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German Pages 79 [84] Year 1954
Geophysikalische Einzel schriften Herausgeber: Prof. Dr. Paul Raethjen Direktor des Geophysikalischen Instituts der Universität Hamburg
Heft 3
Kurzer Abriß der
Meteorologie dynamisch gesehen T E I L III Zirkulationen der Atmosphäre von
Paul Raethjen
H a n i b u r g 1954 Selbstverlag des Herausgebers
Die Geophysikalischen Einzelschriften können vom Geophysikalischen Institut. H a m b u r g 13. Rothenbaumchaussee 80 beiogeo werden. Bisher erschienen t Notdrude: Konstitution der Atmosphäre (Kurzer Abriß Teil I, 1947) TOD P. Raethjen (100 Seiten) DM 3.50 H e f t 1: W ä r m e h a u s h a l t der Atmosphäre (Kurzer Abriß Teil Ii, 1950) von P. Raethjen (52 Seiten) DM 3.00 Heft 2: FronUlryklogeoesis (1954) von P. Raethjen (16 Seiten) 1)M 1.00 Heft 3: Zirkulationen der Atmosphäre (Kurzer Abriß Teil III, 1954) von P. Raethjen (62 Seiten) DM 4.00 Postscheckkonto: H a m b u r g , Konto-Nr. 9985 'Geophysikalische Einzelschriften. H a m b u r g 13'
Gedruckt mit Unterstützung der .Joachim-Junpius-Gesellschafl der Wissensdiaften e. V.. Hamburg
Oopyri^hl 1954 by Prof. Dr. Paul Raethjen. Hamburg 13. Rothenbaumchaussee HO
Inhalt Einführung XI.
Grundlegende Betrachtungen und Erscheinungen 31. 32. 33. 34.
XII.
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Impulssatz und Energiesatz Anwendung des Bjerknesschen Zirkulationstheorems Effekte der Reibung und Erdrotation Beobachtete Zirkulationsfelder
159 161 165 169
Reibung und Druckfeld am Erdboden 35. Das bodennahe planetarische Druckfeld 36. Das bodennahe Monsundruckfeld 37. Planet arisches Reibungsgleichgewicht
175 180 185
XIII. Das planetarische Zirkulationssystem 38. 39. 40. 41.
Meridionaler Massen- und Wärmefluss Zonalzirkulation und Tropopausenzirkulation "Störungen" der Zonalzirkulation (empirisch) " L a n g e " Welle, "Einschub"-Welle und " D e l t a " Störung (theoretisch)
191 195 200 206
XIV. Tages- und Monsunzirkulationen 42. 43. 44. 45.
Zirkulationen des Tageslaufs Der südasiatische Monsun Der europäische Monsun Breitenunterschiede
Schlusswort Schrifttum Bezeichnungen Namen- und Sachregister für Teil I bis III
212 216 222 225 227 228 229 229
Einführung. Wenn man im Laboratorium ein W a s s e r g e f ä s s am einen Ende heizt und am anderen Ende kühlt, so steigt das erwärmte Wasser auf und sinkt das gekühlte herab; das erwärmte f l i e s s t oben zur Kühlstelle, das gekühlte unten zur H e i z s t e l l e . So entsteht durch Heizung und Kühlung eine g e s c h l o s s e n e Zirkulation. E t w a s Ahnliches muss man in der Erdatmosphäre e'warten, die an beiden Polen gekühlt und in den Tropen geheizt wird: Zwei g e s c h l o s s e n e " p e r m a n e n t e " Meridionalzirkulationen mit aufsteigender Luft in den Tropen und sinkender in beiden P o largebieten, oben polwärts und unten aequatorwärts strömend. D i e s e Erwartung begründet das " U r p r o b l e m " der " a l l g e m e i n e n Z i r k u l a t i o n " mit folgender F r a g e : 1.) E x i s t i e r e n d i e s e beiden stationären Meridionalzirkulationen (vom Aequator b i s zum P o l ) wirklich in unserer Erdatmosphäre? Da die meteorologischen Windbeobachtungen keine derartig umfassende und permanente Meridionalzirkulation erkennen H e s s e n , glaubte man lange Zeit, d a s s d i e s e nicht e x i s t i e r e . Aber, vom physikalischen Standpunkt betrachtet, muss s i e vorhanden s e i n , s e i e s auch nur unmerklich schwach und überdeckt von sehr viel stärkeren anderweitigen Strömungen. Im vorliegenden Heftchen wird d i e s e r Gedanke ( u . a . ) wieder aufgenommen mit theoretischen Überlegungen und indirekten B e obachtungen, welche die wirkliche E x i s t e n z der permanenten, vom Aequator b i s i n s P o l a r g e b i e t fliessenden Meridionalzirkulation ( " T r o p o p a u s e n z i r k u l a t i o n " ) beweisen. Demgegenüber zeigen aber die direkten Windbeobachtungen keine andere permanente Zirkulation a l s nur die oberen Westwinde, die zwischen 2 0 ° und 7 0 ° B r e i t e Sommer und Winter jahraus jahrein a l s " Z o n a l z i r k u l a t i o n " f l i e s s e n . F a s t a l l e direkt beobachteten meridionalen Winde ( b z w . Windkomponenten) unterliegen dem ständigen Wechsel von T a g zu T a g , von Woche zu Woche. Auch die. Monatsmittelwerte und Jahresmittel werte der Meridionalwinde (vektoriell g e m i t t e l t ) zeigen keine deutliche Meridionalzirkulation. Nur die bodennahen P a s s a t - und einige Monsunwinde, beide in niederen Breiten, können a l s permanente bodennahe " Ä s t e " entsprechender Meridional- bzw. Vertikalzirkulationen gedeutet werden, sind aber insofern auch noch umstritten. D i e s e s e i t mehr a l s 100 Jahren bekannten B e o b a c h t u n g s e r g e b n i s s e begründen zwei weitere Hauptprobleme der " a l l g e m e i n e n Z i r k u l a t i o n " folgendermassen: 2 . ) Wie entstehen die permanenten oberen Westwinde und wie bleiben s i e ( t r o t z R e i b u n g ) erhalten? 3 . ) Wie entstehen die nichtpermanenten " S t ö r u n g e n " , welche sich den permanenten Westwinden überlagern?
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Auch heute noch sind die vorgenannten 3 Fragen im Mittelpunkt der Diskussionen um die "allgemeine Zirkulation". Aber wir haben inzwischen gelernt, dass das Wort "Störung" irreführen kann, wenn man damit die Vorstellung verbindet, das "permanente" (in langjährigen Monats- oder Halbjahresmittelwerten erscheinende) Zirkulationssystem habe eine von den "Störungen" unabhängige Existenz, und diese seien nur eine Art ungeordneter "Grossturbulenz", welche sich zu der permanenten Zonalzirkulation geselle ähnlich, wie eine Kleinturbulenz dem stationären Strom einer Wasserleitung überlagert ist. Früher stellte man sich die "allgemeine Zirkulation" der Atmosphäre als derart " s t a t i o n ä r e s " S y stem vor,welches sich selbst prinzipiell auch ohne "Störungen" erhalten kann und von diesen nur verdeckt und verschleiert wird. Erst in neuerer Zeit ist die Erkenntnis durchgedrungen, dass dieses System wesentlich nichtstationär ist, dass auch die permanenten Zitkulationsglieder, insbesondere die oberen Westwinde ihre Erhaltung den nichtpermanenten Gliedern verdanken, welch letztere man bisher als "Störungen" bezeichnet hat. Erfahrungsgemäss wird auch der notwendige Wärmetransport von den Tropen nach den Polargebieten, der im T e i l II dieses " A b r i s s e s der Meteorologie" aus den beobachteten Strahlungsgrössen errechnet ist, zu mehr als 9/10 von nichtpermanenten Luftströmungen getragen. Alle, auch die permanenten Zirkulationen würden durch Reibung zur Ruhe kommen, wenn keine Wärmetransporte aus einem höher temperierten Wärmereservoir (Tropen) in ein minder temperiertes Kältereservoir ( P o largebiete) stattfänden und daher auch keine Wärme in Arbeit umgewandelt würde. Da erfahrungsgemäss mehr als 90% dieser Wärmeübergänge nichtpermanent sind, steht zu vermuten, dass auch die Gewinnung mechanischer Energie grösstenteils in nichtpermanenten Zirkulationen vor sich geht. Diese neue Entdeckung hat nun allerdings wiederum eine Krise heraufgeführt, indem einige Forscher glaubten, es sei überhaupt sinnlos, nach einem " S y s t e m " der allgemeinen Zirkulation zu fragen, es gebe (neben den oberen Westwinden) nur die ungeordnete "Grossturbulenz", welche den polwärts fliessenden Wärmetransport leistet. Alles, was in den Mittelwerten als "Zirkulationssystem" erscheinen könne, sei nur ein nebensächlicher Effekt der Corioliskraft und der Land-Meer-Verteilung, aber ohne Bedeutung für den grossen Wärmetransport durch Luftströmungen. Diese Resignation ist verständlich, wenn man die unter 1 ) aufgeworfene Existenzfrage verneint und auch die Frage 2 ) nicht beantworten kann. Insbesondere dann, wenn man die "allgemeine Zirkulation" der Atmosphäre ausschliesslich als Domäne der beobachtenden Klimatologie ansieht, muss man zu der genannten Resignation gelangen. Dann zeigt sich kein " S y s t e m " oder jedenfalls kein physikalischer Sinn in der Fülle der Zirkulationserscheinungen. Demgegenüber erstrebt das vorliegende Heftchen eine theoretische Durchdringung der Beobachtungsergebnisse: Die einzelne und lokale Beobachtung, so wichtig sie ist, kann die allgemeinen Probleme nicht entscheiden. Erst, wenn die theoretische Verarbeitung aller vorliegenden Beobachtungen ein physikalisch erklärtes Gesamtbild liefert, kann dieses als wissenschaftliche Erkenntnis der "allgemeinen Zirkul a t i o n " gelten. Diese Wertschätzung der Theorie bedeutet aber keine Geringschätzung der Beobachtungen schlechthin. Die theoretische Methode ist eine Anwendung allgemeingültiger Beobachtungsergebnisse auf den speziellen F a l l . Z . B . sind Energiesatz und Impulssatz der Mechanik durch so viele und genaue physir
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kaiische Beobachtungen s o gut gesichert, d a s s man ihre Allgemeingültigkeit auch dann nicht in Frage stellen kann, wenn ihre Konsequenzen ein anderes Gesamtbild liefern a l s die unkritische Verallgemeinerung spezieller klimatologischerBeobachtungsergebnisse, welch letztere j a bekanntlich nicht immer so genau und zuverlässig sind wie die grundlegenden physikalischen Experimentalbeobachtungen. Die Schwierigkeit besteht zweifellos in der grossen Komplikation der atmosphärischen Erscheinungen.Daher ist das Haupterfordernis die Hervorhebung dessen, was wesentlich ist: Erstens für den Transport der Wärme, zweitens für die thermodynamische Umwandlung der Wärme in mechanische Energie, drittens Für die Entstehung und Erhaltung der permanenten Westwinde. Die g r o s s e atmosphärische Wärmekraftmaschine muss in ihre Hauptteile ( H e i z k e s s e l , Zylinder, Schwungrad) zerlegt und deren Funktion näher erläutert werden. Auf diesem dornenvollen Wege hätten systematische (d.h. von der Theorie geleitete) Experimentaluntersuchungen in rotierender Flüssigkeit sehr nützlich werden können, wenn es dem Verfasser gelungen wäre, die materiellen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Leider scheiterten diese Bemühungen bisher aus zeitbedingten Gründen. Deshalb begnügen wir uns hier mit der theoretischen Erläuterung der beabsichtigten Experimente. Wenigstens diese Anregunger. wollen wir nicht länger zurückhalten, obwohl e s selbstverständlich angenehmer und förderlicher wäre, über ausgeführte Experimente zu berichten. Vielleicht könnte e s auch für die Deutsche Forschungsgemeinschaft zum Anlass werden, diesem Vorhaben ein freundlicheres Interesse zuzuwenden. Da uns, wie gesagt, bisher die Ausführung dieser Experimente versagt geblieben ist, müssen wir uns zunächst (im Kap. 31 b i s 3 3 ) mit theoretischen B e trachtungen und Gedankenexperimenten plagen, ehe wir auf die beobachteten Erscheinungen ( K a p . 34 f f ) eingehen. D i e s ist für die dynamische Begründung der weiterhin erörterten Zirkulationserscheinungen notwendig. Nur derjenige Leser, der vorerst auf d i e s e Begründung verzichten möchte, wird b e s s e r direkt in die Erscheinungen eintreten und seine Lektüre mit dem Kapitel 34 beginnen, in diesem F a l l e die Kapitel 31 b i s 33 erst nachher studieren.
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XI. Grundlegende Betrachtungen und Erscheinungen. 31.) Impulssatz und Energiesatz. Verschiedene, im Laufe der letzten 50 Jahre aufgetretene Diskussionen über die "allgemeine Zirkulation" beruhen im Grunde darauf, dass der eine Diskussionspartner nur den Impulssatz der Mechanik, der andere nur das Energiegesetz (den ersten und zweiten Hauptsatz) verwendet. Demgegenüber wollen wir zunächst an Hand einiger Beispiele feststellen, dass eine voll befriedigende physikalische Interpretation beide Gesetze berücksichtigen muss: Beispiel a: Wenn eine Kanone abgeschossen wird, verlangt der Impulssatz, dass der Impuls (Masse x Geschwindigkeit) des hinausgeschleuderten Geschoss e s entgegengesetzt gleich demjenigen des zurückgeschleuderten Geschützrohres ist. Diese Erkenntnis kann man anwenden, um die Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses aus der beobachteten Anfangsgeschwindigkeit des Rückstosses zu berechnen, nicht aber, um zu erklären, warum überhaupt sich der Abschuss ereignet. Der Impulssatz besagt, dass der Gesamtimpuls des Rehres und Geschosses mit oder ohne Abschuss gleich Null ist und bleibt. (Erst durch die Reibung der Glycerinbremse ändert er sich allmählich nach dem Abschuss). Um aber zu erklären, dass hier überhaupt etwas geschieht, braucht man den Energiesatz, der besagt, dass die Wärmeenergie des verbrennenden Pulvers beim Abschuss (teilweis e ) in kinetische Energie des Rohres und Geschosses verwandelt wird. Beispiel b: Wenn zwei benachbarte (atmosphärische) Massenpunkte anfänglich relativ zur rotierenden Erde ruhen, dann aber (durch eine Pulverexplosion) in entgegengesetzte horizontale Richtungen (z.B. nord- und südwärts) auseinandergeschleudert werden, so läuft jeder von beiden ohne Reibung mit konstanter Relativgeschwindigkeit auf dem entsprechenden "Trägheitskreis" (Satz 20, S. 38). Kennt man die Anfangsgeschwindigkeit beider Massenpunkte nach Richtung und Betrag, so ist der weitere Ablauf der "Trägheitsbewegung" durch den Impulssatz eindeutig bestimmt. Insbesondere behält dabei jeder von beiden Massenpunkten seinen anfänglich vorhandenen, auf die Erdachse bezogenen, (absoluten) "Drehimpuls" (Trägheitsmoment x Winkelgeschwindigkeit) D.h. sein "Rotationsmoment" f v , wobei r den Rotationsradius (Abstand von der Erdachse) und v die im Inertialkoordinatensystem gemessene Rotationsgeschwindigkeit bedeuten, bleibt unverändert. Der hier angewandte, nur bei Zentralkräften gültige Satz von der "Erhaltung des Rotationsmoments" oder "Flächensatz" ist eine Spezialform des Impulssatzes und sagt z.B. aus: Wenn der Massenpunkt hinreichend kräftig polwärts "abgeschossen" wird, erlangt er schon nach dem Durchlaufen von 10 Breitengraden enorm starke West-Ost-Geschwindigkeit relativ zur Erde. Aber dieser starke Effekt tritt eben nur dann wirklich ein, wenn eine hinreichende Arbeit (entweder plötzlich durch kräftigen "Abschuss" oder allmählich durch Horizontalbewegung vom hohen zum tiefen Druck) geleistet wird. Ohne diese Arbeitsleistung entfernt sich der Massenpunkt nicht von seiner Ausgangsbreite; der Radius des Trägheitskreises ist stets proportional der Abschussgeschwindigkeit. Beispiel c nach W. F e r r e l [78]: Setzt man voraus, dass anfänglich alle atmosphärischen Massen auf der ganzen Erde windstill sind, und nimmt man an, dass diese Massen weiterhin nur durch solche Kräfte, welche (polwärts und aequatorwärts) in der Meridianebene liegen, (d.h. durch "Zentralkräfte") in Bewe-
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gung kommen und schliesslich der Vermischung ausgesetzt sind, so ergibt sich ohne Reibung ein Endzustand, in welchem alle Breiten dasselbe "Rotationsmoment" r - f haben, welches anfänglich als Mittelwert aller Massen (aller Breiten) auftrat. So ergeben sich starke Westwinde auf der Polseite, starke Ostwinde auf der Aequatorseite beider Halbkugeln; zwischen diesen Windzonen je eine schwachwindige Zone bei etwa 30° bis 35° Breite. Diese Theorie F e r r e l s ist eine Anwendung des Impulssatzes und sagt daher nichts darüber aus, ob und unter welchen Bedingungen der Meridionalaustausch der Rotatioiismomente wirklich hinreichend kräftig stattfindet. Hierfür benötigen wir den Energiesatz folgendermassen: Durch Sonnenstrahlung empfängt die Atmosphäre in den Tropen mehr Wärme, als sie dort in den Weltraum ausstrahlt, gibt aber im Polargebiet mehr Wärme ab, als sie einnimmt (S. 139). Daher sind meridionale, von Luftmassen getragene, Wärmeübergänge notwendig. Diese liefern die mechanische Energie, ohne welche der "planetarische Meridionalaustausch" nicht stattfinden könnte. Energetisches Reibungsgleichgewicht: Die Anwendung des Energiesatzes macht nun aber auch offenbar, dass eine reibungslose Theorie der allgemeinen Zirkulation an dem Wesentlichen vorübergehen wurde: Im Mittel vieler Jahrzehnte muss ebensoviel mechanische Energie, wie durch Wärmeübergänge gewonnen wird, durch Reibung wieder verbraucht werden. Sonst würde die in der Atmosphäre enthaltene potentielle und kinetische Energie dauernd anwachsen oder dauernd abnehmen. Dieses kann aber angesichts einer durch Millionen Jahre konstanten Sonnenbestrahlung nicht angenommen werden. Die anfallende Energie ergibt sich aus der Stärke der Sonnenbestrahlung und die Windstärke der Zirkulationen ist am Erdboden gerade so gross, dass die fortwährend gewonnene kinetische Energie fortwährend durch Reibung verbraucht wird. Die Reibung ist zwar nicht die Ursache, aber das Regulativ der wirklich auftretenden Windstärken. Diese werden in der oberen Troposphäre relativ gross sein, weil dort der Energieverbrauch durch Reibung relativ gering aber die Gewinnung kinetischer Windenergie durch Zirkulationen noch erheblich ist. In unteren Schichten dagegen wird die Windstärke relativ gering sein, weil sich am Erdboden die Hauptveibrauchsstelle der Energie befindet. Impuls-Reibungsgleichgewicht: Auch W. F e r r e l kannte die regulative Funktion der Reibung. Am Schluss seiner Abhandlung erwähnte er beiläufig, dass die Reibung der bodennahen Ost- und Westwinde insgesamt (im Mittel vieler Jahrzehnte) kein beschleunigendes oder verzögerndes Drehmoment auf den festen Erdkörper ausüben dürfe. Dies ist zwar ebenfalls eine Anwendung des Impulssatzes, aber unter Aufgabe der solange bevorzugten Voraussetzung verschwindender Reibung. Erst hierdurch erlangt F e r r e l s Theorie eine Annäherung an die Wirklichkeit, welche man in moderner Ausdrucks weise etwa folgendermassen formulieren kann: Der Energiesatz fordert meridionale, von Luftströmungen getragene Wärmeübergänge, d.h. meridionale Massentransporte. Diese bringen grosse Rotationsmomente von niederen nach höheren, kleine von höheren nach niederen Breiten. So geniessen die höheren Breiten (polwärts von 30°) eine fortwährende Einfuhr von Westwindimpulsen, die niederen (aequatorwärts von 30°) fortwährende Einfuhr von Ostwindimpulsen. Hierdurch müssten die Ostwinde auf der Aequatorseite und Westwinde auf der Polseite fortwährend anwachsen, wenn die fortwährend zugeführten Impulse nicht schliesslich durch Reibung auf den festen
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Erdkörper ( a l s Drehmoment ) übergehen und sich hier gegenseitig aufheben würden. Vergleich mit der Erfahrung: Man beachte, wie sehr sich F e r r e l s Theorie durch Einführung der beiden Reibungsgleichgewichte den wirklichen Erscheinungen nähert: Die unhaltbare Voraussetzung der anfänglichen Windstille wird dabei aufgegeben, denn das s c h l i e s s l i c h e Reibungsgleichgewicht i s t nicht abhängig von irgend einem Anfangszustand. Der reibungslose Endzustand allenthalben gleichen Rotationsmoments, welcher ungeheuerlich starke Westwinde in hohen und nahezu ebenso starke Ostwinde in niederen Breiten enthalten würde, wird nun ersetzt durch den Endzustand des energetischen Reibungsgleichgewichts, in welchem die relativ massigen Winde nicht weiter anwachsen, weil die durch thermodynamische Kreisprozesse gewonnene mechanische Energie schon bei mässigen Winden durch Reibung verbraucht (in Wärme verwandelt) wird. Die Grenze zwischen vorherrschenden West- und Ostwinden, (Subtropenhoch in etwa 3 0 ° bis 3 5 ° B r e i t e ) , die F e r r e l zunächst reibungslos aus der Voraussetzung des allenthalben windstillen Anfangszustandes errechnet hatte, ergibt sich nun aus dem vorstehend angeführten "Impulsreibungsgleichgewicht" und zwar zufällig ebenfalls bei etwa 3 0 ° Breite, dort aber nur als Grenze zwischen bodennahen West- und Ostwinden. Im Kap. XII, 37 werden wir diesen Sachverhalt ausführlich erläutern. Die Winde der freien Atmosphäre sind selbstverständlich nicht von diesem Impuls-Reibungsgleichgewicht abhängig sondern dem geostrophischen Gleichgewicht angepasst, welches bei polwärts gerichtetem Temperaturgefälle aufwärts zunehmende Westwindkomponente fordert. Satz 60: Im System der "allgemeinen Zirkulation" ist die Reibung ein wichtiger Faktor; eine reibungslose Theorie würde am Wesentlichen vorübergehen. Experimente in einer rotierenden Flüssigkeitsschale wären hier anzuschliessen, um die Probleme und Erscheinungen des Reibungsgleichgewichts im rotierenden System genauer zu studieren. Ihr Ziel ist nicht so sehr die Nachahmung der in der Atmosphäre erscheinenden Stromfelder ,sondern vielmehr ihre Zerlegung in dynamische Elementarvorgänge. Hierfür bietet das Experiment durch Veränderung der Versuchbedingungen mannigfache Möglichkeiten, wobei aber die erfolgreichen Methoden nicht im vorans theoretisch festgelegt, sondern nur auf experimentellem Wege entwickelt werden können.
32.)
Anwendung des Bjerknesschen Zirkulationstheorems.
Die "Zirkulationsbeschleunigung" nach V. B j e r k n e s haben wir S. 62/68 behandelt. Die dortige Gl. ( 8 9 ) schreiben wir jetzt in folgender Form:
f$$"cLs
= - f f § f . 0 L s - f *
s
o t s + f H
s
d s .
(162)
Dabei bedeutet s eine beliebig gewählte, geschlossene " f l ü s s i g e L i n i e " , ds ihr Linienelement, cs die s -Komponente der Coriolisbeschleunigung und R s die s -Komponente der auf die Masseneinheit wirkenden Reibungskraft ( e i n s c h l i e s s lich Austauscheffekt). Die Integration erstreckt sich über die ganze flüssige Linie. Diese Gl. ( 1 6 2 ) hat zwar die Dimension einer ( m e c h a n i s c h e n ) Energie pro Masseneinheit, enthält aber eine Anwendung des Energiesatzes nur bei entsprechender Wahl der flüssigen Linie.
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Zirkulationsenergie: Wählen wir irgendeine Stromröhre einer geschlossenen Zirkulation als flüssige Integrationslinie, so verschwindet c s überall, denn die Coriolisbeschleunigung steht bei dieser Wahl überall senkrecht auf s . Multiplizieren wir dann die Gl. (162) mit der pro Zeiteinheit durch den Stromröhrenquerschnitt strömenden Masse M, so erhalten wir folgende Energiegleichung:
Dabei bedeutet:
=T-a. IT = nfgpd,
die Zunahme der kinetischen Energie der Stromröhre pro Zeiteinheit, T
=
d63)
(164) ( 1 6 5 )
die in der ganzen Stromröhre pro Zeiteinheit thermodynamisch aus Wärme gewönne ne mechanische Energie (Kreisprozessaibeit) und CC =
" A ^ ' f R f d s
(166)
die in der gesamten Stromröhre pro Zeiteinheit aufgewandte Reibungsarbeit. Satz 61: In jeder geschlosenen Stromröhre ist die Zunahme ihrer kinetischen Energie gleich der geleisteten Kreisprozessarbeit weniger der in ihr aufgewandten Reibungsarbeit. Beweis: Dieses kann man leicht einsehen, wenn man die Elemente ds der Stromröhre gerade so lang wählt, dass sich in jedem Stromröhrenelement ds dieselbe Masse M befindet. In diesem Falle ist nämlich auf der linken Seite der Gl. (162) ds = vs • dt zu setzen. Der Integrand kann dann in der Form d (vs / 2 ) geschrieben werden und bedeutet, mit U multipliziert, die Änderung der kinetischen Energie im Stromröhrenelement ds. Durch die Integration ergibt sich also auf der linken Seite die Änderung der kinetischen Energie K der ganzen Stromröhre. Entsprechendes gilt für das letzte Glied der rechten Seite: M • R s ist die Reibungskraft, welche auf die Masse M des Stromröhrenelements wirkt, ds ist der Arbeitsweg dieser Kraft, also —M • Rs • ds die Reibungsarbeit im Stromröhrenelem ent pro Zeiteinheit. $ dp / p ist hier die Kreisprozessaibeit, welche von der Masseneinheit geleistet würde, wenn sie durch die gesamte, stationärgedachte Zirkulation Hefe. Tatsächlich läuft der einzelne Massenpunkt nicht durch die ganze Stromröhre s, aber jede Masse M während der (beliebig kurz zu wählenden) Zeiteinheit eine Strecke ds. Alle diese Integranden M • dp/p liefern, addiert, dasselbe Ergebnis, als ob eine einzige Masse M durch die ganze Stromröhre gelaufen ist und dabei die darin anfänglich gegebenen Drucke p und Dichten p angenommen bat. Zirkulationsimpuls: Wählen wir nun aber eine geschlossene flüssige Linie s , welche die Stromlinien rechtwinklig schneidet (Orthogonaltrajektorie), so enthält die Gl. (162), auf diese Linie s angewandt, keine energetische Aussage, denn in diesem Falle treten in der Gl. (162) nur babnsenkrecbte Beschleunigungen
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dvs/dt auf. Dann ist e s zweckmässig, die Gl. ( 1 6 2 ) durch die Länge s der ganzen flüssigen Linie zu dividieren, sodass ihre linke Seite den Mittelwert aller linientangentialen Beschleunigungskomponenten darstellt, • den wir als zeitliche Änderung des "Zirkulationsimpulses" dieser Linie s verstehen können. Die Corioliskraft cs verschwindet dann nicht, wohl aber näherungsweise Rs und Q. denn die in der Zirkulation auftretende Reibungskraft ist (überwiegend und im Wittel ) gegen die Strömung gerichtet und hat' daher keine (oder jedenfalls nur gering e ) Komponente senkrecht zu der Stromlinie. Ein Beispiel dieser Art haben wir S. 66 und 68 im Meridianschnitt zwischen 900 und 500 mb, 40 und 6 0 ° Breite betrachtet. Hier zeigt sich das geostrophische Gleichgewicht als verschwindende Ä nderung des Ziikulationsimpulses. Planetarische Passatzitkulation. Wenn die Erdoberfläche ganz einheitlich ( z . B . nur Meeresoberfläche) wäre, würde die permanente " P a s s a t z i t k u l a t i o n " ( B i l d 53, S . 1 9 2 ) in allen Längen gleichartig auftreten etwa folgendermassen: In tropischen Breiten aufsteigend, in der oberen Troposphäre polwärts fliessend und dabei kräftige*Westwinde erlangend; in subtropischen Breiten herabsinkend,unten aequatorwärts strömend und dabei Ostwinde schaffend. Irgendwie wird sich diese Zirkulation schliessen, sei es auch erst nach vielen Umläufen. Man kann darauf die Gin. ( 1 6 3 ) bis ( 1 6 6 ) anwenden, indem man für M die Masse einsetzt, welche pro Zeiteinheit den 15° — Breitenkreis aequatorwärts überschreitet; denn ebensoviel Masse geht pro Zeiteinheit durch alle Stromröhrenquerschnitte. In Gl. ( 1 6 5 ) darf man daher j>dp/p so bestimmen, als ob die Passatzirkulation keine westöstlichen Windkomponenten hat, denn im planetarischen Feld sind die westöstlichen Winde isobar. D.h. also: Der thermodynamische Energiegewinn T ist (im planetarischen F e l d ) von den westöstlichen Windkomponenten unabhängig und darf so berechnet werden, als ob die Massen nur in der Meridianebene zirkulieren. Dagegen i s t das letzte Glied — Q der Gl. ( 1 6 3 ) sehr abhängig von den westöstlichen Winden und muss auf der wirklichen Zirkulationsbahn bestimmt werden. Q/T wird also grösser, wenn die westöstlichen Strömungskomponenten im Verhältnis zu den meridionalen anwachsen, denn T wächst nur mit zunehmender Meridionalkompo•ante, Q aber auch mit zunehmender Westostkomponente der Strömung. So ist das Reibungsgleichgewicht T - Q » 0 stabil. Hierdurch erklärt sichderpermanente Charakter der planetarischen Passatzirkulation. Vertikale und horizontale Zirkulationen. Wenn die Stromröhre einer Zirkulation ganz in einer Isobarfläche liegt, ist in ihr j>dp/p - 0 . Derartige Zirkulationen können also nach Gl. ( 1 6 3 ) weder entstehen noch bestehen, denn Q ist s t e t s £ 0. Ein Beispiel hierfür ist die permanente Westdrift gemässigter Breiten. Im "planetarischen" Druckfeld würde eine streng zonale Zirkulation nicht erhalten bleiben, e s sei denn, dass sich zusätzliche "Störungen" überlagern, welche das —$>dp/p> 0 werden lassen. Für horizontale Zirkulationen (Zyklonen, Antizyklonen) gilt näherungsweise dasselbe wie für isobare, in horizontaler flüssiger Linie i s t | $>dp / p | meist sehr klein. Daher überlagern sich die meisten horizontalen Zirkulationen mit vertikalen Komponenten. Z.B. gleiten die polwärts strömenden Massen auf der "'Vorderseit e " ( O s t s e i t e ) einer Zyklone auf, die aequatorwärts strömenden Massen auf der " R ü c k s e i t e " (Westseite) herab. Die "Horizontalräder" der allgemeinen Zirkulation können also mit dem Schwungrad einer Dampfmaschine verglichen werden.
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Sie bedürfen eines anderweitigen Antriebs, der meistens von einer mit der Horizontalzirkulation gekoppelten Vertikal Zirkulation geliefert wird. Aber auch Vertikalzirkulationen leisten eine positive Kreisprozessarbeit — dp/p nur dann, wenn in ihnen warme Massen auf- und kalte absteigen, wie z . B . in den Frontalzyklonen die wärmeren Massen auf-, die kälteren abgleiten. Oft i s t die positive Kreisprozessarbeit dadurch gegeben, dass die Wärmezufuhr am Erdboden, die Wärmeentziehung in höheren Schichten stattfindet (Satz 35, S. 71)» Daher ist auch die "Konvektion" ein wichtiger Energielieferant der allgemeinen Zirkulation. Vertikaler und horizontaler Wärmestrom. In diesem Zusammenhang i s t es interessant, die Grössenordnung der von Luftbewegungen getragenen Wärmeströme zu vergleichen, den vertikal aufwärts fliessenden mit dem horizontal polwärts fliessenden Wärmestrom. Der erstere ergibt sich aus der mittleren Bilanz der Erdoberfläche ( S . 1 4 2 ) zu 32 kcal pro cm^ im Halbjahr. Auf der ganzen, etwa 5 * 1 0 ^ cm^ grossen Erdoberfläche strömen also "konvektiv" rund 1,5 • 1 0 ^ kcal pro Halbjahr aufwärts. Dagegen strömen " a d v e k t i v " über den 4 5 ° —Breitenkreis jeder Halbkugel rund 2 • 10 19 kcal pro Halbjahr polwärts. ( S . 139). Satz 62: Der konvektive, vertikal aufsteigende Wärmestrom der gesamten Erdoberfläche ist erheblich grösser als der advektive, horizontal polwärts über beide 4 0 ° —Breitenkreise fliessende. Als Ursache der allgemeinen Zirkulation ist daher die Bestrahlung des Erdbodens und Ausstrahlung aus der oberen Troposphäre ebenso bedeutsam wie die Erwärmung der Tropen und Abkühlung der Polargebiete. Kleinräumige und weiträumige Zirkulationen. Wenn die Wärmequellen derZirkulationen ausschliesslich am Erdboden (nicht ausserdem in den Tropen, sommerlichen Kontinenten, winterlichen Meeren e t c . ) , ihre Kältequellen ausschliesslich in der oberen Troposphäre (nicht ausserdem im Polargebiet, winterlichen Kontinenten, sommerlichen Meeren e t c . ) liegen würden, wenn also der von Luftmassen getragene Wärmestrom ausschliesslich vertikal aufwärts fliessen würde, so wären alle Arbeit leistenden Vertikal Zirkulationen "Konvektionen" und könnten dann nur im statisch-labilen ( z . B . " f e u c h t l a b i l e n " ) Anfangsfeld entstehen. S. 73 bis 75 haben wir erkannt, dass derartige, im statisch-labilen Anfangsfeld entstehende Konvektions-Zirkulationen nichtstationär und (in höheren Breiten) kleinräumig auftreten müssen. Beides zeigt sich auch in den Beobachtungen. Z . B . ist die Vertikalzirkulation eines Cumulus oder Cumulonimbus stetsnichtstationär und kleinräumig. Ausserdem ist es eine theoretisch und praktisch bekannte Tatsache, dass weiträumige (nicht aber kleinräumige) Strömungssysteme in der freien Atmosphäre mit grosser Näherung geostrophisches Gleichgewicht besitzen. Hierdurch ist bewiesen, dass die weiträumigen Zirkulationen erheblich weniger Kreisprozessarbeit leisten als die kleinräumigen. Denn im geostrophisehen Gleichgewichtsfeld verschwindet dp/ p auf allen Stromlinien. Satz 63: Eneigielieferanten der allgemeinen Zirkulation sind fast ausschliesslich die Vertikalzirkulationen. In höheren Breiten treten sie überwiegend kleinräumig und nichtstationär auf. Experimente in rotierender Wasserschale (S. 158) könnten hierzu sehr instruktiv sein, nicht als Nachahmung atmosphärischer Stromfelder sondern zwecks Analyse der dynamisch wirksamen Faktoren.
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33. Effekte der Reibnng und Erdrotation. Entstehungsmodell: Wir kommen zurück auf das in der Einführung ( S . 156) angezogene Laboratoriumsexperiment, betrachten aber jetzt die Enstehung der Zirkulation: Anfänglich gibt es im Wassergefäss keine horizontalen Temperatur- und Druckunterschiede. Wenn aber Heizung und Kühlung beginnen, erhöht sich zunächst die Dichte des Wassers an der Kühlstelle ( P o l s e i t e ) und vermindert sich an der Heizstelle (Aequatorseite). Damit sinkt zunächst die Wasseroberfläche am Pol und steigt am Aequator, ist dann also polwärts ein wenig geneigt. Desgleichen die oberen Isobarflächen des Wassers, während die bodennahen Isobarflächen noch horizontal bleiben. Erst, wenn die oberen Wassermassen polwärts abströmen, ergibt sich am Boden das Druckgefälle aequatorwärts, welches seinerseits den bodennahen Ast der Zirkulation entstehen lässt. Warum zeigt die Atmosphäre ( B i l d 7, S. 18) das obere Druckgefälle polwärts so deutlich, das untere (aequatorwärts) aber nur schwach und nur im Passatgebiet? Dieser Unterschied gegenüber dem kleinräumigen Experiment beruht auf der Erdrotation, welche die oben polwärts bewegten Kassen sofort nach Ostenablenkr und so die Enstehung eines kräftigen Druckgefälles am Boden verhindert. Die Corioliskraft des Westwindes hält dann dem oberen Druckgefälle das Gleichgewicht. Erheblich kann diese Meridionalzirkulation (Passatzirkulation) nur durch Reibung werden: Wenn die oberen Westwinde einer hemmenden Reibung unterliegen, ist ihre Corioliskraft stets ein wenig schwächer als das obere Druckgefälle. Dann setzen diese Westwind-Massen (langsam aber stetig) polwärts und erzeugen so das untere, aequatorwärts gerichtete Druckgefälle, welches die Passatwinde aufrecht erhält. Da die Reibung oben sehr gering und unten sehr stark ist, muss dann das obere meridionale Druckgefälle wesentlich stärker als das untere sein ( B i l d 7, S. 18). In diesem Sinne ist die Passatzirkulation eine "Reibungszirkulation". Reibungsgleichgewicht: Stationär ist diese und jede andere Zirkulation nur dann, wenn ein "energetisches Reibungsgleichgewicht" ( S . 1 6 0 ) herrscht. Wenn mehr mechanische Energie durch thermodynamische Kreisprozesse gewonnen als durch Reibung verbraucht wird, nimmt die Zirkulation zu; wenn mehr verbraucht als gewonnen wird, nimmt sie ab. Bei geringer Reibung ist also die Zirkulation nur mit geringem Energiegewinn stationär. Im reibungslosen Idealfall ist eine Kreisprozessenergie nur zur Entstehung, nicht zur Erhaltung der Zirkulation erforderlich. Gedankenexperiment: Wir denken uns die (rotierende) Erde mit zeitlich konstanter Sonnenbestrahlung (ohne jahreszeitliche Schwankungen): Starke Bestrahlung in den Tropen, geringe am Pol. Unsere Fragen lauten: Würde es auf dieser Erde ohne Reibung eine stationäre Zirkulation geben? Wie müsste die reibungslose Zirkulation aussehen? Wir setzen zunächst eine überall gleichartige ( " p l a n e t a r i s c h e " ) Erdoberfläche voraus; entweder nur Ozeane oder nur Flachland oder nur Inselarchipel. Eine stationäre Zirkulation kann nur im stationären Druck- und Temperaturfeld vor sich gehen. Beide Felder haben im "planetarischen" Fall nur meridionales (kein west-östliches) Gefälle; die Gradienten fallen dann überall in die Meridianebene,
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weil a l l e Bedingungen d i e s e s Gedankenexperimentes symmetrisch zur Erdrotat i o n s a c h s e liegen. Stationäre Winde können daher ( o h n e R e i b u n g ) nur parallel zum B r e i t e n k r e i s wehen, da Abweichungen vom Gradientwind nur mit Energieumsetzungen möglich sind ( a b g e s e h e n von hier nicht interessierenden Schwingungen). Unter dem E i n f l u s s der Sonnenbestrahlung würde a l s o zwar ein meridionales Temperaturgefälle auftreten, aber keine stationäre Meridionalzirkulation; im stationären F a l l e miisste der a u s s c h l i e s s l i c h w e s t ö s t l i c h e Wind im Gleichgewicht mit nordsüdlichem Temperaturgefälle sein ( S a t z 25, S. 4 3 ) . D i e ' a l l g e m e i n e Zirkul a t i o n " wäre dann eine reine " Z o n a l z i r k u l a t i o n " mit nur w e s t ö s t l i c h e n Winden. Hierin liegt der w e s e n t l i c h e Unterschied zwischen der rotierenden Atmosphäre und dem nichtrotierenden W a s s e r g e f ä s s : D i e s e s hat ein r e i b u n g s l o s e s G l e i c h gewicht nur ohne horizontale Temperaturunterschiede; die Erdrotation aber " s t ü t z t " das polwärts g e r i c h t e t e Temperaturgefälle durch aufwärts zunehmenden Westwind ( S a t z 25, S. 4 3 ) . D i e Strahlungsbilanz S ( T a b e l l e 9, S. 1 3 9 ) müsste allerdings in diesem s t a tionären und reibungslosen Modell überall verschwinden; jede Zone müsste dann e b e n s o v i e l Wärme in den Weltraum ausstrahlen, wie s i e von der Sonne einnimmt, weil dann keine meridional gerichteten Advektionsströme auftreten dürften! D.h. der reibungslos-stationäre Zustand müsste ein wesentlich stärkeres polwärts gerichtetes Temperaturgefälle haben, a l s e s wirklich vorhanden i s t . I n s t a b i l i t ä t : E i n Gleichgewichtszustand mit derart starkem isobaren Temperaturgefälle wäre aber nicht s t a b i l , wie wir ( S . 80 f f ) erkannten. Der stationäre Zustand unseres Gedankenexperiments ist a l s o i n s t a b i l und kann auf die D a u e r n i c h t b e s t e h e n . E r kann nicht einmal zustande kommen, wie die nachfolgende B e t r a c h tung zeigt: S e t z t man als Anfangszustand eine windstille und horizontal gleich temperiert e Atmosphäre voraus, so bildet s i c h unter dem E i n f l u s s der Sonnenbestrahlung ein allmählich anwachsendes polwärts g e r i c h t e t e s Temperaturgefälle; g l e i c h z e i t i g e n t s t e h e n die Westwinde, deren Stärke mit der Höhe zunimmt und deren C o r i o l i s kraft daher im planet arischen Temperaturgefälle das Gleichgewicht hält ( S . 4 2 f f ) . Aber d i e s e s Temperatur- und Windfeld wird ( a n w a c h s e n d ) i n s t a b i l , s o d a s s zus ä t z l i c h e Zyklonen und Antizyklonen entstehen ( S . 80 f f ) , welche meridional ger i c h t e t e Advektionsströme enthalten und durch den meridionalen Wärmetransport das polwärts g e r i c h t e t e Temperaturgefälle b e s e i t i g e n oder vermindern. Dadurch wird der Anfangszustand nahezu wieder h e r g e s t e l l t , ehe ein stationärer Endzustand erreicht i s t , und d a s s e l b e Spiel beginnt von neuem. Ohne Reibung kann a l s o kein stationärer Zustand auftreten, nur ein fortwährender Wechsel: " S t ö r u n g s a r m e " Z e i t a b s c h n i t t e , welche ( m a n g e l s meridionaler Ströme) das polwärts g e r i c h t e te Temperaturgefälle vermehren, wechseln ab mit " s t ö r u n g s r e i c h e n " Perioden, w e l c h e die meridionalen Temperaturunterschiede advektiv a u s g l e i c h e n . Die " S t ö r u n g e n " s e l b s t müssen dann a l s Horizontalzirkulation auftreten, denn s i e dürfen im reibungslosen System keine Arbeit l e i s t e n . D i e s e r ewige Wechsel i s t neuerdings von der Chikagoer Meteorologenschule mit einem weltweiten Beobachtungsmaterial nachgewiesen [ 1 1 2 ] , der energiebeladene ( i n s t a b i l e ) Zustand a l s " h i g h i n d e x " , der energieärmere a l s " l o w i n d e x " b e z e i c h n e t worden. Im Mittel enthält d i e s e r Wechsel b e i d e s : W e s t ö s t l i c h e Winde, die das planetarische Gleichgewicht zu erhalten streben, und meridional gerichte-
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te Ströme (Horizontalzirkulationen), die der Wärme ad vektion dienen. D i e Strahlungsbilanz braucht dann nicht in jeder Zone zu verschwinden, sondern kann die Werte S annehmen, welche in der 5ten Spalte der T a b e l l e 9 ( S . 1 3 9 ) eingetragen und mit S a t z 54 ( S . 1 3 8 ) charakterisiert sind. Reibungszirkulation: B e i sehr starker Reibung würde e b e n f a l l s eine meridionale Wärmeadvektion vorhanden s e i n , dann aber mit stationären Strömen. Ilm dies e s nachzuweisen, wiederholen wir das soeben angezogene p l a n e t a r i s c h e Gedanken experiment mit Reibung. Dabei unterscheiden wir zwischen der " B o d e n r e i b u n g " ( R e i b u n g der Luftströme an der E r d o b e r f l ä c h e ) und der " i n n e r e n " Reibung ( i n der " f r e i e n " Atmosphäre): a ) Bodenreibung: Da der stationäre p l a n e t a r i s c h e Druckgradient meridional gerichtet i s t , enthält die bodennahe R e i b u n g s s c h i c h t einen meridional gerichteten " a n i s o b a r e n M a s s e n f l u s s " ( S a t z 29, S. 52 )> welcher ( a u s Kontinuitätsgründen) durch eine e n t g e g e n g e s e t z t e aber gleich ergiebige Rückströmung der freien Troposphäre zur g e s c h l o s s e n e n Vertikalzirkulation ergänzt wird, wie z . B . der " P a s s a t " durch den " A n t i p a s s a t " in der " P a s s a t z i r k u l a t i o n " ( B i l d 53 S . 1 9 2 ) . Wenn d i e s e (durch Reibung erzwungene) Meridionalzirkulation stark genug wäre, würde s i e s o viel Wärme polwärts befördern, d a s s das p l a n e t a r i s c h e Temperaturgefälle nicht bis zur Instabilität anwachsen würde. In diesem F a l l e würde a l s o die Zirkulation stationär bleiben. b ) Innere Reibung: Wenn die " i n n e r e " Reibung s o stark wäre, d a s s vertikale Unt e r s c h i e d e des westöstlichen Windes s t e t s sehr geschwächt würden, so würde das geostrophische Gleichgewicht ( S a t z 25, S. 4 3 ) zwischen polarer Kaltluft und subtropischer Warmluft unmöglich s e i n . In diesem F a l l e müsste sich a l s o die atmosphärische Zirkulation nach dem Muster des eingangs ( S . 1 5 6 ) beschriebenen Wass e r g e f ä s s - E x p e r i m e n t s richten. K a l t e Polarluftmassen würden in der unteren Troposphäre aequatorwärts, warme Tropikluftmassen in der oberen polwärts f l i e s s e n mit einem einzigen Umlauf zwischen P o l und Aequator. D i e s e Meridionalzirkulation könnte, wenn s i e stark genug wäre, so viel Wärme polwärts befördern, d a s s keine Instabilität des planetarischen F e l d e s entstehen würde. Hierdurch wäre die stationäre Erhaltung d i e s e r Reibungszirkulation g e s i c h e r t . Reibung und Erdrotation sind a l s o " A n t a g o n i s t e n " ( G e g e n s p i e l e r ) im Mechanismus der atmosphärischen Zirkulationen: Die Ablenkungskraft der Erdrotation ermöglicht das geostrophische Gleichgewicht mit starkem polwärts gerichtetem Temperaturgefälle. Sie verhindert dadurch eine stationäre Meridionalzirkulation, s o d a s s die planetarischen Gleichgewichtsfelder instabil werden und n i c h t s t a t i o nären Horizontalzirkulationen (um Zyklonen und Antizyklonen) verfallen. D i e R e i bung dagegen ermöglicht die stationäre Meridionalzirkulation ( V e r t i k a l z i r k u l a t i o n ) im stationär-planetarischen Temperatur- und Druckfeld. S i e wirkt dadurch gegen die Labilisierung der planetarischen F e l d e r und somit gegen die Entstehung nichtstationärer Zirkulationen. In unserer wirklichen Atmosphäre sind d i e s e beiden Antagonisten nicht g l e i c h mächtig, aber die Reibung i s t immerhin stark genug, um hier und dort den entscheidenden E i n f l u s s auszuüben, besonders in tropischen Breiten ( b i s etwa 3 0 ° ) , wo die Ablenkungskraft der Erdrotation geringer i s t a l s in der gemässigten und polaren Zone ( S ü d a s i a t i s c h e r Monsun, Kap. XIV, 4 3 ) ; desgleichen in allen kleinräumigen oder j e d e n f a l l s nicht sehr grossräumigen Zirkulationssystemen (Seewind und Talwind, Kap. XIV, 4 2 ) .
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Monsunzirkulationen: Dieser 'Antagonismus" beschränkt sich natürlich nicht auf planetarische Vorgänge und Zustände, sondern gilt gleichermassendann, wenn statt der Polarzone ein Kontinent als Kühlstelle wirkt und statt der Tropenzone ein Ozean als Heizstelle oder umgekehrt; eine Bedingung, welche wir "monsunh a f t " nennen und weiter unten ausführlich behandeln. Die Antagonisten Reibung und Erdrotation treiben im "Monsunsystem" dasselbe Spiel wie im planetarischen, und die vorstehenden Betrachtungen gelten gleichermassen mit monsunhaften Wärme- und Kältequellen, wenn man "senkrecht zur Kontinentküste" schreibt statt "meridional" und "parallel zur K ü s t e " statt " w e s t ö s t l i c h " . Horizontal Zirkulation und Vertikalzirkulation: Die Reibung bewirkt also stationäre Vertikalzirkulationen, meridional im "planetarischen", senkrecht zur Kontinentküste im "monsunhaften" System. Die Erdrotation dagegen bewirkt Horizontalzirkulationen zweierlei Art: Erstens an Stärke wechselnde, aber in ihrer Vorzugsrichtung stets erneuerte Winde, welche im planetarischen System westöstlich, im Monsunsystem parallel zur Kontinentküste laufen. Zweitens nichtstationäre Horizontal-Umläufe um zeitlich und örtlich wechselnde Zyklonen und Antizyklonen. Die Gegenwirkung der Reibung und Erdrotation entscheidet also auch über die Vorherrschaft vertikaler oder horizontaler Zirkulationen. Satz 64. Reibung und Ablenkungskraft der Erdrotation wirken im entgegengesetzten Sinne auf die Zirkulationsvorgänge; die letztere bewirkt Instabilität und Wechsel der Zyklonen und Antizyklonen, die erstere bevorzugt stationäre Vertikal zirkul ationen. Experimentelle Untersnchnngen in rotierender Fl OssigkeitfS. 158) wären auch hier am P l a t z e , denn die Gegenwirkung der Reibungs- und Corioliskräfte kann nur durch systematische Versuche mit verschiedener Rotation und verschiedener Zähigkeit deutlich werden. Auch diese Untersuchungen sollen nicht atmosphärische Stromfelder nachahmen, sondern vielmehr die Eigenart der Atmosphäre gegenüber anderen Reibungs- und Rotationsbedingungen herausarbeiten.
Historischer Rückblick: Nach den vorstehenden Erörterungen ist es sinnvoll, die älteren Theorien der allgemeinen Zirkulation in folgende vier Gruppen ( a bis d ) zu ordnen: a ) Stationäre Meridionalzirkulation: 1686 erklärte H a l l e y die Passate als Glieder einer Vertikalzirkulation, verursacht durch die tropische Erwärmung. 1888 leitete A. O b e r b e c k [ 7 9 ] aus dem meridionalen Temperaturgefälle der Troposphäre eine (vom Aequator bis zum P o l durchlaufende) Vertikalzirkulation ab, in welcher die polaren Massen mit zyklonalem Westwind sinken, die tropischen mit antizyklonalem Ostwind steigen, 1935 verbesserte L . P r a n d t l [ 8 0 ] die Theorie von O b e r b e c k . Er berechnete zunächst die westöstlichen Winde im geostrophischen (reibungsfreien) Gleichgewicht ( G l . 57, S. 4 4 ) und dann die Vertikalzirkulation zwischen Aequator und Pol im Reiburgsgleichge wicht. Diese 3 Theorien setzten also voraus, dass die Reibung stark genug ist, um eine stationäre Meridionalzirkulation zustande zu bringen. b ) Stationäre Zonalzirkulation. Demgegenüber ging H. v. H e l m h o l t z [ 8 1 ] 1888 von dem Lehrsatz aus, dass die Reibung in sehr weiträumigen Strömungssystemen unwesentlich sei, und behandelte daher ausschliesslich westöstliche Luftbewegungen, " z o n a l e " Luftringe mit verschiedener potentieller Temperatur und verschiedener Rotation, welche ohne Reibung miteinander im
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Gleichgewicht sind. Er nahm an, d a s s d i e s e s Gleichgewicht der zonalen Luftringe durch "gleitende zitternde Strömchen" und Wellen nur wenig gestört bzw. verändert wird. N. E k h o l m [ 8 2 ] ging 1891 einen Schritt weiter und warf die Frage auf, woher die Westwinde gemässigter Breiten den notwendigen Energienachschub erhalten. Dabei kam er zu dem Schluss, d a s s die P a s s a t zirkulation der Energielieferant sein müsse. c ) Nichtstationäre Meridionalzirkulation. N. E k h o l m [ 8 3 ] revidierte aber 1906 seine Meinung und erblickte den Energielieferanten der grossen Zyklonen, also auch denjenigen der Westwinde (der planetarischen " P o l a r z y k l o n e " ) in den auf- und abgleitenden Bewegungen der sogenannten "Störungen". Damit hat er prinzipiell schon den Zusammenhang stationärer Zonalzirkulation mit nichtstationärer Meridionalzirkulation gesehen. V. B j e r k n e s [ 8 4 ] dagegen ging 1917 von der empirischen Entdeckung der " F r o n t e n " aus. Er sah 1921 in der " P o l a r f r o n t " eine sprunghafte Grenzfläche zwischen " P o l a r l u f t " und "Subtropikluft". Aus dieser räumlichen Unstetigkeit erklärte er den zeitlichen Wechsel des Wetters, den nichtstationären Charakter der Zirkulation in höheren Breiten. T. B e r g e r o n [ 8 5 ] hat diese Zirkulationsvorstellung 1920 weiter ausgebaut an Hand der Beobachtungen des Wetterdienstes ( Bodenbeobachtungen). Dadurch kam er zu einem System von Horizontalzirkulationen, welche durch Fronten voneinander abgegrenzt werden. 1933 hat H. J e f f r e y s [ 8 6 ] die Bedeutung der Zyklonen für die allgemeine Zirkulation behandelt. d) Meridionalaustausch der Drehimpulse. Abseits von dieser Auseinandersetzung standen die Theorien, welche die zonale Zirkulation lediglich aus dem meridionalen Transport der Drehimpulse folgerten, daher eigentlich weder stationären noch nichtstationären Charakter der Meridionalzirkulation (nur deren beliebige E x i s t e n z ) voraussetzen: Schon 1735 erkannte H a d l e y [ 8 7 ] , d a s s polwärts beförderte Massen dort Westwinde, aequatorwärts beförderte dort Ostwinde erzeugen müssen. 1861 nahm W. F e r r e l [ 7 8 ] diesen Gedanken in strenger Form wieder auf und berechnete die westöstlichen Winde, welche aus einem windstillen Anfangszustand durch meridionale Massentransporte entstehen. Reibungslos errechnete Ferrel die Grenze zwischen westlichen und östlichen Winden ( d a s "Subtropenhoch") bei 30 bis 3 5 ° Breite, doch betonte er abschliessend, d a s s die Reibung wesentlich mitwirkt, insofern die Rotation des festen Erdkörpers im Endzustand weder durch Westwinde beschleunigt noch durch Ostwinde verzögert wird. Neuerdings ist dieses "Reibungsgleichgewicht" von vielen Forschern beachtet und diskutiert worden. Der F e r r e l sehe Ansatz führt, wie wir (S.160) erwähnten, erst durch Einbeziehung der Reibung zu einer befriedigenden Erklärung der beobachteten Erscheinungen. 34. Beobachtete Zirkulationsfclder. Permanente und nichtpermanente Zirkulation: Die Beobachtung allein entscheidet nicht, ob eine Zirkulation stationär ist oder nichtstationär; s i e zeigt nur, ob die Strömung längere oder kürzere 7eit erhalten bleibt. Wir nennen die Zirkulation "permanent", wenn s i e J a h r für Jahr wiederkehrend, einen oder mehrere Monate anhält, "nichtpermanent", wenn s i e nicht jedes Jahr wiederkehrt oder weniger als vier Wochen dauert. Der meteorologische Begriff "permanent" deckt
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sich also nicht genau mit dem physikalischen "stationär". Die permanenten Zirkulationen sind nicht im strengen Sinne stationär, weil sie dem jahreszeitlichen Wechsel unterworfen sind; andererseits können nichtpermanente Winde näherungsweise stationär sein, soweit man sie als "geostrophisch" behandeln darf. Aber ein angenähertes Gleichgewicht zwischen Energieerzeugung (bzw. -Zufuhr) und Energieverbrauch, "energetisches Reibungsgleichgewicht" genannt, kann mannur in denjenigen grossen Zirkulationen der Erde erwarten, welche permanent erscheinen. Wir werden daher nicht fehlgehen mit der Vermutung, dass in den grossen permanenten Zirkulationen die Reibung wesentlich mitwirkt, jedenfalls mehr als in den nichtpermanenten. Wind- und Druckfeld am Erdboden: Die Bilder 46 und 47, welche der "Wetterkunde" von B ö r n s t e i n [88] entnommen sind, zeigen die typischen permanenten Zirkulationen im Januar und Juli, wie sie sich dem Beobachter am Erdboden schon vor 50 bis 100 Jahren geboten haben und auch heute noch gültig sind. Die eingezeichneten Windpfeile geben die mittlere Stromrichtung an: kurze (auch fette) Pfeile meinen die mittlere Richtung wechselnder, lange Pfeile die Richtung beständiger Winde. Die letzteren kommen ersichtlich nur in niedrigen Breiten vor, wo die Ablenkungskraft der Erdrotation nicht übermächtig ist über die Reibung. Beständig wehen auf den Ozeanen die beiden P a s s a t e (beider Halbkugeln) und der südasiatische Monsun, welcher im Kap. XIV, 43 ausführlich behandelt wird. Die anderen Windsysteme der Bilder 46 und 47 sind keine wirklich permanenten Zirkulationen, sondern nur "quasipermanente" Rechenergebnisse, gewonnen durch langjährige Mittelbildung über den ewig wechselnden Wind. Dasselbe gilt auch von den Druckfeldern der Bilder 46 und 47; wirklich permanent sind nur die beiden subtropischen Hochdruckzonen, die ihr Maximum bei etwa 30° Breite haben, und zwischen ihnen die den Aequator begleitende tropische Tiefdruckrinne. Allerdings kann auch das zentralasiatische Hoch im Januar als permanent gelten, obwohl es in gemässigten Breiten liegt. Dieses asiatische Winterhoch bildet die einzige Ausnahme von der Regel, dass das Druckfeld polwärts von 30° nichtpermanent ist. Auch das "Subtropenhoch", welches auf seiner tropischen Seite durchaus permanent ist, erlaubt sich auf der polwärts 30°gelegenen Seite häufige (aber örtlich und zeitlich begrenzte) Vorstösse in die gemässigten Breiten. Z.B. der sommerliche Vorstoss des Azorenhochs nach Mitteleuropa ist als Schönwetterbringer bekannt. Die grosse Häufigkeit dieses sommerlichen Vorstosses kann man im Bild 47 an dem "quasipermanenten" nordatlantischen Hoch erkennen. Im gleichen Bild zeigt das grosse asiatische Tiefdruckgebiet sogar in den Subtropen nichtpermanente Zyklonen. Die in den Bildern 46/47 mit kurzen Pfeilen dargestellten mittleren Winde sind also nur sehr massig, verglichen mit den wirklich auftretenden wechselnden Winden. Auch die fetten kurzen Pfeile bedeuten nicht, dass der mittlere (quasipermanente) Wind hier sehr stark ist, sondern nur, dass die wirklichen wechselnden Winde meist stürmisch auftreten. Wie stark die mittleren Winde sind, sieht man am horizontalen Druckgradienten dieser Bilder. Z.B. hat die "Nordatlantische Zyklone" (Bild 46) im Januar bei 50° Breite und 30° westlicher Länge ein nordwärts gerichtetes mittleres Druckgefälle von 5 mm auf 600 km. Der zugehörige geostrophische Wind beträgt (nach Gl. (48), S. 40) etwa 10 [ m / s e c ] , der mittlere Wind am Boden daher nur rund 6 [ m / s e c ] . Dies ist der Maximalwert in den quasi-
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v a a T a i i ^ j n » x>xs l v i t s s v c k s v.ria^sowsx.
Bilder 46/47. Mittleres.Wind- und Druckfeld am Erdboden im J a nuar und Juli. Lange Pfeile: Beständige Winde. Kurze Pfeile: Mittlere Richtung schwacher Winde. Fette Pfeile: StQrmische Winde. Kleine Kreise: Häufige Windstille. Druck in mm Quecksilbersäule. (Aus B ö r n s t e i n , Wetterkunde [ 8 8 ] ) .
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permanenten Stromfeldern der Bilder 46/47. Dennoch sind diese mittleren Druckund Windfelder mehr als nur Hirngespinste der Rechenkunst. 7. B. stellt die "Nordatlantische Zyklone" im Bild 46 als Gebiet winterlich häufiger Zyklonen ein ganzes Klimaprogramm dar. Früher bezeichnete man dieses quasipermanente "Islandtief" als "Aktibnszentrum", heute als "Steuerungszentrum" des Wetters in Mitteleuropa. Zonalzirkulation: Vor allem der Umstand, dass polwärts von 30° Breite auf beiden Halbkugeln winters wie sommers westliche Winde vorherrschen und aequatorwärts von 30° Ostwinde, ist eine beachtenswerte Erscheinung. Oer 30° -Breitenkreis teilt also jede Halbkugel in zwei Zonen, eine polwärts gelegene Westwindzone und eine aequatorwärts gelegene Ostwindzone. Da jede dieser Zonen sozusagen in sich einen geschlossenen "zonalen" Umlauf auf den Breitenkreisen besitzt, nennt man diesen westöstlichen Wind "Zonalzirkulation".
Bild 48. Januar.
Bild 49. Juli.
Bilder 48/49. Mittlere Topographie der 500-mb-Fläche den Nordhalbkugel (gleichzeitig Stromfeld im 5500-m-Niveau) im Januar und Juli. Ausgezogen sind die Isohypsen der 500-mb-FIäche bzw. Stromlinien des 5500-m-Niveaus; Zahlen bedeuten die Höhe über Meer in geodynamisehen Dekanietern, Gradzahlen rundum sind Längengrade. (Aus S c h e r h a g , Wetteranalyse und Wetterprognose [ 8 9 ] ) .
Die quasipermanente Zonalzirkulation der Nordhalbkugel zwischen 5 und 6 km Höhe ist in den beiden Bildern 48/49 zu sehen; Bild 48 zeigt das mittlere Druckfeld im Januar, Bild 49 im Juli; beide nach R. S c h e r h a g [89]. Die Linien dieser Karten sind Isohypsen der 500-mb-Fläche. Die Zahlen geben die Höhe der 500-mb-Fläche über dem Meeresniveau in "geodynamischen" Dekametern an. Wo diese Isohypsen eng aneinander gedrängt sind, ist die Neigung der 500-mb-Fläche steiler; wo sie weiter auseinander liegen, flacher. Da der geostrophische Wind
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proportional der Isobarflächen-Neigung ist ( S . 4 1 ) , können die Isohypsen der B i l der 48/49 auch als Stromlinien des 5,5-km-Niveaus aufgefasst werden; s i e repräsentieren die mittlere Strömung der oberen Troposphäre. Man sieht hier deutlich den starken Westwind polwärts von 3 0 ° Breite. Dieser repräsentiert im wesentlichen die permanente Zonal Zirkulation. Alle ihm überlagerten meridional gerichteten Ströme sind dem ewigen Wechsel unterworfen. D a s s das Stromfeld der freien Troposphäre in den Bildern 48/49 sehr viel einfacher erscheint a l s dasjenige des Meeresniveaus in den Bildern 46/47, hat zweierlei Gründe: Erstens reichen die wenigen Höhen-Beobachtungen nicht aus, um das Höhen-Stromfeld in allen Einzelheiten festzustellen; die Bilder 48/49 geben daher nur die Hauptzüge dieses Stromfeldes wieder. Zweitens zeigte sich schon in unserem B i l d 7 ( S . 1 8 ) , dass die Zonalzirkulation im Meeresniveau praktisch verschwindet, aber in der oberen Troposphäre sehr stark ist. Alle die zahlreichen Einzelerscheinungen, die sich der planetarischen Zonalzirkulation überlagern, sind also im Vergleich zu dieser unbedeutend in höheren Schichten, dagegen sehr erheblich im Meeresniveau. Monsuneinflüsse zeigen sich in der Zonalzirkulation der Nordhalbkugel sehr deutlich: Das Druckminimum der oberen Polzyklone, welches gleichzeitig ein Kältezentrum der freien Troposphäre ist, liegt im Mittel nicht über dem Pol ( w a s im planetarischen F a l l zu erwarten wäre), sondern ist im Winter ( B i l d 4 8 ) ein wenig nach den grossen Kontinentgebieten Asiens verschoben, im Sommer ( B i l d 4 9 ) ein wenig nach dem E i s m a s s i v Grönlands.Die Gestalt der Polzyklone müsste im planetarischen F a l l kreissymmetrisch, jede Isohypse der 500-mb-Fläche als Breitenkreis erscheinen. Wir sehen aber im Bild 48 eine langgestreckte Polzyklone, die sich offensichtlich mit den Ostküsten der grossen Kontinente verbindet. D i e s e s ist eine typische Wintermonsun-Erscheinung: Die grossen Kontinente sind im Hochwinter Kältequellen. Die troposphärischen I.uftmassen, welche (mit der Zonalzirkulation) den Kontinent von Westen nach Osten überstreichen, werden dabei abgekühlt und erreichen ihre tiefste Temperatur an der Ostküste, ehe s i e über dem Meer wieder erwärmt werden. Das mittlere Temperaturfeld der Troposphäre ist also auf der Nordhalbkugel nicht streng planetarisch, sondern im Winter sind die Ostküsten der grossen Kontinente kälter als die anderen Gebiete gleicher Breite. Diese Ostküsten übernehmen sozusagen eine " p o l a r e " Funktion im Wärmehaushalt und damit auch in der allgemeinen Zirkulation; die winterliche Polzyklone s c h l i e s s t die Ostküsten der grossen Kontinente mit ein. Auch im Sommer ( B i l d 4 9 ) scheint ein ähnlicher, allerdings wesentlich schwächerer Ostküsteneffekt aufzutreten. Vielleicht ist dieser dadurch bedingt, dass die polaren Meere auch im Sommer Wärmequellen sind. Vielleicht ist auch der Reibungsunterschied der Kontinente und Meere dafür verantwortlich. Satz 65: Polwärts von 3 0 ° Breite überwiegen die quasipermanenten Westwinde, überlagert mit nichtpermanenten Horizontal-Zirkulationen. Passatzirkulationen: In der engeren Tropenzone zwischen dem Nordost- uno Südostpassat liegt das Konvergenzgebiet dieser beständigen Winde, die sogenannten "Doldrums" ( B i l d e r 46/47), " C a l m e n " oder " M a l l u n g e n " . Aus Kontinuitätsgründen muss man annehmen, dass hier in der Konvergenz der beiden P a s s a t e die Luft aufwärts fliesst ( B i l d 53, S. 192). Diese Vertikalbewegung bestätigt sich durch die häufigen und starken Niederschläge der C.almenzone. Im P a s s a t g e b i e t
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existiert also eine permanente Vertikalzirkulation; Höhenwindmessungen lassen oberhalb 3 oder 5 km den " A n t i p a s s a t " erkennen, einen kräftigen Westwind, der wahrscheinlich im Mittel eine schwache polwärts gerichtete Komponente besitzt. Diese führt die in denCalmen aufgestiegene Luft zurück zum subtropischen Hochdruckgürtel, wo sich der Vertikalumlauf durch Herabsinken schliesst (letzteres durch heiteren Himmel erkennbar). Die "Passatzirkulation" wurde lange Zeit als rein planet arischer Umlauf angesehen (wie im Bild 53, S.192). Auch heute noch müsste man an dieser Vorstellung festhalten, wenn diese Winde in der ganzen Passatzone ( auf Kontinenten und Ozeanen) überall gleichartig auftreten würden. H. S e i l k o p f [ 9 0 ] hat aber mit Höhenwindmessungen im nordatlantischen Passatgebiet einen Horizontalumlauf um das Azorenhoch festgestellt, welcher auf der Ostseite des Atlantiks eine höhere Erstreckung des Nordostpassats vortäuscht als auf der Westseite. Dadurch ist erwiesen, d a s s die nordatlantische Passatzirkulation auch monsunhafte Kennzeichen trägt. Dasselbe gilt wahrscheinlich bei den anderen Passaten, die samt und sonders nur auf Ozeanen (Bilder 46/47) beobachtet sind. Wahrscheinlich sind Reibungs- und Wärmeunterschiede zwischen Kontinent und Ozean die Ursache dieser Beschränkung. In jedem Fall offenbart sich ein erheblicher Reibungseinfluss durch den permanenten Charakter und den vertikalen Umlauf der P a s s a t zirkulation ( S a t z 64, S.168). Monsunzirkulationen: Dasselbe gilt für den südasiatischen Sommer- Monsun (Bild 47). Auch er enthält eine permanente Vertikalzirkulation; aufsteigende Luft über dem Festland und herabsinkende über dem Ozean. Näheres darüber werden wir im Kap. XIV 43 erfahren. Die sonstigen Monsunzirkulationen sind im Druckfeld deutlicher zu erkennen a l s im Stromfeld; im Winter haben Kontinente höheren Druck als Ozeane, im Sommer umgekehrt (Bilder 46/47). Diese Druckfelder haben jeweils eine horizontale Gradientwindzirkulation parallel zu den Isobaren und eine vertikale Reibungszirkulation senkrecht zu den Isobaren, beide permanent, wenn das Druckfeld permanent ist (zwischen 30° Nord- und 3 0 ° Südbreite). In höheren Breiten (polwärts von 3 0 ° ) tritt an die Stelle der permanenten Vertikalzirkulation die monsunhafte Anordnung der nichtpermanenten Zyklonen und Antizyklonen (vgl. Kap. XIII 4-0). Aber alle diese Druckfelder und Strömungen enthalten ausserdem planetarische Einflüsse. Auch in Europa gibt e s einen Monsun, wie G. R o . e d i g e r [ 9 1 ] überzeugend nachwies, allerdings wesentlich nichtpermanent und so stark mit planetarischen Zirkulationen überlagert, dass man ihn nur schwer erkennen kann. Satz 66: Typisch permanente Zirkulationen sind die P a s s a t e und einige Monsune der Subtropen ond Tropen. Die ersteren sind überwiegend planetarisch, im Sommer und Winter richtungsgleich; die letzteren entstehen durch Wärmeunterschiede zwischen Kontinent und Ozean und ändern ihre Richtung mit der Jahreszeit.
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XII. Reibung nnd Druckfeld am Erdboden. 35. Das bodennahe planetarische Druckfeld. Als "bodennahes Druckfeld" bezeichnen wir dasjenige horizontale Druckfeld, welches für die "bodennahe Reibungsschicht" (S. 51) repräsentativ ist. Dieses Feld ist in erster Näherung identisch mit dem Druckfeld des Meeresniveaus, wie es normalerweise in den Wetter- und Klimakarten erscheint. In besserer Näherung ist es das Druckfeld des Niveaus 250 gdm über dem Meeresspiegel, denn der stärkste Reibungseffekt der bodennahen Reibungsschicht findet sich etwa 150 bis 250 m über dem Erdboden ( z / a - 0,5 bis 1 im Bild 21b, S. 51). Um nicht jedesmal die Höhe des Erdbodens über dem Meeresspiegel in Rechnung stellen zu müssen, wählen wir allgemein das Niveau 250 gdm über Meer als Niveau des "bodennahen Druckfeldes" " P l a n e t a r i s c h " nennen wir dasjenige (permanente oder quasipermanente) Druckfeld, welches sich als mittleres Druckfeld (Monatsmittel langer Jahresreihen) einstellen würde, wenn die Erdoberfläche nicht das ihr eigentümliche Gesicht der Ozeane und Kontinente besässe, sondern ganz einförmig wäre: Entweder nur Wasserfläche oder nur Landfläche oder beides als Inselarchipel. Wir betrachten also die ganze Erde mit einförmiger Oberfläche und nennen: F0
den "seeplanetarischen" den "landplanetarischen" t
den "archipelplanetarischen'i"
I ( >
Druck im Niveau 250 gdm über dem Meeresspiegel
Der Index bedeutet in allen 3 Fällen das Verhältnis der Landfläche zur Gesamtfläche ("Landbedeckung"). Meridionale Druckunterschiede. Im permanent-planetarischen Feld muss selbstverständlich auf ein und demselben Breitenkreis (im gleichen Niveau 250 gdm) überall derselbe Druck herrschen; ein westöstliches Druckgefälle gibt es nicht im planetarischen Feld, weil dieses kein westöstliches Temperaturgefälle besitzen kann. Diese Notwendigkeit liegt bereits im Begriff "planetarisch": Wenn die Erdoberfläche ganz einförmig wäre, würde auf ein und demselben Breitenkreis kein Ort irgendwie vor dem anderen bevorzugt oder von ihm unterschieden sein. Im Mittel langjähriger Beobachtungen (Monatsmittel) würde dann jeder Ort eines Breitenkreises die gleichen Chancen für hohen oder niederen Luftdruck besitzen. Unser planetarischer Druck f ist also nur mit der Breite ¡p (nicht mit der geographischen Länge) veränderlich. Sommer und Winter. Da die Südhalbkugel im Südsommer (Januar) dieselbe Sonnenbestrahlung erhält wie die Nordhalbkugel im Nordsommer ( J u l i ) und ebenso im Winter, muss das see-,land- oder archipelplanetarische Druckfeld der Südhalbkugel im Juli praktisch identisch sein mit dem der Nordhalbkugel im Januar; desgleichen das der Südhalbkugel im Januar mit dem der Nordhalbkugel im Juli. Bild 50 zeigt vorgreifend das (S.179 berechnete) "seeplanetarische" Druckfeld der Sommer- und Winterhalbkugel. Im Juli ist die erstere Nord-, die letztere Südhalbkugel, im Januar umgekehrt. Da es nur auf die meridionalen Druckunterschiede ankommt, ist hier der Nullpunkt der Druckskala am Aequator gewählt. Wenn man die Druckwerte J>Q zwischen Sommer und Winter mittelt (unter glei-
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Winter
mb + 20
mb + 20
Sommer
+10
+ 10
± 0
+ 0 -10
jck p0
-10
-20
-20
/ \J/
\
± 0 -uo -80 -120
!\ r \
+*0
c>0°
60°
® radn
30°
+w
r
r \
V) f
30°
50°
+ 0 -uo -80
Bild 50. Bodennahes seeplanet arisches Druckfeld im Niveau 250 gdm
(p/d
40°) Ozeane zu ganzjährigen Wärmequellen, die aequatornäheren ( 7 0 ° ) kehrt sich dieser Effekt um, weil die Arktis ein Meer, die Antarktis ein
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Kontinent i s t . Der Jahresbreitenmittel-Monsundruck m- i s t der Mittelwert des Januar- und J u l i w e r t e s m. Seine im B i l d 51 nicht e i n g e z e i c h n e t e Kurve liegt dort j e w e i l s in der Mitte zwischen der ausgezogenen und g e s t r i c h e l t e n Kurve und hat die typischen E i g e n s c h a f t e n des Jahresmonsuns: Auf der Wasserhalbkugel ( S ü d h a l b k u g e l ) hohen Druck aequatorwärts, niedrigen polwärts von 4 0 ° B r e i t e ( S a t z 7 2 ) ; auf der Landhalbkugel (Nordhalbkugel) das Umgekehrte. In den Polargebieten ( q > > 7 0 ° ) kehrt s i c h der E f f e k t um, weil dort die Land-Meerverteilung e n t g e g e n g e s e t z t i s t . Oer " J a h r e s m o n s u n " tritt a l s o auch in den Breitenmittelwerten mit dem erwarteten Vorzeichen in Erscheinung. Der Halbjahresbreitenmittelmonsundruck m^ i s t entsprechend der Gl. ( 1 7 4 ) die Hälfte der Differenz zwischen dem Januar- und Juliwert m. Man s i e h t im B i l d 51 oben, d a s s d i e s e Differenz auf beiden Halbkugeln d a s s e l b e Vorzeichen hat: Zwischen 2 0 ° und 7 0 ° B r e i t e i s t der Januardruck m auf beiden Halbkugeln grösser a l s der Julidruck. D.h. im Januar hat hier die Südhalbkugel ( M e e r e s h a l b k u g e l ) o c e a n i s c h e n Sommermonsun, die Nordhalbkugel ( p r a k t i s c h Landhalbkugel) kontinentalen Wintermonsun (beide relativ hohen Druck). Dementsprechend hat der SüdJ u l i o z e a n i s c h e n Winten, der Nord-Juli kontinentalen Sommermonsun ( b e i d e relativ niedrg. Druck). D i e s e r Effekt war zu erwarten, denn durch W'ärmespeicherung sind b e i d e Halbkugeln im J a n . überwiegend Kältequellen, im J u l i Wärmequellen d e s Monsuns. P o l w ä r t s von 7 0 ° B r e i t e zeigt unser B i l d 51 im J u l i den höheren Mondruck m a l s im J a n . D i e s e r Effekt wurde (mangels B e o b a c h t n g . ) deswegen angenommen, weil im J u l i b e i d e P o l a r g e b i e t e Kältqu. des Monsuns (die Antarktis a l s wintert. Kontinent, die Arktis a l s sommerl. Meer), im J a n . aber beide Wärmequellen sein müssen. Zwischen 2 0 ° Nord und 2 0 ° Süd spielt die h a l b j ä h r l i c h e Wärmespeicherung k e i n e R o l l e , weil hier die j a h r e s z e i t l i c h e n Temperaturunterschiede nur unbedeutend sind. Hier fordert aber die Kontinuitätsbedingung *w (175) fei die g l e i c h e r m a s s e n für Januar und J u l i gilt, die im B i l d 51 e i n g e z e i c h n e t e Differenz zwischen der ausgezogenen und gestrichelten Kurve m. Der Januardruck m muss hier niedriger sein a l s der Julidruck, weil auf dem überwiegenden T e i l beider Halbkugel das Umgekehrte der F a l l i s t . Kritik. Wenn wir die Kapitel 35 und 36 rückblickend überschauen, können wir wohl annehmen, d a s s das ( g e m i t t e l t e ) bodennahe Druckfeld durch " p l a n e t a r i s c h e " und " m o n s u n h a f t e " E f f e k t e zustande kommt. D a s s d i e s e Zusammensetzung additiv nach Gl. ( 1 7 2 ) g e s c h i e h t , war zunächst nur eine Hypothese; ein Versuch, den planetarisehen und monsunhaften Effekt auf e i n f a c h s t e Weise zu trennen. Der E r folg gibt aber d i e s e r Hypothese recht: Die Methode der Subtraktion ( S a t z 6 9 ) l i e fert ein wärmehaushaltbedingtes Monsundruckfeld. Die in Gl. ( 1 6 9 ) angegebene Funktion i ¡ , ( a ) s p i e l t dabei keine so e n t s c h e i dende R o l l e , wie e s v i e l l e i c h t zunächst scheinen mag. Alle einigermassen glatten Punktionen t/r ( a ) , welche e i n e r s e i t s die Bedingungen ( 1 6 8 ) erfüllen, anderers e i t s den Beobachtungen zwischen 4 0 ° und 6 0 ° B r e i t e gerecht werden, führen qualitativ zu denselben Monsundruckfeldern ( B i l d 5 2 ) . Wesentlich ist aber der Befund, d a s s der R e i b u n g s a n s a t z ( 1 6 7 ) schon beinahe hinreicht, um das " p l a n e t a r i s e h e " Druckfeld f ( B i l d 5 0 ) ohne die Monsun-
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korrektur m aus den Breitenmittelwerten ( B i l d 51) abzuleiten, indem man J b statt f y in Gl. ( 1 6 7 ) einsetzt.Daraus ist zu schliessen, dass der planetarische Reibungseffekt bedeutend grösser ist als die Breitenmittel-Monsuneffekte. Diese Erkenntnis ist wohl von allgemeiner Bedeutung, denn die Reibungseffekte der Erdoberfläche werden meistens unterschätzt.Somit bestätigt sich unsere im Kap. 33 erörterte Auffassung, welche der Reibung eine wichtige R o l l e in dei allgemeinen Zirkulation zuschreibt. Experimente im rotierenden Wassergefäss könnten in dieser Beziehung ergänzende Aufschlüsse liefern. Die Unsicherheit der beobachteten Druckwerte in den Polargebieten (tf > 7 0 ° ) wirkt sich auf die Ergebnisse gemässigter und tropischer Breiten nur wenig aus. In die Kontinuitätsgleichungen ( 1 7 1 ) und ( 1 7 5 ) gehen die polaren Druckwerte nur schwach ein, und die Integration zur Bestimmung des planetarischen Druckes J?0 ( B i l d 5 0 ) haben wir vom Aequator angefangen. Es genügt also, abschliessend nochmals darauf hinzuweisen, dass die Druckfelder der Bilder 50 bis 52 polwärts von 70° Breite vielleicht noch der Korrektur bedürfen, dass aber unsere vorstehend gewonnenen Erkenntnisse von. dieser Korrektur kaum berührt werden. Oberes Monsnndruckfeld. Die Bilder 48/49 (S.171) zeigen, wie bereits oben erörtert, einen gänzlich anderen Monsuneinfluss in der oberen Troposphäre: Während am Erdboden die Wärmequellen relativ geringen, die Kältequellen hohen Druck bewirken, verbindet sich in der Höhe t i e f e Temperatur der Troposphäre mit tiefem, hohe mit hohem Druck, ein Effekt, der sich aus der barometrischen Höhenformel ergibt ( S . 18), wenn man einen Druckausgleich am Erdboden voraussetzt. Die Zonalzirkulation sorgt dafür, dass im Mittel die tiefste Temperatur ( e i n e r Stromlinie) am Os/rand der Kältequelle, die höchste am Osfrand der Wärmequelle auftritt. So erklären sich die " T i e f d r u c k t r ö g e " der 500-mb-Fläche an den Ostküsten Amerikas und Asiens im Winter. Auch die über Kanada und Sibirien häufigen winterlichen " K ä l t e p o l e " (Tiefdruckkerae der 500-mb-Fläche) hängen mit der kontinentalen Abkühlung zusammen.
37. Das planetarische Reibungsgleichgewicht. Die Entstehung des bodennahen planetarischen Druckfeldes hat schon W. F e r r e l [ 7 8 ] theoretisch begründet. Ins Moderne übersetzt [ 9 4 ] , lautet seine Theorie folgendermassen: Sonnenbestrahlung fördert, Reibung hemmt die atmosphärischen Zirkulationen. Deshalb ist e s für eine Entstehungstheorie sinnvoll, den Extremfall sehr starker Reibung und sehr schwacher Bestrahlung, also Windstille aller Breiten, als Anfangszustand vorauszusetzen. Wenn dann aber starke Sonnenbestrahlung einsetzt, entstehen meridional gerichtete Advektionsströme (meridionale Austauschbewegungen), welche die überschüssige Wärme tropischer Breiten polwärts befördern. Wie auch immer diese Austauschströme oder stationären Zirkulationen beschaffen sein mögen, s i e haben die Tendenz, das auf die Erdachse bezogene " R o t a t i o n s moment" (Rotationsradius x Rotationsgeschwindigkeit), welches anfänglich in niederen Breiten sehr v i e l grösser als in höheren war, auszutauschen und auszugleichen [ 9 5 ] . Dadurch verändert sich das planetarische Windfeld: Aus der anfänglichen Windstille entsteht auf der P o l s e i t e Westwind, auf der Aequatorseite Ostwind ( S . 5 4 ) . Das Druckfeld, welches in diesem Windfeld das Gleichgewicht mit der Corioliskraft hält, entspricht unserem Bild 50 ( S . 176 ). Hoher Druck bei
185
etwa 3 0 ° B r e i t e , von dort zum Aequator und P o l abnehmende Drucke. B e i verschwindender Bodenreibung würde s i c h , wie W. F e r r e l [ 7 8 ] nachweist, aus dem windstillen Anfangszustand durch meridionale Advektion und Vermischung ein Endzustand mit allenthalben gleich grossen " R o t a t i o n s m o m e n t e n " ergeben (mit Ausnahme einer kleinen Polarzone, die an diesem Austausch nicht teilnimmt). D i e s würde qualitativ dem planetarischen Druckfeld u n s e r e s B i l d e s 50 ( S . 176 ) entsprechen: Westwind auf der P o l s e i t e , Ostwind auf der Aequatorseite des 3 0 ° - B r e i t e n k r e i s e s . Aber quantitativ wären die auf d i e s e Weise reibungsl o s errechneten Winde und meridionalen Druckunterschiede etwa 20 mal so stark wie diejenigen unseres B i l d e s 50. Reibungsgleichgewicht: Man könnte sich nun v i e l l e i c h t mit der Vorstellung begnügen, d a s s die (nachträglich b e r ü c k s i c h t i g t e ) Reibung nur die Windstärken und Druckunterschiede des reibungslosen Endzustandes auf den 20 ten T e i l reduziert, qualitativ aber den reibungslos errechneten Zusammenhang zwischen Anfangs* und Endzustand bestehen l ä s s t . Aber d i e s e Vorstellung würde den wirklichen Sachverhalt nicht treffen, denn auch eine sehr schwache Reibung kann im Laufe der Jahrmillionen den mittlerer. Drehimpuls der gesamten Atmosphäre erheblich verändern. So kann also der Endzustand nur durch das " R e i b u n g s g l e i c h g e w i c h t " bestimmt sein: Das " e n e r g e t i s c h e " Reibungsgleichgewicht fordert, wie S. 160 erörtert, d a s s die wirklich auftretenden Winde, verglichen mit den reibungslos errechneten, relativ schwach sind. D i e s e Forderung unterscheidet sich bezüglich der Rotationsmomente kaum von F e r r e l s windstillem Anfangszustand: beide haben durchweg aequatorwärts zunehmendes Rotationsmoment. Die allgemeine Zirkulation, sei s i e stationär oder nichtstationär, enthält daher notwendig einen allgemeinen Polwärts-Transport der Drehimpulse. [95]. G e s c h l o s s e n e r Impulstransport: Die Atmosphäre muss auf der P o l s e i t e von 3 0 ° B r e i t e im Mittel so viel Drehimpuls an den festen Erdkörper abgeben, wie in ihr über den 3 0 ° - B r e i t e n k r e i s transportiert werden. E b e n s o v i e l muss s i e auf der Aequatorseite des 3 0 ° - B r e i t e n k r e i s e s vom festen Erdkörper übernehmen. D a s s e l be gilt auch für jeden anderen B r e i t e n k r e i s . Aber ein B r e i t e n k r e i s bildet die Grenze zwischen demjenigen Gebiet (niederer B r e i t e n ) , in welchem die Drehimpulse vom Erdkörper in die Atmosphäre übergehen und demjenigen Gebiet (höherer B r e i t e n ) , in welchem die Drehimpulse von der Atmosphäre an den Erdkörper abgegeben werden. D i e s e Grenze erscheint im System der allgemeinen Zirkulation a l s windschwache Grenzzone ( " S u b t r o p e n h o c h " ) zwischen den Westwinden höherer und den Ostwinden niederer Breiten, denn nur ( b o d e n n a h e ) Ostwinde nehmen (durch R e i b u n g ) positive Drehimpulse vom festen Erdkörper auf und nur (bodenn a h e ) Westwinde geben (durch R e i b u n g ) positive Drehimpulse an den festen Erdkörper ab. Man beachte, d a s s das Reibungsgleichgewicht zunächst nur in Bodennähe Ostwinde niederer und Westwinde höherer Breiten fordert, während F e r r e l s ursprüngliche Entstehungstheorie d i e s e s für alle Schichten verlangte. Satz 73. Im langjährigen Mittel fliesst der absolute, auf die E r d a c h s e bezogene Drehimpuls in der Atmosphäre polwärts. In niederen Breiten wird er vom festen Erdkörper an die Atmosphäre, in höheren Breiten von dieser an den Erdkörper abgegeben.
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Der vertikale Impulsstrom (horizontaler Impulse) innerhalb der Atmosphäre wird mit der bekannten S c h m i d t sehen Austauschformel ( 3 6 ) (S. 32): ^
=
(176)
berechnet, in welcher / den in der Zeiteinheit durch d a s horizontale cm^ abwärts tretenden y-Impuls und A z den Vertikalaustauschkoeffizient bedeuten. Wir wählen die y-Achse westöstlich und wenden die Gl. ( 1 7 6 ) auf d a s Niveau z = a-n ( " R e i bungshöhe", S. 5 1 / 5 2 ) an, um den Übergang der Westwindimpulse aus der freien Atmosphäre in die bodennahe Reibungsschicht zu berechnen. Dabei gebrauchen wir die S t ü v e s c h e Formel ( 5 7 ) (S. 44) des geostrophisehen Gleichgewichts: fc—fc'+'f?,
^
in der rg den Erdradius bedeutet. Um den langjährigen Monatsmittelwert } R für Januar oder Juli zu erhalten, müssen wir entsprechende Mittelwerte dT / dq> ( i s o b a r gerechnet) und A z einsetzen. Erfahrungsgemäss ( B i l d 5, S. 16) i s t ungefähr:
T
df
K-Sinw.
T;
1 H —o . I x « O y 2 Im
jr