Lehrbuch der christlichen Sittenlehre und der Geschichte derselben 9783111519555, 9783111151533


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German Pages 280 Year 1833

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt.
Einleitung
Erster theil. Allgemeine Sittenlehre, oder von den Zwecken und Gesetzen des menschliche Lebens überhaupt
Zweiter theil. Allgemeine Geschichte der christlichen Sittenlehre
Dritter theil. Besondere Sittenlehre
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Lehrbuch der christlichen Sittenlehre und der Geschichte derselben
 9783111519555, 9783111151533

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Lehrbuch der

christlichen Sittenlehre und

der Geschichte derselben, von Dr. W. M. U de Wette.

Berlin, 6. R e i m e r . 1 8 3 3.

V o r w o r t .

U m einem Bedürfnisse meiner Zuhörer, von denen gewöhnlich die wenigsten sich meine C h r i s t l i c h e S i t t e n l e h r e , 3 Thie. Berlin 1819 — 1823. anschaffen können, und um auch andern Studirenden ein kürzeres und wohlfeileres Buch in die Hände zu geben, aus welchem sie meine sittlichen Grundsätze und Ansichten keimen lernen können, unternahm ich die Abfassung dieses Lehrbuchs, zwar in der Hauptsache eines Auszugs aus dem grössern Werke, bei dem es aber natürlich nicht an Aenderungen (die ich für Verbesserungen halte) und Zusätzen fehlen konnte. Die bedeutendsten haben im e r s t e n Theile Statt gefunden, in der Lehre von den Trieben §. 10 — 12., welche bündiger dargestellt und wozu ein neuer §. 12.b. hinzugekommen ist; in der Lehre von der Klugheit §. 23. f. und von der Zurechnung §. 26 — 28. Die Geschichte der Sittenlehre konnte ich nach meiner Ansicht nicht weglassen; theils weil die der alttestamentlichen auf die neutestamentliche Licht wirft, theils weil die der kirclilichen den Unterschied der protestantischen und katholischen begründet und den Standpunkt für die beson-

IT dere Sittenlehre gibt. Ich wollte sie anfangs mir ganz übersichtlich liefern, fand aber, dass damit nicht Tiel gewonnen seyn würde: und so entschloss ich mich, nicht nur ausführlicher zu seyn, sondern auch Quellenauszüge zu geben. Man entschuldige, dass sich Iiie und da einige Lücken linden, und manche Werke nicht aus eigener Ansicht angefahrt sind, aus Mangel an HüHsmitteln, von denen ich ohnehin mehrere in der Entfernung suchen musste. Ich wünsche, dass diese Arbeit dazu beitragen möge, das Studium der christlichen Sittenlehre, das gegenwärtig etwas in Abnahme gekommen ist, wieder zu beleben. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass nichts so sehr, als die Einsicht in das Wesen und die Bedingungen der christlichen Sittliclikeit, den gelehrten Theologen befähigt, den Geist der Bibel richtig zu fassen und die Glaubenslehre in rechtem Sinne zu behandeln, und dass auch nichts so sehr die fruchtbare , praktische Behandlung der Bibel tuul der Glaubenslehre befördert. B a s e l , im Junius 1833. Der

Verfasser.

I

n

h

a

l

t

.

E i n l e i t u n g . f. Vom Unterschiede and Verhältnisse der Glauben«- nnd Sittenlehre. §. 1. f. II. Vom Unterschiede nnd Verhältnisse der philosophischen nnd christlichen Sittenlehre. § . 3 — 5. _ III. Behandlungsplan der christlichen Sittenlehre. §. 6 — 8 . .

E

von

den

r s t e Allgemeine

Zwecken

r

und Lebens

S.

1

— —

2 4

T h e i l . Sittenlehre, oder Gesetzen des überhaupt.

E r s t e s

menschliche*

C a p i t e l .

Anthropologie, VOM der Anlage

oder und BildungTF ihigkrit

des Mensche» tstr

I. Die Triebe. § . 9 — 14 II. Der Wille. § . 1 5 . III. Verstand und Weisheit. §. 16 — 19 IV. Verstand und Klugheit §. 20 —24. V. Gewissen und Zurechnung. §. 2 5 — 39 VI. Das Bedürfnis« der Erlösung. § . 4 0 .

Z w e i t e s Die christliche

Sitthchieit. — — — — — —

6 10 11 13 16 25

C a p i t e l . Offenbarimg,

oder dit Erlösung durch

Christum.

§. «



I. Christus der göttliche Verstand. §. 4 2 — 4 T . II. Christus der Heilige. §. 48 — 50. . . III. Christus der Versöhner. §. 51. £

Drittes Die christliche I. Der Glaube an Christum. §.53. II. Der heilige Geist. §. 54 — 57. Hl. Die Gemeinde. §. 58 — 60.

.

.

— 27 — 2!» — 31

Capitel. Gemeinschaft. — 33 — 33 — 35

VI

Viertes Capitel. Die christliche

Sittemgetetxgelnmg.

I. Die christliche Weisheit. § . 6 1 — 66. S. 37 It. Die christliche Klugheit. § . 6 7 — 69 — 42 I i i . Die Gesetze des Reiches Gottes, oder die allgemeine Pflichtenlehre. § . 7 0 — 75 — 44 IV. Zurechnung und Vergeltung. § . 7 6 — 80 — 18 Z w e i t e r Allgemeine > orberaerkung.

Geschichte

T h e i l .

der christlichen

Sittenlehre.

§.81

— 52

E r s t e

A b t h e i l u n g .

Erstes Capitel. Sittenlehre des Hebraismvs. I.Vorgeschichte. § . 8 2 — 8 5 II. Mose und dessen Stiftung. §. 86. f. III. Die Propheten. §.88 IV. Die Weisheit und Sittengesetzgebung. §. 8 9 — 92. . V. Die Zurechnungs- und Vergeltungslehre. § . 9 3 — ! ) 6 .

. .

—53 — 55 — 56 — 57 — 59

Z w e i t e s C a p i t e l . Sittenlehre des Judenthums. I. Entstehung und Fortbildung des Judenthums. § 97 — 99. . — 61 IL Sittenlehre Jesus Sirachs und des B. d. Weish. §. 100 — 104. — 6 3 III. Sittenlehre Philo's. §. 105 —108 a —66 IV. Lehre der jüdischen Sekten. §. 108 b — 73 V. Ergebnisse lür die Entstehung und Ausbreitung des Christenthums. §. 109 — 74 Z i v c i t e Geschichte

der

A b t h e i l u n g . christlichen

Sittenlehre.

Einleitung. §. 110

— 75

E r s t e r A b s c h n i t t . Hatholicismus. Erster Zeitraum. Von den Aposteln bis zu Constantin d. Gr. (J. 70 bis 312.) : die christliche Kirche im romischen Reiche verfolgt oder bloss geduldet. E r s t e s C a p i t e l . .Allgemeine Bildungsgeschichte der christlichen

Kirche.

I . Einfluss der Zeitbildung. §. 111 II. Entstehung der Hierarchie. §. 112 III. Die Kirchenlehre. §. 113. f. IV. Kirchenleben und Kirchenzucht. §. 115 — 118. . . V. V e r h ä l t n i s der Kirchc zum heidnischen S t a a t e und übrigen Leben. §. 119. f.

— 76 — 77 — 78 — 7!) —

83

VII Z w e i t e s Capitel. Kirchl&he Sittenlehre. I. Grundsätze und Quellen derselben. §.121—123. II. Weisheitslehre. §.124 —120. HL Von der Zurechnung and Busse. §. 127. £ .

Drittes

.

S. 86 — 90 — 90

.

Capitel«

Die Sittenlehre und das Kirchenleben der HürelHer. §.120—132

— 100

Zweiter

Zeitraum,

Von Constantin d. Gr. bis zu Gregor d. Gr. (J. 312 bis 590.) : das Christenthum Staatsreligion des römischen Reichs.

Erstes

Capitel.

Allgemeine BUdungsgeschichte der christKchen Kirche. I. Verhältnis der Kirche zum Staate. §. 133. II. Wachsthum der Hierarchie. §. 134. III. Die Kirchenlehre. §.133 1\. Kirchenleben u. Kirchenzucht. §. 136 —140.

Zweites

.

— 103 — IM 105 — 106

Capitel.

Kirchliehe Sittenlehre, mit Ausnahme des augustinischen Systems. I. Grundsätze u. Quellen derselben. §. 141. f. II. Weisheitslehre. §. 143. f. III. Von der Zurechnung und Busse. §. 145

Drittes

.

.

.

.

— 109 — 112 — 119

Capitel.

System des Augustinus. [. Grandsätze und Quellen. §. 146. f. II. Weisheitslehre. §. 148. f.

Z w e i t e r

— 121 — 126

A b s c h n i t t .

Papstthum.

Er »t e r

Zeitraum.

Von Gregor d. Gr. bis zu Gregor V H (J. 590 bis 1073.).

Erstes

Capitel.

Allgemeine BUdungigetchichte der christlichen Kirche. I. Veränderter Schauplatz der Kirchengeschichte. §. 150. II. Kirchenverfassung; Papstthum. §. 151 III. Kirchenleben und Kirchenzucht. §. 152. . . . . 1\. Kirchenlehre. §.153

Zweites

.

— — — —

130 131 131 132

Capitel.

Kirchliche Sittenlehre. I. Allgemeine Uebersicht; Grundsätze und Quellen. §. 151. f. II. Weisheitslehre. §. 156. f. III. Von der Zurechnung und Busse. §. 158. . . . .

— 133 — 13« — 140

VIII

D r i t t e a C a p i t e 1. Jlfg,ti,,clte T ~ tle• hntlo - Dinynu .Areopogilo.

s.

§ 159. t.

Zweiter

142

Zeitrau•.

\"on Gregor VIT. bill zur Reform.ition (J. 1()1'3. bis 1511.)

B r s t e s C a p i t e 1• .Allgnwi,w Biltl,,,,gage1claicltte Jw c'/arinliclani Kirc1ae.

[ Oas Papsttbum im höchsten Steigen und im Falle. §. 161. 11. Kirchenleben und Kircheuzucht. §. 162. f. . . III. Kir(,henlehre. §. 161.

-1-14 - US

-

U.1

-

US

-

töl 157

-

160

-

162 162

Z w e i te s Ca

p i t e J. Kircl,lic'/ae Stltmk'/are.

I. Allgemeine Uebersicht. §. 165 -168. • • . . . II. Die scholastische, kanonische und casu.istische Sittenlehre. §. 169- 111. . • 111. Die Mystik. §. 112. f. • . . . IV. Sittenlehre der Gegner der herrschenden Kirche und der Platoniker. §. 1n. f.

Dritter

A b s c h n i t t.

Prote1to 111

iu•••·

E ,. a t e r Z e i t r u u m. Zeitraum der Reformation. I e s C a p i I e 1• .Allgemeine B11J!PfK1gesc'/aiclate thr prolealnnli1cltrn x,·rclae

E r s

1. Geist der Reformation. §. 116. . . . U. Kirchenregiment und Kirchenleben. §. 117. III. Kirchenlehre. § 178.

-

16.1

Z,-veiles Capi&el. Sillertle1are der Reforalllorni.

1. J.utben und Melanchthona Sittenlehre. §. 119. IL Cahin11 Sittenlehre. §. 180. . . .

-1M -

ttl5

Zweiter Zeitrau,n. Die Zeit nach der Reformation bi,i gegen Ende des achtzehnten Jahrhudertaa.

E r a I e a C a p i t e 1• .AllgnMi11e BilJungage,c1aicltJe thr prote•I0111iacM11 Kirc1ae. I. Kirchenleben. §. 181. . II. Kirchenlehre. §. 182.

-

166 161

Zweites Capitel. 8itlnihlaN tlw 1"'Alr«w Kirc'lae.

[. Uebersicht. §. 183. f. .

- 168

IX II. Geist der lutherachen Sittenlehre. {. I8&. f. III. Casuistik der Intherschen Sittenlehre. §. 187.

Drittes

S. 170 — 173

Capitel.

Sittenlehre der reformirten und andern tlernen

Kirchen.

§. 188. f.

— 174

Viertes Buclbhcl

Capitel.

auf die lalhoüsche

Kirche.

§. 1 9 0 — 1 9 3 .

— 179

D r i t t e r

Z e i t r a u m .

Vom E n d e des achtzehnten Jahrhunderts bis auf unsre Zeit.

Erstes Allgemeine

Capitel.

BSdungsgeschichte

der protestantischen

Kirche.

§. 193.

— 185

Zweites

Capitel.

Die Sittenlehre der protestantischen

Kirche.

§. 194—190

— 187

Drittes Riiclblick

Capitel.

auf die lalholitche

Kirche.

§. 197. f.

— 183

D r i t t e r

T h e i 1.

Besondere

Sittenlehre.

Einleitung. §. 199

— 196

Erstes

Capitel.

Von der christlichen

Tugend.

I. Begriff und Wesen derselben. §. 200. a . b II. Die Hauptstücke der christlichen Tugend oder die Grandtugenden. §. 2 0 1 — 2 0 9

Zweites I. Behandlungsart derselben §. 210. II. Collision der Flüchten. §.211

Von der

— 198

Capitel.

Ueter die Pflichtenlehre

Drittes

— 197

.

überhaupt. ,

.

.

.

— 208 — 204

CapiteL Frömmigkeit.

I. Alt Gesinnung. 2 1 2 — 2 1 7 . . . . . . — 205 Die Frömmigkeit in der Betrachtung und kirchlichen Gemeinschaft. §. 218 — 223. . . . — 209

X

V i e r t e s

C a p i t e l .

Von der

Gerechtigleil.

I. Unterschied der R e c h t s - und Tngeodpflicht §. 224 —22«. I I . Die Pflichten der Gerechtigkeit 1. Gerechtigkeit ia engerer Bedeutung §. 227. f. 2. Wahrhaftigkeit §. 2 2 9 — 2 3 2 3. Treue. §. 233 4 . Vergeltung. §.234

F ü n f t e s

• — 213 215 217 221 222

C a p i t e l .

Von der Liebe und

Freundschaft.

I . Allgemeines Verhältniss. §. 235. II- Menschenliebe. §. 236 — 241 III. Freundschaft. §.242 IV. Geschlechts- und Familienliebe. §. 243 —258. V. Gemeingeist. §. 254—236

.

223 224 227 228 237

.

A n h a n g . Von dem Verhallen gegen die Thiere. §.257

240

S e c h s t e s

C a p i t e l .

Von der Ehre. §. 258 — 260

241

S i e b e n t e s Von der persönlichen

Capitel. Vollkommenheit.

§.861 2a I. Vollkommenheit im Verhältnisse zur N a t u r . 8.262—264. . 244 I I . Vollkommenheit im Verhältnisse zur Gesellschaft. §. 265—268. - — 247 I I I . Innere Vollkommenheit. §. 269 — 278 250

A c h t e s Vom

Capitel. Berufsleben.

I. Im Allgemeinen. §. 279 — 282. II. Im Besondern. §. 283 — 2 8 9

N e u n t e s

— 257 — 260

Capitel.

Von der sittlichen Erziehung und XJebung, oder die Grundxäge der-r chen Pädagogik und Asletii. I. Verhältniss und Werth dieser Lehren. §. 290 —292. I I . Grundsätze. §. 293 — 295 III. Mittel. § . 2 9 6 — 299

.

.

sittli-

— 2(4 — 2(ifl — 208

Einleitung. I.

Vom U n t e r s c h i e d e und V e r h ä l t n i s s e d e r G l a u b e n s - und S i t t e n l e h r e . §. 1 .

D en Begriff der Sittenlehre können wir vorläufig in B e ziehung auf die ihr verwandte Glaubenslehre bestimmen und ihr so ihre Stelle im theologischen Gebiete anweisen. Sie gehören beide dem geistigen Leben des Menschen a n , dessen Grundvermögen E r k e n n t n i s s , H e r z und T h a t k r a f t sind. Die E r k e n n t n i s s erhebt sich von der Sinnlichkeit und verständigen Ansicht im G l a u b e n und in der A h n u n g zur Erkenntniss des e w i g e n S e y n s der Dinge oder der e w i gen W a h r h e i t . Mit dem H e r z e n erfassen wir in gleicher Stufenfolge die W e r t h e der Dinge, die G ü t e r und Z w e c k e , zuerst die sinnlichen und weltlichen, sodann die ewigen. Der Glaube an die ewige Zweckmässigkeit verbindet sich dann mit dem Glauben an das ewige Seyn zum vollen f r o m m e n G l a u b e n , welcher gefühlsmässig- betrachtend ist. Mittelst der T h a t k r a f t verwirklichen wir die Zwecke im L e b e n , in den endlichen Verhältnissen, und das ist die Sphäre der Sittlichkeit und Sittenlehre, welche letztere dem menschlichen Handeln ihre Gesetze vorschreibt. Sie scheidet sich nun zwar von der Glaubenslehre, welcher sie die B e trachtung des Ewigen iiberlässt, theilt aber mit ihr die im Gefühle liegenden Principien des Zweckes, und fordert den Glauben als Quelle und Ergänzung des Handelns; j a , sie unterwirft ihn, so wie auch das Gebiet der Erkenntniss, sogar ihren Gesetzen, weil die Thatkraft auf das Bewusstseyn, das de Wette Lehrb. d. Sittenlehre.

1

2

Einleitung.

Nachdenken und die Bildung den mächtigsten Einfluss h a t , m dass sie als die B i l d u n g s l e h r e des Menschen angesehen werden kann,

§• 2. Im Evangelium scheidet sich die Idee des Reiches Gottes auf Erden von der des Reiches Gottes im Himmel, die A u f forderung zur Busse und Heiligung vou der zum Glauben, die Liebe 10m Glauben und der Hoilnung ( 1 Cor. 1 3 , 13.) ähnlich, wie die Sitten - und Glaubensichre: daher die getrennte Behandlung beider, die in wissenschaftliclier Hinsicht grosse Vortheile iur sich hat, gewiss nicht dem Geiste des Christenthums zuwider ist. Doch hat man sie vor C a l i x t und D a n e a u in Verbindung behandelt, und diess auch neuerlich wieder versucht"). a) Sjstem der christlichen Lehre >on C. / . NUzieh. Bonn, 1839. 2 Aull. 1831.

II. V o m U n t e r s c h i e d e und V e r h ä l t n i s s e d e r p h i l o s o p h i s c h e n und c h r i s t l i c h e n S i t tenlehre. §. 3. Das zuerst sich darbietende Merkmal der Verschiedenheit ist, dass die philosophische Sittenlehre aus der Vern u n f t , die christliche aus der Offenbarung, welche der Geschichte und Lebenserfahrung angehört, geschöpft wird. Allein die zweite soll doch mehr als geschichtlichen, empirisehen Stoff enthalten. Sie fordert zuerst eine vernünftige oder wissenschaftliche F o r m , sodann soll sie eine allgemein b e friedigende und beruhigende Wahrheit enthalten: mithin hat sie mit der ersten nicht nur eine verwandte F o r m , sondern auch einen verwandten Stoff. Die Offenbarung selbst ist nichts als die in die Erscheinung getretene, verwirklichte V e r nunft (nämlich im Gebiete des Glaubens und der Sittlichkeit) oder die vollkommen geloste Aufgabe des frommen Leben* (§. 41. ff.). Die philosophische Sittenlehre nun findet durch Nachdenken die Gesetze der sittlichen Natur und steigt s y n -

Einleitung.

3

t h e t i s c h a«f znm Urbilde des sitth'chen Lebens; die christliche schaut dieses verwirklicht in der Offenbarung, und hebt daraus a n a l y t i s c h die sittlichen Gesetze h e r a u s ' ) : jene geht vom einfachen natürlichen sittlichen Gefühle aus, diese von dem die ganze Fülle des sittlichen Lebens erfassenden christlichen Gefühle, das daher in ihrem Systeme vorherrscht und sie zu einer religiösen Sittenlehre macht: wozu noch a s k e t i s c h e E l e m e n t e kommen. a) Synthetisch ist auch unser Gang in der Anthropologie, die wir der christlichen Sittenlehre vorausschicken, and mit der wir hernach diese analytisch in Einklang bringen. Vgl. K. W. Vclier das Verhältnis« der philosophischen zur christlichen Sittenlehre. Berlin, 1830. (nach ScMeiermacher's System).

Ganz gleich ist freilich der Gehalt beider Sittenlehren nicht. Die philosophische, wenn sie rein wissenschaftlich bleibt, vermag eigentlich bloss die Aufgaben des sittlichen Lebens oder dessen Musterbilder in allgemeinen Umrissen aufzustellen ; die christliche hingegen stellt die in der Offenbarung wirklich schon gelosten Aufgaben in bestimmten Musterbildern oder Vorschriften, oder die bestehenden christlichen Sitten rieht nur in empirisch - geschichtlicher (positiver) Form, sondern auch in eigentümlichem Stoffe auf: sie enthält also mehr, als jene; und zwar liegt ihr Eigentümliches in derselben Sphäre, in welcher die rein christlichen Lehrsätze der christlichen Glaubenslehre liegen, im Gebiete der Ahnung, wo sich Idee und Wirklichkeit durchdringen. Dahin gehören die christlichen Ideale der Liebe und Gemeinschaft, der Vollkommenheit, der Frömmigkeit und deren Anregungsmittel.

§• 5. Den eigentümlichen kann

Gehalt der christlichen Sittenlehre

man nach Analogie der politischen Gesetzgebung p o s i t i v nennen, und ihr p o s i t i v e Gesetze, im Gegensatze der n a t ü r l i c h e n , beilegen; jidocli ist es bedenklich, solche w i l l k ü r l i c h zu nennen und aus der gottlichen Willkür I *

Einleitung.

4

abzuleiten"). Die christlichen Sittengesetze sind: 1. a l l g e m e i n e p o s i t i v e G e s e t z e , dem Inhalte nach mit den natürlichen eins und nur durch die Art der Bekanntmachang verschieden; 2. b e s o n d e r e p o s i t i v e G e s e t z e , deren Inhalt -wenigstens in seiner Bestimmtheit eigentümlich und theils sittlich, theils religiös - asketisch ist 1 '). a) Ernesli Mndiuae arbitrn d i u n i in religione constituenda. Opnsc. theol p 171. sqq Morus Vorless ülier die theol. Moral. I. 195. Dagegen TbXlner disquiMt utrum Ueus ex moro arbitrio potestatem suara legislatoiiaoi exerceat, au >ero ita, ut ratio humana etiam legum divinarum perIpclionem perspiciat Lugd. B a t , 1770. — de potestate Del legislatoria non mere arbitraria Frcf. ad V., 1775. Velt/iuscn de legg. di\inis haud qiiaqunm »rlutrarus. Gott., 1773 und in den Commentatt. theolog. III. 185 ,>qq 318 sqq. b) Cotta ad I. Gerhard,

loc. theol. V 388.

III. B e h a n d l u n g s p l a n gl. §• 23 ) An den Vermittelungen und Hiilfsmilteln der Klugheit soll nun jeder Einzelne seinen Antheil haben, einen Tlieil der Berufsarbeit übernehmen und die durch Erbschaft oder Tausch oder Gemeinschaft ihm zur Benutzung gestellten Mittel ihalig und gewandt benutzen. Zur Klugheit des Einzelnen gehört

16

Allgemeine Sittenlehre.

besonders anch die Vorsicht, da« kluge Verhalten in Zeit nnd Umständen (Matth. 10, 16. Ephes. 5, 15. f. Rum. 12, 11. Gal. 6 , 10.), und darauf beschränkt man gewöhnlich die Klugheit, wiewohl dieses nur ein Zweig von ihr ist. Eine höhere Art Ton Klugheit bestellt darin, dass man nicht nur bei weltlichen Unternehmungen, sondern auch bei sittlichen Aufgaben die zu Gebote stehenden Mittel und Kräfte sorgfältig abmisst (Luk. 14, 28 — 32.), und nütliigenfails einen sittb'chen Zweck, der nicht schlechthin nothw endig ist, dem andern aufopfert, wie der Apostel Paulus eine solche sittliche Klugheit in Ansehung der Ehe lehrt (1 Cor. 7. vgl. §. 67.). §. 24. Da die Mittel nur für die Zweckc des Lebens Bedeutung haben, so sollen sie nicht nur dem jedes Mal vorgesetzten Zwecke angemessen seyn, sondern auch nicht mit anderweitigen Zwecken in Widerspruch stellen; man soll niclit um de» einen Zweckes willen einen andern vereiteln. Das Reicli der Sittlichkeit soll nicht in sich selbst uneins seyn (Matth. 12, 25. f.). Ein Mittel, das dem einen Zwecke dient, einen andern nothwendigen aber vereitelt, ist ein s c h l e c h t e s M i t t e l , und es gilt die Regel: man s o l l n i c h t s c h l e c h t e M i t t e l zn g u t e n Z w e c k e n b r a u c h e n .

Y.

G e w i s s e n und Z u r e c h n u n g .

25. (§• 25) Aus Ueberlieferung und eigenem Geiste bildet sich die s i t t l i c h e U c b e r z e u g u n g (niang Rom. 14, 1.23.) von dem, was recht und unrecht, erlaubt und uneilaubt ist, mit mehr oder weniger K l a r h e i t , F e s t i g k e i t und L a u t e r k e i t (llom. 14, 5. 22.). Sie bestellt aus der festen Grundlage des sittlichen Triebes und dem wandelbaren Bauwerke des menschlichen Verstandes. Ist sie nach bester Einsicht (1 Cor. 8 , 1. 7.), mit dem besten Willen, mit F r e i h e i t (1 Cor. 8 , 9.) gebildet, so ist sie f e s t und l a u t e r (l'hil. 2 , 14. f.); ist sie abhängig von fremder Meinung, so ist sie

Anthropologie.

17

z w e i f e l h a f t nnd s c h w a c h (Rom. 14, I . 1 Cor. 8 , 10. 12.) und führt zu charakterlosem Handeln (Rom. 14, 23.). Keine menschliche Ueberzeugung ist vollkommen richtig; es kommt aber auf Ueberzeugungstreue an (Rom. 14, 6. 12.).

§. 26. (§• 26 ) Die sittliche Ueberzeugung ist nicht für die Betrachtung, sondern für die Ausübung (Rom. 2, 13. Jak. 1, 23. f. 2, 17.); sie stellt eine Aufgabe. Ihr gemäss soll das s i t t l i c h e Gef ü h l oder das G e w i s s e n (1 Cor. 8 , 10. 12. 10, 25 — 29. Rom. 13, 5.) dem Menschen im einzelnen Falle sagen, was zu tliuii 6ei, indem es zwischen Recht und Unrecht entscheidet (Phil. 1 , 9. IT. Eph. 5 , 10. Rom. 12, 2.). Eine andere Verrichtung des Gewissens ist, zu entscheiden, ob der Mensch der iiinern Stimme gemäss gehandelt habe oder nicht (Rum. 2, 15. 9 , I . 2 Cor. 1 , 12.) , und von dessen Urtheil hängt die Z u f r i e d e n h e i t ab, welche in der Befriedigung der Triebe oder der Erreichung der L e b e n s - G ü t e r (§. 10. ff.) besteht, und deren Gegentheil, das Gefühl der Schuld (religiös genommen, des Zornes Gottes). Die Befriedigung und Nichtbefriedigung des siunlichen Triebes, das W o h l - und U e b e i b e f i n d e n , ist nur zum Theil das Werk des einzelnen Menschen (Klugheit und l'nklugheit, natürlicher Lohn, natürliche Strafe); zum Theil hängt er darin von der Gemeinschaft der Mensthe-.t, zum Theil vom Schicksale ab (Glück und Unglück, gemeinschaftliche, übernatürliche Strafe 38): es muss daher zur Ergänzung Z u f r i e d e n h e i t m i t dem S c h i c k s a l e hinzukommen. Vgl. §. 77. Die Befriedigung der sittlichen Triebe dagegen oder die S e l b s t z u f r i e d e n h e i t ist des Menschen eigenes Werk (bis auf einen gewissen Grad, vgl. 22. 7 8 ) , und macht die Grundbedingung der S e l i g k e i t oder des F r i e d e n s mit G o t t , d e s h ö c h s t e n G u t e s , aus (§. 77.). Das Gewissen richtet unsre Handlungen als g u t oder b o s e (§. 1 1 ) , als e d e l oder u n e d e l (§. 12.), und ist sonach entweder ein g u t e s (AG. 23, 1. Hebr. 13, 18.), v o r w u r f f r e i e s (AG. 124, 1 6 . ) , r e i n e s (1 Tim. 3 , 9. 2 Tim. 1 , 3 . ) , oder ein b ö s e s (Hebr. 10, 22.), g e b r a n d dc Wette Lehrb. d. Sittenlehre.

2

18

Allgemeine Sittenlehre.

m a r k t e s (1 Tim. 4 , 2 . ) . Andere Handlungen sind g l e i c h g ü l t i g (udictq>OQci), jedoch in verschiedenen Graden, j e nach dem angelegten Alaasstabe entweder des Pflicht- und Vollkommenheittriebes (Rom. 14, 1 7 . ) , oder der Klugheit, oder des sinnlichen Triebes. §. 2 7 . (§• 2 7 ) Das Gewissen (das v o r h e r g e h e n d e und n a c h f o l g e n d e ) schlummert entweder und ist unterdrückt — G e w i s s e n l o s i g k e i t , Verstocktheit, Ruchlosigkeit, in verschiedenen Giaden — oder ist wach und thatig — G e w i s s e n h a f t i g k e i t — ; es ist bei Manchen überspannt und zweifelhaft (Rom. 1 4 , 1. f. 23. 1 Cor. 8 , 7. 9. IT.), bei Andern (und mehr oder weniger bei Jedem) irrig und fehlbar. Am meisten ist das vorhergehende Gewissen fehlbar -wegen der Einwirkung der Leidenschaft; nebliger kann in der Stunde der B e sonnenheit das nachfolgende richten, weil es sich blos um eine innere Thatsache, ob man sich selbst treu gewesen sei, handelt.

§. 28. (§ 2 8 ) Das (nachfolgende) Gewissen beurthcilt unsre Handlungen als die unsrigen, oder rechnet sie uns zu. Es kann uns aber nur zurechnen, was unsre f r e i e That und wofür eine R e g e l der Beurtheilung gegeben ist. Der Gegenstand des Gewissensurtheils ist mithin nicht die a u s s e i e H a n d l u n g , indem nur die innere Handlung oder der Entschluss, nicht aber immer die Ausfuhrung in unsrer Gewalt steht. Eie innere Handlung ist nicht zurechenbar da, wo die Willkür ganz sinnlich wirkt. W o aber Besonnenheit und freier Entschluss Statt findet, ist es nicht die U e b e r z e u g u n g (gleichsam der Obersatz des Entschlusses), welche, in B e z i e h u n g a u f d i e H a n d l u n g selbst (sonst vgl. §. 3 8 . ) , (1er Zurechnung unterliegt, w eil sie selbst bei der Handlung die Regel abgibt, und wir in ihrer Ausbildung nicht unabhängig sind ( $ . 2 2 . ) ; auch nicht der A n t r i e b zur Handlung (dei Untersatz), weil er wenigstens im Momente der Handlung unwillkürlich und nicht unser W e r k ist (sonst vgl. 3 8 . ) ; sondern allein der

Anthropologie.

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B n t s c h l u s s (der Schlusssatz), das Werk der Willkür, welche sich frei nach der Regel der Ueberzeugung entscheiden kann und soll. (§• 29.) (§• 29.) F r e i h e i t ist U n a b h ä n g i g k e i t v o n N a t u r g e w a l t : frei sind wir in der äussern Handlung, wenn allein unsre Willkür, nicht eine fremde äussere Gewalt uns bestimmt, und in der innern Handlung, wenn uns nicht die Kraft des sinnlichen Antriebes (für den Geist auch etwas Fremdes;, sondern eine geistige Kraft, welches hier die verständige Vorstellung der in der Ueberzeugung anerkannten Kegel ist, bestimmt. Allein der Verstand ist nicht der reine Geist selbst, sondern nur dessen mittelbares Abbild, der innern Natur angeliörig, der Entwickelung unterworfen und eine beschränkte Kraft, die, wie gross sie auch sei, möglicher Weise von einer noch grossem Kraft des sinnlichen Antriebes überwunden v.'erden kann: mithin ist der verstandige Entschluss in der Wirklichkeit nicht ganz unabhängig und frei. Weil aber das Gewissen jeden Entschluss, der wider die Kegel geschieht, tadelt und zurechnet, so setzt es dennoch eine unbeschränkte Freiheit voraus, aber nicht als etwas Wirkliches, sondern als etwas, das seyn sollte (etwas Ideales,), oder als eine i n s U n b e s t i m m t e zu e r h ö h e n d e F ä h i g k e i t . §. 30. (§• 30.) Das B ü s e liegt nach dem angebornen innern Getriebe der Handlung, rein genommen, im E n t s c h l ü s s e , nämlich in der unrechtmässigen Bestimmung der Handlung durch den sinnlichen Antrieb, anstatt durch die verständige Regel, oder in der F o r m . Der innere Stoß* der Handlung ist durch den Antrieb bestimmt, welcher, je nachdem er dem sinnlichen oder den geistigen Trieben angehört, und ungesund (leidenschaftlich) oder gesund ist, der Handlung einen anderweitigen Werth oder Unwerth geben kann, aber über böse und gut nicht unmittelbar entscheidet. Der Stoff in äusserer Hin2*

20

Aligemeine Sittenlehre.

sieht besteht in der äussern Gestalt der Handlung nnd ihrer Angemessenheit oder Unangemessenheit zur allgemein anerkannten sittlichen Ordnung — worüber das Urtheil schwanken kann (vgl. §. 33.). Die buse Handlung ist durch einen unfreien Entschluss zu Stande gekommen, aber das Gewissen, das sie gleichwohl zurechnet, sieht sie als frei a n , d. h. es tadelt, dass man nicht frei gehandelt h a t , da man es g e s o l l t und g e k o n n t hätte. Diese ursprüngliche (ideale) Freiheit, welche so viel ist als Zureclinungsfähigkeit, muss man von der w i r k lich erworbenen oder erwerblichen oder der Herrschaft des besonnenen Verstandes im Menschen (Joh. 8 , 32. Rom. 6, 18. 1 Petr. 2 , 16.) unterscheiden, welche letztere jedoch die Z u rechnungsfahigkeit erhöhet. Jene wird im PI. T . nur vorausgesetzt (vgl. Joh. 3 , 8 . ) , Jes. Sir. 1 5 , 14 — 17. aber deutlich gelehrt. §. 31. (§• 81.) Die böse Handlung heisst S ü n d e (ufictQzia, d . i . A b irrung, nämb'ch von der Regel). Die Eintheilung in w i s s e n t l i c h e und u n w i s s e n t l i c h e Sünden (peccata cognitiouis et ignorantiae) ist, streng genommen (nach Jak. 4 , 1 7 . ) , u n richtig; jedoch versteht man unter den Letztern solche, die aus verschuldeter Unwissenheit geschehen, so sind sie um dieser willen zurechenbar; versteht man aber darunter solche, die aus Unklarheit und Unlauterkeit geschehen, so fallen 6ie mit den uuvorsätzlichen zusammen. V o r s ä t z l i c h e Sünden (peccata voluntaria) sind solche, die mit Ucberlcgung, u n v o r s ä t z l i c h e (involuntaria), die ohne dieselbe, aus N a c h l ä s s i g k e i t , L e i c h t s i n n oder U e b e r e i l u n g , geschehen (p. infirmitatis). Die Gesinnung, mit welcher man \ o r sätzlich sündigt, zumal wenn Andern dadurch wehe geschieht, nennt man B o s h e i t : sie beruht ursprünglich auch auf sinnlicher Schwäche, die aber durch Gewohnheit und Verkehrtheit des Verstandes zu einer Art von Regel befestigt ist, deren absichtliche Annahme und Befolgung jedoch das liew usstse> n der wahren Regel nicht ganz verdunkeln kann. Die Ein-

Anthropologie.

21

theüung in B e g e h u n g « - und U n t e r l a s s u n g s s ü n d e n wird erst durch den Unterschied der v e r b i e t e n d e n P f l i c h t g e b o t e und der z u m u t h e n d e n E m p f e h l u n g e n der Liebe (§. 72. u. 73.) klar. §. 32. (§. 32.) Die G r ö s s e d e r S c h u l d bestimmt sich nach dem Statt findenden Grade der Zurechnung, oder nach dem Verhältnisse, in welchem die Sinnlichkeit die verständige Willkür überwogen hat. Je mehr Klarheit der Ueberzeugung und Deutlichkeit der Erkenntniss der Regel, und je weniger Stärke des sinnlichen Antriebes, desto schwächer, der W i l l e , wenn er sich gegen die Regel entschliesst. Auch kommt etwas auf die Beschaffenheit des Antriebes an: in dem Verhältnisse, als er aus dem sittlichen oder sinnlichen Triebe entsprungen ist, vermindert oder erhöhet er die Schuld. Die Folgen der Handlung, zum Theil zufällig, kommen nur in sofern in Betracht, als sie erwogen wurden oder es hätten werden sollen. §. 33. (§• 33.) Bei der sittlichen Beurtheilung f r e m d e r Handlungen soll alle P a r t e i l i c h k e i t schweigen, nach deren Urtheil sie entweder f r e u n d l i c h oder f e i n d l i c h erscheinen. Nur mo wir in das fremde Gemüth einen sichern Blick thun, und davon überzeugt seyn können, dass der Handelnde die Gesetze, gegen die er gesündigt, kannte und anerkannte, können wir das Urtheil fällen, dass er b ö s e gehandelt habe. Sonst, zumal im Gebiete der Vollkommenheit, findet blos eine s i t t l i c h e G e s c h m a c k s b e u r t h e i l u n g Statt, nach welcher wir Handlungen entweder für s c h ö n und e r h a b e n , oder Tür h ä s s l i c h und v e r w o r f e n erkennen. E r h a b e n h e i t kommt der Grosse des Charakters, S c h ö n h e i t der Güte des Herzens zu. §. 34. (§•

f )

Da der verständig regelrechte Entschluss von dem zufälligen Kraftverhaltnisse zwischen dem sinnlichen Antriebe und

22

Allgemeine Sittenielire.

und der verständigen Willkur abhängig und mithin selbst zufällig ist (§. 2 9 . ) : so kann sich kein Mensch eines ganz guten Willens bewusst seyn, oder ein g a n z r e i n e s G e w i s s e n haben, zumal da Jeder die Erfahrung macht, dass er dem sinnlichen Antriebe unterliegen kann. Ferner klebt dem verständig regelrechten Entschlüsse in so fern noch etwas Sinnlichkeit a n , als eine l e b h a f t e D e u t l i c h k e i t der Vorstellung der Regel, auch eine gewisse G e w o h n h e i t dazu gehört, wozu noch die N e b e n b e w e g g r i i n d e zum Guten aus mehr oder weniger sinnlicher Freude am Guten, an dessen Folgen u. s. w . , hinzukommen: m i t Ii i n i s t k e i n e t u g e n d h a f t e H a n d l u n g g a n z r e i n (Geftihl der Unwiirdigkeit). Demnach muss sich der Mensch einen H a n g z u r S i n n l i c h k e i t , und, da in der sinnlichen Schwäche das Bose liegt, einen H a n g z u m Ii u s e n zuschreiben. Dieser dient aber so wenig zu unsrer Entschuldigung, dass wir uns vielmehr vermöge der vom Gewissen stets vorausgesetzten unbeschrankten Zurechnungsfahigkeit oder Freiheit desswegen a n k l a g e n . Dieser Hang s o l l t e nicht Slatt finden, und da er doch Statt findet, so begründet er eine S c h u l d . Die Naturansicht davon, dass der Mensch nun einmal ein sinnliches Wesen sei, untergräbt alle Sittlichkeit und Zurechnung, und kann folgerecht auf jede wirkliche Sünde ausgedehnt werden. Entweder gibt es eine Zurechnung oder nicht; gibt es aber eine, so gilt sie eben so sehr \011 dem Grundcharakter des Menschen, als von seinen einzelnen Handltmgen. Diese ursprüngliche Sündhaftigkeit ist g e m e i n s c h a f t l i c h , und erscheint in aller menschlichen Handlung!»weise. E s theilt sie aber ein Jeder nicht nur vermöge seiner ursprünglichen Natur (ideal), sondern auch vermöge der Abhängigkeit seines sittlichen Zustandes von dem der V o r - und Mitwelt (§. 2 2 . ) : mithin ist sie nicht blos ursprünglich, sondern auch a n g e e r b t (angeboren und angewöhnt). In sofern sie angeerbt ist, wäre sie nicht zurechenbar; sie ist es aber vermöge ihrer Ursprünglichkeit. Die allgemeine menschliche Unwiirdigkeit sprechen als Thatsache aus die Stelleu: Ps. 143, 2. liiob 4, 17. fl. 15,14. ff.

Anthropologie.

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Spr. 2 0 , 9. 1 K ü n . 8 , 4 6 . Rom. 3 , 9. ff. 2 3 . Der Grund davon w ird in die Geburt gesetzt (Ps. 5 1 , 7 . ) , und bestimmter in den Zusammenhang mit Adam (Rum. 5 , 12. ff.), aber auch in den mit dem Teufel (Joh. 8 , 44. vgl. 2 Cor. 11, 3.). §. 35. (§. 36. 37.) E s scheint, dass die Lehre vom Teufel den Zw eck hat, f ü r die Erscheinung des Bosen (und des Uebels) einen U r grund anzugeben, entsprechend dem Urgründe alles Guten in Gott. Allein wie es an sich unmöglich ist, ein absolut böses W e s e n zu denken (das Absolute kann nur gut s e y n ) , so w ird auch der Teufel, der anfangs gut gew esen und nur gefallen ist, nicht absolut bose gedacht; und weit entfernt, dass wir dadurch einen Urgrund für das Böse gewinnen, bleibt der Fall des Teufels, wie die Sunde im Menschen, e t w a s , das nur in der Freiheit des Einzelwillens begründet ist. Aber die Vorstellung desselben, (die freilich nur für die Phantasie und das Gefühl, nicht für die Metaphysik gilt,) dient als Unterlage eben für die Idee der Freiheit des Bosen, die im Geiste, und nicht in der körperlichen Natur, ihren Grund hat (Eph. 6 , 1 2 . ) , und macht zugleiih ein personliches Bild der H e r r s c h a f t d e r S i i n d e und der B o s h e i t a u s , welches a b zuschrecken vermag: ist also in beiderlei Hinsicht mit Nutzen gegen die auflosende und allzu duldsame Ansicht vom Bösen zu gebrauchen. §. 36. (§• 38.) Die Erzählung vom Sündenfalle erklärt nicht den ursprünglichen Hang zum Bosen, sondern setzt ihn voraus, indem sie daistellt, w ie die ersten Menschen aus dem Zustande der Unbewusstheit, Unschuld und Glückseligkeit durch den im W i derspruche mit dem göttlichen Gesetze von ihrer Willkür gemachten Gebrauch und den in ihnen entstandenen Zwiespalt zwischen Gut und Buse in den Zustand der Schuld und des Elends traten. (Der Tod, welcher als Strafe eintritt, ist, in seinem Zusammenhange mit dem Schuldgefühle, nicht rein als natürlicher Tod gefasst.) Es ist die Geschichte der

24

Allgemeine Sittenlehre.

sittlichen B i l d u n f g und V e r b i l d i m g , von ihrer Schattenseite gefasst, aber auch eine Lichtseite darbietend a ). a) Welche her\orhel>en Kant Mtitlim ;ss|. Anfang der Menschengeschichte, kleine Sehr. Neuw. 17SW. S 93. ff. Schtllrr E t u m über die erste MenschengeselNihdft nach «I. Leitf der Mm. Urk. Werke (Stuttg. u. Tüb. 1822.) 10. B. S. 32. ff.

§. 37. (§• 39 ) Durch das Gefühl unsers ursprünglichen Hanges znm Bösen verstärkt sich das Urtheil des Gewissens, und die v e r s t ä n d i g e , s i t t l i c h e Zurechnung, bei welcher wir unsern w i r k lichen sittlichen Zustand ins Auge fassen, erhöht sich zur g e f ü h l s m ä s s i g e n , f r o m m e n (religiösen), bei welcher jenes Grundgefiihl mit in Anregung kommt. Die R e u e oder das Missfallen an begangenen Fehlern ist zunächst verständiger Art, aber als solche nicht tief und lebhaft genug; erst wenn jenes Gefühl unsrer Sündhaftigkeit hinzutritt, erhalt sie die rechte Stärke und w ird zur g o 111 i c h c n B e t r u b n i s s (2 Cor. 7 , 9 — 11.). Fehlt hingegen die verständige Einsicht in unsre F e h l e r , so entsteht leicht s c h w ä c h l i c h e K c n m i i t h i g k e i t , auch wohl G e w i s s e n s a n g s t . Die w e l t l i c h e B e t r ü b n i s s (2 Cor. 7 , 10.) ist sinnlicher Art und noch verschieden von der verständigen Reue. Auch die B e s s e r u n g , die th.itige Frucht der Reue, ist einmal ein verstandiges W e r k , das mit Hülle der Selbsterkenntniss zu betreiben ist; sodann aber auch ein W e r k der unerklärlichen Freiheit (Job. 3 , 8 . ) , durch hingebendes Gefühl vollbracht. So gibt es auch eine verständig-psychologische und gefuhlsmässig - fromme Askese (§. 295. if.). §. 38. (5 4 » ) Vermöge des Gefühls unsrer Sündhaftigkeit rechnen w i r uns auch das nicht unmittelbar selbst verschuldete U e b e l zu, theils als durch die Sünden der Menschheit gemeinschaftlich verschuldet, tlieils als indirerte (willkürliche, übernatürliche) Strafe. So auch dasjenige in unsrer sittlichen Beschaffenheit, was nicht ganz unser freies W e i k ist: unsre sittliche U e b e r z e u g u n g , deren Fehler und I i r t h ü m e r sich hiernach als

Anthropologie.

25

S ü n d e n darstellen, und die A n t r i e b e , deren Ungesundheit wir wohl zum Tlieil selbst verschuldet haben, zum Tlieil auch nicht, die aber irgendwie in der menschlichen Sündhaftigkeit ihren Grund haben. Auf gleiche Weise erweitert sich die Zurechnung fremder Sünden und Irrthümer; und was darin zum Theil der geschichtlichen Notwendigkeit angehört (§. 22.), beurtheilen Mir als f r e i e , theils gemeinschaftliche, theils individuelle That. §. 39. (§•

«•)

Sonach ist dem Menschen anstatt der Zufriedenheit und Seelenruhe das G e f ü h l d e r U n w ü r d i g k e i t u n d U n s e l i g k e i t gegeben. Seine Z u f r i e d e n h e i t m i t s e i n e r ä u s s e r n L a g e ist theils durch wirkliche, theils durch gi-furchtete Uebel, und seine S e l b s t z u f r i e d e n h e i t , wenn aucli in gerechter Selbstschätzung einigermassen begründet, durch das Gefühl der Unvollkommenheit und Unw iirdigkeit, und dann auch durch die Uebel, die ihn umringen, getrübt. Zwar bleibt uns das Bewusstseyn unsrer wesentlich guten Natur, unsrer sittlichen Anlagen und unsrer erhabenen Bestimmung, das sich in einem h e i t e r n , b e g e i s t e r n d e n G e f ü h l e ausspricht. Aber wie in uns und ausser uns das Gute mit dem Bosen kämpft, so dieses Gefühl mit jenem. Nun konnte das höhere Gefühl des G o t t r e r t r a u e n s , das auch in uns liegt, uns zum Siege und zum G o t t e s f r i e d e n f ü h ren ; aber durch uns selbst können wir es nicht leicht festhalten: wir bedürfen dafür noch einer höhern Gewähr, als die unsres Bewusstseyns ist; und diese kann uns nur von der G n a d e G o t t e s kommen.

VI. D a s B e d ü r f n i s » der E r l ö s u n g . §. 40. (§• 43.) Alles, was der Mensch erstrebt und ersehnt, ist Herstellung und Behauptung seiner ursprünglichen, geistigen Selbstständigkeit, oder E r l ö s u n g (a7if)).vt(>iJOi yòuto xrtl TOV vófiov 7HI xóauio avi'itóovTo; • xal TOV vofiluov ÙVÌQÒ;, tiiOv; òVrof xoauo-

67

Sittenlehre des Judeathrais.

mlhov, JiQot ti ßovlijfia rije tfvatwi ras HQ¿¡l't ¿niv9vyoyros, xa$' i j y xal ó aii/inas xöa/tos Jioixnrat. d) Vom Sündenfalle s. bibl. Dogm. §. 18t. Stahl Philo's LehrbegriflT in BteJAontU Allg. Bibl. IV. 866. ff. Gfrörer I. 410. ff. De uctimis p. 84«. Mang. II. 2 4 9 . : Xal áv yag ó rélttos r¡ yeyyijTÓr, ovx txytvyii TO äfiaQjävciy. e) Leg. Allegor. I. p. 48. Mang. I. 52.: Ti¡v Inlytiov antr^y antign xal tpvxtvu T(¡¡ 9yr¡rto y(yn ó 0(ó;, fj(ur¡fia xal «nttxóviOftct ovaav rije ovQavlov • ÍXCT¡O«S yitQ T¡fi¿¡y ró yivos xal xaiidúy orí l¡ ¿«f.&óyoiv xal nlovaímy xaxwy avv{oir\, tnCxovQov xal uQotyoy ivy ipvx¡¡s yóaay AQ(TR¡V Inlytiov

IQ¡>((OV.

f ) De Abraham, p. 383. Mang. II. 35 : 'O xQió/Jtyos raii ¿Qtraís lóyos Unos xttl 9iioi uvia>; .... 71QOS afiiílay O.Sioy, Í(f(>iúftéytai¿Qit dvyáftti Tij xaia Otoy %oio[ityos, ayuxftato; yiXU tUS tÍQr¡¡x(>'a; Jvvaortfa; (die Leidenschaften und Sinne). g) Quod Deus sit immut. p. 300. Mang. I. 279.: Móvr^v aíi!¡v (ti¡v ipv%T¡y) o yiyyi¡an; natt¡n l/Liv&ÍQÍAÍ T¡¡ÚÜO(, *«i j « rijí íy fiiy tx iiJaOxaltas, xov i' Ix

); in ihr liegt die Bestimmung des Menschen"). Ihre -wahre Kraft besteht in der Freiheit"1); ihre Antriebe entspringen aus der Hoffnung e ) und dem Glauben f ). Sie hat ihren Werth in sich selbst?), und man soll sie aus Liebe und Fertigkeit üben' 1 ). Sie ist an sich nur eine 1 ) und ihr Inbegriff ist die G ü t e k ) , auch die Frömmigkeit 1 ) oder 5 *

68

AlJgem. Geschichte d. christ!. Sittenlehre.

die himmlische Liebe "•) oder Frömmigkeit nebst Menschen« liebe n j. a) Qnod Deus immat. p. 297. Mang. 1 . 2 7 6 . : 17 ¿QHtSy xal jwvqvan UttXtüv ¿Qftoyia rj nuowv àn(oii) avfitftoyia, ijn; tv òfioXoyia F%FI JÙ TÌXO;. Vorher : TOÌ; YÙQ ÙIÌÓXID; TIÙV xttTit tov ßiov TINCTÌIIOY serti xit&aQiù; FFTLOOOIFTJOCTYTAS fiéyioiov Ix irjf TNIOT^FTRJ; ùya&òy TÜ(IUtU/à FINII txinoír¡iai lúyaítóv, f¡ nannoirjaiitu • TÒ filv ovv f/ii>', itJiutí/ ti yt'rúv, 7¿ Jé oy^aítv ntjoadoxùv, zi¡y Tfjoif i¡y * ¿il.it u¿yi¡> io> r¡yiuovixi¡> 7iíe lebten ili freierer b e schaulicher Gemeinschaft ''). a) Joseph Bell. Jud. II, 8, 2 : Ol•toi (Catn¡vt>i) litt fiiy r¡Sovúi tif xnxtav ùiooiQÌifovtai , ri¡v ót iyynciTtiuy xat rò ^ìi/ lois nilOcaiy imoTtlmnv ¿nnrjy iioXttftfläyovot. A'ai yá/xov fiiy int(*oi¡ritt nun' uvioTí,

Sittenlehre des Jndeithums.

73

Toif iv vn' UVTÜD io%vON/.CV • TU ouvvnv IWTOTS Tifpiiffror«/. PArZo quod omnis lilicr p. 877. Mang. II. 238.: ITaidtvovxai Ji ¿oiörijrR, Jixaioav-

o'xovouiay, nolntiity OQOIS xal xavöai JQIJIOT; /Qiöpitfot i«j) an(VTal xctl fhQanevT^CJff / / I ' U O J ; xa)ovyzai, »¡rot TTITO' uiroy iarQtxfif innyyOloyrat xpftoOortt liji xttrit Tioiei;- f j pjh' yun aioimin ötQcMtvti fiövov, ixiiytjJixal xpv/Jti viaois xtxnaTtifitya; %«) tnctTg xctl ivnu'trois, li( xaTtoxTjif/av jjäoyai. 'II 7itti>' uaniviiy ib uy, ü xal ttyctiiov /qhitov lau xil. p. 801 Mang. II. 473.: Ol ii Inl StQn7tetay lovrts . . . in' inioios tt07iaa!>4vTts oioctylov .. ¿nolti7INVM 7«f ovalctg vloTg rj VvymQuniv XT). p. 893. Mang. II. 475.: To tÜ ei lijpfiV. rf) Joteph. Hell. Jud. II, 8, 18. : . . . . anioaToi filv ol öoxaüyiit fJtxu ¿ynißn'n; (fijyii'aO-ta T O yöftifia. Vgl. I, 5, 2. Antiqq. XVII, 2, 4. — M1II, 1,3.: Tr\v Jfatray ({tviftiiouoiy, ovJiy tt; TO fialetxontoov tyltäoVTff ¿y re 6 i.oyot xo(ym 7iaQ(fiy inovtttt iIJijyifioyir, ntnifu'i^rjioy ¡¡yovftiyoi i¡¡y os.

V.

\ i r Socho (i. e. Sochaeus) accesitis tanquam s e m , qui s e n i u n t mercedem: sed estote tanquam conditione ut reeipiant mercedem,

E r g e b n i s s e für d i e E n t s t e h u n g u n d A u s b r e i t u n g des Ckristenthums. §. 109. (§. 142—144.)

Sonach zeigt die Geschichte manche Vorbereitungen für das, Mas das Wesen des Christenthums ausmacht, für Freiheit und Liebe, und eine gewisse Empfänglichkeit für eine höhere Einheit. Es fehlte nur die lebendige thatkräftige Gemeinschaft, und diese brachte der vollkommene Mensch, der Menschen - und Gottes - Sohn, Jesus Christus. Dass er unter den Juden erschien, deren Glaube und Hoffnungen am nächsten auf das neue, höhere Leben hinführten, erinnert an einen natürlichen Zusammenhang, der aber doch nicht zur Erklärung hinreicht a ). In dem Selbstthätigen, Urkräfligen, Ureigenen der Persönlichkeit Jesu Christi findet die Annahme einer göttlichen Offenbarung ihre Begründung und Rechtfertigung. 0) Vgl. bibl. Dogm. §. 212.

Geschichte der christlichen Sittenlehre.

75

Zweite Abtlieilung. Geschichte

der

christlichen

Sittenlehre,

Einleitung. §. 110. (§. 145—14T.)

Wenn Mir nunmehr das in der Geschichte erscheinende Abbild der christlichen Offenbarung oder deren Einführung ins Leben darzustellen haben (§. 81.): so müssen wir das Verhältniss des U n w a n d e l b a r e n und B e w e g l i c h e n im Christenthume oder des gläubigen Grundgefiihls und der verständigen Ueberzeugung und des thätigen Lebens (§. 56. f.) ins Auge fassen; auch lässt sich die ganze Geschichte des Christentliums als der Kampf des heil. Geistes mit dem Geiste der Welt betrachten. Indem wir uns aber das Einheitliche der Geschichte zum Zwecke machen, haben wir vorzüglich auf den Gedankenverkehr und die Gemeinschaft und auf das Besondere nur, in sofern es auf diese gewirkt hat, zu achten; und wegen des Zusammenhanges der Sittlichkeit mit der Erkenn toiss und der Andacht, so wie mit dem Staateleben, dürfen wir diese Gebiete nicht aus der Acht lassen. Daher liefern wir immer z u e r s t eine Uebersicht der Ausbildung der Erkenntniss und des Gesellschaftszustandes, und dann erst z w e i t e n s eine systematische Darstellung der sittlichen Gesammtüberzeugung. Auch hier, wie in jeder Geschichte, ist die Eintheilung in Abschnitte nothwendig, und wir nehmen deren drei an: 1. den des K a t h o l i c i s m u s , von den Aposteln bis zu Gregor dem Gr. ; 2. des P a p i s m u s , von da bis zur Reformation ; 3. des P r o t e s t a n t i s m u s , von da bis auf unsre Zeiten. Jeder zerfällt aber wieder in Unterabteilungen. Ueber die kirchliche Sittenlehre: Le droit de la nature et des gens traduit du Latin de Mr. Ptffftndorf par J. Barbtyrac. Am«t., 1712. 4. Apologie de la morale dès pères de I ' églis* contre les injustes accu-

76

Allgem. Geschichte d. cliristl. Sittenlehre.

gâtions du Sieur J. Barbeyrac par Rrmy Cnlh'er. P a r . , 1718. 4. Traité d e la morale des pères de 1 ' église où en de'fendant un article de la Préface sur Puffcndorf contre P apologie de la morale des pères du I ' . Ceillier on fait diverses réflexions — par J. Harbeijrac. Amst , 1728. (Balliis) Jugement des SS. Pères sur la morale de la philosophie p a j e n n e . S t r a s h . , 1719. Die Sittenlehre Christi aus den alten Kirt.henlkrern erklärt Ton E. S. Cyprian. L e i p z . , 1733.

Erster

Abschnitt.

Katholicismus.

Erster

Zeitraum.

Von den Aposteln bis zn Conslantin dem Grossen ( J . 70. Iiis 312.): die christliche Kirche iin römischen Reiche verfolgt oder bloss geduldet.

Erstes Allgemeine

I.

Capitel.

Bildungsgeschichte

E i n f l u s s der (§.

der christlichen

Kirche.

Zeitbildung.

§. 1 1 1 . 148—130.)

Der christliche Geist der Freiheit und Liebe hatte mit dem alten Geiste der Knechtschaft und Lieblosigkeit, welcher trotz aller Anbahnungen noch sehr mächtig w a r , zu kämpfen und fast nocli mehr dessen Freundschaft zu fürchten. Der geistig freien Auffassung des Christenthums war hinderlich von Seiten der Juden der Geist der Gesetzlichkeit und die Richtung des religiösen Lebens auf das Politische (politischer Messianismus); von Seiten der Romer das politische Formen-wesen und die Herrschsucht; von Seiten der Griechen der weltliche Sinn in Wissenschaft und Kunst. Der christlichen, rein menschlichen

Katholicismus.

n

Liebe stand von Seiten aller Völker die Weltliebe nnd die selbstsüchtige Volksliebe entgegen; und gefährlich war der in den Christen hervorgerufene Gegensatz der überspannten Richtung auf das Höhere und der übertriebenen Verachtung alles Heidnischen, zumal in Verbiiidung mit dem aus dem Osten eindringenden Mysticismus.

II.

E n t s t e h u n g der H i e r a r c h i e . §• 112.

(§. 151-157.) Ans dem lebendig persönlichen Einflüsse der Lehrer und Vorsteher bildete sich ein formal amtlicher Einfluss, ein A n scheu der Bischöfe uud Presbyter, das, ohne Rücksicht auf das persönliche Verdienst, rein durch sich selbst galt und gegen Meiches eine Art von göttlicher Verehrung und unbedingte Folgsamkeit gefordert w u r d e n ) . Diese hierarchische Form geuaun nun durch die D i o c e s a n - uud M e t r o p o l i t a n - V e r f a s s u n g und die P r o v i n c i a l - S y n o d e n mehr Umfang und ein entschiedenes Uebergewicht über den lebendigen Geist der Gemeinden, die in eine leidende Stellung herabgediückt wurden; uud die von C y p r i a n b ) aufgestellte Theorie der Einheit der Kirche, gegründet auf den Primat Petri und auf den Vorzug der römischen Hauptstadt, erhob dieses Formeu wesen zur systematischen Einheit und überlieferte es der römischen Herrschsucht als ein erwünschtes Werkzeug. Zugleich entstand der C l e r u s als ein eigener Stand, ja als eine Kaste, auf die man die Vorrechte der jüdischen Priester übertrug, die dafür galt im alleinigen B e sitze des heil. Geistes zu seyn und die L a i e n beherrschte. Und so Mar die Grundlage zum K a t h o l i c i s m u s oder derjenigen Kirchengemeinschaft gegeben, M'orin die äusserlichcn Formen, Ansehen uud Macht und somit die Gewohnheit den freien Geist, oder die sichtbare Kirche die unsichtbare, überwiegen. Diese Erscheinung hat jedoch nicht etwa bloss in der Herrschsucht der Priester, sondern tlieils in der persönlichen Würdigkeit der meisten, theils im Bedürfnisse eines eigenen

78

Allgem. Geschichte d. christl. Sittenlehre.

geistlichen Berufs nnd eines engen Zusammenschliessens gegen Ketzer und Schismatiker und den Geist der Welt ihren Grund. «) Ignat. ep. ad Ephes. c. 5. 6 . ; ep. ad Smjrn. c. 8. ep. 3. 66. p. 6. 166. ed. Brem. I) Tract. de unitate ecclesiae.

IQ.

Die

Cyprian.

Kirclienlehre.

§. 113. (§. 158— 161.) Anfangs standen Empfänglichkeit und Selbsttätigkeit, Ueberlieferung und freie Erkenntnis mit einander im Gleichgewichte. Sodann wollte die letztere im G n o s t i c i s m u s das Uebergewicht gewinnen, durch das kraftige Zusammenhalten der katholischen Kirche aber gegen dessen höchst einseitige Richtung gewann die erstere den Sieg, neben welcher die schriftliche Quelle der neutest. Bücher, auch das A. T., jedoch nicht in acht historischem Sinne, benutzt wurde. Der denkende Geist machte sich auch unter den Katholischen durch die Anwendung der griechischen Philosophie auf die Glaubenslehre in der alexandrinischen Schule geltend; jedoch gelang es nicht, die Einheit der christlichen und philosophischen Wahrheit, des Vernünftigen und Geschichtlichen, durchgreifend zu erfassen; man uberschätzte die vom Glaubeu zu sehr getrennte Erkenutniss; auch hielt man sich nicht von dem Fehler frei, in die Geheimnisse des christlichen Glaubens mit dem Verstände einzudringen a ). Die Freunde der Ueberlieferung sahen diese Bestrebungen mit argw ohnischen Augen an; und obgleich sie immer -wohlthätig waren, wurde dadurch doch nicht dem unter dem Schutze des Ueberlieferungsglaubens eindringenden Wahne und Aberglauben hinreichend gewehrt. u) Neander Kirchenycsch. 1. 3. S. 926. (f.

§. 114. (§. 162 — 167.) Die Sittenlehre wrurde nicht so, wie die Glaubenslehre, an die Ueberlieferung gebunden und in ihr selbst von T e r t u l l i a n , vermöge seiner Anhänglichkeit an den Montanismus,

Kathoticismiu.

79

dem freien Geiste ein Spielranm der Entwickelang gelassen *). Aber die Sorge für die kirchliche Einheit, welche durch Bewegungen, wie die montanistische, gefährdet wurde, veranlasste die Synoden zu g e s e t z g e b e n d e n B e s c h l ü s s e n , so wie sie sich auch auf Anlass ketzerischer Irrthümer ein gesetzgeberisches Ansehen in Glaubenssachen anmassten, wodurch ein neues Satzungswesen eingeführt, und sowohl Sittlichkeit als Wahrheit zur Sache willkürlicher Abmachung erniedrigt und auf die äussere Verbindung mit der Kirche ein zu hoher Werth gelegt wurde b ). Auf der andern Seite verband sich die Anhänglichkeit an das Herkommen mit dem dunklen Ueberlieferungsglauben, um die Gewohnheit zu heiligen"). Beleuchtung der damals besonders hervortretenden Lehren von der Zukutrft Christi, der Auferstehung und der Person Christi und ihrer Behandlung. a) l)e %elandis tirginibus c. 1. Vol. III. 2 . : Regula quidem fidei una omnino e s t , sola immobilis et irreforniabilis . . . . Hac lege fidei manente, caetera ¡am disciplinae et conversatiouis adniittunt novitatem 9orrectionis, operante nulltet et prolkiente usque in finem gratia Dei. b) Ortgen. selecta in Job. ed. R u . p. 501.: JJ iv%r) avxov (roü alQHtxov) layiiirut avriS tl; üuttQilav, Cyprian, de Unit. eccl. p. 113. s Esse m a r t j r non jiotest, qui in ecclesia non est. c) Terlull. de cor. mil. c. 3. Vol. IV. p. 310.: . . . consuetudo corroborawt, quae sine dubio de traditione manaut. Quomodo enim osurpari quid p o t e s t , si traditum prius non est? c. 4 . : . . . traditio tibi praetendetur auctrix, consuetudo confirmatrix et fides observatrix. Dagegen de \irgg. teland. c. 1. Vol. III. 2.: Quodcunque adrersus veritatem sapit, hoc erit haeresis, etiam vetus consuetudo. Cyprian, ep. 71. p. I M . : Non est de consuetudine praescribendum, sed ratione vincendom.

IV. K i r c h e n l e b e n und K i r c h e u z u c h t §. 115. (§. 1 6 8 - 1 7 1 . )

Die Uebung und Betrachtung der gottesdienstlichen Gebräuche ist für die Sittenlehre zu wichtig, als dass sie liier nicht berücksichtigt werden sollte. Von der unschuldigen mystischen Ansicht der T a u f e , nach welcher Inneres und Aeusseres in und mit einander betrachtet wurde (apostol. Väter, Justin der M., C l e m e n s von Alex., O r i g e n e s ) " ) , ging man bald zu der Ansicht derselben als einer Zauberhandlung über1'),

80

Allgem. Geschichte d. cliristl. Sittenlelire.

der m a n , als nnentbebrlìch zar Seligkeit, aneli die Kinder unterwarf ( C y p r i a n ) . Vom A b e n d m a h l e , das späterhin auf eine geheimnissvollere Weise gefeiert und anfangs als Eucharistie (Dankopfer), dann aber auch schon als S ü h n o p f e r betrachtet wurde ( C y p r i a n ) , bestand eine realistischmystische ( J u s t i n der M . , Irenaus) und eine symbolische A n sicht ( O r i g e n e s ) neben einander, jedoch legte man schon den äussern Zeichen eine übernatürlich heiligende Kraft bei (Tertullian, C y p r i a n ) . In der G e b e t s u b u n g war viel Eifer und Innigkeit, aber auch Uebeitreibuiig und Annäherung zum Jüdischen, u n d , bei acht christlicher Ansicht von dessen Bedeutung, ein überti¡ebener Glaube an dessen Wirkung ü ). Das F a s t e n wurde häufig geübt, hochgeschätzt e ) und durch Satzungen geregelt 1 ). Es stellten sich Ii e i l i g e Z e i t e n fest und die Gemeinden erbauten sich Versammlungshjuser, so dass der Gottesdienst schon sehr viel äussere Gestalt gewann. o) Clem.

Paedag. I , 6.

ttnoluuóutSn

p. 4 2

r« àutinjijuKia,

in J e s . N a \ e hoiiul. 15. |>. 4 3 4 . : lutare

la>acrum

veninius,

SjIb.

ovxéu

(93. P a r ) :

ài lofitv

. . . onine

aufertur.

Iltlvtu

fitv

oiV

nitoìi 7ióirg sct/ol.

genus peccati,

Jn ]„uc. lionul. 2 1 .

Grig.

cum ad s a p. H5".

li.:

S i q u i s peccana ad U > a c r u m v e n i t , e i non fit remi»sio p e c c a l o r u m . b) Terlidì.

d e bapt. c. 4. : S u p e n e n i t (.'nini statini s[iiritus d e c o e l i s

e t aquM s u p e r e s t , s a n c t i ' i c a n s e a s d e s e m e t ipso, e t ita s a n c t i i i c a t a e >im sanctificnndi comlitbtint.

c) Ep. (¡4. p 158 161. d) Tcrtull. bus sistit,

d e orat. c 2 9 . :

n e c ora l e o n i b u s

. . . . non roris

obstruit

angelum

in mediis i g n i -

nulluni s e u s u m

passioni*

d e l e g a t a g r a f i a a ^ e r t i t ; s e d p a t l e n t e s e t s e n t i e n t e s e t d o l e n t e s .suttcrcntia instruit, quatur,

urtute

ainpliat

intelli^ens

quid

g r a t i a n i , ° u t sclat pro

o r a t i o q u a e Deuni t i n c i t De

tertia, s e \ t a , d e orat. r) vietila re

>er.i

nona,

aversionem

per

erit o t i o s a e x t i i n s e t u s o b s e r v a t i o eliani h o r a -

q u a s s o l e m n i o r e s ili scripturls invenire e s t . \ g l . XcanJcr

K i r c l i e n g e s c h . I. 2 .

de j e j u n . n d l . l ' s } c h l c o s

praerogativa, pari.

Sola est

k t a r u m dico conimuniuni, quae diel interspatia s i g n a n t ,

c. 12. 13. Tcrluil.

quid a d o m i n o c o n s e -

l)ie stationis, nocte Mgiliae memmeriinus.

t e m p o r e non

rum qu irundam.

fides

patialur

, diluii d e l i c t a , tentationes rejiellit,

serutiones e\tinguit c. 2 5 :

Dei nomine

c. 8. :

ut

Deum

Non

praestet

modo

c ü. : T a n t a e s t c i i c u m s c r i p t i honiini c o n t u b c - n a l e m ,

naturae mutationeni

aut delictorum obliterationeui,

a g m t i o n e m j e j u n i a d e D e o uierebuntur.

Orig.

S . 48!). Ii".

verum

parem

aut pei i u i l o r a n i

ctiaru sacranicntoruui

Katbolicismns.

81

f ) Diemg*. Alex. ep. ad BuitkL in Btvtrtg. Synodicon a. Paadectae canonom App. et Concill. ab Eccles.gr. recept. Oxon., 1073. T.II. p. 1. sqq.

§. 116. (j.

172—175.)

Id die Behandlung der K a t e c h u m e n e n schlich sich etwas vom Ordenswesen ein. Die S i t t e n z u c h t und das B ü s s u n g s w e s e n nahm einen weltlich - gesetzlichen Charakter an; die Kirche legte als strenge Zuchtmeisterin S t r a f e n auf und forderte G e n u g t h u u n g e n *), griff aber damit iu das Gebiet des Gewissens und des göttlichen Richteramtes ein. Da nur äußerliche, vorzüglich gesetzliche Vergebungen gelichtet wurden und man dafür äusserer Regeln bedurfte, so erhielt nicht nur das mosaische Gesetz seine alte Bedeutung wieder, sondern es bildete sich auch in den D i s c i p l i n a r und P ö n i t e n z - S a t z u n g e n b ) eine halb policeiliche, halb rechtliche Gesetzgebung und eine C a s u i s t i k a u s , welche, da sie sich auf die äussere Gestalt der Handlungen bezog und auf die Gesinnung wenig oder keine Rücksicht nahm, der acht sittlichen Ansicht gefahrlich wurde. Der auf diesem Wege festgesetzte Unterschied von e r l a s s l i c h e n und t i n e r l a s s l i c h e n oder T o d s ü n d e n gewann selbst eine sittliche Bedeutung. q) Tertull. de poenitent. c. 5. 0. Cyprian, de lapsis p. 137. Dallatut de poenis et satisfactionibus hnmanis. L. > II. p. 614. sqq. b) Die canones Apost., die canones der Contilien von Kliberis, Arelate, Ancyra, Neocaesarea, die epp. canou. des Dionytint Alex., des Grtgoriut Thaumaturg., die canones des Prtrut Alex. u. A. Vgl. Btvtrtg. Synodicon s. PandecL T. II. Barium. Concil. I.

§. 117. (§.

176.)

Neben dieser Aeusserlichkeit des sittlichen Lebens zeigte sich auch schon die Richtung, durch Enthaltsamkeit und schwere Tugendübungen eine höhere Vollkommenheit zu erlangen, obschon der Hass gegen die Creatur verworfen wurde '). Es gab in der Gesellschaft Enthaltsame, aber sie waren noch nicht durch unwiderrufliche Gelübde gebunden L ). Im geistlichen Stande erfuhr das eheliche Leben durch Verde Wette Lehrb. d. Sittenlehre.

6

82

Allgem. Gescliicltte d. christl. Sittenlehre.

Ordnungen und selbst auferlegte Uebungen eine gewisse Beschränkung, jedoch nicht mit allgemeiner Billigung c ). Es gab anch seit der decianischen Verfolgung Einsiedler, von welchen A n t o n i u s besonders die Aufmerksamkeit auf sich zog und Nachahmer erhielt. a) Cam. jiposi. 13. (51.) Gegen die Selbstverschneidung can. 17. (22 — 24.) b) Cyprian, ep. 4. p. 8. Si autem (wrgines) perseverare nolunt Tel non possunt, melius est ut nubant. Vgl. jedoch can. Eliberit. 13 t4. c) Tertufl. nd u \ o r . I, 7 : I)u>ciplina et praescriptio Apostoli . . . digamos non simt prae«idere. Vgl. § 252. Can. Neocaes. l . s nniaßvieQog (.u.aen 3. — Gegen übertriebene priesterliche Enthaltsamkeit überhaupt vgl. can Ancyr. 14. can Ellher. 33. can. Apost 5. A gl. Giesclcr Kirchengesch. I §.70. Ganz verschiedene Erklärung des can. Elilier. bei Slaudlm Gesch. der Sittenl. Jesu. II. 420. Ktander I 2. S. 475.

§. 118. Wenn auch der Zustand der Sittlichkeit unter den Christen dieses Zeitraumes schon ungleich w a r , und Verderbnisse und Erschlaffung unter ihnen thcils durch ausdrückliche Klagen tlieils durch dagegen gerichtete Verordnungen bewiesen werden: so ist docli entschieden, dass im Ganzen ein heiliger Sinn ihr Leben, auch ihr häusliches, durchdrang und, sich namentlich in strenger Keuschheit kund t l i a t A u c h zeigte sich der Geist der Liebe und Menschenfreundlichkeit in ihrer Bruderliebe und ihrer Sorge Für Arme, Waisen, Witwen, Kranke und Fremde 1 ')- Die Geistlichkeit hatte zwar schon jetzt einen sittlichen Verfall erlitten r ), verdiente aber immer im Ganzen das Lob, dass sie ihre Stelle würdig einnahm und als Muster vorleuchtete d ). a) Paez Commentat. de v i , quam religio Christ, per tria priora secuta ad honiinum aninios, mores ac vitam habuit. G o t t . , 1789. Stäudlin Gesch. der Sittenl Jesu. 11. 527. fl. b) Slaud/t,, a. (). S 634. tf. Xeander kirchengesch. I 2. S. 424. ff c) Ortg. homil. 7. in Jes. p. 12t : . etMm in mihi«, qm rx-lc siastiii Humus, imenies iiliquem pro ».ituritate l e n t n s i-micta g c i c i e . ut honoretur et a r e i p u t munera qune in ecileM.i ilt-IVi mitur. \ «I. com ment. in Matth, p. 409. sq. 501. Ojpria*. de lap«. p. 12.*).: Null in s.t

Katholidsmus.

83

cerdetibu religio devota, DM in ministri* fides integra Episcopi plurimi, ^nos et hortamento e u e oportet ceteris e t exemplo, divina procnratione c o n t e n t a , procuratore« rerum secnlarìnm fieri, derelicta cathedra, plebe deserta, per alienas provincia» oberrantes, negotiationis quaestuosae nnndinas aucupari. £snrientibus fratribi» non snbven i r e , habere argentum largì ter velie, fnndos insidiosis fraudibus capere, usuri» multiplicantibus foenus augere. Ep. 59. p. 133. sq. : Taceo de fraudibus ecclesiae factis; conjurationes et adulteria, varia delictorom genera praetereo etc. Ep. 65. p. 163. : . . . nec ante se religioni, sed «entri potius et quaestui profana cupiditate servisse ctc. Ep. 67. p. 173. f ) Orig. e. Cels. Ili, 30. p. 466. : . . . Tivì; fily rije (xxlriaiag ßovlivral ttiiot tlaiy . . . . Ir Ixtiry Ttoltriviafhti. 01 ti navra^ov ßovltvT«i oiJif «fio»' lijf tx xaxataiiàtf VTUQoyr\(, ijy imiqfytiy Joxovot jày nolttùv, tpÌQOvaty tv roìe iaviifxä; ay&Qtinos yfyovtv. Apol. I. 28. p. 61.: . . . loyixol yuQ xal 9iotqrjXiXol ytyivijvtai. c. 46. p. 71.: ol fitxcc Xoyov ßtiüaavrtt, Xptaxiavoi elaiv, xav a&tot lvofi(a!h)aav. ''ilaxe xal öl nqoytvöfitvoi avtv iiyov ßuöaavta, u/Qijatoi yal (%9-nol Teland. virgg. c. 16. III. 3 0 . : Scriptura legem condit, natura contestatur, disciplina e\igit Dei est scriptura, Dei est n a t u r a , Dei est disciplina: quicquid contrarinm e.st istis, Dei non est. Adv. lud. c. 2. II. 273.: . . . ante legem Mojsi . . . . legem fuisse contcndo non scriptnm, quae natnraliter intelligebatur et a patribus custodiebatur. Vgl. Iren, adv haer. IV, 4. 37. 39. §. 1 2 2 . (§. 182.)

Und so erkennen die Alexandriner folgerichtig die Philosophie als eine Quelle und ein Mittel der christlichen W e i s heit a n " ) , Mährend T e r t u I I i a n gegen dieselbe Argwohn und Abneigung hegt 1 '). a) Cltm. Alex. Strom. I, S. p. 123. (285.): qa/ilv zijv yov Sì aùzov (roù yvtaazixov) oi%' TI ànoxì ziòv xavùf IntßitOna yÒQ avir) riQOXonìj; (itylaxqi fiovq S' fi Si' àytxnrjv tvnotiu, tj Si' rtvzò xù raXòv ttÌQtxri xt!) yvioaztxià. I I I , 12. p. 198. (461.) : . . . ti xIVI ó \An6azoXos Si' ùxQaatuv xtà nvQtoaiv xaxà avyyviófiijv StvzÌQOv fitzaSlStoai ytifiov Inel xal OVTOÌ OV/ àfiapzivti fiiv xazà diaìhqxriv . . . . où nl.tjnoì Sì zrj( xazà zò EùayyiUoy noltzela; zr/v xat' lnitrirliv TtXiiózrjza. Orig. comm. in Matth, ad Matth. 1 9 , 18. sq.: Kai r n / n (iQXtl JTQÒ; rò ...

KatholicinMM. tlotlfciy, ovx ¿Qxovrza jrpoc TtXewiipa, ravra xal ra toutots rff rrjy etQxh" f w 5 f jtuQtcnX^aut. Vgl. p. 677. Comm. in ep. ad R o m . p . { 0 7 . : Donee enim quia hoc facit t a n t u m quod d e b e t , id e s t , ea q u a e p r a e c e p t a s u n t , inutilis servos est. Si autem a d d a s aliqoid praeceptis, t o n e non j a m inutilis servus e r i s , sed dicetnr a d t e : E n g e , serve bone et fidelis. Quid a u t e m e s t , quod addatur praeceptis et supra d e b i tum fiat, P a u l u s Apostolus d i c i t : D e virginibus e t c . (1 Cor. 7 , 25.). Q u i ergo completis praeceptis addiderit etiam h o c , u t virginitatem custodiat etc. f ) Clem. Alex. Strom. I l l , 7. p. 193. (450.): oiiX Tva tic Ith9vfti5y xaQTiQrj, «¿A* onus xal TOV IniOvfitty (yx(iuitvr}rai 'Aii.it yaQ ov [tovov nenl i t IV t t J o f irjV fyxQaxeiay ovvoQay nQOOTjXtt, roviiau ra ¿if QOiSiaut • ¿/U« yan xul nepl t a alia. U e b e r die E h e s. P a e d a g . II, 10. p. 83. (192.); über das M ä r t y r e r t h u m IV, 4. p. 206. (480.) c. 21. p. 223. (526.). Ong. c. Cels. V I I , 48. p. 7 3 9 . : roaovrov unoiiovaiy uaO.yilttq xul a/a&uQotas xal tiiiorjs rrjs iy avyovofcas io^rjuoavyijs, ávttv, fi^re av i i ¡ ¡ Im&uftías XQaxttv. Gegen die Meinung, das« die Sünde angeboren s e i , I I I , 16. p. 201. (468. s q . ) ff) A d r . haeres. I V , 3 7 , 1 . : habentem suam potestatem

. . liberum eum Deus fecit ab initio, Posuit

autem in homine potestatem

electionis . . . 2.: El tfvaet ol (ììv qaùloi, ol di àya&ol ytyòvaatv, ov9' ovroi l n a i v t r o ( , ovus àya&ot, roiovroi yaQ xajiaxiváo!h¡aav • ovx' txtìv01 f t f / t n r o í , ovrus ytyoyóxts. A) De poenit- c. 3. I V . 46. : . . . voluntas facti origo enim,

si qua casui

aut necessitati

est.

Viderint

aut ignoran(iae imputantur:

lma exceptis jam non nisi volúntate delinquitur.

qui-

Ueber das Verhältnis«

des Fleisches zum Willen

de anima

N o t . f.

I . 7 2 . : T o t a ergo libertas arbitrii in utram-

Cont. Marc. II, 6

que partem concessa est i l l i ,

c. 40. I V . 298. sq.,

vgl. §. 126.

ut sui dominus constanter occurreret,

bono sponte servando et malo sponte vitando de W e t t e Lehrb. d. Sittenlehre.

et

Caeterum nec boni 7

98

A U g e m . Geschichte d . chriatl. Sittenlehre.

nee mali merce« jure pensare tur e i , qni ant bonoa ant malus necessitate fuisset inventus, Bon \oluntate. Von Adam's Sünde ib. c. 8. p. 75. t) De anima c. 16. I V . 2 3 » . , Tgl. §. 121. Not. d. — c. 41. p. 299. : Malum igitnr animae . . . . ex originis vitio antecedi!, naturale quodammodo. Nam naturae corruptio alia natura est . . . , ut tarnen insit et bonum animae, illud principale, illud divinum atque germanum, et proprie naturale. Quod enim a Deo est, non tarn exstinguitur, quam obumbratur. I ) Cont. Marc. I I , 8. I 76. : Atque adeo eundem hominem, eandem substantiam animae, eundem Adae itatum eadem arbitrii libertas et potestas \ictorem efficit hodie de eodem diabolo, cum secundum obsequium legum ejus administrativ. T) De princ. II, 9. §. 3 — 6. I. 98. sq : aequales creavit omnes ac similes quos creai it libertas unumquemque -voluntatis suae vel ad profectum per imitationem Dei provocagli, vel ad defectum per negligentiam traxit. Et haec e\stitit caussa diversitatis inter rationabiles creaturas. m) De princ I I I , 1, 5 : Tò Toi'rioy ovziog rjutv yivoufynv iioi9tt> o/tliia&cu xaì iavzoii àno).vtiv lyjltjfiaxos ovx «¿ijWc, oìiók tvyvcofioy, ßovhvofitvou Sì ).óyo; lozlv ò roiovros rqv ivvotuy toü 9ty ovx t