, durch eine „Aciditätskonstante" k a auszudrücken, die die Tendenz des Amins, in das Kation überzugehen, mißt und in leicht ersichtlicher Weise mit b h durch die Beziehung k a k|, = k w ( = Ionenprodukt des Wassers) zusammenhängt. Ihr negativer Logarithmus, der Dissoziationsexponent pk a (vgl. S. 78) ist ebenfalls unten verzeichnet: k„ χ 105 ka χ 10'1 P *a 9.21 . 1.65 61.1 Ammoniak . . 2.37 10.64 Methylamin . . . 42.46 59.94 1.68 10.77 Dimethylamin. Trimethylamin 15.97 9.80 6.31
62
Acyclische Verbindungen
Nomenklatur und Isomerìe Soweit bequeme Bezeichnungen für die Alkyle vorhanden sind, verknüpft man deren Namen mit der Endung -amin: CH 3 -NH 2 Methylamin, C 3 H,·NH 2 Propylamin, (CH3)2NH Dimethylamin, (CH3)3N Trimethylamin. Je nachdem ein, zwei oder drei Wasserstoffatome des Ammoniaks ersetzt sind, unterscheidet man primäre, sekundäre oder tertiäre Amine. Die Verbindungen RjN-OH führen den Namen quartäre Ammoniumbasen. Weitere Namen für die Amine ergeben sich, wenn man sie als Kohlenwasserstoffe auffaßt, in denen H-Atome durch die Aminogruppe NH 2 ersetzt sind: CH 3 -NH 2 Aminomethan, H 2 N-CH 2 -CH 2 -CH 2 -NH 2 1,3-Diamino-propan. Für die Ammoniumgrappe existiert das Präfix Ammonio- ; die gebräuchlichen Namen sind aber von der Form Trimethylbutylammoniumhydroxyd für CH3-CH2-CH,-CHJ-N(CH3)8-OH usw. Die Isomerie kann bei den Aminen verschiedene Ursachen haben. Zunächst kann sie wieder wie bei den Alkoholen auf Verzweigung der Kohlenstoffkette oder auf der Stellung des Stickstoffs im Molekül beruhen. Als neuartiges Moment kommt dann hier noch der primäre, sekundäre oder tertiäre Charakter des Amins hinzu. Eine Verbindung C 3 H,N kann z. B. sein: rsopPryopy?amin ΟΗ,.ΟΗ,.ΟΗ,.ΝΗ, oder 0 fr Methyläthylamin Trimethylamin
CHjx CH3 CH,/
^>ΟΗ·ΝΗ2,
primär;
tertiär.
Bildungsweisen Erhitzt man Ammoniak in alkoholischer oder wäßriger Lösung mit Alkylhalogenid, so spielen sich die folgenden nucleophilen Substitutionen ab, die sich nur im Ladungstypus von den schon früher für die Alkylhalogenide besprochenen Reaktionen unterscheiden : I. HjN I + C2H5CI II. C 2 H 5 · HjN I + C2H6C1 -> III. (C 2 H,) 2 HN I + C2H6C1 IV. (C2H6)3N ι + C2H5C1 -
H3N · C 2 H 6 e H2N(C2HS)2© HN(C2H5)3® N(C2HS)4®
+ + + +
Cl© Cl© CI© Cl©
Man erhält also ein Gemisch der vier Alkylierungsstufen nebeneinander. Häufig kann man jedoch das Verhältnis von Ammoniak und Alkylhalogenid so wählen, daß ein bestimmtes Amin als Hauptprodukt entsteht. Auch die N a t u r des Alkyls ist auf den Verlauf der Reaktion von Einfluß. Mitunter kann es von Vorteil sein, die Reaktion mit flüssigem Ammoniak ohne Lösungsmittel in der Bombe bei Raumtemperatur vorzunehmen. I n der Technik vermeidet man bei Methylamin den Umweg über das Halogenid und läßt Ammoniak direkt auf Methanol in der Dampfphase bei 300—450°, vorzugsweise unter Druck, einwirken, wobei Tonerde als Katalysator dient: CH 3 -OH + NH 3 = CH3 NH 2 + H 2 0 ; ¿m 2 8 8 = — 7·25kcal.
Mit überschüssigem Ammoniak entsteht dabei neben sekundärer und tertiärer Base ganz überwiegend Monomethylamin. Doch setzen sich die drei Basen stets am Katalysator in gewissem Grade ins Gleichgewicht. Primäre und sekundäre Amine erhält man ferner bei katalytischer Hydrierung von Aldehyden oder Ketonen in Gegenwart von Ammoniak mit den üblichen Hydrierungskatalysatoren: CH 3 .CHO + NH 3 + H 2 = C H 3 C H 2 - N H , + H 2 0
und bei der katalytischen Hydrierung von Nitrilen: E -CN + 2 H 2 = R . CH2· NHj. Um einheitliche primäre Amine zu gewinnen, verfügt man über die folgenden Verfahren, die erst später besprochen werden können, aber hier wenigstens erwähnt seien:
Amine 1.
63
Reduktion von Nitroverbindungen: C2H5-N02 +
3 H;, =
C2H6NH
2
+
2H,0.
Diese Reaktion ist wegen der beschränkten Zugänglichkeit aliphatischer Nitroverbindungen ohne größere Bedeutung. 2.
Hydrolyse von Isocyansäureestern :
3.
Alkylierung von Fhthalimidkalium und folgende Spaltung mit Säuren (oder mit Hydrazin) :
C H S ' N : CO +
Ι
II
)NK
+
C H
3
J - H
H20 =
II
CH
8
NH
2
) N - C H , - > |
+
C02.
||
+
CH3-NH2.
Über den wichtigen Abbau der Säureamide und Säureazide zu primären Aminen s. S . 198_
Die Zerlegung der nach den obigen Verfahren erhaltenen Basengemische ist nicht immer einfach. Leicht isolierbar sind die Ammoniumbasen. Sie sind nicht flüchtig und bleiben deshalb zurück, wenn man die salzsauren Salze mit Kalilauge zerlegt und destilliert. Die primären bis tertiären Basen können im Fall der Äthylamine und Propylamine unschwer durch fraktionierte Destillation getrennt werden. Bei den Methylaminen ist dies jedoch nicht ohne weiteres möglich, weil Trimethylamin Azeotrope mit Methylamin (mit etwa 18 Mol-°/o Trimethylamin bei Atmosphärendruck) und anscheinend auch mit Dimethylamin bildet, deren Zusammensetzung stark druckabhängig ist. Setzt man jedoch dem Gemenge noch eine ausreichende Menge wasserfreies Ammoniak zu, so destilliert das gesamte Trimethylamin in Form eines Azeotrops mit Ammoniak (etwa 10 Mol-°/o Trimethylamin) zuerst über (Kp 7 6 0 : — 35°), und die Trennung der übrigen Basen bereitet dann keine Schwierigkeit mehr. Man destilliert in der Praxis unter 5—15 Atmosphären Druck, um mit Wasser gewöhnlicher Temperatur kühlen zu können. Im Laboratorium erreicht man eine teilweise Trennung der Methylamine auf Grund der Unlöslichkeit des salzsauren Monomethylamins in Chloroform. Eine weitere Trennung von Di- und Trimethylamin ist ζ. B. durch teilweise Neutralisation auf Grund der sehr verschiedenen Basizität möglich. Von den verschiedenen chemischen Trennungsmethoden solcher Basengemische erwähnen wir die Behandlung mit Sulfochloriden in alkalischer Lösung. Primäre und sekundäre Basen geben mit Benzolsulfochlorid C 6 H 5 -S0 2 C1 am Stickstoff alkylierte Sulfonamide C 6 H 6 - S 0 2 ' N H R bzw. C 6 H 5 -S0 2 -NRR', von denen die ersteren in Alkali löslich sind. Tertiäre Amine reagieren nicht und können in geeigneterWeise, ζ. B . durch Destillation, entfernt werden. Die Sulfonamide lassen sich mit Salzsäure bei etwa 150° unter Rückbildung der Amine spalten. Auch die Destillation tertiärer Amine über Essigsäureanhydrid oder Phosphorpentoxyd, von denen sie nicht angegriffen werden, kann für ihre Isolierung von Nutzen sein. Nicht selten ist auch die umgekehrte Aufgabe der Alkylierung von Aminen zu einer einheitlichen Alkylierungsstufe zu lösen. Hier sei von besonderen Kunstgriffen die Darstellung „Schiffscher Basen" durch Umsetzen von primärem Amin mit Aldehyd und anschließende Hydrierung erwähnt: R-CH2.N=CH.CH
3
+
H2 =
R.CH2-NH.CH2.CH3,
ferner die WALLAOHSche Methylierung mit Formaldehyd und Ameisensäure, wobei diese die zunächst gebildeten Hydroxymethylgruppen zu Methylgruppen reduziert: R.CH2.NH
2
+
H0-CH2-0H =
R.CH2-NH.CH2-OH +
R.CH2-NH-CH2-0H +
HCO2H =
R-CH2.NH.CH
3
+
H20 H2O +
CO2.
64
Acyclische Verbindungen
Die bereits oben erwähnten Benzolsulfonamide CeH5 · S0 2 · NHR lassen sich mit Alkylhalogeniden und Alkali am Stickstoff alkylieren. Durch anschließendes Erhitzen mit Säure wird dann das gewünschte sekundäre Amin abgespalten. Die quartären Ammoniumsalze, die durch Anlagerung von Halogeniden an ScHiFFsohe Basen des Benzaldehyds entstehen, werden durch Wasser glatt unter Abspaltung von Benzaldehyd zerlegt: r τ θ θ
|C„H5·CH=N R - N = C I Frei von Nitrilen erhält man sie bei der Einwirkung von Chloroform und Kalilauge auf primäre Amine : Ο , Η , Ν Η , -f CHC1, + 3 KOH = C 2 H 5 -N=CI + 3 KCl + 3 Η,Ο. Die Alkyisocyanide sind farblose, sich rasch verändernde Flüssigkeiten von äußerst widerlichem Geruch. Ihre Bildung aus Chloroform gestattet deshalb einen sehr empfindlichen Nachweis für das Vorliegen primärer Amine. Sie werden von Alkalien nicht angegriffen, von Säuren in primäre Amine und Ameisensäure zerlegt: C 2 H,-N=C 1 + 2H s O = CjHJ-NHJ + HCOOH. Ameisensäure Bei der katalytischen Hydrierung entstehen sekundäre Amine R · N H · CH S . Alle Reaktionen greifen an dem einsamen Elektronenpaar des Kohlenstoffs an, wie man daraus ersieht, daß Halogene, Halogenwasserstoff und Schwefel nur am Kohlenstoff addiert werden, wobei Verbindungen der Formel R · N = C H X ( X = Halogen), R · N = C S usw. entstehen. Äthylisocyanid siedet bei 78° und ist in Wasser schwer löslich.
Alkyl gebunden an Phosphor und Arsen W i r betrachten in den folgenden Abschnitten eine Reihe von Verbindungen, die man als metallorganische Verbindungen zu bezeichnen pflegt, weil sie direkt an Kohlenstoff gebundenes Metall enthalten. Obwohl Phosphor und in geringerem Grade Arsen noch zu den Metalloiden gehören, rechnet man sie meist ebenfalls zu den metallorganischen Verbindungen. Steigt man in der 5. Gruppe des periodischen Systems aufwärts, so bemerkt m a n bei den Wasserstoffverbindungen eine Abnahme der Basizität und zunehmende Neigung zur Oxydation. Das Gleiche stellt man auch bei den entsprechenden Alkylverbindungen fest, die wir im folgenden kurz betrachten wollen. Phosphine Die organischen Phosphor-Verbindungen haben mit Ausnahme der Phosphorsäureester nur geringe Bedeutung. Die Phosphor-Analoga der Amine heißen Phosphine; sie sind Substitutionsprodukte des Phosphine PH 3 ; die Verbindung CH3-PH2 nennt man Methylphosphin usw. Während bei den Aminen keine sehr erhebliche Steigerung der Basizität des Ammoniaks durch den Eintritt von Alkylgruppen beobachtet wird, ist diese Steigerung bei den Phosphinen enorm. Die Salze der Monoalkylphoephine werden noch durch Wasser zersetzt, die Salze von Di- und Trialkylphosphinen nicht mehr: das pk» von PH 3 ist —14, von Mono-, Di- und Trialkylphosphinen etwa 0, + 4 bzw. + 8 , 6 . Die quartären Phosphoniumbasen R 4 P-OH sind ebenso stark basisch wie die Ammoniumbasen. Wird eine Phosphoniumbase erhitzt, so spaltet sie sich nicht wie die Ammoniumbase in Alkohol (oder C i A n + H 2 0 ) und Trialkylbase, sondern in Kohlenwasserstoff C n H 2n+2 und Trialkylphosphinoxyd: (C2Hs)4P· OH = CjH, + (G,H 5 ) 3 P0. Hier tritt die große Neigung des Phosphors, sich mit Sauerstoff zu verbinden, zutage. Diese kann man auch an der Leichtigkeit, mit der sich Phosphine oxydieren, erkennen. Primäre und sekundäre Phosphine entstehen durch Erhitzen von Phosphoniumjodid mit Alkyljodid und Zinkoxyd. Tertiäre Phosphine und quartäre Phosphoniumverbindungen entstehen beim Erhitzen von Phosphor mit Alkylhalogeniden, ferner beim Erhitzen von Phosphoniumjodid mit Alkoholen. Am besten werden tertiäre Phosphine aus PBr 3 und Alkylmagnesiumhalogeniden dargestellt: PBr 3 + 3CH 3 MgBr = P(CH 3 ) 3 + 3MgBr a . Andere für solche Reaktionen geeignete Halogenphosphine gewinnt man aus DialkylquecksilberVerbindungen nach R 2 Hg + 2PC13 = 2RPC12 + HgCl2. Die Phosphine sind farblose Flüssigkeiten von betäubendem Gerach. Triäthylphosphln riecht in starker Verdünnung nach Hyazinthen. Über „Phosphinmethylene" und ihre synthetische Verwendung s. S. 378.
Phosphor- und Arsenverbindungen
71
Durch Oxydation der primären Phosphine entstehen die zweibasischen Alkylphosphonsäuren R-PO(OH) 2 , die formal 1 als Alkylderivate der hypothetischen „Phosphonsäure" HPO(OH), aufzufassen sind und deren Chloride sehr einfach aus Kohlenwasserstoffen und PC13 beim Einleiten von O, erhalten werden. Die Dialkylphosphinsäuren RjR^POfOH) sind einbasisch und leiten sich von der „Phosphinsäure" H 2 PO(OH) ab, während die Trialkylphosphinoxyde R 1 R 2 R a PO keine sauren Eigenschaften haben. Arsine Sie folgen in der Nomenklatur völlig den oben beschriebenen Phosphor-Verbindungen. Die primären und sekundären Arsine R-AsH 2 und R 2 AsH werden durch Reduktion der Alkylarsonsäuren und Dialkylarsinsäuren mit Zinkamalgam und Salzsäure erhalten: Methylarsonsäure CH3-AsO(OH)2 gibt Methylarsin CH 3 ·AsHj, Dimethylarsinsäure (CH3)JASO-OH gibt Dimethylarsin (CH3)¡¡AsH, niedrigsiedende Flüssigkeiten, die sich an der Luft oxydieren. Tertiäre Arsine (s.a. S. 73) entstehen aus Arsennatrium und Alkyljodid: AsNa 3 + 3 CJHJJ = (CjHj^As + 3 N a J . Sie besitzen keinen basischen Charakter. Durch Addition von Alkylhalogenid kann man sie in die Salze der quartären Arsoniumhydroxyde R 4 As-OH überführen. Diese werden aus ihren Salzen durch Ag 2 0 in Freiheit gesetzt und sind sehr starke Basen. Die wichtigsten Alkylverbindungen des Arsens sind die Kakodylverbindungen. Sie sind von BUNSEN2, der sie zuerst untersucht hat (1837), nach BERZELITJS' Vorschlag nach ihrem ekelerregenden Geruch (κακώδης = stinkend) benannt worden. Sie enthalten die einwertige Atomgruppe (CH3)2As—, deren Erhaltung in zahlreichen Umsetzungen bei der Begründung des Radikalbegriffs eine große Rolle gespielt hat. Kakodyloxyd [(CH3)2As]20 wird durch Destillation von Arsentrioxyd mit Kaliumacetat gewonnen („CADETsche Flüssigkeit" 1760). Beim Erhitzen des Oxyds mit Salzsäure entsteht kovalentes Kakodylchlorid (CH 3 ) 2 ASCL, das durch Einwirkung von Zink in Kakodyl (CH3)2AS· AS(CH3)2 verwandelt wird. Diese Verbindungen sind sehr giftig. Sie rufen teilweise schon in kleinen Mengen Brechneigung und Reizung der Schleimhäute hervor. Methylargon säure wird durch Methylierung von Natriumarsenit gewonnen: Na„As0 3 + CHgJ = CH,· AsO(ONa), + N a J . Schweflige Säure reduziert sie zu Methylarsenoxyd CH 3 -AsO, das mit Dimethylsulfat und Natronlauge zu Dimethylarsinsäure ( C H 3 ) J A B O O H alkyliert wird. Methylarsonsäure findet wegen ihrer geringen Giftigkeit ebenso wie die Dimethylarsinsäure (KakodyLsäure) in Gestalt des Natriumsalzes therapeutische Verwendung bei Blutarmut und Hautkrankheiten.
Alkyl gebunden an die Elemente der Kohlenstoffgruppe Die Elemente Silicium, Germanium, Zinn und Blei sind vierwertig wie der Kohlenstoff. Versuche, beim Silicium Atomketten der gleichen Art wie die C-Ketten darzustellen, sind über die Verknüpfung von 6 Si-Atomen zu Polysilanen kaum hinausgelangt. Die große Affinität des Siliciums zum Sauerstoff führt dazu, daß die Si-O-Bindung der recht schwachen Si-Si-Bindung vielfach den Rang abläuft. Die Tetraalkylderivate des Silans SiH 4 lassen sich aus SiCl4 und Alkylhalogenid durch Einwirkung von Natrium darstellen. Sie weichen in ihren Eigenschaften nur wenig von den entsprechenden Kohlenstoffverbindungen ab. Tetraäthylsilan (Cyij^Si siedet bei 153°, Tetraäthylmethan (Cyï 6 ) 4 C bei 139°. Beide werden durch rauchende Salpetersäure und durch Schwefelsäure bei gewöhnlicher Temperatur nicht angegriffen und geben mit Chlor Substitutionsprodukte. 1 Editorial Report on Nomenclature, J . Chem. Soc. London 1962, 5122. * Geboren 31. März 1811 in Göttingen, gestorben 16. August 1899 in Heidelberg. Er lehrte hauptsächlich in Marburg (1838—1851) und Heidelberg (1852—1899). Siehe den Nachruf von TH. CURTIUS ( Journ. prakt. Chem. [2] 61, 381).
72
Acyclische Verbindungen
Durch die Erzeugung von Kunststoffen aus siliciumorganischen Verbindungen in Amerika hat die Siliciumchemie in jüngster Zeit einen außerordentlichen Aufschwung erfahren. Duroh Einwirkung von Siliciumtetr&ohlorid auf Alkylmatgnesiumhalogenide (s. u.) oder durch Leiten von Alkylhalogeniden über Siliciumkupferlegierungen bei 300" und anschließende Hydrolyse kann man Dialkylsilandiole, ζ. B. (CH,),Si(OH) 2 darstellen, die sich zu Siloxandiolen (Siliconeu) CH3
CH3
HO—Si—O—Si—O
ICH, I
CH,
OH3
CHJ
¿i—O—Si—OH 1
CIí 3
J,CH,
polykondensieren. Auch zahlreiche andere Bautypen sind dargestellt worden. Man erhält so öle, Harze, Lacke und kautschukartige Stoffe, die duroh ihre große Temperaturbeständigkeit ungemein wertvoll sind. Sehr auffallend und technisoh interessant ist auch die geringe Temperaturabhängigkeit ihrer Viscosität, die ihnen eine besondere Stellung unter den Schmiermitteln verleiht.
Auch vom Germanium, Zinn und Blei sind TetraalkylVerbindungen dargestellt worden. Das aus Äthylchlorid und einer Bleinatrium-Legierung darstellbare giftige Bleitetraäthyl Pb(CjH 6 ) 1 findet ausgedehnte Anwendung als Zusatz zu Treibstoffen, weil es duroh seinen leichten Zerfall unter Bildung von Äthylradikalen C,H,x das lästige „Klopfen" der Motoren verhindert. Bei der thermischen Zersetzung der Bleialkyle wurde zuerst die Existenzfähigkeit freier Radikale ( S . 116) nachgewiesen ( P A N E T H ) . Vom Silicium und Zinn hat man auch Verbindungen vom Typus (CH3)SM—M(CHS), dargestellt. Vom Blei und Zinn sind auch ungesättigte Derivate der zweiwertigen Metalle bekannt.
Alkyl gebunden an Metalle der 1. bis 3. Gruppe des periodischen Systems Von den Metallen dieser Gruppen leiten sich die wichtigsten metallorganischen Verbindungen ab. Je stärker elektropositiv die Metalle sind, um so polarer hat man sich die Bindung von Kohlenstoff an das Metall vorzustellen. Die ungewöhnlichen Reaktionen dieser Verbindungen beruhen durchweg auf dem polaren Charakter dieser Bindung. Schon seit langem bekannt sind organische Derivate dea Zinks ( F R A N K L A N D 1 8 4 9 ) . Beim Erhitzen von Äthyljodid mit Zink bildet sich zunächst Äthylzinkjodid C,H 5 -ZnJ; dieses zerfällt bei stärkerem Erhitzen nach folgender Gleichung: 2 C,H,· Zn J - Ζη(Ο,Η,), + Z n J , . Die Zinbdialkyle sind farblose Flüssigkeiten, schwerer als Wasser. Zinkdimethyl siedet bei 46°, Zinkdiäthyl bei 118°. An der Luft entzünden sie sich augenblicklich. Mit Halogen geben sie Alkylhalogenide. Auch durch Wasser werden sie stürmisch zersetzt, Zinkdimethyl gibt hierbei Zinkoxyd und Methan. Durch Einwirkung von Zinkdialkyl auf Alkylhalogenid hat man in einigen Fällen Kohlenwasserstoffe erhalten : Zn(CH,)j + 2 (CH,),CJ = 2 (CH,)3C · CH, + Z n J , .
Die Zinkalkyle, früher für synthetische Arbeiten häufig verwendet, sind heute völlig durch die OrganomagnesiumVerbindungen verdrängt. Diese bilden vielfach auch das beste Ausgangsmaterial für die Darstellung anderer metallorganischer Verbindungen. Den Anstoß zu ihrer Einführung in die synthetische organische Chemie gaben wichtige Beobachtungen von B A R B I E R (1898); ihre gründliche Untersuchung verdankt man seinem Schüler G B I G N A R D . Bringt man Magnesium in vollkommen trockenem Äther mit Alkylj odid zusammen, so gerät der Äther ins Sieden und das Metall geht in Lösung, indem Alkylmagnesiumjodid 0 η Π 2 η + 1 · MgJ entsteht. Diese Verbindung enthält 2 Moleküle Äther komplex gebunden, die nach dem Abdestillieren des Lösungsmittels nur duroh andauerndes Erwärmen im Vakuum auf 100° entfernt werden können.
Metallorganieche Verbindungen
73
Ätherfrei erhält man sie, wenn man Benzol oder Petroläther als Lösungsmittel anwendet und die Reaktion durch Zusatz kleiner Mengen eines katalytisch wirkenden tertiären Amins oder auch von Äther in Gang bringt. In den Lösungen dieser Verbindungen liegen nach den Untersuchungen von W. S C H L E N K J U N . Gleichgewichte vor: R„Mg + MgJs ^ 2 R · M g J .
Jedoch kann der ganze Fragenkomplex nicht als geklärt gelten. In neueren Arbeiten1 wird für die OrganomagnesiumVerbindungen die Konstitution R 2 Mg · MgX 2 postuliert und als Zwischenverbindung der Grignard-Reaktionen ein Komplex mit zwei Magnesiumatomen angenommen. Im folgenden beschränken wir uns auf die herkömmliche Beschreibung dieser Reaktionen als Anlagerungen von 1 Mol an polare Doppelbindungen. Die Alkylmagneeiumhalogenide sind zwar ziemlich oxydabel, aber nicht selbstentzündlich. Unter Luftabschluß erhitzt, zerfallen sie in Olefin, Magnesiumhydrid und -halogenid : 2C 2 H s -MgJ = 2 CJH4 + MgH, + MgJ„.
Mit Wasser reagieren sie unter doppelter Umsetzung (Substitution): 2 C,H 5 -MgJ + HjO = 2 C 2 H, + MgO + MgJ 2 .
Es bilden sich also Kohlenwasserstoffe. Im Sinn der polaren Auffassung könnte man sagen: Wasser ist eine stärkere Säure als Äthan. Analog entstehen mit Alkoholen Kohlenwasserstoffe und Magnesiumalkoholate. In der gasvolumetrischen Bestimmung des aus Methylmagnesiumjodid entwickelten Methans hat man ein Mittel zur Bestimmung der Hydroxylgruppe ( Z E R E W I T I N O W ) . Mit anorganischen Halogeniden reagieren die MagnesiumVerbindungen unter Metall-Austausch, ζ. B. entsteht Trimethylarsin nach der folgenden Gleichung (s. a. die Hg-Verbindungen, S. 74) : 3 CHj-MgBr + AsBr, = (CH3)3As + 3 MgBr,.
Die wichtigste Eigenschaft der Organomagnesiumverbindungen ist ihre Fähigkeit, sich an ungesättigte Kohlenstoff-Sauerstoff- und Kohlenstoff-Stickstoffbindungen anzulagern, wobei das Alkyl an den Kohlenstoff, der MgHal-Rest an das elektronegative Element tritt. Bei der Zerlegung der Additionsverbindung mit Wasser wird der MgHalRest gegen Wasserstoff ausgetauscht2. Die Reaktion, für die wir später viele Beispiele kennenlernen werden (S. 74, 91, 98, 100), sei hier am Acetaldehyd veranschaulicht: CH, C H , - C H = 0 + CHj-MgJ - ν C H , - C H O - M g J - v CH,-CH(OH)-CH,, + Mg(OH)J.
Aus Acetaldehyd wird also ein sekundärer Alkohol, der Isopropylalkohol, erhalten. Hingewiesen sei auf die reduzierende Wirkung, die Organomagnesiumverbindungen namentlich dann auszuüben vermögen, wenn die normale Reaktion in ihrem Ablauf behindert ist. So wird ζ. B. Diisopropylketon durch Isopropylmagnesiumbromid zu Diisopropylcarbinol reduziert, indem das Alkylanion ein Hydrid-Ion auf das Keton überträgt und sich zum Olefin stabilisiert : (CH3)2CH.CO.CH(CH3)2 + C 3 H 7 ·MgBr - > - (CH 3 ),CH·CH(0·MgBr)·CH(CH 3 ) 2 + C3H„.
Überraschend ist auch die Änderung im Ablauf von Magnesiumreaktionen, die nach K B A R A S C B durch Zusatz geringer Mengen von Metallohloriden, namentlich CoCl2 hervorgerufen wird8. Sie beruht auf der Bildung von Radikalen aus den entsprechenden 1 D E S S Y , H A N D L E B , J . Amer. Chem. Soc. 8 0 , 5824 (1958); S W A I N , B O Y L E S , J . Amer. Chem. Soc. 73, 870 (1951). 2 Meist zersetzt man die bei derartigen Magnesiumreaktionen intermediär entstehenden Additionsprodukte mit Eis; das abgeschiedene Magneeiumhydroxyd löst man sodann je nach der Empfindlichkeit des Keaktionsprodukts in Mineralsäure, Essigsäure oder Salmiaklösung. 3 Vgl. ζ. B . K H A R A S C H , L E W I S . R E Y N O L D S , Journ. Amer. Chem. Soo. 65 ( 1 9 4 3 ) , 4 9 3 ; M O R R I S O N , W I S H M A N , J . Amer. Chem. Soc. 76, 1 0 5 9 ( 1 9 5 4 ) .
74
Acyclische Verbindungen
metallorganischen Verbindungen der edleren Metalle, die mehr zum Radikal-Zerfall neigen, und wird uns später noch beschäftigen (S. 116). Die ungemein giftigen Quecksilberalkyle (CDHeD+1)2Hg entstehen aus Alkylmagnesiumhalogeniden auf folgendem Wege: HgCl 2 + 2 C 2 H 6 -MgCl = (CjHjjjHg + 2 MgCl 2 . An organischen Hg-Verbindungen, z.B.an der Reaktion 2sek.-BuHgBr ^ Hg(sek.-Bu) a + HgBr 2 mit opt. akt. sek.-Butyl haben zuerst REUTOW sowie INGOLD (1959) bimolekularen Verlauf (SE 2) einer elektrophilen Substitution (von Metall gegen Metall) am gesättigten C unter Konfigurationserhaltung studiert.
Sie sind gegen Sauerstoff und Wasser beständig und wenig reaktionsfähig. Durch Jod werden sie glatt in Alkyljodid und Quecksilberhalogenid gespalten: R 2 Hg + J 2 = R - H g J + R J . R - H g J + J 2 = R J -f H g J 2 .
Mit Alkalimetallen setzen sie
(W. SCHLENK sen.) :
sich zu
den interessanten Alkalialkylen
um
Hg(CH 3 ) 2 + 2 Na = Hg + 2 C H 3 N a .
Aus Alkylhalogeniden und Natriummetall lassen sich Natriumalkyle wegen der alsbald eintretenden WÜRTZ sehen Reaktion nur bei Natriumüberschuß und niedriger Temperatur darstellen. Dagegen lassen sich Lithiumalkyle aus Alkylchloriden auf diesem Wege bequem gewinnen. Die Alkalialkyle sind farblose, amorphe, auf Grund ihres stark polaren Charakters unlösliche Substanzen, die sich an der Luft entzünden. Lithiumäthyl ist kristallisiert und infolge geringerer Polarität in Äther, Benzin und Benzol löslich. Häufig findet man bei den alkaliorganischen Verbindungen Assoziation zu Komplexen. Die sonst so reaktionsträgen Äther werden durch Natriumalkyle im Sinne der Gleichung NaC 2 H 5 + C 2 H 5 -0-C,H 5 = C 2 H 5 -ONa -f CJH4 + C 2 H e
zersetzt. Die Reaktionen der Alkalialkyle gleichen im allgemeinen denen der Organomagnesiumverbindungeη. Sie sind aber reaktionsfähiger als diese, und namentlich Lithiumverbindungen sind deshalb für Synthesen sehr beliebt1. E s verdient besondere Beachtung, daß sie sich auch an konjugierte C=C-Bindungen addieren. Über Metallalkyle als Zwischenprodukte der WURTZ-FITTIG sehen Reaktion vgl. S. 345. Kurz erwähnt seien hier noch die flüssigen Alumininmalkyle, ζ. B. (CgH6)3Al, bei denen Addition an /?-Olefine und Wiederabspaltung bei geeigneter Wahl von Druck und Temperatur den präparativen Aufbau von a-Olefinen (vom Buten bis ζ. B. Octadecen) aus Äthylen gestattet (ZIEGLEE) : C 2 H 6 · A1R2 + CH 2 = CH2 - » C 2 H 5 · CH = CH 2 + ΗA1R2 ; HA1R2 + CH2 = CH2 — C 2 H 5 · A1R2.
Gesättigte Monocarbonsäuren (Fettsäuren) Man versteht unter Carbonsäuren Substanzen, die eine an Alkyl gebundene „Carboxylgruppe" — ^ o H
ent
^a^en·
Konstitution ergibt sich am einfachsten durch
die Synthese der Carbonsäuren aus Kohlendioxyd und Alkalialkylen. Ζ. B. entsteht durch Einwirkung von C0 2 auf Natriummethyl NaCH 3 das Natriumsalz der Essigsäure CHj C0 2 Na, indem sich CH S und Na an die eine CO-Bindung des Kohlendioxyds anlagern. Ganz analog bilden sich Carbonsäuren auch durch Addition von Alkylmagnesiumhalogeniden an C0 2 : CH,-MgBr + C02 = C H 3 - C ^ g . M g B r - ^ - t ΟΗ,-COOH + Mg(OH)Br. 1
Siehe hierüber G. WITTIG, Angew. Chemie 63, 421 (1940); 70, 65 (1958).
75
Fettsäuren
Daß tatsächlich, wie hier angenommen, die Carboxylgruppe an Kohlenstoff gebunden ist, folgt aus einer Reihe anderer Bildungsweisen. Es wurde schon früher gezeigt, daß die aus Kaliumcyanid und Alkyljodid entstehenden Nitrile (S. 69) durch Verseifung in Säuren der gleichen Kohlenstoff zahl übergehen: CHa-CN + 2H 2 0 = CHj-COOH + NHS. Die Verseifung muß auf eine Addition von Wasser an die Gruppe — C = N zurückgeführt werden, wenn die Kohlenstoffzahl erhalten bleiben soll. Daß durch Oxydation primärer Alkohole Säuren mit der gleichen Anzahl von C-Atomen entstehen, wurde schon S. 39 erwähnt: CH3-CH2-CH2-OH + 0 2 = CH3-CH2-COOH + H,0. Gesättigte Kohlenwasserstoffe lassen sich wegen ihrer Indifferenz nur schwer zu Carbonsäuren oxydieren. Durch Katalysatoren (z.B. Permanganate) läßt sich aber die Reaktion so beschleunigen, daß man bei etwa 100° höhere Paraffine durch Luft unter Sprengung der Kohlenstoffkette in Carbonsäuren umwandeln kann. Da hierbei noch zahlreiche andere Produkte entstehen, eignet sich dieses Verfahren nicht zur Darstellung einheitlicher Fettsäuren im Laboratorium. Dagegen besitzt es ζ. B. zur Gewinnung von Fettsäuregemischen aus Braunkohlenparaffin und synthetischen Paraffinen große technische Bedeutung. Über die Bildung von Carbonsäuren durch oxydative Spaltung ungesättigter Verbindungen vgl. S. 151, 153. Die Zusammensetzung der einfachsten möglichen Carbonsäure, der Ameisensäure CH 2 0 2 , läßt als plausible Strukturformel kaum eine andere Formel als HC^QJJ ZU . Im Einklang damit läßt sich das Vorhandensein einer Hydroxygruppe in Carbonsäuren mit den gleichen Mitteln wie bei den Alkoholen nachweisen. Mit Phosphorchloriden entstehen Säurechloride R · COCI. Der Wasserstoff der Carboxylgruppe ist durch Metall ersetzbar. Die Ersetzbarkeit eines Wasserstoffatoms in den Carbonsäuren läuft ihrer weiter unten behandelten Fähigkeit zur elektrolytischen Dissoziation parallel. Im Vergleich zu den nicht sauren Alkoholen ist diese hier energetisch begünstigt, weil das Carbonsäure-Aniou zwei gleichwertige Elektronen-Konfigurationen zuläßt (vgl. Mesomerie, S. 67) :
Ü=C—Ö ι Θ R
Θ
ι 0—0=0 R
Der Arbeitsaufwand für die Abtrennung des Protons vom Sauerstoff wird also durch den Gewinn an Mesomerie-Energie stark erniedrigt.
Sowohl die Hydroxylgruppe als auch der doppelt gebundene Sauerstoff = 0 des Carboxyls sind zu mannigfachen Austauschreaktionen befähigt ; die dabei entstehenden C a r b o n s ä u r e d e r i v a t e werden weiter unten abgehandelt werden (vgl. S. 86). Nomenklatur. Die Säuren dieser homologen Reihe haben meist Trivialnamen, die an ihre Herkunft aus dem Tier- oder Pflanzenreich erinnern. Sie werden insgesamt unter dem Namen „Fettsäuren" zusammengefaßt, da vor allem ihre höheren Glieder aus den Fetten gewonnen werden können (S. 81). Systematische Namen der einzelnen Glieder kann man bilden, indem man die Endung -carbonsäure an die Namen der Alkane anhängt: CH3 -CELj -C02H Äthan carbonsäure = Propionsäure; CH3 · CH2 · CHj · COjH Propan-carbonsäure-(l) = Buttersäure; (CH3)2CH·CH¡¡·C02H 2-Methyl-propancarbonsäure-(l) = Isovaleriansäure. Genfer Nomenklatur der Carbonsäuren s. am Schluß des Buches. Die Trivialnamen der Carbonsäuren werden mit griechischen Buohstaben γ
β
a
beziffert : CH3· CHj· CHj C O Ä also CHS· C H a CHj· COjH = /?-Chlor-buttersäure Unter dem Einfluß der amerikanischen Literatur werden neuerdings teilweise auch die Trivial-
76
Aoyolische Verbindungen
namen so beziffert, daß C0 2 H = 1 ist, ζ. Β. /?-Chlor-buttersäure = 3-Chlor-buttersäure. Die von den Fettsäuren durch Wegnahme von Hydroxyl abgeleiteten Radikale heißen in den einfachsten Fällen: HCO Formyl, CHS · CO Acetyl, CH s -CH t -CO Propionyl, CH,· CHS· CH a - CO Butyryl, C 4 H,· CO Valervi usw. Die allgemeine Bezeichnung für die Gesamtheit dieser Radikale ist Acyl.
Vorkommen und Eigenschaften Fettsäuren kommen in der Natur weit verbreitet als Fette und Waohse in esterartiger Bindung an Glycerin (S. 164) und hochmolekulare Alkohole vor. Die niederen Glieder dieser Säurereihe sind bei gewöhnlicher Temperatur flüssig, können unter normalem Druck unzersetzt destilliert werden und besitzen einen höchst stechenden Geruch; mit Wasser sind sie in allen Verhältnissen mischbar. Die mittleren Glieder C4—C8 riechen unangenehm ranzig; sie sind nicht in allen Verhältnissen mit Wasser mischbar. Die höheren Glieder von C10 an sind bei Zimmertemperatur fest, paraffinartig, geruchlos, unter gewöhnlichem Druck nicht unzersetzt destillierbar und werden von Wasser kaum aufgenommen. Alle sind in Alkohol und Äther leicht löslich. Die normalen Säuren sind mit Ausnahme des ersten Gliedes (Ameisensäure) gegen Oxydationsmittel recht beständig. Über ,,/S-Oxydation" der Fettsäuren vgl. S. 284. Gegenüber Reduktionsmitteln sind die Fettsäuren äußerst widerstandsfähig. Jedoch gelingt es, sie bei etwa 300° in Gegenwart von Kupfer als Katalysator mit Wasserstoff unter 200 Atmosphären Druck zu den entsprechenden Alkoholen zu reduzieren. Man stellt auf diese Weise die höheren Fettalkohole dar, die als Ausgangsmaterial für die „Fettalkoholsulfonate" R - 0 · S0 3 H technische Bedeutung besitzen (S. 49, 85). Interessant ist die glatte Reduktion von Säuren zu Alkoholen mit LiAlH 4 in Äther. I n der folgenden Tabelle werden die Namen und Formeln einiger normaler Säuren CnH^Oj nebst ihren physikalischen Konstanten aufgeführt. Name Ameisensäure Essigsäure Propionsäure Buttersäure Valeriansäure Capronsäure önanthsäure Caprylsäure Pelargonsäure Caprinsäure Palmitinsäure Stearinsäure Behensäure
Formel
Sohinelzpunkt
CH,0, C2H4O2 C,H,O 2 C«H,O2 CSH19O2 C E H 12 0 2 C,H,A Q A A CJHJJOJ
4- 8-4° + 16-6 — 20 — 5-5 — 34· δ — 3-9 — 10 + 16 -F 12-5 + 31 62-6 69-3 82
C IE H 32 0 2 CIGH3602
Siedepunkt 100-5® 118-1 141-1 164-05 186-4 205 223 237 263 268 215 15 23215 26215
Spez. Gew. DJ» 1-220 1-049 0-992 0-958 0-939 0-927 0-917 0-910 0-905 0-895 30 0-853' 2 0-845«' —
Während die Siedepunkte uud Dichten mit der Zahl der C-Atome im Molekül regelmäßig steigen bzw. abnehmen, liegen die Schmelzpunkte der Säuren mit gerader Zahl der C-Atome höher als die der beiden benachbarten Säuren mit ungerader Zahl. In der graphischen Darstellung Fig. 34 (Kurve I) gelangt dies deutlich zum Ausdruck. Man trifft diese Alternanz der Schmelzpunkte auch in einigen anderen homologen Reihen an (S. 175). Die gleiche Oszillation findet sich auch in den
Fettsäuren
77
Sohmelzwärmen der Fettsäuren (Fig. 34Π) wieder. Die Dampfdichte der Fettsäuren übersteigt in der Nähe des Siedepunktes den normalen Wert beträchtlich; für Essigsäure wird die Dampfdichte erst etwa 80° oberhalb des Siedepunktes normal. Die Fettsäuren sind also stark assoziiert. Bei der kryoskopischen Molekulargewichtsbestimmung in nichtpolaren Lösungsmitteln (ζ. B. Benzol) zeigen die niederen Fettsäuren doppeltes Molekulargewicht. In Wasser, das stark polar ist, findet man dagegen einfaches Molekulargewicht. Essigsäure zeigt ζ. B . in Wasser bei einer Konzentration von 0,2 Mol auf 100 g normales Molekulargewicht, während 6 8 10 Κ η 16 18 ÍO in Benzol noch bei 0,01 Mol doppeltes Anzahl der Kohlenstoff-Atome Molekulargewicht befunden wird. Erst unterhalb von 0,001 Mol nähert man sich hier Fig. 34. Schmelzpunkt (I) und normalen Werten. Man erklärt diese Er- Sohmelzwärme (II) der normalen Fettsäuren scheinungen mit der Bildung von ringartigen Doppelmolekülen, deren Zusammenhalt wesentlich auf den starken Dipolkräften der Carboxylgruppen beruht und ein anschauliches Beispiel für die Wirkung von „Wasserstoffbrücken" (S. 48) abgibt: .0· Η—O V-CHS. ch3—c/ x O—Η ι" Bei der Essigsäure beträgt die Bindungsfestigkeit der Wasserstoffbindung pro Carboxylgruppe rund 8 koal. In Wasser bilden sich Wasserstoffbindungen mit dem Lösungsmittel aus, infolgedessen ist hier das Monomere stabilisiert. Die Fettsäuren sind in wäßriger Lösung in geringem Grade elektrolytisch dissoziiert. Die Abhängigkeit der Dissoziation von der Verdünnung entspricht der vom Massenwirkungsgesetz geforderten (OSTWALDS „Verdünnungsgesetz"). Ist also der Bruchteil « nach der Gleichung CnHjn+i-COOH ^
[C n H 2 n + 1 -CO 2 ]0 + H®
dissoziiert und ist die Konzentration (in Mol pro Liter) c, so gilt, wenn wir das Anion mit Α Θ abkürzen, [ΑΘ][ΗΦ]
[AH]
Ot 0
1 —«
=
k .
Die Gleichgewichtskonstante k heißt elektrolytische Dissoziationskonstante. Ihr hundertfacher Wert wurde früher vielfach mit Κ bezeichnet. Sie beträgt bei 25°: A-IO* Ameisensäure Essigsäure Propionsäure Buttersäure Valeriansäure Capronsäure
17-72 1-76 1-34 1-51 1-38 1-32
Weitaus am stärksten ist demnach die Ameisensäure. Für e = 0.063 ist Ameisensäure zu 5.17·/«, Essigsäure nur zu 1 · 6 7 % . Salzsäure dagegen zu 100°/, dissoziiert. Aus der Fig.35 kann
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Acyclische Verbindungen man ersehen, wie der Dissoziationsgrad α der Essigsäure mit steigender Verdünnung zunimmt. Die Wasserstoffionenkonzentration [H®] nimmt mit der Verdünnung proportional j/ c ab. Denn aus der obigen Gleichung läßt sich für kleines α leicht die Beziehung [ΗΦ] = « c = /fcc
ableiten. Sehr eigenartig ist die Temperatur-Abhängigkeit der Dissoziationekonstanten, die meist bei Baumtemperatur ihren maximalen Wert haben. Den Wert der Dissoziationskonstanten hat man namentlich früher aus der elektrischen Leitfähigkeit der wäßrigen Lösimg unter der Annahme Ac bestimmt, wo Ac die Äquivalentleitfähigkeit bei der Konzentration c, A0 den entsprechenden Wert bei unendlicher Verdünnung bedeutet. Die annähernde Konstanz der so gewonnenen Werte von k beruht auf einer Kompensation der Fehler, die dadurch entstehen, daB man die Abhängigkeit der Ionen-Beweglichkeit von der Verdünnung vernachlässigt und mit analytischen Konzentrationen statt mit Aktivitäten rechnet. Während die so begangenen Fehler bei schwachen Elektrolyten (k < 5 · 10 -3 ) nicht sehr bedeutend sind, muß man sich im übrigen der von der Theorie der starken Elektrolyte vorgezeichneten Korrektionsverfahren bedienen. In neuerer Zeit hat man namentlich aus den elektromotorischen Kräften geeignet zusammengesetzter galvanischer Elemente sehr genaue Werte ermittelt. Wenn in dem Ausdruck für die Dissoziationskonstante [ΑΘ][Η®]/[ΑΗ] = k [A©] — [AH] gemacht, d. h. die Säure zur Hälfte neutralisiert wird, so wird k = [H®]. Die WasserstoffionenKonzentration der halbneutralisierten Säure ist also gleich der Dissoziationskonstante, die auf diese Weise angenähert bestimmt werden kann. Statt der Dissoziationskonstante rechnet man vielfach bequem mit ihrem negativen Logarithmus, den man in Analogie zu pH als Dissoziationsexponenten p K bezeichnet. Ameisensäure HCOOH Ameisensäure (acidum formicicum) findet sich in den Giftdrüsen der Ameisen, in denen sie schon im 17. Jahrhundert beobachtet wurde. Kleine Mengen sind i m menschlichen Harn enthalten (30 mg/Tag). Ihr Natriumsalz wird technisch durch Behandeln v o n Natriumhydroxyd oder Natronlauge mit CO unter Druck bei 150—170° erhalten: CO + NaOH = HCO • ONa . Aus der um 1 Sauerstoffatom reicheren Kohlensäure läßt sich Ameisensäure durch Hydrierung gewinnen, indem man Wasserstoff unter 60 Atmosphären auf eine wäßrige Lösung v o n K H C 0 3 bei 70 0 in Gegenwart von Palladium als Katalysator einwirken läßt. Die Synthese v o n Kaliumformiat durch Einwirkung v o n Kohlendioxyd auf Kaliumhydrid kommt ebenfalls einer Hydrierung gleich: KH + C 0 2 = HCO-OK. Aus d e m entsprechenden Alkohol, Methylalkohol, ist Ameisensäure bei vorsichtig geleiteter Oxydation erhältlich. Der Bildung der Säure aus N a O H ist die Synthese ihrer Ester HCO - OR aus Alkoholen R · OH und CO analog. Sie geht bei höheren Drucken unter dem katalytischen Einfluß von Alkoholaten vor sich. I n der Technik stellt man so aus K o h l e n o x y d und Methylalkohol in Gegenwart von Natriummethylat bei 100° und Drucken bis zu 200 Atm. Ameisensäuremethyl ester dar. Dieser wird entweder zu Ameisensäure verseift oder mit Ammoniak bei 40° und 14 Atm. Druck zu Formamid umgesetzt.
Fettsäuren
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Wasserfreie Ameisensäure bildet eine farblose Flüssigkeit von stechendem Geruch, die bei 8,4° erstarrt und bei 100,5° siedet. Ihre Salze (Formiate) sind in Wasser löslich. Ameisensäure unterscheidet sich von ihren höheren Homologen durch ihre leichte Oxydierbarkeit zu Kohlendioxyd und Wasser und durch ihre Neigung zur Wasserabspaltung. Lösungen der Ameisensäure und ihrer Salze besitzen daher Reduktionsvermögen: Quecksilber(II)-chlorid wird in warmer, nicht zu saurer Lösung zu Kalomel und schließlich zu Quecksilber reduziert (Nachweis). Analog werden auch andere Metalle, z. B. Silber und Palladium, aus ihren Salzen abgeschieden. Diese leichte Oxydierbarkeit findet man bei den Homologen der Ameisensäure nicht wieder. Sie rückt die Ameisensäure in Parallele zu den später zu besprechenden Aldehyden, mit denen sie die leicht angreifbare Gruppierung — CHO gemeinsam hat. Durch konzentrierte Schwefelsäure wird Ameisensäure in Wasser und CO gespalten (Darstellung von CO im Laboratorium). Fein verteilte Edelmetalle (Platin, Palladium, Gold) dehydrieren Ameisensäure dagegen schon bei Zimmertemperatur nach der Gleichung : HCOOH = 1^ + 0 0 ^
Allgemein sind für die Dehydrierung solche Metalle Katalysatoren, die aus der Ameisensäure Elektronen aufnehmen können. Ameisensäure und ihre Salze finden ausgebreitete Verwendung in der Gerberei, Nahrungsmittel-Industrie und Färberei. Essigsäure CHjCOOH Essigsäure (acidum aceticum), schon im Altertum als roher Weinessig bekannt, wird technisch nach verschiedenen Methoden gewonnen: a) Durch bakterielle Oxydation von verdünntem Alkohol, z. B. Wein oder verdünntem Branntwein, an der Luft. Man gewinnt auf diesem Wege verdünnte (etwa 6—10%ige) Essigsäure, die unter dem Namen Essig bekannt ist. Die Essigbildung ist eine katalytische Reaktion. Ein in den Essigbakterien enthaltenes Fermentsystem dehydriert (S. 109) den Alkohol unter Abspaltung von Wasserstoff zu Essigsäure. Um günstige Wachstumsbedingungen für die Bakterien zu schaffen, muß bei 25—35° unter Zusatz von Malzauszug als Nährstoff gearbeitet werden. Rascher geht der Prozeß vonstatten, wenn man zwecks Erzeugung einer großen Oberfläche den Alkohol über eine hohe Schicht von Buchenspänen fließen läßt und ihm von unten einen langsamen Luftstrom entgegenfülirt (Schnell essigverfahren von SCHÜZENBACH, 1823).
b) Aus dem Holzessig (S. 35), der bei der trocknen Destillation des Holzes (Holzverkohlung) gewonnen wird. Durch Zusatz von Ätzkalk zum Destillat entsteht das Calciumsalz („Graukalk"), aus dem durch Destillation mit konzentrierter Schwefelsäure im Vakuum hochprozentige Essigsäure erhalten wird. In der Regel gewinnt man aber die Essigsäure axis verdünnten Lösungen durch Extraktion, z. B. mit Essigester, und anschließende Destillation. Da die Essigsäure bei der Holzverkohlung nur ein Nebenprodukt ist, so ist ihre Erzeugung auf diesem Wege an den Absatz der gleichzeitig gewonnenen Holzkohle gebunden. c) Die Hauptmenge der Essigsäure wird auf katalytischem Wege aus Acetylen gewonnen (vgl. S. 108). Hierbei entsteht zunächst Acetaldehyd, der bei 50° durch Luft in Gegenwart von Manganacetat oder Kobaltacetat zu einem Peroxyd oxydiert wird, das spontan in Essigsäureanhydrid und Wasser zerfallt. Man kann das Essigsäureanhydrid auch als solches gewinnen, indem man z. B. in einem Lösungsmittel arbeitet, das mit Wasser ein azeotropes Gemisch bildet und die Entfernung des Wassers bei niedriger Temperatur gestattet.
80
Acyclische Verbindungen
Ein Verfahren, das wegen der Billigkeit des Methanols technische Bedeutung erlangen könnte, ist die RsppEsche Synthese der Essigsäure aus Methanol und Kohlenoxyd bei etwa 300° und 250 Atm. in Gegenwart von Ni(CO)4 und Jod : CH3.OHgM + CO = CH3.COOHga«; ¿JH2S8 - —34kcal. Der Mechanismus der Reaktion ist nicht bekannt. Wasserfreie Essigsäure ist eine Flüssigkeit, die bei 16 -6° zu einer eisartigen kristallinischen Masse (Eisessig) erstarrt. Ihre physikalischen Eigenschaften wurden schon S. 76 mitgeteilt. Sie besitzt einen stechenden Geruch. Mit Wasser mischt sie sich unter Wärmeentwicklung und Kontraktion; diese ist am größten beim molekularen Verhältnis 1:1. Das spezifische Gewicht bei 15° ist dann 1,075. Die Zusammensetzung wäßriger Lösungen läßt sich o Konz. wo daher aus dem spezifischen Gewicht allein nicht ermitFig. 36. Viscosität wäßriger teln. Auch die Viscosität wäßriger Essigsäurelösungen Essigsäure in Abhängigkeit besitzt bei diesem Mengenverhältnis ein ziemlich scharfes von der Konzentration Maximum (Fig. 36). Der Wassergehalt sehr konzentrierter Essigsäure wird am leichtesten durch Bestimmung des Schmelzpunkts ermittelt. Die kryoskopische Konstante der Essigsäure ist 39°. 1 g Wasser (Mo39 lekulargewicht 18) in 100 g Essigsäure ruft also eine Gefrierpunktsemiedrigung von — =• 2· 16°
lo
hervor. Da man nun Depressionen von 0·05° mit Leichtigkeit messen kann, so lassen sich sehr geringe Wassermengen auf diese Weise mit großer Genauigkeit bestimmen. Kommt es darauf nicht an, so wird man natürlich die Säure in der üblichen Weise titrimetrisch bestimmen.
Die meisten Salze der Essigsäure (Acetate) sind in Wasser leicht löslich; ziemlich schwer löslich ist Silberacetat (etwa 1:100 bei 20°). Von technischer Wichtigkeit sind B l e i a c e t a t ( „ B l e i z u c k e r " ) und b a s i s c h e s B l e i a c e t a t ( „ B l e i e s s i g " ) , die zur Fabrikation von Bleiweiß dienen. Die Acetate der dreiwertigen Elemente werden namentlich durch heißes Wasser, hydrolytisch zu schwer löslichen basischen Salzen gespalten. Sie dienen deshalb als Beizen in der Textilfärberei (S. 404). Aluminiumacetat (essigsaure Tonerde) findet auch medizinische Verwendung. Eisenchlorid erzeugt in Natriumacetatlösung eine blutrote Färbung, die auf der Bildung des Komplexsalzes [Fe3(C 2 H 3 0 2 ) e (0H) 2 ](C2H 3 0 2 ) beruht; sie verschwindet beim Kochen der verdünnten Lösung, indem ein basisches • Eisenacetat abgeschieden wird. Ameisensäure und Propionsäure reagieren ähnlich. Eine andere empfindliche Reaktion auf Essigsäure ist die Bildung des giftigen, am Geruch erkennbaren Kakodyloxyds (S. 71). Kleinste Mengen von Acetat-Ion lassen sich nachweisen, indem man die zu prüfende Flüssigkeit mit Lanthannitrat und J o d versetzt und ammoniakalisch macht. Es bildet sich eine kolloidale Lösung oder ein Niederschlag von basischem Lanthanacetat, das mit dem anwesenden Jod eine blaue Färbung gibt. Bei Temperaturen von etwa 700—800° zerfällt Essigsäure unter Bildung von Keten und Methan: CHj · COjH - CH,=CO + H,0 CH3 . COjH ^ CH4 + CO, Siehe auch den Abschnitt Keten (S. 159). Essigsäure und Acetate besitzen große technische Bedeutung. Essigsäure bildet unter anderem das Ausgangsmaterial für die Herstellung von Acetylcellulose (Films, Acetatseide), Vinylacetat, Aceton, Phenacetin, Aspirin und Essigsäureester für Lösungsmittel; Acetate (Al, Fe) finden in der Färberei und Druckerei Anwendung.
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Fettsäuren
Bnttersäuren C 4 H 8 0 2 Buttersäure, Propan-carbon3äure-(l), CH3 • CH^ ·CH 2 ·CO s H siedet bei 163 -5° und ist als Ester in der Butter enthalten, in der sie 1823 von CHEVREUL entdeckt wurde. Sie kann durch Gärung zucker- oder stärkehaltiger Materialien mit dem Bacillus Clostridium butyricum dargestellt werden, wird aber meist durch Oxydation von Butanol oder Butyraldehyd gewonnen. Sie besitzt einen sehr unangenehmen Geruch 1 und ist gegen Oxydationsmittel sehr beständig. Ihre Struktur ergibt sich aus der Synthese aus Propyljodid: CHs-CHa-CHjJ ->- CH»· CH,· CH,-CN - > ΟΗ,-ΟΗ,-ΟΗ,-ΟΟ,Η. Aus Isopropyljodid entsteht analog Isobuttersäure, Propan-carbonsäure-(2) : £ ^ > C H J —v ch*>CH.CN ^»>CH-CO,H. Sie findet sich ζ. B. im Johannisbrot, riecht unangenehm ranzig und siedet bei 154-7°. Sie enthält ein tertiäres C-Atom und ist wie alle Verbindungen dieser Art leicht oxydierbar, wobei unter anderem Aceton und Kohlendioxyd entstehen. Charakteristische Unterschiede in der Löslichkeit weisen die beiden Calciumsalze auf. Isobuttersaures Calcium ist der allgemeinen Regel entsprechend in heißem Wasser leichter löslich als in kaltem. Das Calciumsalz der normalen Säure verhält sich umgekehrt. Eine bei 0° gesättigte Lösung von Calciumbutyrat scheidet daher beim Erwärmen auf etwa 80° festes Salz aus. Nach dem Prinzip des beweglichen Gleichgewichts sollte sich demnach das normale Calciumbutyrat unter Wärmeentwicklung, das Salz der Isobutter säure unter Wärmeabsorption in Wasser lösen. Dies stimmt mit der Beobachtung überein. Die Calciumsalze einiger homologer Säuren zeigen ein ähnliches Verhalten. Höhere Fettsäuren C„H 2n 0 2 Höhere Fettsäuren sind in der Natur sehr verbreitet. Es ist sehr bemerkenswert, daß unter ihnen die Säuren mit einer geraden Anzahl von C-Atomen bei weitem vorherrschen. Von ihnen sind am wichtigsten Palmitinsäure CjgHaOg und Stearinsäure C 18 H 3e 0 2 . Sie bilden als Ester des dreiwertigen Alkohols Glycerin den Hauptbestandteil der pflanzlichen und tierischen Fette. Durch Behandeln der Fette mit Laugen werden seit alters neben Glycerin „Seifen", d.h. die Salze der höheren Fettsäuren, gewonnen. Nach diesem Vorgang, der nichts anderes als eine Esterspaltung durch Wasseraufnahme bedeutet, pflegt man ganz allgemein hydrolytische Vorgänge als „Verseifung" zu bezeichnen. Die freien Fettsäuren werden aus den Fetten durch Erhitzen mit Wasser und einigen Prozent Kalk, Magnesia oder Zinkoxyd im Autoklaven auf 150° oder mit Wasser allein auf 220° dargestellt; nach beendeter Verseifung schwimmen die unlöslichen Fettsäuren auf dem „Glycerinwasser', aus dem durch Eindampfen das Glycerin gewonnen wird. Bei dem Verfahren nach T W I T C H E L L dient als verseifendes Agens ein Gemisch von Sulfonsäuren, das durch Sulfurieren eines Gemisches von Naphthalin und Ölsäure oder Ricinusöl erhalten wird. Dieses Reagens wirkt ausgezeichnet emulgierend und ermöglicht in geringer Menge eine glatte Verseifimg des Fettes durch Wasser bei 100® ohne Druckanwendung. Auch andere fettspaltende Sulfonsäuren finden technische Anwendung. Vielfach werden die rohen Fettsäuren durch Destillation im Vakuum gereinigt. Das nach den obigen Verfahren erhaltene Fettsäure-Gemisch ist bei gewöhnlicher Temperatur weich. Es enthält nämlich außer den genannten beiden Säuren (deren Sohmelzpunkte bei 63° und 69° liegen und die ihren Schmelzpunkt gegenseitig erniedrigen) noch die flüssige Ölsäure CigH^Oj, die einer anderen Reihe homologer Säuren angehört. Die Ölsäure wird durch Pressen entfernt; die verbleibende weiße Masse (Stearin) dient im Gemisch mit Paraffin zur Kerzenfabrikation. 1
Der Geruch ranziger Butter rührt teilweise von Buttersäure her.
E o l l e ma η - R I oh t e r , Organische Chemie. 37. — 41. Auflage
β
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F ü r die synthetische Darstellung höherer Fettsäuren, soweit sie nicht von der N a t u r geboten werden, bedient man sich häufig der Umsetzung von Alkylhalogeniden mit Kaliumcyanid zu Nitrilen gemäß der schon S. 69 erwähnten Reaktion. Hier u n d bei den später zu erörternden Malonester-Synthesen dient letzten Endes als Ausgangsmaterial der entsprechende höhere Alkohol. Es ist deshalb von Interesse, d a ß es auch direkte Wege von diesen zu den Säuren gibt. Nach D U M A S und STAB f ü h r t die Kalischmelze der Alkohole, am besten unter Druck bei 280° ausgeführt, unter Wasserstoffentwicklung zu den zugehörigen Säuren: R.CH 2 -0H + BLOH = R.COOK + 2 H , .
Auch die Luftoxydation höherer Aldehyde, die man durch Dehydrierung der Alkohole gewinnen kann, ist unter Umständen ein brauchbares Herstellungsverfahren. Die großtechnische Gewinnung höherer Fettsäuren aus den FISOHBB-TROPSOH-Paraffinen wurde bereits erwähnt (S. 31, 75). Kristallbau der höheren Fettsäuren. Über den heute weitgehend erforschten Feinbau der Kristalle höherer Fettsäuren verdanken wir A. M Ü L L E R und P I P E R grundlegende Untersuchungen. Bekanntlich hat man sich einen Kristall als ein regelmäßig angeordnetes Raumgitter (Punktgitter) vorzustellen, dessen Gitterpunkte die Atome sind und das m a n in verschiedener Weise in Scharen gleichwertiger, äquidistanter „Netzebenen" zerlegen kann 1 . Der Netzebenen-Abstand d einer solchen Ebenenschar läßt sich nach einer von W. H . und W . L . BRAQG angegebenen Beziehung η A = 2 d sin 0 n (n = 1, 2, 3, 4 usw.)
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—- η-Zahl der Kohlenstoff-Atome —Fig. 37. Netzebenen-Abstände in Kristallen höherer Fettsäuren
bestimmen. Hierbei bedeutet den Winkel, unter dem ein monochromatisches Röntgenstrahlenbündel der Wellenlänge λ auf die Ebenenschar fallen muß, damit die abgebeugten Strahlen sich nicht durch Interferenz vernichten (also anschaulich gesprochen „Reflexion" eintritt), η die „Ordnung" der Reflexion; für die beobachteten Reflexionswinkel gilt dann die Beziehung sin ^ : sin : sin t?3 · · · = 1 : 2 : 3 . . . Bei Fettsäuren fand man nun neben Netzebenen-Abständen der gewöhnlichen Größenordnung von 3 bis 4 Α (1 ÄNGSTRÖM-Einheit = 1 0 - 8 cm)
auch sehr weite Abstände von 30 bis 100 Â, die gesetzmäßig mit der Kohlenstoffzahl zunehmen (Fig. 37). Einer Zunahme um 1 C-Atom entspricht eine 2.S2 â AufWeitung des Gitters um etwa 2 Â. Fig. 38. Anordnung der C-Atome in einem Die Figur läßt auch erkennen, daß Fettsäure-Molekül die Abstandsänderung für geradzahlige und ungeradzahlige Fettsäuren etwas verschieden ist, E s Hegt natürlich sehr nahe, anzunehmen, daß zwischen diesen Abständen und der Länge der Kohlenstoffkette ein Zusammenhang besteht. M Ü L L E R und SHEARER haben ihren Betrachtungen die Annahme zugrunde gelegt, daß die Ketten der Fettsäuren zickzackförmig gebaut sind, der Abstand der C-Atome wie im Diamant 1·54 Α be1 Vgl. BIJVOBT, KOLKMEIJER, MACGILLAVBY, Röntgenanalyse von Krystallen. Berlin 2. Aufl. Amsterdam 1948; New York 1951.
1940.
Fettsäuren
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trägt (S. 46) und der Tetraederwinkel α = 109° aufrechterhalten bleibt, wie dies Fig. 38 zeigt. Aus den so errechneten Dimensionen folgt, daß zwischen 2 Netzebenen immer 2 Moleküle hintereinander in schräger Lage untergebracht werden können. Ein Schema einer solchen Anordnung nach B B A G G zeigt Fig. 39 (die Kreise bedeuten C0 2 H-Gruppen, die Pfeile endständige CH 3 -Gruppen). Für die Richtigkeit dieses Modells sprechen zahlreiche röntgenographische Befunde. Der Fettsäurekristall ist also aus Bündeln paralleler, langgestreckter Moleküle aufgebaut, die ein „Schichtengitter" bilden und den blättchenförmigen Habitus der Fettsäurekristalle bedingen. Die Fettsäuren kristallisieren in mehreren polymorphen Modifikationen, die röntgenographisch sehr genau untersucht worden sind. Als Elementarzelle eines Kristalls bezeichnet man die kleinste Einheit, die noch sämtliche für die betreffende Kristallklasse charakteristischen Symmetrie-Eigenschaften besitzt. Ihre Kanten sind die „Gitterkonstanten". Die Elementarzelle der monoklin kristallisierenden Fettsäuren bildet ein Parallelepiped mit der rechteckigen Grundfläche ab und der dazu um den Winkel β geneigten Kante c. Die Lage der Stearinsäureketten in der Elementarzelle ist aus den Quer- Fig. 39 Parallele Schichtung der Moleküle im Fettsäurekristall schnitten der Fig. 40 ersichtlich. Man hat nun gefunden, daß a b sin β für alle Fettsäuren annähernd den gleichen Wert von 37 Â2 besitzt; CH, CH, die senkrecht auf c stehende Querschnittsfläche ist also immer die gleiche. Da im Mittel auf die Grundfläche immer 2 Fettsäuremoleküle entfallen, beansprucht die einzelne Fettsäurekette einen Querschnitt von rund 18-5 Â2, also ganz erheblich mehr, als sich aus dem Durchmesser der Kette berechnen würde. Die verschiedenen polymorphen Modifikationen ein und derselben Fettsäure unterscheiden sich nur durch das Verhältnis α : b und den Winkel ß, während die Länge der Kohlenstoffkette keine Änderung erleidet. Bei den beiden am häufigsten beobachteten Modifikationen hat β die Werte 60—63° und 53°. Auf der Basisfläche senkrecht stehende Ketten (ß = 90°) werden bei Fettsäuren nur selten beobachtet, während sie bei den Kohlenwasserstoffen die Regel bilden. Seilen. Die Alkalisalze der höheren Fett6-7,33 â-S.Si säuren (etwa von C^, an) sind Seiten. Sie werden Fig. 40. durch Kochen von Fetten und ölen, namentlich Elementarzelle der ^-Modifikation Talg und Kokosöl, mit Alkalilaugen oder durch der Stearinsäure Neutralisieren der freien Fettsäuren gewonnen. Die mit Natronlauge bereitete Natronseife ist hart ; sie wird vom gleichzeitig entstandenen Glycerin durch „Aussalzen" befreit, indem man der kochenden Masse nach der Verseifung Kochsalz im Überschuß zusetzt. Da das fettsaure Natrium in konzentrierter Kochsalzlösung unlöslich ist, scheidet es sich in geschmolzenem Zustand oben auf der glycerinhaltigen Lauge ab. Die so gewonnenen festen Seifen heißen Kernseilen und bestehen abgesehen von Wasser und etwas eingeschlossenem Glycerin aus fettsaurem Natrium. Leimseifen erhält man, wenn man den heißen „Seifenleim" erstarren läßt, 6«
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Acyclisohe Verbindungen
ohne von der wäßrigen Glycerinlauge zu trennen. Mit Kalilauge bereitete Seifen sind weich (Schmierseifen) und sind stets Leimseifen. Natriumpalmitat und Natriumstearat sind in kaltem Wasser praktisch unlöslich, in heißem Wasser jedoch beträchtlich löslich ; die heißen Lösungen erstarren bei ausreichender Konzentration (10% und mehr) in der Kälte zu Gallerten. Mit abnehmender Kohlenstoffzahl nimmt die Löslichkeit der Seifen zu. Die Calciumsalze der höheren Fettsäuren sind in Wasser unlöslich; hartes, kalkhaltiges Wasser ist deshalb zum Waschen ungeeignet. Eine Theorie der Seifenwirkung ist zuerst durch M C B Ä X N , Z S I G M O N D Y U. a. gegeben worden. Die Verunreinigungen unserer Haut, unserer Kleidungsstücke usw. sind teilweise fettiger Natur, zum Teil bestehen sie aus Ruß, Eisenoxyd und Ton. Da Natriumstearat und -palmitat als Salze schwacher Säuren teilweise hydrolytisch gespalten sind (11 bzw. 15% bei 25° in 0 · 002n-Lösung), so glaubte man früher, daß das frei werdende Alkali diese fettigen Substanzen emulgiert und dabei zu gleicher Zeit die anderen Schmutzteile entfernt. Es hat sich aber herausgestellt, daß Alkalilaugen von entsprechender Konzentration nicht die geringste Waschwirkung besitzen. Von wesentlicher Bedeutung für die Waschwirkung der Seife ist dagegen ihre Fähigkeit, die Oberflächenspannung des Wassers ganz bedeutend herabzusetzen und sich an der Grenzfläche anzureichern („Oberflächenaktivität"). Damit hängt ihre Fähigkeit zur Bildung eines beständigen Schaumes eng zusammen. Schon durch Spuren von Seife, z. B. ölsaures Natrium in 0 - 0 0 0 1 n-Lösung, wird die Oberflächenspannung des Wassers (73 dyn/cm) um 2 0 ° / o herabgesetzt. Infolgedessen kann Seifenlösung viel besser in die kapillaren Zwischenräume eindringen und dort die Verunreinigungen beseitigen. L A N G M U I R hat sehr interessante Untersuchungen über die Ausbreitung der höheren Fettsäuren auf einer Wasseroberfläche angestellt. Jedermann weiß aus der Erfahrung, daß reine Mineralöle sich auf Wasser nicht ausbreiten, sondern in Form linsenförmiger Tropfen darauf schwimmen. Bringt man dagegen eine Spur Fettsäure in Form eines Tropfens einer sehr verdünnten Benzollösung auf Wasser, so verdunstet das Benzol, und die Fettsäure breitet sich in Form eines äußerst dünnen Films über die Oberfläche aus. Es ist nun möglich, dieses zweidimensionale Gebilde in gleicher Weise wie ein Gas oder eine Flüssigkeit zu komprimieren, indem man ζ. B. durch einen paraffinierten Papierstreifen die verfügbare Oberfläche verkleinert und den von dem Film auf den Streifen ausgeübten Druck mißt. Man findet dann, daß die Fettsäuren mit mehr als 16 C-Atomen auf dem Wasser eine zusammenhängende, monomolekulare, d. h. nur 1 Molekül dicke, Schicht bilden und sich bei der Kompression wie ein fester Stoff verhalten; die von einem Fettsäuremolekül bedeckte Oberfläche beträgt unabhängig von der Kettenlänge 20 Â s . Dies ist aber ziemlich genau der Querschnitt einer Fettsäurekette, wie er oben aus röntgenographischen Messungen am Kristall abgeleitet ist. Die Tatsache, daß Kohlenwasserstoffe keine Filme bilden, beweist, daß die Ursache der Filmbildung in den wasserlöslichen Carboxylgruppen zu suchen ist. Man muß sich also vorstellen, daß die Fettsäuremoleküle auf der Oberfläche nahezu senkrecht stehen und mit der Carboxylgruppe gewissermaßen im Wasser „verankert" sind. Oberflächenschichten von Seifen nehmen einen bedeutend größeren Baum ein (ζ. B. 100 Â2 pro Molekül und mehr). Sie zeigen bei der Kompression ein Verhalten, das den DruckVolumen-Beziehungen gasförmiger Stoffe entspricht. Dies hängt vermutlich mit der starken Abstoßimg zwischen den ionisierten Carboxylgruppen zusammen. Die als Oberflächenspannung bekannte Erscheinung erklärt sich dadurch, daß die Moleküle im Innern einer Flüssigkeit einer allseitigen gegenseitigen Anziehung unterliegen, die sich im Mittel aufhebt. Für Moleküle in der Oberfläche besteht dagegen nur eine Anziehung nach innen senkrecht zur Oberfläche, die sich daher zu verkleinern strebt, so daß möglichst viele Moleküle im Innern der Flüssigkeit liegen. Die in diesem Verkleinerungsbestreben zum Ausdruck gelangende Oberflächenenergie kann man mathe-
Seifen
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matisch durch die Annahme einer in der Oberfläche wirkenden Kraft, der Oberflächenspannung (gemessen in dyn/cm), darstellen. Löst man eine Substanz, für deren Moleküle das gegenseitige Anziehungsbestreben („Kohäeionskraft") kleiner als das der Wassermoleküle ist, in Wasser, so führt dies dazu, daß die Substanz sich (soweit die osmotischen Kräfte dies zulassen) in der Oberfläche anreichert. Sie wird sozusagen aus der Lösung „ausgepreßt" und bildet eine Oberfläche mit niedrigerer Spannung. Daß die Seifen zu den stark oberflächenaktiven Stoffen gehören, ist leicht verständlich, da das Wasser auf die langen „hydrophoben" Kohlenwasserstoffketten nur eine sehr geringe Anziehung ausübt, wie unter anderem aus der Unlöslichkeit der höheren Fettsäuren in Wasser hervorgeht. Die Seifen sind in wäßriger Lösung zum Teil als Kolloide in Form von geordnet aufgebauten Micellen enthalten und geben dementsprechend nur sehr geringe Gefrierpunktserniedrigungen. Andererseits leiten sie aber den elektrischen Strom recht gut („kolloide Elektrolyte" nach Me B A I N und SALMON). Dies beruht darauf, daß durch die kolloide Zusammenlagerung der Fettsäure-Anionen zwar die Zahl der osmotisch wirksamen Teilchen weitgehend verringert wird, dafür aber Träger mit sehr hohen Ladungen auftreten. Die Micellen-Bildung setzt bei einer „kritischen Konzentration" ein, die umso niedriger ist, je höher das Molgewicht der Fettsäure ansteigt. Das Innere der Micelle enthält die Kohlenwasserstoff-Enden der Fettsäure-Kette und zeigt ein beträchtliches Lösungsvermögen für organische Stoffe. Benzol wird ζ. B . von einer Lösung von ölsaurem Natrium glatt gelöst. Vorgänge dieser Art sind ebenfalls für die reinigende Wirkung der Seifen von Bedeutung. Neben der Seife haben in neuerer Zeit zahlreiche synthetische Waschmittel Bedeutung erlangt. Unter ihnen stehen an erster Stelle die Sulfonsäuren höherer Paraffine und die sauren Schwefelsäureester höherer Alkohole (sog. Fettalkoholsulfonate), beide in Form ihrer Alkalisalze. Da ihnen starke Säuren zugrundeliegen, sind ihre Salze nicht hydrolytisch gespalten. Auch neigen sie nicht oder nur sehr wenig zur Bildung schwerlöslicher Ca- und Mg-Salze, bewahren also ihre Waschwirkung auch in hartem Wasser. Neben diesen „anionen-aktiven" Seifen gibt es auch kationen-aktive „ I n v e r t s e i f e n " . Hier ist die langkettige hydrophobe Kohlenwasserstoffgruppe mit einem Ammonium-Ion als hydrophiler Gruppierung verknüpft. Ihre Waschwirkung ist weniger ausgesprochen, dagegen zeigen sie vielfach keimtötende Wirkung. Die Gesamtheit der genannten Verbindungen hat man wohl auch unter der treffenden Bezeichnung Paraffinkettensalze zusammengefaßt. Aber auch nicht-ionogene Verbindungen mit löslichmachenden Gruppen haben sich als oberflächen-aktive Mittel bewährt. Die Seife vereinigt in sich eine ganze Reihe von Eigenschaften wie Schaumvermögen, Netzwirkung gegenüber festen Stoffen, Emulgierwirkung gegenüber ölen, SchutzkolloidWirkung und Waschvermögen. Diese Eigenschaften gehen in ihrer Abhängigkeit von der Konstitution nicht immer vollkommen parallel. So ist bei den geradkettigen Fettsäuren das Maximum des Schaumvermögens bei C 12 erreicht, das Maximum des Waschvermögens für Baumwolle bei C, 8 . Die chemische Natur des Waschguts, Wolle oder Baumwolle, ist von großem Einfluß auf den Waschvorgang. Bei den von der Industrie, hauptsächlich in der Textilveredelung, aber auch in anderen Zweigen, benötigten Hilfsmitteln steht vielfach nicht die Waschwirkung, sondern das gute Netz- oder Emulgiervermögen im Vordergrund. Aus diesem Grund ist die Zahl der entwickelten Typen noch ständig im Wachsen begriffen. Eine Auswahl gebräuchlicher Wasch- und TextilhiJfsmittel sei im folgenden erwähnt: Gardinol ist der Schwefelsäureester des Oleylalkohols CH,· [CHj] 7 · CH = C H · [CH 2 ] 7 · CH 2 · OH. Die amerikanischen Tergitele leiten sich von synthetischen Alkoholen wie 3,9-Diäthyl-tridecanol-(6) und 2-Methyl-7-äthyl-undecanol-(4) ab. Die Mersolate sind Alkalisalze der Mersolsäuren, d. h. Sulfonsäuren der FISCHBRTROPSCH-Paraffine. Langkettige Ester der Sulfobernsteinsäure (aus Maleinsäure) sind in
Acyclische Verbindungen
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den Aerosolen vertreten (I). Weitere wichtige Waschmitteltypen sind die Hostapone (II und III), die kation-aktiven Sapamine (IV) und unter den nicht-ionogenen Produkten die Hostapale (V) und Peregal O (VI). Schließlich seien als Netzmittel ohne Waschwirkung noch die Nekale (z. B. Diisobutylnaphthalinsulfonsäure) genannt. I NaOjS · CH · C02 · C8H17 II Ο,,Η^ · CO · 0 · CH, · CH2 · SO,Na ¿H 2 .C0 2 -C 8 H„ ΙΠ C17H3,·CO·N(CHS)·CH2·CH2·S03Na IV C17H35 -CO -NH-CH2-CH, .N(C2H5)3.X V R·C6H4·O·[OBJ-CH2.0]X·CH,-CHJ-OH VI C18H35 · Ο · [CH, · CH, ·0]χ · CH, · CHa · OH χ = 10—20. D e r i v a t e der F e t t s ä u r e n Säurechloride In den Säurechloriden ist die OH-Gruppe des Carboxyls durch Chlor ersetzt; sie enthalten also die Gruppe —COCI. Man erhält diese Verbindungen durch Einwirkung von Phosphortrichlorid (oder auch PC16 oder SOCl2) auf die Fettsäuren: 3 R C 0 0 H + PCI, = 3R-C0C1 + H,P0,. Infolge sekundärer Reaktionen des entstandenen Säurechlorids mit der phosphorigen Säure wird hierbei HCl entwickelt. Phosphoroxychlorid reagiert nur mit fettsauren Salzen: 2R · COONa + POCl3 = 2 R · COCI + NaCl + NaP0 3 . Die Säurcchloride sind gegen verseifende Agenzien sehr empfindlich ; meist genügt schon die Berührung mit kaltem Wasser, um sie zu Fettsäure und Salzsäure zu hydrolysieren. Durch die Nachbarschaft des an das gleiche C-Atom gebundenen Sauerstoffs, der Elektronen an sich zieht, erlangt also das Halogen eine Beweglichkeit, wie sie Halogen in Alkylradikalen nicht aufweist. Denn die Alkylchloride werden von Wasser bei gewöhnlicher Temperatur nur äußerst langsam angegriffen. Die niederen Glieder dieser Reihe sind Flüssigkeiten von scharfem Geruch und sehr unangenehmer Wirkung auf die Schleimhäute. Das Chlorid der Ameisensäure ist nicht bekannt (während Formylfluorid HCOF eine ganz beständige Verbindung ist). Acetylchlorid CH a -COCl raucht an der Luft, siedet unzersetzt bei 51° und hat das spezifische Gewicht 1-104 bei 20°. Die Hydrolyse von Acetylchlorid durch Wasser ist nach G O L D und H I L T O N 1 wahrscheinlich bimolekular und wird durch die entstehende Salzsäure nicht katalysiert. Säurechloride, besonders Acetylchlorid, bilden ein brauchbares Hilfsmittel zum Nachweis von Hydroxylgruppen und Aminogruppen. Mit Alkoholen liefern sie unter HClAbspaltung Ester: r . o H + CH3.C0C1 = CH3-CO.OR + H a . Mit Ammoniak oder primären Aminen entstehen Säureamide : R N H , + CH, · COCI = CHj-CONH-R + HCl. Häufig ist jedoch die Verwendung von Säureanhydriden für diesen Zweck vorzuziehen. Säureanhydride Diese entstehen durch Behandlung der Alkalisalze der Fettsäuren mit Säurechloriden, Z. B. fin ,ΛΙΛ CH,-COCI + ΟΗ,-CO ONa = o h · 0 0 > 0 + N a G U Eseigsäureanhydrtd
In der Technik wird Essigsäureanhydrid durch Oxydation von flüssigem Acetaldehyd gewonnen (s. S. 109). Andere großtechnische Verfahren sind die Einwirkung 1
Journ. Chem. Soc. London 1955, 838. 3303.
Säureanhydride
87
von Keten (S. 159) auf Essigsäure: C H 3 C O O H + C H 2 = CO =
(CH 3 -C0) 2 0
sowie die Umsetzung von Essigsäure mit Phosgen, die in der Weise ausgeführt wird, daß Phosgen in Gegenwart von Salzen wie Magnesiumchlorid oder Aluminiumchlorid als Katalysator in siedende Essigsäure eingeleitet wird. Man vermutet, daß die Reaktion in den folgenden zwei Stufen verläuft: 2 CH 3 -COOH + MeCl, = (CH S · COO)2Me + 2 HCl (CHj-COO) 2 Me + COCC = (CH,-C0) 2 0 + MeC]2 + C0 2
Die höheren Säureanhydride werden am besten duroh Erhitzen der Natriumsalze der höheren Fettsäuren mit Essigsäureanhydrid dargestellt. Diese Reaktion beruht auf einem Austausch der Säureradikale. Durch Umsetzen von trockenem Natriumacetat, das mit 14C markiert war, mit gewöhnlichem Essigsäureanhydrid hat man festgestellt, daß diese Reaktion sich trotz der Unlöslichkeit des Salzes im Anhydrid schon bei Raumtemperatur, wenn auch ziemlich langsam, abspielt. Auch gemischte Anhydride der Fettsäuren, z. B. Ameisensäure-essigsäure-anhydrid, existieren. Sie spalten sich teilweise schon bei der Destillation in die Anhydride der beiden Säuren. Das Anhydrid der Ameisensäure ist nicht bekannt. Säureanhydride sind Flüssigkeiten von unangenehm stechendem Geruch, die mit Hydroxyl- und Aminogruppen in der gleichen Weise wie Säurechloride reagieren. Nur entsteht natürlich anstelle von Salzsäure dabei 1 Mol Fettsäure. Durch alkalimetrische Titration des Anhydrids und der Fettsäure kann man auf einfache Weise Alkohole und Amine bestimmen. Essigsäureanhydrid siedet bei 139 • 6° (760 mm) und hat D " : 1 · 0871 bzw. D 2 ï : 1 · 0810. Es löst sich bei gewöhnlicher Temperatur etwa in der lOfachen Menge Wasser und setzt sich in dieser Lösung verhältnismäßig langsam zu Essigsäure um, im Gegensatz zu Acetylchlorid, das durch Wasser sofort hydrolysiert wird (CHj-CO = Ac): Ac a O + H , 0 = 2 AoOH. Nennt man die molare Konzentration des Anhydride α, die des Wassere b, χ die Anhydridmenge, die nach der Zeit t verseift ist, so ist nach der Gleichung f ü r bimolekulare Reaktionen die Verseifungsgeschwindigkeit zur Zeit t ^L = *(„-*) (δ-χ).
(1)
F ü r äquimolekulare Mengen Wasser und Anhydrid (α = b) ist =
— *)»,
(la)
woraus durch Integration (lb)
at α — χ
folgt. Ist die Menge des Wassers groß gegen die Menge des Anhydrids, so kann man b — χ als konstant ansehen. Dann hat man eine pseudomonomolekulare Reaktion der einfachen Gleiohung =
(2)
oder integriert *i
=
T
l
n
^
=
ô ^ 3 ï
l o g
d b ·
k 1 nennt man die Qesclmindigbeitekonstanteder Reaktion. Wie man aus (2) ablesen kann, repräsentiert t i den Bruchteil der reagierenden Substanz, der in der Zeiteinheit bei der Konzentration 1 umgesetzt würde, wenn diese Konzentration dauernd aufrechterhalten bliebe. Für die Reaktion zwischen Essigsäureanhydrid und Wasser sind verschiedene Werte von ύ, in der folgenden Tabelle verzeichnet (Í in Minuten gerechnet).
88
Acyclische Verbindungen
Temperatur
τ in Min.
i, X 10» 2-46 10-5 lft-0
0» 18° 25°
27 β 4
Man sieht aus den angeführten Zahlen, wie stark die Geschwindigkeit mit der Temperatur steigt In der Spalte 3 ist die „Halbwertszeit" τ aufgeführt, d. h. diejenige Zeit, für die χ = V i ® » a ' s o gerade die Hälfte der Substanz, umgesetzt ist. Sie ergibt sich aus (3) zu _ T
log 2
0-6931
~ 0-4343 k ¡ ~
^
Für bimolekulare Reaktionen und α = 6 ist τ = hangig.
1 [ka
" also von der Ânfangskonzentration ab-
Die Hydrolyse von Essigsäureanhydrid wird durch Säuren beschleunigt. Nach und H I L T O N liegt der Katalyse vielleicht folgender Mechanismus zugrunde:
GOLD
rasch
Ac„0 + Η θ ;
-Ac,OH®
langsam
Ac,OH® Ac® + 2HjO
•Ac® + AcOH rasch
• AcOH + HsO®
Das Ion CH3 · CO® nennt man Acetylium-Ion.
Ester der Fettsäuren Ester der Fettsäuren entstehen, wie wir bereits oben gesehen haben, durch Einwirkung von Säurechloriden oder -anhydriden auf Alkohole durch Abspaltung von Säure : CH,CO x >0 + R-OH—»-CH3-CO-OR+ CH,-COaH. CH,-CO' Auch aus dem Silbersalz einer Säure und Alkyljodid kann man sie gewinnen. Ihre bekannteste Darstellungsmethode ist jedoch die direkte Umsetzung von Säuren mit Alkoholen : CHj-COjH + GjHJ · OH Γ * CH3.CO O C2H5 + H 2 0. Essigsäure
Äthylalkohol
Esslgs&ureäthylester
Sie vollzieht sich ausschließlich in saurem Medium, wobei entweder die Säure selbst das erforderliche Wasserstoffion liefert oder Mineralsäure zugesetzt werden muß. Meist sättigt man das Reaktionsgemisch mit Chlorwasserstoff oder setzt eine kleine Menge konz. Schwefelsäure zu. Die Mineralsäure wirkt katalytisch beschleunigend, wie schon SCHEELE fand und BERTHELOT und P É A N DE ST.-GILLES 1862 bei der Untersuchung des Gleichgewichts der Esterbildung bestätigten. Nach der detaillierten Vorstellung, die man sich heute von dem Reaktionsmechanismus macht, lagert sich ein Proton an den Carbonyl-Sauerstoff der Säure unter Oxoniumsalzbildung an. Ein einsames Elektronenpaar des Alkoholsauerstoffs tritt nach Art eines nucleophilen Agens an den Kohlenstoff, worauf der Prozeß unter Wasseraustritt zum Ester führt : ΙΟΙ HÖ—C + H ® + R'-OH « I R
Ι0ΗΦ
|OI
HaÔ....C....O· R' .,I -
Ha0® + C - Ö - R ' . I R
R
Ester
89
Alle Teilprozesse sind Gleichgewichtereaktionen, so daß der Mechanismus gleichzeitig die Esterverseifung in mineralsaurer Lösung beschreibt. Der Gleichgewichtscharakter der Reaktion hat zur Folge, daß die Esterbildung niemals vollständig ist. Um sie nach dem MassenWirkungsgesetz, das hier eine seiner ersten Bestätigungen fand, vollständig zu machen, muß man eine der Komponenten, Alkohol oder Säure, in großem Überschuß anwenden. Man hat den obigen Mechanismus auch mit Hilfe des schweren Sauerstoffisotops 1 8 0 bestätigen können. Markiert man den Sauerstoff der Säure mit dem schweren Sauerstoffisotop, so erscheint bei der Veresterung 1 8 0 im Wasser, markiert man dagegen den Sauerstoff des Alkohols, so erscheint dieser im Ester und nicht im Wasser. Sowohl bei der sauren wie bei der alkalischen Verseifung von im Carbonyl mit 1 8 0 markierten Estern findet Sauerstoffaustausch mit dem Lösungsmittel mit gleicher Geschwindigkeit statt (BENDER). Vermutlich entsteht also intermediär der gleiche Monoester der Orthosäure (s. u.). „ Ds2 Essigsäuremethylester (Methylacetat) Essigsäureäthylester (Äthylacetat) Essigsäureisoamylester (Isoamylacetat) Buttersäureäthylester . . . . . . . (Äthylbutyrat) Isovaleriansäureisoamylester . . . . (Ieoamylisovalerat)
57°
0.9338
77,2°
0.900
142°
0.8670
121,7°
0.8772
192,7°
0.857
Die Ester sind farblose Flüssigkeiten, leichter als Wasser und mit Ausnahme von Methylacetat in Wasser schwer- oder unlöslich. I m Gegensatz zu den Säuren sind sie wegen des Fehlens von Η-Brücken nicht assoziiert und sieden daher relativ niedrig. Wegen ihres fruchtartigen Geruchs (Isoamylacetat riecht nach Birnen, Äthylbutyrat nach Ananas) werden sie als Fruchtessenzen fabrikmäßig dargestellt. Einzelne Ester besitzen auch als Lösungsmittel technische Bedeutung. In der Natur kommen Ester in großer Menge in Form der Fette (S. 166) und Wachse vor. Bienenwachs besteht hauptsächlich aus den Palmitinsäureestern der Alkohole C 30 H 62 O, C 32 H 6e O und C 34 H 70 O. Primäre, sekundäre und tertiäre Alkohole werden, wie MENSCHUTKIN nachwies, mit sehr verschiedener Geschwindigkeit esterifiziert. Verzweigungen in der Nähe des Reaktionsortes wirken sterisch verzögernd. Die folgende Tabelle zeigt die von MICHAEL bestimmten bimolekularen Geschwindigkeitskonstanten der Veresterung mit Trichloressigsäure bei 25° (t in Minuten gerechnet):
¿•105 Methylalkohol Propylalkohol Octylalkohol Isopropylalkohol
61-8 12-1 31-0 1-64
k-10· sek.-Butylalkohol tert.-Butylalkohol tert.-Amylalkohol
1·5 1-97 4-15
Die Esterverseifung durch reines Wasser nach der Gleichung: CHJ-CO'OCJH, +
HJO =
CHS.C02H +
C2H6OH
ist ein bei gewöhnlicher Temperatur sehr langsam verlaufender Prozeß (k = 10~ 8 min _ 1 für Essigster), da die Wasserstoffionen-Konzentration sehr klein ist. Durch Zusatz von Säuren kann er in gleicher Weise wie die Veresterung katalytisch beschleunigt werden. Im allgemeinen ist die Menge des Wassers, wenn eine vollständige Verseifung beabsichtigt wird, gegen die Menge des Esters sehr groß und daher praktisch als konstant anzusehen. Die Verseifungsgeschwindigkeit folgt dann der Gleichung für monomolekulare Reaktionen (vgl. S. 87). Die Geschwindigkeit der Verseifung durch Säuren hängt in erster Näherung nur von der elektrolytischen Dissoziation der Säure, d. h. von derWasserstoffionen-Konzentration, ab und wurde, da sie experimentell leicht zu ermitteln ist, früher häufig zur Bestimmung des Dissoziationsgrades von Säuren herangezogen.
Aoyclische Verbindungen
90
Die Vereeifung durch Baeen erfolgt nach der Gleichung: C H , · CO,· C,H, + OH© = CH,· CO® + Ο , Η , Ο Η . Sie ist eine bimolekulare Reaktion, für die Gleichung (1) auf S. 87 gilt. Auch für ihren Mechanismus wird eine Addition des nucleophilen Agens, hier OH®, an den Kohlenstoff der Carboxylgruppe angenommen: 101 IÖI® 101 101 Ii I II -II HOI® + C - O R ' HO-C-OR' H O - C + lOR'® - ® I 0 - C + R O H . " ¿ " " A " " i " " i " Auch bei den Basen ist die Verseifungsgeschwindigkeit vom Dissoziationsgrad abhängig. Das wirksame Agens sind also die Hydroxylionen, die aber zum Unterschied von den Η-Ionen bei der Reaktion verbraucht werden. Basen verseifen sehr viel rascher als Säuren (für Kalilauge und Salzsäure in 0,ln-Lösung ist das Verhältnis der Geschwindigkeiten bei der Methylacetat verseifung 1350). Dies erklärt sich durch die Stabilität des Carbonsäure-Anions, wodurch die rückläufige Reaktion im Einklang mit der Erfahrung ausgeschlossen wird. Der Mechanismus der Verseifung ist u. a. auch durch 180-Auetausch untersucht worden. Von den beiden möglichen Mechanismen a) und b) a) R - C O O - R ! + H j O = R - C O , H - f R i O H b) R . C O - O R ! + HjO = R C O , H + R j - O H stellt a) eine „Alkyl-Sauerstoff-Spaltung", b) eine „Acyl-Sauerstoff-Spaltung" dar. Bei aliphatischen Estern herrscht im allgemeinen Mechanismus b), der Sauerstoff bleibt also beim AlkylRadikal. Spaltungen gemäß a) sind auf Sonderfälle beschränkt. Siehe auch unter „Nachträge". Wie die Ester durch OH®-Ion eine Hydrolyse zu Alkohol und Säure erleiden, so können sie unter der Einwirkung von Alkoholaten einer Alkoholyse unterliegen: R - C O OCH, + C«H,· ΟΘ ^ R
CO-OC 4 H, + C H , - O e ,
wobei also in umkehrbarer Reaktion ein Austausch der Alkylgruppen stattfindet. Der als „Umesterung" bezeichnete Prozeß verläuft mitunter schon bei gewöhnlicher Temperatur. Es genügt, den Ester in dem betreffenden Alkohol zu lösen und eine katalytische Menge Natriumalkoholat zuzufügen. Die Alkoxygruppe der Ester ist auch sonst recht beweglich. Die Ester büden daher ein geeignetes Ausgangsmaterial f ü r zahlreiche Umsetzungen, die mit den freien Carbonsäuren nur schwierig oder überhaupt nicht durchführbar sind. Durch Einwirkung von Natrium auf die siedende alkoholische oder amylalkoholische Lösung der E s t e r ( B o t j v e a u l t und B l a n o ) entstehen primäre Alkohole: R C O O C . H , + 2 H , = R C H , O H - f Ο,Η, ΟΗ. eine Reaktion, von der man zu synthetischen Zwecken häufig Gebrauoh macht. Zu dem gleichen Resultat f ü h r t auch die Reduktion der Ester mit Wasserstoff bei 300° und 200 Atmosphären Druck mit „Kupferchromit" als Katalysator. Sehr schonend verläuft die Reduktion der Ester zu Alkoholen mit LiAlH 4 . Tertiäre Alkohole können aus Estern leicht mit Hüfe von Alkylmagnesiumverbindungen gewonnen werden ; es entsteht intermediär ein Keton : R
' ° \ O . C 2 H 6 + R'-MgCl = R - C < ( ° + CjHj'O'MgCl,
das d a n n in bekannter Weise (S. 100) weiterreagiert. Aus Estern der Ameisensäure erhält man auf dem gleichen Wege sekundäre Alkohole. Über Ester-Kondensationen S. 228.
Säureamide
91
Orthooster Die unter diesem Namen zusammengefaßte Verbindungsklaese leitet sioh von den Orthocarbonsäuren R-C(OH) s ab, die in freiem Zustand nioht bekannt sind. Sie sind auf verschiedenen Wegen erhältlich, die Ester der Orthoameisensäure ζ. B. aus Natrium alkoholat und Chloroform: CHGlj + 3 NaO-C2H5 = HC(OC2H5), + 3 NaCl. Orthoameisensäureäthylester siedet bei 145° und wird durch Alkalien nicht verseift, während mit Säuren Ameisensäureäthylester oder Ameisensäure entsteht. Die Orthoester stehen also den Acetalen (S. 102) näher als den Estern. Während sie deshalb aus Estern und Alkoholen durch Säurekatalyse nicht gewonnen werden können, gelingt dies glatt mit Hilfe der S. 95 beschriebenen Imidsäureeeter-hydrochloride: ^NH-HC1 R-Ckf + 2 C2H6-OH = R-CfO-CjHj), + NH-C2H5 Bei der Einwirkung von Alkylmagnesiumsalzen auf Orthoester wird schon in der Kälte glatt eine Alkoxygruppe gegen Alkyl ausgetauscht und das Acetal eines Aldehyds (S. 102) erhalten: R-MgX + C2H5 O CH - C 2 H 5 C = N + H „ 0 .
An Ketoximen hat man eine eigenartige Atomverschiebung beobachtet, die nach ihrem Entdecker den Namen der Beckmannschen Umlagerung1 führt. Sie erfolgt z.B. unter der Einwirkung von PC15 oder starken Säuren. Man stellt sich den Mechanismus der Reaktion so vor, daß intermediär ein „Azenium"-Kation entsteht, das sich derart umlagert, daß der in trans-Stellung (vgl. S. 377) zum OH befindliche Kohlenwasserstoffrest R' an den Stickstoff wandert und anschließend Wasseranlagerung erfolgt: R
v
>C=N/ R'/ -
.OH
β Η θ
,
R
v
>C=N/ R'/
θ ,OH s
~h'° ,
R \
® >C=N R'/ -
Φ /O . R C = N R' - H ' ° „ R - C f -H® \NH-R'
Es entsteht also aus dem Ketoxim ein am Stickstoff substituiertes Säureamid. Der sterische Verlauf beweist, daß Ionisation und rückseitige Anlagerung von R' an den Stickstoff gleichzeitig erfolgen. Daß der Sauerstoff des Säureamids dem Lösungsmittel und nicht dem Oxim entstammt·, ist durch Isotopenversuche festgestellt. Die Umlagerung ist auch technisch wichtig. Cyclohexanon-oxim wird so in das Lactam der e-Amino-capronsäure, also ein cyclisches Säureamid, verwandelt: CH2—CH,—C :N · OH r f t u c h . H ,so. CH2-CH2-CO v I ι ^ ι /NH· CH2—CHj—CH2 »0· CHj—CH 2 —CH/ In wäßriger Lösung bei 270° lagert sich das Lactam in das als Kunststoff verwendete Polyamid H 2 N-[CH a ],-CO . . . NH-[CH,] 5 -CO,H (Perlon) um.
Ganz analog wie mit Hydroxylamin reagieren Aldehyde und Ketone mit Hydrazin unter Bildung von Hydrazonen (R)(R')C :N NH^. Analytisch wichtig sind aber vor allem die Phenylhydrazone, die sich von einem aromatischen Abkömmling des Hydrazins, dem Phenylhydrazin, ableiten, für das später die Struktur CeHs -NH ·ΝΗ2 bewiesen werden wird:
(R) (R')CO + Η 2 Ν · Ν Η · 0 , Η 5 = (R) (R')C=N-NH-C S H 5 + H 2 0 .
Diese Verbindungen sind zum Teil gut kristallisierende, zum Teil flüssige Substanzen. Beim Erhitzen mit Salzsäure spalten sie sich unter Wasseraufnahme wieder in ihre Komponenten. Phenylhydrazin und Hydroxylamin gehören zu den beliebtesten Reagenzien auf Carbonylgruppen. Die Struktur der Phenylhydrazone geht daraus hervor, daß auch ein Phenylhydrazin, in dem der Wasserstoff der Iminogruppe (NH) durch Alkyl substituiert ist, in gleicher Weise mit Aldehyden und Ketonen reagiert; andererseits können nur diejenigen Hydrazine, die noch eine nicht substituierte NH,-Gruppe besitzen, Hydrazone bilden. 1
Έ . BECKMANN, Ber. D t s c h . Chem. Ges. 19, 988 (1886).
Acyolisohe Verbindungen
102
Ein weiterer Hydrazinabkömmling, der in analoger Weise mit Aldehyden und Ketonen reagiert, ist das Semioarbazid H,N · NH · CO · NH,. Die entstehenden Semlcarbazone (S. 201) sind gleichfalls analytisch wichtig, zumal sie stets knstallinisch sind. Aldehyde (Alkanale)
Die Aldehyde sind meist Flüssigkeiten von charakteristischem, unangenehmem Geruch. Sie sieden bedeutend niedriger als die entsprechenden Alkohole. Die niedrigen Glieder der Reihe sind in allen Verhältnissen mit Wasser mischbar; diese Lösungen enthalten zum Teil unbeständige Hydrate R-CH(OH) 2 . Die Aldehyde zeigen außer den Eigenschaften, die sie mit den Ketonen gemein haben, noch die folgenden besonderen Reaktionen: 1. Reaktion mit Ammoniak, wobei Aldehydammoniake entstehen: .0 /OH R-Cf
X
H
+ NH, = R C H
HO CHj -CHO.
Dieser wirkt autokatalytisch beschleunigend, da dann eine echte Aldolkondensation einsetzt : C H , 0 + HOCHj-CHO
HO · CH, · CH(OH) · CHO.
Wie sich Wasser an Fonnaldehyd unter Hydratbildung anlagert, so ist eine analoge Reaktion auch mit Wasserstoffperoxyd möglich. Durch Umsetzung von Wasserstoffperoxyd mit 2 Mol Formaldehyd in Äther entsteht das kristallisierte hochexplosive Bis-hydroxymethyl-peroxyd HO · CH2· Ο · O · CH2· OH. Dieses zerfällt nach den Beobachtungen von H. W I E L A N D in alkalischer Lösung unter Bildung von Natriumformiat und Wasserstoff: HO · CH, - 0 0 · CH, · OH + 2NaOH = 2 H C 0 0 N a + 2 H , 0 + H , .
Man macht von dieser Reaktion zur Bestimmung des Formaldehyds Gebrauch, indem man die alkalische Formaldehydlösung mit Wasserstoffperoxyd versetzt und die unverbrauchte Lauge zurücktitriert. 1
Lieb. Ann. 88,129 (1863).
Acyclische Verbindungen
108
Die NaHS0 3 -Verbindung des Fonnaldehyds, das Na-Salz der Hydroxymethansulfonsäure (S. 100) kann man mit Zinkstaub zu Salzen der Hydroxymethansulfinsäure H O • CH 2 · S 0 2 H reduzieren. Das Natriumsalz dieser Säure, das auch direkt aus Formaldehyd und Natriumdithionit erhalten werden kann, findet Tinter dem Namen Rongalit zur Reduktion von Küpenfarbstoffen Verwendung. Gegenüber der Verküpung mit Dithionit bietet die Anwendung von Rongalit den Vorteil, daß bei höherer Temperatur und niedrigerem pH gearbeitet werden kann. Eine wäßrige, meist 40%ige Lösung von Formaldehyd kommt unter dem Namen Formol oder Formalin in den Handel. Sie enthält ein Giemisch von Formaldehyd und seinen niederen Polymeren in oinem mit der Konzentration der Lösung wechselnden Verhältnis. Formaldehyd dient zur Desinfektion von Wohnräumen und als Konservierungs- und Härtungsmittel für anatomische Präparate. Er besitzt nämlich die Eigenschaft, Eiweißstoffe zu „gerben", indem er sich mit ihnen zu in Wasser unlöslichen Kondensationsprodukten verbindet. Kondensationsprodukte von Formaldehyd mit Phenol (Bakelite), Casein (Galalith), Harnstoff und Melamin finden als Kunstharze ausgedehnte technische Anwendung.
Acetaldehyd (Äthanal) CH3 CH0 Acetaldehyd ist der Typus der Aldehyde dieser Reihe und besitzt die allgemeinen Eigenschaften, die für die Aldehyde angegeben worden sind. E r wird im Laboratorium durch Oxydation von Äthylalkohol mit Kaliumbichromat und Schwefelsäure dargestellt, technisch in Ländern mit billigem Alkohol durch Dehydrierung über Silber bei ca. 500°. I n Deutschland geht man zur Darstellung 1 von Acetylen aus: CHiCH + H a O = CHj-CHO; ΔH. m = - 3 1 - 6 kcal.
Aus Carbid entwickeltes Acetylen wird unter Atmosphärendruck in raschem Strom bei etwa 80° mit einer Lösung von Quecksilberoxyd in verdünnter (ζ. B. 25%ig·) Schwefelsäure in Berührung gebracht. Den abziehenden Gasen wird Acetaldehyd durch Kühlung und Waschen mit Wasser entzogen. Das nicht umgesetzte Acetylen kehrt in den Betrieb zurück. Die Säure wird durch Zugabe von Wasser ständig auf der richtigen Konzentration gehalten. Der Katalysator wird langsam zu Quecksilber reduziert. Der Mechanismus der katalytischen Reaktion ist nicht bekannt. Acetaldehyd ist eine sehr flüchtige, unangenehm riechende Flüssigkeit, deren Dämpfe Kopfschmerzen erzeugen. Physikalische Eigenschaften s. S. 98. E r polymerisiert sich in Gegenwart von Katalysatoren leicht zu Paraldehyd C R H 12 0 3 (Schmelzp u n k t 12-4°, Siedepunkt 124 0°, DJ 6 :0-998) oder zu Metaldehyd, dessen Molekulargewicht der Formel (C 2 H 4 0) 4 entspricht, wie aus röntgenographischen und kryoskopischen Bestimmungen hervorgeht. Metaldehyd ist gleich dem Paraldehyd ein cyclisohes Acetal. Sein Ring ist aus je 4 Sauerstoff- und Kohlenstoffatomen aufgebaut. Dementsprechend geben beide Verbindungen keine Aldehydreaktionen mehr und sind gegen Alkalien beständig. Metaldehyd ist fest und kristallisiert in Nadeln, die bei 150° zu sublimieren anfangen. E r entsteht vorzugsweise bei niedriger Temperatur. Auf die industrielle Bedeutung des Acetaldehyd s ist im Vorangehenden bereits mehrfach hingewiesen. I n der Hauptsache dient er zur Darstellung von EssigSäureanhydrid und Essigsäure. Die f ü r das Verhalten der Aldehyde gegenüber Oxydationsmitteln lehrreiche Reaktion wird unten eingehender behandelt werden. Das durch Kondensation von Acetaldehyd zugängliche Aldol ist das Zwischenprodukt f ü r die Herstellung von Butylalkohol und Butadien. Von Bedeutung ist schließlich die Überführung in Essigester (vgl. S. 99) mit Hilfe von Aluminiumäthylat nach TISCHTSCHENKO, eine Art Cannizzaroscher Reaktion, deren Ausbeute durch Zusatz von Metallchlorid en wie Aluminiumchlorid oder Zinkchlorid sehr verbessert wird : 2 CH3-CH0 = CH3-C0-0-CiiH5. 1
Neuerdings auch katalytisch aus Äthylen und 0 2 (Smldt, Angew. Chemie 71 [1959] 176).
Aldehyde
109
Die Oxydation der Aldehyde zu Säuren ist eine Reaktion, deren Mechanismus mit den gewählten Bedingungen wechselt, und durchaus nicht immer der einfachen Gleichung R - C H O
+
O =
R - C O O H
entspricht, wonach der Aldehyd dem Oxydationsmittel 1 Atom Sauerstoff entziehen würde. hat in interessanten Untersuchungen gezeigt, daß die Hydrate der Aldehyde, die beim Auflösen der Aldehyde in Wasser entstehen, unmittelbar unter Abspaltung von Wasserstoff („Dehydrierung") in Säuren übergehen können: WIELAND
R - C H ( O H ) ,
=
R - C O O H
+
HJ.
Bedingung dafür ist die Gegenwart eines Katalysators (z. B. Palladium, Fermente), der den Waeserstoff des Substrats (in unserem Fall des Aldehyds) aktiviert. Außerdem bedarf es eines „Wasserstoff-Acceptors", d. h. einer Substanz, die sich mit dem Wasserstoff verbinden kann. Schüttelt man z. B. eine wäßrige Aldehydlösung mit Palladiumechwarz in Gegenwart von Luftsauerstoff oder einem anderen Wasserstoff-Acceptor (der auch eauerstofffrei sein kann, z. B. Methylenblau), so wird der vom Metall übertragene Wasserstoff durch Verbindungsbildung aus dem Gleichgewicht entfernt, der Katalysator kann aufs neue Aldehyd adsorbieren und aktivieren, so daß der Aldehyd schließlich glatt in Säure verwandelt wird. Auch die Luftoxydation des Alkohols zu Essigsäure in Gegenwart von Essigbakterien beruht auf einer durch das Bakterienferment katalysierten Dehydrierung. Läßt man Aldehyde an der Luft stehen, so oxydieren sie sich freiwillig. Dieser „Autoxydation" genannte Prozeß ist wegen seiner theoretischen und technischen Bedeutung vielfach studiert, jedoch immer noch nicht bis in alle Einzelheiten geklärt. Am eingehendsten untersucht ist der Verlauf beim Acetaldeliyd, wo man annehmen kann, daß zunächst aus 1 Mol (flüssigem oder in organischem Lösungsmittel gelöstem) Aldehyd und 1 Mol Sauerstoff Peressigsäure (Acetpersäure) entsteht: C H
3
. C H 0
+
0
2
=
C H , - C < °
0
H
Sie ist jedoch als solche nicht faßbar, weil sie mit überschüssigem Acetaldehyd mit großer Geschwindigkeit weiterreagiert, wobei ein Peroxyd entsteht, dem man ohne Beweis die Formel eines Peressigsäureesters des Aldehydhydrate gegeben hat: C H
3
- C < °
O
H
+
C H I C H O
=
C H
3
- C \ Q
Q ° > C H . C H
3
.
Arbeitet man bei 0°, so bleibt die Reaktion hier stehen, und das Peroxyd kann in kristallisiertem Zustand abgeschieden werden. Beim Anwärmen der Lösung zerfällt es lebhaft in Essigsäureanhydrid und Wasser: C
H
,
·
_
Q
/ C H · C H . ,
—- C H
R
C
C - C H
3
+ H
2
0 ,
die sich allmählich zu 2 Molekülen Essigsäure umsetzen. Alfl Katalysatoren der Autoxydation verwendet man in der Technik die Acetate von Kobalt, Mangan und Kupfer. Die Autoxydation der Aldehyde ist wahrscheinlich eine Kettenreaktion (S. 116). Für gasförmigen Acetaldehyd hat B O D E N S T E I N ein begründetes Reaktionsschema aufgestellt. Ehe man dieses Kettenschema auf den flüssigen Aldehyd überträgt, bedarf es indessen noch neuer Untersuchungen (vgl. a. Benzaldehyd, S. 375). Konzentrierte Lösungen der oben erwähnten Peressigsäure stellt man durch Einwirkung von konzentriertem Wasserstoffperoxyd auf Eisessig oder Essigsäureanhydrid in Gegenwart von etwas konz. Schwefelsäure dar. Die Reaktion ist eine Gleichgewichtsreaktion: C H J - C O O H
+
H
2
0
2
^ C H A - C O - O - O H
+
H
2
0.
Peressigsäure ist eine bei 0,1° schmelzende, explosive Verbindung, die aus Kaliumjodid-Lösung sofort Jod ausscheidet und eine wichtige Rolle als Oxydationsmittel in der organischen Chemie spielt. Als Abkömmling des Wasserstoffperoxyds ist sie nur eine äußerst schwache Säure (jfc = 4 X 10-10). Aus Natriumperoxyd und Essigsäureanhydrid bildet sich das bei 26° schmelzende Diacetylperoxyd C H S - C 0 - 0 - 0 - C 0 - C H 3 . Es zerfällt beim Erhitzen in Eisessig-Lösung in Radikale, wovon später noch die Rede sein wird (S. 181). Wie man auch schon aus dem Verhalten des Bis-hydroxymethyl-peroxyds entnehmen konnte, ist also die O-O-Bindung offenbar wenig fest. Tatsächlich hat man Bindungsenergien von nur etwa 30 kcal/Mol gemessen.
Acyclische Verbindungen
110
K e t o n e (Alkanone) Die allgemeinen Eigenschaften der Ketone R - C O - R ' wurden bereits mitgeteilt. Das erste Glied dieser homologen Reihe kann nicht weniger als drei C-Atome enthalten. Von den Aldehyden unterscheiden sie sich durch ihre größere Beständigkeit gegenüber oxydierenden Agenzien. Sie sind an der Luft beständig und reduzieren F E H L I N G sche Lösung und ammoniakalische Silberlösung nicht. Sie geben mit Wasser kaum Hydrate, neigen auch nicht zur Polymerisation (obwohl diese unter besonderen Bedingungen möglich ist), lassen sich aber leicht kondensieren. Z . B . entstehen durch Einwirkung von Chlorwasserstoff auf Aceton unter Wasserabspaltung Mesityloxyd (I) und Phoron (II). I.
(CH 3 ),C=CH-COCH3
II.
(CH,),C=CH · CO · CH=C(CH,),.
Bei der Einwirkung von Ammoniak auf Aceton bilden sich stickstoffhaltige Verbindungen, Diacetonamin (III) und Triacetonamin (IV), deren strukturelle Beziehung zu Mesityloxyd und Phoron leicht ersichtlich ist.
III.
(CH,),C · CH, · CO · CH, 1 NH,
IV.
CO / \ H^C CH] Ι I (CH,),C C(CH,), \ / NH
Ketone neigen viel weniger zur Acetalbildung als Aldehyde. Ihre Darstellung gelingt» indem man Ketone mit Orthoameisensäureester und Spuren Säure umsetzt : CH,V /OCjHj CH,. , 0 · C,H S > C = 0 + HCC< + X X CH,/ OC,H5 CH/ 0 · C2H5
,0 HCf X 0-C2H5.
Die schwieriger verlaufende Kondensation unter dem Einfluß von Laugen führt zur Zusammenlagerung von zwei Molekülen : 2 CH, · CO · CH,
OH I (CHS),C · CH, · CO · CH,. Dlaceton&lkohol
Mit Mercaptanen vereinigen sich Ketone unter dem Einfluß von Chlorwasserstoff leicht zu „Mercaptolen" RR'C(SR) 2 . So entsteht aus Aceton und Äthylmercaptan Acetondiäthylmercaptol : (CH,),C0 + 2HS-C,H 5 = (CH3)2C(S.C2H5), + H , 0 . Dieses geht durch Oxydation mit Kaliumpermanganat in das Sulfon Sulfonal: (ΟΗ,ΐ,Ο^Ο,-Ο,Η,),, 2,2-Bis-(äthyIsuIfon )-propan über. Es kristallisiert in farblosen Prismen und ist in kaltem Wasser schwer löslich. Schmelzpunkt 128°. Es besitzt als erstes synthetisches Schlafmittel Interesse, ist aber wegen seiner Toxizität außer Gebrauch gekommen.
Aceton (Propanon) CH,·CO·CH, Die früher übliche technische Darstellung von Aceton in der Holzverkohlungsindustrie durch trockene Destillation von Calciumacetat ist heute bedeutungslos. An ihre Stelle ist die katalytische Zersetzung von Essigsäure über Kontakten wie Cercarbonat oder Ceroxyd bei etwa 400° nach 2 C H , C 0 , H = CHä-CO-CH, + CO, + H , 0
Ketone
111
getreten. Eine große Rolle spielt, wie bereits früher erwähnt, die Dehydrierung von Isopropylalkohol (aus Propylen): CH,. H _H CH, >C< !» >C=0 CH/
OH
CH/
Sehr interessant ist auch die direkte großtechnische Gewinnung von Aceton aus Acetylen, das mit einem großen Überschuß von Waeserdampf bei etwa 450° über einen Katalysator aus Zinkoxyd und etwas Eisenoxyd geleitet wird, wobei die Anwendung einer Salzschmelze aus Kalium- und Natriumnitrit als Heizbad eine gute Temperaturkontrolle gewährleistet. Als Nebenprodukte entstehen in geringer Menge Acetaldehyd, Essigsäure und Methyläthylketon. Man vermutet, daß zunächst Acetaldehyd entsteht und dieser nach der folgenden Gleichung weiterreagiert:
2 CH3.CHO + HjO = CH 3 .CO-CH 3 + 2Hj + C0 2 . Wie HOCK gezeigt hat, zerfällt das durch Autoxydation von Cumol erhältliche Cumylhydroperoxyd durch Einwirkung von Säuren in Phenol und Aceton. Darauf gründet sich eine großtechnische Barstellung dieser wertvollen Produkte:
"%/
V
I
C—Ο,Η CH 3 CH 3
+ I
OH
CH, CH/
>C=0
Aceton
Phenol
Schließlich ist unter den großtechnischen Verfahren noch die biologische Gewinnung durch Vergärung von Stärke, insbesondere Mais, mit Hilfe verschiedener Bakterien zu nennen (S. 40) ; hierbei bilden sich gleichzeitig auch Butylalkohol und Äthylalkohol. Aceton ist eine farblose Flüssigkeit von eigenartigem Geruch; F : —94°; Kp, e o : 56,2°; DJ 0 :0,7904. Es bildet ein ausgezeichnetes Lösungsmittel für viele organische Verbindungen und ist in jedem Verhältnis mit Wasser mischbar. Bei Salzzusatz trennt sich die wäßrige Lösung in zwei Schichten. Große Mengen Aceton werden als Lösungsmittel für Nitrocellulose und Acetylcellulose sowie für Acetylen verwendet. Bei der Reduktion von Aceton entsteht Isopropylalkohol. Durch Schwefelsäure wird es zu 1,3,5Trimethyl-benzol (Mesitylen, S. 346) kondensiert. Das Oxim des Acetons ist kristallisiert und schmilzt bei 69°. Eine Prototropie, d. h. Wanderung eines Wasserstoffatoms vom Kohlenstoff zum Sauerstoff, wie wir sie bei der Desmotropie der Nitroverbindungen erörtert haben, findet bei einfachen Ketonen, wenn überhaupt, nur in äußerst geringem Umfang statt : O
OH CH.=CCH.
Die entstehenden Produkte heißen „Enole" nach den Endungen „en" für die Doppelbindung und ,,ol" für die Alkohole. Der Enolgehalt von unverdünntem Aceton liegt unter 10 - ·. Über die Begünstigung der Enol-Bildung durch Konjugation vgl. S. 229. Daß Enole (bzw. ihre mesomeren Ionen) im Reaktionsmechanismus der Ketone eine wichtige Rolle spielen können, hat zuerst L A P W O R T H (1904) aus der Kinetik der Halogenierung des Acetons geschlossen. Diese ist abhängig von der Aceton-Konzentration, unabhängig von der Halogen-Konzentration. Dies ist plausibel, wenn die Enolisierung der langsamste, geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist. Die Halogenierung läuft dann über das Enol : OH
I
C H , = C CHS + Br, -
CH,Br CO CH 3 +
HBr.
Auf die Einzelheiten der durch Säuren und durch Basen katalysierten Reaktion soll hier nicht näher eingegangen werden.
Acyclische Verbindungen
112
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe O l e f i n e ( A l k y l e n e , A l k e n e ) C„Hîn Wie zuerst E . HÜCKEL 1930 gezeigt hat und S. 43 bereits kurz ausgeführt wurde, gibt die Hybridisierung des 2s- mit dem 2 p , - und 2p„-Zustand des Kohlenstoffatoms eine ebene trigonale Anordnung mit 3 gleichartigen sp 2 -Bindungsfunktionen unter Winkeln von 120°. Durch gegenseitige Überlappung je einer solchen sp 2 -Bindungsfunktion können zwei Kohlenstoffatome eine zylindersymmetrische einfache σ-Bindung eingehen. Die vier übrigen sp 2 -Funktionen können mit anderen Atomen ebenfalls σ-Bindungen bilden. Senkrecht dazu steht an jedem der beiden C-Atome noch ein p 2 -Zustand zur Verfügung. Die hanteiförmige Verteilung der p-Ladungsdichte erlaubt eine energetisch günstige seitliche Überlappung zu einer π-Bindung, wenn die Achsen der p ¿ -Elektronenwolken parallel zueinander und senkrecht auf der Ebene der σ-Bindungen stehen (Fig. 42). Die π-Elektronen, wie man kurz sagt, sind weniger fest gebunden. Sie sind also leichter anregbar und gehen leichter chemische Reaktionen ein. So erklärt sich die Additionsfähigkeit der Verbindungen mit Doppelbindung, die deshalb auch „ungesättigte Verbindungen" heißen. E s erklärt sich aber auch die räumliche Stabilität der Anordnung an der Doppelbindung gegen Verdrehungen. Sie führt zur Existenz von zwei geometrischen Isomeren (cw-irares-Isomeren), die wir bei der Maleinsäure (S. 186) eingehender besprechen werden. I n ihrem Verhalten ähneln die Olefine Atomen mit einem freien DonorElektronenpaar. Sie zeigen also in vielen Reaktionen nucleophilen Charakter. Die Anregung der π-Elektronen k a n n durch radikalische und polare Grenzzustände beschrieben X X
® Θ
werden : > C—C < > C—C < , wofür das reaktive Verhalten der Olefine viele Beispiele liefern wird. Die Eignung der π-Elektronen zur seitlichen Überlappung h a t besonders wichtige Folgen, wenn mehrere solche Bindungssysteme einander direkt benachbart („konjugiert") sind, wenn also Doppel- und Einfachbindungen miteinander abwechseln. Wie in Fig. 43 am Beispiel des einfachsten konjugierten Diolefins, des Butadiens, gezeigt ist, breitet sich dann das π-Elektronensystem über alle C-Atome aus. Die mit „Delokalisierung" der Elektronen verknüpften Erscheinungen werden heute aber teilweise anders gedeutet (S. 131 Anm.). Wir gehen darauf hier nicht ein. Die Gesamtbindungsstärke einer aus σ- und ngv feH π-Bindung bestehenden Doppelbindung ist natürlich gegenüber einer Einfachbindimg erhöht. Dies drückt sich auch in einer entsprechenden VerFig. 42 Fig. 43 kürzung des C—C-Abstands aus. E r beträgt bei der Doppelbindung etwa 1,34 A gegenüber 1,54 Â bei der Einfachbindung. ΓΗ ^ Von LENNARD-JONES, COULSON und
anderen ist in neuerer Zeit darauf hingewiesen worden, daß es eine quantenmechanisch gleichwertige Beschreibung der Doppelbindung in „equivalent Orbitals" gibt, wenn man die Wechselwirkung der σ· und ji-Elektronen, die bei HÜCKEL vernachlässigt wird, berücksichtigt. Man erhält dann zwei Funktionen χ1 = ψα + ψ„ und χ2 — ψα — ψ„. χΧ liegt fast völlig oberhalb, Xj fast völlig unterhalb der Molekülebene (Fig. 44 und 45), und man kann sich vorstellen, daß jede der beiden Funktionen aus zwei sp'-Hybriden (jeweils eines von einem C-Atom) gebildet ist. Man erhält dann je eine Elektronenpaar-Bindung oberhalb und unterhalb des Moleküls (Fig. 46), also eine Anordnung aus zwei deformierten Tetraedern nach Art des Doppelbindungs-Modells, das A.V.BAEYER aus dem vant'Hoirschen Tetraeder-Modell entwickelt hatte. Wenn auch fruchtFig. 44
Fig. 45
Fig. 46
113
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe
bare chemische Anwendungen sich aus diesem Modell noch nicht ergeben haben, so scheint doch die Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment bei Valenzwinkeln und Hemmungspotentialen freier Drehbarkeit von Substituenten bei dem neuen Modell befriedigender als beim a l t e n (PAULINO 1 9 5 8 ) .
Nomenklatur. Die Namen der ungesättigten Kohlenwasserstoffe lassen noch etwas von den Schwierigkeiten erkennen, die das Verständnis der Doppelbindung ursprünglich machte. Die Endung -ylen der ungesättigten Kohlenwasserstoffe ist nämlich eigentlich die Endung eines zweiwertigen Radikals. Sie erinnert daran, daß man anfänglich zwischen Radikalen und ungesättigten Kohlenwasserstoffen nicht zu unterscheiden wußte. Die Endung -ylen anstelle der Endung -an der gesättigten Kohlenwasserstoffe findet man vor allem noch in den Namen Äthylen für CH 2 =CH 2 und Propylen für CH3 · CH =CH 2 . Die Genfer Nomenklatur bezeichnet das Vorkommen der Doppelbindung durch die Endung -en: CH2 : CH · CH2 · CH2 · CH3 Penten-(l), CH3 · C H = C H · CH2 · CH2 • CH3 Hexen-(2). Die einfachsten einwertigen Radikale heißen: V i n y l CH2 : CH—, P r o p e n y l CH3 · CH : CH— und A l l y l CH2 : CH · CH a —. Bildungsweisen. Olefine entstehen aus gesättigten Alkoholen beim Erhitzen mit wasserentziehenden Mitteln (Schwefelsäure, Zinkchlorid usw.) oder beim Überleiten über erhitzte Katalysatoren, die die Wasserabspaltung begünstigen, ζ. B. Aluminiumoxyd, Thoriumoxyd oder Kieselsäure: CH3-CH2-OH
=
CH2 : OH2 +
H20.
Sekundäre Alkohole spalten leichter Wasser ab als primäre; tertiäre Alkohole reagieren häufig schon ohne Zusätze. Wichtig ist ferner die Bildung von Olefinen durch Abspaltung von Halogenwasserstoff aus Alkylhalogeniden, von denen sich die Jodide durch besonders leichte Zersetzlichkeit auszeichnen. Meist geht man so vor, daß man die Halogenverbindung mit alkoholischer Kalilauge oder aromatischen Basen (Anilin, Dimethylanilin) erhitzt: CHS-CHJ-CH3 + KO-CJH5
=
CH3-CH : CHJ + K J +
C2H6-OH.
Bei Anwendung von alkoholischer Kalilauge entstehen aber nebenher auch Äther, wenigstens bei den primären Alkylhalogeniden; bei den sekundären und tertiären Halogenderivaten findet ausschließlich Olefinbildung statt. Die Abspaltung von Halogen, vorzugsweise Brom, aus geeignet konstituierten Dihalogeniden durch Zinkstaub kann ebenfalls präparativ von Wert sein: CH3 · CHBr · CHBr · CH3
'/n
> CH3 · CH = CH · CH3 + ZnBr a .
Auch die thermische Zersetzung von Oniumhydroxyden, vor allem Ammoniumhydroxyden dient mitunter zur Gewinnung von Olefinen (HoFMANNscher Abbau der quartären Ammoniumhydroxyde) : CH3 · CH2 · CH · N(CH3)3®
• CH3 · CH2 · CH=CH¡¡ + N(CH3)3 + H®
I
CH, Wie wir gesehen haben, beruhen die wichtigsten Olefinbildungen auf Abspaltungsreaktionen aus Alkoholen, Halogeniden oder OniumVerbindungen. Häufig liegt der Abspaltung (englisch „elimination") ein bimolekularer Mechanismus (Typus E 2) zugrunde: CJHJ CH C H J J
I
•
CJHS C H = C H 2
Η OH©
J©
H20
Aber auch ein monomolekularer Verlauf (Typus E l ) ist namentlich bei tert. Halogeniden beobachtet worden: C
H
CH/
> /
J
\CH3
langsam (
°H3\C® C H /
schnell , CHJ
H o l l e m a n - R i c h t e r , Organische Chemie. 37. — 41. Auflage
^ ' V ^ C H , + H® C H / 8
114
Acyclische Verbindungen
Die Konstitution des Ausgangsmaterials beeinflußt oft die Richtung der Abspaltung, d. h. die Lage der Doppelbindung, in auffallender Weise. Die bimolekulare Abspaltung aus Oniumverbindungen erzeugt bevorzugt das am wenigsten substituierte Olefin (HoFMANNsche Regel) : CH, · CH, · CH, · Ν · CH, · CH,
• CH, CH, CH, N(CH,), + CH, = CH, + H®
Das stark elektronegative Oniumkation induziert nach I N G O L D in /^-Stellung eine positive Ladung, die die Protonabspaltung begünstigt. Alkyle sind leicht polarisierbar, entfalten also gewissermaßen einen positiven Induktionseffekt (werden positiver), indem sie Elektronen abgeben. An die ^-Stellung geknüpfte Alkyle schwächen daher den Induktionseffekt auf dieses C-Atom. Die Frotonenabspaltung erfolgt deshalb von dem C-Atom, das die geringste Anzahl von Alkylgruppen trägt. Nach H . C . B R O W N ist der Reaktionsverlauf dagegen durch sterische Effekte zu erklären. Vor allem bei monomolekularem Verlauf erfolgt die Abspaltung nicht selten umgekehrt (SAiZEWsche Regel:) C H 3 C H 2 C H - C H 3 - C H 3 - C H = C H - C H 3 + H®. Hier macht sich ein sehr merkwürdiger, von M U L L I K E N als Hyperkonjugation bezeichneter Effekt geltend. Benachbarte CH-Bindungs-Elektronenpaare am gleichen C-Atom, ζ. B. die drei σBindungspaare im Methyl H 3 = C oder die zwei a-Bindungspaare im Methylen H , = C , entwickeln durch quantenmechanische Wechselwirkung etwas Dreifach- bzw. Doppelbindungs-Charakter und treten dadurch mit echten Doppelbindungen in Konjugation. Da Konjugation stets Erniedrigung der Energie, d. h. Stabilisierung bedeutet, wären demnach Doppelbindungen mit den meisten Verzweigungen energetisch begünstigt. Daß ein solcher nicht leicht nachweisbarer Effekt tatsächlich existiert, wird daraus geschlossen, daß es Reaktionen gibt, wo die Wirkung von CH, > CH(CH,), > C(CH 3 ), ist, während die sogermnnte induktive Wirkung der Alkyle in umgekehrter Reihenfolge ansteigt. Von der Wasserabspaltung aus Alkoholen durch Säuren wird angenommen, daß sie dem Typus E l folgt: CH3X
\ CH/
OH I c
. C,Ht
®
CH,
OH,® I > C C,H 5
CHJV
X
CH/
•
φ >C
CH/
-C,H 5 + Η,Ο
•
CHJX
> C = C H C H , - f H®. CH/
Die Konstitution der gebildeten Olefine entspricht daher der SAiZEWschen Regel. Übrigens verlaufen Abspaltungsreaktionen selten ganz einheitlich. Meist liegt ein Zusammenspiel von induktiven, hyperkonjugativen und sterischen Effekten vor. Auch kann nachträgliche Isomeriaation den Überblick über den Reaktionsablauf erschweren.
Wegen ihres präparativen Interesses sei noch die Bildung von Olefinen bei der schonend durchgeführten katalytischen Hydrierung von Acetylenen genannt, weil sie ausschließlich oder mindestens überwiegend zu cis-Olefinen führt, die auf diese Weise leicht dargestellt werden können: CH, C = C - C H ,
H'
,
CH,\ w
/CH, > C = C < \ H
cle-Buten-(2)
Olefine entstehen ferner durch „Pyrolyse", d. h. thermische Zersetzung von gesättigten Kohlenwasserstoffen, z.B.: C 2 H, 2C 3 H 8 2C 4 H 10 C(CH 3 ),
= = = =
C ä H, + C 3 H, + C 3 H, + (CH 3 ) Î C
H, C 2 H 4 + H , + CH, CH, + C,H, -f- C,H ( : CH, + C H , .
115
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe
Diese Reaktionen, deren Mechanismus wir unten besprechen werden, haben zwar für die Darstellung ungesättigter Kohlenwasserstoffe im Laboratorium im allgemeinen keine Bedeutung, weil sie meist gleichzeitig nach mehreren Richtungen verlaufen und Gemische von verschiedenen Kohlenwasserstoffen geben. Vom wirtschaftlichen Standpunkt ist aber das Interesse an ihnen sehr groß, da das Vorkommen der Olefine im Leuchtgas (4—5%) auf ihnen beruht und die Technik sich bei der Crackdestillation des Erdöls oder geeigneter Erdölfraktionen (S. 30) dieser Reaktionen im größten Maßstabe bedient, um das natürliche Rohmaterial in den verschiedensten gewünschten Richtungen umzuwandeln. Ursprünglich vercrackte man das Erdöl rein thermisch in flüssiger Phase bei 500—600°, wobei Drucke von 50—100 Atm. erforderlich sind und je nach der Dauer des Prozesses überwiegend öle oder gleichzeitig auch Koks und Gas erhalten werden. Heute wird ganz überwiegend mit Magnesium- oder Aluminiumsilicaten in der Dampfphase gecrackt. Dabei entstehen durch Vermittlung der sauren Silicate CarboniumIonen, deren weitgehende Isomerisierung zu Produkten führt, die von den thermischen Crackdestillaten recht verschieden sind. Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über die Zusammensetzung typischer Crackgase : Bestandteil Wasserstoff Methan Äthan Äthylen Propan Propylen Butan Isobutan Butylen Isobutylen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
thermisch
katalytisch
8,0 33,4 22,1 2,1 7,0 7,0 5,0 1,0 8,0 1,8
29,6 18,0 8,0 4,0 15,0 8,0 3,0 7,5 5,2 1,7
Auch die direkte Spaltung von Rohöl zu niedrigen Olefinen besitzt heute technische Bedeutung. Die Vercrackung von Äthan, Propan, Butan bei etwa 1100° liefert bei geeigneter Strömlingsgeschwindigkeit an 70% Äthylen. Die Vercrackung der Olefine erfordert im allgemeinen höhere Temperaturen als die der Paraffine, ist 30 von Polymerisation begleitet und daher weniger übersichtlich im Verlauf. Gemäß der „Spaltungsregel" —— t * von O. S C H M I D T (1932ff.) findet die Kettensprengung bevorzugt nicht 'iti neben der Doppelbindung, sondern .—-rriP CJ& Τ 20\ an der übernächsten Bindung statt, was auf Resonanzstabilisierung des J S » entstehenden Allylradikals zurückVi ξ/0 geführt wird. Ein bekanntes Beispiel ist der Zerfall des cyclischen Olefins Cyclohexen in Äthylen und Butadien : ^ o 1 --io 5 600 800 1000 1200 im 1600 1800°κ HO7
2
\3H2
HC^
2
CH2
I! Τ —^ ! + Ii HCv /CHj HCv\ CH, Nïh/ X®, Cyclohexen 1
Temperatur
Fig. 47"
Butadien
Mit Genehmigung des Verlags Urban & Schwarzenberg, München.
116
Acyclische Verbindungen
Die Lage des Bildungs- bzw. Zerfallsgleichgewichts für die verschiedenen Kohlenwasserstoff-Gattungen kann man aus Fig. 47 auf S. 115 entnehmen. Je positiver die freie Bildungsenergie, um so weiter ist der Zerfall in die Elemente fortgeschritten. In der Praxis ist man freilich meist bestrebt, die Erreichung des Gleichgewichts zu vermeiden. Der Mechanismus der thermischen Zersetzung der Kohlenwasserstoffe ist zwar noch nicht in allen Einzelheiten geklärt, doch ist es ziemlich sicher, daß der Zerfall weitgehend über freie Radikale (d. h. Verbindungen mit ungepaarten Elektronen) verläuft. Versuche zur Darstellung von freiem Methyl CHa» und Äthyl C 2 H 5 * (das Vorhandensein eines ungepaarten Elektrons sei durch χ bezeichnet) sind schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderte von F R A N K L A N D , K O L B E und anderen angestellt worden. Doch ergab sich sehr bald, daß die vermeintlichen Kadikaie in Wahrheit gesättigte Kohlenwasserstoffe mit dem doppelten Molekulargewicht waren, nämlich Äthan und Butan. Auf Grund dieser Erfahrungen hielt man dann lange Zeit die freien Radikale für nicht existenzfähig, bis 1 9 2 9 P A N E T H zeigte, daß sie wohl darstellbar sind, aber nur eine außerordentlich kurze Lebensdauer von etwa 0-01 Sekunde haben. Aus diesem Grunde kann man mit ihnen nicht auf die gewöhnliche Weise experimentieren. Die Radikale Methyl und Äthyl können ζ. B. durch Erhitzen von Pb(CH,) 4 und Pb(C 2 H 5 ) 4 im Wasserstoffstrom erhalten und durch ihre Fähigkeit, erhitzte Bleispiegel unter Rückbildung der metallorganischen Verbindungen aufzulösen, nachgewiesen werden. Auf die gleiche Weise ließ sich zeigen, daß auch beim Erhitzen von Äthan auf 900° Methyl entsteht. Für die Darstellung von Radikalen bevorzugt man heute die entsprechend verlaufende photochemische Zersetzung metallorganischer Verbindungen im ultravioletten Licht, weil man dann bei niedriger Temperatur arbeiten u n d störende Folgereaktionen ausschalten kann. Der Nachweis der Radikale erfolgt vielfach auch massenspektroskopisch. Die Unbeständigkeit der einfachen aliphatischen Radikale ist auf ihre beispiellose Reaktionsfähigkeit zurückzuführen. Ihre Rolle beim thermischen Zerfall der Kohlenwasserstoffe möge am Beispiel des Äthans erläutert werden, wo sich folgende Reaktionen nacheinander abspielen: C2H„ + X C2H„ + CH3X C2H6X CJK,, + Η 2 CjHJX
= = = = =
2 CH3* X CH 4 + C2H5X C2H4 + Η Η , + C2H5X C 2 H, + C 2 H 4
(1) (2) (3) (4) (5)
Schritt 1, die „Startreaktion", wird durch Zusammenstoß mit einem beliebigen Partner X, der auch ein Äthan-Molekül selbst sein kann, ausgelöst. Die Schritte 3—4 bilden eine sogenannte „Kettenreaktion". Diese erzeugt ständig neue Radikale und Wasserstoffatome, mit dem Resultat, daß Äthan fortlaufend in Äthylen und Wasserstoff zerfällt, bis die Kette durch 5 „abgebrochen" wird. Das Spiel wiederholt sich, sobald ein neues Molekül Äthan durch Stoß zum Zerfall nach 1 angeregt wird. Die kinetische Kettenlänge bet r ä g t im Fall des Äthans etwa 10 s , d. h., auf 1 Molekül Äthan, das nach Schritt 1 zerfällt, wird die Bildung von 105 Molekülen Äthylen ausgelöst. So erklärt es sich, daß fast der gesamte Äthanzerfall über diese Ketten verläuft, obwohl der Zerfall nach 1 ein sehr seltenes Ereignis ist. Hieraus ergibt sich die große Bedeutung solcher Kettenreaktionen, auf die zuerst B O D E N S T E I N 1913 aufmerksam gemacht hat 1 . Ihre Rolle im Kohlenwasserstoff-Zerfall ist zuerst von F. 0 . R I C E in Washington eingehender untersucht worden. Da die instabilen Zwischenprodukte immer nur in sehr kleiner Konzentration anwesend sind und daher in den Bruttogleichungen nicht auftreten, ist der Nachweis von Kettenreaktionen indirekter Natur. Man erkennt sie unter anderem an charakteristischen Hemmungserscheinungen oder Induktionsperioden, die durch sehr geringe Mengen von „Inhibitoren" wie NO oder Sauerstoff, hervorgerufen werden und auf Kettenabbruch beruhen, mitunter an nicht ganzzahliger Reaktionsordnung und a n Nebenprodukten wie Methan, die einen deutlichen Fingerzeig auf Methylradikale geben. Verfolgt man das Schicksal des Methyl-Radikals bei gewöhnlicher Temperatur, so findet man fast ausschließlich Äthan, weil die „Rekombination" die Aktivierungswärme 0 hat, während der Zerfall von C 2 H 5 in C 2 H 4 und Η eine bedeutende Aktivierungswärme erfordert. Die Erzeugung aliphatischer Radikale in Lösung ist erst in neuerer Zeit beobachtet worden. Versetzt man eine Lösung von Phenylmagnesiumbromid und etwas Kobaltchlorid in Äther mit Methylbromid, so liefert dieses fast quantitativ ein Gas, das aus rund 60°/ 0 Methan und je 20°/o Äthan nnd Äthylen besteht ( K H A R A S C H ) . Vermutlich liegt folgende Reaktionskette vor: C„H5 - MgBr + CoCl2 C E H 5 · CoCl +- MgClBr · CoCl C 6 H 5 · C 6 H S T 2 CoCl* CoClx + CH 3 Br = CoCIBr f CH3x . 2 CEH5
1
BODENSTEIN,
Ztechr. physikal. Chemie 85 (1913), 329.
117
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe
Das Methylradikal greift das Lösungsmittel an und liefert mit diesem die genannten gasförmigen Produkte. Nach SEMERANO entstehen aus Bleialkylen und Silbernitrat in Alkohol S i l b e r m e t h y l AgCH, und S i l b e r ä t h y l AgC»Hs, die schon bei —50° in Silber und die entsprechenden Radikale zerfallen. Methyl liefert hierbei nur Äthan, Äthyl hauptsächlich Äthan und Butan und nur wenig Äthylen. Von beständigen freien Radikalen mit dreiwertigem Kohlenstoff wird später bei den aromatischen Verbindungen die Rede sein. Sauerstoffhaltige Radikale entstehen leicht durch thermische Zersetzung von Dialkyl- und Diacylperoxyden. Diese sind daher unter Umständen sehr bequeme Radikalquellen.
Eigenschaften der Olefine Die physikalischen Eigenschaften der wichtigsten Vertreter der Olefingruppe sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt: Name Äthylen Propylen Buten-(l) Penten-(l) Hexen-(1 ) Hepten-(l) Octen-(l) Nonen-(l) Decen-(l) Undecen-(l)
Formel CH? CH, CH, CH, CH, CH, CH, CH, CH, CH3
CH2 CH : CH, CH2 CH :CH2 CH2 · CH2 · CH : CH2 [CH 2 ] 3 *CH ; CH2 [CH 2 ] 4 -CH:CH 2 [CH 2 ] 5 -CH:CH 2 [CH2]E · CH '. CH2 [CH 2 ],-CH:CH 2 [CH 2 ] 8 - CH: CH2
Schmelzp. -169,2» -185,3 -185,4 —165,2 -139 -119,2 -102,4 - 81,4 - 66,3 - 49,2
ΚΡ7Β0 -103,7» - 47,7 6,3 + 30,0 63,6 93,3 121,3 146 172 190
D2° 0,5139 0,5951 0,6410 0,6734 0,6968 0,7160 0,729 0,741 0,751
Die niedrigsten Glieder dieser homologen Reihe sind Gase; sie sind in Wasser ein wenig löslich. Die mittleren, flüssigen und die höheren, festen Glieder lösen sich nicht in Wasser, wohl aber in Alkohol und Äther. Der Siedepunkt ist nur wenig niedriger als der der entsprechenden Alkane (S. 27) ; dagegen ist das spezifische Gewicht nicht unbeträchtlich höher. Nicht nur die Dichte, auch der Brechungsindex ungesättigter Verbindungen ist in charakteristischer Weise gegenüber gesättigten Verbindungen erhöht. Infolge der lockeren Bindung der π-Elektronen ist die Fortpflanzung elektromagnetischer Störungen in ungesättigten Verbindungen verlangsamt. Auf die Molekularrefraktion wirkt sich dies in folgender Weise aus. Wir haben bereits S. 28 gesehen, daß die Refraktion der Gruppe CH2 sehr konstant ist. Multipliziert man sie mit der Anzahl der C-Atome und zieht das Produkt von der Molekularrefraktion einer Verbindung C n H 2 n + 2 ab, so gewinnt man die Refraktion für 2 H und damit auch die Atomrefraktion für C und H gesondert. Die folgende Tabelle zeigt einige nach diesem Verfahren erhaltene Zahlen für die D-Linie (LoRENzsche Formel) : Gruppe CH2 Kohlenstoff Wasserstoff
Atomrefraktion 4-598 2-413 1-092
Oxosauerstoff Äthersauerstoff Hydroxylsauerstoff
Atomrefraktion 2-189 1-639 1-522
Die durch einfache Addition dieser Zahlen erhaltenen Molekularrefraktionen stimmen im allgemeinen mit den experimentell gefundenen sehr gut überein. Bei ungesättigten Verbindungen erhält man dagegen Werte, die hinter den beobachteten zurückbleiben (z. B. für CgHjg gefunden 38-73, berechnet 36-94). B R Ü H L hat diese Differenz das Inkrement für die doppelte Bindung genannt (versinnbildlicht durch das Zeichen F). Ihr mittlerer Wert ist 1-733 nach der L O R E N Z schen Formel. Dieses Inkrement kann zum Nachweis einer doppelten Bindung durch den Brechungsindex dienen. Auch die Molekulardispersion y—α (Differenz zwischen den Molekularrefraktionen für die α- und y-Linie des Wasserstoffspektrums) ist bei ungesättigten Verbindungen erheblich größer als bei gesättigten.
Acyclische Verbindungen
118
Die obigen, nach einem verhältnismäßig primitiven Zerlegungsverfahren gewonnenen „Atomrefraktionen" haben keine tiefere physikalische Bedeutung und sind auch keine Konstanten im eigentlichen Sinn. Sie besitzen aber als Mittelwerte aus einem umfangreichen experimentellen Material praktische Bedeutung, weil sie in vielen Fällen eine überaus einfache Kontrolle einer aufgestellten Konstitutionsformel mit Hilfe des Abbe-Refraktometers gestatten. Nachdem jedoch heute aus Ultraviolett- und Infrarot-Spektren ohne Schwierigkeit ungleich genauere Aufschlüsse über Konstitutionen gewonnen werden können (S. 393), beschränkt sich die Refraktometrie mehr und mehr auf Zwecke der Identifizierung. V o n d e n chemiechen E i g e n s c h a f t e n der Olefine ist in erster Linie ihr Additionsv e r m ö g e n h e r v o r z u h e b e n . W ä h r e n d die Alkane n u r d u r c h S u b s t i t u t i o n , also E r s a t z v o n W a s s e r s t o f f , D e r i v a t e z u b i l d e n vermögen, sind die Olefine zur d i r e k t e n A d d i t i o n v o n E l e m e n t e n u n d V e r b i n d u n g e n befähigt. D u r c h A d d i t i o n v o n 2 A t o m e n W a s s e r s t o f f gehen sie i n die g e s ä t t i g t e n A l k a n e ü b e r : CH, : CHj + H, = CHj · CH,. Allerdings sind die meisten bisher erwähnten Reduktionsmittel (Natrium und Alkohol, Natriumamalgam, Zink und Essigsäure, Lithiumaluminiumhydrid) für diese Reaktion nicht geeignet. Wohl aber erfolgt eine glatte Anlagerung von gasförmigem Wasserstoff leicht unter dem Einfluß bestimmter Katalysatoren. Wirksam sind in dieser Hinsicht alle sog. Übergangsmetalle, die sich auf den Minima der großen Perioden der Atomvolumenkurve finden, vor allem Nickel, Kobalt, Palladium und Platin. Die katalytische Hydrierung mit Hilfe von Nickel wurde von SABATIER und SENDEBENS entdeckt und zunächst in der Dampfphase bei höheren Temperaturen auegeführt. Später ist dann durch die Arbeiten von FOKIN, WILLSTÀTTER und PAAL gezeigt worden, daß man mit fein verteiltem oder kolloidalem Platin oder Palladium auch Flüssigkeiten oder Lösungen bei Zimmertemperatur hydrieren kann. Ein sehr wirksamer Hydrierungskatalysator ist Platinoxyd PtOj, das man bequem durch Schmelzen von Platinchlorwasserstoffsäure mit Natriumnitrat darstellen kann. Es geht bei der Hydrierung zunächst in Platin über (ADAMS). Schließlich hat man in neuerer Zeit gelernt, ein so aktives Nickel darzustellen, daß man auch mit diesem bei niedriger Temperatur zu hydrieren in der Lage ist. Hier ist vor allem der Nickel-Katalysator nach RAN Εγ zu nennen, der durch Herstellung einer Nickel-Aluminium-Legierung und Herauslösen des Aluminiums mit 30%iger Lauge gewonnen wird. Auch Kobalt- und Kupfer-Katalysatoren können in ähnlicher Weise dargestellt werden. Wegen ihrer Struktur bezeichnet man so gewonnene Kontakte auch als S k e l e t t - K o n t a k t e . Mitunter wünscht man einen Katalysator durch Desaktivierung selektiv zu machen. F ü r die Hydrierung von Acetylenen zu Olefinen leisten dies Palladium-Blei-Katalysatoren. Der Adsorption von Wasserstoff und ungesättigten Verbindungen an diesen Katalysatoren sind in neuerer Zeit zahlreiche Untersuchungen gewidmet worden. Dabei hat sich herausgestellt, daß diese Adsorption vielfach von einer recht bedeutenden Wärmetönung (ζ. B. 10—20kcal/Mol) begleitet ist, die auf eine festere Bindung, die zur Bildung von Oberflächenverbindungen in monomolekularer Schicht führen kann, schließen läßt. Man spricht in solchen Fällen von „aktivierter" Adsorption oder Chemisorption. Durch die Bildung von homöopolaren Bindungen zwischen dem Metall und Wasserstoff oder Olefin werden andere Bindungen gelockert. So wird eine Erniedrigung der f ü r die Reaktion erforderlichen Aktivierungsenergie erzielt. Die katalytisch wirksamen Metalle besitzen leere d-Niveaus und sind deshalb „elektronenhungrig". Ähnliches gilt auch f ü r Halbleiter, die, wie wir gesehen haben, ebenfalls gute Hydrierungskatalysatoren sein können, z . B . Zinkoxyd + Chromoxyd oder Molybdänsulfid. Der A d k i n s s c h e ,,Kupferchromit"-Katalysator ist vermutlich ein oxydischer Katalysator. Olefine werden v o n Oxydationsmitteln sehr leicht a n g e g r i f f e n . Hierauf b e r u h t eine v o n B A E Y E R angegebene einfache R e a k t i o n z u m Nachweis u n g e s ä t t i g t e r V e r b i n d u n g e n . M a n v e r s e t z t d i e k a l t e wäßrige o d e r alkoholische L ö s u n g d e r z u p r ü f e n d e n S u b s t a n z m i t e t w a s Soda u n d einem T r o p f e n P e r m a n g a n a t l ö s u n g . I s t eine D o p p e l b i n d u n g v o r h a n d e n , so verschwindet die v i o l e t t e F a r b e des P e r m a n g a n a t e sehr schnell, u n d es t r i t t ein flockiger Niederschlag v o n M a n g a n d i o x y d h y d r a t a u f . Bei S u b s t a n z e n , d i e o h n e h i n diese R e a k t i o n geben, ζ. B. A l d e h y d e n , ist K M n 0 4 n a t ü r l i c h als R e a g e n s n i c h t b r a u c h b a r . B e i der P e r m a n g a n a t - O x y d a t i o n lassen sich als e r s t e O x y d a t i o n s p r o d u k t e d e r Olef i n e zweiwertige Alkohole (a-Glykole) isolieren, die d u r c h A d d i t i o n v o n 2 O H - G r u p p e n entstanden sind: 1
Über Spaltung von a-GlykoIen mit Bleitetraacetat vgl. S. 163.
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe ™
3
119
> C : C H , + O + HJO = Q G 3 > C ( O H ) · C H , · O H ,
die aber natürlich ihrerseits sehr leicht weiter zu Säuren oxydiert werden. Auch gegen molekularen Sauerstoff sind viele Olefine nicht beständig. Sie unterliegen an der Luft einem bei Zimmertemperatur und in Abwesenheit von Katalysatoren allerdings oft langsamen Autoxydationsprozeß, in dessen Gefolge auch Kettenspaltungen beobachtet werden. Der Reaktionsmechanismus ist vor allem an den leichter reagierenden cyclischen Olefinen erforscht worden. Der erste Schritt besteht häufig in einem Angriff des der Doppelbindung benachbarten Methylens (der „Allylstellung") unter Bildung eines Hydroperoxyds, das seinerseits mit Doppelbindungen unter Bildung eines Oxyds und Reduktion zum ungesättigten Alkohol zu reagieren vermag: — CH=CH-CH(0-0H)— >- —CH—CH.CH 2 1 CH=CH-CH(OH)— \o/ Für das chemische Verhalten der Olefine ist die Bildung derartiger Peroxyde auch deshalb nicht ohne Bedeutung, weil diese häufig die weiter unten beschriebenen Polymerisationsreaktionen zu katalysieren vermögen. Als ein wichtiger Autoxydationstypus erweist sich die Bildung polymerer Peroxyde durch 1 · 4-Addition an mehrfach ungesättigte Verbindungen mit konjugierten Doppelbindungen (s. darüber S. 124). Die Absättigung der Kettenenden ist im einzelnen noch unklar: —CH=CH.CH,— H
—CH=CH.CH S CH=CH.CH(0-0H)
R . C H - C H . C H = C H - R ' + 0 2 —s
CHR • CH=CH · CHR' · 0 0 • [CHR · C H - C H · CHR' · 0 0 ] x · CHR · CH— CH · CHR' · 0 0 —
Persäuren bilden mit Olefinen entweder Olefinoxyde: RCO-OOH + R-CH=CH-R->· R C H - C H R
+
R-COOH
oder halbseitig veresterte Glykole:
OH O · CO · R I ι R-COOOH + R - C H = C H R - R - C H - C H R
Beide Reaktionsprodukte lassen sich leicht zu Glykolen verseifen. Eine sehr wichtige Methode zur Oxydation ungesättigter Verbindungen ist die zuerst von H A B R I E S studierte Ozonspaltung. Leitet man in die Lösung einer ungesättigten Verbindung in Petroläther oder Eisessig Ozon, so entstehen O z o n i d e , indem pro Doppelbindung 1 Molekül 0 3 aufgenommen wird. Nach STAUDINGEH (1925) enthalten diese Ozonide nicht mehr die unversehrte Kohlenstoffkette. Sie sind vielmehr acetalartige Verbindungen, deren Bildung z. B . im Fall des ß-Butylens folgendermaßen verläuft : .ο·α CH,·CH : C H C H a + 0 , = C H t - C H < ^ 0 J ^ C H - C H 3 . Butyleiiozonid
Die STAUDiNGERsche Ozonidformel konnte von RIECHE auch auf synthetischem Wege gestützt werden. Stellt man nämlich durch Einwirkung von 1 Mol Wasserstoffperoxyd auf 2 Mol Acetaldehyd Bis-hydroxyäthyl-peroxyd dar und entzieht diesem mit Phosphorpentoxyd Wasser, so entsteht Butylenozonid : / 0 · 0 Χ ο·οχ CH,-CHCH-CHs - H,0 = CH8.CH^0^>CH-CH,. Bla-hydroxy&thyl-peroxyd
Den Mechanismus der Ozonidbildung kann man sich nach CRIEGEE1 folgendermaßen vorstellen. Bei der Ozonisierung findet an der Doppelbindung zunächst völlige Spaltung in eine Oxo-Verbindung > C = 0 und ein als Zwitterion © 0 · 0 Ν ® aufgefaßtes Spaltstück statt. Das Ozonid XC< 1 Siehe aber auch CBIEOEE, Angew. Chemie 71, 525 (1959).
120
Acyclisehe Verbindungen
entsteht erst sekundär durch Addition des Zwitterions an die C=0-Bindung, falls diese genügend reaktionsfähig ist. Ist sie dagegen reaktionsträge wie im Fall des (aus Tetramethyläthylen entstehenden) Acetons, so muß das Zwitterion sich anderweitig stabilisieren, ζ. B. durch Polymeri/0·°\ sation zu A c e t o n p e r o x y d ( C H 3 ) 2 ^ ^ C ( C H 3 ) 2 (F:132°). Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich ζ. B. aus dem Resultat der Ozonisierung von Tetramethyläthylen unter Zusatz des reaktionsfähigen Formaldehyds. Das Zwitterion lagert sich an diesen an, und man erhält das gleiche Ozonid, das aus Isobutylen entsteht: C H 3 > C = C < C H 3 + °3 +
CH
Tetramethyläthylen
*° ~ * g * »
+ H2CC C < + H.0 = >C—0· 0 — C < N o / i I HO HO E s findet also zunächst eine Hydrolyse der Ozonide an der Ätherbindung statt. Die weitere Spaltung verläuft je nach den Umständen verschieden, als Endprodukte entstehen Aldehyde bzw. Ketone und Säuren. Es ist nach dem vorangehenden erklärlich, daß die Ozonidspaltung ein wichtiges Hilfsmittel für die Konstitutionsermittlung ungesättigter Verbindungen darstellt. Denn man wird in vielen Fällen aus der Untersuchung der entstehenden Säuren einen Rückschluß auf die Lage der doppelten Bindung ziehen können. Die Oxydation von Penten-(2) zu Essigsäure und Propionsäure: CH, · CHj · CH : CH · CH3 — CH3 · CH2 · C0 2 H + CH3 · C0 2 H Penten-(2)
zeigt an, daß die Doppelbindung zwischen dem zweiten und dritten C-Atom liegen muß. Die Ozonisation verläuft meist durchaus glatt, und die in anderen Fällen erforderliche lästige Entfernung des überschüssigen Oxydationsmittels und seiner Reduktionsprodukte erübrigt sich, so daß sich die Identifizierung der Spaltstücke besonders einfach gestaltet. Halogene, besonders B r o m , lagern sich in polaren Medien leicht an die doppelte Bindung a n : CH 2 =CH 2 + Br 2 = CH 2 Br-CH 2 Br. Diese Reaktion dient gleichfalls zum Nachweis der doppelten Bindimg. Versetzt m a n eine Lösung in Eisessig oder Chloroform mit Brom, so t r i t t rasche Entfärbung ein. Man n i m m t an, daß die Reaktion mit einer Polarisierung beider Reaktionspartner beginnt : θ Θ /Η φ © © Θ H2C-CK +Br| |Br| H 2 C - C H 2 B r + |Br| XH Das entstehende Carbonium-Ion reagiert dann mit dem Bromid-Anion : H 2 C - C H 2 B r + [Br|Θ -»• BrCH 2 — CH 2 Br. E i n solcher Mechanismus macht verständlich, daß in zweiter Stufe auch andere Anionen, z . B . OH® addiert werden können: H 2 C —CHjBr + O H 3 - * H O · C H 2 - C H 2 B r . D a die Brom-Addition bei substituierten Äthylenen stets in trans-Stellung erfolgt („trans-Addition", S. 219), h a t man die erste Reaktionsstufe als , , π - K o m p l e x " oder als cyclisches „ B r o m o n i u m - I o n "
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe
HjC
©
(I -»· Br H2C
oder
H2C,
121 φ
I :Br H 2 (CH 3 ) 2 CJ-CH 3 (II) Es hat sich gezeigt, daß das Kation, hier also das Proton, meist an das wasserstoffreichere C-Atom tritt (Reaktion II). Die 1870 von Marko wnikow 1 aufgefundene Regel gilt in gleicher Weise für Alkylgruppen und Halogene als Substituenten der Doppelbindung: 1
Markownikow, Lieb. Ann. 153, 256 (1870).
122
Acyclische Verbindungen
CH,· CH = CH,
HC1
> CH,-CHa-CH,
C1CH=CH,
HCI
> CHCJj-CH3
Propylen
Vinylchlorld
Wie Vinylchlorid verhalten sich übrigens auch Vinylfluorid, l-Chlor-propen-(l) und Vinylalkyläther. Für die Erklärung ist ohne sonderlich überzeugende Argumente teils der induktive, teils der mesomere (hyperkonjugative) Effekt herangezogen worden. Für die Vinylhalogenide wird man den mesomeren Effekt trotz seiner Kleinheit im Grundzustand annehmen dürfen, da seine Rolle im reaktiven Verhalten der Halogenbenzole (S. 340) gut begründet ist: θ
.•·
n Θ
C1^CH=CH,
HCl
CHCVCH,
Wo Mesomerie nicht möglich ist, bestimmt anscheinend der induktive Effekt die Richtung der Anlagerung. Stark elektronegative Gruppen kehren deshalb den Anlagerungssinn u m :
(CH,)jN· CH=CH, — ^ CF, C H = C H 2
HF
(CH3)3N · CH, · CH,J CF 3 CH,-CH,F
Das gleiche gilt auch für die Trimethylsilyl-Gruppe (CH s ),Si-. Hier wird ein negativer mesomerer Effekt unter Aufweitung des Si-Oktetts für möglich gehalten. Ausnahmen von Markownikows Regel sind namentlich bei endständigen Doppelbindungen beobachtet worden. Sie beschränken sich anscheinend auf Bromwasserstoff, während Chlorwasserstoff, Jodwasserstoff und Schwefelsäure sich immer in der gleichen Weise verhalten.Nach Kharasch liegt der anormalen Addition ein Kettenmechanismus zugrunde, der durch Peroxyde ausgelöst wird, wie sie in Olefinen fast immer anwesend sind. In der Startreaktion entstehen aus Peroxyden und BromWasserstoff Bromatome, die nun in folgender Weise reagieren (ein ungepaartee Elektron ist durch ein Kreuzchen bezeichnet) : H 2 C=CH · CH,Br -f Brx — ν BrCH 2 -CH-CH,Br BrCH,· OH · CH,Br + HBr — ν BrCH a · CH,· CH,Br + Brx χ Daß Jodwasserstoff nicht in gleicher Weise reagiert, ist leicht erklärlich, da er Peroxyde augenb licklich unter Jodausscheidung reduziert. Hier entstehen also keine Atome, im Gegenteil ist Jod e in starker Katalysator der normalen Addition.
Ferner kann freie unterchlorige Säure an Doppelbindungen addiert werden, wobei Chlorderivate von Alkoholen („Chlorhydrine") entstehen: C H , : C(CH,), + HOC1 = ΟΗ,01·0(ΟΗ,),·ΟΗ. Chlor-tert.-butylalkohol
Die Richtung der Anlagerung wird im Sinn der MAUKOWNiKOWschen Regel verständlich, wenn man eine Reaktion der unterchlorigen Säure etwa gemäß H0C1 + Η ® - H , 0 + Cl®
annimmt. Salpetrige Säure wird unter Bildung von NitrosonitroVerbindungen („Pseudonitrositon"1 addiert : C H , : C H , + N , 0 , = CH,(NO)-CH,.NO,.
Sie sind wie die einfachen Nitrosoverbindungen meist dimolekular. 1 So genannt, um sie von den eigentlichen Nltroeiten = Nitrosonitriten RCH(NO)>CHR' ( 0 -NO) zu unterscheiden. Doch erwiesen sich die vermeintlichen Nitrosite später als Nitroeonitroverbindungen.
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe
123
Die Einwirkung von Salpetersäure auf Olefine verläuft wegen der konkurrierenden Oxydationsreaktionen meist wenig glatt; wenn man mit Verdünnungsmitteln (ζ. B. Tetrachlorkohlenstoff) und unter starker Kühlung arbeitet, so scheint wie im Fall der Schwefelsäure Esterbildung vorzuwiegen: (CH3)2C: CH-CH., + HNO3 = (CH3)2C(0·N02)·CH,· CH,. Auch organische Verbindungen werden, namentlich unter Mitwirkung von Katalysatoren, leicht an Olefine addiert. Hier ist in erster Linie die Addition der Olefine an sich selbst, also die Polymerisation (Additionspolymerisation, Polyaddition), zu erwähnen. Bei der katalytischen Einwirkung von Säuren, also Protonen, bleibt sie meist bei Dimerisation oder Trimerisation stehen. So bildet sich aus Isobutylen mit starker Schwefelsäure oder Phosphorsäure-Kontakten das Trimethylcarbonium-Ion, das sich an ein zweites Molekül Isobutylen anlagert, worauf durch Proton-Abspaltung Stabilisierung zum 2 · 2 · 4-Trimethyl-penten-4 (Diisobutylen) erfolgt: CH,
CH,
CH,
(CH,),C® + CH, = C · CH, —- R.O.CH 2 .CH 2 x . Die so eingeleitete Kette wächst nach dem gleichen Mechanismus mit konstanter Geschwindigkeit weiter R.O.[CH.J2* + CH 2 =CH 2 ->- R-O-fCHJ,* R.O-[CH.Jn_2* + CH2=CH2 R·O·[CHJ 0 * , bis durch eine Kettenabbruch-Reaktion das Radikal anderweitig verbraucht wird und damit das Kettenwachstum sein Ende findet. Jedes polymere Molekül enthält daher wenigstens eine dem Radikal entstammende Endgruppe, unter Umständen auch deren zwei, wenn das Radikal auch an der Abbruch-Reaktion beteiligt ist. Geringe Mengen Sauerstoff wirken wegen der Leichtigkeit, mit der dieses Element mit Radikalen reagiert, meist hemmend im Sinn einer Induktionsperiode. Andererseits bildet er dabei aber nach folgendem Schema (das für den Fall des Styrols bewiesen wurde) wieder Peroxyde R.O.[CH2 CHR,]x + 0 2 - v R·O·[OBJ·CHRJ—OO x R·O·[CRÛ·CHRJ—OO * +R,CH=CH 2 ->- R· 0 ·[CH2·CHRJ—00—[CH2·CHRJ* usw., die ihrerseits durch Radikalzerfall wieder Ketten starten können. Das Verhalten gegen Sauerstoff ist in Wirklichkeit ein Spezialfall der sog. Mischpolymerisation (Copolymerisation), die eintritt wenn zwei polymerisierbare Monomere zugleich vorhanden sind.
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe
125
Häufig unterscheiden sich in diesem Fall die Zusammensetzungen des Monomeren-Gemischs und des Polymerisats sehr erheblich voneinander. Dies beruht auf der verschiedenen Reaktionsfähigkeit der Monomeren und der aus ihnen gebildeten Radikale. Auch ist die Polymerisat-Zusammensetzung je nach dem Mechanismus (ionisch oder radikalisch) in charakteristischer Weise verschieden. Mischpolymerisate spielen ζ. B. in der Industrie der künstlichen Kautschuke eine bedeutende Rolle. Die Kettenlänge der Polymerisate hängt außer von Wachstums- und Abbruchgeschwindigkeit auch davon ab, ob Radikal„übertragungen" von der wachsenden Kette auf Monomeres oder andere Verbindungen stattfinden. Man kann ζ. B. die Kettenlänge von Polymerisaten beeinflussen, indem man dem Monomeren kleine Mengen eines „ R e g l e r s " , ζ. B. Dodecylmercaptan, zusetzt. Dann erfolgt eine „Kettenübertragung" von dem wachsenden Radikal auf das Mercaptan : R.[CH.Jnx + CH2=CH2 —>- R. [CHJU+Sx R-[CHJ n+2 x + R · SH — R · [CH2]d+,-CH3 + R-S*. Die Molekülgröße wird dann durch das Verhältnis der Geschwindigkeitskonstanten k und k' sowie die Konzentrationen bestimmt Man kennt zahlreiche Hemmstoffe der Polymerisation, z. B. Hydrochinon, tert.Butyl-brenzcatechin. Sie werden den Monomeren zur Stabilisierung vor dem Gebrauch zugesetzt. Unsere Kenntnis der Polymerisationsverfahren ist in neuerer Zeit durch die Entdeckung von wirksamen Verfahren für die Polymerisation von Äthylen und Propylen sehr bereichert worden. Eine Radikalpolymerisation von Äthylen zu Polyäthylen gelang zunächst durch Erhitzen mit wenig Sauerstoff oder Peroxyden auf 180° unter 1500 Atm. Druck ( I C I 1 9 3 3 ) . ZIEGLEB ( 1 9 5 3 ) verdankt man die Beobachtung, daß Aluminiumalkyle, ζ. B. Aluminiumtriäthyl, eine Polymerisation von Äthylen in Lösung bei niedrigen Temperaturen und Drucken gestatten, etwa nach folgenden zwei Prozessen (al = i/3 Al) : C2Hsal + η C2H4 - C2H5 · [CH2 · CH 2 ] n -i · CH2 · CHa · al C2H6·[CH2· CH2]n—ι·CH2· CH2al + C2H4-^ C2H5· [CH 2 -CH 2 ] n -i-CH=CH 2 + C2H6al Die zweite Reaktion, die einer Begrenzung des Molekulargewichts durch Kettenübertragung gleichkommt, kann durch Zusatz von Nickelspuren katalytisch beschleunigt werden, so daß in dieser Weise ζ. B. Buten-(1) in glatter Reaktion gewonnen werden kann. Im ganzen handelt es sich hier mehr um stufenweise verlaufende Prozesse, die nur zu niedrigmolekularen Produkten führen. Dagegen entstehen sehr hochmolekulare Verbindungen, wenn man die Katalysatoren aus aluminiumorganischen Verbindungen und den Verbindungen eines Übergangsmetalls, ζ. B. TiCl4, darstellt. Der Mechanismus dieser Katalyse ist noch nicht geklärt. Man denkt neuerdings an die Bildung von „Elektronenmangelkomplexen" nach Art der Bindungen in Borwasserstoffen. Auch über Kieselsäure-Chromoxyd in einem Lösungsmittel läßt sich Äthylen bei niedrigen Temperaturen und Drucken polymerisieren (Phillips Petroleum Co.). Wie im Fall der Polyisobutylene kennt man auch bei den Polyäthylenen eine ganze Skala von niedrig- bis hochpolymerisierten Produkten. Die Hochdruckpolyäthylene besitzen Verzweigungen in Form kurzer Seitenketten und zeigen niedrige Dichte, während die mit ZIEGLERKatalysatoren hergestellten praktisch unverzweigt sind und höhere Dichte besitzen. Polyäthylene vom numerischen Polymerisationsgrad 1000 zeigen Schmelzpunkte von etwa 110° und höher (bis 200°). Sie sind biegsam, wasserundurchlässig, bemerkenswert resistent gegen organische Lösungsmittel und ausgezeichnete Isolatoren. Von den zahlreichen Handelsnamen seien ζ. B. Polythen, Hostalen, Marlex erwähnt. Sieht man von den Kettenenden ab, so hat man es hier mit den höchsten bekannten Paraffinen zu tun. Auch die FiscHER-TnopscH-Synthese über Ruthenium gibt hochschmelzende gerad-
126
Acyclisohe Verbindungen
kettige Paraffine. Sehr hochmolekulare, angeblich fast völlig un verzweigte Paraffine vom Polymerisationsgrad etwa 7000, die sich erst gegen 300°, ohne zu schmelzen, zersetzen und in heißem Tetralin löslich sind, entstehen durch katalytische Zersetzung von Diazomethan mit Trimethylborat ( M E E R W E I N 1 9 4 8 , B U C K L E Y 1 9 5 2 ) . Nicht nur Verzweigungen, auch Vernetzungen (laterale Verknüpfungen zwischen mehreren Ketten) beeinflussen ganz allgemein nicht nur die Löslichkeit und den Schmelzpunkt, sondern vor allem auch die mechanischen Eigenschaften von Polymeren sehr stark. Wie Äthylen läßt sich mit geeigneten Katalysatoren auch Propylen zu einem Polypropylen polymerisieren (NATTA). Die Polymerisation unsymmetrischer Olefine erfolgt im allgemeinen recht regelmäßig nach dem „Kopf-Schwanz-Prinzip". N A T T A hat darüber hinausgehend die Polymerisation durch Entwicklung bestimmter Katalysatoren des ZIEGLER-Typs auch stereospezifisch gestalten können. Man erhält dann weitgehend sterisch geordnete und deshalb kristalline Produkte, in denen die Ketten spiralig angeordnet sind. Denkt man sich diese Spiralen zu ebenen Zickzack-Ketten ausgezogen, so hat „isotaktisches" Polypropylen alle Methylseitenketten auf der gleichen Seite der Ebene. Bei „syndyotaktischem" Polypropylen (von σύν = miteinander, gleichzeitig und δύο = zwei) steht jede zweite Methylgruppe auf der gleichen Seite. Sterisch ungeordnete Polymere heißen „ataktisch". Ein Polypropylen vom Schmelzpunkt 165° ist unter dem Namen Profax im Handel. Kohlenstofftetrachlorid und ähnliche Halogenverbindungen, die leicht von Radikalen gemäß R* + CC14 -»· RC1 + XCC13 angegriffen werden, geben bei der Polymerisation von Olefinen interessante Übertragungereaktionen, die man, nicht ganz glücklich, als Telomcrisation (von τέλοζ = Ende) bezeichnet hat: χ CC13 + η C2Kt CCI, · [CH, · CH,] n _i · CIL, · CH,* c c u . CClj · [CHj · CH,] n—ι · CHa · CHjCl + * CC13. Es entstehen also ω-Tetrachlor-alkane. η ist meist 1—5. Man polymerisiert unter einem Druck von 100 Atm. mit Dibenzoylperoxyd als Katalysator. Thermochemie der Kohlenwasserstoffe Da die Kenntnis von Wärmetönungen chemischer Reaktionen für mannigfache Zwecke von Wert ist, so ist die Ermittlung der Bildungswärmen der Kohlenwasserstoffe aus den Elementen für uns von Interesse. Bei der Bildung der Kohlenwasserstoffe handelt es sich nicht um rasch und vollständig verlaufende Prozesse. Eine direkte calorimetrische Messung der Wärmetönung ist daher nicht möglich. Dagegen gelangt man auf einem häufig beschrittenen Umweg leicht zu recht genauen Resultaten. Nach dem Prinzip von der Erhaltung der Energie ist die Änderung der Gesamtenergie eines Systems unabhängig von dem Weg, auf dem die Änderung erfolgt (Gesetz der konstanten Wärmesummen, von H E S S 1840, also schon vor dem 1. Hauptsatz aufgestellt). Man kann daher die Bildungswärme von Methan aus den Verbrennungswärmen von Kohlenstoff, Wasserstoff und CH 4 berechnen, indem man einmal C und Η direkt verbrennt, ein zweites Mal C und Η sich erst zu CH 4 vereinigt denkt und nunmehr dieses zu den gleichen BsRTHELOTsohe Bombe Endprodukten verbrennt:
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe
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Cftrapi.it + O , = CO,; Δ Ha» = — 94-05 kcal 1 2 Η, + O, = 2 Η , O (flüss.); Δ H 2 M = — 2 X 68-32 koal 1 CH4 + 2 Q | = CO, + 2 Η , Ο ; Δ H ^ , = — 212-8 kcal Ceraphit + 2 H , = CH«;
Δ H 2 M = — 17-89 kcal.
Die Verbrennungswärme einer Verbindung ist also u m die Bildungswärme kleiner als die Verbrennungswärme der Elemente. Zur Bestimmung der Verbrennungswärme bringt man die zu untersuchenden Substanzen in das Schälchen E der innen emaillierten, etwa 300 ccm fassenden Stahlbombe A nach B E R T H E L O T (Fig. 48), preßt durch das Ventil F Sauerstoff von 30 Atmosphären ein und bewirkt die Zündung, indem man an die Klemmen β und Η eine elektrische Spannung anlegt; der an D befestigte Platindraht C gerät in Glut und entflammt den Baumwollfaden J . Die entwickelte Wärme geht auf das durch Κ gerührte Wasser des Calorimeters L über und wird mit Hilfe des B E C K M A N N Thermometers M gemessen. U m die Verbrennungswärme v o n konst. Vol. auf konst. Druck umzurechnen, ist für jedes entstehende oder verschwindende Mol eines Gases R T cal abzuziehen oder zuzufügen. I n der folgenden Tabelle sind für einige Kohlenwasserstoffe im Gaszustand die Verbrennungs- und Bildungswärmen (in kcal pro Mol bei 25° Celsius und konstantem Druck) wiedergegeben: Kohlenwasserstoff Methan Äthan Propan Butan Pentan Hexan Heptan Octan Äthylen Propylen Buten-(l) Penten-(l) Butadien-(l-3) Acetvlen Allen Methylacetvlen Dimethylacetylen
Verbrennungswärme — — — — — — —
— — —
— — — —
212 372 530 687 845 1002 1160 1317
80 82 61 98 16 57 01 45
337 491 649 806 607 310 464 463 616
Bildungswärme ΔHm 17 20 24 29 35 39 44 49
89 24 82 81 00 96 89 82
23 99 76 85
-4- 12 + 4 + 0 5 —
50 88 28 00
16 62 84 11 53
+ + + + +
00 19 05 32 87
— — — — — — —
26 54 46 44 35
Freie Bildungsenergie AF298 — — — —
+ + + + + + + + + + + +
12 7 5 3 1 0 2 4
14 86 61 75 96 05 09 14
16 14 17 18
28 99 22 79
35 50 49 46 44
68 00 19 31 72
Während also die gesättigten Kohlenwasserstoffe sich in exothermer Reaktion (d. h. unter Wärmeentwicklung) bilden, bedürfen die niedrigen Olefine und das Acetylen zu ihrer Bildung der Energiezufuhr und zerfallen unter Wärmeentwicklung. Die Möglichkeit, die Wärmetönung organischer Reaktionen auf dem Umweg über die Verbrennungswärme zu berechnen, ist deshalb von großer Wichtigkeit, weil man auf diese Weise 1 Bei Ablauf der Beaktion von links nach rechte abgegebene Wärmemengen sind durchweg mit negativem, aufgenommene Wärmemengen mit positivem Vorzeichen versehen („egoistisches" .System der Zeichengebung). Δ Η ΐ 9 ί bedeutet Wärmetönung bei konst. Druck und 298° abe. = 2 5 ° C, JI7, ( a den entsprechenden Wert für konst. Volumen. Für die Änderung der freien Energie J F bei konst. Druck wird jetzt vielfach Δ C(„freie Enthalpie") geschrieben. Von Umrechnungsfaktoren, die bei thermochemischen Rechnungen vorkommen, seien erwähnt: 1 cal u = 4,1847 int. Joule; 1 konventionelle thermochemische cal = 4,1833 int. Joule; Strahlungsenergie pro Mol je ν = 1/Λ = 1000 c m - 1 : 2,857« kcal 15 /mol; 1 eV (Elektronen-Volt) = 23,052T kcal ¿/mol; Gaskonstante R = 1,98646, caljj/grad mol.
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Acyclische Verbindungen
Voraussagen über die Lage von Gleichgewichten machen kann, die einer direkten messenden Verfolgung nicht zugänglich sind. BEBTHELOT hatte ursprünglich angenommen, daß eine Reaktion immer dann freiwillig verläuft, wenn dabei Wärme entwickelt wird. Diese Forderung ist nun zwar häufig, aber durchaus nicht immer erfüllt. Denn die Änderung AH der Gesamtenergie eines Systems (in unserem Fall also die Wärmetönung) setzt sich aus der Änderung der „freien" arbeitsfähigen Energie ¿lí" und der sogenannten „gebundenen" Energie TAS (Τ absolute Temperatur, AS Änderung der Entropie) zusammen : AH = AF + TAS. Diese Ausdrücke rühren daher, daß man nur bei AF frei darüber verfügen kann, ob man es in Form von Arbeit oder Wärme gewinnen will, während der Entropieanteil TAS, die gebundene Energie, immer nur in Form von Wärme erhalten werden kann. Nur wenn AF—AH — TAS negatives Vorzeichen besitzt, die Reaktion also Arbeit zu leisten imstande ist, verläuft der Vorgang freiwillig Die Größe AF, die man auch als die maximale Nutzarbeit oder Affinität der Reaktion bezeichnet, läßt sich berechnen, wenn AS bekannt ist. AS wird für eine chemische Reaktion in gleicher Weise ermittelt, wie es oben für AH im Fall des Methans geschehen ist, d. h. als algebraische Summe 2V¡Sj der Entropien s¡ der einzelnen Reaktionsteilnehmer, multipliziert mit den Molzahlen v¡, in denen sie auftreten, n bei der Temperatur T, meist 298° absol. („Normalentropie"), ist nach Τ τ HT = J j.dT= 2 - 3 0 3 J et dlogT η o das Integral über die Molekularwärme in Abhängigkeit vom Logarithmus der absoluten Temperatur von 0° bis Τ w o z u gegebenenfalls noch Phasenumwandlungswärmen, ζ. B. Schmelz- oder Verdampfungewärmen, treten. Um s< zu gewinnen, bestimmt man entweder die spezifische Wärme von tiefen Temperaturen an oder ermittelt sie, häufig genauer, aus spektroskopischen Daten. Die Entropien und Wärmeinhalte sind heute für viele Substanzen in den Handbüchern zwischen 0 — 1500° Κ tabelliert. Man besitzt dadurch die Möglichkeit, bei einer bestimmten Temperatur ermittelte Wärmetönungen auf andere Temperaturen, namentlich auch auf 0°K umzurechnen. Mit der Gleichgewichtskonstante Kp bei konstantem Druck2 ist AF durch die Beziehung ¿di' = — RT In Κ ρ verknüpft, wenn man die Partialdrucke aller gasförmigen Ausgangs- und Endstoffe gleich 1 setzt. Diese Größen lassen sich also wechselseitig auseinander berechnen. Aus der Tabelle auf S. 127 ersieht man, daß die freie Bildungsenergie für die höheren gesättigten und die einfachen ungesättigten Kohlenwasserstoffe bei Zimmertemperatur positiv ist. Sie sind also, thermodynamisch betrachtet, instabil und sollten in ihre Elemente zerfallen. Das gleiche gilt für eine sehr große Anzahl organischer Verbindungen. Daß diese Substanzen trotzdem von einer recht bedeutenden Beständigkeit sein können, hängt damit zusammen, daß fast alle Reaktionen eine „Aktivierungswärme" besitzen: die Molekeln bedürfen der Energiezufuhr in Form von thermischer Energie oder durch Absorption von Strahlung, um aktiviert, d. h. in reaktionsfähigen Zustand gebracht zu werden. Die Thermodynamik sagt also nur etwas darüber aus, ob und in welchem Umfang Reaktionen möglich sind. Ob man solche Reaktionen realisieren kann, wird in vielen Fällen davon abhängen, daß man den geeigneten Katalysator findet, der eine Herabsetzung der Aktivierungswärme bewirkt. Man hat mehrfach versucht, auch die Bildungewärme der Kohlenwasserstoffe aus gasförmigem atomarem Kohlenstoff und atomarem Wasserstoff zu berechnen (FAJANS). Der Zerfall von Η 2 in die Atome erfordert 102 kcal/Mol, die Verdampfung von 1 g-Atom Kohlenstoff (nach neueren Rechnungen) etwa 170 kcal. Man erhält so für die Bildungswärme von Methan aus Atomen etwa 392 kcal. Teilt man diesen Wert durch 4, so stellt diese Zahl (98 kcal) den mittleren Energieinhalt einer CH-Bindung dar. Ebensoviel Energie ist aufzuwenden, um diese Bindung zu sprengen. Analog erhält man für die Energie einer einfachen C—C-Bindung 78, für eine doppelte Bindung 139 kcal. Sind diese Zahlen auch mit den Verbrennungswärmen an Genauigkeit nicht zu vergleichen, so besitzen sie doch als größenordnungsmäßige Schätzungen ein erhebliches Interesse. Mehr leisten sie freilich auch nicht. 1 Solche Reaktionen bezeichnet man nach C O R Y E L L (Science 92 [1940], 380) als exergonisch (Ιργον = Arbeit). Die in umgekehrter Richtung verlaufende Reaktion heißt endergonisch. , 2 Definiert durch Κ_ = PcPD - — für die Reaktion A + B χ ϊ ΐ C + D oder, in allgemeiner Form, PaPB Κ = TTXf', wo Xi den Molenbrach der i-ten Molekülart darstellt und die Molenzahl für verschwindende Molekülarten negativ zu rechnen ist.
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe
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Es wäre irrig anzunehmen, daß diese Bindungsenergien identisch sind mit der Arbeit, die man aufzuwenden hätte, um die betreffende Bindung zu sprengen („Dissoziationsenergie"). Denn mit jeder Sprengung einer Bindung ändert das C-Ätom seinen Hybridisierungszustand. Es ist also außer der Bindungsenergie noch eine Reorganisationsenergie aufzuwenden. Dissoziationsenergien können auf verschiedenen Wegen gewonnen werden, ζ. B. durch Elektronenstoß, spektroskopisch aus kurzwelligen Bandengrenzen oder reaktionskinetisch aus der Differenz der Aktivierungswärmen von Hin- und Bückreaktion. Für die sukzessive Abspaltung der vier Wasserstoffatome des Methans ergaben sich so die Werte 106, 99, 62 und 80 kcal.
Äthylen Äthylen ist ein Gas vom Siedepunkt —103,9°. Seine kritische Temperatur liegt bei 9,9°, der kritische Druck beträgt 60 Atm. Äthylen läßt sich also bei Raumtemperatur nicht mehr verflüssigen. Für die Darstellung von Äthylen im Laboratorium geht man von Äthylalkohol aus, dem durch Erhitzen mit konz. Schwefelsäure und etwas Alnminiumsulfat als Katalysator Wasser entzogen wird ; intermediär entsteht Äthylschwefelsäure : C a H 5 · OH
CaH4 + H a O
Ein reineres Produkt wird erhalten, wenn man Äthylalkohol-Dampf bei 300—400° über Tonerde oder Aluminiumphosphat leitet. Vom technischen Standpunkt betrachtet interessiert in Deutschland wegen des hohen Alkoholpreises nur die umgekehrte Reaktion der Hydratisierung des Äthylens zu Alkohol. Als technische Äthylenquelle kommen außer den Kokereigasen vor allem die olefinreichen Crackgase der Erdölverkrackung in Frage. Durch Umsetzung von Rohöl mit Koks bei etwa 700° können ζ. B. 60% Gas mit einem hohen Gehalt an Äthylen und Propylen erhalten werden. Das vor allem aus Erdgasen in beträchtlicher Menge isolierbare Äthan kann durch Dehydrierung an Katalysatoren in Äthylen verwandelt werden. Das Gleichgewicht von Äthan und Äthylen liegt bei Atmosphärendruck bei 425° bei 1,6%, bei 625° bei 23,8%, bei 925° bei 93,3% Spaltung. Für die Isolierung aus den Gasgemischen kommt vor allem Tieftemperaturfraktionierung unter geeigneten Drucken in Frage. I n Deutschland mit seiner hochentwickelten Acetylenindustrie spielt auch die Teilhydrierung von Acetylen über Palladium-Silicagel-Katalysatoren bei 200° für die Äthylengewinnung eine Rolle. Reines Äthylen besitzt einen eigenartigen, etwas süßlichen Geruch und brennt mit leuchtender, rußender Flamme. In Wasser und Alkohol ist es wenig löslich. Daß Äthylen von konz. Schwefelsäure unter Bildung von Äthylschwefelsäure und Diäthylsulfat absorbiert wird, ist schon auf S. 54 beschrieben. Die direkte Anlagerung von Wasser zu Alkohol wird über W0 3 -Zn0-Silicagel bei 300° und 300 Atm. bewerkstelligt. Durch sehr vorsichtige katalytische Oxydation mit Sauerstoff an Silber bei 200° kann aus Äthylen Äthylenoxyd (S. 161) in technischem Ausmaß gewonnen werden : C H , = C H j -f O — • HjC
CH,
Äthylenoxyd
Mit Wasserstoff verbindet sich Äthylen bei Gegenwart von Nickel noch bei —80° zu Äthan. Chlor wird im Dunkeln bei Temperaturen von etwa 150° nur sehr träge zu Äthylenchlorid Cl CH 2 · CH2C1 addiert. Anscheinend erfolgt die Vereinigung nur an der Gefaßwand. Im Gegensatz dazu steht die Leichtigkeit der Verbindung in flüssiger Phase (am besten in Gegenwart von FeCl s ). Beim Einleiten von Äthylen in Brom entsteht Äthylenbromid C 2 H 4 Br 2 . Von der Bildung des öligen, in Wasser unlöslichen Äthylenchlorids (vgl. S. 146) rührt der Name „gaz oléfiant" (Ölbildendes Gas) für Äthylen und die Bezeichnung „Oleline" für die ganze Reihe her. H o l l e m a n - R I o h t e r , Organische Chemie. 37. — 41. Auflage
9
130
Ácyclische Verbindungen
Äthylen ist als Ausgangsmateiial in der organischen Technik von großer Bedeutung. Seine Anlagerung an Benzol liefert Äthylbenzol, das die Vorstufe des Styrols und Polystyrols darstellt, seine Polymerisation das gleichfalls in der Kunststoffindustrie wichtige Polyäthylen. Auch Äthylenoxyd spielt eine wichtige Rolle in der Technik. C 3 —C 5 -01efine
Propylen, die Butene und Isobutylen werden in der Technik entweder aus Crackgasen oder durch Dehydrieren der entsprechenden gesättigten Kohlenwasserstoffe gewonnen. Für die Darstellung im Kleinen wird man sich der entsprechenden Alkohole oder Halogenverbindungen als Ausgangsmaterial bedienen. Für Buten-(l) wurde oben auch die Darstellung aus Äthylen und Aluminiumtriäthyl nach Z I E G L E R erwähnt. Ein Gemenge von isomeren Pentenen (Amylenen) wird durch Erhitzen von Fuselöl mit Zinkchlorid gewonnen. Von ihnen lösen sich zwei, nämlich Trimethyläthylen (CHg)2C : CH · CHS und asymmetrisches Methyläthyläthylen CH2:C(CHS)(C2HS) in 65%ig. Schwefelsäure zu tert.-Amylschwefelsäure (CH3)¿C(0 · S0 3 H) · CH2 · CHa auf. Diese wird durch Wasser zu Dimethyläthylcarbinol, dem als Schlafmittel bekannten Amylenhydrat. (CH3)2C(OH)· C,HS (S. 39) verseift. In Amerika gewinnt man ein Gemenge der verschiedenen Amylalkohole („Pentaeol") auch durch Chlorierung von Pentan und Isopentan aus Erdgas und Verseifung der entstandenen Chloride mit Natronlauge. 2. Kohlenwasserstoffe C e H» B _t mit zwei Doppelbindungen
(Diolefine)
Ihre Namen werden nach der rationellen Nomenklatur durch Anhängen der Endung •dien gebildet, z. B. CH, : CH-CH : CH,
™ ! ) C - C H : CH,
Ο Η ^ ^ Η '
Butadien-(1,3)
2-Methyl-butadlen-(l,3), Isopren
2,3-Dimethyl-butadlen-(l,3)
Während diejenigen Diolefine, deren Doppelbindungen durch gesättigte Gruppen voneinander getrennt sind, die also „isolierte" Doppelbindungen enthalten, im allgemeinen im Vergleich zu den Monoolefinen nichts Neues bieten, ist das Verhalten der Verbindungen mit „konjugierten", d.h. in 1.3-Stellung stehenden Doppelbindungen in vieler Beziehung bemerkenswert. Es zeigt sich nämlich, daß die in Butadien und seinen Homologen enthaltene Gruppe C=C—C=C 1
2
3
4
zwei einwertige Addenden nicht nur wie üblich an den Enden einer Doppelbindung (1.2-Addition), sondern auch in 1.4-Stellung addiert, wobei eine Doppelbindung nach 2.3 verschoben wird: CH,: CH-CH: CH, + B r , = C H , B r C H : CH-CH,Br . Auch Schwefeldioxyd wird von Diolefinen leicht in 1,4-Stellung unter Bildung cycliseher Sulfone addiert: CH—CH HC = CH
II
CH,
II
CH,
+ so, =
I
H,C
I
CH,
^O,
..Butadiensuli on"
Neben diesen Verbindungen können, namentlich unter dem katalytischen Einfluß von Peroxyden, durch Mischpolymerisation hochmolekulare kettenförmige Sulfone entstehen, die sich infolge ihrer Unlöslichkeit leicht von den monomolekularen Produkten trennen lassen : —CH,CH=CHCH,.SO,CH,CH=CHCH,-SOt-CH,CH=CHCH,—.
131
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe
T H I E L E suchte in seiner Theorie der Partialvalenzen (1899) die besondere Reaktionsfähigkeit der Doppelbindung durch die Annahme zu erklären, daß die an Doppelbindungen beteiligten C-Atome noch über freie Affinitätsbeträge (Partialvalenzen) verfügen, und gab deshalb die Doppelbindung durch das folgende Schema I wieder: I.
- C :
C—
II.
- C
: C
C — — C —
Bei einem konjugierten System würden sich nach ihm die beiden mittleren Partialvalenzen absättigen, während an den Enden freie Affinitätsbeträge nach wie vor zur Verfügung ständen (Formel II). Auf diese Weise fände die 1,4-Addition eine einfache Erklärung. Später hat sich aber herausgestellt, daß auch 1,2-Addition bei konjugierten Systemen häufig anzutreffen ist. Die T H I E L E sehe Theorie bleibt also eine Erklärung der Tatsachen schuldig. Sie hat aber als erster erfolgreicher Versuch, die wechselseitige Beeinflussung der π-Elektronensysteme benachbarter Doppelbindungen zu erklären, historische Bedeutimg. Erst die Quantenmechanik hat die dabei eintretende „Delokalisierung" der π-Elektronen verständlich gemacht1. Legt man für das Butadien die gleichen quantenmechanischen Vorstellungen zugrunde, die sich beim Äthylen als erfolgreich erwiesen haben, so stellt man fest, daß die π-Elektronenwolken an den Atomen 2 und 3 sich in ihrer gegenseitigen Lage nicht von denen in 1.2 bzw. 3.4 unterscheiden, wenn alle σ-Bindungen in einer Ebene liegen (vgl. S. 112 Fig. 43). Dadurch erhält die Bindung 2.3 einen gewissen Doppelbindungscharakter, während die π-Elektronen in 1 und 4 mit antiparallelem Spin einer sehr langen und entsprechend sehr schwachen Bindung zwischen diesen Atomen entsprechen. Es besteht also „Resonanz" zwischen den Strukturen HSC=CH —CH=CHj
HjC—CH=CH—CH,
In der H Ü C K E L sehen Näherung faßt man die π-Elektronen als gänzlich delokalisiert auf. Die π-Elektronenbahnen umfassen das gesamte Molekül, die 4 Elektronen können paarweise in einer 1 quantigen und einer 2quantigen Bahn untergebracht werden. Auch für polare Zustände ergibt sich in gleicher Weise Mesomerie: Φ Θ H,C=CH-CH-CH
2
—*
® Θ HjC—CH=CH—CH2
Für das Verhalten der konjugierten Diolefine ist die Tatsache besonders wichtig, daß zwar infolge der Mesomerie ein Absinken des Energieniveaus, also eine Mesomeriestabilisierung eintritt, daß aber die Elektronenanregung in die höheren Niveaus leichter stattfindet. Sie sind also reaktionsfähiger als isolierte Doppelbindungen. Über das Mengenverhältnis, in dem 1.2- und 1.4-Additionsprodukte entstehen, lassen sich theoretische Voraussagen nicht machen. Bei der katalytischen Hydrierung von Butadien an Palladium bei Raumtemperatur entsteht zunächst nur ein Gemisch von Butenen, kein Butan. Butadien ist somit am Katalysator so viel stärker adsorbiert, daß die Butene keine Gelegenheit zur Hydrierung haben. Die Mengen, in denen Buten-(l) sowie cis- und trans-Buten-(2) in dem Gemiaoh enthalten sind, entsprechen dem thermodynamisch berechneten Gleichgewicht. Irgendwelche Schlüsse auf eine bevorzugte 1 · 2- oder 1 · 4-Addition können also daraus nicht gezogen werden. Die Addition von 1 Mol Chlor an Butadien unterhalb 0" liefert ein Gemisch von 3-4Diohlor-buten-(l) CH,=CH-CHCl-CHjCl und l-4-Dichlor-buten-(2) C1CHJ.CH=CH .CH,C1, mit 1 Mol Brom soheint in der Gasphase an der katalytisch wirksamen Gefäßwand nur 1 · 4-Dibrombuten-(2) BrCHj · C H = C H · CH a Br vom Schmelzpunkt 63° zu entstehen, während in Lösung 3.4-Dibrom-buten-(l) C H 2 = C H · CHBr · CH,Br etwa die Hälfte des Additionsprodukts ausmacht. Bei der Addition von Chlorwasserstoff herrscht 1.4-Addition vor: 1 Neuerdings wird beim Butadien, das nur eine „klassische" Grenzformel besitzt, mit Delokalisierung nicht mehr im gleichen Umfang gerechnet. Die Konjugationseffekte werden teilweise auch auf den geänderten Hybridisierungszustand der C-Atome zurückgeführt (ζ. B. DEWAS, SCHMEISING,
T e t r a h e d r o n 5 , 1 6 6 ; MTJLIIKEN, e b e n d a 6 , 6 8 ; BLOOB, GABTSIDE, N a t u r e 1 8 4 , 1 3 1 3 . 1 9 5 9 ) . 9*
Acyclische Verbindungen
132
„ CH,—CH=CH · CH.C1 (80% ) CH,=CH-CH=CH, —< * CH,=CH · CHC1 · CH3 (20% ) Ein klassisches Beispiel von 1.4-Addition ist durch die Untersuchungen von D I K L S und A L D E B die „Dien-Synthese" unter Verwendung von Maleinsäureanhydrid geworden. Sie führt im Fall des Butadiens unter Ringschluß zu Tetrahydrophthalsäureanhydrid : CH. CH, •••a S / HC IC CH-COx HC CH-CO. Hl
+
\
ÜH-CCK
HÜ \
V
CH,
Butadien
Haieinsäareanhydrld
CH,
¿H-CCK 0 /
Tetrahydrophthala&nreanhydrid
Diese in vielen Fällen außerordentlich glatt verlaufende Reaktion, der außer Maleinsäureanhydrid auch viele andere „Dienophile" mit einer Doppelbindung zugänglich sind, z. B. Fumarsäure, Benzochinon, Acrolein, hat als synthetisches Hilfsmittel für die Darstellung von Ringverbindungen eine außerordentliche Bedeutung erlangt. Auch die bekannte Dimeriaation von Isopren zu dem Terpen Dipenten ist eine Dien-Synthese: CH, C
CH, C
/\
HjC1 3CH Η,Ο4 *CH, V CH ,C H,C
CH3
Isopren
H,C CH — Η
¿H,
2'
C H,C
CH,
Dipenten
Unter den Additionsreaktionen der Diolefine, die zeitweilig auch technisches Interesse besessen haben, sei noch die Addition von Alkalimetallen erwähnt, die mit großer Leichtigkeit und anscheinend bevorzugt in 1,4-Stellung erfolgt: CHS=CH-CH - CH, + 2 Na = NaCH,-CH=CH-CH,Na. Wegen ihrer außerordentlichen Reaktionsfähigkeit haben sich allerdings die entstehenden metallorganischen Verbindungen nur in seltenen Fällen direkt nachweisen lassen. Denn in Gegenwart eines „Wasserstoffdonators" werden die Metallatome leicht gegen Wasserstoff ausgetauscht, so daß im Endeffekt eine Hydrierungsreaktion vorliegt. Derartig wirkt ζ. B. Natrium in flüssigem Ammoniak: CH,=CH-CH=CH, + 2Na+ 2NH, = CH,CH=CH-CH, + 2NaNH,. Die „isolierte" Doppelbindung des entstandenen Butens-(2) ist gegen Natrium indifferent. Eine weitergehende Hydrierung wird deshalb nicht beobachtet. In Abwesenheit von Wasserstoffdonatoren reagiert die metallorganische Verbindung mit dem Diolefin selbst. Es erfolgt eine Kettenpolymerisation, die zu hochmolekularen Verbindungen führt und in ihrem Verlauf ζ. B. durch die folgenden Reaktionsschemata gedeutet werden kann:
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe
133
NaCH,CH=CHCH,Na + CH,=CHCH=CH, = NaCH,CH=CHCH,CH,CH=CHCH,Na NaCH · CH,Na + CH=CH, NaCH · CH, -CH · CH ,Na
(1,4-Addition)
(1,2-Addition). Der Mechanismus ist im einzelnen nicht geklärt. Es sind sowohl anionische wie radikalische Prozesse angenommen worden. Die entstehenden Produkte haben als künstlicher Kautschuk große Bedeutung erlangt (Buna = Butadien + Natrium). Doch wendet man heute andere Polymerisationsverfahren an (S. 124). Die Kettenpolymerisation des Isoprens führt zum Molekül des natürlichen Kautschuks (S. 449) : H,C = C — C Η = C H, —>- —CH,—C =CH—CH,— CH 3 [ GH) Jη • CH,—C=CH—CH,—CH,—C=CH—CH,—CH,—C=CH—CH,· · · CHS CH J CH, Es ist in neuerer Zeit NATTA und anderen gelungen, diese Synthese durch ZIEGLERKatalysatoren oder lithium ganz weitgehend stereospezifisch zu gestalten. Erst dadurch ist es möglich geworden, dem Naturkautschuk in Struktur und physikalischen Eigenschaften weitgehend gleichende Polymerisate zu erhalten. Butadien, dessen technische Bedeutung aus den obigen Ausführungen hervorgeht, bildet bei Raumtemperatur ein Gas von eigentümlichem Geruch. Kp7eo : — 4· 4°. Bei —108*9° erstarrt es zu tetragonalen Kristallen. Zur technischen Darstellung von Butadien wird Acetylen über Acetaldehyd in Aldol verwandelt. Durch Hydrierung von Aldol entsteht Butandiol-(l,3), aus dem man durch Waeserabspaltung schließlich Butadien gewinnt: CHs.CH(OH)-CH, CHO CH,-CH(OH)-CH,-CH,.OH - > CH,=CH-CH=CH,. Es gibt noch eine ganze Reihe anderer wichtiger Verfahren zur technischen Gewinnung von Butadien, so die stufenweise Dehydrierung von Butan, ferner die katalytische Zersetzung von Alkohol über aktivierten Magnesiumsilicatkatalysatoren, die als Reduktion intermediär gebildeten Crotonaldehyds' durch Alkohol gedeutet wird: CH3.CH= CH-CHO + CjHJ.OH ->• CH, = CH-CH = CHS + CH8-CHO + H,0, sowie schließlich die Hydrierung von Butin-(2)-diol-(1.4) (S. 139) zu Butandiol-(1.4) und Wasserabspaltung aus diesem mit Hilfe eines Phosphat-Katalysators : HO-CH,-C i C CHj.OH - ν HO CH,·CH,-CH,·CH,·OH ->- 04Η, + 2H,0. Besondere Erwähnung verdient noch das thermochemische Verhalten der konjugierten Doppelbindung. Die Hydrierungswärme der Doppelbindung im Buten (d.h. die bei der Hydrierung entwickelte Wärme) beträgt Δ Hits = ca. —30kcal. Dieser Wert ergibt sich als Differenz der Bildungswärmen von Buten und Butan (vgl. S. 127) und ist auch direkt calorimetrisch gemessen worden (KISTTAKOWSKI) . Entsprechend besitzen Substanzen mit zwei isolierten Doppelbindungen im Molekül eine Hydrierungswärme von etwa —60 kcal. Für Butadien ergibt sich dagegen aus der Bildungswärme (AH i t a = + 2 6 ' 7 5 kcal) und der direkten calorimetrischen Bestimmung eine Hydrierungswärme von nur —56· 66 kcal. Da in der Hydrierungswärme der Unterschied der Bindungsenergien der ungesättigten und der
134
Acyclische Verbindungen
entsprechenden gesättigten Verbindung zum Ausdruck kommt, liefern also zwei konjugierte Doppelbindungen zur Bindungsenergie einen größeren Beitrag als zwei isolierte. Tm Fall des Butadiens beträgt die durch Konjugation hervorgerufene energetische Stabilisierung etwa 3·6 kcal/Mol in Übereinstimmung mit überschlagsmäßigen quantenmechanischen Rechnungen. Auch sonst zeigen Verbindungen mit konjugierter Doppelbindung in physikalischer Hinsicht manche Eigentümlichkeiten. Die Länge der einfachen C-C-Bindung zwischen den doppelt gebundenen Atomen ist verkürzt (1,46 statt 1,54 A), die Länge der Doppelbindungen ist von 1,33 auf 1,337 A erhöht. Die Molekularrefraktion ist höher als der additiv aus den Werten für C, H und dem Inkrement für zwei Doppelbindungen berechnete Wert. Man nennt diese Differenz die Exaltation des konjugierten Systems. Während die Ultraviolettbande des Äthylens bei etwa 1800 Â liegt, rückt sie bei Butadien bis 2200 Â vor. Die Anregung aus dem obersten besetzten Zustand des Butadiens ist also, wie bereits erwähnt, erleichtert. Butadien ist das niedrigste Glied einer Klasse von Verbindungen, die man unter dem Namen Polyen-Verbindungen zusammengefaßt hat, weil sie Doppelbindungen in fortlaufender Konjugation enthalten: R···· CH=CHCH=CH-CH=CH-CH=CH--"R. Außer Butadien sind noch seine eingangs aufgeführten Methyl-Derivate erwähnenswert. 2.3-Dimethyl-butadien-(1.3) diente im ersten Weltkrieg als Ausgangsmaterial für einen noch sehr unbefriedigenden künstlichen Kautschuk. Isopren (2-Methyl-butadien-1.3) ist das Monomere des Naturkautschuks (S. 448), aus dem es durch thermische Zersetzung in geringer Menge erhalten worden ist. Im Laboratorium läßt sich Isopren darstellen, wenn man Dämpfe des Terpen-Kohlenwasserstoffs Limonen C 10 H le (S. 433) bei Minderdruck über einen schwach glühenden Platindraht streichen läßt. Im großen hat man es ausgehend von Acetylen und Aceton in Gegenwart kleiner Mengen Alkali unter Druck (REPPE) auf folgendem Wege dargestellt : *>CO + CjH, CH/ * '
CH,wOH C H / X C=CH
CH
^
CJH.WOH CH 3 / \CH=CH1
^>C-CH=CHl.
Isopren siedet bei 34°, erstarrt bei —146° und hat D|°:0-6808. Das Gebiet der Diolefine ist mit der Schilderung der Verbindungen mit isolierten und konjugierten Doppelbindungen noch nicht erschöpft. Der einfachste Vertreter eines Systems „kumulierter" Doppelbindungen1 ist das Allen (Propadien) CH2 : C : CH2, das durch Einwirkung von Zinkstaub auf 2.3-Dibrompropylen entsteht: CHj : CBr · CHjBr — 2 Br = CHa : C : CHS. Es ist ein farbloses Gas vom Schmelzpunkt —136° und Siedepunkt — 34,5°, das durch Schwefelsäure unter Wasseranlagerung in Aceton übergeführt wird. Hierbei ist als Zwischenprodukt Methylacetylen CH 3 -C=CH anzunehmen, in das sich Allen thermisch und bei verschiedenen Reaktionen umlagert. Die Beziehungen zwischen Alienen und Acetylenen sind sehr eng, z. B. lagert sich Isopropylacetylen beim Erwärmen mit alkoh. Kali in Dimethylallen um: (CHs)2 CH . C = GH —» (CHS),C = C = CH, . Die Doppelbindungen im Allen sind mit 1,30 A kürzer als die des Äthylens (1,33 A). Kohlenwasserstoffe mit zahlreichen kumulierten Doppelbindungen sind die von K U H N entdeckten tieffarbigen Kumulene R 2 C : C : C : C : C : CR 2 . 1
Von lat. cumulare = aufhäufen.
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe
135
Unbeständige, oft explosive Polyacetylene (s. a. S. 190) mit bis zu 6 konjugierten Dreifachbindungen, die im UV hohe Banden zeigen und infolge ihrer Stabform hoch schmelzen, entstehen aus den nach Art des Butindiols gewinnbaren Acetylenglykolen durch Umwandlung in die Dichloride und Dehydrohalogenierung mit NaNH 2 in flüss. Ammoniak : HO · CH2 · C=C - C=C · CH2 · OH —*C1CH2 · C=C · C=C · CH 2 C1—•HfeC. C=C · C=CH. Kohlenwasserstoffe C n H iD _j mit einer dreifachen Bindung (Acetylene, Alkine) Wenn Kohlenwasserstoffe dieser Zusammensetzung nicht zwei Doppelbindungen enthalten, so ist in ihnen eine dreifache Bindung —C = C— anzunehmen. Man nennt sie nach ihrem einfachsten Vertreter, dem Acetylen HC=CH, allgemein Acetylene. Ihre Namen werden gebildet, indem man die Namen der entsprechenden Kohlenstoffradikale vor den Namen Acetylen setzt: CH S -C = CH Methylacetylen (auch Allylen genannt), Dimethylacetylen CH 3 · C = C· CH 3 usw. Nach der Genfer Nomenklatur ist die der dreifachen Bindung entsprechende Endung -in: Äthin, Propin, Butin-(l) CH ΞΞ C · CH2 · CH 3 . Da auch viele Basen auf die Endung -in ausgehen, hat die Internationale Nomenklatur-Kommission vorgeschlagen, -in durch -yn zu ersetzen. Da ein zwingender Grund zur Änderung nicht vorliegt, ist man jedoch in der deutschen Nomenklatur bei der Endung -in geblieben. Eine befriedigende Deutung der weiter unten beschriebenen Verhaltens der Acetylenbindung läßt sich quantenmechanisch auf ähnliche Weise wie beim Äthylen geben. Eine Hybridisierung einer s-und einerp-Funktion (sp-Hybridisierung) gibt ein digonales Valenzgerüst von zwei σ-Bindungen unter dem Winkel von 180°. Die übrigbleibenden vier p-Funktionen geben π-Elektronenwolken, die paarweise in zwei aufeinander senkrecht stehenden Ebenen angeordnet sind (Fig. 49). Das Gerüst der σ-Bindungen im Acetylen ist also linear. Wenn man das zwischen Kohlenstoff und Wasserstoff einerseits, Alkanen, Olefinen und Acetylenen andererseits bestehende Gleichgewicht (S. 115) betrachtet, so stellt man fest, daß der relative thermodynamische Stabilitätsbereich der einfachsten Olefine erst bei etwa 700° beginnt. Bei den Acetylenen liegt er noch um einiges höher. Sie finden sich daher ζ. B. im Steinkohlengas und im Benzolvorlauf des Steinkohlenteers nur in verschwindend geringen Mengen. Der Acetylengehalt des Koksofengases liegt unter 0,1 Gew.-%. Da Acetylen hinsichtlich seiner Darstellung eine Sonderstellung einnimmt, wollen wir sie erst später besprechen und zunächst die allgemeinen Methoden zur Darstellung der Acetylen-Homologen kennenlernen. Die wichtigste Methode zur Darstellung von Alkinen beruht auf der gleich zu erörternden Fähigkeit des Acetylene und seiner Homologen zur Bildimg von Metallverbindungen, die sich leicht mit Alkylhalogeniden und Dialkylsulfaten alkylieren lassen. Acetylen reagiert mit einer Lösung von Natrium in flüssigem Ammoniak glatt unter Erzeugung von Mononatriumacetylen, dessen Umsetzung mit Alkylhalogenid wiederum in flüssigem Ammoniak vorgenommen wird: C2H2 + Na = HC=CNa + Η HC=CNa + CjHjBr = HC=C-C 4 H, + NaBr.
Aoyclieche Verbindungen
136
Hierbei entstehen also Alkine mit einer endständigen dreifachen Bindung. Sie vermögen ebenfalls mit Natrium zu reagieren und können deshalb in analoger Reaktion in dialkylierte Acetylene verwandelt werden: RC=CNa + R'Br = R-C=C-R' + NaBr. Nur primäre Halogenide sind für diese Reaktion verwendbar. Aus sekundären und tertiären Halogeniden wird durch Natriumacetylen Halogenwasserstoff abgespalten. Eine Reihe weiterer Methoden steht zur Verfügung, wenn die beschriebenen Verfahren nicht zum Ziel führen. So erhält man Alkine durch Abspaltung von zwei Molekülen Halogenwasserstoff aus Dihalogenverbindungen, die das Halogen an benachbarten C-Atomen tragen: CHjBr-CHüBr — 2 HBr = CH=CH. Dibromäthan
Acetylen
Man erhitzt zu diesem Zweck die HalogenVerbindungen mit alkoholischer Kalilauge oder mit Natriumamid auf etwa 120—160°. Auch die 1,1-Dihalogenverbindungen, die durch Einwirkung auf PC15 auf Aldehyde oder Ketone entstehen, liefern bei der Halogenwasserstoff-Abspaltung Acetylene : CH, · CHC12 — 2 HCl = CH^CH, 1,1-Dichior-äthan
Acetylen
CHä-CCU-CH, —2HC1 = 2,2-lMchIor-propan
CHsCsCH. Allyleo
Zur Abspaltung des Halogenwasserstoffs benutzt man vorteilhaft Natriumamid, da durch alkoholische Kalilauge häufig eine Verschiebung der dreifachen Bindung in das Innere der Kette bewirkt wird, ζ. B. C2H6 · C s C H — CH3 · C = C ·CH S . Die physikalischen Eigenschaften einiger Vertreter der Reihe zeigt die folgende Tabelle: N a m e
F o r m e l
Pentin-(l)
CH = CH CH,· C = CH C 2 H 6 c=:CH C3H7 c=Ξ CH
Hexin-(l)
C A ·
Acetylen Allylen Butin-(l)
c= C H •c,= C H
S c h m e l z p u n k t —
81-8°
Siedepunkt —
83-6°
- 1 0 1 - 5
- 2 3 - 3
- 1 2 2 - 5
+
- 1 0 6 - 1
8 - 6
Dichte
D J
0 - 6 1 7 9
( - 8 1 - 8 ° )
0 - 6 7 1 4
( — 2 3 - 3 ° )
0 - 6 6 8 2
4 0 - 2 5
0 - 6 9 0 8
( +
8-6°)
( + 2 0 ° )
71-4
0 - 7 1 5 6
( +
20°)
8 0 - 9
9 9 - 8
0 - 7 3 2 5
( +
20°)
—
7 9 - 5
126-3
0 - 7 4 6 0
( +
20°)
—
65
151
0 - 7 6 3
( +
20°)
- 1 3 2 - 1
Heptin-(l)
C 6 H N •c^E C H
—
Octin-(l)
C J H J J
Nonin-(l)
CJHU • C i = C H
I m Vergleich zu den Olefinen fallt die abermals gesteigerte Dichte und Molekularrefraktion auf. Eine wichtige Eigenschaft des Acetylens und der Homologen mit endständiger dreifacher Bindung ist die Acidität der =CH-Bindung, die sich zwar nicht gegenüber Wasser, aber in der Bildung salzartiger Verbindungen äußert. Leitet man Acetylengaa in ammoniakalische Lösungen von Kupfer(I)-chlorid oder Silbernitrat ein, so scheiden sich M e t a l l v e r b i n d u n g e n des Acetylens (Acetylenide, Carbide) als sehr voluminöse explosive Massen ab, die in Ammoniak und Wasser unlöslich sind und mit verdünnter Salzsäure leicht Acetylen regenerieren. Die Kupferverbindungen sind gelb oder rot, die Silberverbindungen farblos. In diesen Salzen sind beide Η-Atome durch Metall ersetzt. Namentlich die Bildung des Kupfersalzes ist ein äußerst empfindlicher Nachweis des Acetylens. Durch Erhitzen von Natrium in Acetylen erhält man die nicht explosiven Verbindungen C 2 HNa und CjNaj, aus denen durch Säuren Acetylen regeneriert wird. Wesentlich glatter verläuft die bereits erwähnte Darstellung von Mononatriumacetylen in flüssigem Ammoniak.
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe
137
Die Acidität des Acetylene beruht auf der durch den erhöhten s-Charakter gesteigerten Elektronegativität des dreifach gebundenen Kohlenstoffatoms. Interessante, für synthetische Zwecke wertvolle Magnesiumverbindungen des Acetylene entstehen aus diesem durch Einwirkung von C2H6 · MgBr : CjH, + C,Hj · MgBr = HC·C· MgBr + C.H, HC s C-MgBr + CjHj-MgBr = BrMg-C · C-MgBr + Ο,Η,. Sie werden nach Art der Organomagnesium-Verbindungen für synthetische Zwecke verwendet, doch ist ihre im Vergleich geringere Reaktionsfähigkeit bemerkenswert. Eine Reihe von Polymerisationsreaktionen machen Acetylen zu einer sehr interessanten Verbindung, während seine Homologen in dieser Hinsicht noch wenig studiert sind. Die von BERTHELOT 1866 entdeckte Polymerisation von Acetylen zu Benzol gehört zum klassischen Bestand der organischen Chemie. Sie vollzieht sich in Abwesenheit von Katalysatoren in stark exothermer Reaktion (Δ Ηΐ9β — — 144kcal/Mol), aber geringer Ausbeute bei etwa 600°, läßt sich aber nach REFFE katalytisch bei 60° und 15 Atm. fast quantitativ gestalten: HC^ 011 CH HC^ CH N3H IN [(C.H.).F].yi(OQ). > I M HC.« CH ΗΟλ /CH ^CH X!H/ Eine Parallele dazu bildet die bemerkenswerte Beobachtung von REFFE, daß Acetylen in einem organischen Lösungsmittel bei 60—70° unter 10—20 Atm. Druck in Gegenwart von Nickelcyanid in guter Ausbeute C y c l o o c t a t e t r a e n (I) liefert. /CH = CH\ /CH — CH\ /CM\ HC/ \CH / \ ι/ I \ CH I
JH \ch = CH/ I.
H 0
V
i
>CH—CH«^ II.
NJH^
Unter den Nebenprodukten der Reaktion findet man Benzol, den blauen Kohlenwasserstoff Azulen (II) (vgl. S. 447) undCupren. Als Hauptprodukt bildet sich Cupren über Kupferkatalysatoren bei etwa 250°. Es stellt ein korkartiges gelbes, teilweise autoxydables Pulver dar, über dessen Konstitution man noch keine begründeten Vorstellungen hat. Die Umstände seiner Bildung und gewisse Oxydationsprodukte machen einen überwiegend ringförmigen Aufbau nicht unwahrscheinlich. Technisch wichtig ist die Di- und Trimerisation des Acetylene, die sich erzielen läßt, wenn man es in heiße, überschüssiges CuCl und Ammoniumchlorid enthaltende Lösungen einleitet. Es entstehen dann Vinylacetylen (Kp: 5,5°) und DiTinylacetylen (Kp: 85°):
2 C,Hj - ν CH,=CH-C i CH 3 CjH, —>- CH,=CH C ; C-CH=CH2. Die Anlagerung von HCl an die dreifache Bindung von Vinylacetylen liefert Chloropren CH2 =CC1 · CH =CH 2 , das sich zu dem künstlichen Kautschuk Neopren polymerisieren läßt. Eine Reihe von Additionsreaktionen ist dem Acetylen und seinen Homologen gemeinsam. Katalytische Hydrierung führt je nach den Bedingungen zur Anlagerung von 2 oder 4 Wasserstoffatomen. Um die Reaktion auf der Stufe des Äthylens festzuhalten, was im Fall des Acetylens technisches Interesse hat, benutzt man entsprechend abgestimmte Katalysatoren, ζ. B. Palladium-Blei-Legierungen. Mit vier Halogenatomen oder zwei Molekülen Halogenwasserstoff entstehen gesättigte Halogenalkane. Die Addition von Chlor an gasförmiges Acetylen erfolgt wesent-
138
Acyclieche Verbindungen
lieh schwieriger als bei Äthylen, im Dunkeln bei Raumtemperatur überhaupt nicht, im Licht leicht explosionsartig. Unter dem Einfluß von Quecksilbersalzen addieren Acetylene Wasser und liefern Aldehyde oder Ketone, ζ. Β. : CH s CH + H 2 0 = CH3 · CHO; CH, · C Β CH + H 2 0 = CH3 · CO · CH3 , wobei wahrscheinlich Quecksilberverbindungen als Zwischenprodukte auftreten. Von der technischen Bedeutung dieser Reaktion für die Darstellung von Acetaldehyd und Aceton ist bereits S. 108, 111 die Rede gewesen. Acetylen (Äthin)
C ^
Acetylen ist ein farbloses, narkotisch wirkendes Gas von ätherischem Geruch, das sich ziemlich leicht in Wasser, noch leichter in Aceton löst und sich zu einer Flüssigkeit verdichten läßt. Der Dampfdruck von flüssigem Acetylen beträgt bei 17° 40 Atm. Die kritische Temperatur ist 35-5°, der kritische Druck 61-65 Atmosphären. Festes Acetylen erreicht den Dampfdruck 760 mm bei —83 · 6°. Bei dieser Temperatur sublimiert es, ohne zu schmelzen. Der Tripelpunkt, bei dem alle 3 Phasen miteinander im Gleichgewicht sind, liegt bei —81-8° und 891 mm Druck. 1 Liter Acetylen wiegt unter Normalbedingungen 1,1709 g. B E B T H E L Ö T gelang 1862 zuerst die Synthese von Acetylen aus den Elementen, indem er einen elektrischen Lichtbogen zwischen Kohleelektroden in einer Wasserstoff-Atmosphäre brennen ließ: 2C + H j = C2HJ; AH29a = + 64,2 kcal/Mol. Da die Acetylenbildung nach den thermochemischen Daten stark endotherm ist. nimmt die Ausbeute zwar mit steigender Temperatur zu, bleibt aber selbst bei hohen Temperaturen immer klein. Im Gleichgewicht sind bei 1727° erst 0,003, bei 2527° 4-3 Vol- 0 /, vorhanden. Dies erklärt, weshalb Acetylen in technischen Pyrolyse-Gasen normalerweise nur in äußerst geringen Mengen vorhanden ist. Ein geeignetes Ausgangsmaterial für die technische Acetylensynthese bilden Methan oder Erdgas, die bei höherer Temperatur in Kohlenstoff und Wasserstoff zerfallen. Die erforderliche hohe Temperatur erreicht man im elektrischen Lichtbogen oder durch Teilverbrennung des Methans mit Sauerstoff. Die Reaktionsgase werden mit Wasser unmittelbar abgeschreckt. Hierdurch verhindert man die Einstellung des Zerfallsgleichgewichts nach Verlassen der Reaktionszone im Gebiet fallender Temperatur. Die Reaktion ist stark endotherm: 2 CHt = OJE., + 3 H2 ; ΔΗ ΐ η = + 90 kcal/Mol C,HS. Das Reaktionsgas enthält etwa 16 Vol-% Acetylen, das mit Druckwasser ausgewaschen wird, und an sonstigen wertvollen Bestandteilen einige Prozent Äthylen. Auch Mineralöle können durch Einspritzen in eine Sauerstoff-Methan-WasserstoffFlamme in beträchtlicher Ausbeute in Acetylen und Äthylen verwandelt werden. Die Hauptmenge des Acetylens wird auch heute noch durch Zersetzung von Calcinmcarbid CaC2 mit Wasser dargestellt. Calciumcarbid erhält man durch Zusammenschmelzen von Ätzkalk mit Kohle im elektrischen Ofen in umkehrbarer Reaktion CaO + 3C zg:. CaC2 + CO. Reines Carbid bildet farblose, tetragonale Kristalle, das technische Produkt ist durch Verunreinigungen gefärbt. Diese bestehen aus Kohlenstoff, ferner Calciumphosphid und -sulfid, die bei der Zersetzung durch Wasser Phosphorwasserstoff und Schwefelwasserstoff liefern und dem ungereinigten Acetylen seinen unangenehmen Geruch verleihen. Sie können durch Überleiten des Gases über ein Gemisch von Chlorkalk und Natriumchromat beseitigt werden. In der Technik dienen Eisenoxyde und aktive Kohle zur Reinigung. Calciumcarbid bildet im Kristall
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe
139
ein deformiertes Kochsalzgitter, in dem C 2 -Gruppen den Platz des Anions einnehmen. Im Aluminiumcarbid (S. 21) wird das Anion von einzelnen C-Atomen gebildet. E s ist also aus dem Kristallbau verständlich, weshalb das erstere Acetylen, das letztere Methan liefert. Während Acetylen unter Atmosphärendruck nicht explosiv ist, vermag es schon bei 1 Atmosphäre Überdruck zu explodieren. Mischungen mit Luft explodieren mit äußerster Heftigkeit, wenn sie mit einer Flamme in Berührung kommen. Diese Explosion ist weit gefährlicher als die einer Mischung von Leuchtgas und Luft. Dazu kommt, daß die Explosionsgrenzen bei AcetylenLuft-Gemengen viel weiter auseinanderliegen. Die Mischung mit Luft ist explosiv, wenn sie 3—70°/e Acetylen enthält, während die Grenzen für Leuchtgas bei 5—28 % liegen. Auf Grund eines genauen Studiums seiner Eigenschaften kann man heute in der Industrie Acetylen, zweckmäßig gemischt mit Stickstoff, auch unter Druck vergleichsweise gefahrlos handhaben. Die Hauptmenge des Acetylene wird von der chemischen Großindustrie verbraucht. Doch findet es auch sonst zur Beleuchtung und zum autogenen Schweißen und Schneiden vielfache Anwendung. Meist wird es gelöst in Aceton in den Handel gebracht. Dazu preßt man es unter einem Druck von 12 Atmosphären in stählerne Flaschen, welche Aceton, Holzkohle und Kieselgur enthalten. Bei diesem Druck löst 1 Teil Aceton etwa 300 Teile Acetylen auf.
GroStechnische Synthesen mit Hilfe von Acetylen Die bahnbrechenden und kühnen Arbeiten von R E P P E haben durch die meist unter Druck bewerkstelligte Anlagerung von Acetylen an die verschiedensten Verbindungen der organischen Chemie viele neue Gebiete erschlossen. 1. Anlagerungen an die dreifache Bindung des Acetylens, bei dem diese in eine Doppelbindung verwandelt wird, bezeichnet man als Yinylierung. Eine der wichtigsten Vinylierungen ist die Darstellung von Vinyläthern durch Anlagerung von Alkoholen unter Druck bei 100—150° in Gegenwart von Alkali. Mit Methanol entsteht Methylvinyläther : HCsCH + CH3-OH = CH 3 -0-CH=CH 2 Vinyläther lassen sich mit Anionen-Katalysatoren zu technisch wichtigen balsamartigen bis elastisch-plastischen Produkten polymerisieren, die vielfache Anwendung, ζ. B. für Klebestreifen, finden. Mit stereospezifisch wirkenden kationischen Katalysatoren, z. B. Borfluorid-ätherat, sind auch kristalline Polymerisationsprodukte erhalten worden. Eine Vinylierung ist auch die wichtige Bildung von Acrylsäurenitril aus Acetylen und Blausäure. Man leitet in Cu(I)-chlorid-Lösung bei pH 3,5 bei 60—100° gleichzeitig Acetylen und Blausäure ein. Obwohl die Bildung einer gewissen Menge Divinylacetylen nicht zu vermeiden ist, entsteht in guter Ausbeute Acrylsäurenitril: HC=CH + HCN = HjC=CH-CN 1 2. Bei der Äthinierung lagert sich Acetylen in Gegenwart von Schwermetallkatalysatoren unter Erhaltung der dreifachen Bindung an die CO-Bindung der Aldehyde und Ketone an. Beim Einleiten von Acetylen in Formaldehydlösung in Gegenwart von wismuthaltigem Kupferacetylenid unter schwachem Überdruck bei etwa 110° entsteht so über die Stufe des Propargylalkohols das technisch wichtige B u t i n - ( 2 ) - d i o l - ( 1 . 4 ) : CH20 + CH=CH + CHjO = HO · CH,· C=C· CH.,· OH. Der Wismutzusatz zum Katalysator soll die Cuprenbildung zurückdrängen. Propargylamine HC = C · CH 2 · NR 2 entstehen aus Dialkylaminen, Formaldehyd und Acetylen : CHgV CHg\ η fi CH¡\ >NH + CHjO • )Ν·ΟΗ,·ΟΗ — >N-CH--C^CH CH/ CH 3 / CH/ 1
Dimethylpropargylamin
Ursprünglich ale „Äthinylierung" bezeichnet.
140
Acyclißche Verbindungen
Wie bei der Bildung des Butindiols können auch hier beide CH-Gruppen des Acetylene reagieren. 3. Carbonylierung. Hierunter werden Reaktionen von Acetylen mit Kohlenoxyd in Gegenwart von Nickelcarbonyl und Wasser, Alkoholen oder Aminen verstanden. Die Reaktion mit Kohlenoxyd und Wasser führt zu Aorylsäure : HC-CH + CO + HjO = H,C=CH-COjH.
Ungesättigte Halogenverbindungen Die gesättigten Kohlenwasserstoffe sind im allgemeinen recht indifferente Verbindungen. Da zahlreiche organische Verbindungen als Substitutionsprodukte der gesättigten Kohlenwasserstoffe betrachtet werden können, so werden ihre Eigenschaften in erster Linie durch die Atome oder Atomgruppen bestimmt, die an Stelle von Wasserstoff in das Molekül eingetreten sind und die man „funktionelle Gruppen" nennt, weil sie die „chemische Funktion" der Verbindung bedingen 1 . Bis jetzt haben wir nur solche Verbindungen betrachtet, deren charakteristische Eigenschaften durch die Gegenwart einer einzigen funktionellen Gruppe bewirkt werden. Derartige Gruppen waren Hydroxyl, Carboxyl, mehrfach gebundene Kohlenstoffatome usw. Sind nun mehrere dieser Gruppen gleichzeitig in einem Molekül anwesend, so beobachtet man häufig Änderungen in der Reaktionsfähigkeit der Substituenten, die man als gegenseitige Beeinflussung der Elektronensysteme benachbarter Atome aufzufassen hat. Die ungesättigten Halogenverbindungen sind dafür ein gutes Beispiel. Halogensubstitutionsprodukte der Olefine erhält man durch Abspaltung eines Moleküls Halogenwasserstoff aus Dihalogenverbindungen der gesättigten Kohlenwasserstoffe oder durch Anlagerung von Halogenwasserstoff an Acetylene, ζ. Β . : CH,CHtCHCl, —HCl 1,1-Dlchlor-propan
•= CH 3 CH=CHC1; CH, CCI, CH, —HCl l-Chlor-propen-(l) 2,2-Dtchlor-propan CHfrBrCHjBr — HBr = H,C = CHBr HC=CH + HBr = HjC = CHBr
«= CH, CC1=CH, 2-Chlor-propan-(l )
I n diesen Verbindungen ist das Halogenatom mit einem doppelt gebundenen Kohlenstoffatom verknüpft. Während nun die gesättigten Alkyhalogenide leicht doppelte Umsetzungen eingehen, ist das mit doppelt gebundenem Kohlenstoff verknüpfte Halogen ungleich schwerer beweglich. So gelingt Verseifung oder Umwandlung in Äther in der Regel nicht. Bei höherer Temperatur wird das Halogen durch Alkali als Halogenwasserstoff abgespalten, indem Kohlenwasserstoffe C u H 2 n _ 2 entstehen. Daß steigende Temperatur Abspaltungs- gegenüber Austauschreaktionen begünstigt, ist eine auch von den gesättigten Halogeniden her geläufige Erfahrung. Gleichwohl sind Fälle von leichter Umsetzung nicht unbekannt. Das unten beschriebene Vinylchlorid CH, : CHC1 läßt sich nach REPPK durch Natriumäthylat-Lösung unter Druck bei 80° glatt in Yinyläthyläther CH 2 :CH-0-C 2 H 5 verwandeln. Freilich ist durchaus nicht ausgeschlossen, daß aus dem Vinylchlorid zunächst Acetylen entsteht, das dann in bekannter Weise (S. 139) zum Vinyläther weiter reagieren würde. Solche Reaktionsverläufe sind bei leicht Halogen Wasserstoff abspaltenden Verbindungen wie cis-Dichloräthylen und Trichloräthylen wohl bekannt.
Ganz anders als die beiden oben erwähnten Chlorpropene verhält sich nun das dritte mögliche Isomere, 3-Chlor-propen-(l) oder Allylchlorid CH 2 =CH-CH 2 C1, das durch Einwirkung von PC13 auf Allylalkohol CH 2 =CH-CH 2 -OH (S. 147) erhältlich ist und dessen interessante Gewinnungsweise durch direkte Chlorierung von Propylen bei hoher Temperatur: 1 Wir benutzen hier den Begriff der chemischen Funktion in seinem allgemeinsten, nicht systematischen Sinn.
Ungesättigte Halogenverbindungen
141
CH,=CH CH 3 + Cl, ->• CH,=CH-CH,Cl + HCl schon früher erwähnt wurde. Allylchlorid übertrifft sogar hinsichtlich der Beweglichkeit des Halogens die Alkylchloride. Das ganz verschiedene Reaktionsvermögen der Halogenverbindungen läßt demnach einen Schluß darauf zu, ob das Halogenatom seinen Platz an einem einfach oder an einem doppelt gebundenen Kohlenstoffatom hat. Man hat neuerdings auf Grund quantenmechanieoher Überlegungen die Vermutung ausgesprochen, daß die Elektronen-Konfiguration der Vinylhalogenide durch zwei mesomere Grenzformeln I und I I beschrieben wird, und den Anteil von I I aus dem Mikrowellenspektrum auf 5% abgeschätzt: I.
Η
/Cl >c=c( Η Η χ
Π.
Hi g ^Cl® >C—Cf Η/ Η
So läßt sich auch die Tatsache deuten, daß Verbindungen mit zum Halogen benachbarter Doppelbindung ein kleineres Dipolmoment und einen kleineren C —Cl-Abstand zeigen als gesättigte Halogenverbindungen. Ob diese Umstände hinreichen, um die stark verminderte Reaktionsfähigkeit von doppelt gebundenem Halogen zu erklären, ist nicht gewiß. Substituierte Allylhalogenide zeigen eine wichtige Umlagerungsreaktion, die als „AllylUnil&gerung" bezeichnet wird. Setzt man ζ. B. die beiden Butenylchloride, das l-ChIor-buten-(2) und das 3-Chlor-buten-(l), mit Kupfer(I)-oyanid um, so erhält man aus beiden in ganz überwiegender Menge das Nitrii der Carbonsäure I; unterwirft man sie der Einwirkung von Magnesium und Kohlendioxyd, so entsteht wiederum nur eine Säure (II), die indessen mit der ersten isomer ist: CuCN , ν CHa · CH = CH · CH, · CO,Η I CH 3 .CH=CHCH,CI • CH, · CH(C0.H). CH=CH, II Mg Man erklärt den Verlauf dieser Reaktionen damit, daß „Synionie"vorliegt (KIBRMAUN), d. h. beide Chloride ein gemeinsames mesomeres Kation [CH3 · CH — CH :_·_·.CH,] + beBitzen (vgl. S. 288). Der mit dieser Mesomerie verknüpfte Energiegewinn erklärt auch die ungewöhnliche Reaktionsfähigkeit der Allylhalogenide. Wichtige Beispiele von Allyl-Umlagerungen findet man ζ. B. beim Morphin. Yinylchlorid (Chloräthylen) CH = CHC1 ist ein Gas, das sich zu einer bei — 13 -9° siedenden Flüssigkeit kondensieren läßt. E s wird durch Vereinigung von Acetylen und Chlorwasserstoff bei 160° über Quecksilberchlorid als Katalysator dargestellt. Vinylbromid (Bromäthylen) CH¡¡ = CHBr bildet eine ätherisch riechende Flüssigkeit ; beide polymerisieren sich leicht. Allylchlorid, Allylbromid, Allyljodid CH 2 =CH • CH a X, Siedepunkte 45 · I o , 70° und 103°, werden häufig bei Synthesen zur Einführung ungesättigter Gruppen angewandt. Sie besitzen einen eigentümlichen senfartigen Geruch. Durch Polymerisation von Vinylchlorid (in wäßr. Suspension mit Dibenzoylperoxyd als Katalysator) entsteht Polyvinylchlorid [C2H3Cl]n, das als solches und als Mischpolymerisat mit anderen Vinylverbindungen, namentlich Vinylacetat, technisch hergestellt wird. Es ist ein farbloses, in der Wärme plastisches Pulver, das auf Grund seiner Unbrennbarkeit und seiner Beständigkeit gegen Wasser und konzentrierte Säuren mannigfache technische Anwendung findet, ζ. B. für Rohrleitungen, Apparateauskleidungen und Anstrichgrundlagen (Igelit, Mipolam). Nachchloriertes Igelit in Faserform („PC-Faser") findet Verwendung für Filtertücher und Schutzanzüge. Mit Weichmacher versetztes Igelit dient zur Herstellung von Fußbodenbelägen, Schuhsohlen, Regenmänteln usw. Ferner verdienen die Propargylhalogenide (3-Halogen-allylene) C H i C - C H j X als Halogenverbindungen der Acetylene Beachtung. E s sind stechend riechende Flüssigkeiten, die durch Behandlung von Propargylalkohol CH : C- CH¡¡· OH (S. 148) mit Phosphorhalogeniden erhalten werden. Sie sind ähnlich reaktionsfähig wie die Allylhalogenide, während das Halogenatom der isomeren 1-Halogen-propine C X : C · CH S schwer beweglich ist.
142
Acyclisohe Verbindungen
Bromacetylen CBriCH, durch Behandlung von Acetylendibromid (1,2-Dibrom-äthylen) CHBr=CHBr mit alkoholischem Kali gewonnen, stellt ein Gas dar (Siedepunkt 4,7°), das sich an der Luft entzündet; es phosphoresziert in alkoholischer Lösung infolge langsamer Oxydation und besitzt einen phosphorartigen Geruch.
Polyhalogenverbindungen
Da zwischen den ungesättigten Halogen Verbindungen und den Polyhalogenverbindungen mannigfache Wechselbeziehungen bestehen, soll die Betrachtung der letzteren hier angeschlossen werden. Im M e t h a n können alle vier Wasserstoffatome nacheinander durch d i r e k t e Einwirkung von Chlor oder Brom ersetzt werden. Die Reaktion erfordert im Dunkeln Temperaturen von 200—400°. Im Licht erfolgt die Chlorierung schon bei niedrigerer Temperatur. Technisch gewinnt man Methylchlorid, Methylenchlorid und Chloroform durch Einwirkung von Chlor auf überschüssiges Methan im Dunkeln bei etwa 375°. Jod wirkt auf Methan (und allgemein auf gesättigte Kohlenwasserstoffe) nicht ein, Fluor mit großer Heftigkeit unter völliger Substitution. Für die Chlorierung der gesättigten Kohlenwasserstoffe kommt bei der geringen Polarität der C—Η-Bindung praktisch nur ein radikalischer Mechanismus mit thermischer oder photochemischer Anregung in Frage, wobei Kettenreaktionen unter Umständen zu explosionsartigem Verlauf führen können. Chloroform (Trichlormethan) CHC1,
Neben der Darstellung durch Methan-Chlorierung haben ältere Verfahren nur noch historische Bedeutung. Chloroform entsteht bei der Einwirkung von Äthylalkohol auf Chlorkalk (LIEBIG und SOUBEIRAN, 1832). Man nimmt an, daß die gleichzeitig chlorierende und oxydierende Wirkung des Chlorkalks den Alkohol in Aldehyd verwandelt, welcher dann in Trichloracetaldehyd CCl3-CHO (Chloral) übergeht. Diese Verbindung wird durch Basen, in diesem Fall also durch den im Chlorkalk vorhandenen Ätzkalk, in Chloroform und Ameisensäure (s. S. 230) gespalten : CCI3 · CHO + H,0 = CHOI, + HCO,H
Chloroform ist eine wasserhelle, bei —63· 5° erstarrende, bei +61· 2° siedende Flüssigkeit vom spezifischen Gewicht 1·526 bei 0°. Es ist nicht brennbar, besitzt einen eigenartigen Geruch, schmeckt süßlich und ist in Wasser wenig löslich. Es besitzt ein gutes Lösungsvermögen für Fette und öle. Der Edinburger Geburtshelfer SIMPSON entdeckte 1847, daß Chloroformdampf beim Einatmen Bewußtlosigkeit verursacht; seitdem wurde es zur Narkose bei chirurgischen Operationen angewendet. Gegenwärtig benutzt man Chloroform praktisch nicht mehr. Die gebräuchliche Form der Allgemein-Narkose ist die durch einen Äthylchloridrausch eingeleitete Äthernarkose, gegebenenfalls in Kombination mit anderen Narkotika. Narkotika sind Substanzen, die die Erregbarkeit der Zelle, vor allem des Zentralnervensystems, in reversibler Weise aufheben. Von den verschiedenen Theorien der Narkose seien hier zwei wegen ihrer Verbreitung genannt. Nach OVERTON verhalten sich die Zellen, was ihre Durchlässigkeit für gelöste Substanzen betrifft, so, als ob sie von einer Membran eingehüllt wären, die aus „Lipoiden" (Fetten, Lecithin, Cholesterin) besteht. Lipoidlösliche Substanzen dringen ein, lipoidunlösliche nicht. Η. H. MEYER und OVERTON haben nun darauf hingewiesen, daß die typischen Narkotika (Alkohole, Äther, Chloroform, Urethane) sämtlich lipoidlöslich sind und daß ferner ihre narkotische Wirksamkeit um so größer (also die zur Narkotisierung erforderliche Konzentration um so kleiner) ist, je größer der Teilungskoeffizient ö l : Wasser ist. Jedoch ist die Zellwand schwerlich ein „Lösungsmittel" im Sinn der Phasenlehre. Abweichend von dieser Anschauung, haben I. TRAUBE und namentlich O. WARBURG den Standpunkt ver-
Chloroform
143
treten, daß N&rkotika solche Substanzen sind, die an Grenzflächen besonders leicht adsorbiert werden und deshalb andere, f&r den Chemismus der Zelle nötige Substanzen von der Oberfläche verdrängen können. Die heutige Vorstellung von der Zellwand als einem Maschenwerk von Eiweißketten führt zu Anschauungen über das Permeabilitätsverhalten, die in beiden Theorien einen richtigen Kern erkennen lassen. Der eigentliche Vorgang der Narkose ist damit aber noch nicht erklärt. Nach QUASTEL hemmen Narkotika einen Schritt der Zellatmung, der mit der Synthese von Adenosintriphosphorsäure zusammenhängt. Chloroform ist eine ziemlich unbeständige, zum Radikalzerfall in H und CC13 neigende Verbindung. Beim Stehen an Luft und l i c h t liefert es unter anderem das sehr giftige, die Atmungsorgane angreifende Phosgen COCl2 (S. 193). Die Zersetzung wird durch Zusatz von wenig Alkohol (1%) und Aufbewahrung im Dunkeln gehemmt. Die Halogenatome des Chloroforms sind zu doppelten Umsetzungen befähigt; mit Natriumalkoholat entsteht ζ. B. Orthoameisensäureäthylester : CHClj + 3NaOC,H t = C H i O - C ^ ) , + 3NaCl. Mit wasserfreiem Fluorwasserstoff in Gegenwart von SbCl 5 setzt es sich zu Difluorchlormethan, wichtig als Ausgangsmaterial f ü r Teflon (S. 146), um: C H C I 3 + 2 HF = CHClFj + 2 HCl. Beim Erwärmen von Chloroform mit alkoholischem Ammoniak und wenig Kali werden drei Chloratome durch Stickstoff ersetzt, und es entsteht Kaliumcyanid: CHC13 + NHJ + 4KOH = KCN + 3 KCl + 4H,0. Die Bildung von Isonitrilen aus Chloroform, alkoholischem Kali und primären Aminen wurde bereits S. 70 besprochen. Bei der Einwirkung von Alkalien auf Chloroform entstehen Ameisensäure und Kohlenoxyd. Der Reaktionsmechanismus ist erst kürzlich durch Untersuchungen von H I N E (1950) aufgeklärt: CHClj + ΟΗΘ • CCl3e + HjO CCl3e • CC12 + Cl© CCS,
OH© HI0
• CO + HCOJH
Daß im ersten Schritt ein Proton abgespalten wird, ist auch durch den leichten Austausch von H gegen D in alkalischer Lösung festgestellt worden. Das intermediäre Auftreten des merkwürdigen Dichlormethylens (Dichlorcarbens) mit einer Elektronenlücke gibt sich in einer interessanten Reaktion zu erkennen, die von W . E. v. D O E B I N G aufgefunden ist. E s lagert sich nämlich an Olefine unter Bildung von CyclopropanDerivaten an: CH«\ CH 3 X \C—CH2 >C=CH, + CCI, • C H3 3 / \ / CH/ cbi 2 Ieobutylen 2.2-Dlchlor-l. 1-dimethylcycloprop&n Einen anderen Verlauf nimmt· die Umsetzung von Chloroform mitOlefinen, wenn man ein Diacylperoxyd als Radikalbildner zusetzt. Dann entsteht das Radikal XCC13> das sich unter „Telomerisation" (S. 126) z. B. an Octen-(l) anlagert: (1) C,H 1S CH=CH, + * CC13 (2) C,H 1 3 -CH=CHJ + C,H13 - CH · CHJ • CC13
• C,H ls · CH-CH,-CCI, • C,H13 · CH · CHJ · CH (C,H13) · CH, · CCI,
(3) C,Hla - CH · CH, · CC1S + CHC13 • C,H1S · CH, · CH, · CCla + x CCI, Dichlormethan, Methylenchlorid wird durch Chlorierung von Methan dargestellt. Es ist flüseig, siedet bei 40°, besitzt das spezifische Gewicht 1-326 bei 20° und findet in der Technik als Lösungsmittel Verwendung.
Acyclische Verbindungen
144
Tetraehlormethan, Kohlenstotttetrachlorid CC14 erhält man, indem man Schwefelkohlenstoff mit Chlor chloriert:
CS, + 3C1Ï=CC14 + SJCLJ
und den gebildeten Chlorschwefel bei 60° in Gegenwart von Eisen auf Schwefelkohlenstoff einwirken läßt: CSj + Z S ^ l ^ C C l i + e S . Andere Verfahren beruhen auf der direkten Chlorierung von Methan oder seinen Chlorierungsprodukten. Kohlenstofftetrachlorid ist ebenfalls flüssig, nicht brennbar, siedet bei 76°, erstarrt b e i - 2 2 - 9 ° und besitzt dae spezifische Gewicht 1-593 bei 20°. Beim Erhitzen mit viel Wasser auf 2 50° liefert es HCl und COa. Es besitzt als Lösungsmittel für Fette technische Bedeutung, greift aber Eisen und Kupfer an, so daß die Gefäße verbleit werden müssen. Durch Einwirkung von Fluorwasserstoff auf Kohlenstofftetrachlorid in Gegenwart vonAntimonpentachlorid bei etwa 70° gewinnt man Difluordichlormethan CC12F, als ein Gas, das bei —30° sich zur Flüssigkeit kondensiert und bei etwa —155° erstarrt. Es hat unter dem Namen Frcon12 (Frigen) große Bedeutung als Kältemittel in Kältemaschinen und für andere Zwecke. Kohlenstofftetrafluorid CF4 kann aus Kohlenstoff und Fluor oder durch Verbrennung von Tetrafluoräthylen gewonnen werden. Es schmilzt bei —184°, siedet bei —128° und besitzt ebenfalls als Kältemittel Interesse. Tribrommethan, Bromoform CHBr,, wird analog wie Chloroform dargestellt. Schmelzpunkt + 8°, Siedepunkt 149· 6°, spezifisches Gewicht 2-904 bei 15°. Gegen Alkali verhält es sich wie Chloroform, indem intermediär Dibrommethylen CBr s entsteht. Bromoform findet gelegentlich therapeutische Anwendung bei Keuchhusten.
Atom-Dimensionen der Chlormethane Über die absoluten Dimensionen der Moleküle der Chlormethane sind von D E B Y E und anderen interessante Untersuchungen angestellt worden. Sie bilden ein schönes Beispiel dafür, daß man heute in einfachen Fällen zu sehr exakten Aussagen gelangen kann. Wie zuerst D E B Y E zeigte, erhält man mit Röntgenstrahlen (und Elektronenstrahlen) nicht nur bei Kristallen, sondern auch bei den Einzelmolekülen eines Gases beobachtbare Interferenzen, die eine Berechnung der Abstände der Atomschwerpunkte im Molekül gestatten. Die so gefundenen (in Angstrom gemessenen) Atom-Abstände sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt.
CHjCl CH2C12 CHClj CC14
Abstand CI—CI
C—Cl
- CHS CH :CHCO a H + C(V Meist entstehen dabei α, jS-ungesättigte Säuren, mitunter indessen auch ß, y-ungesättigte Säuren. Gelingt die Einführung einer Doppelbindung in der gewünschten Lage nach einem der genannten Verfahren nicht, so kann man von Verbindungen, die bereits eine Doppelbindung enthalten, ausgehen, ζ. B. ungesättigte Alkohole oder Aldehyde einer vorsichtigen Oxydation unterwerfen oder ungesättigte Halogen Verbindungen (ζ. B. Allyljodid) mit KCN umsetzen und das entstandene Nitrii verseifen. Nomenklatur. Die meisten ungesättigten Säuren besitzen Trivialnamen, die vielfach von den Naturstoffen abgeleitet sind, aus denen man sie zuerst erhalten hat. Die systematischen Namen werden wie bei den gesättigten Fettsäuren durch Anhängen von „carbonsäure" an den Namen des entsprechenden Kohlenwasserstoffs gebildet: CH2 : CH · COjH Äthylencarbonsäure (Acrylsäure) ; CH3 · CH : CH · COsH Propen-(l)carbonsäure-(l) (Crotonsäure) ; CH3 · CH=C(CH 3 ) · C0 2 H Buten-(2)-carbonsäure-(2) (Angelicasäure) ; CH,· [CHJ] 7 · CH : CH- [CH2]7· C0 2 H Heptadecen-(8)-carbonsäure-(l) (Ölsäure). Nach der Genfer Nomenklatur ist Acrylsäure Propensäure, Crotonsäure Buten-(2)-säure-(l). Allgemeine Eigenschaften Die ungesättigten Säuren sind stärkere Säuren als die entsprechenden Glieder der gesättigten Reihe. Die Dissoziationskonstante k (S. 77) beträgt ζ. B. für Propionsäure CgHe02 1 · 3 XlO-', für Acrylsäure C 3 H 4 0 2 5-6 XlO" 5 , für Buttersäure C 4 H 8 0 2 1 · 5 Xl0~ 5 , für Crotonsäure C 4 H e 0 2 2 · 0 χ 1 0 - 6 , für Vinylessigsäure 4,5χ 1 0 _ s . Die Zunahme der Acidität wird auf die induktive Wirkung der (elektronenanziehenden) Doppelbindung zurückgeführt. Daß die Zunahme gerade bei den α, ^-ungesättigten Säuren nicht von der erwarteten Größe ist, erklärt man mit dem hier auftretenden, entgegengesetzt gerichteten mesomeren Effekt: © ..· χ ,-» θ —CH=CH —C=0 Die einfach ungesättigten Säuren zeigen die gleichen Additionsreaktionen wie die Substanzen mit Doppelbindung überhaupt. Im Gegensatz zu den gesättigten Säuren sind sie deshalb auch gegen Oxydationsmittel nicht beständig. Bei der Oxydation entstehen durch Spaltung des Moleküls zwei gesättigte Säuren; es ist also auf diese Weise möglich, die Stelle der doppelten Bindung im Molekül zu bestimmen : RCH:CH-[CHJ n CO i ! H — R - C O j H + H0 2 C·[ΟΗ^-ΟΟ,Η. Besonders glatt verläuft die Spaltung bei der Behandlung mit Ozon, wie weiter unten am Fall der Ölsäure noch näher ausgeführt werden wird. Auch beim Schmelzen ungesättigter Säuren mit Kaliumhydroxyd an der Luft findet eine Spaltung des Moleküls unter Bildimg gesättigter Fettsäuren statt, die einer gleichzeitigen Hydrolyse und Oxydation äquivalent ist: RCH:CHCO,H
RCO,H + CH,CO t H.
Man hat die letzte Methode früher vielfach zur Bestimmimg des Ortes der Doppelbindung angewandt, bis man zu der Erkenntnis gelangte, daß hierbei Verschiebungen
Ungesättigte Monocarbonsäuren
151
der Doppelbindung auftreten können. Daß die Doppelbindung ungesättigter Säuren schon beim Kochen mit Laugen ihren Platz wechselt, ist seit den gründlichen Untersuchungen von FITTIG wohl bekannt. Dieser Vorgang führt, wie LINSTEAD gezeigt hat, stets zu einem Gleichgewicht zwischen - CH, : CH CO,-CHs + NH.HS0«. Der in diesem Zusammenhang bedeutungsvollen Synthese von Acrylsäure aus Acetylen, Kohlenoxyd und Wasser sowie von Acrylsäure nitrii aus Acetylen und Blausäure wurde bereits auf S. 139, 140 gedacht. Auch die technische Darstellung von Acrylsäurenitril durch Säureabspaltung aus Estern des Acetaldehydcyanhydrins CH 3 · CH(0 · CO · R) • CN, ferner durch katalytische Oxydation von Propylen mit NH S und Sauerstoff bei 300-500° ist bekannt. Acrylsäure ist eine stecheiid riechende Flüssigkeit, mit Wasser in jedem Verhältnis mischbar; F : 12-3°; Kp: 142°; D22: 1-051.Durch naszierenden Wasserstoff oder durch katalytische Hydrierung wird sie zu Propionsäure reduziert. Acrylsäure polymerisiert sich leicht zu festen, glasartigen P o l y a c r y l s ä u r e n der allgemeinen Formel COOH COOH COOH • · · -CH—CH,— L—CH—CH,— n—CH—CH,· • · · Polymeres Acrylsäurenitril liegt der Kunstfaser „Orion" zugrunde. Duroh gemeinsame Polymerisation von Acrylsäurenitril und Butadien werden bestimmte Sorten von künstlichem Kautschuk (S. 449) dargestellt. Polymere Acrylsäureester dienen ζ. B. unter der Bezeichnung „ P l e x i g u m " zur Herstellung von Klebstoffen, Lackrohstoffen, Kunstleder. In Form von Zwischenschichten zwischen Glas gestatten sie die Herstellung von splittersicherem Glas. Eine in α-Stellung methylsubstituierte Acrylsäure ist die Methacrylsäurc, die aus α-Brom-isobuttersäure durch HBr-Abspaltung entsteht: Cll 3x CH,\ >CBr CO,H ~ H B r , >C-CO,H CH,/ CH/
152
Acyolieche Verbindungen
und technisch durch gleichzeitige Verseifung und Wasserabspaltung aus Acetoncyanhydrin gewonnen werden kann: CHjs CH,, >C(OH)'CN • ¿C-COjH CHj/ CHf Die bei 15° schmelzende Säure kommt im ö l der in Westeuropa heimischen römischen Kamille vor, dessen Hauptbestandteil Ester der Angelicasäure (S. 150) bilden. Die Polymerisation der Methacrylsäureester, ζ. B . mit Persulfat, führt zu technisch wertvollen Produkten, deren Erweichungspunkt wesentlich höher als der der Acrylsäurepolymerisate liegt. Man erhält harte glasklare Massen, die sich bei 100° verformen lassen und als P l e x i g l a s (Perspex) zur Herstellung von Beleuchtungskörpern, Flugzeugbauteilen, Schmuckgegenständen und für zahlreiche andere Zwecke ausgedehnte Verwendung finden. Die Lichtdurchlässigkeit ist mit 99% größer als die Durchlässigkeit von Silikatglas. Propencarbonsäuren (Butensäuren) Von unverzweiten Propencarbonsäuren wird man die Säuren der Formeln 1 und 2 erwarten: 2. CH3CH= 1 CH2=CHCH2-C02H Buten-(3)-säure VinylessigBäure
Buten-(2)-säure Crotonsäure
Vinylessigsäure (Schmelzpunkt —38· 2°, Siedepunkt 169°) ist durch Einwirkung von Kohlendioxyd auf Allylmagnesiumbromid synthetisch erhalten worden : CHj: CH-CHs MRBr + COa = CH2: CH-CH,-COt-MgBr AUymagnesiumbromid
CH2: CH CH2 C02H + MgBr(OH). Vinylessigsäure
Ihr Nitrii, A l l y l c y a n i d , durch Einwirkung von Allyljodid auf Kaliumcyanid erhältlich, liefert bei der Verseifung die feste Crotonsäure (Schmelzpunkt 71°, Siedepunkt 189°) der Formel 2: CH2 : CH-CHjJ - ν OHjiCH CHÜ-CN ->- CH3 CH : CH-C02H. Allyljodid
Allylcyanid
Crotonsäure
Die Doppelbindung hat also während der Verseifung ihren Platz gewechselt, wie dies nach den allgemeinen Ausführungen auf S. 151 vorauszusehen war. Die Formel der Crotonsäure ist durch Oxydation bewiesen worden. Bei vorsichtiger Behandlung mit Kaliumpermanganat liefert sie Oxalsäure H0 2 C-C0 2 H. Die gleiche Struktur wie die feste Crotonsäure muß indessen auch eine flüssige, als Isocrotonsäure bezeichnete Säure (Schmelzpunkt 15-5°, Siedepunkt 172°) besitzen, die man durch katalytische Hydrierung von Tetrolsäure (S. 154) erhalten kann : CH3-C=C-C02H + H2^CH3-CH=CH-C02H. Isocrotonsäure
Denn einerseits läßt sie sich ebenso wie die feste Crotonsäure zu Buttersäure reduzieren, woraus hervorgeht, daß auch sie eine normale Kohlenstoffkette enthält; andererseits gibt sie bei vorsichtiger Oxydation ebenfalls Oxalsäure. Die Isomerie dieser beiden strukturgleichen Säuren ist räumlicher Natur und aus dem Bild, das wir von dem Wesen der Äthylenbindung entworfen haben, unmittelbar abzulesen. Eine Verbindung CHR=CHR muß in zwei Stereoisomeren, die man als cisund trans-Form unterscheidet, existieren können: Η. /Η Hx /COaH
CK/
XCO H 2
eis Isocrotonsäure
CH3/
H
trans Crotonsäure
Ungesättigte Monocarbonsâuren
153
Wir werden die cis-trans-Isomerie später ausführlich am Beispiel des Säurepaars Maleinsäure-Fumarsäure (S. 184) diskutieren, weil dort die Verhältnisse besonders übersichtlich sind. Wir erwähnen im Anschluß an die Crotonsäuren noch kurz die /3-Methyl-crotonsäure (Seneciosäure) (CH 3 ) 2 C=CH-C0 2 H, die im Rhizom von Senecio Kaemjeri vorkommt und z. B. nach der KNOEVENAGELschen Synthese aus Aceton und Malonsäure gewonnen werden kann: (CH„)2CO + H 2 C(C0 2 H) 2
• (CH 3 ) 2 C=CH-C0 2 H + C0 2 + H a O .
Sie bildet Prismen vom Schmelzp. 70° und siedet bei 195°. Ölsäure, Heptadecen-(8)-carbonsäure-(l) C| 8 Hj40 2 Ölsäure ist auf Grund ihres Vorkommens in den Fetten eine der wichtigsten ungesättigten Säuren. Sie wird durch Verseifen fetter öle und weicher Fette gewonnen. Zur Trennung von den gesättigten Säuren Stearinsäure und Palmitinsäure, die dabei aus den Fetten zugleich frei werden, stellt man am besten die Bleisalze dar, von denen allein das der Ölsäure in Äther und in 95°/oigem Alkohol löslich ist. Ölsäure kristallisiert in zwei polymorphen Modifikationen, die bei etwa + 1 3 ° und 16° schmelzen, ist färb- und geruchlos und bei gewöhnlicher Temperatur von ölartiger Beschaffenheit. Sie ist an der Luft namentlich in Gegenwart von Katalysatoren autoxydabel und ist nur unter vermindertem Druck destillierbar (Kp l s : 234—235°). Als ungesättigte Säure addiert sie Brom. Ölsäure besitzt eine normale Kohlenstoff kette, denn bei der Hydrierung geht sie in Stearinsäure über. Die normale Struktur der Stearinsäure (s. auch S. 155) hat K r a f f t dadurch bewiesen, daß er eie auf folgendem Wege schrittweise zu Säuren mit kleinerer Kohlenstoffzahl abgebaut hat. Stearinsaures Barium wird trocken mit essigsaurem Barium im Vakuum destilliert. Hierdurch entsteht das Keton C j j H ^ CO-CHg: O^H^'COÖFa -f b a O - O C C H 3 - > - C ^ H ^ C O - C H . , . Nonudecaiiün-(2) Die Oxydation dieses Ketons liefert Essigsäure und eine Säure C 1 7 H M 0 2 . Hieraus folgt, daß das Keton in unmittelbarer Nachbarschaft der Carbony lg ruppe eine CHj-Gruppe enthalten, also die Formel C,e H 3 , - C H 2 - C 0 ' C H 3 h a b n muß, da nur in diesem Fall bei der Oxydation eine Säure mit 17 Kohlenstoffatomen entstehen kann. Diese Säure 0 1 7 Η Μ 0 2 wurde auf gleiche Weise in ein Keton C i e H 3 3 - C O C H 3 übergeführt und dieser Abbau so lange fortgesetzt, bis man zu einer Säure gelangte, von der durch Synthese (S. 286) bekannt war, daß ihre Kohlenstoffkette normal ist, nämlich zu Nonan-carbonsäure-(l) C 10 H 20 O 2 .
Die Lage der Doppelbindung in der Ölsäure folgt aus dem Resultat der Oxydation mit Permanganat in Aceton-Lösung; dabei entstehen Octan-carbonsäure-(l) und Heptan-dicarbonsäure-(l,7) (Azelainsäure): CH 3 -[CH 2 ] 7 -CH=CH-[CH 2 ] 7 -C0 2 H
• CHJ-IOH^j-COÜH + H 0 2 C · [CH 2 ] 7 -CO s H.
Zu dem gleichen Ergebnis führt die Ozonisation von Ölsäure. Bei der Spaltung von Ölsäureozonid erhält man Nonanal (Nonylaldehyd) und Azelainaldehydsäure : C H . - t C H J j - C H ^ 0 ' °)>CH-[CH 1 ] 7 -CO t H
CH3[CH2]7CHO + OHC[CH2]7CO,H.
\0/ Eine charakteristische Umwandlung erleidet die Ölsäure unter der Einwirkung von Spuren salpetriger Säure, Stickoxyden usw. Sie erstarrt dann nach einiger Zeit zu der festen Elaidinsäure (Schmelzpunkt 51·5°), die mit der Ölsäure stereoisomer ist. Die Reaktion ist reversibel. Man erreicht von beiden Seiten ein Gleichgewicht, das bei ca. 7 0 % Elaidinsäure liegt (Hilditoh). Dieselbe Umwandlung erleidet auch die zu dieser Reihe gehörige, im Rüböl als Glycerid enthaltene Erucasänre [Heneicosen-(12)carbonsäure-(l)] CH 3 · [CHj] 7 · C H = C H · [CH 2 ] n · C0 2 H, die durch Spuren salpetriger Säure in die stereoisomere Brassidinsäure übergeführt wird.
Acyclische Verbindungen
154
Bei beiden Säurepaaren kommt die cis-Konfiguration der natürlich vorkommenden Säure (Ölsäure u. Erucasäure) zu. Die Strukturgleichheit von Elaidinsäure und Ölsäure ist folgendermaßen bewiesen. Die doppelte Bindung befindet sich bei beiden an derselben Stelle; denn beide Säuren addieren leicht 2 Atome Brom und liefern bei nachheriger Abspaltung von zwei Molekülen HBr dieselbe Säure Ci 8 H S ! 0 2 , die Stearolsäure : CjgHjjOj ->- C^H^OsBr, CHj-fCH^-CsC-CCH^-COîH. Ölsäure und Elaidinsäure
Dibromid
Stearolsäure
Ferner addieren beide unter der Einwirkung von konzentrierter Schwefelsäure 1 Mol Wasser und werden dadurch in die gleiche Hydroxystearinsäure verwandelt. Bei der Synthese der Ölsäure, die auf verschiedenen Wegen versucht worden ist, bereitet die Erzielung der richtigen Konfiguration (cis) besondere Schwierigkeiten. Da Acetylene sich unter geeigneten Bedingungen glatt zu cis-Olefinen hydrieren lassen, ist L T N S T E A D von einer Säure mit dreifacher Bindung ausgegangen und hat ihre Kette nach der später zu beschreibenden KoLBEschen Synthese (S. 364) durch Umsetzung mit dem Monomethylester der Adipinsäure um 4 C-Atome verlängert : CH3· [CH2]7 · C =C· [CH2]3 · CO„H + H0 2 C-[CH 2 ] 4 -C0 2 -CH 3 CH3· [CH2]7 · C ^C· [CH2]7 · C0 2 · CH3
•
CH3· [CH2]7 -CH=CH· [CH,], · CO2H
Stearolsäurezaethylester
Ölsäure
Die entstehende Stearolsäure wurde mit Palladium-Blei-Katalysator zu Ölsäure hydriert. Ein niederes Homologes der Ölsäure ist die Palmitölsäure oder Zooinarinsäure C ^ O , , die als Bestandteil der fetten öle von Seetieren sehr verbreitet ist. Sie schmilzt bei — I o und besitzt die Konstitution einer Pentadecen-(8)-carbonsäure-(l), wie aus der Oxydation sowie aus der Hydrierung zu Palmitinsäure hervorgeht: CH 3 -[CH 2 ] 5 -CH : CH-[CH 2 ] 7 -C0 2 H \
CH 3 -[CH 2 ] 6 -C0 2 H + H0 2 C-[CH 2 ] 7 -C0 a H.
Palmitölsäure
Önanthsäure
Azelainsäure
Kleine Mengen niederer Homologen der Ölsäure kommen ebenfalls in natürlichen Fetten vor. Sie werden im Organismus bei Zufuhr der entsprechenden gesättigten Fettsäuren durch enzymatische Dehydrierung gebildet und enthalten die Doppelbindung sämtlich am achten C-Atom neben dem Carboxyl (s. a. Tabelle S. 108). An markierter Stearinsäure ist die Umwandlung in Ölsäure durch Leberfermente bewiesen (K. BERNHARD). Man nimmt an, daß die Stearinsäure zunächst hydroxyliert und dann Wasser abgespalten wird.
Stärker ungesättigte Monocarbonsäuren Die Säuren der Reihe C n H 2n _ 4 0 2 enthalten eine dreifache oder zwei doppelte Bindungen im Molekül. Die Verbindungen der ersten Art entstehen aus den Natriumverbindungen der Acetylen-Kohlenwasserstoffe durch Einwirkung von Kohlendioxyd, z. B. entsteht aus Acetylen das erste Glied der Reihe, die bei 18° schmelzende Propiol8änre:
CH=CNa + CO, =
CHsC-COONa.
Die so gebildeten Säuren enthalten die dreifache Bindung am «-Kohlenstoffatom. Sie werden sehr leicht wieder in Acetylen-Kohlenwasserstoff und C0 2 gespalten (s. a. S. 189) ; namentlich ist dies bei ihren Silbersalzen der Fall, die Acetylensilber geben. Eine allgemeine Methode zur Darstellung von Säuren mit dreifacher Bindung besteht in der Addition zweier Bromatome an Säuren mit doppelter Bindung und darauf folgenden Abspaltung zweier Moleküle HBr, z. B.: OH3 CH=CH COOH - ν CH, · CHBr · CHBr · COOH ->- CH 3 -C=CCOOH. Crotoneäure
a,/?-I)ibrom-buttersäure
Tetrolsâure, Propinai )-
carboDftâure*(l)
Ungesättigte Monocarbonsäuren
155
Die analoge Bildung der S t e a r o l s ä u r e wurde schon oben erwähnt. Fettsäuren mit zwei und mehr doppelten Bindungen kommen an Glycerin gebunden in zahlreichen fetten ölen vor. Es sind meist flüssige und leicht veränderliche Verbindungen, deren Trennung vielfach nicht einfach ist. Einige der wichtigsten Säuren seien im folgenden genannt (c und t bedeuten cis und trans) : CH, · [CHj]4-CH : CH · CHJ · CH : CH · [CHJ, · COsH Heptadecadien-(S0,ll°)-carbonsäure-(l), Linolsäure Γ: —5,4*
CH, CH2-CH: CH-CHj CH: CH-CH 2 CH : CH-[CHj]7-C02H Heptadecatrien-(80,ll°,14°)-carbonsäure-(l), Linolensäure F : —11·
CHj · [CH2]4 · CH : CH · CHj - CH : CH · CH2 · CH : CH [CH2]4 · C02H Heptadecatrien-(50,8c»Hc)-carboiiflätire-(l), y-Linolensäure
CH,· [CHJ,· CH : CH CH : CH-CH : CH-iCHJj-COjH
Heptadecatrlen-(8°,10t,12')-carbonsäure-(l)> a-Eläostearlnsäure P : 46°
CH 3 · [CH2]4 · CH : CH -CHa- CH : CH -CH,· CH : CH -CHa · CH : CH · [CH2]3 · C0 2 H. Nouadecatetfaen-(4°f7cI10ci180)-carbonsäure-(l), Araclildonsäure
Zur Abscheidung und Trennung dieser Säuren eignen sich ihre Bromadditionsprodukte, die meist gut kristallisieren und mit steigendem Bromgehalt in Äther zunehmend schwerer löslich werden. Durch Behandeln mit Zinkstaub kann man die ungesättigten Säuren, allerdings nicht ganz unverändert, regenerieren. Die Dehydrierung von Fettsäuren zu höher ungesättigten Säuren bereitet dem tierischen Organismus teilweise Schwierigkeiten. Linolsäure und Linolensäure müssen als „unentbehrliche" Säuren mit der Nahrung zugeführt werden. Wie KLENK sowie MEAD gezeigt haben, werden aus diesen durch Dehydrierung und Kopplung mit Acetyl-Coenzym A höher ungesättigte Säuren aufgebaut. In der Rattenleber wird Linolsäure zu y-Linolensäure dehydriert, am Carboxylende um CH2 · C0 2 H verlängert und dann abermals dehydriert, wobei Arachidonsäure entsteht.
Bei den obigen Säuren befinden sich die Doppelbindungen größtenteils in unkonjugierter Lage. Durch die schönen Synthesen von K U H N kennt man aber auch eine Reihe hochungesättigter Säuren mit fortlaufend konjugierten Doppelbindungen. Als Beispiel einer solchen Synthese sei hier die Darstellung der Heptatrien-(l,3,5)-carbonsäure-(l) angeführt. Crotonaldehyd und Acetaldehyd kondensieren sich unter dem Einfluß von Piperidinacetat zu Hexadienal. Die Kondensation dieses Aldehyds mit Malonsäure nach KNOEVENAGEL liefert eine zweibasische ungesättigte Säure, die beim Erhitzen sofort 1 Mol C0 2 verliert: CH,· CH : CH· CH : CH-CHO + H,C(C0 2 H), - v Hexadienal
CHS-CH : CH-CH : CH-CH : C(COaH)a CH, CH: CH-CH : CH-CH : CH-COjH. Heptatrien-(l,3t5)-carbonsäure-(l)
Die Säuren mit vier und mehr konjugierten Doppelbindungen sind intensiv farbig. Wir werden hierauf bei der Theorie der Farbstoffe noch zurückkommen. Auf dem hier vorgezeichneten Wege ist K U H N 1 9 3 7 auch die Synthese der Stearinsäure gelungen: 4 Moleküle Crotonaldehyd wurden zu Hexadecaheptaenal (S. 157) kondensiert, worauf der Aldehyd mit Malonsäure umgesetzt, hydriert und zwecks C0 a -Abspaltung destilliert wurde : CH,-[CH: CH],-CHO + H,C(CO,H), - v CH,-[CH : CH],-CH: C(CO,H), % Hezadecaheptaenal
CH,-[CHJM-CH,-CH(CO,H),
CH.-CCH.L.-COjH. Stearinsäure
Acyclische Verbindungen
156
Ungesättigte Oxo-Verbindungen (Aldehyde, Ketone, Ketene)
Ungesättigte Aldehyde sind in den vorangegangenen Kapiteln schon mehrfach erwähnt worden. Das erste Glied dieser Reihe ist Acrolein (Propenal) CH 2 :CH-CHO, das im Laboratorium durch Erhitzen von 1 Teil Glycerin mit 4 Teilen eines Gemisches von 5 Teilen K H S 0 4 und 1 Teil K 2 S 0 4 gewonnen wird, wobei die Temperatur auf 195° zu halten ist: HO-CHj-CHfOHJ-CHj-OH
CH2:CHCHO.
Technisch kondensiert man Formaldehyd mit Acetaldehyd über Natriumsilicat enthaltendem Silicagel bei 300°: CH 2 0 + CH S · CHO
CH2=CH-CHO
oder oxydiert Propylen mit Sauerstoff bei 368° über Cu 2 0 auf Carborundi CH2=CH-CH3
> CH2=CH-CHO.
Acrolein ist eine farblose Flüssigkeit vom Siedepunkt 52· I o , die bei —87° erstarrt und ein spezifisches Gewicht von 0 · 8447 bei 15° besitzt. Es hat einen unerträglich durchdringenden Geruch, dem es auch seinen Namen verdankt (von acer scharf und oleum). Es verursacht den scharfen Geruch, den man beim „Anbrennen" fetter Speisen wahrnimmt. Bei der Reduktion liefert es neben Propionaldehyd Allylalkohol, aus dem es andrerseits durch Oxydation gewonnen werden kann. Durch Oxydation von Acrolein entsteht Acrylsäure. Analog der Acrylsäure polymerisiert Acrolein sich leicht, häufig schon in wenigen Tagen oder selbst Stunden, zu einer vollkommen unlöslichen Masse (Disacryl). Die Reaktion wird durch Spuren von Peroxyden ausgelöst. Alkalien bewirken eine Polymerisation, an der die Carbonylgruppe der Acroleins beteiligt ist. Bei der schon erwähnten Reduktion und Oxydation zeigt Acrolein das charakteristische Verhalten der Aldehyde. Doch haben die Aldehyd-Eigenschaften durch die doppelte Kohlenstoffbindung eine gewisse Änderung erfahren. Acrolein verbindet sich z. B. nicht wie die gesättigten Aldehyde mit 1, sondern mit 2 Molekülen NaHSO s . Säuren spalten aus dieser Verbindung nur 1 Molekül NaHS0 3 ab. Man muß daher annehmen, daß das andere Molekül an die Doppelbindung addiert worden ist. Crotonaldehyd, Buten-(2)-al-(l), OH s -CH : CH-CHO, gewinnt man aus Aldol CH,-CH(OH) • CH 2 -CHO (S. 103) durch Wasserabspaltung. Diese Reaktion erfolgt bereits beim Erhitzen auf 140". Daß man Crotonaldehyd auch direkt durch Kondensation von Acetaldehyd mit essigsaurem Piperidin nach der KNOEVENAGELSchen Reaktion erhalten kann, wurde bereits früher erwähnt (S. 104). Crotonaldehyd ist eine bei 102" siedende Flüssigkeit, die durch Oxydation mit Silberoxyd in feste Crotonsäure übergeht. In der Technik wird er durch Hydrierung in Butyraldehyd und Butylalkohol verwandelt. Aus Crotonaldehyd können nach einer Synthese von KUHN höhere Aldehyde mit zahlreichen konjugierten Doppelbindungen erhalten werden, wenn man mit essigsaurem Piperidin als Katalysator gelinde erwärmt: CH.CHO + CH„-CH=CH-CHO
=
C H s C H = C H C H = C H C H O + H20 Hexadienal
2 C H 8 C H = C H - C H O - > - C H , · C H = C H · C H = C H · C H = C H · CHO Oc tat rie nal
3 C H 3 C H = C H C H 0 - ν C H s - [ C H = C H ] 5 CHO 4 CH,-CH=CH'CHO
Dodecapentaenal
C H s [ C H = C H ] 7 CHO. Hexodecaheptaenal
Die Aktivierung der Methylgruppe im Acetaldehyd wird also in diesen Aldehyden durch die konjugierten Doppelbindungen „weitergeleitet".
Ungesättigte OxoVerbindungen
157
Die höheren ungesättigten Aldehyde mit mehreren konjugierten Doppelbindungen sind sehr unbeständig. Wegen ihrer tiefen Farbe und ihrer nahen Beziehungen zu den Carotinoiden (S. 450) verdienen sie ein großes Interesse. Ihre Verwendung für synthetische Zwecke wurde bereits 8. 156 an einem Beispiel erläutert. Propargylaldehyd (Propinai) C H = C - C H O wird erhalten« indem man an das Diäthylacetal des Acroleins zwei Bromatome addiert und darauf zwei HBr aus diesem Additionsprodukt abspaltet : C H 2 : C H C H ( 0 - C 2 H 5 ) 2 - v CH 2 Br-CHBr-CH(0«C 2 H 5 ) 2 —>• C H = C - C H ( 0 - C 2 H , ) 2 . Acetal des Acroleins
Dlbromld
Acetat des Propargylaldehyds
Durch Erwärmen des Acetáis mit verdünnter Schwefelsäure entsteht der freie Propargylaldehyd; er bildet eine bei 59—61° siedende Flüssigkeit, welche die Schleimhäute ebenso stark angreift wie Acrolein. Merkwürdig ist sein Verhalten gegen Alkalien, durch die er in Acetylen und Ameisensäure gespalten wird: C H = C CHO + NaOH = C H = C H + HCOONa.
Wir werden diese leichte Spaltung von C—C-Bindungen in der Nachbarschaft stark negativ substituierter C-Atome noch häufiger beobachten (z. B. Chloral, Trichloressigsäure). Den ungesättigten Alkoholen mit „Isoprenstruktur" (S. 148) entsprechen analog aufgebaute natürlich vorkommende Aldehyde. Ein solcher ist das durch Citronengeruch ausgezeichnete Citral C 10 H le O. Es findet sich in den ätherischen ölen vieler Pflanzen, vor allem im Lemongrasöl (aus indischen Grasarten) und im Citronenöl. Es siedet bei 228°, unter 10 mm bei 104°. Die Aldehydnatur des Citrals geht daraus hervor, daß es sich zu dem Alkohol Geraniol reduzieren und zu einer Säure mit gleich viel C-Atomen (Geraniumsäurc) oxydieren läßt. Citral besitzt folgende Struktur: CH3C=CHCH2 I CH 3
CH2C=CH-CH0, I CH 3
ü,6- Di metbyl-octadien-(2,6 )-al-(8 )
denn bei der Oxydation gibt es Aceton, Lävulinsäure (S. 287) und Kohlendioxyd: CH,-^™ CH3^ou
H02C-CH2CH2C0 I
Aceton
Lävulinsäöre
C 0 2 CO s .
CH.
Kohlendioxyd
Durch diese Spaltung wird auch die Lage der doppelten Bindungen im Molekül bestimmt. Citral spaltet sich beim Kochen mit Kaliumcarbonatlösung unter Aufnahme eines Moleküls Wasser in das ungesättigte Keton Methylhcptenon (Kp: 173°) und Acetaldehvd : CH
> C = C H
C H >
'CHs'C0
2-MethyI-hepten-(2)-on-(6)
CHJ-CHO
CH3
Acetaldehyd
Wenn die erste Stufe dieser Reaktion eine Wasseranlagerung ist, entspricht die Spaltung einer rückläufigen Aldol-Kondensation. Technisch interessante Synthesen des Methylheptenons und Citrals gehen letzten Endes von Diketen (s. u.) und von Aceton über dessen Anlagerungsprodukt mit Acetylen aus (KIMEL; ISLER).
(CH 3 ) 2 C(OH).C = CH - 5 Î - ( C H 3 ) 2 C ( 0 H ) . C H = C H 2
CH3.C0-CH2.C0-0-C(CH3)2.CH=CH2 (CH 3 ) 2 C=CH · CH 2 . CHJ · C(OH) (OBJ). C S CH
Dikete
">
(CH3)2C=CH.CH2.CH2.C0.CH3 C,H· • ^feCH E88ig8äare
. (CH 3 ) 2 C=CH · CH 2 · CH 2 · C · O · CO · CH 3
Dehydrolinalool Essigsäure Cu-Salze
n tH r 'C rvr«TT 5® (,ητCτ H 3, ) 2r>C_=r >CxHi ' Cn tHr 2 - C ( C H 3\)_=CCTHJ . Cr tHr (í 0n - Cm0 ' Cr•
I I
O—CO
160
Acyclische Verbindungen Kohlensuboxyd
Eine Substanz, die gewissermaßen als das einfachste Diketen betrachtet werden kann, ist das von Diels entdeckte Kohlensuboxyd C 3 0 2 . Es entsteht in kleinen Mengen bei der Einwirkung stiller elektrischer Entladungen auf Kohlenoxyd.
Es wird am besten dargestellt, indem man den Dampf von Diacetylweinsäureanhydrid mit einem rotglühenden Platindraht in Berührung bringt. Der Verlauf der Reaktion ist undurchsichtig. CHj-CO-O-CH-OO I > 0 - ν OC=C=CO. C H , · C O · O · C H · CO
Kohlensuboxyd
Die angegebene Struktur des Kohlensuboxyds wird bewiesen durch seine Bildung bei der Destillation von Malonsäure mit der zehnfachen Menge Phosphor pen toxyd : HOjC'CHJ'COJH — 2 HjO = OC=C=CO. AIsNebenprodukte bilden sich bei dieser Reaktion unter anderem Kohlendioxyd und Essigsäure. Reines Kohlensuboxyd ist ein Gas von äußerst stechendem Geruch, zu einer Flüssigkeit kondensierbar, die bei 6° siedet und bei —111 -3° erstarrt. Bei etwa 200° zerfällt es in Kohlendioxyd und Kohlenstoff. Im unreinen Zustande polymerisiert es sich rasch zu einer dunkelroten, amorphen Masse. Mit Wasser bildet es Malonsäure zurück. Die nach der Formel zu erwartende Geradlinigkeit des Moleküls scheint mit dem Infrarotspektrum nicht im Einklang zu stehen. Der Abstand der C-Atome voneinander ist auffällig klein (1-27 Â).
Verbindungen mit mehreren funktionellen Gruppen Mehrwertige Alkohole Als mehrwertige Alkohole bezeichnet man Verbindungen, die mehr als eine Hydroxylgruppe, an verschiedene Kohlenstoffatome gebunden, enthalten. Verbindungen mit mehreren Hydroxylgruppen an demselben Kohlenstoffatom R · CH(OH)2 oder R-C(OH) 3 sind mit wenigen Ausnahmen (S. 230, 287) nicht beständig; man erhält an ihrer Stelle stets die um 1 H 2 0 ärmeren Aldehyde oder Carbonsäuren. Beständige Derivate dieser Verbindungen sind schon früher besprochen worden. Es sind dies die Aldehyddiacetate R-CH(0-C0-CH 3 ) 2 , die Acefale R · CH(0 · C2H5)2 und die Orthoester R · C(0 · C2H5)3. Verbindungen mit mehreren Hydroxylen an verschiedenen Kohlenstoffatomen sind in großer Zahl bekannt. Einige von ihnen sollen hier näher beschrieben werden. Zweiwertige Alkohole (Glykole)
N o m e n k l a t u r . Der Name Glykole für die zweiwertigen Alkohole rührt von Wuktz, dem Entdecker dieser Körperklasse, her. Er sollte ihre Mittelstellung zwischen Glycerin und Alkohol zum Ausdruck bringen. Die Namen werden wie die der Alkohole durch Kombination mit einer Radikalbezeichnung, hier der Bezeichnung eines zweiwertigen Radikals, gebüdet: Äthylenglykol HO-CH 2 -CH 2 -OH, Trimethylenglykol H O C H 2 · CH 2 -CH 2 -OH usw. Die entsprechenden Genfer Namen werden durch Anhängen von -diol an die Namen der Kohlenwasserstoffe gebildet: Äthandiol-(1.2), Propandiol-(1.3) usw. Entsprechend sind Glykole mit nicht endständigen Hydroxylgruppen zu benennen : Butandiol-(1.3) HO · CH2 · CH2 · CH(OH) · CH3. Glykole sind analog wie die einwertigen Alkohole aus den entsprechenden Halogenverbindungen gewinnbar. Der Austausch von Halogen gegen Hydroxyl kann durch Umsetzung mit Silber- oder Alkaliacetat und nachherige Verseifung des so entstehenden Diacetats bewirkt werden. Die direkte
Glykole
161
Umwandlung der Halogenverbindungen in Glykole durch Kochen mit Sodalösung oder mit Wasser und Bleioxyd liefert meist wenig befriedigende Ausbeuten. Glykole m i t H y d r o x y l g r u p p e n an benachbarten C-Atomen (a-Glykole) entstehen aus Olefinen d u r c h Oxydation in F o r m der Anlagerung von zwei Hydroxylgruppen. Häufig eignet sich als O x y d a n s verdünnte wäßrige Kaliumpermanganat-Lösung. So entsteht aus B u t e n - ( 2 ) B u t a n d i o l - ( 2 . 3 ) (Butylenglykol) : C H 3 C H = C H C H 3 °* y d · > CH 3 -CH-CH-CH 3 ¿H
¿I
Symmetrisch dieubstituierte 1,2-Glykole erhält man durch ßeduktion der Ketone mit Alkalimetallen. Neben der Bildung von sekundären Alkoholen findet hierbei eine Verknüpfung von zwei Molekülen statt, wobei jedes Molekfil Keton nur ein Wasserstoffatom aufnimmt und die zwei ungesättigten Reste sich vereinigen: CHjCO-CH,
CHS-C(OH)CH3
H|
CH,-CO-GH,
CH 3 -Ì(OH)-CHJ PlD&kol (2,3-Dimethyl-butandiol-2,3)
Die so erhaltenen Glykole heißen Pinakole; das Reduktionsprodukt aus Aceton wird gewöhnlich kurzweg Pinakol (früher Pinakon) genannt. Es verbindet sich mit 6 Molekülen Wasser zum gut kristallisierenden Pinakolhydrat. Man reduziert das Aceton mit Natrium in Gegenwart von konzentrierter Kalilauge oder auf elektrolytischem Wege. Die unerwünschte, gleichzeitig erfolgende Reduktion der Ketone zu sekundären Alkoholen wird vermieden, wenn man amalgamiertes Magnesium oder Magnesium + Magnesiumjodid als Reduktionsmittel anwendet. In der aromatischen Reihe kennt man als Zwischenprodukte der Pinakolbildung die sog. Metallketyle (S. 465). E i n e weitere wichtige Darstellungsweise der a-Glykole ist die Wasseranlagerung an Äthylenoxyde : CH, X H ' ° - HO · CH · CHj · OH a
°
Äthylenoxyd
Äthylenglykol
Äthylenoxyde werden häufig vorteilhaft durch Anlagerung von unterchloriger Säure an Olefine und Abspaltung v o n Chlorwasserstoff aus den entstandenen Chlorhydrinen gewonnen: CH2C1 CI I I — HCl = I >0. CH2-0H CH/ Glykolchlorhydrin
Äthylenoxyd
So setzt man in der Technik zur Darstellung von Äthylenglykol Äthylen mit Chlorwasser um; die durch Hydrolyse des Chlors entstehende unterchlorige Säure bildet mit dem Äthylen Glykolchlorhydrin. Dieses wird unter Einleiten von Wasserdampf mit Kalkmilch umgesetzt, wobei das Äthylenoxyd als Gas entweicht. Die direkte Darstellung von Äthylenoxyd aus Äthylen und Sauerstoff über Silber wurde schon erwähnt (S. 129). Es wird mit heißem Wasser und einer Spur Säure zu Äthylenglykol hydrolysiert, das u. a. "als Gefrierschutzmittel dem Kühlwasser von Motoren zugesetzt wird. Die Glykole sind meist dicke, farblose Flüssigkeiten von süßlichem Geschmack. Siedep u n k t und spezifisches Gewicht hegen beträchtlich höher als bei den einwertigen Alkoholen der gleichen Kohlenstoffzahl. So siedet z. B . Glykol bei 197· 9°, Äthylalkohol bei 7 8 ° ; das spezifische Gewicht des Glykols ist bei 0 ° 1 · 127, das desÄthylalkohols 0· 8 0 6 . Die Glykole gleichen in ihrem Reaktionsvermögen den einwertigen Alkoholen: Ersetzbarkeit des H y d r o x y l s durch Halogen, Äther-, E s t e r - , Alkoholatbildung, Oxydation zu Aldehyd und Säure bzw. zu K e t o n . Diese Reaktionen können sich sowohl über ein als a u c h über beide H y d r o x y l e erstrecken; m a n kennt z. B . VerH o l l e m a n - R i c h t e r , Organieche Chemie. 37. — 41. Auflage
11
Acyelische Verbindungen
162
bindungen wie H 0 CHS-CH2C1 Glykolchlorhydrin, /9-Chlor-äthylalkohol (vgl. S. 161); C ? H 5 -OCH 2 Ca ¿ OH Glykolmonoäthyläther; 0^ 5 ·0·ΟΗ 2 ·α3 2 ·0·0 2 Η 5 Glykoldiäthyläther usw. Bei der Wasserabspaltung geben die Glykole je nach Konstitution und Bedingungen entweder Olefine oder — indem Wasser zwischen den beiden Hydroxylen austritt — Anhydride. Das Anhydrid des Glykols selbst, Äthylenoxyd, kann auf diesem Wege nicht erhalten werden. Wenn man aus Glykol durch Erhitzen mit kleinen Mensen Schwefelsäure oder Toluolsulfoneäure Wasser abspaltet, so bildet sich ein Dimeres des Äthylenoxyds, Diäthylendioxyd oder 1.4-Dioxan
CH,-CH, Dioxan erstarrt bei 11-8° kristallinisch, siedet bei 101·4° und zeigt D|° : 1 0336. Es ist mit Wasser in allen Verhältnissen mischbar und ein wertvolles Lösungsmittel für die verschiedenartigsten Verbindungen, aber nicht ungiftig.
Die Wasserabspaltung aus verzweigten Glykolen mit benachbarten Hydroxylgruppen ist vielfach von einer Umlagerung begleitet. Wie FITTIG 1860 fand, entsteht ζ. B. beim Kochen von Pinakol mit verd. Schwefelsäure Methyl-tert.-butyl-keton (Pinakolon, früher als Pinakolin bezeichnet), indem eine Methylgruppe in die durch Wasserabspaltung entstandene Lücke wandert : OH OH • H CH/
V
OH 0Ha®
CHS
.
4
*
CH/
\CH3 OH® II /CH,
• CH3*C—Cr—CH3
\ch 3
OH
OH
S ¿ - V · - CH,¿» - o g k XCH3 CH/ \CH3 O II /CH,
C I
0 H
• CH3· C· Cr—CH3
\ch 3
Die als „Pinakolin-Umlagerung" bekannte Reaktion ist namentlich von TIFFENEAU, und BACHMANN sehr eingehend studiert worden. Daß die erste rasch verlaufende Reaktionsstufe in der Anlagerung eines Protons besteht und dieses das einzige katalytische Agens ist, ist auf kinetischem Wege wahrscheinlich gemacht worden. Bei unsymmetrisch substituierten Pinakolen wird vorzugsweise die Hydroxylgruppe an demjenigen C-Atom abgelöst, an das die am stärksten „elektronenabstoßende" Gruppe gebunden ist (tert. b u t y l > isopropy]> äthyl> methyl). Zum Bindungsausgleich wandert in die Oktettlücke des Carboniumions ein Kohlenstoffradikal vom benachbarten C-Atom unter Mitnahme des Bindungselektronenpaares, also als Carbanion. Diejenigen Gruppen, die am leichtesten als Elektronendonor fungieren können (vornehmlich aromatische Reste wie phenyl, naphthyl usw.), zeigen die größte Wanderungsneigung. Durch Wiederabspaltung des Protons entsteht schließlich das Keton. Daß das Wesen des Vorgangs in der Umlagerung eines Carbonium-Ions besteht, zeigt der Verlauf einiger verwandter Prozesse. Das gleiche Pinakolon entsteht nämlich auch durch Einwirkung von Silberion auf das Bromhydrin des Tetramethyläthylens und durch Einwirkung von salpetriger Säure auf Amino-tetramethyl-äthanol : OH Br OH CH3X ]_ I /CH3 A g e CH3.I © /CH. >C—C< • Pinakolon + H® :>U< XCH, x CH 3 CH/ " CH/ CH/ OHNI. OH:ñ=ni Ν = NI OH CH3v I I /CH3 CH,. I I /CH, CH3X I Φ /CH, >C—C< >C—C< >C— C< • Pinakolon + H® x CH, CH/ "CH3 CH/ CH/ \CH, MONTAGNE
163
Glykole
Wanderungen der gleichen Art sind wir schon früher bei den Reaktionen der Olefine begegnet (S. 123). Ein sehr ähnlicher Vorgang ist schließlich die W A G N E R - M E E R W E I N Umlagerung, mit der wir uns später in der Camphergruppe bschäftigen werden. Hier hat zuerst M E E R W E I N (1922) die Beteiligung von Carbonium-Ionen wahrscheinlich gemacht. Man kennt auch Reaktionen, die eine Art Umkehrung der Pinakolin-Umlagerung darstellen (sogenannte „Retro-Pinakolinumlagerung"). Als Beispiel sei die Wasserabspaltung aus Pinakolinalkohol, dem Reduktionsprodukt des Pinakolons, angeführt. Durch Anlagerung eines Protons und Abspaltung von Wasser entsteht wiederum ein Carbonium-Ion, das sich durch Abspaltung eines Protons und Wanderung einer Methylgruppe zum Tetramethyläthylen stabilisiert:
OH CH,. I / C H j
H
>C—Cf-CH,
Έ/
\CH
Pinakolinalkohol
OH 2 ® ® CHj I / C H 3 >C— C—CH3
Η /
3
»
\CH,
CH« φ W
/CH3 _ h ©
>C—C^-CH,
\CH
•
CH3x
3
/CH,
/C=C
>C = 0 C H / C H >
- W _ i „ ch3/
c h /
OAc Pb
>
Os
\C-Ctt
H O ^
Eine auch im Mechanismus sehr ähnliche Spaltung ist die Perjodsäure-Spaltung der Glykole nach MAT,AKRADE (S. 246). Äthylenoxyd. Zu der oben bereits erwähnten Darstellungsmethode des Äthylenoxyds ist in neuerer Zeit die direkte katalytische Gewinnung aus Äthylen und Sauerstoff über Silber getreten (S. 129). Es bildet eine bei 10,7° siedende, giftige Flüssigkeit. Äthylenoxyd ist als ein cyclischer Äther aufzufassen, aber wie alle Dreiringverbindungen sehr zu Ringöffnungsreaktionen geneigt. Wie Wasser lagern sich auch Alkohole oder Amine an, indem Glykolmonoalkyläther bzw. Hydroxyamine entstehen:
( 5 h , -^c Hi j + CjHJ · O H = H 0 C H 2 C H 2 - 0 - C 2 H 5 3H 2 -CH 2 + CH3-NHa = HO · CH2 · CHa · NH · CH3 Ausgesprochen nucleophile Reaktionen treten mit Anionen ein, ζ. B. gibt Einwirkung von Chlorid-Ion (Natriumchlorid) Äthylenchlorhydrin und Hydroxylion:
/°\
CHj-CHj + Cl© + H 2 0 1
• HO• CH¡·CH,·Cl + OH©
Lieb. Ann. 660, 1 2 7 ( 1 9 4 8 ) ; 599, 101 ( 1 9 5 6 ) ; Angew. Chemie 70, 1 7 4 (1958). 11*
Acyclische Verbindungen
164
Durch Alkalien läßt sich Äthylenoxyd oberhalb 100° zu Polyäthylenglykolen polymerisieren; die Reaktion verläuft nach einem anionischen Mechanismus: HO© + C H J - C H J
• HO-CH 2 -CH 2 -Oe HO·CH 2 ·CH a ·O·CH a ·CH,·ΟΘ usw. • H0-[CHj-CH2-0]n-CHa-CHj-0H
Durch Kombination dieser Reaktion mit den genannten Anlagerungereaktionen erhält man die früher erwähnten Igepale und Peregale (S. 86). Die Anhydride der Glykolhomologen, deren Hydroxylgruppen um drei und mehr C-Atome voneinander entfernt sind, verhalten sich wie innere Äther und zeigen viel geringere Neigung zur Ringaufspaltung ; sie lassen sich häufig aus den entsprechenden Glykolen durch direkte H 2 0-Abspaltung darstellen. Trotzdem sind auch sie einer polymerisierenden Ringaufspaltung zugänglich, Z. B. mit HC104 oder H[A1C14]. Sie läuft über Oxonium-Ionen (MKERWEIN) : H,C—CH, X I > 0 + R® HjC-CH/ H2C—CHj.
HjC-CH» ® I >0-R H2C-CH/
O + R-0-[CH 2 ] 4 ®
"J, „ C - C H />
• R-O-TCHJ]«®
• R · 0 · [CH 2 ] 4 -0 - [CH2]4©
• usf.
Dreiwertige A l k o h o l e Glycerin HO• CHg CH(OH) CH2· OH Unter den dreiwertigen aliphatischen Alkoholen ist nur Glycerin, Propantriol(1.2.3) von Bedeutung. Fette und fette öle sind die Glycerinester der höheren Fettsäuren ; ihre Verseifung lieferte bis vor kurzem fast das gesamte technisch gewonnene Glycerin. Die Entdeckung des Glycerins geht auf SCHEELE zurück, der es 1779 aus Olivenöl abschied und ölsüß nannte. Der Name Glycerin (von γλυκερός = süß) stammt von CHEVBEUL. Bei der Vergärung von Kohlenhydraten entstehen kleine Mengen von Glycerin, deren Menge durch Gärung unter Zusatz von neutralem Natriumsulfit gesteigert werden kann. Während des ersten Weltkrieges wurde es vorübergehend so gewonnen (S. 263). Die Hochtemperatur-Chlorierung von Propylen zu Allylchlorid (S. 121) gibt heute das Mittel zu einer billigen technischen Synthese des Glycerins. Man verseift Allylchlorid zu Allylalkohol, lagert unterchlorige Säure an und verseift das entstandene Glycerin-a-chlorhydrin : CH2 = C H C H 2 - O H i ^ S L » CH 2 Cl-CH(OH)-CH 2 -OH
H
' ° » HO-CH 2 -CH(OH) CH2 OH
Es ist interessant, daß auch die erste, ohne technische Ziele verwirklichte Totalsynthese des Glycerins durch FEIEDEL und SILVA (1873) vom Propylen ausging, das durch Addition von Chlor und Chlorierung in 1.2.3-Trichlor-propan übergeführt und durch Verseifung mit Wasser in Glycerin verwandelt wurde. Die Struktur des Glycerins ist durch die obigen Reaktionen zur Genüge gestützt. Unter Zuhilfenahme der Erfahrungsregel, daß 2 OH-Gruppen nicht an ein C-Atom gebunden sein können, ergibt sie sich schon aus der Elementarzusammensetzung. Entsprechend dem Vorhandensein von zwei primären Alkoholgruppen kann man aus Glycerin bei vorsichtiger Oxydation mit Salpetersäure eine Monocarbonsäure, die Glyeerinsäure (I), und eine Dicarbonsäure (II), die Tartronsäure, erhalten.
165
Glycerin I
H O · CH2 · CH(OH) · C 0 2 H
II
HOJC-CH(OH)
Glycerlns&ure
COAH
Tartrons&ure
Glycerin ist eine sirupartige Flüssigkeit von süßem Geschmack. Es ist farblos, sehr hygroskopisch, in jedem Verhältnis mit Wasser und Alkohol mischbar, in Äther unlöslich. Völlig wasserfrei erstarrt es beim Abkühlen zu Kristallen vom Schmelzpunkt 18—19°. Der Siedepunkt liegt bei 290°. Fig. 50 zeigt die Flüssigkeits- und Dampfzusammensetzung vonGlycerin-Wasser-Mischungen beim Siedepunkt. Man erkennt daraus den starken, fast 100° betragenden Anstieg des Siedepunkts bei der Entfernung der letzten Prozente Wasser durch Destillation von Glycerin. Das chemische Verhalten von Glycerin ist ganz durch seine dreifache Alkoholfunktion gegeben. Es liefert z . B . drei Reihen von Estern, je nachdem die Esterifizierung sich auf eine, zwei oder drei Hydroxylgruppen erstreckt. 300 —ι ι—ι—ι—ι—ι—ι—ι—r Der Übergang von Glycerin in Acrolein durch Wasserabspaltung wurde bereits S. 156 erwähnt; das vermutlich primär entstehende Enol lagert sich sofort zur Aldehydgruppe u m : H O · CHJ · C H (OH) · C H 2 · O H — • CH2 = CH· CH =
HSO
O
im ι ι ι ι ι *τ ι ι ι Glycerin wird technisch für sehr viele Zwecke 0 10 20 30 iü 50 SO 70 SO % 100 gebraucht, so in der Kunstharz-, NahrungsmittelG/ycerín » und Tabakindustrie und bei der Fabrikation von Fig. 50 Druckfarben. Sein Hauptanwendungsgebiet ist jedoch die Herstellung des wichtigen Explosivstoffs Glycerintrinitrat (meist fälschlich Nitroglycerin genannt) CH 2 (0-N0 2 )-CH(0-N0 2 )-CH 2 (0-N0 2 ), das 1847 von S O B R E R O in Turin entdeckt wurde.
Nitroglycerin wird erhalten, wenn man Glycerin vorsichtig in ein gut gekühltes Gemisch gleicher Gewichtsteile konzentrierter Schwefelsäure und Salpetersäure (D: 1,52) so einfließen läßt, daß die Temperatur 30° nicht übersteigt. Das Nitroglycerin scheidet sich oben auf der Säure als farbloses ö l ab, das nach dem Waschen mit Wasser und Sodalösung beständig ist. Das Einatmen des Dampfes verursacht Kopfschmerzen. Das spezifische Gewicht von Nitroglycerin ist 1-601 bei 15°; beim Abkühlen erstarrt es leicht zu dimorphen Kristallen vom Schmelzpunkt 2° bzw. 13°. Durch Stoß oder Schlag explodiert Nitroglycerin überaus heftig unter ausschließlichem Zerfall in gasförmige Produkte: 2 C s H 5 ( 0 - N 0 2 ) s = 6 C 0 2 + 5 H 2 0 + 3N 2 + V , O t .
Bei der Verseifung mit Alkalien liefert es Glycerin und Alkalinitrat. Flüssiges Nitroglycerin eignet eich unter anderem wegen seiner Stoßempfindliclikeit nicht zur technischen Verwendung. Mischt man es nach einem Vorschlag von ALÏRED NOBEL (1866) mit Kieselgur, so bildet sich eine teigige Masse, das Dynamit, das gewöhnlich aus 75% Nitroglycerin und 25% Kieselgur besteht. Gurdynamit wird heute nicht mehr verwendet. Durch Lösen von 7 — 8% Kollodiumwolle (s. bei Cellulose) in Nitroglycerin erhält man ein elastisches Gel, die Sprenggelatine, die vor dem Dynamit den Vorzug besitzt, daß sie nach der Verpuffung keinen festen Rückstand hinterläßt. Die Explosion der Sprenggelatine verläuft sehr rasch („brisant") ; deshalb ist Sprenggelatine f ü r Schußwaffen unbrauchbar, da diese gegen einen so plötzlichen Druck nicht genügend widerstandsfähig sind. Dagegen sind „Nitroglycerinpulver" aus etwa 20—30% Nitroglycerin und 70—80°/ 0 Kollodiumwolle ( B a l l i s t i t , C o r d i t ) f ü r schwere Geschütze unentbehrlich. Auch Glykoldinitrat („Nitroglykol") 0 2 N - 0 - C H 2 - C H 2 - 0 - N 0 s wird technisch dargestellt. Es wird hauptsächlich im Gemisch mit Nitroglycerin verwendet, um den Schmelzpunkt des Nitroglycerins herabzusetzen.
166
Acyclische Verbindungen
Die Halohydrine, die sich vom Glycerin ableiten, verdienen wegen ihrer vielseitigen synthetischen Verwendbarkeit Erwähnung. Durch Einleiten von Chlorwasserstoff in 2 % Eisessig enthaltendes Glycerin bei 100° werden die beiden primären Hydroxylgruppen ersetzt, und man erhält 1.3-Dichlor-propanol-(2) (auch Glycerin-a-dichlorhydrin oder Dichlorhydrin schlechthin genannt) C1CH2-CH(0H)'CH2C1 als Flüssigkeit vom Siedepunkt 175°. Das isomere 2.3-Dichlor-propanol-(l) C1CH2·CHC1 · CH 2 · OH (/3-Dichlorhydrin) erhält man durch Addition von Chlor an Allylalkohol. Es siedet bei 182°. Beide werden durch Alkali in das gleiche Oxyd H2C
CH- CHjCl
N /
Epichlorhydrin
übergeführt, eine chloroformartig riechende Flüssigkeit vom Siedepunkt 118°. Der von B E E T H E L O T stammende Name 1 hat den Ausgangspunkt für die Bezeichnung der Äthylenoxyde als Epoxyde und für die Präfixbezeichnung epoxy- für ringförmig gebundenen Sauerstoff gebildet. Salzsäure spaltet das Epichlorhydrin zu α-Dichlorhydrin auf. Eine wichtige technische Anwendung findet Epichlorhydrin in den sogenannten Epoxydharzen, die durch Behandeln bifunktioneller Phenole mit Epichlorhydrin und Alkali entstehen. Hierbei reagieren die Phenolhydroxyle sowohl mit dem Halogen als auch mit der Oxydgruppe: CHS O-CHj-CH-CHJ-O — OH
^
0 · CH,· CH· CH2· O — CH,
OH
Durch Zusatz von Di- und Triaminen können endständige Oxydgruppen vernetzt werden. Fette und öle Diese Substanzen, denen wir schon bei der Besprechung der Seifen (S. 81) begegnet sind, kommen in der Natur in sehr großer Menge vor. Die drei Hydroxylgruppen des Glycerins sind bei diesen Verbindungen durch höhere Fettsäuren, hauptsächlich Palmitinsäure, Stearinsäure und Ölsäure, esterifiziert2. Derartige Triester des Glycerins bezeichnet man als Glyceridc. Die natürlich vorkommenden Glyceride sind keine chemischen Individuen, sondern stets Gemenge, die häufig eine sehr große Zahl verschiedener Glyceride enthalten. Glyceride mit einem hohen Prozentgehalt an gesättigten höhermolekularen Fettsäuren sind bei gewöhnlicher Temperatur fest und werden als Fette bezeichnet. J e nach der Konsistenz, die durch den Schmelzpunkt der Glyceride und das Mengenverhältnis an gesättigten und ungesättigten Bestandteilen bestimmt wird, unterscheidet man harte Fette (Rinder- und Hammeltalg, Kokosfett) und weiche Fette (Butter, Schweineschmalz). Die bei Zimmertemperatur flüssigen ö l e 3 zeichnen sich im allgemeinen durch Reichtum an ungesättigten Fettsäuren aus. Fette und öle sind leichter als Wasser, 1 Von grch. έττ! = zusätzlich, dazu. Gemeint war offenbar ein „weiteres, zusätzliches" Chlorhydrin. 2 Die Kenntnis des Aufbaus der Fette verdankt man den 1813 begonnenen grundlegenden Untersuchungen von CHEVREUL (1786—1889). 3 Wohl zu unterscheiden von den ganz anders zusammengesetzten „ätherischen" ölen, die mit Wasserdampf flüchtig sind.
Fette und öle
167
nicht unzersetzt destillierbar und nicht flüchtig mit Wasserdampf. Sie lösen sich schwer in Alkohol, dagegen leicht in Äther, Chloroform, Benzin und Schwefelkohlenstoff. Auf synthetischem Wege kann man Triester des Glycerins am einfachsten erhalten, indem man Glycerin und Fettsäure im Molekularverhältnis 1:3 unter vermindertem Druck auf 200° erhitzt, bis kein Wasser mehr entweicht. Die so darstellbaren Glyceride sind einfache Glyceride, an deren Aufbau jeweilig nur eine einzige Fettsäure beteiligt ist, z. B. Glycerintripalmitat (meist kurz „ T r i p a l m i t i n " genannt) CgH^O· CO-C16H31)3. Dagegen sind die natürlich vorkommenden Fette und öle ganz überwiegend Gemenge gemischter Glyceride, die verschiedene Fettsäuren im gleichen Glyceridmolekül enthalten. Aus Butter hat man z. B . Glycerin-oleo-palmito-butyrat CgH^O · CO · 0 1 7 Η Μ )(0 • C0-C 1 5 H 3 1 )(0-C0-C 3 H 7 ) isolieren können, aus Schweineschmalz Glycerin-oleo-palmitostearat C 3 H 8 (0-C0-C 17 H 3 3)(0-C0-C 16 H 31 )(0-C0-C 17 H3 6 ). Die direkte Zerlegung von Fetten in ihre Glyceridkomponenten durch fraktionierte Kristallisation ist mühselig, verlustreich und unvollständig. Gewöhnlich beginnt man daher die Konstitutionsaufklärung eines Fettes mit der Verseifung. Die freien Fettsäuren trennt man dann in der bei Ölsäure angegebenen Weise über die Bleisalze in feste gesättigte und flüssige ungesättigte Säuren, worauf man ζ. B . in die Methylester verwandelt, fraktioniert destilliert und die verseiften Fraktionen gegebenenfalls weiteren Reinigungsoperationen unterwirft. Diese Methode gibt natürlich nur einen Überblick über die Zusammensetzung der Gesamtfettsäuren. H I L D I T C H hat verschiedene Verfahren angegeben, wie man Aufschluß über die Verteilung der Säuren in den einzelnen Glyceridkomponenten erhalten kann. Man kann ζ. B . die Fette mit Kaliumpermanganat behandeln, wobei die gesättigten Glyceride unangegriffen bleiben, während Glyceride mit ungesättigten Säuren an der Doppelbindung gespalten werden: /O · CO · [CH2], · CH : CH · [CHJ,· CHS ,0 • CO · [CHJ, · CO,Η CsH.fO-CO-C^H,, C s H,fO-CO-C u H 3 1 + CH 3 .[CH 2 ],-C0 2 H. \0-C0-C 1 6 H s l \OCO·
Es entstehen also Glyceride mit freien Carboxylgruppen, die man mit Alkalien ausschütteln kann. Die Trennung der zurückbleibenden gesättigten Glyceride bereitet dann schon wesentlich geringere Schwierigkeiten. Das Ergebnis dieser Untersuchungen ist, daß in vielen Fetten die gesamten vorhandenen Fettsäuren sich bemerkenswert gleichmäßig über die gesamten Glycerinmoleküle verteilen. Dies hat bei dem meist beträchtlichen ölsäuregehalt der meisten Fette einerseits zur Folge, daß fast alle natürlich vorkommenden Glyceride mindestens einen ölsäurereat enthalten, und führt andererseits dazu, daß einfache Glyceride wie Tripalmitin oder Triolein als Fettbestandteil gewöhnlich erst dann auftreten, wenn durch starkes Uberwiegen einer einzigen Fettsäure eine solche Gleichverteilung nicht mehr für alle Glycerinmoleküle möglich ist. Unsymmetrische, optisch-aktive Glyceride RjO •CH2-CH(ORl)-CH2-ORa sind synthetisch erhalten worden1. Bei natürlichen Glyceriden ist eine gleichartige Aktivität schwer nachzuweisen, weil die Drehung klein ist, aktive Verunreinigungen, ζ. B. Steroide, nicht auszuschließen sind und verzweigte Fettsäuren, ζ. B. die „Ante-iso"Säuren C2H5-CH(CH3) . . . C0 2 H, ebenfalls zu Aktivität Anlaß geben.
Der prozentische Anteil einzelner Fettsäuren an den Gesamtfettsäuren verschiedener Fette und öle ist aus der umstehenden Tabelle (S. 168) ersichtlich. Obwohl die Hauptmenge der natürlich vorkommenden Fettsäuren gemäß dieser Tabelle aus normalen geradzahligen Fettsäuren besteht, hat man doch mit Hilfe besserer Trennungsmethoden neuerdings das Vorkommen kleiner Mengen ungeradzahliger und verzweigter Säuren mit Sicherheit festgestellt. Eine besondere Stellung nehmen unter den Fetten Butter und Kokosfett ein, da an ihrem Aufbau auch niedere, mit Wasserdampf f l ü c h t i g e F e t t s ä u r e n beteiligt sind. 1
Siehe dazu neuerdings W.
SCHLENK JR.,
Angew. Chemie 71, 39 (1959).
Acyclische Verbindungen
168
Schweine- Rindertalg fett Buttersäure Capronsäure Caprylsäure Caprinsäure Deoen-(9)-säure-(l) Laurinsäure Dodecen- (9) -säure- ( 1 ) Myristinsäure Tetradecen-(9)-säure-(l) Palmitinsäure Hexadecen-(9)-säure-(l) Stearinsäure Ölsäure Linolsäure Linolensäure Cgg ungesättigt Ca ungesättigt
—
—
—
—
—
—
—
—
—
0-1
—
—
2-3 —
25-6 3 14-9 42-2 13-8 —
\ 11.2 2
Ì
2-0 0-4 26-9 1-9 26-5 391 1-7 —
01
—
Butter 30 1-4 1-5 2-7 0-3 3-7 0-4 12-1 1-6 25-3 4 0 9-2 29-6 3-6 —
1 0-3
Waltran
Olivenöl
Leinöl
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
6-3 3-7 18-2 13-3 2-4 38-4 — —
11-4 6-3
0-5
10 1 3 77 8-5 —
—
ca. δ —
ca. 5 ca. 25 ca. 18 ca. 46
—
—
—
—
Wenn man Butter mit Kalilauge verseift, die entstandenen fettsauren Salze mit verdünnter Schwefelsäure zersetzt und anschließend destilliert, so verflüchtigen sich mit dem Waeserdampf praktisch nur Buttersäure bis Caprinsäure, während die höheren Fettsäuren höchstens in Spuren übergehen. Zweckmäßig entfernt man die höheren Fettsäuren vor der Destillation in Form ihrer unlöslichen Magnesiumsalze. Da flüchtige Säuren aus anderen tierischen oder pflanzlichen Fetten durch Verseifung kaum erhalten werden, so gibt die alkalimetrische Bestimmung der Fettsäuren im Destillat einen wichtigen Anhaltspunkt für das Vorliegen von Butter oder Kokosfett. Da Buttersäure in Wasser beträchtlich leichter löslich ist als ihre Homologen, ist auch eine einfache analytische Unterscheidung zwischen Butter und Kokosfett möglich. Hierauf gründet sich eines der üblichen Verfahren zur Unterscheidung von Butter und Margarine (einem Gemisch von tierischen und pflanzlichen Fetten mit Milch, vorzugsweise Magermilch). Für die Herstellung von Margarine ist, um ihren Nachweis zu erleichtem, ein Zusatz von Stärke oder Sesamöl gesetzlich vorgeschrieben. Dieses ist an der Rotfärbung, die es mit Furfural und Salzsäure gibt, leicht zu erkennen ( B A U D O U i N S c h e Reaktion). — Das charakteristische Aroma der Butter ist anscheinend auf Diacetyl (S. 227) zurückzuführen, das durch bakterielle Tätigkeit entsteht und in Butter in Mengen von etwa 1 mg/kg vorhanden ist. Vom ernährungsphysiologischen Standpunkt wichtig ist der Gehalt der Butter an Carotin (S. 450), das die Gelbfärbung der Butter bedingt, und an Vitamin A (S. 451). Ihre Menge beträgt durchschnittlich etwa 10 mg/kg. Unter den fetten ölen spielen Olivenöl, Mohnöl, Mandelöl, Erdnußöl und Leinöl in der menschlichen Ernährung als Speiseöle eine bedeutende Rolle, öle mit einem beträchtlichen Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Linolsäure, Linolensäure, Eläostearinsäure), ζ. B. Leinöl und chinesisches Holzöl (Tungöl), verwandeln sich in dünner Schicht an der Luft durch Oxydation und peroxyd-katalysierte Polymerisation in harte transparente Schichten, die als Firnisse eine ausgedehnte Verwendung finden. Man bezeichnet diesen Vorgang als „Trocknen" und unterscheidet deshalb trocknende und nicht trocknende öle. Die Fette bilden als Nährstoffreserven die wichtigste Form des Energiedepots für den pflanzlichen und tierischen Organismus. So findet man sie im Pflanzenreich vor allem in Samen, Früchten und Keimlingen, während das Depotfett der Tiere vornehmlich im Bindegewebe der Muskeln und der Haut sowie in der Bauchhöhle abgelagert wird. Das vom Menschen und Tier mit der Nahrung aufgenommene F e t t wird nicht unmittelbar als solches gespeichert, sondern im Darmkanal zunächst durch ein von der Pankreasdrüse abgesondertes Enzym („Lipase") in Glycerin und Fettsäuren gespalten. Die resorbierten Spaltprodukte werden dann in der Darmschleimhaut wieder zu solchen Fetten zusammengefügt, die den Bedürfnissen des Organismus am besten entsprechen. Ganz streng spezifisch verfährt allerdings der Tierkörper bei der Auswahl der ihm dargebotenen Fettsäuren nicht. Denn ein gewisser Parallelismus
Fette und öle
169
in der Zusammensetzung des Nahrungs- und Körperfetts ist vielfach beobachtet worden. Über die Art, wie sich dieser Fettumbau vollzieht, ist man noch im unklaren. Doch zeigt die nachfolgende Zusammenstellung, daß zwischen der Zusammensetzung des Körperfetts und der entwicklungsgeschichtlichen Stellung der Tiergattung ein enger Zusammenhang bestehen muß : Zusammensetzung der Fettsäuren in Gewichtsprozent Gesättigte (Palmitinsäure)
Ci.
cM
Süßwasserfische Seefische Wale
23—15 12—15 12—15
20 15—18 15—18
40—45 27—30 35—40
Frosch Schildkröte Eidechse Huhn Ratte Schwein Rind
11 14 18 25—26 24—28
15
52
25—29
27—30
Ungesättigte
9
10 6— 7 7— 8 3
2
65 56 60 60 50—65 40—50
1
C¡»
C22
12 20—25 15—20
0— 5 8—12 5—10 15 7
0-5—1
0-3—0-5 0-3—1
Die Fischöle (Trane) unterscheiden sich hiernach von den Fetten der höheren Säugetiere in charakteristischer Weise durch den hohen Gehalt an Hexadecen-(9)-säure-(l) und an ungesättigten Säuren mit 20 und mehr Kohlenstoffatomen, die bis zu sechs Doppelbindungen im Molekül enthalten können. Daß der tierische Organismus Nahrungskohlenhydrate zu einem erheblichen Teil in Fett verwandelt, ist aus der Tiermast wohl bekannt. Beim Kohlenhydratabbau entsteht über Brenztraubensäure Essigsäure, aus der mit Hilfe von Coenzym A (S. 491) die Fettsäureketten aufgebaut werden. In der Pflanze entsteht das F e t t überhaupt nur sekundär aus Kohlenhydrat. Die Industrie der Fette ist sehr umfangreich. Sie umfaßt die Seifensiederei (S. 81), die Herstellung der Stearinkerzen (S. 82) und die Fabrikation von Margarine 1 . Da in der Margarine-Industrie hauptsächlich feste Fette gebraucht werden und billige öle in großen Mengen zur Verfügung stehen, pflegt man öle (z. B. Baumwollsaatöl und Fischöle) und weiche Fette nach der Erfindung von N O R M A N N (1902) durch katalytische Hydrierung zu „härten". Man versetzt das ö l mit Nickel (früher meist auf Kieselgur niedergeschlagen, jetzt vielfach reines, durch thermische Zersetzung von Nickelformiat erhaltenes Nickel) und leitet unter ständigem Rühren bei 160—180° Wasserstoff ein; dieser wird unter 3—15 Atmosphären Druck glatt aufgenommen und verwandelt die ungesättigten Glyceride teilweise in gesättigte. Besonders günstig ist, daß die hochungesättigten Säuren der Fischöle und Waltrane hierbei eher angegriffen werden als die Ölsäure. Hierdurch wird der anscheinend durch diese Säuren verursachte Trangeruch beseitigt, ohne daß das Fett vollkommen gesättigt wird, was wegen des hohen Schmelzpunktes der gesättigten Glyceride unerwünscht wäre. Die bevorzugte („selektive") Hydrierung der mehrfach ungesättigten Säuren beruht wahrscheinlich auf ihrer stärkeren Adsorption am Katalysator. "Über die Struktur der dabei entstehenden einfach ungesättigten Säuren ist noch wenig Sicheres bekannt. Auch Ölsäure selbst kann bei der katalytischen Hydrierung Veränderungen durch teilweise Umwandlung in ihr Stereoisomeres, die feste Elaidinsäure, und in Isomere mit anderer Lage der Doppelbindung erfahren. Diese festen ungesättigten Säuren, die man in der Technik unter dem Sammelbegriff „IsoÖlsäuren" zusammenfaßt, können zum Nachweis gehärteter öle dienen, da sie in der Natur bisher nicht gefunden sind. 1
Der Name stammt von μάργαρον = Perle.
170
Acyclische Verbindungen
Chinesisches Holzöl, in der Hauptsache ein Glycerid der dreifach konjugierten Eläostearinsäure (S. 155), liefert bei der Hydrierung das Glycerid der bei 38° schmelzenden trans-Octadecen-(ll)-säure-(l) CH3- [CH 2 ] 6 · CH = C H · [CH2] β · C0 2 H. Diese findet sich in geringer Menge in tierischen Fetten. Eine etwas unreine Säure ist unter dem Namen Yaccensäure beschrieben worden. Analytisch sind für die Charakterisierung der Fette und öle die Verseifungszahl (zur Verseifung von 1 g Fett erforderlich mg KOH) und die Jodzahl (von 100 g Fett addierte g Jod) von Bedeutung (vgl. S. 121).
Vier- und h ö h e r w e r t i g e A l k o h o l e Die normalen Alkohole mit vier und mehr Hydroxylgruppen treten in mehreren stereoisomeren Formen auf, deren Beziehungen sich aus der Konfiguration der Zucker ergeben, deren Reduktionsprodukte sie sind (S. 237). Name und Konfigurationsbezeichnung dieser Alkohole sind so zu wählen, daß sie mit den Zuckern entsprechenden Namens übereinstimmen 1 . Man trifft mehrwertige Alkohole vielfach im Pflanzenreich an, so den vierwertigen Erythrit HO-CH 2 -CH(OH)-CH(OH)CH 2 -OH in Algen und Flechten. Adoniskraut enthält den fünfwertigen Ribit (Adonit) C 5 H 12 0 6 , dessen Stereoisomere Arabit und Xylit sind. Von den sechswertigen Alkoholen C e H 14 O e finden sich Sorbit in Vogelbeeren, Dulcit und Mannit in verschiedenen Mannaarten. Der geradkettige Bau dieser Alkohole wurde schon frühzeitig durch Reduktion mit Jodwasserstoffsäure bewiesen. Hierbei entsteht ζ. B. aus Erythrit 2-Jod-butan CH 3 ·CHJ ·CH 2 · CH3, aus Mannit 2-Jod-hexan CH3 · CHJ · CH 2 · CH 2 · CH 2 · CH 3 . I
H-C-OH
I
I
HO-C-H
I
H-C-OH
H-C-OH
H-C-OH I CHJ-OH Ribit (Adonit)
H-C-OH
I
CH 2 .OH
I
H-C-OH
I
HO-C-H
I
H-C-OH
I
H-C-OH I CHJ-OH D-Giucit (Sorbit)
I I
D- Arabit
CHJ-OH
I
H-C-OH
H O - CI - H
I
HO-C-H
I
H-C-OH Dulcit
H-C-OH
I
HO-C-H
I
H-C-OH I 2.OH CH Xylit
I
HO-C-H
I
HO-C-H
H - CI - O H
I
H-C-OH
I
D-Mannit
Im Gegensatz zu den einwertigen Alkoholen, die keinen sauren Charakter besitzen, zeigen die Polyhydroxylverbindungen infolge der induktiven Wirkung der „elektronegativen" Hydroxylgruppen die Natur äußerst schwacher Säuren (k: etwa 1 Sorbit darf deshalb nicht, wie häufig geschieht, D-Sorbit genannt werden, denn er entspricht konfigurativ der L-Sorbose.
171
Polyamine
IO -14 ). Sie sind imstande, Alkalisalze zu bilden, die durch Wasser nicht vollständig hydrolysiert werden. Z. B. löst sich der in Wasser schwer lösliche Mannit spielend in Alkalilaugen, Dulcit liefert mit einem Überschuß von Natronlauge ein Mononatriumsalz usw. Noch stärkere Säuren sind die komplexen Kupferverbindungen der Polyhydroxylverbindungen : während Dulcit durch eine unzureichende Menge Wasser bei Gegenwart von 1 Mol NaOH nicht vollständig gelöst wird, geht er auf Zusatz von Kupferhydroxyd als komplexe Kupferalkaliverbindung mit tiefblauer Farbe in Lösung (W. T R A U B E ) . AUS derartigen Lösungen wird das Kupfer nicht durch Alkali, wohl aber durch H 2 S gefällt. Sehr interessant ist auch die Komplexbildung der mehrwertigen Alkohole mit Borsäure in wäßriger Lösung. Solche Lösungen zeigen nämlich im Gegensatz zu der recht schwachen Borsäure ein ansehnliches Leitvermögen, was auf die Bildung einer stärkeren Säure schließen läßt. Auf diese Erscheinung werden wir später zurückkommen (vgl. S. 391). Gleich dem Glycerin und den Zuckern zeichnen sich die obigen Verbindungen durch süßen Geschmack aus. Sorbit, durch katalytische Hydrierung von Glucose erhältlich, findet unter dem Namen Sionon als Zuckerersatz für Zuckerkranke Verwendung.
Ein verzweigter vierwertiger Alkohol ist der Pentaerythrit C 5 H 12 0 4 , der aus Acetaldehyd und Formaldehyd durch Aldol-Kondensation und gleichzeitige CANNizzAROsche Reaktion entsteht: HO-CH2 /CHj-OH CH3 · CHO + 4 CHjO + H20 = >C< + HC02H HO · CR./ CHa- OH Sein Tetranitrat ist ein wichtiger Sprengstoff. Polyamine und Hydroxyamine
Als polyfunktionelle Verbindungen haben Diamine eine erhebliche synthetische Bedeutung. Das einfachste Diamin, Äthylendiamin H^-CHj-CE^-NHj, aus Äthylenchlorid und alkoholischem Ammoniak darstellbar, ist eine ammoniakalisch riechende Flüssigkeit vom Kp: 116-5°. Die nach Ammoniak und Sperma riechenden Basen Cadaverin (1,5-Diamino-pentan) H2N · CH2· [CH2]3 · CH2· NH2 und Putrescin (1,4-Diaminobutan) HjN-CE^· [CH2]2-CH2-NH2 entstehen bei der Fäulnis von Fleisch durch Abspaltung von C0 2 aus Lysin und Ornithin unter der Einwirkung bakterieller Aminosäure-Decarboxylasen (S. 268). Man hat diese Verbindungen früher wegen ihres Auftretens bei der Leichenfäulnis zu den L e i c h e n g i f t e n (Ptomainen) gerechnet, sie aber später als verhältnismäßig harmlose Begleiter anderer Gifte erkannt. Ihre Struktur ist auf synthetischem Wege bewiesen worden. Für die Synthese des 1,5-Diamino-pentans geht man. von 1,3-Dibrom-propan aus, das bei der Behandlung mit Kaliumcyanid 1,3-Dicyan-propan liefert. Dieses wird mit Natrium und siedendem Alkohol oder technisch mit Raney-Kobalt reduziert, wodurch beide Cyangruppen in CH2-NH2 übergehen, also ein Diamin entsteht: BrCH2 · CH2 · CH2Br —• NC · CH2 · CH2 · CH2 · CN —• H2N · CH2 · CH2 · CH2 · CH2 · CH2 · NH2. Erhitzt man das salzsaure Salz des 1,5-Diamino-pentans, so gibt es ein Molekül Salmiak ab und geht in ein heterocyclisches Imin, das Pipcridin (S. 518), über, welches das Verhalten eines gesättigten sekundären Amins zeigt: CH°
HQ-CH,-CH,ci
a
HjC— Ο · Ρ0(0· C,Hj) · O • CHj · CHjCl Η— ¿—ι% H2 1 HjC—O · PO · O · CHa · CH2CI]aBa Qleoylchlorld _ I Qo Pyridin H—C—OH
Trimethylamin
H2¿—OH I C17H33 · CO - O—C—Η Φ
I
(CH,)SN · CH;! · CHj-0 · (0)P · 0—CHg Ó® B-a-Dioleoyl-lecithin Verbindungen vom Typus der Distearinphosphorsäure C 17 H 35 · CO · O · CH 2 · CH(0 · CO · Cj 7 H 35 ) · CH2 · O · PO(OH) 2 („Phosphatidsäuren") sind auch in der Natur als Calciumund Magnesiumsalze in grünen Blättern und in Weizenkeimlingen gefunden borden. Man kennt auch Lecithine mit nur einem Fettsäure-Rest. Sie bewirken Hämolyse und heißen deshalb Lysolecithine. Durch Säuren und Alkalien wird aus den Phosphatiden erst der basische Bestandteil, dann die Fettsäure abgespalten, und es hinterbleibt ein Gemisch von «- und /f-Glycerinphosphorsäure, das seine Entstehung einer Umlagerung und Racemisierung verdankt. Die beiden Glycerinphosphorsäuren HO · CH a · CH(OH) · C H 2 - 0 - P 0 ( 0 H ) 2 und (HO-CH 2 ) 2 CH-0-PO(OH) 2 sind stärker als Phosphorsäure (p Kl 1,4) und werden durch Wasser sehr schwer verseift. Das Maximum der Geschwindigkeit (Halbwertszeit bei 100° 5 Stdn.) liegt bei pH 3, d. h. im Gebiet des primären Salzes. Gleichzeitig mit der Verseifung beobachtet man eine Umlagerung, die zu einem Gleichgewicht zwischen den beiden Säuren mit 87 % α-Form führt. Sie beruht vermutlich auf intermediärer Bildung des cyclischen Phosphats I. Die Monomethyl- QJJ Λ x OH ester der Glycerinphosphorsäuren werden durch Alkali zu einem | Gemisch von α- und /S-Glycerinphosphorsäure verseift, was wiederum CH —0 0 durch Bildung der cyclischen Form (OR statt OH) verständlich wird, ^JJ QJJ J a Denn die Triester der Phosphorsäure sind im Gegensatz zu den Diund Monoestern alkaliempfindlich. Vielfach ist angenommen worden, daß die Phosphatide auf dem Wege der Umesterung an der Absorption der Fettsäuren des Nahrungsfetts im Verdauungstrakt beteiligt sind, doch liegen schlüssige Beweise dafür nicht vor. Glycerin ist nicht der einzige
174
Acyclische Verbindungen
ara Aufbau der Phosphatide beteiligte mehrwertige Alkohol. Man kennt Inosit (S. 430) enthaltende Phosphatide, und die namentlich im Gehirn reichlich vorkommenden Sphingomyeline enthalten an Stelle von Glycerin die ungesättigte Dihydroxyaminoverbindung Sphingosin. Die Aminogruppe ist säureamidartig mit einer Fettsäure, vornehmlich Stearinsäure und Lignocerinsäure C ^ H ^ O j , gekuppelt, gleichzeitig ist eine der Hydroxylgruppen wie im Lecithin mit Cholin phosphorsäure verestert: CIVCCEy,,,
/H \ r II c ή / ΝχΟΗ—CH—CH,-OH I I OH NH, Sphingosin
Unter den sonstigen Estern des Choline verdient das Acetylcholin C H 3 - C 0 - 0 - C H 2 •CHj· N(CH 3 ) 3 · O H wegen seiner mächtigen physiologischen Wirkungen eine besondere Erwähnung. Es bewirkt in minimalen Konzentrationen eine Senkung des Blutdrucks, Verlangsamimg der Herztätigkeit und eine Steigerung der Darmperistaltik. Diese Reaktionen sind teilweise typisch für eine Reizung des Vagusnerven. Tatsächlich scheint Acetylcholin als „chemischer Vermittler" eine große Rolle bei der Reizleitung im Nerven zu spielen, da bei der Nervenreizimg kleine Mengen davon in den Endapparaten des Vagus und an den Übergangsstellen (Synapsen) von einer Ganglienzelle zur nächsten ausgeschüttet werden (Loewi, D a l e ) . Die Menge des Acetylcholins in den Organen ist sehr gering (ζ. B. 0,1 mg pro Liter im Blut), da es durch die regulierende Wirkung eines Enzyms (Cholinesterase) außerordentlich rasch wieder zerstört wird. Das Alkaloid Eserin hemmt die Cholinesterase und wirkt daher vaguserregend.
Mehrbasische Säuren Zweibasische gesättigte Säuren Nomenklatur. Wie bei den einbasischen Säuren leiten sich auch die Trivialnamen zweibasischer Säuren häufig von den Substanzen ab, aus denen sie zuerst gewonnen wurden (Oxalsäure, Bernsteinsäure, Korksäure). Die systematischen Namen werden aus Namen der entsprechenden Kohlenwasserstoffe analog wie die der Monocarbonsäuren gebildet : HO5.C· CH 2 · CH 2 · COjHÄthandicarbonsäure-(l,2) oder genferisch Butan disäure. Unter den zweibasischen Säuren kommt denjenigen, die die Carboxylgruppen an den Kettenenden tragen, die größte Bedeutung zu. Ihre Darstellung unterscheidet sich im allgemeinen nicht von denen der einbasischen Säuren. Einer der bequemsten Wege ist häufig die Verseifung der aus geeigneten Dihalogenverbindungen und Cyaniden dargestellten Nitrile. F ü r viele Dicarbonsäuren gibt es besondere Darstellungsweisen, etwa die oxydative Sprengung der Doppelbindung in ungesättigten Säuren: CHj · [CHJ 7 · CH= CH· [CHJ, · COaH -» CH3 · [CHJ, · C0 2 H + H0 2 C · [CHJ, · COaH Ölsäure
Nonansäure
Azelainsäure
oder die oxydative Spaltung leicht zugänglicher Ringverbindungen (Cyclohexanon ->• Adipinsäure, S. 427):
175
Zweibasische Säuren
Die zweibaaischen Säuren sind gut kristallisierte Verbindungen. In ihrem chemischen Verhalten zeigen sie bemerkenswerte Unterschiede gegenüber den einbasischen Säuren auf Grund ihres bifunktionellen Charakters, indem die Carboxylgruppen intramolekular miteinander unter Ringschluß reagieren können, wobei Anhydride oder Ketone entstehen. Diese Erscheinungen, die von allgemeinerer Bedeutung sind, werden auf S. 181 behandelt werden.
Oxalsäure Malonsäure Bernsteinsäure Glutarsäure Adipinsäure Pimelinsäure Korksäure Azelainsäure Sebacinsäure Brassylsäure
H02C· C02H HOjC· c h , - c o 2 h HOjC [CH2]2-C02H H02C [CH2]jCOJH h o 2 c [CHJ 4 .COjH ho 2 c· [CHJs-COfrH HOsC· [0H2]t-C02H H O j C · [CH2]7-C02H ho2C- [CH2],.C02H HOJC· [CH2],-C02H HOjC- [CH2]10.CO2H HOjC· [CH2]11-C02H HO.C· [CH2],2.C02H
Methandicarbonsäure Äthandicarbonsäure Propandicarbonsäure Butandicarbonsäure Pentandicarbonsäure Hexandicarbonsäure Heptandicarbonsäure Octandicarbonsäure Nonandicarbonsäure Decandicarbonsäure Undecandicarbonsäure Dodecandicarbonsäure
g in 100 ml wäßriger Lösung bei 20°
Schmelzpunkt
Formel
Name
189,5 133 183 97,5 153 105,5 140 108 134,5 110 126 112 124
8,6 73,5 5,8 63,9 1,5 5,0
0,16
0,24 0,10
Die physikalischen Eigenschaften der Dicarbonsäuren zeigen eine Reihe interessanter Besonderheiten. Wie bei den einbasischen Säuren beobachtet man beim Schmelzpunkt ein regelmäßiges Oszillieren zwischen höheren Schmelzpunkten der geradzahligen und niedrigeren der ungeradzahligen Säuren, wobei hier die Schmelzpunkte eine im ganzen sinkende Tendenz zeigen. Die Schmelzpunktsdifferenzen geradzahliger und ungeradzahliger Säuren werden mit steigender Kohlenstoffzahl immer geringer. Auch bei den Löslichkeiten findet man, wie aus obiger Tabelle ersichtlich ist, eine gleichartige, mit der C-Zahl abnehmende Oszillation. Die Säuren mit ungerader C-Zahl sind sehr viel leichter löslich als die geradzahligen Nachbarn. VERKADE hat gezeigt, daß derartige Oszillationen nur bei Eigenschaften vorkommen, die mit der Kristallstruktur zusammenhängen. Er fand sie ζ. B . auch bei den Verbrennungswärmen der festen Dicarbonsäuren. Bei den flüssigen Dimethylestern tritt dagegen eine solche Oszillation nicht auf. Zum Unterschied von den Monocarbonsäuren sind es bei den Dicarbonsäuren nur die ungeradzahligen, die in der kristallographischen Elementarzelle zwei Moleküle hintereinander enthalten.
Die zweibasischen Säuren sind durchweg stärkere Säuren als die einbasischen. Außergewöhnlich stark ist die Oxalsäure; bei den Homologen nimmt die Dissoziationskonstante mit wachsender Entfernung der Carboxylgruppen ab (S. 189). Die Dissoziationskonstante k beträgt bei 25° für Oxalsäure etwa 5 X 1 0 - 2 , für Malonsäure 1,67χ10~ 3 , für Bernsteinsäure 6 , 2 1 x l 0 - s . Die deutlich zutage tretende gegenseitige Beeinflussung der Carboxylgruppen wird S. 188 genauer besprochen werden.
190
s e Iah/
7 der
a 9 C-Atome
10 —
Fig. 51. Schmelzpunkte der Säuren 0 n H t n _ 2 0 1
Acyclische Verbindungen
176
Oxalsäure H0 2 C-C0 2 H Oxalsäure und Ameisensäure können wechselseitig ineinander umgewandelt werden. Erhitzt man Natriumformiat auf 400°, so entwickelt sich aus der schmelzenden Masse Wasserstoff, und es bildet sich Natriumoxalat : NaOOC 2HCOONa = I -f Hj. NaOOC Da sich das Oxalat bei dieser Temperatur bereits mit merklicher Geschwindigkeit in Carbonat und CO zersetzt, muß man rasch erhitzen, u m gute Ausbeuten an Oxalat zu erhalten. Die Methode dient auch zur technischen Darstellung von Oxalsäure. Das entstandene Natriumoxalat liefert mit Kalk Calciumoxalat, das mit Schwefelsäure zerlegt wird, und Natronlauge. Diese wird durch Behandlung mit Kohlenoxyd wieder in Formiat verwandelt.
Oxalsäure entsteht bei der Oxydation zahlreicher Kohlenstoffverbindungen durch Salpetersäure und gehört daher zu den am längsten bekannten organischen Verbindungen ; sie kann ζ. B. durch Erwärmen von Zucker mit Salpetersäure auch technisch gewonnen werden. Auch durch die oxydierende Wirkung schmelzender Alkalien auf Sägespäne unter Luftzutritt bei 200—240° entsteht Oxalsäure. Nach diesem Verfahren wurde die Säure früher ausschließlich dargestellt. Andere Bildungsweisen der Oxalsäure, die theoretisches Interesse beanspruchen, sind die Einwirkung von Kohlendioxyd auf Kalium oder Natrium bei einer Temperatur von etwa 360° und die Verseifung ihres Nitrils N C · C N (Dicyan, S. 178). Da Dicyan durch Erhitzen von Quecksilbercyanid entsteht, kommt diese Bildung einer Synthese aus Blausäure gleich. Oxalsäure findet sich in vielen Pflanzen, meist als oxalsaures Calcium. Reich an Oxalsäure sind ζ. B. Rhabarber und Spinat, ferner Sauerklee und Sauerampfer die saures oxalsaures Kalium („Kleesalz'') enthalten. Viele Schimmelpilze, ζ. B. Aspergillus, vermögen reichlich Oxalsäure zu bilden. Die Muttersubstanz scheint hierbei Oxalessigsäure zu sein, die enzymatisch in Oxalsäure und Essigsäure gespalten wird. Auch der tierische Organismus enthält kleine, wohl der Nahrung entstammende Mengen von Oxalsäure. Größere Mengen wirken durch Störung des Calcium-Stoffwechsels giftig. Oxalsäure kristallisiert mit zwei Molekülen Kristallwasser, das bereits bei etwa 30° langsam zu entweichen beginnt. Die wasserfreie Säure (Schmelzpunkt 189-5°) sublimiert bei vorsichtigem Erhitzen. Bei raschem Erhitzen zerfällt Oxalsäure in C0 2 und die Zerfallsprodukte der Ameisensäure, CO und H j O ; bei vorsichtigem Arbeiten lassen sich auch kleineMengen Ameisensäure erhalten. Zerfall nach H0 2 C-C0 2 H = COa + HCOjH beobachtet man auch beim Erhitzen von Oxalsäure in Dioxan-Lösung oberhalb 120° und bei der Einwirkung von ultraviolettem Licht auf wäßrige Lösungen. Die thermische Zersetzung wäßriger Lösungen verläuft bei 100° noch überaus langsam (Halbwertszeit ca. 30 Tage); bei höherer Temperatur bilden sich in größerer Menge C0 2 , Ameisensäure, CO und H 2 . Eine glatte Zersetzung nach H0 2 C-C0 2 H = C02 + CO + H¡¡0 tritt bei der Einwirkung von Sonnenlicht auf Uranylsalz enthaltende wäßrige Lösungen von Oxalsäure 1 sowie beim Erwärmen von Oxalsäure mit konzentrierter Schwefelsäure ein. E s ist besonders bemerkenswert, daß die letztgenannte Reaktion in wasserfreier Schwefelsäure (Wassergehalt < 0 - 6 % ) viel rascher als in gewöhnlicher konzentrierter Säure verläuft. Sie wird also offenbar erst bei sehr hoher Protonen-Aktivität katalytisch beschleunigt. 1
Die Reaktion verläuft wahrscheinlich über eine Komplexverbindung :
lyuojCAW = uoa(C,o4) + co2 + co + H2O.
Oxalsäure
177
Während Oxalsäure gegen Salpetersäure bemerkenswert beständig ist, wird sie in Gegenwart von Katalysatoren von vielen Oxydationsmitteln leicht angegriffen. Sie wird schon beim Schütteln der wäßrigen Lösung mit (eisenhaltiger) Blutkohle und Sauerstoff langsam zu C 0 2 und Wasser verbrannt ( F r e u n d l i c h , Wabbubg). Ihre Oxydation durch Kaliumpermanganat findet in der Maßanalyse Anwendung: 1 Molekül Oxalsäure erfordert 1 Atom Sauerstoff: C s Hj0 4 + O = 2 CO, + HjO. Ein lichtempfindliches System, in dem Oxalsäure durch Hg(II) oxydiert wird, ist die EDSBSche Lösung. Sie besteht aus einem Giemisch von 2 Volumen einer 4%igen Ammoniumoxalatlösung und 1 Volumen einer 5%igen Sublimatlösung. Im Dunkeln bleibt sie unverändert. Unter dem Einfluß des Lichtes zersetzt sie sich aber nach der Gleichung : 2 HgCl, + (NH^CjO« = 2 HgCl + 2 CO, + 2 NH4C1. Die Kalomelausscheidung ist der Intensität des absorbierten Lichts und der Zeit proportional (Verwendung als „Aktinometer"). Diese Reaktion wird durch F e m - I o n e n sowie Spuren gewisser fluoreszierender Stoffe (ζ. B. Eosin) stark beschleunigt.
Von den Salzen der Oxalsäure sind nur die Alkalisalze in Wasser löslich. Analytisch wichtig ist das in Wasser und Essigsäure unlösliche Calciumoxalat. Als zweibasische Säure vermag die Oxalsäure saure und neutrale Salze zu bilden. Auch sogenannte T e t r a o x a l a t e , die durch Vereinigung eines Moleküls sauren Salzes mit einem Molekül Säure entstehen, sind bekannt. Als solches ist Kaliumtetraoxalat K H C 2 0 4 · H 2 C 2 0 4 · 2H 2 0 zu nennen, das einen Bestandteil des Kleesalzes bildet. Zahlreiche mehrwertige Metalle treten mit Oxalsäure zu komplexen Anionen zusammen; die Alkalisalze dieser Komplexe sind meist in Wasser löslich. Derivate der Oxalsäure Den Dimethyl- und Diäthylester der Oxalsäure erhält man leicht durch Destillieren von Lösungen der Oxalsäure in den betreffenden Alkoholen. Während der Diäthylester flüssig ist, bildet der Dimethylester bei 54° schmelzende Kristalle. Man kann mit seiner Hilfe reinen Methylalkohol darstellen. Die Esterbildung von Oxalsäure mit Glycerin h a t einmal f ü r die Darstellung von Ameisensäure und Allylalkohol Interesse besessen. Wasserfreie Oxalsäure gibt mit überschüssigem Glycerin saures (I) und neutrales (III) Glycerinoxalat. Das saure Oxalat verliert beim Erhitzen Kohlendioxyd und bildet Glycerinmonoformiat (II), aus dem m a n die Ameisensäure durch Erhitzen mit mehr Oxalsäure abtreiben kann. Der beliebig wiederholbare Prozeß läuft auf eine thermische Zersetzung der Oxalsäure in Kohlendioxyd und Ameisensäure in Glycerin als Medium hinaus. Der neutrale Ester spaltet oberhalb 200° 2 C0 2 ab und bildet Allylalkohol (IV). CHj-O-OC-COjH
I
CH,· 0 · OC· CO,H
CHj-O-OCH
II CHj-O-CO
III Holleman-Klehter, Organlache Chemie. 37. — 41. Auflage
CH,
CH,· OH IV 12
178
Acyclische Verbindungen
Die Ester der Oxalsäure, namentlich der Diäthylester, besitzen Bedeutung für mannigfache Synthesen unter Vermittlung der Estergruppen. Oxalylchlorid ClOC-COCl kann durch Einwirkung von 2 Mol Phosphorpentachlorid auf 1 Mol Oxalsäure erhalten werden. Es ist eine farblose Flüssigkeit vom Siedepunkt 64°, welche bei —12° zu farblosen Kristallen erstarrt. Beim Zusammenbringen der Dämpfe von Oxalylchlorid und Wasser bilden sich Oxalsäure und Salzsäure. Wird Oxalylchlorid aber in flüssiges Wasser gebracht, so zerfallt es quantitativ in Kohlendioxyd, Kohlenoxyd und Salzsäure. Aluminiumchlorid zerlegt es schon bei Raumtemperatur in CO und Phosgen. Das Diamid HjN-OC-CO-NHj, Oxamid, ist eine in Wasser, Alkohol und Äther so gut wie unlösliche Substanz, die sich beim Zufügen von Ammoniak zur Lösung des Oxalsäurediäthylesters abscheidet. Die erstaunliche Schwerlöslichkeit ist offenbar eine Folge sehr ausgesprochener Wasserstoffbrücken-Bildung an beiden Carbonamid-Gruppen. Das Rristallmolekül ist völlig eben. Das gleiche Löslichkeitsverhalten zeigen übrigens fast alle Dicarbonsäureamide. Die Monoamide zweibasischer Säure führen den Namen Amidsäuren. Das Monoamid der Oxalsäure HO-JC-CO-NHJ heißt also Oxamidsäure. Sie bildet Kristalle vom Schmelzpunkt 210°, die in kaltem Wasser schwer, in Alkohol unlöslich sind. Zu den merkwürdigsten Derivaten der Oxalsäure gehört ihr Dinitrii |N=C-C=NI, gewöhnlich als Cyan oder Dicyan bezeichnet. Es bildet bei Raumtemperatur ein Gas, was nicht so ganz überraschend ist, wenn man an das ähnlich konstituierte Diacetylen denkt. Cyan wurde zuerst 1815 von GAY-LUSSAC durch Erhitzen von Quecksilbercyanid Hg(CN)2 erhalten. GAY-LUSSAC betrachtete das Cyan als das freie Radikal der „Cyan-Verbindungen" und bereitete damit die nachmalige Radikaltheorie vor. Besser als aus Quecksilbercyanid kann man Cyan so darstellen, daß man eine Lösung von Kaliumcyanid in eine Kupfersulfatlösung einfließen läßt. Das Kupfer(II)-cyanid, das zunächst entstehen sollte, zersetzt sich sofort in Kupfer(I)-cyanid und Cyan: 4 KCN + 2 CuSO« = 2 KjSO, + 2 CuCN + (CN)„ eine Reaktion, die ganz analog der Einwirkung von Kaliumjodid auf Kupfersulfatlösung verläuft, wobei Kupfer(I)-jodid und freies Jod entstehen. Freie Blausäure kann durch Luft bei 100° bei Gegenwart von Cu(II)-salzen direkt zu Cyan oxydiert werden. Als Nitrii der Oxalsäure gibt sich das Cyan durch die folgenden Reaktionen zu erkennen. Es entsteht aus oxalsaurem Ammonium sowie aus Oxamid beim Erhitzen mit einem wasserentziehenden Mittel (P 2 0 5 ). In Salzsäure gelöstes Cyan geht unter Aufnahme von 4 Mol Wasser in Oxalsäure und Ammoniak über. Cyan besitzt einen eigentümlichen, stechenden Geruch und ist sehr giftig; zu einer Flüssigkeit verdichtet, siedet es bei —21°. Bei —27 · 9° ist es fest. Wasser löst etwa 4—5 Vol., Eisessig etwa 80 Vol. Cyan verbrennt mit purpurgesäumter Flamme. Es ist eine stark endotherme Verbindung (ΔH 2 a s = + 7 3 kcal/Mol). Trotzdem zersetzt es sich erst bei Rotglut langsam in seine Elemente. Cyan zeigt in Bildung und Eigenschaften eine gewisse Ähnlichkeit mit den Halogenen. Kalium kann wie im Chlorstrom, so auch in einer Atmosphäre von Cyangas verbrennen. Dabei entsteht KCN. Leitet man Cyan in Kalilauge, so entstehen Kaliumcyanid KCN und Kaliumcyanat KOCN; es besteht also völlige Analogie zur Bildung von KCl und KCIO beim Einleiten von Chlor in Kalilauge. Silbercyanid ist ebenso wie Silberchlorid ein weißer Niederschlag von käsiger Beschaffenheit, in Wasser und verdünnten Säuren unlöslich, in wäßrigem Ammoniak löslich. Wegen der auch bei den Ionen CNS® und N s ® anzutreffenden Ähnlichkeit mit den Halogeniden spricht man wohl auch von „Pseudohalogenen".
Malonsäure
179
Malonsäure (Methandicarbonsäure) HOgC-CHg-COjH Nächst Oxalsäure ist Malonsäure die wichtigste der aliphatischen Di carbonsäuren. Das Verfahren zu ihrer Darstellung ist gleichzeitig für ihre Struktur beweisend. Beim Kochen von Chloressigsäure (S. 193) mit Kaliumcyanid entsteht Cyanessigsäure, das Mononitril der Malonsäure, das beim Verseifen der Nitrilgruppe in Malonsäure übergeht: CHJCL-COOH —>- CHJ- CH¡, aN /b \
\ i
ols-
tram-
Man bezeichnet die Gruppierung I I I als cis (lat. = diesseits), IV als trans ( = jenseits). Es bleibt nunmehr noch die Aufgabe, die oben für Malein- und Fumarsäure angenommenen Konfigurationsformeln I und I I zu beweisen. Maleinsäure bildet, wie wir gesehen haben, ein Anhydrid, Fumarsäure nicht. Bei Betrachtung der Formeln I und I I fällt auf, daß in I die Carboxylgruppen nahe beieinander stehen, in II dagegen weiter voneinander entfernt sind. Da die freie Drehbarkeit durch die Doppelbindung aufgehoben ist, werden daher nur bei der Säure mit der cis-Formel die Carboxylgruppen miteinander leicht in Reaktion treten können: HG—COO|H
II
,J
HC—CO|OH Maleinsäure
HC—CO.
II
>0.
HC—CO/
Hieraus würde also folgen, daß F u m a r s ä u r e d u r c h II, M a l e i n s ä u r e d u r c h I v e r a n s c h a u l i c h t w e r d e n m u ß . Diese Auffassung entspricht in der Tat auch dem sonstigen Verhalten der beiden Säuren. Wir werden dies S. 219 noch näher bestätigt finden. An der Aufklärung der hier besprochenen, von VAN'T HOFF richtig gedeuteten IsomerieErscheinungen war unter anderem JOH. WISLICENUS (1836—1902) hervorragend beteiligt. Er bezeichnete diese Art der Isomerie als geometrische Isomerie. Heute unterscheidet man sie meist als cis-trans-Isomerie von der optischen oder Enantiostereoisomerie. In physikalischer Beziehung unterscheiden sich cis-trans-Ieomere von den optischen Isomeren durch das Fehlen von optischer Aktivität; denn die vier Gruppen a und b liegen in einer Ebene, die eine Symmetrieebene des Moleküls ist. In optischen Isomeren sind die relativen Abstände gleicher Atome einander gleich; bei den cis-trans-Ieomeren ist dies nicht der Fall, daher unterscheiden sich ihre physikalischen Eigenschaften (Schmelzpunkt, Dichte, Refraktion) erheblich. Die Bestimmung der Konfiguration der beiden Äthylendicarbonsäuren wurde unter der Annahme durchgeführt, daß nur räumlich nahe Atomgruppen miteinander in Reaktion zu treten vermögen. Zum Unterschied von der optischen Isomerie (S. 41), wo die optische Aktivität selbst einen untrüglichen Fingerzeig auf den Bau des Moleküls gibt, ist es hier also ein ohemisches Argument, das zur Konfigurationebestimmung dient. Solche Schlüsse können mitunter trügerisch sein, wenn bei der betreffenden Reaktion eine sterische Umlagerung erfolgt. Deshalb ist es wichtig, daß auch für die Aufklärung der geometrischen Isomerie physikalische Methoden herangezogen werden können. Bei einfach gebauten Verbindungen gibt die Bestimmung des Dipolmoments Aufschluß über die Konfiguration. Man kann in ähnlicher Weise wie oben beim Äthylenchlorid (S. 183) schließen, daß von den beiden Formen des Dichloräthylens nur die cis-Form (I) ein endliches Moment zeigen darf, während die trans-Form (II) das Moment 0 besitzen muß. Dies wurde in der Tat von EBBERA gefunden. H—C—Cl
Cl—0—H
H—iLOl
H—H—Cl
I
II
Eine Bestätigung dieser Konfigurationsformeln hat man auch durch Elektronenbeugung erlangt. Danach ist der Abstand der Cl-Atome der Erwartung entsprechend beim trans-Isomeren größer (4-27 A) als beim ois-Isomeren (3-22Â).
186
Acyclieche Verbindungen
Maleinsäure besitzt als Bestandteil von Kunstharzen großes technisches Interesse. Ihre technische Darstellung aus Benzol durch Luftoxydation über V 2 0 6 ist auch stereochemisch einleuchtend: /V Benzol
+ 2CO, •co 2 h
Das bei 52° schmelzende Maleinsäureanhydrid ist als ein „halbes Chinon" eine LEWis-Säure, d. h. ein Elektronenaeceptor, und gibt mit geeigneten Donatoren wie Hexamethylbenzol farbige „chargetransfer-Komplexe'' (vgl. S. 390).
Fumarsäure ist in kleinen Mengen im Pflanzen- und Tierreich weit verbreitet und ein häufiger Bestandteil von Pilzen. Maleinsäure ist in der Natur bisher nicht gefunden worden. Beide sind gut kristallisiert, unterscheiden sich aber in bemerkenswerter Weise durch Schmelzpunkt und Löslichkeit. Maleinsäure schmilzt bei etwa 138° und löst sich spielend in Wasser. Fumarsäure sublimiert bei 200°, ohne zu schmelzen, und ist in Wasser schwer löslich. Sie wird also im Kristall durch stärkere Kohäsionskräfte zusammengehalten als Maleinsäure. Die Erklärung der cis-trans-Isomerie aus den Eigenschaften der π-Elektronenbindung läßt erwarten, daß die beiden Stereoisomeren nicht unbegrenzt stabil sind, sondern ineinander umgelagert werden können, wenn die Doppelbindung durch Energiezufuhr oder durch Anlagerung und Wiederabspaltung vorübergehend in den Zustand einer einfachen Bindung versetzt wird. Diese Umwandlungen sind im Fall der Maleinsäure sehr eingehend studiert. Fumarsäure entsteht ζ. B., wenn man Maleinsäure einige Zeit über den Schmelzpunkt erhitzt, wenn man sie bei Zimmertemperatur mit konzentrierten Halogenwa&serstoffsäuren in Berührung bringt oder wenn man eine konzentrierte Maleinsäurelösung, mit etwas Bromwasser versetzt, dem Sonnenlicht aussetzt. Maleinsäureäthylester wird durch Spuren von Jod in Fumarsäureester umgewandelt. Allgemein wirken solche Verbindungen umlagernd, die sich an die Doppelbindung anzulagern vermögen, jedoch genügt ganz allgemein vorübergehende Entkopplung der π-Elektronen. Denn metallisches Kalium, das keine definierte Verbindung mit Maleinsäuremethylester gibt, lagert diesen doch glatt in Fumarsäureester um ( M E E R W E I N ) . Fumarsäure ist also die stabilere Modifikation, eine für trans-Formen häufig bestätigte Regelmäßigkeit. Fumarsäure geht durch Destillation in Maleinsäureanhydrid über, weil die Destillation eine ständige Gleichgewichtsverschiebung bewirkt. Durch ultraviolettes Licht lassen sich Fumarsäure und Maleinsäure wechselseitig ineinander umwandeln; von beiden Seiten kommt man zu einem „stationären" Zustand 1 . Maleinsäureanhydrid lagert sich leicht an Kohlenwasserstoffe mit konjugierten Doppelbindungen an. Wir haben bereits beim Butadien gesehen, daß durch Carbonylgruppen aktivierte Doppelbindungen mit konjugierten Doppelbindungen leicht eine „DienSynthese" eingehen. Dies gilt sowohl für Maleinsäure als auch für Fumarsäure. Die mit Maleinsäureanhydrid unter Ringschluß entstehenden Dicarbonsäureanhydride kristallisieren häufig ausgezeichnet. Man besitzt daher in diesen, ,Dien-Synthesen" ein viel benutztes analytisches und synthetisches Hilfsmittel (s. z. B. S. 326, 428, 444, 478, 479, 504). Nach Untersuchungen von S Z E N T - G Y Ö R G Y I , K R E B S , M A R T I U S U. a. kommt der Fumarsäure auch biologische Bedeutung zu. Bei der „Zellatmung" (d. h. Oxydation) wird durch Enzyme Wasserstoff des Nährsubstrats (ζ. B. Zucker) über eine Reihe von Zwischenstoffen schließlich an molekularen Sauerstoff übertragen und zu Wasser verbrannt. Einer dieser Zwischenstoffe ist die Fumarsäure. Sie kann in der Zelle in reversibler 1 Das stationäre photochemische Gleichgewicht ist verschieden vom rein thermischen (sich im Dunkeln einstellenden) Gleichgewicht und wird nur vermöge der Absorption von Strahlungsenergie aufrechterhalten.
187
Dissoziationskonstanten zweibasischer Säuren
Reaktion (Zi FJ98 = + 20 kcal) aus Bernsteinsäure entstehen, indem diese in Gegenwart von wasserstoffaufnehmenden Stoffen durch ein Ferment (Succinodehydrogenase) dehydriert wird (S. 270), und steht ihrerseits wieder mit Äpfelsäure und Oxalessigsäure im Gleichgewicht (s. Citronensäurecyclus, S.225). Maleinsäure kann bemerkenswerterweise die Fumarsäure im Zellgeschehen nicht ersetzen, sie setzt im Gregenteil durch Blockierung einer SH- Gruppe der Succinodehydrogenase die Zellatmung herab. Fälle von geometrischer Isomerie ungesättigter Carbonsäuren haben wir früher schon im Fall der Crotonsäure (trans) und Iso ero tonsäure (cis) sowie der Ölsäure (cis) und Elaidinsäure (trans) kennengelernt. In diesen Fällen war die Feststellung der Konfiguration weniger einfach. Seitdem die Erfahrung gezeigt hat, daß Säuren mit einer dreifachen Bindung bei vorsichtiger katalytischer Teilhydrierung nur die einfach ungesättigte Säure mit cisStellung der Substituenten geben, was nach unseren theoretischen Vorstellungen vom Mechanismus der katalytischen Hydrierung auch plausibel erscheint, ist diese Methode häufiger zur Konfigurationsbestimmung verwendet worden. Tetrolsäure gibt so Isocrotonsäure, Stearolsäure Ölsäure, Acetylendicarbonsäure Maleinsäure. Dissoziationskonstanten zweibasischer Säuren Daß die zweibasischen Säuren stärker als die einbasischen sind, wurde bereits S. 175 kurz erwähnt. Auch der Einfluß der Doppelbindung, die den sauren Charakter der Fettsäuren verstärkt, findet sich bei den zweibasischen Säuren in gesteigertem Maße wieder. Eine weitere Zunahme der Säurestärke ist schließlich bei Einführung einer dreifachen Bindung zu verzeichnen. Acetylendicarbonsäure H0 2 C-C ; C-C0 2 H ist in bezug auf ihre Stärke mit der Schwefelsäure vergleichbar.
Oxalsäure Malonsäure Bernsteinsäure Glutarsäure Adipinsäure Pimelinsäure Korksäure Maleinsäure Fumarsäure
»C
^ · 105
k¡ • 10'
25 25 25 25 25 25 25 25 25
5360 167 6-21 4 - 1 3-7 3 ·1 3 0 1200 95-7
542 20 23· 1 31 6 38-7 37-7 39 5 6 0 413
989 835 26 12 9 8 7 20000 23
9 9 6 2 6
Die Änderung des py bei der Neutralisation einer einbasischen Säure H X durch eine Base ΒΟΗ, ihre „Neutralisationskurve", läßt sich leicht aus dem Massenwirkungsgesetz berechnen. Es ist (in Normalitäten gerechnet) die Gesamtkonzentration der Säure C = H X + X, ferner nach der Forderung der Elektroneutralität Β + Η = Χ + OH und mit H - X / H X = k
β _)_ H—OH
1
= C 1 + Hjk' Setzen wir die linke Seite gleich y und formen um, so folgt
und Ph = Pi +
1ο
8
y \~y-
Die Funktion log y/l—y („logistische Funktion") hat die Gestalt einer S-Kurve. Da Β im aligemeinen groß gegen Η und OH ist, gibt die Gleichung angenähert auch die Änderung des pjj mit der Menge der zugesetzten Base wieder.
188
Acyclische Verbindungen
Eine etwas eingehendere Betrachtung erfordern die Dissoziationsverhältnisse der zweibasischen Säuren H X H . Hier haben wir eine Dissoziation der 1. und 2. Stufe HX-H+ rs+ *1 = HXH HXzu unterscheiden, die sich teilweise überlagern werden. Für die Neutralisationskurre ergibt sich jetzt 2—y k, = H y 1-y H 1—y oder umgeformt Man braucht jetzt mindestens 2 Wertepaare yon y und H , um Jfcj und k t gesondert zu ermitteln. Eine graphische Lösung erhält man, wenn man H* —— und Ξ ^—- gegeneinander aufträgt. Vereinfacht gilt f ü r H ^ k t
H
¿i = für
*
-
Y Z y · also
= p k i + log
^
also p H = Pife, + log
An der in Fig. 66 wiedergegebenen Neutralisationskurve ^ der Malonsäure erkennt man deutlich 3 Wendepunkte, von denen der mittlere die 1. und 2. Dissoziationsstufe voneinander trennt. Ist ύ, ^ ca. 16 kit so gehen die Kurven der beiden Stufen ohne Wendepunkt ineinander über. Dieser Fall ist bei der Bernsteinsäure nahezu realisiert. Wir haben bis hierher die Dissoziationsverhältnisse der zweibasischen Säuren so behandelt, als ob in 1. Stufe nur eine bestimmte saure Gruppe allein dissoziierte. Berücksichtigt man jedoch im allgemeinen Fall die Existenz zweier verschiedener einwertiger Anionen H X - und X H - (aus statistischen Gründen im Fall symmetrischer, aus strukturellen im Fall unsymmetrischer Säuren), so ergibt eich das kompliziertere Gleichgewichteschema HXq2 / y \\> * \ \ V T T _ n> 12 ΛΠ~ Η1 mit vier „wahren" Konstanten q. Man findet jetzt bei gleicher Ableitung wie oben y-1 Î2 = H(1 + qjq'j 2 - y h = 1 + ftfó 1 - 2 / ' Über das Verhältnis qjq'2 läßt sich ohne zusätzliche Daten nichts sagen. Setzt man den einfachsten Fall zweier völlig symmetrischer und unabhängig voneinander dissoziierender Säuregruppen, also ?i = 2j = qí = q'¿, so sind die „praktischen Konstanten" = 2qlt k2 = kl:ki ist also in diesem Fall gleich 4. Das Verhältnis ist aber, wie die Tabelle auf S. 187 lehrt, in Wirklichkeit immer viel größer. Dies ist qualitativ unschwer verständlich. Man kann annehmen, daß das Carboxyl wie jede andere negative Gruppe1 die Dissoziation einer Carbonsäure um so stärker begünstigt, je geringer die Entfernung zwischen beiden Gruppen ist. Ist jedoch einmal das erste Η-Ion abdissoziiert, so wird das zurückbleibende Anion ΗΧΘ seinerseits viel schwieriger dissoziieren, weil die bereits vorhandene negative Ladung durch ihre Anziehung das positive Η-Ion zurückhält. Dieser Einfluß macht sich natürlich um so mehr geltend, je näher die negative Ladung dem Wasserstoffatom steht. Ein großes hat auf diese Weise automatisch ein kleines kt zur Folge. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, den Zusammen1 Dieser Begriff ist zuerst von O S T W A L D für solche Gruppen geprägt worden, die, als Substituenten in ein Molekül eingeführt, dessen sauren Charakter verstärken, also die Dissoziationskonstante erhöhen. Solche negativen Gruppen sind z. B. Halogen, Cyan, Carboxyl, Nitro. Ihr Verhalten wird dadurch verständlich, daß sie fast durchweg Dipolcharakter haben und durch ihren der sauren Gruppe zugewandten positiven Pol einen induktiven Effekt auf die Bindungselektronen des Moleküls ausüben (vgl. a. S. 191).
Muconsäuren
189
hang zwischen dem Abstand der Carboxylgruppen und der Größe der Dissoziationskonstanten quantitativ zu erfassen. Da die zur Äbdissoziation eines H-Ions erforderliche Arbeit mit der Dissoziationskonstanten durch die Beziehung A = Ä T l n f c + const, verknüpft ist, stellt offenbar At—A1 = RT In
den Mehraufwand f ü r die Äbdissoziation des zweiten Η-Ions dar. Wie zuerst B J E R R U M 1 gezeigt hat, ist dieser Ausdruck proportional jy^, wo D die Dielektrizitätskonstante dee LösungsΓ-
mittels, ρ der Abstand der Carboxylgruppen ist. Allgemein gilt f ü r die verstärkende Wirkung eines „negativen" Substituenten auf die Dissoziation einer Monocarbonsäure annähernd kjj D-r3 Hier bedeutet fcjj die Konstante der unsubstituierten Monocarbonsäure, h ¡ die Konstante der gleichen Säure nach Einführung einer negativen Gruppe, Ν die LoscHMXDTsche Zahl, e0 das elektrische Elementarquantum und μ das Gruppenmoment der negativen Gruppe. Die nach B J E R R U M berechneten Abstände r sind nicht sonderlich befriedigend. K I B K W O O D und W E S T H E I M E R sind zu besseren Ergebnissen gelangt, indem sie den Molekülen der gelösten Substanz eine Dielektrizitätskonstante D — 2 zuschreiben, so daß die Kraftlinien größtenteils durch das Molekül selbst verlaufen. Mehrlach ungesättigte zweibasische Säuren D i e einfachste Säure m i t zwei Doppelbindungen i s t die Butadiendicarbonsäure(1,4) oder Muconsäure. D i e Theorie läßt für sie drei stereoisomere Formen erwarten, die sämtlich bekannt sind. H C = C < £ HC = C
- | C ^ N - O H + HNO,. Methylnitrolsäure
200
Acyclische Verbindungen
Cyanamid Cyanamid H 2 N-C=N, das man formal als Amid der Cyansäure betrachten kann, wird technisch in Form seines Calciumsalzes (Calciumcyanamid, Kalkstickstoff) in größtem Maßstab durch Glühen von Calciumcarbid im Stickstoffstrom erhalten, wobei man zur Erleichterung der Stickstoffaufnahme 10% Calciumchlorid zusetzt: CaC2 + N2
CaCNj + C
Man kann auch direkt Kalk und Kohle im Stickstoffström miteinander umsetzen. Über die Darstellung von Natriumcyanamid aus Natriumamid wurde schon S. 94 berichtet. Durch Zerlegen von Kalkstickstoff mit Kohlendioxyd und Wasser erhält man freies Cyanamid. Es ist eine farblose, hygroskopische Krystallmasse vom F : ca. 40° und in Wasser leicht löslich. Starke Alliahen verwandeln es zunächst in Harnstoff, der dann selbst der Hydrolyse anheimfällt. Kalkstickstoff wird durch Wasser bei gewöhnlicher Temperatur langsam, rasch in der Hitze unter Druck in Calciumcarbonat und Ammoniak zerlegt: CaCNj + 3 HjO = CaCO„ + 2 NHS und wird, da die gleiche Zersetzung im Boden erfolgt, als Kunstdünger verwendet. Die Addition von Ammoniak an Cyanamid zu Guanidin wird unten besprochen werden. Unter den Salzen des Cyanamids fällt das Silbersalz wegen seiner gelben Farbe und Unlöslichkeit in verdünntem Ammoniak auf, das die meisten anderen Silberverbindungen auflöst. Während Cyanamid in schwach saurer Lösung einigermaßen beständig ist, dimerisiert es sich unter der Einwirkung von Alkalien leicht zu Dicyandiamid H 2 N· (:NH)-NH-CN. Ein technisch ungemein wichtiges Trimeres des Cyanamids ist Melamin NHa
AΝ
Ν II HjN-C
I ONH2
Es wird durch Erhitzen von Dicyandiamid mit flüssigem Ammoniak auf 160° erhalten. Es bildet schmelzbare, beim Erhitzen sublimierende Prismen, ist schwach basisch und kondensiert sich wie Harnstoff mit Formaldehyd zu viel verwendeten Kunstharzen. Harnstoff- und Melaminharze sind fast so wichtig wie Phenol-Formaldehyd-Harze. Guanidin HN:C(NH2)2 Guanidin wurde zuerst aus einer im Guano vorkommenden Purinbase, dem Guanin (S. 559), gewonnen. Man kann es ζ. B. durch Einwirkung von Ammoniak auf Cyanamid (s. o.) erhalten: HjN-CN + NH, = HN: C(NH2)2. Zur Darstellung erhitzt man zweckmäßig Kalkstickstoff mit festem Ammoniumnitrat auf 100°, wobei Calciumnitrat und salpetersaures Guanidin entstehen. Guanidin ist eine in Was se rund Alkohol leicht lösliche, kristallisierende Base, die sich mit 1 Äquivalent Säure zu gut kristallisierenden Salzen (Guanidiniumsalzen) vereinigt und an Stärke den Alkalien vergleichbar ist. An der Luft zerfließt es und zieht begierig C0 2 an. Aus dem Vergleich von Guanidin mit Harnstoff ersieht man, wie sehr die basischen Eigenschaften des Harnstoffs beim Ersatz des Carbonylsauerstoffs durch die Imidgruppe gesteigert werden.
Schwefelkohlenstoff
201
Die Erklärung hierfür ist wahrscheinlich die gleiche wie beim Carboxyl-Ion (S. 75), nämlich Existenz mehrerer äquivalenter Elektronenstrukturen des friia.nidininm.Tnna, zwischen denen Mesomerie (S. 67) besteht:
H\ + / Η
.. / H
\N/
/Ck .. H—ü/
¿
¿
\n/
H
.. /C. H—N/ ^N—H
A A
H xx . . y H N/
H—N^ \N—H.
¿A
Wichtige Derivate des Guanidins sind die später zu besprechenden Aminosäuren Arginin und Kreatin. Semicarbazid Ein Hydrazinderivat der Kohlensäure ist das Semicarbazid HjN · CO · NH· NH a , das am besten aus Kaliumcyanat und Hydrazinsulfat dargestellt wird: HN : G : O + HüN-NHÜ = HjN-OO-NH-NHj. Auch durch elektrolytische Reduktion von Nitroharnstoff kann es gewonnen werden. Es schmilzt bei 96°, reagiert in wäßriger Lösimg neutral und bildet mit 1 Mol Säure gut kristallisierende Salze. Mit Aldehyden und Ketonen vereinigt es sich unter Wasseraustritt zu häufig gut kristallisierten, verhältnismäßig schwer löslichen Verbindungen (Semicarbazonen) : R,CO + HjN-NH-C0-NH2 =
R,C:N-NH-C0NHJ + H 2 0.
Es dient daher zum Nachweis und zur Abscheidung von Aldehyden und Ketonen. Schwefelderivate der Kohlensäure Es sind zahlreiche Verbindungen bekannt, die sich von den im vorhergehenden beschriebenen Kohlensäure-Derivaten durch teilweisen oder vollständigen Ersatz von O durch S ableiten und als Derivate der Thiokohlensäure HjCOjS, Dithiokohlensäure HJCOS2 und Trithiokohlensäure H^CSg betrachtet werden können. Einige der wichtigsten Verbindungen sollen im folgenden behandelt werden. Schwefelkohlenstoff CS2 Diese Verbindung kann man durch Leiten von Schwefeldämpfen über Holzkohle bei 900° direkt synthetisch darstellen. Auch in der Technik wird dieses Verfahren befolgt. Der rohe Schwefelkohlenstoff enthält Schwefel und Schwefelwasserstoff, von denen er durch Destillation befreit wird. Reiner Schwefelkohlenstoff stellt eine stark lichtbrechende, nahezu farblose, ätherisch riechende Flüssigkeit vom Siedepunkt 46· 25° und vom Erstarrungspunkt — 116·8° dar. In Wasser ist er kaum löslich; sein spezifisches Gewicht beträgt 1-2927 bei 0°. E r ist äußerst leicht entzündlich und wirkt eingeatmet giftig, weshalb beim Arbeiten mit ihm Vorsicht geboten ist. Schwefelkohlenstoff besitzt ein hervorragendes Lösungsvermögen für Schwefel, Phosphor, Jod und viele organische Verbindungen. Schwefelkohlenstoff ist eine beständige Verbindung, obgleich er endotherm ist (zlFjjg von flüssigem Schwefelkohlenstoff + 9,8 kcal/Mol). Sein Dampf kann jedoch durch Knallquecksilber zur Explosion gebracht werden. Beim Erhitzen auf Rotglut zerfällt er in die Elemente, allerdings entsprechend seiner endothermen Natur
202
Acyclisohe Verbindungen
nicht vollständig. Wasser spaltet oberhalb 150° in Kohlendioxyd und Schwefelwasserstoff. Von Halogenen wird Schwefelkohlenstoff bei gewöhnlicher Temperatur wenig angegriffen; bei Gegenwart eines Halogenüberträgers entsteht Tetrachlor(brom)kohlenstoff (technische Darstellung). CS2 ist ebenso wie C0 2 ein Säureanhydrid. Durch Addition von Alkali- und Erdalkalisulfiden entstehen die Trithiocarbonate, z. B. : BaS + C S j - B a C S j = Ba[S-CS-S·] Barium trithiocvbonat
Das Bariumsalz ist gelb und in kaltem Wasser schwer löslich. Die freie Trithio· kohlensaure H2CS3 kann aus ihren Salzen durch Säuren als schweres, rotes, zersetzliches öl abgeschieden werden. Ihr Kaliumsalz verwendet man zur Bekämpfung der Reblaus. Äthylxanthogeneäure („Xanthogensäure") ist der O-Äthylester der D i t h i o k o h l e n s ä u r e . Ihr Kaliumsalz entsteht durch Addition von Kaliumäthylat an Schwefelkohlenstoff: CS, + KO-CJH, =
CJHS'O-CS-SK.
Kaliumäthylxanthogenat scheidet sich beim Schütteln von Schwefelkohlenstoff mit alkoholischer Kalilauge in Form gelber, glänzender Nadeln ab. Die freie Xanthogensäure ist sehr unbeständig; sie zerfällt unter stürmischem Aufkochen in Alkohol und Schwefelkohlenstoff. Hierbei wirkt der entstehende Alkohol autokatalytisch beschleunigend. Ihren Namen (von ξανθός = gelb) verdankt Xanthogensäure dem Umstand, daß ihre Salze mit Kupfersulfat unter Reduktion einen gelben Niederschlag von Kupfer(I)-xanthogenat geben, der durch schwarzes Kupfersulfid und andere Produkte verfärbt ist; gleichzeitig entsteht bei dieser Reaktion als Oxydationsprodukt ein Disulfid, das sog. „Dixanthogen" (C,Hj· O-CS-S—)2. Auch andere Alkoholate bilden mit Schwefelkohlenstoff analoge Alkylxanthogensäuren R ' O ' C S ' S H . Besonders wichtig ist die Bildung von Cellulosexanthogenat aus Alkalicellulose. Sie bildet die Grundlage der Kunstseidefabrikation (S. 280). Kohlenoxysulfld COS Diese Verbindung ist ein leicht entzündliches, geruchloses und giftiges Gas und entsteht ζ. B. beim Einleiten von Schwefelwasserstoff in geschmolzenen Harnstoff: H J N - C O - N H J + HJS -
COS + 2 N H S .
Kohlenoxysulfid bildet sich auch, wenn ein Gemenge von CO und Schwefeldämpfen durch ein mäßig erhitztes Rohr geleitet wird. Es siedet bei —60-2° (760 mm); Schmelzpunkt —138-20. Kohlenoxysulfld ist eine exotherme Verbindung (JF 2 9 8 = — 40 kcal/Mol). Es wird von Wasser, in dem es löslich ist, langsam zu C0 2 und H 2 S zersetzt; auch die Zersetzung durch Alkalien ist ein langsam verlaufender Vorgang (Barytwasser wird erst nach einigen Sekunden getrübt). Es vermag mit Alkoholaten Salze zu bilden, die man von der Thiokohlensäure ableiten kann: COS + C2H6-OK =
CAH6-OCSOK.
Thiocyansäure oder Rhodanwasserstoffsäure HCNS Thiocyansäure erinnert in ihren Eigenschaften in vielen Punkten an die Cyansäure. Sie ist jedoch eine starke Säure und gegen Wasser erheblich beständiger. Ihre Salze heißen Thiocyanate oder Rhodanide. Sie sind nicht giftig und kommen in kleinen Mengen im Speichel und im Harn vor. Kaliumrhodanid KCNS entsteht beim Kochen einer Kaliumcyanid-Lösung mit Schwefel. — Siiberrhodanid AgCNS wird aus einer Kaliumrhodanid-Lösung durch Silbernitrat als weißer käsiger Niederschlag gefällt. Es ist in verdünnten Mineralsäuren unlöslich. — Eistn(lII)-rhodanid ist ein empfindliches Reagens auf Eisen(III)-salze; die dunkelblutrote Farbe 1 seiner verdünnten wäßrigen Lösung rührt von dem Ion FeSCN2® her. Es dient als Indikator bei der volumetrischen Silberbestimmung nach VOLHABD, bei der das Silber durch Kaliumrhodanid gefällt wird. — Quecksiiberrhodanid besitzt die Eigentümlichkeit, sich bei der Verbrennung sehr stark aufzublähen 1
Der Name Rhodanid ist von βόδεος = rot abgeleitet.
Rhodanwasseratoffsäure
203
(Pharaoechlangen). Mit Brom in CS2 liefert es HgBr a und Rhodan NCS · SCN, gelbliche Kristalle vom F : —2°. Bhodan ähnelt den Halogenen, wirkt oxydierend und addiert sieh an doppelte Bindungen, ζ. B. entsteht mit Äthylen Äthylendirhodanid NCS · CH2 · CHS· SCN. In mehrfach ungesättigten Verbindungen sättigt Bhodan häufig nur einen Teil der vorhandenen Doppelbindungen ab. Die Kombination der Jodzahl mit der Rhodanzahl gibt daher ζ. B. in der FettAnalyse analytisch wertvolle Aufschlüsse (S. 121). Zur Gewinnung verläßlicher Zahlen bedarf es allerdings einer gewissen Umsicht.
Eine wäßrige Lösung der freien Säure kann man aus Bariumrhodanid und der äquivalenten Menge verdünnter Schwefelsäure erhalten. Die wasserfreie Säure, die man durch Einwirkung von Kaliumhydrogensulfat auf Kaliumrhodanid darstellen kann, ist ein farbloses Gas, das in flüssiger Luft zu einer schneeweißen Kristallmasse vom Schmelzpunkt —110° erstarrt. Von —100° an wandelt sich wasserfreier Rhodanwasserstoff in eine ganze Reihe von Polymeren um, die sich durch Erwärmen wieder zu dem Monomeren depolymerisieren lassen. Beim Behandeln der Salze mit überschüssiger 55%iger Schwefelsäure nimmt Rhodanwasseratoffsäure ein Molekül Wasser auf und zersetzt sich dabei analog wie Cyansäure: HCNS + H 2 0 = NH 3 + COS . Ammoniumrhodanid, aas man technisch unter anderem aus den Waschwässern der Leuchtgasfabrikation gewinnt, lagert sich beim Schmelzen in Thioharnstoff H 2 N-CS-NH 2 um (vgl. die analoge Bildung von Harnstoff, S. 195). Im Gleichgewicht sind bei 160° etwa 30% Thioharnstoff vorhanden, der beim Behandeln der erkalteten Schmelze mit starkem Alkohol zurückbleibt. Er bildet rhombische Kristalle, zeigt einen scheinbaren Schmelzpunkt von 180° (Umlagerung in Ammoniumrhodanid) und löst sich in 11 Teilen Wasser. In Berührung mit HgO spaltet er HjS ab und geht in C y a n a m i d (S. 200) über. Thioharnstoff kann durch Alkylhalogenide oder Dialkylsulfate am Schwefel alkyliert werden. Hierbei entstehen Derivate des tautomeren I s o t h i o h a r n s t o f f s H 2 N*C(SH):NH. Z.B. erhält man mit Äthylbromid das bromwasserstoffsaure Salz des S-Äthyl-isothioharnstoffs : H2Nx ΓΗ2Νν "I® >CS + CjHjBr = > C · S · C ä H s BrQ . H 2 N/ LH2N J Die aus dem Salz mit Katronlauge in Freiheit gesetzte Anhydrobase zerfallt sehr leicht in Äthylmercaptan und Cyanamid: >C-S-C 2 H 6 = H a N-CN + CjH.-SH . HN^ Diese Reaktion stellt ein wichtiges und elegantes Verfahren zur Darstellung von M e r c a ρ t a n e n dar.
Von der Thio cyansäure kennt man im Gegensatz zur Cyansäure zwei Reihen von Derivaten, die Thiocyansäureester R·S·CN und die Isothiocyanate R-N:CS. Thiocyansäurecster entstehen durch Einwirkung von Alkyljodid auf die Salze der Rhodanwasserstoffsäure : C 2 H 6 J + KSCN = CjHJ-S CN + K J .
Sie sind in Wasser unlösliche Flüssigkeiten, die lauchartig riechen und eingeatmet nicht ungiftig sind. Durch Oxydation und durch Reduktion kann man zeigen, daß in diesen Verbindungen das Alkyl in der Tat an Schwefel gebunden ist. Beim Erhitzen gehen sie in Isothiocyanate über; Allylrhodanid C 3 H 5 ·S·CN ζ. B. geht bereits bei der Destillation in das isomere Allylisothiocyanat C3H5 · Ν : CS über. Durch Spuren von Säuren werden sie zu Trithiocyanursäureestern polymerisiert. Isothiocyanate R-N:CS, werden nach dem Allylisothiocyanat, das den eigentümlichen Geruch und Geschmack des Senfsamens verursacht, auch Senföle genannt. Sie entstehen durch Einwirkung primärer Amine auf Schwefelkohlenstoff und Erhitzen der entstehenden Alkyldithiocarbamidsäure mit HgCl2 : C S a + ΟΗ,-ΝΗ,
• CH 3 -NH-CS SH H g C 1 ' > CH a -NH-CS-SHgCl • CH s -N:CS + HgS + HCl.
204
Acyclische Verbindungen
Wegen des heftigen Geruchs der Senföle kann diese Reaktion zum Nachweis primärer Amine dienen. Präparativ setzt man die Alkyldithiocarbamidsäuren besser mit Phosgen um: CH„-NH-CS a H -f C0C12
• CH 3 -N=CS + COS + 2 HCl.
Daß in den Senfölen Alkyl an Stickstoff gebunden ist, ergibt sich aus den folgenden Reaktionen. Unter der Einwirkung von konzentrierter Schwefelsäure nehmen die Senföle Wasser auf und geben primäre Amine und Kohlenoxysulfid: R - N : C S + H 2 0 = R-NHjj + COS . Bei der Reduktion erhält man gleichzeitig ein primäres Amin und ein festes Produkt, das als ein Polymeres des in freiem Zustand unbekannten Thioformaldehyds CH2S betrachtet wird : R*N:CS + 4 H = R-NH a + CH2S . Die Bildung von AllylsenfÖl aus (schwarzem) Senfsamen beruht auf einer enzymatisohen Reaktion. Die Samen enthalten ein eigentümlich gebautes Thiohydroxamsäurederivat der Glucose, das Sinigrin, das durch ein im Senfsamen vorkommendes Enzym Myrosin unter LossEN-Abbau (dem Hydroxamsäure-Analogon des HoFMANNschen Abbaus) in AllylsenfÖl, Glucose und Kaliumhydrogensulfat gespalten wird: S*C H O S
CH-CH?;GC- CH3.CH(OH)-CO, C,H5. Andererseits kennt man zahlreiche Äthersäuren, die an Stelle des alkoholischen Hydroxyls eine Alkoxygruppe enthalten. Zu ihrer Darstellung benutzt man fast ausschließ-
206
Acyclische Verbindungen
lieh den bequemen Weg über die Halogenfettsäureester, die man ζ. B. mit Natriumäthylat umsetzt und anschließend verseift: C1CH,· CO, ·CJH5 + NaO-CjHj
Ο,Η,ΟσΗ,ΟΟ,Ο,Η,
C,H50-CH,C0,H.
Äthoxyeasigsäure In ihrer Beständigkeit gegen verseifende Mittel erweisen sich diese Äthersäuren als echte Äther. Durch Säurechloride wird das alkoholische Hydroxy! der Hydroxysäuren verestert. Auf einer analogen Veresterung beruhen auch die charakteristischen Reaktionen, die die Hydroxysäuren auf Grund der gleichzeitigen Anwesenheit von Hydroxylund Carboxylgruppe in ihrem Molekül mit sich selbst eingehen können. Die Art der Reaktionsprodukte wird hierbei durch die Stellung des Hydroxyls in ähnlicher. Weise beeinflußt, wie wir es früher bei den Halogenfettsäuren festgestellt haben. Die Hydroxysäuren spalten nämlich sehr leicht Wasser ab, vielfach schon beim Aufbewahren, regelmäßig beim Erhitzen für sich oder mit Katalysatoren. γ- und ¿-Hydroxysäuren reagieren intramolekular und gehen in Lactone (S. 210) über; ζ. Β. liefert y-Hydroxy-buttersäure Butyrolacton: CH, · CH, · CH, · CO
¿H
CH, · CH, · CH, · CO
¿ - H - O - V — O ^ 3H Die Wasserabspaltung aus /9-Hydroxysäuren führt zu ungesättigten Säuren: CH,-CH(OH)-CH,CO,H — H , 0 = CH,· CH = CH-CO,H. /i-Hydroxy-buttersäure Crotoneäure
«-Hydroxysäuren und viele Hydroxysäuren mit weiter entferntem Hydroxyl liefern schließlich lineare Polyester (sogenannte „Estolide"), die meist Gemische von mehreren Polymer-Homologen darstellen, ζ. B. : CH,· CH(OH) · CO · O · CH(CH,) · COtH
Lac ty lmilc hsäure
CH, · CH( OH) · CO · O · CH(CHS) · CO · O · CH(CH,) · CO,Η.
Lactyl-lactyl-milchaäure Diese Polyester sind flüssige oder feste Produkte, die sich bei der Destillation unter Bildung flüchtiger ringförmiger Produkte zersetzen. Die bekannteste Reaktion dieser Art ist die Bildimg von Lactid (S. 208), das man durch Erhitzen von Milchsäure über das Zwischenstadium der Lactylmüchsäure erhält: CH,CH-OH
I
COOH
HOOC
I
HO CH CH,
CH,· C H — 0 — CO
ι
I
CO—0—CH CH,
+2H,0.
Lactid
Nach der obigen Strukturformel ist dieses Anhydrid ein zweifacher Ester. In der Tat wird es auf gleiche Weise wie ein Ester durch Kochen mit Wasser oder verdünnten Säuren verseift und geht dadurch wieder in Milchsäure über. Glykolsäure (Hydroxyessigsäure) Diese Säure findet sich in unreifen Weintrauben. Ihre photosynthetische Bildung aus CO, durch die Alge Chlorella hat WARBURG nachgewiesen. Gewöhnlich stellt man sie durch Kochen von Chloressigs&ure mit 1 Mol Kalilauge dar: CH.CICO.H + KOH = CH,(OH)CO,H + KCl oder durch elektrolytische Reduktion von Oxalsäure. Für die technische Darstellung ist Umsetzung von Formaldehyd in saurem Medium mit Kohlenoxyd bei 200° und 5—15 Atm. Druck angegeben worden (Du PONT).
Glykolsäure kristallisiert aus Wasser in Nadeln, die bei 80° schmelzen, und ist in Wasser, Alkohol und Äther sehr leicht löslich. Ihr Ca-Salz ist in kaltem Wasser schwer löslich. Bei der Destillation im Vakuum spaltet die Säure Wasser ab und geht in Glykolid über: CH,· OH HO· OC CH,OCO ι I -»- 2 Η,Ο + Τ I CO OH HO CH, CO· O-CH,.
Milchsäure
207
Milchsäure (α-Hydroxy-propionsSure) Von den beiden möglichen Hydroxypropionsäuren wurde die /3-Hydroxypropionsäure (Hydracrylsäure) und ihre Darstellung aus Äthylenchlorhydrin bereits S. 151 erwähnt. Viel größere Bedeutung besitzt indessen die α-Hydroxy-propionsäure, von SCHEELE 1780 in der Sauermilch entdeckt und daher Milchsäure (acidum lacticum) genannt. CQ Die synthetische Darstellung der Milchsäure ist ohne Interesse, da |2 Milchsäure gärungstechniach durch Vergärung von Kohlenhydraten mit HO—C—H Milchsäure-Bakterien leicht gewonnen werden kann („Milchsäure-Gärung"). I Wie bei der alkoholischen Gärung geht man von Kartoffel- oder Ge- L ( + ) . M u c ^¿ r e treidestärke aus, die zunächst mit Malz verzuckert wird, da die in der Technik verwendeten, im allgemeinen amylasearmen Milchsäure-Bakterien Stärke nicht direkt angreifen. Die Zuckerlösung wird sodann bei 46° mit Lactobacillus Delbrückii in Gegenwart von Calciumcarbonat vergoren. Die Neutralisation der Säure ist nötig, da sie in größerer Menge die Bakterientätigkeit hemmt. Der Bildungsmechanismus, den wir später noch genauer zu erörtern haben werden, läuft auf eine Verwandlung des Zuckers in die Ketosäure Brenztraubensäure hinaus, die durch Wasserstoff liefernde Prozesse unter Vermittlung von Milchsäuredehydrogenase zu Milchsäure reduziert wird: H
CH3C0-C02H Brenztraubens&ure
' ..« C H 3 C H ( O H ) - C O , H Milchsäure
Ein zweiter, über den Ketoaldehyd Methylglyoxal führender Weg, wobei Methylglyoxal eine innere CANNizzABOsche Umlagerung erfährt, sei erwähnt, obwohl seine biologische Bedeutung zweifelhaft ist: CH3-COCHO
H
'°
,
CH3-CH(0H)C02H.
Auch auf chemischem Wege lassen sich aus Zuckern reichliche Mengen von Milchsäure erhalten, indem man z. B. Glucose mit Natronlauge erhitzt. CGHJJOJ
• 2 CH3 · CH(OH) · C 0 2 H .
Milchsäure bildet sich auch bei der künstlichen Säuerung pflanzlicher Materialien, z. B. bei der Herstellung von Sauerkraut und bei dem als Silage bekannten Prozeß der Darstellung von Preßfutter. Milchsäure enthält ein asymmetrisches Kohlenstoffatom und kann daher in zwei optisch-aktiven und einer racemischen Form auftreten. Milchsäurebakterien bilden je nach Basse rechtsdrehende oder linksdrehende Milchsäure. Daß die technische „Gärung8milchsäure" meist fast inaktiv ist, führen manche Forscher (TATTJM, KITAHARA) auf das Vorkommen racemisierend wirkender Prozesse zurück. Das gleichzeitige Vorkommen einer L-Milchsäure· und einer D-Milchsäure-Dehydrogenase könnte z. B. eine solche scheinbare Racemiaierung erklären. Auch der tierische Organismus enthält Fermente, die Zucker in Milchsäure umwandeln können. Diese Milchsäure ist optisch-aktiv, und zwar rechtsdrehend. Sie ist ein mehr oder weniger pathologisches Produkt. Sie entsteht aus Glykogen im arbeitenden Muskel bei unzureichender Sauerstoffversorgung, wenn also der Wasserstoff nicht auf Sauerstoff übertragen werden kann, und gelangt mit dem Blut in den Kreislauf („Fleischmilchsäure") : C(Hj0Oe + HjO 2C*H(03; àB. a t = — 36 kcal; /|FMe = — 48 kcal. Glykogen
L(+ l-Milcheäure
Die Milchsäure-Bildung im tierischen Organismus wird als Glykolyse bezeichnet. L-Milchsäure ist im Organismus nur in kleiner Menge enthalten (etwa 10 mg in 100 cm8 Blut). Erst bei Sauerstoffmangel und in absterbenden Organen findet eine beträchtliche
208
Aoyclische Verbindungen
Anhäufung statt, die schon in der Frühzeit der organischen Chemie ihre Isolierung gestattete (BERZELIUS 1806). Die Reduktion von Brenztraubensäure zu Milchsäure (freie Energie bei pn 7 ΑΈ = — 10,3 kcal/Mol) durch das Enzym Lacticodehydrogenase in der Glykolyse ist exergonisch. Nicht verbrauchte Milchsäure wird endergonisch in einer Umkehrung der Glykolyse wieder in Glykogen zurückverwandelt („Gluconeogenese"). Wasserfreie DL-Milchsäure kann man durch Destillation der wasserhaltigen Gärungsmilchsäure unter stark vermindertem Druck (1mm) erhalten; sie ist kristallisiert und schmilzt bei + 18°. Die im Handel befindliche etwa 90°/oige Säure ist ein geruchloser Sirup, hat das spezifische Gewicht 1 · 21 und schmeckt stark sauer. Beim Konzentrieren der wasserhaltigen Milchsäure unter gewöhnlichem Druck entsteht unter Abnahme des Säuretiters teilweise Lactylmilchsäure CH 3 -CH(0H)-C0-0· CH(CH3) · C0 2 H, die daher einen regelmäßigen Bestandteil der Handelsmilchsäure darstellt. Beim Erhitzen von Milchsäure auf 180—250° im Vakuum spaltet die Lactylmilchsäure Wasser ab und geht in Lactid über, das sich in der Vorlage in schönen Kristallen vom Schmelzpunkt 124° abscheidet (vgl. S. 206). Lactid wird schon durch kaltes Wasser langsam zu Lactylmilchsäure hydrolysiert. Salze der Milchsäure (Lactate). Die Alkalisalze sind in Wasser sehr leicht löslich; ihre etwa 50%ig e n Lösungen haben die Konsistenz von Glycerin. In vielen Fällen können sie als Ersatzmittel an seiner Stelle benutzt werden. Inaktives Z i n k l a c t a t kristallisiert mit 3H 2 0 und dient wegen seines Kristallisationsvermögens zur quantitativen Bestimmung der Milchsäure. Milchsäure findet technische Verwendung in der Gerberei zum Entkalken der Felle, ferner in der Nahrungsmittel- und Kunststoff-Industrie sowie schließlich in der Zahnheilkunde als Ätzmittel. Die Struktur der Milchsäure folgt aus ihrer Synthese aus Acetaldehyd mittels der Cyanhydrin-Reaktion. Beim Erhitzen mit verdünnter Schwefelsäure spaltet sie sich in Acetaldehyd und Ameisensäure; der gleiche Vorgang findet auch beim Erhitzen von Milchsäure auf 300—500° statt: CH,CH(0H)-002H = CHj-CHO + HCOsH. Diese Spaltung ist gewissermaßen eine Umkehrung der Cyanhydrin-Reaktion; viele α-Hydroxysäuren zeigen ein gleiches Verhalten. Wird Milchsäure mit konzentrierter Schwefelsäure erhitzt, so zersetzt sich die primär entstehende Ameisensäure unter Entwicklung von Kohlenoxyd. Durch milde Oxydationsmittel, ζ. B. Wasserstoffperoxyd, wird Milchsäure zu Acetaldehyd und C0 2 oxydiert: CH3-CH(OH)-COjH + O = CHsCHO + C02 + HjO. Diese Reaktion ist für viele a-Hydroxysäuren charakteristisch. Inaktivität der synthetischen, Racemisierung der aktiven Milchsäuren. Während die durch Gärungsprozesse erhaltene Milchsäure, wie wir oben gesehen haben, in der Regel optisch-aktivist, wirdim Laboratorium aus inaktivem AusgangsmaterialnurinaktiveMilchsäure erhalten. Dies ist bei näherer Überlegung leicht einzusehen. Acetaldehyd, der durch Cyanhydrin-Synthese in Milchsäurenitril übergeht, ist völlig symmetrisch gebaut. Der doppelt gebundene Sauerstoff liegt in der gleichen Ebene wie H, C und CH3, das AldehydC-Atom hat trigonale Symmetrie. Bei der Anlagerung der Cyan-Gruppe erfolgt Übergang zu tetraedrischer Symmetrie, indem der Sauerstoff und die Cyan-Gruppe sich nunmehr außerhalb der genannten Ebene symmetrisch zu dieser orientieren. Aus Symmetriegründen sind dabei die (spiegelbildlichen) Anordnungen gemäß Fig. 57 a und b gleich
209
Milchsàure
wahrscheinlich, der Sauerstoff wird ebenso häufig nach der einen wie nach der anderen Seite ausweichen können. Es müssen also gleiche Mengen der beiden Antipoden entstehen. Dies bedeutet nichts anderes, als daß das Reaktionsprodukt optisch-inaktiv sein muß.
Eine ganz ähnliche Überlegung gilt nun für den Fall, daß ein asymmetrisches Kohlenstoffatom durch Substitution entsteht, ζ. B. für die Bildung von «-Brom-propionsäure nac^em> P r o pi o n s & u r e bH/^\COOH ' S a oder Hb durch Brom ersetzt wird, werden wiederum die beiden entgegengesetzt drehenden Säuren entstehen; auch hier ist die Bildungswahrscheinlichkeit in beiden Fällen gleich, die entstehende Säure also optisch-inaktiv. Eine dritte Entstehungsweise eines asymmetrischen Kohlenstoffatoms zeigt das Beispiel der Bildung von Methyläthylessigsäure (I) aus Methyläthylmalonsäure (II)
BT/^XCOOH a u a
a
τ
1
C 2 H S > C < OOOH
τγ 11
CHj Λ300Η C,H 5 > C < COOH b
durch Abspaltung von C02. Methyläthylmalonsäure ist symmetrisch. Auch hier ist also wieder die Wahrscheinlichkeit für die Abspaltung der Carboxylgruppen a und b gleich groß, das Reaktionsprodukt also inaktiv. Obwohl also aus inaktivem Material grundsätzlich nur Racemverbindungen erhalten werden, gibt es doch eine ganze Reihe von Verfahren, um diese Racemverbindungen im Laboratorium in die optischen Antipoden zu zerlegen. Diese Verfahren werden am klassischen Beispiel der Weinsäure besprochen werden. Die aktiven Milchsäuren unterscheiden sich von den früher behandelten optischaktiven Verbindungen wie dem Amylalkohol durch eine größere Leichtigkeit der Racemisation. Das aus ihnen durch Erhitzen auf 150 —200° erhaltene Lactid ist teilweise optisch-inaktiv. Besonders Alkalien wirken in der Wärme auf viele a-Hydroxysäuren racemisierend (ζ. B. Äpfelsäure, Weinsäure). Es ist auffällig, daß sich namentlich solche Verbindungen leicht racemisieren lassen, die noch Wasserstoff am asymmetrischen Kohlenstoff enthalten. Wie wir bereits beim Malonester diskutiert haben (S. 179), entsteht durch Ionisation an dem der Carboxylgruppe benachbarten C-Atom ein mesomeres Carbanion. Dieses kann sich durch „Umklappen" racemisieren. In schwerem Wasser kann gleichzeitig Austausch gegen Deuterium erfolgen. Wie Versuche an der Mandelsäure gezeigt haben (ERLENMEYER 1936, POCKER 1968), brauchen Racemisation und D-Austausch nicht mit gleicher Geschwindigkeit zu erfolgen. Die Rückvereinigung des Carbanions mit Wasserstoff oder Deuterium unterliegt einem kinetischen Isotopen-Effekt. Eine sterische Umlagerung hat man auch bei den Methyläthern von Aldonsäuren in α-Stellung beobachtet. Unter dem Einfluß von Katalysatoren kann eine Racemisierung bestimmter optisch-aktiver Verbindungen vielfach schon bei Zimmertemperatur erfolgen („Antoracemlsation"). WAIDEN fand ζ. B., daß rechtsdrehender a-Brom-propions&ureisobutylester CH3- CHBr · CO, · C4H9 und noch einige andere Verbindungen mit einem an das asymmetrische C-Atom gebundenen Bromatom inaktiv geworden waren, nachdem sie drei bis vier Jahre bei gewöhnlicher Temperatur aufbewahrt worden waren. Das katalytisch wirkende Agens sind in diesem Fall Bromid-Ionen. Die Autoracemisation beruht hier auf der sterischen Umlagerung (S. 210), die die Folge jedes bimolekularen nucleophilen Substituenten-Austausches ist (S. 63) : H o l l e m a n - R l c h t e r , Organische Chemie. 37. — 41. Auflage
14
210
Acyolische Verbindungen CH, H-C-Br
á
Br®
.CH,
Θ BR--
B r — C ^ H + Br®
CO2R
Ricinolsäure Ricinolsäure ist eine ungesättigte Hydroxysäure und besitzt als eine der wenigen in Fetten angetroffenen Hydroxyfettsäuren besonderes Interesse. Sie kommt als Glycerid im Ricinusöl vor, dessen Fettsäuren zu 80°/0 aus Ricinolsäure bestehen. Ihre Konstitution als 12-Hydroxy-ölsäure CHS-TCHSVCHIOHJ-CHJ-CH = CH • [CHJ], · COJH
ist unter anderem durch Oxydation bewiesen worden. Bei der Behandlung mit Permanganat entstehen unter Absättigung der Doppelbindung zwei stereoisomere Trihydroxystearinsäuren, während der Ozonabbau Azelainsäure H0 2 C-[CH 2 ]/C0 2 H liefert. Ricinolsäure schmilzt bei 5° und ist rechtsdrehend. Bei der Einwirkung von konzentrierter Schwefelsäure auf Ricinolsäure bei Raumtemperatur wird die Hydroxylgruppe durch Schwefelsäure verestert ; mit Monohydrat entsteht bei —10° ein „Ricinolsäuredischwefelsäureester", indem sich ein zweites Molekül Schwefelsäure an die doppelte Bindung anlagert: GH,-[CH-,]5·CH(0·SO„H)·CHJ·CH*·CH(0·SO,H)·[GH^L,·G02H . Analoge Vorgänge spielen sich bei der Behandlung von Ricinusöl mit konzentrierter Schwefelsäure ab, gleichzeitig wird das Ricinusöl teilweise verseift. Das mit Natronlauge neutralisierte Reaktionsprodukt heißt ,,Türkischrot öl" und spielt als Netz- und Emulgiermittel eine Rolle in der Färberei (S. 482). Lactone y-Hydroxysäuren spalten, wie schon oben bemerkt, leicht Wasser ab und gehen in y-Lactone über. Ein gleiches Verhalten beobachtet man auch bei ¿-Hydroxysäuren, die ¿-Lactone geben. Man hat hier also ein neues Beispiel für die Leichtigkeit, mit der ringförmige Gebilde von fünf und sechs Atomen gebildet werden (S. 181). Häufig erfolgt die Wasserabspaltung spontan, wenn man die Hydroxysäure aus ihren Salzen in Freiheit setzt. In solchen Fällen sind die Hydroxysäuren selbst nicht bekannt, wohl aber ihre Ester, Salze und Amide. Die Lactone sind beständig gegen kalte verdünnte Sodalösung, werden aber durch warmes Alkali, bei kleinen Ringen sogar momentan, iji die Hydroxysäuren verwandelt. Sie können als die inneren Ester der Hydroxysäuren betrachtet werden. Θ In der mesomeren Grenzform R-C(OQ) = O-R' der aoyolisohen Ester stehen R u n d R ' in „trans". In den Laotonen bis zum Siebenring ist die erzwungene ois-Konfiguration viel energiereicher. Daher rührt die große alkalische Verseifungsgesohwindigkeit dieser Ringe (HTTISGEN).
y-Lactone können auf verschiedene Weise gewonnen werden. Säuren mit doppelter Bindung in β,γ- oder y,¿-Stellung werden durch Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäure in y-Lactone umgewandelt. Bei y,¿-ungesättigten Säuren hängt es von den Substituenten an der Doppelbindung (Wasserstoff oder Alkyl) ab, ob man y- oder ¿-Lactone erhält. Man kann diese Lactonbildung als eine Anlagerung des Carboxyls (bzw. nucleophile Anlagerung des Carboxylat-Ions) an die doppelte Bindung auffassen: R-CH : CH-CHj-CO = Β-ΟΗ-ΟΗ,-ΟΗ,-ΟΟ 1 J \ H 0 0 Auch α,^-ungesättigte Säuren liefern bei anhaltendem Kochen mit verdünnter Schwefelsäure y-Lactone, wobei eine Verschiebung der Doppelbindung vorausgeht.
Lactone
211
Eine andere Methode zur Darstellung von y-Lactonen besteht in der Reduktion der y-Ketonsäuren, deren Synthese später näher besprochen werden wird (S. 286). Bei der säurekatalysierten Einwirkung von Wasser gehen die Lactone langsam in der Kälte, rasch in der Wärme z u m Teil in die betreffenden Hydroxysäuren über: CH,-CH,-CH,-CO + H j O . CHj(OH) · CHj · CHj· CO¡H y-Hydroxy-buttersäure
^
O
^
y-Butyrolacton
Bei y-Lactonen ist auch in verdünnter wäßriger Lösung bei 100° das Gleichgewicht meist weitgehend zugunsten des Lactons verschoben (Butyrolacton 7 5 % , Valerolacton 93°/ 0 ). Die Geschwindigkeit der Gleichgewichtseinstellung und die Gleichgewichtslage der y- und CO CHj CK
CHj—CH 2X X • I C02© CHjBr
Η®
CH s —CII 2X I \C02H CHjBr
Die Konstitution dieser Halogencarbonsäuren ergibt sich daraus, daß sie sich wieder in Lactone zurückverwandeln lassen (S. 192). Lactone addieren ferner Ammoniak, wodurch Amide v o n Hydroxysäuren erhalten werden. /i-Lactone lassen sich nicht auf die gleiche Weise wie die anderen Lactone durch Waseerabspaltung aus den ^-Hydroxysäuren gewinnen, weil das Gleichgewicht völlig auf der Seite der ^-Hydroxysäuren liegt. Man kann sie aber durch Behandlung von /J-Halogencarbonsäuren mit feuchtem Silberoxyd erhalten. Durch kochendes Wasser werden sie sofort in die ^-Hydroxysäuren verwandelt. Das aus Formaldehyd und Keten (S.159) erhältliche j3-Propiolacton 0-CH 2 -CH 2 -C0 schmilzt bei —33.4° und zeigt Kp 1 0 :51°. Es ist eine ungemein reaktionsfähige Substanz. Die Verseifung der /?-Lactone ist dadurch besonders bemerkenswert, daß zwar in alkalischer (und auch, bei anderem Mechanismus, in stark saurer) Lösung die für Ester übliche Acyl-Sauerstoffspaltung eintritt, daß aber in einem mittleren ziemlich breiten pH-Bereich eine langsame Wasserhydrolyse unter Alkyl-Sauerstoffspaltung, also mit W A L D E N s c h e r Umkehrung stattfindet. Die alkal. Verseifungsgeschwindigkeiten sind für /3-Propiolacton, ß- und y-Butyrolacton bei 25° etwa 130,49 bzw. 70 Liter/ mol/Min. Auch aus Hydroxysäuren, bei denen das Hydroxyl von der Carboxylgruppe weit entfernt ist, kann man Lactone erhalten. Diese Lactone haben nicht nur wegen ihrer Kinggröße Interesse, sondern auch wegen des moschusartigen Geruchs, der einigen Gliedern dieser Gruppe eigen ist. Im allgemeinen wird bei der Wasserabspaltung aus solchen Säuren die Estolidbildung sehr begünstigt sein. Man kann sie aber zugunsten der Lactonbildung zurückdrängen, indem man in äußerst verdünnter Lösung arbeitet, weil dadurch die Wahrscheinlichkeit einer Reaktion zwischen mehreren Säuremoleküleri sehr vermindert wird. Auf diese Weise stellt man technisch aus 14-Hydroxy-tetradecan-carbonsäure-(l) das in der Parfumerie als Moschusriechstoff verwendete Exalt olid (I) dar, das von KERSCHBAUM im Angelicawurzelöl gefunden wurde. Das sogenannte Moschuskörneröl aus den Samen einer Hibiscusart enthält ein ungesättigtes, hochgliedriges Lacton Ambrettolid, für das KERSCHBAUM die Formel I I bewiesen hat. CH^CHdu-CO ^ 0 ' I
CH 2 -[CH 2 ],. CH = CH-[CH 2 ] 6 -CO V o ' II
n
.CH 2 · [CH2]9 C O ^ n CO· [CHJ,· CHj ' III
hat gezeigt, daß man hochgliedrige Lactone auch erhalten kann, wenn man die Hydroxysäuren zuerst durch Erhitzen mit wasserabspaltenden Mitteln in die Estolide verwandelt und diese dann unter stark vermindertem Druck destilliert. Vielfach bilden sich bei diesen Prozessen auch dimere Lactone, die man als Ringhomologe des Lactids auffassen kann, z. B. aus lO-Hydroxy-decan-carbonsäure-(l) die Verbindung I I I . Die hochgliedrigen Lactone werden im Gegensatz zu den niedriggliedrigen durch Alkali nicht rascher als die Ester verseift. Hochgliedrige Lactone mit antibiotischer Wirkung finden sich in verschiedenen Bakterien, deren Stoffwechsel ja viel mehr Variabilität als der der höheren Organismen zeigt. Umseitig ist die von R. B. W O O D W A R D aufgeklärte Strukturformel des Magnamycins aus Streptomyees 14* CAROTHERS
212
Acycliflche Verbindungen
balsiedii •wiedergegeben. Es liegt ein Lacton mit mehreren Sauerstoff-Funktionen vor, das glykoeidisch mit eigenartigen Zuckern verknüpft ist. Die Klasse dieser Lactone ist von WOODWARD Mákrolide genannt worden (nach griech. μακρό; = groß und der genferischen Endung -olid für Lactone).
Mehrbasische H y d r o x y s ä u r e n Als wichtigste Vertreter dieser Gruppe sind Äpfelsäure, Weinsäure und Citronensäure zu besprechen. Sie finden sich, wie ihr Name besagt, in Früchten und sind auch sonst im Pflanzenreich weit verbreitet. Sie haben deshalb schon frühzeitig die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gezogen. C. F. W E N Z E L studierte im 18. Jahrhundert ihr Salzbildungsvermögen, und SCHEELE gelang die Darstellung der reinen Säuren aus Früchten. Ihr besonderes Interesse gründet sich nicht allein auf ihre Stellung im pflanzlichen Stoffwechsel. Wir verdanken vielmehr dem eingehenden Studium ihrer Eigenschaften auch eine außerordentliche Erweiterung unserer stereochemisohen Begriffsbildung. Sie nehmen daher auch im Gebäude der theoretischen Chemie einen zentralen Platz ein. Die einfachste hierhergehörige Säure ist die Hydroxymalonsäure oder Tartronsäure H0 2 C· CH(OH) · COjH, die vereinzelt in Pflanzen, auch Gräsern, nachgewiesen ist und sich durch Einwirkung von Salpetersäure auf Glycerinsäure H 0 C H 2 - C H ( 0 H ) C 0 2 H darstellen läßt. Sie schmilzt bei 160° unter Verlust von Kohlendioxyd; die Glykolsäure, die hierbei entstehen sollte, spaltet sofort Wasser ab und geht in ein Polymères des Glykoüds über (S. 206).
Äplelsäure ist die wichtigste Säure in den Früchten der kühleren Zonen und namentlich in unreifen Früchten, ferner in den fleischigen Organen der Succulenten (ζ. B. Fetthenne) und in Tabakblättern reichlich vorhanden. Für ihre Gewinnung eignen sich vorzüglich unreife Vogelbeeren oder Ahornsaft. Sie besitzt die Formel einer Hydroxybernsteinsäure Η020·ΟΗ(ΟΗ)·ΟΗ2·002Η,
wie unter anderem durch Reduktion mit Jodwasserstoffsäure zu Bernsteinsäure bewiesen wurde. Das alkoholische Hydroxyl ist mit PC15 gegen Chlor austauschbar, wobei Chlorbernsteinsäure H0 2 C · CHC1 · CH2 · C0 2 H entsteht, und kann auch durch Acetylierung des Diäthylesters mit Acetylchlorid nachgewiesen werden. Beim Erhitzen von Fumarsäure oder Maleinsäure mit Wasser unter Druck bildet sich inaktive Äpfelsäure, die auf diese Weise dargestellt werden kann. Die Reaktion wird durch die von den Säuren gelieferten Η-Ionen katalysiert. Sie ist umkehrbar, denn, wie bereits früher erwähnt wurde (S. 184), bildet Äpfelsäure beim Erhitzen unter Wasserabspaltung Fumarsäure und Maleinsäure: HOjCCH = CH·CO t H + H , 0 Fumarsäure
H0 8 C-CH(0H)-CH,-C0 2 H; Äpfels&ure
A F ^ = —0,7koal
213
Äpfelsäure, Weinsäuren
Auch die Existenz eines in tierischen Organen vorkommenden Enzyms Fumarase, das die Einstellung des Gleichgewichts katalysiert, wurde schon erwähnt. Die CO,H Formel der Äpfelsäure enthält ein asymmetrisches C-Atom, so daß HO—J—H zwei aktive und eine inaktive Form möglich sind. Die natürliche Äpfelsäure ist in verdünnter wäßriger Lösung linksdrehend und CHj-COjH entspricht in ihrer Konfiguration der linksdrehenden Weinsäure. Ii( —)-ÄpfelsSure Weinsäuren C 4 U e 0 e Weinsäure steht nach ihrer Bruttoformel in naher Beziehung zur Apfelsäure, von der sie sich nur durch den Mehrgehalt eines Sauerstoffatoms unterscheidet. Sie wird dementsprechend durch JodWasserstoffsäure zunächst zu Äpfelsäure, dann zu Bernsteinsäure reduziert. Wie die sogleich zu besprechenden Synthesen ergeben, liegt dieses Sauerstoffatom ebenfalls in Form einer Hydroxylgruppe vor, so daß die Weinsäure als eine Dihydroxybernsteinsäure ΗΟ,Ο-ΟΗίΟΗΐ-ΟΗίΟΗ^ΟΟ,Η zu formulieren ist. Weinsäure zeigt gegenüber den bisher behandelten optisch-aktiven Verbindungen die Besonderheit, daß sie in zwei optisch-aktiven Formen, ( +)- und (—)Weinsäure, und zwei inaktiven Modifikationen (Traubensäure und MesoWeinsäure) auftritt. Die Gesamtzahl der Stereoisomeren beträgt also 4. Die Strukturformeln der inaktiven Säuren ergeben sich folgendermaßen: Durch Addition von Brom an Fumarsäure und Maleinsäure entstehen Dibrombernsteinsäuren, deren Silbersalze beim Kochen mit Wasser gleichzeitig Traubensäure und Mesoweinsäure liefern: CHCO,H
BrCH-COtH HOCHCOjH — v i —>I •COjH BrCH · C02H HOCHCOtH Dieselben Säuren lassen sich ferner aus dem Dialdehyd Glyoxal (S. 226) mit Hilfe der Cyanhydrin-Reaktion darstellen: CH=0
HOCHON
HO-CH.COsH
¿H=0
HO-¿H CN
HO ¿H CO,H'
An der Gleichheit ihrer Strukturformeln ist also nicht zu zweifeln. Die Existenz zweier inaktiver Säuren wird nun erklärlich, wenn wir beachten, daß die Strukturformel der Dihydroxybernsteinsäure zwei asymmetrische Kohlenstoffatome enthält. Die allgemeine Formel einer Verbindimg mit zwei asymmetrischen Kohlenstoffatomen wollen wir mit 0χ(α b c)—C¡{d e f) wiedergeben. Wir nehmen also zunäohst an, daß die an jedes der asymmetrischen Kohlenstoffatome gebundenen Gruppen ungleich sind. Da nun die räumliche Anordnimg der Gruppen abc bzw. def an jedem dieser C-Atome entweder eine Rechts- oder eine Links-Gruppierung sein kann, so sind in einer Verbindung mit zwei „ungleichwertigen" asymmetrischen C-Atomen die folgenden vier Kombinationen möglich: 1
Ο,ίαδο)
rechte
2
rechts
3
4
links
links
(!!j(de/) rechts links links rechte Die Zahl der aktivenlsomerenistdemnachineinemsolchenFallevier. Siekönnensich paarweise (1 mit 3, 2 mit 4) zu Racematen vereinigen, so daß sich zwei inaktive Isomere ergeben. Stereoisomere, die sich zueinander wie die Kombinationen 1 und 2 verhalten, werden als diastereoisomer ( P . J A C O B S O N ) bezeichnet.
Acyclische Verbindungen
214
Sind drei ungleich substituierte asymmetrische C-Atome in einem Molekül vorhanden, so verdoppelt sich die Zahl der optisch-aktiven Isomeren, wird also 2 3 = 8, da dann jede der vier obigen Kombinationen noch mit dem dritten, links- oder rechts-orientierten C-Atom verbunden ist. Allgemein gelangt man zu dem Schluß, daß die Anwesenheit von η asymmetrischen C-Atomen die Existenz von 2" optisch-aktiven Formen bedingt. Dazu treten dann noch 2 n /2 inaktive Verbindungen, die durch Vereinigung von je zwei Antipoden zu erwarten sind.
Von dem obigen allgemeinen Fall unterscheidet sich die Weinsäure dadurch, daß bei ihr die Gruppen an den beiden asymmetrischen C-Atomen gleich sind. Hierdurch werden die Fälle 2 und 4 identisch. Außerdem erkennt man leicht, daß die Kombination 2 ( = 4) optisch-inaktiv sein muß, da sich die Drehungen der rechts-Konfiguration von Cj und der links-Konfiguration von C2 innerhalb des Moleküls gegenseitig zu 0 kompensieren. Da schließlich die beiden aktiven Kombinationen 1 und 3 zu einer racemischen Verbindung zusammentreten können, wird die Gesamtzahl der Isomeren 4, nämlich: C ¿abe)
I
C2(abe)
2
rechts
rechts
rechte
links
3
links
inaktive Kombination von 1 und 3
links
1 und 3 entsprechen offenbar der (+)- und (—)-Weinsäure. Die optisch-inaktive Säure 2 ist die MesoWeinsäure, Traubensäure endlich ist das Isomere 4. I n der herkömmlichen perspektivischen Tetraeder-Darstellung ist Fig. 58 a das Bild einer aktiven Weinsäure mit zwei gleichen Tetraedern (1 oder 3), Fig. 58 b das Bild der Mesoweinsäure mit zwei spiegelbildlichen Tetraedern (2). Daß Traubensäure das Isomere 4 ist, läßt sich am einfachsten dadurch beweisen, daß man sie durch Mischen der Lösungen von (+)- und (—)-Weinsäure zu gleichen Teilen erhalten kann. Sie läßt sich, wie unten gezeigt werden wird, auch wieder in die Antipoden zerlegen. Mesoweinsäure dagegen ist unspaltbar, da sie nur aus Molekülen einer Art besteht; sie ist „intramolekular inaktiv". Die Beschreibung der sterischen Anordnung an asymmetrischen C-Atomen, wie wir sie bisher gegeben haben, bedarf noch einer gewissen Präzisierung, weil besonders in der Stereochemie klare Vorstellungen von Wichtigkeit sind. Um zu einer konventionellen Aussage über den Orientierungssinn einer Gruppierung zu kommen, ihr also eine „Rechts"- oder „Links"-Orientierung zuzuFig. 58 b Fig. 58 a schreiben (was mit einer beobachteten Rechtsoder Links-Drehung zunächst gar nichts zu tun hat!), vergegenwärtigt man sich das C-Atom mit seinen vier Substituenten am besten in der Form eines Lenkrades, wobei drei Substituenten auf dem Rad, der vierte am Ende der Drehachse gelagert seien (Fig. 59 a). Setzt man alsdann fest (woran wir uns in Zukunft halten wollen), daß man auf das Lenkrad von oben blickt, so ist die alphabetische Folge £u->-b--
CH,-C(OH).CH, ì | | +HS-CoA+H® HO,C COjH CO,Η
Oxalessigsäure
Auch der Mechanismus der Citronensäure-Gärung von Kohlenhydraten wird hierdurch verständlich. Aus 1 Mol Glucose entstehen oxtydativ 2 Mol Brenztraubensäure, von denen eines zu Essigsäure decarboxyliert, das zweite durch Kohlensäure zu Oxalessigsäure carboxyliert wird. Dieser Reaktionsverlauf ist durch Markierung mit 1 4 C0 2 für Aspergillus niger recht wahrscheinlich gemacht worden (M. J . JOHNSON, Mitarb. 1954, 1960). Citronensäure kristallisiert mit 1 H 2 0 in Kristallen, die in Wasser und Alkohol leicht löslich sind. Dampft man die wäßrige Lösung bis zu einer Temperatur von 130° ein, so scheidet sich beim Erkalten die wasserfreie Säure in Kristallen vom Schmelzpunkt 153° ab. Sie dient zur Bereitung erfrischender Getränke und bildet die saure Komponente in verschiedenen Heilmitteln; auch im Baum wolldruck findet sie Verwendung. Daß der Citronensäure im Stoffwechsel eine wichtige Rolle zukommt, ergab sich zuerst aus Untersuchungen vonH. A. KBEBS in England (1937). Beim Abbau durch Fermentsysteme, wie sie ζ. B. im Muskel und in der Leber vorkommen, entsteht über verschiedene Zwischenstufen unter anderem a-Keto-glutarsäure: H 0,C · CH, C( OH ) · CH, · C0 2 H .HO,C · CH, · C=CH · CO,H I rt^ I C0,H CO,H CitroDensäure
H0,C · CH, · CH—CH( OH ) · CO,H I CO,H
cis-Aconiteäure
-CH CH—NH/ Imldazol (Qlyoxalln) CH=C.CH, I I CH,C NH Ν Dlmethyl-pyraíol
Glyoxal (Äthandial), OHC-CHO, der einfachste Vertreter der Dlaldehyde (Alkandiale), wurde zuerst 1846 von D E B U S durch Oxydation von Alkohol mit Salpetersäure erhalten. Glyoxal entsteht auch beim Erhitzen von Alkohol mit Selendioxyd auf 200°, beim Überleiten von Äthylen über erhitztes Selendioxyd sçwie bei der Einwirkung von Ozon auf Acetylen. Zur technischen Gewinnung von Glyoxal wird Äthylenglykol in der Dampfphase über Kupferkatalysatoren mit Sauerstoff bei etwa 250—450° oxydiert oder Acetaldehyd mit Salpetersäure umgesetzt.
Durch Eindunsten wäßriger Lösungen erhaltenes Glyoxal ist ein Polymères von unbekannter Molekulargröße. Bei der Destillation des Polymeren mit Phosphorpentoxyd entweicht das Monomere als smaragdgrünes Gas, das sich in einer stark gekühlten Vorlage zu gelben Kristallen verdichtet, die bei noch stärkerer Abkühlung farblos werden. Sie schmelzen bei 15" zu einer gelben Flüssigkeit, die bei 51° siedet. Monomolekulares Glyoxal ist nur kurze Zeit existenzfähig: namentlich durch Spuren Wasser wird die Umwandlung in das Polymere sehr beschleunigt. Glyoxal ist der einfachste Vertreter einer farbigen Verbindung, die nur aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff besteht. Glyoxal zeigt die Reaktionen der Aldehyde, reduziert Silberlösung, verbindet sich mit 2 Molekülen NaHS0 3 und bildet ein Dioxim. Bei der Behandlung von Glyoxal mit Kalilauge entsteht durch eine intramolekulare C ANNIZZ ARO-Reaktion Glykolsäure: CH=0 ¿h=o
+ H,0
COjH •I
Führt man die Reaktion in schwerem Wasser aus, so enthält die gebildete Glykolsäure kein Deuterium in direkter Bindung an Kohlenstoff. Demnach muß, wie es die Hydrid-Verschiebungstheorie von H A M M E T T (S. 107) verlangt, primär ein Wasserstoffatom von einem Kohlenstoff an das Nachbar-Kohlenstoffatom wandern, ohne daß das Lösungsmittel hierbei beteiligt ist. Succindtaldehyd (Butandial) OHC-CH,-CHj-CHO wurde von H A K R I E S durch Ozonbehandlung von Hexadien-(1,5) CH, : CH-CHä-CH,-CH : CH„ das man aus Allyljodid nach der W U B T Z schen Reaktion darstellen kann, erhalten. Hierbei bildet sich unter Sprengung der Kohlenstoffkette ein Ozonid, indem jede Doppelbindung 1 Molekül Ozon aufnimmt: H
yO· Ox
,0· O.
-CH,· CH,· C H / ^ j > C H , .
Dialdehyde und Diketone
227
Das Diozonid des Hexadiens ist eine sirupöse, explosive Flüssigkeit, die eich bei vorsichtigem Erhitzen mit Weisser unter Bildung des Aldehyds zersetzt. Für die Darstellung des Succindialdehyds geht man gewöhnlich von dem heterocyclischen Pyrrol aus. Succindialdehyd besitzt als Ausgangsmaterial für die Synthese von Tropin-Alkaloiden Interesse.
Das Methylhomologe des Glyoxals, Methylglyoxal C H 3 C O C H O , ist ein Ketoaldehyd (s. auch unten). Es bildet sich durch Wasserabspaltung aus Glycerinaldehyd (S. 231); auch Dihydroxyaceton zeigt die gleiche Reaktion: HO -CH,· CH(OH)· CH(X * CH3-CO-CHO + H 2 0. Η O · Olla · CO · CHj · OH
Methylglyoxal kann ferner durch Kochen von Aceton mit Selendioxyd als Oxydationsmittel dargestellt werden. Es scheint technisch in analoger Weise wie Glyoxal durch katalytische Oxydation von Propylenglykol zugänglich zu sein. Methylglyoxal ist eine tiefgelbe, sich leicht polymerisierende Flüssigkeit vom Siedepunkt etwa 72°. Die durch Alkalien sowie durch Fermente bewirkte CANNizzARosche Reaktion führt zu Milohsäure: CH,-CO-CH O + Η,O = CH,CH(OH)CO,H.
Da man aus den Zwischenprodukten der alkoholischen Gärung und der Glykolyse Derivate des Methylglyoxals isolieren kann, hat man Methylglyoxal lange Zeit als ein Intermediärprodukt dieser Prozesse betraohtet. Heute weiß man, daß der Hauptweg der Gärung fiber Glyoerinaldehyd verläuft, der leicht in Methylglyoxal übergeht. Die Tatsache, daß es ein verbreitetes Enzym GlyoxaJase gibt, das Milchsäure aus Methylglyoxal bildet, läßt die Bolle des letzteren in biochemischen Prozessen noch ungeklärt.
Diketone (Alkandione) Die Eigenschaften der Diketone sind je nach dem Abstand der Carbonylgruppen von1
2
einander verschieden. Man kennt α- oder 1,2-Diketone mit der Gruppierung —CO-CO—, 1 2
3
1 2
8
4
ß- oder 1,3-Diketone —CO · CH2· CO— und γ- oder 1,4-Diketone —CO · CHj· CH,· CO—, um nur die wichtigsten Vertreter dieser Verbindungsklasse zu nennen. 1,2-Diketone. Für die Darstellung der 1,2-Diketone kann man sich die Reaktionsfähigkeit der einer CO-Gruppe benachbarten Methylengruppe zunutze machen. Gibt man zu einem Keton Amylnitrit (auch Natriumnitrit ist vielfach brauchbar) und etwas Salzsäure, so wird die dem CO benachbarte reaktionsfähige Methylengruppe in C:NOH umgewandelt und das Monooxim eines Diketons gebildet: R.CO CHj R '
>- R-CO C(:N.OH).R'.
Solche Verbindungen nennt man Isonitroso-ketone. Beim Koohen mit verdünnter Schwefelsäure wird das Oxim in bekannter Weise unter Bildung von Hydroxylamin gespalten und das Diketon in Freiheit gesetzt. Auf dem gleiohen Wege können auoh Ketoaldehyde gewonnen werden, z . B . Methylglyoxal aus Isonitrosoaoeton CH,-CO· CH:NOH. Diacetyl (Dimethylglyoxal, Butandion-2,3) CH,-CO-CO-CH„ wird auf diese Weise aus Methyl&thylketon erhalten. Es bildet eine gelbe Flüssigkeit von stechend süßlichem Gerach und ist in Wasser löslich; seine Dämpfe zeigen die Farbe des Chlors. Siedepunkt 88', spezifisches Gewicht 0-973 bei 20°. Diacetyl verhält sich ganz wie ein Stoff mit zwei Carbonylgruppen, addiert 2 Mol HCN, gibt ein Mono- und ein Dioxim usw. Daß die beiden Carbonyle einander benachbart sind, zeigt die Einwirkung von Wasserstoffperoxyd, durch das Diacetyl leicht und quantitativ in 2 Mol Essigsäure übergeführt werden kann: CH,-CO-CO-CH, + Η,Ο, = 2CH. COOH . 16*
228
Aoyclische Verbindungen
Diacetyl findet sich in kleiner Menge in der Butter (etwa 0,6 mg pro kg), deren Aroma es im wesentlichen bedingt. Die Quelle des Diacetyls ist vermutlich die Citronensäure der Milch, die durch gewisse Streptokokken über Brenztraubensäure CH,·CO·CO,H zu Acetaldehyd abgebaut wird. Fermente wie ζ. B. die Carboxylase bewirken eine Verschiebung des Wasserstoffs einer Aldehydgruppe an den Sauerstoff der anderen (S. 537) : O-H " 3-C
Νί< I CH3-C=N \N=C-CH3 1 i OH O 1,3-Diketone werden nach einem von CLAISEN und W . W I S L I C E N U S entdeckten Kondensationsverfahren dargestellt, indem man Säureester auf Ketone in Gegenwart von Natriumäthylat als Kondensationsmittel einwirken läßt: R C O O C 2 H 5 + ΟΗ,-COR! = R-CO-CH t CO-R, + C 2 H,OH. Das Eintreten der Reaktion ist nach allen experimentellen Erfahrungen daran gebunden, daß einer der beiden Partner neben dem Carbonyl eine nicht substituierte CH2-Gruppe enthält. Man hat sich den Vorgang so vorzustellen, daß das OC2H5-Ion als Base ein Proton von der Methylgruppe des Ketone loslöst. Dadurch entsteht ein Carbanion, das sich in die Oktettlücke eines durch Aufrichtung des doppelt gebundenen Sauerstoffs polarisierten Eetermoleküls einlagert. Durch anschließende Abspaltung von Alkohol wird das Reaktionsprodukt aus dem Gleichgewicht herausgeführt und stabilisiert (ARNDT, E I S T E R T ) : /0|ö CH3-C©< + ©|CH2 CO CH3 x O-C H 2 5
191
Θ
• CH 3 -C-CH 2 COCH 3 ι 0-C 2 H 5
IÖI® -C.H.-OH t CH,-C=CH CO CH3
Hl°
, CH3 CO CH2-CO C H 3 + O H ©
Diketone
229
Ea entsteht also zunächst dae Natriumsalz der Enolform des Diketons, und man nimmt wohl mit Recht an, daß die Tendenz zur Bildung dea konjugierten Systems C = C — C = 0 die treibende Kraft des Vorgangs bildet. E s leuchtet ein, daß die an der CLAISEN-Kondensation beteiligte Carbonylkomponente nicht notwendig ein K e t o n sein miiß, auch Ester können als solche fungieren. Die Kondensation zweier Estermoleküle liefert die Ester von /?-Keto-carbonsäuren (S. 2 8 5 ) . Im Gegensatz zu den Monoketonen, deren Enolisierungstendenz im allgemeinen sehr gering ist, enolisieren sich die 1,3-Diketone so leicht, daß sie schon im homogenen Zustand z u e t w a 80% als Monoenol-Formen vorliegen. Diese besitzen den Charakter schwacher Säuren. Die Dissoziationskonstante des enolisierten Acetylacetons CH 3 · CO · CH = C ( O H ) - C H 3 ist z. B . v o n der Größenordnung 1 0 - e . Diketone der allgemeinen Formel CH 3 -CO-C(Alk) 2 -CO-CH 3 geben keine Enole und keine Salze. Die Begünstigung der Enolform insbesondere durch hydrophobe Lösungsmittel ist auf die Ausbildung einer Wasserstoffbrücke zurückzuführen : C H 3
\
C
/
II O,
C H
V
H/
C
/
C H S
I yO
Acetylaceton, Pentandion-(2,4) CH 3 · CO · CHS · CO · CH 3 , wird nach der oben angegebenen Methode durch Kondensation von Essigester und Aceton erhalten. Es bildet eine farblose, angenehm riechende, bei 137° siedende Flüssigkeit vom spezifischen Gewicht 0-979 bei 15°. Beim Kochen mit Alkalien wird es in Aceton und Essigsäure gespalten. Wir finden also erneut bestätigt, daß Kohlenstoffbindungen durch Alkali leicht gespalten werden, wenn ein Kohlenstoffatom mit „negativen" Gruppen überladen ist. Besonderes Interesse besitzen unter den Metallverbindungen des Acetylacetons das in Wasser schwer lösliche Kupfersalz Cu(C 5 H 7 0¡) 2 sowie das unzersetzt destillierbare Aluminiumsalz, dessen Dampfdichte von COMBES bestimmt wurde und zu der Formel A1(C 6 H 7 0 2 ) 3 führte. Hierdurch wurde Aluminium erstmalig als dreiwertiges Element charakterisiert. Die Acetylacetonate der mehrwertigen Metalle besitzen Eigenschaften, die von denen der gewöhnlichen Salze stark abweichen. Viele von ihnen sind in Benzol, Chloroform und anderen organischen Flüssigkeiten löslich, was bei echten Salzen nicht der Fall ist. Ihre wäßrige Lösung leitet den elektrischen Strom nur sehr schwach. Sie zeigen die gewöhnlichen Reaktionen der Metalle nicht oder nur sehr langsam. Auch sind sie in wäßriger Lösung nicht hydrolytisch gespalten, obwohl bei den Fe(III)- und Al-Verbindungen Base und Säure zugleich sehr sohwach sind. Wie HANTZSCH, WERNER und LEY begründet haben, hat man es hier mit „inneren Komplexsalzen" zu tun, in denen das Metall weitgehend durch Atombindungen an den organischen Rest geknüpft ist. Kupferacetylacetonat ist demnach wie folgt zu formulieren: CH,
CH,
CH»
CH 3
Der Kupferkomplex ist nach röntgenographischen Untersuchungen eben. Die Komplexstabilität dürfte auf Mesomerieerscheinungen zurückzuführen sein. Der Aluminiumkomplex besitzt oktaedrische Konfiguration. Innerkomplexsalze dieses Typus, bei denen eine Verbindung zwei Koordinationsstellen eines metallischen Zentralatoms besetzt, hat MORGAN (1920) Chelate (von griech. chele = Krebsschere) genannt. Viel stärker sauer als Acetylaceton sind die aus Ameisensäureester u n d Ketonen erhältlichen 1,3-Ketoaldehyde R - C O - C H 2 - C H O . D a sie überwiegend in der Enolform R · CO - C H : C H · OH vorliegen, bezeichnet m a n sie meist als Hydroxymethylenketone. Sie bilden g u t charakterisierte Natrium- u n d Kupfersalze. Hydroxymethylen-acetylaceton (CH S · CO) a C:CH-OH v o m Schmelzpunkt 48° rötet i n Lösung Lackmus und läßt sich m i t Natronlauge titrieren; es ist stärker als Essigsäure.
230
Acyclische Verbindungen
1,4-Diketone. Als Beispiel dieser Verbindungsklasse nennen wir nur Acetonylaceton, Hexandion-(2,5) 0 Η 3 · 0 Ο · 0 Η 2 · 0 Η 2 · 0 Ο · 0 Η 3 . Seine Darstellung aus Diacetbernsteinsäureester wird später (S. 286) beschrieben werden. Es bildet eine farblose, angenehm riechende Flüssigkeit vom K p : 194° und D " : 0.974. 1,4-Diketone bilden ein wertvolles Ausgangsmaterial für die Gewinnung von heterocyclischen Fünfringen. Halogenierte Aldehyde Der wichtigste und älteste Vertreter dieser Gruppe ist das Chloral (Trichloracetaldehyd) CCl ? -CHO. Es wurde durch Einleiten von sorgfältig getrocknetem Chlorgas in absoluten Äthylalkohol bis zur Sättigung dargestellt ( L I E B I G 1 8 3 2 ) . Die Reaktion, die anfangs durch Kühlung gemäßigt werden muß, wird durch Erwärmen, zuletzt auf 100°, zu Ende gebracht. Heute verwendet man wasserhaltigen Alkohol und gewinnt Chloralhydrat (s. u.). Den Verlauf der Einwirkung von Chlor auf Alkohol k a n n man sich nach CHATTAWAY und BACKEBERG (1924) vielleicht so vorstellen, daß als primäres Reaktionsprodukt Äthylhypochlorit C 2 H 5 · OC1 entsteht. Dieses, eine gelbe, heftig nach unterchloriger Säure riechende Flüssigkeit vom K p : 36°, wird gewöhnlich durch Einleiten von Chlor in wäßrig-alkoholische Natronlauge dargestellt und zerfällt schon bei Raumtemperatur stürmisch in Acetaldehyd und HCl ( S T . GOLDSCHMIDT) : CHs-CHFOCL — Ν
CIL,-CHO +
HCl.
Der Acetaldehyd wird nun einerseits durch Chlor schrittweise chloriert, andererseits unter dem Einfluß von Alkohol und HCl acetalisiert, so d a ß man als Endprodukt der Reaktion das Monoäthylacetal des Chlorale (Chloralalkoholat) erhält: cci3-CH - CH (OH). CHO + N,0. Stufen weiser Abbau von Monosacchariden läßt sich auf verschiedene Weise durchführen. Oxydiert man ζ. B . Pen tosen zu Pentonsäuren und behandelt diese in Form ihrer Ca-Salze mit HJ0 2 bei Anwesenheit von Eisen(HI)-acetat, so werden sie weiter oxydiert (vgl. S. 2 0 8 ) , und man gelangt zu einer Tetrose (Verfahren von R U F T ) : HO·CH,·[CH·OH],·CO,H + O = HO CH, [CH-OH],·CHO + CO, + Η,Ο. Pentonstare Tetxoae Eine andere Methode (Verfahren von WEERMAN) beruht darauf, daß man die Penton säuren bzw. Hexons&uren in ihre Amide überführt und diese mit NaCIO behandelt (vgl. den HOFMANN sehen Abbau der Säureamide, S. 198): HO CH,-[CH.OH]4 CO NHÍ . N a C 1 0 >- HO·CH,·[CH·OH],·Ν=CO Arold der Glucons&ure N,0H
1
» HO-CH,-ICH-OHVCHO + NaCNO Arablnose
Ber. Dtech. Chem. Ges. 8, 63 (1870). 16*
Acyclische Verbindungen
244
Bestimmung der Konfiguration der Monosaccharide Mit Hilfe der im Vorhergehenden geschilderten Verfahren ist der Nachweis erbracht worden, daß die verschiedenen isomeren Aldohexoeen und ebenso die Ketohexosen untereinander strukturgleich sind und sich lediglich durch räumliche Isomerie voneinander unterscheiden. Die cyclische Form der Aldohexoeen weist 5 asymmetrische C-Atome auf und läßt deshalb 25 = 32 aktive Formen und 16 Racemate erwarten. Die Cyclo-Form der Ketohexosen enthält ein asymmetrisches C-Atom weniger, so daß die Zahl der aktiven Formen 16, die der Racem-Formen 8 beträgt. Es würde viel zu weit führen, die Konfiguration aller bekannten Pentosen und Hexosen abzuleiten; doch ist es wünschenswert, wenigstens im Prinzip den Weg kennenzulemen, den man einschlägt, wenn eine beträchtliche Anzahl asymmetrischer Kohlenstoffatome vorhanden ist. Um die Ableitungen übersichtlicher zu gestalten, werden wir in diesem Abschnitt die aldehydische (acyclische) Formel der Monosaccharide benutzen. Die Konfiguration der Pentosen läßt sich in einfacher Weise aus dem optischen Verhalten der Trihydroxyglutarsäuren ableiten, die aus ihnen durch Oxydation entstehen: CHO Η - —OH Β - —OH Η— —OH CHj-OH Pentose
H— —OH -OH HH— -OH COjH Trihydroxyglutareäwe
Während die linksstehende Pentose asymmetrisch und daher optisch-aktiv ist, besitzt die zugehörige Trihydroxyglutarsäure eine Symmetrieebene und ist deshalb wie die Mesoweinsäure intramolekular-inaktiv. Wir wollen nun im folgenden sämtliche für die Pentosen möglichen Raumformeln aufstellen, wobei wir von den optischen Antipoden immer nur die D-Form berücksichtigen. Es ergeben sich dann vier verschiedene optisch-aktive Typen: CHO Η OH Β - μ-ΟΗ Η— OH I Rlbose
CHO HO—j—Η H—OH Η— —OH CHjOH II A rabinos©
CHO Η— —OH HO— —Η OH Η· CHjOH III Xylose
CHO HO—Ι—Η HO—'¡—Η Η——OH IV Lyxose
Da Arabinose bei der Oxydation eine optisch-aktive Trihydroxyglutarsäure liefert, kann sie nicht I oder I I I sein, aus denen symmetrische, optisch-inaktive Trihydroxyglutarsäuren entstehen müssen. Die Entscheidung zwischen den übrigbleibenden Formeln I I und IV kann auf verschiedene Weise getroffen werden (Formelbilder siehe S. 245). Bei der Cyanhydrin-Synthese entstehen aus I I und IV je 2 Hexonsäuren a und b bzw. c und d (in Form ihrer Nitrile), die sich nur durch die Konfiguration der Gruppe CH(0H)-C0 2 H voneinander unterscheiden. Oxydiert man nun diese wieder zu den entsprechenden Dicarbonsäuren, so sieht man, daß eine der Säuren aus IV (nämlich d) eine inaktive Dicarbonsäure geben muß. Aus Arabinose wurden aber 2 aktive Dicarbonsäuren erhalten. Dieser Forderung wird nur Formel I I gerecht, die darum die Formel der Arabinose sein muß. Damit stimmt nun ein weiterer Konfigurationsbeweis überein. Arabinose läßt sich nämlich nach der RüFFSchen Methode zu der Tetrose Erythrose V abbauen, die durch Oxydation in Mesoweinsäure übergeht. Diese kann wiederum aus IV nicht auf diesem Wege entstehen. Nachdem somit die Formel der Arabinose festgelegt ist, bereitet die Verteilung der Formeln I, I I I und IV auf die übrigen Pentosen keine Schwierigkeiten mehr. Ribose gibt das gleiche Osazon wie Arabinose, sie muß also Formel I besitzen. Bei der Oxydation gibt sie eine inaktive Trihydroxyglutarsäure. Eine zweite, davon verschiedene, ebenfalls inaktive Trihydroxyglutarsäure erhält man aus Xylose, diese muß also der Formel I I I entsprechen. Für Lyxose, die das gleiche Osazon wie Xylose gibt, bleibt dann schließlich Formel IV übrig. Damit stimmt überein, daß Lyxose (wie Xylose) beim Abbau Threose VI und Weinsäure ergibt.
245
Monosaccharide d
COjH
COJŒ
H—μ-οΗ Η
HOHO-
ΗΟH-
H— — O H H OH CH,· OH
\
OH
H—^ O H
CHO
/
ΗΟ- -Η Η— —OH Η— O H
CH.· OH
CO,Η
-H -H I—Η H— —OH
H—
HOHO— HO—
H O HO
OH I—Η Η
H— — O H
CH,· OH
CH,
\
OH
/
CHO
H O HO
—Η Η
H— — O H CH,
0Η,·ΟΗ
II
HeeonelDa&ure -
CO»H
OH
IV
CHO Η—I—OH " Η——OH CH.-OH
CHO HO—Ι—H H—|—OH — CH,· OH
Welmtuie
VI
Threose
Erythroee
Wie man aus der Gesamtheit der obigen Ableitungen erkennt, besteht jede Konfigurationsermittlung einer gegebenen Substanz letzten Endes darin, dal} man sie in schrittweise genau verfolgbaren Aufbau- oder Abbaureaktionen in Verbindungen überführt, deren Symmetrieverhältnisse sich aus ihrem optischen Verhalten in eindeutiger Weise ergeben. Diese gewaltige Arbeit für die zahlreichen Verbindungen der Zuckergruppe auegeführt zu haben, ist eine der unvergänglichen Leistungen E M I L FISCHEBB 1 .
Konfiguration der Glykoside Wir haben bei unseren bisherigen Betrachtungen noch nicht berücksichtigt, daß in den Ringformen der Zucker das am C-Atom 1 befindliche Hydroxyl ebenfalls zwei verschiedene sterische Lagen einnehmen kann. Daher existieren sowohl die Glykoside als auch vielfach die freien Zucker in zwei verschiedenen stereoisomeren Formen, die als - Oson —>- Ketose. Auch durch bloßes Erhitzen mit Pyridin lassen sich Aldosen und Ketosen teilweise ineinander umwandeln.
Acyclische Verbindungen
248
Umgekehrt kann man auch aus einer Ketoae eine Aldose erhalten. Zu diesem Zweck unterwirft man die Ketose der Reduktion, wodurch ein Hexit erhalten wird. Durch Oxydation fuhrt man den sechswertigen Alkohol in die einbasische Hexonsäure fiber, die durch Wasserabspaltung in das entsprechende Lacton übergeht. Dieses Lacton gibt endlich bei der Reduktion die Aldose : Ketose >• H e x i t — > - Hexonsäure >- Lacton >- Aldose. Behandelt man das Phenylosazon der Glucose mit salpetriger Säure, so erhält man das 1-Phenylhydrazon des Glucoaons, das mit Phenylhydrazin sofort das Osazon regeneriert (HENSEKE).
Nähere Beschreibung der Monosaccharide Pentosen CHO H— ¿—OH
CHO H— C—OH
H—C—OH
HO—¿—H
H—¿-0H
HO— C—H
I CH,. OH D-Blbose
I CH,· OH L-Arabinoae
CHO H—C—OH HO—A—H H— C—OH I CH,· OH D-Xyloee
1
D(—)-ßibose schmilzt bei 87°. Sie findet sich in der Natur glykosidartig, und zwar furanoid, gebunden in den sog. Ribonucleinsäuren (S. 317), die im Zellplasma von Pflanzen und Tieren sehr verbreitet sind. Sie kann durch Hydrolyse von Hefenucleinsäure oder synthetisch auf verschiedenen Wegen aus Arabinose gewonnen werden. Für den Ring der freien Ribose wird Pyranose-Struktur angenommen. Arabinose und Xylose finden sich in der Natur vor allem als Bausteine entsprechender Polysaccharide, der Pentosane, in vielen Pflanzengummen, in verholzten Zellwänden und im Holz. L( -f)-Arabinose gewinnt man aus den Polysacchariden des arabischen Gummis und des Kirschgummis durch Kochen mit verdünnten Säuren. Sie kristallisiert gut, schmilzt bei 160° und schmeckt süß. Ihr Phenylosazon schmilzt bei 166°. Arabinose findet sich in Polysacchariden oft in der Furanose-Form. D(+)-Xylose erhält man aus Xylan, das durch Säuren viel leichter ale Cellulose hydrolysiert wird. Geeignete Ausgangsmaterialien sind Maisspindeln und die Schalen von Aprikosenkernen. Xylose kristallisiert ebenfalls gut, schmeckt sehr süß und schmilzt bei 143°. Ihr Phenylosazon schmilzt bei 164°. Die schon auf S. 244 behandelte Umwandlung von Pentosen durch CyanhydrinSynthese in Hexosen bildet gleichzeitig einen Beweis dafür, daß auch in den Pentosen die Kohlenstoffkette unverzweigt ist. Bei der Darstellung von Glykosiden der Pentosen erhält man sowohl Furanoside wie Pyranoside. Die Pentosen werden durch Hefe vielfach nicht direkt vergoren (obwohl z. B. eine Ribokinase in Hefe nachgewiesen ist), wohl aber ihre 5-Phosphate, am raschesten Ribose-5-phosphat. Dabei entstehen äquimolekulare Mengen Alkohol und CO,, die intermediär gebildetem Hexose-6phosphat (S. 264) entstammen. Bei Bacterium coli und einem niederen Pilz (Fusarium) sind Alkohol und Kohlendioxyd die Hauptprodukte der Gärung (etwa 2 Mol CO, auf 1 Mol Alkohol). Lactobacillus plantarum spaltet D-Xylose und L-Arabinose nach Umwandlung in D-Xylulose5-phosphat phosphoroklastisch in Milchsäure und und Acetylphosphat. Vom tierischen Organismus werden Pentosen nur langsam verwertet. Über die Rolle der Pentosen im Kohlenhydrat-Stoffwechsel s. S. 264. 1 Der Name Ribose ist von E. F I S C H E R durch Umstellung der Buchstaben von Arabinose gebildet worden, um die stereochemische Umlagerung zu versinnbildlichen, ein auch sonst in der Zuckerchemie häufig befolgtes Prinzip. Die Namen Arabinose und Xylose bezeichnen ihre Herkunft aus arabischem Gummi und aus Holz (griech.: ξύλον).
249
Monosaccharide
Hexosen Struktur und Konfiguration der wichtigsten Hexosen ergeben sich aus den folgenden Formeln : CHj-OH CHO CHO CHO CO OH H— OH H O - —H HH HO —H H O - —H HO— —H HOH HO— —H H— —OH Η— OH OH OH Η— —OH H— OH H H— —OH CHj-OH CH»· OH CHj-OH ÒHj-OH D-Glucose
D-Fructosc
D-Mannose
D-Galaktose
Es sind farblose, süß schmeckende Verbindungen. In Wasser sind sie leicht, in Alkohol schwer löslich, in Äther unlöslich. D(+)-Glucose 1 , Traubenzucker C e H 12 0 6 + HgO, findet sich in vielen Pflanzen, in ansehnlicher Menge z. B. im Saft der Trauben und in anderen süß schmeckenden Früchten. Im tierischen Organismus wird Glucose überwiegend in Form des Polysaccharids Glykogen (S. 276) gespeichert. Der Glucose-Spiegel des Bluts wird normalerweise durch Insulin und Corticosteron auf 0,1% gehalten. Bei Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) kann der Gehalt bis auf 1,8% steigen. Übersteigt der Glucosegehalt des Blutes 0,16%, so erscheint Glucose auch im Ham. Glucose kann aus vielen Oligo- und Polysacchariden gewonnen werden; so gibt z. B. Rohrzucker bei der Hydrolyse ein Gemenge von Glucose und Fructose (Invertzucker). Natürlicher Invertzucker ist der H o n i g ; beim Stehen kristallisiert daraus Glucose. Stärke gibt bei der Hydrolyse nur Glucose; durch kurzes Erhitzen mit 0,03 η Salzsäure auf 150° wird daraus Glucose in technischem Maßstab gewonnen („Stärkezucker"). Auch Cellulose wird, wenngleich weniger leicht, durch Säuren zu Glucose aufgespalten. Glucose kristallisiert aus Wasser von Zimmertemperatur mit 1 HjO; aus Alkohol oder Methylalkohol scheidet sie sich wasserfrei aus und schmilzt dann bei 146°. Glucose ist in Wasser sehr leicht löslich (bei 15° löst sich 1 Gewichtsteil in 1 · 2 Gewichtsteilen Wasser), wenig dagegen in absolutem Alkohol. Die Anfangsdrehung der α-Glucose in Wasser [«] D : + 109° sinkt im Lauf eines Tages durch Mutarotation auf den Gleichgewichtswert + 52,3°. j8-Glucose erhält man durch Kochen von Glucose mit Pyridin als Kristallverbindung, die das Pyridin leicht abgibt. Ihre Anfangsdrehung beträgt + 19,8°. Man errechnet daraus, daß im Gleichgewicht ^-Glucose in weit überwiegender Menge, nämlich zu 63% vertreten ist. L-Glucose hat man durch Aufbau aus L-Arabinose dargestellt. Über Oxydation von Glucose zu Gluconsäure2 s. S. 250. Wir haben die Formeln der α- und ^-D-Glucose als Projektionsformeln bereits auf S. 246 wiedergegeben. Ein Nachteil dieser Konfigurationsformeln besteht darin, daß sie den Ringcharakter als Sechsringe und die relative Orientierung der Substituenten in bezug auf den Ring nicht deutlich erkennen lassen. Dies gelingt wesentlich besser mit den von H a w o r t h eingeführten perspektivischen Formeln (II auf S. 250), bei denen die Ringebene parallel zum Papier vorzustellen ist (stark ausgezogene Linien vorn). Sie sind übrigens aus den Projektionsformeln durch zweimalige Vertauschung am C-Atom 5 (vgl. S. 236) leicht abzuleiten (I) : 1 Dumas (1838) leitete den Namen von γλεύκος = Most ab und begründete damit die Zuckerendung -ose. * Gluconsäure entsteht auch durch die (streng spezifische) Dehydrierung von /3-D-Ghicose mit der Glucoseoxydaee aus Aspergillus niger oder Pénicillium notatum („Notatin"). Ale Coenzym wirkt dabei Flavinadenindinucleotid.
250
Acyclische Verbindungen
/3-D-Olucose Modifizierte Projektlonsformel
β·τ>· Glucose perspektivische Formel nach HAWOHTH
^-D-Olnoose Konformatlonsformel
Die im Sinn der klassischen Stereochemie geschriebene HAWOBTH-Formel gestattet wichtige zusätzliche Aussagen, -wenn man die wirkliche „Konformation" der ja nicht ebenen Ringe in Bet r a c h t zieht (Genaueres hierüber s. S. 429). Die Substituenten liegen dann paarweise entweder axial, d. h. etwa senkrecht zum Ring, oder äquatorial, d. h. etwa parallel zum Ring (III). Energetisch ist im allgemeinen äquatoriale Lage der Substituenten günstiger. Wenn man die Konformation beachtet, gelangen gerade benachbarte trans-Substituenten in äquatoriale Lage. ß-Glucose h a t demnach alle Substituenten in äquatorialer Lage, was ihre Begünstigung im Gleichgewicht plausibel macht. REEVES (1950, 1961) hat in wichtigen Arbeiten die Konformation der Zuckermoleküle durch Verfolgung der Drehungsänderungen bei der Komplexbildung mit Kupferamminhydroxyd zu ermitteln versucht und festgestellt, daß die Konformationen mit einem Maximum von äquatorialen Substituenten bevorzugt sind.
Die Oxydation von D-Glucose führt über die Aldonsäure D-Gluconsäure (I) zur zweibasischen (+)-Zuckersäure (II). CO,Η Η—¿—OH HO—C—Η Η—¿—OH
HO—C—H I
H—¿—OH HO—¿—Η II.
Η—¿—OH I CH,· OH D-Gluconaäure
H—C—OH
III.
H—¿—OH ¿Ο,Η (+)-Zuckersânre
H—C—OH HOι—¿—H H OH
O
v_ D-Olucuronsäure
Zuckersäure bildet ein charakteristisches, schwer lösliches saures Kaliumsalz, das zum Nachweis der D-Glucose dienen kann. Von der Glucose leitet sich noch eine andere interessante Carbonsäure ab, die Glncuronsfinre. In ihr ist die endständige CH2-OH-Gruppe der Glucose zu Carboxyl oxydiert. Durch direkte Oxydation der Glucose kann sie aus leicht ersichtlichen Gründen nicht erhalten werden. Dagegen gelingt die Darstellung ihrer Glykoside („Glucuronide") durch Oxydation von Glucosiden mit NOa in wasserfreiem Medium (MATJBER). Glucuronide finden sich im Harn nach Verabreichung körperfremder Substanzen. Z. B. erhält man nach Verfütterung des cyclischen Alkohols Menthol C2oHie* OH Menthylglucuronsäure H0 2 C · CH · [CH(OH)]3 · CH · O · C 10 H le . Die Glucuronsäurebilv
0
'
dung dient im Organismus offenbar dem Zweck einer Entgiftung1. 1 Unter Beteiligung von Glucuronsäure und anderen „ U r o n e ä u r e n " aufgebaute Polysaccharide bilden den Hauptbestandteil zahlreicher Pflanzengummen, -schleime und Pektine, die u. a. als Klebstoffe und Verdickungsmittel technische Bedeutung besitzen. Glykoeidisch gebundene Gluouronsäure ist in Gummi arabioum (aus Aoacia-Rinde) und Kirschgummi enthalten. Aus gewiesen Tangarten gewonnene A l g i n s ä u r e enthält eine fortlaufende Kette von glykoeidisch in 4-Stellung verknüpften Mannuronsäuren. P e k t i n e (Citrus- und Rübenpektin) sind analog aus D-Galakturonsäure aufgebaut. Über Uroneäuren in Mucopolysacchariden s. S. 320.
Monosaccharide
251
Auch die Konfiguration der D-Glueose läßt sich in reoht übersichtlicher Weise durch oxydativen Abbau nach verschiedenen Verfahren beweisen. Durch stufenweisen Abbau zu dem um 2 C-Atome ärmeren Zucker nach dem RuFFschen Verfahren entsteht D-Erythrose, die bei der Oxydation Mesoweinsäure ergibt. Diese entspricht den C-Atomen 3—6 der Gluoose. Durch Oxydation von D-Glucose mit Salpetersäure entsteht (+)-Zuokeraäure, deren Diamid sioh durch WsERMANschen Abbau auf beiden Seiten in (—) -Weinsäure verwandeln läßt (C-Atome 2—6 der Glucose). Neben Zuckersäure entsteht bei der Oxydation mit Salpetersäure noch die sogenannte1 5-Keto-gluoonsäure, die bei weiterer Oxydation mit Salpetersäure und Vanadiumsalzen Oxalsäure und (+)-Weinsäure (C-Atome 1—4 der Glucose) ergibt. Das ganze Abbauschema läßt sich in folgender Weise zusammenfassen: CHO H—¿—OH HO—¿—Η Η—(i—OH j
H—C— OH I
CH,-OH D-Glucose
coja
coja H—¿—OH
H—d—OH
j
HO—C—H H—¿—OH 1I CO Ketogluconsäure
j
j
CO,H
CO,H
CO,
H—¿—OH j
—>-
H—C—OH
H—¿—OH I CH,· OH
H—¿—OH I
H—C—OH
1
1
CH,· OH
D-Araboneâure
(—)-Welnsâure
CO,H
CHO — - > ·
CO,
(-J-^Zuckersäure
( + )-Welns&ure
CO,
H—C—OH
HO—C—H HO—¿—H ι —^ H—¿—OH H—C—OH j I H—C—OH CO,H
CO,H
I co, HO—i—H I
j
CO,H
CH,-OH
CO,H
H—¿—OH
HO—¿—H I CO,H
1
cot
CO,H
CO,H
D-Brythroee
Meeoweineàure
Pbblin und Bbick (1966) haben gefunden, daß man die cyclischen Formen der Zucker durch 2 Mol Bleitetraacetat mit guten Ausbeuten in niedrigere Zucker verwandeln kann. Der Mechanismus ist nicht völlig aufgeklärt. Doch erscheint eine bevorzugte Glykolspaltung unmittelbar neben dem halbacetalartig gebundenen C-Atom 1 sehr wahrscheinlich. Aus D-Glucose kommt man so unter Formyl-Wanderung zu D-Erythrose: HO—
C - .H
H— 6—OH
H—C—OH 0 HO—i—H I H— C—OH H—C I CH,· OH D-Gluooae
Pb(OCOCH,)4
(
HO- -C—H
HOI—¿—H H—¿—OH
0
H— ¿—O-CHO
¿H, D-Arablnoaemonoformlat
H—¿—O-CHO H—i—O-CHO ¿H, D-ErythroeedUormlat
Bei der Reduktion liefert D-Glucose den entsprechenden sechswertigen Alkohol, den linksdrehenden Sorbit, der am besten als D-(—)-Glucit bezeichnet wird. Das Osazon der Glucose, D-Glucosazon, ist in Wasser schwer löslich und kristallisiert in gelben Nadeln vom Schmelzpunkt 208°. Die bereits erwähnte alkoholische Gärung von Gluoose wird S. 261 eingehend besprochen werden. 1
Korrekter ist diese Säure als α,β,γ, ε-Tetrahydroxy-¿-oxo-c&pronsäure zu bezeichnen.
Acyclische Verbindungen
252
D(—)-Fructose (Lävulose) findet sich neben D-Glucose in den meisten süßen Früchten. Sie bildet einen Bestandteil des Invertzuckers und des Honigs (S. 257). Man kann sie aus dem Polysaccharid I n u l i n darstellen, das in den Dahliaknollen enthalten ist und bei der Hydrolyse fast ausschließlich D-Fructose liefert. Die in Wasser sehr leicht lösliche D-Fructose kristallisiert axis Alkohol wasserfrei als /?-D-Fructopyranose mit einer spez. Anfangsdrehung von —132° und einer Gleichgewichtsdrehung von — 92° in wäßr. Lösung. Abweichend von den Verhältnissen bei D-Glucose beruht die Mutarotation hier auf Ringveränderung, teilweiser Bildung von jÖ-D-Fructofuranose ( M D : + 1 9 ° ) , deren Menge in der Wärme zunimmt. R . K U H N und GRASSNER haben Fructose durch Lösen in Dimethylformamid, in dem die Mutarotation weitgehend unterdrückt ist, in sirupöse Fructofuranose umgewandelt 1 . Nur Fructofuranose wird von Hefe vergoren, was nach dem Gärungsmechanismus (S. 263) verständlich ist, da nur die Furanose das erforderliche Fructose-1.6-diphosphat bilden kann. Neben Inosit findet sich Fructose im Sperma, wo sie fermentativ aus Glucose über Sorbit gebildet wird. Der Name Lävulose erinnert an die Linksdrehung der Fructose. Im Anklang an diesen Namen läßt man nach dem Vorgang von BEETRAND (1898) heute die Namen der meisten Ketosen auf ^ulose ausgehen, sagt also z. B. Ribulose, Erythrulose für die der Riboee und Erythroae isomeren 2-0zo-Verbindungen. Polyfructosane, die sich reichlich in Getreide, Gräsern, Knollen finden, entstehen meist durch Transfructosylierung auf Saccharose, enthalten also als Endgruppe 1 Mol Gluoose. Beim Inulin-Typ liegt furanoide Fructose in 2,1-Verknüpfung, beim Phlein-Typ in 2,6-Verknüpfung vor.
D-Fructose ist eine der wenigen bekannten Ketosen. Ihre S. 240 aus den Oxydationsresultaten abgeleitete Formel ist auch durch Cyanhydrin-Synthese bewiesen worden. Diese muß zu einer Heptonsäure der Formel I führen, HO · CH, · [CH · OH], · C(OH) · CH, · OH I
CO,H
CH, · [CHJ, · CH · CH, II
¿0,H
deren Struktur durch Reduktion mit Jodwasserstoffsäure zu der synthetisch zugänglichen Hexan-carbonsäure-(2) (II) bewiesen worden ist. Das Osazon aus D-Fructose ist mit dem aus D-Glucose identisch, wie aus den Ausführungen auf S. 232 hervorgeht. D( +)-Mannoso. Mannose ist zuerst durch vorsichtige Oxydation des sechswertigen Alkohols M a n n i t , der sich in verschiedenen Pflanzen findet, erhalten worden; dieser Bildung verdankt sie ihren Namen. Man gewinnt sie aus Steinnuß-Abfällen, die das entsprechende Polysaccharid Mannan enthalten. Sie bildet hygroskopische, in Wasser überaus leicht lösliche Kristalle und wird durch Hefe leicht vergoren. Charakteristisch für D-Mannose ist ihr Phenylhydrazon (Schmelzpunkt 195—200°), das im Gegensatz zu den Hydrazonen der meisten anderen Monosaccharide in Wasser schwer löslich ist. Bei der Oxydation der D-Mannose bildet sich zunächst die einbasische D-Mannonsäure ΗΟ·ΟΗ 2 ·[CH-OH^-COJH, dann die zweibasische D-Mannozuckersäure H0 2 C· [CH-OH] 4 -C0 2 H. D-Mannose und D-Glucose lassen eich durch Cyanhydrinsynthese aus D-Arabinose aufbauen. Hieraus ergibt sich gleichzeitig ihre Konfiguration, da die Konfiguration der Arabinose nach den Ausführungen auf S. 244 bekannt ist. Denn Tetramethylglucose gibt bei der Oxydation die gleiche Xylotrimethoxyglutarsäure, die auch durch Oxydation von Trimethylxylose erhalten wird. Damit ist für Glucose die Konfiguration am C-Atom 2 festgelegt. Die andere der beiden möglichen Konfigurationen bleibt dann für die Mannose übrig. Die folgenden Formeln verdeutlichen die Zusammenhänge: 1
R . KUHN, GRASSNER, L i e b . A n n . 610, 122 (1957).
Monosaccharide CHO HOH HO——H H— —OH H— —OH CHj-OH D-Mannose
CHO HO- -H -OH H—I—OH CH2-OH D-Arabinoso
CHO H— CH, CH, α H Η— —O CH, CHj-OH
CO,H H—I- O - C H , CH,· α Η ΛΑ O CH, COjH
Triinethyl-D-xyloee
XylotrimethoxygluUrsäute
253 CHO OH HH HOOH HH— OH CH,· OH D-Glucose
CHO OCH, HCH. •Ο- —H Π - —O-CH, Η——OH CHj-O-CH, Tetramethyl-D-glucose
D-Mannose unterscheidet sich nur durch die Konfiguration am C-Atom 2 von D-Glucose. E. F I S C H E R hat zuerst gezeigt, wie man durch Umlagerung am C-Atom 2 Mannose in Glucose verwandeln kann. Man oxydiert D-Mannose zunächst zu D-Mannonsäure. Diese wird mit Chinolin erhitzt, wodurch sie teilweise in die stereoisomere D-Gluconsäure übergeht, die sich in Form ihres Lactons zu D-Glucose reduzieren läßt. Umgekehrt geht D-Gluconsäure durch Erhitzen mit Chinolin teilweise in D-Mannonsäure über, so daß auch der Übergang der D-Glucose in D-Mannose möglich ist. Auch methylierte Aldonsäuren mit OCH3 an Stelle von OH in 2-Stellung unterliegen der gleichen Umlagerung. Der Mechanismus wurde im Zusammenhang mit der Racemisierung der α-Hydroxysäuren schon S. 209 erörtert. Man bezeichnet den Spezialfall der Diastereoisomerie, wie er uns in dem Paar Glucose-Mannose entgegentritt, in der Zuckergruppe als Epimerie. Auch die freien Zucker unterliegen, wenn auch wegen ihrer Empfindlichkeit weniger glatt, der Epimerisation, wobei ein Endiol die vermittelnde Rolle spielt: OH H C—CHO —>- HO-C=CH-OH — C—CHO. H ÒH Man sieht leicht ein, daß Glucose, Mannose und Fructose das gleiche Endiol liefern müssen. In der Tat fanden L O B B Y DE B R T J Y N und VAN E K E N S T E I N , daß das erste Stadium der Alkali-Einwirkung auf Glucose in der Ausbildung eines Gleichgewichtszustandes mit Mannose und Fructose besteht. »(+)-Galaktose kann durch Hydrolyse von Milchzucker dargestellt werden. Auch durch Oxydation des sechswertigen Alkohols D u l c i t , der in einigen Pflanzen vorkommt, kann sie erhalten werden. Sie kristallisiert mit 1 H 2 0, schmilzt wasserfrei bei 168°, ist stark rechtsdrehend und wird nur durch Hefe vergoren, die an Galaktose angepaßt worden ist (adaptive Enzymbildung). Bei der Gärung findet intermediär eine durch das Enzym Galaktowaldenase (S. 562) bewirkte Umwandlung von Galaktose-1-phosphat in Glucose-1-phosphat, also eine Epimerisation am Kohlenstoffatom 4, statt. Sie kommt durch intermediäre Oxydation zur 4-Keto-Verbindung mit DPN als Coenzym zustande. Bei der Oxydation liefert D-Galaktose die einbasische D-Galaktonsäure, durch weitere Oxydation erhält man die zweibasische Schleimsäure H0 2 C · [CH · OH]4 · C0 2 H. Diese ist inaktiv und nicht spaltbar, wie man es auch aus der Konfigurationsformel der D-Galaktose (S. 235) sofort ablesen kann. Schleimsäure ist in Wasser schwer löslich und kann deshalb zum Nachweis von D-Galaktose dienen. Das Phenylosazon der D-Galaktose schmilzt bei 201°. D-Galaktose ist nächst Glucose einer der verbreitetsten natürlichen Zucker. Erinnert sei etwa an ihr Vorkommen im Milchzucker und in den Cerebrosiden.
Acyolieche Verbindungen
254
Oligosaccharide 1. Disaccharide Durch Verätherung des 1-ständigen Hydroxyls der Monosaccharide mit der Hydroxylgruppe von Alkoholen entstehen die Glykoside. Ist die alkoholische Komponente selbst ein Monosaccharid, so ist das entstehende Glykosid ein Disaccharid. Die wichtigsten Disaccharide sind aus zwei Hexosen zusammengesetzt, doch kommen auch andere Disaccharide, namentlich aus je einer Pentose und einer Hexose zusammengesetzte in größerer Anzahl vor. Je nachdem ob die zweite, alkoholische Komponente mit ihrem 1-ständigen oder einem anderen Hydroxyl reagiert, ist das resultierende Disaccharid nicht-reduzierend oder reduzierend: im ersten Fall sind die reduzierenden Gruppen beider Monosaccharide verschwunden, im zweiten Fall ist eine reduzierende Gruppe (*) erhalten geblieben:
r
_ V. O —J V O > acO · CH, · CH · [CH · Oac], · CH · O · PO,H, • HO · CH, · CH · [CH · OH], · CH · Ο · ΡΟ,Η, "ν. O J ^ O > Auf ähnliche Weise sind auch andere Phoephorsäureester der Zucker dargestellt worden, von deren großer biologischer Bedeutung auf S. 262 die Bede sein wird.
256
Acyclische Verbindungen
Läßt man Hefe-Extrakt auf Amygdalin einwirken, BO entsteht durch Abspaltung von 1 Molekül Glucose aus der Gentiobiose das auch natürlich vorkommende Prunasin (Mandelsäurenitrilglucosld): CGHJ · C H ( C N ) · O · C E H U O S .
Interessant sind die von BOURQUELOT angestellten Versuche, die hydrolytischen Enzyme auch zu Synthesen von Glykosiden und Oligosacchariden zu verwenden. Da das Gleichgewicht meist weit auf der Seite der Spaltung liegt, muß man für die Synthese eine der Komponenten in großem Überschuß anwenden. Bringt man ß-Glucosidase (Emulsin) in eine methylalkoholische Lösung von Glucose (d. h. das Gemisch von α- und jS-Glucose), so bildet sich nach Ablauf eines Monats eine ansehnliche Menge /5-Methylglucosid. Unter der Einwirkung von a-Glucosidase aus Unterhefe entsteht in gleicher Weise a-Methylglucosid. Auch aus zahlreichen anderen Alkoholen ließen sich die entsprechenden Alkylglucoside synthetisch darstellen. Umgekehrt werden diese durch dieselben Enzyme wieder in Alkohol und Glucose gespalten; es stellt sich also ein Gleichgewichtszustand ein. BOÜRQUELOT (1913) versuchte nun, auf analoge Weise aus Monosacchariden Disaccharide zu erhalten. Tatsächlich gelang es ihm auch, mit Hilfe von Emulsin G e n t i o b i o s e und Cellob i o s e (S. 255, 258), die beide /}-glykosidisch sind, synthetisch darzustellen. Die Resultate wurden neuerdings von PEAT (1952) bestätigt und erweitert. Man hat sogar die Darstellung von Gentiobiose auf diesem Wege empfohlen. In neuerer Zeit hat man viele Enzym-Reaktionen kennengelernt, bei denen Glucose- oder Fructose-Reste auf andere Mono- oder Oligosaccharide unter Oligosaccharid-Bildung übertragen werden.
Maltose (Malzzucker) Die aus 2 Molekülen D- Glucose bestehende Maltose entsteht aus Stärke bei der Einwirkung von Amylase (Diastase) und stellt ein für die Gärungsindustrie wichtiges Zwischenprodukt dar (S. 35). Maltose kristallisiert in Nadeln, die 1 Mol Wasser enthalten, und dreht stark nach rechts. Beim Kochen mit verdünnten Mineralsäuren entsteht ausschließlich D-Glucose. Maltose zeigt noch ganz die Reaktionen der Monosaccharide : sie weist Mutarotation auf, reduziert alkalische Kupferlösung, bildet mit 2 Mol Phenylhydrazin ein Osazon (Phenylmaltosazon) und läßt sich zu einer einbasischen Säure, der Maltobionsäure C 12 H 22 0 12 , oxydieren, die bei der hydrolytischen Spaltung D-Gluconsäure HO · CH2 · [CH · OH] 4 · C0 2 H und D-Glucose liefert. Weiter unten wird gezeigt werden, daß Maltose eine 4-[«-D-Glucosido]-D-glucose ist. Milchzucker (Lactose) Milchzucker enthält neben D-Glucose als zweite Komponente D-Galaktose. Er findet sich zu 5—8% in der Milch der Säugetiere, aus der er auch gewonnen wird. Gewöhnlich verwendet man zur Darstellung die Molken; so heißt die von Fett und Casein befreite Flüssigkeit, die übrigbleibt, nachdem Milch entrahmt und die erhaltene M a g e r m i l c h auf Käse verarbeitet worden ist. Die Molken enthalten nahezu allen Milchzucker, ferner einen großen Teil der anorganischen Bestandteile der Milch. Der Milchzucker wird durch Eindampfen der Molken gewonnen und durch Umkristallisieren gereinigt.
Milchzucker kristallisiert mit 1 Mol Wasser in harten Kristallen. Er schmeckt nicht so süß wie Rohrzucker und wird hauptsächlich in der Säuglingsernährung verwendet. Durch bakterielle Zersetzung liefert er die Milchsäure, die bei der Sauermilch- und Yoghurt-Bereitung auftritt. Er zeigt die Reaktionen der Monosaccharide ; in derselben Weise wie bei Maltose läßt sich nachweisen, daß er noch eine reduzierende Gruppe enthält. Diese gehört der D-Glucose an; denn bei der Oxydation mit Bromwasser entsteht aus Milchzucker Lactobionsäure, die bei der Hydrolyse in D-Galaktose und D-Gluconsäure gespalten wird. Milchzucker ist daher eine Galaktosidoglucose, und zwar 4- [/?-D -Galaktosido ]-D-glucose. Über eine strukturisomere Galaktosidoglucose, die Melibiose, s. S. 272.
Rohrzucker
257
Bohrzucker (Saccharose) Rohrzucker findet sich in vielen Pflanzen und Früchten, ζ. B. Aprikosen, Pfirsichen, Birnen und Ananas. E r wird in erster Linie aus den Wurzeln der Zuckerrübe und den Stengeln des Zuckerrohrs technisch gewonnen. E r schmilzt, aus Wasser oder Alkohol kristallisiert, bei 182°. Bei stärkerem Erhitzen bräunt er sich und liefert K a r a m e l , ein Gemisch verschiedener Zersetzungsprodukte. Die gesättigte wäßrige Lösung enthält bei 20° 6 7 % Saccharose; in Alkohol ist Rohrzucker fast unlöslich. Bei der Hydrolyse mit verdünnter Säure entstehen D-Glucose und D-Fructose. Während Rohrzucker selbst stark nach rechts dreht, ist ein Gemenge dieser Monosaccharide linksdrehend, da D-Fructose bei gewöhnlicher Temperatur stärker nach links dreht als die gleiche Menge D-Glucose nach rechts. Wegen dieser Umkehr des Drehungsvermögens im Laufe der Hydrolyse wird die Reaktion als Inversion bezeichnet (Βιοτ, PERSOZ 1833). Das Reaktionsprodukt heißt Invertzucker. Einen natürlichen Invertzucker stellt der Honig dar. Die dem Bienenspeichel entstammende, auch im Honig vorkommende Invertase, die den Rohrzucker zu Invertzucker spaltet, ist im Gegensatz zum Hefeenzym (S. 268) eine Glucosidase. Beim Rohrzucker findet m a n die charakteristischen Reaktionen der Monosaccharide nicht wieder. E r reduziert alkalische Kupferlösung nicht, wird durch Kali nicht braun gefärbt und bildet kein Osazon. Man darf hieraus schließen, daß freie reduzierende Gruppen nicht vorhanden sind, der Rohrzucker also zum Typus I von S. 254 gehört. Rohrzucker zeigt wie andere Kohlenhydrate das Verhalten einer äußerst schwachen Säure (k = etwa 10 -13 ), das wir früher als eine allgemeine Eigenschaft der Polyhydroxylverbindungen erkannt haben (S. 170). Wegen der relativen Unempfindlichkeit des Rohrzuckers gegen Alkalien sind seine Salze mit Basen (Saccharate) bequem darstellbar. So kennt man ζ. B. ein Monocalciumsaccharat und ein Dicalciumsaccharat C^H^On· CaO · 2H 2 0 bzw. C^H^On · 2CaO, die sich in Wasser leicht lösen. Kocht man eine solche Lösung, so fällt das sehr schwer lösliche Tricalciumsaccharat C ia H SB 0 11 · 3CaO · 3HjO aus. Da Rohrzucker ein starkes Drehungsvermögen besitzt ([α]ι> = + 66· 5°), kann man seinen Gehalt in Lösungen durch Feststellung der Drehung sehr genau ermitteln. Sind neben Rohrzucker in der Lösung noch andere optisch-aktive Substanzen vorhanden, so muß deren Drehung natürlich berücksichtigt werden. Die Inversion des Rohrzuckers durch Säuren ist wie die Esterverseifung eine pseudomono· molekulare Reaktion, da die Konzentration des Wassers dabei im allgemeinen als konstant angenommen werden kann. Ist H 2 0 + 1 li0 2 (wirken in vivo als Peroxydasen C-C-Bindungen
Die Wirkungaspezifität der Enzyme wird bei Vorhandensein einer prosthetischen Gruppe weitgehend durch diese, im übrigen aber durch den Eiweißstoff bestimmt. Es gibt ζ. B. Enzyme mit gleicher prosthetischer Gruppe, die je nach dem Protein nur Aminosäuren oder nur Dihydropyridin-Verbindungen oxydieren. Immerhin sind gewisse Veränderungen in der Konstitution des Substrats möglich, ohne daß die Enzymreaktion aufgehoben wird. Man beobachtet dann in der Regel nur eine Beschleunigung oder Verlangsamung des Umsatzes. Manche Enzyme sind wenig anspruchsvoll in bezug auf die Konstitution des Substrats. Dieser relativen Spezifität steht eine oft ungemein hohe Spezifität in bezug auf sterische Änderungen am Substrat gegenüber, die leicht verständlich ist, wenn das Substrat mit mehreren Gruppen an der Oberfläche des Enzyms verankert wird (MehrpunktKontakt, S. 272). Wie E. FISCHER zeigte, sind von den drei Hexosen Glucose, Mannose und Fructose nur die natürlich vorkommenden D-Formen leicht vergärbar. In der Niere finden sich zwei verschiedene Fermente, von denen eines nur D-Aminosäuren, das andere nur L-Aminosäuren dehydriert (KREBS). Enzym und Substrat stehen also nach dem bekannten, von E. FISCHER geprägten Ausdruck 1 zueinander in ähnlichem Verhältnis wie Schlüssel und Schloß. Die stereochemlsche Spezifität der Enzyme legte zunächst die Annahme nahe, daß überhaupt jedes Substrat ein eigenes Enzym zu seiner Spaltung erfordere. Sie scheint in den meisten Fällen, namentlich wenn man die Spaltungegeschwindigkeit nicht außer acht läßt, zuzutreffen. Doch gilt sie sicherlich nicht allgemein. So hat auf dem Gebiet der Carbohydrasen namentlich W E I D E N H A G E N gezeigt, daß die sogenann te M altase der Hefe nicht nur Maltose, sondern auch a-Methylglucosid und Rohrzucker spaltet. Sie ist also eine α-Glucosidase, die spezifisch auf Glucoside der pyTanoiden a-Glucose eingestellt ist, während die Konstitution des Aglykons (Glucose, Methylalkohol bzw. Fructose) nur einen sekundären Einfluß auf die Spaltungegeschwindigkeit ausübt. Ebenso ist die Saccharase der Hefe (Invertase) eine /5-Fructofuranosidase, da sie nicht nur Rohrzucker, sondern auch andere furanoide /J-Fructoside spaltet. Seit langem bekannt ist die Verwendung von Mandelemulein zum Nachweis ß-glucosidischer Bindungen. Nach H E L F E R I C H spaltet die /J-Glucosidase des Süßmandel-Emulsins nicht nur ß-d- Glucoside, sondern auch ß-d-Xyloaide. Der Ersatz der CH,«OH-Gruppe der Glucose durch Wasserstoff beeinträchtigtdemnach die Wirksamkeit des Enzyme nicht. Ein Enzym wird also im allgemeinen auf eine Mehrzahl von Substraten eingestellt sein, wenn diese sich in ihrem räumlichen Bau weitgehend entsprechen. Wir haben auf S. 256 schon gesehen, daß die Glykosidaeen nicht nur hydrolytische, sondern auch synthetische Fähigkeiten haben. Die verfeinerten analytischen Hilfsmittel der Neuzeit, namentlich die Papierchromatographie, haben den Nachweis ermöglicht, daß diese synthetischen Fähigkeiten der Enzyme viel allgemeiner als früher angenommen sind. Erst hierdurch hat man ein Verständnis f ü r den Aufbauweg vieler wichtiger Naturstoffe gewonnen. Man kennt heute eine ganze Reihe von Fermenten, die Zuckerreste auf geeignete Acceptoren übertragen. Eines der ersten Beispiele war das Ferment, das man Phosphorylase nannte („P-Enzym"), weil es Glucosylreste von Stärke und Glykogen auf anorganisches Phosphat überträgt und dadurch die Polysaccharide abbaut: 1
Ber. Dtsch. Chem. Ges. 27 (1894), 2992.
Enzyme
269
[C,H10O„]n + Enzym — [C,H10O5]n., + C,H10O5-enzym C,H10O6-enzym + H3P04 —* C,H n 0 5 · 0 · P0 3 H, + Enzym Die Annahme, daß Phosphorylase auch bei der Polysaccharid-Synthese beteiligt sei, hat sich nicht bestätigt. Glykogen und Stärke werden durch Synthetasen des tierischen und pflanzlichen Organismus mit Hilfe von Uridindiphosphatglucose (S. 562) gebildet, die Glucose in 1, 4-Verknüpfung überträgt (LELOIR). Interessanterweise ist hierbei stets die Anwesenheit eines Polysaccharids einer gewissen Mindestkettenlänge als „primer" notwendig. Auch bei Enzymen mit überwiegend hydrolytischer Funktion wie der Invertase beobachtet man die Neubildung von Di-, Tri-usw.-Sacchariden durch Übertragimg. Offenbar hängt es von dem Enzym ab, in welchem Umfang es Wasser (Hydrolyse) oder Kohlenhydrat (Aufbau) als Acceptor für die Transglykosylierung benutzt.
Die prosthetische Gruppe der Enzyme konnte in einer wachsenden Anzahl von Fällen (zuerst von W A R B U R G 1924) chemisch charakterisiert oder in reinem Zustand isoliert werden. Als Wirkgruppen einiger Oxydasen und der Katalase sind Verbindungen vom Hämintypus (also eisenhaltige Verwandte des Blutfarbstoffs) erkannt worden. Die Coenzyme der Dehydrogenasen (z. B. „Cozymase") sind Nucleotide, die einen hydrierbaren Pyridinring oder ein Flavin (Isoalloxazin) enthalten (S. 555). Das in der Hefe enthaltene „gelbe Ferment", der älteste Vertreter der „Flavoproteine", enthält als prosthetische Gruppe den Phosphorsäureester des Vitamins B 2 . Das gelbe Ferment wurde zuerst von T H E O B E L L in Träger und Wirkgruppe, die beide für sich unwirksam sind, zerlegt und aus den Komponenten wieder synthetisiert. Der Mechanismus der Umsetzung zwischen Wirkgruppe und Substrat ist bei den Oxydoredukasen im wesentlichen aufgeklärt. Wie der Name besagt, handelt es sich um Oxydations-Reduktions-Reaktionen, bei denen Elektronen durch Wertigkeitswechsel des Fermenteisens oder Wasserstoffatome durch abwechselnde Hydrierung und Dehydrierung des Pyridins (S. 521) oder Isoalloxazins (S. 555) übertragen werden. Andere strukturell aufgeklärte Coenzyme oder Coenzym-Bausteine sind die , ^ c a r b oxylase", die sich als der Pyrophosphorsäureester des Vitamins Bj erwiesen hat (S. 537), und Pyridoxalphosphat (S. 293), das Coenzym der Aminosäure-Decarboxylasen und Transaminasen. Hinsichtlich ihres Wirkungsmechanismus hat man in neuerer Zeit plausible Vorstellungen entwickelt ( S N E L L , B R E S L O W ) ( S . 293, 537). Flavin-Enzyme sind u. a. die Glucoseoxydase aus Pénicillium notatum (S. 249) und die Ketosäuren erzeugende Aminosäuxeoxydase aus Nieren und Schlangengift. Schon dieser kurze Überblick läßt die engen Zusammenhänge zwischen dem Fermentgeschehen und den Vitaminen erkennen, deren Bedeutimg im Stoffwechsel dadurch verständlich geworden ist. An den meisten Stoffwechselprozessen sind mehrere Fermente beteiligt, so daß man es mit komplizierten Folgereaktionen („Fermentketten, Multi-Enzyme") zu tun hat. Ein Beispiel bildet der „Zymase" genannte Komplex von Enzymen bei der alkoholischen Gärung. Auch die Endphase des oxydativen Stoffwechsels, die „Zellatmung", läuft über Fermentketten. I n der Oxydation der Bernsteinsäure (S. 186) sind Succinodehydrogenase (ein Flavinenzym), die Cytochrome b, c und a und Cytochromoxydase ( W A R B U R G S „Atmungsferment") hintereinandergeschaltet. Nur Cytochromoxydase reagiert mit Sauerstoff direkt. Dihydrocozymase wird ebenfalls von Cytochrom c durch Vermittlung eines Flavoproteins oxydiert. Räumliche Nachbarschaft zusammengehöriger Enzyme findet man z. B. in den Mitochondrien, die als etwa 1 μ große Partikeln im Zellsaft enthalten sind. Das von den Enzymen entworfene Bild wäre nicht vollständig, wenn wir nicht noch kurz ihrer Beeinflussung durch Zusätze gedächten. Diese treten als Aktivierung oder als Hemmung in Erscheinung. Wir werden später bei der genaueren Besprechimg der Eiweißstoffe auf ihre amphotere Natur zurückkommen. Ihr Zustand in Lösungen ist also von der Wasserstoffionen-Konzentration abhängig. Dementsprechend zeigen die Enzyme ein mehr oder minder ausgesprochenes Maximum ihrer Wirksamkeit bei einem bestimmten pK, eine Tatsache, auf die zuerst S O R E N S E N aufmerksam gemacht
270
Acyolische Verbindungen
hat. Desgleichen kann die Wasserstoffionen-Konzentration die elektrolytische Dissoziation des Substrats und dadurch ebenfalls die Reaktionsgeschwindigkeit beeinflussen. Schwermetalle können durch Salzbildung, Reaktion mit Mercaptangruppen oder Chelatisierung mit anderen für das Fermentgeschehen wesentlichen Gruppen die Wirkung hemmen. Ein Beispiel dafür bildet die Harnstoff spaltende Urease. Die Hemmung kann in diesem Fall durch Blausäure, die das Metall bindet, wieder aufgehoben werden. Eisenhaltige Oxydasen werden durch Blausäure oder Kohlenoxyd „vergiftet" (Komplexbildung mit dem Eisen). Ausserdem gibt es eine „kompetitive" Hemmung durch Konkurrenz strukturell verwandter Substrate oder Produkte um das gleiche Enzym, ζ. B. Hemmung der Succinodehydrogenase durch Malonsäure. Beispiele für Aktivierung liegen in der Förderung der Phosphatase durch Magnesium, der Peptidasen durch Zink, Kobalt und Mangan, der Hefe-Aldolase durch Zink und der Phenoloxydase durch Kupfer vor. Diese Metalle wirken wohl zum Teil so, daß sie die Bindung des Substrats oder des Coenzyme an das Protein durch Komplexbildung unterstützen. Eine Bindung von Metallen an Flavinenzyme (z. B. Molybdän in der Xanthinoxydase, Fe 1 ! 1 in der Succinodehydrogenase) hat man neuerdings nachgewiesen. Eine weitere Funktion der Metalle kann die Stabilisierung der tertiären Enzym-Struktur, des aktiven Zentrums, sein. Diese Rolle schreibt man z. B. dem Calcium in der a-Amylase zu. Durch vorsichtige Veränderung oder durch Abbau von Fermentproteinen hat man festgestellt, daß Teile dieser Proteine für das Fermentgeschehen unwesentlich sein können. In einzelnen Fällen hat man auch die sogenannten aktiven Stellen isolieren können und hat dabei eine überraschende Gleichheit der Aminosäurefolge in diesen Stellen konstatiert. Andererseits brauchen die Aminosäuren einer aktiven Stelle nicht notwendig Nachbarn in einer Hauptkette zu sein, sie können auch durch sekundäre Faltung der Kette in Nachbarschaft zueinander gelangen. Auch der schädliche Einfluß der Eiweißdenaturierung auf die Enzymwirkung wird dadurch verständlich. Der Enzym-Bestand namentlich niederer Organismen kann je nach den Umweltbedingungen nicht unerheblich wechseln. Eine besonders interessante und viel studierte Erscheinung ist die sog. adaptive Enzym-Bildung im normalen Enzym-Bestand nicht vorhandener Enzyme durch „Induktoren". Ζ. B. läßt sich Echerichia coli durch Gabe von Galaktose zur Produktion von /5-Galaktosidase anregen. Anscheinend hängt diese Eigentümlichkeit eng mit dem Gen-Bestand der Zellen zusammen. Nach M O N O D beruht das Fehlen von /3-Galaktosidase in induzierbaren Zellen darauf, daß diese Zellen einen Hemmstoff für die Bildung dieses Enzyms erzeugen. Einige Worte müssen schließlich noch über die quantitative Bestimmung der Enzyme und die Kontrolle ihrer Anreicherung gesagt werden. Da die Wirksamkeit der Enzyme oft nur nach der von ihnen hervorgerufenen Reaktionsgeschwindigkeit beurteilt werden kann und vielfach Proportionalität zwischen Enzym-Menge und Geschwindigkeitskonstante besteht, erscheint die Geschwindigkeitskonstante als das geeignete Maß für die Enzym-Menge. I n der Praxis ergeben sich jedoch Schwierigkeiten dadurch, daß die Ordnung der Reaktion von der Substrat-Konzentration abhängt, die kinetischen Gesetze häufig nicht streng erfüllt sind und Aktivierungs- und Hemmungsstoffe unbekannter Art die Geschwindigkeit in schwer zu kontrollierender Weise beeinflussen können. Man kann daher meist nur relative Bestimmungen unter Standard-Bedingungen ausführen, indem man Art und Konzentration des Substrats sowiedie optimale Wasserstoffionen-Konzentration festlegt und die Messung der Geschwindigkeitskonstante durch die Feststellung der Zeit ersetzt, die für die Erreichung eines bestimmten Spaltungsgrades benötigt wird. Bei Enzymen, die eine charakteristisch absorbierende Gruppe enthalten, kann man die Konzentration colorimetrisch (spektroskopisch) ermitteln, sobald man die Zusammensetzung des reinen Enzyms und die Gleichgewichtsverhältnisse kennt.
271
Asymmetrische Synthese
Bei bekanntem Molekulargewicht eines Enzyms kann man eine Wirksamkeit durch seine „ W e c h s e l z a h l " ausdrücken. Als solche bezeichnet man die von 1 Molekül des Enzyms in 1 Min. umgesetzte Anzahl von Substratmolekülen. Sie beträgt ζ. B. 5000000 f ü r Katalase.
Über Entstehung optisch-aktiver Verbindungen (Asymmetrische Synthese) Wir haben schon S. 220 ein Beispiel dafür gegeben, wie man aktive Substanzen aus symmetrischem Material unter Zuhilfenahme von optisch-aktiven Substanzen darstellen kann, indem man die verschiedene Reaktionsgeschwindigkeit von Diastereoisomeren ausnutzt und nach Beendigung des Prozesses die Hilfssubstanz wieder entfernt. Man nennt solche Vorgänge relative asymmetrische Synthesen, weil sie das Vorhandensein einer aktiven Hilfssubstanz voraussetzen. Einige weitere Beispiele mögen solche Synthesen erläutern. Wenn man Brenztraubensäure CHJ-C0-C0 2 H reduziert, so bildet sich die inaktive Milohsäure. Reduziert man aber einen Ester der Brenztraubensäure mit einem optisch-aktiven Alkohol, ζ. B. dem linksdrehenden Borneol, so bildet sich ein Gemisch des L-Säureesters mit einem geringen Überschuß des D-Säureesters, aus dem durch Verseifung (also Entfernung des eingeführten asymmetrischen Gebildes) aktive Milchsäure erhalten wird: CHS-CO-COJ-CJOHJ,
— Ν
CH3.CH(OH)-COSH. D-Milchsäure
Die primär entstehenden Bornylester der D- und L-Milchsäure sind diaetereoisomer und bilden sich mit verschiedener Geschwindigkeit. (—)-Weinsäure bildet sich im Überschuß, wenn nicht Fumarsäure selbst, sondern ihr saurer (—)-Bomylester 2 OH- Gruppen aufnimmt (S. 218). Die Geschwindigkeitsunterschiede von Diastereoisomeren sind im allgemeinen nicht sehr groß. Der Grad der erreichbaren Asymmetrie ist daher oft nicht sehr beträchtlich. I n geeigneten Fällen h a t PRELOQ mit plausiblen Annahmen über begünstigte Konformationen den Drehungssinn des überwiegenden Antipoden richtig voraussagen können. In vielen Fällen wird es einfach „sterische Hinderung" durch Größenunterschiede der Substituenten sein, die eine bestimmte sterische Richtung der Reaktion begünstigt. Nimmt man ζ. B. bei einem Brenztraubensäureester an, daß die CO-Gruppen sich in einer Ebene befinden und daß in der alkoholischen Komponente R j < R 4 < R t , so wird ein Alkylmagnesiumhalogenid sich auf der Seite anlagern, wo sich der kleinste Substituent befindet: CO,H
R4
O
! RJ—C—OH
II ,C\
I
• R1X
\c/
\o/
^R, n
R4
I R S —C—OH
ι
Rs
II % Ri O |2 MgX J e größer R 5 gemacht wird, um so mehr wächst die Ausbeute an einem Antipoden, die „Stereo " Spezifität". Bei Enzymreaktionen beträgt sie bekanntlich häufig 100%, d. h., von den beiden Antipoden wird überhaupt nur einer angegriffen. Bei Angriff auf symmetrische Substrate kann eine Enzymreaktion auch zu einer asymmetrischen Synthese führen. Wenn Fumarsäure durch Fumarase zu L-Äpfelsäure hydratisiert wird, so erfolgt die Wasseranlagerung streng stereospezifisch in trans-Stellung, und ebenso streng stereospezifisch wird rückwärts das gleiche H-Atom, das vorher angelagert wurde, wieder abgespalten. Ein Ferment Glycerinkinase kann in Gegenwart von anorganischem Phosphat Glycerin zu a-Glycerinphosphorsäure verestern. Markiert man ein endständiges C-Atom des Glycerine mit 14 C, so stellt sich heraus, daß von den beiden scheinbar gleichwertigen CHj·OH-Gruppen des Glycerins praktisch nur eine verestert wird: es entsteht R-Glycerinphosphorsäure. 1 4 CH,.OH
HO— ¿ — Η
"CHj-OH ρ
°· >
HO—i-Η
+ Enzym
CH, - OH . . . Enzym ¿ H a · O · PO,Η, Wir haben es auch hier zunächst nur mit dem gewöhnlichen Diastereoisomeren-Beispiel zu tun. Denn durch Anlagerung des Enzyme an eine CH 2 · OH-Gruppe wird das mittlere C-Atom des Glycerins asymmetrisch. Fraglich ist nur, ob dies zur Erklärung eines 100%ig. stereospezi-
272
Âcyclische Verbindungen
fischen Verlaufs ausreicht. Nach einer Hypothese von OGSTON (1948) wird der einseitige stereochemische Ablauf •verständlich, wenn man eine Dreipunkte-Verankerung des Substrats auf dem Enzym annimmt (Fig. 68). Je nachdem die Stelle χ oder die Stelle y katalytisch aktiv ist, wird dann der eine oder der andere Antipode ausschließlich entstehen.
Asymmetrischen Synthesen im größten Maßstab begegnen wir in der Natur, wo die Pflanzen rechtsdrehende Glucose und zahlreiche andere optisch-aktive Verbindungen aus inaktivem Material (Kohlendioxyd und Wasser) darstellen. Auch hier haben wir es mit relativen asymmetrischen Synthesen zu tun, da wir die Allgegenwart von Enzymen als eine biologische Tatsache hinnehmen müssen. Die Frage nach der ersten Entstehung optisch-aktiver Verbindungen in der Natur (gewissermaßen ihrer „Urzeugung"), die man als absolute asymmetrische c . Synthese zu bezeichnen hätte, hat zu mancherlei Spekulationen Anlaß gegeben. Eine Erklärung hat man u. a. in dem Vorhandensein von zirkulär polarisiertem Licht im Tageslicht gesucht. Wie COTTON 1896 gezeigt hat, besitzen optische Antiα poden für bestimmte Wellenbezirke Zirkulardichroismus, d. h. CL· ungleiches Absorptionsvermögen für rechts- und linkszirkulares Licht (COTTON-Effekt). Photochemische Umsetzungen in zir-
kulärem Licht werden daher einen Antipoden im Überschuß erf zeugen bzw. zerstören, wenn der Unterschied in den Absorptionskoeffizienten für rechts- und linkszirkulares Licht genügend groß ist und wenn sich an die photochemische Reaktion keine DunkelEnzym y reaktionen anschließen, die das Ausbeuteverhältnis verschlechtern. Experimentelle Beweise hierfür lieferte zuerst W. K Ü H N , Pig. 68 der aus einem Racemat in rechtszirkularem Licht den einen, in linkszirkularem Licht den anderen Antipoden im Überschuß erhielt. Eine weitere Möglichkeit, mit der neuerdings gerechnet wird, ist die Erzeugung optischer Aktivität durch polarisierte Bremsstrahlung kosmischen Ursprungs. Schließlich sind auch Erscheinungen wie die spontane Racemat-Spaltung nach P A S T E U E (S. 2 1 9 ) , die Aktivierung an opt.-akt. Quarz (S. 2 2 1 ) und die Spaltung von Racematen durch Bildung von Harnstoff-Einschlußverbindungen (S. 195) als ursächliche Momente bei der Entstehung von optischer Aktivität nicht außer acht zu lassen. 2. Trisaccharide und Tetrasaccharide Trisaccharide haben die Formel 3 CeH12Oe — 2 H 2 0 = C 18 H 32 O ie ; eines der am längsten bekannten ist die Raffinose C i e H 3 2 0 „ + 5 H 2 0, so genannt, weil sie aus der beim Raffinieren des Rübenzuckers abfallenden Melasse dargestellt werden kann. Man gewinnt sie am besten durch Extraktion von Baumwollsamen, der etwa 3°/ 0 Raffinose enthält, mit Wasser. Sie schmeckt nicht süß. Bei der Hydrolyse mit starken Säuren zerfällt sie unter Aufnahme zweier Moleküle Wasser in je 1 Molekül D-Fructose, D-Glucose und D-Galaktose. Bei der Hydrolyse mit verdünnten Säuren sowie mit Fructosidase glückt es, die Raffinose quantitativ in D-Fructose und das Disaccharid Melibiose zu spalten, die sich als eine 6-Galaktosido-glucose erwiesen hat. Durch Einwirkung von Emulsin wird Raffinose in D-Galaktose und Rohrzucker gespalten. Sie ist aleo ein Galaktosido(l,6)-glucosido(l,2)-fructosid: Rohrzucker Galaktose— Glucose—Fructose Melibiose Raffinose zeigt die Zuckerreaktionen nicht, da sie keine reduzierende Gruppe enthält. Sie kristallisiert in dünnen Prismen mit 5 Mol Kristallwasser. Rohrzucker kristallisiert aus raffinosehaltigen Lösungen in eigenartigen spitzen Kristallen (Spitzenzucker). Man hat es hier mit einem der häufigen Fälle zu tun, wo die KristalliracAt (nicht das Kristallsystem!) durch Lösungsgenossen beeinflußt wird. Das älteste Beispiel dieser Art ist die Kristallisation von Kochsalz in Oktaedern in Gegenwart von Harnstoff. Eine Fructosido(l,2)-galaktosido(l,4)-glucose ist von KUHN neben anderen Oligosacchariden in der Fi-auenmileh gefunden worden.
273
Polysaccharide
Ebenfalls in der Zuckerrübe, reichlich in den Wurzelknollen von Stachye tuberifera, findet sich ein nicht reduzierendes Tetrasaccharid Stachyose C 2 1 H 1 2 0 2 1 + 4 H 2 0 , das sich als a-D-GalaktoBido(l,6)-a-D-galaktosido(l,6)-a-D-glucosido(l,2)-^-D-fructosid erwiesen hat, also ein direkter Abkömmling der Raffinose ist (HERISSBY).
Polysaccharide Die meisten Polysaccharide sind scheinbar amorph und haben sich erst bei der Strukturuntersuchung mit Röntgenstrahlen als mikrokristallin erwiesen. Sie schmecken nicht süß und sind in Wasser vielfach schwer- oder unlöslich. Durch Hydrolyse mit Säuren oder Enzymen werden sie in Hexosen oder Pentosen gespalten. Sie sind also nach demselben Prinzip wie die Oligosaccharide aufgebaut, von denen sie sich aber durch viel höheres Molekulargewicht unterscheiden. Die am besten bekannten Polysaccharide liefern bei der Hydrolyse fast ausschließlich ein einziges Monosaccharid; z. B. entsteht aus den Hexosanen Stärke, Glykogen, Dextran und Cellulose nur Glucose. Die Zusammensetzung der Polysaccharide müßte der Formel ηΟ,Η^Ο, — (η — 1) HjO entsprechen, wenn sie nach demselben Prinzip wie die Oligosaccharide aufgebaut wären. Eine Entscheidung darüber ist aber analytisch kaum zu treffen, weil diese Formel für großes η sich nicht mehr merklich von [C 6 H ]0 O 6 ]„ unterscheidet: C Η [C„HJ0O5]16 + HjO 44-1 6-25 [CEH10OT]40 + C0H,0OS
HJO
Cellulose (gefunden)
44-3 44-4
43-5—44-0
6-23 6-17
—
Ferner ist es infolge der Eigenschaften der Polysaccharide außerordentlich schwer oder unmöglich, sie in analysenreinem Zustande zu gewinnen (fast alle Präparate enthalten etwas Asche, ζ. B . Phosphate, Kieselsäure). Aus diesem mehr negativen Grunde schreibt man ihnen gewöhnlich die Formel [C,H 1 0 0 5 ]„ zu. Weiter unten wird gezeigt werden, wie man auf chemischem Wege die unzureichenden Aussagen der Elementaranalyse ergänzen kann.
Stärke Die Stärke ist eines der ersten Assimilationsprodukte in der lebenden Pflanze. Sie findet sich in den verschiedensten Geweben und Organen der Pflanze, und zwar in mikroskopischen Körnchen in Pflanzenzellen eingelagert. Die Körnchen sind nach Größe (0·5 bis 170μ) und Form sehr verschieden; sie sind kugelig, oval usw., meist aus zahlreichen, um einen Kern gruppierten Schichten aufgebaut. Besonders reich an Stärke sind Kartoffeln, Bananen, Getreidekörner, Tapioka und die Stämme der Sagopalme. Das Verhalten der Stärke gegen Wasser ist überaus kompliziert. Unvorbehandelte Stärkekörner werden von kaltem Wasser nicht merklich angegriffen. Beim Erwärmen setzt von etwa 50° an unter Wasseraufnahme eine starke Quellung ein. Die trübe Suspension dieser gequollenen Stärkekörnchen, die unter dem Namen „Kleister" bekannt ist, besitzt schon bei niedriger Konzentration (1—4%) eine hohe Viscosität und erstarrt beim Erkalten zu einer steifen Gallerte. Bei der Verkleisterung unterhalb 100° geht nur wenig Substanz in Lösung. Erst bei andauerndem Erhitzen und Bühren verwandelt sich der Kleister allmählich in ein klares, nunmehr ziemlich dünnflüssiges kolloides Sol, das aber nicht sonderlich stabil ist. Bei längerem Stehenlassen, rascher beim Ausfrieren setzt sich ein Teil der Stärke wieder in schwer löslicher Form ab, eine Erscheinung, die man als „Rétrogradation" zu bezeichnen pflegt. Durch langdauerndes Vermählen oder durch Behandeln mit verdünnter kalter Salzsäure kann man die Dispergiening der Stärke in Wasser wesentlich erleichtern. Derartig vorbehandelte „lösliche Stärke" hat durch teilweisen Abbau das Vermögen zur Kleisterbildung verloren und läßt sich direkt in klare dünnflüssige Lösungen überführen, die aber nach längerer Zeit ebenfalls retrogradieren. H o l l e m a n - R i c h t e r , Organische Chemie. 37. - 41. Auflage
18
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Acyclische Verbindungen
Die Viscosität des Stärkekleisters hängt in bedeutendem Maße von seinem Elektrolyt-Gehalt ab. Kartoffelstärke enthält unter anderem kleine Mengen Phosphorsäure in esterartiger Bindung ( P O S T E E NAK) und bildet deshalb mit Kationen Salze, die durch Wasser teilweise hydrolytisch gespalten werden. Bei der natürlichen Kartoffelstärke ist dieses Kation hauptsächlich Kalium, doch kann unter Umständen sohon beim Fabrikationsprozeß durch einen permutitartigen Basenaustausch ein Teil des Kaliums durch Calcium ersetzt werden. Kaliumstärke gibt einen sehr hochviscosen Kleister, dessen Zähigkeit bald abnimmt. Dagegen ist die Zähigkeit des Kleisters aus Calciumstärke zwar viel geringer, dafür aber zeitlich ziemlich konstant. Stärke läßt sich auf verschiedene Weise in zwei Fraktionen, wenig verzweigte Amylose und stark verzweigtes Amylopektin, zerlegen. Wenn man Stärkekleister mit Butylalkohol auf 120° erhitzt oder ihn bei Kaumtemperatur mit Thymol sättigt, so fällt die sehr schwer lösliche Amylose aus, während Amylopektin in Lösimg bleibt. Die meisten Stärkearten enthalten etwa 20—30°/0 Amylose. Die spezifische Drehung von Stärkelösungen beträgt etwa -(-190°. Die Molekulargewichte hochmolekularer Stoffe von der Art der Stärke lassen sich natürlich nach den üblichen Methoden nicht mehr bestimmen. Doch kennt man einige physikalische Methoden, die wenigstens eine Abschätzung der Größenordnung gestatten. Man kann z. £ . die Lösungen hochmolekularer Stoffe durch hohe Zentrifugalkräfte (bis zum 10 e -fachen der Erdschwere) entmischen und aus der Konzentrationsänderung in verschiedener Höhe und der Sedimentationsgeschwindigkeit die Teilchengröße berechnen (Ultrazentrifuge von S V E D B E R G ) . S T A U D I N G E R hat femer gefunden, daß bei polymer-homologen Reihen (S. 106) in sehr verdünnten Lösungen zwischen der relativen Viscosität η (bezogen auf Wasser = 1), der Konzentration c (in g/100 om3) und dem Polymerisationsgrad Ρ (d. h. der Anzahl der Gruppen C e H 10 O 5 pro Mol im Fall der Stärke) folgende Beziehung besteht: c Wenn man also ζ. B . für niedrigmolekulare Glieder einer solchen Reihe das Molekulargewicht osmotisch oder kryoskopisch bestimmen kann, so kann man den Zahlenwert der Konstante k und damit den Polymerisationegrad der hochmolekularen Glieder berechnen. Es ist bei diesen Methoden nicht ganz leicht zu beurteilen, ob die erhaltenen Zahlen Teilchengewichte von KolloidTeilchen oder chemische Molekulargewichte darstellen. S T A U D I N G E R hat in einer Reihe von Fällen wahrscheinlich machen können, daß wahre Molekulargewichte chemisch einheitlicher Moleküle vorliegen, wenn bei vorsichtiger Umwandlung einer hochmolekularen Substanz in Derivate und Rückverwandlung der Derivate in das Ausgangsmaterial die viscosimetrisch bestimmten Molekülgrößen unverändert bleiben. Auch die Messung der Lichtstreuung hat neuerdings wichtige Beiträge zur Beurteilung des Molekulargewichts geliefert. Für Stärke wurden viscosimetrisch und osmotisch Molekulargewichte von ca. 5 Χ 10 1 bis 3 - 5 X 10 5 (Amylose) bzw. 2 χ 10 5 bis 10 7 (Amylopektin) gefunden. Messungen in der Ultrazentrifuge an Gesamtstärke ergaben Werte von etwa 3 - 5 χ IO6 bis 1 · 1 χ IO7. K R A E M E R und LANSING haben daíauf hingewiesen, daß das osmotisch ermittelte Durchschnittsmolekulargewicht M ein Zahlendurchschnitt ist: liegt ein Gemisch von Teilchen verschiedenen Molekulargewichte vor und bezeichnet man allgemein die Zahl der Teilchen, die ein bestimmtes Molekulargewicht Mi haben, mit n, , so ist der Zahlendurchschnitt M —
M =
ZmMj -F; Ση(
M GEW = β
Σπ,Μ) =—„Ν Ση(Μ(
AFMT =
ΣηιΜ\ =— ΣηιΜ\
während viecosimetrisch ein „Gewichts"durchschnitt Mgew, mit der Ultrazentrifuge ein Duroheohnitt Malt ermittelt wird. Man erkennt leicht, daß diese Werte nur dann identisch sind, wenn alle Teilchen das gleiche Molekulargewicht haben. Stärke und andere polymere Kohlenhydrate sind stark polydispers, d. h. Mischungen von Teilchen verschiedenen Molekulargewichts.
In chemischer Beziehimg ist Stärke durch das Fehlen der Monosaccharid-ßeaktionen charakterisiert. Sie reduziert alkalische Kupferlösung nicht, wird von Alkalien nicht merklich angegriffen und gibt kein Phenylosazon. Bekannt ist die intensive Blaufärbung, die selbst sehr verdünnte Lösungen mit Jod geben und die auf der Bildung
Starke
275
einer Einschluß Verbindung beruht1. Sie ist eine Eigenschaft der Amylose und kann zu ihrer colorimetrischen Bestimmung dienen. Mit abnehmender Kettenlänge der Amylose (etwa unterhalb 30 Glucoseresten) geht die Farbe in R o t über. Auch Amylopektin gibt nur eine rote Färbung mit Jod, die jedoch meist von der Blaufärbung der Amylose überdeckt ist. Durch Kochen mit verdünnten Säuren werden Amylose und Amylopektin zu D-Glucose aufgespalten. Stärke hydrolysierende Fermente ( A m y l a s e n ) finden sich verbreitet im Pflanzen- und Tierreich, ζ. B. im Getreide(Gerstenmalz), im Speichel und in der Pankreasdrüse. Sie bauen Stärke zu Maltose ab. Man unterscheidet Λ-Amylasen (ζ. B. aus Pankreas) und /3-Amylasen (ζ. B. aus Bataten), die sich in ihrer Wirkung beträchtlich voneinander unterscheiden, ß - A m y l a s e spaltet unmittelbar zu Maltose, indem sie die Kette schrittweise vom Ende her abbaut. Dagegen greift a-Amylase die glykosidischen Bindungen wahllos an. Hier entstehen deshalb „Dextrine" als Zwischenprodukte. α-Amylase benötigt zu ihrer Funktion Calcium-Ionen, denen man eine stabilisierende Wirkung auf die tertiäre Struktur des Enzym-Proteins zuschreibt. Ein Abbau bis zu Glucose erfolgt nicht in größerem Umfang. Dagegen ist in der Kartoffel eine Phosphorylase (S. 268) enthalten, die in Gegenwart von Phosphat-Ion Stärke zu Glucose-1phosphat (S. 255) aufspaltet. Unter Dextrinen versteht man gummiartige, wasserlösliche Polysaccharide, deren Molekulargewicht kleiner als das der Stärke ist. Sie bilden sich auch beim Erhitzen von Stärke allein oder mit ein wenig Salpetersäure auf 110° und sind als Zwischenprodukte des hydrolytischen Stärke-Abbaus zu betrachten. Die Dextrine werden aus ihrer wäßrigen Lösung durch Alkohol in amorphen Flocken gefällt und färben Jodlösung teils rot, teils überhaupt nicht. Niedrigmolekulare kristallisierte Dextrine, ζ. B. [C,H 1 0 O s ] 6 und [C,H 10 O 6 ] 7 , sind von SCHARDINOEK durch Einwirkung von Bacillus macerane auf Stärke erhalten worden. Sie reduzieren FEHLINGsche Lösung nicht und besitzen ringförmige Konstitution. Durch Schwefelsäure werden sie quantitativ zu Glucose aufgespalten.
Die Untersuchungen über den chemischen Bau der Stärke sind vorwiegend mit Gesamtstärke ausgeführt worden. Durch Behandeln mit Essigsäureanhydrid und Pyridin lassen sich in Stärke drei Acetylgruppen (berechnet auf C e H 10 O 6 ) einführen. Durch Einwirkung von Dimethylsulfat und Alkali auf Triacetylstärke werden die Acetylgruppen abgespalten und durch Methylgruppen ersetzt. Bei der Hydrolyse dieser Trimethylstärke erhält man ganz überwiegend 2,3,6-Trimethyl-glucose und geringe Mengen 2,3,4,6-Tetramethyl-glueose. Also müssen in der Stärke die Stellungen 1, 4 und 6 der Glucose durch Sauerstoffbrücken miteinander verknüpft sein. H A W O B T H hat diese Befunde ursprünglich so erklärt, daß Stärke aus einer fortlaufenden Kette von pyranoiden Glucoseresten besteht, die in 4-Stellung glykosidisch miteinander verknüpft sind: CHJ-OH
CHJ-OH
CHJ-OH
Der am linken Ende der Kette befindliche Glucoserest ist offenbar für die Entstehung von Tetramethylglucose verantwortlich. Auch die Umwandlung von Stärke in Maltose ist mit dieser Formel leicht verständlich. Denn je zwei aufeinanderfolgende Glucosereste repräsentieren jeweilig 1 Molekül Maltose. Für den allgemeinen sterischen 1
Vgl. dazu CBAMEB, Angew. Chemie 64, 424, 437 (1952). 18*
276
Acyolische Verbindungen
Aufbau der Stärke ergibt sich aus der Bildung von Maltose, die ein a-Glucosid ist, daß die Glucose-Moleküle in der Stärke ganz überwiegend, wenn nicht ausschließlich durch a-glykosidische Bindungen miteinander verknüpft sind. Nach unseren heutigen Kenntnissen entspricht das hier entwickelte Formelbild annähernd demjenigen Bestandteil der Gesamtstärke, den wir als Amylose bezeichnet haben. Die Formel des Amylopektins ergab sich aus der Tatsache, daß die Menge der Tetramethylglucose für eine unverzweigte Kette hohen Molekulargewichts erheblich zu groß war und daß die genauere Durchmusterung der Methylierungsprodukte auch 2,3-Dimethyl-glucose zutage förderte. Dies läßt darauf schließen, daß die Glucoseketten des Amylopektins auch seitlich in 6-Stellung mit Glucose glucosidisch verknüpft („verzweigt") sind. Jeder dieser etwa 20 Glucosereste enthaltenden Seitenzweige liefert 1 Molekül Tetramethylglucose pro Endgruppe. Tatsächlich sind bei der Stärkehydrolyse neben Glucose und Maltose auch kleine Mengen Isomaltose (α-6-Glucosido-glucose) gefunden worden. Das Verhalten des Amylopektins gegen /^-Amylase steht mit der Annahme von Verzweigungen in 6-Stellung in gutem Einklang, ß-Amylase vermag die Verknüpfungen in 6-Stellung nicht zu spalten. Nachdem etwa 55°/0 Maltose durch Abbau vom nicht reduzierenden Kettenende her entstanden sind, bleibt ein von /J-Amylase nicht weiter angreifbares „Grenzdextrin" zurück. Auch Amylose enthält in geringerem Maße solchc „Störstellen", die den vollständigen Abbau durch ^-Amylase hindern. Es gibt Anhaltspunkte dafür, daß es sich hier um /3-glucosidische Bindungen handeln könnte. In der Kartoffel ist ein als „Q-Enzym" bezeichnetes Ferment gefunden worden, das (ohne Mitwirkung von Phosphat) durch Übertragung von Seitenketten aus der 4- in die 6-Stellung Amylose in Amylopektin umzubauen vermag, ferner ein „R-Enzym", das α-1,6-Verknüpfungen angreift, sowie ein „D-Enzym", das Amylose aus Maltose aufbaut. Der langkettige Bau der Amylose bedingt physikalische Eigenschaften, die sich merklich denen der Cellulose nähern. Bei der Untersuchung mit Röntgenstrahlen kann man ein Faserdiagramm erhalten. Das Triacetylderivat ist faserförmig, und unter der Einwirkung von Alkalilaugen wird in das Gitter der Amylose wie bei der Cellulose Alkalihydroxyd eingelagert. Glykogen [CeH10O6]x-, Leberstärke, findet sich nicht nur in Pilzen und in der Hefe, sondern vor allem im tierischen Organismus. Glykogen bildet die Reserve, in die der Organismus einen Teil der Nahrungs-Kohlenhydrate umformt. Besonders reich an Glykogen sind die Parenchymzellen der Leber (bis zu 18°/ 0 des Lebergewichts) und das Sarkoplasma der Muskeln. Gewöhnlich wird es aus der Leber von gut gefütterten Kaninchen durch Kochen mit Kalilauge isoliert, wodurch das Gewebe der Leber zerstört, Glykogen jedoch nicht angegriffen wird. Es bildet ein amorphes farbloses Pulver, das mit Wasser bereits bei gewöhnlicher Temperatur aufquillt und ohne Kleisterbildung eine opalisierende Flüssigkeit liefert. Die spezifische Drehung beträgt etwa + 1 9 0 ° bis 200°. Es reduziert FEHLWGsche Lösung nicht und gibt mit Jod eine rote Färbung. Bei der Hydrolyse mit Säuren entsteht nur D- Glucose, mit Amylase Maltose. Bei der Methylierung wurden ähnliche Resultate wie bei Stärke erhalten. Die bisherigen Untersuchungen lassen auf starke Verzweigungen der Kette und von der Stärke nur wenig verschiedenen Aufbau schließen. Das osmotisch und mit der Ultrazentrifuge bestimmte Molekulargewicht ist von der Größenordnung 0·5—7 Millionen. Eine Phosphorylase des Muskels baut Glykogen in Gegenwart von Phosphat-Ion reversibel zu Glucose-l-phosphat ab. Die Glykogen-Synthese im Muskel beruht auf dem Vorkommen eines Enzyms, das mit Uridindiphosphatglucose (S. 562) als Glucose-Überträger auf einen „primer" wirkt (vgl. S. 269). Über den enzymatischen Abbau von Glykogen zu l (+)Milchsäure vgl. S. 264. Desiren, D-Glucan [C t H 10 O 6 ],j ist ein aus D-Glucose aufgebautes, ganz überwiegend a-1,6verknüpftes Polysaccharid. Es wird durch Einwirkung des Bakteriums Leueonostoc mesenteroides auf Rohrzucker gebildet und auch technisch so dargestellt. Es findet als Blutersatz medizinische Verwendung und wird zu diesem Zweck mit Säure teilweise hydrolysiert, um das Molekulargewicht (etwa 10 7 ) herabzusetzen. Ein Dextran abbauendes Enzym (Dextranase) findet sich in der Milz, in Darmschleimhaut und in Schimmelpilzen und Bakterien. Ein aus gemischten ß-1,3und 1,6-Bindungen aufgebautes recht resistentes Glucan bildet die Zellwand der Hefe.
Cellulose
277
Cellulose Ein weiteres, in der Natur überaus verbreitetes Polysaccharid ist die Cellulose. Sie bildet als Gerüstsubstanz den Hauptbestandteil der pflanzlichen Zell Wandungen, in denen sie mit Hemicellulosen1 und iïgnin (S. 278) vergesellschaftet ist. Fast reine Cellulose liegt in der Watte, einem Produkt der Baumwollspinnerei, vor. Die Baumwollhaare sind einzellige Gebilde von 1—5 cm Länge 2 . Das Holz der Laubund Nadelbäume besteht zu 40—60°/o a u s Cellulose, die in nicht ganz reiner Form den technisch gewonnenen Zellstoff (S. 280) darstellt. Die Holzzellen („Holzfasern") sind viel kürzer (durchschnittlich 1—i mm). Cellulose zeichnet sich ihrer biologischen Funktion als Gerüstsubstanz entsprechend durch weitgehende Unlöslichkeit in milde wirkenden Agenzien aus. Sie ist selbst bei Siedetemperatur gegen verdünnte Säuren und Alkalien praktisch beständig und reduziert FEH LING sehe Lösung nicht nennenswert. Erst bei der Behandlung mit konzentrierten Säuren (60—70°/oiger Schwefelsäure oder 38°/oiger Salzsäure) und anschließendem Kochen mit verdünnter Säure wird sie vollständig abgebaut. Hierbei entsteht ausschließlich D-Glucose (BRACONNOT 1819). Auf Grund dieser Reaktion wird neuerdings Glucose technisch direkt aus Holz gewonnen (HolzVerzuckerung), indem man dieses in zerkleinertem Zustand bei etwa 160° in Diffusionsbatterien mit 0·2—0-6%iger Schwefelsäure auslaugt ( SCHÜLLER) . Da hierbei aber aus den die Cellulose begleitenden Polysacchariden noch andere Zucker entstehen, verarbeitet man die anfallende Zuckerlösung durch Gärung auf Alkohol und Futterhefe. Cellulose ist in einer ammoniakalischen Lösung von Kupferoxyd (SCHWEIZERS Reagens) zu einer sehr viscosen, linksdrehenden Lösimg löslich; durch Säuren oder Salze wird sie hieraus unverändert, aber ihrer natürlichen Faserstruktur beraubt, wieder ausgefällt. Man bezeichnet diese umgefällte Cellulose irreführend als H y d r a t c e l l u l o s e , weil man sie früher für ein Hydrat hielt. Ihr Polymerisationsgrad (Anzahl der CgH10O6-Gruppen pro Molekül) in SDHWEIZER-Lösung ergibt sich aus der Viscosität und dem Verhalten in der Ultrazentrifuge zu etwa 2000—3000. Bei der technischen Gewinnung und Verarbeitung wird die Cellulose teilweise abgebaut, wobei ihr Polymerisationsgrad auf 1000—200 sinkt. Beim Behandeln von Cellulose mit stärkeren Alkalien, ζ. B . l e g g e r Natronlauge, entstehen Alkaliverbindungen nicht genau bekannter Zusammensetzung, die durch Wasser leicht hydrolysiert werden. Sie sind unter anderem deswegen von Bedeutung, weil sie mit Schwefelkohlenstoff lösliche Xanthogensäureester (s. Viscose, S. 280) liefern. Wie die Stärke enthält auch die Cellulose auf je 6 C-Atome 3 freie Hydroxylgruppen. Man erhält mit Salpeterschwefelsäure ein Trinitrat, mit Essigsäureanhydrid ein Triacetat. Bei der Methylierung, die am besten mit Methyljodid und Natrium in flüssigem Ammoniak vorgenommen wird, bildet eich ein Trimethyläther. Bei der Hydrolyse dieses Trimethyläthers entsteht nun neben Spuren Tetramethylglucose ausschließlich 2, 3, 6-Trimethylglucose (IRVINE, H A WORTH). Man nimmt deshalb an, daß Cella· 1 Unter „Hemicellulosen" versteht man die Cellulose begleitende Polysaccharide, von denen Xylan (S. 248) das wichtigste ist. Die Bausteinanalyse dieser Substanzen ergibt von Fall zu Fall ein recht verschiedenartiges Bild. Häufig ist an ihrem Aufbau Glucuronsäure oder Galakturonsäure beteiligt. 1 Die Baumwollhaare werden im „cotton-gin" von dem ölhaltigen Baumwoll-Samen entfernt. Die kürzeren, durch das „ginning" nicht erfaßten Fasern werden bei der Entölung der Samen gewonnen und heißen „Linters". Sie bilden ein wichtiges Ausgangsmaterial für die später zu beschreibenden Kunststoffe.
Acyclische Verbindungen
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lose aus kettenförmig in 1, 4- Stellung miteinander verknüpften Glucoseresten auf· gebaut ist: OH HO \
H
H \L
CH,· OH
Nf\ |
H
0/ CH,· OH
-
t t
CH,OH
" / ^ W ^ rOH
1/ \ OH \ f _
Bei dem hohen Molekulargewicht der Cellulose muß dann die Ausbeute an Tetramethylglucose tatsächlich verschwindend gering sein. Mit der obigen Kettenformel steht auch der hydrolytische Abbau der Cellulose selbst in bestem Einklang. Hierbei kann nämlich als Zwischenprodukt in großer Menge das bereits besprochene Disaccharid Cellobiose isoliert werden. Außerdem bilden sich kristallisierte Penta- bis Trisacoharide, deren Konstitution zum Teil auch synthetisch bewiesen wurde. Bei der „Verzuckerung" von Cellulose mit konzentrierter Schwefelsäure in Gegenwart von Essigsäureanhydrid erhält man Cellobioseoctaacetat ebenfalls in guter Ausbeute. Cellobiose steht also als einfachstes Disaccharid aus Cellulose zu dieser in gleichem Verhältnis wie Maltose zur Stärke. Wie bei der Stärke erfolgt auch bei der Cellulose die Verknüpfung der Glucosereste in 1, 4-Stellung. Abgesehen von der größeren Regelmäßigkeit des Aufbaus besteht aber sterisch ein großer Unterschied, denn Cellobiose ist ein /?-Glykosid, Maltose dagegen ein «-Glykosid. Die Auffassung der Cellulose als fortlaufende Kette /3-glykosidisch verbundener Glucosereste ist auoh durch sorgfältige röntgenographische Untersuchungen gut gestützt. In den natürlichen Fasern, die aus amorphen und kristallinen Bereichen aufgebaut sind, liegen die monoklinenCellulosekristallite weitgehend parallel (Auftreten eines ,,Faserdiagramms" im Röntgenbild). Es ist anzunehmen, daß auch die besonderen mechanischen Eigenschaften der Cellulose, die in bezug auf Reißfestigkeit den Metallen nahekommt, auf dieser parallelen Zusammenlagerung der langen Molekülketten beruhen. Ohne Zweifel spielen hierbei „Wasserstoffbindungen" zwischen den Hydroxylgruppen benachbarter Ketten eine wesentliche Rolle. Ihre Sprengung, z. B. bei der Methylierung (S. 281), ist deshalb mit einer wesentlichen Änderung der physikalischen Eigenschaften verbunden. Cellulose verzuckernde Enzyme ( C e l l u l a s e n ) scheinen im Wirbeltierorganismus zu fehlen. Sehr verbreitet sind sie bei Schnecken, Insekten, Bakterien und Schimmelpilzen. Wegen der Unlöslichkeit der Cellulose erfolgt der Angriff jedoch sehr langsam.
Lignin Die Zellwandungen der Pflanzen, insbesondere das Holz, enthalten außer Cellulose noch die sogenannten Hemicellulosen und bis zu 28°/o Lignin. Da es die Cellulose gewissermaßen einhüllt, bezeichnet man es auch als inkrustierende Substanz. Man gewinnt es aus dem Holz durch Behandeln mit sehr konzentrierter (45°/0iger) Salzsäure oder durch Einwirkung von Säuren und Kupferoxydammoniak, wodurch die Polysaccharide größtenteils in Lösung gebracht werden, oder neuerdings durch Schwingmahlung und folgende Extraktion. Abbau des Holzes mit cellulosezerstörenden Pilzen macht ebenfalls Lignin der Extraktion mit indifferenten Lösungsmitteln zugänglich. Lignin enthält mehr Kohlenstoff als die Kohlenhydrate und ist in Säuren unlös-
Cellulose
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lieh. Bei der Natronzellstoffherstellung geht es in der Natronlauge in Lösung. E s enthält etwa 15—20% Methoxylgruppen, die die Quelle des Methanols bei der Holzverkohlung sind, sowie freie, teilweise phenolische Hydroxylgruppen und ringförmig gebundenen Sauerstoff. Durch vorsichtige Oxydation mit Nitrobenzol und Alkali erhält man Vanillin (S. 422), je nach der Holzart außerdem noch Syringaaldehyd (4-Hydroxy3 •5-dimethoxybenzaldehyd) und p-Hydroxy-benzaldehyd. Ungleich den Zuckern ist Lignin also keine aliphatische, sondern eine teilweise aromatische Substanz. Lignin wird durch Anilinsalze gelb, durch Phloroglucin und Salzsäure rot gefärbt und kann so in holzhaltigem Papier nachgewiesen werden. Unsere heutigen Kenntnisse, die wir namentlich FRETJDENBERG, HIBBEBT und ERDTMAU verdanken, gestatten noch kein detailliertes Bild vom Aufbau des Lignine. Seine Entstehung aus ungesättigten Phenolalkoholen wie Coniferylalkohol (IV, S. 373) und Sinapinalkohol (V), deren Glucoside sich im Cambium finden, ist oft vermutet worden. E s ist daher von Interesse, daß FRENDENBERG aus Coniferylalkohol durch Pilzdehydrogenasen u. a. Dehydrodiconiferylalkohol (I), Pinoresinol (II) und das Chinonmethid Ι Π erhalten hat, die durch Addition oder durch Dehydrierung zu Biphenylen zu Lignin polymerisiert werden. Eine Reaktion von großer technischer Bedeutung ist CHA OH
HO·H2C
J
tΤ
H
OH
C
HÒ-U.O.CH, HC I
O
/
^CHJ ή
1
HJC\
Λ
H O H J C
/CH
J-O-CHJ
„J.
Λ
L^J-O-CH,
IJ-O.CH,
OH
ÓH I
Π
die Auflösung von Lignin beim Kochen mit Natriumhydrogensulfit-Lösung, wobei „Ligninsulfonsäuren" entstehen. I n welchem Umfang hierbei Öffnung von Sauerstoffringen oder Ersatz von Hydroxylgruppen eine Rolle spielt, ist noch umstritten. C H = C H · CH» · OH
À
ί^-Ο-CH, OH
IV
ΟΗ,-Ο-^Ο-CH,
280
Acyolische Verbindungen
Die technische Verwendung der Cellulose Schießbaumwolle; Kunstseide In der Industrie findet die Cellulose in den verschiedensten Formen Anwendung. Die Bastfasern von Flachs, Hanf, Ramie und J u t e dienen in der Textilindustrie zur Herstellung von Garnen und Geweben. Das Leinen gewinnt man aus den Bastfasern der Flachspflanze. Infolge der Beständigkeit der Cellulose gegen chemische Agenzien kann der Bast auf verschiedene Weise von dem umgebenden Parenchym getrennt werden. In der Praxis geschieht dies durch einen als „Rösten" bezeichneten bakteriellen Prozeß, bei dem das Parenchym der in Wasser eingeweichten Flachsstengel verfault. Die auf diese Weise losgelöste Bastfaser ist von grauer Farbe und wird durch Rasenbleiche oder Chlorkalk gebleicht. Die Einzelzellen sind 2—4 cm lang, die Bastfaserbündel bis zu 1 m. Der wichtigste Textilrohstoff ist die Baumwolle, die aus den Samenhaaren zahlreicher Gossypium-Arten gewonnen wird und fast reine Cellulose darstellt. Vielfach wird sie durch „Mercerisation", d. h. durch Behandlung mit Alkalien ( M E R C E R 1848) im gespannten Zustand ( L O W E 1889) veredelt. Sie wird dadurch fester und erhält seidenartigen Glanz. Für die Herstellung von Papier dienen hauptsächlich Holz und Stroh als Rohmaterial. Bei der Fabrikation muß zunächst das zerfaserte Holz oder Stroh von den Begleitstoffen (Harz, Hemicellulosen und Lignin) möglichst befreit werden. Man erreicht dies beim Holz (vorzugsweise Nadelholz) durch Kochen mit einer Lösung von Calciumhydrogensulfit („Sulfit-Lauge"), beim Stroh durch Erhitzen mit Natronlauge unter Druck. Dabei gehen Harz und inkrustierende Substanz zum größten Teil in Lösung, während die Cellulose nur wenig angegriffen wird. Der gewonnene Zellstoff wird alsdann gebleicht. Es gelingt jedoch auf diese Weise nicht, Lignin und Hemicellulosen ganz zu entfernen. Der Cellulose-Gehalt von Sulfit-Zellstoff beträgt etwa 85—90°/0. Der Aufschluß von Buchenholz zu Zellstoff erfolgt ebenfalls nach dem Sulfitverfahren. Ein etwa 98%iger Zellstoff kann durch Behandlung von Buchenholz mit 14 0 / 0 iger Salpetersäure bei 50° gewonnen werden. Natürlich hat die Länge der Holzzellen eine ausschlaggebende Bedeutung für die Qualität des Zellstoffs. Cellulosetrinitrat bildet die Schießbaumwolle (Stickstoffgehalt theoretisch 14,2°/0> praktisch 12,5—13,5°/0), die aus Baumwolle oder Edelzellstoff dargestellt wird, wie Baumwolle aussieht, sich aber rauher anfühlt und wegen ihrer starken Explosivkraft in der Sprengtechnik Anwendung findet. Schießbaumwolle (von S C H Ö N B E I N 1846 entdeckt) verbrennt an der Luft blitzartig ohne Explosion, sie explodiert aber sehr heftig, wenn sie in gepreßter Form durch Knallquecksilber oder Schlag entzündet wird. Dabei treten nur gasförmige Produkte auf, nämlich Stickstoff, Wasserstoff, Wasserdampf, Kohlenoxyd und Kohlendioxyd. Wegen ihrer sehr brisanten Wirkung ist sie in dieser Form als Treibmittel für Schußwaffen ungeeignet. Gute Lösungsmittel für Schießbaumwolle sind Aceton, Butylacetat und Amylacetat. Beim Befeuchten mit Alkohol-Äther quillt Schießbaumwolle nur auf und wird in eine amorphe durchscheinende Masse übergeführt (gelatiniert), die gekörnt langsamer als die ursprüngliche Schießbaumwolle explodiert und nunmehr für Schußwaffen verwendbar ist. In dieser Form bildet die Schießbaumwolle das rauchlose oder rauclischwacbe Schießpulver. Die niedriger veresterte Kollodiumwolle, ein Gemisch von Mono- und Dinitrat, mit einem Stickstoffgehalt von 10,5—12°/ 0 ,ist im Gegensatz zur Schießbaumwolle in Alkohol-Äthergemisch (1: 2) löslich. Solche Kollodiumlösungen finden als Klebe- und Bindemittel Verwendung. In der Lackindustrie und der Herstellung von Kunstleder spielen Lösungen von Kollodium, z. B. in Essigester oder Butylacetat, eine bedeutende Rolle. Celluloid wird aus Kollodiumwolle durch Zusatz von Campher hergestellt, der die Rolle eines „Weichmachers" spielt. Celluloid ist historisch der erste Vertreter der großen Gruppe von thermoplastischen Kunststoffen, denen Formbarkeit in der Wärme und andere erwünschte mechanische Eigenschaften durch Einverleibung von Weichmachern verliehen werden ( H Y A T T 1870). Sehr bedeutende Mengen von Nitrocellulose dienen zur Herstellung von Kinofilm. Bringt man Cellulose nach einem der unten beschriebenen Verfahren in Lösung und preßt sie dann durch sehr feine Düsen in ein Bad, in dem sie wieder gefällt wird, so erhält man die „Hydratcellulose" in Form von glänzenden Fäden, die wie Seide aussehen und unter dem Namen Kunstseide Verwendung finden. Wenn man die Cellulose-Lösung durch einen engen Spalt in das Bad preßt, so gewinnt man durchsichtige Folien, die je nach ihrer Dicke als Umhüllungsmaterial („Cellophan") oder als Filmunterlage verwendet werden. Durch den Spinnprozeß werden die ungeordneten Kristallite der Hydratcellulose parallel orientiert. Kunstseide gibt daher ein Faserdiagramm, das dem der natürlichen Fasern ähnlich ist. Celluloselösungen werden in der Kunstseidefabrikation hauptsächlich nach 2 Verfahren hergestellt: 1. mittels S C H W E I Z E R S Reagens (Kupferseide), als Fällungsbad dienen z. B. alkalische Lösungen, der Faden wird mit Schwefelsäure entkupfert; 2. durch Überführen von Alkalicellulose in das Na-Salz des Xanthogensäureesters (S. 202), wobei eine sehr dickflüssige Masse erhalten wird,
Aminozucker
281
die Viscose, aus der die Cellulose durch. Schwefelsäure gefällt werden kann (Viscose- Seide). Die meiste Kunstseide wird nach dem Viscose-Verfahren dargestellt. Auf den gleichen Prinzipien beruht auch die Fabrikation der „Zellwolle" (die also chemisch mit Wolle nichts zu tun hat). Der Unterschied besteht lediglich darin, daß der aus der Düse austretende unendliche Kunstseidenfaden mit einer Art Häckselmaschine zu kurzen, etwa 3—15 cm langen Fasern zerschnitten wird, die nunmehr analog wie Baumwolle und Wolle zu Garnen versponnen werden. Auch Derivate der Cellulose können in gleicher Weise wie Cellulose auf Kunstseide verarbeitet werden. Große Wichtigkeit hat in neuerer Zeit die Acetatseide erlangt. Man verwandelt Cellulose durch Behandeln mit einer Eisessiglösung von Essigsäureanhydrid und etwas Schwefelsäure als Katalysator in das Triacetat. Da dieses jedoch nur in teuren halogenhaltigen Lösungsmitteln löslich ist, muß man nachträglich durch Wasserzusatz einen Teil der Acetylgruppen wieder abspalten, um eine spinnfähige Lösung zu erhalten. Man arbeitet in diesem Fall meist nach dem sogenannten Trockenspinnverfahren, indem man nach dem Auspressen aus der Düse das Lösungsmittel (ζ. B. Aceton) einfach verdunsten läßt. Acetatseide weist für bestimmte Zwecke besondere Vorzüge auf, sie ist ζ. B. weniger hygroskopisch und besitzt größere Naßfestigkeit als die aus reiner Cellulose bestehenden Kunstseiden. Durch Mischen mit Weichmachungsmitteln wie Tritolylphosphat oder bestimmten Phthalsäureestern (Campher ist in diesem Fall nicht brauchbar) erhält man celluloidartige Produkte („Cellon"), die wegen ihrer Schwerverbrennlichkeit als Filmunterlage Verwendung finden. Daß heute an der Seite der Cellulosefasern zahlreiche andere Kunstfasern stehen, ist allbekannt. Auch die Vera the rungsprodukte der Cellulose haben technische Bedeutung erlangt. Durch Einwirkung von Methylchlorid oder Dimethylsuifat auf Alkalicellulose erhält man eine Metliylcellulose ( T y l o s e S), in der etwa die Hälfte der Hydroxylgruppen veräthert ist. Im Gegensatz zu nioht methylierter und voll methylierter Cellulose sind solche Produkte wasserlöslich, weil durch Lösung von „Wasseretoffbindungen" der Zusammenhalt der Ketten gelockert wird. Solche Produkte finden als Appreturen und Klebmittel Verwendung. Durch Verkneten von Alkalicellulose mit chloressigsaurem Natrium gewinnt man das Na-Salz der Carboxymethylcellulose (Tylose HBR), in dem ein Teil der OH-Gruppen durch O ·CH 2 ·C0 2 Na-Gruppen ersetzt ist. Das wasserlösliche Natriumsalz findet u. a. als Zusatz zu künstlichen Waschmitteln Verwendung. Carboxymethylcellulose, Diäthylaminoäthyl-cellulose und aus Alkalicellulose mit Triäthanolamin und Epichlorhydrin bereitete Präparate („Ecteola-cellulose") werden als Ionenaustauscher zur Trennung von Proteinen und Nucleinsäuren verwendet (PETEBSON, SOBER). Aminozucker 2-Amino-2-desoxy-hexosen, d. h. Hexosen, in denen die 2-Hydroxy-Gruppe eine Aminogruppe ersetzt ist, erhält man in guter Ausbeute nach R . K U H N Umsetzen von Pentosen, z. B. D-Arabinose, mit Ammoniak und Blausäure und lytische Hydrierung der CN-Gruppe. Nach Aufnahme von 2 Η-Atomen erfolgt Ringschluß zum Zucker: ΟΛ-
CHO HOι—¿—H
H—Ο- -NHJ
Η—C—OH nh, H _ < L OH CH,· OH
HCN
Ι
HO—C- -H
HO—C—H I H—C—NH 2 I HO—C—H
H—C—OH
H—C—OH
H—¿—1OH
H—C-
HO
H
HO—C—H
H—C—NH 2 HO—C—H HO—C—H H—CCHj-OH II
durch durch katasofort
O
H2N—C—H I
O
HO—C—H OH H—¿— 1 H—¿ CH¡¡-OH III
Die der D-Glucose, D-Galaktose und D-Mannose sterisch entsprechenden Verbindungen heißen D-Glucosamin (I), D-Galaktosamin (II) und D-Mannosamin (III). Sie geben noch die Osazonreaktion der Zucker, zeichnen sich aber unter anderem durch ihren basischen Charakter aus. Sie sind namentlich im tierischen Organismus als Bestandteile von Glykoproteiden (d. h. Verbindungen von Proteinen mit Kohlenhydraten), Blutgruppensubstanzen usw. sehr verbreitet, fast immer jedoch acetyliert und als Bestandteil höherer Saccharide. Biochemisch entsteht Glucosamin u. a. aus
282
Acyclisohe Verbindungen
Fructosephosphat und Glutamin. Ein nur aus N-Acetyl-D-glucosamin bestehendes Polysaccharid ist das im Panzer der Crustaceen und Insekten vorkommende Chitin, aus dem Glucosamin erstmals 1876 von LEDDERHOSE durch Hydrolyse mit konz. Salzsäure isoliert wurde. H NH'CO-CH, CH,· O H H NH-CO-CH, HO H
OH \
\
-o/ CH,· O H
H Ν L-O—'
0·
NHCO-CH, Η,ΟΗ Chitin Ebenfalls ein Bestandteil von Glykoproteiden ist die u. a. in den sog. Gangliosiden des Gehirns enthaltene Neurammsäure, das Produkt einer Kondensation von D-Mannosamin mit Brenztraubensäure (IV). Ihr N-Acetyl-derivat, die D-Lactaminsäure, ist von R. K U H N unter anderem aus Glykoproteiden des Kuh-Colostrums abgeschieden worden. Von K L E N K sind als Bestandteile eines Gangliosids aus HO—C—CO,H Gehirn Sphingosin, Stearinsäure, Glucose, Galaktose, Galaktosamin und Neuraminsäure ermittelt worden. Gang¿H, lioside aus Rinderhirn sind neuerdings von R. K Ü H N geO HO—¿—H nauer untersucht und strukturell aufgeklärt worden. SoIV wohl Sphingosin wie Läctaminsäure sind glykosidisch an Η,Ν—¿—;Η ein Oligosaccharid gebunden. Sie besitzen interessante - L .Η physiologische Eigenschaften. Durch Influenzavirus wird die Lactaminsäure abgespalten, Tetanustoxin wird geΗ—¿—OH bunden. Sie sind also Rezeptoren für Viren und Toxine und vermögen überdies die Körpertemperatur zu erhöhen. Η—¿—OH Durch Einwirkung von aromatischen Aminen auf Glucose erhielt AMAD ORI neben den säureempfindlichen ,,Ν-Glucosiden", z. B . N-Glucosyl-anilin (N-Phenyl-glucosylamin, V) 1 , säurebeständige Isomere, die sich als Derivate der l-Amino-l-desoxy-fructose, des Isoglucosamins (VI) erwiesen haben (R. KUHN). Die Amadori-Umlagerung erinnert an die über ein Enol verlaufende Aldose-Ketose-Umlagerung (S. 248, 253). Durch Hydrogenolyse von N-Phenylisoglucosamin mit einem Palladium-Katalysator erhielt R . K U H N neben Cyclohexanon freies Isoglucosamin. C.H.NH—CH H
OH
HO—C—H -¿ HOH
O
C=0 H O ι—¿—H
H—C—OH I H—CH—C—OH ¿Η,-ΟΗ OH ¿H,V VI Zu den N-Glykosiden gehören auch die Zuckerderivate stickstoffhaltiger heterocyclischer Basen, die wegen ihrer Beteiligung am Aufbau der Zellkerne den Namen Nucleoside erhalten haben. Sie werden später ausführlich besprochen werden (S. 561). 1 Das durch Wegnahme des 1-ständigen O H entstehende C-Radikal der Glucose nennt man „GlucosyJ". Über C-Glucosyl-Verbindungen s. S. 481.
Brenztraubensäure
283
Wegen des Vorkommens von L-Glucosamin sei hier noch kurz das eigenartig zusammengesetzte Antibiotikum Streptomycin aus Streptomycea griseus, 1944 von W A K S M A N entdeckt, erwähnt. Es enthält den verzweigten Zucker Streptose und einen GuanidinAbkömmling des Cyclohexans, das Streptidin. Einzelheiten der Stereochemie sind noch ungeklärt.
H,N · C=NH τ Streptidin
Streptose
N-MethylL-Glucosamia
Oxo-carbonsäuren (Aldehyd- and Ketonsiaren) Glyoxylsäure OHCCOxH Sie findet sich in unreifen Früchten und kann synthetisch aus Dibromessigsäure CHBr2 · C0 2 H durch Erhitzen mit Wasser dargestellt werden. Sie entsteht auch durch Oxydation von Äthylalkohol mit Salpetersäure auf die beim Glyoxal (S. 226) angegebene Weise, durch Elektroreduktion von Oxalsäure oder durch Spaltung von Weinsäure nach dem Bleitetraacetat-Verfahren von C R I E G E E (S. 1 6 3 ) . Über die Retro-Aldolspaltung von Isocitronensäure zu Glyoxylsäure und Bernsteinsäure s. S. 225. Glyoxylsäure und ihre Salze enthalten 1 H 2 0, von dem sie nicht ohne Zersetzung befreit werden. Das Wasser ist also wie beim Chloral chemisch gebunden: (HO)2CH· C0 2 H. Glyoxylsäure zeigt alle Eigenschaften der Aldehyde; sie reduziert ammoniakalische Silberlösung, addiert NaHS0 3 , bildet ein Oxim usw. Durch Kochen mit Kalilauge liefert sie nach der Reaktion von CANTTEZZAEO Glykolsäure und Oxalsäure: 2 OHC COjH + H.0 = HO-CH,CO,H + HO,CCO,H. Brenztraubensäure CHS· CO· COjH Die einfachen α-Ketonsäuren können aus Fettsäurehalogeniden und CuCN gewonnen werden, jedoch ist die Verseifung der entstehenden Nitrile mit Säuren nicht ganz einfach: CH, · COCI + CuCN = CH, · CO · CN + CuCl. Brenztraubensäure ist erstmalig durch trockne Destillation von Weinsäure oder Traubensäure erhalten worden und wird auch jetzt noch aus Weinsäure und KHS0 4 gewonnen. Über den mutmaßlichen Verlauf dieser Reaktion s. S. 217. Brenztraubensäure ist flüssig, spezifisches Gewicht 1-27 bei 20°, Schmelzpunkt etwa 13°, Siedepunkt 165°; in Wasser ist sie in jedem Verhältnis löslich; ihr Geruch ist dem der Essigsäure ähnlich. Brenztraubensäure ist eine ziemlich starke Säure (k = 3 · 2 χ 10~3). Sie besitzt alle Eigenschaften eines Ketons, bildet ein Oxim, addiert Blausäure usw. Charakteristisch ist das sehr schwer lösliche Phenylhydrazon der Brenztraubensäure, das in langen Nadeln kristallisiert. Bei der Reduktion liefert Brenztraubensäure Milchsäure. Beim Erhitzen mit verdünnter Schwefelsäure auf 150° zerfällt sie in Kohlendioxyd und Acetaldehyd: cH,.CO.CO,H = CH3-CHO + CO,.
284
Acyclisohe Verbindungen
Beim Erwärmen mit konz. H 2 S0 4 wird Brenztraubensäure in CO (dem Carboxyl entstammend) und Essigsäure zerlegt, eine allen α-Ketonsäuren gemeinsame Reaktion : CH 3 · CO · C 0 2 H
• CHJ · CO A H + CO.
Brenztraubensäure ist ein überaus wichtiges Zwischenprodukt im Stoffwechsel. Die Glykolyse der Kohlenhydrate im Muskel führt über Brenztraubensäure zu Milchsäure, bei der alkoholischen Gärung durch Hefe wird sie zu Acetaldehyd decarboxyliert. Im Aminosäure-Stoffwechsel entsteht sie durch Oxydation von Alanin. Ihre Carboxylierung zu Oxalessigsäure (S. 225) dient namentlich dem aufbauenden Stoffwechsel. Die biochemische Oxydation der Brenztraubensäure liefert über „aktivierten" Acetaldehyd (S. 537) Acetylcoenzym A (sog. „aktivierte" Essigsäure) und mündet damit in den Citronensäure-Cyclus ein, in dem sie zu C0 2 verbrannt wird. Diese Oxydation ist in Bakterien und im tierischen Organismus anscheinend vielfach an die Gegenwart von Cocarboxylase (Diphosphothiamin DPT), Coenzym A, Flavinadenindinucleotid (FAD, s. unter „Nachträge") und Lipoinsäure („Thioctsäure") C H 2 . CH 2 · CH · [ 0 Η 2 ] 4 . C 0 2 H
(LIPS 2 ) gebunden (GUNSALTTS; MASSEY), die dabei etwa gemäß folgendem Cyclus zum entsprechenden Dimercaptan (Dihydrolipoinsäure) reduziert wird (ALD = Acetaldehyd) : ALD-DPT
FADHj
Acetylessigsäure (Acetessigsäure) CHj· CO· CHj·C0 2 II Acetessigsäure ist das einfachste Beispiel einer /S-Ketonsäure. Die freie, bei 37° schmelzende Säure spielt wegen ihres leichten Zerfalls in Aceton und C0 2 nur eine geringe Rolle. Sie kommt im Harn Zuckerkranker vor. Dagegen besitzt ihr Äthylester, der Acetessigester, größere Bedeutung. Acetessigsäure findet sich neben jS-Hydroxy-buttersäure und Aceton in bedeutender Menge im Harn der Zuckerkranken. Diese Anhäufung von ,,Acetonkörpern" beruht auf einer Störung der Fettverbrennung und gab schon frühzeitig einen Hinweis darauf, daß Fettsäuren im Organismus durch ,,ß-Oxydation" abgebaut werden. Ihre biologische Oxydation verläuft, wie zuerst Knoop (1904) am Beispiel phenylsubstituierter Säuren zeigte, so, daß ein zur Carboxylgruppe ^-ständiges C-Atom zunächst zu Carbonyl oxydiert wird, worauf an dieser Stelle Sprengung der C-Kette in Essigsäure und die um 2 C-Atome ärmere Carbonsäure erfolgt. Aus diesem Grunde vermehren nur Fettsäuren mit einer geraden Anzahl von C-Atomen die Menge der Acetonkörper im Harn. Freilich gilt diese Feststellung nur mit der Einschränkung, daß der Organismus die Fähigkeit besitzt, ungeradzahlige Fettsäuren teilweise in geradzahlige zu verwandeln, die dann natürlich ebenfalls „ketogen" wirken. Die jS-Oxydation der Fettsäuren R · CHj · CH2 · C0 2 H ist eine Folge enzymatischer Reaktionen, an denen nach STERN, LYNEN u. a. Coenzym A (S. 490) folgendermaßen beteiligt ist: (1) R· CH2· CH2· CO· S· CoA - 2 H —>- (2) R · CH = CH· CO· S·CoA + H 2 0 - > - (3) R·CH(OH)· CHa· CO· S·CoA - 2H->- (4) R· CO-CH,·
285
Acetessigsäure
CO - S-CoA + H S · CoA — v R - C O - S - C o A + CH a · CO· S· CoA. Indem die Fettsäure so stufenweise völlig in Acetyl-Coenzym A verwandelt wird, ist der Fettsäureabbau mit dem Citronensäure-Cyclus (S. 225) verknüpft. Die an dem Prozeß beteiligten Enzyme sind der Reihe nach: Acyldehydrogenase, Crotonase, /3-Hydroxyacetyl-Dehydrogenase, /?-Ketothiolase („Thiolase"). Der umgekehrte Aufbau der Fettsäuren aus Essigsäure scheint nach LYNEN nicht genau den gleichen Weg zu nehmen. Jedoch muß man überhaupt mit mehreren Wegen f ü r den Aufbau rechnen. Die Enzyme der /7-Oxydation und ihrer Umkehrung sind in den Mitochondrien lokalisiert. Durch lösliche Enzym-Systeme des Cytoplasmas von Leber odor Gehirn wird nach BRADY (1958) und WAKTT. (1958) Acetyl-CoA mittels einer Biotin enthaltenden Carboxylase zu Malonyl-CoA carboxyliert, das mit Acetyl-CoA unter C0 2 Abspaltung Acetoacetyl-CoA liefert. Hydrierung, Wasserabspaltung und abermalige Hydrierung führt zu Butyryl-CoA, das in gleicher Weise mit Malonyl-CoA reagiert usf. Die Anhäufung von freier Acetessigsäure bei der Zuckerkrankheit in der Leber beruht nach LYNEN auf einem Cyclus, in dem ähnlich wie im Citronensäure-Cyclus aus Acetyl-CoA und Acetoacetyl-CoA zunächst ß-Hydioxy-ßmethvl-glutaryl-CoA aufgebaut wird: CH3
CH3
COA.S-CO-CH3+ C0.CH2.C0-S.COA^!2_>H02C-CH2-C.CH2.C0-S.COA+
CoA-SH
I OH Dieses kann durch ein in der Leber vorkommendes Enzym in Acetyl-CoA und freie Acetessigsäure gespalten werden. Durch das gemeinsame Einmünden des Fett-Abbaus und des KohlenhydratAbbaus in den Citronensäure-Cyclus wird ihre wechselseitige Abhängigkeit verständlich. Wie VERKADE gezeigt hat, gibt es noch einen anderen interessanten Abbauweg, der allerdings im Organismus eine geringere Rolle spielt: manche Fettsäuren liefern nämlich durch Oxydation der endständigen Methylgruppe (,,co-Oxydation") Dicarbonsäuren : CH3-[CHJ„-C02H
Capritisüiire
— > - ΗOJC · [CHJG · C 0 2 H .
Sebacin.säure
Acetessigester wird nach der W i S L i C E N U S - C L A i S E N s c h e n Kondensationsmethode durch Einwirkung von Natrium auf Essigester oder von Natriumäthylat auf Essigester unter Abdestillation des Alkohols dargestellt. Die Theorie dieser Reaktion ist bereits früher erörtert worden (S. 228). Technisch ist er auch durch Addition von Alkohol an Diketen, ζ. B. in Gegenwart von Triäthylamin, zugänglich : CHJ = C ^ C H ^ C O + C 2 H 6 · O H
• C H , · CO · C H 2 · COA· C2H5.
Er ist eine angenehm erfrischend riechende, farblose Flüssigkeit vom Siedepunkt 181° und vom spezifischen Gewicht 1-031 bei 15°. In Wasser ist er wenig löslich. Der gewöhnliche Acetessigester ist ein Gemisch von Keto- und Enolform; Näheres darüber s. S. 288. Er kann in zweifacher Weise eine Spaltung erleiden, die man je nach der Art der entstehenden Produkte als Kcton- oder als Säurespaltung bezeichnet. Ketonspaltung findet beim Erhitzen von Acetessigester mit verdünnten Säuren oder verdünnten Alkalien statt, wobei Aceton, Kohlendioxyd und Alkohol entstehen: C H 3 · C O · C H 2 · C O J · C 2 H 6 + H S O = C H J - C O - C H J + C 0 2 -F C J H 6 - O H .
Die Säurespaltung erfolgt beim Erhitzen mit starken Alkalilaugen; sie ist eine Umkehrung der Bildungsreaktion: CH3-C0-CHJ-C02-C2H5 +
2 EJE =
CH3 C 0 2 H + CH3-C02H +
CJHJ-OH.
Die Wasserstoffatome der CH2-Gruppe des Acetessigesters können leicht durch organische Reste ersetzt werden. Diese Derivate können gleichfalls der Keton- und der Säurespaltung unterliegen. Auf diese Weise sind zahlreiche Homologe des Acetons und der Essigsäure zugänglich. Acetessigester ist daher ein wichtiges Hilfsmittel für Synthesen der mannigfachsten Art. Zur Darstellung derartiger Derivate aus Acetessigester läßt man Alkylhalogenid auf Natriumacetessigester einwirken. Wie beim Malonester macht man auch hier die Erfahrung, daß das Alkyl stets an den Kohlenstoff tritt: CH 3 -C(ONa) : C H - C O j C Ä + C H , J = CH,·CO·CH(CH S )·CO,·CjH 5 + N a J .
286
Acyclische Verbindungen
In dem erhaltenen oc-Methyl-acetessigester läßt sich das zweite Η-Atom der CH 2 Gruppe auf analoge Weise ersetzen. Alkyl- oder Acyl-Derivate der Enolform des Acetessigesters lassen sich nur ganz ausnahmsweise unter bestimmten Bedingungen erhalten. Die Verätherung gelingt mit Diazoverbindungen : CH3 · C(OH) : CH · C0 2 · C2HS + CHJNJ — • CH 3 · C(0 · CH3) : CH · C0 2 · C2H5 + N2. Durch Umsetzung m i t Säurechlorid und Pyridin werden Ester gewonnen: CHJ-C(OH): CH-CO,-C Î H S -+- CHJ-COCl
> CH 3 · C(0-C0-CH 3 ): CH-C0 2 -C 2 H 5
Beispiele für Acetessigester-Synthesen. 1. Das in der Gartenraute (Ruta graveolens) vorkommende Undecanon-(2) ist durch Einwirkung von n-Octyljodid auf die Natriumverbindung des Acetessigesters erhalten worden: CH 3 C(ONa):CH.CO !1 -C 2 H 5
C,H J
" »
CHj-CO-CHC^^ ; nOctylaceteesigeeter
Ketonspaltung
CHj-CO-CHj-CgHu.
Durch Säurespaltung des n-Octylacetessigesters erhält man Nonan-carboneäure-(l) C 10 H te O t , deren Kohlenetoffkette demnach normal sein muß (vgl. S. 153). 2. Die Hexan-carbonsäure-(2 ), die durch Cyanhydrin-Synthese aus D-Fructose (S. 252) erhalten wurde, ist synthetisch durch Einführung von η-Butyl und Methyl in den Acetessigester aufgebaut worden: ΟΗ,-ΟίΟΝΊφΟΗ-ΟΟ,-Ο^Η,
CH3-CO-CH· + H,N-R-CO,H +
H,N-R-CO t " + OH" Η,Ν-R-CO»- + H+
(Säure-Dissoziationskonstante Z , =» Xsi-
Η,Ν-R-CO," + Η,Ο (Basen-Dissoziationskonstante KB), +H,N-R-COr ^Konstante Kt = — j . 19*
Acyclische Verbindungen
292
I I und I I I sind miteinander formal identisch und unterscheiden sich nur durch die Konstante K w , das Ionenprodukt des Wassers [H+] [OH~] = 10" 14 . Wenn man I und I I I miteinander vergleicht, so sieht man, daß die Aminosäuren sich bezüglich ihrer Dissoziation wie zweibasische Säuren mit den Dissoziationskonstanten KL und K2 verhalten. KT entspricht der „Aciditätskonstante" Ka der Amine. Durch Anwendung des Massenwirkungsgesetzes auf I und I I I erhält man die Gleichungen (1) und (2) :
Da die Gesamtkonzentration c = [·4 + _ ] + [A+] -f- [A~], so folgt aus (1) und (2): [4+-]
2 -
Ks
-
(
,3) ì
Gleichung (3) gibt die Abhängigkeit der Konzentration des Zwitterions von der Wasserstoffionen-Konzentration wieder. Besonderes Interesse verdient die Wasserstoffionen-Konzentration, bei der [A+~~] ein Maximum wird. Sie ergibt sich durch Differenzieren von (3) zu [H+]=J/ZS*2.
(4)
Durch Einsetzen von (4) in (1) und (2) erkennt man, daß für [A+~] = max. [4+] = [A~] ist. Die entgegengesetzt geladenen Ionen sind also in gleicher Konzentration vorhanden, so daß im elektrischen Feld keine Wanderung stattfindet. Man nennt deshalb die durch (4) definierte Wasserstoffionen-Konzentration den „isoelektriechen Punkt". Durch Einsetzen der Zahlenwerte für Ks und Ki aus untenstehender Tabelle ersieht man, daß beim isoelektriechen Punkt die Konzentration des Zwitterions um Zehnerpotenzen größer als die Konzentration der Anionen und Kationen ist. Da bei den a-Aminosäuren Ks > KB, reagiert ihre Lösung sehr schwach sauer. Ihr isoelektrischer Punkt KJ liegt im sauren Gebiet. Allgemein kann man ableiten, daß die Reaktion einer Ampholyt-Lösung zwischen dem Neutralpunkt und dem isoelektrischen Punkt liegt, und zwar dem letzteren um so näher, je konzentrierter die Lösung ist. Ks Aminoeseigsäure α-Amino-propionsäure /¡-Amino-propionsäure α-Amino-buttersäure α-Amino-isovaleriansäure e-Amino-capronsäure
20-2-3 io- 2 · 4 XO-se 2 .« 10" IO-»·» 20-44
Ki 20-«·β io-»· 8 20-io.j io-»·· 20-ϊ.τ 20-«·«
Kj 20-O-0 20-e.i 20-«.» 20-O.1 io-«·» 20-7«
Die Tabelle zeigt übrigens, daß die Amin-aciditätskonstante K ¡ etwa den gewöhnlichen Wert hat, dagegen K» sehr erhöht ist. Am isoelektrischen Punkt besitzt die Löslichkeit der Aminosäuren ein Minimum. Denn die Konzentration Λ, die die Gesamtlöslichkeit angibt, setzt sich aus der Konzentration λ der undissoziierten Form (d. h. des Zwitterions) und der Konzentration der einfach geladenen Ionen zusammen: Λ = λ + [A+] + [A-] . λ ist eine Konstante, da die undissoziierte Form als Bodenkörper vorliegt, [A + ] + besitzt nach den obigen Ausführungen beim isoelektrischen Punkt den minimalen Wert. Die Aminosäuren lassen sich alkalimetrisch mit Phenolphthalein als Indikator bestimmen, wenn man 97°/0igen Alkohol als Lösungsmittel anwendet. Die Reaktion, die oft mißverständlich gedeutet ist, beruht auf einer Verschiebung des Gleichgewichts I I I . Sie stellt also in Wirklichkeit eine Titration der Aminogruppe dar. Wesentlich für die Ausführbarkeit der Reaktion ist die erhebliche Änderung der Dissoziationskonstante des Phenolphthaleins in starkem Alkohol (MICHAELIS). Ganz entsprechend kann man auch die Carboxylgruppe mit Salzsäure titrieren, wenn man einen geeigneten Indikator anwendet (LINDERSTRBM-LANG). Daß die Aminosäuren in ihren Lösungen tatsächlich als Zwitterionen vorliegen, zeigt auch ihr dielektrisches Verhalten. Die Dielektrizitätskonstante ihrer Lösungen steigt proportional der Konzentration, und zwar ist das Inkrement der Zunahme um so größer, je größer der Abstand der beiden polaren Gruppen ist. Da sich die Aminosäuren in unpolaren Lösungsmitteln nicht lösen, ist eine direkte Messung ihres Dipolmoments nicht möglich.
Aminosäuren
293
Aminosäuren werden durch Oxydasen, in denen Flavine als Coenzyme wirken, über die Zwischenstufe von Iminosäuren zu Ketosäuren dehydriert: R.CH(NH2)-C02H R-C(:NH)-CO,,H Η ·° > R-C0-C0 2 H + NH 3 . Aus dem hydrierten Flavin entsteht mit Sauerstoff Wasserstoffperoxyd, das die Ketosäure weiter abbaut, wenn es nicht durch anwesende Katalase zerstört wird. Leber und namentlich Niere von Säugetieren enthalten spezifisch auf D-Aminosäuren eingestellte D-Aminosäureoxydasen (KREBS). L-Aminosäureoxydasen hat man eberfalls aus Leber und Niere (GBEEN), ferner aus Bakterien und aus Schlangengiften isoliert. Die Desaminierung der Aminosäuren dient ihrer Ausscheidung. Das Ammoniak wird in Harnstoff verwandelt. Andererseits besorgen weitverbreitete „Glutaminsäuredehydrogenasen" mit DPNH oder TPNH als Coferment die reduktive Aminierung der a-Ketoglutarsäure zu Glutaminsäure. Diese Reaktion dürfte für den biochemischen Aufbau der Aminosäuren aus Ammoniak von großer Bedeutung sein. Eine analytisch wichtige Oxydationsreaktion der Aminosäuren ist die Reaktion mit Triketohydrindenhydrat (Nlnhydrin, I). Die blaue Färbung, die beim Erwärmen von Triketohydrindenhydrat mit Aminosäuren auftritt, rührt von dem Ion II C(O-) y\/C0\ yOU y\/co\ y C=N—C κ OH I \/\C(>/ II > / \ c o / \ CO her. Dieses bildet sich unter Mitwirkung des Ammoniaks, das durch Oxydation der Aminosäuren neben dem entsprechenden Aldehyd und Kohlendioxyd entsteht (VAN SLYKE). Von großer biologischer Bedeutung ist die sog. Transaminierang zwischen Aminosäuren und Ketosäuren, die die gegenseitige Umwandlung von Ketosäuren in Aminosäuren und umgekehrt ermöglicht: R1'CH(NH2)'C02H + R2-C0-C02H -ν R^CO-CO-,Η + R2-CH(NH2)-C02H Sie ist in einzelnen Fällen schon rein chemisch durch gemeinsames Erhitzen bewerkstelligt worden. In der Natur vollzieht sie sich unter dem Einfluß von Transaminasen genannten Enzymen, die Pyridoxalphosphat und Pyridoxaminphosphat als Coenzym benötigen. Den Reaktionsverlauf stellt man sich etwa folgendermaßen vor 1 :
lí
+
CHO
(P)0-H 2 C
\ A y
Η®
H R-C-C0 2 H
H R-C· C0 2 H NHj
OH
^N^CH, H
Pyrldoxalphoephat
(P)O
H / H
>
c
\Ay
0 H
(P)0-H a C
Η
R-C-COjH
R-CO-COjH
+
CHj-NH, (P)0-HaCX/^/0H CH. » (P) = POjH2.
Pyridoxaminphosphat
Ν
/
Η® - eHC (P)O-HjC
OH CH,
Acyclieche Verbindungen
294
Wie man sieht, läuft der Vorgang auf eine intermediäre Verschiebung von Protonen und Elektronen an SCHIFF sehen Basen hinaus. Da es sich um ausgesprochene Gleichgewichtsreaktionen handelt, kann die Umwandlung auch rückwärts mit einer zweiten Ketosäure erfolgen. Auf diese Weise wird eine Aminosäure in eine andere umgewandelt, ohne daß dabei Ammoniak frei würde. Die Wasserstoffatome der Aminogruppe der Aminosäuren können gegen mannigfache Radikale ausgetauscht werden. Mit Säurechloriden ζ. B. reagieren sie analog wie Ammoniak; es entstehen Säureamide, in denen ein Wasserstoffatom der Aminogruppe durch Acyl substituiert ist: R-COCI -F H J N - C H J - C O J H = R - C 0 - N H - C H J - C 0 2 H + H C l .
Bei diesen Verbindungen ist der basische Charakter der Aminogruppe aufgehoben. Sie zeigen also das Verhalten gewöhnlicher Carbonsäuren. Alkylsübstituierte Aminosäuren werden dargestellt, indem man statt Ammoniak Amine auf Halogenfettsäuren einwirken läßt, z. B. : (CHJKNH + C 1 C H J - C 0 2 H = ( C H ^ N - C H j - C O j H + H C l .
Man findet bei den Aminosäuren die meisten Reaktionen der Amine wieder, so ζ. B. die Reaktion mit salpetriger Säure, durch die analog der Alkoholbildung aus Aminen hier Hydroxysäuren entstehen (vgl. S. 64). Bei den α-Aminosäuren verläuft diese Reaktion fast momentan. Sie dient daher zur gasvolumetrischen Bestimmung des «-Aminosäure-Stiokstoffs in Eiweißstoffen nach VAN SLYKE. Über die Bildung von Diazoverbindungen durch Einwirkung von salpetriger Säure auf die Ester von Aminosäuren s. S. 302. Die Lage der Aminogruppe in bezug auf die Carboxylgruppe bedingt bei den Aminosäuren analoge Unterschiede wie bei den Hydroxy- und Halogencarbonsäuren (S. 210 und 192). «-Aminosäuren geben leicht aus zwei Molekülen Säure aufgebaute cyclische Anhydride (Diketopiperazine): CHj-NHJ HOOC CHj-NH CO Ι Γ = I I + 2 Η,Ο. COOH HaNCH, CO-NH-CHj /3-Aminosäuren spalten leicht Ammoniak a b und bilden ungesättigte Säuren. So liefert ζ. B. ß-Amino-propionsäure (erhalten aus /J-Jod-propionsäure beim Erhitzen mit Ammoniak) beim Schmelzen Acrylsäure: HjN-CHj· CHj-C0 2 H =. NEL, + CH, : CH-C0 a H. Umgekehrt kann man auch Ammoniak an ungesättigte Säuren anlagern; diese Reaktion kann für die Darstellung von /^-Aminosäuren von Wert sein. y-Aminosäuren endlich bilden in gleicher Weise wie y-Hydroxysäuren innere Anhydride, die den Lactonen analog gebaut sind und als „Lactame" bezeichnet werden: CH¡ · CHj · CH¡ -CO Ι NH 2
I OH
y-Amlno-buttersäure
CH.-CHs-CHj.CO = H¡0 +
I
K
NH
I >
Lactam der y-Aniino-buttersàure
Abweichend von den Lactonen, die sich oft freiwillig bilden, erfordern aber die Lactame zu ihrer Darstellung Erhitzen auf höhere Temperatur. Durch Kochen m i t Säuren oder Alkalien werden die y- und ¿-Lactame wieder zu den Aminosäuren aufgespalten. Siehe auch ε-Amino-capronsäure-lactam (Caprolactam), S. 101. Ester der Aminosäuren können nach der gewöhnlichen Methode gewonnen werden, indem man in die absolut-alkoholische Lösung der Säuren Chlorwasserstoff einleitet. Infolge der Ausschaltung der freien Carboxylgruppe t r i t t bei den Estern der basische Charakter der Amine voll in Erscheinung. Sie werden daher zunächst als Hydrochloride (ζ. Β. H a N-CHjj-C0 2 -C a H B + HCl) erhalten und sind nur als solche be-
Aminosäuren
295
ständig. Die freien Ester werden hergestellt, indem man ihre wäßrige Lösung mit einer konzentrierten Pottaschelösung bei niedriger Temperatur versetzt und die Flüssigkeit mit Äther extrahiert oder indem man NH3 in die ätherische Lösung einleitet. Sie sind im Gegensatz zu den freien Säuren im Vakuum unzersetzt destillierbar und deshalb für die Reinigung und Trennung von Aminosäuren sehr nützlich gewesen (E. FISCHE» 1901). Dies war von großer Wichtigkeit für die Chemie der Proteine, da diese bei der Hydrolyse zahlreiche Aminosäuren geben, die damals auf andere Weise schwer trennbar waren. Die Ester der Aminosäuren sind sehr reaktionsfähig. Sie gehen zum Teil spontan in Peptide über und werden sehr leicht verseift. Ihre Estergruppe ist „energiereich". Die Esterbildung ist ein endergonischer Vorgang, weil der energiearme ZwitterionenZustand der Aminosäure zunächst aufgehoben werden muß. Einzelne Glieder Aminoessigsäure (Glybokoll, Glycin) ILjN-CHJ-COAH wurde 1819 von BBACONNOT durch Kochen von Leim mit verdünnter Schwefelsäure oder Barytwasser erhalten und wegen ihres süßen Geschmacks als „Leimzucker" bezeichnet. Man gewinnt Glycin aus Chloressigsäure und Ammoniak oder nach der STRECKER sehen Synthese aus Formaldehyd und Blausäure. Die biochemische Entstehung des Glycins ist noch unklar. Eine der möglichen Vorstufen ist Glyoxylsäure. Ein Benzoylderivat des Glycins ist die Hippursäure CeH6 · CO ·NH · CH2 · CÖ2H, die im Harn von Pflanzenfressern, in geringer Menge auch im menschlichen Harn vorkommt. Sie besitzt die Konstitution eines Säureamids und kann dementsprechend durch Kochen mit verdünnter Schwefelsäure gespalten werden. Dabei entstehen Benzoesäure und Glycin: Ο,Η,.ΟΟ-ΝΗ-ΟΗ,-ΟΟ,Η — Ο , Η , ΟΟ,Η + H,N-CH, COtH.
Benzoes&ore
Glycin
Glycin ist kristallisiert, schmilzt bei 232° unter Zersetzung und ist in Wasser sehr leicht löslich, in absolutem Alkohol unlöslich. Charakteristisch für Glycin, wie überhaupt für viele Aminosäuren, ist das in Wasser schwer lösliche, in dunkelblauen Nadeln mit 1 Mol Kristallwasser kristallisierende Kupfersalz, das man durch Kochen seiner Lösung mit Kupfercarbonat gewinnt; es ist ein „inneres Komplexsalz" von der Formel I. oc . 0 0 . c 0 I·
HjC—N/ U \N—¿H," Η, H, Die Aminogruppen sind also in der gleichen Weise an dae Cu-Atom addiert, wie ζ. B. im Kupferacetat-Ammoniak Cu(NH„)ä(0· CO· C H ^ . Als Komplexsalz hat es eine sehr geringe elektrolytische Leitfähigkeit. In Alkalien löst es sich, ohne Cu(OH)2 abzuscheiden. Eine genauere Untersuchung dee Komplexsalzes mit Zink hat gezeigt, daß seine Lösungen neben dem Komplex vom Typus I mit zwei Glycinresten in überwiegender Menge ein komplexes Kation mit einem Glycinrest (Formel II) enthalten. + /O-CO II. I NN · CH, H, Als interessantes komplexbildendes Derivat des Glycins sei hier noch die Äthylendiamln· tetraessigsanreCHOjC-CH^^N-CHj-CHj-NlCHj'COjjHJjerw&hnt, die durch Umsetzen vonÄthylendiamin, Formaldehyd und Blausäure und Verseifen des entstandenen Nitrils erhalten werden kann. Ihr Natriumealz Trilon Β (Versen) findet zur Wasserenthärtung und zur titrimetrischen Bestimmung von Calcium Verwendung. Als Indikator dient der Farbumschlag mit einem Hydroxyazofarbstoff, ζ. B. Eriochromschwarz, dessen Calciumlack bei PH ca. 9 weniger komplex ist und daher duroh das Trilon zerlegt wird.
296
Acyclische Verbindungen
Ein N-Methylderivat des Glycins ist das von LIBBIG dargestellte Sarkoein CH3 · NH · CH¡¡ · C0 2 H. Durch Umsetzung mit Cyanamid kann man daraus einen Guanidin-Abkömmling, das Kreatin, erhalten: /NH, /CH, .NH, C4 +HN< =HN:C< ^N \CH,-COJH \N(CH,)-CH,-CO,H Kreatin
Kreatin ist in den Muskeln der verschiedensten Tiergattungen sehr verbreitet; menschliche Muskeln enthalten etwa 0-3—0·6°/ 0 . Zu seiner Darstellung kann man vom käuflichen Fleisohextrakt ausgehen. Kreatin geht namentlich bei saurer Reaktion unter Verlust von 1 Mol Wasser in Kreatinin HN:C
- N C - f C H J a - C ^ C O s - C A ) , . y-Chlor-butyronitril
[y-Cyan-propyl]-malonester
Bei der Behandlung mit Äthylnitrit und Na-Alkoholat verliert dieser Ester ein Carboxyl, und es entsteht das Na-Salz eines Oxims: N C - C H j - C H s - C H j - q : N-OHJ-COj-CjHg. Wird dieses Oxim mit Natrium und Alkohol behandelt, so wird gleichzeitig die N · OH- Gruppe zu N H , und die Cyangruppe zu C H j - N H j reduziert, wodurch inaktives Lysin erhalten wird. Ornithin, das als solches in Eiweißstoffen nicht vorkommt, ist das nächstniedere Homologe von Lysin, also a , d-Diamino-valeriansäure I ^ N - [CHJ3· CH(NH,) · CO,H. Es entsteht beim Kochen von Arginin mit Barytwasser und liefert unter der Wirkung von Bakterien Putrescin (1,4-Diamino-butan). Seine Struktur ist ebenfalls durch Synthese von E . F I S C H E R bewiesen. Das stark basische Arginin C e H 14 0 2 N 4 ist ein wichtiger Eiweißbaustein. Synthetisch kann es durch Einwirkung von Cyanamid auf Ornithin erhalten werden: H j N · [ C H J j · C H ( N H j ) · C O j H + N C - N H , = Η,Ν-Cí : N H ) · N H · [ C H J a - C H ( N H j ) · C 0 2 H . Ornithin
Cyanamid
Arginin
In der Leber entsteht aus Ornithin, Ammoniak und Kohlensäure über nicht genau bekannte Zwischenstufen CitruUin H¡¡N-CO-NH· [CH 2 ] s -CH(NH 2 )-C0 2 H. Durch Umsetzung mit Asparaginsäure entsteht daraus neben Fumarsäure Arginin, das durch ein Ferment Arginase in Ornithin und Harnstoff zerlegt wird. Auf diesem Ornithin-Cyolus beruht nach der zuerst von K R E B S aufgestellten Theorie die Harnstoffbildung im tierischen Organismus (s. a. Carbamoylphosphat, S. 194).
Auch Hvdroxyaminosäuren kommen in der Natur als Eiweiß-Bausteine vor. Serin ist seit langem als Bestandteil der Seide b e k a n n t . E s ist von E . FISCHER u n d LEUOHS aus Glykolaldehyd und Blausäure synthetisch erhalten worden und besitzt danach die Struktur einer /?-Hydroxy-«-amino-propionsäure H O · CH 2 · CH(NH 2 ) · C0 2 H. Die homologe jS-Hydroxy-a-amino-buttersäure CH 3 -CH(0H)-CH(NH 2 )-C0 8 H ist 1935 von MCCOY in Eiweißstoffen aufgefunden worden. Sie liefert bei der Reduktion a-Aminobuttersäure, bei der Oxydation Milchsäurealdehyd. Da sie in ihrer Konfiguration der Threose (S. 245) entspricht, h a t sie den Namen Threonin erhalten. Das diastereoisomere Allothreonin mit der Erythrose-Konfiguration ist synthetisch erhalten worden.
CO,H H-C-OH CH2-OH L-Serin
CH, L s -Threonin
Ein Schwefel-Analogon des Serins ist das Cystein HS-CH 2 -CH(NH 2 )·C0 2 H. Es oxydiert sich sehr leicht zu dem entsprechenden Disulfid Cystin H0 2 C'CH(NH 2 )-CH 2 · S · S · CH2 · CH(NH 2 ) · C 0 2 H , das schon 1810 von WOLLASTON in Blasensteinen entdeckt, aber erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts als ein weit verbreiteter Eiweißbaustein
WALD ENsehe Umkehrung
299
erkannt wurde. Cystin ist ira Gegensatz zu den meisten Aminosäuren in Wasser sehr schwer löslich. Auch ein Thioäther des Cysteins, Lanthionin [H0 2 C• CH(NH 2 ) · C H J j S , ist im Hydrolysat von alkalibehandelter Wolle und in einigen Antibiotika gefunden worden. Eine weitere schwefelhaltige Aminosäure ist endlich das Methionin CH 3 -S· CH 2 · CH 2 · CH(NH 2 ) · CO a H, das 1923 von J . H . M Ü L L E B bei der Hydrolyse von Eiweißstoffen aufgefunden und erstmalig von ΒA U G E R und C O Y N E (1929) synthetisiert wurde. Vermöge seiner an Schwefel gebundenen Methylgruppe ist Methionin ein wichtiger Überträger von Methylgruppen. Ein Beispiel dafür wurde oben beim Kreatin (S. 296) gegeben. Methioninsulfoxyd CH 3 · SO · [CH 2 ] 2 · CH(NH 2 ) · C 0 2 H ist der Geruchsträger von gekochtem Weißkohl. S-Methyl-cysteinsulfoxyd findet sich in der Steckrübe und im Blumenkohl. A m i n o s ä u r e n in der E r n ä h r u n g . Nahrungsproteine werden vom Organismus wohl fast ausnahmslos zu Gemischen von Aminosäuren hydrolysiert. Wie Untersuchungen von 0. LOEWI und von ABDERHALDEN ergeben haben, ist der tierische Organismus imstande, aus einem Gemisch von Aminosäuren wieder Eiweiß zu synthetisieren; denn Tiere, die mit einem geeignet zusammengesetzten Gemisch gefüttert werden, bleiben am Leben. Wesentlich für das Gelingen der Fütterungsversuche mit Aminosäuren ist aber, daß das Aminosäuregemisch alle „lebenswichtigen" Aminosäuren enthält, d. h. diejenigen, die der tierische Organismus nicht synthetisieren kann. Nach den Feststellungen von W. C. R O S E sind dies für den Menschen: Lysin (1,60), Tryptophan (0,50), Phenylalanin (2,20), Leucin (2,20), Isoleucin (1,40), Threonin (1,0), Methionin (2,20), Valin (1,60). Die in Klammern stehenden Zahlen bedeuten den annähernden Tagesbedarf des Individuums in Gramm. Bei niederen Organismen gibt es große Unterschiede im Aminosäurebedarf. Escherichia coli synthetisiert alle Aminosäuren, im Gegensatz zu Leuconostoc mesenteroides, das keine einzige synthetisieren kann. Dies kann zur quantitativen Bestimmung der Aminosäuren verwendet werden (S. 305).
WAUDENsche TJmkehrung Während die Konfigurationsermittlung auf dem Gebiet der Kohlenhydrate verhältnismäßig frühzeitig zu einem Erfolg führte, weil die Verknüpfung verschiedener Verbindungen dabei rein oxydativ ohne Berührung der Asymmetriezentren erfolgte, erwies sich das Problem bei den Aminosäuren als wesentlich schwieriger. Sowohl Bildung wie Umwandlungen berühren hier in jedem Fall das asymmetrische Zentrum. Schon frühzeitig sind bei solchen Reaktionen auffallende Unregelmäßigkeiten beobachtet worden. Sie waren f ü r die allgemeine Theorie des chemischen Reaktionsverlaufs von großem Interesse. Denn durch die Drehung wurden hier Erscheinungen beobachtbar, die allgemein auch bei inaktiven Verbindungen eine Rolle spielen mußten. Wie zuerst P . W A L D E N gezeigt hat, wird (—)-Chlorbernsteinsäure durch Ag 2 0 in (—)-Äpfelsäure, durch Kalilauge dagegen in (+)-Äpfelsäure verwandelt. Das Resultat ist nur erklärlich, wenn im einen Fall während der Substitution zwei Substituenten ihre Plätze getauscht haben, also „Inversion" eingetreten ist. Einen solchen Vorgang bezeichnet man als „ W A I D E N sehe Umkehrung". Ihr Vorhandensein zeigt, daß f ü r die Bestimmung der konfigurativen Verwandtschaft alle Reaktionen von zweifelhaftem Wert sind, bei denen das asymmetrische C-Atom in Mitleidenschaft gezogen wird. Irrig wäre die Annahme, daß die bloße Umkehrung des Drehungssinnes bei einer einzigen chemischen Umwandlung das geringste mit einer Konfigurationsänderung zu tun hätte. Daß der Drehungssinn als solcher keinen Rückschluß auf die Konfiguration zuläßt, wurde bereite S. 235 gezeigt. Linksdrehender Amylalkohol (S. 41) liefert bei der Oxydation rechtedrehende Methyläthylessigsäure, obwohl bei dieser Reaktion die Konfiguration nicht geändert wird. Wie stark Drehungsgröße und -sinn von der Konstitution des gesamten Moleküls abhängen, sieht man aus den molekularen Drehungen der folgenden Derivate der D(—)-Milchsäure, die sämtlich die gleiche Konfiguration haben:
Acyclische Verbindungen
300
Methylmilchsäuremethylester + 112° Acetylmilchsäuremethylester -f- 74° Benzoylmilchsäuremethylester — 35° Der Nachweis der WALDENechen Umkehrung ist also erst dann erbracht, wenn man eine Substanz ( + )-A je nach dem Weg in ( + )-B oder (—)-B überführen kann.
Durch zweimal wiederholte W A L D E N sehe Umkehrung kann man die folgenden „optischen Kreisprozesse" konstruieren, von denen der erste von W A L D E N , der zweite von E. F I S C H E R angegeben worden ist: (—)-Chlorbernsteinsäure - < — (PC16) - < — (-f-)-Äpfelsäure
I .. I (—)-Apfelsäure
t t (+)-Chlorbernsteinsäure.
(AgOH)
(AgOH)
>- (PC15)
>-
Offenbar muß hier entweder bei der Einwirkung von Silberoxyd oder bei der Einwirkung von Phosphorpentachlorid eine Umlagerung der Gruppen am asymmetrischen Kohlenstoffatom stattgefunden haben. (+)-Alanin •• (NHj)
Man kennt noch viele andere Beispiele der
WALDEN
sehen Umkehrung.
Wenn eine optisch-aktive Verbindung sich in ihren Antipoden umwandelt, so müssen zwei der Gruppen oder Atome, die an das asymmetrische C-Atom gebunden sind, den Platz tauschen. Dies ergibt sich als einfache Folgerung aus der Theorie des asymmetrischen Kohlenstoffatoms. Έ. FISCHER1 hat eine Reaktionsfolge angegeben, bei der man eine solche Vertauschung vornimmt, ohne das asymmetrische C-Atom selbst zu berühren: C,H, ρ CO-NHJ > 0 3 Η 7 > 0 .CO-NH, j j ^ ^ ^ r CO,-CH, r » .riu CaH7 n^COjH _>. CsH7 n C0 2 H < Η CO t -CH J Ausgangsprodukt und Endprodukt zeigten erwartungsgemäß entgegengesetzte Drehungen.
Die Frage, welche der oben aufgeführten Umsetzungen mit Inversion und welche ohne Inversion verlaufen, ist zunächst auf physikalischem Wege durch Studium der optischen Drehungen beantwortet worden. Hierbei wird der (auch theoretisch zu begründende) Erfahrungssatz zugrunde gelegt, daß analoge Verbindungen gleicher Konfiguration analoge Drehungsverschiebungen zeigen, wenn man sie gleichen chemischen Veränderungen unterwirft. Vergleicht man ζ. B. Derivate der D-Milchsäure mit den Derivaten der rechtsdrehenden «-Brom-propionsäure, deren Konfiguration als D- oder L-Verbindung bestimmt werden soll:
Dimethylamid Chlorid
ToluolsulfoD-milcheäure
MethylD-milchsäure
AcetylD-milchsäure
(+)-Brompropionsäure
+ 61° + 145»
+ 84° + 112°
+ 28° + 49®
— 28° + 46»
so sieht man, daß in jedem Fall beim Übergang vom Dimethylamid zum Chlorid der Säure Rechtsverschiebung auftritt. In diese Reihe paßt also nur (+)-Brompropionsäure, nicht (—)-Brompropionsäure. Die rechtsdrehende Säure wird demnach die gleiche Konfiguration wie die D-Milchsäure haben; sie ist daher als D(+)-A-Brom1
Ber. Dtseh. Chem. Ges. 47, 3181 (1914).
WAIJ)ENscho Umkehrung Propionsäure bzw. als Ε-α-Brom-propionsäure im Sinne der CAHN-INGOLD-PRELOG-
301 β
p
R2 \ OH~-—
J R2
Notation (S. 236) zu bezeichnen (FBEITDENX —HO X~ BEBO). Etwas schwieriger war die Drehungs/ \ analyse der α-Aminosäuren. Sie führte zu , ^ dem Resultat, daß die natürlich vorkommenden Säuren sehr wahrscheinlich L-Konfiguration besitzen, daß das rechtsdrehende Alanin also L(+)-Alanin ist. COjH C02H C02H Η—!—OH CH, D(—)-MUchsäuie
Η—j—Br CH3 D(+)- von 10~7 als beträchtlich basisch. Histidin ist daher zweibasisch und bildet ein Mono- und ein Dihydrochlorid. H,
i
L-Prolin 1
L-Hy dro iy prolin
- C · CHJ · CH(NHJ) · C 0 2 H
hH
ÜJH
ν \ κ NH
Ν—C X
Tryptophan
¿JH
CHj c h
· ^
CO2H
NH
Histidin
6. Schwefelhaltige Aminosäuren: Cystin, Cystein und Methionin. Konstitution der EiweißstoHe Die Frage nach der Verknüpfungsart der einzelnen Aminosäuren im Eiweißmolekül ist zuerst etwa 1 9 0 2 von H O F M E I S T E R und EMTT. F I S C H E R in bestimmter Weise beantwortet worden. Sie nahmen eine säureamidartige Verknüpfung der Carboxylgruppen mit den Aminogruppen an I^N-CHR-CO.NH-CHR.CO-NH.CHR-CO-NH.CHR-CO.H. Derartige Aminosäure-Abkömmlinge sind von E. F I S C H E R je nach der Anzahl der beteiligten Aminosäure-Reste als Dipeptide, Tripeptide bzw. allgemein als Oligopeptide bzw. Polypeptide bezeichnet worden2. Diese Formel erklärt die Bildung von Aminosäuren bei der Hydrolyse mit Säuren und Alkalien und die Abwesenheit größerer Mengen von freien Aminogruppen in den Eiweißstoffen. Sie ist ferner mit der Tatsache im Einklang, daß bei der Hydrolyse Aminogruppen und Carboxylgruppen in annähernd äquivalenten Mengen frei werden und daß die Eiweißstoffe die blauviolette Kupferreaktion des Biurets geben, das ebenfalls ein Säureamid ist. Am Aufbau der fortlaufenden Polypeptid-Kette ist, wie es scheint, nur die α-Aminosäure-Gruppierung R · CH(NH2)-CÖ2H beteiligt. Der Rest R der Aminosäuren spielt die Rolle von Seitenketten an der Polypeptid-Kette. 1 Die Bezeichnung L-Prolin ist das Resultat einer erweiterten FISCHER-Konvention. Denkt man sich den Pyrrolring zwischen NH und CH2 aufgespalten, so ergibt eich als Projektion
f 1 Η——Coil!
[Ah,],
bzw. nach
Vzweimaliger ertaUSChUDg
Ç02H --ΗΝ——Η
[AH2]3
also die Konfiguration einer L-Aminosäure. 3 Bei der Benennung der einzelnen Polypeptide geht man von den Radikal-Bezeichnungen der Aminosäuren aus, wobei man statt Aminoessigsäure den kürzeren Kamen „Glycin" benutzt. Die folgenden Beispiele bedürfen keiner weiteren Erläuterung: Glycylglycin HjN-CHj-CO-NH • ΟΗ,-ΟΟ,Η, Diglyoylglycin Η,Ν-ΟΗ,-ΟΟ-ΝΗ-ΟΗ,-ΟΟ-ΝΗ-ΟΗ.-αΟ,Η, Alanylglyoylglyoin HJN'CHÍCHjJ-CO-NH-CHJ'CO'NH-CH^COJH.
Eiweißstoffe
307
In diesen Seitenketten befindet sich auch das zweite Carboxyl der Asparaginsäure und Glutaminsäure, das teils als freie Carboxylgruppe, teils an Ammoniak gebunden als Säureamidgruppe —CO N H 2 auftritt. Tatsächlich spalten die Eiweißstoffe schon beim Kochen m i t verdünnten Säuren und Alkalien kleine Mengen Ammoniak ab, die ihrem Gehalt an Asparaginsäure und Glutaminsäure annähernd äquivalent sind. Ferner läßt sich das Vorhandensein v o n seitenständigen CO · NH 2 -Gruppen direkt durch enzymatischen Abbau beweisen, wobei Asparagin und Glutamin (S. 297) erhalten werden. Während die bisher angeführten analytischen Konstitutionsbeweise mehr indirekter Natur sind, hat EMIL FISCHER mit der künstlichen Darstellung von Polypeptiden den direkten W e g der Eiweiß-Synthese beschritten, die von jeher als eine der größten Aufgaben der organischen Chemie gegolten hat. Eine nähere Beschreibung der synthetischen Methoden, die man zur Darstellung der Peptide anwendet, würde zu weit führen; nur einzelne sollen kurz erwähnt werden. Die Ester der Aminosäuren gehen beim Erwärmen, bisweilen schon bei gewöhnlicher Temperatur, unter Verlust von 2 Molekülen Alkohol in Anhydride (Diketopiperazine) über (vgl. S. 2Ö4). Der Reaktion liegt die nucleophile Addition der Aminogruppe an den Kohlenstoff der Carboxylgruppe zugrunde. Die Bildung von Dioxopiperazin aus Aminoessigsäureester wird durch folgende Gleichung veranschaulicht: 2 Η,Ν · CH,· CO,· CTH, = 2 Ο , Η , Ό Η + H N < ^ C ¿ J > N H . Unter der Einwirkung von verdünnter Lauge nimmt Dioxopiperazin 1 Mol H a O auf und gibt das Dipeptid Glycylglycin, H a N · CHj · CO · NH · CH¡, · C0 2 H. Es ist klar, daß diese Reaktion nur einen sehr begrenzten Anwendungsbereich besitzt. Ganz allgemein ist für die Peptid-Synthesen die Aufhebung der energiearmen ZwitterionenStruktur der Aminosäuren wesentlich. Aminogruppen, an denen keine synthetische Verknüpfung erfolgen soll, müssen durch leicht wieder abspaltbare Gruppen „geschützt" werden. Eine solche Gruppe ist nach M. BERGMANN die Benzyloxycarbonyl-Gruppe („Carbobenzoxy-Gruppe") C e Hg-CH,'0'C0—. Kohlensäurebenzylesterchlorid CjHj-CHj-O-COCl ist leicht aus Benzylalkohol und Phosgen herstellbar. Die Gruppe läßt sich durch „Hydrogenolyse" durch kataJytische Hydrierung oder andere Reduktionsmittel gemäß C,H,· CH,· O· C 0·ΝΗ· CH,· CO-NH· CH,· CO,H Carbobenzoxy-glyoylycln "·
•
CEHJ-CH,+CO,+H,N-CH,'CO'NH-CH,'CO,H Toluol Glyoylglyoln
abspalten. Wo Reduktionsmittel unerwünscht sind, ist auch Eisessig-HBr brauchbar. Für die Herstellung einer energiereiohen Bindung an der Carboxylgruppe ist die Darstellung der Säurechloride nach E. FISOHEB in indifferenten Lösungsmitteln immer noch sehr beliebt; das Chlorid wird dann mit 1 Mol Aminosäureester und Alkali oder aber auoh mit 2 Mol Aminosäureester umgesetzt: Ac ·NH · CH, · COCl-f Η,Ν · CH, · CO, · C a H 5
Ka0H
> Ac -NH -CH 2 -CO -NH-CHj- CO s H+ CaH5 · OH.
Bei der Umsetzung der Aminosäuren mit POC1, entsteht als energiereiohes Zwischenprodukt vermutlich das Säureanhydrid R · CH(NH · Ac) · CO · O · P0C12. Andere geeignete Derivate sind die gemisohten Anhydride mit Kohlensäurehalbestern, mit Benzoesäure (durch Einwirkung von Benzoylchlorid auf das Silbersalz der Aminosäure nach CUBITUS) und die mit Thiophenol erhältlichen Thiosäureester. Schließlich haben sich in neuerer Zeit Carbodiimide R - N = C = N - R als ausgezeichnete Mittel erwiesen, um auf milde Weise aus einer Acylaminosäure und einem Aminosäureester Wasser unter Peptidbildung abzuspalten. Das Carbodiimid verwandelt sich dabei in einen Harnstoff (SHEEHAN; KHOBANA). Erwähnt sei noch, daß bei der Darstellung der Säurechloride von α-Acylaminosäuren wohl vielfach nicht diese, sondern die isomeren Hydrochloride von Oxazolonen 0>Azlactonen") erhalten werden: C,HS.CO.NH.CH,.CO,H HlpponAnre
C.H,·C/N_¡J®· + ND—CO
HA.
Jedoch reagieren diese mit Aminosäuren unter Lactonaufspaltung wie die Säureohloride. 20«
308
Acyclische Verbindungen
Die nach den genannten Methoden von E . F I S C H E R und anderen synthetisierten Peptide erwiesen sich teilweise als identisch mit den durch Hydrolyse von Proteinen erhaltenen. Die höchsten von E. F I S C H E R synthetisierten Peptide, darunter das Octadecapeptid aus 15 Glycin- und 3 Leucin-Resten, glichen in ihren physikalischen Eigenschaften und ihrer Angreifbarkeit durch Enzyme durchaus den Proteinen. Die Ermittlung der tatsächlichen Reihenfolge zahlreicher verschiedener Aminosäuren in den Proteinen ist jedoch erst in der Neuzeit möglich geworden. Chromatographische und elektrophoretische Methoden gestatten eine einwandfreie Trennung von Peptiden und von Aminosäuren. Verschiedene proteolytische Enzyme hydrolysieren die Kette der
Aminosäuren je nach ihrer Spezifität an verschiedenen, vielfach genau bestimmten Stellen (s. u.). Daher erhält man mit verschiedenen Enzymen jeweils verschiedene Peptidgemische. Dadurch, daß diese sich vielfach überlappen, kann man die ursprüngliche Reihenfolge mehr oder weniger vollständig rekonstruieren. So gelang es zuerst S A N G E R (1951) in einer bewunderungswürdigen Arbeit, die Reihenfolge aller 30 Aminosäuren einer Peptidkette des Insulins zu ermitteln. Wie man aus der Formel des Insulins (Fig. 70) ersehen kann, sind durch Disulfidbrücken des Cystine zwei Ketten miteinander verknüpft. Den zwei Ketten entsprechen (bei einem Molekulargewicht von 6000) ein Molekül Glycin und ein Molekül Phenylalanin am Aminoende. Freie Aminogruppen in Proteinen lassen sich durch Umsetzen mit 4-Fluor-l,3-dinitrobenzol bei Raumtemperaturkennzeichnen. Die Bindung ( Ο ^ ^ Η ^ - Ν Η — wird bei der Säurehydrolyse nicht aufgespalten, so daß die Aminoendgruppen in den Hydrolyseprodukten leicht auffindbar sind. Freie Carboxylgruppen am Kettenende lassen sich bei Beachtung gewisser Vorsichtsmaßregeln mit Carboxypeptidase nachweisen. Sie spaltet die meisten Peptidbindungen, denen ein freies Carboxyl benachbart ist. Wieweit außer den Disulfidbrücken noch andere Seitenketten der Proteine an Ringbildungen beteiligt sind, so die Carboxylgruppen der Glutaminsäure und Asparaginsäure, die Hydroxylgruppe des Serins, die basischen Gruppen des Lysins und Arginins, ist noch unklar. Daß Wasserstoffbrücken zwischen den zahlreichen Peptidgruppen für die Form des Proteinmoleküls maßgebend sind, steht fest. Nach den angegebenen Methoden sind in neuerer Zeit eine ganze Reihe von Polypeptiden von Toxin- oder Hormoncharakter strukturell aufgeklärt worden, ζ. B. das Phalloidin durch T H . W I E L A N D . Das Oxytocin der Hypophyse wurde von D U V I G N E A T J D synthetisiert, der biologisch aktive Teil des Hypophysen-Hormons ACTH (23 von 39 Aminosäuren) von K L . H O F M A N N . Die Sequenz der 158 Aminosäuren des Tabakmosaik1 Entnommen aus „Die Naturwissenschaften", 46. Jahrgang, 1959, Seite 36, Abb. 1, SpringerVerlag.
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Virus wurde durch SCHBAMM sowie F B A E N K E L - C O N B A T ermittelt. Die Struktur der Ribonuclease verdankt man TTTRS sowie MOOKE und S T E I N . Die frühere Annahme einer Periodizität im Aufbau der Proteine hat sich nicht bestätigt. Jedes Protein scheint in seiner Zusammensetzung erblich streng determiniert zu sein. Die genaue Konstitutionsermittlung wird sich daher in Anbetracht der damit verknüpften Mühe auf besonders interessierende Proteine beschränken müssen. Durch bloße Permutation von 20 verschiedenen Aminosäuren lassen sich 2 , 4 x l 0 1 8 Proteine vom Molekulargewicht etwa 2000 aufbauen. Die Anzahl der tatsächlich existierenden Proteine schätzt man größenordnungsmäßig auf 1 Milliarde. Auf die Synthese der Proteine aus Aminosäuren im Organismus soll hier nicht eingegangen werden. Man kennt zwar Transpeptidierungen von ähnlicher Art wie die Transglykosylierungen auf dem Gebiet der Kohlenhydrate. Ob diese biologisch eine Rolle spielen, ist indessen zweifelhaft. Den streng determinierten Proteinaufbau führt man heute auf die Mitwirkung von Nucleinsäuren zurück, die dabei etwa die Rolle von Matrizen spielen sollen. Es entstehen zunächst „aktivierte" Aminosäuren, indem aus ATP und Aminosäure enzymatisch ein Komplex aus Enzym und einem Anhydrid aus Adenosinmonophosphorsäure und Aminosäure gebildet wird. Über den weiteren Reaktionsverlauf weiß man noch nichts Genaues.
Einwirkung von Enzymen ani Eiweißstoffe Für die Verwertung der Proteine im Organismus ist ihr enzymatischer Abbau eine der wichtigsten Reaktionen. Die dafür benötigten „Proteinasen" sind ihrer Funktion nach Hydrolasen und als Enzyme ihrerseits Proteine. Ihre hydrolytische Wirkung richtet sich in erster Linie auf Peptidbindungen, also sekundäre Amidbindungen, doch werden oft auch Amidbindungen und Esterbindungen (z. B. Chymotrypsin, s. Nachträge) mit großer Geschwindigkeit gespalten. Im Magensaft findet sich Pepsin (optimale Wirksamkeit bei 2, maximale Stabilität bei p H 5). Es entsteht autokatalytisch durch Abspaltung einiger Aminosäurereste aus dem Pepsinogen der Magenschleimhaut. Ähnlich werden mit dem Pankreassaft Trypsinogen und Chymotrypsinogen abgesondert, die ihrerseits durch Trypsin in Trypsin und Chymotrypsin verwandelt werden (pH-Optimum 7—8). Das sehr unbeständige Trypsin wird gegen Selbstverdauung durch Calcium-Ion stabilisiert. Aus Pankreas wird auch die Carboxypeptidase (pH-Optimum 7,5), die Proteine und Peptide vom Carboxylende her spaltet, isoliert. Aminopeptidase (pH-Optimum 8) aus Darmschleimhaut spaltet vom freien Aminoende her. Eine pflanzliche Proteinase ist das Papain aus dem Milchsaft des Melonenbaums (pH-Optimum 5—7,5). Unter den Bakterienproteinasen ist neuerdings das Subtilisin eingehend studiert worden. Man hat früher geglaubt, zwischen Proteinasen = Protein spaltenden Enzymen und Peptidasen = Peptid spaltenden Enzymen unterscheiden zu müssen, da die bekannten Proteinasen synthetische Peptide vielfach nicht angriffen. Es ist das Verdienst von M. BERGMANN, gezeigt zu haben, daß Proteinasen sehr wohl auch niedrige Peptide spalten, wenn diese in der Nachbarschaft der zu spaltenden Bindung bestimmte Gruppen enthalten. Die Proteinasen sind mit anderen Worten spezifisch auf die Spaltung bestimmter Bindungen, d. h. auf bestimmte Seitenketten, eingestellt. So spaltet Trypsin nur neben dem Carbonyl von Lysin und Arginiti, Chymotrypsin neben dem Carbonyl von Phenylalanin, Tyrosin und Tryptophan. Weniger wählerisch ist Pepsin, ganz unspezifisch Subtilisin. Wir haben bereits gesehen, daß die Aktivität eines Enzyms in wirksamen Bereichen konzentriert ist. So wird die Cholesterinesterase durch Blockierung eines einzigen Serin-Hydroxyls durch Diisopropylphosphorsäurefluorid inaktiviert, ihre Aktivität durch Abspaltung der Diisopropylphosphorsäure-Gruppe wieder hergestellt. Bei mehreren Hydrolasen hat man im aktiven Bezirk die Wiederkehr der Folge —Gly · Asp · Ser · Gly— feststellen können. Der Konzentrierung der enzymatischen Wirkung in einem engen Bezirk entspricht die Tatsache, daß mitunter eine Veränderung
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oder Verkleinerung des Enzyms durch Partialhydrolyse möglich ist, ohne daß dadurch die enzymatische Aktivität des Teilstücks wesentlich beeinträchtigt wird. Ähnliche Vorstellungen werden auch durch die Erfahrungen der Immimchemie nahegelegt. Bekanntlich wirken hochmolekulare Toxine auf den Organismus als „Antigene", indem sie ihn zur Erzeugung von „Antikörper" genannten Proteinen stimulieren, die das Antigen ausfallen bzw. antigenbewehrte Bakterien „agglutinieren" (verklumpen). Daß mit Fonnaldehyd abgetötete, unschädlich gemachte Toxine immer noch Antikörper zu erzeugen vermögen (worauf die Herstellung von Antiseren beruht), beweist, daß die „determinante Gruppe" des Antigens, gegen die die Antikörperbildung gerichtet ist, mit der toxischen Gruppe nicht identisch ist. Antikörper werden im tierischen Organismus gegen alle nicht artspezifischen Proteine gebildet. Auch innerhalb der Art gibt es noch feinere Unterschiede. Eialbumin der Ente gibt z. B. mit dem durch Hühneralbumin hervorgerufenen Antikörper ebenfalls eine Fällung („serologische Kreuzreaktion"). Aber ein Teil des Antikörpers bleibt unverbunden und kann durch Hühneralbumin noch gefallt werden. Es müssen also mehrere determinante Gruppen und mehrere Antikörper im Spiel sein. Das für den tierischen Organismus giftige Enzym Urease wird durch eine Anti-Urease enzymatisch unwirksam gemacht. Hier reagiert anscheinend die aktive Gruppe selbst. Bei anderen Enzymen, gegen die Antikörper gebildet werden, scheint dies nicht der Fall zu sein. Die Aktivierung von proteolytischen Enzymen wurde schon oben kurz erwähnt. Metallionen, namentlich Mg++ und Mn ++ , wirken als Aktivatoren vieler Proteinasen, die meist hemmend wirkende Blausäure entfaltet beim Papain eine fördernde Wirkung. Die „Aktivierung" des Trypsins durch Enterokinase aus Darmschleimhaut ist nach K U N I T Z ein enzymatischer Vorgang, bei dem Trypsinogen zu Trypsin hydrolysiert wird. Physikalische Eigenschalten and Reaktionen der EiweiBstofie Die Reindarstellving der Proteine beruhte in älterer Zeit im wesentlichen auf ihrem Löslichkeitsverhalten, d. h. auf Fällung und Kristallisation. Neuerdings sind dazu wesentlich wirksamere Trennungsmethoden getreten, so die präparative Zentrifugierung in der Ultrazentrifuge, die Säulen- und Papierchromatographie und vor allem die Elektrophorese. Diese Methoden gestatten auch genauere Aussagen über die Reinheit der isolierten Präparate. Die bisherigen Ausführungen über die Konstitution der Eiweißstoffe machen ihr physikalisches Verhalten wenigstens in den Grundzügen verständlich. Die Eiweißstoffe sind typisch hochmolekulare Verbindungen. Ihre geringe Diffusionsfähigkeit und das mangelnde Vermögen der meisten Proteine zur Dialyse durch Membranen wie Kollodium oder Pergamentpapier wurde schon in den grundlegenden Untersuchungen GRAHAMS über die Kolloide (seit 1851) erkannt 1 . Zur Bestimmung des Molekulargewichts ist die kryoskopische Methode bereits zu unempfindlich, während die Methode des osmotischen Drucks unter Berücksichtigung der notwendigen Korrekturen 2 noch ziemlich genaue Resultate gibt. Für einen Eiweißstoff vom Molekulargewicht 18600 ist die Gefrierpunktserniedrigung in l%iger wäßriger Lösung nur 0,001°, 1 Die Ableitung der Bezeichnung „Kolloide" von κόλλα =• Leim weist darauf hin, daß man die Proteine geradezu als Prototyp der Kolloide betrachtete. 2 Diffundierende Salze, deren Gegenwart sich häufig nicht umgehen läßt, verteilen sich bei Anwesenheit eines Eiweiß-Ions ungleichmäßig auf beiden Seiten der Membran. Dies führt zur Ausbildung einer elektrischen Potentialdifferenz E (DoNNAN-Membranpotential) und einer osmotischen Druckdifferenz piy die man von dem Geeamtdruck in Abzug bringen muß. Man berechnet die Korrektur pt aus E nach der Gleichung Pi = 15,4 E2 £c¡ zt mm Hg, wobei CJ die Konzentration, z< die Wertigkeit der Ionen in der Außenflüssigkeit bedeutet (ADAIB). Beim isoelektrischen Punkt verschwindet das Membranpotential.
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während der osmotische Druck immerhin noch 125 mm Wassersäule entspricht. Für Eialbumin ergaben sorgfältige Messungen nach der osmotischen Methode, wie sie zuerst von S0RENSEN ausgeführt wurden, ein Molekulargewicht von 43000. Zahlreiche Molekulargewichtsbestimmungen an Eiweißstoffen sind von SVEDBERG mit Hilfe der Ultrazentrifuge ausgeführt worden. Die so gewonnenen Zahlen bewegen sich zwischen 104 und β X 10e. Für das Protein, das bei der„Mosaikkrankheit" des Tabaks auftritt, hat man ein Molekulargewicht von ca. 45 X10·, für ein Protein aus viruskranken Seidenraupen sogar 9 χ 108 gefunden. Bei sehr hohen Teilchengewichten hat man es aber anscheinend in der Regel mit Aggregationen zahlreicher kleinerer Einheiten zu tun, die die eigentlichen Moleküle darstellen. So erklärt sich die häufig beobachtete Tatsache, daß manche Eiweißstoffe bei einer Änderung des pu, der Salzkonzentration und selbst bei bloßer Verdünnung der Lösung reversibel in Teilchen kleineren Molekulargewichts zerfallen. Es ist anzunehmen, daß der Zusammenhalt der Aggregate durch Wasserstoffbindungen oder Salzbildung bewirkt wird. Wie andere hochmolekulare Substanzen zeigen auch die Eiweißstoffe in bezug auf die Neigimg zur Kristallisation große Unterschiede. Während viele Proteine bisher nur amorph erhalten worden sind, kristallisieren zahlreiche andere Eiweißstoffe außerordentlich gut. Dies gilt namentlich von den wasserlöslichen niedermolekularen, obwohl auch sehr hochmolekulare Eiweißstoffe in kristallisierter Form bekannt sind. Die Symmetrie dieser Kristalle ist für Substanzen so komplizierten Baus bemerkenswert hoch. Viele Eiweißkristalle sind pseudohexagonal oder pseudokubisch und geben im Röntgendiagramm eine Fülle von Interferenzen. Sie sind sehr wasserreich, nur unter der Mutterlauge gut haltbar und büßen beim Trocknen unter starker Schrumpfung ihren Ordnungszustand teilweise ein. Die meisten Eiweißmoleküle besitzen kugelige oder ellipsoidische Form. Nur wenige Proteine zeigen im natürlichen Zustand eine Faser-Struktur (Faser-Proteine) und damit zusammenhängend auch gewisse elastische Eigenschaften. Trotz zahlreicher röntgenographischerUntersuchungen besteht über das Bauprinzip dieser Fasern noch keine volle Klarheit. Die größte Wahrscheinlichkeit besitzt gegenwärtig ein spiraliger Aufbau der Peptidketten (PAULING, COKEY). Die sogenannte α-Helix von PATJLING (Fig. 71a und b auf S. 312) hat 3,6 Aminosäurereste auf einer Windung und eine Ganghöhe von 5,4 Ä, so daß die Translation pro Aminosäure 1,5 Â beträgt. Daß die «-Helix auch das Bauprinzip der kugelförmigen Proteine darstellt, ist möglich, aber nicht bewiesen. Wir erinnern uns nach den Ausführungen über die Säureamide (S. 92), daß die Gruppe ist. In einigen Proteinen (/^-Keratin, Seidenfibroin) scheint eine völlig ausgezogene Zickzack-Peptidkette vorzuliegen. Dann ergeben sich völlig bzw. nahezu ebene Schichten, in denen jeweils benachbarte Ketten durch Wasserstoffbrücken verknüpft sind, während es bei der α-Helix Wasserstoffbrücken innerhalb ein und derselben Kette sind, die den Zusammenhalt des Ganzen gewährleisten. Prolin fügt sich der α-Helix nicht ein. Das Löslichkeitsverhalten der Eiweißstoffe erinnert in mancher Hinsicht an das der Aminosäuren. Viele Proteine sind in Wasser löslich, in Alkohol und Aceton unlöslich. Ihre Lösungen sind optisch-aktiv, und zwar linksdrehend. Wie die Aminosäuren zeigen die Proteine das Verhalten amphoterer Stoffe. Ihre Löslichkeit ist vom pn abhängig und zeigt beim isoelektrischen Punkt ein Minimum. Viele Eiweißstoffe flocken daher aus, wenn man die Wasserstoffionen-Konzentration auf den isoelektrischen Punkt bringt. Obwohl die Anzahl der freien basischen und sauren Gruppen oft erheblich ist1, ist ihr 1 Die a b s o l u t e Anzahl der Säuregruppen in Hämoglobin (Molekulargewicht 67000) beträgt etwa 96, die der basischen Gruppen etwa 79. Bei rund 600 Aminosäure-Besten im Molekül entspricht dies insgesamt etwa 2 9 % der vorhandenen Gruppen.
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Bindungsvermögen für Säuren und Basen mit Rücksicht auf die Molekülgröße nicht beträchtlich. Die Mehrzahl der Eiweißstoffe hat einen isoelektrischen Punkt im sauren Gebiet; das ρκ ihrer wäßerigen Lösungen hegt zwischen dem Neutralpunkt und dem isoelektrischen Punkt. Manche Eiweißstoffe lassen sich aus ihren Lösungen durch Salzzusatz leicht abscheiden („aussalzen"), andere schwer oder gar nicht. Die Aussalzbarkeit, die ebenfalls
Fig. 71b
Çy // SEj \fijsr)
v^c
vom pH abhängt, ist ein wichtiges Hilfsmittel zur Erkennung und Trennung der einzelnen Eiweißstoffe. Í® Man benutzt zum Aussalzen fast ausschließlich AmmojT niumsulfat; alle Eiweißstoffe werden beim Sättigen Oy^^y^/r^ ihrer Lösung mit Ammoniumsulfat bei geeignetem pn ' τ v o l l k o m m e n ausgesalzen. Durch zunehmende Konzen1 JL tration der Ammoniumsulfat-Lösung können hiweißstoffe aus ihrer wäßrigen Lösung fraktioniert gefällt werden. Erfolgt das Aussalzen bei gewöhnlicher Temperatur, so werden die Eiweißstoffe dadurch nicht 71a verändert, da sie nach dieser Operation die gleichen Löslichkeitsverhältnisse zeigen wie vorher. Auch der dem Aussalzen entgegengesetzte Vorgang ist bekannt. Namentlich die Globuline unterscheiden sich von anderen Eiweißstoffen dadurch, daß sie in verdünnten Salzlösungen leichter löslich sind als in Wasser. Dies hängt wahrscheinlich mit ihrem besonders hohen Dipolmoment zusammen. Wenig klar sind bisher die teilweise irreversiblen Veränderungen, die die meisten Eiweißstoffe bei der Koagulation und „Denaturierung" erleiden. Man versteht darunter das Unlöslichwerden beim Erhitzen der Lösungen, bei der Einwirkung von Säuren, von starkem Alkohol und von ultraviolettem Licht. Man nimmt an, daß die Anfangsstadien der Denaturierung mit einer Aufrollung der stark gefalteten Polypeptidketten and Lösung von Wasserstoffbrücken verbunden sind, und daß dabei bestimmte Atomgruppen der Einwirkung von Reagenzien leichter zugänglich werden. So lassen sich ζ. B. SH- und —S -S-Gruppen nach der Denaturierung in wesentlich größerer Menge als vorher nachweisen.
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Man kennt zahlreiche allgemeine Reaktionen zum Nachweis von Eiweißstoffen, die teils auf den besonderen physikalischen Eigenschaften, teils auf der Anwesenheit bestimmter Bausteine im Molekül beruhen. Die Koagulation der Proteine beim Kochen mit Essigsäure oder beim Zusatz von Salpetersäure wird zum Nachweis im Harn benutzt. Durch die Salze der meisten Metalle, besonders Kupfersulfat, Eisenchlorid und angesäuerte Sublimatlösung, werden in Wasser unlösliche Verbindungen gefällt. Unlösliche Salze entstehen mit Tannin, Pikrinsäure, Trichloressigsäure und Phosphorwolframsäure. Man benutzt diese Säuren daher neben der Koagulation durch Kochen in der Nähe des isoelektrischen Punkts und der Fällung mit Alkohol zur Abscheidung von gelöstem Eiweiß. Die Ei weiß st off e zeigen verschiedene charakteristische Farbenreaktionen: 1. MILR e a g e n s (Quecksilber(II)-nitrat-Lösung, die salpetrige Säure enthält) liefert beim Kochen mit Eiweißstoffen (wenigstens, wenn sie Tyrosin enthalten) eine rote koagulierte Masse. Diese Reaktion ist eine Phenol-Reaktion. 2. Die X a n t h o p r o t e i n R e a k t i o n , d.h. Auftreten einer Gelbfärbung beim Zusammenbringen mit Salpetersäure und nachfolgendem Alkalischmachen, ist gleichfalls auf die Anwesenheit aromatischer Reste in den Proteinen zurückzuführen. Die Gelbfärbung der menschlichen Haut durch Salpetersäure beruht auf dieser Reaktion. 3. Die B i u r e t - R e a k t i o n : beim Erwärmen mit Alkalilauge und einem Tropfen einer verdünnten (2°/0igen) Kupfersulfat-Lösung entsteht eine schöne violette Färbung. 4. Die T r y p t o p h a n - R e a k t i o n : Mit Formalin und konzentrierter nitrithaltiger Salzsäure entsteht eine blaue Färbung, die auf der Anwesenheit von Tryptophan beruht. 6. Das Phenol-Reagens von F O L I N CiocALTEtr (eine komplexe Phosphorwolframmolybdänsäure) gibt mit dem Tyrosin und Tryptophan der Proteine eine tiefblaue Färbimg. Die gleichzeitige Ausführung dieser Reaktion zusammen mit der Biuret-Reaktion dient neuerdings zur raschen kolorimetrischen Protein-Bestimmung. LONS
Einteilung der Eiweißstoffe Die Einteilung der Eiweißstoffe gründet sich bei der Ähnlichkeit ihres allgemeinen Auf baus teils auf physikalische Kriterien (Löslichkeitsunterschiede), teils auf die Anwesenheit bestimmter charakteristischer Bausteine. Außer den einfachen Eiweißstoffen kennt man noch sogenannte zusammengesetzte Proteine („Proteide"), in denen das Eiweiß mehr oder weniger fest mit anderen chemischen Verbindungen (prosthetischen Gruppen) verknüpft ist. Solche Verbindungen sind namentlich Farbstoffe, Zucker, Nukleinsäuren und Phosphorsäure. Daß zahlreiche Enzyme zur Klasse der Proteide gehören, ist schon früher erörtert worden. Die nachstehende Einteilung der Eiweißstoffe ist nach den obigen Ausführungen nur als vorläufig zu betrachten. I. Einfache Eiweißstoffe: a) Albamine. Eialbumin, Serumalbumin, Lactalbumin (Milchalbumin). b) Globuline. Serumglobulin, Fibrin, Myosin (Hauptbestandteil der quergestreiften Muskulatur), Lactoglobulin, Pflanzenglobuline. c) Prolamine aus Getreidekörnern, z. B. Gliadin, Zein. d) Histone, ausgesprochen basische Substanzen, Bestandteile der Zellkerne. e) Protamine von einfacherem Bau als andere Eiweißstoffe, z. B. Salmin, Clupein. f) Skieroproteine, Gerüst-Eiweißstoffe, z. B. Keratine (Horn, Haar), Elastin, Kollagen.
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II. Zusammengesetzte EiweißstoHe („Proteide"): a) b) c) d)
Phosphorproteide: Casein, Vitellin. Nacleoproteide: Verbindungen von Eiweiß mit Nucleinsäuren. Chromoproteide: Hämoglobin, Hämocyanin, Cytochrom. Glykoproteide: Verbindungen von Eiweiß mit Kohlenhydraten (Schleimstoffe, Mucine). Spezielle Beschreibung einiger EiweißstoHe
Glykokoll
1-9 3-3 4-6 5-7 6-5 27-0 6-5 7-4 10-0 3 7 4.1 10-5 Valin 2-6 5-8 6.8 8-0 3-9 4-8 2.4 Leucin1 16-6 13-1 15-0 16-0 11-7 11-3 6-2 Phenylalanin... 4-3 4-5 7-6 7-9 3-9 3-8 2-4 Serin 4.3 4-9 7-6 5-8 7-0 10.3 3-8 Threonin 5-1 4-5 3 6 4*4 6-2 6-4 1-7 Tyrosin 3-4 4-4 4-4 6-2 6-2 4-7 0-3 Lysin 11-9 9-0 5 1 6-4 1 0 1 2-7 5-2 Arginin 7-4 7-4 5-8 3-7 7-7 10.3 10-1 Histidin 2-4 2-4 2-4 7-9 2-5 0-6 1-1 Asparaginsäure 8-9 2-8 8-2 14-9 1 2 6 6-6 6-8 Glutaminsäure . 2 2 . 1 10-1 16-3 11-9 14-8 14-1 11-8 Cystin . . . . . . . . 1-4 1-2 2-3 1-0 1-5 11-9 0-2 Methionin 3-4 3-5 5-0 1-0 2-6 0-7 1 1 Tryptophan 0.8 1 3 1-3 2-2 3-3 1-8 0-1 Prolin 1-9 3-2 4.3 δ·0 3-9 6-8 17-5 — — — — — Hydroxyprolin . — 14-9 Ammoniak . . . . 1-2 1-4 1-2 1-2 — 1 1 0-4 Alanin
Virue
TabakMosaik-
Insulin
Clupein
Zein
Casein
KollagenGelatine Seidenfibroin
Wollkeratin
Fibrin
Hämoglobin
krist. Eialbumin
Fischmuskel
Myosin
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über den Anteil der wichtigsten Amino· säuren am Aufbau einer Reihe von Eiweißstoffen. Die Zahlen bedeuten die Ausbeute an Aminosäuren in Prozent des angewandten Eiweiß. Ihre Summe muß bei theoretischer Ausbeute wegen des aufgenommenen Wassers etwa 1 1 5 % betragen.
0 43-8 2-7 0 4-5 1-9 26-4 2-8 9-8 4-4 4-6 6-1 3-5 6-7 3 0 5-8 9-1 9-2 2-1 16-4 30-0 — 15-8 16-9 1-5 6-2 6-6 — 8-0 8-4 15-0 7-6 1-0 10-4 6-6 7-2 1-4 4-1 2-5 — 3-6 9-9 10-6 6·9 δ·9 — 12-2 3-8 0-3 7-9 0-0 — 2-4 1-5 1-0 4-2 1-6 86-0 3-4 9-8 0-5 2-5 0-8 — 6-3 0-0 — 6-3 3-4 — 5-7 13-5 — 24-2 35-6 — 19-9 11-3 — 0.3 1-0 — 11-7 0-7 0-2 3-5 2-5 — 0-0 0-0 0-4 1-4 0-2 — 0.0 2 1 1-6 8-0 9 0 5-7 2-9 5-8 — 0-0 0-0 — 0-0 — 0-0 1.6 3.6 — 1-7 —
Die Albumine sind die bekanntesten und am leichtesten zugänglichen Eiweißstoffe. Das Ovalbumin des Hühnereiweißes enthält mit H 3 P0 4 verestertes Serin. Auch im Blutserum und in der Milch finden sich Albumine. Sie sind verhältnismäßig schwefelreich und glykokollarm, in reinem Wasser sehr leicht löslich (20% und mehr) und teilweise gut kristallisierbar. Spuren von Fremdstoffen wie Fettsäuren oder Decanol können, wie im Fall des Serumalbumins, die Kristallisation sehr begünstigen. Auch die Salze (z.B.Sulfate) kristallisieren gut. Neutrale Albumin-Lösungen werden durch Kochsalz, Magnesiumsulfat und halbgesättigte Ammoniumsulfat-Lösung nicht ausgesalzen. Hierin unterscheiden sie sich von den Globulinen, die stets mit ihnen zusammen auftreten. Die Globuline sind in reinem Wasser unlöslich; in verdünnten Salzlösungen beim isoelektrischen Punkt sind sie dagegen löslich. Von Magnesiumsulfat werden sie bei 30° vollkommen, durch Kochsalz unvollkommen ausgesalzen. Viele pflanzliche Globuline kristallisieren sehr gut. Thyreoglobulin, das Hormon der Schilddrüse, verdient wegen 1
In diesen Zahlen ist Isoleucin Inbegriffen.
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seines Jodgehalts besonderes Interesse. Es hat ein Molekulargewicht von 650000 und enthält als Baustein Tetrajodthyronin ( S . 4 2 3 ) . GROSS und R O C H E haben 1 9 6 2 gefunden, daß die Schilddrüse auch das noch wirksamere Trijodthyronin enthält. Myosin, der Hauptbestandteil der Muskelfibrillen des quergestreiften Muskels, ähnelt den Globulinen in seiner Löslichkeit in 0,6 m-KCl-Lösung und der Aussalzbarkeit durch halbgesättigte Ammoniumsulfat-Lösung. Es löst sich aber auch in reinem Waaser zu äußerst viscosen Lösungen. Sein besonderer Reichtum an sauren und basischen Gruppen und die damit verknüpften mannigfaltigen Ladungszustände lassen es für seine Funktion als kontraktiles Element besonders geeignet erscheinen. In der Ultrazentrifuge wurden Molekulargewichte von etwa 106 ermittelt. Auf die interessanten Untersuchungen von S Z E N T - G Y Ö B G Y I über die Proteine des Muskels, aus dem er ein Actin genanntes Protein isolierte, das mit Myosin außerordentlich hochmolekulares Actomyosin gibt, und die enzymatische Spaltung von Adenosintriphosphorsäure durch Actomyosin in der Muskelkontraktion kann hier nicht eingegangen werden. Aus dem tierischen Blut erhält man nach Entfernung der Blutkörperchen eine gelbliche Flüssigkeit, das Blutplasma. Dieses scheidet durch einen Gerinnungsprozeß ein Globulin, Fibrin, ab. Die zurückbleibende Flüssigkeit heißt Blutserum. Sie enthält Seriimalbumin und Serumglobuline· Das Plasma enthält etwa 0-25°/ e Fibrinogen und etwa je 3°/ 0 Albumin und Globuline. Auch die eioh bei der Immunisierung bildenden „Antikörper" gehören zu den Globulinen. Die mit der Gerinnung des Blutes verknüpfte Umwandlung des Plasmaproteine Fibrinogen in das in Form von Fäden sich unlöslioh ausscheidende Fibrin (Mengen von 0.02 g/Liter geben noch ein festes Gel) ist ein komplizierter fermentativer Vorgang, der hier nur andeutungsweise skizziert werden kann. Das mit Fibrinogen reagierende Ferment entsteht aus einer Vorstufe Prothrombin, die durch Calcium-Ionen und ein aktivierendes Protein Thromboplastin in das wirksame Thrombin verwandelt wird. Die Thrombin-Bildung wird durch Vitamin Κ (S. 490) gesteuert. Versetzt man Blutplasma mit Oxalat oder Citrat, so verliert es infolge der Bindung des Calciums seine Gerinnungsfähigkeit.
Insalin, das zur Bekämpfung der Zuckerkrankheit dienende Hormon der Pankreasdrüse (S. 491), ist ein Polypeptid vom Molekulargewicht 6000. Gemäß der von S A N G E S in Bristol (1951—1955) aufgeklärten Strukturformel, die schon auf S. 308 wiedergegeben wurde, istesaus zwei, durch die Disulfidbrücken von Cystin-Resten zusammengehaltenen Peptidketten aufgebaut, die man durch Oxydation des Schwefels zu Sulfonsäuregruppen voneinander trennen kann. Sehr bemerkenswert ist die etwas verschiedene Zusammensetzung der Insuline verschiedener Tiergattungen und -arten. Durch Alkalien, gegen die es sehr empfindlich ist, verliert es rasch seine Wirksamkeit. Durch Trypsin kann ein Alanin-Rest vom Carboxylende ohne Einbuße an Wirksamkeit abgetrennt werden. Prolamine. Unter diesem Namen wird eine Reihe pflanzlioher Eiweißstoffe zusammengefaßt, die sich vor allen anderen Proteinen duroh ihre Löslichkeit in verdünntem (ζ. B. 70%igem) Alkohol auszeichnen. Zu ihnen gehört der Hauptbestandteil des Weizenklebers, das GÜadin, sowie das Zein aus Mais. Zu ihren Kennzeichen gehören des weiteren hoher Gehalt an Glutaminsäure (30—40°/0) und Prolin (bis etwa 13%). Basische, häufig argininreiche Eiweißstoffe sind die namentlich von K O S S E L untersuchten Histone. Sie sind in salzartiger Bindung an Nucleinsäuren (S. 559) verbreitete Bestandteile von Zellkernen. Das am besten untersuchte Histon der Kalbsthymus hat ein Molekulargewicht von 2 · 10e und einen isoelektrischen Punkt bei ρκ = 12. Den Histonen nahe stehen die ebenfalls an Nucleinsäuren gebundenen Protamine, sehr einfach zusammengesetzte, niedrigmolekulare, stark basische Polypeptide, deren Arginingehalt bis auf 90 % steigen kann. Sie finden sich in den Spermienkernen der Fische (Salmin aus Lachs, Clupoin aus Hering) und sind zuerst von K O S S E L isoliert worden. Sie bilden neutral reagierende Salze und sind nicht koagulierbar. Für eine Komponente des Clupeins hat F E L I X folgende vorläufige Formel ermittelt : ProAlaArg4 ValAlaArg4 Ser ProArg4 ValSerArg4 AlaPro Arg4.
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Acyclisohe Verbindungen
Unter dem Namen Skieroproteine faßt man eine Reihe von Eiweißstoffen zusammen, die sich durch ihre Unlöslichkeit in Wasser, verdünnten Säuren und Alkalien und besondere chemische Widerstandsfähigkeit auszeichnen und sich im tierischen Organismus namentlich in solchen Teilen finden, die mechanische Funktionen zu erfüllen haben. Keratin (Hornstoff) bildet den Hauptbestandteil der Epidermis, der Haare (Wollfaser !), Nägel, Hufe, Hörner und Federn. Es ist besonders reich an Cystin und nur sehr schwer spaltbar. Enzyme, die Keratin bei fa 9 abbauen, finden sich im Darm der Larven von Kleidermotten. Auch das Enzym Papain greift Wolle bei diesem fa an. Reduktionsmittel wie Thioglykolsäure verwandeln das Cystin der Wolle in Cystein. So vorbehandelte Wolle ist, vermutlich unter Denaturierung, in Lösungen von Harnstoff, Guanidinsalzen oder Fettalkoholsulfaten löslich. Das daraus reversibel fällbare Protein besitzt ein Molekulargewicht von etwa 40 000. Zu den verbreitetsten Eiweißstoffen zählen die Kollagene (vonKÓXAoc=Leim). Sie bilden unter anderem die quergestreiften Fasern des Bindegewebes, des Knochen- und des Knorpelgewebes. Sie unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht von den anderen Eiweißstoffen. In ihrer Zusammensetzimg weichen sie von ihnen durch einen Mehrgehalt an Stickstoff (17· 9°/o) ab. Sie geben bei der hydrolytischen Spaltung kaum Tyrosin, dagegen als wichtigstes Spaltungsprodukt Glykokoll ; daneben treten Prolin, Hydroxyprolin, Alanin, Glutaminsäure und Arginin auf. Beim Kochen mit Wasser gehen die Kollagene, wohl unter teilweisem Abbau, in lösliches Glutin oder Leim über. Im Gegensatz zu den Albuminen und Globulinen wird Leim durch Säuren nicht koaguliert, gibt aber Fällungen mit Sublimatlösung auf Zusatz von Salzsäure sowie mit Tannin. Reiner, farbloser Knochenleim heißt Gelatine. Ihr Molekulargewicht liegt je nach dem Abbaugrad bei etwa 15000—250000. Die Chemie des Kollagens spielt auch bei der Herstellung des Leders eine wichtige Rolle. Der hohe Prolingehalt macht die Kollagenfaser (eine dreiadrige Helix nach R I C H und CRICK) ziemlich starr. Den Kollagenen ähnelt in mancher Hinsicht das Elastin, das das elastische Gewebe der Muskelscheiden und Bänder (vor allem des Nackenbandes) bei den höheren Tieren bildet. Wolle und Elastin geben in gedehntem Zustand bei der Röntgenuntersuchung typische Faserdiagramme. Zu den Kollagenen gehört auch das Spongin, der Hauptbestandteil der Schwämme. Es enthält etwa 1 % J o d ; unter seinen Abbauprodukten findet sich Dijodtyrosin. Der Faden der R o h s e i d e von Bombyx mori besteht aus einem Kern von Seidenfibroin und einer äußeren, unansehnlichen Hülle von Sericin (Seidenleim). Das gelatineartige Seriem läßt sich durch Kochen mit Wasser entfernen, während Fibroin auch bei 200° von Wasser nicht weiter angegriffen wird. Seidenfibroin ist fast ausschließlich aus Glykokoll, Alanin, Serin und Tyrosin aufgebaut. Es ist teilweise kristallinisch und gibt bei der Röntgen- Strukturanalyse ein charakteristisches Faserdiagramm mit einer Faserperiode von 7 Â. Proteide sind Eiweißstoffe, in denen Eiweiß mehr oder weniger fest mit niedrigmolekularen Substanzen verbunden ist. Unter Umständen besteht zwischen den Komponenten ein reversibles Gleichgewicht. Die Wichtigkeit zahlreicher Proteide als Enzyme ist bereits früher erörtert worden (S. 267). Die Phosphorproteide sind Proteide, die als prosthetische Gruppe Phosphorsäure enthalten ; sie sind in Wasser wenig löslich, dagegen lösen sie sich leicht in Alkalien. Die Lösimg ihrer Salze ist nicht koagulierbar ; sie wird beim Kochen nicht verändert. Zu dieser Klasse gehört das aus drei Komponenten bestehende Casein, das in Kuhmüch zu etwa 3% als Calciumsalz vorkommt. Casein enthält esterartig an Serin gebundene Phosphorsäure. Wenn man Milch durch Zusatz von Säure auf den isoelektrischen Punkt des Caseins (ΡΗ=4·7)
Eiweißstoffe
317
bringt, so fällt es aus. Die Koagulation von Milch mit dem Labferment des Kälbermagens (Rennin) dient zur Käsebereitung. Hierbei tritt vermutlich ein proteolytischer Abbau von Caseinogen, der Vorstufe des Caseins, ein. Die Molke enthält neben Milchzucker geringe Mengen Lactalbumin und Lactoglobulin. Da bei der Butter- und Rahmgewinnung große Mengen Magermilch abfallen, hat man versucht, für das Casein technische Verwendung zu finden. Wenn gepreßtes Casein in Formaldehyd „gehärtet" wird, entsteht eine plastische Masse (Galalith), die sich zur Herstellung von Knöpfen, künstlichem Horn, künstlichem Schildpatt usw. eignet. Alkalische Lösungen von Proteinen können zu künstlicher Wolle versponnen werden, indem man sie durch Düsen in ein saures Bad einpreßt und den Faden mit Formaldehyd härtet. Solche „regenerierten" Proteinfasern, früher aus Casein (Lanital), jetzt vorzugsweise aus Mais-Zein (Vicara) und Erdnußprotein (Ardil) gewonnen, dienen als wollartige Beimischungen zu anderen Fasern. Die peptidähnlichen synthetisch en Fasern Nylon und Perlon wurden bereits früher erwähnt (S. 181). Vitellin ist ein mit Lipoiden vergesellschaftetes Phosphorproteid des Eidotters. Ein weiteres interessantes Phosphorprotein ist das von M B O E A M und O L O O T T aus Eidotter isolierte Phosvitin (Mol.-Gew. etwa 20000) mit einem P-Gehalt von 1 0 % in Form von Phosphorsäure, die mit Serin verestert ist. Der Seringehalt beträgt 3 3 % . Die Nucleoproteide (nucleus = K e r n ) bilden den Hauptbestandteil der Zellkerne der Tiere und Pflanzen. Doch ist ihr Vorkommen durchaus nicht darauf beschränkt. Sie sind auch im Zellplasma weit verbreitet. Sie sind zum Teil salzartige Verbindungen von Nucleinsäuren mit Eiweißstoffen, namentlich Histonen und Protaminen. Die Nucleinsäuren (S. 559) sind komplizierte Gebilde, die aus Purinbasen, Pyrimidinbasen, Kohlenhydraten und Phosphorsäure zusammengesetzt sind. Die bekannteste und am leichtesten zugängliche Hefenucleinsäure aus dem Plasma der Hefe enthält als Kohlenhydrat D-Ribose. In den Zellkernen hat man bisher überwiegend andere Nuoleinsäuren angetroffen, die als Kohlenhydrat Desoxyribose enthalten. Das Prototyp dieser Nucleinsäuren ist die Thymusnuoleinsäure aus der Thymusdrüse. Wie M I R S K Y gezeigt hat, bestehen die Chromosomen der Lymphocyten der Thymusdrüse zu 90% aus Nuoleoproteid, das leicht in Hieton und 4 5 % Desoxyribose-Nucleinsäure zerlegt werden kann. Die Gene, d. h. die Träger der Vererbung in den Chromosomen, bestehen aus Nucleoproteiden. Weitreichende Perspektiven ergeben sich aus den Arbeiten von B E A D L E , TATUM und B O N N E B , wonach bioohemisohe Reaktionen eindeutig von bestimmten Genen kontrolliert werden. Durch Zerstörung bestimmter Gene des Schimmelpilzes Neurospora konnten sie Mutanten erzeugen, denen z. B. die Fähigkeit zur Synthese von Indol verlorengegangen war und die infolgedessen die Vorstufe Anthranilsäure unverwertet ausschieden. A V E R Y konnte mit einer Desoxyribonucleinsäure, die aus einem Bakterienstamm gewonnen war, erbliche Eigenschaften auf einen anderen Stamm weitergeben. Die Nucleoproteide besitzen sauren Charakter; sie sind in Wasser unlöslich, in Alkalilauge löslich. Zu den Nucleoproteiden gehören auch die „Virus"-Proteine von Tiere oder Pflanzen befallenden Viren 1 , so das Tabakvirus-Protein, das man aus Tabakblättern isolieren kann, die von der sogenannten Mosaik-Krankheit befallen sind ( S T A N L E Y , B A W D E N ) . Dieses Protein h a t ein sehr hohes Teilchengewicht (etwa 40-10®). Es kann in Form parakristalliner nadeiförmiger Gebilde abgeschieden werden und löst sich in Wasser zu 3 — 4 % i g e n , bläulichweiß opalisierenden Lösungen (TYNDALL-Effekt). Die Teilchen erscheinen röntgenographisch und elektronenmikroskopisch als Stäbchen von 280 ταμ Länge und 15 ταμ Dicke. E s h a t einen Ribonucleinsäure-Gehalt von 6 0 % und zerfallt in alkalischer Lösung in Bruchstücke, deren Teilchengröße zu dem ursprünglichen Molekulargewicht in einfachen Zahlenverhältnissen steht, und die sich in saurer Lösung wieder zu einem dem Ausgangsmaterial sehr ähnlichen Protein vereinigen lassen (SCHBAMM). Nach neueren Untersuchungen besteht es aus 2300 K e t t e n vom Mol.1 Unter Virus-Arten versteht man Krankheitskeime, die morphologisch nicht als Bakterien oder Protozoen erkennbar sind und sich nicht in zellfreien Medien züchten lassen. Sie passieren die meisten Bakterienfilter und sind wegen ihrer Kleinheit unter den üblichen Bedingungen der Bakterien-Mikroskopie im allgemeinen unsichtbar, aber im Elektronenmikroskop nachweisbar. Ihr Durchmesser beträgt etwa 10—300 ταμ (Staphylokokken 1000 ταμ). Auch Bakterien unterliegen dem Angriff von Virusarten. Für die Vira der Bakterien ist der von D ' H É R E L L E ( 1 9 1 7 ) eingeführte Name „Bakteriophagen" gebräuchlich geblieben. Die Vira nehmen eine Mittelstellung zwischen parasitären Mikroorganismen und Chromosomen ein, mit denen sie die Selbstvermehrung und Mutationfähigkeit teilen.
Acyclische Verbindungen
318
Gew. 17000. Die röntgenographische Untersuchung von R. FRAITKLIIT (Fig. 72) zeigt spiralig um einen Hohlraum in Segmenten aufgewundene Peptidketten. größter Radius ·*- 85Â Die Nucleinsäure ist in die Proteinhülle eingelagert mittlerer Radius und vermutlich ebenfalls spiralig angeordnet. Das Tabakmosaik-Virus wirkt in kleinsten Mengen (10 -9 g) auf gesunde Tabakpflanzen und eine beschränkte Anzahl anderer Pflanzen infektiös. Bei der Infektion dringt nach freilich nicht unbestrittener Ansicht allein die Ribonucleinsäure in die Zelle ein und verursacht dort die Erzeugung von Virusprotein. Coli-Phagen wirken als eine Art „Mikrospritze", die die Nucleinsäure in die Bakterienzelle injiziert. y- Radius des NucieinChromoproteide sind Verbindungen von Proteinen 20Â inneren Hohl· säure mit Farbstoffen. Als Hämoglobin bezeichnet man den raumes Farbstoff des Wirbeltierblutes. Die Trockensubstanz Fig. 72 der roten Blutkörperchen von Menschenblut enthält 90% Hämoglobin, das leicht in Form rosaroter hexagonaler Tafeln kristallisiert. Es läßt sich in das in reinem Wasser leicht lösliche, bei pu 7 isoelektrische Globin und die Farbstoffkomponente Häm, die sich dabei zu Hämin (S. 525) oxydiert, spalten. DM Eieen im Hämoglobin ist zweiwertig. Man n i m m t an, daß es durch einen Histidinrest a n das Globin gebunden ist und daß ein Waesermolekül vom Eisen durch Sauerstoff verdrängt wird, wenn das Hämoglobin durch den Sauerstoff der eingeatmeten Luft in der Lunge in Oxyhemoglobin verwandelt wird. Pro Atom Fe wird 1 Mol 0 2 absorbiert. Das Eisen im Oxyhämoglobin ist ebenfalls zweiwertig. Oxyhämoglobin gibt seinen Sauerstoff reversibel wieder ab und stellt auf diese Weise ein Sauerstoff-Transportmittel f ü r die Oxydationsprozesse des Organismus dar. Das Molekulargewicht des Hämoglobins beträgt 68000 und entspricht 4 Eisenatomen im Molekül. Man n i m m t an, daß Hämoglobin des Menschen aus zwei kristallographisch identischen Hälften besteht, die ihrerseits aus zwei Peptidketten (α- u n d ß-) aufgebaut sind, deren Aminoende ausschließlich von Valin gebildet wird. Das Globin des Menschen und verschiedener Tiere ist je nach Gattungszugehörigkeit und Alter merklich verschieden. Sein A u f b a u ist genetisch streng determiniert. Der Austausch einer einzigen unter 300 Aminosäuren, der Glutaminsäure, im normalen menschlichen Hämoglobin gegen Valin genügt, u m die als Sichelzellen-Anämie bekannte Erbkrankheit hervorzurufen (INGRAM). Wenn die vier Eisenatome im Hämoglobin gleich und voneinander unabhängig wären, sollte nach dem Massenwirkungegesetz die Dissoziation des Hämoglobins der Formel [OxHb] :kp [Hb] folgen, wo ρ den Partialdruck des Sauerstoffe, OxHb und Hb die relativen Konzentrationen des Oxyhemoglobins u n d Hämoglobins bedeuten. Die gemessene Dissoziationskurve besitzt nicht die erwartete hyperbolische Kurvenform, sondern S - i o r m , was einer Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Gruppen entspricht. Die Lage der K u r v e hängt vom p u ab, und zwar wird mit wachsendem p u die Kurve nach links verschoben, entsprechend einer steigenden Affinität des Hämoglobins zum Sauerstoff (Fig. 73). Hierdurch erklärt sich die Tatsache, daß im Blut bei gleicher Sauerstoffspannung die Dissoziation des Oxyhämoglobins um so größer ist, je höher die C0 2 -Spannung des Blutes ist (BoHR-Effekt). Für die automatische Regulierung der Funktionen des Blutes ist dieser Umstand von großer Bedeutung. Fig. 74 zeigt die prozentuale Sättigung von Hämoglobin mit Sauerstoff bei CO a -Spannungen von 0—90 mm CO a -Druck. Die Ursache des BoHR-Effekts ist, wie zuerst HENDERSON (1920) erkannt hat, die größere Acidität des Oxyhämoglobins im Verhältnis zum Hämoglobin. Bei der Sauerstoffabsorption werden Säuregruppen frei, vermutlich SH-Gruppen des Cysteine. Überdies ist die Größe des BOHREffekts bei verschiedenen Organismen sehr verschieden. Mit Kohlenoxyd verbindet sich Hämoglobin ebenfalls reversibel zu Kohlenoxydhämoglobln. Die Giftigkeit des Kohlenoxyds beruht darauf, daß Kohlenoxyd von Hämoglobin viel leichter als Sauerstoff gebunden wird. Wenn die L u f t nur 0 · 1 % CO enthält, werden bereite 5 0 % des Hämoglobins in CO-Verbindung um1
Aus Angew. Chemie 69, 196 (1957).
Eiweißetoffe
319
gewandelt, 0-3% belegen 75% des Hämoglobins; die übrigen 25% reichen für die Sauersto ffversorgung des Organismus nicht mehr aus. Oxyhämoglobin, das gelbrote lange Nadeln bildet, liefert bei der Behandlung mit Eisessig und Kochsalz Hämin (S. 525), das in charakteristischen rotbraunen Tafeln kristallisiert. Diese Kristalle waren früher in der Gerichtsmedizin für den
10 20
30
40 SO SO 70 80 mmü¿ »
90
100
Fig. 73. Sauerstoff-Sättigung von Hämoglobin in Abhängigkeit vom pn. (nach BARCROFT)
10 20
30
—-
M
SO 60
70 90
90 700
mm 0,
Fig. 74. Sauerstoff-Sättigung von Hämoglobin in Blut verschiedener CO,-Spannung (nach BABCBOFT)
mikroskopischen Nachweis von Blutflecken wichtig. Durch verschiedene Oxydationsmittel wird Hämoglobin zu Methämoglobin (S. 526) oxydiert, dem dreiwertiges Eisen zugrunde liegt. Alle diese Verbindungen besitzen sehr charakteristische Absorptionsspektra. In den letzten Jahren sind einige Verbindungen bekannt geworden, die gleich dem Hämoglobin die Fähigkeit zur reversiblen Absorption von Sauerstoff ohne Valenzwechsel des Zentralatoms besitzen. Es handelt sich dabei unter anderem um Komplexsalze des zweiwertigen Kobalts mit Aminosäuren oder mit ScHiFFSchen Basen des Salicylaldehyds. Die letzteren haben zur Sauerstoff-Gewinnung aus Luft auch technische Verwendung gefunden. Ein anderes Hämoproteid ist das Myoglobin, das eine Sauerstoffreserve des Muskels darstellt. Sein Molekulargewicht ist nur 17000, es enthält nur 1 Molekül Häm und hat eine wesentlich größere Sauerstoffaffinität als Hämoglobin. Die AminosäureSequenz im Proteinanteil ist nicht genau bekannt, aber die Globinanteile des Myoglobins und Hämoglobins sind sicher verschieden. Nach den röntgenographischen Untersuchungen von KENDREW 1 besteht dieses sphärische Protein wahrscheinlich aus einer einzigen geknäuelten Peptidkette mit dem Häm-Molekül (graue Scheibe) in einer „Spalte" zwischen mehreren Windungen (Fig. 75); die in der Abbildung sichtbaren Kügelchen sind zur Markierung eingeführte Gold- und Quecksilber-Atome. Daß in den gestreckten J?ig. 75 Teilen eine a-Helix vorliegt, ist möglich, aber nicht sicher. Das Skelett des Häms trifft man auch in dem Elektronen übertragenden Oxydationsenzym Cytochrom c an. Wie THEOBELL und T U P P Y gezeigt haben, sind hier die Vinylseitenketten des Farbstoffs durch Anlagerung an zwei Cystein-SH-Gruppen fest mit dem Protein verbunden, was sterisch möglich ist, wenn die Cysteinreste mit zwei dazwischenliegenden Aminosäuren eine α-Helix bilden. Ferner findet sich ein Histidinrest in unmittelbarer Nachbarschaft des Eisens, was aus gleichen Gründen wie beim Hämoglobin erwartet werden mußte: 1
Nature 181, 662 (1958).
320
Acyclisohe Verbindungen Vai—G1U(NH2)—Lys—Cy-Ala-Glu(NHA)—Cy—Hie—Thr—Val— S CHS
CH,—CH
CHJ—H
s
CI
•3
CH,
CH,
CH,
CH,
¿OOH OOH
COOH
Cytochrom c (Teilformel)
Nach T U P P Y unterscheiden sich die Cytochrome verschiedener Tiere in ihrem Aminosäurebestand. Immer enthalten sie jedoch zwei Cysteine und ein Histidin in der gleichen relativen Lage. Besonderes Interesse verdient es, daß im Blut von Arthropoden und Mollusken, z. B. Oktopus, die Funktion des Hämoglobins von einem kupferhaltigen Eiweißatoff Hämocyanln übernommen wird, der dem arteriellen Blut blaue Farbe verleiht, während das venöse Blut farblos ist. Die prosthetische Gruppe dieses Proteids ist unbekannt. Sie enthält komplex gebundenes Kupferion und bindet Sauerstoff im Verhältnis Oj/2Cu. In den roten Blutkörperchen und im Blutplasma des Pferdes hat man ein kristallisiertes kupferhaltiges Protein noch ungewisser physiologischer Bedeutung, das tiefblaue Hämocuprein, gefunden. Es hat ein Molekulargewicht von 35000 und verbindet sich nicht mit Sauerstoff. Auch verschiedene Fermente (Phenoloxydasen) enthalten Kupfer als prosthetische Gruppe.
Zu den Proteiden gehören schließlich zahlreiche Verbindungen, in denen Proteine und Kohlenhydrate miteinander verbunden sind (Glykoproteide). Sei homöopolarer Bindung bezeichnet man sie je nach der überwiegenden Komponente als Mucoproteine oder Mucopolysaccharide. Zu ihnen gehören z.B. die sog. Blutgruppensubstanzen der Erythrocyten 1 . Ähnliche, leichter isolierbare Substanzen finden sich in Magenschleim oder Ovarialcysten. Sie enthalten mindestens 50% Polysaccharide, in denen anscheinend Glucosamin und Galactose in der Hauptkette, Galactosamin und Fucose in Seitenketten liegen. Das Serum fremder Gruppen bewirkt Agglutination, wobei die Kohlenhydrate als determinante Gruppen wirken, In den Proteinen der Blutgruppensubstanzen fehlen S-haltige Aminosäuren, Tyrosin und Tryptophan, während Threonin und Prolin reichlich vertreten sind. Allein im Blutserum finden sich mindestens 30 Glykoproteide, z. B. Orosomucoid, Prothrombin, gonadotrope Hormone, Inhibitoren der ErythrocytenAgglutination durch Viren. Sie enthalten im Kohlenhydrat-Anteil Galactose, Mannose, Fucose, Galactosamin, Glucosamin und Neuraminsäure (bzw. ihre acetylierten Formen, die Sialsäuren). I n Milch bzw. Colostrum fand R. K U H N neben einem hochmolekularen, Lactaminsäure enthaltenden Glykoproteid auch niedrigmolekulare Lactaminsäurelactosen, von denen eine durch eine «-Ketosidase des Influenzavirus gespalten wird. Unter den schleimigen und fadenziehenden Mucinen, die unter anderem auch als Schmierund Schutzsubstanzen im Organismus weit verbreitet sind, findet sich eine Gruppe saurer Aminopolysaccharide, die an Proteine durch Salzbildung verhältnismäßig lose 1
MOBGAN, Naturwiss. 4Β, 181 (1959); KLENK, Angew. Chemie 72, 482 (1960).
321
Mucine
gebunden sind1. Hier sind zu nennen die hochviscose Hyaluronsäure, die als Grundkörper N-Acetyl-hyalobiuronsäure(I), also glykosidisch an die 3-Stellung des D-Glucosamina gebundene D-Glucuronsäure enthält. Sie findet sich im Bindegewebe, in der Haut und vielen anderen Organen und Körperflüssigkeiten. Sie ist eine Art Kittsubstanz des Bindegewebes und bewirkt die Speicherung von Gewebswasser. Ihre Wirkung wird durch ein u. a. im Hoden vorkommendes Enzym Hyaluronidase aufgehoben, ein Vorgang, der vielleicht auch für die Befruchtung von Bedeutung ist. Chondroitinsulfat des Knorpels und der Nabelschnur enthält 3-/J-D-Glucuronido-D-galactosamin(II). Das Galactosamin ist mit Schwefelsäure verestert und am Ν acetyliert. Heparin enthält als Grundkörper eine 4-D-Glucosaminido-D-glucuronsäure, die an mehreren Stellen mit Schwefelsäure verknüpft ist (III). Es besitzt die wichtige Eigenschaft, die Blutgerinnung zu hemmen.
CHJOH
©0}S0
COOH
Η
° \
H
NHSOj©
1
/ H
H/LOJ\OH H
°S
Η/1
Q
OH oder OSO,©
III Heparin 1
Zur Rolle der Mucopolysaccharide im Bindegewebe vgl. BUDDECKE, Angew. Chemie 72, 663
(1960). H o l l e m a n - R i c h t e r , Organische Chemie. 37. — 41. Auflage
21
Isocyclische Verbindungen Einleitung I m ersten Teil sind fast ausschließlich Kohlenstoffverbindungen mit offener Atomkette und nur in vereinzelten Fällen solche mit geschlossenen Ringen behandelt worden. Von den letzteren wurden ζ. B. die Lactone und die Anhydride zweibasischer Säuren angeführt. Diese Verbindungen, deren Ringe leicht zu sprengen sind, stehen hinsichtlich ihrer Bildungsweisen und Eigenschaften den Verbindungen mit offener Kette so nahe, daß sie im Anschluß an diese und nicht unter den heterocyclischen Verbindungen besprochen worden sind. Das gemeinsame Kennzeichen der jetzt zu behandelnden isocyclischen Verbindungen (vgl. S. 17) ist das Vorhandensein von geschlossenen Kohlenstoffringen im Molekül. Da diese Ringe wegen der ausschließlichen Anwesenheit von Kohlenstoffbindungen im allgemeinen nur schwer gesprengt werden, rechtfertigt sich ihre Zusammenfassung zu einer besonderen Gruppe. Die Größe der bis jetzt bekannten Ringe liegt zwischen 3 und 34 C-Atomen. Das Hauptkontingent der cyclischen Verbindungen wird aber von den 5- und 6-gliedrigen Ringen gestellt, die sich am leichtesten bilden und die größte Beständigkeit besitzen. Nach der Anzahl der Ringe kann man die cyclischen Verbindungen einteilen in monocyclische (mit 1 Ring), bicyclische (mit 2 Ringen), tricyclische usw. Die Verbindungen mit zwei und mehr Ringen nennt man auch allgemein polycyclischo Verbindungen. Von kondensierten Systemen spricht man, wenn zwei Ringe mehrere Glieder gemeinsam haben (in Formel I mit einem Stern versehen); andernfalls spricht man von niclitkondensierten Systemen (Formel I I und III). CH CH 1
HC *C J 4
CH A H
11
/"ITT Γ>ττ hícCH.ch2.CHCH2
wCH CH III
hc^H-CH^.^CH-CH^JJ
Ein besonderer Fall liegt schließlich bei Ringen vor, die nur ein Kohlenstoffatom gemeinsam haben (IV): IV
HsCCCH2.
Man nennt sie Spirane (von spira = Brezel). Dieser formalen Klassifikation der cyclischen Verbindungen steht eine andere, auf chemischen Gesichtspunkten beruhende Einteilung gegenüber. Mono- und polycyclische Gebilde, die man als Sechsringe mit 3 konjugierten Doppelbindungen oder als Aggregate solcher Ringe formulieren kann, zeigen ausgesprochene chemische Besonderheiten. Man pflegt diese Eigenschaften als „aromatischen Charakter" zu bezeichnen, weil sie kennzeichnend für eine Verbindungsgruppe sind, die man seit alters unter dem Namen aromatische Verbindungen zusammenfaßt. Das chemische Verhalten der teilweise oder
Cyclopropan
323
ganz gesättigten cyclischen Verbindungen weicht von dem der entsprechenden aliphatischen Verbindungen nur in geringerem Grade ab. Ihre gegenüber den aliphatischen Verbindungen eingeschränkte Beweglichkeit hat jedoch vielfach sterische Folgen, die in ihrem reaktiven Verhalten deutlich zum Ausdruck kommen. Auch bei den gesättigten cyclischen Verbindungen rechtfertigt sich deshalb eine getrennte Behandlung. Sie werden nach einem Vorschlag von B A M B E R G E R als alicyclische Verbindungen (zusammengezogen aus aliphatisch und cyclisch) bezeichnet. Die N o m e n k l a t u r der alicyclischen Verbindungen ist der der aliphatischen vollkommen nachgebildet : die Verbindung der Formel I heißt Cyclopropan, Verbindung Π Cyclopentan, Verbindung III Cyclopenten usf. I.
HJC/
/CH¡ I
XJHj
II.
/CH2—CH, HJC< I
CH2—CHj
X
III.
HGF
/CH —CHJ I .
^CH2—CH,
Die gesättigten Verbindungen C n H 2n bezeichnet man in ihrer Gesamtheit ais Cycloalkane oder, da sie reichlich in manchen Erdölen vorkommen (S. 29), auch als Naphthene.
A. Monocyclische Verbindungen 1. Alicyclische Verbindungen Cyclopropan-Vcrbindungen Den Ausgangspunkt für die Synthese alicyclischer Verbindungen bilden in erster Linie aliphatische Verbindungen, die an den Kettenenden zwei reaktionsfähige, den Ringschluß vermittelnde Gruppen enthalten. Cyclopropan
Ι NCH. entsteht durch Einwirkung von Zinkstaub auf 1,3-DibromHjC' propan CH2Br · CH2 · CH2Br. Nach neueren Beobachtungen kann man es auch aus Äthylen durch Anlagerung eines Methylen-Radikals erhalten1 : H2C = CH2 + CH2J2
ZnCu
- H2C
CHj + ZnJ2 + Cu.
\ C H /
Es ist ein brennbares Gas, das sich zu einer bei —32 · 8° siedenden Flüssigkeit kondensieren läßt, sich bei gewöhnlicher Temperatur unter 5—6 Atmosphären Druck verflüssigt und bei —127 · 6° kristallinisch erstarrt. Da es Brom nur im Sonnenlicht verhältnismäßig rasch aufnimmt und dabei wieder 1,3-Dibrom-propan liefert, während die Reaktion im diffusen Tageslicht recht träge verläuft, kann es nicht mit Propylen CH3 · CH =CH 2 identisch sein. Gegen Permanganat ist es beständig. Von Halogenwasserstoffen wird es auch bei 300° kaum angegriffen. Seine ringförmige Struktur ist daher gut begründet. Zwischen 5001 und 600° lagert sich Cyclopropan in monomolekularer Reaktion in Propylen um. Der Bau des Cyclopropane ist deshalb sehr bemerkenswert, weil nach der Quantenmechanik die Elektronenbahnen des Kohlenstoffs einen Mindestwinkel von 90° einschließen müssen. Die Elektronenwolken benachbarter Atome überdecken sich deshalb in der 60°-Richtung nur unvollkommen, und die Beständigkeit des Moleküls ist ent1
SIMMONS, SMITH,
J. Amer. Cliem. Soc. 80, 5323 (1958). 21»
324
Isocyclische Verbindungen
sprechend vermindert. Dem entspricht auch eine bedeutend erhöhte Verbrennungswärme (vgl. S. 328). Sie beträgt pro CH 2 -Gruppe etwa 166,5 kcal gegenüber etwa 157,5 kcal beim Cyclohexan. Überraschenderweise ist sogar der ungesättigte Kohlenwasserstoff Cyclopropen durch Homnáirsrschen Abbau des Trimethylcyclopropylammoniumhydroxyds gewinnbar: HGC
CH-N(CHA),-OH
HC
\cHa/
- C H + N(CH3)3 +
H20.
^CH,/
Es siedet bei —35°, polymerisiert sich leicht und gibt mit Brom trans-1.2-Dibromcyclopropan. Butadien wird nach D I E L S - A L D E B zu ZD3-Norcaren ( I ) addiert. Cyclopropancarbonsäure (F: 18°) erhält man aus Äthylenbromid durch Umsetzung mit Natriummalonester, nachherige Verseifung und Abspaltung von C0 2 : CHjBr Η2(λ HjCv I + Na,C(C02-C2H,)j —->|>C(C0 2 · C 2 H 5 ) 2 —>|>CH-CO s H. CHJBR
UJY
Verschiedene Abkömmlinge des Cyclopropane sind in der Natur gefunden worden, so Lactobacillsänre (II) in verschiedenen Bakterien, Sterculsäure (III) im F e t t der tropischen Pflanze Sterculia foetida1. I.
.CHV
HÇ^
II.
\ÇH2
H A
,CH
III.
CH3-[CH2]5 CH
\
c h
C H 3 · [ C H 2 ] , · C-
CH-[CH2]„-C02H
C-[CHO], · C O 2 H X
CH—¿HA
/
C H /
Cyclobutan-Yerbindungen Von den Verbindungen dieser Reihe ist die Cyclobntan-dicarbonsäure-(l,l) am leichtesten zugänglich; ihr Diäthylester entsteht durch Einwirkung von Natriummalonester auf 1,3-Dibrom-propan: H
* C < c S b Ï + N ^ C < c S : § h : = H 2 C < C H 2 > C ( C O , C A ) 2 + 2NaBr. Die durch Verseifung erhaltene freie Dicarbonöäure verliert beim Erhitzen 1 Mol C0 2 und geht in Cyclobutancarbonsäure über. Aus dieser Säure ist Cyclobutan auf einem Wege gewonnen worden, der sich häufig zur Darstellung von Kohlenwasserstoffen als gangbar erwiesen hat : Man verwandelt Cyclobutancarbonsäureamid (I) nach S. 198 in Cyclobutylamin (II) und f ü h r t disses durch Behandlung mit überschüssigem Methyljodid (sogenannte „erschöpfende Methylierung") in das Jodid der quartären Ammoniumbase über. Die freie Base (III) zerfällt bei der trockenen Destillation in Trimethylamin, Wasser und Cyclobuten (IV), das schließlich mit Wasserstoff und Nickel zu Cyclobutan reduziert Wird (WlLLSTÄTTEB,). H
2
CCH·CO·NH
2
—>-
H
2
C C H
.NH
2
II. 3 ) S
0H¡
H
2
C C H
+ N(CH3)3 + HAO . IV.
Ein interessantes Darstellungsverfahren ergibt die Beobachtung, daß Cyclopentanon-Dampf bei 200° im ultravioletten Licht in Kohlenoxyd, Aethylen und reichliche Mengen Cyclobutan zerfällt. 1
Vgl. ζ. B. R. NUNN, J. ehem. Soc. London 1952, 313.
Cyclopentan
325
Cyclobutan ist ein brennbares Gas vom Siedepunkt +12.5°. Der Vierring des Cyclo butans ist nicht sehr beständig. So entsteht bei der Oxydation des Cyclobutanols das entsprechende Keton Cyclobutanon nur in geringer Menge. Das Hauptprodukt der Reaktion erweist sich als Cyclopropyl-formaldehyd, der nur durch Umlagerung des Vierrings in einen Dreiring entstanden sein kann :
Umgekehrt beobachtet man eine Ringerweiterung vom Vierring zum Fünfring, wenn man Cyclobutylcarbinol (durch Reduktion von Cyclobutancarbonsäureester mit Natrium und Alkohol gewonnen) mit Bromwasserstoff behandelt; es entsteht Bromcyclopentan, das durch nascierenden Wasserstoff in Cyclopentan umgewandelt wird:
Bei diesen Umlagerungsreaktionen entstehen zweifellos intermediär Carbonium-Ionen, die sich nach Art der Retropinakolin-Umlagerung zu energetisch günstigeren Produkten stabilisieren. Cyclopentan-Yerbindungen Während man f ü r die Darstellung von Drei- und Vierringen von Dihalogenverbindungen mit endständigem Halogen ausgeht, sind f ü r die Synthese höhergliedriger Ringsysteme auch andere Verbindungen geeignet, die zwei funktionelle Gruppen a m Kettenende enthalten. Die wichtigste Reaktion dieser Art ist die Synthese cyclischer Ketone, die bei Anwendung von Dicarbonsäuren intramolekular verläuft. So erhält m a n bei der trockenen Destillation von adipinsaurem Calcium ein Ketoderivat des Cyclopentans, das Cyclopentanon:
Cyclopentanon kommt im „Holzöl", einem Nachlauf bei der Fabrikation v o n Methylalkohol durch Holzverkohlung, vor. Es ist eine pfefferminzartig riechende, in Wasser schwer lösliche Flüssigkeit vom Siedepunkt 130.7 . Die Struktur des Cyclopentanons läßt sich duroh Oxydation leicht bestimmen. Hierbei entsteht Propandicarbonsäure (Glutarsäure) :
wogegen ein Keton mit offener Atomkette in einbasische Säuren zerfallen würde. Die katalytische Hydrierung von Cyclopentanon ergibt Cyclopentan, das auf gleichem Wege auch aus Cyclopenten erhalten werden kann. E s ist eine bei 49-3° siedende farblose Flüssigkeit, die im Erdöl vorkommt. Es erstarrt bei —93-9°.
326
Isocyolische Verbindungen Einen Fünfring mit zwei Doppelbindungen enthält das Cyclopentadien, das sich im SteinCH=CH. ¿ H = C H /
HC I CH II CHS I HC I CH.
C H S
-CH CH
Dlcyclopent&dlen
Cyclopentadien
kohlenteer findet und aus dem Vorlauf des Rohbenzola gewonnen werden kann. K p : 41°. D^: 0 • 7982. n2¿ : 1 · 4405. Als Verbindung mit konjugierten Doppelbindungen autoxydiert es eich leicht und polymerisiert sich schon bei Zimmertemperatur langsam zu einem Dimeren, bei höherer Temperatur zu einer ganzen Reihe von Polymeren. Das Dimere ist das Ergebnis einer Dien-Synthese, bei der sich eine Doppelbindung des einen Moleküls an das konjugierte System des zweiten in 1,4Stellung addiert. In gleicher Weise verbindet sich das mit NaOCl erhältliche Hexachlorcyclopentadien mit Cyclopentadien zu Hexachlordicyclopentadien, dessen Dichlorid (Chlordan) ein wichtiges Insektizid ist. Auch Acetylen kann an Cyclopentadien angelagert werden. Bei der Pyrolyse des intermediär entstehenden Bicyclo[2.2.1]heptadiens-(2.5) bei 450° erhält man Cyoheptatrien. Zu den interessantesten Eigenschaften des Cyclopentadiens zählt die Acidität seiner Methylengruppe, die sich in der Bildung einer gelblichen Kaliumverbindung mit metallischem Kalium ( T H I E L E ) zu erkennen gibt. Sie rührt daher, daß der Verlust eines Protons zur Bildung eines Anions führt, das aus einer energetisch günstigen abgeschlossenen Gruppe von sechs π-Elektronen in einem symmetrischen Ring von fünf CH-Gruppen besteht: HC II HC
\ c h /
CH II CH
HCh c
\8h/
CH II CH
„
©HC I HC
HC II HC
CH II CH
-CiL* I CH
Diese Mesomerie erinnert in mancher Hinsicht an die später zu besprechenden Verhältnisse beim Benzol und hat dementsprechend auch „quasi-aromatische" Eigenschaften des Anions zur Folge. Diese äußern sich ungemein deutlich, wenn man das aus HgCl2 und Cyclopentadien erhältliche Cyclopentadien-quecksilber mit Eisen umsetzt. Es entsteht dann, wie zuerst S . A. SAMUEL sowie K E A L Y und P A U S O N 1 fanden, kovalentes, diamagnetisches Di-cyclopentadienyl-eisen Fe(C5H5)2 („Ferrocen"), dem man auf Grund der röntgenographischen Befunde „Sandwich"-Struktur zuschreibt (Fig. 76). Der noch nicht völlig geklärte Bindungstyp kommt anscheinend durch Zusammenwirken der 3d- und 4s-Elektronen des Eisens mit den π-Elektronen der beiden C 5 H 5 -Reste zustande. Ferrocen ist eine gelbe, in organischen Lösungsmitteln lösliche und unzersetzt sublimierbare Verbindung vom F:173°. Fig. 76. Ferrocen Fs läßt sich wie eine aromatische Verbindung nach F R I E D E L - C R A F T S im Kern acylieren. Die dabei zu beobachtenden Isomerie-Verhältnisse deuten auf eine freie Drehbarkeit der Ringe des an sich zentrosymmetrischen Moleküls um die verbindende Achse. Mit Aldehyden u n d Ketonen reagiert Cyclopentadien bei Gegenwart von Alkalien unter Bildung von Fulvenen. Fulven (I) selbst ist ein dunkelgelbes, äußerst leicht polymerieierbares ö l : Kp 30 :4—5°; D'J: 0,8241; n " : 1,5010. Aus Cyclopentadien und Aceton entsteht Dimethylfulven (II),
CH=CHV I >C=CH CH=CH/
CH=CH.
CH,
ch=ch/
H,
II das wie seine Homologen durch intensiv orangerote Farbe (fulvus = rotgelb) ausgezeichnet ist. Die Fulvene polymerisieren sich leicht. Beim Schütteln mit Luft geben sie Peroxyde. 1
KEALY, PAUSON,
1952, 632.
Nature 1β8, 1039 (1951); S. A.
SAMUEL,
Mitarb., J . ehem. Soc. London
Höhere Cycloalkane
327
Höhere Cycloalkane C n H 2 n Cyclohexan u n d seine D e r i v a t e bilden die ,.hydroaromatischen Verbindungen", d i e wegen ihres Z u s a m m e n h a n g e s m i t den aromatischen Verbindungen und den Terpenen später in e i n e m besonderen Abschnitt (S. 426) behandelt werden sollen. Cycloheptan-Yerbindungen k a n n m a n auf verschiedene Weise darstellen. D i e a m längsten bekannte Verbindung dieser Art ist das Cycloheptanon (vgl. S. 576), das duroh trockene Destillation v o n hexandicarbonsaurem Calcium gewonnen werden kann : CHJ-CHJ-CHJ-COCX
I
CHJ-CH,-CHJ.
>Ca = CaCO. + I
CHÜ-C^-CHS-COO/ hexandlcarbonsaures Ca
>C0.
CHJ-CH,-CH/ Cycloheptanon
Einen anderen Darstellungsweg bietet die beim Cyclobutan erwähnte RingerweiterungsReaktion. Cyclohexylmethylamin gibt wie andere primäre Amine ein beständiges Nitrit, das jedoch beim Kochen in essigsaurer Lösung unter Stickstoffabspaltung in den Alkohol des nächsthöheren Ring-Systems, Cycloheptanol, übergeht (das allerdings durch Nebenprodukte verunreinigt ist): /CHj* CH»\ CH2" CH2* CH2\ H 2 C< >CH-CH2-NH2,HN02 — Ν I >CH-OH + N 2 + H , 0 X:H,-CH/ CH,-CH,-CH/ D a s beste Ausgangsmaterial für Cycloheptanon bildet Cyclohexanon. Dieses k o n densiert sich m i t N i t r o m e t h a n in alkalischer L ö s u n g zu l - N i t r o m e t h y l - c y c l o h e x a n o l - ( l ) , das z u m A m i n reduziert u n d mit Nitrit behandelt wird:
HCl;
CH CH
Benzotformel von CLAUS
HC/^CH
ΛΓ
BenzoUormel von ARMSTRONO*BAEYER
Wir können den vorangehenden Ausführungen entnehmen, daß es der klassischen Strukturchemie nicht gelungen ist, die Bindungsverhältnisse im Benzol eindeutig zu beschreiben. Die Gründe für dieses Versagen sind durch die moderne Elektronentheorie verständlich geworden. Am Zustandekommen der Bindungen im Benzol sind die 6 Kohlenstoffatome mit je 4 Außenelektronen, die 6 Wasserstoffatome mit je 1 Elektron beteiligt. Von diesen 30 Elektronen werden zur Herstellung von sechs einfachen C—C-Bindungen und 6 C—H-Bindungen 12 Elektronenpaare, d. h. 24 Elektronen beansprucht. Durch paarweise Zusammenfassung und Lokalisierung der übrigbleibenden 6 Elektronen würden sich die oben beschriebenen Valenzstrukturen nach K E K U L É und D E W A B ergeben. Die quantenmechanische Rechnung zeigt nun, daß eine solche Zusammenfassung nicht in eindeutiger Weise möglich ist. Die 6 π-Elektronen bilden vielmehr eine abgeschlossene Gruppe, deren Schwingungszustand als eine Ü b e r l a g e r u n g der den einzelnen Valenzstrukturen entsprechenden Schwingungs-
334
Isocyclische Verbindungen
zustände aufzufassen ist. Man drückt dies häufig auch so aus, daß man mit einer der Schwingungslehre entnommenen Analogie von einer „Resonanz" zwischen den verschiedenen Valenzstrukturen spricht. Die Strukt u r des Benzols läßt sich also prinzipiell nicht durch eine einzige Formel beschreiben, Benzol ist eine typisch m e s o m e r e Substanz. Die Ladungsverteilung der π-Elektronen im Benzol kann man sich nach Coulson an Hand der Figuren 82 und 83 verständlich machen. Fig. 82 Fig. 82 Fig. 83 zeigt die annähernden Konturen der Ladungswolken der nicht in σ-Bindungen in Anspruch genommenen 2p-Elektronen der Ringkohlenstoffatome, wie man sie sich vorzustehen hätte, wenn sie nicht miteinander in Wechselwirkung träten. Fig. 83 stellt das Resultat dieser Wechselwirkung dar, nämlich völlige Verschmelzung der Ladungswolken ( -(- und — bezeichnen die Vorzeichen der Wellenfunktionen ψ, deren Quadrat die Ladungsdichte ist). I n energetischer Beziehimg kommt die Stabilität dieses Zustandes darin zum Ausdruck, daß Benzol eine um etwa 40 kcal größere Bildungswärme besitzt, als sich für eine Formel mit 3 Doppelbindungen berechnen würde. Man bezeichnet diese Differenz wohl auch als „Resonanz-Energie" 1 . Die gleichmäßige Ladungsverteilung bedingt eine 6zählige Symmetrie für das BenzolMolekül (gegenüber 3zähliger Symmetrie beim Kekulé-Modell). Röntgendiagramm und Ramanspektrum stehen hiermit im Einklang. Erfahrungsgemäß tritt Resonanz nur bei eben gebauten Molekülen auf. Dem Cyclooctatetraen fehlen mit dem ebenen Bau die benzolähnlichen Eigenschaften; seine Resonanz-Energie beträgt nur etwa 8 kcal. Die energetische Begünstigung des abgeschlossenen Elektronen-Sextetts, das die Quantenmechanik begründet, haben wir auch beim Cyclopentadienyl-Anion und dem Cycloheptatrienyl-Kation angetroffen (S. 326). Auch dort findet sich teilweise aromatischer Charakter. Aber im Gegensatz zum Benzol hat man es dort mit polaren Zuständen zu t u n , die sich auch in beträchtlichen Dipolmomenten äußern. Infolge der Mesomerie der Benzolstruktur \Athan sind die Ringbindungen weder Einzel- noch  Doppelbindungen. P e n n e y hat zuerst den Betso griff der „Bindungsordnung" eingeführt. Setzt man sie für eine Einfachbindung gleich 1, für die Jiraphit Doppelbindung gleich 2 und die Dreifachbindung •J.fO gleich 3, so wäre die Bindungsordnung der BenÄthylen zolringbindung 1,5, wenn man nur die beiden KEKULÉ-Strukturen berücksichtigt. Man kann die Bindungsordnung aus den Koeffizienten der Molekülfunktionen, die das Gewicht der einzelnen Strukturen angeben, berechnen. Nach ÀC6 t y i e n W Fig. 84 besteht ein einfacher Zusammenhang 1.5 2,0 2,5 50 W zwischen Bindungsordnung und Bindungslänge. Gesamfò/ntiungsordnung F ü r Benzol beträgt diese 1,39  (aliphatische Fig. 84 Doppelbindung 1,34 Â).
Ale eine Bestätigung der oben abgeleiteten Symmetrie des Benzol-Moleküls kann man auch die Erfahrungen betrachten, die man an den Dipol-Momenten disubstituierter Benzol-Derivate gesammelt hat. Aus den Vektordiagrammen o-, m- und p-substituierter Benzol-Derivate mit gleichen Substituenten -f.
1
Diese enthält nicht nur die eigentliche Delokalisierungsenergie, sondern u. a. auch die aus der Bindungsverkürzung folgende „Kompressionsenergie".
335
Struktur des Benzols
läßt sich bei Annahme eines ebenen regulären Sechsecks leicht ableiten, daß zwischen dem resultierenden Gesamtmoment μ und dem Gruppenmoment μι des Substituenten (gleich dem Geeamtmoment des Monosubstitutionsprodukts) folgende Beziehungen bestehen müssen: o -Verbindung m-Verbindung ρ-Verbindung
μ = μ1 )/ 3 μ = μ1 μ = 0.
Sind die beiden Substituenten verschieden (Gruppenmoment μ1 und
so gilt
o - Verbindung μ = Υ μ* + μ\ + μ1 μ2 m-Verbindung μ = ]/μ\ + μ\ —
μ1μί
ρ-Verbindung μ — μ1 — μί. Hierbei sind μ1 und μ2 mit gleichem oder entgegengesetztem Vorzeichen einzusetzen, je nachdem sie dem Benzolkern gleiche oder entgegengesetzte Pole zuwenden. Diese Beziehungen sind nun entsprechend der Erwartung in vielen Fällen recht gut erfüllt. Wo Abweichungen auftreten, sind sie in besonderen Verhältnissen begründet (Spreizung der Valenzen o-ständiger Substituenten infolge „sterischer Hinderung" oder Rotation gewinkelter Substituenten)·. Trotz des näherungsmäßigen Charakters dieser Rechnungen steht deshalb das allgemeine Resultat in guter Übereinstimmung mit der angenommenen Konstitution des Benzol-Kerns. D a s Ultraviolett-Absorptionsspektrum des Benzols (Fig. 85) besitzt ein schwaches langwelliges Maximum bei etwa 256 ταμ, das einem eigentlich verbotenen Übergang aus dem obersten besetzten in den ersten unbesetzten π-Zustand entspricht. Die gestrichelte K u r v e zeigt zum Vergleich die langwellige Absorption des aliphatischen Hexatriens. Recht interessant ist das Verhalten von Benzol in magnetischer Hinsicht. Der Beitrag der einzelnen Elektronen zur diamagnetischen Suszeptibüität ist der Kreisfläche, die sie unter dem Einfluß des Magnetfeldes beschreiben, proportional. Für die π-Elektronen ist diese Fläche gleich der Fläche des ganzen Benzolrings. Aromatische Kohlenwasserstoffe können durch ihre πElektronen als Elektronendonatoren auftreten. Sie besitzen also eine gewisse, wenn auch sehr geringe Basizität, die sich unter anderem in der Bildung farbiger Komplexe (ζ. B. von Hexamethylbenzol) mit Elektronenacceptoren wie Maleinsäure192 200 208 217 227 238 250 263 271 mil anhydrid, Chinon oder Tetracyanäthylen, ferner in der Leitfähigkeit von Lösungen in H F zeigt. Einen interessanten Beitrag zum Verhalten der π-Elek- Fig. 85. Absorption von Benzol (—) und Hexatrien ( - · · ) in Hexan tronen des Benzols stelltauch die Existenz des Dibenzolchroms Cr(C e H e ) 2 dar. E s wurde von E. 0 . F i s c h e r , H a f n e r durch Erhitzen von Chrom(III)-chlorid mit Benzol, Aluminium und Aluminiumchlorrid auf 150° und anschließende Reduktion des Kations Cr(C,H e )2 mit Dithionit erhalten. E s bildet tiefbraune, diamagnetische Krystalle vom F : 2 8 5 ° und ist ein Analogen des Di-cyclopentadienyl-eisens 1 .
Nomenklatur und Isomerie der Benzolderivate Die Namen der monocyclischen und aromatischen Kohlenwasserstoffe pflegt man durch Substitution von ihrer Stammverbindung, dem Benzol2, abzuleiten. Viele der Benzolhomologen besitzen auch gebräuchliche Trivialnamen. Es ist ferner üblich, den Benzolring als „Kern", die substituierenden Alkyle usw. als Seitenketten zu bezeichnen. Sind mehrere Substituenten im Kern vorhanden, so muß ihre gegenseitige Stellung durch eine O r t s b e s t i m m u n g ermittelt werden. Wie diese ausgeführt wird, soll später ausführlich besprochen werden (S. 336). Die Stellung der Substituenten numeriert man mit 1—6. Isomere Disubstitutionsprodukte unterscheidet man auch durch Vorsetzen der 1 Ztschr. anorg. Ch. 286, 146 (1956). * I n der internationalen Nomenklatur enden die Namen der aromatischen Kohlenwasserstoffe wie die Olefine auf -en(-ene), also benzene usw.
336
Isocyclische Verbindungen
Silben Ortho- (abgekürzt o-) = 1,2 bzw. 1,6; Meta- (m-) = 1,3 bzw. 1,5; Para- (ρ-) = 1,4. Einige Beispiele mögen dies erläutern: CH3 C,H5 • C.H.
2
15
¡5 3
V/
1,2-Diäthyl-benzol,
o-Dläthyl-ben2ol
1,3-Dimethyl-benzol, m-Xylol
3,
CH(CHJ)J l-Methyl-4-ieopropylbenzol, p-Cymol
Zur konventionellen Symbolisierung des Benzolkerns im Druck benutzt man das KEKULÉ-Symbol mit drei Doppelbindungen. Die C- und Η-Atome des Benzolkerns pflegt man in den Formeln nicht mitzuschreiben. Bei drei Substituenten hängt die Zahl der Isomeren davon ab, ob alle drei Substituenten gleich sind oder nicht. Im ersten Fall gibt es drei Isomere: X X X Α Α χ V vicinal 1,2,3
x
symmetrisch 1,3,5
\κ χ
asymmetrisch 1,2,i
Wenn einer der Substituenten von den beiden anderen verschieden ist, so erhöht sich die Zahl der Isomeren auf sechs, da bei vicinaler Stellung jetzt Χ, Y, X — 1:2:3 isomer ist mit Χ, X, Y = 1:2:3 und bei dem asymmetrischen Derivat auch Isomere auftreten, je nachdem die ungleiche Gruppe auf 1, 2 oder 4 steht. Es ist leicht, die Zahl der möglichen Isomeren (zehn) bei Ungleichheit aller drei Substituenten abzuleiten. Bei vier gleichen Substituenten gibt es ebenso viele Isomere (also drei) wie bei zwei, wie eine einfache Überlegung zeigt. Das einwertige Radikal des Benzols, C,H S —, beißt Phenyl. Vom Toluol CH,-C 6 H S leiten eich die Radikal-Bezeichnungen Tolyl CH 3 -C S H 4 — und Benzyl —CH^-CgH^ a b ; im ersten Fall ist ein Wasaerstoffatom aus dem Kern, im zweiten Fall aus der Seitenkette abgetrennt. C 6 H 5 · C H < heißt Benzal oder Benzyliden. Allgemein nennt man die aromatischen Kohlenwasserstoffe Arene, ihre Radikale Aryle. Die Hydroxyverbindung C 6 H 5 OH heißt Phenol, Ο ^ - Ο Η ^ - Ο Η heißt Benzylalkohol.
Ortsbestimmung bei aromatischen Verbindungen Da bei den meisten Umsetzungen der Benzolderivate der Benzolkern erhalten bleibt, mußte sich die Strukturbestimmung der aromatischen Verbindungen zunächst darauf richten, den Ort der Seitenketten am aromatischen Ring zu ermitteln, eine sog. „Ortsbestimmung" durchzuführen. Es gibt zwei Arten der Ortsbestimmung: 1. Die relative Ortsbestimmung. Man sucht Verbindungen in denen die Plätze der Substituenten unbekannt sind, in solche mit bekannter Stellung überzuführen, und schließt daraus, daß in der ersten Verbindung die Substituenten die gleiche Anordnung wie in der zweiten haben. Will man ζ. B. die Struktur eines der drei Xylole bestimmen, so kann man den Kohlenwasserstoff oxydieren; die Konstitution der entstehenden Dicarbonsäure ergibt die Stellung der Methylgruppen in dem untersuchten Xylol. Hierbei wird natürlich vorausgesetzt, daß jeder Substituent bei den Umwandlungen, die er erleidet, an seinem Platz bleibt. Dies ist erfahrungsgemäß auçh meist der Fall; bei einzelnen Reaktionen ändert sich jedoch der Ort der Seitenketten.
Ortsbestimmung aromatischer Verbindungen
337
So geben alle drei Brombenzolsulfonsäuren bei der Kalischmelze Resorcin (S. 348, 3Θ1). Bei der Kalischmelze von p-Chlortoluol bildet sich m-Kresol in erheblicher Menge.
Um Trugschlüsse zu vermeiden, empfiehlt es sich daher in zweifelhaften Fällen, die Ortsbestimmung durch Überführung in mehrere andere Verbindungen zu kontrollieren. 2. Die absolute Ortsbestimmung. Die relative Ortsbestimung erlaubt naturgemäß nur eine Einteilung der aromatischen Verbindungen in Gruppen, die hinsichtlich der Anordnung der Seitenketten übereinstimmen müssen. Über die tatsächliche Stellung der Seitenketten vermag sie aber so lange nichts auszusagen, als nicht für wenigstens einen Vertreter der verschiedenen Gruppen auf iniabhängigem Wege eine direkte Ortsbestimmung gelungen ist. Eine solche Methode der absoluten Ortsbestimmung ist von KÖRNER 1 geschaffen und bildet eine der Grundlagen der organischen Strukturchemie. Heute, wo die Stellung zahlreicher Benzolderivate sicher bekannt ist, kommt man mit der relativen Ortsbestimmung aus. Das Prinzip der absoluten Methode ist folgendes: um zu erkennen, ob Disubstitutionsprodukte mit gleichen Substituenten Ortho-, Meta- oder Para-Verbindungen sind, bestimmt man die Anzahl der ihnen entsprechenden Trisubstitutionsprodukte. Durch die Einführung einer dritten Gruppe Y in eine Ortho-Verbindung C e H 4 X 8 (gleichviel, ob Y gleich oder nicht gleich X ist) können zwei Isomere (I und Π) entstehen. X
Λ χ
X
X
Α χ
ÍAY
III
Bei einer Meta-Verbindung gibt die Einführung einer dritten Gruppe zur Bildung von drei Isomeren (III—V) Veranlassung. Aus einer Paraverbindung endlich kann man nur ein Trisubstitutionsprodukt (VI) erhalten. Die KÖBNEBsche Methode, die auf der Verfolgung der zahlenmäßigen Konsequenzen der hexagonalen Symmetrie des Benzols beruht, ist wenigstens in der Theorie so einfach, daß wir uns auf die Wiedergabe einiger einfacher Beispiele beschränken können. Für die Orthoreihe ist nach der KÖRNKBsehen Methode die o-Struktur eines bei + 5 · 6° schmelzenden Dibrombenzols bestimmt worden, das zwei isomere Nitrodibrombenzole liefert, ebenso die eines bei 144° siedenden und bei —28® schmelzenden Xylols. Aus diesem Xylol entstand durch Oxydation die Benzoldicarbonsäure Phthalsäure, deren Orthostruktur somit bewiesen war. Unabhängig davon ist die Konstitution der Phthalsäure noch auf einem ganz anderen Wege festgestellt worden. Naphthalin C 10 H e liefert bei der Oxydation Phthalsäure. Man kann hieraus ableiten, daß die Struktur von Naphthalin durch C„H4 < } C 4 H 4 wiedergegeben wird, d. h. daß die Atomgruppe C 4 H 4 an zwei Stellen mit einem Benzolkern verbunden ist. Bei der Behandlung von Naphthalin mit Salpetersäure entsteht Nitronaphthalin, das durch Oxydation in Nitrophthalsäure übergeht. Die Atomgruppe C 4 H 4 ist also auch hier in zwei Carboxylgruppen übergegangen: 0,N-C6H3 < } C4H4 — »
OTN-CSH3cc·'NH
CH, c C H = C H c o HO>lÜU· Chinol
Das isomere 0(a)-Phenylhydro xylamin CgH^-O-NH, ist nicht bekannt. Das homologe O-Benzyl-hydroxylamin CjHs -CHj · O · NH^ entsteht aus Benzylchlorid und der Natriumverbindung des Acetonoxims: CgHg-CHjCl + NaO-N: CiCH^ = C Ä - C ^ - O - N : 0(0^)2
CA-CHg-O-NHï+ (0^5,00.
Es ist flüssig, wird durch Salzsäure in Benzylalkohol CgHg-CHj-OH und NHj· OH gespalten und reduziert FEHLING sehe Lösung n i c h t . Nitrosobenzol CeH 5 · NO Durch Oxydation, ζ. B. mit Κ,ΟΓ,Ο,, geht N-Phenylhydroxylamin in Nitrosobenzol über. Wie die meisten Nitrosoverbindungen (vgl. S. 68) ist dieses in festem Zustand farblos und dimolekular. Beim Schmelzen (F: 68°) und in Lösung dissoziiert es zu der grünen monomeren Form. Es ist auch durch Oxydation von Anilin mit CARO scher Säure zu erhalten. Nitrosobenzol vereinigt sich mit Phenylhydroxylamin zu Azoxybenzol:
OA-NO + HO-NH-CgHj = C„H6-N=N-CeH5 + HaO. 0 Es reagiert also mit dem Hydroxylamin wie ein Aldehyd:
CgHj-CHO + HO-NH-CeH5 = C6H6-CH=N-CeH5 + H¡¡0. Benzaldehyd
¿ Benzylldenphenylhydroxy lamín
Reduktions produite der Nitroverbindungen
361
Die Reaktion ist deshalb besonders wichtig, weil sie ans das Auftreten von Azoxybenzol und analogen Verbindungen bei der Reduktion des Nitrobenzols zwanglos verstehen l&ßt. In beiden Fällen verhält sich das Phenylhydroxylamin, als ob es die Formel CeHg-N( : OJH^ hätte. Aminoxyde vom Typus des Benzylidenphenylhydroxylamins nennt man zuweilen Nltrone.
Azoxy benzol wird am einfachsten durch Kochen von Nitrobenzol mit alkoholischer Kalilauge gewonnen. Es kristallisiert in blaßgelben, bei 36° schmelzenden Nadeln. Man schrieb ihm früher die Formel Ο,Ηϋ'Ν—Ν-Ο,Ηβ zu. ANGELI fand jedoch, daß bei der Oxydation von Monobromazobenzol \ / O C e H 5 · N = N · C e H 4 Br zwei isomere Monobromazoxybenzole entstehen, deren Struktur sich nur als C J H J · N = Ν · CeH^Br und C e H 4 Br-N=N-C e H 8
6
¿
deuten läBt. Bei den symmetrischen Azoxyverbindungen ist eine solche Strukturisomerie nicht möglich. Trotzdem hat man auch hier 2 Isomerenpaare beobachtet. Ihre Isomerie muQ sterisoh im Sinn der folgenden Formeln erklärt werden: /C,H 5 C,H/¿ stabiles Azoxy benzol (trans) F : 36°
Cft/J
\ceH5
labiles Azoxybenzol (cis) F :81 o
Die labilen Formen lagern sich sehr leicht in die stabilen um. Bei den strukturisomeren Monobromazoxybenzolen findet eine solche Umlagerung nicht statt. Sie besitzen beide transKonfiguration. Beim Erhitzen mit konzentrierter Schwefelsäure lagert sich Azoxybenzol in p-Hydroxy-azobenzol um: C,H s -N=N-C e H 5 —>- C A - N ^ N - C Ä - O H ; ^
p-Hydroxy-azobenzol
auch Sonnenlicht wirkt umlagernd; es entsteht aber o-Hydroxy-azobenzol. Obwohl nicht hierhergehörig, sei hier das natürliche Vorkommen einiger bemerkenswerter aliphatischer Azoxy-Verbindungen erwähnt, z. B. des Macrozamins CH3 · N2(0) · CH2 · O · C^H^Oa in der giftigen Pflanze Macrozamia Riedlei. Seine von LYTHGOE aufgeklärte Formel erweist es als ein Azoxy glykosid. Bei der Hydrolyse entsteht neben dem Disaccharid Primverose u. a. Formaldehyd. p-Azoxyphenetol CjH«· O · CeH^· N¡0 · C e Hi· O · CjHj zeigt eine Eigentümlichkeit, die man auch bei zahlreichen anderen langgestreckten Molekülen, vornehmlich p-Derivaten des Benzole, beobachtet hat, nämlich die Bildung einer „kristallinen Flüssigkeit". Erhitzt man die Verbindung, so schmilzt sie zunächst bei 134° zu einer trüben Flüssigkeit, die bei 165° plötzlich klar wird. Dünne Schichten der trüben Schmelze zeigen zwischen gekreuzten Nikols im konvergenten Licht die charakteristischen, häufig farbenprächtigen Figuren doppelbrechender einachsiger Kristalle. Die 1888 von REINITZER an Estern des Cholesterins entdeckte und namentlich von O. L E H MANN und VORLÄNDER eingehend untersuchte Erscheinung beruht nach heutiger Vorstellung darauf, daß die langgestreckte Gestalt eine parallele Anordnung der Moleküle in der Schmelze begünstigt. Derartige Flüssigkeiten weisen also noch einen gewissen, an den Kristallbau erinnernden Ordnungszustand auf, jedoch mit dem Unterschied, daß die Ordnung nicht mehr dreidimensional, immer nur auf kleine Bezirke beschränkt und auch nicht zeitlich stabil ist. Es bilden sich Schwärme parallel geordneter Moleküle aus, die relativ zueinander beliebige statistisch ungeordnete Lagen einnehmen und in ständiger Bildung und Auflösung begriffen sind. Durch die Doppelbrechung des Lichts durch diese Schwärme wird das trübe Aussehen dieser Systeme hervorgerufen. Infolge der Größe der Schwärme, die etwa von Lichtwellen-Dimension ist, genügen schon schwache äußere Kräfte (ζ. B. thermische Konvektionsströmungen), um einen höheren Ordnungszustand in der trüben Schmelze hervorzurufen. Auf einer solchen teilweisen Ordnung beruht die an dünnen Schichten zwischen Objektträger und Deckglas beobachtete Doppelbrechung und die Aufhellung der trüben Flüssigkeiten durch ein Magnetfeld. Im Röntgendiagramm zeigen die trüben Schmelzen nur die verwaschenen Beugungsringe amorpher Flüssigkeiten, wenngleich auch hier durch Orientierung an Grenzflächen oder Einwirkung magnetischer Felder kristallähnliche Diagramme erhalten werden können. Die kristallinen Flüssigkeiten sind also „hochorganisierte Flüssigkeiten", haben aber mit Kristallen im eigentlichen Sinn nichts zu tun. Die von O. LEHMANN eingeführte Bezeichnung „flüssige Kristalle" ist daher heute nicht mehr zweckmäßig. Das Existenzgebiet der trüben Schmelze (d. h. der Abstand des Klärpunkte
362
Isocyolische Verbindungen
vom Schmelzpunkt) weist bei verschiedenen Verbindungen große Unterschiede auf. Es ist recht interessant, daß man bei den Klärpunkten homologer Verbindungen ähnliche Alternanz-Erscheinungen wie bei den Schmelzpunkten der geradzahligen und ungeradzahligen Fettsäuren beobachtet hat.
Azobenzol C e H 5 -N=N C6Hs entsteht durch Reduktion von Nitrobenzol mit einer Lösung von Zinn(II)-chlorid in überschüssiger Kalilauge oder auch durch Destillation von Azoxybenzol über Eisenfeile. Ferner bildet es sich aus Anilin und Nitrosobenzol: C A - N H , + OK-C e H s = C e H 6 -N=N-C e H 5 + Η,Ο.
In der Technik wird Azobenzol durch Reduktion von Nitrobenzol mit Natriumamalgam gewonnen. Die meisten aromatischen Azoverbindungen, deren einfachster Vertreter das Azobenzol ist, werden, wie wir sehen werden, auf dem Wege über Diazoverbindungen dargestellt. Azobenzol ist eine gut kristallisierende Substanz von orangeroter Farbe. Es existiert wie die Azoxybenzole in 2 stereoisomeren Modifikationen: /C«H5 C9H/
CeH/
stabiles Azobenzol (träne) F : 68"
X H ,
labiles Axobenzol (cis) Γ : 71°
Im Tageslicht stellt sich ein stationäres photochemisches Gleichgewicht (S. 186) ein, an dem die cis-Konfiguration.je nach dem Lösungsmittel mit 16—40°/o beteiligt ist. Das thermische Gleichgewicht liegt ganz zugunsten der trans-Form. Azobenzol ist in Wasser fast unlöslich, dagegen leicht löslich in organischen Lösungsmitteln. Es siedet unzersetzt bei 295° und ist mit Wasserdampf destillierbar. Für die Strukturformel ist seine Reduzierbarkeit zu Anilin beweisend. Hydrazobenzol C- CeHg-NO —>- CeHg-NH-OH — Ο , Η , - Ν Η , . Nitrobenzol
Nitrosobenzol
Phenylhydroxylamin
Anilin
Die Anwesenheit von Nitrosobenzol ist zu erkennen, wenn man der Flüssigkeit Hydroxylamin zusetzt, mit dem es unter Wasseraustritt reagiert und CeHg-NsOH gibt, das man mit Hilfe von a-Naphthol in Form eines Azofarbstoffs isolieren kann (S. 408). Phenylhydroxylamin erkennt man daran, daß es mit Benzaldehyd das schwer lösliche Benzylidenphenylhydroxylamin gibt.
In mäßig saurer Lösung (das Nitrobenzol wird durch zugefügten Alkohol in Lösung gebracht, weil es sich in verdünnter Schwefelsäure nur wenig löst) und bei schneller Reduktion verläuft der Prozeß in der Tat fast vollständig nach dem obigen Schema; denn die Ausbeute an Anilin beträgt etwa 90% der Theorie. Wenn die Lösung jedoch stärker sauer ist, wandelt sich Phenylhydroxylamin sehr rasch in p-Aminophenol um (s. oben S. 360), das für die weitere Reduktion verloren ist, so daß man auf diesem Wege geradezu p-Aminophenol darstellen kann. Daß in mäßig saurer Lösung gleichwohl nahezu die theoretische Anilinmenge erhalten wird, kommt daher, daß die verdünnte Säure zwar auch in dem angegebenen Sinn umlagernd wirkt, jedoch viel langsamer, so daß unter diesen Bedingungen die Geschwindigkeit der Reduktion größer ist als die der Umlagerung. In alkalischer Lösung treten zwei andere sekundäre Reaktionen ein: 1. Durch Einwirkung von Nitrosobenzol auf Phenylhydroxylamin entsteht Azoxybenzol. Diese Reaktion verläuft bei Gegenwart von Alkali viel schneller als die weitere Reduktion von Phenylhydroxylamin, so daß Anilin hier nur in geringer Menge entsteht; dagegen findet man Produkte der weiteren Reduktion von Azoxybenzol, und zwar hauptsächlich Hydrazobenzol.
Diazoverbindungen
365
2. Hydrazobenzol setzt sich mit noch vorhandenem Nitrobenzol schnell in Azobenzol und Azoxybenzol um: 3 CeHs · NH · NH · CeH5 + 2CeH5-NOî = 3CeH5-N = N-CeH6 + CeH5-N = N-CeH5 + 3H 1 0.
¿
Daneben wird in alkalischer Lösung Hydrazobenzol durch den Sauerstoff der Luft rasch zu Azobenzol oxydiert, so daß man letzteres in sehr guter Ausbeute gewinnen kann. Das Stadium dieser BeCeHs · NO, duktionen mit den modernen Mitteln der Polarographie an der Hg-Tropfelektrode ergab, daß Nitrosobenzol undPhenylhydroxylamin ein reversibles Redoxsyetem mit dem Redoxpotential +0-135 V (auf Η-Elektrode bezogen) bei p H 7 bilden. Da Nitrobenzol C e H 5 -N:N-C,H, erst bei dem negativeren Potential —0-355 V reduziert wird, ist es verständlich, daß seine Reduktion unmittelbar bis zum Phenylhydroxylamin geht. Mit sinkendem C.H..NHOH p H steigen die Potentiale linear zu positiveren Werten an (Nitrobenzol +0-085 V bei pH 0-5). Phenylhydroxyl\ amin wird erst im sauren ho-c,h4.nh, Gebiet bei negativerem Potential (etwa — 0-25 V bei PH 2) weiter zu Anilin reduCJHJ-NHJ ziert. Die —0-17 V bei PH 7 Rnduktlonsschema von HABER erfordernde Reduktion von Azobenzol überschreitet die Stufe dee Hydrazobenzots nioht.
Obenstehend eine Übersicht über diese Reaktionen, in der die vertikalen Pfeile die primären elektrischen Reaktionen, die schrägen Pfeile die sekundäre chemischen Prozesse bezeichnen. Auch bei der Reduktion von Nitrobenzol auf rein chemischem oder katalytischem Wege werden dieselben Zwischenstufen durchlaufen ( B A M B E R G E R ; B R A N D ) .
Diazoyerbindungen Wir haben oben (S. 362) im Azobenzol den ersten Vertreter der zahlreichen organischen Verbindungen kennengelernt, deren Molekül die Azogruppe — N = N — enthält. Unter der Bezeichnung Azo Verbindungen faßt man alle diejenigen Substanzen zusammen, bei denen die Azogruppe beiderseits an Aryl (oder auch Alkyl) gebunden ist. Ihnen zur Seite tritt nun eine Klasse von Verbindungen, bei denen die N2-Gruppe nur einseitig an einem Kohlenwasserstoffrest verankert ist. Es sind dies die D i a z o Verbindungen der aromatischen Reihe, die im Jahre 1858 von G R I E S S entdeckt wurden1. Sie haben nicht allein theoretisches Interesse, sondern sind auch für die 1 P E T E R GBIBSS, geb. 6. Sept. 1829 bei Kassel, gest. 29. Aug. 1888 in Burton on Trent. Er arbeitete bei KOLBE in Marburg, wo seine grundlegende Diazoarbeit entstand (Lieb. Δηη. 106, 123. 1858), ging 1858 zu A. W. HOFMANN an das Royal Institute of Chemistry in London und war 1862 bis zu seinem Tode Chemiker der Brauerei Alsopp & Sons in Burton on Trent. Siehe WIZINGERArsT, Angew. Chemie 70, 199 (1958).
366
Isooyolisohe Verbindungen
Technik der organischen Verbindungen von größter Bedeutung. Während in der acyclischen Reihe die Überführung in Diazoverbindungen nur bei einer bestimmten Ait von Aminoverbindungen (S. 302) geglückt ist, lassen sich primäre aromatische Amine allgemein „diazotieren". Die Diazoverbindungen pflegt man nach den Untersuchungen von HANTZSCH in zwei Hauptgruppen einzuteilen: Φ I. Verbindungen von der Strukturformel [Ar · Ν = Ν ] Χ Θ (Ar = Phenyl, CeH6 mit Homologen und Derivaten; X = Anion). Dies sind die Diazoniumsalze, die ausgesprochen heteropolaren Charakter haben. Π. Verbindungen von der Strukturformel Ατ·Ν:Ν·Χ. Sie sind Diazoverbindungen von azoähnlichem Charakter und können in zwei stereoisomeren Modifikationen auftreten (s. aber S. 369): 1. Verbindungen von der Stereoformel Ar-N; Syn diazoverbindungen. Diese sind mehr oder weniger instabil und können nicht in allen Fällen isoliert werden. 2. Verbindungen von der Stereoformel Ar-N; Anti diazoverbindungen; diese sind stabil. II N-X Den Ausgangspunkt für die Darstellung der Diazoverbindungen bilden in nahezu allen Fällen die Diazoniumsalze der Gruppe I. Zwar haben die Diazoniumverbindungen für sich allein nur geringe Bedeutung und werden meist nicht isoliert. Ihre große Wichtigkeit für die aromatische Chemie liegt aber in ihren mannigfachen Umsetzungen, durch die man von ihnen zu zahlreichen neuen Verbindungen gelangt. Diazoniumsalze entstehen bei der Einwirkung von salpetriger Säure auf aromatische Amine. Nach neueren Untersuchungen reagieren wahrscheinlich nur die freien aromatischen Basen mit salpetriger Säure: Φ CgHj-NHj + N t 0 3 = C,H8-NHfNO + NO,® ®
CJHj.NHJ.NO
©
• C«H6-N = N| + HaO.
Die praktische Durchführung der Diazotierung erfordert jedoch im allgemeinen einen Überschuß an Säure. Die Reaktion wird gewöhnlich in der Weise ausgeführt, daß man eine Lösung von Natriumnitrit unter Eiskühlung langsam zu einer Lösung von 1 Molekül Anilin in 2 1 /, Molekül Mineralsäure zutröpfelt; die Temperatur muß möglichst tief gehalten werden, da die Diazoniumverbindungen sich leicht zersetzen. Auf diese Weise erhält man eine Lösung des Diazoniumsalzes. Die Diazoniumsalze sind in Wasser meist leicht löslich (am leichtesten die Chloride), schwer löslich dagegen in Alkohol und Äther. Zur Darstellung eines solchen Salzes, z . B . des Benzoldiazoniumnltrats, 0 β Η 6 · Ν , · Ν 0 3 , in festem Zustand, löst man Anilin in verdünnter Salpetersäure auf and leitet S t i c k o x y d e , aas Salpetersäure und A%Os dargestellt, ein. Auf Zusatz von Alkohol und Äther scheidet sich das Nitrat in kristallisierter Form ab. Dieses Salz detoniert beim Erhitzen oder auf Schlag mit großer Heftigkeit. Man hüte sich also, mehr als einige Dezigramm davon in trockenem Zustande darzustellen. Die Diazoniumsalze sind in festem Zustand vielfach äußerst explosiv, während ihre wäßrige Lösung vollkommen gefahrlos zu handhaben ist. Man vermeidet es daher meist, sie in fester f o r m zu isolieren, was auch für ihre Verwendung zu Umsetzungen ganz unnötig ist. Immerhin gibt es eine Reihe von Diazoniumsalzen, die recht beständig sind und von der Farbenindustrie in fester Form in den Handel gebracht werden (ζ. B. Derivate von Halogen- und Nitroanilinen). Salze aromatischer Sulfonsäuren und von Borfluorwassers toffsäure, besonders aber Doppelsalze mit Zinkchlorid zeichnen sich durch vergleicheweise gute Haltbarkeit aus.
Diazoverbinduiigen
367
Die oben erwähnte Strukturformel der Diazoniumsalze ergibt sich aus folgenden Betrachtungen: Die Atomgruppe NjX ist nur mit einem Kohlenstoffatom des Benzolkerns verbunden. Denn bei allen Umsetzungen der Diazoverbindungen entstehen nur solche Verbindungen, die statt dieser Gruppe einen Substituenten verknüpft mit einem Kohlenstoffatom des Kernes enthalten, wie wir später sehen werden. Die Gruppe [CeH6-Nj]® verhält sich weiter in vielfacher Hinsicht wie das Kation einer Base, die den Alkalien an Stärke vergleichbar ist. Ihre Salze mit starken Mineralsäuren zeigen teilweise neutrale Reaktion; dagegen reagieren die kohlensauren Salze infolge hydrolytischer Spaltung alkalisch wie die Carbonate der Alkalimetalle. Nach dem Leitvermögen zu schließen sind die Chloride und andere Salze der Diazoniumbasen fast ebenso stark in Ionen gespalten wie KCl oder NH4C1. Der Kationen-Charakter der Diazoniumgruppe tritt ferner hervor in der Existenz von gelben, in Wasser schwer löslichen Platindoppelsalzen des Benzoldiazoniumchlorids (CjHjNj^tClg, Golddoppelsalzen, z. B. (C,H6N2)AuCl4, schwer löslichen Perchloraten usw. Man muß also in den Diazoniumealzen ebenso wie in den Ammoniumverbindungen koordinativ vierwertigen Stickstoff als Träger der basischen Eigenschaften annehmen. Über die Natur der Umwandlungen, die vom Diazoniumsalz bei Zusatz von Alkali zu Diazotaten führen, hat man erst in neuerer Zeit größere Klarheit gewonnen. Die Diazoniumsalze sind als Salze einer sehr starken Base praktisch kaum hydrolytisch gespalten. Ihre schwach alkalische Lösung enthält das Diazonium-Kation. In mäßig bis stark alkalischem Gebiet erfolgt Umlagerung zum Diazohydroxyd R-N = Ν OH, das jedoch momentan indas Anion R-N = Ν · Ο θ übergeht. Das freie nichtdissoziierte Diazohydroxyd evistiert also in Lösung praktisch nicht und ist auch niemals isoliert worden. Nach ZOLLINGER kann das vorliegende Gleichgewicht folgendermaßen beschrieben werden:
R-N2® , 0 H ® > R R-N = N-OH -N = Ν·OH . Κχ =
H©
R N = N-Oe
[R-N 2 -OH] [H®]
[R-N,®] [R-N2.Oe][H(B] [R-Nj-OH]
Für die Neutralisationskurve gilt: _ p K 1 + pK a P h ~ 2
1
[R-Ν,-ΟΘ] [R-N®]
K j ist sehr viel kleiner als K 2 ) so daB sich die beiden Konstanten nicht gesondert bestimmen lassen, sondern nur ihr Produkt. Das aus dem Diazoniumsalz zunächst entstehende Diazotat-Anion ist im Sinne der Vorstellungen von HANTZSCH das Syndiazotat. Dieses verwandelt sich bei Herabsetzung des p H leicht
ΘΟ-Ν Syndiazotat
Ν-ΟΘ Antidlazotat
in Diazoniumsalz zurück und ist deshalb kupplungsfähig. Durch Erwärmen der alkalischen Lösung geht das Syndiazotat in das Antidiazotat über, bei dem die Rückverwandlung viel schwerer erfolgt. Ántidiazotate werden wegen ihrer Beständigkeit als Ersatz für Diazoniumsalze in den Handel gebracht (ζ. B. das des p-Nitroanilins) und finden im Zeogdrack Verwendung (vgl. Pararot).
368
Isocyolische Verbindungen
Umsetzungen der Diazoverbindtmgen Viele Umsetzungen der Diazoverbindungen haben das Gemeinsame, daß die Gruppe —N 4 — als freier Stickstoff aus dem Molekül austritt und durch einen Substituenten ersetzt wird, der mit einer Bindungseinheit an den Benzolkern gebunden ist. Die Reaktionen lassen sich vielfach nahezu quantitativ gestalten. 1. Ersatz der Gruppe —N2— durch Hydro xyl findet langsam in der Kälte, rasch beim Erwärmen der wäßrigen Lösung eines Diazoniumsalzes statt(Phenol-Verkochung) : CeHs-Ns-Cl + HjO = C A - O H + Ne + HCl. Die Reaktion, deren Kinetik häufig untersucht worden ist, ist erster Ordnung. Eine gleichartige Zersetzung findet auch bei Belichtung statt. Es ist aber hervorzuheben, daß thermisohe und photochemische Beständigkeit nicht parallel laufen. Von der technischen Anwendung dieser Liehtempfindlichkeit wird später die Bede sein (S. 412).
2. Ersatz durch Alkoxyl —OC„HÎI1+| wird analog durch Kochen eines Diazoniumsalzes mit Alkohol erreicht: C A - N ^ H S O * + HO· C A = C „ H 6 O C A + N, + H,S0 4 .
3. Ersatz der N^-Gruppe durch Wasserstoff findet unter bestimmten Bedingungen ebenfalls bei der Einwirkung von Alkohol auf Diazoniumsalze statt. Dabei entsteht aus dem Alkohol Aldehyd: OjN-CeHj.Na-Cl + C A ' O H = 0 , Ν · 0 Α + N2 + HCl + 0 , Η 4 0 . P'KltrobeDzoldiazoninmcblorld
Nitrobenzol
Aldehyd
Im allgemeinen verlaufen die Reaktionen 2 und 3 nebeneinander. Enthält der Benzolkern aber negative Substituenten (Halogene, Nitrogruppen), so tritt der Ersatz durch Wasserstoff in den Vordergrund. Ersatz duroh Wasserstoff läßt sich auch durch Behandeln des Diazoniumsalzes mit alkalischer Stannitlösung oder am besten mit unterphoephoriger Säure H s PO x erreichen. Aliphatische und aromatische Amine kann man durch Diazotieren in unterphoephoriger Säure trennen. Man erhält neben dem aromatischen Kohlenwasserstoff die unveränderten aliphatischen Amine, da diese unterhalb pH 3 mit salpetriger Säure nicht reagieren.
4. Austausch der N2-Gruppe gegen Chlor erfolgt schon in der Kälte glatt beim Zusammenbringen der Lösung eines Diazoniumchlorids mit einer Lösung von Kupfer(I)chlorid in konzentrierter Salzsäure (SANDMEYEB) oder auch mit fein verteiltem Kupferpulver (GATTEBMATTO), wobei ebenfalls zunächst Kupfer(I)-salze entstehen : C,H 6 .N a .Cl = C A C I + N 2 . Kupfer(I)-chIorid wirkt hier anscheinend katalytisch ; nach heutiger Annahme ist der Reaktionsverlauf gemäß S. 370 radikalisch. Namentlich in konz. sauren Lösungen erfolgt auch ohne Kupfer Halogen-Austausch. Dieser wird nach S. 369 als nucleophile Ionen-Reaktion gedeutet. Er verläuft jedoch wenig glatt und ist deshalb präparativ uninteressant. In analoger Weise findet Austausch gegen Brom statt; zur Darstellung von Brombenzol wird zunächst Benzoldiazoniumsulfat hergestellt und dieses mit einer Kaliumbromid-Lösung versetzt. Fügt man zu diesem Gemisch Kupferpulver, so entsteht unter Stickstoffentwicklung Brombenzol. Jod und Fluor lassen sich ohne Zuhilfenahme von Kupferverbindungen in den aromatischen Ring einführen. Die Reaktion ist namentlich für die Darstellung aromatischer Fluorverbindungen wichtig.
5. Der Austausch der Nj-Gruppe gegen Cyan verläuft unter der Einwirkung von Kupfer(I)-verbindungen ebenfalls glatt. Man verfährt hier in der Weise, daß man die Lösung des Diazoniumsalzes in eine Lösung von Kaliumkupfer(I)-cyanid einfließen läßt : C e H t .N,.Cl + KCN = C,H t -CN + N„ + KCl.
Diese Reaktion ist von großer Bedeutung für die Synthese aromatischer Säuren, da man die entstehenden Nitrile nur zu verseifen braucht.
369
Diazoverbindungen
6. Austausch der Ν*-Gruppe gegen Schwefel. Fügt man zu einer Lösung eines Diazoniumsalzes eine Lösung von Kaliumxanthogenat, so fällt meist zunächst das Diazoniumxanthogenat aus: C6HJ-N2-C1 +
KS-CS-OCJHJ =
C„H5· N2· S · CS · OC2H5 +
KCl.
Wird dieser Niederschlag mit der Flüssigkeit erwärmt, so entwickelt sich Stickstoff, wobei der Schwefel direkt an den Kern tritt und sich Xanthogensäurephenylester C6H5- S·CS• OC2H5 bildet; denn bei der Oxydation entsteht Benzolsulfonsäure. Man hat in dieser von LEUCKART angegebenen Reaktion eine wertvolle Methode, um Sulfogruppen an solchen Stellen in Benzolderivate einzuführen, wo dies durch direkte Behandlung mit Schwefelsäure nicht möglich ist. Durch Verseifung der Xanthogensäureester entstehen Thiophenole, z.B. C e H 6 -SH. 7. Austausch der N^-Gruppe gegen Arsen. Natriumarsenit setzt sich in schwach alkalischer Lösung mit Diazoniumsalzen um. Hierbei entstehen die Natriumsalze aromatischer Arsonsäuren (BARTsehe Reaktion): CeH„.Ns-Cl + NajHAsOj = C A · AsO(OH)ONa + NaCl + N2.
8. Arylierung mit Hilfe von Diazoniumverbindungen. Verrührt man Mischungen von Diazoniumsalzlösungen nnd aromatischen Kohlenwasserstoffen mit Natronlauge oder Natriumacetat, so entstehen unter Stickstoffentwicklung Derivate des Biphenyls (GoMBKRO-BACHMAirasche Reaktion): Na0I
Br-O-N'-a + O
V B r - < ( ^ — : ( 3 ' + Nä +
NaC1
·
Man nimmt an, daß es sich hierbei um eine Substitution durch Phenylradikale handelt. Die Ausbeuten sind im allgemeinen dürftig. Über den Mechanismus dieser Reaktionen hat man trotz vieler Bemühungen bisher keine volle Klarheit erlangen können. Für einzelne Reaktionen wie die Reduktion durch H a PO s hat man einen Radikal mechanis mua wahrscheinlich gemacht. Anderen Reaktionen hat man das DiazoniumKation bzw. seine mesomeren Grenzformen zugrunde gelegt. In der Ionenformulierung gestalten sich die wichtigsten Reaktionen folgendermaßen: R-NS® RN
2
R © + NA 1 · ° - R · O H + N 2 +
© + C1Q-RC1 +
H©
N,
R NA® + C 2 H 5 - O H - * R H + N , +
CHJ-CHO + H ©
.
Durch mit Tritium H markierten Alkohol hat MELANO ER nachgewiesen, daß bei der zuletzt erwähnten Reaktion (die ungeklärt und vielleicht radikalischist) ein an den Kohlenstoff der CH,· OHGruppe gebundenes Wasserstoffatom an den Arylrest tritt. Dies ist offenbar der gleiche Mechanismus, wie man ihn auch für die Chromsäureoxydation der Alkohole beobachtet hat. Die Syndiazoverbindungen aus negativ substituierten Aminen sind recht unbeständig und lagern sich sehr leicht in die Anti-Verbindungen um. Liegen aber methoxy- oder alkyl-substituierte Diazoniumverbindungen vor, so muß man sie in erhitzte Lauge eintragen, um sie umzulagern. Die Annahme der Stereoisomerie dieser Diazotate beruht auf ziemlich schwachen Analogien. Tatsächlich weiß man nur, daß die Syn-Verbindungen sich rasch, die Anti-Verbindungen dagegen nur langsam 3
CA CEHJ
CN
ΐΙ=ΐΙ
Syndlazocyanld;
N = N
dN j
Antidlazocyanid
bei Säurezusatz in Diazoniumsalze zurückverwandeln. Nach E U G E N MÜLLEK (1960) lassen sich die sogenannten syn-Diazotate aus den Aminen, Nitrosylchlorid und Natriumäthylat darstellen und müssen wahrscheinlich als N-Metallverbindungen von Nitrosaminen R-N(NO)Na aufgefaßt werden, da sie bei der Acylierung mit Benzoylchlorid usw. nur N-Nitroso-N-acyl-amine R · N(NO) · CO · CeH5· geben. Besser begründet erscheint die Auffassung von HANTZSCH bei den wohl als homöopolar anzuH o l l e m a n - R l c h t e r , Organische Chemie. 37. — 41. Auflage
24
370
Isooyclisohe Verbindungen
sehenden Diazocyaniden, -acetaten und -sulfonaten. Bei der Diazotierung von p-Chloranilin erhielt auf Zusatz von Cyanid nicht sofort p-Chlorbenzonitril C1C,H4-CN, sondern es konnte ein gelbes Zwischenprodukt, p-Chlorbenzoldiazocyanid C1C,H4-N2'CN, isoliert werden, das in Berührung mit Kupferpulver stürmisch Stickstoff entwickelte und in das Nitrii überging. Dieses p-Chlorbenzolsyndiazocyanid war jedoch sehr wenig stabil; es wandelte sich rasch in eine isomere Verbindung (die Antiform) um, auf die Kupferpulver ohne jede Wirkung war. In neuerer Zeit hat die lange diskutierte Konstitution dieser Syn- und Antidiazoverbindungen durch mannigfache physikochemische Messungen eine zusätzliche Stütze erhalten. Die katalytísche Wirkung von Kupfer(I)-Ion bei der SANDMEYER sohen Reaktion kann man nach W A T E R S in folgender Weise verstehen: HANTZSOH
Cu® (ΔτΙΝ = NI)® + e Ar* + Cíe e + Cu2®
== = = =
Cu2® + e Ar* + |N = NI ArCl + e Cu®.
Das Kupfer(I)-Ion würde hiernach das Elektron e liefern, das benötigt wird, um das DiazoniumKation in molekularen Stickstoff und ein neutrales Aryl-Radikal zu spalten. Die letzte Entscheidung zwischen einem ßadikal- und einem Ionen-Mechanismus steht jedoch noch aus.
Die obigen Ausführungen lassen erkennen, daß die Diazoniumsalze große Bedeutung als Zwischenprodukte für die Darstellung zahlreicher Verbindungen haben. Da sie aus den Nitroverbindungen auf dem Umwege über ihre Reduktionsprodukte, die Amine, entstehen, so ist klar, daß eben deshalb die Nitrierung der aromatischen Substanzen eine der gebräuchlichsten Operationen ist. Die Bedeutung der Diazoverbindungen ist jedoch nicht auf solche Reaktionen beschränkt, bei denen die beiden Stickstoffatome frei werden. Vielmehr gibt es auch Reaktionen, bei denen die Stickstoffatome im Molekül verbleiben. Durch solche als „Kuppelung" bezeichnete Umsetzungen gelangt man ebenfalls zu wichtigen Verbindungen. Der Mechanismus der meisten Kupplungsreaktionen der Diazoverbindungen ist am besten zu deuten, wenn man sie als elektrophile Substitutionsreaktionen des Kations R · Ν = N I ® auffaßt und als Partner der Reaktion freie Amine R ·ΝΗ 2 einerseits, Phenolat-anionenR · 0® andererseits annimmt (ZOLLINGER). Die verschiedenen Reaktionstypen der Diazokupplung können durch die folgenden Beispiele veranschaulicht werden: 1. Durch Einwirkung primärer und sekundärer aromatischer Amine auf Diazoniumsalze entstehen die Diazoamino Verbindungen : CA-Ni-Cl + Byï-CeH, = C e H 5 -N=N-NH-C e H 5 + HCl. DUzoaminobenzol
Sie entstehen auch, wenn salpetrige Säure auf freies Anilin einwirkt und treten deshalb auch auf, wenn man Anilin bei Gegenwart einer unzureichenden Säuremenge diazotiert. Die Diazoaminoverbindungen sind schwach gelb, in reinem Zustande vielleicht farblos. Sie sind kristallisiert und besitzen nur sehr schwach basische Eigenschaften. Durch Säuren werden die Diazoaminoverbindungen verhältnismäßig leicht wieder in Diazoniumsalz und Amin gespalten: CeHj'Ns N'NH-CgHj + HCl = C A - N ^ C l + C Ä - N H , .
Diazoniumchlorid und Anilin vermögen aber in schwach saurer (ameisensaurer, essigsaurer) Lösung noch in anderer Weise zu kuppeln (in stärker saurer Lösung bleibt die Reaktion aus): CA-Nj-Cl+C e H 5 .NH s = CeHj-N=N-CeH1-NHj + HCl. p-Aminoazobenzol
Die Bindung erfolgt also in p-Stellung zur Aminogruppe. Es ist daher nicht verwunderlich, daß bei der Darstellung des Diazoaminobenzols auch geringe Mengen Amino-
Hydrazine
371
azobenzol auftreten. Erwärmt man in Anilin gelöstes Diazoaminobenzol mit salz saurem Anilin, das dabei lediglich als Säurespender fungiert, so entstellt glatt Aminoazobenzol. Dieee Reaktion hatte man lange Zeit für eine monomolekulare Umlagerang des Diazoaminobenzols anter dem katalytischen Einfluß yon salzsaurem Anilin gehalten:
Diazoaminobenzol
Aminoazobenzol
DaB dies nicht mOglioh ist, ergibt sich aus folgendem Versuch von R O S E N H A U E R : Erwärmt man Diazoaminobenzol mit Dimethylanilin + salzsaurem Dimethylanilin, so entsteht Dimethyl aminoazobenzol, das seine Entstehung nur intermediär gebildetem Benzoldiazoniumchlorid verdanken kann: CeH6·Nt• NH·CeHs + HCl —>- ΟΑ-Ν,-ΟΙ + D"r,ethy">n'"n> 0 β Η β ·Ν ΐ ·0 8 Η 4 .Ν(0Η 3 ) 2 . Dlmethylamlnoazobenzol
In Fällen, wo die p-Stellung zur Aminogruppe besetzt ist, tritt die Azograppe in Orthostellung. Aminoazobenzol und zahlreiche seiner Derivate gehören zur Gruppe der Azofarbetoffe (S. 408) und besitzen große technische Bedeutung. Die Säurespaltung der Diazoaminoverbindungen zuDiazoniumsalzen macht sie zu wichtigen Diazokomponenten zur Erzeugung von Farbstoffen auf der Faser (Rapidogenfarbstofle).
2. Mit tertiären aromatischen Aminen reagieren die Diazoniumsalze, wie oben am Beispiel des Dimethylanilins gezeigt wurde, so, daß Bindung an der Parastelle des Amins erfolgt, also Aminoazoverbindangen entstehen. Bei Aufhebung der Mesomerie durch sterische Hinderung (S. 342) bleibt die Reaktion aus. 3. Mit Phenolen bilden sie in alkalischer Lösung in analoger Weise Hydroxyazoverbindungen:
CE^-NA-OH +
CGHG-OH = Phenol
C
E
H5-N=N-C
E
H4OH +
HJO.
p-Hydro tyazobenzol
Auch Phenoläther und selbst reaktionsfähige Kohlenwasserstoffe wie Mesitylen lassen sich mit geeigneten Diazoverbindungen in Eisessig-Schwefelsäure kuppeln. Die Hydroxyazoverbindungen stehen vielfach in einem Desmotropie-Gleichgewicht mit Chinonphenylhydrazonen („Azo-Hydrazon-Deemotrople"), das Gegenstand vieler Untersuchungen gewesen ist:
Hydrazine Die wichtigste organische Hydrazinverbindung ist das Phenylhydrazin ΟβΗ5·ΝΗ· NHt· Als Beagens auf Aldehyde, Ketone und Kohlenhydrate ist es schon wiederholt erwähnt worden. Salze des Phenylhydrazins entstehen durch Reduktion von Diazoniumsalzen. So gibt Benzoldiazoniumchlorid mit der berechneten Menge SnCls in salzsaurer Lösung salzsaures Phenylhydrazin: CgHg-Ng-Cl + 2 H, - CeHs-NH NHj-HCl.
Dae Salz wird von kaltem Wasser ziemlich schwer, von konzentrierter Salzsäure fast gar nicht gelöst und soheidet sich deshalb direkt ab. Nach E. F I S C H E R setzt man Benzoldiazoniumchlorid mit Na^SOg um, macht stark salzsauer und erhitzt; es entsteht zunächst Benzol-anti-diazosulfonat, das vermutlich schweflige Säure anlagert und schließlich unter dem Einfluß der Salzsäure beide Sulfogruppen verliert: C e H s -N=N-SO,Na —>- C,H 5 .N—NH-SO,Na — > SO»H
Ο,Η^ΝΗ-ΝΗ,.
Dieses Verfahren findet auch technische Anwendung. 24*
372
Isocyclisohe Verbindungen
Phenylhydrazin ist eine farblose, nicht ungiftige Substanz, die sich an der Luft braun färbt. Es schmilzt bei + 19· 6° zu einer öligen Flüssigkeit, die bei 241° unter geringer Zersetzung siedet. In Wasser ist es nur wenig löslich. Durch energische Reduktion wird Phenylhydrazin in Anilin und Ammoniak gespalten. Oxydationsmitteln gegenüber ist es sehr empfindlich. Mit einer alkalischen Kupferlösung z.B. liefert es Wasser, Stickstoff und Benzol. Das Sulfat des Phenylhydrazins läßt sich mit Quecksilberoxyd wieder zum Diazoniumsalz oxydieren, jedoch geht die Oxydation leicht weiter unter Eliminierung von Stickstoff. Phenylhydrazin ist eine schwache einsäurige Base; es liefert gut kristallisierende Salze. Man kennt auch eine imbeständige Natriumverbindung, die durch Einwirkung von Natriumamid erhalten wird. Behandelt man die Natriumverbindung mit Methyljodid, so entsteht asymmetrisches Methylphenylhydrazin : CeH^-NH-NH» —>- CgH5.NNa.NH, — ν C,H5·N(CHj)·NH,. Seine Konstitution folgt daraus, daß es auch aus Methylanilin durch Umwandlung in das Nitrosamin C e H s · N(CHa) · NO und anschließende Reduktion erhalten werden kann. Die wichtige Umwandlung von Phenylhydrazin in Antipyrin wird später besprochen werden (S. 534), desgleichen die Indol-Synthese aus Phenylhydrazonen (S. 547). Über Tetraphenylhydrazin s. S. 358 und S. 465.
Aromatische Monocarbonsäuren Benzoesäure und ihre Homologen Die einfachste aromatische Carbonsäure ist die Benzoesäure CgByCOgH. Von den mannigfachen Methoden, nach denen Benzoesäure erhalten werden kann, sollen nur die allgemein zur Darstellung von Garbonsäuren benutzten im folgenden kurz besprochen werden. Man erhält Benzoesäure: 1. Durch Oxydation aller aromatischen Verbindungen mit einer Seitenkette:
QA-
C,H 5 . C
+
6
H
5
. C < ^
C A - C H O
O H
=
0
_
C
6
+
2C
E
H
6
.C
-
OC—R
ι
NH-R'
Die Umlagerang erfolgt also gleichfalls durch Platzwechsel der trans-ständigen Gruppen. Den Beweis hierfür hat M E I S E N H E I M E R auf folgendem Wege erbracht. Von den Oximen des 6-Brom-3-nitro-acetophenons geht die /NVerbindung (I) sehr leicht in eine ringförmige Verbindung (II) fiber, die α-Verbindung (III) dagegen nicht. Hierdurch ist die Konfiguration der beiden Oxime zweifelsfrei festgestellt.
I
OjN·
C-CHj Br HO Ñ
II
OtN· / N
-C- CHj
—Ο—Ν
378
Isocyclische Verbindungen
ID
C-CH,
-'s ^ Y B R
Ñ O H
IV
OCCH, IsTH-
B r - / \
\/N0«
Bei der BECKMANNschen Umlagerung gibt nun I I I 6-Brom-3-nitro-acetanilid (IV). Der Platzwechsel hat sich also entsprechend der obigen Behauptung in trans-Stellung vollzogen. Aus Benzophenonoxim und Dimethylsulfat in alkalisoher Lösung entstehen gleichzeitig der 0 und N-Methyläther ( C , H s ) 2 C = N O C H 3 und (C e H 6 ) a C=N(CH 3 ) - O. Aromatische Phosphor- a n d Arsenyerbindungen Insoweit die aromatischen Phosphorverbindungen ihren aliphatischen Analogen entsprechen, seien sie hier übergangen. Tetraphenylphosphoniumjodld zeichnet sich durch den mit Lithiumphenyl zu bewerkstelligenden Ubergang in Pentaphenylphosphor (C,H 6 ) 6 P aus, eine farblose, bei 124° unter Zersetzung und Benzolabspaltung schmelzende Verbindung (WITTIG 1949). Die Existenz dieser h o m ö o p o l a r e n Verbindung zeigt, daß von der zweiten Reihe des periodischen Systems an das Oktett unter Inanspruchnahme von d-Elektronen überschritten werden kann. Beim Antimon ist sogar ein Lithimnhexaphenyloanthponat Li® [(C„H6)eSb]© erhältlich. Die Existenzfähigkeit optisch-aktiver tert. Phosphine, Ζ. B. Methyläthylphenylphosphin, hat HOBNEB nachgewiesen. Aus Alkyltriphenylphosphoniumhalogeniden entstehen mit starken Basen Triphenylphosphinmethylene: θ θ φ [ ( C . H ^ P . C H J Br© • (C e H a ) a P = CH a • (CeH5)sP-€Ha Mit diesen Verbindungen kann m a n nach WITTIG in einer präparativ vielfach verwendeten Reaktion Carbonylverbindungen in Methylenverbindungen verwandeln, indem gleichzeitig Triphenylphosphinoxyd entsteht: oe ®P(C,H5)5 0P(C 4 H 6 ) 3 I + I • + CjHJ-CH® ©CH, C„H6-CH = CH a Die Bildung von Phenylarsonsäure C,H 5 · ΑΒΟ(ΟΗ), durch Umsetzung von Benzoldiazoniumchlorid mit Natriumarsenit wurde bereits früher erwähnt (S. 369). Phenylarsonsäure wird durch SO, zu Phenylarsenoxyd C«H5· AsO (weißes Pulver von amphoterem Verhalten), durch stärkere Reduktionsmittel zu Arsenobenzol [C ( H s *As] x reduziert. Dieses bildet farblose, in Alkohol schwer lösliohe Nadeln von F : 212°. Die ihm früher erteilte Formel C t H e · As=As-C 6 H 5 entbehrt der Begründung. Nach neueren Untersuchungen scheint ein Sechsring mit sechs Arsenatomen vorzuliegen. Seine therapeutisch wichtigen Derivate werden S. 402 besprochen werden. Aus Chlorbenzol, AsClg und Natrium oder aus Phenvlmagnesiumbromid und AsCl s entsteht Triphenylarsin (CAHt),Ae, Schmelzpunkt 59°, aus dem durch Einwirkung von AsCl, Diphenylarsenchlorld (C6H6)^LSC1 erhalten werden kann. Diese bei 39° schmelzende Subetanz h a t ale äußeret giftiger Gaskampfstoff Verwendung gefunden (sogenannter Blaukreuzstoff). A r o m a t i s c h e Metallverbindungen Solche Verbindungen sind außer von Magnesium namentlich vom Quecksilber, Zinn, Blei, Wismut und den Alkalimetallen bekannt. Queeksilberdlphenyl Hg(C,H e ), entsteht durch Behandeln von Brombenzol mit Natriumamalgam oder aus Phenylmagnesiumbromid und HgBr a , wobei sich primär C„H 5 -HgBr bildet. E s ist kristallinisch, schmilzt bei 122°, ist giftig und wie die entsprechenden Alkylverbindungen an der Luft beständig. Bei höherer Temperatur zerfällt es in Quecksilber und Biphenyl. DIMROTH (1898) verdankt man die wichtige Beobachtung, daß auch eine direkte „Mercurierung" von Benzol möglich ist. Beim Kochen von Benzol mit Quecksilberaeetatlösung entsteht Phenylquecksilberacetat : C,H e + HgfO-CO-CH,), = CeHs-Hg-O-CO-CH, + C H j C O j H . Dieses läßt sich durch Natriumstannit glatt zu Quecksilber und Quecksilberdiphenyl reduzieren. Nooh leichter lassen sich Phenole mercurieren. Diese Verbindungen finden in der Therapie und zur Schädlingsbekämpfung Verwendung. Die organischen Quecksilberverbindungen gehören zu den wenigen metallorganischen Verbindungen, die durch Wasser und hydroxylhaltige Lösungsmittel nicht angegriffen werden. Durch Säuren werden sie gespalten. Bei der Einwirkung von Natrium auf Hg(C,H¿), oder auf Chlorbenzol entsteht Natriumphenyl C e H^Na. Es ist ein weißes, nur unter Luftabschluß haltbares Pulver und besitzt die diesen Verbindungen eigene hohe Reaktionsfähigkeit. Von seinem Auftreten bei der FITTIG sehen Synthese war schon oben die Rede (S. 345). Lithiumphenyl, aus Brombenzol und Lithium in Äther darstellbar, ist wegen seiner Ätherlöslichkeit f ü r Synthesen sehr wichtig (WITTIG).
Benzylhalogenide
379
Benzolhomologe mit substituierten Seitenketten Bei Homologen des Benzols können Substituenten nicht nur in den Kern, sondern auch in die Seitenkette eintreten. Da man derartige Verbindungen als substituierte Methane betrachten kann, entspricht ihr den aliphatischen Verbindungen ähnelndes Verhalten der Erwartung. Sie interessieren jedoch nicht nur wegen ihrer Darstellung, die sich vielfach von den Gewinnungsmethoden kernsubstituierter Derivate charakteristi sch unterscheidet, sondern auch wegen ihrer gesteigerten Reaktionsfähigkeit. Wir haben es also hier mit einer Rückwirkung der Phenylgruppe zu tun, deren „negativer" Charakter schon früher hervorgehoben wurde. Als Beispiel wählen wir die Toluolderivate, da diese am besten studiert sind.
Verbindungen mit Halogen in der Seitenkette Wenn man Chlor oder Brom auf Toluol einwirken läßt, so hängt es ganz von den Versuchsbedingungen ab, ob das Halogen in den Kern oder in die Seitenkette tritt, und zwar läßt sich die Reaktion fast quantitativ in die eine oder die andere Richtung lenken. In Abwesenheit von Katalysatoren reagiert Toluol mit Chlor oder Brom im Dunkeln nur sehr langsam im Lauf von Tagen, wobei das Halogen hauptsächlich in den Kern tritt. Steigert man aber die Temperatur auf 100°, so erfolgt die Halogenierung rasch und nahezu quantitativ in der Seitenkette. Die Substitution in der Seitenkette wird also durch Temperatursteigerung viel stärker beschleunigt. Im gleichen Sinn beschleunigend wirkt auch Belichtung. Ein Gemisch von Toluol und Brom entfärbt sich im Sonnenlicht in wenigen Minuten, das Brom tritt quantitativ in die Seitenkette. Völlig anders spielt sich die Reaktion in Gegenwart von Katalysatoren ab. Bereits Spuren von Aluminiumbromid oder Eisenbromid (z. B. 0-002 Mol FeBr3 auf 1 Mol Br2) beschleunigen die Kernsubstitution in einem Maße, daß auch Temperatursteigerung und Belichtimg einen Angriff der Seitenkette nicht erzwingen können. Die photochemische Chlorierung der Seitenkette dee Toluols ist eine Kettenreaktion mit Chloratomen, die durch Einwirkung dee Lichte auf das Chlormolekül entstehen. Eine gleichartige Chlorierung läßt sioh auoh im Dunkeln mit Sulfurylohlorid bewerkstelligen, wenn man ein Peroxyd, z. B . Dibenzoylperoxyd, als radikallieferndee Agens zufügt.
Die Benzylhalogenide CgHj· CH,X sind leicht von den kernhalogenierten Toluolen zu unterscheiden. Ihr Halogenatom ist der doppelten Umsetzung nooh leichter zugänglich als das Halogenatom der Alkylhalogenide, während in den isomeren kernhalogenierten Toluolen das Halogen ebenso fest wie im Monohalogenbenzol gebunden ist. Sie bilden daher ein wichtiges Ausgangsmaterial für zahlreiche Umsetzungen. Die kernhalogenierten Toluole haben einen sohwachen, nicht unangenehmen Geruch, die Benzylhalogenide dagegen reizen die Schleimhäute der Augen heftig. Benzylchlorid ist eine farblose Flüssigkeit; es siedet bei 179·4°, erstarrt bei —39° und hat bei 15° das spezifische Gewicht 1· 104. Bei der weiteren, langsamer verlaufenden Einwirkung von Chlor auf siedendes Toluol bilden sich Benzylidenchlorid CeHg-CHClg (Siedepunkt 205°) und Phenyltrichlormethan (Benzotrichlorid) CgHj-CCl,, das bei —4-8° erstarrt und bei 220° siedet. Der Umwandlung von Benzylidenchlorid in Benzaldehyd wurde schon oben gedacht, ebenso des Ubergangs von Benzotrichlorid in Benzoesäure und Benzoylchlorid (S. 372 u. 373). Benzyljodld CjHj-CHjJ, aus Benzylchlorid und K J in Alkohol erhältlich, schmilzt bei 24°.
380
Isooyolische Verbindungen
Verbindungen mit einer Nitrogruppe in der Seitenkette Wie man es durch geeignete Wahl der Bedingungen in der Hand hat, Toluol vorzugsweise im Kern oder in der Seitenkette zu halogenieren, so ist auch eine bevorzugte Nitrierung in der Seitenkette möglich. Wie KONOWALOW gezeigt hat, erhält man nämlich beim Erhitzen von Toluol im Einschlußrohr mit v e r d ü n n t e r Salpetersäure (D:l-12) auf 100° Phenylnitromethan CgHg-CH^NOj. Seine Konstitution folgt daraus, daß es auch durch Einwirkung von Benzylchlorid oder -jodid auf Silbernitrit gewonnen wird: CJHJ-CHJCI + AgNOj = C e H s -CH,.N0 2 + AgCl.
Dies ist auch die beste Darstellungsmethode. Bei der Reduktion liefert es Benzylamin CjHg-CH^-NHj. Phenylnitromethan und seine im Kern substituierten Derivate zeigen wie die primären und sekundären aliphatischen Nitroverbindungen die Eigenschaft der Desmotropie (S. 67), existieren also in zwei Modifikationen, welche leicht ineinander übergehen. Phenylnitromethan war einer der ersten Fälle, an denen diese Erscheinung von HOLLE MAN und HANTZSCH näher studiert wurde. Das freie Phenylnitromethan ist eine gelbe Flüssigkeit; seine wäßrige Lösung gibt mit Eisenchlorid keine Farbreaktion. Stellt man jedoch mit Hilfe von Na-Alkoholat die Na-Verbindung dar und setzt das Phenylnitromethan aus seiner alkalischen Lösung durch die berechnete Menge Säure wieder in Freiheit, so scheidet sich eine gegen 84° schmelzende kristallisierte Substanz von der Zusammensetzling des Phenylnitromethans ab, deren wäßrige Lösung durch Eisenchlorid gefärbt wird. Nach wenigen Stunden wandeln sich diese Kristalle wieder in das gewöhnliche flüssige Phenylnitromethan um. Die kristallisierte instabile aciForm hat die Struktur C e H s ·CH=NO· OH; die Gegenwart einer Hydroxylgruppe folgt unter anderem daraus, daß sie schon bei niedriger Temperatur heftig mit Phenylisocyanat C e H B -N:CO reagiert, während gewöhnliche Nitroverbindungen dies nicht tun. Bei der Salzbildung geht Phenylnitromethan C6HB· CHJ-NO, also in eine tautomere Modifikation über. Die Rückverwandlung der aci-Form kann man sehr schön beim m-NitrophenylNO nitromethan verfolgen. Die freie Nitroverbindung ist nämlich hier farblos, während ihr Na-Salz intensiv gelbe Farbe hat. Setzt man der tiefgelben Lösung dieses Salzes eine äquivalente Menge Salzsäure zu, so verschwindet die Farbe nur langsam, da die Umwandlung der aci-Verbindung in die normale Form eine gewisse Zeit erfordert. Auch am Abfall des elektrischen Leitvermögens der Flüssigkeit unmittelbar nach dem Zusatz der Salzsäure kann man den Prozeß verfolgen. Denn die aci-Form ist eine echte Säure, die in wäßriger Lösung den elektrischen Strom leitet; die alsbald entstehende normale Modifikation zeigt dagegen keine sauren Eigenschaften, sie ist eine „Peeudosäure", und ihre Lösung besitzt deshalb kein Leitvermögen. Mitunter, z. B. beim - C,H,.C/
XOGH
Atropaeäure
/CHaCl
—>- CA-Cf-H
\ C 0
2
H
/CHj-OH
— ν CA-C^-H
\CO,H
TropasAure
1 Da diese Reaktion eine Gleichgewiohts-Reaktion ist, muß das entstandene D-Mandelsäurenitril schließlich vollkommen raoemisiert werden, sei es, daß Emulsin auoh den Antipoden etwas katalysiert oder daß eine nicht-enzymatische Reaktion gleichzeitig abläuft. Tateftohlich beobachtet man, daß die optische Aktivität ein Maximum durchläuft, wenn die Reaktion annähernd bis zum Gleichgewicht fortgeschritten ist.
382
Isocyolische Verbindungen
Aromatische Alkohole Als Typus dieser Verbindungen möge der Benzylalkohol C 6 H S · CHj- OH besprochen werden, der durohaus die Eigenschaften eines aliphatischen Alkohols zeigt. Man gewinnt ihn durch Einwirkung von Sodalösung auf Benzylchlorid oder aus Benzaldehyd und konzentrierter Kalilauge nach der CANNIZZABOsehen Reaktion (S. 375;. Aus Benzoesäure entsteht er glatt durch Reduktion mit LiAlH 4 in Äther. Mit PC15 reagiert Benzylalkohol leicht unter Rückbildung von Benzylchlorid; er bildet Äther, Ester usw. und läßt sich als primärer Alkohol leicht zu dem entsprechenden Aldehyd, Benzaldehyd, und weiter zu Benzoesäure oxydieren. Phenol-Eigenschaften zeigt der Benzylalkohol entsprechend der Stellung des Hydroxyls in der Seitenkette nicht; er ist in Alkalien unlöslich und gibt mit Eisenchlorid keine charakteristische Färbung. Durch konzentrierte Schwefelsäure wird Benzylalkohol verharzt. Vielleicht entstehen hierbei kettenförmige Polymere folgender Struktur: H O · C H j · C e H 4 · C R j · C e H 4 . . . CHü-CeH5. Benzylalkohol ist flüssig, in Wasser schwer löslich und siedet bei 205 · 5°. Ester des Benzylalkohols finden sich ζ. B. im Perubalsam und im Jasminblütenöl. /i-Pbenyl-äthylalkohol CJH5 · CH, · CH¡ · OH wird durch Reduktion von Phenylessigsäureäthylester mit Na und Alkohol dargestellt. Zur technischen Darstellung nutzt man die Anlagerung von Äthylenoxyd an Benzol aus, die unter dem Einfluß von Aluminiumchlorid erfolgt. Er ist eine farblose Flüssigkeit vom Siedepunkt 221° und besitzt einen schwachen Rosengeruch. Er hat die Eigenschaft, den Geruch von ätherischen ölen, die damit gemischt werden, zu verstärken und zu fixieren; daher findet er Anwendung in der Paifümerie. Der Ätherextrakt von Rosen besteht zu 60% aus Phenyläthylalkohol.
Verbindungen mit NHj in der Seitenkette Benzylamin CjHj-CHj-NHj ist der einfachste Vertreter eines Amins mit der NH 2 Gruppe in der Seitenkette. Man kann Benzylamin nach analogen Methoden wie Amine der Fettreihe darstellen, also durch Einwirkung von Ammoniak auf Benzylchlorid (wobei auch Di- und Tribenzylamin entstehen), durch Addition von Wasserstoff an Benzonitril C e H 6 -CN, durch Reduktion von Phenylnitromethan CgHg-CHg'NOj usw. Nioht nur in seinen Bildungsweisen, sondern auch in seinen Eigenschaften schließt es sich den primären Aminen der Fettreihe völlig an ; so reagiert es stark alkalisch (Ab = 2 4 χ lChs), liefert keine Diazoverbindung usw. Es ist eine Flüssigkeit von ammoniakalischem Geruch, die bei 185° siedet, mit Wasserdampf flüchtig ist, ein spezifisches Gewicht von 0-983 bei 19° besitzt und an der Luft Kohlensäure anzieht. Es ist also eine viel stärkere Base als Anilin, dessen ΝΞ^-Gruppe unter dem direkten Einfluß des aromatischen Kerns steht. Verbindungen mit einer ungesättigten Seitenkette Kohlenwasserstoffe, Alkohole und Aldehyde Styrol (Phenyläthylen) C a H s -CH=CH i , so genannt nach seinem Vorkommen im St ora χ (Styrax), dem Wundbalsam eines mit der Platane verwandten Baumes (Liquidambar orienlalis), kommt auch im Steinkohlenteer vor und kann durch trockene Destillation von Zimtsäure (S. 383) erhalten werden. In der Technik dient als Ausgangsmaterial Äthylbenzol, das aus Benzol und Äthylen mit AIC1S als Katalysator bei 90° gewonnen wird. Äthylbenzol wird alsdann bei etwa 026° im Wasserdampf-Strom über einem Katalysator aus Zinkoxyd und Ahumniumoxyd mit etwas Chromoxyd zu Styrol dehydriert. Styrol stellt eine flüssige, angenehm riechende Verbindung vom Siedepunkt 146° dar. Es besitzt das Additionsvermfigen der Stoffe mit doppelter Bindung. Beim Behandeln mit Salpetersäure entsteht eine Nitroverbindung, deren NOa- Gruppe sich in der Seitenkette befindet, das Nltrostyrol C e H s -CH=CH-NO,. Die Struktur dieser Verbindung ergibt sich daraus, daB eie auch durch Kondensation von Benzaldehyd mit Nitromethan entsteht: C,H B CHO + H.CH-NO, = C e H , C H = C H - N O , + H 2 0 .
383
Zimtsäure
Durch Erhitzen, aber auch schon langsam bei gewöhnlicher Temperatur, geht Styrol in das glasartige, in der Wärme formbare und elastische Polystyrol über. Polystyrol ist ein Gemisch von Polymeren der allgemeinen Formel: C6HS ¿Ha · CHj— ¿ H ·
C,H f I n—C=CHi
Es wird teohnisoh durch Wärmepolymerisation bei etwa 180° oder duroh Polymerisation in Emulsion mit Persulfat oder Wasserstoffperoxyd als Katalysator gewonnen. Polystyrol ist wegen seiner Billigkeit ein vielverwendeter Kunststoff; u. a. findet es wegen seines ausgezeichneten Isolationsvermögens in der Elektroindustrie Anwendung. Infolge seiner Löslichkeit in vielen Lösungsmitteln ist es auch für Lacke brauchbar. Ein sulfuriertes Polystyrol ist das Austauscherharz Dowex 50. Phenylacetylen CjHj-CisCH kann aus C e H 5 -CCl t -CH, (aus Acetophenon und PC15) durch Behandlung mit Kali oder aus P h e n y l p r o p i o l s ä u r e C e H,-CsC-COOH durch Erhitzen ihres Kupfersalzes mit Wasser gewonnen werden. Es siedet bei 143° und zeigt große Ähnlichkeit mit Acetylen; z. B. gibt es Metallverbindungen. Beim Auflösen in starker Schwefelsäure nimmt es 1 Molekül Wasser auf und geht in Acetophenon "iber. Zimtalkohol 0 , 5 ^ - 0 3 = C H - C H , - O H kristallisiert in Nadeln vom F:34° und findet sich als Zimtsäureester im Storax; er riecht nach Hyazinthen. Bei vorsichtiger Oxydation liefert er Zimtsäure, bei stärkerer Oxydation Benzoesäure. Zimtaldehyd C e H,¡-CH=CH-CHO, der Riechstoff des Zimts, bildet den Hauptbestandteil des Zimtöls und kann daraus als NaHSOj-Verbindung isoliert werden. Er stellt ein angenehm riechendes, bei 251° siedendes ö l dar, das in Berührung mit starken Säuren verharzt und mit Ammoniak analog wie Benzaldehyd reagiert. Er kann aus Benzaldehyd und Acetaldehyd durch Einwirkung von sehr verdünnter Natronlauge dargestellt werden: CeH¡¡-CHO + C H I C H O = C e H 6 C H = C H C H O + Η,Ο.
Ungesättigte Säuren Zimtsänre (Phenylacrylsäure) C e H 6 -CH=CH-C0 2 H ist der wichtigste Vertreter der ungesättigten aromatischen Säuren; sie findet sich im Peru· und Tolubalsam, die neben harzartigen Stoffen hauptsächlich die Ester von Zimtsäure und Benzoesäure mit Benzylalkohol enthalten. Synthetisch ist sie durch die P E R E I N sehe Reaktion zugänglich; man erhitzt Benzaldehyd mit £ssigsäureanhydrid und Natriumacetat als basischem Katalysator: CgH^CHO + (CH,· CO)äO — > - C e Hs·CH(OH)· CHg·CO·O·CO·CH, — ν CÀ'CH=CH-COgH + CH,-C02H.
Man kann zu dieser Reaktion auch substituierte Benzaldehyde sowie EssigsäureHomologe und Malonsäure verwenden und ist so imstande, eine große Anzahl einwertiger, ungesättigter aromatischer Säuren darzustellen. Nach der oben wiedergegebenen Gleichung besteht die PüBEiNsche Reaktion in einer Umsetzung zwischen dem Aldehyd und einem Säureanhydrid nach Art einer Áldol-Kondensation, während man früher mit I n n o meist annahm, daß das Säureanhydrid lediglich die Wasserabspaltung aus dem Aldehyd und Natriumacetat begünstigt. In den Säureanhydriden ist das α-Wasserstoffatom beweglicher als in den Estern. Zimtsäure kristallisiert in feinen Nadeln, die bei 134° schmelzen und in kaltem Wasser sehr schwer löslich sind. Sie zeigt ganz den Charakter der Stoffe mit doppelter Bindung, besitzt also Additionsvermögen und reduziert eine Lösung von Permanganat und Soda. Ihre Strukturformel l&Bt rwei Stereoisomere voraussehen: —C—H II Η—C—COgH trans-Form
und
CjHs—C—Η II HO t C—C—Η els-Form
384
Isocyclische Verbindungen
Außer der bei 134° schmelzenden Säure sind noch vier andere Zimtsäuren bekannt geworden, nämlich drei Isozimtsäuren (F: 32°, 42° und 58°) und eine Allozimtsäure (F: 68°), deren Deutung große Schwierigkeiten bereitet hat. Doch kann es heute namentlich nach den Untersuchungen von BULMAHN als ziemlich wahrscheinlich gelten, daß hier ein Fall yon Polymorphie vorliegt. Wenn nämlich irgendeine dieser Säuren geschmolzen und die Schmelze rasch abgekühlt wird, so kristallisiert die Isoeäure vom Schmelzpunkt 42°. Erhitzt man diese auf etwa 44° und impft die so erhaltene Schmelze mit der Isosäure vom Schmelzpunkt 58°, so erstarrt die Schmelze sofort und zeigt den Schmelzpunkt 58°. Wird die jetzt vorliegende Säure vom Schmelzpunkt 58° geschmolzen und auf 64° gebracht, dann mit Allosäure geimpft, so erstarrt sie zum drittenmal und ist jetzt in die Allosäure umgewandelt. Die Ursache dieser Polymorphie ist vielleicht darin zu suchen, daß sich duroh Drehung der CeH,- und COsH- Gruppen um die einfachen Bindungen verschiedene Konfigurationen („Rotationsisomere, Atropisomere") herstellen lassen, die im Kristallgitter stabilisiert sein könnten, aber durch so niedrige Potentialschwellen voneinander getrennt sind, daß sie in Schmelzen und Lösungen höchstens eine flüchtige Existenz haben können und rasch demselben Gleichgewicht zustreben müssen. Tatsächlich liegen Unterschiede der Schmelzen und Lösungen, wenn überhaupt vorhanden, an der Grenze der Nachweisbarkeit. Der gewöhnlichen stabilen Zimtsäure vom Schmelzpunkt 134° schreibt man die trans-Formel zu. Sie läßt sich durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht in Benzollösung teilweise in die niedrigschmelzenden cis-Säuren umlagern. Diese können auch durch vorsichtige Reduktion von Phenylpropiolsäure CgHg-C : C-COjH mit Wasserstoff und Palladium dargestellt werden.
Zwei- und mehrfach substituierte Benzolderivate Für die Einführung mehrerer Substituenten in den Benzolkern bedient man sich im allgemeinen der gleichen Methoden, die sich für die Monosubstitutionsprodukte als gangbar erwiesen haben. Um ein Halogennitrobenzol zu erhalten, wird man also ein Halogenbenzol nitrieren oder Nitrobenzol halogenieren usw. In der Praxis ist man aber in dieser Hinsicht großen Beschränkungen unterworfen. Denn bei derartigen Substitutiona-Reaktionen entstehen durchaus nicht alle möglichen Stellungsisomeren. Es existieren vielmehr ausgesprochene, namentlich von HOLLEMAH untersuchte Substitutions-Regelmäßigkeiten, deren Ursache man erst neuerdings besser versteht. Wie schon S. 339 erörtert wurde, wird nämlich der Ort eines neu eintretenden Substituenten durch den zuerst eingeführten bzw. bereits vorhandenen Substituenten bestimmt. Es gibt eine Klasse von Substituenten (Substituenten „1. Ordnung"), die den Substitutionsprozeß meist erleichtern und den neu eintretenden Substituenten, gleich welcher Art, ganz überwiegend in o- und p-Stellung dirigieren. m-Substitutionsprodukte entstehen in solchen Fällen sehr viel langsamer und daher stets nur in untergeordneter Menge. Zu dieser Klasse gehören Halogen, Alkyl, die Hydroxy-, Alkoxy- und die Aminogruppe. Die Substituenten 2. Ordnung dirigieren dagegen überwiegend in die m-Stellung und bewirken keine Erleichterung der Substitution. Die dieser Klasse angehörenden Substituenten sind meist ungesättigt; zu ihnen gehören die folgenden Gruppen: N0 2 , SOaH, C0 2 H, CHO, C02-Alk, CONH 2 , CN. Durch das Vorhandensein solcher Regelmäßigkeiten erklärt es sich, daß man für die Herstellung bestimmter Substitutionsprodukte häufig auf Umwege angewiesen ist, z. B. Einführung von Halogenen durch Nitrierung, Reduktion der Nitrogruppe zur Aminogruppe und schließlich Austausch derselben gegen Halogen durch die Diazoreaktion. Die einzelnen Substituenten in den Polysubstitutionsprodukten des Benzols zeigen im allgemeinen das gleiche chemische Verhalten wie in den Monosubstitutionsprodukten. Als neues Moment tritt jedoch hier vielfach eine gegenseitige Beeinflussung der Substituenten hinzu, die ähnlichen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, wie sie für die dirigierende Wirkung konstatiert wurden. Während das Halogen in den Halogenbenzolen sehr fest gebunden ist, wird seine Reaktionsfähigkeit durch Nitrogruppen in o- oder p-Stellung außerordentlich erhöht. Auch Nitro-, Hydroxyl- und Alkoxylgruppen am Benzolkern werden durch den Einfluß o- oder p-ständiger Nitrogruppen viel beweglicher. Dagegen haben Nitrogruppen in m-Stellung keinen Einfluß auf die Beweglichkeit des Halogens. Daß Hydroxyl- und Aminogruppen auch die Kernwasserstoffatome
Polyhalogenverbindungen
385
in o- und p-Stellung beweglicher machen, geht ζ. Β. aus der Leichtigkeit hervor, mit der Âldehyde in die o- und p-Stellung von Phenolen und Aminen unter KohlenstoffKondensation eintreten. Polyhalogenverbindungen Die Einführung von Chlor oder Brom in den aromatischen Kern unter dem Einfluß von Katalysatoren (Eisenchlorid oder Eisen) bleibt nicht bei der Bildung von Monosubstitutionsprodukten stehen. Zur Darstellung von Monochlorbenzol verwendet man aus diesem Grunde in der Technik nur 60% der berechneten Menge Chlor. Ein zweites Halogenatom tritt nach den oben erörterten Substitutions-Regelmäßigkeiten hauptsächlich in Para-Stellung zu dem bereits vorhandenen; daneben entstehen die Orthound die Meta-Verbindung, letztere in geringer Menge. m-Dihalogenverbindungen können aus m-Dinitrobenzol (S. 386) durch Reduktion und nachherige Diazotierung des entstandenen Diamins oder durch Halogenierung von Anilin und Entfernung der Aminogruppe aus dem o, p-Dihalogenanilin gewonnen werden. m-Dichlorbenzol wird in einfacher Weise direkt durch Chlorieren von siedendem m-Dinitrobenzol dargestellt. Die Para-Dihalogenverbindungen sind fest, die isomeren Ortho- und Meta-Verbindungen flüssig. Treten drei Halogenatome in den Kern, so bildet sich hauptsächlich die 1·2·4-Verbindung, das asymmetrische Trihalogenbenzol, denn dieses kann sich aus allen drei Dihalogenbenzolen bilden. Durch fortgesetztes Chlorieren von Benzol entsteht schließlich Hexachlorbenzol CgClg („Jttlins Chlorkohlenstoff''), das in farblosen Nadeln vom Schmelzpunkt 229° kristallisiert. Es ist sehr stabil und in den meisten Lösungsmitteln schwer löslich; man begegnet ihm oft bei kräftiger Chlorierung von Benzolderivaten, wobei dann vorhandene Substituenten durch Chlor verdrängt werden. Halogennitroverbindungen Die Halogenbenzole werden schwerer als Benzol selbst nitriert. Hierbei bilden eich fast ausschließlich die o- und die p-Verbindung, und zwar mehr p- als o-Derivat, Die Nitrierung von Chlorbenzol gibt ζ. B. bei 40° in runden Zahlen 61°/0 p- und 30% Cl o-Chlornitrobenzol C g H 4 -
CEH6-NH2 +
H J N - ^ ^ ^ N H , .
p-Phenylendlamin
Zur Darstellung dient aber ausschließlich die Reduktion von p-Nitroanilin. Auoh durch Erhitzen der Dichlorbenzole und Chloraniline mit wäßrigem Ammoniak auf 180—200° bei Anwesenheit von Kupfersulfat erhält man Diamine. Die mehrwertigen Aminobenzole sind meist kristallinisch und destillieren ohne Zersetzung. In warmem Wasser sind sie leioht löslich. o-Phenylendiamin zeigt F: 102°; Kp: 257°, m-Phenylendiamin F : 63°; Kp: 282°, p-Phenylendiamin F : 140°; Kp: 267°. Die Phenylendiamine sind schwache zweisäurige Basen, deren erste Dissoziationskonstante um so kleiner ist, je geringer der Abstand zwischen den Aminogruppen ist (ο: 1·86χ10~ 1 0 , m: 4-79 χΙΟ" 10 , ρ: 7-59χΙΟ" 9 bei 20°). Die ο-Verbindung ist wegen der räumlichen Nähe der beiden Aminogruppen sehr zu Ringschluß-Reaktionen geneigt. Sie reagiert leicht mit 1,2-Dioxo-Verbindungen, wodurch Chiixoxaline entstehen:
Chinox&lin Mit Phenanthrenchinon (S. 483) erhält man auf diese Weise schwer lösliche Chinoxalin-Derivate, die sich zur Abscheidung von o-Diaminen eignen. Auch bei der Dia· zotierung in schwach saurer Lösung erfolgt Ringschluß. Das entstehende Benztriazo] kann als' eine cyclische Diazoaminoverbindung betrachtet werden :
NH2 fif Vnnh, + HN0
2
—ν
(YN%N.
V\nh/ Beoztrl&zol
404
Isocyclische Verbindungen
Beim m- und p-Phenylendiamin läßt sich eine Aminogruppe leicht in die Diazogruppe verwandeln. Eine Diazotierung beider Aminogruppen kann in allen drei Diaminen erzwungen werden, wenn man in sehr stark saurer Lösung arbeitet. Die Diazogruppe des m-Phenylendiamins kuppelt leicht mit m-Phenylendiamin zu dem schwerlöslichen Bismarckbraun (S. 410) weiter, so daß mit dieser Reaktion schon Spuren von salpetriger Säure nachgewiesen werden können, o- und p-Phenylendiamin kuppeln im Gegensatz zur m-Verbindung nicht mit Diazoverbindungen, weil sie von diesen oxydiert werden. Überhaupt sind die mehrwertigen Amine wie die mehrwertigen Phenole leicht oxydierbar und färben sich an der Luft dunkel. Beständiger sind ihre Salze. Durch gemeinsame Oxydation von p-Phenylendiamin mit einem Monoamin entstehen die Indamine, Aminoderivate des Phenylchinondiimids : NHa +
BLNDSCHEDLER S
anilin erhalten:
NH, — >-
HN==N—NH, . Fhenylenblau Grün wird durch Oxydation von p-Aminodimethylanilin und Dimethyl-
(CH^N-^-NH, +^_N(CH,)2
—ν
(CHi)îN(Cl)=Q>=N-^^N(CHJ)l.
Analog entstehen aus Phenolen und p-Amino-phenolen oder p-Diaminen Indophenole:
α
Cl
HO—¿IV-NHs +
0 H
—>"
HO——N=H = 4, also im sauren Gebiet. Er beruht vermutlich auf Salzbildung an der nur schwach basischen Dimethylamino· grappe1, während die Dissoziation der stark sauren Sulfogruppe durch den Säurezusatz nicht berührt wird (s. a. S. 459). Metanilgelb, ein lichtechtes, in der Woll- und Papierfärberei viel verwendetes Gelb, entsteht aus diazotierter Metanilsäure (m- Amino-benzolsulfonsäure) und Diphenylamin
C
HOaS^
Während Phenol für Hydroxyazofarbstoffe nur wenig verwendet wird, leiten sich vom /9-Naphthol (S. 470) wichtige Kombinationen ab; mit Diazobenzolsulfonsäure entsteht Orange Π: N=N——SO3H —OH
Als Beispiel eines Disazofarbstoffs sei der Walkscharlach G genannt, der aus mTolidin durch Diazotieren und Kuppeln mit Naphthol-(2)-sulfonsäure-(6) (SOHÄTFERSäure) erhältlich ist: OH
H3C CH S
OH
HO;
Ein weiterer Vertreter ist das Naphtholblauschwarz, das gewonnen wird, wenn 8-Amino-naphthol-(l)-disulfonsäure-(3,6) („H-Säure") mit diazotiertem p-Nitroanilin und mit Anilin gekuppelt wird: 1
Nach anderer Ansicht besteht ein prototropee Gleichgewicht zwischen N = N — < ^ ^ - N H ( C H , ) , und
Vgl. z. B. YBH, JATFÉ, J . Amer. Chem. Soe. 81, 3283 (1959).
Azofarbstoffe Η,Ν
N
N
411
OH
N
° » - < I > - = J J v N = N · c«Hs. HO,S
/ V / N / X
SOSH
Die hier aufgeführten sauren Azofarbstoffe dienen zum Färben von Wolle aus saurem Bade. Für die Baumwollfärberei sind sie dagegen vielfach unbrauchbar. Welchen strukturellen Forderungen ein Azofarbstoff genügen muß, um „direkt" auf Baumwolle zu ziehen, läßt sich nicht in Form allgemeingültiger Regeln aussprechen. Doch hat eine ausgedehnte Erfahrung gelehrt, daß die Abkömmlinge des (in 2· 2'-Stellung unsubstituierten!) Benzidine, ζ. Β. Kongorot (S. 471) oder Direkt-Tiefschwarz E extra HJN
OH
Η!Ν-θΝ=Ν--Ν=Ν-7)Α \NH2
= /
H0,S/Vx^\S03H
und Derivate der 6-Amino-naphthol-(l)-sulfonsäure-(3) („I-Säure") wie Siriusblan 6G, OH
O-CjHJ
SO,Η
x x / 4^ / n=N——N=Ν——Ν=Ν—
0 - n h _ Ì J M
Q
X s
O X
/
so7H
SO,H
fast ausnahmslos substantiv sind. Offenbar begünstigt ihr langgestreckter Bau die Festigkeit der adsorptiven Bindung. Beizenziehende Azofarbstoffe müssen über die zur Metallkomplexbildung nötigen Gruppen verfügen. In diese Klasse gehören vor allem o-Hydroxyazofarbstoffe und von der Salicylsäure abgeleitete Azofarbstoffe (vgl. S. 415). Unter den o-Hydroxyazofarbstoffen ist Diamantschwarz PY OH HO,SX -N=N\)H
ein Beispiel für einen an und für sich roten Farbstoff, der beim Nachchromieren schwarz wird. Die Änderung des Farbtons ist namentlich bei Wollfarbstoffen eine häufige Erscheinung. Als Repräsentanten eines gelben Beizenfarbstoffs, dessen Nuance beim Chromieren nur unwesentlich verändert wird, nennen wir das Chromechtgelb HD (Chromocitronin) ΟΛ π S 0
*
H
-CO.H
Ν——ΟΗ SO3H
XCOsH
einen Abkömmling der Salicylsäure (S. 414), der im Gemisch mit Chrom(III)-acetat zum Bedrucken von Baumwolle verwendet wird. Von unlöslichen Azofarbstoffen, die auf der Faser entwickelt werden müssen, sei p-Nitranilinrot (Pararot) genannt. Es wird durch Einwirkung von diazotiertem p-Nitranilin auf die mit 0-Naphtholnatrium getränkte Faser erhalten:
412
Isooyelieohe Verbindungen
Es spielte in der Baumwollfärberei eine große Rolle. Einen bedeutenden Fortschritt ihm gegenüber bilden die Naphthol-AS-Farbstoffe. Bei ihnen ist /3-Naphthol als Kupplungskomponente durch die bedeutend stärker substantiven Anilide der 2-Hydroxynaphthoesäure-(3) ersetzt. Diese ziehen ohne Beize sehr leicht auf die Faser auf und liefern in diesem Zustand mit Diazoverbindungen überaus echte Farbstoffe. Als Beispiel sei der rote Farbstoff gebracht, der durch Kupplung von Hydroxynaphthoeeäure-[5cHor-2,4-dimethoxyamlid] mit der Echtrotbase ITR (4-Methoxy-3-amino-benzolsulfonsäurediäthylamid) entsteht:
CHj-iKE r übertrifft an Schönheit und Einfachheit des Färbeverfahrens bei weitem das Alizarin. Derartige Farbstoffe haben daher das Türkischrot größtenteils verdrängt. Blaue Naphthol-AS-Farbstoffe entstehen, wenn man als Diazokomponente Derivate des p-Amino-diphenylamins verwendet, z. B. die Yariaminblaa-Base Β
oder p-Amino-diphenylamin (Variaminblau-Base RT) Η , Ν - Ο - ν η - Ο . Diese sehr echten Farbstoffe sind als blaue Monoazofarbstoffe besonders bemerkenswert. Anschließend sei erwähnt, daß unlösliche, sulfogruppenfreie Azofarbstoffe auch in Substanz, als Pigmentfarbstoffe, eine bedeutende Rolle spielen. Besondere Probleme stellt auch die Färberei der Acetatseide, wo sulfogruppenhaltige Farbstoffe vielfach unbrauchbar sind. Als Beispiel für die Wege, die man einschlägt, um trotzdem eine ausreichende Löslichkeit oder Dispergierbarkeit im Färbebad zu erzielen, sei der CellitonStzscharlach mit eingeführter Hydroxyäthyl-Gruppe genannt:
Weitere Beispiele für wichtige Azofarbstoffe s. unter Salicylsäure (S. 415), Stilben (S. 466) und Pyrazolon (S. 534). Ein Beispiel für eine interessante Abart in der Verwendung von Entwicklungefarbstoffen stellen die Diazotypie-Papiere dar. Viele Diazoverbindungen werden durch Belichtung zerstört. Belichtet man also ein mit Diazoverbindung imprägniertes Papier unter einem ^Negativ, so werden bei anschließender Entwicklung mit der Lösung eines Phenols nur die unbelichteten Stellen unter Kupplung gefärbt. Als lichtempfindliche Diazoverbindung verwendet man ζ. B. diazotiertes p-Amino-dimethvlanilin oder p-Amino-diphenylamin, als Entwickler Phloroglucin oder Resorcin (Erzeugung schwarzer bzw. brauner Töne). Häufiger imprägniert man das Papier gleichzeitig mit einem Phenol und einer in saurer Lösung nichtkuppelnden Diazoverbindung,
Substituierte Benzoesäuren
413
ζ. Β. l-Diazo-naphthol-(2)-sulfonsäure-(4). Die Kupplung vollzieht eich dann durch einfaches Einbringen in eine alkalische Lösung oder eine feuchte ΝΗ,-haltige Atmosphäre. Da man durch Verwendung geeigneter Komponenten natürlich auch farbige Kopien erhalten kann, macht man von diesem Verfahren auch in der Farbenphotographie Gebrauch.
Substituierte Benzoesäuren Aus Benzoesäure erhält man durch direkte Chlorierung unter Anwendung von FeClj als Katalysator ein komplexes Gemisch von Säuren, unter denen m-Chlorbenzoeeäure das einzige Monosubstitutionsprodukt ist. Sie kann auch aus der entsprechenden Aminoverbindung durch Diazotieren gewonnen werden, ein Weg, der für die Darstellung der Halogenbenzoesäuren sehr zu empfehlen ist. p-Chlor- und p-Brombenzoesäure werden meist durch Oxydation des entsprechenden halogenierten Toluols gewonnen. Wie zu erwarten ist, werden die sauren Eigenschaften der Benzoesäure durch Einführung von Halogen, und zwar am stärksten in o-Stellung, gesteigert. Die Dissoziationskonstante k ist für Benzoesäure 6 Xlö~ 5 , für o-Chlorbenzoesäure 1 · 3 χ10~ 3 , m-Chlorbenzoesäure Ι - β χ Ι Ο - 4 , p-Chlorbenzoesäure 9 - 3 X 1 0 - 6 . Beim Nitrieren von Benzoesäure entsteht hauptsächlich m-Nitrobenzoesäure, daneben rund 20°/ e Ortho- und sehr wenig Parasäure. o- und p-Nitro-benzoesäure werden am besten durch Oxydation von o- bzw. p-Nitro-toluol erhalten; die o-Säure ist durch intensiv süßen Geschmack charakterisiert. Auch hier wird durch den Eintritt der Nitrogruppe in o-Stellung der Wert der Dissoziationskonstante am stärksten erhöht. An in- und p-substituierten Benzoesäuren, Anilinen usw. hat H A M M E T T 1 9 3 7 eine bemerkenswerte Beziehung nachgewiesen, wonach die Gleichgewichtskonstanten Κ einer substituierten und K a der entsprechenden nichteubstituierten Verbindung für eine Reaktion in der Seitenkette die Form
,
l o s
Κ K -
t
= e °
zeigen, wo sowohl ρ wie a Konstanten sind und a als log K.' —, für die entsprechenden Dissoziationskonstanten der Benzoesäuren definiert ist. Trägt man daher für eine Reihe von Substituenten a als Abszisse auf, so liegen die Gleichgewichte- oder Geschwindigkeitskonstanten einer Reaktion derart substituierter Verbindungen für jeden Reaktionstypus auf einer Geraden, deren Neigung das ρ dieser Reaktion ist. In Fig. 98 entspricht Gerade 1 der Acidität von AniliumIonen, 2 der Dissoziationskonstante von Fhenylboronsäuren R'B(OH),, 3 der Solvolyse von Benzoylchloriden durch Methanol, 4 der Bromierung von Acetophenonen in der Seitenkette. Der chemische Sinn dieser an substituierten Benzolen oft verifizierten Beziehung ist darin zu sehen, daß offenbar bestimmte Substituenten das Reaktionszentrum durch Elektronenzug usw. stets in gleicher Weise beeinflussen, so daß a geradezu ein Maß für den induktiven oder meeomeren Effekt ist. Die Konstanz der ρ besagt andererseits, daß für analoge Reaktionen am gleichen Zentrum die Energie des gleichen Zwischenzustands maßgeblich ist, sofern Entropieeffekte zu vernachlässigen sind. Aus dem letzteren Grunde ist die HAMiiXTTsche Beziehung auf aliphatische Verbindungen im allgemeinen nicht anwendbar. on Das oyolische Imid der o-Sulfobenzoesäure CeH4NH SO,
N
III
C„H4
NH.
\ P
Von anderen Süßstoffen, die teilweise auch praktische Verwendung finden, seien erwähnt: 4-Äthoxy-phenyIharnetoff (Dnlcin) C ^ O C.Hj NH CO N H j (200), 4-Nitro-2-amino-l-propyloxy-benzol 0 , N · C e H,(NHj) · O · CHI · C,H 6 (4000), 4 - Cyan - 2 - amino - 1 - propyloxy - benzol NC· C,H,(NH 2 ) · O · CHj· C j H j (2500) und N-[4-Nitro-phenyl] -N'-[/S-carboxy-äthyl] -harnetott OjN· C e H 4 · NH· CO · N H · CH a · CHj· CO,H (350). Die in Klammern beigefügten Zahlen geben die Süßkraft im Vergleich zu Rohrzucker an.
Aromatische Hydroxycarbonsäuren (Phenolcarbonsäuren) Die wichtigste der aromatischen Hydroxysäuren ist die unter dem Namen Salicylsänre OH 2 bekannte o-Hydroxybenzoesäure C 8 H 4 0 ·
Phthalsäureanhydrid
Phthalsäure, von der große Mengen für die Fabrikation von Phthalsäureestern, Anthraohinon, Benzoesäure und Kunstharzen 1 verbraucht werden, wurde früher nach dem Verfahren von SAPPER (Bad. Anilin- u. Sodafabrik) gewonnen. Dabei wird Naphthalin mit rauchender Schwefelsäure und etwas Quecksilbersulfat erhitzt; das entweichende S0 2 wird in einer angeschlossenen Schwefelsäurefabrik zu Schwefelsäure regeneriert. Das Verfahren wurde durch einen Zufall entdeckt, indem bei einem Versuch das Thermometer zerbrach. Jetzt oxydiert man das Naphthalin katalytisch in der Gasphase nach einem von W O H L in Deutschland und GIBBS in Amerika ausgearbeiteten Verfahren, indem man es unter sorgfältiger Temperaturkontrolle mit Luft bei ca. 400° über einen Katalysator aus Vanadiumpentoxyd und Kaliumgulfat auf Kieselgur leitet. In beiden Fällen entsteht das Anhydrid der Phthalsäure. Bei dem stark steigenden Bedarf an Phthalsäure wird neuerdings in Amerika auch o-Xylol aus Petroleum als Ausgangsmaterial benutzt. Phthalylchlorld entsteht durch Einwirkung von PCI, auf Phthalsäure. Es existiert in zwei .COCI /CCI, isomeren Formen: I CtH« 0 , von denen I I durch Erwärmen von I M30C1 \CO mit AlClj entsteht. II wandelt sich leicht wieder in I um. I schmilzt bei 16°, II bei 89°. Chemisch unterscheiden sie sich unter anderem darin, daß I viel rascher mit Ammoniak und Anilin reagiert als I I ; jedoch ist es bemerkenswert, daß hierbei und bei mehreren anderen Reaktionen aus beiden Isomeren dieselben Verbindungen entstehen. So bildet sich z. B. durch Einwirkung von Ammoniak Cyanbenzoesäure : Cl /COCI + N H j /C^-NHj /C=NH /CN x QA( — ν C,H 4 < O H — 2 HCl — ν C . H / > 0 —>- C t H 4 < \C0C1 X!0C1 X!0 \C00H Beim Isochlorid I I hat man anzunehmen, daß die Gruppe CC12 sofort die Gruppe C = NH liefert. Es läßt sich daher auf rein chemischem Wege nicht ohne weiteres entscheiden, wie die beiden Formeln auf die Isomeren verteilt werden müssen. Doch folgt aus den physikalischen Eigenschaften (Refraktion, Absorption, Dipolmoment), daß das direkt aus PC1S und Phthalsäure erhaltene Produkt die Formel I hat. CO Das Imid der Phthalsäure, Phthalimid ϋ β Η 4 < ^ ) Ν Η , hat duroh die Untersuchungen von G A B R I E L für die Synthese primärer Amine Bedeutung erlangt. Man gewinnt es durch Einleiten von trocknem Ammoniak in geschmolzenes Phthalsäureanhydrid. Sein Imidwasserstoff ist durch Metall ersetzbar, ζ. B. entsteht mit K O H in alkoholischer Lösung Phthalimidkalium. Läßt man darauf Alkylhalogenid einwirken, so wird das Metall duroh Alkyl ersetzt; aus dem Reaktionsprodukt spalten Säuren 1 Durch Kondensation von Phthalsäure (oder Phthalsäure und ungesättigten Fettsäuren) mit Glycerin und anderen Polyalkoholen entstehen Harze vom Typus des Glyptais (Alkydharze), die eine große Bedeutung für die Lackindustrie besitzen. Große Verbreitung haben Polyester aus Glykolen, Phthalsäure und Maleinsäure erlangt, die durch nachträgliche Vernetzung mit Styrol oder Diallylphthalat verstärkt sind. 27*
Ieocyclische Verbindungen
420
oder Alkalien beim Erhitzen primäres Amin ab, das frei von sekundärem oder tertiärem Amin ist: C e H 4 < Q Q > N K + CjHjBr — > - 0 Α < ^ > Ν · 0 , Η , — > Phthalimldkallum N-Äthyl-phthallmld
c
A ®5 ü ^ > e r · ' k durch Waeseraufnahme in Pyromellitsäure C 6 HJ(C0 2 H) 4 verwandelt. Beim Erhitzen mit Kalk gibt Mellitsäure Benzol.
Anthranilsäure Von den Aminobenzoesäuren besitzt die Ortho-Verbindung, die Anthranilsäure, die größte Bedeutung; man hat sie zuerst durch Oxydation von Indigo gewonnen. Sie zeigt die Eigenschaften, die man von einer Aminocarbonsäure erwarten muß, liegt aber wegen der Schwäche der aromatischen NH2-Gruppe nur zum geringen Teil als Zwitterion vor. Anthranilsäure besitzt süßen Geschmack und wirkt schwach antiseptisch. Man kann sie nach der Methode von HOOGEWERFF und VAN D O B P aus Phthalimid durch Behandeln mit Natriumhypochlorit darstellen ; hierbei entsteht zunächst das phthalamidsaure Salz, das nach dem Schema des HoFMANNschen Abbaus in Anthranilsäure übergeht : 1 WÖHLER, Lieb. Ann. 87, 264 (1841), schrieb Mellithsäure (von griech. μέλι = Honig und λίθο; = Stein). Die heutige Schreibweise lehnt sich an die herkömmliche Schreibweise des Mellite an, die anscheinend aus dem Französischen stammt (vgl. VATJQUELIN, Ann. de Chimie 86 [1801], 203).
Anthranilsäure
H
Uoo^ Phthalimid
'vkco-OK
421
^
K-Salz der Phthalamlds&ure
^/ x COJH" Anthranlls&ure
Durch intramolekulare Oxydoreduktion entsteht sie auch aus o-Nitro-toluol beim Kochen der alkalischen Lösung. Anthranilsäure schmilzt bei 145° und kann ohne Zersetzung sublimiert werden; sie ist in Wasser und Alkohol leicht löslich. Sie wurde früher f ü r die technische Synthese von Indigo nach der erstgenannten Methode dargestellt, auch f ü r Azo- und Anthrachinonfarbstoffe findet sie Verwendung. Anthranilsäure wird als Vorstufe des Tryptophans (S. 548) im Stoffwechsel der Mikroorganismen angesehen. Sie entsteht vielleicht aus Dehydroshikimisäure (S. 416). Der Methyleeter der Anthranilsäure hat einen intensiven Blumengeruch und ist auch in den ätherischen ölen mancher Blumen, ζ. B. im Jasminblütenöl, nachgewiesen worden. p-Amino-benzoeeäure, durch Oxydation von N-Acetyl-p-toluidin erhältlich, verdankt ihre (durch Sulfonamide aufgehobene) Wuchsstoffwirksamkeit gegenüber Bakterien („Vitamin H'") der Tatsache, daß sie einen Baustein der Folsäure (S. 664) bildet. Das salzsaure Salz des /?-Diäthylaminoäthylesters der p-Amino-benzoeeäure H a N · C,H4 · CO · O · CH, · CHj · N(C,Hs)a ist das als Cocain-Ersatz wichtige Lokalanästhetikum Novocain (EINHORN 1905). 4-Amino-2-hydroxy-benzoeeäure (sog. p-Amino-salicylsäure), aus m-Amino-phenol und COt darstellbar, ebenfalls ein Antagonist der p-Amino-benzoesäure, wird wegen ihrer wachetumshemmenden Wirkung auf Tuberkelbazillen klinisoh verwandt.
Substituierte Aldehyde m-Nitro-benzaldehyd entsteht als Hauptprodukt bei der Nitrierung von Benzaldehyd; der als Nebenprodukt erhaltene o-Nitro-benzaldehyd kann besser durch Oxydation von o-Nitro-toluol mit Chromsäure und Essigsäureanhydrid in EisessigSchwefelsäure und Verseifung des erhaltenen Aldehyd-diacetats dargestellt werden. o-Nitro-benzaldehyd unterliegt im Sonnenlicht einer raschen Umlagerung in o-Nitroso-benzoesäure: ^ ^ c
eHi-
c
eH4-CH
Í
.CH das man vielfach in Insekten nachgewiesen hat. E s kommt auch i m Pflanzenreich, z. B. in der Saubohne (Vicia faba) und der Samtbohne vor. Tyrosinase findet sich in der H a u t der Säugetiere, bei Albinos fehlt sie. Dihydroxyphenylalanin ist auch als Muttersubstanz des Adrenalins (S. 425) von Wichtigkeit. Für die Melanin-Bildung aus Tyrosin nimmt man heute etwa folgenden (schematisierten) Verlauf a n : HO
O-
V/v
-CH2 Λ.
HO
7 / CH-C02H NH,
HO
o X / V
W
O / \ / Z N H
Jn Ein wichtiges Derivat des Tyrosine ist das von KENDAixentdeckte Thyroxln(TetrajodthjTonIn), das in der Schilddrüse in peptidartiger Bindung im Thyreoglobulin vorkommt und als „Hormon" (S.491) für die Regulierimg des Stoffwechsels von großer Bedeutung ist. Vielleicht kommt ihm eine Rolle bei den enzymatiechen Vorgängen der Atemkettenphosphorylierung zu (MABTTCTS). Thyroxin besitzt nach BABGER und HABINGTOK die Formel 1
WEISS, GILVABG, MINGIOLI, DAVIS, S c i e n c e 1 1 9 , 7 7 4 (1954).
Isocyclisehe Verbindungen
424
Η
Τ
Γ
™
'
Daa noch wirksamere Trijodthyronin kommt ebenfalls in der Schilddrüse vor wird neuerdings auch therapeutisch verwendet.
(GBOSS, R O C H E ) . E S
o-Hydroxy-zimtsäure existiert als Zimtsäure-Derivat in zwei stereoisomeren Formen, die leicht ineinander übergehen können: /H
.CO,H
OC v
(Y Á v
M)H
Cumarinsäure
M)H
Cumarsäure
Die Cumarinsäure selbst kennt man nicht in freiem Zustand, sondern nur in Form ihrer Salze; wird sie aus diesen freigemacht, so verliert sie sofort Wasser und geht in das Lacton Cumarin, den Riechstoff des Waldmeisters (Asperula odorata), über. Cumarsäure hingegen vermag kein eigenes Anhydrid zu bilden. Cumarin kann man nach P E R K I N S Synthese (S. 383) aus Salicylaldehyd, Natriumacetat und Essigsäureanhydrid darstellen, wobei zunächst Acetylcumarsäure entsteht, die beim Erhitzen Essigsäure abspaltet und in Cumarin übergeht:
\O.CO.CH3
Ά
o
>
Cumarin
Zur technischen Darstellung von Cumarin verwandelt man nach RASCHIO o-Kreaol zunächst mit Phosgen, u m die OH-Gruppe zu schützen, in Di-o-tolyl-carbonat. Das durch Chlorierung erhaltene Zwischenprodukt liefert beim Verseifen mit alkohol. Natronlauge Salicylaldehyd, der der PaKKiNschen Synthese unterworfen wird : ^
/CHj
r
( Y
/CHj-I f j
Γ
/CHCljl
C O ^ f T
Λ
CO
.OHO
v f r
>- Camarín •OH
Cumarin-Derivate, bei denen der Benzolkern durch Hydroxy- und Alkoxy-Gruppen substituiert oder mit einem Furanring kondensiert ist, sind in der Natur, wie namentlich Untersuchungen von SPÄTH gezeigt haben, sehr verbreitet.
Als doppelt ungesättigte Säure möge hier noch die Piperinsäure (I) erwähnt werden. Sie ist ein Spaltungsprodukt des Pfefferstoffs Piperin (S. 518).
1
JT
1
O—CH-COjH + CO, . C0,H C^>C Trimethylbernsteina&iire
Ieobuttersäure
Die aus (-(-)-Campher erhaltene Camphersäure ist rechtsdrehend und schmilzt bei 187°. Die Strukturformel der Camphersäure läßt zwei (schräg gedruckte) ungleichartige asymmetrische C-Atome erkennen. Dementsprechend kennt man außer ( + ) - und (—)Camphersäure noch zwei diastereoisomere optisch-aktive Säuren, (+)- und ( —)-Isocamphersäure. Von den zahlreichen weiteren Umsetzungen des Camphers seien nur noch zwei Reaktionen angeführt, bei denen die (CHg^C-Brücke gesprengt wird und die mit der angegebenen Campherformel im Einklang stehen. Beim Erhitzen von Campher mit Jod entsteht C a r v a c r o l (S. 438), beim Erhitzen mit Phosphorpentoxyd p-Cymol (S. 347), das auf diese Weise dargestellt werden kann. Eine vollständige Synthese des Camphers ist zuerst von COJCjHS
CHi—CO,-CH,
oc-
+ CH,-¿-CH, COJ-CjHJ
KOMPPA
-CH—CO,-CH,
J
CHjJ ,
CHj-C-CHj
¿H,—CO,-CH,
angegeben worden :
OC
-CH—CO,-CH,
Dtoxoapocampheraäuredimethylester
CH, OC-
-CO, CH, CH.-C-CH.
OC
jH
NaAmateam
CH, C
CH—CO,Η
Dihydroxycamphers&ure
CH, HjC-
COjH HBr ,
CH^CH, HC = = = ¿
CH,.(i.CHs HO · CH
CO,-CH,
Dloxocamphers&uredimethyleeter
H,C-
CH, C CO,Η
HOCH
CO,H
Dehydrocamphers&ure
-CO,Η
CH,'C-CH, J. BrHC
CH
Bromcamphers&ure
COjH
Reduktion, Einwirkung von Acetylchlorld
Isocyclische Verbindungen
446 CH,
-C
HJC-
CH,· A-CH,
-h
HjC
CH, C
HJC
-CO
>0
/ -co
CH, -C
HBr
-CHJ Campholld CH,
CO,H
H,C-
COJH
..A,
HjC
\
HjC
Camphersâureanhydrld
HjC
CO
I
NI + H.
GHt-0-GH, -CHGBR
in-
Campher
Η—CH 2 -C0,H
,c
Bromcampholaáure
Dest. des Ca-Salzes
Homocamphers&ure
Campher dient unter anderem zar Darstellung yon Celluloid; dieses bestellt aus einer festen Lösung von Nitrocellulose und Campher, die ausgezeichnete plastische Eigenschaften hat. Man hat aus diesem Grunde auch technisch brauchbare C a m p h e r - S y n t h e s e n ausgearbeitet. a-Pinen wird durch Erhitzen in flüssiger Phase mit Katalysatoren wie Titansäure oder Wolframsäure in ausgezeichneter Ausbeute in Camphen umgelagert. Hieraua wird in bekannter Weise Isobornylacetat dargestellt. Das daraus gewonnene Isoborneol wird über einem Dehydrierungskatalysator zu Campher dehydriert.
Polyterpene Außer den monocyclischen und bicyclischen Terpenen CJQHJ, kennt man noch höher molekulare Verbindungen von verwandtem Charakter, so die Sesquiterpene C^H^, die Diterpene C^H^, kurzum Kohlenwasserstoffe, die der allgemeinen Formel (CsH8)n entsprechen und somit als Polymerisationsprodukte des Isoprens CBH8 bzw. des Isopentenylpyrophosphats (S. 148,494) aufgefaßt werden können. Auch Polyterpene und ihre Derivate sind in der Natur außerordentlich verbreitet. Von den zahlreichen Sesquiterpen-Verbindungen seien hier wenigstens einige kurz erwähnt, weil bei der Aufklärung ihrer Struktur eine Methode benutzt worden ist, die für hydroaromatische Verbindungen mit mehreren Ringen allgemeine Bedeutung erlangt hat (RUZICKA, DIELS). Viele ätherische öle enthalten den Kohlenwasserstoff Cadinen C^H^, der sich auch in den Destillationsprodukten des Holzes von Juniperus· Arten („Cadeöl") findet. Er bildet ein bei 275° siedendes linksdrehendes ö l und enthält zwei Doppelbindungen (Addition von 2 Mol HCl). Durch Erhitzen mit Schwefel auf 180—250° wird Cadinen unter Schwefelwasserstoff-Entwicklung glatt zu Cadalin CieH18 dehydriert: CH,
CH,
I CH 7 '
HC
J. CH
Hj C ( 0 H ) · HA C H
a V®» V », „o^CH,^™
CH
¿H
+
2 S
^
I Γ
C H , > C H -
Budesmo]
ÏI + 2H î S + HsO + CH4.
% / V
A H ,
\ C H /
·
I ¡Í
(¡Ha
Eudalin
vorkommt (F: 80°), ist von RUZICKA mit Schwefel dehydriert worden. Hierbei entsteht der Naphthalin-Kohlenwasserstoff Eudalin G 14 H ie , der 1 C-Atom weniger als Eudesmol enthält. Die durch Abbau bestätigte Formel des Eudesmols läßt dies verständlich erscheinen. Die quartär gebundene Methylgruppe hat in dem aromatischen Bdngsystem keinen Platz mehr und wird deshalb als Methan abgespalten. Eine ganze Reihe von Sesquiterpenen fällt dadurch auf, daß sie sich durch Dehydrierung in blaue Kohlenwasserstoffe überführen lassen. Sie haben sich als hydrierte Abkömmlinge des Azulens erwiesen. Dieser mit dem Naphthalin isomere und auf Grund seiner eigenartigen Struktur halbaromatische Kohlenwasserstoff, dem wir schon unter den Produkten der Polymerisation des Acetylens begegnet sind, entsteht in beträchtlicher Ausbeute durch Dehydrierung von Cyclodecan über Palladium bei 330° (PRELOG). Am besten wird er aus dem Glutacondialdehyd-Derivat Methylanilinopentadienal (aus Pyridin, S. 516) und Cyclopentadien synthetisch gewonnen : /CH=CHV
H (
/
\
\OH
C H
_
C H
/ - °
H
«fCH\
\
+
H2c
\ ρττ/
//
H
^
/?
HCG
H =
?
H
WF I
H
\
2 CH
V;H—CH^
Azulen
Die Konstitutionsaufklärung des Azulens verdankt man PLATTNER und P F A U . Wie wir auf S. 327 gesehen haben, ist der aromatische Siebenring ein Kation, der aromatische Fünfring ein Anion. Im Azulen zeigt sich eine gewisse Ladungsverschiebung vom Siebenring zum Fünfring im Auftreten eines schwachen Dipolmoments von ca. 1 Debye. Azulene können in 1- und 3-Stellung nitriert, alkyliert und acyliert werden. Sie zeigen deutlich basische Eigenschaften, indem sie sich in konz. Säuren mit gelber Farbe lösen (wobei das Proton in 1 addiert wird) und geben schwarze kristallisierte Pikrate. 1.4Dimethyl-7-isopropyl-azulen (Guajazulen) entsteht durch S-Dehydrierung des Sesquiterpenalkohols Guajol. Kamillen- und Scharfgarbenöl enthalten Chamazulen C 14 H ie , ein rein blaues Öl (Kp12:161°), das sich als 1.4-Dimethyl-7-äthyl-azulen erwiesen hat. Die Vielfältigkeit der Sesquiterpen-Strukturen sei schließlich noch am Beispiel des Caryophyllens und Longifolens illustriert. Cary ophyllen (I auf S. 448), eines der am längsten bekannten und eingehend untersuchten Sesquiterpene, ist weitverbreitet und bildet den Hauptbestandteil des Nelkenöls (von Eugenia caryophyllata). Seine Neigung zu Umlagerungen und Cyclisierungen hat seine Strukturaufklärung erst in neuer Zeit erlaubt. Es enthält einen Vierring und einen Neunring in trans-Verknüpfung. Die Ringdoppelbindung hat trans-Konfiguration. Über sein blaues Nitrosochlorid hinweg läßt sich Caryophyllen in den Kohlenwasserstoff mit cis-Doppelbindung, das Isocaryophyllen, umwandeln. Caryophyllen zeigt Kp 10 :123—125°; ηϊ>0:1,4988 und [«] D :—9°. Interessanterweise ist Caryophyllen im Nelkenöl von einem monocyclischen Kohlenwasserstoff analoger Struktur begleitet, dem im Hopfenöl in reichlicherer Menge vorkommen-
Isooyclische Verbindungen
448
den Humillen. Es besitzt wahrscheinlich die Konstitution eines 1.1.4.8-Tetramethylcycloundecatriens-(3.7.10) (II). H / C H a \ /CHj
_ c
«
H
,ΙΛ
_
'
Phthaleine, die statt der Lactongruppierong —CO·O— eine Sultongrnppe —SOj'O— enthalten, sind die gleichfalls als Indikatoren sehr wichtigen Sulionphthalelne. Aus Saccharin (S. 413) erhält man durch Erhitzen mit Phenol und Schwefelsäure auf 120° Phenolrot (VII), das duroh Einwirkung von Brom in Bromphenolblau verwandelt wird (VIII) : Br H 0
vu
X ° ( Y ^ A s o /
VIII
Br
\ A
A /
o h
Γ ΙΓ ό V \ s o /
Bromphenolblau ist in alkoh. Lösung als Sulton farblos und schlägt bei pg Purpur uro.
=
etwa 4 von Gelb naoh
Triphenylmethan-Farbetoffe
459
Säure-Basen-Indikatoren sind schwache organische Säuren oder Basen, deren undissoziierte Form eine andere Farbe als dae Ion besitzt. Bezeichnet man die Indikatorsäure mit Hin, so ist das Verhältnis Ιηθ/ΗΙη = K/[H®] von der Waaserstoffionen-Konzentration abhängig. Ist In© der farbige Bestandteil, Hin farblos, so wird der Farbumschlag sichtbar werden, wenn das Verhältnis etwa 1 / 1 0 ist, und wird etwa beim Wert 10 beendet sein. Der Umschlag erstreckt sich aleo annähernd über 2 pH-Einheiten, und die Mitte des Umschlagsgebiets entspricht zahlenmäßig der Dissoziationskonstante der Indikatorsäure. Die Konstante des Phenolphthaleins ist also 10 - 9 . Sie ist eine „praktische" Konstante, die sich aus den beiden dicht beieinander liegenden Konstanten der beiden phenolischen Gruppen zusammensetzt, die weit genug voneinander entfernt sind, um unabhängig voneinander zu dissoziieren, und deshalb nach S. 188 im Verhältnis 1:4 stehen. In absol. Alkohol ist die Konstante etwa 10 -12 ·*. Deshalb kann man die Aminogruppe der Aminosäuren, die eine durch Alkohol nur wenig beeinflußte Aciditätekonstante k a = etwa 10 - 1 0 besitzt, mit Phenolphthalein in Alkohol titrieren. In Fig. 107 ist für Methylorange (S.410), dae ein zweifarbiger Indikator ist, die Veränderung des Absorptionsspektrums bei verschiedenem pH wiedergegeben. Sämtliche Kurven schneiden sich in einem von T H I E L als „isoFig. 107 sbestischer Punkt" (von ίσος gleich und σβέσις Isosbestisoher Punkt von Methylorange Auslösohung) bezeichneten Punkt. Eben dies muâ man erwarten, wenn ein Tautomeriegleiohgewicht zwischen zwei Stoffen vorliegt, die bei einer Wellenlänge gleiche Absorption haben. Beim vorliegenden Beispiel fällt das Maximum dor gelben, alkalischen Form zufällig mit dem Lsoebnstisnhen Punkt-, « n i m m m Konstitution der Triphenylmethan-Farbetoffe B e i den bisherigen Betrachtungen haben wir noch nicht der Tatsache Rechnung getragen, d a ß die eigentlichen, technisch verwendeten Farbstoffe erst durch Salzbildung mit Säuren unter Wasseraustritt aus den „Carbinolbasen" hervorgehen: Parafachsin ist d a s salzsaure Salz des Pararosanilins, Fuchsin das des Rosanilins mit einem Äquivalent Säure. Fnchsin besteht in festem Zustand aus prächtig grünen, metallglänzenden Kristallen, die sich in Wasser m i t intensiv roter Farbe auflösen 1 . D i e Farbe der Fuchsinlösungen wird durch das einwertige K a t i o n [ C J O H ^ N J ] ® verursaoht; denn eine solche Lösung ist nahezu vollständig ionisiert, da ihr molekulares Leitvermögen bei weiterer Verdünnung nur n o c h wenig z u n i m m t . Auch zeigen die Lösungen aller Fuchsinsalze (Chlorid, Bromid, Sulfat usw.) bei gleicher molekularer Konzentration dasselbe Absorptionsspektrum; sie müssen also das gleiche K a t i o n enthalten. Die Lösung von Fuchsin in viel Salzsäure ist nahezu farblos, da die Salze des Rosanilins mit drei Äquivalenten Säure gelb sind : das rote, einwertige ist in das gelbe, dreiwertige Kation übergegangen. Diese mehrsäurigen Salze werden jedoch leicht hydrolytisch gespalten, denn beim Eingießen der salzsauren Lösung in viel Wasser tritt die rote Farbe wieder auf. Den Farbsalzen müssen starke Basen zugrunde liegen, denn die Lösungen des Fuchsins können stundenlang ohne Zersetzung gekocht werden. Die Fuchsinbase bildet, wie M A D E L U N G zeigte, ein bei Siedehitze beständiges Nitrit, was gleichfalls ein· Eigenschaft starker Basen ist. 1 Fuchsin und zahlreiche andere, besonders stark selektiv absorbierende Farbstoffe zeigen ähnliohe Reflexionsverhältnisse wie die Metalle. Sie besitzen starkes Reflexionsvermögen für den gleichen Strahlenbezirk, den sie stark absorbieren. Infolgedessen ist die Farbe, die sie im auffallenden Lioht zeigen, der Farbe im durchfeilenden Licht nahezu komplementär. Diese Betlextonsfarben sind also prinzipiell verschieden von den Farben anderer fester Stoffe, die duroh A b s o r p t i o n zustande kommen.
Isooyolisohe Verbindungen
460
Um die Konstitution dieser Salze ist seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ein Streit geführt worden, der viele interessante Beobachtungen zutage gefördert hat. Eine der ältesten Auffassungen, von N I E T Z K I und HANTZSCH verfochten, sah in den Farbsalzen chinoide Verbindungen, denen eine hypothetische „Imoniumbase" zugrunde liegen soll. Die Imoniumbase des Parafuchsins liefert ein braunes Anhydrid (HoMOLKASche Base), das einer Lösung von Parafuchsin + 1 Mol Alkali durch Äther entzogen werden kann und sich in Wasser wieder mit roter Farbe zur Imoniumbase löst: Parafuchsin
HOMOLKAsche Base
Cl
Imoniumbase
OH
Fararosaniltn
Andererseits lagert sich die rote Imoniumbase rasch und weitgehend in das farblose Triaminotriphenylcarbinol um, so daß ihre Lösung sich fast vollständig entfärbt. Sehr deutlich sind diese Verhältnisse am Kristallviolett (Hexamethyltriaminotriphenyloarbinol) zu beobachten. Wenn man n&mlich dem gelösten Salz dieser Base (mit 1 Äquivalent Säure) ein Äquivalent Alkali zusetzt, ist die Flüssigkeit zu Anfang farbig, reagiert stark alkalisch und leitet den elektrischen Strom ; allmählich aber entfärbt sie sich durch Abscheidung des fast unlöslichen farblosen Carbinols und reagiert schließlich nicht mehr alkalisch, während gleichzeitig ihr elektrisches Leitvermögen auf das des gebildeten Alkalisalzes herabgesunken ist. Dieses Verhalten ist völlig analog demjenigen von Säuren, welche in Pseudosäuren übergehen. Deshalb darf das Carbinol als P s e u d o b a s e angesehen werden. Die Kinetik der Reaktion ist in sehr verdünnter Lösung sehr genau verfolgt worden.
Nach den Untersuchungen von GOMBERG, BAEYER und VILLIGER sowie von HANTZSCH ist Triphenylchlormethan (CeH6)3CCl, das man durch FRIEDEL-CRAFTSSche Reaktion aus Tetrachlorkohlenstoff und Benzol darstellen kann, in festem Zustand sowie in Äther und Benzol farblos. Seine Lösung in flüssigem Schwefeldioxyd ist dagegen gelb und leitet den elektrischen Strom. Man kennt ferner ein farbiges Perchlorat des Triphenylcarbinols sowie ein rotes Sulfat, das ebenfalls in Schwefeldioxyd elektrolytisch dissoziiert ist und mit konz. Schwefelsäure oder Dimethylsulfat gelbe Lösungen gibt. Die salzartigen leitenden Verbindungen bezeichnete BAEYER in Analogie zu den Ammoniumsalzen als Carboninmsalze1, ohne die Natur der ihnen zugrunde liegenden hypothetischen Carboniumvalenz näher erklären zu können. Der konsequente Schluß, daß die farbigen Verbindungen als echte Salze [(CeH5)sC®]C104e zu formulieren sind, wurde 1921 von HANTZSCH gezogen. Es ist nicht zu bezweifeln, daß in diesen Fällen die Farbe mit der Wechselwirkung des positiv geladenen Carboniumions (mit einem Elektronensextett) mit den Benzolringen in Zusammenhang steht und nicht auf eine chinoide Struktur zurückgeführt werden kann. Zwar werden die Triphenylcarboniumsalze, die also als Salze der Pseudobase Triphenylcarbinol aufzufassen sind, im Gegensatz zu den absolut beständigen Farbstoffsalzen der Fuchsinreihe hydrolytisch noch überaus leicht gespalten2, aber die Mesomerie-Stabilisierung des Carboniumions ist unverkennbar. Das Ausmaß der Ionisation der Carboniumsalze in Schwefeldioxyd läuft im großen ganzen parallel mit der Größe der quantenmechanisch abgeschätzten Mesomerieenergie des Carboniumions. 1 Die klassische Bezeichnung Carbonium- wird in diesem Buch beibehalten. Obwohl das Kation der Oxonium-, Sulfonium- und Ammonium salze unter Erhöhung der Koordinationszahl entsteht, ist die Endung -ium nichtsdestoweniger eine allgemeine Kationen-Bezeichnuns. * Gleichgewichte in konz. Säuren: DENO, Mitarb., J . Amer. Chem. Soc. 81, 2345 (1959).
Triphenylmethan-Farbetoffe
461
Versucht man, die im vorangehenden mitgeteilten Tatsachen über das Farbstoffverhalten der Triphenylmethan-Verbindungen zu einem einheitlichen Bild zusammenzufassen, so liegt vom heutigen Standpunkt die vielfach bestätigte Auffassung am nächsten, daß der Farbstoffcharakter an die Existenz mesomerer Ionen gebunden ist und daß die Absorption mit wachsender Länge der konjugierten Kette zwischen den Ladungsträgern nach längeren Wellen verschoben wird. In diesem Sinn wären die Verhältnisse beim Pararosanilin etwa durch folgendes Gleichgewichts-Schema zu beschreiben: CeH4-NH2 H,
CgH^NH,
CEHI-NHJ
I
ΙΪ ΗΦ
C^-NHj
Auch bei den Tris-(p-methoxy-phenyl)- und Tris-(p-methylmercapto-phenyl)-carbinolsalzen, die hinsichtlich Beständigkeit gegen Hydrolyse eine Mittelstellung einnehmen, wird man Strukturen wie 5,0 CH,. 0=CeH4=C(CeH4· 0· CH,), in Betracht zu ziehen haben. 1 Chinoide Struktur und Carbonium-Struktur *.5 t • VVN sind also nur als Bepräsentanten eines mesomeren i Systems für die Farbstoff-Natur von Bedeutung. Das obige Schema gestattet auch, in großen \\ , \J Zügen die Abhängigkeit der Farbe von der AciV \\ dität verständlich zu machen. Mit abnehmender π •'Ή ΐ A Iw I Wasserstoffionen-Konzentration geht die Disso\\ I11ι i1 3,S / \ ziation des weitaus am schwächsten basischen I t Carboniumions zurück, so daß eine ständige \« \í i Gleichgewichtsstörung durch Ausscheidung des 3,0 farblosen Carbinols eintritt. In sehr stark saurer 200 500 300 700 Lösung nimmt mit zunehmender Verwandlung • m fi von NIL,- in NH,®- Gruppen die MesomeriemögFig. 108 lichkeit und damit die Farbtiefe ab; die mehrAbsorptionsspektrum von Malachitgrün: säurigen Salze des Fuchsins und Malachitgrüns einsäuriges ( ), zweispuriges ( ), unterscheiden sich in der Absorption kaum von dreisäuriges Salz (—·—·—) den N-freien Triphenylcarboniumsalzen (Fig. 108).
Ί
/
Wie zuerst H . KUHN gezeigt hat 1 , läßt sich die Absorption organischer Farbstoffe mindestens in den Fällen, wo gewisse vereinfachende Voraussetzungen erfüllt sind, verhältnismäßig einfach vorhersehen, wenn man das von SOMMERFELD für das Verhalten der Metallelektronen entwickelte Elektronengas-Modell auf die Farbstoffe überträgt, also annimmt, daß die π-Elektronen der Farbstoffe sich längs einer konjugierten Kette vollkommen frei bewegen, wie in einem Kasten, dessen Wände von dem Potentialwall am Ende der Kette gebildet werden. Unter der Annahme, daß die Enden der Kette Knotenpunkte stehender Schwingungen bilden, ergibt sich dann für den einfachsten 1
H. KUHH, Angew. Chemie 71, 93 (1959).
462
iEOcycliflche Verbindungen
Fall direkte Proportionalität zwischen der längsten Absorptionswellenlänge und der Länge der Kette, d. h. der Anzahl der π-Elektronen (m = Elektronenmasse, e = Lichtgeschwindigkeit, h = Plancksches Wirkungsquantum, L = Kettenlänge, Ν = π-Elektronenzahl) : -
8 mcL 2
+ i) ' also eine „bathochrome" Verschiebung mit der Länge der Kette. Diese Verschiebung ist besonders groß, wenn die Enden der Kette von „auxochromen" Gruppen gebildet werden, die als Elektronendonatoren bzw. -acceptoren dienen können, ζ. B. —NH 2 und e = NH2. Dann ergeben sich, wie oben gezeigt, zwei spiegelbildliche mesomere Ionen, mit dem Erfolg, daß alle dazwischenliegenden Bindungen durch Austausch der Einfach- und Doppelbindungen gleich werden. Im Gegensatz zu den Polyenen, bei denen ein völliger Bindungsausgleich nicht erfolgt, ist bei diesen mesomeren Ionen völlige Potentialgleichheit im Kasten verwirklicht. Hier berechnen sich deshalb im Einklang mit der Erfahrung bathochrome Verschiebungen von 100 ταμ pro —CH = CH-Gruppe. Auch die Diphenylmethan-Farbstoffe fügen sich diesen allgemeinen Überlegungen. Der Umstand, daß ihre konjugierte Kette nicht mehr einfach, gemäß λ
sondern „verzweigt" ist, indem eine gleichartige konjugierte Kette über die nioht fettgedruckten Bindungen läuft, ist praktisch ohne Einfluß. Es ist nun eehr bemerkenswert, daß die dritte auxochrome Gruppe in denTriphenylmethanfarbstoffen nicht bathochrom, sondern hypsochrom wirkt. Schaltet man indessen die dritte Gruppe durch Salzbildung aus, so kehrt das Absorptionsverhalten der Diphenylmethan-Farbstoffe wieder: säuert man Kristallviolett an, so schlägt die Farbe nach Grün wie beim Malachitgrün um. Wählt man für die Triphenylmethanfarbstoffe die chinoide Formulierung, so kann man als ihre Muttersubstanz die Verbindung der Formel I betrachten, die man Facheon genannt hat. Vom Fuchson würden sich dann die Aurine ableiten, vom Fuchsonimid (II) die Bosaniline. Ein Diaminoderivat desFuchsonimids ist die HoMOLK&sche Base(S.460). Fuchson entsteht durch Wasserabspaltung aus p-Hydroxytriphenylcarbinol (III) bei 200° und bildet bräunliche Tafeln vom Schmelzpunkt 168°. Es wandelt sich sohon beim Koohen mit Essigsäure wieder in Hydroxytriphenylcarbinol um.
§&>°-0-0
cS>°-- nh
I
II
£α>(ΓΟ^°η · OH
M
Eine weitere für die Theorie der Farbe wichtige Klasse von Verbindungen sind die Chlnhydrone, die man früher allgemein für additioneile Verbindungen aus 1 Mol Chinon und 1 Mol Hydrochinon hielt und deren intensive Farbe auf der gleichzeitigen Anwesenheit eines chinoiden und eines benzoiden Kerns beruhen sollte. Aus farblosem Hydrochinon und gelbem Chinon entsteht das tiefgrüne Chinhydron. p-Aminodimethylanilin (IV) ist farblos, das Chlorid deeDimethylIV Η
,
Ν
-
^
^
-
Ν
^
V
H N - ^ Z ^ N J C H . K
chinondiimids (V) ist gelb, durch Vereinigung beider entsteht das tieffarbige W U R S T E R sehe Rot. W I L L S T Ä T T E R bezeichnete solche Verbindungen als „merlchinold" (von μέρος = Teil). Neuere Untersuchungen haben ergeben, daß diese Substanzen in Wirklichkeit nicht selten monomolekular sind und echte ,gemichinone", Zwischenstufen zwischen Chinonen und Hvdrochinonen, darstellen (WEITZ, MICHAELIS). Sie besitzen dann eine ungerade Anzahl von Elektronen, was man durch potentiometrisohe und magnetische Messungen feststellen kann, und sind offen-
Chinhydrone, Triphenylmethyl
463
bar Radikal-Ionen, deren Beständigkeit a n d Farbe auf Mesomerie zwischen zwei Grenzetrukturen beruht (das Kreuz bedeutet ein ungepaartes Elektron): Γ
0Θ
Ι
Γ Ο Ί II II
Ί
ν
/ \
/ K II
II
Η®
-*->•
C19 -
Έ>
Dikaliumsalz des
entsprechenden
Pinakols
im Gleichgewicht zu stehen scheint. Auch diese Radikale, die man als
„Metallketyle" bezeichnet, oxydieren sich sofort a n der Luft. Wie Triphenylmethyl sich mit Alkali verbinden kann, nimmt auch das Ketyl bei Einwirkung überschüssigen Metalls nooh OK 1 Atom auf und bildet die Dikaliumverbindung R · Stickstoffverbindungen mit zweibindlgrai Stickeloff (d. h. mit nur 7 Elektronen am Stickstoff) sind gleichfalls dargestellt worden. Durch Oxydation von Diphenylamin mit KMnO¿ kann Tetraphenylhydrazin erhalten werden: (C.H^NH +
O +
HN(CEHE)J =
( Ο ^ Ν - Ν ^ Η , ) ,
+
Η,Ο.
Dieses dissoziiert, wenn auch nur in geringem Maße, beim Erwärmen der Toluollösung auf 90°. Hierbei bildet sich „Diphenylstickstoff" (CSH8)JNX. Denn leitet man NO in die heiße Lösung, so entsteht quantitativ Diphenylnitrosamin (C e H,)¡N-NO. Mit Triphenylmethyl bildet sich (C6H5)JC—N(CeH5)I. Diphenylstickstoff ist viel unbeständiger als Triphenylmethyl. Die freien Verbindungen R 2 N χ besitzen wie Triphenylmethyl intensive Farbe. Tetra-p-methoxvphenyl-hydrazin (CH 3 0'C e H 4 ) 2 N—N(C e H 1 -OCH,) 2 ist schon bei gewöhnlicher Temperatur merklich dissoziiert; seine Lösung ist deutlich grün, wird beim Erwärmen intensiv grün und verblaßt wieder beim Abkühlen. Gegen Sauerstoff sind die Stickstoff-Radikale unempfindlich. Über ein Kation-Radikal mit dreibindigem Stickstoff s. S. 368. Lösungen, die dieselbe Menge Farbstoff, jedoch in verschiedener Konzentration enthalten, zeigen dieselbe Lichtabsorption, wenn die Dicke der Flüssigkeitsschicht umgekehrt proportional der Konzentration ist ( G e s e t z von BEER); denn das Licht trifft dann bei seinem Durchgang dieselbe Anzahl von Farbstoffmolekülen. Bei dissoziierenden Substanzen ist dies jedoch nicht mehr der Fall, weil der Dissoziationsgrad eich mit der Verdünnung ändert. Man h a t darin also ein Mittel, die Dissoziation nachzuweisen. So ergab sich ζ. B., daß eine 0-05°/ o ige Lösung von Tetra-p-methoxyphenyl-hydrazin in Benzol 3-2mal so stark dissoziiert ist wie eine 0-3°/„ige Lösung. E s hat sich gezeigt, d a ß auf die Radikal-Dissoziation das OsTWALDSche Verdünnungsgesetz anwendbar ist. Außerordentlich stark dissoziierte Verbindungen sind die von ST. GOLDSCHMIDT aufgefundenen Triarylhydrazyle, die mit Hexaaryl-tetrazanen im Gleichgewicht stehen: 2(C S H 5 ) Î N-Nx
^
(C.H^N-N
C E HJ
CEHT
N . N I W . CJH T
Während aber die tiefblaue Phenylverbindung äußeret unbeständig ist, stellt das Diphenyltrinitrophenyl-hydrazyl (C t H ä )gN · Ν · C e H,(NO,) 3 vollkommen beständige, dem K M n 0 4 ähnliche κ Kristalle dar, die in Lösung keinerlei Neigung zur Dimerisation aufweisen. Es oxydiert Hydrochinon sofort zu Chinon, wobei es selbst zum Hydrazin reduziert wird. Durch Dehydrierung von 2,4,6-Tri-tert.-butyl-phenol erhielt E . MÜLLEB blaues luftempfindliches Tri-tert.-butyl-phenoxyl (CjHdjjCjHj-O*, ein Sauerstoffradikal (Aroxyl). Besonders beständig ist das von DIMROTH dargestellte Triphenylphenoxyl. Analoge Schwefelradikale scheinen dagegen nicht existenzfähig zu sein. H o l l e m a n - R l c h t e r , Organische Chemie. 37. — 41. Auflage
30
466
Isooycüsche Verbindungen Diphenyläthan and seine Abkömmlinge
1,2-Diphenyl-äthan (Dibenzyl) vom F : 52° kann durch Einwirkung von Natrium auf Benzylohlorid dargestellt werden: 2 C,HJ-CHJC1 + 2 N a = ^ Η , - Ο Η , - Ο Η , - Ο Α + 2 N a C l .
trans-α,α'-Dlphenyl-äthylen (Stilben) C e Hi-CH=CH-C,H,vom Schmelzpunkt 125° kann auf verschiedene Weise dargestellt werden; eigentümlich ist seine Bildung beim Erhitzen von Benzaldazin, das sich dabei in Stilben und Stickstoff spaltet: C A - C H : N - N : CH.C.H, = C,H, CH: CH C.Hj, + N,. cis-Stllben wird duroh katalytisohe Hydrierung von Dlphenylacetylen (Tolan) erhalten. Es bildet bei +6—6° schmelzende Kristalle. Aus den eingehenden Untersuchungen von SCHLENK geht hervor, daB Kohlenwasserstoffe, die Phenylreste in Nachbarschaft zu einer Doppelbindung tragen, durch das Vermögen ausgezeichnet sind, leicht zwei Atome Lithium oder Natrium zu addieren: C e H s CH : CH-CgHj + 2 Na = CeHs · CHNa-CHNa · C e H s . Die Natriumverbindung des Stilbens ist ein braunviolettes, höchst oxydables Pulver, das in Berührung mit Wasser Na gegen H austauscht und Dibenzyl liefert. Mit C0 2 reagiert es wie die Alkalialkyle (S. 74) unter Bildung einer Carbonsäure: C 6 Hj.CHNa CJHJ · CH · C02Na I + 2CO, = I C,H5.CHNa CeHs-CH-COjNa Noch leichter als Stilben addiert Tetraphenyläthylen Alkalimetalle, während es mit Brom interessanterweise nur Substitutionsprodukte, aber kein Additionsprodukt liefert. p-Diaminodiphenyläthylen H 2 N-C e H 4 -CH=CH*C e Ha'NH J wird dargestellt aus p-Nitrobenzylchlorid ClHtC-C t HfNO t durch Einwirkung von alkoholischem Kali, wobei das zuerst entstehende p-DinitrocUphenyläthylen durch Reduktion in die Diaminoverbindung übergeht. Seine Disulfonsäure dient als Ausgangsmaterial für die Darstellung von gelben direktziehenden Azofarbstoffen, z. B. Chrysophenin G /SO 3 H H
C
H
C
—
N
—
:
N X
N
-
~ < 0 O
-
> — 0
0
.
· C A CJHI '
SOAH
einem wiohtigen gelben Farbstoff für Wolle, Seide and Baumwolle. Έίη wichtiges Derivat des Dibenzyls ist Benzoin, das durch Kondensation von zwei Molekülen Benzaldehyd unter der Einwirkung von Kalium Cyanid erhalten wird. Wahrscheinlich bildet sich bei dieser Reaktion intermediär die Kaliumverbindung des Mandelsäurenitrils, in der das Η-Atom der Aldehydgruppe aktiviert ist. Durch eine Art Aldolkondensation mit einem zweiten Molekül Benzaldehyd entsteht dann Benzoin: CeH5-CHO + KCN — ^ C,H8 C H < ^ CN OH c
H
C „ H S . C H < ^ + ° V ' e » —>" CeHs-C—C-C t H s ~ K C y > Ν OK Η / I I OK Η
C„H5·CO-CH(OH).CeH5 Benzoin
Die Benzoin-Kondensation ist der Prototyp der Acyloin-Kondensation der Aldehyde. In der aliphatischen Reihe ist sie nur photochemisch oder enzymatisch zu bewerkstelligen (S. 228, 231, 537). Benzoin besitzt den Charakter eines Ketonalkohols, denn durch Aufnahme von zwei H-Atomen geht es in einen zweiwertigen Alkohol, Hydrobenzoin C e H s · CH(OH) · CH(OH) •C e H 5 über, während sich durch Oxydation das Diketon Benzil bildet. Benzoin zeigt die
467
Benzoin, Benzil
früher besprochenen charakteristischen Reaktionen der Acyloine. Ea ist in alkalischer Lösung autoxydabel, reduziert alkalische Kupferlösung und bildet ein Osazon. Benzil Ο β Η 6 ·00·00·0„Η 5 kristallisiert aus Alkohol in gelben, bei 95° schmelzenden Prismen. Außerdem existieren noch zwei polymorphe Modifikationen vom Schmelzpunkt 41 ·5° und etwa 27°. Als Diketon verbindet es sich mit zwei Molekülen Hydroxylamin zu Benzildioxim. Vom Benzildioxim muß man nach den früheren Ausführungen über die Stereo· ohemie der Oxime 3 stereoisomere Formen erwarten: C„H,-C
C-CGHJ
ΙοΗ
C,HS-C
Hol
C-CJH,
& •OH
tH» yn),F:214·
NOH
i»(amphi), F: 165°
CEHSC
C-CGHJ
HO· II
JJ • OH
«-(antl), F: 244*
Sie wurden von V . M E Y E R , GOLDSCHMIDT und A Ü W E R S entdeckt und stellten den ersten Fall stereoisomerer Stickstoff-Verbindungen dar.
Einzig die α-Form gibt mit Nickelsalzen einen braunroten Komplex (R und R ' = CeH,) unter Beteiligung von zwei Molekülen dee Oxime: O OH t I AV- C -= X ,ΙΛ = Kj R NX.y C - 1R ' R'-¿ = Ν '
ι
^N =
;
OH
¿ -•1R
O
wae sterisch einleuchtend ist, wenn die einsamen Elektronenpaare der Stickstoffatome an der Komplexbildung beteiligt sind. PAULINO hat als erster dem Nickelatom in diesem Komplex eine niohttetraedrische, ebene Struktur zugeschrieben. Damit steht u. a. im Einklang, daß man zwei cis-trans-isomere Formen beobachtet, wenn R und R ' verschieden, z.B Methyl und Benzyl, sind.
Behandelt man Benzil mit konz. Alkalilauge, so bildet sich ein Additionsprodukt, das sich zu BenzUsäure (C,HS)2C(OH)-C02H umlagert ( L I E B I G 1838): C,H5·CO·CO·CEH,
OH®
OH
I
C.HA-CO-OC.H.
/0H
EO-OC-C^-C.H,
¿" e
BenzUsäure
Nach Versuchen in 180-haltigem Wasser ist die Umlagerung der geschwindigkeitsbestimmende Vorgang. Benzilsäure bildet in kaltem Wasser lösliche Nadeln vom Schmelzpunkt 150°. 2. Kondensierte aromatische Systeme Kondensierte Bingsysteme sind in der Einleitung (S. 322) als Verbindungen definiert worden, welche Kohlenstoffatome enthalten, die gleichzeitig mehreren Bingen gemeinsam sind. Solohe Verbindungen finden sich in den hochsiedenden Fraktionen des Steinkohlenteers (S. 343). Garbolöl und Kreosotöl enthalten neben Phenolen hauptsächlich Naphthalin. Das Anthracenöl enthält Anthracen, Phenanthren und nooh einige andere polyoyolische Kohlenwasserstoffe. Naphthalin C, 0 H 8
findet sioh in großer Menge im Steinkohlenteer (ca. 6%) und ist aus der Fraktion 170° bis 250° leicht in reinem Zustand zu gewinnen. Es kristallisiert in glänzenden Blättohen, die bei 80° schmelzen und bei 218° sieden. Es ist in Wasser unlöslich, dagegen in heißem Alkohol und in Äther leicht löslich; von kaltem Alkohol wird es nur wenig gelöst. 30*
Iaooycliaohe Verbindungen
468
Es besitzt einen sehr charakteristischen Geruch und ist trotz seines hohen Siedepunktes sehr flüchtig und leicht sublimierbar. Es findet sich stets im Leuchtgas, dessen Leuchtkraft es beträchtlich erhöht. Sein Vorkommen im Steinkohlenteer erklärt sich daraus, daß zahlreiche Verbindungen Naphthalin liefern, wenn man ihre Dämpfe durch glühende Röhren leitet. Für Naphthalin ist die folgende Strukturformel I durch oxydativen Abbau bewiesen worden (S. 337): H H /8\/ι\ / V \ II III IV I β I » W
Diese Formel wird durch mehrere Synthesen bestätigt. So entsteht eine Hydroxylverbindung des Naphthalins (a-Naphthol) beim Erhitzen von Phenylisocrotonsäure (3-Phenyl-propen-2-oarbonsäure-1):
OH
A
H 0
°
C
\ C H ,
¿H
—H,0
y\/\ CH
Phenylisocrotons&ure
a-Naphtol
Naphthalin besitzt ganz den Charakter eines aromatischen Kohlenwasserstoffs. So gibt es bei der Behandlung mit Salpetersäure eine Nitroverbindung, mit Schwefelsäure eine Sulfonsäure; seine Hydroxylverbindungen besitzen Phenolcharakter; die Aminoderivate lassen sich diazotieren usw. Ebensowenig wie für Benzol ist es gelungen, für Naphthalin mit den Mitteln der klassischen Strukturchemie eine Formel zu finden, die über die inneren Bindungsverhältnisse erschöpfende Auskunft gibt. Meist benutzt man die der KEKU LÉ sehen Benzolformel nachgebildete Formel I I von ERLENMEYER. Die quantenmechanische Behandlung, auf die hier nicht eingegangen werden kann, führt zu ähnlichen Resultaten wie beim Benzol. Es liegt Mesomerie zwischen verschiedenen Valenzstrukturen, namentlich Π, I I I und I V vor. Im Gegensatz zum Benzol sind beim Naphthalin nach röntgenographischen Befunden die Bindungslängen nicht völlig gleich. Die 1,2-Bindungen sind deutlich kürzer, zeigen also stärkeren Doppelbindungscharakter:
1.404
Die Anzahl der isomeren Substitutionsprodukte des Naphthalins ist notwendigerweise viel größer als beim Benzol. So existieren bereits zwei isomere Monosubstitutions· produkte. Der Substituent kann nämlich entweder an ein Kohlenstoffatom treten, das mit einem der beiden gemeinschaftlichen Kohlenstoffatome (9, 10) direkt verbunden ist (1, 4, 5 oder 8), oder an eines der anderen, die ebenfalls unter sich gleichwertig sind. Man bezeichnet die Monoderivate als «-Verbindungen, wenn 1, 4, 5 oder 8 substituiert ist, und als ß-Verbindungen, wenn 2, 3, β oder 7 ersetzt ist. Die Anzahl der Disubstitutionsprodukte ist sehr groß. Bei zwei gleichen Substituenten sind 10 möglich, bei zwei ungleichen 14. Natürlich wird die Anzahl der Iso-
469
Naphthalin
meren bei drei gleichen und noch mehr bei drei ungleichen Substituenten viel größer. Bei Substitution der Stellungen 1, 8 oder 4, 5 spricht man auch von PeriStellung; sie zeigt in mancher Hinsicht Ähnlichkeit mit der Orthostellung (im Vergleich zu der der Abstand der Substituenten noch etwas geringer ist). Peri-Naphthalindicarbonsäure (Naphthalsäure)
—CO,H
ist ζ. B. ebenso wie Phthalsäure imstande, ein
Anhydrid (Schmelzpunkt 274°) zu bilden. Wegen der großen Zahl von Isomeren, die bei den Naphthalinderivaten auftreten, wird die Ortsbestimmung in vielen Fällen recht schwierig. Im allgemeinen bedient man sich für Ortsbestimmungen in der Naphthalinreihe der gleichen Methoden wie für die Benzolderivate: Zurückführung von Verbindungen mit unbekannter Stellung der Substituenten auf solche, in denen die Stellung bekannt ist. Ein anderes wiohtiges Hilfsmittel für die Ortsbestimmung ist hier die Oxydation zu den entsprechenden Phthalsäuren. Sie läSt nicht nur erkennen, ob sich die Substituenten in demselben Kern befinden oder nicht, sondern gibt auch Aufschluß über ihre Stellung zueinander.
Substitutionsregelmäßigkeiten Die Substitution im Naphthalin-Kern gestaltet sich infolge der zahlreichen IsomerieMöglichkeiten weniger übersichtlich als beim Benzol. Immerhin ist es möglich, auoh hier einige Hauptregeln herauszuschälen. Halogenierung und Nitrierung erfolgt fast ausschließlich in der α-Stellung (die Vorstufe der Reaktion ist gegenüber der /?-Stellung energetisch begünstigt, weil sie die größere Anzahl mesomerer Strukturen aufweist). Oberhalb 200° greift Halogen zunehmend auch die /?-Stellung an. Auch die Sulfogruppe sucht vorzugsweise die «-Stellung auf und bevorzugt erst bei höherer Temperatur die ß- Stellung. Die stark orientierenden Substituenten 1. Ordnung, namentlich Hydroxylund Amino-, lenken, wenn sie in 1-Stellung stehen, einen neu eintretenden Substituenten nach o- und p-, wenn sie in 2-Stellung stehen, nach 1 und nach 6 oder 8. In 1 stehendes Halogen dirigiert meist nach 4 und 5. Die m-Orientierung durch Substituenten 2. Ordnung ist beim Naphthalin viel weniger ausgeprägt. Der neu eintretende Substituent begibt sich meist in den anderen Kern. Derivate des Naphthalins Die Homologen von Naphthalin (Methyl-, Äthyl- usw. Verbindungen) können nach den Synthesen von F I T T I G oder von F R I E D E L und CRAFTS dargestellt werden. Einige von ihnen finden sich im Steinkohlenteer. Ein vielseitig brauchbarer Weg zur Darstellung substituierter Naphthaline ist der folgende: HO
R
R
CHj—CO ¿H„— C 0 / °
a-Methyl-naphthalin ist eine bei 245° siedende Flüssigkeit, /?-Methyl-naphthalin ist fest und schmilzt bei 35°. Bei der Oxydation liefern sie oc- und /S-Naphthoesäure (Naphta-
470
Ieooyolisohe Verbindungen
lincarbonsäure), die der Benzoesäure entsprechen und bei der Destillation mit Kalk Naphthalin geben. Bei der Einwirkung von Chlor oder Brom auf siedendes Naphthalin entstehen α-Chlor- bzw. α-Brom-naphthalan ; in ihnen ist das Halogen etwas beweglicher als in den entsprechenden Benzolverbindungen; jedoch bleiben auch sie beim Kochen mit Alkalien unverändert. Dasselbe gilt von den entsprechenden ß - V e r b i n d u n g e n , die nicht durch direkte Einwirkung von Halogen auf Naphthalin, sondern aus anderen Verbindungen (Amino-, Sulfoderivaten) nach den beim Benzol besprochenen Methoden dargestellt werden. Wie im Falle des Benzols erfolgt offenbar auch beim Naphthalin der Austausch von kerngebundenem Halogen (sofern er nicht durch andere Substituenten aktiviert ist) über die Zwischenstufe eines Dehydronaphthalins („Naphthins"). So erhielt HUISOEN 1 aus 2-Fluor-naphthalin mit Lithiumphenyl bei anschließender C0 2 Behandlung 2-Phenyl-naphthalin-carbonsäure-(l und 3) sowie 1-Phenyl-naphthalincarbonsäure-(2), wobei die Bildung der 1,2-Derivate überwiegt. Von großer Wichtigkeit für die Ortsbestimmung von Naphthalin-Derivaten ist «-Nitro-naphthalin, das bei der Einwirkung von Salpetersohwefelsäure auf Naphthalin entsteht. Duroh Reduktion geht es in «-Naphthylamin über, das sich seinerseits über die Diazoverbindung in dasselbe Naphthol umwandeln läßt, das aus Phenylisocrotonsäure (S. 468) entsteht; damit ist die «-Stellung der Nitrogruppe bewiesen. Mit der Stellung der Nitrogruppe in diesem Nitronaphthalin ist die Konstitution sehr vieler anderer Monosubstitutionsprodukte gegeben, da man NOa durch zahlreiche andere Atome oder Gruppen ersetzen kann. Alle diese Substanzen gehören zur «-Reihe ; die Isomeren müssen also ^-Verbindungen sein. α-Nitro-naphthalin bildet gelbe Nadeln vom Schmelzpunkt 61°; die isomere Verbindung, die auf dem Umweg über /3-Naphthylamin (S. 471) dargestellt werden muß, ist ebenfalls gelb und schmilzt bei 79°. Die beiden isomeren MonosnlfoneSnren entstehen bei der Einwirkung von konzentrierter Schwefelsäure auf Naphthalin; beide sind kristallisiert. Läßt man die Temperatur nicht über 80° steigen, so entsteht hauptsächlich die α-Verbindung; erhöht man jedoch die Temperatur auf 160°, so ist die /S-Säure das Hauptprodukt (etwa 85%), da die «-Verbindung bei dieser Temperatur in die /3-Säure übergeht. Bei Temperaturen zwischen diesen Grenzen besteht ein Gleichgewicht zwischen und ß - S ä u r e ; denn auch die /3-Säure kann sich in die α-Säure umlagern. Durch Kalisohmelze entstehen aus den Sulfonsäuren die Naphthoic C J Q H ^ O H , die große Analogie mit Phenol zeigen. Sie treten auch im Steinkohlenteer auf, aus dem man sie jedoch nicht zu gewinnen pflegt. «-Naphthol, vielfach durch Säurehydrolyse v o n a - N a p h t h y l a m i n u n t e r D r u c k g e w o n n e n , s c h m i l z t b e i 95° u n d s i e d e t b e i 2 8 0 ° ;
/3-Naphthol schmilzt bei 122° und siedet bei 288°. Sie sind in Alkalien löslich. Eine wäßrige Lösimg von «-Naphthol gibt mit Eisenchlorid einen violetten, flockigen Niederschlag, ^-Naphthol hingegen Grünfärbung und eine Fällung von /3-Binaphthol HO ·Ο10Ηβ · CxoHg · OH (Formel I auf S. 471 ). Hierbei findet also unter Wegoxydation zweier H-Atome eine Kohlenstoffverknüpfung der beiden «-Stellen statt. Der violette Niederschlag, den «-Naphthol mit Eisenchlorid gibt, ist vermutlich eine Eisenverbindung des «-Binaphthols. I n analoger Weise läßt sich auch Phenol durch Permanganat zu 4.4'-Dihydroxy-biphenyl oxydieren. Dieses ist auch mittels der Diazoreaktion aus Benzidin erhältlich, woraus sich seine Konstitution ergibt. 4.4'-Dihydroxy-biphenyl wird durch Bleitetraacetat zu Dlphenochinon (Formel III) oxydiert, gelben, sich bei 160" zersetzenden Nadeln (Absorption bei ca. 400 ταμ) von sehr hohem Oxydationspotential (S. 480). Es oxydiert deshalb vielfach, wo andere Chinone (S. 398) addieren. Das ähnlich aus 4-Methyl-a-naphthol darstellbare 4.4'-Dimethyl-2.2'-binaphthylidenchinon ist purpurn und absorbiert bei 600 ταμ. 1
Vgl. ζ. B. HUISOEN, ZIBNGIBL, C h e m . Ber. 91, 1438 (1968).
Naphthalin
II
471
[ II f ~ N V *
0 = 0 = 0 = 0
III
2,4-Dlnitro-a-naphthol (Formel II) ist einer der wenigen im Gebranch befindlichen sogenannten „Nltrofarbstoffe". Man erhält ee durch Sulfurieren von a-Naphthol und folgendes Nitrieren, wobei die Sulfogruppe wieder abgespalten wird. Es dient als Martiusgelb oder Naphtholgelb zum Färben von Wolle und Seide.
oc- und JS-Naphthylamiii Ο ια Η 7 ·ΝΗ ί lassen sich durch Reduktion der entsprechenden Nitroverbindungen darstellen. Die /^-Verbindung wird jedoch in der Technik naoh BUCHEBER durch Erhitzen von /S-Naphthol mit Ammoniumsulfit und Ammoniak dargestellt; was den Mechanismus betrifft, so ist beim «-Naphthol von B O G D A N O W und R I E C H E (1958,1960) die intermediäre Bildung von Tetralon-(l)-sulfonsäure-(3) bewiesen : OH
0
NH NH,
|
Λ
NHo
11
H 2 SO 3
|
I
Aus /3-Naphthol entsteht intermediär Tetralon-(2)-sulfonsäure-(4). Naphthylamine können auf die gleiche Weise in Naphthole verwandelt werden. Die Reaktion ist also umkehrbar. a-Naphthylamin läßt sich auch durch Erhitzen von Naphthalin mit Natriumamid auf Temperaturen über 200° gewinnen, wobei Wasserstoff entwickelt wird. Es schmilzt bei 60° und besitzt fäkalartigen Geruch; /3-Naphthylamin schmilzt bei 112° und ist nahezu geruchlos. Die beiden Isomeren unterscheiden sich ferner dadurch, daß die Salze der «-Verbindung mit Eisenchlorid oder anderen oxydierenden Stoffen einen blauen Niederschlag liefern, während die der ß-Verbindung unter den gleichen Bedingungen nicht reagieren. Beide sind etwas schwächere Basen als Anilin (pka des Kations für a-Naphthylamin 3,9, /?-Naphthylamin 4,2, für A n i l i n 4,7). Durch Sulfurieren von «'-"Naphthylamin nach dem Backverfahren (S. 401) erhält man die 1,4-Naphthylaminsulionsäure (Naphthionsäure) HjN · C10H6 · S0 3 H, eines der am längsten bekannten Naphthalin-Derivate. Sie bildet in Wasser schwer lösliche Kristalle. Die Lösungen ihrer Salze besitzen intensive rotblaue Fluoreszenz. Die Naphthylamine finden in der Farbentechnik ausgedehnte Anwendung. Sie dienen zur Darstellung wichtiger Farbstoffe, namentlich des Koneorots und der Benzopurpurine, die Baumwolle ohne Beize direkt anfärben, also zu den „substantiven Farbstoffen" zählen. Beim Kongorot schlägt die Färbung durch Säuren in Blau um. Kongorot und Benzopurpurin sind auch heute noch wichtige Farbstoffe, werden aber fast ausschließlich zum Färben von Papier verwendet. Kongorot entsteht durch Einwirkung von Naphthionsäure auf diazotiertes Benzidin. Das Natriumsalz dieser Säure stellt den Farbstoff dar:
NHj
NHj,
Α Λ — Ν : N-CA-CeHt-N: N sO,H
- ^ Y S
#
Kongorot
Die Säure selbst besitzt blaue Farbe. Die Benzopurpurine unterscheiden sich nur darin von dem Kongorot, daß jeder der beiden Eenzolkeme des Benzidinrestes eine Methylgrappe in o- Stellung zur Diazogruppe enthält. — Sehr bemerkenswert und unerklärt ist die Tatsache, daß Benzidinfarbstoffe die Substantivität verlieren, wenn die 2-Stellungen des Biphenyls substituiert sind. Es ist nicht ausgeschlossen, daß hierbei die Behinderung der freien Drehbarkeit der
472
Isocyclisohe Verbindungen
2,2'-dieubstituierten Biphenylkerne eine Rolle spielt, insofern als dadurch eine ebene Anordnung des gesamten Moleküls verhindert werden könnte. Farbstoffe dieser Konstitution besitzen aU walkechte saure Wollfarbstoffe Bedeutung, z. B. : OH
HO
Ν:Ν—/—χΙΙ/'— — I I ROah SO3H
/ = \ ^
N :
Ν — · / \ ^
ttaureanthracenrot
α-Naphthole und a-Naphthylamine kuppeln in p-Stellung, ist diese, wie bei der Naphthionsäure, besetzt, in o-Stellung. Bei ^-Verbindungen erfolgt die Kupplung in α-Stellung. Wenn diese besetzt ist, bleibt die Reaktion aus; mitunter wird auch der Substituent in α eliminiert. Die Sulfonsäuren der Naphthylamine, Naphthoic und Aminonaphthole sind als Auegangsmaterialien für die Azofarbenindustrie von allergrößter Bedeutung (S. 410). Drei Chinone des Naphthalins sind bekannt:
0 ι
im
0 ι il
0 r
o-i
ι ι
Ö 1,4 (α)
y
·
Ö 1,2(/S)
2,6 (amphl)
Benzochinon
1,4-Naphthochinon (α-Naphthochinon) entsteht bei der Oxydation vieler α-Derivate oder 1,4-Diderivate des Naphthalins. Auch durch Oxydation von Naphthalin selbst mit einer siedenden Lösung von Chromsäure in Eisessig kann es erhalten werden. Aus Alkohol kristallisiert es in intensiv gelben Nadeln vom Schmelzpunkt 125°. Bei der Oxydation liefert es Phthalsäure, wodurch bewiesen wird, daß beide Sauerstoffatome a n denselben Kern gebunden sind. Ferner reagiert es mit Hydroxylamin unter Oximbildung. 1,2-Naphthochinon (ß-Naphthochinon) entsteht bei der Oxydation des 1-Aminonaphthols-(2). Es ist orangerot und zersetzt sich bei 115°. 2,6-Naphthochinon entsteht bei der Oxydation des entsprechenden Dihydroxy naphthaline mit Bleidioxyd in Benzol-Lösung. Es besitzt rote Farbe. Von diesen Naphthochinonen hat nur das 2,6-Isomere eine ähnliche Lage der beiden COGruppen gegenüber den doppelten Bindungen wie das Benzochinon (siehe die Formeln); auch in chemischer Hinsicht weist es die größte Ähnlichkeit mit diesem auf. Beide oxydieren sofort eine kalte verdünnte Lösung von Jodwasserstoff, bläuen Fes[Fe(CN6)], oxydieren schweflige Säure und so fort. 1,4-Naphthochinon zeigt diese Eigenschaften nicht, gleicht dagegen in Geruch und Flüchtigkeit dem Benzochinon. 1,2-Naphthochinon oxydiert ebenfalls verdünnte Jodwasserstofflösung nicht, bläut aber Fe2[Fe(CN)6] und oxydiert schweflige Säure. Es ist jedoch, wie die 2,6-Verbindung, nicht flüchtig und deshalb auch ohne Geruch. 1,2- und 1,4-Naphthochinon unterscheiden sich vom Benzochinon dadurch, daß eine der Äthylenbindungen des Benzochinons durch einen Benzolkern ersetzt ist. Über Oxydationspotentiale der Naphthochinone s. S. 480. Ein Derivat des 1,4-Naphthochinons ist das schwarzrote Naphthazarin, das als Baumwollfarbstoff früher große Bedeutung besaß (es gibt auf Chrombeize ein tiefes Schwarz) und aus 1,5-Dinitro-naphthalin oder 1,8-Dinitro-naphthalin durch Erhitzen mit rauchender Schwefelsäure und reduzierenden Mitteln gewonnen wird (ROUSSIN 1861; R . B O H N ) . Vermutlich ist der Reaktionsverlauf der folgende: N0 2
1,5-Dlnltro-oaphthalln
NH-OH
HO NH
HO
0
Naphthazarin
Deoalin
473
Ádditionsprodukte des Naphthalins Alle Hydrierungsstufen des Naphthalins, vom Dihydronaphthalin C^H^ angefangen bis zum Decahydronaphthalin C J Q H J J , sind wohl bekannt. 1,4-Dihydro-naphthalin erhält man durch Behandlung von Naphthalin mit Natrium und Alkohol. Durch Oxydation entsteht aus ihm o-Phenylen-diessigsäure, was durch folgende Strukturformel erklärt wird: +2H, Naphthalin
^ Γ ) u u
^/ΟΗ,-ΟΟ,Η
HJ
1,4-Díhydxo-iiaphthalin
C02H
o-Phenylen-dieeslgsáore
Naphthalin verhält sich also bei dieser Reaktion wie ein konjugiertes System, das entsprechend T H I E L E s Regel in 1,4-Stellung addiert. Beim Erhitzen mit Natriumäthylat lagert sich 1,4-Dihydro- in das stabilere 1,2-Dihydro-naphthalin um, bei dem die Doppelbindung mit dem Benzolkern konjugiert ist. SCHLENK fand, daß auch Lithium von Naphthalin addiert wird, und daß dieses Additionsprodukt mit Alkohol 1,4-Dihydro-naphthalin liefert. Das erste Reaktionsprodukt von Naphthalin mit Natrium in Tetrahydrofuran ist eine tiefgrüne Additionsverbindung mit 1 Atom Natrium, in dem das Naphthalin als anionisches Radikal mit einem ungepaarten Elektron vorliegt. Durch Alkohol erfolgt unter Disproportionierung Solvolyse zu Dihydronaphthalin und Naphthalin. WIELAND hat beim 1,4-Dihydro-naphthalin die interessante Beobachtung gemacht, daß es durch Palladium schon bei Zimmertemperatur zu Naphthalin und Tetrahydronaphthalin disproportioniert wird:
/ v
C H 2
\ CH
\/W CH
c H i
y \ / v
/ \ /
vCH 2 I
W
\/W
CH 2
Technisch werden Tetrahydronaphthalin (Siedepunkt 206°) und Decahydronaphthalin (Siedepunkt 190°) durch Hydrierung von sorgfältig gereinigtem1 Naphthalin mit Wasserstoff bei 170° unter einem Druck von 10—15 Atmosphären und Anwendung von Nickel als Katalysator dargestellt (SCHROETER). Im Handel sind diese Substanzen unter den Namen Tetralin und Decalin bekannt. Es sind ausgezeichnete Lösungsmittel, unter anderem werden sie als Ersatzmittel für Terpentinöl in Firnissen und Lacken benutzt. Auf die Existenzmöglichkeit mehrerer spannungsfreier Formen des Cyclohexanrings ist schon früher hingewiesen worden (S.429). Für Decalin hat MOHR auf Grund analoger Betrachtungen zwei stereoisomere Formen vorausgesagt, deren Modelle in den Fig. 109 a und 110 a (S. 474) wiedergegeben sind. Der experimentelle Beweis ist H Ö C K E L bei Derivaten des De calina gelungen. Dur oh Hydrierung von jS-Naphthol erhielt er vier racemische Decahydronaphthole. Dies ist ein Hinweis darauf, daß die beiden hydrierten Ringe nicht in einer Ebene liegen können, sondern daß der Rest — C H J - C H J - C H J - C H ^ — einmal in cis- Stellung und einmal in trans-Stellung an den Çyclohexanring geknüpft ist. Dann ergeben sich für ein α- oder ein /S-Substitutionsprodukt vier Isomere, cis- und trans-Decalin (Kp: 194,6° bzw. 185,5°) erhält man durch Fraktionieren des technischen Produkts. Ihre physikalischen Eigenschaften unterscheiden sich recht erheblich voneinander. Rasche Hydrierung bei niedriger Temperatur ergibt überwiegend cis-Decalin. 1 Technisches Naphthalin enthält als Verunreinigung schwefelhaltiges ThioCH naphthen, das als Katalysatorgift wirkt und durch Behandlung mit Natrium oder I II Bleicherde entfernt werden muß. \/\g/Un.
Isooyolische Verbindungen
474
Am Modell überzeugt man sich leicht, daß sich sowohl von der Wannen- als auch von der Sesselform des Cyclohexans stereoisomere Decaline ableiten lassen, je nachdem man den zweiten Ring in ois- oder in trans-Stellung angliedert. Dies beruht darauf, daß bei beiden Cyclohexanmodellen die trans-Bindungen sich im Vergleich zum ebenen Cyclohexanmodell auf eine mittlere Lage nahem, die von B R E D T als meso-trans-Stellung bezeichnet ist und die An· gliederung eines zweiten Ringes auch an trans-Bindungen ermöglicht. Insgesamt ergeben sioh 7 verschiedene Kombinationen yon Sessel und Wannenform, von denen 4 hier abgebildet sind. Experimentell hat man bisher bei Deoalin-Derivaten keine Isomeren beobachtet, die zur Annahme von mehr als 2 Deoalinen nötigen.
(»)
(b)
«
Fig. 109. trans-Deoalin
Fig. 110. cis-Decalin
(b)
Auf synthetischem Wege kann man die Decahydro-/?-naphthole (/3-DecaloIe) nach einem von L I N S T E A D angegebenen Verfahren gewinnen. Cyclohexanon wird nach dem G R I G N A R D sehen Verfahren mit der Magnesiumverbindung des Butenylbromids zu l-Butenyl-cyclohexanol-(l) umgesetzt. Behandelt man dieses in Eisessig mit Acetanhydrid und etwas Schwefelsäure, so bildet sich der Essigsäureester des /7-Decalols, der mit Lauge zum Decalol verseift werden kann: H,C/
I HjCv
D H f
\)H.
X!H/
I + BrMg-CH 2 -CH 1 .CH:CH i , .CO
-
Hjc/°Hî\CHjE:2CV;H
O CO CH.
 C I
/3-Dccalylacetat
Die Reaktion entspricht der säurekatalysierten Cyclisierung eines 1,5-Diens. Führt man die gleiche Reaktionsfolge mit l-Methyl-cyolohexanon-(2) durch, so gelangt man zu dem i n Brückenstellung substituierten 9-Methyl-/3-decalol, das durch Umwandlung in das Keton und anschließende Reduktion in 9-Methyl-decalin verwandelt werden kann: CH,
h,C/ Hjiy
y
CI
HH
CHj
CH,
CH*
H,c/
C I
Si/
C H i
\cNH + 2H,0. CHj-CHO CH=CH Pyrrol
Als Ausgangsmaterial für die Darstellung eignet sioh schleimsaures Ammonium, das beim Erhitzen mit hoohsiedenden Lösungsmitteln, ζ. B . Glycerin, auf 180—210° in Pyrrol, Ammoniak und Kohlendioxyd zerfällt: CH(OH) · CH(OH) · CO,NH4 ¿H|(OH).CH(OH).CO,NH4 schlelmuores NH,
CH=CH > N H + N H , + 2CO t +4H.O. CH=CH Pyrrol
Umgekehrt entsteht aus Pyrrol durch Einwirkung von Hydroxylamin unter AmmoniakEntwicklung das Dioxim des Bernsteinsäuredialdehyds, Succindialdoxim HO · Ν :CH · CH* · CHg · CH : Ν · OH. Pyrrol-Homologe können aus 1,4-Diketonen und Ammoniak dargestellt werden: HC CH HC CH II II +NH,= II II + 2H.O. RC CR R.C C-R \ ) H HO/ \NH/
tautomere Form der 1,4-Dtketone
2,6-DlfcIkylpyrrol
Die Analogie dieser Reaktion mit den Furan-Synthesen tritt auch darin hervor, daß Furan-Abkömmlinge direkt duroh Erhitzen mit Aminen in Pyrrol-Derivate verwandelt werden können.
523
Pyrrol
Erwähnt sei schließlich noch die KnoBRSche Synthese von Pyrrolcarbonsäuren, die von Aminoketonsäuren und Ketonsäuren ausgeht: CH,· CO C2H5-OJC-CH.
CHj'C-
HgC'COj'CjHg
l CH,
+
\NH2
Ο,Η,-Ο,Ο-Ο^
C-COj-CJH. II ^ C · CH,
Die Struktur des Pyrrols ergibt sich aus den angegebenen Bildungsweisen. Trotz der großen Empfindlichkeit von Pyrrol gegen oxydierende Einflüsse ist es möglich, bei tiefer Temperatur (— 60°) durch Behandlung mit Ozon definierte Spaltstücke zu erhalten (WIBATJT, GULJB 1951). Die aus Pyrrol erhaltenen Produkte, Glyoxal, Ammoniak und Ameisensäure, stehen im Einklang mit der konventionellen Formel des Pyrrols und der Annahme, daß a n die beiden Doppelbindungen 1 Mol Ozon angelagert wird: 0,
-CH,
>0,
"HC
CH''
H.O
>
OHC-CHO + NH, + 2 HCOjH.
\ N H /
In anderen Fällen, ζ. B. beim 2,3-Dimethyl-pyrrol, entstehen jedoch neben diesen „normalen" Spaltprodukten auch solche, die auf eine einfache Bindung zwischen den Stellen 2 und 3 und die Beteiligung einer entsprechenden (polaren!) mesomeren Grenzstruktur am Zustand des Pyrrolmoleküls schließen lassen:
HC-
=C-CH,
H¿
¿e· •·. κ
CHj-CO-CO-CHJ + OHC-CHO + NHa
CH,
Η Die Deutung dieses Resultats durch das Auftreten einer desmotropen „ P y r r o l e n l n f o r m " hält WIBAUT f ü r weniger wahrscheinlich. Beständig ist diese in solohen Fällen, wo, wie beim Pentamethylpyrrolenin, das Bindungsgerüst völlig festgelegt ist. Pyrrolenine, wie wir sie namentlich unter den Pyrrolfarbstoffen antreffen werden, zeiohnen sich gegenüber dem Pyrrol durch ausgesprochene Baeizit&t aus.
HC=CH
CHS-C=C-CH,
HC
CH,-¿
¿H,
\ N / Pyrrole nln
\
¿(CH,), N
/
Pentamethylpyrrolenin
Pyrrol zeigt kaum basische Eigenschaften. Dieses Verhalten wird meist durch die Annahme gedeutet, daß die einsamen Elektronen des Stickstoffs durch ihre Teilnahme an dem Sextett des aromatischen Ringes beansprucht sind. Ihre Inanspruchnahme durch Salzbildung soll infolgedessen den aromatischen Charakter aufheben. Doch haben in neuerer Zeit A. TBEIBS und andere1 gezeigt, daß namentlich die homologen Alkylpyrrole durchaus nicht unfähig zur Salzbildung mit Säuren sind (einzelne Salze sind sogar umkristallisierbar). Indessen wird dies im allgemeinen durch anschließende Autoxydations- und Kondensationsreaktionen verdeckt. Die Salze des Pyrrols mit Säuren und Basen (es sind Alkalimetall- und Magnesium-Derivate bekannt) sind wahrscheinlich etwa folgendermaßen zu formulieren:
I
1/H
ΧΘ Ν
1
4®
Me® Η
TRKIBS, Β AB BB, Lieb. Ann. 627,182 (1969); ABBAHAM, Mitarb., Cañad. J. Chem. 87,1859 (1959).
Heterocyolisohe Verbindungen
524
Die interessanteste Eigenschaft der Pyrrole ist die beispiellose Reaktionsfähigkeit der Kernwasserstoffatome gegenüber elektrophilen Reagenzien, in der sie sogar die aromatischen Kohlenwasserstoffe übertreffen und eher mit Phenol und Anilin zu vergleichen sind. Dies ist auf die Elektronenanreicherung an den Kohlenstoffatomen zurückzuführen. Mit Halogenen liefert Pyrrol Substitutionsprodukte und keine Additionsprodukte, wie zu erwarten wäre, wenn es eine ungesättigte aliphatische Verbindung wäre. Mit Salpetersäure in Essigsäureanhydrid gibt es Mono- und Dinitroderivate. N-Methyl-pyrrol wandelt sich beim Erhitzen in 2-Methyl-pyrrol um : C T H T N.CHA
C4HA(CHA)NH,
entsprechend dem Übergang von Methylanilin in p-Toluidin (S. 358). Die Analogie mit Phenol zeigt sich bei der Behandlung von Pyrrolkalium mit Kohlendioxyd, wobei Pyrrol-carbonsäure-(2) entsteht, gerade wie aus Phenolnatrium und Kohlendioxyd Salicylsäure entsteht. Mit Chloroform und Alkali entsteht Pyrrol-2-aldehyd. Auch kann Pyrrol wie Phenol mit Benzoldiazoniumchlorid gekuppelt werden. Im übrigen beobachtet man bei den Umsetzungen der Metallsalze sowohl C- wie N-Substitution. Zu Dien-Synthesen eignet sich Pyrrol nicht. Eine sehr merkwürdige Reaktion findet statt, wenn Pyrrolkalium in ätherischer Lösung mit Chloroform in Reaktion gebracht wird. Das Kohlenstoffatom des Chloroforms schiebt sich dann zwischen zwei Kohlenstoffatome des Pyrrolringes, wodurch in schlechter Ausbeute 3-Chlor-pyridin entsteht: HC II HC
CH HC II + CHC1,— > 1 CH HC
CCI II CH
" W Als Reaktionsmechanismus könnte man sich eine Anlagerung von Dichlorcarben (S. 143) an die Doppelbindung und Ringerweiterung unter HCl-Abspaltung vorstellen. HC —CH Pyrrol läßt sich durch Zinkstaub und kalte Salzsäure zu einer bei Τ I 91° siedenden Dihydroverbindung C4H7N reduzieren. Das ReaktionsΗ,ό^^/CH, produkt besteht hauptsächlich aus /l3-Pyrrolin, ist stark basisch und hat wie die partiellen Reduktionsprodukte von aromatischen Verbindungen ungesättigten Charakter. Ja-Pyrroline lassen sich durch Ringschluß aus y-Aminoaldehyden oder auch durch Teildehydrierung von Pyrrolidinen mit Quecksilberacetat erhalten: \NK/
HJC CH2 CH A . I I >C CH CH3/ \ N H , O ^
_
H
0
•
HJC CH3X Ι >CX CH/ W
CH2 I CH
_
H
H,C CH3X Ι >C c a / \NH
CH2 I CH. /
Auf diese Weise wurden substituierte ¿d1-Pyrroline, ζ. Β. 5,5-Dimethyl-zl1-pyrrolin dargestellt. Es sind nach Art der Schiffschen Basen schwach basische Verbindungen (p ka : etwa 7). Unsubstituiertes ¿d1-Pyrrolin ist wegen seiner großen Polymerisationsneigung nicht erhältlich, es kann aber in statu nascendi mit Kaliumcyanid und Salzsäure als Nitrii des Prolins abgefangen werden. Dies ist eine interessante Prolin-Synthese ( T O D D ) : H.C CH. I I HSCNN^CH
HCN
•
H.C ι H2^
N H /
CH. ι CH.CN
Ξ.0
•
H.C CH. I I H2CXNH/CH.CO2H Prolin
Pyrrol-Farbstoffe
525
Auch die Pyrroline sind noch zur Aufnahme von zwei H-Atomen befähigt. Das so erhaltene Pyrrolidin 0 4 Η„Ν ist eine stark ammoniakalisch riechende Flüssigkeit, siedet bei 87° und kommt im Tabak vor. Die katalytische Hydrierung von Pyrrol zu Pyrrolidin mit Platin oder Nickel ist schwierig und gibt im allgemeinen höchstens 50% Ausbeute. Es ist sehr bemerkenswert, daß sie durch Zugabe von Eisessig und noch mehr durch 1 Mol Salzsäure erleichtert wird und daß man eine erleichterte Hydrierung auch bei N-acylierten Pyrrolen beobachtet hat. In beiden Fällen dürfte dies auf der Beanspruchung des einsamen Elektronenpaars am Stickstoff beruhen, die ¡¡ ¡τ man sich beim N-Acyl-pyrrol durch eine mesomere Grenzform gemäß Ι θ J nebenstehender Formel veranschaulichen kann. Man kann Pyrrolidin aus Tetramethylenglykol im NH 3 -Strom über A1203 bei 325° oder durch Re- ^ C—ΟΘ duktion von Succinimid mit LiAŒL darstellen.
Pyrrol-Farbstoffe Es wurde bereits oben erwähnt, daß der Blutfarbstoff und der grüne Farbstoff der Blätter, das Chlorophyll, Derivate des Pyrrols sind. Infolge ihrer äußerst komplizierten Struktur und der mannigfachen Veränderungen, die sie bei chemischen Umsetzungen erleiden können, hat man erst in den letzten Jahrzehnten Klarheit über ihren Bau gewonnen. Die Forscher, denen wir unsere heutige Kenntnis im wesentlichen verdanken, sind NENCKI, MARCHLEWSKI, WILLSTÄTTER, PILOTY, KÜSTER und vor allem H A N S FISCHER. Das im Blut enthaltene Hämoglobin besteht nach S. 318 aus einem Eiweißanteil Globin, das mit der eigentlichen Farbstoffkomponente als prosthetischer Gruppe verbunden ist. Die Freilegung der prosthetischen Farbstoffgruppe aus dem Hämoglobin wird gewöhnlich so vorgenommen, daß man Blut in heißen NaCl-haltigen Eisessig einfließen läßt. Hierbei erhält man durch gleichzeitige Oxydation braune rhombische Prismen, die sog. TEICHMANN sehen Kristalle, die aus einem salzsauren Salz, dem Hämin C34H3204N4FeCl bestehen1. Seine Konstitutionsformel ist auf Grund von Abbau und Synthese (H. FISCHER 1928) in folgender Weise aufzulösen: C H , . — .CH=CH,
CH=CHo
FJ—.
HC,
Imidazol
Ν II
w
Ν II
c h
h c
Νθ ©Ν I «—• I
\ V
c h
h
1,2,4-Trlasol
S V
Ν II
—usw.
c h
Entsprechend wird die NH-Gruppe auch immer saurer. Beim Tetrazol, dessen Anion vier gleiche Grenzstrukturen aufweist, liegt eine Säure von der Stärke der Essigsäure vor: Ν II
Η (
Ν II
\ν/
ΘΝ I
ν
h
®
S
Ν II ^
n
/
n
Ν II
h c
Νθ
\n^
Ν
n
h
S
Ν I
n
/
n q
Anion dea Tetrazola
Wichtige Abkömmlinge des Imidazole werden uns später bei der Besprechung der Harnsäuregruppe begegnen. Wir begnügen uns hier damit, eine allgemeine Methode zur Dar· Stellung anzuführen, die in der Einwirkung von Glyoxal auf Ammoniak und Aldehyde besteht s CHO I + 2 NH., + OHC.R = CHO
HC II HC
Ν II + 3 Η,Ο. C.R
Eine Modifikation dieses Verfahrens ist der von W E I D E N H A G E N angegebene Weg, \/CH*\
V \ · NHj
N/\
I
n h
/
CH, I co
HYDROOARBOSTYRU
Dieses liefert beim Erhitzen mit Phosphorpentachlorid + Phosphoroxychlorid 2.3-Dichlor-chinolin, das sich zu Chinolin reduzieren läßt. Interessante Beobachtungen machte DECKEB bei den N-Alkyl-chinolinium-Salzen, Alkylhalogenid-Additionsprodukten des Chinoline. Sie liefern beim Behandeln mit Silberoxyd stark alkalisch reagierende, ätherunlösliche Ammoniumbaeen (I). Diese lagern sich teilweise in ätherlösliche, sehr veränderliche Pseudobasen um, denen die Konstitution II zukommen muß, da sie sich zu N-Alkyl-chinolonen (III) oxydieren lassen. Mit Säuren geben sie, solange sie unverändert sind, wieder die echten Ammoniumsalze zurück. Chinaldinjodmethylat (IV) spaltet bei gleicher Behandlung Jodwasserstoff ab; es entsteht eine gelbe, sehr veränderliche Methylenverbindung (V), die durch H J wieder in das Jodmethylat verwandelt wird. Diese Erscheinungen erinnern an die Verhältnisse bei den Triphenylmethanfarbstoffen; auch bei den Anthocyanen (S. 512) hat man ähnliche Beobachtungen gemacht. Pseudobasen der genannten Art kennt man namentlich bei schwach aromatischen oder hydrierten Ringen (Acridin, Kotarnin). Pyridiniumverbindungen geben dagegen keine Pseudobasen.
II
I CH· OH
ra \ / \ N /
¿¡¡H, OH©
CH I CO
-A CH I C:CHj
KO Η
IV
—CH, CH, J©
HJ
¿H,
Von den N-Alkyl-chinoliniumsalzen und ihren Homologen leitet sich eine große Reihe wichtiger Farbstoffe ab, von denen hier vor allem die Gruppe der Cyanin- und Isocyaninfarbstoffe genannt sei. Sie sind im allgemeinen sehr unecht und deshalb von Ausnahmen abgesehen für die Färberei unbrauchbar, spielen aber für die Sensibili-
Cyaninfarbstoffe
543
sierung photographiseher Emulsionen1 eine bedeutende Rolle. Aus den Jodäthylaten des Chinoline und Lepidins (4-Methyl-chinolins) entstellt durch Einwirkung von Alkali das blaue Cyanin
Nimmt man an Stelle von Lepidin Chinaldin, so entsteht das Isocyanin Äthylrot: Λ Λ iJsJ-CH,
+
Ν
ΟΝ τ 0 =Ν·ΝΗ, + ί ζ ^ - Ν « ® , ) , R
Π.
Indol
545
Έίη wegen seiner pharmakologischen Wirkung geschätztes Derivat des Chinoline ist die 2-Phenyl-chinolin-carbonsäure- (4), die unter dem Namen Atophan als Heil· mittel gegen Gicht Anwendung findet. Sie wird durch Erhitzen von je 1 Mol Anilin, Benzaldehyd und Brenztraubensäure dargestellt. Auch aus Isatin (S. 646) und Aceto· phenon in Gegenwart alkalischer Kondensationsmittel kann sie gewonnen werden : CO,H CO-CO,Η CO CH CH, +
¿ 0 C«H.
Λ/Χν/'
N A N H , Isatlneäare
I satin
C-C e H s
ÂtopDan
Chinolin-Derivate haben ale chemotherapeutische Mittel in neuerer Zeit große Bedeutung erlangt. Unter den zahlreichen bekannten Verbindungen seien die folgenden als besonders wichtig hervorgehoben: CH,· Ov NH · CH(CHa) · [CHJ, · N(C,H6 ), SO,Na w NH-CH.[CHJ,.N(C,H 5 ) t
rV^
M
c i / ' S / V
¿H,
Plumocbln (Pamachin)
j
/
w
OH
Resochin (Chlorochin)
Plasmochin (HÖRLEIN, SCKULEMANN, ROEHL 1 9 2 4 — 1 9 2 6 ) dient zur Bekämpfung Yatren der Gesehlechtsformen der Malariaparasiten (vgl. Atebrin, S. 652). Diesem ersten, ziemlich toxischen, aber unentbehrlichen Sanierongsmittel folgten zahlreiche andere Verbindungen, von denen das Resochin (in Amerika Chlorochin genannt) besonderes Interesse wegen seiner dem Atebrin ähnlichen. Wirkung erweckt hat. Yatren hat sich als Mittel zur Behandlung der Amöbenruhr bewährt. Isochinolin C„H,N Isochinolin kommt im Steinkohlenteer vor und ist daraus von HOOGEWERTF und VAN D O R P mittels des schwer löslichen Sulfats isoliert worden. Es ist eine farblose Flüssigkeit vom Geruch des Benzaldehyds; es siedet bei 242° und erstarrt bei + 26,5°. Durch Oxydation gibt es Cinchomeronsäure und Phthalsäure:
«¿V UU υ°°·Η· H O C ^
Cinchomuons&ore
co H
Isochinolin
Phthale&are
ein Beweis für die oben angenommene Struktur, die überdies durch verschiedene Synthesen erhärtet wurde. Der Isochinolin-Bing kommt in vielen Alkaloiden vor (S. 585). Indol C,H 7 N Indol stellt ein kondensiertes System aus einem Benzol· und einem Pyrrolring dar. Seine Konstitution geht aus der nachstehenden Formel hervor, die man sich durch die beim Pyrrol (S. 522) beschriebenen mesomeren Grenzformen ergänzt denken muß: 3
ch/J
,CHa H o l l e m a n - R i c h t e r , Organisehe Chemie. 37. — 41. Auflage
35
Heterooyolieohe Verbindungen
546
Ein wichtiges Derivat des Indole ist der Indigo. Durch Oxydation von Indigo mit Salpetersäure entsteht Isatin, das BAEYBB1 auf dem folgenden Wege in Indol überführen konnte: / V
-co
CO -CH, CO / Oxlndol
KA. Amalgam
lo v \
NH/
Isatin
\ / \
-CH OH
Zn+H01
H / Dloxlndol
N
—CH
Zn-Staub % / \
N H
N H
/
CH
Indol
Die Konstitution der einzelnen Zwischenstufen wurde durch Synthese bewiesen. o-Nitro-benzoylchlorid liefert bei Behandlung mit AgCN ein Nitrii, dessen Verseifung o-Nitro-phenylglyoxylsäure ergibt : CO · COjH COCI 1 CeH.{!NO, 2 NO, o-Hltro -benzoylchtorid o-Nltro-phenylglyoxybftuie
ρ TT rco-cN
. ρ υ /'
Die daraus durch Reduktion entstehende Aminoverbindung geht duroh intramolekulare Wasserabspaltung leicht i n Isatin über: TT -CO · COjH • HjO = C,H, < g ^ > C O Isatin o-Amlno-phenylglyoxyls&ure (Intlnsäure) leatin bildet rotgelbe Priemen vom Schmelzpunkt 201° und ist in kaltem Wasser schwer löslich. In Alkalien löst es sich unter Bildung dunkelroter Salze. Nach einiger Zeit erfolgt jedooh Entfärbung, indem der Bing aufgespalten wird und die farblosen Salze der Isatinsäure entstehen. Dioxindol entsteht bei der Reduktion von o-Nitro-mandelsäure mit Zinkstaub und Essigsäure über die unbeständige o-Amino-mandelsäure hinweg: / x / C H ( O H \ -CH-OH CO.H CO v \ N H , Dloxlndol o-Amino-mandelsäure r
N / W
Analog erhält man schließlich auch Oxindol durch Reduktion von o-Nitro-phenyleseigsäure: CHj COjH
io
S
NH, o-Amlno-phenylesslgsinre 1
Oxlndol
ADOLF V. BAEYER, geboren 31. Oktober 1835 in Berlin, gestorben 20. August 1917 in München, lehrte von I860 an im Gewerbeinstitut (der späteren Technischen Hochschule) in Berlin, 1872 in Straßburg, seit 1876 in München. Durch seine hervorragenden Untersuchungen sind zahlreiche Gebiete der organischen Chemie befruchtet worden. Erinnert sei an seine Arbeiten Uber Indigo, Phthaleine, Anthrachinon- und Triphenylmethan-Abkömmlinge, aber hydroaromatische Verbindungen und Oxoniumsalze. Seine Spannungstheorie wurde mehrfach erwähnt. Vgl. seine autobiographischen Aufzeichnungen in den Gesammelten Werken (Braunschweig 1005); ferner den Nachruf von R. WILLSTÄTTBB, Ztschr. angew. Chemie 80 (1917), 229.
Indo]
547
Zur Darstellung von Indol geht man zweckmäßig vom Indoiyl aus, das bei der technischen Indigo-Synthese gewonnen wird (s. S. 549), und reduziert dieses mit Natriumamalgam: / V
-C - OH CH
\ / \ N H /
X
S / \ NNH H /
T . CH
Indol
Indoxyl
Eine andere Darstellungsweise besteht in der Cyclisierung von Ameisens&ure-o-toluidid (Formo-toluidid) durch Erhitzen mit Kalium-tert.-butylat: / Y C I II
H í
O I! CH
-H.O,
' Ψ
\/\
N H
/
CH
Indol findet eich in geringer Menge im Steinkohlenteer. Es bildet wie Pyrrol eine N-Kaliumverbindung und kann daher der bei 240—260° siedenden Fraktion durch Erhitzen mit Ätzkali entzogen werden. Indol kristallisiert in farblosen Blättchen vom Schmelzpunkt 52°, siedet bei 254° und ist in heißem Wasser nicht unerheblich löslich. Reines Indol riecht unangenehm intensiv, dabei deutlich blumig. Es kommt z. B. im Jasminblütenöl vor und spielt in der Parfümerie zur „Abrundung" von Blumengerüchen eine gewisse Bolle. Das in kaltem Benzol schwer lösliche rote Pikrat kann zur quantitativen Bestimmung dienen. Indol färbt wie Pyrrol einen mit Salzsäure befeuchteten Fichtenspan rot. Durch Säuren wird es nicht in Salze verwandelt, sondern polymerisiert. Homologe des Indole können nach einer von Έ. F I S C H E S angegebenen Synthese aus Phenylhydrazonen von Aldehyden oder Ketonen durch Schmelzen mit Zinkchlorid gewonnen werden: CHl-CH3 V \
II N H
. /
J2B.
CH-CH, CH
^/\νη·ΝΗ -C-CH.3
C-CHa
-CH
^ / ^ N H , Η,Ν/
+ NH3.
0-Methyl-lndol (Skatoi)
Der Verlauf dieser Reaktion, bei der das vom Benzolkern entfernter stehende NAtom als NH S austritt, ist zuerst von R . R O B I N S O N in der hier wiedergegebenen Weise gedeutet worden. Einen direkten Beweis haben A L L E N und W I L S O N sowie CLUSIUS durch Markierung mit 1S N erbracht. a-Methy]-lndol („Methylketol"), aus Acetonphenylhydrazon erhältlich, schmilzt bei 60°. Es geht beim Durohleiten durch ein glühendes Bohr unter Wasserstoffabspaltung in Chinolin fiber:
Λ ^ Ν Η /
-CH II CH CH.
CH Λ / \
Κ
/
CH
+ Hj.
0-MethyI-lndol (gkatol), Schmelzpunkt 95°, findet sich in den Fäzes, deren unangenehmen Greruoh es zum Teil bedingt. Aus Eiweißstoffen entsteht es durch Kalischmelze oder Fäulnis. Seine Mattersubstanz ist das Tryptophan (ß-Indolyl-alanln), das als wichtiges Eiweißspaltprodukt schon früher Erwähnung fand (S. 306). Es kann synthetisoh aas Indol auf folgendem Wege 35·
Heterocyclische Verbindungen
548
erhalten werden. Indol liefert mit Chloroform und Kalilange Indol-3-aldehyd (I). Dieser läßt sich mit Hippursänre zu einer Verbindung der Formel I I kondensieren. Wenn diese mit Natrium und Alkohol behandelt wird, so nimmt sie zwei Atome Wasserstoff auf ; gleichzeitig spaltet sich die Benzoylgruppe ab, wodurch racemisches Tryptophan (III) erhalten wird. C-CHO W
C-CH:C-CO,H
® I
V \ N H /
C H
N H
-
C 0
-
C· CH,-CH-CO, H C A
II
^ A N H / III
0 3
N H t
Tryptophan
Für die biochemische Tryptophan-Synthese in Mikroorganismen hat man nach Versuchen von an Echerichia coli und Neurospora crassa die Bildung von Indolylglycerinphosphat (aus Anthranilsäure und Ribosephosphat) und die weitere Umsetzung mit Serin in Betracht zu ziehen: YANOFSKY
C)H OH CCHCHCH20(P) II /CH •
+
H0CH2CHC02H I NH a
Tryptophan + OHC CH(OH) CH a O(P).
Besonderes Interesse verdient schließlich unter den einfachen Indol-Abkömmlingen noch die /J-Indolyl-essigsäure („Heteroauxin" IV) wegen ihrer Fähigkeit, als pflanzlicher Wuchsstoff zu wirken. Zu den Wuchsstoffen gehören z. B. Substanzen, die in den Gräserspitzen erzeugt, durch Diffusion abwärts transportiert werden und durch Zellstreckung bedingtes Wachstum hervorrufen. Der wichtigste, nicht nur in Hefe, Pilzen und Bakterien, sondern auch in höheren Pflanzen, z. B. der Avena-Koleoptile nachgewiesene Wuchsstoff ist die /J-Indolyl-essigsäure. Sie scheint ihre Wirkung nur in Bindung an Eiweiß zu entfalten. Zahlreiche synthetische Verbindungen, z. B. cis-Zimtsäure, α-Naphthylessigsäure und 2.4-Dichlor-phenoxyessigsäure CeH3CI2 · O · CH 2 · C0 2 H zeigen gleichfalls Wuchsstoffwirkung und finden f ü r die verschiedensten gärtnerischen Zwecke praktische Anwendung, u. a. auch zur Unkrautbekämpfung. Diese beruht auf der hemmenden Wirkung höherer Konzentrationen, gegen die verschiedene Pflanzen eehr ungleich empfindlich sind. MAKincH-Kondensation von Indol mit CH 2 0 und Dimethylamin gibt das in Gramineen vorkommende Gramin (V), das sich wegen der leichten Austauschbarkeit seiner Dimethylaminogruppe zur Synthese von Indolylessigsäure und Tryptophan eignet. Tryptamin (VI), das Decarboxylierungsprodukt des Tryptophans, erkennt man als Bausteinäquivalent in vielen Alkaloiden. Sein 5-Hydroxyderivat findet sich in Blutplättchen, Gehirn und der Mucosa des Verdauungstrakts und hat als Vasopressor beachtenswerte physiologische Eigenschaften. C-CH,-CO a H
í · CHa · N(CH 3 ),
/^V ^
^ VI
Die Struktur des Indigos ergibt sich auf Grund seiner Bildung aus Isatinchlorid. Dieses entsteht bei der Einwirkung v o n PC1S auf Isatin, bildet braune, sich m i t blauer Farbe lösende Nadeln u n d liefert bei der Behandlung mit Zinkstaub und Essigsäure Indigo : C4H /
XO N
X
) C · CL + 2 H S +
CL. C
CEH4
=
,COX ,COX C,H4C = CC,H
4
+ 2 HCL.
Indigo
Indigo war schon im Altertum ein geschätzter Farbstoff ; er gehört zu den schönsten blauen Farbstoffen, hat zwar durch die Entwicklung der modernen Küpenfarbstoffe an Bedeutung verloren, ist aber immer noch ein vielgebrauchter Farbstoff (z. B . für „blue jeans" in Amerika). Er wurde früher aus einigen Pflanzen, namentlich Indigofera
Indigo
549
tinctoria und I. leptostachya, gewonnen, die in Indien und J a v a in großem Maßstab angebaut wurden. Diese Pflanzen enthalten das /3-Glucosid des Indoxyls, Indican Ci 4 H 17 O e N + 3 H 2 0 , das hauptsächlich in den Blättern vorkommt. Außerdem findet sich in den Blättern eine Glucosidase, die Indican in Glucose und Indoxyl zu spalten vermag. Indoxyl ist in schwach saurer Lösung ziemlich beständig, wird aber in alkalischer Lösung durch den Luftsauerstoff rasch zu Indigo oxydiert. O-OAA
Λ CO \/VNH/CHa
Indigo
Der hohe Preis des natürlichen Indigos hat zu zahlreichen Versuchen Veranlassung gegeben, den Farbstoff auf synthetischem Wege darzustellen. Von den B A E Y E R s c h e n Synthesen, die jedoch fflr die technische Durchführung zu teuer waren, sei hier eine genannt: o-Nitrobenzaldehyd und Aceton werden durch wäßrige Natronlange glatt za Indigo kondensiert. Der Reaktionsverlauf ist im einzelnen nicht aufgeklärt: CHO ./Χ/"0"
^ ^ C H f O H ) · CHa · CO · CH3
pTT
CH, + CO
Indigo.
Die erste Indigo-Synthese, die sich als rentabel erwies, wurde 1890 von K . HEUMANN a u f g e f u n d e n u n d von d e r BADISOHEN ANILIN- UND SODAFABBIK a u s g e f ü h r t (1897);
sie h a t den natürlichen Indigo fast vollkommen verdrängt. Anthranilsäure (aus Naphthalin über Phthalimid gewonnen) und Chloressigsäure werden zunächst zu Phenylglycin-o-carbonsäure kombiniert : C H
« «P f
2 + CH,Cl-COaH — ν
Ο,Η^ΚΗ,.οο,Ι. Phenylglycin-o-carbonßaare
Diese geht beim Schmelzen mit N a O H in Indoxylsäure über, die schon beim Erwärmen mit Wasser C0 2 abspaltet und Indoxyl liefert; bei der Luftoxydation in al· kalischer Lösung geht sie in Indigo über: C.H 4 {'NHCH.CO,H
Ä
Indoxylsäure C,H1 C H j
+o.
>
Indigo.
Indoxyl
Phenylglycin geht nach HEITMANN bei der Alkalischmelze in Indoxyl über. PFLEGEB fand, d a ß man vorteilhaft nioht Ätzalkalien, sondern Natriumamid NaNH 2 f ü r die Schmelze verwendet, weil man die Reaktion dann schon bei 200° (statt bei 300°) durchführen kann und infolgedessen höhere Indoxyl-Ausbeuten erhält. Dadurch wurde dieses Verfahren mit dem erstgenannten konkurrenzfähig (Höchster Farbwerke 1901). H e u t e wird in der Technik nur noch dieses Verfahren ausgeübt. HO,C. C A
\ N H >
.CO. H
Phenylglyoin
'
C í H
H'· Indoxyl
Das Phenylglycin kann aus Anilin und Chloressigsäure erhalten werden und wird technisch aus Anilin, Formaldehyd und Blausäure gewonnen.
550
Heterocyelieohe Verbindungen
Indigo (Indigoblau, Indigotin) ist ein dunkelblaues Pulver, das durch Reiben kupfrig-rotglänzend wird. Im Vakuum kann er ohne Zersetzung sublimiert werden; Der Dampf ist dunkelrot und monomer. Indigo kann aus Nitrobenzol, Anilin oder anderen hochsiedenden Lösungsmitteln umkristallisiert werden. In den meisten übrigen Lösungsmitteln ist er unlöslich. Am Farbstoffcharakter sind wie bei den Merocyaninen polare mesomere Formen beteiligt (ΙΠ). Obwohl I I I den Übergang in die cis-Form I vermitteln würde, ist beim Indigo die trans-Form I I durch Wasserstoffbrücken stabi0 II /°\/V =c II I
A / \ I II
Η
/
N
\/\ II 1
II
Η···0
θ /0-Hx® /N\/\ c II ] Η·
II
0
III
lisiert. Beim N.N'-Dimethyl- und N.N'-Diacetyl-indigo, die keine Wasserstoffbrücken besitzen, hat man die Bildung von cis-Formen beim Belichten spektroskopisch nachweisen können. Hiermit steht auch die Existenz cyclischer Kondensationeprodukte des Indigos im Finklang, die sich teils von I, teils von Π ableiten. So erhält man aus Indigo und 2 Mol Phenylessigsäure-äthylester einen Farbstoff (Lackrot), für den die Formel IV sehr wahrscheinlich ist: ÇA CON yc s / \ >N\ IV " "Χχτ/ \f!0— s C o—(y CA während mit Oxalylchlorid ein Oxalylindigo der Formel V entsteht: .COx C
«
H
ΛΧΧ
- XX).CO/ C
C
A
·
Da Indigo wegen seiner Unlöslichkeit nicht direkt zum Färben verwendet werden kann, muß man ihn zunächst in eine lösliche Form überführen. Dies geschieht von altersher durch „Verküpung". Indigo wird durch Reduktion mit Natriumdithionit NajSjO« in alkalischer Suspension (oder mit Rongalit im Zeugdruck) unter Aufnahme von zwei Atomen Wasserstoff in eine farblose, kristallisierte Substanz, Indigoweiß CijH^OjNj, umgewandelt, die infolge ihres phenolartigen Charakters in Alkalien löslich ist:
IodlgowelB Bei Zutritt von Luftsauerstoff zu der alkalischen Lösung von Indigo weiß erfolgt wieder Oxydation zu Indigo. Tränkt man daher die zu färbenden Gewebe (Baumwolle oder Kunstseide) mit der alkalischen Lösung und setzt sie der Luft aus, so bildet sich Indigo in unmittelbarer Berührung mit der Faser und haftet fest an ihr.
551
Indigo
Indigo ist der älteste Vertreter der Küpenfarbstoffe. Hierunter versteht man in Wasser unlösliche Pigmente, die sich durch alkalische Reduktion in lösliche Hydroverbindungen (Leukoverbindungen) verwandeln, die die Eigenschaft besitzen, daß sie ihren Lösungen von der Faser entzogen werden. Bei der darauffolgenden Oxydation wird alsdann das unlösliche Pigment in der Faser auegeschieden und diese dadurch echt angefärbt. Da hier eine Vorbereitung der Faser, wie z. B. das Beizen, unterbleiben kann, da ferner sowohl die Herstellung der Küpe als auch das Färben meist schon bei 40—50° erfolgt, so bietet diese Färbemethode große Vorteile vor anderen. Außerdem sind diese Farbstoffe meist sehr echt. Durch Sulfurieren kann man den unlöslichen Indigo in die wasserlösliche 5.5'-Disulfonsäure (Indlgocarmln) verwandeln. Sie ist nicht lichtecht und besitzt daher keine färberische Bedeu· tung. Ihre wäßrige Lösung ist die in der analytischen Praxis verwendete „Indigolösung". Aus Indigoweiß und Chlorsulfonsäure oder Schwefeltrioxyd in Gegenwart von Pyridin oder einfacher direkt aus Indigo, Eisen und Chlorsulfonsäure in Pyridin entsteht der Dischwefelsäureester des Indigoweiß (Inaigosol 0, A nth rasoi 0): SO,H
S0 3 H
Ó
Ó
der gegen Alkalien beständig ist, aber von Säuren langsam gespalten wird. Hiervon macht man in der Färberei Gebrauch, indem man die Fasern mit Indigosol-natrium tränkt und dann die Färbung in saurer Lösung durch ein Oxydationsmittel, z. B. Nitrit, entwickelt. Auch bei anderen Küpenfarbstoffen (z. B. Anthrachinonfarbstoffen) wird dieses Prinzip vielfach angewandt. Substituiert man im Indigo Waeserstoffatome der Benzolkeme durch Halogen, so gelangt man zu technisch wichtigen Farbstoffen (Cibablau, Brillantindigo = Tetrabromindigo). Nur der Ersatz von H-Atomen in o- und p- Stellung zu den CO-Gruppen hat wesentlichen Einfluß auf die Farbe. Der symmetrische β.β'-Dibrom-indigo ist der Farbstoff dee violetten antiken Purpurs, der im Altertum in phönizischen Färbereien aus der Purpurschnecke Murex brandaría gewonnen und aus der Küpe gefärbt wurde. Die Natur des viel höher geschätzten roten Purpurs aus der Schnecke Murex trunculus ist dagegen noch unbekannt, wiewohl ziemlich sioher ebenfalle ein indigoider Farbstoff vorhegt 1 .
FBTEDLABNDKR hat gezeigt, daß der Indigo nur ein Spezialfall der großen Klasse von Indlgolden ist, die durch die gemeinsame Gruppierung gekennzeichnet sind und von DECKES als Zweikernchinon-Farbstoffe bezeichnet werden. Diese Betrachtungsweise erscheint heute, wo man den polaren Strukturen des Indigos einen wesentlichen Anteil am Farbstoffcharakter zuschreibt, als nicht mehr ganz zweckmäßig. Vergleicht man Diphenochinon, den Dimethyl„naphthalinindigo" (S. 470) und Indigo hinsichtlich ihrer langwelligen Absorptionen (400 bzw. 500 bzw. 600 τημ), so ist die bathochrome Verschiebung beim Indigo weitaus am stärksten.
Thioindigo (Algolrot & B, Helindonrot 2 B) entsteht, wenn man sich im Indigo die beiden NH-Gruppen durch S ersetzt denkt. Zu seiner Darstellung verwandelt man Anthranilsäure nach der SAND METER sehen Reaktion in Thiophenol-o-carbonsäure und kombiniert diese mit Chloressigsäure:
Die so entstehende Säure gibt bei der Schmelze mit NaOH Hydroxythionaphthencarbonsäure, die nun in ähnlicher Weise wie die Indoxylsäure auf Thioindigo verarbeitet wird: 1
P. FRIEDLAENDER. Ber. Dtsch. Chem. Ges. 42, 765 (1909).
Heterooyclieohe Verbindungen
552 CeH4fCOlH Ιβ-ΟΗ,.ΟΟ,Η
C e H/ CO >CH.CO^[ \S/
—ν
__
—>
O A ^ f S c E
„„
Hydroxy-thionaphthen
Thiolndlgo
Beim Thioindigo, der keine Wasserstoffbrücken besitzt, hat BRODE (1951) die Umwandlung der trans-Form in die cis-Form verwirklichen können. Thioindigo ist wie Indigo ein Küpenfarbstoff; er färbt Baumwolle und Wolle dunkelrot. Färberisch wichtige Derivate des Thioindigos sind z. B. Algolorange R, Helindonorange R (6.6'-Diäthoxy-thioindigo) und Indanthrenbrillantrosa R (6.6'-DicHor-4.4'-dimethyl-thioindigo). Acridin und Oarbazol Kleine Mengen von Acridin (I) finden sich im Steinkohlenteer, doch wird es ebenso wie seine Derivate ausschließlich synthetisch gewonnen. Es kristallisiert in farblosen Nadeln vom Schmelzpunkt 110°. Acridin zeigt ebenso wie seine Salze in Lösung starke blaue Fluoreszenz. Ks kann nach BEBNTHSEN durch Erhitzen von Diphenylamin mit Ameisens&ure und ZnClj auf 270° erhalten werden:
CLJD
+ HCOOH
—ν
ι y Λ I. Acridin
ΝΗΟΗ^^^ΟΒϋ,.ΝίΟ,Η,), / f \/ ^ 'N' CH, Cl e
. CH,
III. Atebrin, Cblnaerln
Π. Trypaflavin
Es ist mit einem pk e von 5.60 eine etwas stärkere Base als Pyridin und bildet mit starken Säuren gelbe Salze. Das Chlormethylat des Diaminoacridins heißt Trypaflavin oder Panflavin (II). Es wirkt stark antiseptisch und dient zur Wundbehandlung. Trypaflavin ist einer der einfachsten Vertreter eines Acridinfarbstoffs. Sein Tetramethylderivat ist das Acridinorange, das bei 491 ταμ absorbiert. Es ist von H. K U H N als Beispiel eines Farbstoffs mit „verzweigtem Elektronengas" behandelt worden. Entsprechend der theoretischen Erwartung hat der Ringschluß („Mesomerie-Kurzschluß"), der von Michlers Hydrolblau (Absorption bei 603 mμ) zum Acridinorange führt, eine stark hypsochrome Wirkung.
(CH,) 2 N/^V
V^N(CH3)2
Mlchlera Hydrolblau
(CH3)2N/^/\Ν / ^ / ^ ñ í c h , ) , CH, Acridinorange
Ebenfalls ein Acridin-Abkömmling ist das Atebrin oder Chinaerin (III), das zur Bekämpfung der ungeschlechtlichen Entwicklungsformen (Schizonten) der Malariaparasiten verwendet wird (vgl. Plasmochin, S. 545).
Harnsäure
553
Atebrin ist neben Chinin eines der wichtigsten Malariamittel. In neuerer Zeit hat ein sehr einfach gebauter Abkömmling des Biguanids, das in England (ICI) aufgefundene Paludrln Cl— 0 ¿ ©C—NHs
ΘΝ—C—ΝΗ
N = C—NH/
N = C—NH/
0¿
I
II
οηΘ
>κ c o
I
>C0
I
°·
I
I
>CO
HN C02H H,N X , OC Ì-NH x _HjO_>i OC OC NHX ι I >CO _co « I I >C0 + 01© N=C—NH/ HN CH—NH/ Allantoin
Allantoin kann synthetisch durch Erhitzen von Harnstoff mit Glyoxylsäure gewonnen werden. Seine Strukturformel ist auch durch andere Umsetzungen begründet: /NH, HOCHOH OC< + I + H.N-CONH, \NH, HO CO
/NH—CH—NH-CO NH, OC< I X NH—CO
—>•
Die Entstehung von Alloxan und Allantoin aus Harnsäure steht im Einklang mit der S. 554 gegebenen Formel der Harnsäure. Das Auftreten von Alloxan läßt auf die Anwesenheit der Atomgruppierung I in der Harnsäure schließen; die Umwandlung in Allantoin zwingt zu der Annahme, daß zwei Harnstoffreste und die Atomgruppierung H vorkommen müssen. Dem entspricht auch das sonstige chemische Verhalten der Harnsäure. 0 ^
I I
I C C I I
II
C—Ν
/N-C C~ c^N/XN/
α
Trichlorpurin
Triohlorpurin geht durch Behandlang mit HJ und PH4J bei 0° in ein Dijodpurin über: CVHN4A3 + 4 H J = CJH,N4J, +
3 HCl + 2 J ,
das beim Kochen mit Zinketaub in wäßriger Lösung Purin gibt. Purin ist eine weiße kristallisierte Substanz (Schmelzpunkt 216—217'), die in Wasser sehr leicht löslich und nur schwaoh basisch ist.
Vom Trichlorpurin gelangt man in folgender Weise zum Xanthin : Im Trichlorpurin ist das Chloratom 8 sehr resistent gegen die Einwirkung von Alkalien, während die Chloratome 2 und β relativ leicht ausgetauscht werden. Bei der Behandlung von Trichlorpurin mit Na-Äthylat werden daher nur die Cl-Atome 2 und 6 durch die Äthoxygruppe ersetzt. Beim Erhitzen der so entstehenden Verbindung mit Jodwasserstoffsäure werden einerseits die Äthoxygruppen verseift, andererseits wird das Cl-Atom 8 durch Wasserstoff ersetzt, so daß Xanthin entsteht: o
O V II y—Cl C,HS • o / V w 2,e-Dttthoxy-8-chlor-purIn
Τ
¡i
Η Λ
V a Ο ^ Ν ^ ϊ / Η
>
Η Xanthin
2,e-Dlhydroxy-8-chlor-ptirln
Erhitzt man 2,6-Diâthoxy-8-chlor-purin jedoch mit Salzsäure, so tritt nur Verseifung der Äthoxygruppen ein, und man erhält 2,6-Dihydroxy-8-chlor-purin (s. oben), das bei der MethyÜerung seine an Stickstoff gebundenen Η-Atome gegen Methylgruppen austausoht, wodurch Chlorkaffein entsteht, das sich leicht zu Kaffein reduzieren läßt. Neuerdings hat H. B R E D E B E C K einen schönen und einfachen Weg zum Xanthin gefunden, indem er Harnsäure mit Formamid umsetzte. Diese Reaktion kommt einem Austausch von Kohlensäure gegen Ameisensäure im Imidazolring gleich. Eine elegante Synthese des Xanthine hat W. TRAUBE auf folgendem Wege durchgeführt: NH,
CO.H
NH—CO
Ao
CH,
¿0
NH,
CN
NH, ¿N
Cyanesslgs&ure
Cyanacetylharnstoff
I
CH,
Alkall.
0
O HNO,
/
HN
Y
Ν OH
OAN/VNH
H
Η,
mf^] A
/ \ Η
n
n h
O NH,
O^N^NH, Η
Ο^Ν Η
Xanthin
•Ν·
Nucleinsänren
559
Amino-Derivate dea Purins sind die „Nucleinbasen" Adenin (I) und Guanin (II). Sie sind am Aufbau der Nucleinsäuren beteiligt.
I Die natürlich vorkommenden Nucleinsänren (Polynucleotide) sind hochmolekulare, meist mit Proteinen als sog. Nucleoproteide vergesellschaftete Substanzen. Durch hydrolytische Spaltung mit Alkalien oder Enzymen werden sie in mehrere analog konstituierte Bausteine, die Mononucleotide, zerlegt. Diese lassen sich ihrerseits zu drei Komponenten hydrolysieren, nämlich je 1 Mol Kohlenhydrat, heterocyclische Base und Phosphorsaure. J e nachdem das Kohlenhydrat D-Ribose oder 2-Desoxy-D-ribose ist, spricht man von Ribonucleinsäuren (abgekürzt RNA) oder Desoxyribonucleinsäuren (DNA). Hefenucleinsäure und die Nucleinsäure des Tabakmosaikvirus gehören zum ersten Typ, die den Zellkernen entstammende Thymusnucleinsäure zum zweiten. Als heterocyclische Basen findet man in der Hauptsache vier, nämlich die Pyrimidin-Basen Uracil und Cytosin und die Purinbasen Adenin und Guanin. Daneben sind noch Thymin (5 - Methyl -, uracil), 5-Methyl-cytosin und 5-Hydroxymethyl-cytosin gefunden worden. Die Mononucleotide sind die Phosphorsäureester der N-Glykoside dieser Basen. Aus Hefenucleinsäure erhält man z. B. durch Alkaliabbau das Mononucleotid Hefeadenylsäure, das aus D-Ribose, Adenin und Phosphorsäure in folgender Verknüpfung aufgebaut ist: Η,Ν
Heteadenylsiure a und b Durch Alkaliabbau der Ribonucleinsäuren sind stete zwei strukturisomere Phosphorsäureester a und b erhalten worden, die sich als 2' bzw. 3'-Phosphat erwiesen haben und durch Säure sehr leicht ineinander umgelagert werden. Näheren Aufschluß über die Konstitution der Polynucleotide hat der enzymatische Abbau gegeben. Die wichtigsten Nucleinsäure abbauenden Enzyme sind Phosphodiesterasen, d. h. Enzyme, die Phosphorsäure diester hydrolysieren. Im Pankreas findet sich je ein auf Ribonucleinsäure (Ribonuclease) bzw. Desoxyribonucleinsäure (Desoxyribonuclease) eingestelltes Enzym. Ribonuclease hydrolysiert zu Mononucleotiden. Sie überträgt P-Ester-Bindungen von 5' der einen Ribose nach 2' der anderen (wenn diese mit einem Pyrimidin-Ring verknüpft ist). Dabei entsteht ein cyclisches 2',3'-Phosphat, das durch Wasser hydrolysiert und in 3'-Monophosphat verwandelt wird: pyr iyr(Pur)
O
O
Heterocyclische Verbindungen
560 Pyr I H— C—
Pyr(Pur)
ΟΘ H—C—0 -I I 0>P + Hi—¿—o. Τ| il o Η-C J
H—C H—C—OH O I H—C—O \ | o® I H—C- J \ xiPO.. II
¿H,· OH
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Hydrolyse
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H—i—OH I 0 + 1 H—C—O \ | o® H - i P=0 CH,· OH ¿β
H—¿—OH Η—i—O
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HjOH ¿H,·
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Die Desoxyribonucleinsäuren liefern mit Desoxyribonuclease kaum Mononucleotide, sondern nur Oligonucleotide, deren endständige Phosphat-Bindung eine 5'-Phosphat-Bindung ist. Schließlich gibt es unspezifische Phosphodiesterasen (z.B. aus Schlangengift), die beide Arten von Nucleinsäuren angreifen. Sie hydrolysieren an 3' und lassen die P-Ester-Bindung an 5' intakt. Für den Aufbau der Nucleinsäuren aus Mononucleotiden ergibt sich hiernach das folgende sehr einfache Bild, wonach immer 3' des einen Nucleotids mit 5' des folgenden verknüpft ist: Purin-Bibose-Phoaphorsäure Pyrimidin-Bibose-Phoaphoreäure Purin- Bibose- Phosphorsäure Pyrimidin- Bibose-Phosphors&ure. Dieses Bild erklärt auch die große Alkalilabilität der Bibonucleinsäuren, die immer dann eintritt, wenn sich neben einer P-Ester-Bindung eine freie Hydroxylgruppe befindet. Die Desoxyribonucleinsäuren sind sehr hochmolekular (Mol.-Gew. über 10e). Das gleiche gilt auch für die Ribonucleinsäure des Tabakmosaikvirus. Die RNA der Ribosomen des Cytoplasmes hat ein Mol.-Gew. von ca. 10e. Für die Desoxyribonucleinsäuren hat man nach den auch röntgenographisch gestützten Vorstellungen von WATSON und CRICK ein Modell entwickeln können, wonach zwei Polynucleotid-Ketten parallel, aber gegenläufig in Form einer Spirale um eine gemeinsame Achse aufgewickelt sind. Hierbei liegen die Zuckerringe parallel zur Achse der Spirale, die Purin- und Pyrimidin-Ringe senkrecht dazu nach innen, und zwar derart, daß immer eine Pyrimidinbase der einen Kette mit einer Purinbase der anderen durch Wasserstoffbrücken verknüpft ist. Damit stimmt die experimentelle Feststellung überein, daß das Mengenverhältnis für AdeninThymin zu Guanin-Cytosin in den Desoxyribonucleinsäuren nahe Eins ist. Desoxy-
Nuclein säuren
561
ribonucleinsäuren geben röntgenographisch ein Faserdiagramm. Die Ribonucleinsäuren sind nach ihren physikalischen'Eigenschaften anders aufgebaut. Sie sind anscheinend ein-strangig mit den Basenebenen parallel zur Spiralenachse. Ihre Spiralen sind kurz und peptidartig geknäuelt. Auch ist bei ihnen das Baeenverhältnis von Eins wesentlich verschieden. Bei dem außerordentlich hohen Molekulargewicht der Desoxyribonucleins&uren genügt schon die geringe Anzahl verschiedener Basen, um zu sehr hohen Isomerenzahlen zu kommen. Bisher hat man über die Reihenfolge der einzelnen Nucleotide in der Kette nur sehr geringe Kenntnisse. Man erklärt heute vielfach die Bolle der Desoxyribonucleinsäuren als Erbfaktoren mit der Fähigkeit der losgelösten einzelnen Kette, als Schablone für die identische Wiederholung eines an ihr aufgebauten komplementären Moleküls zu dienen 1 . Den Ribonucleinsäuren schreibt man eine Aufgabe bei der Biosynthese der Proteine zu. Dabei spielen anscheinend für jede Aminosäure spezifisch zusammengesetzte niedermolekulare „lösliche" Ribonucleinsäuren (Mol.-Gew. 25000) die Rolle eines Überträgers, indem eine stets gleiche Endgruppe aus zwei Cytidin- und einem Adeninnucleosid an einem freien Ribosehydroxyl von einer Aminosäure acyliert wird*. Es scheint, daß die genetische Information, von der die Proteinzueammensetzung bestimmt wird, von einer kurzlebigen, an der DNA-Schablone gebildeten RNA (Mol-Gew. ca. 5 · 105) als „Boten" weitergegeben wird und daß Bote und Aminosäure-Uberträger an der Oberfläche der Ribosomen die Protein-Synthese bewerkstelligen 3 .
Während bei den Mononucleotiden durch Säuren zuerst die N-Glykosid-Bindung gelöst wird, gelingt es mit Fermenten (Phosphatasen), die Phosphorsäure abzuspalten. Die so erhaltenen glykosidartigen Verbindungen aus Zucker und Purin- bzw. Pyrimidinbase heißen Nucleoside. Ihre Endung ist häufig -osin. Das der Hefeadenylsäure entsprechende Nucleosid ist das Adenosin: HjN
Adenosin
Auch die Nucleoside sind fermentativ noch weiter spaltbar. Die dafür spezifischen Nucleosidasen sind Transglykosylaeen, die den Zucker auf Phosphat als Acceptor übertragen. Zum Beispiel zerfallt Uridin, das Nucleosid aus Uracil und Ribose, nach folgender Gleichung: Uridin + Phosphat = Uracil + Ribose-1-phosphat. Eines der wichtigsten Mononucleotide ist die im Muskel vorkommende Muskeladenylsäure, die sich von der Hefeadenylsäure durch die Stellung des PhosphorsäureRests unterscheidet: HjN
MtukeladenyU&ure
Ein 5'-Triphosphorsäure-Derivat des Adenosine ist die „Adenosintriphosphorsäure" (ATP), die uns als Coferment der Phosphorylierungsprozesse beim Kohlenhydratabbau 1 1
Vgl. z. B. LXDKBBBRO, Angew. Chem. 71, 473 (1959).
HECHT, STEPHENSON, ZAMEONIK, P r o c . N a t . A c a d . U S A 45, 5 0 5 (1959).
* BRENNER, Mitarb., Nature 190, 576 (1961); GROS, Mitarb., Nature 190, 581 (1961); vgl. a. Chem. and^Engineering News 89 (1961) Nr. 19, S. 80. Holleman-Siebter, Organische Chemie. 87. — 41. Auflage
36
Heterocy eliache Verbindungen
562
bereits mehrfach begegnet ist. Sie ist unter den Substanzen mit „energiereichen P Bindungen" (S. 296) eine der wichtigsten, ist nach einem Verfahren von TODD synthetisch darstellbar und wird auch als Kreislaufmittel therapeutisch verwendet. Die Konstitution des Phosphorsäurerests als O · PO(OH) · O · PO(OH) · Ο · P 0 3 H 2 wird aus der Existenz von 3 primären und 1 sekundären Dissoziationskonstante gefolgert. Durch Untersuchungen von POTTEB (1954) ist bekannt geworden, daß nicht nur Adenosin, sondern auch die anderen Nucleoside in tierischen Geweben als ö'-Mono-, -Diund -Triphosphate frei vorkommen. Weitere wichtige Verbindungen von nucleotidartiger Struktur sind die Cozymase (auch als „Diphosphopyridinnucleotid" oder D P N bezeichnet) NH, CONKj
OH OH -o OH Η Η / ^jj^^jr V+ Ν—CH- - d ì — — C H — C H j * 0 · L o - t • O · CH,—CH—¿—¿—CH- - \ n / N N y /
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¿H ¿I .0.
Cozymase (Codebydrase 1)
und die Codehydrase Π („Triphosphopyridinnucleotid", Τ Ρ Ν ) , die als Cofermente von Dehydrogenasen beim Kohlenhydratabbau eine Rolle spielen (S. 262). NH, CO-NH, ΙΟΤ^^ _ _ / Ν Χ / \ OH OH -0 OH Η Η f
Ni—CH—(!)—d—CH—CH,· o J · 0 · ¿ · O · C H , — C H — ( ! ) — C — C H — X N ^ N ^ M
H
O Codehydiase I I
H'A O
i- -ΡΟ,Η,
Die Wasserstoffübertragimg durch diese Tormente beruht auf der abwechselnden Hydrierung und Dehydrierung des Nicotinsäureamid-Restes (vgl. S. 620). Das Redoxpotential des Diphosphopyridinnucleotids folgt der Gleichung E = — 0,1071 — 0,030 p a + 0,030 log DPN+/DPNH. Das Normalpotential liegt bei ρκ 7 bei —0,320 Volt. Gegenüber dem Brenztraubensäure-Milchsäure-System mit einem Normalpotential von —0,190 Volt beim gleichen pu wirkt es also reduzierend. Eine nucleotidartige Verbindung von Adenosin über Pyrophosphorsäure mit dem Ribitylrest des Lactoflavine (Flavinadenindinucleotid FAD) bildet die prosthetische Gruppe einiger gelber Fermente (Flavoproteine). Ein von Uracil abgeleitetes Nucleotid ist die „Urldlndiphosphatglucose", -OOH OH O OH H OH J > NH N- CH - U . - C H - C H , O-P-O-P—O-CH 0= C—C—CH.· OH =/
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Cogalaktowaldenase
ein von L E L O I B strukturell aufgeklärter und von TODD partiell synthetisierter Cofaktor der „Galaktowaldenase" (S. 253), wichtig außerdem als ein Glucose-Überträger bei der Glykogen-Synthese. Ein cyclisches Adenosin-8' · 5'-monophosphat entsteht enzymatisch oder mit Ba(OH) 2 aus ATP. Seine in eigenartiger Weise durch Adrenalin gesteigerte Bildung bewirkt eine Aktivierung der tierischen Phosphorylase, auf die man die durch Adrenalin erzeugte Hyperglykämie zurückführt. Auch andere Nucleotide sind an wichtigen Reaktionen beteiligt. So vermittelt Cytosinribose· diphosphatcholin Cyt-0 P - 0 - P 0 C ^ - C H j N(CH8)3® bei der Phosphatid-Synthese die Einführung des Cholinphosphorsäure-Restes in das Diglycerid-Molekül. Die Nuoleinsäuren sind die Quelle der Harnsäure im menschlichen Organismus. Sie werden teilweise mit der Nahrung eingeführt, zum Teil vom Körper aus einfachen Bausteinen aufgebaut. Beim Säugetier (nicht beim Menschen) wird Harnsäure weitgehend in Allantoin umgewandelt; der Harn der Säugetiere enthält an Stelle von Harnsäure Allantoin. Aus Versuchen mit radioaktiven Indicatoren kann man entnehmen, daß der Organismus die Purine aus Ammoniak, Kohlendioxyd, Ameisensäure, Essigsäure, Milchsäure, Glykokoll und Serin synthetisiert.
Nucleotide
563
Für die Biosynthese von Uracil hat man ζ. Β. folgenden Weg wahrscheinlich gemacht (wobei wesentliche Details wie Phosphorylierung und Umsetzung mit Ribose hier weggelassen seien) :
NH, + CO,
. NHj-CO-O· PO,Hj
ATP
Carbamoylphosphai
co2h NH, C0 0 · PO,Η, + Asparaginsäure H
Η
0VNV/C0,H ΗΝ
• NH S · CO · NH · CH · CH2 · CO,Η Η
O y N N / CO a H
I
DfN _
ΗΝ
0
•
II
Ν
0
0
Orots&ure
Uracil
Für das Purinnucleotid Inosin-5-phosphat erscheint folgender Weg möglich:
,ΝΗΧ1 0=C
H^Í,H\ho OH^I + Η,Ν-ΟΗ, ΟΟ,Η .1-1/ CH,OPO,H2 Glycin 1
1
„HCO.H" X
NH,
Biboaylamin ^NHX
/NHX
0=0
(Mowmln |
H,C CHO \nh/
HN=C H,C CHO \NH/
X
Η,Νν Y h HO.ìfi/^W
X ATP
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Asparagln»»nie
CO,
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Υ \ " y NH-C0/NW
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HO,C · CH, -¿Η · C0,H OHC-NH ^ E U
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Χ
ίΥ\ Ν /Νχ
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HC
Inoflln-5-phoephat In dem obigen Beaktionsschema steht „Ameisensäure" nur als Symbol für biochemisch mögliche Einkohlenstoffquellen. Kobnbbeg hat aus Extrakten von Eeheriehia eoli ein Enzym isoliert, das aus den δ'-Triphosphaten von Desoxy-thymidin, -guanosin, -cytidin und -adenosin unter Abspaltung von Pyrophosphat Desoxyribonucleinsäure synthesiert. Dabei ist die Gegenwart von Mg und Desoxyribonucleinsäure als „Starter" notwendig. H 1 X
=
\ \|—|/CH2 · 0 · ΡΟ,Η,.
PH/1 l\HO OH/I
36»
Heterooyclisohe Verbindungen
564
Strukturell mit dem Purin und dem Alloxazin nahe verwandt ist das Pteridin (I), von dem sich eine Reihe natürlich vorkommender Verbindungen ableitet. In den Schmetterlingsflügeln und in der Haut von Insekten sowie im Harn und der Leber von Säugetieren finden sich die Pterine, deren Kenntnis man namentlich H. WIKLAND, SCHÖPF und PUBRMANN verdankt. Es sind farblose oder gelbe Verbindungen, die sich in Lösung durch charakteristische Fluoreszenz auszeichnen. Erwähnt seien die Formeln des gelben Xanthopterins (II) und der interessanten Folsäure (III). Sie enthält den Pteridinring, p-Amino-benzoesäure und Glutaminsäure in peptidartiger Verknüpfung und wird auch als Pteroylglutaminsäure bezeichnet. Sie wurde von MITCHELL und R. J. WILLIAMS aus Spinat isoliert, findet sich reichlich ζ. B. in Sojabohnen, in Spargel und in der Leber und ist ein Wachstumsfaktor für verschiedene Bakterien. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, daß die vermutete biologische Wirkung der Pteroylglutaminsäure in Wirklichkeit Formylderivaten der Tetrahydropteroylglutaminsäure (IV—VI) zukommt. Sie sind an der Bildung und Übertragung von C 1 -Gruppen beteiligt und bewirken ζ. B. die Methylierung von Uracil zu Thymin. Die Biosynthese des Pyrazin-Rings der Pteridine geht nach WEYGAND von Glycin und vermutlich einem Kohlenhydrat, ζ. B. Glucose oder Trióse, aus. O
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II
I o
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CHO
O
C02H
CHO
H,N
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Phenazine, Thiamine
565
Phenazine Dibenzopyrazin oder Phenazin hat ein gewisses Interesse als Stammkörper technischer Farbstoffe (Azinfarbstoffe) und mehrerer bemerkenswerter Naturstoffe. Es kann aus o-Chlornitrobenzol über o-Nitrodiphenylamin in der folgenden Weise dargestellt werden: H a N
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y x / ^ x / v
\ /
MI
"V\N0,
iii-^-
ι: Ii
ι ,:i
Ptwnazln
Es bildet hellgelbe, sublimierbare Nadeln vom Schmelzpunkt 171° und ist verhältnismäßig schwer löslich. Die quart&ren Halogenphenylate der Aminophenazine sind als Farbstoffe unter dem Namen Safranine bekannt. Das einfachste Safranin (Phenosafranin) wird durch gemeinsame Oxydation von p-Phenylendiamin und Ânilin mit Dichromat und Salzs&ure und anschließendes Kochen dargestellt, wobei das blaue Indamin in das rote Safranin übergeht:
(Υ™1 λ
Λ Λ Λ
C,Hj
CA
Cie
Das technische Safranin T, das tanningebeizte Baumwolle leuchtend rot färbt, wird entsprechend aus o-Toluidin und Toluylendiamin gewonnen. Das wichtigste technische (Dihydro)phenazmderivat ist uns bereits S. 482 im Indanthrenblau begegnet. Ein natürlich vorkommender Phenazin-Abkömmling, der wegen seiner eigenartigen Struktur Beachtung verdient, ist das blaue Pyocyanin (I), ein Stoffwechselprodukt des Eiterbakteriums Bacterium pyocyaneum. Es verdankt seine tiefe Farbe einer Mesomorfe zwischen verschiedenen Grenzstrukturen teilweise betainartiger Natur. Seine Reduktion zum farblosen 10-Methyl-1 -hydroxy-9,10-dihydro-phenazin (ΠΙ) verläuft in stark saurer Lösung über die Zwischenstufe eines ziemlich beständigen grünen Semichinons. Die Reduktion erfolgt also in zwei Schritten, bei denen jeweils nur 1 Elektron aufgenommen wird. Formel I I repräsentiert eine der möglichen Strukturen dieses Kation-Radikals (der durch x bezeichnete Stickstoff besitzt nur ein Elektronenseptett).
I
II
Η® ? H 1
Einen sehr ähnlichen Bau besitzen auch die Lackmus-Farbstoffe. Der Farbumschlag Rot-Blau beim Übergang von sauer nach alkalisch ist auf das 7-Hydroxy-phenoxazonSkelett zurückzuführen 1 . Thiazine Ein mehrkeraiges System mit Schwefel und Stickstoff als Hetero-Atomen ist das Phenthiazin2, gewöhnlich Thiodiphenylamin (I) genannt, weil es durch Erhitzen von Diphenylamin mit Sohwefel auf 250°, am besten unter Zusatz von etwas FeClj, erhalten wird. Es bildet gelbliche, in Wasser unlösliche Blättchen vom Schmelzpunkt 180°. C H 2 · CH A · CH A · N ( C H J ) ,
Α/ III
Ν
\Α/ Ì J
α
* II I
II
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» J—NHj (CH^N
HN· • U
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lYVt \ A s A T
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-N(CH,)A.
Ein von Phenthiazin abgeleitetes Pharmakon, das salzsaure 10-[y-Dimethylaminopropyl]-3-chlor-phenthiazin (Megaphen, Chlorpromazin II) hat u. a. in der Nervenheilkunde Bedeutung erlangt. Durch Oxydation in saurer Lösung entstehen nach K E H B M A N N aus Phenthiazin farbige Phenazthioniumsalze (III). Der einfachste Farbstoff der Thiazinreihe ist das Lauthsche Violett (IV), 1876 von L A U T H durch Erhitzen von p-Phenylendiamin mit Schwefel und nachfolgende Oxydation mit FeCl3 in saurer Lösung erhalten. Größere Bedeutung besitzt sein Tetramethylderivat, das Methylenblau (V), das nach B E R N T H S E N (1888) am besten so dargestellt wird, daß man p-Amino-dimethylanilin in Gegenwart von Natriumthiosulfat zu p-Amino-dimethylanilinthiosulfonsäure oxydiert : I II (CH^N/^/ Η,β,Ο, Oxydation
I II 1
NO
HNO,
Reduktion
rr
/NH,
(CH a ) t N/^' / \S 2 O ï H
Mosso, RATHJEN, Chem. Ber. 82, 751 (1959). ^ /NR Hingewiesen sei auf die abweichende angelsächsische Bezifferung |» * ι 10 ] 11) , weil sie leicht zu Irrtümern AnlaB gibt. ' 1
Thiazine
569
Gemeinsame Oxydation dieser Verbindung mit Dimethylanilin gibt ein Indamin, das durch Kochen mit ZnClj-Lösung in Leukomethylenblau verwandelt wird:
(ŒÂNAAB U^ÏGHA
(
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SO3©
H
^
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Leukomethylenblau
Leukomethylenblau bildet farblose Nadeln vom Schmelzpunkt 185° und oxydiert sich überaus leicht zu Methylenblau. Methylenblau wurde als basischer Farbstoff auf tannierter Baumwolle gefärbt, findet jedoch heute als Textilfarbstoff nicht mehr Verwendung. Die Farbigkeit der Thiazinfarbstoffe ist in gleicher Weise wie bei den Cyaninfarbstoffen und dem Acridinorange zu erklären. Die Thiazinfarbstoffe bilden mit ihren Leukoverbindungen reversible Redox-Systeme, deren Potential vom pn abhängig ist. Bei 30° und pn — 0 beträgt das Normalpotential 1 für LAUTHsches Violett + 0.563 V, für Methylenblau + 0.532 V. Methylenblau ist also ein schwächeres Oxydationsmittel als Chinon. Die Abhängigkeit des Normalpotentials vom pn zeigt die Existenz mehrerer Dissoziationskonstanten der oxydierten und reduzierten Form an. Bei pn 7 ist das Normalpotential + 0.001 Volt. Zur Gruppe der Thiazinfarbstoffe gehören teilweise auch die sog. Schwelellarbetofte, die aus zahlreichen organischen Verbindungen durch Erhitzen mit Schwefel oder Natriumpolysulfid erhalten werden. Der erste und lange fabrizierte Schwefelfarbstoff, das braune Cachón de Laval, wurde aus organischen Abfällen (Holz, Kleie) gewonnen. Sehr kräftige schwarze Farbstoffe entstehen aus o- und p-Aminophenol (VIDAL), Dinitrohydroxydiphenylamin (Immedialschwarz, KALISCHEB), 2,4-Dinitrophenol (Schwefelschwarz T). Sie sind in Natriumsulfid-Lösung unter Reduktion löslich und färben daraus Baumwolle gut an. Man kann unter den Schwefelfarbstoffen, soweit ihre Konstitution bisher aufgeklärt worden ist, zwei große Klassen unterscheiden. Die eine besteht aus Vertretern vom Typus des Primulins. So erhält man durch Verschmelzen von Benzidin mit Dehydrothiotoluidin und Schwefel das Immedialgelb GO, dessen hier folgende Formel Η,Ν-^ rA Ν Ν /\-NH,
man sich durch Disulfidbrücken vervielfacht denken muß. Diese verleihen ihm in o-Stellung zu den Aminogruppen die Löslichkeit in Schwefelnatrium. Die zweite Gruppe wird von Chinonimid-Farbstoffen gebildet, denen die Ringe des Phenthiazons (I) und des Thianthrens (II) / \ / N \ / \ ! II J I V \ g A Ä o I
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s
II I / \ ^
II
zugrunde liegen. Hierher gehört das wichtige Hydronblau, das durch Polysulfid-Behandlung eines aus Carbazol und Nitrosophenol erhältlichen Indophenols gewonnen wird und vermutlich einen der nachstehenden Formel ähnlichen Bau besitzt: 1
d. h. das Potential, bei dem das Mengenverhältnis von oxydierter und reduzierter Stufe 1:1 ist.
Heterooyclieohe Verbindungen
570
OH
Polywüfld
i
S
NH
C. Alkaloide Unter „Alkaloiden" versteht man stickstoffhaltige, meist kompliziert gebaute Substanzen, die von Pflanzen erzeugt werden, und sich durch charakteristische, zum Teil schon den Naturvölkern bekannte pharmakologische Wirkungen auszeichnen1. Viele Alkaloide sind starke Gifte. Sie haben deshalb frühzeitig die Aufmerksamkeit der Natur· forsoher auf sich gezogen. Sie leiten sich von sehr verschiedenen Stammsubstanzen ab. Der komplizierte Bau vieler Alkaloide hat die Ermittlung ihrer Struktur sehr erschwert, so daß selbst heute, nach mehr als einem Jahrhundert emsiger Forscherarbeit, bei weitem noch nicht alle Alkaloide konstitutionell aufgeklärt sind. Dies ist auch dei Grund dafür, daß man die Klassenbezeichnung Alkaloide, die in einer älteren Epoche auf Grund mehr äußerlicher Merkmale wie basischer Charakter (ihr Name rührt von Alkali her), Vorkommen in Pflanzen und Giftigkeit geschaffen wurde, auch jetzt noch aufrechterhält. Viele Alkaloide lassen sich auf Pyridin (Chinolin und Isochinolin) zurückführen; der Ausbau der Pyridingruppe ist mit der Alkaloidforschung aufs engste verknüpft. Die meisten Alkaloide sind kristallisierte, in Wasser schwer lösliche Substanzen von basischem Charakter, meist optisch-aktiv und mit wenigen Ausnahmen nicht unzersetzt destillierbar. Von Säuren werden sie unter Bildung teilweise gut kristallisierter Salze gelöst, aus denen sie durch Alkalien wieder abgeschieden werden. Sehr viele Alkaloide werden aus ihrer Lösung in Wasser oder Säuren durch AlkaloidReagenzien (Tannin, Phosphorwolframsäure, Phosphormolybdänsäure, Kaliumwismutjodid, Kaliumquecksilberjodid, Jod-Kaliumjodidlösung) gefallt. Man kennt auch für manche Alkaloide charakteristische Farbenreaktionen,· die zwar empfindlich, aber nicht immer spezifisch sind. Auch die Untersuchung ihrer pharmakologischen Wirkung wird zum Nachweis und zur Wertbestimmuiig der Alkaloide mit Erfolg herangezogen. Vorkommen der Alkaloide. Man findet sie im ganzen Pflanzenreich verbreitet; rund ein Viertel aller Pflanzenfamilien enthält Alkaloide, aber ihr Vorkommen in den verschiedenen Familien ist sehr ungleichmäßig. Am häufigsten finden sie sich in tropischen 1 Einfacher gebaute Pflanzenbasen von ausgesprochener pharmakologischer Wirkung, die deshalb häufig den Alkaloiden zugerechnet werden, sind schon früher besprochen worden: Cholin, Tyramin, Ephedrin, Hordenin, Pyrrolidin.
Alkaloide
571
und subtropischen dikotylen Pflanzen; unter diesen zeichnen sich einzelne Familien, wie die Papaveraceen, Solanaceen, Ranunculaceen und Rubiaceen durch einen besonderen Reichtum an Alkaloiden aus. Sehr selten enthält ein Gewächs nur ein einziges Alkaloid; fast immer kommen mehrere (bis zu zwanzig) zusammen vor, die dann aber meist chemisch nahe verwandt sind. Auch ist das Vorkommen eines Alkaloids meist auf eine bestimmte Pflanzenart beschränkt, wenngleich Ausnahmen von dieser Regel in neuerer Zeit häufiger beobachtet worden sind. Die Alkaloide können in allen Teilen der Pflanzen vorkommen; sie bilden sioh hauptsächlich in Geweben, die in kräftiger Entwicklung begriffen sind, namentlich in der Wurzel. Ihre Ablagerung in Blättern und Rinde ist wohl teilweise als ein Ausscheidungsprozeß zu deuten. Sie kommen nie frei in den Pflanzen vor, sondern immer gebunden an Pflanzensäuren, wie Oxalsäure, Äpfelsäure, Bernsteinsäure, Chinasäure usw. Welche Rolle die Alkaloide im pflanzlichen Stoffwechsel spielen, ist nioht bekannt. In Anbetracht der großen Schwierigkeit physiologischer Versuche an höheren Pflanzen ist der Zusammenhang ihres Entstehens und Vergehens mit dem übrigen Stoffwechsel noch wenig klar. Große Variabilität und Vielfalt der Erfindung ist ganz allgemein ein Kennzeichen des pflanzlichen Stoffwechsels. Die bei der Beschreibung der Alkaloide im allgemeinen befolgte Anordnung ist rein formaler Natur und gründet sich auf das Vorkommen bestimmter Ringsysteme in ihnen. Jedoch ist namentlich bei Alkaloiden sehr komplizierten Baus diese Zuweisung nicht selten willkürlich. Biogenese. Bei der Betrachtung der Alkaloidformeln fällt die häufige Wiederkehr ähnlicher Bausteine auf, die meist in sehr einfacher Weise von den Aminosäuren Ornithin, Lysin, Phenylalanin und Tryptophan abgeleitet werden können. Spekulationen über die mögliche biochemische Synthese aus solchen Bausteinen sind daher schon frühzeitig angeregt worden. Namentlich R. ROBINSON und C . SCHÖPF verdankt man bedeutende Untersuchungen zu diesem Thema. Das Interesse an ihnen ist um so größer, als mit höheren Pflanzen nicht in gleicher Weise wie mit niederen Organismen experimentiert werden kann, so daß man auf die dort mögliche exakte Ermittlung der Zwischenstufen verzichten muß. Die wenigen nachstehend gegebenen Beispiele werden bei der Besprechung der einzelnen Alkaloide noch vielfach ergänzt werden. Ein Blick auf die Reaktionsmechanismen lehrt jedoch, daß man es sehr häufig mit dem gleichen Typus einer MANNIOH-Kondensation zu tun hat, bei der eine in Richtung auf ein Carbanion aktivierte Methylengruppe mit einem Aldehyd und einer Stickstoffbase reagiert: —0Θ + CHO+HN
Dabei muß man sich bewußt bleiben, daß ζ. B. an Stelle eines hypothetischen Aldehyds auch verwandte Verbindungen eingesetzt werden können, die durch naheliegende biochemische Umwandlungen mit ihm verknüpft sind, ζ. B. Essigsäure oder Brenztraubensäure statt Acetaldehyd, daß auch statt der Aminosäuren ihre Vorstufen in Betracht zu ziehen sind. Als MANNioH-Kondensation erscheint ζ. B. die Genese des Laudanosins aus zwei Molekülen 3,4-Dihydroxy-phenylalanin, von denen eines zum Amin decarboxyliert, das andere zum Aldehyd oxydiert wird, worauf Ringschluß der beiden Moleküle erfolgt:
Heterooyclieche Verbindungen
572
HO HO
Í /-NH, CH,· CH< \CO,H HO HO HO
\
À Y
CH,
HO NH ι HO Landanoeln
Auf ähnliche Weise kann man sich die Bildung des Harmans aus Tryptophan vorstellen: • \ / \
N
/V II * / \ /
H H
Barman
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An einem sehr umfangreichen mit Bakterien und Schimmelpilzen gewonnenen Beweismaterial (eine Ausnahme macht aber z. B. Escherichia coli) erwies sich die intermediäre Aufspaltung von Kohlenstoffringen als Synthese-Schritt bei der Bildung von Nicotinsäure aus Tryptophan über 3-Hydroxyanthranilsäure hinweg:
f II V \ N H ι OH
—
0H¿
II / l NH, CO,
•
ι II ^N/
I n neuerer Zeit hat R. B. W O O D W A B D 1 die Aufspaltung von Kohlenstoffringen zur Erklärung des Baus zahlreicher komplizierter Alkaloide postuliert. Der Vergleich der Formeln des Yohimbins und des Alsto nine ist ein einfaches Beispiel dieser A r t : 1 Nature 1Β2, 156 (1948); Angew. Chem. 68, 13 (1956); siehe aber auch Amer. Chem. Soc. 81, 1479, ANM. 42 (1969).
WENKEBT,
Journ.
573
Alk aloide
/ \
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UJx i
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/ \ N / \ / H
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y \ c H ROjC/γ ÓH
OH Yohimbin
Ala tonin
Wie fruchtbar derartige Betrachtungen trotz ihrer weitgehend hypothetischen Natur sein können, erkennt man daraus, daß solche Überlegungen auch zur Aufstellung von Konstitutionsformeln geführt haben, die sich nachträglich durch vollständige Strukturaufklärung als richtig erwiesen haben. Daß auch zwischen dem Kohlenhydrat-Stoffwechsel und der Álkaloid-Biogenese enge Beziehungen bestehen dürften, hat neuerdings unter anderem W E N K E B T 1 gezeigt.
1. Alkaloide, die sich vom Pyridin und Piperidin ableiten ( +)-Coniin C 8 H 17 N wurde 1831 von G E I G E R zuerst rein dargestellt. Es findet sich im Schierling (Conium maculatum) und ist eine farblose rechtsdrehende Flüssigkeit vom Siedepunkt 167°, die sich in Wasser wenig löst und sehr giftig ist. Es zeichnet sich durch unangenehmen, betäubenden Geruch und scharfen Geschmack aus. Wie die bereits mitgeteilte Synthese (S. 519) beweist, besitzt es die Struktur eines 2-Propyl-piperidins. Seine absolute Konfiguration entspricht der nachstehenden perspektivischen Formel. Es liegt also S-Coniin im Sinne der C A H N - L N G O L D - P B E L O G - N o t a t i o n vor.
Conilo
Η
Interessant ist die Synthese von racemischem Coniin durch Erhitzen von Piperidin und Propylen unter Druck auf 125° in Gegenwart von tert.-Butylperoxyd. In der Rinde des Granatapfelbaums (s. a. S. 578) findet eich Isopelletierin, das sich ala ein 2-AcetonyI-piperidin H N C 6 H , - C H 2 - C O - C H ? (Kp1:62°, Pikrat F:147°) erwiesen hat, während ein vermeintliches Pelletierin, dem man die Formel eines /?-[2-Piperidyl]-propanals H N C , H , · C H , - C H J C H O zugeschrieben hat, anscheinend nicht existiert.
Lobelanin CjjH^OjN ist neben mehreren ähnlich gebauten Alkaloiden im Lobeliakraut enthalten. Es bildet bei 99° schmelzende Nadeln, die in Alkohol leioht löslich sind. Es besitzt nach H. W I E L A N D die Konstitution eines 1 -Methyl-2,6-diphenacyl-piperidins. Seine Konstitution ist durch mehrere Synthesen bewiesen worden, von denen die S. 674 angeführte aus Methylamin, Glutardialdehyd und Benzoylessigsäure in saurer Lösung ( S C H Ö P F ) die einfachste ist. Im Lobelin CjjH^OjN ist eine der CO-Gruppen des Lobelanins zu CH(OH) reduziert. Die Lobelia-Alkaloide, namentlich Lobelin, finden therapeutische Verwendung als Atmungsstimul&ntien. 1
WENKEBT,
Experientia
16, 165 (1959).
Heterooyclische Verbindungen
574
/ H,C
C H Ä
0H¿
H0,¿
HîX
C,H,-CO-CH,-HC
CH,
¿HO
C,H,COCH,
BJ^ I
\
NH,
CH^COC.H,
¿H,
AOJH
CH î I
CH-CHJ-CO-C.H,
+ 2 C 0 , + 2H,0.
\ N / CH,
Lobel&nln (—)-Nicotin C 10 H 14 N 2 findet sich in den Blättern und Wurzeln des Tabaks, an Äpfelsäure und Citronensäure gebunden (2—6°/0 je nach Art des Tabaks). Seine Bildungsstätte ist die Wurzel. Es ist eine farblose, linksdrehende Flüssigkeit, die nach Tabak riecht; der Geruch tritt jedoch bei einem frisch destillierten Präparat viel weniger hervor als bei einem alten. Sein Siedepunkt liegt bei 246-7°; es ist mit Wasser mischbar und sehr giftig. An der Luft bräunt es sich. Nicotin ist ein l-Methyl-2- [/?-pyridyl]pyrrolidin, dessen (dem L-Prolin entsprechende) absolute Konfiguration die nachstehende Formel wiedergibt:
CH,
Es enthält also einen Pyrrolidinkern, der am Stickstoffatom· methyliert ist, und einen Pyridinkern, dessen C-Atom 3 in den Pyrrolkern eingreift. Mit dieser Formel steht im Einklang, daß Nicotin eine ditertiäre Base ist, durch Oxydation mit Permanganat Nicotinsäure (S. 520) liefert und beim Erhitzen des jodwasseïstoffsauren Salzes Methyljodid abspaltet. Es ist zuerst PICTET gelungen, Nicotin synthetisch herzustellen und daduroh die angegebene Strukturformel zu bestätigen. Er wandte die Pyrrolsynthese aus Schleimsäure (S. 522) auf 3-Amino-pyridin (I) an, indem er dieses mit Schleimsäure destillierte. Dabei entsteht 1- [/?-Pyridyl] -pyrrol (II), das sich bei Rotglut unter anderem in 2- [/3-Pyridyl] -pyrrol (III) umlagert. Von diesem aus gelangt man über einige Zwischenstufen hinweg, am besten durch Hydrierung des Pyrrolkerns und anschließende Methylierung des sekundären Stickstoffs (SPÄTH), schließlich zum (±)-Nicotin, das nunmehr in die optischen Antipoden gespalten wird. HC—CH /V.NH,
II
1
I
'
/ V . N / ® - ®
Ii
I
cH=i)H
II
—
{
¿H
r\? III
H
575
Alkaloide
Von
SPÄTH
y
stammt die nachfolgende übersichtliche Synthese.
y^-co^H,
^"J®·
+
Ν-CH,
Methylpyrrolldon
Nlcotins&ureäthytater
V V CO—HC—CH,
ob
I!
Ha
¿H,
CH,
* PrV* CHj-CHJ
O—CH,—CH,
/
¿H,
Red. t. Alkohol
tjberf. ine Jodid
Ν
CH,
NH CH,
Bei der Synthese erhält man auch das rechtsdrehende Nicotin, das viel weniger giftig als das linksdrehende natürliche Nicotin ist. Nicotin wirkt in kleinen Mengen erregend auf das Nervensystem. Größere Mengen wirken durch Lähmung des Atemzentrums tödlich. Nach neueren Versuchen von DAWSON und L E B T E kann man annehmen, daß der Pyridinring des Niootins in der Pflanze aus Nicotinsäure entsteht. Ornithin könnte der Vorläufer des Pyrrolidinrings sein, doch ist darüber nichts Sicheres bekannt. Es ist interessant, daß manche Solanaceen, ζ. B. Nicotiana glauca, an Stelle des Nicotine das auch in Anabasi» aphylla vorkommende Alkaloid Anabasin, ein 2-ß-Pyridyl-piperidin enthalten. Eine zellmögliche Synthese für dieses Alkaloid ist nach SCHÖPF die Dimerisation von Jl-Piperidein, dessen Bildung aus Lysin plausibel ist:
HjC / ° H,C.
H i
\' N H ,
\ CHj C H
RO
ÒR
H CHOCH HOOC\ / CH, CHa ÒH
Bezüglich der angenommenen Ringaufspaltung vgl. die bei den Chinaalkaloiden erwähnten Betrachtungen von W E N K E B T .
8. Steroid-Alkaloide Eine Reihe in ihrer Konstitution lange rätselhaft gebliebener Alkaloide haben sich als Glykoside stickstoffhaltiger Steroidabkömmlinge erwiesen. Unter den zugehörigen Aglykonen(„ Geninen") erkennt man eine Gruppe, die sich von den Sapogeninen im Aufbau lediglich durch den Ersatz eines Ringsauerstoffatoms durch eine NH-Gruppe unterscheidet. Das Glykosid Tomatin Ο50Η83Ο2ιΝ aus den Blättern der Wildtomate ist das Tetrasaccharid eines Aglykons Tomatidin C^H^O-jN (I), das, von der Konfiguration an C 6 abgesehen, ein völliges Analogon des auf S. 500 abgehandelten Sarsasapogenins ist. Eine entsprechende Konstitution hat man für das in Cholesterin überführbare Solasodin C^H^OjN (II), das Aglykon aus Solasonin C 4 6 H 7 3 0 l e N aus Solanum sodomaeum, ermittelt.
Alkaloide
CH,.. / H ^ N -
593
-H
HO I Tomatidin
II
Solasodln
Während die erwähnten Verbindungen Bekundäre Basen sind, besitzt eine weitere Gruppe den Charakter tertiärer Basen. Wir erwähnen ζ. B. Solanidin C27H43ON (III), das Aglykon des Solanins C 45 H 7S 0 16 N der Kartoffel Solanum tuberosum, dessen Zuckeranteil ein Trisaccharid aus Rhamnose, Glucose und Galaktose ist. Das Alkaloid findet sich hauptsächlich in Keimen und Blüten, nur spurenweise in der Knolle. Den ersten Anhaltspunkt für die Konstitution dieser Base lieferte die Selen-Dehydrierung, bei der außer dem DiELSschen Kohlenwasserstoff C 1 8 H l e (S. 492) 5-Methyl-2-äthylpyridin erhalten wurde. JACOBS gelang die synthetische Überführung von Sarsasapogenin in Dihydrosolanidin. Die von R. K U H N sowie von SATO und LATHAM beschriebene sehr übersichtliche Verknüpfung von Tomatidin mit dem tertiären Demissidin C 27 H 45 ON aus der Wildkartoffel Solanum demissum ist in den Formeln IV—VI wiedergegeben.
Tomatldln
III Solanidin
„Dihydrotoma tidin B"
HOg\ CH, I
Ί
/ \ / V /\i
ü
H ir \ ;—CHg ^ N H / λ
Ύ
CHg.,
CH.
H
J/\
OH.I À I /\|/\/\/''··ΟΗ,
/\|/
φ
I 0 A 4
Y
VI
3 0-Solanldanol (Oemlseldln)
Durch Nitrosierung am Ν und folgende Desaminierung sind Tomatidin und Solasodin in geringer Menge in die entsprechenden Sapogenine (Neotigogenin bzw. Diosgenin) verwandelt worden, deren Teilstrukturen auf S. 594 angegeben sind: Holleman-lllohter, Organische Chemie. 37. — 41. Auflage
38
Heterooyolische Verbindungen
594
CH, ,—H
.0
.0
H y-CE.
- R
\ /V ï
\
Neotigogenln
.0
Dloegenln
I n Bußland wird Solanum avieulare zur Gewinnung von Solasodin feldmäßig angebaut. Von Solasodin gelangt man auf einfachem Wege zu Pregnadienolon, das als Áusgangsmaterial für die Darstellung von Sexualhormonen und Corticoiden dient. Die beiden Aglykone Rubij er vin und Isorubij ervin C^H^OgN, die zur Gruppe der Veratrum-Alkaloide aus der weißen Nieswurz (Germerwurzel, von Veratrum album, einer Hochstaude der Bergwiesen) und aus Veratrum viride gehören, unterscheiden sich vom Solanidin nach JACOBS um das Mehr einer Hydroxylgruppe (VII und Vili). Sie sind durch direkte Überführung in Solanidin bzw. das gesättigte Solanidan sterisch mit diesen Verbindungen verknüpft. Dem ebenfalls dieser Pflanze entstammenden Alkaloid Jervin C 27 H 8t 0 8 N wird die Formel IX zugeschrieben, die sich nicht vom Cyclopentenophenanthren, sondern von einem Benzofluoren-Skelett ableitet.
CH, Η OHj_V\
CH, H OH ΥΠ
I
'V CH. J H
J/\ * s
CH,!
CH.
VIII
N /
CH.
Ν
Ι
/\|/\/\/-.CHs
HO ßubijervln
Isorubljervln
Wegen ihrer stark blutdrucksenkenden Wirkung findet eine Reihe esterartiger Veratrum-Alkaloide Interesse. Sie leiten sich teilweise von sauerstoffreichen Alkaloiden C„H 43 O.N ab, von denen wir Veracevin, das sich leicht in Cevin der Formel X umlagert, und Qermin der Formel X I Hennen wollen.
Alkaloide
595
OH
Qermin
Cevin
Die Konstitution von Cevin wurde zunächst durch Dehydrierung und Oxydation von J A C O B S und C R A I G sowie J E G E R , P R E L O G und W O O D W A R D teilweise ermittelt. Für die endgültige Klärung der stereochemischen Verhältnisse spielten Konformationsbetrachtungen eine bemerkenswerte Rolle. Das OH in 3 ist leicht acetylierbar und daher nach allen Erfahrungen α-äquatorial, desgleichen das Ketalhydroxyl 4, entgegen der Erwartung aber auch das /?-axiale OH in 16. Dies beruht nach neueren Beobachtungen ( H E N B E S T ) auf einer fördernden Wirkung der ebenfalls axialen Gruppe in 20. Die Glykolgruppen in 3.4 und 12.14 sind durch je 1 Mol Blei(IV)-acetat oxydierbar. Je drei Sauerstoffe geeigneter Konfiguration (9.12.14 und 12.14.17) vermögen mit Acetanhydrid und Perchlorsäure einen Orthoessigsäureester zu bilden, was nur bei der oben angenommenen räumlichen Anordnung möglich ist. Durch Zusammenfassung aller Tatsachen gelang es so K T J P C H A N , die vollständigen Raumformeln des Ce vins und Germina abzuleiten 1 . Veracevin unterscheidet sich von Cevin nur durch die weniger stabile axiale Lage des OH in 3. Die nebenstehende Teilformel zeigt die käfig- HO artige Struktur der cis-verknüpften Sechsringe (entsprechend A und Β des Koprostans), die die Acetalisierung der Ketogruppe in 4 durch die Hydroxylgruppe in 9 gestattet. 1
KUTCHAN, JOHNSON, RAJAGOPALAN,
Tetrahedron 7 , 4 7 (1959).
Grundzüge der organisch-chemischen Nomenklatur I. Allgemeine Grandsätze Zur Verbreitung chemischer Kenntnisse in Rede und Schrift ist es nötig, chemische Strukturen durch Worte auszudrücken. Die chemische Nomenklatur ist die Lehre v o n den chemischen N a m e n . Die ersten Namen waren durchweg „Trivialnamen", d. h. Worte, die lediglich a n triviale Umstände der Herkunft oder an sinnfällige Eigenschaften erinnerten, mitunter in der Landessprache, mit der Fundort oder Handelsbeziehungen sie verknüpften, häufig auf griechischer oder lateinischer Basis : Essigsäure, A n i l i n (von portugiesisch Anil), Lutein (lat.: luteus = gelb), Pelletierin (nach d e m franz. Chemiker P E L L E T I E R ) USW. I n dem Maße, wie die Zahl der Verbindungen wuchs und ihre Wechselbeziehungen und Strukturen bekannt wurden, nahm m i t dem Bestreben, Unbekanntes auf Bekanntes zurückzuführen, auch die Nomenklatur eine mehr wissenschaftliche Gestalt an. Man gab wiederkehrenden Teilstrukturen („Radikalen") eigene Bezeichnungen und setzte die N a m e n entsprechend zusammen. So wurde aus dem „Leimsüß" oder Glykokoll schließlich der wissenschaftliche N a m e Aminomethancarbonsäure. Der rasch wacheende Umfang der organischen Chemie zeitigte zahlreiche Bemühungen zur Internationalen Vereinheitlichung der Nomenklatur. Der ersten internationalen Konferenz, die 1892 in Genf zusammentrat, verdankt man die als „ G e n f e r N o m e n k l a t u r " bekannte Regulierung der Benennung aliphatischer und hydroaromatischer Verbindungen 1 . Hiernach sollten in Registern ausschließlich „offizielle" Namen verwendet werden, die aus Kohlenwasserstoffnamen unter Verwendung des Prinzips der „längsten Kette" und der Endungen -an, -en, -in, -ol, -on, -säure aufgebaut werden sollten. Teile der Genfer Regeln haben sich einen bleibenden Platz in der Nomenklatur erobert, viele andere sind niemals angewendet worden. Was heute als Genfer Nomenklatur gilt, bezieht sich ausschließlich auf aliphatische und hydroaromatische Verbindungen, da für aromatische Verbindungen ausreichende Regeln nicht aufgestellt wurden. Die 1919 gegründete Union Internationale de Chimie* nahm die durch den ersten Weltkrieg unterbrochenen Bestrebungen wieder auf und bestellte 1920 eine Internationale Kommission zur Reform der organischen Nomenklatur, die 1930 in Lüttich unter Vorsitz von Α. F. HOLLEMAN unter dem Titel Rapport définitif die Grundzüge eines allgemeinen Regelwerks annahm*, in dem der Gedanke der offiziellen Namen verlassen und durch den einer mehr graduellen Reform der chemischen Namen ersetzt war. Die weiteren Arbeiten der Kommission ( ñ a s . Ρ. E. VERKADE), jeweils in den Comptes rendus de l'Union Internationale veröffentlicht, galten der Ergänzung und Präzisierung dieses Berichte, der gegenwärtig durch eine umfassende Revision den heutigen Bedürfnissen angepaßt wird (der erste Teü ist 1958 erschienen, s. u.). 1
Vgl. F . TIEMANN, Ber. Dtsch. Chem. Ges. 26, 1595 (1893).
* Jetzt: International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC). Abdruck in Ber. Dtsoh. Chem. Ges. 65 A, 11 (1932) ; mit Kommentar : VERKADE, Ree. Trav. Chim.
3
P a y s - B a s 51, 185 (1932); PATTERSON, J . Amer. Chem. Soc. 65, 3905 (1933). L e t z t e r B e r i c h t :
International Union of Pure and Applied Chemistry, Nomenclature of Organic Chemistry [London 1958] (enthält Kohlenwasserstoffe und Heterocyclen ohne Punktionen, ferner Steroide). An weiterer Literatur s. W. GAADE, Organisch-chemische Nomenclatuur (Amsterdam 1948) (in holländ. Sprache); A. D. MITCHELL, British Chemical Nomenclature (London 1948); A. P . TERENTJEW, A. N. KOST, A. M. ZUKERMAN, W. M. POTAPOW, Nomenklatur organischer Verbindungen (Moskau 1955) (in russ. Sprache) ; P. RICHTER, Basic Features of Nomenclature in Organic Chemistry in Advances in Chemistry Nr. 8 (hrsg. von der American Chemical Society). Beilsteins Handbuch der Organischen Chemie 4. Aufl. Bd. I, S. 49 (1918) ; Bd. V, S. 3 (1922) ; II. Ergänzungswerk Bd. XVII, S. 3 (1952); F. RICHTER, Die Nomenklatur auf dem Gebiet der organischen Chemie, Naturwissens c h a f t e n 42, 593 (1955).
Nomenklatur
597
Wie die Umgangssprache ist auch die chemische Nomenklatur ein natürlich gewachsenes Gebilde, eine Sprache, in die der Chemiker teilweise bereits hineingeboren wird und die er dem Wandel der Erkenntnis nach Möglichkeit anzupassen sucht. Gelegentliche Mängel an durchgehender Logik sind daher oft zu tief eingewurzelt, als daß sie durch nachträgliche Festsetzungen ohne weiteres beseitigt werden könnten. Zum Verständnis und zur Beherrschung der Nomenklatur bedarf man deshalb auch einer gewissen Kenntnis des historischen Werdens und des Geltungsbereichs ihrer Konventionen. Man gelangt auf diese Weise zu der Einsicht, daß mit den Bedürfnissen der Zeit die Sprache sich auch weiterhin ändern muß, restlos Endgültiges von der Nomenklatur also ohnehin nicht erwartet werden darf. Trotz der Schwierigkeiten, die das Studium der Nomenklatur deshalb zunächst zu bieten scheint, läßt sich die Fülle der Erscheinungen doch unschwer auf wenige Grundprinzipien zurückführen. Obwohl Vollständigkeit im Rahmen dieses Buches auch nicht entfernt möglich ist, sollen wenigstens die wichtigsten von ihnen nachstehend im Zusammenhang behandelt werden. Nach dem Vorschlag des Verfassers unterscheidet man heute drei Fundamentalklassen von Namen, denen verschiedene Bildungsprinzipien zugrunde liegen und die man in Ermangelung eingebürgerter Bezeichnungen annähernd wie folgt kennzeichnen kann : 1. Binäre Radikalnamen, auch radikofunktionelle Namen genannt (Typus: Methylchlorid, Äthylalkohol), 2. Substitutionsnamen (Typus: Chlormethancarbonsäure), 3. Additionsnamen (Typus: Cyclopentadien-dibromid). a) Substitutionsnamen. Obwohl Klasse 1 die älteste ist, beginnen wir mit den Substitutionsnamen, weil die überwältigende Mehrzahl der Namen heute nach dem ihnen zugrunde liegenden Prinzip gebildet ist. D U M A S ' grundlegende Beobachtung, daß der Wasserstoff organischer Verbindungen durch andere Elemente ersetzt („substituiert") werden kann, ohne daß dadurch die sonstigen Eigenschaften der Muttersubstanz (des „Stammkerns") verlorengehen, legte es nahe, Strukturen als das Ergebnis der Substitution von Wasserstoff in Stammkernen durch entsprechende Elemente oder Gruppen zu beschreiben. Man unterscheidet demgemäß Stammkerne (auch Stamm,,körper" genannt) und Substituenten. In der Nomenklatur versteht man unter „Substituenten" im weitesten Sinn Gruppen jedweder Art, deren Eintritt man sich rein f o r m a l durch Ersatz von Wasserstoff erfolgt denken kann, ohne Rücksicht auf die Möglichkeit experimenteller Realisierung. In der an DUMAS anknüpfenden historischen Tradition und der Lehre von den chemischen Umsetzungen ist jedoch der Begriff des Substituenten vornehmlich mit dem viel engeren Bereich der Atome und Gruppen F, Cl, Br, J , NO, NO, verknüpft, die Waeserstoff direkt zu ersetzen vermögen. Wir wollen sie wegen der Brauchbarkeit des Begriffs in der chemischen Systematik als „systematische Substituenten" unterscheiden und ihnen noch die weiteren wasserstoffireien Gruppen JO, J 0 2 und N s zurechnen. Nicht selten begegnet man auch dem Begriff der „chemischen Funktion" 1 . Er bedeutet nichts anderes als „chemische Klassen" und wird heute meist mit den Gruppen verknüpft, die das Verhalten dieser Klassen verursachen, ζ. B. OH-Funktion, NH 2 -Funktion usw. Während der Begriff in dieser allgemeinen, nicht definierbaren Form von zweifelhaftem Wert ist, hat das Beilstein-Handbuch in seiner 4. Auflage erstmals eine zwar enge, aber klare Definition ausdrücklich f ü r Zwecke der Systematik gegeben. Wir wollen deshalb unter „systematischen Funktionen" die vom Beilstein-System hervorgehobenen .OH verstehen, vornehmlich—OH, = 0 , , — S 0 2 H , — S 0 s H , —NH 2 usw., d . h . Gruppen mit anorganischem Anknüpfungeglied, die in der Regel durch austauschbaren Wasserstoff Derivatbildung ermöglichen. Gerade darin, daß diese Funktionen noch ersetzbaren Wasserstoff besitzen, die Atome F , Cl, usw. dagegen nicht, beruht der systematische Wert der Unterscheidung.
Die einfachsten denkbaren Stammkerne sind Kohlenwasserstoffe bzw. auch aus C, H und Heteroatom bestehende Heterocyclen. Von ihnen abgeleitete Substitutions1 LAURENT, Méthode de Chimie (Paris 1864), S. 12; WURTZ, Dictionnaire de Chimie, Bd. I I (Parie 1875), S. 574; PATTERSON, Ree. Trav. Chim. Pays-Bas 48. 1012 (1929).
598
Nomenklatur
namen nennt man rationelle oder systematische Namen. Vielfach genügt den Bedürfnissen aber auch schon die Anwendung des Substitutionsprinzips auf einen beliebigen Trivialnamen als Stamm. Dann spricht man von h a l b r a t i o n e l l e n Namen. So ist Aminoessigsäure ein halbrationeller, Aminomethancarbonsäure ein systematischer Name für Glykokoll. Man erkennt an diesem Beispiel bereite das den Substitutionsnamen zugrunde liegende Bildungeprinzip : der unveränderte Name der Stammsubstanz wird mit Vor- und Nachsilben („Präfixen" und „Suffixen") verknüpft, die an Stelle von Wasserstoff eingetretene „Radikale", für sich meist nicht existenzfähige Atome oder Gruppen, bezeichnen. Tabelle I gibt eine Übersicht über einige Gruppenbezeichnungen nach ihrem Vorkommen in den einzelnen Namensklassen1. Man erkennt daraus, daß für bestimmte Substituenten wie die Nitrogruppe, die Halogene in Substitutionsnamen nur Präfixbezeichnungen vorhanden sind, während für die systematischen Funktionen meist sowohl Präfix- wie Suffixnamen existieren. Die Wahl der dem Namen zugrunde gelegten Stammsubetanz ist sehr oft eine Zweckmäßigkeitsfrage, so daß in der Regel mehrere Namen für dieselbe Verbindung möglich sind. Die hierdurch gegebene Wahlfreiheit in bezug auf den kürzesten dem jeweiligen Verwendungszweck angepaßten Namen kommt dem Streben nach Einfachheit des Ausdrucks und rascher Auffassung sehr entgegen. Man wird deshalb vermutlich auf diese Bewegungsfreiheit trotz der damit einhergehenden Schwierigkeiten, eine Verbindung in Registern nach ihrem Namen aufzufinden, auch in Zukunft nicht verzichten wollen. Immerhin gibt es einige Prinzipien, um aus einer Mehrzahl gleichberechtigter Namen einen bevorzugten auszuwählen. Solche Prinzipien sind: die Wahl der längsten Kohlenstoffkette als Stamm bei aliphatischen Verbindungen, die Bevorzugung gewisser Trivialnamen an Stelle von systematischen Namen für den Namensstamm, die Bezeichnung nur einer, ranghöchsten, Funktion als Suffix und schließlich Vorschriften über die Reihenfolge der Präfixe. Hiervon wird weiter unten noch die Rede sein. Stammkerne sind in der aliphatischen Chemie gemäß S. 19 die geradkettigen Kohlenwasserstoffe, derenNamen nach G E B H A R D T und A.W. HOFMANN (von den vier ersten GliedernMethan bisButan abgesehen) die Zahl der C-Atome und vollständige Sättigung durch griechische und lateinische Zahlworte und die Endung -an symbolisieren®. Durch Vorsetzen der Silbe Cyclo- ist dieses Prinzip auf die gesättigten isocyclischen Stammkerne übertragen. Cyclopentan bezeichnet den gesättigten 5-Ring mit 5 C-Atomen. Man kann Cyclo- auch als Vorschrift zur Abspaltung zweier endständiger Η-Atome aus dem entsprechenden aliphatischen Kohlenwasserstoff unter Ringschluß auslegen: Cyclopropan ist cyclisiertes Propan usw. Das Vorhandensein von doppelten und dreifachen Bindungen wird durch Ersatz der Endung -an durch -en, -adien, -atrien, -in8, -adiin, -atriin, gleichzeitiges Vorkommen beider durch -enin usw. ausgedrückt: Hexen-(3) CH, · CH, · CH=CH · CH, · CH, Butadieni 1,3) CH,=CH · CH=CH, Buten-(3)-in-(l) CH,=CH · C · CH 1 Unter „Derivatnamen" in der Tabelle sind solohe Namen zu verstehen, die durch Anh&ngen der in dieser Rubrik aufgeführten Endungen an die entsprechenden einfachen Funktionseuffixe der Substitutionsnamen oder an Trivialnamen erhalten werden. Sie bezeichnen also die Ableitung von Derivaten aus einfachen Funktionen, z. B. Phenol -* Phenol-methyläther. a Das aus dem Griechischen stammende k in Eikosan, okta- usw. ist jetzt im Interesse einer einheitlichen, auch dem Ausländer besser verständlichen Schreibweise in c verwandelt worden: Eicosan, octa. Ausgenommen bleibt aus verständlichen Gründen tetrakis, oktakis. 3 Die internationalen Regeln schreiben -yn vor (Äthyn, Propyn usw.). Im Englischen und Französischen ist dies ein rein orthographischer Kunstgriff, der wegen des Gleichlauts mit der „Basen-Endung" -in vorgenommen wurde. Diese Endung -in ist indessen weder auf Basen beschränkt noch überhaupt eine systematische Endung. Sie ist bestenfalls ein historisches Relikt.
Nomenklatur
Cyolohexadien-(1,4)
H¿
599
¿H a
\3H/ Dae Prinzip der längsten Kette wird, wenn nötig, durchbrochen, um möglichst viel ungesättigte Bindungen in die Hauptkette zu verlegen: 1 2
3
4
6
β
7
3-Propyl-hepten-(4)-in-(l) statt: 4-Aethinyl-ooten-(5) HC=C·CH·CH=CH· CH,·CH 3 CH, · C|H, Tabelle I Präfixe und Suffixe in den verschiedenen Namenaklassen Charakterist. Gruppe Äther Aldehyd Alkohol Amin
Azid Azo Azoxy Carbonsäure ester chlorid amid nitrii Diazo Diazonium Doppelte Bind. Dreifache Bind. Halogenid Harnstoff Hydrazin Hydrazon Hydroxylamin Imid Keton Meroaptan Nitro Nitroso Ormi Oxyd Sulfid Sulfinsäure Sulfon Sulfonsäure Sulfoxyd Triazen
Snbetitutionenamen Präfix alkoxyoxohydroxyaminoazidoazoazoxycarboxycarbomethoxyaminoformyl-, carbamoyloyancfiazo-
halogenureidohydrazinohydrazonohydroxylamino· iminooxo(keto)mereaptonitronitrosooximinoepoxy-(oxido-) alkylthiosulfinosulfonylsulfosulfinyltriazeno-
Suffix -al -ol
Radikalnamen (radikofunktioneUe Namen) -äther
Derivatnamen -alkyl&ther
-alkohol
•am in ( = NH,)
-azid (oarbon)säure
(Methylacetat) (Acetylchlorid) -Cyanid
diazonium -en -in (-yn)
-diimid HN=NH •methylester -chlorid -amid -nitrii
-halogenid -hydrazon
-on •thiol
•sulfinsäure -sulfonsäure
Substitutionflnamen mit anorgan. Stamm
-harnstoff •hydrazin -hydroxylamin
•keton -meroaptan
-oxyd •sulfid
-oxim
-sulfon -sulfoxyd
-triazen
F ü r aromatische Stammkerne existieren heute, obwohl dahingehende Bestrebungen zu verzeichnen sind, noch keine eigentlich systematischen Namen nach Art der aliphatischen. Man hat daher eine Reihe gewöhnlicher Trivialnamen wie Benzol, Naph-
600
Nomenklatur
thalin 1 , Anthracen, Phenanthren zum Range systematischer Namen erhoben. Für viele kompliziertere Gebilde dieser Art sind jedoch keine Trivialnamen vorhanden. Ihre Zusammensetzung nach dem Prinzip der „Anellierung" wird unten erörtert werden. Teilweise Hydrierung der aromatischen Kerne wird durch Vorsetzen von Dihydro-, Tetrahydrousw. ausgedrückt. Für monocyclische Sechsringe ergibt dies vielfach doppelte Benennungsmöglichkeiten (Cyclohexan = Hexahydrobenzol, Cyclohexen = 1,2,3,4-Tetrahydro-benzol usw.). Im Interesse der Einheitlichkeit werden Ableitungen von Cyclohexan vorgezogen. Bei zahlreichen addierten Wasserstoffatomen verzichtet man mitunter auf die ermüdende Aufzählung der Stellungsbezeichnungen und bezeichnet statt dessen die Lage der Doppelbindungen durch ein vorgesetztes Δ mit der Stellungsbezeichnung der Doppelbindung, ζ. B. H2O/CH2\ch/CHV;H
ι
ι
Γ
•d^Octahydronaphthalin (sprich Delta eins Ootahydro . . . )
In der Nomenklatur der Heterocyclen stehen Trivialnamen, wie sie uns früher bereits häufig begegnet sind, an erster Stelle: HC
CH HC
CH HC
CH
II
II
II
CH
CH
CH
I CH, HC CH HC CH HC CH HC CH HC \o/ \s/ \nh/ Faran Thlophen Pyrrol 1,2-Pyran Pyridin II
II
II
II
CH Cblnolin
Indol
Für einkernige Ringe mit mehreren Heteroatomen ist seit altera eine halbrationelle Nomenklatur (HAUTZsoH-WiDMAN-Namen) eingebürgert, in der die Endungen -ol bzw. -in für 5- bzw. 6-Ringe mit Silben zur Bezeichnung der Heteroatome oder Anklängen an ähnliche Ringe verknüpft werden: HC
Ν
II
HC CH II II HC Ν \o/ Isozazol
II
HC CH \o/ Oxazol H/
II
CH
1,4-Oxazin
Ν Ν II i HC CH \ n / 1,3,6-Triazin
Die ÜANTZSCH-WiDMAN-Nomenklatur ist neuerdings durch Endungen für kleinere und größere Ringe erweitert worden. Sie lauten für ungesättigten Zustand: irin (3) 2 , et (4), epin (7), ocin (8), onin (9), ecin (10), ζ. B. 1 Die in anderen L&ndern schon im vorigen Jahrhundert vollzogene Angleichung dieser Namen an die aliphat. Kohlenwasserstoffnamen (Benzen, Naphthalen) hat im deutschen Sprachbereioh keine Anhänger gefunden. * Für O, S usw. -iren.
Nomenklatur
601
HC=CH—CH2N^ H¿=CH—CH Azepin
Neben diesen traditionellen Namen gibt es für Heterocyclen noch ein moderneres rationelles Prinzip, das in vielen sonst hoffnungslos komplizierten Fällen zu übersichtlichen Namen f ü h r t : die sog. Aza- oder a-Nomenklatur. Während der klassische Begriff der Substitution nur den Ersatz von Wasserstoff durch andere Elemente vorsieht, ist die analoge Vertauschung anderer unter sich homologer Elemente schon immer stillschweigend geübt worden, so namentlich, wenn es sich um Austausch von Sauerstoff gegen Schwefel, Selen und Tellur handelte. Thio- vor dem Namen einer Sauerstoffverbindung bedeutet den Ersatz von Sauerstoff durch Schwefel unter Erhaltung des Valenztypus, eine „isoelektronische Substitution", wie man heute wohl zu sagen pflegt. In ähnlicher Weise sollen nun die Vorsilben Oxa-, Thia-, Aza für Sauerstoff, Schwefel und Stickstoff den Ersatz der Ringglieder -CH t - oder CH^ in isocyclischen Ringen 1 durch -0-, -S-, -NH- bzw. N ^ symbolisieren. Nach dem isoelektronischen Prinzip, das als Erhaltung der formalen Elektronenzahl in den Ringbindungen verstanden werden soll, können 0 , S, Se, Te nur CH 2 ersetzen, während aza, je nachdem es -CHj- oder C H ^ ersetzt, -NH- oder N ^ bedeutet : /CHj^ H2C CH, i l HtC CH2 Oxacyclohexan — Tetrahydropyran
HC CH il il HC CH \S/
^CH^ HC CH i Ii HC CH "\N/
/CH|\ H,C CHj I i H2C CH, \NH/
Thlaoyclopentadleb = Thiophen
Azabenzol = Pyridin
Azacyclohexan = Plperldio
!N
òh Ii CH
N / N , / l-Oxa-l,4-dlhydro-naphthalin = B«nzo-l,4-pyian
e,10-l)ithia-9,10-dlhydro-antbracen = Thlanthien
Natürlich wird man eich solcher Namen nur bedienen, wenn geläufige Namen anderer Art nicht zur Verfügung stehen. Es sei hier erwähnt, aber nicht weiter ausgeführt, daß die Verfolgung des isoelektronischen Prinzips eine Ausdehnung der a-Nomenklatur erlauben würde, bei der auch Ersatz von C H/^x durch 0* ¿x / usw. zugelassen wird. Man gelangt dann also zu Ionen, vom Benzol ζ. B. zum
©
Pyrylium-Kation. International werden die Bezeichnungen ozonia, azonia für — 0 = , empfohlen.
®
usw.
Bezifferung. Bevor wir in unseren Ausführungen weiter fortschreiten, ist es angezeigt, einige Worte über das schwierige und noch ungenügend vereinheitlichte Gebiet der Bezifferung zu sagen. Man bedient sich zur Stellungsbezeichnung heute fast ausschließlich arabischer Ziffern, während griechische Buchstaben meist für Sonderzwecke, wo sie 1
Im Bedarfsfall neuerdings auch in Ketten: CH, · O · CH, · O · CH, · 0 · CH, · 0 · CH,, 2,4,6,8-Tetraoxa-nonan.
602
Nomenklatur
unentbehrlich erscheinen, reserviert bleiben1. Die Stellungsbezeichnungen werden vor die Präfixe gesetzt, häufig auch vor die Suffixe (im Englischen ζ. B. Hex-l-en statt Hexen-1). Setzt man, wie ζ. B. im Beilstein-Handbuch, die Stellungsbezeichnungen der Suffixe allgemein ans Ende, so werden sie, wo Zweifel möglich sind, am besten in Klammern eingeschlossen: Cyclohexanol-(2)-on-(l) für 2-Hydroxy-cyclohexanon-(l). Eine Kohlenetoffkette wird fortlaufend von einem Ende zum anderen beziffert, und zwar wird der Beginn so gewählt, daß Veränderungen der Kette möglichst kleine Ziffern erhalten: ι 2 s 4 CH, · CHBr · CH, · CH,
2-Brom-butan (nioht 3-Brom-butan).
Darüber, welche Veränderung im Konkurrenzfall den Vorrang haben soll, ist endgültige Klarheit noch nicht erreicht und aus hier nicht zu erörternden Gründen auch nicht leicht zu erzielen*. Glücklicherweise ist der hierdurch verursachte Schaden vielfach nicht groß, wenn das angewandte Prinzip durch Kennzeichnung des Anfangspunkts ersieht· lieh ist. In Deutschland hat man im allgemeinen an den Genfer Bezifferungsprinzipien festgehalten, die für die Bezifferung folgende Bangordnung vorsehen: Seitenketten vor Seitenringen vor ungesättigten Bindungen (-in vor -en) vor systematischen Funktionen vor systematischen Substituent en8. Innerhalb der einzelnen Gruppen hat das Kleine vor dem Größeren, die gerade Seitenkette vor der verzweigten den Vorrang: 1 2 8 4 5 0 7 CH, · CH, · CH · CH, · CH · CH, · CH, 3-Methyl-5-âthyl-heptan CH, C,H, 1 2 3 4 CH, · CH · CHBr · CH, 3-Brom-2-methyl-butan CH, 1 2 3 4 CH,=CH · CH, · CH,Br 4-Brom-buten-(l)
Für monocydieche Verbindungen gilt das gleiche für die Bezifferung der Ringatome, nämlich Beginn an einem „ausgezeichneten", d. h. substituierten oder doppelt gebundenen Ringatom und Befolgung der obigen Rangordnung bei Konkurrenz mehrerer Veränderungen : qjj 1 -Methyl-oyolohexen-(3)
1,2,4-Trihydroxy-benzol
1 Eine besondere Verwendung von Λ ist die Bezifferung einer Stelle neben einer charakteristischen, die ihrerseits kein substituierbares Η enthalt, ζ. B. CH,· CHBr· CO,H a-Brom-propions&ure C,Hg· CBr=CBr· C,H5 «,α'-Dibrom-stilben CgH,· CH,· SO,H Toluol-a-sulfonsfiure s Die heute bestehenden Diskrepanzen haben ihren Ursprung zu einem nicht unwesentlichen Teil in den Lütticher Beschlüssen von 1930. Dort wurden wesentliche Teile der bisher geltenden Genfer Prinzipien aufgehoben. Die auf den Genfer Regeln beruhende 4. Aufl. des BeilsteinHandbuche vermochte mit 14 bereits erschienenen Bänden diesen Änderungen nicht mehr zu folgen. a Die internationalen Regeln sehen dagegen Beginn mit der „Hauptfunktion" vor.
Nomenilatur
603
Daß im letzten Beispiel die Stellungsbezeichnung 1,2,4 und nicht 1,3,4 gewählt wird, entspricht dem in der Bezifferung allgemein gültigen „Prinzip der kleinsten Zahlen". Die Bezifferung der Kohlenwasserstoffe gilt nach Genfer Grundsätzen auch für alle davon abgeleiteten Derivate. Deren Bezifferung ergibt sioh daher am einfachsten, wenn man zun&ohet alle von C und H verschiedenen (nioht ringförmig gebundenem) Elemente durch H ersetzt und den resultierenden Kohlenwasserstoff beziffert (I). Bleiben hiernach noch Zweifel, so verfährt man weiter
/OH
nach der oben angegebenen Rangordnung der Veränderungen (Π, Funktion ¿
vor OH vor syst.
Substituent Br):
CH,
COjH
. ñ
U ή
CA C»H( t-Aethyl-beiuol-carbons&ure-(l)
6-Brom-2-hydroxy-4-hydroxymethylbenzol-cubonsäare-(l)
In heterocyclischen Systemen mit 1 Bing ist das Heteroatom die ausgezeichnete Stelle, die den Anfangspunkt bestimmt, wobei im Konkurrenzfall 0 vor S vor Ν den Vorrang hat: HCT-ÖCH
H C I - S N
HCS, 2CH
H C I . ¡¡CH
II
8
II
II
\0/ Tutu
8
HC¿—»N
II4
II
\¿/ Ozazol
HCS,
3
II
2N
1,2,3-Thlodluol
Oie polycycliechen kondensierten KoMentoaeseratoffe haben in den einfachsten Fällen traditionelle Bezifferungen, die neben einer Kondensationsstelle beginnen:
Naphthalin
Anthracen
Phenanthren
Hydrinden
Bei komplizierteren Verbindungen versagt dieses Prinzip sehr rasch, so daß Willkür und Widersprüche nicht selten sind. A. M. P a t t s b s o n hat erkannt, daß einheitliche Regeln durch eine einheitliche Formelschreibweise erzielt werden. Man schreibt nach ihm die Formel so, daß möglichst viele Binge (beliebiger Größe) in die Horizontale (Wiedergabe der 5-Binge durch f ^ ) oder ) und, soweit das nicht möglich ist, weiterhin in den rechten oberen Quadranten kommen. Im äußersten Bing rechts oben neben einer Kondensationsstelle beginnt man nunmehr mit 1 und fährt im Uhrzeigersinn kranzförmig unter Weglassung der Kondensationsstellen herum (diese erhalten die Zahlen der vorhergehenden Stelle mit a, b, c usw.). Kondensationsstellen, die von einem Heteroatom besetzt sind, nehmen aber an der fortlaufenden Numerierung teil. Bleiben auch jetzt noch Zweifel über die richtige Schreibweise, so wird die Formel so orientiert, daß 1. ein Heteroatom, 2. ein C-Atom in einer Kondensationsstelle, 3. eine hydrierte Stelle eine möglichst kleine Ziffer erhält:
Nomenklatur
604
Wenn man von gewissen Mängeln absieht (die aus den drei letzten Beispielen ersichtlich werden), arbeitet das Verfahren recht gut. Es hat sich namentlich in Amerika weitgehend eingebürgert und ist jetzt auch in die internationalen Regeln übernommen worden. Mit Rücksicht auf die historische Bezifferung bleiben Anthracen, Phenanthren, Xanthen, Acridin, Carbazol und Purin von dieser Regelung ausgeschlossen (vgl. a. Phenthiazin, S. 568). Anellierung. Ein Prinzip, das gleichzeitig Fragen der Bezifferung und der Nomenklatur auf dem Gebiet der Polycyclen zu lösen bestimmt ist, ist unter dem Namen „Anellierung" (von lat. anellus = Ring) bekannt. Man stellt sich dabei ein kompliziertes Ringsystem aus einfacheren so entstanden vor, daß zwei von Wasserstoff befreite Ringskelette mit einer Seite (gelegentlich auch mit 2 Seiten) zur Deckung gebracht und miteinander verschmolzen werden (daher der engl. Ausdruck „fusion"); alsdann werden dem Skelett soviel Η-Atome angehängt, wie zur Erzeugung der maximalen Anzahl alternierender Einfach- und Doppelbindungen, also niedrigsten Sättigungszustandes, erforderlich sind 1 :
Η
Η
Η
Benzoanthracen
Die Anellierung wird sprachlich ausgedrückt durch Vorsetzen der (oft kontrahierten) Ringbezeichnung des einen Teilringes mit der Endung -o: Benzo-, Naphtho-, Anthra-, Phenanthro- sind die häufigsten der „Anellierungspräfixe". I m vorangehenden Beispiel heißt der Benzolring „Anelland", Anthracen „Stammring". Jedes Teilringsystem behält bei der Anellierung gewöhnlich seine traditionelle Bezifferung. Zur Unterscheidung von Anellierungs-Isomeren („Amphimeren") ist man meist genötigt, die Stellungsbezeichnungen der zur Deckung gebrachten Partien in einander entsprechender Reihenfolge als „Charakteristik" in die Mitte des Namens zu setzen, wobei die Ziffern des Präfix-Ringes durch Akzentuierung gekennzeichnet werden:
I 1,2-Benzo-anthraoen 1
Napbtho-2',r:l,2-anthracen
Die Sechsecke in dem obigen Bild bedeuten ausnahmsweise nur Η-freie, duroh Einfaohbindungen verbundene C-Atome.
605
Nomenklatur
Indo lo-8',2' :2,3-indol
Naphtho-r,? :2,8-pyridin
l,l'-Dihy0
\ g /
Trimethylamin-N-oxyd
Thiophen-S-diozyd
Die Addition von Wasserstoff macht insofern eine Ausnahme, als die dem Wasserstoff entsprechende Bezeichnung (hydro- als Präfix, -hydrid als Suffix) weitaus am häufigsten vor den Namen des Stammkerns gesetzt wird, was in allen anderen Fällen stets Substitution bedeutet: ι
2CHj
4
3¿H,
1,2,3,4-Tetrahydro-naphthalin
Man bevorzugt jedoch diesen Weg, weil Mißverständnisse hier nicht möglich sind und die Häufung von Suffixen am Namensende stets unbequem ist. Ein weiterer Typus von Additionsnamen wird weiter unten erwähnt werden.
II. Nomenklatur einiger wichtiger Funktionen und ihrer Derivate Nachdem im vorhergehenden einige allgemeine Prinzipien der Nomenklatur und Bezifferung geschildert worden sind, können wir nunmehr das gewonnene Bild durch die Betrachtung einzelner besonders wichtiger Funktionen abrunden und ergänzen. Alkohole, Phenole. Das Präfix für die Alkoholfunktion ist Hydroxy. Als Funktionsendung ist bei aliphatischen und isocyclischen (teilweise auch aromatischen) Kohlenwasserstoffen die Genfer Endung -ol sehr gebräuchlich: CH, · CH, · OH
Hydroxy&than, Äthanol
HO · CH, · CH, · OH /
H,C H,¿
•CH*. VC H
l,2-Dihydroxy-&than, Äthandiol-(l,2) Cyolohezen-(l)-ol-(3)
¿ H - O H
\CH,/ Hollem&n-Klchter, Organisch« Chemie. 37. — 41. Auflage
39
610
Nomenklatur
1,3-Dihydroxy-benzol
4-Hydroxy-isoohinolin
Wichtige Derivate der Alkohole sind die Äther und Ester (s. a. S. 613). Für Äther besitzt man neben binären Funktionsnamen vom Typus Dimethyläther ΟΗ 3 ·Ο·0Η„ Methyläthyläther CHj-O-CjHj Substitutionsnamen mit den Präfixen methoxy, äthoxy, propyloxy, butyloxy, phenoxy, naphthoxy, für Ester entsprechend acetoxy, propionyloxy, butyryloxy, benzoyloxy: C a H 5 · O · CH=CH · O · C,H e CgH, · O · CH, · CH, · CH, · O · CeH6
1,2-Diathoxy-ftthylen l-Äthoxy-3-phenoxy-propan
O · CO · · Α l-[4-Chlor-benzoyloxy]-anthraoen
Für Ketone stehen außer den radikofunktionellen Namen, die aus Radikalbezeichnungen und der Endung -keton zusammengesetzt sind (Diäthylketon, Methylphenylketon, Dinaphthylketon usw.) vor allem Genfer Namen mit der Endung -on zur Verfügimg, die von den Namen aliphatischer und isocyclischer Kohlenwasserstoffe abgeleitet werden: CH, · CO · CH, · CH, (CHa)gC=CH · CH, · CH, · CO · CH, H,C
CO
Butanon-(2) 2-Methyl-hepten-(2)-on-(6) Cyolobutanon
\ C H / / C OC g ji,
H
\
CH ^rg
Cyolohexadien-(l,3)-on-(5)
^CO H,C H,C
CO CH,
Cyoloheptantrion-(1,2,4)
\CH.-C0/ Erinnert sei auoh an die auf -on auegehenden Chinon-Namen wie Benzochinon, Naphthoohinon, Anthiaohinon usw., die indessen im wesentlichen Trivialnamen sind. Eine besondere Klasse von auf -on ausgehenden Namen bilden die Namen von Oxo-Verbindungen der heterocyclieohen NVerbindungen wie HSC-
CH
I II OC5 2N \NH/
PYRAZOLON-(5)
Nomenklatur HC HC
NH ^
μ-Imidazolon
CH CO
611 Imidazolon-(2)
Chinolon-(2), a-Chinolon
Sie leiten sioh in Wirkliohkeit alle von Dihydroverbindungen dieser Stammkerne ab. Έβ handelt sioh hier am einen alteingebüigerten Gebrauch, der aber im Widerspruoh za den allgemeinen Regeln steht und deshalb nioht über das historisoh Gegebene ausgedehnt werden darf.
Als Präfix-Bezeichnung für die Ketonfunktion ist die Vorsilbe Oxo- (veraltet Ketovon Keton) in Gebrauch: CH» · CH, · CO · CH, · CH,
3-Oxo-pentan (besser Pentanon-3)
l-Oxo-l,2-dihydro-naphthalin
9, 10-Dioxo-9,10-dihydro-anthraoen
3-0x0-2,3-dihydro-foran
Oxo ist eine zweiwertige Gruppe, ersetzt also 2 H-Atome. Diese müssen daher an der zu substituierenden Stelle vorhanden sein oder durch Hydrierung erzeugt werden. Um die Ketonfunktion in Seitenketten auszudrücken, kommen in erster Linie die gebräuchlichen Säurereste Acetyl, Propionyl, Benzoyl usw. in Frage: CH, • CO · C,H, HC C,H, · CO · C
Aoetylbenzol
CH C · CO · C,H ?
/CO · C,H, CH< XX) · C,H e
2,5-Dibutyryl-pyrrol
ω,ω-Dibenzoyl-ohinaldin*
Stehen die entsprechenden Radikalnamen in komplizierteren Fällen nicht zur Verfugung, so muß man auf sekundäre Substitution durch Oxo- oder auf andere geeignete Kombinationen zurückgreifen: 1 μ (von μέσο; in der Mitte) dient mitunter zur Bezeichnung einer Mittelstellung. Im gleiohen Sinn wird auoh das Pr&fix ms verwandt: CH,-CO CH(CH,)-CO»CH, me-Methyl-aoetylaoeton. * Eine endst&ndige Substitution wird häufig durch ω bezeiohnet.
39·
Nomenklatur
612 CH=CH-C0-CH 3
1 - [y-Οχο-α -butenylj-naphthalin oder l-[3-Oxo-buten-(l)-yl]-naphthalin oder l-[/S-Acetyl-vinyl]-naphthalin
Etwas weniger vielseitig ist die Nomenklatur der Aldehyde, für die die Endung -aldehyd eigentlich nur in Trivialnamen wie Acetaldehyd, Salicylaldehyd usw. eigenständig ist. In diesen Namen ersetzt -aldehyd die Endung -säure in den entsprechenden Säuren. Vielfach kann man sich durch von Fonnaldehyd abgeleitete Substitutionsnamen helfen: Cyclohexylformaldehyd C e H u · CHO. Andernfalls ist man auf das einwandfreie Präfix formyl- angewiesen: Formylcyclohexan. In Verbindung mit den Namen isocyclischer und heterocyclischer Stammkerne findet man -aldehyd häufig als substitutives Funktionssuffix, ζ. B. C4H3S · CHO Thiophenaldehyd. Bei konsequentem Gebrauch (also einwandfrei erkennbarem Substitutionsnamen) sollte seiner allgemeinen Einführung eigentlich nichts im Wege stehen. Für aliphatische Aldehyde erfreut sich die Genfer Endung -al großer Beliebtheit: OHC · CHO CH, · CH, · CH=CH · CH, · CH, · CH=CH · CHO
Äthandial Nonadien-(2,6)-aI-(l)
Von Derivaten der Aldehyde und Ketone sind Oxime, Semicarbazone und Phenylhydrazone am häufigsten zu benennen. Meist hängt man diese Bezeichnungen an die auf -aldehyd oder -keton ausgehenden Namen an, wobei Kontraktionen wie -aldoxim und -ketoxim gebräuchlich sind: Acetonphenylhydrazon, Dimethylketoxim (CH3)8 C = Ν · OH, Acetaldehyd-semicarbazon CHS · CH:N · NH · CO · NH 2 . Ist man genötigt, zu Präfix-Bezeichnungen zu greifen, so hat man für = Ν · OH oximino- und isonitroso-, für die anderen beiden semicarbazono- und phenylhydrazono- zur Verfügung, die gemäß ihrer Zweiwertigkeit genau wie oxo- zu behandeln sind: CH, · C( : Ν · OH) · CO · CH,
Methyl-[a-oximiiio-&thyl]-keton
Carbonsäuren werden in erster Linie durch -carboxy als Präfix und -carbonsäure als Suffix ausgedrückt, wobei die Bezeichnung durch Suffix im allgemeinen vorzuziehen ist : HO,C · CH, • CH, · CH(CO,H), a-Carboxy-glutareiure HO,C · CH, · CeH4 · JC1, Carboxymethyl-phenyljodidchlorid H,C\ ι yCH · CO,Η
Cyolopropan-carbons&ure
CH, · CH, · CH, · CH, · CH=CH · CO,H
Hexen-(l)-oarbonsâure-(l)
Die Genfer Nomenklatur betrachtet die CarboxyIgruppe als Resultat der Substitution von in die Methylgruppe und rechnet das C der Carboxylgruppe zur Kohlenstoffkette ^OH in der gleichen Weise, wie dies bei Aldehyden und Ketonen geschieht : CH, · CO,Η Äthansäure (CH,),CH · CO,H Methylpropana&ure CH, · [CH,], · CH=CH · [CH,], · CO,H Octadecen-(9)-s&ure-(l) Ein Carboxyl als Seitenkette hieß in der Genfer Nomenklatur entsprechend „methyl1
2
3
4
5
6
7
säure": 4-Methylsäure-heptadien-(l,6) CH 2 =CH · CH2 · CH(C0 2 H) · CH2 · CH=CH 2 . Während „methylsäure" ausgestorben ist, erfreuen sich Namen der ersten Art in der
613
Nomenklatur
aliphatischen Reihe wegen ihrer Kürze einer gewissen Beliebtheit. Die Folgen für die Bezifferung sind sorgfältig zu beachten: 2-Brom-butansäure-(l) l-Brom-propan-carbonsäure-(l) a-Brom-buttersäure 1
CH 3 · CH a · CHBr · CO s H
Bei cyclischen und heterocyclischen Verbindungen sind auf -carbonsäure ausgehende Namen vorherrschend: Anthracen-carbonsäure-(l), Pyridin-dicarbonsäure-(2,3) usw. Recht häufig bilden auch die Trivialnamen einfacher Säuren die Grundlage von Substitutionsnamen : Acetessigsäure CH3 · CO · CH2 · C0 2 H, Benzyliden-malonsäure CeHB · CH = C(C0 2 H) 2 , o-Benzoyl-benzoesäure C e H s · CO · C6H4 · C0 2 H. Ein häufiger Mißbrauch, mitunter auch eine kaum vermeidliche Notlösung besteht in der Bildung von sog. „Konjunktionsnamen" (conjunctive names), wenn entsprechende Radikalbezeichnungen für die Bildung von Substitutionsnamen fehlen oder unbequem erscheinen : HjC/ H.C\
X
CH
2
\ c h /
C H /
.¿H-.
H0 2 C-CH HOaC-CH/
CH
2χ
0 Η · CHj · C0 2 H
.CH, \ C H /
Decalin-essigs&ure-(2) statt Decalyl-(2)-ee3igsäure
CH a .CO a H \CH2-C02H
Äthylendiamin-N-N-N'· N'tetraessigsaure
Ein besonderes Problem bildet die Übersetzung englischer Säurenamen ins Deutsche. Soweit nicht historische Überlieferung oder das Verlangen nach sprachlichem Wohlklang dem entgegenstehen, lasse man die auf einen Konsonanten folgende Endung -ic weg, also folic, pilopic, sterculic acid = Folsäure, Pilopsäure, Sterculsäure. Ebenso verfährt man mit der Genfer systematischen Endimg -oic: hexanoic acid = Hexansäure. In den übrigen Fällen empfiehlt sich nach Vokalen „insäure": maleic, cysteic, lipoic, pantoic acid = Maleinsäure, Cysteinsäure, Lipoinsäure, Pantoinsäure. Ausnahme: ethanethioic acid — Äthanthiosäure.
Unter den Derivaten der Carbonsäuren spielen in der Nomenklatur die Ester die größte Rolle. Die alten binär-polaren Namen mit vorangehendem Alkoholradikal und Anion-Bezeichnung für den Säurerest wie Methylacetat, Phenylbutyrat, Dinaphthyloxalat, Dimethylsulfat sind immer noch sehr gebräuchlich. Ihnen gleichwertig und keiner Erläuterung bedürftig sind Namen wie Essigsäureäthylester, Salicylsäurephenylester, Hexan-carbonsäure- ( 1 )-allylester usw. Die Präfix-Bezeichnungen Carbomethoxy-, yO /0 /O Carbäthoxy-, Carbobenzoxy- für —Cf , —Of , —Of x
O-CH,
x
O
C2H6
X
O
CH 2 · C e H 6
sind irreführend, weil die Anknüpfung nicht durch die Hydroxygruppe erfolgt, aber allgemein gebräuchlich. Neuerdings sind von der Internationalen Kommission als Ersatz Methoxycarbonyl-, Äthoxycarbonyl, Benzyloxycarbonyl- vorgeschlagen worden. Für Carbonsäureamide fehlte eine geläufige Präfix-Bezeichnung für das Präfix —CO'NH 2 . International ist heute Carbamoyl- (von Carbamidsäure) eingeführt. Ist, wie häufig, Wasserstoff am Stickstoff der Amide substituiert, so ergeben sich mehrere Benennungsmöglichkeiten, z. B. für CHj · CO · NH · CH3 Essigsäuremethylamid, N-Methyl-essigsäureamid, N-Methyl-acetamid, für CHS · CO · NH · C„H6 Essigsäureanilid, Acetanilid. Kontrahierte, halbtriviale Bezeichnungen spielen hier wie bei den Nitrilen eine beträchtliche Rolle. Wir geben als Beispiele nur die rationellen Bezeichnungen, Cyclohexancarbonsäurenitril oder Cyancyclohexan für C e H n · CN und Phenylacetonitril oder Benzylcyanid für C e H 5 · CH2 · CN. 1 Neuerdings beginnt sich die Numerierung mit arabischen Ziffern auch bei den Trivialnamen der Fettsäuren einzubürgern, deren Carboxyl dann = 1 wird: a-Brom-buttersäure = 2-Brombuttersäure.
Nomenklatur
614
Die Amine nehmen in der Nomenklatur der Funktionen insofern eine Sonderstellung ein, als für Substitutionsnamen mit organischer Namensbasis nur das Präfix amino- zur Verfügung steht : Aminomethan, Diaminobenzol usw. Wo -amin am Namensende auftritt, hat man es mit Substitutionsnamen auf anorganischer Basis zu tun, bei denen -amin stellvertretend für Ammoniak NHS steht: Methylamin, Äthylamin, Hydroxyäthylamin usw. Es verdient einen besonderen Hinweis, daß in Namen wie Äthylendiamin, Propylendiamin usw. äthylen- und propylen- nicht die Namen ungesättigter Kohlenwasserstoffe, sondern die zweiwertiger Radikale sind, wie bei den aromatischen Abkömmlingen Phenylendiamin, Naphthylendiamin usw. deutlich wird. International bürgern sich für Di- und Polyamine Namen wie Propandiamin, Naphthalintriamin usw. ein. Praktisch läuft dies darauf hinaus, daß außer dem Präfix amino- ein substitutives Suffix -amin anerkannt und daß die Nomenklatur der aliphatischen Monoamine als eine Art Ausnahmeregelung betrachtet wird. Namen sekundärer und tertiärer Amine werden entweder substitutiv auf organischer Basis mit Präfixen gebildet oder durch Voraussetzen der entsprechenden Radikalbezeichnungen vor die Bezeichnung -amin: (CH3),N · CH2 · CH3 N(CH,) · C,H5
aAA
Dimethylamino-athan Dimethyl&thylamin l-Methylâthylamino-anthrachinon
CH,. C,H5-/N C,H6 · CH,
Methyläthylbenzylamin
Für die Benennung von Ammoniumverbindungen gibt es verschiedene Möglichkeiten : • N(C,H5),(CH8) · OH
2-Diâthylamino-naphthalin-hydroxymethylat, oder Methyldiäthylnaphthylammoniumhydroxyd
Mit Hilfe der Präfix-Bezeichnung Ammonio- für das Radikal -NHS+ kann die eben genannte Verbindung als „Hydroxyd des 2-Methyldiäthylammonio-naphthalins" bezeichnet werden. Ist eine Aminogruppe durch einen Carbonsäurerest acyliert, so bietet sich in vielen Fällen der Substitutionsname auf organischer Basis als der geeignete an: NH · CO · CH, 1-Acetamino-anthracen CH, · CO · CH, · CH, · NH · CO · C,H5 4-Benzamino-butanon-(2) C2Hb
A I
II ^CO · C,H5
4-Methylpropionylamino-l-äthyl-benzol
Nomenklatur
615
Die kontrahierten Formen Formamino, Acetamino, Benzamino für —NH · CHO, —NH · CO · CH3, —NH · CO · C e Hj sind nur in diesen drei Fällen gebräuchlich. Bei auf -amin endenden Namen werden die Acylreste vor den Namen gesetzt, wobei zur Verdeutlichung der Eintrittstelle N- hinzugefügt wird: N-Acetyl-/?-naphthylamin
N-Acetyl-N'-benzoyl-o-phenylendiamin
%/^NH · CO · CeH5
Die zusätzliche Möglichkeit, einfache Säureamidnamen wie Acetamid, Benzamid usw. zur Namensgrundlage zu machen, sei ohne weitere Ausführung erwähnt. Für die Hydrazine und Hydroxylamine können die für die Aminogruppe geschilderten Qebräuche fast unverändert übernommen werden. Namen wie Methylhydrazin, Phenylhydrazin usw. können in gleicher Weise wie die Amin-Namen als Substitutionsnamen mit Hydrazin als Namensbasis aufgefaßt werden. Von der Behandlung der Phenylhydrazone und Semicarbazone war schon oben die Rede. Obwohl die Azoverbindungen mit dem Präfix azo- in Tabelle I den Substitutionsnamen zugerechnet sind, handelt es sich hier doch um nur mühsam rationalisierte Trivialbezeichnungen, die ihren Ausgang von MITSOHBBLIOHS „Stickstoff benzid" genommen haben, aus dem in ZININS Übersetzung „Azobenzid" und später Azobenzol wurde. Bei symmetrisch gebauten Azoverbindungen nennt man auch jetzt den durch Azoeingeleiteten Namen des Kohlenwasserstoffs nur einmal: CjHg · N=N · C,H5 ÇH,
·
CH,
Μ
Azobenzol / \ / \ · N=N · ( A / S
Ό H2 n , CnH2n—2), steigender Kohlenstoffzahl und schließlich fallender Länge der unverzweigten Kette (bzw. fallender Ringgliederzahl bei Cyclen) geteilt. Ζ. B. gilt für die ersten Glieder der Kohlenwasserstoffe C n H 2 n + 2 nachstehende Anordnung: Ci CH4 C2 CÏÏ3 · CH3 Cj CH3 ' CH2 · CHj C4
GH3 • CH2 · Cirlg · CÎÎ3
(CH3)2CH • CHj C5 CHS · CH2 · CH2 · CH2 · CH3 (CH3)2CH · CHa · CHj (CH 3 ) 3 CCH 3
Die Gesamtzahl der in den 3 Hauptabteilungen untergebrachten Haupt- und Unterklassen aller Sättigungsgrade beläuft sich auf rund 5000 Nummern. Ihre Zusammenstellung in dem S. 620 Anm. 1 genannten Systembuch gibt einen lehrreichen Einblick in die einfache Architektonik des Ganzen. Der Anfänger wird in diesem System viele ihm vertraute Verbindungen vermissen, ζ. B. die Halogenverbindungen, Nitroverbindungen, die Äther, Ester, Nitrile und Sulfide. Dies führt uns auf einen wesentlichen Punkt des Systems. Die existierenden Typen organischer Verbindungen sind viel zu zahlreich, als daß man für alle besondere Klassen bilden könnte2. Der Bildung von Hauptklassen sind deshalb nur die oben genannten wichtigsten Funktionen zugrunde gelegt. Alle übrigen Verbindungen werden als Derivate der in den Hauptklassen unterzubringenden Substanzen (die deshalb auch R e g i s t r i e r Verbindungen genannt werden) betrachtet und müssen
daher auf die Registrierverbindungen zurückgeführt werden. Die Derivate zerfallen in 3 Gruppen:
1. funktionelle Derivate (entstanden durch Verknüpfung mit organ. HydroxyVerbindungen oder wasserstoffhaltigen anorgan. Verbindungen) 2. Substitutionsprodukte (mit F, Q, Br, I, NO, N02, N„) 3. Schwefelanaloga der Sauerstoffverbindungen Die Zurückführung der Substitutionsprodukte (Gruppe 2) auf ihre Registrierverbindungen bereitet nicht die geringsten Schwierigkeiten. Man hat dazu lediglich den Substituenten durch H zu ersetzen : /S-Brom-äthylalkohol Br · CHa · CHj · OH findet man hinter Äthylalkohol8. Etwas eingehender sind die Vertreter der 1. Gruppe zu behandeln. Alle funktionellen Derivate werden im BEILSTEIN- System formal als Produkte einer Wasserabspaltung zwischen einer Registrierverbindung und einer „Kupplungsverbindung" (organ. C-Hydroxyverbindung oder anorgan. wasserstoffhaltige Verbindimg) auf1 In der 3. Hauptabteilung (heterooyclische Verbindungen) ist vor die Hauptklaasen als erstes Ordnungsprinzip noch Art und Zahl der Hetero-Atome geschaltet: 0 l t Oj, O, N„N„Nj . . . OjN|, OJNJ, 0 , N , . . . 0,Nj, OjN„ 0,N 2 . . . (über besondere Behandlung von Schwefel siehe S. 622). 2 Im Schrifttum werden häufig wahllos auch die kompliziertesten Gruppierungen von „anorganischen" Atomen als „Funktionen" bezeichnet. Dies ist ganz unfruchtbar und muß eher verwirrend wirken. * Eine Ausnahme bildet ans chemischen Gründen der Fall, daß dasgleicheC-Atom einen Substituenten und eine Funktion (oder mehrere Funktionen) trägt. Hier erfolgt Ersatz durch S a u e r s t o f f :
/Cl
C-H..CH
-
\OCjHJ
CH a -CO a H.
622
Einführung in das ehemisohe Schrifttum
gefaßt. Zur Ermittlung der Registrierverbindung hat man also das funktionelle Derivat dem umgekehrten Prozeß einer Hydrolyse zu unterwerfen: 1. 2. 3. 4. 5.
Anisol C„H5-O C H 3 — C e H 5 0 H + CH3 ·OH Essigester C H , - C O - O C A — j - C H j C O j H + C ^ - O H Acetamid CH 8 -CO-NH 2 —>- CH, COîH + NH a Blausäure HCN — ν HC02H + NH S Acetylphenylendiamin Η ^ Ο ^ - Ν Η - Ο Ο - Ο Η , —>HtN.CeH4.NHj + CH 8 C0 2 H 6. N-Methyl-benzamid C,HS CO-NHCH S — ν CtHs COjH + NH, + CH S ·OH 7. Azobenzol C,HS -Ν : Ν ·0 β Η 5 — ν CçHs· Ν : NH + C,H, -OH 8. p-Azoxy-phenetol CgHj · O · C„H4 - N(: Ο) : Ν . C,H4 · 0 · CjHs —>HO -CeH4 ·Ν(:0) : NH + HO ·0,Η 4 -OH + 2 C»HB -OH
Bei der Hydrolyse entstehen entweder eine Registrierverbindung und eine anorganische Kupplungsverbindung (Beispiele 3 und 4) oder mehrere Registrierverbindungen mit oder ohne Begleitung einer anorganischen Kupplungsverbindung. Treten mehrere Registrierverbindungen auf, so bestimmt die (fettgedruckte) im System an spätester Stelle stehende Verbindung 1 den Registrierort („Prinzip der spätesten Systemstelle"). Die hydrolytische Spaltung 4 wird stets soweit getrieben, daß ausschließlich Registrierverbindungen (entsprechend obigem Verzeichnis der Hauptklassen) und „erlaubte" Kupplungsverbindungen (C-Hydroxyverbindungen, anorgan. Wasserstoffverbindungen) entstehen. Sind verschiedene Spaltungen dieser Art möglich, so ist derjenige Weg richtig, der die späteste Registrierverbindung liefert, die bei der Resynthese der Spaltstücke nur Derivate ergibt. Diese wichtigste Regel wird duroh die Beispiele 5 und β erläutert*. Man beachte auch die formalen Registrierverbindungen in Beispiel 7 und 8. Die Reihenfolge der ale Anhang einer Registrierverbindung gebrachten funktionellen Derivate wird durch die Stellung der Kupplungsverbindungen im Bsn-s-rem-System bestimmt. Jedoch sind die isomeren Kupplungsverbindungen aus der ersten und zweiten Hauptabteilung an einer Stelle zusammengefafit. Derivate mit Allylalkohol und Cyclopropanol folgen also unmittelbar aufeinander. Für die anorganischen Kupplungsverbindungen gilt folgende vereinfachte Rangordnung: H . 0 , ; H0C1, HOBr, H,S0 4 l H N 0 2 , HNO,, H , P 0 4 ; HCl, HBr, H J ; N H „ N H , · OH, N„H 4 ,HN,.
Daß die Schwefel-, Selen- und Tellurverbindungen (mit Ausnahme ihrer Saueretoffsäuren) als dritte Unterabteilung der Derivate geführt werden, besagt, daß für diese Verbindungen keine besonderen Hauptklassen geschaffen worden sind. Äthylmercaptan steht also unter den Derivaten des Äthylalkohols an letzter Stelle hinter Diäthyläther und Bromäthylalkohol. Gleiches gilt für Sohwefel, Selen und Tellur als Hetero-Atome: Thiophen wird als Derivat von Furan behandelt. Einige besondere Regeln, die hier übergangen werden können, beschäftigen sich mit desmotropiefähigen Verbindungen, wo eine Auswahl zwischen verschiedenen möglichen Formeln getroffen werden muß, und mit solchen Verbindungen, die wie Ammo· 1
Die übrigen, systematisch früheren Registrierverbindungen sinken damit auf den Rang von Kupplungsverbindungen zurück (Beispiel 8). 2 Nicht gespalten werden C-C-Bindungen und heterocyclische Ringe. 3 In Beispiel 5 wäre die an sich mögliche Spaltung in Aminophenol, N H , und Essigsäure unrichtig, weil der erste Schritt der Resynthese Η , Ν Ό , Η ^ · OH + N H , — > - Η^ΝΌ,Η« · N H , zu einer Registrierverbindung statt zu einem Derivat führt, also unzulässig ist. In Beispiel β wird N-Methyl-benzamid nicht in Benzoesäure und Methylamin gespalten, weil Methylamin keine Hydroxyverbindung, mithin keine erlaubte Kupplungssubstanz ist. Andererseits kann Methylamin in diesem Fall nicht Registrierverbindung sein, weil es im System vor Benzoesäure steht.
System der organischen Verbindungen
623
nium- und SulfoniumverbinduDgen, Sulfoxyde und Sulfone die Elemente Ν und S nicht in ihrer niedrigsten Bindungsstufe enthalten. Als abschließendes Beispiel sei ein komplizierterer Fall gebracht, der zeigt, wie man bei Verbindungen zu verfahren hat, die aus Registriersubstanzen durch mehrfache Veränderung hervorgehen. Der Phenylester der 4-Nitro-thiobenzoesäure liefert nach Ersatz von NOa durch H und Austausoh von S gegen O bei hydrolytischer Spaltung Benzoesäure und Phenol : OjN .C,H4 · CO · S • C e H, —>- CeHg · CO · O · CeH5 — ν CeHs · COsH + C,H 6 · OH. Registrierverbindung ist Benzoesäure. Ihre systematisch späteste Veränderung ist Ersatz von O durch S. Die gesuchte Verbindung erscheint also unter Monothiobenzoesäure unter deren Nitrosubstitutionsprodukten als Ester. Die Gesamtheit der oben auf ihren einfachsten Nenner gebrachten Regeln wird nach kurzem Studium als so überraschend einfach erscheinen, daß kein Chemiker die geringe Mühe scheuen sollte, dieses System gründlich zu erlernen und praktisch zu üben. Es wird ihm namentlich in den unvermeidlichen Wartepausen zwischen dem Erscheinen der einzelnen Generalregister ein verläßlicher Führer sein und ihm ein sonst nicht erreichbares Gefühl der Sicherheit in der Benutzung dieses wichtigen Nachschlagewerks geben.
Nachträge und Berichtigungen Zu S. 90: Leichter als die aliphatischen Ester sind die Ester der Phenole verseifbar (Phenylacetat ζ. B. 7mal so rasch wie Methylacetat). Die Verseilung der Ester wird außer durch das Hydroxyl-Ion auch durch andere Nucleophile, die sich an das CarbonylKohlenstoffatom anlagern, beschleunigt, ζ. B. durch Acetat-Ion 0Η3·002Θ oder den Stickstoff heterocyclischer Basen. Als Modell für enzymatische Reaktionen ist die katalytische Verseifimg durch Imidazol häufig studiert worden. Als Zwischenprodukt entsteht das ungewöhnlich leicht verseifbare N-Acyl-imidazol : O II R · C · OR' t
O®
O II / V RO—N+NH + OR'9
R • i · OR'
/N\
/N\
I!!—NH I + 11
-NH
/\ -H® /V H,o R · CO • Ν NH • R · CO · Ν Ν • R · CO,H + Ν NH I+ I L J LI Sehr rasch verlaufen unter Umständen wegen des günstigen Entropiefaktors intramolekulare nucleophile Katalysen durch Carboxylat-Ionen. Die Verseifung von Aspirin ist zwischen pn 3—8 vom ρκ unabhängig und läuft wahrscheinlich über ein Säureanhydrid als Zwischenprodukt: 0-C0.CH3 /v/09 Η,Ο /X/0K " A l v xCOae
—
Ι λ v
COx
i
—
( X v
x C0 2 e
+CH3.C02o + H e
Zu S. 164: Eine weitere technische Synthese des Glycerins ist 1955 von der SHELL Chem. Co. entwickelt worden. Hierbei wird Acrolein (aus Propylen) mit Isopropylalkohol über ZnO+MgO zu Allylalkohol reduziert, der mit Wasserstoffperoxyd und Katalysatoren in guter Ausbeute Glycerin ergibt (SHEBWOOD, Industrial Chemist 36 [1960], 544). Zu S. 196: Textzeile 12 von unten statt Harnstoffdifferate lies Harnstoffderivate. Zu S. 218: Traubensaure Salze unterscheiden sich im Kristallbau von den entsprechenden aktiven Tartraten so, daß den aktiven Verbindungen gleich gebaute Schichten von (+)- und (—)-Anionen zwischen den Kationen-Ebenen abwechseln oder daß in der gleichen Ebene (+) und (—) durch ein Symmetriezentrum verknüpft sind. Vgl. dazu SADANAGA, Act. Cryst. 3, 416 (1950); SPBENKELS, Kon. Nederl. Akad. Proceed. [Β] 5 7 , 524 (1954); VAN BOMMEL, BIJVOET, Act. Cryst. 1 1 , 69 (1958). Über das allgemeine Problem von optisch-aktiven Molekülen in Kristallgittern unterrichtet G. HÄGG in THE SVEDBEBO-Festschrift S. 140 (Uppsala 1944).
625
Naohtr&ge und Berichtigungen Zu S. 235:
Wie zwischen Brechung und Absorption ein theoretischer Zusammenhang besteht, so entspricht auch der optischen Drehung (als „zirkularer Doppelbrechung", S. 16) ungleiches Absorptionsvermögen für rechts- und linkszirkulares Licht in bestimmten, namentlich dem Sichtbaren nahegelegenen Absorptionsbanden (Zirkulardichroismus, COTTON-Effekt, S. 272). Im Gebiet einer solchen Bande, ζ. B. der Carbonyl-Bande, wird die Dispersion anomal, es tritt Drehungsumkehr ein. Ist die Drehung φ auf der langwelligen Seite der Bande positiv (Fig. 114), spricht man von positivem, andernfalls von negativem CoxroN-Effekt. Weisen zwei aktive Verbindungen in der Umgebung des asymmetrischen Zentrums gleiche oder sehr ähnliche räumliche Anordnung auf, so kann der Vergleich der Rotationsdispersionskurven Aufschluß über die absolute Konfiguration geben, wenn diese für eine der beiden Verbindungen bekannt ist. Die Drehung setzt sich additiv aus den Beiträgen der einzelnen Absorptionsbanden zusammen. Für die Analyse der sterischen Verhältnisse ist deshalb die Kenntnis der gesamten Dispersionskurve sehr viel ergiebiger als ein einzelner Drehwert im Sichtbaren. Grundlegende Untersuchungen von W. K U H N , J . G. KIKKWOOD und anderen erlauben heute wenigstens prinzipiell in einfachen Fällen eine Voraussage von Drehungesinn und -große einer aktiven Verbindung.
I
Die Anordnung von vier zylindersymmetrischen Substituenten gemäß der FISCHERPiojektion I führt zu Rechtsdrehung, wenn die (ζ. B. aus der Atomrefraktion abschätzbaren) Polarisierbarkeiten Α > Β > C > D sind. In den meisten Fällen überlagert sich
Kg. 114
aber über diese „atomare Asymmetrie" die Wirkung der verschiedenen Konformationen, die das Molekül einnehmen kann und deren statistisches Gewicht meist schwer abzuschätzen ist. Da diese Effekte sich teilweise kompensieren, sind die Drehungen in der aliphatischen Reihe vielfach nur klein. Die größere Drehung der cyclischen Verbindungen erklärt sich durch die Fixierung der Konformation. Richtige Berechnungen des Drehungssinns machten ζ. B. W. K U H N für das (S)-Butanol-(2), F I T T S , KIRKWOOD für das von N E W M A N 1955 dargestellte 3.4.3'.4'-Phenanthrophenanthren („Hexahelicen"), dessen Ringe sich gegenseitig behindern und deshalb in einer flachen Schraube angeordnet sind (II). DasMolekül mit linkem Schraubensinn zeigt [«] D : —3640°. Für (—) (R.R)trans-1.2-Dimethyl-cyclopropan (III) berechnete F I T T S den richtigen Drehungssinn (vgl. W. Ε. v. D O E B I N G , K I B M S E , Tetrahedron 11 [1960] 272). Eine halbempirische vereinfachte Methode der Vorausberechnung für bestimmte Verbindungstypen hat neuerdings H o l l e m a n - B l c h t e r , Organische Chemie. 37. — 41. Auflage
40
626
Nachträge und Berichtigungen
J . H . BBEWSTEB ( J . Amer. Chem. Soc. 8 1 [1959], 5475, 5483, 5493) gegeben. Vgl. ferner W . KUHN, Angew. Chem. 68 [1956], 9 3 ; WOOD, PICKETT, KIRKWOOD, J . Chem. Physics 20 [1952], 561; FITTS, KIRKWOOD, J . Amer. Chem. Soc. 77 [1955], 4940; NEWMAN, LEDIGER, J . Amer. Chem. Soc. 77, 3420; 78 [1956], 4765, 6427; FITTS, SIEGEL, MISLOW, J . Amer. Chem. Soc. 80 [1958], 480; C. DJERASSI, Optical Rotatory Dispersion [New York I960]; DJERASSI, UNDHEIM, J . Amer. Chem. Soc. 82 [1960], 5755. Zu S. 242:
Bei der Kondensation von Formaldehyd zu Zuckern wirkt nach LANGENBEOK Glykolaldehyd im Sinn einer Autokatalyse. Frühzeitig bildet sich Glycerinaldehyd, der sich allmählich in Dihydroxyaceton umlagert. Das weitere Reaktionsgeschehen wird durch das Vorhandensein von Formaldehyd, Glykolaldehyd und den beiden Triosen bestimmt (E. PFEIL, RTJOKERT, Lieb. Ann. 641 [1961], 121). ZuS. 269:
Über Stärke-Synthese aus Uridindiphosphatglucose haben LELOIR, DE FEKETE, CARDINI, Journ. Biol. Chem. 236, 637 [1961] berichtet, während CORI mit BROWN und ILLINGWORTH (Proc. Nat. Acad. Sei. U.S. 47 [1961], 469, 479) die Synthese von Amyloee
durch Muskelphosphorylase durch neue Versuche belegte. Daß Hydrolyse und Transglykosylierung Funktionen einunddesselben Enzyms sind, hat WALLENFELS (Angew. Chemie 71, 526 [1959]; Biochem. Ztschr. 331, 479 [1959]) am Beispiel der /9-Galaktosidase aus Echerichia coli bewiesen.
Über die Wirkungsweise der hydrolysierenden Enzyme sind in neuerer Zeit genauere Vorstellungen entwickelt worden. An der esteratischen Wirkung des Chymotrypsins sind ein Serin-Hydroxyl und vielleicht Histidin beteiligt. Nach dem Prinzip der intramolekularen Katalyse ist ein Reaktionsablauf folgender Art postuliert worden (MARINI, HESS, J. Amer. Chem. Soc. 82, 5160 [I960]; s. a. KRUPKA, LATTÌT.TCR, ebenda 83 [1961], 1458): R U - CH2n H I -
V
o—CH 2 -
V
N
Rs
CK
Enz + ROH V
J : O—CH»-
\. Enz
\n/=n\J Zu S. 284—285 :
Das gelbe Lipoyldehydrogenase-Enzym ist identisch mit der sog. „Diaphorase", einem FAD-haltigen Protein. Die weitere Übertragung des Wasserstoffs von FAD auf DPN läuft anscheinend über das semichinoide Radikal FADHX als Zwischenstufe. Vgl. dazu KOIKE, REED, J . Amer. Chem. Soc. 81, 505 [1959]; MASSEY, VEEGER, Biochim. Biophys. Acta 40,184 (1960) und die dort zitierte frühere Literatur. Uber Fettsäuresynthese über Malonyl-CoA s. LYNEN, Biochem. Z. 334 [1961], 203; WAKIL, J . Biol. Chem. 236 [1961], 1643. Umkehrung der Yß-Oxydation in Mitochondrien: WAKIL, J . Biol. Chem. 235 [1960], PC 31; J. lipid Res. 2 [1961], 1.
Nachträge und Berichtigungen
627
Zu S. 301:
Für die Wirkung des Silberoxyds bei dem W A L D E N s c h e n Kreisprozeß zwischen Halogenbernsteinsäure und Äpfelsäure ist noch ein zweiter Reaktionsmechanismus ins Auge zu fassen. Bei yß-Halogencarbonsäuren, zu denen auch die Halogenbernsteinsäuren gehören, erfolgt die Halogenabspaltung sehr viel rascher als die Zunahme der Acidität. Es bildet sich intermediär in einer S^-Reaktion unter Unikehrung das y8-Lacton der Äpfelsäure. Dieses erleidet zwar in stark alkalischer und stark saurer Lösung die übliche Acyl-Sauerstoffspaltung der Ester (S. 90), bei der dementsprechend keine Umkehrung stattfindet. Dagegen hydrolysiert Wasser in annähernd neutraler Lösung langsam unter Alkyl-Sauerstoffspaltung und Umkehrung. Folgendes Schema veranschaulicht die Zusammenhänge : CO 2 H
Cl— ¿ — H I
COJH Ag®
H—¿—0 I
CH 2
CH2
COJH
¿O^
ι
(-)
NaOH
CO 2 H H—C—OH 3H 2 · C 0 2 H (+)
L·
CO 2 H HO—I—H
Αι DH2 · COJH (-)
Bei der Silber-Reaktion der Chlorbernsteinsäure besteht also auch die Möglichkeit einer zweimaligen W A L D E N s c h e n Umkehr. Nach COWDBEY, H U G H E S , INGOLD, J . Chem. Soc. London 1937, 1265 ließe sich nur durch eingehende kinetische Untersuchungen entscheiden, in welchem Umfang die beiden Prozesse an der Umwandlung beteiligt sind. Auch bei optisch-aktivem jö-Butyrolacton sind die gleichen Umwandlungen sorgfältig studiert worden. Zu S. 308:
Mit Hilfe des Carbobenzoxy-Verfahrens synthetisierten zuerst HABINGTON und MEAD 1935 das Tripeptid Glutathion, das ein y-L-Glutamyl-L-cysteinyl-glycin ist: HOJC · CH(NHJ) · C H , · C H , · CO · N H · CH(CH, · S H ) · CO · N H · C H , · CO,H
Von anderen Synthesen sei die von WEYGAND genannt. Bei ihr dient als schützende Gruppe Trifluoressigsäure, deren Amide schon in der Kälte leicht verseift werden. N-Trifluoracetyl-L-glutaminsäure-l-äthylester-5-azid wurde mit L-Cysteinylglycinäthylester umgesetzt. Der entstehende N-Trifluoracetylglutathiondiäthylester läßt sich mit Natronlauge in Dioxan zu Glutathion verseifen : CJHJ-Ο,Α
/CO • N H · C H , · C 0 2 · C , H 5 ) C H C H , C H , - C O - N , + H,N-CH< XCH,-SH CFJ-CO-NH/ C,H,0,CV
/CO · N H · C H , · C 0 2 · CJH 5 >CHCH,CH,CONH-CH< CF,-C0-NH/ XJHJSH
•
• Glutathion
Man hat Peptide mit anderen als α-Peptid-Bindungen wohl auch als „Pseudopeptide" bezeichnet. Glutathion wurde 1 9 2 1 von HOPKINS in Hefe und Muskel entdeckt. Es ist in Zellen weitverbreitet, findet sich z. B . reichlich in der Augenlinse ( K L E T F E L D , HOCKWIN 1 9 5 6 ) . Man schreibt ihm die Rolle eines Wasserstoffüberträgers im Zellgeschehen zu. Wie R A C K E B gezeigt hat, fungiert es als Coenzym der Glyoxalase (S. 2 2 7 ) . Die Annahme, 40»
628
Nachträge und Berichtigungen
daß dies auch für Triosephosphatdehydrogenase zutreffe, hat sich jedoch nicht bestätigen lassen. Die Gewinnung von hochmolekularen Peptiden durch direkte Polymerisation eines „Grundmoleküle" hat auf dem Eiweißgebiet früher keine Bolle gespielt. Erst neuerdings hat man eine Beobachtung von LEUCHS (1908) wieder aufgegriffen, wonach die Anhydride der N-Carboxy-aminosäuren (I.) durch Wasser katalytisch in Kohlendioxyd und sog. Poly-a-aminosäuren gespalten werden. Die Reaktion verläuft im Fall des Leucine etwa folgendermaßen : Ο6- CH (C4H„) · NH · CO · O (I.) + Η,Ο HOjC·CH(C 4 H,)·NH,
+I·
• HO,C · CH ( C A ) · NH • COaH
> H02C·CH(C4H,)• NH·CO·CH(C 4 H,)·NH·C0 2 H
HO,C·CH(C4H,)·NH·CO·CH(C4H9) ·NHa
+I
» usw.
Zur Darstellung der Anhydride kann man Carbobenzoxyaminosäuren in die entsprechenden Säurechloride überführen und durch Erwärmen Benzylchlorid abspalten. Vielfach ist es am einfachsten, Phosgen in die Suspension der Aminosäure in Dioxan einzuleiten. Die Polymerisation durch Wasser ist langsam. I m allgemeinen zieht man deshalb Amine in Dimethylformamid-Lösung als Initiatoren vor. Derartige Poly-aaminosäuren, deren Polymerisationsgrad bei einigen Hundert bis Tausend liegen kann, sind als Modellsubstanzen für die Eigenschaften von Proteinen eingehend studiert worden. In der Natur kommen solche aus einer einzigen Aminosäure bestehenden Polypeptide offenbar nur selten vor. Die Kapselsubstanz des Milzbrand-Bacillus besteht nach V. BBUCKNEB aus Poly-y-D-glutaminsäure mit vielleicht 50 Glutaminsäure-Resten in der Kette. Das Polypeptid fallt dadurch auf, daß es den Antipoden der natürlichen L-Glutaminsäure enthält und nicht « - , sondern γ-verknüpft ist: H J i · CH · [CH,], · CO · f NH · CH · [CH,], · C o ) · NH · CH · [CH,], · CO,Η
i CO,H
I CO,Η
J. CO,Η
I m Gegensatz zur Poly-«-glutaminsäure ist die y-Verbindung wasserlöslich und zeigt keine Biuret-Reaktion. Sie ist neuerdings sowohl von WALE Y als auch von BBUCKNEB synthetisiert worden. Das synthetische Produkt ist immunologisch mit der natürlichen Verbindung identisch und das erste synthetisierte Hapten. Einen Überblick über die Chemie der Polypeptide gibt TH. WIELAND, Angew. Chemie 71 (1959), 417. Zu S. 319: Das röntgenographisch gewonnene Strukturbild des Myoglobins ist neuerdings von KENDBEW und Mitarbeitern (Nature 185, 422 [I960]) bestätigt und weitgehend verfeinert worden. Ebenso hat die Fortsetzung der Untersuchungen von PEBUTZ (Nature 185, 416) neue Aufschlüsse über den Bau des Hämoglobins gegeben. Siehe hierzu auch die Arbeiten von HIBS, KENDBEW und anderen in Nature 190, 663 (1961). Zu S. 325: Der Cyclobutan-Ring fällt durch seine etwas verlängerten C-C-Bindungen (1,57 A) auf. Stärker ausgesprochen ist diese Verlängerung (auf 1,60 Â ) bei dem durch Dimerisation von Tetrafluoräthylen erhältlichen Octafluorcyclobutan ( K p : —6°). Die C—FDistanz ist wie bei allen Polyfluorverbindungen von etwa 1,38 auf 1,33 À verkürzt. Wie beim Octachlorcyclobutan führt anscheinend die Abstoßung der Substituenten zu einer leichten Faltung des Ringes zu zwei um etwa 160° gegeneinander geneigten Ebenen, wae die Ringwinkel von 90° auf ca. 89° verkleinert (LEMAIRE, LIVINGSTON, J. Amer.
Nachtrüge und Berichtigungen
629
Chem. Soc. 7 4 [1952], 5732). Das oft gesuchte und nach quantenmechanischen Überschlagsrechnungen ( J . D. ROBERTS, STBEITWIBSEB, REGAN, J . Amer. Chem. Soc. 7 4 [1952], 4581) nicht durch Resonanzenergie stabilisierte Cyclobutadien C 4 H 4 (I) ist von AVBAM, MABICA, NENITZESCU ( 1 9 5 9 ; s. a. Angew. Chemie 73 [1961], 300) durch Debromierung von Tetrabromcyclobutan dargestellt worden, konnte jedoch nur als π-Komplex mit AgN0 3 gefaßt werden. Den Nickel-Komplex des Tetramethylcyclobutadiene haben CBIEGEE, SOHBÖDEB, Angew. Chemie 71, 70 (1959) erhalten. Ein Bicyclo[l. 1 . 0 ] butancarbonsäureester ( I I ) wurde von Κ . B . WIBEBG, CTÜLA (1959) gewonnen. Das sehr gespannte System ist fast olefinisch und polymerisiert sich äußerst leicht. HC—CH HjC—C · CO, C 4 H S II II II
H¿4H„
HC—CH
Cyclopropylcarbinol und Cyclobutanol geben bei einer Reihe von über CarboniumIonen laufenden Reaktionen gleichzusammengesetzte Gemische von Reaktionsprodukten, wobei sich nach Isotopen-Versuchen mit 14C die Aktivität weitgehend über die Kohlenstoffatome verteilt. Als Zwischenprodukt nehmen daher J . D . ROBEBTS und Mitarbeiter ( J . Amer. Chem. Soc. 81,4390.1959) nichtklassische „Bicyclobutonium-Ionen", z.B. gemäß CU Qjj an. Ahnliche nichtklassische Bindungszustände legt man auch den Zwischenprodukten von Umlagerungen in der Norborneol-Reihe zugrunde. CH-
-CH.
Zu Seite 391:
Mit zahlreichen Oxydationsmitteln entsteht aus Pyrogallol Purpurogallin C n H g 0 5 , rote Nadeln vom F : 2 7 5 ° (Zersetzung). Nach der 1948 von BARLTBOP, NICHOLSON aufgestellten Formel liegt ihm das Skelett eines Benzotropolons zugrunde. Vielleicht ist der Vorgang als eine 1.3-dipolare Addition im Sinne von HTTISGEN (1959) zu betrachten. Nach den Experimenten von HOBNEB, DÌJBCKHEIMER (Ztschr. Naturi. 1 4 b [1959], 744) kann man annehmen, daß zunächst 3-Hydroxy-o-chinon entsteht, das etwa folgendermaßen reagiert: 0 O® O O
+
- S
HO'
HO O
H
o
J
W
ΗΟΛΛ^/ H
COJH
OH
2H -CO, Purpurogallin
Zu S. 442:
Das reaktive Verhalten von Atomen am Brückenkopf von Bioyclen ist oft untersucht worden, weil es viele Aufschlüsse über Reaktionsmechanismen gibt. Im 4-Chlor-bornan („4-Chlor-camphan" alter Nomenklatur) läßt sich das Chlor mit AgN0 3 in 90%igem Alkohol selbst bei 160° nicht durch Solvolyse (SNI-Reaktion) ab- / spalten, weil ein ebenes Carbonium-Ion hier am Brückenkopf nicht möglich ist (W. v. E. DOEBING). Der für Su2-Reaktionen notwendige rückseitige Angriff ist gleichfalls am Brückenkopf nicht möglich. Daher ist Kaliumhydroxyd in Cl siedendem Alkohol ohne Wirkung. Hingegen ist die Ausbildung eines Carb-
630
Naohträge und Berichtigungen
anions am Brückenkopf stereoelektronisch günstig. Das Chlor läßt sich daher ζ. B. durch Lithium ersetzen, und das Carbanion ist Sg-Reaktionen zugänglich ( W i n s t e i n , T b a y l o b 1956). Der Austausch einer aliphatischen Aminogruppe gegen ΟΞ, der über ein Carbonium-Ion läuft, erfolgt auch am Brückenkopf glatt. Für den Mechanismus dieser Reaktion ist zu berücksichtigen, daß die Abspaltung von Stickstoff aus dem DiazoniumIon unmeßbar rasch und irreversibel erfolgt. Zu S. 467:
Während die Benzolgewinnung durch Umformung von Erdöl bereits seit längerer Zeit eine wichtige Quelle des technischen Benzols darstellt, ist die hydrierende Dealkylierung von Erdölfraktionen („Hydeal-Verfahren") zu Naphthalin eine Entwicklung der neuesten Zeit (vgl. dazu Chem. and Engineering News 39 [1961] Nr. 13, S. 142). Z u S . 477:
Die Reduktionspotentiale einer Reihe von aromatischen Kohlenwasserstoffen zum einwertigen Radikal-Anion (R + R' e ) sind von H o i j t i n k (Ree. Trar. Chim. PaysBas 75 [1956] 494) gemessen worden. Sie betragen gegen die gesättigte Kalomel-Elektrode etwa voit Naphthacen Perylen Anthracen Pyren Phenanthren Naphthalin Biphenyl
—1,58 —1,67 —1,98 —2,10 —2,48 —2,60 —2,80
Zu S. 478:
Daß sogar Benzol, allerdings nur bei UV-Bestrahlung, eine Dien-Synthese mit Maleinsäureanhydrid eingehen kann, haben neuerdings A n g u s , B b y c e - S m t t h , J. Chem. Soc. London 1960, 4 7 9 1 und G b ov e n s t e i n , R a o , T a y l o b , J . Amer. Chem. Soc. 83 (1961), 1705 gezeigt. Das bei 355° Zers. schmelzende Addukt mit 2 Mol Maleinsäureanhydrid besitzt wahrscheinlich die folgende Konfiguration
¿
0-0^°
0=C-
und wird durch Blei(IV)-acetat in Pyridin unter Verlust von 2COa und 2 Wasserstoffatomen zu der auf S. 328 beschriebenen Tricyclodecandicarbonsäure aus Cyclooctatetraen oxydiert. Zu S. 498:
Das primäre Bestrahlungsprodukt von Ergosterin ist nach V e l l t t z (Bull. Soc. Chim. France 1949,501 ; 1966,205,1341) Precalciferol, das sich thermisch leicht in cis-Vitamin DG umlagert. Die durch Untersuchungen von H a v t n g a in Leiden und von I n h o f f e n (vgl. die Übersicht in Angew. Chem. 72 [1960], 875 und B t j t e n a n d t , Proc. Chem. Soc. 1961, 131) geklärten Zusammenhänge sind aus den nachstehenden Formeln ersichtlich.
631
Naohtr&ge und Berichtigungen R CH»
HO
HO Zu S. 633:
OH trane-Vltamln D,
Vitamin D,
Nach HUISGEN (Zehn Jahre Fonds der Chemischen Industrie [Düsseldorf 1 9 6 0 ] S. 8 6 ; Angew. Chem. 7 3 [ 1 9 6 1 ] , 1 7 0 ) kann die Pyrazolin-Bildung aus Diazoalkanen und aktivierten Doppelbindungen als eine einstufige 1.3-dipolare Addition aufgefaßt werden, weil ihre Geschwindigkeit von der Polarität des Solvens unabhängig ist. Umgekehrt ist die Abspaltung von molekularem Stickstoff beim Erhitzen von Pyrazolinen eine 1.3-Abspaltung. Hierbei entstehen meist Cyclopropan-Derivate, mitunter aber auch Propylene : CO-R •
a
é
II
m
/
CH
+
C(C,H 5 ) 2
¿I
*
EO,C—CH-
1 Β » /
-C(C,H S ) A .NH
-N.
ROJC—CH V RO.
V /
Zu S. 562:
Die Wirkungszusammenhänge zwischen Adenosin-3' • δ'-monophosphat und den Brenzcatechinaminen sind zusammenfassend von SUTHERLAND, RAT,Τ, (Pharmacolog. Bev. 1 2 [ I 9 6 0 ] , 2 6 6 ) behandelt worden. Über Bildung und Eigenschaften des cyclischen Phosphate s. SMITH. DBUMMOND, KHOBANA, J . Amer. Chem. Soc. 83 ( 1 9 6 1 ) , 6 9 8 .
Register (Die Seiten, auf denen sieb die wichtigsten auf ein Sttchwort bezüglichen Angaben finden, sind durch Fettdruck hervorgehoben)
A a-Nomenklatur 601 Abequose 242 Abietinsäure 501 absolute Konfiguration 216,464 Absorptionsspektrum 393,465 Abspaltungsreaktionen 113, 134,145,155,179, 294, 442, 589,631 ao. - 476 Acene 478 Acetaldehyd 108, 537 Acetale 102 Acetamid 92 Acetanilid 356, 358 Acetate 80 Aoetatseide 281 Aeetessigester 285, 536 Aoetessigsäure 284 Aoetimidsäureäthylester 95 Aoetnitrolsäure 68 Aoetobromglucose 254 Aoetoin 328, 537 Aceton 110 Acetondicarbonsäure 224, 577 Acetonitril 93 Aoetonkörper 284 Acetonperoxyd 120 Acetonylaceton 230,286 Aoetophenon 376 Acetpersäure 109 Acetyl- 76 Acetyl-aceton 229 —cellulose 281 —chlorid 86 —cholin 174 —coenzym A 225, 285, 491 Acetylen 127, 134, 136, 138 —dicarbons&ure 189 —dichlorid s. Dichloräthylen Acetylene 135, 383, 466 Acetylenide 136 Acetylentetrachlorid 145 Acetyl-essigsäure 284 —glucosamin 282 —hyalobiuronsäure 320 Acetylium-Ion 88 Acetyl-peroxyd 109 —phenetidin 402 —salicylsäure 415
Aciditätskonstante 61 Aci-Nitroverbindungen 67, 380 Aconitsäure 190 Acridin 552 —orange 552 Acrolein 156 Aerose 242 AeryIsauro 151 Acrylsäurenitril 151,182 ACTH 308 Actin 315 Actinomycine 667 Actomyosin 315 acyclisch 17 Acyl-(Radikal) 76 Acyloin-Kondensation 228 adaptive Enzymbildung 270 1.3-Addition 631 1.4-Addition 130, 186, 473, 479 Additions-namen 609 — -polymerisation 123 Additivit&t physikal. Eigenschaften 28 Adenin 559 Adenosin 561 —phosphat, cycl. 562, 631 —phosphorsäure 296 —triphosphorsäure 561 Adenosylmethionin 296, 426 Adenylsäure 559 Adermin 488 Adipinsäure 175,181,187 —anhydrid 182 ADKINS-Katalysator 118 Adonit s. Ribit ADP262 Adrenalin 425,491, 562 Adsorptionsanalyse, chromatographische 451 Äpfelsäure 812,225 Äpfelsäurelacton 627 äquatorial 429 Aerosole 86 Äthan 23, 27,127 Äthanal 108 Äthan-dial 226 —dioarbonsäure 180 —nitrols&ure 68 Äthanol 34, 36,133, 261 Äthanolamin 172
Äthansulfonsäure 60 Äther 56,355 Äther (Nomenklatur) 610 ätherische öle 432 Ätherperoxyde 66 Äthin 138 Äthinierung 139 Äthinylierung 139 Äthoxy-32 Äthyl- (Präfix) 20 — (Radikal) 116 Äthyl-acetat 89 —äther s. Diäthyläther —alkohol s. Äthanol —amin 66 —benzol 346,382 —bromid 51 butyrat 89 chlorid 51 Äthylen 74, 117, 127, 129 Äthylen-bromid 146 —chlorhydrin 161 —chlorid 146,183 —diamin 171 —diamintetraessigsäure 295 dioarbonsäure 184 —glykol 161 imin 148 —oxyd 129,161,163,636 Äthylenoxyde 303 Äthyl-fluorid 61 —hypochlorit 230 —jodid 51 —mercaptan 58 —methyl- s. Methyläthyl—nitrit 66 —rhodanin 544 — r o t 543 —echwefelsäure 54 —vinyläther 140 —xanthogensäure 202 zinkjodid 72 Ätio-desoxophylloerythrin 529 porphyrin 626 Agathalin 501 Agathendisäure 501 Agglutination 310 aktive Gruppe 267 aktive Racemate 220 aktivierte Essigsäure 491
aktivierter Acetaldehyd 537 aktiviertes Methionin 296 aktivierte Substitution 348 Aktivierungswärme 128 -al (Eildung) 612 Alanin 297, 395 Alaninol 588 Albumine 314 -aldehyd (Endung) 612 Aldehydammoniak 102 Aldehyde 96,102 —, aromatische 376 Aldehyd-harz 103 —sàuren 283 Aldohexosen 234 Aldol 103 Aldolasen 263, 268 Aldol-Kondensation 103 Aldonsäuren 237 Aldosen 234 Aldosteron 496,497 Aldoxan 104 Aldoxime 100, 377 Alginsäure 250 Algol-orange 552 rot 551 alioyclisoh 323 aliphatisch 17 Alizarin 481 Alizarin-bordeaux 482 gelb 407, 415 Alkalialkyle 74 Alkaloide 570 Alkane 19 Alkanole 32 Alkene s. Olefine Alkine 135 Alkohol s. Äthanol Alkoholate 49 Alkoholdehydrogenase 263 Alkohole 32 —, mehrwertige 160 — (Nomenklatur) 609 alkoholische Gärung 261 Alkoholyse 90 Alkoxy- 32 Alkydharze 419 Alkyle 20 Alkylene s. Olefine Alkylhalogenide 50 Alkylierung 31,123 Allantoin 556 Allen 127,134 Aliene 431 Allional 557 Allo-ocimen 443 —pseudokodein 583 Alloxan 555 Alloxantin 555 Alloxazin 555 Allozimte&ure 384 Allyl-113 Allyl-alkohol 147,177, 624 —anilin 540
Register
633
Allyl-bromid 141 —Chlorid 140,141
amphi- 467 Amphimere 604 Ampholyte 291 Amygdalin 255 Amyl- s. a. PentylAmylalkohol 34,39,40 Amylase 266,275 Amylenhydrat 130 Amylopektin 274 Amylose 274, 626 Amyrine 502 -an (Endung) 20 Anabasin 575 Androsteron 495 Anellierung 604 Aneurin 488, 536 Angelicas&ure 150 AKGELi-RiMiNi-Reaktion 105 Anhydride s. Säureanhydride, Lactone Anhydroformaldehydanilin 357 Anilide 356 Anilin 357 Anilin-blau 457 —gelb 409 schwarz 399 Anisaldehyd 422 Anisidin 402 Anisol 355 a-Nomenklatur 601 Anomere 245 Ante-isosäuren 167 Anthocyane 511 Anthocyanidine 511 Anthracen 476 Antbracen-blau 482 — ö l 344 —peroxyd 477 Anthrachinon 479, 480 Anthrachinon-azin 483 —sulfonsäure 481 Anthrahydroohinon 480 Anthranilsäure 420, 548 Anthranol 481 Anthrasol 551 Anthron 481 anti- 377, 467 Anti-biotika 403 —olinal 183 —diazoverbindungen 366 Antigene 310 Antiklopfmittel 72 Antikörper 310 Antimonverbindungen, aromatische 378 Antioxygene 375 Antipoden 42 Antipyrin 534 Antiserum 310 Antiurease 310 Apo-enzym 267 —morphin 683 —phyUena&ure 585 Aporphin 583
Cyanid 152
Allylen 135,136 Allyl-jodid 141 —phenol 355 —senföl 204 —Stellung 119 Umlagerung 141 Aloe-Emodin 481 Alstonin 573 Aluminium-äthylat 49 alkyle 74 —oarbid 21,139 Aluminiumchlorid-Reaktionen 345 AMADORi-Umlagerung 282
Amberlit 452 ambidente Ionen 66, 355 Ambrettolid 211 Ameisensäure 76, 78, 177 Ameisens&ure-amid 92 —methylester 78 Amidaeen 267 Amidchloride 95 Amide 91,148,374 Amidine 95 Amidoxime 95 Amideäuren 178 Amine 61, 355 — (Nomenklatur) 613 Amino-äthanol 172 anthrachinon 482 —azobenzol370 —barbitura&ure 556 —benzoes&uren 420 —benzolsulfonsäure 401 —bernsteinsäure 297 —dimethylanilin 462 —diphenylamin 412 —essigs&ure 295 —glutars&ure 297 —hydroxybenzoesäure 421 ketone 425 lävulins&ure 529 —methylierung 425 —penicillansäure 538 —peptidase 309 —phenazine 565 —phenol 401 —phenylarsons&ure 402 propioneáure 297 —Pyridin 515 Aminosäuren 291,420,423,548 —, lebenswichtige 299 Aminosäureoxydase 269 Amino-salioylsäure 421 —thiophen 508 Aminoxyde 65,516 —, opt.-akt. 221 Aminozuoker 281 Ammonio- 62,614 Ammoniumcyanat 195 Ammoniumhydroxyde 63, 65
634 ar.- 476 Arabinose 248 Arabit 170 Araohidonsâure 155 Ardil 317 Arene 336 Arginin 298, 305 Arine 348 AsNDT-EisTERTsche Carbonsäure-Synthese 303 aromatischer Charakter 331, 503 aromatische Verbindungen 330 Aroxyle 465 Arsacetin 402 Arsanilsäure 402 Arsenobenzol 378 Arsenverbindungen 71, 378 Areine 71 Arsinsäuren 71, 615 Arsonsäuren 71, 369, 378, 615 arterenergisch 426 Arterenol 426 Aryl- 336 Ascorbinsäure 488 Asparagin 297 Asparaginsäure 297, 563 Asphalt 30 Aspirin 415, 624 Assimilation der Kohlensäure 529 Assoziation 34, 48 Asymmetrie 41 — axiale 454 — molekulare 431 ,453 asymmetrisch (Präfix) 336 asymmetrisches Kohlenetoffatom 41,213 asymmetrische Synthese 271 asymmetrische Umwandlung 455 ataktische Polymere 126 Atebrin 552 Atmungeferment 269 Atmungskette 225 atomare Bildungswärme 128 Atomrefraktion 117 Atophan 545 Atoxyl 402 ATP 561 Atrolactinsäure 381 Atropasäure 381 Atropin 575 Atropisomerie 384,453,567,583 Auftau-Schmelzdiagramm 349 Aureomycin 485 Aurin 457 Ausbreitung auf Oberflächen 84 Aussalzen 312 Ausschütteln 13 Austausoherharze 354, 383, 452 Autolyse 266 Autoracemisation 209, 302 Autoxydation 109,119,347,375
Register Aiutine 548 auxochrome Gruppen 405, 462 Avertin 230 Axerophthol 460, 487 axial 429 axiale Asymmetrie 454 Aza-Nomenklatur 601 Aza-porphine 531 Aza-serin 302 Azelainsäure 175 Azenium-Ion 101 Azeotropie 12 Azepin 601 Azide 96, 198, 301 Aziridin s. Äthylenimin Azlactone 307 Azo-benzol 362 —farbstoffe 408, 544 — -grappe 365 —Hydrazon-Desmotropie 371 —kupplung 370 , oxydative (HÜNIG) 544 methine 290 Azotometer 5 Azoverbindungen 365 — (Nomenklatur) 615 Azoxybenzol 361 Azulen 137, 447 Β BAEYEB, A . V. 5 4 6
BAEYXBsche Bicylo-Namen 439 — Spannungstheorie 182, 328 Bakelite 108,354
Bakteriochlorophyll 529 Bakteriophagen 317 Ballistit 165 Barbaloin 481 Barbitursäure 556 BABTsche Reaktion 369 bathochromer Effekt 406 BAUDODiNsche Reaktion 168 Baumwolle 280 Bebeerin 590 BECKMANNSche Umlagerang 101, 3 7 7
BEERschee Gesetz 465 Behensäure 76 BEILSTEIN, F . 6 1 8
Beilstein-Handbuch 618 — -System 620 Beizen 406 Benzal- e. BenzylidenBenzaldazin 466 Benzaldehyd 374 Benzaldoxim 377 Benzamid 374 Benzanthron 486 Benzedrin 426 Benzen s. Benzol Benzhydrol 376 Benzidin 362 Benzidin-Umlagerung 363 Benzil 467
Benzildioxime 467 Benzilsäure 467 Benz-in 348 Benzin 29, 30 Benzoehinon 396, 398, 480 Benzoechtkupfer-Farbstoffe 407 Benzoeharz 373 Benzoesäure 373 Benzoesäure-äthylester 374 —anhydrid 374 —benzylester 373 Benzoin 376, 466 Benzol 331, 846,395, 630 Benzol-diazoniumnitrat 366 —dicarbonsäuren 419 —disnlfonsäure 387 —hexachlorid 347 —sulfochlorid 351 —Sulfonamid 351 —sulfonsäure 350 —trisulfonsäure 387 Benzo-nitril 372, 374 —persäure 375 —phenon 376 —phenonkaliiim 465 —purpurine 471 —pyryliumsalze 511 —trichlorid 372. 379 —tropolon 629 Benzoyl-benzoesäure 479 —chlorid 373 —essigsaure 376 —peroxyd s. Dibenzoylperoxyd Benzpinakol 376 Benzthiazole 539 Benztriazol 403 Benzyl- 336 Benzyl-alkohol 382 —amin 382 —chlorid 379 Benzyliden- 336 Benzylidenchlorid 379 Benzyl-jodid 379 —lithium 463 —natrium 463 —penicillin 538 Benzyn s. Dehydrobenzol Bernsteinsäure 175,180,187, 225 Betain 296 Bezifferung 601 bi- 607 Bicyolo-butancarbonsäure 629 butonium-Ion 629 —heptadien 326 —Namen 439 Bienenwachs 49, 89 Bildungsenergie 127 Bildungswärme 127 Bilirubin 530 Binaphthol 470 Bindschedlers Grün 404
Register Bindungsenergie 128 Bindungsordnung 334 Bios 430 Biotin 490 Biphenoohinon s. Diphenochinon Biphenyl 452 Biphenyldicarbonsäure 453 Bipyridyl 517 bis· 607 Bis-äthylsulfonpropan 110 —dimethylamino-benzhydrol 455 —hydrozymethylperoxyd 107 Bismarckbraun 409 Bittermandelöl 374 Bitumen 343 Biuret 19β Biuret-Reaktion 313, 625 Bizin 451 BLANCaohe Regel 492 Blaukreuzstoff 378 Blausäure 93 Blaus&tireglykoeide 94,255 Blei-essig 80 —tetraacetat-Spaltung 163 — tetraäthyl 72 —zucker 80 Blutfarbstoff 525 Blutgruppensubstanzen 320 Bohr-Effekt 318 Boot-Form s. Wannenform Bornan 439 Borneol 444 Bornylchlorid 442 Borsäure-Komplexe 391 Brassidine&ure 153 Brassyls&ure 175 Braunkohle 343 Brechungsvermögen s. Refraktion Brech Weinstein 217 BsEDTsohe Regel 442 Brenzoatechin 390 Brenzschleimsäure 506 Brenztraubensäure 283 Brenztraubensäure-De carboxylase 263 Brenzweinsäure 217 Brillantindigo 551 Brom-acetylen 142 —äthylen 141 Bromal 230 Brom-benzoesäure 413 —benzol 347,348 —benzolsulfonsäure 387 —dimethylanilin 359 —essigsaure 192 Bromoform 144 Brom-phenol 387 —phenolblau 458 —titration der Έηοΐβ 290 Bruoin 591 Brückenkopf 442
Brückenkopf-Reaktionen 629 BuoHEBEB-Reaktion 471 Buna S 449 Bunsenbrenner 23 BTTNTBsche Salze 58 Butadien 127,130,133, 479 Butadiensulfon 130 Butan 23,27, 127 Butan-dial 226 —dicarbonsäure 181 — d i o l 161 — d i o n 227 Butanol 34, 39, 40 Buten 117,125,127 Butenal 156 Butin 136 Butindiol 139 BÜTLBBOW, Α. M. 24,242 Butter 167 Buttersäure 76, 81 — ä t h y lester 89 Butyl-acetat 40 —alkohol 34,39, 40 Butylalkohol-Acetongärung 40 Butyl-amin 65 —bromid 51 —chlorid 51 Butylenglykol 161 Butyl-fluorid 51 — j o d i d 51 —kautschuk 449 Butyloxy- 32 Butyraldehyd 98,156 Butyrolactam 294 Butyrolacton 180, 627 Butyronitril 92 Butyryl- 76 C Cachón de Laval 569 Cadalin 446 Cadaverin 171,298 Cadinen 446 Cadmiumverbindungen 98 CAHN-TNOOLD-PBELOG-Konvention 236,454 Caloiferol 498 Caloium-caibid 138 —cyanamid 94, 200 Calebassen-Curare 590 Caledon Jade-Grün 486 CALYiNScher PhotosyntheseCyclus 265,530 Camphan s. Bornan Camphanoi 444 Camphen 442 Camphenhydrochlorid 443 Campher 444 Campher-Arten 427 —chinon 445 —säure 445 —Synthese 445,446 Campholid 446 Camphoronsäure 445
635 CANNizzABOsche Reaktion 107, 375 Capillaranalyse 452 Caprinsäure 76 Caprolactam 101 Capronitril 92 Capronsäure 76 Caprylsäure 76 Caran 439,440 Carbäthoxy- (Präfix) 613 Carbamid 195 Carbamidsäure 194 Carbamoyl- 613 Carbamoylphosphat 194, 563 Carbazol 553 Carbene 143 Carbenium- s. CarboniumCarbide 136 Carbinol 32 Carbobenzoxy- (Präfix) 613 Carbobenzoxy-Gruppe 307, 613 Carbocyanine 543 carbocyclisch 17 Carbodiimine 307,538 Carbohydrasen 267 Carbolöl 344 Carbolsäure 353 Carbomethoxy- (Präfix) 613 Carbonium-Ionen 114,120,123, 148,162, 301, 325,327,436, 442,460, 629 salze 460 Carbonsäuren 74 —, aromatische 372 — S y n t h e s e (ABNDT-EISTEBT)
303 —, ungesättigte 149,184, 383 —, Nomenklatur 612 Carbonylgruppe 39,97 Carbonylierung 140 Carbostyril 541 Carboxylasen 263, 268, 285 Carboxylgruppe 38 Carboxymethylcellulose 281 Carboxypeptidase 308,309 Carbylamine 69 Cardanolid 500 Caren 440 Caron 440 Caronsäure 440 Carotin 450 Carotinoide 450 Caryacrol 438,445 Carrón 438 Carvoxim 438 Caryophyllen 447 Casein 316 Catechin 417,513 Cellitonätzscharlach 412 Cellobiose 256,258 Cellon 281 Cellophan 280 Cellulasen 278 Celluloid 280,446
636 Cellulose 277 Celluloseäther 281 Cetylalkohol 49 Cevin 594 Chamazulen 447 Charakteristik 604 charge transfer-Verbindungen 186, 389 Chelate 68, 229 Chelidonsäure 509 chemische Verschiebung 17 Chemotherapie 402 Chenodesoxycholsäure 499 Chinacrin 552 Chinaldin 541 Chinasäure 416 Chinhydron 396 Chinhydrone 462 Chinhydron-Elektrode 397 Chinidin 580 Chinin 578 Chininsäure 580 Chinit 430 Chinóle 360 Chinolin 540 Chinolinsäure 520 Chinolon 541, 542 Chinone 395 Chinonimid-Farbstoffe 404 Chinonozim 398 Chinovasäure 578 Chinoxalin 403 Chinuclidin 579 Chitin 282 Chloräthylen 141 Chloral 230 —alkoholat 230 — h y d r a t 230 Chlor-ameisäureäthylester 194 amphenicol 426 — a n i l 396, 480 — a n i l i n 400 benzoesäure 413 —benzol 347, 348 bornan 629 buttersäure 192 camphan 629 — o y a n 199 oyclohexan 429 Chlordan 326 Chlordifluor- s. DifluorchlorChlor-essigsäure 192,193 — h y d r i n e 122 Chlorine 528 Chlornitrobenzol 385 Chlorochin 545 Chloroform 142 Chlorokodid 582 Chloromycetin 426 Chlorophyll 31, 528 Chloropren 137 Chlor-phenol 387 —promazin 668 —trinitrobenzol 386
Register Cholans&ure 499 Choleinsäuren 499 Cholestan 493 Cholestanol 495 Cholestanon 495 Cholestenon 495 Cholesterin 491 Cholin 172 cholinergisch 426 Cholinphosphorsäure 562 Cholsäure 499 Chondroitinsulfat 321 Chondrosin 321 Chromatographie 451 Chromechtgelb 411 Chromocitronin 411 Chromogene 405 Chromon 510 chromophore Gruppen 405 Chromoproteide 318 Chromosomen 317 Chiysin 510 Chrysoidin 409 Chrysophenin 466 Chymotrypsin 309, 626 Chymotrypsinogen 309 Cibablau 551 Cibazol 403 Cinchol 497 Cincholoiponsäure 580 Cinchomeronsäure 520 Cinchonamin 680 Cinchonidin 680 Cinchonin 578 Cmchoninsäure 580 Cineol 437 Ci η namein 373 eia 185, 431 cis-trans-Isomerie 185 Citral 157 Citronellal 436 Citronellol 147 Citronens&ure 224 Citronensäure-Cyclus 225 Citrullin 298 CLAISEN-Kondensation 228 a u p e i n 315 Cobalamin 181, 488 Cobamid 488 Cocain 677 Cocarboxylase 488 Codehydrase 662 Codein s. Kodein Coenzym 267 Coenzym A 225,491 Coenzym Q 491 Coffein s. Kaffein Colamin 172 cold rubber 449 conformation s. Konformation Coniferylalkohol 279, 373 Coniin 619,673 conjunctive names 613 Coramin 521
Cordit 165 Coronen 487 Corrin 630 Corticosteron 497 Cortisol 497 Cortison 497 Cotarnin s. Kotarnin COTTOK-Effekt 272, 626 Cozymase 662 Crack-Benzin 30 — g a s e 115 CßrEGEE-Spaltung 163 Crocetin 451 Crocin 451 Crotonaldehyd 166 Crotonsäure 152 Cumarin 424 Cumarinsäure 424 Cumarsäure 424 Cumol 111, 846, 347 Cumylhydroperoxyd 347 Cuprein 580 Cupren 137 Curare-Alkaloide 589 Curin 590 CuRTiusscher Abbau der Säureazide 198 Cyamelid 197 Cyan 178 Cyanamid 200,203 (panate 197 Cyan-chlorid 199 —hydrine 100,204 Cyanide 69,94 Cyanidin 611 tyanin 611,643 Cyanin-Farbstoffe 542 Cyanocobalamin s. Vitamin B,. Cyansäure 197 Cyanur-chlorid 199 — s ä u r e 196 ester 199 Cyan-Verbindungen 178, 197 Cyanwasserstoff 93 oyolisoh 17 Cyclisierung s. Ringschluß Cyclo-alkane 323 — b u t a d i e n 629 — b u t a n 325, 628 —butancarbonsàure 324 —butandicarbonsäure 324 — b u t a n o l 629 —butylcarbinol 325 — c i t r a l 168 —decanolon 329 —decanon 329 —dextrine 275 — h e p t a n 328 —heptandion 327 —heptanon 327 —heptatrien 327 —heptatrienolon 327 —heptatrienon 328 — h e x a n 428
Register Cyclo -hexancarbons&ure 431 —hexandicarbonsäuren 431 —hexandiol 430 —hexandion 393, 427 —hexanhexol 430 —hexanol 429 —hexanon 427, 430 —hexanonoxim 101 —hexantrion 392 —hexen 115,429 Cyclonit 107 Cyclo-octadeoanon 329 —oetatetraen 137, 328 —ootene 330 —pentadecanon 330 —pentadien 326 — p e n t a n 325 —pentanon 324, 325 —propan 323 —propanoarbonsäure 324 —propanverbindungen 323, 629, 631 propen 324 —propylcarbinol 629 —propylformaldehyd 326 Cymol 346, 445 Cystein 298, 306 Cystin 298, 306 Cytidindiphosphatoholin 562 Cytochrome 319, 527 Cytochrome 269 Cytochromoxydaee 269 Cytosin 554,559 —ribosediphosphatcholin 562 D D- 236 D-Enzym 276 Dampfphaeen-Nitrierung 66 DDT 455 Debye (Einheit) 47 Decahydronaphthalin 473 Deoahydronaphthole 473 Decalin 473 Decalole 474 Decalon 475 Decan 27 Decandicarbonsäure 175 Decarboxylasen 268 Deoen 117 Deoosen 243 Dehydrierung 109 Dehydro-benzol 348 —camphers&ure 445 —Cholesterin 498 —Cortisol 497 Dehydrogenasen 267 Dehydro-Iinalool 167 —naphthalan 470 —schleimsäure 506 —shikimis&ure 416 —squalen 626 —tniotoluidin 539 Deka- s. Deoa-
Delokalisierung 131,333 Delphinidin 511 Delrin 106 Demissidin 593 Denaturierung 38, 312 Deoxy- s. DesoxyDepside 416 Derivate 621 dee- 518 Desmotropie 67, 288, 290, 371, 399 Desoxophylloerythrin 529 Desoxy-oholsäure 499 —corticosteron 497 —ribonuolease 559 ribonucleinsäuren 559 —ribose 317, 559 zucker 242 Destillation 8 determinante Grappe 310 Dextran 276, 452 Dextranase 276 Dextrine 275 Dextropimarsâure 8. Pimarsâure Dextrose s. Glucose di-607 Diabetes 284 Diacetbernsteins&ureester 286 Diacetonalkohol 110 Diacetonamin 110 Diacetonglucose 241 Diacetyl 168, 227 Diacetyl-bernsteins&ureester 286 —dioxim 228 Diacetylendicarbonsäure 190 Diacetylperoxyd 109 Diàthanolamin 172 Diäthoxythioindigo 552 Diäthyl-äther 55 amin 65 barbitursäure 556 Diäthylendioxyd 162 Di&thyl-keton 98 Oxalat 177 — s u l f a t 54 Dial 557 Dialdehyde 226 Diallyldisulfid 147 Dialurs&ure 555 Diamantschwarz 411 Diamino-äthan 171 anthrachinon 483 biphenyl 362 — b u t a n 171 —dihydroxyarsenobenzol 402 pentan 171 Dianthracen 477, 478, 625 Diaphorase 626 Diastase 266 Diastereoisomerie 218,220,253, 271
637 Diazine s. Pyrazin, Pyridazin, Pyrimidin Diazo-acetylserin 302 —aminoverbindungen 370 —benzolsulfons&ure 401 —oyanide 369 —essigester 302 —hydroxyde 367 —ketone 303 Diazole s. Imidazol, Pyrazol Diazomethan 302 Diazoniumsalze 64, 3S6,626 Diazotieren 366 Diazotypie 412 Diazoverbindungen 302, 365 Dibenzamid 374 Dibenzanthron 486 Dibenzolohrom 335 Dibenzopyrazin 565 Dibenzoylperoxyd 375 Dibrom-&than 146 — b u t e n 131 —carben 144 —indigo 551 —methylen 144 propan 146 Dibutyl-amin 65 — k e t o n 98 Diohlor-äthan 145 —äthylen 185 —benzol 385 — b u t e n 131 —carben 143,524 —di&thylsulfid 59 —di&thylsulfon 60 —essigs&ure 192,193,426 —hydrin 166 —methan 143 —methylen 143 —phenolindophenol 404 —phenoxyessigs&ure 548 —propanol 166 Dichte 15 —, optische 393 Dicyan 178 Dicyandiamid 200 Dicyanketenacetale 191 Dicyclopentadien 326 Dicyclopentadienyleisen 326 DiBCKMANN-Kondensation 427 Dien-Synthesen 132, 186, 326, 328,428,444,478,479,504,630 Dieselöl 29 Difluor-chlormethan 146 —dichlormethan 144 Digallussäure 417 Digitalis-Glykoside 499 Digitogenin 500 Digitonin 492, 500 Digitoxigenin 500 Digitoxin 500 Digitoxose 242 Dihydro-cholesterin 495 —kollidindicarbons&ure 617
638 Dihydro-naphthalan 473 —-pyran 508 —resorcin 392 —toxiferin 589 Dihydroxy-aceton 231, 263 —benzol 389 —biphenyl 470 —dimethylbuttersäure 491 —methylvaleriansäure 494 —phenäthylamin 426 —Phenylalanin 423 Diiaobutylen 123 Diisopropyläther 54 Dijodtyrosin 316 Diketen 157,159 Diketone 227 Diketopiperazine 294, 307 Dimethyl-acetylen 127 — ä t h e r 55 —äthylcarbinol 130 —äthylenoxyd 303 — a m i n 61,65 Dimethylamino-antipyrin 534 —azobenzolsulfons&ure 410 —benzolazo-benzthiazoliumsalze 544 Dimethyl-anilin 358 — a r s i n 71 —arsinsäure 71 •—binaphthylidenchinon 470 — b u t a d i e n 134 —butandiol 161 -—dithiocarbamidsäure 449 —formamid 92 — f u l v e n 326 —glyoxim 228 — k e t e n 159 —morphol 484 —naphthalinindigo 551 —Oxalat 177 —phenanthren 501 —propanol 39,40 —Pyridin 517 — p y r o n 509 — s u l f a t 54,184 —thiophen 507 zink 72 Dinitro-âthan 380 —benzol 386 —diphens&ure 453 Dinitrofluor- s. FluordinitroDinitro-naphthalin 472 —naphthol 471 —phenol 386 Diolefine 130 Diosgenin 500, 593 Dioxan 162 Dioxindol 546 Dioxopiperazine 294, 307 Dipenten 433 Dipeptide 306 Diphenochinon 470, 480 Diphensäure 453 Diphenyl s. Biphenyl
Register Diphenyl-acetylen 466 — ä t h a n 466 — ä t h e r 355 — ä t h y l e n 466 — a m i n 356, S57 —arsenchlorid 378 —benzidin 357 —glyoxim 467 Diphenylin 363 Diphenyl-keton 376 — m e t h a n 455 —methan-Farbstoffe 462 —stickstoff 465 —thioharnstoff 449 —trinitrophenylhydrazyl 465 Diphospho-pyridinnucleotid 562 — t h i a m i n 537 Dipol-Ionen 291 Dipolmoment 46, 144, 185, 334 Dippels Tieröl 514 Dipropyl-amin 65 — k e t o n 98 Dipyridyl s. Bipyridyl D ¡radikale 464 Direkttiefschwarz 411 direktziehende Farbstoffe 407 dirigierende Wirkung 339 Disaccharide 254 Disacryl 156 Dispersion 17 Dissoziationsexponent 61, 78 Dissoziationskonstante 33, 77, 150,187,291, Disulfide 59 Diterpene 446 Dithiokohlens&ure 202 Divinylacetylen 137 Dixanthogen 202 DNA 559 Dodecan 27 Dodecandicarbonsäure 175 Dodecapentaenal 155 Dodecylmeroaptan 125 Doisynols&ure 496 DoNNAN-Membranpotential 310 Dopa 423 Dopamin 426 Doppelbindungen 97, 112, 130, 330 Dotriacontan 27 Dowex 354, 383 DPN 562 DPT 284 Drehbarkeit, freie 182, 453 Drehung, optische 16, 300, 625 Drehungsverechiebung 300 dreibindiger Kohlenstoff 463 Dromoran 584 Dulciti 414 Dulcit 170 Durochinon 463 Dynamit 165
£ E-Effekt 340 El-Reaktionen 113 E 2-Reaktionen 113 Ebonit 449 Ebullioskopie 8 Echtgelb 409 Echtrotbase 412 Ecteola-cellulose 282 Eicosan 27 Einschlußverbindungen 196, 499 Eisessig 80 Eiweisstoffe 304,561 Ekgonin 577 El&ostearinsáure 155 Elaidinsäure 153 Elastin 316 elektrolytische Dissoziationskonstante s. Dissoziationskonstante elektromerer Effekt 340 elektronegative Gruppen 188 π-Elektronen 45, 112, 130, 135, 333,503 σ-Elektronen 45 Elektronengasmodell der Farbstoffe 461 Elektronenvolt 127 elektrophile Reaktionen 74,338 Elektroreduktion 363 Elementar-Analyse 4 Ellagengerbstoffe 417 Ellags&ure 417 Emodin 481 Emulsin 255 Emulsionspolymerisation 383 -en (Endung) 113 Enamine 290 enantiomorph 220 Enantiostereoisomere 42 endergonisch 128 Endgruppenbestimmung 106, 276 Endiole 232 endo- 444 energiereiche Bindungen 296 Enolase 263 Enole 111,146 Enoltitration 290 Enterokinase 310 Entwickler, photographische 401,533 Entwicklungsfarbstoffe 408 Enzyme 266, 309, 626 EÖTVÖssche Regel 34 Eosin 458 Ephedrin 426 Ephetonin 426 Epi-borneol 444 —catechin 513 —chlorhydrin 166 Epimerie 253 epoxy- 166
Register Epoxyde 166 Erdgas 21 Erdnußöl 168 Erdöl 29 Erdwachs 30 Ergobasin 588 Ergometrin 588 Ergonovin 588 Ergosterin 498, 630 Ergotamin 588 Eriochromschwarz 407 erschöpfende Methylierung 324 Erucas&ure 153 Erythrit 170 Erythrose 245,251 Erythrulose 252 essentiell s. lebenswichtig Essig 79 Essigester 89, 99, 108 Essigsäure 76, 79,285 Essigsäure-äthylester 89,99, 108 —anhydrid 86 —isoamylester 89 methylester 89 Ester 50, 88, 210, 351, 624 Esterasen 267, 559, 626 Ester-harze 419 kondensation 285,427 verseifung 89, 183,210, 351, 595, 624 Estolide 206 Eudalin 447 Eudesmol 447 Eugenol 422 Euxanthinsäure 514 Euxanthon 514 Evipan 557 Exaltation 134 Exaltolid 211 Exalton 330 exergonisch 128 exo- 444 Extinktionskoeffizient 394 F FAD 562, 626 Farblacke 406 Farbstoffe 404, 450, 459, 481, 511, 525, 531, 534, 542, 548, 565,569. Farnesol 147 Farnesylpyrophosphat 494 Fasern, künstliche 141, 181, 198, 280, 317, 420 Faserproteine 311 Faulschlamm 32 Fehlingsche Lösung 217 Fenchylchlorid 442 Fermente s. Enzyme Fermentketten 269 Ferrocen 326 Fette 166 Fetthärtung 169
Fetteäure-Abbau 284 Fettsäureester 88 Fettsäuren 74, 81,284,626 FBUXGENsche Nucleal-Reaktion 242 Fibrin 315 Fichtenharzsäuren 500 Firnis 168 FISCHER, E . 2 4 5
FiscHEB-Konvention (Stereochemie) 235, 306 FISCHES-Projektion 215
FiscHBR-TaopsCH-Synthese 30 Fischöle 169 FlTTiosche Synthese 345 Flavinadenindinucleotid 284, 562, 626 Flavon 510 Flavyliumealze 511 Flechten 416 Fleischmilchsäure 207 flüssige Kristalle 361 flüssiges Chromatogramm 452 Fluoran 458 Fluorbenzol 348 Fluordinitrobenzol 308, 385 Fluoren 485 Fluorenon 485 Fluorescein 458 Fluoressigsäure 192,193 Fluorkohlenstoffe 146 Fluorocurarin 590 Fluorverbindungen 50, 146, 193, 348, 385,497, 628 Follikelhormon 495 Folsäure 564 Formaldehyd 105, 242, 626 Formalin 108 Formamid 91 Formazane 247 Formelregister 619 Formiate 79 Formol 108 Formose 242, 626 Formyl- 76 Formylfluorid 86 freie Drehbarkeit 182, 453 freie Energie 128 freie Kadikaie 116, 463 FREHTsches Salz 399 Freon 144 FRiBDBL-CRAFTSsche Synthese 345 Frigen 144 Frontanalyse 452 Fructose 252 —diphosphat 263 phosphat 263, 264 Fructosidase 268 Fructoside 238 Fuchsin 459 Fuchsinschwefligsäure 239 Fuchson 462 Fucose 242, 320
639 Fulminate 199 Fulminsäure 199 Fulvene 326 Fumarase 213 Fumarsäure 184,187, 225 Funktion (Nomenklatur) 140, 597 funktionelle Gruppen 33 Furan 504 Furancarbonsäure 506 Furanosen 240 Furfuracrylsäure 505 Furfural 241, 506 Furfuramid 505 Furfuran s. Furan Furfurol s. Furfural Furo in 505 Fuselöl 37,297 Fusionsnamen 604 G Gärung, alkoholische s. alkoh. Gärung Gärungsmilchsäure 207 Galaktomethylose 242 Galaktonsäure 253 Galaktosamin 281, 320 Galaktose 253 —phosphat 253 Galaktosidase 626 Galaktowaldenase 253,562 Galakturonsäure 250 Galalith 108, 317 Gallenfarbstoffe 530 Gallensäuren 499 Gallotannin 417 Gallussäure 416 Gambir 513 Gammexan 347 Gardinol 85 Gasöl 29 Gaschromatographie 452 Gasolin 29 GATTERMANNsche Reaktion 368 GATTEBMANNSche AldehydSynthese 421 Gefrierpunktserniedrigung 7 Gegenstromverteilung 14 Gelatine 316 gelbe Fermente 488 Gelbkreuz 59 Genfer Nomenklatur 596 Genine 500 Gentiobiose 255, 256 geometrische Isomerie 185 gepaarte Schwefelsäuren 353 Geramol 147, 435 Geraniumsäure 157 Gerberei 418 Gerbsäuren 417 Gerbstoffe 417 Germin 594 Geschwindigkeitskonstante 87 Gitterkonstante 83
Register
640 Okacin 688 Qliadin 315 Globiii 318 Globuline 314 Gluo- s. a. GlykGlucan 276 Gluoit 170 Gluconsàure 249 Glucosamin 281, 320 Gluoosazon 251 Glucose 249, 251 —anil 282 —oxydase 249 phosphat 254 phosphorsäure 254 Glucosidase 268 Glucoside 238, 282 Glucoson 247 Glucosyl- 282 Glucosylanilin 282 Glucotropäolin 204 Glucuronide 250 Glucuronsäure 250 Glutacondialdehyd 516 Glutamin 297 Glutaminsäure 297 Glutarsäure 175,187 Glutarsäureanhydrid 181 Glutathion 627 Glutin 316 Glyceride 166 Glycerin 164, 624 Glycerin-aldehyd 231 —dichlorbydnn 166 —phosphorsäure 173, 263, 271 —säure 165, 263 —trinitrat 165 Glycerosazon 232 Glycin s. Glykokoll Glycyrrhetinsäure 502 Glykooholsäure 499 Glykogen 276 Glykokoll 295, 305 Glykol s. Äthylenglykol Glykolaldehyd 231, 242, 624 chlorhydrin s. Äthylenchlorhydrin —dinitrat 165 Glykole 160 Glykolid 206 Glykolsäure 205, 206, 530 Glykolspaltungnach Criegeel63 Glykolyse 207 Glykoproteide 320 Glykosidasen 267 Glykoside 238, 245, 361 N-Glykoside 282, 561 Glyoxal 226 Glyoxalase 227, 627 Glyoxalin 532 Glyoxyls&ure 225, 283 Glyptalharze 419 Gombbrg- BACHMANNsche Reaktion 369
Gramin 548 Graphit 420 Graukalk 79 Grenz-dextrin 276 —kohlenwasserstoffe 19 —struktur 67, 289 Griess, P. 365 Gmgnabd-Verbindungen 72 Grubengas 21 Gruppenübertragungspotential 296
Guajacol 390 Guajazulen 447 Guanidin 200 Guanin 557, 559 Guanyl- 296 Gummi arabicum 250 Gummi (Kautschuk) 449 Guttapercha 448 H-Säure 410
H
Häm 318,526
H&matin 526 Hämatinsäure 526 Hämatoporphyrin 526 Hämin 31, 625 Hämo-chromogene 527 —cuprein 320 —cyanin 320 —globin 318, 628 —pyrrol 526 —pyrrolcarbonsäure 526 Härtung der Fette 169 Halbacetale 102 Halbwertszeit 88 Halogen-Addition 120 —alkane 50 —carbonsäuren 191 —Verbindungen, aromatische 347,385
ungesättigte 140 HAUMETT-Konstanten 413 HANTZSCH-WiDMAN-Namen 600 Harman 572 Harnsäure 554 Harnstoff 1 , 1 9 6 , 2 0 2 , 2 9 8
Harnstoff-Formaldehyd-Harze 196
Hartgummi 449 Harze, natürliche 373, 500 Harzsäuren 500 Hauptkette 21 Hefeadenylsäure 559 Hefenucleinsäure 317 Helianthin 410 Helicen 625 Helindonorange 552 Helindonrot 551 Heliogenblau 531 Heliotropin 424 Hemiacetale s. Halbacetale Hemicellulose 277
Hemmung der Enzyme 269 Heneicosan 27 Heparin 321 Heptaacetylglucose 241 Heptan 27, 3 2 , 1 2 7
Heptanol 34 Heptatrienoarbonsäure 155 Hepten 117 Heptin 136 Heptylalkohol 34 Heteroatome 503 Heteroauxin 548 Heterocyclen 503 Hexa-cMoräthan 146 —chlorbenzol 385 —chlorcyclohexan 347 —chlordicyclopentadien 326 Hexacontan 27 Hexa-decaheptaenal 156 —decan 27 —decylschwefelsäure 55 —helicen 625 —hydrobenzoesäure 431 hvdroisophthalsäure 431 —hydrophthalsäure 431 —hydroterephthalsäure 431 —hydrotriazin 107 —hydroxybenzol 393 —methylendiamin 181 —methylentetramin 107 —methylpararosanilin 457 Hexan 27,127
Hexancarbonsäure 286 Hexandion 286 Hexanol 34 Hexa-phenyläthan 463 —trien 335 Hexen 17 Hexin 136 Hexogen 107 Hexokinaee 263 Hexomethylosen 242 Hexonbasen 298 Hexosen 249 Hexylalkohol 34 HlLLSche Reaktion 529 Hinderung, sterische 341 Hippursäure 295, 307 Histidin 306 Histone 315 Hofmann, A. W. 198 HoFMANNScher Abbau der Ammoniumbasen 113, 518 HoFMANNscher Abbau der Säureamide 198 HoFUANNsche Regel 114 Holoenzym 267 Holz 278 Holz-eseig 79 —geiet 35 öl 168 —Verzuckerung 277 homo- 440 HoMOLKASche Base 460
Register Homologie 26,106 Homomerochinen 580 Honig 249 Honigstein 420 Hordenin 426 Hormone 487 Hostalen 125 Hostapale 86 Hoatapone 86 H-Säure 410 HüBLsche Lösung 121 Huminsäuren 343 Humulen 448 Hyaluronidase 321 Hyaluronsäure 320 Hydeal-Verfahren 630 Hydracrylsäure 205 Hydratcellulose 277 Hydrazide 96 Hydrazine 371 — (Nomenklatur) 615 Hydrazobenzol 362 Hydrazone 101,544 Hydrazyle 465 -hydrid (Suffix) 609 Hydrierung 30,118, 428, 475 Hydrierungswärme 133 Hydrinden 603 hydro-(Präfix) 609 Hydro-aromatische Verbindungen 426 —benzamid 375 —benzoin 466 —carbostyril 542 —chinon 390 —Cortison 497 Hydroformylierung 98 Hydrogenolyse 254, 307 Hydro-kautschuk 449 —kotarnin 586 Hydrolasen 267 Hydrolyse, enzymatische 258 — s. Esterverseifung Hydronblau 569 Hydroperoxy-Verbindungen 56,109,119, 347 Hydroxamsäuren 95,105, 204 Hydroxy-aldehyde 231, 421 —-anthrachinone 481 anthranils&ure 572 —azobenzol 371 —benzoes&ure 415 —ohinolin 542 —chinon 629 —-cymol 354 —ketone 231 —kynurenin 567 Hydroxylamine (Nomenklatur) 615 Hydroxylgruppen-Bestimmung 73 Hydroxy-malons&ure 212 —methansulfinsàure 108 —methansulfonsäure 100
Hydroxy -methylcytosin 559 —methylenacetylaceton 229 —methylenketone 229 —methylfurfural 241,506 —methylglutarsàure 285,494 —methylmorphinan 584 —Phenylbrenztraubensäure 423 —prolin 305 —Propionsäure 207 —Pyridin 516 —pyrrolidincarbonsäure 305 —säuren 204 —thionaphthencarbonsäure 551 —toluolo 353 —triphenylcarbinol 462 —tryptamin 548 —valeraldehyd 233 Hyoscyamin 575 Hyperkonjugation 114 Hypnotika 557 Hypoxanthin 557 hypsochromer Effekt 406 Hystazarin 482 I I-Effekt 339 1-Säure 411 Identitätsperiode s. Gitterkonstante Igelit 141 Imidazol 532, 624 Imidchloride 95 Imide 181 Imidsäureester 95 Iminoäther 95 Immedialgelb 569 Immedialschwarz 569 Immunchemie 310 Imoniumbasen 460 -in (Endung) 135 Indamine 404 Indan s. Hydrinden Indanthren-blau 482 — b r a u n 553 —brillantgrün 486 —brillantrosa 552 —dunkelblau 486 —Farbstoffe 483 —gelb 553 —violett 486 Indanthron 482 Indican 549 Indicator s. Indikator Indigo 548 Indigo-blau 550 —carmin 551 —disulfonsäure 551 Indigoide 551 Indigosol 551 Indigotin 550 Indigoweiß 550 Indikatoren 404, 410, 469, 568
Holleman-Blehter, Organische Chemie. 37.-41. Auflage
641 Indischgelb 514 Indol 545, 647 Indolyl-alanin 547 —essigsaure 548 —glycerinphosphat 548 Indophenin-Reaktion 508 Indophenole 404 Indoxyl 549 induktiver Effekt 339 Induktoren 270 Infrarot s. Ultrarot Initialsprengstoff 199 Innerkomplexsalze 217, 229, 295,406 Inosinphosphat 563 Inosit 174, 430 Insektizide 326,455 Insulin 308, 315,491 intramolekular-inaktiv 214 Inulin 252 Inversion 257, 299 Invertase 268 Invertseifen 85 Invertzucker 249,257 Ionenaustauscher 282,354,383, 452 Iron 158 I-Säure 411 Isatin 546 Isatinchlorid 548 Isatinsäure 545 Iso-(Präfix) 21 Iso-agathendisäure 501 —alloxazin 555 —amylacetat 89 —amylalkohol 39,40 —amylisovalerat 89 —aromatisch 515 —borneol 444 —bornylchlorid 443 —buttersäure 81 —butylalkohol 35, 39,40 —butylen 123 —camphersäure 445 —caryophyllen 447 —chinolin 545 —chondrodendrin 590 —citronensäure 225 —crotonsäure 152 —cyanate 197 —cyanide 69 —cyaninfarbstoffe 542 —oyansäureester 197 —cyanurate 199 —cyclisch 17 —cyclische Verbindungen 322 —diazomethan 304 —dibenzanthron 486 isoelektrischer Punkt 292 isoelektronische Substitution 601 Iso-eugenol 422 —glucoeamin 282 —harnstoff 196 41
Register
642 Iso-kodein 583 —leucin 297, 305 isolierte Doppelbindungen 130 Iso-lysergsâure 588 —maltose 276 —menthol 434 —menthon 437 Isomerasen 148, 268 Isomeren-Zahl 26 Isomerie 24 —, geometrische 185 Iso-morphin 583 —niazid 521 —nicotinsäure 520 —nicotinsäurehydrazid 521 —nitrile 69 Isonitril-Beaktion 70,356
Iso-nitrosocampher 444 —nitrosoketone 227 — o c t a n 31,123
—Ölsäuren 169 —pelletierin 573 —pentenylpyrophosphat 148, 494
—Phthalsäure 420 Isopren 132,134
„Isopropanol" s. Isopropylalkohol Iso-propenylacetat 159 —propylalkohol 38 —propylbenzol 346 —pulegol 436 —purpursäure 389 —renieraten 450 —rubijervin 594 isosbestischer Punkt 459 Isotachysterin 631 isotaktische Polymere 126 Iso-thiocyanate 203 —-thioharnstoff 203 — t h u j o n 440 Isotopen-Verdünnung 305 Iso-trehalose 255 —valeriansäureisoamylester 89
—violanthron 486 Isoxazol 600 Iso zimtsäure 384 J Jervin 594 Jod-benzol 347, 348 —essigsaure 192 Jodidchloride 348 Jodinin 566 Jodo- s. JodylJodoform 145 Jodoform-Reaktion 145 Jodosobenzol 348 Jodoso-Verbindungen 348 Jodstärke 274 Jodylbenzol 348 Jodzahl 170
Jodzahl-Methode 121 J o n o n 158,450
E Kaffein 557 Kakodyl 71 Kakodyl-chlorid 71 säure 71 Kalkstickstoff 94, 200 Karamel 257
K a t a l a s e 268,527
katalytische Hydrierung s. Hydrierung Kauri-Kopal 501 Kautschuk 448 KEKULÉ 24,332
Kephaline 172 Keratin 316 Kern, aromatischer 335 Kernresonanz 17 Kernseifen 83 Kerosin 29 K e t e n e 159,191
Keto-aldehyde 227 carbonsäuren 283 —Enol-Deamotropie 288 —gluconaäure 251 —glutarsäure 225 — g r o p p e 39,97
—gulonsäure 488 —hexosen 234 Ketone 96,110
—, aromatische 376 — (Nomenklatur) 610 Ketonsäuren 283 Ketonepaltung 285 Ketosen 234
K e t o x i m e 100,377 Kettenabbruch 116,124
Kettenreaktion 116 Ketyle 465 Kinasen 267 KiSHUEB-WoLPT-Hydrierung
Kohlensäure-diäthylester 194 —diamid 195 —dichlorid 193 —monoamid 194 Kohlenstoffatom, asymmetrisches s. asymmetrisches Kohlenstoffatom Kohlenstoff-tetrachlorid 144 —tetrafluorid 144 Kohlensuboxyd 160 Kokosfett 167 KoLBESche Synthese 364 KoLBE-SoHMlTTsche Synthese 415
Kollagen 316 Kollidin 517 Kollodiumwolle 280 Kolonnen 11,36 Kolophonium 500 kompetitive Hemmung 270 Komplexsalze s. Innerkomplexsalze Kondensation 104 kondensierendes Enzym 225 kondensierte Ringe 322
Konfiguration 4 1 , 4 2 9
—, absolute 216 Konfigurationsbezeichnungen 235
Konformation 183,250,429,589
Konglomerat 223 Kongorot 471 konjugierte Doppelbindungen 130
Konjunktionsnamen 613 Konstellation s. Konformation Kopale 501 Koproporphyrin 527 Koprostan 493 Korksäure 175,187
Kleesalz 177 Kleister 273 Klopfen der Motoren 30 Knallqueoksilber 199 Knallsäure 199 KNOEVENAGEMche Synthese
Kotarnin 585 Kotarnsäure 585 Krackung e. Crackung Krapplacke 482 Kreatin 296 Kreatinin 296 Kreatinphosphorsäure 296 KREBS-Cyolue 225 Kreosotöl 344 Kresole 353 kristalline Flüssigkeiten 361
KNORBsche Pyrrol-Synthese
Kryoskopie 7
Kodeimethin 582 Kodein 581 Kodeinon 583
Kumulene 134 kumulierte Doppelbindungen
440 K J E L D AFT,-Methode 5
105,149
523
K O E R N E R , W . 337
Kohle 343 Kohle-Hydrierung 30 Kohlenhydrate 234 Kohlenoxyd-Hämoglobin 318 Kohlenoxydkalium 393 Kohlenoxyeulfid 202
Kristallviolett 4 5 6 , 4 6 0 , 4 6 5
Küpenfarbstoffe 4 0 8 , 5 5 0 134
Kunstseide 280 Kupferseide 280 Kupplung der Diazoverbindungen 4 0 8 Kupplungsverbindungen (Systematik) 621 Kyanol 357
Register Kynurenin 567 Kynurin 542 L
L- 236 Le- 235 Lab 317 Lackbenzin 29 Lackmus 567 Lackrot 550 Lactame 101, 294 Lactaminsäure 282, 320 Lactate 208 Lactid 206, 208 Lactobacillsäure 324 Lactobionsäure 256 Lactoflavin 488 Lactoglobulin 317 Lactone 159, 210, 424, 627 Lactose 256 Lactylmilchsäure 206 Lävopimarsäure 500 Lävulins&ure 287 Lävulose 252 Lanital 317 Lanosterin 494 Lanthionin 299 Latex 448 Laudanosin 572, 588 Laurinsäure 168 Laurylalkohol 49 LATTTHschea Violett 568 LEBbl, J . A. 41 lebenswichtige Fettsäuren 155 — Aminosäuren 299 Leberstärke 276 Lecithine 172 Leichtbenzin 29 Leichtöl 344 Leim 316 Leimseifen 83 Leimzucker 295 Leinen 280 Leinöl 168 Lepidin 643 Leuchtgas 21 Leucin 297, 305 IiBUOKABTsche Reaktion 369 Leuko-baee 456 —malachitgrün 456 —methylenblau 569 Lichtabsorption 393,405 LrEBKBMANNsche Reaktion 358 LDSBIO, J . v. 4 Lignin 278 Ligninsulfonsäure 279 Ligroin29 Limonen 433 Iimonennitrosochlorid 438 Linalool 147 Linolensäure 155 Lmolsäure 155 Linters 277 Lipase 266
Lipoide 166,172 Lipoinsäure 284 Lipoyldehydrogenase 626 Lithium-alkyle 74 aluminiumhydrid 76 benzyl 463 hexaphenylantimonat 378 —phenyl 378 Iithocholsäure 499 Lobelanin 573 Lobelin 573 Loiponsäure 580 Longifolen 448 Lossen-Abbau 204 Lost 59 Luminal 557 Lumisterin 498, 631 Lupeol 502 Lutein 451 Luteolin 510 Lutidin 517 Lycopin 450 Lyddit 389 Lysergsäure 588 —diäthylamid 588 Lysin 298,305 Lysol 353 Lyxose 244 M Macrozamin 361 Madribon 403 Magnamycin 211 Magnesium-äthylat 49 organische Verbindungen 72 Maische 36 Makrolide 212 Malachitgrün 456, 461, 465 MALAFBADE-Reaktion 246 Maleinsäure 184,187, 218,397 Maleinsäureanhydrid 185, 328, 428,477, 630 Maloneeter 179 Malonsäure 175,179,187,285 Malonyl-Coenzym A 285 Malonylharnstoff 556 Maltase 268 Maltobionsäure 256 Maltose 256,260 Malzzucker 256 Mandelöl 168 Mandelsäure 209, 881 Mandelsäurenitrilglucosid 256 Manila-Kopal 501 Mannan 252 MANNiGHBche Reaktion 425 Mannit 170 Mannomethylose 242 Mannonsäure 252 Mannosamin 281 Mannoee 252 Mannoside 238 Mannozuckersäure 252
643 Mannuronsäure 250 Marfanil 403 Margarine 168 MarkoWOTKOWS Regel 121 Maries 125 Marrianolsäure 496 Martiusgelb 471 Matricariasäure 190 Maxipen 538 Meerwein-PonndorfOFPBNAUEB-Reaktion 99 Megaphen 568 mehrwertige Alkohole 32 Melamin 200 Melanine 423 Melibiose 272 Melinit 389 Mellit 420 Mellits&ure 420 Menthan 432 Menthanol 434 Menthen 432 Menthol 434 Menthon 437 Menthylglucuronsäure 250 Mercaptane 57,203 Mercaptide 58 Mercapto- (Präfix) 616 Mercaptole 110 Mercerisation 280 Mercurierung 378, 507 merichinoid 462 Merichinone 397,462 Merochinen 580 Merocyanine 544 Mersolate 85 Mescalin s. Mezcalin Mesitylen 346 Mesitylencarbonsäure 341 Mesityloxyd 110 meso- (Stellungspräfix) 611 — (eterisch) 216, 219 Mesoinosit 430 mesoionische Verbindungen 539 Mesomerie 67, 289, 334, 359, 461, 464, 478, 503, 532, 543 Mesoporphyrin 526 meso-trans-Stellung 474 MesoWeinsäure 218 Mesoxalsäure 287 Mesoxalylharnstoff 555 meta- 335, Metaldehyd 108 Metallketyle 465 metallorganische Verbindungen 71, 348, 378,463 Metanilgelb 410 Metanilsäure 401 Methacrylsäure 151 Methämoglobin 319,526 Methan 21, 27,127 Methanal s. Formaldehyd Methandicarbonsäure 179 41·
644 Methanol 34,105 Methan-tetracarbonsäure 190 —tricarbonsäure 190 Methenyl- (Radikal) 608 Methin- (Radikal) 608 Methine (dee-Basen) 582 Methionin 299, 306 —, aktives 296 Methionin-S-oxyd 299 Methoxy- 32 Methoxymethylmorphinan 584 Methyl- (Präfix) 35 — (Radikal) 116 Methyl-acetanilid 358 — a c e t a t 89 —acetylen 127 Methyläthyl-äthylen 130 —essigsaure 41,180 — k e t o n 98 —maleinimid 526 —phenylphosphin 378 Methylalkohol s. Methanol Methyl-amin 61, 65 —anilin 358 anilinopentadienal 447, 516 —arsin 71 —arsonsäure 71 —benzol s. Toluol —bromid 51 — b u t a n o l 39, 40 —cellulose 281 —chinolin 541, 543 —Chlorid 51,142 crotonsäure 153 oyclohexylidenessigsäure 431 —cyclopentenophenanthren 492 —cystein-S-oxyd 299 —cytosin 559 —decalin 474 Methylen 303 Methylen-blau 568 —chlorid 142,143 —glykol 105 Methyl-fluorid 51 —formiat 78 —glucosid 238, 246 —glyoxal 227 —heptenon 157 —indol 547 —isopropylbenzol 347 —isopropylphenanthren 501 — j o d i d 51 — k e t o l 547 —malonsäure 181 —mercaptan 58 morphimethin 582 —naphthalan 469 —naphthochinon 491 orange 410,459 Methylosen 242 Methylpentosen 242
Register Methylphenole 353 Methylphenyl- s. PhenylmethylMethyl-propanol 39,40 —-propylketon 98 —Pyridin 517,519 — s ä u r e (Präfix) 612 —thiophen 507 —uracil 559 —violett 457 Metol 402 Mevalonsäure 494 Meyer, V. 506 Mezcalin 589 MiCHAELsche Synthese 190 Michlebs Hydrol 455 — Keton 359 Milchsäure 205,207,264 Milchsäure-Gärung 207 Milchzucker 256 Millons Reagens 313 Mipolam 141 Mitoohondrien 269 Mittelöl 344 Mohnöl 168 Molekülfunktion (Orbital) 45 Molekulardispersion 117 molekulare Asymmetrie 431, 453 Molekulargewichtebestimmung — ebullioskopisch 8 — Endgruppen 106 — kryoskopisch 8 — osmotisch 310 — Ultrazentrifuge 274 — viscosimetrisch 274 Molekularpolarisation 17 Molekularrefraktion 17, 28, 117,134, 289 Molken 256 Monastral-echtblau 531 —echtgrün 531 Monochloressigsäure s. Chloressigsäure Mononucleotide 559 Monosaccharide 234 —, Ringstruktur 239 Montanwachs 343 Morin 510 Morphenolmethyläther 582 Morphin 581 Morphinan 584 Morphol 582 Moschus 329 Moschusriechstoffe 387 ms- (Präfix) 611 Mucine 320 Muconsäuren 189 Mucopolysaccharide 320 Mucoproteine 320 Multienzyme 269 Murexid 555 Muscon 329 Muskeladenylsäure 561
Muskelkontraktion 315 Mutarotation 239, 245, 391 Mutterkorn-Alkaloide 588 Myeomycin 190 mydriatisoh 575 Myoglobin 319,527,628 Myoinosit 430 Myosin 315 Myricylalkohol 49 Myristicin 586 Myristinsäure 168 Myrosin 204 Ν Nachchromierung 407 Naphtha 29 Naphthaoen 478,485 Naphthacenchinon 480 Naphthalin 419,467,630 Naphthalin-dicarbonsäure 469 —sulfonsäuren 470 —tetraoarbonsäure 485 Naphthalsäure 469 Naphthamingelb 539 Naphthazarin 472 Naphthene 323 Naphthensäuren 29 Naphthin 470 Naphthionsäure 471 Naphthochinon 472,479,480 Naphthochinonsulfonsäure 463 Naphthoesäure 469 Naphthol 410,470 Naphthol AS-Farbstoffe 412 Naphtholblauschwarz 410 Naphtholgelb 471 Naphthyl-amin 471 —aminsulfonsäure 471 —essigsaure 548 Narkotika 142 Narkotin 585 Nataloin 481 Natrium-äthylat 49 —alkyle 74 —benzyl 463 —malonester 179 —methylat 49 —phenyl 378 Naturgas 21 negative Gruppen 188, 379 Nekal 86 Nelkenöl 447 Neo-21 Neohexan 21 Neoisomenthol 434 Neoisopulegol 436 Neolan-Farbstoffe 407 Neomenthol 434 Neopentan 21 Neopren 137 Neo retinen b 451 Neosalvarsan 402 Neoteben 521 Neotigogenin 593
Register Neovitamin A 488 Netzebenenabstand 82 Neuraminsäure 282, 320 Neurin 149 Neutralisationskurve 188 Nicotin 674 Nicotinsäure 520, 572, 675 Nicotinsäureamid 488,520 Ninhydrin 293 Nitramine 368 Nitranilin s. Nitroanilin Nitranilinrot 411 Nitrierung 66, 349, 380 Nitrile 69, 92, 100, 204 Nitrite 66 Nitro-äthan 67 —alizarin 482 —anilin 400 —anisol 386 —benzaldehyd 421 —benzoesäure 413 —benzol 349 benzolsulfonsäure 387 —carbonsäuren 68 —chlorbenzol s. Chlornitrobenzol —- farbstoffe 471 —glycerin 165 —glykol 165 — g r u p p e 66 Nitro-isonitro-Desmotropie 290 Nitrolsauren 68 Nitromethan 67, 243 Nitron 539 Nitronaphthalin 470 Nitrone 361 Nitronium-Ion 349 Nitronsâuren 67 Nitro-phenol 388 —phenylhydroxylamin 386 —Propionsäure 68 Nitrosamine 64, 369 Nitrosite 122 Nitroso-benzol 360 —chloride 438 —dimethylanilin 359 — g r u p p e 68 nitro Verbindungen 122 —phenol 359, 399 —phenylglycin 539 — p i n e n 442 —Verbindungen, dimere 68, 360 Nitro-styrol 382 —thiophen 508 — t o l u o l 349 — u r e t h a n 194 Nitroverbindungen 66,349,359, 380, 426 Nomenklatur 596 Nonan 27 Nonan-carbonsäure 286 —dicarbonsäure 175
Nonanol 34 Nonen 117 Nonin 136 Nonylalkohol 34 nor- 439 Noradrenalin 426 Norbixin 451 Norcaren 324 normal 20 Normalpotential 397 Norpinsäure 441 Notatin 249 Notation, stereochemische 235 Novocain 421 Novolake 364 Nucleal-Reaktion 242 Nucleinbasen 659 Nucleinsäuren 317, 559 nucleophile Substitution 52, 339,626 Nucleoproteide 317 Nucleoside 561 Nucleotide 569 Nylon 181 0 Oberflächenaktivität 84 Oberflächenspannung 84 Octachloroyclobutan 628 Octadecylschwefelsäure 65 Octafluorcyelobutan 628 Ootan 27,127 Octanol 34 Ootanzahl 31 Octatrienal 156 Octen 117 Octin 136 Octylalkohol 34 Octylamin 65 ölbildendes Gas 129 öle, ätherische 432 —, fette 166 Ölsäure 153, 364 Önanthsäure 76 östradiol 496 Östriol 495 Östron 495 OGSTON, D r e i p u n k t k o n t a k t
272 Oktaeder, Stereoisomerie 222 -ol (Endung) 609 Oleanolsäure 502 Olefine 112,129 Oleinsäure β. Ölsäure Oleoresine 580 Oleyalkohol 85 -olid (Endung) 212 Oligosaccharide 234,254 Olivenöl 168 Omm in 567 Ommochrome 666 -on (Endung) 610 Opiansäure 585 Opium 581
645 Oppanole 124 Opsin 451 optische Aktivität 41,213, 378, 431,453, 625 optische Antipoden, Präfixe 235 optische Dichte 393 optischer Kreisprozeß 300 optische Spezifität 221, 268 Orange Π 410 Orbital s. Molekülfunktion Orcein 390, 567 Orcin 390 Organomagnesium-Verbindungen 72 Organometall-Verbindungen s. metallorganische Verbindungen Orlean 451 Orion 151 Ornithin 298 Orosomucoid 320 Orotsäure 663 ortho- 335 Orthoameisensäureäthylester 91,143 Orthoester 91 Ortsbestimmung 336,469, 515, 541 Osazone 232, 247 -ose (Endung) 249 Osone 247 Ovalbumin 314 Oxa- 601 Oxalate 177 Oxalbernsteinsäure 225 Oxaleesigsäure 225 Oxalsäure 175,176, 187 —, Dimethylester 177 Oxalyl-chlorid 178 —harnstoff 656 —indigo 560 Oxamid 178 Oxamidsäure 178 Oxanthron 481 Oxazin 600 Öxazol 600 Oxazolone 307 Oxime 100, 377 Oxindol 546 Oxiran s. Äthylenoxyd Oxo- s. a. KetoOxo-cyclo-Desmotropie 233 Oxoglutareäure 225 Oxognippe 39, 97 Oxoniumsalze 57, 609 Oxo-Synthese 49,98 Oxo-Verbindungen 96 Oxy- s. HydroxyOxydasen 267, 497 ^-Oxydation 284 ω-Oxydation 285 Oxydoredukasen 267 Oxyhämin 526
646 Oxyhemoglobin 318 Oxytocin 308 Ozokerit 30 Ozonide 119, 332, 523 Ρ Palatinecht-Farbstoffe 407 Palmitinsäure 76 Palmitölsäure 154 Paludrin 553 Pamachin 545 Panflavin 552 Pantoinsäure 491, 613 Pantothensäure 491 Pantoylsäure s. Pantoinsäure Papain 309 Papaverin 586 Papier 280 Papierohromatographie 452 para- 335 Parabansäure 555 Paraffin 29 Paraffine 19, 20 Paraffinkettensalze 85 Paraffinöl 29 Paraformaldehyd 105 Parafuchsin 459 Paraldehyd 103 Paraldol 104 Paraleukanilin 456 Pararosanilin 456 Pararot 411 Partialvalenzen 131 partielle Racemate 220 PAS s. Aminosalicysäure PASTEUR, L . 4 1
PC-Faser 141 Pech 344 Pektine 250 Pelargonidin 511 Pelargonsäure 76 Pelletierin 573 Penaldsäure 537 Penicillamin 537 Penicillansäure 538 Penicilline 537 Penicillosäure 537 Penillsäure 537 Pentacen 478 Pentacenchinon 480 Pentaerythrit 171 Pentamethylendiamin 171 Pentamethylpararosanilin 457 Pentan 27, 127 Pentanal s. Valeraldehyd Pentandion 229 Pentanol 34, 39, 40 Pentaphenyl-äthan 464 —phosphor 378 Pentasol 130 Pentatriacontan 27 Penten 117, 127, 130 Pentin 136 Pentosane 248
Register Pentose-Cyclen 264 Pentosen 248 Pentyl-bromid 51 chlorid 51 fluorid 51 — j o d i d 51 Pepsin 266, 309 Pepsinogen 309 Peptidasen 267 Peptidhormone 309,491, 494 Perbenzoesäure 375 Perbunan 449 Perchlorylbenzol 348 Peregal 86 Peressigsäure 109 Perfluoralkane 146 peri- 469 periplanar 183 Perjodsäure-Ozydation 246 PsBKiNsche Reaktion 383 Perlon 101 Peroxydasen 268, 527 Peroxyde56,109,119,124,375, 477 Persäuren 109, 375 Perspex 152 Perubalsam 373 Pervitin 426 Perylen 486 Petrochemie 31 Petroläther 29 Petrolatum 30 Petrolchemie 31 Petroleum 29 Petroporphyrine 31 PETTENKOFERSche R e a k t i o n
499 Pfefferminzöl 434 Phäophorbid 528 Phäophytin 528 Phäoporphyrin 528 Phalloidin 308 Phanodorm 557 Phenacetin 402 Phenanthren 483 —chinon 480, 483 —Synthesen 483, 584 Phenazine 565 Phenazthioniumsalze 568 Phenetidin 402 Phenetol 355 Phenidon 533 Phenol 111, 852 Phenol-äther 355 allyläther 355 Phenolate 352 Phenolcarbonsäuren 414 Phenole (Nomenklatur) 609 Phenol-Formaldehyd-Kondensationsprodukte 354 Phenoloxydasen 320 —--phthalein 457 — r o t 458 —sulfonphthalein 458
Phenolsulfonsäure 388 Phenoplaste 354 Phenothiazin 568 Phenoxazine 566 Phenoxazoniumsalze 566 Phenoxyäthylpenicillin 538 Phenoxyle 4-65 Phenthiazin s. Phenothiazin Phenyl- 336, 353 Phenyl-acetat 624 —acetylen 383 —acrylsäure 383 —äthylalkohol 382 — ä t h y l e n e. Styrol — a l a n i n 305 —arsenoxyd 378 —arsons&ure 378 — a z o - s. Benzolazo—benzopyryliumsalze 511 —chinolincarbonsäure 545 —chinondiimid 399 —chromon 510 —dihydrothebain 583 —dimethylpyrazolon 534 Phenylen-blau 404 — d i a m i n 403 —diessigsäure 473 Phenyl-essigsäureäthylester 382 —glucosylamin 282 —glycin 549 — h y d r a t 353 —hydrazin 371 —hydrazone 101, 247 s. a. Osazone Phenylhydrazono- (Präfix) 612 Phenyl-hydroxylamin 360 —isocrotonsäure 468 —isoglucosamin 282 —lithium 378 —methylpyrazolon 534 — n a t r i u m 378 —nitromethan 380 —nitrosamin —osazone 232, 247 —propiolsäure 383 —pyrazolidon 533 —quecksilberacetat 378 trichlormethan 372 Phlein 252 Phloroglucin 392 —dicarbonsäureester 392 Phoron 110 Phosgen 193 Phosphagen 296 Phosphatasen 267 Phosphatide 172, 562 Phosphatidsäuren 173 Phosphatidylcholine 172 Phosphatidylcolamine 172 Phosphatidylserin 172 Phosphine 70, 378 Phosphinigsäuren 615 Phophinmethvlene 378
Register Phosphinoxyde 70 Phosphinsäuren 71, 615 Phospho-enolbrenztraubenBäure 263,41β —glycerinsäuren 263 —glyoeromutaee 263 —hexokinase 263 —hexomutase 263 Phoepho-kinase 263 —kreatin 296 Phosphonigsäuren 615 Phosphoniumbasen 70, 378 Phosphonsäuren 71, 615 Phosphorproteide 316 Phosphorsäureester 172, 184, 253, 255, 262, 559, 563 Phosphorverbindungen, aromatische 378 Phosphorylasen 267, 626 Phosphotrioseisomerase 263 Phosvitin 317 photographische Entwickler 401, 533 — Sensibilisierungsfarbstoffe 543 Photosynthèse 629 Phthaleine 457 Phthalimid 419 Phthalocyanine 531 Phthalonitril 531 Phthalsäure 419 —anhydrid 419 —dinitril 531 Phthalylchlorid 419 Phyllochinon 490 Phylloerythrin 529 Phytinsäure 430 Phytol 147, 528 Phytosterine 491,497 Pi(«)-Bindung 45,112 Picolin 517 Picolinsäure 520 Pikramid 385 Pikrate 389 Pikrinsäure 386, 888 Pikrylchlorid 385, 389 Pimanthren 501 Pimarsäure 500 Pimelinsäure 175,187 —ester 428 Pinachromblau 543 Pinacyanol 543 Pinakol 161 Pinakolhydrat 161 Pinakolin s. Pinakolon Pinakolin-Umlagerung 162 Pinakolon 162 Pinakon s. Pinakol Pinan 439 Pinen 441 Pinenchlorhydrat 442 Pinenhydrochlorid 442 Pinennitrosochlorid 441 Pinit 430
Pinocarvonoxim 442 Pinononsäure 441 Pinoresinol 279 Piperidein 519, 575 Piperidin 171, 518 Piperin 518 Piperinsäure 424 Piperonal 424,586 PrrzEB-Spannung β. Spannung, nichtklassische Plasma 315 Plasmochin 545 Plexiglas 152 Plexigum 151 Poly-acetylene 135 —acrylsäuren 151 —addition 123 —äthylen 125 —äthylenamin 149 —äthylenglykol 164 —amide 181 —aminosäuren 628 —cyclische Verbindungen, Bezifferung 603 Polyenverbindungen 134, 405, 450 Poly-fructosane 252 —glutaminsäuren 628 —isobutylene 123 Polykondensation 106,181 Polymer-benzin 31 —homologe Reihe 106, 274 Polymerisation 101,103,105, 128,141,146,164,382,448 Poly-methylen 303 —nucleotide 559 —oxymethylen 105 —peptide 306,628 —propylen 126 —saccharide 234,273 —styrol 383 —terpene 446 Polythen 125 Poly-vinylacetat 146 —vinylalkohol 146 —vinylchlorid 141 PosnsrDOBF-Reduktion 99 Porphin 525 Porphobilinogen 529 Porphyrine 31, 526 Pr&calciferol 631 Präfixe 598, 608 Prednisolon 497 Pregnan 496 Prephensäure 423 primär 21 Primulin 539 Primverose 361,481 Profax 126 Progesteron 496 Projektionsformel 215,235 Prolamine 315 Prolin 305, 311,316,524 Prontosil 402
647 Propan 23,27,127 Propanol 34, 38 Propantricarbonsäure 190 Propargyl-aldehyd 157 —alkohol 148 —halogenide 141 Propenal 156 Propenol 147 Propenyl-113 Propenylpyridin 519 Propinai 157 Propinol 148 Propiolacton 159, 211 Propiolsäure 154 Propionaldehyd 98,148 Propionitril 92 Propionsäure 76, 181 Propionyl- 76 Propyl-alkohol 34, 35,38 —amin 65 bromid 51 —chlorid 51 Propylen 117,127 Propyl-fluorid 51 —jodid 51 —mercaptan 58 Propyloxy- 32 Propylpiperidin 519 prosthetische Gruppe 267 Protamine 315 Proteide 316 Proteinasen 267, 309 Proteine 304, 561 Prothrombin 320 Proto-catechueäure 416 —curidin 590 —hämin 525 Protonenresonanz 17 Proto-porphyrin 526 —sinomenin 588 Prototropie 67,288 Provitamin 451 Prunasin 256 PsCHORRSche PhenanthrenSynthese 483 pseudo- 67 Pseudo-basen 460, 512, 542 —cholestan 493 halogene 178 harnsäure 556 —jonon 158 —kodein 582 —nitrole 68 —nitrosite 122 —pelletierin 578 —peptide 627 —racemisch 223 —säuren 380 tropin 577 Pteridin 564 Pterine 564 Pteroylglutaminsäure 564 Ptomaine 171 Pulegon 437
Register
648 Purin 654, 558 Purpur, antiker 551 Purpurin 482 Purpurogallin 629 Purpursäure 555 Putrescin 171 Pyknometer 15 Pyocyanin 565 Pyramiden 534 Pyran 508 Pyranosen 240 Pyranthron 486 Pyrazin 600 Pjrazol 532 Pyrazolidine 533 Pyrazolidone 533 Pyrazolone 533, 631 Pyrazolon 533 Pyren 485 Pyridazin 600 Pyridin 514 Pyridin-carbonsäuren 520 —dicarbonsäuren 520 Pyridinium-betaine 521 — s a l z e 515 sulfonsäure 516 Pyridinoxyd 516 Pyridon 516 Pyridoxal 293,488 Pyridoxin 488 Pyrimal403 Pyrimidin 553 Pyrogallol 391, 629 Pyrolyse 114 Pyromellitaäure 420 —anhydrid 420 Pyron 509 Pyrondicarbonsäure 509 Pyronen 443 Pyroxoniumsalze 510 Pyrrol 522 Pyrrolenin 523 Pyrrol-Farbstoffe 525 Pyrrolidin 525 Pyrrolidincarbonsäure 306 Pyrrolin 524 Pyryliumsalze 510 Q Q-Enzym 276 quartär 21 Quaei-Bacemate 223 Quecksilberalkyle 74 Queoksilberdiphenyl 378 Quercetin 510, 512 Β B-Enzym 276 Racemate 218,624 racemische Verbindungen 218 Bacemisierung 208 Radikale, freie 116, 463 Radikal-Ionen 463, 518, 630 Radikalsubstitution 340
radikofunktionelle Namen 597, 608 Raffmose 272 Raney-Nickel 118 Rapidogenfarbstoffe 371 RASCHiasches Phenolverfahren 352
rationelle Namen 597 Rauwolfia-Alkaloide 589 Redox- Indikatoren 404 —Katalysatoren 124 —Potentiale 398, 480, 562, 569, 630
Reduktionsmittel 118 Reflexionsfarben 459 REFOBMATSEieche Synthese 205 Refraktion 1 6 , 2 8 , 1 1 7 , 1 3 4 , 2 8 9
Registrierverbindungen 621 Regler der Polymerisation 125 REraBH-TrEMAiîNsehe Synthese 422
Rennin 317
REPFE-Reaktionen 137,139
Reserpin 589 Resochin 545 Resonanzenergie 334 Resorcin 390 Reten 501 Retinal 451 Retinen 451 Retinol 450,487
Rétrogradation 273 Retropinakolin-Umlagerung 163, 4 4 2
Rhabarber 481 Rhamnose 242 Rhodan 203 Rhodanide 202 Rhodanin 544 Rhodanwasserstoff 202 Rhodanzahl 121 Rhodommatin 567 Rhodopsin 451 Ribit 170 Riboflavin 488 Ribonuclease 309, 559 Ribonucleinsäuren 559 Ribose 248 Ribosylamin 563 Ribulosephosphat 264 R i c h t e r , M. M. 619 Ricinols&ure 210 Ricinusöl 210 Rindertalg 168 Ringe, hochgliedrige 212, 329 Bingschluß-Reaktionen 181,
329, 3 4 4 , 4 6 9 , 4 7 4 , 4 7 9 , 4 8 4 , 577 R N A 559
Rodinal 401 Rohrzucker 257, 260 Rongalit 108 Rosanilin 456 Rosolsäure 457
Rotation s. optische Aktivität Rotationsiaomere 182, 384,567 Ruberythrinsäure 481 Bubijervin 594 S Sa-Substitution 74,630 -Substitution 52, 209, 301, 629 Sabinen 440 Saccharase 268 Saccharate 257 Saccharin 413 Saccharose 257, 260 -säure (Suffix) 612 Säure-amide 91,148, 311, 374 —anhydride 86,181, 374 anthracenrot 472 azide 96 , CcTBTiusscher Abbau 198 chloride 86, 178, 373, 419 hydrazide 96 Spaltung 285 Safranal 158 Safranine 565 SAiZEWsche Regel 114 Salicin 414 Salicyl-aldehyd 422 säure 414 —säuremethylester 415 —-säurephenylester 415 Saligenin 414 Salipyrin 534 SALKOWSKlsche Reaktion 492 Salmin 315 Salol 415 Salvarsan 402 SANDMEYEBsche Reaktion 368 Sapamine 86 Saponine 491, 499 Sapropelium 32 Sarkosin 296 Sarsasapogenin 500 Sauerstoffradikale 465 S a y t z e f ï s. Saizew SoHAEFFEK-Säure 410 SOHABDINOEB-Dextrine 275 Schießbaumwolle 280 Schießpulver 280 ScHiFFsche Basen 63, 356 ScHiFFsche Reaktion 105 Schilddrüse s. Thyreoglobulin Schlafmittel 557 Schleimsäure 253 Schlempe 36 Schmelzdiagramme 349 —, opt. Antipoden 223 Schmelzpunkt 14, 28, 77, 175 ScHMiDTsche Spaltungsregel 115 Schmieröl 29 Schnellessigverfahren 79 ScHOTTEN-BAUMANNsche Reaktion 374
Register Schwangerschaftshormon 496 Schwefel-farbstoffe 569 —kohienstoff 201 —säurediäthylester 54 —säuredimethylester 54,184 —säureester 64,184, 321, 353, 589 —schwarz 569 —Verbindungen (Nomenklatur) 615 Schweinefett 168 S C H W E I Z E R S Reagens 277 Schwerbenzin 29 Schweröl 344 Sebacinsäure 175 Sedoheptulose 264 Sehpurpur 451 Seidenfibroin 316 Seidenleim 316 Seifen 83 Seitenketten 20,335 — (Nomenklatur) 605 —Chlorierung 379 sekundär 21 Semicarbazid 102,201 Semicarbazone 102, 201 Semicarbazono- (Präfix) 612 Semichinone 397,462 Semidin-Umlagerung 363 semipolare Bindung 57, 66 Seneciosäure 153 Senfgas 59 Senföle 203 Senfölglucoside 204 Sensibilisatoren 543 Sericin 316 Serin 172, 298, 305, 548, 626 Serotonin s.Hydroxytryptamin Serum-albumine 315 —globuline 315 Sesquiterpene 446 Sesselform 429 Sexualhormone 494, 594 Shikimisäure 416 Sialsäuren 320 Siedepunkt 15, 27, 28 Siedepunkteerhöhung 8 Sigma (a)-Bindung 45 Silage 207 Silane 71 Süber-äthyl 117 —methyl 117 SüiciumVerbindungen 71, 72 Silicone 72 Siloxandiole 72 Sinapinalkohol 279 Sinigrin 204 Sinomenin 584, 588 Sionon 171 Siriusblau 411 Siriuslichtgelb 539 Sitosterin 497 Skatol 547 Skieroproteine 316
SlLBAUFSohe Synthese 540 Solanidanol 593 Solanidin 593 Solanin 593 Solasodin 592 Solasonin 592 Sorbit 170, 251, 488 Spaltung der Racemate 219 Spannung, nichtklassische 328 Spannungstheorie 182, 328 spezifisches Gewicht 15 Spezifität der Enzyme 221, 268, 272 Sphäroproteine 311 Sphingomyelin 174 Sphingosin 174 Spinnfärbung 408 Spirane 322, 431 Spongin 316 Sprenggelatine 165 Squalen 494 Stachyose 273 Stärke 273 Stärkezucker 249 Stammkerne 598 Stammkörper 19 Stearin 81 Stearinsäure 76,155 Stearolsäure 154, 364 Stearylalkohol 49 Steinkohle 343 Steinkohlenteer 343 Stercobilin 530 Sterculsäure 324 Stereoisomerie 43, 47, 185, 209, 213, 221, 235, 244, 377, 378, 429,431,453,474, 625, 627 Sterine 491 eterischeHinderung341,429,453 Steroid-Alkaloide 592 Steroide 491 Sterole 491 Stickstoff-Radikale 358,465 Stigmasterin 497 Stilben 466 Stilböstrol 496 Storax 382 STBECKEBsche Synthese 291 Streptidin 283 Streptomycin 283 Streptose 283 Struktur 41 —isomerie s. Isomerie —theorie 24 Strychnin 591 Strychnos-Alkaloide 591 Styrax 382 Styrol 378,882 substantive Farbstoffe 407, 471 Substituent (Nomenklatur) 597 Substitution, aktivierte 348 —, aromatische 338 —, aliphatische elektrophile 74 —, — nucleophile 52
649 Substitutionsnamen 597 Substitutionsregelmäßigkeiten 338, 384,515 Subtilisin 309 Succinate 181 Succindialdehyd 226 Succinimid 181 Succinodehydrogenase 187, 270 Succinylobernsteinsäureester 427 Süßstoffe 414 Suffixe 598 Sulfamide s. Sulfonamide Sulfanilsäure 401 Sulfathiazol 403 Sulfa-Verbindungen 402 Sulfensäuren 616 Sulfide 57 Sulfinsäureester, opt.-akt. 221 Sulfinsäuren 60 Sulfitlauge 280 Sulfo-benzoesäureimid 413 —chloride 60, 351 —Chlorierung 60 Sulfonal 110 Sulfonamide 351 Sulfone 60 Sulfoniumsalze 59 —, opt.-akt. 221 Sulfonphthaleine 458 Sulfonsäureester 351 Sulfonsäuren 60, 350 Sulfoxyde 60, 299 Sultone 458 Sumach-Tannin 418 Sumpfgas 21 Superpolyamide s. Polyamide Suprarenin 425 Sydnone 539 symm.-(Stellungsbezeichnung) 336 Sympatol 426 syn- 366,377 Syncillin 538 synclinal 183 Syndiazoverbindungen 366 syndyotaktische Polymere 126 Synionie 141 Synthesen, asymmetrische 271 —, enzymatische 256 Syringaaldehyd 279 System der organ. Verbindungen 620 systematische Namen 597 Τ Tabakmosaikvirus 308, 317 Tachysterin 631 Talg 168 Tanaceton 440 Tanigan 418 Tannin 417 Tartrate 217 Tartrazin 534
650 Tartronsäure 212 Taurin 499 Taurocholsäure 499 Tautomerie 67, 288, 290, 371, 399 Teer s. Stemkohlenteer Teflon 146 Telomerisation 126, 143 Terephthalsäure 420 Tergitele 85 Terpene 427, 432 Terpentin 500 Terpentinöl 441 Terpin 434 Terpineol 435 Terpinhydrat 434 Terpinolen 433 Terramycin 485 tertiär 21 Terylen 420 Testosteron 495 Tetra-äthylphosphoniumhydroxyd 70 äthylblei 72 äthylsilan 71 —bromfluorescein 458 —bromindigo 551 Tetracen 478,485 Tetrachlor-äthan 145 äthylen 145 —chinon 396, 480 —kohlenstoff s. Kohlenstofftetrachlorid —methan 144 Tetracyanäthylen 191 Tetracyclin 485 Tetradecan 27 Tetraeder 42 Tetra-fluoräthylen 146,628 —fluormethan 144 Tetrahydro-anabasin 519 furan 164, 504 furfurylalkohol 508 —naphthalin 473 —pteroylglutaminsäure 564 Tetrajodthyronin 423 Tetralin 473 Tetraionsulfonsäure 471 Tetramethyl-ammoniumchlorid 65 —ammoniumhydroxyd 65 Tetramethylen-diamin 171 oxyd 164 Tetraphenyl-äthan 464 —äthylen 466 —hydrazin 358 —phosphoniumjodid 378 Tetrasaccharide 272 Tetrazol 532 Tetrolsäure 154 Tetryl 358 Thebain 583 Theelin 495 Theelol 495
Register Theobromin 557 thermische Analyse 223, 349 Thermochemie 126 thia-(Präfix) 601 Thiamin 488, 536 Thianthren 601 Thiàzine 568 Thiazol 535 Thiazolidin 537 Thieles Theorie der Partialvalenzen 131,332 thio-(Präfix) 616 Thioäther 57 Thiochrom 537 Thioctsäure 284 Thio-cyanate 202 —cyansäure 202 —cyans&ureester 203 —diglykol 59 —-diphenylamin 568 —eesigsäure 96 —glucose 204 —harnstoff 203 —indigo 551 —kohlensaure 202 Thiolase 285 Thiole 57 thiono-(Präfix) 616 Thiopental 557 Thiophen 506 Thiophencarbonsäure 508 Thiophenin 508 Thio-phenol 351 —phenolcarbonsäure 551 „Thiophensäure" 608 Thiotolen 507 Thioxen 507 thioxo-(Präfix) 616 Threarsäure 216 Threonin 298, 305 Threose 245 . Thrombin 315 Thujan 439 Thujon 440 Thymin 559 Thymol 354, 434 Thymusnuoleinsäure 317, 559 Thyreoglobulin 314 Thyroxin 423 Tinte 418 Tocopherole 490 Tolan 466 Tolubalsam 373 Toluidine 357 Toluol 346
—--Sulfonamid 414 —sulfonsäure 351 Toluylaldehyd 376 Toluylsäuren 374 Tolyl- 336 Tomatidin 592 Tomatin 592 Tosyl- 351 Tosylierung 351
Toxiferin 590 TPN 562 Trane 169 trans 185 Trans-Abspaltung 589 —Addition 120, 219 —aldolasen 264
—aminierung 293
—ferasen 267 —glykosylasen 267, 626 —ketolasen 264,537
--Phosphatasen 267
Traubensäure 217,624 Traubenzucker 249 Trehalose 255 Treibstoffe 30 Trevira 420 Tri-acetonamin 110 —äthanolamin 172 —äthylamin 65 —äthylarsin 71 —-äthylorthoformiat 91,143 —äthylphosphin 70 —aminotriphenylcarbinol 456 —aminotriphenylmethan 456 Triazin 94 Triazol 532 Tribiphenylylmethyl 464 Tribrom-äthylalkohol 230 —•methan 144 —phenol 388 —phenolbrom 388 Tri-butylamin 65 —butylphenoxyl 465 TricarbaÜylsäure 190 Tricarbonsäure-Cyclus 225 Trichlor-acetaldehyd 230 —essigsaure 192,193 —-methan 142 —phenol 388 --purin 558 Tricosan 27 Tricyanmethan 191 Tricyclen 443 Trifluor-buttersäure 192 —essigsaure 192,627 Trigonellin 520 Tri-hydroxybenzol 391 —- -hydroxybenzolcarbonsäure 416 —jodmethan 145 —-jodthyronin 424 Trilon 295 Trimethoxyglutarsäure 240, 253, 259 Trimethyl-äthylen 130 —amin 61, 65 —-aminoxyd 65 Trimethylenbromid 146 Trimethyl-naphthalin 501 —pentan 123 —phosphat 184 —Pyridin 517
651
Register Trimethylvinylammoniumhydroxyd 149 Trinitro-anisol 389 — -benzol 386, 389 butyltoluol 387 butylxylol 387 —phenol 388 —toluol 386 Trioctylamin 65 Triolein 167 Triosen 241 Triosephosphatdehydrogenase 263 Trioxymethylen 106 Tripalmitin 167 Tripeptide 306 Triphenyl-amin 358 —arein 378 carboniumsalze 460 —chlormethan 460 —hydrazyl 465 —jodmethan 463 — m e t h a n 455 —methyl 463 methylchlorid 460 methyljodid 463 —methylperoxyd 463 phenoxyl465 —rosanilin 457 Tripiperidein 519 Tripropylamin 65 Triptan 21 Triptycen 478 Trisaccharide 272 Trithiocarbonate 202 Trithiokohlensäure 202 Tritolylamin 358 Trityl- s. TriphenylmethylTritylierang 255 Trivialnamen 596 —, Bezifferung 606 trocknende öle 168 TsoMMEBsche Probe 237 Tropasäure 381, 576 Tropidin 576 Tropin 576 Tropinon 576 Tropinsäure 576 Tropolone 327, 629 Tropon 327 Tropylium-bromid 327 Kation 327 Trotyl 386
TaouTONache Kegel 34
Trypaflavin 552 Trypsin 266, 309 Tripsinogen 309 Tryptamin 548 Tryptophan 305, 547 Tryptophan-Reaktion 313 TscHiTSCHiBABiNscher Kohlenwasserstoff 464 TscHUGAjEWSche Reaktion 435
Tubocurare 589 Tubocurarin 590 Türkischrot 482 Türkischrotöl 210 Tungöl 168
TwrrcHKLL-Reagens 81
Tylose 281 Tyramin426 Tyrosin 305,423 Tyrosinase 423
ü Ubichinon 491 -ulose (Endung) 252 Ultrarotspektrum 394 Ultraviolettspektrum 393 Ultrazentrifuge 274 Umaminierung s. Transaminierung Umesterung 90 Umlagerungen, Beckmann-101, 377 —, Benzidin- 363 —, Benzilsäure- 467 —, Hofmann-198 —, Lossen- 204 —, Pinakolin-162 —, Phenylhydroxylamin- 360 —, Retropinakolin-163 —, Wagner-Meerwein- 442 Umwandlung, asymmetr. 455 Undecan 27 — -dicarbonsäure 175 Undecanon 286 Undecen 117 unentbehrliche Fettsäuren 155 — Aminosäuren 299 Ungesättigte Verbindungen 112 Unverseifbares 491 Uracil 553, 559 Uramil 556 Urate 554 Urease 196, 310 Ureide 196 Urethan 194 Uricase 556 Uridin 561 —diphosphatglucose 562, 626 Urochloralsäure 230 Uronsäuren 250 Uroporphyrin 527 Urotropin 107 Ursolsäure 502 Urteer 343 V Vaccensäure 170 Valeraldehyd 98 Valeriansäure 76 Valeronitril 92 Valeryl- 76 Valin 305 Vanillin 279, 422
VAN-SLYKE-Reaktion 294 VAN'T HOFF, J . H . 4 1
Variaminblau-Base 412 Vaseline 30 Veracevin 594 Veratrol 390 Veratrum-Alkaloide 594 Veratrumsäure 595 Verbenon 441 Verbrennungswärme 126, 328 Verdünnung, Isotope 305 —, makrocyclische Ringe 329 Verküpung 550 Veronal 556 Verschiebung, chemische 17 —, optische 300 Verseifung 81, 89,183,210, 351, 595, 624 Verseifungszahl 170 Versen 295 versetzte Lage 183 Verteilung, fraktionierte 14 Verteilungechromatographie 452 Verzuckerung 36 verzweigt 20 Vesuvin 409 Vicara 317 vicinal 336 Vierzentren-Reaktion 435 Vinyl-113 Vinyl-acetat 146 —acetylen 137 —äthyläther s. Äthylvinyläther —alkohol 146 — a m i n 148 —bromid 141 —chlorid 122,140,141 —-essigsäure 152 Vinylierung 139 Violanthron 486 Violursäure 556 Virus-Proteine 317 Viscose 281 Viscosität Polymerhomologer 274 Vitamin A 450,487 — Bj 488,536 — B2 488 — B, 488 — B12 488 — C 488 — D2 498, 631 — D 3 498 — E 490 — H 490 — H'421 — Κ! 490 Vitamin A-aldehyd 451 Vitamine 487 Vitellin 317 Vomicin 591 Vulkanisation 449
652
Register
W Wärmetönung 22,115,126,133, 328, 334, 428
Wolle 316 Wuchsstoffe 548
-ylen (Endung) 113 -yn (Endung) 135 Yohimbin 573, 589
lagerung 442 WALDENsche Umkehrung 299, 351, 627 Walkscharlach 410 Walrat 49 Waltran 168 Wannenform 429 WABBUBG, O. 269, 529 Waaserstoffbindung 48, 77 Waeserstoffbrücke 48, 77 Wechselzahl 271 Weckamine 426 Wein-essig 79 —geist 35 Weinsäure 213 Weinstein 216 Wellenzahl 127, 393 WiBMABKsche Methode 38
WuRTZsche Synthese 24
Ζ Zaponechtschwarz 407 Zeacarotin 450 Zein 315 ZaïSELsche Methode 56 Zeitschriften 617 Zellstoff 280 Zellwolle 281
WAGNER-MEBBWELN-UHI-
WDKLAKD-GUMLICH-Aldehyd
591 Wussche Lösung 121
WILLSTÄTTER, R . 5 1 0
Wintergrünöl 415 Wirbelschicht-Verfahren 31 Wirkgruppe s. prosthetische Gruppe WÖHLER, F . 195
Wofatite 354 WoLFP-KlSHNERsche Reduktion der Ketone 440
WURSTERS R o t 4 6 2 WUBTZ, A . 197
X Xanthin 557 Xanthinoxydase 270 Xanthogensäure 202 —ester 280, 369 Xanthommatin 566 Xanthon 513 Xanthophyll 450 Xanthophylloxyd 451 Xanthoprotein-Reaktion 313 Xanthopterin 564 Xanthydrol 514 Xanthyliumsalze 514 Xylan 277 Xylengelb 534 Xylidine 357 Xylit 170 Xylol 346 Xylolmoschus 387 Xylose 248 Xylotrimethozyglutarsäure 253 Xylulosephosphat 264 Xylylsäuren 374 Y Yatren 545 -yl (Endung) 20
ZEREWITINOW- B e s t i m m u n g
73 Zibeton 329 Zimtaldehyd 383 Zimtalkohol 383 Zimtsäure 383, 584 —benzylester 373 Zinkdimethyl 72 Zinkstaub -Dehalogenierung 134,145,155 Zirkulardichroismus 272,625 Zoomarinsäure 154 Zoosterine 491 Zucker 234,239 Zuckersäure 250 zweibindiger Kohlenstoff 143 zweibändiger Stickstoff 358,465 Zweikernchinon-Farbstoffe 551 Zwischenzustand s. Mesomerie Zwitterionen 291, 401, 520, 539 Zymase 262 Zymohexase s. Aldolase
Nerdel
Organische Chemie Ein Lehrbuch für Naturwissenschaftler, Mediziner und Techniker V o n D r . phil. F R I E D R I C H N E R D E L , O. Professor für Theoretische
Orga-
nische Chemie an der Technischen Universität Berlin, unter Mitarbeit v o n D r . Ing. B E R N H A R D SCHRÄDER, Leiter der G r u p p e Molekülspektroskopie und Institut für Spektrochemie und angewandte Spektroskopie, D o r t m u n d .
2., völlig neu bearbeitete u n d erweiterte Auflage. G r o ß - O k t a v . Mit 4 8 Abbildungen. X I I , 2 0 9 Seiten. 1 9 6 4 . Plastikeinband D M 1 8 , —
Das vorliegende Lehrbuch wendet sich vor allem an alle diejenigen, welche Chemie als propädeutisches Fach studieren, also an den Nichtchemiker, der sich mit den Begriffen und Grundvorstellungen der organischen Chemie vertraut machen muß. Um gerade diesen Kreis sinnvoll zu erfassen und für das Gebiet zu interessieren, scheint das „Wie" und die Auswahl des Stoffes entscheidend für den Erfolg Zu sein. Sie verzichten darauf, die organische Chemie als eine Sammlung von unübersichtlichen Fakten darzustellen, sondern versuchen die wesentlichen Prinzipien, die Zusammenhänge und Deutungen auf der Basis der chemischen Bindung herauszuarbeiten. Die Fülle des Materials soll den Lernenden nicht erdrücken, wobei selbstverständlich bei der Besprechung theoretischer Probleme auf gewisse Vereinfachungen nicht verzichtet werden kann. — Teil I befaßt sich unter anderem mit dem Periodensystem, der chemischen Bindung, Hybridisierung, Mesomerie, den zwischenmolekularen Kräften und den einfachsten Grundzügen des Reaktionsmechanismus, exemplifiziert an einer nucleophilen Substitution. Es folgt in einem weiteren Teil eine Auswahl zur Systematik, eingeteilt nach funktionellen Gruppen. Weitere Teile sind der Chemie der Polymeren, Lösungsmittel, Weichmacher, grenzflächenaktiven Stoffen und der Biochemie vorbehalten. Ein Schlußteil befaßt sich mit klassischen und modernen Methoden, wobei chromatographische und spektrographische Methoden, Bestimmung des Dipolmoments, Röntgenstrukturanalyse und die Verwendung von Isotopen Erwähnung
finden.
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Chemische Rundschau
Klages
Einführung in die organische Chemie Von Dr.
F R I E D R I C H KLAGES,
Professor der Organischen Chemie an der
Universität München. 2., durchgesehene und überarbeitete Auflage. Groß-Oktav. Mit 50 Abbildungen, 25 Tabellen, 4 Formeltafeln und 17 Raumbildern. XVI, 572 Seiten. 1965. Plastikeinband DM 32,—
E s ist die Schaffenskraft des Autors zu bewundern, weichet nach dem bekannten dreibändigen Standardwerk Lehrbuch der organischen Chemie eine Einführung geschrieben hat. Es handelt sich jedoch um keinen „Auszug" aus dem großen Werk, sondern um ein eigenständiges Lehrbuch, das allerdings in groben Umrissen das erstere nachzeichnet. So entstand eine hervorragende Darstellung des Gesamtgebiets einschließlich der theoretischen Voraussetzungen. Nach der Erörterung der allgemeinen Grundlagen werden die wichtigsten Verbindungsklassen abgehandelt, sodann die erwähnten theoretischen Kapitel, weiter die organischen Mineralien, die Farbstoffe, Kohlenhydrate, Fette, die stickstofffreien Naturstoffe und schließlich die Hormone, Vitamine und Antibiotika. Markante Leitlinien am Rande kennzeichnen die wichtigsten Lehrsätze und Erkenntnisse — eine anscheinend kleine „Beigabe", die wir aber für sehr wesentlich halten: hat doch gerade der Anfänger immer wieder große Schwierigkeiten, den Kern der Sache zu erfassen! Auf der gleichen Linie liegt die Beigabe eines Heftes mit 17 Raumbildern: man muß die außerordentlich plastisch wirkenden Bilder gesehen haben, um die Nützlichkeit der stereoskopischen Darstellungsweise bei Behandlung raumchemischer Fragestellungen (Optische Isomerie usw.) voll würdigen zu können. E s kommt selten vor, daß man als Rezensent ein Buch ohne Einschränkung empfehlen kann; hier aber trifft dies zu: ein Student, der das Studium der Organischen Chemie auf die Bücher von Klages aufbaut, erscheint sehr gut beraten. Wissenschaftlicher Literaturanzeiger
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Klages
Lehrbuch der organischen Chemie Von Dr.
FRIEDRICH KLAGES,
Professor der Organischen Chemie an der
Universität München. Drei Bände. Groß-Oktav. Ganzleinen DM 290—
Bandi:
Systematische organische Chemie 2., durchgesehene und verbesserte Auflage. 1. Hälfte: Kohlenwasserstoffe, Halogenverbindungen,
Sauerstoffverbindungen. Mit
12 Abbildungen und 25 Tabellen. XVI, 559 Seiten. 1959. D M 68,—; einzeln bezogen D M 72,— 2. Hälfte: Stickstoff- und andere Nichtmetallverbindungen, metallorganische Verbindungen, cyclische Verbindungen u. a. Mit 8 Abbildungen und 17 Tabellen. XV, 521 Seiten. 1959. D M 62,—; einzeln bezogen DM 66,—
Bandii:
Theoretische und allgemeine organische Chemie 3., völlig neu bearbeitete Auflage. Mit 145 Abbildungen und 40 Tabellen. X X , 639 Seiten. 1962. D M 52,—; einzeln bezogen D M 56,—
Band I i i :
Sondergebiete 2., völlig neu bearbeitete Auflage. Mit 40 Abbildungen und 24 Tabellen. X X , 787 Seiten. 1967. D M 108,—; einzeln bezogen D M 114,—
Das dreibändige Werk von Klages hat längst seinen Platz in der Lehrbuchliteratur zur organischen Chemie gefunden. Es empfiehlt sich gleichermaßen für den fortgeschrittenen Studenten wie für den Praktiker in Industrie und Forschung.
Chemische Rundschau
Der Klages ist das repräsentativste Lehrbuch unserer Zeit, die beste Grundlage für gründliches Studium und als Standard- und Nachschlagewerk sehr zu empfehlen.
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Deutsche Farben-Zeitschrift
Gattermann—Wieland
Die Praxis des organischen Chemikers Fortgeführt von H. Dr.
WIELAND.
THEODOR WIELAND,
41., durchgesehene Auflage von Professor
Frankfurt a.
M.
Groß-Oktav. Mit 58 Abbildungen. XV, 411 Seiten. 1962. Ganzleinen DM 26,—
Wenn diese Auflage so schnell der vorangegangenen folgt, so spricht das in hohem Maße für den „Gattermann", der aus dem chemischen Hochschullaboratorium nicht mehr hinwegzudenken ist. Das auf die Praxis zugeschnittene Laboratoriumsbuch ist durch das von R. Huisgens in einem besonderen Kapitel : „Einführung in die Elektronentheorie der organischen Verbindungen und in die MesomerieLehre" bedeutungsvoll ergänzt worden und kann nur begrüßt werden, weil es für Studenten im organischen Praktikum unentbehrlich ist.
Archiv für Berufsbildung
Zwei Dinge sind es vor allem, welche den „Gattermann" von jeher so auszeichnen: die vorzügliche Auswahl der Präparate mit ihrer klaren, auch dem Anfänger sofort verständlichen Beschreibung, und die Verbindung von Praxis und Theorie durch das Kleingedruckte, eine wahre Fundgrube für all das, was der organisch-arbeitende Chemiker an Grundlagenwissen braucht und womit er sich dann an Hand von Lehrbüchern näher beschäftigen soll.
Chemie für Labor und Betrieb
Die große Zahl der Versuchsangaben aus dem Gebiet der organischen Chemie mit den eingehenden Erklärungen macht das Buch unentbehrlich für den Chemielehrer bei der Vorführung organischer Versuche oder bei dem Arbeiten in den Arbeitsgemeinschaften. Chemie und Photographie
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Neunhoeffer
Analytische Trennung und Identifizierung organischer Substanzen Für den Gebrauch in Unterrichts- und Forschungslaboratorien Von Professor Dr.
OTTO
NEUNHOEFFER,
Berlin, unter Mitarbeit von
D r . HEINZ WOGGON u n d D r . GÜNTER LEHMANN.
2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Groß-Oktav. Mit 4 Abbildungen. 154 Seiten. 1965. Plastikeinband DM 18,—
Der Inhalt gliedert sich in vier Hauptabschnitte, deren erster die allgemeinen Zusammenhänge und Methoden beschreibt. Das zweite Kapitel enthält die wesentlichen Gesichtspunkte einer Trennung, das dritte beschreibt die Identifizierungsreaktionen für die isolierten Substanzen, und Abschnitt vier bildet eine brauchbare Tabellensammlung. Die Beschreibung der einzelnen Versuche ist knapp und setzt eine gewisse experimentelle Fähigkeit voraus. Für den Studierenden gedacht, findet aber auch der Praktiker manch guten Ratschlag. Der Chemotechniker
Das Werk ist zwar absichtlich kurz gefaßt, aber hinreichend umfassend und „informations-intensiv", so daß es dem Studierenden (und durchaus auch dem „ausgelernten" Chemiker) all das vermitteln kann, was er sich für die erfolgreiche Durchführung organischer Analysen an Wissen und Praxis aneignen muß. Es läßt sich nach seinen Anleitungen sehr gut arbeiten, weshalb es sich als „das Praktikumsbuch" für das erfaßte Gebiet in den Unterrichtslaboratorien durchsetzen wird. Kolloid-Zeitschrift
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Holleman—Schuler
Einfache Versuche auf dem Gebiete der Organischen Chemie Eine Anleitung für Studierende, Lehrer an höheren Schulen und Seminaren sowie zum Selbstunterricht Von Professor A. F. 9.,
HOLLEMAN.
durchgesehene und erweiterte Auflage von
LEONHARD
SCHULER.
Oktav. Mit 8 Abbildungen. XX, 174 Seiten. 1965. Kartoniert DM 16—
Wenn ein Buch lange Zeit hindurch inmitten der ständig wachsenden Flut von ähnlichen Werken sich halten kann, so muß es einem wirklichen Bedürfnis entsprechen. Das ist beim Holleman-Schuler in jeder Hinsicht der Fall. Wer sich in die organische Chemie einarbeiten möchte, ohne den großen Gang des klassischen Gattermann-Wieland durchzumachen, kann keine bessere Anleitung finden, als dieses kleine Werk. Eine Unzahl von Erfahrungen ist darin zusammengetragen.. . Chemie für Labor und Betrieb
Bereits Liebig erkannte, daß durch das Experiment theoretische Kenntnisse veranschaulicht und vertieft werden. Dieses Ziel verfolgt auch das jetzt in 9. Auflage vorliegende Laboratoriumsbuch. Der Verfasser bringt für die wichtigsten organischen Verbindungen eine Auswahl von Versuchen, die mit geringem apparativen Aufwand durchgeführt und somit auch in Vorlesungen oder im Unterricht gut demonstriert werden können. Das vorliegende Buch ist vor allem Chemielehrern an höheren Schulen und Studenten mit chemischem Praktikum zu empfehlen, da durch Ausführung einfacher Versuche wertvolle Erfahrungen über das organisch-chemische Reaktionsverhalten gesammelt werden können. Pharmazeutische Zentralhalle
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Biltz-Klemm-Fischer
Experimentelle Einführung in die anorganische Chemie Neu herausgegeben von
W . KLEMM
und
W . FISCHER.
57.-62. Auflage. Oktav. Mit 26 Abbildungen und 1 Tafel. XII, 214 Seiten. 1966. Laminiert DM 18,— Es liegt ein Werk vor, zu dem man den Verfassern nur den herzlichsten Glückwunsch aussprechen kann. Wer sich ihm anvertraut, ist bestens beraten. Mit Meisterhand wird der Studierende mit den chemischen Eigenschaften der Elemente durch systematische und vergleichende Versuche vertraut gemacht, so daß er zwangsläufig auf analytische Trennungsmöglichkeiten stoßen muß und die Zusammenhänge als so selbstverständlich in sich aufnimmt, daß die spätere Analyse zum Vergnügen wird.
Farbe und Lack
Mattenheimer
Mikromethoden für das klinisch-chemische und biochemische Laboratorium V o n D r . m e d . H E R M A N N MATTENHEIMER.
2., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Oktav. Mit 35 Abbildungen. XVI, 223 Seiten. 1966. Plastikeinband DM 30,— Dem Verfasser kann man nur seinen Glückwunsch aussprechen zu dieser ausgezeichneten Einführung und Anleitung in das Gebiet der Mikrolitermethode. Zweifellos wird diese Methode immer weitere Verbreitung finden und damit der „Mattenheimer" zum Standardwerk der Mikrolitermethode werden. Chemiker Zeitung
Das Buch vermittelt moderne klinische Chemie und Biochemie in ihrer praktischen Anwendung. Es sollte den Mitarbeitern in klinischen Laboratorien als mustergültige Vorschriftensammlung dienen. Pharmazeutische Zentralhalle
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Cremer—Pähl
Kinetik der Gasreaktionen V o n P r o f e s s o r D r . E . CREMER, V o r s t a n d des Institutes
der Universität Innsbruck,
Forschungsstelle
für
Spektroskopie
Physikalisch-Chemischen
und Professor Dr. in
der
MAX
PÄHL,
Max-Planck-Gesellschaft,
Göttingen. G r o ß - O k t a v . Mit 48 A b b i l d u n g e n u n d 17 Tabellen. X V I , 129 Seiten. 1961. Plastikeinband D M 2 8 , — Als eine Einführung in die Behandlung reaktionskinetischer Probleme, eine praktische und theoretische Anweisung für die Durchführung kinetischer Analysen, wird das Buch sowohl dem Chemiker und Verfahrenstechniker wie auch dem Studenten eine wertvolle Hilfe sein. Zeitschrift für physikalische Chemie
Patat—Kirchner
Praktikum der Technischen Chemie V o n P r o f e s s o r D r . F R A N Z PATAT u n d D r . K U R T K I R C H N E R . 2., neubearbeitete u n d erweiterte A u f l a g e . X X , 254 Seiten. Mit 38 A u f g a b e n , 8 Tabellen u n d 7 4 A b b i l d u n g e n . 1968. Plastik flexibel D M
30,—
Bei der Neubearbeitung des Buches wurden vor allem die in den letzten Jahren gewonnenen Erfahrungen berücksichtigt. Der reaktionstechnische Teil erfuhr wesentliche Ergänzungen. Neu sind ein Kapitel über die Optimierung chemischer Reaktoren und zwei Beispiele zur Mikrokinetik. Ergänzt wurde auch ein Beispiel über das Fördern von Flüssigkeiten. Zur ersten Auflage: Ein Praktikumsbuch fehlte bislang auf dem Grenzgebiet des Verfahrensingenieurs und des Technischen Chemikers. Es liegt nun in trefflicher Form vor, die für Aufbau und Durchführung solcher Übungen richtungsweisend ist. Dem Buch ist jeder Erfolg von beiden Fakultäten zu wünschen. Zeitschrift für Lebensmitteluntersuchung
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Grassmann
Einführung in die thermische Verfahrenstechnik Von Professor Dr.
PETER GRASSMANN,
Direktor des Instituts für Kalorische
Apparate, Kältetechnik und Verfahrenstechnik der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Unter Mitarbeit von Dipl. Masch.-Ing. HANS
H.
SCHICHT,
ERICH WEDER
Dr. sc. techn.
und Dr. techn.
G E R H A R D SCHÜTZ,
Dipl. Masch.-Ing.
FRITZ W I D M E R .
Groß-Oktav. XII, 336 Seiten mit 235 Abbildungen und 3 Tabellen. 1967. Plastikeinband DM 68,—
Das unter der verantwortlichen Leitung von P. Grassmann von seinen vier Mitarbeitern an der Ε Τ Η geschriebene Buch behandelt nach einer allgemeinen Einführung in die Grundlagen der Verfahrenstechnik in gedrängter und übersichtlicher Form die wichtigsten thermischen Grundoperationen der Verfahrenstechnik. Ein allgemein gehaltenes Kapitel geht auf die gemeinsamen Grundlagen der Trennungsprozesse ein, wodurch das Verständnis der einzelnen Kapitel über die Grundoperationen sehr gefördert wird. Besondere Beachtung verdienen die letzten vier Kapitel über chemische Reaktionstechnik, ein Gebiet, über das im deutschen Sprachgebiet bis jetzt nur sehr wenig zusammenfassende Literatur zu finden war. In allen Kapiteln wird besonderer Wert auf die Bilanzierung von Materialund Energieflüssen gelegt, was besonders auch für die Praxis von sehr hohem Wert ist. — Das Buch zeichnet sich ganz allgemein durch eine äußerste Raffung des Stoffes aus, wobei man sich auf das unbedingt Notwendige beschränkt. Auf lange Ableitungen wird verzichtet, hingegen finden sich sehr wertvolle Literaturhinweise, wo das Detail — wenn nötig — studiert werden kann. Wertvoll sind die vielen sehr klar gehaltenen Abbildungen und illustrierenden Photographien. Druck und Ausstattung des Buches entsprechen dem hohen Niveau des Inhaltes. Der „neue Grassmann" wird sicher bei Studenten des Maschinenbaus und der Chemie auf ein sehr reges Interesse stoßen, kann aber auch dem Ingenieur und Chemiker der Praxis als einführendes Werk in das Gebiet der thermischen Verfahrenstechnik bestens empfohlen werden.
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Chemische Rundschau
Arbeitsmethoden der modernen Naturwissenschaften Herausgegeben von Professor Dr.
K U R T FISCHBECK,
Heidelberg
Pataki
Dünnschichtchromatographie
in der Aminosäure- und Peptid-Chemie von Dr. GYÖRGY PATAKI, Basel. Oktav. Mit 128 Abbildungen, 52 Tabellen, 1 Ausschlagtafel, 463 Literaturangaben. X X , 250 Seiten. 1966. Plastikeinband DM 38 —
Der Verfasser beschreibt die Dünnschichtchromatographie besonders im Hinblick auf physiologischchemische Analysen der Aminosäuren, Proteine und Peptide. — Das Buch sollte in jedem klinischen Laboratorium vorhanden sein. Zeitschrift für analytische Chemie
Maurer
Disk-Elektrophorese Theorie und Praxis der diskontinuierlichen Polyacrylamidgel-Elektrophorese von Dr. H . RAINER MAURER, H e i d e l b e r g . M i t e i n e m G e l e i t w o r t v o n P r o f . D r . ERICH HECKER.
Oktav. Etwa 220 Seiten. Mit 85 Abbildungen, 15 Tabellen und 578 Literaturzitaten. 1968. Plastikeinband DM 38,— Die Monographie faßt — soweit wie möglich — die Fülle der über die Disk-Elektrophorese verbreiteten Kenntnisse und Ergebnisse zusammen. Das Buch soll in erster Linie ein Leitfaden für die Laboratoriumspraxis sein, um dem Benützer zeitraubendes Literaturstudium und technische Fehler möglichst zu ersparen.
Dorfner
Ionenaustauscher Eigenschaften und Anwendungen von Dr. phil. KONRAD DORFNER, Ludwigshafen. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Oktav. Mit 63 Abbildungen. VIII, 211 Seiten. 1964. Plastikeinband DM 28,— Das in zweiter Auflage erschienene Buch stellt eine sehr klare und kurzgefaßte Einführung und Übersicht über die Ionenaustauschverfahren dar, die jedem Studierenden, der sich für diesen Fragenkreis interessiert, und jedem, der sich praktisch in dieses Gebiet einarbeiten oder auch nur gelegentlich diese Verfahren anwenden möchte, wärmstens empfohlen werden kann. Kerntechnik
Wenzel-Schulze
Tritium-Markierung
Darstellung, Messung und Anwendung nach Wilzbach 3H-markierter Verbindungen von Dr. MARTIN WENZEL, Physiologisch-Chemisches Institut der Freien Universität Berlin und P. EBERHARD SCHULZE, Hauptlaboratorium der Schering A G , Isotopenabteilung, Berlin. Oktav. Mit 62 Abbildungen und 42 Tabellen. XII, 176 Seiten. 1962. Plastikeinband DM 26,—
Das Buch ist übersichtlich, gut geschrieben, bringt eine Menge von Anregungen und enthält die wichtigsten Literaturangaben. Es ist auch preiswert und kann für die an der Anwendung von Tritium interessierten Naturwissenschaftler und Mediziner zur Einführung und als Laboratoriumsbuch bestens empfohlen werden. Chemische Apparatur
Walter de Gruyter & Co · Berlin 30
Arbeitsmethoden der modernen Naturwissenschaften Herausgegeben von Professor Dr.
K U R T FISCHBECK,
Heidelberg
Freier
Wasseranalyse
Physiko-chemische Untersuchungsverfahren wichtiger Inhaltsstoffe
von R O L F K . FREIER, Dipl.-Chem. Dipl.-Ing., Castrop-Rauxel. Oktav. Mit dungen. 128 Seiten. 1964. Plastikeinband DM 24,—
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Abbil-
Mit dieser Veröffentlichung eines erfahrenen und anerkannten Wasseranalytikers steht ein Beitrag zur rationellen analytischen Arbeitsmethode zur Verfügung, die den neuesten Erkenntnissen auf diesem Gebiet entspricht. Chemische Rundschau
A. Köster-Pflugmacher
Qualitative Schnellanalyse der Kationen und Anionen nach G. Chariot Herausgegeben von Dr. A. KÖSTER-PFLUGMACHER, Prof. im Institut für Anorganische Chemie und Elektrochemie Aachen. 4., überarbeitete Auflage. Oktav. XVI, 112 Seiten. Mit 10 Abb. 1965. Laminiert DM 10,80 Das Buch ist eine Anweisung für den gelernten Analytiker und praktischen Chemiker, auf schnellstem Wege sich über die Zusammensetzung anorganischer Stoffgemische zu orientieren. NTB Neue Techn. Bücher
Küster-Thiel-Fischbeck
Logarithmische Rechentafeln
für Chemiker, Pharmazeuten, Mediziner und Physiker Begr. von F . W. KÜSTER, fortgeführt von A. T H I E L , neubearbeitet von K . FISCHBECK, o. Prof. für Angewandte Physikalische Chemie an der Universität Heidelberg. 94.—99., verbesserte und vermehrte Auflage. Oktav. XVI, 302 Seiten. 1965. Plastikeinband DM 16,80 Es erübrigt sich, den theoretischen und praktischen Nutzen der Rechentafeln besonders zu würdigen. Auf Grund seiner Vielseitigkeit und Exaktheit und der verständlich und klar dargebrachten Erläuterungen ist das Buch auch bei technischem Personal sehr beliebt und zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel in jedem naturwissenschaftlichen Laboratorium geworden. Atompraxis
Asmus
Einführung in die höhere Mathematik und ihre Anwendungen
Ein Hilfsbuch für Chemiker, Physiker und andere Naturwissenschaftler von Dr. phil. habil. ERIK ASMUS, Dipl.-Ingenieur, Prof. an der Technischen Universität Berlin. 4., verbesserte Auflage. Oktav. Mit 184 Abbildungen. XII, 410 Seiten. 1963. Plastikeinband DM 24,— In bezug auf die mathematischen Anforderungen in der Chemie bietet das Buch in der Tat alles, was an Differential- und Integralrechnung in der klassischen Chemie heute benötigt wird. Dadurch gewinnt dieses Buch ganz besonders an Wert. Jedem, der dieses Buch durcharbeitet, dürfte es nicht schwer fallen, sich in die mathematischen Probleme einzuarbeiten. Chemie-Neuerscheinungen
Walter de Gruyter & Co · Berlin 30
Sammlung Göschen Jeder Band DM 3,60 / Doppelband DM 5,80 / Dreifachband DM 7,80 Geschichte der Chemie in kurzgefaßter Darstellung. Von G. LOCKEMANN. 2 Bde. 2. Aufl. I: Vom Altertum bis zur Entdeckung des Sauerstoffs. 142 S., 4 Bildn. In Vorb. — II: Von der Entdeckung des Sauerstoffs bis zur Gegenwart. 151 S., 16 Bildn. In Vorb. (Bd. 264, 265/265 a) Anorganische Chemie. Von W. KLEMM. 14. Aufl. 255 S., 34 Abb. 1967. (Bd. 37/37 a) Organische Chemie. Von W. SCHLENK jun. 10., erw. Aufl. 273 S., 16 Abb. 1965. (Bd. 38/38 a) Physikalische Methoden in der Organischen Chemie. Von G. KRESZE. 2 Bde. I: 119 S., 65 Abb. 1962. II: 167 S. 1962 (Bde. 44, 45/45a) Allgemeine und physikalische Chemie. Von W. SCHULZE. 2 Bde. 6., verb. Aufl. I: 139 S., 10 Fig. 1964. — II: 178 S., 37 Fig. 1968. (Bd. 71, 698/698a) Molekülbau. Theoretische Grundlagen und Methoden der Strukturermittlung. Von W. SCHULZE. 123 S., 43 F i g . 1958. (Bd. 786)
Einfache Versuche zur allgemeinen und physikalischen Chemie. Von E. DEHN. 371 Versuche m. 40 Abb. 272 S. 1962. (Bd. 1201/1201 a) Physikalisch-chemische Rechenaufgaben. Von E. ASMUS. 4., verb. Aufl. 96 S. 1967. (Bd. 445) Maßanalyse. Theorie und Praxis der klassischen und der elektrochemischen Titrierverfahren. Von G. JANDER und K. F. JAHR. 11., durchges. Aufl., mitbearb. von H. KNOLL. 359 S., 56 Fig. 1966. (Bd. 221/221 a)
Qualitative Analyse. Von H. HOFMANN U. G. JANDER. 3., durchges. u. verb. Aufl. 308 S., 5 Abb. 1967. (Bd. 247/247 a) Stöchiometrische Aufgabensammlung. Von W. BAHRDT F u. R. SCHEER. Mit den
Ergebnissen. 9., durchges. Aufl. 119 S. 1967. (Bd. 452/452a)
Geochemie. Von Κ. H. WEDEPOHL. 221 S., 26 Abb., 37 Tab. 1967. (Bd. 1224/1224a/ 1224b) Kristallchemie. Von J. ZEMANN. 144 S., 90 Abb. 1966. (Bd. 1220/1220a) Die Chemie der Kunststoffe. Von K. HAMANN, unt. Mitarb. von W. FUNKE U. K. NOLLEN. 2., neu Überarb. Aufl. 177 S. 1967. (Bd. 1173/1173a) Die Fette und Öle. Von TH. KLUG. 6., verb. Aufl. 143 S. 1961. (Bd. 335) Thermische Verfahrenstechnik. Von H. BOCK. 3 Bde. I: Eigenschaften und Verhalten der realen Stoffe. 184 S., 28 Abb. 1963. — II: Funktion und Berechnung der elementaren Geräte. 195 S., 54 Abb. 1964. — III: Fließbilder, ihre Funktion und ihr Zusammenbau aus Geräten. 224 S., 67 Abb. 1965. (Bd. 1209/1209a, 1210/1210a, 1211/1211 a)
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