Ökumene in Deutschland: Von der Gründung der ACK bis zur Charta Oecumenica (1948-2001)
 9783737004176, 9783847104179, 9783847004172

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Kirche – Konfession – Religion

Band 65

Herausgegeben vom Konfessionskundlichen Institut des Evangelischen Bundes unter Mitarbeit der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen von Walter Fleischmann-Bisten und Reinhard Hempelmann in Verbindung mit Andreas Feldtkeller, Miriam Rose und Gury Schneider-Ludorff

Karl Heinz Voigt

Ökumene in Deutschland Von der Gründung der ACK bis zur Charta Oecumenica (1948 – 2001)

Mit 12 Abbildungen

V& R unipress

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MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen

www.fsc.org

FSC® C083411

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-1507 ISBN 978-3-8471-0417-9 ISBN 978-3-8470-0417-2 (E-Book) ISBN 978-3-7370-0417-6 (V& R eLibrary) Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des EKD-Kirchenamts (Hauptabteilung für Ökumene und Auslandsarbeit), der Evangelisch-methodistischen Kirche, dem Verein zur Erforschung der kirchlichen Zeitgeschichte nach 1945, dem Verein für Freikirchenforschung und dem Freundeskreis des Evangelischen Bundes Hessen und Nassau. Ó 2015, V& R unipress GmbH in Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Druck und Bindung: CPI buchbuecher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 1: Zeit der ACK-Anfänge und Weichenstellungen . . . . . . . . . 1.1 Eine neue Ära . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Neue politische und gesellschaftliche Voraussetzungen für eine ökumenische Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2 Bevölkerungsverschiebungen mit gesellschaftlichen und kirchlichen Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Treysa, Stuttgart, Berlin – ökumenische Impulse 1945 . . . . . . . 1.2.1 Treysa: Beginn der landeskirchlichen Neuordnung und ökumenischen Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Stuttgart: Schuld bekennen, Ökumene mitgestalten . . . . 1.2.3 Berlin: ein wirklich ökumenischer Gottesdienst . . . . . . . 1.3 Die ›Stuttgarter Erklärung‹ und die Freikirchen . . . . . . . . . . 1.4 Erklärungen und Schritte der Freikirchen nach 1945 . . . . . . . . 1.5 Besuche der Kirchen aus den USA und Großbritannien . . . . . . 1.5.1 Besuch des ›Federal Council of Churches of Christ in America‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.2 Besuch des ›British Council of Churches‹ . . . . . . . . . . 1.5.3 Ökumenischer Gottesdienst mit römisch-katholischem Bischof Ellis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Die erste offizielle ökumenische Dienststelle in Deutschland: die Ökumenische Centrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7 Das Hilfswerk der EKD und die Hilfswerke der Freikirchen . . . . 1.7.1 Hilfswerk und Wiederaufbau – ein ökumenisches Lernfeld . 1.7.2 Kritische Phasen der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . 1.7.3 Hilfswerk der evangelischen Kirchen – eine ungewollte ökumenische Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

1.8 Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9 Die Bildung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) . 1.9.1 Wie ökumenisch waren die Gründungsmitglieder? . . . . . 1.9.2 Vorsichtige Signale und erste Schritte zur ACK-Bildung . . 1.9.3 Das Interesse des Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9.4 ACK-Bildung: Erste Anregungen zu offiziellen Vorgesprächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9.5 Das erste Vorgespräch: EKD und drei Methodisten . . . . . 1.9.6 Die erste Begegnung aller Gründungsmitglieder . . . . . . 1.9.7 Irritationen über das Ziel einer Arbeitsgemeinschaft . . . . 1.9.8 Beratungen der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9.9 Die Konstituierung: Verzögerung und neue Irritation . . . 1.9.10 Wichtige Hilfe für Genf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9.11 Der Düsseldorfer Freikirchentag 1948 im Zeichen der Ökumene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9.12 Die ersten EKD-Delegierten vor schwierigen ekklesiologischen Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9.13 Zum Programm der ACK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9.14 Probleme in Landeskirchen und Freikirchen . . . . . . . . 1.10 Der Deutsche Ökumenische Studienausschuss . . . . . . . . . . . 1.11 Ökumenische Entwicklungen in den Werken der ACK-Kirchen . . 1.11.1 Der von den Frauen eingeführte Weltgebetstag . . . . . . . 1.11.2 Ökumene in der Jugendarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . 1.11.3 Ökumene im Bereich von Sonntagsschule und Kindergottesdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.11.4 Die Arbeit mit und unter Studenten . . . . . . . . . . . . . 1.11.5 Zusammenarbeit an den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.11.6 Neustart: Printmedien und Ökumenische Rundschau . . . 1.11.7 Die Evangelischen Kirchentage . . . . . . . . . . . . . . . . 1.11.8 Die kirchenverbindende Aktion BROT FÜR DIE WELT . . 1.12 Die »Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Groß-Berlin« . . . . . . . . . . . . . . 1.13 Wie geht es nach dem Beginn der verschiedenen Initiativen weiter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2: Zeit der Konsolidierung und Stagnation 2.1 Von Stuttgart 1945 nach Kassel 1948 . . . . . 2.1.1 »Richtlinien« – Grundlage der Arbeit 2.1.2 Probleme innerhalb der EKD . . . . .

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Inhalt

2.1.3 Unterschiedliche Positionen in den Freikirchen . . . . . . . 2.2 Das Zusammenwirken in der ACK – erste Phase: Rückblicke . . . 2.2.1 Die leidigen Probleme auf landeskirchlichen Friedhöfen . . 2.2.2 Das Nebeneinander verschiedener Kirchen an einem Ort . 2.2.3 Ökumene in der Ortsgemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Das heiße Eisen des »Übertritts« . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Strittige Amtshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.6 Zulassung freikirchlicher Religionslehrer an öffentlichen Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Die Vertretung gemeinsamer Anliegen . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Kriegsdienstverweigerung und Militärseelsorge . . . . . . . 2.3.2 Regelung des Mitbestimmungsrechts . . . . . . . . . . . . 2.4 Förderung des theologischen Gesprächs zu Klärung und Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Beratung und Vermittlung bei Meinungsverschiedenheiten . . . . 2.6 Die Notwendigkeit einer zweiten Ebene . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1 Erste flankierende Regionalkonferenzen . . . . . . . . . . . 2.6.2 Das Fehlen eines tragfähigen Unterbaus . . . . . . . . . . . 2.6.3 Das Ökumenische Komitee Stuttgart als Vorreiter . . . . . 2.7 Verörtlichung und Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.1 Ökumene und Allianz am Ort . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.2 Regionale Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8 Die kritischen 60er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.1 Evangelikaler Protest und Freikirchen . . . . . . . . . . . . 2.8.2 15 Jahre ACK – Berichterstattung im Rat der EKD . . . . . 2.8.3 Ökumenische Verunsicherung unter den Freikirchen . . . 2.8.4 Eine kritische Analyse des ACK-Vorsitzenden Hans Luckey 2.8.5 Krisensitzung der ACK mit EKD-Ratsmitgliedern . . . . . 2.8.6 Zeichen des Wandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.7 Internationale ökumenische Erfahrungen sind unersetzlich 2.8.8 Einzelne Beobachtungen zum Wandel . . . . . . . . . . . . 2.9 Die besonderen Umstände im Osten Deutschlands . . . . . . . . . 2.9.1 Frühe ökumenische Ansätze in der Sowjetisch Besetzten Zone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9.2 Die Vertiefung der kirchlichen Trennung . . . . . . . . . . 2.10 Problematische Ökumene? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.10.1 Das Ringen um die ›Gemeinschaft im Gebet‹ – Allianz und Ökumene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.10.2 Die wachsende Kluft zwischen Evangelischer Allianz und ACK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.10.3 Neuordnung der Weltmission durch Integration . . . . . .

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Inhalt

2.11 Entwicklungen in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.11.1 Ausgangspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.11.2 Regional unterschiedliche Erfahrungen . . . . . . . . . . . 2.11.3 Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen . . . . . . . . . 2.11.4 Loyalitätserklärung der Vereinigung Ev. Freikirchen (1962). 2.11.5 Neue Staatsverfassung und Neuorganisation der Kirchen . 2.12 Gesamtkirchliche Verbundenheit und ökumenische Integration . 2.13 Was haben zwei Jahrzehnte innerdeutscher Ökumene bewirkt? . . Kapitel 3: Zeit der Neuordnung und der ACK-Erweiterungen . . . . . 3.1 Bemühungen um eine Erweiterung der ACK . . . . . . . . . . . 3.1.1 Lutherische Freikirchen (1964 – 1993) . . . . . . . . . . . 3.1.2 Die Orthodoxen (1965 – 1974) . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Die Heilsarmee (1966) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Die Pfingstbewegung – Mülheimer Verband (1965 – 2009) 3.1.5 Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten (1967 – 1993) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.6 Die Religiöse Gesellschaft der Freunde – »Die Quäker« . . 3.1.7 Reformierte und Lutheraner . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Probleme und Perspektiven am Ende des zweiten Jahrzehnts . . 3.2.1 Die ungeklärte Frage nach dem »Leitbild« . . . . . . . . . 3.2.2 Alle ökumenischen Aktivitäten unter ein Dach? . . . . . 3.2.3 Der Impuls aus Uppsala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Die ACK erneut auf der Tagesordnung des Rates der EKD 3.2.5 Konsultation mit ökumenisch wirkenden Werken . . . . 3.2.6 ACK-Sitzung mit Gästen aus der EKD und der Bischofskonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.7 Viele Wünsche – keine konzeptionelle Klarheit . . . . . . 3.2.8 Die ACK ein Jahr nach Uppsala (1969) . . . . . . . . . . . 3.2.9 Eine breite Diskussion: Erneuerung der ACK? (1970) . . 3.2.10 Anregungen des Deutschen Ökumenischen Studienausschusses (1970) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.11 Eine weitere Initiative aus der Ökumenischen Centrale . 3.2.12 Ein »Memorandum« der ACK im Rat der EKD (1970) . . 3.2.13 Eine ökumenische »Konferenz der Kirchen«? (1971/72) . 3.2.14 Irritation durch den EKD-Kirchenamtspräsidenten (1970) 3.3 Das kirchliche Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 EKD-Strukturreform und ACK . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Gemeinsame Kommission von DBK und orthodoxen Kirchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Ökumenische Brückenbauer in schwierigen Rollen . . . .

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Inhalt

3.4 Zwischenbilanz: organisatorischer Richtungswechsel . . . . . . . 3.5 Die ökumenische Öffnung der römisch-katholischen Kirche . . . 3.5.1 Neue Grundlagen durch das Konzil . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Beziehungen zwischen der Bischofskonferenz und dem Rat der EKD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.3 Das römisch-katholische Interesse an einer ACK-Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.4 Die römisch-katholische ACK-Mitwirkung aus der Sicht der EKD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.5 Die römisch-katholische ACK-Mitwirkung aus freikirchlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.6 Die römisch-katholische ACK-Mitwirkung aus der Sicht der ACK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.7 Deutscher Ökumenischer Studienausschuss – Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Römisch-katholische Kirche und Griechisch-Orthodoxe Kirche werden Mitglieder der ACK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1 Nicht Satzungsänderung, sondern Neukonstituierung . . . 3.6.2 Einleitung einer neuen Epoche ökumenischer Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.3 Praktische Zwänge zu ökumenischem Handeln . . . . . . . 3.7 Zum Weg der orthodoxen Kirchen in die ACK-Mitgliedschaft . . . 3.8 Einschätzungen und Hoffnungen zur eingeleiteten Entwicklung . 3.9 Eine neue zwischenkirchliche Konstellation . . . . . . . . . . . . . 3.10 Zur ökumenischen Entwicklung in der DDR . . . . . . . . . . . . 3.10.1 Die Bildung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.10.2 Der Bund der Evangelischen Kirchen – ökumenisch gesehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.10.3 Auf dem Weg zu mehr Gemeinschaft unter den Kirchen . . 3.10.4 Entwicklungen in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.10.5 DDR-Staat und Freikirchen – eine ökumenische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.11 Die Vereinigung zur Evangelisch-methodistischen Kirche 1968 . . 3.11.1 Die lange Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.11.2 Die Bildung einer neuen Kirche . . . . . . . . . . . . . . . 3.11.3 Eine ökumenische Verpflichtung in der Verfassung . . . . . 3.11.4 Gottesdienste und ökumenische Feiern zur Vereinigung . . 3.12 Entstehung und Wirkung der Leuenberger Konkordie . . . . . . . 3.13 Die innerdeutsche Ökumene vor einer neuen Zukunft . . . . . . .

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10 Kapitel 4 – Teil 1: Zeit der beginnenden Rezeptionen und Aktionen – Wachsende Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Rezeptionen: Früchte wachsenden Vertrauens . . . . . . . . . 4.2 Zur Entwicklung von zwischenkirchlichen Beziehungen . . . . 4.2.1 Unkoordinierte persönliche Initiativen . . . . . . . . . 4.2.2 Die Beziehungen EKD – Landeskirchen – Freikirchen ökumenisch gesehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Erwägungen und Erwartungen in den Freikirchen . . . 4.2.4 Entwicklungen in der römisch-katholischen Kirche . . 4.2.5 Ökumene-Institute von EKD und römisch-katholischer Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Die Bildung regionaler Arbeitsgemeinschaften Christlicher Kirchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Vorsichtig unterwegs zu regionalen und örtlichen ACKs 4.3.2 Regionale ACKs mit unterschiedlichen Ansätzen . . . . 4.4 Die ökumenische Durchdringung der Kirchen und ihrer Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Innerkirchliche Klärungen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Der Rat der EKD und die katholische Bischofskonferenz 4.4.3 Klärungen in Minderheitskirchen . . . . . . . . . . . . 4.4.4 Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Ein Blick über die Grenze nach Österreich . . . . . . . . . . .

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Kapitel 4 – Teil 2: Zeit der beginnenden Rezeptionen und Aktionen – Konkrete Schritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Vom Wachsen konfessionsübergreifender Gemeinschaft . . . . . . 4.6.1 Gemeinsame Bibelwochen, Gebetswochen und Gottesdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.2 Ökumenische Kirchentage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.3 Gemeinsame Aktivitäten von örtlichen Gemeinden . . . . . 4.6.4 Ökumenische Wegweiser von Landeskirchen und Diözesen 4.6.5 Noch kaum gelöste Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.6 Kritischer Dialog? Ja, aber mit Respekt und gegenseitiger Achtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Unterwegs, ökumenische Beziehungen verbindlich zu gestalten . . 4.7.1 Die Bildung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (1972) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.2 Leuenberger Konkordie und reformatorische Kirchengemeinschaft (1973) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.3 Römisch-Katholisch – Alt-Katholische »Pastorale Vereinbarung« (1973 und später) . . . . . . . . . . . . . . .

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4.7.4 Adventisten und Lutheraner : »Conversations« auf Weltebene – Konsequenzen für Deutschland (1994 – 1998) und 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.5 Forum Freikirchlicher Pfingstgemeinden (1979) . . . . . . 4.7.6 Alt-Katholisch – evangelisch-landeskirchliche Eucharistie-»Vereinbarung« (1985) . . . . . . . . . . . . . 4.7.7 Kirchengemeinschaft: Evangelisch-methodistische Kirche mit Gliedkirchen der EKD (1987) und dem Bund Evangelischer Kirchen in der DDR (1988) . . . . . . . . . . 4.7.8 »Meißener Erklärung« zwischen EKD und Kirche von England (1988) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.9 Reformiert – altreformierter Dialog (1988 – 2012) . . . . . . 4.7.10 Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden aus drei Traditionen (1990) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.11 Mennoniten und Landeskirchen vereinbaren »Eucharistische Gastbereitschaft« (1996) . . . . . . . . . . 4.7.12 Die »Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre« (GER) – (1999/2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.13 Die europäischen Baptisten und die Leuenberger Kirchengemeinschaft (1996 – 2010) . . . . . . . . . . . . . . 4.7.14 Die methodistischen Kirchen und die Leuenberger Kirchengemeinschaft (1997) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.15 Die Evangelische Kirche in Deutschland und die Leuenberger Kirchengemeinschaft (1999) . . . . . . . . . . 4.7.16 Die Charta Oecumenica (2001 – 2003) . . . . . . . . . . . . 4.7.17 Die Union Evangelischer Kirchen (2003) . . . . . . . . . . 4.7.18 Die Arbeitsgemeinschaft von Baptisten und Lutheranern in Bayern schlägt Kirchengemeinschaft vor (2003 – 2009) . . . 4.7.19 Die gegenseitige Anerkennung vollzogener Taufen (2007) . 4.7.20 Wachsende orthodoxe Gemeinschaft im »Dienst an der Einheit« (2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.21 Der Freundeskreis »Philoxenia« (1966) . . . . . . . . . . . 4.7.22 Der Christinnenrat (1997) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.23 Zwischenbilanz: Aus Erfahrungen lernen . . . . . . . . . . 4.8 Entwicklungen in ökumenischen Organisationen . . . . . . . . . . 4.8.1 Entwicklungen in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen auf Bundesebene (ACK) . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.1.1 Die ACK in einer »tiefen Krise« . . . . . . . . . . . 4.8.1.2 Die Beziehungen zwischen Bundes- und regionalen ACKs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.2 Die Evangelische Kirche in Deutschland . . . . . . . . . . .

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Inhalt

4.8.3 Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche . . . . . . . 4.8.4 Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen . . . . . . . . . 4.8.5 Die Konferenz Europäischer Kirchen (1959/1964) . . . . . . 4.8.6 Die Deutsche Evangelische Allianz . . . . . . . . . . . . . . 4.8.7 Der Verein für Freikirchenforschung . . . . . . . . . . . . . 4.9 Vier Papstbesuche in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10 ACK – Standortbestimmungen zur Zeit von Jubiläen . . . . . . . . 4.10.1 Stimmen von Mitherausgebern der Ökumenischen Rundschau (1988) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10.2 Vierzig Jahre ACK (1948 – 1988): Festakt in Bonn . . . . . . 4.10.3 Fünfzig Jahre ACK (1948 – 1998): Gottesdienst und Tagung mit Gästen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11 Die ACK mit allen gemeinsam in Aktion? . . . . . . . . . . . . . . 4.12 Miteinander unterwegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

569 571 574 576 580 583 588

Kapitel 5: Zeit, der Berufung zur Einheit zu folgen . . . . . . . . . . . . 5.1 Die Abgrenzung gegenüber neuen Bewegungen hat Tradition . . . 5.1.1 Zur Praxis innerkirchlicher Maßnahmen gegen den Pietismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Erweckungsbewegungen und Gemeinschaftsbewegung . . . 5.2 Die deutsche Ökumene im Schatten eines europäischen »Sonderwegs« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Der historisch gewordene »Sonderweg« . . . . . . . . . . . 5.2.2 Flächendeckende Territorialkirchen – heute der ökumenische Ausnahmezustand . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Ökumenische Folgen des kirchlichen »Sonderwegs« . . . . 5.2.4 Kennzeichnungen des »europäischen Sonderwegs« . . . . . 5.3 Ökumenisches Fortschreiten, um der Berufung zur Einheit zu folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Lutheraner und Katholiken im Weltdialog mit Mennoniten. 5.3.2 Dialog zwischen Lutheranern und Baptisten in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Fortschreiten auf begonnenen Wegen . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Überlegungen zur Charta Oecumenica . . . . . . . . . . . 5.4.2 Überlegungen zur Taufanerkennung . . . . . . . . . . . . . 5.4.3 Das ökumenische Problem nichtkompatibler Strukturen . . 5.5 Wege, die von den Kirchen noch beschritten werden müssen . . . 5.5.1 Kirchengemeinschaft – ökumenische Klärungen notwendig 5.5.2 Schritte der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3 Kirchengemeinschaft praktizieren – notwendige Klärungen

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Inhalt

5.5.4 Die Hoffnung auf eine ökumenische Hermeneutik . 5.5.5 Ökumenische Gastfreundschaft auf allen Ebenen . . Fruchtbare partnerschaftliche Ökumene zwischen ungleich großen Kirchen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein ökumenischer »Verfassungs«-vergleich? . . . . . . . . Minderheiten »Motor der Modernisierung« . . . . . . . . . Der ökumenische Pilgerweg – Rückblick und Ausblick . .

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Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Archive – Bildquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorsitzende ACK (BRD und Berlin-West) . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorsitzende AGCK (DDR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Länder- und Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Konfessionen-, Denominationen- und Institutionen-Register . . . . . .

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5.6 5.7 5.8 5.9

. . . .

. . . .

Vorwort

»Durch ihre Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen bringen die Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zum Ausdruck, dass sie miteinander in der Gemeinschaft der einen Kirche Jesu Christi an der Gotteskindschaft teilhaben (Röm 8,15). Dies gilt unbeschadet unterschiedlicher Auffassungen von Taufe und Kirche.«

So lautet eine Leitlinie der ACK in Deutschland, mit denen sie nicht nur die Grundlagen ihrer Zusammenarbeit beschreibt, sondern auch sich selbst verpflichtet und praktische Hinweise zur Gestaltung des ökumenischen Miteinanders gibt. In den Leitlinien der ACK kommt knapp und klar zum Ausdruck, dass wir als Mitgliedskirchen ein gemeinsames Ziel vor Augen haben, nämlich die Einheit in Christus heute sichtbar werden zu lassen. Dazu hat sich die Arbeit der ACK auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene sehr bewährt, und das nun schon mehr als sechs Jahrzehnte. Auf allen Ebenen erkennen die Kirchen durch das gemeinsame Miteinander, was sie verbindet und nehmen das gemeinsame Fundament unseres Glaubens wahr. Das gegenseitige Kennenlernen und Wahrnehmen, das persönliche Miteinander und der geschwisterliche Austausch führen zu einer lebendigen ökumenischen Gemeinschaft im Glauben, in der Liebe und in der Hoffnung (1 Kor 13). Die Mitglieder der ACK haben erlebt, wie notwendig die gegenseitige Bereicherung ist und sehen in der ACK ein unverzichtbares Instrument der multilateralen ökumenischen Zusammenarbeit. Sie schätzen vor allem das von Anfang an geübte Prinzip, dass sich die Mitgliedskirchen der ACK auf Augenhöhe begegnen, unabhängig von ihrer Größe und ihrer Organisationsstruktur. Das bedeutet, dass auf allen Ebenen der multilaterale Ansatz in der Ökumene zum Tragen kommt. Dieses ökumenisch offene Miteinander ist nicht selbstverständlich. Es bleibt ein Geschenk des Heiligen Geistes, dass wir uns heute so begegnen und miteinander leben und arbeiten können. Bereits in seinem ersten Band hat Karl Heinz Voigt den langen und teilweise auch beschwerlichen Weg der ökumeni-

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Karl-Heinz Wiesemann

schen Bewegung bis 1945 aufgezeigt. Der vorliegende Band stellt nun die Entwicklung der ACK seit ihrer Gründung dar und verschweigt dabei nicht die Klippen und Riffe, auf die das Ökumeneschiff zu manchen Zeiten zuzusteuern drohte. Zudem zeichnet er die zahlreichen Schritte nach, die uns in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten näher zueinander geführt haben. Die ACK in Deutschland wurde im März 1948 gegründet, wenige Monate, bevor im selben Jahr in Amsterdam der Ökumenische Rat der Kirchen ins Leben gerufen wurde. Von Beginn an hatte die ACK zwei wichtige Stoßrichtungen im Blick. Zum einen das geistliche Miteinander, das nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges zu einer tragfähigen ökumenischen Gemeinschaft führen sollte. Zum anderen auch die theologisch-wissenschaftliche Unterstützung des ökumenischen Miteinanders, das sich in der Begründung des Deutschen Ökumenischen Studienausschusses (DÖSTA) im Jahr 1950 manifestierte. Für die Beteiligung der römisch-katholischen Kirche an der ökumenischen Bewegung stellt das Zweite Vatikanische Konzil (1962 – 65) eine Art kopernikanischer Wende dar. Es hat nicht nur zu einer ökumenischen Öffnung der römisch-katholischen Kirche geführt, sondern gleichzeitig den Blick auf das Wirken des Geistes in anderen Kirchen und Konfessionen gelenkt und damit den Dialog zwischen den Kirchen ermöglicht. Gleichwohl sollte es noch bis 1974 dauern, bis die römisch-katholische Kirche Vollmitglied in der ACK wurde. Im selben Jahr wurde auch die Griechisch-orthodoxe Metropolie von Deutschland in die ACK aufgenommen. Diese Erweiterung war ein wesentlicher Meilenstein in der Geschichte der deutschen Ökumene. Kurz zuvor hatten reformierte und lutherische Kirchen in Europa in der Leuenberger Konkordie erklärt, ihre früheren Lehrverurteilungen nicht mehr aufrechtzuerhalten und sich gegenseitig an den Sakramenten und den Ämtern Teilhabe zu gewähren. Man kann also erkennen, dass die ökumenische Bewegung in der Mitte der 1970er-Jahre eine Hochphase hatte, von der wir noch heute im ökumenischen Miteinander profitieren. Eine schmerzliche Geschichte ist die Trennung der ACK in den beiden deutschen Staaten. Bedingt durch die politische Teilung Deutschlands konnten die ACK-Delegierten aus den Kirchen auf dem Gebiet der damaligen DDR ab 1963 nicht mehr an den gemeinsamen Sitzungen teilnehmen. 1970 wurde daher die »Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der DDR« (AGCK) gegründet. Obwohl auch in der Zeit der Trennung zwischen den beiden Arbeitsgemeinschaften vielfältige Verbindungen bestanden, verliefen manche Entwicklungen unterschiedlich, wie Karl Heinz Voigt kenntnisreich darstellt. Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten schlossen sich die beiden Arbeitsgemeinschaften im November 1991 bei einer gemeinsamen Tagung in Eisenach zusammen und konstituierten die ACK neu. Im Februar 1992 wurde bei

Vorwort

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der gemeinsamen Mitgliederversammlung in Berlin aus Anlass der Vereinigung in der St. Hedwigs-Kathedrale zu Berlin ein ökumenischer Gottesdienst gefeiert. Ein wesentlicher Meilenstein des neuen Jahrtausends war die Verabschiedung der Charta Oecumenica, die im Jahr 2003 auf dem Ökumenischen Kirchentag in Berlin von allen Mitgliedskirchen der ACK unterzeichnet wurde. Die Charta verdankt sich der Einsicht, dass Europa nach dem Fall der Mauer vor neuen Aufgaben steht. In dieser Situation wollen die Kirchen »mit dem Evangelium für die Würde der menschlichen Person als Gottes Ebenbild eintreten und als Kirchen gemeinsam dazu beitragen, Völker und Kulturen zu versöhnen«, wie es in der Charta heißt. Zu jedem in der Charta behandelten Thema werden »Selbstverpflichtungen« genannt. D.h. sie ist kein Gesetz, das den Kirchen von außen aufgezwungen wird. Es geht darum, dass die europäischen Kirchen sich selbst verpflichten, ihre Beziehungen zueinander und die gemeinsame Arbeit so zu gestalten, dass sie mindestens dem Standard der Charta Oecumenica entsprechen. Bis heute orientiert sich die Arbeit der ACK an diesen Standards und versucht, daran ausgerichtet zu einem immer deutlicher werdenden gemeinsamen Zeugnis der christlichen Kirchen in Deutschland zu gelangen. Diese Orientierung und Selbstverpflichtung hat gerade in der Krise der ACK, in der sie sich aufgrund drastischer Sparmaßnahmen im Jahr 2008 sah, auf das Wesentliche zurückgeführt und die Bedeutung des unverzichtbaren gemeinsamen Miteinanders in einer Arbeitsgemeinschaft untermauert. Es ist geradezu ein Kairos, dass nun mit den beiden Bänden von Karl Heinz Voigt kurz vor dem Reformationsgedenken im Jahr 2017 die Geschichte der ökumenischen Bewegung in Deutschland noch einmal gebündelt und pointiert vorgelegt wird. Sie erinnert an die fruchtbaren und bewegten Anfänge der ökumenischen Bewegung in Deutschland und führt auch der ACK noch einmal ihre Entstehung und ihre Entwicklung vor Augen. So können die beiden Bände uns heute ermutigen und dazu beitragen, an den vielen Erfolgen der letzten Jahrzehnte anzuknüpfen und die ACK als Instrument der multilateralen ökumenischen Gemeinschaft immer mehr zu stärken und wertzuschätzen, gerade im Blick auf das ökumenische Miteinander im Jahr 2017. Dass dies aus der Perspektive eines ökumenisch Engagierten einer in Deutschland sogenannten »kleinen Kirche« geschieht, macht den sichtbaren Gewinn der ACK um so deutlicher. Die Bände erscheinen kurz nach dem Tod meines geschätzten Vorgängers im Amt des Vorsitzenden der ACK, Landesbischof i.R. Prof. Dr. Friedrich Weber. Er war von 2007 bis 2013 Vorsitzender und hat entscheidend mitgeholfen, nicht nur durch seine hohe theologische und spirituelle Kompetenz, sondern vielmehr noch durch seine sympathische, mitdenkende und mitfühlende menschliche Art, dass die Mauern der Entfremdung und Vorurteile weiter abgebaut und authentische Zugänge zueinander gefunden und bestärkt werden konnten.

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Karl-Heinz Wiesemann

Karl Heinz Voigt danke ich für die überaus sorgfältige Arbeit, die Geschichte der ACK und der ökumenischen Bewegung in Deutschland darzustellen und an vielen Stellen einzuschätzen und zu gewichten. Man erkennt das schlagende Herz eines engagierten Ökumenikers, der sich leidenschaftlich für das Ziel der sichtbaren Einheit einsetzt und gleichzeitig darum weiß, dass alles, was wir gemeinsam tun und überlegen, nur ein Baustein hin zu diesem Ziel ist, das letztlich ein Geschenk Gottes bleibt. Speyer, am 9. Februar 2015 Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann Vorsitzender der ACK in Deutschland

Einführung

»Welche Einheit suchen wir?« Konkret können wir sie noch nicht gemeinsam beschreiben. Eins aber wissen wir : Es kann nur eine Einheit sein, die gemeinsam den Weg einer verbindlichen ökumenischen Gemeinschaft gehen wird. Ihre heutige Vision ist die einer universalen Gemeinschaft aller, die zu Jesus Christus gehören. Universal bedeutet nicht nur weltweit. Eine wirklich universale Ökumene umfasst auch im eigenen Lande und an jedem Ort mindestens alle, die getauft sind, durch den Glauben gerechtfertigt wurden und sich auf den Weg der Nachfolge Christi begeben haben. Damit sprengt ökumenisches Leben traditionelle Grenzen auf und überwindet mit allen, die auf dem gleichen Pilgerweg unterwegs sind, Hindernisse, die sich ihnen in den Weg stellen wollen. In unserem Land erweist sich die Frage »groß« oder »klein«, Mehrheits- oder Minderheitskirche als ein spezielles Problem. In dieser uns besonders berührenden Situation haben die verschiedenen »Größen«, unabhängig von »groß« oder »klein« je eine eigene Verantwortung, die Einheit »aller in partnerschaftlicher Gemeinschaft« konkret auszugestalten. Durch diese Gemeinschaft soll heute schon die inzwischen erreichte Einheit trotz ihrer Vorläufigkeit und Gebrochenheit sichtbar gemacht werden. Sie kann als hoffnungsvolles Zeichen anschaulich machen, wie christliches Handeln anderen Vorstellungen folgt als es in der Gesellschaft allgemein üblich ist. Auf dem Weg der Gestaltung der bereits möglichen Einheit in Gemeinschaft ist es ein Ziel dieser Studie, den Reichtum, die Vielfalt und die Komplexität der ›Ökumene in Deutschland‹ in der ganzen Breite zu erfassen und dadurch ihr Bild pluralisierend so zu bereichern, dass die gesamte ökumenische Breite auch bei uns anschaulich und bewusst wird, sowohl innerhalb der Konfessionen wie in der Gesellschaft. In der Entfaltung der Themen habe ich bei allen verbliebenen Lücken versucht, den Weg zu einer ökumenischen Hermeneutik der Geschichte zu finden. Zwei Leitplanken haben mir dabei geholfen. Auf der einen Seite kam der Impuls vom Zweiten Vatikanischen Konzil. Es hat den ökumenischen Grundsatz par cum pari aufgestellt, um alle Dialogpartner auf die gleiche Ebene zu stellen.

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Einführung

Dieser global verankerte Grundsatz wurde durch die Würzburger Synode – und das ist besonders wichtig – lokal verankert. Unter dem Thema »Pastorale Zusammenarbeit im Dienst der christlichen Einheit« ist für die gemeinsame Praxis entfaltet, was par cum pari bei uns bedeutet. Auf der anderen Seite hat der Ökumenische Rat der Kirchen die zweite Leithilfe bereitgestellt. Seit der Vollversammlung 1998 in Harare/Simbabwe wird »das ökumenische Miteinander als Koinonia« entfaltet. Die Koinonia ist eine durch Christus befähigte und durch den Heiligen Geist verbundene Gemeinschaft des gegenseitigen Gebens und Nehmens. Diesen globalen Ansatz hat die EKD-Synode in Braunschweig im Jahr 2000 aufgenommen und lokal verortet. In ihrer »Kundgebung: Eins in Christus. Kirchen unterwegs zu mehr Gemeinschaft« hat sie in einer offenen ökumenischen Selbstdarstellung präzise gesagt, wo sie sich auf dem Koinonia-Weg befindet und zu welchen Schritten sie gegenwärtig bereit ist. Fast möchte man sagen, der par cum pari-Ansatz wurde mit dem KoinoniaVerständnis verbunden. Theologisch ist das eine eindrucksvolle gegenseitige Ergänzung, die bei uns für die ökumenische Praxis von »groß« und »klein« eine enorme Herausforderung darstellt. Zugleich sind die beiden erhobenen Grunddaten zusammen eine hilfreiche Leitlinie für eine ökumenische Hermeneutik. Sie wird auf dem Fundament, auf das sich die Kirchen zwischen den beiden Leitplanken durch die Unterzeichnung der Charta Oecumenica gestellt haben, in der vorliegenden Studie entfaltet. Dank für viel Hilfe! Nach den erwähnten Anregungen für die Entfaltung der gemeinsamen ökumenischen Geschichte habe ich für den hier vorliegenden Band auf ganz unterschiedliche Weise reichlich Unterstützung erfahren. In kirchlichen und anderen Archiven in Berlin, Bremen, Bonn, Elstal, Hannover, Paderborn, Reutlingen und Stuttgart sind meine Forschungen von kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hilfsbereit unterstützt worden. Hans Jakob Reimers hat die Grundlagen für die Register erstellt und sich akribisch um die Lebensdaten vieler Personen bemüht. Engagierte Kollegen, die selber ein Stück ökumenischer Zeitgeschichte miterlebt und mitgestaltet haben, waren in mehrfacher Hinsicht hilfreich: Rüdiger Minor, Martin Lange, Thomas Leßmann, Hans-Jürgen Stöcker und Jürgen Stolze. Den Herausgebern der Reihe »Kirche – Konfession – Religion«, allen voran dem Direktor des Konfessionskundlichen Instituts Dr. Walter FleischmannBisten, danke ich für die Aufnahme auch meines zweiten Bandes in diese erfolgreiche Reihe und die Unterstützung im Zuge der Drucklegung. Schließlich kann heute ein so umfassendes Werk nicht mehr ohne Zuschüsse gedruckt werden. Ich danke dem EKD – Kirchenamt, Hauptabteilung für Ökumene und Auslandsarbeit in Hannover, der Evangelisch-methodistischen Kirche, dem Verein zur Erforschung der kirchlichen Zeitgeschichte nach 1945, dem Verein

Einführung

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für Freikirchenforschung und dem Freundeskreis des Evangelischen Bundes Hessen und Nassau für die Unterstützungen, durch die es möglich ist, diese umfangreiche Studie möglichst vielen ökumenisch Engagierten zu einem annehmbaren Preis zugänglich machen zu können. Abschließend eine persönliche Notiz. In den Übersichtswerken zur Kirchengeschichte des 19. und 20. Jahrhundert ist die Ökumene kaum wahrgenommen und wenn, dann fast nur im internationalen Kontext. Ökumene in Deutschland kommt nur sporadisch und am Rande vor. Es soll hier nicht über die Gründe reflektiert werden. Aber diese Tatsache ist eine Erklärung dafür, warum der Autor eine ungewöhnlich große Zahl eigener Forschungsbeiträge, die im Laufe vieler Jahre durch publizierte Vorträge und Einzelstudien entstanden sind, für die Darstellung heranziehen und für kritische Nachforschungen erwähnen musste. Es kam ihm dabei zu Hilfe, dass einerseits der Verein für Freikirchenforschung eine größere Anzahl seiner Beiträge publiziert hat. Andererseits setzte das 2004 von mir in der Reihe »Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen« veröffentlichte Werk »Geschichte der Freikirchen in Deutschland (19. und 20. Jahrhundert)« grundlegende Kenntnisse voraus, die jetzt in einen ungleich weiteren ökumenischen Rahmen gestellt werden konnten. Es ist in unserem Lande ungewöhnlich, dass ein kirchengeschichtliches Übersichtswerk aus der Perspektive einer Minderheitskirche erscheint. Dass dies gerade zum Thema Ökumene im eigenen Lande der Fall ist, hat seinen eigenen Reiz, denn aus dieser Perspektiv sieht manches kirchliche Miteinander anders aus, als es üblicherweise gesehen wird. Gerade darin liegt Anregendes, das in der Hoffnung veröffentlicht wird, ökumenisches Verstehen und Leben zu fördern und vielleicht auch manches weitere Tor zu öffnen. Karl Heinz Voigt Im Januar 2015

Kapitel 1: Zeit der ACK-Anfänge und Weichenstellungen

Am 8. Mai 1945 um 23.01 Uhr schwiegen nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands die Waffen. Für das deutsche Volk öffnete sich die Tür für ungeahnte Schritte in eine neue Ära. Auch für die Kirchen war die Zeit für einen neuen Anfang gekommen.

1.1

Eine neue Ära

1.1.1 Neue politische und gesellschaftliche Voraussetzungen für eine ökumenische Zukunft Ungefähr 400 Jahre wurde die Kirchenpolitik von den Monarchen der deutschen Kleinstaaten bestimmt. Ein Kurfürst, ein Markgraf, ein Herzog, ein Landgraf, ein Fürst und die beiden freien Reichsstädte Nürnberg und Reutlingen haben 1530 die Confessio Augustana unterzeichnet und dem Protestantismus in Deutschland damit eine Basis gegeben. Für den Konfessionsfrieden konnte 1555 mit dem Augsburger cuius regio – eius religio noch im 16. Jahrhundert eine Grundlage erreicht werden. Im 17. Jahrhundert mussten die ersten Mennoniten aus Krefeld unter politischem Druck nach Amerika auswandern.1 In den von den jeweiligen Staaten im 18. Jahrhundert erlassenen Pietisten-Reskripten wurden die »Separatisten« amtlich isoliert und anderen »verdächtigen«, »gefährlichen« und »fremden« Personen wurde der Vortrag in Versammlungen untersagt.2 Noch im 19. Jahrhundert beschwerte sich z. B. die Königlich Großbritannisch-hannoversche Regierung selbst darüber, dass der Bremer Pastor Friedrich Ludwig Mallet als Ausländer in ihrem Staatsgebiet Versammlungen hielt.3 Dass die von 1 Diether Götz-Lichdi, Die Mennoniten in Geschichte und Gegenwart, 20042, 116 f. 2 Von Gottes Gnaden. 250 Jahre Württembergisches Pietisten-Reskript 1743 – 1993, Stuttgart 1989, 43 f. 3 Schreiben Landdrostei Stade am 11. Nov. 1826. NSStA Stade, Rep 80 K Tit 4 Nr. 6.

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Zeit der ACK-Anfänge und Weichenstellungen

Bremen aus wirkenden Methodisten aus dem Königreich Hannover polizeilich ausgewiesen und ihre einheimischen Anhänger zur Auswanderung veranlasst wurden, lag im Trend der Zeit.4 Über die, die sich »auf ihrer Reise nach dem Lande der Freiheit befinden«, schrieb der methodistische Superintendent Ludwig S. Jacoby aus Bremen nach Amerika: »Unsere Brüder dort werden die Freude haben, ihre im 19. Jahrhundert verfolgten und unterdrückten Glaubensgenossen in ihrer Mitte aufzunehmen.«5 Die Kirchenpolitik lag in Händen konfessionell gebundener Herrscher. Die Summepiskopen sicherten »ihren« Konfessionen – auch mit eigenen Interessen – monopolartige Privilegien. Als die Weimarer Reichsverfassung das Ende des Staatskirchentums festschrieb, mussten die bisherigen Staatskirchen verunsichert nach ihrer Zukunft fragen. Die »Kirchenregierungen« – was für ein Wort! – ließen sich nur mit Vorbehalten auf demokratische Verhältnisse im Staat ein.6 Nach wenigen Jahren dieser ungesuchten Freiheit kam es zu neuen kirchenpolitischen Eskapaden. Sie weisen durch einen kirchlich unerwünschten »Reichsbischof« und durch ein im landeskirchlichen Bereich wohl erstmals ohne staatspolitischen Einfluss entstandenes Bekenntnis der »Barmer Theologischen Erklärung« zwei markante Gegenpole aus. Die wohl nie zuvor durch einen Flügel der Kirche im bekennenden Protest errungene Freiheit wirkte nach dem Ende dieser zwölfjährigen Periode zwar begrenzt, aber doch aktiv weiter.

Moskau, Paris, London, Washington – Unterschiedliche Strategien Die Verwaltungsstrukturen im ganzen Land waren 1945 zusammengebrochen oder außer Kraft gesetzt. In dem dadurch entstandenen Dilemma waren die Kirchen verhältnismäßig glimpflich davongekommen. Sie hatten den Vorteil, dass sie nicht pauschal unter dem politischen Verdikt standen, das die staatlichen Behörden und Institutionen traf. Für den Prozess der geistigen Umorientierung schenkten die westlichen Siegermächte den Kirchen ein besonderes Maß 4 Auch aus anderen Ländern zog es in der Frühzeit Methodisten und andere Freikirchler nach Amerika. Ein Beispiel in: Karl Heinz Voigt, Vom Bremer Staatsgebiet ins »ausländische« Umland. In: FF Bd. 23 (2014), 220 – 239. 5 Ludwig S. Jacoby, Geschichte des amerikanischen Methodismus, Zweiter Theil, Bremen 1870, 285. Hervorhebungen übernommen. Dazu: Erich Geldbach, Deutschland als Ziel und Ausgangspunkt religiös bedingter Migration: Ein Überblick von der Reformation bis zum Ersten Weltkrieg, In FF 5 (1995), 1 – 21, bes. 9 – 21. 6 Die 1985 erstmals formulierte offizielle Stellungnahme in einer »Demokratie-Denkschrift« wird in einer Schrift zum Reformations-Themenjahr 2014 mit dem Hinweis auf eine »Geschichte der langsamen Annäherung« eingeführt. Reformation. Macht. Politik. EKD Magazin »Fürchtet Gott, ehrt den König!«, 56. Der vollständige Text der Demokratie-Denkschrift: Die Denkschriften der Evangelischen Kirche in Deutschland 1962 – 2002. Mit Einführungen in digitaler Form (CD), Hannover o. J.

Eine neue Ära

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an Vertrauen. Sie sollten bei der Demokratisierung des Landes entscheidend zum Gelingen beitragen. Das Bild, das die Westalliierten von ihnen hatten, war auch durch unterschiedliche Beziehungen im Geflecht der ökumenischen Bewegung zu Vertretern der Bekennenden Kirche entstanden und hatte diese Vertrauensbasis geschaffen. Daran anknüpfende Entwicklungen hatten für die kommende innerdeutsche Ökumene Folgen, die am Anfang nicht absehbar waren. In den Hauptstädten der vier Besatzungsmächte zwischen Moskau und Washington herrschten keinesfalls die gleichen Vorstellungen über den Umgang mit den Kirchen. Zwar einigten sich die vier Siegermächte, als sie sich im August 1945 auf der Konferenz von Potsdam trafen und formulierten: »Es wird die Freiheit der Religion gewährt. Die religiösen Einrichtungen sollen respektiert werden.«7 Eine alliierte Kommission für religiöse Angelegenheiten wurde eingerichtet. Aber was hieß es, die religiösen Einrichtungen zu respektieren? Im Hintergrund der sowjetischen Überlegungen standen die Erfahrungen mit einer national orientierten Russisch-Orthodoxen Kirche, die selbst Stalins Kirchenpolitik öffentlich gelobt hatte und in ihm den von Gott gewählten Führer sah. Ein Ziel sowjetischer Politik war die »antifaschistische Umerziehung«. Dazu brauchte man die Kirchen nicht. Aus der gesamten pädagogischen Arbeit, die auch die Bildung einbezog, hielt man die Kirche heraus. Trotzdem wurde »eine weithin entgegenkommende Haltung der Besatzungsoffiziere« erfahren.8 Man wollte mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften zusammenarbeiten. Die deutschen Moskau-Rückkehrer kamen mit der Devise »Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.«9 Daher wurde schon am 17. Mai 1945 beim Berliner Magistrat ein Beirat für kirchliche Angelegenheiten eingerichtet. Mit dem »Beirat« drückte die Militäradministration ihre Bereitschaft zur Kooperation mit allen Religionsgemeinschaften aus.10 Die französischen Erfahrungen in der Heimat waren durch eine besondere Art von Katholizismus geprägt. Sie waren verbunden mit einer Verfassung, die von einem antikatholischen Laizismus geprägt worden war und die eine konsequente und umfassende Trennung von Staat und Religion verfügte. Die Säkularisierung des öffentlichen Lebens und ein durchgehend wahrgenommener Antikatholizismus waren Ausdruck politischen Handelns. Es war klar, dass für die Erreichung des Ziels der französischen Nachkriegspolitik, die politische Rolle Deutschlands durch Dezentralisierung langfristig zu schwächen, die Kirchen 7 Potsdamer Abkommen, http://geschichtsatlas.de. 8 Rudolf Mau, Der Protestantismus im Osten Deutschlands (1945 – 1990), KiE IV/3, Leipzig 2005, 21. 9 Wolfgang Leonhardt, zit. nach Propst Heinrich Grüber. Erinnerungen aus sieben Jahrzehnten, Köln/Berlin 1968, 235. 10 Zu diesem Beirat vgl. Kap. 1.12.

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Zeit der ACK-Anfänge und Weichenstellungen

keine Rolle spielen konnten. Ganz anders stellte sich die angelsächsische Sicht dar. Die Briten hatten mit der Anglikanischen Kirche zwar eine Staatskirche, aber in ihren demokratischen Staaten war die Anerkennung von Dissidenten und damit eine gesellschaftlich legitimierte kirchliche, ja religiöse Pluralität trotz Privilegien für die Anglikaner selbstverständlich. Und die Kirchen selber hatten sich zu einer ökumenischen Gemeinschaft im British Council of Churches zusammengefunden. In den Vereinigten Staaten von Amerika war die Trennung von Staat und Kirche wie aller anderen Religionsgemeinschaften konsequent vollzogen. Aber es gab keine Tendenz, kirchliche Aktivitäten einzuschränken oder gar im staatlichen Interesse antikirchliche Maßnahmen zu stützen. Die civil religion ist ein latent wirksames Element im amerikanischen nationalen Leben. Reichlich ein Jahr vor dem Kriegsende hat der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt in der New York Times vom 15. März 1944 »die ›Religionsfreiheit‹ als eine der Prinzipien erklärt, um deretwillen der Krieg geführt wurde.«11 Roosevelt wollte erreichen, dass jede Person überall in der Welt auf die von ihm selbst gewählte Art Gott anbeten kann. Glaubensfreiheit, Gewissensfreiheit und Pressefreiheit waren Ausdruck eines demokratischen Rechtsstaates, wie ihn die Engländer und Amerikaner in ihren Ländern verwirklichten. Diese Menschenrechte wollten sie nun auch im Nachkriegsdeutschland nach NSDiktatur und der damit einhergegangenen Gleichschaltung durchsetzen. Die christlichen Kirchen waren dafür, wie schon erwähnt, wichtige Partner. Zu den Grundsätzen der britischen Besatzungspolitik gehörte die Nichteinmischung in die deutschen Kirchen, aber man »achtete […] sorgfältig auf den Schutz der Gewissensüberzeugung von Minderheiten.«12 Jede Denomination, ob Landeskirche oder Freikirche, war zur Umerziehung der Bevölkerung sowohl für die Engländer wie für die Amerikaner ein verlässlicher Partner. Es gab jedoch zwischen Briten und US-Amerikanern auch Unterschiede. »Während bei den Briten bei ihrem Eintreten für Umorientierung und Umerziehung der Deutschen ein religiöses Element stets mitschwang,« schrieb Martin Greschat, »wurde dieses von den Amerikanern in der Regel stärker und ausdrücklicher akzentuiert. […] Wesentlich war dabei nicht zuletzt der Gesichtspunkt der Gleichberechtigung aller Konfessionen und Religionen.«13 Diese bisher unbekannte Gleichberechtigung aller Kirchen haben sie bis ins Kleinste durchgehalten. Ein Beispiel für die damit ausgelöste Irritation bietet der Stuttgarter Pfarrer Herbert Krimm, der sich in einem Bericht beim Leiter des Hilfswerks, Eugen 11 Heike Springhart, Aufbrüche zu neuen Ufern. Der Beitrag von Religion und Kirche für Demokratisierung und Reeducation im Westen Deutschlands, Leipzig 2008, 112. 12 Martin Greschat, Die evangelische Christenheit und die deutsche Geschichte nach 1945. Weichenstellungen in der Nachkriegszeit, Stuttgart 2002, 33. 13 Ebd., 36 f.

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Gerstenmaier, darüber beschwerte, dass die Militärregierung »jeder Religionsgemeinschaft ganz unabhängig von ihrer Größe, dasselbe Minimum von Lizenzen erteilt«. Krimm hatte erfahren, »dass ausgerechnet ausserhalb der evangelischen Kirchen stehende Freikirchen ihre Kinder-Sonntagsschulblätter herausgeben dürfen und [dass] diese Unhaltbarkeit noch dadurch gesteigert [wird], dass eben diese Blätter der Freikirchen in den Kindergottesdiensten der Evangelischen Landeskirche vielfach verteilt werden […].«14 Die große Zahl der aus Deutschland während eines langen Zeitraums wegen konfessioneller Unterdrückung nach Amerika ausgewanderter Christen und die Erfahrung der dortigen Respektierung, schuf eine besondere, von Sympathie getragene Sensibilität für die in Deutschland unübliche Gleichbehandlung. Nicht wenige der Mitarbeiter der Besatzungsmacht gehörten solchen Kirchen an, die deutsche Wurzeln hatten. Teilweise gehörten sie auch zu weltweiten Kirchen, die mit ihren in Deutschland wirkenden Zweigen kirchenrechtlich vernetzt waren. In diesen Kirchenzweigen fanden sie aus dem angelsächsischen Bereich beeinflusste demokratische Kirchen- und Gemeindestrukturen vor, teilweise sogar ihre eigenen, weltweit in Kraft stehenden Kirchenordnungen. Die teilweise Jahrhunderte lange Unterdrückung solcher Kirchen durch die früheren Staatskirchen war in ihren eigenen Biographien durch die Auswanderung ihrer Vorfahren zur Wirkung gekommen. Auch die daraus resultierende späte Rückwirkung ist für die kommende innerdeutsche Ökumene ein nicht zu unterschätzender Faktor. Mit der in den westlichen Besatzungszonen eingeleiteten demokratischen Entwicklung des Staates waren – durch die kirchlichen Abteilungen der Besatzungsbehörden unterstützt – neue Rahmenbedingungen auch für die Neugestaltung des kirchlichen Lebens eingeleitet. Die Aufnahme des angelsächsischen Wertesystems in der »umerzogenen« Gesellschaft blieb nicht ohne Auswirkung auf das Selbstverständnis der Kirchen und deren Verhältnis zueinander.

1.1.2 Bevölkerungsverschiebungen mit gesellschaftlichen und kirchlichen Folgen Etwa 12,5 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene mussten ihre Heimat verlassen und eine Bleibe teilweise in der damaligen Sowjetzone, aber mehrheitlich im westlichen Deutschland finden. Es ist nicht nötig, an dieser Stelle diese Tragödie zu beschreiben. Hier geht es um den Aspekt der ökumenischen Auswirkungen. Fast 400 Jahre ist die in Augsburg 1555 gefundene Rechtsordnung der territorialen Segregation von Katholiken und Protestanten stabil geblieben. Jeder 14 Herbert Krimm, Niederschrift für Dr. Eugen Gerstenmaier mit Durchschrift an Prälat Karl Hartenstein (1894 – 1952) vom 12. Dez. 1946. LKA Stuttg. D 2/198.

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Staat bildete eine Art konfessionelle Enklave. Römisch-katholische Christen lebten unter einer katholischen Obrigkeit, entsprechend lebten die, die Protestanten geworden waren, unter einem König, Fürsten oder Herzog ihrer Konfession, der gleichzeitig ihr oberster Kirchenherr war. Die abgekapselten Konfessionen boten einen Nährboden für wuchernde Vorurteile über Protestanten wie über Katholiken bei den jeweils anderen Konfessionsangehörigen. Aber es gab ja Religionsfreiheit! Sie bestand lange Zeit darin, dass, wer seine Konfession wechseln wollte, es auf sich nehmen musste, seine Heimat zu verlassen. Man musste in ein Land umsiedeln, in dem sein Bekenntnis anerkannt war. Nach Augsburg 1555 waren im Westfälischen Frieden von 1648 auch die Reformierten staatskirchenrechtlich anerkannt worden. Wer weder Katholik, noch Lutheraner oder Reformierter war, wurde seit 1648 offiziell als zu einer »Sekte« gehörig bezeichnet. Es gab einige kleinere Territorien, in denen fanden Nichtanerkannte Zuflucht, darunter Mennoniten, Anabaptisten, lutherische und reformierte Pietisten. Ein Beispiel sind die Schwarzenauer Neutäufer15, die schließlich nach Amerika auswanderten und dort die Kirche der Brüder als geachtete Friedenskirche bildeten. Beispielsweise musste sich auch Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf der Ausweisung aus Sachsen fügen und 1736 seine sächsische Heimat »unauffällig« verlassen. Die Bevölkerungsverschiebungen nach 1945 beendeten die konfessionell geordnete Gesellschaftsstruktur, die nirgends mehr in ihrer ursprünglichen Gestalt durchzuhalten war, endgültig. Die in den einzelnen Ländern ankommenden Flüchtlinge und Vertriebenen führten ungewollt eine endgültige Vermischung von Katholiken, Landeskirchlern und Freikirchlern herbei. Martin Greschat hat erfasst, dass in Schleswig-Holstein 35,2 Prozent, in Niedersachsen 26,4, in Bayern 20,8, in Württemberg und Baden 18,1 und in Hessen 15,3 Prozent »Bevölkerungszuwachs« erfolgte.16 Das führte zwangsweise zu bisher nicht gekannten zwischenkirchlichen Begegnungen. Die jeweiligen Konfessionsfremden hatten kaum kirchliche Versammlungsräume. Gottesdienste wurden in Schulen, Rathaussälen und anderen öffentlichen Gebäuden gehalten. In den Großstädten mit zerstörten Sakralgebäuden halfen sich Kirchen gegenseitig aus. »In dieser Notzeit ist an vielen Orten der Grundstein für eine gute zwischenkirchliche Zusammenarbeit gelegt worden, indem Gemeinden verschiedener Denominationen sich gegenseitig ihre Gebäude zur Verfügung stellten.«17 In einer me15 Marcus Meier, Die Schwarzenauer Neutäufer. Genese einer Gemeindebildung zwischen Pietismus und Täufertum, AGP 53, Göttingen 2008. 16 Martin Greschat, Die evangelische Christenheit und die deutsche Geschichte nach 1945, Stuttgart 2002, 217. 17 Rüdiger Minor, Die Methodistenkirche im Gebiet der heutigen Deutschen Demokratischen Republik (1945 – 1970). In: Karl Steckel/C. Ernst Sommer, Geschichte der Evangelisch-methodistischen Kirche, Stuttgart 1982, 114.

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thodistischen Kirche in Chemnitz z. B. wurden sonntags nacheinander die katholische Messe und der methodistische Gottesdienst gefeiert. Überall wurden katholische Neubürger bei protestantischen Familien einquartiert, umgekehrt wohnten Evangelische bei katholischen Familien. Die Anfänge der zwischenkirchlichen Begegnungen standen unter keinem guten Vorzeichen, denn die Enge und der Mangel führten vielfach zur Vertiefung früher ausgestreuter Vorurteile. Auch manche Pfarrer und Priester begegneten einander über Kirchengrenzen hinweg zum ersten Mal; von ökumenischer Offenheit war, bei allem Respekt, kaum eine Spur zu erkennen. Dass die Bevölkerungsvermischung einmal so bedeutsam werden könnte, wie es infolge des Zweiten Vatikanischen Konzils mit der wachsenden Sehnsucht nach ökumenischer Gemeinschaft, besonders bei vielen Katholiken in protestantisch geprägten Gegenden, geschah, konnte in den Katastrophenjahren noch niemand ahnen. Die damals erfolgte Erweiterung der kirchlichen Organisation, des Kirchenbaus und der Etablierung von Gemeinden bisher nicht präsenter Konfessionen ermöglichte späterhin eine weitgehend partnerschaftliche Ökumene. Unter diesem Gesichtspunkt war das endgültige Aus der territorialen Kirchenstrukturen ein nicht zu unterschätzender Beitrag für die spätere Entwicklung der innerdeutschen Ökumene.18

1.2

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1.2.1 Treysa: Beginn der landeskirchlichen Neuordnung und ökumenischen Orientierung Der amerikanische Präsident erteilte am 21. Juli 1945 die Genehmigung zu einer Versammlung landeskirchlicher Kirchenführer. In Deutschland hatte der württembergische Landesbischof Theophil Wurm dazu die Wege geebnet. Dass es bei den vielen Einschränkungen und unterschiedlichen Verordnungen der Zonen dazu kam, ist auch Stewart W. Herman zu verdanken, der von Mitte 1945 bis zum Jahresende 1947 als stellvertretender Direktor des Ökumenischen Wiederaufbauausschusses in Genf tätig war. Er gehörte nach Kriegsende zu den frühesten Kontaktpersonen zwischen dem in Bildung befindlichen19 Ökumenischen Rat der Kirchen und den Kirchen in Deutschland. Als Theologe der United Lutheran Church kannte er sich in der deutschen Kirchenlandschaft gut aus. Er 18 Karl Heinz Voigt, »Auf eigenen Füßen stehen…«. Die methodistischen Kirchen in der Nachkriegszeit im heutigen Mecklenburg-Vorpommern (3 Teile). In: EmK-Geschichte, 34. Jg. (2013), Heft 1, 16 – 36, Heft 2, 5 – 32;- 35. Jg.(2014), Heft 1/2, 42 – 74. 19 Im weiteren Verlauf des Textes werde ich nicht fortwährend dessen »vorläufigen« Status, der 1948 in die Organisation des ÖRK einmündete, benennen.

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hatte in Straßburg, Göttingen und Berlin studiert und wirkte von 1936 bis zum Kriegseintritt der USA 1941 als Gesandtschaftspfarrer in Berlin. 1944/45 hat er im Dienste des amerikanischen Geheimdienstes in London gestanden. Gewiss hat diese Mitarbeit ihm bei dem Leiter des in Bern angesiedelten US-Geheimdienstes so viel Vertrauen erwirkt, dass er schon im Juli 1945 seine erste Reisegenehmigung für die amerikanische Zone bekam. Es folgten drei weitere Reisen mit jeweiliger ausführlicher Berichterstattung, die er nicht nur für die Ökumene anfertigte, sondern auch dem Office of Political Affairs in Washington zustellte. Dieses Büro war im Weißen Haus angesiedelt und hielt den Präsidenten über Entwicklungen auf dem Laufenden. Herman gehörte auch zu denen, die in Genf deutliche Akzente in der Frage personeller Bewertungen in Deutschland setzten, die nicht alle mit den Vorstellungen Hans Schönfelds und Adolf Freudenbergs, zweier deutscher Mitarbeiter beim ÖRK, übereinstimmten.20 Bischof Wurm hatte von Anfang an die Unterstützung der Amerikaner. Es war ihm möglich, schon im Juni eine Rundreise zu machen und Gespräche mit einflussreichen Männern der Kirche zu führen, die dem Gedanken der Einberufung einer Konferenz, für die es keine kirchenrechtliche Grundlage gab, zustimmten. Wurm setzte damit seine 1941 aufgenommene Initiative zur Einigung der verschiedenen Flügel innerhalb der Deutschen Evangelischen Kirche fort. Er berief eine Versammlung führender Protestanten ins hessische Treysa ein.

Ökumenische Aspekte der Kirchenführerkonferenz von Treysa Schon im Vorfeld der Kirchenführerkonferenz, die vom 27. August bis zum 1. September 1945 tagte, zeigten sich die zu erwartenden Probleme. Drei kirchenpolitische Richtungen suchten ihre Chance. Zunächst trat der im Bruderrat unter Martin Niemöller agierende Flügel der Bekennenden Kirche in Frankfurt/ M. zu einer Vorkonferenz zusammen, um das Erbe des Kirchenkampfes zu sichern. Die Lutheraner sahen unter der Führung des Bayerischen Landesbischofs Hans Meiser die Chance, eine Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) zu bilden. Sie reisten schon vor dem Beginn der gemeinsamen Sitzungen nach Treysa an. Wurm, der zum Vorsitzenden gewählt wurde, vertrat das 1941 von ihm zwischen der Bekennenden Kirche und dem Lutherrat gebildete Kirchliche Einigungswerk. Die Teilnehmer »kamen aus dem Konzentrationslager, dem Gefängnis, dem Ausland, der Verbannung an bestimmte Orte, von der Front usw.« heißt es in 20 Clemens Vollnhals, Alliierte Kirchenpolitik und ökumenische Kontakte 1945. In: ders., (Bearbeiter), Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch. Berichte ausländischer Beobachter aus dem Jahre 1945, Göttingen 1988, XIII – XLV.

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dem Bericht eines Augenzeugen.21 In diesen bedrängten Situationen haben Christen verschiedener kirchlicher Traditionen das Abendmahl miteinander gefeiert. Die Tiefe des in Treysa zutage tretenden konfessionellen Konflikts wird deutlich, wenn die Kirchenführer dort die Begegnung und Gemeinschaft am Tisch des Herrn nicht erleben konnten. Obwohl die Tagung selber in einem Wort an die Pfarrer, zukünftig das besondere Gewicht der Sakramente, voran des Abendmahls, zu würdigen verlangte, musste am Ende der Tagung festgestellt werden: »Über die Zulassung zum Abendmahl besteht innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland keine volle Übereinstimmung.«22 In der von heftigen Debatten begleiteten Konferenz kam es schließlich zur Berufung eines Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland unter der Leitung des 76jährigen Bischofs Wurm, dessen Stellvertreter Martin Niemöller wurde. Dieser Rat wurde beauftragt, eine Ordnung der zukünftigen EKD vorzubereiten. Die sorgfältige konfessionelle Berücksichtung in der Ratsbesetzung mit sechs Lutheranern, vier Unierten und zwei Reformierten war Ausdruck der konfessionellen Lage im Lande und ließ erkennen, dass die EKD schon in sich eine konfessionsübergreifende, ökumenische Gemeinschaft war. Keines der zwölf Ratsmitglieder gehörte einer Landeskirche in der Ostzone an, wie überhaupt nur der Gewerkschaftssekretär Martin Richter aus Dresden als Geschäftsführer des sächsischen Pfarrernotbunds Treysa erreicht hatte.23 Die vorläufig gefundene Struktur zeigte, dass die Gemeinschaft der Landeskirchen sich »nicht als Kirche, sondern als Kirchenbund ohne eigenes Bekenntnis«24 zusammenfand. Es blieb der kommenden Generation vorbehalten, unter den Gliedkirchen Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament herzustellen. Der amerikanische Lutheraner Stewart W. Herman hatte eine weitaus ökumenischere Vision. Er sah nicht nur die Möglichkeiten, eine »große ›Bundeskirche‹« zu organisieren, die auf den interkonfessionellen Erfahrungen der Bekennenden Kirche aufbaute und eine Alternative zu dem »Bündnis unabhängiger, jeweils an ihr eigenes Bekenntnis gebundener Kirchen« darstellte. Als Herman 1946 in Amerika seine Gedanken publizierte, sah er sogar die Möglichkeit, dass zu diesem »Bündnis […] eines Tages auch die kleineren Freikir-

21 Fritz Söhlmann (Hg.), Treysa 1945. Die Konferenz der evangelischen Kirchenführer, Vorwort des Herausgebers, Lüneburg 1946, 8. 22 Ebd., Wort an die Pfarrer, Art. 4.4. 23 Clemens Vollnhals, Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch. Berichte ausländischer Beobachter aus dem Jahre 1945, Göttingen 1988, XIII – XLV: Interview Stewart W. Herman mit Martin Richter, 133 f. Der spätere Bischof Moritz Mitzenheim, der eingeladen war, scheint nicht gekommen zu sein. Ebenso war Bischof Samuel Baudert von der Brüdergemeine eingeladen, aber nicht anwesend. 24 Martin E. Jung, Der Protestantismus in Deutschland von 1870 bis 1945, KiE III/5, Leipzig 2002, 210.

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chen wie Methodisten und Baptisten gehören könnten.«25 Das war eine ökumenische Vision, die jene übliche EKD-Selbstdarstellung als Vertretung des »deutschen Protestantismus« näher kommen würde. Aber dieser Gedanke war angesichts der angespannten Situation zwischen den unterschiedlichen Gruppen in Treysa und auch danach völlig irrelevant. Der Lutherrat und der Bruderrat der Bekennenden Kirche hatten so hart um ihre jeweilige Rolle zu ringen, dass man an die Freikirchen, mit denen in der Vergangenheit noch nie offizielle Gespräche geführt worden waren, nicht denken konnte. Die Zeit, den Gedankenspielen eines ökumenischen amerikanischen Lutheraners zu folgen, war noch nicht reif.26 In Treysa wurde außer dem Rat der EKD das Hilfswerk mit Eugen Gerstenmaier und ein Kirchliches Außenamt mit Martin Niemöller an der Spitze beschlossen. Niemöller, der im Ausland hoch geschätzt wurde, übernahm damit die Pflege der »ökumenischen Beziehungen« zunächst besonders mit den Kirchen anderer Länder.27 Die Leitung der Kirchenkanzlei wurde Propst Hans Asmussen übertragen. Eine Vorläufige Ordnung der EKD wurde noch in Treysa beschlossen.28 Mit den Schritten, welche die während der NS-Zeit zerstrittenen Gruppierungen aufeinander zu getan hatten, war für die weitere Entwicklung des landeskirchlichen Protestantismus eine wichtige Weiche gestellt. Das sollte auch Auswirkungen auf die innerdeutsche Ökumene haben, insofern damit für andere Kirchen ein gesamt-landeskirchlicher Ansprechpartner vorhanden war. Wolf-Dieter Hauschild kommt sogar zu dem Schluss, die »einheitliche Vertretung« der Kirche »gegenüber den Besatzungsmächten und den ausländischen Kirchen der ›Ökumene‹« sei »der wichtigste Grund zur Neukonstituierung der

25 Steward Herman, Die 7000 Zeugen – Kirche im Umbruch, München/Berlin 1952, 136 f. 26 Die Brüder-Unität in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) wurde mit Kirchengesetz der EKD vom 12. Januar 1949 der EKD »angegliedert«. Am 28. Juli 1970 tat der Distrikt Herrnhut den gleichen Schritt, als er sich dem Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik angliederte. (Kirchenordnung der Europäisch-Festländischen Brüder-Unität, Ausgabe 1987, § 1200.3 a und b. Auch in Amtsblatt der EKD vom 12. Januar 1949, 3.) Im Text der EKD-Grundordnung heißt es in Artikel 21 (4): »Bekenntnisverwandte kirchliche Gemeinschaften können der Evangelischen Kirche in Deutschland durch Vereinbarung angeschlossen werden. Die Vereinbarung bedarf der Bestätigung durch ein Kirchengesetz.« – In einer Fußnote wird in der zur Zeit gültigen Fassung der EKDGrundordnung vom 20. November 2003 auf »die Angliederung der Ev. Brüder-Unität in Deutschland« verwiesen. In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts flammte nach der Aufnahme der Evangelisch-methodistischen Kirche in die Leuenberger Konkordie auch für kurze Zeit die Frage auf, ob eine EKD-Mitgliedschaft möglich und erwünscht sei. 27 Prot. EKD-Rat, Bd. 1, 3. 28 Text: KJ 1945 – 1948, 15ff; auch: Prot. EKD-Rat, Bd. 1, 12 – 15.

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DEK als ›Evangelische Kirche in Deutschland‹« gewesen.29 Natürlich haben die Freikirchen die Kontakte zu den Baptisten, Methodisten, Mennoniten usw., die sie reichlich in den US-Administrationen trafen und die ihnen vormals ungewohnte Kontaktmöglichkeiten erschlossen, intensiv genutzt.30 Internationale und ökumenische Gäste31 In welch hohem Maße die Alliierten der angelsächsischen Staaten an einer geeinten evangelischen Kirche interessiert waren, ist u. a. durch ihre Ermöglichung der Konferenz, ihre frühen Besuche bei Kirchenführern,32 ihre Vermittlung von Reiseerlaubnissen und schließlich ihre Beteiligung an der Tagung selber dokumentiert. In seiner bewegenden Begrüßungsansprache nannte der präsidierende Theophil Wurm die Namen der ausländischen Gäste einzeln: Major Earl Le Verne Crum, Referent für Religion und Erziehung im Frankfurter amerikanischem Hauptquartier, Oberleutnant Theodore Lapp vom Alliierten Kontrollrat in Berlin und Oberst Russell Luke Sedgwick aus dem englischen Hauptquartier. Außer ihnen war der Botschafter Robert D. Murphy gekommen, der zu dieser Zeit für das amerikanische Außenministerium als Berater der Militärregierung in Deutschland tätig war.33 Zeitweise waren auch Marshall Mason Knappen, Leiter der Abteilung für Bildung und Kirchen (Education and Religious Affairs, ERA) bei der amerikanischen Militärregierung, und William I. G. Wilson, in der britischen Besatzungszone Verbindungsoffizier zur evangelischen Kirche, anwesend. Die ausländischen Beobachter, so muss man die an ihre Behörden berichterstattenden Teilnehmer wohl nennen, akzentuierten in ihren Memos und Reports unterschiedliche Aspekte.34 Weiter wurde Stewart W. Herman vom Ökumenischen Rat begrüßt, der eine Kopie seines Treysa-Berichtes auch in politische Zentrum nach Washington sandte.35 Von Sylvester Cl. Michelfelder, 29 Wolf-Dieter Hauschild, Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland als Vertretung des deutschen Protestantismus in der Nachkriegszeit. Einleitung in: Prot. EKD-Rat, Bd. 1, IX. 30 Karl Heinz Voigt, Auswirkungen internationaler Kirchenstrukturen im Umbruch nach 1945. Die Methodisten in ihren Beziehungen zu Militärregierungen und Grenzverschiebungen. In: FF Bd. 15 (2005/06), 182 – 210. 31 Eine Gesamtteilnehmerliste bieten Heinz Boberach, Carsten Nicolaisen und Ruth Papst (Bearbeiter). In: Handbuch der Deutschen evangelischen Kirchen 1918 – 1949, Göttingen 2010, 155 – 159. 32 Clemens Vollnhals, Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch. Berichte ausländischer Beobachter im Jahre 1945, Göttingen 1988, hat 72 solcher Berichte zusammengetragen, die ein lebendiges Bild vermitteln. 33 Von der sowjetischen und der französischen Besatzungsmacht waren keine Beobachter anwesend. 34 Clemens Vollnhals, Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch, Göttingen 1988: Murphy, 120 – 122; Crum, 129 – 133; Lapp, 122 – 124. 35 Ebd., Stewart W. Herman, 125 – 129.

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dem Vertreter des Lutherischen Weltkonvents beim ÖRK und Leiter der Abteilung für Allgemeine Nothilfe der Wiederaufbau-Abteilung in Genf, der keine Reisegenehmigung bekommen hatte, wurde ein Schreiben verlesen. Für die ökumenische Entwicklung waren Adolf Freudenberg und Hans Schönfeld besonders wichtig. Der aus Deutschland emigrierte Freudenberg arbeitete für den Flüchtlingsdienst beim ÖRK in London und Genf, Schönfeld kam als Direktor der Genfer Studienabteilung Praktisches Christentum. Zu den ausländischen Gästen gehörte auch Karl Barth aus Basel.36 Es ist unwahrscheinlich, dass es vorher schon einmal eine solche geballte Menge ökumenischer Gäste an einer landeskirchlichen Kirchenkonferenz gegeben hatte. Ein erstes Zeichen einer neuen Zeit! Es war ein beiderseitiges ökumenisches Signal: die Kirchen der Ökumene wollten die Gemeinschaft mit den deutschen Landeskirchen, und umgekehrt zeigten diese sich in ökumenischer Hinsicht offener als je zuvor. Das kam auch in der frühen Bildung eines Kirchlichen Außenamts und der Organisation des Hilfswerks von Anfang an zum Ausdruck. Mit diesen Einrichtungen gab die EKD in ihrer ersten Stunde ein Signal, dass sie gewillt war, sich auf eine lebendige Partnerschaft mit den Konfessionen und Denominationen anderer Länder einzulassen. Die Weichen in eine neue Zeit waren gestellt. Wenige Tage nach der Arbeit in Treysa teilte Bischof Theophil Wurm dem Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, Joseph Kardinal Frings, mit, dass »die evangelischen Landeskirchen und die Bruderräte der bekennenden Kirche« den Rat der EKD eingesetzt haben, »der die ganze evangelische Kirche zu führen und zu vertreten hat. […] Ich würde es begrüßen,« heißt es in dem Schreiben weiter, »wenn zwischen den Leitungen der beiden grossen christlichen Kirchen in Deutschland eine Fühlung hergestellt und in Angelegenheiten, die die ganze Christenheit oder das ganze deutsche Volk angehen, gleichzeitige oder gemeinsame Schritte gemacht werden könnten.«37 In früheren Jahren hatte es keine offiziellen Kontakte zwischen den beiden großen Kirchen in Deutschland gegeben. Auch in dieser Hinsicht wurde ein neuer Anfang versucht.

1.2.2 Stuttgart: Schuld bekennen, Ökumene mitgestalten

Über die Stuttgarter Erklärung gibt es reichlich Untersuchungen. Es wurde vielfach aufgezeigt, welche Rolle die internationale Ökumene zusammen mit 36 Ebd., Karl Barth, Bericht einer Deutschlandreise, erstattet an die Organisation I der amerikanischen Armee in Deutschland, 112 – 120. 37 Schreiben Landesbischof Th. Wurm an Joseph Kardinal Frings vom 4. September 1945. LKA Stuttg. A 126/350, 031

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den Kirchen der westlichen Nachbarstaaten im Vorfeld der Formulierung gespielt haben. Die Formulierung und die Übergabe der Stuttgarter Erklärung war zweifelsfrei ein Ereignis von hoher Bedeutung für den Rückweg der EKD in die ökumenische Weltgemeinschaft, die damals noch stark protestantisch orientiert war. Langfristig bedeutsam wurde jedoch, was im Zusammenhang dieser frühen ökumenischen Nachkriegsbegegnung im Protokoll des Rates der EKD kurz und bündig formuliert wurde: »Die Vertreter der EKD für die kommende Tagung der Oekumene sind der Vorsitzende und sein Stellvertreter.«38 Darin drückt sich eine Haltung aus, die mit den früheren Erinnerungen nicht zu vergleichen ist. Während Martin Niemöller im Eröffnungsgottesdienst der Stuttgarter Sitzung des Rates der EKD predigte, so hielt es später Villem Visser’t Hooft fest, »durchzog mich ein Gefühl der Befreiung. Wenn das die Sprache der deutschen Kirche war, dann würden wir alles, was uns trennte, überwinden. Wir brauchen dann nicht, wie nach dem Ersten Weltkrieg, eine neue Periode steriler Kriegsschulddebatten durchzumachen.«39 Der Rat hatte mit der Entsendung der beiden außerhalb Deutschlands angesehenen Männer seine Bereitschaft, in der weltweiten Ökumene mitzuarbeiten, beschlossen. Bischof Wurm und Martin Niemöller nahmen als die vom Rat bestimmten Delegierten vom 20. bis 23. Februar 1946 in Genf an der Tagung des Vorläufigen Ausschusses des ÖRK teil. Der Generalsekretär traf sie dort an und sah Martin Niemöller »mager nach den Jahren im Konzentrationslager« und Bischof Wurm als den, »der der ›stummen‹ Kirche in Deutschland seine Stimme geliehen hatte.«40 Schon in Stuttgart hatte der Schweizer Alphons Koechli nach der Mitteilung des Ratsbeschlusses über dessen ökumenischen Weg gesagt: »wir werden in der Schweiz das große Vorrecht haben, die erste Nachkriegssitzung des Ökumenischen Rates bei uns beherbergen zu dürfen. Wir werden uns freuen, wenn Wurm und Niemöller bei uns sein werden.«41 Nach dem Ersten Weltkrieg hatten die Kirchenvertreter aus den Nachbarstaaten große Probleme, den Vertretern der Kirchen aus Deutschland zu begegnen. Die nationalen Gefühle hatten eine unglaublich zerstörerische Macht. Als Bischof Wurm und Martin Niemöller zur ersten Nachkriegssitzung des in Bildung begriffenen ÖRK nach Genf kamen, fanden sie eine völlig andere Atmosphäre vor. Zur Eröffnung predigte in der Genfer Kathedrale der norwegische Bischof Eivind J. Berggrav. Er war während der brutalen Herrschaft der Deutschen in seiner Heimat interniert gewesen. Außerhalb Oslos war er in einer 38 Prot. Rat EKD 18./19. Okt. 1945, Bd. 1, 32. 39 Villem A. Visser’t Hooft, Die Welt war meine Gemeinde. Autobiographie, München 1972, 230. 40 Ebd., 236. 41 Prot. Rat EKD 18./19. Okt. 1945, Bd. 1, 32, Anm. 27.

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bewachten Skihütte gefangen gehalten und nun stand er befreit auf der Genfer Kanzel. Er bezeugte, wie er diese Zeit als eine intensivere Verbindung mit den anderen Ökumenikern erfahren hatte, als er sie je zuvor kannte. Er bezog seine Predigthörer ein und sagte: Wir beteten mehr, hörten zusammen auf Gottes Wort und unsere Herzen waren einander zugewandt.42 Man spürt den verschiedenen Berichten ab, dass es auf beiden Seiten von Anfang an eine offene, herzliche und von freudiger Erwartung getragene Stimmung ab, die es beiden Seiten erleichterte, die Versöhnung mit Leben zu füllen. Die in Deutschland viel stärker als der Ökumene-Beschluss beachtete und teilweise heftig kritisierte43 »Erklärung« war gleichsam die Tür, durch die der Weg in die ökumenische Zukunft führte. Die Entsendung der Delegierten war langfristig eine fundamental wichtige, sicher bedeutsamere Entscheidung. Es ist nicht vorstellbar, wie drei Jahre später in Amsterdam die Bildung des ÖRK möglich geworden wäre, ohne die Bereitschaft zur Versöhnung aller, obwohl ja die Kirchen keinen Krieg miteinander geführt hatten. Aber das war nach dem Ersten Weltkrieg auch der Fall. Auch der methodistische Augenzeuge E. Gordon Rupp, den Bischof George Bell den Stuttgarter Teilnehmern als Vertreter der englischen Freikirchen vorstellte,44 bewertete die Begegnung von Anfang an als »einen bedeutsamen Augenblick in der Kirchengeschichte«.45 Dieser Einschätzung folgt dann die Bemerkung, die man von der durch die Anglikaner geprägten Gottesdienstkultur und dem Charakter personaler Beziehungen innerhalb der methodistischen Kirche her verstehen muss: »Das Ereignis selbst fand jedoch in einer ungewöhnlich informellen, geschäftsmäßig nüchternen Atmosphäre statt.«46 Die Teilnehmer der Stuttgarter EKD-Ratssitzung haben auch nach der Übergabe der 42 The World Council of Churches. Its Progress of formation. Minutes and reports of the meeting 21. – 23. Febr. 1946, Genf 1946, 14. 43 Der Berliner Bischof Otto Dibelius, selber Mitverfasser der Stuttgarter Erklärung, hat dieses Dokument vom 18./19. Oktober 1945 seinen »Herren Geistlichen in Berlin und Brandenburg«, wie er sie in seinem Brief anredet, erst am 11. Januar 1946 übersandt. Um die damals empfundene Brisanz etwas zu mildern, hat er gleichzeitig den Brief von Bischof Wurm an die Christen in England als eine Antwort auf eine Rede des Erzbischofs von Canterbury an das deutsche Volk mitverschickt. Es sei »unerlässlich«, hat Dibelius seinen Pfarrern geschrieben, »… immer nur beide Worte zusammen bekannt zu geben.« Dazu: Kurt Anschütz, Befreiung – Besetzung – Versöhnung. Die Arbeit ausländischer Christinnen und Christen nach dem Zweiten Weltkrieg in Berlin, Berlin 2001, 59 f. 44 Prot. EKD-Rat, Bd. 1, 51. Gordon Rupp war theologischer Sekretär der Deutsch-Britischen Christlichen Freundschaft, einer Vorläuferorganisation des Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen, in der er mit deren Präsidenten George Bell in jahrelanger Arbeitsgemeinschaft stand. Dazu: Holger Roggelin, Franz Hildebrandt, Göttingen 1999, 203 f. 45 E. Gordon Rupp, The Stuttgart Deklaration and after. Vortragsmanuskript von 1946. ZAEmK, Rtl., (mit deutscher Übersetzung von Helmut Robbe). 46 Ebd.

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Erklärung an die ökumenischen Gäste mit diesem bedeutsamen Dokument, wie schon gezeigt, nicht die Öffentlichkeit gesucht. Rupp kannte den Hauptgrund und benannte ihn, als er den Zuhörern seines Berichtes in London erklärte, »viele Deutschen haben das Gefühl, dass eine Anerkennung ihrer Verantwortung, der alleinigen Verantwortung des ganzen Volkes, den Siegermächten ein politisches Druckmittel zuspielen würde.«47 Der englische Methodist war nie von einer Alleinschuld der Deutschen ausgegangen, und er kannte die Befürchtungen sehr gut, die in Erinnerung an die Folgen des Ersten Weltkriegs im Raum standen. Die Ratsmitglieder waren in der aktuellen Auseinandersetzung mit dieser schwierigen Frage und wechselnden Gesprächen und Sitzungsorten im weitgehend kriegszerstörten Stadtkern von Stuttgart in so hohem Maße in Anspruch genommen, dass sie sich später des Raumes, in dem sie der ökumenischen Delegation ihre folgenreichen Sätze übergaben, nicht mehr erinnern konnten. 1975 wurde versucht, bei den Teilnehmern durch eine Umfrage eine Lokalisierung vorzunehmen. Als Ergebnis wurde vage formuliert, dass sich das Gebäude in der Eugenstraße 22 »für die Übergabe anbot, da es in der damaligen Zeit der Stiftskirchengemeinde zur Verfügung stand und hier bessere Räumlichkeiten vorhanden waren als in der bombengeschädigten Bibelanstalt«, in der auch einige Sitzungen stattfanden.48 Niemöller hatte aus seinem Tagebuch konkrete Informationen liefern können.49 Später wurden aber wieder die Räume der Bibelanstalt als Ort der Übergabe der Erklärung genannt.50 Gordon Rupp berichtete in einer Londoner Rede vor den britischen Zuhörern: »Das Treffen [innerhalb der Vormittagssitzung des 19. Oktober] fand in einem ziemlich düsteren Nebengebäude einer größeren Halle statt. Die Mitglieder des Rates und unserer Delegation nahmen gemischt an einem Tisch Platz, an zwei Stellen wurden für solche Teilnehmer Stühle bereitgestellt, die nicht direkt am Tisch sitzen konnten. Dr. Asmussen teilte die getippten Abschriften der Erklärung aus, die dann gelesen wurden. Bischof Wurm schlug kleinere Änderungen vor. […] dies waren Änderungen, die einer Klärung dienten und unnötige Wiederholungen vermeiden sollten.«51

Der Vortrag von Rupp in London war offensichtlich eine Art Apologie zu verschiedenen Äußerungen aus der EKD wie die des Bischofs Wurm an die Christen in England, die dort kritisch aufgenommen worden waren. Der Primas der 47 Ebd., S 5 f. 48 Eine mit »Ott« am 21.7.[19]75 unterzeichnete Zusammenfassung der unterschiedlichen Antworten einer Umfrage an Teilnehmer der Sitzung. LKA Stuttg. A 126/351, 034 – 037. 49 Brief Martin Niemöller an U. Schäfer, Landeskirchliches Archiv Stuttgart vom 25. 3. 1974. LKA Stuttg. A 126/351, 026 f. 50 Prot. EKD-Rat, Bd. 1, 25. (Einführung). 51 E. Gordon Rupp, The Stuttgart Deklaration, Vortrag 1 – Zu diesen Änderungen s. a. Prot. EKD-Rat, Bd. 1, 60 f.

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Anglikanischen Kirche, der Erzbischof von Canterbury, Geoffrey Fisher, hatte Bischof Bell einen Brief nach Stuttgart mitgegeben. Nachdem er darauf keine Antwort erhalten hatte,52 richtete er sich am 28. November 1945 in einer Ansprache über die BBC an das deutsche Volk.53 Darauf antwortete Wurm, was wiederum zu einer kritischen Stellungnahme in einer Sendung der BBC führte, mit der Asmussen dann in einen Schriftwechsel eintrat. Die Debatte war gereizt, und es war genau das eingetreten, was befürchtet worden war. Es blieb nicht bei einem Wort »von Kirche zu Kirche«, von Männern des Glaubens »vor dem Angesicht Gottes gesprochen«, wie es Asmussen in einem ausführlichen Kommentar zur »Erklärung« gegenüber der wachsenden Kritik interpretierend erläuterte. Gordon Rupps Äußerungen waren eine Reaktion auf die Debatten in England, die besonders durch die in der Erklärung formulierte »Solidarität der Schuld«, mit der sich Engländer vereinnahmt sahen, ausgelöst wurde. Rupp sagte seinen englischen Zuhörern in Kenntnis von Asmussens Kommentar zum Schuldbekenntnis54, dieser habe im November nach vielen ausgelösten Irritationen erklärt: »›In Stuttgart sind wir von den Brüdern der ökumenischen Delegation verstanden worden.‹ Dieses Verständnis war möglich geworden, weil die Erklärung selbst Teil des Aktes der Versöhnung war, eine Solidarität in Christus, die beide Seiten als Tatsache erfuhren und die allen es möglich machte, dass es zu der Bekräftigung einer Solidarität der Schuld kommen könnte.«55

Nach den theologischen Erläuterungen Rupps, die ausdrücklich auf ein christliches Verständnis dieser »Solidarität der Schuld« hinzielten, sagte er seinen Zuhörern schließlich in drastischer Weise: »Nur englische Christen, die in Zeiten eigener Bedrängnis ihren Trost eher aus der ›Times‹ als aus dem Römerbrief schöpfen, werden die Tatsache als ausweichend und unbedeutend abtun, dass deutsche Theologen die Ursache für das, was geschehen ist, im Bruch der Gebote Gottes sehen und sie als Kirche wie die Nation ihren Anteil daran haben und beide darin auf furchtbare Weise verstrickt sind. Hier geht es um eine Solidarität, die weitaus mehr Gewicht hat als die Solidarität eines Menschen mit seinem eigenen Land.«56

Rupp forderte seine Zuhörer auf, den Vergleich anzustellen zwischen den christlichen Bekennern der Schuld von Stuttgart und »den Nazi-Führern, [die 52 Martin Greschat (Hg.), Die Schuld der Kirche, Dokumente und Reflexionen zur Stuttgarter Schulderklärung vom 18./19. Oktober 1945, München 1982, 126 – 129. 53 Zusammenfassung vom 29. Nov. 1945. In: Prot. EKD-Rat, Bd. 1, 231 f. mit der Aufforderung an die Kirchenleitungen, sich zu dieser Ansprache (kritisch) zu äußern. 54 Hans Asmussen, Das Stuttgarter Schuldbekenntnis, Kommentar vom 15. 11. 1945, 3, Abs. 2. LKA Stuttg. D1/210. 55 E. Gordon Rupp, The Stuttgart Deklaration, Vortrag 3. 56 Ebd., 9.

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bei der Eröffnung der Nürnberger Prozesse] einer nach dem anderen vor die Mikrofone traten und sich als ›unschuldig‹ erklärten.«57 Schon in einer unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Deutschland im Oktober 1945 gehaltenen Predigt hatte der Methodist Rupp seinen Zuhörern im Blick auf die »historische Begegnung« und das von ihr hervorgebrachte »historische Dokument« Verstehensprobleme angekündigt. »Ich muss darüber sprechen, weil es bereits eine große kontroverse Debatte ausgelöst hat. Ich glaube, dass das christliche Denken in unserem Land, wenn es aufwacht, einen langen Weg gehen muss, wenn es dieses Dokument verstehen will.«58

Damit sollte er recht behalten, denn eine Langzeitwirkung ist unverkennbar vorhanden. Das wichtigste Ergebnis war aber, dass für die zukünftige Mitwirkung der Evangelischen Kirchen in der Gemeinschaft der weltweiten Kirche Christi alle Türen geöffnet wurden. Nach den dramatischen Erfahrungen des »Dritten Reiches« hat es eine überwältigende Hilfe für die ausgemergelten Deutschen ermöglicht und ein riesiges Hilfswerk in Bewegung gebracht. Auf das Hilfswerk und seine ökumenische Dimension wird die Aufmerksamkeit an anderer Stelle gelenkt. Vorher sind noch Erwägungen über ökumenische Folgen für die junge EKD anzustellen. Im Eröffnungsgottesdienst der Stuttgarter Ratstagung begrüßte Bischof Wurm in der Markuskirche die Vertreter der amerikanischen Militärregierung und die ökumenischen Teilnehmer. Er zählte die Länder auf, aus denen die ökumenischen Besucher kamen: aus den USA, aus Holland, der Schweiz, aus England und Frankreich.59 Die Mehrzahl kam aus Ländern, mit denen Deutschland im Krieg gestanden hatte und die unter der deutschen Besatzung gelitten hatten. Weil die Stuttgarter Erklärung gerade kein politisches Wort von Staat zu Staat sein wollte, sondern eine kirchliche Erklärung, die Christen in ihrer eigenen Sprache formulierten,60 wäre es eine Verstärkung dieses Gedanken gewesen, die ökumenischen Gäste mit ihrer konfessionellen Herkunft vorzustellen. Schon nach der Übergabe der Erklärung hatte Asmussen den ökumenischen Besuchern gesagt: »Was auszumachen ist zwischen den Brüdern aus der 57 Ebd. 58 E. Gordon Rupp, mit einer von ihm selber vermutlich 1977 im Zusammenhang der Übersendung an den Autor handschriftlich ergänzten Zeile: »Extract from a SERMON – preached in England!! Oct. 1945.« ZAEmK Rtl, Best. Rupp. 59 Karl J. Arndt, Report of Stuttgart Meetings, October 17th to 19th [1945]. In: Clemens Vollnhals, Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch, Göttingen 1988, 192. 60 Hans Asmussen, Das Stuttgarter Schuldbekenntnis, Kommentar vom 15. 11. 1945, legt in seiner notwendig gewordenen Interpretation der »Erklärung« vom 15. 11. 1945 gerade darauf wert. Er schrieb: »Christen sprechen eine eigene Sprache« und weiter : »Wir haben in Stuttgart uns versichert, es sei vor Gottes Angesicht geredet, was wir miteinander gesprochen haben.« LKA Stuttg. D1 / 210, 2.

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Ökumene und uns, das ist auszumachen zwischen Gott und uns. Es muß geregelt werden zunächst ohne einen Blick auf die Wirkung, die es für unser Volk haben wird.«61 Was von Kirche zu Kirche gesagt werden muss, darf nicht auf eine nationale, politische Ebene gehoben werden. Willem Adolf Visser’t Hooft, Generalsekretär des ÖRK, hatte die Reise der ökumenischen Delegation langfristig vorbereitet. Er hatte davon Abstand genommen, eine Vertretung von Kirchenvertretern aus ehemals von den Deutschen besetzten Gebieten in die zweite Sitzung des Rates der EKD zu senden. Der ökumenische Akzent sollte vorherrschend sein. Daher sprach Visser’t Hooft ausdrücklich von einer »Delegation der ökumenischen Bewegung und besonders vom Ökumenischen Rat der Kirchen. Zur gleichen Zeit repräsentieren die Mitglieder auch ihre eigenen Kirchen.«62 Vorher hatte er als Delegationsleiter schon ihre Namen genannt und ausdrücklich ihre denominationelle Herkunft erwähnt: Samuel McCrea Cavert, Vertreter des US-Federal Council (Presbyterianer), z. Zt. in Genf; George K. A. Bell, Bischof von Chichester, (Anglikaner), der neben der Botschaft des Erzbischofs von Canterbury eine offizielle Adresse von führenden Freikirchlern und eine Botschaft des British Council of Churches mitbrachte; Alphons Koechlin, Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes; Hendrik Kraemer, der die Niederländische Reformierte Kirche repräsentierte; Pierre Maury, der den Vorsitzenden der Föderation protestantischer Kirchen in Frankreich vertrat; Sylvester C. Michelfelder, der als Amerikaner den Lutherischen Weltkonvent beim ÖRK vertrat und zugleich Leiter der Abteilung für Allgemeine Nothilfe der Wiederaufbau-Abteilung war ; schließlich ist Willem A. Visser’t Hooft, als Generalsekretär des ÖRK, der aus der holländischen reformierten Kirche kam, zu erwähnen. Außerdem war der Brite E. Gordon Rupp, der in Heidelberg studiert hatte, als Vertreter der Freikirchen und deutschsprachiger Begleiter von Bischof Bell gekommen.63 Diese Übersicht unterstreicht, wie eindrücklich es dem Genfer Ökumeniker nicht um eine zwischenstaatliche Begegnung ging, sondern darum, ein »uneingeschränktes Vertrauensverhältnisses zwischen der Kirche in Deutschland (»the German Church«) und den anderen Kirchen« wieder herzustellen.64 Zurück zu den innerdeutschen ökumenischen Kontakten. Es ist kein 61 Bericht über die Sitzung des Rates der EKD in Stuttgart am 18./19. Oktober 1945. In: Prot. EKD-Rat, Bd. 1, 42. 62 Willem A. Visser’t Hooft, Report on the Visit of a Delegation from the World Council of Churches to Germany (15.–20. October 1945). In: Clemens Vollnhals, Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch, Göttingen 1988, 194 – 203 (198). 63 Gordon Rupp, I seek my brethren. Bishop George Bell and the German Churches, London 1975, 23. 64 Visser’t Hooft, Report on the Visit. In: Clemens Vollnhals, Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch, Göttingen 1988, 194 – 203 (198), 195.

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Schreiben bekannt, in dem der Ratsvorsitzende Bischof Wurm sich, wie an Kardinal Frings, auch an die auf reformatorisch theologischen Grundlagen stehenden Freikirchen gewandt hätte. Man sah sie in der Regel im statistischen Vergleich als eine minimale Größe. Aber genau das zeigt die tragische Seite von Statistiken. Würde man kirchliche Maßstäbe ansetzen, z. B. die Zahl der Gottesdienstbesucher in Landeskirchen und Freikirchen vergleichen, die Zahl ihrer diakonischen Einrichtungen, die Zahl der damaligen Diakonissen und hauptamtlichen Mitarbeiter, und die Summe der Missionare und Missionarinnen nebeneinander stellen, dann hätten die Freikirchen durchaus das »Volumen« einer mittelgroßen Landeskirche. Aber in Stuttgart waren, ganz in der Tradition der ökumenischen Außenvertretung, auf deutscher Seite nur die Vertreter der Landeskirchen anwesend. Genf hat damit das Gefühl des »Alleinvertretungsanspruchs« der früheren DEK bestätigt.65 Natürlich, die Umstände der Ratssitzung sind nicht zu übersehen, aber hatte der einflussreiche Mitvorbereiter Stewart W. Herman nicht am 17. und 20. Oktober, also im direkten Umfeld der Ratstagung den Stuttgarter Baptistenprediger Ewald Fiedler besucht, um mit ihm Interviews zumachen?66 Fiedler hat bei dieser Gelegenheit seinem Besucher die »erste Botschaft der baptistischen Kirchenvereinigung« überlassen, die nach ihrer Niederschrift im Juli 1945 in der internen »Bundespost« veröffentlicht worden war. Herman kommentierte, diese Botschaft sei »besonders wegen dem gänzlichen Fehlen des Wortes ›Buße‹« erstaunlich.67 Auch diese »erste Botschaft« der Baptisten veröffentlichte Herman in seinem Buch in den USA.68 Freikirchen, die ihre Schuld bekennen wollten, mussten weiterhin ihren eigenen Weg gehen. Es sei denn, die ökumenische Delegation hat die Erklärung als ein Wort des gesamten deutschen Protestantismus verstanden. Diese Frage ist zwar aufgeworfen,69 aber aus ausländischer Sicht bisher ungeklärt, obwohl gerade die Erinnerung an die ökumenische Weltkonferenz für Praktisches Christentum in Oxford 1937 aus angelsächsischer Sicht eine freikirchliche Einbeziehung erwarten lassen durfte.70 65 Vgl. Bd. 1, 114. 66 Clemens Vollnhals, Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch, Göttingen 1988, 233 – 237. 67 Steward Herman, Die 7000 Zeugen – Kirche im Umbruch, München/Berlin 1952, 120 f. Neuerdings: Roland Fleischer, Der Streit über den Weg der Baptisten im Nationalsozialismus, Elstal 2014. 68 Günter Balders, Kurze Geschichte der Baptisten. In: ders. (Hg.), Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe. FS 150 Jahre Baptistengemeinden in Deutschland, Wuppertal/Kassel 1984, 126. Zit. n. Andrea Strübind, Die unfreie Freikirche. Der Bund der Baptistengemeinden im »Dritten Reich«, Neukirchen 1991, 302. 69 Karl Heinz Voigt, Schuld und Versagen der Freikirchen im ›Dritten Reich‹. Aufarbeitungsprozesse seit 1945, Frankfurt/M., 2005, 13 – 18. 70 Karl Heinz Voigt, Freikirchen in Deutschland (19. und 20. Jahrhundert), KiE III/6, Leipzig 2004, 181 – 184.

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1.2.3 Berlin: ein wirklich ökumenischer Gottesdienst Die Mehrzahl der ökumenischen Besucher machte sich von Stuttgart aus befriedigt und mit Hoffnung erfüllt auf den Heimweg. Ihr Hauptziel war erreicht. Die britischen Teilnehmer, Bischof Bell und sein deutschsprachiger Begleiter Gordon Rupp, reisten noch ins westfälische Bünde, wo sich die britische Administration befand. Begleitet wurden sie vom anglikanischen Reverend Arthur Cotter, der während des Krieges von den Nazis in Paris interniert war. Jetzt war er Beauftragter der britischen protestantischen Abteilung für Religiöse Angelegenheiten der Kontroll Kommission in Berlin. Nach Gesprächen mit Präses Karl Koch, Friedrich von Bodelschwingh, Wilhelm Niemöller und vielen anderen führte der Weg der beiden britischen Besucher schließlich nach Berlin. Zu einer in Aussicht genommenen Begegnung mit dem römisch-katholischen Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen,71 war es nicht gekommen. Dafür besuchte Bell auf dem Rückweg von Berlin den damaligen Paderborner Erzbischof Lorenz Jaeger. Bell bezeichnete den Besuch der Hauptstadt als den Höhepunkt seines Deutschland-Besuchs.72 Berlin war damals eine Stadt, die in Trümmern lag. 60.000 Züge mit je 50 Waggons wären nötig gewesen, um die 60 bis 70 Millionen Kubikmeter Schutt abzutransportieren, schrieb Stewart W. Herman, der aus seiner Zeit als Gesandtschaftspfarrer ein anderes Berlin kannte. Noch schlimmer sah er die Menschen leiden. Im Oktober 1945 kostete ein Pfund Mehl 6,50 Dollar, Haferflocken 9.50 Dollar, erklärte er seinen amerikanischen Landsleuten. Wer sich den Luxus einer sechspfundigen Gans leisten wollte, musste 85,00 Dollar aufbringen und das alles bei einem Wechselkurs von einem Dollar für zehn Reichsmark. Er erlebte 1945 »ein gehaßtes, gebrochenes, hungriges, führerloses Deutschland am Rande des Nichts«.73 Ein erster Schritt in die Öffentlichkeit Bell und Rupp kamen knapp zehn Tage nach der Annahme der Stuttgarter Erklärung in die zerstörte und in vier Sektoren geteilte Stadt Berlin. Nach der nichtöffentlichen Stuttgarter Begegnung fand in Berlin ein außergewöhnlicher öffentlicher Gottesdienst in der zentralen Marienkirche statt. Vielleicht hatten sich zu einem Abschlussgottesdienst einer Gebetswoche der Evangelischen Al71 Edwin Robertson, Unshakeable Friend. George Bell and the German Churches, London 1995, 112. 72 Bericht George K. A. Bells über seine Deutschlandreise vom 18. bis 30. Oktober 1945. In: Clemens Vollnhals, Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch, Göttingen 1988, 224 – 233 (233). 73 Steward Herman, Die 7000 Zeugen – Kirche im Umbruch, München/Berlin 1952, 28 f. und Geleitwort 8.

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lianz im Januar gelegentlich Christen verschiedener Denominationen dort zu einem Gottesdienst getroffen, aber »unvergesslich«74 wie dieser erste Ökumenische Gottesdienst, werden sie kaum gewesen sein. Die Marienkirche, dem Roten Rathaus gegenüber gelegen, war teilweise beschädigt. Rupp schildert, dass man stellenweise den Himmel sehen konnte. Sie lag im russischen Sektor. Als die Mitwirkenden am Sonntag, dem 28. Oktober 1945, um 14.00 Uhr in die Kirche einzogen, waren die 1.600 Plätze besetzt, wer keinen Platz gefunden hatte, stand in einem der Seitengänge. Neben dem anglikanischen Bischof von Chichester, George Bell, stand der gastgebende Bischof Otto Dibelius, der Hauptpastor an der Marienkirche, Propst Heinrich Grüber und der russisch-orthodoxe Erzbischof Alexander (Andre Lowtschij) mit »Ansprachen/Adresses« auf dem zweisprachigen Programm. Um die Kirche herum patrouillierten russische Soldaten. In der Kirche hatten an die einhundert landeskirchliche Pfarrer, aber auch geladene Vertreter der methodistischen Kirchen und der baptistischen Gemeinden in Berlin75, selbst drei Vertreter der anthroposophischen Steiner’schen Christengemeinschaft ihre Plätze eingenommen. Ranghohe Offiziere der vier Militärregierungen standen wie Wächter vor der Gemeinde. Eine größere Zahl Chaplains von den westlichen Militärs waren an ihren Uniformen zu erkennen. Hätten die Gottesdienstteilnehmer gewusst, was der englische Erzbischof während des Krieges alles schon für Berlin getan hatte, dann würde bei seinem Eintritt in die Kirche ein aufbrausender Beifall kaum zu unterdrücken gewesen sein.76 Dass der russische Erzbischof Alexander kam und die Gemeinde sogar ansprach, war ein Zeichen christlicher Demut. Er war 1940 von der deutschen Gestapo in Belgien verhaftet und anschließend von deutschen Behörden bis zum Januar 1945 gefangen gesetzt worden. Jetzt saß er in der Marienkirche, um mit der ökumenischen Gemeinde einen Gottesdienst der Versöhnung zu feiern. Im Mittelpunkt stand die Predigt von Bischof Bell, der solidarisch die Schuld aller Länder und Kirchen betonte. Die Gemeinde hatte vorher das Evangelium vom Schalksknecht mit der Aufforderung zum endlosen Vergeben (Matth. 18, 21 – 35) gehört. Sie sprach gemeinsam das Glaubensbekenntnis und später das Vater Unser. Neben Luthers Reformationslied »Ein feste Burg ist unser Gott…« sang sie Loblieder, u. a. »Nun danket alle Gott«.77 Bell hatte nach dem Gottesdienst den 74 E. Gordon Rupp, I seek my Brethren, London 1975, 28. 75 Man kann davon ausgehen, dass wenigstens der Methodist Pastor Ernst Scholz, wahrscheinlich auch Bischof Melle, sowie der baptistische Pastor Jakob Meister, der 1945 auch zum Vorsitzenden des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten) gewählt wurde, am Gottesdienst teilnahmen. 76 Bischof George Bell. Ökumeniker, Brückenbauer, Fürsprecher, Europäer. Reden vor dem Oberhaus des Britischen Parlaments. Hrgg. von Peter Raina, Wiesbaden 2012. 77 Einen Faksimile-Nachdruck des zweisprachigen Programms »Ökumenischer Gottesdienst« – »Ecumenical Service« bietet mit vielen anderen Informationen: Kurt Anschütz, Befreiung – Besetzung – Versöhnung. Die Arbeit ausländischer Christinnen und Christen nach dem

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Eindruck, mehr als materielle Hilfe erwarten die Menschen moralische Unterstützung, spirituellen Beistand und persönliche Freundschaft. Es ist bezeichnend, dass Gordon Rupp in Stuttgart die Verlesung und Übergabe der Erklärung mit dem Schuldbekenntnis als in einer »informellen, geschäftsmäßigen nüchternen Atmosphäre« geschehen empfand. In England hatte der Anglikanismus eine stärkere Gottesdienstkultur entwickelt, als es sie in Deutschland gab. Hier gab es Jahrhunderte eine bürokratisch von Konsistorien geleitete Kirche, deren beamtete Mitglieder froh waren, wenn sie ein Protokoll mit einem für sie positiven Ergebnis von einer Sitzung in ihrer Reisetasche mitnehmen konnten. Es ist sicher keine Gedankenlosigkeit, wenn George Bell in dem Bericht, den er über seine Reise vom 18. bis 30. Oktober nach Genf gab, über den »unvergesslichen ökumenischen Gottesdienst« schrieb: »Der Höhepunkt unseres Besuchs war die Zeit in Berlin.«78 Hier wurde im Angesicht der internationalen und der ökumenischen Gemeinde gemeinsam Schuld vor Gott bekannt. Asmussen hatte immer betont, dass alles Bekennen als ein Bekennen vor Gott geschehe. Das wurde hier in Demut erfahren. Was der anglikanische Bischof in seiner Predigt sagte, kann man in einem Satz zusammengefasst wiederfinden, den er bald nach seiner Rückkehr aus Deutschland niederschrieb: »Kein Volk, keine Kirche und kein Einzelner ist schuldlos.«79 Immer sah er seine eigene Tradition, sein eigenes Land, und die ganze Ökumene in einer »Solidarität der Schuld«. Der Bischof nahm die Gelegenheit seines ersten Nachkriegsbesuchs in Berlin – es sollten in den kommenden Jahren weitere folgen – wahr, um auch den dortigen römisch-katholischen Bischof Konrad Graf von Preysing zu besuchen; er führte Gespräche mit Vertretern der CDU und der KPD, traf zusammen mit Kommunisten und Sozialdemokraten, die er im anglikanischen Zentrum in der Mitte Berlins mit Vertreten der Landeskirchen sowie mit Anglikanern und Freikirchlern ins Gespräch brachte. Bell war schon immer ein bischöflicher Diplomat. Den tiefsten Eindruck hinterließ in seinem Gedächtnis die Begegnung im Hause seines hingerichteten Bruders und Freundes Dietrich Bonhoeffer, dessen Mutter dem englischen Bischof das Abschiedsgeschenk ihres Sohnes aus Flossenbürg, Thomas a Kempis’ Nachfolge Christi, schenkte. Nach dem Fehlen der Freikirchen in Stuttgart stellt sich die Frage: Wie kam es in Berlin, wo es bisher lediglich durch den Weltbund für Freundschaftsarbeit eine Zweiten Weltkrieg in Berlin, Berlin 2001, 50 f. – Auch: Günter Wirth, Ökumenischer Neuanfang nach 1945. Erinnerung an einen Gottesdienst. In: Ev. Bildungswerk, Dokumentation 98/1993. Texte aus zwei Tagungen der Ev. Akademie 1990/1992, 52 – 76. 78 »The culmination of our visit was the time in Berlin.« In: Clemens Vollnhals, Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch, Göttingen 1988, 224 – 233 (233). 79 K. George A. Bell, The Church and Humanity, London 1946, 182, zit. n. Edwin Robertson, Unshakeable Friend, London 1995, 115 (No nation, no Church, no individual is guiltless.)

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ökumenische Gemeinschaft gab, zu dem ersten wirklich ökumenischen Gottesdienst in Deutschland? Stewart W. Herman traf Anfang August 1945 zweimal mit dem Berliner Bischof Otto Dibelius zusammen. Beim zweiten Besuch reagierte der Berliner Bischof auf ein Memorandum aus Genf. Er werde dem ökumenischen Vorschlag folgen und ein Allgemeines Wiederaufbau-Komitee für Berlin einberufen. Darin werde er selber den Vorsitz übernehmen. Eberhard Bethge berief er als Sekretär. Dem Komitee sollen drei Lutheraner, zwei Reformierte, und je ein Alt-Lutheraner, ein Vertreter der Lutherischen Freikirche, ein Methodist, ein Baptist und ein Vertreter der Brüdergemeine angehören.80 Der Genfer Einfluss war schon hier unverkennbar. Es muss auf die frühere Distanz und die schwierigen Nachkriegsbedingungen zurückzuführen sein, dass an der ersten Sitzung am 22. August außer den Landeskirchlern nur ein Altlutheraner teilnahm. Aber die Basis für die zukünftige Arbeit war geschaffen. Begegnung mit den Freikirchen An dem Gottesdienst mit Bischof Bell hatten nach einer Pressemeldung des Büros von Bischof Dibelius »Abordnungen der verschiedenen Freikirchen teilgenommen«.81 Das war ein großer Schritt, den Bischof Dibelius damit getan hatte. Für die Freikirchen war ermutigend, dass als ein Teil des ökumenischen Berlin-Besuchs eine Begegnung mit dem Bund freikirchlicher Prediger in Berlin stattfand. An einem Freikirchentag in einer der Friedenskirchen82 kamen Berliner Repräsentanten von vier Denominationen zusammen: Baptisten, Methodisten, Evangelische Gemeinschaft und Vertreter der Freien evangelischen Gemeinden. Man kann davon ausgehen, dass an dieser Begegnung folgende Pastoren teilnahmen: Diakoniedirektor und Bundesvorsitzender des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten) Jacob Meister DD; von der Evangelischen Gemeinschaft Superintendent Ernst Pieper und die Pastoren Gustav Siepmann, Erich Walenski und Fritz Wyrwa; vom Bund Freier evangelischer Gemeinden die Prediger Walter Böhme und Armin Röger. Aus der me80 Clemens Vollnhals, Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch. Berichte ausländischer Beobachter aus dem Jahr 1945, Göttingen 1988. Hier: Stewart W. Herman: Berlin [Bericht über eine Unterredung mit Otto Dibelius am 9. August 1945], 101 – 105 [104]. 81 Presseamt des Evangelischen Bischofs von Berlin, »Ökumenische Gottesdienste in Berlin«. In: Kurt Anschütz, Befreiung – Besetzung – Versöhnung, Berlin 2001, 58 f. 82 Zwar gab es verschiedene ›Friedenskirchen‹ innerhalb der Freikirchen, jedoch ist zu vermuten, dass es in diesem Fall die landeskirchliche ›Friedenskirche‹ in der Ruppinerstraße 28 war. Sie liegt der Marienkirche verhältnismäßig nahe und wurde zu dieser Zeit gastweise von der Gemeinde Berlin-Wattstraße des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten) benutzt, deren eigene Kirche im Krieg zerstört worden war. Ich danke Günter Balders für diese Informationen.

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thodistischen Kirche sind zu erwähnen: Superintendent Bernhard Vogelsang sowie die Pastoren Ernst Scholz, Karl Kreutzer und Arthur Radau. Ob auch Bischof Melle teilnahm, ist bisher nicht festzustellen. Die Bischöfe Bell und Melle waren sich anlässlich der Oxforder Weltkirchenkonferenz 1937 in einer angespannten Situation begegnet. Bell hatte damals die auslandsdeutschen Delegierten zusammen mit Melle und dem Baptisten Paul Schmidt eingeladen, um sie vorab über die Botschaft der Oxforder Konferenz an die Deutsche Evangelische Kirche zu informieren.83 In Berlin übergaben am 28. Oktober 1945 die Freikirchen den Vertretern der Ökumene eine Erklärung, welche die Überschrift trug Die Freikirchen in Deutschland und die Wiederherstellung des Lebens des deutschen Volkes. Die erste Fassung war unter deprimierenden Verhältnissen Anfang September 1945 in Zwickau und Aue/Sa. entstanden. Der Gesamttext wurde von der freikirchlichen Gemeinschaft in Berlin leicht umformuliert. Trotzdem war er zu schwach und eigentlich kein Bekenntnis. Es genügte nicht »erschüttert« und »gedemütigt« zu sein und sich zur Selbstprüfung und zur Buße ermahnt zu wissen.84 Wie schwer es zu dieser Zeit war, öffentlich ein Bekenntnis der Schuld abzulegen, zeigt auch der Umgang mit der Stuttgarter Erklärung. Selbst der Alliierte Kontrollrat mit seiner Abteilung für Religiöse Angelegenheiten, den die Besatzungsmächte gemeinsam als höchste Regierungsgewalt eingesetzt hatten, hat fast 14 Tage auf die offizielle Übermittlung gewartet. Noch vor dem Berliner Ökumenischen Gottesdienst erschienen zwar erste Hinweise in der Presse und im Funk, die aber ihren Ursprung nicht in der EKD hatten.85 Schuldzuweisungen über die Kriegsschuld, die man gerade vermeiden wollte, klangen an. Obwohl die Stuttgarter Erklärung inzwischen in der Öffentlichkeit bekannt geworden war, kam sie im Gottesdienst am 28. Oktober nicht zu ihrer Verlesung.

Berlin – Zentrum ökumenischen Beginnens Trotz aller Zurückhaltung, zu der die englischen Gäste im Oktober weise geschwiegen hatten, brachte der Oktober 1945 in Berlin einen ökumenischen Umschwung, den man in vier Punkten zusammenfassen kann: (1) Was in Stuttgart wie hinter verschlossenen Türen in einem Sitzungssaal zwischen der westlichen europäischen Ökumene und dem Rat der EKD 83 Armin Boyens, Kirchenkampf und Ökumene 1933 – 39. Darstellung und Dokumentation. München 1969, 166. 84 Karl Heinz Voigt, Schuld und Versagen der Freikirchen im ›Dritten Reich‹. Frankfurt/M., 2005, 34 f u. 80 f. 85 Texte bietet Kurt Anschütz, Befreiung – Besetzung – Versöhnung, Berlin 2001, 47 – 49. Sie kamen von dem Nachrichtendienst DANA, der von den vier Besatzungsmächten getragenen Agentur.

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geschehen war, wurde zu einem Vorspiel für einen ersten ökumenischen Nachkriegsgottesdienst in der Berliner Marienkirche, dem regelmäßig weitere folgen sollten. (2) War in Stuttgart die tonangebende protestantische Kirche gefragt, so wurde in Berlin ein damals noch kaum vorstellbarer Schritt in die ökumenische Zukunft vorweggenommen. Der anglikanische Bischof predigte, der russisch-orthodoxe Erzbischof hielt eine Ansprache, die Landeskirche war mit ihrem Bischof und dem international angesehenen Propst Grüber stark repräsentiert, die Freikirchen waren geladen, der römisch-katholische Bischof empfing den Besuch des anglikanischen Bischofs. Unter der Kanzel der Marienkirche saßen die Chaplains verschiedener Denominationen, darunter gewiss auch Katholiken, sowie Laien als Mitarbeiter aus den Büros der Besatzungsmächte, die verschiedenen kirchlichen Traditionen angehörten. Alle bekannten gemeinsam ihren Glauben, sangen und beteten miteinander und empfingen den Segen Gottes. (3) Bischof Dibelius hatte sich nach seiner früheren Mitarbeit in der internationalen nun auch zur innerstädtischen Ökumene »bekehrt«. Die Beziehung zwischen internationaler und lokaler Ökumene ist zwar theologisch untrennbar. In der Praxis gelang es aber selten genug, sie als eine Einheit zu gestalten. Wie hatte der Generalsuperintendent der Kurmark sich noch darum gesorgt, dass »der christliche Einfluss […] sich durch religiöse Vielfalt zersplittern und schließlich ganz zu Nichte werden« könnte.86 Gerade mit dem Berliner methodistischen Ökumeniker Bernhard Keip war es darüber zur Auseinandersetzung gekommen.87 Die internationale Ökumene half zur vorsichtigen schrittweisen Annäherung der nationalen. (4) Der Viermächtestatus der Stadt Berlin und die Tatsache, dass die Stadt ein vorgeschobener Posten zu dem sowjetisch besetzten Gebiet war, brachte den Berliner Bischof in eine besondere Position. Schon in Treysa und in Stuttgart war er es, der nachdrücklich auf die Not in der Sowjetisch Besetzten Zone hinwies. Später hat er diese Brückenfunktion auch im ökumenischen Kontext gezielt ausgebaut.

86 Fritz Hartmann, Otto Dibelius. Ein Kirchenmann zwischen Monarchie und Diktatur, Göttingen 1998, 205 f. Karl Heinz Voigt. Freikirchen in Deutschland, KiE III/6, Leipzig 2004, 148 ff. 87 Karl Heinz Voigt, Ebd., 148 f.

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Zeit der ACK-Anfänge und Weichenstellungen

1.3

Die ›Stuttgarter Erklärung‹ und die Freikirchen

Es kam auch innerhalb den Freikirchen hier und da zu Bezugnahmen auf die Stuttgarter Erklärung. Die zum Teil späten Erklärungen einzelner Freikirchen zeigen, dass jede ihr eigenes Bekenntnis ablegen wollte.88 In seinem Bericht als Superintendent an die Konferenz aller Gemeinden und Pastoren der Evangelischen Gemeinschaft89 in Norddeutschland, die vom 19. bis 22. Juni 1946 in Detmold tagte, bemerkte Otto Hänisch: »Wie ein Feuerbrand flammt in unserem Volk die Schuldfrage auf. Die Erklärung der Evangelischen Kirche bei ihrer Stuttgarter Tagung am 18. und 19. Oktober 1945 hat einen ungestümen Wellenschlag im Denken und Empfinden des Volkes hervorgerufen. Wir sind der Meinung, daß die Absicht jener Männer, die diese Schulderklärung gaben, ein tiefes christliches Anliegen war. Wir können auch an jenem Satz nicht vorüber, den Karl Barth in Bonn ausgesprochen hat: ›Jede Kirche, die sich nicht unter die Schuld beugt, ist von vornherein zur Unfruchtbarkeit verurteilt‹.«90

Man wird gerade das Barth-Zitat als eine Mahnung an die eigene Kirche verstehen müssen, sich öffentlich zu ihrer Schuld zu bekennen. Diese Tendenz vertrat Hänisch auch in den Debatten um die Schuldfrage innerhalb der Evangelischen Allianz,91 als er die Meinung äußerte: »die Stellungnahme zum Schuldbekenntnis [solle man] den einzelnen Kirchen überlassen.«92 An der Konferenz der Evangelischen Gemeinschaft in Süddeutschland, die vom 20. bis 23. Juni 1946 in Esslingen tagte, gab Pastor Robert Mäurer einen Bericht, in dem er auch die Schuldfrage anschnitt. Sein Text wurde später mit dem Hinweis kommentiert: »Die Anlehnung an das Stuttgarter Schuldbekenntnis ist unüberhörbar.«93 Auch innerhalb des Baptismus hat es Auseinandersetzungen über die Stuttgarter Erklärung gegeben. Man spürt diesen Debatten ab, wie der Indepen88 Karl Heinz Voigt, Freikirchen und Schuldbekenntnisse seit 1945. Schuld erkennen – Schuld anerkennen- Schuld bekennen: ein schweres Kapitel. In: EmK-Geschichte 25. Jg. (2004) Heft 2, 14 – 24. Ders., Schuld und Versagen der Freikirchen im »Dritten Reich«. [Dokumentation] Aufarbeitungsprozesse seit 1945, Frankfurt/M. 2005. 89 Die Evangelische Gemeinschaft und die Methodistenkirche haben sich 1968 weltweit zur United Methodist Church, in den deutschsprachigen Ländern Evangelisch-methodistische Kirche, vereinigt. 90 Otto Hänisch, Bericht des Superintendenten zur 15. Tagung der Westdeutschen Konferenz [der Evangelischen Gemeinschaft]. In: Verh. der Westdeutschen Konferenz der Ev. Gemeinschaft in Detmold, Detmold 1946, 9 – 13 (12). 91 Karl Heinz Voigt, Die Evangelische Allianz nach 1945. Ein unsicherer Neuanfang mit sicherer Orientierung: In: FF 20 (2011), 235 – 284. 92 Wilhelm Nitsch, 75 Jahre Westdeutsche Evangelische Allianz 1880 – 1955, Witten o. J. (1955), 31. 93 Ulrike Schuler, Die Evangelische Gemeinschaft. Missionarische Aufbrüche in gesellschaftlichen Umbrüchen, Stuttgart 1998, 210.

Die ›Stuttgarter Erklärung‹ und die Freikirchen

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dentismus mit der Sicht autonomer Ortsgemeinden eine Neigung zum Individualismus verstärkt. Das wirkte sich auch in der Frage aus, ob es berechtigt sei, von einer Kollektivschuld zu reden. So fragte Bundesdirektor Paul Schmidt in der besonderen Situation seines Weges im Dritten Reich in der Auseinandersetzung mit der Stuttgarter Erklärung: »Kann die Gemeinde schuldig werden im Ganzen, wenn sie nicht gegen besondere Sünden der Staatsführung Protest erhebt?« In den Debatten um das Stuttgarter Wort formulierte wieder der leitende Bundesdirektor Schmidt: »Schuldbekenntnisse können aber auch nur dann abgegeben werden, wenn jemand vor Gott steht und sich vor Gott schuldig weiß, nicht aber, um dadurch irgendeiner Gruppe von Christen irgendwo zu gefallen und irgendwann schneller einen neuen Lebensanschluß zu finden oder irgendwie einzugliedern.« Eine solche Formulierung kann man nicht ohne Unterton in Richtung Stuttgart hören. Andrea Strübind kritisiert: »diesem Bekenntnis lediglich eine taktische Intention zu unterstellen und seine ernsthafte theologische Bedeutung zu ignorieren, wirkt heute beschämend.« Unabhängig davon gab es auch im Baptismus »positive Stimmen zur Stuttgarter Schulderklärung.«94 Insgesamt kann man sagen, dass die Stuttgarter Erklärung innerhalb der Freikirchen herausfordernd und anregend gewirkt hat. Insofern war sie als frühe öffentliche Erklärung eine Ermutigung, um überhaupt einen Schritt zum öffentlichen Umgang mit der Schuld zu tun. Sie war auch ein Modell. Durch den Verzicht auf Konkretisierungen der Schuld, wie sie noch in Treysa formuliert wurden, waren Grenzen aufgezeigt, die für die eigenen Formulierungen bewusst oder unbewusst gerne übernommen wurden. Obwohl aus den methodistischen Kirchen auch Juden in Konzentrationslager deportiert wurden, fehlten entsprechende Worte auch in ihren Bekenntnissen, die an anderer Stelle behandelt werden.95 Innerhalb der Freikirchen ahnte man nicht, welche Folgen die Stuttgarter Erklärung für sie in kürzester Zeit gewinnen sollte. Am 11. Oktober hatte Adolf 94 Alle Zitate in diesem Abschnitt: Andrea Strübind, Die unfreie Freikirche. Der Bund der Baptistengemeinden im ›Dritten Reich‹, Neukirchen 1991, 19952, 302 – 311. 95 Dazu: Daniel Heinz (Hg.), Freikirchen und Juden im ›Dritten Reich‹. Instrumentalisierte Heilsgeschichte, antisemitische Vorurteile und verdrängte Schuld. Göttingen 2011. Darin: Michel Weyer, Kein Ruhmesblatt methodistischer Geschichte, 103 – 126. Sabine Brunotte, Susanne Gertrud Silber. In: Stolpersteine in Hamburg-Eppendorf, Bd. 2, Hamburg 2010, 373 – 376. Uwe Liszkowski, Stolperstein für Hans Meyer. In: Gemeindebrief EmK-Kiel, Aug./ Sept. 2014. Zum Baptismus auch: Andrea Strübind, »Wir Christen unter den Zuschauern«. Die deutschen Baptisten und die Judenverfolgung in der Zeit der NS-Diktatur. In: Daniel Heinz (Hg.), Freikirchen und Juden im ›Dritten Reich‹, 151 – 181. Ebenfalls in: Katarzyna Stokłosa/Andrea Strübind (Hg.), Glaube – Freiheit – Diktatur in Europa und den USA, Göttingen 2007, 113 – 139. Auch: Hans-Joachim Leisten, Wie alle anderen auch. Baptistengemeinden im Dritten Reich im Spiegel ihrer Festschriften, Hamburg 2010.

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Freudenberg, der in Genf als Sekretär für den Flüchtlingsdienst beim ÖRK tätig war, an Martin Niemöller im Vorfeld über die Bedeutung der Stuttgarter Begegnung geschrieben: »Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, daß es sich hier wirklich um eine ganz wichtige Phase der künftigen ökumenischen Beziehungen der evangelischen Kirche in Deutschland handelt.«

Später führte er konkret aus, was er damit auch meinte: »Helft mit, daß der in der ganzen Ökumene aufgestaute Wille, den deutschen Brüdern und den deutschen notleidenden Kindern und Flüchtlingen, wer sie auch sein mögen, tatkräftig zu helfen, sich weiter entfalten kann. Es geistert noch das Gespenst der Schuldfrage herum. Ich weiß, daß wir Deutsche sie jetzt schon wieder gegenüber den Anderen stellen können und weiß, wie viel Grund sie dazu geben, weil eben der ›Anschauungsunterricht‹ eines gerechten, demokratischen Regimes ausbleibt; aber ich weiß auch, daß Besserungen auf der alliierten Seite sehr viel leichter von den Kirchen der Ökumene erzwungen werden könnten, wenn ein klares Wort des Rates der evangelischen Kirche in Deutschland erfolgen könnte.«96

Die längst vorbereitete ökumenische Hilfe konnte nach der Stuttgarter Erklärung leichter, umfassender und in ökumenischem Vertrauen in Gang gesetzt werden. Alle Freikirchen haben davon profitiert. Weiter ist zu sehen, dass die Erklärung ungeahnt auch den Weg zu einer zukünftigen innerdeutschen Ökumene öffnete. Die Erfahrungen aus den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg wiederholten sich nicht. Damals trat eine gegensätzliche Haltung in den Landeskirchen und in den methodistischen Kirchen zutage: Der Deutsche Evangelische Kirchenbund versagte sich der aufkommenden ökumenischen Bewegung,97 die methodistischen Kirchen suchten jeden Kontakt wahrzunehmen, der sich ihnen in Deutschland und in der weltweiten Ökumene bot.

1.4

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Stewart W. Herman, der vor Stuttgart eine größere Anzahl leitender landeskirchlicher Kirchenführer interviewte, suchte am 18. September 1945 auch Bischof Melle auf, der die Aufsicht über den deutschen Sprengel der methodistischen Kirche führte. Aus Hermans Bericht98 wissen wir, dass kurz nach dem Eintreffen amerikanischer Besatzungstruppen in Berlin, die von US-Chaplains begleitet waren, »viele von ihnen« Bischof Melle »in einer besonderen Angele96 Gerhard Besier/Gerhard Sauter, Wie Christen ihre Schuld bekennen, Göttingen 1985, 25 f. 97 Vgl. Bd. 1, Kap. II, 5.1.3 und Kap II, 6. 98 Interview in: Clemens Vollnhals, Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch, Göttingen 1988, 143 – 145.

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genheit« besuchten. Die Kirche in Amerika war an einem Bericht ihres Bischofs aus Deutschland interessiert. Einer der Chaplains erbat von ihm ein »special statement« für eine Veröffentlichung in einer methodistischen Zeitschrift in den USA. Melle gab ihm eine Predigt, die er nach der Bitte am 19. August in der landeskirchlichen Apostel Paulus Kirche in Berlin-Schöneberg, gehalten hatte. Der übersetzte Titel lautete »What God Expects from us Christians in this time«.99 In der Predigt schrieb er, »daß aufrichtige Buße der erste Schritt zu neuem Leben bilde, […] aber auch die Alliierten müßten Buße tun«. Wörtlich hieß es: »Wir wollen um das Kommen einer Zeit beten, da die Christen aller Völker sich vor Gott beugen werden und in gemeinsamer Buße Vergebung suchen für die Sünden, die ein solch furchtbares Gericht wie diesen Krieg notwendig machten.«100 Melle muss dabei an die Folgen des Ersten Weltkriegs und an den Versailler Vertrag gedacht haben, für deren Überwindung er sich international stark eingesetzt hatte.101 Er traf mit seiner Formulierung sicher auch das Empfinden einer größeren Zahl seiner Predigthörer, denn eine Tendenz zum gegenseitigen Aufrechnen lag in der Luft. Aber dass Melle die Buße auf die Zeit verschieben möchte, bis die Christen aller Völker sich gemeinsam vor Gott beugen werden, zeigt eine innere Verschlossenheit dieses frommen Mannes. Eine Kopie der Predigt händigte er seinem Besucher Stewart W. Herman aus, der seine Zweifel daran hatte, ob dieses Statement seinen Zweck erfüllen würde.102 Herman war ein geschulter Beobachter. In seinem erwähnten Bericht wies er auf einige Besonderheiten der Begegnung mit Melle hin. Wichtig war ihm, dass der Amerikaner bei ihm Informationen aus der Sowjetisch Besetzten Zone bekam. Stewart selber hatte nur eine Reisegenehmigung für die westlichen Zonen. Melle war kurz vor dem Gespräch aus dem sächsischen Zwickau und aus Aue zurückgekehrt. Er hatte dort vor Tausenden gepredigt und mit den methodistischen Pastoren einen gemeinsamen »Beschluss« herbeigeführt, in dem u. a. vom »ernsten Gerichtshandeln Gottes« sowie einer »Mahnung zur Reue und Hinwendung zu Gott« gesprochen wurde.103 Melle hat diese Erklärung ebenfalls seinem Besucher ausgehändigt. Der fand darin »sehr beachtenswerte Worte« über Buße und Umkehr.104 99 Steward Herman, Die 7000 Zeugen – Kirche im Umbruch, München/Berlin 1952, 122. 100 Ebd. 101 F. H. Otto Melle, »Fußspuren Gottes in meinem Leben«. Lebenserinnerungen 1875 – 1936. Privatdruck, Rübgarten 2005. Der autobiographische Rückblick eröffnet Einblicke in den internationalen Lebenshorizont Melles und die Entwicklung seiner Positionen. 102 Im methodistischen Sonntagsblatt ›Der Evangelist‹ v. 28. Juli 1946 ist eine Predigt Melles zum Thema »Gottes Gedanken mit uns« abgedruckt, die er an der Tagung einer Konferenz in Wiesbaden gehalten hat. 103 Karl Heinz Voigt, Schuld und Versagen der Freikirchen im »Dritten Reich«. Aufarbeitungsprozesse seit 1945, Frankfurt/M. 2005, 79. 104 Steward Herman, Die 7000 Zeugen – Kirche im Umbruch, München/Berlin 1952, 119.

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Dem US-Lutheraner fiel auf, dass Melle den psychischen Belastungen, denen die Bevölkerung durch die Zerstörungen ausgesetzt war, mehr Bedeutung zumaß, als andere Kirchenführer, mit denen Stewart vorher gesprochen hatte. Wenngleich Melle noch keine Reisegenehmigung für die Westzonen beantragt habe, äußerte er doch eine klare Perspektive für die kirchliche Arbeit. Im Frühjahr 1946 hoffe er eine Zentralkonferenz einberufen zu können, an der Delegierte aus allen Teilen Deutschlands – den damaligen fünf regionalen Konferenzen – teilnähmen.105 Weiter notierte der amerikanische Besucher, die methodistische Kirchenleitung, der fünf Pastoren und fünf Laien angehörten, werde sich im Winter treffen und »mögliche Schritte für die Rehabilitierung der Kirche« gehen. Tatsächlich trafen sich in Frankfurt/M. am 5. und 6. Dezember die Mitglieder des Kirchenvorstands aus den drei westlichen Zonen mit Bischof Bromley G. Oxnam als dem Vorsitzenden des Bischofsrates der weltweiten Gesamtkirche. Sie gaben für ihre Kirche eine »Erklärung über die Stellung unserer Kirche zur gegenwärtigen Lage« ab.106 Beide Begegnungen müssen ganz offensichtlich zur Zeit des Besuchs von Stewart in Berlin bereits zeitlich umrissen gewesen sein. Alles deutet darauf hin, dass die verschiedenen Kontakte mit den Chaplains auch der Abstimmung von Terminen zwischen F. H. Otto Melle und dem Bischofsrat in den USA gedient haben. Die Benutzung der militärischen Postwege für Informationsaustausch zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Teil der Kirche ist auch aus Frankfurt am Main bekannt, wo das amerikanische Hauptquartier seinen Sitz hatte.107 Die zeitliche Einordnung von Melles Aktivitäten zeigt, dass in der methodistischen Kirche die Vorbereitungen für ein Schuldbekenntnis vor der Stuttgarter Begegnung von EKD und Ökumene begonnen wurden. Die Begegnung zwischen dem methodistischen Kirchenvorstand und Bischof Bromley G. Oxnam aus den USA war abzustimmen mit dem Reisetermin für die offizielle Delegation des Federal Council of Churches of Christ, dessen Präsident Oxnam zu dieser Zeit war. Die Oxnam-Delegation, wie man später sagte,108 besuchte Deutschland vom 28. November bis zum 7. Dezember 1945. Die Reisegenehmigung nutzte Oxnam, um zunächst am 3. Dezember seinen Bischofskollegen Melle in Berlin zu besuchen und zu interviewen109 und danach am 5./ 105 Die Zentralkonferenz fand jedoch erst vom 7. bis 11. November 1946 in Frankfurt/M. statt. 106 Karl Heinz Voigt, Schuld und Versagen der Freikirchen im »Dritten Reich«. Aufarbeitungsprozesse seit 1945, Frankfurt/M. 2005, 86 f. 107 Karl Heinz Voigt, Auswirkungen internationaler Kirchenstrukturen im Umbruch nach 1945. Die Methodisten in ihren Beziehungen zu Militärregierungen und Grenzverschiebungen. In: FF Bd. 15 (2005/06), 197. 108 Steward Herman, Die 7000 Zeugen – Kirche im Umbruch, München/Berlin 1952, 202. 109 Karl Heinz Voigt, Schuld und Versagen der Freikirchen im »Dritten Reich«. Aufarbeitungsprozesse seit 1945, Frankfurt/M. 2005, 38ff u. 82 ff.

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6. Dezember 1945 in Frankfurt/M. mit dem Kirchenvorstand der methodistischen Kirche zusammenzutreffen. Die Kirchenleitung gab gegenüber Bischof Oxnam, dem zu dieser Zeit höchsten Repräsentanten der weltweiten Kirche, eine offizielle »Erklärung über die Stellung unserer Kirche zur gegenwärtigen Lage« ab.110 An der von Bischof Melle einberufenen Sitzung nahm er selber nicht teil, um, wie er schrieb, »das Urteil über meine Haltung meinen Brüdern in Deutschland und den USA zu überlassen.«111 Von einer Bemühung, den 71jährigen Melle nach seiner Rede an der Ökumenischen Weltkonferenz von Oxford 1937 zum Rücktritt von seinem Amt aufzufordern, wie es seitens der Militär-Administration im Hinblick auf landeskirchliche Führungspersonen angestrebt wurde, ist nichts bekannt.112 Die Erklärung formuliert im Kern: Als methodistische Kirche »sind wir erschüttert und bitter betrübt über die Verbrechen, die im Namen unseres Volkes begangen worden sind, über die Zerstörung materieller und sittlicher Werte und die Leiden, die so vielen Menschen zugefügt wurden. In der von Gott gesetzten Solidarität mit unserem Volke […] beugen wir uns unter die Schuld und tun vor Gott Buße über alle Versäumnisse des anhaltenden Gebets, des unerschrockenen Zeugnisses und der tatkräftigen Liebe. Darum sind wir mit allem Ernst entschlossen, die von Gott über uns verhängten Leiden bereitwillig und geduldig zu tragen und das Evangelium von der Liebe Christi, der zur Vergebung der Sünden aller Menschen starb, als die einzige Hoffnung der Welt auf jede Weise ganz besonders unserer Jugend zu verkündigen, damit Gott unserem Volk, dem Volk der Reformation, eine neue Heimsuchung seiner Gnade gewähre.«113

Die Frankfurter Erklärung ist in drei Abschnitte gegliedert. Sie beginnt mit einem Dank gegen Gott, bekennt sich in Solidarität mit dem deutschen Volk zur Schuld und verbindet damit die Buße vor Gott. Die Erklärung schließt mit der Bitte an die anderen Kirchen und Völker, fürbittend mit dafür einzutreten, dass durch die Liebe Christi Gewalt und Rachsucht überwunden werden. 110 Ältester gedruckter Text in: Bericht des Distriktssuperintendenten Ernst Bräunlich an die Jährliche Konferenz vom 29.5 bis 2. 6. 1946 in Hamburg-Eppendorf, 21 f. Auch in: Karl Heinz Voigt, Schuld und Versagen der Freikirchen im »Dritten Reich«. Aufarbeitungsprozesse seit 1945, Frankfurt/M. 2005, 86 f. 111 Ebd., 84. 112 Das trifft auch für den Baptisten Paul Schmidt zu, der in seinem Gemeindebund und in der Evangelischen Allianz nach 1945 noch fast zwei Jahrzehnte Führungsämter innehatte. Auch im Bereich der Siebenten-Tags-Adventisten sind keine Personen aus ihren Leitungsämtern entfernt worden. Vgl. Johannes Hartlapp, Siebenten-Tags-Adventisten im Nationalsozialismus. KKR 53, Göttingen 2008, 505. Wo Wechsel vorgenommen wurden, geschah dies nicht ohne den Einfluss durch die Militärregierungen. 113 Karl Heinz Voigt, Schuld und Versagen der Freikirchen im »Dritten Reich«. Aufarbeitungsprozesse seit 1945, Frankfurt/M. 2005, 86 f. Die Rückübersetzung der ganzen »Erklärung« ins Deutsche findet sich auch bei Steward Herman, Die 7000 Zeugen – Kirche im Umbruch, München/Berlin 1952, 117 f. (Anmerkung).

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Es gibt Parallelen zur Stuttgarter Erklärung, zunächst darin, dass beide Kirchen ihr Wort mit dem Begriff Erklärung überschreiben. Daneben fällt die dreigliedrige Form einer geistlichen Selbstkritik ins Auge. Hier wie dort wird auf wünschenswerte Konkretionen verzichtet. In Stuttgart war die westeuropäische Ökumene stellvertretend präsent, in Frankfurt der Vorsitzende des weltweiten Bischofsrates als Führungspersönlichkeit in der eigenen Kirche und Repräsentant der amerikanischen Ökumene. Die Methodisten schließen in ihrer grundsätzlichen ökumenischen Ausrichtung mit einer Bitte an die anderen Kirchen, sie in ihrem Gebet um allseitige Buße, Einigkeit im Frieden und Überwindung von Gewalttat, Grausamkeit, Hass und Rachsucht zu unterstützen. Im weiteren Umgang mit der Erklärung ist es wichtig, dass sie nach ihrer Annahme durch den Kirchenvorstand, der nach dem Ende des Krieges nicht neu gebildet wurde, auch von der Zentralkonferenz bestätigt worden ist. Mit der Annahme dieser Erklärung wurde sie ein vom deutschen Zweig der Gesamtkirche bestätigtes Dokument, das leider unter den damaligen eingeschränkten Bedingungen publizistischer Möglichkeiten die Gemeinden kaum erreichte. Die Zentralkonferenz, das höchste demokratisch gewählte Gremium der Kirche, konnte zu ihrer ersten Nachkriegstagung im November 1946 mit Pastoren- und Laiendelegierten aus den regionalen Konferenzen zusammentreten. Die alle vier Jahre tagenden Zentralkonferenzen waren auch früher regelmäßig von Vertretern aus der Weltkirche besucht worden.114 Das Plenum der Frankfurter Zentralkonferenz von 1946 bildeten die Delegierten der regionalen Konferenzen. 114 Ein kleiner Exkurs zum methodistischen Konnexionalismus kann hier hilfreich sein, um die Zentralkonferenz in ihrem natürlichen Geflecht von Personen und Ordnung zu verstehen. Der praktizierte Konnexionalismus ist ein wesentliches Element der methodistischen Ekklesiologie. Dieses System beruht auf einem weltweiten Verbund aller regelmäßig tagenden Konferenzkörperschaften, die auf verschiedenen Ebenen mit unterschiedlichen kirchlichen Rechten bestehen. Es baut sich (1) von der lokalen Bezirksgemeinde mit den Pastorinnen oder Pastoren her auf, (2) setzt sich über die Distrikte mit den Superintendenten oder der Superintendentin fort, (3) hat in den Jährlichen Konferenzen in Ost-, Nordund Süddeutschland über großräumige Gebiete zur Aufsicht eine Bischöfin oder einen Bischof, formiert sich in Europa schließlich in drei Zentralkonferenzen zwischen Bulgarien und Frankreich sowie Norwegen und Algerien in kirchenrechtlich hoch angesiedelten Organen, zu deren Sitzungen jeweils der Bischofsrat der weltweiten Kirche mindestens eines seiner Mitglieder entsendet. Alle vier Jahre tagt die verfassunggebende Generalkonferenz mit Delegierten aus den in der Welt gebildeten Jährlichen Konferenzkörperschaften. Das connexionale Verbundsystem stellt sicher, dass auf der jeweiligen Ebene von den lokalen Gemeinden bis zum Bischofsrat für die Weltebene Personen beauftragt sind, die in ihren Funktionen Verbindungen zwischen den Gruppen in der Gemeinde, den Gemeinden in der Region und den verschiedenen überregionalen Konferenzen die Einheit durch Besuche in der episkopalen Funktion, Aufsicht zu führen, mit Leben erfüllen können. Die innerkirchlichen Verbindungen (Connections) werden also in einem Doppelsystem von kirchlicher Ordnung und personaler Aufsicht zum Austausch von Erfahrungen, Personen und Ressourcen zur Ausübung der Mission in Evangelisation, Diakonie und Ökumene gepflegt. Gelegentlich spricht man einem »konziliaren Prinzip«.

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Auch die Mehrzahl der Abgeordneten aus der Sowjetisch Besetzten Zone konnten nach Frankfurt kommen. Der Vorsitzende, Bischof Raymond J. Wade aus Detroit, hatte vor der Konferenz den erkrankten Bischof Melle in Berlin besucht. Zur Eröffnung der Konferenz überbrachte er dessen Grüße. Danach stellte er ausdrücklich fest, »daß es [sich um] eine regelrechte Sitzung, keine besondere oder außerordentliche, sondern die für dieses Quadriennium [durch die Verfassung] vorgeschriebene Sitzung« handelt. Es ging also nicht um eine Neukonstituierung des deutschen Zweiges der Gesamtkirche, sondern um die Weiterführung ihrer Wirksamkeit auf der Grundlage der weltweit rechtsverbindlichen Verfassung und Ordnung, nach der auch während der NS-Zeit (wie später in der DDR) in Deutschland die kirchliche Arbeit geregelt blieb. Bischof Melle, der einen Schlaganfall erlitten hatte, schickte ein formales Entschuldigungsschreiben, in dem er auch – wie es innerhalb des connexionalen Systems gegenseitiger Verbindlichkeit üblich ist – um die Versetzung in den Ruhestand bat. Es stand aus diesem Grund die Wahl eines nachfolgenden Bischofs an. Das Verbundsystem der Konnexio brachte eine große Anzahl von Gästen nach Frankfurt, die gleichsam Zeugen für die bleibende Einheit in der methodistischen Kirchenfamilie und für die immer schon bestehende internationale ökumenische Gemeinschaft waren. Es können hier nur die Namen und ihre Funktionen aufgezählt werden: Bischof Raymond J. Wade, – der viele Jahre den Skandinavischen Sprengel von Stockholm aus geleitet hatte und jetzt die Aufsicht über einen USSprengel von Detroit aus führte – wurde vom Bischofsrat entsandt und leitete die Konferenz. Aus Genf kam Bischof Paul N. Garber, aus Stockholm Bischof Theodor A. Arvidson mit Superintendent G. Henriksson. Die Schweizer Methodisten waren prominent durch den späteren Bischof Ferdinand Sigg vertreten. Er wurde von einem brüderlichen Delegierten der Reformierten Kirche der Schweiz, Johannes Pfeiffer, begleitet. Am Freitag der Konferenz waren 38 amerikanische Heeresgeistliche in ihren Uniformen erschienen, die der methodistischen Kirche angehörten. Alle wurden mit ihrem Namen und den Orten, an denen sie in Deutschland stationiert waren, vorgestellt, damit die Delegierten der Konferenz für ihre Heimatgemeinde sogleich Kontakte aufnehmen konnten. Chaplain Finney und Chaplain James R. Smith sprachen das Plenum der Konferenz an. Als Vertreterinnen des Frauendienstes war Marie Völkner, Emma Huber und dessen Leiterin Luise Scholz anwesend. Neben ihnen die drei Oberinnen der Diakonissenmutterhäuser. Im Blick auf die zukünftige Hilfswerkarbeit ist zuerst der früher in Warschau tätige und unter der deutschen Besatzung gefangen gesetzte Gaither P. Warfield zu nennen, der jetzt die in New York angesiedelte methodistische Abteilung für Hilfe in Übersee (Overseas Relief) vertrat. Aus der Ökumene war der amerikanische Lutheraner Julius Bodensieck gekommen. Er war der Verbindungsmann des US-Federal Council zur amerikanischen Militärregierung und zu den deutschen Kirchen. In dieser Eigenschaft nahm er 1945 auch an der EKD-

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Kirchenversammlung von Treysa teil. Aus dem amerikanischen Hauptquartier in Berlin war der dort für freikirchliche Angelegenheiten zuständige Mennonit Dr. M. C. Lehmann anwesend. Aus dem Frankfurter Hauptquartier, Abteilung religiöse Angelegenheiten (Education and Religious Affairs – ERA), erschien Chaplain Kennedy. Die innerdeutsche Ökumene war vertreten durch Pfarrer Goebels und Stadtpfarrer Otto Fricke115 für die EKD. Ökumenisch beachtenswert ist, dass beide durch Handauflegung an der »Bischofsweihe« teilnahmen.116 Die Baptisten sandten ihren Bundesdirektor Paul Schmidt. Die Staatsregierung von Großhessen wurde durch Professor Spira repräsentiert. Aus Genf traf ein Telegramm von Hans Schönfeld ein, der »ein brüderliches Zusammenwirken an den Ökumenischen Studien« erhoffte.117 Ebenso schickte die Evangelische Gemeinschaft durch ihren Präsidenten Ernst Pieper ein Telegramm. Aus dem Ausland gingen Grüße aus New York (Bischof Herbert Welch), Dr. Ralph E. Diffendorfer und Dr. David Trickett, (Abteilung für Weltmission) ein, aus Bulgarien, Österreich, Polen, der Tschechoslowakei und Belgien von den dortigen methodistischen Kirchenzweigen. Gerade diese Grüße zeigen, dass die Verbindung zu den Methodisten, denen durch Deutschland unendliches Leid gebracht worden ist, nicht abgebrochen waren. Die methodistische Erklärung war durch Stewart W. Hermans Buch in den USA auch in der Öffentlichkeit weit verbreitet worden. Der Engländer Gordon Rupp erinnerte 1947 in einer Ansprache vor den Mitgliedern der methodistischen Konferenz in Delmenhorst (Oldb.) an die offizielle Frankfurter Erklärung. Er sagte nach der kurzen Erwähnung von Stuttgart 1945: »Im Dezember desselben Jahres haben wir, tief bewegt, die Erklärung der deutschen Methodisten-Gemeinden gelesen, worin sie ihre Solidarität mit ihrem Volke unter dieser lastenden Schuld bekennen. Viele von uns verstanden sehr gut, daß diese Erklärungen vor dem ›Angesicht Gottes‹ abgegeben worden sind und daß darin christliche Buße und Einmütigkeit […] ausgedrückt wurden.«118 In schwerster Zeit bewährte sich die methodistische innerkirchliche Konnexio und ihre ökumenische Gesinnung.

Neuwahl eines Bischofs Im Rahmen der Zentralkonferenz wurde Seminardirektor J. W. Ernst Sommer von allen Delegierten aus Ost und West zum Bischof gewählt. Am 10. November 115 Lic. Theol. Otto Fricke gehörte der vorläufigen Kirchenleitung in Hessen an und war für diesen Bereich Verbindungsmann zur Militärregierung. Er war gleichzeitig bis 1954 Bevollmächtigter für das Hilfswerk. 116 Bild in: Der Evangelist 97. Jg. (1946), Ausgabe v. 24. Nov. 1946, 6. – Lizenziert von der USNachrichtenkontrolle Nr. US-W-2003. 117 Verh. Zentralkonferenz der Methodistenkirche in Deutschland 1946 (Frankfurt/M.), Bremen 1946, 62 f. 118 E. Gordon Rupp, Unsere methodistische Einheit. In: Der Evangelist 98. Jg. (1947) 83.

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1946 erfolgte in einem Gottesdienst, der in der Frankfurter Dreikönigskirche gefeiert wurde, die Einführung in das neue Amt durch seine bischöflichen Kollegen aus den USA und Europa unter Mitwirkung einiger hiesiger Pastoren. Damit wurde ihm die Aufsicht über den deutschen Zweig der Kirche in West und Ost anvertraut. Die deutschen Methodisten hatten in ihm in einer Zeit des Umbruchs einen Bischof, dessen ökumenische Erfahrungen hinter keiner anderen kirchenleitenden Persönlichkeit in Deutschland zurückstand.119 Die Evangelische Gemeinschaft als zweite Wurzel der heutigen Evangelischmethodistischen Kirche hat trotz interner Diskussionen um die Schuldfrage kein öffentliches Wort formuliert. Warum es innerhalb der Evangelischen Gemeinschaft, die stets enge US-Beziehungen gepflegt hat, trotz dieser lebendigen Kontakte, nicht zu einer offiziellen Formulierung kam, lässt sich durch die historische Situation erklären, wenn man nicht nur auf Deutschland blickt. 1946 kam es in den Vereinigten Staaten zu einer Kirchenunion zwischen der in Deutschland Evangelische Gemeinschaft genannten Kirche und der United Evangelical Church (in Deutschland: Kirche der Vereinigten Brüder), die ihre Arbeit hier aber bereits 1905 beendet hatte.120 In den USA hatte diese ursprünglich deutschsprachige Kirche sich immer weiter assimiliert und die früher lebhafte Wirksamkeit unter deutschen Einwanderern fast eingestellt. Die Kirchen-Union von 1946 zur Evangelical United Brethren Church (EUB-Church) forderte alle Führungskräfte beider Kirchen. Wie sehr sich das auf den Kirchenzweig in Deutschland auswirkte, kann man auch daraus ersehen, dass der erste Besuch zweier US-Bischöfe erst Mitte 1947 erfolgte. Die Militärregierung hatte ihnen einen Aufenthalt von 20 Tagen genehmigt, an den sich ein Besuch in der Schweiz anschloss. Während dieser Begegnung haben die Prediger in der Schweiz im Rahmen einer Pastorenkonferenz eine »Erklärung« von der Leitung des Predigerseminars gefordert, welche die Verantwortlichen in Gegenwart der beiden aus Amerika angereisten Bischöfe George Edward Epp und John S. Stamm abgegeben haben. Reinhold Kücklich d. J. hat das durch ein persönliches Wort der Buße verstärkt.121 Auch die Gemeinden in der Schweiz, in der es keine Reisebeschränkungen für US-Bürger gab, hatten auf den Besuch ihrer Bischöfe als gesamtkirchlicher Vertretung lange warten müssen. Dieses verstärkt die Einschätzung, dass alle Kräfte für die Vorbereitung und Durchführung der Union von 1946 gebraucht wurden. Wäre ein Vertreter des US-Kirchenzweiges schon 1945 gekommen, wäre es unvorstellbar gewesen, ihm gegenüber kein bekenntnisartiges Wort zu sprechen.

119 Vgl. Kap. 2.8.6 120 Karl Heinz Voigt, Die Methodistenkirche in Deutschland. In: Karl Steckel/C. Ernst Sommer, Geschichte der Evangelisch-methodistischen Kirche, Stuttgart 1982, 85 – 112 (93 f.). 121 Texte in: Ulrike Schuler, Die Evangelische Gemeinschaft. Missionarische Aufbrüche in gesellschaftspolitischen Umbrüchen, Stuttgart 1998, 197 – 199.

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Stellungnahmen anderer Freikirchen122 Fast alle Freikirchen haben im Laufe der späteren Jahre Bekenntnisse veröffentlicht.123 Es deutete sich in Stuttgart durch die Ökumene und in den international vernetzten Kirchen an, dass durch Begegnungen die Einsicht in das Schuldigsein eher vor Augen trat als dies ohne eine internationale Verflochtenheit geschehen wäre. Das wird erhärtet durch die Weltgemeinschaft der Siebenden-Tags-Adventisten (STA). Schon an 21. April 1945 fand der amerikanische Militärarzt Orville MacAlpine in Frankfurt/M. Kontakte zu dem leitenden adventistischen Regionalleiter Albert Sachsenmeyer. Auf die Bitte des Arztes hin schrieb der Deutsche »einen Bericht über die Gemeinschaft der STA in Deutschland.«124 Diesen Bericht erhielt der ebenfalls zu den STA gehörenden Major J. C. Thompson, der in Berlin zur Abteilung für Education and Religion Affairs (ERA) gehörte. Thompson nahm zwischen den Adventisten in Deutschland und der Weltkirchenleitung in den USA mit der Übermittlung von gegenseitigen Informationen eine keinesfalls unkritische Brückenfunktion wahr.125 Johannes Hartlapp erwähnt, dass kurz nach dieser Information »bei der Generalkonferenz von verschiedenen Seiten weitere Berichte über die Situation in Deutschland ein[trafen].«126 Major D. M. Parker, ein anderer in die USA zurückgekehrter Offizier, berichtete mündlich. Der Eindruck lässt sich nicht von der Hand weisen, als hätten die Reverends der verschiedenen Denominationen einen Auftrag der Abteilung »Education and Religious Affairs« oder der »German Country Unit« gehabt, Informationen über die Lage ihrer Kirchen und des Lebens in Deutschland insgesamt an die Auftraggeber in der Heimat zu vermitteln. Die Umsetzung des kirchenpolitischen Ziels, Nazi-Anhänger und ihren Einfluss innerhalb ihrer Kirchen auszuschalten, scheint eine unauffällige begleitende Maßnahme gewesen zu sein, ohne dass sich amerikanische politische Verantwortungsträger – anders als in den Landeskirchen – in das kirchliche Leben einzumischen genötigt sahen. Der amerikanische Lutheraner Herman sammelte fleißig Stimmen und Eindrücke, die der frühere Geheimdienstler auch dem Office of Political Affairs der 122 Heinz Szobries, Schuldbekenntnisse aus dem Bund Ev.-Freikirchlicher Gemeinden und anderen Kirchen in Deutschland nach 1945. Elstal 2013. – Im Blick auf die 1948 erfolgende Bildung der ACK und das Zusammenfinden von Landeskirchen und Freikirchen mag es nützlich sein, spätere Mitglieds- und Gastkirchen dieser ökumenischen Gemeinschaft mit in den Blick zu nehmen. 123 Karl Heinz Voigt, Schuld und Versagen der Freikirchen im »Dritten Reich«. Aufarbeitungsprozesse seit 1945, Frankfurt/M. 2005 (Dokumentation mit 17 Quellentexten). 124 Johannes Hartlapp, Siebenten-Tags-Adventisten im Nationalsozialismus. KKR 53, Göttingen 2008, 477 f. 125 Ebd., 478, 480, 484 f, 487 f, 494, 505 f. 126 Ebd., 478. Dort weitere Hinweise auf andere Militärs, die aus Deutschland und Österreich berichteten.

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amerikanischen Militärregierung übermittelte. Vollnhals schreibt: »Robert Murphy, der politische Berater des State Department für General Eisenhower […] hielt die Berichte für so bedeutend, daß er sie zum großen Teil direkt an den amerikanischen Außenminister, James F. Byrnes sandte.«127 Es ist zu beobachten, dass andere Kirchen und kongregationalistisch organisierte Gemeindebünde, die kaum in verpflichtenden internationalen Zusammenhängen standen, erst später ihre Bekenntnisse formulierten: 1984 die Leitung des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten), 1995 die darbystischen Brüdergemeinden, 1995 die Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden und 2014 mit einer offiziellen Beschlussfassung seines Leitungsorgans auch der Bund Freier evangelischer Gemeinden. Obwohl die Leitung des Bundes Freier evangelischer Gemeinden heftig über eine Schulderklärung diskutiert hat, konnte sie sich nicht dazu durchringen, vor Gott und mit ihren Gemeinden für der Öffentlichkeit ein Wort der Buße zu sagen.128

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Besuche der Kirchen aus den USA und Großbritannien

Nach der Begegnung der Delegation des ÖRK mit dem Rat der EKD in Stuttgart, besuchten nationale Christenräte die Kirchen in Deutschland.

1.5.1 Besuch des ›Federal Council of Churches of Christ in America‹ Vom 28. November bis zum 7. Dezember 1945129 besuchte eine Delegation des amerikanischen Federal Council of Churches (FCC) die deutschen Kirchen. Ihr gehörten u. a. an: als Delegationsleiter der methodistische Bischof Bromfield G. Oxnam, zu dieser Zeit Präsident des FCC, der anglikanische Bischof Henry K. Sherrill, Vorsitzender der General Commission on Army and Navy Chaplains, und Franklin C. Fry, Präsident der United Lutheran Church of America und Mitglied der Abteilung für Wiederaufbau und Zwischenkirchliche Hilfe in Genf. Begleitet wurde die Gruppe vom erfahrenen Stewart W. Herman. Ihre Reise 127 Clemens Vollnhals, Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch, Göttingen 1988, XXXII. 128 Heinz-Adolf Ritter, Zur Geschichte der Freien evangelischen Gemeinden zwischen 1945 und 1995 – Teil 1. Dokumentiert und kommentiert. Christ sein Heute – forum Nr. 94/95, Witten, o. J. – Über innerkirchliche Probleme während der NS-Zeit vgl. auch: Hartmut Weyel, Otto Samuel. Ein Christ jüdischer Herkunft und FeG-Pastor. In: Weyel, Zukunft braucht Herkunft, 351 – 379; auch: BBKL, Bd. 31 (2010), Sp. 1172 – 1179. 129 Report of Deputation to Germany. In: Clemens Vollnhals, Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch, Göttingen 1988, 263 – 266.

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diente dem Zweck, Gemeinschaft zu den Kirchen in Deutschland herzustellen und die Lage der Kirchen zu erkunden. Sie wollten mit führenden kirchlichen Persönlichkeiten über deren Sichtweise der Wiederherstellung der Beziehungen und die Erneuerung des geistlichen Lebens sprechen. Schließlich hatten sie die Absicht, Möglichkeiten der Hilfe und des Wiederaufbaus mit den Abteilungen der amerikanischen Besatzungsmacht und deutschen Kirchenführern zu erörtern. Sie kamen auf ihrer Reise nach Frankfurt/M., Stuttgart, München, Nürnberg, Hof a. d. Saale und Berlin. Einen Abstecher ins Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar erwähnen sie in ihrem offiziellen Bericht nicht. Außer mit Bischof Wurm, Martin Niemöller, Hans Asmussen, Bischof Meiser und Bischof Dibelius trafen sie mit dem Münchener Michael Kardinal Faulhaber zusammen.130 Nach ihrer Rückkehr in die Heimat appellierte die Kommission an die eigene Regierung, den Kirchen und Hilfsorganisationen die Erlaubnis zu erteilen, Kleidung und Nahrungsmittel für die notleidende Bevölkerung und die Flüchtlinge bereitzustellen. Sie kritisierten die Methoden der Entnazifizierung, die durch die praktizierten Formen geeignet erschienen, das Vertrauen in die Demokratie in Frage zu stellen. Der Bericht der Reisegruppe spiegelt wider, wie klar eines ihrer Ziele die Organisation einer demokratischen und freien Gesellschaft in Deutschland war. Es sollte eine friedevolle Welt in Verbindung mit der Lehre und Verkündigung der Religion Jesu Christi131 erreicht werden. Um diesem problematischen, typischen amerikanischen Vorstellungen entsprechenden Ziel näher zu kommen, war nach ihrer Meinung der Krieg geführt worden. Damit lag der Delegationsbesuch ganz auf der Linie der Vorstellungen ihres Präsidenten Roosevelt. Während die ökumenische Delegation, die im Oktober in Stuttgart den Rat der EKD besuchte, durchgehend im Singular von »the German church« sprach, berichten die Amerikaner durchgehend im Plural über »the churches in Germany«. Nur einmal, als die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche gemeint war, verwendeten sie konsequent den Singular.

1.5.2 Besuch des ›British Council of Churches‹ Obwohl beide Nationalen Christenräte gleichzeitig in Deutschland, teilweise zur gleichen Zeit in Frankfurt/M. waren, ist von einer Begegnung nichts bekannt. Vier Engländer besuchten in Begleitung von Vertretern der englischen und 130 Zu Bischof Oxnams Begegnung mit Bischof Melle und dem Kirchenvorstand der Methodistenkirche, vgl. Kap. 1.4. 131 Ich habe diese typisch amerikanische Formulierung übernommen.

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amerikanischen Besatzungsmacht vom 28. Nov. bis zum 14. Dezember 1945 alle drei westlichen Zonen.132 Die Zusammensetzung der Delegation erfolgte vom British Council of Churches unter ökumenischen Gesichtspunkten: Der Anglikaner Robert Walter Matthews war Dean der St. Pauls Cathedral in London, Professor John Baillie nahm als schottischer Presbyterianer teil, Reverend Melbourn Evans Aubrey war Generalsekretär der Baptisten Union in England und vertrat die Freikirchen, Reverend Herbert M. Waddams, auch ein Anglikaner, nahm als deutschsprachiger Generalsekretär für Auswärtige Beziehungen des British Council of Churches an der Reise teil, die teilweise von Glatteis und Schneeverwehungen behindert war. Einige ökumenische Schlaglichter zeigen die unterschiedliche Rolle der Einheitsbewegung in beiden Ländern. Im total zerstörten Kiel hat Wilhelm Halfmann, der später lutherischer Bischof wurde, den Gästen die Probleme geschildert, die sich für ihn durch den Umstand ergaben, dass aus dem Osten gekommene Pastoren zur Unierten Kirche aus der Preußischen Union im Gebiet einer lutherischen Kirche Zuflucht und Anstellung suchten. Liturgische Praxis und theologischen Ansichten divergierten. In Berlin wurde der ökumenische Horizont weiter gespannt als in allen anderen Städten. Die Stadt entwickelte sich zu einem ökumenischen Zentrum. Das früher erwähnte ökumenische Memorandum aus Genf, in dem Bischof Dibelius der Gedanke eines ökumenisch zusammengesetzten Wiederaufbau-Komitees für Berlin nahegelegt wurde, zeigte längerfristig Wirkung. Die britische Kommission traf bereits am ersten Tag ihres Besuchs in der Hauptstadt mit Protestanten, Katholiken und Orthodoxen zusammen. Aus den Berliner Kirchen waren prominente Vertreter zu einer »tea-party« erschienen: Martin Albertz, Eberhard Bethge, Hans Böhm, Heinrich Grüber, Gerhard Jacobi, die alle prominente Landeskirchler waren, aus der römisch-katholischen Kirche war es Peter Buchholz in Begleitung von Caritasdirektor Pfarrer Wilhelm Albs. Albs war seit 1943 Gefängnisseelsorger in Berlin-Plötzensee und gehörte zu dieser Zeit mit Propst Grüber zusammen dem Beirat für kirchliche Angelegenheiten beim Magistrat der Stadt Berlin an. Die Freikirchen wurden durch Bischof F. H. Otto Melle und Ernst Scholz von den Methodisten und durch den Baptisten Jakob Meister vertreten. Am nächsten Tag, dem 1. Advent, predigten alle Kommissionsmitglieder: der anglikanische Dean in englischer Sprache in der Garrison Church, Waddams sprach auf Bitten von Propst Grüber die Gemeinde in der Marienkirche an, Aubrey predigte in einer baptistischen Gemeinde im Ostsektor und leitete abends einen Gottesdienst im methodistischen Wesleyhouse in 132 Zwei umfassende Berichte wieder in: Clemens Vollnhals, Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch, Göttingen 1988, 266 – 296. Einer davon wurde von Arthur Cotter verfasst, der die Delegation als Mitarbeiter der Control Commission for Germany (British Element) (CCG) begleitete, der er auch seinen Bericht übergab.

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Spandau. Zwischenhinein fand am Nachmittag ein ökumenischer Gottesdienst in Zehlendorf statt. Propst Böhm, der methodistische US-Chaplain Albright und der orthodoxe Erzbischof Alexander wirkten darin mit. Die Engländer sahen in diesem Gottesdienst ein ermutigendes Zeichen der ökumenischen Bewegung. Am nächsten Tag traf sich die britische Gruppe mit Bischof Dibelius und anderen kirchlichen Mitarbeitern. Der Berichterstatter hielt fest, dass die Diözese von Dibelius zwar Berlin und Brandenburg umfasste, er sich aber als »presiding Bishop of the Russian zone« darstellte.133 In der Tat hat er sich bei allen ökumenischen Begegnungen für die Menschen eingesetzt, die dort unter besonders schwierigen Bedingungen lebten oder mit der Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Heimat aus den östlichen Nachbarländern in die Sowjetisch Besetzte Zone (SBZ) geflüchtet oder vertrieben waren. Die Berliner ökumenische Erfahrung war einer besonderen Darstellung wert, weil sich Gleiches weder in Frankfurt, noch in Hamburg oder Tübingen, wo es neben den landeskirchlichen auch überall freikirchliche Gemeinden und Pastoren gab, wiederholte. Lediglich in Baden-Baden, damals zur französischen Zone gehörig, nahmen an den Begegnungen Protestanten, Katholiken und Orthodoxe teil. Zum Ende des britischen Besuchs kam es am 13. Dezember im Rahmen einer EKD-Ratssitzung in Frankfurt/M. zu einer Begegnung.134 Der Vorsitzende Bischof Wurm begrüßte die Gäste als »Vertreter der ausländischen Kirchen«. In seiner ersten Reaktion sprach Dean Matthews ausdrücklich als Vertreter des British Council of Churches. Der Besuch verfolge »keinen politischen Zweck oder Auftrag. Sein Ziel sei vor allem, den Kontakt zwischen den evangelischen Kirchen in England und Deutschland wiederherzustellen.« Es fand ein offenes Gespräch statt. Der schottische Vertreter Professor Baillie machte gegenüber den Ratsmitgliedern keinen Hehl daraus, dass es nicht immer leicht sei, die deutschen Vorstellungen in den früher in den Krieg verwickelten Ländern zu vertreten. Die öffentliche Meinung in England und Amerika werde in Deutschland von den führenden Vertretern der Kirche nicht immer realisiert. Er selber habe die USA, Holland, Belgien und Frankreich besucht und die in Deutschland Verantwortlichen müssten die strengen anti-deutschen Gefühle, die dort existieren, verstehen. Nach der zweiten EKD Ratssitzung in Stuttgart war nun zur dritten in Frankfurt/M. wieder eine ökumenische Delegation erschienen. In der Führungsetage der Deutschen Evangelischen Kirche wäre es vor dem Krieg wohl kaum möglich gewesen, dass ein offenes Gespräch zwischen Lutheranern, Re133 Arthur Cotter, Report on the Visit of the Delegation of the British Council of Churches. In: Clemens Vollnhals, Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch, Göttingen 1988, 266 – 286 (276). 134 Prot. EKD-Rat am 13. 12. 1945, Bd. 1, 152 f. Daraus das folgende Zitat.

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formierten und Unierten mit britischen Anglikanern, einem Presbyterianer und einem Baptisten stattgefunden haben könnte. Die gegenseitige ökumenische Annäherung erfolgte zunächst in Riesenschritten und war keinesfalls mit der von nationaler Abgrenzung bestimmten Lage in früherer Zeit zu vergleichen. Allerdings dauerte es bis zum Abschluss der Meissener Erklärung, die Kanzelund Abendmahlsgemeinschaft zwischen den Gliedkirchen der EKD und den Anglikanischen Kirchen anstrebt, noch bis zum 29. Januar 1991. Bei den Besuchen ökumenischer Delegationen war im Jahr 1945 die römischkatholische Kirche noch nicht durch einen Bischof vertreten. Das änderte sich jedoch bald.

1.5.3 Ökumenischer Gottesdienst mit römisch-katholischem Bischof Ellis Auf Anregung des russischen Erzbischofs Alexander schlug Bischof Dibelius nach dem frühen Ökumenischen Gottesdienst im Oktober 1945 vor, viermal jährlich einen gemeinsamen Gottesdienst zu feiern.135 Einer davon fand am 27. Oktober 1946 in der Marienkirche statt. Daran war wieder eine hochrangige Delegation englischer Kirchenführer beteiligt. Der Lordbischof von Chichester, George Bell, leitete diese Delegation. Er hielt wieder die Predigt. Die Gäste hatten den Auftrag, die Entwicklung der Verhältnisse in Deutschland seit der Kapitulation zu beurteilen. Neu war, dass diesmal der englischen Gruppe ein hoher Repräsentant der römisch-katholische Kirche angehörte. Es war Edward Ellis, Bischof von Nottingham.136 Die in ihre Länder zurückkehrenden Teams haben durch ihre persönlichen Eindrücke zunächst in den nationalen Christenräten, aber auch in den ihnen angeschlossenen Kirchen und Gemeinden sowie in den Ländern geholfen, die öffentliche Meinung positiv zu beeinflussen. Das war auch im Interesse der dortigen Kirchen, denn je mehr Verständnis die Menschen für die verheerenden Verhältnisse in Deutschland aufbrachten, um so lieber haben sie ihre Gaben für die umfassenden kirchlichen und anderen Hilfsaktionen gespendet. Für den kirchenleitenden Rat der EKD und dessen Mitglieder waren die Begegnungen auch weiterführende Erfahrungen. Sie sahen, wie die organisierte Ökumene innerhalb der verschiedenen Länder funktionierte, ganz egal, ob sie sich auf dem 135 Dokument Nr. 15: Lieselotte Bessert am 10. 12. 1945 – »Ökumenische Gottesdienste in Berlin«. In: Kurt Anschütz, Befreiung – Besetzung – Versöhnung, Berlin 2001, 58 f. 136 Zeitungsberichte zum Besuch: Der Abend (Berlin) vom 28. 10. 1946 (»zuviel geschwiegen…«); Neue Zeit (Berlin) vom 29. 10. 1946 (Deutschland in seinen Nöten); Tagesspiegel (Berlin) vom 29. 10. 1946 (Hilfe durch das Christentum); Telegraf (Berlin) vom 29. 10. 1946 (Heilung für Deutschland); Hamburger allgemeine Zeitung (Hamburg) vom 29. 10. 1946 (Englischer Bischofsbesuch in Hamburg).

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Boden des amerikanischen Freikirchentums entwickelt hatte oder ob es sich um eine Mischung aus territorialem Staatskirchentum mit der Kirche von England, den Dissentern und der Methodistenkirche handelte, die sich ausdrücklich nicht als Kirche im Dissens verstand. Ökumene war möglich, ja sie war in der Nachkriegsnothilfe unverzichtbar. Die Stockholmer These von 1925, die Einheit im praktischen Handeln propagiert hatte, gewann nun eine reale Bedeutung. Aber wenn die Ökumene ein tragfähiges Fundament finden sollte, dann waren auch »Glauben und Kirchenverfassung« zu diskutieren. Das kommende Amsterdamer Thema »Die Unordnung der Welt und Gottes Heilsplan« fasste beide Stränge zusammen. Es war so formuliert, dass es von den Kirchen und Christen in ihren sehr unterschiedlichen Lagen akzeptiert werden konnte.

1.6

Die erste offizielle ökumenische Dienststelle in Deutschland: die Ökumenische Centrale

Der noch Vorläufige Ausschuss des Ökumenischen Rates ergriff bei seiner ersten Nachkriegstagung die Initiative und fasste den Plan zur Organisation einer »Oekumenischen Centrale« in Deutschland. Sie wurde das erste offizielle ökumenische Büro in unserem Land. Auf Betreiben von Hans Schönfeld, der seit 1929 für die Genfer Ökumene tätig war137, wurde im Einvernehmen mit dem damaligen EKD-Ratsvorsitzenden, Bischof Wurm, und mit der finanziellen Unterstützung amerikanischer Kirchen diese »Centrale« eingerichtet. Genf hatte dabei drei Aspekte im Blick: Es sollte in Deutschland eine Art Außenstelle installiert werden, denn die Zusammenarbeit mit den Kirchen in Deutschland war teilweise völlig neu zu organisieren. Dazu war gerade in dieser Zeit mit Einschränkungen im Telefon- und Postverkehr, aber auch eingeschränkten Reisemöglichkeiten, eine solche Kontaktstelle unersetzlich. Weiter wollten die Genfer Ökumeniker nicht auf die Mitarbeit der deutschen Kirchen – auch im Hinblick auf die Vorarbeiten für Amsterdam 1948138 – verzichten, und schließlich war es gerade in Deutschland notwendig, einen Weg zur Einbeziehung der Freikirchen zu finden. Man zielte darauf hin, mit dem neuen Büro

137 Dr. rer. pol. Hans Schönfeld war seit 1929 wissenschaftlicher Assistent am [ökumenischen] Internationalen Sozialwissenschaftlichen Institut in Genf. Dieses Institut wurde 1931 in die Studienabteilung des Ökumenischen Rates für Praktisches Christentum umgewandelt, dessen Direktor Schönfeld bis 1946 war. 138 Der ÖC-Leiter Wilhelm Menn sorgte für die Herausgabe von sechs (!) Vorbereitungsbänden für die konstituierende Weltkonferenz in Amsterdam, in denen Aufsätze zum Gesamtthema »Die Unordnung der Welt und Gottes Heilsplan« auf dickem Nachkriegspapier veröffentlicht wurden.

Die erste offizielle ökumenische Dienststelle in Deutschland

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»angesichts der völlig veränderten Gesamtlage den Schritt zu einer ›ökumenischen‹ Behandlung ökumenischer Aufgaben durch planmäßige Zusammenarbeit mit den ökumenisch orientierten Freikirchen zu tun, also ein Organ zu schaffen, das als solches nicht einzelkirchlichen Charakter trüge.«139

Innerhalb der EKD war die Zuordnung der Ökumenischen Centrale (ÖC) nach dem Erstarken ihres Kirchlichen Außenamtes nicht geklärt. Dessen Leiter, Martin Niemöller, betrachtete die ÖC schon früh »als einen Teil des [Kirchlichen] Außenamtes.« Es gab verschiedene Versuche, das Verhältnis zu klären. Aus dem Außenamt wurde der Vorschlag gemacht, »die ökumenischen Aufgaben des Außenamtes an die Oekumenische Centrale zu delegieren.« Damit konnte Niemöller nicht einverstanden sein, denn dies hätte seine Position innerhalb der EKD geschwächt. Ein anderer Vorschlag, der in einem Papier von 1951 auftauchte, war, »die Oekumenische Centrale als solche verschwinden zu lassen und ihre Arbeit ganz in das Außenamt zu übernehmen.«140 Der Autor des Papiers hat das Nebeneinander von Kirchlichem Außenamt und ÖC allerdings »keineswegs als Luxus« angesehen und eine gute Zusammenarbeit konstatiert. Über die Praxis führte er aus: »Die Arbeitsteilung ergibt sich aus der bisherigen Entwicklung und sachlichen Erwägungen zwanglos derart, dass dem Kirchlichen Außenamt in erster Linie die Pflege der offiziellen Beziehungen zwischen EKD und Oekumenischem Rat bzw. den Kirchen des Auslands zufällt, während die Oekumenische Centrale vornehmlich die Aufgabe hat, einmal die Kenntnis und das Verständnis der ökumenischen Bewegung innerhalb unseres Landes zu fördern – hierher gehört die seit Jahren in regionalen Arbeitstagungen durchgeführte planmässige Schulung eines verantwortlichen Mitarbeiterkreises aus allen Kirchen –, sodann aber die gesamte Studienarbeit zu treiben, wie sie in engem Zusammenhang mit den Studienorganen des Oekumenischen Rates geschieht, – Bildung von Studiengruppen, deren Versorgung mit ökumenischem Studienmaterial141, Veranstaltungen von Studienkonferenzen, dies alles unter Kontrolle des Deutschen ökumenischen Studienausschusses142.«143

139 Wilhelm Menn (?), Über die Zukunft der Oekumenischen Centrale. Eine namentlich nicht gezeichnete Stellungnahme aus dem Jahr 1951, die offensichtlich der Kirchenkonferenz der EKD vom 7. März 1951 in Hannover vorgelegt wurde. (Wilhelm Menn (1888 – 1956), Leiter der ÖC, schrieb am 27. 2. 1951 dazu einen Begleitbrief an den Stuttgarter OKR Seiz [!]). In: LKA Stuttg. A 126 Nr. 1219. Freikirchen, Handakten von OKR Otto Seitz 1949 – 51.) 140 Wie die vorherigen Zitate: ebd. 141 Die ÖC hatte das gesamte mehrbändige Vorbereitungsmaterial für die Amsterdamer Weltkonferenz von 1948 publiziert. In dem Band über Die Ordnung Gottes und die Unordnung der Welt war auch ein Beitrag von J. W. Ernst Sommer über »Die Ökumene im eigenen Lande« aus freikirchlicher Sicht veröffentlicht (23 – 28). 142 Zum Deutschen Ökumenischen Studienausschuss (DÖSTA) vgl. Kap. 1.10. 143 Wilhelm Menn (?), Über die Zukunft der Oekumenischen Centrale, 1951.

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Zeit der ACK-Anfänge und Weichenstellungen

Hier wird bereits eine Entwicklung erkennbar. Die EKD nahm wieder mehr und mehr die Dinge in die Hand, und die ÖC war nicht mehr mit dem Internationalen befasst, sondern hatte sich auf die Entwicklung der innerdeutschen Ökumene beschränkt. Eine spätere Satzung der ACK hat die oben genannten Aufgaben der Ökumenischen Centrale in sieben Punkten festgeschrieben.144 In einer kritischen Bilanz zur Arbeit der ACK bestätigt der Baptist Hans Luckey diese Aufgabe der ÖC als Institut der nationalen »zwischenkirchlichen Ökumene«.145 Die rechtliche Entwicklung innerhalb der EKD war ihm offensichtlich nicht bekannt. Schon am 30. September 1948 fasste der Rat der EKD in Bethel folgenden Beschluss: »Die Ökumenische Centrale wird in die EKD, und zwar in das Kirchliche Aussenamt rechtlich eingegliedert. Als Arbeitsausschuss [!] fungiert für die Oekumenische Centrale die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland, die den Arbeitsplan festlegt, den Haushaltsplan berät und vorschlägt und für die Aufbringung der nötigen Mittel sorgt.«146

Dieser Beschluss lag ganz im Interesse Niemöllers, der gegenüber Gerstenmaier als Bevollmächtigtem des Hilfswerks seine Position verteidigen musste, um nicht in Genf in seiner Rolle geschwächt zu sein. Dazu brauchte er auch die ÖC unter seiner Regie.147 Nachdem den Genfer Gründern der ÖC die rechtliche Eingliederung in die EKD mitgeteilt worden war, meldete der dortige Ökumenische Pressedienst (ÖPD), dass die ÖC »nunmehr von der ›Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland‹ (einer Dachorganisation, der die meisten Kirchen in Deutschland, außer der Römisch-Katholischen angehören) als offizielles Organ dieser Arbeitsgemeinschaft bestätigt [sei].« Aus Genfer Sicht wird die ÖC, »wie ähnliche Institute in anderen Ländern« die ökumenische Arbeit in Deutschland fördern. Der Leiter, Pfarrer Wilhelm Menn, werde »um eine enge Zusammenarbeit mit dem ökumenischen Referat im Kirchlichen Außenamt der EKD bemüht sein.« In dieser Weise hat die ACK »…nunmehr die Verantwortung für diese Arbeit übernommen.«148 Tatsächlich war die ÖC rechtlich und organisatorisch in das Kirchliche Außenamt der EKD eingegliedert. Neben der ÖC war später die von Professor Jürgen W. Winterhager als Se144 Hanfried Krüger, Ökumenische Centrale. In: Ökumene Lexikon, Frankfurt/M. 1983, Sp. 899. 145 Hans Luckey, Zwei Jahrzehnte deutscher Ökumene aus freikirchlicher Sicht. In: KJ 1967 hg. v. Joachim Beckmann, 94. Jg. Gütersloh 1969, 371 – 416 [373]. 146 Prot. EKD-Rat Bd. 2I, 563 (Änderungen, 591). 147 Die rechtliche Anbindung an die EKD erklärt auch, warum in der ersten Satzung der ACK die ÖC gar nicht auftaucht. – Vgl. Prot. EKD-Rat, Bd. 2, 377 f. 148 »Oekumenische Centrale« bestätigt. Pressemeldung des Oekumenischen Pressedienstes, Genf, veröffentlicht in: Amtsblatt der Methodistenkirche 1. Jg. (1948), Nr. 13 (November 1948), 3.

Die erste offizielle ökumenische Dienststelle in Deutschland

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kretär geleistete Arbeit des Ökumenischen Ausschusses für den mittleren und östlichen Raum Deutschlands zu beachten, dessen Wurzeln ebenfalls auf Genfer Anregungen zurückgehen und an dem der Berliner Bischof O. Dibelius ein lebhaftes Interesse hatte. Es stimmt etwas nachdenklich, dass gerade diese Arbeit in der Sowjetisch Besetzten Zone durch die amerikanischen Religious Affairs Branches großzügig gefördert wurde. Ausgelöst war 1951 die Debatte um die ÖC durch die finanzielle Entwicklung. Die deutschen ACK-Mitgliedskirchen sollten jetzt die bisher von Genf getragenen Kosten selber übernehmen. In dem erwähnten Bericht wird zu bedenken gegeben, »ob es der Sache entspricht, wenn die EKD, wie in dem Verteilungsplan der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen vorgesehen, lediglich 80 % der Kosten übernimmt, sei dahingestellt. Das Zahlenverhältnis zwischen dem Mitgliederbestand der EKD und dem der Freikirchen dürfte eine andere Verteilung nahe legen.«149 Die Diskussion um die Oekumenische Centrale zeigte schon früh, dass die von Genf ausgehenden Initiativen nicht für eine dauerhafte ökumenische Aufbruchstimmung sorgen konnten und die freikirchlichen Hoffnungen sich nicht erfüllten. Die ÖC wurde eine Abteilung des Kirchlichen Außenamtes der EKD mit beschnittenen Aufgaben. Eine nachhaltige Veränderung trat erst ein, als 1974 die römisch-katholische Kirche Mitglied in der ACK wurde. Deren Beitritt hatte genug Gewicht, um die ÖC aus dem Verbund mit dem Kirchlichen Außenamt herauszulösen. Pfarrer Wilhelm Menn, der erste Leiter der Frankfurter ÖC, war schon früh ökumenisch engagiert und freundschaftlich mit dem in Genf tätigen Hans Schönfeld verbunden. Er gab bald nach der Vollversammlung in Amsterdam 1949 einen »Oekumenischen Katechismus«150 mit 60 Fragen und Antworten heraus. In der Literaturübersicht erfasste er auch frühe katholische Ökumeniker wie Arnold Rademacher und Max Pribilla.151 Menn hat zur Bildung der innerdeutschen Ökumene durch sein vorurteilsfreies Wirken gerade gegenüber den Freikirchen viel beigetragen.

149 Wilhelm Menn (?), Über die Zukunft der Oekumenischen Centrale, 3. 150 Wilhelm Menn, Ökumenischer Katechismus. Eine kurze Unterweisung über Werden und Wesen der Ökumene. Verfasst und im Auftrag der ACK herausgegeben, Stuttgart 1949. 151 Ökumenischer Katechismus, 45 u. 46. Zu Max Pribilla und Arnold Rademacher : Jörg Ernesti u. a. Hg., Personenlexikon Ökumene, Freiburg 2010, 182 f u.185 f.

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1.7

Zeit der ACK-Anfänge und Weichenstellungen

Das Hilfswerk der EKD und die Hilfswerke der Freikirchen152

Am Anfang standen sich zwei Konzepte gegenüber. Eugen Gerstenmaier glaubte, zusammen mit der weltweit vernetzten Römisch-katholischen Kirche ein Selbsthilfewerk der Deutschen Kirchen, also ein nationales Hilfswerk der beiden maßgeblichen Kirchen aufbauen zu können. Das war wenig realistisch gedacht. Stewart W. Herman und Hans Schönfeld warben mit den Genfern für ein Hilfswerk, das von der internationalen protestantischen Ökumene getragen wurde. Es ist in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass Bischof Dibelius in Berlin schon im August 1945 aufgrund einer Empfehlung aus dem ÖRK einen Berliner Ausschuss für Wiederaufbau und kirchliche Hilfsaktionen gebildet hat. Auch gesamtkirchlich setzte sich das ökumenische Modell durch. Es lag nicht daran, dass Bischof Wurm als Ratsvorsitzender seit Treysa auch Präsident des Hilfswerks war und am längeren Hebel saß. Die ökumenische Variante war eine Lehre aus den Erfahrungen nach dem Ersten Weltkrieg. Damals hatte es eine internationale innerkirchliche Hilfe gegeben, Lutheraner halfen Lutheranern, Reformierten den Reformierten. Dadurch haben die kleinen methodistischen Zweige in Europa ungleich viel mehr Hilfe verteilen können, die sie von ihrem großen Partner in Amerika bekamen, als die großen europäischen Kirchen. Der Schweizer Pfarrer Adolf Keller empfand das als problematisch und versuchte – allerdings mit geringem Erfolg – durch die 1922er Bethesda-Konferenz in Kopenhagen und eine anschließend gebildete Europäische Zentralstelle für kirchliche Hilfsaktionen eine Änderung herbeizuführen.153 Diese Zentralstelle, die damals schon wie eine europäische Außenstelle des amerikanischen nationalen Federal Council of Churches wirkte, wurde 1944 in den Ökumenischen Rat überführt und am 12. Oktober 1945 in die neu gebildete Abteilung für Wiederaufbau und zwischenkirchliche Hilfe integriert. Eine Struktur für den Aufbau einer nach dem Zweiten Weltkrieg wieder notwendigen Arbeit hatte Adolf Keller schon 1943 entwickelt. Darin tauchen bereits Begriffe auf, die nach 1945 in den offiziellen Sprachschatz des ÖRK übergingen: Rekonstruktionsabteilung, Hilfswerk und Wiederaufbauabteilung.154 Die Überlegungen Kellers waren übrigens auch in Deutschland bekannt, wie ein 1943 dazu geführter Schriftwechsel

152 In den bisher erschienenen kirchengeschichtlichen Übersichten, die die Zeit nach 1945 behandeln, ist die Gründung des Hilfswerks und besonders dessen ökumenische Bedeutung kaum beachtet. Daher ist eine etwas umfassendere Darstellung angebracht. 153 Vgl. Bd. 1, 139 – 147. Auch: Marianne Jehle-Wildberger, Adolf Keller (1872 – 1963). Pionier der ökumenischen Bewegung, Zürich 2008, 183 – 258. 154 Adolf Keller, Ein Allgemeines Schema zur Möglichkeit der Einfügung der Rekonstruktionsund Hilfsaufgaben in den Oekumenischen Rat. In: DENKSCHRIFT über den Wiederaufbau und zwischenkirchliche Hilfe. Genf Ende Juli 1943. EZA 5/242, 16.

Das Hilfswerk der EKD und die Hilfswerke der Freikirchen

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zwischen Bischof Hans Meiser und Bischof Theodor Heckel, dem Leiter des Kirchlichen Außenamts in Berlin, zeigt.155 In Treysa wurden, durch die Anwesenheit der Genfer Gäste, die Weichen in Richtung eines ökumenischen Hilfswerks gestellt. So, wie die Gaben in den angelsächsischen Ländern in ökumenische Kanäle eingespeist wurden, mussten sie auch in den Empfängerländern ökumenisch ausgegeben werden. Solche ökumenischen Verteiler gab es in Deutschland nicht. Daher war es ein weitreichender Beschluss, als nach der Bildung eines Rates der EKD noch in Treysa unter dem Einfluss von Genfer Tagungsteilnehmern die Organisation eines Hilfswerks beschlossen wurde. Einem Nationalen Wiederaufbauausschuss der Evangelischen Kirche sollten Vertreter der Landeskirchen, der Inneren Mission und der Freikirchen angehören. Dieser Ausschuss sollte der Deutsche Zweig des Wiederaufbauwerkes des Ökumenischen Rates sein.156 Schon unter dem 31. August 1945 hat Bischof Wurm den Landeskirchenleitungen den Beschluss der Organisation eines Hilfswerks unter Gerstenmaiers Leitung mitgeteilt. In dem Brief wird von Anfang an dessen ökumenische Dimension vermittelt, wenn es heißt: »Die dem Ökumenischen Rat der Kirchen angehörenden deutschen Freikirchen157 sind eingeladen, ihre bevollmächtigten Vertreter zu entsenden, um den Nationalen Wiederaufbau-Ausschuß des gesamten im Ökumenischen Rat vertretenen deutschen Kirchentums zu bilden. Der Nationale Wiederaufbau-Ausschuß der dem Ökumenischen Rat angehörenden deutschen Kirchen stellt den deutschen Zweig des Wiederaufbauwerkes des Ökumenischen Rates der Kirchen dar.«158

155 Briefe vom 16. Okt. 1943 (Meiser) und vom 4. Dez. 1943 (Heckel). EZA 5/242. 156 Johannes M. Wischnath, Kirche in Aktion. Das Evangelische Hilfswerk 1945 – 1957, Göttingen 1986, 79. 157 Die Formel »die dem ökumenischen Rat angehörenden Freikirchen« ist kurzzeitig eine Art Vorläufer der später sog. ACK-Klausel (vgl. z. B. auch: Prot. EKD-Rat, Bd. 1, 280), obwohl Genf von Anfang an diese Einschränkung auf die Zugehörigkeit zum ÖRK zurückgewiesen hatte. Z. B. auch: Eberhard Müller (1906 – 1989), der am 13./14. Dezember 1945 in der Sitzung des Rates der EKD für die »Studentenarbeit« den Landeskirchen »ihre Zuständigkeit« sichern wollte. In einer Vorlage zur »Neuordnung der Evangelischen Studentengemeinde« (ESG) wurden nicht nur »alle der evangelischen Kirche angehörenden Studenten« als Mitglieder der ESG angesehen, sondern »auch alle Studenten, die einer dem Ökumenischen Rat der Kirchen angeschlossenen Freikirchen angehören, haben in ihr Heimatrecht.« Zur Vorläuferorganisation der ESG, die am Ende des 19. Jahrhunderts als Deutsche Christliche Studentenvereinigung (DCSV) gebildet wurde, und die mit dem Christlichen Studentenweltbund in Verbindung stand, hatten die Freikirchen von Anfang an lebhafte Beziehungen (Vgl. Bd. 1, 72 – 75). Nicht die Mitarbeit also war neu, sondern die kirchliche Einbindung mit ökumenischer Offenheit. 158 Rundschreiben Bischof Wurms an die Leitungen der evangelischen Landeskirchen, die Verbände der Inneren Mission u. a. In: Prot. Rat-EKD, Bd. 1, 16. – Tatsächlich gab es eine Mitgliedschaft erst nach der Bildung des ÖRK 1948, aber in den bereits bestehenden National Councils arbeiteten die methodistischen Kirchen selbstverständlich mit, beson-

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Die Verantwortung für den Aufbau des Hilfswerks wurde Eugen Gerstenmaier in Treysa übertragen. Man wird ihm kein Unrecht tun, wenn man ihn als einen streitbaren und fast machtbesessenen Politiker charakterisiert, bei dem »Streit und Friede« ihre Zeit hatten.159 Seine Lage war nicht einfach. Zuerst musste er sich von seinem schon während des Krieges erwogenen Lieblingskonzept eines »Selbsthilfewerks« der beiden in Deutschland großen Kirchen verabschieden. Nach seiner Berufung zum Leiter des Hilfswerks hatte er in Genf in Konkurrenz zu Martin Niemöller, der dort aufgrund seines Einsatzes im Kirchenkampf ein hohes Ansehen genoss, um seine Anerkennung zu ringen. In Deutschland führte er einen langen Kampf, um die Rechtsstellung des Hilfswerks in seinem Verhältnis zur EKD zu klären. War es unter seiner Leitung selbständig oder stand es nach den Entscheidungen von Treysa unter der Aufsicht des Ratsvorsitzenden? War es ein Werk innerhalb der rechtlich noch zu bildenden EKD oder konnte man es gar von dem früheren DEK-Recht her legitimieren? Und wie konnte die eigenständige Hilfswerkarbeit gegenüber der traditionell auf diesem Gebiet tätigen Inneren Mission begründet werden? In dieses ganze Gewirr von Fragen kam nun auch noch die völlig ungewohnte Situation, neuerdings mit Freikirchen als eigenen Körperschaften des öffentlichen Rechts zusammenarbeiten zu müssen. Gerstenmaier als Realpolitiker nahm die Mitarbeit der Freikirchen an und spielte sie in seinem Interesse gegen die EKD-Ansprüche aus, in deren Hand nach der freikirchlichen Mitgliedschaft nicht mehr die alleinige Aufsicht liegen konnte. Darauf wird später noch einzugehen sein.

1.7.1 Hilfswerk und Wiederaufbau – ein ökumenisches Lernfeld In der nahezu einhundertjährigen Geschichte der methodistischen Kirchen in Deutschland hatte es noch keine gemeinsame Arbeit in Ausschüssen unter Beteiligung von Landes- und Freikirchen gegeben.160 Es standen Vorurteile im Raum, die sich hartnäckig hielten. Noch 1931 wurden in wissenschaftlichen Darstellungen Bischöfliche Methodisten, Evangelische Gemeinschaft, selbst die Brüder-Unität als »Sekten« bezeichnet.161 Manchmal ist auch die Sprache schon vielsagend. 1946 berichtete Bischof Meiser dem Rat der Ev.-Lutherischen Kirche Deutschlands über eine Welttagung der Lutheraner in Lund und die dortige Lage ders in den USA sogar führend. – Ferner ist zu bemerken: Die methodistischen Kirchen haben sich nicht als »deutsche Kirchen« (Wurm) verstanden, sondern als Kirchenzweige, die »in Deutschland arbeiten«. 159 Eugen Gerstenmaiers 1981 veröffentlichter autobiographischer »Lebensbericht« trägt den Titel Streit und Friede hat seine Zeit. 160 Die Begegnungen zuerst in der Evangelischen Allianz, danach im Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen hatten kirchenrechtlich keine Relevanz. 161 Gustav Krüger (Hg.), Handbuch für Kirchengeschichte für Studierende, Bd. 4, 1913, 19312.

Das Hilfswerk der EKD und die Hilfswerke der Freikirchen

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der Kirche. »Die Freikirchen«, hielt das Protokoll fest, »machen sich überaus breit und fressen sich in das Fleisch der Landeskirchen ein.«162 Und den nicht im Sinne Bischof Meisers auf den Bekenntnisschriften stehenden Württembergern, die sich am Ende nicht der VELKD angeschlossen haben, stellte er die Frage: »Wie wollt ihr eure Gemeinden vor dem Eindringen des Methodismus, des Baptismus, des Adventismus und anderer Sekten schützen, die heute lauter denn je an eure Kirchentüren pochen […]?«163 Wenn nach Treysa die Freikirchen zur Mitwirkung in der Hilfswerkarbeit eingeladen wurden, ist damit eine unerwartete Weichenstellung erfolgt. Zwei Aspekte fallen auf: (1) Die klare Strukturierung der zukünftigen Arbeit, die trotz aller Vorbehalte schon im August/September 1945 erfolgte, war nur durch die Vorgaben aus Genf realisierbar. (2) Mit seinem Brief an die Landeskirchen nach der ersten Tagung hat der neue Ratsvorsitzende erstmals eine breite Basis für einen gemeinsamen kirchlich-ökumenischen Arbeitszweig in ganz Deutschland akzeptiert.164 Im Grunde handelte es sich im Wiederaufbau-Ausschuss nicht um eine EKD-Abteilung, sondern um einen in Deutschland wirkenden Arbeitszweig der Genfer Ökumene, allerdings in der Praxis verantwortlicher Partnerschaft ohne Beteiligung von Vertretern aus Genf. Das Hilfswerk war für die kommende innerdeutschen Ökumene ein starker – allerdings aufgenötigter – Impuls und ein Übungsfeld. Als Gerstenmaier auf Veranlassung von Bischof Wurm vor der Aufgabe stand, »die dem Ökumenischen Rat angehörenden Freikirchen« zur Teilnahme am Wiederaufbau-Ausschuss einzuladen, kam er in eine für jene Zeit noch typische Verlegenheit. Weder er noch sein Stuttgarter Büro kannten die in Frage kommenden Freikirchen. Es musste erst in Genf angefragt werden, wer als Mitglied in Frage komme. Adolf Freudenberg antwortete ihm aus Genf: »In unserem Falle ist das Entscheidende, daß die amerikanischen Methodisten, Baptisten, Brüdergemeinden165 [sic!] usw., dem ökumenischen Rat angeschlossen sind, und daß diese Kirchen großen Wert auf ihre Beziehungen zu den entsprechenden deutschen Freikirchen legen.[…] Wenn da z. B. die deutschen Alt-Lutheraner nicht irgendwie im Wiederaufbau-Ausschuß mitmachen, so haben wir noch weniger Einfluß

162 Die Protokolle des Rates der Evangelisch-lutherischen Kirche Deutschlands. 1945 – 1948, hg. v. Thomas Martin Schneider. Göttingen 2009, 116. 163 Ebd., 162 u. 218. 164 Rundschreiben Bischof Wurms an die Leitungen der evangelischen Landeskirchen, die Verbände der Inneren Mission u. a. In: Prot. EKD-Rat, Bd. 1, 16. 165 Gemeint sind hier sicher nicht die heutigen »Brüdergemeinden«, die aus der Wurzel des Darbysmus entstanden sind und der Ökumene ablehnend gegenüberstehen, sondern die zur Brüder-Unität gehörenden »Brüdergemeinen« (ohne »d«!).

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als schon jetzt auf die Sonderaktionen der Missouri-Synode zugunsten eben dieser kleinen Freikirche.«166

Die Genfer Sorgen waren die gleichen, wie sie Adolf Keller167 auf dem Hintergrund der Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg schon 1943 formuliert hatte. Er fragte: »Werden die großen amerikanischen Methodistenkirchen bereit sein, nicht allein ihre europäischen Zweige zu unterstützen, sondern auch die Lutheraner und die Reformierten? Werden auch Lutherische Hilfswerke sich nicht weiter auf die Lutherischen Freikirchen festlegen, sondern das gesamte Luthertum unterstützen? Wird der Baptismus auch Kirchen bedenken, welche die Kindertaufe praktizieren?«

Keller warf die Frage auf, wie Anglikaner, Fundamentalisten, Disciples, Adventisten, die Evangelische Gemeinschaft, die Brüdergemeine, auch die Quäker und andere Gruppen ihre in Planung befindlichen Nachkriegshilfen einbringen werden.168 Das politische Interesse der Genfer, alles durch ihre Kanäle zu leiten und die eigene Position dadurch zu stärken, ist unübersehbar. Natürlich sollte sich auch nicht wiederholen, was nach dem Ersten Weltkrieg geschah. Die Einladungen an die Freikirchen zur Mitwirkung im Wiederaufbau-Ausschuss ergingen durch Bischof Wurm zu unterschiedlichen Zeiten: am 12. 11. 1945 schrieb er an die Brüder-Unität, an die Mennoniten und die Evangelische Gemeinschaft, am 24.11. an die Ev.-reformierten Gemeinden und an die Methodistenkirche, am 28.11. an das Alt-Katholische Bistum, am 30.11. schließlich an die Baptistengemeinden.169 Man muss vermuten, dass die Briefe jeweils nach der Ermittlung der Anschriften geschrieben wurden. Man lebte eben noch in einer Distanz zueinander, in der man einhundert Jahre lang übereinander, aber nicht miteinander korrespondiert hatte. Die methodistischen Kirchen standen als integrierte Zweige ihrer weltweiten Organisation natürlich auch immer in direkten Beziehungen zu ihren Kirchenabteilungen in New York. Die Gesamtkirche hatte – in Abwesenheit der Delegierten aus Deutschland – 1940 das Methodist Committee for Overseas Relief (MCOR) gebildet, dessen Sitz in New York war. Die Amerikaner arbeiteten mit der 1946 gebildeten ökumenischen Organisation Church World Service und dem 166 Freudenberg an Gerstenmaier v. 21.10. 1945. Zit. n. Johannes M. Wischnath, Kirche in Aktion. Das Evangelische Hilfswerk 1945 – 1957, Göttingen 1986, 105. 167 Marianne Jehle-Wildberger, Adolf Keller (1872 – 1963). Pionier der ökumenischen Bewegung, Zürich 2008, 183 – 258. 168 Vertraulicher Bericht: Tatsachen und Gedanken zur Prüfung der christlichen Hilfsarbeit und der Zukunft der Europäischen Zentralstelle für kirchliche Hilfsaktionen. EZA 5/242, 12 f. 169 Briefe in ADW 57.

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Hilfsdienst der Quäker zusammen. Trotzdem gab es für die deutschen Methodisten nicht nur Kontakte mit dem Hilfswerk der EKD und mit Genf, von wo die Hilfen weitergeleitet wurden, sondern auch mit den eigenen kirchlichen Abteilungen in den USA. Bischof Melle hatte bald nach dem Krieg die ersten Hilfen insbesondere für ausgebombte und geflüchtete Pastorenfamilien bekommen. Für weitere zugesagte Hilfen hatte er ein Zentralkomitee gebildet und die Superintendenten aufgefordert, in ihren Distrikten entsprechende Verteilerausschüsse zu bilden. Die Reste der deutschsprachigen, durch Einwanderung entstandenen methodistischen Gemeinden in Amerika leiteten sofort eine längerfristige Unterstützung für Deutschland ein. Die Pastoren John A. Diekmann, der Schweizer Rudolph Zurbuchen und der renommierte Pietismusforscher F. Ernest Stoeffler entfalteten eine bewundernswerte Aktivität.170 Rudolph Zurbuchen unterstützte die diakonische Arbeit und in dem Zusammenhang auch den Bau einer Flüchtlingssiedlung in Lübeck-Dornbreite. Bischof Melle, der mit den kirchlichen Abteilungen in New York in Verbindung stand, hat seine Organisationspläne nach dort mitgeteilt. Die Missionsabteilung hatte bereits die Mittel für 20.000 Gesangbücher, 10.000 Sonntagsschul-Liederbücher und 10.000 Katechismen bereitgestellt, die in der Schweiz gedruckt wurden und mit der Genehmigung der amerikanischen Militärregierung eingeführt werden konnten.171 Die neuen, direkten Beziehungen mit den Gremien der EKD ermutigten die in Deutschland kleinen Freikirchen. Sie waren nicht nur geduldete Teilnehmer an den Sitzungen des Wiederaufbau-Ausschusses, sondern sahen sich als gleichberechtigte Partner. Wie schwer diese Rolle im Bereich des Hilfswerks vom freikirchlichen Gegenüber anzunehmen war, zeigt eine kleine, aber typische Episode. Als der Methodist J. W. Ernst Sommer am 29./30 Januar 1946 erstmals an der Sitzung des Wiederaufbau-Ausschusses teilnahm und er offensichtlich ebenso forsch wie Gerstenmaier es sein konnte, seinen Anspruch anmeldete, reagierte der Hilfswerk-Leiter empfindlich. Er meinte, »die Methodistenkirche könne unmittelbar mit dem ökumenischen Rat in Genf in Verbindung treten.«172 Gerstenmaier hatte weder die Genfer Politik noch die Rolle einer international organisierten Kirche für die innerdeutsche Ökumene durchschaut. Sommer konnte sich seiner Sache sicher sein und folgte dem Rat Gerstenmaiers: er

170 Viele Briefwechsel sind erhalten in der Nippert Collection of German Methodism 1779 – 1974 (Bulk 1830 – 1955) Mss 873. Cincinnati Historical Society Library. 171 Alle Informationen in F. H. Otto Melle, Botschaft an die Zentralkonferenz vom 7. bis 11. November 1946. In: Evangelist 97. Jg. (1946) vom 24. Nov. 3. Vgl. auch: Karl Heinz Voigt, Auswirkungen internationaler Kirchenstrukturen im Umbruch nach 1945. In: FF 15 (2005/ 06), 182 – 210. 172 Sommer an Berg v. 21. 3. 1946. ADW ZB 114. Auch: Johannes M. Wischnath, Kirche in Aktion. Das Evangelische Hilfswerk 1945 – 1957, Göttingen 1986, 105 f.

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wandte sich direkt an den Genfer Wiederaufbauausschuss173 und vermutlich auch an das Methodist Committee for Overseas Relief in New York. Es ist nicht von ungefähr, dass sich Bischof Wurm einschaltete, um die Form der Zusammenarbeit von Freikirchen und EKD-Hilfswerk selber zu klären. Schon bevor es zu einem Gespräch kam, bat Christian Berg den methodistischen Seminardirektor Sommer nachdrücklich, doch wieder zur nächsten Tagung des Wiederausbau-Ausschusses im Mai nach Treysa zu kommen.174 Es scheint, als habe Sommer nach seinen Wiesbadener Erfahrungen mit der direkten Aufnahme von Kontakten nach Genf konsequent auch seine Mitgliedschaft im WiederaufbauAusschuss als beendet angesehen. Anfang Mai 1946 fand mit den »Leitungen der verschiedenen Freikirchen ein ausführliches Gespräch mit Herrn Bischof D. Wurm« statt. Es sollte von Seiten der Landeskirche die Gemeinschaft mit den Freikirchen unter keinen Umständen aufgegeben werden. Das hätte die Genfer Pläne erheblich durcheinandergebracht. Es ist sicher ein Ausdruck der Besorgnis, wenn Sommer für die Freikirchen in Deutschland in den Genfer ÖRKWiederaufbauausschuss berufen wurde.

1.7.2 Kritische Phasen der Zusammenarbeit Nach dem Gespräch mit Bischof Wurm waren die zwischenkirchlichen Probleme keineswegs ausgeräumt. Für den 5. September 1946 hatten sich sechs Vertreter der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) im Stuttgarter Zentralbüro zur Klärung einiger weiterer Fragen angemeldet. Ausgangspunkt war ein Schreiben der Baptisten, durch das Unstimmigkeiten zwischen ihnen und regionalen sowie örtlichen Hilfswerkstellen entstanden waren. Die freikirchlichen Teilnehmer hatten sich vor der Besprechung untereinander abgestimmt, denn nicht alle hatten die gleichen Probleme. Danach trafen sie mit Kirchenrat Christian Berg, dem Stellvertretenden Generalsekretär des Hilfswerks, und mit Joachim Lukowicz, Leiter der Abteilung Allgemeine Nothilfe, zusammen. Direktor J. W. Ernst Sommer fungierte als freikirchlicher Delegationsleiter. Er führte in sechs Themenkreise ein. (1) Er bedauerte, dass es zu der oben erwähnten Spannung aufgrund eines Missverständnisses gekommen sei. Auch die baptistischen Vertreter Hugo Hartnack, einer der beiden Bundesdirektoren, und Carl Koch, Hauptgeschäftsführer der baptistischen Bruderhilfe, bedauerten die entstandenen Unstimmigkeiten. Im Zentralbüro sah man diesen Vorgang als »ein leicht 173 Sommer erbat Holzkirchen für Nürnberg, Berlin-Steglitz und Edewecht (Oldb.). An allen drei Orten wurde die Arbeit bald danach in diesen Notkirchen wieder aufgenommen. Sommer an Berg 21. 3. 1946. ADW, ZB 114. 174 Schreiben Christian Berg an J.W. Ernst Sommer v. 24. 4. 1946. ADW, ZB 114.

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auszuräumendes Missverständnis« an. (2) Sommer teilte weiter mit, dass die Hilfswerke der vier VEF-Kirchen sich »in einer festeren Form zusammenzuschließen« verabredet haben. Er werde den Vorsitz übernehmen, Superintendent Richard Leger werde Schriftführer. (3) Bezugnehmend auf ein früher mit Pfarrer Berg geführtes Gespräch, in dem es um die Gaben der US-Methodisten ging, könne er jetzt genauere Mitteilungen machen. Neben dem Hilfswerk des US-Federal Council sei seitens der amerikanischen Methodisten eine Zusammenarbeit mit den Quäkern erfolgt. Weil die Quäker ihre Hilfssendungen nicht mit dem Hilfswerk der Kirchen koordinierten und »die Quäker es bisher in Deutschland nicht für nötig befunden hätten, die Herkunft der unter ihrem Namen herübergekommenen Liebegaben bekannt zu geben«, sei es zu Verunsicherungen über die Zuordnung zu den Gebern gekommen. Diese Information hatte Sommer gerade vorher von dem amerikanischen Methodisten Albert S. Trickett, der vermutlich in Genf tätig war, erhalten.175 (4) Sommer teilte mit, dass er von den Freikirchen als deren Vertreter in das Exekutiv-Komitee des Wiederaufbau-Ausschusses entsandt sei. Er bat gleichzeitig darum, nicht – wie es erwogen worden war – den Präses der Lutherischen Freikirchen Heinrich Petersen aus Berlin als seinen Vertreter zu berufen, sondern den Baptisten Carl Koch.176 Das Problem wurde später dadurch gelöst, dass drei Stellvertreter für Sommer aufgeführt wurden: Heinrich Petersen, Paul Schmidt und Carl Koch. (5) Sodann machte Sommer einige Vorschläge für eine reibungslose Verteilung der amerikanischen Liebesgaben. (6) Spätere Debatten lösten seine Bitte aus, den »Titel ›Hilfswerk der Evangelischen Kirche‹ durch Anhängung des Buchstabens ›n‹ [so zu ändern], dass die Freikirchen das feste Bewusstsein haben könnten, mit umfasst zu sein. Es sei ihm das allerwichtigste, dass in der praktischen Arbeit des Hilfswerks der landeskirchliche und der freikirchliche Protestantismus in voller Einmütigkeit und Harmonie zusammen wirken können. Er werde jedenfalls diesen Punkt in der nächsten Sitzung des Exekutiv-Komitees zur Sprache bringen. Die Herren vom Zentralbüro pflichteten ihm bei, sagten, dass das schon mehrfach besprochen sei, und dass sie keine Schwierigkeit sähen, diese Änderung in voller Form vorzunehmen.«177 Die Ergebnisse des Gesprächs erschienen Christian Berg so wichtig, dass »eine Erklärung in die kirchliche und ökumenische Öffentlichkeit gelange, um die in den vergangenen Wochen und 175 Albert S. Trickett hatte den methodistischen Bischof Bromley G. Oxnam begleitet, als er – vermutlich während des Besuchs der Delegation des US-Federal Council – das Konzentrationslager Buchenwald besuchte. 176 Es ist auffallend, wie sich der agile Bundesdirektor Paul Schmidt in den Begegnungen mit Männern der Bekennenden Kirche und den Genfern im Bereich des Hilfswerks nach seiner Oxford-Teilnahme 1937 zurückhielt. 177 Alle Themen dieses Gespräch in: Niederschrift (Entwurf – durchgestrichen), Stuttgart, den 5. September 1946. Unterzeichnet Gez. Dr. Sommer gez. Berg. ADW ZB 118.

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Monaten entstandene Unruhe zum Schweigen zu bringen.«178 Das kirchenpolitische Interesse der Leitung des Hilfswerks wird darin sichtbar, dass sie bereits einen Entwurf vorbereitet hatte.179 Der wurde nach einigen Änderungen von allen Gesprächsteilnehmern unterzeichnet.180 Nach einer Präambel heißt es mit einem Hinweis auf die Zusammenarbeit »in brüderlichem und vertrauensvollem Geiste«: »Es wurde Einverständnis erzielt über das Vorgehen bei der Verteilung von ausländischen Liebesgaben. Die Vertreter der Freikirchen möchten insbesondere der Oekumene und ihren großen Schwesterkirchen in Amerika gegenüber der Tatsache Ausdruck geben, dass über die Beteiligung der Glieder ihrer Gemeinden an den von USA kommenden Sendungen völlige Einmütigkeit mit der Leitung des Hilfswerks erzielt wurde.«181

Mit dem Ziel, diesen bald danach von Stewart Herman als »extremely helpful«182 bewerteten Text die Zustimmung zu bekommen, hatte Berg das ganze Gespräch geführt. Christian Berg war ein geschickter Verhandlungsführer, der mehr Verständnis für die Interessen der Ökumene und der Freikirchen aufbringen konnte als der sperrige Gerstenmaier, der noch im Januar 1947 darüber klagte, dass die ökumenische Struktur des Hilfswerks »unter größter Zurückhaltung der Leitung des Hilfswerks und auf unablässiges Drängen der Freikirchen« erfolgt sei. Man habe »nur unter dem Eindruck des freikirchlichen Spendenaufkommens in den Vereinigten Staaten« dem Begehren nachgegeben.183 Berg hatte die Notwendigkeit des ökumenischen Zusammenwirkens erkannt, Gerstenmaier sah eher die kirchenrechtlichen Probleme und suchte Kapital daraus zu schlagen.184 178 Ebd. 179 Ebd. 180 Es waren dies neben den Vertretern des Zentralbüros Berg und Lukowicz für den Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden [Baptisten und Brüdergemeinden] Hugo Hartnack und Carl Koch; für die bischöfliche Methodistenkirche Dr. [J.] H. W. E. Sommer ; für die Evangelische Gemeinschaft Richard Leger ; für den Bund freier Evangelischer Gemeinden: Willy Dietzel und Gustav Klaes. – Die Reihenfolge und die Kirchenbezeichnungen sind aus dem Protokoll übernommen. Erklärung in: ADW ZB 118. 181 Ebd. 182 So Johannes M. Wischnath, »… Mit Rechten und Pflichten wie jede Landeskirche?« Die Freikirchen und das Hilfswerk der evangelischen Kirche(n). In: Jochen-Christoph Kaiser (Hg.), Soziale Arbeit in historischer Perspektive. Stuttgart 1998, 115 – 134 (119). 183 Johannes M. Wischnath, Kirche in Aktion. Das Evangelische Hilfswerk 1945 – 1957, Göttingen 1986, 107. 184 Eugen Gerstenmaier berichtete dem Rat der EKD am 10. Febr. 1947 im Zusammenhang der Klärung der Rechtslage: »Infolge der Aufnahme der Freikirchen in das Hilfswerk sind deren Bevollmächtigte als Mitglieder in den Wiederaufbau-Ausschuss eingetreten und dementsprechend auch von ihnen Hauptbüros mit Hauptgeschäftsführern errichtet worden. Hierdurch ist das Hilfswerk praktisch zu einem solchen der Evangelischen Kirchen

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Die Gemeindeglieder der Methodistenkirche wurden durch ihr Sonntagsblatt über die Entwicklung im Hilfswerk unterrichtet. Am 29. September 1946 konnten sie lesen: »Im Rahmen des Hilfswerks der Evangelischen Kirche wurde ein Hilfswerkausschuß der Vereinigung Evangelischer Freikirchen in Deutschland gegründet.«185 Ein angefügter Kommentar greift in sehr freundlicher Weise Gedanken aus der »Erklärung« nach dem kritischen Gespräch vom 5. September auf. Der von den Freikirchen zum Vorsitzenden gewählte J. W. E. Sommer vertrat zukünftig offiziell die vier VEF-Kirchen. Der Zeitgeschichtsforscher Johannes Michael Wischnath urteilt, Sommer sei »kein einfacher Verhandlungspartner für das Hilfswerk [gewesen, …] weil er dem Erwartungsdruck der freikirchlichen Gemeinden Rechnung zu tragen hatte. Er hatte auch zu berücksichtigen, daß die Bereitschaft zur Kooperation mit den Landeskirchen nicht bei allen VEF-Mitgliedern so groß war wie bei der methodistischen ›Brückenkirche‹, was sich 1948 nicht nur bei der Diskussion um die Ordnung des Hilfswerks, sondern mehr noch bei der Gründung der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen deutlich zeigte.«186

Wischnaths Argumentation hat nur die Freikirchen im Auge. Er bezieht in seine Begründungen nicht ein, dass bei Gerstenmaier und auch sonst in den landeskirchlichen Leitungsgremien der freikirchliche Anspruch im Grunde abgelehnt wurde. Nur durch den Genfer Druck, aber nicht aus ökumenischer Gesinnung waren sie bereit, in eine so weit gehende ökumenische Verpflichtung einzutreten. Sommer, der viele Jahre im Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen mitgearbeitet hatte und der durch seine internationalen Kontakte in England und Amerika Vertrauen in die Arbeit des gemeinsamen Hilfswerks zu schaffen bemüht war, hatte eine klare Vorstellung von ökumenischer Zusammenarbeit. Sie verwirklichte sich einerseits in christlicher Partnerschaft187 und äußert sich andererseits nicht allein in weltweiten Beziehungen. Ihre Echtheit bestätigt sich immer in der Gemeinschaft vor Ort. Im Vorbereitungsband für Amsterdam 1948 stellte er seinen Beitrag nicht zufällig unter das Thema »Ökumene im eigenen Land«. Darin schrieb er : Es fehle der »Ökumene, die den Erdball umspannen will, der feste Boden unter den Füßen, wenn wir nicht verstehen, in ökumeniDeutschlands geworden, ohne dass jedoch hinsichtlich seiner Rechtsnatur bisher eine Änderung eingetreten wäre.« In: Prot. EKD-Rat, Bd. 2, 37. 185 Aus unserem Werk, Hilfswerkausschuß der VEF, in Evangelist 1946 97. Jg. (1946), vom 29. September, 3 f. 186 Johannes M. Wischnath, »… Mit Rechten und Pflichten wie jede Landeskirche?« Die Freikirchen und das Hilfswerk der evangelischen Kirche(n). In: Jochen-Christoph Kaiser (Hg.), Soziale Arbeit in historischer Perspektive. Stuttgart 1998, 115 – 134 (134). 187 Die Vorstellungen von Partnerschaft kamen selbst darin zum Ausdruck, dass die Freikirchen eine gleiche Organisationsstruktur mit gleichen Bezeichnungen wie Hauptbüro und Hauptgeschäftsführer annahmen, eine Nomenklatur, die ihnen im Grunde fremd war.

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scher Gesinnung mit denen zusammenzuleben, die mit uns Dorf und Haus, Kirche und Schule, ja auch die gemeinsame Geschichtsnot überlieferter Missverständnisse und Konflikte auf engstem Raum teilen.«188 Sommer ging es darum, den kirchlichen Minderheiten den Respekt zu verschaffen, auf den sie in gegenseitiger christlicher Liebe und Achtung rechneten. Dafür war er ein unbeugsamer Kämpfer, der im Sinne seiner wesleyanischen Tradition nicht nur für soziale Gerechtigkeit in der Gesellschaft eintrat189, sondern sie auch in einer partnerschaftlichen Ökumene zwischen Mehrheits- und Minderheitskirchen ausgestaltet wissen wollte.

1.7.3 Hilfswerk der evangelischen Kirchen – eine ungewollte ökumenische Organisation190 Methodisten lieben klare Strukturen. Das ist in der eigenen Kirche so, aber es betrifft auch das zwischenkirchliche Wirken. Sie haben den Anstoß gegeben zur Organisation der ersten ökumenischen Gemeinschaft von Kirchen, als 1926 die Vereinigung Evangelischer Freikirchen gebildet wurde. Sie haben im Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen darauf bestanden, dass es eine klar strukturierte ökumenische Gemeinschaft blieb, als eine Angliederung an den Evangelischen Kirchenbund im Raum stand.191 Und so knüpfte der damalige Seminardirektor J. W. Ernst Sommer im September 1946 an eine Formulierung an, die Eugen Gerstenmaier schon im Blick auf den Wiederaufbau Ausschuss in seinem Bericht an den Rat der EKD verwendet hatte. Sommer machte dem Stellvertretenden Generalsekretär des Hilfswerks Christian Berg den Vorschlag, zu erwägen, »ob der Titel ›Hilfswerk der Evangelischen Kirche‹ durch Anhängung des Buchstabens ›n‹ nicht so geändert werden könne«,192 dass dessen ökumenische 188 J. W. Ernst Sommer, Ökumene im eigenen Land. In: Die Ordnung Gottes und die Unordnung der Welt, hg. v. Wilhelm Menn, 1948, 23 – 28. Auch: Friedrich Wunderlich, Bischof Sommer und das Hilfswerk der Evangelischen Freikirchen. In: Zentralbüro des Hilfswerks (Hg.), Dank und Verpflichtung. 10 Jahre Hilfswerk, Stuttgart 1955, 32 – 34. 189 J. W. Ernst Sommer, John Wesley und die soziale Frage, Bremen 1930. 190 Zum Ganzen auch: Ulrike Schuler, Die Evangelische Gemeinschaft. Missionarische Aufbrüche in gesellschaftspolitischen Umbrüchen, Stuttgart 1998, 221 – 265. Auch: Astrid Giebel, Glaube, der in der Liebe tätig ist. Diakonie im deutschen Baptismus von den Anfängen bis 1957. Kassel 2000, 244 – 299. 191 Vgl. Bd. 1, 171 – 187. 192 Eugen Gerstenmaier, Bericht über das Hilfswerk am 1. Mai 1946. In: Prot. EKD-Rat, Bd. 1, 554. Dort heißt es: »Dem Aufbau des oekumenischen Werkes entsprechend und den Arbeitsgrundsätzen des Reconstruction Committees des Oekumenischen Rats folgend wird sich der Wiederaufbau-Ausschuß der Evangelischen Kirche in Deutschland in wenigen Wochen zu einem Wiederaufbau-Ausschuß der Evangelischen Kirchen Deutschlands erweitert haben. Die Freikirchen nehmen, ohne daß ihre kirchliche Selbständigkeit davon

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Gestalt auch öffentlich wahrnehmbar werde. Es kam zu der gewünschten Ergänzung in »Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland«. Das war für manche Freikirchen ein wichtiger Schritt, andere waren eher skeptisch und fürchteten die Unterstellung unter eine landeskirchliche Führung. Die Sorge war nicht ganz unberechtigt, wie der nachfolgende Rechtsstreit innerhalb der EKD zeigte. Gerstenmaier sah – auch zur Stärkung seines Führungsanspruchs gegenüber der EKD – die Freikirchen nun »mit Rechten und Pflichten wie jede Landeskirche« im Hilfswerk vertreten. Das bedeutete auch, dass der Rat der EKD in seinen Rechten begrenzt war, weil die Freikirchen daraus einen Anspruch auf Mitentscheidungen ableiten mussten. In den methodistischen Zeitschriften sah man, dass diese Entwicklung als ein ökumenischer Erfolg verbucht wurde. Erstmals seit der Reformation ist ein offizielles Zusammenwirken möglich. Am Ende wurde dieser Titel aus ökumene-freundlichen Gründen verwendet, ohne dass er je einen Rechtscharakter erlangte. Formalrechtlich war also keine ökumenische Organisation entstanden, in der Öffentlichkeit wurde aber erkennbar, dass es zu einer offiziellen Zusammenarbeit von Landes- und Freikirchen gekommen war. Das war ein ökumenischer Fortschritt.193 Allerdings muss man auch sagen, dass es hier und da im Gebälk knirschte. Manche Freikirchler hatten überhöhte Erwartungen und stellten unangemessene Quoten-Forderungen für die zu verteilenden Gaben. Landeskirchen fürchteten, wie sie es schon einhundert Jahre getan hatten, freikirchliche Gemeinden würden in der Verteilung eine Chance zum Proselytismus sehen. Tatsächlich gab es solche Beschwerden. Weil methodistische Gemeinden z. B. für Kinderspeisungen keine denominationellen Voraussetzungen machten und schwedische Heringe auch an solche verteilt wurden, die keine Methodisten waren, gab es Proteste. Das zeigt, wie tief die Vorurteile saßen. Ließen die Freikirchler an den Hilfswerkgaben jedermann teilhaben, wie es den methodistischen Sozialen Grundsätzen im Hinblick auf Rasse, Klasse und Religionszugehörigkeit entsprach, dann machten sie es falsch. Bevorzugten sie die Mitglieder und Freunde der eigenen Gemeinde, dann war das sektiererisch. Solche Generalverdächtigungen hatten gar keinen Grund. Von Anfang an haben die Kirchen und Kapellen der Methodisten mehr Sitzplätze gehabt, als die Gemeinden Glieder hatten, und in der Regel kamen mehr Gottesdienstteilnehmer, als es Methodisten gab. Ihre Sonntagsschulen besuchten über einhundert Jahre hindurch viel mehr Kinder, als aus methodistischen Familien hätten kommen berührt wird, in gleicher Weise, mit denselben Rechten und Pflichten wie jede Landeskirche, an dem Hilfswerk teil.« (Hervorhebungen eingefügt). 193 Zur Frage der gemeinsamen Organisation und ihrer Folgen: Johannes M. Wischnath, »… Mit Rechten und Pflichten wie jede Landeskirche?« Die Freikirchen und das Hilfswerk der evangelischen Kirche(n). In: Jochen-Christoph Kaiser (Hg.), Soziale Arbeit in historischer Perspektive. Stuttgart 1998, 115 – 134.

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können. Die Diakonissen-Krankenhäuser haben in jedem Jahr mehr Patienten versorgt, als die Kirche in Deutschland Mitglieder zählte. Und nach dem Ersten Weltkrieg haben sie gezeigt, dass mehr Hilfsgüter, die sie aus Amerika bekamen, außerhalb der Kirche und große Mengen auch außerhalb Deutschlands verteilt wurden, als sie in den deutschen methodistischen Gemeinden verteilt haben. Die soziale Verantwortung, die in der methodistischen Theologie eine zentrale Rolle spielt, hat zu einer offenen Haltung geführt, die durch die tägliche Erfahrung im Umgang mit anderen Kirchen und Christen jede Art von Berührungsangst, wie sie sie selber erfuhren, überwanden. Vielleicht hat andererseits die Besitzstandswahrung in den Parochien und die Langzeit-Sesshaftigkeit von Pfarrern mit den staatlichen Sicherheitsgarantien auch zu einer Art Abgrenzungs- und Sorgenmentalität beigetragen. Wie kritisch manche Phase des Hilfswerks war, zeigt der nächste Abschnitt.

Die Verwirklichung des ökumenischen Gedankens »gescheitert«? Das gemeinsame Wirken im Hilfswerk mit den verschiedenen Gesprächen hatte keine zukunftsfähige Lösung gebracht. Anfang Januar 1948 schrieb der Hilfswerkmitarbeiter Dr. Federer »Der Versuch, über den kirchlichen Wiederaufbau der Verwirklichung des ökumenischen Gedankens einen praktischen Schritt näherzukommen, muss als gescheitert betrachtet werden.«194 Es schien sich in der Beziehung von Kirche zu Kirche zu entwickeln, was die Genfer Ökumeniker mit aller Kraft hatten vermeiden wollen. Ein Sekretär der internationalen ökumenischen Hilfsorganisation Church World Service hatte gegenüber dem Hilfswerk zu erkennen gegeben, es sei hilfreich, die Freikirchen bei den regionalen und lokalen Hilfsstellen in die Mitarbeit einzubeziehen, sie an der Verwaltung zu beteiligen und ihnen, wenn sie entsprechend ausgestattet sind, lokale Lagerhaltungen anzuvertrauen. Ausgelöst war diese Initiative von internationaler Ebene durch Rückmeldungen einiger Freikirchen aus Deutschland an ihre Kirchenabteilungen in den USA. Die ökumenischen Gaben insgesamt waren »aufgrund der starken Unzufriedenheit der Denominationen um die Hälfte geschrumpft,« wie aus der Genfer Zentrale verlautete. »Die in den ersten Nachkriegsjahren spürbare ökumenische Gesinnung werde zunehmend durch denominationelles Interesse verdrängt. Die Spenderkirchen verlangten dementsprechend eine verstärkte Einbeziehung der Freikirchen, die nach ihrer Ansicht immer noch als ›Brüder minderen Rechts‹ behandelt würden.«195 Die 194 Georg Federer, Aufzeichnung über die Gestaltung des Verhältnisses zwischen Freikirchen und Hilfswerk. ADW ZB 113. 195 Andrea Strübind, Freikirchen und Ökumene in der Nachkriegszeit. In: KZG Heft 1/1993, 196.

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durch diese Entwicklung entstandene Lage sollte nun durch das Hilfswerk und die weltweite ökumenische Organisation Church World Service gemeinsam aufgefangen werden. Man strebte an, »die großen amerikanischen Denominationen« wieder stärker für eine ökumenische anstelle einer einsetzenden denominationellen Hilfe zu gewinnen. Die Gaben hoffte man wieder zu steigern, wenn eine bessere Einbeziehung der hiesigen Freikirchen in die Gesamtverantwortung des Hilfswerks erfolgte. Man sah darin eine Chance, »dass eine solche Handlungsweise die amerikanischen Schwesterkirchen beruhigen und den deutschen Freikirchen ein stärkeres Gefühl für die ökumenische Zusammenarbeit geben wird, der die allen deutschen Kirchen zukommenden Gaben aus Amerika zu verdanken sind.«196 Das war eine realistische, amerikanische Einschätzung, wo es schon über fünfzig Jahre ökumenische Erfahrungen gab. Wie schwierig die Lage für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit in Deutschland noch war, zeigte ein erneutes Gespräch zwischen Vertretern des Hilfswerk-Zentralbüros und den Freikirchen. J. W. Ernst Sommer, inzwischen zum Bischof der Methodistenkirche gewählt, drängte auf eine Neuregelung des früheren Abkommens. Freikirchler empfanden, »bei vielen Hauptbüros als lästige Bittsteller behandelt« zu werden. Solange hatten Landeskirchler in dem Bewusstsein gelebt, dass die Freikirchen Sekten seien. Ausgerechnet in Zeiten größter Not sollten lange Zeit gedemütigte Freikirchler nun mit den Nachbargemeinden teilen, von denen sie sonst wenig Respekt erfahren hatten. Die anhaltend problematische Stimmung in Deutschland hatte Rückwirkungen nach Amerika. »Amerikanische Methodisten [neigten] im Gegensatz zu ihrer Haltung unmittelbar nach der Beendigung des Krieges heute mehr dazu […], ihre methodistischen Glaubensbrüder in Deutschland zu unterstützen als sich an ökumenischer Arbeit und Gabenverteilung zu beteiligen«,197

was auch für die Evangelische Gemeinschaft zutreffe, so notierte der Schriftführer des Zentralbüros. Daneben hatten amerikanische Baptisten inzwischen auf direktem Wege mit dem Hauptbüro eigene Vereinbarungen getroffen. Die Freikirchen brachten in die aufgeheizte Debatte Vorschläge ein, die für das Hilfswerk fast nicht annehmbar waren. Wenn Sommer formulierte »Die Zusammenarbeit mit dem Hilfswerk soll grundsätzlich aufrecht erhalten bleiben«, dann bestätigte das die Gefahr, die sechs Wochen vorher der Hilfswerk-Vertreter mit dem Begriff des »Scheiterns« formuliert hatte. Auffällig ist, dass Sommers Vorschläge vom 19. Februar 1948 mit den Anregungen aus Genf, über die Federer berichtete, fast identisch waren. Noch hielten beide Seiten an der Zu196 Ebd. 197 Niederschrift über die Besprechung zwischen dem Hilfswerk und den VEF-Kirchen vom 19. 2. 1948, ausgefertigt durch Joachim Lukowicz. ADW ZB 113.

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sammenarbeit im Hilfswerk fest. Aber die Freikirchen diktierten Bedingungen, an denen das Hilfswerk schwer zu schlucken hatte. Es war eine bittere Pille, dass die Vorzeichen sich so verändert hatten. In Deutschland musste man noch lernen, dass die weltweite Sicht andere Perspektiven eröffnet, als die lokale es bisher getan hatte. Die Erfahrungen der Vergangenheit wirkten stärker nach, als die Kraft des Evangeliums sich in der Gegenwart erwies. Die Diskussion um das Verhältnis von Hilfswerk und EKD hatte einen Schwerpunkt in der Frage um den Status der Freikirchen in dem zu bildenden Gefüge. Im Wiederaufbauausschuss habe es sich bei der Aufnahme der Freikirchen um ein »hinzutretendes«, also kein »konstitutives« Element gehandelt und insofern sei der Status des Hilfswerks als Einrichtung der EKD nicht berührt, war die für die Landeskirchen typische Meinung des Kirchenjuristen Ernst-Viktor Benn. Nach seiner Rechtsauffassung war die Synode berechtigt, eine Verfassung für ein Hilfswerk mit der Konsequenz zu erlassen, dass zukünftig der Rat der EKD den Anschluss von freikirchlichen Hilfswerken genehmigen müsse. Das war gewiss unbestritten. Ob es sich jedoch um ein ökumenisches Hilfswerk oder eines der EKD handeln sollte, war eine vorher zu klärende Frage. Der ökumenisch zusammengesetzte Wiederaufbauausschuss hatte am 15./ 16. Juni 1948 in Speyer unter Beteiligung des freikirchlichen Vertreters den Entwurf einer sog. »Speyrer Ordnung« angenommen. Sie ging durchgehend von einer integrierten Mitwirkung der Freikirchen durch eine volle Mitgliedschaft aus.198 Darin ist der Wiederaufbauausschuss als das leitende Organ des »Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland« vorgesehen, in dessen Geschäftsführendem Ausschuss eine freikirchliche Vertretung vorgesehen war. Nach der »Speyrer Ordnung« können dem Hilfswerk die diakonischen Zweige solcher »Trägerkirchen« beitreten, »die dem Weltrat der Kirchen angehören oder angehören können. […] Sie werden hierdurch nach Massgabe der mit ihnen getroffenen Vereinbarungen Glieder des Hilfswerks mit gleichen Rechten und Pflichten.«199 Freilich sind diese weitgehenden Vorstellungen Aspekte von Gerstenmaiers Kampf, aus dem Hilfswerk ein »Instrument des Leiters« zu machen, der manche Kritiker an das nationalsozialistische »Führerprinzip« erinnerte.200 Im Hintergrund der mehrschichtigen Diskussion stand außerdem die Frage, wie sich die EKD in ihrer Grundordnung positionieren würde, denn die ganze

198 Entwurf für eine »Ordnung des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutschland«. In: Prot. EKD-Rat, Bd. 2, 541 – 546. 199 Ebd., § 2.2 und 8.1. 200 Johannes M. Wischnath, »… Mit Rechten und Pflichten wie jede Landeskirche?« Die Freikirchen und das Hilfswerk der evangelischen Kirche(n). In: Jochen-Christoph Kaiser (Hg.), Soziale Arbeit in historischer Perspektive. Stuttgart 1998, 215 und 213.

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bisherige Debatte fand vor deren Verabschiedung statt. Die »Speyrer Ordnung« fand im Rat der EKD keine Zustimmung. Ein Grund dafür war »die Regelung der freikirchlichen Beteiligung […], weil die Gefahr nicht ausgeschlossen sei, ›daß das Hilfswerk nicht eine Einrichtung der EKD ist, sondern allmählich sich zu einer Einrichtung der neugegründeten ›Christlichen Arbeitsgemeinschaft‹ entwickelt, in der die EKD mit verschiedenen Freikirchen zusammenarbeiten will.‹«201

So wünschenswert eine stärkere Ausstattung und mit Kompetenzen von den Mitgliedskirchen ermächtigte ACK gewesen wäre, die gesamtkirchliche Lage in Deutschland ließ für eine solche Entscheidung keinen Raum, denn die gerade gebildete ACK war personell und finanziell viel zu schwach ausgestattet. Es ist nicht auszudenken, was eine Integration der gesamten evangelischen Diakonie in die ACK langfristig für Auswirkungen besonders hinsichtlich der späteren Beteiligung der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirchen gehabt haben würde. Erst als die EKD die Grundordnung angenommen hatte, kam es zu einem Kirchengesetz über das Hilfswerk. Die im Juli 1948 in Eisenach beschlossene Grundordnung stellte zum Diakonat der Kirche u. a. fest: »Das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland wird von der Evangelischen Kirche in Deutschland, den Gliedkirchen und ihren Gemeinden getragen. Es dient dem kirchlichen Wiederaufbau sowie der Linderung und Behebung der Notstände der Zeit. Die Ordnung des Hilfswerks bedarf eines Gesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland.«202

Einem Ausschuss, der die neue Vorlage nun für die EKD-Synode erarbeiten sollte, gehörten elf Persönlichkeiten an. Natürlich wurde kein Freikirchler, etwa als beratendes Mitglied, hinzugezogen. Es war klar, dass nun die Hilfswerkarbeit wieder in die »normalen« Gleise geführt wurde. Das neue Kirchengesetz wurde am 5. April 1951 beschlossen und trat am 1. Oktober 1951 in Kraft. Für den Bereich der EKD und die Landeskirchen war mit der Annahme des Art. 15 in ihrer Grundordnung, nach der die »diakonisch-missionarischen Werke Wesens- und Lebensäußerung der Kirche« sind, ein bedeutsamer Fortschritt erreicht, der nicht zu übersehen ist. Mit diesem EKD-Verfassungsartikel »hat diese erstmals auch juristisch anerkannt«203, dass zum Selbstverständnis des Kirchenseins mehr gehört als die reine Predigt des Evangeliums und die 201 Theodor Schober, Über die Anfänge [der diakonischen Zusammenarbeit von Landes- und Freikirchen]. In: 40 Jahre Diakonische Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchen. Vertretung der »Freikirchen« im Diakonischen Werk der EKD 1957 – 1997, Stuttgart 1997, 11 – 20 (17). Das hier übernommene Zitat ist in dem Aufsatz nicht belegt. 202 Prot. EKD-Rat, Bd. 2, 528, Art. 15.3. 203 Paul Philippi, Diakonie I. In: TRE Bd. 8 (1981), 641.

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evangeliumsgemäße Reichung der Sakramente. Schon der einflussreiche Berliner Kirchenjurist Oberkonsistorialrat Ernst Viktor Benn hatte angesichts der Herausforderungen durch die Not der Nachkriegszeit 1948 in einem Rundschreiben hinsichtlich der Tätigkeit der Hilfswerke die »Verbreiterung des Fundaments unserer Kirche [als ein] reiches Gnadengeschenk« bezeichnet und sie den »überlebten Formen kirchlicher Lebensäußerungen im 19. Jahrhundert« gegenüber gestellt.204 Wenn schon keine organisatorische Gemeinschaft so war damit doch wenigstens der Weg zu einer theologischen Gemeinsamkeit betreten. Innerhalb der Mehrzahl der Freikirchen, in der methodistischen in besonderer Weise, hatte der diakonische Akzent sowohl in personaler wie in gesellschaftlicher Gestalt von Anfang an zum Wesen der Kirche gehört. Man denke nur an das Engagement der britischen Methodisten im Kampf gegen die Sklaverei205 und an die Bemühungen um eine Gefängnisreform, an eine breite Mitwirkung in der entstehenden britischen Gewerkschaftsbewegung und an die aktive Mitarbeit in der Labour Party.206 Zwar hatten die Methodisten in Deutschland in ihrer Kirchenordnung auch das weltweit für die Kirche beschlossene Dokument »Die Kirche und ihre sozialen Aufgaben« publiziert, das später zum »Sozialen Bekenntnis« (Social Creed) weiterentwickelt wurde. Aber das Kaiserreich und das kirchlich und theologisch geprägte Umfeld ließen in den europäischen Staaten den erst im Entstehen begriffenen Minderheitskirchen keinen Spielraum, um in Fragen des Streikrechts, der Abschaffung der Kinderarbeit, der Regulierung der Frauenarbeit, der Beseitigung der Hungerlöhne und ähnlicher sozialer Probleme207 aktiv zu sein. Schon vor dem Beschluss des neuen EKD-Kirchengesetzes hatte Bischof J. W. 204 Ernst-Viktor Benn, Rundschreiben vom 14. 4. 1948. Zit. n. Johannes M. Wischnath, Kirche in Aktion. Das Evangelische Hilfswerk 1945 – 1957, Göttingen 1986, 212. 205 John Wesley, Gedanken über die Sklaverei (1774). Übersetzt und mit Erläuterungen herausgegeben von Petra Hölscher, Stuttgart 1986. 206 Es ist fast ein geflügeltes Wort geworden, was Morgan Philipps, 1944 – 1961 Generalsekretär der Labour Party 1982 sagte: »The Labour Party owed more to Methodism than Marxism.« – Manfred Marquardt, Praxis und Prinzipien der Sozialethik John Wesleys, Göttingen 20083. – Der renommierte, marxistisch orientierte britische Historiker Eric J. Hobsbawm hat sogar unter dem Titel »Sozialrebellen« ein Kapitel dem soziologisch gefassten Thema »Die Arbeitersekten« über einen methodistischen Zweig veröffentlicht. Er bemerkt darin: »Bei einer bemerkenswert großen Anzahl von späteren Arbeiterführern setzte politisches Bewusstsein und politische Aktivität mit oder kurz nach einer Bekehrung ein.« Danach führte er weiter aus, dass die verändernde Haltung durch die christliche Grunderfahrung »diesseitig und unmystisch« ausgerichtet war. »Es überrascht daher nicht«, schrieb er, »daß diese Bekehrungen diejenige Art von selbstloser Aktivität, die ein unvermeidlicher Bestandteil einer militanten Arbeiterbewegung ist, andeuteten, widerspiegelten und wohl auch anregten.« Eric Habsbawm, Sozialrebellen, Neuwied 1962, 185 f. 207 Lehre und Kirchenordnung der Bischöflichen Methodistenkirche 1908, deutsche Ausgabe, Bremen 1908, 514 – 518.

Das Hilfswerk der EKD und die Hilfswerke der Freikirchen

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E. Sommer die Frage aufgeworfen, ob die Entwicklungen innerhalb der EKD »einen Kurswechsel Ihrerseits in Ihrer Stellung zur Zusammenarbeit mit den Freikirchen bedeuten.« Sommer teilte seine persönliche Haltung dazu sogleich mit. »Ich meinerseits,« schrieb er an den Leiter des Hilfswerks Eugen Gerstenmaier, »lege nach wie vor den allergrößten Wert darauf, die Einheit im Raume der evangelischen Christenheit Deutschlands mit allen Mitteln zu fördern. Ich habe auch jede Gelegenheit während meines 3-monatigen Aufenthalts in Amerika und bei der methodistischen Konferenz in Bristol benutzt, um auf die vielen Anfragen, die an mich gerichtet worden sind, mein völliges Vertrauen zu Ihnen und dem von Ihnen geleiteten Hilfswerk zum Ausdruck zu bringen«,208

Zwei Jahre später hatten sich die Freikirchen mit der nach den EKD-Beschlüssen eingetretenen Entwicklung abgefunden. Zum Freikirchentag 1950 berichtete der Vorsitzende Paul Schmidt (Baptist): Nach der Neuregelung der Beziehungen im Hilfswerk sei »die Selbständigkeit des Zentralausschusses gewahrt, [… so dass] die Zusammenarbeit, soweit sie heute noch erforderlich ist, weitergeht.«209 Hier deutet sich bereits ein Abklingen der Hilfswerkarbeit an und damit eine Lockerung und eine in gewissem Sinne Rückführung der eingeleiteten ökumenischen Entwicklungen. Die Zeiten, in denen gelegentlich die Freikirchen Bedingungen diktierten, wie z. B. beim Eingang von Hilfssendungen ihrer amerikanischen Schwesterkirchen,210 waren vorbei. Die in der frühen Nachkriegszeit durch den Genfer Einfluss entstandene ökumenische Lage wurden von den Landeskirchen deutlich zurückgeführt. Die Freikirchen waren jetzt darum bemüht, die angebahnten Beziehungen so festzuhalten, dass sie nicht wieder auf die Situation zur Zeit des NS-Staates und davor zurücksanken. Das zeigte der 1952 folgende Freikirchentag. Inzwischen war das Kirchengesetz zur Ordnung des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 1. Oktober 1951 in Kraft getreten. Darin waren die Freikirchen nicht mehr erwähnt. Der VEF-Vorsitzende Heinrich Wiesemann berichtete: »Es ist vor allem den Bemühungen von Bischof Sommer zu verdanken, daß ein neues Abkommen211 zwischen dem Hilfswerk der Evangelischen Kirche und der im Zentral208 Brief J. W. Ernst Sommer an Eugen Gerstenmaier vom 30. Juli 1948. ADW ZB 113. Sommer reiste in vielen Staaten, hielt Vorträge in Universitäten und vor Versammlungen von Pastoren wie Industriellen. Die Reise Bischof Sommers ist dokumentiert durch seine Briefe. In: Der Evangelist 99. Jg. (1948), 34, 44 f, 53, 57 f u. 64 – 67. 209 Verh.-Niederschrift 10. Freikirchentag 1950 in Hamburg, 6. Der dort angekündigte Bericht lag nicht vor. Die Sitzung war wegen einer Auslandsreise des Vorsitzenden Paul Schmidt so spät erfolgt, dass Bischof Sommer inzwischen erneut in die USA abreisen musste. 210 Niederschrift über eine Besprechung von Vertretern des Zentralbüros mit den vier freikirchlichen Vertretern am 19. Februar 1948. ADW ZB 113. 211 Die Vereinbarung zwischen dem Hilfswerk der EKD und dem Präsidium der Vereinigung Evangelischer Freikirchen vom 18. Januar/12. Februar 1952, welche 1955 zur Einrichtung

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ausschuß der Vereinigung Evangelischer Freikirchen zusammengefassten Hilfswerke geschaffen werden konnte.«212 Das war ein Zwischenschritt zur 1957 erfolgten Konstituierung einer »Diakonischen Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Kirchen in Deutschland«,213 durch welche eine Rechtsbeziehung zwischen dem in diesem Jahr neu gebildeten Diakonischen Werk der EKD und der Mehrzahl der Minderheitskirchen durch eine gewisse Form der Ausgliederung bei weiterer Zugehörigkeit erreicht wurde.

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Als das Zweite Vatikanische Konzil eine ökumenische Öffnung beschlossen hatte, löste das in Deutschland eine Welle der ökumenischen Begeisterung aus. In den vorangehenden 25 Jahren hatte hier die ökumenische Idee deutlich an Boden gewonnen. Das zeigt der Rückblick auf die Lage nach dem Zweiten Weltkrieg. Andrea Strübind bemerkte in einer aufschlussreichen Studie, die innerdeutsche Ökumene habe sich 1945 in einem »desolaten Zustand« befunden.214 Tatsächlich ist eine solche Formulierung eher eine Beschönigung als eine kritische Anmerkung. Realistisch ist es, in der gebotenen Nüchternheit festzustellen, dass es 1945 eine innerdeutsche Ökumene noch gar nicht gab. Wenn ›Ökumene‹ das Verhalten und die Beziehungen von Kirchen zueinander beschreibt, dann wurde sie seit 1926 höchstens in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen praktiziert. Die Tatsache, dass die inzwischen in vielen Ländern gebildeten Ecumenical Councils in Deutschland kein Pendant hatten, machte es nach 1945 den Spenderkirchen, den Genfer Vermittlern und den deutschen einer »Außenstelle des Zentralbüros des Hilfswerks der EKD« (später des Diakonischen Werkes der EKD) mit einem Teilzeitgeschäftsführer in Frankfurt/M. in Verbindung mit der Geschäftsstelle des Hilfswerk der Methodistenkirche führte. Eine entsprechende »Diakonische Arbeitsgemeinschaft…« wurde am 6. Juni 1975 in der DDR gebildet. 212 Verh.-Niederschrift, 11. Freikirchentag in Frankfurt/M. 1952. Bericht Heinrich Wiesemann, 11. 213 Der Vertrag ist dokumentiert im Berichtsheft der Konferenz Evangelischer Freikirchen 1958 in Nürnberg, Witten 1959, 43 – 46. Es war von Anfang an eine Ausweitung der Mitwirkung anderer Kirchen außerhalb der VEF gedacht. In den folgenden Jahren traten der Arbeitsgemeinschaft bei: die Mennoniten, die Heilsarmee, die Herrnhuter Brüdergemeine, die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche und auch das Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland. Ökumenisch bemerkenswert ist, dass auch in dieser Konstellation die Vereinigung Evangelischer Freikirchen einen Kristallisationspunkt zur Bildung verbindlicher zwischenkirchlicher Gemeinschaft bildete. Neben der EKD mit ihrem Diakonischen Werk war die Diakonische Arbeitsgemeinschaft seit der ersten Sammlung »Brot für die Welt« eine zweite Säule dieser sowohl im eigenen Land wie in den internationalen Beziehungen ökumenischen Aktivitäten. 214 Andrea Strübind, Freikirchen und Ökumene in der Nachkriegszeit. In: KZG 6. Jg. (1993), Heft 1, 191.

Zwischenbilanz

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Verteilern der Gaben so schwer, einen Weg zu finden, der zugleich den Gebern und den Empfängern gerecht wurde. Das Drängen der Genfer Ökumeniker auf eine alle protestantischen Kirchen umfassende Arbeitsstruktur in Deutschland ist genauso verständlich, wie die Sperren, die in vielen deutschen Köpfen noch vorhanden waren. Die Eisdecke für eine neue, überraschend von außen geforderte Partnerschaft war zu dünn, um tragfähig sein zu können. Es genügte für die Arbeit vor Ort nicht, wenn auf der entfernten Führungsebene eine handvoll Verantwortliche den Genfer Vorstellungen zustimmten oder gar zustimmen mussten. Dafür waren die damaligen Kommunikationsmöglichkeiten ohne funktionierende Post- oder Telefonverbindungen und mit nur spärlichen kirchlichen Zeitschriften zu gering. Schon die Landesbüros der Hilfswerke konnten diesen kirchenpolitischen Umschwung nicht so schnell nachvollziehen wie er jetzt gefordert wurde. Ökumene muss wachsen, und das ist besser möglich, je mehr das gegenseitige Vertrauen wächst. Aber dazu waren in der Praxis nur wenige Voraussetzungen vorhanden. Trotzdem kam es zu einer Verbesserung der zwischenkirchlichen Verhältnisse in Deutschland, die – man muss es um der historischen Wahrheit willen so sagen – am Anfang weder erwünscht noch erhofft waren. In ihrer gesamten Geschichte haben die Landeskirchen in ihren Territorien immer am längeren Hebel gesessen. Das war für die Minderheiten manchmal bitter und schmerzlich. Zwar musste innerhalb der Landeskirchen die eigene Theologenschaft Richtungskämpfe ausfechten und ihre Positionen behaupten. Aber zu einem ökumenischen Dialog über die eigenen Grenzen hinweg sahen sie weder einen Anlass noch suchten sie dazu eine Chance.215 Die Territorialkirchen waren auch nicht gewohnt, dass sie »von außen« angefragt wurden. Der neuen Lage, die Kirche und Gesellschaft gleichzeitig traf, begegneten sie unvorbereitet. Die mächtigen Landeskirchen hatten es plötzlich mit Partnern zu tun, die durch ihre Auslandsbeziehungen unvermutet so an Einfluss gewonnen hatten, dass sie umgekehrt dieses und jenes einforderten, Bedingungen stellten und auf ihre Rechte pochten. Damit war – wenigstens vorübergehend – eine Situation eingetreten, die für beide Seiten neu war. Diejenigen, die jetzt wohl oder übel von ihrer bisherigen Monopolstellung ein wenig abrücken mussten, konnten darüber nicht begeistert sein. Auf der anderen Seite haben die, die sich bisher an den Rand gedrängt fühlten, gegenüber solchen, die sie statt als Partner immer noch als Bittsteller und unerwünschte Teilhaber behandeln wollten, gelegentlich 215 Karl Heinz Voigt, Der Weg zu einer ersten Vereinbarung zwischen einer Landeskirche und einer Freikirche. Die Evangelische Gemeinschaft in Württemberg. In: FF Bd. 17 (2008), 257 – 274. Bei dieser Ausnahme ging die Initiative zum Zusammentreffen vom württembergischen Staat aus. Anlass war die Vergabe von Körperschaftsrechten an die beiden damaligen methodistischen Kirchen, aus der die staatliche Forderung erwuchs, die Frage von Doppelmitgliedschaften zu klären.

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überzogen aufgetrumpft. Dazwischen standen die, die miteinander verhandelten. Bischof J. W. Ernst Sommer hatte immer ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden, und er verstand sich, auf dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrungen wie des familiären und des institutionellen Gedächtnisses in den vielen von ihm geführten Verhandlungen als gleichberechtigter Partner. Alles andere verletzte seine Würde und die der Kirchen, die er vertrat. Den Minderheitskirchen eine gleichberechtigte Partnerschaft einzuräumen, fiel wiederum den verhandelnden Landeskirchlern schwer. Hinzu kam, dass Sommer zwischen den von ihm vertretenen Freikirchen und den Vertretern im Wiederaufbauausschuss in einer Lage war, die ihn zu konsequentem Nachfragen zwang. Manche Reibungsfläche ist aus der damaligen Situation leicht erklärbar. Aus heutiger Sicht ist immer noch zu sehen, dass es in Deutschland aufgrund der unterschiedlichen Größenverhältnisse der Kirchen nur wenige wirklich ökumenische Strukturen außerhalb der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen gibt. Im Diakonischen Werk der EKD (DW) und im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) z. B. haben sich die Freikirchen den EKD-Werken angeschlossen. Die ökumenischen Auslandsbeziehungen liegen allein in der Hand der EKD. Am weitesten ist die Partnerschaft im Bereich des Evangelischen Missionswerkes (EMW) fortgeschritten. Leider sind in den Jahren nach 1945 die theologischen Fragen, die Frage nach der sichtbaren Einheit sowie der Gedanke an Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst in Deutschland noch nicht Gegenstand des ökumenischen Gesprächs gewesen. Die dramatische Nachkriegssituation, in der es um Schuld und Versagen, um Hunger, Flucht und Wohnungsnot, Entnazifizierung und Kriegsgefangenennöte ging, war auch nicht der Zeitpunkt, diese Diskussion aufzunehmen. Solche Möglichkeiten eröffneten sich erst später. Die Bildung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen und die seit 1959/60 gemeinsame Aktion BROT FÜR DIE WELT wurden zu Signalen einer neuen Entwicklung. Gerade diese aus dem gemeinsamen Hilfswerk herausgewachsene Arbeit lässt den Eindruck entstehen, dass es sei leichter ist, gemeinsam zu helfen als miteinander Hilfe zu empfangen und zu teilen. Für eine geistlich geprägte Ökumene war der Start nach 1945 eher belastend als förderlich. Kirchliche Gemeinschaft und gegenseitige Anerkennung kann weder durch kirchenpolitische Drucksituationen noch durch Forderungen an den Partner entstehen. Sie wächst durch gegenseitiges Vertrauen, durch gemeinsames Hören auf das Wort in Gottesdiensten, durch ökumenische Gebetswochen und durch gemeinsam entwickelte Projekte. Ökumene ist ein geistlicher Prozess, den man gerade als Kirchen, welche der Freiheit einen zentralen Platz in ihrem theologischen Gebäude einräumen, eben auch in dieser

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Freiheit vollziehen wollen muss. Wo das geschieht, da kann Gottes Geist an allen Bereitwilligen wirken und arbeiten. Und er tut es.

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1.9.1 Wie ökumenisch waren die Gründungsmitglieder? In der 1948 – erst nach der Annahme der Satzung der ACK – beschlossenen Grundordnung der EKD heißt es kurz und bündig: »Die Evangelische Kirche in Deutschland arbeitet in der ökumenischen Bewegung mit.«217 Damit war, das sollte sich bald zeigen, vorrangig die weltweite Ökumene im Blick, mit der es schon zu dieser Zeit reichlich Kontakte gab. Es war ein wichtiges Ergebnis der Stuttgarter Ratstagung im Oktober 1945, dass sie, nachdem sie gegenüber den Delegierten aus der Ökumene die folgenreiche »Erklärung« abgegeben hatte, auch die Entsendung von Bischof Theophil Wurm und Martin Niemöller, der 1947 zum Kirchenpräsidenten von Hessen-Nassau gewählt wurde, in die Mitarbeit zur endgültigen Organisation des Ökumenischen Rates der Kirchen vornehmen konnte. Wie wenig zunächst die innerdeutsche Ökumene ins Blickfeld gekommen war, zeigt die Bestimmung in Artikel 1.2. Dort hieß es: »In der Evangelischen Kirche in Deutschland wird die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit sichtbar.«218 Die autonomen Freikirchen als Teil der »deutschen evangelischen Christenheit« waren von den Verfassungsjuristen noch nicht akzeptiert. Die EKD selbst hatte um ihre Einheit zu ringen. Das zeigte sich darin, dass am Ende der in Treysa eingeleiteten Diskussion noch keine Kirchengemeinschaft unter den Gliedkirchen möglich war. Es heißt ausdrücklich: »Über die Zulassung zum Abendmahl besteht innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland keine volle Übereinstimmung.«219 216 Karl Heinz Voigt, »Wir werden nicht darum herumkommen…«. Vorgeschichte und Anfänge der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland. In: FF Bd. 18 (2009), 205 – 238. 217 Amtsblatt der EKD Jg. 1948, Heft 5 v. 15. Juli 1948, 111. 218 Ebd., 110. 219 Ebd., Art. 4.4 wo es weiter heißt: »In keiner Gliedkirche wird einem Angehörigen eines in der Evangelischen Kirche in Deutschland geltenden Bekenntnisses der Zugang zum Tisch des Herrn verwehrt, wo seelsorgerliche Verantwortung oder gemeindliche Verhältnisse die Zulassung gebieten.« Die klare Sprache spiegelt insbesondere die lutherischen Vorbehalte, obwohl ein Umzug von einem Land mit einer reformiert geprägten Landeskirche in ein anderes Land mit einer lutherischen Kirchenleitung reichte, um die Konfession zu wechseln.

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Und wie war die Ausgangslage in den anderen Kirchen? Die weiteste Spanne bestand zwischen den methodistischen Kirchen und dem Bund Freier evangelischer Gemeinden, sieht man von den verschiedenen lutherischen Freikirchen ab, die selbst im Lutherischen Weltbund keine Mitglieder sind. In den methodistischen Kirchen gehört die ökumenische Gesinnung (»catholic spirit«220) praktisch zu den notae ecclesiae. Während der englische und Teile des amerikanischen Baptismus von Anfang dem ÖRK angehörten, gab es innerhalb des deutschen Baptismus unterschiedliche Strömungen, die während der NS-Zeit durch einen Zusammenschluss verschiedener täuferischer Zweige zum Bund Ev.-Freikirchlicher Gemeinden verstärkt worden waren. Die independenten Freien evangelischen Gemeinden lebten in einer Protesthaltung gegen theologischen Liberalismus und hatten ein mehr abgrenzendes ekklesiologisches Selbstverständnis entwickelt. Die ihnen wichtige Frage der Einheit verbinden sie mit dem Bild der ausschließlich durch individuelle Glaubensentscheidungen gebildeten Gemeinden und Kirchen. Sie sind lediglich mit der nach dem kongregationalistischen Grundmodell organisierten Evangelischen Allianz verbunden. Diese Spannweite wirkte sich innerhalb der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) zeitweise belastend aus.221 Die Brüder-Unität war seit ihrer Bildung ökumenisch, der alt-katholischen Theologie liegt ein ökumenisches Interesse naturgemäß zugrunde, und die Mennoniten mit verschiedenen Strömungen und den Schmerzen aus der Reformationszeit zeigten im 20. Jahrhundert von Anfang an eine ökumenische Offenheit. Die Gruppe der Minderheitskirchen innerhalb der ACK war mindestens genauso verschiedenartig wie die EKD, vielleicht sogar in noch ausgeprägterer Form.

1.9.2 Vorsichtige Signale und erste Schritte zur ACK-Bildung Im Oktober 1946 bereitete der Rat der EKD einen Aufruf an die Gemeinden vor. Eine Unterschriftenaktion »an ausländische Stellen […sollte helfen,] das Los der Kriegsgefangenen zu erleichtern und ihre Entlassung zu erwirken.«222 Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, »der Katholischen Kirche und den Freikirchen den Beschluss […] zur Kenntnis zu bringen und ihnen anheim zu stellen, sich […] zu beteiligen.«223 Das wiederholte sich aus Anlass einer Gebetswoche für 220 So der Titel einer Lehrpredigt John Wesleys von 1749. Die deutsche Übersetzung unter dem Titel »Ökumenische Gesinnung« findet sich in: John Wesley, Lehrpredigten, Stuttgart 1986, Bd. 2, 749 – 763. 221 Karl Heinz Voigt, Die Freikirchen während der Weimarer Republik. In: FF 2012, 131 – 157. 222 Prot. EKD-Rat, Bd. 1, 663. 223 Ebd., 651.

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Kriegsgefangene, die vom 19. bis 25. Oktober 1947 durchgeführt wurde.224 Beide Einladungen wurden in der methodistischen Kirche positiv aufgenommen. Im Sonntagsblatt Der Evangelist wurde der Aufruf von 1946 unter ausdrücklicher Erwähnung der EKD-Initiative aufgenommen und erläutert, dass die gesammelten Unterschriften an die Militärregierungen gehen werden.225 Ähnlich wurde 1947 bei den Methodisten eingeladen, sich »gläubig an dieser Gebetswoche zu beteiligen«.226 Dies waren Signale in beide Richtungen in die alle methodistischen Gemeinden durch ihre Presse einbezogen waren.227 Im Hintergrund der EKD-Einladungen stand sicher, dass es in Großbritannien nur wenige Lutheraner und keine Unierten, aber in der dortigen Kriegsgefangenenbetreuung sehr aktive Methodisten und Baptisten gab.228 Im Vorfeld der 1948er Amsterdamer Gründungskonferenz des Ökumenischen Rates des Kirchen (ÖRK) kam es auch in Deutschland zur Bildung einer offiziellen Arbeitsgemeinschaft von zunächst sechs Mitgliedskirchen und einer Gastkirche. Es waren dies: – Die Evangelische Kirche in Deutschland, – der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland, – die Evangelische Gemeinschaft in Deutschland, – die Methodistenkirche in Deutschland (beide vereinigten sich 1968 zur Evangelisch-methodistischen Kirche), – die Alt-Katholische Kirche in Deutschland und – die Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden. – Als Gast blieb der Bund Freier evangelischer Gemeinden dabei. Bis dahin hatte es nur in Ausnahmefällen offizielle Begegnungen zwischen Gliedkirchen der EKD, der EKD oder einer ihrer Vorgänger mit Freikirchen gegeben, und wenn es dazu kam, dann nicht als multilaterale Gemeinschaft. In den seltenen Fällen bilateraler Gespräche waren, wie bereits gezeigt, staatliche Erfordernisse juristischer Art oder Beschwerden von Freikirchen z. B. in Friedhofsangelegenheiten der Anlass. Die Entstehung der ACK war daher ein wichtiger Prozess, der sich aber auch als kompliziert erwies. Die ACK wurde dann zu einem Instrument, das trotz begrenzter Möglichkeiten zunehmend ein Ort des Gesprächs, des Austausches und später gelegentlich auch des gemeinsamen Handelns wurde. 224 225 226 227

Prot. EKD-Rat, Bd. 2, 177 f., 187ff. u. 189 – 195. Der Evangelist, 97. Jg. (1946), Ausgabe vom Dezember, 2. Der Evangelist, 98. Jg. (1947), 82. Man muss dazu wissen, dass die Sonntagszeitung, die noch nicht wöchentlich wieder erscheinen durfte, von einer großen Anzahl methodistischer Familie abonniert war. 228 Pamela Howe-Taylor, Enemies Become Friends, London 1997;- dies., The Germans We Trusted: Stories of Friendship Resulting from the Second World War, London 2003.

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Unter dem Einfluss aus Genf und den unnachgiebigen Forderungen aus dem Bereich der Freikirchen war es zum Hilfswerk der Evangelischen Kirchen gekommen, das zwar ein gemeinsames Arbeitsinstrument war, aber weder eine Rechtsform erlangte noch eine Plattform für die Begegnung von Kirchenleitungen bot. Es bildet aber einen Teil der Vorgeschichte der ACK. Auch die inzwischen von Genf her installierte Ökumenische Centrale half dabei, der innerdeutschen Ökumene den Weg zu bereiten. Neben dem Rat der EKD fiel der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) am Anfang die Hauptrolle zu. Der Deutsche Arbeitsausschuss des Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen, den man als den Vorläufer der ACK bezeichnen muss, spielte in der konkreten Vorbereitung zu deren Organisation jedoch keine Rolle.

1.9.3 Das Interesse des Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen Bereits am 2. Oktober 1945 traf sich in Berlin der Arbeitsausschuss der deutschen Weltbundvereinigung zur ersten Sitzung nach dem Krieg. Dieser Runde wurde ein Schreiben des Vorsitzenden Superintendenten Max Diestel zur Zustimmung vorgelegt, in dem er die Leitung der EKD aufforderte, »sich über ihre Absichten hinsichtlich der Aufnahme der ökumenischen Beziehungen zu äußern.«229 Es ging ihm besonders darum, Personen zu benennen, die diese Kontakte wahrnehmen sollen. Gleichzeitig wurde eine neue Struktur für die Zusammensetzung der Deutschen Vereinigung für notwendig gehalten. Die Möglichkeit der Einzelmitgliedschaft neben der körperschaftlichen Zugehörigkeit sei zukünftig nicht mehr tragbar. »Weil sie [die Vereinigung] jedoch eine interkonfessionelle Vereinigung ist, so dürfte die Frage zu erörtern sein, ob nicht besondere Delegierte der Kirchen innerhalb der deutschen Vereinigung die eigentlichen Träger der ökumenischen Arbeit sein sollten, die verantwortlich für die gesamte evangelische Christenheit in Deutschland (landeskirchliche und freikirchliche) zu reden haben – entsprechend dem Britischen Rat der Kirchen, der alle Denominationen mit ökumenischen Interessen in Großbritannien umfasst.«230 Damit war die Frage eines zukünftigen Christian Council of Churches für Deutschland aufgeworfen. In der folgenden Sitzung berichtete Missionsdirektor Siegfried Knak von einem Gespräch mit Bischof Dibelius über die Frage des Anschlusses »an die Kirche«. Das Protokoll vermerkte: »Eine Lösung dieser 229 Bericht über die Sitzung des Arbeitsausschusses der Deutschen Vereinigung des Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen v. 2. Oktober 1945 in Berlin-Lichterfelde. LKA Stuttg. A 126 Nr. 2111. 230 Ebd. – Da der Bericht keine Anwesenheitsliste umfasst, ist aus dem Text des Protokolls nur der methodistische Pastor Ernst Scholz als freikirchlicher Teilnehmer dieser Sitzung auszumachen.

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Frage sei insofern nicht einfach, als im Weltbund auch die Freikirchen vertreten sind.« Bischof Dibelius sah sofort, dass die deutsche Weltbundvereinigung »nicht dem Bischofsamt unterstellt werden könne.« Er schlug sich als Ehrenvorsitzenden vor, damit der Weltbund sich in der Öffentlichkeit »auf die Autorität des Bischofs stützen« könne. Dies sei das englische Modell mit der entsprechenden Rolle des Bischofs von Chichester im British Council of Churches,– jedenfalls wünschte sich Dibelius das so. In einer weiteren Sitzung am 9. November 1945 schlug Präsident Georg Burghart vor, sich in einem Schreiben an den Rat der EKD zu wenden und ihm mitzuteilen, »daß wir einen Zusammenschluß der gesamten ökumenischen Arbeit in Deutschland brauchen.« Er hatte auch gleich eine Vorstellung darüber, wer in dem Komitee vertreten sein solle, nämlich: »Die Kirchenführer, die Weltbünde, die Deutsche Vereinigung des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen, das Jungmännerwerk, der Verband weiblicher Jugend, die Äußere Mission und die Freikirchen,«231 deren Leitungspersönlichkeiten außer den »Kirchenführern« getrennt erwähnt wurden. Es sei »die Hinzuziehung eines deutschen Vertreters der orthodoxen Kirche« zu erwägen. Die Initiative hatte zum Ziel, die Verantwortung für das erhoffte ökumenische Instrument in Händen des Arbeitsausschusses zu sehen. Ein Schreiben des Deutschen Arbeitsausschusses vom Herbst 1947 an die EKD lässt erkennen, wie skeptisch von ihm die innerdeutsche ökumenische Entwicklung beobachtet wurde. Der Weltbund bat »um eine klare und verbindliche Aeusserung über die künftige Ausgestaltung der ökumenischen Arbeit in Deutschland.«232 Dabei ging es ihm um die Beziehungen zum ÖRK und die Rolle des Weltbunds, aber gleichzeitig wurde auf eine Klärung gedrängt, »wie das ökumenische Anliegen in Deutschland nicht zur Sache einiger Kreise und Personen, sondern der Kirchen selbst und ihrer Gemeinden werden kann.« Dem Arbeitsausschuss lag daran, »dass die mannigfachen ökumenischen Bestrebungen in Deutschland sich gegenseitig fördern und zu einheitlicher Haltung sich zusammenfinden.«233 Den Aktivitäten des Weltbunds ist anzumerken, dass erfahrene Ökumeniker die konzeptionellen Vorstellungen entwickelten. Die Freikirchen, die Heilsarmee und die Quäker wurden ausdrücklich einbezogen. Da sich der Internationale Weltbund nach der Bildung des ÖRK auflöste, hatte auch der Deutsche Zweig keine Zukunft.

231 Bericht der Deutschen Vereinigung des Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen vom 9. Nov. 1945. LKA Stuttg. A 126 Nr. 2111. 232 Schreiben des Arbeitsausschusses der Deutschen Vereinigung des Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen an die Kirchenkanzlei [der EKD] vom 3. November 1947. In: Prot. EKD-Rat, Bd. 2, 380. 233 Ebd., 381.

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1.9.4 ACK-Bildung: Erste Anregungen zu offiziellen Vorgesprächen Die frühesten Spuren reichen bis ins Jahr 1946 zurück und führen wieder einmal nach Genf. Hans Asmussen hatte als Leiter der EKD-Kirchenkanzlei »im Laufe des Jahres 1946« vom Genfer Mitarbeiterstab die Anregung erhalten, Gespräche zur Bildung eines »Nationalrates« mit den Freikirchen aufzunehmen. Danach hatte er sich »mehrfach um die Beschaffung von Anschriften der Freikirchen bemüht«.234 Die Tatsache, keine Anschriften der freikirchlichen Zentralen oder ihrer leitenden Personen – ähnlich wie bei der Bildung des Hilfswerks – zu kennen, zeigt den damaligen Stand der ökumenischen Beziehungen in Deutschland. Um den Kontakt zu Gesprächen über einen »Nationalrat« aufnehmen zu können, schrieb Asmussen am 16. April 1946 an das Ratsmitglied Präses Heinrich Held nach Düsseldorf: »In der Schweiz wurde ich angesprochen auf die Union der Evang. Freikirchen235, von der mir bisher noch nichts bekannt war. Diese soll ihren Sitz in Witten an der Ruhr haben und ihr Geschäftsführer soll ein Pfarrer Messner sein.236 Da mir Näheres darüber nicht bekannt ist, wende ich mich an Dich mit der Bitte, eine Auskunft darüber einzuholen und die Angelegenheit zu klären.«237

Asmussen kommentierte seine Anfrage nicht gerade in ökumenischer Aufgeschlossenheit und schrieb: »Wir werden nicht darum herumkommen, falls es eine solche Union gibt, mit ihr Fühlung aufzunehmen, weil die Freikirchen in Nordamerika (Baptisten und Methodisten) sich gern auch um uns kümmern würden, dies aber nicht können, solange wir keinerlei Verbindung zu ihren Konfessionsgenossen innerhalb Deutschlands haben.«

Der Brief weist in seinem größeren Zusammenhang erneut auf die ökumenischen Nachkriegshilfsmaßnahmen hin. Ein anderer Impuls ging 1946 von dem Neukirchner Missionsdirektor Wil234 Otto Ludwig von Harling, Bericht über die Entstehung der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland, Hannover 18. August 1951. EZA 2/2182. 235 Es kann sich hier nur um die ›Vereinigung Evangelischer Freikirchen‹ (VEF) handeln. 236 Hier wird der ›Bund Freier evangelischer Gemeinden‹ mit der VEF verwechselt. Karl Mosner (1899 – 1951) (im Text: Pfarrer Messner) war Prediger und als Leiter des Bundeshauses in Witten/Ruhr tätig. Weil Witten im Bereich der Rheinischen Kirche liegt, lag es nahe, bei Präses Held in Düsseldorf anzufragen. Das Missverständnis ist offensichtlich entstanden, weil im Briefkopf die kirchliche Selbstbezeichnung vom Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland in englischer Übersetzung ausgedruckt war : Union of the Free Christian Churches in Germany / Union des Êglises Evang¦liques Libres en Allemagne. Sollte ein solcher Brief der ökumene-kritischen Freikirche in Genf auf einem der Tische gelegen haben und diese Initiative ausgelöst haben? 237 Hans Asmussen, Präsident der Kirchenkanzlei der EKD, in einem Brief v. 16. 4. 1946 an Präses Heinrich Held, ausführlich zitiert in: Otto von Harling, Bericht über die Entstehung der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland v. 18. Aug. 1951. EZA 2/2180.

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helm Nitsch aus. Zwischen Neukirchen und der Zentrale des Bundes Freier evangelischer Gemeinden (BFeG) in Witten bestand immer eine gewisse Nähe. Der damalige Präses dieses Bundes, Prediger Karl Glebe, zeitweise deren Vertreter in der ACK, war im Neukirchener Missionsseminar ausgebildet worden.238 Der dortige Missionsdirektor Nitsch regte in einem Schreiben »die Schaffung eines nationalen Rates der deutschen Kirchen an, in dem auch die Freikirchen vertreten sein sollten.«239 Dieser Impuls erreichte im Juli 1946 die EKD-Ratsmitglieder. Es war ein Laie, nämlich der Jurist Gustav Heinemann240, der auf Nitschs Anregung dem Rat der EKD, in dem er Mitglied war, vorschlug, einen solchen »nationalen Rat der Kirchen zu bilden, in dem auch die Freikirchen vertreten sein sollten.«241 Daraufhin beschloss der Rat am 24./25. Januar 1947, die Kanzlei solle »Vorverhandlungen mit den Freikirchen über die Bildung eines Nationalrates der deutschen Kirchen, der der Ökumene präsentiert werden kann, einleiten.«242 Der Nachsatz deutet erneut auf den Genfer Einfluss und die dortigen Erwartungen hin.

1.9.5 Das erste Vorgespräch: EKD und drei Methodisten Am 21. März 1947 kam es in Stuttgart zu einer ersten Besprechung, an der als Vertreter der EKD-Kanzlei Superintendent Günther Siegel und Otto von Harling, auf freikirchlicher Seite die beiden Methodisten J. W. Ernst Sommer und Paul Huber, Superintendent in Stuttgart, sowie der Direktor des Predigerseminars der Evangelischen Gemeinschaft Johannes Schempp d. J. teilnahmen.243 In den Überlegungen wurde die Möglichkeit der Beteiligung von Orthodoxen und 238 Hartmut Weyel, Karl Glebe (1885 – 1966). In: ders., Zukunft braucht Herkunft, Porträts aus der Geschichte der Freien evangelischen Gemeinden, Bd. 3, Witten 2011, 221 – 236. 239 Otto von Harling, Bericht über die Entstehung der ACK, 2. – Wilhelm Nitsch war auch in der Evangelischen Allianz engagiert. Vgl.: Karl Heinz Voigt, Die Evangelische Allianz nach 1945. In. FF Bd. 20 (2011), 235 – 285. 240 Der frühere Essener Bürgermeister und spätere Bundespräsident gehörte seit 1945 für den Flügel der Bekennenden Kirche zum Rat der EKD. Er kam aus der selben Landeskirche wie Wilhelm Nitsch. Unierte hatten es immer leichter, konfessionelle Grenzen zu überschreiten, als es bekenntnisorientierten Kirchen fiel. 241 Schreiben Kirchenkanzlei/Asmussen vom 26. Juli 1946 an die Ratsmitglieder. In: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn. Best. Nachlass Heinemann, Allg. Korrespondenz. 242 Prot. EKD-Rat, Bd. 2, 12, Anm. 47. 243 Briefe mit Einladungen waren lediglich an die Methodistenkirche und die Evangelische Gemeinschaft gegangen, entweder weil beide Kirchen in ihren amerikanischen Zweigen aktiv an den Vorbereitungen der Bildung des ÖRK teilnahmen oder weil sie wichtige amerikanische Spenderkirchen für die Hilfswerkarbeit innerhalb Deutschlands vertraten. Vgl. Briefe und Antworten im EZA 2/183.

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Katholischer Kirche für möglich gehalten und darum der Name »Rat der christlichen Kirchen in Deutschland« erwogen. Man einigte sich, zunächst die EKD, die Methodistenkirche, den Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten), die Evangelische Gemeinschaft, den Bund Freier evangelischer Gemeinden, also die vier VEF-Kirchen, und weiter die Mennoniten, die AltKatholiken, die Lutherischen Freikirchen, die Brüdergemeine und die freien reformierten Gemeinden zu den folgenden Vorgesprächen einzuladen. Die im Protokoll notierte Passage, »Ob seitens der EKD eine offizielle Fühlungnahme mit der kathol. Kirche moeglich ist, muss noch erwogen werden«,244 deutet darauf hin, dass einer der Freikirchler, wahrscheinlich Sommer mit der größten internationalen ökumenischen Erfahrung innerhalb der Gruppe, diese Frage aufgeworfen hatte.245 Ausgeschlossen bleiben sollen u. a. die Bibelforscher, die Neuapostolischen und die Adventisten. Als Aufgabenfelder wurden genannt: Gemeinsame Vertretung gegenüber Staat, Besatzungsmacht und Ökumene sowie zwischenkirchliche Beratungen, jedoch ohne Entscheidungsbefugnis. Danach sind Erwägungen für die nächste Vorbesprechung aller beteiligten Kirchen und Gedanken zu Statuten notiert. Der ökumenisch engagierte Bischof Sommer bemerkte zu den Aufgaben: »der zu gründende Rat könne helfen, dass in Angelegenheiten von oekumenischer Bedeutung, wie z. B. Sonntagsschulwesen, Mission, Studentenbewegung, Schulfrage, die Auffassungen der Freikirchen besser als bisher zu Gehör kommen und ihre Interessen auf diesen Gebieten gewahrt werden.«246 Ferner wurde erwogen, »ob etwa alle 4 Jahre ein allgemeiner Kirchentag einberufen werden könne, auf dem dann vor der Öffentlichkeit ein gemeinsames Zeugnis abgelegt werden soll.«247 Diese inhaltlichen Gestaltungsvorschläge kamen in der Vorlage für die Entscheidung des Rates am 27./28. März 1947 nicht mehr vor. Die Erwägungen waren für das erste Zusammentreffen mutig und offensichtlich von vorneherein für die EKD zu weit gehend. Der Ratsbeschluss im März 1947 war restriktiv. Er lautete: »Der Rat billigt es [!], wenn ein loser Zusammenschluss mit den Evangelischen Freikirchen in Deutschland geschaffen wird. Der Ausdruck ›Rat‹, der auf eine engere Gemeinschaft schließen lässt, soll vermieden werden.«248

244 Notiz Otto von Harlings für die Ratssitzung: »Bildung eines Nationalrates der Kirchen in Deutschland«. 21. März 1947. In: Prot. EKD-Rat, Bd. 2, 99 f. 245 Das wird später erhärtet, vgl. Kap. 3.6.2. 246 Niederschrift über die Besprechung für die Gründung des Nationalrates der Deutschen Kirchen in Stuttgart am 21. 3. 1947. In: Prot. EKD-Rat, Bd. 2, 113 – 115 (114 f). 247 Ebd., 115. – Die Methodisten haben sich von Anfang an am Kirchentag beteiligt. J. W. Ernst Sommer und Paul Huber, beide Gesprächspartner in Stuttgart 1947, waren 1949 in Hannover Teilnehmer des ersten Nachkriegskirchentages. Vgl.: Karl Heinz Voigt, Kirchentage waren schon immer ökumenisch. In: ÖR 52. Jg. (2003), 75 – 88. 248 In: Prot. EKD-Rat, Bd. 2, 68.

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1.9.6 Die erste Begegnung aller Gründungsmitglieder Nachdem der Rat der EKD seine Position abgesteckt hatte, wurde das erste offizielle Gespräch mit den an einer ökumenischen Gemeinschaft interessierten Kirchen auf den 17. Oktober 1947 in Assenheim249 terminiert. Die Delegierten der vier VEF-Kirchen trafen sich mit dem VEF-Vorstand zu einem vorbereitenden Gespräch zwei Tage vorher in Frankfurt/M. Ein erster Satzungsentwurf aus der Kirchenkanzlei, den Otto von Harling entwickelt hatte, lag dort bereits vor. Im VEF-Vorstand wurde nicht nur der Satzungsentwurf durchgesprochen, sondern ausdrücklich auch »ein Zusammengehen in der öffentlichen Stellungnahme zu Gegenwartsproblemen unseres Volkes beschlossen.«250 Zum Gespräch in Assenheim erschien neben dem lutherischen Präsidenten der Kirchenkanzlei Hans Asmussen und dessen Referent Otto von Harling auch der Leiter des Kirchlichen Außenamtes, Martin Niemöller. Er hatte innerhalb der EKD mit Rücksicht auf die ökumenische Bedeutung der geplanten ACK-Bildung Anspruch auf die Beteiligung erhoben. Das war für die Freikirchen ein Glücksfall, denn mit dem Unierten Niemöller saß jemand am Tisch, der auch durch seine kurz zuvor möglich gewesene Amerikareise viel Sympathie besonders für die kongregationalistischen Freikirchen entwickelt hatte. Sie verkörperten einen Kirchentyp, der von der Gemeinde her aufgebaut wurde, ähnlich wie er es aus seiner Kirchenkampf-Erfahrung gern in die EKD eingebracht hätte. Man kann Niemöller, der von jetzt ab eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung der ACK gewann, einen Freund der Freikirchen nennen. Ökumenische Gemeinschaft war für ihn nicht nur ein augenblickliches, von Genf eingetragenes Interesse, sondern eine bleibende Aufgabe. Außer den vier VEF-Kirchen nahm die Vereinigung der deutschen Mennonitengemeinden und das Alt-Katholische Bistum in Deutschland an dem Gespräch teil.251

249 Assenheim ist heute ein Stadtteil von Niddatal (Wetteraukreis). Im dortigen Schloss führte die EKD in den ersten Nachkriegsjahren Sitzungen und Tagungen durch. 250 Amtsblatt der Methodistenkirche, 1. Jg. (1947) Nr. 1, 1. 251 Teilnehmer waren neben den drei EKD-Vertretern (nachfolgend aufgeführt in der Reihenfolge des Protokolls): Paul Schmidt und Hugo Hartnack (1892 – 1981) für den Bund Ev.Freikirchlicher Gemeinden/Baptisten (Hartnack vertrat den Flügel der zum Bund gehörendenden täuferischen Brüdergemeinden), Präsident Ernst Pieper (1884 – 1972) für die Ev. Gemeinschaft, Bischof J. W. Ernst Sommer (Methodistenkirche), Bundesvorsteher (Präses) Prediger Karl Glebe (1885 – 1966) vom Bund Freier ev. Gemeinden, Bibliotheksrat Ernst Crous für die Vereinigung der deutschen Mennonitengemeinden, Professor Werner Küppers (1905 – 1980) für das Alt-Katholische Bistum in Deutschland. In: Amtsblatt Methodistenkirche 1. Jg. (1947), Nr. 2, 2. Die Freikirchenvertreter hatten die Zusammenkunft mit einer Sitzung des Zentral-Ausschusses des Hilfswerks der VEF verbunden, an der erstmals auch die Beauftragten teilnahmen, welche die Freikirchen bei den regionalen landeskirchlichen Hilfswerks-Hauptbüros vertraten.

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1.9.7 Irritationen über das Ziel einer Arbeitsgemeinschaft In der ersten Begegnung am 17. Oktober 1947 mussten zunächst Irritationen ausgeräumt werden. Bischof Sommer als Sprecher monierte, dass trotz der vereinbarten »vertraulichen« Behandlung, die von kongregationalistischen Teilnehmern erbeten war, eine Veröffentlichung über die Planung einer Arbeitsgemeinschaft in der Presse erfolgt sei. Paul Schmidt ergänzte, »daß diese Presseveröffentlichung zu Mißverständnissen Anlaß gegeben und in den Gemeinden vielfach Unruhe ausgelöst habe.«252 Ganz offensichtlich sind Hinweise auf Presseveröffentlichungen im Rahmen der vorausgehenden VEF-Sitzung von Karl Glebe eingebracht worden. Durch sie war die Befürchtung geweckt, als führe die ACK zu einer Angliederung an oder gar Eingliederung in die EKD. Die Kirchenkanzlei wies die Kritik zurück. Sie hatte keine Presseveröffentlichung veranlasst. Im weiteren Verlauf des Gesprächs, das – nachdem die Kirchenkanzlei eingeladen hatte – unter dem Vorsitz von Martin Niemöller als Stellvertretendem Ratsvorsitzenden stattfand, gaben die Eingeladenen Stellungnahmen zu der geplanten Arbeitsgemeinschaft ab, die durch den Protokollanten der Kirchenkanzlei festgehalten wurden. Zuerst erinnerte Paul Schmidt an die spannungsgeladene Vergangenheit und sagte: »Es sei eine wesentliche Frage, ob hierin ein grundsätzlicher Wandel eingetreten sei. Es gehe hierbei nicht um Zweckmäßigkeitserwägungen oder um eine augenblickliche Situation, sondern um einen wirklich grundlegenden und tiefen Wandel in Erkenntnis und Gesinnung.«253 Präsident Pieper »begrüßte […] im Namen der Evangelischen Gemeinschaft eine Zusammenarbeit, wie sie sich hier anbahnt.« Es dürfe aber »die angestrebte Gemeinschaft nicht die Arbeit der einzelnen Freikirchen einengen.« Er wies in dem Zusammenhang auf die evangelistische Arbeit hin. Dies führte zu einer längeren Aussprache. Als Ergebnis darüber hielt das Protokoll fest, »dass zwar ›Seelenfängerei‹ unerwünscht sei, durch die Menschen, die schon zu Christus gefunden haben, nur von einer Kirche der anderen abspenstig gemacht werden sollen, daß aber andererseits es keinesfalls als Einbruch in fremde Rechte angesehen werden dürfe, wenn durch die Evangelisationsarbeit einer Kirche Menschen zum Glauben geführt werden, die zwar einer anderen Kirche angehört haben, aber ohne in dieser zum Glauben erweckt worden zu sein.«254 Im Protokoll ist kein Beitrag von Karl Glebe festgehalten, dessen Freie evangelische Gemeinden einer kommenden Arbeitsgemeinschaft eher skeptisch gegenüber252 Niederschrift über die Begegnung zwischen den zukünftigen ACK-Kirchen v. 17. 10. 1947 in Assenheim. Veröffentlicht in der Ökumenischen Rundschau 47. Jg. (1998), Heft 1,127 – 130. Leider unter der falschen Überschrift: Niederschrift über die Freikirchentagung am 17. Oktober 1947 in Assenheim. 253 Ebd., 128. 254 Ebd.

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standen. Schon in dieser ersten Besprechung tauchte das leidige ProselytismusProblem auf, durch das die zwischenkirchlichen Beziehungen seit langem belastet waren. Man könne nur »hoffen, daß sich das Verhältnis der Kirchen untereinander allmählich im gemeinsamen Blick auf Christus« in einem besseren Sinne gestalten werde.255 Insgesamt gab es eine »allgemeine Übereinstimmung darüber, daß man zu einer Zusammenarbeit unter den vertretenen Kirchen und Freikirchen im Geiste völliger Freiheit und gegenseitiger Achtung… einen Zusammenschluß auf der Grundlage einer Satzung für angebracht hält.«256

1.9.8 Beratungen der Satzung Nach der grundsätzlichen Zustimmung wurde ein von der EKD vorgelegter Satzungsentwurf diskutiert. Man beschloss, im Sinne der geführten Aussprache daran weiterzuarbeiten. Das sollte durch Sommer, Asmussen und von Harling zur Vorbereitung der nächsten Sitzung, die für den 2. Dezember 1947 geplant war, geschehen. Diesmal wurde eine gemeinsame Pressemitteilung formuliert. Darin hieß es nach der Aufzählung der beteiligten sieben Kirchen: »die Versammelten kamen überein, ihren Kirchengemeinschaften die Bildung einer festen Arbeitsgemeinschaft zu empfehlen und eine Ordnung für diese Arbeitsgemeinschaft unverzüglich vorzubereiten.«257 In Abgrenzung der vorherigen Veröffentlichung, die den Anschein erweckt hat, als wolle man sich zu einer Kirche zusammenschließen, kommentierte das Amtsblatt der Methodistenkirche klärend: »Diese Arbeitsgemeinschaft wird die Selbständigkeit der einzelnen Kirchen in keiner Weise antasten und die Möglichkeit zu fruchtbarer Zusammenarbeit, wie sie sich ja schon im Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland bewährt hat, in einem weiteren Umfang ermöglichen. […] Es handelt sich also nicht, wie in einer Pressenotiz – die weite Verbreitung gefunden zu haben scheint – bemerkt wird, um einen Zusammenschluß der EKD mit den Freikirchen.«258 An der nächsten Beratung, die am 2. Dezember 1947 im Frankfurter landeskirchlichen Diakonissenmutterhaus stattfand, nahmen für die EKD nur noch Niemöller, der den Vorsitz führte, und von Harling teil. Ein Vertreter des Bundes Freier evangelischer Gemeinden war anwesend.259 Die abschließende Überar255 Ebd., 128 f. 256 Ebd. Die Formulierung »Kirchen und Freikirchen« ist theologisch noch wenig ökumenisch. Angemessen wäre sicher »Landeskirchen und Freikirchen«, da beide Kirchen im Vollsinn sind. 257 Ebd., Anlage: Pressemitteilung: 130. 258 Amtsblatt der Methodistenkirche, Nr. 1, 1. Jg. (1947), 1. 259 Amtsblatt der Methodistenkirche, Nr. 2, 1. Jg. (1947), 2.

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beitung der Satzung wurde von Harling und Bischof Sommer übertragen. Über diese Beratungen mit den anderen sechs Kirchen berichtete das methodistische Amtsblatt: Die anwesenden Delegierten der Kirchen »einigten sich nach sorgfältigster brüderlicher Aussprache auf einen Vorschlag der Statuten.«260 Die Satzung wurde den Kirchen- bzw. Bundesleitungen zur Ratifizierung vorgelegt. Wegen der aus ekklesiologischen Gründen eingeschränkten Vollmachten der EKD war es notwendig, dass die Kirchenleitungen aller Gliedkirchen ihre Zustimmung gaben. Das war auch für die Grundlegung der ACK zunächst hilfreich.

1.9.9 Die Konstituierung: Verzögerung und neue Irritation Ursprünglich war geplant, die Satzung am 10. Februar 1948 zu unterzeichnen und damit die ACK zu konstituieren. Dieser Termin wurde jedoch vom Rat der EKD in seiner Sitzung am 14. Januar 1948 gekippt. Im Protokoll heißt es: »Die mit der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen zusammenhängenden Fragen sollen, da heute gewichtige Bedenken geäußert worden sind und Kirchenpräsident Niemöller nicht mehr anwesend sein konnte, auf der nächsten Ratssitzung beraten werden. Die für den 10. Februar in Aussicht genommene Unterzeichnung der Satzung […] soll daher zunächst unterbleiben.«261 Was waren das für neu auftauchende Bedenken, die offensichtlich in Abwesenheit von Niemöller vorgebracht wurden? Es ist nicht auszuschließen, dass sie von Niemöllers Gegenspieler, dem Präsidenten der Kirchenkanzlei Hans Asmussen ausgingen. Der stand gerade zu dieser Zeit in heftiger Kritik, weil er entgegen seinen Pflichten in diesem Amt »eine sehr aktive eigene Kirchenpolitik im Sinne einer bestimmten theologischen und kirchenpolitischen Auffassung«262 vertreten haben soll. Präsident Asmussen war noch am 17. Oktober 1947 an der Weiterentwicklung der ACK-Satzung beteiligt. Zu jener Sitzung war auch Martin Niemöller erschienen, der möglicherweise schon über eine kritische Haltung von Asmussen, der im weiteren Verlauf der ACK-Bildung keine Rolle mehr spielte, unterrichtet war. Wie die nächste Sitzung zeigen sollte, war die Verschiebung des Termins bei aller neuen Problematik für die Freikirchen ein Glücksfall. Sie fand mit der Unterzeichnung am 10. März 1948 in Kassel statt. Die Vertreter der Unterzeichner-Kirchen reisten an und erlebten eine Überraschung. Die von fünf263 der 260 261 262 263

Ebd. Prot. EKD-Rat Bd. 2, 362. Ebd., 386. »Erklärung« der Kanzlei-Mitarbeiterin Elisabeth Schwarzhaupt (1901 – 1986). Karl Glebe als Vertreter des Bundes Freier evangelischer Gemeinden war von seinem Bundesgeschäftsführer abgemeldet worden. In dem Schreiben aus Witten hieß es: »Wir teilen Ihnen […] mit, daß eine Teilnahme unseres Bundesvorstehers […] an der Sitzung

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sechs verhandelnden freikirchlichen Leitungen ratifizierten »Satzungen« wurden am Tag vor der Unterzeichnung, dem 9. März, durch den Rat der EKD noch einmal an drei Stellen verändert. Aus der »Satzung der ACK« wurden »Richtlinien…«, das schien von geringerer Wertigkeit. In Paragraph 3, der das Verhältnis der Mitglieder zur ACK und untereinander regelt, wurde aus der vollen Unabhängigkeit in der »Wahrnehmung ihrer [der Mitgliedskirchen] eigenen Interessen« die Wahrnehmung »ihrer Anliegen«. Am weitesten ging der Beschluss der EKD, anstatt der bisher vorgesehenen fünf nur noch zwei Delegierte entsenden zu wollen.264 Die mit den »Richtlinien« angedachten Veränderungen liefen auf eine generelle Bedeutungsminderung der kommenden ACK hinaus. Die Entsendung von nur zwei EKD-Delegierten entsprach nicht einmal mehr der traditionell üblichen Ausgewogenheit zwischen lutherischen, reformierten und unierten Kirchen, ganz zu schweigen von der besonderen Berücksichtung des BK-Flügels. Bei zwei Delegierten würde die EKD mit dem aus einer Union hervorgegangenen baptistischen Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden gleichgewichtig vertreten sein. Damit war eine Ausgangslage geschaffen, die für andere zwischenkirchliche Beziehungen oder öffentliche Vertretungen völlig unüblich, geradezu ausgeschlossen war. Die weiteren Kirchen waren zu je einem Delegierten berechtigt. Was sollte nun in der Konstituierenden Sitzung am 10. März geschehen, zu der die Mit-ACK-Gründer an den Sitzungsort des Rates der EKD angereist waren? Ihr Interesse an einer verbindlichen Zusammenarbeit war so stark, dass sie nicht abreisten, um die »Satzungs«-änderungen auch von ihren Kirchenleitungen beschließen zu lassen. Martin Niemöller hat durch seine forsche und unnachgiebige Haltung dazu beigetragen, dass die Wogen geglättet werden konnten und es nicht zu einem Eklat kam. Nachdem er den Vorsitz in der konstituierenden Sitzung an sich genommen hatte, informierte er die Teilnehmer über die vom Rat vorgenommenen Veränderungen. Aber dabei blieb es nicht. Dem von ihm berufenen Geschäftsführer der ACK, Otto von Harling, der nicht anwesend sein konnte, teilte Niemöller in einem Brief die vom Rat vorgenommenen Änderungen der Satzung mit. Er schrieb: »der Rat hat […] außerdem gewünscht, dass die EKID nur durch zwei Mitglieder vertreten sei (§ 5), die Arbeitsgemeinschaft hat aber den ursprünglichen Wortlaut, also 5 Mitglieder wieder hergestellt, und die nächste Ratssitzung wird darüber zu entscheiden haben, wer außer mir die Vertretung des Rates wahrzunehmen haben wird.«265 Da bisher kein Protokoll dieser wohl etwas ungewöhnlich verlaufenen ACKKonstituierung aufgetaucht ist, sind die weiteren Hinweise innerhalb des Briefes […] nicht in Betracht kommt.« Schreiben Bund Freier evangelischer Gemeinden, Karl Mosner, an EKD-Kirchenkanzlei, Witten am 27. 2. 1948. EZA 2/184. 264 Prot. EKD-Rat Bd. 2, 399. 265 Martin Niemöller an Dr. v. Harling, Brief v. 18. 3. 1948. EZA 2/184.

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Anwesenheitsliste zur Konstituierenden Sitzung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) am 10. März 1948 am Rande einer Sitzung des Rates der EKD am 10. März 1948 in Kassel. (Quelle: Evangelisches Zentralarchiv Signatur EZA 2 / 184) Anwesend waren: Bischof Theophil Wurm, Stuttgart, Ratsvorsitzender der EKD; Bischof J. W. Ernst Sommer, Frankfurt/M., Methodistenkirche (heute Ev.-methodistische Kirche); Kirchenpräsident Martin Niemöller, Büdingen, EKD; Bundesdirektor Paul Schmidt, Bad Homburg, Bund Ev.-Freikirchlicher Gemeinden i.D. (Baptist); Bischof Otto Dibelius, Berlin, EKD; Superintendent Ernst Pieper, Berlin, Ev. Gemeinschaft (heute Ev.-methodistische Kirche); Bibliotheksrat Ernst Crous, Göttingen, Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden; Professor Dr. Werner Küppers, Bonn, Alt-kath. Kirche; Verlagsleiter Hugo Hartnack, Bad Homburg, Bund Ev.-Freikirchliche Gemeinden i.D. (Flügel der Brüdergemeinde) Oberkirchenrat Friedrich Merzyn, Kirchenkanzlei der EKD nahm als Protokollführer in Vertretung für den zukünftigen ACK Geschäftsführer Missionsdirektor Otto von Harling teil. Noch 1948 trat auch die Evangelische Brüder-Unität Herrnhuter Brüdergemeine der ACK bei. Sie wurde vertreten durch Unitätsdirektor Heinrich Renkewitz, Bad Boll, seit Dezember 1948.

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von Interesse: alle im Entwurf genannten Kirchen haben unterzeichnet, bis auf den Bund Freier evangelischer Gemeinden. Niemöller wurde Vorsitzender, Sommer sein Stellvertreter. Niemöller hat die Wahl mit dem Hinweis auf Amsterdam nur für sechs Monate angenommen. Otto von Harling hat er als Geschäftsführer berufen. Die nächste Zusammenkunft der ACK wurde für den 22. Juni in Pyrmont, dem damaligen Sitz der baptistischen Bundesleitung und von Paul Schmidt, in Aussicht genommen. Niemöller erklärte, er werde durch das Kirchliche Außenamt die Ökumene über die Gründung der ACK informieren und veranlassen, dass sie einen Beobachter nach Amsterdam entsenden kann. Von der ACK bestimmt sei Paul Schmidt.266 Die Nicht-EKDler in Kassel konnten mit der Entscheidungsfreudigkeit Niemöllers zufrieden sein, obwohl sich keiner von ihnen ein so autoritäres Vorgehen innerhalb seiner Freikirche hätte leisten können. Zur konstituierenden Sitzung waren seitens der EKD außer Kirchenpräsident Martin Niemöller Bischof Theophil Wurm als Ratsvorsitzender und Bischof Otto Dibelius, wahrscheinlich als zweiter EKD-Vertreter, erschienen. Außerdem nahm in Vertretung für Otto von Harling, den Niemöller zum Geschäftsführer der ACK berief, Oberkirchenrat Friedrich Merzyn, der seit 1936 in der Kirchenkanzlei tätig war, teil. Der offensichtlich zur Unterschrift herumgehenden »Anwesenheitsliste« kann man die vermutliche Sitzordnung entnehmen: »[1] Wurm [2] Sommer [3] Niemöller [4] Paul Schmidt [5] Dibelius [6] E. Pieper [7] Ernst Crous [8] Dr. W. Küppers [9] Hugo Hartnack [10] Dr. Merzyn

Stuttgart Frankfurt Büdingen Pirmasens Berlin Berlin Göttingen Bonn

EKD Methodistenkirche EKD Bund Evgl. Freikirchl. Gemeinden EKD Evangelische Gemeinschaft Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden Alt-kath. Kirche Bund Ev. Freikirchl. Gemeinden EKD (i. V. von Harling)«.267

Es fällt auf, dass kein Vertreter Lutheraner die Gründungsurkunde unterzeichnet hat. In dem Protokoll des Rates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, der sich unmittelbar nach der ACK-Konstituierung am 11./12. März 1948 in Darmstadt versammelte, findet sich dazu eine Erklärung, die auch ein Hinweis auf den Rückzug Asmussens aus den ACK-Vorbereitungen ist: »Die Verhandlungen über die Gründung der Arbeitsgemeinschaft [Christlicher Kirchen] zwischen der EKD und den Freikirchen (mit Ausnahme der luth. Freikirchen) auf 266 Ebd. 267 Anwesenheitsliste, handschriftlich von den Teilnehmern ausgefüllt. EZA 2/184. Die Nummerierung ist vom Verfasser eingefügt.

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der Sitzung des Rates der EKD in Kassel geschah nach Bericht von [Landesbischof] D. Meiser unter Zwang, da die Vertreter der Freikirchen schon für denselben Tag zur Ratssitzung eingeladen waren, so daß nur erreicht werden konnte, daß die ›Satzungen‹ dieser Arbeitsgemeinschaft in ›Richtlinien‹ umgeändert und einige belanglose Dinge am Inhalt geändert wurden. Landesbischof D. Meiser hat sich der Stimme enthalten, da er dieses Verfahren als nicht richtig abzulehnen gezwungen war.«268

Das war für die Beziehungen zwischen der ACK und den lutherischen Kirchen ein denkbar schlechter Start, obwohl der damalige Lutherrat als Vorläufer der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD) der EKD vorher zugestanden hatte, die Vertretung gegenüber den Freikirchen in Deutschland, soweit es sich nicht um lutherische Freikirchen handelte, wahrzunehmen.269

1.9.10 Wichtige Hilfe für Genf Nach dem gemeinsamen Hilfswerk war nun die ACK gegründet. Bischof Sommer reiste danach in die USA, um mit 63 Bischöfen aus verschiedenen Erdteilen im Bischofsrat zu konferieren, in den New Yorker Zentralbüros der methodistischen Kirche drei Tage lang Gespräche zu führen, auch mit den Verantwortlichen für das internationale Hilfswerk zu verhandeln, im Büro des National Council zu berichten und mit Bischof Garfield Bromley Oxnam, dem damaligen Präsidenten des Nationalen Christenrates, einem Bischofskollegen Sommers, über die ökumenischen Entwicklungen in Deutschland zu sprechen. Über ein in dieser Phase der innerdeutschen ökumenischen Entwicklung so wichtiges Kontaktnetz verfügte kaum ein anderes ACK-Mitglied, sieht man von dem in den USA hochangesehenen Martin Niemöller ab.270 Schon am 26. März 1948 schrieb Sommer aus den USA: »Mein Eindruck verstärkte sich, daß der im gemeinsamen Hilfswerk und der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen kund werdende Wille zur freundnachbarlichen Zusammenarbeit des deutschen Protestantismus ein günstiges Echo findet und die Hilfsbereitschaft steigert.«271 Diese Rückmeldung macht deutlich, dass das von Genf erhoffte Ziel der ökumenischen Zusammenarbeit in Deutschland bei den Amerikanern bereits Wirkung zeigte. 268 Siegfried Hermle u. Harry Oelke (Hg.), Die Protokolle des Rates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. 1945 – 1948. AKIZ/A Bd. 15, Göttingen 2009, 450. Hervorhebung vom Verfasser. 269 Ebd., 297 f. 270 Friedrich Wunderlich, Do you know Martin Niemöller? In: Bis an das Ende der Erde. FS für M. Niemöller zum 70. Geburtstag, hgg. von Hanfried Krüger, München 1962, 262 f. Auch: ders., Martin Niemöller und die ACK. In: Der Evangelist 1962, 113. 271 Brief J. W. Ernst Sommer aus Clifton Springs, USA, vom 26. 3. 1948. In: Amtsblatt der Methodistenkirche, Nr. 6, 1. Jg. (1948), 1.

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Die ökumenische Entwicklung in Deutschland hatte internationale Bedeutung und war für die Stärkung der Genfer Zentrale hilfreich. Auch von Bischof Dibelius wurde die Gründung der ACK gewürdigt. In einem Interview ließ er verlauten: »Ein großer historischer Augenblick in der Geschichte Deutschlands sei die letzte Ratstagung der Evangelischen Kirchen [sic!] in Deutschland am 10. März in Kassel gewesen, sagte der Berliner Landesbischof Dibelius in einem Interview mit einem Vertreter des Christlichen Nachrichtendienstes. 1. Seien an diesem Tag die deutschen Freikirchen mit der EkiD zusammen gekommen und hätten sich mit ihr zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen, 2. hätten die Kirchen einen Beschluß gefaßt und die Einheit Deutschlands gefordert.«272

Eine ökumenische Gottesdienstkultur gab es noch nicht. Nach der Unterzeichnung der Richtlinien und der Annahme des »Wortes«273 reisten die Teilnehmer wieder in ihre Heimatorte.

1.9.11 Der Düsseldorfer Freikirchentag 1948 im Zeichen der Ökumene Sieben Monate nach der Konstituierung der ACK und zwei Monate nach der offiziellen Bildung des Ökumenischen Rates der Kirchen versammelte sich in Düsseldorf der erste Nachkriegs-Freikirchentag. Die Wellen von Amsterdam schlugen bis in die rheinische Metropole. Sie unterstützten die Wirkung der im März gebildeten ACK. Unter den Gästen befanden sich der Mennonit Ernst Crous, der Herrnhuter Bischof Hermann Steinberg274 und von der Heilsarmee Oberstleutnant Richard Flade. Die freikirchliche Gemeinschaft schuf hier bereits Brücken zu zukünftigen weiteren ACK-Mitgliedern. Am Freikirchentag hielten die beiden ACK-Vorsitzenden Kirchenpräsident Martin Niemöller und Bischof J. W. Ernst Sommer Vorträge. Hatte Sommer mit der »Ökumene im eigenen 272 Bischof Dibelius über die Kasseler Ratstagung der EKD. In: Amtsblatt der Methodistenkirche, Nr. 6, 1. Jg. (1948), 4. 273 »Wort der christlichen Kirchen in Deutschland für einen rechten Frieden und gegen die Zerreißung des deutschen Volkes«. In: Prot. EKD-Rat Bd. 2, 414, vorausgehende Entwürfe 433 – 437. vgl. auch: Karl Zehrer, Das »Wort der christlichen Kirchen in Deutschland für einen rechten Frieden und gegen die Zerreißung des deutschen Volkes« vom 10. März 1948. In: Mitteilungen der Studiengemeinschaft für Geschichte der EmK, 21. Jg. (2000), Heft 2, 28 – 34. Alle am 10. 3. 1948 anwesenden Freikirchler und der Alt-Katholik Küppers haben »Das Wort…« nach Wurm, Dibelius, Niemöller und Asmussen unterzeichnet. 274 Die Brüder-Unität regte einen Vertrag mit der EKD an, der am 12. Januar 1949 per Kirchengesetz dazu führte, dass die Gemeinden in der BRD und Berlin (West) der EKD »angegliedert« wurden. (Kirchenordnung der Europäisch-Festländischen Brüder-Unität, Ausgabe Bad Boll 1987, 30 § 1200, 3a, 30).

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Lande«275 immer die gesamtökumenische Lage in Deutschland vor Augen, so sprach er am Freikirchentag offen und kritisch über Licht und Schatten in freikirchlichen unterschiedlichen Beziehungen zur neugebildeten ACK. Dabei hatte er insbesondere die Freien evangelischen Gemeinden im Visier. Ob er mit diesem Vortrag der Sache genutzt oder geschadet hat, mag dahingestellt sein.276 Der ACK-Vorsitzende Martin Niemöller sprach betont von der »neutestamentlichen Gemeinde« – eine im Independentismus beliebte Formulierung – »in der sozialen Revolution der Gegenwart«.277 In einer öffentlichen Veranstaltung berichteten Bischof Sommer, Kirchenpräsident Ernst Pieper und Bundesdirektor Paul Schmidt über ihre Eindrücke aus Amsterdam. Auch Paul Schmidt,278 dessen Rede von dem Baptisten Willy Riemenschneider für den Druck zusammengefasst wurde, versuchte offensichtlich in Sprache und theologischer Akzentsetzung eine Brücke zu den Skeptikern in den Freien evangelischen Gemeinden, aber auch innerhalb des baptistischen Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden zu bauen. Über seine Rede wurde zusammenfassend berichtet: »Der Bundesvertreter aus den Gemeinden independentistischer Herkunft sah in der ökumenischen Tagung von 1948 ein Wirksamwerden echter und starker Antriebe aus dem Herzen des gemeinsamen himmlischen Herrn aller Erlösten, daß seine Gemeinde auf Erden auch durch die Gegenwart auf seine Wiederkunft bereitet werde. Es gebührt uns nicht, zu zweifeln an dem, der Christus aus seinem Verständnis und seiner Führung anders bezeugt, als wir es gewohnt sind. Mit den Gotteskindern aus allen Benennungen leben und dienen wir demselben Herrn in der gleichen bösen Welt. Dazu helfe uns Christus!«279

Wie am Freikirchentag wurde auch in den Kirchen die Bildung der ACK mit Freuden aufgenommen. Das methodistische Sonntagsblatt berichtete ausführlich, und im Amtsblatt der Methodistenkirche280 wurden bereits im März 1948 die »Richtlinien« mit dem von der ACK angenommenen Text veröffentlicht. Direkt darunter findet sich das »Wort christlicher Kirchen in Deutschland« vom 10. März. Darin wandte sich die ACK an die internationale Staatengemeinschaft und reagierte auf Beschlüsse, die sich negativ auf die politische Entwicklung für 275 J. W. Ernst Sommer, Die Ökumene im eigenen Lande. In: Die Ordnung Gottes und die Unordnung der Welt , hg. v. Wilhelm Menn, 1948, 23 – 28. 276 Auf Sommers Rede wird an anderer Stelle ausführlicher eingegangen. Vgl. Kap. 1.9.14. 277 Beide Vorträge (gekürzt) in: Willy Riemenschneider (Hg.), Berichtsheft über den 9. Freikirchentag in Düsseldorf 1948, o. O. u. o. J. (1948), 26 – 33. 278 Außer den drei Genannten waren aus dem Bereich der VEF noch Samuel Siegfried Blattert (Evangelische Gemeinschaft) und Pastor Wolfgang Hammer (Methodistenkirche, Jugenddelegierter) anwesend. 279 Ebd., 34. 280 Das »Amtsblatt« war in der frühen Nachkriegszeit mit Lizenzen und Papierzuteilungen eher zu einem Nachrichtenblatt geworden, das Bischof Sommer zur schnellen Weitergabe von Informationen in die eigene Kirche hinein nutzte.

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Deutschlands Zukunft auswirken können. Der Rat der EKD, der unter der Initiative von Bischof Dibelius dieses Wort formuliert hatte, legte Wert auf die Unterzeichnung durch die international eingebundenen Freikirchen, die der Erklärung im Ausland mehr Gewicht gaben. Gerade Dibelius hatte bei seinen zahlreichen Nachkriegsbegegnungen mit ausländischen Delegationen entdeckt, welche Rolle die hier kleinen Freikirchen international spielten, und er wusste dies kirchenpolitisch zu nutzen.

1.9.12 Die ersten EKD-Delegierten vor schwierigen ekklesiologischen Fragen Es ist zunächst festzuhalten, dass der Rat der EKD am 27./28. April 1948 entsprechend der von der ACK beschlossenen Richtlinien die folgenden fünf Delegierten berief: Kirchenpräsident Martin Niemöller, Wiesbaden; Landesbischof Hanns Lilje, Hannover; Kirchenpräsident Friedrich Middendorf, Bentheim; Superintendent Hermann Kunst, Herford, ab 1949 Bevollmächtigter der EKD am Sitz der Bundesregierung, und Professor Otto Schmitz, Wuppertal-Barmen, zu dieser Zeit Direktor des Johanneums.281 So sehr die EKD durch die Ökumene zu einer Gemeinschaft mit den Freikirchen gedrängt wurde, so schwer war das innerkirchlich auf ein positives Gleis zu bringen. Noch vor der Ratssitzung, an die sich die Konstituierung der ACK direkt anschloss, hatte die Kirchenkanzlei für die Ratsmitglieder einen Vermerk erstellt, in dem die Voten zur Satzung der ACK, die die einzelnen Landeskirchen abgegeben hatten, gebündelt waren. Acht Landeskirchen und die Brüdergemeine hatten zugestimmt. Drei weitere stimmten zu, brachten aber noch Änderungsvorschläge ein. Zwei Landeskirchen und der Lutherrat – aus dem 1949 die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche (VELKD) hervorging – lehnten die Satzung ab. Weitere 16 EKD-Gliedkirchen hatten noch nicht reagiert. Der Lutherrat hatte die Sorge, »daß den bekenntnisbestimmten Gliedkirchen der EKD durch diesen Entwurf dogmatische Entscheidungen aufgenötigt werden und die Gefahr einer falschen Unionisierung und Verharmlosung der Unterschiede bestehe.«282

281 Prot. EKD-Rat Bd. 2, 455. – Die weiteren Vertreter waren (Liste von 1949): Bund Ev.Freikirchlicher Gemeinden: Paul Schmidt und Hugo Hartnack; Ev. Gemeinschaft: Ernst Pieper (Stellvertreter: Richard Leger); Methodistenkirche: J. W. Ernst Sommer (Stellvertreter : Paul Huber); Alt-Katholische Kirche: Werner Küppers; Vereinigung der Mennonitengemeinden: Ernst Crous; Brüder-Unität: Heinrich Renkewitz (1902 – 1974); – Vertreter von Gemeinschaften im »ständigen Gastverhältnis«: Bund Freier ev. Gemeinden: Karl Glebe; Heilsarmee-Major Karl-Heinz Wilderoder. 282 Kommentar in: Prot. EKD-Rat Bd. 2, 417.

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Die Frage des ekklesiologischen Selbstverständnisses der EKD beunruhigte seit Treysa die konfessionsbewussten Kirchen, aber nicht nur diese. Schon Willem A. Visser’t Hooft hatte, als die EKD auf die ÖRK-Mitgliedschaft zusteuerte, dem Präsidenten der Kirchenkanzlei Asmussen mitgeteilt, in Genf sei die Frage gestellt, »ob denn die E.K.I.D. überhaupt Mitglied des Oekumenischen Rates werden kann, weil sie keine Kirche im richtigen Sinne sei.« Er bat darum, »uns darüber mal ein Gutachten zu schicken.« Der Niederländer Visser’t Hooft meinte dazu: »Die einzig mögliche Antwort ist wohl, dass E.K.I.D. auf Grund von Barmen, Dahlem jedenfalls so sehr Kirche ist, wie Bekenntnisgebundene Kirchen, die sich aktuell bekennen.«283 Damit hatten der Genfer heikle Punkte angesprochen. Aber das steht hier nicht zur Debatte. Die Anfrage erklärt aber, warum nicht die EKD, sondern ihre einzelnen Mitgliedskirchen dort als Mitglieder erfasst sind. Die Frage nach dem Kirchenverständnis und damit verbunden die Frage nach der Abendmahlsgemeinschaft war in der Entstehungsphase der EKD kontrovers. Die verschiedenen Ansätze zeigen, dass die EKD selber ein ökumenisches Projekt darstellt. Bevor die Betheler Synode im Januar 1949 eine Grundordnung annehmen konnte, die sie als Kirchenbund autonomer Gliedkirchen konstituierte, bedurfte es klärender Auseinandersetzungen. Die lutherischen Landeskirchen verstanden sich abgrenzend als Bekenntniskirchen, und einige von ihnen verfochten diese Linie unter dem Engagement des Bayerischen Bischofs Hans Meiser. Einen Gegenpol bildete der Bruderrat, der einen Typus der Gemeindekirche forderte, in dem gleichsam die »Stimme der Gemeinde«, wie Herbert Mochalskis Zeitschrift hieß, kräftig zur Wirkung kommen sollte. Etwas unaufgeregter, aber mit beharrlichem Einfluss und mit Ausdauer versuchte Bischof Dibelius seine Position zu stärken. Als Berliner führte er Verhandlungen mit den in Berlin ansässigen Besatzungsmächten. Er berief die Landeskirchen aus der Ostzone zu einer Ostkirchenkonferenz ein.284 Für diese in eigener Initiative ergriffenen Aufgaben nahm er die Berliner Stelle der EKD in Anspruch, siedelte deren Büro in seiner Nähe an, sorgte für eine fachlich qualifizierte Besetzung, ordnete die Verwaltung und übernahm selber die Leitung. Die Kirchliche Ostkonferenz konstituierte sich in jener ersten Besprechung im September 1945, als Dibelius erklärte, er »sehe sich als ermächtigt und verpflichtet an […], die gemeinsamen kirchlichen Anliegen gegenüber den in Betracht kommenden Stellen zur Geltung zu bringen.«285 Ein anderes Feld der Neuorganisation betraf den Deutschen Arbeitsausschuss 283 Schreiben Visser’t Hooft an Asmussen vom 27. Nov. 1945. In: Prot. EKD-Rat, Bd. 1, 230. 284 Zunächst Anhalt, Mecklenburg, Sachsen und Thüringen, danach auch die früheren Kirchenprovinzen der Altpreußischen Union. 285 Rudolf Mau, Der Protestantismus im Osten Deutschlands (1945 – 1990), Leipzig 2005, 26.

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des Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen. Bischof Dibelius sah im Herbst 1945 die Möglichkeit, »daß er […] den Ehrenvorsitz übernehme. Die Arbeit könne dann wie bisher fortgesetzt werden, und die deutsche Weltbundvereinigung könne sich nach aussen hin auf die Autorität des Bischofs stützen.«286 Wie im Falle der Berliner Stelle hat Dibelius auch für die Berliner Ökumene zunächst mit Eberhard Bethge und später mit Professor Jürgen W. Winterhager eine ökumenische Dienststelle in seiner unmittelbaren Nähe organisiert. Sein Wirken zeigt deutlich volkskirchliche Spuren und Ansprüche, die er bereits in seinem »Jahrhundert der Kirche«287 formuliert hatte, jetzt aber unter neuen ökumenischen Einsichten und gesellschaftlichen Verhältnissen anders umsetzte. Insgesamt muss man sehen, dass es mit Persönlichkeiten wie Meiser, Niemöller, Asmussen und Dibelius, die sehr unterschiedliche ekklesiologische Vorstellungen hatten, auch für den verbindenden Bischof Wurm schwer war, eine »Kirche« zu bilden, die mehr repräsentierte als ein Verbund von autonomen Landeskirchen. Mit den aus theologischen Gründen aufgeworfenen Rechtsfragen hat jede Kirche und jeder Bund zu tun, solange man verpflichtende Rechtsverhältnisse anstrebt, die zwei unterschiedlich theologisch begründete und entsprechend strukturierte Körperschaften miteinander verbinden sollen. Die Baptistin Andrea Strübind hat immer wieder die theologische Begründung in der gemeinsamen Hilfswerkarbeit und der frühen ökumenischen Entwicklung eingeklagt. Sie sieht mit Recht in der »wechselvollen Vorgeschichte der AcK […], daß die Arbeitsgemeinschaft seitens der EKD nur aufgrund der ökumenischen Weltöffentlichkeit zustande kam.«288 Gleichwohl sei später ein Schritt zur Bildung einer innerdeutschen ökumenischen Basis nicht aufzuhalten gewesen. Die schwierige Rechtslage eines landeskirchlichen Kirchenbundes, der seine eigene Grundordnung noch nicht angenommen hatte, darf man in der Diskussion um die Rolle der ACK nicht übersehen, abgesehen davon, dass auch später die Vollmacht der EKD-Synodalen erheblich eingeschränkt war, wenn es um theologische Fragen ging. Das kann nicht verwundern, wenn man an den schwierigen Prozess des Zusammenwachsens von Lutheranern, Reformierten und Unierten nach 1945 denkt und die Kämpfe, die vorher zwischen den Ver-

286 Bericht über die Sitzung des Arbeitsausschusses der Deutschen Vereinigung des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen vom 9. November 1945. LKA Stuttg. A 126 Nr. 2111. 287 Otto Dibelius, Das Jahrhundert der Kirche, Berlin 1927. Mehrere Auflagen. 288 Andrea Strübind, Freikirchen und Ökumene in der Nachkriegszeit. In: KGZ Heft 1993, 187 – 211 (206). Eine ganze Reihe anderer Bewertungen sind aus kongregationalistischer Sicht erfolgt und treffen nicht die methodistische ökumenische Grundhaltung.

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tretern der Bekennenden Kirche und des bekennenden Luthertums ausgetragen worden sind. Bedenkt man die Situation und das Selbstverständnis der EKD in den frühen Nachkriegsjahren, dann ahnt man, wie hoch die Genfer Erwartungen waren, als sie die Organisation einer innerdeutschen Ökumene erhofften. Jedenfalls kann man sich vorstellen, dass die Anfragen aus den Gliedkirchen der EKD auf der einen Seite und die Erwartungen der Freikirchen an den Vorsitzenden Niemöller mit seinem Geschäftsführer von Harling auf der anderen Seite nicht immer leicht auszugleichen gewesen sind.

1.9.13 Zum Programm der ACK Die von einer »Satzung« auf »Richtlinien« herabgestufte Grundlage beschränkt sich auf eine »Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland«. Damit sind frühere Formulierungen, wie sie auch im weltweiten Raum der Ökumene üblich sind, etwa »Rat« oder »Nationalrat« (National Council), oder wie sie in der frühen landeskirchlich-freikirchlichen Begegnung mit »Rat christlicher Kirchen in Deutschland«, die damals schon die Katholiken und die Orthodoxen im Blick hatten, zurückgedrängt. Die in § 1 der angenommenen »Richtlinien« formulierte Grundlage der ACK ging von einem Zusammenschluss »Kirchlicher Gemeinschaften« aus. Wer von den konstituierenden Mitgliedern war eigentlich keine Kirche? In der Basis des ÖRK, die mit ihrem grundlegenden theologischen Minimalkonsens übernommen wurde, ist von einer »Gemeinschaft von Kirchen« die Rede.289 Es wird im Sinne aller Kirchen ausdrücklich festgelegt, dass die Mitglieder der ACK »ihre volle Unabhängigkeit in Bekenntnis und Lehre, in Gottesdienst und rechtlicher Ordnung, sowie in der Wahrnehmung ihrer Anliegen« behalten. Fünf »Aufgaben« werden genannt, die erfüllt werden sollen: (1) ökumenische Beziehungen und ökumenische Arbeit zu fördern, (2) das theologische Gespräch mit dem Ziel der Klärung und Verständigung zu suchen, (3) bei Meinungsverschiedenheiten unter den Mitgliedern zu beraten und zu vermitteln, (4) die Vertretung besonderer Anliegen einzelner Mitglieder auf deren Antrag und (5) die Vertretung gemeinsamer Anliegen in der Öffentlichkeit. Es folgen die Bestimmungen für die Organisation und Finanzierung der Arbeit.290 Sommers frühere Vorschläge der Einbeziehung von Sonntagsschulfragen, Jugend- und 289 Sie lautete ursprünglich: »Der ÖRK ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die unseren Herrn Jesus Christus als Gott und Heiland anerkennen.« Zit. n. Reinhard Frieling, Der Weg des ökumenischen Gedankens, Göttingen 1992, 73. 290 Text der Richtlinien von 1948: Prot. EKD-Rat, Bd. 2, 410 – 412.

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Studentenarbeit, Weltmission und von ökumenischen Kirchentagen, um gemeinsam Zeugnis vom Glauben zu geben, fanden keinen Raum. Bischof Sommer kannte diese Problemfelder besonders im Bereich der Sonntagsschule aus jahrelanger eigener Mitarbeit in der 1907 organisierten World Sunday School Association, die später als World Council of Christian Education in den ÖRK einging. Sommer wusste vermutlich auch, dass es im Anschluss an Vorbilder in anderen Ländern die Überlegung einer Jugendabteilung bei der ACK gab. Wie Manfred Müller als Stuttgarter Oberkirchenrat die evangelische Jugendarbeit291 in der Jugendabteilung des ÖRK in Genf vertrat, hielt Sommer offensichtlich auch eine entsprechende Anbindung auf nationaler Ebene an die ACK für wünschenswert.292 Sommer wusste, dass die Freikirchen sich an die Evangelische Jugendkammer gewandt hatten, weil diese den Anspruch erhob, die evangelische Jugend Deutschlands zu vertreten. Auf den Einspruch der Freikirchen hin wollte man ihnen, wie das in der Weimarer Zeit hin und wieder üblich war, einen Sitz gewähren. Damit konnten die vier Freikirchen sich aber nicht einverstanden erklären. Sie stellten daher weitergehende Forderungen an die Jugendkammer, mit denen sie Erfolg hatten.293 Als im Mai 1948 in Bad Boll die erste ökumenische Jugendarbeitertagung in Deutschland stattfand, konnten sechs Freikirchler daran teilnehmen. Zur Zeit der ACK-Bildung war der Reichsverband für Kindergottesdienst und Sonntagsschule, in dem die Freikirchen Mitglied waren, noch nicht wieder zusammengetreten. Die Mitgliedschaft einiger Freikirchen im World Council for Christian Education hätte mit einer ACK-Verbindung eine nationale ökumenische Verankerung erfahren. Für ein solches, die ökumenische Arbeit konzentrierendes Zentralbüro waren weder die Umstände gegeben noch wäre eine derartige ökumenische Rolle der ACK gegen den Willen des Rates der EKD durchzusetzen gewesen. Im Laufe der Jahre haben sich alle die erwähnten Zweige außerhalb der ACK ihre eigenen, unabhängigen 291 Die Jugendkammer der EKD wurde im April 1946 gebildet. Sie hatte auch Hilfswerkspenden zu verteilen. Daher war für sie der Kontakt zu den Freikirchen unausweichlich, aber auch nützlich. Ab 1950 arbeitete der amerikanische Pastor Howard Hammelman, während des Krieges Kriegsdienstverweigerer, für drei Jahre in der Jugendkammer mit. Am 2. Dezember 1949 wurde aus den landeskirchlichen Jugendabteilungen und VEF-Jugenddiensten die ›Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend in Deutschland‹ gegründet, um gemeinsam im Deutschen Bundesjugendring mitarbeiten zu können. Man kann auch hier davon ausgehen, dass Genf nicht ohne Einfluss auf die ersten Anfänge war. 292 Hinter den Aktivitäten im Bereich der Jugendarbeit standen auch die westlichen Besatzungsmächte. Im Sinne ihres Reeducation und Religions-Programs strebten sie »die Demokratisierung der Arbeit mit Jugendlichen in Jugendarbeit und Schule durch diskursorientierte Methoden« an und förderten die Entwicklung auf dem Weg der von den Westalliierten unterstützten Evangelischen Akademien, wie z. B. Bad Boll. Dazu: Heike Springhart, Aufbrüche zu neuen Ufern, Der Beitrag von Religion und Kirche für Demokratisierung und Reeducation im Westen Deutschlands nach 1945, Leipzig, 2008, 136 – 198. 293 Verh.-Niederschrift Freikirchenkonferenz 1948, Kassel 1948, 17 f.

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Strukturen geben müssen, wie es am Beispiel der Jugendarbeit bereits aufgezeigt wurde. Insgesamt war die Aufgabenbeschreibung der ACK bestimmt von den früheren zwischenkirchlichen Erfahrungen. Worte wie »Klärung«, »Verständigung« und vor allem »Vermittlung bei Meinungsverschiedenheiten« erwecken den Eindruck von Vergangenheitsbewältigung. Die Freikirchen suchten eine Basis, zukünftig als Partner akzeptiert zu werden, und der Rat der EKD war bemüht, die Sache so gering wie möglich zu gewichten, wie auch die Stellungnahmen aus seinen Mitgliedskirchen zeigten.294 Die Arbeitsgemeinschaft von sechs Kirchen war ein bescheidener Anfang, dessen Bedeutung sich erst in der Zukunft zeigen sollte.

294 Vermerk zu ACK vom 4. März 1948. In: Prot. EKD-Rat Bd. 2, 416 – 418.

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Die gemeinsam erarbeitete und von den Gründungsmitgliedern ratifizierte erste ACKSatzung, die durch den Rat der EKD jedoch kurz vor der Sitzung noch verändert wurde. Der Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland sagte kurzfristig ab.

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1.9.14 Probleme in Landeskirchen und Freikirchen Die Probleme während der Entstehung der ACK sind weder ohne die Auseinandersetzungen, die um die zukünftige Gestalt innerhalb der EKD geführt wurden, noch ohne Beachtung der unterschiedlichen Bekenntnisbindungen ihrer Gliedkirchen zu verstehen. Aber auch die beträchtlichen Unterschiede unter den Freikirchen dürfen nicht unterschätzt werden. Oft werden sie wie ein Block als »die Freikirchen« gesehen.295 Das zeigt, wie wenig differenzierte Kenntnisse von ihnen vermittelt werden konnten. Selbst in freikirchlicher Literatur werden sie manchmal pauschal zusammengefasst.296 Die frühe Entwicklung innerhalb der Gemeinschaft der Freikirchen soll in aller Kürze beschrieben werden. Anlässlich seiner ersten Nachkriegssitzung am 10./11. Dezember 1946 in Bad Homburg fasste der Vorstand der Vereinigung Evangelischer Freikirchen folgenden Beschluss: »Mit besonderem Interesse wurde die Möglichkeit einer Zusammenfassung aller evang. Landeskirchen und evang. Freikirchen, etwa in einem Rat der protestantischen Kirchen Deutschlands, besprochen. Die Vereinigung evangelischer Freikirchen begrüssen [sic!] diese hohe Zielsetzung des deutschen Protestantismus und sind bereit, mit der Kanzlei der evangelischen Kirche in Deutschland darüber in ein Gespräch einzutreten.«297 In dem Bericht über die Sitzung wurde vermerkt, dass eine Anfrage der EKD durch Bischof Sommer eingebracht wurde, ob die VEF »eine Beteiligung an Aussprachen über gemeinsame Fragen wünscht.«298 Die VEF hatte aber, wie die EKD, keine Rechte von den Freikirchen übertragen bekommen. Jede Mitgliedskirche musste sich jetzt positionieren. Sie taten es in unterschiedlicher Weise. Drei von ihnen wurden Mitglieder, der Bund Freier evangelischer Gemeinden konnte sich nicht zur Mitgliedschaft entschließen. Als es zur Konstituierung der ACK kam, sagten sie ihre Teilnahme ab. Darum ist die Position dieses Gemeindebundes kurz zu beschreiben.

295 Karl Heinz Voigt, Freikirchen im Nationalsozialismus. Anmerkungen zur Freikirchenforschung. In: Philipp Thüll (Hg.), Christen im Dritten Reich, Darmstadt 2014, 95 – 104, zeigt am Beispiel dieser Zeit die Notwendigkeit einer differenzierten Wahrnehmung der einzelnen Freikirchen. 296 Andrea Strübind, Freikirchen und Ökumene in der Nachkriegszeit. In: KZG 6. Jg. (1993), Heft 1, 187 – 210 [206]. – Hans Luckey, Zwei Jahrzehnte deutscher Ökumene aus freikirchlicher Sicht. In: Kirchliches Jahrbuch 1967 hg. v. Joachim Beckmann, 94. Jg. Gütersloh 1969, 371 – 416 [373]. – Hans-Beat Motel, Was erwarten die Freikirchen von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen? In: ÖR, 47. Jg. (1998), Heft 1, 29 – 34. 297 Protokoll des Freikirchenrats der VEF v. 10./11. Dezember 1946. ZA-EmK Reutlingen, Akte Sup. R. Leger. 298 Ebd. Verhandlungsbericht, 3.

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Der Bund Freier evangelischer Gemeinden (BFeG) – erstes Gastmitglied299 Bundesvorsteher (heute: Präses) Karl Glebe nahm an allen Vorgesprächen mit der EKD teil. Der letzte Entwurf der Satzung, der gedruckt zur Unterschrift vorlag, trug zur Unterzeichnung auch den Bund freier [sic!] evangelischer Gemeinden in Deutschland. Am 27. Februar 1948 teilte die Geschäftsstelle des Bundes durch Karl Mosner der Kanzlei der EKD mit, dass der Bundesvorsteher Karl Glebe nicht an der Sitzung teilnehmen werde.300 Der Brief ließ nichts Gutes ahnen. Er informierte darüber, dass die Ratifizierung der ACK-Satzung erst nach der Zustimmung durch das oberste Leitungsorgan, den Bundestag mit Delegierten aller Gemeinden, möglich sei. Der tage aber erst am 29. Mai 1948. Innerhalb des Gemeindebundes gab es über die Frage der ACK-Mitgliedschaft lebhafte Debatten. Sie führten schließlich zu der Entscheidung, nicht Mitglied zu werden. Die von Niemöller geleitete ACK war weitherzig. Sie räumte in den folgenden Jahren dem Bund einen Gaststatus ein, obwohl dieser in den Richtlinien nicht vorgesehen war. Schon in der ACK-Sitzung am 6. August 1948 ist »Prediger Glebe – Bund Freier Evang. Gemeinden«, also als Vertreter seiner Freikirche, unter den Anwesenden wieder aufgeführt. Das unterzeichnete Protokoll weist seinen Namenszug allerdings nicht aus. Innerhalb der Freien evangelischen Gemeinden (FeG) gab es die Sorge vor einem »Eingliedern« der Freikirchen in die EKD. Das wurde auch im Rahmen einer Sitzung des Vorstands der Evangelischen Allianz erkennbar, als dort über die Vorgespräche der Bildung eines Rates der Evangelischen Kirchen durch Johannes Schempp, der Teilnehmer des ersten Vorgesprächs war, berichtet wurde. Der Allianz-Protokollant Willy Dietzel, einflussreicher Vertreter der Freien evangelischen Gemeinden und Gegner ökumenischer Kontakte, notierte im Protokoll: »Bei diesem Gespräch wurde auch die Frage erörtert, in wie weit es möglich sei, die Evangelischen Freikirchen mit in einen etwa neu zu gründenden Rat der Evang. Kirchen einzugliedern.«301 »Eingliedern«, das war das Stichwort, mit dem er seine Politik machte und sich dabei auf eine Presseerklärung stützte, die nicht gerade geschickt formuliert war.302 299 Karl Heinz Voigt, Das erste und älteste Gastmitglied der ACK, eine bisher unveröffentlichte Untersuchung aus dem Jahre 2008 befindet sich im Zentralarchiv der Evangelisch-methodistischen Kirche in Reutlingen. 300 Brief Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland an Kirchenkanzlei der EKD v. 27. Febr. 1948. EZA 2/184. 301 Prot. der Vorstandssitzung der Evangelischen Allianz vom 10. 4. 1947. AEABl. 302 Willy Dietzel aus Nürnberg war mit seinem Schwager, dem in die USA ausgewanderten Johannes (John) Bolten, in persönlichem Kontakt. Der ausgewanderte Bolten, Sohn eines früher einflussreichen Leiters innerhalb des Bundes der FeG, war ab 1951 etwa zehn Jahre im Vorstand der ›National Association of Evangelicals‹ (NAE), einer stark anti-ökumenisch positionierten Vereinigung, aktiv.

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Innerhalb der Gemeinschaft der VEF-Kirchen scheint der Rücktritt des freigemeindlichen Bundes nicht ohne Wirkung gewesen zu sein. Wie bereits erwähnt hielt der methodistische Bischof J. W. Ernst Sommer am folgenden Freikirchentag ein Referat zum Thema »Der Freikirchliche Auftrag im Lichte der ACK«. Darin sprach er freimütig seine Enttäuschung aus. In Anwesenheit der führenden Männer des BFeG Heinrich Wiesemann, Karl Mosner und Albert Fuhrmann – hatte der ökumenisch aufgeschlossene Glebe resigniert? – sagte Sommer mit Bezugnahme auf das »Licht« im Thema: »Es gibt unter uns eine Anzahl von Leuten, die meinen, es müsste heißen: ›Unsere freikirchliche Aufgabe im Schatten der Arbeitsgemeinschaft.‹ Der Gedanke, als ob die christliche Arbeitsgemeinschaft unsere Arbeit in irgendeiner Weise beschatten könnte, ist schädlicher Aberglaube, ist ein leeres Vorurteil, siehe Satzungen [sic!] der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland. Ich weiß nicht, was man noch hinzufügen könnte, um zu sagen, daß die Arbeitsgemeinschaft die Freikirchen in ihrer Aufgabe in nichts behindert, und die Brüder, die schon mit mir in der Arbeitsgemeinschaft gewesen sind, haben sicher den Eindruck, daß es nicht nur auf dem Papier steht. […] Schwierigkeiten gibt es selbstverständlich genug. Aber wo ist eine Gemeinschaft ohne Schwierigkeiten? Jedenfalls ist die Tendenz der Arbeitsgemeinschaft: sie will helfen! Das darf man heute ganz klar und unmißverständlich sagen.«303

Andrea Strübind bemerkte zu diesen Ausführungen, Sommer habe bei dieser Gelegenheit »mit großer Schärfe… freikirchliche Vorurteile gegen die AcK« gegeißelt.304 Durch den Gaststatus profitierte der BFeG von Anfang an von der sich immer mehr entspannenden zwischenkirchlichen Entwicklung. Ebenso hat der BFeG seinen fest verankerten Platz in der ökumenisch getragenen Hilfswerkarbeit von Anfang an eingenommen. Auch hier zeigte sich die ökumenische Gemeinschaft offen, denn die Genfer stellten ausdrücklich fest, dass – anders als es ursprünglich vorgesehen war – eine Mitgliedschaft im ÖRK keine Voraussetzung war, Empfänger der ökumenischen Hilfen zu sein. Im diakonischen Bereich hat sich die Zusammenarbeit in der 1957 gegründeten Diakonischen Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Kirchen nicht nur jahrzehntelang bewährt, sondern der BFeG spielte darin auch eine nicht zu unterschätzende Rolle. Assessor HeinzAdolf Ritter vertrat seinen Bund in der Gesellschafter-Versammlung. Durch ihn wurden alle sich eröffnenden Möglichkeiten von den ökumenischen Kreditvergaben aus einem ökumenischen ECLOFF-Fonds bis zur Teilnahme an Erholungsmaßnahmen im Begegnungsheim der Genfer Ökumene Casa Locarno in Anspruch genommen. In der Diakonischen Konferenz war Prediger Gerhard 303 J. W. Ernst Sommer, Der Freikirchliche Auftrag im Lichte der AcK. In: Berichtsheft Freikirchentag 1948, 28 f. 304 Andrea Strübind, Freikirchen und Ökumene in der Nachkriegszeit. In: KZG 6. Jg. (1993), Heft 1, 187 – 210 [206].

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Kuhlmann als einer der freikirchlichen Stellvertreter im ökumenischen Feld aktiv. Was einige Jahre später der präsidierende Bundesvorsteher Wilhelm Gilbert auf einer Freikirchenkonferenz berichtete, war von Anfang an Ausdruck einer Gemeinschaft von Gemeinden und Pastoren, unter denen es zur Ökumene ganz unterschiedliche Positionierungen gab:305 »Es ist kaum möglich, etwas Allgemeingültiges auszusagen über unsere 250 Bundesgemeinden […], über ihre äußere Erscheinungsform und über ihren geistlichen Gehalt. Jede Gemeinde ist verschieden von der anderen, hat ihr eigenes Gepräge, bestimmt von den Menschen, die ihr vorstehen, von ihrer Entstehung […], und ihrer Geschichte.«306

Es ist nach mehreren Jahrzehnten der Gastmitgliedschaft kaum noch zu verstehen, warum die Bundesleitung trotz aktiver Mitarbeit, die auch später erfolgte, beispielsweise durch den Bundesvorsteher Karl Heinz Knöppel bei der Durchsetzung des Jahres mit der Bibel in der Mitgliederversammlung der ACK und anderer guter Erfahrungen diesen Status beharrlich beibehalten wird. Nach EKD und VEF-Kirchen ist noch ein Blick auf ACK-Mitglieder zu werfen, die außerhalb der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) standen. Die bereits seit 1926 bestehende VEF war für die EKD in der Gründungsphase erste Ansprechpartnerin. Aber sie brachte auch Kirchen, die ihr nicht angehörten, als mögliche Mitglieder ins Gespräch. Die besondere theologische Akzentsetzung durch die Vertretung des Bistums der Alt-Katholiken, das von Anfang an daran interessiert war, in einer ökumenischen Arbeitsgemeinschaft zu stehen, kann hier nicht umfassend gewürdigt werden. Immerhin war der Alt-Katholische Bischof Rudolf Keussen schon 1937 Teilnehmer der Oxforder Konferenz für Praktisches Christentum. Der Bonner Professor Werner Küppers war eines der aktivsten Mitglieder des Deutschen Ökumenischen Studienausschusses. Weder über die ökumenische Haltung der Alt-Katholischen Kirche noch über das die Vereinigung der Mennonitengemeinden gibt es irgendeinen Zweifel. Beide waren auch Gründungsmitglieder des ÖRK. Die Mennoniten waren durch den Göttinger Bibliotheksrat Dr. Ernst Crous307 an der Erarbeitung der ACK-Satzung beteiligt. Es ist typisch, dass diese 305 Eine ausgeprägte Individualität leitender Männer in der Publizistik, der theologischen Ausbildung ihrer Prediger, der Prediger und Laien in gesamtbündischer Verantwortung kann man zahlreichen Kurzbiografien abspüren, die von Hartmut Weyel verfasst wurden: Hartmut Weyel, Zukunft braucht Herkunft. Lebendige Porträts aus der Geschichte und Vorgeschichte der FeG, 3 Bde, Witten 2009, 2010, 2011. 306 Wilhelm Gilbert, Gottes Wirken in den Freien evangelischen Gemeinden. In: Berichtsheft der Konferenz der Vereinigung evangelischer Freikirchen Hamburg/Berlin 1964, 79 – 85 [81]. 307 Gerhard und Julius Hildebrandt, Ernst Crous (1882 – 1967) – »Brückenschlag nach allen

Die Bildung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK)

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älteste Freikirche, wie heute manchmal gesagt wird, ihre ökumenischen Kontakte durch einen auch sonst höchst aktiven Laien wahrgenommen hat. Crous war 2. Vorsitzender der Vereinigung der deutschen Mennonitengemeinden, Vorsitzender des Hilfswerks der Vereinigung und zugleich Vorsitzender des Hilfsausschusses für die Britische Besatzungszone, den er 1946 im Rathaus zu Göttingen organisierte. 1948 nahm er als Delegierter der Mennonitischen Vereinigung an der Gründungskonferenz des Ökumenischen Rates der Kirchen in Amsterdam teil.308 Auf die traditionell in der Brüder-Unität verankerte ökumenische Grundhaltung, die sich aus der empfangenen Gottesliebe mehr speist als aus einem konfessionellen Bekenntnis, braucht nicht erst hingewiesen zu werden. Es war Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, der schon aus Liebe die Herzen für den Heiland entflammte und dabei wusste: Er ist das Haupt, wir (alle) sind die Glieder und darum ermahnte er sie ganz im ökumenischen Sinn: »Legt es unter euch, ihr Brüder, auf so treues Lieben an…«.309 Es übersteigt den Rahmen, an dieser Stelle zu untersuchen, warum die Kirchen der heutigen Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), die inzwischen selbstverständlich aktiv in der ACK mitarbeitet, damals die Einladung, an den Vorbereitungen teilzunehmen, abgelehnt haben. Scheinbar waren die eigenen konfessionellen Hürden zu hoch, um den Schritt zu tun. Zusammenfassend muss man feststellen: die Haltungen der in Deutschland wirkenden Minderheitskirchen zu ökumenischen Entwicklungen sind unterschiedlich. Das trifft teilweise auch für die Verankerung ökumenischen Bewusstseins in den Gemeinden zu.310 Nach dem Zweiten Weltkrieg war keine Kirche in Deutschland auf einen gemeinsamen ökumenischen Weg vorbereitet. Gerstenmaier, in zentraler Position, plante noch typisch evangelisch-katholisch, wobei evangelisch im Sinne von landeskirchlich gedacht war. Die EKD verstand sich als Vertretung des Seiten«. In: Mennonitisches Jahrbuch 1987, Karlsruhe 1987, 78 – 82. – Die NachkriegsHilfswerkarbeit der Vereinigung der Mennonitengemeinden hat einen völlig eigenständigen Verlauf genommen. Sie bedarf in ihrer mehrfachen Verflochtenheit und traditionellen Intensität einer eigenen Untersuchung. 308 In der ACK-Sitzung am 6. 8. 1948 stand das Thema »Einladung weiterer Kirchen« auf der Tagesordnung. In Betracht kämen danach »nur Quäker, Heilsarmee und Alt-Reformierte«. Sie alle sind später in eine offizielle Verbindung mit der ACK getreten, spielen aber in der Vorgeschichte fast keine Rolle. 309 Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, Herz und Herz vereint zusammen…, Evangelisches Gesangbuch 1993, 251. 310 Das Urteil, es »fehlte in den Freikirchen eine Auseinandersetzung mit der Gemeindebasis« (Strübind, Nachkriegszeit, 207), scheint eher für die independentistischen Gemeinden zuzutreffen, als für die beiden methodistischen Kirchen. Auch die Bemerkung »Bei den Freikirchen muß dagegen die Phobie abgebaut werden, daß die ökumenische Annäherung stets mit einem Identitätsverlust und der Preisgabe der eigenen Unabhängigkeit verbunden ist« (Ebd., 210) ist sicher aus kongregationalister Teilsicht anders zu bewerten als aus der Perspektive methodistischer Kirchen.

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deutschen Protestantismus. Die Begriffe evangelisch und katholisch waren konfessionell besetzt. Die sich bald ergebende Sprachregelung »Kirche, Freikirche und Gemeinschaften« hat sich selbst in der freikirchlichen Publizistik tief eingenistet, obwohl es um »Landeskirchen, Freikirchen und Gemeinschaften« ging. Martin Niemöller mit seiner hohen Reputation bei den Kirchen in der Welt konnte als Unierter die Freikirchen, denen er auf seinen Weltreisen, wo immer er auch hinkam, begegnete, auch in Deutschland anders einordnen. Er war für die Freikirchen eine wichtige Bezugsperson, die auch Verständnis und Sympathie für deren ekklesiologischen Ansatz hatte. Als es 1956 innerhalb der EKD um Niemöllers Demission im Kirchlichen Außenamt ging, stellten sich die Freikirchen hinter ihn, der stets ein »offenes Ohr« für sie gehabt hatte.311 Der Berliner Bischof Otto Dibelius lebte an dem Ort, an dem die internationale und die Stadtökumene in einer sonst kaum vorstellbaren Vielfalt nicht nur aktiv war, sondern auch ineinander verzahnt wurde. Eigentlich war die politische Brückenstadt die ökumenische Hauptstadt Deutschlands. Die vielfältigen Erfahrungen am Ort kamen den Freikirchen mehr zugute als die Teilnahme zahlreicher Experten an internationalen ökumenischen Tagungen. Es war darum hilfreich, Bischof Dibelius auch im ersten ACK-Vorstand zu haben. Wenn die Bildung der ACK auch für die EKD nicht ganz einfach war und sie die ökumenische Flamme von Anfang an so klein wie möglich zu halten bemüht war, wurde sie nach der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (1926) und dem versuchten Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland die wichtigste zwischenkirchliche Organisation in Deutschland.

1.10 Der Deutsche Ökumenische Studienausschuss Nach der in Amsterdam angenommenen Verfassung des ÖRK gehört es zu dessen Aufgaben, »die gemeinsame Studienarbeit zu fördern«.312 Für den 1948 neu gebildeten Studienausschuss, dem aus Deutschland Professor Dr. Edmund Schlink (Heidelberg) und Lic. Wilhelm Menn von der Ökumenischen Centrale angehörten, brauchten die Genfer einen Unterbau. Schon früher wurde die von nationalen, später regionalen Arbeitsgemeinschaften geleistete Arbeit für Faith and Order einzelnen Ländern zugeordnet. Wilhelm Menn hatte als erfahrener Ökumeniker in Verbindung mit der Ökumenischen Centrale bereits eine aktive Studienarbeit geleistet. Er besorgte auch die Herausgabe von sechs Studienbänden für Amsterdam 1948. Keine spätere Vollversammlung des ÖRK hat in Deutschland eine vergleichbar um311 Andrea Strübind, Freikirchen und Ökumene in der Nachkriegszeit. In: KZG 1/1993, 209. 312 Verfassung des ÖRK vom 30. August 1948, III, 3.

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fangreiche publizistische Vorarbeit gefunden. Außerdem übersetzte Menn Dokumente und bildete eine Brücke zwischen Genf und den Kirchen in Deutschland. Im ÖRK hoffte man, dass es in Deutschland über die Ökumenische Centrale hinaus zu einem Ökumenischen Studienausschuss kommen würde. Das war nicht ganz einfach, denn bei der Schlüsselperson, die in diesem Fall Martin Niemöller hieß, mussten Vorbehalte erst überwunden werden. Schließlich kamen die Wünsche aus Genf zum Zuge.313 In der ACK-Sitzung vom 14. März 1950 informierte Niemöller über die Bitte aus Genf, »einen besonderen Studienausschuss« zu bilden. Ihm schien es wichtig zu sein, dass er als Vorsitzender, aber auch sein Stellvertreter Bischof Sommer und der Leiter der Ökumenischen Centrale, Wilhelm Menn, dem Studienausschuss ex officio angehören sollten. Als weitere Mitglieder schlug Niemöller vor : Prof. Edmund Schlink, weiter Studienleiter Adolf Wischmann, Hermannsburg, den Unternehmer Friedrich Karrenberg aus Velbert, das Mitglied des Bundestages Robert Tillmanns, und entweder den Stuttgarter Prälat Karl Wilhelm Hartenstein oder den Hamburger Missionswissenschaftler Walter Freytag. Dazu kamen aus den Freikirchen Dr. Friedrich Wunderlich (Methodist), Dr. Hans Luckey (Baptist), Dr. Johannes Schempp d. J. (Ev. Gemeinschaft) und Professor Dr. Werner Küppers (Alt-Katholik). Lic. Menn stellte in weiser Voraussicht den Antrag, »den Ausschuss in der vorgeschlagenen Zusammensetzung […] nur vorläufig zu konstituieren.«314 Es wird dieser aufschiebende Beschluss gewesen sein, der zu einem Gespräch der beiden ACK-Vorsitzenden Niemöller und Sommer führte, und in dessen Folge es zu anderen Berufungen kam, als zunächst vorgesehen. Am 24. Oktober 1950 konstituierte sich der Studienausschuss. Nun waren anwesend: die Professoren Freytag und Schlink, Lic. W. Menn, Unitätsdirektor Lic. Heinrich Renkewitz und vom Kirchlichen Außenamt der EKD Oberkirchenrat HansHeinrich Harms. Von Genf waren Prof. Nils Ehrenström und Pastor Dr. Wolfgang Schweitzer gekommen. Ein Tagesordnungspunkt lautete: »personelle Ergänzungen«. Es wurden kooptiert: Seminardirektor Dr. Friedrich Wunderlich, Professor Dr. Werner Küppers, die Professoren Erwin Metzke, Ernst Sommerlath, Otto Weber, Ernst Wolf, Heinz Dietrich Wendland, Gerhard Gloege, Martin Albertz, weiter der Unternehmer Friedrich Karrenberg, Sup. Hermann Kunst und Oberkirchenrat Hans-Heinrich Harms.315 Unter den nun Berufenen befand sich als einziger Freikirchler der damalige methodistische Seminardirektor Dr. Friedrich Wunderlich. Es ist anzunehmen, 313 Erich Geldbach, Der Deutsche Ökumenische Studienausschuss (DÖSTA). Chronik der ersten fünf Jahrzehnte. Frankfurt/M., 2010, 17 – 19. 314 Prot. ACK 14. März 1950, 5 f. EZA 6/5317. 315 Erich Geldbach, Der Deutsche Ökumenische Studienausschuss (DÖSTA), 21.

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dass der ökumenisch erfahrene Methodist nach dem Gespräch zwischen Niemöller und Sommer kooptiert wurde. Die ökumenische Farbe brachten außer ihm der alt-katholische Professor Werner Küppers und der Herrnhuter Unitätsdirektor Heinrich Renkewitz in den Studienausschuss. Küppers, Renkewitz und später auch Wunderlich gehörten gleichzeitig der ACK an. Durch HansHeinrich Harms, später Bischof in Oldenburg, hatte Niemöller von Anfang an die Beziehung zum Kirchlichen Außenamt sichergestellt. Die Berufung einer Persönlichkeit aus der Orthodoxen Kirche oder wenigstens eines OrthodoxieSpezialisten sollte noch erfolgen. Die Herausgabe der Ökumenischen Rundschau wurde beschlossen. Nachdem die Ökumenische Centrale aus Mitteln der amerikanischen Militärregierung, der Religious Affairs Branch, finanziell unterstützt wurde, gab es offensichtlich auch Hoffnungen auf eine Unterstützung des Studienausschusses. Genf hatte nicht nur den Anstoß zur Bildung des Deutschen Ökumenischen Studienausschusses (DÖSTA) gegeben, der sich am 24. Oktober 1950 in Frankfurt/M. konstituierte. Im Zusammenhang mit der vierten DÖSTA-Sitzung fand am 29. Februar und 1. März 1952 in Heidelberg »auf Wunsch der Studienabteilung« des ÖRK eine Begegnung von Vertretern der theologischen Fakultäten, der Kirchlichen Hochschulen und der freikirchlichen Theologischen Seminare statt, um über »die ökumenischen Aufgaben im theologischen Unterricht« zu sprechen. Man kann davon ausgehen, dass dieses die erste offizielle Begegnung zwischen den vier anwesenden Direktoren freikirchlicher Seminare, die schon länger in einer Arbeitsgemeinschaft standen, mit Vertretern der theologischen Fakultäten war. Im Bericht der folgenden Freikirchenkonferenz bemerkte der Reutlinger Seminardirektor Reinhold Kücklich d. J.: »Die Ergebnisse der Besprechung stellen für die freikirchlichen Anstalten wenig Neues dar ; die Verbindung mit den Fakultäten und Kirchlichen Hochschulen dagegen ist äußerst wertvoll.«316 Der missions- und ökumene-erfahrene Heidelberger Professor Edmund Schlink war in den ersten Jahren DÖSTA-Vorsitzender, sein Stellvertreter wurde der Hanseatische Missionsdirektor Walter Freytag. Mission und Ökumene war eine typische Verbindung. In Deutschland gab es nur eine begrenzte Zahl von Lehrstuhlinhabern, die ein vergleichbares Maß an internationaler Erfahrung, konfessioneller Kenntnis und ökumenischer Begegnung aufzuweisen hatten. Im DÖSTA wurden die großen ökumenischen Tagungen und Konferenzen begleitet, vor- und nachbereitet, zuerst die Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung in Lund 1952 und danach die zweite Vollversammlung des ÖRK 1954 in Evanston, deren stark missionarisch ausgerichtete Themen die deutschen Kirchen und ihre Gemeinden kaum erreichten. 316 11. Freikirchentag 1952 in Frankfurt/M. Tagungsbericht, bearbeitet von Paul Schmidt, Kassel 1952, 24.

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Ähnliche Studienausschüsse hatte es in den USA, Großbritannien, Schweden und Dänemark schon vorher gegeben. Sie nahmen eine frühere Tradition auf. In Edinburgh 1919, Stockholm 1925 und Lausanne 1927 waren »Fortsetzungsausschüsse« eingesetzt worden, die sich um den Fortgang der Studienarbeit kümmerten. Zunächst waren sie international besetzt, dann wurden sie regionalisiert und schließlich als nationale Gremien geführt. Obwohl finanzielle Notwendigkeiten diese Maßnahmen einleiteten, haben die international organisierten Methodisten besonders im Bereich der Abteilung Faith and Order sich dagegen gewehrt. Sie wussten, dass eine nationale Einengung auch den Verlust der Begegnung von unterschiedlichen kirchlichen Traditionen sowohl zwischen Mehrheiten- und Minderheitenkirchen, wie auch zwischen protestantischen und orthodoxen bedeutete, abgesehen von den unterschiedlichen sozio-kulturellen Umfeldern, die immer das kirchliche Leben beeinflussen. Nach Amsterdam wurde die Studienarbeit begonnen und auch in Deutschland kam es zum DÖSTA, der zunächst seine Aufgaben in Verbindung mit den Genfer Themen sah. Diese Verbindung trat aber je länger je mehr in den Hintergrund. Das ist einfach zu erklären. Anfangs war der ÖRK noch stark westlich ausgerichtet. Aber je mehr die damals sog. »jungen Kirchen« ins Blickfeld traten und sich aktiv einbrachten, um so mehr verschob sich die Studienarbeit auch durch die wachsende Annäherung des Internationalen Missionsrates und des ÖRK besonders im Feld der Studienarbeit nicht nur geographisch, sondern auch inhaltlich zu neuen Schwerpunkten hin.317 Die weitere Entwicklung des Deutschen Ökumenischen Studienausschusses wird später wieder aufgegriffen.

1.11 Ökumenische Entwicklungen in den Werken der ACK-Kirchen 1.11.1 Der von den Frauen eingeführte Weltgebetstag Nach dem Krieg leiteten die Frauen einen ökumenischen Neuanfang ein.318 Es lag nahe, dass er von Berlin ausging. Eine mit dem Weltgebetstag erfahrene Methodistin gab den Anstoß dazu. Luise Scholz, die als Pastorsfrau in Wien schon

317 Nils Karlström, Ökumene in Mission und Kirche, Entwicklungslinien der heutigen ökumenischen Bewegung, München 1962, 209 – 220. 318 Karl Heinz Voigt, Ein früher Baustein zum Ökumenischen Rat Berlin. Der Gottesdienst zum Weltgebetstag der Frauen 1947. In: Constanze Kraft (Red.), Weg und Gestalt. Der Ökumenische Rat Berlin-Brandenburg, Berlin 1998, 79 – 84.

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in den zwanziger Jahren den Weltgebetstag eingeführt hatte,319 ergriff 1947 in Berlin die Initiative, wieder ein Teil dieser weltweiten Gemeinschaft betender Frauen zu werden. Trotz der politisch bedingten Einschränkungen suchte sie Anfang Januar 1947 den Kontakt zur amerikanischen Methodistin Stella D. Wells. Die zwei begeisterten Kennerinnen des Weltgebetstags hatten sich sofort gefunden und leiteten unter schwierigsten Bedingungen die Vorbereitungen für einen Gottesdienst ein, der am 22. Februar 1947 in der Berlin-Zehlendorfer Ernst-Moritz-Arndt-Kirche zweisprachig gefeiert wurde. Berlin lag in Trümmern, das Kommunikationsnetz war zerstört, das Papier für den Programmdruck musste bei einer amerikanischen Verwaltung ausgeliehen und aus Amerika zur Rückerstattung wieder beschafft werden, Druckgenehmigungen mussten her, die Stromzufuhr für die Druckerei war eingeschränkt. Die Idee von Frau Scholz ging zunächst von einem Gebetstag deutscher Gemeinden in Berlin aus. Es wurde ein internationaler und ökumenischer Gottesdienst.320 Amerikanische und deutsche Frauen gestalteten ihn. Sie kamen von der Heilsarmee und aus anglikanischen, presbyterianischen, baptistischen, landeskirchlichen und methodistischen Gemeinden. Stella D. Wells, die einen Bericht in die Heimat schickte, schrieb: »Die Beteiligung war vielleicht zu methodistisch, obwohl die Gemeinde die Konfessionsunterschiede nicht wahrnahm. Wir waren bei der knappen Vorbereitungszeit auf Leute angewiesen, die wir kannten.«321 Die Gebetsordnung war von einer Inderin, Isabel Caleb, geschrieben. Das machte es in der schwierigen Nachkriegszeit leichter, gemeinsam die Texte der Ordnung zu lesen. Insbesondere die vieldiskutierte Schuldfrage bekam dadurch eine neue Färbung. In der Ordnung hieß es in einem Schuldbekenntnis, das von Frau Scholz und Frau Wells in ihren jeweiligen Muttersprachen gelesen wurde: »Wir bekennen dir, daß wir andere, schwächere Völker auf vielerlei Weise ausgebeutet haben. Da ist die Ausbeutung in der Industrie mit Niedriglöhnen, zu langen Arbeitszeiten, gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen und niedrigem Lebensstandard; da ist die Ausbeutung des Geistes, wodurch die Menschenmassen vieler Länder in Unwissenheit und Aberglauben dahinvegetieren, weil man ihnen keine Schulbildung ermöglicht; da ist die Ausbeutung der natürlichen Reichtümer und Märkte eines 319 Marianne Domby, Der Weltgebetstag der Frauen bewegt Ökumene. In: Begegnung und Inspiration, 50 Jahre Ökumene in Österreich, Klagenfurt 2008, 208. 320 Auch in Österreich ging nach anfänglicher Zusammenkunft bei den Methodisten, die Initiative, den Weltgebetstag ökumenisch zu feiern, von der international erfahrenen Methodistin Clara Argelander aus, die Frauen aus sechs Denominationen (Alt-Katholiken, Baptisten, Heilsarmee, Landeskirchler, Mennoniten und Methodisten) zusammenrief. 1957 wurde in Wien zum ersten ökumenisch gefeierten Gottesdienst eingeladen. – Vgl.: Luise Schwarzinger, 100 Jahre Weltgebetstag der Frauen. Privatdruck für die Frauen der Methodistenkirche in Österreich, Wien 1989, 10 f. 321 Stella D. Wells, Bericht über die Feier in Berlin am 22. Februar 1947. Dokumentiert in: Hiller, Ökumene der Frauen, 341 – 344 (344).

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Landes, weil man Kautschuk, Öl, Baumwolle oder Kohle herausholt; da ist vor allem die Unterdrückung der Freiheit vieler Völker, die ihren eigenen politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und religiösen Weg selbst finden wollen. Diese große Sünde (Alle:) Unser Vater, vergib uns!«322

Der Weltgebetstag hätte sich ohne Frage auch ohne die Rolle der methodistischen Frauen in Deutschland etabliert. Aber in ökumenischer Hinsicht ist es bemerkenswert, welche Bedeutung denominationelle internationale kirchliche Lebensstrukturen für die ökumenischen Beziehungen gewinnen können. Frau Luise Scholz war um die Jahreswende 1946/47 als Nachfolgern für Lydia Wunderlich, die in der Dresdner Bombennacht ihr Leben verloren hat, zur Leiterin der Frauenarbeit in Deutschland berufen worden. 1948 hatte sie die Gelegenheit, in Boston/USA an der Sitzung des Weltbunds Methodistischer Frauen, deren Präsidentin sie von 1956 bis 1961 wurde, teilzunehmen. Auch in den USA berichtete sie über die Entwicklung des Weltgebetstags in Deutschland. In einem Beitrag ermutigte sie die methodistischen Frauenkreise in Deutschland im Hinblick auf den Weltgebetstag 1949: »Ob in dem Dorf oder in der Stadt, immer sollten wir uns bemühen, mit anderen Kirchengemeinden und Nationen einen gemeinsamen Gottesdienst zu veranstalten.«323 Der Weltgebetstag, von den Frauen initiiert, ist zu einem ökumenischen Selbstläufer geworden, der in den Gemeinden vielen Frauen und danach auch Männern einen konkreten Zugang zur weltweiten Ökumene eröffnete. Dass der Weltgebetstag der Frauen zu einer herausragenden ökumenischen Erfahrung wurde, hat ganz verschiedene Gründe. Im Unterschied zur ökumenischen Gebetswoche für die Einheit der Christen, die zur Allianz-Gebets-Woche eine Parallelbewegung startete, fanden die Frauen keine schon lange geübte Praxis vor. Wieder war es US-amerikanischer Einfluss, der die deutschen Kirchen befruchtete. Nicht nur, dass der erste öffentliche Nachkriegsgottesdienst gemeinsam mit amerikanischen Frauen vorbereitet war,324 sondern auch das erste Rundschreiben aus der späteren Zentrale des Weltgebetstagskomitees in Stein bei Nürnberg erinnert daran. Antonie Nopitsch, die herausragende Leiterin des landeskirchlichen Bayerischen Mütterdienstes, schrieb im Frühjahr 1949, dass sie aus Amerika gebeten wurde, in Deutschland auf den Weltgebetstag auf-

322 Aus der Weltgebetstagsordnung 1947 von Isabel Caleb, Indien: »Ebnet in der Wüste eine Straße für unseren Gott«. In: Helga Hiller, Ökumene der Frauen. Anfänge und frühe Geschichte der Weltgebetstagsbewegung. Mit vielen Quellentexten, Nürnberg 1999, 340 f. 323 Luise Scholz, Bericht an den Verwaltungsrat der Missionsgesellschaft der deutschen Methodisten 1948, ZA-EmK Reutlingen. 324 Karl Heinz Voigt, Der Gottesdienst zum Weltgebetstag der Frauen 1947. Ein früher Baustein zum Ökumenischen Rat Berlin. In: Constanze Kraft (Red.), Weg und Gestalt. Der Ökumenische Rat Berlin-Brandenburg, Berlin 1998, 79 – 84.

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merksam zu machen.325 Nach ihrem Amerika-Besuch wurden noch 1949 in ihrem Hause die ersten 10.000 Programme gedruckt. Finanziert wurde das Papier mit Geldern aus der amerikanischen Weltgebetstagskollekte des Vorjahres.326 Hier zeigt sich ein zweiter Grund für die rasante Ausbreitung dieses Gebetstags. Es war kein langer Kirchenbehördenweg vieler Beschlüsse und Beratungen notwendig. Engagierte Frauen ergriffen die Initiative und trieben unbeirrt und voller Selbstbewusstsein die Vorbereitungen voran. Sie wollten ein Glied in der weltumspannenden Kette christlicher Frauen sein, die »am ersten Freitag der Passionszeit sich an den Händen fassen und einen Gebetsring um die Erde schließen«, wie Emma Huber als Sekretärin des methodistischen Frauendienstes es 1948 formuliert hatte.327 Der Weltgebetstag schuf ein internationales ökumenisches Bewusstsein. Friedensarbeit wurde geleistet, »die Schwestern überm Meer« wurden entdeckt, aber auch die Schwestern in der freikirchlichen Kapelle von nebenan. Luise Scholz schrieb 1956: »Langsam, aber stetig wächst das Interesse für den Weltgebetstag der Frauen in ganz Deutschland. Von Jahr zu Jahr werden mehr Frauen aller protestantischen Kirchen angeregt, sich dieser weltumspannenden Gebetsgemeinschaft anzuschließen. Konfessionelle Abgrenzungen fallen bei diesen Zusammenkünften. Man lernt sich besser kennen und schätzen, empfindet etwas von der wunderbaren Einheit und Gleichheit in Christus und wünscht an zahlreichen Orten häufiger im Jahr derartige Veranstaltungen. Es ist unverkennbar, daß vielerorts und besonders in Berlin328 der Weltgebetstag dem Verständnis der Ökumene förderlich war.«329

Diesem Bericht spürt man ab, was die ökumenische Gemeinschaft für eine Minderheitskirche bedeutet, besonders durch die Gemeinschaft der betenden Frauen. Sie war nicht durch kirchenpolitisches Kalkül belastet, sondern fand den Weg zu »der wunderbaren Einheit und Gleichheit in Christus«. Als sich das Deutsche Weltgebetstagkomitee 1970 mit darin vertretenen Organisationen konstituierte330, konnte erstmalig eine offizielle Beteiligung von katholischen 325 Antonie Nopitsch, Rundschreiben vom 24. Febr. 1949. In: Hiller, Ökumene der Frauen, 361 f. 326 Ebd., 351. 327 Ebd., 349. 328 Die deutsche »Weltgebetstagsgeschichte« vermerkt »1956 In Berlin bildet sich auf Initiative der Methodisten ein ›Ökumenischer Frauendienst‹ als ständiger Ausschuss. Über den Weltgebetstag hinaus will man zur ökumenischen Verständigung beitragen sowohl zwischen den Konfessionen wie zwischen Nationen.« In: Angelika Schmidt-Biesalski (Hg.), Ein Freitag im März. Weltgebetstags-Taschenbuch, Offenbach/Düsseldorf 1982, 19862, 36. 329 Luise Scholz, Jahresbericht des Methodistischen Frauendienstes 1955. In: Du und Ich, Juli/ August 1956, 11. Hier zit. n. Hiller, Ökumene der Frauen, 408. 330 Zu dieser Zeit waren neben der landeskirchlichen »Evangelischen Frauenarbeit« und der Arbeitsgemeinschaft für Frauenmission, neben den freikirchlichen Vertretungen von Baptisten, Methodisten, Herrnhutern und der Heilsarmee, sowie dem Bund Alt-Katholi-

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und orthodoxen Frauen in einem nationalen ökumenischen Gremium registriert werden. Das war vier Jahre bevor die römisch-katholische Kirche und die Griechisch-orthodoxe Metropolie der Bundes-ACK beitraten. Wie ernst ökumenische Grundsätze im Weltgebetstagskomitee praktiziert wurden, zeigt die Feststellung der späteren Referentin dieses Komitees. Sie schrieb: »Alle Mitglieder in diesem ökumenischen Gremium entscheiden gleichberechtigt, unabhängig davon, ob sie eine zahlenmäßig größere oder kleinere Gruppe vertreten.«331 Dabei waren die Frömmigkeitsformen und die theologischen Akzentsetzungen in den Konfessionen und Denominationen teilweise deutlich voneinander unterschieden. Lydia Meinhardt, später Leiterin des methodistischen Frauenwerks, erinnerte sich und schrieb: »Theologische Voraussetzungen […] spielten bei den landeskirchlichen Frauen eine größere Rolle als bei den freikirchlichen. Ich erinnere mich an Verhandlungen über die Liturgie in der deutschen Fassung der Weltgebetstagsordnung, bei der die eine Seite meinte, sie müsse auf jeden Fall der theologisch sauberen Konzeption des lutherischen Gottesdienstes folgen, während die Freikirchlerinnen Hemmungen hatten, Verkündigung und Gebet in streng vorgegebene Formen pressen zu lassen. Gelernt haben beide, indem sie sich mit den Anliegen, die hinter den gebundenen wie den freieren Formen standen, bekannt machten und dabei feststellten, daß in jedem Fall das Bemühen, nahe am Evangelium zu bleiben, zugestanden werden musste. Das machte es möglich, jedes Jahr neu gegenseitiges Verständnis zu suchen und zu finden und in der Einheit zu wachsen.«332

In vielen Städten und Dörfern haben die Frauen mit dem Weltgebetstag die Ökumene in den Gemeinden dadurch erfahrbar und greifbar gemacht, dass ungezählte Frauen nicht nur an den Gottesdiensten teilnahmen, sondern sie auch intensiv gemeinsam vorbereiteten und mitgestalteten. Auf diese Weise wurden sie selber lebendige, integrierte ökumenische Mitträgerinnen. Was die ACK aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte und ihrer frühesten vorsichtigen Ausgestaltung durch die verfassten Kirchen nicht leisten konnte, schafften die Frauen durch die Weltgebetstage. In verhältnismäßig kurzer Zeit haben sich die ökumenischen Ortsgemeinschaften mit der wachsenden Unterstützung aus der Zentrale in Stein bei Nürnberg und der dadurch möglichen weltweiten Vernetzung organisiert. Es waren keine neuen theologischen Debattierklubs entstanden, so wichtig sie sind, sondern es kam zu vertrauensbildenden Begegnungen, die danach die nachbarschaftlichen theologischen Gespräche und ökumenischen Bibelwochen erleichterten. Die konkrete Aufgabenstellung des Fürbitscher Frauen, schon zwei römisch-katholische Frauengemeinschaften und die GriechischOrthodoxe Kirche vertreten. 331 Maria Barutzky, Das Deutsche Weltgebetstagkomitee. In: Schmidt-Biesalski (Hg.), Ein Freitag im März, 58. 332 Lydia Meinhardt, Erlebtes – Bedachtes. Aus drei Jahrzehnten freikirchlicher Mitarbeit im Weltgebetstag. In: Schmidt-Biesalski (Hg.), Ein Freitag im März, 173 f.

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tengebets durch seine Zuspitzung und Konzentration auf eine ökumenische Aktivität, nämlich das Beten und Opfern als Einheit zu sehen und nach den Gottesdiensten die Gemeinschaft mit den Nachbargemeinden zu erleben, ist sicher nicht ohne Einfluss auf die rasche Annahme dieser ökumenischen Aktivität gewesen. Abgesehen davon waren die Berichte über die Wirkungen der Gaben in den Projekten eine Art von feed back, die ermutigend wirkte. In der Ausgestaltung durch die Verbindung von »informiertem Beten und betendem Handeln« in ökumenischer Projektförderung hat die Weltgebetstagsbewegung einer gemeinsamen Entwicklung von Frömmigkeitsgestaltungen für die gesamte deutsche Christenheit zweifellos eine zusammenführende Wirkung erzielt. Angesichts dieser herausragenden ökumenischen Bedeutung des Weltgebetstages ist es überraschend, dass es zwischen ihm und den speziell ökumenischen Gremien selten zu Gesprächen und Begegnungen gekommen ist, dass er in deren Berichten lange Zeit selten erwähnt wurde, und in den historischen Publikationen zur jüngsten Kirchengeschichte schlicht übersehen wurde.333

1.11.2 Ökumene in der Jugendarbeit Das ökumenische Zusammenwirken auf der Ebene der jungen Generation hat einen völlig anderen Charakter. Es geht von anderen Voraussetzungen aus und zielt mehr in die Richtung der Koordinierung der konfessionellen Arbeit. Umerziehungsprogramme (Re-Education) der westlichen Alliierten schenkten der Jugendarbeit besondere Aufmerksamkeit. In den Jahren 1933 – 1945 war versucht worden, auch die kirchliche Jugendarbeit zur Gleichschaltung in das Jungvolk ab zehn und in die Hitler-Jugend ab vierzehn Jahren einzugliedern. Das geschah im Zuge der Durchsetzung des autoritären Führerprinzips. Nach dem politischen Neuanfang 1945 sollte für zukünftige Bürger eines freien Staatswesens eine neue Grundlage des Denkens und Handelns geschaffen werden. Junge Menschen sollten Lebensformen verinnerlichen, die sie in den Stand setzten, einen demokratischen Rechtsstaat zu fördern und möglichst aktiv mitzugestalten. 333 Verein für Freikirchenforschung, Frauen in Freikirchen, 6 Selbstdarstellungen, alle ohne Bezug auf den Weltgebetstag, Münster 2003, 36 – 97; Rudolf Mau, Der Protestantismus im Osten Deutschlands (1945 – 1990), KiE IV/3, Leipzig 2005; Martin Greschat, Der Protestantismus in der Bundesrepublik Deutschland (1945 – 2005), KiE IV/2, Leipzig 2010. Anders: Frauenwerk der Ev.-methodistischen Kirche, Mit Weisheit, Witz und Widerstand, Ute Minor und Rosemaie Wenner, Gemeinsames Engagement – Weltgebetstag, Stuttgart 2003, 295 – 306; Marianne Domby, Der Weltgebetstag der Frauen bewegt Ökumene. In: Ökumenischer Rat der Kirchen Österreichs, Begegnung und Inspiration. 50 Jahre Ökumene in Österreich, Wien 2008, 206 – 211.

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Das stellte auch die kirchliche Jugendarbeit vor eine neue Herausforderung. Anfangs hatte z. B. die Deutsche Christliche Studentenvereinigung (DCSV) darum kämpfen müssen, sich aus der gewohnten patriarchalischen Führungsstruktur des Grafen Eduard von Pückler zu befreien. Bilder von Konferenzen der Jugendpastoren um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zeigen überwiegend ältere bärtige Herren. Kirchliche Jugendarbeit war von ihrer Entstehung her von einer Zuwendungs- und Betreuungsstruktur geprägt. Davon hob sich die unter amerikanischem Einfluss stehende Arbeit des CVJM zuerst ab.334 In den Freikirchen kam hinzu, dass die für den Glauben und die Gemeinde gewonnenen Jugendlichen überwiegend unter der Anleitung von den Pastoren zur Teilnahme an den evangelistisch-missionarischen Bemühungen der Gemeinde motiviert und eingesetzt wurden. Diese Leitungsmodelle wurden eigenartigerweise in Formen integriert, die sich unter dem Einfluss der Wandervogel-Bewegung entwickelt hatten. Die bündisch ausgerichtete, in den Freikirchen stets kirchlich integrierte Jugendarbeit bekam zu dieser Zeit die entsprechende Bezeichnung »Jugendbund«. Unter dem Einfluss des in den USA ausgebildeten Jugendsekretärs Friedrich Wunderlich335 entwickelte sich innerhalb der methodistischen Kirche die Arbeit mit Freizeiten, Wanderungen und Jugendleiterschulungen, flankiert von dem Bau eines Jugendheims im thüringischen Schwarzenshof, in eine zeitgemäße Richtung. Alle diese Ansätze wurden mit dem »Schurkenstreich« des Reichsbischofs Ludwig Müller zunichte gemacht, als dieser die landeskirchlichen und freikirchlichen Jugendorganisationen ohne deren Einwilligung an die Hitlerjugend auslieferte.336 Statt jugendbündischer Arbeitsformen war nun das »Führerprinzip« politisch gewollt und gesellschaftlich in weiten Bereich akzeptiert. Es gab nach 1945 genügend Gründe ein »Re-Education-Program« zu gestalten, in dem zu partizipatorischer Arbeit, zur Ausbildung von Eigenverantwortung und zu einer neuen Werteorientierung Hilfestellung geleistet wurde.337 Im Bereich der EKD kam es 1946 in Anknüpfung an die Arbeit in der Bekennenden Kirche zur Bildung der Jugendkammer der EKD. Diese verstand sich auch als Nachfolgerin des 1920 gegründeten Reichsausschuss Deutscher evangelischer Jugendverbände.338 In dieser Tradition verstand sie sich als die Ver334 Thomas Hahn-Bruckart, Friedrich von Schlümbach. Erweckungsprediger zwischen Deutschland und Amerika, AGP 56, Göttingen 2011, 291 ff. 335 Die Leipziger Dissertation Wunderlichs galt dem Thema »Die Bedeutung der Sonntagsschule für das kirchlichen Leben in den Vereinigten Staaten«. 336 Heinrich Riedel, Kampf um die Jugend. Evangelische Jugendarbeit 1933 – 1945. München 1976, 5 – 82. 337 Heike Springhart, Aufbrüche zu neuen Ufern, Der Beitrag von Religion und Kirche für Demokratisierung und Reeducation im Westen Deutschlands nach 1945, Leipzig, 2008, 144 – 154. 338 Heinrich Riedel, Kampf um die Jugend. Ev. Jugendarbeit 1933 – 1945. München 1976, 5 – 22.

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treterin der gesamten evangelischen Jugend Deutschlands. Dem früheren Reichsausschuss hatten allerdings auch die Jugendabteilungen von drei der vier Freikirchen innerhalb der Vereinigung Evangelischer Freikirchen angehört.339 1947 beauftragten die VEF-Kirchen den Baptistenprediger Johannes Arndt, Kontakte mit der EKD-Jugendkammer aufzunehmen, um die frühere Gemeinschaft wieder herzustellen. Mit dem daraufhin erfolgten Angebot eines freikirchlichen Sitzes in der Jugendkammer konnten sich die vier Freikirchen nicht abfinden. Sie machten ihrerseits drei alternative Vorschläge: (1) die Wiederherstellung der früheren Zusammensetzung, jedenfalls hinsichtlich der Freikirchen, (2) die Schaffung einer Jugendabteilung bei der ACK, wie sie in anderen Ländern üblich war340 oder als schlechteste Lösung (3) die nur gastweise Teilnahme an den Sitzungen der EKD-Jugendkammer. Das Interesse der freikirchlichen Jugendabteilungen war auch mit den Kontakten der Jugendkammer zum ÖRK begründet, die durch den Stuttgarter Oberkirchenrat Manfred Müller in Genf in einer Weise wahrgenommen wurde, dass die Freikirchen ihre Belange durch ihn gut vertreten gesehen hätten. Bei der Leitung der Jugendkammer lag – wie bei der Bildung der ACK – wieder ein Interesse vor, das in Genf erwartete Bild auch über diese Ebene kirchlicher Arbeit zu zeichnen, das von ökumenischer Weite bestimmt war. Die in Stuttgart ansässige EKD-Jugendkammer muss über die entsprechenden Genfer Interessen im Bilde gewesen sein. Es gab nämlich neben dem Hilfswerk auch auf der Jugendebene über den ÖRK Lebensmittelspenden, von denen die Freikirchen einen Anteil beanspruchten und auch erhielten. Außerdem wollten die freikirchlichen Jugendabteilungen im Rahmen der deutschen Delegationen auch an ökumenischen internationalen Tagungen und Austauschprogrammen beteiligt sein.341 Nachdem am 1. und 2. Dezember 1949 abschließende Gespräche über eine gemeinsame Ordnung geführt worden waren, führte die freikirchliche Initiative zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend Deutschlands (AEJ), die sich am 19. März 1950 in Hannover-Herrenhausen konstituierte und den Stuttgarter Oberkirchenrat Manfred Müller, der auch der Jugendkammer in Genf angehörte, zum Vorsitzenden wählte. Die einleitende Formulierung der »Ordnung« der AEJ bestärkt ausdrücklich den »Willen, den ökumenischen Gedanken in ihrem Arbeitszweig umzusetzen.«342 Das klingt wieder wie eine 339 Vertreten waren die Baptisten, die Evangelische Gemeinschaft und die Methodistenkirche. 340 In der DDR gab es ab 1972 neben der Jugendarbeit des ›Bundes der Evangelischen (Landes-) Kirchen in der DDR‹ eine ›Arbeitsgemeinschaft christlicher Jugend (AGCJ)‹, die auch die röm.-kath. Kirche zur Mitarbeit eingeladen hatte. 341 Johannes Arndt, Bericht an den Freikirchentag 1948 in Düsseldorf, Berichtsheft Kassel o. J., 17 – 19. 342 Dokumentiert in: 10. Freikirchentag 1950 in Hamburg. Berichtsheft der Vereinigung Ev. Freikirchen, Witten 1950, 18.

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Befriedigung von Genfer Interessen, die schon früher erwähnt wurden. Unter dem Zweck des Zusammenschlusses wurden u. a. genannt: »(a) die Förderung der Zusammenarbeit in allen gemeinsamen Aufgaben, insbesondere auf dem Gebiet der Jugend-Evangelisation, (b) die Vertretung gemeinsamer Belange, insbesondere bei ökumenischen, staatlichen und sonstigen Stellen.«343 Freikirchliche Delegierte arbeiteten von Anfang an in verschiedenen Kommission der AEJ mit. Damit erwies sich die AEJ als ein frühes Praxisfeld ökumenischer Zusammenarbeit die über den Rahmen der ACK hinausging. Den freikirchlichen Delegierten lag daran, über die AEJ mit der Genfer Jugendabteilung des ÖRK in Verbindung zu sein und auf diese Weise Anteil an internationalen Beziehungen zu behalten. Gleichzeitig war es für alle Führungskräfte ein Einübungsfeld, einen respektvollen und demokratischen Umgang auf einem ungewohnten Terrain auszuüben. Bezeichnend ist auch hier, dass die internationalen ökumenischen Kontakte nicht über die ACK liefen, sondern parallel zum Kirchlichen Außenamt der EKD zunächst auch hier über die Jugendkammer der EKD. Bald nach der Neuorganisation erfolgte die Bildung des Deutschen Bundesjugendringes (DBJ). Von den fünf Plätzen für Delegierte der AEJ wurde einer aus den Freikirchen besetzt. Der erste Freikirchler im DBJ war Dr. Otto Markert, ein Baptist aus Frankfurt/M., danach nahm Pastor Johannes Arndt die Vertretung wahr. Er war auf diesem Wege auch ins Kuratorium für Jugendfragen des Bundesministers für Inneres berufen worden.

1.11.3 Ökumene im Bereich von Sonntagsschule und Kindergottesdienst Es bietet sich an, hier die Bedeutung der ökumenischen Beziehungen im Bereich von Sonntagsschule und Kindergottesdienst anzuschließen. Landeskirchen und Freikirchen haben auf diesem Gebiet unterschiedliche Vorgeschichten. Schon bald nach 1870 führten die Freikirchen den aus den USA kommenden Internationalen Textplan ein, sie besuchten die Weltsonntagsschulkongresse und wirkten in den Gremien der World Sunday School Association mit, als die deutschen Landeskirchen von einer nationalen Welle erfasst waren und sich immer mehr von der Sonntagsschulpraxis mit unterrichtenden Männern und sogar Frauen zurückzogen und an die Stelle der kindgerechten Sonntagsschule den Kindergottesdienst mit einer ausgearbeiteten Agende setzten.344 343 Ebd. 344 Karl Heinz Voigt, Internationale Sonntagsschule und deutscher Kindergottesdienst. Eine ökumenische Herausforderung – Anfänge bis zum Ende des Deutschen Kaiserreichs, KKR 52, Göttingen 2007, 99 – 121.

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Als die Sonntagsschulabteilung der Freikirchen zu ihrer ersten Nachkriegssitzung zusammenkam, war der Reichsverband für Kindergottesdienst und Sonntagsschule, dem sie sich zur Weimarer Zeit angeschlossen hatten, noch nicht wieder zusammengetreten. Es wurden jedoch, sobald es möglich war, die freundschaftlichen Beziehungen neu geknüpft. Herbert Mascher vertrat zunächst die Freikirchen in der Textplan-Kommission, ab 1951 übernahm dies C. Ernst Sommer. Damit war jedoch kein organisatorisches Zusammengehen verbunden. In der Vereinigung Evangelischer Freikirchen wurde später diskutiert, »ob durch die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen […] die Koordinierung der beiderseitigen Sonntagsschularbeit[en] gefördert werden kann.«345 Zur gleichen Zeit entschieden sich die Freikirchen, die durch die Kriegswirren unterbrochenen Beziehungen zur Weltsonntagsschulvereinigung wieder aufzunehmen. Anlässlich der Freikirchenkonferenz 1948 wurde berichtet, dass die World Sunday School Association im August 1947 im englischen Birmingham beschlossen hatte, ihren Namen sachgemäß zu verändern in die umfassendere Bezeichnung World Council for Christian Education, dessen Integration in den ÖRK 1971 erfolgte. Die internationalen ökumenischen Kontakte lebten nach Kriegsende wieder auf. 1949 kam James Kelly aus Glasgow, Generalsekretär des Weltbunds, nach Frankfurt/M. und Berlin. Er vermittelte zwei Mitarbeiter zu Schulungen an das Westhill-Trainings-College Selly Oak in Birmingham, brachte finanzielle Unterstützung für die Herstellung von Sonntagsschul-Literatur vorzugsweise für die Ostzone und erkundete die Möglichkeiten einer ökumenischen deutschen Sonntagsschulkonferenz, die vom 22. bis 24. Mai 1951 in Hamburg stattfand. Vorher nahmen Friedrich Wunderlich, Otto Wißt von der Evangelischen Gemeinschaft und Herbert Mascher 1950 an der Weltsonntagsschul-Konferenz in Toronto/Kanada teil. Auf dem »erste[n] ökumenischen Kongress für Kindergottesdienst und Sonntagsschule« in Hamburg 1951 »trat die Verschiedenartigkeit der freikirchlichen Sonntagsschule im Vergleich mit dem [landes] kirchlichen Kindergottesdienst sehr stark in Erscheinung.« Der Berichterstatter merkte kritisch an: »Leider wurde die freikirchliche Arbeit nicht von allen als gleichberechtigter Faktor anerkannt.«346 Es scheint so, als seien die aufgebrochenen Fragen auf einer im folgenden Jahr durchgeführten europäischen Tagung in Bad Boll geklärt worden. 1953 reisten Wißt, Mascher und C. Ernst Sommer nach Sunberry in England, um die Freikirchen an der 150-Jahrfeier der britischen National Sunday School Union und der damit verbundenen Zusammenkunft der europäischen Sektion 345 Otto Wißt, Bericht der Sonntagsschulabteilung an die Freikirchenkonferenz 1952 in Hamburg. Berichtsheft, Kassel o. J., 21. 346 Ebd., 21 f.

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der Weltsonntagsschulvereinigung zu vertreten. Die besondere Nähe des World Council of Christian Education zu den Freikirchen in Deutschland kam in der Wahl des methodistischen Predigerseminars in Frankfurt für die Sitzung des Exekutiv-Komitees im Juli 1954 zum Ausdruck. Der Tagung schloss sich die Europäische Tagung für Kindergottesdienst und Sonntagschule in Wuppertal an. Freikirchler nahmen in den folgenden Jahren an verschiedenen europäischen Sonntagsschulkonferenzen in Deutschland und den Niederlanden teil, an der Weltkonferenz in Japan ließen sie sich durch die dort wirkendende Missionarin Gertrud Kücklich vertreten. Die weltweite Gemeinschaft der Sonntagsschulsekretäre vermittelte eine »Befruchtung der Arbeit durch ökumenische Verbindungen«.347 In keinem anderen Arbeitsbereich wirkte sich die traditionelle internationale Verbindung der Freikirchen zu den ökumenischen Organisationen nach dem Krieg in der Weise aus wie im Bereich der Sonntagsschule. Es zeigte sich in ihrer vielfachen Vertretung an den unterschiedlichsten internationalen Tagungen, dass der Direktkontakt ihnen mehr Möglichkeiten bot, als die Wahrnahme internationaler Beziehungen z. B. durch das Kirchliche Außenamt der EKD, dessen vermittelnde Funktion zwischen den deutschen Zweigen der Freikirchen und der weltweiten Ökumene je länger je mehr versandete. Das hatte zwei Gründe. (1) Innerhalb der Vereinigung Evangelischer Freikirchen lehnte von den damaligen vier Mitgliedskirchen der Bund Freier evangelischer Gemeinden offizielle Kontakte zum ÖRK ab,348 der baptistisch geprägte Bund EvangelischFreikirchlicher Gemeinden wirkte im Gegensatz zu vielen anderen nationalen Baptistenvereinigungen im ÖRK nicht mit, jedoch waren dessen führende Persönlichkeiten gegenüber dem ÖRK offen.349 Mitglieder im ÖRK waren nur die damalige Evangelische Gemeinschaft und die Methodistenkirche. Deren volle ÖRK-Mitgliedschaft war wiederum in der deutschen kirchlichen Öffentlichkeit und selbst Ökumene-Spezialisten kaum bekannt. Dieses hatte seinen Grund darin, dass beide als integrierte Zweige von weltweit verfassten Kirchen waren, deren ÖRK-Mitgliedschaft durch die kirchlichen Zentralbüros in New York und Dayton/Ohio wahrgenommen wurde.350 (2) Diese Konstellation innerhalb der 347 Otto Wißt, Bericht Freikirchliche Sonntagsschulen an die Freikirchenkonferenz 1954 in Berlin, Berichtsheft, Stuttgart 1955, 23. 348 Zur Vorgeschichte: Karl Heinz Voigt, Die Freikirchen während der Weimarer Republik Gedanken zu Grundzügen ihrer Geschichte. In: FF 21. Jg. (2012),131 – 157. 349 Paul Schmidt nahm an der Gründungsversammlung 1948 in Amsterdam teil und Hans Luckey war 1954 in Evanston. Beide waren von der ACK entsandt, eine Konstellation, die es für freikirchliche Teilnehmer seit 1961 in New Delhi nicht mehr gab. 350 In den Berichtsbänden von den frühen Vollversammlungen des ÖRK wurden die Kirchen nach Ländern ausgewiesen. Die Namen der methodistischen Delegierten aus Deutschland erschienen daher regelmäßig in der Rubrik der Vereinigten Staaten von Amerika/Methodist Church, weil sie im Rahmen der Delegation ihrer Weltkirche ihren Platz hatten.

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freikirchlichen Vereinigung führte noch Jahrzehnte später dazu, dass im Kirchlichen Außenamt und in der Geschäftsstelle der ACK, die die Reisepläne für »Team-Visits«351 vorbereiteten, die ÖRK-Mitgliedschaft der beiden Kirchen nicht im Bewusstsein war. Das unterschied sie nicht von der Genfer ÖRK-Zentrale, wo es Unsicherheiten im Umgang mit nicht national organisierten Kirchen gab. Dies zeigte sich beim ökumenischen Besuchsprogramm der von Genf ausgesandten Besucherteams. Die methodistische Kirche in Deutschland ist erst in das ökumenische Erfahrungen vermittelnde Begegnungsprogramm aufgenommen worden, nachdem sie unter Berufung auf ihre ÖRK-Mitgliedschaft interveniert hat. Aus methodistischer Sicht war es wichtig, die Besuchergruppe mit den ökumenischen Erfahrungen einer Minderheitskirche bekannt zu machen, welche sie in einem weltweit seltenen kirchlichen Umfeld territorialer Kirchenstruktur machte. Die spezielle Art des früheren Staatskirchentums mit territorialen Ansprüchen als vorökumenische Geschichte gab es nur in Europa.

1.11.4 Die Arbeit mit und unter Studenten Bischof J. W. Ernst Sommer hatte sich schon 1947 in den Vorgesprächen für die Einbeziehung der traditionell ökumenischen Studentenbewegung in die ersten Überlegungen zur Bildung eines Nationalrats der deutschen Kirchen eingesetzt. Zu dieser Zeit hatte aber Eberhard Müller längst die Initiative ergriffen und sich zunächst erfolgreich bemüht, »eine neue Basis zu schaffen, auf der sowohl die Landeskirchen wie der Rat [der EKD] ihre Zuständigkeit gesichert erhalten.«352 Für den Rat war in der Vorlage die Neuordnung für eine »kirchlich gebundene Studentengemeinde (unter Aufgabe der freien Vereinigung neben der verfassten Kirche im Sinne der alten DCSV)« angeregt. »Mitglieder der Evang. Studentengemeinde in Deutschland (E.St.D.) sind alle der evangelischen Kirche angehörenden Studenten.«353 Damit wurde seitens der EKD ein Leitungsanspruch einer früher konfessionell unabhängigen, in starker ökumenischer Tradition stehenden Arbeit festgeschrieben. Natürlich war der Ratsbeschluss kirchenpolitischer Natur, denn in die freien evangelischen Studentengemeinden gingen nur jene Studierenden, die gewisse geistliche Grundlagen an ihre Studienorte mitbrachten. Von der vormaligen »alten DCSV« war in ökumenischer Hinsicht nur die Feststellung übrig geblieben: »auch alle Studenten, die einer dem 351 »Team-Visit« war die Kurzbezeichnung für ein ökumenisches Besuchsprogramm mit Repräsentanten verschiedener Kirchen und verschiedener Länder bei den Mitgliedskirchen des ÖRK auch in Deutschland. 352 Prot. EKD-Rat, Bd. 1, 138. 353 Ebd., Vorlage zur Neuordnung der Evangelischen Studentengemeinde. 280

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Oekumenischen Rat der Kirchen angeschlossenen Freikirche angehören, haben in ihr Heimatrecht.«354 Angesichts des Beschlusses, den der Rat der EKD getroffen hatte, kann es nicht überraschen, wenn bei den Vorgesprächen zur Bildung der ACK die seitens des Methodisten Sommer eingebrachte Vorstellung einer Anbindung der Studentenarbeit nicht aufgenommen wurde. Insgesamt stand dieses spezielle Arbeitsfeld mit der Genfer Ökumene in formaler Hinsicht nicht im Kontakt und ist daher von den sonst zu dieser Zeit dort besonders interessierenden internationalen Beziehungen kaum berührt. Im Oktober 1952 trafen sich die Studentensekretäre der VEF-Kirchen zu einer ersten gemeinsamen Beratung. Ausgehend von der erheblich gestiegenen Zahl von freikirchlichen Studierenden und der Bildung der ESG durch die EKD war nun eine eigene Studentenarbeit notwendig geworden, da »die alte DCSV nicht mehr besteht, in der unsere studierenden Geschwister selbstverständlich zu Hause waren«.355 Damit war eine Zweispurigkeit in die Arbeit der Freikirchen eingezogen. Zu dieser Zeit hatte noch die Mehrzahl der Studierenden in der Evangelischen Studentengemeinde (ESG) ihre Kontakte gefunden, einige haben sich der Studentenmission in Deutschland (SMD) zugewandt. Der Baptist Rudolf Thaut gehörte zum Vertrauensrat der ESG, Karl Beisiegel vertrat die Methodistenkirche in der Konferenz der Studentenpfarrer. Seit 1952 strebten die Freikirchen an einigen Hochschulorten an, in Absprache innerhalb der ESG eigene Kreise aufzubauen und eigene Studentenkonferenzen durchzuführen. Das galt auch für die DDR, wo entsprechende Gruppen in Halle und Leipzig bereits zusammenkamen. In Württemberg gab es Freizeiten, an denen je zur Hälfte landeskirchliche und freikirchliche Theologiestudenten teilnahmen. Ohne einen Vorrang herzustellen, sollten von der VEF her nach den Kontakten mit der ESG auch Kontakte zur SMD aufgenommen werden. Nach dem Bericht an die Freikirchenkonferenz 1954 war es ein in der »Ordnung« der ESG festgelegtes Ziel, »mitverantwortlich für die Ausbreitung, Erneuerung und Einheit der Kirche in aller Welt und offen für Mitglieder aller christlichen Kirchen und für alle, die nach der christlichen Botschaft fragen« zu sein.356 Die SMD war von Anfang an stärker missionarisch orientiert und hat im Grunde frühere DCSVAktivitäten aufgenommen. Sie sah also innerhalb der Universitäten eine Aufgabe, die den Zielen der DCSV mit ihrer Abteilung des Studentenbunds für Mission (SfM)357 in spiritueller Hinsicht nahe kam. Die nach 1945 neu entstan-

354 Ebd. 355 Rudolf Thaut, Freikirchliche Studentenarbeit. In: Berichtsheft Freikirchenkonferenz 1952, Kassel o. J., 19. 356 Heinz-Adolf Ritter, Studentenarbeit. Bericht an die Freikirchenkonferenz 1954. In: Berichtsheft Freikirchenkonferenz 1954, 20 f. 357 Innerhalb der DCSV gegründet am 28. März 1896 in Halle. Er hatte ein besonderes Interesse

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dene SMD hatte stets eine Nähe zur Evangelischen Allianz. Innerhalb der Freikirchen wurde bedauert, dass es zwischen den beiden studentischen Organisationen nicht zu einer Zusammenarbeit auf breiter Grundlage kam. Zwar sei die geistliche Wurzel der Studentengemeinde die frühere ›Deutsche Christliche Studentenvereinigung‹ (DCSV), aber die spätere Studentenmission habe diese weitgehend aufgenommen. »Beide Zweige jedoch haben eine eigengeprägte Entwicklung genommen, so daß das Zeugnis des Evangeliums an den Universitäten heute als geteilt gekennzeichnet werden muß,« führte der Berichterstatter Heinz-Adolf Ritter, der dem Bund Freier evangelischer Gemeinden angehörte, aus und bemerkte weiter : »Die Studenten der Methodistenkirche und der Evangelischen Gemeinschaft stehen – soweit bekannt – sämtlich in den örtlichen Studentengemeinden, während die Studenten des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden und des Bundes Freier evangelischer Gemeinden teils in der Studentengemeinde stehen, zum andern Teil Mitarbeiter in den örtlichen Gruppen der SMD sind.«358 Diese unterschiedliche Positionierung innerhalb der vier VEF-Kirchen zeigt, dass sie bereit waren, sich auch bei unterschiedlichen zwischenkirchlichen Haltungen gegenseitig zu respektieren und bei aller Unterschiedlichkeit – wo immer es möglich war – an einem Strang zu ziehen. Von den vier VEF-Kirchen waren 1954 etwa 1000 Studierende erfasst.

1.11.5 Zusammenarbeit an den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

Über die Voice of America und die British Broadcasting Corperation (BBC) mit ihrem dumpf dröhnenden Markenzeichen konnten die deutschen Schwarzhörer aus Amerika Paul Tillich und aus London Thomas Mann hören. Propagandaminister Josef Goebbels setzte alles daran, solche Auslandseinflüsse zu verhindern. Er erließ ein Verbot, diese Sender zu hören. Daneben bemühte er sich durch die Verbreitung von »Volksempfängern« mit eingeschränkten Empfangsmöglichkeiten darum, eine Abschirmung zu erreichen. Die Hitler-Diktatur benutzte natürlich die Medien als staatlich instrumentalisierte Meinungsbildner. In den Bestrebungen zum Aufbau einer demokratischen Gesellschaft war es selbstverständlich, dass nach dem Ende des Krieges die Medien eine zentrale Rollen spielten und eine neue politische Ausrichtung bekamen. Im Rundfunkwesen hatten die Besatzungsmächte von Anfang an die absolute Hoheit. Im schrittweisen Aufbau vergaben sie an die von ihnen selber zunächst verwalteten daran, an den Universitäten Jungakademiker für den Einsatz in der weltweiten Mission zu gewinnen. 358 Wie 356, 21 f. Vgl. auch: Karl Beisiegel, Studentenarbeit. Bericht an die Freikirchenkonferenz 1956. In: Berichtsheft Freikirchenkonferenz 1956, 18 – 21.

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Sendeanstalten Lizenzen. Sie setzten eine kollegiale Leitung mit Personen unterschiedlicher Positionierung in weltanschaulichen und politischen Fragen voraus. Die den Kirchen von den protestantisch orientierten westlichen Besatzungsmächten von Anfang an zugedachte Rolle in der gesellschaftlichen Erneuerung kam auch hier zur Wirkung. Es lag nahe, sie zur religiösen Orientierung und Wertevermittlung an künftigen Sendungen zu beteiligen. In den sich bildenden Rundfunkräten, die sich aus unterschiedlichen gesellschaftstragenden Gruppen für die Leitung und Aufsicht über die Sender zusammensetzen mussten, waren mindestens die beiden an Mitgliedern stärksten Kirchen und die jüdischen Gemeinden, an einzelnen Sendern auch die Minderheitskirchen vertreten. Ein Ziel der Education and Religious Affairs Abteilung (ERA) der USMilitärregierung war, dem grundlegenden demokratischen Gedanken der Religionsfreiheit auch hier eine entsprechende Gestalt zu geben. Von Anfang an sollten neben den Landeskirchen und der römisch-katholischen Kirche auch die Freikirchen und die kleinen jüdischen Gemeinden zum pluralen Profil der religiösen Sendungen beitragen. Die Kirchen selber sollten Rundfunkausschüsse bilden, deren Aufgabe auch darin bestehen sollte, die Manuskripte eigenständig zu begleiten und die Sendungen hörergerecht und rundfunkhomiletisch zu gestalten, teilweise unter der beratenden Mitwirkung von amerikanischen Spezialisten im Sinne einer Supervision. Es war auch im Medienbereich ein ökumenischer Ansatz vorgegeben. Die Freikirchen haben ihn in der schwierigen Nachkriegszeit an den späteren Landesrundfunkanstalten aus ganz verschiedenen Gründen in einer vorher nicht möglichen Weise wahrnehmen können. Dazu waren Lernbereitschaft mit Einfühlungsvermögen, wachsende Fachkompetenz, Kenntnisse über Erlasse der Militärregierungen und zugleich die Situation ungleicher Strukturen bei den Sendern, die sich Jahrzehnte z. B. zwischen dem Bayerischen Rundfunk und damaligen Süddeutschen Rundfunk ausgewirkt haben, gefordert. Die Form der inhaltlichen Zusammenarbeit zwischen Landeskirchlern und Freikirchlern bei Manuskriptbesprechungen und Schulungen war ungewohnt und fremd. Es war ein neues ökumenisches Lernfeld für beide Seiten. Einer der freikirchlichen Pioniere der Medienarbeit war der an den Sendeplätzen Hamburg und Bremen wirkende methodistische Pastor Wilhelm K. Schneck. Er war jahrelang Redakteur des methodistischen Sonntagsblattes Der Evangelist, das er in ökumenischer Weite gestaltete. Dies hatte ihm zu vielen zwischenkirchlichen Kontakten verholfen. Ab 1967 gestaltete er in ähnlicher Weite auch das als Monatsschrift erscheinende »Evangelische Allianzblatt«. Schneck war der erste Freikirchler, der durch seine bundesweiten Bemühungen den Freikirchen unter den kirchlichen Partnern der Rundfunkarbeit zu Respekt und Ansehen verholfen hat. Im Einklang mit ihm waren in München Georg Haug und in Berlin Ernst Scholz, beides Kollegen von Schneck, aktiv. Alle drei führten

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zunächst die Verhandlungen mit Vertretern der Alliierten. Schneck, der weder Parteimitglied noch Soldat gewesen war, hatte in Hamburg einen guten Zugang zum Sender und nahm – noch ohne einen Auftrag – Kontakte zu anderen Freikirchen auf und verhandelte – ebenfalls ohne offizielles Mandat – als Vertreter der Freikirchen mit den Gremien des damaligen Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR). Die Freikirchenkonferenz legitimierte nicht nur seine Initiative, sondern begrüßte sie. Als er 1966 aus dieser Arbeit ausschied, formulierte die inzwischen längst gebildete Arbeitsgruppe Rundfunk- und Fernsehen der Vereinigung Evangelischer Freikirchen ihre Wertschätzung. »Wir blicken mit Dank auf die Arbeit zurück,« hieß es in einem von Heinz-Adolf Ritter formulierten Dankeswort, »die Wilhelm Karl Schneck für die Freikirchen in Deutschland an den staatlichen Sendern nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute geleistet hat.« Er habe bei Kirchen und Sendern Verständnis für die Freikirchen geschaffen und sich permanent um die qualitative Verbesserung der Sendebeiträge gekümmert.359 Schneck vertrat die Freikirchen in der früheren »Konferenz der Evangelischen Rundfunk- und Fernseharbeit in Deutschland« und nahm als deren Delegierter mit Sitz und Stimme an der Arbeit teil. Diese Konferenz war auf der ökumenischen Ebene dem World Committee for Christian Broadcasting (WACB) angeschlossen, das im ökumenischen Institut in Bossey bei Genf gegründet worden war. In Verbindung mit der ökumenischen Gründung wurde auch die Herausgabe der Fachzeitschrift The Christian Broadcaster beschlossen, deren deutsche eigenständige Ausgabe nach Berichten von Schneck unter dem Titel medium publiziert wurde. An fast allen öffentlich-rechtlichen Sendern wurden »Evangelische Rundfunkreferate« gebildet. Infolge der Mediengesetzgebung, die den Kirchen eine besondere Rechtsstellung durch die sog. Drittsenderechte zuerkannte und damit die Verantwortung für die inhaltliche Gestaltung ihrer Sendungen in die Hand der Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts legte, waren die Freikirchen gut beraten, in ökumenischer Gemeinschaft innerhalb der von den Landeskirchen gebildeten Rundfunkreferate zu arbeiten und deren Kompetenz mit zu nutzen. Fast überall wurden sie offizielle Mitglieder in diesen Gremien. Die dortige Vertretung der VEF-Kirchen wurde in der Regel durch einen Beauftragten für alle vier Mitgliedskirchen wahrgenommen. Zu den einzelnen Freikirchen stand er in Beziehung über eine jeweils von denselben beauftragte Verbindungsperson. Es entstand also im Bereich der Medienarbeit ein neues ökumenisches gut funktionierendes Kontaktnetz zwischen Landes- und Frei359 Bericht Wilhelm K. Schneck mit einem Nachwort der Arbeitsgruppe Rundfunk und Fernsehen an die Vereinigung Evangelischer Freikirchen, Berichtsheft der Freikirchenkonferenz 1966, Witten o. J., 52 – 55.

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kirchen sowie eine konkret ausgestaltete Beziehung der Freikirchen untereinander. Die VEF-Arbeitsgruppe Rundfunk und Fernsehen koordinierte die Arbeit, wählte die freikirchlichen Beauftragten, rief Sprecher zu Schulungen zusammen und nahm regelmäßig die Berichte der Senderbeauftragten entgegen. Während der späteren politischen Diskussion um die Einführung des privatrechtlichen Rundfunks mit den einflussreichen Fernsehsparten wurden die damit verbundenen rundfunk-politischen Fragen besonders wegen ethischer Bedenken und der nicht mehr sichergestellt scheinenden Unabhängigkeit in der Meinungsbildung infolge finanzieller Abhängigkeiten heftig diskutiert. An den Debatten nahmen zeitweise auch der Leiter des ältesten kirchlich-religiösen Programms, der damaligen methodistischen Rundfunkmission Gott ruft dich heut, Gerhard Belz, und als Vertreter der Interessen des Wetzlarer EvangeliumsRundfunks Programmdirektor Horst Marquardt oft mit unterschiedlichen rundfunk-politischen Interessen teil. Die freikirchliche Arbeitsgruppe war in den verschiedenen Gremien des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP), der Hörfunkkommission, später der Fernsehkommission, dem Kuratorium des epd (Evangelischer Pressedienst) und nachdem die einzelnen Freikirchen in die GEP-Mitgliedschaft eingetreten waren auch in der Gesellschafterversammlung vertreten. Wichtiger waren die regelmäßigen Gespräche der VEF-Arbeitsgruppe mit dem Direktor und führenden Mitarbeitern des GEP, die zweimal jährlich zusammenkamen. Hier lag die treibende Kraft jahrelang bei dem methodistischen Superintendenten in Berlin. Für die GEP-VEF-Konsultationen waren als Ausdruck gegenseitiger Partnerschaft wechselweise die EKD-Medien-Zentrale und die Freikirchen Gastgeber. Diese Konsultationen führten schließlich dazu, dass die schon länger praktizierte freikirchliche Teilnahme am Wort zum Sonntag von der evangelikalen Schiene getrennt wurde und dass es schließlich auch zur regelmäßigen Übertragung von Fernsehgottesdiensten aus freikirchlichen Gemeinden kam. Aus Anlass des Kirchenjubiläums »125 Jahre methodistische Kirche« wurde der erste freikirchliche Fernsehgottesdienst – allerdings als Ausnahme vor der Zeit der regelmäßigen Mitwirkung – am 7. Juni 1975 aus jener Bremer Kirche übertragen, an welcher der zu dieser Zeit schon verstorbene Pastor Schneck von 1956 bis 1968 gewirkt hatte und auf dessen Kanzel landeskirchliche Rundfunkspezialisten wie z. B. Jörg Zink gestanden haben. Ein langfristiges Ergebnis der Konsultationen war eine Vereinbarung über die gemeinsamen Ziele bei der Neugestaltung des Rundfunkwesens nach der politischen Wiedervereinigung zwischen der VEF und dem Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, die im Einvernehmen mit der EKD-Kanzlei in Hannover geschlossen wurde. Die Rundfunk- und Fernseharbeit hatte insofern eine besondere ökumenische Bedeutung, als hier permanent regionale zwischenkirchlich ökumenische

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Zusammenarbeit in verbindlicher Weise praktiziert wurde, welche nach außen vor -zigtausenden von Hörern und Zuschauern die Bereitschaft zur Zusammenarbeit regelmäßig und mit inhaltlichen Beiträgen öffentlich dokumentierte. Mit dem Beitrag von Pastoren und Pastorinnen unterschiedlicher Konfessionen und Denominationen konnten die Zuhörer und im Fernsehen vor allem die Zuschauer übertragener Gottesdienste miterleben, dass es bei einer gemeinsamen reformatorischen Basis gleichzeitig unterschiedliche Ausgestaltungen in der gottesdienstlichen Frömmigkeitspraxis geben kann. Der ökumenische Reichtum der Kirche Christi wurde durch die Mitwirkung unterschiedlicher Freikirchen auf diese Weise in einer bis dahin nicht gekannten Weise öffentlich. Das entspricht theologisch dem Bild der Kirche und spiegelt gleichzeitig Wirkungen der nach dem Kriege durch die Besatzungsbehörden angestrebten Pluralität wider. Diese wurde allerdings 2013 in Baden-Württemberg durch den Verlust des einzigen kirchlichen Minderheitensitzes im Rundfunkrat des SWR wieder eingeschränkt, obwohl von den politischen Entscheidungsträgern, aber auch von den Kirchen viel vom Schutz der Minderheitenrechte geredet wird.

1.11.6 Neustart: Printmedien und Ökumenische Rundschau Den Kirchen wurden von den Militärregierungen verhältnismäßig früh Druckgenehmigungen für ihre Zeitschriften und andere Medien erteilt. Es erwies sich allerdings für den Aufbau der Pressearbeit für die überregional wirkenden Freikirchen als schwierig, dass dafür die vier unterschiedlichen Besatzungsmächte zuständig waren. So musste von den Methodisten neben dem traditionellen Sitz von Verlag und Druckerei in Bremen in München ein zweiter Verlag organisiert werden, der mit der Lizenz der Military Government Information Control Licence im Süddeutschen Verlag druckte. In Frankfurt/M. wurde bei Lembeck gedruckt, in der französischen Zone im Großraum Tübingen. Selbst in Berlin wurde der methodistische Superintendent Ernst Scholz durch das Military Government-Germany nach Einreichung eines Lebenslaufs am 25. Januar 1948 »autorisiert«, »sämtliche Zeitungen, Bücher, Zeitschriften, Broschüren, Plakate, Musikalien oder irgendwelche anderen Veröffentlichungen, ebenso Schallplatten und sonstige Tonaufnahmen und Filme« zu veröffentlichen, welche die Aufschrift tragen »Veröffentlicht in vorgeschriebener Weise unter der Zulassung Nr. B 240 der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung.«360 Verglichen mit den Anträgen zum Vertrieb von Drucksachen in Preußen im Laufe des 19. Jahrhunderts waren die Möglichkeiten jetzt durch das Prinzip der 360 Licence B 240 für Ernst Scholz. LABerlin C Rep. 120 Nr. 1052.

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Gleichbehandlung besser als je zuvor. Allerdings fehlte es an Papier. Teilweise wurde es aus skandinavischen Ländern, teilweise als Spenden der Methodisten aus der Schweiz in immer wieder unterschiedlicher Qualität geliefert. Manchmal konnten mit den entsprechenden Einfuhrgenehmigungen auch fertige Druckerzeugnisse wie Gesangbücher, Katechismen und Bibeln aus den Kirchen der genannten Nachbarländer die Grenze passieren. Für ökumenische Drucksachen wurde bevorzugt das Evangelische Verlagswerk in Stuttgart in Anspruch genommen. Es wäre interessant, einen Vergleich der Zeitschrifteninhalte sowohl unter den freikirchlichen Sonntagsblättern wie mit den landeskirchlichen Kirchenzeitungen anzustellen. Sie sind ein Spiegel der Berichterstattung sowohl hinsichtlich der Intensität wie der inhaltlichen Bewertung der frühen ökumenischen Vorgänge. Man kann davon ausgehen, dass das methodistische Kirchenblatt »Der Evangelist« unter allen wöchentlichen Periodika einen der vordersten Plätze einnehmen würde. Damit soll gesagt sein, wie wichtig die Publikationsorgane für die Verbreitung und Vertiefung wie für die Kritik an der ökumenischen Bewegung sind. Das 1946 in Stuttgart kirchennah gegründete Evangelische Verlagswerk hat in der Frühzeit auch dazu gedient, ökumenische Publikationen auf den Markt zu bringen. Darunter befand sich 1949 auch der von Wilhelm Menn herausgegebene »Oekumenische Katechismus«. Seit 1952 erschien im Stuttgarter Evangelischen Missionsverlag die »Ökumenische Rundschau«. Der gut informierte Wilhelm Menn notierte nicht ganz unkritisch in der ersten ÖR-Ausgabe: »Seit der Weltkonferenz von Amsterdam erwartet eine große Zahl von Freunden der ökumenischen Bewegung die damals in Aussicht gestellte deutsche Ausgabe der Ecumenical Review des Ökumenischen Rates der Kirchen. Der Ökumenische Rat hat sich bisher nicht in der Lage gesehen, seine Zusage einzulösen. So ist eine von vielen schmerzlich empfundene Lücke entstanden. Diese auszufüllen, ist die Aufgabe der neuen Zeitschrift.«361 Immerhin haben die Genfer die Zeitschrift finanziell abgesichert. Nur dieser Hintergrund erklärt, wieso schon in der konstituierenden Sitzung des Deutschen Ökumenischen Studienausschusses am 24. Oktober 1950 die Teilnehmer den Beschluss gefasst haben, der ACK die Herausgabe einer ökumenischen Zeitschrift zu empfehlen. Sie schlugen sogleich den Namen »Ökumenische Rundschau« (ÖR) vor. Die ÖR sollte abwechselnd mit der seit 1940 veröffentlichten »Evangelische(n) Missionszeitschrift« erscheinen. Das erklärt wiederum, warum sie im Evangelischen Missionsverlag in Stuttgart erschien, wo auch die Missionszeitschrift verlegt wurde. Die erste Ausgabe wurde mit freundlichen Geleitworten von Willem A. Visser’t Hooft, dem ACK-Vorsitzen361 Walter Freytag/Wilhelm Menn, Zum Beginn. In: ÖR 1952 (1. Jg.), 2.

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den Martin Niemöller sowie den Hamburger Herausgeber Walter Freytag und dem Schriftleiter Wilhelm Menn eingeführt. Wieder geschah ein kirchlich-ökumenischer Neuanfang, denn eine Zeitschrift mit einem Herausgeberkreis, dem wenigstens je ein Lutheraner, ein Reformierter, ein Unierter, ein Alt-Katholik und ein Methodist angehörten, hatte es bisher noch nicht gegeben.362 In dem Organ, das jährlich in vier Ausgaben erschien, wurden dem deutschen Leser Übersetzungen aus der ›Ecumenical Review‹ zugänglich gemacht, Themenfelder von wichtigen ökumenischen internationalen Tagungen behandelt, bald immer wieder Vorarbeiten für die zweite Vollversammlung des ÖRK 1954 in Evanston, Ill., zur Diskussion gestellt. Aber es wurden auch ACK Ergebnisse publiziert. Auf eine Anregung aus der ACK wurde z. B. 1952 eine von ihr erarbeitete Stellungnahme über »Die Ökumene in der Ortsgemeinde« unter dem theologisch schwierigen Titel »Kirchen und Freikirchen« veröffentlicht.363 In einer Chronik wurden die Leser über die Arbeit internationaler Gremien auf dem Laufenden gehalten. Von Anfang an gehörten auch Buchrezensionen und persönliche Nachrichten zum Inhalt. Diesmal schienen die Genfer froh zu sein, dass die ACK und der DÖSTA die Verantwortung für die Publikation ökumenischer Themen übernommen hatten.

1.11.7 Die Evangelischen Kirchentage Die zentrale Persönlichkeit in den frühen Kampfjahren um den Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) war Reinold von Thadden-Trieglaff. In seiner Person vereinigten sich verschiedene Ströme: Er brachte Erfahrungen aus der pommerschen Erweckungsbewegung mit, nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete er eng mit Friedrich Siegmund-Schultze, dem frühen deutschen Ökumeniker, zusammen, seine Beziehungen zur Deutschen Christlichen Studenten-Vereinigung (DCSV)364 führten dazu, dass er als Mann der Bekennenden Kirche 1938 zum Vizepräsidenten des Christlichen Studentenweltbunds gewählt wurde, was er bis 1949 blieb. Von 1946 bis 1948 war er in Genf beim ÖRK tätig. Als ThaddenTrieglaff sich um die Organisation des Kirchentags bemühte, war er ein ökumenischer Christ, der als Laie weltweite Erfahrungen gesammelt hatte. Er selber 362 Zum ersten Herausgeberkreis gehörten: Prof. D. Dr. Walter Freytag, Prälat Karl Hartenstein, der Alt-Katholik Prof. Dr. Werner Küppers, Bischof D. Dr. Hanns Lilje DD, Kirchenpräsident Martin Niemöller DD, Prof. D. Dr. Edmund Schlink und der methodistische Bischof Dr. J. W. Ernst Sommer. 363 Kirchen und Freikirchen, Dokument ›Ökumene in der Ortsgemeinde‹. In: ÖR 1952 (1. Jg.), 29 f. 364 Karl Kupisch, Studenten entdecken die Bibel. Die Geschichte der Deutschen Christlichen Studenten-Vereinigung – DCSV, Hamburg 1946, passim.

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bezeichnete den von ihm ins Leben gerufenen Kirchentag als »ein Ereignis ›of ecumenical significance‹. Nicht nur, weil ich der Zeit meiner Mitarbeit im Stabe des Ökumenischen Rates in Genf nach dem Ende des letzten Krieges eine Fülle von Eindrücken, inneren Erkenntnissen und kirchlichen Impulsen verdanke, die dem Kirchentagsversuch zugute kamen, sondern weil der Kirchentag seinem Wesen nach ökumenisch ist, denkt und handelt.«365 Thadden-Trieglaff wollte von Anfang an den »Austausch mit den Laien der im Weltrat der Kirchen zusammengeschlossenen Kirchen.«366 Als Vertreter eines »Laienapostolats«, der die methodistische, seit dem 18. Jahrhundert bestehende Tradition von predigenden Laien367 – gelegentlich selbst damals schon Frauen – kannte, war Thadden-Trieglaff daran interessiert, die Methodisten in Deutschland als ökumenische Partner für eine Beteiligung zu gewinnen. In der Präambel zur Kirchentagsordnung hieß es von Anfang an: Der Deutsche Evangelische Kirchentag »will die evangelischen Christen in Deutschland sammeln«, sie stärken, rüsten, ermutigen und »mit ihnen in der Gemeinschaft der weltweiten Christenheit bleiben.« Thadden-Trieglaff und damit der Kirchentag war von Anfang an durch und durch ökumenisch. Schon beim ersten Treffen 1949 in Hannover waren zwei prominente Methodisten dabei: Bischof J. W. Ernst Sommer und Dozent Dr. Paul Huber. Die Teilnahme und zunehmende Mitwirkung steigerte sich von einem Jahr zu anderen. Während einige Landeskirchen zurückhaltend agierten und der Münchener Bischof Meiser aus Sorge vor einer Unionisierung oder einem gemeinsamen Abendmahl den Kirchentag mied, war z. B. Bischof J. W. E. Sommer, der in Berlin 1951 in der Eröffnungsversammlung ein Grußwort der Freikirchen sagte, in der zentralen Marienkirche an der Austeilung des Abendmahls beteiligt. Vorher hatte er in einer der Messehallen nach Professor Hans-Joachim Iwand einen Vortrag gehalten. Dass die methodistischen Kirchentagsbesucher aus den Gemeinden, deren Zahl stetig zunahm, auch an den Abendmahlsfeiern teilnahmen, war für sie ganz selbstverständlich. Sie wären gar nicht auf den Gedanken gekommen, dieser Gemeinschaft am Tisch des Herrn fern zu bleiben. Alles andere wäre ihnen abschreckend vorgekommen, schließlich waren sie aus ihren Gemeinden das »offene Abendmahl«, bei dem nicht die »Würdigkeit«, sondern die eigene »Bedürftigkeit« über die Teilnahme entschied, willkommen. In den me365 Reinold v. Thadden, Der Deutsche Evangelische Kirchentag in ökumenischer Sicht. In: ÖR 1953 (2. Jg.), 8. 366 Margot Käßmann, Ein halbes Jahrhundert: Fest und Manifest des Protestantismus. In: Kirche in Bewegung. 50 Jahre Deutscher Evangelischer Kirchentag, Gütersloh 1999, 36. 367 A. Kingsley Lloyd, Laienapostolat im 18. Jahrhundert. Besoldung und Anstellung der ersten methodistischen Prediger in England 1744 – 1814. Aus dem Englischen übertragen von Johannes Müller und Rudolf Weckerling mit ergänzenden Erläuterungen von Karl Heinz Voigt und einem Vorwort von Gordon Rupp, Stuttgart 1986.

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thodistischen Sonntagsblättern erfuhr die Mehrzahl der Familien von der erlebten ökumenischen Gemeinschaft und der Mitwirkung der eigenen Kirche an den Christentreffen. Dazu kam die Ausstrahlung dieses Treffens in die Weite. Zu den reichlich eingeladenen Gästen aus dem Ausland gehörten immer auch prominente Methodisten: Bischöfe, Laienführer und engagierte Frauen. Methodisten haben sich auf den Kirchentagen nicht fremd gefühlt, weil sie es gewohnt sind, als Minderheit ohne Berührungsängste zu leben.368

1.11.8 Die kirchenverbindende Aktion BROT FÜR DIE WELT Der erste Spendenaufruf zu dieser bis in die Gemeinden, ja bis in die einzelnen Häuser hinein ökumenisch verbindenden Aktion wurde zum Advent 1959 veröffentlicht. Darin wurde an die eigenen Erfahrungen des Hungers und an die überwältigende Hilfe durch die Kirchen in der Welt angeknüpft: »Unsere Generation in Deutschland weiß, was hungern heißt. Bilder aus den ersten Nachkriegsjahren stehen vor uns, eigene bittere Erfahrungen werden wach. Aber Gott ist barmherzig mit uns gewesen. Wir haben viele Hilfe anderer Völker erfahren. Durch unserer Hände Arbeit haben wir dann wieder unser Brot verdienen können, teilweise reichlich. Deutschland gilt draußen in der Welt wieder als wohlhabendes Land. Vergleicht man unseren Lebensstandard mit dem vieler anderer Länder, besonders in Asien, Afrika und Südamerika, dann sieht man, daß dies Urteil nicht ganz unberechtigt ist.«369

Am 12. Dezember 1959 kamen 12.000 Menschen in die Berliner Deutschlandhalle, um die Aktion BROT FÜR DIE WELT zu eröffnen. Bischof Dibelius als Ratsvorsitzender der EKD und Bischof Wunderlich als Freikirchenvertreter, die auch gemeinsam den ersten Aufruf unterzeichnet hatten, hielten Ansprachen. Professor Helmut Gollwitzer predigte aufrüttelnd: »Viele von uns säßen nicht hier«, mahnte er die Zuhörer, »wenn nicht vor 14 Jahren durch das amerikanische Volk eine Welle des Erbarmens mit den geschlagenen Deutschen gegangen wäre.« Später führte er weiter aus: »So wie wir jetzt hier in der Halle zusammen sind, gibt es viele Unterschiede und Gegensätze zwischen uns. Es gibt alte Gegensätze zwischen den Landeskirchen und den Freikirchen, es gibt erhebliche Richtungsunterschiede in der evangelischen Kirche, zwischen bestimmten Auffassungen von Herrn Bischof Dibelius zum Beispiel und den Anschauungen anderer, zu denen auch ich gehöre, besteht leider zur Zeit ein tiefer 368 Karl Heinz Voigt, Kirchentage waren schon immer ökumenisch. In. ÖR 52. Jg. (2003), 75 – 88. 369 Erster Aufruf Brot für die Welt 1959. In: Christian Berg (Hg.), Brot für die Welt – Dokumente, Berichte, Aufrufe, Stuttgart 1962, 11.

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Widerspruch. Die Unterschiede zwischen den Konfessionen gar zerreißen seit Jahrhunderten die Christenheit. Wenn aber Gott uns den armen Lazarus vor die Tür legt, dann gibt es keine Ausrede, dann müssen wir hinaus, Hand anlegen, und weil es keiner allein schaffen kann, müssen wir zusammen Hand anlegen, und das ist die Weise, wie Gott uns immer wieder zusammen bringt, und zwar nicht nur im kleinen Leben und nicht nur in der Christenheit, sondern auch bis in die Weltpolitik hinein.«370

Von Anfang an war die ökumenische Hilfsaktion auch ein Beitrag zur Vertiefung der Ökumene im eigenen Land. Bischof Wunderlich, der zusammen mit dem Baptisten Rudolf Thaut im Verteilerausschuss mitarbeitete, schrieb: »die Tatsache, daß zum ersten Mal in der Geschichte Deutschlands alle Landeskirchen und alle evangelischen Freikirchen, die in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen […] zusammengeschlossen sind, zusammenstanden«, ist nicht zu übersehen. »Der Samariterdienst am ›fernen Nächsten‹ hatte sie zusammengeschlossen.«371 Von den etwa 18,6 Millionen DM gespendeten Gaben kamen 1,2 Millionen, also reichlich 6,5 %, aus den Freikirchen. Die auf die Glieder der Kirchen umgelegten erstaunlich hohen Spendenbeträge der ersten Jahre sind für Ost und West aufgelistet.372 Nach seiner Rückkehr aus Neu-Delhi war Bischof Wunderlich um so mehr überzeugt, dass die Verantwortlichen für die Aktion »wohlberaten waren, als wir in unserem Aufruf um Hilfe baten, die nicht von anonymen oder interessierten Mächten, dem Staat oder einer Wirtschaftsgruppe kommt, sondern die im Namen Christi in die Elendsgebiete der Welt geht und die Kraft des persönlichen Verzichtes und der mitdenkenden Liebe an sich trägt.«373 Der Methodist fand damals für die typisch freikirchlich gewünschte Unabhängigkeit vom Staat die volle Unterstützung des Vorsitzenden im Verteilerausschuss, Oberkirchenrat Heinrich Riedel aus München und des Geschäftsführers und »Erfinders« dieser basisorientierten ökumenischen Arbeit Christian Berg, eines dynamischen Berliner Kirchenrats. Es entsprach der Rolle der Freikirchen in diesem praktischen ökumenischen Arbeitszweig, dass der methodistische Bischof Hermann Sticher, der dem für BROT FÜR DIE WELT zuständigen Ausschuss für Ökumenische Diakonie an370 Helmut Gollwitzer, Eröffnungsrede zur ersten Aktion Brot für die Welt 1959. In: Den Armen Gerechtigkeit. 50 Jahre Brot für die Welt, Stuttgart o. J. 2008, 15. Die bereits erwähnte restaurative Tendenz zeigt sich auch auf der Rückseite der Gedenkschrift. Dort wird zwar das Logo der EKD abgebildet, aber das VEF-Logo fehlt. 371 Friedrich Wunderlich, »BROT FÜR DIE WELT« und »Ökumene im eigenen Land«. In: Christian Berg (Hg.), Brot für die Welt – Dokumente, Berichte, Aufrufe, Stuttgart 1962, 126. Etwas erweitert in: ders., Gott gibt sein Volk nicht auf, Bischofsbotschaft an die Zentralkonferenz 1966, 18 f. 372 Bericht der Diakonischen Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchen in Deutschland an die Konferenz der Vereinigung Ev. Freikirchen in Hamburg und Berlin 1964, Witten o. J., 51 – 54. Siehe auch die Berichte der späteren Jahre. 373 Friedrich Wunderlich, Neu-Delhi, ÖR 11. Jg. (1962), 127.

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gehörte, während seiner Mitarbeit von 1977 bis 1989 sieben Jahre Vorsitzender dieses Gremiums war. Sticher fasste rückblickend drei Motive der Mitwirkung der methodischen Kirche bei Brot für die Welt zusammen: (1) die glaubwürdige Existenz der Kirche in der praktischen Verwirklichung des größten Gebots, biblisch-theologisch muß zusammenbleiben, was zusammen gehört: Verkündigung durch Wort und soziale Tat, (2) die der methodistischen Kirche eigene »ökumenische Ausrichtung«, (3) der missionarische Aspekt, der auf ganz natürliche Weise im Zusammenwirken von Tat und Wort in Erscheinung tritt.374 Der Direktor von BROT FÜR DIE WELT, Pfarrer Hans-Otto Hahn, sah in den Freikirchen »wichtige und notwendige Partner der ökumenischen Diakonie«.375 Er bemerkte bei ihnen, dass »sie nicht in Anspruch genommen werden [möchten] für Aktionen, deren Bewilligung dazu führen könnte, daß andere Menschen ausgegrenzt werden und die Integration verhindert wird. Ihr eigener Minderheitenstatus im kirchlichen Spektrum macht sie dafür besonders sensibel.«376 In seinem Grußwort der Gedenkschrift nach 50 jähriger Aktivität aller protestantischen Kirchen schrieb der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber : »Seither ist ›Brot für die Welt‹ einen weiten Weg gegangen und hat sich zu einer starken Organisation entwickelt. Dieser Weg war von hohem Engagement und vielfältigen Kraftanstrengungen geprägt. Diesen Weg haben ungezählte Menschen in den Kirchengemeinden mitgestaltet; Millionen von Spenderinnen und Spendern haben die Hilfsprojekte ermöglicht; die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bürgen für die Qualität der Projekte und die sorgsame Verwendung der zur Verfügung gestellten Mittel.«377

Es ist bezeichnend für die restaurative Entwicklung, dass darin wohl von »guter Zusammenarbeit mit den Projektpartnern in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa« die Rede ist. Aber es ist weder die Bedeutung für die Ökumene im eigenen Lande, und zwar im Osten genauso wie im Westen, einer Erwähnung wert ist, geschweige denn, dass der Gedenkschrift für eine ökumenische Aktion ein gemeinsames Grußwort – wie immer noch bei den jährlichen Sammlungsaufrufen – beigegeben wurde. Das Vorwort wurde eben nicht vom gemeinsamen Diakonie-Präsidenten, sondern vom Ratsvorsitzenden einer der beteiligten Kirchen geschrieben. Als BROT FÜR DIE WELT durch die Fachkräftevermittlung »Dienste in 374 Hermann Sticher, Erfahrungen – Eindrücke – Überlegungen. In: Die Hoffnung heißt Befreiung. FS für Hans-Otto Hahn, Stuttgart 2000, 53 – 64. 375 Hans-Otto Hahn, Die Bedeutung der Freikirchen bei ›Brot für die Welt‹. In: FS 40 Jahre Diakonische Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchen. Vertretung der ›Freikirchen‹ im Diakonischen Werk der EKD. Stuttgart o. J. (1997), 70. 376 Ebd., 71. 377 Den Armen Gerechtigkeit, 50 Jahre Brot für die Welt, Stuttgart 2008, 9.

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Übersee« ergänzt wurde, wieder auf Initiative von Christian Berg, waren auch hier die Freikirchen engagiert beteiligt. Sie warben christlich motivierte Fachkräfte aus ihren Gemeinden an und arbeiteten im Leitungskreis mit.378 Für die ökumenische Bewusstseinsbildung hat BROT FÜR DIE WELT eine besondere Bedeutung. Es wurde nicht nur in allen Zeitschriften zu den Sammlungen aufgerufen, über geförderte Projekte berichtet und in Gottesdiensten und Gemeindebriefen informiert, so dass die Gemeinden und die Gottesdienstteilnehmer erreicht wurden. Es beteiligten sich von Anfang an auch Kirchen, die sich sonst der ökumenischen Entwicklung gegenüber zurückhielten. Neben dem Bund Freier evangelischer Gemeinen und der Heilsarmee sind selbst die Evangelisch-lutherischen Freikirchen zu nennen. Anfangs waren jene Kirchen, die heute gemeinsam die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) bilden, auch der ACK gegenüber zurückhaltend. Aber bei der großen ökumenischen Hilfsaktion wollten sie nicht abseits stehen. Es ist bemerkenswert, dass diese Kirchen sich zusammen mit dem Alt-Katholischen Bistum über die freikirchliche Außenstelle des Diakonischen Werkes der EKD, die zu jener Zeit in Frankfurt/M. ansässige Diakonische Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Kirchen in Deutschland vertreten ließen. Daran wird erkennbar, dass die VEFKirchen unter den kirchlichen Minderheiten durch ihre lange Tradition der Zusammenarbeit auch Brückendienste zu solchen leisten konnten, die nach einem Ort der ökumenischen Beteiligung suchten, der ihrer Position angemessen war. In der DDR, wo die Freikirchen ohne westliche finanzielle Hilfen lebten, steuerten die Freikirchen in den ersten vier Jahren 988.850.– Mark zum Gesamtergebnis bei. Selbst die sonst kaum in Erscheinung tretende Katholischapostolische Gemeinde fügte dort ihr Scherflein hinzu. Zwar hatte im Zuge der Vorbereitung der ACK-Bildung Bischof J. W. E. Sommer den Vorschlag eines ökumenischen Kirchentags gemacht. Aber die ACK selber ist im Laufe ihrer frühen Jahre nie an die Öffentlichkeit getreten, wie es in der Aktion BROT FÜR DIE WELT geschah. Die jährlichen Eröffnungsgottesdienste waren jetzt ein kleiner Ersatz. Er wurde in den ersten Jahren gemeinsam von der gastgebenden Landeskirche und den Freikirchen gestaltet und es nahmen an diesen ökumenischen Gottesdiensten Männer und Frauen aus allen Konfessionen teil. Auch kleine Barrieren konnten die ökumenische Begeisterung des Teilens nicht eindämmen. Als z. B. in einer lutherischen Landeskirche die gemeinsame Aktion eröffnet wurde, durfte der methodistische Bischof die ehrwürdige Kanzel nicht betreten, so dass er vom Lesepult aus zu der großen Gemeinde sprach. Damals gab es noch keine Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. 378 Bericht der Diakonischen Arbeitsgemeinschaft. Konferenz der Vereinigung Ev. Freikirchen in Hamburg und Berlin 1964, Witten o. J., 54 erfasst die Namen der ersten ausgesandten Fachkräfte.

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Die dienende ökumenische Gemeinschaft der Kirchen in der gemeinsamen Aktion hätte ohne die frühen Hilfslieferungen aus der weltweiten Ökumene kaum ein derartig positives und nachhaltiges Echo gefunden. Christian Berg war die verbindende Persönlichkeit zwischen dem Nachkriegshilfswerk und der Wende zur Hilfe. Vielleicht hat die ACK im Hintergrund eine stabilisierende Rolle gespielt. Aber sowohl zu dieser Hilfsaktion wie zur Bildung der Diakonischen Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Kirchen in Deutschland379 wäre es auch ohne sie gekommen. Inzwischen ist die ökumenische Hilfsaktion mit ihrem vielfältigen Programm im Leben der Kirchen fest verankert. Sie hat viele Verbindungen geschaffen. Die Zahl der Projekte ist nicht mehr zu übersehen. Niemand kann ermessen, wie vielen Menschen durch Unterstützung, Bildung, Schaffung besserer Arbeitsmöglichkeiten durch die Organisation von Selbsthilfe eine neue Lebensbasis geschaffen werden konnte. Die vielfältige und umfassende Hilfe ist das Hauptziel. In der Auswahl der Empfängerkirchen spielte die Frage der Konfession oder Denomination keine Rolle. Wichtiger waren Kompetenz zur Hilfe in organisatorischen und logistischen Fragen, der Verwaltung und ausreichende Tragkraft zur Durchführung von ganz unterschiedlichen Projekten. Es ging also immer um Ökumene draußen und drinnen. Der Arbeitszweig innerhalb des Diakonischen Werkes hat im eigenen Land einen umfassenden Beitrag geleistet und hat meinungsbildend für internationale soziale Hilfen gewirkt. Für die Minderheitskirchen war ein Nebeneffekt, dass sie sich selber als integrierter Teil der evangelischen Christenheit in Deutschland verstehen konnten und dass umgekehrt, die Landeskirchen auf verschiedenen Ebenen die Freikirchen besser kennen lernten. Schließlich ist nach der Arbeit der ACK auf der Ebene der Kirchenleitungen mit BROT FÜR DIE WELT eine ökumenische Ebene geschaffen worden, welche die Gemeindeglieder erreichte. Vielleicht war für die Entwicklung auch nicht ganz ohne Bedeutung, dass die gestaltenden und tragenden Persönlichkeiten nicht in einem zentralen Kirchenamt saßen, sondern sozusagen im Haus der Diakonie. Dort hatte sich in der Nachkriegszeit nach einer früheren Vorgeschichte eine partnerschaftliche und zunehmend vertrauensvolle Zusammenarbeit eingespielt, in der das ökumenische Miteinander nicht von einer zuständigen Abteilung quasi »separiert« wahrgenommen wurde, sondern wo es sich ganz selbstverständlich durch fast alle Abteilungen hindurch als wirksam erwies. Ökumene war kein Sonder-, sondern der Normalfall in dem sich innerdeutsche und internationale Aspekte

379 Diakonische Arbeitsgemeinschaft (Hg.), 1957 – 1997. FS 40 Jahre Diakonische Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchen. Vertretung der ›Freikirchen‹ im Diakonischen Werk der EKD. Stuttgart o. J. (1997).

»Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Groß-Berlin«

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auf völlig organische Weise verbanden und so das theologische Selbstverständnis der Kirche Christi verkörperten.

1.12 Die »Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Groß-Berlin« Unter sowjetischer Aufsicht wurde in Berlin schon am 17. 5. 1945 ein neuer Magistrat gebildet. Von Anfang an gab es nach sowjetischem Vorbild einen »Beirat für kirchliche Angelegenheiten«. Für diesen Arbeitsbereich wurde der römisch-katholische Pfarrer Peter Buchholz als Magistratsmitglied berufen. Nach kurzer Zeit zeigte es sich als hilfreich, auch einen protestantischen Vertreter zu beteiligen. Der bewährte Propst Heinrich Grüber nahm »die Angelegenheiten aller Kirchen, Freikirchen und Denominationen« wahr. Für die jüdischen Angelegenheiten wurde Siegmund Weltinger als Referent berufen. Dieser Beirat hatte zehn Jahre lang eine vermittelnde Brückenfunktion zwischen Stadtstaat und Kirche. Propst Grüber war ein Mann von herausragendem ökumenischen Format und diplomatischem Geschick. Er hat sich anfangs um die im Osten notwendige Lizenzierung der Freikirchen und anderen Religionsgemeinschaften gekümmert. Das war für die Freikirchen offensichtlich ziemlich unproblematisch. Der Methodist Ernst Scholz erhielt sogar die Genehmigung für die Herausgabe eines bescheidenen Kirchenblattes »Aus dem Werk«. Grüber hat sich von Fall zu Fall bemüht, Möglichkeiten für methodistische Konferenztagungen mit den auf politischer Ebene unverzichtbaren östlichen Ansprechpartnern auszuloten und dort Gespräche auch für Freikirchler aus dem Westen vorzubereiten. 1955 wurde der Beirat aufgelöst und der Abteilung für »innere Angelegenheiten« zugeordnet. Im Beirat hatte sich ein Jahrzehnt hindurch ein ungewöhnlich weit gefasster ökumenischer Kreis getroffen, dessen Aufgaben zunehmend von der 1947, also noch vor der ACK gebildeten Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Groß-Berlin wahrgenommen wurden, in der sich fast alle Kirchen und Religionsgemeinschaften, also auch die außerchristlichen, nicht ohne Vorbehalte begegneten.380 Diese am 4. April 1947 gebildete Arbeitsgemeinschaft hat sich eine Satzung gegeben. Sie wurde unterzeichnet u. a. von Bischof Dibelius, dem katholischen Pfarrer Tomberge, dem Superintendenten der Evangelischen Gemeinschaft Ernst Pieper für die vier Kirchen in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen. Propst Grüber bemerkte rückblickend, diese Organisation sei um des unge380 Kurt Anschütz, Ökumenische Anfänge. Der Beginn der ökumenischen Zusammenarbeit in Berlin in den Jahren 1945 – 1949. In: ders., Befreiung – Besetzung – Versöhnung, Berlin 2001, 30 f.

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wohnten, neu aufkommenden kirchlichen und religiösen Pluralismus willen notwendig geworden. Außer den bereits genannten waren als weitere »Gruppen« im Rat vertreten: die »lutherischen Freikirchen«, die » romfreien katholischen Kirchen«, »die jüdischen und sonstigen monotheistischen nichtchristlichen Religionsgemeinschaften«, und die Gruppe der »übrigen Religionsgesellschaften und religiösen Organisationen«. Sie erklärten in der Satzung, dass sie von dem Willen getragen seien, »in gegenseitiger Achtung ihrer Eigenständigkeit für die Werte und die Freiheit religiösen Wirkens gemeinsam einzutreten.«381 Diese frühe interreligiöse Arbeitsgemeinschaft arbeitete dem Magistrat zu und half bei der Überprüfung und Lizenzierung religiöser Minderheiten. Konkret vermittelte sie Informationen, die für die Zuteilung von Kohlen und anderen Gütern zur Aufrechterhaltung des kirchlichen Lebens bereitgestellt wurden. Das politische Interesse an dieser Arbeitsgemeinschaft bestimmte auch ihre Intention. Sie war ein reiner Zweckverband. Die Zeit für interreligiöse Dialoge war noch nicht gekommen. Die zu bewältigenden sozialen Probleme wären auch kein Umfeld gewesen, solche Gespräche einzuleiten. Zunächst musste diese Erklärung gegenseitiger Tolerierung ausreichen. Im Hinblick auf die Gestaltung einer innerdeutschen organisierten Ökumene hatte die Arbeitsgemeinschaft – auch auf Berlin bezogen – keine unmittelbare Bedeutung. Hilfreich war sie insofern, als es hier zur Begegnung und damit zum Kennenlernen von Verantwortungsträgern dieser »Gruppen« kam.382 In der Entwicklung der ökumenischen Gemeinschaft spielte sowohl weltweit wie innerdeutsch gerade die zwischenmenschliche Beziehung und das damit wachsende gegenseitige Vertrauen eine große Rolle. Es ist typisch, dass der mutige Seelsorger und Propst Heinrich Grüber in seiner Erinnerung an diese Arbeitsgemeinschaft schreibt: »Ein gutes Verhältnis habe ich in dieser Zeit zu den Freikirchen bekommen, insbesondere zu den Methodisten, deren führende Männer zum Teil aus der Nazizeit vorbelastet waren, so Bischof Melle, ein lauterer und tieffrommer Mann, den wir besonders bei den Amerikanern verteidigten.«383

1.13 Wie geht es nach dem Beginn der verschiedenen Initiativen weiter? Nach 1945 entwickelte sich im Vergleich zu früheren Zeiten in Deutschland ein Ökumene-Boom. Noch nie hatte es hier eine derart breite Palette von Initiativen gemeinsamen Handelns der unterschiedlichen Konfessionen und Denomina381 Satzung abgedruckt in: Kirchliches Amtsblatt Berlin-Brandenburg 1948, 33. 382 Kurt Eberhardt (Hg.), Was glauben die andern? 27 Selbstdarstellungen, Gütersloh 1977. 383 Heinrich Grüber. Erinnerungen aus sieben Jahrzehnten, Köln/Berlin 1968, 239.

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tionen gegeben. Allerdings war diese Entwicklung in ihrem Ansatz nicht ganz unproblematisch. Es musste sich die Frage stellen: Wie tragfähig und belastbar ist eine zwischenkirchliche Gemeinschaft, die nicht organisch gewachsen, sondern überwiegend von außen durch die Weltökumene aufgenötigt ist? Und weiter : Was bedeutet es für die Verankerung in den einzelnen Kirchen der EKD, dass die ACK bereits eine vom Rat und von den anderen ACK-Kirchen angenommene Ordnung hatte, als die EKD selber ihre Grundordnung, die erst am 17. Juli 1949 angenommen wurde, noch diskutierte? Und wie sollte sich die neue Lage in den Gemeinden der Minderheitskirchen, die vielfach lange Zeit eher mit Nachbarschaftskonflikten als Nachbarschaftskontakten lebten, auswirken? Neben dem enormen Einfluss der internationalen Ökumene durch die Genfer Zentrale fällt die Offenheit von Laien auf. Man denke an Gustav Heinemann und die ACK, an Antonie Nopitsch und Luise Scholz und den Weltgebetstag, auch an Reinold von Thadden-Trieglaff und den Kirchentag, um nur einige Männer und Frauen zu nennen. Von welcher Bedeutung theologische Traditionen waren, zeigte besonders die unterschiedliche Rolle von Unierten, denen es offensichtlich leichter fiel, eine verpflichtende ökumenische Gemeinschaft einzugehen, als dies konfessionsbewussten Theologen möglich war. Daneben fällt die starke Westorientierung der internationalen Beziehungen auf. Natürlich hatten die angelsächsischen Kirchen auf die Ökumene einen enormen Einfluss, der durch die Militäradministrationen verstärkt und gestützt wurde und hinter dem eine längere Geschichte auch nationaler ökumenischer Erfahrung in Großbritannien und den USA stand. Auch innerhalb Deutschlands war die Besetzung der Gremien vom Rat der EKD über das Hilfswerk, die Vertretungen in der ACK, die Genfer Delegierungen und die Mitwirkungen in den Arbeitausschüssen des ÖRK nach 1948384 von Anfang an, weitgehend mitbestimmt durch die politischen Umstände, westlastig. Blickt man auch einmal auf die Sitzungsorte des Rates der EKD, dann wird dieses Bild vertieft: Die ersten zwanzig Sitzungen des Rates fanden bis auf zwei alle im Westen statt. Eine Ausnahme betraf Berlin. Außerdem traf sich das Leitungsgremium im Juli 1948 im symbolträchtigen Eisenach.385 Den Anlass bot die Beratung der EKD-Grundordnung durch die Kirchenversammlung. Wie die EKD-Ratssitzungen fanden auch die Kirchentage – bis auf 1954 in Leipzig – alle im Westen statt, allerdings 1951 und 1961 in Berlin. Ähnlich waren für die Freikirchenkonferenzen zwischen 1948 und 1958 die Sitzungsorte in westdeutschen Städten und eine in Berlin (West), bis es 1960 zu einer Tagung im sächsischen Zwickau kam. Während die vier Vorstandsmit384 Übersicht bei Menn, Ökumenische Bewegung 1932 – 1948, 70 f. 385 Sitzungsorte waren: Treysa (4 mal), Stuttgart, Frankfurt/M. (11 mal), Berlin (1947), Darmstadt, Kassel, Eisenach (19. Sitzung, 1948), Bethel. Die lutherischen Kirchen in Bayern, Hannover mit dem späteren Sitz der EKD, und Hamburg wie Schleswig-Holstein waren noch keine Gastgeber.

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glieder der VEF alle aus Westdeutschland kamen, gehörten dem Freikirchenrat von jeder Kirche zwei westdeutsche und ein ostdeutsches Mitglied an. Damit rücken zwei Schwerpunkte ökumenischer Gestaltung ins Blickfeld. Die 1948 unter Genfer Erwartung gebildete ACK war zwar der offizielle Hauptträger der ökumenischen Gemeinschaft. Es lässt sich aber nicht von der Hand weisen, dass der wirkliche Einfluss für die erfahrene und gestaltende innerdeutsche Ökumene weniger durch die stark personenorientierte Arbeit kirchenleitender Persönlichkeiten in der kleinen ACK ausging. Die konkreten Entwicklungen in den praktischen Feldern der Diakonie, der Kirchentage, der Frauen mit den Gebetsgottesdiensten, der Medien, von BROT FÜR DIE WELT mit den gottesdienstähnlichen Eröffnungsfeiern war für das Leben der Kirchen und ihrer Gemeinden weitaus einflussreicher. Mit der Entwicklung einer ökumenischen Gottesdienstkultur taten sich die ACK-Delegierten schwer. Es gab keine von der ACK gestalteten Gottesdienste oder auch Einführungen oder Aufnahmen neuer Mitglieder in gottesdienstlicher Gestalt. Auch die Ökumenische Centrale war weder personell noch finanziell gut genug ausgestattet, um den ökumenischen Gedanken aktiv ins Land tragen zu können. Unter geografischem Blickwinkel muss man sehen, dass auch die ökumenische Arbeit durch die tragenden Personen stark westdeutsch orientiert war und die noch vorhandenen Möglichkeiten gemeinsamen gesamtdeutschen Handelns selten ausgeschöpft wurden. Später kam es zu Verschiebungen in Richtung Osten, was vermutlich auch damit zusammenhing, dass in dem selbständigen Staatsgebilde auch ein autonomer Bund Evangelischer Kirchen (BEK) organisiert werden musste. Das schuf für die internationalen ökumenischen Gremien eine neue Lage. Jetzt hatten sie das Recht, den DDR-BEK als eigenständigen Partner anzusprechen. Auch die internationale Einbindung der deutschen Ökumene litt unter einer Jahrzehnte früher vollzogenen Weichenstellung. Als sich nach dem Ende der Kaiserzeit der Deutsche Evangelische Kirchenbund, also der Vorgänger der EKD, organisierte, reklamierte er der Ökumene gegenüber den deutschen Protestantismus zu vertreten. Fast alle Auslandsbeziehungen liefen auch nach 1945 fast ausschließlich über das Kirchliche Außenamt der EKD. Freikirchliche Vertretungen in Genf oder internationalen Gremien wurden unter dem Erstarken des EKD-Außenamts immer weniger unter dem Einfluss oder in Verbindung mit der ACK wahrzunehmen ermöglicht. Schon 1954 endete beispielsweise die Delegierung eines ACK-Vertreters an die Vollversammlungen des ÖRK. Internationale ökumenische Teilhabe war nur möglich, solange Genf ein eigenes Interesse daran hatte, einen Ausgleich zwischen den einflussreichen Kirchen Nordamerikas und deren europäischen Minderheitszweigen zu gestalten. Die Ausnahme war die Delegierung von Methodisten aus Deutschland, die durch die weltweite Gesamtkirche von den USA aus nominiert wurden. Die

Wie geht es nach dem Beginn der verschiedenen Initiativen weiter?

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ACKwar und blieb auf Dauer hinsichtlich der internationalen Möglichkeiten auf die Mitwirkung am Programm der Ökumenischen Gebetswoche für die Einheit der Christen und der Teilnahme an den Treffen der Nationalen Christenräte, die naturgemäß nicht von einer Kirche beansprucht werden konnten, beschränkt. Selbst bei Kontakten zu Nationalen Christenräten z. B. im benachbarten Polen oder im fernen Osten war nur einer der Partner ökumenisch sortiert, was gewiss auch mit den Interessen der Gastgeber erklärbar ist, die gerne eine der finanziell bestausgestatteten Kirchen der Welt empfingen. Die Fragen, wie tragfähig die ACKwar, ob die Arbeit des Hilfswerks dauerhaft ein ökumenischer Faktor bleiben würde und wie sich das ökumenische Selbstverständnis der Kirchen und danach ihrer Gemeinden entwickeln würde, weisen bereits auf das zweite Kapitel hin.

Kapitel 2: Zeit der Konsolidierung und Stagnation

In diesem Kapitel wird die fortschreitende Konsolidierung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen beschrieben. Es orientiert sich Schritt für Schritt an den satzungsmäßigen Aufgaben. Dabei zeigt sich, wie hilfreich es war, die Aufgabenbeschreibung in den ›Richtlinien‹ nicht zu eng zu fassen.

2.1

Von Stuttgart 1945 nach Kassel 1948

Am 10. März 1948 hatte sich in Kassel die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) konstituiert. Die Voraussetzungen waren nicht besonders glücklich: die Initiative und die damit verbundenen Erwartungen gingen von Genf aus. Die Beratungen im Rat der EKD waren kein hoffnungsvolles Signal, zielten sie doch darauf ab, die Bedeutung der ACK möglichst gering zu halten. Der Umstand, dass die ACK am Rande einer EKD-Ratssitzung ins Leben gerufen wurde, zeigte etwas von der gegenseitigen Wahrnehmung. Die weltweite Ökumene mit den in den angelsächsischen Ländern aktiven Freikirchen konnte mit Recht gewisse Erwartungen an die deutschen Kirchen haben, schließlich hatten führende Vertreter des in Bildung befindlichen ÖRK ihnen am 18. und 19. Oktober 1945 in Stuttgart mit einem weitherzigen Vertrauensvorschuss die Hand entgegen gestreckt, Hilfen zum Wiederaufbau wie zur Überwindung der aktuellen Not angeboten und die deutschen Kirchen erneut zur Mitwirkung in der Ökumenischen Bewegung eingeladen. Zehn Tage später hatte ein Stuttgart-Teilnehmer, der anglikanische Bischof George Bell, in einem zentralen ökumenischen Gottesdienst in der Berliner Marienkirche gesagt: Ich vertraue darauf, »daß die Kirchen der ganzen Welt mit den Kirchen in Deutschland zusammen arbeiten werden […] und daß sie bis an den Rand ihrer Kräfte zur Hilfeleistung für Deutschland in seinem augenblicklichen bitteren Elend bereit sein werden.«1 Diese Bereitschaft zum Zusammenwirken der in1 Ansprache des Bischofs von Chichester, George Bell. In: Kurt Anschütz, Befreiung – Beset-

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Zeit der Konsolidierung und Stagnation

ternationalen Ökumene mit den deutschen Kirchen durfte in der innerdeutschen Ökumene nicht ohne Echo verhallen.

2.1.1 »Richtlinien« – Grundlage der Arbeit Mit der Annahme der »ACK-Richtlinien« war erstmals eine formale Grundlage für ein Miteinander protestantischer Kirchen in Deutschland geschaffen. Im Vorfeld gab es sehr unterschiedliche Gedanken dazu. Einige hätten das Hilfswerk gerne einbezogen, andere die Missionsarbeit, die Frage der Rechtsfähigkeit wurde aufgeworfen, und in einer Stellungnahme hieß es wenig sensibel: »Ich halte es für selbstverständlich, daß die EKD den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft stellt.«2 Man spürt, wie von Anfang an die Sorge um einen Führungsanspruch, den niemand in Frage stellte, laut wird. Am Ende wurde eine Ordnung verabschiedet, die bei aller Einschränkung ihres juristischen Gewichtes doch durch ihre Knappheit viel Spielraum zur Entfaltung ließ. Die kommende ökumenische Entwicklung wurde kaum durch »Richtlinien« eingeengt, weil drei erfahrene Ökumeniker sie mit Leben erfüllten: nämlich Otto von Harling, Geschäftsführer der ACK, Wilhelm Menn, Leiter der Ökumenischen Centrale (ÖC), und durch den ebenfalls Genf-erfahrenen Hans Schönfeld. Die »Richtlinien« knüpften an die ÖRK-Basis und damit an eine lange ökumenische Vorgeschichte an, sprach aber lediglich von einem Zusammenschluss »kirchlicher Gemeinschaften«. Ausdrücklich stellte § 3 fest: »Die Mitglieder behalten ihre volle Unabhängigkeit in Bekenntnis und Lehre, in Gottesdienst und rechtlicher Ordnung, sowie in der Wahrnehmung ihrer eigenen Interessen.« Es wurden fünf Aufgabenfelder in die »Richtlinien« aufgenommen: (1) die Förderung ökumenischer Beziehungen und der ökumenischen Arbeit, (2) die Förderung des theologischen Gesprächs mit dem Ziel der Klärung und Verständigung, (3) die Klärung von Meinungsverschiedenheiten unter Mitgliedskirchen, (4) die Vertretung »besonderer Anliegen« auf jeweiligen Antrag einzelner Mitglieder und (5) die »Vertretung gemeinsamer Anliegen nach außen und in der Oeffentlichkeit«. Weitere Paragrafen regelten die Zahl der von den Kirchen in die Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft zu entsendenden Mitglieder, die Wahl und die Dauer des Vorsitzes, die Geschäftsführung und die Finanzen.3 zung – Versöhnung. Die Arbeit ausländischer Christinnen und Christen nach dem Zweiten Weltkrieg in Berlin, Berlin 2001, 52 f. 2 Diskussionspapier im Ev. Oberkirchenrat Stuttgart, Erwägungen vom 19. Dez. 1947. LKA Stuttg. A 126/352. 3 Satzung (korrigiert in »Richtlinien«) der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland (Entwurf), gedruckt bei Heinrich Haar, Schwäbisch Gmünd. Vgl. Abbildung. Endgültige Fassung in: Amtsblatt der EKD Nr. 6 vom 15. März 1948.

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Die Geschichte der Ökumenischen Bewegung lehrt, dass vor Schaffung einer Ordnung ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis der handelnden Personen eine Voraussetzung für den Erfolg ist. Dieses war jetzt zunächst die größte Herausforderung, der sich die Männer der ersten Stunde, aber auch die Kirchen, die sie vertraten, zu stellen hatten. Das Kapital des vorausgehenden Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen wurde lediglich durch Bischof J. W. Ernst Sommer eingebracht, der Jahrzehnte hindurch in dieser Arbeitsgemeinschaft aktiv war. Die Arbeitsgemeinschaft war ein kleines Pflänzchen. Es gehörten ihr lediglich sechs Kirchen mit elf Delegierten an. Dazu kam ein Gastmitglied. Für die weitere ökumenische Entwicklung mag es gut gewesen sein, dass sich diese sechs Kirchen zunächst aufeinander zu bewegt haben. Zwischen vier Freikirchen gab es seit 1926 in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) eine offizielle Arbeitsgemeinschaft mit regelmäßigen Tagungen und speziellen Arbeitsgruppen. Sie begegneten sich bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch in der Evangelischen Allianz. Gelegentlich haben mennonitische Delegierte Freikirchentagungen besucht, auch Bischöfe der Brüdergemeine haben von Zeit zu Zeit daran teilgenommen. Aber bei der Deutschen Evangelischen Kirche, der Vorläuferin der EKD, haben zunächst nur einzelne Freikirchlicher mehr oder weniger als Bittsteller, dann aber auch die VEF bei zwischenkirchlichen Problemen wie Schulgesetzgebung, ökumenische Vertretung und Friedhofsproblemen angeklopft.4 Erstmals saßen jetzt die Delegierten als offizielle Vertreter ihrer Kirchen gemeinsam an einem Tisch. Die neue Arbeitsgemeinschaft hatte – und das war für die von unten nach oben aufgebauten Freikirchen ungewöhnlich – noch keinen »Unterbau«, weder in den Gemeinden und den Regionen, noch in den Landeskirchen. In den einzelnen Freikirchen waren die Erwartungen unterschiedlich. Für die hinsichtlich ihrer Rechte eingeschränkte EKD bestand die Aufgabe darin, auch für die ACK zunächst einmal eine Zustimmung in den rechtlich autonomen, konfessionell orientierten Landeskirchen zu erreichen.

2.1.2 Probleme innerhalb der EKD Als sich die ACK im März 1948 konstituierte, hatte die EKD noch keine »Grundordnung«. Diese wurde erst vier Monate später, am 13. Juli von der Kirchenversammlung in Eisenach nach heftigen Debatten, die manche Kompromisse erforderten, angenommen. Wenn es sich schon als kaum lösbar erwies, 4 Bd. 1, 9.2 auch: Karl Heinz Voigt, Streit um Begräbnisstätten und Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs, FF Bd. 24, 2015, 312 – 336.

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die unterschiedlichen landeskirchlichen Traditionsströme zusammenzuführen, wie vielmehr musste man mit Schwierigkeiten rechnen, wenn es galt, wenigstens »Richtlinien« für eine ökumenische Arbeitsgemeinschaft zu formulieren, die alle Landeskirchen einbezog und der alle zustimmen konnten. Ja, im Rückblick verdient der Rat Bewunderung darüber, dass er ohne eine EKD-Grundordnung in verbindlicher Weise für die späteren Gliedkirchen gehandelt hat. Man kann sich gut vorstellen, wie die Kirchenkanzlei der EKD auf der einen Seite den hohen Erwartungen aus der internationalen Ökumene gerecht zu werden bemüht war, aber auf der anderen Seite die regionalen konfessionellen Eigeninteressen nicht unterschätzen durfte. Um die Zustimmung der einzelnen Landeskirchen zu den ACK-Richtlinien zu erreichen, hatte die Kirchenkanzlei ihnen am 17. Dezember 1947 den Satzungsentwurf mit der Bitte um Rückäußerung zugestellt. Bis zur Ratssitzung am 9./10. März 1948 lagen neun Zustimmungen vor, darunter war die der BrüderUnität. Drei weitere stimmten zu, brachten aber noch Änderungsvorschläge ein. Es gab drei Ablehnungen. Den Mecklenburgern kam der Schritt »verfrüht«, die Thüringer wollten vor einer Bindung der Gliedkirchen an eine solche Ordnung die Verabschiedung der Grundordnung sehen, und der Lutherrat fürchtete, »daß den bekenntnisbestimmten Gliedkirchen der EKD durch diesen Entwurf dogmatische Entscheidungen aufgenötigt werden und die Gefahr einer falschen Unionisierung und Verharmlosung der Unterschiede bestehe.«5 16 Landeskirchen hatten sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht geäußert. Der Rat stand, weil der Termin mit den Freikirchen bereits einmal verschoben worden war und die Amsterdamer ökumenische Weltkonferenz vor der Tür stand, unter einem gewissen Zugzwang und billigte in seiner Sitzung am 9./10. März 1948 den Entwurf mit drei Änderungen.6 Auf Seiten der Freikirchen ist die eingeschränkte Handlungsfähigkeit der EKD nur von einigen Experten wahrgenommen worden. Die Mehrheit sah in der EKD eine Kirche im Vollsinn, deren Rat ermächtigt war, für die Landeskirchen zu agieren. Die folgenreichen Probleme, welche sich besonders in den zahlreichen frühen Stellungnahmen zeigten, griff der ACK-Geschäftsführer Otto von Harling, der in der Kirchenkanzlei schon die ACK-Anfänge begleitet hatte, auch in der Frage auf, »ob die Arbeitsgemeinschaft auf die Dauer eine unmittelbare Verbindung mit den evangelischen Landeskirchen entbehren kann. Die Evangelische Kirche in Deutschland ist gegenüber den Freikirchen insofern kein äquivalenter Partner, als sie im Rechtssinn keine Kirche, sondern ein Kirchenbund mit sehr eng begrenzten Zuständigkeiten und 5 Vermerk Harlings für die Ratssitzung am 10. 3. 1948. EZA 2/184 mit handschriftlichen Anmerkungen. Vermerk gedruckt in: Prot. EKD-Rat, Bd. 2 (1997), 417 f. 6 Konkrete Bedenken des Lutherrates wurden bereits erwähnt. Vgl. Kap. 1.1.9

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Befugnissen sowohl gegenüber ihren Gliedkirchen als auch nach außen ist. Die Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland in der Arbeitsgemeinschaft können daher nur Kirchentypen als geistige Strukturelemente des Kirchenbundes, aber nicht die einzelnen dazugehörigen Kirchen als Träger von Rechten und Pflichten repräsentieren. Auf deren Mitarbeit kommt es aber gerade an bei der Erfüllung der meisten Aufgaben der Arbeitsgemeinschaft, insbesondere bei der Pflege der ökumenischen Beziehungen zwischen den Kirchen und bei der Vertretung gemeinsamer Anliegen nach außen. Manche Bemühungen der Arbeitsgemeinschaft hätten zweifellos mehr Wirkung erzielen können, wenn die Landeskirchen von vornherein unmittelbar und verantwortlich daran beteiligt gewesen wären. Denn ohne eine solche Beteiligung hat das Wort der Arbeitsgemeinschaft in allen die Landeskirchen und ihr Verhältnis zu den Freikirchen betreffenden Angelegenheiten praktisch kaum mehr Gewicht als das Votum eines mehr oder weniger privaten ökumenischen Arbeitskreises.«7

Angesichts dieser Lage ist es unverständlich, dass der EKD-Rat in der Diskussion der ACK-Richtlinien am Anfang eine Reduzierung von fünf auf zwei Delegierte vorgenommen hat, was zum Glück für die EKD die konstituierende ACK-Sitzung unter dem Einfluss Niemöllers nicht akzeptierte. Die Entwicklung zeigte allerdings, dass in der Regel nicht mehr als drei Delegierte an den Sitzungen teilnahmen.8 Von Seiten der EKD sah man in dem Geschäftsführer Otto von Harling sowie dem Leiter der Ökumenischen Centrale Pfarrer Wilhelm Menn zwei weitere EKD-Sitzungsteilnehmer. Beide wussten sich allerdings durch ihre Funktionen sowohl der ACK wie auch den Freikirchen gegenüber in gleicher Weise verpflichtet. Im Laufe der Zeit hatte sich die Brüder-Unität der ACK als weiteres Mitglied angeschlossen, während die Altreformierten Kirchen und die Heilsarmee sich – wie früher schon die Freien evangelischen Gemeinden – als Gastmitglieder dazugesellten.

2.1.3 Unterschiedliche Positionen in den Freikirchen Minderheiten haben zu den sie umgebenden Landeskirchen immer ein anderes Verhältnis, als es umgekehrt der Fall ist. Für Landeskirchler wecken Baptisten, Methodisten oder Mennoniten eher Fremdheitsgefühle, oft Berührungsängste. Freikirchliche Gemeindeglieder haben wenigstens durch die Gebetswoche der Evangelischen Allianz untereinander Kontakte, gehen aber auch in einer selbstverständlichen Vertrautheit mit den Landeskirchen um: sie kennen deren 7 Otto von Harling, Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland. In: KJ 1955 (82. Jg.), Gütersloh, 369 f. 8 Es waren dies Kirchenpräsident Martin Niemöller, Wiesbaden; der reformierte Kirchenpräsident Friedrich Middendorf, Aurich, und Hermann Kunst, zu dieser Zeit Oberkonsistorialrat in Bielefeld, zeitweise auch Prof. Otto Schmitz, Kirchliche Hochschule Wuppertal.

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Kirchengebäude auch von innen, besuchen gelegentlich dort Gottesdienste und nehmen an kirchlichen Familienfeiern teil. Wenigstens im dörflichen und kleinstädtischen Bereich ist ihnen der Ortspfarrer bekannt. Während für Freikirchler kirchliche Vielfalt normal ist, ist sie für die Mehrzahl der Landeskirchler eher ungewöhnlich. Landeskirchliche Theologen sind es gewohnt, in Konfessionen zu denken und selbst erfahrene Ökumeniker stehen in der Gefahr, die Weltbünde auf die Lutheraner und die Reformierten zu reduzieren,9 während ihre freikirchlichen Kollegen eher die Vielfalt der Denominationen sehen und in der Regel auch um die Bedeutung der eigenen Welträte wissen. Jeder Freikirchler kannte immer schon Martin Luther, umgekehrt war es mit der Kenntnis von Menno Simons, John Wesley oder Johann Gerhard Oncken recht unterschiedlich. Dieser Wahrnehmungsdifferenz entsprechend hatte auch die ACK für die verschiedenen Denominationen einen unterschiedlichen Stellenwert. Was für die Kirchen, die das öffentliche kirchliche Leben beherrschten, eher eine Marginalie war, eröffnete für Minderheiten, die lange Zeit in der Öffentlichkeit kaum akzeptiert waren, eine hoffnungsvolle Perspektive. Entsprechend war das Echo in den verschiedenen Freikirchen überwiegend positiv. Es wurde verstärkt durch eine unerwartete ökumenische Offenheit des ACK-Vorsitzenden Martin Niemöller. Er gewann schnell das Vertrauen der kleineren Kirchen, zum einen durch seine stete Fürsprache für ihre Anliegen, zum anderen, weil er während des Kirchenkampfes die Gemeinde als den zentralen Ort kirchlichen Wirkens erkannt und seither ins Zentrum gestellt hatte. Es sollen Einblicke in die Entwicklungen unterschiedlicher Freikirchen aufgezeigt werden. Um die Vielfalt der Aufnahme des ökumenischen Gedankens zu zeigen, werden zuerst Beispiele von drei verschiedenen Ebenen herangezogen, Entscheidungen der Leitungsebene im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, in der ökumenischen Offenheit in theologischen Veröffentlichungen für pastorale Mitarbeiter innerhalb der Evangelischen Gemeinschaft und schließlich in Informationen und im ökumenischen Echo in den Zeitschriften für die Gemeinden der Methodistenkirche.

(1)

Der baptistisch geprägte Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden

Wie stark die ACK daran interessiert war, integrierend zu wirken, zeigt bereits die Tatsache, dass der Bund Ev.-Freik. Gemeinden von Anfang an zwei Delegierte in die Arbeitsgemeinschaft entsenden konnte, während alle anderen NichtLandeskirchen je einen Sitz hatten. Der Grund für diese Entscheidung war, auch 9 Armin Boyens, Kirchenkampf und Ökumene 1933 – 1939 und 1939 – 1945, 2 Bde., München 1969/1973, innere Einbandseiten.

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jene Gemeinden zu berücksichtigen, die sich während der NS-Zeit den Baptisten angeschlossen hatten.10 Als das Leitungsgremium des Gemeindebundes, der Bundesrat, im Jahr nach der Gründung der ACK tagte, berichtete deren Bundesdirektor Paul Schmidt vor den Delegierten aller Gemeinden nach einer Passage auch über die »weltweite Ökumene«. Er sagte: »In unserem Land sind wir […] der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen beigetreten. Die Arbeitsgemeinschaft, deren kurze und einfache Satzung bekannt ist [!], bindet in keiner Weise die einzelnen Mitglieder, möchte aber im Rahmen allgemeinen ökumenischen Denkens auch in Deutschland ein besseres Verständnis füreinander wecken und ein friedliches Nebeneinander unter Würdigung der uns alle verpflichtenden Botschaft von Jesus Christus, dem Heiland und Erlöser, erstreben. Die bisherigen Erfahrungen bei den Beratungen unter der Leitung von Kirchenpräsident Niemöller lassen durchaus erwarten, dass die Arbeitsgemeinschaft auch für uns nützlich sein kann. Natürlich darf man nicht gleich von vornherein zu starke Wirkungen für den einzelnen Ort nach den Erfahrungen vieler Jahrzehnte erwarten.«11

Mit Bedacht hat der baptistische Bundesdirektor nach seiner Würdigung der ACK die kurzfristigen Erwartungen gedämpft. An derselben Konferenz wurden noch Beispiele unfreundlicher Begegnungen auf Ortsebene berichtet. Als z. B. eine Gemeinde eine Zeltmission vorbereitete, habe ein Pfarrer gesagt: ›Jetzt kommen die Irrlehrer […] die das tun wollen, was Christus allein tun kann, nämlich Menschen zu Gott bekehren.‹ Ein anderer Pfarrer habe seiner Gemeinde geraten: ›Geht lieber ins Kino als ins Missionszelt‹. Dagegen habe ein katholischer Priester seine Jugend aufgefordert: ›Im Missionszelt wird Christus verkündigt; ich bitte euch: Geht ins Missionszelt!‹12 Wie immer man diese Berichterstattung bewerten will, sie spiegelt etwas von der zwischenkirchlichen Lage jener Zeit. Unabhängig davon wurde die weitere Entwicklung durch die aktiven Ökumeniker positiv gesehen. Nach einigen Jahren Erfahrung fasste am 2. März 1956 die baptistische Bundesleitung einen Beschluss, in dem die Befriedigung darüber zum Ausdruck kam, »daß innerhalb der ›Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland‹ die Begegnung zwischen Baptistengemeinden und Landeskirchen ebenso wie die Zusammenarbeit zwischen Freikirchen und den großen Kirchenkörpern einen guten Verlauf genommen hat.«13 Die führenden Baptisten waren daran interessiert, den Weg des Zusammengehens zu verstärken. 10 Günter Balders, Der Zusammenschluß zum Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden. In: ders. (Hg.), Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, Wuppertal/Kassel 1984, 106 – 117. 11 Bericht Paul Schmidt. In: Paul Haverland (Bearb.), Bericht über die Bundesratstagung 1949, Kassel, o. J., 17 (Auszüge vervielfältigt von Heinz Szobries, 2010). 12 Ebd., 33 f. 13 Beschluss der Bundesleitung am 2. 3. 1956 und Mitteilung an die Gemeinden in der »Bun-

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In demselben Beschluss wurde aber auch die Besorgnis geäußert, dass »leider die Frage […] unter uns wach geworden [ist], inwieweit in Deutschland der ökumenische Gedanke dazu benutzt wird, vom landeskirchlichen Denken her uns zur Aufgabe unseres missionarischen und täuferischen Anliegens zu bewegen.« Und es wurde festgeschrieben: »In diesen beiden Punkten müssen wir aber der uns geschichtlich und gewissensmäßig gewordenen Aufgabe treu bleiben.«14 Dieser Bericht erwähnt aber gleichzeitig, dass mit dem baptistischen Pastor Günter Wagner seit dem 1. Sept. 1956 erstmals ein freikirchlicher Referent hauptamtlich in der Ökumenischen Centrale tätig war. Ausgelöst wurde diese Neuerung durch den Tod des bisherigen Geschäftsführers Lic. Wilhelm Menn. Aus diesem Anlass übernahm Oberkirchenrat Hanfried Krüger vom Kirchlichen Außenamt der EKD nebenamtlich die Leitung der Ökumenischen Centrale. Günter Wagner wurde ihm als Mitarbeiter an die Seite gegeben. Dass ein Baptist diese Aufgabe von seiner Freikirche übertragen bekam, drückt genauso ein wachsendes Vertrauensverhältnis aus wie die Berufung eines Theologen aus der Täufertradition in die ÖC. Als Wagner 1960 ausschied, übernahm der Baptist Günter Wieske diese Aufgabe. Es bleibt zu erwähnen, dass Paul Schmidt 1948 als »Consultant« für die ACK an der Amsterdamer Gründungskonferenz des ÖRK und 1954 der Baptist Hans Luckey als ACK-Vorsitzender an der Vollversammlung des ÖRK in Evanston teilgenommen haben.

(2)

Die zur methodistischen Kirchenfamilie zählende Evangelische Gemeinschaft

Innerhalb der Evangelischen Gemeinschaft, die 1946 in den USA an einer Kirchenunion beteiligt war, herrschte eine große ökumenische Offenheit, die durch alle Ebenen hindurch spürbar war.15 Schon 1908 schrieb Reinhold Kücklich d. Ä.: »Die kirchliche Arbeit der deutschen Freikirchen trug und trägt, wie ihre Lehre, ökumenischen Charakter.«16 Ein ausgeprägtes ökumenisches Selbstverdespost 1/1956« mit späterer Veröffentlichung im Bericht der Bundesleitung 1957, Kassel 1957. 14 Ebd. 15 Sogar die seit 1946 erscheinende Zeitschrift Jugenddienst wies Ende 1947 in einem »Werkplan 1948« das Amsterdamer ÖRK-Gründungsthema als Jahresthema aus: »Die Ordnung Gottes und die Unordnung der Welt« und kommentierte: »Es steht in einem inneren Zusammenhang mit dem großen Thema, das die Weltkonferenz 1948 in Amsterdam beschäftigen wird. Das mag für unsere Arbeit nicht unbedeutend sein.« Jugenddienst, Dezember 1947, Hamburg, 5. – Daran schließt sich ein von Karl Steckel ausgearbeiteter Jahresplan mit 12 daraus entwickelten Monatsthemen an. Außerdem wurde eine ganze Reihe anderer ökumenischer Themen als Anlage zu einem vervielfältigten »Nachrichtendienst« der Ev. Gemeinschaft publiziert. 16 Reinhold Kücklich d. Ä., Was haben die deutschen Freikirchen dem Vaterlande genützt? Stuttgart o. J. (1908), 18.

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ständnis korrespondierte mit einem teilweise wenig ausgeprägten denominationellen Selbstverständnis.17 Eine Beobachtung aus der Diskussion um eine Vereinigung zwischen der Evangelischen Gemeinschaft und der Methodistenkirche passt in dieses Bild. Der besonnene Pastor Werner Meier hat im Frühjahr 1963 die Frage aufgeworfen: »Wenn schon Vereinigung MK [Methodistenkirche] und EG [Ev. Gemeinschaft], warum dann nicht einen Schritt weiter?«18 Er brachte die Frage in die Diskussion: »Warum sollte man nicht miteinander sprechen und prüfen, ob diese Vereinigung ausgedehnt werden könne auf die Landeskirchen, zumal diese Nivellierung doch frühere Gegensätze so abgemildert hat, daß es dem Normalmenschen unserer Zeit gar nicht mehr ins Auge fällt, daß da Unterschiede sind, und eine derartige Aufspaltung des Protestantismus von ihm als unverständlich und abstoßend empfunden wird.«19

Meier sah nicht, dass seine Kirche jeweils mit den einzelnen Landeskirchen in entsprechende Gespräche hätte eintreten müssen: Es würde ihr im Falle von Anschlüssen der Preis einer regionalen Aufsplitterung abverlangt. Gleichzeitig hätte ein solcher Schritt in einer Zeit zunehmender Globalisierung eine Trennung von der Weltkirche nach sich gezogen. Dabei wäre nicht einmal abzuschätzen gewesen, ob alle Landeskirchen überhaupt für einen solchen Schritt offen gewesen wären und welche Bedingungen sie gestellt hätten. Man denke nur an die Bekenntnis-Unterschiede in der EKD. Werner Meier schien auch die Methodistenkirche nicht gut genug zu kennen, denn die hätte sich 1968 weder im Osten noch im Westen auf den Weg einer solchen Vereinigung eingelassen, die einer Selbstauflösung gleichgekommen wäre. Der immerhin publizierte Beitrag von Meier, dessen Bruder in einer Methodistengemeinde lebte, ist ein Beispiel für differente Haltungen zwischen den beiden Kirchen, die sich 1968 vereinigt haben: das denominationelle Selbstbewusstsein der Evangelischen Gemeinschaft war insgesamt deutlich weniger ausgeprägt als das der Methodisten. Die Langzeitfolgen dieser Differenz werden erst in der Rückschau erkennbar. In den fünfziger Jahren hatte die Arbeit der ACK die Evangelische Gemeinschaft immer wieder beschäftigt. Es wurden entsprechende theologische Refe17 Ein Zeichen dieser Tatsache ist, dass 1982 erstmals eine nennenswerte Geschichte des europäischen Zweiges der Evangelischen Gemeinschaft (EG) – und zwar im Rahmen einer Selbstdarstellung der 1968 gebildeten Evangelisch-methodistischen Kirche – publiziert wurde, während vorher fast ausschließlich Festschriften zu besonderen Anlässen erschienen waren. Auch die Studienpläne des kircheneigenen Predigerseminars weisen nur gelegentlich Vorlesungen zur Geschichte der EG aus. Vgl. Johannes Schempp d. Ä., Fünfundsiebzig Jahre Predigerseminar der Evangelischen Gemeinschaft 1877 – 1952, Stuttgart 1952. Darin die Studienpläne der verschiedenen Epochen, 23 – 29. 18 Werner Meier, Landeskirche – Volkskirche – Freikirche. Gegeneinander – nebeneinander – miteinander? Hektographiert, Anlage zum Nachrichtendienst der EG 1963, Ausg. 79 u. 81, hier 81, 6 f. 19 Ebd.

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rate gehalten, von der ACK beschlossene »Thesen zum Kirchenverständnis« zur Diskussion gestellt, Empfehlungen aufgegriffen und, damit die Pastoren in der Gemeindearbeit die Anregungen umsetzen konnten, wurden sie publiziert. Es ist »nicht verwunderlich«, schrieb Reinhold Kücklich d. J. 1950, »daß die Freikirchen an der modernen ökumenischen Arbeit aller protestantischen und der orthodoxen Kirchen hervorragenden Anteil haben.«20 In dem Zusammenhang wies er auf weltweit diskutierte oder erfolgte Kirchen-Unionen hin. In Deutschland war das Interesse an der Mitarbeit in der ACK so groß, dass sich anfangs zwei führende Vertreter, aus dem Süden Richard Leger und aus dem Norden Ernst Pieper in der Sitzungsteilnahme regelmäßig abwechselten, was wiederum mit einer unterschiedlichen Bewertung des Selbstverständnisses ihrer Kirche im Süden und im Norden zusammenhängt.

(3)

Die Methodistenkirche

Im Ringen um eine ökumenische Gestaltung des Hilfswerks hatte der methodistische Bischof J. W. Ernst Sommer nachdrücklich seine Bereitschaft zum Zusammenwirken der Kirchen gezeigt. Aber eine ökumenische Gestaltung, das hieß für Sommer beispielsweise in seinem unnachgiebigen Hilfswerk-Verhandlungen nicht ein freundschaftlich-dankbares Schulterklopfen, sondern eine verantwortungsvolle christliche Partnerschaft, in der immer beide Seiten geben und nehmen. Wahrscheinlich wurde er gerade darum von führenden Landeskirchlern als Partner respektiert. Wilhelm Menn, Leiter der Ökumenischen Centrale, urteilte über ihn als einen der ›Väter‹ der ACK: »Wenn die deutschen Freikirchen sich so willig dem ökumenischen Gedanken erschlossen, so ist das zuallererst dem persönlichen Einsatz und Einfluß dieses methodistischen Bischofs und Allianzmannes zu verdanken.«21 Sommer war schon bei den Vorüberlegungen zur Bildung der ACK für die EKD auf freikirchlicher Seite der zentrale Ansprechpartner. Es ist kein Wunder, dass er in der konstituierenden Sitzung neben Martin Niemöller zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde. Die im Ursprung des methodistischen Selbstverständnisses angelegte »ökumenische Gesinnung«, wie Sommer John Wesleys Lehrpredigt »Catholic spirit« ins Deutsche übersetzte, hat die ganze Kirche tief geprägt. Gerade in der Frühzeit der aktiven innerdeutschen Ökumene war für den Transport der Erneuerung des Denkens und Handels das kirchliche Sonntagsblatt »Der Evangelist« wichtig, um die Gemeinden in diese Entwicklung einzu20 Reinhold Kücklich d. J., Das Wesen des evangelischen Freikirchentums in der Schau des Weltprotestantismus. In: WuT 4. Jg. (1950), 28. 21 Wilhelm Menn, Ökumenische Bewegung. In: KJ 78. Jg. (1951), Gütersloh 1952, 284.

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beziehen. Der damalige Redakteur Wilhelm Karl Schneck22 hat seine ganze Liebe zur Einheit der Christenheit in zahlreichen Beiträgen, die er aus dem Bereich der Ökumene eingeworben hat, zum Ausdruck gebracht. Er berichtete 1948 z. B. über Kirchenpräsident Martin Niemöller, Bischof Hanns Lilje, Propst Hans Asmussen, natürlich den Ratsvorsitzenden Bischof Theophil Wurm und Bischof Otto Dibelius. Dessen Predigt bei der Eisenacher EKD-Kirchenversammlung zur Annahme der EKD-Grundordnung konnten die Methodisten in ihrem Sonntagsblatt nachlesen. Darin wurden natürlich auch die ACK-Richtlinien publiziert zusammen mit dem ebenfalls von der ACK in gemeinsamer Sitzung mit dem Rat der EKD angenommenen »Wort christlicher Kirchen in Deutschland für einen rechten Frieden und gegen die Zerreißung des deutschen Volkes«.23 Der Aufruf der Präsidenten des vorläufigen Ausschusses des ÖRK zur Fürbitte für die Amsterdamer Tagung erschien am 8. August 1948 auf der Titelseite. Zum Amsterdamer Eröffnungssonntag waren neben entsprechenden Artikeln Bilder von Martin Luther, John Wesley, Nathan Söderblom und John Mott zu sehen. Auch die Enttäuschung über das Verbot des Vatikans für katholische Theologen und Laien, an ökumenischen Veranstaltungen teilzunehmen, und die dazu abgegebene Stellungnahme des EKD-Ratsvorsitzenden Bischof Wurm konnten die methodistischen Christen in den Gemeinden mit bedauern. Innerhalb der methodistischen Kirche gab es eine ökumenische Aufbruchstimmung, die sofort hohe Erwartungen an eine Ortsökumene weckte, die es aber zu dieser Zeit noch gar nicht gab. Ökumene in Deutschland war noch auf die Führungsebene der protestantischen Kirchen beschränkt.

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Die Herrnhuter Brüdergemeine

In ihrer Mitte hat Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf von Anfang an ökumenische Leitlinien fest verankert. Diese Freikirche aus der Zeit des Pietismus hat die Einheit nicht im Bekenntnis, sondern in der empfangenen Liebe begründet und so ihren völlig eigenen Weg gesucht und gefunden. Ihr damals schon weltweiter Dienst war stets ökumenisch ausgerichtet. Er galt allen Menschen überall: Christen, Juden, Moslems und »Heiden«, Weißen, Farbigen, Indianern und Eskimos. Darin spiegelt sich sowohl die Theologie wie die Missionspraxis, die im Grunde nicht einmal die reformatorischen Bekenntnisse in ihrer Unterschiedlichkeit akzeptierte. Die traditionsreichen »Losungen« machen bis heute an keiner Kirchengrenze Halt. Die fast wie Kommunen organisierten Gemeinden suchten keinen Gegensatz zu den sie umgebenden Staats-, 22 Zu Wilhelm K. Schneck: BBKL Bd. 9 (1995), 526 – 529. 23 Richtlinien der ACK und »Wort christlicher Kirchen…«. In: Evangelist, 99. Jg. (1948), 35 f. Auch in: Prot. EKD-Rat, Bd. 2 (1997), 414 f.

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oder späteren Volkskirchen, obwohl sie teilweise aus ihren Kirchengebieten vertrieben und kirchlich ausgegrenzt wurden. Ihre ökumenische Grundhaltung hat die Brüdergemeine vorbildlich bewahrt und in ihrer weltweiten Kirchenstruktur ausgedrückt. Dass sie nicht zu den Gründungsmitgliedern der ACK zählt, kann nur an der damals schwachen Vernetzung innerhalb Deutschlands liegen. (5)

Die Alt-Katholische Kirche

Seit ihrer Bildung hat sich die alt-katholische Kirche als eine Reformbewegung verstanden, die sich verpflichtet sah, an der Wiederherstellung der Einheit der Christenheit mitzuarbeiten. Für den späteren ACK- und DÖSTA-Delegierten, Professor Werner Küppers, war der Aspekt der erhofften kirchlichen Einheit sogar »ein besonderes Merkmal« des Alt-Katholizismus.24 Während die Freikirchen den Zugang zur ACK durch ihre Verbundenheit in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) fanden, war für die Alt-Katholiken die internationale Vernetzung wichtig. Ihre deutschen Delegierten hatten schon früher, ähnlich wie einige Freikirchler, an ökumenischen internationalen Tagungen der Zweige Life and Work und Faith and Order teilgenommen. Durch die UtrechterUnion waren sie auch selber miteinander verbunden. Dazu kamen bilaterale Kontakte wie zum Beispiel seit spätestens 1931 mit den Anglikanern. Es ist also völlig natürlich, dass die Alt-Katholiken 1948 Gründungsmitglieder der ACK waren. (6)

Die Vereinigung der deutschen Mennonitengemeinden

Die schwere Geschichte seit der Reformationszeit hat die Täufer für lange Zeit isoliert und sie gegenüber anderen Glaubenshaltungen und vor allem Kirchenkörpern zurückhaltend gemacht. Unverbindliche Kontakte gab es zunächst in Deutschland zur Vereinigung Evangelischer Freikirchen. 1948 traten die holländischen Mennoniten und die Vereinigung der deutschen Mennonitengemeinden dem ÖRK bei. In Deutschland waren sie Gründungsmitglieder der ACK. (7)

Die verschiedenen lutherischen Freikirchen

Seit 1947 haben sich sechs autonome lutherische (Frei-)Kirchen, die regional organisiert waren, aufeinander zu bewegt. 1972 konnten sie sich als Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) konstituieren. Die einzelnen Kirchen 24 Werner Küppers, Altkatholizismus. In: TRE Bd. 2, 342.

Das Zusammenwirken in der ACK – erste Phase: Rückblicke

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waren auf unterschiedliche Weise in Berlin schon früh zu regionaler, danach 1947/48 auch bei der Bildung der ACK zur Mitwirkung eingeladen. Einige lehnten die Mitarbeit ausdrücklich ab, andere reagierten nicht auf die ergangene Einladung. Besonders durch die mit ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert verbundene Erfahrung von teilweise durchgeführten Zwangs-Unionen zwischen Lutheranern und Reformierten und ihr daraus resultierendes renitentes Festhalten an dem konfessionsbetonten lutherischen Bekenntnis wirkte sich auf das Zusammenwirken mit anderen Kirchen hemmend aus.25 Erst nachdem sie die Entwicklung der ACK über eine längere Phase beobachtet und das hohen Maß an Unverbindlichkeit gesehen hatten, stellten sie den Antrag auf eine Mitgliedschaft. Die Aufnahme erfolgte im Herbst 1993 in Eisenach.

2.2

Das Zusammenwirken in der ACK – erste Phase: Rückblicke

Im Folgenden wird gezeigt, in welcher Weise die in den »Richtlinien« festgelegten Aufgaben von der Mitgliederversammlung aufgegriffen und erfüllt wurden. Am Anfang steht die »Förderung ökumenischer Beziehungen und der ökumenischen Arbeit unter ihren Mitgliedern.«26 In den ersten Jahren ihrer Tätigkeit entfaltete die ACK mit ihrer überschaubar kleinen Zahl von Mitgliedskirchen und ihren wenigen Mitarbeitern eine unglaubliche Aktivität. Es war ein ökumenisches Vorantasten von Kirchen, die, sieht man von der Mitarbeit der Alt-Katholiken ab, ihr Kirchesein alle auf reformatorischer Grundlage formulierten. Die ersten Aufgaben bestanden ganz konzentriert in der Vergangenheitsbewältigung. Schrittweise wurde ein belastendes Thema nach dem anderen aufgearbeitet. Die folgende Darstellung schließt sich diesen Themen in chronologischer Reihenfolge an. Es dauerte aber nicht lange, bis auch aus dem Rückblick jedenfalls innerhalb der ACK erstaunliche gemeinsame Schritte in gegenseitigem Vertrauen und zur Herausbildung gemeinsamer Standpunkte gefunden wurden. Manche Landeskirchen taten sich noch schwer mit dieser neuen Entwicklung. Dieser ersten Phase immenser Arbeit, welche die ACK in Verbindung mit der Ökumenischen Centrale geleistet hat, soll die Aufmerksamkeit auf die zunächst jährlich drei Sitzungen lenken.

25 Oberkirchenkollegium der Evang.-luth. Kirche Altpreußens, Dr. E. Ziemer, vom 18. Okt. 1947, EZA 2/183. 26 Richtlinien der ACK § 4.1.

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2.2.1 Die leidigen Probleme auf landeskirchlichen Friedhöfen In unterschiedlicher Schärfe hatten freikirchliche Prediger zusammen mit Trauernden in der Vergangenheit demütigende und manchmal auch peinliche Erfahrungen auf Friedhöfen gemacht, die im Eigentum der Landeskirchen standen. An vielen Orten war ihnen die Benutzung der freikirchlichen Agende verboten worden. Darum versammelte sich manchmal die Trauergemeinde vor dem Friedhofstor. Dort wurde gebetet und gesungen, um dann schweigend am Grab zu handeln. Wer die damaligen Agenden liest, fragt sich, was daran unevangelisch gewesen sein kann. Wenn freikirchliche Prediger sich dem Verbot der eigenen Agenden-Nutzung widersetzten und die Bestattung nach dem bei ihnen üblichen Ritus vornahmen, kam es in nicht wenigen Fällen mit dem Argument des Hausfriedensbruchs zu Gerichtsverhandlungen.27 Bei anderen Gelegenheiten war es den Bestattern verwehrt, die Sargdecke und den Überführungswagen, ja sogar den Spaten zu benutzen. Das Geläut der Dorfkirche blieb stumm. Freikirchliche Christen, die aus der Landeskirche ausgetreten waren, sollten als Außenseiter erkennbar bleiben. Nicht selten wurde ihnen eine Grabstelle an der Friedhofsmauer zugewiesen, welche sonst an solche vergeben wurden, die wegen eines vielleicht verzweifelten Suizids dorthin verbannt wurden. Solche »Friedhofsintoleranz« gab es nicht nur Freikirchlern, sondern auch Katholiken gegenüber, wie auch umgekehrt.28 Es hatte sich schon während der Weimarer Zeit gezeigt, dass die Deutsche Evangelische Kirche in dieser Angelegenheit aus kirchenrechtlichen Gründen handlungsunfähig war. Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen hatte dem Kirchenbundesamt eine Dokumentation mit 27 »Fällen« aus fünf Jahren vorgelegt und darum gebeten, eine generelle Regelung zu veranlassen.29 Der Kir27 Ein Beispiel: Öffentliche Sitzung des Königlichen Schöffengerichts im früher schlesischen Haynau vom 27. Juli 1904 der sich danach Urteile von drei Instanzen bis zum Berliner Kammergericht anschlossen. 14 Seiten, betr. den methodistischen Prediger Hinrich Bargmann. EZA 7/Gen. XII, 60. Auch: Karl Heinz Voigt, Streit um Begräbnisstätten und Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs. In: FF Bd. 24 (2015), 312 – 336. 28 Eberhard Goes, Die Friedhofsfrage. Konfessions- oder Simultanfriedhöfe? Ein Lösungsversuch auf Grund von Tatsachen. Gießen 1905. Mit Beispielen für Konflikte mit Methodisten und Baptisten (S. 45 – 53). 29 Eine an das Deutsche Ev. Kirchenbundesamt durch die VEF übersandte Liste mit 27 Problemfällen zwischen 1923 und 1928 zeigt, dass die Freikirchen in fast allen Regionen, überwiegend ländlichen, aber auch in Großstädten, vor derartigen Enttäuschungen standen. Ich zähle die genannten Beispiele in der Reihenfolge des Schreibens auf: (1) Loebenhagen (Bez. Königsberg, Preußen, heute Polen), (2) Tschirnitz (bei Glogau, Schlesien, heute Polen), (3) Ragow (vor den Toren Berlins, Bez. Mittenwalde), (4) Flatow (früher Preußen, heute Polen), (5) Wischershäfen (bei Hamm, Westf.), (6) Arnswalde (Pommern, heute Polen), (7) Wiblingwerde (NRW, Sauerland), (8) Wymeer (Ostfriesland), (9) Christophswalde (Brandenburg, heute Polen), (10) Ortelsburg (Preußen, heute Polen), (11) Bracht (Kurhessen),

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chenbundesrat als Vertretungsorgan aller Landeskirchen nahm sich im Juni 1928 dieses Problems an. Der hannoversche Bischof August Marahrens behandelte die Frage ausführlich vor den Landeskirchenvertretern. Er empfahl den Landeskirchen, den nach Stockholm 1925 als »bekenntnisverwandt« anerkannten Freikirchen zu erlauben, »ihre Toten nach eigener Art und Liturgie zu bestatten«.30 Das zentrale Kirchenbundesamt teilte der freikirchlichen Vereinigung mit, es habe den Landeskirchen empfohlen, »im Einzelfall auf Friedhöfen tunlichstes Entgegenkommen zu üben.«31 Weitere Vorfälle während der NS-Zeit mit peinlichen Gerichtsurteilen gaben die Veranlassung, dieses Problem 1948/49 erneut aufzugreifen und nun als erste Regelung auf der Basis der ACK endlich einer Lösung zuzuführen.32 Noch nicht ein Jahr nach der ACK-Konstituierung wurde am 25. Februar 1949 ein Rundschreiben an die Landeskirchenleitungen »betreffend Begräbnisfeiern freikirchlicher Gemeinden auf landeskirchlichen Friedhöfen« versandt. Es erwies sich als besonders dringend, weil aus den Ostgebieten geflüchtete Freikirchler in Gegenden Zuflucht fanden, in denen es vorher kaum eine Berührung zwischen Landeskirchen und Freikirchen gegeben hatte.

2.2.2 Das Nebeneinander verschiedener Kirchen an einem Ort Zu einem zweiten Thema verabschiedete die ACK am 29. April 1949 »Richtlinien zur Überwindung von Schwierigkeiten, die sich aus dem Nebeneinanderarbeiten verschiedener christlicher Kirchen an einem Ort ergeben«.33 Noch konnte man nicht von einem Miteinander sprechen. Es gab zu viele Reibungsflächen, die besonders entstanden, wenn freikirchliche Gemeinden eine missionarische Initiative, etwa in Gestalt einer Zeltmission, ergriffen. Noch empfanden landeskirchliche Pfarrer dies vielfach als einen Eingriff in ihre Rechte. Sie lebten im Sinne einer weniger theologisch als historisch legitimierten Ordnung, die in einer Aufteilung zwischen evangelisch, was immer landeskirchlich hieß, und katholisch zu denken gewohnt war. Freikirchler dachten anders. Für sie gehörten

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(12) Rothenbergen (Hessen), (13) Bischofswerder (Preußen, heute Polen), (14) Mülheim/ Ruhr (NRW), (15) Deutsch-Eylau (Preußen, heute Polen), (16) Deutsch-Krone (Preußen, heute Polen), (17) Berlin-Charlottenburg (Preußen), (18) Betziesdorf (Hessen, heute Stadtteil von Marburg), (19) Remscheid (NRW), (20) Berlin (Bereich der Nazarethgemeinde), (21) Werkel (Hessen), (22) Leutkirch (Württemberg), (23) Schötmar (Lippe), (24) Thiersheim (Bayern), (25) Brake/Unterweser (Oldenburg), (26) Schneidemühl (Preußen, heute Polen), (27) Nüttermoor (Ostfriesland). EZA Best. 1/904. Prot. des Kirchenbundesamtes vom 11./12. Juni 1928. EZA Best. A2/256. Brief Kirchenbundesamt an VEF vom 30. April 1929. EZA Best. A2/464. Rundschreiben an die Mitgliedskirchen betreffend Begräbnisfeiern freikirchlicher Gemeinden auf landeskirchlichen Friedhöfen vom 25. Febr. 1949. KJ 82. Jg. (1955), 374 f. Text des Rundschreibens: KJ 82. Jg. (1955), 375 f.

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Religions-, Glaubens- und Gewissensfreiheit und daraus folgend das individuelle Recht zur Entscheidung, für oder gegen eine Konfession oder auch überhaupt ohne jede Kirche zu leben, zu den Menschenrechten wie zu den Grundrechten eines demokratischen Staates.34 Differenzen entstanden durch die unterschiedlichen Ansätze beim Kirchenverständnis, über die man nie miteinander gesprochen hat. In Deutschland gab es einen eigenartigen morphologischen Fundamentalismus. Kirche organisierte sich grundsätzlich so, wie es durch die Umstände der Reformationszeit notwendig gewesen war. Eine andere Weise evangelisch Kirche zu sein, war der überwiegenden Mehrzahl der Pfarrer fremd. Heute wird die damalige Form einer möglichst flächendeckenden parochialen kirchlichen Organisation aus dem Kontext der weltweiten Ökumene längst als eine Ausnahme im Sinne eines »Sonderweges« gesehen.35 Die früheren Staatskirchen empfanden darin ein kirchliches Monopol, in dem sie alle im Kirchenbuch Verzeichneten formal richtig als »ihre Christen« ansahen. Freikirchen sahen darin vielfach eine Form des Christentums, das zwar durch die Taufe konstituiert, aber nicht durch eine Antwort auf den Ruf in die Nachfolge Christi bestätigt war. Wer Dietrich Bonhoeffers Veröffentlichungen über »Nachfolge« und »Gemeinsames Leben« gelesen hatte, der musste Verständnis für die Ekklesiologie der Freikirchler haben. Für sie galt: man ist nicht dadurch Christ, dass man zur Kirche gehört, sondern man ist dann Glied der una sancta catholica et apostolica, wenn man aufgrund des bewussten Glaubens gerechtfertigt ist und nun, wie Luther es formulierte, ›mit Ernst‹ Christ sein wollte. Beide Gemeinden, ob landeskirchliche oder freikirchliche, waren trotz ihrer Mängel auf beiden Seiten Repräsentanten der einen Kirche Christi. Gerade darin lag die geistliche Herausforderung für die Gestaltung ihres Lebens auf der Grundlage der vorgegebenen Einheit. Während sich die einen den Vorwurf der Exklusivität gefallen lassen mussten, warfen sie den andern vor, liberal oder rationalistisch zu sein und die Rechtfertigung nicht wirklich mit der Frage des individuell bewusst gewordenen Glaubens zu verbinden. Wie schon erwähnt, Gespräche gab es zu diesen Differenzen nicht, aber Auseinandersetzungen, in welche gelegentlich sogar staatliche Behörden einbezogen waren. Aus früher Zeit, die nach dem Zweiten Weltkrieg keineswegs überwunden war, hatten die Freikirchen ein großes Erfahrungspotenzial. Ihr Gedächtnis war noch nicht gereinigt und ihre Gedanken ebenso wenig geheilt. In 34 Erich Geldbach, Markus Wehrstedt, Dietmar Lütz (Hg.), Religionsfreiheit. FS zum 200. Geburtstag von Julius Köbner, Berlin 2006 mit einer Anzahl von Aufsätzen zu ›Religionsfreiheit – Die Sicht der Freikirchen‹, 193 – 367. 35 Hartmut Lehmann. Säkularisierung. Der europäische Sonderweg in Sachen Religion. Göttingen 2004, 20072. Auch: Hartmut Lehmann, Das Christentum im 20. Jahrhundert: Fragen, Probleme, Perspektiven. KiE IV/9, Leipzig 2012. Vgl. Kap. 5.2 u. 5.3.

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Württemberg z. B. ließ der Oberkirchenrat »Das Eindringen des Methodismus« untersuchen,36 um für die vom Staat angeordneten Gespräche zwischen der dortigen Landeskirche37 einerseits und den beiden methodistischen Kirchen andererseits eine Grundlage zu haben. Aus Sachsen liegt eine Quellensammlung aus öffentlichen und landeskirchlichen Archiven vor, welche die vielen unterschiedlichen und darunter viele kleinliche Probleme der Vergangenheit aufzeigt.38 Es war für die ACK zwingend notwendig, hier eine Grundlage für ein neues Miteinander zu schaffen. Am 31. Mai 1949 wurden durch den Präsidenten der EKD-Kirchenkanzlei Heinz Brunotte die von der ACK angenommenen »Richtlinien zur Überwindung der Schwierigkeiten« mit einer Übersicht der Unterzeichnerkirchen und den Namen ihrer Vertreter an die Leitungen der Landeskirchen verschickt. Sie wurden »mit der Bitte um Kenntnisnahme und gegebenenfalls weitere Veranlassung« übersandt. Diese ACK-Richtlinie, mit einem Schreiben der Kirchenkanzlei versandt, löste eine Reihe ganz unterschiedlicher Reaktionen aus. Am klarsten wurden die Fragen durch den Evangelisch-Lutherischen Landeskirchenrat in München formuliert. Ausgangspunkt waren »erhebliche Bedenken«, die sowohl zum Verfahren der Erstellung des Papiers wie zu dessen Inhalt aufgeworfen wurden. Zunächst stellte sich die Frage nach dem Selbstverständnis der EKD und nach der Rolle der Landeskirchen mit ihren unterschiedlichen Bekenntnissen in der ACK. In Verbindung mit dieser Grundsatzfrage, die auch für die Partnerkirche von Bedeutung war, wurde aus München nach der Präsenz lutherischer Vertreter in dem Ausschuss der ACK gefragt, der diesen Text formulierte. Im Einzelnen bemängelte der Landeskirchenrat, dass weder die regionalen noch die konfessionellen Gesichtspunkte berücksichtigt worden seien. Eine Frage an die EKDKanzlei lautete, »inwiefern die Vertreter aus der EKD als Vertreter der EKD betrachtet werden können.«39 Man sieht, wie genau die Landeskirchen darauf 36 Friedrich Fritz, Das Eindringen des Methodismus in Württemberg, Stuttgart 1927. Prälat Jakob Schoell erteilte Pfarrer Fritz den »amtlichen Auftrag« zu dieser Studie mit einer Erläuterung, welche Fragen besonders zu berücksichtigen seien. Schriftwechsel Schoell und Fritz v. 3. Aug. 1925 u. Aktennotiz vom 1. Okt. 1925. LKA Stuttg. Best. A 126/1245. 37 Karl Heinz Voigt, Der Weg zur ersten Vereinbarung zwischen einer Landeskirche und einer Freikirche – Evangelische Gemeinschaft und Württembergische Landeskirche. In: FF Bd. 17 (2008), 257 – 274. 38 Rüdiger Minor, Quellen zur Geschichte des Methodismus in Sachsen, Leipzig o. J. (1970). 39 Ev.– Luth. Landeskirchenrat München, Stellungnahme vom 12. August 1949 zu den Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland zur Überwindung der Schwierigkeiten, die sich aus dem Nebeneinanderarbeiten verschiedener christlicher Kirchen an einem Ort ergeben. LKA Stuttg. Best. A 126 BU 1208. Hervorhebungen übernommen.

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achteten, dass die EKD sich nicht Rechte anmaßte, die sie sich selber aus Bekenntnisgründen vorbehalten hatten. So kritisierte der Landeskirchenrat, man halte es »von der Grundordnung her gesehen […] nicht für richtig, wenn die Kirchenkanzlei Verlautbarungen von solcher praktischen und theologischen Tragweite einfach im Verwaltungsweg als amtliche Bitte hinausgibt und dadurch den Anschein erweckt, als habe sich die EKD diese Richtlinien zu eigen gemacht und als komme es den in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen verhandelnden Vertretern der EKiD zu, solche Vereinbarungen für die EKiD abzuschließen. […] Wenn man nicht von vornherein sagen will, dass die Kirchenkanzlei Dinge von solcher Bedeutung für das Bekenntnis besser überhaupt den Landeskirchen überlassen sollte, so muss doch mindestens erwartet werden, dass die verantwortlichen Organe der EKD vor der Hinausgabe mit der Sache befasst werden.«40

Wie fest die vom traditionellen territorialen Anspruch geprägten Vorstellungen in den Köpfen selbst der Kirchenleitung verankert waren, zeigt die Frage »Was heißt das, daß es jeder Kirche unbenommen sein soll, im Bereich einer anderen Kirche zu evangelisieren?« Besonders im Fall einer Evangelisation in einem Stadtteil, in der die Freikirche bisher nicht gearbeitet hat, werde es als eine Zumutung empfunden, wenn der landeskirchliche Pfarrer »die freikirchliche Evangelisation als berechtigt anerkennen« solle. Eine solche Erwartung sei wohl nur möglich, »wenn man einen romantischen Kirchenbegriff hat«, was immer damit gemeint gewesen sein mag. Für die lutherische Kirche, aus deren Reihen den Freikirchen so oft Überheblichkeit vorgeworfen worden wurde, bedeutete dies: »Wir glauben mit unseren Bekenntnisschriften, dass die Evang.-luth. Verkündigung, obwohl auch sie den Schatz in irdenen Gefäßen hat und vom Göttlichen menschlich redet, das Offenbarungszeugnis der Bibel am reinsten erfasst hat. Wir können darum nicht anderen Kirchen, bei denen wir eine weniger reine und klare Erfassung des Offenbarungszeugnisses der Bibel feststellen müssen, ohne weiteres das Feld räumen.«

Trotzdem sei man bereit, auf der Ebene der Ökumene »brüderliche Beziehungen« zu pflegen. Abschließend legte der Münchener Landeskirchenrat »den zuständigen Stellen der EKiD« nahe, die Richtlinien zu prüfen und zu klären, »ob in der EKiD als einem Bund bekenntnisbestimmter Kirchen solche Richtlinien überhaupt möglich sind.« Dieses Schreiben aus München wirft mehrere Fragen auf. Zunächst wird in dieser frühen Phase der Selbstfindung der EKD mit ihren verschiedenen Strängen aus der NS-Zeit die Frage nach dem Recht aufgeworfen, das die einzelnen Landeskirchen ihr zuerkannt haben. Im Zusammenhang der ACK stellt 40 Ebd., auch die folgenden Zitate.

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sich konsequenterweise die Frage, welche Rolle die EKD der ACK innerhalb ihrer eigenen Reihen zugedacht hatte. Es zeigt sich an dieser Stelle bereits der Mangel, die einzelnen Landeskirchen an der Entstehung der ACK überhaupt nicht beteiligt zu haben. Dabei ist es keineswegs ausgeschlossen, dass der bei den Lutheranern in der Kritik stehende Niemöller als ACK-Vorsitzender bewusst auf die Einbeziehung der einzelnen Landeskirchen, die anfangs noch keine gemeinsame Grundordnung hatten, verzichtet hatte. Der Genfer Druck ließ ihm keine andere Wahl, als die ACK zu organisieren. Aber im Falle einer Einbeziehung der kritischen Landeskirchen wäre es, wenn man das Münchener Schreiben liest, nicht ausgeschlossen gewesen, dass es entweder zu jenem Zeitpunkt überhaupt nicht oder erst nach langen Gesprächen zur Organisation einer innerdeutschen Ökumene hätte kommen können. Dann wäre aber Amsterdam mit Sicherheit vorbei gewesen. Wie immer man die Lage beurteilen will, dass die Landeskirchen nicht in die Bildung und den danach folgenden Weg der ökumenischen Gemeinschaft einbezogen waren, hat sich auf die Dauer als ein Problem erwiesen.41 Das zeigen bis heute die einmal jährlich stattfindenden Treffen der regionalen ACKs, deren Vertreter in manchen Fragen eine andere Sicht vertreten, als die in der Bundes-ACK mitwirkenden EKD-Delegierten. Als der ACK-Vorsitzende Martin Niemöller über das Schreiben aus München »fernmündlich« unterrichtet wurde, war er gerade im Begriff nach Australien zu fliegen. Die Angelegenheit war ihm so wichtig, dass er kurz erwogen hat, seine Abreise zu verschieben, um sofort Stellung nehmen zu können. Es war nicht abzusehen, was dieser an alle Landeskirchenleitungen verschickte Brief auslösen konnte. Am Ende hat Niemöller den ACK-Geschäftsführer Otto von Harling beauftragt, seine Stellungnahme zu formulieren und sie auch an alle EKDDienststellen zu versenden, die auch den Brief aus München erhalten hatten. Aus dem Schreiben der ACK-Gechäftsstelle geht hervor, dass an der Abfassung der ACK-Richtlinien neben der Mitwirkung des Lutheraners Hermann Kunst der hannoversche lutherische Bischof Hanns Lilje nicht habe teilnehmen können. Insgesamt sei die Lage so, dass »die Vertreter der Freikirchen […] ebenso wenig die Vollmacht wie die Vertreter der EKD« haben. Die ACK könne und wolle auf niemanden einen Druck ausüben. Es bestehe keine Gefahr, dass aus einer bloßen Mitteilung der ›Richtlinien‹ »von irgendeiner Seite Rechte und Ansprüche hergeleitet werden.«42 Dieser Vorgang zeigt, wie unterschiedlich die Einschätzung der Rolle der ACK auch aufgrund der rechtlichen Lage innerhalb der EKD war. Einerseits wird 41 Während eines langen Zeitraum stand oben rechts auf den Protokollen der Bundes-ACK »Nicht zur Veröffentlichung bestimmt«. Worauf dieser einschränkende Hinweis hinzielte und wer ihn angeordnet hat, ist nicht klar. 42 Schreiben ACK-Sekretariat v. 26. Aug. 1949. LKA Stuttg. A 126 Bu 1208.

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verständlich, warum der Rat der EKD von Anfang an eine möglichst geringe Bedeutung der ACKwollte. Andererseits zeigt er, welche Konsequenzen es haben musste, dass die Leitungen der einzelnen Landeskirchen auf die Dauer von dem direkten Kontakt mit der innerdeutschen Ökumene abgekoppelt blieben. In den Gesprächen zwischen EKD und Freikirchen innerhalb der ACK sind sich die Freikirchen kaum dessen bewusst gewesen, dass ihnen in den vom Rat der EKD entsandten Delegierten eigentlich keine von den Landeskirchen bevollmächtigten Partner begegneten. Innerhalb der EKD hatten deren ACK-Delegierte bei weitem nicht das Gewicht, das die Vertreter der Freikirchen sich vorgestellt hatten. Bei dem ganzen hier beispielhaft dargestellten Vorgang muss man ins Kalkül ziehen, dass zwischen dem BK-geprägten Niemöller und den lutherischen Landeskirchen unter dem leitenden VELKD-Bischof Hans Meiser aus München auch in anderen Fragen ein angespanntes Verhältnis bestand.

2.2.3 Ökumene in der Ortsgemeinde Zwei Jahre später hat die ACK ein weiteres Papier verabschiedet. Diesmal verzichtete man auf den Begriff »Richtlinien« und schrieb vorsichtiger ein »Rundschreiben an die Mitgliedskirchen betr. Ökumene in der Ortsgemeinde«.43 Der alt-katholische Prof. Küppers und der damalige Superintendent Hermann Kunst entwarfen den ersten Text und formulierten unverblümt: »Oekumene als Angelegenheit der kirchlichen Oberen hat keine Zukunft.« Vorher hieß es: Seit der Vollversammlung in Amsterdam »ist die oekumenische Gemeinschaft eine Tatsache des kirchlichen Lebens auf internationaler, nationaler und teilweise auch regionaler Ebene. Leider scheint uns aber der Boden alles kirchlichen Lebens im örtlichen Gemeindeleben in unserem Lande praktisch von der neubegründeten Gemeinschaft der Kirchen so gut wie unberührt zu sein!«44 »[…] das oekumenische Problem« schlechthin sah man in dem »zahlenmäßigen Missverhältnis« zwischen Landes- und Freikirchen. Man machte es sich in dieser Sache ziemlich leicht. Mitgliederzahlen wurden gegeneinander aufgerechnet. Bei sachlicher Betrachtung waren die beiden Kirchentypen nicht vergleichbar. Der eine Kirchentyp setzte mit theologischen Gründen eine individuelle Glaubensentscheidung zur Kirchengliedschaft voraus. Der andere beanspruchte, flächendeckende Kirche zu sein, was sich von der verfassungsmäßig formulierten Forderung herleitete, »Landeskirchen als 43 Prot. ACK vom 2. März 1951, Entwurf, Anlage 1. EZA 6/5317. Rundschreiben in: KJ 76. Jg. (1950), 286. 44 Ebd.

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Volkskirchen« darzustellen, die auch später noch »mit dem Anspruch auftreten, die Kirche Christi eines bestimmten Gebietes zu verkörpern.«45 In dem Entwurf des Rundschreibens »Oekumene in der Ortsgemeinde« wurde im Zusammenhang der statistischen Bemühungen unter Verzicht auf internationale Vergleiche auch vermerkt: »Ein für die zwischenkirchliche Begegnung günstigeres Zahlenverhältnis besteht in Deutschland dagegen weithin zwischen röm.-kath. und anderskirchlichen Ortsgemeinden.« Die Verhältnisse würden sich ändern, wenn man »im weitesten Sinne des Wortes ökumenisch, d. h. bezogen auf die ›Una Sancta des Glaubensbekenntnisses«, wirken könnte.46 Dafür war aber die Zeit noch nicht gekommen. »Da jedoch die Entwicklung der letztvergangenen Jahre, besonders auch das hl. Jahr 1950 von röm.-kath. Seite immer einschneidendere Erschwerungen der 1945 hoffnungsvoll auflebenden Una Sancta Bewegungen innerhalb sehr vieler Ortsgemeinden in Deutschland gebracht hat, dürfte es sehr wohl an der Zeit sein, die für unser Land weniger augenfällige, aber darum nicht weniger wesentliche zweite Aufgabe jetzt nachdrücklich aufzugreifen, d. h. auf dem Boden der Ortsgemeinden in möglichst vielen Orten Begegnungen von Christen der Kirchen zustande zu bringen, die im Weltrat seit Amsterdam 1948 formell schon zusammengekommen sind […] Wir meinen, dass solche Begegnungen einerseits für den Bereich der Ortsgemeinde ein gutes Stück von dem aufzuholen hätten, was seit mehr als 40 Jahren im Werden der Ökumene sich vollzogen hat.«47

In der Diskussion des Entwurfs brachte Bischof Sommer zwei Änderungsvorschläge ein, die eine neue, »weniger radikale Fassung« berücksichtigen sollten. Er bat darum, »hinsichtlich unserer Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche« die Formulierung abzumildern, »denn wir dürfen hier vorhandene Brücken nicht unsererseits abbrechen«, und es sollten die hier und da vorhandenen »Ansätze von Verwirklichung ökumenischer Gemeinschaft […] nicht übersehen« werden.48 Das konkretisierte W. Menn mit dem Hinweis auf regionale Tagungen und auf die in Bayern zu erwartende Bildung eines »Ökumenischen Komitees« nach dem Stuttgarter Modell.49 Zusammenfassend muss man sagen: Es bewegte sich etwas. Aber die Verantwortung für die Einleitung von ökumenischen Aktivitäten lag fast ausschließlich bei der Bundes-ACK und den dort mitwirkenden Kirchenvertretern. 45 Gerd Heinrich/Klaus Blaschke, Die Taufe – Das Brot und das Evangelium. Grundlinien für das kirchliche Handeln, Kiel 1992, 112. 46 Prot. ACK vom 2. März 1951, Entwurf, Anlage 1. EZA 6/5317. Entwurf einer Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland an die Kirchenleitungen zur Frage »Ökumene in der Ortsgemeinde«. Unterstreichung im Original. EZA Best. 6/5317. Man spürt dem Text die Intentionen des alt-katholischen Vertreters ab. 47 Ebd. 48 Ebd., 3. 49 Vgl. Kap. 2.6.3.

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Das waren nur wenige, die zusammen mit der ÖC etwas in Gang bringen sollten. Ökumenische Offenheit und Gemeinschaft den örtlichen Gemeinden zu vermitteln, gelang jedoch nur da, wo einzelne Personen der mittleren Ebene sich engagierten. Diese positiven Entwicklungen wurden in dem bereits erwähnten Rundschreiben »Ökumene in der Ortsgemeinde« aufgegriffen. Es wurde ermutigend formuliert, dass – besonders auf die kleineren ACK-Mitglieder bezogen – in »einzelnen Kirchen schon heute die ökumenische Bewegung bis zu den Ortsgemeinden durchdringt.« Noch sahen viele in der Ökumene »eine neue, zusätzliche Aufgabe«. Trotzdem schlug die ACK vor, »Überall, wo es sich als möglich erweist, sollen örtliche ökumenische Aussprachekreise oder Arbeitsgruppen entstehen«, ohne dass an eine »Vereinigung« gedacht werde. »Das Wesentliche scheint uns bei allem zu sein, daß durch diese neue, vielfältige Begegnung von Christen der Geist des Verstehens, der gemeinsamen Verantwortung und des gemeinsamen Dienens, vor allem aber der Eifer zum gemeinsamen Hören auf das Wort und zum gemeinsamen Beten geweckt und vertieft wird.«50

2.2.4 Das heiße Eisen des »Übertritts« Mitte Juni 1950 stand die Bemühung um eine »Regelung des Übertritts von einer Kirche zur anderen« auf der Tagesordnung. Oberkirchenrat von Harling hatte nach der Sitzung für dieses rechtlich und ökumenisch schwierige Thema zwei Gutachten eingeholt, eines von Oberkonsistorialrat Ernst-Viktor Benn, der zu dieser Zeit dem Verfassungsausschuss der Evangelischen Kirche der Union (EKU) angehörte, und ein weiteres vom Göttinger Kirchenrechtlichen Institut. Es waren die schwierigen kirchenrechtlichen Fragen im Einklang mit den staatskirchenrechtlichen zu lösen. Als ein Problem hatte sich in diesem Zusammenhang schon früher die sog. Doppelmitgliedschaft erwiesen, die bei gleichzeitiger Zugehörigkeit zu einer Landes- und einer Freikirche überwiegend zur Zeit des Staatskirchentums angenommen worden war. Einerseits ist eine zweifache Kirchengliedschaft theologisch inkonsequent, andererseits war der Verzicht zur Zeit des Staatskirchentums mit dem Verlust bürgerlicher Rechte verbunden. Eine in Württemberg versuchte Lösung, in welcher eine der beiden davon betroffenen Kirchen eine »Überweisung« der Kirchenglieder an diese oder jene Kirche vorzunehmen vorgeschlagen wurde, konnte die methodistische Kirche schon früher nicht zustimmen. Der Vorgang hätte die Rechte der individuellen Glaubensfreiheit beschnitten. Das war die methodistische Sicht. Darum hatte die Methodistenkirche dieser Lösung nicht zustimmen können. 50 Auch die vorherigen Zitate aus dem Rundschreiben vom 23. 11. 1951. In: KJ 76. Jg. (1950), 286.

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Am 21. Dezember 1950 verschickte Martin Niemöller an die Mitglieder der ACK ein Schreiben, in dem er es als ein »besonderes Erschwernis einer Beendigung von Doppelmitgliedschaften« bezeichnete, »wo […] bei einem Übertritt die rechtlichen Bedingungen gegenüber der bisherigen Kirche nur durch einen förmlichen Austritt durch Erklärung vor weltlichen Behörden gelöst werden können.« Daher hatte die ACK in einem Beschluss formuliert, es sei ein nicht der Sache entsprechender und unwürdiger Zustand, »dass bei einem Übertritt von einer Kirche zur anderen eine Austrittserklärung vor weltlichen Behörden notwendig ist.« Es wurde eine Regelung vorgeschlagen, die sich ausdrücklich auf jene Kirchen beschränkte, die der ACK oder dem ÖRK angehören. Die ACK-Anregung wurde wie üblich von der EKD an ihre Gliedkirchen weitergeben. Aus einem zusammenfassenden Antwortschreiben an die ACK, dessen Entwurf vom Leiter der Kirchenkanzlei Heinz Brunotte stammte, geht hervor, dass sieben Landeskirchen zustimmend geantwortet haben, aber 15 ablehnend. Zusammenfassend werden vier Gründe genannt: (1) Der Vorschlag, die bisherige Gemeinde werde durch die aufnehmende Gemeinde von dem Schritt in Kenntnis gesetzt, wurde als »eine Erleichterung des Übertritts angesehen, die nicht der Wichtigkeit einer solchen Entscheidung entspricht.« Der vorgeschlagene Weg »verleitet den Übertretenden zur Unaufrichtigkeit und ist mit der Gefahr des Proselytismus verbunden. Die Grenzen zwischen Landesund Freikirchen würden auf diese Weise zu flüssig werden, was nicht einem besseren Einvernehmen dienen, sondern im Gegenteil zu unliebsamen Auseinandersetzungen führen würde.« (2) Es gab »Auffassungen, dass soweit es sich um die innerkirchlichen Wirkungen des Übertritts handelt, nur die Kirche selbst durch ihre berufenen Organe darüber entscheiden kann, ob und wann ein Glied sich von ihr geschieden hat.« Dieses sei in der Verfassung der VELKD verankert. (3) »Die römisch-katholische Kirche würde sich an einer solchen Regelung keinesfalls beteiligen.« Das sei im Blick auf die staatliche Gesetzgebung zu bedenken. (4) »Solange Kirchensteuern erhoben werden, ist eine Mitwirkung des Staates unentbehrlich.« Abschließend heißt es: »Die Form der Ablehnung ist bei den meisten Gliedkirchen so entschieden, dass nicht damit gerechnet werden kann, eine Änderung dieser Auffassung durch Verhandlungen herbeizuführen.«51 Das Schreiben zeigte, wie lang der Weg zu einer vertrauensvollen innerprotestantischen Ökumene noch sein würde. Es ging darin um einen typisch landeskirchlich-freikirchlichen Konflikt. Freikirchen wollten immer schon die Lösung von staatlichen Bindungen, und es war für sie schwer verständlich, dass es keinen »Übertritt« von einer zur anderen Kirche gab, sondern nur der 51 Entwurf für ein Schreiben der Kirchenkanzlei an die ACK, Hannover 25. Mai 1951. In: Prot. EKD-Rat, Bd. 5 (1951), 240 f.

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»Austritt« und danach der »Wiedereintritt« in die aufnehmende Kirche möglich war. Freikirchen sahen theologisch einen »Übertritt« nur als einem Umzug von einem Zimmer in ein anderes, dass sich aber im selben Haus der einen universalen Kirche Christi befand. Nach ihrem theologischen Verständnis hätte es dafür keines Aktes durch eine staatliche Behörde bedurft. Daher hatte die ACK vorgeschlagen, die kirchensteuerrechtlichen Konsequenzen von Seiten der Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts im Einzelfall durch eine Mitteilung an das Amtsgericht zu klären. Dass eine römisch-katholische Einbeziehung in diese Übertrittsvorstellungen von vorn herein ausgeschlossen war, bedurfte keiner Feststellung. Die methodistischen Kirchen und die Württembergische Landeskirche hatte durch ihre Regelungen von 1928 Erfahrungen in der formalen Gestaltung der zwischenkirchlichen Beziehungen. Der Stuttgarter Oberkirchenrat antwortete der Geschäftsstelle der ACK mit einem ausführlichen Bericht und verwies auf die im Amtsblatt veröffentlichten Bestimmungen. Gegen die vorgeschlagene Regelung meldeten die Stuttgarter nun aber grundsätzliche Bedenken an. Sie erklärten: »Die staatliche Regelung des Aus- und Übertritts in Württemberg hat sich bewährt und in vielen Fällen wegen der notwendigen Überlegungsfrist dazu geführt, dass ein übereilt angemeldeter Kirchenaustritt nicht vollzogen wurde. Wir verkennen dabei nicht, dass der seelsorgerlichen Einwirkung des zuständigen evang. Geistlichen auf den Austrittswilligen in der Frage, ob er auf seinem Entschluss zum Austritt beharrt, wesentliche Bedeutung zukommt.«52

Ein Problem sah der Oberkirchenrat auch darin, dass mit dem ACK-Vorschlag der kirchliche Austritt dem staatlichen vorgeordnet werden sollte. »Wir haben bei dem gegenwärtigen Stand der Beziehungen zwischen den Landeskirchen und den Freikirchen ernste Zweifel, ob die darin liegende Erleichterung des Übertritts zu einer Freikirche als allgemeine Regelung im Verhältnis zu den Freikirchen zweckmäßig erscheint. Keinesfalls könnten wir zustimmen, dass der Übertritt ohne vorherige Abmeldung bei der bisherigen Gemeinde zugelassen wird.«53

Am Schluss wird empfohlen, »von einer Regelung auf der Grundlage der Vorschläge der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland Abstand zu nehmen.«54 Das eigentliche Problem, der »Übertritt ohne Austritt vor einer weltlichen Behörde«, im Grunde der Überweisung von einer Kirche an eine andere, ist in der ACK gar nicht weiter behandelt worden. Innerhalb der Landeskirchen fehlte dazu eine Neigung, die kirchenrechtlichen Voraussetzungen 52 Schreiben Ev. Oberkirchenrat Stuttgart vom 8. Mai 1951, LKA Stuttg. A 126/354 (Abschrift). 53 Ebd. Hervorhebungen im Original. Es ist bezeichnend, dass die Stellungnahme lediglich einen »Übertritt zu einer Freikirche« thematisiert, aber die heute nicht seltene Richtung von der Freikirche zur Landeskirche jedoch nicht in die Erwägungen einbezieht. 54 Schreiben Ev. Oberkirchenrat Stuttgart vom 8. Mai 1951, LKA Stuttg. A 126/354 (Abschrift).

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zu schaffen. Dagegen enthielt die Kirchenordnung der methodistischen Kirche eine diesbezügliche Regelung. In dem Abschnitt »Mitgliederüberweisung« lautet der Text: »Ein Prediger soll auf Ersuchen einem unbescholtenen Mitglied, das sich einer anderen evangelischen Kirche anschließen will, einen Mitgliedschein oder ein Empfehlungsschreiben ausstellen.«55

Die Zeit für eine derartige gegenseitige Anerkennung mit der Möglichkeit der Überweisung von Kirchengliedern war noch nicht reif. Auch in Zukunft werden sich theologische Einsichten in kirchenrechtlichen Ordnungen niederschlagen müssen. Das wird in der überwiegenden Zahl der Fälle aber nur bilateral möglich sein. Im Falle voller Kirchengemeinschaft ist die Möglichkeit der Überweisung eine geradezu selbstverständliche Konsequenz..

2.2.5 Strittige Amtshandlungen Im September 1952 verschickte die ACK an die Mitgliedkirchen ein Schreiben, in dem das Problem »strittiger Amtshandlungen« aufgegriffen wurde.56 Solange benachbarte Pastoren noch kein gegenseitiges Einverständnis gesucht hatten, wenn z. B. ein Kirchenglied bestattet werden sollte, das zwei Konfessionen angehörte, kam es leicht zu zwischenkirchlichen Problemen. Es gab auch Fälle, in denen ein landeskirchlicher Pfarrer kein Verständnis dafür hatte, wenn ein Freikirchler einen kirchenlosen Menschen bestattete. War früher besonders in kleineren Ortschaften und Dörfern eine Art Prestigekampf mit einer solchen Bestattung von »Doppelmitgliedern« verbunden, so wuchs durch die gegenseitige Akzeptanz auf der Basis der ACK ein entspannteres Vertrauensverhältnis. Schwieriger war die Situation, wenn ein Kirchenglied einer Landeskirche nach einem neuen geistlichen Impuls ein erneutes Taufbegehren in einer täuferischen Gemeinde erfüllt fand. Kompliziert wurde dies besonders bei Mitarbeitern in landeskirchlichen Diensten. Solche seltenen Fälle bedurften und bedürfen heute immer noch gemeinsamer Klärungen. Für Trauungen, bei denen einer der beiden Partner einer Freikirche, der andere einer Landeskirche angehörte, gab es zu jener Zeit keine zwischen55 Kirchenordnung der Methodistenkirche, Gekürzte [deutsche] Ausgabe 1954, Frankfurt/M. 1954, § 88, Abs. 6, 59. Wie schwierig dieses Problem zu lösen ist, zeigt auch der Dokumentationsband einer ACK-Tagung von 2003, hrgg. v. Athanasios Basdekis u. Klaus Peter Voß, Kirchenwechsel – ein Tabuthema der Ökumene? Frankfurt/M. 2004. Auch: Karl Heinz Voigt, Angstfreien theologischen Dialog führen. Kirchenübertritt ohne staatlichen Kirchenaustritt – ein ernüchternder Rückruf ? In: KNA-ÖKI Nr. 10 (9. März 2004), 15 – 19. 56 Rundschreiben an die Mitgliedskirchen der ACK vom 19. 9. 1952 betr. strittige Amtshandlungen. In: KJ 82. Jg. (1955), 380 f.

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Zeit der Konsolidierung und Stagnation

kirchlichen Vereinbarungen. Die Vorstellung von »Konfessionen-verbindenden Ehen« lag noch nicht im Blickfeld. Es war jedoch unausgesprochen die tradierte parochiale Meinung, dass das Recht für den Vollzug einer Trauung immer beim Ortspastor liegt. Noch 1978 erklärte die VELKD in einer offiziellen Stellungnahme öffentlich: »Evang.-luth. Christen sollten nicht an methodistischen Abendmahlsfeiern teilnehmen.« Umgekehrt war »(D)ie Gastweise Zulassung von methodistischen Christen zum Heiligen Abendmahl im allgemeinen unbedenklich«, was immer dies hieß.57 Zwischenkirchliche Lehrgespräche, die sich an diese »Stellungnahme« anschlossen, führten auf einen lutherischen Vorschlag später zu Kanzelund Abendmahlsgemeinschaft, was theologisch im Sinne von Leuenberg als volle Kirchengemeinschaft verstanden wurde. Allein dieser Vorgang zeigt, wie notwendig das zwischenkirchliche Gespräch ist und wie viel mehr es ausrichten kann als briefliche Mitteilungen. Auf freikirchlicher Seite gab es auch in anderen Fragen ein Stirnerunzeln. Eine davon betraf die Studentenarbeit. Von Anfang an haben insbesondere baptistische und aus den methodistischen Kirchen kommende Jungakademiker aktiv in der Studentenarbeit mitgewirkt und später als Altakademiker die Tagungen mitgestaltet.58 Die Deutsche Christliche Studentenvereinigung (DCSV) war eine der wenigen ökumenischen, von einer Kirche unabhängigen Organisationen. Aber schon im Dezember 1945 sicherte sich die EKD ohne Absprache mit anderen Kirchen durch einen Ratsbeschluss die Zuständigkeit.59 Das entsprach genau dem Selbstverständnis der EKD.

2.2.6 Zulassung freikirchlicher Religionslehrer an öffentlichen Schulen Ein Dauerbrenner in den Beziehungen zwischen Landeskirchen und Freikirchen war die Zulassung von Religionslehrern aus den Freikirchen zur Erteilung eines evangelischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen. Die Probleme ergaben sich nicht nur aus den Vorstellungen der einzelnen Landeskirchen mit ihren unterschiedlichen Bekenntnisschriften, sondern auch durch unterschiedliche theologische Positionierung unter den Freikirchen. Eine nicht zu leugnende Skepsis bestand ständig gegenüber Lehrern und Lehrerinnen aus täuferisch positionierten Gemeinden. Aber auch die unterschiedliche Gesetzgebung in den einzelnen Bundesländern schuf bei Ortswechseln freikirchlicher Prediger wirksam werdende Verunsicherungen. 57 VELKD (Hg.), Handbuch Religiöse Gemeinschaften, Gütersloh 19781, 83. 58 Vgl. Kap 1. 11. 4. 59 Prot. EKD-Rat, Bd. 1 (1995), 280.

Das Zusammenwirken in der ACK – erste Phase: Rückblicke

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Die ACK beschäftigte sich über einen längeren Zeitraum mit dem Problem freikirchlicher Religionslehrer an öffentlichen Schulen. Für die Freikirchenvertreter ging es vor allem darum, für ihre Studierenden der Fächer Pädagogik und Religion eine eindeutige Regelung zu erreichen. Es gab genügend junge Menschen, die aus innerer Überzeugung das Fach Religion studieren wollten, dazu aber eine ökumenisch und rechtlich gesicherte Perspektive wünschten. Im Hintergrund standen auch frühere Erfahrungen, die solche Personen, die nicht einer Landeskirche angehörten, als Bürger zweiter Klasse vom Staatsdienst ausschlossen. Jedoch handelte es sich hier in den meisten Bundesländern nicht um einen Staatsdienst, sondern um ein spezielles landeskirchliches Privileg. Man darf nicht unterschätzen, dass es aus den Freikirchen genügend Lehrer gab, die das lutherische Verständnis von Beruf als Berufung teilten. Aber gerade das war besonders in lutherisch geprägten Kirchen ein Problem. Sie lebten nämlich in der Sorge: überzeugende Persönlichkeiten in Lehrberufen sind gleichzeitig auf natürliche Weise »Missionare«. Es gab die Befürchtung, Mission werde nicht als Einladung zu einem Leben aus dem Glauben verstanden, sondern sie werde als Abwerbung für eine bestimmte Gemeinde oder Kirche missbraucht. In der Debatte um die Zulassung freikirchlicher Lehrkräfte erklärte Oberkirchenrat Edo Osterloh, der in der Kirchenkanzlei Hannover dieses Referat verantwortete, es sei abgesehen von einer »allgemeinen fachlichen und persönlichen Qualifikation« notwendig, dass der »im Einzelfall« zugelassene Religionslehrer sich »verpflichtet, (a) sich im Religionsunterricht an den vom Landeskirchenamt genehmigten Stoffplan zu halten und (b) [dass er] auf jede Werbung für seine Freikirche und auf die Verkündigung von Sonderlehren verzichtet.«60 Der Oberkirchenrat thematisierte die aufgeworfene Frage anlässlich einer Tagung mit den Schulreferenten der Landeskirchen. Als Ergebnis fasste er zusammen: Eine verpflichtende »Bindung« zur Einstellung wird auch bei der Anerkennung der beiden genannten Grundsätze »von allen Landeskirchenleitungen grundsätzlich abgelehnt.« Eine Rechtssicherheit war für freikirchliche Religionslehrer also selbst an staatlichen Schulen nicht zu erreichen. Selbst bei Anerkennung der beiden oben genannten Kriterien, so Osterloh, »ergeben sich Schwierigkeiten daraus, dass gerade charaktervolle und tief überzeugte Lehrer auch dann für ihre Freikirche werben, wenn sie dies gar nicht beabsichtigen und auch nicht davon sprechen.« Allerdings gebe es bisher keine Beschwerden bei den Kirchenleitungen. In einer gewissen Zwickmühle sah sich der EKD-Referent, denn »in vielen Landeskirchen besteht großer Mangel an geeigneten Religionslehrern.« Er schlug daher vor, die Freikirchen mögen Studienräte mit Fakultas der Kirchenkanzlei namhaft machen, um sie solchen Landeskirchenleitungen weiterzumelden, »bei 60 Prot. ACK vom 2. März 1951, 1. EZA 2/5317.

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Zeit der Konsolidierung und Stagnation

denen Bedarf besteht.«61 Man kann sicher sein, dass dieser umständliche Behördenweg sich nicht als praktikabel erwiesen hat und alles andere war als eine vertrauensvolle, ökumenische Lösung. Die Stellungnahme erweckt den Anschein, als sei es besser, auf qualifizierte Lehrer zu verzichten, als möglicherweise durch das christliche Lebenszeugnis eines Unterrichtenden aus der Menge der Kirchenglieder ein Kind an eine andere Denomination »zu verlieren«. Vor den geistlichen Sorgen standen kirchenrechtliche Probleme. In einer bald folgenden ACK-Sitzung legte eine Kommission, die aus Professor Otto Schmitz, Seminardirektor Hans Luckey und Otto von Harling bestand, einen Entwurf zur »Zulassung freikirchlicher Lehrer zum Religionsunterricht« vor. Nachdem in einer weiteren Sitzung ein gemeinsamer Text für ein Rundschreiben angenommen und verschickt wurde, lag in den darauf eingehenden Antworten das Dilemma auf der Hand. Es zeigte sich eine Vielfalt der Vorstellungen innerhalb der EKD, die von der Unterstützung durch den Berliner Bischof Dibelius bis hin zur klaren Absage aus Bayern und Baden reichte. Daraufhin hat die Vereinigung Evangelischer Freikirchen, die sich schon oft um die Religionslehrer gesorgt hatte, einen Schulausschuss gebildet, um einen anderen Weg zu finden. Unter der Leitung des hochengagierten Studienrats Dr. Alfons Siegel aus Lünen/Westf. bildete sich eine »Lehrerarbeitsgemeinschaft der evangelischen Freikirchen«, die Freizeiten für Pädagogen durchführte, Rundbriefe verschickte, aber vor allem als eine gemeinsame Interessenvertretung agierte. Sie hatte 373 Lehrerinnen und Lehrer aus den vier VEF-Mitgliedskirchen erfasst. Als Erfolg konnte sie verbuchen, dass es mit der Rheinischen und der Westfälischen Landeskirche zu Vereinbarungen kam. Danach waren die Freikirchen selber berechtigt, ihren Lehrerinnen und Lehrern nach der vorhandenen Vokationsordnung die kirchliche Bevollmächtigung zu erteilen, die dann der landeskirchlichen Kirchenleitung übersandt wurde. Die Bemühung, ihre Lehrer »vor Nachteilen zu schützen, die ihnen aus ihrer Freikirchlichkeit erwachsen könnten«,62 führte hier zum Erfolg. Der Vorgang zeigt, wie divergierend in den verschiedenen Regionen Deutschlands durch die unterschiedlichen Bekenntnisgrundlagen der Landeskirchen damals der ökumenische Handlungsraum und die gegenseitige ökumenische Akzeptanz noch war. Insgesamt sechs Problembereiche, die teilweise Jahrzehnte das zwischenkirchliche Verhältnis belasteten, sind nacheinander von der ACK aufgearbeitet worden. Endlich waren Gespräche miteinander möglich, die manche Tür in eine ökumenische Zukunft öffnen konnten. Selbst wenn es hier und da noch hakte, 61 Alle Zitate ebd. 62 Alfons Siegel, Bericht über öffentlichen Schuldienst. In: Bericht des 11. Freikirchentages 1952, Kassel o. J. (1952), 28.

Die Vertretung gemeinsamer Anliegen

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eine gemeinsame Plattform war geschaffen. Damit hatte sich die ACK eines Teils der in den Richtlinien gegeben Aufgaben in konkreter Weise angenommen und entsprechende Entwicklungen eingeleitet. Sie war aber auch an ihre Grenzen gestoßen. Das Mandat war nicht geklärt und der neue ökumenische Geist, der zu neuen Schritten motiviert und bewegt, war noch nicht überall eingezogen. Von der ACK verabschiedete Stellungnahmen63 1. Wort christlicher Kirchen in Deutschland für einen rechten Frieden und gegen die Zerreißung des deutschen Volkes (10. März 1948). 2. Rundschreiben an die Mitgliedskirchen betreffend Begräbnisfeiern freikirchlicher Gemeinden auf landeskirchlichen Friedhöfen (25. Febr. 1949). 3. Richtlinien zur Überwindung der Schwierigkeiten, die sich aus dem Nebeneinanderarbeiten verschiedener christlicher Kirchen an einem Ort ergeben (29. April 1949). 4. Ein Wort der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland zum Kampf der politischen Systeme und Mächte (29. April 1949). 5. Stellungnahme zu einer Anfrage des Bundesministers des Innern, betr. Rechtsschutz für Kriegsdienstverweigerer aus Gewissengründen (13. 10. 1950). 6. Rundschreiben an die Mitgliedskirchen betr. Regelung des Übertritts von einer zur andern Kirche (21. Dez. 1950). 7. Rundscheiben an die Mitgliedskirchen betr. Zulassung freikirchlicher Lehrer zum Religionsunterricht (12. Sept. 1951). 8. Rundschreiben an die Mitgliedskirchen betr. Ökumene in der Ortsgemeinde (21. Nov. 1951). 9. Rundschreiben an die Mitgliedskirchen betr.: Strittige Amtshandlungen (19. Sept. 1952). 10. Die Theologie und Praxis der christlichen Taufe – 13 gemeinsame Thesen und zwei weiterhin trennende Fragen, in denen es keinen Fortschritt gab (1955 – 1958).

2.3

Die Vertretung gemeinsamer Anliegen

Der langfristig am zaghaftesten umgesetzten Aufgabe, die in den Richtlinien mit »Vertretung gemeinsamer Anliegen nach außen und in der Öffentlichkeit«64 beschrieben war, gilt nun die Aufmerksamkeit. Die bereits angedeutete Zurückhaltung ergab sich zweifellos auch mit aus der ungleichen Ausgangslage der ACK-Mitgliedskirchen. Die Minderheiten wären gerne aktiver in die Teilnahme an der gesellschaftlichen Mitverantwortung eingestiegen und gingen unausgesprochen von der Frage aus: Was können wir alles gemeinsam tun? Die EKD hatte sich im Gegensatz zu früheren Zeiten als ein respektabler und respektierter Partner des Staates erwiesen und fragte eher anders herum: Was müssen wir gemeinsam tun? Der frühe Ansatz mit dem gemeinsamen »Wort christlicher Kirchen in Deutschland für einen rechten Frieden und gegen die Zerreissung des 63 Alle folgenden Richtlinien sind dokumentiert in: KJ 82. Jg. (1955), Gütersloh 1956, 370 – 381. 64 ACK- Richtlinien § 4 Abs. 5.

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deutschen Volkes« war in Verbindung mit der konstituierenden ACK-Sitzung in Kassel am 10. März 1948 ein hoffnungsvoller Anfang.65 Ihm folgten jedoch nur wenig weitere gemeinsame »Vertretungen nach außen«. Die frühesten, wohl unumgänglich notwendigen, werden nun aufgegriffen. Es geht um die damaligen Konfliktfelder Wiederbewaffnung, Kriegsdienstverweigerung, Militärseelsorge und Eidesfrage. Die damit zusammenhängenden ethischen Fragen hatten für die Freikirchen nicht nur eine unterschiedliche Gewichtung, sondern sie waren auch in einigen Punkten kontrovers besonders zur Haltung in den Landeskirchen, wenngleich auch die Debatten an den Synoden unterschiedliche Positionen unmissverständlich zum Ausdruck brachten. Aber es waren teilweise andere Fragestellungen und geschichtliche Verortungen, von denen die Freikirchen, unter ihnen die traditionelle Friedenskirche der Mennoniten, her kamen.66 Es ist verständlich, wenn eine in der Meinungsbildung führende Kirche nicht gerne neben sich einer Stimme Raum gibt, die andere Erwägungen und Argumente in die Debatte einbringen will. Als Jahrzehnte später aus dem Bereich der Landeskirchen die Frage aufgeworfen wurde: »Warum müssen denn die Freikirchen eine eigene Vertretung bei der Bundesregierung haben?« und umgehend die Ergänzung folgte: »Wir nehmen doch eure Interessen mit wahr!«, stellte sich die Frage: Ist die volle Handlungsfreiheit von Freikirchen wie ein Dorn im Auge oder sind sie inzwischen so angepasst, dass sie ohne eigenes Profil erscheinen? Das kann nur – auf beiden Seiten – auf ein Missverständnis dessen zurückgehen, was Ökumene meint.

2.3.1 Kriegsdienstverweigerung und Militärseelsorge Mit der Annahme des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949 war verfassungsrechtlich festgelegt: »Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden« (GG Art. 4,3). Die EKD-Synoden von 1950 und 1952 hatten sich für den Schutz der Kriegsdienstverweigerer ausgesprochen und die Fürsprache der Kirche zugesagt. Innerhalb der methodistischen Kirche wurde seit 1952 weltweit die Forderung erhoben, »daß alle Glieder der Methodistenkirche, die um ihres Gewissens willen den Kriegsdienst verweigern, von allen Formen der militärischen Ausbildung oder des Militärdienstes befreit sind.« Bei der Umsetzung dieser Forderung »dürfen sie mit der […] Unterstützung der Kirche rechnen.«67 65 »Wort christlicher Kirchen in Deutschland…«. In: Prot. EKD-Rat Bd. 1 (1997), 414 f. 66 Martin Greschat, Der Protestantismus in der Bundesrepublik Deutschland (1945 – 2005), KGE IV/2, Leipzig 2010, 60 – 66. 67 Kirchenordnung der Methodistenkirche, Frankfurt 1954, 208. Diese weltweit gültige Passage

Die Vertretung gemeinsamer Anliegen

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Die ACK wurde zunächst vom Bundesinnenministerium um Stellungnahme zum Rechtsschutz für Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen gebeten. Nach der Beratung wurde dem Ministerium im Oktober 1950 die Stellungnahme zu geleitet. Damit kam von Anfang an auch die Stimme der ganz unterschiedlich positionierten Nicht-EKD-Mitglieder zum Tragen. Das war besonders für die mennonitischen Gemeinden in der Tradition der Friedenskirchen wichtig. Danach befasste sich die ACK im Dezember 1950 erneut mit dem komplexen Themenfeld. In der Sitzung teilte Hermann Kunst, EKD-Bevollmächtigter am Sitz der Bundesregierung und von 1956 bis 1972 Militärbischof, mit, dass inzwischen ein Entwurf für ein Gesetz zur Kriegsdienstverweigerung ausgearbeitet sei. Er sei einzelnen Persönlichkeiten der evangelischen und römisch-katholischen Kirche, die der Bundesminister persönlich ausgewählt habe, übermittelt worden. Später wurde der ÖRK eingeschaltet und eine mennonitische Empfehlung zum »Aufbau eines Wehrersatzdienstes« besprochen. Seitens der ACK wurde gefordert, gleich wie die beiden schon einbezogenen Kirchen »auch die Arbeitsgemeinschaft zu beteiligen, da dieser Kirchen angehören, die an dieser Frage schon aufgrund ihrer Geschichte ganz besonders stark interessiert seien und auch über besondere Erfahrungen verfügen.«68 Es ist bezeichnend, dass die ACK sich selber einschalten musste. Das war um so erstaunlicher, weil man dort wusste, dass an den Bonner Gesprächen kirchliche Vertreter mitwirkten, von denen man erwarten konnte, dass sie die Bundesbehörde zu einer Einladung dieser besonderen Minderheitenkirche veranlassen. Nach einem Bericht über die Arbeiten an einem Wehrgesetz, den Hermann Kunst der ACK am 27. Juli 1951 gab, sei auf der anderen Seite, dem federführenden »Amt Blank« – dem späteren Verteidigungsministerium – Graf Baudissin an der Auffassung der Kirche zu diesen Fragenkomplex interessiert und würde eine Besprechung mit Vertretern der Kirchen begrüßen. Daraufhin beschloss die ACK, »ihre nächste Sitzung im Haus des Bevollmächtigten des Rates der EKD in Bonn zu halten und am Nachmittag zum Gespräch ins Bundeskanzleramt zu wechseln.«69 Martin Niemöller brachte in diese Bonner Sitzung am 8. September 1951 neueste Informationen aus dem Zentralausschuss des ÖRK mit, der kurz zuvor getagt hatte. Der erste Gesprächspunkt war die Frage einer zukünftigen Handhabung der Eidespraxis. Es war klar, dass sich dazu der mennonitische Vertreter Schowalter als Mitglied einer Friedenskirche ins Gespräch einbrachte. Mennoniten lehnten die Eidesleistung »immer entschieden« ab. Zwar habe es in der Frage des wurde von der Generalkonferenz 1952 in San Fransisco, Cal., bestätigt, an der Bischof J. W. Ernst Sommer und eine Anzahl Delegierte aus Deutschland teilgenommen haben. 68 Prot. ACK vom 1. Dez. 1950, 6. EZA Best. 6/5317. 69 Prot. ACK vom 27. Juli 1951, alles unter dem Tagesordnungspunkt »Kriegsdienstverweigerung«. EZA, Best. 6/5317, 2.

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Kriegsdienstes ein Wanken gegeben, aber selbst im NS-Staat seien Mennoniten vom üblichen Eid befreit gewesen. Innerhalb der EKD gab es zur Eidesfrage verschiedene Meinungen. Niemöller wusste, dass der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts in Göttingen, Professor Rudolf Smend, für die Ablegung eines Eides eintrat. Hermann Kunst, der in den Verhandlungen mit der Bonner Regierung eine zentrale Rolle spielte, stellte die Frage, ob man angesichts der fortgeschrittene Säkularisierung wirklich anstreben wolle, »die Vereidigung [solle] als ein unzeitgemäßer Überrest der Vergangenheit beseitigt werden«.70 Nach seiner Einschätzung war eine christliche Durchdringung des Abendlandes noch möglich und hierfür solle »der Eid als Brückenpfeiler bewahrt werden.« Oberkirchenrat Edo Osterloh, der als Gast von der EKD-Kirchenkanzlei an dieser Sitzung teilnahm und der später ebenfalls mit Sondierungsgesprächen seitens der EKD, »die von Anfang an verdeckt und heimlich verliefen«,71 befasst war, hielt es für richtig, »wenn auf eine Vereidigung überhaupt verzichtet werde.« Es wurden im weiteren Verlauf der ACK-Sitzung die Themen »Kriegsdienstverweigerung«, »Überprüfungsverfahren«, »Ersatzdienst« und »Wehrmachtsseelsorge« beraten. Am Nachmittag traten als Gäste von der »Dienststelle Blank«, die Herren Wolf Graf von Baudissin und der frühere Oberst HansWolfgang von Fabeck in die Sitzung ein. Nachdem Niemöller ihnen das Ergebnis des Vormittagsgesprächs vermittelt hatte, nahmen Graf Baudissin, Edo Osterloh und Hermann Kunst dazu Stellung. Bischof Sommer, der ebenfalls erst am Nachmittag zur ACK gestoßen war, fügte noch hinzu, »Keinesfalls sollte es wieder Feldgeistliche im Offiziersrang geben« und die Bestellung der Militärseelsorger dürfe nicht allein den Landeskirchen vorbehalten bleiben.72 Sommer war ein Verfechter der Gleichrangigkeit und Gleichbehandlung der Kirchen, hatte aber bei dieser Forderung offensichtlich nicht die Konsequenzen für die West-Ost-Einheit seiner Kirche bedacht. Für ihn hieß Gleichrangigkeit auch nicht, immer im Gleichschritt zu handeln. Aber ob eine Beteiligung angenommen oder abgelehnt werde, das müsse jeweils die betroffene Kirche selber entscheiden dürfen. Die am 22. Februar 1957 mit dem sog. Militärseelsorgevertrag geregelte Beziehung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Evangelischen Kirche in Deutschland wurde am 8. März 1957 durch ein Kirchengesetz zur evangelischen Militärseelsorge kirchlicherseits bestätigt. Hier war ein weiterer innerkirchlicher Rechtsakt notwendig, denn noch handelte die EKD für alle 70 Prot. ACK vom 8. Sept. 1951, diesmal mit dem Vermerk »Vertraulich!« und einer Anzahl von Gästen zu den anstehenden Themen. Daraus auch die nächsten Zitate. 71 Martin Greschat, Der Protestantismus in der Bundesrepublik Deutschland (1945 – 2005), KiE IV/2, Leipzig 2010, 61. 72 Prot. ACK-Sitzung vom 8. Sept. 1951, 4.

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Gliedkirchen, also auch die östlichen.73 So erfolgte 1958 die Entlassung der Gliedkirchen in der DDR aus der Verantwortung dieses Vertrages, über den die unter Dibelius’ Einfluss stehende Kirchliche Ostkonferenz nicht glücklich sein konnte.

Die Frage der Militärseelsorge in den Freikirchen Die Bundesleitung des baptistisch geprägten Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) hat zunächst eine Mitarbeit in der Militärseelsorge grundsätzlich bejaht. Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen überließ dem BEFG den möglichen Einsatz eines den Freikirchen gemeinsam zugestandenen Militärseelsorgers.74 Ähnlich war die Kirchenkonferenz der Evangelischen Gemeinschaft für eine Kooperation offen, was im Ostberliner Referat für Kirchenfragen schon bald registriert worden war.75 Die gemeinsame freikirchliche Haltung zur Militärseelsorge wurde dann aber doch um der West-Ost-Einheit willen, die dem inzwischen gewählten Bischof Friedrich Wunderlich stets besonders wichtig war,76 in eine andere Richtung weiterentwickelt. Im Bericht des Vorstands an die Freikirchenkonferenz 1960, die in Zwickau (!) tagte, hieß es: »Zwischen der EKiD und der Bundesrepublik Deutschland ist am 22. September 195777 ein Vertrag abgeschlossen worden, der die evangelische Militärseelsorge regelt. Obgleich Militärbischof Prälat D. Kunst den Freikirchen anbot, in diesen Vertrag einzutreten, haben wir grundsätzlich darauf verzichtet. Wir wollen unabhängig von diesem Vertrag unsere Soldaten betreuen.«78 Die Freikirchen ernannten sechs Pastoren aus den vier VEF-Mitgliedskirchen, die zu den sechs Wehrbereichsdekanen jeweils im Interesse aller freikirchlichen Soldaten Kontakte halten sollten. Zur Koordination wurde im Rahmen der Vereinigung Evangelischer Freikirchen eine gemeinsame Arbeitsgruppe »Soldatenbetreuung« gebildet. Es bleibt zu bemerken, dass der Geschäftsführer der ACK als Beobachter an einer Tagung über Rechtsschutz für Kriegdienstverweigerer und noch 1954 an einer Besprechung im Amt Blank über Fragen der kommenden Gesetzgebung teilgenommen hat. Er selber bemerkte dazu: 73 Zur Verfahrensrechtslage hinsichtlich der künftigen Gestaltung der Militärseelsorge (mit Rückblick auf die Entstehung der Rechtslage von 1957/58). In: Axel Frhr. v. Campenhausen/ Christoph Thiele, Göttinger Gutachten II (1990 – 2000), Tübingen 2002, 5 ff. 74 Bundespost des BEFG 1/1956, 11 (Auszüge von Heinz Szobries, 6.) 75 Ulrike Schuler, Die Evangelische Gemeinschaft, 323 f. 76 Karl Heinz Voigt, Friedrich Wunderlich – ein Brückenbauer Gottes, Stuttgart 1982, 147 – 159. 77 Richtig ist 22. Februar 1957. BGBl 1957 II, 1229. 78 Heinrich Wiesemann, Bericht des Vorstands an die 15. Konferenz der evangelischen Freikirchen, Tagungsbericht, Witten 1961, 12.

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»Auch hierbei war das gemeinsame Anliegen, das es im Sinne der Richtlinien zu vertreten galt, nicht die Geltendmachung bestimmter gemeinsamer Auffassungen zu den einzelnen Problemen einer etwaigen Wehrgesetzgebung, sondern es war dafür einzutreten, daß auch die in Lehre und Tradition begründeten besonderen Anliegen kleiner Freikirchen Beachtung fanden. Es darf nebenbemerkt werden,« fuhr der ACK-Geschäftsführer Otto von Harling fort, »daß ein solches Handeln aus gemeinsamer Verantwortung für jedes einzelne Glied der ökumenischen Gemeinschaft aller christlichen Kirchen gerade auf weltliche Stellen unter Umständen einen stärkeren Eindruck macht als die bloße Demonstration einer hinter den Kulissen mit Hilfe von Kompromißformeln ausgehandelten und in der Regel nicht sehr tragfähigen Übereinstimmung in Sachfragen.«79

Der ganze Komplex dieses Themenbereiches ist in mehrfacher Hinsicht sowohl politisch als auch ökumenisch bemerkenswert. Es soll an anderer Stelle erneut darauf zurückgegriffen werden. Hier ist zunächst festzuhalten, dass die Freikirchen durch die ACK vertreten wurden. Die EKD hat von der in der Satzung vorgesehenen Vertretung gemeinsamer Interessen zu keiner Zeit gebraucht gemacht. Das ist in diesem Falle verständlich. In anderen Fragen wären die Freikirchen gerne mitberatend am Tisch gewesen.

2.3.2 Regelung des Mitbestimmungsrechts Mit der Einführung der Sozialen Marktwirtschaft wurde 1952 die bisherige Gesetzgebung in der Mitbestimmung obsolet. Es kam zu neuen Verhandlungen über die Gestaltung eines Betriebsverfassungsgesetzes. In dieser Sache lud das Bundesarbeitsministerium zu einer Besprechung ein. In einem Schreiben an Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Dibelius die Aufnahme eines speziellen Artikels über die Religionsgemeinschaften gefordert.80 An den Beratungen nahmen Vertreter der Bundesministerien des Innern, der Justiz und für gesamtdeutsche Fragen teil. Die Behörden hatten die EKD, die Römisch-katholische Kirche und die ACK eingeladen. Sie bejahten in Einigkeit das Recht auf Mitbestimmung. Aber den Akt der Gesetzgebung über die inhaltliche Gestaltung innerhalb der kirchlichen Einrichtungen reklamierten sie für ihre kirchlichen Parlamente. Sie erhoben den Anspruch, auf der Basis der im Grundgesetz garantierten Autonomie das zukünftig bei ihnen geltende Recht selber zu beschließen. Es waren je vier römisch-katholische und landeskirchli-

79 Otto von Harling, Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland. In: KJ 82. Jg. (1955), 368. 80 Prot. EKD-Rat, Bd. 5 (2005), 319 f.

Förderung des theologischen Gesprächs zu Klärung und Verständigung

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che Vertreter und neben dem Alt-Katholiken fünf Freikirchler erschienen.81 Als Ergebnis dieser Beratung stellten der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Dibelius, Kardinal Frings als Vorsitzender der Bischofskonferenz und Heinrich Wiesemann, als VEF-Vorsitzender entsprechende Anträge, die über Bundeskanzler Adenauer und Arbeitsminister Anton Storch in den Arbeitsprozess der Regierung einflossen.82 Im Vordergrund steht hier die Tatsache, dass die ACK erstmals und fast einmalig als eigenständiger Partner die Stimme der Freikirchen im Konzert der anderen Kirchen laut werden lassen konnte. Zwar war die ACK eingeladen, die Vertretung erfolgte aber praktisch über die VEF. Deren Vorsitzender, dessen Kirche nun gerade keine ACK-Mitgliedskirche ist, nahm eigenartigerweise die ACK-Vertretung wahr. Natürlich war den beiden sog. Großkirchen daran gelegen, in dieser sich später als heikel erweisenden Entscheidung eine ökumenische Einmütigkeit zu erreichen. Für die Freikirchen war der Erfolg des Gesprächs nicht ohne Belang, weil ihre zahlreichen diakonischen Einrichtungen zu dieser Zeit Mitglieder der Inneren Mission waren, die sich erst 1957 als Diakonisches Werk neu konstituierte.

2.4

Förderung des theologischen Gesprächs zu Klärung und Verständigung

Für das theologische Gespräch war von Anfang an ein enger Rahmen gesetzt. Die Begrenzung auf das »Ziel der Klärung und Verständigung«83 ist zwar aus jener Zeit der Anfänge verständlich. Aber es täuscht darüber hinweg, dass es nur wenige Experten gab, die sich mit den theologischen Grundanliegen der einzelnen Freikirchen auskannten. Es herrscht der Eindruck vor, als seien die Freikirchen pauschal als eine Einheit, nämlich »die Freikirchen« gesehen worden, obwohl sie teilweise fast gegensätzliche theologische Ansätze für ihr Selbstverständnis haben. Und noch schlimmer ist, dass es gar keinen Versuch gab, sie aus ihrer theologischen Existenz heraus zu kennen und zu bewerten. Über Jahre hatte die ACK eine Art Nachholbedarf zu decken. Von 1949 bis 1955 gaben die einzelnen Mitgliedskirchen Selbstdarstellungen. Damit war einerseits eine konfessionskundliche Grundlage geschaffen und andererseits eine Vertrauensebene unter den Teilnehmern der ACK-Sitzungen gewachsen, die den Weg zum theologischen Diskurs geebnet hatte. Der erste Schritt vom Streitgespräch zum Dialog war getan. 81 Alle Namen im Vertraulichen Bericht Otto von Harlings vom 5. Juni 1951. In: Prot. EKD-Rat, Bd. 5 (2005), 316 f. 82 Heinrich Wiesemann, Bericht am 11. Freikirchentag 1952, Tagungsbericht, Kassel o. J., 10 f. 83 Richtlinien ACK § 4.2.

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Zeit der Konsolidierung und Stagnation

Zwei miteinander korrespondierende Themenfelder traten in den frühesten theologischen Gesprächen in den Vordergrund. Zwischen 1955 und 1958 wurde die Theologie und Praxis der christlichen Taufe von theologisch kompetenten Vertretern unterschiedlicher Positionen diskutiert. In acht Referaten, davon einige von Universitätsprofessoren wie Ernst Wolf und Joachim Jeremias (beide Göttingen), dem Baptisten Johannes Schneider (Berlin), Walter Kreck (Bonn), aber auch unter der Beteiligung von ACK-Mitgliedern wie Professor Werner Küppers (Bonn), Hans Luckey (Hamburg) sowie von Gästen aus den Lutherischen Freikirchen (Pastor Rehe, Frankfurt/M.), wurde der Themenkreis weit gefasst. Allein die Tatsache, dass wohl erstmals in einem ökumenischen Gremium eine solche Erörterung stattfand, war ein Fortschritt. Natürlich stand die Frage »Kindertaufe oder Gläubigentaufe?« im Vordergrund. Am Ende kam es zu 13 gemeinsamen Thesen und zwei weiterhin trennenden Fragen, in denen es keinen Fortschritt gab. Der baptistische Hauptvertreter Hans Luckey schrieb rückblickend: Es »kann sein, daß solange korrigiert wird, bis alles ›todrichtig‹ ist. Dann aber ist es höchste Zeit, daß man aufhört. So war es auch in der A. G. K.«, wie Luckey die ACK im Kürzel damals bezeichnete.84 Der Taufdiskussion folgte von 1957 bis 1961 ein längerer Prozess zur Frage des Kirchenverständnisses. In zehn Referaten fast aller vertretenen Denominationen wurde der Frage nachgegangen »Wie sieht jede unserer Mitgliedskirchen sich selbst im Lichte des Neuen Testaments?« Am Ende wurde die kirchliche Vielfalt erkennbar : Es waren Unterschiede in der Lehrtradition, die sich zwischen den protestantischen und der alt-katholischen Kirche zeigten, nämlich die Bedeutung der Überlieferung, das Verständnis des Amtes, die Anzahl und das Gewicht der Sakramente und schließlich das Verständnis der Einheit der Kirche Christi. Als Schwerpunkte der Akzentsetzung zwischen den verschiedenen Kirchen bzw. Gemeindebünden zeigten sich als zentrale Themen die Art der Aufnahme in die Gliedschaft der Kirche- bzw. der Gemeinde, das Verhältnis von Einzelgemeinde und Gesamtkirche und traditionell das Verhältnis von Kirche und Staat. Insgesamt ist überraschend, wie wenig die Frage des Abendmahls in das umfassende Thema einbezogen wurde. Ebenso in der Rückschau stellt sich die Frage, warum der Deutsche Ökumenische Studienausschuss (DÖSTA), der inzwischen ein Instrument der ACK war, in diesen Prozess nicht einbezogen wurde. Vielleicht gibt die Chronik des DÖSTA eine Antwort. Sie zeigt, wie zu jener Zeit dessen Hauptaufgabe darin bestand, die Themen der Vollversammlungen des ÖRK vorzubereiten und deren Ergebnisse anschließend aufzuarbeiten. Außerdem standen Themen des ÖRK-Zentralausschusses auf der Ta-

84 Hans Luckey, Zwei Jahrzehnte deutscher Ökumene in freikirchlicher Sicht. In: KJ 94. Jg. (1967), 393.

Beratung und Vermittlung bei Meinungsverschiedenheiten

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gesordnung. Die inhaltliche und personale Beziehung zwischen ACK und DÖSTA fiel damals kaum ins Gewicht.85 Es scheint so, als seien die theologischen Gespräche in der ACK mehr eine ökumenische Weiterbildung für die Teilnehmer gewesen, als dass die Debatten eine Wirkung über den kleinen Kreis der ACK-Delegierten hinaus gehabt hätten. Es lag noch nicht das große Ziel der Gestaltung der bereits geschenkten Einheit im Blick. Die Delegierten scheinen in einer gewissen Selbstgenügsamkeit froh gewesen zu sein, dass die Probleme der Vergangenheit überwunden schienen. Das war schon ein riesiger Fortschritt für die ehemals bedrängten Vertreter der Freikirchen. Zunächst übte sich die kleine Zahl der durch ihre Delegierung Privilegierten im theologischen Dialog über Kirchen- und Konfessionsgrenzen hinweg. Kein Wunder, dass in der Rückschau diese Phase der ACK mit einem »theologischen Seminar« verglichen wurde.86

2.5

Beratung und Vermittlung bei Meinungsverschiedenheiten

Der Satzungsauftrag »Beratung und Vermittlung bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einzelnen Mitgliedern«87 zeigt an, dass die Zeit des beiderseitigen Ignorierens endgültig vorüber sein sollte. Das schloss keinesfalls Meinungsverschiedenheiten aus, verpflichtete aber zu gemeinsamen Gesprächen, um mindestens einen versöhnlichen Weg in gegenseitigem Respekt zu erreichen. In der Regel handelte es sich um Fragen, die nicht die großen Konferenzen bewegen, die aber einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die ökumenische Gemeinschaft am Ort haben können. Es kam immer wieder vor, dass es in Ortsgemeinden zu Spannungen, Missverständnissen und erklärungsbedürftigen Entscheidungen kam. Manchmal hatten die Kinder darunter zu leiden. Wie viele hat es gegeben, die Jahre hindurch eine freikirchliche Sonntagsschule besucht hatten, bevor sie zum landeskirchlichen Konfirmanden-Unterricht gingen. Der Gottesdienstbesuch war nun eine Pflicht, damit sie den »Stempel« auf die von den Konfirmanden benutzte Anwesenheitskarte bekamen. Im Laufe der Zeit akzeptierten mehr und mehr Pfarrer den Besuch eines freikirchlichen Gottesdienstes, aber anfangs gab es Irritationen und Unverständnis. In anderen Fällen reichte schon die missionarische Initiative einer Freikirche oder die Verteilung von Einladezetteln zu besonderen Veranstaltungen von Haus zu Haus, um den Pfarrer auf den Plan zu 85 Erich Geldbach, Der Deutsche Ökumenische Studienausschuss (DÖSTA), Chronik der ersten fünf Jahrzehnte, Frankfurt/Paderborn 2010, 23 – 43. 86 Vgl. Kap. 3.2.4. 87 Richtlinien ACK § 4..3.

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Zeit der Konsolidierung und Stagnation

rufen. Es kam sogar vor, dass ein Lehrer von einer staatlichen Behörde wegen seiner Zugehörigkeit zu einer Freikirche nicht angestellt wurde. Der Lehrer wandte sich an den Vertreter seiner Kirche in der ACK. Der wiederum setzte sich mit Kirchenpräsident Niemöller in Verbindung, dessen Intervention schließlich die Anstellung ermöglichte. In anderen Fällen wurden Sozialarbeiterinnen für kirchliche Kindergärten nicht angestellt, weil sie einer Freikirche angehörten. Das war nicht immer Schikane, sondern die Unkenntnis von Kirchenbeamten, welche die ökumenische Entwicklung nicht verinnerlicht hatten. Solche Vorgänge wurden, wenn sie bekannt waren, in zunehmendem Maße durch persönliche Kontakte schnell und unbürokratisch aus der Welt geschafft. Vereinzelt gab es immer noch »Zwischenfälle auf Friedhöfen«. Wenn schon ein aus der Landeskirche Ausgetretener von einem freikirchlichen Pastor bestattet werden sollte, dann sei im Einzelfall ein Gespräch zwischen den Verantwortlichen der betroffenen Gemeinden notwendig, damit »das brüderliche Verhältnis zwischen den beteiligten Gemeinden nicht aus solchem Anlass gestört wird.«88 Die Bewertung eines solchen Vorgangs wurde immer von den beteiligten Personen bestimmt. Einmal war der Pfarrer dankbar, dass ein freikirchlicher Kollege eine Aufgabe, die er nach seiner Ordnung nicht ausführen durfte, übernahm, ein anderes Mal sah der Pfarrer einen Eingriff in seine Rechte, selbst wenn sich die Angehörigen im Einvernehmen mit dem inzwischen Verstorbenen für die Beisetzung durch einen freikirchlichen Pastor entschieden hatten. Gerade diese Vorgänge zeigen, wie entscheidend die persönlichen Beziehungen der Verantwortlichen die ökumenische Wirklichkeit prägen.

2.6

Die Notwendigkeit einer zweiten Ebene

Über mehrere Jahre hatte sich die ACK als eine kleine Arbeitsgemeinschaft von kirchenleitenden Persönlichkeiten regelmäßig getroffen. Sie war bemüht, das ökumenische Klima zu verbessern. Es scheint, dass es für die kleinen Freikirchen mit ihren kirchlich integrierten Gliedern leichter war, die ökumenischen Anliegen an die Basis zu transportieren, als dies den EKD-Vertretern selbst im Hinblick auf die Pfarrerschaft gelingen wollte. Es stellte sich daher die Frage einer mindestens regionalen zweiten Ebene.

88 Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, Rundschreiben an die Mitglieder vom 19. September 1952, betreffend strittige Amtshandlungen. In: KJ 1955 (82. Jg.), Gütersloh 1956, 381.

Die Notwendigkeit einer zweiten Ebene

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2.6.1 Erste flankierende Regionalkonferenzen Um einen Basis-Kontakt herzustellen, wurde schon im Dezember 1948 ein Beschluss gefasst, Regionalkonferenzen durchzuführen, die von den Mitgliedskirchen beschickt werden sollten. Zuerst zielten sie 1948 auf die Nacharbeit der Amsterdamer ÖRK-Gründungskonferenz hin. Die Leiter und Referenten dieser Konferenzen wurden zentral auf die Mitarbeit an sechs geplanten Regionalkonferenzen vorbereitet. Sie fanden nacheinander in Treysa (21.–24.2.), Rummelsberg (7.–10.3.), Karlsruhe-Durlach (14.–17.3.), Bremen (19.–22.3.) Darmstadt (21.–24.3.) und Berlin (28.–31.3.) statt. Dort nahmen auch Delegierte aus sieben östlichen Landeskirchen teil. In manchen Regionen kam es erstmals zu Begegnungen zwischen landeskirchlichen und freikirchlichen Pastoren. Zusammen mit Delegierten aus den Führungsebenen der Landeskirchenämter waren fast überall Teilnehmer aus der Brüder-Unität, dem Bund Ev.-Freik. Gemeinden, von den Mennoniten, den Methodisten und weiter von den Alt-Katholiken vertreten. Eigenartigerweise nahm nach den Protokollen an keinem Ort ein Vertreter der Evangelischen Gemeinschaft teil. Bei der Weiterführung der Regionalkonferenzen wurden in den folgenden Jahren ökumenische Dokumente diskutiert, z. B. die »Toronto-Erklärung« des Zentralausschusses von 1950 zu dem Thema »Die Kirche, die Kirchen und der Ökumenische Rat der Kirchen«. Es ging darin um die weitere Klärung der ekklesiologischen Bedeutung des ÖRK. Das war auch in Deutschland ein notwendiger Prozess, denn damals entzündete sich die Debatte um die »Superkirche«, die konservative Gruppen mahnend an die Wand malten. Es ging aber auch um die »nicht-theologischen Faktoren«, die den Prozess der Einheit beeinflussen können. Alle regionalen Tagungen befassten sich im Vorfeld der zweiten ÖRK-Vollversammlung 1954 in Evanston mit deren Thema »Jesus Christus die Hoffnung der Welt«. Veranstalter der regelmäßig durchgeführten »Regionaltagungen« war bezeichnenderweise noch die von aus Genf in Frankfurt installierte Ökumenischen Centrale (ÖC). Sie bereitete in Verbindung mit der ACK die Programme vor, lud die Referenten ein und sorgte für eine ausreichende finanzielle Ausstattung. Es war im Ansatz immer noch eine Ökumene »von oben«. Alle ACK-Kirchen der jeweiligen Region waren durch die Geschäftsstelle der ÖC/ACK eingeladen. Manche Teilnehmer kamen regelmäßig, so dass sich persönliche Beziehungen entwickeln konnten. Freikirchlichen Teilnehmern tat die Gemeinschaft wohl, denn es war für sie eine neue Erfahrung, einmal nicht als verschwindend kleine Minderheit dazustehen. Umgekehrt war es für landeskirchliche Theologen ungewohnt, sich einerseits nicht in selbstverständlichen und gewohnten Mehrheitsverhältnissen vorzufinden und andererseits mit theologischen Aspekten konfrontiert zu sein, die in ihren Studien – wenn überhaupt – nur eine geringe Rolle gespielt hatten. Allein der Nachholbedarf an konfessionskundlichen

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Kenntnissen war beträchtlich. Der persönliche Einsatz der Mitarbeiter aus der ACK und der Ökumenischen Centrale war vorbildlich. Durch ihre Vermittlung kamen zahlreiche Besucher zu den frühen regionalen ACK-Tagungen. Um diese Besuche und den Austausch zwischen den deutschen Kirchen und denen in Großbritannien zu fördern, wurde vom britischen Hochkommissariat »der Einsatz nicht geringer Mittel« erbracht.89 Ein bemerkenswerter Aspekt ist die Rolle der verschiedenen Religious Affairs Branches (RAB) der westlichen Militärregierungen. An fünf von sechs Konferenzen im Jahr 1949 waren sie gastweise anwesend.90 Ihre Teilnahme zeigt, wie hoch die westlichen Besatzungsmächte den Beitrag der Kirchen an der erhofften demokratischen Entwicklung in ihren Gebieten einschätzten und darum die Kirchen unterstützten. Zugleich hatten sie ein nachdrückliches Interesse an Religionsfreiheit und an einer Gleichstellung der unterschiedlichen Kirchen unabhängig von ihrer Größe. Um dieses Ziel zu erreichen, wandten sie erhebliche finanzielle Mittel für die Entwicklung der ökumenischen Basis in Deutschland auf.91 Ein Außerordentlicher Haushaltsplan der Ökumenischen 89 Wilhelm Menn, Ökumenische Bewegung seit Amsterdam. In: KJ 1950, 282. 90 Um diese Verschränkung mit den entsprechenden Abteilungen der westlichen Militärregierungen und zugleich das internationale, durch den ÖRK unterstützte Interesse zu dokumentieren, folgt hier eine Übersicht der Teilnehmenden für das Jahr 1949. Anwesend waren: (1) In Treysa: Prof. Dr. Theodore Bachmann, Leiter des Religious Affairs Branch (RAB) in Württemberg, dazu Prof. Pauck aus Chicago, der Anglikaner Rev. Etherington und Pastor ten Kate von der Holländisch-Reformierten Kirche. Angemeldet waren Propst Högsbro vom ÖRK aus Genf und Dr. Donovan, Vertreter des RAB der Amerikanischen Militärregierung mit Sitz in Wiesbaden. – (2) Auf dem Rummelberg nahmen teil: von der amerikanischen Militärregierung aus Stuttgart wieder Prof. Bachmann und aus München Prof. Schnieders, dazu Rev. Scherzer von einer der lutherischen Kirchen in den USA. (3) In Karlsruhe war der Feldbischof Marcel Sturm als Vertreter der kirchlichen Abteilung der französischen Militärregierung in Baden-Baden angesagt, erkrankte aber. – (4) In Darmstadt waren wieder die Professoren Bachmann und Donovan als Vertreter des RAB anwesend, zeitweise auch Rev. Martin O. Dietrich von der Lutheran World Federation, ein ungenannter Anglikaner. Rev. Maxwell von der Episcopal Church USA hielt einen Vortrag über die ökumenische Zusammenarbeit in seiner Heimat. (5) In Berlin, wo sich die ausländischen Gäste die Türklinke in die Hand gaben, nahm aus verständlichen Gründen (Viermächtestatus) an der Tagung kein Gast einer Militärregierung teil. Der Genfer Besucher Propst Högsbro hatte Flugprobleme. – (6) Nach Bremen schließlich, damals amerikanische Enklave im Bereich der Britischen Zone, war Rev. Kingdom als Vertreter des RAB der britischen Militärregierung gekommen. Außer ihm war Propst Högsbro als ÖRK-Vertreter anwesend, dazu der anglikanische Bischof Stephen Neill (zusammen mit Ruth Rouse Autor einer frühen Geschichte der Ökumenischen Bewegung), sowie Prof. Bergendoff von der AugustanaKirche in den USA. 91 Davon profitierten u. a. auch die Evangelischen Akademien als Zentren der Re-Education, die kirchliche Jugendarbeit als Ort der Einübung demokratischer Lebens- und Organisationsformen, die Frauenarbeit zur Entwicklung eines veränderten Rollenverständnisses. Auch die Mitwirkung aller Kirchen an den Rundfunkanstalten ist hier zu erwähnen. In diesem Zusammenhang ist auch der Hinweis auf das ›Military Government-Germany‹ angebracht.

Die Notwendigkeit einer zweiten Ebene

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Centrale von 1952 wies 27.160,00 Mark aus, die aus Mitteln der RAB-Gelder in Hessen und vermutlich aus Stuttgart geflossen waren.92 Anfang 1950 gab von Harling als Leiter der Ökumenischen Centrale in der ACK-Sitzung bekannt, dass durch Vermittlung Prof. Dr. Bachmanns von der Abteilung Religious Affairs auch in diesem Jahr erhebliche Mittel für die Durchführung weiterer zwischenkirchlicher Konferenzen zur Verfügung gestellt würden.93 Diese Finanzierungszuflüsse haben die ÖC über einen mehrjährigen Zeitraum in die Lage versetzt, das Projekt der Regionaltagungen konsequent durchzuführen.

2.6.2 Das Fehlen eines tragfähigen Unterbaus Zu den frühen Strukturproblemen muss man auch rechnen, dass die ACK in den einzelnen Landeskirchen keinen Unterbau hatte. Die EKD nahm nur teilweise die ihr zustehenden Mandate wahr. Es waren also keine Landeskirchen, sondern landeskirchliche Konfessionsfamilien in den ACK-Sitzungen anwesend. Hinzu kam, dass der ACK-Vorsitzende Niemöller besonders in die lutherischen Landeskirchen hinein durch seine sperrige und forsche Art, aber auch durch seine unmissverständliche Sprache in theologischen Fragen kein diplomatischer Vermittler war. Anfang 1951 machte Bischof J. W. Ernst Sommer den Vorschlag, »zuweilen Tagungen mit einem größeren Teilnehmerkreis zu veranstalten.«94 Das war nicht gerade im Sinne Niemöllers, der schon früher Eingriffe in »seine« ACK und in sein Kirchliches Außenamt abgewehrt hatte. Aus Sommers Anregung entwickelte sich trotz einiger Skepsis der Plan, im Thomashof der Mennoniten bei Karlsruhe solche Begegnungen zu veranstalten. Mit einigen Verzögerungen kam es dann im Juni 1952 zur ersten Tagung. Dazu wurde um die Teilnahme von Bischof Hanns Lilje aus Hannover geworben, um die Mitarbeit des engagierten Stuttgarter Prälaten Hartenstein, Prof. Schmitz sollte eine Bibelarbeit halten, und der damalige Oberkirchenrat Hans-Heinrich Harms wurde um ein Referat über die künftige Arbeit der ACK gebeten. An Stelle von Unitätsdirektor Renkewitz, der nicht kommen konnte, sollten Kirchenpräsident Ernst Pieper oder Superintendent Richard Leger, einen entsprechenden Beitrag aus freikirchlicher Sicht beisteuern. Es wird das Bemühen erkennbar, der kleinen ACK durch die Begegnung mit kirchenleitenden Persönlichkeiten über die ACK-Delegierten Durch dessen Abteilung ›Informations Control‹ haben christliche Verlage Lizenzen für Zeitschriften und Genehmigungen für kirchliche Druckwerke – gelegentlich auch die Bereitstellung von Papier – unabhängig von der Größe einer Konfession erhalten. 92 Außerordentlicher Haushaltsplan der Ök. Centrale. EZA Best. 6/5317 93 ACK-Prot. vom 14.. März 1950, 8. EZA Best 6/5317. 94 ACK-Prot. vom 2. März 1951, 3. EZA Best. 6/5317.

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und das Kirchenamt hinaus eine bessere Verankerung in den Landeskirchen selber zu verschaffen, um dadurch die Akzeptanz der ACK zu stärken. Mindestens zwei solcher Treffen haben stattgefunden, an denen sich kirchenleitende Landeskirchler und Freikirchler 1952 und 1953 zu jeweils einer ökumenischen Plattform im Thomashof trafen.

2.6.3 Das Ökumenische Komitee Stuttgart als Vorreiter95 Der weiteste Schritt einer frühen Regionalisierung erfolgte in Württemberg. Dort kam es durch »die Initiative der Kirchlichen Abteilung beim amerikanischen Hohen Kommissar zur Errichtung des Ökumenischen Komitees Stuttgart«.96 Franklin H. Littell, der in Stuttgart für den Religious Affairs Branch der Militärregierung tätig war, hat die erste Tagung im März 1950 begleitet und an den Folgetagungen selber auch dieses und jenes Referat gehalten.97 In einer zweiten Zusammenkunft dieser ökumenischen Initiative wurde unter dem Vorsitz von Prälat Karl Hartenstein offiziell ein »Ökumenisches Komitee Stuttgart« gegründet. Ihm gehörten Theologen der beiden Landeskirchen in Baden und Württemberg und aller ACK-Mitgliedskirchen an, außerdem der Bund Freier evangelischer Gemeinden und die Heilsarmee. Das Komitee beschloss, nach den Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland zu arbeiten, sich aber nicht organisatorisch daran zu binden, da durch persönliche Verbindungen Kontakte bestanden. Der Herrnhuter Unitätsdirektor Heinrich Renkewitz hielt zunächst den Kontakt. Bald danach wurden durch den Austausch der Protokolle beider Gremien die Beziehungen konkret ausgestaltet. Die zweite Zusammenkunft des Ökumenischen Komitees Stuttgart fand bereits vom 30. Mai bis zum 2. Juni 1950 in der Evangelischen Akademie Bad Boll statt. In den folgenden Jahren wurden diese Begegnungen wiederholt. Man kann 95 Eigenartigerweise ist dieser frühe regionale Anfang ökumenischer Arbeit in Vergessenheit geraten. Es ist nicht einmal erwähnt in: (1) Johannes Ehmann (Hg.) 30 Jahre Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Baden-Württemberg – 1973 – 2003. Ökumenische Wege in Geschichte, Gegenwart und Zukunft, Reutlingen o. J. (2003). (2) Klaus Bümlein, Marc Feix, Barbara Henze, Marc Lienhard (Hg.), Kirchengeschichte am Oberrhein. Ökumenisch und grenzüberschreitend, Ubstadt-Weiher 2013. 96 Franklin H. Littell, Kirche und Sekte mit besonderer Berücksichtigung Deutschlands. In: ÖR 3. Jg. (1954), 61. 97 Der methodistische Professor für Kirchengeschichte, Franklin H. Littell, wirkte vor seiner Mitarbeit bei der US-Militärregierung als Professor an den Universitäten von Michigan und Boston. In Deutschland war er viele Jahre als Kontaktmann der US-Kirchen in Deutschland tätig, zeitweise war er Vorsitzender des ökumenischen Arbeitskreises des Ev. Kirchentags. Er förderte die Arbeit der Evangelischen Akademien. 1957 verlieh ihm die Universität Marburg die theologische Ehrendoktorwürde.

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davon ausgehen, dass Littell für die Tagungen wieder Zuschüsse des Religious Affairs Branch vermittelte. Bereits die ersten Tagungen nahmen internationale ökumenische Impulse auf, verorteten sie als Ökumene am Ort und führten zu konkreten Schritten.98 Im Amtsblatt der Württembergischen Landeskirche vom 22. 5. 1951 wurde ein Erlass veröffentlicht, der mit den Worten beginnt: »Mit der Ökumenischen Weltkonferenz von Amsterdam im August 1948 ist das Verhältnis der Freikirchen zu den Landeskirchen in ein neues Stadium getreten.« Der Erlass des Stuttgarter Oberkirchenrats von 1951 führte weiter aus: »Die evangelische Christenheit in Deutschland sollte heute nicht mehr in einem Gegeneinander von Landeskirchen und Freikirchen Kräfte binden, die für den Dienst des Evangeliums an der Welt freigesetzt werden müssten. Wenn die evangelische Christenheit in Deutschland bisher das Nebeneinander lutherischer, reformierter und unierter Konfession zu ertragen hatte, so wird sie in Zukunft die Frage zu beantworten haben, ob sie nicht auch ihr Verhältnis zu den Freikirchen in einer neuen Weise gleichzeitiger Gemeinsamkeit und Abgrenzung regeln müßte. Die Zeit des alten staatskirchlichen Denkens ist vorüber. Nachdem die [früher im Text] genannten Kirchen und Glaubensgemeinschaften sowohl im Weltrat der Kirchen als in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland als auch im Ökumenischen Komitee Stuttgart zusammenarbeiten, entspricht es nicht mehr der Sach- und Rechtslage, die Kirchen und Glaubensgemeinschaften als Sekten zu bezeichnen. Auch unleugbare schwere geschichtliche Belastungen oder örtliche Auseinandersetzungen zwischen Landeskirche und Freikirchen sollten nicht dazu verführen, die Freikirchen mit dem Namen ‹Sekte‹ zu diffamieren. Wohl werden immer wieder Spannungen unvermeidlich sein, wenn die Behauptung des eigenen kirchlichen Besitzstandes als Endzweck angesehen wird und die Werbung sich nicht an die dem Evangelium Fernstehenden wendet, sondern an die lebendigen Glieder der anderen kirchlichen Gemeinschaft. Um so mehr wird es darauf ankommen, die vorhandenen Schwierigkeiten mit dem unverletzten Gewissen im Geiste der Wahrheit und der Liebe zu überwinden und auch der beiderseitigen Gemeindearbeit zur inneren Freiheit zu verhelfen.«99

In diesem Text kommen die Gespräche von zwei vorausgegangenen Tagungen zur konkreten Wirkung. Die zweite bereits erwähnte begann in der Pfingstwoche Ende Mai 1950 in Bad Boll und kam zu dem Ergebnis, dass »eine eingehende Neubesinnung über die Fragen des Verhältnisses von Landeskirchen und Freikirchen […] geleistet werden müsse.«100 Zur Tagung in Bad Boll waren unter dem 98 Kirche und Freikirche, Entschließung der Teilnehmer der Tagung von 1950. LKAStuttg. Best. A 126 BU 1208, 145. 99 Über das Verhältnis der Landeskirche zu den Freikirchen. Zum Gebrauch der Begriffe »Freikirche« und »Sekte«. Erlass des Ev. Oberkirchenrats vom Mai 1951. In: Amtsblatt der evangelischen Landeskirche in Württemberg, Bd. 34, Nr. 32, 275 – 278. Hervorhebungen im Original. Auch: Manuskript LKA Stuttg. A 126/354. 100 Ebd.

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Thema »[Landes-]Kirche und Freikirche« Teilnehmer aus den Landeskirchen in Württemberg und Baden entsandt. Neben den Alt-Katholiken haben alle vier damaligen VEF-Mitglieder, der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten), die Methodistenkirche, die Evangelische Gemeinschaft und auch der Bund Freier evangelischer Gemeinden Teilnehmer entsandt, obgleich er an den Sitzungen der ACK nur gastweise teilnahm.101 Der in Württemberg wirkende Prediger A. Eisenberg unterzeichnete sogar eine Absichtserklärung über die weiteren Schritte der dortigen ökumenischen Beziehungen. Dieses von allen zur Teilnahme bereiten Kirchen unterzeichnete Dokument führte bald nach der Tagung zur ordentlichen Bildung des »Oekumenischen Komitees Stuttgart«. In der Entschließung der Tagungsteilnehmer wurden die Themenfelder der Referate erfasst. In einem Vortrag über »Die Urchristenheit als ökumenische Gemeinschaft« legte der Züricher Professor Eduard Schweizer die Fähigkeit des Urchristentums dar, Spannungen zwischen der Theologie des Paulus und des Jakobusbriefes auszuhalten. Sie akzeptierte sogar, dass Paulus den Galatern über die Beschneidung anderes schrieb, als er selber an Timotheus praktizierte. Nach dem alt-katholischen Ökumeniker Professor Werner Küppers sprach der Methodist Friedrich Wunderlich über »Die Grenze zwischen Kirche und Sekte«. Im nachfolgenden »Rundgespräch« wurden die in der ACK aktuellen Fragestellungen diskutiert: Die Möglichkeiten von Freikirchlern, als Religionslehrer angestellt zu werden, die Spannungen zwischen freikirchlicher Sonntagsschule und landeskirchlichem Konfirmanden-Unterricht, Kirchenübertritt statt Kirchenaustritt, Glockengeläut bei freikirchlichen Begräbnissen, Doppelmitgliedschaft, sogar Abendmahlsgemeinschaft.102 Die unter Prälat Hartensteins Leitung stehende Tagung fasste am Ende folgende bemerkenswerte Entschließung: »Wir, als die Vertreter der Landeskirchen und Freikirchen in Württemberg und Baden, versammelt zu einer ersten Begegnung und Aussprache über das, was uns eint, und das, worin wir uns unterscheiden, erklären: Wir fühlen uns gedrängt, ernst damit zu machen, was unsere Kirchen auf der Weltkirchentagung in Amsterdam gemeinsam bekannt haben: ›Wir sind eine Gemeinschaft von Kirchen, die Jesus Christus als Gott und Heiland bekennen.‹ Wir möchten, daß dieses Bekenntnis, das auch uns eint, unser Zusammenleben und Zusammenwirken in Zukunft neu gestalte. Wir erklären, daß unsere kirchlichen Wege in der Vergangenheit von Geschehnissen belastet waren, über die wir Leid tragen. Wir sind bereit, besser als bisher aufeinander zu hören, unsere besondere Art zu verstehen, alle unbrüderliche Kritik zu vermeiden 101 Aus Nürnberg war mit Prediger Hermann Schürenberg einer ihrer einflussreichen Prediger angereist. 102 H. L. (Hans Luckey), Das Gespräch zwischen Kirchen und Freikirchen in Bad Boll. In: WuT, hgg. von der VEF, 4. Jg. (1950), 112 f.

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und uns füreinander verantwortlich zu wissen. Im Blick auf die praktischen Fragen einer ökumenischen Zusammenarbeit in der Ortsgemeinde bitten wir unsere Kirchenleitungen zu prüfen, wie das Verhältnis von Landeskirche und Freikirche im Blick auf die Ökumene neu gestaltet werden könnte, so daß wir einander nicht zur Last fallen, sondern einander mit unseren Gaben dienen. Endlich bitten wir unsere Kirchenleitungen, Besprechungen einzuleiten mit dem Ziel, ein gemeinsames evangelistisches Zeugnis vor der Welt abzulegen, damit das Wort des Herrn sich an uns erfülle, ›daß sie alle eins seien, damit die Welt glaube, du habest mich gesandt‹. Wir schlagen vor, daß wir in jährlichen Abständen uns regelmäßig begegnen103, um unseren gemeinsamen Weg unter unserem gemeinsamen Herrn besser zu finden als in vergangenen Jahren.«104

Nicht nur die hier formulierten Bitten wirkten auf den erwähnten Erlass des Oberkirchenrats ein. Im September 1950 wurde im Rahmen einer Oekumenischen Tagung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg auch ein innerkirchlicher Erneuerungsprozess angestoßen.105 Er sollte das Ziel haben, eine Anzahl von jüngeren Pfarrern »in die geistliche, theologische und praktische Arbeit der Oekumene hereinzuziehen und die Wege zu bedenken, auf denen das oekumenische Anliegen in die Pfarrerschaft und in die Einzelgemeinde hineingetragen werden kann.« In Referaten durch Amsterdam-Teilnehmer wurden die Themen der verschiedenen Sektionen vorgestellt. Ferner wurde von der Tagung in Schmie berichtet, wie sehr Niemöllers Besuch »beiden Seiten, ihm und unserer Kirche sehr gut getan hat.« Das Thema eines »neuen Verhältnisses von Landeskirche und Freikirchen« wurde »gründlich besprochen«, und die oben erwähnte »Entschließung« wurde diskutiert. Es waren ungewohnte Töne, wenn erläutert wurde, »wie wenig […] noch in das Bewusstsein der Pfarrerschaft und der Gemeinden eingegangen war, wie die Tatsache, daß uns die großen Freikirchen der Welt, deren Glieder die Freikirchen in unserer Landeskirche sind, auf dem Boden der Oekumene als gleichberechtigte Mitgliedskirchen« begegnen. Jetzt sah man sogar die Chance, »zu einer möglichst engen organisatori103 Die nachfolgende Tagung fand vom 25. bis 28. Sept. 1951 wieder in Bad Boll statt. Es nahmen daran 16 württembergische und neun badische Theologen teil; sieben Methodisten, neun Baptisten, zehn von der Evangelischen Gemeinschaft und ein Prediger vom Bund Freier ev. Gemeinden, kamen aus dem Bereich der VEF, dazu vier Herrnhuter, je zwei Vertreter der Mennoniten, der Heilsarmee und der Alt-Katholiken. Zu den Gästen zählten Rev. Dr. Franklin Littell, Paul Peachy und Gustav Schade als Vertreter der High Commission for Germany (HICOG), die das oberste Kontrollorgan der drei Westmächte war. Die Teilnehmerliste in: LKA Stuttg. A126/3354. 104 Entschließung einer Begegnung zwischen [Landes-]Kirchen und Freikirchen in Bad Boll 1950. In: Evangelischer Botschafter 83. Jg. (1950), 207. 105 BE, Bericht an den Ev. Oberkirchenrat Stuttgart von der Oekumenischen Tagung der Ev. Landeskirche in Württemberg vom 11.–14. September im Jugendhaus Schmie bei Maulbronn. LKA Stuttg. A 126/354.

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schen [!] Verbindung mit der Evangelischen Gemeinschaft und den Methodisten zu kommen.« In Württemberg konnte man sich sogar vorstellen, die Evangelische Gemeinschaft zu einem »in der Weise der landeskirchlichen Gemeinschaften sich vollziehenden Dienst zu gewinnen.« Die Mitarbeit als Religionslehrer wurde positiv gesehen, der Sektenbegriff soll nicht mehr zur »unbrüderlichen Kritik« gebraucht werden, die Gemeinden sollten zu einer neuen Haltung hingeführt, Prediger zu Pfarrkonferenzen eingeladen und Schwierigkeiten, die durch die Sonntagsschulen entstehen, sollen dergestalt beantwortet werden, dass die Kinder im Konfirmanden-Unterricht »langsam und ohne Schädigung aus den freikirchlichen Sonntagsschulen zu lösen« sind. Doppelmitgliedschaftsfragen, Grabgeläute, gemeinsame Verantwortung in Fragen der Kirchenzucht wurden besprochen. Selbst ein Kanzelrednertausch war nicht ausgeschlossen. »Eine stete persönliche und vertrauensvolle Begegnung von Pfarrer und Prediger sollte überall angestrebt werden, den Gemeinden von der neuen ökumenischen Lage her das Verhältnis zu den Freikirchen verständlich gemacht werden« bis hin zum gemeinsamen Zeugnis.106 Es ist kaum zu glauben, was in Amsterdam von der Weltebene bis in das Grabgeläut eines schwäbischen Dorfes hinein ausgelöst wurde. Im »Synodus« vom Dezember 1921 hatte Prälat D. Heinrich von Planck in einem Referat107 noch die Frage aufgeworfen, ob der Methodismus als »Bundesgenosse« oder als »Nebenbuhler und Konkurrent« anzusehen sei. Die Stimmung unter den Geistlichen dazu sei geteilt. Das Ideale, den Methodismus in eine »innerkirchliche Gemeinschaft verwandelt zu sehen«, wage kaum jemand zu hoffen. Daher sei ein »loyales Verhältnis« anzustreben. »Wenn dies nicht gelingt, dann ist auch ferner unsere Stellung die der Abwehr.«108 Wie anders klangen die Töne dreißig Jahre später. Aber außer dem ÖRK-Einfluss gab es noch einen anderen Impuls. Besonders die britischen und die amerikanischen Kontrollorgane der Besatzungsmächte, die in Deutschland am Prozess der Umerziehung zu einem demokratischen Staat mit den Kirchen zusammenarbeiteten, nahmen auf fast unbemerkte Weise Einfluss. Sie gaben auch finanzielle Zuschüsse, u. a. auch für die oben erwähnte ökumenische Tagung der Landeskirche, die mit DM 1.500,00 aus dem Kulturfonds der Amerikaner gefördert wurde, wodurch »die ganze Verpflegung den Amtsbrüdern umsonst gegeben werden konnte.«109 Man kann davon ausgehen, dass eine »Theologische Arbeitstagung«, die über 90 Pastoren des Bundes Ev.– Freikirchlicher Gemeinden, der Methodistenkirche 106 Ebd. 107 Referat des Herrn Prälaten D. von Planck auf dem Synodus im Dezember 1921. LKASt. Best. A 26, 505 (2), 3. 108 Ebd., 9. 109 BE, Bericht von der Oekumenischen Tagung vom 11.–14. September im Jugendhaus Schmie bei Maulbronn. LKA Stuttg. A 126/354.

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und der Evangelischen Gemeinschaft kurze Zeit vor der eben erwähnten Tagung im Freudenstädter Hotel »Teuchelwald« zusammenführte, ebenfalls durch die Verbindungen zu Franklin Littell unterstützt worden ist. Im Vordergrund dieser Tagung standen keine ausgesprochen ökumenischen Themen; aber eine Begegnung von Pastoren dieser drei Freikirchen, die es so auch noch nicht gegeben hatte, muss man allein schon als einen ökumenischen Schritt bezeichnen. Professor Littell hielt selber einen Vortrag zu seinem Lebensthema »Glaubensfreiheit«.110 Damit war es ihm gelungen eine lebhafte Debatte über die Mitgestaltung des öffentlichen Lebens durch die Freikirchen auszulösen.111 Mit dem »Ökumenischen Komitee Stuttgart«, das keinesfalls auf die Landeshauptstadt begrenzt blieb, sondern länderübergreifend wirkte, ist eine sehr frühe regionale Arbeit eingeleitet worden, die sich von allen anderen Regionaltagungen dadurch unterschied, dass sofort eine eigenständige Entwicklung einsetze, während die anderen Regionaltagungen von der Ökumenischen Centrale organisiert und auch thematisch bestimmt und geleitet wurden. Außer in Württemberg gab es um 1950 auch eine »Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen, Freikirchen und kirchlichen Gemeinschaften im Saarland«, die aber kaum eine öffentliche Wirkung erzielte.

2.7

Verörtlichung und Veränderung

2.7.1 Ökumene und Allianz am Ort Im Zusammenhang der Debatte um die »Ökumene in der Ortsgemeinde« wurde die Frage nach der Bildung von »territorialen [gemeint sind auf regionaler, auf landeskirchlicher Ebene] und lokalen ökumenischen Arbeitsgemeinschaften nach dem Vorbild der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen« aufgeworfen. Aus diesen Überlegungen erwuchs der Beschluss, Kontakte mit der Evangelischen Allianz aufzunehmen, da sie bereits über starke örtliche Strukturen des Zusammenwirkens verfügte. Damit wurde auch die Überlegung angestoßen, wie eine einvernehmliche Lösung der Zweigleisigkeit zwischen Allianzgebetswoche und ökumenischer Gebetswoche für die Einheit der Christen zu finden sei. Der ACK-Vorsitzende Martin Niemöller wurde beauftragt, »mit der Allianzleitung für Deutschland Fühlung zu suchen.«112 Es ist sofort erkennbar, mit wieviel Fingerspitzengefühl die neu aufbrechende 110 Franklin H. Littell, Von der Freiheit der Kirche, Bad Nauheim 1957. 111 E. Bamberger, Theologische Arbeitstagung im Kurhaus »Teuchelwald« Freudenstadt (Schwarzwald). In: Ev. Botschafter, 83. Jg. (1950), 341 f. 112 Prot. ACK-Sitzung vom 1. Dez. 1950, EZA Best. 6/5317.

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Aufgabe einer Ökumene am Ort anzugehen war. Man rührte dabei nicht nur alte Probleme zwischen Kirchen an, um die sich jetzt die ACK kümmerte. Aus altkatholischer Sicht stellte sich die Frage nach der Rolle der römisch-katholischen Kirche. Die Alt-Katholiken selber mussten lernen, mit dem Frömmigkeitsstil der Freikirchen und der Gemeinschaftsbewegung umzugehen. Andrerseits bestand die Gefahr, die seit Jahrzehnten gewachsene zwischengemeindliche Gemeinschaft von Freikirchen mit allianzbereiten landeskirchlichen Pfarrern zu beschädigen. Es waren besonders der Baptist Paul Schmidt und Bischof Sommer, die in den ACK-Sitzungen ihre Stimmen für die Evangelische Allianz erhoben. Schließlich hatte diese bisher für die Mehrzahl der Freikirchen als einzige überdenominationelle Gemeinschaft auf mancher örtlichen Ebene eine quasiökumenische Zusammenarbeit ermöglicht, die durch die ACK nicht aufs Spiel gesetzt werden sollte. Sommer legte wert darauf, »dass wir keinesfalls den Eindruck erwecken dürfen, als ob die Allianz durch eine ökumenische Bewegung in der Ortsgemeinde ersetzt werden sollte.«113 Mit seiner internationalen Erfahrung wirkte er auch innerhalb der frühen Nachkriegsallianz versöhnend. Mitte 1947 flog er als neugewähltes Mitglied des Allianzvorstands nach London, um mit der internationalen Zentrale der Evangelical Alliance nach deren Bruch während der NSZeit Kontakte neu zu knüpfen.114 Sommer war Schriftausleger auf Allianzkonferenzen. Anlässlich einer Allianztagung in Karlsruhe berichtete er nach seiner Rückkehr von der Amsterdamer Weltkonferenz verbindend über »Erlebte Ökumene«. Mit Martin Niemöller, dem ACK-Vorsitzenden, eröffnete er in der Frankfurter Paulskirche im Januar 1951 die Allianz-Gebetswoche. Vorher hielt in Berlin der methodistische Superintendent Ernst Scholz, der dort viele Jahre Vorsitzender des zentralen Allianz-Vorstands war, einen Vortrag, in dem er Allianz und Ökumene zusammenhalten wollte. Ähnlich aktiv war der Hamburger Pastor Wilhelm K. Schneck, Redakteur des methodistischen Sonntagsblattes und freikirchlicher Rundfunkbeauftragter, um Brückenbau bemüht. Er hatte im Januar 1948 innerhalb der Allianzgebetswoche in einem Vortrag im Nordwestdeutschen Rundfunk die heiße Fragestellung über »Die Einheit der Kirchen und die Evangelische Allianz« entfaltet. Aus der methodistisch geprägten Evangelischen Gemeinschaft wiederholte Johannes Schempp d. J. im Allianzvorstand im April 1947 einen Vortrag, den er schon vorher in Hamburg zu dem Thema »Allianz und Ökumene« gehalten hatte. »Allianz ist immer eine Voraussetzung echter Ökumene«, hatte das methodistische Sonntagsblatt dar-

113 Prot. ACK-Sitzung vom 2. März 1951, 3. EZA Best. 6/5317. 114 Karl Heinz Voigt, Die Evangelische Allianz nach 1945. In: FF Bd. 20 (2011), 235 – 285. Darin auch die weiteren Angaben.

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über berichtet.115 Das von Schempp eingebrachte Thema wurde in der nächsten Sitzung des Allianzvorstandes erneut behandelt, diesmal als Gegenpol von einem führenden Vertreter der innerlandeskirchlichen Gemeinschaftsbewegung aus Bad Liebenzell. Sie nahm damals schon eine ökumene-kritische Position ein, die später im Zuge der aufkommenden evangelikalen Bewegung deutlicher ins öffentliche Blickfeld rückte. Die Beziehung zwischen Ökumenekritikern und Ökumenikern war auch in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) nicht frei von Spannungen. Wie es innerhalb der EKD unübersehbare Unterschiede in der praktischen Ausgestaltung der innerdeutschen Ökumene gab, erlebten in deren Windschattten auch die oft als Block betrachteten Freikirchen der VEF mit ihren unterschiedlichen Ansätzen116 Beunruhigungen gerade durch ihre gegensätzlichen Positionen in ökumenischen Fragen. Sie werden an anderer Stelle behandelt.117

2.7.2 Regionale Entwicklungen In seinem Bericht über drei regionale Arbeitstagungen der ACK legte der DÖSTA-Vorsitzende Lic. Menn, dar, »daß die Zusammenarbeit mit den Freikirchen sich sehr günstig entwickelt hat. Das Problem der Oekumene in der Ortsgemeinde sei auf allen drei Tagungen stark erörtert worden. […] Wo es echte ›Pioniere‹ gebe, sei der Aufbau aber ohnehin längst im Gange. Dagegen fehle es häufig an einer Fühlungnahme zwischen den offiziellen Vertretern und Amtsträgern der verschiedenen Gemeinden.«118 Diese Bemerkungen machen verständlich, warum in methodistischen Gemeinden eine gewisse Ungeduld herrschte. Nach den vielen Informationen in der Kirchenzeitung hatte man eine schnellere Wende zu praktizierter zwischenkirchlicher Offenheit erhofft. Aber die Zeit für die Organisation örtlicher Arbeitsgemeinschaften war noch nicht reif, weil es zu wenige »Pioniere« gab. Eine neue Entwicklung, die der Tatsache folgte, dass die Einheit der Kirche vorgegeben ist, konnte nicht durch die fernen Sitzungen der ACK erfolgen. Ein örtlicher Prozess der Veränderung war notwendig, aber wer sollte ihn initiieren? Vielleicht wäre alles viel schneller ge115 Bericht über die Vorstandssitzung der Ev. Allianz vom 9./10. April 1947. In: Der Evangelist, 98. Jg. (1947), 42. 116 Am Beispiel des Verhaltens in der Zeit des »Dritten Reiches« werden entsprechende Anmerkungen zur Freikirchenforschung erläutert: Karl Heinz Voigt, Freikirchen im Dritten Reich – [Grundsätzliche] Anmerkungen zur Freikirchenforschung. In: Philipp Thull (Hg.), Christen im Dritten Reich, Darmstadt 2014, 95 – 104. 117 Vgl. Kap. 2.8.3. 118 Prot. ACK vom 2. März 1951, 3. EZA Best. 6/5317.

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gangen, wenn die Erfahrungen der Vergangenheit nicht einfach verdrängt worden wären. Was würde ein gemeinsamer Gottesdienst mit einer von der ACK entworfenen Liturgie mit Buße, Vergebung und Dank für einen solchen Neuanfang in den Städten und Dörfern bewirkt haben können! Vielleicht hätten auch die Teilnehmer der ACK-Konstituierung am 10. März 1948 nicht einfach ihre Sitzung fortsetzen, sondern wenigstens einen Choral anstimmen und ein Dankgebet sprechen können. Es war eine Lücke, dass es im Bereich der ACK noch keinen Ansatz für eine ökumenische Gottesdienstkultur gegeben hat. Der Baptist Luckey hatte sicher recht, als er 1963 mahnte, die Ökumene solle nicht verwaltet, sondern gelebt werden .119 Aber früher formulierte »Richtlinien für die Überwindung von Schwierigkeiten« und das Rundschreiben an die Leitungen der Landes- und Freikirchen zur »Ökumene in der Ortsgemeinde« wurden skeptisch, teilweise sogar ablehnend aufgenommen. Wer damals ohne Unterstützung der Kirchenleitungen – wie sie etwa in Württemberg sichtbar wurde – grundlegende Veränderungen erwartet hatte, der musste enttäuscht sein.

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Nach der Konsolidierung der in der frühen Nachkriegszeit unter internationalem Einfluss teils ›mehr gesollt als gewollt‹ geschaffenen ökumenischen Strukturen, wendete sich mit der Stabilisierung von kirchlicher Verwaltung, der Normalisierung des gesellschaftlichen Lebens im Zeichen des Wirtschaftsaufschwungs und der Festigung alter Positionen in der westlichen Gesellschaft die zwischenkirchliche Entwicklung in der Bundesrepublik in eine restaurative Richtung.

2.8.1 Evangelikaler Protest und Freikirchen Durch den zunehmenden Protest unter dem Titel »Kein anderes Evangelium«, der sich zunächst gegen das von Rudolf Bultmann vertretene Programm der Entmythologisierung des Neuen Testaments wandte, danach aber zu gesamtkirchlichen Polarisierungen mit heftigen Auseinandersetzungen führte, wurde innerlandeskirchlichen Entwicklungen große Aufmerksamkeit geschenkt. Belastend für die Ökumene kam hinzu, dass die Freikirchen nicht selten pauschal der evangelikalen Protestbewegung zugeordnet wurden. Es schien eine einfache 119 Hans Luckey, Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland gestern, heute und morgen. In: ÖR 12. Jg. (1963), 255.

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Formel zu geben: Wer fromm war und seinen Glauben mit Gottesdienstteilnahme, Bibellese und dem Bekenntnis zu Jesus Christus gestaltete, der musste auch evangelikal sein. Tatsächlich waren es die methodistischen Kirchen auch von ihrem Ursprung her. Aber englisch »evangelical« zu sein war etwas anderes, als in einem deutschen innerlandskirchlichen Glaubenskampf mit heftigen Attacken Kirchenleitungen zu beschimpfen und gegen andere Frömmigkeitsformen und Kirchentage zu kämpfen. Britische Evangelikale hatten ihr Selbstverständnis nicht durch die kontinentale Theologie mit einem »Wächteramt«, das sie aus ihrer Geschichte her begleitete, geprägt, sondern von einem evangelistisch-missionarischen Auftrag, der mit einer weitausholenden diakonischen Aktivität bis ins politische Gestalten hinein120 verbunden war. Darum hat sich auch die Evangelisch-methodistische Kirche deutlich von der deutsch-evangelikalen Bewegung, die sogar Unterstützung von einer »Notgemeinschaft evangelischer Deutscher« und einer »Evangelischen Sammlung um Bibel und Bekenntnis« bekam, distanziert.121 Das war notwendig, weil alle Freikirchen ohne ökumenische Sensibiltät fast pauschal mit den kämpfenden innerlandeskirchlichen Kreisen gleichgesetzt wurden. Die sich auf die konfessionellen Bekenntnisse berufende Bewegung wirkte auch auf die Freikirchen ein, denen diese Verbundenheit von »Schrift und Bekenntnis« fremd ist. Das schuf Klärungsbedarf. Allerdings waren neue pauschale Vorurteile gegenüber den Freikirchen wach geworden, die das zwischenkirchliche Gespräch unter Vorzeichen stellte, die sich negativ auswirken mussten. Das Ökumenische Gespräch, welches Martin Niemöller einst so vorbehaltlos, ja geradezu mit Sympathie begonnen hatte, schwächte sich deutlich ab. Das neue und damit wieder alte Vorurteil über die Freikirchen und die innerlandeskirchliche Konzentration auf die eigenen Probleme führten ökumenisch auf einen Weg vom Aufbruch zur Stagnation.

2.8.2 15 Jahre ACK – Berichterstattung im Rat der EKD Zum 9. Mai 1963 war der ACK-Vorsitzende Hans Luckey, Direktor des baptistischen Predigerseminars, als Berichterstatter über die ACK in den Rat der EKD eingeladen. Das Protokoll hält ausdrücklich fest, dass er über die Tätigkeit der ACK auch »als Vertreter der in ihr mitwirkenden Freikirchen« berichtete.122 Dabei vertrat er einen für ihn persönlich typischen Standpunkt. In seiner da120 Manfred Marquardt, Praxis und Prinzipien der Sozialethik John Wesleys. Göttingen 2008, 3. überarbeitete Auflage. Stichworte sind u. a.: Armenhilfe, Wirtschaftsethik, Bildungsarbeit, Kampf gegen Sklaverei, Gefängnisreform. 121 Ev.-methodistische Kirche, Unser Verhältnis zu den Evangelikalen, Stuttgart 1976. 122 Prot. EKD-Rat, 8.–10. Mai 1963. EZA, ZA 63 / 12, Signatur EZA 2 / 1808.

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maligen baptistischen Sicht sah er die Freikirchen als Frucht der deutschen Erweckungsbewegung.123 Man kann seine Anliegen, die er vortrug, in einigen Punkten zusammenfassen: (1) der ACK-Vorsitzende, ganz gleich, ob Freikirchler oder Landeskirchler, müsse »ein Anwalt der echten zwischenkirchlichen Ökumene im deutschen Raum sein.«124 (2) Die »Ökumene zu Hause« müsse gestärkt werden, auch durch Koordination und Kooperation mit anderen ökumenischen Aktivitäten (Brot für die Welt, der Arbeitsgemeinschaft Ev. Jugend (AEJ)). (3) Kontakte zu ökumene-kritischen Kreisen müsse gesucht werden. (4) Das Erbe der Erweckungsbewegung sei in Gefahr, beiseite geschoben zu werden, z. B. durch die Integration der Mission in die Kirchen125 und die bereits vollzogene Ablösung der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung (DCSV) durch die Studentenmission in Deutschland. (5) Schließlich wäre es hilfreich, die Ökumenische Gebetswoche stärker ins Blickfeld zu rücken, damit die Glieder der Gemeinden an den ökumenischen Entwicklungen beteiligt werden. Das Ratsprotokoll referiert den Vortrag und bemerkt, die »›Ökumene zu Hause‹ [sei] noch schwach entwickelt«, jedoch gehöre eine Ablösung der ACK und die »Herausbildung eines National Council« nicht zu den zukünftigen Aufgaben. In der Diskussion ging es auch um die Frage, ob die ACK »Untergliederungen« aufbauen solle. Der Rat war jedoch der Meinung, man solle die Ökumene »nicht von oben herab institutionalisieren« und eine landeskirchlichfreikirchliche Zusammenarbeit »solle nur von Fall zu Fall stattfinden.« Vielleicht war die Beauftragung des Kirchlichen Außenamtes, auf die Ökumenische »Gebetswoche vor Pfingsten nochmals hinzuweisen«, der am Weitesten gehende Schritt. Luckeys Bitte, die ÖC um einen Mitarbeiter zu erweitern, wurde in seiner Abwesenheit durch den Vertreter des Kirchlichen Außenamtes »nicht für unbedingt erforderlich« gehalten.126 Das Ergebnis des Gesprächs konnte weder Luckey noch die Freikirchen befriedigen. Luckeys Werben für einen Fortschritt in der innerdeutschen Ökumene fand kein Echo. Eine Sammlung aller ökumenischen Aktivitäten unter 123 Die neuere Baptismus-Forschung vermittelt ein anderes Bild. Andrea Strübind, »Mission to Germany«. Die Entstehung des deutschen Baptismus in seiner Verflechtung mit der internationalen Erweckungsbewegung und den Schwesterkirchen in den USA und in England. In: Andrea Strübind/Martin Rothkegel (Hg.), Baptismus. Geschichte und Gegenwart, Göttingen 2012, 163 – 200. 124 Der Vortrag Luckeys in der Ratssitzung ist weitgehend identisch mit seinem in der ÖR veröffentlichten Aufsatz »Die Arbeitsgemeinschaft Christliche Kirchen in Deutschland gestern, heute, morgen.« ÖR 12. Jg. (1963), 252 – 256, hier : 255 f. 125 Der schwierige Prozess der Integration der Missionsgesellschaften in die verfasste Kirche, eigentlich eine ausgesprochen freikirchliche theologische Position, war 1961 infolge der Vollversammlung des ÖRK in New Delhi eingeleitet worden. 126 Alles im Prot. EKD-Rat, 8.–10. Mai 1963. EZA, ZA 63 / 12, Signatur EZA 2 / 1808. Als Vertreter des Kirchlichen Außenamts nahm Oberkirchenrat Hanfried Krüger an der Sitzung teil.

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dem Dach der ACKwar zwar eine Utopie, aber die Hoffnung auf einen regionalen Unterbau musste er begraben. Die landeskirchlichen Ökumene-Referenten blieben noch unter sich und die Beziehungen der ACK blieben auf den Kontakt mit der EKD beschränkt. Luckey war bis zu dieser Sitzung der Meinung gewesen, die Zurückhaltung innerhalb des Rates der EKD sei durch den wiederholten Wunsch aus den Freikirchen nach einem National Council entstanden. Nach seiner ausdrücklichen Rücknahme dieser Erwartung musste er lernen, dass es andere Gründe für die vorsichtigen Schritte geben musste. Merkwürdig erscheint im Rückblick, dass für die Beziehung zwischen dem Rat der EKD und den Landeskirchen in ökumenischen Fragen als Kommunikationsorgan das Kirchlichen Außenamt genutzt wurde. Die innerdeutsche Ökumene hatte offensichtlich noch nicht zu einer strukturellen Einbindung in den Organisationsplan des Kirchenamtes gefunden. Innerhalb der Vereinigung Evangelischer Freikirchen führte die Lage der innerdeutschen Ökumene zur Beunruhigung und Unzufriedenheit.

2.8.3 Ökumenische Verunsicherung unter den Freikirchen Der regulären Konferenz der Vereinigung Evangelischer Freikirchen war 1964 ein Tag vorgeschaltet, der ausschließlich der Klärung von Fragen »Zwischenkirchlicher Beziehungen in Deutschland« gewidmet war. Es stand sowohl die Zusammenarbeit der Freikirchen wie das Verhältnis zur EKD und den Landeskirchen auf dem Programm. Nach den Referaten des methodistischen Pastors Ludwig Rott, der zu dieser Zeit als freikirchlicher Referent in der Ökumenischen Centrale einen guten Einblick in den gegenwärtigen Stand der Entwicklungen hatte, und Seminardirektor Hans Luckey, damals Vorsitzender der ACK, war die ungewöhnlich lange Zeit des ganzen Nachmittags und des Abends für die Diskussion der Referate eingeplant.127 Luckey trug in seinem Referat Überlegungen vor, die er im Kern vorher in der Sitzung des Rates der EKD zur Diskussion gestellt hatte. Er würdigte den ökumenischen Fortschritt und stellte heraus, »dass das zwischenkirchliche Klima sich wesentlich gebessert hat.« Gleichzeitig klagte er darüber, »wieviel ökumenische Arbeit an den Freikirchen vorbei geschieht.« Von den internationalen Kontakten seien sie völlig »ausgeklammert«.128 Die EKD pflege über den ÖRK wohl Beziehungen zu den Freikirchen in den angelsächsischen Ländern, kaum 127 Zum Schluss der Konferenz fand ein Gottesdienst in der Hauptkirche St. Michaelis statt. Der ökumene-erfahrene Hauptpastor Hans Heinrich Harms begrüßte die Freikirchler in seiner Kirche mit herzlichen Worten. 128 Hans Luckey, Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland gestern, heute und morgen. In: ÖR 12. Jg. (1964), 252 – 256.

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aber zu deren Zweigen in Deutschland. Innerhalb der Landeskirchen werde sehr genau darauf geachtet, dass in einer Art von »innerkirchlicher Ökumene« die lutherischen, reformierten und unierten Kirchen in den ÖRK-Gremien immer angemessen vertreten seien. Aber Luckey stellte auch die Frage: Ist es richtig, wenn von den 85 ökumenischen Studienkreisen sich 60 ausschließlich aus Landeskirchlern zusammensetzen und unter sich bleiben? Auch wenn der Typ des National Council in Deutschland abgelehnt werde, könne doch die Übernahme seiner Arbeitsweise die Ökumene fruchtbarer gestalten. Luckey fragte kritisch: »Will man in den Landeskirchen wirklich ›die Ökumene zu Hause‹?« Wie im Rat der EKD regte er an, die deutsche Ökumene möge dem Phänomen des aufbrechenden Evangelikalismus, welcher auch der Ökumene gegenüber skeptisch ist, größere Beachtung schenken. Auch eine Erweiterung der ACK und eine besser durchorganisierte Ökumenische Gebetswoche standen wieder auf seiner Agenda. Der Vortrag des freikirchlichen Referenten aus der Ökumenischen Centrale, Pastor Ludwig Rott129, stellte andere grundsätzliche Fragen. In einem ersten Teil suchte er die vier in den Freikirchen unterschiedlichen ökumenischen Strömungen zusammenzuführen. Ihre gemeinsame Tradition sah er in ekklesiologischen Ansätzen. Unter dem Vorzeichen einer Krise in den Freikirchen, die auch durch die weltweit sich vollziehenden ökumenischen Einheitsbestrebungen ausgelöst sei, stellte er zunächst die Frage: »Wie stehen wir als Freikirchen zueinander?«130 Gerade das ökumenische Engagement der methodistischen Kirchen hatte die freikirchliche Gemeinschaft bereits früher einmal ins Wanken gebracht.131 In Hamburg musste erneut ein gemeinsamer Weg zwischen einer gemäßigten Ablehnung durch die Leitung der Freien evangelischen Gemeinden und dem starken ökumenischen Engagement der methodistischen Kirchen gefunden werden. »Wie wollen wir weitergehen?«, fragte Rott und warf die Frage auf: »Wäre es nicht an der Zeit, daß wir wieder ganz neu die Probleme miteinander 129 Ludwig Rott war nach dem Abschluss seiner Ausbildung zunächst Pastor an der deutschsprachigen methodistischen Gemeinde in London. Sein Auslandsaufenthalt bot ihm die Gelegenheit zur Fertigstellung seiner Dissertation über Die englischen Beziehungen der Erweckungsbewegung und die Anfänge des wesleyanischen Methodismus in Deutschland, die 1963 von der Theologischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen angenommen wurde. Einige Zeit nach seiner Tätigkeit in der Ökumenischen Centrale arbeitete Rott als Dozent im Theologischen College in Bukuru bei Jos/Nigeria, danach war er Studienleiter an der Bibelschule Wiedenest und ab 1987 wieder in Verbindung mit der methodistischen Mission am Theologischen Seminar Davuilevu auf den Fidschi-Inseln. 130 Ludwig Rott, Zwischenkirchliche Beziehungen in Deutschland in freikirchlicher Sicht. In: ÖR 13. Jg. (1964), 272 – 281 (272). Daraus alle folgenden Zitate. 131 Karl Heinz Voigt, Die Freikirchen während der Weimarer Republik. Gemeinsames Wirken und Handeln unter neuen Bedingungen. In: FF 21. Jg. (2012), 131 – 157.

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durchgehen, die noch ungeklärt zwischen uns stehen?« Angesichts einer weltweiten ökumenischen Entwicklung und »einer Art Renaissance« des Volkskirchentums sah er für die Freikirchen die Notwendigkeit, ihr Verhältnis zueinander neu zu erörtern. An welchem Einschnitt die ACK stand, wurde deutlich, als der Referent aus der Ökumenischen Centrale in Anlehnung an den amerikanischen methodistischen Ökumeniker, Bischof F. Gerald Ensley132, seine Gedanken über »Grundphasen der echten Ökumenizität« entwickelte. Rott benannte die ersten beiden Schritte als »a) Die Phase des gegenseitigen Sichkennenlernens der Kirchen, b) die Phase der gegenseitigen Anerkennung der Kirchen. – Wir in Deutschland stehen seit mindestens 16 Jahren, d. h. seit der Gründung der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen, offiziell in der ersten Phase […] des Sichkennenlernens. Eine ganze Generation landesund freikirchlicher Führer hat dieses Gespräch mit Ernst und Ausdauer geführt; hat Opfer an Zeit und Kraft und Geld gebracht; hat Aufrufe erlassen und Vorschläge unterbreitet – mit welchem Erfolg? Mit dem Erfolg, daß wir seit Jahren in der ökumenischen Arbeit keinen wirklichen Schritt weitergekommen sind. Und wir werden, grundsätzlich gesehen, auch keinen Schritt weiterkommen und zu keiner echten Ökumene in Deutschland gelangen, wenn wir nicht mindestens in die zweite Phase eintreten und uns gegenseitig als Kirchen anerkennen. Gewiß als Kirchen, die voneinander durch vieles getrennt sind; als Kirchen, die jeweils bei den anderen schwerwiegende Mängel zu erkennen glauben; die aber dennoch einander zugestehen, daß sie Kirche Jesu Christi sind. Diese gegenseitige Anerkennung als Kirchen ist die ökumenische Minimalforderung, die wir zu stellen haben. Nur auf dieser Basis ist eine echte und aufrichtige ökumenische Zusammenarbeit möglich, und alles andere sind nur unverbindliche Vorgespräche. Es wäre demnach eine zweifache Frage zu stellen: Sind wir als Freikirchen bereit, die Gliedkirchen der EKD als Kirchen anzuerkennen? Und sind die Gliedkirchen der EKD bereit, uns Freikirchen als Kirchen anzuerkennen?«133

Der Referent wollte den eingetretenen ökumenischen Stillstand und die scheinbar selbstgenügsame Arbeit der ACK-Delegierten, die seit Jahren keinen wirklichen Schritt weitergekommen waren, auf dem Weg über die Freikirchen neu beflügeln. Er steuerte dabei eine Richtung an, für die erst ein Jahrzehnt später durch die Leuenberger Konkordie eine Basis geschaffen wurde. Schon in Hamburg fügte Rott seinen Forderungen der gegenseitigen Anerkennung hinzu: »Ich persönlich bin der Überzeugung, daß wir Freikirchen diesen Schritt tun müssen und tun können.« Und er ergänzte: »Ich meine das nicht aus kirchenpolitischen Erwägungen heraus, sondern ich meine das vom Evangelium her.« 132 Der amerikanische Bischof F. Gerald Ensley war von Anfang an als Co – Vorsitzender an den Dialogen zwischen dem Weltrat Methodistischer Kirchen und dem Römisch-katholischen Einheitssekretariat aktiv beteiligt. 133 Ludwig Rott, Zwischenkirchliche Beziehungen in Deutschland in freikirchlicher Sicht. In: ÖR 13. Jg. (1964), 278.

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Die Zeit, um diese ungeduldigen und berechtigten Forderungen anzunehmen, war noch nicht gekommen. Zu unterschiedlich waren die theologischen Positionen und ekklesiologischen Ausgestaltungen, als dass eine volle Kirchengemeinschaft unter ihnen möglich gewesen wäre. Es gab noch hohe Hürden, z. B. das damals noch strenge Selbstverständnis in der Täufertradition, nach dem in allen ihren Gemeinden ausschließlich nach ihrem Verständnis und ihrer Praxis Getaufte aufgenommen werden konnten,134 das offene Abendmahl der methodistischen Kirchen und die kritische Haltung innerhalb der Freien evangelischen Gemeinden gegenüber der Ökumene.135 Wenn schon eine gegenseitige freikirchliche Kirchengemeinschaft im Vollsinn kaum vorstellbar war, wie sollten die so unterschiedlich positionierten Freikirchen gemeinsam eine formale Anerkennung der Landeskirchen vollziehen können? Schließlich darf man nicht übersehen, dass nicht nur die Freikirchenkonferenzen – bis auf eine – auf eine gemeinsame Abendmahlsfeier verzichteten, sondern auch die EKDSynoden dazu noch keine gemeinsame Grundlage hatten. Solange es unter den Mitgliedskirchen der EKD noch keine Kirchengemeinschaft gab, war es illusorisch, sie von Seiten der Freikirchen ins Gespräch zu bringen. Der Referent hatte vergessen, dass gerade in Hamburg – infolge des Besuchs von Billy Graham – durch Friedrich Heitmüller, der den dortigen Freien evangelischen Gemeinden vorstand, »Zur Klärung der Fronten« aufgerufen worden war.136 Der impulsive Heitmüller hatte geschrieben: »Im Gegensatz zur Evangelischen Allianz, die eine Vereinigung von Christen ist, die gläubig auf dem Boden der Bekehrung und Wiedergeburt kraft des Versöhnungs- und Erlösungswerkes Jesu Christi stehen, ist der Weltkirchenrat (Ökumenische Bewegung) der groß angelegte Versuch, alle christlichen Kirchen, ›die Christus als Gott und Heiland bekennen‹, letztlich zu einer Kirche zu vereinigen, so daß es schließlich in jedem Dorf nur noch eine Kirche gibt: die Einheitskirche.«137

Diese polemische Schrift hat manche Leser aus den Freien evangelischen Gemeinden in ihrer ökumene-kritischen Haltung bestärkt, die schon vorher durch solche und ähnliche Behauptungen irregeführt waren. Angesichts dieser Lage bedeutete die Bildung einer neuen VEF-Arbeits134 Innerhalb des Baptismus gibt es heute Gemeinden, die sich in dieser Frage geöffnet haben. 135 Peter Strauch, Typisch FeG. Freie evangelische Gemeinden unterwegs ins neue Jahrtausend, Witten 1997, empfiehlt den Gemeinden in ihrer Beziehung zur ACK: »Gemeinsames gottesdienstliches Handeln widerspricht unserem gemeindlichen Selbstverständnis und führt zum Mißverständnis unserer Grundhaltung bei anderen. Deshalb raten wir davon ab.« (S. 160) – Die Gemeinden in ihrer völligen Unabhängigkeit sehen diesen Rat teilweise kritisch und folgen ihm nicht. 136 Friedrich Heitmüller, Zur Klärung der Fronten – mit dem Kapitel ›Evangelische Allianz – Weltkirchenrat?‹, Witten 1961. 137 Ebd., 17. Die Hervorhebungen wurden übernommen. Das Büchlein enthielt derartige Irreführungen, dass der Verlag es zurückzog und ein Innenblatt auswechselte.

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gruppe »Studium zwischenkirchlicher Beziehungen« eine Vertagung der erhofften Klärung. Ein hochrangig besetztes Gremium sollte »die zwischenkirchlichen Beziehungen in Deutschland beobachten, der Vereinigung geeignete Vorschläge [..] unterbreiten und die ökumenische Arbeit der Mitgliedskirchen [..] koordinieren.«138 Der Umstand, dass die Arbeit in den folgenden Jahren nicht aufgenommen wurde, lässt auf erhebliche Schwierigkeiten schließen. 1966 lag der Freikirchenkonferenz weder ein Zwischenbericht vor noch erwähnte der Vorsitzende Reinhold Kücklich d. J. von der Evangelischen Gemeinschaft die aufgeworfenen Fragen in seinem Arbeitsbericht. Nach fünf Jahren trat die Arbeitsgruppe 1969 mit dem geänderten Namen »Weltmission und zwischenkirchliche Beziehungen« erstmals in Erscheinung. Deren Bericht gibt jedoch ausschließlich Einblicke in die Arbeit der Weltmission. Die Hamburger Initiative des Freikirchenrates von 1964 war verpufft. Der Versuch einer gemeinsamen ökumenische Initiative blieb ohne Ergebnis. Allerdings kam es ein Jahr später zu einer Besprechung zwischen freikirchlichen Vertretern aus der ACK und leitenden Persönlichkeiten vom Rat der EKD über die Lage der Ökumene in Deutschland.

2.8.4 Eine kritische Analyse des ACK-Vorsitzenden Hans Luckey Einen Stillstand der ökumenischen Entwicklung gab es nicht nur innerhalb der Vereinigung Evangelischer Freikirchen. Auch innerhalb der EKD musste man mit Sorge eine restaurative Entwicklung beobachten, die aus der Sicht der Freikirchen zu einem Stillstand für die innerdeutsche Ökumene führte. Direktor Hans Luckey hatte als erster freikirchlicher ACK-Vorsitzender in einer Analyse über ihre Frühgeschichte drei Schritte skizziert: Nach der »Ausräumung von Schwierigkeiten vor Ort« das »Stadium der Selbstdarstellungen« und »die Erarbeitung der Thesen über Taufe und Kirche«.139 Der baptistische Kongregationalist Luckey hatte wohl selber mit den für sein theologisches Umfeld typischen Themen Taufe und Kirche bzw. Gemeinde die dritte Phase eingeleitet. Sie hatte gewiss dazu beigetragen, dass die ACK, wie der Methodist Wunderlich einmal sagte, »zu sehr zu einem ›Theologischen Seminar‹ geworden« sei.140 Luckeys Anliegen in seiner zu Ende gehenden Zeit als Vorsitzender war es, der ACK einen neuen Impuls zu geben. Sie sollte sich nach seinen Vorstellungen in zwei Richtungen entwickeln. Vorhandene ökumenisch arbeitende Werke im 138 Ludwig Rott, Zwischenkirchliche Beziehungen in Deutschland in freikirchlicher Sicht. In: ÖR 13. Jg. (1964), 280. 139 Hans Luckey, Zwei Jahrzehnte deutscher Ökumene in freikirchlicher Sicht. KJ 1967 94. Jg. (1967, Gütersloh 1968, 371 – 416. 140 Prot. ACK vom 23./24. Juni 1965, Sitzung in Hannover, 5. EZA 2/2183.

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Bereich der Diakonie, der Jugend und der Mission sollten näher an die ACK herangeführt werden. Dahinter steckte die Gedanke eines National Council. Genau diese Erwägung war, neben unübersehbaren strukturellen Fragen, aus der Sicht der EKD ein Grund zur Zurückhaltung. Sie behielt diese Arbeitszweige gerne in ihrer alleinigen Verantwortung und lies die interessierten Freikirchen darin mitwirken. Die andere Richtung war die Ausweitung der ACK. Dabei lag zu dieser Zeit eine Erweiterung um die römisch-katholische Kirche noch nicht in seinem Blickfeld, eher schon ein Interesse an den »griechisch-orthodoxen Filialkirchen in der Bundesrepublik«.141 Ausgangspunkt von Luckeys Überlegungen war die Tatsche, dass in zwanzig Jahren die Zahl der ACK-Mitglieder dieselbe geblieben ist. Lediglich durch die Aufnahme der Heilsarmee142 und der Altreformierten Kirche, die schon im Herbst 1949 »gastweise an den Sitzungen teilnahm«143, sei die Beteiligung bescheiden ausgeweitet worden. Gab es in Deutschland nicht mehr »ökumenefähige Kirchen«? Luckey wies auf die große Zahl der »Gastarbeiter« in der Bundesrepublik hin, sprach von den »orientalischen Exilkirchen«. Gleichzeitig erinnerte er an die Aufnahme der ersten Pfingstkirche in den ÖRK, die 1961 in New Delhi erfolgt war. In Deutschland kam es in dieser Frage erst am 29. Juni 1967 zum entscheidenden Gespräch, nachdem die ersten Bemühungen im Frühjahr 1965 von der ACK ausgegangen waren. Daraufhin wurde im Leitungskreis der ältesten Pfingstkirche in Deutschland, dem Mülheimer Verband als einer ursprünglich innerlandeskirchlichen Bewegung, ein Referat des in Genf mitarbeitenden Holländers Albert van den Heuvel gelesen und diskutiert. Ein Brief eines einflussreichen Ökumenikers der Pfingstbewegung, Walter Hollenweger, der ebenfalls in Genf tätig war, ermutigte die Mülheimer zur Mitwirkung.144 Wieder einmal ging der entscheidende Impuls von Genf aus. Luckey sparte nicht mit Kritik an der EKD. Man könne nicht nur mit »Kirchenbuchzahlen« operieren und die »Finanzkraft« ins Feld führen. Entscheidend sei die Frage, »ob die Mitte der ökumenischen Gemeinschaft so entwickelt ist, daß sie viele einbezieht und nicht zu viele ausschließt.«145 Der Hamburger Seminardirektor scheute sich nicht, die ÖRK-Position in die Debatte zu werfen: 141 Hans Luckey, Zwei Jahrzehnte deutscher Ökumene in freikirchlicher Sicht. KJ 1967 94. Jg., 401. 142 Aufnahme am 8. Juli 1966. 143 Wilhelm Menn, Oekumenischer Katechismus. Eine kurze Unterweisung über Werden und Wesen der Oekumene, Stuttgart 1949, 53. 144 Ekkehart Vetter, Jahrhundertbilanz – erweckungsfasziniert und durststreckenerprobt. Ein Beitrag zur Erweckungsgeschichte im 20. Jahrhundert und zur Entstehung der Pfingstbewegung in Deutschland. 100 Jahre Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden. Bremen 2009, 376. 145 Hans Luckey, Zwei Jahrzehnte Ökumene in freikirchlicher Sicht deutscher Ökumene in freikirchlicher Sicht. KJ 1967, 403.

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»Das ökumenische Ideal fordert Gleichberechtigung aller Mitgliedskirchen.« Und er fragte weiter : »Wie steht es um dieses Ideal in Deutschland?« Der Baptist hatte erlebt, wie die Ökumene in Deutschland praktisch ein Gesprächstisch einer kleinen Anzahl von Kirchen blieb, der über ein Anfangsstadium nicht hinausgekommen war und die wirkliche ökumenische Breite nicht repräsentierte. Warum war nicht in einem weiteren Feld möglich, was auf der Ebene der Inneren Mission schon lange und seit einigen Jahren auch in der gemeinsamen Aktion BROT FÜR DIE WELTerfahren wurde? Wieso wurden die Kontakte nach Genf, wenn schon nicht durch die ACK, dann doch wenigstens von den Freikirchen in Gemeinschaft mit dem Kirchlichen Außenamt wahrgenommen, mit dem man mit der Ökumenischen Centrale in einer gewissen Büronähe unter dem selben Dach lebte? Luckey empfand in seiner kritischen Analyse weiter : »Es mangelt an Koordination und Kooperation.« Wie schon 1963 verwies er wieder auf eine fehlende Zusammenarbeit mit den in sich schon ökumenischen Arbeiten hin, wie sie von der Evangelischen Studentengemeinde über die Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend, dem Evangelischen Bibelwerk, der Konferenz Europäischer Kirchen bis hin zur Prager Christlichen Friedenskonferenz ganz selbstverständlich praktiziert wurde. In seiner Aufzählung fehlte noch die praktizierte Ökumene in der Diakonischen Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Kirchen in Deutschland,146 im Weltgebetstag der Frauen und die traditionellen freikirchlichen Beziehungen zum Weltrat für Christliche Erziehung (World Council of Christian Education) mit den Anfängen in der Weltsonntagsschulbewegung.147 In welcher Form und auf welchem Wege eine Zusammenarbeit hätte organisiert werden können, bleibt offen. Es hatte sich gezeigt, dass die ACK festgefahren war. Sie schöpfte die in den Richtlinien formulierten Möglichkeiten nur noch aus, soweit es um zwischenkirchliche Fragen ging. Von einer »Arbeitsgemeinschaft«, die von dem großen ökumenischen Thema »Zeugnis und Dienst« beseelt war, konnte keine Rede sein. Die Tendenz war eher, ein runder Tisch zu sein, der nach der Abarbeitung früherer zwischenkirchlicher Probleme und den Debatten über die Taufpraxis und das Kirchenverständnis keine gemeinsamen Zielvorstellungen mehr entwickelt hat. Eine verpflichtende ökumenische Dienstgemeinschaft war nicht erkennbar. In dieser auf Sparflamme heruntergestuften Entwicklung fehlte es offensichtlich an einer geistlichen Inspiration oder kirchlichen Herausforderung. Die Frage der geistlichen Einheit schien durch kirchenpolitische Fragen verdeckt zu werden. Da war der Wunsch, eine zweite Phase einzuleiten, welche 146 Gotthart Schüttel (Red.), 40 Jahre Diakonische Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchen in Deutschland (1957 – 1997), Stuttgart o. J. (1997). 147 Dieser Zweig wurde 1961 in Neu Delhi in den ÖRK aufgenommen. Mehrere Jahrzehnte wurde die Verbindung zur World Sundy School Association durch die Sonntagsschulabteilung der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) wahrgenommen.

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die ökumenische Gemeinschaft auf ein festes Fundament stellen und sie zu einer aktiven Arbeitsgemeinschaft weiter entwickeln konnte, eine drängende Anfrage an alle mitwirkenden Kirchen. Jener Generation, die den Pionieren nachfolgte, fehlte offensichtlich eine den besonderen Verhältnissen in Deutschland angemessene ökumenische Vision. Es zeigte sich, dass die ACK nicht aus dem geistlichen Wunsch nach Einheit und kirchlicher Gemeinschaft entstanden war, sondern unter dem Einfluss der Genfer Ökumene in der besonderen Situation des bedrängten, am Boden liegenden Nachkriegsdeutschland. Je mehr sich die gesellschaftlichen, politischen, sozialen und vor allem kirchlichen Verhältnisse stabilisierten, um so mehr verlor gleichzeitig die landeskirchlich-freikirchliche Gemeinschaft an Bedeutung. In dem Maße, wie für die EKD die Mitwirkung in der internationalen Ökumene zunahm, verlor die innerdeutsche für sie an Bedeutung. Offensichtlich versprach Luckey sich vor dem Ende seines ACK-Vorsitzes einen Impuls, der die Tür nach vorne hin öffnete.

2.8.5 Krisensitzung der ACK mit EKD-Ratsmitgliedern Als die Phase der Restauration in eine ökumenische Stagnation überzugleiten drohte, kam es am 23./24. Juni 1965 in Hannover zu einer außergewöhnlichen Begegnung. Die ACK hatte um ein Gespräch mit dem Rat der EKD gebeten. Dazu waren Präses Joachim Beckmann (Düsseldorf), Landesbischof Hanns Lilje (Hannover) und Präses Kurt Scharf (Berlin) angereist. Die beiden Ratsmitglieder Kirchenpräsident Niemöller und Landessuperintendent Smidt, welche die EKD in den regelmäßigen Sitzungen der ACK vertraten, haben sich für diese Sitzung entschuldigt. Es scheint, als wollten sie sich nicht der Spannung zwischen den beiden Polen ACK und EKD aussetzen. Die Begegnung stand unter dem Leitmotiv »Selbstverständnis und Aufgaben der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland.«148 Der ACKVorsitzende Hans Luckey hatte den Eindruck gewonnen, der Rat würde sich vielleicht nachdrücklicher für eine Stärkung der ACK einsetzen und verschiedene ökumenisch angelegte Arbeiten wie z. B. der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend in Verbindung mit der ACK bringen, wenn er »nicht das Gespenst des National Council vor Augen hätte, der die ökumenische Gleichberechtigung institutionell festlegen würde.«149 Luckey befürchtete, dass bei einer Zersplitterung der Kräfte »der ökumenische Gedanke an Glaubwürdigkeit und 148 Prot. ACK vom 23./24. Juni 1965, Sitzung in Hannover. EZA 2/2183. 149 Hans Luckey, Zwei Jahrzehnte Ökumene in freikirchlicher Sicht. KJ 94. Jg. (1967), 411. Darin auch die folgenden Zitate. Luckey bevorzugte für die ACK durchgehend die Abkürzung A.G.K.

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Anziehungskraft einbüßt und eine rückläufige Bewegung eintrete […], wenn nicht Wirksames zu besserer Kooperation getan wird.« Auf diesem Hintergrund war »vor allem vom freikirchlichen Vorsitzenden der Wunsch geäußert […], einmal Klarheit darüber zu schaffen, was an Möglichkeiten der A.G.K. noch enthalten sei, wie man vor allem im Rat der EKiD über eine weitere Zukunft der deutschen Ökumene denke.«150 In der gemeinsamen Sitzung stellte der ACK-Vorsitzende Luckey als Gesprächsgrundlage drei Fragen in den Raum und fügte fünf Vorschläge hinzu: »1. Frage: Darf oder soll in Deutschland ökumenische Bewegung sein? Sind wir bereit, ökumenische Ideale zu verwirklichen und Entsprechendes für sie einzusetzen? Gibt es ein Leitbild für das, was deutsche Ökumene sein müsste? 2. Frage: Besteht der Rat der EKD auf einem ökumenischen Monopol für Deutschland, und hat der Freikirchenrat mit seinen sogenannten vier ›klassischen‹ Freikirchen die Tendenz, die anderen Gruppen und Gemeinschaften außerhalb der EKD zu majorisieren? 3. Frage: Wenn ein National Council zuviel ist für Deutschland und die Arbeitsgemeinschaft in Frankfurt zu wenig, gibt es dann noch ein Mittleres, d. h., gibt es eine Linie, auf der ökumenische Bewegung echt und fruchtbar in unserem Land möglich ist?«151

Diesen drei kritischen Anfragen folgten fünf »Vorschläge«: »1. Die Kirchen sollten aus den an ihrer Spitze Verantwortlichen [in die ACK] delegieren, und die Delegierten sollten ihr Mandat zurückgeben, wenn sie es nicht erfüllen können.152 2. Der Rat der EKD und der Freikirchenrat sollten helfen, dass die sieben Arbeitsgemeinschaften153 stärker mit der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen koordiniert werden. Dazu rechnen wir auch die Aufstellung eines ökumenischen Kalenders. 3. Im Abstand bestimmter Jahre sollte es eine in die Öffentlichkeit wirkende Veranstaltung geben, auf der die deutsche Ökumene überzeugend sichtbar wird. Vielleicht: ›Faith and Order‹. 4. Jährlich sollte eine gemeinsame Sitzung von Rat der EKD, Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen und Vorstand des Freikirchenrates stattfinden, damit die entstandenen Probleme angefasst und zur Lösung geführt werden. 5. Für die Geschäftsstelle in Frankfurt sollte eine Neuordnung eingeplant werden, 150 Ebd. 151 Ebd., 411. 152 Im gedruckten Referat hat der Referent beklagt, dass »die landeskirchlichen Vertreter in Frankfurt […] häufiger fehlten, als es der Sache gut war.« (S. 411). 153 Luckey meint hier nicht etwa regionale ACKs. Woran er dachte, hatte er vorher schon ausgeführt: (1) Diakonische Arbeitsgemeinschaft Ev. Kirchen i. D. (Stuttgart), (2) Ev. Arbeitsgemeinschaft für Weltmission (Hamburg), (3) Ev. Studentengemeinde i. D. (Stuttgart), (4) Arbeitsgemeinschaft Ev. Jugend (Stuttgart), (5) Ev. Aktionsgemeinschaft für Familienfragen, (6) Ev. Arbeitsgemeinschaft für Verkehrsfragen (Kassel) und (7) Ökumenischer Bund DIAKONIA (Kalmar/Schweden).

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wobei u. a. an die Beschaffung größerer Räumlichkeiten, an die Zuteilung von Mitteln für die Studienarbeit und die Archivierung des ökumenischen Materials besonders gedacht ist.«154

Die Vorstellungen des ACK-Vorsitzenden zielten auf eine nach innen verbindlichere und vor allem nach außen wirksamere innerdeutsche Ökumene. Das entsprach den 1948 angenommenen »Richtlinien«. Dort hieß es unter den »Aufgaben« der ACK: »Vertretung gemeinsamer Anliegen nach außen und in der Öffentlichkeit.«155 Landesbischof Lilje erinnerte in der Debatte über die Thesen an die Anfänge der ACK, die er als Ratsmitglied und Mitglied der Kirchenleitung der VELKD selber miterlebt und teilweise mitgestaltet hatte. Man habe in der ACK »einerseits einen Gesprächspartner für Genf und andererseits die für Deutschland angemessene ökumenische Plattform schaffen wollen.« Schwierigkeiten habe die unterschiedliche Zahlengröße der Kirchen und die starke ökumenische Beanspruchung der EKD Mitarbeiter bereitet. Aber die ACK solle »nach wie vor Bindeglied zwischen den Landes- und den Freikirchen sein.«156 Damit war eine grundsätzliche Sicht eines Ratsmitglieds der EKD beschrieben, die nicht mehr eine »Arbeitsgemeinschaft« intendierte, sondern die ACK auf eine zwischenkirchliche Gesprächsplattform herabstufte. »einen wesentlichen Hinderungsgrund für die zwischenkirchliche Zusammenarbeit in Deutschland« sah Präses Beckmann in der »ökumenefeindliche[n] Haltung der Evangelischen Allianz«. Er wünschte sich »die Ortsökumene bis in die Evangelische Allianz hinein verwirklicht. Darauf aufbauend könne man an gemeinsame ökumenische Veranstaltungen […] denken.«157

Beckmann kam aus einem Bundesland und einer Kirche, in der die evangelikale Bewegung eine lebhafte Debatte und schmerzliche Spannungen ausgelöst hatte. Als 1966 der dramatische Dortmunder Bekenntnistag die Kirchenleitungen beunruhigte, war längst die Zeit gekommen, dass sich unter den Anführern der Evangelikalenbewegung die Kritik von der Bultmann’schen Theologie auf die Kirchenleitungen verschob. Neben Präses Beckmann war besonders das Ratsmitglied der EKD in der ACK, Landessuperintendent Udo Smidt aus Detmold davon betroffen.158 Diese kirchenkritische Bewegung wurde vielfach mit der

154 155 156 157 158

Ebd., 411 f., gleichlautend in: Prot. ACK vom 23./24. Juni 1965, 3 f. EZA 2/2183. ACK-Richtlinien von 1948, § 4, Abs. 5. Prot. ACK vom 23./24. Juni 1965, 4. EZA 2/2183. Ebd. Irrigerweise hieß es später, »von den geschätzten 20.000 bis 25.000 Zuhörinnen und Zuhören […] bestand der größte Teil aus Mitgliedern der Freikirchen und des CVJM, wobei der Schwerpunkt der regionalen Zuordnung hauptsächlich auf Westfalen und dem Rheinland lag…«. Gisa Bauer, Evangelikale Bewegung und evangelische Kirche in der

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Evangelischen Allianz und den Freikirchen in Verbindung gebracht. Es ist richtig, dass der Baptist Thaut in der Sitzung feststellte, man dürfe bei der Allianz, die bei Beckmann Ausgangspunkt der Kritik war, nicht übersehen, dass ihr auch weite landeskirchliche Kreise angehörten. Praktisch waren sie es, welche die Allianz zeitweise für ihre evangelikalen Interessen instrumentalisierten, weil sie lange Zeit in der eigenen Kirche keine Plattform fanden. Insgesamt fand in der Aussprache die Anregung, jährliche eine gemeinsame Sitzung vom Rat der EKD, dem Freikirchenrat und der ACK einzuberufen reichlich Unterstützung. Lilje sprach von einem »ausgezeichneten Vorschlag«, Wischmann setzte sich »nachdrücklich [für …] jährlich eine gemeinsame Sitzung« ein. Auch der Baptist Rudolf Thaut »unterstützte den Vorschlag.«159 Tatsächlich hätte sich die Einführung einer solchen Praxis als die von Landesbischof Lilje erwähnte Möglichkeit erweisen können. Wenn es auch nicht ein »Bindeglied zwischen den Landes- und den Freikirchen« geworden wäre, so wäre doch eine Ebene zwischen dem Rat der EKD und den Freikirchen institutionalisiert worden. Landesbischof Lilje schlug tatsächlich in der folgenden Sitzung des Rates »gelegentliche gemeinsame Sitzungen« der drei Gremien vor. Es war die einzige Anregung, die aus dem Gespräch den Rat erreichte. Dazu hielt das entsprechende Protokoll fest: »Der Rat neigte nicht zu solchen gemeinsamen Sitzungen.«160 In Anwesenheit von U. Smidt änderte der Rat jedoch in der nächsten Sitzung seine Meinung und erklärte sich grundsätzlich mit einer jährlichen Begegnung einverstanden.161 In den folgenden Jahren ist es zu keiner gemeinsamen Sitzung gekommen. Wahrscheinlich hat es niemand weiter verfolgt. In der ACKwechselte der Vorsitz auf den Württembergischen Landesbischof Erich Eichele. Es sieht so aus, als drängte jetzt niemand mehr auf eine Entwicklung, wie sie durch Direktor Luckey angestoßen worden war. Die ACK-Besprechung zur Begegnung, die noch in Hannover für den folgenden Tag eingeplant war, bewertete das Gespräch positiv. Es konnten aber noch keine handfesten Themen benannt werden, über die mit dem Rat zu sprechen wäre. Außenamtspräsident Wischmann, der noch als aufmerksam beobachtender Gast an dieser Sitzung teilnahm, legte der ACK nahe, »Sie könne in guter Weise eine dienende und seelsorgerliche Funktion in der innerdeutschen Ökumene wahrnehmen.«162 Der Außenamtspräsident und ökumenische

159 160 161 162

Bundesrepublik Deutschland. Geschichte eines Grundsatzkonflikts (1945 bis 1989), Göttingen AKZ-B 53, 2012, 437. Prot. ACK vom 23./24. Juni 1965, 4. EZA 2/2183, 3 – 5. Prot. EKD-Rat vom 12./13. August 1965, Auszug. EZA 2/2183. Prot. EKD-Rat vom 7./8. Okt. 1965, 6. EZA 2/1812. Prot. ACK vom 23./24. Juni 1965, 7. EZA 2/2183.

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»Auslandsbischof« hatte immer die Sorge, die ACK könnte Ansprüche entwickeln, die seine ökumenische Außenamts-Tätigkeit beeinträchtigen. Es muss abschließend erwähnt sein, dass in den Gesprächen um das Selbstverständnis und die Aufgaben der ACK niemand ahnte, dass das fast drei Jahre zuvor begonnene Zweite Vatikanische Konzil auch der innerdeutschen Ökumene einen neuen Schub geben könnte.

2.8.6 Zeichen des Wandels Keine zwanzig Jahre nach der ACK-Gründung zeigte sich zwar ein Wandel in den Beziehungen von den Landeskirchen zu den Freikirchen, deren Existenz jetzt mehr oder weniger respektiert wurde. Aber Respekt als Ausdruck einer ökumenischer Gemeinschaft ist zu wenig. Die von der internationalen Ebene über Genf kommende Unterstützung weckte nach 1945 bei den Minderheiten weitergehende Hoffnungen. Nur einmal war es zu einer gemeinsamen Sitzung vom Rat der EKD und der ACK gekommen. Das war anlässlich der Konstituierung 1948. Davon konnte man später nur noch träumen. Später, es war 1963, hatte einmal der ACKVorsitzende Gelegenheit, in einer Ratssitzung Bericht zu erstatten und im Juni 1965 fand eine ACK-Sitzung statt, an der auf Bitten der ACK Ratsmitglieder teilnehmen. Anfangs drängte Bischof Dibelius auf eine Zusammenarbeit mit den Freikirchen. Er hatte in kurzer Zeit lebhafte ökumenische Erfahrungen in Berlin gesammelt und dabei gesehen, wie die kleinen Freikirchen in der Stadt sich vital in die Gemeinschaft der Kirchen einbrachten und was ihre internationale Verflochtenheit für die gesamte Kirche in Berlin bedeutete.163 Er sah, dass es in England, wo sich die Außenminister vom 25. Nov. 1947 trafen, an die sich eine Erklärung zu den politischen Systemen wandte, nur wenige Lutheraner, aber viele Baptisten und Methodisten gab, die keineswegs politisch abstinent waren, sondern ihre Rolle in der Gesellschaft selbstbewusst wahrnahmen. Das erklärt sein Interesse an der Einbeziehung der ACK bei frühen Stellungnahmen, die eben nicht allein von der EKD, sondern vom deutschen Protestantismus getragen wurden. Nachdem im April 1949 die ACK noch ein Wort zum Kampf der politischen Systeme verabschiedete hatte,164 war dieses Kapitel öffentlicher ACK-Erklärun163 Kurt Anschütz, Befreiung – Besetzung – Versöhnung. Die Arbeit ausländischer Christinnen und Christen nach dem Zweiten Weltkrieg in Berlin, Ökumenisch-Missionarisches Institut, Berlin 2001. 164 Ein Wort der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland zum Kampf der politischen Systeme. Text in: KJ 82. Jg. (1955), 376, Gütersloh 1956.

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gen aber bereits abgeschlossen. Es erschienen zwar in freikirchlichen Zeitschriften noch weitere Texte zu aktuellen Fragen, die waren allerdings vom Rat der EKD allein verantwortet. Auch wenn es um Sorgen ging, die alle Christenfamilien gemeinsam betrafen, wie z. B. Gebetsaufrufe für die Kriegsgefangenen, wurden sie allein vom Rat der EKD verantwortet. Das methodistische Sonntagsblatt nahm sie auf, weil es um die gemeinsame Sache ging und es die Zustimmung und Gemeinsamkeit zu erkennen geben wollte. Nach einigen Jahren ließ auch diese Art der Information nach, bis sie schließlich endete. Ein anderer Wandel betrifft die Schiene der Kontakte innerhalb der EKD. Am Anfang der ökumenischen Gemeinschaft gab es einen direkten Kontakt der ACK zu den einzelnen Landeskirchen. Fünf »Rundschreiben«, die teilweise mit »Niemöller« unterzeichnet waren, erreichten die Landeskirchenämter. 1949 erließ die ACK sogar einmal »Richtlinien«, um Schwierigkeiten zwischen Mitgliedskirchen an einem Ort zu überwinden. Man kann sich vorstellen, dass die Landeskirchenämter nicht immer begeistert waren, wenn die EKD-Kirchenkanzlei »Richtlinien« erließ. Wieviel empfindlicher musste die Reaktion ausfallen, wenn die ACK sich ein solches Vorgehen anmaßte. Innerhalb des föderalen Systems der Landeskirchen darf der Einfluss der oft auch konfessionell bedingten Eigeninteressen nicht unterschätzt werden. Dazu kamen in der frühen Nachkriegszeit die Animositäten zwischen verschiedenen Personen besonders aus der Führungsebene der Bekennenden Kirche und dem Luthertum. Es musste sich auswirken, dass die ACK keine Institution war, die von den Landeskirchen gewünscht oder gemeinsam von der Kirchenkonferenz beschlossen war. Sie war eben aus Genf in einer Weise über das Land gekommen, dass die Kirchen der Forderung nicht ausweichen konnten. Das alles musste Auswirkungen auf die Kooperationsbereitschaft und das Interesse an einer Entwicklung der Ökumene im eigenen Lande haben. Ein anderes Kapitel sind die ACK-Außenkontakte. Dem Bundesminister des Innern teilte die ACK-Geschäftsstelle mit, dass sie an einer Mitarbeit in einem Bonner Ausschuss interessiert sei, der den Rechtsschutz für Kriegsdienstverweigerer aus Gewissengründen zu klären hatte. Diese Möglichkeit, den Minderheitskirchen über die ACK die Mitverantwortung zu eröffnen, war zwar in den »Richtlinien« vorgesehen. Aber mit dem Wechsel in der Geschäftsführung innerhalb der ÖC nahmen diese Aktivitäten schnell ab. Einerseits insistierten die Freikirchen nicht nachdrücklich darauf, an diesen sie direkt betreffenden politischen Entwicklungen teilzuhaben. Andererseits hatten sie für diese Art von Mitarbeit das in ihren Kirchen steckende Potential an Kompetenz von qualifizierten Laien noch nicht genügend erschlossen. Die Zeit der in die Kirchen hineinwirkenden »ACK-Rundschreiben« war nach einigen Jahren vorbei. In dem Maße, wie sich die Situation der Landeskirchen stabilisierte, wurde der Einfluss aus Genf, der über die ACK erfolgte, geringer.

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Ein gewisser Wandel trat auch ein, als die ACK anfing, sich inhaltlichen Themen zuzuwenden. Zuerst ging es um typische Anliegen des Kongregationalismus, nämlich nacheinander um die Taufe und das Kirchen- bzw. Gemeindeverständnis. Im Rückblick muss die Frage gestellt werden, was eigentlich solche Diskussionen und Erörterungen in der Praxis des ökumenischen Handelns bewirkt haben, ja überhaupt bewirken konnten? Wer sollte die Ergebnisse rezipieren, und wo sollte das geschehen? Der Schritt von den »Rundschreiben« zu den theologischen »Thesen« war auch eine Richtungsänderung von einer Außenwirkung in die Kirchen hinein zu einer Innenbetrachtung, von der allein die in der ACK am Tisch Sitzenden zu profitieren schienen. Es war ein aufwendiges »Theologisches Seminar«. Es waren zweifellos im Sinne einer ökumenischen Hermeneutik deutlich mehr Kenntnisse über die Theologie, die Praxis und die Geschichte der Minderheitskirchen erforderlich, aber die ACKSitzungen waren wirklich nicht der angemessene Ort, diesen Nachholbedarf aufzuarbeiten. Im Rückblick gewinnt man den Eindruck, dass der normale theologische Pluralismus unter den Landeskirchen, der aber auch ihr jeweiliges Innenleben begleitete, jeweils seinen Raum fand. Auch wenn einmal von dieser Seite und dann von der anderen Seite Kritik innerhalb der eigenen Kirche aufkam, war das zwar nicht erfreulich, aber man nahm es vielfach mit einer gewissen Gelassenheit zur Kenntnis. Aber den wenigen kritischen Anfragen von außen, wie sie von den Freikirchen aus dem Bereich der ACK kommen konnten, waren in der deutschen fast ausschließlich landeskirchlich geprägten Kirchenlandschaft ungewöhnlich und befremdlich. Landeskirchen waren es nicht gewohnt, von außen her kritisch angefragt zu werden. Die historischen und theologischen Kenntnisse über die anfragenden Minderheitskirchen waren weitgehend noch von den polemischen Schriften des 19. und frühen 20. Jahrhunderts bestimmt. Unter diesen Bedingungen von außen angefragt zu werden ist etwas anderes, als Kritik aus den eigenen Reihen zu hören. Dass nun von den Freikirchen, in denen man so lange »Sekten« gesehen hatte, Fragen aufgeworfen wurden, konnte von den Angefragten leicht als respektlos oder in Anknüpfung an frühere Deutungskategorien als überheblich empfunden werden. Schließlich hatte das Gefühl, die traditionell deutschen Kirchen sind mit ihrer Theologie gegenüber anderen Kirchen und Ländern maßgebend, immer noch Bestand. Unterschwellig waren solche Gefühle für die Entwicklung der ACK und eine dort aufzubauende Partnerschaft hemmend.

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2.8.7 Internationale ökumenische Erfahrungen sind unersetzlich Die ACK brachte einen Wandel in das Land. Sie wurde zu einem zwar nicht bedeutenden, aber doch vorhandenen Kristallisationspunkt einer theologischen und bis dahin ungewohnten konfessionellen Vielfalt. Unter den Bedingungen der frühen Nachkriegszeit wirkte sie zuerst am intensivsten. In der zweiten Phase war die anfängliche Vitalität zunehmend einer Tendenz zur Verfestigung unterworfen. Es zeigte sich, dass internationale ökumenische Erfahrung auch für die nationale Ökumene unersetzlich ist. Im Schatten der Selbstfindung und Wiedererstarkung der EKD hatten die in der ACK und der Ökumenischen Centrale tätigen Mitarbeiter für die neue Entwicklung eines Miteinander von Mehrheits- und Minderheitskirchen eine große Aufgabe. Kirchenpräsident Martin Niemöller war eine charismatische Führungspersönlichkeit. Er nahm die Leitung der ACK im Zusammenhang seiner weltweiten Akzeptanz und Hochachtung, die ihm entgegenschlug, außerordentlich offen und mit einer Art Berufungsgewissheit wahr. Dabei schätzte er die von der Gemeinde her aufgebauten Freikirchen, besuchte sie, nahm an ihren Tagungen teil und suchte Wege der praktischen Kooperation. Umgekehrt konnte er sich einer unübersehbaren Sympathie aus den Freikirchen gewiss sein und auf das Vertrauen der Verantwortlichen bauen. Niemöller war auch ein binnen-deutscher Ökumeniker. Neben ihm wirkte Bischof J. W. Ernst Sommer als Stellvertretender ACK-Vorsitzender. Er brachte eine vielfache ökumenischer Erfahrung für diese Aufgabe mit. Seinen akademischen Grad hatte er in Cambridge erworben. Als Missionslehrer arbeitete er von 1906 – 1912 mit dem Hülfsbund für christliches Liebeswerk im Orient auf der größten armenischen Missionsstation in Mesereh. Danach war er in einem den Landeskirchen nahestehenden Ausbildungsseminar dieses Hilfswerks in Uchtenhagen bei Falkenberg/Altmark tätig. Von dort wurde er an das methodistische Predigerseminar nach Frankfurt/M. berufen. Während seiner Dozententätigkeit arbeitete er aktiv im Deutschen Arbeitsausschuss des Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen mit. Als Delegierter seiner Kirche nahm er an den Faith and Order Weltkonferenzen 1927 in Lausanne und 1937 in Edinburgh teil. International war er aktiv mit der World Sunday School Association verbunden. In der innerdeutschen Ökumene wirkte er in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) mit und nahm deren Kontakte zum landeskirchlichen Verband für Kindergottesdienst wahr. Dieses ökumenische Erfahrungsfeld hatte ihm ein ausgeprägtes kirchliches Selbstbewusstsein vermittelt, das er in den wenigen Jahren seines bischöflichen Dienstes in die gemeinsame Gestaltung und Organisation des Hilfswerks und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) einbrachte. Gestärkt wurde seine ökumenische Position in den frühen Nachkriegsjahren durch seine gerade zu dieser Zeit auch für das Hilfswerk und

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die ACK enorm wichtigen mehrfachen USA-Reisen. Im Nachruf der ACK heißt es über diesen Kämpfer für ›Die Ökumene im eigenen Land‹: Er »gehörte zu den Vätern der ›Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen‹ und war nicht nur ihr stellv. Vorsitzender, sondern ein belebendes Element.«165 Das ist eine freundliche Umschreibung seiner kantigen, nicht selten unbequemen Art der Nachfrage. Von Anfang an wurde Oberkirchenrat Otto von Harling als Geschäftsführer der ACK berufen. Er hatte, wie er selber 1955 schrieb, »auch schon bei den Vorarbeiten [für die Bildung der ACK in] der Kirchenkanzlei federführend mitgewirkt.«166 Mit den Umständen ihrer Bildung war er also bestens vertraut. Der Theologe Otto von Harling war seit 1921 als Missionsdirektor des Leipziger Zentralvereins für Mission unter Israel tätig. Als Geschäftsführer eines kleinen Vereins, der international mit den skandinavischen Ländern zusammenwirkte, erlebte er 1918 die Trennung von Staat und Kirche mit Sympathie. Der lutherisch geprägte Leipziger Verein befand sich unter seiner Leitung auf dem Höhepunkt. Als man das Jahr 1930 schrieb, referierte Martin Buber auf einer Stuttgarter Tagung. Von Harling war gleichzeitig Direktor der Konferenzgemeinschaft deutscher Judenmissionen. Als solcher gehörte er den Deutschen Evangelischen Kirchentagen 1919 in Dresden und 1921 in Stuttgart an. 1946 nahm er eine Tätigkeit in der Kirchenkanzlei der EKD auf. Als 1948 die ACK konstituiert wurde, berief Martin Niemöller ihn zum Geschäftsführer. Seine internationale Erfahrung im kirchlichen Missionsdienst in einer Minderheitssituation, die durch das gesellschaftliche Umfeld zunehmend von Judenfeindlichkeit geprägt war, schärfte ihm den Blick für die ungewöhnliche Lage der kleinen Kirchen neben nationalkirchlichen Institutionen und befähigte ihn, die Aufbauarbeit in der ACK kompetent und mit großem Verständnis für alle Partner zu leisten. Neben den beiden Vorsitzenden und dem Geschäftsführer hatte der Leiter der Ökumenischen Centrale, Pfarrer Lic. Wilhelm Menn, einen weitreichenden Einfluss. In seiner frühen theologischen Entwicklung spielte die Frage der sozialen Verantwortung der Kirche eine herausragende Rolle167, die ihn in ein Sozialpfarramt der Rheinischen Kirche führte. Dort arbeitete der religiös-soziale Theologe gegen die deutsch-nationalen Tendenzen in der Gesellschaft. Er suchte Kontakte zu den Gewerkschaften und verfasste zur Frage Kirche und Sozialarbeit eine Denkschrift, die sich nicht in den Bahnen der konservativ positionierten Inneren Mission bewegte. Er war Gründungsmitglied der rheinischen Landesgruppe im ökumenischen Weltbund für Freundschaftsarbeit der 165 Walter Freytag/Wilhelm Menn, Bischof Dr. Ernst Sommer†. In: ÖR 1. Jg. (1952), 97. 166 Otto von Harling, Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen. In: KJ 82. Jg. (1955), 360. 167 Kordula Schlösser-Kost, Wilhelm Menn – Der erste Sozialpfarrer des deutschen Protestantismus. Kirche im Wohlfahrtsstaat von Weimar. In: Traugott Jähnichen u. a. (Hg.), Protestantismus und soziale Frage, Profile in der Zeit der Weimarer Republik, Münster 2000, 29 – 40.

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Kirchen. Als Korrespondierendes Mitglied des Internationalen Sozialwissenschaftlichen Instituts, das in Verbindung mit dem Genfer ökumenischen Zentrum arbeitete, war er aktiv im Forschungsbeirat tätig und wirkte auf diese Weise schon früh in der Ökumenischen Bewegung mit. In Deutschland war er Mitglied der Bekennenden Kirche. Seit 1941 arbeitete er im Kirchlichen Einigungswerk mit, durch das Bischof Wurm die Landeskirchen in ihren unterschiedlichen Entwicklungen zusammenzuführen suchte. 1945 nahm er an der Kirchenführerkonferenz in Treysa teil. Seine reiche Erfahrung brachte er als erster Leiter der Ökumenischen Centrale in die innerdeutsche Ökumene ein. Als Kenner der Weltökumene wusste er, dass er es in Deutschland zwar mit kleinen Minderheitskirchen zu tun hatte. Aber er hatte vielen seiner Zeitgenossen voraus, dass er gleichzeitig wusste, diese in Deutschland kleinen Kirchen sind integrierte Zweige von großen protestantischen Weltkirchen, die in der Ökumenischen Bewegung seit John Mott ihren einflussreichen Platz ausfüllten. Hanfried Krüger, der spätere Geschäftsführer der ACK, musste es wissen, als er schrieb: »Seine reichen ök. Erfahrungen konnte M[enn] in die 1947 gegründete Ök. Centrale einbringen, die auf Genfer Initiative hin entstanden als Koordinierungsstelle für die ök. Mitarbeit der deutschen Kirchen dienen sollte und deren Leitung M[enn] bis zu seinem Tode innehatte.«168 Aus Anlass seines Todes im Februar 1956 schrieb Walter Freytag: »Ohne seinen organisatorischen Dienst im Ökumenischen Studienausschuß der Evangelischen Kirche in Deutschland [sic!], in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland und in den regelmäßigen ökumenischen Arbeitstagungen wäre der gegenwärtige Stand [der Ökumene in Deutschland] nicht erreicht worden.«169 In der Reihe der Praktiker der innerdeutschen Ökumene darf Hans Schönfeld nicht fehlen. Schon 1929 war der Volkswirtschaftler und Theologe wissenschaftlicher Mitarbeiter des Internationalen Sozialwissenschaftlichen Instituts in Genf. Dieses war auf Initiative Adolf Kellers nach 1918/19 entstanden, weil die internationale Hilfsarbeit für die vom Weltkrieg betroffenen Völker in Europa noch nicht ökumenisch organisiert war.170 Als der ÖRK sich noch im Stadium der Bildung befand, arbeitete Schönfeld von 1931 bis 1946 als Direktor des in der Schweiz angesiedelten Forschungsinstituts. Der juristisch gebildete Theologe leistete hier grundlegende Vorarbeiten für die 1937er Weltkonferenz für Praktisches Christentum in Oxford. In der schwierigen NS-Zeit war er einer der ökumenischen Grenzgänger, die von der Schweiz aus den Kontakt nach Deutschland hielten. Er stand gleichzeitig in Verbindung mit Vertretern des deutschen Widerstands und der 168 Hanfried Krüger, Wilhelm Menn. In: ÖLex, Frankfurt/M. 1983, Sp. 790. 169 Walter Freytag, Pfarrer D. Wilhelm Menn †. In: ÖR 5. Jg. (1956), 1. 170 Marianne Jehle-Wildberger, Adolf Keller (1872 – 1963). Pionier der ökumenischen Bewegung, Zürich 2008, passim.

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internationalen Ökumene, z. B. mit Bischof George Bell. Bevor Schönfeld 1946 in die Heimat zurückkehren konnte, hat er seine internationalen Kontakte genutzt, um mit finanzieller Unterstützung aus den USA schon früh die Einrichtung einer Ökumenischen Centrale in Deutschland zu ermöglichen. Dem erfahrenen Genfer Studiensekretär lag daran, die deutsche Studienarbeit in der internationalen Ökumene zu fördern und schnell wieder in die Gemeinschaft einzubinden. Schönfeld starb im Alter von 54 Jahren und hinterließ »auf dem Feld der ökumenischen Arbeit, das ihm wie wenigen vertraut war,« eine schwer zu schließende Lücke.171 Die praktische Arbeit der innerdeutschen Ökumene wurde im ersten Jahrzehnt der ACK von Männern getragen, die alle ein erhebliches Maß internationaler ökumenischer Erfahrung mitbrachten. Sie hatten alle ein großes Interesse daran, die deutschen Kirchen viel stärker mit der ökumenischen Entwicklung zu verbinden, als das bis dahin gelungen war. Die Umbruchphase nach dem Ersten Weltkrieg im Zusammenhang der Entlassung der Staatskirchen aus ihrem gesicherten Status, sowie die internationale Isolierung, in die sich die deutschen Landeskirchen nach dem »Versailler Diktat« selbst begeben haben, hatte das frühere deutsche Staatskirchentum auch in eine ökumenische Isolierung geführt, wie sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wiederholen sollte. Dafür stellten bereits vor dem Kriegsende in Ökumenefragen international erfahrene Führungspersönlichkeiten die Weichen. Gleichzeitig halfen sie mit, den Minderheitskirchen in der innerdeutschen Ökumene einen neuen Status zu eröffnen. Neben den ökumenisch versierten Persönlichkeiten waren materielle Zuwendungen aus den Kirchen des Auslands für ein am Abgrund des Hungers und großer sozialer Not stehenden Volkes auch in ökumenischer Hinsicht von unschätzbarem Wert. Otto von Harling erinnerte reichlich zehn Jahre nach dem Ende des Krieges daran, dass die Frage zu stellen sei, »welche Konsequenzen […] für die gegenseitigen Beziehungen der dem Ökumenischen Rat angehörenden Kirchen innerhalb Deutschlands zu ziehen sein würden. Diese Frage wurde um so dringender,« fuhr er fort, »da an der ökumenischen Hilfe zur Überwindung der Nachkriegsnöte in Deutschland in erheblichem Umfang Kirchen im Ausland, insbesondere in Nordamerika, beteiligt waren, deren Schwesterkirchen in Deutschland verhältnismäßig kleine Freikirchen sind.«172 Neben diesen Hilfswerkgaben sind die Finanzen zu nennen. Ohne die Unterstützung amerikanischer Kirchen hätte es vermutlich keine Ökumenische Centrale gegeben. Aber auch der politische Wille ist nicht zu unterschätzen. Die angelsächsischen Besatzungsmächte waren aus ihrer heimatlichen Erfahrung gewohnt, mit 171 O. V., In Memorian D. Dr. Hans Schönfeld. In: ÖR 3. Jg. (1954), 134 f. 172 Otto von Harling, Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen. In: KJ 82. Jg. (1955), 357.

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vielen Kirchen, und zwar großen wie kleinen, also unabhängig von der Zahl ihrer Mitglieder, partnerschaftlich zu leben. Ihre speziellen Abteilungen für die kirchliche Arbeit, die bei der amerikanischen und britischen Militärregierung angesiedelt waren, förderten das ökumenische Miteinander in Deutschland. Sie ließen es sich sogar etwas kosten und finanzierten Tagungen und Publikationen. Nach 1945 wirkten gesellschaftliche Umstände, soziale Nöte, politische Interessen und engagierte, mit Kompetenz ausgestattete Ökumeniker in einer Weise zusammen, dass eine neue Grundlage für die weitere Entwicklung der innerdeutschen Ökumene durch die ACK gelegt werden konnten. Als Mitte der fünfziger Jahre J. W. E. Sommer, H. Schönfeld und W. Menn gestorben waren und M. Niemöller aus dem Kirchlichen Außenamt ausschied, trat die ACK in eine zweite Ära. Die Verbindung zwischen der ACK und dem Kirchlichen Außenamt der EKD war von dort von Anfang an angestrebt. Das geschah zunächst durch die Doppelbeauftragung Hans Schönfelds als Referent für ökumenische Angelegenheiten im Kirchlichen Außenamt und gleichzeitig als Sekretär der ACK.173 Vorher hatte es bereits die Erwägung gegeben, die Ökumenische Centrale in das Kirchliche Außenamt einzugliedern. Mit Rücksicht darauf, dass das »den ökumenischen Charakter des Institut beeinträchtigt« hätte,174 das ja zu dieser Zeit noch aus ökumenischen Mitteln finanziert wurde, ist davon abgesehen worden. Das erwies sich längerfristig als hilfreich, weil die ÖC sich mehr und mehr von einer Studienabteilung zur Geschäftsstelle der ACK entwickelte. Eine enge Beziehung zwischen ACK und Kirchlichem Außenamt ergab sich unter anderem aus rechtlichen Gründen. Da die ACK keine Rechtsfähigkeit hatte, erfolgte z. B. die Anstellung von Hans Schönfeld über die EKD. Ein gewisser Wendepunkt trat mit der Berufung von Oberkirchenrat Hanfried Krüger als EKD-Ökumene-Referent ins Kirchlichen Außenamt ein. Er hatte keine Chance, frühe ökumenische Erfahrungen zu sammeln, wie seine Vorgänger. Krüger schloss ein theologisches Studium mit einer Promotion beim ökumenisch ausgerichteten Professor Friedrich Heiler, einem Religionswissenschaftler, Konfessionskundler und führenden Vertreter der Hochkirchlichen Bewegung, ab. Danach war er Gemeindepfarrer in Lauenstein bei Hameln bis er ins Landeskirchenamt nach Hannover berufen wurde. Dort war er verantwortlich für den theologischen Bereich der Prüfungen und zuständig für die sich zu dieser Zeit entwickelnden ökumenischen Beziehungen. Von Hannover aus kam er 1953 nach Frankfurt/M., um im Kirchlichen Außenamt als ÖkumeneReferent tätig zu sein. Als der auch in der innerdeutschen Ökumene engagierte 173 Beschlüsse der ACK betr.: die Arbeit der Oekumenischen Centrale. EZA, Best. 2/184. (Oktober 1948). 174 Otto von Harling, Die ACKiD. In: KJ 82. Jg. (1955), 361.

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Zeit der Konsolidierung und Stagnation

Martin Niemöller seine Tätigkeit im Außenamt der EKD beendete, wurde Hanfried Krüger auch die Geschäftsführung der ACK übertragen. Erstmals wurde zu dieser Zeit ein freikirchlicher Referent als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seine Seite gestellt. Nacheinander waren die beiden baptistischen Theologen Günter Wagner und danach Günter Wieske dort tätig. Bereits unter Niemöller gab es eine Arbeitsteilung, die sich je länger je mehr verfestigte. Das Kirchliche Außenamt vertrat den »deutschen Protestantismus« in der internationalen Ökumene; der ACK blieb die Aufgabe, ein Instrument für die innerdeutschen ökumenischen Beziehungen zu sein. 1948 hatte an der Amsterdamer ÖRK-Gründungskonferenz nach ACK-Beschlüssen noch der Baptist Paul Schmidt als ihr Vertreter teilgenommen. Er nahm den Platz ein, der in anderen Ländern den National Councils zufiel. Als es um die ACK-Vertretung in Evanston ging, wurde die ACK zum Bittsteller beim Kirchlichen Außenamt, weil sie wie 1948 einen Vertreter entsenden wollte. Mit dieser Bitte war die frühere Ordnung von 1925 wieder hergestellt: ökumenische Vertretungen liefen wieder über die EKD. Der Baptist Hans Luckey konnte von der ACK an die zweite ÖRK-Vollversammlung entsandt werden. Die Weichen für die Zukunft waren so gestellt, dass auf die Dauer eine Abhängigkeit der ACK in internationalen Fragen normal wurde. Später wurde durch die ACK keinem Freikirchler mehr eine internationale Tagungsteilnahme ermöglicht. Ausnahmen bildeten die Arbeitstreffen der Sekretäre von National Councils oder die Sitzungen zur Vorbereitung der Programme für die Gebetswoche für die Einheit der Christen. Es ist kein Wunder, dass Luckey in seiner Rückschau auf die beiden ersten Jahrzehnte der ACK bemerkte, »daß gerade im europäischen Raum, also auch in Genf, die EKiD mit Rat und Kirchlichem Außenamt die Fäden in der Hand hat.«175 Als der EKD-Ökumene-Referent Hanfried Krüger auch die ACK-Geschäftsführung übernahm, hatte das sofort Auswirkungen im traditionellen ÖkumeneBericht, der im amtlichen Kirchlichen Jahrbuch von Anfang an veröffentlicht wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt war dort stets eine Darstellung der ACK-Entwicklung erfolgt. Jetzt trug dieser Bericht unter der Überschrift Ökumenische Bewegung zwar einen Absatz »Ökumene zu Hause«. Aber darin wurde praktisch weder über die Entwicklung in der ACK noch über andere ökumenische Aktivitäten in Deutschland, etwa über BROT FÜR DIE WELT oder über den Weltgebetstag der Frauen berichtet. Lediglich die von der ACK diskutierten »Thesen zur christlichen Taufe« sind dort dokumentiert.176 Allein der Wandel in der 175 Hans Luckey, Zwei Jahrzehnte Ökumene in freikirchlicher Sicht. KJ 94. Jg. (1967), 415. 176 Hanfried Krüger, Ökumenische Bewegung. In: KJ 85. Jg. (1958), 310 – 376. Ähnlich KJ 86. Jg. (1959), 286 – 337 mit einer Übersicht über die deutsche Mitgliedschaft in Organen des ÖRK und dem Resumee des theologischen Gesprächs zwischen Vertretern der RussischOrthodoxen Kirche und der EKD in Arnoldshain.

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Berichterstattung zeigte, an welcher Stelle das Herz des neuen ACK-Geschäftsführers schlug, der die Arbeit des DÖSTA engagiert förderte. Der Wandel wurde dadurch unterstützt, dass der ökumene-erfahrene Hans Heinrich Harms zum 1. April 1960 als Hauptpastor an die Hamburger Michaeliskirche berufen wurde und damit aus der überregionalen ökumenischen Mitarbeit in Frankfurt ausschied. Die EKD war zu dieser Zeit in der ACK vertreten durch Landessuperintendent Udo Smidt (Detmold), Oberkirchenrat Heinrich Riedel (München), Prälat Hermann Kunst (Bonn) und Professor Otto Michel (Tübingen). Diese Delegation sicherte zwar durch Udo Smidt und Heinrich Riedel die Verbindung in den Rat der EKD hinein, jedoch entstand der Eindruck, dass den Fragen der innerdeutschen Ökumene ein immer geringerer Stellenwert zugemessen wurde. In den Freikirchen hatte man das Empfinden, zwar anders gesehen zu werden, als das früher der Fall war, aber es schien, als seien an die Stelle ökumenischer Entwicklungen in Richtung des gemeinsamen Zeugnisses und Dienstes andere Interessen getreten. Die in den ACK-Richtlinien formulierten Aufgaben der »Vertretung besonderer Anliegen einzelner Mitglieder« und der »Vertretung gemeinsamer Anliegen nach außen und in der Öffentlichkeit« waren fast bedeutungslos geworden. Öffentlichkeitsarbeit der ACK fand kaum statt, was zur Folge hatte, dass die ökumenische Vertretung des deutschen Gesamtprotestantismus ohne gesellschaftliche Relevanz war und die ACK eine innerkirchlichzwischenkirchliche Angelegenheit blieb. Die frühere Mitwirkung der ACK selber oder wenigstens die Beteiligung von Freikirchen an Gesprächen wie bei der Einführung der Bundeswehr gab es nicht mehr. Die ACK und ihre Mitgliedskirchen haben in Fragen, die auch ihre Arbeit betrafen, nur noch selten eine Gelegenheit bekommen, um Stellungnahmen abzugeben. Vielleicht waren die freikirchlichen ACK-Delegierten in ihrer Positionierung zu bescheiden, vielleicht vermisste man manchmal auch politische Kompetenz. Es kann aber auch sein, dass man in den Freikirchen den Einfluss der ACK auf die Landeskirchen zu hoch eingeschätzt hatte. In welchem Maße suchten die EKD-Delegierten in der ACK auf die Leitungsebene der EKD, den Rat und das Hannoversche Kirchenamt, wirklich Einfluss zu nehmen und wie bezogen sie die einzelnen Landeskirchen im Interesse der Entwicklung einer innerdeutschen Ökumene in ihre Erfahrungen ein? Und was konnte sich an verbindlichen Beziehungen auf EKD-Ebene entwickeln, wenn man den geringen Spielraum bedenkt, welchen die auf ihre Autonomie bedachten und auf unterschiedlicher Bekenntnisgrundlage wirkenden Landeskirchen ihr in theologischen und rechtlichen Fragen zugebilligt hatten? In der Rückschau stellt sich die Frage, ob die EKD überhaupt als ökumenischer Partner verbindlich tätig werden konnte oder ob, wie sich in den kommenden Jahren zeigte, weiterführende Entwicklungen im Bereich der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche (VELKD) statt in der EKD angesiedelt werden mussten. Auch die Tatsache, dass

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die einzelnen Landeskirchen Mitglieder im ÖRK blieben, spiegelt etwas von der eingeschränkten ökumenischen Vollmacht der EKD wider. Der Wandel war unübersehbar. Die Frage der rechtlichen Ausstattung der EKD in Fragen der ökumenisch verpflichtenden Partnerschaft haben die freikirchlichen Partner nicht gesehen.

2.8.8 Einzelne Beobachtungen zum Wandel Der Deutsche Ökumenische Studienausschuss hat im Laufe der Jahre die Studienarbeit übernommen, die ursprünglich von der Ökumenischen Centrale verantwortet worden war. Zunächst geschah dies noch in Verbindung mit den Themen des ÖRK. Später konzentrierten sich die Fragestellungen immer mehr auf die Ökumene in Deutschland. Durch diese Akzentverschiebung war die Ökumenische Centrale von einem zeitaufwendigen und anspruchsvollen Arbeitsauftrag frei und konnte nach und nach die Aufgabe einer ACK-Geschäftsstelle übernehmen. Eine andere Veränderung zog der Wechsel in der Leitung der Ökumenischen Centrale nach sich. Mit ihm war eine neue Phase der Entwicklung innerdeutscher Ökumene eingeleitet. Der Rat der EKD hatte von Anfang an kein National Council gewollt. In den »Richtlinien« waren noch Aufgaben festgeschrieben, die je länger je weniger praktiziert wurden. Am weitesten ging ursprünglich die »Vertretung gemeinsamer Anliegen nach außen und in der Öffentlichkeit«. Das wurde durch die Geschäftsführung der Ökumenischen Centrale auf die Dauer nicht weiter verfolgt. Weder an Gesprächen und Anhörungen auf politischer Ebene noch an eine Einbeziehung in die Arbeit der außerdeutschen Ökumene war zu denken. Eigentlich hätten sich gerade die mächtigen Kirchen, die über einen langen Zeitraum hinweg den Freikirchen »religiöse Freibeuterei« vorgeworfen hatten, welche »englisch-amerikanisches Sektenwesen in der deutsch-evangelischen Kirche«177 zu verbreiten suchten, nun verpflichtet fühlen dürfen, in ökumenischer, christlicher Gesinnung zu helfen, das früher von ihnen gepflegte Image zu korrigieren. Die Freikirchen haben das nicht gefordert, aber es wäre freundlich gewesen. Martin Niemöller ist einer der wenigen deutschen Kirchenführer gewesen, die sich aktiv um eine Neugestaltung der zwischenkirchlichen Beziehungen bemüht 177 Franklin H. Littell wies in der Ecumenical Review Nr. VI, 3 in einem gekürzt von der Ökumenische Rundschau übernommenen Beitrag über »Kirche und Sekte – mit besonderer Berücksichtung Deutschlands« auf einen Vortrag unter diesem Titel hin. ÖR 3. Jg. (1954), 59.

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haben. In seinem Leben »ist die Ökumene nicht Nebensache oder Luxus, sondern tägliches Brot,« schrieb Willem A. Visser ’t Hooft zum 80. Geburtstag des früheren ACK-Vorsitzenden. Er sei schon seit 1934 »in der ganzen Ökumene bekannt« gewesen.178 Die EKD war gut beraten, ihn zu ihrem »Außenminister« zu berufen. Es entspricht einer gewissen Logik, wenn seinem Kirchlichen Außenamt die frühe Ökumenische Centrale, – das »C« erinnert bleibend an die angelsächsisch-ökumenische Verbundenheit – angegliedert und ihr eigentlicher Initiator, der frühere Genfer Hans Schönfeld, als ökumenischer Referent dort angesiedelt wurde. Die Rolle des Kirchlichen Außenamts in Beziehung zu dessen innerdeutscher ökumenischen Tätigkeit wurde zunächst durch Martin Niemöller geprägt. Mit seinem Ausscheiden aus der Leitung des für die ACK gewichtig gewordenen EKD-Amtes trat dort auch ein Wandel in der Wahrnehmung der innerdeutschen praktischen Ökumene ein.179 Um die Arbeit des DÖSTA hat Hanfried Krüger sich engagiert und energisch gekümmert.180 Freilich muss auch gefragt werden, ob nicht die Übernahme des ACK-Vorsitzes durch den Freikirchler Hans Luckey im Jahre 1961 in manchen Landeskirchen eine stärkere Zurückhaltung zur Folge hatte. Wenn früher Rundschreiben an die Landeskirchen verschickt wurden, stand darunter »Niemöller«. Auch wenn es mancherorts ihm gegenüber eine gewisse Zurückhaltung gab, muss man doch die Frage stellen, ob die Unterzeichnung mit »Luckey« für die Briefempfänger das gleiche Gewicht hatte. Die Zahl von Rundschreiben war im Vergleich zur Aufbruchsphase merklich geringer geworden. Die Beziehungen der einzelnen Landeskirchen zur ACK schwebten in einer Unverbindlichkeit. In manchen Landeskirchenarchiven sind keine ACK-Protokolle vorhanden, was die Frage aufwirft, ob sie überhaupt an den innerdeutschen Prozess ökumenischer Entwicklung angeschlossen waren. Die Frage nach einem ›National Council of Churches‹ kam nicht zur Ruhe. 1954 bemerkte der methodistische Bischof Friedrich Wunderlich als einer der Delegierten seiner Kirche zur zweiten Vollversammlung des ÖRK im Zusammenhang der offiziellen Evanston-Berichterstattung und Dokumentation: »Sicherlich war es nicht die Absicht, die evangelischen Freikirchen in 178 W. A. Visser ’t Hooft, Martin Niemöller und die Ökumene. In: ÖR 21. Jg. (1972), 1. 179 Heinz Joachim Held stellt in seinem historisch angelegten Aufsatz über »Die Auslandsarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland im Wandel der Zeiten« auch die Arbeit des Kirchlichen Außenamts vor. Dem Thema entsprechend ist die innerdeutsche Ökumene darin nicht berücksichtigt. Wenn von einer Annäherung der »ökumenischen Beziehungen vor Ort« die Rede ist, dann geht es dabei um die Situation der deutschen Minderheitengemeinden im Ausland. Heinz Joachim Held, Die Auslandsarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland im Wandel der Zeiten. In: ders., Einsichten und Ausblicke, Frankfurt/M. 2008, 267 – 317. 180 Erich Geldbach, Der Deutsche Ökumenische Studienausschuss (DÖSTA), Chronik der ersten fünf Jahrzehnte, Frankfurt/Paderborn 2010, 53 ff.

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Zeit der Konsolidierung und Stagnation

Deutschland durch die Ausklammerung völlig aus dem Gesichtskreis der Ökumene im eigenen Land verschwinden zu lassen.« In dem Zusammenhang warf er erneut die Frage auf, »ob sich nicht die Ökumene im eigenen Land in ähnlicher Form darstellen ließe wie das ›British Council of Churches‹?«181

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Die besonderen Umstände im Osten Deutschlands

2.9.1 Frühe ökumenische Ansätze in der Sowjetisch Besetzten Zone Der Berliner Bischof Otto Dibelius hat bereits 1945 in der Stuttgarter RatsSitzung die Einrichtung einer »Berliner Stelle« für die EKD erreicht.182 Sie nahm sich der Tätigkeit an, die zur Sicherung der dortigen Immobilien und anderer Aufgaben für den Rat dort durchzuführen waren. Dibelius nutzte diese Beauftragung auch zur Gestaltung ökumenischer Aufgaben, die er mit der Integration des bisherigen Arbeitsausschusses des Weltbunds für Freundschaftsarbeit verband. Im April 1948 machte der Berliner Bischof dem langjährigen Berliner Hauptvertreter des Weltbunds, Superintendent Max Diestel, folgenden »Vorschlag: Die im Zusammenhang mit der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei gegründete ökumenische Stelle wird so erweitert, daß sie auch die Aufgaben des Weltbunds mit einzuschließen vermag.«183 Dibelius ging davon aus, dass der internationale Weltbund »seine Auflösung beschlossen hat«. Mit der anstehenden Bildung des ÖRK wurde dessen bisherige internationale Arbeit dort integriert. Auf diesem Hintergrund sah Dibelius keine Notwendigkeit für ein Fortbestehen der Deutschen Vereinigung. Er wollte aber die dort angesammelte ökumenische Kompetenz und die internationalen Kontakte nicht verlieren und war gleichzeitig daran interessiert, die Führung dieser überkonfessionellen Vereinigung zu übernehmen. Einige Monate vorher hatte sich allerdings die Deutsche Weltbund-Vereinigung an die EKD gewandt und »um eine klare und verbindliche Aeußerung über die künftige Ausgestaltung der ökumenischen Arbeit in Deutschland« gebeten. Sie wollte auch wissen, »wie das ökumenische Anliegen in Deutschland nicht nur Sache einiger Kreise oder Personen, sondern der Kirchen selbst und ihrer Gemeinden werden kann.«184 Als Ratsmitglied wusste Dibelius von der Anfrage.

181 Friedrich Wunderlich, Ökumene im eigenen Lande. In: ÖR 8. Jg. (1959), 143. 182 Die »Berliner Stelle« wurde als »Zweitstelle der Kirchenkanzlei« in der Jebensstraße eingerichtet. Prot. EKD-Rat, Bd. 1 (1995), 31, 59, 66 u. 105 – 109. 183 Brief Otto Dibelius an Max Diestel vom 17. April 1948. EZA Best. 4/413. 184 Schreiben des Arbeitsausschusses der Deutschen Vereinigung des Weltbunds für Freund-

Die besonderen Umstände im Osten Deutschlands

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Die Initiative von Bischof Dibelius führte zur Bildung eines neuen ökumenischen Ausschusses, in dem er selber den Vorsitz übernahm. Zur konstituierenden Sitzung am 9. Dezember 1948 lud er elf Personen in seine Dahlemer Wohnung ein. Er verband mit dieser Einladung drei Gedanken: neben der Frage der Weiterführung der Weltbundarbeit wollte er für die »Berliner Stelle« ein »Organ für die ökumenische Arbeit im deutschen Osten haben« und die Studienarbeit nach der Amsterdamer Ökumenischen Konferenz »von Berlin aus für alle Provinzen und Landeskirchen des Ostens organisiert« wissen.185 An dieser Besprechung nahmen vom bisherigen Weltbundausschuss Pfarrer Richard Jordan, Missionsdirektor Siegfried Knak, der Baptist Jakob Meister, der Methodist Ernst Scholz, der Brüdergemeine-Pastor Siegfried Bayer, der mennonitische Dipl. Ing. Schultz und Pfarrer Dr. Jürgen Winterhager teil.186 Die bisherige Weltbund-Arbeit wurde in den neuen Ökumenischen Ausschuss der christlichen Kirchen im mittleren und östlichen Raum Deutschlands offiziell überführt. Im neuen Ökumene-Ausschuss führte Bischof Dibelius den Vorsitz. Er nahm auf den Wunsch Diestels Bezug und stellte zugleich eine Verbindung zur kurz zuvor erfolgten Bildung des ÖRK her. In der nachfolgenden Besprechung teilte als erste Reaktion der Methodist Scholz mit, »Bischof Sommer habe ebenfalls seine Bereitschaft bekundet, den methodistischen Superintendenten im mittel- und ostdeutschen Raum die Mitarbeit in den ökumenischen Angelegenheiten zum ernsten Anliegen zu machen an allen denjenigen Orten, an welchen künftighin Arbeitsgemeinschaften der christlichen Kirchen (im Sinne des Oekumenischen Rates) begründet werden.«187

Offensichtlich dachte Sommer, damals Stellvertretender ACK-Vorsitzender, schon zu dieser Zeit an örtliche ACK-Kreise. – Der in der Praxis der Ortsökumene erfahrene Propst Grüber führte in der Diskussion aus: »echte ökumenische Bemühungen gehen über den Protestantismus hinaus«. Er schlug die Beteiligung der Alt-Katholiken mit dem Ergebnis vor, dass deren Pfarrer Dr. Buchta zusätzlich als stimmberechtigtes Mitglied in den neuen »Oekumenischen Ausschuss« gewählt wurde. Auf den Vorschlag des Baptisten Meister, Beziehungen

schaftsarbeit der Kirchen an die Kirchenkanzlei vom 3. Nov. 1947. In: Prot. EKD-Rat, Bd. 2 (1997), 380 f. 185 Einladungsschreiben Otto Dibelius an »Meine Freunde« vom 25. Nov. 1948. EZA Best. 4/ 413. 186 Im Laufe der Sitzung regte Propst Grüber »über den Protestantismus hinaus« die Einbeziehung der Alt-Katholiken an und knüpfte dabei an die öffentliche Fürbitte für den erkrankten Berliner römisch-katholischen Bischof durch Dibelius an. Eine Wiederaufnahme der ökumenischen Gottesdienste sah der Evangelische Bischof positiv. Bericht (Protokoll) der Sitzung vom 9. Dezember 1948. EZA Best 4/413. 187 Ebd., 1 f.

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Zeit der Konsolidierung und Stagnation

zur Una-Sancta-Bewegung aufzunehmen, reagierte Propst Hans Böhm ablehnend.188 In den Erwägungen zur Leitung des neuen Ökumene-Ausschusses standen frühere Erfahrungen aus den Entwicklungen im Weltbund für Freundschaftsarbeit im Hintergrund.189 Nur so kann man verstehen, warum Bischof Dibelius sich in der letzten ordentlichen Sitzung des Weltbundausschusses zum Vorsitzenden hatte wählen lassen. Nun benannte er Oberkirchenrat Walter Zimmermann von der Kirchenkanzlei zu seinem Stellvertreter. Zum Geschäftsführer bestellte er Pfarrer Dr. Jürgen Winterhager. Es war vorgeschlagen, die Wahl eines zweiten Vorsitzenden in der März-Sitzung 1949 vorzunehmen. Tatsächlich konnte aber erst am 20. September 1949 gewählt werden, da Bischof Dibelius in der vorhergehenden Sitzung im März verhindert war.190 Dieser ganze Weg der Konstituierung eines ökumenischen Gremiums war den Freikirchlern fremd. Alles hatte der autoritäre Bischof fest im Griff, und das wollte er auch. Die weiteren Anweisungen an den Geschäftsführer Winterhager über die Koordinierung ökumenischer Arbeitskreise in Rostock (Prof. Gloede), Halle (Präses Lothar Kreyssig), Jena (Prof. Gerhard Gloege) und Leipzig (Prof. Ludwig Ihmels) bestätigen die beabsichtigte Tendenz des Kirchenpolitikers, die ökumenische Entwicklung nicht aus der Hand zu geben. Der »Bericht« über die Sitzung wird ausdrücklich als »Amtlich (nicht als Veröffentlichung)« gekennzeichnet. Sollte hier etwa eine ACK-Ost vorgedacht worden sein, nachdem im März die ACK in Kassel mit ausschließlich westdeutschen Teilnehmern gegründet worden war? Dass die Fragen ökumenischer Zusammenarbeit auch im Osten geklärt werden mussten, zeigt eine Niederschrift der Kirchlichen Ostkonferenz, die am 26. März 1949 unter dem Vorsitz von Bischof Dibelius tagte. Dort hatten einzelne Landeskirchen berichtet, »daß die Freikirchen an sie herangetreten seien wegen Ueberlassung von Kirchengebäuden für freikirchliche Veranstaltungen, der Vorgang sei deshalb nicht unbedenklich, weil die Freikirchen auch in solchen Fällen Anträge gestellt hätten, in denen sie in den Gemeinden überhaupt keine Glieder haben. Es bestand Einverständnis darüber, daß in dieser Angelegenheit mit Zurückhaltung verfahren werden soll.«191

Die aufgeworfene Frage wurde an den Rat der EKD weitergeleitet. Es scheint, als wurde nicht gesehen, dass freikirchliche Christen z. B. aus Ostpreußen nach

188 Bericht (Protokoll) über die Sitzung des Ök. Ausschusses der christlichen Kirchen im mittleren und östlichen Raum Deutschlands vom 9. Dezember 1948. EZA Best 4/413. 189 Vgl. Bd. 1 – Kap. 12.1. 190 Bericht (Protokoll) über die dritte Sitzung des Ök. Ausschusses der christlichen Kirchen im mittleren und östlichen Raum Deutschlands vom 20. Sept. 1949. EZA Best. 4/413. 191 Niederschrift 16. kirchliche Ostkonferenz vom 28. März 1949 (Auszug). EZA 7/4035.

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Mecklenburg geflohen waren, die sich kirchlich dort neu sammeln mussten, aber über keine eigenen Räumlichkeiten verfügten.192 In derselben Sitzung berichtete der von Bischof Dibelius berufene Geschäftsführer Jürgen Winterhager über die »zweite ökumenische Tagung in der Ostzone (im August 1949)«, die in Rerik bei Kühlungsborn/Ostsee stattgefunden hatte. Mitarbeiter aus Landes- und Freikirchen hätten beklagt, dass »es im Westen Deutschlands gewisse Tendenzen gibt, die ökumenische Arbeit zu monopolisieren. Dort (im Westen) wird erfahrungsgemäß nicht ernst genug der Versuch gemacht, die Anliegen der östlichen Kirchen im Raum der Ökumene von Männern der Ostzone selbst vortragen zu lassen.« Es sei den Tagungsteilnehmern um Abhilfe aus »der Isolierung und Zersplitterung« gegangen. Weiter wurde berichtet, dass es in 70 bis 80 Gemeinden ökumenische Gottesdienste gäbe, in denen gleichsam »die Ökumene im Kleinen« zur Realität werde. Mit Feiern, Beten und Singen seien sie bemüht, »Grenzen der Zonen, der Länder, der Sprachen und der Rassen zu überbrücken.« Lieder von Charles Wesley, Bischof Eklund und Erzbischof Newman »werden stark empfunden.« Es wurde um ein »Sonderheft ökumenisches Liedgut« in deutscher Übertragung gebeten. Der Mangel an ökumenischer Literatur sei beklagt worden. Der Ausschuss, der aus dem Weltbund für Freundschaftsarbeit hervorgegangen sei, greife über die Landeskirchen hinaus.193 In ökumenischer Hinsicht ist von Anfang an auch eine Isolierung der Ökumene innerhalb der Kirchen der Sowjetzone eingetreten. Wie im Rat der EKD waren auch in der ACK ausschließlich Delegierte aus dem westlichen Teil der Kirchen vertreten. Die Besetzung der Genfer ökumenischen Gremien erfolgte einseitig mit Personen aus den westlichen Landeskirchen, und das Frankfurter Kirchliche Außenamt der EKD beanspruchte auch später noch die Alleinvertretung gegenüber dem ÖRK in Genf.194 Eine folgenreiche Weichenstellung mag in der Bemühung von Bischof Dibelius gelegen haben, der die Arbeit in seinem persönlichen Umfeld im Westen von Berlin anzusiedeln wusste und von hier aus über den »Ökumenischen Ausschuss der christlichen Kirchen im mittleren und östlichen Raum Deutschlands« zu steuern bemüht war.195 Dies musste längerfristig immer beschwerlicher werden. 192 Karl Heinz Voigt, »Auf eigenen Füßen stehen…«. Die methodistischen Kirchen in der Nachkriegszeit im heutigen Mecklenburg-Vorpommern. (3 Teile). In: EmK-Geschichte, 34. Jg. (2013), Heft 1, 16 – 36, Heft 2, 5 – 32;- 35. Jg.(2014), Heft 1/2, 42 – 74. 193 Alles aus Bericht im Protokoll des Ök. Ausschusses der christlichen Kirchen im mittleren und östlichen Raum Deutschlands vom 20. Sept. 1949. EZA Best. 4/413. 194 Claudia Lepp, Tabu der Einheit? Die Ost-West-Gemeinschaft der evangelischen Christenheit (1945 – 1969), Göttingen 2005, 745. 195 Der Berliner Bischof hatte auch den Vorsitz bei der »Kirchlichen Ostkonferenz«, die sich am 29. Sept. 1945 unter seinem Vorsitz konstituierte. Dazu: Rudolf Mau, Der Protestantismus im Osten Deutschlands (1945 – 1990), KGE IV/3, Leipzig 2005, 26 f.

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2.9.2 Die Vertiefung der kirchlichen Trennung Nachdem Bischof Dibelius 1957 als EKD-Ratsvorsitzender zusammen mit dem Präsidenten der EKD-Kirchenkanzlei Heinz Brunotte als kirchliche und Konrad Adenauer mit Verteidigungsminister Franz Josef Strauß als staatliche Repräsentanten den Militärseelsorge-Vertrag unterzeichnet hatten, war der von Berlin aus wirkende Dibelius für die DDR-Regierung zur Persona non grata geworden. Das steigerte sich vollends, als er 1959 seine im Westen wie im Osten scharf kritisierte Schrift »Obrigkeit?«196 herausgebracht hatte. Selbst seine eigene Kirchenleitung in Berlin-Brandenburg distanzierte sich von dieser Schrift. Indirekt rief er darin die Bürger der DDR auf, ihrer »Obrigkeit« den Gehorsam zu verweigern. Auch wenn er das später differenzierte, drängt sich der Eindruck auf, Dibelius sei vom Erbe national-protestantischer Ideen wieder eingeholt worden. Allein der von ihm als problematisch erwähnte und als entscheidende Wende für die Interpretation des Obrigkeitsbegriffs bezeichnete Übergang von der Monarchie zur Demokratie musste jeden Freikirchler hellhörig machen.197 Als die EKD-Synode im April 1958 kirchlicherseits den Militärseelsorgevertrag ratifiziert hatte, blieb das für die Gliedkirchen innerhalb der DDR nicht ohne Folgen. Otto Grotewohl, Ministerpräsident der DDR, schrieb kurz danach an den Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Regierung der DDR, Propst Grüber, nachdem er den Empfang einer EKD-Delegation abgelehnt hatte: »Angesichts des Ablaufs der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland im April 1958 in Berlin und der Behandlung des Militärseelsorgevertrags kann eine Vertretung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik nicht mehr anerkannt werden. Mit dieser Feststellung ist die Tätigkeit des Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche bei der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik198 beendet. […]Ich bin dagegen bereit, eine Delegation der evangelischen Kirche in der Deutschen Demokratischen Republik zu empfangen, deren Teilnehmer ihren Wohnsitz innerhalb der Deutschen Demokratischen Republik oder im demokratischen Sektor von Berlin haben.«199

Dieser Schritt wird auch von Grüber als ein Kurswechsel gegenüber der EKD angesehen. Der neue »scharfe Kurs« mit »gehässigen und verleumderischen 196 Otto Dibelius, Obrigkeit? Eine Frage an den 60jährigen Landesbischof [H. Lilje], Berlin 1961. 197 Martin Greschat, Protestantismus im Kalten Krieg. Kirche, Politik und Gesellschaft im geteilten Deutschland 1945 – 1963, Paderborn 2010, 234 – 240. 198 Propst Heinrich Grüber übte diese Funktion von 1949 bis 1958 aus. Vgl. auch: Propst Heinrich Grüber, Erinnerungen aus sieben Jahrzehnten, Köln/Berlin 1968. Er schildert auf S. 385 ff die Umstände, die seiner Entlassung vorausgingen. 199 Schreiben Ministerpräsident Grotewohl an Propst Grüber vom 17. Mai 1958. In: KJ 85. Jg. (1958), 138.

Problematische Ökumene?

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Äußerungen gegen […] den ›Atombischof‹ Dibelius« und andere Aktivitäten bestätigen das.200 Die in dem Schreiben vorgenommene Begrenzung auf die Begegnung mit EKD-Vertretern ausschließlich aus dem Bereich der DDR kam zu einem gewissen Abschluss, als die DDR sich 1968 eine neue Verfassung gegeben hatte und sich bald darauf – nämlich 1969 – der Bund der Evangelischen [Landes] Kirchen in der DDR (BEK) konstituierte. In diesen Zeitraum fällt auch die Bildung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (AGCK) in der DDR, die sich am 9./10. April 1970 konstituierte.201

2.10 Problematische Ökumene? 2.10.1 Das Ringen um die ›Gemeinschaft im Gebet‹ – Allianz und Ökumene Die 1846 in London gegründete Evangelical Alliance war Wegbereiterin auch für die innerdeutsche Ökumene. Durch sie wurden seit der Mitte des 19. Jahrhunderts landeskirchliche und freikirchliche Christen und Gemeinden zusammengeführt und durch ihre internationalen Kongresse das Bewusstsein für die Einheit der weltweiten Christenheit gestärkt, als der überwiegende Teil der evangelischen Christenheit noch national orientiert war und sich auch gegenüber den Entwicklungen der Evangelischen Allianz202 territorial abgrenzte.203 International konnte sie durch ihr Eintreten für Religionsfreiheit204 auf politischer Ebene und durch das gemeinsame Beten auf der Ebene der Gemeinden eine Bedeutung gewinnen, wie es die kirchlichen Organe in Deutschland damals nur ungern, teils widerwillig hinnahmen.205 Das Verhältnis von Evangelischer Allianz zur ACK gestaltete sich seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in drei unterschiedlichen Phasen. Die Entwicklung zeigte eine zunehmende Distanz, die von der Evangelischen Allianz ausging und sich durch den »Evangelikalenkonflikt« verstärkte. 200 Grüber, Erinnerungen, 385 f. 201 Zur AGCK in der DDR vgl. Kap. 3.10.1. 202 Der deutsche Zweig führte in der Mitte des 19. Jahrhunderts zeitweise den Namen Evangelischer Bund. 203 Karl Heinz Voigt, Die Evangelische Allianz als Ökumenische Bewegung. Freikirchliche Erfahrungen im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1990. 204 Karl Heinz Voigt, Die »Homburg Conference« für Religionsfreiheit (1853). Eine frühe Menschenrechtsinitiative. In: Lena Lybaek, Konrad Raiser, Stefanie Schardin (Hg.), Gemeinschaft der Kirchen und gesellschaftliche Verantwortung. FS für Professor Erich Geldbach, Münster 2004, 482 – 503. 205 Gerhard Lindemann, Für Frömmigkeit und Freiheit. Die Geschichte der Evangelischen Allianz im Zeitalter des Liberalismus (1846 – 1879), Berlin 2011, 228 – 240, 371 – 441, 593 – 597.

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(1) 1946 gedachte die Evangelische Allianz ihres 100jährigen Wirkens. Im Nachkriegsdeutschland befand sie sich in einem desolaten Zustand. Der Vorstand war nicht handlungsfähig, weil die Mehrzahl seiner Mitglieder während des Krieges verstorben war. Die Zonengrenzen verstärkten das Dilemma, denn von dem verbliebenen Rest wohnten einige Vorstandsmitglieder im Westen und in Berlin, andere lebten in der Ostzone. Das verstärkte sich durch die damalige Doppelstruktur, die sich in einem Allianzvorstand und einem Leitungsgremium der Blankenburger Allianz-Konferenz entwickelt hatte. Die erste Vorstandssitzung nach dem Kriege konnte erst am 28. August 1946 stattfinden. Um diese Zeit feierten mehrere Orts- und Regional-Allianzen das Jubiläum der 1846 in London gegründeten Bewegung. Das geschah in Berlin in einem geradezu ökumenischen Gottesdienst mit internationaler Beteiligung, während auch in Nürnberg, Hamburg und durch die Westdeutsche Allianz in Wermelskirchen dieses Datums gedacht wurde, ohne dass man voneinander wusste. Die England-Kontakte waren durch den Weg der Allianz in Deutschland während der NS-Zeit gestört. Erst Mitte 1947 konnten durch Besuche von Bischof J. W. Ernst Sommer und den neugewählten Allianzvorsitzenden, Pfarrer Walter Zilz (†1957), in der Londoner Zentrale Kontakte wieder neu geknüpft werden.206 In der deutschen Öffentlichkeit fehlte ein offenes, freimütiges Wort der Buße. Für den späteren Ökumene-Kritiker Friedrich Heitmüller war das ein Anlass, sich äußerst kritisch zur Allianz zu äußern und – allerdings nur vorübergehend – die Ökumene aufgrund ihres Stuttgarter Schuldbekenntnisses zu loben und ihre Nähe zu suchen. »Die Evangelische Allianz ist unter den gewordenen Umständen nicht bzw. nicht mehr der Raum, in dem das Zusammenstehen und Zusammengehen derer möglich ist, die sich von Gott zum bußfertigen Bekennen und glaubensvollen Handeln angesprochen und aufgerufen wissen. Es will mir scheinen, es sei nicht von ungefähr, daß das bußfertige Ringen um ein dem Glauben gemäßes Bekennen und Handeln sich nicht auf dem Boden der Evangelischen Allianz, sondern auf dem der Ökumenischen Bewegung vollzieht. […] Was die Evangelische Allianz sein sollte und wollte und während der 100 Jahre ihres Bestehens auch hin und wieder gewesen ist, das vermag sie in Deutschland unter den bestehenden Umständen nicht mehr zu sein.«207

Es ist nicht klar, ob Heitmüller wusste, dass sich die Zentrale der Evangelical Alliance in London während der Zeit des NS-Regimes mit ihren Stellungnahmen nicht an ihre deutschen Zweigvereine, sondern an die Bekennende Kirche gewandt hatte.208 Als sich 1948 die ACK bildete, gehörten ihr mit Paul Schmidt, J. 206 Karl Heinz Voigt, Die Evangelische Allianz nach 1945. Ein unsicherer Neuanfang mit sicherer Neuorientierung. In: FF Bd. 20 (2011), 235 – 285. 207 Friedrich Heitmüller, Unsere Anteilnahme am kirchlichen Ringen der Gegenwart. Ein Wort zur Klarstellung und Verständigung. Gerichtet an die Bundesleitung der Freien ev. Gemeinden unter dem 1. Mai 1946, 6 (für die Abschrift danke ich Hartmut Weyel). 208 Voigt, Allianz nach 1945. In: FF Bd. 20 (2011), 285. Dort Text der Resolution »Religious

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W. Ernst Sommer, Ernst Pieper und Hugo Hartnack – dazu Karl Glebe, der die Konstituierung mit vorbereitet hatte – fünf Freikirchler an, die innerhalb der Evangelischen Allianz alle überkonfessionelle Erfahrungen, teilweise in Führungspositionen, gesammelt und sie teilweise mit gestaltet hatten. Dadurch war sichergestellt, dass die Bemühung um eine gute Beziehung zwischen beiden Organisationen ursprünglich vertrauensvoll angegangen wurde. (2) Eine zweite Phase setzte ein, als neben die traditionelle Allianz-Gebetswoche die vom Ökumenischen Rat propagierte jährliche Gebetswoche für die Einheit der Christenheit, kurz Ökumenische Gebetswoche genannt, als eine unbeabsichtigte Konkurrenz wahrgenommen wurde. Zunächst bemühte sich die ACK um Zusammenlegung beider Gebetswochen. Sie verfolgte das Ziel, zum traditionellen Termin der Allianzgebetswoche zu beiden Wochen des Gebets gleichzeitig einzuladen. Dieses 1952 durchgeführte Experiment brachte keine Lösung. Die Ansätze in Allianz und Ökumene waren zu verschieden: in der Allianz das freie Gebet von Männern und Frauen aus der versammelten Gemeinde heraus, wie es in den Erweckungsbewegungen als lebendige Form gewachsen war ; – in der Ökumene die feste Gebetsordnung, die durch ihren hochkirchlich-anglikanischen Hintergrund die Form des liturgischen Gebets in den Gottesdiensten vorzog. Gegen formulierte wie gegen freie Gebete gab es hin und her Vorurteile. Besonders jene, welche die Praxis der Allianzgebetswochen gewohnt waren, taten sich schwer, sich auf liturgische Gebetsfeiern einzulassen. Man muss wissen, dass zu jener Zeit an vielen Orten innerhalb der Gebetswoche die betenden Christen aus den verschiedenen Gemeinden an sechs oder sieben Tagen Abend für Abend die Versammlungen besuchten und dabei ohne Unterschied von Landeskirche, Freikirche oder innerkirchlicher Gemeinschaft von der Kapelle zur Kirche oder zum Gemeindesaal zogen. Man kann in dieser Woche intensiven Betens, an denen die früher anderweitig oft ausgeschlossenen Freikirchler ganz selbstverständlich in großer Zahl teilnahmen, in jener Zeit durchaus die Sehnsucht nach der geschwisterlicher Akzeptanz durch andere Kirchen sehen. Nach der gescheiterten ersten Bemühung einer Zusammenführung verzichtete die ACK ab 1954 vorübergehend auf die wenigstens teilweise Übernahme der ökumenischen Gebetsordnung. Dafür bemühte sie sich nun, den Dienstag im Rahmen der Ordnung der Evangelischen Allianz für ein ökumenisches Themenfeld zu gewinnen. Für den 5. Januar 1954 lautete das auf Wunsch der ACK aufgenommene Thema »Gemeinde Jesu in aller Welt«. Die Ortsallianzen waren durch die Leitung von der Bundesebene her ermutigt, »die Kreise der Oekumene«, die es in der Region gab, speziell auf diesen Abend aufmerksam zu Liberty in Germany« vom 25. Okt. 1934 als Reaktion auf die Barmer Theologische Erklärung.

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machen. Innerhalb der ACK wurde mit Bedauern gesehen, dass die Hinweise auf die Ökumenische Bewegung in den gedruckten Allianz-Gebetsinformationen sehr allgemein waren. Es war fast verschämt »von dem Werk der Evangelischen Allianz ›und verwandten Bestrebungen in allen Ländern und Kreisen‹ die Rede«.209 Lediglich das Gesamtthema von Evanston, »Christus – die Hoffnung der Welt« wurde auch von der Allianz übernommen. Weil innerhalb der ACK das Gebet für die nahende Vollversammlung in Evanston im August 1954 erwünscht war, regte sie an, in solchen Städten, in denen es keine Allianzgebetswoche gab, zur Ökumenischen Gebetswoche nach dem Programm der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung einzuladen. In Evanston wurde die große Bedeutung der Gebets für die Einheit der Christenheit erneut betont. Nunmehr suchte die ACK ihre Gebetswoche an dem ursprünglich vorgesehen Termin Ende Januar oder wahlweise in der Woche vor Pfingsten einzuführen. Es war bedauerlich, dass es trotz guten Willens nicht zu einer gemeinsamen Gebetswoche kam. Als sich die Ökumene-Referenten der Landeskirchen 1956 trafen, war eines ihrer Themen die konkrete Gebetswochen-Situation. Das Protokoll spiegelt die bundesweite Übersicht und fasst »die längere Aussprache über die Allianzgebetswoche« wie folgt zusammen: »Die Situation ist in den einzelnen Kirchengebieten je nach dem örtlich bestehenden Verhältnis zu den Freikirchen immer noch sehr verschieden. Auch dort, wo mit der Allianz ein gutes Einvernehmen vorhanden ist, erscheint aber die von der ACK befürwortete Zusammenfassung der Allianzgebetswoche und der oekumenischen Gebetswoche nicht ohne weiteres möglich, da die Sachanliegen beider Gebetswochen sich nicht voll zur Deckung bringen lassen. Auf keinen Fall dürfe jedoch eine Konkurrenz zwischen den beiden Gebetswochen entstehen.«210

2.10.2 Die wachsende Kluft zwischen Evangelischer Allianz und ACK Die sich zwischen der Evangelischen Allianz und der Ökumene verschärfende Konfrontation darf man keiner der beiden Seiten allein anlasten. Durch die öffentlichen Stellungnahmen der Repräsentanten beider Einheitsbewegungen wurden sie teils gewollt teils ungewollt zu Kontrahenten. Die ACK kann man nicht ohne die theologischen Probleme betrachten, die innerhalb der Ökumene durch die Entwicklungen im Missionsverständnis wie auch durch das sog. 209 Schreiben ACK an die Mitgliedskirchen von W. Menn vom 12. 11. 1953. ELAB Best. 1.1. 1628. 210 Protokoll Kirchliches Außenamt der EKD, Tagung der landeskirchlichen Referenten für ökumenische Fragen 13. bis 15. Nov. 1956 in Arnoldshain. ELAB, Ökumene Bd. 1, Best. 1.1 /1628.

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»Antirassismus-Programm« entstanden waren. Beide Themenfelder fanden nicht nur bei evangelikalen Kritikern Widerspruch. Auf der anderen Seite war die Evangelische Allianz nicht mehr die in sich selber ruhende, fast ausschließlich durch das gemeinsame Beten in der kirchlichen Öffentlichkeit in Erscheinung tretende, Konfessionen und Denominationen integrierende Einheitsbewegung. Ganz unterschiedliche, überwiegend landeskirchenbezogene Gruppen und Verbände haben die Allianz zur Plattform ihrer Agitation gemacht. Ihre Kirchenkritik haben sie in einem ursprünglich aus der Arbeit der Allianz herausgewachsenes Presseorgan, das aus Mitteln der EKD unterstützt und unter einem Pfarrer einer Landeskirche als dessen Chefredakteur lautstark öffentlich gemacht. Als Folge dieser beiderseitigen Entwicklungen war die ACK ein Repräsentant für die kritisierte ökumenische Bewegung, die Evangelische Allianz andererseits wurde zum öffentlichen Träger anti-ökumenischer Polemik aller möglichen Evangelikalen. An den beiden Institutionen wurde die eigene Verunsicherung abgearbeitet, soweit das nicht an den Landeskirchen und den Freikirchen direkt geschah. Ohne den Rahmen dieses größeren Konfliktfeldes ist die divergierende Entwicklung der beiden unterschiedlichen Einheitsbewegungen und ihrer Gebetswochen kaum zu verstehen. Innerhalb der Evangelischen Allianz spielte – wie in der Ökumene – der internationale Einfluss eine unübersehbare Rolle. Angelsächsische evangelikale Gruppen und Organisationen, die mit einem anti-ökumenischen Konzept international aktiv waren, suchten die ökumene-kritischen Kräfte innerhalb der Evangelischen Allianz zu stärken. 1952 kam es in Woudschoten, Niederlande, unter amerikanisch-antiökumenischem Einfluss zur Bildung der European Evangelical Association. In Gesprächen zwischen der ACK und der Evangelischen Allianz im Jahr 1952 war bereits erwähnt worden, dass im Allianz-Vorstand auch die Frage eines Anschlusses an die amerikanische National Asssociation of Evangelicals (NAE) erörtert worden war. Zwar sei es in der Allianz nicht zu einem Beschluss gekommen, aber es bestehe »ein Bedürfnis, die Arbeit der Allianz über die ganze Welt zu erweitern und zugleich zu aktivieren.«211 In den USA gab es zu dieser Zeit keine Evangelische Allianz mehr. Damit war dort der Raum für die Bildung dieser National Association of Evangelicals, die sich 1942 als eine fundamentalistisch orientierte Verbindung organisiert hatte, frei. Einen ihrer lautesten Sprecher, Carl McIntire, der gegen die Ökumene mobil machte, konnten die deutschen Delegierten vor dem Tagungszentrum der ÖRKVollversammlung in Evanston mit seinen Protestaktionen erleben. Diese ablehnende Haltung widersprach der sonst auf dem Campus der methodistischen Northwestern University geübten Haltung, ganz zu schweigen von der Vollversammlung, der diese Proteste galten. Tatsächlich hatte die gastgebende Kirche in 211 Prot. ACK-Sitzung vom 16. April 1952. EZA Best. 6/5317.

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der zentralen Universitätskirche die Delegierten aller Konfessionen zu einem für die Methodisten typischen offenen Abendmahl eingeladen. Zwar tangierte die nach Deutschland herüberschwappende evangelikale Bewegung auch die innerdeutsche Ökumene, aber die ACK war zu dieser Zeit mehr mit sich selber als mit der sich verändernden Allianz befasst.212 In der Ökumenischen Gebetswoche, die von Anfang an wie eine Konkurrenz zur Allianz-Gebetswoche empfunden wurde, wird für eine »Einheit, wie Gott sie will« gebetet. Das war auch für die Ökumene in Deutschland ein Anliegen, welches der Gemeinschaft aller Konfessionen, also auch der Orthodoxen und bald der Katholiken über den bisherigen Kreis der Teilnehmenden hinaus ein zentraler Gebetsauftrag sein musste. Trotzdem gab es eine sehr langsame Entwicklung, obwohl das international und interkonfessionell formulierte Gebetsheftchen Jahr für Jahr in deutscher Übersetzung zur Verfügung stand.213 In den neunziger Jahren – hier wird der ökumenischen Gesamtentwicklung vorgegriffen – nahm das ökumenische Beten eine neue Entwicklung, weil die Gebetswoche für die Einheit der Christen bundesweit eine stärkere öffentliche Beachtung fand. Mitte der neunziger Jahre konnte der Kieler methodistische Pastor als Delegierter in der Bundes-ACK in einer Mitgliederversammlung erreichen, dass ein von der ACK-Kiel geplanter Gottesdienst erstmals als offizielle Eröffnung für die bundesweite Gebetswoche stattfinden konnte. Die ACK-Kiel hatte damals nach einem Gottesdienst mit dem Hamburger Erzbischof Ludwig Averkamp Jahr für Jahr ein Vorstandsmitglied der ACK für die Predigt gewinnen können. Darunter waren der methodistische Bischof Walter Klaiber (1997), der Griechisch-orthodoxe Metropolit Augoustinos (1999) und der Erfurter römisch-katholische Bischof Joachim Wanke (2000). Der erstmals in der Kieler Marktkirche gehaltene offizielle Eröffnungsgottesdienst, in der übrigens das erste in Deutschland übergebene Nagelkreuz aus Coventry hängt, erreichte mit der Hilfe einer säkularen Presseagentur bundesweite Aufmerksamkeit. Es wurde eine langfristige ökumenische Wirkung erzielt, denn seit dieser Zeit wird jährlich ein Eröffnungsgottesdienst für die bundesweite Ökumenische Gebetswoche gefeiert. Er wird jeweils in einer zentralen Kirche an einem von der ACK festgelegten Ort mit hochrangiger ökumenischer Beteiligung in Predigt und Liturgie geplant. Das ökumenische Gebet für die Einheit der Christen im ACKVerbund ist dadurch stärker ins Blickfeld vieler Gemeinden gerückt. (3) Die bereits erwähnte Entfremdung zwischen Evangelischer Allianz und Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen wurde anhaltend vertieft durch be212 Hans Luckey hat das Ausblenden der Formierung von Evangelikalen und ihre ökumenischen Auswirkungen in der ACK kritisiert. 213 Der Programmvertrieb in der ÖC zeigt die Entwicklung: Es waren 1959 – 3.000, 1962 – 43.000, 1966 – 70.000 und 1967 – 80.000 Programme abgerufen wurden. – Prot. ACK vom 30. Juni 1967.

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kenntnistreue und evangelikale landeskirchliche Kreise, die das Programm der Entmythologisierung, dessen Hauptvertreter zunächst Rudolf Bultmann war, scharf kritisierten. Es rückten Probleme in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte, die eine vorher nicht gekannte Schärfe in die zwischenkirchlichen Entwicklungen und in manche innerkirchlichen Beziehungen brachten. Das blieb nicht ohne Auswirkung auf das Verhältnis von Allianz und Ökumene. 1952 waren sich die Evangelische Allianz, vertreten durch Paul Schmidt, Karl Glebe, Bundesvorsteher der Freien evangelischen Gemeinden, und Walter Zilz, Vorsitzender der Evangelischen Allianz, einerseits, und die ACK, repräsentiert durch J. W. Ernst Sommer, Professor Otto Schmitz, viele Jahre Direktor der Evangelistenschule Johanneum in Wuppertal, und Wilhelm Menn andererseits, begegnet. 1964 kam es auf einer gemeinsamen Tagung in Arnoldshain zu einer gegenseitigen öffentlichen Befragung. Die Lage hatte sich dramatisch verändert. Der damalige ACK-Vorsitzende, Landesbischof Erich Eichele aus Stuttgart, formulierte zehn »Fragen der Ökumene an die Allianz«.214 Auf Seiten der Allianz stellte Gerhard Bergmann, der 1962 sein Buch mit dem bezeichnenden Titel »Alarm um die Bibel« erstmals veröffentlicht hatte, die »Fragen der Allianz an die Ökumene«. Aus den früheren vertrauensvollen Gesprächen im kleinen Kreis war eine öffentliche Debatte geworden. Beide Seiten waren bei der Arnoldshainer Tagung darum bemüht, mit geistlich geprägter Sachlichkeit die an sie gestellten Fragen zu beantworten. Trotzdem blieben Vorbehalte, weil es Grundpositionen gab, die nicht allein durch die beiden Partner aufgehoben werden konnten, sondern die zum Teil in den strukturellen Vorgaben beider Organisationen und zum Teil in deren unterschiedlichen Grundlagen und Zielvorstellungen lagen. Seit Anfang der 1950er Jahre im niederländischen Woudschoten der Prozess der Internationalisierung der Evangelischen Allianz eingeleitet war und die bekenntnisartige »Glaubensbasis« der World Evangelical Fellowship die »Heiligen Schriften« als »unfehlbar« bezeichnete und u. a. ausdrücklich gegenüber der 1846er »Basis« der Evangelischen Allianz die »jungfräuliche Geburt Jesu« in den christologischen Teil eingefügt wurde, gab es in der theologischen Debatte in Deutschland Abgrenzungen mit einer unübersehbar fundamentalistischen Tendenz. Der Begriff »evangelical« wurde mit deutlicher Unterstützung der Allianz in die Debatte eingeführt. Er wurde zu jenem »kirchenpolitische[n] Kampfwort«, das als »vieldeutig und uneinheitlich« zu einer eindeutigen Klärung wenig geeignet war.215 214 Erich Eichele, Fragen der Ökumene an die Allianz. In: ÖR 14. Jg. (1965), 42 – 50 mit den Antworten des Sprechers der Evangelischen Allianz. 215 Erich Geldbach, Evangelikalismus. Versuch einer historischen Typologie. In: Reinhard Frieling (Hg.), Die Kirchen und ihre Konservativen. BenshH 62, Göttingen 1984, 53. Es ist

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Die zunehmende Entfremdung zwischen Allianz und Ökumene hatte verschiedene Gründe. Die ACK hatte sich in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre mit der Tauffrage und danach mit dem Kirchenverständnis beschäftigt. Die Ergebnisse scheinen über den Kreis der Beteiligten hinaus kaum eine Wirkung erzielt zu haben. Mit der Diskussion hermeneutischer Fragen in der Mitte der sechziger Jahre war der Deutsche Ökumenische Studienausschuss (DÖSTA) näher an den Problemen dran, die sich zu dieser Zeit massiv stellten.216 Der sich innerhalb der Allianz vollziehende Wandel scheint in der ACK nicht klar genug registriert worden zu sein. Einhundert Jahre war die Allianz eine integrierende Einheitsbewegung. Sie war mit der Absicht gegründet, unterschiedliche denominationelle und konfessionelle Positionen durch einzelne Personen zu verbinden und zusammenzuführen. Kongregationalistische und episkopale ekklesiale Strukturen, kindertäuferische und glaubenstäuferische Positionen, landeskirchliche und freikirchliche Frömmigkeit, manches hatte zueinander gefunden, und Klippen wurden umschifft. Aber nun sagte die auch in sich theologisch plurale Allianz dem Pluralismus, ein Wort, das zum Schimpfwort geworden war, den Kampf an. Es zeigte sich, dass die minimale Organisation der Allianz in Deutschland Probleme mit sich brachte. Der Hauptvorstand hatte keinen halbwegs verbindlichen Einfluss auf die regionalen und örtlichen Allianzkreise. Diese wurden in der Regel weniger durch die alte Basis von 1846 oder durch die revidierte von 1972217 bestimmt, als vielmehr durch die sich engagierenden Teilnehmer in diese oder jene Richtung geführt.218 Der sich selber durch Berufungen ergänzende Hauptvorstand der Gesamtallianz scheint zunehmend unter den Einfluss konservativer Gruppen geraten zu sein, auch wenn es nicht zu einer organisatorischen Verbindung mit der National Association of Evangelicals in den USA gekommen war. Die im Grunde unverbindliche Arbeitsstruktur und der nicht klar zu definierende evangelikale Einfluss führten dazu, dass es im Rahmen der Allianz nach der früheren Phase integrativer Arbeit nun durch eine separierende Tendenz mehr und mehr zur Bildung von evangelikal orientierten »Parallel-Strukturen« kam. Sie wurden durch ihr von der Evangelischen Allianz gegründetes, sich später verselbständigendes Medium »idea« der kirchlichen Öffentlichkeit als evangeschon eigenartig, dass die offizielle Übersetzung für Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) lautet Evangelical Church in Germany. 216 Geldbach, Der Deutsche Ökumenische Studienausschuss (DÖSTA), Chronik der ersten fünf Jahrzehnte, Frankfurt/Paderborn 2010, 54 f. 217 Basis der Ev. Allianz von 1972: www.ead.de/die-allianz/basis-des-glaubens.html, als »sprachlich überarbeitet« bezeichnet. 218 Karl Heinz Voigt, Wohin führt der Weg der Evangelischen Allianz? Kommentar in Radio Bremen am 20. Januar 1974. In: Hans-Beat Motel, Glieder an einem Leib. Freikirchen in Selbstdarstellungen, Konstanz 1975, 337 – 340.

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likale Alternative vermittelt. Eine neue Richtung, die nun zur Polarisierung führte, welche manchmal mit scharfen Polemiken verbunden war, ist unverkennbar. Die neu gebildeten Unternehmungen gewannen Spielraum indem sie sich organisatorisch von der Evangelischen Allianz lösten und den Weg in die Autonomie suchten.219 Für die späteren evangelistischen Aktivitäten erfolgte 1961 die Gründung eines eingetragenen Vereins »Großstadtevangelisationen der Deutschen Evangelischen Allianz«.220 Der Verein war ein formaler juristischer Mantel neben dem Evangelischen Allianz-Vorstand für die finanziell abzusichernden Großunternehmungen, beginnend mit den Evangelisationen von Billy Graham. Vielleicht war man durch diese frühe, sich positiv auswirkende eigenständige Organisationsform zu weiteren Gründungen ermutigt. Als weiteres autonomes Organ der Evangelischen Allianz kam es zur Gründung eines »Informations Dienstes der Evangelischen Allianz«, aus dessen Anfangsbuchstaben sich der inzwischen wohlbekannte Name »idea« zusammensetzt. Auch die »Konferenz Bekennender Gemeinschaften« organisierte sich als eine eigenständige Gemeinschaft.221 Nach der 1977 erfolgten Übernahme der Redaktion durch den Pfarrer Helmut Matthies222 kam es bei idea zu einer Entwicklung, die im Laufe der Zeit dazu führte, dass die Allianz sich genötigt sah, unabhängige Informationen in einem neuen Magazin »EiNS. Gemeinsam Glauben – Miteinander handeln« herauszubringen. Der Chefredakteur von idea-spektrum hat zu seiner eigenen Positionierung abgrenzend erklärt: »idea ist ein eingetragener Verein, der mit der Allianz rein juristisch überhaupt nichts zu tun hat.«223 Für die zu jener Zeit um »Evangelium und Bekenntnis« kämpfenden Bekennenden Gemeinschaften, die sich unter dem Titel »Konferenz Bekennender Gemeinschaften« auch einen formale Rechtsgrundlage geschaffen hatten, bot die Zeitschrift und der Pressedienst idea ein Forum, das diese Bewegung in den Kirchen nicht gefunden hatten. Über den »Informationsdienst der Evangelischen Allianz (idea)« schrieb Rolf Hille in einer Publikation der Bekennenden Gemeinschaften: »Es gibt keine theologische Verlautbarung, keine Stellungnahme zu kirchlichen Ereignissen, keine Äußerung zu wichtigen gesellschaft219 Neben ›Brot für die Welt‹ entstand ›Hilfe für Brüder‹, neben dem ›Gemeinschaftswerk Evangelischer Publizistik (GEP)‹ der ›Christliche Medienverbund (KEP)‹, neben dem ›Evangelischen Missionswerk (EMW)‹ entstand die ›Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM)‹. Einzelheiten: wikipdia.org/wiki/Liste_der_Deutschen_Evangelischen_Allianz_nahestehender_Organisationen. 220 Erich Beyreuther, Der Weg der Evangelischen Allianz in Deutschland, Wuppertal 1969, 137. 221 Theologischer Konvent (Hg.), Die Bekennenden Gemeinschaften. Daten und Dokumente ihres Glaubenskampfes, Frankfurt/M. 1979. 222 Ordiniert 1982 in der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau. 223 de.wikipedia.org/wiki/Evangelische_Nachrichtenagentur_Idea#Geschichte_und_Zielsetzungen.

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lichen Vorgängen seitens der KBG [Konferenz Bekennender Gemeinschaften] oder einer ihrer Mitgliedsgemeinschaften, die nicht durch idea sehr schnell und wirksam verbreitet worden wäre.«224 Mit idea hatte die Evangelische Allianz ein Organ geschaffen und danach in die Selbständigkeit entlassen, das in seiner Grundausrichtung anti-ökumenisch agierte. Für den eigentlich für die Allianz typischen Gedanken einer bekenntnisoffenen Einheit war allein schon durch die Berufung auf »Schrift und [konfessionelles] Bekenntnis« nur noch Handlungsspielraum für einen der Allianz im Grunde fremden Weg offen. Die idea-Redaktion hat mit ihrer Richtungsentscheidung nicht nur die ursprünglich in der Satzung festgelegte Linie verlassen. Dort hieß es, der Informationsdienst wolle »die Belebung und Förderung des Evangeliums von Jesus Christus, wie es in der Heiligen Schrift bezeugt wird und in der Glaubensgrundlage der Evangelischen Allianz seinen Ausdruck gefunden hat«, bewirken.225 Die »Basis«-Entscheidung der internationalen Evangelischen Allianz hatte seit ihrer Londoner Gründung 1846226 auf jeden Anklang an ein konfessionelles Bekenntnis verzichtet, sogar auf das altkirchliche Credo. Die Verselbständigung und betonte Unabhängigkeit von idea, die mit der Abkoppelung von dieser ausschließlichen Bindung an die Londoner Basis erfolgte, förderte eine bittere Konsequenz: Allianz und Ökumene hatten nur noch eine schmale gemeinsame Basis, nämlich einzelne, auf beiden Seiten aktive Personen. Sie saßen zwischen den Stühlen und nahmen das von beiden Seiten herkommende Misstrauen in Kauf, weil sie sich trotz aller Spannungen der Einheit der Christen und der Gemeinschaft der Kirchen verpflichtet wussten. Im kirchlichen und ökumenischen Umfeld kam hinzu, dass durch das fortschreitende Zweite Vatikanische Konzil viel Aufmerksamkeit in diese Richtung gelenkt wurde. Das konnte das Verhältnis von Allianz und Ökumene eher noch mehr belasten, denn traditionell hat die internationale Evangelical Alliance sich durch die Unterdrückung von Protestanten besonders in römisch-katholisch dominierten Ländern in einem Maße für Religionsfreiheit engagiert, wie es außer einigen Freikirchen keine deutsche Kirche im 19. Jahrhundert getan hat.227

224 Rolf Hille, IDEA – Aktuelle Informationsforum auch der Bekennenden Gemeinschaften. In: Rudolf Bäumer, Peter Beyerhaus, Fritz Grünzweig (Hg.), Bekennende Gemeinschaften im gegenwärtigen Kirchenkampf 1965 – 1980, Bad Liebenzell/Bielefeld 1980, 96. 225 Friedhelm Jung, Die deutsche Evangelikale Bewegung. Grundlinien ihrer Geschichte und Theologie, Bonn 20013, 71. 226 Hans Hauzenberger, Einheit auf evangelischer Grundlage. Von Werden und Wesen der Evangelischen Allianz, Gießen 1986, 109 – 132. – Gerhard Lindemann, Für Frömmigkeit in Freiheit. Die Geschichte der Evangelischen Allianz im Zeitalter des Liberalismus (1846 – 1879), Münster/Berlin 2011, 87 – 101. 227 Lindemann, Frömmigkeit in Freiheit, 208 ff. – Erich Geldbach, Markus Wehrstedt, Dietmar Lütz (Hg.), Religionsfreiheit, FS zum 200. Geburtstag von Julius Köbner, Berlin 2006,–

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Die Polemik und Aggressivität, wie sie sich in den sechziger und siebziger Jahren als Begleiterscheinung zu den scharfen Auseinandersetzungen in der Gesellschaft zeigte, schuf eine eigenartige Entfremdung zwischen den beiden Einheitsbewegungen. Strukturiert wurde sie in der Schaffung der bereits erwähnten »Parallelstrukturen«. Für die Freikirchen entstand, je nach ihrer Positionierung, eine bisher ungekannte Situation. Manche Anliegen aus dem evangelikalen Lager waren immer ihre eigenen gewesen, besonders die missionarische Arbeit, aber die kämpferische Art, ein »Wächteramt« auszuüben, durch das diese und andere Anliegen vertreten wurden, riefen bei Vielen ein Erschrecken hervor. Als die methodistische Kirche 1976 ihr Positionspapier »Unser Verhältnis zu den Evangelikalen« vorlegte, schrieb Walter Klaiber rückblickend: es wurde innerhalb und außerhalb der methodistischen Kirche »von manchen als Positionswechsel gesehen; viele empfanden das als Befreiung, andere als Infragestellung ihrer kirchlichen Identität.«228 Darin wird erkennbar, wie die gesamtkirchlich-ökumenische Entwicklung die Kirchen in ihrem Selbstverständnis berührt hat.

2.10.3 Neuordnung der Weltmission durch Integration Außerhalb der ACK, die sich noch nicht zu gemeinsamer Aktion in Zeugnis und Dienst durchringen konnte, gab es Aktivitäten einer praktizierten Ökumene, in deren Zusammenhang Landeskirchen und Freikirchen gemeinsame Schritte gehen lernten. Ein Praxisfeld war die Mission. Sie bot dazu gute Voraussetzungen, denn die Weltmission war in ihren Hauptströmen weitgehend frei von konfessioneller Enge. Erweckungsbewegungen haben sie mehr beeinflusst als in Kirchen verfasste Konfessionen. Dazu kamen die internationalen Erfahrungen, die auf ganz natürliche Weise zu einer ökumenischen Offenheit verhalfen. Als 1922 der Deutsche Evangelische Missionsbund229 organisiert wurde, waren die Missionsgesellschaft der deutschen Baptisten (Kamerunmission) und die Allianz-Mission, die den Freien evangelischen Gemeinden nahe stand, Gründungsmitglieder.230 Die Methodistenkirche bildete in Deutschland erst 1930 eine darin: Dietmar Lütz, »…aber einige sind gleicher«. Religionsfreiheit und die Freikirchen, 233 – 246. 228 Walter Klaiber (Hg.), Methodistische Kirchen, BenshH 111, Göttingen 2011, 152. – Evangelisch-methodistische Kirche (Hg.), Unser Verhältnis zu den Evangelikalen, EmK heute 23, Stuttgart 1976. 229 ab 1933 Deutscher Evangelischer Missionstag (DEMT). 230 Die Kontakte der Allianz-Mission zum DEMRat und zum DEMtag sind bisher nicht untersucht. Zu den Beziehungen der Allianz-Mission zum Bund Freier ev. Gemeinden: Elmar Spohn, Die Allianz-Mission und der Bund Freier evangelischer Gemeinden (BFeG): Die

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»Missionsgesellschaft«231, um zu einer Struktur zu kommen, die eine Mitgliedschaft im Deutschen Evangelischen Missionstag ermöglichte. Entsprechend ihrem theologischen Selbstverständnis waren die methodistischen Kirchen immer schon selber die Missionsgesellschaft, der alle Kirchenglieder angehörten.232 Die um der ökumenischen Gemeinschaft willen gebildete Missionsgesellschaft der Methodistenkirche schloss sich in der Zeit der politischen Bedrohung durch den NS-Staat 1933/34 dem Deutschen Evangelischen Missionstag (DEMT) an. Die Verbindungen zwischen dem DEMTund der später gebildeten ACKwaren schwach. Sie wurden zeitweise hergestellt durch die Mitwirkung von Professor Walter Freytag als Mitherausgeber der Ökumenischen Rundschau und durch seine Mitarbeit im Deutschen Ökumenischen Studienausschuss (1951 – 1959). Nach der ÖRK-Vollversammlung in Neu-Delhi, welche die Integration der autonomen Missionsgesellschaften in die Kirche empfahl, gab es in Deutschland keine Institution, die diesen Beschluss für alle Missionen hätte umsetzen können. In der Diskussion, wer diese Trägerschaft übernehmen könne, hatte Professor Walter Freytag schon früher in der Erwägung einer Vereinigung von ACK und Deutschem Evangelischen Missionsrat (DEMR) eine nüchterne und unter den damaligen Möglichkeiten der ACK sachlich richtige Einschätzung. Er sagte: die ACK »ist nur sehr lose und schwach. Wie wird sie diese Arbeit wahrnehmen können?«233 Allerdings sah Freytag als Vorausdenker für den Fall einer Integration des Missionsrates in die EKD ein ökumenisches Problem, denn die freikirchlichen Missionsgesellschaften »stünden dann plötzlich alleine da.« Aber ihm war klar : »Wir müssen Gemeinschaft mit den freikirchlichen Missionswerken halten.«234 Zwar hatte später die EKD-Synode von 1963 in Bethel in ihrem Beschluss zu Mission und Diakonie in ökumenischer Verantwortung235 die ökumenische Dimension ausdrücklich im Blick. Aber manche sahen dabei mehr auf die sog. Jungen Kirchen als auf die ökumenischen Konsequenzen in der Heimat. Eine Passage in dem Bericht, die über »ein besonderes Problem für die Integration« handelt, hat ganz offensichtlich mehr als die freikirchlichen jene landeskirchlich orientierten Missionsgesellschaften im Blick, welche deren Territorialgrenzen überschritten. Das bedeutete: die freikirchlichen Missionen waren

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Geschichte ihrer Beziehung und deren theologische Begründung. uir.unisa.ac.za/bitstream/ handle/10500/2427/dissertation.pdf ?sequence=1, (15.11. 2011). Die Missionare der methodistischen Kirchen u. a. aus Deutschland und der Schweiz wurden in Verbindung mit den Missionsabteilungen ihrer Kirchen in den USA ausgesandt. Alle Kirchenordnungen. – Auch: C. Ernst Sommer, Ökumene in Deutschland und die Freikirchen. In: Rudolf Weckerling, Jenseits vom Nullpunkt, Stuttgart 1972, 77. Prot. der Norddeutschen Mission vom 8. Mai 1962, mit dem Vortrag Freytags über »Konkrete Schritte zur Integration von Kirche und Mission«. ABEK, Best. A 551/1. Ebd. www.doku-ekd.pbeier.de/pdf/0003/0003156.pdf.

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selber in die Überlegungen und Verhandlungen noch nicht einbezogen. Im Auftrag der Vereinigung Evangelischer Freikirchen wandte sich unter dem 22. Februar 1964 deren Vorsitzender, Bischof Friedrich Wunderlich, an den Ratsvorsitzenden der EKD, Präses Kurt Scharf. Als einer der 44 Delegierten seiner Kirche war Wunderlich selber Tagungsteilnehmer in Neu-Delhi.236 Nun schrieb er, dass die Freikirchen in Deutschland, die zu jener Zeit 140 Missionare ausgesandt hatten, bei dem Vollzug der Beschlüsse der ÖRK-Vollversammlung »nicht abseits stehen wollen«. Er wies darauf hin, dass die Kirchen in den USA und in Großbritannien die Zusammenarbeit der Kirchen in Deutschland mit großer Anteilnahme verfolgen, und bemerkte, dass die weltweite methodistische Kirche die in Neu-Delhi erfolgte Integration »seit Jahren […] anstrebte und befürwortete.«237 Wunderlich schrieb an Scharf: Die Freikirchen wollen angesichts der großen Aufgaben, die innerhalb der EKD hinsichtlich der Umsetzung der Neu-Delhi-Beschlüsse bestehen, keine konkreten Vorschläge machen. Aber er fügte dieser Feststellung hinzu: »Wir hatten die Meinung, dass nach dem Modell von Neu-Delhi die Integration in Deutschland zwischen der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland und dem Deutschen Evangelischen Missionsrat hätte behandelt werden können. Dann wären auf beiden Seiten die Freikirchen gemäß der ökumenischen Basis von selbst vertreten gewesen. Zur Zeit erscheint die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen nur 236 Friedrich Wunderlich, Neu-Delhi von einem freikirchlichen Delegierten aus deutscher Sicht erlebt. In: ÖR 11. Jg. (1962), 124 – 128. Wunderlich sah den Fortschritt seit Evanston 1954 u. a. darin, dass er nun als » ein besonderer Fisch im Aquarium der Delegierten aus Deutschland« wahrgenommen wurde. Selbst die deutschen Ökumeniker mussten erst lernen, dass die methodistische Kirche in Deutschland immer schon ein integrierter Zweig einer weltweiten Kirche war. Ihre Delegierten aus Deutschland in Evanston, Neu-Delhi, Uppsala und Nairobi gehörten den gesamtkirchlichen Delegationen an, die überwiegend aus den USA kamen. Die weltweite Kirchenstruktur führte auch dazu, dass die Methodistenkirche in Deutschland lange Zeit nicht als ÖRK-Mitglied angesehen wurde. Wunderlich erklärte im Zusammenhang der Berichterstattung die Ursache für diese Lage. »In der Geschäftsordnung des ÖRK«, so schrieb er, »heißt es: ›Eine Kirche, die aufgenommen werden soll, muß den Nachweis ihrer Autonomie erbringen. Eine autonome Kirche ist eine solche, die bei aller Anerkennung der wesensmäßigen, wechselseitigen Verbundenheit der Kirchen, zumal der des gleichen Bekenntnisses, keiner anderen Kirche für die Gestaltung ihres eigenen Lebens verantwortlich ist. Diese Unabhängigkeit muß auch bestehen hinsichtlich der Ausbildung, Ordination und Unterhaltung der Träger des geistlichen Amtes, der Einordnung, Ausbildung und kirchlichen Tätigkeit der Laienkräfte, der Verbreitung der christlichen Botschaft, der Festsetzung der Beziehungen zu anderen Kirchen und der Verwendung der Geldmittel, die zur Verfügung stehen, aus welchen Quellen sie auch immer kommen mögen.‹« Die methodistischen Kirchen waren durch ihre Verfassung und Ordnung integrierte Zweige ihrer weltweiten Kirchen. Durch ihre übernationalen Körperschaften sind die beiden damaligen methodistischen Kirchen in Deutschland (Evangelische Gemeinschaft und Methodistenkirche) Gründungsmitglieder des ÖRK. – ÖR 11. Jg. 1962, S 124 f. 237 Ebd., 126.

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mit beratender Stimme. In der Arbeitsgemeinschaft für Weltmission befindet sich wohl ein freikirchlicher Leiter238 einer kirchlich nicht gebundenen Mission. Die Freikirchen als solche sind aber nicht vertreten.«239

Die in Neu-Delhi erfolgte Integration des Internationalen Missionsrates in den ÖRK und die daraus folgende Einverleibung der deutschen Missionsgesellschaften in die verfassten Kirchen zog eine Neuordnung der Arbeitsweise und der finanziellen Ausgestaltung der im 19. Jahrhundert in freier Initiative entstandenen Missionsgesellschaften nach sich. Die Verschiebung der Rechtsträgerschaft brachte der EKD und den ihr nahestehenden Missionsgesellschaften völlig andere Probleme als den Freikirchen. Für die freikirchlich eingebundenen Missionen war dieser Schritt der Integration nicht nötig. Aber die Bildung einer gemeinsamen Vertretung der Mission auf nationaler Ebene, die ja auch mit der Genfer Abteilung für Weltmission und Evangelisation und anderen internationalen Zusammenschlüssen zusammenwirken sollte, war der Mehrzahl der Freikirchen wichtig. Die Möglichkeit, auch den im Zusammenhang mit der Missionsarbeit notwendigen internationalen Transfer durch die Spezialisten der Wirtschaftsstelle des zukünftigen Evangelischen Missionswerks in Anspruch zu nehmen, war für alle Missionsabteilungen von Interesse. Die Wirtschaftsstelle beschaffte Reisepassagen, tätigte Einkäufe und sorgte für die Transporte in die verschiedenen Länder. Aber Neu-Delhi eröffnete nicht nur eine theologisch motivierte Strukturdebatte. Von dort kamen auch Impulse, die heftige theologische Auseinandersetzungen in einer teilweise aufgeheizten Atmosphäre anfeuerten. Auf Tagungen, in Publikationen, in der kirchlichen und säkularen Presse mit der Darstellung der Kontroversen und des Kampfes und in persönlichem Engagement von Männern und Frauen aus den unterschiedlichsten Kirchen und Gemeinden kam es zu heftigen Debatten. Man sah eine »Grundlagenkrise« der Mission zu einer theologisch nicht verantwortbaren Neuorientierung in der Missionspraxis führen. Die aus der Ökumene kommenden Vorstellungen wirkten besonders auf evangelikale Theologen äußerst beunruhigend. Die traditionelle Mission durch die Predigt vom Reiche Gottes und über das Heil in Jesus Christus wurde in den Krisenjahren, die auf die 68er Generation zusteuerten, konfrontiert mit den Herausforderungen einer Weltgesellschaft im Umbruch. Zu heftigen Debatten um die theologische Entwicklung besonders in Europa und Lateinamerika kam es 1966 in Genf anlässlich der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft. Besonders die herausfordernden Referate einiger lateinamerikanischer Theologen 238 Ernst Schrupp von der Bibelschule und dem Missionshaus Wiedenest war von 1962 bis 1973 Mitglied im Deutschen Evangelischen Missionsrat. 239 Schreiben Vereinigung Ev. Freikirchen an Präses Kurt Scharf v. 22. Febr. 1964. In: Konferenz der Vereinigung ev. Freikirchen in Deutschland, Hamburg/Dresden 1964, Witten., 14 f.

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trugen zu weiterer Verunsicherung bei. Das einige Jahre später in fast allen Lagern kontrovers diskutierte sog. Anti-Rassismus-Programm vertiefte die vorhandenen Gräben. Weltverbesserung im Sinne einer Humanisierung der Welt angesichts der katastrophalen Lage in Afrika, Lateinamerika und Asien und Dialoge mit den Weltreligionen, die seit der ersten ÖRK-Vollversammlung in einem asiatischen Staat immer mehr wahrgenommenen wurden, erschienen notwendig, die theologische Grundlegung war strittig. Innerhalb der deutschen Missionen kam es zu schmerzlichen Auseinandersetzungen. Die vielen Bemühungen, den Bruch zwischen Ökumenikern und Evangelikalen zu vermeiden, blieben erfolglos. Vorsorglich hatte man 1961 die Satzung des Deutschen Evangelischen Missionstags schon erweitert und als ein Signal der Offenheit zur Erhaltung der Einheit eingefügt: »Es steht den Mitgliedern frei, das grundsätzliche Verständnis und den Umfang ihrer Zusammenarbeit im DEMT, soweit diese nicht durch die Satzung geregelt ist, in einer diesbezüglichen Erklärung festzulegen.«240 Nach dem plötzlichen Tod von Walter Freytag wurde schon bald nach der ÖRK-Vollversammlung in Neu-Delhi der ökumenisch und international erfahrene Hamburger Hauptpastor und spätere Oldenburger Bischof Hans Heinrich Harms zum neuen Vorsitzenden des Missionstags gewählt. Er lud ökumenische Referenten aus dem internationalen Bereich zu den Tagungen der Missionstage ein. Je stärker die ökumenische Einbindung wurde, um so kritischer standen die sog. Evangelikalen dem Missionstag gegenüber. Der Graben zwischen Evangelikalen und Ökumenikern wurde tiefer. Die Ökumene-Kritiker zogen sich zurück. Dadurch fehlte ihnen der Austausch über Entwicklungen in der Weltmission und die Gemeinschaft untereinander. Nachdem sich die theologischen und teilweise auch persönlichen Spannungen nach der 4. ÖRK-Vollversammlung von Uppsala 1968 weiter verstärkt hatten, lud Ernst Schrupp im Auftrag des Hauptvorstands der Deutschen Evangelischen Allianz, die sich bisher wenig um Fragen der Weltmission gekümmert hatte, dreißig evangelikal ausgerichtete Missionen, die etwa 650 Missionare ausgesandt hatten, zu einem Treffen nach Frankfurt/Main ein.241 Schrupp kam von der kirchenkritischen darbystischen Brüdergemeinde und war vorher viele Jahre Mitglied im DEMT. Seine Initiative führte am 14. Februar 1969 in Frankfurt zur Bildung einer eigenständigen Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM).242 240 Satzung § 4, Abs. 2 – zit. n. Martin Pörksen, Vier Jahrzehnte deutsche evangelische Weltmission 1933 – 1973, Hamburg 1974, 44. 241 Ernst Schrupp, Gott macht Geschichte. Die Bibelschule und das Missionshaus Wiedenest, Wuppertal 1995, 145 f. 242 Aus dem Umfeld der Vereinigung Evangelischer Freikirchen gehören der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen an: Allianz-Mission, Deutsches Mennonitisches Missi-

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Vertreter der methodistischen Missionsarbeit und andere Freikirchler bemühten sich in den Auseinandersetzungen darum, die Einheit zu erhalten. Sie hatten wenig Erfolg. Während einige den Freikirchen nahestehende Missionen sich der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM) anschlossen, führten andere die traditionelle Mitgliedschaft im 1975 gegründeten Evangelischen Missionswerk (EMW) mit Sitz in Hamburg fort. Damit war von vorneherein klar, dass das nach langer Vorarbeit gebildete Missionswerk als ökumenische Institution »nicht die Einrichtung einer einzelnen Kirche« war.243 Die »gegenseitigen Blockaden zwischen evangelikalen und anderen Mitgliedern des DEMT«244 führten zur Trennung. Ein Riss ging auch mitten durch die freikirchliche Gemeinschaft. Es war kaum zu erwarten, dass die Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen durch den Verbund mit den immer kämpferischer werdenden Bekennenden Gemeinschaften einen Weg zurück in die alte Gemeinschaft der Missionsarbeit finden konnte, zumal das Klima durch die Bildung der bereits erwähnten evangelikalen Parallelstrukturen von Monat zu Monat spannungsgeladener wurde. Die meinungsbildende Führerschaft von idea und der breit gestreuten Zeitschrift idea-spektrum kam zur vollen Wirkung. Die in den Auseinandersetzungen wirksamen Spannungen hatten vielschichtige ökumenische Dimensionen. Die lebhafte Debatte fand außerhalb der ACK statt. Das Evangelische Missionswerk (EMW) leistete in einer späteren Phase unter Direktor Herbert Meißner wirksame ökumenische Hilfen und bemühte sich um ein positives Verhältnis zu den evangelikalen Missionen. In die ACK-Mitgliederversammlung entsandte das EMW einen »Ständigen Beobachter«. Umgekehrt war die ACK in der Mitgliederversammlung des EMW von Anfang an nicht vertreten.245

onskomitee, Europäische Baptistische Mission, Mülheimer Verband Freikirchlich-Ev. Gemeinden. 243 Aus dem Bereich der Vereinigung Evangelischer Freikirchen sind Mitglieder im Evangelischen Missionswerk: Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden, Bund EvangelischFreikirchlicher Gemeinden (Baptisten), Ev. Brüder-Unität Herrnhuter Brüdergemeine, Ev.methodistische Kirche. 244 Michael Benkert, Mission ist mehr. In: Weltmission heute – zum Beispiel EKD Synode ’74, Satzung Missionswerk ’75, Liste des Bedarfs ’76, Hamburg o. J. (1975). 245 Ebd., 28 f, Satzung des Evangelischen Missionswerkes vom 19. Sept. 1975, § 5.

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2.11 Entwicklungen in der DDR246 Insbesondere die politischen Umstände in der ehemaligen DDR sind von denen in den westlichen »Zonen« und der sich bildenden BRD grundverschieden. Es ist unbestritten, dass die Kirchen im westlichen Deutschland von Anfang an in einer nicht vergleichbaren Weise von internationalen ökumenischen Institutionen zu einer bis dahin ungekannten Zusammenarbeit gedrängt worden sind, die zusätzlich durch die Besatzungsmächte gestützt wurde. Dagegen war im östlichen Teil Deutschlands durch die politische Ausgestaltung des Landes eine Lage entstanden, welche ökumenisch gesehen die belastenden früheren Erfahrungen zwischen den Kirchen in einem anderen Licht erscheinen ließ, als das im Westen der Fall war.247 In einem diktatorisch regierten Land wirken natürlicherweise alte Vorurteile und Missverständnisse im Kontext öffentlichen Misstrauens anders weiter als in einer sich öffnenden Demokratie, abgesehen davon, dass alle Kirchen sich in einer sie bedrängenden Gesellschaft auf andere Weise genötigt sehen, ihr Selbstverständnis nach außen wie nach innen in einer Weise zu klären, dass sie unter den besonderen gesellschaftspolitischen Verhältnissen ihrem Auftrag gerecht werden können. Alle diese Umstände innerhalb eines kirchenfeindlichen, nicht selten konspirativen Umfeldes sind noch zu erfassen, zusammen mit der Einordnung vieler Aktennotizen, Protokolle und Briefwechsel, die noch längst nicht alle ausgewertet werden konnten. Die DDR-Geschichte ist nicht mit einem Anhang in einer »westlichen« Darstellung erledigt. Neben dem Übersichtswerk von Rudolf Mau248 erscheint es notwendig, eine kritische Geschichte der westdeutschen kirchlichen Entwicklung mit ihren gesellschaftlichen, politischen, ökumenischen und auch theologischen Eigenarten, Verquickungen und Wirkungen aus der Sicht östlicher Erfahrungen, auch solcher, die mit dem Westen gemacht wurden, zu schreiben. Das Thema »Kirche im Kapitalismus« ist bisher kaum bearbeitet.

246 Karl Heinz Voigt, Freikirchen in Deutschland (19. und 20. Jahrhundert). KiE III/6 Leipzig 2004, 214 – 226. 247 Ein typisches Beispiel ist die Bildung der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend (AEJ) am 2. Dezember 1949 im Westen. Dort waren die Freikirchen von Anfang an als Mitglieder in der AEJ gleichberechtigte Partner Ein entsprechender Zusammenschluss in der DDR zwischen der Jugendkammer-Ost und der dortigen freikirchlichen Jugendarbeit ist durch ein Veto der lutherischen Landeskirchen in der DDR verhindert worden. Ellen Ueberschär, Die junge Gemeinde im Konflikt: evangelische Jugendarbeit in der SBZ und DDR 1945 – 1961, Stuttgart 2003. 248 Rudolf Mau, Der Protestantismus im Osten Deutschlands (1945 – 1990), KiE IV/3, Leipzig 2005.

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2.11.1 Ausgangspositionen Die ökumenischen Beziehungen zwischen Landes- und Freikirchen in der Sowjetzone bzw. späteren DDR haben einen völlig anderen Verlauf genommen, als dieses im Westen der Fall war. Das hat ganz unterschiedliche Gründe. Die Kirchen in den östlichen Gebieten waren in der frühen Nachkriegszeit nur mittelbar von den Genfer ökumenischen Impulsen beeinflusst, von den Vorstellungen und Aktivitäten der westlichen Besatzungsmächte natürlich gar nicht. Landeskirchlicherseits gab es zwar durch die Initiative von Bischof Dibelius bereits seit September 1945 Tagungen der Kirchlichen Ostkonferenz (KOK), aber sie hatten kaum einen Einfluss auf die dortigen zwischenkirchlichen Beziehungen. Die Ostkonferenz bildete eine Kommunikationsebene zwischen den traditionell im Osten wirkenden Landeskirchen, mit deren Leitungs- und Verwaltungssitzen in Berlin, Dessau, Dresden, Eisenach, Greifswald, Magdeburg und Schwerin, die kirchenrechtlich mit allen notwendigen Kompetenzen ausgestattet in ihren Bereichen handlungsfähig waren. Die Leitungszentren der Freikirchen dagegen lagen in Berlin (Ev. Gemeinschaft), in Bad Pyrmont (Bund Ev.-Freik. Gemeinden), in Frankfurt/M. (Methodistenkirche) und Witten (Bund Freier ev. Gemeinden). Ähnlich waren die Theologischen Seminare in Ewersbach, Hamburg, Frankfurt/M. und Reutlingen. Die aus dem theologischen Selbstverständnis der Freikirchen entwickelten Organisations- und Verantwortungsstrukturen waren deutlich unterschieden von den entsprechenden Ebenen innerhalb der EKD. Die beiden methodistischen Freikirchen verstanden sich nicht als »deutsche« Methodisten, sondern sie bildeten Zweige weltweiter Kirchen »in Deutschland«. Die Bischöfe Melle, J. W. E. Sommer und Wunderlich übten ihre Dienste bis 1968 auch in der DDR als Bischöfe einer Weltkirche aus. Der Präsident des Kirchenvorstands der Ev. Gemeinschaft Ernst Pieper in Berlin war der Vertreter seines in den USA ansässigen Bischofs. Beide Kirchen hatten eine verbindliche Kirchenordnung, die für alle Gemeinden im Westen wie im Osten gleichermaßen galt, beide hatten – zwar durch den Verlust der Ostgebiete reduzierte, aber doch handlungsfähige – Konferenzen als Leitungsebenen für die in die Gesamtkirche integrierte regionale kirchliche Arbeit. Dies bedeutete z. B., dass auch im Osten alle jährlich tagenden Kirchenkonferenzen der Methodistenkirche von 1946 bis 1968 unter der Leitung der dafür gewählten Bischöfe stehen konnten. Das war von erheblicher Bedeutung für den bewussten Zusammenhalt der Kirchenzweige von Ost und West. Völlig anders war die Lage in den beiden Gemeindebünden. Sie waren ihrem theologischen Selbstverständnis entsprechend als autonome Lokalgemeinden organisiert, die entsprechend dem Independentismus bis hin zur Formulierung ihrer jeweiligen Gemeindeverfassung autonom waren. Die auf dieser theologischen Basis für sie aktiven Bundesgeschäftsstellen mit Geschäftsführern spielten

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eine andere Rolle. Die Auswirkungen dieser Gestalt autonomer Lokalgemeinden249 erforderte Maßnahmen, die in einigen Bereichen zum Aufbau neuer zwischengemeindlicher Verbindungen führte.250 Bevor Auswirkungen der unterschiedlichen Kirchenstrukturen gezeigt werden, muss die Ausgangslage in der Ostzone gesehen werden. Die Landeskirchen brauchten sich um die Frage der Registrierung keine Sorgen zu machen. Bei einigen Freikirchen bestand eine andere Ausgangslage, die – wie unter der NSDiktatur – Überlebensängste auslöste, weil nicht von Anfang an klar war, ob sie sich in der Liste »anerkannter Religionsgemeinschaften«, die von der Sowjetischen Militäradministration erstellt war, wiederfinden würden. Für die Freikirchen in Berlin war Propst Heinrich Grüber eine enorme ökumenische Hilfe. Er war in den Beirat für kirchliche Angelegenheiten des (Ostberliner) Magistrats berufen worden. In dieser Eigenschaft vertrat er dort die Interessen aller nicht-katholischen Kirchen und Glaubensgemeinschaften. Er war gegenüber dem Senat ein herausragend ökumenischer Interessenvertreter, der nach beiden Seiten hin aktiv war : Er vertrat freikirchliche Interessen beim Magistrat und beriet Freikirchen in schwierigen Situationen. Das Erscheinen verschiedener freikirchlicher Zeitschriften251 schon ab 1945 und sogar die

249 Sie verbanden sich durch eine bekenntnisartige »Rechenschaft vom Glauben«, die jedoch keinen verpflichtenden Charakter im Verfassungsrang hatte. Dieser Grundlagentext wurden 1974 – 1977 von den Vertretungen der Gemeinden in der DDR zusammen mit denen von Österreich, der Schweiz und der BRD entwickelt. Formal wurden die »Rechenschaft« 1978 auch in Berlin-Weißensee »entgegengenommen und den Gemeinden zum Gebrauch empfohlen«. Rechenschaft vom Glauben, o. O. (Kassel) und o. J., 16. 250 Die »Rechenschaft vom Glauben« diente auch im gesellschaftlichen Bereich »der Verantwortung des Glaubens nach außen«, 1. 251 Bund Ev. Freik. Gemeinden: Sept. 1945: »Mitteilungen der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden« für das Gebiet der SBZ, ab 1947 »Wort und Werk«.– Bund Freier Ev. Gemeinden: Nach »Gruß an die Mitglieder und Freunde der Freien evangelischen Gemeinden in Ostdeutschland« ( Dez. 1945 u. März 1946) ab Juli 1946 gedruckte »Gemeindebriefe an die Mitglieder und Freunde der Freien evangelischen Gemeinen in Berlin und Umgebung« (später »Glaube und Dienst«, bald auch mit Berichten aus Sachsen und Thüringen). – Methodistenkirche: »Aus dem Werk«, erschien ab 1946 für Berlin, ging ab Januar 1950 in die »Friedensglocke« über, die 1893 erstmals in Bremen erschienen war und seit 1950 Name des Kirchenblattes für die DDR wurde. Der »westliche« Name ›Friedensglocke‹ wurde übernommen, um damit eine Brücke zum Westen zu schlagen und »einer evtl. späteren Verschmelzung mit der Friedenglocke im Westen den Weg zu ebnen« (Vgl.: Aus dem Werk v. 20. Dez 1949, 4). Die Evangelische Gemeinschaft: Ab 1954 gab Reinhard Joop das »Evangelische Sonntagsblatt für Jedermann – Friede sei mit Euch!« heraus. Es firmierte ab Nov. 1954 als »Sonntagsgruß der Evangelischen Gemeinschaft« und ab April 1955 als »Sonntagsblatt der Evangelischen Gemeinschaft in der Deutschen Demokratischen Republik«. Die persönliche Lizenz für Reinhard Joop erlosch mit seinem Tod im Jahr 1969.

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Gründung einer baptistischen Versandbuchhandlung im Dezember 1945 ist ohne seine Vermittlung kaum vorstellbar.252

2.11.2 Regional unterschiedliche Erfahrungen In Berlin-Brandenburg war der Einfluss von Westberlin her wirksam. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Berlin die Ökumene-Hauptstadt Deutschlands war. Ökumenische Besucher kamen aus vielen Ländern. International vernetzte Kirchen wie die Mennoniten, die Methodisten und die Baptisten gewannen an Einfluss, die Quäker und die Mennoniten, aber auch Reformierte aus Frankreich und Holland sandten »Friedensstifter« und »Brückenbauer«. Seit dem 28. Oktober 1945 gab es regelmäßig ökumenische Gottesdienste. Bischof Dibelius hat zu dieser Zeit außergewöhnlich ökumenisch gewirkt. Er hatte zusammen mit Propst Heinrich Grüber und später noch durch Professor Jürgen Winterhager, der den Freikirchen sehr gewogen war, ein starkes Interesse an einer aktiven ökumenischen Zusammenarbeit. In den Freikirchen war Superintendent Ernst Scholz sein wichtigster Partner. Im Vergleich zu früheren Zeiten trat eine neue Qualität des ökumenischen Zusammenstehens zutage. Das zeigte sich z. B. als der Berliner Bischof, angestoßen von Propst Grüber und dem ACKVorsitzenden Martin Niemöller, 1951 den Rat der EKD veranlasste, gegenüber der Regierung der DDR zum Ausdruck zu bringen, dass er sich gegen jede Verfolgung religiöser Gemeinschaften wie Bibelforscher, Quäker, Pfingstler und die Heilsarmee wende.253 Im Hintergrund stand das Verbot des pfingstlichen Christlichen Gemeinschaftsverbands, dessen Aufhebung trotz der Intervention Grübers und eines Antrags durch den CDU-Politiker Otto G. Nuschke beim Ministerium des Innern nicht erreicht worden war.254 Möglicherweise hatte auch die Verhaftung des Evangelisten Helmut Samjeske im Dezember 1950 in der Stralsunder Baptistengemeinde die Beunruhigung verstärkt.255 In Mecklenburg gab es nur eine überschaubare Anzahl baptistischer Ge-

252 Es wird nicht ohne Bedeutung gewesen sein, dass Propst Grüber im KZ-Sachsenhausen mit mindestens einem Freikirchler zusammen gelitten und geglaubt hatte. 253 Prot. EKD-Rat, Bd. 5 (2005),16./17.7.51. Grüber war über viele Einzelheiten durch seine Brückenstellung zum Magistrat gut informiert. 254 Ekkehard Vetter, Jahrhundertbilanz – erweckungsfasziniert und durststreckenerprobt. Ein Beitrag zur Erweckungsgeschichte im 20. Jahrhundert und zur Entstehung der Pfingstbewegung in Deutschland, Bremen 2009, 298 – 309. 255 Helmut Samjeske wurde am 3. Dezember 1950 in Stralsund verhaftet und am 29. Okt. 1951 verurteilt. Er starb am 28. Mai 1952 im Zuchthaus. Vgl.: Reinhard Assmann, Evangelist Helmut Samjeske – ein tragisches Schicksal. In: Ulrich Materne/Günter Balders (Hg.), Erlebt in der DDR, Wuppertal 1995, 186 – 193.

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meinden. Andere Freikirchen hatten dort kaum Fuß fassen können.256 Auch die Erweckungsbewegung innerhalb der Landeskirche hatte dort im 19. Jahrhundert nur vereinzelt an Boden gewinnen können. Fast nur in Verbindung mit der Familie von Oertzen auf dem Rittergut Lappin, der extrovertierten Adeline Gräfin von Schimmelmann257 auf Rügen sowie auf dem südlich von Teterow gelegenen Gut Rothenmoor mit Hans-Werner von Tiele-Winkler haben lokale Erweckungen Raum gefunden. Gerade dieser in erwecklicher Hinsicht karge norddeutsche Landstrich258 war nach 1945 aus naheliegenden Gründen ein Hauptaufnahmegebiet für Flüchtlinge. Es sollte sich ökumenisch auswirken, dass im lutherischen Mecklenburg die dortige Kirche bis 1945 kaum Erfahrungen mit Christen anderer Konfession und mit einer aus der Erweckung geprägten Frömmigkeit, die in der Regel mit einer Sehnsucht nach einer Einheit der Glaubenden erfüllt war, machen konnte. Aufgrund von Flucht und Vertreibung waren nach 1945 über 40 % der dortigen Bevölkerung Zugewanderte. Darunter befanden sich über 300.000 Katholiken und eine größere Zahl von Freikirchlern, die aus blühenden ostpreußischen und aus pommerschen Gemeinden kamen. In den nächsten Jahren verließen rund 100.000 Katholiken dieses Land wieder. Weitere folgten später. »Ich komme mir vor wie in einer Verbannung«, schrieb einer von ihnen.259 Die methodistischen Christen hatten es dort nicht leichter. In Angermünde, das zwar zur Kirche von Berlin-Brandenburg gehörte, war z. B. einem Kirchenglied der Ev. Gemeinschaft 1953 die Übernahme des Patenamtes durch den örtlichen Pfarrer verweigert worden. Damit werden, so beklagten sich die freikirchlichen Superintendenten in einer ökumenischen Auseinandersetzung, ihre protestantischen Kirchenglieder »schlechter behandelt als Katholiken«.260 Die zwischenkirchliche Atmosphäre war nicht immer von ökumenischem Geist geprägt. Beide Seiten machten es sich im Umgang mit den Partnern nicht leicht. Es wirkte sich in Rostock und Wismar aus, dass Prediger der landeskirchlichen Gemeinschaft sich mit ihren Anhängern der Evangelischen Gemeinschaft zugewandt hatten. Nach dem Bemühen 256 Karl Heinz Voigt, »Auf eigenen Füßen stehen…«. Die methodistischen Kirchen in der Nachkriegszeit im heutigen Mecklenburg-Vorpommern (3 Teile). In: EmK-Geschichte, 34. Jg. (2013), Heft 1, 16 – 36, Heft 2, 5 – 32;- 35. Jg.(2014), Heft 1/2, 42 – 74. 257 Ruth Albrecht u. a., Adeline Gräfin von Schimmelmann, adlig – fromm – exzentrisch, Neumünster 2011, 98 – 132. 258 Paul Le Seur, Aus meines Lebens Bilderbuch, Kassel 19551 nennt Beispiele für die kirchliche Lage in Mecklenburg (Gut Kowalz bei Tessin), 39. 259 Bernhard Parisius, Aufnahme und Sekundärwanderungen von Flüchtlingen und Vertriebenen in den alten und neuen Bundesländern. In: Uwe Rieske, Migration und Konfession. Konfessionelle Identitäten in der Flüchtlingsbewegung nach 1945. Gütersloh 2010, 41. 260 Aktenvermerk zu einem Gespräch zwischen Landessuperintendent Pflugk und Kirchenrat Behm mit den Superintendenten der Ev. Gemeinschaft Ernst Pieper (Berlin) und Johannes Falk (Eberswalde) am 23. Febr. 1954. EZA 4/436.

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um klärende Gespräche in anderen zwischenkirchlichen Fragen hieß es: Das Rostocker Problem »wirke sich schließlich in dem Verhältnis der ganzen Meckl. Landeskirche gegenüber der Ev. Gemeinschaft aus.«261 Zwei Jahre später, also 1956, hätte die Evangelische Gemeinschaft aus ihrer weiten Diaspora gerne Kinder in den landeskirchlichen Konfirmanden-Unterricht geschickt und sie danach in der eigenen Gemeinde eingesegnet. Die freikirchliche Anfrage wurde durch die EKD-Kirchenkanzlei allen Landeskirchen vorgelegt mit dem Ergebnis, dass in den Landeskirchen nirgends Bedenken gegen eine Teilnahme an der ›Katechetischen Unterweisung‹ bestanden. Jedoch sahen einige von ihnen in einer Teilnahme am ›Konfirmanden-Unterricht‹ Probleme aus konfessionellen und kirchenrechtlichen Gründen.262 Die Flüchtlingsgemeinden der Methodistenkirche machten in Mecklenburg-Vorpommern zwischenkirchlich ganz unterschiedliche Erfahrungen. Die Sorge um die Einheit des Bekenntnisses in der territorialen Ortskirche ist verständlich. Doch niemand wird über die Probleme der Freikirchen überrascht sein, der die Lage von Reformierten in lutherischen und Lutheranern in reformierten Territorien kennt. Wenn schon die Lutheraner noch 1953/54 den Schiedsgerichtshof der EKD anrufen mussten, um sich das Recht einer Gemeindegründung im ostfriesischen Weener zu erstreiten, die dann schließlich zum 1. Januar 1969 möglich wurde,263 dann wird man sich nicht wundern, welche Unsicherheiten im Umgang mit Freikirchlern in Mecklenburg-Vorpommern auftraten. Weil im Zuge der Ost-West-Wanderung in geschlossene Gebiete von konfessionsbestimmten Landeskirchen die Sorge bestand, es könnten sich innerhalb ihres Territoriums fremde Freiwilligkeitsgemeinden bilden, kann man die Reserviertheit von ökumenisch wenig erfahrenen Kirchenleitungen gegenüber den entstehenden Gemeinden verstehen. Im Gegensatz zum kaum industrialisierten und wenig mit freikirchlichen Gemeinden besiedelten weiten Raum Mecklenburg-Vorpommerns bestand im sächsischen Vogtland und im Erzgebirge eine völlig andere Ausgangslage. Methodisten hatten dort eines ihrer stärksten Verbreitungsgebiete, Elim-Gemeinden des baptistisch orientierten Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden hatten sich in ihrem Windschatten dort ausgebreitet, die Evangelische Gemeinschaft war stärker in der Landeshauptstadt Dresden vertreten, die damalige Pfingstbewegung des Christlichen Gemeinschaftsverbandes hatte nach Berlin das Hauptausbreitungsgebiet in Sachsen. 261 Ebd. 262 Schreiben EKD-Kirchenkanzlei an Landeskirchen vom 12. Sept. 1956 und Antwort der EKD an die Evangelische Gemeinschaft in Hannover. EZA 4/436 vom 28. 11. 1956. 263 Hans Otte, Sind wir nicht alle evangelisch? In: Uwe Rieske (Hg.), Migration und Konfession. Konfessionelle Identitäten in der Flüchtlingsbewegung nach 1945. München 2010, 223 – 238.

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Durch die Methodisten kam es in der frühen Nachkriegszeit regional zu gemeindebezogenen Erweckungen. Es wurden insbesondere Jugendliche erfasst, die auch aus dem Umfeld ihrer Gemeinden kamen. Das löste in der Evangelisch-lutherischen Kirche Sachsens Besorgnisse aus. Manche ihrer Pfarrer nahmen aus diesem Grunde nicht an der Allianzgebetswoche 1950 teil. Am 4. April 1950 suchte J. W. Ernst Sommer aus Frankfurt als methodistischer Bischof und als stellvertretender Vorsitzender der ACK in Dresden Bischof Hugo Hahn auf, um mit ihm ein klärendes Gespräch zu führen. Danach kam es 1951 in Dresden-Radebeul zu einer Begegnung der Kirchenleitungen. Dieses sind erste Zeichen dafür, dass notwendige Veränderungen eintraten, denn Gespräche zwischen den Kirchen hatte es früher nicht gegeben. In einem langwierigen Prozess wurden Thesen über Einheit und Einigkeit der Kirche erarbeitet.264 In Thüringen und in Sachsen-Anhalt lagen die Entwicklungen zwischen den beiden extremen Ausgangslagen im nördlichen heutigen Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen. Die knappe Übersicht zeigt, wie unterschiedlich die ökumenische Ausgangslage in den einzelnen Regionen gewesen ist. Das war für überregional organisierte Kirchen eine andauernde Aufgabe, sich auf die sehr unterschiedlichen zwischenkirchlichen Verhältnisse mit völlig gegensätzlichen Herausforderungen einzustellen.

2.11.3 Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen Seit 1948 fanden alle zwei Jahre wieder Freikirchenkonferenzen statt: Düsseldorf (1948), Hamburg (1950), Frankfurt/M. (1952), Berlin-Schöneberg (1954), Kassel (1956), Nürnberg (1958) und endlich Zwickau (1960). Die Westorientierung ist eindeutig, und hätte Bischof Wunderlich nicht, wie bei anderen Gelegenheiten auch,265 auf Zwickau gedrängt und die dortige Gemeinde die Vorbereitung in die Hand genommen, wäre es wohl kaum zu einer gemeinsamen Freikirchenkonferenz in der DDR gekommen. Obgleich einige Delegierte aus der DDR an dieser und jener Konferenz teilnahmen, blieben sie – auch thematisch – westlich bestimmt, was man auch über die Zwickauer Tagung sagen muss. Sie schuf zwar einen personellen und organisatorischen Ausgleich in der Struktur, hat aber die ständige Arbeit kaum beeinflusst. Als Bischof Wunderlich über die Zwickauer Freikirchenkonferenz in einer ACK-Sitzung berichtete, hielt das Protokoll fest, 264 Rüdiger Minor, Die Methodistenkirche im Gebiet der heutigen Deutschen Demokratischen Republik (1945 – 1970). In: Karl Steckel/C. Ernst Sommer, Geschichte der Evangelischmethodistischen Kirche, Stuttgart 1982, 116 f. 265 Die Zentralkonferenzen der Methodistenkirche fanden 1956 in Zwickau und 1964 in Leipzig unter der Beteiligung aller Westdelegierten statt. Erst 1968 kam es zur Trennung in Teilkonferenzen, die nacheinander in Dresden und Frankfurt/M. stattfinden mussten.

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in der DDR entstehe »nicht eine selbständige Vereinigung, sondern [man wolle] nur im Rahmen der Gesamtvereinigung eine besondere Zusammenarbeit in der DDR ermöglichen.«266 Erst die Abriegelung und Eingrenzung der DDR durch den Mauerbau am 13. August 1961 schuf eine Lage, die zu einer engeren Zusammenarbeit der Freikirchen innerhalb der DDR führte. Schon bald nach der Errichtung der Mauer fasste der VEF-Vorstand folgenden Beschluss: »Es wird ein Vorstand der Vereinigung evangelischer Freikirchen in Deutschland für das Gebiet der DDR eingesetzt, dem je ein Mitglied jeder Freikirche angehört. Vorbehaltlich der Zustimmung der dafür verantwortlichen Gremien [der Mitgliedskirchen] werden von den Freikirchen folgende Brüder als Vorstandsmitglieder in der DDR namhaft gemacht: Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden: Prediger Herbert Weist (Vorsitzender); Methodistenkirche: Superintendent Hans Vogel (stellv. Vorsitzender); Evangelische Gemeinschaft: Superintendent Johannes Falk (Schriftführer); Bund Freier evangelischer Gemeinden: Prediger Walter Böhme (Beisitzer). Zum Freikirchenrat in der DDR sollen – ebenfalls vorbehaltlich der Zustimmung der verantwortlichen Gremien – außer den Vorstandsmitgliedern folgende Brüder gehören: Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden: R. Dammann; Methodistenkirche: Superintendent G. Krause; Evangelische Gemeinschaft: Superintendent G. Siepmann; Bund Freier evangelischer Gemeinden: Prediger A. Röger.«267

Damit war die Leitungsebene, die mit Vertrauen und Kompetenz ausgestattet war, benannt. Im Bericht des Westvorsitzenden, Friedrich Wunderlich, heißt es über »diese Sektion der Vereinigung evangelischer Freikirchen in der DDR«, sie habe »in brüderlicher Weise zusammengearbeitet und gemeinsam die Probleme besprochen, vor die sie sich in ihrem Raum gestellt sah.«268 Das schloss in dem 1964er-Bericht auch die Erarbeitung der nachfolgend behandelten, staatlich von ihnen geforderten Solidaritätserklärung ein. Die Bildung einer VEF-Ost war für das ökumenische Miteinander von Landeskirchen und Freikirchen gerade in der DDR-Situation ein dringendes Bedürfnis. Die Kirchenleitung der VELKD in Hannover hatte bereits im Juni 1962 festgestellt: »Die Freikirchen haben in letzter Zeit mehrmals um Kontaktaufnahme mit den Kirchen der DDR gebeten, da sie in aktuellen Fragen nicht ohne einen gegenseitigen Austausch von Informationen handeln wollen.«269 Es liegt auf der Hand, dass die Freikirchen vor der am 7. Mai 1962 erfolgten Abgabe der

266 ACK-Prot. 19. Jan. 1962 (mit falscher Datumsangabe 1952). LKA Hannover, 574 ACK alt. 267 Friedrich Wunderlich. Bericht des VEF-Vorstands. In: Berichtsheft Freikirchenkonferenz 1964, Witten o. J., 13 f. 268 Ebd., 14. 269 Schreiben vom 6. Juni 1962 an das Lutherische Kirchenamt Hannover.

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ihnen abgenötigten Erklärung270 das Gespräch mit den Landeskirchenleitungen gesucht haben. Die West-VEF traf sich vom 5. bis 8. März 1964 in Hamburg, die Ost-VEF danach vom 12. bis 15. März in Berlin. Zwischen beiden Zweigen gab es nach wie vor lebhafte Kontakte. Sowohl die Tagungstermine wie die Thematik wurde von der »VEF-Sektion in der DDR« vorgeschlagen. Nach dem Mauerbau habe »die innere Zusammengehörigkeit in keiner Weise« gelitten. Beide Seiten wussten, dass nun erst recht das Wort gelten müsse: »Einer trage des andern Last!«271 Im Bericht-Ost heißt es: »Zweck der Vereinigung ist die Pflege des brüderlichen Verhältnisses der Freikirchen untereinander und die Förderung gemeinsamer Belange. Je länger um so mehr hat es sich als notwendig erwiesen, daß wir – auch bei unterschiedlichen Erkenntnissen und Ordnungen – brüderliche Tuchfühlung halten, im guten Austausch miteinander die Gedanken und Urteile klären und uns gegenseitig helfen, als Freikirchen unsere Aufgaben in der Welt zu erfüllen. Seit unserer letzten – noch gesamtdeutschen – Freikirchenkonferenz im Oktober 1960 in Zwickau und den uns stark voneinander abriegelnden Maßnahmen im August 1961 ist es zwangsläufig auf uns zugekommen, daß wir als Freikirchen in der DDR – bei allem Festhalten an der Gemeinschaft mit unseren Brüdern in der Bundesrepublik – in unserem Lebens- und Wirkungsbereich vermehrte und engere Kontakte miteinander suchen und halten müssen.«272

Die oben bereits erwähnten Regelungen und Berufung von Personen werden ausdrücklich »in guter Übereinstimmung bestätigt.«273 In dem Bericht werden eine ganze Reihe von Aktivitäten der Freikirchen aufgezählt. In ökumenischer Hinsicht wird festgehalten, dass sich auch die AGCK in der DDR nunmehr unter dem Magdeburger Bischof Johannes Jänicke zusammengefunden hat.274 Drei Freikirchen waren auch dort von Anfang an Mitglieder. Ebenso sind die Beziehungen zur Evangelischen Allianz und zur Blankenburger Allianzkonferenz lebendig. Die schnelle Neuorganisierung einer »VEF-Sektion« in der DDR zeigt den Handlungsdruck, unter dem die Freikirchen sich befanden. Es war die politische Teilung des Landes, die zweifellos die Bildung der »VEF-Sektion in der DDR« beschleunigte. In ihren Mitgliedskirchen war ein starker Wille vorhanden, 270 Darstellung der Geschichte der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz [der Ev.-methodistischen Kirche], hgg. von Michel Weyer, Eine offene Flanke zur Welt, Stuttgart 1997, Dok. 23 – 29, 104 – 113. 271 Friedrich Wunderlich. Bericht des VEF-Vorstands. In: Berichtsheft Freikirchenkonferenz 1964, Witten o. J., 14. 272 Herbert Weist, Bericht des VEF-Vorstands (DDR). In: Berichtsheft Freikirchenkonferenz 1964, Witten o. J., 17. 273 Ebd. 274 Damit war noch keine Neukonstituierung der ACK erfolgt. Dazu kam es erst 1970 mit der unterscheidbaren Abkürzung AgcK/AGCK.

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Zeugnis und Dienst auch in einer atheistischen Gesellschaft als Ausdruck des christlichen Glaubens verantwortlich zu leben. Zwar waren unter dem Druck des Nationalsozialismus die Wege zum öffentlichen Zeugnis eingeschränkt, aber die Kraft war nicht gebrochen, wie die frühen sächsischen Erweckungen nach 1945 gezeigt haben. Die Freikirchen hatten es in einem langen Zeitraum ihrer Geschichte eingeübt, unter schwierigen Bedingungen in der Gesellschaft und unter territorialen Kirchentümern einen Weg zu Mission und Diakonie zu suchen. So war es hilfreich, im vermeintlich275 vertrauten Kreis nach Klärungen der eigenen Position zu den vom Staat aufgeworfenen Problemen in Medizin und Pädagogik, Ausbildung und Universität, Volksarmee und Bausoldat zu suchen und theologische Klarheit im Kontext einer ausdrücklich atheistischen Gesellschaft zu bewahren und zu festigen. Die bereits erwähnte Forderung einer Solidaritätserklärung mit dem atheistischen Staat bald nach dem Mauerbau hat die Zusammenarbeit beschleunigt und intensiviert.

2.11.4 Loyalitätserklärung der Vereinigung Ev. Freikirchen (1962) Die DDR-Regierung hatte nach intensiven Gesprächen den Vertretern östlicher Gliedkirchen der EKD eine Loyalitätserklärung abgefordert. Sie hatte vorher schon mehrfach versucht, von den Landeskirchen »die ausdrückliche Bejahung des Staates der DDR, seiner Führung und seiner Politik« zu erlangen.276 Kirchliche, theologische und auch territorialkirchlich-gesamtdeutsche Motive gaben ihr Standfestigkeit. Nach längerem Konferieren kam es am 21. Juli 1958 zu einer innerhalb ihrer Kirche danach kritisierten »Loyalitätserklärung«. Der Staat veröffentlichte die Erklärung als »Kommunique«, um der Erklärung mehr Gewicht zu geben.277 Die Freikirchen wurden erst am 10. Januar 1962 in die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen einbestellt. Es war das erklärte Ziel, nun auch ihnen eine Loyalitätserklärung abzuverlangen. Ursprünglich schien es der Plan gewesen zu sein, eine »Erklärung der Methodisten in der DDR zum [landes275 Walter Riedel (†11. April 2006 in Dresden) war Mitglied einer zum darbystischen Flügel zählenden Gemeinde im Bund Ev.-Freik. Gemeinden. Er war CDU-Abgeordneter der Volkskammer in der DDR. Zu Riedel: Beaupain, Eine Freikirche sucht ihren Weg, 204 – 211, Günter Balders, Die Präsidentenwahl 1969 – ein Kapitel für sich. In: Ulrich Materne/Günter Balders (Hg.), Erlebt in der DDR, Wuppertal 1995, 87 – 109. 276 Rudolf Mau, Der Protestantismus im Osten Deutschlands (1945 – 1990), KiE IV/3, Leipzig 2005, 55. 277 Ebd., 64 – 67. Text in: JB 1958, 144 f.

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kirchlichen] Kommuniqu¦ vom 21. 7. 1958« zu erreichen.278 Offensichtlich sollte ein Keil zwischen die Kirchen geschoben werden. Auch die anderen VEF-Mitglieder sollten sich zu dieser Zeit zum DDR-Staat erklären. Alle lehnten jedoch Einzelerklärungen ab. Sie hatten sich auf eine gemeinsame Stellungnahme als Vereinigung Ev. Freikirchen verständigt. Nach dem Mauerbau am 13. August 1961 kam wieder neue Bewegung in die Sache. Insgesamt spielte aus staatlicher Sicht die Vereinigung Ev. Freikirchen nur eine »Nebenrolle«, wenn es um die Staat-Kirche-Beziehungen ging.279 Nach der zweifellos unter den Freikirchen erfolgten Absprache, nur gemeinsam zu agieren, berief der Staatssekretär für Kirchenfragen im Januar 1962 nun doch die VEF-Kirchen nach Berlin ein. Sie hatten inzwischen gemeinsam einen Text erarbeitet. Die Kirchenvertreter erläuterten ihre Vorlage, und die andere Seite, darunter mit Sicherheit Fritz Flint als Stellvertreter des Staatssekretärs, brachte ihre »Feststellungen« ein, um auf diese Weise die abschließende Gestalt der Erklärung zu beeinflussen. Die endgültige Fassung sollte nach Möglichkeit am 7. Februar unterzeichnet werden.280 In einer Aktennotiz des Büros des Staatssekretärs wird das Gespräch als »sehr offen, aber nicht grundsätzlich politisch« charakterisiert. Staatssekretär Hans Seigewasser wurde vor der Unterzeichnung über die Gesprächsergebnisse vom 10. Januar informiert, die »eine Einsicht in politische Notwendigkeiten vermissen lasse.« Nach dem ursprünglichen Plan des Staatssekretariats sollte am 7. Februar 1962 ein »Grundsatzgespräch des Staatssekretärs, Aussprache mit den Vertretern der Religionsgemeinschaften, Unterzeichnung der Erklärung und ein freundschaftliches Gespräch (evtl. mit einem Gläschen Wein) erfolgen.«281 Die Unterzeichnung der Erklärung fand dann aber erst am 19. Febr. 1962 statt. Dass sie keine öffentliche Bedeutung gewonnen hat, führt Lothar Beaupain vielleicht etwas zu einfach darauf zurück, dass die Freikirchen am Anfang grundlegend feststellten: »Wir bekennen uns zu Jesus Christus als unserem Herrn und wissen uns an das Wort Gottes, wie es in der Heiligen Schrift geoffenbart ist, gebunden.«282 In einer Einschätzung durch die Dienststelle des Staatssekretariats ist vermerkt worden, dass die »Nachordnung« der ideologi278 Aktenvermerk vom 31. 5. 1961 betr. Aussprache mit XX. BA Abt. Potsdam D 04, Bd. 721. Auch: Darstellung der Geschichte der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz [der Ev.-methodistischen Kirche], hgg. von Michel Weyer, Eine offene Flanke zur Welt, Stuttgart 1997, Dok. 23, 104 f. Dort ist der Text anders interpretiert. 279 Vorschlag: Plan für die Aussprache des Staatssekretärs mit Vertretern der evang. Freikirchen in der DDR. BA Abt. Potsdam D 04, Bd. 449, Bl 108. Ebd., (Weyer), 108 – 110. 280 Bericht über die Aussprache mit Vertretern der Baptistenkirche, der Methodistenkirche, Evang. Gemeinschaft, Bund freier evangel. Gemeinden am 10. 1. 1962. BA Abt. Potsdam D 04, Bd. 499, Bl. 92 – 94. Ebd. (Weyer), Offene Flanke, 106 – 108. 281 Aktennotiz. Vorläufiger Hinweis für den Koll. Seigewasser vom 11. Jan. 1962. BA Abt. Potsdam D 04, Bd. 499, Bl. 108. Ebd., (Weyer), Darstellung, 110 f. 282 Der Wortlaut ist veröffentlicht in: Lothar Beaupain, Eine Freikirche sucht ihren Weg, 205 f.

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schen Aussagen, in denen »die Umformung der Gesellschaft zum Sozialismus als oberstes Bekenntnis und höchste Verpflichtung gesehen wurde«, die Arbeit der politischen Behörde nicht positiv erfasse.283 Die Wirkungsgeschichte der freikirchlichen Erklärung ist noch nicht erforscht. Ökumenisch wichtig ist dreierlei: erstens haben sich die methodistischen Vertreter nicht in die Position drängen lassen, eine »Erklärung« zum landeskirchlichen sog. »Kommunique« abzugeben. Zweitens haben die vier Freikirchen sich unabhängig von ihrer unterschiedlichen theologischen Orientierung und der traditionell differierenden Haltung gegenüber der weltweiten Ökumene in der bedrängten Lage nach dem Mauerbau nur zu einer gemeinsamen Erklärung bereitgefunden. Drittens zeigt der Text, dass die Freikirchen gemeinsam eine Anknüpfung an das sog. EKD-»Kommunique« vom 21. Juli 1958 gesucht haben. Wie die VEF-Vertreter sich schon nicht als einzelne zu einer Erklärung bereit fanden, haben sie sich auch nicht in einen Dissens zu den Landeskirchen drängen lassen. Sie waren sich auch unabgesprochen mit den landeskirchlichen Repräsentanten der gegenseitigen ökumenischen Verpflichtung bewusst. Zweifellos wäre es wünschenswert gewesen, es hätte bereits eine funktionsfähige AGCK-Ebene gegeben, die einen weitergehenden, kritischen Austausch ermöglicht hätte. Andererseits war nicht absehbar, ob Landeskirchen mit Freikirchen zu einer Übereinstimmung gefunden haben würden. Es gab zwischen ihnen von je her unterschiedliche Bewertungen von Staat und Nation. Dazu kommt das traditionell positive Verhältnis der Freikirchen zur Demokratie.284 Schließlich war durch das später in Artikel 4 (4) der Ordnung des Kirchenbundes ausdrücklich formulierte Verständnis »der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland« ein Rest national-protestantischen Denkens festgeschrieben, das den Freikirchen im Ansatz fremd ist.285 Die Freikirchen als Teil der »ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland« mussten über den vereinnahmenden Artikel des Kirchenbundes irritiert sein. Außerdem argumentierten die Methodisten unter Absage an die Hallstein-Doktrin betont nicht »gesamtdeutsch«, sondern inter283 Ebd., 206. 284 »Evangelische Kirche und Demokratie – das ist eine Geschichte der langsamen Annäherung.« Kurzkommentar zu der ersten »Demokratie-Denkschrift« der EKD (1985). In: EKD Magazin zum Themenjahr 2014 Reformation und Politik, Hannover 2014, 56. 285 Dass es in den Formulierungen noch wenig ökumenische Sensibilität gab und die Landeskirchen selbst in der DDR sich noch als monopolartige Territorialkirchen verstanden, unterstreicht ein entsprechender Absatz aus dem 1968er Entwurf zur Ordnung des in Bildung begriffenen Kirchenbundes, der lautet: »In der Mitverantwortung für die ganze evangelische Christenheit in Deutschland wirkt der Bund an den Entscheidungen, die alle evangelischen Kirchen in Deutschland berühren, durch seine Organe mit.« Zit. n. Robert F. Goeckel, Die evangelische Kirche in der DDR. Konflikte, Gespräche, Vereinbarungen unter Ulbricht und Honecker. Leipzig 1995, 98. Hervorhebungen vom Autor.

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national, wie sie auch ihre innerkirchliche Einheit und Gemeinschaft definierten und gestalteten.286

2.11.5 Neue Staatsverfassung und Neuorganisation der Kirchen Am 9. April 1968 trat eine neue DDR-Verfassung in Kraft. Der Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht formulierte: »Die sozialistische Deutsche Demokratische Republik ist kein Provisorium«. Die neue Verfassung schränkte die Rechte der Kirchen im Vergleich zur Verfassung von 1949 deutlich ein. Der einzige sie berührende Artikel verpflichtete sie zur »Übereinstimmung mit der Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen« (Artikel 38). Die landeskirchlichen Bischöfe protestierten, nur der thüringische Moritz Mitzenheim hatte eine andere Sicht. »Die Staatsgrenzen der Deutschen Demokratischen Republik bilden auch die Grenze für die kirchlichen Organisationsmöglichkeiten.«287 Das war eine Einschränkung, welche die methodistischen Kirchen insofern nicht akzeptierten, als sie ihre weltweite Struktur weiter aktiv gestaltet haben. Auch wenn sie zur Bildung einer eigenen Zentralkonferenz in der DDR gezwungen wurden, blieb diese doch durch die weltweite Verfassung und Ordnung sowie durch die connexionale Praxis mit der Gesamtkirche strukturell und verbindlich in einer kirchlichen Einheit verfassungsmäßig und praktisch verbunden. Die Organisation eines eigenen Theologischen Seminars in der DDR war 1952 praktisch erzwungen worden. Bis zu diesem Zeitpunkt sind alle Pastoren in den westlichen Seminaren ausgebildet worden. Dieser Tradition hat die DDR-Regierung einen Riegel vorgeschoben. Studierenden, die zu ihrer Ausbildung das Gebiet der DDR verließen, war eine Rückkehr verwehrt. Im ehemaligen Erholungsheim in Bad Klosterlausnitz richtete die methodistische Kirche ein Theologisches Seminar ein, welches zugleich von der Evangelischen Gemeinschaft als deren Ausbildungsstätte anerkannt war. Auch die anderen Freikirchen mussten unter den neuen, durch die Staatsverfassung gegebenen Rahmenbedingungen ihren Weg suchen. Im Vorlauf hatten schon sehr früh die autonomen und zunächst von der westlichen Bundesleitung wenig begleiteten unabhängigen Freien evangelischen Gemeinden in 286 Die EKD fand sich immer in der Situation, dass ihr Einheitsverständnis und die Aufrechterhaltung ihrer an sich losen kirchlichen Gemeinschaft ohne verbindliche Kirchengemeinschaft mit der politischen Hallstein-Doktrin in Verbindung gebracht wurde. Außerdem war es immer schwer zu definieren, was theologisch die »besondere Einheit« der Evangelischen Kirche zwischen EKD-West und BEK-Ost wirklich ausmachte. Vgl. dazu: Claudia Lepp, Tabu der Einheit? Die Ost-West-Gemeinschaft der evangelischen Christen und die deutsche Teilung (1945 – 1969), AKIZ B 42, Göttingen 2005. 287 Zit. n. Robert F. Goeckel, Die evangelische Kirche in der DDR, Leipzig 1995, 91.

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Berlin, Thüringen und Sachsen unter dem Druck der Verhältnisse am 16. September 1950 einen »Bund Freier evangelischer Gemeinden in der DDR« konstituiert. Im Hintergrund standen auch Verunsicherungen durch ein staatliches Verbot im thüringischen Gera. Die Struktur eines losen Gemeindebundes, der autonome Lokalgemeinden zusammenfasste, förderte unter den gegebenen Umständen zweifellos den Willen, sich miteinander in einer strategischen Gemeinschaft zu einem Bund zusammenzuschließen. Anfang Juli 1970 wurde der östliche Bund in den Internationalen Bund Freier Evangelischer Gemeinden aufgenommen. An der Evangelischen Allianz waren die Freien evangelischen Gemeinden (FeG) von Anfang an beteiligt, in der VEF waren sie zuerst im Westen und später im Osten Gründungsmitglied. Während die FeG im Westen es von Anfang an in der ACK bei einer Gastmitgliedschaft beließ, waren die Freien evangelischen Gemeinden im Osten Deutschlands Mitglied in der dortigen AGCK. Die ebenfalls independenten Baptisten-, Elim- und darbystischen Brüdergemeinden entwickelten ihre DDR-Struktur Schritt für Schritt. Zwischen der Einrichtung einer »Geschäftsstelle Ost« mit einem eigenen Geschäftsführer im Mai 1949 und der offiziellen Organisation zum »Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der DDR« im Jahre 1969 liegen eine Reihe einzelner Schritte, die am Ende zu dieser vom Westen getrennten Organisationsform führten. Dazu gehören die Wahlen der Bundesvorsitzenden-Ost Otto Soltau (1949), Herbert Weist (1957) und Herbert Mor¦t (1968), die östlichen Bundeskonferenzen seit 1951, die Einrichtung eines Predigerseminars (1961) und die gegenseitige »Freigabe« der Leitungsgremien Bundesrat (West) und Bundesrat (Ost), die es seit 1961/62 gab. 1969 kam es zum eigenständigen Bund Ev.-Freik. Gemeinden in der DDR. An internationalen Kontakten sind erwähnenswert: Die Besuche des Europa-Sekretärs der Baptist World Alliance Henry Cook im Januar 1957 und danach im September zu einem Gespräch mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen Werner Eggerath; die Besuchsreise des Generalsekretärs der Europäischen Baptistischen Föderation (EBF) Erik Rud¦n kurz vor dem Mauerbau am 3. August 1961 und am 30. August spontan der Besuch des europäischen EBFPräsidenten R. Goulding. 1962 und 1965 besuchte E. Rud¦n erneut die Gemeinden in der DDR. Aus der UDSSR kamen 1963 A. Karew und A. Mitzkewitsch, dazu M. Odlitzko aus Polen, G. G. Williams, britischer Baptistenpastor und Generalsekretär der Konferenz Europäischer Kirchen, besuchte 1965 und 1966 Einrichtungen seiner Denomination in der DDR.288 Der Präsident des Kirchenvorstands der Evangelischen Gemeinschaft, Superintendent Ernst Pieper, hatte seinen Dienstsitz schon immer in Berlin288 Alle Angaben nach Reinhard Assmann, Der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der DDR. Kassel 2003, 164 – 179.

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Kreuzberg. Von hier aus leitete er den weiten Ostdistrikt der Evangelischen Gemeinschaft. Zwischen 1949 und 1961 fanden alle in der Kirchenordnung vorgesehenen Jährlichen Konferenztagungen in Berlin statt. Erst der Bau der Mauer machte eine Teilung des Kirchendistrikts notwendig, die zu Tagungen in Dresden, Erfurt, Eberswalde und Rostock führte. Bis zum August 1961 standen fast alle Konferenzen unter der Leitung eines aus den USA angereisten Bischofs. Die in der DDR nach 1961 durchgeführten Konferenzen wurden von dem Eberswalder Superintendenten Johannes Falk geleitet, obwohl zu den westlichen Konferenzen US-Bischöfe angereist waren. Vermutlich wurden keine Einreisegenehmigungen erteilt. Anlässlich einer weltweiten Kirchenvereinigung schlossen sich im Mai 1968 in Dresden und Frankfurt/M. die Evangelische Gemeinschaft und die Methodistenkirche zur Evangelisch-methodistischen Kirche als Teilkirche der United Methodist Church (UMC) zusammen. Damit war für beide bisherigen Kirchen in der DDR wie in der BRD eine neue Lage geschaffen. Es war nicht überraschend, dass die Regierung der DDR damit auch ein Ende der bisherigen Praxis verband, den im Westen lebenden Bischöfen der Methodistenkirche die Leitung der weiteren kirchenleitenden Konferenzen zu erlauben. Unbestritten hatte die Methodistenkirche unter allen Kirchen in Deutschland die anhaltendsten Beziehungen zwischen ihren Gremien in West und Ost. Schon im September 1945 hatte Bischof F. H. Otto Melle alle Pastoren in Aue/Sa., Zwickau und in Berlin zusammen gerufen. Er hat in den gastgebenden Gemeinden gepredigt289 und mit den Pastoren ein gemeinsames Wort verabschiedet, das noch kein klares Bekenntnis der Schuld enthält, aber die Hoffnung auf Frieden formuliert und eine »Gemeinschaft der Nationen auf demokratischer Grundlage« herbeisehnt, um »auf die Wiederherstellung des politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und kirchlichen Lebens« hinzuwirken.290 Melles Nachfolger, J. W. Ernst Sommer, hat während seiner Dienstzeit nicht nur die Konferenzen geleitet, sondern auch andere Besuche in der Sowjetischen Zone gemacht. Als Friedrich Wunderlich 1953 zum Bischof gewählt wurde, war es ein Schwerpunkt seines Dienstes, die Konferenzen im Osten und im Westen zu289 Stewart W. Herman, Interview with Bishop Otto Melle of the German Methodist Church on Tuesday, September 18 [1945], in his home, Paulinenstrasse 30, Berlin-Lichterfelde. In: Clemens Vollnhals (Bearb.), Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch. Berichte ausländischer Beobachter aus dem Jahr 1945. Göttingen 1988, AKIZ B Bd. 3, 143 – 145. 290 Beschluss der Prediger der Mittel- und Nordostdeutschen Konferenz (Aue 6.9.; Zwickau 7.9. und Berlin 17.9.). In: Karl Heinz Voigt, Schuld und Versagen der Freikirchen im »Dritten Reich«. Aufarbeitungsprozesse seit 1945. Frankfurt/M. 2005, 79 f. In modifizierter Form haben die Freikirchen diese Erklärung am 28. Okt. 1945 nach einem ökumenischen Gottesdienst in der Berliner Marienkirche mit George Bell und Gordon Rupp, die von der Begegnung anlässlich der Stuttgarter Schulderklärung nach Berlin gekommen waren, vor ausländischen Gästen ausgesprochen. Ebd., 80 f. – Auch: ders., Gottesdienst in Berlin am 28. 10. 1945 in FF 22. Jg. (2012), 304 – 308. Vgl. Kap. 1.2.3 u. 1.4.

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sammenzuhalten. Bis 1968 hat er, was keinem anderen Kirchenführer möglich war, alle Konferenzen in der DDR geleitet. Es war ihm gelungen, die Methodistenkirche aus den kritischen Feldern herauszuhalten, die der EKD zu schaffen machten. Das war zuerst der Militärseelsorgevertrag. Die Tatsache einer international agierenden Kirche hielt sie frei von nationalen, »gesamtdeutschen« Kirchenprojektionen und der Metapher von der »besonderen Gemeinschaft«.291 Wunderlich hat dagegen immer verstanden, die Konferenzen in der DDR als Teile einer weltweiten Kirche darzustellen. Zu den Konferenzen wurden regelmäßig nicht nur Gäste aus den methodistischen Kirchen der östlichen Nachbarstaaten, besonders aus Polen und der damaligen CSSR eingeladen, sondern auch prominente Gäste aus der Weltkirche: Bischöfe aus Asien, Redner aus afrikanischen Staaten, farbige und weiße Bischöfe aus den USA. Auf diese Weise nahm die Weltkirche die Arbeit in der DDR unter ihren Schirm, und andererseits hoffte die DDR-Regierung, dass durch die Gäste das DDR-Bild in der Welt eine Aufwertung erfährt. Was ja auch in Teilen unbestritten notwendig war, weil die westliche Propaganda erfolgreich ebensolche Vorurteile zu schaffen gewusst hat, wie es die DDR-Propaganda ihrerseits erreichen wollte. Aber eine Freikirche kann, wenn sie im Dienst der Versöhnung bleiben will, nicht die östliche Falschinformation bekämpfen und die westliche blindlings akzeptieren. Abgesehen davon arbeitet eine weltweit organisierte Kirche immer unter allen möglichen politischen Systemen, so dass sie mit deren Bemühungen um Instrumentalisierung wohl vertraut ist. Als Bischof Wunderlich 1968 in den Ruhestand verabschiedet wurde, war – wie oben erwähnt – die Zeit der Konferenzleitung durch Bischöfe aus dem Westen Deutschlands vorbei. Die erste Konferenz der neugebildeten Kirchen fand schon im Juni 1968 in Leipzig statt. Sie wurde vom Leipziger Diakoniedirektor Johannes Thomas geleitet. Ende Oktober besuchte der neugewählte Bischof C. Ernst Sommer die Gemeinden Zwickau, Reichenbach, Karl-Marx-Stadt und Aue. In Reichenbach holte Sommer die Ordination von zwei jungen Pastoren für ihren Dienst in den Gemeinden nach. Sie waren in Leipzig nicht ordiniert worden, weil in der methodistischen Kirche Ordinationen normalerweise durch Bischöfe vorgenommen werden. Sommer führte natürlich auch Gespräche bei einer Pastorenzusammenkunft in Zwickau und mit den Studenten im Theologischen Seminar Bad Klosterlausnitz. Im Dezember 1969 beriefen die Superintendenten eine außerordentliche Tagung der Konferenz ein. Es ging um weitreichende Entscheidungen für die Zukunft. Einige haben für eine »bi291 Anfangs gehörte auch die Aktion BROT FÜR DIE WELT zu den aus dem Osten attackierten Aktivitäten, vermutlich weil ein Erzfeind des DDR-Regimes, Bischof Dibelius, den Aufruf unterzeichnet hat, was durch Bischof Wunderlich für die Nicht-Landeskirchen geschah. Später hat die DDR-Regierung den Kirchen ihres Staatsgebietes die Beteiligung erlaubt. Vgl. dazu: Michel Weyer, Eine offene Flanke zur Welt, Dok. 47, 143 f.

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schofslose, präsidial verfasste methodistische Kirche in der DDR« plädiert. Die Konferenz entschied sich in eine andere Richtung und stellte an die Generalkonferenz, die für den April 1970 nach St. Louis einberufen war, den Antrag: »Die Jährliche Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche in der DDR beantragt bei der Generalkonferenz, ihr aufgrund der staatsrechtlichen Entwicklung und der kirchlichen Notwendigkeiten alle Funktionen einen Zentralkonferenz zu gewähren.«292

Zu diesen Rechten gehört die Wahl eines Bischofs. Die Generalkonferenz in St. Louis stimmte am 21. April 1970 dem Antrag zu. Daraufhin kam es am 17. Juni 1970 in Karl-Marx-Stadt, heute wieder Chemnitz, zur Wahl von Superintendent Armin Härtel zum Bischof. Dass zur Einführung des ersten innerhalb der DDR gewählten Bischofs kein staatlicher Vertreter erschien, wie sie sonst an jeder Konferenz zu treffen waren, überraschte. Vielleicht war das eine Reaktion auf das Abstimmungsverhalten Härtels, als es bei der »Volkswahl« am 8. April 1968 um die Zustimmung zur neuen Verfassung ging. Härtel hatte als Gemeindepastor in Schönheide »unter den Augen der Wahlkommission demonstrativ gegen diese Verfassung gestimmt.«293 Zum 21. Juli 1970 lud der Kirchenvorstand zusammen mit Bischof Härtel staatliche und kirchliche Vertreter zu einem Empfang am Sitz der methodistischen Kirchenleitung in Dresden ein. Der Staatssekretär für Kirchenfragen erschien persönlich. Härtel wollte vermeiden, die damals im Bund der Evangelischen Kirchen (BEK) gebräuchliche Formel von der »Kirche im Sozialismus« nachzusprechen. Er veränderte diese Formel und sprach von der methodistischen Kirche als »Kirche in einem sozialistischen Staat« um dann weiterführen zu können, dass sie aber niemals »Kirche d e s sozialistischen Staates« sein könne. Dazu führte Härtel vor den ökumenischen Gästen und den staatlichen Vertretern aus: »Es sei an dieser Stelle betont, daß die Umstrukturierung unserer Kirche nicht nur aus Gründen der Staatsräson, sondern vor allem wegen ihres Dienstes vollzogen worden ist, der sich in den beiden deutschen Staaten mit verschiedenen Gesellschaftssystemen unterschiedlich gestalten muß. Die neue Organisationsform unserer Kirche würde daher mißverstanden, wollte man sie primär unter politischen Aspekten sehen. Vielmehr stellt sie in erster Linie ein Eingehen auf die Herausforderung des Evangeliums dar, das nach dem Auftrag unseres Herrn in die ganze Welt gebracht und allen Geschaffenen verkündigt werden will. Wir kommen diesem Auftrag als Bürger eines sozialistischen Staates nach und haben daher das Evangelium in der spezifischen Situation einer vom Sozialismus geprägten Gesellschaft auszurichten. Dies macht eigenständige Strukturen unbedingt notwendig. Die Christen in verschiedenen Gesell292 Verhandlungsniederschrift der außerordentlichen Jährlichen Konferenz der EmK in der DDR am 6. Dez. 1969 in Leipzig, 9. 293 Armin Härtel, Die Installierung einer eigenständigen Zentralkonferenz der United Methodist Church in der ehemaligen DDR. In: EmK-Geschichte 22. Jg. (2001), Heft 1, 22.

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schaftssystemen haben sich von ihrem Auftrag her gegenseitig freizugeben, um in ihrer Gesellschaftsform im Dienste ihres Herrn konstruktiv mitgestaltend einzugehen. Dabei fußen wir hinsichtlich der Beschäftigung mit sozialen Gedanken auf alter, unaufgebbarer methodistischer Tradition.«294

Mit der Konstituierung der Zentralkonferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche in der DDR, die auf der Rechtsbasis der United Methodist Church (UMC) vollzogen wurde, und der gleichzeitigen öffentlichen Vorstellung in der ökumenischen Gemeinschaft und gegenüber den staatlichen Vertretern war die Ausgangsbasis für ihre zukünftige Arbeit geschaffen. Es »lag ihr an«, schreibt Lothar Schieck als ehemaliger Direktor des Theologischen Seminars im thüringischen Bad Klosterlausnitz, »nicht nur auf alle mögliche Weise in Verbindung mit der weltweiten Kirche zu bleiben, sondern auch geistlich und theologisch sowohl die eigene Situation zu verantworten als auch so weit immer möglich, das Zeugnis des Evangeliums unter ihren besonderen Umständen nicht schuldig zu bleiben.«295

Jede der Freikirchen ist ihren eigenen Weg in der Formulierung des Selbstverständnisses und der Strukturierung der Arbeit gegangen. Die jeweilige Entwicklung wurde aus den unterschiedlichen ekklesiologischen Positionierungen heraus gestaltet. Wieder zeigt sich, dass die gebräuchliche Rede von »den Freikirchen« zu undifferenziert ist.

2.12 Gesamtkirchliche Verbundenheit und ökumenische Integration Der Weg der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Osten, im Westen und in beiden Teilen zusammengenommen, ist immer auch durch die konfessionellen Unterschiede ihrer lutherischen, reformierten und unierten Gliedkirchen mitbeeinflusst. Unterschiedliche theologische Akzente und die daraus entwickelten Leitungs- und Organisationsstrukturen waren neben nichttheologischen Faktoren lange Zeit innerhalb der EKD Grund genug, die EKD von Seiten der Landeskirchen nicht als Kirche im Vollsinn anzuerkennen. Nachdem alle EKD-Gliedkirchen der Leuenberger Konkordie beigetreten sind, war es nach dem lebhaft diskutierten späteren Beitritt der EKD selber zweifellos ein Schritt 294 Armin Härtel, Wort des Bischofs. In: Friedensglocke. Kirchenblatt der Ev.-methodistischen Kirche in der DDR, 77. Jg. (1970), 96. Dort auch Bilder und weitere Berichte. – Vollständiger Text der »Erklärung« von Bischof Armin Härtel in: Michel Weyer, Eine offene Flanke zur Welt, 60 – 65. 295 Ulrike Schuler (Hg.), Spiritualität und Weltverantwortung. FS zum 80. Geburtstag von Armin Härtel, EmK Monografien 55, Frankfurt/M. 2011, Lothar Schieck, Zur Einführung, 9.

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in Richtung des Verständnisses einer Kirchenbildung. Das ist für die ökumenische Gemeinschaft sehr erfreulich. Nachdem die protestantischen Kirchen in der Welt durch die römisch-katholische Erklärung »Dominus Iesus« herausgefordert waren, hat die EKD ihr Kirchenverständnis neu dargestellt. In diesem Rahmen hat sie ihre »ökumenische Zielsetzung« wie folgt definiert: »Die Erklärung und Verwirklichung von Kirchengemeinschaft ist aus evangelischer [meint hier : landeskirchlicher] Sicht das Ziel ökumenischen Handelns.«296

Dieses Ziel hat die EKD durch ihren Leuenberg-Beitritt erreicht. Dass es jedoch nicht das letzte Ziel bleiben kann, haben die Fusion zur Nordkirche und die Föderation der Mitteldeutschen Evangelischen Kirche gezeigt.297 Die überwiegend weiterhin historisch bedingten territorialen Grenzen bestimmten die Gemeinschaft der Gliedkirchen untereinander. In einer globalen Gesellschaft mit dauerhaften weltweiten personalen Transfers ergeben sich Herausforderungen für die zukünftige Entwicklung. Schon im 19. Jahrhundert haben hunderttausende Mitglieder der deutschen Landeskirchen mit dem Überschreiten der nationalen Grenzen beim Verlassen des Landes ihren Status als Kirchenmitglied einer bestimmten Konfession verloren. Die abgebenden Kirchen hatten in dem gleichen Augenblick ihre geistlichen und seelsorgerlichen Pflichten, in denen sie als flächendeckende Kirchen standen, nicht mehr wahrnehmen können. Es war kein Wunder, dass die Ausgewanderten sich wie Schafe ohne Hirten vorkamen und den Trost ihrer Kirche mitsamt den Sakramenten von Taufen und Abendmahl vermissten. Ebenso ist es kein Wunder, dass sich in der weiten Landschaft Amerikas in der Anknüpfung und Weiterführung an heimatliche kirchliche Gewohnheiten, aber auf ihrer reformatorischen theologischen Grundlage neue Kirchenzweige bildeten, die sich verpflichtet sahen, diesen Zuwanderern in der Fremde eine kirchliche Heimat zu bieten. Es entstanden deutschsprachige methodistische, baptistische und andere Gemeinden in freikirchlicher Gestalt mit dem Prinzip der Freiwilligkeit und umfassender Partizipation der Gemeindeglieder am Leben ihrer Kirchengemeinden.298 Dadurch stand die Entwicklung der Freikirchen in den USA zwar in reformatorischer Tradition, aber doch von Anfang an unter völlig anderen Vorzeichen. In Deutschland begegnete man ihnen mit einer reichen polemischen Literatur. Diese zeigte erschreckend, dass die eigentlich ökumenischen Partner in 296 Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis. Ein Votum zum geordneten Miteinander bekenntnisverschiedener Kirchen. EKD TEXTE 69, Hannover 2001, 15. 297 Vgl. dazu andere Perspektiven: Kirchliches Jahrbuch für die Evangelische Kirche in Deutschland 2002, 129. Jg., Gütersloh 2006, Lieferung 1 – 3, 341 – 346. 298 Hartmut Lehmann, Säkularisierung. Der europäische Sonderweg in Sachen Religion? Göttingen 20072, 14 – 35.

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ihrem theologischen Selbstverständnis und daher auch in ihrer strukturellen Gestalt gar nicht wirklich wahrzunehmen versucht wurden. Am ehesten hat man noch Einblicke in ihre Geschichte genommen, je mehr, je weiter die Entfernung zum gegenwärtigen Ort war. Der Jesuit William O. Shanahan fasste eine typische Beobachtung zusammen, wenn er in der Sprache katholischer Theologie jener Zeit formulierte: »Der Einfluß der englischen Sekten auf die praktische christliche Sozialarbeit hörte in dem Augenblick auf, als diese Sekten in Deutschland mit der Proselytenmacherei begannen.«299 Leider wirkt das im 19. Jahrhundert gezeichnete und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gepflegte Bild über die Freikirchen immer noch nach, sogar unter Theologen. In Verbindung mit Impulsen, die aus dem Weltmethodismus kommen, sollen einige Aspekte von international organisierter gesamtkirchlicher Verbundenheit und ökumenischer Integration wenigstens erwähnt werden. (1) Unmittelbar nach dem Krieg erfuhren die Gemeinden der Evangelischen Gemeinschaft eine »Verzögerung spezifischer eigenkirchlicher Hilfspläne und –maßnahmen«.300 Bischöfe dieser Kirche kamen erst am 31. Juli 1947 in Deutschland an. Zu den Gründen gehörte eine 1946 in den USA vollzogene Kirchenunion, die viel Kräfte und noch mehr Zeit in Anspruch genommen hatte. Nicht ohne Einfluss auf die Arbeit dieser Kirche in Deutschland war, dass sich die Beziehungen zum europäischen Zweig der neuen Kirche fast ausschließlich auf eine der beiden sich vereinigenden Traditionen beschränkte. Zwar waren beide, die in mennonitisch-reformierter Tradition stehende Kirche der Vereinigten Brüder in Christo und die Evangelical Church, die ursprünglich auch Evangelische Gemeinschaft (Evangelical Association) geheißen hatte, deutschen Ursprungs, aber die Kirche der Vereinigten Brüder hatte ihre Deutschlandmission bereits 1905 an die Methodisten übergeben und damit ihre europäischen Wurzeln vom amerikanischen Zweig gekappt. Erst nach dem Bischofsbesuch von 1947 hat sich die weltweite Verbundenheit der neugebildeten Evangelical United Brethren Church intensiver um den Wiederaufbau innerhalb ihres deutschen Zweiges kümmern können. Unabhängig davon hat die hiesige Evangelische Gemeinschaft von der Einrichtung eines ökumenischen Hilfswerks in Deutschland profitiert.301 (2) Im Zuge der politischen Entwicklung, die besonders in Afrika kolonial organisierten Staaten die Autonomie brachte, stellte sich für eine Weltkirche die Frage, ob die bisher weltweit vernetzten Kirchenzweige ebenfalls in die Autonomie zu entlassen seien. Diese Frage wurde in einer Commission on the 299 William O. Shanahan, Der deutsche Protestantismus vor der sozialen Frage. 1815 – 1871, München 1962, 79 Anm. 9. 300 Ulrike Schuler, Evangelische Gemeinschaft, 236 ff. 301 Ebd., 221 – 262.

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Structure of Methodism Overseas (COSMOS) mit allen beteiligten Konferenzen der betroffenen Länder diskutiert. In afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten wurden Kirchenzweige in die Autonomie entlassen. Die europäischen Kirchenzweige wehrten sich nachdrücklich gegen diesen Schritt. Sie waren unter kirchengeschichtlichen Umständen entstanden, in denen das Nebeneinander von Landes- und Freikirchen zu ganz bestimmten Konsequenzen führen musste. Dieses war völlig anders für andere Zeige der methodistischen Kirchen, die in historischen Missionsprozessen parallel zu anderen Kirchen gewachsen sind, in denen alle Beteiligten von Anfang die gleichen gesellschaftlichen Bedingungen vorgefunden haben. Für die speziell deutsche Situation eines geteilten Landes kam hinzu, dass einerseits die Weltkirche für die DDR-Minderheit auch eine Art SchutzschirmFunktion hatte. Daneben hatte gerade die Tatsache einer international verfassten Kirche für die Bewahrung einer strukturellen Gemeinschaft zwischen West und Ost eine wichtige Funktion. Für die Verhältnisse in Deutschland wäre die anpassungsbereite Kirche im Falle nationaler Autonomie in den Status der Bedeutungslosigkeit zurückgefallen. Im Zuge der Konstituierung einer neuen Zentralkonferenz in der DDR ist die Frage nach der Lösung aus der internationalen Kirchenstruktur kein Tabu gewesen.302 Im Rückblick hat sich die Entscheidung, innerhalb der methodistischen Connexio zu verbleiben, als richtig erwiesen. (3) Nach Vorgesprächen wurde im März 1965 in Freudenstadt vereinbart, einen Rat Methodistischer Zentralkonferenzen in Europa (Council of the Methodist Central Conferences in Europe) zu bilden.303 Ihm gehörten die Konferenzen der methodistischen Kirche in Finnland, Norwegen, Schweden, Dänemark, Deutschland, der Schweiz, Österreich, Ungarn, der damaligen CSSR, Polen und Bulgarien an. Später wurde der Rat um die methodistischen Kirchen aus der britischen Tradition in England, Irland, Italien und Portugal erweitert. Zwar gab es bereits seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts europaweite Konferenztagungen, aber der neue Zusammenschluss gewann für die Arbeit in Deutschland eine besondere Bedeutung. Der europäische Rat gab die Basis für eine zunehmende Zahl von Treffen der Bischöfe und Superintendenten, von gegenseitigen Besuchen bei Konferenztagungen, bei speziellen europäischen 302 Härtel, Die Installierung einer eigenständigen Zentralkonferenz. In: EmK-Geschichte 22. Jg. (2001), Heft 1, 19 – 21. 303 Es gab auch vor der Bildung dieser Organisation europaweite Treffen z. B. von Jugendlichen in Stuttgart-Fellbach, London und Dänemark, von Historikern in Bad Klosterlausnitz, Reuti-Hasliberg (Berner Oberland) und Holstebro (Dänemark) oder Theologische Konferenzen wie 1963 in Freudenstadt die Europäische Konferenz mit Teilnehmern aus 14 Ländern. Vgl.: Die Methodistische Europäische Konferenz 1963, Studiendokument zu »Kirche in der Gesellschaft«, Zürich o. J. (1964).

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Zeit der Konsolidierung und Stagnation

Tagungen z. B. für kirchlich engagierte Laien, Dozenten der theologischen Ausbildungsstätten, für Historiker, Jugendliche, Frauengruppen und andere Gruppen. Später kam es zur Durchführung von Austauschprogrammen. Als die Ausreisen aus der DDR zu gesamtdeutscher Zusammenarbeit immer schwieriger wurden, gab es für eine auf europäischer Ebene organisierte Kirche mit Tagungen, die nur noch selten im Westen Deutschlands stattfanden, eher die Möglichkeit zur Mitwirkung von DDR-Delegierten. Manchmal allerdings scheiterten Teilnahmen von DDR-Bürgern. Zum Beispiel hatten die Delegierten zur verfassunggebenden Generalkonferenz in den USA 1964 zwar die Ausreise aus der DDR genehmigt bekommen. Da aber das Wiener US-Konsulat kein Visum in den DDR-Pass stempeln durfte, weil das die staatliche Anerkennung der DDR bedeutet hätte und dies gegen die Interessen der Bonner Regierung war, mussten 1964 die gewählten Delegierten von Wien die Heimreise nach Zwickau und Aue antreten. In dieses Bild gehört auch, dass die Post westdeutscher kirchlicher Dienststellen mit umfangreichem DDR-Schriftwechsel, wie sie selbstverständlich mit der methodistischen Bischofskanzlei in Frankfurt/M. notwendig war, von westlichen Behörden kontrolliert wurde. (4) Aus methodistischer Sicht war die Lage der Gemeinden in der DDR innerhalb Europas nicht die bedrohlichste. Die europäischen Kontakte vermittelten laufend Informationen aus anderen Staaten.304 Dramatisch war die Bedrohung der Methodisten in Bulgarien. Nach dem staatlichen Plan einer Zwangsvereinigung der protestantischen Kirchen, dem Verbot der Zeitschriften, der Verhaftung und Folterung von Pastoren und schließlich der Anklage des Hochverrats wegen internationaler Beziehungen waren sie praktisch in Verbindung mit einem Schauprozess liquidiert. Auslöser dazu war, dass die Immobilien der Kirche im Zuge der Zwangsschließung durch die in New York ansässigen Missionsabteilung, die Eigentümerin der Immobilien war, versiegelt wurden. Die damit verbundene Hoffnung, das Eigentum sei damit geschützt, war zu optimistisch.305 Das reichte aus, um sie und ihre Familien wegen konspirativer Tätigkeit anzuklagen, zu foltern und zu Haft oder die Frauen zu Zwangsarbeiten zu verurteilen. Die Familien wurden zu dieser Zeit über das Hilfswerk der methodistischen Kirche in Deutschland in Zusammenarbeit mit der diakonischen 304 Patrick Ph. Streiff, Der Methodismus in Europa im 19. und 20. Jahrhundert, EmK-Monografien 50, o. O., 2003, Bulgarien betreffend: 292 – 298. Auch: S T Kimbrough, Jr. (Ed.) Methodism in Russia & the Baltic States, Nashville 1995;- Eesti Metodisti Kirik 1907 – 2007, The United Methodist Church in Estonia, Tallinn 2007;- Ueli Frei, Der Methodismus in Bulgarien, 1857 – 1989/90, Frankfurt/M. 2012, 317 – 391. 305 Auf ähnliche Weise wurde auch das Frankfurter Predigerseminar dem Zugriff der westlichen Besatzungsmächte entzogen, als an der Eingangstür ein Hinweis angebracht wurde, dass ein Teil dieses kirchlichen Gebäudes Eigentum der Methodistenkirche in der Schweiz sei. (Mündlich überliefert durch den damaligen Studenten Karl Heinz Grüneke.)

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Abteilung der Gesamtkirche in New York auf verdecktem Wege notdürftig versorgt. Die ehemalige Missionarsfrau Irmgard Pratsch, die früher an der Seite ihres Mannes Alfons Pratsch in Bulgarien gearbeitet hatte, nahm diese Betreuung über private Adressen aus dem Bereich der Kirche in unermüdlicher Treue wahr. Es gelangten genügend Nachrichten nach Deutschland, wie kommunistische Machthaber in Ländern wirkten, in denen sie nicht auf protestantische Kirchen gestoßen waren. Mit Polen, der CSSR und Ungarn gab es ständig Kontakte bei gegenseitigen Besuchen an Konferenzen und Tagungen.306 Die »Prager Friedenskonferenz« und die »Konferenz Europäischer Kirchen« (KEK) ergänzten die Möglichkeiten des Rates Methodistischer Zentralkonferenzen in Europa. (5) Innerhalb der britischen Methodistenkirche gab es seit dem Ende der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts verschiedene ernsthafte Initiativen, eine Re-Union mit den Anglikanern herbeizuführen.307 Der Plan scheiterte daran, dass zwar die Methodisten die von der Verfassung vorgeschriebene hohe Mehrheit erreichten, nicht aber die Anglikaner. Der Weg »Towards Reconciliation«, wie das offizielle Dokument lautete, fand im Weltmethodismus starke Beachtung. Was würde es für die teils autonomen, teils miteinander verbundenen Kirchen bedeuten, ohne ihre »Mutterkirche« zu leben? Das ist gewiss ein selten erwogener nichttheologischer Faktor, aber auch seine ökumenische Wirkung wäre kaum abzusehen gewesen. War das Koordinationsfeld für die Landeskirchen stark durch nationale Entwicklungen bestimmt, so kamen bei den methodistischen Kirchen internationale Impulse, Verquickungen und Ereignisse hinzu, die nicht ohne Einfluss auf ihre hiesige Existenz blieben. Auch die unübersehbaren ökumenischen Beziehungen wurden zu mitgestaltenden Kräften für ihren Weg in die Zukunft. Von ökumenisch gut informierten landeskirchlichen Partnern wurde zunehmend erkannt, dass sie in einem methodistischen Bischof, Superintendenten oder Pastor immer einem Repräsentanten einer Weltkirche begegneten.

306 Innerhalb des deutschen Baptismus in Ost und West wurden lebhafte Kontakte zu den ganz unterschiedlich organisierten Baptisten in der Sowjetunion gepflegt und die Entwicklungen teilweise mit Sorge verfolgt. 307 Wilfred Wade/C. Ernst Sommer, Methodistenkirchen in Vereinigungsgesprächen. In: C. Ernst Sommer, Der Methodismus, KW VI, Stuttgart 1968, 48 – 59.

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Zeit der Konsolidierung und Stagnation

2.13 Was haben zwei Jahrzehnte innerdeutscher Ökumene bewirkt? Das Ergebnis ist ernüchternd. Hätte nicht der Baptist Hans Luckey auf eine Verbreiterung der ACK-Mitgliedschaft durch die Bemühung um weitere Kirchen und Arbeitszweige gedrängt,308 wäre es vermutlich noch längere Zeit bei dem kleinen Gesprächskreis geblieben, auf den sich inhaltlich die ACK reduziert hatte. Zwar hatte Ludwig Rott mutig von den Freikirchen die Anerkennung der Landeskirchen und umgekehrt der Freikirchen durch die Landeskirchen im Sinne von Kirchengemeinschaft als einen entscheidenden Schritt für möglich gehalten und gefordert. Aber solche Vereinbarungen lagen selbst für das Miteinander der Landeskirchen noch mehr als ein Jahrzehnt entfernt in der Zukunft. Mit den Begriffen »Breite« und »Tiefe« sind zwei Dimensionen charakterisiert, die im kommenden dritten Jahrzehnt eine neue Dynamik brachten und die geeignet waren, das begonnene ökumenische Gespräch in eine wirkliche »Arbeitsgemeinschaft von Kirchen« überzuleiten. Dazu bedurfte es aber eines neuen Ansatzes. Obwohl jede ACK-Mitgliedskirche autonom war und eine multilaterale Beziehung konstituierte, lässt sich doch ein bipolares Verhalten und Agieren mit unterschiedlichen Interessen kaum bestreiten. Auf der einen Seite waren Kirchen, die jeweils eine Minderheit repräsentierten, also einige Freikirchen und die Alt-Katholische Kirche, auf der anderen Seite standen die Landeskirchen. Eigentlich müsste man richtiger sagen: es stand dort die EKD. Denn wie sie die einzelnen Landeskirchen in die Arbeit der innerdeutschen Ökumene einbezogen hat, ist kaum erkennbar.309 Die Denkwege und Abläufe in einem Kirchenamt, das für autonome Landeskirchen arbeitet, sind nicht immer leicht zu durchschauen. In einer anderen Lage ist die Kirchenleitung der VELKD. Sie kann sich auf eine feste konfessionelle Grundlage berufen und steht auf dieser Grundlage in einer ständigen Arbeitsbeziehung zu ihren Mitgliedskirchen. Dass ein gemeinsames EKD-Kirchenamt die Interessen der unterschiedlich positionierten Landeskirchen auch gegenüber einer Ökumene innerhalb Deutschlands vertreten muss, führt auch zu schwierigen kirchenpolitischen Abwägungen nach innen wie nach außen. Man ist geneigt, drei Konsequenzen aus dieser Situation abzuleiten, die zu einem restriktiven Verhalten gegenüber den nicht EKD-Kirchen führten. Erstens: die ACK war, besonders nachdem die Ökumeniker der ersten Stunde verstorben waren und der direkte Genfer Einfluss nachließ, für die EKD lediglich eine Ebene der Begeg308 Vgl. Kap. 3 Zeit der Neuorientierung und der ACK-Erweiterung. 309 In verschiedenen Landeskirchlichen Archiven sind keine ACK-Protokolle bis zur Neuorganisation, die zusammen mit der Bischofskonferenz und der Orthodoxie erfolgte, auffindbar.

Was haben zwei Jahrzehnte innerdeutscher Ökumene bewirkt?

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nung mit den Minderheitskirchen des Landes. Das war im Vergleich zur Vergangenheit nicht wenig. Aber es war ökumenisch bei weitem nicht genug. Die ACK wurde nach der ersten Aufarbeitungsphase zu einem neu geschaffenen Ort der Begegnung. Ein Indiz für kirchenpolitische Interessen ist der zweite zu erwähnende Aspekt: Es bestand von Anfang an kein Interesse daran, der ACK auch nur ein minimales Gewicht zu geben, das in Richtung eines Federal Council tendierte, von einer öffentlichen Wirkung durch gemeinsame Außenvertretungen – wie sie in den »Richtlinien« vorgesehen waren – oder einer ihr entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit ganz zu schweigen. Drittens fällt beim Rückblick auf die ersten ACK-Jahrzehnte auf, dass bei der Suche nach innerdeutschen ökumenischen Initiativen weder ein nachhaltiger Impuls vom Rat der EKD oder einem anderen Leitungsorgan noch von einer in ihren Leitungsstrukturen wirkenden Person erkennbar wird. Erst mit dem Beginn der siebziger Jahre trat mit Reinhard Frieling ein kreativer Ökumeniker hervor. Schon seine Promotion über Die Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung 1910 – 1937310 hat damals Aspekte der innerdeutschen Ökumene insofern erfasst, als Freikirchen, wie Baptisten, Brüdergemeine, Evangelische Gemeinschaft, Methodisten und Quäker einbezogen wurden. Es ist schwer, weitere innerdeutsche ökumenische Praktiker und Impulsgeber zu orten, die wie Frieling durch wissenschaftliche Publikationen, aktuelle Stellungnahmen, akademische Vorlesungen und Vorträge, durch engagierte Mitarbeit in ökumenischen Gremien sowie in Projekten und an Studien vorurteilsfrei aktiv waren. Vielleicht hatte er es leichter, weil er zwar bei einem EKD-Institut seine Arbeitsbasis hatte, aber nicht in die kirchlichen Leitungsstrukturen eingebunden war. Insgesamt besteht der Eindruck, dass die neue Aufgabe, ökumenisch Kirche Christi zu sein, noch nicht angenommen war, jedenfalls innerhalb Deutschlands. Ähnlich hatten die Minderheitskirchen in der ACK ihre ökumenische Positionierung noch nicht gefunden. Es scheint, als seien sie weitgehend mit der Tatsache zufrieden gewesen, aus dem Image von ausgegrenzten Sekten zu akzeptierten Freikirchen aufgestiegen zu sein. Was Bischof Wunderlich 1950 einmal mit der Überschrift Von der Sekte zur Arbeitsgemeinschaft311 formulierte, klingt wie eine befriedete ökumenische Lösung eines alten Dauerproblems. Vielleicht lernten die Freikirchen, die Macht der Landeskirchen weniger als Bedrohung zu empfinden. Es gab viele, die fühlten sich durch freundliche Worte und ökumenische Besuche an Konferenzen nunmehr akzeptiert. Damit sanken 310 Reinhard Frieling, Die Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung 1910 – 1937, Göttingen 1970. Zu R. Frielings Initiativen internationaler und innerdeutscher Ökumene: Biographie und Bibliographie, hgg. vom Konfessionskundlichen Institut 2011 zum 75. Geburtstag von Reinhard Frieling. 311 Friedrich Wunderlich, Von der Sekte zur Arbeitsgemeinschaft. In: Der Evangelist 101. Jg. (1950), 130 – 132.

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Zeit der Konsolidierung und Stagnation

Vorbehalte, und sicher war man mit dieser und jener Kritik noch zurückhaltender als das vorher schon der Fall war. Das Gefühl, eine Konkurrenz zu sein, in die sich in unterschiedlicher Radikalität manche freikirchliche Gemeinde abgedrängt gefühlt hatte, wurde von Jahr zu Jahr geringer. Diese Entwicklungen waren sicher gute Voraussetzungen für eine zukünftige ökumenische Gemeinschaft. Aber geistliche Ökumene muss doch mehr sein als ein freundliches Miteinander in gegenseitiger Akzeptanz. Zweifellos fehlte es der innerdeutschen Ökumene an inhaltlicher Tiefe. Noch kämpfte man miteinander um die Frage, ob der eine oder der andere das richtige Taufverständnis mit der entsprechenden Taufpraxis verbinde und ob dieses oder jenes Kirchen- und Gemeindeverständnis mehr dem Neuen Testament oder den Bekenntnisschriften verpflichtet sei. Der ökumenische Dialog, das genaue Hinhören auf den Partner, das ökumenische Lernen zur gegenseitigen Bereicherung war noch gar nicht umfassend als Aufgabe in Angriff genommen worden. Vielleicht ist hier der DÖSTA zu jener Zeit am weitesten vorangeschritten gewesen. Manche der stark konfessionell ausgerichteten Kirchen, die sich sogar noch von der ACK fern hielten, hatten es schwer zu erkennen, dass es auch außerhalb ihrer eigenen Tradition bedenkenswerte theologische Akzente geben kann. Auf der anderen Seite waren manche Freikirchler nicht gewohnt, ihr theologisches Selbstverständnis dem ökumenischen Partner zu erläutern. Zu lange hatten sich Freikirchler damit begnügen müssen, ihre Existenz und ihre Anwesenheit im Land der Reformation überhaupt zu rechtfertigen. Die Fähigkeit zum hörenden, theologisch argumentierenden und lernenden Dialog war in Deutschland wenig entwickelt, – vielleicht auch, weil die souveränen Landeskirchen, die immer wieder gerne auf ihre großen Zahlen verwiesen, in ihrer Geschichte keine adäquaten Partner hatten, durch die sie auch einmal von außen angefragt wurden. Aber gerade ein solches praktiziertes ökumenisches Miteinander ist notwendig, um ökumenische Schritte in die Zukunft gehen zu können. Was der Konzilsbeobachter Edmund Schlink im Hinblick auf die Römisch-katholische Kirche bald nach seiner Rückkehr aus Rom formulierte, beansprucht in gleicher Weise in der innerprotestantischen Ökumene Beachtung: »Für einen ökumenischen Dialog ist es wesentlich, daß alle Beteiligten einander bewußt als Glieder ihrer Kirche begegnen. Nur wenn sie sich der Lehre und Ordnung ihrer Kirche verpflichtet wissen, kommt es zu einer Begegnung zwischen den Kirchen. Der Dialog ist in der vollen Bereitschaft zu führen, den Partner als Bruder zu hören, der sich demselben Herrn verpflichtet weiß. Dabei sind alle Verharmlosungen der bestehenden Unterschiede zu vermeiden. Wohl aber ist die Tiefe und das Gewicht dieser Unterschiede neu zu überprüfen und im gemeinsamen Glauben an Christus und im gemeinsamen Studium der Heiligen Schrift eine Überwindung der Unterschiede anzustreben.«312 312 Edmund Schlink, Nach dem Konzil, Göttingen 1966, 228 f.

Was haben zwei Jahrzehnte innerdeutscher Ökumene bewirkt?

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Abgesehen von der wenig entwickelten Fähigkeit zum innerprotestantischen interkonfessionellen Dialog waren die Kirchen oft noch nicht zu einer wirklichen »Arbeitsgemeinschaft« willens, die in der weltweiten ökumenischen Diskussion vorherrschenden Themen unter den Stichworten Zeugnis als Kerygma und Martyria, Dienst als Diakonia und Gemeinschaft als Koinonia gemeinsam zu leben. Zu einer völlig neuen Entwicklung zuerst in der Breite und danach in der Tiefe kam es durch zwar unkoordinierte, aber sich doch gegenseitig befruchtende Impulse, die in den siebziger Jahren von ganz verschiedenen Seiten ausgingen. Auf die Erneuerung der ACK durch eine überraschende Verbreiterung ihrer Basis wird das nächste Kapitel eingehen.

Kapitel 3: Zeit der Neuordnung und der ACK-Erweiterungen

»Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil und der Neuorientierung der römischkatholischen Kirche bekam die Ökumene in Deutschland seit den sechziger Jahren ein völlig neues Gesicht.«1 Diese zusammenfassende Beobachtung des führenden evangelischen Konfessionskundlers und Ökumenikers Reinhard Frieling gilt es in ihrer geschichtlichen Entwicklung und ihrer frühen Wirkung konkret darzustellen. Dabei sind die etwa gleichzeitigen Impulse, die aus der weltweiten Ökumene in Verbindung mit der ÖRK-Vollversammlung in Uppsala die innerdeutsche Entwicklung erreichten, ebenso zu berücksichtigen, wie die Anstöße, die aus den Minderheitskirchen innerhalb der ACK kamen wie schließlich auch die Überlegungen innerhalb der EKD, die eine Strukturreform einleiten sollten. Die Jahre von 1965 bis 1975 veränderten die ökumenischen Beziehungen in Deutschland und schufen Grundlagen für ihre weitere Ausgestaltung. Dabei stellte sich auch die Frage, welche Erwartungen die einzelnen Kirchen an die ökumenische Gemeinschaft hatten und welche Kooperationsbereitschaft jede einzelne von ihnen auszeichnete. Es ging nicht nur um neue Strukturen der Zusammenarbeit, sondern auch um die Frage nach den Inhalten. Manche wollten den status quo erhalten, andere drängten zu weiteren Schritten. In der innerdeutschen Ökumene wurde durch Hans Luckeys Bemühungen um die Erweiterung der ACK, durch die zu dieser Zeit laufenden innerprotestantischen Gespräche, die schließlich zur Leuenberger Konkordie führten, und durch die überraschenden Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils ein deutlicher Fortschritt zu mehr verbindlicher Gemeinsamkeit erreicht. Er bildete die Grundlage für Ansätze zu einem vielfältigen gemeinsamen Handeln, das danach im vierten Kapitel im Mittelpunkt stehen soll.

1 Reinhard Frieling, Der Weg des ökumenischen Gedankens, Göttingen 1992, 120.

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3.1

Zeit der Neuordnung und der ACK-Erweiterungen

Bemühungen um eine Erweiterung der ACK

Unter dem Vorsitz des Baptisten Hans Luckey war es zu verschiedenen Initiativen zur Erweiterung der ACK gekommen. Sein Vortrag im Rat der EKD, die Debatte während der Freikirchenkonferenz und die später noch zu behandelnde Krisensitzung von ACK- und EKD-Ratsmitgliedern hatte einige Bewegung gebracht. Über viele Jahre war der Kreis von Mitgliedskirchen über die Gründungsphase nicht hinausgekommen. Luckey setzte auf Erweiterung und hatte Erfolg. Auch nachdem er im November 1967 aus der ACK ausgeschieden war, kam es immer noch zu Aufnahmegesprächen mit Kirchen und kirchlichen ökumenischen Arbeitszweigen wie das Evangelische Missionswerk.

3.1.1 Lutherische Freikirchen (1964 – 1993) 1964 stand die Frage der Einbeziehung der lutherischen Freikirchen auf der Tagesordnung. Aufgeschlossenheit einerseits und »immer noch festzustellende Exklusivität« andererseits führten zu dem Beschluss, zunächst abzuwarten, bis es zu einer Klärung »über ihren Zusammenschluss gekommen ist.«2 Es sollte auch erkundet werden, ob seitens der EKD Bedenken gegen eine Aufnahme bestehen. Wäre das nicht der Fall, werde die ACK sie zur Mitgliedschaft einladen.3 1967 hielt Manfred Roensch als Vertreter der im Entstehen begriffenen Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in der ACK einen Vortrag über deren Selbstverständnis. Die Aufnahme erfolgte endlich am 27.10. 1993 in Eisenach. Der Schritt von der zuerst angenommenen Gastmitgliedschaft zur Vollmitgliedschaft ist innerhalb der konfessionsbewussten SELK offensichtlich nicht ohne Überwindung von Vorbehalten erfolgt. Bischof Jobst Schöne hatte aber in seinem Bericht an die Pfarrkonferenz festgestellt: »Die Verfassung der ACK garantiert uns, daß in unsere innerkirchlichen Belange, unsere Bekenntnisstellung und dergleichen nicht eingegriffen werden kann, ja daß kein Beschluß der ACK uns bindet, den wir nicht von uns aus ratifizieren. Damit ist allen Befürchtungen, wie könnten in ein falsches ökumenisches Fahrwasser geraten und verantwortlich gemacht werden für Aktionen und Stellungnahmen, die unserer Position widersprechen, der Boden entzogen.«4 2 Gilberto da Silva, Der Weg lutherischer Freikirchen zur SELK [Selbständige EvangelischLutherische Kirche], Annäherung und Konsolidierung nach 1945. In: FF, Bd. 18 (2009),130 – 145. – 1972 kam es durch den Zusammenschluss verschiedener autonomer Lutherischer (Frei-)Kirchen zur Bildung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK). 3 Prot. ACK 24. April 1964, 3 f. LKA Hann. E 49, 574. 4 Jobst Schöne, Bericht an die Allgemeine Pfarrkonferenz 7.– 11. Juni 1993 in Uelzen. Prot. Kirchenleitung SELK, Hannover.

Bemühungen um eine Erweiterung der ACK

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Ein Jahr später gab die Kirchenleitung der SELK eine Handreichung unter dem Titel Ökumenische Verantwortung heraus. Darin heißt es abschließend: »Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche hat […] zum ›Weltrat der Kirchen‹ ein distanziertes Verhältnis und nie um Mitgliedschaft in dieser Organisation nachgesucht. Anders steht es mit der ›Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen‹(ACK). Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche ist auf der Bundesebene Vollmitglied; in die ACK auf örtlicher Ebene bringt sie je nach Satzung und Aktivitäten ihre Mitarbeit in unterschiedlich starkem Maße ein. Hier kann ein Stück Gemeinsamkeit bezeugt und an Überwindung der Trennungen verantwortlich mitgearbeitet werden. (Die ACK ist nicht Teil oder Unterorganisation des Weltrates der Kirchen, auch wenn sie Beziehungen dahin hat.)«5

Abschließend wird in der Handreichung festgestellt, dass die SELK dem Lutherischen Weltbund nicht beigetreten ist, »weil in ihm die unterschiedlichsten Strömungen zu finden sind und durch seine Verfassung die Mitgliedskirchen in volle Kirchengemeinschaft untereinander gestellt werden (auch wenn gravierende Lehrdifferenzen diese ausschließen müssten).«6

3.1.2 Die Orthodoxen (1965 – 1974)7 Die Orthodoxen waren selbst in kirchlichen Kreisen Deutschlands lange Zeit wenig beachtet. Lediglich die international aktiven Ökumeniker begegneten ihnen und erlebten sie schon früh auf der ökumenischen Bühne. Anlässlich der dritten Konferenz des Christlichen Studentenweltbunds 1911 in Konstantinopel, an der beispielsweise der methodistische Ökumeniker Theophil Mann8 teilnahm, wurde der spätere Erzbischof von Thyateira, Germanos (Strenopoulos) mit John Mott und Nathan Söderblom bekannt. Fortan spielte er eine herausragende Rolle in der Entwicklung der ökumenischen Bewegung. Er entwarf eine Enzyklika, die der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel 1920 unter dem Titel »An die Kirche Christi allerorts« veröffentlichte. Darin rief der höchste Repräsentant, der das Ehrenprimat als primus inter pares unter den Orthodoxen Kirchen innehat, die »verehrungswürdigen christlichen Kirchen im Westen und allenthalben«9 dazu auf, in Anlehnung an den Völkerbund einen Kirchenbund zu bilden. Schon bei der 1920er Vorkon5 Kirchenleitung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche, Ökumenische Verantwortung. Eine Handreichung, Hannover 1994, 30. 6 Ebd. 7 Die Aufnahme der Griechisch-Orthodoxen Metropolie wird in Kap. 3.7 dargestellt. 8 Zu Theophil Mann: BBKL 5, 684 – 688. 9 Hans-Ludwig Althaus, Ökumenische Dokumente, Göttingen 1962, 139.

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Zeit der Neuordnung und der ACK-Erweiterungen

ferenz von Faith and Order lenkte Germanos zusammen mit Alivisatos Hamilkar die Aufmerksamkeit auf diese frühe ökumenische Enzyklika. Fortan waren diese beiden Theologen nicht nur an der Entwicklung der Ökumenischen Bewegung beteiligt.10 Sie wirkten auch im Christlichen Studentenweltbund wie im Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen aktiv mit.11 In der engeren Ökumenischen Bewegung war Erzbischof Germanos u. a. Vizepräsident der 1927er Faith-and-Order-Konferenz in Lausanne. 1948 wurde er in Amsterdam als einer der sechs Präsidenten des ÖRK gewählt. Diese wenigen Hinweise zeigen, wie früh Orthodoxe Theologen von Anfang an offiziell auf internationaler Ebene an der Ökumenischen Bewegung teilnahmen. Das hat sie bis in die Gegenwart zu keiner Zeit davon abgehalten, Sondererklärungen zu ihren von protestantischen Auffassungen abweichenden dogmatischen und liturgischen Erkenntnissen abzugeben.12 Als es 1965 von Seiten der Russisch-orthodoxen Kirche13 in Deutschland zu vorsichtigen Kontakten mit der ACK kam, stellte deren Protokoll zur »Mitgliedschaft orthodoxer Kirchen« fest, »daß die Arbeitsgemeinschaft ein Zusammenschluss von in Deutschland bodenständigen Kirchen sei. Ein Abweichen von diesem Grundsatz würde z. B. auch im Blick auf ständige Auslandsgemeinden in Deutschland erhebliche Konsequenzen haben. Das schließe eine freundschaftliche Zusammenarbeit mit anderen Kirchengemeinschaften oder Auslandsgemeinden jedoch nicht aus, wie sie sich vor allem auch für den Deutschen Ökumenischen Studienausschuss mit orthodoxen Theologen nahe lege.«14 Dieses im ökumenischen Bereich merkwürdige Argument der exklusiven Gemeinschaft von »bodenständigen Kirchen« tauchte in der nächsten Zeit immer wieder auf. Im folgenden Jahr wurde S. E. Metropolit Polyefktos, der als Exarch von Holland und Dänemark die Griechisch-Orthodoxe Metropolie lei10 Erzbischof Strenopoulos hatte seit 1922 als Vertreter der Ökumenischen Patriarchats in Westeuropa seinen Sitz in London. 11 Harmjan Dam, Der Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen 1914 – 1948. Frankfurt/ M., 2001, 163 – 167. 12 Heinz Joachim Held, Die orthodoxe Mitarbeit im Ökumenischen Rat der Kirchen, Hintergründe und Geschichte. In: Dagmar Heller u. Barbara Rudolph, Die Orthodoxen im Ökumenischen Rat der Kirchen. Dokumente, Hintergründe, Kommentare und Visionen, Beiheft ÖR 74, Frankfurt/M. 2004, 105 – 128 (108). 13 Zehn Tage nach der »Stuttgarter [Schuld-]Erklärung« fand am 28. Oktober 1945 in der zentralen Berliner St. Marienkirche ein »Ökumenischer Gottesdienst« mit dem anglikanischen Bischof von Chichester und Ökumeniker George Bell statt. Dort sprach u. a. auch Erzbischof Alexander als Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche. Dazu: Kurt Anschütz, Befreiung – Besetzung – Versöhnung. Die Arbeit ausländischer Christinnen und Christen nach dem Zweiten Weltkrieg in Berlin, Berlin 2001, 32 – 62. 14 Prot. ACK 23. April 1965. LKA Hann. E 49, 574. Die Hervorhebung ist eingefügt, weil dieses Argument sich in den nächsten Jahren fortschrieb. – Der erste orthodoxe Theologe im DÖSTA war Theodorus Nikolaou, der 1975 hinzukam.

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tete, durch den damaligen ACK-Vorsitzenden Bischof Erich Eichele, eingeladen, um über die Situation der aus Griechenland nach Deutschland gekommenen »Gastarbeiter« zu sprechen. Bischof Eichele bot für die ACK an, die GriechischOrthodoxe Kirche in der »geistlichen Betreuung der griechisch-orthodoxen Arbeitskräfte und ihrer Familien in Deutschland« zu unterstützen. Die Begegnung führte erneut zu der Frage, wie sich die ACK gegenüber orthodoxen Kirchen verhalten wolle. Das Protokoll hält fest: »Die Frage, ob die griechischorthodoxe Metropolie in Deutschland künftig gastweise zu den Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft eingeladen werden solle, wurde im Blick auf die anderen orthodoxen Kirchen zunächst zurückgestellt.«15 Nachdem im Juli 1968 die 5. Vollversammlung des ÖRK in Uppsala sich mit dem Thema der Erneuerung und speziell mit der Frage »Der Heilige Geist und die Katholizität der Kirche« befasst hatte, wurde bei einer ACK-Konsultation mit anderen ökumenischen Einrichtungen in Deutschland durch den Oldenburger Bischof Hans-Heinrich Harms erneut die Frage nach der Beteiligung der Orthodoxen aufgeworfen. Der ACKGeschäftsführer Hanfried Krüger stellte wieder heraus: »Man habe sich bei der Einladung zur Mitarbeit von dem Gedanken einer Bodenständigkeit der Kirchen in Deutschland leiten lassen. Dennoch sei die Arbeitsgemeinschaft aber ständig in einem gute Sinne auf ›Vervollständigung‹ bedacht.«16 Schon 1967 hatte Krüger in einer Grundsatzdiskussion über das »Verhältnis der ACK zu anderen Kirchen« dieses ungewöhnliche Kriterium der »Bodenständigkeit«, von dem in den »Richtlinien« der ACK keine Rede ist, eingeführt. Im Protokoll wird vermerkt: »Es ergab sich Einmütigkeit darüber, daß nach wie vor die in § 1 der ›Richtlinien‹ festgelegte Basis, die derjenigen des ÖRK entspricht, sowie die Unabhängigkeit und Bodenständigkeit einer Kirche als Kriterien der Mitgliedschaft [in der ACK] zu gelten hätten.« Immer, wenn die »Bodenständigkeit« in die Argumentationskette einbezogen wurde, ging das vom Ökumene-Beauftragten der EKD aus. Dessen Dienstsitz war nicht nur im gleichen Haus wie die Büros von ACK und ÖC, sondern auch dem Verantwortungsbereich des Kirchlichen Außenamtes zugeordnet. Diese EKD-Abteilung hatte unter der Leitung ihres Präsidenten Adolf Wischmann bereits seit 1955 eine Ökumenische Kommission, die speziell Kontakte mit den orthodoxen Exilkirchen in der BRD unterhielt. 1966 waren nach einer Informationsschrift der Ökumenischen Kommission 55 orthodoxe Priester im Westen Deutschlands tätig. Seit 1959 gab es einen Ausschuss für Gespräche mit der russisch-orthodoxen Kirche, seit 1967 einen weiteren für Gespräche, aber auch Austauschprogramme mit dem Ökumenischen Patriarchat der Griechisch-Orthodoxen 15 Prot. ACK 30. Sept. 1966. LKA Hann. E 49, 574. 16 Prot. Konsultation der ACK mit anderen ökumenischen Einrichtungen und Organisationen 3. Juni 1969 (Entwurf), 6 f. LKA Hann. E 49, 574

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Kirche. Auch diese beiden Ausschüsse waren im Kirchlichen Außenamt verankert. Dem mit dem Patriarchat verbundenen Ausschuss gehörte gerade zu dieser Zeit, in der sich die ACK mehrfach mit den Beziehungen zur Griechisch-Orthodoxen Metropolie und ihre Kontakte zur Arbeitsgemeinschaft beschäftigte, auch der ACK-Geschäftsführer Hanfried Krüger und der für ökumenische Fragen im hannoverschen Kirchenamt zuständige Oberkirchenrat Wilhelm Gundert an.17 Weil Gundert sich später in den Vorgesprächen mit der römischkatholischen Bischofskonferenz für eine ausschließlich bilaterale Beziehung einsetzte, ist auch hier nicht mehr auszuschließen, dass das Argument der »Bodenständigkeit« eher den kirchenpolitischen Grund hatte, eine Art Alleinvertretung einer Kirche gegenüber den Orthodoxen Aufrecht zu erhalten und eine möglichst weitgehende Alleinstellung des Außenamtes in nicht-deutschen ökumenischen Fragen zu bewahren. Es ist kein Geheimnis, dass es damals innerhalb der EKD ein latent vorhandenes Interesse gab, die Rolle und das Aufgabenfeld der ACK klein zu halten und auf nationale Aktivitäten zu begrenzen. Das wurde bereits bei der 1948er Konstituierung und später noch deutlicher erkennbar.18 Zwischen ACK und Kirchlichem Außenamt hatte Oberkirchenrat Hanfried Krüger es nicht immer leicht, die unterschiedlichen Interessen aufzufangen. Im Blick auf die Russisch-Orthodoxe Kirche gab es jedoch eine Vorgeschichte. Schon im Oktober 1945 hatte im Berliner ökumenischen Gottesdienst direkt nach der in Stuttgart vom Rat der EKD abgegebenen sog. Schulderklärung der russisch-orthodoxe Erzbischof Alexander mitgewirkt. Im selben Jahr hat die deutsche Abteilung des Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen empfohlen, in die ökumenische Arbeit einen orthodoxen Vertreter einzubeziehen. Auch in der Vorbesprechung zur Bildung der ACK, an welcher der ökumenisch erfahrene Methodist J. W. Ernst Sommer teilnahm, ist er es gewesen, der aufgrund der traditionellen orthodoxen Mitwirkung in der Ökumenischen Bewegung die Frage nach der Einbeziehung der Orthodoxie aufgeworfen hat. Das wiederholt auftauchende Argument der »Bodenständigkeit« ist den international organisierten Freikirchen fremd, es sei denn, man denkt an die Polemik, die man ihnen im 19. Jahrhundert als aus angelsächsischen Ländern gekommenen Fremdlingen entgegen gebracht hat. Das Argument knüpft eher an die nachhaltig wirksame Tradition des Territorialkirchentums an und es ist nicht verständlich, wieso die international agierenden Freikirchen sich durch dieses national bestimmte Argument haben einfangen lassen. Endlich im November 1970 öffnete sich für die Orthodoxen die Tür. Nach 17 Reinhard Frieling, Ökumene in Deutschland. Ein Handbuch der interkonfessionellen Zusammenarbeit in der Bundesrepublik, Göttingen 1970, 74 f. 18 Vgl. Kap 3.5 und 3.6.

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Meinung des ACK-Geschäftsführers H. Krüger gelte das Argument der »Bodenständigkeit« als Voraussetzung in dem Sinne nicht mehr. »Die Einrichtung einer ständigen Griechischen Metropolie [in der BRD] lasse die Frage im Rahmen der Gastarbeiterbetreuung jetzt erneut akut werden.«19 Es ist bezeichnend, dass Metropolit Jakovos durch die Vermittlung des alt-katholischen ACK-Delegierten Werner Küppers zur Frühjahrssitzung der ACK eingeladen wurde und dort im Namen der Metropolie des Ökumenischen Patriarchen ein Grußwort sagte. Am 19. April 1972 wurde die Griechisch-Orthodoxe Metropolie mit einem Schreiben an Metropolit Irineos eingeladen, durch ihn zukünftig »in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland, unserem deutschen ›National Council‹«, wie ausgerechnet der Ökumene-Beauftragte der EKD, die dieses ACK-Selbstverständnis stets ablehnte, schrieb, vertreten zu sein.20 Am 24. Sept. 1973 stellte die Griechisch-Orthodoxe Metropolie den Antrag auf Vollmitgliedschaft, die Aufnahme erfolgte nach der durch die »Richtlinien« notwendigen Zustimmungen der Leitungen der Mitgliedskirchen am 11. März 1974. Damals sprach Metropolit Augoustinos von Elaia als Vertreter seiner Kirche im Rahmen eines vom Vorsitzenden der ACK, Bischof C. Ernst Sommer geleiteten ACK-Empfangs. Zeitgleich wurde die Römisch-katholische Kirche in die Mitgliedschaft aufgenommen.21

3.1.3 Die Heilsarmee (1966) Die Heilsarmee als eine internationale Dienstgemeinschaft wurde am 14. April 1966 in die ACK aufgenommen. Nur zwei Jahre später trat 1968 die weltweite Gesamtorganisation Salvation Army aus dem ÖRK aus, weil sie sich nicht in der Lage sah, das von dort durch dessen Generalsekretär initiierte Anti-RassismusProgramm, das auch innerhalb der EKD-Gremien heftig diskutiert wurde, mitzutragen. Dabei hat gerade die Heilsarmee von Anfang an gegen jede Art von Rassismus und Benachteiligung in sozialer Hinsicht gekämpft.22 Das deutsche Hauptquartier der Heilsarmee folgte dem Schritt der Londoner Zentrale und schied aus der ACK-Mitgliedschaft aus. Später hat die Heilsarmee ihre Mitgliedschaft in der ACK wieder aufgenommen. 19 20 21 22

Prot. ACK 6. Nov. 1970. LKA Hann. E 49, 574. Zit. n. Athanasios Basdekis, Orthodoxe Kirchen und ACK. In: ÖR 47. Jg. (1998), 38. Kap 3.6. Es ist eine Fußnote wert festzuhalten, dass der Heilsarmee-Gründer William Booth am 5. Juli 1886 in einem Brief S. M. den König von Württemberg und andere deutsche Herrscher aufforderte, »Mit aller Macht und allem Einfluß dahin zu wirken, Krieg zu verhindern [und] daß dem schändlichen Opium-Handel […] ein Ende gemacht werde.« HSTA Stuttg. Best. E 151b/Bü 865.

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3.1.4 Die Pfingstbewegung – Mülheimer Verband (1965 – 2009) Seit 1965 kam es zwischen der ACK und der ältesten Pfingstgemeinschaft in Deutschland, dem damaligen Mülheimer Verband, zu Gesprächen. Ihr Leiter Christian Krust wurde eingeladen, in der ACK ein Referat über »Die Deutsche Pfingstbewegung – Mülheimer Richtung – und ihre Stellung zur Ökumene« zu halten. Zwei Jahre später, am 29. Juni 1967 nahm in »eine[r] historischen Begegnung«23 der aus Württemberg kommende ACK-Vorsitzende Bischof Erich Eichele die bis dahin wenigen Kontakte neu auf. Nach seiner Meinung war »auf deutschem Boden« keine weitere Verzögerung einer Mitgliedschaft mehr hinnehmbar. Neun Mülheimer waren einer Einladung in eine ACK-Sitzung gefolgt, um ihre Gemeinschaft vorzustellen. Vielleicht lässt die ungewöhnlich große Zahl der Gäste den Rückschluss zu, dass es auch innerhalb der Bewegung noch Klärungsbedarf und Unsicherheit über diesen für die kleine Gemeinschaft weitreichenden Schritt gab. Die ersten lateinamerikanischen Pfingstkirchen waren inzwischen Mitglieder des ÖRK geworden. Schon Luckey hatte den alten Dissens der Pfingstler zum traditionellen Protestantismus nicht in der Theologie, sondern in der pfingstkirchlichen Frömmigkeitspraxis gesehen. Der ökumenische PfingstkirchenExperte Walter Hollenweger, selber verbunden mit der weltweiten Pfingstbewegung, hatte die Sitzung am 29. Juni 1967 für »überfällig« erklärt. Die ACK wurde darüber informiert, dass der Mülheimer Verband, so der damalige offizielle Name dieser Gemeinschaft, durch den ÖRK eingeladen worden sei, einen Beobachter zur 1968er Vollversammlung nach Uppsala zu entsenden. Ihr deutscher Vorsteher Christian H. Krust hielt dort sogar ein Referat.24 In sieben knappen Thesen warb er dafür, »sich gegenseitig besser kennen[zu]lernen. Die ökumenische Bewegung könnte der Pfingstbewegung aus einer bisher bestehenden gewissen Isolierung heraushelfen. Die Pfingstbewegung ihrerseits könnte die ökumenische Bewegung dazu anregen, die Vielfalt des geistlichen Lebens durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes und die praktische Auswirkung der Charismata in der Gemeinde Christi mehr als bisher als eine Realität anzuerkennen.«25

Es ist nicht zu erkennen, ob die Verantwortlichen für die Vorbereitung der Konferenz in Uppsala sich dessen bewusst waren, dass die Pfingstbewegung in 23 Ekkehart Vetter, Jahrhundertbilanz – erweckungsfasziniert und durststreckenerprobt, Bremen 2009, 377. 24 Christian Krust, Die Pfingstkirchen und die ökumenische Bewegung. In: Bericht aus Uppsala 1968. Offizieller Bericht über die vierte Vollversammlung des ÖK, hgg. v. Norman Goodall, deutsche Ausgabe Walter Müller-Römheld, Genf 1968, 358 – 362. 25 Ebd., 362.

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Deutschland innerhalb dieser weltweiten Bewegung gerade im Vergleich zu Lateinamerika ein eigenes Profil hat. Die älteste im Rahmen der pfingstlichen Erweckung am Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland entstandene ursprünglich innerlandeskirchliche Gemeinschaft, der Mülheimer Verband, ist 1998 mit seiner Namensänderung in Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden auch sprachlich auf eine gewisse Distanz zur gegenwärtigen Pfingstbewegung gegangen.26 Die Freikirche kann inzwischen formulieren, »dass die Mülheimer ein sich mittlerweile in der internationalen Pfingstbewegung entwickeltes theologisches Proprium von Anfang an nie geteilt hatten, nämlich die Lehre von der Geistestaufe als ein in der Regel von der Wiedergeburt zu unterscheidendes Zweiterlebnis, das sich an der Gabe der Zungenrede erweist.«27

Die hier angeschnittene Frage war in den theologischen Gesprächen immer ein Gegenstand von Diskussionen. Um in der ACK-Deutschland das Gespräch weiterzuführen, wurde Professor Eduard Schweizer aus Zürich zu einem Referat für den Juni 1969 eingeladen. Er zeigte den Reichtum des neutestamentlichen Gemeindelebens auf und gab damit beiden Seiten mutmachende Argumente für einen Schritt in eine gemeinsame ökumenische Zukunft. Am 3. Juli 1970 folgte die ACK dem Antrag des Mülheimer Verbands und nahm ihn als Gastmitglied auf. Daraufhin entsandten die Mülheimer ihren Präses Wolfgang Meissner28 in die Mitgliederversammlung.29 Fast genau einhundert Jahre nach der belastenden Berliner Erklärung von 1909 mit ihren fast traumatischen Folgen wurde der Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden am 21. Januar 2009 im Rahmen eines Gottesdienstes auch wieder in Berlin in die Vollmitgliedschaft der ACK aufgenommen.30

26 Selbstverständnis, Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden, o. O., 20073. 27 Vetter, Jahrhundertbilanz, Bremen 2009, 422 f. 28 Wolfgang Meissner (1929 – 2005), Studium in Freiburg, Montpellier, London (Neuphilologie und Philosophie) mit abschließender Promotion. Später theologische Ausbildung an der Bibelschule in Wiedenest. Nach Gemeindedienst in Karlsruhe seit 1973 Präses des Christlichen Gemeinschaftsverbandes Mülheim an der Ruhr. 1994 Ruhestand. 29 Wolfgang Meissner, Bericht über zwei Jahre Gastmitgliedschaft in der ACK. In: Vetter, Jahrhundertbilanz, 378. 30 Jürgen Moltmann schrieb 1996: »Heute [ist] eine Generation von Pfingstlern herangewachsen, die im wissenschaftlichen Diskurs sowie in der exegetisch-systematischen Glaubensentfaltung den Vergleich mit den Traditionskirchen nicht [zu] scheuen braucht.« In: Jürgen Moltmann/Karl-Joseph Kuschel, Die Pfingstbewegung als ökumenische Herausforderung. Concilium 32. Jg. (1996), 208, hier zit. n. Silke Dangel, Konfessionelle Identität und ökumenische Prozesse, Berlin 2014, 259.

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3.1.5 Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten (1967 – 1993) Im Oktober 1993 wurden die Siebenten-Tags-Adventisten Gastmitglied der ACK.31 Die erste Information »über die losen Kontakte zwischen der Ökumenischen Centrale und den Siebenten-Tags-Adventisten« erreichte die ACKMitgliederversammlung schon am 24. November 1962. Anlässlich einer Konsultation der ACK mit den kirchlichen Werken berichtete Hanfried Krüger, dass die ACK »ständig in einem guten Sinne auf ›Vervollständigung‹ bedacht [sei]. In diesem Sinne [habe man] auch mit den Adventisten Gespräche aufgenommen.«32 Diesen vorsichtigen Kontakten gingen Gespräche zwischen dem ÖRK und der international organisierten Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten voraus. Zwischen 1965 und 1972 gab es in Genf inoffizielle Gespräche, welche durch das Sekretariat von Glauben und Kirchenverfassung jährlich wahrgenommen wurden.33 »Die Kontinuität dieser Gespräche in Bezug auf Themenwahl und Teilnehmerkreis machte es möglich, den weiten Bereich gemeinsamen christlichen Glaubens und gemeinsamer Aufgabenstellung immer klarer zu erkennen und die entscheidenden Unterschiede deutlicher zu umreißen.«34 Nach dieser Gesprächsreihe waren die Teilnehmer »der Meinung, daß außer der jährlichen Zusammenfassung und Analyse ihrer Gespräche ein Versuch unternommen werden sollte, eine Erklärung vorzubereiten, die die bestehenden lehrmäßigen Übereinstimmungen zwischen den Siebenten-Tags-Adventisten und den Kirchen im Ökumenischen Rat darstellt, gleichzeitig aber das relative Gewicht der noch bestehenden Differenzen herausarbeitet.«

Es ist eindeutig, dass die General Conference of Seven-day Adventists in ihrer Haltung gegenüber der Ökumene zu einer neuen Einschätzung gefunden hatte. Das wurde von den Leitungen der europäischen Zweige des Adventismus positiv aufgenommen. Manche Gemeinden taten sich mit dem Umschwung schwer, der 1993 zur Gastmitgliedschaft in der ACK geführt hatte. Andererseits hatte auch die VELKD Vorbehalte.35 31 Inzwischen änderte sie ihren Namen in Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten. 32 Prot. Konsultation der ACK mit anderen ökumenischen Einrichtungen und Organisationen vom 3. Juni 1969 (Entwurf), 7. LKA Hann. E 49, 574. 33 Report, So Much in Common, Genf 1973. 34 Die Gespräche zwischen dem ÖRK und den Siebenten-Tags-Adventisten. In: ÖR 21. Jg. (1972), 232 – 244 (233). Daraus auch das nächste Zitat. 35 Von 1994 bis 1998 hat der Lutherische Weltbund (LWB) und die Generalkonferenz der Siebenten-Tags-Adventisten (STA) einen theologischen Dialog geführt, dessen Ergebnis aber von der VELKD nicht mitgetragen wurde. STA und LWF, Lutherans & Adventists in Conversation. Report and Papers presented 1994 – 1998, Silver Spring/USA – Genf/Schweiz, 2000. Im von der VELKD herausgegebenen Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, Gütersloh 20066, 190, heißt es zur adventistischen Sabbatlehre, der Heiligtumsund Gerichtslehre mit den Daten 1843/44 und den Folgen aus der Engelbotschaft (Offb. 14):

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3.1.6 Die Religiöse Gesellschaft der Freunde – »Die Quäker« Im Oktober 1968 nahm Bodo Freiherr von Maydell als Quäker vermutlich erstmals an einer Sitzung der ACK teil. Ab Anfang 1969 wurde er offiziell als ständiger Beobachter von seiner Gemeinschaft entsandt. Wegen ihres theologischen Selbstverständnisses verzichteten die Quäker auf jede Form der Mitgliedschaft. Der in der Präambel zu den ACK-Richtlinien enthaltene Hinweis auf den dreieinigen Gott steht nicht im Einklang mit ihrer Theologie.

3.1.7 Reformierte und Lutheraner (1) Die historischen Konfessionskirchen und die Unierten wurden in der ACK von Anfang an durch die EKD vertreten, deren Rat die Delegierten konfessionell ausgewogen bestimmte. Der Bund Evangelisch-reformierter Gemeinden teilte der ÖC durch seinen Vorsitzenden Pastor Johann Tibbe im Januar 1968 mit, dass ein Beitritt des Bundes nicht sinnvoll sei. Die Reformierten seien durch die EKD hinreichend vertreten. (2) In der Referentenbesprechung der VELKD am 1. April 1969 wurde mit einer überraschenden Begründung ein völlig anderer Standpunkt vertreten. »Die VELKD wird in Zukunft bei der ACK vertreten sein. Hierin liegt für sie eine Chance, weil die Freikirchen der Bevormundung durch die EKiD allmählich müde geworden sind.«36 Diese überraschende Argumentation wird in einer späteren Referentenbesprechung wiederholt. Das Protokoll vermerkt: Die VELKD hat »in der ACK die besondere Aufgabe […], für eine freiheitliche Entwicklung und Wirkungsrechte der Freikirchen einzutreten. […] Die Kontakte sollen auch unabhängig von der Arbeitsgemeinschaft in Kooperation mit dem Lutherischen Weltbund verstärkt werden.«37 Kurz vor einer Sitzung der VELKD-Kirchenleitung unterstrich Oberkirchenrat Gottfried Klapper dieses Anliegen. Er sah in der ACK Tendenzen, sich zu einem National Council of Churches zu entwickeln, und fragte: Will die VELKD sich darin durch die EKD vertreten lassen? Er war der Meinung, dass die Lutheraner »eine unmittelbare »Die letztgenannten, von den Adventisten als ›unaufgebbar‹ bezeichneten Überzeugungen erlauben es gegenwärtig nicht, die STA den Freikirchen zuzurechnen.« Die STA wurden 1993 als Gastmitglied in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) aufgenommen. 36 Bericht zur Lage in der VELKD-Referentenbesprechung vom 1. April 1969 (Auszug). LK Hann. 574 ACK – Hann. LK alt. 37 VELKD-Referentenbesprechung vom 5. Aug. 1969. LKA Hann. 574 ACK – Hann. LK alt. Wodurch diese neue Haltung ausgelöst wurde, ist noch zu klären. Ob im Hintergrund, wie es sich hier andeutet, die 1970 beginnenden Gespräche zwischen der anglikanischen LambethKonferenz und dem Lutherischen Weltbund stehen, dem später auch Gespräche mit dem Weltrat Methodistischer Kirchen folgten?

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Repräsentation in der ACK anstreben sollten.«38 In der Kirchenleitungssitzung regte Klapper an, im Zuge der Aufwertung der ACK eine auf der Generalsynode in Goslar schon 1967 getroffene Entscheidung, »die Mitgliedschaft der Vereinigten Kirche in ökumenischen Organisationen [zu] prüfen«, jetzt umzusetzen. Bisher sei die VELKD im ÖRK, in der ACK und in der KEK »nur durch die Evangelische Kirche in Deutschland vertreten«.39 Es stelle sich die Frage, wie die VELKD »ökumenisch am besten mitwirken kann und auch als solche ansprechbar ist. Sofern sie ökumenisch durch die Evangelische Kirche in Deutschland vertreten bleiben soll, müsste ihre institutionelle Identität innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland wirkungsvoller anerkannt werden.« Als Ergebnis der anschließenden Besprechung wurde »eine unmittelbare Vertretung in einer reorganisierten Arbeitsgemeinschaft befürwortet.«40 Es wird später noch an der Reaktion des Präsidenten der EKD-Kirchenkanzlei deutlich, wie brisant die aufgeworfenen Fragen waren. Klapper hatte am 24. Jan. 1969 »als Beobachter der VELKD« an der ACK-Sitzung teilgenommen. Es wird später noch deutlich, dass für offizielle zwischenkirchliche Gespräche, die zu Vereinbarungen führten, auf landeskirchlicher Seite vorzugsweise die VELKD der Gesprächspartner war.41 Insofern ist die Frage nach einer eigenständigen ökumenischen Repräsentanz in der ACK durchaus berechtigt. Andererseits wäre die eigene Mitgliedschaft ein gewisses ökumenisches Dilemma, weil durch sie die eingeschränkten Vollmachten der EKD sichtbar gemacht würden, was einen Verlust von deren innerdeutscher ökumenischer Rolle mit sich gebracht haben würde. In den offiziellen zwischenkirchlichen Gesprächen, die von der VELKD mit den nichtlandeskirchlichen Partnern geführt wurden, standen die Reformierten und die Unierten oft in der zweiten Reihe. Sie stimmten in der Regel durch ihre dazu berechtigten Organe den von der VELKD erzielten Ergebnissen zu und trugen die Vereinbarungen als gleichberechtigte Partner mit.42 Eine wirklich

38 VELKD-Referentenbesprechung vom 15. April 1969. LKA Hann. 574 ACK – Hann. LK alt. Am 24. Jan. 1969 nahm OKR Gottfried Klapper erstmals an einer ACK-Sitzung teil. 39 Niederschrift, Kirchenleitung der Vereinigten Kirche am 16. April 1969 in München. – LKAHann. 574 ACK LK alt. 40 Ebd. 41 Vgl. Kap. 4,7. 42 Als Beispiel sei verwiesen auf: Vom Dialog zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Eine Dokumentation der Lehrgespräche und Beschlüsse der kirchenleitenden Gremien. Herausgegeben vom Lutherischen Kirchenamt und von der Kanzlei der Evangelisch-methodistischen Kirche, Hannover 1987, mit den eigenständigen Beschlüssen der VELKD, der Arnoldshainer Konferenz und der keiner von beiden Gremien angehörenden Evangelischen Landeskirche in Württemberg einerseits und der Evangelisch-methodistischen Kirche andererseits, S. 25 – 35.

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gute ökumenische Lösung war das nicht, gleichwohl tauchten in der Praxis keine nennenswerten Probleme auf. Insgesamt ist die Frage, inwieweit die EKD ihre Gliedkirchen und auch die VELKD an den Entwicklungen in der ACK beteiligen wollte und beteiligt hat, insofern von Interesse, als sie Bedeutung für die Auswirkungen in den Regionen hat. Man kann heute sehen, dass es ohne die Einbeziehung der Landeskirchen oder wenigstens der VELKD und der Arnoldshainer Konferenz jahrzehntelang nicht gelungen ist, der Bundes-Ökumene einen sie tragenden Unterbau zu schaffen. Diese Entwicklung setzte erst ein, als es zur Bildung von regionalen ACKs kam. Gerade auf die örtlichen Auswirkungen in der ökumenischen Nachbarschaft warteten viele freikirchliche Gemeinden, denn die ACK-Bildung hatte die 1948 bei ihnen geweckten großen Hoffnungen bis zu dieser Zeit nicht erfüllen können. Die Freikirchen sind eben weniger Kirchen mit für sie handelnden Kirchenämtern und Verwaltungen. Sie sind durch und durch Gemeindekirchen, deren Mitglieder über die kircheneigene Presse mehrheitlich erreicht und informiert waren, woraus sich ihre hohe Erwartung, nachdem die ACK 1948 gebildet war, speiste. Insgesamt ist nach der langen Zeit, in der die Gründungsmitglieder fast unter sich geblieben waren, eine erfreuliche Erweiterung der ACK erfolgt. Der Tisch, an dem die Delegierten sich trafen, war größer und die Fragestellungen umfassender geworden. Würde die ACK unter den neuen Bedingungen so weiter arbeiten können, wie sie es bisher getan hatte? Und wäre es nicht sinnvoll, in die gemeinsame Arbeit auch verschiedene »Werke«43 einzubeziehen, die in sich ökumenisch organisiert waren?

3.2

Probleme und Perspektiven am Ende des zweiten Jahrzehnts

In der Entwicklung der Ökumene in Deutschland waren trotz des Wachstums der Zahl von ACK-Mitgliedern gewisse Ermüdungserscheinungen wahrnehmbar. Die Freikirchen hatten den Eindruck, das EKD-Interesse an der innerdeutschen Ökumene habe in dem Maße abgenommen, in dem die Rolle der EKD in der Weltökumene zugenommen hatte. Diese Enttäuschung löste am 23. Juni 1965 innerhalb einer ACK-Sitzung den Wunsch nach einem Gespräch mit Vertretern des Rates der EKD aus.

43 Vgl. unten 3.2.5.

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3.2.1 Die ungeklärte Frage nach dem »Leitbild« Eine aufgrund dieser ACK-Bitte anberaumte Besprechung der ACK mit vier Vertretern der EKD zeigte, dass es weder im Rat der EKD noch in der ACK selber eine Vorstellung über ein aktuelles ACK-Leitbild gab. Das Gespräch führte nur zu einem mageren Ergebnis. Luckeys Vorstellung, in regelmäßigen, möglichst jährlichen Abständen, ein ökumenisches Gespräch mit der Teilnahme des Rates der EKD, des Präsidiums der VEF und der Mitgliederversammlung der ACK zu organisieren, traf durch die Unterstützung des EKD-ACK-Vertreters Landessuperintendent Udo Smidt auf offene Ohren. Allerdings stand in den folgenden Ratssitzung mit der Auswertung des Gesprächs diese Anregung schon nicht mehr auf der Tagesordnung. Entsprechend ist es nie zu einer solchen Begegnung gekommen. Smidt machte aber in dem Zusammenhang den Rat darauf aufmerksam, dass die Zeit des Vorsitzes von Luckey turnusgemäß abgelaufen sei und nunmehr die EKD wieder den Vorsitzenden zu stellen habe. Daraufhin wurde »beschlossen, mit Landesbischof D. Eichele in Fühlung hinsichtlich der Übernahme des Vorsitzes in der Arbeitsgemeinschaft zu treten.«44 Bischof Erich Eichele nahm die Aufgabe an. Er wurde in der ACK zum Vorsitzenden gewählt und hat sich mit viel Verständnis für die innerdeutsche Ökumene und für die Stärkung der ACK eingesetzt. Man kann annehmen, dass die starke Präsenz einiger Freikirchen in Württemberg bei ihm mehr Verständnis für die Notwendigkeit an der ökumenischen Gemeinschaft geweckt hat, als es anderen Vertretern am Herzen lag. Vielleicht war es ein Vorteil, dass Bischof Eichele nicht dem Rat der EKD angehörte. Jedenfalls waren seine Entscheidungen und Haltungen nicht immer mit den vagen Vorstellungen des Rates in Sachen ACK identisch. Das wird an anderer Stelle noch deutlich erkennbar.

3.2.2 Alle ökumenischen Aktivitäten unter ein Dach? Als ACK-Vorsitzender schrieb der Baptist Hans Luckey im Jahr der Beendigung seines ACK-Vorsitzes einen analysierenden Abschlussbericht über »Zwei Jahrzehnte deutscher Ökumene in freikirchlicher Sicht.«45 Er beklagte darin, »daß in den verflossenen 20 Jahren die A.G. K. in ihrer Zusammensetzung dieselbe geblieben ist.«46 Daran knüpft er die Frage: wer ist eine »ökumenefähige Kir44 Ebd. 45 Hans Luckey, Zwei Jahrzehnte deutscher Ökumene in freikirchlicher Sicht. In: KJ 94. Jg. (1967), 371 – 416. 46 Ebd., 400. Luckey benutzte durchgehend die Abkürzung A.G.K. für ACK.

Probleme und Perspektiven am Ende des zweiten Jahrzehnts

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che«? Bis zu seiner Verabschiedung am 24. November 1967 war es Luckey gelungen, das Bild der ACK hinsichtlich ihrer Zusammensetzung zu verändern. Sie war durch neue Mitglieds- und Gastkirchen in der Breite gewachsen. Trotzdem war Luckey die Basis ökumenischer Zusammenarbeit weiterhin zu schmal. Er hatte noch immer die utopische Vorstellung, alle ökumenisch aktiven Arbeitszweige unter dem Dach der ACK zusammen zu führen. Wozu dieses Unternehmen dienen sollte, welche Funktionen es ausüben sollte, was das für die Entscheidungswege innerhalb der einzelnen Organe bedeutete und wie schließlich dieses Mammutprojekt insbesondere zum EKD-Kirchenamt in Hannover aufgestellt sein sollte, darüber hatte er keine Vorstellungen entwickelt. Luckey wusste genau um den Widerstand aus dem Bereich der EKD; ob er auch um die Zurückhaltung diesem Projekt gegenüber in den Freikirchen wusste, ist nicht ganz sicher. Es war seine persönliche Idee und wenn er sie nicht durchbringen konnte, stellte er doch die Frage: »Wenn ein National Council zu viel ist für Deutschland, und die Arbeitsgemeinschaft in Frankfurt zu wenig, gibt es dann noch ein Mittleres, d. h., gibt es eine Linie, auf der ökumenische Bewegung echt und fruchtbar in unserem Land möglich ist?«47 Damit war eine in der Luft liegende Frage formuliert, auf welche die Kirchen in Deutschland in den nächsten Jahren eine Antwort finden mussten.

3.2.3 Der Impuls aus Uppsala Die Diskussion um die Zukunft der ACK wurde durch die Vollversammlung des ÖRK in Uppsala, die im Juli 1968 unter dem Thema »Siehe, ich mache alles neu« stattfand, beflügelt. In den politisch unruhigen sechziger Jahren und nach der 1966er Genfer Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft stellte sich die Frage nach der Erneuerung der Weltgesellschaft. Die lateinamerikanischen »Befreiungstheologen« zündeten in Genf ein beunruhigendes Feuer an. Konnte auch die ÖRK-Vollversammlung im schwedischen Uppsala die Arbeit der ACK in Deutschland mit neuen Impulsen versehen? Sollte sie es? Durfte sie es? Tatsächlich blieb Uppsala für die ACK nicht ohne Folgen. Als ihr Vertreter war der Geschäftsführer und EKD-Ökumenereferent Hanfried Krüger in die schwedische Universitätsstadt gereist. Das signalisierte einen Wandel. An den vorherigen Vollversammlungen war die ACK durch ihren jeweiligen Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter vertreten gewesen. Die EKD-Teilnehmergruppe aus Ost und West zählte 83 Personen. Die Mehrzahl waren Delegierte ihrer Kirchen, andere waren Berater, Beobachter, 47 Hans Luckey, Zwei Jahrzehnte deutscher Ökumene in freikirchlicher Sicht. In: KJ 94. Jg. (1967), 411.

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Gäste oder Jugendteilnehmer.48 Die anderen ÖRK-Mitgliedskirchen aus Deutschland, teilweise auch Gäste und ein Referent, hatten zusammen neun Repräsentanten entsandt.49 Die Gesamtzusammensetzung der Vollversammlung war für die landeskirchlichen Teilnehmer aus Deutschland ungewöhnlich, weil die hiesigen Verhältnisse von sog. Großkirchen und kleinen Minderheiten sich auf der Weltebene nicht wiederholten. Unter den etwa 1.500 registrierten Anwesenden befanden sich u. a. aus der baptistischen Kirchenfamilie 66 und aus dem weltweiten Methodismus 169 Teilnehmer, außerdem waren aus den verschiedenen schwedischen Freikirchlichen Vereinigungen, die teilweise dem deutschen Bund Freier evangelischer Gemeinden nahe stehen, auf der offiziellen Teilnehmerliste nochmals 26 Personen registriert.50 Fast alle aus Deutschland kommenden Delegierten waren gerade in dieser Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs und der Suche nach neuen öffentlichen Gestaltungsmustern durch die weltweite Begegnung inspiriert, auch in den eigenen Kirchen zur Veränderung beizutragen. Sicher haben manche bei der ÖRK-Vollversammlung erstmals ein theologisches Referat eines Pfingstlers gehört, der zu aller Überraschung auch noch aus Deutschland kam. Vielleicht hatte sie auch der Uppsala-Vortrag des Jesuiten Roberto Tucci beeindruckt.51 Er hatte u. a. die Erweiterung der Nationalen Christenräte um die römisch-katholische Kirche angeregt. Gerade die Perspektive gemeinsamer Christenräte war für die deutschen Delegierten aus Landes- und Freikirchen eine Richtungsanzeige, denn in ihrer Heimat war es bisher nur zu bilateralen Kontakten zwischen EKD und DBK gekommen. Man sah sich herausgefordert, der gesamtökumenischen Zusammenarbeit in Deutschland mehr Aufmerksamkeit zu schenken. In der allgemeinen »Erklärung über die Beziehungen zur Römisch-katholischen Kirche« von Uppsala hieß es: »Zum ersten Mal in der Geschichte der ökumenischen Bewegung nehmen alle wichtigen Traditionen der Christenheit mehr oder weniger an dem Dialog und der Zusammenarbeit teil, und zum ersten Mal werden alle Wurzeln und Aspekte sichtbar, die die Kirchen trennen.«52

48 Davon kamen 14 aus den östlichen Landeskirchen mit deren entsprechender landeskirchlicher Zuordnung, während die westlichen Teilnehmer im offiziellen Tagungsband als EKDVertreter ausgewiesen werden. Genaue Übersicht: Norman Goodall/Walter Müller-Römheld, Bericht aus Uppsala, Frankfurt/M. 1968, 428 – 463. 49 Es waren 2 Alt-Katholiken, 2 Methodisten, 1 Herrnhuter, 1 Mennonit, auch 2 Baptisten, dazu 1 Pfingstler (Referent). Weiter waren 2 röm.-kath. Teilnehmer aus Deutschland anwesend. 50 Ebd. 51 Roberto Tucci, Die ökumenische Bewegung, der Ökumenische Rat der Kirchen und die Römisch-katholische Kirche. In: Goodall/Müller-Römheld, Bericht aus Uppsala, 341 – 351. 52 Erklärung über die Beziehungen zur Römisch-katholischen Kirche. In: Goodall/MüllerRömheld, Bericht aus Uppsala, 185 – 188 (185).

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Die ganz unterschiedlichen Anregungen aus Uppsala erreichten zunächst die ACK. Auch der DÖSTA sah sich herausgefordert, ein Konzept für die weitere Entwicklung der Ökumene in Deutschland vorzulegen. Die Übertragung der globalen Erfahrung auf die nationale, wenigstens westdeutsche ökumenische Situation gewann im Rahmen einer Nacharbeitstagung der Delegierten, die vom 28.–31. Oktober 1968 in Arnoldshain stattfand, konkrete Gestalt. Die Teilnehmer formulierten sechs »Dokumente«, in denen sie sich gemeinsam an den Rat der EKD (1 – 4), an das für die internationalen ökumenischen Kontakte der EKD zuständige Kirchliche Außenamt (5) und an die für die innerdeutsche ökumenische Entwicklung verantwortliche ACK (6) wandten.53 Es ging um die Weiterführung, Konkretisierung und Ausstattung von gesellschaftsbezogenen EKD-Projekten, um die Jugendvertretung in synodalen Körperschaften, den 68er Jahren entsprechend die Überwindung von hierarchischem Denken, das sich auch in kirchlichen Titeln ausdrücke. Das Kirchliche Außenamt (!) wurde gebeten, Uppsala-Ergebnisse auf verschiedenen Ebenen innerkirchlich zu verbreiten und gesellschaftliche Institutionen über kirchliche Entwicklungen zu informieren. Schließlich wurde gefragt, ob schon bestehende Gruppen, die sich mit »Problemen der Dritten Welt und mit ökumenischen Aufgaben befassen«, zu gemeinsamem Handeln veranlasst werden könnten. Auch Aktionsgruppen der römisch-katholischen Kirche seien in die Erwägungen einzubeziehen. In welchem Maße die Uppsala-Fahrer von den dortigen Erfahrungen angefasst waren, zeigen manche der Forderungen und Bitten, die aus heutiger Sicht teilweise ziemlich realitätsfern erscheinen. Das kann man allerdings im Blick auf die Erwartungen, die sie an die ACK richteten, nicht sagen. Dazu hat sicher der ökumenisch engagierte Professor Werner Küppers beitragen. Der Alt-Katholik gehörte schon 1948 zu den Teilnehmern der ACK-Gründungsversammlung, er wurde 1950 in den DÖSTA berufen, dem er bis zu seinem Tod am 22. Juni 1980 ständig angehörte, von 1960 bis 1975 als Stellvertretender Vorsitzender. Er war selber Uppsala-Teilnehmer, der im DÖSTA-Ausschuss schon vorher an dem noch darzustellenden Konzept für die Erneuerung der ACK mitgearbeitet hatte. Küppers konnte seine reiche Erfahrung, seine kirchenpolitische Weitsicht und seine theologischen Kenntnisse in das Arnoldshainer ACK-Dokument mit einfließen lassen. Was die Uppsala-Nacharbeitstagung im Blick auf die ACK formulierte, hatten die Vertreter von deren Mitgliedskirchen nur wenige Tage vor Arnoldshain teilweise schon auf ihrer Tagesordnung. Es war wieder Küppers, der nach der Berichterstattung und Aussprache über die ÖRK-Vollversammlung festhielt, »der ÖRK habe sich als integrations- und korrekturfähig erwiesen. Es wäre zu fragen, ob auch die Arbeitsgemeinschaft das revolutionäre Geschehen in 53 Dokumente der Nacharbeitstagung Arnoldshain Okt. 1968. LKA Hann. D 15 XI Nr. 2944.

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Deutschland integrieren könnte, ob sie es fertig brächte, wie der ÖRK vom Ganzen auszugehen und aufs Ganze zuzugehen. Das würde die Fragen nach der Beteiligung der Jugend und der römisch-katholischen Kirche an der Arbeitsgemeinschaft unbedingt einschließen.«54 Im Protokoll ist nicht ausdrücklich festgehalten, dass in Uppsala auch Pfingstkirchen anwesend waren und deren Präses Christian H. Krust aus Deutschland dort ein Referat gehalten hat. Wenn also vom »Ganzen« gesprochen wird, dann ist damit gewiss ein breites Spektrum zwischen Katholiken und Pfingstlern gemeint. In der gleichen ACK-Sitzung warf der Vorsitzende, Bischof Erich Eichele, die Frage auf, »ob die Arbeitsgemeinschaft das bleiben könne, was sie 1948 gewesen sei, wenn man bedenke, daß sich der Ökumenische Rat seit seiner Gründung wesentlich weiterentwickelt habe. […] Die Arbeitsgemeinschaft stünde, wenn sie diese Entwicklung des ÖRK nachvollziehen wollte, vor der Frage, inwieweit sie an ihrem bisherigen Charakter auch bei einer Ausweitung festhalten könnte.«55 Diese Fragen wurden nur wenige Tage vor der Nacharbeitstagung der Uppsala-Teilnehmer aufgeworfen. Sie zeigen die Aufbruchstimmung und gleichzeitig einige Fragen, die in Arnoldshain in den später als »Resolution«56 bezeichneten Bitten formuliert wurden. Der Text lautete: »Seit der Gründung der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland im Jahre 1948 hat sich die ökumenische Lage wesentlich verändert. Es erscheint uns darum fraglich, ob die Struktur, die sich die Arbeitsgemeinschaft seinerzeit gegeben hat, heute nicht einer wirksamen Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Wege steht. Die IV. Vollversammlung hat dem Ökumenischen Rat der Kirchen durch ihren Weisungsausschuß für Grundsatzfragen den Auftrag erteilt, innerhalb der nächsten drei Jahre eine derartige Prüfung und, falls nötig, Umwandlung seiner Strukturen vorzunehmen, damit der Ökumenische Rat der Kirchen den Aufgaben angemessen gerecht werden kann, die ihm gestellt sind. Analog dazu bitten wir die Arbeitsgemeinschaft, ebenfalls ihren Aufbau, ihre Zusammensetzung und ihre bisherige[n] Wirkungsmöglichkeiten zu überprüfen. Das sollte, falls es ihr nötig erscheint, durch eine Konsultation mit anderen ökumenisch arbeitenden Gremien, wie dem Kirchlichen Aussenamt, dem Deutschen Evangelischen Missionsrat, der Arbeitsgemeinschaft für Weltmission, dem Diakonischen Werk, der Arbeitsgemeinschaft für Volksmission, der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend Deutschlands, der Frauen- und Männerarbeit und anderen erfolgen. Die Arbeitsgemeinschaft sollte den Rat der EKD ersuchen, für eine solche im Interesse der gesamten ökumenischen Arbeit in Deutschland geschehende Konsultation die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Die anstehenden Probleme sollten bereits im Gespräch des Rates der EKD mit der Arbeitsgemeinschaft im Dezember sorgfältig beraten werden. 54 Prot. ACK 25. Okt. 1968, 6. LKA Hann. E 49, 574, Bd. III. 55 Ebd. 56 Prot. ACK 24. Jan. 1969, 5. LKA Hann. E 49, 574, Bd. III.

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Inzwischen sollte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft die römisch-katholische Kirche zu einer Zusammenkunft mit allen christlichen Kirchen in Deutschland auf der Ebene der Arbeitsgemeinschaft einladen. Bei der nächsten Tagung der Uppsala-Teilnehmer sollte die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen über die inzwischen erfolgten Beratungen und Entscheidungen berichten. Arnoldshain, im Oktober 1968.«57

Die Arnoldshainer Bitten unterstützten die innerhalb der ACK bereits laufenden Bemühungen um eine Erweiterung und Neustrukturierung. Die Anregungen wurden nacheinander aufgegriffen. Das von den Teilnehmern mit dem Rat der EKD zu führende Gespräch fand am 12. Dezember 1968 statt. Die Konsultation mit anderen ökumenisch tätigen Werken folgte am 3. Juni 1969.

3.2.4 Die ACK erneut auf der Tagesordnung des Rates der EKD Am 12. Dezember 1968 waren als Vertreter der ACK Bischof Erich Eichele (EKD), Bischof Friedrich Wunderlich (Methodist), Professor Werner Küppers (Alt-Katholik), Johannes Arndt (Baptist) und Otmar Schulz (Baptist, Referent in der ÖC) nach Berlin gereist, um vor der EKD-Ratssitzung das von den UppsalaTeilnehmern geforderte Gespräch zu führen. Mit den Themen »Selbstverständnis und Aufgabenbereich« der ACK und »Einladung an die römisch-katholische Kirche zur Mitarbeit« in der ACK standen zwei in die Zukunft weisende Themen auf der Agenda.58 In der EKD-Ratssitzung führte Bischof Eichele als ACK-Vorsitzender den Rat in die Geschichte und die Aufgaben der ACK ein. Einer seiner Schwerpunkte war die aktuelle Frage nach der ACK-Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche, die von regionalen Arbeitsgemeinschaften gefordert werde. Freikirchliche Teilnehmer unterstützten die Erwartung einer konkreten Beziehung zwischen ACK und römisch-katholischer Kirche. Es gebe Fragen mit der katholischen Kirche zu besprechen, die den Protestantismus in seiner Gesamtheit, also auch die Freikirchen, betreffen. Aber auch die katholische Kirche halte, so die freikirchliche Sicht von der internationalen Erfahrung her, den Kontakt zur ACK für notwendig.59 Das EKD-Ratsprotokoll hält über den Bericht von Bischof Eichele fest: »Die Arbeitsgemeinschaft wolle mehr sein als nur ein theologisches Seminar. Sie 57 Dokument Nr. 6 der Nacharbeitstagung Arnoldshain Okt. 1968. LKA Hann. D 15 XI Nr. 2944. 58 Prot. ACK 24. Januar 1969. LKA Hann. D 15X, Bd. III. Daraus auch die folgenden Zitate. 59 Der Weltrat Methodistischer Kirchen hatte bereits 1967 den Dialog mit der römisch-katholischen Kirche begonnen, der bis in die Gegenwart ununterbrochen fortgesetzt wird. DwÜ Bd. 1 (1983), besonders 388 – 393 (Allgemeiner Rückblick).

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möchte das Gewicht ihrer Aufgaben verstärken. Ziel ihrer Wünsche sei, die innerdeutsche Ökumene zu sein.«60 Eine solche Feststellung erweckt den Eindruck, dass die bisherige Rolle der ACK, der Kristallisationspunkt der Ökumene in Deutschland zu sein, innerhalb des Rates der EKD nicht mehr präsent war. Die Freikirchen und die Alt-Katholische Kirche hatten das seit der ACK-Bildung und der Leitung durch Martin Niemöller in den vergangenen zwanzig Jahren ganz anders gesehen und auch damit gerechnet, dass der EKD-Ökumene-Referent, der ja auch Geschäftsführer der ACK war, seine Kirche über die innerdeutsche Ökumene, die ACK und den DÖSTA auf dem Laufenden gehalten hätte. Der EKD-Rat scheint Ende der sechziger Jahre die ACK lediglich als das Gesprächsorgan zwischen der EKD und den anderen Kirchen angesehen zu haben. Die Reaktion der Ratsmitglieder auf die durch Bischof Eichele vorgetragenen ACK-Informationen gab den Blick auf deren Vorstellung von dem in Deutschland vorhandenen Instrument der hiesigen zwischenkirchlichen Ökumene frei. Sie bemerkten zur Frage des Verhältnisses der ACK zur römisch-katholischen Kirche, »dass es grundsätzlich jedem Arbeitskreis frei steht, zu seinen Zusammenkünften Vertreter der katholischen Kirche einzuladen. Es wird aber bestritten, dass die Arbeitsgemeinschaft der ›Aufwertung‹ bedürfe. [… Sie] würde durch Gespräche mit der katholischen Kirche einen offizielleren Charakter erhalten. Die Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft sei bisher eine andere gewesen. In welchem Verhältnis würden z. B. gegebenenfalls die Gespräche der Arbeitsgemeinschaft zu der Arbeit des CatholikaAusschusses stehen?«61

Ähnliche Gedanken zur Beschränkung der evangelisch-katholischen Gespräche auf den Rat der EKD und dessen Catholica-Kommission tauchen immer wieder auf. Der Eindruck verdichtete sich immer mehr, dass der Rat der EKD – anders als die landeskirchlichen Ökumeniker – den Aktionsradius und die Bedeutung der ACK auch weiterhin möglichst klein halten wollte. Was innerhalb des Rates noch in Frage stand, war bei den ACK-Mitgliedern seit nunmehr zwanzig Jahren deren reale Vorstellung gewesen. Für sie war die ACK mehr als ein freier ökumenischer »Arbeitskreis«. Sie verkörperte durch die offizielle Entsendung der Delegierten durch deren Kirchen die innerdeutsche Ökumene. Durch die offizielle Entsendung von Delegierten hatte sie ein Mandat, das weit über die Bedeutung eines »Arbeitskreises« hinausging. Die ACK verstand sich selber so und nahm trotz aller Einschränkungen ganz selbstverständlich dieses Mandat wahr. In den unterschiedlichen Positionen von ACK und EKD trafen 1968 zwei Vorstellungen aufeinander, die sich als geradezu gegensätzlich ausschließende Realitäten entpuppten. Hinter den Bedenken im Rat der EKD stand auch die 60 Prot. EKD-Rat 12./13. Dez. 1968, 14. EZA 2/15985. 61 Ebd., 15.

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Sorge, die ACK strebe im Zusammenhang einer Erweiterung ihres Aufgabenfeldes und der ebenfalls gewünschten Erweiterung der ÖC an, »eine Art National Council of Churches« werden zu wollen.62 Diese innerhalb der ACK diskutierte Möglichkeit lehnte der Rat als »z. Zt. in Deutschland unnatürlich« ab, ohne ein sachliches Argument zu formulieren. Zum Verhältnis von ACK und EKD wurde ohne auf die bereits mit dem baptistischen Vorsitzenden Luckey gemachten Erfahrungen zurückzugreifen, ja sie vielleicht gar nicht mehr im Blick zu haben, im Rat der EKD festgestellt: »Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft müsse auf jeden Fall weiterhin eine führende Persönlichkeit aus der EKD sein. Es müsse auch die Zahl der Vertreter der EKD in der Arbeitsgemeinschaft vergrössert werden. Die Verbindung der EKD mit der katholischen Kirche dürfe durch die Gespräche der Arbeitsgemeinschaft nicht gestört werden, da die Kontakte auf verschiedenen Ebenen liegen.«63

Es scheint, als werde hier das weltweit in der Ökumene theologisch und praktisch angestrebte Ziel, auf dem Weg zur Einheit die Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst gemeinsam zu gestalten, durch kirchenpolitische Aktivitäten zur Sicherung des status quo unterlaufen. In immer neuen Bildern und Erfahrungsberichten wurde aus dem Bereich der Minderheitskirchen beklagt, dass das Interesse an der Weltökumene sich selten in der nationalen und noch weniger in der örtlichen Ebene bestätige. Insgesamt wecken Diskussionsbeiträge verschiedener Ratsmitglieder zur ACK den Eindruck, als sähen sie in der ACK eine parallele landeskirchlich-freikirchliche Arbeitsgruppe zum katholisch-landeskirchlichen sog. »Stählin-Jäger-Kreis«, der freilich nicht mit dem Gewicht der ACK durch den darin grundlegenden offiziellen Kirchenvertretungen der Mitgliedskirchen vergleichbar ist. Innerhalb des Rates, in dem einige Mitglieder sich offensichtlich dessen nicht bewusst waren, dass die ACK kein Instrument der EKD und von ihr unabhängig ist, wurde die Notwendigkeit erkannt, das Gespräch fortzusetzen. Daraufhin kam es durch Bischof Eichele zu einer spontanen Einladung, an einer der nächsten ACK-Sitzungen teilzunehmen. Der Rat nahm die Einladung an und beauftragte eine Delegation, bereits an der nächsten ACK-Sitzung, die für den 20. Juni 1969 in Frankfurt/M. geplant war, teilzunehmen. Es waren dies Präses Joachim Beckmann, Prof. Wilhelm Niesel, Landessuperintendent Udo Smidt und der Hamburger Bischof Hans-Otto Wölber. Die sofortige Entsendung zeigt, wie beunruhigt der Rat über die Entwicklungen in der ACKwar, denn viele Jahre hindurch hatte er kaum einmal Interesse an der ACK gezeigt. Die Entsendung einer Rats-Delegation in die ACK war ein 62 Ebd. 63 Ebd.

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alarmierendes Zeichen. Die Auswahl der Teilnehmer zeigt auch den personellen Wandel innerhalb des Rates der EKD. Von den ökumenisch erfahrenen Nachkriegsleitern war, ähnlich wie in der ACK und der ÖC, niemand mehr da. Die Vorgänge um die Entstehung des zwingend notwendig ökumenischen Hilfswerks unter Genfer Einfluss waren nach zwei Jahrzehnten Geschichte. Die Umstände der Entstehung der ACK durch den unübersehbaren Genfer Druck wurde nicht mehr gesehen. Unbemerkt für die ACK hatte aus der Perspektive der EKD eine neue Phase begonnen. Es scheint als sei Bischof Eichele noch der gewesen, der sich am Besten in ihre Geschichte eingearbeitet hat und darum deren Rolle einschätzen konnte. Bevor es zur Begegnung der EKD-Ratsmitglieder mit allen Teilnehmern der ACK-Mitgliederversammlung kam, fand eine ebenfalls von den Uppsala-Teilnehmern vorgeschlagene Konsultation der ACK mit anderen kirchlichen Einrichtungen und Werken statt.64 Hier wurden drei Wochen vor dem Gespräch zwischen ACK und Ratsmitgliedern die Entwicklungen von teilweise ökumenisch engagierten Multiplikatoren und Praktikern im Bereich der EKD unabhängig von den Vorstellungen des Rates diskutiert. Das war in der Terminplanung zwar nicht so eingefädelt, erwies sich aber für die weiteren Überlegungen zur ökumenischen Entwicklung als hilfreich.

3.2.5 Konsultation mit ökumenisch wirkenden Werken Tatsächlich ist es der ACK gelungen, die Anregung der Uppsala-Nacharbeitstagung aufzunehmen und eine hochkarätig besetzte Konsultation mit »anderen ökumenischen Einrichtungen und Organisationen« einzuberufen. Die Frauenarbeit (Gudrun Diestel), das Diakonische Werk (Pastor Hans-Otto Hahn), der Missionsrat (Bischof Hans-Heinrich Harms), der Evangelische Pressedienst (Chefredakteur Hans-Wolfgang Heßler), das Konfessionskundliche Institut (Direktor Joachim Lell), die Arbeitsgemeinschaft für Weltmission (OKR Heinrich Lohmann), die Evangelische Jugend (Pastor Ernst-Erwin Pioch), die EKDMännerarbeit (Hans-Theodor Sendler), die im Stuttgarter Diakonischen Werk ansässige Arbeitsgemeinschaft Volksmission (Heinrich-Hermann Ulrich) und das Kirchliche Außenamt (Präsident Adolf Wischmann) waren am 3. Juni 1969 in Frankfurt/M. zusammengekommen.65 Dazu waren Vertreter der Kirchen und Mitarbeiter der ÖC anwesend. Die Begrüßung der Teilnehmer an dieser Werkekonferenz hatte der EKD-Ökumene-Beauftragte und ACK-Geschäftsführer 64 Vgl. Kap. 3.2.5. 65 Ob das Kirchenamt in Hannover nicht eingeladen war oder ob es abgesagt hatte, konnte noch nicht geklärt werden. Jedenfalls ist das Fehlen auffällig.

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Hanfried Krüger übernommen. Er sagte in seiner Einführung: »Das eigentliche Thema der Konsultation, die Frage nach einem Nationalen Kirchenrat, habe schon lange in der Luft gelegen. Es gäbe eine deutliche Tendenz zur Konziliarität in allen Bereichen und Angelegenheiten der Kirche. Außerdem habe die Aufsplitterung der ökumenischen Arbeit in Deutschland, wie man sie vor allem von außen (besonders von Genf aus) beobachte, die innerdeutsche Ökumene nicht besonders gefördert.«66 Nach dem ACK-Geschäftsführer Krüger ging es bei dieser Tagung auch darum, »zu überlegen, wie die innerdeutsche Ökumene ökonomischer und wirksamer gestaltet werden könne.« Es müsse gefragt werden, »wo der Kristallisationspunkt notwendiger ökumenischer Aktivitäten liege. Es wäre durchaus denkbar, daß die Arbeitsgemeinschaft, die auf dem Weg zu einem Kirchenrat sei (auch wenn sie nicht notwendigerweise diesen Namen trage), diesen Kristallisationspunkt abgeben könne.« Die Ökumenische Centrale könne dann die Aufgabe eines »Generalsekretariats« übernehmen. Das waren überraschende Töne, die sich deutlich von den Vorstellungen sowohl des Präsidenten des Kirchlichen Außenamts – wie sich schnell zeigen sollte – wie auch vom Rat der EKD und von denen der Verantwortlichen im hannoverschen EKD-Kirchenamt abhoben. Der Alt-Katholik Küppers klinkte sich sofort in die Diskussion ein und verstärkte die angesichts der EKD-Rats-Haltung erstaunlichen Äußerungen. Küppers kritisierte, dass die ökumenischen Strukturen hinter der ökumenischen Entwicklung zurückgeblieben seien. Dagegen bremste der Präsident des Kirchlichen Außenamtes die Erwartungen. Zur Mission und zur Diakonie sagte er, »diese Funktion gehöre in die Verantwortung jeder einzelnen Kirche.« Die ökumenische Verantwortung für die EKD werde gegenüber Genf vom seinem Außenamt wahrgenommen. Der lutherische Oberkirchenrat Klapper griff einen selten gehörten Aspekt auf. Er wies auf »das Streben nach Einheit« hin und widersprach damit dem Präsidenten Wischmann, der die auf verschiedenen Ebenen über konfessionelle Grenzen hinaus praktizierte Arbeitsgemeinschaft in Mission, Diakonie und Gebet ausblende. Klapper strebte auch das »Ernstnehmen […] einzelner kirchlicher Minoritäten als Kirche im Vollsinn« an. Es ging im Laufe der Tagung weiter um Themen wie »Rivalitätsdenken« bei örtlichen Volksmissionen, um die Beteiligung der Orthodoxen an der ACK, um den »Eintritt der römisch-katholischen Kirche in die ökumenische Bewegung« und um den Verlust an ökumenischer Dynamik. Im Blick auf die zukünftige Entwicklung kam es wieder zu Meinungsunter-

66 Prot. Konsultation der ACK mit anderen ökumenischen Einrichtungen und Organisationen vom 3. Juni 1969 (Entwurf), 3. LKA Hann. D 15X, Bd. III. Daraus auch alle folgenden Zitate zu dieser Konsultation.

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schieden. Pastor Aichelin67 betonte, man dürfe »bei Strukturfragen nicht vom Status quo ausgehen, sondern man müsse auf Zukunft hin konzipieren«, denn es finde gerade eine »Umgruppierung innerhalb der Konfessionen« statt, zu der »auch eine Aufwertung der Minorität im Bewusstsein der Öffentlichkeit« gehöre. Der Kirchenpolitiker Wischmann widersprach dieser Ansicht sofort. »Man müsse von der gegenwärtigen Lage ausgehen«, und er »bezweifelte, daß die vorhandenen Strukturen schon völlig ausgeschöpft würden.« Er räumte jedoch ein, man ginge in Deutschland »auf eine mögliche Neuordnung der Zusammenarbeit der evangelischen [!] Christenheit zu.« Der epd-Chef Hans Wolf Heßler wünschte »eine bessere Kooperation«. Dabei dachte der früher beim ÖRK in Genfer tätige Heßler an eine ökumenische Personalstrategie und eine längerfristige Planung, zu der, wenn die Arbeit der ACK sinnvoll sein solle, auch eine »Übersicht über die Zukunft der innerdeutschen Ökumene« gehöre. Für die Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche hielt er ein Instrumentarium für dringend erforderlich. Schließlich sah Heßler die Notwendigkeit für eine Stelle, »die einen Überblick behält über alle gegenwärtigen ökumenischen Denkprozesse und Strömungen in Deutschland.« Anknüpfend daran wurde von H. H. Ulrich vorgeschlagen, einen ACK-Vertreter in den gleichzeitig innerhalb der EKD arbeitenden Struktur- und Planungsausschuss zu berufen. Dagegen wandte sich umgehend Wischmann. Er »warnte vor der Schaffung zu fester Strukturen.« Im weiteren Verlauf zeigten sich die Probleme der innerkirchlichen Kommunikation. Aufgrund einer Forderung nach Kontakten zu den »Gemeinden vor Ort« wies Otmar Schulz von der Ökumenischen Centrale darauf hin, dass solche Kontakte zu den Einzelgemeinden »nur über die Kirchenleitungen möglich« seien. Es werde aber »der Kommunikationsfluss entscheidend unterbrochen.« Offensichtlich gab es noch wenig Kommunikation hinsichtlich ökumenischer Aufgaben vom Rat der EKD zu den Landeskirchen und danach über einzelne Kirchenleitungen in die Ortsgemeinden oder wenigstens Regionen hinein. Es war in der Tat die Frage, auf welchem Wege die Ergebnisse der ACK-Sitzungen und andere ökumenische Impulse in die Kirchen hinein kommuniziert wurden, ja ob sie überhaupt alle Landeskirchen erreichten, oder ob sie bei den einzelnen ACK-Delegierten und kirchlichen Zentralen hängen blieben. Die Frage, welche Vermittlerrolle das Kirchenamt der EKD spielte, ist noch zu untersuchen. Schließlich wandte sich die Debatte wieder der Frage der Organisation eines Nationalen Rates der Kirchen zu. 67 Pastor Aichelin ist in der Anwesenheitsliste nicht erwähnt. Es liegt nahe, dass es sich um Helmut Aichelin (*1924) handelt, der in der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen tätig war.

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Wieder war es Küppers, der die Frage sofort aufgriff, an die Vorschläge Heßlers anknüpfte und forderte, dass die Ökumenische Centrale »bedeutsam ausgeweitet werden müsse.« Nach verschiedenen Vorschlägen von HeinrichHermann Ulrich war er der Meinung, »Man sollte sich nicht zufrieden geben mit dem gegenwärtigen Status der Arbeitsgemeinschaft. Die Bewegung müsse hintendieren auf einen Kirchen- und Christenrat einschließlich der Mitwirkung der römisch-katholischen Kirche. Man dürfe das Gemeinsame nicht nur verbalisieren, sondern müsse es auch institutionalisieren.« Auf dem Hintergrund der Missionserfahrungen »vertrat er die Ansicht, daß die Ökumenische Centrale aus einer Studienzentrale zum bevollmächtigten Träger von Aktionen umgewandelt werden müsse.« Vielleicht könne die Ökumenische Centrale auch »zum Träger der Konferenz der Geschäftsführer ökumenischer Dienste werden.« Erneut sah sich der Präsident des Kirchlichen EKD-Außenamtes Wischmann, in dessen Haus die Ökumenische Centrale und der ACK-Geschäftsführer Krüger als EKD-Ökumene-Beauftragter ihre Dienstsitze hatten, veranlasst, in die Debatte einzugreifen. Er fragte, »ob nicht alles gut so weitergehen könne in der innerdeutschen Ökumene, wie es gegenwärtig der Fall sei. Alle Stellen, die sich mit ökumenischen Fragen und Tätigkeiten befassten, seien gut in internationalen Gremien vertreten und verankert.« Das sagte er natürlich als EKD-Vertreter, der kurz zuvor noch festgestellt hatte, dass »die ökumenische Verantwortung für die EKD gegenüber Genf vom Kirchlichen Außenamt wahrgenommen« werde. Alle anderen Kirchen waren auf die Ökumenische Centrale für Kontakte nach Genf mehr oder weniger angewiesen. Wischmann schien von der immer wieder gehörten Meinung auszugehen, die EKD vertrete »die deutsche evangelische Christenheit«. So erklärt sich, warum der Präsident anders als die Mehrheit der Tagungsteilnehmer der Meinung war, »eine Ökumenische Centrale neuer Art [sei] keine Lösung der anstehenden Probleme, sondern nur deren Verlagerung.« Allerdings wäre das eine Verlagerung gewesen, die sich ökumenisch bedeutsam ausgewirkt hätte, denn sie hätte die Beteiligung aller Kirchen ermöglicht. Außerdem ging es im Rahmen dieser Tagung nicht zuerst darum, ob die Kirchen aus Deutschland »in internationalen Gremien gut vertreten und verankert« sind, wie Präsident Wischmann behauptete. In der Frankfurter Begegnung sollte in die Gegenrichtung gefragt werden, wie und durch wen die internationalen Impulse nach Deutschland transportiert und hier in allen Kirchen so wirksam werden können, dass sie die innerdeutsche Ökumene befruchten. Der in Sachen Ökumene international erfahrene Bischof Harms sagte kurz und bündig, im Vergleich mit der Entwicklung in Holland sei die ACK »belanglos«, weil das, was sie leiste, »zu unverbindlich geschehe.« Klapper unterstützte das noch einmal und vertrat die Meinung, die ACK sollte »ein Rat der Kirchen sein, in dem die Freikirchen als ernst genommene Partner ihren Beitrag

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zum Tragen bringen können (im Protokolltext berichtigt: als gleichberechtigte Partner mitwirken).« Es müsse einen Generalsekretär geben, aus dem »Erfahrungsaustausch« müsse eine »ökumenische Zusammenarbeit« werden, die Delegierten der Kirchen müssten mit Kompetenzen ausgestattet sein. Oberkirchenrat Luther unterstützte den Gedanken, dass »die bisherige Form der Arbeitsgemeinschaft als einer ›Gesprächsebene‹ nicht aus[reiche], um die Präsenz der ganzen Christenheit Deutschlands im Handeln zu gewährleisten.« Direktor Joachim Lell vom Konfessionskundlichen Institut hatte den Eindruck, man sei an einem Wendepunkt angekommen. Er sagte: Es »sei gegenwärtig der Punkt erreicht, wo die Arbeitsgemeinschaft ›gewichtiger‹ werden müsse. Eine Ausweitung der Ökumenischen Centrale im Sinne eines Generalsekretariats mit einem größeren Stab und einem vermehrten Etat wäre die beste Möglichkeit der angestrebten Koordinierung. Auf einer neuen Basis könne man besser mit den bestehenden Instituten und Institutionen zusammenarbeiten, man könne bestimmte Aufträge vergeben und aus den fertigen Arbeiten Konsequenzen für das gemeinsame Handeln ziehen.«

Aus dem Hause des Diakonischen Werks in Stuttgart, wo ökumenische Arbeit täglich praktiziert wurde,68 stellte H. H. Ulrich die Forderung: »Der Christenheit in Deutschland müsse ein Instrument der Kooperation gegeben werden.« Die Ökumenische Centrale müsse funktionsfähiger gemacht werden und es sollten die verschiedenen Anliegen dieser Tagung »in ein größeres Konzept eingeordnet werden.« Zum Schluss äußerte sich Präsident Wischmann nochmals und vertrat die Meinung, dass ACK und Ökumenische Centrale »sich durchaus nicht aller Arbeit nach außen hin enthalten, sie sollten nur um die Grenzen dieser Arbeit wissen.« Dahinter scheint der Konflikt in der Interessenvertretung zwischen ACK und Kirchlichem Außenamt oder, weiter gefasst, zwischen dem ökumenischem Wollen der Kirchen und der EKD verborgen zu sein. Diese Tendenz zeigte sich auch in der Schlussbemerkung des 19-seitigen Protokolls. »Auf Grund der vorgetragenen Meinungen«, heißt es dort, »soll die Arbeitsgemeinschaft zusammen mit dem Rat konkrete Schritte der anstehenden Probleme beraten.«69 Überblickt man rückschauend die zahlreichen und unterschiedlichen Beiträge von Repräsentanten einflussreicher kirchlicher Werke, dann stellt sich die Frage, wer ist jetzt gefordert, daraus den Entwurf für ein gemeinsames Konzept einer innerdeutschen Ökumene zu machen? Die Beiträge vermitteln ein so vielschichtiges und teilweise innerhalb einzelner Kirchen unterschiedliches Bild, 68 Gerhard Schüttel (Red.), 40 Jahre Diakonische Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchen. Vertretung der ›Freikirchen‹ im Diakonischen Werk der EKD, 1957 – 1997. Stuttgart 1997. 69 Es war wichtig, gerade zu dieser erhofften Weichenstellung viele einzelne Stimmen aus den Werken der EKD zu hören, um die damalige Tendenz erkennbar zu machen.

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dass es sinnvoll erscheinen musste, zunächst die einzelnen Mitgliedskirchen der ACK selber zu gewinnen, ihre Vorstellungen zu formulieren. In der ACK geht es eben nicht um einen ökumenischen »Arbeitskreis«, in dem individuelle Meinungen und Wünsche ihren Platz haben, sondern um die verbindliche Gemeinschaft von Kirchen, deren offizielle Positionen miteinander abgestimmt und so weiter zu entwickeln sind, dass sie von allen rezipiert werden können.

3.2.6 ACK-Sitzung mit Gästen aus der EKD und der Bischofskonferenz Am 20. Juni 1969, gut 14 Tage nach der von der ACK verantworteten »Werkekonferenz«, fand eine der regelmäßigen ACK-Sitzungen statt, aber in ungewöhnlicher Konstellation. Drei zukünftige Partner, die von unterschiedlichen Ausgangspositionen her die Frage einer geordneten gemeinsamen Zukunft stellten, trafen direkt aufeinander : die Mitgliederversammlung der ACK, drei der vom Rat der EKD zum Gespräch Nominierten und zwei von der Deutschen Bischofskonferenz gesandte Gäste. Es scheint, als hätte sich dieses Zusammentreffen eher zufällig ergeben. Andernfalls wäre es ein Geniestreich des Vorsitzenden gewesen. Die ACK als Gastgeber hatte eine klare Aufgabenstellung. In ihren Richtlinien stand an erster Stelle die »Förderung ökumenischer Beziehungen und der ökumenischen Arbeit unter ihren Mitgliedern«. Dazu kam die »Vertretung gemeinsamer Anliegen nach außen und in der Öffentlichkeit.«70 Als diese »Richtlinien« formuliert wurden, hatte der Rat der EKD den ursprünglich vorgesehenen Status einer »Satzung« als zu hochrangig abgelehnt. Damals gab es nur wenig Aussicht, dass einmal die römisch-katholische Kirche einbezogen werden könnte. Trotzdem kam es auf Vorschlag aus dem Raum der Freikirchen zu einer Arbeitsgemeinschaft christlicher, nicht nur evangelischer Kirchen. Inzwischen hatten die Katholiken aus Rom als Konkretisierung der Beschlüsse des kurz zuvor beendeten Konzils den ersten Teil eines Directorium Oecumenicum erhalten. Darin war die Entwicklung der zukünftigen ökumenischen Mitgestaltung in die Verantwortung der Bischöfe gelegt. Ihnen war die Aufgabe zugewiesen, in ihren Diözesen Ökumene-Ausschüsse mit entsprechenden personellen Beauftragungen zu organisieren und bis in die Ortsgemeinden hinein Impulse zu geben. Der Rat der EKD verfolgte das Ziel, die Gespräche mit der Bischofskonferenz als »Gipfeltreffen« dieser beiden in Deutschland dominierenden Kirchen ausschließlich auf sich zu konzentrieren. Dagegen wünschte die ACK eine Mitarbeit der römisch-katholischen Kirche in ihrem Bereich. Nun trafen Vertreter dieser drei Haltungen aufeinander. Vom Rat der EKD waren 70 Richtlinien der ACK von 1948, § 4, 1 und 5.

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Präses Joachim Beckmann und Professor Wilhelm Niesel gekommen, um vom Rat gewünschte Klärungen herbeizuführen. Mit Weihbischof Alfred Kleinermeilert aus Trier und Professor Peter Bläser als eine zentrale Kontaktperson für den Paderborner »Ökumene-Kardinal« Lorenz Jaeger waren erstmals zwei römisch-katholische Gäste anwesend. Über die gewöhnliche Teilnahme von Landeskirchlern, Freikirchlern und einem Alt-Katholiken hinaus nahm Professor Hans Heinrich Wolf erstmals als DÖSTA-Vorsitzender an der ACK-Sitzung teil. Der in ungewöhnlicher Zusammensetzung tagenden ACK berichtete deren Geschäftsführer Krüger von der Konsultation, welche die ACK mit den zahlreichen innerkirchlichen Werken, gerade 14 Tage vorher durchgeführt hatte. Das zentrale Thema dieser Zusammenkunft war die Frage: Vor welchen Entwicklungen steht die innerdeutsche Ökumene und welche Rolle will man der ACK und ihrer ÖC zukünftig zubilligen? Die Mehrzahl der ACK-Mitgliedskirchen und die Uppsala-Teilnehmer drängten gegen den Trend innerhalb der EKD zu einer konsequenten Weiterentwicklung. Hanfried Krüger berichtete: Einmütigkeit habe unter den Uppsala-Delegierten darüber bestanden, »dass es eine Stelle in Deutschland geben müsse, von der aus eine planmäßige Personalstrategie, Planung, Koordination und Information erfolgen könne. Dafür biete sich die Ökumenische Centrale an, die entsprechend ausgebaut werden solle.«71 Es sei eine Neugestaltung der ökumenischen Zusammenarbeit und ihrer Organisation in Deutschland bis hin zur Namensgebung »Ökumenischer Rat der Kirchen in Deutschland«, über die allerdings keine einheitliche Meinungsbildung zustande gekommen sei, nötig. Die Ökumenische Centrale müsse in dieser Situation gestärkt werden, um die vermehrt auf sie zukommenden Aufgaben wahrnehmen zu können. Der ACK-Geschäftsführer berichtete, »man sei bei diesen Überlegungen nicht zuletzt von der Tatsache ausgegangen, dass die Annäherung zwischen der römisch-katholischen Kirche und den übrigen Kirchen wirksamere ökumenische Arbeitsstrukturen dringend erforderlich mache.« Als Vorsitzender der ACK ergänzte Landesbischof Erich Eichele die Einführung durch einen historischen Rückblick auf die ACK-Bildung 1948. Sie sei unter völlig anderen Umständen erfolgt als sie heute herrschen. Als Konsequenz entwickelte er den Gedanken, die ACK sei »die einzige Größe, in der seit einundzwanzig Jahren die Landeskirchen und die Freikirchen in unmittelbarer Tuchfühlung miteinander gestanden hätten. Das Hinzukommen der römischkatholischen Kirche lasse die damals konzipierte Form nicht mehr als ausreichend erscheinen. Die Arbeitsgemeinschaft könne die ihr vom Rat zugestandene 71 Prot. ACK 20. Juni 1969. LKA Hann. D 15X, Bd. III. Daraus, sofern nicht anders vermerkt, alle folgenden Zitate.

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Koordinierung der ökumenischen Tätigkeit in Deutschland nicht mehr in der gewünschten Weise vollziehen. […] Sie stelle [gegenwärtig] im wesentlichen einen ›Gesprächsraum‹ dar, entbehre aber der erforderlichen Kompetenzen für Planung und Durchführung ökumenischer Arbeit. Dasselbe gelte für die Ökumenische Centrale und den Deutschen Ökumenischen Studienausschuss.« Der alt-katholische Professor Küppers nahm sofort nach der Einführung den Gesprächsfaden auf und befragte die anwesenden EKD-Ratsmitglieder darüber, »wie sie die Lage beurteilen 1. im Blick auf die Kirchenleitungen [gemeint ist die DBK-EKD-Kontaktkommission72], die viel in bilateralem Verhältnis unternehmen (Liturgie, Bibelübersetzung usw.), und die Funktionen der Ökumenischen Centrale bzw. der Arbeitsgemeinschaft [Christlicher Kirchen]; 2. im Blick auf die Mandate, die die Vertreter der EKD in der Arbeitsgemeinschaft haben; 3. im Blick auf die Aufgabenstellung für die Ökumenischen Centrale als eine Art ökumenisches Generalsekretariat, eventuell auch mit einem römisch-katholischen Mitarbeiter.«

Damit waren die als Anfragende Gekommenen plötzlich zu Angefragten geworden. Es zeigte sich sofort, wie anders für sie die Gesprächssituation war, als sie sich nicht in einer Gruppe mit gleichen oder ähnlichen Interessen befanden, sondern mit selbstbewussten Partnern zusammentrafen, die kontroverse Vorstellungen vertraten. Der EKD-Delegierte Udo Smidt, der zugleich ACK-Mitglied war, nahm die Fragen auf und »entgegnete«, dass ähnlich wie die Arbeitsgemeinschaft »der Rat nur geringe Kompetenzen habe«. Professor Niesel führte den Gedanken weiter und formulierte die erhellende These: »Ein Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft komme vielleicht in den Landeskirchen besser an als ein solcher vom Rat der EKD.« Damit war der Zeitpunkt für Weihbischof Kleinermeilert gekommen, sich erstmals in das Gespräch einzuschalten. Auf Befragen ergänzte er, »dass die rechtliche Stellung der Bischofskonferenz nicht viel stärker sei als diejenige des Rates der EKD.« Man kann, das war die Logik, der ACK nicht mehr an Kompetenz übertragen, als die kirchlichen Leitungsgremien sie selber haben. Im weiteren Verlauf des Gespräches warf der württembergische Landesbischof Eichele die Frage auf, ob die ACK als »Kristallisationspunkt der Koordinierung« dienen könne oder ob man an die Bildung eines neuen Organs denken müsse. In dem Zusammenhang mutmaßte er : »Man müsse mit Mißtrauen sowohl bei den Freikirchen wie auch auf römisch-katholischer Seite rechnen.« Allerdings hatte die Vereinigung Evangelischer Freikirchen sich zu dieser Zeit bereits zur ACK als der angemessenen Gesprächsebene mit der römisch-ka72 Dazu: Kap. 3.5.2.

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tholischen Kirche bekannt. Und auch in der katholischen Kirche kann man rückblickend keineswegs von Misstrauen reden. Professor Bläser nahm jetzt die Gelegenheit, sich vor der ACK zu diesen Fragen zu äußern. Das Protokoll hielt fest: »Professor Bläser sagte, daß die Arbeitsgemeinschaft bisher rein evangelisch sei, dies jedoch für die örtlichen Arbeitskreise nicht mehr zutreffe. Wenn auf unterer Ebene die Zusammensetzung gemischt sei, müsse das auch für die Spitze gelten.« Das musste auch für die anwesenden EKD-Gäste eine neue Sicht eröffnen, obwohl doch die bilateralen Gespräche seit drei Jahren geführt wurden. Neben dieser katholischen Perspektive wiederholte Professor Niesel als Ratsvertreter im weiteren Verlauf des Gesprächs nochmals die EKD-Rats-Position, die zu vertreten er zusammen mit Präses Beckmann gekommen war. Er sagte: Im Gespräch mit der ACK habe der Rat im Dezember 1968 keine Neigung gezeigt, sie zu einem Christenrat zu erweitern. »Insbesondere wolle man den Kontakt zur römisch-katholischen Kirche bis auf weiteres so haben und behalten, wie er jetzt im Verbindungsgremium zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und der EKD Gestalt gewonnen habe. […] Die Arbeitsgemeinschaft stelle nur eine Sparte ökumenischer Aktivität dar, der Rat habe es mit vielen ökumenischen Verbindungen zu tun, die noch nicht einmal innerhalb der EKD zusammengefasst seien.«73 Bischof Eichele erinnerte daran, dass es »jetzt um eine Stärkung und Verbesserung der innerdeutschen Ökumene« gehe. Ob in ökumenischer Hinsicht getrennt in Niederaltaich und Paderborn74 gearbeitet werden solle oder ob es »gleich gemeinsam geschehen kann«, das sei zu klären. In der »überrannten« Situation müsse die Lage neu bewertet und mit der organisatorischen Entwicklung, wie sie durch die Kontakte zur katholischen Kirche in Genf und in Uppsala zu Tage getreten sei, Schritt gehalten werden. Jeder spürte zugleich Unsicherheit und Aufbruchstimmung, die zu der Frage führte, »welches Gewicht und welche Verbindlichkeit dem ernsthaften Gespräch und der Begegnung auf der Basis der Ökumenischen Centrale zukommen sollten.« Innerhalb der EKD waren die Haltungen gegensätzlich. Präsident Wischmann, der als Leiter des Kirchlichen Außenamtes die internationalen Kontakte der EKD verantwortete und die ÖC unter seinem Dach hatte, sah in der bisherigen eingeschränkten ACK-Arbeit Vorteile. Eine Entwicklung, die aus globalem Denken zu lokalem Handeln führt, lag kaum im Blickfeld des Außenamts-Leiters. Anders als er hielt Landessuperintendent Smidt »die Intensivierung der 73 Ebd. Das hatte auch die vorrausgehende, von der ACK initiierte Konsultation mit den EKDWerken sichtbar gemacht. 74 In der Benediktinerabtei Niederaltaich war 1962 ein »Ökumenisches Institut« gegründet worden, das auch die Zeitschrift Una Sancta herausgab und die Entwicklung der Arbeitsgemeinschaft Ökumenischer Kreise förderte, und in Paderborn befindet sich das durch Erzbischof Lorenz Jaeger gegründete heutige Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik.

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Arbeitsgemeinschaft durch die Bereicherung von Seiten der römisch-katholischen Kirche« nach Uppsala für nötig. Präses Beckmann hielt sich bedeckt. Er sehe noch keinen gangbaren Weg. Man solle »nicht nach Verbindlichkeiten streben, die ohne grundlegende Glaubensüberzeugung nicht möglich seien,« war seine Mahnung. Was er konkret damit meinte, lässt das Protokoll nicht erkennen. Ging es um theologische Gemeinsamkeiten mit den Freikirchen oder standen die Entwicklungen des Verhältnisses zur römisch-katholischen Kirche im Hintergrund? Die ACK hatte bereits zwanzig Jahre Erfahrungen mit einer Kirche katholischer Tradition gemacht und die waren nicht schlecht. Präses Beckmann sah die Aufgabe der ACK mehr in der Weiterführung der UppsalaErgebnisse, das hieß, er zog einer Arbeitsgemeinschaft in praktischem Zeugnis und Dienst eine bloße Studienarbeitsgemeinschaft vor. Auch die Bewertungen der bisher praktizierten Personalunion in Kirchlichem Außenamt und Geschäftsführung der Ökumenischen Centrale waren kontrovers. Außenamtsleiter Wischmann wollte die Zusammenarbeit wie bisher weiterführen, der freikirchliche ÖC-Referent Otmar Schulz plädierte für eine Aufteilung der Leitungsfunktion, und Oberkirchenrat Luther warnte davor, die jetzige Kooperation durch Neukonstruktionen in Frage zu stellen. Kaum jemand sah voraus, dass eine sich immer deutlicher abzeichnende Aufnahme der römisch-katholischen Kirche in die ACK ganz selbstverständlich eine Trennung der Leitungsfunktionen und der Bürogemeinschaft nach sich ziehen musste. Der im Auftrag von Kardinal Jaeger agierende Professor Bläser legte den Versammelten dar, was im Ökumenischen Direktorium aus Rom für die Struktur innerhalb der römisch-katholischen Kirche formuliert und teilweise bereits umgesetzt war. Daraus zog er sogleich die möglichen Konsequenzen für eine gemeinsam zu gestaltende innerdeutsche ökumenische Entwicklung. Das Protokoll hielt fest: »Professor Bläser berichtete über die Struktur ökumenischer Arbeit in der römischkatholischen Kirche. In Deutschland sei eine ökumenische Kommission bei der Deutschen Bischofskonferenz gebildet, weitere auf Diözesanebene. Diese Struktur solle bis auf die Ortsebene hinuntergeführt werden. Wenn sich Christenräte [!] konstituierten, dann laufe das nebeneinander her. Hier sei die Frage der Solidarität zu klären. Ähnliches werde für die Begegnungsgremien der EKD gelten. Die Freikirchen seien dann aber nicht dabei. Für seine Person hielt Professor Bläser die Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche in der Arbeitsgemeinschaft nicht für ausgeschlossen.«

Während sich besonders Präses Beckmann als EKD-Rats-Vertreter zurückhielt, fragte der neue DÖSTA-Vorsitzende Professor Hans Heinrich Wolf, ob die katholische Kirche im Falle einer Erweiterung der ACK-Geschäftsstelle bereit sein würde, »einen Mitarbeiter in die Ökumenische Centrale zu entsenden, eventuell sogar mit finanzieller Unterstützung?« In dem Zusammenhang griff er auch ein

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heikles Thema auf und fragte weiter : »Würde ein solcher Schritt durch die Herauslösung der Ökumenischen Centrale aus der Personalunion mit dem Kirchlichen Außenamt erleichtert werden?« Auf die erste Frage ging der Paderborner Professor Bläser offensichtlich gerne ein und »erwiderte, dass die Entsendung eines römisch-katholischen Mitarbeiters grundsätzlich im Bereich der Möglichkeit liege. Vorher müsste aber die Art der Zusammenarbeit innerhalb der Arbeitsgemeinschaft geklärt werden. Man könne sich dafür seitens der römisch-katholischen Kirche etwa folgende Linie denken: 1. Die theologische Bindung müsse auf einer nicht zu engen Konzeption beruhen (Toronto und Neu Delhi seien voll akzeptabel75); 2. Das soziale Engagement dürfe nicht ausschließlich bestimmend sein. Das Protokoll hielt zusammenfassend fest: »Erst, wenn das Modell einer Zusammenarbeit aller Gemeinschaften vorliege, könne man auch katholischerseits mit Kompetenzen für Beschlüsse kommen, wozu grundsätzliche Bereitschaft bestehe.«76

Innerhalb der ACK stand die Hoffnung auf eine Mitwirkung der römisch-katholischen Kirche zu keiner Zeit in Frage. Man konnte zwar zunächst nicht abschätzen, wie sich eine Zuordnung aus katholischer Sicht gestalten würde. Gelegentlich war von »Beobachtern«, dann wieder von »Gästen« die Rede. An eine volle Mitgliedschaft wagten nur Optimisten zu denken. Nach dieser JuniSitzung 1969 gab es keine Unsicherheit mehr darüber, in welche Richtung sich die Mitwirkung entwickeln müsste. Auch die vom Rat der EKD entsandten Sitzungsteilnehmer mussten erkannt haben, wohin zukünftig der Weg führte. Hinter diese Gespräche vom 20. Juni 1969 konnte keine Kirche mehr zurück. Das Tor für den weiteren Weg der ACK war weit geöffnet, und es war klar : jede andere Entwicklung wäre für die ACK und die innerdeutsche Ökumene eine Katastrophe und hätte durch die möglichen Verweigerer einer solchen Entwicklung mehr als zwanzig Jahre ACK-Arbeit in Frage gestellt. Insgesamt hat diese ACK-Sitzung noch einmal zweierlei unterstrichen: Die Vorstellungen der ACK und der römisch-katholischen Kirche stimmten fast überein, unterschieden sich aber von den Hoffnungen des Rates der EKD. Deren Vertreter, zusammen mit Bischof Eichele und Landessuperintendent Smidt hatten in unterschiedliche Richtungen argumentiert. Sie haben damit den Gästen aus der römisch-katholischen Kirche vorgeführt, dass die EKD bisher kein tragfähiges Konzept für eine Ökumene in Deutschland hatte. Zu unterschiedlich waren die persönlichen gefärbten Interessen der Ratsmitglieder und zu verschieden die Positionen der einzelnen Landeskirchen. Die Teilnahme der Ratsmitglieder hat weder den ACK-Mitgliedern noch den 75 Der ÖRK hat 1950 in Toronto eine Erklärung unter dem Titel »Die Kirche, die Kirchen und der ÖRK. Die ekklesiologische Bedeutung des ÖRK« abgegeben. Anlässlich der ÖRK-Vollversammlung in Neu Delhi 1961 wurde eine fortgeschriebene Einheitsformel angenommen. 76 Die Hervorhebung ist eingefügt, weil sie nochmals das katholische Ziel einer umfassenden ökumenischen Gemeinschaft unterstreicht.

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ÖC-Mitarbeitern neue Perspektiven eröffnet. Vielleicht trat das Umgekehrte ein: Durch das ungeplante Zusammentreffen von Rats- und DBK-Entsandten im weiteren Kreis der ACK-Kirchen sind sie, entgegen ihrer ursprünglichen Absicht, zu neuen Überlegungen gerade hinsichtlich der für sie so zentralen Fragen des Verhältnisses von ACK und römisch-katholischer Kirche und damit auch der Rolle von ACK und ÖC geführt worden. Schließlich ist ein Nebenaspekt der Erwähnung wert. Oberkirchenrat Klapper von der VELKD sprach aus, dass »die Stellung der EKD zur Arbeitsgemeinschaft für die Freikirchen äußerst wichtig sei.« Welche Bedeutung sollte die Ökumene in Deutschland für die Freikirchen noch haben, wenn die EKD die bilateralen Kontakte zur Bischofskonferenz der ACK vorzieht? Die nicht vom Rat der EKD entsandten ACK-Mitglieder müssen es als wohltuend empfunden haben, dass sie hier Unterstützung bekamen durch den lutherischen Oberkirchenrat, der einen Gesichtspunkt ins Blickfeld rückte, der schon früher innerhalb des VELKDKirchenamtes erörtert worden war. Vielleicht hat ein Delegierter, der eine konfessionelle »Kirche« vertritt, eine sensiblere Wahrnehmung für ekklesiologische Existenzformen und Verbindlichkeiten als die Abgesandten eines »Kirchen-Bundes«, der sich lediglich als ein Dach für Wahrnehmung von Interessen unterschiedlicher Bekenntnisse verstehen kann. Der Rückbericht der EKD-Vertreter an den entsendenden Rat erfolgte am 21./ 22. Juli. Er erweckt den Eindruck, als habe die Begegnung bei den Teilnehmern in einigen Fragen zu einem Meinungswandel beigetragen. In anderen Fragen dagegen scheint das Interesse an einer Bindung der ACK an die EKD – aus welchen Motiven auch immer – verstärkt worden zu sein. Die Rats-Delegierten betonen in ihrer Berichterstattung nochmals ihre in der ACK vorgetragene Haltung, welche die Zeit für eine Weiterentwicklung zu einem Rat Christlicher Kirchen noch nicht gekommen sah. Dagegen schlugen die Berichterstatter »zum Zwecke des besseren Kennenlernens [vor], möglichst jährlich ein größeres Begegnungstreffen« zwischen Rat und ACK zu veranstalten.77 Aus den Voten der beiden katholischen Teilnehmer haben die EKD-Gäste dem Rat weitervermittelt, dass ihnen »ein freies, nicht fest organisiertes Gremium vor[…]schwebt, das mit Bischöfen und Präsides besetzt ist.« Im Übrigen sei die katholische Kirche bereit, einen Mitarbeiter in die ÖC zu entsenden. Der Rat zog aus dem Bericht die Konsequenz, dass neben der Ablehnung der Bildung eines National Council durch die EKD »Einigkeit darüber [besteht], daß die Arbeitsgemeinschaft an der geistlichen Arbeit der EKD stärker beteiligt werden soll. Das könne z. B. auf dem Gebiet der Catholica geschehen.« Das klingt, als solle die ACK bei Begegnungen mit der katholischen Kirche mit ins Boot der EKD genommen werden, was eine ACK-Mitgliedschaft der Bischofs77 Prot. EKD-Rat 12./13., 21./22. Juli 1969. EZA 2/15985. Daraus auch die folgenden Zitate.

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konferenz überflüssig machen könnte. »Auch eine Beteiligung in Kammern und Ausschüssen der EKD komme in Frage.« Konkret ist es dazu erst gekommen, als die EKD nach der politischen Wende die DDR-Praxis übernahm und in den Ökumene-Ausschuss einen Katholiken und einen Freikirchler eingeladen hat.78 Am Ende der Beratung dieses Tagesordnungspunktes beschloss der Rat, »die Arbeitsgemeinschaft künftig im Rahmen des Möglichen und Zweckmäßigen stärker an der Öffentlichkeitsarbeit der EKD zu beteiligen.« Öffentlichkeitsarbeit war in der ACK immer ein schwacher Punkt, aber sie in diesem zentralen Anliegen der Selbstdarstellung nach außen an die EKD-Öffentlichkeitsarbeit zu binden, musste doch aus »zweckmäßigen« Gründen Einschränkungen befürchten lassen. Angesichts des EKD-Bildes von der ACK schien die Aussicht einer unabhängigen Entfaltung auf Grund der Erfahrungen in der Vergangenheit ziemlich gering. Die Erwägungen einer stärkeren Einbeziehung der ACK-Kirchen und der jährlichen Begegnungen wäre den Minderheitskirchen längst wünschenswert erschienen. Jetzt hat die ACK, unterstützt durch die Gäste der römisch-katholischen Kirche, sich stark genug präsentiert, um die EKD mehr für sich zu interessieren, als sie es bisher erfahren hatte. Keine der im Rat erwogenen Gedanken wurden weiter verfolgt, weder im Blick auf regelmäßige Kontakte, noch durch eine Mitarbeit der ACK-Kirchen in EKD-Kommissionen und schon gar nicht in der Öffentlichkeitsarbeit.

3.2.7 Viele Wünsche – keine konzeptionelle Klarheit Die parallel laufenden Überlegungen zur zukünftigen Entwicklung der innerdeutschen Ökumene zwischen der ACK und dem Rat der EKD sowie der Diskussion in der Frankfurter ACK-Konsultation hatten fast gegensätzliche Konsequenzen im Blick. In der Konsultation war die Stimme erfahrener Ökumeniker zu hören, die ein ökumenisches Weiterschreiten unter der Respektierung der autonomen Kirchen anstrebten oder unterstützten. Für die Praktiker aus den verschiedenen Werken der EKD, die teilweise lebhaft mit den Freikirchen zusammenarbeiteten, gab es zur Weiterentwicklung zu einer verbindlichen ökumenischen Zusammenarbeit keine wirkliche Alternative. Das hatte im Bereich der Weltmission schon Tradition. Das Diakonische Werk, in dem Freikirchen Gründungsmitglieder waren, agierte für die freikirchliche diakonische Arbeit als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege. Die diakonischen Einrichtungen der Freikirchen wurden im Diakonischen Werk vergleichsweise wie ein dort 78 Vertreten wurde die römisch-katholische Kirche dort durch Professor Hans-Jörg-Urban vom Johann-Adam-Möhler-Institut. Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen entsandte den methodistischen Ökumene-Beauftagten Karl Heinz Voigt.

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eingebundener Landesverband einer EKD-Gliedkirche gewichtet. Ihre Mitgliedschaft und Beteiligung an den Diakonischen Konferenzen – auch an den Zusammenkünften des Missionsrates – war eine selbstverständliche Praxis. Ähnlich war es im Ausschuss für Ökumenische Diakonie, der die jährlich im Zusammenhang der gemeinsamen Aktion BROT FÜR DIE WELT eingehenden Spenden und die internationale zwischenkirchliche Hilfe organisierte. Die Vertretung im Verteilerausschuss war selbstverständlich. Zeitweise führte der methodistische Vertreter Hermann Sticher dort ganz selbstverständlich den Vorsitz.79 Die ökumenische Zusammenarbeit in der Praxis hatte nach dem gemeinsamen Hilfswerk der Nachkriegszeit eine organische Weiterführung, ja Weiterentwicklung erfahren. Sie wurde 1957 durch die Gründung der Diakonischen Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Kirchen in Deutschland auf eine so breite Basis gestellt, dass sie durch die Mitgliedschaft der sog. Lutherischen Freikirchen selbst die Mitgliedskirchen in der ACK übertraf. In der Bibelgesellschaft war es eine unauffällige ganz natürliche Mitarbeit. In der Weltmission wussten die Verantwortlichen im Deutschen Evangelischen Missionsrat, dass die Zahl der Missionare aus Kirchen, die nicht der EKD angehörten, beträchtlich war. Überall lief die ökumenische Zusammenarbeit der Einrichtungen reibungslos. Die Überlegungen der Ratsmitglieder erwecken den Eindruck, als seien sie für diese sich in der Praxis völlig unspektakulär vollziehende Ökumene blind gewesen. Vielleicht haben Führungskreise sich in ökumenischen Fragen auch eher als kirchenpolitische Gremien verstanden. Es ist unübersehbar, dass es eine Tendenz gab, den infolge des Zweiten Vatikanischen Konzils und der ÖRKVollversammlung in Uppsala aufgebrochenen ökumenischen Optimismus allein auf die EKD hin zu kanalisieren und damit zu begrenzen. In der restriktiven Haltung des Rates wird dem Außenstehenden erneut klar, dass die Verantwortlichen einer zentralen Leitung einer Gemeinschaft autonomer Kirchen und gesamtkirchlicher Organisationen auch immer von der Frage mitbestimmt werden, ob die eigenen Entscheidungen von den durch sie vertretenen Kirchen akzeptiert und mitgetragen werden. Ganz davon abgesehen ging es im Zusammenhang der Stärkung der ÖC unausgesprochen auch immer mit um die Frage, wie sich die Rolle des Kirchenamtes neben einer autorisierten, viele Aktivitäten zusammenfassenden ACK gestalten würde. Angesichts der Erfahrungen in einem Amt mit zahlreichen Experten und fachlich qualifizierten Abteilungen, das über einen großen Mitarbeiterstab und 79 Christian Berg (Hg.), Brot für die Welt. Dokumente, Berichte, Rufe, Stuttgart 1962. Darin: Die Stimme der evangelischen Freikirchen, 125 – 127. Auch: Hermann Sticher, Erfahrungen – Eindrücke – Überlegungen. In: Die Hoffnung heißt Befreiung, FS für Hans-Otto Hahn, Stuttgart 2000, 53 – 64.

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eine vergleichbar einmalige Stellung verfügte, stellte sich dort und in dessen Aufsichtsgremium die Frage, wie es sich zu einer wirklichen »Ökumenischen Zentralstelle«, in der man auch eine Art Konkurrenz sehen konnte, verhalten würde, abgesehen von der Frage, wie ein ökumenisches Generalsekretariat zu finanzieren sei. Die Frage, wie sich im Falle einer großen Lösung der ökumenischen Aufgaben die römisch-katholische Bischofskonferenz verhalten würde, war offensichtlich noch gar nicht ins Blickfeld der EKD getreten. Der Beschluss am Ende der Frankfurter Konsultation konnte alle die beruhigen, die die kleinstmögliche Lösung einer zukünftigen ACK und der damit verbundenen ÖC wünschten. Die letzte Entscheidung zur Einleitung konkreter Schritte lag zu diesem Zeitpunkt noch beim Rat der EKD. Erst später, als es um die Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche in der ACK ging, trat deren Bischofskonferenz mit in die Überlegungen ein. Selbst wenn die Konsultation der EKD-Werke für die innerdeutsche Ökumene keinen direkt greifbaren Erfolg brachte, hat sie doch als ein innerkirchliches Uppsala-Ergebnis zu einer breiteren Meinungsbildung beigetragen. Die ACK kann für sich in Anspruch nehmen, diese Impulse zur Stärkung der ökumenischen Gemeinschaft bis zu den Leitungen der kirchlichen Werke inszeniert zu haben. Die Tatsache, dass es zu einer solchen ökumenischen Werkekonferenz kam, die es vorher nicht gegeben hatte, war zwar nur ein punktuelles Ereignis. Aber ihr Zustandekommen und die engagierte Mitwirkung aller Werke zeigte ein breites Interesse und die Bereitschaft zu ökumenischem Fortschritt. Ähnliche Tagungen hat es später immer wieder einmal gegeben, allerdings ohne Beteiligung der ACK.

3.2.8 Die ACK ein Jahr nach Uppsala (1969) Die Jahrestagung der Ökumene-Referenten im Oktober 1969 stand ganz im Zeichen einer Überprüfung dessen, was aus den Anregungen und Bitten aus der vorjährigen Uppsala-Nacharbeitstagung geworden war. Das Kirchliche Außenamt, dem ein Papier mit Bitten vorgelegt worden war, erstattete Bericht »über die Nacharbeit von Uppsala«. Für die ACK legte Bischof C. Ernst Sommer als neuer Vorsitzender, der seine Kirche noch nicht lange in der ACK vertrat, aber selber auch als Delegierter seiner Kirche in Uppsala war, einen ausführlichen Bericht vor.80 Darin referierte und kommentierte er den Tagungsteilnehmern zentrale 80 C. Ernst Sommer, Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland – Eine Überprüfung ihres Selbstverständnisses – 8 Seiten Tonbandnachschrift eines Referats vom 28. 10. 1969, das vom Verfasser nach der schriftlichen Fassung genehmigt wurde. EZA 2/ 15934.

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Anliegen aus Protokollen verschiedener Gremien. Ein Thema war die Ablehnung des Rates der EKD, die ACK aufzuwerten, besonders nicht zu einem »National Council«. Sommer war damit nicht einverstanden, zumal ihm eine Erklärung der Gründe dafür fehlte.81 Der neue Vorsitzende merkte weiter kritisch an, dass die ACK »über den Gesprächsraum hinaus zur Aktionsgemeinschaft« heranwachsen müsse. Er kritisierte das zahlenmäßige, arithmetische Messen der Größenverhältnisse und griff die Frage nach dem jeweiligen innerkirchlichen Informationsfluss auf. Die ACK sei kein Hobby oder Club einiger Interessierter, sondern die Arbeit müsse hinausdringen und in den Gliedkirchen zur Kenntnis genommen werden können. Sommer wiederholte die Genfer Sicht, dass die »innerdeutsche Ökumene« durch Aufsplitterung »nicht besonders gefördert« werde. Dachten die Genfer dabei an die Aufteilung zwischen dem Kirchlichen Außenamt für die internationale und der ACK für die innerdeutsche Ökumene? Der Referent wiederholte die Worte von Bischof Harms, die ACK sei »belanglos, weil es zu unverbindlich« zugehe. OKR Klapper hatte einen »Rat der Kirchen« mit »Freikirchen als gleichberechtigten Partnern« gewünscht. Ziel müsse sein, die ACK mehr sein zu lassen als einen »ökumenischen Sprechsaal«. Sie solle, wie Bischof Eichele es formuliert hatte, ein »Kristallisationspunkt der Koordination und Kooperation«, und eine wirkliche »Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen« werden. Auch der katholische Professor Bläser habe aufgrund der Tatsache, dass es »auf unterer Ebene« Kreise mit katholischer Beteiligung gebe, gefordert, das müsse »auch für die Spitze gelten«, dem Sommer hinzufügte: »wenn es eine Spitze ist«. Der methodistische Bischof, der während seines ACK-Vorsitzes den Beitritt der römisch-katholischen Bischofskonferenz zielbewusst förderte, kritisierte die EKD, die über das Gespräch mit der ACK protokolliert hatte: Man wolle »den Kontakt zur römisch-katholischen Kirche bis auf weiteres so haben und so beibehalten, wie er jetzt im Verbindungsgremium zwischen der deutschen Bischofskonferenz und der EKD Gestalt gewonnen habe, also bilateral.« Weiter hatte der Lutheraner Klapper die Sorge vor einem Nationalen Kirchenrat zurückgewiesen. Nicht der Name sei entscheidend, sondern dass er »die Funktion eines Christenrates und nicht die eines Studienausschusses habe.« Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen »würde die Ökumenische Centrale wie die Arbeitsgemeinschaft gerne außerordentlich gestärkt sehen, ja viele von uns wären einem nationalen Kirchenrat aufs Entschiedenste zugeneigt.« Darin müssten alle Landeskirchen vertreten sein, da die EKD – das sagte Sommer in Anlehnung an Landesbischof Hans Meiser – ja lediglich ein »Bund« sei. Eine Aufwertung sei auch notwenig, weil die Freikirchen »Geringschätzung« empfinden und erfahren haben. Aus Gründen der Ökumenizität sei es notwendig, die 81 Prot. EKD-Rat 12./13. Dez. 1968, 14. EZA 2/15985.

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Ökumenische Centrale und das Kirchliche Außenamt zu trennen, da die Leitung in Personalunion endlich bedeute, dass die ACK und die ÖC »unter dem Dach der EKD« arbeite, und das sei für Freikirchler nicht das ökumenische Ideal. Die ACK hatte selber in einem »Memorandum«82 im Blick auf ihre Vergangenheit festgestellt, dass sie für die innerdeutsche Ökumene keine Schrittmacherdienste geleistet hatte. Die ACK sei hinter der ökumenischen Entwicklung zurückgeblieben. Im weiteren Verlauf seines Referates sprach Sommer praktisch eine Einladung aus, als er sagte: »Auch wäre von Seiten der römisch-katholischen Kirche und des Bundes Freier evangelischer Gemeinden zu erwägen, ob sie nicht zur vollen Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft kommen könnten.« Zugleich sei die Frage des Mandats der Delegierten zu überdenken. Das alles wäre in einer neuen Verfassung der ACK festzulegen. Schließlich sprach Bischof C. E. Sommer die Rolle der ÖC an, weiter die Frage eines Generalsekretärs, und schließlich die ACK-Öffentlichkeitsarbeit. Im Bereich der EKD wurde die innerhalb der deutschen Ökumene aufgebrochene Diskussion mit Sorge verfolgt. Sommer scheute sich nicht, den von Udo Smidt eingeführten Begriff der »Bremsfunktion, ja der Resignation« aufzugreifen. Er forderte die ökumenisch aufgeschlossenen und engagierten Teilnehmer der Nacharbeitstagung aus den Landeskirchen und Werken auf, »wieder eine solche Resolution wie im letzten Jahr zu verfassen, die uns, dächte ich, doch weiterhin einen guten Schritt vorwärts bringen könnte.« Innerhalb seines Vortrags hatte Sommer zu der Fülle seiner kritischen Aussagen schon »einfließen lassen: Sie werden verstehen, das sind Protokolle, und ich biete Ihnen Auszüge, ich biete sie als Freikirchler. Es ist gut, das zu beachten. Aber wie anders denn als Freikirchler soll ich sie bieten? Ich würde ja hier nicht zu recht stehen, wenn ich es anders täte.«83 Das zusammenfassende Referat des international und ökumenisch erfahrenen Bischofs Sommer zeigt die schmerzliche Spannung auf, die die Minderheitskirchen im Miteinander mit den mächtigen Landeskirchen empfanden. Es zeigt aber zugleich, dass die Beziehungen der Landeskirchen untereinander in ökumenischen Fragen auch nicht spannungsfrei waren. In der Arnoldshainer Arbeitsgruppe, die sich mit den aufgeworfenen Fragen auseinander setzte, wurde auch das ACK-Memorandum vom 20. 6. 1969 diskutiert. Man erzielte ein Ergebnis, dem nach einigen eingearbeiteten Änderungen uneingeschränkt zu-

82 Vgl. Kap. 3.2.11 83 C. Ernst Sommer, Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland – Eine Überprüfung ihres Selbstverständnisses, 3. EZA2/15934.

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gestimmt wurde.84 Das war nicht ohne Belang, denn nachdem es zunächst wie allen Kirchen lediglich der EKD zur Kenntnis zugesandt worden war, wurde es jetzt auch an die Ratsmitglieder verschickt. Dem Papier wurde eine Erklärung mit konkreten Vorschlägen der Arbeitsgruppe beigegeben, die vom Plenum der Jahrestagung, die von 68 Teilnehmern aus allen Landeskirchen, Freikirchen und kirchlichen Werken beschickt worden war, vorher »einstimmig angenommen« worden war.85 Zur Tagungsleitung gehörte der ACK-Geschäftsführer Hanfried Krüger, der in der Teilnehmerliste zusammen mit Präsident Wischmann und Oberkirchenrat Claus Kemper als vom Kirchlichen Außenamt entsandt erfasst wurde.

3.2.9 Eine breite Diskussion: Erneuerung der ACK? (1970) Wohl noch nie war die Frage der innerdeutschen Ökumene in einer solchen Breite diskutiert worden wie in den Jahren nach der ÖRK-Vollversammlung von Uppsala. Fast alle Gruppen und kirchlichen Organe, die mit ökumenischen Fragen und insbesondere der ACK befasst waren, arbeiteten an weiterführenden Diskussionspapieren. Wie oben gezeigt, ging der erste Impuls von der Nacharbeitstagung der Uppsala-Teilnehmer aus. Die ACK hat das gerne aufgegriffen und ein »Memorandum« erarbeitet, das im Februar 1970 an alle Mitgliedskirchen der ACK verschickt wurde.86 In dem Begleitschreiben wurden die Kirchen angefragt, ob sie »einer Konferenz der Kirchen in Deutschland zustimmen könnten, die einen Weg zur Gestaltung der verbindlichen weiteren ökumenischen Zusammenarbeit suchen sollte.« Es wurde erwogen, diese Konferenz durch eine Klausurtagung unter Beteiligung aller Kirchen vorzubereiten. Mit der Anregung zur Einberufung einer solchen Konferenz war als klärende Aufgabe erbeten, »daß sich alle beteiligten Kirchen über Möglichkeiten und Grenzen ihres ökumenischen Engagements klar werden.« Dem Schreiben lag das »Memorandum« bei. Es ging davon aus, dass »der deutliche Wandel in der Lage der ›innerdeutschen Ökumene‹ seit 1948 mit zunehmender Intensität offenkundig geworden« ist.87 Die alten Strukturen seien »eher hinderlich als förderlich« und die ACK, die »eigentlich Schrittmacherdienste hätte leisten sollen, [ist] 84 Prot. Jahrestagung der Ökumene-Referenten der Landes- und Freikirchen 27.–30. Okt. 1969, 4. EZA 2/15934. 85 Ebd., Anhang. 86 Schreiben Hanfried Krüger an die ACK-Mitgliedskirchen v. 3. Febr. 1970. EZA 2/15926. Daraus auch die folgenden Zitate. 87 Memorandum an die Mitgliedskirchen der ACK v. 30. Jan. 1970. EZA 2/15926. Daraus auch die folgenden Zitate.

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Diakonie Männer Jugend

Frauen

B Kammer der Verbände

W e r k e , V e r b ä n d e u. D i e n s t e

u.

a.

m.

Ausschüsse für Sachgebiete

b

Kirchen

freievang.landesk. altkath. röm.-kath.

Berufene Sachverständige

orth.

Kammer der Kirchen

A

kirch-

lich

Vollversammlung

GRUNDSTRUKTUR ÖKUMENISCHER RÄTE IN DER BRD

a

Sekretariat

Vorstand

c

d

Zeit der Neuordnung und der ACK-Erweiterungen

Ein mutiger Vorschlag von Reinhard Frieling (Konfessionskundliches Institut Bensheim) für die Struktur Ökumenischer Räte in den Regionen innerhalb einer ökumenischen Gesamtkonzeption in der BRD. Der Gedanke wurde zu einer Zeit veröffentlicht, als die römisch-katholische Kirche noch kein ACK-Mitglied war. (Quelle: nach Reinhard Frieling, Ökumene in Deutschland. Ein Handbuch der interkonfessionellen Zusammenarbeit, Göttingen 1970, S. 42)

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hinter der Entwicklung weit zurückgeblieben.« Als Schwerpunkte für »ein angemesseneres Handeln in der Zukunft« wurden zwei Problemkreise entfaltet: Erstens: Es sei eine wirksamere Koordination notwendig. Die ACK werde »funktionsfähiger«, wenn die Mitgliedskirchen bereit wären, ausnahmslos Vertreter ihrer Leitungsorgane in die ACK zu entsenden. Die römisch-katholische Kirche und der Bund Freier evangelischer Gemeinden seien zur »vollen Mitgliedschaft« in der ACK einzuladen. Um ein effektives Beraten und ein verbindliches Handeln zu ermöglichen, ist es wünschenswert, dass die Kirchen ihre Delegierten mit gewissen Vollmachten ausstatten. Zu den kommenden Aufgaben der ACK werde eine langfristige Planung, eine prognostische Erfassung der ökumenischen Entwicklung in Deutschland und die Förderung ökumenischen Nachwuchses gehören. Das alles sei nur realisierbar mit einem funktionsfähigen, mit Rechten ausgestatteten Sekretariat, zu dem die Ökumenische Centrale (ÖC) ausgebaut werden müsse. Damit verbunden sei zweitens eine bessere personelle Ausstattung der ÖC notwendig. Schließlich sei eine Trennung von ÖC und Kirchlichem Außenamt der EKD im Blick auf die kommenden Aufgaben unumgänglich. Parallel zu der Initiative der landeskirchlichen und freikirchlichen ÖkumeneReferenten hat der DÖSTA einen Ausschuss eingesetzt, der ebenfalls Vorschläge für die Verbesserung der innerdeutschen ökumenischen Arbeit erarbeitete.

3.2.10 Anregungen des Deutschen Ökumenischen Studienausschusses (1970) Trotz der seitens des EKD-Kirchenamtspräsidenten Walter Hammer geäußerten kritischen Beurteilung der Pläne einer durchgreifenden Veränderung der ACKStruktur,88 und der äußerst zurückhaltenden Stellung, die der Rat der EKD im Juni 1970 eingenommen hatte, ließ sich der Deutsche Ökumenische Studienausschuss (DÖSTA) nicht davon abhalten, ein ökumenisches Konzept für die Kirchen in der BRD zu entwickeln. Vielleicht fühlte sich der DÖSTA gerade angesichts der deutlichen Worte aus Hannover herausgefordert, einige seiner Mitglieder zu beauftragen, eine »Ausarbeitung über die künftige Zusammenarbeit der Kirchen in Deutschland« vorzubereiten.89 Dem beauftragten Ausschuss gehörten der überall ökumenisch aktive AltKatholik Küppers, der engagierte Joachim Lell, Direktor des Bensheimer Konfessionskundlichen Instituts, und der Düsseldorfer OKR Arnold Nieland an. Sie grenzten von Anfang an die Arbeit auf das Gebiet der BRD ein. Für die zukünftige ökumenische Entwicklung in Deutschland war es ein Schritt von 88 Vgl. Kap. 3.2.13. 89 Erich Geldbach, Der Deutsche Ökumenische Studienausschuss (DÖSTA), 69.

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Zeit der Neuordnung und der ACK-Erweiterungen

höchster Bedeutung, als der kleine Ausschuss zusätzlich Reinhard Frieling kooptierte. Der spätere Direktor des Konfessionskundlichen Instituts hatte sich intensiv in ökumenische Fragestellungen eingearbeitet.90 Er war 1969 bereits unter den Teilnehmern der Jahrestagung landeskirchlicher und freikirchlicher Ökumene-Referenten, die das kritische Referat von Bischof C. Ernst Sommer zum Selbstverständnis der ACK hörten.91 Mit Frieling gewann das DÖSTA-Trio einen äußerst kreativen und ökumenisch versierten Mitdenker. Der Ausschuss entwarf ein Konzept, in dem ein »Stufenplan« vorgeschlagen wurde. Fernziel war »eine neue ökumenische Dachorganisation«.92 Sie sollte die Möglichkeit eröffnen, »die vorhandenen ökumenischen Aktivitäten in Gemeinden, Landeskirchen, Diözesen, Freikirchen, Verbänden und Diensten« zu verbinden. In der Umsetzung war geplant, den verschiedenen Ebenen Räume zur eigenen Entfaltung zu eröffnen. »Das vorläufige Ziel der ökumenischen Zusammenarbeit ist auf allen Ebenen die Gemeinschaft der Kirchen auf der Grundlage des par cum pari.«93 Stufe 1 würde die Ebene der Kirchenleitungen erfassen. ACK, Kommissionen von EKD, DKB und Freikirchen träfen sich zu gemeinsamen Sitzungen. Ihre Aufgabe wäre es, die nächsten Schritte der Koordination zu beschließen, über eine Kirchenkonferenz in Deutschland zu beraten und Vorplanungen für einen Ökumenischen Rat in Deutschland einzuleiten. Es sollen Statistik, Dokumentation, Öffentlichkeitsarbeit, aber auch inhaltliche Themen wie Taufanerkennung, gemeinsame Gottesdienste und Eheseelsorge beraten werden. Zwischen den Werken, Verbänden und Diensten sollen ökumenische Arbeitsgemeinschaften gebildet werden, die auch in örtlichen oder regionalen Christenräten mitarbeiten können. Die erweiterte Ökumenische Centrale, die vom Kirchlichen Außenamt zu trennen wäre, spielt als »Koordinierungszentrum« eine herausragende Rolle. Das Arbeitspapier wurde durch den Beschluss des DÖSTA zu dessen Papier.94 Der landeskirchliche Referent in der Ökumenische Centrale schickte vorab eine Kopie dieses mutigen und weitreichenden Vorschlags an die Kirchenkanzlei in Hannover, um – wie er im Begleitschreiben ausführte – seinerseits Abspra90 O. V., Biographie und Bibliographie Reinhard Frieling, Bensheim 2011, Bibliographie 9 – 33. 91 Vgl. Kap. 3.2.8. 92 Vorlage des DÖSTA-Ausschusses vom 2. Juni 1970. EZA 2/15926. Daraus auch die folgenden Zitate. 93 par cum pari ist eine aus dem Ökumenismusdekret Unitatis Redintegratio als Bestandteil des geistlichen Ökumenismus übernommene Formel, die besonders in theologischen Fragen voraussetzt, dass ein jeder auf der Ebene der Gleichheit beteiligt ist. Der Ökumeniker Harding Meyer schreibt: »Das ›par cum pari‹-Prinzip des Dialogs […] ist ohne Zweifel grundlegend für jeden echten Dialog.« Kirchesein im ökumenischen Gespräch. In: ÖR 51. Jg. (2002), 140. 94 Erich Geldbach, Der Deutsche Ökumenische Studienausschuss (DÖSTA), 70. Mit kritischen Anmerkungen zu den Entwicklungen.

Probleme und Perspektiven am Ende des zweiten Jahrzehnts

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chen mit dem dortigen Catholica-Referat anzuregen, aber auch, um auf diesem Wege den kritischen Kirchenamtspräsidenten Hammer in den Informationsfluss einzubeziehen.95 Das Projekt mit dem Stufenplan war visionär. Reinhard Frieling als Mitarbeiter am DÖSTA-Papier zeigt in seinem fast gleichzeitig erschienenen »Handbuch – Ökumene in Deutschland« die Dimensionen in verschiedenen Perspektiven auf.96 »Angesichts der ökumenischen Flaute und der Konzeptionslosigkeit kirchlicher Strukturerneuerungen« stellte er sein Modell für ein interkonfessionelles Zusammenwirken zur Diskussion.97 Er ging davon aus, dass »eine enge Gemeinschaft zwischen den Kirchen […] das Gebot der Stunde« sei. Der Entwurf zielte auf ein »Zentrum« hin, »das soweit wie möglich alle kirchlichen Aktivitäten koordiniert zum Dienst des Evangeliums an der Welt.« Es wirkte zusammen mit regionalen »Koordinationszentren«, welche die Aufgabe hatten, bis in die Orte hinein auf verschiedenen Ebenen, »das Volk Gottes [zu] repräsentieren«. Sie sollten »kirchlich neutral« sein. Die verschiedenen Arbeitsgemeinschaften könnten als Ausweis kirchlicher Repräsentanz »den allgemeinen Titel ›Ökumenischer Rat‹« erhalten. »›Ökumenisch‹ ist ein Fachausdruck für interkonfessionell und kirchlich-international geworden, und ›Rat‹ ist auch im Deutschen eine angemessene Bezeichnung für ein Koordinationszentrum.« Damit legt Frieling eine »Grundstruktur Ökumenischer Räte in der BRD« vor und regt parallel den »Aufbau eines Ökumenischen Rates in der BRD« an. Diese Vorschläge machte der Ökumeniker Frieling bereits, bevor die römisch-katholischen Bistümer eine ACK-Mitgliedschaft anstrebten. Aber er hatte diese Perspektive durchaus im Blick. »Falls eines Tages die römisch-katholische Kirche der AGCKD beitritt,« sah Frieling in die Zukunft blickend, »wären die bilateralen Kontakte (evangelisch-katholisch, landeskirchlich-freikirchlich, katholisch-freikirchlich) keineswegs überflüssig, aber das hauptsächliche Gesprächforum sollte dann die AGCKD sein, und die zweiseitigen Begegnungen und Vereinbarungen sollten in Absprache mit der AGCKD vorgenommen werden.« Bei einer solchen Konzeption sei für die zu entwickelnde Arbeit an einen Ausbau der Ökumenischen Centrale zu denken. Sie könne die erforderlichen ökumenischen Koordinierungen jedoch in ihrer jetzigen Form nicht leisten, 95 Schreiben ÖC (R. Böckler) an OKR Gundert (mit Beilage für Präsident Hammer) v. 19. Juni 1970. EZA 2/15926. 96 Reinhard Frieling, Ökumene in Deutschland. Ein Handbuch der interkonfessionellen Zusammenarbeit in der Bundesrepublik. Im Auftrag des Konfessionskundlichen Instituts in Verbindung mit der Ökumenischen Centrale, Göttingen 1970, 39 – 57 (mit zwei Organigrammen). 97 Ebd. Daraus auch die folgenden Zitate.

324

Vorstand Sekretariat Ausschüsse Ä

T

Landesverb. d. Werke, Verbände u. Dienste

Dachverbände der Werke u. Dienste

O

K.

Regionale Kirchenleitung und ihre Ausschüsse

LOKALE RÄTE

REGIONALE RÄTE

ÖKUMENISCHER RAT IN DER BRD

L

A

Berufene

R

Vollversammlung

Gelegentliche Konferenz

B

A A

EKD, Kath. Bischofskonf., Freikirchen Altkath., Orthodoxe

Vollversammlung Berufene

AUFBAU EINES ÖKUMENISCHEN RATES IN DER BRD

E

Vorstand Sekretariat Ausschüsse

Vorstand Sekretariat Ausschüsse

Zeit der Neuordnung und der ACK-Erweiterungen

Dieses visionäre Konzept entwickelte Reinhard Frieling für die Zeit ab 1980/85. Es setzt die Konstituierung von regionalen und lokalen Räten voraus. Dieses zukünftige Konzept war verbunden mit der Hoffnung auf eine Aufwertung der ACK, die zu dieser Zeit noch klein gehalten wurde. (Quelle: nach Reinhard Frieling, Ökumene in Deutschland. Ein Handbuch der interkonfessionellen Zusammenarbeit, Göttingen 1970, S. 54 f.)

Probleme und Perspektiven am Ende des zweiten Jahrzehnts

325

»weil sie personell unterbesetzt und zu eng mit dem Kirchlichen Außenamt der EKD verbunden ist. Eine Änderung […] müsste dreierlei bewirken: a) die organisatorische Lösung vom Außenamt der EKD (eigener Neubau), b) eine Erweiterung des Stellenplans […], c) die Mitarbeit eines römisch-katholischen Referenten in offiziellem Auftrag.«98 Es ist bemerkenswert, dass hier ein Vorschlag von einem Mitarbeiter eines EKD-Instituts kam. Und es ist wohl typisch, dass er von diesem über seinen Ruhestand hinaus nimmermüden, kreativen und ökumenisch engagierten Reinhard Frieling kam. Sein Konzept nahm manche Anregungen aus früheren Vorschlägen auf. Es lässt sich der Eindruck nicht vermeiden, als sähen kirchenleitende Institutionen ihre bisher souverän wahrgenommene Alleinverantwortung in Gefahr. Es fehlte in der Tat in den verschiedenen Vorschlägen eine Klärung darüber, wo die Verantwortung für den erwogenen Ökumenischen Rat beginnt und vor allem, wo er gegenüber der Autorität der Kirchenämter seine Grenzen haben wird. Allein die wieder unmissverständlich erhobene Forderung der Trennung der Ökumenischen Centrale vom Kirchlichen Außenamt der EKD, die zweifellos bei breiter angelegter ökumenischer Verantwortung erforderlich war, musste in den landeskirchlichen Verwaltungsstellen kritisch beobachtet werden. Als der Bensheimer Konfessionskundler Frieling seine Konzeption entwarf, ahnte er wohl kaum, dass im Hannoverschen Kirchenamt dessen Präsident mit einer eindeutigen Pressemeldung auf die Bremse trat. Vielleicht war dieser Schritt nicht nur durch die Nachfolge-Diskussion der Uppsala-Teilnehmer ausgelöst, sondern auch im Hinblick auf den Diskussionsbeitrag aus Bensheim. Ein Ausgangspunkt für Frielings Überlegungen war die Ablehnung einer »Überkirche«. Andrerseits hieß es im Sinne der Formulierung aus dem ökumenischen Lund-Dokument von 1952: »Alles sollte gemeinsam getan werden, was man nicht aus Gewissens- oder Zweckmäßigkeitsgründen getrennt tun muß.« Das könne von einem oder mehreren Koordinierungszentren aus auf verschiedenen Ebenen geschehen, damit »das Volk Gottes am Ort« gemeinsam repräsentiert werden kann, wie es die ÖRK-Vollversammlung von Neu Delhi 1961 vorgeschlagen hatte. Frielings Vision zeigte seine internationalen Kenntnisse, wenn er Vergleiche mit Großbritannien und Holland anstellte, und seine ökumenische Pragmatik, die schon in diesem frühen Stadium Struktur- und Geschäftsordnungsfragen sowie Sitz- und Stimmenverteilungen bedachte. Er plädierte für einen Ökumenischen Rat der Kirchen in der BRD, an dessen Gründung jedoch innerhalb eines Stufenplans vor 1980 bis 1985 kaum zu denken sei. Nach dem vorliegenden Modell sollen zuvor die lokalen und regionalen Räte gebildet sein. Es wurden, typisch für Frieling, »Brüderlichkeit und Rücksicht98 Ebd., 56.

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Zeit der Neuordnung und der ACK-Erweiterungen

nahme auf Minoritäten« als Grundsatz angemahnt. In diesem Sinne sind auch seine verschiedenen Hinweise zu verstehen, in denen er die Kritik aus den Freikirchen an den bilateralen Beziehungen zwischen EKD und DBK aufnimmt. Der Entwurf und die von Reinhard Frieling bis in Einzelheiten ausgeführte Vorstellung eines ÖRK in der BRD lassen etwas von der ökumenischen Begeisterung der nachkonziliaren Zeit erkennen. In diesen Jahren war die römischkatholische Kirche noch nicht in die ACK-Mitgliedschaft eingetreten, aber deutliche Signale der Offenheit wurden von ihr ausgesandt und von der ACK aufgenommen. Der Visionär Reinhard Frieling war und blieb ein Motor für die Ausgestaltung der innerdeutschen Ökumene, auch wenn er nicht immer von allen Seiten Zustimmung fand. So war es auch mit dem vorgelegten Entwurf.

3.2.11 Eine weitere Initiative aus der Ökumenischen Centrale Ein weiterer persönlicher Anstoß kam von Otmar Schulz, dem freikirchlichen Referenten in der Ökumenischen Centrale. Der damalige Baptist legte seinen Entwurf am 6./7. November 1969 in der Form eines Organigramms vor, um ein überzeugendes Bild der von ihm erhofften Gestalt der Ökumene in Deutschland zu vermitteln.99 Der Vorschlag von Schulz zeigt im Zentrum einen »Generalsekretär« als »Leiter der ÖC und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft«, der »Kontakte zu Hamburg [Missionswerk], Stuttgart [Diakonisches Werk], Kirchenkanzlei [Hannover und Freikirchen], Kirchl. Außenamt [Frankfurt/M.], Genf (als Vertreter eines »associated council«)« wahrnimmt. Personell ausgestattet ist dieses Generalsekretariat mit weiteren vier »Theologischen Referenten«, denen je ein konkretes Aufgabenfeld zugedacht ist. Schulz stellte die Aufgaben dieser Referenten vor. Er beginnt mit dem freikirchlichen Mitarbeiter, den es schon seit einigen Jahren gab. Dessen Aufgaben sollen zukünftig sein: »Stellv. des Generalsekretärs, Kontakte zu den Freikirchen, Förderung des ökum. Anliegens dort. Mitglied in der A[rbeits-]G[ruppe] II der VEF100, Teilnahme an den ›Synoden‹ aller Freikirchen. Regelmäßige Publikation in freikichl. Organen. Vorbereitung etc. der ÖGW [Ökumenischen Gebetswoche]. Mitarbeit am JÖB [Jahrbuch oder Jahresbericht der Ökumene], Mitarbeit an ÖR [Ökumenische Rundschau], MD [Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts], Arbeitsheften/Regionaltagungen, Kontakte zu regionalen Arbeitsgemeinschaften.« 99 Organigramm mit Vorstellungen für eine zukünftige Struktur der Ökumene in Deutschland. LKA Hann. D 15X, Bd. III. Daraus die folgenden Zitate. 100 In der Vereinigung Ev. Freikirchen hieß 1969 die Arbeitsgruppe (AG) II: Weltmission und zwischenkirchliche Beziehungen, der Otmar Schulz als Mitarbeiter der ÖC angehörte.

Probleme und Perspektiven am Ende des zweiten Jahrzehnts

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Als zweiter Mitarbeiter sollte ein »Theologischer Referent« die Aufgabe als »Studiensekretär« erfüllen. Sein Aufgabenfeld: »Vorbereitung etc. Regionaltagungen, Geschäftsführer DÖSTA, Kontakte zu Studien- und Arbeitsgruppen (Erarbeitung von Material für diese Gruppen), Kontakte zu ök. Instituten, Bibliothek u. Archiv, Mitarbeit an Katalogisierung der Zeitschriften, Mitarbeit an JÖB.« Die dritte Stelle sollte ein »Theol. Referent oder theologisch bewanderter Journalist« einnehmen,101 dessen Aufgaben sein sollten: »Public Relations der AG [ACK] u. ÖC, Bildung eines entspr. Images, Schriftleitung der ÖR (verantwortl.), Schriftleit. des MD (verantwortl.), Schriftleit. der Arbeitshefte (verantwortlich), Faltblätter, Unterrichtshilfen etc., Kontakte zu Presseorganen wie epd, öpd, KNA102 u. a. m. (ausbaufähig).« Der vierte »Theol. Referent« sollte aus der röm.-kath. Kirche kommen. Stichworte zu seiner Mitwirkung: »Kontakte zur r. k. Kirche und Förderung des ökum. Anliegens dort etc. up-to-date Auskünfte zur Interkommunion, Mischehe, Kirchenrecht (soweit das ökum. Arbeit betrifft), Kontakte zu J. A. Möhler, Niederaltaich, Bensheim103 etc. (ausbaufähig).« Die speziellen Zuweisungen an die einzelnen Referenten werden im Organigramm um »Gemeinsame Aufgaben« ergänzt. »Beratung über alle Unternehmungen i. Team. Schaffung eines Überblicks über die gegenwärtige ökum. Lage, über Trendbildungen etc., prognostische Arbeiten, Beantwortung von Anfragen, Mitarbeit an publizistischer Arbeit der ÖC (ÖR, MD etc.).« Im Blick auf die Zuordnung wurde vorgeschlagen: »Der Stab der ÖC ist allen Mitgliedskirchen der AG [ACK] in gleicher Weise verantwortlich. Die AG [ACK] wird Rechtsträger der ÖC.104 Sie hat die personelle und finanzielle Aufsicht. Für Besoldung etc. gelten die Bundesrichtlinien.« Hier wird offen mit einer »in gleicher Weise« ausgeübten Verantwortung und einer eigenen Rechtsform de facto eine Abkoppelung von der EKD ins Spiel gebracht. Schließlich ist die heikle finanzielle Frage nicht ausgeklammert, aber über die Herkunft der Mittel wird keine Aussage gemacht. »Zu den 5 Referenten kämen 5 Sekretärinnen sowie eine Sachbearbeiterin für Bürowesen und Kassenverwaltung. Kosten ca. 350.000. Mark«. Schulz legte damit einen mutigen, weitreichenden Entwurf vor. Hatte er be101 Es war richtig erkannt, dass die innerdeutsche Ökumene nur in Fachzeitschriften wie der ÖR und dem MD eine Stimme hatte, aber die breite kirchliche Öffentlichkeit über die Kirchenzeitungen selten erreicht wurde. 102 epd = Ev. Pressedienst, öpd = ök. Pressedienst (Genf), KNA = Kath. Nachrichtenagentur. 103 Das römisch-katholische Johann-Adam-Möhler-Institut hat seinen Sitz in Paderborn und war unter Lorenz Kardinal Jaeger ökumenisch überregional aktiv. Niederaltaich war der Sitz einer Benediktinerabtei, in der seit 1962 ein »Ökumenisches Institut« angesiedelt war. Dort erschien auch die Zeitschrift Una Sancta. Von Bensheim aus wirkte das Konfessionskundliche Institut durch seine kompetenten Mitarbeiter besonders auf die Theologen ein, auch durch die Ausrichtung von Fachtagungen. Dort erschien auch der »MD – Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts«. 104 Bis dahin hatte die Ökumenische Centrale noch keinen eigenen Rechtsstatus.

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Zeit der Neuordnung und der ACK-Erweiterungen

wusst die Frage der Zuordnung zu den Kirchenleitungen so schwach institutionalisiert? Jene, die immer daran interessiert waren, der ACK so wenig Gewicht wie möglich zu überlassen, müssen diese Vorstellung einer ökumenischen Emanzipation von Anfang an als utopisch angesehen haben. Die von Otmar Schulz entwickelten Vorstellungen passten in diese Zeit der gesellschaftlichen Veränderungen und des Aufbegehrens hinein. Aber sie spiegeln auch Überlegungen wider, die von der Nacharbeitstagung der Uppsala-Teilnehmer und der Konsultation mit den EKD-Werken ausgegangen waren. Wie reagierte nun der Rat der EKD auf die laufende Debatte, die ihn ja in mehrfacher Hinsicht betraf ?

3.2.12 Ein »Memorandum« der ACK im Rat der EKD (1970) Nach den verschiedenen Initiativen zur Weiterentwicklung der ACK hatte deren Mitgliederversammlung am 30. Januar 1970 eine Entschließung verabschiedet, die als »Memorandum« an alle Mitgliedskirchen verschickt wurde. Dessen Inhalt war eine zusammenfassend gestaltete Überlegung zur Neugestaltung der ACK. In ihrem Zentrum stand der Vorschlag zu einer ökumenischen »Konferenz der Kirchen in Deutschland […], die einen Weg zur Gestaltung der verbindlichen weiteren ökumenischen Zusammenarbeit suchen sollte.«105 In dem »Memorandum« wird eine Fortentwicklung der ACK gefordert, weil »der deutliche Wandel in der Lage der ›innerdeutschen Ökumene‹ seit 1948 mit zunehmender Intensität offenkundig geworden ist.« Die Strukturen seien nach 21 Jahren des ökumenischen Fortschritts »eher hinderlich als förderlich«.106 Es wird eine bessere Koordination aller ökumenischen Aktivitäten gefordert, für welche die ACK das geeignete Instrument sei. Ihre Aufgaben werde die ACK auch verantwortungsvoller erfüllen können, wenn die Kirchen »ausnahmslos Vertreter ihrer Leitungsgremien« delegieren. Die römisch-katholische Kirche, bisher gastweise in ACK-Sitzungen, und der Bund Freier evangelischer Gemeinden, seit der ACKGründung Gastmitglied, sollten die volle Mitgliedschaft erwägen. Im Zusammenhang »verbindlicher« Mandate der Delegierten seien Einzelheiten in einer neuen ACK-Verfassung festzulegen. In einem zweiten Gedankenkreis ging es um die »künftige Gestaltung der Ökumenischen Centrale« mit den verschiedenen im Vorfeld aufgeworfenen Fragen: mehr Aufgaben, mehr Planstellen und Loslösung vom Kirchlichen Außenamt. 105 Schreiben der ACK an alle Mitgliedskirchen vom 3. Febr. 1970. EZA 2/15926. Vgl. auch: Erich Geldbach, Der Deutsche Ökumenische Studienausschuss (DÖSTA). Chronik der ersten fünf Jahrzehnte, Frankfurt/M./Paderborn, 2010, 70 u. 74. 106 Memorandum an die Mitgliedskirchen der ACK vom 30. Jan. 1970. EZA 2/15926.

Theol. Referent „Studiensekretär“ Vorbereitung etc. Regionaltagungen Geschäftsführer DÖSTA Kontakte zu Studien- und Arbeitsgruppen (Erarbeitung von Material für diese Gruppen) Kontakte zu ök. Instituten Bibliothek u. Archiv Mitarbeit an Katalogisierung der Zeitschriften Mitarbeit an JÖB

Theologischer Referent aus einer Freikirche Stellv. des Generalsekretärs Kontakte zu den Freikirchen Förderung des ökum. Anliegens dort Mitgl. der AG II der VEF Teilnahme an den „Synoden“ aller Freikirchen Regelmäßige Publikationen in freikirchl. Organen Vorbereitung etc. der ÖGW Mitarbeit an JÖB Mitarbeit an ÖR, MD, Arbeitsheften / Regionaltagungen Kontakte zu regionalen Arbeitsgemeinschaften

Kosten: ca. 350.000,--

Zu den 5 Referenten kämen 5 Sekretärinnen sowie eine Sachbearbeiterin für Bürowesen und Kassenverwaltung

Beratung über alle Unternehmungen i. Team. Schaffung eines Überblicks über die gegenwärtige ökum. Lage, über Trendbildungen etc. Prognostische Arbeiten Beantwortung von Anfragen Mitarbeit an publizistischer Arbeit der ÖC (ÖR, MD etc.)

GEMEINSAME AUFGABEN:

Generalsekretär Leiter der ÖC Geschäftsführer der AG Kontakte zu Hamburg, Stuttgart, Kirchenkanzlei, Kirchl. Aussenamt, Genf (als Vertreter eines “associated council“

Der Stab der ÖC ist allen Mitgliedskirchen der AG in gleicher Weise verantwortlich. Die AG wird Rechtsträger der ÖC. Sie hat die personelle und finanzielle Aufsicht. Für Besoldung etc. gelten die Bundesrichtlinien.

Theol. Referent aus der r.k. Kirche Kontakte zur r.k. Kirche und Förderung des ökum. Anliegens dort etc. up-to-date-Auskünfte zu Interkommunion, Mischehe, Kirchenrecht (soweit des ökum. Arbeit betrifft) Kontakte zu J. A. Möhler, Niederaltaich, Beusheim etc. (ausbaufähig)

Theol. Referent oder theol. bewanderter Journalist Public Relations der AG u. ÖC Bildung eines entspr. Images Schriftleitung der ÖR (verantwortl.) Schriftleit. des MD (verantw.) Schriftleit. der Arbeitshefte (verantwortlich) der Faltblätter, Unterrichtshilfen etc. Kontakte zu Presseorganen wie epd, öpd, KNA u.a.m. (ausbaufähig)

Probleme und Perspektiven am Ende des zweiten Jahrzehnts

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Im Zuge der Annäherung der römisch-katholischen Kirche an die ACK stellte die Bischofskonferenz verschiedene Fragen. Während dieser Zeit entwarf Otmar Schulz, freikirchlicher Referent in der Ökumenischen Centrale, eine Struktur für die zukünftige Entwicklung, die jedoch nicht zum Zuge kam. (Quelle: nach Landeskirchliches Archiv Hannover, Bestand 574 (1969))

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Zeit der Neuordnung und der ACK-Erweiterungen

Das umfangreiche Projekt hoffte die ACK auf der vorgeschlagenen »Konferenz der Kirchen in Deutschland« diskutieren zu können, an der auch die römisch-katholische Kirche als noch-nicht-ACK-Mitglied teilnehmen solle. Wie reagierte die EKD als die Kirche, die den stärksten Einfluss auf die innerdeutschen Ökumene ausübte, auf diesen Impuls? Am 10. Juni 1970 stand auf der Tagesordnung der EKD-Ratssitzung: »Memorandum zu einer Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland«.107 Das klingt, als müsse die ACK erst erfunden werden. Der EKD-Ökumene-Beauftragte und ACK-Geschäftsführer Hanfried Krüger führte in die Diskussion ein und erläuterte den Entwurf zu einer »Konferenz der Kirchen in Deutschland«. Die Behandlung dieser Frage erfolgte zu der Zeit, als die ACK eine Kommission beauftragt hatte, Vorschläge für eine »Kirchenkonferenz« als »Konsultativ-Konferenz aller Kirchen« zu erarbeiten, welcher dann die erarbeiteten ›Richtlinien‹ vorgelegt werden sollten. In der Rats-Diskussion um diese zukünftige Perspektive trat die Frage nach der Zweckmäßigkeit neuer Richtlinien auf, die eigentlich schon eine Satzung darstellten. Dabei ging nach der Einschätzung im Rat der EKD der Entwurf »zu weit; mit kleineren Schritten, die wenig über die jetzige Zusammenarbeit in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen hinausgehen, würde mehr erreicht.« Wieder taucht die Aufgabe auf, »zu klären, wie die Freikirchen selbst zu einer Mitarbeit der römisch-katholischen Kirche stehen.« Diese Unsicherheit war hausgemacht, denn abgesehen von den früheren positiven Äußerungen, ja Forderungen wenigstens einiger Freikirchen, kamen die jetzt diskutierten Vorschläge aus der ACK und waren von den dortigen Freikirchen unterstützt. Manchmal gewinnt man den Eindruck, innerhalb der EKD, in der es von einigen zentralen Mitarbeitern im Kirchenamt die Vorstellung einer ausschließlich bilateralen Beziehung zwischen der EKD und der katholischer Bischofskonferenz gab, wurden die Freikirchen als Bremser vorgeschoben. Man darf nicht vergessen, dass bereits bei den Vorgesprächen zur Bildung der ACK von freikirchlicher Seite die Frage nach den Orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche aufgeworfen worden war,108 aber die EKD diesen und andere Aspekte für die nächste Sitzung nicht auf die Tagesordnung nahm. 1970 wurde im Rat betont, man wolle »durch die Mitarbeit der römisch-katholischen Kirche nicht die bestehende Zusammenarbeit mit einigen Freikirchen verlieren.« Schließlich tauchte auf dieser Ebene die völlig neue Fragestellung auf, »welchen Nutzen die ganze Sache den Gemeinden bringt.« Im Rat war man mit der Zusammenarbeit mit Freikirchen bei ›Brot für die Welt‹, in der Weltmission und beim Diakonischen Werk zufrieden. Weitere ge107 Prot. EKD-Rat 10. Juni 1970, 14. EZA 2/15926. Daraus auch die folgenden Zitate. 108 Vgl. Kap. 1.9.5.

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meinsame Aufgaben könnten ohne eine neue Satzung in Angriff genommen werden. Über die jetzige Verbindung durch die ACK hinaus könnten die Freikirchen z. B. bei Entscheidungen wie »beim Gemeinsamen Vaterunser und dem Gemeinsamen Apostolikum« beteiligt werden. Wie notwendig das war, zeigt eine längere Liste bereits gemeinsam von EKD und DBK übersetzter »Liturgischer Texte«, die in unterschiedlicher Weise auch das gottesdienstliche Leben der Freikirchen betreffen.109 Der Münchener Landesbischof Hermann Dietzfelbinger stellte als Ratsvorsitzender zusammenfassend »eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Entwurf fest.« Nach einer Überarbeitung könne er der Konsultativ-Konferenz, jedoch lediglich als Arbeitspapier, dem der Rat nicht zugestimmt hat, vorgelegt werden. In Stichworten wurden noch einige ergänzende Gesichtspunkte festgehalten: die Orthodoxen Kirchen sind anzufragen, lokale ACKs können nicht Mitglied werden, die bilateralen EKD-DBK-Beziehungen müssen im Falle solcher multilateraler Zusammenarbeit »genau überdacht und geregelt werden«, der Name ›Konferenz der Kirchen in Deutschland‹ kann leicht zu Verwechslungen mit der schon bestehenden »Kirchenkonferenz« im Bereich der Gliedkirchen der EKD führen und muss geändert werden, der Generalsekretär mit der nicht zu großen Geschäftsstelle sollte nebenamtlich tätig sein, um nicht zu viele Aufgaben an sich zu ziehen, und schließlich wird eine Rechtsform für nötig gehalten.110 Die vorsichtige Offenheit ist sicher Folge eines Vorschlags, den das Ratsmitglied, Rudolf Weeber, der ein angesehener Kirchenjurist war, im Auftrag der EKD schon vor der Sitzung im Gespräch mit Hanfried Krüger formuliert hatte.111 Flankiert wurden die Ratsüberlegungen durch ein vorausgegangenes Kontaktgespräch zwischen DBK und EKD. Darin wurde bereits der Gedanke aufgeworfen, der von der ACK vorgeschlagenen Kirchenkonferenz könne die Aufgabe zugewiesen werden, Modalitäten für die zukünftige gesamtökumenische Zusammenarbeit zu erörtern und vorzubereiten.112 Zweifellos hatte die katholische 109 Als gemeinsam übersetzte »Liturgische Texte« wurden durch den Rat der EKD und die DBK autorisiert: Das Vater Unser (1966), Gloria Patri, Gloria in Excelsis Deo, Credo Apostolicum, Credo Nicaeno-Constantinopolitanum, Sanctus, Agnus Dei, alle 1971; dazu ein Ökumenisches Verzeichnis der biblischen Eigennamen nach den Loccumer Richtlinien hrsg. von den Deutschen Bischöfen, dem Rat der EKD und dem Ev. Bibelwerk, erarbeitet nach den Weisungen der Ökumenischen Übersetzerkommission von Klaus Dietrich Fricke und Benedikt Schwank OSB, Katholische Bibelanstalt, Württembergische Bibelanstalt, Stuttgart 1971. – Weitere Texte sind erfasst in: Gemeinsame evangelisch-katholische Verlautbarungen, autorisiert vom Rat bzw. EKD und Deutschen Bischofskonferenz. EZA 2/ 16054. Dort auch bis 1976 erfolgte Gemeinsame Verlautbarungen. 110 Prot. EKD-Rat 10. Juni 1970, 14. EZA 2/15926. 111 Vgl. Kap. 3.2.14. 112 Prot. EKD/DBK Kontaktkommission (Entwurf), 1970, 16. EZA 2/16040.

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Zeit der Neuordnung und der ACK-Erweiterungen

Bischofskonferenz im Vorfeld ihrer ACK-Vollmitgliedschaft Interesse daran. Auch von der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Oldenburgs war für den Rat eine Stellungnahme eingegangen. Durch Bischof Hans Heinrich Harms hat die Landeskirche auf das »Memorandum« reagiert und dem Rat der EKD folgendes mitgeteilt: »Der Evangelisch-lutherische Oberkirchenrat in Oldenburg hat sich […] mit der Entschließung der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland beschäftigt. Er ist der Meinung, daß der Zeitpunkt gekommen sei, eine Konferenz der Kirchen in Deutschland zu bilden, um eine verbindliche ökumenische Zusammenarbeit zu erreichen. Wir stimmen dem in der Entschließung gemachten Vorschlag zu und bitten den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, diese Konferenz auf einer Klausurtagung, zu der jede beteiligte Kirche einen Vertreter entsendet, vorbereiten zu lassen.«113

Dieser Vorgang ist einer der wenigen Fälle, in denen die ACK selber das Heft in die Hand genommen hat und sich der Rat der EKD zusammen mit den anderen Mitgliedskirchen in der Rolle fand, darauf zu reagieren. Was das Protokoll über den Verlauf der Ratssitzung dazu festhielt, weckte die Hoffnung, dass Bewegung in die aufgeworfenen Fragen kam.

3.2.13 Eine ökumenische »Konferenz der Kirchen«? (1971/72) Als im Laufe des Jahres 1971 noch einmal die Möglichkeit einer regelmäßigen ökumenischen »Kirchenkonferenz« beschrieben wurde, hieß es über deren Sinn und Zweck: »Die Kirchenkonferenz dient der Pflege unmittelbarer Kontakte zwischen den obersten Leitungen« der Kirchen und Gemeinschaften.114 Zu den Einzelheiten dieses Projekts sind schon im Vorfeld aus der Berliner Ökumene Bedenken angemeldet worden. »Wenn diese Konferenz womöglich nur alle 4 Jahre zusammentritt […], dann kann eine solche Zusammenkunft eigentlich nur dekorativen Charakter haben, und wesentliche Entscheidungen sind von diesem Gremium nicht zu erwarten.«115 Die Frage nach einer ökumenischen Kirchenkonferenz kam nicht zur Ruhe. Noch im Mai 1972 haben es die in Bensheim tagenden Catholica-Referenten aus den Gliedkirchen der EKD, den Freikirchen und der Alt-Katholischen Kirche in einer gemeinsamen Entschließung begrüßt, die ACK zu einem »Forum der in113 Schreiben Ev. Oberkirchenrat Oldenburg an den Rat der EKD 17. Febr. 1970. EZA 2/15926. 114 Prot. ACK 29. Okt. 1971, 7. EZA 2/15919. 115 Stellungnahme der Mitarbeiter des Ökumenisch-Missionarischen Instituts vom Ökumenischen Rat Berlin zum Entwurf v. 31. 3. 1971 (Rudolf Weckerling und Reinhard Groscurth). EZA 2/15919.

Probleme und Perspektiven am Ende des zweiten Jahrzehnts

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nerdeutschen Ökumene auszubauen« und die römisch-katholische Kirche zur vollen Mitgliedschaft zu gewinnen. In diesem Zusammenhang hielten sie den ACK-Vorschlag für »erwägenswert, eine deutsche ökumenische Kirchenkonferenz herbeizuführen.« Weiter heißt es: »Die Spitzenvertreter und verantwortlichen Repräsentanten aller Kirchen in der Bundesrepublik hätten hier Gelegenheit, konkrete Schritte für die ökumenische Arbeit zu vereinbaren.«116 Die Catholica-Referenten gingen davon aus, dass die »Spitzenvertreter« von der gleichen ökumenischen Leidenschaft erfüllt waren, wie sie selber es zu dieser besonderen Zeit des Aufbruchs waren. Trotz der lebhaften Diskussionen auf ganz unterschiedlichen Ebenen und von mehreren Gremien in den verfassten Kirchen ist es bis heute nicht zu einer solchen ökumenischen Kirchenkonferenz gekommen. Dies mag ganz unterschiedlichen Gründen geschuldet sein. Dass trotz aller Bewegung eine Weiterentwicklung der ACK mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, zeigt der folgende Abschnitt.

3.2.14 Irritation durch den EKD-Kirchenamtspräsidenten (1970) Mit einem schrillen Ton schaltete sich kein Geringerer als der Präsident des EKD-Kirchenamtes Walter Hammer in die Ökumene-Debatte ein. Anlässlich einer Tagung der Redakteure des Evangelischen Pressedienstes erteilte er den Hoffnungen auf einen ökumenischen Fortschritt eine schroffe Absage. Die Frankfurter Zentralausgabe des Evangelischen Pressedienstes (epd) verbreitete folgende beunruhigende Meldung: »Bedenken gegen einen ›Nationalen Christenrat‹ Präsident Hammer : Publikumswirksam, aber wirkungslos epd Hannover, 25. Februar 1970. Als einen ›modernistischen Trend‹ bezeichnete Präsident Walter Hammer von der EKD-Kanzlei in Hannover die von landes- und freikirchlichen Gruppen in jüngster Zeit wiederholt erhobene Forderung nach einem ›Nationalen Christenrat‹ für die Bundesrepublik. Auf einer Informationstagung für Redakteure im ›Gemeinschaftswerk der Evangelischen Presse‹ sagte Hammer am Dienstag, 24. Februar, ausländische Vorbilder für solche interkonfessionellen Arbeitsgemeinschaften ließen sich nur bedingt auf ein Land übertragen, in dem schon allein aufgrund ihrer zahlenmäßigen Stärke die römisch-katholische und die evangelische Kirche die einzig relevanten Gesprächspartner für eine ›innere Ökumene‹ seien. Der Wunsch, in der Bundesrepublik einen ›Nationalen Christenrat‹ zu errichten, sei 116 Schreiben Konfessionskundliches Institut Bensheim (J. Lell) v. 18. August 1972 an den Strukturausschuss der EKD und nachrichtlich an die Kirchen in der ACK, die Gliedkirchen der EKD, den Catholica-Ausschuss der EKD, das Kirchl. Außenamt der EKD, das Diakonische Werk, den Deutschen Ev. Missionsrat und die Ökumenische Centrale.

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›zwar publikumswirksam, aber wirkungslos‹; denn nach Lage der Dinge könne ein solches Gremium nur ›unverbindliche Gesprächsbasis‹ sein und über die Notwendigkeit von Zugeständnissen an die jeweilige eigene Konfession hinwegtäuschen. Hammer befürwortete eine ›Aufeinanderfolge von Teilreformen‹ an Verfassung und Struktur der EKD.117 Eine revolutionäre Änderung der Organisationsformen des Protestantismus in der Bundesrepublik lehnte er dagegen ab: ›Wir müssen pragmatisch nach Dringlichkeit und Erreichbarkeit vorgehen‹, sagte er. Besonders wichtig ist nach Ansicht Hammers eine stärkere aktive Beteiligung von Nichttheologen in Synode und Rat der EKD. Die Synodaltagung, die im Mai in Stuttgart stattfinde, werde in dieser Beziehung wichtige Entscheidungen zu fällen haben.«118

Mit dieser gezielt verbreiteten Meldung löste der Kirchenamtspräsident bei den beiden ACK-Vorsitzenden, Bischof C. Ernst Sommer (Frankfurt/M.) und dessen Stellvertreter Landesbischof Gerhard Heintze aus Braunschweig, kritische Reaktionen aus. Zuerst meldete sich Landesbischof Heintze zu Wort. Er kündigte einen Besuch beim Präsidenten an, »um nach dem eigentlichen Sinn Ihrer Äußerung zu fragen.«119 Der Braunschweiger Bischof reagierte mit einem äußerst kritischen Brief, der auch die Rolle der EKD in der Zeit des zunehmenden Interesses der katholischen Bischöfe an einer ACK-Mitgliedschaft widerspiegelt. Weil er die unterschiedliche Einstellung zur Entwicklung der ACK zeigt, soll er, ebenso wie es mit der auslösenden epd-Meldung geschah, ausführlich zitiert werden. Einleitend bemüht sich Bischof Heintze, Verständnis für eine Fehlinterpretation der Präsidenten-Äußerung durch den epd aufzubringen. Aus heutiger Sicht kann man sich schlechterdings kaum vorstellen, dass der epd-Text nicht mit dem Kirchenamtspräsidenten abgestimmt war. Zwar zählte Hammer »zu den schärfsten Kritikern des epd«,120 aber dies wird um so mehr Anlass gewesen sein, den Text seiner Stellungnahme nicht ohne seine Zustimmung zu verbreiten. Der Braunschweiger Bischof Gerhard Heintze meldete sich als Stellvertretende ACK-Vorsitzender zuerst zu Wort. Er schrieb an den Kirchenamtspräsidenten, er könne sich nicht vorstellen, »daß der epd Ihre Äußerungen ganz richtig wiedergegeben hat. So wie sie dastehen, müssen sie tatsächlich als eine völlige Ablehnung der Entwicklung der Arbeit der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland verstanden werden, und ein solches Urteil würde ich, auch abgesehen von der Tatsache, daß ich unlängst vom Rat 117 Vgl. Kap. 3.3.1. 118 epd ZA Nr. 41 vom 25. Februar 1970. 119 Schreiben Landesbischof Gerhard Heintze an Präsident Walter Hammer vom 4. März 1970. EZA 2/15930. 120 Hans Hafenbrack, Geschichte des Evangelischen Pressedienstes. Evangelische Pressearbeit von 1848 – 1981, Bielefeld 2004, 556. In seiner Funktion als Kirchenamtspräsident war Walter Hammer seit dem 25. September 1968 Vorsitzender des Vereins »Haus der Evangelischen Publizistik«, in dem der epd nach seiner Übersiedlung aus Bethel beheimatet war.

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der EKD in die Arbeitsgemeinschaft entsandt und dort inzwischen zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde, für unrecht halten. Ich verstehe es durchaus, daß es im Augenblick in bezug auf den künftigen Weg der Arbeitsgemeinschaft noch viele offene Fragen gibt, besonders was eine evtl. künftige offizielle Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche angehen würde. Aber ich habe doch den Eindruck, daß in der Arbeitsgemeinschaft viel Positives neu in Gang gekommen ist. Auf der Begegnungstagung zwischen Vertretern der Deutschen Katholischen Bischofskonferenz und den Delegierten des Rates der EKD wurde die Frage der Arbeitsgemeinschaft auch kurz erörtert. Ich konnte nicht anders, als mein Bedauern über die epd-Meldung vom 25. Februar d. J. ausdrücklich auszusprechen. Trotz der hinsichtlich der Arbeitsgemeinschaft noch bestehenden offenen Fragen, äußerten sich sowohl die katholischen Vertreter wie auch die anwesenden Ratsmitglieder in der Richtung, daß man grundsätzlich der Arbeitsgemeinschaft gegenüber Offenheit beweisen solle und auch der von der Arbeitsgemeinschaft geplanten Klausurtagung, auf der über die künftige Struktur der Arbeitsgemeinschaft beraten werden sollte, keine Hindernisse in den Weg gelegt werden sollten. Überdies wurde auf der Sitzung der Arbeitsgemeinschaft am 30. Januar d. J. auch deutlich ausgesprochen, daß die EKD als Ganze und nicht nur die einzelnen Landeskirchen in der Arbeitsgemeinschaft weiterhin vertreten bleiben sollte. Es kommt sicher auch seitens der EKD darauf an, etwa vorhandenen Tendenzen, die auf ein Konkurrenzverhältnis von EKD und ›Nationalem Christenrat‹ hinauslaufen könnten, zu widerstehen und Notwendigkeit wie Möglichkeit einer guten Zusammenarbeit, wie sie in der jetzigen Ökumenischen Centrale ja schon gegeben ist, zu betonen.«121

Die unterschiedlichen Einschätzungen zwischen dem Rat der EKD und dessen Kirchenamtspräsidenten könnten auch durch das Interesse verstärkt worden sein, das von Seiten der katholischen Bischöfe der ACK gegenüber immer wieder durchklang. Der Eindruck verstärkt sich immer mehr, dass die Konzilsergebnisse und die Konkretisierungen in der ersten Kirchenkonstitution umfassend und nicht nur bilateral umgesetzt werden sollten. Dabei muss man im Bewusstsein haben, dass die EKD als eine Bundesgemeinschaft autonomer Kirchen durch ihre territoriale Struktur seit der Reformation geprägt war. Ihre Blickrichtung war nach innen gerichtet, zunächst auf die Existenz der einzelnen Landeskirchen mit den Interessen der Landesväter in den deutschen Kleinstaaten und danach auf das deutsche Reich, in dem die Landeskirchen noch keinen Weg fanden, der politischen Einheit auch eine alte Grenzen übersteigende kirchliche Einheit zu bilden. Dagegen waren die römisch-katholischen Bischöfe Repräsentanten einer weltweiten Kirche, nicht nur mit Rom verbunden, sondern international aktiv. Es war die methodistische Kirchenfamilie, der die Konzilväter in Rom immer wieder begegneten, weil sie beim Konzil mit der 121 Ebd.

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größten aller Beobachterdelegationen vertreten war.122 Begegnungen zwischen führenden Landeskirchlern und methodistischen Bischöfen hatte es eher am Rande der Kirchentage oder anlässlich von Vollversammlungen des ÖRK gegeben. Offizielle Gespräche in Deutschland waren noch nicht auf der Tagesordnung. Unbeabsichtigt bestätigt Bischof Heintze in seinem Brief auch, wie stark der vorentscheidende Einfluss der bilateralen Gespräche zwischen dem Rat der EKD und der Deutschen katholischen Bischofskonferenz für die Entwicklung der ökumenischen Strukturen zu dieser Zeit bereits war. Ein reichlich 3-seitiger Antwortbrief des Kirchenamtspräsidenten Hammer123 an den Braunschweiger Landesbischof zeigt seine Einschätzung der innerdeutschen Ökumene. Nach der Kritik an seiner epd-Meldung, die »nicht voll und in einer meinen tatsächlichen Ausführungen entsprechenden Breite« klarmache, um was es ihm in dieser Sache ging, könne er jetzt seine Position präzisieren. Er mahnte dann im Blick auf die Entwicklung eines Nationalen Christenrats »zur Nüchternheit« und wolle »ein Gegengewicht zu manchem Überschwang bilden, mit dem dieses Thema in diesen und jenen Gazetten behandelt wird.« Bischof Heintze wusste es besser, denn die Tendenz war nach der ÖRK-Vollversammlung Uppsala von einflussreichen Direktoren verschiedener EKD-Werke auf einer von der ACK einvernehmlich mit dem Rat der EKD einberufenen Konsultation zukunftsorientiert diskutiert worden.124 Für Präsident Hammer war es Zeit, »dieser Gefahr zu begegnen«, wie er dem Braunschweiger Landesbischof schrieb. Für den Kirchenamtspräsidenten waren die evangelische und der römisch-katholische Kirche »die überwiegenden ›Blöcke‹ kirchlicher Organisationen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten: […] S i e sind m. E. in der Tat die Gesprächspartner, auf die es in erster Linie ankommt, soll innerhalb unseres Raumes auf ökumenischem Gebiet tatsächlich etwas geschehen.« Die Forderung nach einem Nationalen Christenrat sei »zwar publikumswirksam, aber wirkungslos.« Die Zusammenarbeit der römisch-katholischen Kirche sei förderungswürdig und real. »Woran mir liegt«, schrieb Präsident Hammer, »ist dieses: Irreale Erwartungen und lyrisches Beiwerk fernzuhalten, das den Fortgang nur stören kann, wenn es schon für übermorgen [!] einen Nationalen Christenrat mit umfassenden Kompetenzen als möglich beschreibt.« 122 Neben fünf anderen methodistischen »Beobachter-Delegierten« war einer der aus Deutschland stammende, während seiner erzwungenen Emigration zur methodistischen Kirche übergetretene Freund Dietrich Bonhoeffers, Franz Hildebrandt (1909 – 1985). – Vaticanum secundum, Bd. 1 Die erste Konzilsperiode, hrgg. von Otfried Müller, Leipzig 1963, 186. 123 Evangelische Kirche in Deutschland (Präsident Hammer) an Landesbischof Dr. G. Heintze, Brief vom 9. März 1970. EZA 2/15930. Daraus auch die folgenden Zitate. 124 Vgl., Kap. 3.2.5.

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Warum hatte das Kirchenamt zu seinen mehrfach betonten »Warnungen« durch den Präsidenten die Öffentlichkeit gesucht? Hätte nicht das Gespräch mit den ACK-Kirchen nahegelegen, an dem auch die EKD-Delegierten beteiligt gewesen wären? Mussten sie es nicht als eine Entmündigung empfinden, dass sogar an Bischof Heintze als dem stellvertretenden ACK-Vorsitzenden vorbei für die Verbreitung der »Warnungen« der Weg über den epd gesucht wurde? Ausdrücklich abwehrend schrieb das Kirchenamt über den von Heintze ins Gespräch gebrachten Gedanken über »ein etwaiges ›Konkurrenzverhältnis‹ zwischen EKD und Nationalem Christenrat«. »Das fürchte ich nicht,« hieß es in dem Schreiben, »denn dort wären wir ja alle innerhalb einer Gemeinschaft zu gemeinsamem Handeln beisammen.« Präsident Hammer hatte schon vorher gemutmaßt, »daß auf der Welle eines modernen ökumenischen Gefühls sehr publikumswirksam ein recht unverbindlicher Schritt angepriesen wird, um längst fällige verbindliche Schritte auf dem Weg zu einer stärkeren Gemeinsamkeit innerhalb der EKD nicht tun zu brauchen.« Darin zeigte sich offensichtlich die Sorge, eine zur gleichen Zeit innerhalb der EKD diskutierte Strukturreform könne durch ökumenische Entwicklungen ausgehebelt werden. Oder richteten sich die Äußerungen Hammers gegen die Vereinigte Ev.-Lutherische Kirche (VELKD), deren Vorläufer 1945 gerne einen anderen Weg als den der Bildung eines Kirchenbundes gegangen wären und die zur Zeit, wie Hammer in dem selben Schreiben beklagt, »ihre EKD-Pläne ohne uns [EKD] verhandelt?«125 Jedenfalls lassen die Äußerungen aus dem Kirchenamt ahnen, dass auch Kompetenzfragen im Bereich der EKD in die Vorbehalte hineinspielten und ein altes Problem aus der Gründungsphase der ACK wieder belebten. Hammer wusste, dass er mit seiner epd-Meldung einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hatte. Er ließ sogleich einhundert Kopien seines Briefes, dessen Original für den Braunschweiger Bischof geschrieben war, herstellen und verschickte einige davon umgehend an Bischof H. H. Harms (Oldenburg), OKR Klapper (VELKD, Hannover), an OKR Krüger ins Frankfurter Kirchliche Außenamt (!), an Chefredakteur H. W. Heßler (epd, Frankfurt/M.), Präses Thimme (Bielefeld), Frau Schlappkohl (Berlin) und Professor Axel von Campenhausen (München). Weder die Ökumenische Centrale noch der ACK-Vorsitzende Bischof C. Ernst Sommer tauchen in dem Verteiler mit den Erklärungen des Kirchenamtspräsidenten auf. Am 11. März schrieb der ACK-Vorsitzende Bischof C. Ernst Sommer, der zur gleichen Zeit Vorsitzender des Präsidiums der Vereinigung Ev. Freikirchen war, an den Kirchenamtspräsidenten.126 Sommer zeigte sich empört, dass der Prä125 Ebd., 4 als PS. 126 ACK-Vors. C. E. Sommer an Präsident Hammer, Brief v. 11. März 1970 (Abschrift). Daraus auch die folgenden Zitate. LKA Hann. D 15X, Bd. III.

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sident des Kirchenamtes »das Streben nach ökumenischer Zusammenarbeit als ›modernistischen Trend‹« bezeichnet hatte. Schließlich fiele die in einer solchen Formulierung zum Ausdruck kommende »Diffamierung« nicht zuletzt »auf das ökumenische Streben […] von EKD-Vertretern zurück, nämlich bei den beiden Uppsala-Nacharbeitstagungen« von 1968 und 1969. In mehr als 20 Jahren habe sich in der ACK »ein Vertrauensverhältnis entwickelt, das von einem früheren Ohne-, ja Gegeneinander zum Miteinander und Füreinander geführt hat. Aus dieser Kooperation ist der Wunsch nach verbindlicherer ökumenischer Zusammenarbeit erwachsen; und die Arbeitsgemeinschaft sucht in enger Fühlungnahme mit dem Rat der EKD und den Leitungsgremien der anderen Mitgliedskirchen nach Wegen, diese seit Neu Delhi 1961 nie verstummende Forderung nun auch in Deutschland angemessen (nicht mehr und nicht weniger!) zu verwirklichen. Dieses Bemühen wird ohne triftige Begründung als ›publikumswirksam, aber wirkungslos‹ abqualifiziert. Das erweckt den Eindruck, als werde nun auch die 20jährige Mitarbeit der EKD – die ähnlich im Deutschen Evangelischen Missionstag, im Diakonischen Werk, in der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend und an anderen Stellen praktiziert wird – einem Irrweg, wenn nicht gar einer Irreführung gleichgesetzt. […]. Gegenüber diesem Hinweis auf die über zwei Jahrzehnte alte Zusammenarbeit nimmt sich Ihre Behauptung, die römisch-katholische und die evangelische Kirche seien die einzig relevanten Gesprächspartner für eine ›innere Ökumene‹, merkwürdig aus. Niemand wird bestreiten, daß es genug belangvolle Fragen für bilaterale Gespräche zwischen dem Rat der EKD und der Fuldaer Bischofskonferenz gibt. Erschöpfen wird sich darin die Arbeit der ›innerdeutschen Ökumene‹ niemals. Was wäre das für ein ökumenisches Denken, in dem Minderheiten als Gesprächspartner nicht ernst genommen werden! Kirche ist bereits in aller Welt eine Minderheit, so auch in der Bundesrepublik. Wenn aber die Frage der Partnerschaft wirklich nach statistischem Maß gemessen werden soll, was in der ökumenischen Bewegung selbst nicht üblich ist, so lässt sich eine Auffassung nicht vertreten, wonach das Gewicht anderer Kirchen in der Gesamtheit der ökumenischen Bewegung völlig außer acht bleibt. Immerhin leben im Einflussbereich der Baptistischen und Methodistischen Weltbünde ebenso viele Menschen wie in dem der Lutherischen und Reformierten Weltbünde.«127

Sommer bedauerte, dass die Äußerungen, wie sie im epd verbreitet wurden, »dazu angetan sind, das Klima innerhalb deutscher ökumenischer Bemühungen zu beeinträchtigen.« Er bat den Kirchenamtspräsidenten, seine »eigentlichen Vorstellungen über ökumenische Zusammenarbeit in Deutschland« im Gespräch mit Vertretern der ACK zu erläutern. Die Antwort aus dem Kirchenamt kam prompt.128 In der ACK musste man es 127 Ebd. 128 Kirchenamtspräsident Hammer an den Vorsitzenden der ACK vom 16. März 1970. Daraus auch – mit übernommenen Hervorhebungen – die folgenden Zitate. LKA Hann. D 15X, Bd. III.

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als seltsam empfinden, wenn es in dem Schreiben des Präsidenten hieß: »Ich glaube freilich, Sie messen einer Pressemeldung und mir in dieser Sache eine zu große Bedeutung bei.« Hammer wehrte sich gegen Sommers vorwurfsvolle Äußerungen und schickte ihm nun eine Kopie jenes Briefes, den schon Bischof Heintze erhalten hatte. Mit seiner »bloßen Pressemeldung« war es Präsident Hammer darum gegangen, »die von allen gewünschte ökumenische Zusammenarbeit vor den Gefahren der Unverbindlichkeit zu bewahren.« Das mussten die Minderheitskirchen ganz anders verstehen. Sie sahen darin die Bemühung, die ACK auch weiterhin in der Unverbindlichkeit zu halten und ihre Rolle unter keinen Umständen der ökumenischen Entwicklung entsprechend aufzuwerten, wie es gerade auch die Uppsala-Fahrer aus der EKD für angemessen gehalten hatten. Immer wieder sind es die innerdeutschen Größenverhältnisse, die ins Spiel gebracht werden. In seinem an Bischof Heintze geschriebenen und danach weitgestreuten Brief, von dem der ACK-Vorsitzende jetzt nachträglich auch eine Kopie bekommen hatte, war von den beiden »›Blöcken‹ kirchlicher Organisation« die Rede von denen es betont hieß »S i e sind m. E. in der Tat die Gesprächspartner, auf die es in erster Linie ankommt, soll innerhalb unseres Raumes auf ökumenischem Gebiet tatsächlich etwas geschehen.« Präsident Hammer fügte hinzu, die Minderheiten sollen »behutsam und fair behandelt« werden. Mit diesen Vorüberlegungen hatte der Kirchenamtspräsident dann auch an Sommer geschrieben, er »messe die Frage der Partnerschaft nicht nach statistischem Maß,« fügte aber sofort hinzu, »Ich meine allerdings, daß mit den unterschiedlichen Größenverhältnissen in einem bestimmten Bereich realiter Probleme gegeben sind, die man nicht (etwa im Überschwang einer an sich wünschenswerten Begeisterung) überspielen darf, denen man sich vielmehr nüchtern stellen muss, soll die erstrebte Sache nicht Schaden leiden.«129 Es ist nicht leicht, in der speziellen deutschen Situation, die aufgrund der geschichtlichen Entwicklung des Staatskirchentums und der in den früheren Jahrhunderten damit verbundenen Emigrationsbewegung besonders in die angelsächsischen, demokratisch geführten Länder, eine ökumenische Formel wie »nicht gleichgewichtig, aber gleichwertig« mit allen Konsequenzen allseits zu akzeptieren. Zu einem Gespräch mit der ACK erklärte der Kirchenamtspräsident sich bereit, »falls Sie das für sinnvoll und hilfreich halten.« Es fand am 3. Juli 1970 im Rahmen einer ACK-Sitzung statt. Das Protokoll hält zwei von Präsident Hammer vorgetragene Motive über seine früheren kritischen Äußerungen vor der Presse fest: (1) die ACK solle die Bezeichnung »Rat« solange vermeiden, bis man dieses Ziel wirklich erreicht habe und (2) eine vorzeitige strukturelle Verfestigung solle 129 Ebd.

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vermieden werden, »da die römisch-katholische Kirche von vornherein mit einbezogen werden müsse.«130 Über den zweiten Aspekt gab es unter den ACK-Mitgliedern keine andere Vorstellung. Noch in der selben Sitzung haben das Alt-Katholische Bistum, der baptistisch orientierte Bund Ev.-Freikirchlicher Gemeinden, die Herrnhuter Brüder-Unität und die Ev.-methodistische Kirche eine ACK-Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche »ausdrücklich bejaht«. Im Gespräch mit dem Kirchenamtspräsidenten brachten verschiedene ACK-Delegierte nochmals ihre Kritik zum Ausdruck: der alt-katholische Professor Küppers, der sich auf verschiedenen Ebenen für eine stärkere ACK engagiert hatte, unterstrich die internationale ökumenische Praxis der Verwendung des Begriffs »Rat«, und der methodistische Superintendent Herbert Eckstein bezeichnete die Äußerungen Hammers angesichts der wachsenden ökumenischen Gesinnung als einen »Anachronismus«. Richtungweisend war die Stimme des katholischen Professors Peter Bläser. Er bemerkte erneut, »dass die römisch-katholische Kirche ein gutes Verhältnis zur EKD anstrebe, aber die gleiche Übereinstimmung auch mit den Freikirchen wünsche.« Sowohl diese Bemerkung wie auch seine Bereitschaft, den von Hammer im Laufe der Diskussion kritisch betrachteten Begriff »Freikirche« akzeptieren zu können, waren für die Minderheitenvertreter aufschlussreiche Signale, die manche kritische Erwägungen des Hannoverschen Kirchenamtspräsidenten aus katholischer Sicht zurückwiesen. »Auf Weisung des Rates« hatte der ACK-Geschäftsführer H. Krüger schon vor der Sitzung vom 3. Juli die Probleme mit Ratsmitglied Rudolf Weeber, dem leitenden Kirchenjuristen der Württembergischen Landeskirche, durchgesprochen. Daraufhin wurde vorgeschlagen (1) die bisherigen Richtlinien der ACK von 1948 zu überarbeiten und deren Aufgaben zu präzisieren, dass (2) die ACK sich auf einen Aus- und Unterbau in die Gemeinden hinein konzentrieren solle und dass (3) die Hinzuziehung der orthodoxen Kirchen zu bedenken sei. Damit war eine dialogische Lösung angestrebt, um einen weiterführenden Weg für die innerdeutsche Ökumene zu finden. Es wurde von Professor Bläser vorgeschlagen, einen »kleinen Planungsausschuss« zu bilden, der Vorklärungen für einen wirkungskräftigen Ausbau der ACK treffen solle. Die ACK berief die beiden Vorsitzenden Sommer und Heintze, dazu die Katholiken Weihbischof Kleinermeilert und Professor Bläser, aus dem Bereich der EKD Bischof Harms, Präsident Hammer und ACK-Geschäftsführer Hanfried Krüger sowie den altkatholischen Ökumeniker Professor Küppers in diesen Planungsausschuss. Das war eine weise Zusammensetzung, weil sie die sehr unterschiedlichen Meinungen an einen Tisch brachte. Der Vorschlag Bläsers zu einem Planungsaus130 Prot. ACK 3. Juli 1970. LKA Hann. D 15X, Bd. III. –Daraus auch die folgenden Zitate.

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schuss spiegelt gleichzeitig das katholische Interesse an einer umfassenden Lösung der aufgetretenen Probleme wider. Nach einem Besuch von Bischof Sommer und Oberkirchenrat Krüger beim ökumenisch engagierten Kardinal Jaeger in Paderborn berichtete Bläser in einer ACK-Sitzung: »Kardinal Jaeger habe den Eindruck, dass der Rat der EKD seine bilateralen Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche nicht durch eine Erweiterung der Befugnisse der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen beeinträchtigen lassen möchte. In dieser Hinsicht hätten ihn und andere die damaligen Äusserungen von Präsident Hammer bestärkt.«131 Die Erklärung des Kirchenamtspräsidenten gegenüber epd-Redakteuren hat auf eine ungewöhnliche Weise die Debatte um die Zukunft der innerdeutschen Ökumene belebt. Vielleicht hat sie auch geholfen, das Dreiecksverhältnis DBKEKD-ACK in eine Richtung voranzutreiben, die von einigen Ökumenikern in den verschiedenen Kirchen erhofft, aber von anderen als eine problematische Doppelstrategie bewertet wurde. Die mit dem Selbstverständnis der ACK verbundene Strukturdiskussion fand ihren Abschluss mit der Aufnahme der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche in die ACK, die am 11. März 1974, also fast genau 26 Jahre nach der Erstorganisation 1948, erfolgte.132 Diese Erweiterung der ACK war ein Schritt, der einer Neukonstituierung gleichkam.133 Trotzdem erfüllte dieser Tatbestand nicht alle gehegten Hoffnungen. Die Erwägungen innerhalb des Deutschen Ökumenischen Studienausschusses und der ACK gingen deutlich weiter, als sie zu dieser Zeit realisierbar waren.

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Das kirchliche Umfeld

Die Forderungen aus der ACK und den ökumenisch engagierten Kreisen waren nicht das Hauptproblem, mit dem sich die Evangelische Kirche in Deutschland zu jener Zeit befassen musste.

3.3.1 EKD-Strukturreform und ACK Der Zeitpunkt für eine Erweiterung oder Erneuerung der ACK war wegen gleichzeitiger anderer Erwägungen zu strukturellen Veränderungen innerhalb der EKD nicht günstig. Zu der Überlegungen innerhalb der EKD, wie sich nach 131 Prot. ACK 3. Juli 1970. LKA Hann. E 49, 574. 132 Vgl. Kap. 3.5.3 bis 3.5.6 und 3.6. 133 Elisabeth Dieckmann, Mit Pluralität umgehen lernen. In: KNA-ÖKI vom 9. Okt. 2012 (Nr. 41), IV.

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ihren Vorstellungen die innerdeutsche Ökumene nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gestalten könne, trat die Bemühung, den eigenen Kirchenbund neu zu strukturieren. Eine Anpassung an die kirchlichen und gesellschaftlichen Wandlungen schien nicht nur für die ACK, sondern auch für die EKD selber angebracht. Gesellschaftliche Entwicklungen leiteten in den 1960er Jahren nachhaltige Umbrüche ein. Im innerkirchlichen Bereich gab es Verunsicherungen und Spannungen, die durch eine heftige Debatte über Rudolf Bultmanns herausforderndes Projekt einer Entmythologisierung der Schriften des Neuen Testaments von evangelikalen Kreisen befeuert wurden. Damit verbunden lösten immer heftiger werdende Kontroversen zwischen den verfassten Kirchen mit ihren Leitungen, den Theologischen Fakultäten und den sog. »Evangelikalen« unangenehme manchmal öffentliche und manchmal interne Auseinandersetzungen aus, welche die Distanzen zwischen wissenschaftlicher Theologie und Gemeindefrömmigkeit vertieft haben und die zwischen diesen beiden Polen wirkenden Prediger teilweise in arge Verlegenheiten brachten.134 Nachdrücklicher erforderte die 1969 abgeschlossene Bildung des »Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK)« Konsequenzen, die den Zeitrahmen der Strukturreform mitbestimmten.135 Angesichts dieser Lage, aber auch in der Fortführung der Verständigungen zwischen den einzelnen Landeskirchen und den unterschiedlichen Gruppierungen, die aus der NS-Zeit hervorgegangen waren, stellte sich die Frage einer neuen Struktur der EKD. Die Stuttgarter Synode von 1970, erstmals unter ihrem neuen Präses Ludwig Raiser, hatte nach einem längeren Vorlauf136 sogar den Schritt vom »Kirchenbund« in eine »Bundeskirche« als mögliches Ziel formuliert. Wie schwierig ein solches Unterfangen ist, Kompetenzen von einer Ebene auf eine andere, von einer regionalen Struktur in eine bundesweite Verantwortung zu verlagern und in einem nicht in Kirchengemeinschaft stehenden Zusammenschluss137 konfessionell unterschiedlich verpflichteter Kirchen durchzusetzen, ließ bereits die Reaktion auf den Rohentwurf einer gemeinsamen Verfassung erkennen. Neben den auftauchenden Sachfragen muss man beachten, was kein Geringerer als der frühere Münsteraner Kirchengeschichtler WolfDieter Hauschild beobachtet hat, der nach dem Scheitern der Strukturerneue-

134 Gisa Bauer, Evangelikale Bewegung und evangelische Kirche in der Bundesrepublik Deutschland. Geschichte eines Grundsatzkonflikts 1945 bis 1989. AKZ-B Bd. 53, Göttingen 2012. 135 Vgl., Kap. 3.10. 136 Martin Greschat, Die Protestantismus in der Bundesrepublik Deutschland (1945 – 2005), KiE IV/2, Leipzig 2010, 120 – 125. 137 Man muss daran erinnern, dass die Leuenberger Kirchengemeinschaft der EKD-Gliedkirchen erst danach (1973) in Kraft getreten ist.

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rung in der westlichen EKD von einem »Mißtrauen gegen jeden Zentralismus« sprach, der »symptomatisch für die institutionelle Schwäche der EKD« sei.138 Die geplante EKD-Reform und die ACK-Erweiterung berührten sich konkret im Entwurf für die zukünftige EKD-Struktur. Nicht etwa in einer Debatte darüber, wie sich die »besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit« in Deutschland ökumenisch gestalten lässt. In Artikel 15, Absatz 4 der neuen Grundlage war die Organisation eines Werkes vorgesehen, das verschiedene ökumenische Bereiche neu verbinden sollte. Darunter befanden sich auch die ökumenischen Beziehungen und die Mission. Um zu einer Klärung zu kommen, trafen sich am 8. Dezember 1971 in Hamburg Delegierte der ACK, des Deutschen Evangelischen Missionsrates und der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Weltmission. Dieses Gespräch ist ein Spiegel für die einmaligschwierige Lage der Ökumene in Deutschland. Die ACK repräsentierte die damals noch ausschließlich protestantischen Mitgliedskirchen und das Bistum der Alt-Katholiken. Der Deutsche Evangelische Missionsrat (DEMR) hatte zu dieser Zeit schon eine jahrzehntelange Tradition. Er nahm die Außen-Interessen aller damaligen Missionsgesellschaften wahr. Das waren sowohl diejenigen, welche den Landeskirchen nahe standen und ebenso auch die, welche sich ihm als freikirchliche Missionsabteilungen angeschlossen hatten. Nachdem sich im DEMR die ökumenische Zusammenarbeit in den schwierigen dreißiger Jahren bewährt hatte, war er »für Deutschland ein bedeutsames ökumenisches Organ geworden.«139 Der Deutsche Evangelische Missionstag (DEMT) war längere Zeit der Zusammenschluss fast aller Missionsgesellschaften, ob sie sich als Glaubensmissionen verstanden und im Bereich der Gemeinschaftsbewegung beheimatet waren, ob sie zu einer Freikirche gehörten oder ob sie einer oder mehrere Landeskirchen nahe standen. Jährliche Tagungen zur Erörterung gemeinsamer Anliegen verbanden sie über alle theologischen und strukturellen Differenzen hinweg. Die Arbeitsgemeinschaft für Weltmission war 1963 durch einen Beschluss der EKD-Synode gebildet worden, um die seit Neu Delhi eingeleitete Integration der selbständigen Missionsgesellschaften in die verfassten Kirchen zu fördern. Die ökumenekritischen Kirchen und ihre Gesellschaften hatten große Probleme mit der missionstheologischen Entwicklung innerhalb des ÖRK. Sie trennten sich vom inzwischen gebildeten Evangelischen Missionswerk und bildeten 1969 die eigene Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen

138 Wolf-Dieter Hauschild, Evangelische Kirche in Deutschland. In: TRE Bd. 10 (1982), 673. 139 Gerhard Brennecke, Deutsche Missionsgesellschaften. In: Lex. Weltmission, Stuttgart 1960, Sp. 941.

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(AEM). Das verworrene Bild zeigt einen Konflikt an, der auch in der Strukturreform der EKD einer Lösung zugeführt werden sollte.140 Der DEMR hatte ursprünglich eine andere Vorstellung als die EKD-Reformer. Der Missionsrat stellte sich eine Missionsabteilung in einem Ökumenischen Rat der Kirchen in der BRD vor. Das war nicht zu verwirklichen. Der Struktur- und Verfassungsausschuss der EKD-Synode hatte den Plan, in der EKD-Verfassung Artikel 15, 4 ein »synodal verantwortetes Ökumenisches Werk für Weltmission und Auslandsarbeit« zu verankern. Landeskirchen, Freikirchen und Gemeinschaften sollten daran partnerschaftlich beteiligt sein. Die ökumenische Crux kommt schon darin zum Ausdruck, dass die Nicht-EKD-Organe weder an der Ausarbeitung beteiligt waren, wie es Bischof Harms in der Debatte einer EKDSynode geraten hatte, noch war der Textentwurf, der allen Gliedkirchen der EKD zur Stellungnahme zugesandt wurde, den anderen ACK-Kirchen wenigstens zur Kenntnis gegeben worden. Trotzdem sollte es sich nach den Planern »um ein ökumenisch konzipiertes und ökumenisch konstituiertes Werk handeln, dessen entscheidendes Merkmal die Partizipationsstruktur sei, während die EKD zunächst die Auffassung vertreten hatte, zunächst solle eine Organisationsstruktur, als zweiter Schritt eine Kooperationsstruktur geschaffen werden.«141 Es gab Unsicherheiten darüber, ob dieses neue, von der EKD geplante Werk auch die ACK ersetzen sollte. ACK-Geschäftsführer H. Krüger als EKD-Vertreter argumentierte in dem Hamburger Gespräch, es könne aufgrund der Vorbehalte einiger Freikirchen aus dem geplanten EKD-Werk nicht mehr herauskommen als »eine partielle Ökumene«. Der ACK-Vorsitzende Bischof C. Ernst Sommer trat natürlich für eine autonome ACK ein, die mit dem geplanten EKD-Werk in Kontakt und Kooperation arbeiten könne. Sommer zog in seine Argumentation die neuen »Noch-Gäste« der ACK, die Katholiken und die Orthodoxen, mit ein. Es war ihm klar, dass ihnen noch weniger als den Freikirchen zuzumuten sein würde, sich in ein EKD-Werk einzugliedern. Als Methodist, der auch die Stellung der Baptisten vertrat, sagte er : »Ich bestehe auf der gemeinsamen Wahrnehmung des missionarischen Auftrags und der Förderung alles dessen, was diese gemeinsame Wahrnehmung möglich macht. Wir können aber nur als voll anerkannte Partner mitarbeiten.«142 Das lag genau auf der Linie, die im DEMR im September 1973 beschlossen wurde. Der Missionsrat erhoffte eine Struktur, »die die EKD, ihre Gliedkirchen, die Freikirchen und Gemeinschaften gleichermaßen und gemeinsam als ihr Instrument betrachten und benutzen können.« Weiter hieß es im Protokoll des Missionsrates: »Um diese ökumenische Struktur 140 Martin Pörksen, Vier Jahrzehnte deutsche evangelische Mission. 1933 – 1973, Hamburg 1974. 141 Prot. Gespräch zwischen Vertretern der ACK, des DEMR und der AG für Weltmission am 8. 12. 1971 in Hamburg. EZA 2/15919. Hervorhebungen übernommen. 142 Ebd., 3. Hervorhebungen übernommen.

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(Partizipation, nicht nur Kooperation) zu gewährleisten, wäre es notwendig, daß alle potentiellen Teilhaber diese Koordinationsstelle gemeinsam konstituieren und verantworten.«143 Die Erwägungen innerhalb der EKD erwecken den Eindruck, dass die ACK trotz ihrer mehr als 20-jährigen Existenz nicht in das Bewusstsein der planenden Kommission eingedrungen war. Oder sollte sich in einer Arbeitsweise, die unter dem Dach der EKD alle anderen Missionen versammelt, etwa das Selbstverständnis der EKD hinsichtlich ihrer Beziehungen zu den anderen autonomen protestantischen Kirchen in Deutschland widerspiegeln? Nur wenige Monate nach der Hamburger Besprechung stellte Bischof Friedrich Hübner, ein Missions- und Ökumenespezialist, in einer ACK-Sitzung den mit der EKD-Strukturreform angestrebten Plan einer »erforderlichen stärkeren Integration der ökumenischen Beziehungen, der Mission und der Auslandsarbeit« vor. Zur innerdeutschen Ökumene führte er aus: »Eine entscheidende Frage bilde dabei die Mitarbeit der Freikirchen, für die dieses Werk grundsätzlich offen stehen müsse.« Er nannte das Diakonische Werk in Stuttgart, das »als erfolgreiches Modell für eine ökumenische Zusammenarbeit angesehen werden« könne.144 Der fundamentale Unterschied zwischen der ACK und dem geplanten EKD-Werk ist leicht erkennbar : Die ACK ist eine gemeinsame Organisation aller Kirchen, das gedachte Werk wäre eine Bildung innerhalb der EKD, das den Freikirchen »grundsätzlich offen steht«. Im Diakonischen Werk waren einige Freikirchen Gründungsmitglieder, was natürlich im Bereich der EKD bei deren Bildung von keiner Seite je erwogen worden war.145 Insofern konnte Hübners Vergleich nicht überzeugen. Es entwickelte sich innerhalb der ACK-Sitzung eine lebhafte Diskussion. Die Notwendigkeit einer EKD-Reform wurde von einem Landeskirchler in Frage gestellt. Ein Freikirchler fragte, ob der Entwurf »wirklich partnerschaftlich offen sei«. Der erfahrene Küppers gab zu bedenken, dass Ökumene eine Sache der Kirchen selber und nicht ihrer Werke ist, entsprechend fragte der Lutheraner Klapper, »wieweit die Kirchen ernst genommen würden«. Der katholische Gast, Professor Manns, wies auf »die Gefahr« hin, »dass ein reines EKD-Werk eine parallele Organisation in der katholischen Kirche schaffen könnte.« Die Diskussion in der ACK zeigte, dass es für den in der EKD bereits fortgeschrittenen Prozess nicht so einfach war, die autonomen Kirchen noch mit ins Boot zu nehmen. Bischof Hübner jedenfalls kam zu dem Schluss, es sei ihm noch 143 Ebd., zitiert aus dem Prot. Sitzung des DEMR vom 17. Sept. 1971. 144 Prot. ACK 12. 4. 1972. EZA 2/15919, 6 f. Dort auch die folgenden Zitate. 145 Das war anders bei der Bildung des Deutschen Evangelischen Kirchenbunds (DEK) nach 1918/19. Vgl.: Karl Heinz Voigt, Ein ökumenischer Deutscher Evangelischer Kirchenbund? In: ders., Leuenberg zwischen Budapest und Wien. epd-Dokumentation 15/1994, 11 – 21. Vgl. Ökumene in Deutschland, Bd. 1, Kap. 5.1.3.

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deutlicher geworden, »dass bei der gesamten EKD-Strukturreform auf einen größtmöglichen Freiraum auch für die anderen Kirchen zu achten sei.« Solche und ähnliche immer wieder auftauchende Formulierungen zeigen, dass innerhalb der EKD schwer eine Differenz zwischen einer innerlandeskirchlichen Gemeinschaftsbewegung und autonomen Kirchen mit eigenen ekklesiologischen Grundlagen, die nicht die in der Reformationszeit notwendigen politischen Zugeständnisse machen mussten, gesehen wurde. Es gab die permanente Neigung, als eine deutsche Main-Line-Church über andere kirchliche Körperschaften zu verfügen. Die ökumenisch-konfessionskundliche Kenntnis war erschreckend gering. Das zeigte auch der weitere Verlauf des Gesprächs. Es scheint Professor Niesel erst in der Debatte eine, wie er nannte, »Inkonsequenz des Artikels 15, Absatz 4« deutlich geworden zu sein: »einmal werde ein EKD-Werk geplant, zum anderen aber schliesse das Werk die Vertretung gegenüber ökumenischen Partnern ein; von einem Freiraum könne kaum gesprochen werden, da die Römisch-katholische Kirche, die Alt-Katholiken und die orthodoxen Kirchen noch nicht ins Blickfeld gekommen seien.« Auch der VELKD-Delegierte Klapper bemängelte, dass die »noch zu lösende Spannung […] durch das Übergewicht der EKD noch vergrößert« werde.146 Die vorgetragenen Anliegen und Bedenken wurden dem Rat der EKD und dessen Struktur- und Verfassungsausschuss übermittelt. Trotz dieser Anregungen aus der ACK-Sitzung im April 1972 musste ihr Geschäftsführer Hanfried Krüger im März 1973 vor den Ökumene-Referenten der Landeskirchen hinsichtlich der ökumenischen Passagen des EKD-Entwurfs bestätigen, »dass die Freikirchen bisher nicht in die EKD-Strukturplanung einbezogen wurden.«147 Auch in den regionalen ACKs sah man Probleme heraufkommen. Die ACKRhein-Main hatte zur EKD-Strukturreform befürchtet, »es könnte zu Organisationsformen kommen, denen die römisch-katholische Kirche und die Freikirchen nur noch beitreten könnten, ohne selbst an ihrer Gestaltung mitgearbeitet zu haben. Dies würde«, so resümierte Oberkirchenrat Karl Herbert, »die ökumenische Zusammenarbeit um Jahre zurückwerfen.«148 Der in den Freikirchenleitungen grundlegende ekklesiologische Gedanke einer zwar national zahlenmäßig nicht gleichgewichtigen, aber doch geistlich gleichwertigen Ökumene in Partnerschaft oder der Grundsatz des Vaticanums von kirchlicher Gemeinschaft par cum pari konnte offensichtlich zu diesem Zeitpunkt in der EKD noch nicht akzeptiert werden. Die EKD-Strukturreform ist gescheitert. Aber es ist nicht zu übersehen, in 146 Bis hier alle Zitate aus dem Prot. ACK 12. 4. 1972. EZA 2/15919, 6 f. 147 Prot. Tagung der Ökumene-Referenten 5. 3. 1973. EZA 2/15934, 4. 148 Ebd.

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welcher Weise die in der EKD und der ACK parallel laufenden Bemühungen sich gegenseitig behindert haben. Die Mehrzahl der Delegierten in der ACK und die Entscheidungsträger in der EKD haben unterschiedliche Lösungen angestrebt, gewiss auch, weil es zu keiner gemeinsamen Besprechung kam. Das hier ins Blickfeld tretende Problem der innerdeutschen Ökumene löste sich auf eine andere Weise durch den Antrag zur Aufnahme der römisch-katholischen Kirche und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie in die ACK.

3.3.2 Gemeinsame Kommission von DBK und orthodoxen Kirchen Am 7. Dezember 1965 erfolgte durch Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras I. die Aufhebung der gegenseitigen Exkommunikationssentenzen.149 Sie waren 1054 durch Kardinal Humbert von Silva Candida und Patriarch Kerularios ausgesprochen worden und hatten zum »Morgenländischen Schisma«, der folgenreichen Trennung in eine östliche und eine westliche Kirche mit den Zentren in Konstantinopel und Rom geführt. Der seit 1958 geführte »Dialog die Liebe« hatte die späte »Tilgung«150 der Bannsprüche möglich gemacht. Seit 1980 wurde der Dialog einer orthodox-katholischen Kommission auf breiterer Basis begonnen. In der Entwicklung der innerdeutschen Ökumene werden die Beziehungen zwischen der römisch-katholischen Kirche und den Orthodoxen Kirchen selten beachtet. Parallel zu diesen gesamtkirchlichen Dialogen kam es in Deutschland in der Zeit von 1968 bis 1980 zu einer »Gemeinsame Kommission der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland und der römisch-katholischen Kirche von Deutschland«. Diese Konsultationen fanden in jenen Jahren statt, als die Deutsche Bischofskonferenz sich auf die ACK zu bewegte. Man muss annehmen, dass die gleichzeitige Aufnahme beider, der Bischofskonferenz und der Orthodoxen Metropolie eine Auswirkung der Gespräche innerhalb dieser Kommission ist.151

149 Protokoll der Verhandlungen der gemischten Kommission zur Vorbereitung der Aufhebung der Exkommunikationen von 1054 – vom 23. Nov. 1965 in: DwÜ Bd. 1 (1983), 520 – 522. Gemeinsame Erklärung des Papstes Paul VI. und des Patriarchen Athenagoras I. über die Aufhebung der Exkommunikationen in: ebd., 522 f. 150 »Tilgung« ist die römisch-katholische Formulierung, in der orthodoxen Historiografie heißt es »Aufhebung der Anathemata (mit Aufhebung der Exkommunikation)« 151 Athanasios Basdekis, Die Orthodoxe Kirche. Eine Handreichung für nicht-orthodoxe und orthodoxe Christen und Kirchen, Frankfurt 2001, ökumenische Beziehungen, 131 – 140.

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3.3.3 Ökumenische Brückenbauer in schwierigen Rollen Die Erfahrung zeigt, dass ökumenischer Fortschritt immer auch mit Personen verbunden ist. Vertrauen, Offenheit und ein großes Maß von Sachkenntnis mit Hör- und Sprechbereitschaft sind unverzichtbar. Es wird alles leichter, wenn ökumenische Offenheit nicht kirchenpolitisch unterwandert wird. Man könnte und müsste an dieser Stelle vieles zu vielen Personen schreiben.152 Drei Männer mit ganz unterschiedlichem Profil und in verschiedenen verpflichtenden Rollen sollen etwas von der Vielfalt aufblitzen lassen, die zu einer Einheit finden muss. Es stehen als Beispiele der Lutheraner Hanfried Krüger, der Reformierte Udo Smidt und der Alt-Katholik Werner Küppers, die je eine eigene Rolle gespielt haben. Oberkirchenrat Dr. Hanfried Krüger153 war drei Jahrzehnte an zentraler Wirkungsstätte der innerdeutschen Ökumene höchst aktiv. Schon 1953 kam er als Oberkirchenrat und EKD-Ökumene-Referent ins Kirchliche Außenamt. 1956 wurde er als Nachfolger von Wilhelm Menn zusätzlich mit der Leitung der Ökumenischen Centrale beauftragt. Vorher gehörte er bereits seit 1953 dem Deutschen Ökumenischen Studienausschuss (DÖSTA) an, dessen Geschäftsführung er von 1956 bis 1967 wahrnahm. Als er 1980 mit dem Beginn seines Ruhestands die Leitung der ÖC abgab, verantwortete er noch für weitere vier Jahre die bereits 1956 übernommene Herausgabe der Fachzeitschrift ›Ökumenische Rundschau‹. Er war Autor und Herausgeber einer größeren Anzahl von Werken zu ökumenischen Themen. Durch die Teilnahme an vielen internationalen Konferenzen und Tagungen konnte er ein weites ökumenisches Kontaktnetz aufbauen. Sein Beitrag zur innerdeutschen Ökumene verdient, gewürdigt zu werden. Er hatte als Kontaktperson in einem sich immer mehr entwickelnden Geflecht einer wachsenden Zahl von Mitgliedskirchen in der ACK Aufgaben zu bewältigen, die ihm seine ganze Integrationskraft abverlangten. Er war dem Kirchlichen Außenamt der EKD verantwortlich, dahinter stand immer auch das für die gesamte EKD zuständige Kirchenamt. Er hatte die Kontakte zu den Mitgliedskirchen zu pflegen und auf deren Anregungen und Wünsche partnerschaftlich zu reagieren. 152 Zwei neuere Studien sind unter völlig anderen Gesichtspunkten entstanden. Sie werden als teilweise zeitgeschichtliche Bewertungen noch Ergänzungen erfahren: (1) Christian Möller u. a. (Hg.), Wegbereiter der Ökumene im 20. Jahrhundert, Göttingen 2005, wo man u. a. die ökumenischen Praktiker wie John Mott, Friedrich Siegmund-Schultze, Adolf Keller, John L. Nuelsen und auch Wilhelm A. Schreiber vermisst. (2) Jörg Ernesti/Wolfgang Thönissen (Hg.), Personenlexikon Ökumene, Freiburg 2010, das auch gegenwärtig wirkende Personen einschließt. Ich hätte mir gewünscht, auch Reinhard Frieling, Werner Küppers, J. W. Ernst Sommer, Johann Adam Möhler und Julius Richter darin zu finden. 153 Erich Geldbach, Der Deutsche Ökumenische Studienausschuss (DÖSTA), 53 ff.

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Krüger musste ein ökumenischer Diplomat sein. Im Interesse seiner Kirche musste er sorgfältig darauf achten, dass die internationale streng von der innerdeutsche Ökumene getrennt und ausschließlich in der Hand des EKD-Außenamtes unter der Leitung von Präsident Adolf Wischmann blieb, der während seiner Amtszeit von 1956 bis 1974 übrigens oft in Sitzungen erschien, auf denen es um Weichenstellungen in der ACK ging. Gleichzeitig pendelte Krüger zwischen den Genfer Ökumenikern, der ACK, dem DÖSTA, dem Kirchenamt der EKD und den Freikirchenleitungen. Überall musste er als Geschäftsführer der ACK deren Interessen vertreten und die unterschiedlichen Gremien von den ACK-Entscheidungen überzeugen. Zeitweise waren die ACK-Vorsitzenden Bischöfe aus den Landeskirchen, zeitweise waren es Freikirchler. Es war für ihn durch Interessenkonflikte zwischen Erwartungen seiner Kirche und der persönlichen Loyalität ihr gegenüber und anderen Vorstellungen von Seiten der ACK-Kirchen, denen er zugleich verpflichtet war, nicht immer leicht, alle unter einem Dach zu begleiten. Es erforderte von Hanfried Krüger Geduld, Ausdauer und vor allem Sachkenntnis und Überzeugungskraft. Landessuperintendent D. Udo Smidt stand zwischen den Konfessionen als ökumenischer Vermittler in einem ähnlichen Dienst, den er aber unter anderen Vorzeichen erfüllte. Seine eigene Frömmigkeitsgeschichte hatte ihm dafür ein tragfähiges Fundament gegeben. Karl Heim gehörte zu seinen theologischen Lehrern. Früh war er in der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung (DCSV), in der pietistisch orientierten Jugendarbeit und als Generalsekretär der Schülerbibelkreise aktiv. An der Seite seines Schwagers Karl Immer, bekannt durch seine Organisation der Barmer Bekenntnissynode, stand Udo Smidt aktiv in der Bekennenden Kirche. Zeitweise gehörte er deren Jugendkammer an, die nach 1945 die Bildung der ökumenisch strukturierten Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (AEJ) bilden half. Von 1958 bis 1970 trug er die Verantwortung für die Leitung der überwiegend reformierten Lippischen Landeskirche, zu der gleichzeitig eine Anzahl lutherischer Gemeinden gehören. Während dieser Zeit tat er der innerdeutschen Ökumene unschätzbare Dienste. Er gehörte dem Rat der EKD an, vertrat den Rat in der ACK und arbeitete gleichzeitig von Anfang an in der kleinen Kontaktgruppe mit, die 1966 von der katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK) zusammen mit dem Rat der EKD gebildet wurde. Dies war die Zeit, als sich die ACK neu organisierte und die Vorbereitungen für eine Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche vorantrieb. Zwischen den unterschiedlichen Erwartungen der römisch-katholischen Kirche, die an einer Zusammenarbeit mit allen Kirchen in Deutschland interessiert war, der EKD, in der es genügend Stimmen gab, die eine bilaterale Kontaktebene außerhalb der ACK vorgezogen haben würden, und den freikirchlichen ACKMitgliedern, die sich überwiegend eine umfassende, von allen Kirchen getragene ACK vorstellten, vermittelte Smidt mit seinen Einsichten aus den verschiedenen

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Gremien. In seiner Landeskirche hatte er mit evangelikalen Gruppierungen zeitweise heftige Auseinandersetzungen, die ihn aber in seiner ökumenischen Haltung eher stärkten als dass sie ihn in seiner offenen Haltung irritierten konnten. Seine Rolle unterschied sich von der Krügers dadurch, dass er zu keiner der verschiedenen Gruppen in einem persönlichen Dienstverhältnis stand. Die Freikirchen in der frühen Zeit der ACK haben seine Rolle unterschätzt. Sie hätten am gemeinsamen Tisch gerne einen Repräsentanten einer der großen Landeskirchen oder sogar den Ratsvorsitzenden gesehen. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass sie sich in Verbindung mit den ökumenischen Anliegen auch kirchenpolitischen Fragen ausgesetzt sahen. Rückblickend haben die Kirchen allen Grund, für den verständnisvollen Brückenbauerdienst von Udo Smidt dankbar zu sein. Professor Dr. Werner Küppers war ein ökumenisch außerordentlich engagierter alt-katholischer Theologe. Er hat verschiedene Lehraufträge wahrgenommen, sowohl an der Katholischen Fakultät der Universität Bern als auch in Bonn, einem Zentrum des deutschen Bistums der Alt-Katholiken. 1948 übernahm er dort eine Professur. Das in Verbindung mit der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität wirkende alt-katholische Seminar hat unter seinem Engagement eine ökumenische Ausrichtung bekommen und u. a. schon früh Studenten aus orthodoxen Kirchen offengestanden. Seine Kirche gehörte 1948 zu den Gründungsmitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. Vom alt-katholischen theologischen Ansatz her gibt es nach der Trennung von Rom eine Art Sehnsucht nach einer geistlich begründeten und theologisch verantworteten Einheit. Innerhalb der ACK gewann Prof. Küppers schnell das Vertrauen der ursprünglich ausschließlich protestantischen Mitgliedskirchen. Schon 1950 wurde er in den gerade organisierten DÖSTA berufen. Zehn Jahre später wurde er dessen stellvertretender Vorsitzender, eine Aufgabe, die er bis 1975 erfüllte. Sowohl innerhalb der ACK wie im DÖSTA füllte Küppers engagiert eine Rolle aus, die kein ein anderes Mitglied hätte wahrnehmen können. Theologen aus Minderheitskirchen haben in der Regel den Vorteil, dass sie für die Mehrheitskirchen mehr Verständnis haben und vor allem von ihnen größere Kenntnis besitzen, als es umgekehrt der Fall ist. Das bringt ihre Lage naturgemäß mit sich. Der Alt-Katholik Küppers war in besonderer Weise als beratender Brückenbauer in protestantisch-katholischen Fragestellungen hilfreich, obwohl er auch ein kluger Stratege war. Er hatte gleichzeitig differenzierte Kenntnisse und ein unvoreingenommenes ökumenisches Verhältnis zu beiden Mehrheitstraditionen. Seine eigene Minderheitenerfahrung war ein dritter hilfreicher Vorteil. Küppers nahm als Delegierter an Vollversammlungen des ÖRK teil und war Konzilsbeobachter in Rom. Eine Vermittlung zwischen Katholizismus und Reformationskirchen war ihm ein Herzensanliegen. Durch seine sachkundigen, aber auch freimütigen Diskussionsbeiträge, die trotzdem eine große ökumeni-

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sche Sensibilität zeigten, sein ständiges Erinnern an das ökumenische LundPrinzip von 1952 und das vatikanische par cum pari war Mahnung und Hilfe zugleich. Der ökumenische Beitrag von Professor Küppers und der Alt-Katholischen Kirche ist bisher noch zu wenig gesehen worden. Eine Würdigung ist wünschenswert. In einer zu dieser Zeit neu einsetzenden Phase wurde die ökumenische Entwicklung im protestantischen Raum durch den ungemein kreativen Reinhard Frieling beeinflusst, der vom Bensheimer Konfessionskundlichen Institut aus seinen Einfluss geltend machte.

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Die Uppsala-Delegierten und die Ökumene-Referenten leiteten auf den Nacharbeitstagungen vom Oktober 1968 und 1969 eine länger anhaltende Debatte um die zukünftige Gestaltung der ACK ein. Sie stießen bemerkenswerte Veränderungen an. In zwei Jahrzehnten hat sich die ACK nach der Ära Niemöller auf eine immer schmaler werdende ökumenische Gratwanderung eingeengt gesehen. Die ACK-Begegnungen von kirchenleitenden Persönlichkeiten waren zeitweise zum scheinbar folgenlosen Gespräch über theologische Fragen herabgesunken. Die Freikirchler waren mit der Auswahl der EKD-Repräsentanten nicht immer glücklich, weil der Rat nur selten Bischöfe oder Präsides von großen Landeskirchen entsandte. Es scheint, als hätten die Freikirchler auch nicht durchschaut, was die Beschränkung auf einen alleinigen Kontakt zur EKD, die von den Landeskirchen mit wenigen Vertretungsvollmachten ausgestattet war, für die Wirkung in den gesamten und vielgestaltigen Bereich der Landeskirchen hinein bedeutete. Die Freikirchenleiter haben eher durch Rückmeldungen aus den Gemeinden erfahren, wie wenig sich vor Ort, also in einzelnen Landeskirchen und deren Gemeinden bewegte. Der damalige Slogan »Oben Ökumene – unten ganz alleene« drückte die resignierende Enttäuschung in freikirchlichen Gemeinden, die nach den Zeiten der Bedrängnis jeden Schritt der ökumenischen Entwicklung erwartungsvoll verfolgten, in volkstümlicher Weise aus. Der Baptist Luckey und Bischof Wunderlich hatten von Zeit zu Zeit in ACK-Sitzungen die Erwartung von Veränderungen auch in landeskirchlichen Gemeinden angemahnt. Eine typische Beschreibung freikirchlichen Empfindens findet sich bei Hans Luckey. Er schrieb 1967: »Wir haben in den vergangenen Jahren gelernt, daß man in den landeskirchlichen Kreisen einen Unterschied macht zwischen einem Methodisten in New York und einem Baptisten in Hamburg. Jener gehört zur Weltökumene. Und da ist der Kontakt leicht und weniger verpflichtend. Dieser aber rechnet zur Ökumene am Ort und sitzt in der ›regio‹ einer ›religio‹, das heißt im Raum einer Landeskirche. Er ist eben da zu finden,

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wo man ihn lieber nicht sähe. Mit anderen Worten: Einer Romantik der Weltökumene steht gegenüber die ganz nüchterne ›zwischenkirchliche Ökumene‹. […] Stets ist die Fernstenliebe leichter als die Nächstenliebe.«154

Nach Uppsala war in einer gesellschaftlich lebhaften Phase der 68er Jahre eine neue Lage entstanden. Die innerdeutsche ökumenische Entwicklung lag nicht mehr allein in einer zwar einflussreichen, aber doch schmalen Führungsschicht. Durch die Begegnung mit der Weltökumene waren jetzt Multiplikatoren in den einzelnen Landeskirchen in einer Weise ökumenisch inspiriert, wie es vorher kaum erlebt wurde. Der katholische ökumenische Aufbruch stützte die nun folgende Entwicklung und half, den bisherigen status quo aufzubrechen. Dieser Wandel, der einen Paradigmenwechsel einer Ökumene von oben in eine Ökumene von unten einleitete, wurde durch die verstärkt einsetzende Regionalisierung und Verörtlichung in den nächsten Jahren ungewöhnlich zielstrebig vorangetrieben. Dem Aspekt der Bildung einer wirklichen ökumenischen »Grundlage« ist ein besonderer Abschnitt gewidmet.

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Die ökumenische Öffnung der römisch-katholischen Kirche

Nachdem bereits wiederholt Aktivitäten einer vorsichtigen, aber zielbewussten Annäherung der römisch-katholischen Kirche an die ACK erwähnt wurden, ist es nun endlich notwendig, die grundlegenden Voraussetzungen und die daraus entwickelten Folgerungen in den Blick zu nehmen, die zu grundlegenden Veränderungen der innerdeutschen Ökumene geführt haben.

3.5.1 Neue Grundlagen durch das Konzil Man muss im Zweiten Vatikanischen Konzil einen starken Impulsgeber für die innerdeutsche Ökumene sehen. Es wurde durch Papst Johannes XXIII. im Jahre 1962 einberufen und nach dessen Tod, der am 3. Juni 1963 eintrat, in zwei weiteren Sitzungsperioden bis 1964 unter Papst Paul VI. »kraftvoll« fortgeführt.155 Zentrale Texte für die ökumenische Entwicklung waren vor allem die dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, das Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, im Blick auf das Verhältnis zu Orthodoxen Kirchen in Deutschland auch das Dekret über die katholischen Ostkirchen Orientalium Ecclesiarum. Alle drei wurden am 21. November 1964 verkündet. 154 Hans Luckey, Zwei Jahrzehnte deutscher Ökumene in freikirchlicher Sicht. In: KJ 94. Jg. (1973), 373. 155 Jörg Ernesti, Paul VI. Der vergessene Papst, Freiburg 2012, 7.

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Am 7. Dezember 1965 folgte die Verkündigung der Erklärung zur Religionsfreiheit Dignitatis humanae. Es ist Ausdruck der Dynamik des Konzils, wenn zunächst – nach einem ›schwarzen Donnerstag‹ mit Befürchtungen und sogar Misstrauen – »erhebliche Widerstände zu überwinden gewesen sind gegen eine neue Konzeption für eine katholische Beteiligung am Ökumenismus«, wenn aber schließlich »trotz aller voraufgegangenen Aufregung insgesamt 2137 Ja-Stimmen« gegen 11 ablehnende Konzilsväter den neuen Kurs einleiteten.156 Vielleicht hat die Schlussbemerkung noch manchem Skeptiker zu einem positiven Votum geholfen. Es wurden darin »alle Katholiken zu einem klugen, jede Übertreibung meidenden Engagement für die ökumenischen Belange ermahnt, dass es aber immer katholisch sein müsse, d. h. in Treue zur apostolischen Wahrheit und in Übereinstimmung mit dem Glauben der katholischen Kirche.«157 Für die danach folgende Entwicklung in Deutschland war nicht unerheblich, dass es schon vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil auf Initiative des damaligen ökumenisch engagierten Paderborner Erzbischofs Lorenz Jaeger in Rom zur Organisation eines Sekretariats für die Einheit der Christen gekommen war. Unter Kardinal Augustin Bea hatte dieses Einheitssekretariat einen maßgeblichen Anteil an den Vorarbeiten für die vom Konzil verabschiedeten Dokumente. Eine neue ökumenische Ära war dadurch eingeleitet, dass gerade das Ökumenismus-Dekret den Weg zur christlichen Einheit nicht mehr im Sinne einer »Rückkehr«-Erwartung formulierte. Es ist im Dekret zwar die in der römischkatholischen Kirche geglaubte Einmaligkeit und ihre Vorrangstellung vor den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften nicht in Frage gestellt. Aber die römisch-katholische Kirche wollte ab jetzt bereit sein, im Dialog von anderen »kirchlichen Gemeinschaften« zu lernen. Das hatte Johannes XXIII. konkret schon darin zum Ausdruck gebracht, dass Konzilsbeobachter der verschiedenen Konfessionen und Denominationen aus aller Welt nach Rom eingeladen waren. Die tiefgreifenden Veränderungen, welche durch die Konzilsbeschlüsse möglich wurden, zeigten sich schon bald nach dem Abschluss des Konzils. Früher war eine Beobachterrolle oder gar Teilnahme an der Arbeit von Theologen der katholischen Kirche im Bereich von Glauben und Kirchenverfassung in Lausanne 1927 und danach auch 1948, als sich der ÖRK in Amsterdam konstituierte, durch ein Monitum aus Rom verboten. Darin hieß es: »Nachdem festgestellt worden ist, dass an verschiedenen Orten entgegen den Vorschriften des kanonischen Rechtes ohne vorherige Erlaubnis des Heiligen Stuhles gemischte Zusammenkünfte zwischen Nichtkatholiken und Katholiken stattgefunden 156 Heinrich Petri, Die römisch-katholische Kirche und die Ökumene. In: Hans Jörg Urban/ Harald Wagner (Hg.), Handbuch der Ökumenik, Bd. II, Paderborn 1986, 147. 157 Ebd., 151.

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haben, bei denen Fragen, die den Glauben betreffen, behandelt wurden, wird allen in Erinnerung gebracht, dass es gemäß Kanon 1325 Par. 3 sowohl Laien wie Klerikern, und zwar ebenso Welt- wie Ordensgeistlichen, verboten ist, solchen Zusammenkünften ohne die vorher erwähnte Erlaubnis beizuwohnen.«158

Auch wenn die Amsterdamer Gründungsversammlung des ÖRK den Anstoß zu dieser päpstlichen Ermahnung gab, lag doch die gesamte ökumenische Entwicklung im Blickfeld. Die Bischöfe wurden aufgefordert, darauf zu »dringen, dass diese Vorschriften genau von allen beobachtet werden.«159 Auf diesem Hintergrund wird der tiefe Einschnitt, der durch das Zweite Vatikanische Konzil erfolgt ist, sofort sichtbar. Die Aussichten für eine neue Entwicklung in der innerdeutschen Ökumene waren jetzt günstiger als je zuvor. Entscheidende Initiativen gingen von Paderborn nicht nur in Richtung Rom aus, auch innerhalb Deutschlands brach ein neues ökumenisches Zeitalter an. In dem in Rom organisierten Sekretariat für die Einheit der Christen war Kardinal Augustin Bea dessen erster Präsident. Bea war in Riedböhringen, nahe bei Donaueschingen, geboren. Dass der Jesuit von 1930 bis 1949 über seinen Lehrauftrag für biblische Theologie hinaus auch Rektor des päpstlichen Bibelinstituts war, qualifizierte ihn weiter für die besondere Aufgabe der Begegnung mit den protestantischen »kirchlichen Gemeinschaften«. Es sieht wie eine strategische Planung aus, dass nicht nur in Rom das Einheitssekretariat, sondern auch in Paderborn, also in der Diözese des damaligen Erzbischofs Lorenz Jaeger, 1957 das spätere Johann-Adam-MöhlerInstitut für Ökumenik160 gegründet wurde, das bis zum Konzil noch Institut für Konfessions- und Diasporakunde hieß. Mit diesem Zentrum war ein Kristallisationspunkt für das ökumenische Gespräch auf nationaler Ebene gegeben, das sich im Zusammenwirken mit seinem Gründer und dem Mitarbeiterstab als wirkungsvoll erweisen sollte. Von hier aus wurden katholische Theologen für die ökumenische Begegnung in Deutschland systematisch motiviert und vorbereitet. Das Institut setzte die weltweite Dimension der Konzilsbeschlüsse für die national und regional organisierten deutschen Diözesen kurzfristig um. Man

158 Wolfgang Thönissen, Konsolidierung und Institutionalisierung der Ökumene. Die Aktivitäten des Paderborner Erzbischofs Lorenz Jaeger in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts. In: Jörg Ernesti/Wolfgang Thönissen (Hg.), Die Entdeckung der Ökumene. Zur Beteiligung der katholischen Kirche an der Ökumene, Paderborn/Frankfurt/M. 2008, 164. Der Text wird in leicht anderer Übersetzung auch geboten in: Walther von Löwenich, Der moderne Katholizismus, Witten 19625, 337. 159 Ebd., 164 f. 160 Das Paderborner Institut wurde nach Johann Adam Möhler (1796 – 1838) benannt, der als Tübinger Professor und Autor einer Symbolik, oder Darstellung der dogmatischen Gegensätze der Katholiken und Protestanten (1832) einer der katholischen Wegbereiter heutiger ökumenischer Entwicklungen in seiner Kirche wurde.

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konnte den Eindruck haben, in Paderborn haben die Mitarbeiter nur auf grünes Licht aus Rom gewartet. Neben den kirchlich strukturellen Voraussetzungen hatte der Paderborner Lorenz Jaeger schon als Bischof früh den Kontakt zu dem in Oldenburg wirkenden lutherischen Bischof Wilhelm Stählin mit seinen, wie er von sich selber schrieb, »katholisierenden Neigungen« aufgenommen.161 Zusammen mit ihm kam es in einem organischen Prozess seit 1946 zur Bildung eines ökumenischen Arbeitskreises evangelisch-lutherischer und katholischer Theologen. Es zeigte sich, wie grundlegend das gegenseitige Vertrauen und die zwischenmenschliche Ebene war, um einen für beide Seiten offenen und durchaus kritischen Dialog zu führen.162

3.5.2 Beziehungen zwischen der Bischofskonferenz und dem Rat der EKD Angesichts des ökumenischen Engagements vom später zum Kardinal ernannten Lorenz Jaeger ist es kein Wunder, dass die DBK schon vor dem Ende des Konzils, es wurde am 8. Dezember 1965 geschlossen, die Initiative zur Erweiterung der innerdeutschen Ökumene ergriff. Bereits im August 1965 schrieb Josef Kardinal Frings als Vorsitzender der katholischen Bischofskonferenz an die EKD und schlug ein Gespräch zwischen beiden Kirchen vor. Umgehend erfolgte die Antwort. Man sehe »in einer solchen Besprechung einen weiteren Schritt zu dem unter Christen so notwendigen gegenseitigen sich kennen lernen und verstehen im Geiste des Oekumenismus.«163 Die EKD benannte den Münchener Landesbischof Hermann Dietzfelbinger als Beauftragten, der die Kontakte zu Lorenz Kardinal Jaeger aufnahm und umgehend als Antwort hörte, dass die EKD-Reaktion bei der gerade beginnenden Plenarsitzung des deutschen Episkopats »ein freudiges Echo auslösen« wird. Als Landesbischof Dietzfelbinger und Kardinal Jaeger das »erste offizielle Kontaktgespräch« am 16. April 1966 in Fulda eröffneten, sagte der Paderborner Ökumeniker Jaeger, er sei »dankbar, daß eine solche Begegnung möglich geworden sei und daß nach den Jahren des Kennenslernens und der gemeinsamen Arbeit im theologischen Arbeitskreis164 161 Wilhelm Stählin, Via Vitae. Lebenserinnerungen, Kassel 1968, 554 – 562. Auch: Thönissen, Konsolidierung und Institutionalisierung der Ökumene, a. a. O., 159 – 176 (164). 162 Der wichtige Dialog wird hier nicht weiter verfolgt. Auf die in der ACK vertretene Breite in der Mitgliedschaft hatte das bilaterale Gespräch nur eine begrenzte, kaum wahrnehmbare Auswirkung. Vgl. auch Kap. 3.8. 163 Brief Rat der EKD an Joseph Kardinal Frings vom 23. Aug. 1965. EZA 2/2331. 164 Kardinal Jaeger spielt hier auf den von ihm zusammen mit Bischof Wilhelm Stählin (Oldenburgische Landeskirche) ins Leben gerufenen inoffiziellen »Ökumenischen Gesprächskreis« an.

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nunmehr ein Gespräch auf höchster Ebene geführt werden könne.« Bischof Dietzfelbinger stellte fest, unabhängig von dem, »was an dieser Konferenz zu besprechen sei, habe schon allein die Tatsache dieser Zusammenkunft eine große Bedeutung.«165 Alle Teilnehmer kamen aus den westlichen Teilen ihrer Kirchen. Die EKD wünschte über die Konsequenzen des Oekumenismus-Dekrets in Deutschland, die Lage der Menschen in der BRD und die Grundlagen der Zusammenarbeit zu sprechen. Auf Jaegers Agenda stand damals schon die Frage nach einer »gemeinsamen Bibelübersetzung« und die »Bildung einer Kommission für Mischehen«. Auf katholischer Seite waren die Kardinäle Lorenz Jaeger (Paderborn), Joseph Höffner (Münster), Hermann Volk (Mainz) und Bischof Josef Stimpfle (Augsburg) die Gesprächspartner. Die EKD wurde repräsentiert durch Kirchenpräsident Wolfgang Sucker (Darmstadt), Landessuperintendent Udo Smidt (Detmold), Landesbischof Hermann Dietzfelbinger (München) und Bundesminister Gustav Heinemann (Bonn). Die EKD schien überrascht, dass die katholische Seite in ihrer Einladung von nur je vier Gesprächsteilnehmern ausgegangen war. Es folgten in regelmäßigen Abständen weitere Begegnungen, die man später intern kurzerhand als »Evangelisch-katholische Gipfeltreffen« bezeichnete. Wie sehr die Auseinandersetzungen mit den Evangelikalen auch die katholische Kirche beschäftigte, zeigen Beiträge von W. Sucker, der über die »merkwürdige Patriotisierung« sprach, die sich in der »Bekenntnisbewegung: Kein anderes Evangelium« Ausdruck verschaffte, auch über die »Glaubensnot«, die von »unbesonnenen Theologen« ausgehe und die es schwerer mache, im christlichen Sinne zu glauben.166 Hier ist bemerkenswerter, dass man sich auch über Fragen abstimmte, die eigentlich innerhalb der ACK ihren Platz gehabt hätten. Einige Themen sollen genannt sein: das von Rom veröffentlichte Directorium Oecumenicum,–167 eine gemeinsame Erklärung zu Fragen von Ehe und Familie,– Probleme in der Mischehenkommission, die Kardinal Jaeger durch personelle Änderungen von katholischen Mitgliedern zu erneuern versprach,– liturgische Fragen wie z. B. eine Übereinkunft zu einem gemeinsamen Vater-Unser-Text,– auch das Ökumenische Pfingsttreffen 1971 in Augsburg war Gegenstand des Gesprächs,– weiter : Hochschulfragen und die ökumenischen Aktivitäten anlässlich der Olympischen Spiele 1972 mit ihren internationalen Gästen aus vielen

165 Prot. des ersten offiziellen Kontaktgesprächs zwischen den Vertretern des Rates der EKD und der Konferenz der katholischen Bischöfe Deutschlands in Fulda am 16. April 1966. EZA 2/2331. 166 Rudolf Bultmanns Entmythologisierungsprogramm hatte heftige Diskussionen ausgelöst. 167 www.vatican.va/roman_curia/pontifical_councils/chrstuni/general-docs/rc_pc_chrstuni_ doc_19930325_directory_ge.html.

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Konfessionen waren Gegenstand gemeinsamer Erwägungen. Noch war die ACK in den Prozess der gemeinsamen Überlegungen nicht einbezogen. Problematisch war, wie beim »Gipfeltreffen« im März 1970 nach einer Einführung von Udo Smidt über die weitere Entwicklung der ACK gesprochen wurde. Als Ergebnis hielt das Protokoll fest: »Die Fragen der künftigen Organisation der Arbeitsgemeinschaft, deren grundlegende Veränderung notwendig ist, wenn sich die katholische Kirche beteiligt, soll von Anfang an gemeinsam bedacht und abgesprochen sein.«168 Erst in der Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, »ob es nicht besser sei, die Freikirchen an diesem Gespräch zwischen DBK und Rat der EKD zu beteiligen, denn von Bedeutung kann nur das Gespräch der verfassten Kirchen miteinander sein.«169 Hier klingt bereits die Sorge um die Entwicklung der ökumenischen Arbeitskreise durch, die in Niederaltaich ihre Unterstützung fanden. Diese sich auf örtlicher Ebene bildenden »Christenräte«, von denen es zu diesem Zeitpunkt 162 gab, wurden als »Wildwuchs« bezeichnet, weil sie nicht kirchlich verankert waren. Im Protokollentwurf hieß es noch, dass »angesichts der regionalen Entwicklungen deren unterschiedliche Ausweitung einer rechtzeitigen Kontrolle bedarf.«170 Das wurde in der Endfassung dahingehend abgemildert, dass man hoffe, der ACK werde es gelingen, »diese Bewegung bei sich einzufangen.«171 Für restriktive Maßnahmen schien die ACK interessant zu sein. Selbst nachdem die ACK um die römisch-katholische Kirche erweitert und damit in der Gemeinschaft aller Mitgliedskirchen die Gelegenheit zu gesamtökumenischer Abstimmung vorhanden war, wurde z. B. die Frage des Eids, die für die Friedenskirche der Mennoniten, einem Gründungsmitglied der ACK, in der Gesetzgebung eine besondere Rolle spielte, innerhalb des bilateralen Gesprächs ohne Teilnahme der direkt Betroffenen geführt. Im Laufe der Zeit bürgerte sich die Formulierung von einer »bilateralen Ökumene« ein. Es ist in manchen Fragen hilfreich, wenn zwei Kirchen miteinander im direkten Gespräch sind. Aber eine »bilaterale Ökumene« ist aus theologischen Gründen ökumenisch nicht denkbar, weil die Ökumene eine umfassende Wirklichkeit ist, die sich nicht auf zwei Konfessionen begrenzen lässt, schon gar nicht durch diese selber. Auch wenn es ein »bilaterales Gespräch« gibt, sind immer auch andere Zweige der einen Kirche Christi als ökumenische Gemeinschaft in irgendeiner Weise davon betroffen, selbst wenn sie nicht aktiv in das Gespräch einbezogen sind. 168 169 170 171

Prot. EKD-DBK Kontaktkommission 2./3. März 1970, 16. Hervorhebungen vom Autor. Ebd. Ebd. Ebd., 17. Es handelt sich um die im Mai 1969 gegründete »Arbeitsgemeinschaft Ökumenischer Kreise« mit Abt Ansgar Albrecht (Niederaltaich), mit der die ACK Kontakt hielt. (Prot. ACK 20. 6. 1969 und 6. 11. 1969, 3 f. LKA Hann. E 49, 574).

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Zu der Entwicklung der Gespräche anlässlich von »Gipfeltreffen« zweier Kirchen hat der ökumenisch engagierte Bensheimer Ökumeniker Reinhard Frieling 1992 bemerkt: »die in Deutschland öffentlich relevanten Fragen des gemeinsamen christlichen Zeugnisses wurden häufig an der ACK vorbei im bilateralen Dialog zwischen EKD und römisch-katholischer Kirche bearbeitet, und zum Verdruß der kleineren Kirchen wurde die ACK bisweilen erst im Nachhinein um eine Mitunterzeichnung unter ein fertiges Dokument der beiden Großkirchen gebeten.«172 Ähnlich kritisch äußerte sich der Baptist Erich Geldbach zwölf Jahre später zu diesem Problem. Anlässlich eines im Jahre 2004 durchgeführten Symposions an der Universität Tübingen sprach er von einem neuen Klima nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil und der daraus erwachsenen Annäherung zwischen der DBK und dem Rat der EKD, deren Folgen sich »für Freikirchen bedrückend« auswirken. Er kritisierte, dass sich eine »bilaterale Ökumene« herausbildete, »die durch eine Kontaktgruppe gepflegt wird und die sich zuungunsten der multilateralen Ökumene im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen entwickelt hat. Die beiden ›Großkirchen‹ entwickeln Projekte und bringen Verlautbarungen auf den Weg, an die sich dann die kleineren Kirchen, wenn es gut geht, noch anschließen dürfen.«173 Eine kritische Stellung innerhalb der ACK zu den DBK-EKD-Gesprächen war von Anfang an spürbar. Udo Smidt, Mitglied in beiden Gremien, der bilateralen Kontaktgruppe und der ACK, sah sich schon im November 1969 zu der Erklärung veranlasst, dass die Arbeit der »oberste[n] Kontakt-Kommissionen […] keineswegs eine Geringschätzung der Freikirchen bedeute.«174 In einem späteren Rückblick beschrieb der römisch-katholische Ko-Vorsitzende Bischof Paul-Werner Scheele über den nur ökumenisch engagierten Theologen bekannten »Kontaktgesprächskreis«, der bewusst auf Öffentlichkeitsarbeit verzichte: »Zweimal im Jahr kommen je sechs Vertreter des Rates und der Bischofskonferenz zusammen, um gemeinsame Fragen zu besprechen, möglichst gemeinsame Wege zu suchen und sich auszutauschen über das, was in den Kirchen jeweils geschieht. Das hat sich als sehr fruchtbar erwiesen. Mit der Leitung der Ökumenekommission hing zusammen, dass ich katholischerseits das Kontaktgespräch vorzubereiten und zu moderieren hatte. […] Mehrfach ist es zu einem gemeinsamen Wort gekommen. […] 172 Reinhard Frieling, Der Weg des ökumenischen Gedankens, Göttingen 1992, 120 f. 173 Erich Geldbach, Landeskirchen und Freikirchen: Vergangenheit und Zukunft. In: Holger Eschmann, Jürgen Moltmann, Ulrike Schuler (Hg.), Freikirche – Landeskirche. Historische Alternative – Gemeinsame Zukunft, Neukirchen 2008, 57 – 66 (65 f). Geldbach zählt konkrete Projekte auf und kritisiert mit Recht, dass ACK-Verlautbarungen vom Ratsvorsitzenden, vom Vorsitzenden der DBK und vom ACK-Vorsitzenden gemeinsam unterzeichnet wurden, »als seien EKD und römische Kirche keine Mitglieder der ACK«, für die der jeweilige Vorsitzende mit unterzeichnet (66). 174 Prot. ACK 6. Nov. 1969, 4. EZA 2/15918.

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Diese Gemeinsamkeit hat ja im politischen Raum mehr Gewicht, als wenn nur die Katholische Bischofskonferenz etwas sagt.«175

In diesen Sätzen spiegelt sich noch einmal die »Ökumene auf zwei Ebenen«. Es ist die Frage ungelöst, was das für die Rolle und das Gewicht ACK bedeutet.

3.5.3 Das römisch-katholische Interesse an einer ACK-Mitgliedschaft Nachdem 1969 die DBK grundsätzlich zugestimmt hatte, »einen hauptamtlichen Mitarbeiter in die Ökumenische Centrale zu entsenden« und ihre »Verbindung zur Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen ›zu verstärken‹«, übermittelte Professor Bläser noch im Oktober 1969 einige Fragen der DBK an die ACK, die vor einem nächsten Schritt zu klären seien. Professor Peter Bläser, der an dem von Lorenz Kardinal Jaeger gegründet Paderborner Johann-Adam-Möhler Institut wirkte, war der von der Bischofskonferenz offiziell beauftragte Gesprächspartner für die ACK. In dieser Eigenschaft übersandte er der ACKGeschäftsstelle die folgenden sechs Fragen: »Die Bischofskonferenz wünscht alle Unterlagen über Organisation, Ziel und Arbeitsweise der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen kennen zu lernen, damit sie weiss, in welchen Kreis sie eintritt bei ihrer verstärkten Mitarbeit. Die Bischofskonferenz möchte offiziell wissen, wie die EKD, speziell die Kirchenleitungen der EKD, zur Arbeitsgemeinschaft stehen. Ferner möchte die Bischofskonferenz unbedingt wissen, ob alle Glieder der Arbeitsgemeinschaft, vor allem die Freikirchen, eine verstärkte Mitarbeit und die Entsendung eines hauptamtlichen römisch-katholischen Mitarbeiters in der ÖC bejahen werden. Es müsse konkret aufgezeigt werden, welche Aufgaben, welche Befugnisse und welche Verantwortung der katholische Mitarbeiter innerhalb der Ökumenischen Centrale haben wird. Die Modalitäten der etwaigen gemeinsamen Beschlüsse der Arbeitsgemeinschaft (jede Kirchengemeinschaft eine Stimme oder Proporz oder nach welchem Modell) sollten der Bischofskonferenz mitgeteilt werden. Die letzte Frage: welche finanziellen Kosten werden auf die deutsche Bischofskonferenz zukommen sowohl in bezug auf den hauptamtlichen Mitarbeiter wie auf eine etwaige volle Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen.«176

Die Fragen betrafen, wie man sieht, unterschiedliche Ebenen. Nach der Bereitstellung der Unterlagen und der Beantwortung des Fragenkatalogs waren die Voraussetzungen gegeben, die Einzelheiten in einer Satzung festzuschreiben. Das erforderte einen neuen Ansatz der Koordination, denn die ACK befand 175 Paul Werner Scheele, Weitervereinigung. Erfahrungen und Einsichten auf dem Weg zur Einheit des Glaubens, Würzburg 2008, 45 f. 176 Abschrift eines Briefauszugs, Anhang Prot. ACK 6./7. Nov. 1969. LKA Hann. 574.

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sich ja mitten in einem Erneuerungsprozess. Es stellte sich die Frage, wie z. B. die durch den DÖSTA erarbeiteten Vorschläge für »Die künftige Zusammenarbeit der Kirchen in Deutschland«, die teilweise noch ohne römisch-katholische Mitwirkung entstanden waren, weiter umzusetzen seien. Die darin als »erste Stufe« vorgeschlagene »gemeinsame Sitzung der Kirchenleitungen« mit ACK und gemeinsamer Kommission des Rates der EKD und der DBK und die damit verbundene Planung einer großen »Kirchenkonferenz in Deutschland«, war überholt. Dagegen hatte die Vorstellung einer breiten, möglichst alle Kirchenfamilien beteiligenden Arbeitsfähigkeit der ÖC neue Nahrung erhalten. Es bestand die Aussicht, neben dem landeskirchlichen und dem freikirchlichen Referenten bald auch mit einem katholischen, vielleicht sogar auch einem orthodoxen Mitarbeiter rechnen zu können. Außerdem war die Trennung der ÖC vom Kirchlichen Außenamt unabdingbar geworden. Einen weitreichenden vorbereitenden Schritt, der zugleich ein unübersehbares Signal war, tat die DBK, als sie sich entschloss, Peter Manns177 zu einer Nebentätigkeit in die ÖC zu entsenden. Er konnte seine Mitarbeit aufgrund eines ACK-Beschlusses vom 6. November 1969 aufnehmen. Sein Auftrag bestand darin, die Zusammenarbeit der Kirchen in der Praxis kennen zu lernen, eine ständige Mitarbeit in der ÖC vorzubereiten und an den Vorarbeiten für den Beitritt der römisch-katholischen Kirche mitzuwirken. Die wachsende Beziehung wirkte sich so aus, dass zum 1. Januar 1972 der römisch-katholische Theologe Hans-Jörg Urban nunmehr als hauptamtlicher Mitarbeiter vollzeitlich zunächst für drei Jahre in der ÖC tätig werden konnte.178 Am 28./29. Oktober 1971 hat die ACK-Mitgliederversammlung den Entwurf der neuen Richtlinien, aus denen die »Satzung« entstand, gebilligt. Er wurde bald danach an die Mitgliedskirchen der ACK verschickt. Zusätzlich erhielten ihn diesmal auch die Gliedkirchen der EKD. Die Mitgliedskirchen wurden gebeten, Stellungnahmen, Änderungs- und Ergänzungsvorschläge zu machen, damit der Entwurf überarbeitet und danach zur Annahme erneut an die Kirchen verschickt werde. Die EKD wurde in dem Begleitschreiben ausdrücklich gebeten, 177 Dr. Peter Manns arbeitete am Institut für Europäische Geschichte (Mainz) in der Abteilung Abendländische Religionsgeschichte. 178 Dr. Hans-Jörg Urban hat, wie sein Vorgänger Peter Manns, am Institut für Europäische Geschichte in der Abteilung Abendländische Religionsgeschichte gearbeitet. Nachdem er diese Tätigkeit aufgegeben hatte, wurde er viele Jahre in der ÖC tätig. Er gewann dort eine besondere Beziehung zu den Freikirchen und entwickelte sich innerhalb seiner Kirche zu einer Art Freikirchenspezialist. In einer inzwischen zum Standardwerk gewordenen »Kleine[n] Konfessionskunde« schrieb er das Kapitel über die Freikirchen und betont mehrfach das »positiv freundschaftliche Verhältnis« (275, 283, 291, 297) zwischen manchen Freikirchen und der römisch-katholischen Kirche. (Johann-Adam-Möhler-Institut (Hg.), Kleine Konfessionskunde, Paderborn 1996, 20054). Urban hatte insgesamt einen unübersehbaren Einfluss sowohl von seiner Kirche her in die ACK hinein, aber auch umgekehrt.

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»bei ihren eigenen ökumenischen Strukturüberlegungen179 auf eine Abstimmung mit dem künftigen Aufgabenbereich der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland bedacht zu sein.«180 Als der Entwurf im Kirchenamt der EKD eintraf, stellte sich dort die Frage, ob die EKD selber oder ihr Kirchliches Außenamt sich dazu äußern solle. Präsident Hammer, der selber an der Ausarbeitung der neuen Richtlinien beteiligt war, notierte etwas resigniert: »Ich meine, wir sollten sprechen, wenn wir Wesentliches zu sagen haben.«181 Das wurde allerdings von der EKD erwartet. Immerhin handelte es sich um die zukünftige ökumenische Entwicklung in Deutschland. Nachdem die Frage der Dreier-Beziehung ACK-EKD-BDK bereits früher angesprochen wurde, sollen nachfolgend die einzelnen Positionen nochmals umfassender dargestellt werden.

3.5.4 Die römisch-katholische ACK-Mitwirkung aus der Sicht der EKD Am 12. Dezember 1968 befasste sich der Rat der EKD mit der ACK. Besondere Beachtung fand aus dem Bericht von Landesbischof Eichele, dass innerhalb der ACK »der Wunsch entstanden [sei], auf zentraler Ebene Gespräche mit der katholischen Kirche zu führen.«182 Von den Freikirchen werde der »Wunsch nach einem engeren Verhältnis zur katholischen Kirche« unterstützt. Über diese Entwicklung wurde durch einen der Berliner »Grenzgänger«, nämlich Reinhard Henkys, ein Bericht an die in Berlin (Ost) für die ökumenischen Fragen zuständige Oberkirchenrätin Christa Lewek überbracht. Darin wird deutlicher als es das Rats-Protokoll festgehalten hat berichtet, im Rat seien »Bedenken gegen die Beteiligung katholischer Vertreter in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen geäußert worden.«183 Während Bischof Eichele für eine Beteiligung der römisch-katholischen Kirche an der ACK eintrat, allerdings ohne schon eine Vorstellung über den Weg zur Mitwirkung oder deren Form zu haben,184 wurde im Rat der EKD in dieser Frage eine restriktive Tendenz vertreten. Er hatte einen Monat vorher seine 179 Vgl. Kap. 3.3.1. 180 Schreiben ACK durch den Vorsitzenden C. Ernst Sommer an die Mitgliedskirchen der ACK 23. 11. 1971. EZA 2/15926. 181 Ebd., handschriftliche Anmerkungen. 182 Prot. EKD-Rat 12./13. Dezember 1968, EZA 2/15985 (Auszug). Daraus auch die folgenden Zitate. 183 Schreiben Kirchenamt Hannover an Reinhard Henkys vom 11. April 1969. EZA Best. 2/ 15985. 184 Anlässlich des Katholikentages in Stuttgart 1964 war Kardinal Jaeger Gast im Hause von Bischof Eichele. Das führte zu einem längerfristigen persönlichen Kontakt, der sich später auswirken sollte.

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Meinung im Protokoll zusammengefasst, in dem formuliert wurde: »Eine Beteiligung der römisch-katholischen Kirche an der ACK darf auf keinen Fall übereilt ins Auge gefasst werden.«185 Nachdem der neugewählte ACK-Vorsitzende Bischof C. Ernst Sommer in einem Referat an einen Gesprächsbeitrag von Professor Niesel erinnert hatte, in dem das Ratsmitglied über dessen Haltung gesagt hatte, der Rat wolle bis auf weiteres den Kontakt zwischen der DBK und der EKD im Verbindungsgremium weiterführen, reagierte der Delegierte der Brüder-Unität Pfarrer Helmut Bintz mit der Bemerkung, der Rat stehe einem nationalen Kirchenrat in Deutschland deswegen zögernd gegenüber, »weil er das bisherige Gespräch mit der römischkatholischen Kirche nicht an diesen delegieren wolle.«186 Schon im Januar 1969 waren im Rat der EKD »Bedenken laut geworden, daß die Arbeitsgemeinschaft durch die geplante Hinzuziehung von Katholiken den Eindruck einer Alleinvertretung des deutschen Gesamtprotestantismus gegenüber der römisch-katholischen Kirche erwecken könne.«187 Die ACK habe jedoch im Gespräch mit Vertretern des Rates erklärt, »daß von seiten der Arbeitsgemeinschaft lediglich an die Einladung römisch-katholischer Gäste gedacht sei, um diese an der Arbeit der innerdeutschen Ökumene teilhaben zu lassen, nachdem dies in der ganzen Ökumene […] in engerer oder loserer Form längst praktiziert werde.«188 Zu welchen Irritationen es führte, dass die Entwicklungen der ACK-Beziehungen sowohl wie die neue Offenheit der römisch-katholischen Kirche innerhalb der EKD trotz der regelmäßigen bilateralen Gespräche zu dieser Zeit noch nicht wirklich beachtet worden waren, erlebten die Teilnehmer der ACKMitgliederversammlung im April 1972. Als der bereits weiter oben behandelte EKD-Strukturplan in Anwesenheit des katholischen Beobachters Prof. Bläser erläutert und diskutiert wurde, zeigte sich, dass die von dem Alt-Katholiken Küppers schon früher aufgeworfene Frage, »wieweit die EKD-Reform die innerdeutsche Ökumene betreffe,« unbeantwortet geblieben war. Professor Bläser warf im Zusammenhang der EKD-Planungen über Ökumene, Mission und Diakonie die Frage auf, »ob nicht wie auf der Diözesanebene ökumenische Kommissionen der Kirchen und Werke die ökumenischen Kontakte wahrnehmen und dann auch in der Arbeitsgemeinschaft vertreten sein könnten.«189 Ähnliche Gedanken hatte auch Reinhard Frieling in seinem Strukturplan einer zukünftigen ACK entwickelt. Bei Professor Bläser schwangen Strukturelemente mit, die im ersten Teil eines Ökumenischen Direktoriums enthalten waren. Sie 185 186 187 188 189

Prot. EKD-Rat 7./8. Nov. 1968. EZA 2/15917. Ebd. Prot. ACK 24. Jan. 1969, 5. LKA Hann. 574. Ebd. Prot. ACK 12. April 1972, 7. EZA 2/15919.

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zielten unter der Aufsicht der Bischöfe auf eine ökumenische Durchdringung bis zur untersten Ebene in den Gemeinden und erforderten klare Strukturen, die zu einer gesamtökumenischen regionalen Kooperation notwendig waren. Innerhalb der EKD wurden diese sich nun vermehrt bildenden örtlichen und regionalen Gremien noch mit Zurückhaltung wahrgenommen. Bis zu dieser Zeit war die Verbindung zwischen den verschiedenen Regionen und der ACK noch überwiegend durch die ÖC, also von Frankfurt her, in der Form der dort geplanten und von dortigen Mitarbeitern geleiteten Regionaltagungen bestimmt und damit fest in zentraler Hand.190 Es ist bedenkenswert, dass im katholischen Bereich sofort die Verlagerung der Verantwortung in die Obhut der Bischöfe in den Diözesen geplant und durchgeführt wurde, während das frühe ACK-Modell einer zentral gelenkten Gestaltung der innerdeutschen Ökumene über Jahrzehnte festgehalten wurde. Die Zukunft wird einmal zeigen, ob im Hintergrund von zentralem Denken bestimmte kirchenpolitische Überlegungen eine Rolle spielten. Im Blick auf die ACK-Zukunft kam die EKD in eine schwierige Lage, weil die von Kardinal Jaeger ausgehende Positionierung zu ihrer eigenen Haltung gegensätzlich war. Als sich im März 1970 der Rat der EKD und die DBK trafen, standen auch Fragen der zukünftigen ACK auf der Tagesordnung. Das war erforderlich geworden, weil die Vertreter der Bischofskonferenz im Juni 1969 in einer ACK-Sitzung ihre Position dargelegt hatten. Professor Bläser hatte eine richtungweisende Erklärung mit der Bereitschaft zur Mitarbeit abgegeben,191 auf welche die EKD nun reagieren musste. Nach einem Bericht von Udo Smidt, in dem er auch die in der ACK von Professor Bläser aufgeworfenen Fragen nach gewissen Kompetenzen festgehalten hatte, betonte Kardinal Jaeger in Bezug auf die ACK »erneut die Bereitschaft einer verstärkten Kooperation, die aber abhängig sei von einer eindeutigen Erklärung des Rates zur Frage einer vollen Mitgliedschaft der Katholischen Kirche in der Arbeitsgemeinschaft.«192 Die katholische Seite erwartete von der EKD schon zu einer Zeit Klarheit in der Frage der ACK-Mitgliedschaft, als sich dort noch kein eindeutiger Standpunkt herausgebildet hatte. Hier zeigt sich ein Problem. Die EKD hatte kein Organ, dass sich permanent der Frage der innerdeutschen Ökumene widmete. Entsprechend hatte sie keine offizielle gemeinsame Haltung in dieser für die Ökumene in Deutschland zen190 Die Rolle der landeskirchlichen Ökumene-Referenten und ihre Bedeutung für die regionale Ökumene ist noch zu untersuchen. 191 Vgl. Kap. 3.5.3. 192 Prot. EKD/DBK Kontaktkommission, 2./3. März 1970 (Entwurf). EZA 2/16040, 16. Im offiziellen Protokoll ist die Erfassung dieses Gesprächsgegenstandes verkürzt auf »Kardinal Jaeger berichtet, daß die Deutsche Bischofskonferenz die Beteiligung an der Arbeitsgemeinschaft grundsätzlich bejaht habe.« Ebd., (Endfassung), 16.

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tralen Frage entwickelt und innerhalb der EKD wie auch in der ACK vertreten. Während sich die Vertreter des Rates der EKD mit der Bischofskonferenz in Gipfeltreffen besprachen, korrespondierte gleichzeitig der nicht dem Rat angehörende württembergische Landesbischof als ACK-Vorsitzender mit Kardinal Jaeger. Schon im Februar 1969 hatte sich Eichele aufgrund eines ACK-Beschlusses vom Oktober 1968 an den Paderborner Kardinal gewandt und ihn »gebeten zu sondieren, wie die Bischofskonferenz eine Einladung zur Entsendung von zwei Beobachtern in die ACK aufnehmen würde.«193 Wenige Tage später reagierte zunächst Kardinal Jaeger positiv, danach auch die noch im Februar tagende Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz. Im Laufe der weiteren Entwicklung stand im Juli 1972 das Gespräch über die neuen Richtlinien auf der Tagesordnung des Rates der EKD. ACK-Geschäftsführer Hanfried Krüger erläuterte die Paragrafen der vorgesehenen neuen Ordnung, »die auf eine umfassendere und verbindlichere Zusammenarbeit der innerdeutschen Ökumene abzielen.« Als Ergebnis wurde festgehalten: »Der Rat erteilte seine grundsätzliche Zustimmung«,194 wünschte aber, dass der Name »Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen« erhalten bleibe und die neue »Satzung« im vereinsrechtlichen Sinne überarbeitet werde. Das musste eine Verzögerung des Beitritts der katholischen Diözesen zur Folge haben, denn die Möglichkeit eines Beschlusses über den Beitritt, den die DBK schon für den Herbst 1972 in Aussicht genommen hatte,195 war danach nicht mehr zu halten.196 Es ist nicht überraschend, dass die Weiterentwicklung der ACK-Satzung und daraus erwachsende Konsequenzen auch im bilateralen »Spitzengespräch« beraten wurde. Nach einer grundsätzlich für die Ökumene positiven Klärung hat Wilhelm Gundert, hannoverscher EKD-Oberkirchenrat und Catholica-Beauftragter, auf dieser Basis Gesichtspunkte für die kommende Neustrukturierung formuliert. Seine Überlegungen zeigen, dass er in der ACK und der zwischenkirchlichen Begegnung lediglich einen Weg zur Lösung von Problemen sah, aber die eigentlich inhaltlichen ökumenischen Grundfragen von Einheit, Gemeinschaft, Zeugnis und Dienst noch gar nicht in seinem Blickfeld lagen. Dagegen treten verschiedene Themen der Kirchenpolitik in den Vordergrund. Der erste Absatz seines Papiers lautete z. B.: »Eine Zusammenarbeit aller Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) ist grundsätzlich zu begrüßen. Zwar könnten angesichts der zahlenmäßigen 193 Hans Jörg Urban, Die römisch-katholische Kirche in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland. In: ÖR 47. Jg. (1998), 18 – 28 [28 Anm. 2]. 194 Prot. EKD-Rat 6./7. Juli 1972 (Auszug). EZA 2/15926. 195 Prot. ACK Juli 1972, 7. EZA 2/15919. 196 Die Herder Korrespondenz vom 27. Nov. 1973, 548 berichtete »Nach einiger Verzögerung fiel nun auch endgültig die Entscheidung für den Beitritt der Katholischen Kirche zur ›Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen‹.«

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Größe der evangelischen und der katholischen Kirche in der Bundesrepublik die meisten Probleme, die die Kirchen gemeinsam haben, zwischen den beiden großen Kirchen allein besprochen werden. Es gehört aber zum ökumenischen Verhalten, daß keine Kirche, die sich an diesem Gespräch beteiligen möchte, ausgeschlossen wird, sofern es sich um Themen handelt, die alle Kirchen angehen. Von daher verdient der Vorschlag, die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen zu stärken und zu erweitern, Unterstützung.«197

Die für das bilaterale Kontaktgespräch im Kirchenamt erstellten Thesen enthalten auch einen Hinweis auf zur ACK gehörende »kirchliche Gemeinschaften«, deren Haltung zur Ökumene und zum Katholizismus Gundert ganz im Sinne der kritischen Grundhaltung wie folgt charakterisierte: »Der seitherigen Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen gehören teilweise kirchliche Gemeinschaften an, die nicht ökumenisch denken und starke Affekte gegen die römisch-katholische Kirche haben. Es ist daher richtig, daß die neuen Richtlinien die Unterscheidung zwischen Mitgliedern, Gästen und Beobachtern beibehalten.«198

Diese Passage erklärt die wiederholt von Delegierten der Bischofskonferenz aufgeworfene Frage nach der Offenheit der Freikirchen für ihren Beitritt. Tatsächlich gab es in der Mehrzahl der Freikirchen eine positive Grundhaltung, bei einigen sogar die Forderung nach einer offiziellen Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche. Die Haltung aller freikirchlichen ACK-Mitgliedskirchen drückt sich auch in dem später einstimmig erfolgten Beschluss zur Aufnahme der römisch-katholischen Kirche und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie aus. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die katholische Verunsicherung gegenüber den Freikirchen erst durch solche Positionen geweckt wurden, wie sie in dem Gundert-Papier zum Ausdruck kommen. Darin wird weiter die Frage aufgeworfen, welche Funktion die bilateralen Kontaktgespräche im Falle des Beitritts der römisch-katholischen Kirche zur ACK dann noch haben. Man spürt dem Papier ab, dass das Kirchenamt sich der Entwicklung nicht entziehen konnte und darum auch solche Bedenken formulierte. Kurz vor der Aufnahme der römisch-katholischen Kirche in die ACK gab es am 11. März 1974 im Frankfurter Kirchlichen Außenamt noch einmal ein bilaterales EKD-DBK-Gespräch. Die Initiative war vom Evangelischen Kirchenamt 197 Wilhelm Gundert, Gesichtspunkte zu der Neustrukturierung der Arbeitgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland. EZA 2/15926. 198 Ebd. Abgesehen von der undifferenzierten inhaltlichen Aussage über das Verhältnis bisheriger ACK-Mitglieder zur Ökumene und zur römisch-katholischen Kirche ist die Vorstellung der Beibehaltung der unterschiedlichen Mitgliedschaftsformen sachlich nicht richtig, da es sie in den bisherigen »Richtlinien« nicht gab. Außerdem kann das Wohlverhalten von Kirchen gegenüber anderen nicht zum Kriterium für einen Mitgliedschaftsstatus erhoben werden.

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ausgegangen. Vorher war am 28. Februar 1974 noch einmal über die bevorstehende Doppelgleisigkeit der innerdeutschen Ökumene gesprochen. Es nahmen sechs, zeitweise sieben Beauftragte teil.199 Der hannoversche Catholica-Referent Oberkirchenrat Wilhelm Gundert warf die Frage auf, »wie sich die katholische Kirche in den nun gleichzeitig bilateral (Kontaktgespräch zwischen dem Rat der EKD und der Bischofskonferenz) und multilateral (AG christlicher Kirchen in Deutschland) zu führenden ökumenischen Gesprächen verstehe. Welche Themen gedenkt sie in das bilaterale und welche in das multilaterale Gespräch einzubringen, und worin sieht sie das Proprium eines jeden dieser beiden Gesprächskreise.«200

Der Ansatz für das Gespräch wird schon darin deutlich, dass hier die EKD die Bischofskonferenz nach ihren Vorstellungen von der Abgrenzung gegenüber der ACK befragt. In einer Angelegenheit, die eigentlich eine gemeinsame Fragestellung hätte sein müssen, sollten sich hier die Vertreter der Bischofskonferenz erklären. Offensichtlich hatte die fragende Seite eine klare Position. Es entsteht der Eindruck, als sei dieses Gespräch kurz vor der Aufnahme der DBK in die ACK ein letzter Versuch gewesen, bilateral zu retten, was noch zu retten war. Das Protokoll vermerkt als Ergebnis: »Die Antwort der katholischen Gesprächsteilnehmer lautet einstimmig, es könne in dieser Frage nur um die Anwendung und gegebenenfalls Interpretation des § 4 Ziff. 3 der neuen Satzung201 der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen gehen, der zufolge die multilateralen Beziehungen in der AG in keiner Weise die bestehenden bilateralen Kontakte tangieren sollen. Außerdem werden die Themeninhalte selber dafür bestimmend sein, wo sie behandelt werden müssen. Sind sie von Interesse für alle Kirchen, so müssen sie in der AG behandelt werden. Betreffen sie dagegen lediglich die EKD und die katholische Kirche, so gehören sie in das bilaterale Kontaktgespräch. Da der Erzbischof von Paderborn und Bischof Harms gleichzeitig in beiden Gremien sind, wird eine entsprechende Überschneidung wahrscheinlich keine größeren Schwierigkeiten bereiten. Davon abgesehen ist eine Doppelbearbeitung eines bestimmten Gegenstandes in beiden Gremien nicht in jedem Fall von Übel.«202 199 Seitens der DKB: Weihbischof A. Kleinermeilert, Professor P. Bläser und Hans Jörg Urban, der auch das Protokoll schrieb (was vielleicht für die klare Darstellung der römisch-katholischen Position nicht ganz unwichtig war); seitens der ACK: Landesbischof G. Heintze, Superintendent Heinrich Michelmann (in Vertretung für Bischof C. E. Sommer), Oberkirchenrat Hanfried Krüger und zeitweise Oberkirchenrat Wilhelm Gundert (Kirchenamt der EKD, Hannover). 200 ACK-Ergebnisprotokoll Besprechung 28. Febr. 1974, 1. EZA 2/15926. 201 § 4 »Zugehörigkeit« lautete Ziff. 3 der neuen ACK-Satzung: »Durch die Zugehörigkeit wird die Unabhängigkeit in Bekenntnis und Lehre, in Leben und Ordnung sowie in der Wahrnehmung eigener Anliegen der einzelnen Mitglieder und Gäste einschließlich besonderer Beziehungen untereinander nicht berührt. Unter dieser Voraussetzung sind alle gewillt, gemeinsam erkannte Aufgaben nach Möglichkeit gemeinsam zu erfüllen.« 202 ACK-Ergebnisprotokoll der Besprechung vom 28. Febr. 1974, 1. EZA 2/15926.

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Der methodistische Superintendent Heinrich Michelmann bemerkte dazu, »dass es heute wohl kaum mehr eine Frage gäbe, die nicht in irgendeiner Weise auch die kleineren Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften beträfe.« Er zeigte jedoch Verständnis dafür, »wenn einmal eine Frage nur bilateral zwischen den Großkirchen ausgehandelt wird.«203 Es gab verschiedene Argumente, die ausgetauscht wurden: u. a. die vergleichsweise dünne Personaldecke in den kleineren Kirchen, der Erleichterung zum Konsens bei zwei Teilnehmern stand die differenzierte Stellungnahme bei größerer Teilnehmerzahl gegenüber, die mehr Gewicht habe. Es sei auch denkbar, nach einer öffentlichen Stellungnahme durch die Kontaktgruppe eine weitere durch die ACK folgen zu lassen. Man spürt den Erwägungen eine gewisse Unsicherheit ab, die sich verstärkte, als OKR Gundert aus den vorausgegangenen Überlegungen der EKD-DBKKontaktgruppe berichtete, dort sei auch die Ansicht vertreten worden, »es gäbe Fragen, die bilateral behandelt werden müssen, von anderen habe man sich gefragt, ob sie nicht von der Sache her in den größeren Kreis der AG gehörten.«204 Gundert sei zusammen mit dem damaligen Prälaten Josef Homeyer beauftragt worden, eine Vorlage für die Kontaktgesprächsgruppe vorzubereiten. In einem ersten Entwurf habe er drei Fragen skizziert. Es solle vorgesehen werden, in der Kontaktgruppe (1) eine frühzeitige Abstimmung über die Themen vorzunehmen, (2) eine gegenseitige Unterrichtung über Ergebnisse in den jeweiligen Sitzungen, evtl. durch noch zu klärenden Protokollaustausch und (3) »sofern ausnahmsweise das gleiche Thema aufgegriffen wird« soll das andere Gremium ausführlich unterrichtet werden. Die Gesprächsteilnehmer waren darüber einig, jeden Antagonismus zwischen beiden Gremien zu vermeiden. Einseitig formulierte Oberkirchenrat Gundert: Komme die ACK zu einem öffentlichkeitsrelevanten Ergebnis, so sollte eine Koordination mit der Kontaktsgruppe erzielt werden. Dagegen sollte sowohl in der Kontaktgruppe wie in der ACK der gegenseitige Austausch von Protokollen beantragt werden. – Eine handschriftliche Randnotiz im Protokoll durch »H« – es handelt sich um den Kirchenamtspräsidenten Hammer – signalisiert »Bedenken!«205 Unabhängig von gewissen »Bedenken« gegenüber der multilateralen Ökumene im Kirchenamt stimmte der Rat der Satzung zu, die auf seine Veranlassung überarbeitet worden war. Es gab kein Zurück mehr. Im November 1974 stellte die Synode der EKD eindeutig fest: »Die Synode begrüßt, daß die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland durch den Beitritt der römisch-katholischen Kirche und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie eine breite Basis

203 Ebd., 1 f. 204 Ebd., 2. 205 Ebd., 2 f.

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gemeinsamen Zeugnisses und Dienstes erhalten hat.«206 Wenn man die verschiedenen Bemerkungen aus dem Kirchenamt und den Beschluss der EKDSynode bedenkt, dann entsteht der Eindruck, dass selbst zwischen Kirchenamt und Synode unterschiedliche Ansichten bestanden. Erfreulich war auf jeden Fall, dass die EKD-Synode von einer breiten Basis für »Zeugnis und Dienst« sprach. In dem der Synode vorgelegten Bericht betonte der ACK-Geschäftsführer Hanfried Krüger, dass sich die neue »Satzung« an die von 1948 stammenden »Richtlinien« anlehne, aber die zukünftige ACK sei bemüht, »mehr als bisher […] diese ökumenischen ›Leerformeln‹ – zitiert werden anschließend die »Aufgaben« aus der neuen Satzung – mit Leben zu füllen.«207 Die Entwicklung und Bedeutung der Sonderbeziehungen zwischen EKD und DBK für die innerdeutsche Ökumene ist bisher nicht untersucht worden. Es ist allerdings weder zu einem Protokollaustausch noch zu einer Unterrichtung der ACK über die bilateralen Gespräche gekommen, wie es am Anfang erwogen worden war. Die Frage, ob nicht gastweise ein Delegierter einer ACK-Mitgliedskirche als Beobachter oder vielleicht Berater in speziellen Fragen gemeinsamer Interessen zur Teilnahme an den Gesprächen eingeladen werden könne, scheint bisher noch nicht erwogen zu sein. Die geringe Aufmerksamkeit, welche die EKD der ACK durch viele Jahre geschenkt hatte, schien sich jetzt in der unerwartet auftretenden Frage nach der zukünftigen Gestaltung der Ökumene in Deutschland auszuwirken. Noch 1968 hatte Bischof Wunderlich im Rahmen einer ACK-Sitzung die EKD-Delegierten aufgefordert, »zu überlegen, wie auch innerhalb der EKD die Arbeitsgemeinschaft bekannter werden könne.« In einer solchen Forderung spiegelt sich der Eindruck jener ökumenisch engagierten Partner, für welche die Bildung der ACK einen enormen Fortschritt bedeutet hatte, den die Kirchen allerdings in unterschiedlicher Intensität in ihr jeweiliges Eigenleben einbezogen hatten. Die Freikirchen hätten sich weitere engagierte Ökumeniker wie den ersten ACKVorsitzenden Martin Niemöller gewünscht. Die Frage, wer die Interessen der innerdeutschen Ökumene in den Leitungsgremien der EKD vertrat und wie aktiv das skeptische Kirchenamt die innerdeutschen ökumenischen Angelegenheiten mit den betroffenen Landeskirchen kommunizierte, ist noch zu beantworten.208 206 Zit. n. KJ 101. Jg. (1974) Gütersloh 1977, 296. 207 Ebd. 208 Die gegenseitigen historischen Sichten von römisch-katholischer Kirche zu den Freikirchen und umgekehrt der Freikirchen zur römisch-katholischen Kirche sind aus deutscher Perspektive bisher nicht hinreichend erforscht. Es ist keine Frage, dass es unter den Freikirchen grundsätzlich unterschiedliche Positionierungen gegeben hat, die teilweise auch schwankend waren und sich an offiziellen Äußerungen und konkreten Begegnungen im lokalen und weltweiten Bereich festmachten.

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3.5.5 Die römisch-katholische ACK-Mitwirkung aus freikirchlicher Sicht Die Unterschiedlichkeit freikirchlicher Positionen wird im ökumenischen Bereich augenfällig. Die Spanne zwischen den ökumenisch engagierten Methodisten und den Freien evangelischen Gemeinden209 ist in dieser Frage weit. Wie die innerhalb des Bundes Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland (BFeG) aktiven Pastoren und die autonomen Gemeinden zur Ökumenischen Bewegung unterschiedliche Haltungen einnehmen, geschieht es auch gegenüber der römisch-katholischen Kirche. Innerhalb der ACK hatte das jedoch kaum eine Bedeutung, auch weil der BFeG sich nach mehr als sechzig Jahren als Gastmitglied immer noch nicht entschließen konnte, den Schritt in die volle Mitgliedschaft zu gehen. Die Vorbehalte gegenüber beiden sog. Großkirchen ergeben sich aus der Ekklesiologie des BFeG, der in ihnen als Volkskirchen corpora permixta sieht. Ausdrücklich »zurückgewiesen« wird der Anspruch der römisch-katholischen Kirche, allein Kirche im eigentlichen Sinn zu sein.210 Noch Ende 1967 beschloss die ACK – auf wessen Betreiben auch immer –, sich an den zunehmenden Aktivitäten mit der römisch-katholischen Kirche auf regionaler Ebene »vorerst nicht [zu] beteiligen«. Bischof Wunderlich hat dann ausdrücklich darauf bestanden, die methodistische Kirche solle wegen der begonnenen Gespräche zwischen dem Weltrat Methodistischer Kirchen und dem römischen Einheitssekretariat »auch auf regionaler Ebene in Deutschland hinzugezogen [zu] werden.«211 Als der Gedanke einer römisch-katholischen Einbeziehung in die ACK immer mehr in Erscheinung trat, hatte im Oktober 1968 der Baptist Direktor Rudolf Thaut aus dem Raum der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) in der ACK berichtet, dass die VEF »keine eigenen Gespräche mit der römisch-katholischen Kirche aufzunehmen gedenkt, daß sie diese Gespräche vielmehr auf dem Boden der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen durch ihre Mitgliedskirchen führen will.«212 Indirekt war das auch eine Kritik an der EKD mit der eigenen Gesprächsebene. Vorher hatte der Baptist Otmar Schulz bereits die Frage nach der Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche auf209 Johannes Demandt (Hg.), Freie Evangelische Gemeinden, BenshH 114, Kirchen der Gegenwart Bd. 4, Göttingen 2012, 76 – 78. 210 Ebd., 78 Anm. 155. Hervorhebung übernommen. 211 Prot. ACK 24. Nov. 1967, 4. LKA Hann. 574. Das erste Treffen beider Delegationen hatte nach einer gemeinsamen Übereinstimmung vom August 1966 in Ariccia bei Rom stattgefunden. Darüber war Wunderlich als Mitglied des weltweiten Council of Bishops seiner Kirche gut informiert. Der damals begonnene Dialog wird bis heute weitergeführt. Alle Ergebnisse in: DwÜ, Band 1 – 4. Dazu auch: Geoffrey Wainwright, »Mögen auch zwei miteinander wandeln, sie seien denn uneins untereinander?«. Fortschritte zwischen Methodisten und Katholiken auf dem Weg zur Einheit. Vorwort Walter Klaiber. EmK Forum 30, Stuttgart, 2005. 212 Prot. ACK 25. Okt. 1968, 7. LKA Hann. 574.

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geworfen und in dem Zusammenhang auf die ACK-Rhein-Main verwiesen, die für eine Ausweitung eintrete. Es gebe sogar bereits Bemühungen um einen gemeinsamen Kirchentag für das Jahr 1971, der in Frankfurt/M. stattfinden solle. Diese Hinweise dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) unterschiedliche Stimmen gab. In den Jahren 1969 bis 1973 war Bischof Carl E. Sommer VEF-Präsident. Er hatte den gleichzeitigen Vorsitz in der ACK angenommen, »da mit der Möglichkeit hilfreicher Umgestaltungen gerechnet werden konnte.«213 Die neue Satzung, die auch die römisch-katholische Kirche als Mitglied vorsah, wurde in den Freikirchenleitungen und auch im VEF-Präsidium besprochen. In den zur VEF gehörenden Kirchen gab es Einverständnis darüber, dass die ACK aufgewertet und die ÖC verselbständigt werden müsse. Mögliche Gestaltungsformen wurden diskutiert: Neubildung der ACK aus einem Teil der Rates der EKD und dem Präsidium der VEF oder aber ein gemeinsamer Ökumene-Ausschuss der EKD, der Bischofskonferenz und des Freikirchenrates. Die Perspektive einer gastweisen Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche führte zu dem Impuls, jede Freikirche solle ihr Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche überprüfen. Die vagen Äußerungen zeigen, dass es praktisch keine gemeinsame Position gab. Am klarsten erklärte sich die methodistische Kirche. Schon die für die weltweite Kirche als verfassunggebende Versammlung fungierende Generalkonferenz hatte 1964 im pennsylvanischen Pittsburgh ihre »Befriedigung darüber ausgesprochen, daß seit dem II. Vatikanischen Konzil ein Gespräch zwischen den Kirchen angelaufen ist, wie es bisher in der Geschichte noch nicht geschehen ist.«214 Sie hat nochmals betont, dass sie die Einheit in der Vielfalt will, und zugleich hat sie, verbunden mit dem Anspruch, als Kirche respektiert zu werden, in Richtung Rom die Notwendigkeit der Religionsfreiheit gefordert, die in manchen Ländern mit katholischer Mehrheit nicht gewährt wurde und die methodistische Mission behinderte.215 In seinem letzten Bericht als aktiver Bischof sagte Friedrich Wunderlich im Mai 1968 vor den Delegierten und vielen ökumenischen Gästen aus Deutschland, den östlichen und westlichen europäischen Nachbarstaaten sowie den angelsächsischen Ländern nach seinen Erklärungen zur ACK, zur Diakonischen Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchen mit Brot für die Welt und Dienste in Übersee: »Die Evangelisch-methodistische Kirche wird auch in Deutschland nicht abseits stehen, wenn nun auch das Gespräch mit der Römisch-katholischen Kirche auf Weltebene zustande gekommen ist. Auch hier geht es selbstverständlich nicht um einen organisatorischen 213 C. Ernst Sommer, Bericht des Präsidiums 1969 – 1972. In: Berichtsheft zur Konferenz der Vereinigung evangelischer Freikirchen 1973, Stuttgart 1973, 30. 214 Friedrich Wunderlich, Christus vor allem. Bischofsbotschaft 1964, Frankfurt/M. 1964, 22 f. 215 Ebd.

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Zusammenschluss. Es geht vielmehr darum, daß wir einander im Lichte Jesu besser sehen und verstehen lernen.«216 Diese Linie führte sein Nachfolger, Bischof C. Ernst Sommer, weiter. 1972 berichtete er über eine Begegnung mit Johannes Kardinal Willebrands in Denver, Colorado, der damals das Einheitssekretariat in Rom leitete. Der Kardinal hatte in Denver über die methodistisch-katholischen Gemeinsamkeiten in der Spiritualität und der Frömmigkeitspraxis gesprochen. Sommer kommentierte den Besuch und die Begegnung positiv. Gerade die frühen Äußerungen methodistischer Bischöfe zeigen, welche Bedeutung es für die ökumenische Entwicklung hat, wenn man über den nationalen Tellerrand hinausschaut und eingebunden ist in eine weltweit verpflichtende Connexio, wie die methodistischen Kirchen das Verbundsystem als Teil ihrer Ekklesiologie bezeichnen.217 Wie es scheint, war die Evangelisch-methodistische die einzige Freikirche, die eine umfangreiche »Stellungnahme zum Beschluss der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland«218 veröffentlicht hat.219 Auch durch diese Erklärungen waren im Hinblick auf eine ACK-Mitgliedschaft Voraussetzungen gestärkt, »daß man katholischerseits 1973/74 mit einiger Erwartung einer näheren Begegnung und ggf. engeren Zusammenarbeit mit den Freikirchen entgegensah.«220 Professor Urban weist ausdrücklich auf eine »in den Akten mehrfach vorkommende Vergewisserung [hin], daß man freikirchlicherseits mit dem Beitritt der katholischen Kirche einverstanden ist.« Urban zeigt auf, dass für die katholische Kirche das Zusammentreffen mit den Freikirchen »das entscheidende Novum […] sein würde.« Damit sei »etwas gesagt zu den damaligen katholischen Erwartungen beim Beitritt zur ACK,« was erneut das Interesse der römisch-katholischen Kirche über die praktizierten EKD-»Spitzengespräche« hinaus an der Begegnung mit den Freikirchen unterstreicht. Die unterschiedlichen Zielvorstellungen der beiden jedenfalls in Deutschland tragenden Kirchen, der Bischofskonferenz, die auf eine Mitgliedschaft in der ACK drängte und der EKD, die es lieber bei bilateralen Beziehungen zwischen EKD und DBK belassen hätte, fallen ins Auge. Die nachfolgenden tiefgreifenden Veränderungen in der »neuen« ACK werden von daher verständlich.221 216 Friedrich Wunderlich, Wir sind sein Werk. Bischofsbotschaft 1968, Stuttgart 1968, 13. 217 Walter Klaiber/Manfred Marquardt, Gelebte Gnade. Grundriss einer Theologie der Evangelisch-methodistischen Kirche, Göttingen 20062, 393 – 397. 218 Zur Würzburger Synode der Bistümer in der BRD vgl. Kap. 4.2.4. 219 Amtsblatt der Evangelisch-methodistischen Kirche, 9. Jg. (1976) Ausg. v. 10. 12. 1976. Dazu auch in: KJ 103./104 Jg. (1976/77), Gütersloh 1977, 269 – 271. 220 Hans Jörg Urban, Die römisch-katholische Kirche in der ACK. In: ÖR 47. Jg. (1998), 21. Daraus auch die folgenden Zitate. 221 Vgl. Kap 3.5.4.

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3.5.6 Die römisch-katholische ACK-Mitwirkung aus der Sicht der ACK Bereits am 23. April 1965, vier Monate nach der Beendigung des Zweiten Vatikanischen Konzils, gab der Alt-Katholik Küppers in einer ACK-Sitzung am Ende eines umfangreichen Referats zum Konzil einen in der Rückschau geradezu visionären Ausblick. »Gerade weil in so hohem Maße viele Dinge in der Römischen Kirche in Bewegung gekommen sind und über den Ausgang dieser Bewegung noch nicht entschieden ist, gehen diese Fragen auch die nicht-römischen Kirchen an. Man darf geradezu von einer gemeinsamen Verantwortung aller Christen für die Auswirkung des Konzils sprechen.« Mit dieser klaren Schau leitete er den Absatz »Ausblick auf die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland« ein. Es sei »zu erwarten, daß der Durchbruch der neuen Kräfte und Gedanken bis in die Diözesen, Gemeinden […] hinein sich auswirkt.«222 Die ACK könne »in ihrer Mitverantwortung für die Kirche in Deutschland die schon eingetretene und noch zu erwartende Veränderung der ökumenischen Lage nicht übersehen. Gewiß könnte sie sich versucht sehen, diese Änderung nur zu konstatieren, sich aber doch praktisch auf die Erfüllung der begrenzten Aufgabe beschränken, der Begegnung landes- und volkskirchlicher, nicht-römischer Kirchen und freikirchlicher Gemeinschaft im deutschen Raum zu dienen. So notwendig dieser begrenzte Dienst auch ist, er erfüllt nicht die ganze Aufgabe, für die diese Arbeitsgemeinschaft ins Leben gerufen wurde: der Gemeinde Christi in Deutschland schlechthin zu dienen, ihr Zeugnis zu stärken, ihrer Einheit die Wege zu ebnen und an ihrem Teil diese Einheit selbst darzustellen. […] Auch wenn sie es nicht selbst direkt so ausdrücken wollte, kann man hier von einem legitimen Anspruch sprechen, prinzipiell höchstes Organ ökumenischer Einheitsbemühung in Deutschland zu sein. Das ist keine verbohrte Prestigefrage, sondern vom Evangelium her begründet: Indem im März 1948 in Kassel eine bestimmte Anzahl von Kirchen in Deutschland sich in dieser Gemeinschaft verband, haben diese Kirchen sich zu der ihnen vom Evangelium gegebenen Gemeinsamkeit bekannt.«223

Damit hatte Professor Küppers der ACK sogar eine ekklesiologische Bedeutung beigemessen. Für den Referenten war klar, dass sich für den Katholizismus in Deutschland die Frage stellen musste, »in welchem [sic!] Verhältnis er zur zusammenfassenden Organisation der nicht römisch-katholischen ökumenischen Bewegung im gleichen Raum treten wird.« In Genf gab es bereits eine »Konsultativgruppe« zwischen Rom und dem ÖRK. Sollte die ACK etwas Analoges für Deutschland anregen? Ein anderer Schritt wäre die gelegentliche gastweise 222 Referat Küppers zur Bedeutung des Konzils mit einem »Ausblick auf die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland«. Anhang zum Prot. ACK 23. Apr. 1965, Vortrag 14 – 17. LKA Hann. 574. Daraus auch die folgenden Zitate. 223 Ebd., 15.

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Einladung autorisierter römisch-katholischer Beobachter in diese und jene ACK-Sitzung. Im Lande hin und her sah Küppers viele Ebenen der Begegnung vorher. »Wahrscheinlich werden dabei auch die jetzt noch wie im Schatten stehenden Freikirchen von römisch-katholischer Seite nicht übergangen, sondern sogar ›entdeckt‹ werden. [… ] Nicht von ungefähr war jedenfalls die methodistische Beobachtergruppe in Rom die zahlenstärkste.« Küppers sah neue Möglichkeiten und neue Probleme. »Fast […] könnte es scheinen, als ob durch eine solche Flut die Plattform der Arbeitsgemeinschaft überschwemmt werden müßte, daß vor allem vor dem Reiz aufkommender neuer, bilateraler Kontakte die alte, multilaterale Ökumenik vielfach verblassen müsste. Dies aber«, fügte er seinen Bedenken hinzu, »würde dem Wesen der Ökumenischen Bewegung als einer allseitig offenen Bruderschaft widersprechen.« Der Alt-Katholik sah die ACK in der Pflicht, hier ihre Aufgabe wahrzunehmen. Das würde bedeuten: Die ACK »würde sich selbst von ihrer Grundaufgabe her in vierfacher Hinsicht für das Ganze der ökumenischen Entwicklung in Deutschland mitverantwortlich erkennen und bekennen und dies in geeigneter Weise formulieren.« Die vier Gesichtspunkte der Vision waren: (1) die »Repräsentation dieser Ganzheit«, (2) die »Information über entsprechende Vorgänge« und Entwicklungen, (3) die »Inspiration oder Initiative geistiger Art in der großen und vollen Begegnung christlicher Bruderschaft« und (4) die »Koordination der verschiedenen Konkretisierungen des Prozesses ökumenischer Integration.« Sein Vorschlag: die ACK könne eine kleine Gruppe bilden, die diese vierfache Aufgabe übernehmen soll. Mit seinen zu dieser Zeit noch vielen Theologen utopisch erscheinenden Herausforderungen verband Küppers die Frage, ob die ACK »in die neuen ›unsicheren‹ Aufgaben hineinwachsen kann oder in alten ›sicheren‹ Gleisen weiterfahrend im Grunde doch auf ein ökumenisches Nebengleise [sic!] gerät.«224 In den folgenden ACK-Sitzungen war die Beziehung zur römisch-katholischen Kirche ein ständiges Thema. Es gab keine Vorbehalte, weder von den EKDDelegierten noch von den Vertretern der Freikirchen. Allerdings zeigten sich die bereits erörterten Probleme mit der Rolle der ACK im Rat der EKD, die ihre Dominanz wahren wollte. Der Rat der EKD hätte es offenbar gerne gesehen, wenn die ACK in ihrer bisherigen schwachen Position hätte gehalten werden können. Das war für die Minderheitskirchen in der ACK nicht hinnehmbar, denn sie hatten unter ihren Kirchengliedern von Anfang an die Hoffnung auf ein wachsendes Miteinander geweckt. Die ersten Fragen über einen Kontakt der ACK zu der sich nun ökumenisch öffnenden römisch-katholischen Kirche wurden bereits während der letzten 224 Bis hier alle Zitate aus Referat Küppers, ebd.

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Sitzungsperiode des Vatikanums laut. Sie fanden in den ACK-Sitzungen allseitige Unterstützung. Schon im April 1966 wurde eine Einladung zur Teilnahme an den ACK-Sitzungen an die römisch-katholische Kirche erörtert. Ende 1967 beauftragte die ACK-Mitgliederversammlung ihren Vorsitzenden, zu dieser Zeit Landesbischof Erich Eichele, einen Brief zu entwerfen, »in dem eine Kontaktnahme vorgeschlagen wird, etwa in der Entsendung von ein oder zwei römischkatholischen Beobachtern.«225 Landesbischof Dietzfelbinger sollte als EKDRatsvorsitzender eine Kopie dieser Einladung erhalten. Als Monate später, am 25. Oktober 1968, Professor Küppers seine Vorstellungen zum Verhältnis der ACK zur römisch-katholischen Kirche darlegte, kam er auch zu der Frage »warum der Brief an die römisch-katholische Kirche, der bereits der Arbeitsgemeinschaft vorgelegen habe und von ihr gutgeheißen sei, noch nicht abgeschickt worden sei.« Darauf antwortete Bischof Eichele, »er habe als Vertreter der EKD die beschlossene Benachrichtigung des Ratsvorsitzenden nicht erst nach, sondern schon vor der Absendung für angezeigt gehalten. Daraufhin habe ihn der Ratsvorsitzende gebeten, mit der Absendung noch zu warten.«226 Im weiteren Verlauf der Sitzung machte Küppers den Vorschlag, den geplanten Brief nun nicht mehr an Kardianal Jaeger, sondern an Julius Kardinal Döpfner, den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, zu richten. Unabhängig von dieser Bitte wandte sich Bischof Eichele am 5. Februar 1969 an Kardinal Jaeger. Zu ihm hatte er eine persönliche Beziehung, nachdem der Paderborner Kardinal während des Katholikentages in Stuttgart im Hause des landeskirchlichen Bischofs logiert hatte. Eichele bat Jaeger zu sondieren, wie die Bischofskonferenz auf die Einladung von zwei Beobachtern in die ACK reagieren würde. Nur wenige Tage später ging das Einladungsschreiben von Paderborn weiter an Kardinal Döpfner, den Vorsitzenden der Bischofskonferenz. Deren vom 24. bis 27. Februar 1969 tagende Vollversammlung nahm die Einladung der ACK positiv auf.227 Ein solcher Vorgang insgesamt, der das ACK-Handeln in derartig grundlegenden Fällen von der Zustimmung aus dem Bereich der EKD abhängig machte, ließ die Frage aufkommen, ob die ACK ein auf der Basis ihrer Verfassung unabhängiges, handlungsfähiges Organ aller Kirchen war. Es wurden Grenzen einer partnerschaftlichen protestantischen innerdeutschen Ökumene sichtbar. Sie zeigten auf, wie notwendig eine ACK-Erweiterung war, die dann 1974 nicht nur durch die Vertreter der Bischofskonferenz, sondern auch durch die Griechisch-Orthodoxe Metropolie erfolgte. Natürlich wirft eine solche Erfahrung auch die Frage auf, in wie weit die ACK durch Kirchenpolitik unterlaufen wird, 225 Prot. ACK 24. Nov. 1967, 3. LKA Hann. 574. 226 Prot. ACK 25. Okt. 1968, 8. LKA Hann. 574. 227 Der Vorgang wird dargelegt in: Hans Jörg Urban, Die römisch-katholische Kirche in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. In: ÖR 47. Jg. (1998), 28 Anm. 2.

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die einer wachsenden vertrauensvollen Einheit und Gemeinschaft der Kirche zu Zeugnis und Dienst entgegensteht. Die offiziellen ökumenischen Verlautbarungen nennen die ökumenischen Zielvorstellungen immer theologisch gut begründet. Es war ein Segen für die ACK, dass nach der oben erwähnten Mitteilung von Bischof Eichele noch im gleichen Zusammenhang der ökumenisch engagierte Landessuperintendent Udo Smidt das Wort nahm. Indem er die Notwendigkeit der »volle[n] Partnerschaft mit der römisch-katholischen Kirche auf der Ebene der ACK« unterstrich, wich er von der Meinung anderer EKD-Vertreter ab. Er war ein mit reicher Erfahrung ausgestatteter ACK-Delegierter. Für ihn war klar, dass es für keine Kirche ein Nachteil sein würde, wenn durch eine Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche die ACK ihr Gewicht deutlich erhöhen werde.228 Der Aufforderung Küppers folgend schrieb Bischof Eichele am 17. Februar 1969 an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Julius August Kardinal Döpfner. Darin sprach er eine Einladung für eine zukünftige Teilnahme von zwei Gästen an den Sitzungen der ACK aus. Die Bischofskonferenz begrüßte es, »dass auf diese Weise über die von ihr sehr geschätzten laufenden Kontakte mit der EKD hinausreichende Fühlungnahme mit den in der Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen evangelischen Landeskirchen, Freikirchen und Gemeinschaften möglich wird.«229 Es ist schon bemerkenswert, wenn der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz sich den Kontakt über die EKD hinaus auch mit den evangelischen Landeskirchen wünscht, die er in der ACK anzutreffen hoffte. Inzwischen war geklärt, dass Weihbischof Alfred Kleinermeilert und Professor Peter Bläser als Beauftragte der Bischofskonferenz der Einladung folgend als Gäste an den Zusammenkünften der ACK teilnehmen sollten. Krüger, der den Döpfner-Brief an Bischof H. H. Harms weitersandte, kommentierte ihn mit der nachdenklichen Bemerkung: »Eine Vollmitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche in der Arbeitsgemeinschaft ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt also noch nicht spruchreif und von beiden Seiten nicht beabsichtigt.« Die ACK wagte zu dieser Zeit noch nicht, an eine »Vollmitgliedschaft« zu denken, und der Brief Kardinal Döpfners230 schließt sie nicht einmal andeutungsweise aus. Was war das 228 Ebd. 229 Schreiben ACK/H. Krüger an Bischof H. H. Harms (mit Durchschrift an Oberkirchenrat Gundert, Hannover) vom 13. Mai 1969 »Betrifft: Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland«. EZA 2 / 15985. 230 Der Brief Kardinal Döpfners ist vollständig integriert in das Schreiben ACK/H. Krüger an Bischof H. H. Harms (mit Durchschrift an Oberkirchenrat Gundert, Hannover) vom 13. Mai 1969 »Betrifft: Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland«. EZA 2 / 15985.

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Motiv, Bischof Harms, der noch bis 1968 DÖSTA-Mitglied und auch sonst bestens über die ökumenischen Entwicklungen informiert war, diese Erläuterung zu geben und ihn vor der Sitzung des Catholica-Ausschusses ausdrücklich in dieser Weise auf den ACK-Status der römisch-katholischen Kirche hinzuweisen?

3.5.7 Deutscher Ökumenischer Studienausschuss – Entwicklungen Es war selbstverständlich, dass besonders auch im DÖSTA immer wieder über die Entwicklungen in Rom berichtet wurde. Das geschah schon im Oktober 1961 durch den Heidelberger Professor Edmund Schlink, den erfahrenen DÖSTAVorsitzenden, über die Vorbereitungsphase. Schlink war als zukünftiger Konzilsbeobachter der EKD von Anfang an bestens informiert. Später ließ sich der DÖSTA zusätzlich durch Lukas Vischer, der im Genfer Sekretariat für Glauben und Kirchenverfassung tätig war und den ÖRK in Rom vertrat, über den Konzilsverlauf informieren. Es wird eine Konsequenz aus der Entwicklung innerhalb des Katholizismus gewesen sein, dass der DÖSTA sich um zwei Konfessionskundler, Joachim Lell vom Konfessionskundlichen Institut in Bensheim, und Ulrich Kühn, von der Konfessionskundlichen Forschungsstelle in Leipzig, sowie Landeskirchenrat Arnold Nieland als Mitglied des 1962 gebildeten EKD-Catholica-Ausschuss erweiterte.231 Diese spezielle Sachkompetenz mit den Querverbindungen war gerade in dieser Phase notwendig. Zufällig hatte ein Einwand des DÖSTA-Geschäftsführers H. Krüger ans Licht gebracht, dass es mit dem Catholica-Ausschuss der EKD bisher nicht zu einer Koordination in ökumenischen Fragen gekommen war, »weil man in der Kirchenkanzlei der EKD von der Existenz des DÖSTA nichts wusste.«232 Der 1965 aus Bensheim berufene Direktor des Konfessionskundlichen Instituts Joachim Lell gab anlässlich einer Sitzung, die in Ost-Berlin stattfand, »einen ausführlichen Bericht über den Stand der nachkonziliaren Diskussion mit Rom.«233 Eine Erweiterung des DÖSTA um römisch-katholische Theologen lag infolge der nachkonziliaren Entwicklung in der Luft. Im Frühjahr 1969 wurde der Abt von Niederaltaich, Ansgar Ahlbrecht zur DÖSTA-Mitarbeit berufen. Die aktive Mitwirkung beschränkte sich aber auf eine kurze Zeit. Fast zeitgleich nahm 1969 der römisch-katholische Professor Peter Bläser seine Mitarbeit im DÖSTA auf. 231 Erich Geldbach, Der Deutsche Ökumenische Studienausschuss (DÖSTA), 54. Arnold Nieland vertrat teilweise Präses Beckmann auch im Catholica Ausschuss der EKD und wurde später dessen Mitglied. 232 Ebd., 51. 233 Ebd., 57.

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Bläser vertrat auch in der ACK die Bischofskonferenz. Er war eine Zentrale Persönlichkeit zwischen der DBK und der ACK insgesamt. Bereits 1970 erfolgte die Ergänzung durch den späteren Würzburger Bischof Paul-Werner Scheele.234 Scheele, der wie Bläser eng mit Erzbischof Jaeger verbunden und zur Zeit seiner frühen DÖSTA-Mitarbeit Direktor des Paderborner Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik war, gehörte seit 1970 dem DÖSTA in einer immer stärker werdenden Delegation seiner Kirche bis 1992 an.235 In der Liste der DÖSTAMitglieder waren 1972 zwanzig Mitglieder aus dem Bereich der EKD, 3 Freikirchler, die beiden Katholiken und Prof. Küppers als Alt-Katholik ausgewiesen.236 Drei Jahre später sah Scheele im DÖSTA durch die viel beachteten Ökumene-Beschlüsse der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der BRD, die von 1971 bis 1975 stattfand und als »Würzburger Synode« bekannt wurde, wie auch durch den Beitritt der römisch-katholischen Kirche zur ACK für die Ökumene in Deutschland vor allem vor Ort »eine neue Situation entstanden« war.237 1974 kam es nicht nur zur Erhöhung der Anzahl römisch-katholischer DÖSTA-Mitglieder, sondern im selben Jahr wurde auch erstmals eine orthodoxe Vertretung im DÖSTA ermöglicht, die durch den akademisch hochangesehenen Bonner Theologen Theodoros Nikolaou wahrgenommen wurde. Der Münsteraner Professor Karl Kertelge wurde in einer zunehmend wachsenden römischkatholischen DÖSTA-»Fraktion« bereits 1975 zum stellvertretenden und 1988 für fünf Jahre nach dem reformierten Professor Dietrich Ritschl zum Vorsitzenden dieses einzigartigen ökumenischen Fachausschusses für theologische Grundlagenarbeit, dem landeskirchliche, freikirchliche, orthodoxe und römisch-katholische Wissenschaftler angehören, gewählt. Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen selber ist gerade noch früh genug zu einer Erweiterung ihrer langjährig zahlenmäßig geringen Mitgliedschaft aufgebrochen, um als ein breit angelegter ökumenischer Gesprächspartner für den deutschen Katholizismus bereit zu sein.

234 Paul-Werner Scheele wurde 1975 zum Weihbischof in Paderborn, 1979 zum Bischof von Würzburg ernannt. Von seinen zahlreichen ökumenischen Aufgaben seien hier nur einige erwähnt. Von 1976 – 2003 war er Vorsitzender der Ökumenekommission der DBK, schon früh wurde er Moderator der »Gipfelgespräche« zwischen der DBK und der EKD, katholischer Vorsitzender der Bilateralen Arbeitsgruppe der DBK und der VELKD. International war er Mitglied von Faith and Order und arbeitete in der gemeinsamen Arbeitsgruppe von KEK und der CCEE mit. 235 Im Jahr 2000 gehörten dem DÖSTA neun Katholiken an, darunter Prof. Peter Neuner von 2000 – 2006 als Vorsitzender. 236 Geldbach, Deutscher Ökum. Studienausschuss, 202. Bis 1973 zwei römisch-katholische Mitglieder, ab 1974 sechs, ab 1985 zehn. 237 Ebd., 81.

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Zeit der Neuordnung und der ACK-Erweiterungen

Römisch-katholische Kirche und Griechisch-Orthodoxe Kirche werden Mitglieder der ACK

Anlässlich des 25jährigen Bestehens hatte die katholische Herder-Korrespondenz der ACK im Jahre 1973 ein »Schattendasein« attestiert und das mit ihrem geringen Bekanntheitsgrad verbunden.238 Sollte mit dem Beitritt der deutschen Bistümer der römisch-katholischen Kirche und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie ein neues Kapitel innerdeutscher Ökumene aufgeschlagen werden können, in dem auch von einer »kopernikanischen Wende« gesprochen werden kann, wie es die Teilnehmer einer römischen Konferenz von Lutheranern und Katholiken taten?239 Immerhin hielt man das inzwischen vergangene erste Jahrzehnt seit dem Beginn des Konzils für »eine der theologisch fruchtbarsten Perioden in der Geschichte der ökumenischen Bewegung«.240 Auch die zielbewusste Hinwendung der römisch-katholischen Kirche zur ACK war durch die Entscheidungen des Konzils bestimmt. Bereits 1967 war in Rom der erste Teil eines ›Ökumenischen Direktoriums‹ erlassen worden. Darin wurde den Bischöfen von Anfang an die Kontaktaufnahme und Ausgestaltung der zukünftigen ökumenischen Beziehungen aufgetragen. Diese Aufgabe haben die deutschen Bischöfe ohne Frage gerne und darum auch schnell aufgegriffen. Das Direktorium erteilte ihnen, wie bereits erwähnt, den Auftrag, in ihren Diözesen Ökumene-Beauftragte zu berufen und Ökumene-Kommissionen zu bilden, um zu allen nicht-römischen Kirchen Kontakte aufzubauen. Dieser offizielle Impuls aus Rom steht hinter allen Initiativen, die in Deutschland bald auf den verschiedenen kirchlichen Ebenen ergriffen wurden. Er hatte, wie noch zu zeigen sein wird, zu dem überraschenden ökumenischen Aufbruch mit einschneidenden Veränderungen in der ACK geführt und erklärt die Haltung der Bischofskonferenz zur ACK auch gegen gewisse Vorstellungen innerhalb der EKD.

3.6.1 Nicht Satzungsänderung, sondern Neukonstituierung Niemand wird bestreiten, dass der Beitritt der römisch-katholischen Kirche zur ACK für die innerdeutsche Ökumene in Westdeutschland ein höchstbedeutsamer Einschnitt war. Nicht in allen Ländern sind die Katholiken Mitglieder in 238 Herder Korrespondenz 27. Jg. (1973), 270. 239 Kommuniqu¦ des Instituts für Ökumenische Forschung in Straßburg (LWB) und der Päpstlichen Universität San Anselmo: Zehn Jahre Ökumenismusdekret vom November 1974. In: ÖR 24. Jg. (1975), 233 – 240 (234). 240 Ebd.

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nationalen Ökumenischen Räten geworden. In der DDR verzichteten sie darauf und begnügten sich in der AGCK mit einem Beobachterstatus. In anderen europäischen Ländern scheint die Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche nicht so schnell erfolgt zu sein, wie in der BRD.241 Im Nachbarland Österreich wurde die dortige römisch-katholische Bischofskonferenz am 1. Dezember 1994 in die Mitgliedschaft im ›Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich‹ aufgenommen, den zwei landeskirchliche Traditionen, die Alt-Katholische Kirche und die Methodistenkirche 1948 gegründet hatten. Zum Zeitpunkt der Aufnahme der Katholiken schauten in Österreich vier Orthodoxe Kirchen (Griechen, Rumänen, Russen, Serben) zusammen mit der Armenisch-apostolischen und der Anglikanischen Kirche bereits auf eine dreißigjährige Mitgliedschaft zurück.242 In Polen kam es 1974 lediglich zu einem gemeinsamen Komitee des Polnischen Ökumenischen Rates und des römisch-katholischen Episkopats, das aber z. B. in Krakau unter der Mitwirkung des dortigen Erzbischofs Karol Wojtyła, des späteren Papstes Johannes Paul II., also unter der Beteiligung höchster Repräsentanten, aktiv war. In der Bundesrepublik Deutschland trat am 12. März 1974 eine neue ACK»Satzung« in Kraft. Sie markiert im Vergleich zu den »Richtlinien« von 1948 im Blick auf die Mitgliederzahlen einen deutlichen Fortschritt. Waren die 1948er »Richtlinien« noch von sechs Kirchen unterzeichnet, so stimmten jetzt zehn Kirchen zu, darunter erstmals die römisch-katholische und die Metropolie der Griechisch-Orthodoxen Kirche.243 Vier weitere unterzeichnende Kirchen haben 241 Allerdings wurde in der Schweiz bereits im Juni 1971 die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (AGCK-Schweiz) unter Beteiligung der römisch-katholischen Kirche gegründet. Durch den 1920 gegründeten Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund, der von Anfang an ökumenisch ausgerichtet war, gab es einen langfristigen Vorlauf. 242 Helmut Nausner, Fremde entdecken einander. In: ÖRK Österreich (Hg.), Begegnung und Inspiration, 50 Jahre Ökumene in Österreich, Wien 2008, 17 f. 243 Eigenartigerweise ist in der Veröffentlichung der »Satzung« im Amtsblatt der EKD die Griechisch-Orthodoxe Metropolie unter den Unterzeichnern nicht ausgewiesen. – Amtsblatt der EKD 28. Jg. (1974), 613 – 615. Unterzeichnet haben in dieser Reihenfolge: (1) Evangelische Kirche in Deutschland, Dr. Gerhard Heintze; (2) Der Verband der Diözesen Deutschlands – Körperschaft des Öffentlichen Rechts – in dem die 22 Diözesen der Bundesrepublik zusammengeschlossen sind, Dr. Johannes Joachim Degenhardt; (3) Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland, Dr. Rudolf Thaut; (4) Evangelischmethodistische Kirche, Dr. Ernst Sommer ; (5) Katholisches Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland, Antonie Voegele-Mönnighoff; (6) Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden, Peter Wiebe; (7) Europäisch-Festländische Brüder-Unität, Herrnhuter Brüdergemeine, Dr. Helmut Bintz; (8) Nationales Hauptquartier der Heilsarmee, Walter Flade; (9) Altreformierte Kirchen in Deutschland, Derk Averes. – Im KJ 101. Jg. (1974), Gütersloh 1977, 295 ist die Griechisch-Orthodoxe Metropolie von Deutschland an dritter Stelle genannt. Dort wird auch berichtet, dass die römisch-katholische Kirche in der Bundesrepublik seit 1969 und die Griechisch-Orthodoxe Metropolie seit 1971 Gastmitglieder der ACK waren.

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der Satzung als »Gäste« zugestimmt.244 Insgesamt trat damit im Vergleich zu 1948 zahlenmäßig mehr als eine Verdoppelung ein. Damit die römisch-katholische Kirche und die Griechisch-Orthodoxe Metropolie rechtlich in die Lage versetzt waren, an der Abstimmung über die neue gemeinsam erarbeitete Satzung teilnehmen zu können, erfolgte ihre Aufnahme bereits in der vorausgehenden ACK-Sitzung im November 1973 in Bonn. Bischof Sommer verlas als Vorsitzender den Brief von Julius Kardinal Döpfner vom 17. Okt. 1973, in dem er als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz namens der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland den Antrag auf Beitritt in die ACK stellte.245 Das Protokoll vermerkt nüchtern: »Der Antrag wurde durch Erheben von den Plätzen einstimmig angenommen.«246 Der Vorgang wiederholte sich zur Aufnahme der Griechisch-Orthodoxen Metropolie, deren Antrag Metropolit Irineos in einem Brief vom 24. Sept. 1973 gestellt hatte. Den Orthodoxen wurden in der Mitgliederversammlung zwei Sitze zuerkannt. Vorher war noch die Bekanntgabe der Namen der Delegierten erfolgt, durch welche die katholischen Bistümer zukünftig in der ACK vertreten sein sollten. Es waren dies: Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt, der kurz vorher als Nachfolger des zurückgetretenen Paderborner Kardinals Jaeger eingeführt worden war, Weihbischof Alfred Kleinermeilert, Vorsitzender der Bistumskommission für ökumenische Fragen, Ordinariatsrat Walter Seidel, Professor Peter Bläser und der Finanzexperte Dr. Lissek. Bischof Sommer würdigte den Beitritt der beiden neuen Mitgliedskirchen. Er erinnerte an seinen Vater, J. W. Ernst Sommer, der 1948 Mitbegründer der ACK war. Er habe damals gesagt, die Formulierung ›Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen‹ »wolle sehr bewußt eine offene Tür sein. Zu jener Zeit dachte man dabei an die römisch-katholische Kirche. Ob eine Mitgliedschaft je möglich sein werde, war kaum zu beantworten. Daß eines Tages dann auch die griechischorthodoxe Metropolie in Deutschland dazugehören werde, ließ sich ehedem freilich noch nicht einmal träumen.« Als der Methodist von einem zweifachen »Wunder« sprach, war das von einer Freude über den erreichten ökumenischen Fortschritt bestimmt.247 244 Die Satzung ermöglichte in § 4.2 erstmals die von Anfang an praktizierte Mitgliedschaft von »Gästen«. Folgende Gäste haben von der Satzung Kenntnis genommen und das durch ihre Unterzeichnung bestätigt: (1) Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland, Karl H. Knöppel; (2) Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker) in Deutschland, Curt Nuthmann; (3) Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, Günter Kuhlmann; (4) Christlicher Gemeinschaftsverband Mülheim/Ruhr, Dr. Wolfgang Meissner. 245 Die Herder Korrespondenz 1973, 270 – 272 warf von einem ungenannten Autor die Frage auf: »Was wird aus der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen?« und stellte die Überlegung an, ob nicht gegenwärtige »Mängel durch katholischen Beitritt zu beheben« seien. 246 Prot. ACK 8. November 1973 LKA Hann. D 15 X Nr. 5742 Bd. 1 247 Ebd., Anlage 1, Begrüßung durch Bischof Sommer. Vgl. auch: Kap. 1.9.5.

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3.6.2 Einleitung einer neuen Epoche ökumenischer Zusammenarbeit Eine grundlegende Verständigung über den Inhalt der Satzung hatte es bereits im Juni 1973 gegeben. In Bonn hatte sich ein Ausschuss von je fünf Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz und der ACK getroffen, um den Entwurf gemeinsam zu entwickeln und zu beraten. Von katholischer Seite wurde im Hinblick auf die Übernahme der Basisformel des ÖRK dieselbe theologisch vollauf bejaht, aber deutlich gemacht, dass eine Zustimmung im Rahmen der ACKSatzung »keine Verpflichtung der Römisch-katholischen Kirche gegenüber dem Ökumenischen Rat, etwa im Blick auf eine eventuelle künftige Mitgliedschaft« bedeutet.248 Zur »gegenseitigen Unterrichtung« der Mitgliedskirchen werden einschränkende Bemerkungen festgehalten. In einer Notiz hat Hans-Jörg Urban, der zu dieser Zeit ÖC-Mitarbeiter war, über den Vorlauf bemerkt: »Es wäre gut gewesen, wenn die Großkirchen auch die Freikirchen und andere kirchlichen Gemeinschaften über die Mischehenregelung und über das gemeinsame Gesangbuch informiert hätten.«249 Damit ist schon früh ein Problem signalisiert, dass sich im Laufe der Zeit immer wieder zeigen sollte. Es scheint sich durch die ständige bilaterale DBK-EKD-Kommission im Laufe der Jahre mehr und mehr verfestigt zu haben, dass Absprachen bilateral getroffen wurden. In dem vorbereitenden Gespräch wurden verschiedene Rechtsfragen besprochen, Festlegungen getroffen und Informationen ausgetauscht. Einige betrafen die Mitarbeiter der ÖC, andere das Verhältnis von ÖC und Kirchlichem Außenamt der EKD, die Beziehung des DÖSTA zur ACK und die Struktur und Verankerung der ›Ökumenischen Rundschau‹. Es fällt auf, dass in dem Bonner Satzungsgespräch die Frage der Finanzen nicht berührt wurde. Die Satzung selber hält dazu fest: »Die erforderlichen Mittel sind anteilig von den Mitgliedern entsprechend ihrer Größe und Finanzkraft aufzubringen.« Im Juni 1973 scheinen die Finanzfragen bereits gelöst zu sein. Schon ein Jahr früher machte Hans-Jörg Urban, seit dem 1. Januar 1972 der katholische Theologische Referent in der ÖC, dem Paderborner Kardinal Lorenz Jaeger diesbezügliche Mitteilungen. Er schrieb an den ökumenisch höchst aktiven Jaeger : »Es ist mir in den letzten Monaten immer deutlicher geworden, wie wichtig die katholische Präsenz und Mitarbeit in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen und in deren Ökumenischer Centrale in der

248 Prot. Arbeitsergebnis der Sitzung des gemeinsamen Ausschusses der Deutschen Bischofskonferenz und der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland am 18. Juni 1973. AJAM-Institut, Akten ACK. 249 Hans Jörg Urban, Notizen zur Sitzung des gemeinsamen Ausschusses DBK und ACK vom 18. Juni 1973. AJAM-Institut, Akten ACK.

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gegenwärtigen Krise des Ökumenismus ist.«250 Im weiteren Verlauf des Briefes ging er auf die Anfragen des Kardinals zu den finanziellen Konsequenzen über eine »gewünschte Aufstellung des erbetenen katholischen Anteils am Gesamthaushalt der Ökumenischen Centrale« ein. Urban entfaltete die Vorstellungen, die er mit dem Leiter der ÖC, Oberkirchenrat Hanfried Krüger, besprochen hatte, in einem Zwei-Stufen-Plan. »Die erste Stufe«, so schreibt er, »träte in Kraft mit der vollen Mitgliedschaft der katholischen Kirche in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland und sollte sich in etwa über die Zeitdauer eines Kalenderjahres erstrecken. Innerhalb dieses Jahres müsste sich die katholische Mitarbeit in der Arbeitsgemeinschaft einspielen und bewähren im Sinne des realen Einbringen des katholischen Ökumeneverständnisses und Anliegens in die Arbeitsgemeinschaft. Damit«, so stellte es sich dem katholischen Theologen dar, »würde die Arbeitsgemeinschaft selber konsolidiert und gestärkt und gewänne an Tatkräftigkeit und Profil. In dieser Zeit müsste mit der katholischen Mitarbeit und unter Einbeziehung ihrer Wünsche die sich schon im Gang befindende Strukturplanung der Arbeitsgemeinschaft zum Abschluß geführt werden. In diesem Zusammenhang müsste die stufenweise Loslösung der Ökumenischen Centrale vom Kirchlichen Außenamt der EKD und ihre selbständige Einrichtung in personeller und finanzieller Hinsicht beraten werden.«251

Dieses sei die Phase, in der lediglich die Kosten in Höhe von zusammen 95.000 DM anfallen. Im folgenden Jahr müsse die »zweite Stufe« in Kraft treten. Mit ihr »müßte der vollständige Ausbau und die Verselbständigung der Ökumenischen Centrale in personeller, räumlicher, finanzieller und juridischer Hinsicht erfolgen.« Danach müsse, »mit einem Mindestansatz von DM 190.000 für den Anteil der katholischen Kirche« gerechnet werden. Urban betonte noch einmal die Bedeutung der ÖC und schrieb dem Kardinal: er sehe »in der Ökumenischen Centrale das geeignete Instrument zur Bewältigung der auch katholischerseits im Bereich der Ökumene anfallenden Aufgaben.« Diese Bewertung hat bereits im Auge, dass die römisch-katholische Kirche volles ACK-Mitglied werden wird und sich entsprechend an der Finanzierung beteiligt. Allerdings sei es notwendig, dass »die Ökumenische Centrale von einer EKD-verbundenen Dienststelle zum funktionsfähigen Ausführungsorgan der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen« werde. »Darin liegt meines Erachtens die Zukunft der Ökumenischen Centrale und ihrer tatkräftigen Koordinierungsund Regulierungsfunktion für die heutige windschiefe Ökumene.«252 Was meinte Urban damit? An anderer Stelle schrieb er : Die ACK 250 Schreiben Hans-Jörg Urban an Lorenz Kardinal Jaeger vom 3. Juni 1972. A-JAM-Institut, ACK. Daraus auch die folgenden Zitate. 251 Ebd. 252 Ebd.

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»ist prinzipiell ein eigenständiges Organ, das getragen wird von den Mitgliedskirchen. Faktisch wird sie und die ihr zugeordnete Ökumenische Centrale aber bis zum jetzigen Zeitpunkt vorwiegend von der EKD durch deren Kirchliches Außenamt in Frankfurt kirchlich verantwortet und material getragen (Rechtsform, Finanzen, Geschäfts- und Büroapparat).«253

Seitens der EKD wurde das stets als eine großzügige ökumenische Geste gesehen, die Minderheitskirchen haben das immer wieder einmal als ein Problem ökumenischer Partnerschaft empfunden. Nun verschoben sich die Gewichte und damit auch die Frage der Unabhängigkeit der ÖC. In Richtung der Freikirchen forderte Urban die »Mitverantwortung« in der ÖC. Er erwartete, dass die von ihnen dorthin entsandten Mitarbeiter »profiliert die Belange und Standpunkte ihrer Kirchen in der multilateralen Ökumene Deutschlands vertreten.«254 Diese verschiedenen Anmerkungen zeigen, dass es zur Zeit des Beitritts von Katholiken und Orthodoxen in der innerdeutschen Ökumene notwendige Entwicklungen zu einer stärkeren ökumenischen Partnerschaft gab. Alle diesbezüglichen Fragen konnten erörtert und geklärt werden, so dass am 12. März 1974 die Satzung durch die volle Zustimmung aller Mitgliedskirchen angenommen werden konnte. Als Grundlage wurde festgeschrieben: »Die unterzeichneten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland bilden die ›Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West)‹ zu gemeinsamem Zeugnis und Dienst. Sie bekennen den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland und trachten darum, gemeinsam zu erfüllen, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.«

Danach werden in der Satzung die Aufgaben der ACK in fünf Leitsätzen zusammengefasst. Sie lauten: »Die Arbeitsgemeinschaft dient der ökumenischen Zusammenarbeit und Entwicklung im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) durch die Erfüllung folgender Aufgaben: [1] Gegenseitige Unterrichtung ihrer Mitglieder und Zusammenarbeit im gemeinsamen Zeugnis und Dienst; [2] Förderung des theologischen Gesprächs unter den Mitgliedern mit dem Ziel der Klärung und Verständigung; [3] Behandlung besonderer Anliegen einzelner Mitglieder auf deren Antrag sowie Beratung und Vermittlung bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einzelnen Mit253 Hans-Jörg Urban, Überlegungen zur Struktur und Arbeitsweise der »Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland«, insbesondere der Ökumenischen Centrale, 4 Seiten, ohne Datum (vermutlich Mitte 1973). A-JAM-Institut, ACK. Hervorhebungen übernommen. 254 Ebd., S. 2.

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gliedern; [4] Vertretung und Wahrnehmung gemeinsamer Anliegen und Aufgaben nach außen und in der Öffentlichkeit; [5] Behandlung gesamtökumenischer Fragen und Aufgaben unbeschadet der besondern Zuständigkeit der Mitglieder.«255

Später gab es im Zusammenhang der Neukonstituierung einen Empfang. Daran nahm auch Martin Niemöller, der »grand old man« der innerdeutschen Ökumene, wie der ACK-Vorsitzende C. Ernst Sommer ihn begrüßte, teil. Bischof Johannes J. Degenhardt hielt einen Vortrag über die gegenwärtige Lage der römisch-katholischen Kirche im ökumenischen Kontext. Der katholische Bischof wurde von der Mitgliederversammlung als zusätzlicher zweiter Vorsitzender gewählt. ACK-Vorsitzender blieb Bischof Sommer, der sich in den vorbereitenden Aufnahmegesprächen großes Vertrauen bei den neuen Mitgliedern erworben hatte. Im Empfang sprachen verschiedene Kirchenvertreter Grußworte, darunter auch der Griechisch-orthodoxe Bischof Augoustinos. Die ACK schloss an diesem Tag einen Abschnitt ihrer Geschichte und leitete eine neue Arbeitsperiode ein. Auch ein Vergleich mit der Konstituierung von 1948, die am Rande einer EKD-Ratssitzung geschah, zeigt einen deutlichen Fortschritt. Ein gemeinsamer gottesdienstlicher Beginn lag damals noch nicht im Blickfeld. Aber der Weg zur gottesdienstlichen Gemeinschaft und Feier wurde unbemerkt für alle an diesem Tag beschritten. Die Weichen dazu waren jetzt gestellt, auch wenn die neue Satzung darüber in ihren fünf Leitsätzen noch keine Andeutung enthielt. Bischof Sommer hatte als ACK-Vorsitzender die »neue Epoche der ökumenischen Zusammenarbeit« direkt nach der Aufnahme der beiden neuen Mitglieder am 8. November besonnen unter dem Thema »Freuden und Fragen« bedacht.256 Für alle Kirchen zusammen gelte jetzt: »Wir sprechen miteinander, wir lernen uns kennen, wir tragen den Wust von Mißverständnissen und falschen Informationen der Jahrhunderte ab.« Noch vor dem Beginn des Konzils habe ein namhafter Kirchengeschichtler257 Gedanken verbreitet, die nach dem Vatikanum merkwürdig anmuten. Jetzt zu erwartende Neueinschätzungen erhoffte Sommer auch »von der Darstellung der Freikirchen in Sammelbänden 255 Amtsblatt der Evangelisch-methodistischen Kirche 6. Jg.(1973), Nr. 2, 37 – 39. 256 C. Ernst Sommer, Freuden und Fragen. Umfassende »Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Bundesrepublik und West-Berlin«. In: MdKI, 25. Jg. (1974), 21. Daraus auch die folgenden Zitate. 257 Sommer wird wohl an Walther von Loewenich, Der moderne Katholizismus, Witten 1962 gedacht haben. Das Buch von 1955 erschien 1962 in fünfter Auflage mit einem Vorwort der vierten (1959), in dem Loewenich bereits das »in Aussicht gestellte ökumenische Konzil« erwähnte. Weniger wahrscheinlich ist hier eine Anspielung auf Friedrich Heilers Arbeit »Die katholische Kirche von 1648 bis 1870«, die 1963 in Göttingen erschien.

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oder Schulbüchern.« Realistisch unterschied er zwischen »ökumenischen Höhenfliegern […], die den Boden der Wirklichkeit und Möglichkeit weit unter sich lassen, [und solchen, die] den Berg der Gemeinsamkeiten behutsam Schritt für Schritt zu erklimmen gesonnen sind.« Für die ACK sei angemessen, »nicht etwaige Höhen und Tiefen kühn unter sich zu lassen und somit aus der Vogelschau nivelliert [zu] betrachten. Sonst dienen wir weder der ökumenischen Sache noch uns selbst.« Das hieß: »Alle träumerische Euphorie über ökumenische Zusammenarbeit muß in die Schranken gewiesen werden.« Dann sprach der ACK-Vorsitzende noch einige der ökumenischen Problemzonen an. »Als Methodist«, sagte er, »habe ich es leicht, aufgrund unserer Theologie vom offenen Abendmahl zu sprechen. Aber ich bringe demjenigen, der Interkommunion nicht oder noch nicht anerkennen kann, mein Verständnis entgegen und bekenne mich doch zur Bruderschaft mit ihm, verbunden durch den gemeinsamen Herrn. […] Und wo bleibt die Kirchen-Union? […] Ich verstehe das Wort Joh. 17,21 ›auf daß sie alle eins seien‹ im Kontext johanneischer Theologie nicht als Gebet für den organisierten Zusammenschluß von Strukturen, sondern als Bitte um die Einheit im Geist.« Die Lage in der Dritten Welt sei anders. In unserer abendländischen, ja spezifisch deutschen Situation »müssten wir uns auf Jahre hinaus Gewalt antun, wenn wir unsere Gewordenheiten vergäßen und das Heil darin erblickten, uns strukturell auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einer nationalen Superkirche zusammenzuschließen. Davon verspreche ich mir nichts.« Die ACK sei auch keine »Studienkommission«, doch müssen wir ernstlich im theologischen Gespräch bleiben und als ein Ziel das gemeinsame Handeln unserer Kirchen anstreben. Es genüge nicht, eine neue ökumenische Epoche auszurufen, ohne mit Wort und Tat etwas gemeinsam zu tun.

3.6.3 Praktische Zwänge zu ökumenischem Handeln Neben den biblischen Anweisungen gibt es auch praktische Zwänge, die zur Gemeinschaft der Kirchen drängen. Das neue Miteinander der Konfessionen wurde unter den Bedingungen einer sich permanent pluralisierenden Gesellschaft zu einer unausweichlichen Herausforderung. Das betraf ganz unterschiedliche Ebenen. Die Begegnungen von Kirchengliedern im alltäglichen Leben wird dabei oft übersehen. Das gegenseitige Verständnis der Christen unterschiedlicher Konfessionen ist mindestens genauso wie die Rolle der Kirchen als Körperschaften in der Gesellschaft von den rasant sich vollziehenden Änderungen betroffen. Man darf nicht vergessen, dass im Weltmaßstab innerhalb des Christentums einige Regionen Europas, darunter Deutschland, histo-

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risch von einer ungewöhnlichen Situation geprägt wurden.258 Das in den nachreformatorischen Auseinandersetzungen territorial und damit einseitig und eng geprägte landeskirchliche Selbstverständnis hat in vieler Hinsicht eine Situation geschaffen, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts zu einer fast einmaligen ökumenischen Herausforderung geworden ist. In manchen Gebieten lebten Katholiken unter sich, in anderen Protestanten. Jede dieser Territorialkirchen entwickelte eigene, in sich geschlossene Frömmigkeitskulturen, die gesellschaftlich mitgetragen, manchmal sogar prägend und tief im Leben der Bevölkerung verwurzelt waren. Zu den vielen konfessionell prägenden Aspekten gehörte auch eine Art Freund-Feind-Denken zwischen den in der Reformationszeit und den nachfolgenden Religionskriegen, aber auch den unterschiedlichen Feiern und Jubiläen begründeten gegenseitigen Überheblichkeiten, eigentlich müsste man sagen: Gehässigkeiten, die – damit auch der einfachste Mensch verinnerlichen konnte – nicht nur in akademischen Schriften, sondern vielfach in Flugblättern und reichlich bebilderten Flugschriften massenhaft auch für des Lesens Unkundige verbreitet worden waren.259 Diese früheren Jubelfeiern haben nicht nur einen akademischen Charakter gehabt, sondern sie haben die Empfindungen und das Denken in den Gemeinden und im »Kirchenvolk« langfristig beeinflusst. Auch der schulische, von den Staatskirchen verantwortete »Religionsunterricht« hat durch plakative Vermittlungen die Distanz durch Feindbilder gefördert. Das Ende des Zweiten Weltkriegs brachte auch das heilsame Ende geschlossener Kirchengebiete mit sich. Geflüchtete Protestanten aus Ostpreußen feierten in ehemals katholischen Gebieten das Reformationsfest und vertriebene Katholiken aus Schlesien trafen sich in Parks früher geschlossener protestantischer Regionen zur traditionellen Fronleichnamsprozession. Die konfessionell geförderte frühere Entfremdung und Verunglimpfung der jeweils anderen Konfessionsgruppe hatte schließlich dazu geführt, dass Katholiken sich im protestantischen Mecklenburg-Vorpommern ohne die traditionellen Feste und Feiern 258 Hartmut Lehmann, Das Christentum im 20. Jahrhundert: Fragen, Probleme, Perspektiven. KiG IV/9, Leipzig 2012 stellt die europäische Situation in den Kontext einer globalen Weltgesellschaft. Er stellt damit in einer Art Quantensprung die Kirche als global statt territorial, ökumenisch statt konfessionell und mit einem qualifizierten Kirchenverständnis statt eines flächendeckenden Selbstverständnisses in einer weltweit gesehenen deutschen Minderheitensituation dar. An anderer Stelle nimmt er im Zusammenhang der Diskussion um die Säkularisierung die Diskussion um den »europäischen Sonderweg in Sachen Religion« auf. Damit ist eine weltweite ökumenische Perspektive eröffnet. (Hartmut Lehmann, Säkularisierung. Der europäische Sonderweg in Sachen Religion, Göttingen 2004, 20072). 259 Aus der Fülle der Literatur nenne ich nur Ulrike Dorothea Hänisch, ›Confessio Augustana triumphans‹. Funktionen der Publizistik zum Confessio Augustana-Jubiläum 1630, mit einem Anhang von Drucken, Flugblättern und Zeitungen, Frankfurt/M. 1993.

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»wie in der Verbannung« fühlten und Totengräber im katholischen Bayern sich weigerten, für einen verstorbenen Protestanten ein Grab auszuheben. Es ist heute nicht mehr vorstellbar, dass im reformierten Ostfriesland ankommende Lutheraner ihre für Gottesdienste, weil die Reformierten ihnen die Benutzung ihrer Kirche verweigerten, in einer baptistischen Gemeinde einen Unterschlupf fanden. Es tut heute geradezu weh, dass es um einen Kirchenbau zwischen Reformierten und Lutheranern einen heftigen Streit gab, der schließlich vor dem Schiedsgerichtshof der EKD landete.260 Diese Erinnerung an vorökumenische Zeiten an der sog. »Basis« will zeigen, wie sehr ökumenische Verständigung und die Bereitschaft des gegenseitigen Respekts eine Art »Fürsorgepflicht« der Kirchenleitungen für die eigenen Kirchenglieder, aber auch für Gemeinden anderer Konfessionen geworden ist. Abgesehen davon wurde es unter Bedingungen der schwindenden Identifikation mit der eigenen Konfession für das Bild der Kirche in der Gesellschaft und in der Öffentlichkeit immer dringender, zu einem Miteinander zu kommen, dass die Kirchen allesamt nicht in den Ruf bringt, andern zu predigen und selbst verwerflich zu leben. Das Miteinander der Christen hat innerhalb weniger Jahrzehnte einen Stil erreicht, der uns heute über die eben erwähnten Nachkriegserfahrungen geradezu erschrecken lässt. Dieser Wandel war nur möglich, weil die Kirchen auf den unterschiedlichen Leitungsebenen, ob durch das Konzil in Rom, die Vollversammlungen des Ökumenischen Rates, die inzwischen zahlreichen zwischenkirchlichen, bisher fast ausschließlich bilateralen Dialoge durch die verschiedenen Weltbünde bzw. das römische Einheitssekretariat oder die Gespräche mit dem Ziel einer protestantischen vollen Kirchengemeinschaft durch die Leuenberger Konkordie ökumenisch voran drängten und ein neues gegenseitiges Verständnis schufen. Allerdings zeigen die Vorbereitungen zur Erinnerung an die Reformation auch, dass noch viele Schritte zu gehen sind. Die ausgerufene »Lutherdekade« zeigt eine innerprotestantische Lücke auf, denn sie übersah, dass auch Calvin und Zwingli ihren Platz im Zeitalter der Reformation haben. Die lange Zeit in den Territorien bedrängten und teilweise unterdrückten Freikirchen fragen aus ihrer Erfahrung im Ringen um Religionsfreiheit und Staatsunabhängigkeit, ob nicht die zentralen Begriffe wie »Kirche der Freiheit« und »Toleranz« unter der Berücksichtung ihres Weges etwas zu steil geraten sind, weil sich zwischen den

260 Uwe Rieske (Hg.), Migration und Konfession. Konfessionelle Identitäten in der Flüchtlingsbewegung nach 1945, Gütersloh 2010. Mit 14 Beiträgen zu unterschiedlichen Fragen und verschiedenen Regionen. Alle Beispiele diesem Band entnommen.

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theologischen Impulsen der Reformatoren und deren gestaltende Umsetzung durch ihre Nachfolger schmerzliche Lücken auftun.261 Die römisch-katholische Kirche und die evangelischen Landeskirchen haben innerhalb kurzer Zeit enorme Schritte getan. Dieses Tempo kann von keiner Seite so beibehalten werden, denn nach dem erheblichen gegenseitigen Vertrauensgewinn ist nun die Grundlage für die notwendige theologische Sacharbeit gegeben, aus der dann weitere Konsequenzen für die ökumenische Zukunft gezogen werden können und müssen. Daran sind auch die weltweit großen Freikirchen interessiert, deren internationale und regionale ökumenische und kirchliche Bedeutung in einem stark territorial ausgerichteten Land in der Forschung und in der Lehre bisher kaum erkannt sind. Ein völlig anderer Faktor ist die ökumenische Bereichung durch die zugewanderten orthodoxen Christen und die sich daran anschließende Bildung von neuen Kirchenregionen. Sie haben als traditionsreiche Kirchen in einem immer toleranter werdenden Land nach anfänglichem Zögern als drittgrößte Kirchenfamilie in Deutschland ihren Platz gefunden.

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Zum Weg der orthodoxen Kirchen in die ACK-Mitgliedschaft

Verschiedene Verbindungen orthodoxer Theologen und Bischöfe zur innerdeutschen Ökumene wurden oben bereits erwähnt. Den Schritt in die ACKMitgliedschaft konnten sie aus bisher nicht erforschten Gründen erst zusammen mit der römisch-katholischen Kirche vollziehen. Es ist anzunehmen, dass der Beauftragte der DBK für die Beziehungen zu den Ostkirchen und das Ostkirchliche Institut der DBK in Regensburg, geholfen haben, die Erweiterung der ACK umfassend in Angriff zu nehmen. Frühere Ansätze sind an der verschiedene Male vom ACK-Geschäftsführer Hanfried Krüger ins Feld geführten Voraussetzung der »Bodenständigkeit«, einem typisch territorial-kirchlichen Argument, gescheitert. Die Frage, ob er als Ökumene-Beauftragter seiner Kirche im Einvernehmen mit einer von der EKD seit 1959 aktiven Kontaktgruppe zum Moskauer Patriarchat der Russisch-Orthodoxen Kirche argumentiert hat, bleibt einer späteren Untersuchung vorbehalten. Möglicherweise ergab sich die Zurückhaltung innerhalb der ACK auch als Folge einer diakonischen Beziehung für die damaligen sog. »Gastarbeiter« zwischen der EKD und der Griechisch-Or-

261 Z. B.: Peter Muttersbach, Rechtslage und Rechtspraxis zum Kirchenaustritt und Taufzwang im Herzogtum Braunschweig. Eine regionalgeschichtliche Fallstudie. In: FF Bd. 24 (2015), 337 – 355.

Zum Weg der orthodoxen Kirchen in die ACK-Mitgliedschaft

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thodoxen Metropolie von Deutschland, die aus orthodoxer Sicht »nicht problemfrei« war.262 Trotz der lebhaften internationalen Verbundenheit der Orthodoxie mit den Genfer ökumenischen Organisationen seit den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts war in Deutschland über mehr als zwei Jahrzehnte keine ACK-Mitgliedschaft zustande gekommen. Es gab Einwirkungen auf die ACK, die insgesamt mehr auf Abgrenzung als auf Erweiterung hinwirkten. Die wachsende Zahl aus Griechenland nach Deutschland ziehender Familien führte 1963 zur Bildung einer eigenen Metropolie in Deutschland. »Heute ist die Bundesrepublik Deutschland das westeuropäische Land mit der größten Zahl orthodoxer Christen«, schrieb Athanasios Basdekis 2001. Und er folgerte: »Von daher kommt der Festigung der Orthodoxie auf deutschem Boden für die Gesamtorthodoxie eine eminent wichtige und zukunftsweisende Bedeutung zu.«263 1969 wurde zunächst ein Exarchat von Zentraleuropa gebildet. Daraus erwuchs der Anstoß, die seit längerer Zeit vorsichtig wachsenden Beziehungen zu einer ACK-Mitgliedschaft weiterzuführen. Metropolit Irineos (Galanakis), der als Metropolit zwischen 1971 und 1980 in Deutschland tätig war, stellte den Antrag zur Aufnahme in die ACK, nachdem die vorbereitenden Gespräche zwischen ihm, Bischof Augoustinos, seit 1980 Metropolit, und dem damaligen Vorsitzenden, Bischof C. Ernst Sommer,264 geführt worden waren. Die Aufnahme der römisch-katholischen Kirche bot eine einmalige Gelegenheit zu diesem Schritt. Es begann eine verstärkte Mitarbeit zunächst der Griechisch-Orthodoxen Kirche. Anfang Mai 1975 erfolgte die Berufung von Athanasios Basdekis als theologischer Referent in die ÖC. Er wirkte dort über einen langen Zeitraum als Referent aller Orthodoxen Kirchen. Nach der Organisation einer Kommission der Orthodoxen Kirche in Deutschland folgte die Bildung einer orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland. Die Zahl der orthodoxen Kirchen, sowohl der autokephalen wie der orientalischen in der ACK, nahm ständig zu. Im Jahre 2009 hat die IV. Praekonziliare Panorthodoxe Konferenz in Chamb¦sy bei Genf eine engere Zusammenarbeit der Diasporakirchen beschlossen. Seitdem gibt es in Deutschland eine Orthodoxe Bischofskonferenz, der zehn Bistümer unter Beibehaltung der integrierten Verbindung zu den autokephalen Heimatkirchen zugeordnet sind. Sie werden in der ACK gemeinsam vertreten. Den Vorsitz dieses deutschen Zweiges führt Metropolit Augoustinos (Lambardakis), das 262 Athanasios Basdekis, Die Orthodoxe Kirche. Ein Handreichung für nicht-orthodoxe und orthodoxe Christen und Kirchen, Frankfurt/M. 2001, 138. 263 Ebd., 19. 264 Während C. Ernst Sommer noch Direktor des Frankfurter Predigerseminars der methodistischen Kirche war, lebte Irineos als ökumenischer Gaststudent in der Gemeinschaft der Studierenden und hörte u. a. Sommers Vorlesungen. Sie waren sich also seit langem gut bekannt.

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gemeinsame Sekretariat ist in Dortmund. Außer den zehn Bistümern, die teilweise den Bereich der Bundesrepublik übersteigen, gehören vier weitere orthodoxe Kirchen der ACK an: die Armenisch-Apostolische, die Äthiopisch Orthodoxe, die Koptisch-Orthodoxe und die Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien. Alle zusammen bereichern die ökumenische Landschaft in Deutschland.

3.8

Einschätzungen und Hoffnungen zur eingeleiteten Entwicklung

Der erste hauptamtliche römisch-katholische Referent in der ÖC, der die rasante Entwicklung im betroffenen Zentrum miterlebte und mitgestaltete, hielt im Rückblick fest, »daß die verantwortlichen Akteure« während des Beitritts der katholischen Kirche sich dessen »bewußt waren, einen entscheidenden Schritt zu tun, und zwar von der bisherigen bilateralen [gemeint ist wohl landeskirchlich-freikirchlichen] zur multilateralen Ökumene«, nun mit Katholiken und Orthodoxen.265 »Würde es durch den katholischen Beitritt gelingen, diese innerreformatorische Einseitigkeit, die bis dahin auch durch die Mitgliedschaft der Alt-Katholischen Kirche nicht gestört [aber bereichert!] war, in Richtung auf eine echte Multilateralität zu durchbrechen?« Hans Jörg Urban wirft diese Frage als Mitglied einer Kirche auf, die sich bis zum Konzil für eine Mitarbeit nicht öffnen konnte. Inzwischen waren reichlich zwölf Jahre vergangen und die Akzente in der Betrachtung verschoben sich. Durch das Miteinander der »vielen so unterschiedlichen ekklesiologischen und dogmatischen Gesichter« und durch das theologische und geistliche Profil der unterschiedlichen Kirchen war für alle Beteiligten in der neu aufgestellten ACK ein enormer ökumenischer Zugewinn gegeben. Nach der Einschätzung von Urban konnte »die durch den Beitritt vervollständigte ACK […] zum sichtbaren Symbol und zur greifbaren Konkretion auf nationaler Ebene werden für das Stück christliche Einheit, das der Christenheit bis zu dem Tag geschenkt war.« In ihrer Ausgangsposition »sah man katholischerseits 1973/74 mit einiger Erwartung einer näheren Begegnung und ggf. engerer Zusammenarbeit mit den Freikirchen entgegen.«266 Daran war die römisch-katholische Kirche von Anfang an besonders interessiert, vermutlich weil es die Kontakte zur EKD bereits gab. Schon in den Anfängen der Zusammenarbeit hat Professor Bläser 1969 einen, »Führungsanspruch der EKD in der ACK [wahrgenommen] und die Tatsache, 265 Hans Jörg Urban, Die römisch-katholische Kirche in der ACK. In: ÖR 47. Jg. (1998), 20. Daraus auch die nächsten Zitate. 266 Ebd., 21.

Einschätzungen und Hoffnungen zur eingeleiteten Entwicklung

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daß die EKD das Gespräch mit der katholischen Kirche für sich allein in Anspruch nahm« kritisch festgestellt.267 Diese enge Konstellation haben die Katholiken immer aufzubrechen versucht. Nun gehörte sie der Vergangenheit an. Es ist bemerkenswert, dass innerhalb der EKD erst im März 1962 ein Gesprächskreis für das »Verhältnis zur katholischen Kirche« gebildet wurde. Im Grunde schien sie auf eine innerdeutsche ökumenische Entwicklung nicht eingestellt zu sein, denn auch die ACK hatte offensichtlich keinen speziellen Ort innerhalb der gesamtkirchlichen EKD-Strukturen. Dagegen hatte es in der Bischofskonferenz zunächst eine Bistumskonferenz für ökumenische Fragen gegeben, der Weihbischof Kleinermeilert vorstand, welcher logischerweise auch die ersten offiziellen Kontakte aus dem Kreis der Bischöfe zur ACK wahrgenommen hat. 1976 wurde Bischof Paul-Werner Scheele Vorsitzender der Ökumenekommission der Bischofskonferenz. Es wird erkennbar, wie es durch das Konzil gelungen war, der Ökumene auch organisatorisch innerhalb der Kirche einen festen Ort zu geben, um das ökumenische Anliegen unter bischöflicher Leitung voranzutreiben. Eine ähnliche Beheimatung hat es innerhalb der EKD im Kirchlichen Außenamt lediglich mit dem Schwerpunkt für die ökumenischen Beziehungen außerhalb Deutschlands gegeben. So waren und blieben zunächst die Erwartungen von EKD und DBK an die zukünftige ACK unterschiedlich. Der spätere ACK-Vorsitzende Bischof Heinz Joachim Held schrieb dazu aus landeskirchlicher Sicht: Die »drei Worte ›gemeinsames Zeugnis und Dienst‹ bezeichnen einen entscheidenden Fortschritt im Selbstverständnis der Kirchen bei ihrer Zusammenarbeit in der ACK. Sie sind zu einer festen Formel geworden; zu einem geflügelten Wort, das immer wieder beschworen wird, wenn es darum geht, Grund, Sinn und Ziel der ACK zu umreißen.«268 Dieses sei allerdings ein Potenzial, das in der ACK unausgeschöpft ist. Tatsächlich standen »gemeinsames Zeugnis und Dienst« erst in einer späteren Phase auf dem Programm. Zunächst waren es noch »Worte« und »Formeln«. Aus freikirchlicher Sicht sah der Herrnhuter Hans Beat Motel – ebenfalls im Rückblick – 1986 eine im Vergleich zu früher stärkere Öffnung der Freikirchen zur römisch-katholischen Kirche, die er auf den »nun wirklich multilaterale[n] Rahmen der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen« zurückführte.269 Die Öffnung habe entscheidend dazu beigetragen, dass es am Ort und in den Regionen eine weiter wachsende Öku-

267 Ebd., 28 Anm. 5, wo sich der Autor auf eine Protokollnotiz vom 6. November 1969 bezieht. 268 Heinz Joachim Held, Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen – ein unausgeschöpftes Potenzial. In: ders., Einsichten und Ausblicke. Erträge eines ökumenischen Lebensweges, Frankfurt/M. 2008, 331. Auch: ÖR, 47. Jg. (1998), 3 – 17. 269 Hans-Beat Motel, Die Freikirchen und die Ökumene. In: Hans Jörg Urban/Harald Wagner (Hg.), Handbuch der Ökumenik Bd. II, Paderborn 1986, 249 – 258 (258).

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mene gibt. Eine Tatsache, die für die freikirchlichen Gemeinden nach vielen erwartungsvollen Jahren die Ökumene erlebbar machte.270 Es darf bei aller Freude über den gelungenen Fortschritt nicht übersehen werden, dass mit der wachsenden Zahl der Delegierten in den Vollversammlungen der ACK-Vorstand je länger je mehr in eine Führungsrolle mit Weichenstellungen und Vorentscheidungen hineinwuchs. Bei ihm liefen die Fäden zusammen. Besonders mit dem satzungsmäßigen Auftrag der »Vertretung und Wahrnehmung gemeinsamer Anliegen und Aufgaben nach außen und in der Öffentlichkeit« tat sich der Vorstand, in dem alle Konfessionsfamilien repräsentiert waren,271 schwer. Es ist der ACK selten gelungen, sich öffentlich zu Wort zu melden. Besonders die beiden großen Kirchen haben ihren jeweils eigenen und nicht selten auch bilateral gemeinsam vertretenen Interessen Vorrang gegeben. Wenn die ACK sich gelegentlich »nach außen« wandte, dann haben neben dem ACK-Vorsitzenden zwei Kirchen immer wert darauf gelegt, die Stellungnahmen mitzuunterzeichnen. Diese Doppelung wäre im Grunde nicht nötig, denn der jeweilige Vorsitzende ist ja immer der Repräsentant aller Mitgliedskirchen. Aber es ging nicht nur um gemeinsame »Worte«, obwohl eine Einbeziehung bei Fragen der Ausländerpolitik, der Friedenspolitik und bei Interventionen zu Fragen anderer Länder gerade die Stimme der Kirchen aus diesen Regionen eine besondere Bedeutung gehabt hätte, sondern immer auch um die öffentliche Repräsentanz von Einzelkirchen. Der DÖSTA wurde zunächst selten, später mehr in die Erarbeitung von aktuellen Fragen einbezogen. Die Öffentlichkeitsarbeit der ACK insgesamt hat nur selten etwas aus ihrer Tätigkeit in die Gesellschaft und auch wenig in die Kirchen transportiert. Nicht nur fehlende finanzielle und personelle Ressourcen haben die Möglichkeiten eingeschränkt. Auf den Protokollen stand über einen langen Zeitraum stets »Nicht zur Weitergabe bestimmt«. In der Entwicklung der innerdeutschen Ökumene fällt auf, dass der JaegerStählin-Kreis, in dem der Oldenburger lutherische Bischof Wilhelm Stählin auf protestantischer Seite eine führende Rolle spielte, und die Bemühungen des ebenfalls hochkirchlich orientierten Friedrich Heiler in der zwischenkirchlichen Gesamtökumene nur am Rande ins Blickfeld kommen. Sie waren von der Basis weit entfernte hochqualifizierte Experten. Auch ihre frühen Kontakte zu Kardinal Jaeger hatten auf evangelischer Seite über viele Jahre einen stärker privaten als einen amtlich kirchlichen, also wirklich ökumenischen Charakter. Sie trugen aus gesamtprotestantischer Sicht nur partiell etwas zur konkreten Ausgestaltung 270 Zur örtlichen und regionalen Ökumene, vgl. Kap. 4.6. 271 Es sind: die EKD, die DBK, die VEF, die Konferenz der Orthodoxen Kirchen in Deutschland (KOKiD) und die konfessionell orientierte SELK. Der Vorstand tagt unter der Leitung des jeweiligen ACK-Vorsitzenden.

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und Entwicklung der heutigen innerdeutschen Ökumene in ihrer Gesamtheit bei. Gewiss waren sie vor der Aufnahme der Katholiken und der Orthodoxen in die ACK als Brückenbauer wichtig und hilfreich. Mittelbar wirkte sich der frühe katholisch-landeskirchliche Dialog gewiss in der längerfristigen Positionierung Lorenz Kardinal Jaegers aus. Daher sieht die römisch-katholische Perspektive anders aus als die aus der Gemeinschaft aller protestantischen Kirchen.272 In der gesamtökumenischen Entwicklung hatten es die Vertreter der römisch-katholischen Kirche leichter als die Repräsentanten der EKD. Die katholischen Initiativen fanden die volle Unterstützung des in ökumenischen Fragen hochengagierten Paderborner Kardinals, der seit Jahren in der Sache aktiv war, sie sogar mit angestoßen hatte. Seit 1967 war die gesamtkirchliche Strategie der Bischofskonferenz durch das römische Ökumenische Direktorium bestimmt und damit aus Rom nicht nur gebilligt, sondern unterstützt. Es wurde bald erkennbar, dass innerhalb der EKD eine offiziell geklärte Position für den nationalen Bereich nicht vorhanden war. Vielleicht hatte man zeitweise die Bedeutung der ACK unterschätzt, denn die vergangenen 25 Jahre ACK-Erfahrung waren nicht genutzt worden, um sich zwischen der EKD-Leitungsebene und den Gliedkirchen auf eine gemeinsame Linie zur Entwicklung der innerdeutschen Ökumene zu verständigen. Diese Frage ist nicht um kirchenpolitischer Winkelzüge willen wichtig, sondern um der Klarheit willen darüber, wie eine Einheit zu Zeugnis und Dienst gefunden und gestaltet werden kann. Infolge des Fehlens einer gesamt-landeskirchlichen Positionierung hatte nun der römisch-katholische Partner das Heft des Handelns in die Hand genommen. Wie hilfreich war es angesichts dieser Lage, dass die ACK und der DÖSTA zusammen mit einer wachsenden Zahl ökumenisch engagierter Theologen gemeinsam mit ökumenewilligen Freikirchlern sich nicht mit einem bilateralen Verhältnis der beiden Großkirchen zufrieden geben wollten und die Tür für die volle Mitgliedschaft der DBK und der Orthodoxen in der ACK offen gehalten hatten.

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Eine neue zwischenkirchliche Konstellation

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gehört der Gedanke einer »RückkehrÖkumene« – was für eine eigenartige Wortkombination! – der Vergangenheit an. Die römisch-katholische Kirche hat sich neu zu den anderen »kirchlichen 272 Jörg Ernesti, Ökumene im Dritten Reich, Paderborn 2007. Es ist zu fragen, ob die dort aufgearbeiteten frühen Beziehungen zwischen Katholiken und Protestanten mit einem fast privaten Charakter, die überwiegend ohne gesamtkirchlichen Auftrag in persönlicher Initiative geführt wurden, als »Ökumene« bezeichnet werden können. Gerade aus der Sicht des römisch-katholischen ekklesiologischen Selbstverständnisses ist die Charakterisierung als »Ökumene im Dritten Reich« überraschend.

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Zeit der Neuordnung und der ACK-Erweiterungen

Gemeinschaften« positioniert. Das konnte sie, weil ihr eine fortschreibende Erweiterung ihres ekklesiologischen Selbstverständnisses möglich geworden ist. Sie geht nunmehr davon aus, dass es eine veränderte dynamisch-heilsgeschichtliche Sicht der einen Kirche Christi gibt, die sich allerdings nur in der römisch-katholischen Kirche »verwirklicht«273. Das bleibt eine exklusive Wesensbestimmung, weil diese eine Kirche Christi konstitutiv mit der Leitung durch den Papst in Gemeinschaft mit den Bischöfen verbunden wird. Es ist aber nicht mehr ausgeschlossen, dass außerhalb ihrer »Gesellschaft«, in der sich die soziale Gestalt der einen Kirche Christi darstellt, »vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind, die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrängen.« Die »kirchlichen Gemeinschaften« können nun als solche gesehen werden, in denen der Heilige Geist auf unterschiedliche Weise am Werke ist. Damit sind neue Grundlagen für einen Dialog gegeben, der Jahrhunderte hindurch für katholische Theologen und Laien im Grunde par cum pari nicht möglich war.274 Das Selbstverständnis der Einmaligkeit der römisch-katholischen Kirche hat überraschend ökumenische Wirkungen auf die außerhalb ihrer »Gesellschaft« stehenden »kirchlichen Gemeinschaften«. Das landeskirchlich-freikirchliche Verhältnis war über einen langen Zeitraum durch die Spannung von anerkannter »Kirche« und ins Territorium eingedrungener »Sekte« mit einem unübersehbaren Wertegefälle verbunden, das auch in der Gesellschaft bis heute Langzeitwirkung zeigt. Dazu kam das Gefühl einer theologischen Überlegenheit, das man eigenartigerweise nicht selten umgekehrt den Minderheiten vorwarf, obwohl man deren theologische Grundpositionen eher polemisch verzeichnete als sie zu kennen. Diese historische Erfahrung mit den verinnerlichten Wertevorstellungen hat die ökumenische Entwicklung viele Jahrzehnte belastet. Das angedeutete hinderliche binnenprotestantische Gefälle bekam durch den Katholizismus im Zusammenhang der multilateralen Ökumene eine andere Wertegrundlage. Aus römisch-katholischer Sicht stehen alle »kirchlichen Gemeinschaften« außerhalb ihren eigenen als »Gesellschaft« verfassten und organisierten Kirche gleichwertig nebeneinander : Lutheraner, Methodisten, Reformierte, Siebenten273 »Subsistit in« – »verwirklicht in« ist ein zentraler Begriff einer lebhaften Diskussion innerhalb und außerhalb der römisch-katholischen Kirche. Wolfgang Thönissen, Sein, Existenz und Sendung der Kirche. In: ders., Ein Konzil für ein ökumenisches Zeitalter, Leipzig/Paderborn 2013, 98 – 144. 274 Über die Folgen des Dialogs: Hans Jörg Urban, Freikirchen aus der Sicht der römischkatholischen Kirche. In: FF 16. Jg. (2007), 199 – 204. Dort weitere Beiträge zum Verhältnis aus baptistischer, methodistischer, adventistischer, pfingstkirchlicher und mennonitischer Sicht. – Weltweite Diskussion: Christoph Raedel (Hg.), Als Beschenkte miteinander unterwegs. Methodistisch-katholische Beziehungen auf Weltebene, Göttingen 2011, mit sieben Beiträgen.

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Tags-Adventisten und selbst Neuapostolische. Alle befinden sich zunächst in der gleichen Ausgangsposition und stehen daher ekklesiologisch auf einer Ebene nebeneinander, weil sie die Normen der römischen Kirche aus katholischer Sicht nicht erfüllen können und aus protestantischer Sicht nicht erfüllen wollen. Die konkreten Folgen zeigten sich in den unterschiedlichen Vorstellungen von der Ausgestaltung des innerdeutschen ökumenischen Beziehungsgeflechts. Einerseits wurde die Vorstellung von einer – manchmal sogar exklusiv gedachten – bilateralen Organisation in Spitzengesprächen erwogen. Andererseits war es offensichtlich zu keinem Zeitpunkt eine Frage, dass sich die Kirchen, ob in Deutschland groß oder klein, multilateral organisieren müssen. Die römischkatholische Weltkirche begegnet eben den in Deutschland kleinen Zweigen anderer Weltkirchen auch von den in Deutschland immer wieder ins Feld geführten Größenverhältnissen her mit einer anderen Perspektive, als eine Anzahl territorial innerhalb eines Staates eingegrenzter überschaubarer Körperschaften. In der örtlichen Ökumene haben römisch-katholische Nachbargemeinden den Freikirchen oft eine große Wertschätzung entgegengebracht, weil sie neue Entdeckungen machten: Sie trafen in ihnen evangelische Christengemeinden, in deren Gottesdiensten sich, auch ohne eine ›Sonntagspflicht‹ zu kennen, der größere Teil ihrer Kirchenglieder Sonntag für Sonntag in großer Regelmäßigkeit versammelt. Für manche katholischen Christen war es wohltuend zu sehen, dass zwar nicht sonntäglich, aber doch in steter Ordnung Abendmahlsfeiern stattfanden, die nicht ein Appendix nach dem Wortgottesdienst waren, sondern in denen Wort und Sakrament in gottesdienstlicher Einheit gefeiert werden. Man darf auch nicht übersehen, dass durch ein alltagsbezogenes Heiligungsverständnis der Glaube im Lebensvollzug nach Formen des Ausdrucks suchte. Rechtfertigung und Heiligung waren keine vermischte Einheit, sondern zwei unterschiedliche Seiten einer Medaille, die sich auf die Frömmigkeitspraxis der Gläubigen auswirken. Dieser Punkt kommt katholischer Frömmigkeitsübung entgegen. Schließlich waren Priester zunehmend besser in konfessionskundlichen Kursen weitergebildet, was auch eine Folge des römischen Directorium Oecumenicum war. Sie hatten nicht nur ein theologisches Bild von den sog. Freikirchen vermittelt bekommen, sondern sie wussten nun auch, dass manche zwar kleine Nachbargemeinde doch eine weltweite Kirche repräsentierte, mit der das Einheitssekretariat seit dem Ende des Konzils ununterbrochen im theologischen Dialog stand. Mit dieser Sicht einer frühen multiökumenischen Frucht in einer neuen zwischenkirchlichen Werteorientierung geht der Blick bereits in die Zukunft. Bevor die Aufmerksamkeit ganz dem praktischen Lebensvollzug der vielgestaltigen innerdeutschen Ökumene zugewandt wird, sind noch einige andere Themen aufzugreifen.

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3.10 Zur ökumenischen Entwicklung in der DDR 3.10.1 Die Bildung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der DDR Die Abschottung durch den Mauerbau am 13. August 1961 und die neue Verfassung der DDR, die am 9. April 1968 in Kraft trat, haben das Leben und Wirken der dortigen Kirchen nachhaltig beeinflusst. Im Laufe des Jahres 1969 hat Kirchenpräsident Martin Müller aus Dessau in der Frankfurter ÖC den Wunsch geäußert, die ACK »möge sich nur noch für die Bundesrepublik zuständig erklären und den Kirchen in der DDR freie Hand für die Konstituierung einer selbständigen Arbeitsgemeinschaft lassen.«275 Damit war seit dem Jahr 1962 ein weiter Bogen gespannt, der zeigt, dass die Entwicklungen nicht aufzuhalten waren. Es war klar, dass Kirchenpräsident Müller gleichzeitig den westlichen Teil der ACK gebeten hat, weiter in enger Zusammenarbeit zu bleiben und bei der Vorbereitung eigener AGCK-Richtlinien beratend tätig zu werden. Die ACK hat am 6. November 1969 entsprechend beschlossen und vier ihrer Mitglieder zu den Beratungen am 2. März 1970 nach Ostberlin entsandt.276 Es kam zu einer Trennung auf Raten. Schon im Januar 1962 machte Oberkirchenrat Erich Andler, dem von dem Baptisten Herbert Weist ein Textentwurf für eine Erklärung gegenüber dem Staatssekretariat für Kirchenfragen übergeben worden war, dem Vorsitzenden der landeskirchlichen Ostkonferenz, Bischof Friedrich Wilhelm Krummacher, den Vorschlag, die ACK möge eine »östliche Besetzung« erfahren, »damit man sich untereinander besser absprechen könnte.«277 Andlers Initiative ging auf Erfahrungen zurück, die durch getrennte Erklärungen der Landes- und der Freikirchen in den vorhergehenden Jahren gemacht worden waren. Am 4. April 1962 fand in der Kirchenkanzlei-Ost ein erstes Gespräch statt, an dem neben Bischof Krummacher die Oberkirchenräte Andler und Gerhard Schmitt, sowie Hans-Jürgen Behm als Leiter der Kirchenkanzlei seitens der Landeskirchen teilnahmen. Die VEF-Kirchen hatten je einen Vertreter entsandt: Herbert Weist (Baptist), Günter Krause (Methodist), Gustav Siepmann (Ev. Gemeinschaft) und Walter Böhme (Freie ev. Gemeinden). Man war sich einig: zukünftige engere Kontakte können nur förderlich sein. Mit der ACK solle es zu einem Informationsaustausch kommen. Die EKD-Partner verfolgten hier ihre damalige Strategie, auch in der ACK es auf keinen Fall zu einer Trennung zwischen West und Ost kommen zulassen. Der Baptist Weist ging dagegen von der Vorstellung aus, die Kirchen in der DDR hätten den »Wunsch 275 Prot. ACK 6. Nov. 1969, 5. EZA 2/15918. 276 Es waren dies: Professor Werner Küppers, Landesbischof Gerhard Heintze, Bischof C. Ernst Sommer und Pastor Otmar Schulz. 277 Schriftwechsel im EZA 104/547.

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[…], sich zu einer Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der DDR zusammenzufinden.«278 Er lud den baptistischen ACK-Vorsitzenden Hans Luckey ein, zu einem beratenden Gespräch nach Berlin zu kommen. Am 15. Mai 1962 folgte im Berliner Heinrich-Grüber-Haus eine Begegnung unter seiner Leitung als ACK-Vorsitzenden.279 Zukünftig sollten gemeinsame »besondere Sitzungen« der DDR-Zweige der Kirchen stattfinden, aber im Rahmen der ACK. Wieder wird die Zielvorstellung erkennbar, eine ACK-Trennung in Ost und West zu vermeiden. Eine der regulären ACK-Tagungen solle jährlich in Westberlin stattfinden, die teilweise auch im Osten gehalten werden soll. Die erste dieser Sitzungen wurde zum 9. November 1962 einberufen. Inzwischen hatten die östlichen Kirchenteile Gelegenheit, ihre offiziellen Delegierten zu wählen und in die bis dahin ausschließlich mit West-Delegierten arbeitende ACK zu entsenden. Als Folge dieser Neuordnung wurde in Frankfurt die ACK-Ordnung dahingehend geändert, dass es jetzt zwei Stellvertretende Vorsitzende geben soll, die aus den beiden Teilen Deutschlands kommen. Eine parallele Geschäftsstelle wurde neben Frankfurt/Main in Berlin/Ost eingerichtet. Jetzt rückten auch die Alt-Katholiken, die Mennoniten und die Quäker ins Blickfeld. Am 25. Januar 1963 fand auf der Basis der erweiterten Ordnung unter dem ACK-Vorsitzenden Hans Luckey eine »ergänzende Konstituierung der Arbeitsgemeinschaft im Raum der DDR« statt.280 Bischof Johannes Jänicke wurde als Vorsitzender der ACK im Raum der DDR gewählt. Diese Entwicklung war durch den Rat der Evangelischen Kirche der Union (EKU) mit einem Schreiben an den Rat der EKD unterstützt worden. Darin wurde ausdrücklich darum gebeten, nach den in der DDR bereits regional erfolgten ACK-Bildungen auch eine zentrale Förderung der Gemeinschaft mit den Freikirchen einzuleiten. Dies sei notwendig, weil die neue Lage nach dem Mauerbau neue Antworten verlangt, die man gemeinsam finden müsse.281 Nach der Bildung des »Bundes der Evangelischen [Landes-]Kirchen in der DDR« (BEK) im September 1969 war auch die Bildung einer eigenorganisierten 278 Schreiben Herbert Weist an Hans Luckey vom 5. April 1962. Oncken-Archiv, Elstal, Nachlass H. Weist. 279 Teilnehmer waren außer Luckey OKR Erich Andler, G. Schmitt von Seiten der EKD, H. Weist (Baptist) und Sup. Hans Vogel (Methodist). 280 Prot. der ACK-Sitzung vom 25. Jan. 1963. Delegierte waren: Landessuperintendent Bosinski (Mecklenburg), Oberlandeskirchenrat Gerber (Sachsen), Moderator Langhoff (Berlin-Brandenburg), Bischof Johannes Jänicke (Kirchenprovinz Sachsen), Superintendent Nasdala (Schlesien), Pfarrer Theodor Schneider (Anhalt). Für die Freikirchen waren anwesend: Herbert Weist und Adolf Pohl (Baptisten), Hans Vogel (Methodist), Johannes Falk (Ev. Gemeinschaft), Pf. Haberer (Alt-Katholische Kirche), Walter Jantzen (Mennonit) und Pfarrer Schiewe (Brüder-Unität). Als Gäste nahmen der ausgewiesene Ökumeniker Gerhard Brennecke und für die Freien evangelischen Gemeinden Armin Röger teil. 281 Schreiben der EKU-Kirchenkanzlei an die EKD-Kirchenkanzlei (Ost) v. 23. Febr. 1962. EZA 104/547.

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ACK kirchenpolitisch kein Sonderfall mehr. Am 9./10. April 1970 erfolgte die Konstituierung der »Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der DDR«, die sich durch das Kürzel »AGCK« von der westlichen ACK unterschied. In der 1948er ACK-Gründung war die EKD als landeskirchliche Gesamtvertretung Mitglied. In der DDR gehörten alle acht Gliedkirchen des landeskirchlichen Bundes einzeln der neuen AGCK an. Das war ein ökumenischer Fortschritt. Dahinter steckte die Überlegung, in der brisanten politischen Lage soweit wie möglich ein gemeinschaftliches Handeln sicherzustellen. Damit war auch die landeskirchliche Mehrheit in der Mitgliederversammlung gesichert. Außer den acht Landeskirchen gehörten auch in der DDR die Evangelische Brüder-Unität, der baptistisch geprägte Bund Ev.-Freikirchlicher Gemeinden, die Evangelischmethodistische Kirche, der Gemeindeverband der Alt-Katholischen Kirche und die Mennoniten der AGCK als Mitglieder an. Gäste waren zunächst der Bund Freier evangelischer Gemeinden und die damalige Altlutherische Kirche. Beide wurden 1971 in die volle Mitgliedschaft aufgenommen. Anlässlich einer ACK-Sitzung im April 1966 in Berlin-Ost war schon die Frage der Aufnahme von Orthodoxen und der altlutherischen Freikirche erörtert worden. Ebenso war die Frage erwogen worden, ob ein Vertreter der römischkatholischen Kirche zu den Sitzungen eingeladen werden solle. Als es im April 1970 zur offiziellen Konstituierung der AGCK kam, teilte Ordinariatsrat Monsignore Dissemond mit: die Berliner Ordinarienkonferenz habe beschlossen, sich auf »eine lose Kontaktaufnahme unter Verzicht auf eine feste Institutionalisierung des Verhältnisses« zu beschränken. Im Falle einer Einladung werde der Sekretär der Berliner Ordinarienkonferenz als Beobachter an den Sitzungen teilnehmen.282 Die Mitglieder der AGCK gaben dieser Bitte statt, so dass die römisch-katholische Kirche 1970 den Status eines »Beobachters« einnehmen konnte. Das war ein Status, der in den erst kurz zuvor beschlossenen Richtlinien noch nicht vorgesehen war. Besondere Situationen erfordern ungewöhnliche Entscheidungen. Mit dieser losen Verbindung kam die AGCK den Vorstellungen des Rates der EKD entgegen, der bereits 1969 der stellvertretenden Leiterin des Sekretariats des BEK, Christa Lewek, von Westberlin aus auf ihre Anfrage übermitteln ließ: Der Rat habe schon im Dezember 1968 für den Westen »Bedenken gegen die Beteiligung katholischer Vertreter in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen geäußert.«283 Allerdings richteten sich die Bedenken weniger gegen die katholische Kirche. Vielmehr hatte der Rat die Sorge um seine Kompetenzen, denn im Falle einer katholischen Mitwirkung in der ACK könne der »Eindruck 282 Prot. ACK 3. Juli 1970. LKA Hann. D 15 X, Nr. 5742 Bd. III. 283 Schreiben an Reinhard Henkys v. 11. April 1969. EZA 2/15985. Daraus auch die weiteren Zitate.

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einer Alleinvertretung des deutschen Gesamtprotestantismus gegenüber der römisch-katholischen Kirche erweckt« werden. In dem Schreiben wird aber auch aus dem ACK-Protokoll vom 24. Januar 1969 eine Passage zitiert, die eine von der EKD-Haltung unterschiedene Position der ACK-Mitgliederversammlung feststellte. Darin heißt es: die ACK verzichte auf eine dauernde EKD-Vermittlung und wird mit Kardinal Jaeger eigene Kontakte aufnehmen. Weiter wurde in dem Schreiben nach Ostberlin übermittelt: Die ACK habe inzwischen eine Entscheidung über die Beteiligung der katholischen Kirche in der ACK bereits getroffen, »ohne daß der Rat dazu ausdrücklich ›grünes Licht‹ gegeben hätte.«284 Solche Formulierungen werfen wieder ein Licht auf die Rolle, welche die EKD in dieser entscheidenden Phase ökumenischer Entwicklung dachte spielen zu sollen. Nach mehrjähriger Teilnahme von »Gästen« und »Beobachtern« sah sich die AGCK 1976 veranlasst, die von ihnen bis dahin in den »Richtlinien« nicht vorgesehene Rolle verbindlich zu definieren. Damit stellten die Richtlinien eine Grundlage bereit, weitere Kirchen oder kirchliche Gemeinschaften, die bis dahin keine Aufnahme beantragen wollten oder konnten, zur Entsendung von Beobachtern einzuladen. Das Angebot nahmen 1976 nach der von Anfang an beobachtenden Teilnahme der römisch-katholischen Kirche nun auch die Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten und die Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker) an. 1981 folgten ihnen die Russisch-Orthodoxe Kirche (Mitteleuropäisches Exarchat) und das Apostelamt Jesu Christi.285 Die AGCKSitzungen fanden dreimal jährlich statt. Ab 1985 wurden weitere Teilnehmer einmal im Jahr eingeladen: Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Jugend – Ökumenischer Jugendrat, die Ökumene-Kommission des Bundes der Evangelischen Kirchen, die Arbeitsgemeinschaft evangelischer Missionen, der Arbeitskreis ökumenischer Ausländerarbeit und Delegierte der DDR-Kirchen im Beratenden Ausschuss der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK). Damit hatte die AGCK an einer Stelle verwirklicht, was die westliche ACK wohl diskutiert, aber nicht erreicht hat.286 Nach der grundlegenden Änderung der politischen Lage entschloss sich 1990 die römisch-katholische Kirche, einen Antrag auf Vollmitgliedschaft in der AGCK zu stellen. Am 5. Mai 1982 waren die neuen »Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft 284 Ebd. 285 Helmut Obst, Apostel und Propheten der Neuzeit. Gründer christlicher Religionsgemeinschaften des 19./20. Jahrhunderts, Berlin o. J., 113 ff. – Die Gemeinschaft hat ihre Wurzeln in einer Bewegung der katholisch-apostolischen Gemeinden, die mit dem Namen des anglikanischen Pfarrers Edward Irving (1792 – 1834) verbunden ist, der eine charismatische Erweckung erhoffte und die »Irvingianer«, die sich im 19. Jahrhundert in Deutschland ausgebreitet hatten, formierte. 286 Vgl. Kap. 3.2.2 und 3.2.5.

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Christlicher Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik« in Kraft getreten. Sie zeigten viele Ähnlichkeiten mit der westlichen ACK-Satzung von 1974. Einige Unterschiede sind bemerkenswert. War in der BRD als erste weitreichende und fast unerfüllbare Aufgabe formuliert: »Gegenseitige Unterrichtung ihrer Mitglieder und Zusammenarbeit im gemeinsamen Dienst und Zeugnis«, so verzichtete die DDR-Fassung auf diesen Aspekt, der in einem politisch schwierigen Umfeld immer ein hohes Maß an vertrauensvoller Gemeinschaft voraussetzt, abgesehen davon, dass die praktischen Möglichkeiten besonderen Einschränkungen unterlagen. Es wurde an dessen Stelle die Aufgabe auf eine ökumenische Praxis ausgerichtet und realistisch beschrieben als »Förderung ökumenischer Beziehungen und der ökumenischen Arbeit unter ihren Mitgliedern«. In den DDR-Richtlinien ist für die Mitglieder der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) zusätzlich formuliert, dass die AGCK für sie folgende Aufgaben wahrnimmt: »a) Begleitung und Beobachtung der Studienarbeit der KEK und Verbindung zu den KEK Studienkreisen, b) Koordinierung der Durchführung und der Bearbeitung von Arbeitsaufträgen und Konferenzergebnissen der KEK sowie von Delegationszusammenstellungen.«287 Die für die DDR so wichtige internationale Verflochtenheit kommt in dieser Entwicklung zum Ausdruck. In der BRD wurde die internationale Arbeit ausschließlich durch das Kirchliche Außenamt der EKD wahrgenommen. Die Arbeit der ACKwar von Anfang an auf die innerdeutsche Ökumene begrenzt. Im Westen blieb das auch so. Während der Jahre ihres Bestehens in der DDR hat die ökumenische Gemeinschaft in der AGCK die Grundlage für eine Anzahl ökumenischer Aktivitäten geschaffen. Sie bildete eine Plattform, auf der sich die Kirchen über staatliche Maßnahmen, welche alle Kirchen betrafen, austauschen und ihre Meinungen abklären, immer wieder auch ihre Positionen abstimmen konnten. Den zwischen 1970 und 1991 jährlich stattfindenden Treffen der leitenden Geistlichen aller AGCK-Kirchen kam unter den DDR-Bedingungen, die aus politischen Gründen gerade nicht an einer Einheit der Konfessionen und Denominationen interessiert waren, eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Die AGCK war aber auch eine Art Vorfeld für ganz unterschiedliche teils bilaterale, teils regionale ökumenische Aktivitäten. Zu den zukunftsweisenden ökumenischen Beschlüssen gehörte 1979 eine »Empfehlung der Regelung des Übertritts zwischen Kirchen, die der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik angehören.«288 Ein entsprechender 287 Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik. In: Amtsblatt der EmK II/1983, Dresden 1983, 8 – 14. 288 Text: Athanasios Basdekis u. Klaus Peter Voß (Hg.), Kirchenwechsel – ein Tabuthema der Ökumene? Frankfurt/M. 2004, 154 – 156.

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Vorschlag war 1950 auch in der BRD gemacht, jedoch kam er damals nicht an das erhoffte Ziel. In der neuen Bemühung der AGCK ging es um die theologisch konsequente Ausgestaltung der Religionsfreiheit, die einen Übertritt von einer Kirche in eine andere ohne vorherigen Austritt ermöglicht. Die ökumenisch notwendige Lösung beruht auf der Basis der Einheit der Kirche Jesu Christi, zu der alle Glaubenden unabhängig von ihrer konfessionellen Orientierung gehören. Der gemeinsame Ausgangspunkt der vorgegebenen Einheit verbietet geradezu einen Kirchenaustritt, da es sich ja lediglich um einen Konfessionswechsel handeln kann. Im Bild gesprochen heißt dies: das eine Haus der Kirche Christi muss man nicht erst verlassen, wenn man das Zimmer wechseln will.289 Diese durch die AGCK angeregte und von den Kirchen aufgenommene Praxis war in der vormaligen DDR leichter zu regeln, als es den westlichen Kirchen möglich scheint. Dort sind in Verbindung mit dem Einzug der sog. Kirchensteuer durch staatliche Behörden für die Kirchen rechtlich wirksame Regelungen nur möglich, wenn alle beteiligten Kirchen ihr ökumenisches Verständnis und ihr theologisches Selbstverständnis auch in die Alltagspraxis umzusetzen bestrebt sind.290 Auch die Beobachterrolle der römisch-katholischen Kirche hat diesen Schritt leichter gemacht, weil er zu deren Kirchenverständnis in einer bisher unauflöslichen Spannung steht. Ungefähr zwei Jahre nach dem Überwinden der Mauer-Trennung haben sich die AGCK und die ACK im November 1991 in Eisenach mit der gemeinsamen Annahme einer neuen Satzung in einem Gottesdienst wieder vereinigt. Die AGCK brachte im Beobachterstatus291 die Kirche »Apostelamt Jesu Christi« mit in die ACK ein. Der Bund Freier evangelischer Gemeinden, der seit 1948 in der ACK Gast war,292 aber in der AGCK 1971 in die volle Mitgliedschaft aufgenommen worden war, beendete seine AGCK-Mitgliedschaft mit der Auflösung seines DDR-Bundes, der im Zuge des Anschlusses der Gemeinden an den westlichen Bund stattfand. Die Zahl der Pastoren und Gemeinden, die im Osten wie im Westen dafür offen waren, die Mitgliedschaft weiterzuführen bzw. zu erlangen, reichte für einen entsprechenden Beschluss nicht aus. Unabhängig von der nicht 289 Die Dokumentation einer überwiegend westlich ausgerichteten ACK-Tagung von 2003 trägt den bezeichnenden Titel ›Kirchenwechsel – ein Tabuthema der Ökumene?‹ Vgl. vorherige Anm. 290 Es ist bemerkenswert, dass die Regelung in Sachsen auch nach der Wiedervereinigung beibehalten werden konnte und in der alten Bundesrepublik eine derartige Praxis in Württemberg geübt wird (Basdekis/Voß, Tabuthema der Ökumene?, 159 – 164). 291 Außerdem hatten die »Religiöse Gemeinschaft der Freunde« (Quäker) und die »Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten« zu jener Zeit in der AGCK einen Status als Beobachter. 292 Karl Heinz Voigt, Das erste und älteste Gastmitglied in der ACK. Der Weg der Entscheidungsfindung im Bund Freier ev. Gemeinden, bisher unveröffentlicht. Kopie im ZA der EmK in Reutlingen.

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fortgeführten AGCK-Mitgliedschaft in der Bundes-ACK ist eine Anzahl von Gemeinden in eine Mitgliedschaft in lokalen und in regionalen Arbeitsgemeinschaften eingetreten.293

3.10.2 Der Bund der Evangelischen Kirchen – ökumenisch gesehen Im Juni 1969 wurde der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) gebildet. Allein die Selbstbezeichnung musste Anlass zu Irritationen im weiteren Bereich der Ökumene geben, denn es schlossen sich in diesem Bund der Evangelischen Kirchen ausschließlich jene acht Landeskirchen zusammen, die innerhalb der DDR tätig waren. Im Ausland und in der Ökumene war nicht immer klar, ob der BEK eine Art Nationaler Christenrat war, wie es ihn in anderen Staaten unter der Beteiligung aller ökumenisch offenen Kirchen gab. Auch die Angliederung der Evangelischen Brüder-Unität – Distrikt Herrnhut, die am 28. Juni 1970 erfolgte,294 konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass andere evangelische Kirchen wie z. B. die methodistische nicht dem »Bund der Evangelischen Kirchen« angehörten. Der Bund nahm auch – wie im Westen das Kirchlichen Außenamt – die überwiegende Zahl der Auslandskontakte wahr.295 Als beispielsweise der ökumenische Britische Kirchenrat, ein auf freikirchliche Wurzeln zurückgehender Nationaler Kirchenrat (National Council of Churches), 1970 die DDR besuchte, wurde der methodistische Bischof Armin Härtel vom BEK als Gast zu dem Empfang eingeladen. Das zeigt eine gewisse Schieflage an, denn eigentlich wäre der Partner des British Council of Churches die AGCK. Als 1974 der Erzbischof von Canterbury einer entsprechenden Einladung folgte, ließ er es sich nicht nehmen, auch Bischof Armin Härtel in Dresden persönlich zu besuchen. Andrerseits bat der BEK und nicht etwa die AGCK den methodistischen Bischof, seinen Kollegen Philip Potter, der als Generalsekretär des ÖRK 1973 die DDR besuchte, auf dessen Reise zu begleiten. Der Bund Evangelischer Kirchen in der DDR war in sich ein Zusammenschluss autonomer Landeskirchen unterschiedlicher Bekenntnisse. Während der Bun293 Johannes Demandt, Der Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland. In: Ders. (Hg.), Freie Evangelische Gemeinden. Die Kirchen der Gegenwart 4, Bh. 114, Göttingen 2012, 76 – 78. 294 www.doku-ekd.pbeier.de/index.htm0036.0036638 (Abruf am 1. 12. 2012). 295 Mit der Organisation des BEK »verband sich die Hoffnung, wieder direkt und aktiv an der ökumenischen Bewegung teilnehmen zu können. […] Der Aufbau [internationaler] ökumenischer Beziehungen gehörte darum zu den frühen und ständig größer werdenden Aufgaben des Bundes«, urteilen Ulrich Schröder und Helmut Zeddies in: Nach-Denken. Zum Weg des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR, Frankfurt/M. 1995, Kap. 1.3.4 Mitarbeit in der Ökumene.

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dessynode 1974 gab deren Präses, Landessuperintendent Otto Schröder, für diesen bekenntnisverschiedenen Bund eine Erklärung ab, die mit den Worten begann: »Mit dem heutigen Tage tritt die Leuenberger Konkordie in Kraft. Die Vielzahl unserer Geschäfte sollte uns nicht davon abhalten, in Dankbarkeit dieses Datums zu gedenken. 55 Kirchen, darunter sämtliche Gliedkirchen des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik, haben der Leuenberger Konkordie zugestimmt. Selbst bei zurückhaltender Beurteilung der Leuenberger Konkordie muß dies als ein bedeutsamer Vorgang in der Geschichte des europäischen Protestantismus gewertet werden. Wir sollten das Zustandekommen der Konkordie als ein Zeichen der Gnadenerweisung des Herrn der Kirchen [!] deuten.«296

Damit war innerhalb des BEK und darüber hinaus im europäischen Bereich »Kirchengemeinschaft von der Übereinstimmung im Zentralen her« begründet, die dem BEK noch vor der Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst jetzt die Tür zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft geöffnet hat.297 Das war auch für die Landeskirchen in der DDR ein Schritt zu festerer und verbindlicher ökumenischer Gemeinschaft in einem immer säkularer werdenden Umfeld. Allerdings widmete sich der neu gebildete »Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR« auch Aufgaben, die er in alter Manier ohne partnerschaftliche Absprache mit anderen evangelischen Kirchen in seiner Grundordnung verankerte. In der Verfassung des DDR-Kirchenbundes vom 10. Juni 1969 findet sich unter Art. 4,4 eine später viel diskutierte Formulierung. Sie lautet: »Der Bund bekennt sich zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. In der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft nimmt der Bund Aufgaben, die alle evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik und in der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam betreffen, in partnerschaftlicher Freiheit durch seine Organe wahr.«298

Dieser Artikel erhebt in dreierlei Hinsicht ökumenische Ansprüche. Er steht (1) für einen »Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR«, (2) er »bekennt sich zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland und (3) er nimmt in der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft Aufgaben wahr, die alle evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik und in der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam betreffen, und zwar in partnerschaftlicher Freiheit durch seine Organe. Wer 1970 noch so 296 »Ein Zeichen der Gnadenerweisung des Herrn der Kirche« – Erklärung von Präses Otto Schröder zum Inkrafttreten der Leuenberger Konkordie am 1. 10.74. In: epd Dokumentation Nr. 52/1974 119. 297 Ebd. 298 www.doku-ekd.pbeier.de/index.htm , Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik. (Abruf 4. 12. 2012).Hervorhebungen eingefügt.

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formulieren konnte, dessen Denken war vom territorialkirchlichem System früherer Zeiten bestimmt. Denn »in partnerschaftlicher Freiheit«, wie es so verheißungsvoll formuliert ist, wurde die Bildung dieses Bundes und die Formulierung dieser Verfassung aus ökumenischer Sicht gerade nicht vollzogen. Schließlich gab es in der DDR mehr evangelische Kirchen als die in diesen Bund aufgenommenen. Sie wirkten seit 1948 in der ACK/AGCK zusammen. Es hätten wenigstens einige davon in ihrer Verzagtheit und in dem aufgebrachten Glaubensmut die Gemeinschaft »der ganzen evangelischen Christenheit« im Sinne ökumenischer Teilnahme und Teilgabe mit getragen. Vielleicht hätte ein Gespräch mit einer international organisierten Kirche auch geholfen, den Blick über die nationalen Grenzen hinaus zu lenken. Es waren erst fünfundzwanzig Jahre vergangen seit den ergreifenden Begegnungen zuerst in Stuttgart und zehn Tage später in Berlin mit jenen Brüdern, die aus Ländern gekommen waren, die unter dem Machtanspruch und dem Terror der Deutschen gelitten hatten. Sie kamen als Botschafter der Versöhnung und streckten den Vertretern der ganzen deutschen evangelischen Christenheit beide Hände entgegen. Diese Brüder und ihre Kirchen kann man doch nicht aus nationalen Interessen durch eine »besondere Gemeinschaft der ganzen Christenheit in Deutschland« ins zweite Glied zurückversetzen! Freilich, die auch von der EKD im Westen getragene Formel der »besonderen Gemeinschaft« hat ihren politischen Hintergrund und den Kontext der Trennung einer Nation. Aber freikirchliche Christen in der DDR haben die Besuche ihrer Brüder und Schwestern aus den USA, aus England und aus afrikanischen und asiatischen Ländern genauso geschätzt, wie die Kontakte mit ihren alten Studienkollegen, kirchenleitenden Personen und Gemeindegliedern aus dem westlichen Teil Deutschlands. Manchmal waren ihnen die »fernen Brüder und Schwestern« näher als die »nahen ökumenischen Nachbarn«. Die über den BEK hinaus bestehende Gemeinschaft vertiefte sich in der gemeinsamen Weiterführung der 1959 in der ganzen evangelischen Christenheit begonnenen Sammlungen Brot für die Welt, in der Zusammenarbeit im Bereich der Inneren Mission und der gemeinsam verantworteten ökumenischen Gebetswoche für die Einheit der Christen. Nach der Übernahme der Verantwortung für die Friedensdekade durch die AGCK im Jahr 1982 nahm die methodistische Kirche zunächst in der DDR und später in ganz Deutschland regelmäßig daran teil. Das war ein weiterer Schritt für die öffentliche Bezeugung kirchlicher Einheit durch ökumenische Zusammenarbeit. Vielleicht war unter den gegebenen politischen Verhältnissen noch wichtiger, dass es in schwierigen Fragen zwischen den Verantwortlichen zu Absprachen und Verständigungen kam, die mehr im Verborgenen als öffentlich geschahen. Der Austausch über Erfahrungen mit der Staatssicherheit (»Stasi«) war zur Findung möglichst gemeinsamer Haltungen erforderlich. Ebenso z. B. die Absprache, dass bei der

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Verweigerung von Reiseanträgen in das nicht-sozialistische Währungsgebiet dem staatlichen Begehren, Stellvertreter zu benennen, nicht nachgekommen wurde. Es gab auch öffentliche Erklärungen, in denen sich BEK, Baptisten und Methodisten gemeinsam kritisch zur staatlichen Politik geäußert haben.299 Die leitenden Geistlichen der Kirchen haben gemeinsame Worte zum Jahreswechsel veröffentlicht und 1978 eine Verlautbarung zu Fragen von »Abrüstung, Entspannung und Frieden« herausgegeben. Es folgten weitere Erklärungen. Das waren immer wieder punktuelle öffentlich hervortretende ökumenische Signale.300 An dieser Stelle war die AGCKweiter vorangeschritten als es in der ACK möglich war.

3.10.3 Auf dem Weg zu mehr Gemeinschaft unter den Kirchen Anlässlich der BEK-Synode 1976 in Züssow wurde erstmals das Verhältnis des BEK zu den Freikirchen thematisiert. Der Potsdamer Generalsuperintendent Horst Lahr referierte über Fragen der Kirchengemeinschaft. Von der ersten Vollversammlung der Leuenberger Kirchengemeinschaft 1976 im schwedischen Sigtuna brachte er neue ökumenische Eindrücke mit. In einem zentralen Gottesdienst hatte er miterlebt, wie die unterbrochene Abendmahlsgemeinschaft mit einer freikirchlichen Gemeinde hergestellt wurde. Auf diesem Hintergrund wird man seine Frage an die Synode sehen müssen, »Ob ein Auftrag erteilt werden sollte, Möglichkeiten einer engeren Verbindung mit den Freikirchen zu erkunden und gleichzeitig zu prüfen, wie von den theologischen Vor-

299 Z. B.: Brief an die Gemeinden vom 14. Juni 1978, in dem sich der BEK unter Einbeziehung der Baptisten und der Methodisten, deren Vertreter an den Beratungen des Textes beteiligt waren, an die Gemeinden wendet, weil in den Schulen ab 1. Sept. 1978 eine obligatorische »Sozialistische Wehrerziehung« eingeführt wird. Der Regierung wird in diesem Brief vorgehalten, dieses Fach in den Klassen 9 und 10 trotz der besorgten Stimmen der Kirchenleitungen eingeführt zu haben. Es wurde kirchlicherseits nochmals um Überprüfung gebeten. Den Gemeinden wurde gleichzeitig eine vierseitige »Orientierungshilfe« gegeben. Der Unterricht war für Jungen und Mädchen obligatorisch. Teilweise umfasste die Ausbildung »den Umgang mit Waffen. (Kleinkaliber).« In den 10. Klassen gab es ab 1979 eine dreitägige »Abschlußübung« in den Winterferien. Der Brief und die »Orientierungshilfe« liegen dem Autor vor. 300 Stellungnahme gegen die Zionismus-Erklärung der UNO und Gemeindebrief zur Einführung des Wehrunterrichts. Erwähnt in: Staatssekretariat für Kirchenfragen, Langfristige Konzeption der politischen Einflussnahme auf die Kirchen und Religionsgemeinschaften in der DDR außer der evangelischen und katholischen Kirche vom 7. Dez. 1978. In: Michel Weyer (Hg.), Eine offene Flanke zur Welt. Die Evangelisch-methodistische Kirche in der DDR. Dokumente und Erfahrungen, Stuttgart 1997, 99.

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aussetzungen des Bundes her darauf eingegangen werden könnte bzw. die Ordnung des Bundes entsprechend zu erweitern wäre.«301

Die Synode griff diesen Gedanken auf und stellte ausdrücklich fest: »Die Gemeinsamkeit wird noch stärker als bisher gesucht werden müssen.«302 Daraufhin kam es 1978 in Herrnhut – außerhalb der AGCK ! – zu ersten Gesprächen mit Vertretern mehrerer Freikirchen. Im Bund der Evangelischen Kirchen hielt man es seinerzeit für vorstellbar, dass sich die Evangelisch-methodistische Kirche ihm nach einer längeren Gesprächsphase anschließen könnte. Der methodistische Kirchenvorstand hatte im Herbst 1977 in Kenntnis des Beschlusses der Züssower BEK-Synode über eine größere Gemeinsamkeit mit den Freikirchen erklärt, dass die Zeit für »eine eventuelle Assoziierung gegenwärtig noch nicht herangereift sei. Eine engere Zusammenarbeit sei jedoch möglich und nötig.« In dem Zusammenhang erklärte der methodistische Kirchenvorstand sein Interesse, »größere Gemeinsamkeit und engere Verbindung zu suchen.«303 Die Richtung einer partnerschaftlichen Gemeinschaft wurde noch einmal betont, wenn es ausdrücklich hieß: »Je intensiver wir jedoch die Verbindung zu anderen Kirchen [… ] suchen, um so mehr sollten wir uns unserem methodistischen Erbe verpflichtet wissen.«304 Als der Vorsitzende des Bundes, Bischof Albrecht Schönherr, im Juni 1981 an den methodistischen Bischof Armin Härtel schrieb, erläuterte er, dass der BEK zunächst unter sich zu klären gehabt habe, was eine solche Erweiterung für den bisher landeskirchlichen Bund bedeute. Der Bund fühle sich nunmehr zur Suche nach größerer ökumenischer Einheit verpflichtet. So erkundigte er sich, wie die methodistische Kirchenleitung über eine strukturell geordnete, also verbindliche Beziehung, denke, die nach theologischen Gesprächen von Seiten des Bundes vorstellbar sei. Nach der Besprechung der Anfrage im Kirchenvorstand 301 Horst Lahr, Kirchenbünde und Freikirchen. Eine Stimme. Zit. n. EmK-Amtsblatt I 1977, 24. Auszug auch in: Hans-Martin Moderow/Matthias Sens, Orientierung Ökumene. Berlin 1979, 259. 302 Zi. n. Hubert Kirchner, Evangelische Freikirchen und der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR. In: ders. (Hg.), Freikirchen und konfessionelle Minderheiten, Berlin 1987, 169. 303 Bericht des Kirchenvorstandes zur kirchlichen Lage an die Jährliche Konferenz in Zwickau am 25. Mai 1978. In: EmK-Amtsblatt II/III 1978, 23. 304 Ebd., 24. Vgl. auch: Silke Dangel, Konfessionelle Identität und ökumenische Prozesse. Analysen zum interkonfessionellen Diskurs des Christentums, Berlin 2014. Dort wird das verstärkte Bemühen um kirchliche Einheit in Verbindung mit den sich gleichzeitig immer stärker ausdifferenzierenden Konfessionen und Denominationen (»Konfessionalität«), untersucht und nach einer ökumenischen Hermeneutik gefragt, die diese Spannung aufzulösen vermag. Dazu untersucht sie das Problem von prozesshaften Neukonstitutionen, Aktualisierungen und Affirmationen der konfessionellen Identitäten am Beispiel des bekenntnisgebundenen lutherisch-katholischen Rechtfertigungsdiskurses einerseits und die Suche nach einer konfessionellen Identität unter den bisher weniger bekenntnismäßig oder dogmatisch gebundenen Pfingstbewegungen andererseits.

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teilte Bischof Härtel dem neuen Kirchenbund-Vorsitzenden Werner Krusche mit, dass die methodistische Kirche bilaterale Gespräche begrüße, wie sie es bereits im Mai 1978 an der Tagung ihrer Konferenz in einer Erklärung als Reaktion auf die oben erwähnten Herrnhuter Gespräche formuliert habe. Auf die nunmehr erfolgte konkrete Anfrage lautete die methodistische Antwort: »Unsere Kirchenleitung erklärt, dass die Evangelisch-methodistische Kirche in der DDR dieses Angebot dankbar annimmt und ihre Bereitschaft bekundet, größere Gemeinsamkeit und engere Verbindung zu suchen.« Damit war der Weg für bilaterale Gespräche frei. Die Methodisten nannten vier Argumente für eine engere Zusammenarbeit mit dem BEK: (1) Die Gliedkirchen des Bundes sind keine Staatskirchen mehr und nähern sich dem Prinzip der Freiwilligkeit; (2) dem Bund schwebt nicht das Konzept einer Großkirche vor, sondern hat sich zum föderativen Charakter bekannt, als er in der 1977er Görlitzer BEK-Synode »weder Uniformität noch Unterschiedlichkeit um jeden Preis« anzustreben beschloss; (3) die Vereinigung Evangelischer Freikirchen verliert als ursprünglicher »Zweckverband« im Wandel des landeskirchlichen Selbstverständnisses an Bedeutung und (4) die AGCK »führt eine Existenz im Winkel«, wie die Görlitzer Synode formulierte. »Bisher hat sich nicht erwiesen«, stellte die methodistische Kirchenleitung mit einem mahnenden Unterton fest, »daß sie nicht zu größerer Wirksamkeit aufgewertet werden konnte.«305 Im Hintergrund dieser Bewertung standen die 1976 vom BEK eingeleiteten Bemühungen, aus dem Bund Evangelischer [Landes-] Kirchen eine Evangelische Kirche in der DDR erwachsen zu lassen. Das Ziel war »gemeinsam Kirche zu sein«, was wiederum »einer strukturellen Konkretisierung unter gleichzeitiger Konzentration der vorfindlichen, zum Teil nebeneinander herlaufenden gesamtkirchlichen Arbeit bedurfte.«306 Das in einem Prozess über sechs Jahre angedachte Ergebnis einer »Vereinigten Ev. Kirche in der DDR« konnte nicht verwirklicht werden. 1984 scheiterte dieser Plan am erfolglosen Zustimmungsverfahren. Die in diesem Zusammenhang über den BEK hinausgehenden ökumenischen Erwägungen und Bemühungen sind in der weiteren Forschung in einem ökumenischen Rahmen wünschenswert. Als Bischof Schönherr im Juni 1981 die offizielle Anfrage an die methodistische Kirche richtete, hatte auf Weltebene der Dialog zwischen dem Lutherischen Weltbund (LWB) und dem Weltrat Methodistischer Kirchen (World Methodist Council – WMC) gerade die dritte Gesprächsrunde vor sich. Man wird davon ausgehen können, dass es dieser offizielle Dialog war, der in der DDR die 305 Ebd., 22 f. 306 Helmut Zeddies, Die evangelischen Kirchen in der DDR in der Bewährungsprobe. In: EmKAmtsblatt I 1982, 28.

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ökumenische Zusammenarbeit erneut angeregt hat. Dabei ist nicht unbedeutend, dass die erste Gesprächsrunde der Weltbünde vom 20. bis 26. Januar 1979 in Dresden stattfand und an der Eröffnungssitzung der international hochrangig besetzten Kommission geladene Gäste aus fast allen DDR-Kirchen teilnahmen. »Hauptthemen bei diesem Treffen waren die Autorität der Schrift, die Rolle der menschlichen Vernunft und das Wesen der christlichen Erfahrung,«307 also Grundsätze der methodistischen Schriftauslegung.308 Schließlich gehört zum Umfeld der Entwicklung in der DDR, dass im November 1980 Lehrgespräche zwischen der Ev.-methodistischen Kirche in der BRD und Berlin (West) mit der Vereinigten Ev.-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) aufgenommen wurden. Beide Partner hatten selbstverständlich ständige Kontakte mit ihren kirchlichen Zweigen in der DDR. Im Herbst 1983 wurde im Amtsblatt der EmK in der DDR ein zusammenfassender Bericht von Walter Klaiber über den Verlauf der lutherisch-methodistischen Gespräche in der BRD veröffentlicht.309 In den Jahren von 1980 bis 1982 hatten im Westen drei Gesprächsrunden stattgefunden, die dann endlich im Mai 1985 abgeschlossen werden konnten. Inzwischen war auch der Dialog beider Weltbünde im Jahr 1984 erfolgreich zu Ende geführt. Er empfahl den Mitgliedskirchen, Schritte zu unternehmen, »um volle Gemeinschaft in Wort und Sakrament zu erklären und herzustellen.«310 Diese Empfehlung wurde in Anlehnung an das Strukturmodell der Leuenberger Konkordie aufgenommen mit dem Ergebnis, dass alle Gliedkirchen der EKD und die EmK in der BRD am 29. September 1987 in der Nürnberger St. Lorenzkirche Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft erklärten und damit Kirchengemeinschaft begründeten. Über die 1983 unabhängig vom Westen in der DDR aufgenommenen Gespräche heißt es im methodistischen Bereich ausdrücklich, dass sie sich »als Teil der weltweiten theologischen Gespräche zwischen Vertretern der methodistischen und lutherischen Kirche verstehen.«311 In den Jahren 1983 bis 1985 hatte es 307 Die Kirche: Gemeinschaft der Gnade. Bericht der Gemeinsamen Lutherisch/Methodistischen Kommission. In: DwÜ Bd. 2 (1992), 233. Bericht über die Tagung in: EmK-Amtsblatt I 1979, 3 – 10. 308 Walter Klaiber/Manfred Marquardt, Gelebte Gnade. Grundriss einer Theologie der Evangelisch-methodistischen Kirche, Göttingen 20062, 83 – 86. Auch: Karl Heinz Voigt, Die charismatische Grundstruktur der Evangelisch-methodistischen Kirche, EmK heute, Stuttgart 1979. Es geht darum, dass Theologen und Laien den Kern des Evangeliums, der durch die Schrift offenbart, durch die Tradition erhellt, in persönlicher Erfahrung erlebt und durch die Vernunft ergriffen wird, interpretieren. 309 Walter Klaiber, Auch ihr seid Kirche Jesu Christi. In: EmK-Amtsblatt III/IV 1983, 26 – 32. 310 Bericht der Gemeinsamen Lutherisch/Methodistischen Kommission. In: DwÜ Bd. 2 (1992), 255. 311 Beschluss der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen zu den Ergebnissen der theologischen Gespräche zwischen dem BEK in der DDR und der Evangelisch-methodistischen Kirche vom 11. Jan. 1986. Beilage zum EmK-Amtsbatt II/III 1986, H 2 f.

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fünf Lehrgespräche gegeben, an denen je fünf Vertreter unter den Vorsitzenden Bischöfen Horst Gienke und Armin Härtel teilnahmen. Die erörterten Themen waren denen gleich, die auch in den parallelen Dialogen behandelt wurden. Bemerkenswert ist jedoch eine thematische Erweiterung, die sich im Kontext der gesellschaftlichen und kirchlichen Lage in der DDR von selber erklärt. Es handelt sich um einen neun Punkte umfassenden Absatz zur »Teilnahme der Kirche an der Missio Dei«. Die methodistische Konferenz stimmte dem gemeinsamen Vorschlag der Dialogkommission zu, »in der DDR Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zu erklären und zu praktizieren.«. Sie wies aber ausdrücklich darauf hin, »daß unsererseits einer Praktizierung solcher Gemeinschaft bisher nichts im Wege stand und sie demzufolge bei entsprechenden Gelegenheiten wahrgenommen wurde.« Dies entsprach der traditionellen ökumenischen Offenheit der methodistischen Kirchen, in denen das offene Abendmahl schon vorher in Allianz und Ökumene gefeiert worden war. Was bisher auf geschwisterlicher Basis praktiziert wurde, hatte nun eine kirchenrechtliche Grundlage. Es sollte sich in der weiteren Entwicklung zeigen, dass verbindliche »Kirchengemeinschaft« mehr bedeutet, als die geistlich praktizierte Gemeinschaft, weil mit ihr einforderbare rechtliche Konsequenzen sowohl für die kirchlichen Körperschaften wie für die einzelnen Mitglieder beider Kirchen in der jeweils anderen Konfession verbunden sind.312 Die kirchenrechtlich zuständigen Körperschaften beider Dialogpartner stimmten den Ergebnissen und der Empfehlung in einer über die westlichen Formulierungen hinausgehenden Weise zu, indem sie die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft ausdrücklich als beginnende »Kirchengemeinschaft« deklarierten.313 In den bisherigen Erklärungen war von »voller Gemeinschaft in Wort und Sakrament« (Weltebene) oder von »Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft« (BRD) die Rede. Es scheint, als sei im Beschlusstext des BEK innerhalb des hier behandelten Dialogs diese Formel erstmals ausdrücklich als »Kirchengemeinschaft« definiert, die sie ja zweifelsfrei ist. Die gottesdienstliche öffentliche Proklamation dieses weitreichenden ökumenischen Schrittes wurde in zwei Gottesdiensten am 20. und 21. Januar 1990 in der Zwickauer methodistischen Friedenskirche und in der Berliner landeskirchlichen St. Marienkirche durch die Bischöfe Werner Leich und Rüdiger Minor vollzogen. Vor der endgültigen Ratifizierung des »Arbeitsberichtes der gemeinsamen Kommission für theologische Gespräche zwischen dem BEK und der EmK« waren noch einige Fragen zu klären. Es ging insbesondere um das Problem, welche Vorausset312 Karl Heinz Voigt, Nicht gleichgewichtig – aber gleichwertig. 25 Jahre Kirchengemeinschaft. In: MD – Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts, 5/2012, 83 – 86. 313 Beschluss der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen zu den Ergebnissen der theologischen Gespräche zwischen dem BEK in der DDR und der EmK. Beilage zum EmKAmtsbatt II/III 1986, H 3.

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zungen erfüllt sein müssen, damit ein methodistischer Pastor ohne Mitwirkung eines Pastors einer gastgebenden landeskirchlichen Gemeinde einen Abendmahlsgottesdienst im Sinne der Interzelebration feiern kann. Im Vordergrund stand die durch die methodistische Praxis ausgelöste Sorge, kann der methodistische Pastor auch in dieser Lage Ungetaufte zum Abendmahl einladen oder ist im Sinne lutherischer Theologie die Taufe Vorbedingung für die Teilnahme? Die Bedenken wurden ausgeräumt durch eine gemeinsame Erklärung mit folgendem Wortlaut: »Das heilige Abendmahl wird in den Gottesdiensten der beteiligten Kirchen jeweils nach den für sie geltenden Ordnungen gefeiert und verantwortet, auch bei der möglichen Interzelebration.« Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament, also als Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft infolge gegenseitiger Anerkennung der Ordination, ist die höchste zwischenkirchlich verbindlich geregelte Form kirchlicher Einheit unterhalb einer Union. In Deutschland erreichten das zuerst die Landeskirchen in Ost und West für sich durch die Zustimmung zur Leuenberger Konkordie. Damit war es ihnen nach langen konfessionell geprägten Eigenwegen, die sie seit der Reformation oder infolge der Einführung der Union durch Friedrich Wilhelm III. seit 1817 gegangen waren, erstmals in ihrer Geschichte möglich, gemeinsam das Abendmahl zu feiern. Zuerst und bisher einmalig wurde Kirchengemeinschaft zwischen Gliedkirchen der damaligen EKD und des damaligen BEK und einer Kirche anderer Tradition, nämlich der Evangelisch-methodistischen Kirche, durch die gemeinsamen Abendmahls-Gottesdienste in Nürnberg, Zwickau und Berlin geschlossen. Später wurde sie durch den Beitritt der Methodisten zur Leuenberger Kirchengemeinschaft auf alle Zweige der europäischen methodistischen Kirchen ausgeweitet. Dieser hohe Grad gegenseitiger Anerkennung ist bisher auf die genannten Kirchen begrenzt. Er drückt zwischen ihnen eine besonders qualifizierte theologische und kirchliche Beziehung als gemeinsam auf dem Boden der Heiligen Schrift und der Reformation stehend aus. Dass die DDR-Situation eine weiter gefasste ökumenische Offenheit schuf, als dies in der BRD der Fall war, geht nicht nur aus der um die missionarische Komponente ergänzten gemeinsamen ACK-Richtlinien hervor, welche die Sendung der Kirche als gemeinsame Aufgabe zum Ausdruck bringt, auch nicht nur aus der weiterführenden Verwendung des Begriffs der Kirchengemeinschaft, sondern vielmehr aus der Tatsache, dass in diesem Fall auf Anregungen aus Sigtuna die Initiative aus dem Kirchenbund heraus erfolgte. In der BRD war die Bitte um Gespräche von den Methodisten ausgegangen. Anlass war nicht zuerst der Auftrag zur gemeinsamen Mission, sondern die unbefriedigende Darstellung und Wahrnehmung der methodistischen Kirche seitens der luthe-

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rischen Landeskirchen in einem offiziellen Handbuch der VELKD.314 Die kirchliche Lage in Ost und West war eben unterschiedlich. Man muss dem zustimmen, was zusammenfassend über »Ökumenische Zusammenarbeit zwischen den Kirchen« 1978 in einem in der DDR erschienenen »Handbuch – Orientierung Ökumene« festgestellt wurde: »Nachdem zwischen Landeskirchen und Freikirchen bis ins 20. Jahrhundert hinein ein sehr distanziertes Verhältnis bestanden hatte, das nicht nur durch theologische und frömmigkeitsgeschichtliche Unterschiede, sondern auch durch die privilegierte Stellung der Landeskirchen bedingt war, hat sich in den letzten 20 bis 30 Jahren ein zunehmendes Miteinander ergeben. Dies ist sicher auch auf den Einfluß der internationalen ökumenischen Bewegung zurückzuführen. Vielleicht noch wichtiger ist aber die Tatsache, daß Landeskirchen wie Freikirchen bei prinzipieller Trennung von Staat und Kirche in gleicher Weise vor der Aufgabe stehen, ihren Weg als Kirchen in einer sozialistischen Gesellschaft zu finden.«315

3.10.4 Entwicklungen in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF)316 Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen als ein früher ökumenischer Zusammenschluss hat ihre Wurzeln im Kontext staatskirchlicher Pressionen und erreichte ihren Höhepunkt, als sie zur Zeit der Weimarer Republik ihre Rechte unter neuen politischen Bedingungen bis in die Verfassung hinein, aber auch gegenüber den Landeskirchen sichern musste.317 Am Anfang war sie eine Interessengemeinschaft von vier Minderheitskirchen. Ihre Arbeit war unter einem 314 Handbuch Religiöse Gemeinschaften. Freikirchen – Sondergemeinschaften – Sekten – Weltanschauungsgemeinschaften – Neureligionen, hgg. von Horst Reller im Auftrag des Lutherischen Kirchenamtes, Gütersloh 1978. Schon vor der Veröffentlichung gab es nach der Einsicht in das Manuskript von Seiten der Methodisten den Einwand, man möchte in dem Handbuch nicht vertreten sein. Grund: Man sei keine »Religiöse Gemeinschaft«, sondern eine »Kirche«. Nach internen Diskussionen im Herausgeberkreis wurde schließlich im Vorwort festgestellt, der Begriff ›Religionsgemeinschaft‹ (nicht mehr ›religiöse Gemeinschaft‹!) »schließt […] grundsätzlich auch die großen, alten ›Religionsgemeinschaften‹ ein, wie zum Beispiel die römisch-katholische Kirche. Auch die lutherische Kirche, aus deren Sicht hier beschrieben und geurteilt wird, ist in diesem Sinne eine Religionsgemeinschaft unter anderen.« (S. 9). Allerdings wurden andere nicht-lutherische ›Religionsgemeinschaften‹ oder – wie der Titel eigentlich sagt ›Religiöse Gemeinschaften‹ wie die Reformierten, die Unierten, die Brüder-Unität und die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche in das umfangreiche Handbuch nicht aufgenommen, was eine verständliche liebenswürdige Inkonsequenz darstellt. 315 Hans-Martin Moderow/Matthias Sens, Orientierung Ökumene. Berlin 1979, 259. Hervorhebung eingefügt. 316 Karl Heinz Voigt, Freikirchen in Deutschland (19.und 20.Jahrundert) Leipzig 2004, 214 – 226. 317 Ebd., 137 – 154.

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Präsidium pragmatisch in Arbeitsgruppen organisiert, um gemeinsam handeln zu können. Im Grunde war es keine »Vereinigung«, sondern eher ein »Bund« oder eine tatsächliche Arbeitsgemeinschaft. Die VEF bildete eine ökumenische Gemeinschaft, die nicht von einer Übereinstimmung in der Lehre ausging oder auf sie hinzielte. Sie gestaltete eine vertrauensvolle, aber nicht in allen Fragen unkritische Zusammenarbeit, die auf gegenseitigem Respekt und geschwisterlicher Liebe basierte. In ihrer geistlich fundierten Zweckgemeinschaft konnte sie beispielsweise unterschiedliche Taufverständnisse und Taufpraxen, aber auch geradezu gegensätzliche Strukturen von autonomer Ortsgemeinde und weltweit verbindlich verfasster Kirche als Möglichkeiten kirchlichen und gemeindlichen Miteinanders akzeptieren. Alle Freikirchen waren in ihrer Praxis nicht auf die Frage nach der »reinen Lehre« fixiert, für sie war das »neue Leben« in und mit Christus über das verkündigte Wort hinaus ein Zeichen ihrer Verbundenheit. Erst mit der Ökumenischen Bewegung und danach durch die Leuenberger Konkordie trat die Frage nach gemeinsam formulierten Kriterien der verbindlichen »Kirchengemeinschaft«, in der eine gegenseitige Anerkennung »als Teil der einen Kirche Christi« grundlegend war, stärker ins Blickfeld. In der Leuenberger Konkordie erklären die zustimmenden Konfessionen: »Zwischen unseren Kirchen bestehen beträchtliche Unterschiede in der Gestaltung des Gottesdienstes, in den Ausprägungen der Frömmigkeit und in den kirchlichen Ordnungen. Diese Unterschiede werden in den Gemeinden oft stärker empfunden als die überkommenen Lehrgegensätze. Dennoch vermögen wir nach den Kriterien der Kirchengemeinschaft keine kirchentrennenden Faktoren zu erblicken.«318

Ohne es so zu formulieren, haben die Freikirchen sich von Anfang an gegenseitig »als Teile der einen Kirche Jesu Christi« anerkennen können. Eine Klärung der Sakraments-, der Amts- und der Ordinationsfrage ist nie ernsthaft versucht worden. Die Frage der Zulassung zum Abendmahl in den Gemeinden wurde viele Jahrzehnte ganz unterschiedlich praktiziert. Zu gemeinsamen Herrenmahlsfeiern bei Freikirchentagungen kam es selten. Ganz unterschiedlich war von Anfang an die Gestaltung der ökumenischen Beziehungen. Gerade das ökumenische Selbstverständnis dieser Kirchen hätte fast zu einem Bruch geführt,319 obwohl die 1926 erfolgte festere Organisation eine Rückwirkung aus der internationalen Ökumene war.320 Man wird es als eine 318 Die Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa: Leuenberger Konkordie, 1973. In: DwÜ Bd. 3, 728. 319 Karl Heinz Voigt, Die Freikirchen während der Weimarer Republik – Gemeinsames Wirken unter neuen Bedingungen. In: FF 2012, 131 – 157. 320 Karl Heinz Voigt, Freikirchen und Ökumenische Bewegung. Die Bildung der Vereinigung Ev. Freikirchen zwischen Stockholm (1925) und Lausanne (1927). In: FF Bd. 9 (1999), 151 – 187. – Ders., Freikirchen während der Weimarer Republik. In: FF 21. Jg. (2012), 131 – 157.

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Folgewirkung der Leuenberger Konkordie, die nach der Vollversammlung in Sigtuna im BEK die Frage nach einer weiter gefassten Gemeinschaft auslöste, ansehen müssen, dass sich in der DDR-VEF die Stellung zur Ökumene für die kongregationalistischen Freikirchen neu stellte. Traditionell war die Ev.-methodistische Kirche von ihrem Ansatz her vorbehaltlos ökumenisch. Den Gegensatz bildeten die Freien evangelischen Gemeinden. Sie sahen das ihrem theologischen Verständnis entsprechende Modell der Einheit eher in der Evangelischen Allianz als einer Gemeinschaft von individuellen Gläubigen. Im baptistisch geprägten Bund gab es Gemeinden und auch Pastoren, die sich mehr der Ökumene verpflichtet wussten, und andere, die der Evangelischen Allianz den Vorrang gaben. Ursache dafür sind auch die Erweiterungen des früheren Bundes der Baptistengemeinden während der Zeit des Nationalsozialismus durch andere täuferisch ausgerichtete freikirchliche Gemeinschaften, die im Baptismus damals schon das schützende Dach einer anerkannten Körperschaft des öffentlichen Rechts suchten.321 Während der Jahre des Bestehens der VEF in der DDR haben nach der noch gemeinsamen ost-westlichen VEF-Tagung in Zwickau im Jahr 1960 zwischen 1964 und abschließend 1991 zehn Freikirchenkonferenzen stattgefunden. Die Freikirchenkonferenz 1976 in Leipzig stand unter dem Thema »Freikirche – Ursprung, Selbstverständnis, Auftrag«. An der Leipziger Tagung wirkten sich die Gedanken von Generalsuperintendent Horst Lahr, die er an der Züssower Synode der BEK zur Kirchengemeinschaft vorgetragen hatte, bereits mit aus. Eine Gesprächsgruppe widmete sich ausdrücklich dem Themenbereich »Freikirche in der Gemeinschaft der Kirchen«. Wieder trat der Wunsch auf, die AGCK »aufzuwerten und zu einem verbindlichen, partnerschaftlichen Instrument der christlichen Kirchen in der DDR zu gestalten.«322 Eine solche Entwicklung sei hilfreich, um die VEF nicht in ein Gegenüber zur BEK zu bringen. Die Konferenz setzte einen Ausschuss zur Erörterung der Frage einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen VEF und AGCK ein. Damit verband sie die Überlegung einer Verfassungsänderung, um auch innerhalb der Gemeinschaft der Freikirchen zu einer verbindlicheren Zusammenarbeit zu kommen. Der Bund Freier evangelischer Gemeinden formulierte danach für seine Delegierten eine Positionsbestimmung zur Frage der »zwischenkirchlichen Beziehungen«. Das war eine sprachliche Form, die man schon im Westen von ökumenekritischen Freikirchenkreisen der Formulierung »ökumenische Be321 Reinhard Assmann/Andreas Liese, Unser Weg – Gottes Weg? Der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland – eine historische Bestandsaufnahme (Fast 75 Jahre nach dem Zusammenschluss von Baptisten, Brüdergemeinden und später auch Elimgemeinden). Baptismus-Dokumentation 5. Muldenhammer 2014. Auch: Voigt, Freikirchen in Deutschland, 59 – 61. 322 Gesprächsergebnisse der Freikirchenkonferenz 1976. In: EmK-Amtsblatt I 1977, 30.

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ziehungen« vorgezogen hatte. Seine 1971 erworbene Mitgliedschaft in der AGCK, die dem anfänglichen Gaststatus folgte, schätzte der Bund »als Informationsplattform für Gespräche, zum wechselseitigen Kennenlernen und zum Hören aufeinander sowie als Koordinationsplattform für gemeinsame christliche Aktivitäten sozial-karitativer und gesellschaftlicher Art.«323

In dem Positionspapier der Freien evangelischen Gemeinden wurde nach der Feststellung der eigenständigen Ortsgemeinde-Entscheidungen für die Mitarbeit in regionalen oder örtlichen AGCKs der Hinweis formuliert, dass in der gegenwärtigen Lage »die Gemeinschaft der Christen in der Evangelischen Allianz ein gangbarer Weg zum gemeinsamen Zeugnis und Dienst« sei. Damit wurden die »Begegnungsplattform« einerseits und die Verpflichtung zu »Zeugnis und Dienst« andererseits unterschiedlich gewichtet und entsprechend der Ökumene und der Allianz zugeordnet. Schließlich wird mit dem Hinweis auf das eigene Gemeindeverständnis die »Zurückhaltung« gegenüber Mitgliedskirchen des ÖRK begründet, die nicht mit der Glaubens- und Gemeindebasis Freier evangelischer Gemeinden übereinstimmen. Trotz der ökumenischen Zurückhaltung kann man in dieser Erklärung eine vorsichtige Teilöffnung sehen, wenn man sie mit einer Erklärung von 1974 vergleicht.324 Auch die Gemeinschaft in der VEF und die Erfahrungen in der AGCK zeigten darin ihre Wirkung. Innerhalb des Baptismus formulierte zur gleichen Zeit eine internationale Kommission europäischer Gemeindebünde »ein deutschsprachiges Glaubensbekenntnis«, in dem es heißt: Es kann »trotz Verschiedenheit und trotz Irrtum und Schuld auf allen Seiten nicht der Wille Gottes sein, daß konfessionelle Schranken die sichtbare Gemeinschaft aller Glaubenden und damit ihr glaubwürdiges Zeugnis vor aller Welt verhindern. Deshalb beten wir mit den Christen der ganzen Erde um Erneuerung aller Gemeinden und Kirchen, daß mehr gegenseitige Anerkennung möglich werde und Gott uns zu der Einheit führe, die er will. Schon heute ist es nicht nur Aufgabe einzelner Christen aus verschiedenen Kirchen, sondern dieser Kirchen selbst, aus der Trennung heraus mögliche Schritte aufeinander hin zu tun, vorhandene Vorurteile abzubauen und Einwände gewissenhaft zu formulieren und zu vertreten, voneinander zu lernen, füreinander zu beten und gemeinsam Christus zu verherrlichen in Zeugnis und Dienst.«325 323 Aus »Glaube und Dienst«, Kirchenblatt des Bundes Freier ev. Gemeinden in der DDR, hier zit. n. EmK-Amtsblatt III – IV 1978, 38 f. Daraus auch die folgenden Zitate. Zur »Förderung denominationsübergreifender und staatlicher Kontakte als ein Weg aus der Isolierung der Freikirche«: Lothar Beaupain, Eine Freikirche sucht ihren Weg, Wuppertal 2001, 367 – 374. 324 Text bei: Johannes Schmidt, Der Bund Freier evangelischer Gemeinden. In: Hubert Kirchner (Hg.), Freikirchen und konfessionelle Minderheiten [in der DDR], Berlin 1987, 119. 325 Rechenschaft vom Glauben. Eine zusammenfassende Auslegung der Heiligen Schrift. Für

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Einige Formulierungen dieser Rechenschaft vom Glauben finden sich in der später von der VEF angenommenen Grundsatzerklärung über das »Ökumeneverständnis der Freikirchen« wieder. Die dritte VEF-Mitgliedskirche, die Ev.-methodistische Kirche, war damals schon – wie wohl kaum eine zweite Kirche in Deutschland – durch ihre Verfassung zu weitgehender ökumenischer Existenz verpflichtet. Das Grunddokument weltweiter kirchlicher Ordnung sagte zu den »Ökumenischen Beziehungen«: »Als Teil der allgemeinen Kirche glaubt die Evangelisch-methodistische Kirche, daß der Herr der Kirche alle Christen zum Einssein ruft. Darum wird sie nach Einheit auf allen Gebieten kirchlichen Lebens streben durch weltweite Beziehungen zu anderen methodistischen Kirchen, […] durch Arbeitsgemeinschaften und Räte christlicher Kirchen, durch Bestrebungen zur Vereinigung und zu partnerschaftlichen Beziehungen mit Kirchen methodistischer und anderer Tradition.«326

Der kurze Einblick zeigt, wie unterschiedlich die VEF-Kirchen zur Ökumene standen. Trotzdem sind bei ihnen allen Rückwirkungen der AGCK erkennbar. Zum Beispiel durch den Beschluss der methodistischen Kirche, die in der AGCK geltenden »Empfehlungen zur Regelung des Übertritts zwischen [AGCK-] Kirchen«327 auch innerhalb der VEF anzuwenden.328 Das war aber nur ein Vorspiel zu weiteren ökumenischen Schritten. Für die VEF war das Jahr 1979 ein markanter Einschnitt, der auch in der Annahme einer neuen »Verfassung« durch die Freikirchenkonferenz in Hermsdorf zum Ausdruck kam. Die Delegierten der Kirchen hatten sich unter dem Thema »Ein Leib – viele Glieder« zusammengefunden. Bischof Armin Härtel hatte den VEF-Vorsitz seit 1976 inne und legte nicht nur seinen Bericht vor, sondern hielt auch ein Referat, in dem er die Zusammenarbeit der Kirchen in der DDR in Verbindung mit den Stichworten »Herausforderung – Grenzen – Impulse« analysierte. Dabei warf er einen durchaus kritischen Blick auf die VEF, die angesichts der Veränderungen in allen Kirchen, also sowohl in den Freikirchen wie auch in den Landeskirchen. Er erinnerte an eine AGCK-Formulierung aus einer Handreichung für örtliche ökumenische Gespräche, in der die Kirchen gemeinsam ausgesprochen haben:

die Gemeinden in der DDR 1978 in Berlin-Weißensee entgegengenommen und den Gemeinden zum Gebrauch empfohlen. 326 Verfassung, Lehre und Ordnung der Evangelisch-methodistischen Kirche, Verfassung, Artikel 6: Ökumenische Beziehungen. 327 Empfehlungen zur Regelung des Übertritts zwischen [AGCK-] Kirchen. Text in: EmKAmtsbatt III/76, 3 – 5. 328 EmK-Amtsblatt II 1978, 8. Das ist vermutlich wie in der BRD eine einseitige Erklärung, da die anderen Freikirchen keine für die Gemeinden beschließenden Organe hatten.

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»Weil Christus allen Gliedern seines Leibes Gaben, Erkenntnisse und Kräfte verliehen hat, braucht sich keine Kirche zu verbergen oder zu verstellen. Sie soll ihrem anvertrauten Gut treu sein und ihre Glieder ermutigen, in der Ökumene am Ort eventuelle Einwände gewissenhaft zu formulieren und zu vertreten. Das Gespräch mit einem Kirchenvertreter, der seine Kirche nicht vertritt, lohnt sich kaum. Wer Unterschiede unzulässig glättet, legt nur den Keim zu neuen Spaltungen.«329

Härtel führte die jüngste ökumenische Aufgeschlossenheit unter den Kirchen auf »eine Initialzündung« an der BEK-Synode und den bereits erwähnten LahrVortrag zurück. Er verband das auch mit der Beobachtung einer internationalen ökumenischen Besuchergruppe, die in ihren Brief an die Kirchengemeinden in der DDR geschrieben hatte: »Uns fiel auf: Dem Hunger nach ökumenischen Verbindungen zu Kirchen in weit entfernten Ländern und dem Eifer darum entspricht nicht ein gleicher Eifer für ökumenische Zusammenarbeit mit den Kirchen anderer Konfessionen im eigenen Land.«330

Nach der BEK-Synode drängten angesichts aktueller Situationen in der DDR einige Freikirchler dahin, bessere strukturelle Voraussetzungen für die ökumenische Begegnung zu schaffen. Das hatte Einfluss auf den Entschluss, eine DDR-VEF-Verfassung zu erarbeiten. Ihre Aufgabe wird darin in einer für den Kontext der DDR typischen Weise dreigliedrig beschrieben: Sie »besteht insbesondere: 1. in der Förderung des Verhältnisses und der Zusammenarbeit der Freikirchen untereinander, 2. in der Pflege ökumenischer Beziehungen, 3. in der Vertretung gemeinsamer Belange.«331 In die Auflistung weiterer Aufgaben ist neu aufgenommen: gemeinsame »theologische Arbeit«. Wie zu zeigen sein wird, bestanden ihre Hoffnungen auch in der gegenseitigen Stärkung durch Absprachen gegenüber dem Druck des Staates sowie in der gemeinsamen Vertretung der Minderheitskirchen als Partner des BEK. Diese Entwicklung zeigt auch, dass die AGCK nicht ein von allen gleichwertig anerkanntes ökumenisches Instrument geworden war, wie es die Freikirchen sich vorgestellt und erwartet hatten. An der Züssower BEK-Synode wurde über die AGCK bemerkt, sie »führt eine Existenz im Winkel«. Die Ökumene-Experten Hans-Martin Moderow und Matthias Sens haben konstatiert: »im Vergleich zu entsprechenden kirchlichen Zusammenschlüssen in anderen Ländern [spiele 329 AGCK, Handreichung für die örtliche ökumenische Zusammenarbeit, hektographiert 1979, 4. Hier zit. n. Armin Härtel, Ein Leib – viele Glieder. Hektographierter Abzug im Besitz des Verfassers. 330 Brief an die Gemeinden in der DDR. Zit. n. Gerhard Linn, Ökumenische Arbeit in den Gemeinden. In: EmK-Amtsblatt III 1980, 17. 331 Verfassung der VEF in der DDR von 1979. In: EmK-Amtsblatt IV 1979, 3.

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die AGCK] bisher eine eher geringe bezw. unauffällige Rolle für die ökumenische Arbeit auf DDR-Ebene.«332 Sie hätte nach Meinung des Konfessionskundlers Hubert Kirchner »eine weitere Verbreitung und ein stärkeres Ernstgenommen werden verdient gehabt.«333 Es war in der DDR wie in der BRD: in der Regel hatten die ökumenisch engagierten landeskirchlichen Theologen eine größere Erwartung an die Arbeitsgemeinschaften, als ihre Kirchenleitungen sie ihnen gewähren wollten. Die praktizierenden Ökumeniker kamen zu ihren Urteilen aufgrund ihrer Erfahrungen und Begegnungen. In den Führungszentren der Kirchen gab es eine Neigung, eher bürokratisch und verwaltend mit statistischen Zahlen zu argumentieren. Auch in dieser Hinsicht waren Ost und West sich sehr nahe. Der Direktor des baptistischen Predigerseminars in Buckow, Adolf Pohl, seit 1963 Mitglied der ACK, danach der AGCK, gebraucht das Bild von der Maus und dem Elephanten, das er hintergründig in die Welt der Fabel verweist. Er erinnerte sich in der Rückschau an eine Begegnung in Herrnhut und schreibt darüber : »Ein Sprecher der Landeskirchen lenkte den Blick erst einmal auf die Größenverhältnisse. Die kleinste Landeskirche zähle mehr Mitglieder als alle Freikirchen zusammen. Ich verstehe,« schrieb Pohl und führte weiter : »Natürlich braucht der Elephant keine Arbeitsgemeinschaft mit der Maus. Umgekehrt leuchtet die Notwendigkeit schon ein.«334 Pohl wusste aber auch, »die Landeskirchen mit ihrem Anspruch auf die ganze Bevölkerung hatten längst über ihre Verhältnisse gelebt. Lautlos ging ihnen das Volk aus.« Wäre ein Freikirchler auf den arithmetischen Vergleich der Zahlen vorbereitet gewesen, hätte er fragen können: Wollen wir nicht einmal die Zahl der Gottesdienstteilnehmer der kleinsten Landeskirche mit denen der Freikirchen vergleichen? Auch die Zahl der Kinder in den Sonntagsschulen und Kindergottesdiensten, und der Prediger einschließlich der Laienprediger? Und warum nicht auch das Kollektenaufkommen? Lebten nicht die BEK Gemeinden von den permanenten Finanzspritzen aus dem Westen, während die Freikirchen ihr kirchliches Leben eigenfinanzieren konnten? War der bürokratische Zahlenvergleich im ökumenischen Gespräch überhaupt angemessen? Hatte er seinen Grund in einem volkskirchlich-nationalen Denken, in dem man nicht zur Kenntnis genommen hatte, dass zwischen den Kirchen im ÖRK andere Maßstäbe gelten? Und hatte ein solches Kräftemessen eigentlich eine theologische Basis? Ging es bei den bekannten Fragen um die Suche eines Weges zu Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst oder war es eher 332 Hans-Martin Moderow/Matthias Sens (Hg.), Handbuch: Orientierung Ökumene, Berlin 1979, 261. 333 Hubert Kirchner (Hg.), Freikirchen und konfessionelle Minderheiten, Berlin 1987, 166. 334 Adolf Pohl, Gedächtnis und Vermächtnis. Persönliche Erinnerungen an 25 Jahre AGCK in der DDR. In: ÖR 47. Jg. (1998), 84.

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durch traditionelles kirchenpolitisches Denken bestimmt, das man dem Staat gegenüber täglich praktizieren musste? Wenn man sich überhaupt auf den Weg dieses Denkens einlässt, war nicht die Grundlage für diese nicht selten geübte Argumentation bei realistischer Selbsteinschätzung längst weggebrochen? Schon 1966, als der Rat der EKD und die Deutsche Katholische Bischofskonferenz sich erstmals in Fulda trafen, sprach Kardinal Jaeger »über die Kirche in der Welt von heute«. Er ging dabei aus von einer Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils. Im Zusammenhang seiner Ausführungen über die gefährdete Volkskirche in Mitteldeutschland, – er vermied es noch, über die DDR zu sprechen, – scheute er sich nicht, auch in der Bundesrepublik »ein Abbröckeln der Volkskirche« auszumachen. Aus dem nachfolgenden Gespräch hielt das Protokoll einen Gedanken von Gustav Heinemann fest, der damals dem Rat der EKD angehörte und einige Monate später Justizminister wurde: »Die Glaubenssubstanz bei den Menschen hüben und drüben ist nicht verschieden; im Grunde ist die geistliche Lage hier wie dort dieselbe.«335 Das waren nüchterne Beurteilungen von Menschen mit Weitblick. Die Kirchen müssen es noch lernen, in Begegnungen mit anderen Konfessionen von der Einheit der Kirche Christi her zu argumentieren, also anders, als sie es von der Ebene gesellschaftspolitischen Handelns gewohnt sind, wo in Machtfragen nicht selten Durchsetzungsvermögen erforderlich ist. Zurück zur VEF-Konferenz 1979. Im Vorfeld ihrer Tagung hatten die leitenden Geistlichen der AGCK-Kirchen einen Ausschuss aus je drei landeskirchlichen und freikirchlichen Vertretern einberufen. Er sollte Konsequenzen aus den Beschlüssen der BEK-Synoden erwägen. Als ein Ergebnis wurde ein Konsultationsausschuss der leitenden Geistlichen der AGCK-Kirchen vorgeschlagen. Das VEF-Präsidium stimmte dem Vorschlag zu. Aus dem Bereich der Landeskirchen kam es nicht zur Zustimmung. Die Kompetenzebenen für derartige Entscheidungen schienen innerhalb des BEK nicht klar zu sein. Auch hier hatte natürlich die am Horizont auftauchende Frage einer »Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR«, die sich aus den bisherigen acht Landeskirchen bilden sollte, Vorrang. Die im Januar 1979 bekannt gegebenen Planungen zielten schon 1981 auf eine einheitliche Gesamtsynode hin, die eine neue Verfassung verabschieden sollte. Vorbereitet war dieser auf der Basis der Leuenberger Konkordie erarbeitete Plan von Vertretern des BEK, der Evangelischen Kirche der Union (EKU) und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche (VELK/DDR). Leider führte der eingeschlagene Weg nicht zum erhofften Ziel. Auch innerhalb der VEF kam die ökumenische Frage nicht zur Ruhe. 1982 335 Prot. des ersten offiziellen Kontaktgespräches zwischen Vertretern des Rates der EKD und der Konferenz der Katholischen Bischöfe Deutschlands am 16. April 1966 in Fulda. EZA 2/ 2331.

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setzte die Freikirchenkonferenz in Ellefeld/Vogtl. einen Ausschuss ein, um die Frage nach dem Ökumeneverständnis der VEF-Kirchen und -Bünde weiterführend zu erörtern. Anlässlich einer Freikirchenkonferenz im November 1988 in Gera wurde insbesondere die Frage der Beziehungen zwischen Allianz und Ökumene erörtert. Innerhalb der Freikirchen gab es zu beiden Einheitsorganisationen immer schon unterschiedliche Beziehungen, die insbesondere im Bereich der Freien evangelischen Gemeinden zu einer kritischen Haltung gegenüber der Ökumene bei gleichzeitiger Mitgliedschaft in der ACK führten. Der AGCK-Sekretär Martin Lange, er sollte bald als einer der drei kirchlichen Moderatoren am zentralen Berliner »Runden Tisch« tätig sein,336 setzte sich mit der Beziehung zwischen Einheit und Erneuerung im ökumenischen Kontext auseinander. Der Generalsekretär der Evangelischen Allianz beleuchtete die Sicht der Evangelischen Allianz und nahm, ohne es direkt auszusprechen, kritisch zu einem vorliegenden Grundlagenpapier Stellung.337 Anlass, dieses Problemfeld neu zu erörtern, bot die Überzeugung, die Freikirchen könnten sich in der durch die sog. Evangelikalen zunehmend forcierten Polarisierung zwischen Allianz und Ökumene stärker einbringen, um »Konfrontationen abzubauen und zum Wachsen einer Gemeinschaft des Glaubens und des Dienstes beizutragen.«338 In einer vorbereitenden Gesprächsgrundlage für die 1988er Freikirchenkonferenz wurde analysiert: »Die Allianz hat ihr Zentrum in der DDR in Bad Blankenburg (Thüringerw.). […] Ein eigentliches Zentrum der Ökumene in der DDR gibt es nicht. […] Am ehesten wird man die AGCK in der DDR als zentrales ökumenisches Gremium ansehen können, aber gewichtige Einschränkungen müssen gemacht werden. [… Dazu gehört] auch die ungeklärte Frage, ob die AGCK ein nationaler Kirchenrat sei. Das wichtigste Problem besteht aber darin, daß sie im Schatten des Bundes Evangelischer Kirchen in der DDR lebt, von ihm jedenfalls dominiert wird; und daß vollends im Ausland der BEK oft geradezu als DDR-Ökumene firmiert. So bieten – auch schon durch die Größenverhältnisse – in der Regel die Landeskirchen den Boden für ökumenische Aktivitäten.«339

Aber auch nach innen wird offen und kritisch gesprochen.

336 Der methodistische Pastor Martin Lange war zu dieser Zeit Geschäftsführer der AGCK mit Sitz in Berlin. Die erste Gesprächsrunde fand am 7. Dezember 1989 im Gottesdienstsaal der Herrnhuter Brüdergemeine (Bonhoefferhaus, Berlin-Mitte) statt. Vgl. auch: Rudolf Mau, Der Protestantismus im Osten Deutschlands (1945 – 1990), Leipzig 2005, 208 ff. 337 Martin Lange, Einheit und Erneuerung der Gemeinde Jesu Christi. In: Amtsblatt der EmK in der DDR IV/1988, 3 – 13. Manfred Kern, Allianz und Ökumene. In: ebd., I/II (1989), 33 – 40. 338 Ökumeneverständnis der Freikirchen. Gesprächsgrundlage für die Vorbereitung der Freikirchenkonferenz 1988. In: EmK-Amtsblatt III 1987, 33 – 43 (34). 339 Ebd., 35.

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»Die Allianz muß sich fragen lassen, ob sie nicht ein bestimmtes Stadium christlichen Einheitsstrebens festgeschrieben hat. Gewiß war in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Ermöglichung gemeinsamen Betens ein gewaltiger Fortschritt. Macht es aber auf die Dauer nicht unglaubwürdig, die in der eigenen Gemeinde geprägte Identität des Glaubens jeweils für eine Woche zu vergessen oder hintanzustellen und danach ungerührt zum Hergebrachten zurückzukehren?«340

Weiter wird zu der Frage der »Allianz als Gemeinschaft von [einzelnen] Gläubigen« nach der Befolgung dieses ihres Grundsatzes gefragt und festgestellt: Es ist »bei der Allianz (gerade in der DDR) eine zunehmende Institutionalisierung im Gange. Auf Ortsebene ist sie schon längst keine freie Gemeinschaft der Gläubigen mehr, sondern eine gemeinsame Veranstaltung der sie tragenden Kirchen und kirchlichen Gruppierungen. Auf DDR-Ebene zeigt sich dagegen ein wachsendes eigenständiges Selbstbewußtsein der ›Allianz‹ als Dachorganisation für evangelikale Bestrebungen. Dabei entsteht der Einruck, daß die Allianz die Evangelikalen in der DDR für sich beansprucht. Angesichts kritischer und distanzierter Äußerungen zur Ökumene wird zu fragen sein, ob die Allianz nicht am Ende selber als die eigentliche geistliche Einheitskirche verstanden wird (zumindest bei vielen Anhängern).«341

Auf der anderen Seite wird die Ökumene kritisch nach ihrer geistlichen Dimension befragt. Sie wecke den Verdacht, sie wolle »christliche Einheit organisieren. Vor allem im Umfeld volkskirchlicher Traditionen ähneln sich ökumenische und in Jahrhunderten gewachsene landeskirchliche Bürokratie oft fatal.« Auch die wirkliche ökumenische Gemeinschaft der Kirchen wird kritisch vor dem Hintergrund angefragt, dass »nur einzelne Aktivisten« die Arbeit tragen, während in der breiten Mitgliedschaft »Kirche im Vollsinn weiter nur in der Einzahl gedacht wird (unter Ausschluß der anderen).« Auch die bilateralen Aktionen zwischen dem BEK und der römisch-katholischen Kirche »an der AGCK vorbei« schadet dem Wachsen eines »echten ökumenischen Bewußtseins.« Schließlich zielt das Papier theologisch auf die »Einsatzbereitschaft für das Reich Gottes und die Mission« hin. Hinsichtlich der eigenen freikirchlichen Existenz kommt die VEF-Arbeitsgruppe zu folgenden Feststellungen und Anfragen: (1) Alle haben einen gemeinsamen Auftrag. (2) Kirchen und Gemeinden können sterben, wenn ihr spezieller Auftrag erfüllt ist. Aber noch ist die freikirchliche Aufgabe nicht erfüllt. »Unsere Stimme im ökumenischen Orchester darf nicht fehlen. Es ist aber zu fragen, wie wir dem vom Evangelium her begründeten Vätererbe besser dienen: mit der Bewahrung und Vermehrung des jeweiligen kirchlichen Besitzstandes oder durch immer neue Versuche, in ihrem 340 Ebd., 37. – Gemeint ist hier die traditionelle Allianz-Gebetswoche im Januar eines jeden Jahres. 341 Ebd., 38. Hervorhebungen eingefügt.

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Geist und Sinn heute missionarisch, d. h. ohne letzte Sicherheiten zu leben.«342 (3) Es wird ziemlich radikal formuliert: Jede Kirche ist ersetzbar. Die Erhaltung bestehender Kirchentümer ist nicht Sinn und Ziel der Mission Gottes. Es werden »auf dem Weg einer Erneuerung der Mission Gottes« folgende mögliche Zeichen genannt, die besonders das freikirchliche Miteinander betreffen: »– Der Verzicht auf die Erhaltung und Betreuung kirchlicher Restgruppen dort, wo eine andere lebendige Gemeinde besteht. […] – Die volle Eingliederung von Gemeindegliedern anderer Kirchen bei Übertritten, ohne von ihnen in Lehre und Leben eine volle Anpassung zur Vorbedingung zu machen. Einmal getroffene geistliche Entscheidungen sollten respektiert werden.343 – Die Einladung zur Abendmahlsgemeinschaft, da nicht jede Kirche an ihren Tisch, sondern der eine Herr uns alle an seinen Tisch einlädt. – Verbesserung der gegenseitigen Information und Anteilnahme.«344

Keine Gemeinschaft wäre besser als die VEF geeignet gewesen, die Frage nach dem Verhältnis von Allianz und Ökumene zu diskutieren. Alle Freikirchen hatten über einhundert Jahre die in der Allianz ermöglichte Gemeinschaft als ökumenische Erfahrung geschätzt. In den Zeiten ihrer Ausgrenzung und Diskreditierung war die Allianz der einzige Ort, wo alle Freikirchen einerseits ihr Selbstverständnis bewahren und andererseits der Verpflichtung zur Einheit der Kinder Gottes einen gewissen Ausdruck geben konnten. Aber sie durften nicht bei dieser individualistisch ausgerichteten Linie stehen bleiben, sondern es war anzustreben, dass nicht nur einige, sondern alle Freikirchen die Gemeinschaft mit allen Kirchen suchen und gestalten. Darum waren sie über die Bildung der ACK und der AGCK, die von allen Freikirchen von Anfang an mit vorangetrieben und organisatorisch vorbereitet wurde, erfreut und später über ihre reale Bedeutung zeitweise enttäuscht. Einige von ihnen hätten wie in anderen Ländern einen nationalen, mit mehr Kompetenzen als die AGCK ausgestatteten Kirchenrat (National Council) gewünscht.345 Die Teilnehmer der Freikirchenkonferenz in Gera, einige von ihnen hatten an der vorherigen zweiten Ökumenischen Versammlung in Magdeburg vom 8. bis 11. Oktober 1988 teilgenommen, waren zusammen mit den Gliedern ihrer Gemeinden bereits von der heiligen Unruhe eines politisch sich vollziehenden Aufbruchs erfüllt. Die nächste Freikirchenkonferenz fand im November 1991 in Eisenach statt. Sie hatte die Aufgabe, die Wiedervereinigung mit der westlichen VEF, die gleichzeitig tagte, vorzubereiten und damit die fast 30-jährigen Ei342 Ebd., 42. 343 Das kann nur die Akzeptanz der Kindertaufe in Gemeinden mit traditioneller Glaubenstaufe an Erwachsenen bedeuten. 344 Ökumeneverständnis der Freikirchen. In: EmK-Amtsblatt III 1987, 42 f. 345 Die Ökumenischen Versammlungen haben gezeigt, wie fruchtbar eine konsequent geübte ökumenische Zusammenarbeit sein kann. Vgl. Kap. 4.5.

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genexistenzen der West- und der Ost-VEF auch formal zu beenden. Das Thema der gemeinsamen Tagung zeigte den Weg in die Zukunft »In Christus gemeinsam unterwegs – Ihr seid das Salz der Erde«. Bald nach der Zusammenführung begann auch aus anderen Gründen als der Wiedervereinigung eine neue Periode in der VEF-Geschichte. Sie wurde nun zunehmend zu einem Sammelbecken von Minderheitskirchen.

3.10.5 DDR-Staat und Freikirchen – eine ökumenische Perspektive Seitens des Staates hat man jede Annäherung zwischen den Landeskirchen und den Freikirchen registriert. Man befürchtete, dass die wachsende Gemeinschaft zur Bildung eines Interessenblocks führte, der die staatliche Durchsetzung von politischen Vorstellungen schwieriger machen konnte. Daher war der Staat eher daran interessiert, für sich aus dem Nebeneinander von BEK und VEF Kapital zu schlagen. Beispielhaft wird die Lage nach dem bedeutenden Staat-Kirche-Gespräch aufgegriffen, das zwischen Bischof Albrecht Schönherr und dem Vorstand der Konferenz der [landeskirchlichen] Kirchenleitungen (KKL) einerseits und dem SED-Generalsekretär und Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker andererseits im März 1978 geführt wurde. Ein Staat-Kirche-Gespräch auf dieser höchsten Ebene hatte es vorher noch nicht gegeben. Konkrete Ergebnisse waren Ermöglichungen von Bauvorhaben, Übertragungen von Gottesdiensten zu christlichen Festtagen im Fernsehen, auch eine Koordination von Veranstaltungen zum 500. Geburtstag Martin Luthers für 1983. Weiter sollten neue Schritte in der Gefängnisseelsorge möglich werden und die kirchliche Arbeit in Alters- und Pflegeheimen sollte nach früher erfolgten Regulierungen wieder erweitert werden. Es gab Bestandsgarantien für kirchliche Kindergärten, die Gleichstellung kirchlicher und staatlicher Friedhöfe hinsichtlich der Gebühren, sowie Gleichstellung der Soll-Bedingungen der kircheneigenen Land- und Forstwirtschaft mit staatlichen Betrieben sollte eingeführt werden, die Übernahme kirchlicher Mitarbeiter in die staatliche Rentenversicherung, sowie Einfuhrgenehmigung für Fachliteratur für Theologische Fakultäten und kirchliche Ausbildungsstätten waren weitere Projekte, für die man kirchlicherseits begründete Hoffnung schöpfen konnte.346 Das vertraulich vorbereitete Gespräch hatte in der Gesellschaft wie bei Kirchenvertretern Überraschung, teilweise Kritik und Widerspruch ausgelöst. Es ist keine Frage, auch für Kirchen der Vereinigung Evangelischer Freikirchen hatte das Gespräch Auswirkungen. Noch 1980 versicherte Horst Dohle, persönlicher 346 Rudolf Mau, Der Protestantismus im Osten Deutschlands (1945 – 1990), Leipzig 2005, 132 – 136.

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Referent des Staatssekretärs für Kirchenfragen, anlässlich der methodistischen Zentralkonferenz in Zwickau-Planitz: »Der Geist des 6. März 1978, an dem das Gespräch zwischen dem Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker mit Vertretern des Bundes der Evangelischen Kirchen stattfand, sei auch verbindlich für die Haltung gegenüber der Evangelisch-methodistischen Kirche.«347 Tatsächlich wurde z. B. 1980 der methodistische Jugendpastor Wolfgang Ruhnow als Seelsorger für Strafgefangene durch das Staatssekretariat für Kirchenfragen bestätigt. Die methodistische Kirche entschloss sich nach hartem innerkirchlichem Ringen auch dazu, die Pastoren in die öffentliche Rentenversicherung einzukaufen. Das geschah jedoch nicht zu den Bedingungen der Gliedkirchen des BEK. Dieser hatte westliche Valuta in die Versicherungskasse einzahlen müssen, die EmK war in der Lage, den Betrag aus eigenen, von den Gemeinden in der DDR aufgebrachten Rücklagen zu finanzieren und der Staat akzeptierte das. Vielleicht ist aus diesem Umstand das Misstrauen betroffener methodistischer Pastoren erwachsen, die durch diesen Schritt befürchteten, ihre Unabhängigkeit und Freiheit gegenüber dem Regime in eigener Entscheidung einzuschränken. Öffentlich wurde das Schönherr-Honecker-Treffen durch einen Text, der zwischen beiden Seiten abgestimmt war. Die staatliche Nachrichtenagentur ADN hat ihn verbreitet, und die gesamte staatliche Presse in der DDR hat den Text veröffentlicht.348 Zwischen den von Honecker und später von Dohle auch gegenüber den Methodisten ausgesprochenen Zusagen klaffte jedoch eine Glaubwürdigkeitslücke, die im Rückblick offen gelegt werden kann. Noch 1978, als Honecker und Bischof Schönherr miteinander das Gespräch über eine scheinbar sich abzeichnende Verbesserung der Staat-Kirche-Verhältnisse erst wenige Monate zuvor geführt hatten, wurde im Staatssekretariat für Kirchenfragen eine »Langfristige Konzeption der politischen Einflussnahme auf die Kirchen und Religionsgemeinschaften in der DDR außer der evangelischen und katholischen Kirche«, also für die Freikirchen, erarbeitet.349 Trotz der öffentlichen Erklärungen Honeckers im Jahre 1978, die eine Entspannung signalisieren sollte, beruhte dieses interne Papier auf einer Einschätzung vom Februar 1977, also der Zeit vor dem sog. Spitzengespräch. Es zielte auf die Rolle von 39 Kirchen- und Religi347 Presseinformation Nr. 17 v. 6. Juni 1980 über die Zentralkonferenz der EmK in der DDR. Zit. n. Lothar Beaupain, Eine Freikirche sucht ihren Weg. Der Bund Freier evangelischer Gemeinden in der DDR, Wuppertal 2001, 215 Anm. 728. 348 Reinhard Henkys, Kirche-Staat-Gesellschaft. Die Evangelischen Kirchen in der DDR, München 1982. 349 Langfristige Konzeption der politischen Einflussnahme auf die Kirchen und Religionsgemeinschaften in der DDR außer der evangelischen und katholischen Kirche vom 7. Dez. BA Abt. Potsdam D 04, Bd. 450, Bl. 133 – 147. Hier zitiert nach: Weyer (Hg.), Eine offene Flanke zur Welt, 95 – 103. Daraus auch die folgenden Zitate.

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onsgemeinschaften mit 1.940 Geistlichen in 2.140 Kirchengemeinden, die statistisch 209.000 Gläubige erfassten, deren Zahl aber wegen der Einbeziehung ausschließlich Erwachsener nach Einschätzung des staatlichen Sekretariats »weit höher liege«. Angesichts der Tatsache der Mitarbeit von Laienpredigern in geistlichen Funktionen sei nach der erarbeiteten »Konzeption« zu bedenken, dass »der enge und lebensnahe Kontakt zwischen Geistlichem und Gemeinde eine unmittelbare Einflussnahme möglich [macht], die dadurch an Breitenwirksamkeit gewinnt.« Dadurch werde »der allgemein vorhandene, objektiv bedingte Rückgang kirchlicher und religiöser Bindungen gehemmt. Das macht diese Kirchen […] relativ stabil.« Dies treffe besonders bei solchen zu, »die Teile von Weltkirchen sind und durch ihre ökumenische Tätigkeit auch nach innen aktiviert werden.« Ausdrücklich genannt werden Methodisten, Baptisten, Adventisten, Herrnhuter und Quäker. Auf Grund der »hervorgehobenen Stellung der Laien in der Gemeinde« haben diese unmittelbare Kontakte zur gesellschaftlichen Realität. Es gehöre zu ihren Besonderheiten, dass sie »ein ausgeprägtes bürgerliches Demokratieverständnis« haben, das sich »in einem stark betonten religiösen Herangehen auch an Alltagsfragen äußert.« Obwohl Vertreter dieser Kirchen sich weitgehend mit der Politik des Friedens350 und des sozialen Fortschritts identifizieren, treten »Unklarheiten zu Grundfragen sozialistischer Politik […] bis hin zu falschen Positionen« auf. Das erfordere »eine kontinuierliche politische Einflussnahme.« Das Staatssekretariat für Kirchenfragen kam zunächst zu drei konkreten Schlussfolgerungen: (1) die kleinen Kirchen erfordern aufgrund ihrer besonderen Struktur eine »entsprechende Beachtung in der kirchenpolitischen Arbeit« des Staatssekretariats; (2) die »Tendenz positive[r] Einstellung zum sozialistischen Staat [macht] eine stärkere Nutzung für eine differenzierte politische Arbeit gegenüber den Landeskirchen sinnvoll« und (3) »Eine differenzierte, systematische und kontinuierliche politische Einflussnahme gegenüber den [Frei-] Kirchen […] ist auf allen Ebenen der staatlichen Leitung unter Einbeziehung gesellschaftlicher Gremien notwendig.« Die permanente Bemühung, einen Keil zwischen die Landes- und Freikirchen zu treiben und sie gegeneinander auszuspielen, ist auch hier unübersehbar. 350 Johann Gildemeister, Friedenspolitische Konzepte und Praxis der Kirchen. In: Horst Dähn (Hg.), Die Rolle der Kirchen in der DDR. Eine erste Bilanz, München 1993, 168 heißt es: »Zu den friedenspolitisch aktiven Freikirchen gehörte die mit circa 28.000 Mitgliedern (1982) größte, nämlich die der Methodisten. Sie setzte sich relativ früh für Abrüstung ein und wandte sich 1982 gegen jede Vorbereitung einer atomaren Auseinandersetzung als Sünde. Seit 1980 beteiligten sich die methodistischen Gemeinden an den Friedensdekaden, engagierten sich im ökumenischen Kontext und brachten sich – wie andere Glaubensgemeinschaften in der DDR – im ›Konziliaren Prozeß für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung‹ ein.«

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Für die Freikirchen sei die Haltung gegenüber dem Staat dadurch geprägt, »daß ihnen in der DDR erstmals eine gleichberechtigte Stellung gegenüber den anderen Kirchen gewährt wird.« Staatlicherseits müsse darauf geachtet werden, dass die »Gleichberechtigung« die »Gleichwertigkeit« einschließe. Der BEK nutze eine unter dem Eindruck der historischen Entwicklungen gewachsene freikirchliche Empfindlichkeit geschickt aus, »um einige dieser Kirchen zum Zwecke einer stärkeren ideologischen Gleichschaltung enger an sich zu binden. Das ist eine gefährliche Entwicklung, zumal die Bestrebungen des BEK mit dem Bemühen einiger [Frei-] Kirchen […] auf stärkere Zusammenarbeit zwischen den Kirchen zusammenfallen. Dabei geht es ihnen bei aller Betonung ihrer [freikirchlichen] Eigenständigkeit vor allem um engere Beziehungen zu den evangelischen Landeskirchen.«351

In dem Zusammenhang wird die AGCK in die Überlegungen des Staatssekretariats einbezogen. Sie werde vom BEK instrumentalisiert, um sein Interesse auf die »sogenannten Freikirchen, besonders auf die Methodisten und Baptisten als den bedeutendsten und international wirksamsten« zu richten. Das sei »eine gefährliche Entwicklung.« Es wurde seitens des Staates genau registriert: »Ihre kirchenleitenden Persönlichkeiten beteiligen sich an der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR. Dabei ist es dem BEK gelungen, beide wiederholt in seine Aktivitäten gegen die staatliche Politik einzubeziehen.«352 Die »Konzeption« im Staatssekretariat schätzt in dem Zusammenhang auch die Beziehungen zu anderen Freikirchen kurz ein.353 »Diese ›ökumenischen‹ Aktivitäten des BEK sind letzten Endes darauf gerichtet, das gesellschaftliche Engagement der anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften mit dem Hinweis auf ihre pietistischen und evangelikalen Traditionen zu hemmen und ihre politischen Aussagen zu kanalisieren.« Das Staatssekretariat, das in seiner Einschätzung an dieser Stelle nicht differenzierte, sah nunmehr seine Aufgabe darin, die »gleichberechtigte Stellung« der Freikirchen durch etwa gleichrangige Kontakte wie zu den Landeskirchen für die Minderheitskirchen erfahrbar zu machen und dadurch ein Einvernehmen mit dem BEK zu unterbinden, wenigstens zu stören. Es sollte gleichzeitig die freikirchliche Zusammenarbeit mit Kirchen in den sozialistischen Ländern, welche die Methodisten und Baptisten 351 Langfristige Konzeption der politischen Einflussnahme auf die Kirchen und Religionsgemeinschaften in der DDR außer der evangelischen und katholischen Kirche vom 7. Dez. 1978. BA Abt. Potsdam D 04, Bd. 450, Bl. 133 – 147. Hier zitiert nach: Michel Weyer (Hg.), Eine offene Flanke zur Welt, 95 – 103. Daraus auch die folgenden Zitate. 352 Das war gerade mit einer »Orientierungshilfe« zur Thematik der Einführung des Wehrkunde-Unterrichts in den Schulen geschehen, die gemeinsam am 14. Juni 1978 auch an die baptistischen und methodistischen Gemeinden verschickt worden war. 353 In dieser Reihenfolge: Siebenten-Tags-Adventisten, Quäker, Mennoniten und Alt-Katholiken.

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schon seit dem 19. Jahrhundert pflegten, intensiviert werden. Solchen Kirchen, die Teile von Weltkirchen sind, ist »besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, da sie als Kirche im Weltmaßstab politisch von Bedeutung sind.« Die Einflüsse auf sie durch ihre Weltgemeinschaft, den ÖRK, die KEK wie auch zum Teil ihre Mitarbeit als nichtstaatliche Organisationen in der UNO bewirken wechselseitige Einflüsse, »die in der staatlichen Arbeit gegenüber diesen Kirchen Beachtung verdienen.«354 Der gleichzeitige Blick auf das »Spitzengespräch« vom März 1978 und die »Langfristige Konzeption« aus dem Staatssekretariat für Kirchenfragen vom 7. Dezember desselben Jahres zeigt verschiedene bemerkenswerte Aspekte: (1) Das bekannte undurchsichtige und zwiespältige Verhalten des DDR-Staates gegenüber allen Kirchen wird erneut konkret greifbar. (2) Den Grund und die Wurzel für die Gemeinschaft der Kirchen sahen die Politiker nicht in der Ökumenischen Bewegung und im biblischen Gebot verortet. Sie deuteten die überkonfessionelle Gemeinschaft als politische, gegen den Staat gerichtete Solidarität. (3) Bemerkenswert ist ihre differenzierte Wahrnehmung volkskirchlicher und freikirchlicher Frömmigkeitsformen, die aus dem jeweiligen theologischen Selbstverständnis und der historischen Tradition erwachsen sind. Die in der freikirchlichen Gemeindepraxis bewährten Strukturen »bürgerlicher Demokratie«, die innerhalb der Gemeinden eingeübt sind und durchaus politische Konsequenzen in sich schließen können, wurden vom Staat aufmerksam registriert. (4) Ebenso die aus der reformatorischen Ausgangsposition des Priestertums aller Glaubenden praktizierte Rolle der Laien in geistlichen und Führungsaufgaben wurde als Gefahrenherd ausgemacht. (5) Schließlich hatte der Staat zu einer unterschiedlichen Einschätzung der Rollen von territorial strukturierten, innerstaatlichen und global organisierten und somit weltweit agierende Kirchen gefunden und dieses klarer gesehen, als es in der Regel zur Kenntnis genommen wird. Es ist bedauerlich, dass gerade die Beobachtungen dieser ekklesiologischen Akzente zwar in einer aus politischen Motiven geleiteten Analyse erfasst wurden, aber in vielen Fällen im konfessionskundlichen Umfeld heute noch über die Wahrnehmung und Kenntnis der freikirchlichen Existenz als eines ökumenischen Faktors hinausgehen.355 354 Bis hierher alle Zitate – soweit nicht anders ausgewiesen – aus: Langfristige Konzeption der politischen Einflussnahme auf die Kirchen und Religionsgemeinschaften in der DDR außer der evangelischen und katholischen Kirche vom 7. Dez. 1978. BA Abt. Potsdam D 04, Bd. 450, Bl. 133 – 147. Hier zitiert nach: Michel Weyer (Hg.), Eine offene Flanke zur Welt, 98 f. 355 Ein Blick in die neueren kirchengeschichtlichen Übersichtswerke zeigt, dass die innerdeutsche Ökumene und die beiden Arbeitsgemeinschaften Christlicher Kirchen (AGCK und ACK) mit ihrem ganzen Umfeld bisher keine Beachtung gefunden haben.

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3.11 Die Vereinigung zur Evangelisch-methodistischen Kirche 1968 Eine Kirchenunion war im 20. Jahrhundert kein alltäglicher Vorgang. Weil es die höchste Form ökumenischer Übereinkunft ist, soll sie hier in Grundzügen eingefügt werden.

3.11.1 Die lange Vorgeschichte Die Vereinigung zweier Kirchen methodistischer Tradition im Mai 1968 war ein ökumenischer Höhepunkt in den kritischen sechziger Jahren. Beide, die Evangelische Gemeinschaft und die Methodistenkirche waren bald nach der Revolution von 1848 als autonome methodistische Kirchen in der Hoffnung auf Religionsfreiheit nach Deutschland gekommen. Fast zwanzig Jahre vorher hatte die Wesleyanische Methodistengemeinschaft ohne ein ausgeprägtes ekklesiologisches Profil in Württemberg eine Mission aufgenommen. Nachdem in einer noch ungewöhnlichen Kirchenunion diese Wesleyaner bereits 1897 in der Methodistenkirche aufgegangen waren, kam es 1968 zu einer partnerschaftlichen Vereinigung. Für beide Kirchen war es Teil eines weltweiten Geschehens. Es ging von den mitgliederstärksten Kirchenteilen in den USA aus und lag dort im Trend der ökumenischen Entwicklungen. Beide sich 1968 vereinigenden Kirchen haben schon im 19. Jahrhundert zusammengewirkt. Delegierte der jeweils anderen Kirche haben die Tagungen von Jährlichen Konferenzen besucht. Gelegentlich hat es auch gemeinsame Tagungen methodistischer Allianzen gegeben oder auch gemeinsame Eingaben, die sich vorwiegend an Landesregierungen wandten. Schon vor der Bildung der Vereinigung Evangelischer Freikirchen im Jahr 1926 gab es in verschiedenen Gremien ein partnerschaftliches Zusammenwirken. In den Jahren 1941 bis 1943 waren Vereinigungsgespräche geführt worden, die von beiden Kirchenvorständen verantwortet wurden. Sie waren bis zu einem ausgearbeiteten Verfassungsentwurf fortgeschritten. Die geplante Verfassung zeigt, dass zu jener Kriegszeit die neue Kirche auf die weltweite Verbundenheit verzichten wollte und die Absicht hatte, sich auf nationaler Ebene zu konstituieren. Am Ende führten die Pläne trotz Übereinstimmung nicht zum Vollzug. Einer der später oft genannten Gründe dafür war die kriegsbedingte Abwesenheit vieler Mitglieder der Konferenzen, die als Soldaten keine Chance zur Mitentscheidung in ihren verfassungsmäßigen Organen hatten. Sicher war die nach dem Ende des Krieges nicht mehr genannte Einschränkung auf eine national organisierte methodistische Kirche auch im Hinblick auf die anderen europäi-

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schen Kirchenzweige und die Lösung von der weltweiten Gesamtkirche ein so weitreichender Schritt, dass die kriegsbedingten Rumpfkonferenzen nicht die Verantwortung dafür übernehmen wollten. In die Verhandlungen war auch das Reichsministerium für kirchliche Angelegenheiten durch Landgerichtsrat Werner Haugg eingeschaltet. Haugg hatte auch die Zusammenführung der Baptisten und der darbystischen Brüdergemeinden beratend begleitet. Im Rückblick muss man feststellen, dass es einer Katastrophe gleichgekommen wäre, hätte diese Vereinigung stattgefunden. Es lässt sich weder abschätzen, was dieser Schritt für den europäischen kirchlichen Methodismus bedeutet haben würde noch welches die Folgen im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau, der Existenz der Gemeinden in der DDR und im ökumenischen Kontext gewesen wären. Die weitere Entwicklung hat gezeigt, dass das ökumenische Gewicht einer kleinen, national organisierten Kirche mit der Existenz als Teil einer Weltkirche nicht vergleichbar ist. Im Rückblick kann die Evangelischmethodistische Kirche für die Besonnenheit derer dankbar sein, welche die damalige Entwicklung gestoppt haben. Auch die Nachkriegsentwicklung lässt vermuten, dass der erwogene Zusammenschluss nicht nur Begeisterung hervorgerufen hätte. Wie ist es sonst zu erklären, dass nach 1945 beide Kirchen die Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen, die Durchführungen von Maßnahmen des kirchlichen Wiederaufbaus, der Neubildung von Gemeinden durch die Umsiedlungen sich kaum gegenseitig unterstützt, abgesprochen oder gemeinsam geplant haben?356 Keine zwanzig Jahre nach Kriegsende wurden in Deutschland die Vereinigungsgespräche für die 1968er Vereinigung aufgenommen. Viele kirchliche Gebäude hatten beide Kirchen inzwischen wieder errichtet, die nach einer Vereinigung nicht mehr dringend notwendig waren. In Mecklenburg-Vorpommern waren mehrere Gemeinden mit Flüchtlingen von beiden Kirchen teilweise in den selben Städten neu gebildet worden, die von Anfang an um ihr Überleben kämpften. Die Nachkriegsentwicklung zeigt, dass es denominationelle Egoismen gab, und die neuen Vereinigungsgespräche zeigten auch, dass beide Kirchen unterschiedliche Profile entwickelt hatten. Die Evangelische Gemeinschaft stand vermutlich schon in der Zeit ihrer Frühgeschichte in Amerika unter dem 356 Die Frage einer früheren Vereinigung ist bisher in keiner der Studien über die betreffende Zeit aufgegriffen worden. Es liegen vor: Hermann Sticher, Die Vereinigung der Evangelischen Gemeinschaft und der Methodistenkirche. In: Steckel/Sommer (Hg.), Geschichte der Evangelisch-methodistischen Kirche, Stuttgart 1982, 213 – 241. – Ulrike Schuler, Die Evangelische Gemeinschaft. Missionarische Aufbrüche in gesellschaftlichen Umbrüchen (mit dem Kapitel Die Evangelischen Gemeinschaft im Nachkriegsdeutschland 1945 bis 1961, 170 – 333), Stuttgart 1998. – Karl Heinz Voigt, »Eins sein, damit die Welt glaube…«. Die methodistische Kirchenunion von 1968 – weltweit und freiwillig. In: FF Bd. 18 (2009), 66 – 101.

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Einfluss deutsch-pietistischer Einwanderer und betonte ständig die lutherische Tradition ihres Gründers Jacob Albrecht. In Deutschland gestaltete sich bei der Evangelischen Gemeinschaft die Beziehung zum Pietismus trotz der schwierigen zwischenkirchlichen Verhältnisse im 19. Jahrhundert gerade von Württemberg her in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend enger aus.357 Dagegen berief sich die Methodistenkirche in der Frage des Selbstverständnisses auf die Tradition John Wesleys, die in der kirchlichen Praxis durch eine deutsche Gemeinschaftsfrömmigkeit überlagert wurde, allerdings ohne das kirchliche Selbstbewusstsein zu unterlaufen. Im Vorfeld der Vereinigung von 1968 gab es – wie schon früher angedeutet – in der Evangelischen Gemeinschaft Stimmen, welche die Frage einer Vereinigung statt mit den Methodisten mit der Landeskirche aufwarfen. Aus Sorge um einen Widerspruch innerhalb Deutschlands überließen die Methodisten im Vorfeld der 1968 vollzogenen Vereinigung der Evangelischen Gemeinschaft unter der führungsstarken Persönlichkeit ihres vereinigungswilligen US-Bischofs Reuben H. Mueller die Initiative.358 Er spielte die zentrale Rolle schon an der ersten Zusammenkunft beider Kirchenvorstände aus Deutschland und der Schweiz im Januar 1963, an der die Weichen für die hiesigen Planungen endgültig gestellt wurden. Gastgeber war die Ev. Gemeinschaft im Zentrum der Mainmetropole. Die grundlegenden Impulse brachte Bischof Mueller in das Gespräch ein. Die deutschen Konferenzen seiner Kirche hatten sich schon länger mit der Frage einer Vereinigung befasst, die Methodisten waren sehr zurückhaltend über die gesamtkirchlichen Entwicklungen informiert gewesen. Der Prozess sollte unter keinen Umständen gestört werden. Im Grunde waren die offiziellen Gespräche in den USA 1963 bereits so weit fortgeschritten, dass es in Frankfurt/M. lediglich noch um die Zustimmung ging, in Europa in diesem Prozess nicht abseits zu stehen. Das wurde durch eine grundsätzliche, uneingeschränkte Bereitschaft zur Beteiligung erreicht. Damit konnte die kommende hiesige Arbeit strukturiert, konnten Vereinigungskommissionen besetzt und die Öffentlichkeit informiert werden. Es wurden parallel in West und Ost »Verei357 Der Gründer der Evangelischen Gemeinschaft, Jacob Albrecht, wurde 1807 in methodistischer Tradition, der er sich in der entstehenden Gemeinschaft mehr als andere verpflichtet wusste, zum Bischof erwählt. Die unter seiner Wirksamkeit begonnene Übertragung einer methodistischen Kirchenordnung enthält ein Formulare zur Berufung und Einführung von Bischöfen. Albrecht war der erste und zunächst letzte Bischof der Kirche. Er starb bereits 1808. Erst 1839, als nach reichlich 30 Jahren ohne einen Bischof, wurde dieses Aufsichtsamt mit John Seybert wieder eingeführt. Der Grund für diese Phase ist vom deutschen Hintergrund her zu untersuchen. Meine Erwägung ist, dass in Pennsylvanien angesiedelte Pietisten aus Deutschland innerhalb der Kirche eine gewisse Rolle übernahmen und eben nur eine »Gemeinschaft«, aber keine Kirche bilden wollten. 358 Einzelheiten in: Karl Heinz Voigt, Friedrich Wunderlich. Ein Brückenbauer Gottes, Stuttgart 1982, 225 – 234.

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nigungsausschüsse« gebildet. Diese von beiden Kirchen paritätisch besetzten Kommissionen wurden – jedenfalls im Westen – von den Arbeiten so in Anspruch genommen, dass die heftigen gesellschaftlichen Diskussionen gerade in den sechziger Jahren darüber völlig in den Hintergrund traten, was sich in den folgenden Jahren besonders in der Jugendarbeit negativ auswirkte. Es wurden für innerkirchliche strukturelle Fragen Lösungen erarbeitet, die weltweit vorliegenden Vereinigungspapiere, – der »Vereinigungsplan« mit der kommenden Verfassung und der Kirchenordnung – wurden teils heiß diskutiert. In Deutschland erhitzten besonders zwei Fragen die Gemüter : das Verständnis des Bischofsamtes und die Festlegung des Standortes einer gemeinsamen Ausbildungsstätte für den pastoralen Nachwuchs, vielleicht noch die Frage, ob Superintendenten durch den Bischof zu berufen oder von der Konferenz zu wählen sind.

3.11.2 Die Bildung einer neuen Kirche Wenn im Rahmen zweier weltweit wirkender Kirchen359 für alle beteiligten Kontinente eine vollständige Union, aus der eine neue Kirche hervorgeht, erfolgt, ist ökumenisch von Interesse, wie solche Prozesse möglich werden. Die weltweit gesamtkirchliche Vereinigung fand während zweier Generalkonferenzen als verfassunggebender Versammlungen beider Kirchen statt. Die Evangelical United Brethren Church (EUBC), die in ihren europäischen Zweigen den Namen Evangelische Gemeinschaft trug, und die Methodist Church (MC) hatten ihre Delegierten zu parallelen Sitzungen nach Dallas/Texas einberufen. Beide Konferenzen setzten sich, wie von der Verfassung vorgegeben, aus Delegierten der Kirchenzweige in aller Welt zusammen. Sie beschlossen nach vorheriger Autorisierung durch alle Pastoren ihrer jeweiligen Kirchen aus der ganzen Welt und einer gleichen Zahl von Laiendelegierten aus den Gemeinden aller Kontinente die Auflösung ihrer bisherigen Kirchen und die Zustimmung zu einer neuen, gemeinsam von beiden Partnern erarbeiteten Verfassung.360 Nach dem Auflösungsbeschluss der bisherigen kirchlichen Körperschaften und der Übertragung aller Besitzstände auf die neue Kirche wurde noch am selben Ort von allen Delegierten beider bisheriger Kirchen im Mai 1968 die neue Kirche unter dem Namen United Methodist Church (UMC) konstituiert, die in den 359 Konfessionskundliche und historische Einzelheiten über beide Kirchen in: Karl Heinz Voigt, Freikirchen in Deutschland (19. und 20. Jahrhundert), 70 – 85. 360 Karl Heinz Voigt, Demokratisch Weltkirche sein. Methodistische Kirche beriet Verfassungsänderung. (Es wird eine neue Verfassungsänderung als Beispiel aus dem Jahr 2013 dargelegt.) In: KNA-ÖKI Nr. 23/2013, 7 – 9.

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deutschsprachigen Ländern mit gesamtkirchlicher Genehmigung den Namen Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) annahm.361

3.11.3 Eine ökumenische Verpflichtung in der Verfassung Das traditionell ökumenische Selbstverständnis findet in der für alle Kirchenbezirke innerhalb der UMC/EmK verbindlichen Verfassung in Artikel 5 »Ökumenische Beziehungen« ihren Niederschlag. Gleichsam in einer Selbstverpflichtung heißt es dort in deutscher Übersetzung: »Als Teil der allgemeinen christlichen Kirche glaubt die Evangelisch-methodistische Kirche, daß der Herr der Kirche alle Christen zum Einssein ruft. Darum wird sie nach Einheit auf allen Gebieten des kirchlichen Lebens streben: durch weltweite Beziehungen zu anderen methodistischen Kirchen,362 zu solchen vereinigten Kirchen, die der Methodistenkirche oder der Evangelischen Gemeinschaft angegliedert sind,363 durch Arbeitsgemeinschaften und Räte christlicher Kirchen, durch Bestrebungen zur Vereinigung von Kirchen methodistischer und anderer Tradition.«364

In weiteren Verfassungsartikeln sind u. a. die »Universalität der Kirche [Christi]« und die »Gleichheit der Rassen« für die weltweite Kirche ausdrücklich definiert. Besonders der Artikel zur ökumenischen Verpflichtung, der in der Verfassung einen prominenten Platz einnimmt, findet in Grundordnungen der europäischen Traditionskirchen kaum vergleichbare Aussagen zur Stellung ihrer Kirchen in der Ökumene.

3.11.4 Gottesdienste und ökumenische Feiern zur Vereinigung Es war aus öffentlich-rechtlichen Gründen notwendig, zur Vorbereitung der endgültigen Vereinigung in Deutschland entsprechende Beschlüsse zu fassen, um die mit den früher erlangten Körperschaftsrechten und die damit verbundenen Eigentums- und weiteren Rechtsfragen für den jeweiligen staatlichen Bereich zu klären. In Deutschland wurde die Vereinigung an zwei Orten öffentlich vollzogen. 361 Karl Heinz Voigt, Eins sein, damit die Welt glaube… Die methodistische Kirchenunion von 1968 – weltweit und freiwillig. In: FF 18. Jg. (2009), 66 – 101. 362 Die größere Gemeinschaft aller methodistischen Kirchen hat sich im World Methodist Council/Weltrat Methodistischer Kirchen seit 1881 zusammengeschlossen. 363 Das betrifft Unionen wie z. B. in Südindien oder in Kanada, aber auch in Belgien und neuerdings in Schweden. 364 Verfassung und Ordnung der Evangelisch-methodistischen Kirche Lehre, Verfassung und Ordnung. Ausgabe 1977, Stuttgart, 56.

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Das war ein schmerzlicher Ausdruck der gerade in dieser Zeit durch die politische Situation entstandenen Lage. Noch 1964 konnte die Zentralkonferenz der Methodistenkirche als das für ihre Region kirchenrechtlich maßgebliche Organ gemeinsam in Leipzig tagen. Die westlichen Delegierten waren in einem geschlossenen Sonderwagen auf dem Bahnweg gemeinsam angereist. Bei den üblichen Reden der Behördenvertreter aus Berlin und Leipzig kam es zu zaghaften Protesten durch Zischen und Scharren mit den Füßen. Vier Jahre später war es 1968 notwendig, nacheinander Teilsitzungen in Dresden (18.–22. Mai 1968) und in Frankfurt/Main (25.–30. Mai 1968) zu halten. Auch in Dresden nahm Bischof Wunderlich seine Leitungsaufgabe gemäß der Kirchenordnung wahr. Er begrüßte neben den offiziellen Gästen aus Warschau, Prag, Budapest, Jablonec, in der damaligen CSSR, auch Bischof Franz Schäfer (Zürich), Superintendent Walther Zeuner aus Bad Bramstedt, der eine Art Sekretärsfunktion während der vier Jahre der Vorbereitung zur Vereinigung wahrgenommen hat, und später Bischof Paul Washburn, der gerade vorher in Dallas in diesen bischöflichen Dienst gewählt worden war. Aus der orthodoxen Kirche Rumäniens war Metropolit Mladin von Siebenbürgen gekommen, um nach dem sächsischen Oberlandeskirchenrat Kleemann und Pastor Armin Röger (VEF) ein Grußwort »zu den Anstrengungen um die Einheit der Kirche« zu sagen.365 Beide Teilkonferenzen in Dresden und Frankfurt/M. hatten vier Höhepunkte: (1) die Abendmahlsgottesdienste zur Eröffnung, (2) die Stunden der Begegnung mit den Grußworten und dem traditionellen Verlesen der Bischofsbotschaft, (3) die Wahl von Direktor C. Ernst Sommer zum neuen Bischof, die allerdings in Dresden einen anderen Charakter hatte als in Frankfurt/M., und (4) die Gottesdienste mit der Erklärung des Vollzugs der Vereinigung. Vor den Gästen in den Stunden der Begegnung sagte Bischof Wunderlich, der mit dieser Konferenz in den Ruhestand trat: »Die Stellung unserer beiden bisherigen Kirchen im Blick auf ökumenische Beziehungen war schon immer positiv. Wesleys Predigt über ökumenische Gesinnung war dabei für beide Kirchen wegweisend. Deshalb waren sie auch von Anfang an dabei, als die Kirchen, die sich früher oft fremd und feindselig gegenübergestanden hatten, miteinander ins Gespräch kamen. Die neue Kirche wird sich weiterhin an diesen Gesprächen beteiligen, sei es auf Weltebene, wie etwa an der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Uppsala oder auf regionaler Ebene oder auf Ortsebene.«366

Unmittelbar nach dieser Erklärung sprach der Bischof von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, von Brot für die Welt und Dienste in Übersee und 365 Friedensglocke, Kirchenblatt der Ev.-methodistischen Kirche in der DDR vom 23. Juni 1968. 366 Friedrich Wunderlich, Wir sind sein Volk, Stuttgart 1968, 13.

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erwähnte ausdrücklich die beginnenden Gespräche des Weltrats Methodistischer Kirchen mit dem Einheitssekretariat der Römisch-katholischen Kirche.367 Anders als in Dresden waren nach Frankfurt hochrangige ökumenische Gäste gekommen. Der alte Freund Martin Niemöller ließ es sich als einer der Präsidenten des ÖRK nicht nehmen, ein Grußwort zu sagen und den seit seiner Teilnahme an der Begegnung zur Stuttgarter Erklärung von 1945 ihm bekannten britischen Professor E. Gordon Rupp, zu dieser Zeit designierter Präsidenten der Konferenz der Britischen Methodistenkirche, wieder zu sehen und zu hören. Landesbischof Erich Eichele war für die EKD und zugleich als ACK-Vorsitzender erschienen, begleitet von deren Geschäftsführer Hanfried Krüger. Die durch das Konzil veränderte Situation im Katholizismus trat in der Teilnahme und dem Grußwort des damaligen Limburger Weihbischofs Walther Kampe augenfällig in Erscheinung. Neben der Verlesung der Bischofsbotschaft war die Vorstellung des in Ost und West gemeinsam gewählten neuen Bischofs C. Ernst Sommer ein Höhepunkt dieser Begegnung. Beachtung fand weiter die Überreichung der Wichernplakette an Bischof Wunderlich durch den Präsidenten des Diakonischen Werks Theodor Schober, der aus Stuttgart gekommen war. Wunderlich hatte in seinem Bischofshaus nur ein Büro eines gesamtkirchlichen Arbeitszweiges. Es zeichnete zwei besondere Schwerpunkte seiner Arbeit aus: Das Hilfswerkbüro war von 1963 bis 1968 mit einem jungen Pastor besetzt, der vorher kurzzeitig die Hilfswerk-Außenstelle im Hamburger Flutgebiet nach der großen Katastrophe geleitet und die Arbeit koordiniert hatte.368 Dieses Büro war das Zentrum, von dem aus viele Kontakte zum Ostteil der Kirche für persönliche Partnerschaften organisiert und ausgestattet wurden oder zentrale Maßnahmen direkt liefen. Es war auch eine Verbindungsstelle zwischen dem Hilfswerk der Kirche in den USA und dem bedrängten Teil der Kirche in Bulgarien.369 Mit dieser Einrichtung war gleichzeitig die Geschäftsführung für die Diakonische Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchen in Deutschland ver367 Die verschiedenen Berichte der ›Gemeinsamen Kommission der Römisch-Katholischen Kirche und des Weltrates Methodistischer Kirchen‹ sind bisher in den Bände ›Dokumente wachender Übereinstimmung‹ 1 – 4 in deutscher Übersetzung veröffentlicht: Bd. 1: Denver Bericht (1971), 388 – 422; Dublin Bericht (1976), 423 – 453; Honolulu-Bericht (1981), 454 – 475;- Bd. 2: Nairobi-Bericht (1985), 507 – 525;- Bd. 3: Die Apostolische Tradition (1991), 442 – 468, Wort des Lebens (1995), 469 – 506, Lehrautorität bei Katholiken und Methodisten (2000), 507 – 554;- Bd. 4: Gemeinsame Erkundung des Verständnisses von Kirche (2006), 759 – 832. 368 Karl Heinz Voigt, Die Flutkatastrophe von 1962. In: Karsten Mohr (Hg.), Jedermanns Freund und niemandes Feind. 180 Jahre Methodisten in Hamburg, Hamburg 2013, 181 – 198. 369 Die Mehrzahl der methodistischen Pastoren im orthodoxen Bulgarien hatten ihre theologische Ausbildung im Frankfurter Predigerseminar der methodistischen Kirche erhalten. Traditionell war die Mission in Bulgarien mit dem mitteleuropäischen Zweig der Kirche verbunden.

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bunden, die eine Außenstelle des Stuttgarter Diakonischen Werks der EKD in Frankfurt/M. unterhielt. Es war eine Brückenstelle der innerdeutschen ökumenischen Diakonie, welche die Verbindungen zwischen dem Diakonischen Werk und den Minderheitskirchen aktiv gestaltete, woran auch das Bistum der AltKatholiken und die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, die heutige SELK, teilnahmen.370 Von den Freikirchen waren zu der Stunde der Begegnung nach langer Zusammenarbeit aus den beiden anderen VEF-Mitgliedskirchen Rudolf Thaut (Baptist) und Heinrich Wiesemann (Freie evangelische Gemeinde) ganz selbstverständlich gekommen.371 Natürlich war die methodistische Weltkirche durch jene Bischöfe vertreten, die in den voraufgegangenen zehn Jahren die Union vorbereitend begleitet und nun erfolgreich zum Abschluss gebracht hatten: Bischof Reuben H. Müller und Bischof Lloyd C. Wicke, dazu nochmals Bischof Paul Washburn und Bischof Franz Schäfer, der die methodistischen Gemeinden der Schweiz, Österreichs, Polens, Ungarns, Tschechiens, die von tiefen Erschütterungen geplagte Kirche in Bulgarien372 und die Mission in Tunesien vertrat. Alle wirkten bei der feierlichen Amtseinführung von Bischof Carl Ernst Sommer, die am 29. Mai 1968 in der evangelischen St. Peterskirche in Frankfurt am Main stattfand, mit. Nachdem festgestellt war, dass die formalen Voraussetzungen für diesen Zusammenschluss erfüllt waren, wurde in diesem Gottesdienst von zwei Bischöfen, welche die früheren Kirchen repräsentierten, gemeinsam gesprochen: »Wir erklären nun gemeinsam, dass die Grundordnung der Vereinigung der Evangelischen Gemeinschaft und der Methodistenkirche gemäß der Verfassung und des Ermächtigungsgesetzes rechtskräftig geworden ist und daher die Evangelische Gemeinschaft und die Methodistenkirche hinfort eine Kirche mit dem Namen ›Evangelischmethodistische Kirche‹ sind.«373

Daran anschließend haben – wie in Dresden – nacheinander die Vorsitzenden der regionalen Vereinigungsausschüsse, je zwei Pastoren, vier Laiendelegierte – 370 40 Jahre Diakonische Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchen. Vertretung der ›Freikirchen‹ im Diakonischen Werk der EKD 1957 – 1997, Stuttgart 1997. – Dort Chronologie und kurze Selbstdarstellung, 136 – 139. 371 Neben der bisherigen Evangelischen Gemeinschaft und der bisherigen Methodistenkirche gehörten der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, überwiegend aus Baptisten bestehend, und der Bund Freier evangelischer Gemeinden in jenem Jahr der VEF als Gründungsmitglieder an. Durch die Vereinigung wurde aus dem langjährigen paritätischen Verhältnis von zwei Kinder taufenden und zwei Gläubige taufenden Kirchen eine ungleiche Gemeinschaft von drei Freikirchen, was die eingeübte vertrauensvolle Zusammenarbeit jedoch keineswegs beeinflusste. 372 Ueli Frei, Der Methodismus in Bulgarien 1857 – 1989/90, EmK-Geschichte Monografien 57, o. O. (Frankfurt/M.), 2012, 346 – 390. 373 Wort und Weg. Sonntagsblatt der ev.-methodistischen Kirche, 1. Jg. (1968), 380.

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zwei Frauen und zwei Männer –, zwei Jugendliche, zwei Sonntagsschüler und schließlich die ganze Gemeinde nacheinander gesprochen: »Herr der Kirche, wir sind vereinigt in dir, in deiner Kirche, und von nun an in der Evangelischmethodistischen Kirche.«374 Als 1968 die Kirchenunion stattfand, konnte man nicht ahnen, dass es auch innerhalb Deutschlands zunächst zur Bildung der Nordelbischen EvangelischLutherischen Kirche (1977) und reichlich eine Generation später zuerst durch »Fusion« zur Bildung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (2008) und schließlich zu einer Nordkirche (2012) kommen würde.375

3.12 Entstehung und Wirkung der Leuenberger Konkordie Die Annahme der Leuenberger Konkordie war ein Schritt von epochaler Bedeutung. Sie beendete ein Problem, das in den Protokollen des Friedensschlusses von Osnabrück und Münster 1648 geradezu auf Leuenberg hin angelegt war. Die 1648 erfolgte rechtliche Gleichstellung der Reformierten mit den früher schon staatsrechtlich anerkannten Lutheranern schuf insofern eine neue Lage, als die Grundlagen des ius reformandi von Augsburg 1555 jetzt auf beide Konfessionen anzuwenden waren. Im Zusammenhang der Klärung hinsichtlich von Rechten der Landesherrn beider Konfessionen heißt es im Instrumentum Pacis Osnabrugense (IPO): »Weil aber die Religionsstreitigkeiten, die unter den vorgenannten Protestanten (protestantes) herrschen, bis jetzt nicht beigelegt, sondern einer künftigen Übereinkunft vorbehalten wurden, und folglich die Protestanten zwei Parteien bilden«, war es zukünftig notwendig, die Rechtslage und damit die zwischenkonfessionellen Beziehungen zu klären.376 Die genau 325 Jahre später erfolgte breite Zustimmung zur Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa, der Leuenberger Konkordie,377 hat die ökumenische Lage in Deutschland langfristig verändert. Der endgültige Text wurde am 374 Ebd. 375 In einer Erklärung aus dem Bereich der EKD »Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis – Ein Votum zum geordneten Miteinander bekenntnisverwandter Kirchen«, EKD- Texte 69, Hannover 2001, heißt es zur ökumenischen Zielsetzung: »Die Erklärung und Verwirklichung von Kirchengemeinschaft ist aus evangelischer [gemeint ist: landeskirchlicher] Sicht das Ziel ökumenischen Handelns.« Die Autoren scheinen nicht geahnt zu haben, dass weitergreifende Fusionen und Zusammenlegungen innerhalb so kurzer Zeit im eigenen Bereich erfolgen würden. Zu freikirchlicher Kritik an dem Votum: KJ 129. Jg. (2002), Lieferungen 1 – 3, 341 – 345. 376 Instrumentum Pacis Osnabrugense, Art. VII. Text: Internet Portal »Westfälische Geschichte«/1648. – Ökumenisch hat dieser Artikel auch insofern Gewicht, als es darin heißt: »Außer den zuvor erwähnten Bekenntnissen soll jedoch im Heiligen Römischen Reich kein anderes angenommen oder geduldet werden.« 377 Text der Konkordie von 1973 in: DwÜ, Bd. 3 (2003), 723 – 731.

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16. März 1973 auf dem Leuenberg, in der Nähe von Basel gelegen, verabschiedet. Der Leser spürt zwischen den Zeilen das Ringen der lutherischen, reformierten, unierten Theologen, die zusammen mit den früheren Reformationskirchen der Böhmischen Brüder, der Hussiten und der Waldenser einen Weg gefunden hatten, ihren Kirchen Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft vorzuschlagen. Der Spagat zwischen Union und zu erhaltender konfessioneller Autonomie klingt durch, wenn es z. B. heißt: »Die Konkordie lässt die verpflichtende Geltung der Bekenntnisse in den beteiligten Kirchen bestehen. Sie versteht sich nicht als ein neues Bekenntnis. Sie stellt eine im Zentralen gewonnene Übereinstimmung dar, die Kirchengemeinschaft zwischen Kirchen verschiedenen Bekenntnisstandes ermöglicht.«378 Darin sind Begrenzung und Weite für alle beteiligten Konfessionen klar und knapp zusammengefasst. Der beschlossene Konkordien-Text wurde 88 selbständigen Kirchen mit der Einladung zur Zustimmung vorgelegt. Bis zum 1. Oktober 1974, dem festgelegten Rückmeldetermin, hatten 49 von ihnen ihre Zustimmung erklärt. Damit trat für sie die Kirchengemeinschaft an diesem Tag formal in Kraft. Über den genannten Termin hinaus blieb die Möglichkeit des Zutritts bestehen. Bis zum April 1976 waren 20 weitere zustimmende Erklärungen abgegeben. Was wie ein bürokratischer Vorgang ohne gottesdienstliche Danksagung und feierliche Einführung erscheint, war für den kontinentalen landeskirchlichen Protestantismus ein Ereignis, das man rückblickend als einen ökumenischen Quantensprung bezeichnen muss. Nach fast 450 Jahren Scheidung im Verständnis der zentralen Abendmahlsfrage öffnete die Konkordie jetzt den Weg zur gemeinsamen Mahlfeier, weil durch die Zustimmung zu ihr Kirchengemeinschaft als Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft geschlossen war. Was im August 1945 bei der Kirchenführerkonferenz in Treysa noch nicht möglich war und womit kein Gottesdienst einer EKD-Synode verbunden werden konnte, dazu stand jetzt die Tür offen. Gemeinsame Mahlfeiern hatten jetzt auch einen kirchenrechtlich tragfähigen Boden. Zusammen konnte man jetzt sagen: »Im Abendmahl schenkt sich der auferstandene Jesus Christus in seinem für alle dahingegebenen Leib und Blut durch sein verheißendes Wort mit Brot und Wein. […] Er lässt uns neu erfahren, dass wir Glieder an seinem Leibe sind.«379 Diese Erfahrung der Einheit als Christusgemeinschaft war jetzt nach einer langen Konfliktgeschichte, die einen frühen Höhepunkt 1529 in der Marburger Disputation zwischen Luther und Zwingli hatte,380 möglich geworden. Es wurde

378 Ebd., Abs. 37, 729 f vermittelt diesen Text unter der Zielvorstellung »Verwirklichung der Kirchengemeinschaft – theologische Weiterarbeit«. 379 Ebd., 727. 380 Man darf nicht vergessen, wie hochrangig die Marburger Religionsgespräche besetzt waren: Außer Luther und Zwingli waren Stephanus Agricola, Johannes Brenz, Martin

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ausdrücklich festgestellt: Die der Kirchengemeinschaft »seit dem 16. Jahrhundert entgegenstehenden Trennungen sind aufgehoben«.381 Der Weg zu dieser Kirchengemeinschaft war lang. Im Augsburger Religionsfrieden wurde allein den Lutheranern382 – unter dem Ausschluss der Calvinisten und der Zwinglianer, der Täufer und aller evangelischen »Schwärmer« – der Status einer reichsrechtlich anerkannten Konfession verliehen. Wie sollte eine anerkannte und eine verworfene Kirche unter den Bedingungen einer staatlich bestimmten Religionspolitik miteinander in voller Gemeinschaft stehen können? Was innerprotestantisch durch »Religionsgespräche« nicht geklärt werden konnte, wurde durch politische Entscheidungen noch vertieft. Unter den Bedingungen eines freiheitlich demokratischen Rechtsstaates mit völliger staatlicher Unabhängigkeit der Kirchen kam es in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in den Jahren 1955 – 1960 zunächst zu bilateralen Gesprächen zwischen Lutheranern und Reformierten, die auf europäischer Ebene eingeleitet wurden. Die Initiative war von der dritten Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung 1952 in Lund ausgegangen. Es kam zu fünf Dialogrunden. Von Anfang an waren sie durch die Teilnahme von Hans Heinrich Harms und Heinrich Renkewitz personell mit der ACK bzw. dem DÖSTA verbunden. Nach einer vorbereitenden Begegnung in Davos fanden die weiteren Gespräche in Arnoldshain/Taunus statt. 1960 kam es zum Abbruch der Gespräche. Die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung ergriff erneut die Initiative. An den Planungen für eine neue Gesprächsreihe nahm bereits Wenzel Lohff383als einer von den je vier lutherischen und reformierten Vertretern teil. Dass diese Vorarbeit im ökumenischen Begegnungszentrum Bossey stattfand, zeigt wieder den ökumenischen Einfluss. Als Folge davon kam es zwischen 1964 und 1967 – nach dem Schweizer Tagungsort benannt – zu vier Schauenburger Gesprächen. Zum Abschluss der intensiven Dialogreihe wurde die jahrhundertealte Frage der Kirchengemeinschaft unter den Bedingungen eines gemeinsamen reformatorischen Ansatzes formuliert. Damit war ein Anstoß gegeben, eine tiefere ökumenische Gemeinschaft anzustreben, ohne die jeweilige konfessionelle Identität preiszugeben. Als Zwischenglied auf dem Weg von Schauenburg nach Leuenberg fand im April 1968 in Tutzing eine Tagung statt. Wieder kamen Delegierte des Lutherischen und des Reformierten Weltbunds mit Vertretern der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung zusammen. Die Reaktionen aus den Kirchen zu Bucer, Philipp Melanchthon, Johannes Oekolampad, Andreas Osiander u. a. in Marburg dabei. 381 DwÜ, Bd. 3 (2003), 723 – 731, 729. 382 Die staatskirchenrechtliche Anerkennung der Reformierten erfolgte erst durch die Vereinbarungen des Westfälischen Friedens 1648, durch die sie nunmehr in die den Lutheranern gewährte Rechtsstellung einbezogen wurden. 383 Der Lutheraner Wenzel Lohff war später einer der Leuenberger Sekretäre.

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den Schauenburg-Ergebnissen hatten einen zustimmenden Grundton, der eine Weiterarbeit sinnvoll erscheinen ließ. Um zu einem überregionalen und weiter gefassten interkonfessionellen Ergebnis zu kommen, sollten zu weiterführenden Gesprächen Teilnehmer aus nord- und osteuropäischen Ländern eingeladen werden, dazu die Unierten Kirchen. 1969 konnten die Leuenberger Gespräche beginnen. Sie bereiteten einen ökumenischen Schritt vor, der durch den nachfolgenden Vollzug der Kirchengemeinschaft als Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft der gesamten innerdeutschen ökumenischen Entwicklung einen bis heute wirksamen Impuls verlieh.384 Zum Verständnis für die innerhalb der ACK diskutierten Schritte zu mehr Verbindlichkeit und umfassenderer Zusammenarbeit ist diese von Leuenberg im deutschen Landeskirchentum ausgelöste Entwicklung, die in der Frühzeit keineswegs nur positiv war, nicht zu unterschätzen. Allerdings ist der gesamtökumenische Fortschritt – auch aus der Sicht weiterer Partnerkirchen – nicht einfach. Wenn es schon nach den intensiven theologischen Gesprächen, die zwischen 1969 und 1973 auf dem Leuenberg geführt wurden, in der bayerischen Landeskirche durch Bischof Dietzfelbinger artikulierte Vorbehalte grundsätzlicher Art, sogar persönliche Konsequenzen gab, wie viel mehr musste man damit rechnen, dass es gegenüber einer ökumenischen Gemeinschaft Zurückhaltung geben musste, die den Rahmen jener in der Reformationszeit entstandenen Konfessionen übersteigt. Jedenfalls haben sich von den Kirchen innerhalb der ACK bisher lediglich die Methodisten dieser Kirchengemeinschaft angeschlossen. Andere haben an dieses Modell der Gemeinschaft noch kritische Anfragen.385 Aus der Sicht der innerdeutschen Ökumene ist auch hier wieder auffallend, in welch starkem Maße die Initiative für die gewonnene Kirchengemeinschaft innerhalb der EKD immer wieder neu von der Genfer Ökumene ausging. Am Rande sei angesichts dieser historischen Erfahrung erwähnt, dass es dem ökumenischen Beobachter sehr mutig erscheint, wenn nach 450-jähriger Trennung zwischen reformatorischen Kirchen keine fünfzig Jahre nach dem römischen Konzil die Forderung nach eucharistischer Gemeinschaft, die über die Lage der konfessionsverbindenden Ehen hinausreicht, immer wieder forsch und freimütig ergeht. Der Leuenberger Text bietet zunächst für eine innerprotestantische Kirchengemeinschaft einen völlig neuen Ansatz, wenn man ihn mit älteren und neueren Bekenntnistexten vergleicht, wenngleich die Konkordie sich ausdrücklich nicht als ein neues Bekenntnis verstanden wissen will. Die grundle384 Vgl. einzelne Abschnitte aus Kap. 4.7.1 bis 4.7.21. 385 Z. B. der Mennonit und Ökumeniker Fernando Enns in: Ökumene denkt weiter. Kirchen der täuferischen Tradition im Dialog. ThLZ Jg. 138 (2013) 638 – 658.

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genden Bekenntnisse aus der Reformationszeit dienten nicht nur der Formulierung des eigenen theologischen Selbstverständnisses, sondern sie waren – da sie sich in diesem Sinn nicht als tragfähig erwiesen haben, die Gemeinschaft zwischen der römisch-katholischen und der lutherischen Kirche zu erhalten – immer auch eine Abgrenzung gegenüber anders lehrenden Konfessionen, die ihrerseits Bekenntnisse mit dem gleichen Ziel formuliert hatten. In der jüngeren Geschichte änderte sich die Blickrichtung. Die Barmer Theologische Erklärung bildete nun die Grundlage zur Abgrenzung gegenüber einem Staat, der im Widerspruch zu den Lehren der christlichen Kirchen stand und gegenüber grassierenden Irrlehren, die ideologisch bestimmt waren und durch staatliche Propaganda und Einflussnahme indoktriniert waren. Die Richtung der Abgrenzung hatte sich also geändert. Leuenberg ging noch einen Schritt weiter. Es wird der Weg der innerkirchlich-konfessionellen Abgrenzung oder gar der Formulierung von Verwerfungen verlassen. Die Konkordie hat sich aller abgrenzenden Tendenzen entledigt und einen integrierenden Weg gefunden, auf dem ein verbindlicher und verbindender Schritt zu größtmöglicher Gemeinschaft gemeinsam gegangen werden kann, ohne das jeweils eigene theologische Selbstverständnis weder zu verleugnen noch absolut zu setzen. Das wurde möglich, nachdem zu den seit der Reformationszeit trennenden Fragen des Abendmahls, der Christologie und der Prädestinationslehre Positionen formuliert werden konnten, die aus heutiger Sicht schriftgemäß sind. Einverständnis wurde darüber erzielt, dass es für die Begründung von Kirchengemeinschaft ausreicht, wenn eine »Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums« festgestellt werden kann. Von daher ist auch die gegenseitige Anerkennung der Ordination und die Praxis der Interzelebration möglich. Mit der Konkordie ist eine Grundlage geschaffen, die über die Mahlfeier hinaus zukünftig gemeinsame Schritte im Zeugnis und im Dienst leichter ermöglicht. Trotz des geschaffenen gemeinsamen Fundaments sahen sich die beteiligten Kirchen in zweierlei Hinsicht nur am Anfang auf dem Weg zu voller Einheit. (1) Alle Leuenberg-Kirchen haben sich zu kontinuierlichen Lehrgesprächen verpflichtet, durch die eine Vertiefung der Gemeinschaft erfolgen soll. (2) Jene Kirchen, welche die grundlegenden theologischen Gespräche geführt und danach ihre offizielle Zustimmung zu der Konkordie erklärt haben, sehen sich nicht als eine exklusive Gemeinschaft an. Es war von Anfang an eine ökumenische Dimension eingeplant, die vorsah, weitere Kirchen zur verbindlichen Zustimmung einzuladen. Die genannten Konsequenzen sind mit einem Bild von Kirche verbunden, das als »Einheit in versöhnter Verschiedenheit« definiert ist. In jenen unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen erst in nachaufklärerischer Zeit entstandenen staatsfreien Kirchen, die sich zu keiner Phase ihrer Geschichte als »Konfessionen«, sondern als »Denominationen« verstanden haben, ist dieser Gedanke aus

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Zeit der Neuordnung und der ACK-Erweiterungen

dem Bewusstsein, Teilkirchen der einen Gemeinde Jesu Christi zu sein, von ihrem ekklesiologischen Selbstverständnis her von Anfang an grundlegend gewesen. Baptisten haben zwar ihr Verständnis der Taufe verteidigt, aber sie haben immer auch die Kirchen mit einer anderen Taufpraxis respektiert und als Kirchen anerkannt. Methodisten haben von ihrem anglikanischen Ursprung her nicht gegen sie umgebende Kirchen und Lehren gekämpft. Ihr Hauptmotiv war nicht der Kampf um die ›rechte Lehre‹. Sie haben in eine dem Glauben und der Kirche entfremdeten, deistisch aufgeklärten Gesellschaft hinein den Ruf des Evangeliums zu einem persönlich gewissen Glauben und einem neuen Leben in sozialer Verantwortung einzuladen, als zentralen Ausgangspunkt ihres denominellen Selbstverständnisses betrachtet. Der Leuenberg-Prozess hat nicht nur die beteiligten Kirchen bewegt. Andere in der Reformation beheimatete Kirchen haben die Gespräche von Anfang an mit Interesse verfolgt.386 Innerhalb der methodistischen Kirchenfamilie gab es im Wesentlichen zwei unterschiedliche Positionen. Innerhalb der Evangelischmethodistischen Kirche in Deutschland wurde von Anfang an die Meinung vertreten, dass Leuenberg zunächst ein Prozess jener Traditionsströme bleiben sollte, die aus dem Erbe ihrer langen Geschichte Fragen der Vergangenheit miteinander zu klären hatten. Als ein selbst erst im 18. Jahrhundert ins Leben getretener Zweig der einen Kirche Christi sah sie keine Veranlassung, an dem aus historischen Gründen zunächst konfessionsbezogenen Klärungsprozess teilzunehmen. Auch auf Weltebene hatte die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung lediglich den Lutherischen und den Reformierten Weltbund einbezogen, nicht auch den Weltrat Methodistischer Kirchen oder andere WeltbundFamilien. Anders wurde – allerdings auch erst 1976, also nach Sigtuna387 – die Beziehung zur Konkordie aus der Britischen Methodistenkirche gesehen. Der Sekretär des Committee for European Relations of the Methodist Church, Reverend Peter Stephens, hatte sich am 21. Oktober 1976 an den Koordinierungsausschuss für die Leuenberger Lehrgespräche gewandt, um Fragen der Beziehung aufzuwerfen. Er erhielt von den beiden Sekretären Wenzel Lohff und David van Allmen eine sehr vorsichtige Antwort, da weder sie noch der Koordinierungsausschuss kirchenleitende Befugnisse hätten. Sie teilten aber unmissverständ386 Z. B. publizierte die methodistische Kirche in der DDR in ihrem Amts- und Informationsblatt schon am 25. Febr. 1972 Auszüge aus Teil III und Teil IV des Konkordien-Entwurfs (Abendmahl, Christologie, Prädestination; Folgerungen, Herstellung und Verwirklichung von Kirchengemeinschaft, Organisatorische Folgen und Ökumenische Aspekte). Evangelisch-methodistische Kirche in der DDR, Informationen, Handreichungen, AMTSBLATT, I/ 72, Dresden 1972, 19 – 22. 387 In Sigtuna (Schweden) fand vom 10. bis 16. Juni 1976 die erste Vollversammlung der Leuenberger Kirchengemeinschaft – seit 2003 Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) – unter dem Thema »Zeugnis und Dienst reformatorischer Kirchen im Europa der Gegenwart« statt.

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lich mit: »Im Lichte der Konkordie im Allgemeinen schiene es uns verfrüht, andere Kirchen einzuladen, zur Konkordie offiziell Stellung zu nehmen und evtl. ihren Beitritt zu dieser Kirchengemeinschaft zu erklären.«388 Zur Rolle von Beobachtern schrieben sie, diese mögen »dazu beitragen, dass allmählich neue Beziehungen zwischen den europäischen Kirchen reformierter und lutherischer Prägung einerseits und den verschiedenen methodistischen Kirchen andererseits zustande kommen. Dies schiene uns aber ein neuer Schritt zu sein, und die Annahme der Konkordie schiene uns wegen ihrer Bedeutung im Netz der lutherisch-reformierten Beziehungen nicht unbedingt geeignet zu sein, diesen Schritt zu konkretisieren.«389

Unter Hinweis auf die in Deutschland und der Schweiz wirksam gewordene Vereinigung zwischen der Evangelischen Gemeinschaft und der Methodistenkirche und der in Italien damals bevorstehenden Union zwischen Waldensern und Methodisten wird die Entstehung dieser Beziehungen als ein Prozess bewertet, der bereits im Gange sei und »je nach der Situation verschiedene Formen der Verbundenheit annehmen kann.« Das Spektrum reiche von einer »strukturellen Verbundenheit ohne Verlust der eigenen Identität bis zur eigentlichen Kirchenunion, wie sie in England auch mit der Church of England geplant« sei. Generell sei die Beteiligung von Beobachtern oder Beratern wünschenswert. Sie wären jedoch auf den Regionalebenen einzubeziehen. Für sie sei man bereit, »eine solche Kontaktsuche zu empfehlen.« Dieser Verweis an die Regionen scheint auf das Gespräch im Koordinierungsausschuss zurückzugehen, in dem sich die unterschiedliche Haltung bei den Methodisten zeigte, wenn es in dessen Protokoll, das die Aussprache zum Brief von P. Stephens resümiert, heißt, »dass die methodistische Kirche nicht in allen Teilen an einer Teilnahme an den Leuenberger Lehrgesprächen interessiert scheint.«390 Die Antwort an die Britische Methodistenkirche nach der Vollversammlung der Leuenberger Signatarkirchen in Sigtuna391 lenkte ihr Augenmerk auf die weitere Entwicklung dieser im Grunde noch im Entstehen begriffenen neuen Kirchengemeinschaft. Im schwedischen Sigtuna wurde weniger eine Erfolgsgeschichte gefeiert, als dass Fragen aufzuarbeiten waren, die sich aus den unterschiedlichen Kontexten der Kirchen im internationalen Raum stellten. Es ging um theologische Fragen und kirchenpolitische Probleme, um die Aufnahme und 388 Das Schreiben von W. Lohff und D. von Allmen im Auftrag des Koordinierungsausschusses für die Leuenberger Lehrgespräche vom 13. April 1977 an den Sekretär des Committee for European Relations of the [British] Methodist Church, Peter Stephens, ist veröffentlicht in: EmK Geschichte, hgg. von der Studiengemeinschaft für Geschichte der Evangelisch-methodistischen Kirche, 28. Jg. (2007), Heft 2, 64 – 66. 389 Ebd. – Daraus auch die folgenden Zitate. 390 Koordinierungsausschuss für die Leuenberger Lehrgespräche, Prot. 1./2. Juli 1977. 391 Auswirkung von Sigtuna her in der DDR vgl. Kap. 3.10.2.

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Zeit der Neuordnung und der ACK-Erweiterungen

Verarbeitung von Gesprächsergebnissen, um synodale Anfragen und nicht zuletzt um Überlegungen, welche Konsequenzen sich aus der Zustimmung zur Konkordie in den Kirchen und Gemeinden auch regional wie in anderen ökumenischen Zusammenhängen ergeben. Ökumenisch gesehen war das gewiss kein leichter Prozess, denn die Signatarkirchen waren in ihren Ländern überwiegend Mehrheitskirchen, jedenfalls bestimmten diese das Bild auch Jahre später noch. Als beispielsweise die Veröffentlichung in dem international bedeutsamen Band mit den Dokumente[n] wachsender Übereinstimmung erfolgte, schrieb Harding Meyer einleitend, dass die Verabschiedung des Textes »von Delegierten der großen Mehrzahl lutherischer, reformierter und unierter Kirchen Europas« erfolgt sei.392 Die Minderheitskirchen der teilnehmenden Böhmischen Brüder, der Hussitischen Kirche und der Kirche der Waldenser als vorreformatorische Kirchen waren nach dreißig Jahren schon in den Hintergrund geraten. Die überwiegend regional oder national organisierten Mehrheitskirchen waren in der Frühzeit noch damit befasst, die Konkordie auch im größeren ökumenischen Rahmen zu verorten. Die EKD stand bereits seit 1964 in Gesprächen mit der Kirche von England, die 1988 zur Annahme der Meißener Gemeinsamen Feststellung führte, welche 1991 in Gottesdiensten in der Londoner Westminster-Abbey und der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche verkündet wurde. Sie hat allerdings noch keine so weitgehende Konsequenz der Kirchengemeinschaft, die auch Abendmahlsgemeinschaft einschließt, erzielen können. Auf einer Nordschiene haben fast zur gleichen Zeit die Britischen und Irischen Anglikaner mit den Lutherischen Kirchen in den nordeuropäischen Staaten unter Einschluss der Baltischen Lutheraner um die sog. Porvooer Gemeinsame Feststellung gerungen, die zwischen diesen Kirchen den Weg zur Abendmahlsgemeinschaft durch die gemeinsame Tradition der apostolischen Sukzession ermöglichte. Daran sind seit 1992 zwölf lutherische und anglikanische Kirchen beteiligt.393 Diese verschiedenen Gesprächsebenen, dazu die im Bereich der Ökumene weltweit geführten Gespräche im Vorfeld der 1982 in Lima abgeschlossenen Erarbeitung der Konvergenzerklärungen zu Taufe, Eucharistie und Amt, müssen im Blick bleiben, wenn man das Abwägen und Ringen verstehen will, das die Umsetzung der Leuenberger Konkordie begleitete. Wie sich die Leuenberger Konkordie auf nationaler Ebene durchgesetzt hat, zeigte sich 1983, als die EKD-Synode ihrer Grundordnung die Feststellung hinzufügte, dass auf der Grundlage der Leuenberger Konkordie Kirchengemeinschaft zwischen ihren Gliedkirchen besteht. Dadurch wurde nicht ohne 392 Harding Meyer, Damaskinos Papandreou, Hans Jörg Urban, Lukas Vischer (Hg.), DwÜ, Bd. 3, Paderborn/Frankfurt/M. 2003, 724. 393 Text Porvooer Gemeinsame Feststellung von 1992 in: DwÜ, Bd. 3 (2003), 749 – 777.

Die innerdeutsche Ökumene vor einer neuen Zukunft

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ernsthafte Debatten innerhalb der EKD das Selbstverständnis, eine Kirche zu sein, einen Schritt weiterentwickelt. Ein weiterer Schritt folgte, als der Rat der EKD nach Einverständnis sowohl der Synode wie der Kirchenkonferenz am 10. Sept. 1999 die Zustimmung zur Leuenberger Konkordie beschlossen hat.394 Damit ist genau 25 Jahre nach ihrem Inkrafttreten und dem Beitritt ihrer Gliedkirchen auch die EKD selber ein Mitglied von Leuenberg geworden. Das wiederum ist für die innerdeutsche Ökumene nicht ohne Bedeutung; denn bisher konnte die EKD innerhalb Deutschlands als autorisierter Dialogpartner nicht aktiv werden. Die zwischenkirchlichen theologischen Gespräche der Landeskirchen mit anderen protestantischen Kirchen innerhalb Deutschlands wurden als Lehrgespräche fast ausschließlich von der VELKD geführt und anschließend von den EKD-Gliedkirchen anderer Konfession übernommen. In der weiteren Entwicklung stellte die Leuenberger Konkordie für die zwischenkirchlichen Beziehungen in Deutschland theologische Rahmenbedingungen bereit, die teilweise zu Kirchengemeinschaft, teilweise zu eucharistischer Gastbereitschaft oder zu anderen Vereinbarungen in erkennbarer Beziehung zu Leuenberger Positionen geführt haben.

3.13 Die innerdeutsche Ökumene vor einer neuen Zukunft Vier herausragende internationale ökumenische Ereignisse haben in den sechziger und siebziger Jahren in Deutschland viel erfreuliche Bewegung bewirkt. In chronologischer Folge ist zuerst das Zweite Vatikanische Konzil zu nennen, das am 8. Dezember 1965 in Rom abgeschlossen wurde. 1968 kehrten die Teilnehmer der vierten Vollversammlung des ÖRK inspiriert und voller ökumenischem Enthusiasmus aus Uppsala zurück. Die von 1971 bis 1975 in Würzburg tagende Synode der römisch-katholischen Bistümer in der Bundesrepublik gab für die zukünftige ökumenische Gemeinschaft neue Rahmenbedingungen für die gestaltende Ordnung des Zusammenwirkens aller Kirchen. Sie fand nicht nur eine Basis in einer Neuen Satzung der Bundes-ACK, sondern wirkte sich in den Regionen und Städten konkret aus. Zur gleichen Zeit erhielt die Beziehung überwiegend der Landeskirchen in Deutschland einen wirksamen Impuls durch die Annahme der Leuenberger Konkordie und die Zustimmung der einzelnen Landeskirchen. Die aus diesen grundlegenden Impulsen erwachsenen Entwicklungen haben soviel Bewegung gebracht, dass es im folgenden Kapitel nur möglich sein wird, diese enormen Konsequenzen in groben Zügen zu erfassen.

394 www.ekd.de/international/berichte/2000/oekumene_reader2000_07.html.

Kapitel 4 – Teil 1: Zeit der beginnenden Rezeptionen und Aktionen – Wachsende Voraussetzungen

In dem folgenden Kapitel wird unter Verzicht auf eine umfassende und chronologische Darstellung der Entwicklung der innerdeutschen Ökumene der Versuch unternommen, zwei Aspekten besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Zuerst ist der Blick auf die neuen vertrauensvollen Entwicklungen zu richten, die eine fundamentale Voraussetzung für positive zwischenkirchliche Beziehungen sind und die erst Rezeptionsprozesse, deren Ergebnisse zusammengefasst dargestellt werden sollen, möglich gemacht haben. Danach soll in einem zweiten Teil die unausgeschöpfte Vielfalt der inzwischen praktizierten Formen von Rezeption erfasst werden, wie sie innerhalb der Ökumene in Deutschland bereits zur Wirkung gekommen sind. Damit soll auch gezeigt werden, wie lebendig sich allen Unkenrufen zum Trotz die ökumenische Entwicklung in den letzten Jahrzehnten in Deutschland gestaltet hat.

4.1

Rezeptionen: Früchte wachsenden Vertrauens

Der in der ökumenischen Diskussion verwendete Begriff »Rezeption« ist vielschichtig. Im zwischenkirchlichen Bereich wird er für ganz unterschiedliche Prozesse, um die es immer geht, verwendet. Die prozessuale Rezeption beginnt bei innerkonfessionellen Entwicklungen und reicht hin bis zur verbindlichen Zustimmung zu gesamtökumenischen Dokumenten und Vereinbarungen. Ein herausragendes Beispiel ist die öffentliche Unterzeichnung der Charta Oecumenica durch die von ihren Kirchen bevollmächtigten Repräsentanten im Rahmen des ersten Ökumenischen Kirchentags 2003 in Berlin. Die mit solchen Rezeptionsprozessen verbundenen Erwartungen oder Ziele können vielfältig und von unterschiedlichem Gewicht sein. Gemeinsam ist ihnen allen, dass eine auch kirchenrechtliche Verbindlichkeit wenigstens angestrebt wird. Ökumenisch geht es letztlich um Schritte, die zu einer wachsenden vertrauensvollen Gemeinschaft führen. Man kann sie also als punktuelle Fortschritte in konkreten

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Zeit der beginnenden Rezeptionen und Aktionen (Teil 1)

Bereichen sehen, die auf das große ökumenische Ziel der sichtbaren Einheit der Kirche Christi hinzielen. In der ökumenischen Entwicklung ist zu beobachten, dass ein konkretes Hinarbeiten auf ökumenische Rezeption in der innerdeutschen ökumenischen Gemeinschaft durch den aktiven Eintritt der römisch-katholischen Kirche mindestens verstärkt, wenn nicht erst wirklich angestrebt worden ist. Im Hintergrund stehen dabei unterschiedliche Konzeptionen über die Ziele der ökumenischen Bewegung, insbesondere die bisher zwischen Katholiken und Protestanten ungelöste Frage nach der Gestaltung einer sichtbaren Einheit. Der Rezeptionsprozess umfasst bei konsequenter Entwicklung verschiedene Stufen. Zunächst ist ein gemeinsamer Text zu erarbeiten, der von den beteiligten Partnern akzeptiert werden kann. Dieser Text wird den kirchenrechtlich bevollmächtigten Gremien aller Beteiligten zur innerkirchlichen Bestätigung vorgelegt. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, den Text in ökumenischer Gemeinschaft verbindlich anzunehmen. Bis zu diesem Punkt ist weitgehend der Weg, den beide Partner gemeinsam gehen, abgeschritten.1 Die Praxis zeigt aber, dass dies leicht als Endpunkt des Prozesses angenommen wird. Die Einsicht von daran anschließenden Schritten scheint – wie die Praxis in den Gemeinden zeigt – noch wenig entwickelt. Tatsächlich beginnt nun für die sich gegenseitig verpflichteten Partner der Vollzug nach innen. Bis zur Übereinkunft haben überwiegend Theologen die Gespräche geführt. In der Umsetzung innerhalb jeder einzelnen Kirche haben nun deren Kirchenjuristen die Aufgabe, die in theologischen Gesprächen neu geschaffene Situation kirchenrechtlich umzusetzen und auf dem in den teilnehmenden Kirchen üblichen Weg in die Kirchenordnungen einzufügen. Wenn beispielsweise zwischen den Partnern »Kirchengemeinschaft« vereinbart wurde, wie zwischen den Gliedkirchen der EKD und der Evangelisch-methodistischen Kirche, dann bedeutet das nicht nur eine Erweiterung des Kanzelrechts, sondern es müssen auch andere Fragen kirchenrechtlich geklärt werden.2 Es scheint bisher noch wenig in das Bewusstsein der Kirchen eingedrungen zu sein, dass ökumenische Rezeptionen immer auch Eingriffe in das bestehende Rechtsgefüge aller beteiligten Partner zur Folge haben. Nur wenn die mit theologischer Begründung gewollten und nötigen Vereinbarungen von den Kirchenjuristen in rechtliche Formen gebracht und im protestantischen Bereich von den Synoden beschlossen werden, kann überhaupt erst der Prozess der Rezeption zu verbindlichen Abschlüssen geführt werden. Das ist natürlich unter den Signatarkirchen der Leuenberger Konkordie leichter als im ökumenischen Ernstfall mit einer bisher »fremden« Kirchengestalt wie sie die Methodisten 1 Vgl. Kap. 4.7. 2 Vgl. Kap. 5.6.1.

Rezeptionen: Früchte wachsenden Vertrauens

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darstellen. Aber dieses Exempel kann eine gute Einübung für die zukünftige Entwicklung sein. Ein den Rezeptionsprozess abschließend notwendiger Schritt ist nach der jeweiligen innerkirchlichen Umsetzung durch die Aufnahme in das eigene Kirchenrecht die offizielle Mitteilung an die Partner über diesen entsprechenden Vollzug. In dieser Beziehung sind eindeutig noch Verbesserungen nötig, die in ganz unterschiedliche Richtungen zielen. Schon 1986 formulierte ein Studienausschuss mit Vertretern der VELKD und des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbunds nach der Untersuchung von drei »Fallstudien«: es »hat sich gezeigt, daß man erst wirklich von Rezeption sprechen kann, wenn die Gemeindeebene erreicht ist, und nicht schon, wenn landeskirchliche Gremien ihre Zustimmung gegeben haben.«3 Manchmal erscheint es in unserer öffentlichen ökumenischen Begegnung leichter, an den Partner quasi nach außen Wünsche, manchmal auch Forderungen zu stellen, ohne selber auch die Konsequenzen nach innen zu bedenken. Die grundlegenden Voraussetzungen zur Einleitung und Durchführung von Rezeptionsprozessen haben sich auch innerhalb Deutschlands in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert. Ein wesentlicher Grund dafür ist das gewachsene gegenseitige Vertrauen von Einzelpersonen wie auch der Kirchenleitungen untereinander. Es sind im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche Ebenen zwischenkirchlicher Kontakte gewachsen. Sie haben eine erhebliche Vermehrung von ökumenischen Begegnungsebenen und Kontaktnetzen geschaffen, durch die Räume zum Ausloten von Möglichkeiten und zu vertrauensvollen kontroversen Diskussionen im Sinne des weiterführenden Dialogs eröffnet sind. Eine Folge der Bildung ganz unterschiedlicher ökumenischer Arbeitsebenen ist, dass Rezeptionsprozesse nicht mehr – wie in früheren Zeiten – fast ausschließlich durch Gutachten staatlicher Theologischer Fakultäten fundiert werden. Heute ist die Erörterung und Erarbeitung mehr denn je in den Kirchen selber verortet. Infolgedessen wird der Prozess hier wiederum durch eine verhältnismäßig breite Beteiligung von Theologen und Nichttheologen mitgetragen, die am Ende die verbindlich zu treffenden Entscheidungen umsetzend gestalten sollen und auch wollen. Vielleicht gibt es hier zwischen Katholiken, Landeskirchlern und Freikirchlern noch unterschiedliche Organe, die wiederum mit verschieden gewichtigen Kompetenzen ausgestattet sind, aber das Interesse an Mitsprache und Mitgestaltung hat auch in ökumenischen Angelegenheiten überall erkennbar zugenommen. Im ökumenischen Rezeptionsprozess werden die verbindlichen und auch kirchenrechtlich wirksamen Entscheidungen in den einzelnen Konfessionen 3 Hermann Brandt (Hg.), Kirchliches Lehren in ökumenischer Verpflichtung. Eine Studie zur Rezeption ökumenischer Dokumente, Stuttgart 1986, 41.

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und Denominationen auf ganz unterschiedliche Weise wahrgenommen, weil sie dafür jeweils dem eigenen theologischen Selbstverständnis entsprechende Organe eingesetzt haben. Dadurch werden die Entscheidungen auf sehr verschiedenen, mit kirchenrechtlichen Kompetenzen ausgestatteten Ebenen der jeweils beteiligten kirchlichen Körperschaften getroffen. Aber im Vergleich zu früher werden heute alle Entscheidungen ausschließlich durch kirchliche Gremien getroffen. Damit ist eine Voraussetzung zum konsequenten Dialog zwischen den früheren Staatskirchen und den damaligen Freikirchen entstanden, die ökumenisches Handeln erst ermöglicht. Auch die Verantwortungsträger sind auf unterschiedlichen Wegen in ihre Funktion gewählt, eingesetzt oder ernannt und mit unterschiedlichen Vollmachten ausgestattet worden. Für ökumenische Prozesse kann dies gelegentlich ein Problem werden, das sich nicht auf die Autorität zur Zustimmung oder Ablehnung bezieht, sondern das sich auf die Dauer eines Rezeptionsprozesses auswirken kann. In Schweden hat bei einer Kirchenunion die Gemeinschaft Geduld haben müssen, bis die verfassungsgemäß zustimmungspflichtige methodistische Generalkonferenz in ihrem Vierjahresrhythmus 2012 positiv entschieden hat. Der Unterschied zwischen dem Entscheidungsrecht in der Hand einer Person, einer Kirchenleitung, einer Synode oder einem Bund von independenten Gemeinden ist in der Praxis nicht ohne Auswirkung. Die Darlegungen auf den kommenden Seiten wollen die Aufmerksamkeit auf bereits eingeleitete und weiter auszugestaltende Entwicklungen lenken. Sie sollen gleichzeitig einen Überblick darüber geben, wie vielfältig und erfreulich die Entwicklung vorangeschritten ist, die sich keinesfalls nur zwischen den sogenannten Großkirchen vollzieht, sondern fast alle ökumenischen Partnerkirchen auf ganz unterschiedlichen Ebenen innerhalb der Konfessionen einbezieht.

4.2

Zur Entwicklung von zwischenkirchlichen Beziehungen

Die ökumenische Entwicklung innerhalb Deutschlands verdankt sich vielfältiger Impulse. Neben der Bildung von ökumenischen Institutionen und Organen von der Bundes-ACK bis zu den regionalen und örtlich aktiven Arbeitsgemeinschaften, kam es für Gemeindeglieder bei Kirchentagen auf unterschiedlichen Ebenen, aber auch bei Gemeindebegegnungen in ökumenischen Bibelwochen und gemeinsamen Gottesdiensten zu bis dahin unbekannt gebliebenen Erfahrungen. Bevor insbesondere die Rolle der ACK aufgegriffen wird, sind andere Initiativen und Entwicklungen zu bedenken. Die Kirchen selber spielten dabei unterschiedliche Rollen.

Zur Entwicklung von zwischenkirchlichen Beziehungen

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4.2.1 Unkoordinierte persönliche Initiativen Zwei Linien treten besonders früh hervor. Aus angelsächsischen Ländern zurückgekehrte Pfarrer haben dort als Kriegsgefangene, später als Austauschstudenten zu verschiedenen Freikirchen Kontakte gehabt. Das hat sie teilweise berührt und ihnen eine neue Sicht auf »fremde« Kirchen eröffnet. Sie kamen als ökumenisch offene Heimkehrer wieder in ihre Kirchen zurück.4 Durch ihre Erfahrungen eröffneten sich ökumenische Nachbarschaften, die sich für Minderheitskirchen bis dahin fast ausschließlich auf die Evangelische Allianz begrenzt hatten. Diese Erfahrungen wurde auch dadurch erweitert, dass Pfarrer in Kriegsgefangenschaften mit freikirchlichen Pastoren zusammen in den Bibelkreisen, Theologengesprächen sowie in der Seelsorge und Gottesdienstgestaltung zu einer unüblichen Gemeinschaft fanden. Die Verantwortlichen in den angelsächsischen Ländern, die innerhalb der Lager Aufgaben zuwiesen, haben aus ihrer Sicht ganz selbstverständlich freikirchliche und landeskirchliche Pastoren gleichrangig behandelt. In der konkreten Begegnung haben nicht nur Pfarrer neue Einsichten gewonnen, sondern viele Kriegsgefangene sind durch die ökumenische Betreuung zu einer anderen Sicht auf die heimatliche baptistische oder methodistische Nachbargemeinde gekommen. Daneben war das Stipendienprogramm des ÖRK für Theologen nachhaltig wirksam. Ich greife nur ein Beispiel heraus. Als der junge Hamburger Theologe Peter Stolt sein Studium abgeschlossen hatte, gehörte er zu den Privilegierten, die für ein Jahr in die USA gehen konnten. Ökumenische Stipendiaten wie er haben einen ökumenischen Horizont gewonnen. Stolt initiierte nach seiner Rückkehr in Hamburg die Bildung eines Ökumenischen Jugendrates. Er wurde 1962 gegründet. In einem ökumenischen Treffen der Hamburger Jugendökumene kam es sogar zu einer Dialog-Predigt, die von dem lutherischen Jugendpfarrer Stolt und einem jungen methodistischen Pastor gehalten wurde.5 Der 4 Während meiner Tätigkeit an der Seite von Bischof Dr. Friedrich Wunderlich und zugleich als Geschäftsführer des gesamtkirchlichen Hilfswerks habe ich in den 60er Jahren sowohl in der DDR wie in der BRD eine ganze Reihe von Einweihungen neuerbauter methodistischer Kirchen miterlebt. Dazu wurden regelmäßig ökumenische Gäste eingeladen, meistens Pfarrer aus den benachbarten Gemeinden. Es kam verhältnismäßig oft vor, dass diese in ihren Grußworten von der Gefangenschaft in England berichten. Dort hatten sie schon während des Krieges erlebt, dass sie in methodistische Familien eingeladen wurden, abgesehen von den Gottesdiensten, die sie besuchten und teilweise als Kriegsgefangene durch ihr Singen deutscher Kirchenlieder sogar mitgestalteten. Ein prominentes Beispiel mit zunächst anglikanischen, später methodistischen Beziehungen ist der Dietrich Bonhoeffer nahestehende Lutheraner Franz Hildebrandt, der zwar nicht als Kriegsgefangener, sondern als Emigrant dort ins Exil ging. Er kam dort 1937 »in ein ganz anderes soziales und theologisches Milieu« (Holger Roggelin, Franz Hildebrandt, 1999, 17) und schloss sich der methodistischen Kirche an, die er später zeitweise am Zweiten Vatikanischen Konzil vertrat. 5 Martina Severin-Kaiser, Die Evangelisch-methodistische Kirche als Motor der ökumenischen

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Hamburger Ökumenische Jugendrat, sicher eine der frühesten ökumenischen Organisationen auf der Ebene eines Stadtstaates, war in ein größeres Kontaktnetz eingebunden. Er nahm teil an Initiativen, die von der Genfer Jugendabteilung des ÖRK in der Verantwortung des Niederländers Albert van den Heuvel auf europäischer Ebene durchgeführt wurden.6 So wichtig diese Einzelinitiativen waren, sie konnten keine grundlegende ökumenische Nachbarschaft auf gesamtkirchlicher Ebene begründen. Es mussten weitere Schritte gegangen werden.

4.2.2 Die Beziehungen EKD – Landeskirchen – Freikirchen ökumenisch gesehen Von 1953 bis 1979 war Oberkirchenrat Hanfried Krüger Ökumene-Referent der EKD. Sein Dienstsitz war im Kirchlichen Außenamt. Dieses war 1949 beim Umzug der EKD-Kirchenkanzlei von Schwäbisch Gmünd nach Hannover sozusagen exterritorial im zentralen Frankfurt/Main angesiedelt worden. Die Ortswahl mit Frankfurt/M. war folgenreich. Das hier ansässige Außenamt nahm die wachsenden internationalen ökumenischen Kontakte wahr. Die verhältnismäßig wenigen innerdeutschen ökumenischen Beziehungen wurden, soweit sie nicht die ACK betrafen, in Hannover wahrgenommen. Es war gewiss eine pragmatische Lösung, wenn Martin Niemöller als der Leiter des Kirchlichen Außenamtes und gleichzeitiger Vorsitzender der ACK, die »auf Anregung und mit Unterstützung amerikanischer Christen als ökumenische Kontaktstelle der deutschen Kirchen«7 geschaffene Ökumenische Centrale in das Außenamt integrierte. Als Oberkirchenrat Hanfried Krüger 1956 die Leitung der Ökumenischen Centrale übernahm, wurde immer mehr sichtbar, dass er auch als EKDÖkumene-Referent innerhalb seiner Kirche keinen ökumenischen Unterbau in den einzelnen Landeskirchen hatte. Als Ökumene-Referent arbeitete er dem Rat der EKD direkt zu und gab seine Berichte an den Synoden der EKD. Die innerdeutsche ACK-Ökumene berührte also die Arbeit der einzelnen Landeskirchen durch ihren Ökumene-Beauftragten nur marginal. Hier zeigt sich eine strukturelle Lücke, die sich in der Arbeit der innerdeutschen Ökumene jahrzehntelang auswirkte. Dieses Manko wurde besonders in der Phase der Versuche einer Ausweitung und Neugestaltung der ökumenischen Arbeit spürbar. Wie Zusammenarbeit in Hamburg. In: Karsten Mohr (Hg.), »Jedermanns Freund – Niemandes Feind«. Ein Sammelband aus Anlass 180 Jahre Methodisten in Hamburg, Hamburg 2013, 252. 6 Ebd., mit einem Kapitel über den ökumenischen Jugendrat in Hamburg, 20142, 251 – 259 (252 f). 7 Heinz Boberach, Carsten Nicolaisen, Ruth Pabst (Bearb.), Handbuch der Evangelischen Kirchen in Deutschland 1918 bis 1949, AKZ 18 A, Göttingen 2010, 190.

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konnten die von internationalen Ökumenetagungen oder Vollversammlungen des ÖRK zurückkehrenden Delegierten ihre Impulse in die ACK einbringen? Welche strukturellen Vernetzungen öffneten direkte Wege der Kommunikation? Wer konnte und sollte nun die EKD und die Landeskirchen in der ACKvertreten? Als es, wie in anderem Zusammenhang bereits gezeigt, im Juni 1969 in einer lebhaften ACK-Sitzung um die zukünftige Gestalt der innerdeutschen Ökumene ging, war u. a. Professor Wilhelm Niesel als ein vom EKD-Rat entsandter Vertreter anwesend. Er hinterfragte die Erwägungen zum Ausbau der ÖC, die von der ACK als notwendig angesehen wurde. In dem Zusammenhang argumentierte er : Die ACK »stelle nur eine Sparte ökumenischer Aktivität dar, der Rat habe es mit vielen ökumenischen Verbindungen zu tun, die noch nicht einmal innerhalb der EKD zusammengefasst seien.«8 Niesel hatte damit zugleich ungewollt beschrieben, wie die innerdeutsche ökumenische Verpflichtung und insbesondere die Rolle der ACK im Rat der EKD und damit im Kirchenamt eingestuft worden war. Es scheint, als reagierten der Rat und die Verwaltung eher auf die jeweils in Erscheinung tretenden Entwicklungen, als dass sie agierten. Wer sollte angesichts einer solchen Lage ein Konzept für eine basisorientierte innerdeutsche ökumenische Arbeit entwickeln, in das die Regionen durch ihre regionalen Landeskirchen einbezogen waren? Welches Interesse hatte der EKDÖkumene-Referent an einer solchen Entwicklung, die er nicht mehr im Griff haben würde? War seine Ansiedlung im Kirchlichen Außenamt nicht eher ein Zeichen dafür, dass es in den Fragen der Ökumene um internationale Außenkontakte ging? Der früher schon aufgetretene Gesichtspunkt, dass die EKD von ihrem Ansatz her nur einen niedrigen ekklesiologischen Status hatte, kam hier zur Auswirkung. Es zeigte sich im Laufe der Jahre immer klarer, dass notwendig gewordene zwischenkirchliche Gespräche mit nicht-landeskirchlichen Partnern, nicht von der EKD, sondern von der VELKD geführt wurden, die ein klares ekklesiologisches Profil hatte und dadurch als Partner auftreten konnte. Deren Gesprächsergebnisse wurden danach von den nicht-lutherischen Landeskirchen akzeptiert und übernommen.9 Wie sollte eine Institution, die selber für Anliegen bekenntnisgebundener Außenkontakte keine Rechte übertragen bekommen hatte, umfassende ökumenische Konzepte für eine alle konfessionsverschiedenen Landeskirchen entwickeln, die zu einer Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst mit den Freikirchen und bald auch mit der römisch-katholischen Kirche hätte führen können? 8 Prot. ACK 20. Juni 1969, 7, LKA Hann. Best. E 49, 574. 9 Das betrifft besonders die Vorbereitung der Vereinbarungen, von denen später die Rede sein wird, aber auch die römisch-katholische Kirche. Es findet gegenwärtig die dritte Dialogrunde zwischen der »Bilateralen Arbeitsgruppe der Deutschen Bischofskonferenz und der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelischen-Lutherischen Kirche« statt.

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So bitter es ist, man muss es feststellen: Als die ökumenische Neuorientierung nach dem Konzil dringend wurde, gab es in der EKD über den Rat hinaus kein ständiges Gremium, keine Ökumenische Kommission oder entsprechende Kammer, die sich permanent mit den Grundlagen und einer Strategie gemeinsamen ökumenischen Handelns beschäftigt hatte. Das Bensheimer Konfessionskundliche Institut zeichnete sich durch eine hohe Fachkompetenz und herausragende Ökumeniker aus, aber die dort entwickelten Konzepte für eine Aufwertung der innerdeutschen Ökumene fanden im Rat der EKD kaum Widerhall, auch weil dieses Institut durch seine permanenten ökumenischen Erfahrungen der Entwicklung in den kirchlichen Leitungsgremien ziemlich weit voraus war. Mit dem Kirchlichen Außenamt hatten auch die Ökumene-Referenten eine Art Ausnahmestellung mit einem erheblichen Spielraum, der durch die jeweils Verantwortlichen individuell geprägt und ausgeschöpft wurde. Es war eben so, dass zwar die einzelnen Landeskirchen wert darauf legten, selber Mitglieder des ÖRK zu sein, aber die ständige Repräsentanz und Verbindung zu den internationalen und nationalen ökumenischen Organen durch die EKD wahrnehmen ließen.

4.2.3 Erwägungen und Erwartungen in den Freikirchen Minderheitskirchen hoffen immer darauf, von den Mehrheitskirchen respektiert zu werden. Ihre Lage als Minderheiten schafft in drängender Weise in einer von allen Seiten ungewollten Abhängigkeit eine Erwartung, man kann auch sagen eine Notwendigkeit, einvernehmlich zu einer gegenseitigen Akzeptanz zu kommen. Zu diesem rein sozialpsychologisch fassbaren Phänomen kommen die wichtigeren theologischen Positionierungen. Nach ihrem Selbstverständnis als Denominationen haben sich alle Freikirchen von Anfang an ganz selbstverständlich als integrierte Zweige der einen Kirche Jesu Christi verstanden. Sie haben die früheren staatskirchlichen Grundlagen in unterschiedlicher Sichtweise zwar kritisch bewertet, aber sie haben ebenso anerkannt, dass in den Institutionen vielfältiges christliches Leben einen Raum hatte. Deutliche Unterschiede – auch unter den Freikirchen – bestanden und bestehen darin zu beschreiben, wie sich eine zwischenkirchliche Gemeinschaft gestaltet, das heißt auch, wo sie zu konkretem Leben findet und wo die Grenzen sind. Einige ziehen die Struktur der Evangelischen Allianz als erhoffte Gemeinschaft nur von Gläubigen vor, andere sehen sich von Anfang an der ökumenischen Bewegung als einer Weggemeinschaft von Kirchen ganz unterschiedlicher Gestalt verbunden.10 Gemeinsam ist den freikirchlichen 10 Als 1881 in London die erste Weltkonferenz der methodistischen Kirchen tagte, hatte der aus

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Minderheiten schon im 19. Jahrhundert gewesen, dass sie von den sie umgebenden Kirchen erwarteten, mindestens in der politisch garantierten Freiheit ihren Weg gehen zu können und nicht durch kirchliche Maßnahmen unterdrückt zu werden. Mit der Erstgründung der ACK 1948 verbanden sich in den Freikirchen nach vorausgegangenen konfliktreichen Jahrzehnten Hoffnungen auf eine ökumenisch-offene Nachbarschaft mit den Gemeinden der evangelischen Landeskirchen. Sie hatten davon eine klare Vorstellung, weil sie solche geistlich getragene Gemeinschaft im Rahmen der Evangelischen Allianz in den jährlichen Gebetswochen und bei anderen Gelegenheiten mit freikirchlichen Nachbargemeinden, mit den Gruppen der innerlandeskirchlichen Gemeinschaftsbewegung11 und einzelnen, dieser Bewegung nahestehenden Pfarrern erlebt hatten. Ökumene bedeutete für sie: jetzt kommt die Ausweitung dieser bisher begrenzten Erfahrung, so dass sie von allen landeskirchlichen Gemeinden her möglich wird. Aber die frühe Ökumene in Deutschland hatte keine Bodenhaftung. Sie war weder in den Landeskirchen verankert noch in den Köpfen einer Mehrzahl von Pfarrern angekommen. Man konnte in den Kirchengemeinderäten nicht einfach einen Schalter umlegen und damit ein neues Verhältnis begründen. Ökumene musste wachsen, aber solches Wachstum setzt gegenseitiges Vertrauen voraus und kirchenleitende Verantwortung, die für die neue Gemeinschaft einen strukturellen Rahmen schafft. Das konnte die kleine, von Genf aufgenötigte ACK nicht leisten und die ÖC war zunächst mehr auf die Vor- und die Nacharbeit für Amsterdam konzentriert, um die deutschen Kirchen wieder international zu integrieren. Ein kleiner »Ökumenischer Katechismus«,12 der im Auftrag der ACK von Wilhelm Menn verfasst und 1949 erstmals herausgegeben wurde, war zwar als »kurze Unterweisung über Werden und Wesen der Ökumene« hilfreich, aber die besten Papiere schaffen keine neue Atmosphäre. Das kleine Häuflein der damaligen ACK-Delegierten hatte zu wenig Einfluss, einen grundlegenden Wandel herbeizuführen und eine öffentliche Wirkung zu erzielen. Sie hatten auch noch kein Konzept, sondern die Minderheitskirchen waren zufrieden, dass die Kirchen nach einhundert Jahren Bedrückung endlich offiziell miteinander Deutschland kommende Delegierte Dr. Arnold Sulzberger in einer Plenumsansprache bereits die Hoffnung geäußert, dass es eines Tages ein »Protestant Oecumenical Council in Germany« geben werde. (Vgl. Bd. 1, Kap. 7.2) 11 Karl Heinz Voigt, Der Zeit voraus. Die Gemeinschaftsbewegung als Schritt in die Moderne? Erwägungen zur Vorgeschichte und Frühgeschichte des Gnadauer Gemeinschaftsverbands, Leipzig 2014, zeigt den methodistischen Einfluss auf diese innerkirchliche Bewegung, die in manchen Fragen den Freikirchen geistlich so nahe stand, dass sie sich permanent als landeskirchentreu erklären musste. 12 Wilhelm Menn, Oekumenischer Katechismus. Eine kurze Unterweisung über Werden und Wesen der Oekumene, Stuttgart 1949. Mit einer »Satzung« der ACK (die offiziell nur als »Richtlinien« anerkannt war!) im Anhang.

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sprachen. Was auf die Dauer das Konzept im Bereich der EKD und des Kirchlichen Außenamts war, bleibt noch genauer zu untersuchen. Bezeichnend für die damalige Lage war 1950 die Feststellung des VEF-Vorsitzenden Paul Schmidt über die Entwicklung der lokalen Ökumene. Er berichtete an die Freikirchenkonferenz: »Die bisher erzielten Ergebnisse bleiben wohl noch in engen Grenzen. Aber die Gesprächsführung untereinander ist von hoher Bedeutung. Noch nicht an allen einzelnen Orten wird dieser Geist der Verständigung und gegenseitigen Achtung zu verspüren sein. Aber es ist anzunehmen, daß die Weiterführung der Arbeitsgemeinschaft im Rahmen ökumenischer Gesinnung doch gute Wirkungen bis an die einzelnen Orte erzielen wird.«13

Man spürt dieser Beurteilung ab, wie der Freikirchler Schmidt um Verständnis bei Enttäuschten in den Freikirchen werben musste, um die Gemeinden auf dem Weg zu ökumenischen Zielen nicht zu verlieren. Als es später zwischen der Evangelischen Allianz und der innerdeutschen Ökumene kriselte, gab die Evangelisch-methodistische Kirche eine offizielle Erklärung ab. Sie ging von ihren traditionellen Verbindungen zu beiden Einheitsbewegungen aus. So sehr im Hintergrund des aufziehenden Konflikts die Differenz zwischen den Evangelikalen und ihren Landeskirchen14 stand, bemühten sich die Methodisten um eine Deeskalierung der entstandenen Spannungen. Sie riefen ihre Mitglieder auf, die unterschiedlichen Möglichkeiten der Darstellung christlicher Einheit zu unterstützen. In der Erklärung hieß es: »Die in der Ökumene sich vollziehende Überwindung konfessioneller Schranken durch Gespräch, Gebet und Gottesdienst zu einem glaubwürdigen Zeugnis der Gemeinde Christi, das Erkennen und Geltenlassen anderer Ausprägungen kirchlichen Lebens zur gegenseitigen Ergänzung und Förderung, sowie die wachsende Verständigung der verschiedenen Kirchen bei gemeinsamen Handlungen im Dienst an der Gesellschaft suchen wir als verfasste Kirche in jeder Weise zu unterstützen. […] Unsere Gemeinden, alle Kirchenglieder und die verantwortlichen Mitarbeiter rufen wir auf, die Sammlung und Stärkung der glaubenden Gemeinde zum Dienst an dieser Welt fördern zu helfen. Alle Möglichkeiten, die Einheit des Leibes Christi in der Evangelischen Allianz wie auch in der Ökumene zur Darstellung und Auswirkung kommen zu lassen, sollten von uns wahrgenommen werden. Das betrifft auch unsere Bereitschaft zum Offensein gegenüber den Gemeinden der römisch-katholischen Kirche. Wo immer sich heute in der Zusammenarbeit der glaubenden Christen verschiedener Kirchen neue Wege des Verstehens und des Wirkens gehen lassen, wollen wir sie um Christi und der Menschen willen in Wahrheit und 13 Bericht 10. Freikirchentag 1950 in Hamburg, Witten 1950, 9 f. 14 Gisa Bauer, Evangelikale Bewegung und evangelische Kirche in der Bundesrepublik Deutschland. Geschichte eines Grundsatzkonflikts (1945 bis 1989), AKZ B 53, Göttingen, 2012.

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Liebe beschreiten, um dem Ziel des einen Hirten mit der einen Herde näher zu kommen.«15

Die ökumenische Zielvorstellung war in der gesamtkirchlichen, weltweit verbindlichen Verfassung der United Methodist Church/Evangelisch-methodistischen Kirche vorgegeben. Aber sie war auch in den Köpfen und Herzen der Kirchenglieder präsent. In der innerdeutschen geschichtlich gewordenen Situation ging es um die gegenseitige Akzeptanz, die zum gemeinsamen, zeugnishaften Handeln der einen Kirche Christi führen soll. Das Ziel war in dem biblischen Bild der einen Herde unter dem einen Hirten16 formuliert, ohne mehr über den Weg dorthin auszusagen, als dass er in Wahrheit und Liebe gegangen werden soll. Wer sich so positioniert, zeigt damit auch die Bereitschaft an, die gemeinsame Suche nach einem Weg, der zu diesem Ziel führt, offen mitzugehen.

4.2.4 Entwicklungen in der römisch-katholischen Kirche Die Umsetzung von Konzilsbeschlüssen gab nachhaltige Anstöße zur Weiterführung der 1948 mit der ACK-Gründung eingeleiteten Entwicklung. Heute ist es weder für Protestanten noch für Katholiken vorstellbar, dass die innerdeutsche Ökumene ein Vierteljahrhundert darauf warten musste, bis es zu einer ökumenischen Gemeinschaft zwischen den verschiedenen protestantischen Kirchen und den römisch-katholischen Diözesen kommen konnte. (1)

Die Würzburger Synode

In den ersten beiden nachkonziliaren Ökumenischen Direktorien von 1967 und 1970, denen 1993 ein weiteres folgte, war es das Interesse von Papst Paul VI., »ökumenischen Wildwuchs […] zu bremsen.«17 Die Direktorien stellten »Richtlinien zur Durchführung der Konzilsbeschlüsse über die ökumenische Aufgabe« bereit und sollten »den Bischöfen bei der Durchführung des Dekrets […] dienen.«18 Zentral ging es um die Gestaltung des praktischen Zusammenlebens von Kirchen und Christen unterschiedlicher Konfessionen. Es sollten innerhalb der einzelnen Bistümer und der Bischofskonferenzen weltweit Konsequenzen gezogen werden. Um zu bundesweit einheitlichen Positionen zu kommen, hat sich die Deutsche Katholische Bischofskonferenz im Februar 1969 15 16 17 18

Amtsblatt der Evangelisch-methodistischen Kirche 5. Jg. (1972), 10. Evangelium nach Johannes, Kap. 10, 16. Jörg Ernesti, Kleine Geschichte der Ökumene, Freiburg 2007, 102. www.kathpedia.com/index.php?title=Ad_totam_ecclesiam_(Wortlaut in deutscher Übersetzung, Abruf 11. 12. 2012).

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entschlossen, eine Gemeinsame Synode der Bistümer in der BRD einzuberufen. Die »Würzburger Synode« kam von 1971 bis 1975 zu acht Sitzungsperioden zusammen. Eine Sektion befasste sich unter der Leitung des schon lange ökumenisch engagierten Paters Gerhard Voss OSB ausschließlich mit der Pastoralen Zusammenarbeit im Dienst der christlichen Einheit. Die Festlegung des Ausgangspunkts bei der Ökumene am Ort verdankte die Sektion dem Impuls der Vollversammlung des ÖRK in Neu Delhi, der eine Einheitsformel für eine verpflichtende Gemeinschaft »aller an jedem Ort« angenommen hatte. Unterstützt wurde dieser Ansatz durch die ökumenischen Hoffnungen in den örtlichen Gemeinden und durch das Augsburger Ökumenische Pfingsttreffen 1971. Das Würzburger Dokument ist ein Zeugnis des ökumenischen Aufbruchs jener Jahre. Organisatorische Grundpositionen waren schon vor der Würzburger Synode durch die römischen Direktorien gegeben. Danach wurden in allen deutschen Bistümern Ökumene-Kommissionen eingerichtet und ÖkumeneBeauftragte berufen, die sich um die örtliche wie die überregionale Ökumene kümmerten, um den geistlichen Ökumenismus besonders durch das Gebet zu fördern und zwischenkirchliche Beziehungen zu initiieren. Es sollten Dialoge auf allen Ebenen zwischen Gemeinden, Pfarrgemeinderäten und Theologen geführt werden. Diese regionalen und örtlichen Aktivitäten gehörten zu den Bedingungen, welche die Bischofskonferenz vor ihrem ACK-Beitritt ins Gespräch brachte. Die Würzburger Synode konkretisierte die Aufgaben und stellte sie in den Kontext der deutschen kirchlichen Verhältnisse. Ökumenisch war dabei bemerkenswert, wie von Anfang an multilateral gedacht wurde. Schon in der Einleitung zum Würzburger Beschlusstext schrieb Pater Gerhard Voss: »Wenn in der Öffentlichkeit häufig von den ›beiden‹ Konfessionen gesprochen wird, zeigt das, wie schnell die Größenverhältnisse der Kirchen in Deutschland dazu verleiten, nur die Katholische und die Gliedkirchen der EKD als Partner ökumenischer Kontakte zu sehen. Der Ökumene-Beschluss der Synode ist multilateral konzipiert (vgl. 1.3.1; 7.2.2; 9.1.7; 9.4.2). Ausdrücklich werden auch die ›kleineren‹ Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften genannt (1.3.1). Vor allem wird die besondere Situation der orthodoxen und altorientalischen Kirchen hervorgehoben, die in Deutschland ein relativ neues Phänomen darstellen, das nicht einfach nach den von der innerabendländischen Glaubensspaltung geprägten Vorstellungen beurteilt werden darf (5.2.4).«19

Im Beschlusstext selber wird dieser Aspekt zur multilateralen Ökumene ausgeführt. Dort heißt es: »In Deutschland konzentriert sich das ökumenische Problem – schon zahlenmäßig – auf das Verhältnis der katholischen Kirche zur Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und ihren lutherischen, reformierten und unierten Gliedkirchen. Die Synode 19 Gerhard Voss OSB, Einleitung: Ökumene. In: Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, Freiburg 1976, 770 – auch in: ÖR 24. Jg. (1975) 240 – 259.

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begrüßt die Bemühungen der EKD um die Vertiefung der Gemeinschaft ihrer Gliedkirchen.20 Die Größenverhältnisse in Deutschland lassen jedoch leicht darüber hinwegsehen, daß für die ökumenische Bewegung auch die Orthodoxen und Altorientalischen Kirchen, die Alt-Katholische Kirche und die Anglikanische Kirche, die Evangelischen Freikirchen und die freien christlichen Gemeinschaften (wie die Heilsarmee und die Quäker) wesentlich sind.«21

Am Ende des Würzburger Textes wird eine gewisse Dringlichkeit angemahnt, die sich »An alle in der katholischen Kirche für die Einheit Verantwortlichen« wendet: »Die ökumenische Aufgabe duldet keinen Aufschub. Die Gunst der Stunde, vom Herrn der Kirche geschenkt, darf nicht versäumt werden. Schon gibt es beunruhigende Zeichen der Erschlaffung des ökumenischen Willens, der im Zweiten Vatikanischen Konzil seinen epochalen Ausdruck gefunden hat. Umso mehr sind jetzt alle Verantwortlichen in Gemeinde, Bistum und Weltkirche gerufen, ihr ökumenisches Gewissen zu schärfen. Was die Synode als durchlaufende Perspektive bezeichnet hat, muß sich in ökumenischer Offenheit und Förderung ökumenischer Initiativen umsetzen. Ökumenische Orientierung muß neuer Stil der Kirche werden.«22

Einige historische Aspekte verdienen besondere Aufmerksamkeit. Das Konzil hat nach einem »schwarzen Donnerstag« mit der überwältigenden Mehrheit von 2137 Ja und nur 11 Nein-Stimmen das Dekret Unitatis redintegratio mit den Grundpositionen für die bald danach beginnende römisch-katholische ökumenische Aktivität festgelegt. Die Ökumenischen Direktorien konkretisierten die Richtung des Vorgehens durch strukturierende Vorgaben. Die ausführlichen Beratungen der Würzburger Synode klärten die Strategie der Verortung und der Umsetzung. Die Arbeit war mit dem Weitblick einer Weltkirche verbunden, die alle kirchlichen Gemeinschaften, von der EKD bis zur Heilsarmee im Blick hatte und von Anfang an keine Beschränkung auf eine nur »bilaterale Ökumene« zuließ. Dass die in Deutschland als Minderheitskirchen wirkenden Freikirchen ausdrücklich zu den ökumenischen Gesprächsgruppen eingeladen werden sollten (9.1.7), ja sogar, wenn sie an zwischenkirchlichen Gesprächen nicht vertreten sein können mit ihren Anliegen »bedacht werden« sollen (9.4.2), geht darauf zurück, dass sie aus römisch-katholischer Perspektive »wesentlich sind«. Eine solche Wertschätzung war für die Minderheiten eine neue Erfahrung. Auch die Tatsache, dass durch die Weltkirche und die Verantwortlichen in den Bistümern die Gemeinden aufgerufen wurden, ihr »ökumenisches Gewissen zu schärfen«, zeigte eine neue Tendenz. Sie war nun zielbewusst von dem Enga20 Hier wird auf die zu dieser Zeit laufende Strukturreform der EKD angespielt, Vgl. Kap. 3.3.1. 21 Pastorale Zusammenarbeit der Kirchen im Dienst an der christlichen Einheit. In: Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, Freiburg 1976, 777. 22 Ebd., 806.

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gement zu einer christlichen Einheit bestimmt, ohne Frage auch aus der römisch-katholischen Grundlage ihres ekklesiologischen Selbstverständnisses heraus. Man kann sagen, dass die römisch-katholische Kirche dadurch zu einem belebenden, weiterführenden Faktor für die innerdeutsche Ökumene und ihre Umgestaltung geworden ist. Sie trat ihren neuen Weg als eine Kirche an, die von Anfang an ein klares, an weltweiter Einsicht orientiertes Leitbild hatte. Damit forderte sie auch ihre ökumenischen Partner heraus, ihren ökumenischen Weg in die Zukunft zu klären oder den von den Bistümern eingeschlagen Weg mitzugehen.

(2)

Das Augsburger Pfingsttreffen 1971

Fast gleichzeitig mit dem Beschluss, die spätere Würzburger Synode als ein kirchenamtliches Unternehmen einzuberufen, fassten das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZdK) und das Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags (DEKT) als Laienorgane den Beschluss, ein ökumenisches Pfingsttreffen vorzubereiten. Es fand vom 3. bis 5. Juni 1971 in der kirchengeschichtlich bedeutsamen Stadt Augsburg statt. Den Vorbereitern war es gelungen, für den gemeinsamen Abschlussgottesdienst neben dem Ehrenpräsidenten des ÖRK Willem A. Visser’t Hooft sowohl den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Julius Kardinal Döpfner, wie den EKD-Ratsvorsitzenden Bischof Hermann Dietzfelbinger zu gewinnen. Damit war für die öffentliche Repräsentanz das Bild einer gewissen kirchlichen Mitträgerschaft gewonnen. Die sechs Arbeitsgruppen befassten sich mit ganz unterschiedlichen Themen, zu denen sie Resolutionen annahmen, die im Plenum verabschiedet wurden. Stellt man das Treffen in den Rahmen der unruhigen 1968er Jahre, dann erscheint die Vorgehensweise mit »Bitten« an die Kirchenleitungen und Aufforderungen an die Christen aller Konfessionen »loyal gegenüber den Kirchenleitungen« zu sein,23 sehr gemäßigt. Sicher verbanden die rund 8.000 Dauerteilnehmer aus Deutschland und den Nachbarländern damit die Hoffnung, dadurch mehr Gehör zu finden. Das behandelte Themenspektrum war breit angelegt und nahm die nachkonziliare ökumenische Euphorie auf. Allerdings war das Treffen von seinem Ansatz her bilateral gestaltet, weder Orthodoxe noch Freikirchen waren beteiligt. Interessant ist, dass die 1969 gebildete Arbeitsgemeinschaft Ökumenischer Kreise (AÖK) sich vorgenommen hatte, die Augsburger Treffen »kritisch zu begleiten«.24 Es konnte im Rahmen des Augsburger Wochenendes natürlich nicht so 23 Erich Geldbach, Der Deutsche Ökumenische Studienausschuss, Frankfurt/Paderborn 2010, 74. 24 Ebd., 70.

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gründlich gearbeitet werden25, wie in den acht Sitzungsperioden der Würzburger Synode in den Jahren 1971 – 1975. Vielleicht bestand das nachdrücklichste Signal, das von Augsburg ausging, darin, dass Laien sich engagierten und den ökumenischen Aufbruch unterstützen wollten. Das 1971 erhoffte weitere Treffen kam nicht zustande. Immerhin kam es zu einer ersten Zusammenarbeit der beiden großen Laienorganisationen, welche später die großen Ökumenischen Kirchentage 2003 in Berlin und 2010 in München im Einvernehmen mit den Kirchen vorbereiten sollten. In allen Bereichen der EKD, den Freikirchen und besonders der römischkatholischen Kirche gab es ökumenische Entwicklungen. Durch sie wurden Grundlagen für eine Rezeption im Sinne der Umsetzung des ökumenischen Anliegens in den Regionen verstärkt oder geschaffen.

4.2.5 Ökumene-Institute von EKD und römisch-katholischer Kirche Die beiden Ökumene-Institute in Bensheim und Paderborn haben für die Ökumenische Forschung und Bildung im Kontext der speziellen deutschen kirchlichen Verhältnisse überaus wichtige Funktionen übernommen. Nachdem neben anderen früher der Furche-Verlag, sogar in Stettin ein bedeutungslos gebliebener »Ökumene-Verlag« und später der Frankfurter Verlag Otto Lembeck viele Publikationen zu ökumenischen Themen ermöglicht haben, sind nunmehr der Paderborner Bonifatius Verlag, der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht und zuletzt die Evangelische Verlagsanstalt immer mehr hervorgetreten. Beide Institute arbeiten den Verlagen zu und sorgen dafür, das eine interessierte Leserschaft, aber vor allem auch die wissenschaftlichen Bibliotheken besonders für die Studierenden mit einem breiten Angebot von Literatur zu Theologie und Geschichte der Ökumene versorgt werden können. Immer mehr Buchveröffentlichungen erscheinen – auch das ist ein Zeichen ökumenischen Fortschritts – in evangelisch/katholischer Verlagsgemeinschaft. (1)

Das Konfessionskundliche Institut in Bensheim

Das Konfessionskundliche Institut wurde 1947 in Bensheim gegründet.26 Es führte zu gravierenden Veränderungen innerhalb des im 19. Jahrhundert gebildeten, einflussreichen Evangelischen Bundes. Mehr als ein halbes Jahrhundert 25 Präsidium des DEKT/ZdK (Hg.), Ökumenisches Pfingsttreffen Augsburg 1971. Dokumente, Stuttgart/Paderborn 1971. 26 Walter Fleischmann-Bisten, Konfessionskunde zwischen Bekennen und Versöhnen. Das Konfessionskundliche Institut 1947 – 1997. In: Karl-Reinhard Trauner/Bernd Zimmermann (Hg.), 100 Jahre Evangelischer Bund in Österreich. Bh. 100, Göttingen 2003, 187 – 221.

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war die Geschichte dieses Bundes von kirchenpolitischen und gesellschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Dazu gehörte gegenüber den »von jenseits der Berge« bestimmten »Ultramontanisten« die Wahrung evangelischer Interessen, die Festigung der protestantischen Stellung im Kulturkampf, auch die Förderung des innerprotestantischen Friedens, der durch die kirchenpolitischen Scharmützel unterschiedlicher Gruppen nicht immer leicht zu halten war. Auf dem Hintergrund des Kulturkampfes ist das rapide Wachstum zu sehen, das geradezu zu einer kirchenpolitischen protestantischen Großbewegung mit unglaublichen Mitgliederzahlen führte. Die Versorgung des katholischen Österreich mit kirchlichen Mitarbeitern, die Unterstützung des Kirchenbaus sowie die Bereitstellung von Bibeln, Gesangbüchern und christlicher Literatur erweckt im Rückblick geradezu das Bild einer protestantischen Mission in einem katholischen Land. Während des aufgepeitschten Nationalismus konnte sich der Evangelische Bund wie fast alle evangelisch-kirchlichen Organisationen diesem Einfluss nicht entziehen. Sowohl in politischen wie in kirchlichen, sogar ökumenischen Fragen war der Evangelische Bund konservativ orientiert. Das Jahr 1947 brachte zwischen der Stuttgarter Erklärung (1945) und der Bildung des ÖRK (1948) eine radikale Wendung, die mit der Gründung des Konfessionskundlichen Instituts verbunden war. Es wurde jetzt Arbeits- und Studienzentrum des Evangelischen Bundes und erhielt eine völlig neue Aufgabenstellung mit einer konsequent ökumenischen Neuausrichtung. Diese spiegelt sich wider im »Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim« (MD). Schon der Name dieser seit 1950 erscheinenden Publikation deutet an, dass sie als »Materialdienst« die Kirche(n) auf ihren verschiedenen Ebenen über zwischenkirchliche Fragen und Entwicklungen informieren und sensibilisieren wollte. Das ist bis heute eine wichtige Außenwirkung, wenn im MD kirchliche Entwicklungen analysiert und konfessionelle Dokumente aus allen Kirchen auf hohem Niveau und kompetent von Spezialisten kommentiert werden und ökumenisch wichtige Bücher rezensiert werden. Dazu sind die Vermittlungen von Tagungsberichten ein Teil des ökumenischen Brückenbaus. Der inzwischen jährlich publizierte »Bericht zur Lage« dokumentiert ökumenische Entwicklungen im Katholizismus, in der Ökumenischen Bewegung, vor allem auch in der innerdeutschen Ökumene. Das Konfessionskundliche Institut ist ein weitgehend von der EKD getragenes Arbeitswerk. Dies bedeutet aber keineswegs, dass es nicht auch die eigene Kirche kritisch und unabhängig begleitet. Als die römisch-katholische Kirche noch abseits stand, haben sich die Direktoren des Instituts in hohem Maße für die Entwicklung der innerdeutschen Ökumene engagiert. Unter Joachim Lell haben die Methodisten schon an den jährlichen Tagungen der Ökumene- und Catho-

Zur Entwicklung von zwischenkirchlichen Beziehungen

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lica-Referenten teilgenommen.27 Professor Reinhard Frieling, der schon vor seiner Berufung ins Direktorat seinen Arbeitsplatz im Institut hatte, wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem der herausragendsten und engagiertesten Ökumeniker mit einem weiten Blick, der – was damals noch nicht selbstverständlich war – stets lebhaft eine lebendige Partnerschaft mit den Freikirchen eingefordert hat. Seine engagierte Mitwirkung in der ACK und im Deutschen Ökumenischen Studienausschuss mit einer ausgeprägten Kreativität hat zwar nicht immer zu den von ihm erhofften Zielen geführt, aber er konnte bis hin zur Entstehung der Charta Oecumenica nachhaltig wirksame Impulse geben. Inzwischen ist das Bensheimer Institut zu einem Kompetenzzentrum der innerdeutschen Ökumene geworden. Forschungsarbeit, Tagungsimpulse, Publikation von ökumenischer Literatur, immer neue ökumenisch ausgerichtete Begegnungen und Fortbildungen von Theologen und Laien gehören zum Alltag. Der gegenwärtige kommunikative Direktor Walter Fleischmann-Bisten hat neben seiner ökumenischen Sachkompetenz die besondere Gabe des Verknüpfens und Zusammenführens von institutionellen und personalen Kompetenzen mit anderen Partnern. Diese Arbeit trägt fast unauffällig weiterführende ökumenische Früchte. Es wird unwidersprochen bleiben, wenn man in ihm den im landeskirchlichen Bereich gegenwärtig besten Kenner von Theologie und Geschichte der in Deutschland wirkenden Freikirchen sieht, der gerade auch dadurch der innerdeutschen Ökumene eine breitere Basis gestaltet, weil für ihn Ökumene »mehr als zwei« bedeutet. Das Bensheimer Konfessionskundliche Institut ist inzwischen zu einer Art ökumenischen Akademie herangewachsen. Dort steht nicht nur dann und wann ein ökumenisches Thema auf dem Plan. Die Bensheimer realisieren in herausragender Weise das theologische Anliegen der Einheit in versöhnter Verschiedenheit, mit Fachreferenten für den Katholizismus, die Orthodoxie und die Freikirchen. Für sie ist es von fundamentaler Bedeutung, für die zukünftige, vielgestaltige Kirche, die unter nicht leichter werdenden gesellschaftlichen Bedingungen ihren Dienst erfüllt, ihr Zeugnis gestaltet und sich darin als ein Organ der Mission Gottes erweist, Hilfen zu geben indem sie ökumenisch zwischen wissenschaftlicher Theologie und kirchlicher Praxis Brücken baut. (2)

Das Johann-Adam-Möhler-Institut in Paderborn

Der ökumenisch engagierte Paderborner Erzbischof Kardinal Lorenz Jaeger hat 1957 mit Weitblick in seiner Diözese ein »Institut für Konfessions- und Diasporakunde« begründet. Ab 1966 trägt es den Namen »Johann-Adam-Möhler27 Das waren damals nacheinander die Superintendenten Heinrich Michelmann und HansJürgen Stöcker, danach Pastorin Gertrud Michelmann.

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Institut für Ökumenik«. Es erinnert damit an den frühen römisch-katholischen Forscher in Tübingen Johann Adam Möhler, der – nicht ohne den Widerspruch des protestantischen Professors Ferdinand Christian Baur – eine »Darstellung der dogmatischen Gegensätze der Katholiken und Protestanten nach ihren Bekenntnisschriften« in mehreren Auflagen veröffentlicht hat. Das Paderborner Institut nimmt inzwischen für die Ökumene in Deutschland eine zentrale Stellung ein. Es bietet für den Priesternachwuchs Schulungen in ökumenischen Fragen an, führt Symposien mit Landeskirchen und Freikirchen durch, führt offizielle Gespräche mit der VELKD und publiziert wissenschaftliche Literatur für das ökumenische Miteinander. Über die Grenzen unseres Landes hinaus ist es ein besonderes Verdienst, alle weltweiten offiziellen Dialoge zwischen den Weltbünden der Konfessionen und Denominationen zu dokumentieren. Neuerdings werden auch Texte von überregionalen ökumenischen Vereinbarungen in den Veröffentlichungen erfasst. Inzwischen sind vier umfangreiche Bände der Reihe Dokumente wachsender Übereinstimmung erschienen. Das Institut verbindet die deutsche Ökumene, welche durch die ACK vertreten wird, mit der Ökumene-Kommission der Deutschen katholischen Bischofskonferenz, der Konferenz der Ökumenebeauftragten der deutschen Bistümer bis hin zum Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit. Ähnlich wie in Bensheim gibt es hier Referenten, die sich je auf eine Konfessionsfamilie spezialisiert haben. Zu den prominenten Leitern des heute von dem erfahrenen Ökumeniker geleiteten Instituts in früheren Zeiten zählen u. a. der spätere Bischof PaulWerner Scheele28 und der ökumenisch engagierte Professor Hans-Jörg Urban. Der Österreicher Urban hat vor seiner Paderborner Tätigkeit als erster römischkatholischer Theologe in der mit der ACKverbundenen Ökumenischen Centrale mitgearbeitet. Seine dortige hauptamtliche Referenten-Tätigkeit hat bei ihm ein anhaltendes Interesse für das Leben und den Dienst der Freikirchen geweckt.29 Er gehört innerhalb seiner Kirche in Deutschland zu den besten Kennern des Freikirchentums und hat in Priesterschulungen permanent Informationen über deren Theologie, Weg und Wirken vermittelt. Natürlich gibt es auch eine ständige Forschung an ökumenischen Fragestellungen und der jetzige Leitende Direktor Wolfgang Thönissen und die anderen Institutsmitarbeiter fördern durch ihre Vortragstätigkeit und Studienarbeit den ökumenischen Dialog auf innerdeutscher Ebene. 28 Paul-Werner Scheele, Weitervereinigung. Erfahrungen und Einsichten auf dem Weg zur Einheit im Glauben, Würzburg 2008, 27 f. – Paul-Werner Scheele hat seine Promotion über Johann Adam Möhler (1796 – 1838) geschrieben. 29 Hans-Jörg Urban, Die römisch-katholische Kirche in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland. Rückblick und Perspektiven. ÖR 47. Jg. (1998), 18 – 27 ist ein von seiner Erfahrung bestimmter Aufsatz.

Die Bildung regionaler Arbeitsgemeinschaften Christlicher Kirchen

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Die Ökumene-Ausschüsse und Ök.-Beauftragten in den Freikirchen

In den meisten Freikirchen gibt es Ausschüsse und Arbeitsgruppen, die sich regelmäßig mit Fragen der Ökumene befassen, Stellungnahmen erarbeiten und eine Plattform zum Austausch der Delegierten in den verschiedenen ACKs bieten. Einige Kirchen haben Ökumene-Beauftragte, die sich auf diesen Bereich spezialisiert haben. Es ist eine Schwäche der Vereinigung Evangelischer Freikirchen, dass sie unter ihren ständigen Ausschüssen keine Arbeitsgruppe organisiert hat, die sich den Fragen der zwischenkirchlichen Beziehungen widmet und auch kontrovers diskutiert. Gerade die Freikirchen hätten aus ihren Erfahrungen und aus ihrer theologischen Sicht Fragen aufzuwerfen, die für einen ökumenischen Fortschritt der Gesamtheit hilfreich sein können. Dass die einzelnen Freikirchen sich in ökumenischen Fragen nur vereinzelt gemeinsam nach außen vertreten lassen, ist aufgrund ihrer unterschiedlichen Haltung gegenüber der Ökumene angemessen.

4.3

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4.3.1 Vorsichtig unterwegs zu regionalen und örtlichen ACKs Für eine Regionalisierung der ökumenischen Arbeit gab es zunächst kein Konzept, vielleicht haben manche sie auch lange Zeit nicht gewollt. Die Praxis der Ökumenischen Centrale (ÖC) war wenig zukunftsorientiert. Sie lud zu je einer jährlichen Tagung in drei, vier oder auch einmal fünf Regionen im Norden, Süden, Westen oder in der Mitte Westdeutschlands ein. Es nahmen daran fast ausschließlich landeskirchliche und freikirchliche Pastoren teil, gelegentlich auch ökumene-erfahrene Orthodoxe. Die Zahl der orthodoxen Priester war in Deutschland zu jener Zeit noch sehr gering. An katholische Gäste konnte man noch nicht denken, weil ihnen in den fünfziger Jahren ökumenische Kontakte noch untersagt waren. Auf den Regionaltagungen wurden Themen aufgegriffen, die in Toronto (1950), Lund (1952) und Evanston (1954) beraten wurden. Vor der zweiten Vollversammlung von Evanston/Ill. wurden sogar »Flugschriften« für die Gemeinden herausgegeben. Ziel der »Regionalen Arbeitstagungen« war es, »einen möglichst umfänglichen und guten Stamm von Mitarbeitern für die ökumenische Schulung und Erziehung in den Gemeinden und kirchlichen

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Verbänden heranzubilden.«30 Damals kam es nach einem Jahrhundert der Entfremdung besonders in den norddeutschen Flächenländern mit ihrer freikirchlichen Diaspora in vielen Fällen erstmals zur Begegnung landeskirchlicher Pfarrer und freikirchlicher Pastoren. Auch die Landeskirchengrenzen und damit die innerlandeskirchliche Vielfalt zwischen Lutheranern, Reformierten und Unierten wurde auf pastoraler Ebene in manchen Regionen übersprungen. Die Tagungen wurden aber durch die ÖC zentral vorbereitet und von deren Mitarbeitern geleitet. Es gab noch keine Initiative, einen in den Regionen selber verantworteten »Unterbau« zu organisieren. Unabhängig davon leisteten die Tagungen anfangs einen notwendigen Beitrag zur allseitigen zwischenkirchlichen Vertrauensbildung. Während die ÖC zu dieser Zeit noch vorwiegend die Arbeit örtlicher Studienkreise förderte, wurde die berechtigte Frage aufgeworfen, »ob die Arbeitsgemeinschaft auf die Dauer eine unmittelbare Verbindung mit den evangelischen Landeskirchen entbehren kann.« Schon 1956 stellte der weitsichtige Ökumeniker Otto von Harling fest: »Manche Bemühungen der Arbeitsgemeinschaft hätten zweifellos mehr Wirkung erzielen können, wenn die Landeskirchen von vornherein unmittelbar und verantwortlich daran beteiligt gewesen wären. Denn ohne eine solche Beteiligung hat das Wort der Arbeitsgemeinschaft in allen die Landeskirchen und ihr Verhältnis zu den Freikirchen betreffenden Angelegenheiten praktisch kaum mehr Gewicht als das Votum eines mehr oder weniger privaten ökumenischen Arbeitskreises.«31

Um das Interesse der verschiedenen Landeskirchen an der ACK zu steigern, wurden 1952 und 1953 auf dem mennonitischen Thomashof bei Karlsruhe und 1955 in Treysa drei Tagungen mit Teilnehmern aus den Landeskirchen durchgeführt. Ein Versuch, der später nicht weiter verfolgt wurde. Die jährlichen Regionaltagungen der ÖC fanden bis in die 1980er Jahre hinein statt. Die ACK, so bemängelt es Reinhard Frieling 1970, »hat seit ihrer Gründung 1948 keine regionalen Untergliederungen hervorgebracht. Erst in den siebziger Jahren haben sich auf Landesebene einige Kirchen ein gemeinsames Forum geschaffen.«32 Es ist nicht erkennbar, dass die ÖC in diesen Prozess gestaltend eingriff und zu gemeinsamen Rahmenbedingungen half. Es kann eher der Eindruck entstehen, als habe die ÖC-Geschäftsführung trotz der 1961 in Neu Delhi angenommenen Einheitsformel für die ›Ökumene am Ort‹ an einer Regionalisierung außerhalb ihrer eigenen Kompetenz wenig Interesse gehabt. So entwickelten sich die einzelnen regionalen Arbeitsgemeinschaften unabhängig voneinander mit unterschiedlichen Ordnungen und Namen. 30 Otto von Harling, Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland. In: KJ 82. Jg. (1955), 362. 31 Ebd., 369 f. 32 Reinhard Frieling, Ökumene in Deutschland, 63.

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Erst im Januar 1973 fand in Königstein/Taunus eine erste Zusammenkunft der zaghaft gebildeten regionalen ökumenischen Arbeitsgemeinschaften statt. Es scheint, als habe diese Begegnung geholfen, eine Brückenstellung zwischen den regionalen Gründungen und der Bundes-ACK einzuleiten.33 Allerdings befand sich 1974, wie in einem Beitrag aus der ÖC in der Ökumenischen Rundschau bemerkt wird, die Basisökumene immer noch »auf der Kriechspur«. Nach dem Eindruck des Fortschritts in »Siebenmeilenstiefeln« am Ende der 60er Jahre sei jetzt eher das Bild der »Echternacher Springprozession« mit Schritten vor und zurück angebracht.34

4.3.2 Regionale ACKs mit unterschiedlichen Ansätzen Infolge einer fehlenden frühen Zusammenführung der regionalen ökumenischen Interessen kam es in der regional und örtlich verankerten Ökumene mit ihren völlig unterschiedlichen Entwicklungen zu jeweils eigenen Gründungsgeschichten. Einige davon werden hier kurz skizziert. Der früheste Impuls ging bereits 1950 von Franklin H. Littell aus. Der amerikanische Methodist wirkte im Bereich der ›Religious Affairs Branch‹ der Militärregierung in Stuttgart. Dort war er verantwortlich für die amerikanischen Kirchen in Deutschland. Aber er wurde auch bald zum Vorsitzenden des Ökumenischen Arbeitskreises im Evangelischen Kirchentag berufen. Auf seine Initiative kam es 1950 im Zusammenwirken mit Prälat Karl Hartenstein, einem Teilnehmer der Amsterdamer ÖRK-Gründungsversammlung, zur Bildung eines Ökumenischen Komitees Stuttgart.35 Es wirkten dort schon sehr früh Landeskirchler aus Baden und Württemberg mit Freikirchlern aus dieser Region zusammen. Die ACK Baden-Württemberg wurde allerdings formal erst am 7. Juli 1973 organisiert. Gründungsmitglieder waren elf Kirchen, darunter die Erzdiözese Freiburg und die Diözese Rottenburg der römisch-katholischen Kirche sowie die Griechisch-orthodoxe Metropolie und die Serbisch-orthodoxe Kirche. In dieser Zusammensetzung zeigt sich der Wandel, der im Gefolge des Vatikanischen Konzils von der Deutschen Bischofskonferenz initiiert wurde. Außer den elf Mitgliedskirchen nahmen zu jener Zeit vier Gastkirchen die Kontakte auf dieser ökumenischen Ebene wahr.36 Ähnlich wie in anderen regionalen ACKs wurde mit dem damaligen Superintendenten Hermann Sticher ein methodisti33 34 35 36

Prot. ACK 18./19. Jan. 1973, EZA Best. 2/15919, 4 f. Otmar Schulz, Basisökumene auf der Kriechspur. In: ÖR 23. Jg. (1974), 33 – 51. Vgl. Kap. 2, 6.3. Johannes Ehmann, Herausgeber im Auftrag des Vorstand der ACK Baden-Württemberg, 30 Jahre Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Baden-Württemberg, 1973 – 2003, Stuttgart o. J. (2003), 15 – 27.

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scher Vorsitzender gewählt. Damit suchte man auch einen Weg, keiner von den neuerdings beiden sog. Großkirchen eine Vormachtstellung einzuräumen, sondern eine Art Gleichgewicht herzustellen. Im Stadtstaat Bremen mit einer frühen ökumenischen Offenheit in Kirche und Staat entwickelte sich die Zusammenarbeit auf eine ganz andere Weise. Die Bremische Evangelische Kirche war der Norddeutschen Mission seit deren Gründung eng verbunden. Zu den Sitzungen des Bremer Missionsausschusses reiste der missions- und ökumeneerfahrene Martin Pörksen aus SchleswigHolstein an. Zur Mitarbeit war schon viele Jahre ein methodistischer Pastor zu den Sitzungen eingeladen. Als seit 1971 die Missionsgesellschaften in die Kirche integriert wurden, erwuchs aus dem bisherigen Missionsausschuss ein Ökumenischer Arbeitskreis, der über Jahre hinweg die Aufgaben einer ACK wahrnahm und schließlich auch diesen inzwischen allgemein üblichen Namen annahm. Im staatlich und darum auch kirchengeschichtlich mehrfach gegliederten heutigen Hessen gab es zunächst zwei ökumenische Organisationen. Zuerst bildete sich 1959 die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft in Nordhessen. Der Anstoß ging 1958 von dem Marburger Pfarrer Helmut Adamek aus, der sich an seinen Prälaten, den späteren Bischof Erich Vellmer wandte und die Bildung einer regionalen Arbeitsgemeinschaft in Nordhessen vorschlug. Nach entsprechenden Vorbereitungen gründeten Delegierte von sechs protestantischen Kirchen die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft in Nordhessen. Pfarrer Adamek wurde deren Vorsitzender. Zehn Jahre später, nachdem die katholischen Bistümer Mainz und Limburg bereits die inzwischen gebildete ACK Rhein-Main mitbegründet hatten, zeigte auch das Generalvikariat Fulda Interesse an einer Mitgliedschaft in Nordhessen. Nach den entsprechenden Vorarbeiten erfolgte 1971 eine Neukonstituierung der sich nunmehr als Rat Christlicher Kirchen in Nordhessen bezeichnenden ökumenischen Gemeinschaft. Vorher waren 1968 die Selbständige EvangelischLutherische Kirche (SELK) und die Alt-Katholiken in die Mitgliedschaft aufgenommen worden. Die ACK-Rhein-Main wurde 1968 gegründet. Es war die erste regionale ACKBildung, in der von Anfang an die römisch-katholische Kirche mit den bereits genannten Bistümern beteiligt war. Das war etwa fünf Jahre vor der Neukonstituierung der Bundes-ACK. Jährlich fanden gemeinsame Studientage mit Teilnehmern aus allen hessischen Regionen statt. Im Januar 2007 entstand aus den beiden bisherigen hessischen ACKs die ACK Hessen-Rheinhessen mit 20 Mitglieds- und Gastkirchen, die zu ihrem ökumenischen Festgottesdienst und der Unterzeichnung der neuen Satzung an den

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Ausgangsort Marburg zurückkehrte. Die Elisabethkirche war ein würdiger Ort, um diesen Festakt unter dem Hören des Wortes Gottes zu vollziehen.37 Die niedersächsische ACK sieht ihre »Keimzelle« in einem Ökumenischen Arbeitskreis beim Landeskirchenamt der Hannoverschen Landeskirche, der schon bald nach dem Kriege gegründet wurde. Seit 1947 war Hanns Lilje Landesbischof. Wenige Kirchenführer hatten eine so reiche ökumenische Erfahrung wie er. Das musste sich in seinem Haus auswirken. Der Ökumenische Arbeitskreis erweiterte sich durch Gäste aus anderen Kirchen. 1967 gab der ÖkumeneReferent im lutherischen Landeskirchenamt, Kurt Schmidt-Clausen, den Anstoß zur Bildung »eines Rates für zwischenkirchliche Beziehungen«.38 Zunächst dachte man in Hannover daran, eine Brücke zwischen der verschiedenen evangelischen Landeskirchen und der römisch-katholischen Kirche zu bauen. Ein entscheidender Impuls für eine alle interessierten Kirchen umfassenden Ökumene kam 1970 aus der ÖC. Trotz eines daraus folgenden Vorstoßes des Ökumenischen Arbeitskreises, das Landskirchenamt möge Schritte zur Bildung eines »regionalen Christen-Rates aller christlichen Kirchen« für Niedersachsen einleiten, kam es erst im November 1973 zur Bildung einer vorläufigen Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft Niedersachen. Das weite Flächenland Niedersachsen von der ostfriesisch-niederländischen Küste bis nach HannoverschMünden und über Braunschweig bis an die damalige DDR-Grenze reichend, umfasste mehrere Landeskirchen und Diözesen. Die damit zusammenhängenden Fragen waren nicht immer leicht zu bewältigen. Endlich kam es am 27. November 1976 zur Konstituierung der ACK-Niedersachsen. Völlig anders stellte sich die Lage im Westen der geteilten Stadt Berlin dar. Bischof Otto Dibelius, der ungezählte kirchliche Delegationen und Einzelbesucher aus vielen Ländern empfing, war inzwischen ökumenisch engagiert. Er hatte die Bedeutung der Ökumene für die deutschen Kirchen erkannt und die Fäden der frühen innerdeutschen Ökumene, die im Deutschen Arbeitsausschuss des Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen durch Friedrich SiegmundSchultze vorbildlich zusammengeführt worden waren, aufgenommen. Anknüpfend an die Weltbund-Strukturen scharte er schon in frühester Nachkriegszeit Vertreter der Freikirchen um sich und lud sie regelmäßig zu Zusammenkünften in sein Haus ein. Offensichtlich wollte er vermeiden, dass die in den dreißiger Jahren im Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen landeskirchenunabhängig gestaltete Organisation39 sich in dieser Weise neu formierte. Sein Nachfolger, Bischof Kurt Scharf, leitete den Schritt von einer patriarchalisch 37 ACK Rhein-Hessen (Hg.), Ökumene in Hessen. Zwischenbilanz nach 50 Jahren, Ahnatal 2009. 38 Günther Overlach, Die Geschichte der Arbeitsgemeinschaft Christlichen Kirchen in Niedersachsen, Hannover 2012, 5. 39 Vgl. Bd. 1. Kap. 12.1 (12.1.3).

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geleiteten Gemeinschaft zu einer partnerschaftlichen und verpflichtenden Organisation ein. Es entstand, allen anderen ökumenischen Einwänden zum Trotz im Westen der Stadt der »Ökumenische Rat Berlin« (ÖRB). Die Bezeichnung »Arbeitsgemeinschaft« schien den Verantwortlichen »zu pragmatisch und zu wenig verbindlich.«40 15 Kirchen unterzeichneten im September 1970 die Ordnung und wurden Mitglieder. Im zentralen Dienstgebäude der Evangelischen Kirche der Union, Jebensstraße 3, konnte durch die zielgerichtete Förderung von Bischof Scharf ein »Ökumenisch-Missionarisches Institut« (ÖMI) eingerichtet werden. Es war von Anfang an festgelegt, dass an den etwa vier im Laufe eines Jahres stattfindenden Sitzungen die leitenden Persönlichkeiten der Kirche sich nicht durch ihre Ökumene-Beauftragten vertreten ließen, sondern selber daran teilnahmen. Während zu dieser Zeit bei allen Neugründungen die römischkatholische Kirche an einer vollen Mitgliedschaft interessiert war und sie auch annahm, bildete Berlin eine Ausnahme. Der für Berlin zuständige Alfred Kardinal Bengsch hatte seinen Sitz im Ostteil der Stadt. Es könnte sein, dass darin der Grund liegt, warum sich die römisch-katholische Kirche im Westteil mit dem Beobachterstatus zufrieden gab. Bedenkenswert ist, dass auch bei der Bildung der östlichen Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (AGCK) im April 1970 sich die römisch-katholische Kirche nicht zu einer Mitgliedschaft entschloss. Es liegt nahe, dass es nicht möglich schien, in ein und derselben Stadt im Westen nein und im Osten ja zu sagen. Die Annahme des Beobachterstatus hinderte weder die Katholiken noch die anderen Mitgliedskirchen, in eine vorbehaltlose gemeinsame Arbeit einzutreten. Dompropst Haendly unterzeichnete die westliche Ordnung und erklärte, »seine Kirche wolle sich unter keinen Umständen nur auf das Beobachten beschränken, sondern aktiv mitwirken.« Im Ökumenisch-Missionarischen Institut (ÖMI) des ÖRB hat sie von Anfang an durch einen von ihr entsandten Priester gleichberechtigt einen Platz ausgefüllt. Nach der politischen Wiedervereinigung fand in Berlin eine Zusammenführung der östlichen mit der westlichen Arbeit statt. Seit der Zeit änderte sich die Arbeitsweise und der Name in Ökumenischer Rat in Berlin-Brandenburg. Wo es noch keine regionale ACKs gab, entstanden sie mit Sicherheit in der ersten Hälfte der siebziger Jahre. Ein Beispiel ist Bayern, wo sie im Februar 1974 in Grafrath als siebte in der BRD gegründet wurde.41 Eine von der Ökumenischen Centrale erstellte Übersicht42 über die im Jahre 2000 bestehenden regionalen und lokalen Arbeitsgemeinschaften weist aus, dass 40 Reinhard Groscurth, Die Anfänge des Ökumenischen Rates Berlin. In: Constanze Kraft, Weg und Gestalt. Der Ökumenische Rat in Berlin-Brandenburg, Berlin 1998, 33 – 37 (35). 41 ÖR 23. Jg. (1974), 248. 42 Texte aus der Ökumenischen Centrale Nr. 5, Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland. Regionale und lokale Arbeitsgemeinschaften. Dokumentation, Frankfurt/M. 2000.

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es inzwischen 14 ACKs gibt, die innerhalb ihrer Länder aktiv sind. Darüber hinaus waren zu dieser Zeit 130 lokale Arbeitsgemeinschaften und 142 ökumenische Arbeitskreise erfasst. Es kann keinen Zweifel daran geben, dass ihre Zahlen inzwischen weiter gestiegen sind. Zusammenfassend ist zu sagen: Der ökumenische Aufbruch, der durch die Beschlüsse des Konzils erfolgte, hat in Deutschland auch die regionale Zusammenarbeit in eine neue Phase begleitet. So unterschiedlich die Anstöße zu den ersten regionalen ACK-Bildungen waren, so eindeutig ist auch, dass die Verpflichtungen, denen die katholischen Bischöfe durch die römischen Direktorien unterlagen, die Entwicklung zu engerem Zusammenarbeiten nicht nur als Pflichtaufgabe, sondern als Ausdruck endlich ermöglichter ökumenischer Gemeinschaft gefördert hat. Die Beschlüsse der Würzburger Synode haben den konzeptionellen Rahmen gegeben und damit auch zu einer mehr einheitlichen Entwicklung die Voraussetzungen geschaffen. Dadurch, dass innerhalb der römisch-katholischen Kirche viele Rechte bei den Bischöfen liegen und sie die Organisation von ökumenischen Strukturen innerhalb ihrer Diözesen vorantrieben, war eine Verstärkung der regionalen Arbeit eine geradezu selbstverständliche Konsequenz. Man kann davon ausgehen, dass die katholischen Bischöfe in unserem durch die Reformation geprägten Land ein stärkeres Interesse an der Umsetzung hatten, als das in überwiegend katholisch geprägten Ländern der Fall war.

4.4

Die ökumenische Durchdringung der Kirchen und ihrer Gemeinden

Es gab für die einzelnen Konfessionen und Denominationen ganz unterschiedliche Gründe, ihre eigene ökumenische Haltung zu formulieren oder zu überprüfen. Die zunehmende Zahl von regionalen und lokalen ACKs, die entstehenden überregionalen ökumenischen Begegnungsmöglichkeiten wie in der Arbeitsgemeinschaft Ökumenischer Kreise, das überregionale und international verbundene Netzwerk konfessionsverbindender Ehen, die regelmäßigen Vorbereitungstreffen von Frauen zur Gestaltung der Weltgebetstage und schließlich die wachsende Zahl von örtlichen Ökumenekreisen verbanden viele Theologen und immer mehr Laien. Sie nahmen an den ökumenischen Bestrebungen sowohl als einzelne, aber auch als Delegierte ihrer Kirchen in ganz unterschiedlichen ökumenischen Gremien teil. Die Zahl der ökumenisch Engagierten in den Kirchen und die daraus entstehenden Überlegungen in den Kirchen- und Gemeindevorständen, den Gemeindekirchenräten und in den Leitungsgremien der Kirchen, die sich mit ökumenischen Anfragen befassen mussten, stieg deutlich.

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Das ist eine positive Seite der Entwicklung. Es gab aber auch negativ bestimmte Ansätze. Sie kamen teilweise aus der internationalen Ökumene. Es ist hier nur an die Irritationen durch das 1975 von der Vollversammlung des ÖRK in Nairobi beschlossene »Programm zur Bekämpfung von Rassismus« und dessen heftige Debatten um die Umsetzung zu denken. Es führte beispielsweise bei der Heilsarmee dazu, die ÖRK-Mitgliedschaft ruhen zu lassen. Mehrere Synoden der EKD haben kontrovers über die Genfer Aktivitäten, die mit dem sog. »Antirassismus-Programm« verbunden waren, diskutiert, manche sogar eine Distanz zum ÖRK erwogen. Dies alles geschah zu einer Zeit, als von der ÖRKVollversammlung in Neu Delhi 1971 ungewohnte Gedanken einer Missionstheologie eine heftige Debatte, man kann fast sagen eine »Grundlagenkrise« ausgelöst hatten. Die Bekenntnisbewegung: Kein anderes Evangelium hatte sich organisiert und übte nicht nur scharfe Kritik an ökumenischen Impulsen, die von Genf kamen, sondern auch an ihrer Kirche, der EKD. Innerhalb der Gemeinden und unter ihren Gottesdienstbesuchern gab es mehr kritische Fragen als innerhalb der gesamt-kirchlichen Öffentlichkeit. Diese ganze Entwicklung forderte in allen Kirchen Klärungen über ihre Haltung und Beziehung zu den ökumenischen Entwicklungen. Weil sich die ökumenischen Herausforderungen in einem ständigen Wandel befinden, ist es eine notwendige Folge, dass auch die Kirchen ihre Positionen immer wieder neu justieren müssen. Das führt zu einer Vielzahl von Publikationen ganz unterschiedlichen Niveaus, deren Inhalte in Kirchenleitungen und bei Gemeindegliedern, in Synoden und in kirchlichen Werken Irritationen und selbst die Formierung von Protestbewegungen hervorgerufen haben.

4.4.1 Innerkirchliche Klärungen Die offiziellen Stellungnahmen wie auch die Äußerungen von prominenten einzelnen Christen hatten ganz unterschiedliche Kontexte, in denen sie entstanden waren oder auf die sie reagierten. Manchmal war es eine neue gesellschaftliche Herausforderung, manchmal die Entwicklung in neuartigen Gemeinden, dann wieder »Erklärungen« von Gremien wie der Evangelischen Allianz, der Vereinigung Evangelischer Freikirchen oder der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche, um nur einige Beispiele zu nennen. Nicht zu unterschätzen ist auch die von Zeit zu Zeit erwachende innerkirchliche Kritik oder die in Erscheinung tretende Zurückhaltung von vertrauten Partnern mit ausgeprägten Positionen. Es werden einige Beispiele vorgestellt. Dabei bleibt der Gesichtspunkt im Fokus, dass Prozesse ökumenischer Rezeption eine breite zustimmende Haltung der rezipierenden Gremien voraussetzt.

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4.4.2 Der Rat der EKD und die katholische Bischofskonferenz In Deutschland prägen die EKD und die Katholische Bischofskonferenz in gewisser Weise das ökumenische Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit. Der Rat der EKD hatte im ersten Nachkriegskontakt mit der Ökumene Stellung zu beziehen. Im Rahmen der Begegnung zur Übergabe der Stuttgarter Erklärung 1945 fragte der Schweizer Ökumeniker Alphons Koechlin die Teilnehmer der Ratssitzung: »Wir fragen den Rat der EKiD namens der Ökumene, ob Deutschland nun die Einladung von 1939 zum Beitritt annehmen wird.« Die Vorbehalte gegen manches Verhalten während der Nazi-Zeit fügte er aber seiner Anfrage direkt an. »Ich verschweige jedoch nicht«, sagte Koechlin, »daß es wichtig sein wird, welche Persönlichkeiten uns namens der EKiD in der Ökumene entgegentreten werden.«43 Die ökumenische Delegation forderte damit unausgesprochen auch Konsequenzen in den personellen Fragen auf den kirchlichen Leitungsebenen. Zugleich streckte sie den deutschen Kirchen die Hand der Versöhnung entgegen, denn die Einladung hieß: Wir erwarten euch und wollen mit euch zusammenarbeiten. Außer im Rat der EKD und in den einzelnen Landeskirchen wurde die Ökumene auf der Ebene einer EKD-Synode im Jahr 2000 erstmals umfassend thematisiert. In einer umfangreichen »Kundgebung: Eins in Christus. Kirchen unterwegs zu mehr Gemeinschaft«44 wurden kaum erfüllbare Hoffnungen und Aussichten formuliert. Die katholische ökumenische Position, wurde in ihren Grundstrukturen durch das Konzil und die folgenden Erklärungen festgelegt und für die nationale Ebene impulsgebend durch die Würzburger Synode konkretisiert. Heute liegt die weitere Entwicklung in der Hand der Bischofskonferenz. Sie arbeitet mit einer Ökumenekommission, deren Leiter sie informiert und zu weiteren Initiativen anregt. Gegenwärtig ist immer wieder die Frage nach der katholischen Rolle und Beteiligung an den Gedenkfeiern ›500 Jahre Reformation‹ im Jahr 2017 in der Debatte. Die Aktivitäten der beiden Kirchen sind bekannt. Ich wende mich den weniger im Blickfeld sowohl der kirchlichen wie der gesellschaftlichen Öffentlichkeit stehenden Partnerkirchen zu.

43 Prot. EKD-Rat 18./19.10. 1945, Bd. 1 (1995), 46. – 1938 war an die DEK eine Einladung zum Beitritt ergangen, die jedoch nicht angenommen wurde. Die DEK knüpfte diesen Schritt an Bedingungen, die für den ÖRK unannehmbar waren. 44 www.ekd.de/synode2000/beschluesse_ku_eins_in_christus.html#top. Abruf am 17. 08. 2013.

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4.4.3 Klärungen in Minderheitskirchen45 Die folgende Auswahl soll sowohl ökumene-kritische wie ökumene-freundliche sog. Freikirchen umfassen, dazu auch das Alt-katholische Bistum und die Pfingstbewegung.

(1)

Der Bund Freier evangelischen Gemeinden (FeG)46

Die Mehrzahl der führenden Theologen und Laien im Bund Freier evangelischer Gemeinden hat lange Zeit eher Einzelkontakte zu anderen Gläubigen gesucht und sich schwer damit getan, verbindliche zwischenkirchliche Kontakte zu gestalten. Das war besonders der Fall, wenn sie mit Bestrebungen der ökumenischen Bewegungen verbunden waren. Hinter den ökumenischen Entwicklungen sah man in typisch deutscher Sicht liberale Theologen, denen man kein Vertrauen schenken konnte. In der Frühzeit der 1926 endgültig gebildeten Vereinigung Evangelischer Freikrchen kam es wegen der aktiven Mitwirkung der Methodisten in der internationalen Ökumene fast zum Bruch.47 In anderen Ländern, ich nenne als Beispiel Schweden, waren die Freien evangelischen Gemeinden viel unbefangener.48 Sie haben sich nicht aus Sorge vor Überfremdung zurückgezogen, sondern sich bemüht, in Glaubensgewissheit ihren Beitrag für die evangelische Gesamtheit zu leisten. Trotz aller Vorbehalte befassten sich die Pastoren des independenten Gemeindebundes immer wieder mit Fragen der Ökumene und der Einheit. Im Jahre 2004 fand eine Theologische Tagung zum Thema »Einheit in Christus« statt, an der auch der landeskirchliche ÖkumeneExperte Reinhard Frieling und der katholische Priester und Professor Paul M. Zulehner als Gastreferenten mitwirkten. Im Vorwort der Veröffentlichung ihrer Vorträge schrieb Wolfgang Heinrichs: »Freilich darf die Suche nach Einheit weder von einem Wahrheitsrelativismus bestimmt sein noch von einer eigensinnigen Befangenheit, die ihre je eigenen Besonderheiten mit der Einzigartigkeit Jesu Christi verwechselt.«49 Kürzlich hat Johannes Demandt, Pastor der FeG, 45 Die offiziellen zwischenkirchlichen Vereinbarungen werden in diesem Teil noch ausgeklammert, weil sie in dem Abschnitt danach erfasst werden sollen. 46 Hartmut Weyel, Evangelisch und frei. Geschichte des Bundes Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland, Witten 2013, 170 – 180. 47 Karl Heinz Voigt, Die Freikirchen während der Weimarer Republik. Gemeinsames Wirken unter neuen Bedingungen. In: FF 21. Jg. (2012), 131 – 157 (144 – 157). Ders., Die Bildung der Vereinigung Evangelischer Freikirchen zwischen Stockholm (1925) und Lausanne (1927). In: FF 9. J. (1999), 151 – 187. 48 Walter Persson, In Freiheit und Einheit. Die Geschichte des Internationalen Bundes Freier evangelischer Gemeinden. Übersetzt von Heinz-Adolf Ritter, Witten 1999. 49 Wilfried Haubeck, Wolfgang Heinrichs, Michael Schröder (Hg.), Einheit in Christus. Anspruch, Wirklichkeit und Perspektiven, Witten 2004, 5.

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Vorbehalte, die in seinem Gemeindebund kursieren, konkret benannt. Es seien Sorgen, durch Mehrheitsbeschlüsse für fremde Positionen vereinnahmt zu werden und die Beteiligung an Beschlüssen mit volkskirchlichen corpora permixta seien problematisch.50 So hat der Bund Freier evangelischer Gemeinden bei den Vorbereitungen zur Bildung der ACK 1948 wohl mitgewirkt, dann aber – zunächst aus formalen Gründen – die Mitträgerschaft nicht angenommen. Der Bund wurde als ein in der Ordnung damals nicht vorgesehenes »Gastmitglied« geführt, einen inzwischen auch satzungsmäßig möglichen Status, den die FeG bis heute beibehalten haben. Der ACK-Vorsitzende Bischof Weber hat bei der Verabschiedung von BFeG-Präses Peter Strauch aus dessen innerkirchlichen Führungsaufgaben mit seinem Grußwort, ohne es direkt zu formulieren, um eine Umwandlung des Status geworben, jedoch vergeblich. Dies schließt nicht aus, dass es »eine zunehmende ökumenische Offenheit« gibt, die in Gottesdiensten wächst und in Sitzungsbegegnungen Vertrauen begründet. Auch wenn insbesondere der römisch-katholische Anspruch, »allein Kirche im eigentlichen Sinn zu sein«, und die Mariologie kritisch bewertet werden, gibt es in der Christologie und in Teilbereichen der Ethik »große Gemeinsamkeiten«.51 Im Jahr 2002 wurde nach 1974 eine neue »Erklärung zur zwischenkirchlichen Zusammenarbeit« für alle Gemeinden verabschiedet. »Im Unterschied zu 1974 empfahl nun der Bund den Ortsgemeinden zu prüfen, ob sie auf regionaler oder örtlicher Ebene über den Gaststatus hinausgehen wollen. Ebenso sei auf örtlicher Ebene zu prüfen, wieweit gemeinsames gottesdienstliches Handeln möglich sei, ohne dass dadurch biblische Überzeugungen undeutlich würden.«52 Diese Textpassage spiegelt die zurückhaltenden Positionen in der Bundesgemeinschaft, die kürzlich durch das Versagen von Abendmahlsgemeinschaft durch Präses Ansgar Hörsting verstärkt worden sind. Die differente Haltung innerhalb jenes Gemeindebundes, der um der »Einheit der Kinder Gottes«53 willen entstanden war, ist in einem unterschiedlichen Verhalten erkennbar : in einigen regionalen ACKs sind sie Mitglied, in anderen Gastmitglied. In der DDRAGCK hatten die Gemeinden die volle Mitgliedschaft angenommen.54 Die schwierige Entscheidungslage in einem Bund, in dem autonome Gemeinden auf ihr Selbstbestimmungsrecht großen Wert legen und innerhalb örtlicher Gemeinden eine Art von Gemeindeegoismus durch führungsstarke

50 Johannes Demandt, Der Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland. In: ders., Freie evangelische Gemeinden. Bh 114, Göttingen 2012, 76 – 78. 51 Ebd. 52 Hartmut Weyel, Evangelisch und frei, 178. 53 Hartmut Lenhard, Die Einheit der Kinder Gottes. Hermann H. Grafe zwischen Brüderbewegung und Baptisten, Witten/Wuppertal 1977. 54 Vgl. Kap 3.10.1.

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Zeit der beginnenden Rezeptionen und Aktionen (Teil 1)

Personen entstehen kann, zeigt sich gerade am Beispiel des Verhältnisses zu anderen Kirchen. (2)

Der Bund Ev.-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten) (BEFG)

Ich wähle hier bewusst die Bezeichnung »Baptisten«. Der umfangreichere »Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden«, deren Kern die traditionellen Baptisten bilden, ist in seiner Gesamtheit in konfessionskundlicher Hinsicht und in seiner Stellung zur Ökumene vielfältig. Zwar gibt es im independentistischen Bund auch Gemeinden, die sich ökumenisch zurückhalten. Aber die führenden Köpfe im Baptismus sind seit der Bildung der ACK, deren Gründungsmitglieder sie sind, durchgehend ökumenisch aktiv gewesen. In dieser Stellung lassen sie sich auch durch abgrenzende, fast ausgrenzende Erfahrungen, wie der langen Verzögerung im Berufungsverfahren auf einen Lehrstuhl für »Ökumenik und Konfessionskunde« an einer immerhin staatlichen Universität in einem sich in religiösen Fragen neutral verstehenden Land nicht irritieren.55 Viele nationale Baptisten-Vereinigungen gehören dem ÖRK an. Die deutschen Baptisten arbeiten in allen nationalen ökumenischen Gremien engagiert mit. Im DÖSTA haben Baptisten seit 1963 immer an theologischen Fragen mitgearbeitet. Seit 1985 war Erich Geldbach für mehr als ein Jahrzehnt ihr Delegierter ; gegenwärtig ist es Uwe Swarat, der auch zum Vorsitzenden gewählt wurde. Swarat hat auch eine Übersicht über die ökumenischen Dialoge, die von den Baptisten auf verschiedenen Ebenen geführt wurden, veröffentlicht.56 In Bayern wurde auf der Grundlage europäischer Dialoge eine Diskussion über Kirchengemeinschaft zwischen den Lutheranern und Baptisten weit vorangetrieben. Schließlich bleibt zu erwähnen, dass sich die baptistischen Vertreter in den verschiedenen ACKs in regelmäßigen Abständen zum Austausch über ökumenische Entwicklungen treffen. Zuletzt haben sie sich »Einige Gedanken im Blick auf das Reformations-Jubiläum 2017« gemacht.57

55 Walter Fleischmann-Bisten, »… einen besseren Mann können die Bochumer für diesen Lehrstuhl nicht bekommen.« In: Lena Lybæk, Konrad Raiser, Stefanie Schardien (Hg.), Gemeinschaft der Kirchen und gesellschaftliche Verantwortung. FS für Erich Geldbach, Münster 2004, XV – XXXI (besonders XXIX – XXXI). 56 Uwe Swarat, Baptisten im ökumenischen Gespräch. Die jüngsten zwischenkirchlichen Dialoge und ihre Ergebnisse. In: Andreas Strübind/Martin Rothkegel (Hg.), Baptismus. Geschichte und Gegenwart, Göttingen 2012, 229 – 258. 57 Erich Geldbach, Wie evangelisch ist der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten)? Einige Gedanken im Blick auf das Reformationsjubiläum 2017. In: Volker Spangenberg (Hg.), Luther und die Reformation aus freikirchlicher Sicht. KKR Bd. 59, Göttingen 2013, 55 – 70.

Die ökumenische Durchdringung der Kirchen und ihrer Gemeinden

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Die Evangelisch-methodistische Kirche (EmK)

Innerhalb der aus dem Anglikanismus kommenden methodistischen Tradition gehörte die »Katholizität« von Anfang an zu den ›fundamentals‹. In ihrer bis zur Vereinigung mit anderen Traditionen reichenden Bereitschaft, die sie weltweit in einem Verfassungsartikel58 formuliert hat, relativiert sie ein »egoistisches« Verständnis ihrer selbst. Methodisten sind sich dessen bewusst, dass sie innerhalb der Kirche Jesu Christi nicht das Zünglein an der Waage sind. Obwohl sie einen theologischen und angesichts der globalen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen auch einen strukturellen Beitrag in das weltweite kirchliche Leben einbringen können, kommt Gott mit seiner Kirche auch ohne konfessionelle oder denominationelle Existenzen an sein Ziel. Alle methodistischen Bischöfe in den europäischen Sprengeln haben ihre ökumenischen Verpflichtungen vorbildlich erfüllt. Bischof John L. Nuelsen ist als ein früher international, auch in Deutschland engagierter Ökumeniker noch nicht entdeckt worden. Bischof J. W. E. Sommer hat in der deutschen Ökumene in der Zeit nach 1945 mutige Entwicklungen eingeleitet. 1968 schrieb Bischof Friedrich Wunderlich im Zusammenhang der Kirchenvereinigung mit der Evangelischen Gemeinschaft über die ökumenischen Beziehungen: Die methodistischen Kirchen »waren von Anfang an dabei, als die Kirchen, die sich früher oft fremd und feindselig gegenübergestanden hatten, miteinander ins Gespräch kamen. Die neue Kirche wird sich weiterhin an diesen Gesprächen beteiligen, sei es auf Weltebene, wie etwa an der Vollversammlung des ÖRK in Uppsala oder auf regionaler oder auf Ortsebene.« Auch im Blick auf die Gespräche mit der römisch-katholischen Kirche wird sie »nicht abseits stehen«.59

Inzwischen haben die Methodisten seit 1967 einen ununterbrochenen Dialog mit der römisch-katholischen Kirche geführt.60 Wunderlichs Nachfolger Carl E. Sommer hat als ACK-Vorsitzender die Aufnahme der römisch-katholischen Kirchen und der Orthodoxen mit allen ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten gefördert. Bischof Walter Klaiber hat sich nicht nur als ACK-Vorsitzender ganz im Sinne methodistischer Theologie und Praxis mit Engagement für eine »Missionarische Ökumene« eingesetzt.61 Im Auftrag der Weltkirche hat er an der Vorbereitung zur Zustimmung der Teilnahme des World Methodist Council an der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GE) aktiv 58 Verfassung, Lehre und Ordnung der Evangelisch-methodistischen Kirche, Ausgabe Frankfurt 2010, 35. 59 Friedrich Wunderlich, Wir sind sein Werk. Bischofsbotschaft 1968, Stuttgart 1968, 13. 60 Fünf ausführliche Berichte von 1986, 1991, 1996, 2001 und 2006 liegen in den Bänden DwÜ 1 bis 4 in deutscher Übersetzung vor. 61 Vgl. Kap. 4.11.7.

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mitgewirkt.62 Er gehörte, als die Erregung der deutschen Theologen längst abgeklungen war, der kleinen internationalen ökumenischen Theologengruppe von Lutheranern, Reformierten und Katholiken an, welche die mit der Annahme der GE übernommene Verpflichtung, die biblischen Grundlagen der Rechtfertigungslehre aufzuarbeiten, ausgeführt hat.63 Auch die methodistischen Gemeinden hatten von Anfang an hohe Erwartungen an die »Ökumene zuhause«.64 Nach einer langen Phase der Enttäuschung waren sie fast alle in ökumenischen Initiativen involviert. Heute gibt es Anzeichen dafür, dass mit der Akzeptanz und der damit verbundenen Anerkennung eine gewisse ökumenische Zufriedenheit eingetreten ist. Es besteht die Gefahr, dass Methodisten ihre ökumenische Verpflichtung, mit den Partnerkirchen den Reichtum der eigenen theologischen Tradition und die eigenen internationalen und zwischenkirchlichen Erfahrungen in Geschichte und Gegenwart zu teilen, zu wenig erfüllen. Darin geht es keineswegs, wie manchmal von Anpassungswilligen behauptet wird, um eine konfessionelle Profilierung, sondern um die ökumenische Verpflichtung zu partnerschaftlicher gegenseitiger Bereicherung und gemeinsamer Erschließung der Fülle Christi in Schrift und Tradition. Die Herrnhuter Brüdergemeine, die ähnlich wie die Methodisten eine durch und durch ökumenisch strukturierte Kirche ist und das auch lebendig zu gestalten weiß, ist ein Beispiel dafür, wie man auch als Minderheit trotz verbindlicher und offener ökumenischer Gesinnung sein Profil nicht verlieren muss.65 Die EmK hat neben einer Anzahl anderer Erklärungen und vielfachen Informationen für die Gemeinden eine spezielle, durch den Kirchenvorstand beschlossene Orientierungshilfe herausgegeben, in welcher auch das Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche ausführlich thematisiert ist.66 (4)

Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK)

Je konfessionsbewusster eine Kirche ist, um so schwerer fällt es ihr, den Weg zu einem offenen Zusammenwirken mit anderen Kirchen zu finden. Schon die Zusammenführung der selbständigen, renitenten Kirchenzweige zur SELK war 62 Der Beitritt und die Aufnahme erfolgte am 23. Juli 2006 in Seoul. Text: DwÜ Bd. 4 (2012), 1158 – 1162. 63 Walter Klaiber (Hg.), Biblische Grundlagen der Rechtsfertigungslehre. Eine ökumenische Studie zur Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre, Leipzig/Paderborn 2012. 64 J. W. Ernst Sommer, Die Oekumene im eigenen Lande. In: Die Ordnung Gottes und die Unordnung der Welt. Deutsche Beiträge zum ökumenischen Gespräch 1948, Stuttgart/Tübingen 1948. 65 Martin Theile, Offen und verbindlich. Anstöße für unseren Glauben aus dem Denken von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, Basel 2000. 66 Evangelisch-methodistische Kirche, Die EmK und die ökumenische Bewegung – Eine Orientierungshilfe für unsere Gemeinden. EmK heute Heft 56, Stuttgart 1988.

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ein langwieriger Prozess. Die Haltung der SELK zu ökumenischen Fragestellungen wird erkennbar in ihren Stellungnahmen zu Fragen der Kirchengemeinschaft. Diese pflegt diese unabhängige lutherische Kirche mit »allen Kirchen, die Lehre und Handeln in gleicher Weise an die Hl. Schrift und das lutherische Bekenntnis binden. Sie verwirft […] jede Union, die gegen Schrift und Bekenntnis verstößt.«67 Die SELK hat über Jahrzehnte aus konfessionellen Gründen keine Mitgliedschaft in der EKD, im ÖRK, selbst nicht in der VELKD und im Lutherischen Weltbund (LWB) begehrt. In die ACK ist sie schrittweise hineingewachsen. 1992 hatte sie noch einen Beobachterstatus, der sich im Laufe des gleichen Jahrzehnts in eine volle Mitgliedschaft veränderte. Das war der SELK möglich, weil durch diese Verbindung das eigene Selbstverständnis unberührt und die Unabhängigkeit gewahrt bleibt. Wenige Jahre vor der Aufnahme hieß es noch in einer offiziellen »Handreichung«: »Die Tatsache, daß die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche nicht auf allen Ebenen Vollmitglied der ACK ist, unterstreicht, daß sie sich keineswegs in voller Übereinstimmung mit deren Entscheidungen und Aktionen weiß.«68 Unter Bischof Jobst Schöne erfolgte nach innerkirchlichen Klärungen 1993 die Aufnahme in die Bundes-ACK. Nach den früheren Positionierungen der SELK konnte man nicht selbstverständlich damit rechnen, dass sie am 30. Mai 2003 während des Ökumenischen Kirchentags die Charta Oecumenica durch ihren Bischof Diethardt Roth unterzeichnen würde. Die SELK ist ein Beispiel für die positive innerdeutsche ökumenische Entwicklung. Heute ist sie im ACK-Vorstand durch ihren Bischof vertreten. (5)

Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten

Die Adventisten haben sich lange Zeit völlig zurückgehalten. Erst nachdem es zwischen der Gesamtkirchenleitung in den USA und dem ÖRK zu einer Reihe von Gesprächen kam, wurde ein Wandel eingeleitet. Auch der deutsche Zweig dieser Kirche nahm die Impulse aus der Zentrale in den USA auf. Er suchte Anschluss an die Vereinigung Evangelischer Freikirchen und an die ACK. Damit war ein Wandel eingeleitet, der die Siebenten-Tags-Adventisten teilweise umgewandelt hat. Einige traditionelle Gruppen sahen sich allerdings nicht in der Lage, diesen neuen Weg mitzugehen. Aus dieser Lage heraus, aber auch von dem teilweise ungewöhnlichen historischen und theologischen Hintergrund her 67 Grundordnung der SELK, Artikel 2. www.google.de/url?sa=t& rct=j& q=& esrc=s& sour ce=web& cd=1& ved=0CCMQFjAA& url=http%3A%2F%2Fwww.selk.de%2Fdownload%2 FGO.pdf& ei=fs2KVICsK8m7Oo2vgYAE& usg=AFQjCNGyFo6dWG7be6GGU0hsWJUXfB Unmg& bvm=bv.81828268,d.ZWU (Abruf 12. Nov. 2013). 68 Verantwortung. Eine Handreichung für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche. Hannover 1992, 30.

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nahmen die Adventisten sowohl in der VEF wie in der ACK lediglich einen Gaststatus an. (6)

Das Bistum der Alt-Katholiken

Es liegt in der Natur der Alt-Katholischen Kirche, dass sie eine ökumenische Grundausrichtung hat. Im Deutschen Ökumenischen Studienausschuss (DÖSTA) hat der alt-katholische Professor Werner Küppers eine herausragende Rolle gespielt. Während des Konzils war er für den Deutschen Ökumenischen Studienausschuss ein kompetenter Interpret für die aus Rom kommenden Informationen. In der Mitte der achtziger Jahre kam es von Nürnberg aus zu Entwicklungen, die nach längerer Zeit der Lehrgespräche auf eine »Vereinbarung über eine gegenseitige Einladung zur Teilnahme an der Feier der Eucharistie« mit den Gliedkirchen der EKD hinausliefen.69 Es ist bezeichnend, dass diese Gespräche den Impuls aufgenommen haben, der 1982 in Lima von der Kommission für Glaube und Kirchenverfassung des ÖRK angenommenen Konvergenzerklärung »Taufe, Eucharistie und Amt« ausging. Dieses Dokument war in einem mehrere Jahrzehnte dauernden Prozess, an dem außer den Mitgliedskirchen des ÖRK auch die römisch-katholische Kirche beteiligt war, erarbeitet, einstimmig verabschiedet und den Kirchen offiziell zur Rezeption übergeben.70 Auch die entstandenen Beziehungen zwischen der Alt-Katholischen Kirche und den Lutheranern in Nürnberg verdanken sich dem internationalen Anstoß aus der Ökumene. Später hat das Bistum der Alt-Katholiken zusammen mit anderen ACKKirchen die Charta Oecumenica unterzeichnet. (7)

Die Orthodoxe(n) Kirche(n)71

Die Zahl der orthodoxen Kirchen in Deutschland, die ihre Gläubigen betreuen und ihnen eine geistliche Heimat bieten, ist ständig gewachsen. Heute leben hier etwa 1,5 Millionen orthodoxe und orientalisch-orthodoxe Christen. Sie feiern ihre Gottesdienste in über 250 Hauptgemeinden, die unter der Aufsicht von über 69 Vgl. Kap. 4.7.6. 70 Es ist typisch für die akademische ökumenische Diskussion, dass Franz Lülf 1993 eine Studie mit dem Titel »Die Lima-Erklärungen über Eucharistie und Amt und deren Rezeption durch die evangelischen Landeskirchen in Deutschland« veröffentlichte. Die Stellungnahmen aus dem Bereich des Baptismus, durch die Alt-Katholiken und von der methodistischen Kirche wurden im deutschen Sprachraum kaum zur Kenntnis genommen, obwohl sie alle publiziert worden sind. Dies ist ökumenisch ein bedenkliches Signal, das die Minderheiten in unserer Region immer als »Außenseiter« betrachtet, obwohl sie ökumenisch gesehen tatsächlich »Innenseiter« sind. 71 Athanasios Basdekis, Die Orthodoxe Kirche. Eine Handreichung für nicht-orthodoxe und orthodoxe Christen und Kirchen, Frankfurt/M., 2001, 103 – 140.

Die ökumenische Durchdringung der Kirchen und ihrer Gemeinden

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20 Bischöfen und 250 Priestern stehen. Gemeinsam bilden sie die zahlenmäßig drittgrößte Konfessionsfamilie in Deutschland. Die nachbarschaftlichen ökumenischen Beziehungen sind vor allem in den 60ern und 70ern Jahren des vorigen Jahrhunderts durch die gastweise Überlassungen von Kirchengebäuden gewachsen. Inzwischen werden zunehmend eigene Kirchen und Gemeindeeinrichtungen erbaut, die den traditionellen liturgischen Ansprüchen gerecht werden. Die Orthodoxen haben die Ökumene in Deutschland auf eine völlig andere Weise als die bereits erwähnten Minderheitskirchen beeinflusst. Als erste orthodoxe Kirche wurde 1974, zusammen mit der römisch-katholischen Kirche, die Griechisch-Orthodoxe Metropolie von Deutschland in die Bundes-ACK aufgenommen. In der Folgezeit traten auch andere orthodoxe und orientalisch-orthodoxe Kirchen in Deutschland der ACK bei, u. a. die Russische (1992), die Syrische (1993), die Armenische (1996), die Äthiopische (1998) und die Koptische (1998) Orthodoxe Kirche. ACK-Mitgliedskirchen sind: (1) Autokephale Orthodoxe Kirchen: – die Griechisch-Orthodoxe Metropolie von Deutschland (Ökumenisches Patriarchat), – das Exarchat der orthodoxen Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa (Ökumenisches Patriarchat), – die Ukrainische Orthodoxe Eparchie von Westeuropa (Ökumenisches Patriarchat), – die Orthodoxe Metropolie für Zentral- und Westeuropa (Rum.-orthodox) der Griechisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien, – die Diözese für Berlin und Deutschland des Moskauer Patriarchats, Berliner Diözese, – die Orthodoxe Diözese von Berlin der Russischen Orthodoxen Auslandskirche, – die Serbisch-Orthodoxe Diözese für Mitteleuropa, – die Rumänisch-Orthodoxe Metropolie für Deutschland, Zentral- und Nordeuropa, – die Bulgarische Diözese von West- und Mitteleuropa, – die Georgische Orthodoxe Metropolie für Westeuropa. (2) Orientalische Orthodoxe Kirchen: – die Armenisch-Apostolische Orthodoxe Kirche, – die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche, – die Koptisch-Orthodoxe Kirche in Deutschland , – die Syrisch Orthodoxe Kirche von Antiochien in Mitteleuropa.

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Allein diese knappe Übersicht zeigt, wie vielseitig das kirchliche Leben zunächst besonders in der Bundesrepublik bereichert worden ist.72 Die zunehmende Präsenz orthodoxer Delegierter in der Mitgliederversammlung der ACK hat mit dazu geführt, dass die Sorgen der in Deutschland im Zuge der Migration gebildeten orthodoxen Gemeinden mit Christen aus deren Heimatländern auf die Tagesordnungen kamen. Es waren nicht nur die Probleme, die sich diesen Kirchen in Deutschland stellten. Verfolgungen, Sorgen um Enteignungen und eingeschränkte Freiheiten in Ländern aus denen viele orthodoxe Christen nach Deutschland kamen, konnten von der Gesamtheit der Kirchen in Deutschland wahrgenommen und in bescheidenem Maße mitgetragen werden. 2013 war es besonders die Gemeinschaften mit den Kopten, deren Heimat Ägypten ist. Vermutlich wäre es 1981 und danach kaum zu besonderen »Erklärungen« aus Anlass des Gedenkens an das Zweite Ökumenische Konzil von Konstantinopel und das Glaubensbekenntnis von Nicäa-Konstantinopel (381) vor 1.600 Jahren durch die ACK gekommen, wenn nicht die Orthodoxen inzwischen einen lebendigen Beitrag in die hiesige ökumenische Gemeinschaft eingebracht hätten.73

Entwicklungen innerhalb der Orthodoxie Wie in allen Kirchen gibt es auch in dem weiten Feld der Orthodoxie, die in Deutschland und teilweise in Westeuropa kirchenrechtlich organisierte Zweige hat, Anstöße zu neuen Entwicklungen, die durch ökumenische Einflüsse vermittelt wurden. In Deutschland haben die kritischen Positionen Orthodoxer Kirchen zum ÖRK in manchen Kreisen mehr Aufmerksamkeit gefunden als die hiesigen bemerkenswerten Entwicklungen. Innerhalb der orthodoxen Familien der byzantinischen Tradition, traditionell in den westlichen Kirchen als »die Orthodoxen« bezeichnet, und der orientalischen Tradition, die als »Altorientalische Kirchen« wahrgenommen werden, gibt es seit dem 5. Jahrhundert unterschiedliche Verständnisse in christologischen Fragen. Sie führten zu einer Distanz und Entfremdung zueinander, die nach langen und intensiven theologischen Gesprächen in der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts durch die Verabschiedung einer Gemeinamen christologischen 72 Es ist wünschenswert, auch eine Übersicht jener Kirchen aus Asien, Afrika und Lateinamerika zu erstellen, die innerhalb der DDR – zwar ohne eigene Gemeindebildung – kirchliche Kontakte gefunden haben. Die dortige AGCK hatte mit Klaus Pritzkuleit einen Ausländerbeauftragten berufen, der sich der Menschen aus Kuba, Mozambique, Angola und anderen Staaten, zu denen die DDR Kontakte pflegte, angenommen hat. 73 Gemeinsames Bekennen zum dreieinigen Gott. Erklärung der ACK 1981. Wolfgang Bienert (Hg.), Wir glauben, wir bekennen, wir erwarten. Deutscher Ökumenischer Studienausschuss im Auftrag der ACK, Frankfurt/M. 1997.

Die ökumenische Durchdringung der Kirchen und ihrer Gemeinden

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Erklärung 1990/1993 in Chamb¦sy/Genf überwunden werden konnten. Darin wird u. a. festgestellt: »(9) Im Licht unserer verabschiedeten Erklärung über die Christologie wie auch der oben aufgeführten gemeinsamen Aussagen haben wir nun klar verstanden, daß die beiden Familien stets denselben authentischen orthodoxen christologischen Glauben und die ungebrochene Kontinuität der apostolischen Tradition treu bewahrt haben, auch wenn christologische Termini in unterschiedlicher Weise angewandt wurden. Dieser gemeinsame Glaube und diese ununterbrochene Treue zur apostolischen Tradition sollen auch künftighin die Grundlage unserer Einheit und Gemeinschaft sein. (10) Beide Familien sind sich einig, daß die Anatheme und Verurteilungen, welche in der Vergangenheit ausgesprochen wurden und uns heute voneinander trennen, von den beiden Kirchen aufgehoben werden sollen, damit das letzte Hindernis für die (Wiederherstellung der) volle(n) Einheit und Gemeinschaft unserer beiden Familien mit der Gnade Gottes und durch seine Kraft aus dem Weg geräumt werden kann. Beide Familien sind sich (ferner) einig, daß die Aufhebung der Anatheme und Verurteilungen nur in der Weise vollzogen werden können, daß die Konzile und (Kirchen)Väter, die ursprünglich exkommuniziert und verurteilt worden waren, nicht mehr für häretisch gelten.«74

In dieser außerordentlich bedeutungsvollen Erklärung, die allerdings noch nicht von allen orthodoxen und orientalischen orthodoxen Kirchen angenommen wurde, erkennen die Teilnehmer für ihre Kirchen also an, dass beide Seiten den wahren Glauben bekennen und derselbe beständig gewahrt wurde. Die in der Erklärung ausgesprochene Empfehlung, »dass die einzelnen Kirchen ihre gegenseitigen Anathemata aufheben und verschiedene Pastoralmaßnahmen ergreifen, um die bestehende Einheit und die künftige Interkommunion zu fördern,«75 ist auf die Kirchen in Deutschland nicht ohne Auswirkung geblieben. In den früher heftigen theologischen Streitgesprächen ging es um ein unterschiedliches Verständnis christologischer Positionierung. Die orientalischen Orthodoxen Kirchen hielten bisher gemeinsam an der Formel von der »ein Fleisch gewordenen Natur des Gott-Logos« fest. Darum bezeichnete man sie in der Vergangenheit als »Monophysiten«. Dagegen ging es um die »beiden Naturen« in der bekennenden Feststellung »wahrer Mensch und wahrer Gott«, der in der Gestalt Jesu Christi »unvermischt, ungeteilt, unveränderlich und ungetrennt« erschienen war. Der 1990 erreichte Anfang vom Ende der Jahrhunderte andauernden gegenseitigen Verwerfungen ist gerade für die ökumenische Ge-

74 Erklärung und Empfehlungen für den theologischen Dialog zwischen der Orthodoxen Kirche und den Orientalisch-Orthodoxen (Vorchalkedonensischen) Kirchen, Chamb¦sy, 23.–28. September 1990. In: DwÜ, Bd. 2 (1992), 302 – 305 (304) 75 George Nedungatt, Orientalisch-Orthodoxe Kirchen (OOK). In: Wolfgang Thönissen (Hg.), Lexikon der Ökumene und Konfessionskunde, Freiburg 2007, Sp. 996 – 999 (998).

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meinschaft von Minderheiten in einer pluralistischen Gesellschaft von Bedeutung. Fortschritte im Zusammenwirken der orthodoxen Diaspora-Kirchen in Deutschland wurden erreicht,76 zunächst 1994 durch die Bildung einer »Kommission der Orthodoxen Kirchen in Deutschland« (KOKiD) und 2010 durch die Bildung einer »Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland«. Die in ihr zusammengeschlossenen Autokephalen Orthodoxen Kirchen haben inzwischen eine gemeinsame Vertretung in der ACK. Aus der Sicht dieser Gemeinschaft von Kirchen wäre es wünschenswert, wenn es dort auch zu einer gemeinsamen Vertretung als »Orientalische Orthodoxe Kirche in Deutschland« kommen könnte.77 Die verschiedenen orthodoxen Kirchen sind auch Mitglieder in den regionalen und örtlichen ACKs. (8)

Die Bewegung der Pfingstgemeinden/Pfingstkirchen

Die Entwicklungen innerhalb der weltweiten Pfingstbewegung sind regional sehr unterschiedlich. In Brasilien ist der Anteil der Christen in Pfingstgemeinden nach einer Volkszählung inzwischen auf 22 % der Bevölkerung angewachsen. Für die römisch-katholische Kirche bedeutete das entsprechend einen Rückgang auf jetzt nur noch 65 % der Bevölkerung. Derartige Verschiebungen gibt es in den europäischen Staaten und in Deutschland noch nicht, obwohl auch hier der Einfluss der Pfingstgemeinden zwar nicht spektakulär, aber fast unauffällig ansteigt. Die ganz unterschiedlichen Gemeinden dieser Bewegung sind bereits in sich ökumenisch. Zehn Prozent ihrer Mitglieder kommen aus Lateinamerika, Asien oder Afrika. In Deutschland gibt es verschiedene Ströme. In der Vergangenheit wurden von der Arbeitsgemeinschaft der Christengemeinden in Deutschland Gespräche mit der ACK, der Evangelischen Allianz und der Vereinigung Evangelischer Freikirchen geführt. In der VEF sind sie inzwischen ein integriertes Mitglied. In der ACK hat der Bund Freikirchler Pfingstgemeinden (BFP) seine Gastmitgliedschaft wieder aufgenommen. Der Prozess der Orientierung ist noch nicht abgeschlossen, aber die ökumenische Frage beschäftigt auch die multikulturell lebenden Pfingstgemeinden in Deutschland, die ein stetiges Wachstum zu verzeichnen haben,78 immer wieder neu. Das irritiert die hiesigen Kirchen in unterschiedlichem Maße. 76 Vgl. Kap. 4.4.3 (7). 77 Athanasios Basdekis, Die Orthodoxe Kirche. Ein Handreichung für nicht-orthodoxe und orthodoxe Christen und Kirchen, Frankfurt 2001, 131 f. 78 Die Statistik des »Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden« zählte 2012 insgesamt 783 Gemeinden mit 48.988 auf das Bekenntnis des Glaubens getauften Mitgliedern und 23.322 Kinder und Jugendliche. Das sagt jedoch wenig über die Zahl der Gottesdienstbesucher aus,

Ein Blick über die Grenze nach Österreich

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Die früheste pfingstkirchliche Gemeinschaft in Deutschland, der »Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden«, ist nach der Gastmitgliedschaft (1971) im Jahre 2009 in die ACK-Mitgliedschaft aufgenommen worden. Es gibt verschiedene Entwicklungen, die ökumenische Prozesse anzeigen; es gibt aber auch Strömungen, die sich gegenüber der Ökumene zurückhalten.79

4.4.4 Zwischenbilanz Die kurzen Einblicke in die Entwicklungen der Minderheitskirchen zeigen, dass keine von den Genannten abseits steht. Alle sind zwar in unterschiedlichem Tempo auf dem Weg zu größerer Gemeinschaft. Das kann man durchaus auch von solchen Kirchen sagen, die teilweise der ökumenischen Bewegung kritisch oder abwartend gegenüber gestanden haben. Die Zahl derer, die sich der Vereinigung Evangelischer Freikirchen angeschlossen hat, ist in den letzten Jahren permanent gestiegen. Neun VEF-Mitglieds- und Gastkirchen sind in der obigen Übersicht nicht aufgeführt.80

4.5

Ein Blick über die Grenze nach Österreich

Vier Kirchen, die Altkatholische, die Evangelische A. B., die Evangelische H. B.81 und die Methodistenkirche gründeten 1958, also zehn Jahre nach der Bildung des ÖRK in Amsterdam, den österreichischen nationalen Ökumenischen Rat. Der Name »Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich« zeigt von vorneherein, dass in einem vom Katholizismus geprägten Umfeld die protestantischen Minderheiten im Unterschied zur Gründung der ACK in Deutschland keine Vorbehalte hatten, eine solche Namensgebung sei zu anspruchsvoll. Zusammen mit den Alt-Katholiken übernahmen die evangelischen Kirchen die international durch Amsterdam 1948 vollzogene Sprachregelung vorbehaltlos. Im Laufe der fünfzig Jahre seines Wirkens ist der Rat inzwischen auf vierzehn Mitgliedskirchen mit weiteren zehn Beobachtern angewachsen. Auch hier hatte das Zweite Vatikanische Konzil seine Auswirkungen über die römisch-katholische Kirche hinaus zu den Orthodoxen. Damit übernahmen die Kirchen in Österdie oft deutlich höher liegt, als die Zahl der Mitglieder. Ein Konfessionswechsel, der mit einem Kirchenaustritt verbunden ist, bleibt im Kontext der hiesigen Kirchenkultur für den Betroffenen immer noch ein ungewöhnlicher Schritt. 79 Silke Dangel, Konfessionelle Identität und ökumenische Prozesse, Berlin 2014, 237 – 277 zeigt Hintergründe und Entwicklungen in der weltweiten Pfingstbewegung auf. 80 www.vef.de/mitgliedskirchen/mitglieder. 81 In Österreich steht A.B. für Augsburger Bekenntnis (lutherisch), H.B. für Helvetisches Bekenntnis (reformiert).

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reich in einem Grenzland, das in der Tradition der Donau-Monarchie zwischen den westlichen Kirchen und den auf dem Balkan beheimateten Orthodoxen eine Art Brückenfunktion einnimmt, von Wien aus eine besondere ökumenische Aufgabe. Heute gehören dem ÖRK Österreich an: drei evangelische Kirchen (Ev. Kirche A.B., Ev. Kirche H.B. und Ev.-methodistische Kirche), die römisch-katholische Kirche, die Alt-Katholische Kirche, die Anglikaner und acht Orthodoxe Kirchen, das sind mehr als die Hälfte der Mitgliedskirchen.82 Ähnlich wie in Deutschland kam es im Laufe der Jahre zur Bildung von regionalen Arbeitsgemeinschaften in den Bundesländern. Den landesweiten ÖRK beschäftigen ähnliche Fragen, wie die ACK in Deutschland sie diskutiert: Der ökumenische Gottesdienst als ein Ziel des ökumenischen Weges oder als Schritt, dem Ziel der Einheit näher zu kommen? Natürlich geht es um die Fragen der Übereinstimmungen bei Eucharistie und Abendmahl und die noch wirksame Trennung. Die seelsorgerliche Verantwortung im Zusammenhang der konfessionsverbindenden Ehen und Familien kann in einem Land wie Österreich nicht unbearbeitet bleiben. Zum heiklen Thema der gegenseitigen Anerkennung der Kirchen betonte Ulrich H. Körtner nach evangelischem Verständnis: »Der ÖRK-Österreich versteht sich als eine Arbeitsgemeinschaft von Kirchen, die einander als Partner ihrer theologischen Arbeit und ihres gesellschaftlichen Engagements anerkennen, ohne sich darum das Selbstverständnis des anderen, Kirche im theologischen Vollsinn zu sein, zu eigen zu machen.«83 Bemerkenswert ist die Rolle des ÖRK-Österreich in der gemeinsam wahrgenommen »Stimme in der Öffentlichkeit«. Durch die Ansiedlung internationaler politisch tätiger Institutionen in Wien hat die gemeinsame Stimme nicht nur ins eigene Land hinein, sondern in der Begleitung von Prozessen, an denen Politiker und Wissenschaftler aus aller Welt und damit auch aus allen Kirchen und Religionen beteiligt sind, eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Als Beispiel mag hingewiesen sein auf den für Europa und die Welt so wichtigen KSZE-Prozess, der für Europa eine deeskalierende Wirkung hatte. Die Begleitung der Konferenz erfolgte in zwei Richtungen: die seelsorgerlichen Angebote in Gottesdienst und Andacht und die Konferenzbegleitung »in einem prophetischen Geist«. Dem Eröffnungsgottesdienst im Wiener Stephansdom unter dem Thema »Liebe freut sich nicht über das Unrecht, sie hat Freude an der Wahrheit« (1. Kor. 13,6) folgten Andachten in der Hofburgkapelle. Der Botschafter der BRD, Dr. Ekkehard Eickhoff, schrieb nach einem speziellen Ostergottesdienst mit einer Predigt von Kardinal König u. a. »Besonders der ökumenische Got82 Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich (Hg.), Begegnung und Inspiration. 50 Jahre Ökumene in Österreich, Wien-Graz-Klagenfurt 2008. 83 Ulrich H. J. Körtner, Gegenseitige Anerkennung der Kirchen nach evangelischem Verständnis. In: Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich, 111 – 116 (111).

Ein Blick über die Grenze nach Österreich

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tesdienst im Stephansdom zu Beginn der Konferenz hat uns eine denkwürdige Weisung für unsere Arbeit gegeben.«84 Im Jahre 2003 wurde ein »Sozialwort des ÖRK-Österreich« von 14 Mitgliedskirchen, die der katholischen, den evangelischen und den orthodoxen angehören, gemeinsam erarbeitet und unterzeichnet und danach in einer ökumenischen Vesper im Stephansdom der Öffentlichkeit präsentiert. Die Initiative dazu kam aus der römisch-katholischen Kirche, deren Initiative »Dialog für Österreich« dem ÖRK in Österreich die gemeinsame Erarbeitung des Sozialworts vorgeschlagen hatte. Der kurze Einblick zeigt die zu den deutschen Verhältnissen ziemlich unterschiedliche Rolle, welche die ökumenische Gemeinschaft in Österreich spielt. Besonders auffällig ist das gemeinsame öffentliche Handeln und Wirken über den Rahmen der einzelnen Kirchen hinaus. An solchen Aktivitäten zeigt sich die Bedeutung des kirchlichen Umfelds, in dem die Ökumene ihren Weg und ihre Rolle sucht. Es ist hier nicht der Platz, die unterschiedlichen Wirkungen und das unterschiedliche ökumenische Verhalten und gesellschaftliche Gestalten in ihrer Verschiedenheit im Falle einer dominierenden Kirche oder von zwei gleichgewichtigen Partnern zu erörtern. Auffällig und einer Untersuchung wert ist der gravierende Unterschied auf jeden Fall.85

84 Zit. n. Helmut Nausner/Christine Gleixner, Ökumenische Begleitung des KSZE-Prozesses. In: Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich (HG.), Begegnung und Inspiration. 150 – 153 (151 f). 85 Eine Untersuchung über die Differenzen und ihre positiven wie negativen Wirkungen müssten auch die Erfahrungen des Schweizer Evangelischen Kirchenbundes einbeziehen, der 1994 zusammenfassende »Grundlinien ökumenischen Handels« veröffentlicht hat.

Kapitel 4 – Teil 2: Zeit der beginnenden Rezeptionen und Aktionen – Konkrete Schritte

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Aus freikirchlicher Sicht ist der Weg der Ökumene, wie ihn die ACK widerspiegelt, insofern ungewöhnlich, als er von Anfang an eine Entwicklung von oben nach unten war. Nach der Bildung der ACK und der des ÖRK in Amsterdam musste die Mehrzahl der Pastoren und der Gemeindeglieder erst den Umschwung von der Abgrenzung zur Gemeinschaft über die Konfessionsgrenzen hinaus als möglichen und notwendigen Schritt erkennen, akzeptieren und dann auch mitgehen. Beim Blick auf den gemeinsam gegangenen Weg ist es trotz aller Kritik sehr erfreulich, was in den vergangenen Jahrzehnten in einem umfassenden ökumenischen Prozess von oben nach unten durch ganz unterschiedliche Schritte gewachsen ist.

4.6.1 Gemeinsame Bibelwochen, Gebetswochen und Gottesdienste Für die Gemeinden vermitteln gemeinsame Veranstaltungen eine unmittelbare ökumenische Erfahrung. Zu den frühesten Aktivitäten zählen neben den von den Frauen im internationalen Kontext eingeführten Weltgebetstage die ökumenischen Bibelwochen. Christen verschiedener Konfessionen sitzen in Gruppen an Tischen und sprechen miteinander über der aufgeschlagenen Bibel. Später kamen die Gottesdienste in Verbindung mit den Gebetswochen für die Einheit der Christen hinzu. Seit der Mitte der neunziger Jahre hat die Aufmerksamkeit für diese Woche konstant zugenommen. Die Kieler ACK hatte sich erboten, zusammen mit dem ACK-Vorsitzenden, zu dieser Zeit war es der Erfurter Bischof Joachim Wanke, einen offiziellen Eröffnungsgottesdienst zu gestalten und das publizistisch zu nutzen. Seither wird diese Woche stets mit einem zentralen Gottesdienst eröffnet, an dem Bischöfe und Kirchenpräsidenten beteiligt sind. In der Regel wird die Woche heute in einem Dom oder einer anderen Zentralkirche von einer örtlichen ACK gestaltet. Der zentrale Eröffnungsgot-

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tesdienst hat ein publizistisches Interesse und eine öffentliche Resonanz gefunden und gleichzeitig die örtlichen Bemühungen erkennbar in einen größeren Rahmen gestellt. Die Praxis zentraler Eröffnungen unter der Mitwirkung von kirchenleitenden, bekannten Persönlichkeiten ist inzwischen auch für andere ökumenische Gottesdienste, zum Beispiel für den Schöpfungstag, übernommen worden. Nach und nach bürgerten sich die ökumenischen Gottesdienste am Pfingstmontag ein. Daran waren besonders die katholischen Gemeinden interessiert, weil sich die ökumenische Gemeinschaft hier an einem sonntäglichen Feiertag zusammenfinden konnte, ohne in dieser Frage das Kirchenrecht zu verletzen. Die gemeinsamen ökumenischen Veranstaltungen in vielen Orten sind eine Gelegenheit, den Gliedern aus den verschiedenen Kirchen eine gemeinsame ökumenische Erfahrung zu vermitteln.

4.6.2 Ökumenische Kirchentage Die bisher durchgeführten Ökumenischen Kirchentage 2003 in Berlin und 2010 in München waren eindrucksvolle ökumenische Festtage. Sie haben auch Christen aus der Diaspora, die in abgelegenen Regionen oder in noch konfessionell geschlossenen Gebieten leben, eine Gelegenheit gegeben, Brüdern und Schwestern anderer Konfessionen zu begegnen. Sie hatten die Chance, ihnen noch fremde Formen von Frömmigkeit, des Singens und von Bibelarbeiten aus anderen Traditionen so mitzuerleben, wie es ihnen in ihren Heimatgemeinden nicht möglich ist. Zwar waren die evangelischen Kirchentage schon immer ökumenisch. Die methodistische Kirche zum Beispiel hat vom ersten Kirchentag an daran teilgehabt und auch bald mitgewirkt.1 Auch die internationale Ökumene war dazu immer gezielt und großzügig zur Teilnahme eingeladen. Seitdem die beiden großen Kirchentagsbewegungen, der »Deutsche Evangelische Kirchentag« und der »Katholikentag« mit der Billigung ihrer Kirchen gemeinsam zu Ökumenischen Kirchentagen eingeladen haben, veränderte sich die ökumenische Ausgangsposition. Am Berliner Ökumenischen Kirchentag hatten die Minderheitskirchen noch keine Mitverantwortung in der Trägerschaft. Sie waren präsent und haben aktiv an der Gestaltung teilgenommen. Im Vorfeld von Berlin waren sich die ACKKirchen dessen bewusst, dass es eine sog. bilaterale Ökumene, wie sie sich in dem Zusammenwirken von Katholiken und Landeskirchlern darstellte, theologisch nicht gibt. Die Ökumene umfasst immer alle zusammen, unabhängig davon ob präsent oder abwesend. Kirchentagsverantwortliche haben in der 1 Karl Heinz Voigt, Kirchentage waren schon immer ökumenisch. Die methodistischen Kirchen und der Kirchentag. In: ÖR 52. Jg. (2003), 75 – 88.

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Berlin-Auswertung innerhalb der ACK gesehen, dass der Weg in die Zukunft gemeinsam gegangen werden muss. Im Vorfeld des zweiten Ökumenischen Kirchentags zeigte sich in den Vorbereitungen für München in der Mitträgerschaft der kleineren ACK-Kirchen ein erkennbarer ökumenischer Fortschritt. Er schenkte der Begegnung eine noch größere Weite und zeigte gleichzeitig, dass die Ökumene immer neue Felder punktueller sichtbarer Darstellung der Einheit findet. Es sind ja nicht nur die großen Bibelarbeiten, Gottesdienste und Diskussionsveranstaltungen, die den ökumenischen Begegnungen ihren tragenden Charakter geben. Wie viele ökumenische Arbeitsgemeinschaften haben im Vorfeld von München in kleinen Gruppen gearbeitet, um Themen zu formulieren, Referenten zu finden und auch die organisatorischen Fragen zu besprechen. Als sich am 30. November 2007 in München das »Gemeinsame Präsidium« des zweiten Ökumenischen Kirchentags konstituierte, wünschte Bischof Johannes Friedrich (München), dass man nach dem Treffen nicht sagen möge: »außer Spesen nichts gewesen«. Und katholischerseits verwies Friedrich Kardinal Wetter darauf, dass »die sichtbare Einheit der Kirche […] eine innere, zum Wesen der Kirche notwendig gehörende Aufgabe und Gabe« sei.2 Schon die konkrete ökumenische Zusammenarbeit, an der nicht selten auch solche beteiligt sind, die der Entwicklung nicht unkritisch gegenüber stehen, ist ein in sich beachtlicher Wert. Für die Minderheitskirchen ist in diesen Prozessen hilfreich, dass andere ihre Kompetenz und ihren Beitrag kennen lernen und auch von ihren historischen Erfahrungen zum Beispiel als kirchliche Minderheit in einer kirchenkritischen Gesellschaft profitieren. Das Gesamtereignis eines solchen Kirchentags von der Planung, den Diskussionen über Themen und Referenten, den überkonfessionellen Begegnungen der Vorbereitenden bis hin zur Nacharbeit ist ein Paket mit einer intensiven ökumenischen Erfahrung mit vielen Hoffnungen und mancher Ernüchterung oder Enttäuschungen für Teilnehmende und Mitwirkende.

4.6.3 Gemeinsame Aktivitäten von örtlichen Gemeinden Die Zahl solcher Bemühungen aus besonderen Anlässen mit konkreten Aktivitäten ist nicht mehr zu übersehen. Kirchenasylanten werden gemeinsam betreut. In Asylantenheimen untergebrachte Flüchtlinge, die aus größten Notlagen kamen, um ihr Leben zu retten, werden gemeinsame Angebote gemacht, vom Grillen bis zu Spielnachmittagen mit traumatisierten Kindern und Einladungen in die Kirchen, in denen sonst lediglich als Wandschmuck dienende Ikonen2 Beide Zitate aus der Dokumentation der ACK-Mitgliederversammlung Nr. 222 zu Tagesordnungspunkt 20.

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bilder zu einem Zeichen zugewandter Gemeinschaft geworden sind. Andere haben gemeinsame Kleiderkammern, wirken miteinander in den Stadtteil hinein und helfen sich gegenseitig im Kirchenchor aus. Katholische Theologinnen und Laien predigen in freikirchlichen Gottesdiensten. Viele Christen helfen mit, der Ökumene ein Gesicht zu geben und sie so tragfähig zu machen, dass sie, von wem auch immer, nicht mehr zu bremsen ist. Diese fast sorglose ökumenische Gemeinschaft ist ein Geschenk des Heiligen Geistes an die Kirche Christi, anders kann man es nicht sehen.

4.6.4 Ökumenische Wegweiser von Landeskirchen und Diözesen Die praktischen Aktivitäten sind von Anfang an unterstützt worden durch landeskirchliche Ämter und katholische Diözesanabteilungen, nicht selten in Verbindung und mit der Unterstützung einer ACK. Sie haben Schriften über die Ökumene am Ort herausgegeben, »Wegweiser« veröffentlicht, oder gegenseitige Besuche von gemeindeleitenden Gremien angeregt. Die Hürden zum freikirchlichen Nachbarn waren manchmal noch sehr hoch. Aber zunehmend ist es leichter, den Schritt über die Schwelle zu gehen. Wie wichtig das Thema »Ökumene am Ort« ist, zeigt ein vierjähriger Studienprozess im Lutherischen Weltbund. 1983 wurde der Schlussbericht mit fünf Kapiteln über die ökumenische Motivation auf lokaler Ebene, die Rolle der Pastoren und Priester am Ort, die Einheitsvorstellungen, die Bedeutung von Lehrfragen und den Einfluss der nichttheologischen Faktoren als anregende Hilfe veröffentlicht.3 Viele Freikirchler sind über die Landeskirchen verhältnismäßig gut informiert. Nicht wenige ihrer Pastoren haben an den deutschen Universitäten zusammen mit späteren Pfarrern studiert. Umgekehrt ist es schon schwieriger. Es kommt – was in den USA der Normalfall ist – selten vor, dass ein zukünftiger Pfarrer für einige Semester eine der freikirchlichen Theologischen Hochschulen besucht. Viele Gemeindeglieder der main line Churches haben immer noch früher ausgestreute, tradierte Vorbehalte gegen Minderheitenkirchen, es sei denn, sie nehmen aktiv am Leben ihrer Gemeinde teil und sind dadurch ökumenisch informiert. Da hilft der Brückenbau, um diese und jene Schwelle zu überwinden. Dabei nehmen die Theologen, sei es in der örtlichen Gemeinde oder in kirchenleitender Funktion, immer noch eine zentrale Rolle ein.

3 Andr¦ Birmel¦ (Hg.), Ökumene am Ort. Einheitsbemühungen in der Gemeinde. Bh 60, Göttingen 1983.

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4.6.5 Noch kaum gelöste Aufgaben Unsere mobile Gesellschaft hat die Zeit wirksamer territorialer Kirchenstrukturen längst hinter sich gelassen. Unter uns entstehen besonders in den Großund Universitätsstädten Gemeinden, in denen sich Afrikaner, Koreaner, Chinesen und andere Ethnien sammeln. Obwohl in manchen regionalen Arbeitsgemeinschaften wie zum Beispiel dem Ökumenischen Rat von Berlin-Brandenburg und der ACK Hamburg längst die aus Afrikanern oder Asiaten entstandenen meist autonomen Gemeinden zu einer speziellen Gemeinschaft gefunden haben, bleiben manche dieser Gemeinden mit ihren für Deutsche ungewohnten Formen der Frömmigkeit und des Gottesdienstes unter sich. Hier wartet noch eine Aufgabe, die von wachen und aufgeschlossenen Kirchengemeinden aufgegriffen werden kann. Die frühere Sendung der Missionare, die ja in ihrer Rückwirkung für die Verbreiterung und Internationalisierung der hiesigen Ökumene so bedeutsam ist, wird heute erst als glaubwürdig besiegelt, wenn sie – natürlich in anderer Form und mit anderen Mitteln – unter uns ihre partnerschaftliche Fortsetzung findet. Viele der Missionare und Missionarinnen, welche noch durch die Missionsgesellschaften ausgesandt wurden, kamen aus einem pietistischen Umfeld und sie haben entsprechende Frömmigkeitstraditionen in die fernen Länder vermittelt. Es kann niemanden wundern, wenn besonders afrikanische, aber auch asiatische Christen nun entsprechende theologische Vorstellungen, die ergänzt durch heimatliche Akzente und vermischt mit indigenen Gewohnheiten sind, zurückbringen. Für die hiesige Ökumene ist es eine Herausforderung, die zugewanderten Brüder und Schwestern mit Verständnis in ihr Leben zu integrieren, ihnen wenigstens Raum und Partnerschaft zu bieten. Besonders jene Gemeinden, die selber von Pietismus und Erweckungsbewegung geprägt und die überschaubar sind, wie es die Zugewanderten in ihrer Heimat gewohnt waren, haben hier eine Chance zur eigenen Bereicherung.

4.6.6 Kritischer Dialog? Ja, aber mit Respekt und gegenseitiger Achtung Wie in einem Anhang muss hier wenigstens in aller Kürze auf Begleitumstände der wachsenden ökumenischen Gemeinschaft hingewiesen werden. Die folgende Übersicht kann den Eindruck vermitteln, als seien alle diese Prozesse ökumenischer Gemeinschaftsbildung problemlos verlaufen. Diese Sicht würde die zahlreichen teilweise heftigen Attacken verkennen, die manchmal gewiss aus einer teilweise berechtigten Besorgnis heraus eine schrille Begleitmusik waren. Einige Stichworte genügen, um das Problemfeld zu umreißen. Besonders aus dem evangelikalen Flügel der EKD kamen verschiedene Er-

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klärungen, zum Beispiel zum »Programm zur Bekämpfung des Rassismus« und dem folgenden »Anti-Rassismus-Beschluss« der EKD und zu verschiedenen Entwicklungen der Missionstheologie innerhalb der Ökumene, die sogar zu einer Spaltung unter den Missionsabteilungen der verschiedenen Kirchen führten. Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe ließ wegen des Genfer »Anti-Rassismus-Programms« sogar vorübergehend ihre Mitgliedschaft im ÖRK ruhen und die Konferenz Bekennender Gemeinschaften bat die EKD-Synode durch einen Beschluss »Klarheit darüber zu schaffen, daß eine Mitgliedschaft der Evangelischen Kirche in Deutschland in diesem Ökumenischen Rat nicht aufrecht erhalten werden kann.«4 Auch innerhalb der Vereinigung Evangelischer Freikirchen gab es lebhafte Auseinandersetzungen um die Beziehungen insbesondere der Methodisten zum ÖRK. Für einige Kirchen war der Begriff »ökumenisch« so negativ besetzt, dass man sich entschloss, lieber das neutraler scheinende, vor allem unbelastete Wort »zwischenkirchlich« zu benutzen. Es ist überhaupt keine Frage, dass um Standpunkte und Entwicklung der Lehre, um das Verständnis von Mission und um die kirchlichen Positionen bei der Gestaltung der gesellschaftlichen Verantwortung immer wieder im Rahmen des jeweiligen Kontextes neu gerungen werden muss. Eine Frage an die streitenden Flügel ist aber, in welcher Form und mit welchen Mitteln die Auseinandersetzung erfolgt. Die Mittel der Auseinandersetzung können in den Kirchen, durch ihre Vertreter wie durch deren Presse, nicht mit den gleichen strategischen Anwendungen von Macht und Druck wie in den Flügelkämpfen der politischen Parteien geführt werden. Die Kirche muss auch Kirche Jesu Christi bleiben, wenn es in ihr Positionen gibt, in denen sie uneins ist und um Gemeinsamkeit ringt. Der hohe geistliche Anspruch, den Kirchenleitungen von Zeit zu Zeit und Prediger Sonntag für Sonntag in ihren Botschaften formulieren, kann im innerkirchlichen Streit nicht ausgeblendet werden. Nach der Frage, worum gestritten wird, geht es vor allem darum, wie es geschieht. Respekt und gegenseitige Achtung sind hohe Ansprüche, christliche Liebe ist noch mehr und bleibt als tragendes Element der Gesinnung und des Handels ein Geschenk.5 Am Ende muss man sagen: auch die ehrliche und offene Auseinandersetzung leistet einen Beitrag zum ökumenischen Fortschritt.

4 Schreiben der Konferenz Bekennender Gemeinschaften an den Präses der Synode der EKD vom 25. Okt. 1978. In: Rudolf Bäumer, Peter Beyerhaus, Fritz Grünzweig (Hg.), Weg und Zeugnis. Bekennende Gemeinschaften im gegenwärtigen Kirchenkampf 1965 – 1980, Liebenzell/Bielefeld 1980, 260. 5 Gisa Bauer, Evangelikale Bewegung und evangelische Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, Göttingen 2012, bietet einen Überblick über den »Grundsatzkonflikt« in den Jahren von 1945 bis 1989.

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Die letzten Jahrzehnte haben zu einer bemerkenswerten Anzahl von zwischenkirchlichen Vereinbarungen geführt. Sie zeigen viele kleine Einzelschritte, die Zwischenstationen auf dem Weg zur sichtbaren Einheit sind. Jede erreichte Vereinbarung ist ein Lehrstück. Die Schritte zu verbindlicher Ausgestaltung der ökumenischen Beziehungen zeigen, wie vielfältig und unterschiedlich die Wege sein können. Es wird zu einer herausfordernden Lernerfahrung, dass die kirchlichen Organisationsstrukturen der Partnerkirchen in seltenen Fällen kompatibel sind. Umso erfreulicher ist die Tatsache, dass der Prozess der Ausgestaltung verbindlicher ökumenischer Beziehungen längst in Gang gesetzt ist. Ganz verschieden strukturierte Kirchen und Gemeindebünde mit differierenden theologischen Positionen sind daran beteiligt. Um der geschenkten Einheit willen sind sie bereit, nach Wegen zu suchen und Lösungen für manchmal unüberwindlich scheinende Hürden zu finden. Das gilt selbst, wenn es um theologische Fragen geht, zu denen manchmal erst ein »differenzierter Konsens« eine neue Tür zu einem Zwischenschritt öffnet. Die angestrebten Ziele oder Teilziele sind unterschiedlich und ergeben sich manchmal aus geschichtlichen Entwicklungen, manchmal aus theologischen Gesprächen, die eine Fehlbeurteilung korrigieren oder sie verdanken sich einer der vielen ökumenischen Begegnungen. Gelegentlich stehen sie auch unter dem Einfluss der internationalen Verbundenheiten mit den eigenen konfessionellen »Weltbünden«, die zahlreiche ökumenische Dialoge führen, welche nicht selten unter völlig anderen kontextuellen gesellschaftlichen oder kirchensoziologischen Voraussetzungen stattfinden, als sie z. B. durch geschichtliche Umstände in anderen Teilen der Welt geprägt worden sind. Beispiele für unterschiedliche Voraussetzungen, Entscheidungswege und Ergebnisse sind die Leuenberger Konkordie, die zu voller Kirchengemeinschaft führte. Aber es ist auch möglich, themenorientiert Einzelschritte auf dem Weg zu einer wachsenden verbindlich geregelten Gemeinschaft im Sinne einer gegenseitigen Annäherung zu gehen. Das herausragende Beispiel ist die zeitweise heftig umstrittene Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Für einen offenen Weg zu einer wachsenden Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa, der Konvergenzen fördert und Wege zu vertiefter Gemeinschaft eröffnen kann, steht die Charta Oecumenica. Sie kann zu bilateralem und multilateralem Handeln helfen, aber auch Schritte zu konkreten Übereinkünften erleichtern. Dafür ist die 2007 im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen

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erfolgte Magdeburger wechselseitige Anerkennung der Taufe, die von elf Kirchen unterzeichnet wurde, ein letztes Beispiel. Wie die vier erwähnten herausragenden Möglichkeiten zeigen, ist bei uns die ökumenische Entwicklung seit einiger Zeit in eine Phase gemeinsamer Erklärungen und wirkungsvoller Rezeptionen eingetreten. Aus dem emotional getragenen ökumenischen Frühling der nachkonziliaren Jahre ist der ökumenische Prozess in einer Zeit nüchterner theologischer Arbeit angekommen, die gemeinsam in Geduld, mit Sachkompetenz und wachsendem Vertrauen zu bewältigen ist. Auf diese Entwicklung, die – wenn der Wille zur ökumenischen Gemeinschaft als ein Akt des Gehorsams gegenüber dem Herrn der Kirche nicht erlahmt – erst am Anfang steht,6 soll nunmehr bei aller Vorläufigkeit das Augenmerk gerichtet werden. Im Kern sind sich alle Kirchen einig: Das Ziel des begonnenen Weges ist die sichtbare Einheit der Kirche in der Nachfolge und im Dienst Jesu Christi. So klar das Ziel ist, so unklar ist, in welcher Gestalt es sich darstellen wird. Katholische Theologen haben darüber eine andere Vorstellung als die ohnehin unterschiedlichen protestantischen Kirchen und Gemeinden. Menschlich gesehen kann es am Ende nur eine Einheit in Vielfalt geben. Im Ansatz befindet sich die Gemeinschaft der Kirchen bereits auf diesem Weg. Aber diese Wanderung darf nicht das Endstadium des Weges sein. Die Konfessionen geben sich damit nicht zufrieden. Das zeigen die verschiedenen Unionen, die innerhalb von Konfessionsfamilien in den letzten Jahren auch in unserem Land gelungen sind. Der begonnene Prozess kann umso erfolgreicher weitergeführt werden, je klarer das Ziel des Weges gemeinsam definiert werden kann, um miteinander die nächsten Schritte in diese Richtung zu tun. Dabei geht es nicht um kirchlichen Machtzugewinn, nicht um kluge Durchsetzung von kirchenpolitischen Strategien oder um die Bewahrung des Status quo, sondern um die offene Frage, wohin der Heilige Geist seine Kirche führen will. Es hat sich gezeigt, dass es nicht genügt, die ökumenische Zukunft allein auf Kongressen, Tagungen, bei Expertentreffen oder in Dialog-Kommissionen zu erörtern. Die örtlichen Beziehungen zwischen den Kirchen haben inzwischen ein solches Ausmaß angenommen, dass sie durch die Beteiligten zu einer dynamischen Kraft geworden sind, die auf einen Fortschritt hindrängt. Es ist wünschenswert und im Hinblick auf die kongregationalistisch organisierten Gemeindebünde notwendig, dass Wege gefunden werden, die Gemeinden, regionalen und lokalen ACKs gestaltend in den ökumenischen Prozess einzubeziehen. Manchmal ist auf regionaler Ebene möglich, was gesamtkirchlich noch nicht gelingen will oder kann. 6 Fernando Enns, Ökumene weiter denken! Kirchen der täuferischen Tradition im Dialog. In: ThLZ 138. Jg. (2013), 638 – 658.

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Die einzelnen Konfessionen und Denominationen kommen in ihren Verfassungsorganen nicht mehr darum herum, klar auszusagen, dass die Suche nach der Gestalt der Einheit der Kirche Christi zu ihren ›fundamentals‹ gehört. Dies schließt die Konsequenz ein, dass die kirchlichen Körperschaften diese Position in ihren jeweiligen Verfassungen und Grundordnungen theologisch zentral und mit klarer Diktion verankern anstatt die ökumenische Verpflichtung beiläufig am konkreten Projekt zu erwähnen. Der gegenwärtig sich vollziehende Prozess der Neustrukturierung der Kirchenlandschaft und des innerkirchlichen Umbaus ist eine gute Gelegenheit, die ökumenische Verpflichtung in den Kirchen- und Gemeindeverfassungen auf Zukunft hin zu verankern, d. h. erkennbar zu machen, dass die ökumenischen Bemühungen nicht nur ein neuer Anbau am alten Gebäude der Kirche sind, sondern dass die Gestaltung der Einheit ein tragendes Element innerhalb ihres Fundaments ist, auch wenn es so – wie wir es im 21. Jahrhundert erkannt haben – in den traditionellen Bekenntnisschriften noch nicht vorkommen kann. Dafür bekennen wir seit Nicäa 325 in fast allen Kirchen gemeinsam: »Wir glauben … die eine, heilige, katholische/allgemeine und apostolische Kirche.« Diese jedenfalls in Bruchstücken gewonnene Einheit verlangt auch nach einer entsprechenden Ausgestaltung. Nach gelungenen Schritten zu gemeinsamen Vereinbarungen ist es konsequent, die Ergebnisse als kirchenrechtlich verbindliche Formulierungen mit den daraus folgenden Konsequenzen in den Kirchenordnungen zu verankern, wie es die EKD-Synode nach der LeuenbergZustimmung durch die einzelnen Gliedkirchen getan hat.7 Es ist unübersehbar, dass die ökumenische Entwicklung durch öffentliche Forderungen an die Partnerkirchen, die für manche noch unerfüllbar sind, eher behindert als gefördert wird. Die Echtheit der Fragen nach außen erweist sich in den Konsequenzen, die jede Konfession oder Denomination bereit ist, nach innen zu ziehen und entsprechend kirchenrechtlich auszugestalten. Was noch unter anderen Voraussetzungen bei der zweiten Vollversammlung des ÖRK 1954 in Evanston formuliert wurde, hat seine Berechtigung bis heute nicht verloren: »Ökumene beginnt zu Hause«, das heißt nicht nur in der Heimat, sondern auch in der eigenen Kirche. Schließlich ist ein gerade in unserer deutschen Situation zu erwähnender Aspekt neu zu bedenken. Wenn die Kirche Christi eine universale, alle Glaubenden umfassende ist, dann kann der erhoffte ökumenische Fortschritt in geschwisterlicher Partnerschaft leichter erreicht werden, wenn alle Konfessionen und Denominationen sich gemeinsam gegenseitig in der Pflicht halten. Das heißt konkret, wenn es in Deutschland auf Dauer nicht mehr zwei parallel beratende ökumenische Gremien gibt, wird es leichter sein, das gegenseitige 7 Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Grundbestimmungen Art. 1.2.

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Vertrauensverhältnis und den Respekt noch mehr zu stärken und der ACK zunehmend das Gewicht zu geben, auf das sie einen Anspruch hat. Zunächst sollen im Rückblick auf die gegenwärtige vierte Phase innerdeutscher Ökumene, in der die Rezeption im Mittelpunkt steht, die ganz unterschiedlichen Schritte, Wege, Methoden und Ziele an den praktisch vollzogenen zustimmenden und auch ablehnenden Entscheidungen erhoben werden. Die Übersicht dieser Rezeptionen in Zusammenführungen und Vereinbarungen ist chronologisch angelegt. Sie umfasst innerkonfessionelle Entwicklungen genauso wie zwischenkirchliche. Trotz der Bemühung, einen umfassenden Einblick zu eröffnen, wird noch diese und jene Lücke bleiben.

4.7.1 Die Bildung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (1972)8 Im 19. Jahrhundert war es in verschiedenen territorial organisierten Landeskirchen zu Abspaltungen gekommen. Dafür gab es zwei miteinander verflochtene Gründe: einen in Preußen, Baden, Nassau und Hessen mit dem Ziel der Bewahrung des anvertrauten lutherischen Erbes, für den man die Trennungen in Kauf nahm, und einen anderen in den politischen Regionen von Hannover und Sachsen als Konsequenz aus der Haltung gegenüber Rationalismus und Liberalismus und deren kirchlichen Folgen. Konkret bedeutet dies: Die erste lutherische Freikirche war in Preußen unter den Verhältnissen der 1817 durch Friedrich Wilhelm III. eingeführten Union als konfessionelle Protestbewegung entstanden. Als Lutheraner und Reformierte gemeinsam eine neue Kirche bildeten, war es für konfessionsbewusste Lutheraner zu einem Bekenntnisnotstand gekommen, der zur Bewahrung der Identität unter schwierigen Bedingungen zur Trennung führte.9 Später gab es Renitente in Nassau (1846), Baden (1850) und anderen landeskirchlichen Territorien. Der andere Anlass zur Trennung ergab sich besonders im Bereich des erwecklichen Luthertums durch eine kritische Haltung gegenüber dem Einfluss des Rationalismus und Liberalismus auf die Theologie jener Zeit. 1972 konnten sich nach einem längeren Vorlauf in der Bundesrepublik folgende drei lutherische Konfessionskirchen zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) zusammenschließen: Die Evangelisch-Lutherische Kirche Altpreußens, die Evangelisch-Lutherische Freikirche und die Selbstän8 Werner Klän, Der Weg Selbständiger Evangelisch-Lutherischer Kirchen in Deutschland. Ein ökumenisches Modell im Kleinen. In: Lutherische Kirche in der Welt. JB des Martin LutherBundes, 37. Jg. (1990), 205 – 228. 9 Herbert Strahm, Reaktionen der deutschen Staaten auf die entstehenden Freikirchen. In: FF Bd. 17 (2008),11 – 38 (18 – 23, 26 f).

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dige Evangelisch-Lutherische Kirche, die selber ein Zusammenschluss verschiedener lutherischer Freikirchen im Westen Deutschlands (1947) war. 1976 trat innerhalb der BRD auch die Evangelisch-Lutherische Bekenntniskirche der SELK bei. Im Vorfeld des grundlegenden Zusammenschlusses gab es in und zwischen den Kirchen Auseinandersetzungen z. B. über eine engere Kooperation mit dem landeskirchlichen Luthertum und über die Frage einer Mitarbeit im Lutherischen Weltbund. Beide wurden bisher nicht erreicht, weil die dortige Mitgliedschaft zugleich Kirchengemeinschaft nach sich zieht, wozu die SELK sich aus Bekenntnisgründen bisher nicht in der Lage sieht. Es gibt zwar keine Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit der VELKD, aber Ausnahmen in seelsorgerlichen Einzel- und Notfällen.10 Konfessionswechsel sind teilweise möglich, auch weil regionale ACKs gemeinsam entsprechende Vereinbarungen getroffenen haben.11 Der SELK-Professor Gilberto da Silva charakterisiert »die Lage der lutherischen Freikirchen nach dem Zweiten Weltkrieg durch eine doppelte Bewegung […]: eine Distanzierung von den (lutherischen) Landeskirchen und in diesem Sinne die Annahme der von der Evangelisch-Lutherischen Freikirche immer konsequent verfolgten Kirchenpolitik sowie eine Annäherung zwischen den lutherischen Freikirchen selbst.«12 Im Prozess des Zusammenwachsens kam es vor den Toren Frankfurts in Oberursel zu einer gemeinsamen Ausbildungsstätte und weiter zu einer gemeinsamen Missionsarbeit. Der im Bereich der Bundesrepublik vollzogene Prozess zu verbindlicher Gemeinschaft und zur Kirchenbildung konnte innerhalb der DDR nicht mitvollzogen werden. Dort kam es lediglich zu einer losen »Vereinigung selbständiger ev.-luth. Kirchen in der DDR«. Die Gemeinschaft zwischen der Evangelisch-Lutherischen Freikirche und der evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche zerbrach 1984. Letztere schloss sich nach der politischen Wiedervereinigung 1991 der SELK an. Ihre internationalen Beziehungen nimmt die SELK nicht in Verbindung mit dem Lutherischen Weltbund wahr, sondern zusammen mit der Missouri-Synode und anderen konfessionell ausgerichteten lutherischen Kirchen über den »International Lutheran Council« (ILC). In Deutschland wirkt die SELK in verschiedenen Ausschüssen der VELKD gastweise mit. In der Bundes-ACK hat sie über den zunächst angenommenen Gaststatus unter der Leitung von Bischof Jobst Schöne, initiiert durch ein Schreiben vom 28. Oktober 1992, den Weg in die Mitgliedschaft gefunden. 10 Lebensordnung der SELK, Mit Christus leben, Hannover 2009. Kirchliche Regelungen § 1.7. 11 Kirchenleitung der SELK (Hg.), Kirchliche Ordnungen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche, begr. von Johannes Junker, o. J., Nr. 630 – 636. 12 Gilberto da Silva, Der Weg lutherischer Freikirchen zur SELK. Annäherung und Konsolidierung nach 1945. In: FF 18. Jg. (2009), 130 – 145 (137).

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Bemerkenswert ist hier : Infolge einer Trennung entstandene Konfessions- und Bekenntniskirchen tragen das Erbe der bewussten Abgrenzung seit der Reformationszeit in sich. Auf diesem historischen Boden und der damit entwickelten Mentalität haben sie es aufgrund ihres Selbstverständnisses nicht so leicht wie die späteren Denominationen angelsächsischer Prägung, ökumenische Schritte selbst im theologisch ähnlich geprägten Umfeld zu gehen. Insofern kann man die 1972 entstandene SELK, ihren Weg zur Vollmitgliedschaft in der ACK im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, ihre Mitarbeit in deren Vorstand und inzwischen aufgenommene überkonfessionelle Gespräche als ein sichtbares Zeichen ökumenischen Fortschritts deuten.

4.7.2 Leuenberger Konkordie und reformatorische Kirchengemeinschaft (1973) Die fundamentale Rolle der Leuenberger Konkordie, die in den folgenden Abschnitten immer wieder Erwähnung findet, ist in ihrer herausragenden Bedeutung bereits an anderer Stelle umfassend dargestellt.13

4.7.3 Römisch-Katholisch – Alt-Katholische »Pastorale Vereinbarung« (1973 und später) Nachdem die Alt-Katholiken schon 1931 einen weitreichenden ökumenischen Schritt getan haben und mit den Anglikanern Kirchengemeinschaft vereinbarten, kamen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil auch Gespräche mit der Römisch-katholischen Kirche in Gang. 1973 berichtete die Herder Korrespondenz von der »Vereinbarung« einer begrenzten Gottesdienstgemeinschaft zwischen der Alt-Katholischen und der römisch-katholischen Kirche innerhalb der Bundesrepublik Deutschland.14 1974 wurde, parallel zu entsprechenden Gesprächen in den Niederlanden und der Schweiz, ein Text zur »Vereinbarung über pastorale Hilfen zwischen der Alt-Katholischen und der Römisch-Katholischen Kirche in Deutschland« abgeschlossen.15 Darin werden Übereinstimmungen festgestellt, aber wegen weiter bestehender Differenzen zugleich »eine volle Kirchen- und Eucharistiegemeinschaft« ausgeschlossen. Jedoch wurden in besonderen Ausnahmefällen pastorale Hilfe wechselseitig für möglich gehalten. 13 Vgl. Kap. 3, 12. 14 O. V., Ökumene und Gesellschaft. Herder Korrespondenz (27. Jg.) 1973, 548. 15 Text in der Beilage zum Amtlichen Kirchenblatt des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland 1987, Nr. 1, 2 – 11 (mit Hinweisen zur Durchführung und Anmerkungen). Daraus auch die folgenden Zitate.

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Gläubige beider Kirchen werden darin »ermächtigt, sooft dazu ein ernstes Bedürfnis rät und ein Priester der eigenen Kirche nicht erreichbar ist, die Sakramente der Eucharistie, der Buße und der Krankensalbung von einem Geistlichen der anderen Kirche zu erbitten.« Die »Vereinbarung« schließt mit dem Ausblick »Die alt-katholische und die römisch-katholische Kirche haben die Hoffnung, daß die Durchführung dieser Vereinbarung nicht nur dem Zusammenleben der beiden Kirchen, sondern auch der Einheit in der ganzen Ökumene dienen wird.« Um das konkret zu gestalten, wurden der Vereinbarung »Hinweise zum Verständnis und zur Durchführung der zwischen der alt-katholischen und der römisch-katholischen Kirche in Deutschland getroffenen Vereinbarung über pastorale Hilfen« beigegeben. Die Initiative ging zweifellos vom Paderborner Ökumene-Kardinal Lorenz Jaeger aus, der selber am 25. Mai 1972 an einem von sechs Gesprächen teilnahm. Ansonsten waren auf römisch-katholischer Seite neben Abt Laurentius Klein, Professor Heinrich Fries, Professor Erwin Iserloh, der aus dem Umfeld von Kardinal Jaeger auch in Fragen der ACK aktive Professor Peter Bläser und der spätere Bischof Paul-Werner Scheele in die gemeinsamen Überlegungen einbezogen. Von den Alt-Katholiken spielten besonders der ökumene-erfahrene Professor Werner Küppers zusammen mit Bischof Josef Brinkhues eine zentrale Rolle. Es überrascht im Nachhinein immer noch, dass dieser sorgfältig erarbeitete Text einer »Pastoralen Vereinbarung« zu gegenseitiger seelsorgerlicher Hilfe nach seiner Übersendung durch die Deutsche Bischofskonferenz an den Vatikan »von dort nicht in Kraft gesetzt« wurde,16 wie 1987 von alt-katholischer Seite verlautete, oder »vom Vatikan nicht bestätigt,« wie der katholische Professor Peter Neuner fast zwanzig Jahre später schrieb.17 Der Grund war klar : 1985 hatte das Alt-Katholische Bistum mit den Gliedkirchen der EKD eine »Vereinbarung über eine gegenseitige Einladung zu Teilnahme an der Feier der Eucharistie« abgeschlossen, womit frühere dogmatische Gemeinsamkeiten für Rom in Frage gestellt waren. Am Rande sind zwei Gespräche zwischen beiden Kirchen auf internationaler Ebene zu erwähnen. (1) Die Alt-Katholiken und die römisch-katholische Kirche haben die Gesprächsergebnisse einer gemeinsamen Kommission unter dem Titel »Kirche und Gemeinschaft« veröffentlicht.18 Darin heißt es, es bestehe Einmütigkeit darüber, dass es »keine Eucharistiegemeinschaft ohne Kirchengemeinschaft« geben kann. (2) Eine durch Entwicklungen innerhalb der beteiligten Kirchen eingetretene Lage führte zu einer neuen Gesprächsrunde zwischen Alt-Katholiken und Anglikanern, die sich mit den Fragen der Kirchen16 Ebd., 3. 17 Peter Neuner, Altkatholische Kirchen. In: Wolfgang Thönissen, Lexikon der Ökumene und Konfessionskunde, Freiburg 2007, 31 – 34 (32). 18 Kirche und Gemeinschaft. Bericht der Internationalen römisch-katholischen – Alt-Katholischen Dialogkommission, Frankfurt/Paderborn 2009.

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gemeinschaft beschäftigte. Nach der nunmehr bei den Alt-Katholiken möglichen Frauenordination, sowie mit Erwägungen zu Mariendogmen waren diese Gespräche aufgenommen worden. Natürlich hat der alt-katholische Beschluss, auch Frauen zu ordinieren, zu einer erneuten Entfremdung zwischen den beiden Kirchen geführt. Hatte auf römisch-katholischer Seite die Bereitschaft zur Frauenordination Kritik ausgelöst, so muss andererseits eine gewisse Empörung über die Erklärung Dominus Iesus, die im Jahre 2000 von der römischen Kongregation für die Glaubenslehre veröffentlicht wurde,19 konstatiert werden. Am 6. September 2000 hatte der Alt-Katholische Bischof Joachim Vobbe auf Dominus Iesus zusammen mit der Synodalverwaltung unmissverständlich reagiert. Indem auf die eigene Geschichte angespielt wird heißt es darin: »Die römisch-katholische Kirche, die sich in ›Dominus Jesus‹ präsentiert, ist gewiss ›einzigartig‹. Ob diese Einzigartigkeit für andere Kirchen allerdings erstrebenswert ist, darf bezweifelt werden. Leider wird immer deutlicher, daß der alt-katholische Protest gegen die 1870er Dogmen von der Unfehlbarkeit und vom Jurisdiktionsprimat des Papstes noch lange nicht erledigt ist. Wirkliche ›Katholizität‹, das heißt auf alle und alles bezogene Kirche, ist ihrem Wesen nach immer synodal und ökumenisch ausgerichtet und muß daher auf päpstliche Unfehlbarkeit und Universaljurisdiktion verzichten können.«20

Die römische Erklärung hatte in allen Kirchen Enttäuschung und Widerspruch ausgelöst und zeitweise die ökumenische Diskussion belebt und belastet. Infolge des von Papst Johannes Paul II. zur Jahrtausendwende mit ökumenischer Intention ausgerufenen Jubiläumsjahres kam es durch die Initiative der Utrechter Union zu einer neuen Gesprächsrunde. Da die Arbeit der 2003 in Stuttgart eingesetzten »Internationalen römisch-katholisch – alt-katholischen Dialogkommission« das deutsche Bistum der Alt-Katholischen Kirche in erheblichem Maße mitbetrifft und erkennbaren Einfluss auf die mit der Vereinigten Evangelischen Lutherischen Kirche geführten Gespräche21 hat, ist ihre Arbeit hier einzubeziehen. Nach elf Sitzungen hat die Internationale Dialogkommission einen Bericht »Kirche und Kirchengemeinschaft« veröffentlicht.22 Er hat das Ziel, das innerkatholische Problem der Spaltung aufzuarbeiten. Der gemeinsame Text über die 19 Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 148. Kongregation für die Glaubenslehre. Erklärung DOMINUS IESUS. Über die Einzigartigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche, Bonn 2000. 20 Katholisches Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland. Presseerklärung zu »Dominus Iesus« vom 06. Sept. 2000. 21 Vgl. Kap. 4.7.6. 22 Kirche und Kirchengemeinschaft. Bericht der Internationalen Römisch-Katholischen – Altkatholischen Dialogkommission, Paderborn/Frankfurt 2010.

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Kirchen ist »das erste Ergebnis eines in Gang gekommenen Prozesses der Reinigung des Gedächtnisses, insofern die gegenseitige affektgeladene Polemik und verletzende Herabsetzung in der Vergangenheit einer zukunftsoffenen Hermeneutik des Vertrauens Platz gemacht haben«.23 Es wird sogar ein möglicher Weg zu einer »kirchlichen Gemeinschaft« beider Kirchen nicht mehr ausgeschlossen. Die Autoren hoffen sogar, »dass die hier dargelegten Überlegungen auch bei anderen Einheitsbemühungen ein Modell für eine Kirchengemeinschaft mit Rom sein könnte.« Das Dokument, welches auch die Frage der Kirchengemeinschaft aufnimmt, sieht aus alt-katholischer Sicht zwar als Hauptgrund der damaligen Trennung die Differenzen über das Verhältnis von Ortskirche und päpstlichem Primat. Diese bilden für Alt-Katholiken heute aber »keine unüberbrückbaren Gegensätze mehr«. Allerdings sind die Ordination von Frauen für das Priesteramt und die Marienverehrung mit einschränkender Wirkung aktuell geworden.24 Bedenkenswert ist hier : Gerade alte Trennungswunden schmerzen und führen ohne eine Heilung der Erinnerung und Reinigung des Gedächtnisses leicht in eine andauernde bilaterale Verstimmung. Damit ist auf eine Tatsche hingewiesen, die neben den theologischen Sachgesprächen ökumenischen Fortschritt emotional behindern kann, wenn nicht auch geistlich eine Erneuerung durch Umkehr angestrebt und geschenkt wird. Zugleich wird erkennbar, wie internationale Dialoge international organisierte Kirchenzweige in Deutschland beeinflussen. Es wird aber auch die Frage von ökumenischen »Dreiecksverhältnissen« akut, indem sichtbar wird, dass es keine sog. »bilaterale Ökumene« gibt.

4.7.4 Adventisten und Lutheraner: »Conversations« auf Weltebene – Konsequenzen für Deutschland (1994 – 1998) und 200625 1965 hat die Weltkonferenz der Siebenten-Tags-Adventisten (STA) informelle Gespräche mit dem ÖRK aufgenommen, die bis 1972 andauerten. Als Folge davon bildete die weltweit organisierte Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten einen Rat für zwischenkirchliche Beziehungen. Damit war eine Entwicklung eingeleitet, die zu weiteren Kontakten auf höchster Ebene führte: die STA entsandten ab 1973 einen Theologen als Mitglied in die ÖRK-Kommission Faith and Order. Weiter beteiligten sie sich an den Treffen der Generalsekretäre der 23 Ebd., 11. 24 Alt-katholische »Medienmitteilung« vom 12. Mai 2009. www.alt-katholisch.de/oekumene/ roemisch-katholische-kirche.html (Abruf 25. August 2013). 25 General Conference of Seventh-day Adventists/Lutheran World Federation (Hg.), Lutherans and Adventists in Conversation. Report and Papers presented 1994 – 1998, Silver Spring, Maryland USA/Geneva, Switzerland, 2000.

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konfessionellen Weltbünde, die jährlich stattfinden. Allerdings stand von Seiten der Adventisten die Frage einer ÖRK-Mitgliedschaft zu keiner Zeit im Raum. Jedoch sind sie auf Weltebene in offizielle Gespräche eingetreten, die vom Lutherischen Weltbund/The Lutheran World Federation und die Generalkonferenz der Siebenten-Tags-Adventisten/General Conference of the Seventh-day Adventists von 1994 bis 1998 andauerten.26 Sie fanden auf der Basis statt, »dass sich die Adventisten eindeutig zu ihrem reformatorischen Erbe bekennen«.27 Die letzte Sitzung gab »Empfehlungen für das künftige Verhältnis unserer Kirchen zueinander.«28 Im Spätherbst 1999 traf sich in Genf eine Gruppe von STA und Vertretern des Reformierten Weltbunds.29 Besonders die Gespräche auf Weltebene, die durch den ÖRK ausgelöst waren, führten in Deutschland zu Konsequenzen, die für außenstehende Beobachter innerhalb kurzer Zeit eine ökumenische Öffnung der kirchenleitenden Persönlichkeiten erkennen ließen. Es folgte ein Prozess der Annäherung. Nacheinander wurden die STA Gastmitglieder in der VEF (1993) und in der ACK. Greifbare Auswirkungen hatte der Dialog mit dem Lutherischen Weltbund. Eine Folge ist, dass die Gemeinschaft der STA »nicht [mehr] als Sekte, sondern als Freikirche und weltweite, christliche Gemeinschaft«30 behandelt wird. Die Taufe wird seitens der Lutheraner anerkannt. Es wurden weitere bilaterale Kontakte zwischen Lutheranern und Adventisten empfohlen. Damit war das anfangs gemeinsam festgestellte Ziel erreicht. Beide wollten ein besseres gegenseitiges Verständnis füreinander gewinnen, falsche Vorstellungen, die sich zu Klischees entwickelt hatten, abbauen, die Glaubensgrundlagen klarlegen sowie tatsächliche und vermeintliche Spannungspunkte erkennen und zum Gegenstand des Gesprächs machen. Der Lutherische Weltbund (LWB) hat sich den Abschlussbericht nicht zu eigen machen können, weil kritische Stellungnahmen aus seinen Mitgliedskirchen eingegangen waren. Eine mahnende Stimme kam aus Deutschland. Das hiesige Deutsche Nationalkomitee (DNK) des LWB hat in einer Presseerklärung mitgeteilt: »Aufgrund der zahlreichen Defizite des Abschlussberichts rät das DNK dem Lutherischen Weltbund, den Text in der vorgelegten Fassung nicht weiter zu verbreiten.«31 Die öffentliche Kritik an den lutherischen Dialogteilnehmern, die mit den Positionen der VELKD in Deutschland nicht kompatibel sind, ist auch ein Zeichen der hiesigen Sonderstellung. In 26 So much in Common. Documents of interest in the conversation between the World Council of Churches and the Seventh-Day Adventist Church, Genf 1973. 27 Lutherisch/Adventistischer Dialog. Adventisten und Lutheraner im Gespräch. In: DwÜ Bd. 3 (2003), 77 – 95 (77). 28 Ebd., 79. 29 Reformiert-Adventistischer Dialog 1999 in: DwÜ Bd. 3 (2003), 139 – 150. 30 Ebd., 94. 31 Pressemeldung des DNK des LWB vom 28. Januar 2002.

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Deutschland hat das Nationalkomitee des LWB empfohlen, »die Gespräche zur Klärung der Differenzen fortzuführen.«32 In der sechsten Auflage des ›Handbuch Religiöse Gemeinschaften‹, das von der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche herausgegeben wird, wurde die Freikirche der STA nun in einer anderen Kategorie als in den früheren Auflagen geführt. Waren sie früher den »Sekten« zugeordnet, so sind sie nunmehr – mit Vorbehalten33 – unter den Freikirchen zu finden.34 Auch die historische Darstellung der STA und ihre theologischen Besonderheiten sind deutlicher als in allen früheren Auflagen dargestellt. Bemerkenswert ist hier : Internationale Dialoge haben, auch wenn sie nicht auf konkrete Vereinbarungen hinzielen, wahrnehmbare Auswirkungen in den nationalen Kirchenzweigen der beteiligten Kirchen und danach auch darüber hinaus. In diesem Fall ging der erste Impuls von Genf aus und wirkt sich heute bis in die Ortsgemeinden hinein aus. Die Stellungnahme der nationalen Vertretung des Dialogpartners zeigt, dass weitere Gespräche nötig sind. Gelegentlich haben »neutrale« Teilnehmer beim zwischenkirchlichen Gespräch geholfen.

4.7.5 Forum Freikirchlicher Pfingstgemeinden (1979) Innerhalb der vielgestaltigen Pfingstbewegung haben die örtlichen, charismatisch bestimmten Gemeinden einen für zwischenkirchliche Kontakte großen Spielraum, dessen Grenzen heute oft eher von kritischen kirchlichen Partnern als von ihnen selber bestimmt werden. Übergemeindliche organisatorische Verbindungen von Pfingstgemeinden untereinander haben weniger einen kirchenrechtlichen als einen gemeinschaftsbildenden Charakter. Für die Pfingstbewegungen in Deutschland ist der internationale Kontext einer weltweit enorm wachsenden Bewegung von großer Bedeutung. Alle Pfingstkirchen und Pfingstbewegungen zusammengenommen bilden nach eigenen Aussagen heute die größte kirchliche Gemeinschaft innerhalb des Weltprotestantismus, die weiter zunimmt. In Deutschland begann nach frühen Anfängen der Pfingstbewegung im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts die eigentliche Wachstumsphase nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine erste Einheitskonferenz von sieben »pfingstlichen 32 Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, hg. im Auftrag der Kirchenleitung der VELKD von Hans Krech und Matthias Kleiminger, Gütersloh 2006, 6. (völlig) neu bearbeitete und erweiterte Auflage, 185. 33 Die STA nehmen unter den Freikirchen eine Sonderstellung ein und »lassen sich aus der Sicht von Landes- und Freikirchen [welcher?] nicht ohne weiteres protestantischen Freikirchen zuordnen.« (Handbuch S. 58). 34 Ebd., 174 – 191.

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Missionsgruppen« befand, »den Gott wohlgefälligen Weg der Arbeitsgemeinschaft zu suchen«.35 Es folgte 1949 in Mülheim eine »Einheitskonferenz verschiedener Pfingstströmungen«. 1954 kam es zur Bildung der »Arbeitsgemeinschaft der Pfingstgemeinden in Deutschland (ACD)«. Dieser Zweig nahm 1982 den Namen »Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP)« an. Er stellt eine Sammlungsbewegung pfingstkirchlicher Gemeinschaften und Gemeinden dar. Zur Organisation eines Dachverbands von autonomen Vereinigungen kam es 1979 im »Forum Freikirchlicher Pfingstgemeinden (FFP)«. Zunächst fanden sich fünf eigenständige, überwiegend regional entstandene Gemeinschaften zusammen, denen sich im Laufe der Jahre weitere vier autonome Gemeinschaftsverbände anschlossen. Der Zusammenschluss stärkte die Identität der Gemeinden und förderte das Zusammengehörigkeitsgefühl bei bleibenden eigenen Akzenten innerhalb des Forums. Heute hat ein hoher Prozentsatz der Gemeinden einen Migrationshintergrund. Es gibt verschiedene theologische Ausbildungsstätten mit einer zunehmend wissenschaftlichen Bemühung um die eigene Geschichte, die typisch pfingstkirchlichen theologischen Themen und die Vertiefung des eigenen Selbstverständnisses. Die weltweite Bedeutung der Pfingstbewegung führt zunehmend auch zu akademischem Interesse an deutschen Universitäten. Die Theologische Fakultät Heidelberg beispielsweise verfolgt in einem Zweig für Religionswissenschaft und interkulturelle Theologie das pfingstlich-charismatische Christentum in Asien, Afrika und Lateinamerika auch mit seinen Wirkungen in Deutschland. Dieser Zweig schenkt der religionswissenschaftlichen Wahrnehmung zusammen mit der christlichen Identitätsbildung und mit den ökumenischen Wirkungen eine in Deutschland den kirchlichen Minderheiten sonst ungewohnte Aufmerksamkeit. Innerhalb der Pfingstbewegung in Deutschland, die im Vergleich zur weltweiten Pfingstbewegung in einem völlig eigenständigen kirchenhistorischen Kontext und einer sich wandelnden gesellschaftlichen Kirchenmentalität wirkt, gibt es gerade in den Fragen ökumenischer Beziehungen unterschiedliche Haltungen und Entwicklungen. Die älteste pfingstkirchliche Organisation, der 1913 konstituierte »Mülheimer Verband«, heute »Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden«, schied 1998 aus dem Forum Freikirchlicher Pfingstgemeinden aus. Die unterschiedlichen pfingstgemeindlichen Zweige stehen der Ökumenischen Bewegung und ihrer innerdeutschen Gestaltung je nach ihrer theologischen Ausrichtung zustimmend, neutral oder zurückhaltend bis ablehnend 35 Erklärung (faksimile) in: Ekkehard Vetter, Jahrhundertbilanz – erweckungsfasziniert und durststreckenerprobt. 100 Jahre Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden. Bremen 2009, 351.

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gegenüber. Die inzwischen zu einer Freikirche entwickelten Mülheimer wurden 1970 Gastmitglied in der ACK und 2009 als Mitglied aufgenommen.36 Andere Pfingstgemeinden haben Kontakte zu den regionalen ACKs, zur Vereinigung Evangelischer Freikirchen oder/und zur Evangelischen Allianz. Andere sind ausgesprochen ökumene-kritisch. Weltweit stehen die Pfingstler in ökumenischen Dialogen.37 Bemerkenswert ist hier : Innerhalb der Pfingstbewegung gab es schon frühzeitig den Willen zu einer stärkeren Gemeinschaft untereinander. Das scheint zunächst weniger aus geistlicher oder theologischer Motivation gewachsen zu sein, sondern mehr durch die Kontaktsuche der kirchlich und gesellschaftlich wenig akzeptierten kirchlichen Minderheitssituation, der die Pfingstler in hohem Maße ausgesetzt waren. Auch wenn die Haltung gegenüber der innerdeutschen Ökumene unterschiedlich ist, scheint es doch gerechtfertigt, hier auf die Suche nach Gemeinschaft in unterschiedlichen Phasen aufmerksam zu machen. Die ersten Pfingstkirchen, die sich dem ÖRK angeschlossen haben, sind in Chile aktiv.

4.7.6 Alt-Katholisch – evangelisch-landeskirchliche Eucharistie-»Vereinbarung« (1985) Zwischen dem Katholischen Bistum der Alt-Katholiken und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche (VELKD) wurden Lehrgespräche geführt, die 1985 mit einer »Vereinbarung über eine gegenseitige Einladung zur Teilnahme an der Feier der Eucharistie«38 zu einem erfolgreichen Abschluss kamen. Diese Einladung zu gegenseitiger Gastfreundschaft konnte danach auf alle Gliedkirchen der EKD ausgeweitet werden. Trotz der weiter bestehenden Unterschiede im Verständnis dessen, was Kirche ist und wie das Amt verstanden wird, wurden die grundlegenden Übereinstimmungen über die Bedeutung der Taufe und der Eucharistie (Abendmahl) als ausreichend angesehen, die Kirchenglieder der jeweils anderen Kirche zur Teilnahme an der Feier des Abendmahls einzuladen. Bei aller Freude über den erreichten Fortschritt darf nicht übersehen werden, dass er in der römisch-katholischen Kirche Irritationen auslöste. Aus deren Sicht wurden früher zwischen den Alt-Katholiken und der römisch-katholischen Kirche gefundene Übereinstimmungen in dogmatischen Fragen wieder in Frage gestellt. Seit dem Erreichen der gegenseitigen Einladung zur Eucharistie zwischen den 36 Ebd., 376 – 404. 37 Siehe Anhang Pfingstler-Römisch-katholisch (1977 – 1982) in: DwÜ Bd. 2 (1992), 581 – 599 (ohne deutsche Beteiligung), anschließend 1985 – 1989 DwÜ Bd. 2 (1992). 38 Text: www.alt-katholisch.de/oekumene/evangelische-kirche.html.

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Landeskirchen und dem Alt-katholischen Bistum, das für beide Seiten »ein wichtiger ökumenischer Schritt auf dem Weg, gemeinsam Kirche zu sein und zu leben«39 war, wurden von Zeit zu Zeit weitere Lehrgespräche geführt. Im Zusammenhang einer Feier zum 25-jährigen Bestehen der »gegenseitigen Einladung« wurden in einem Symposion, das in Bonn stattfand, gemeinsame »Überlegungen zur Realisierung weiterer Schritte auf dem Weg zur sichtbaren Kirchengemeinschaft von Alt-Katholischer Kirche und EKD« erörtert und danach veröffentlicht. Beide Konfessionen sehen sich in der »Pflicht, nach Möglichkeiten zu suchen, Einheit in Verschiedenheit sichtbar zu machen und dadurch die Verkündigung des Evangeliums glaubwürdig zu gestalten.« Für die Veröffentlichung »Hände-Reichung« ist eine Liste mit Aktivitäten erstellt worden, die heute bereits in verschiedenen Formen des gottesdienstlichen Lebens, durch das gemeinsame Zeugnis und im diakonischem Wirken gemeinsam möglich sind. Nach der bereits erwähnten gegenseitigen Einladung zur Teilnahme an der Feier der Eucharistie/des Abendmahls, die der am Weitesten reichende Schritt ist, folgt der möglich gewordene »Kanzeltausch« und natürlich die Teilnahme am gottesdienstlichen Leben. Inzwischen ist die Entsendung von Delegierten zu Grußworten eine allgemein gängige Praxis geworden. Die vorgelegte Liste ist erstaunlich umfassend. Viele der genannten Beispiele sind von fast allen Kirchen im Sinne der Verwirklichung ökumenischer Gemeinschaft praktizierbar, bzw. sind eine seit Jahrzehnten geübte Praxis. Ähnliche Vereinbarungen gibt es in Österreich und im Raum der ehemaligen Tschechoslowakei. Bemerkenswert ist hier : Wo in bi-konfessionellen Gesprächen eine erste gemeinsame »Vereinbarung« erzielt wurde, ist der Boden für weiterführende Gespräche innerhalb der damit begründeten Gemeinschaft vorbereitet. Allerdings kann der Zugewinn auf der einen Seite einen Verlust auf der anderen Seite nach sich ziehen. Damit sind auch Grenzen der bilateralen Gespräche aufgezeigt, die eine weitere Entwicklung methodischer Elemente wie die gastweise Teilnahme von ökumenischen »Beobachtern« oder »Beratern« erwägenswert macht.

4.7.7 Kirchengemeinschaft: Evangelisch-methodistische Kirche mit Gliedkirchen der EKD (1987) und dem Bund Evangelischer Kirchen in der DDR (1988) Den ersten Anstoß für die Aufnahme von Gesprächen zwischen der Evangelischmethodistischen Kirche (EmK) und der VELKD bildete eine offizielle Empfeh39 Hände-Reichung. Evangelische und alt-katholische Gemeinden ökumenisch unterwegs. Herausgegeben von der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands und dem Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland, Bonn 2012, 3.

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lung im lutherischen Handbuch Religiöse Gemeinschaften von 1978. Sie lautete: »Evang.-luth. Christen sollten nicht an methodistischen Abendmahlsfeiern teilnehmen.«40 Die Methodisten nahmen das zum Anlass für ein Gespräch, das im Herbst 1979 stattfand. Zur theologischen Klärung dieser und weiterer Fragen wurde die Aufnahme von Lehrgesprächen vereinbart. Es war ein glücklicher Umstand, dass es in den Jahren 1979 bis 1984 zwischen dem Lutherischen Weltbund und dem Weltrat Methodistischer Kirchen parallel zu einem fünfteiligen Dialog kam. Dort war eines der Ergebnisse die Bitte, dass »unsere Kirchen Schritte unternehmen mögen, um volle Gemeinschaft in Wort und Sakrament zu erklären und herzustellen. Wir empfehlen,« hieß es dort, »daß unsere Kirchen als ersten und wichtigen Schritt offiziell Kanzeltausch und gegenseitige Gastfreundschaft am Tisch des Herrn beschließen mögen.«41 Zwischen den Kirchen in der BRD wurde nach drei Gesprächsrunden in den Jahren 1980 bis 1982 ein gemeinsamer Bericht an die beauftragenden Kirchenleitungen verabschiedet. Die EmK stimmte dem Ergebnis zu, die Kirchenleitung der VELKD sah sich dazu noch nicht in der Lage. Ein von der VELKD einberufener Ausschuss, dem Mitglieder ihres Theologischen Ausschusses, des Rechtsausschusses und des Ökumenischen Studienausschusses angehörten, erarbeitete eine Stellungnahme. Darin wurde die Empfehlung gegeben, das Abendmahlsverständnis, die Abendmahlspraxis und – gewiss der besondere Anlass – die Frage der »Zulassung« zum Abendmahl, aber auch die Verbindung zur Leuenberger Konkordie zu präzisieren. Innerhalb der methodistischen Tradition wurde die Abendmahlsteilnahme als Einladung an alle gesehen, die in der Feier des Mahls dem auferstandenen Herrn begegnen und die erlösende Kraft seiner Hingabe für uns persönlich erfahren möchten.42 Dies bedeute in der Konsequenz, dass die Teilnahme unter bestimmten Bedingungen auch Ungetauften offen stand. Über diese Frage war es gerade zu dieser Zeit in der Studentengemeinde von Jena – damals noch DDR – zu Kontroversen mit ihren Kirchenleitungen gekommen. Damit war für die Verantwortlichen der VELKD eine sensible Gesprächslage entstanden, da sie auf diese Entwicklung in der DDR und die dazu bezogene Stellung der Kirchenleitung Rücksicht nehmen mussten. Die Lösung des Dialogkonflikts hat dann die Bezugnahme auf Artikel XIII. des Augsburgischen Bekenntnisses gebracht. Darin ist »über Bedeutung und Gebrauch der Sakramente« festgestellt: »daß die Sakramente nicht nur als Zeichen eingesetzt sind, an denen man die Christen äußerlich erkennen kann, sondern daß sie Zeichen und Zeugnis des uns geltenden göttlichen Willens sind. Durch 40 Handbuch Religiöse Gemeinschaften, hg. v. der VELKD, 19781, 83. 41 Die Kirche: Gemeinschaft der Gnade. Lutherisch-Methodistischer Dialog. In DwÜ Bd. 2 (1992), S. 231 – 257 (255). 42 Ausführlich zu dieser Frage: Walter Klaiber, Wer ist zum Abendmahl eingeladen? In: ThfP 32. Jg. (2006), Heft 1/2, 4 – 22.

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sie soll unser Glaube erweckt und gestärkt werden.«43 Damit ist ein den Methodisten wichtiger missionarischer Aspekt angesprochen. Es liegt nahe, dass es nach der ersten Vorlage einen zweiten Grund für die Zurückhaltung auf Seiten der VELKD gab. Innerhalb der EKD war die Diskussion um die Aufnahme des Leuenberger Konkordien-Textes in die Grundordnung noch nicht abgeschlossen. Sie erfolgte durch die EKD-Synode 1983, in dem sie den Tatbestand der Kirchengemeinschaft in Artikel 1 ihrer Grundordnung aufnahm und darin feststellt: »Zwischen den Gliedkirchen besteht Kirchengemeinschaft im Sinne der Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa (Leuenberger Konkordie). Die Evangelische Kirche in Deutschland weiß sich mit ihren Gliedkirchen verpflichtet, die in ihr bestehende Gemeinschaft auch im Sinne dieser Konkordie zu stärken und die Gemeinsamkeit im Verständnis des Evangeliums zu vertiefen.«44

Nachdem die Kirchengemeinschaft nun innerhalb der EKD formal festgelegt war, konnten die zwischen 1980 und 1982 geführten Lehrgespräche über die zu schließende Abendmahlsgemeinschaft mit der methodistischen Kirche im Mai 1985 zwischen der VELKD und der EmK wieder aufgenommen werden. Sie erarbeiteten einen Abschlussbericht, zu dem die Leuenberger Konkordie Pate stand. Deren Formulierungen über »Das gemeinsame Verständnis des Evangeliums, soweit es für die Begründung ihrer Kirchengemeinschaft wichtig ist«, wurde ausdrücklich benannt.45 Nach den Beschlüssen der zuständigen Organe in der methodistischen Kirche einerseits und der Bischofskonferenz, der Generalsynode und der Kirchenleitung der VELKD andererseits schlossen sich auch die Kirchen der damaligen Arnoldshainer Konferenz, heute Union Evangelischer Kirchen (UEK), und die nicht der VELKD angehörenden lutherischen Landeskirchen jeweils zustimmend an. Am 29. September 1987 konnte in der Nürnberger St. Lorenzkirche ein gemeinsamer Abendmahlsgottesdienst gefeiert werden. Darin erfolgte vor der Mahlfeier die »Deklaration zu gegenseitiger Gewährung von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft«. Damit war für eine bereits seit langem bestehende 43 Das Augsburger Bekenntnis 1530 – 1980. Revidierter Text, hg. v. Günther Gassmann u. a., Göttingen 19804, S. 29 f. – Auf diese Passage hat Bischof Karlheinz Stoll in seiner Predigt zur Verkündigung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft 1987 in der Nürnberger St. Lorenzkirche ausdrücklich hingewiesen. 44 Amtsblatt der EKD Jg. 38 (1984), 249. 45 Abschlussbericht über das Lehrgespräch zwischen beiden Kirchen vom 20. Mai 1985. In: Vom Dialog zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Eine Dokumentation der Lehrgespräche und der Beschlüsse der kirchenleitenden Gremien, Hannover/Stuttgart 1987, 21 – 24 (23). Text der Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa, hg. v. Wilhelm Hüffmeier, Frankfurt 1993, 28 – 30.

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Praxis nun auch eine kirchenrechtliche Basis geschaffen, die auch einzelne Dissonanzen überwinden half. An dem festlichen ökumenischen Gottesdienst nahmen viele Gästen aus den deutschen Kirchen teil. Anfangs wurde lediglich von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft gesprochen. Später wurde auch in offiziellen Dokumenten theologisch konsequent und sprachlich hilfreich der Begriff »Kirchengemeinschaft« eingeführt.

Das Programm für den Nürnberger Gottesdienst zur Proklamation und Feier in die »Kanzelund Abendmahlsgemeinschaft« als Kirchengemeinschaft zwischen der Evangelisch-methodistischen Kirche und den Gliedkirchen der EKD und die mitwirkenden Personen.

Durch die Übernahme der Leuenberger Kriterien wurde schon 1987 das zwischen der VELKD und der EmK erzielte Ergebnis direkt neben die Leuenberger Kirchengemeinschaft gestellt. Damit steht die 1987 deklarierte Kirchengemeinschaft der EmK mit den Gliedkirchen der EKD auf der gleichen Ebene wie die Kirchengemeinschaft der EKD-Gliedkirchen untereinander. Um diesen hohen Status zu erreichen war der aufgezeigte Weg notwendig, dass auch alle Gliedkirchen der EKD, die nicht der VELKD angehören, den Ergebnissen der Lehrgespräche zugestimmt haben. Das geschah auf der Grundlage einer Empfehlung der Arnoldshainer Vollkonferenz. Diese sah unter Berufung auf den Artikeln 46 und 47 der Leuenberger Konkordie darin dessen Erfüllung. Es heißt dort: Die Signatarkirchen verpflichteten sich, »der ökumenischen Gemeinschaft

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aller christlichen Kirchen zu dienen.«46 Und weiter : Die an Leuenberg beteiligten Kirchen »erwarten, dass die Überwindung ihrer bisherigen Trennung sich auf die ihnen konfessionell verwandten Kirchen in Europa und in anderen Kontinenten auswirken wird und sind bereit, mit ihnen zusammen die Möglichkeit von Kirchengemeinschaft zu erwägen.«47 Zeitlich parallel fand ein ähnlicher Prozess in der DDR statt. Dort fanden die Gespräche mit der Annahme der Vereinbarung im März 1988 ihren Abschluss. Vollzogen wurde diese Gemeinschaft in Gottesdiensten am 20. und 21. Januar 1990 in der methodistischen Friedenskirche in Zwickau und der Berliner Marienkirche durch die Bischöfe Werner Leich (BEK) und Rüdiger Minor (EmK). Bemerkenswert ist hier : In Deutschland haben diesen höchsten Status zwischenkirchlicher Beziehungen bisher allein die Gliedkirchen der EKD untereinander und diese alle mit der EmK offiziell erklärt.48 Die sich daraus ergebenden kirchenrechtlichen Konsequenzen sind in den Lebensordnungen der Kirchen und in den Agenden bisher nur in ersten Ansätzen vollzogen. Auch praktische Konsequenzen sind in weit größerem Maße möglich, als sie bisher praktiziert wurden. Es ist bisher im protestantischen Bereich noch nicht hinreichend formuliert, welche praktischen Folgen sich aus einer Kirchengemeinschaft einerseits für die Gemeinden und andererseits für das Miteinander der kirchenleitenden Gremien als Konsequenzen ergeben.49

4.7.8 »Meißener Erklärung« zwischen EKD und Kirche von England (1988) Die Kirche von England auf der einen Seite und der Bund Evangelischer Kirchen in der DDR sowie die westliche EKD auf der anderen Seite unterzeichneten am 18. März 1988 im sächsischen Meißen eine »Gemeinsame Feststellung« unter dem vorsichtigen Titel »Auf dem Weg zu sichtbarer Einheit«.50 Der 500. Geburtstag Martin Luthers im Jahre 1983 mit dem Besuch des Erzbischofs von Canterbury Robert Runcie gab den Anstoß dazu, dass »die Beziehungen zwischen der Kirche von England und den deutschen evangelischen 46 Leuenberger Konkordie, Art. 46. 47 Ebd., Art. 47. 48 Man kann davon ausgehen, dass die Ev. Brüder-Unität – Herrnhuter Brüdergemeine, die seit 1949 der EKD angegliedert ist, mit ihr damit in dem gleichen Status in Verbindung steht. 49 Ein von der »Kammer für Theologie« der EKD herausgegebenes »Votum zum geordneten Miteinander bekenntnisverschiedener Kirchen« unter dem Titel »Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis« legt das »landeskirchliche Verständnis« dar. – Freikirchliche Anfragen an das »Votum« in: KJ 2002 (129. Jg.), Lieferung 2, 341 – 345. 50 Auf dem Weg zu sichtbarer Einheit. Eine gemeinsame Feststellung, Berlin/Hannover 1988. Aus dieser Dokumentation die folgenden Zitate, soweit nicht ausdrücklich anders angegeben.

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[Landes-51]Kirchen enger gestaltet werden.« Es gab vorausgehende internationale Impulse, u. a. die sog. »Lima Papiere« von 1982, deren Überlegungen in die folgenden Gespräche einbezogen wurden. Diese Gespräche zwischen den Kirchen beider Länder wurden 1985 offiziell aufgenommen. Sie erarbeiteten »eine Grundlage für engere Beziehungen«, die 1988 mit einer »Gemeinsamen Feststellung« abgeschlossen wurden. Das Dokument fand die Billigung durch die zuständigen Kirchenleitungen. Ziel der »Feststellung« war es, einen Rahmen für künftige bilaterale Vereinbarungen bereitzustellen, die aus einer kontinuierlichen Zusammenarbeit erwachsen sollen. Das vorgelegte Dokument bezieht sich auf frühere Ergebnisse ökumenischer Dialoge. Besonders interessant sind jene Verbindungen, welche die Anglikaner schon früher mit lutherischen Kirchen geschlossen hatten: darunter befanden sich die der Kirche von England zunächst mit den lutherischen Kirchen von Schweden und Finnland, Lettland und Estland in den 1920er und 1930er Jahren hergestellte Interkommunion mit gegenseitiger eucharistischer Gastfreundschaft und die Erlaubnis zu predigen und bei den Eucharistiefeiern zu assistieren. Diese Praxis wurde seit den 1950er Jahren auf die lutherischen Kirchen von Norwegen, Dänemark und Irland ausgeweitet. Diese Entwicklung führte schließlich 1992 zur »Porvooer Gemeinsamen Feststellung«.52 Die Verabschiedung dieser Erklärung wurde in der Kathedrale im finnischen Porvoo mit einem Abendmahlsgottesdienst gefeiert. Ein interessanter ökumenischer Fall ist, dass die beiden hier behandelten Partner zwar unabhängig voneinander unterschiedlich enge Beziehungen zu den Alt-Katholiken53 haben, aber untereinander in der Eucharistiegemeinschaft noch distanziert sind. Sie beruht auf Grundlagen, von denen sich die »Feststellung« zwischen Anglikanern und der EKD unterscheidet. In dem bilateralen Dialog zwischen der EKD und der Kirche von England wird erklärt: »Obwohl lutherische, reformierte und unierte Kirchen in zunehmendem Maße bereit sind, die bischöfliche Sukzession ›als Zeichen der Apostolizität des Lebens der ganzen Kirche‹ zu würdigen, meinen sie, daß diese besondere Form der Episkope nicht eine notwendige Bedingung für ›volle, sichtbare Einheit‹ werden sollte. Das anglikanische Verständnis voller, sichtbarer Einheit schließt den historischen Episkopat und volle Austauschbarkeit der Pfarrer ein. Wegen dieses bleibenden Unterschiedes führt unsere gegenseitige Anerkennung der beiderseitigen Ämter noch nicht zur vollen Aus51 Die methodistischen Kirchen beider Länder haben die historischen Beziehungen nie abgebrochen und stehen seit dem 19. Jahrhundert in voller Gemeinschaft. Sie fanden in den frühen gegenseitigen Besuchen nach dem Zweiten Weltkrieg einen lebhaften Ausdruck und wurden 1966 in Kopenhagen mit der Bildung des heutigen Rates methodistischer Kirchen in Europa vertieft. 52 Die Porvooer Gemeinsame Feststellung, 1992. In: DwÜ Bd. 3, (2003), 749 – 777. 53 Vgl. Kap. 4.7.6.

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tauschbarkeit der Pfarrer. ›Aber auch dieser bleibende Unterschied kann im Lichte unserer Übereinstimmungen und Annäherungen nicht als ein Hindernis für engere Gemeinschaft zwischen unseren Kirchen angesehen werden.‹«54

In der »Erklärung« wird die gegenseitige Anerkennung als Kirchen, die »zu der Einen, Heiligen, Katholischen und Apostolischen Kirche Jesu Christi gehören« festgestellt. Weiter erfolgt ein ähnlicher Schritt hinsichtlich der ordinierten Ämter, die gemeinsam »als von Gott gegeben und als Werkzeuge seiner Gnade« anerkannt werden. Danach heißt es: wir »freuen uns auf die Zeit, wenn sich unsere Kirchen in vollem Einklang befinden werden und damit die volle Austauschbarkeit der Geistlichen möglich sein wird.« In der Weiterführung des Textes, der ja nicht von der VELKD, sondern von der EKD verantwortet wird, heißt es im Blick auf die Reformierten und Unierten Kirchen, die kein bischöfliches Amt eingeführt haben: »wir erkennen an, dass personale und kollegiale geistliche Aufsicht (episkop¦) in unseren Kirchen in einer Vielfalt von bischöflichen und nichtbischöflichen Formen als ein sichtbares Zeichen der Einheit der Kirche und der Kontinuität des apostolischen Lebens, der apostolischen Sendung und des apostolischen Amtes verkörpert und ausgeübt wird.«55

Für die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in Deutschland ist die durch Handauflegung in der Ordination des bischöflichen Amtes vermittelte Kontinuität kein konstitutiver Akt für das rechte Kirchesein. Die Grundlage dessen, was Kirche ausmacht, ist in ihrem Verständnis immer das Evangelium, nicht aber eine tradierte Ordnung. Lutheraner können aber neben anderen Elementen auch die bischöflich-apostolische Sukzession als ein Zeichen der Kontinuität verstehen. Auf der Basis der »Gemeinsamen Feststellung« von Meißen hat es weitere Gespräche und Kontakte auf verschiedenen Ebenen von den Kirchleitungen bis zu den Gemeinden gegeben. Trotz allem bleibt der Weg zur »vollen Kirchengemeinschaft« ein immer wieder neu zu beginnender geduldiger Prozess, um »über das [bisher] Erreichte hinaus die Einheit sichtbar werden zu lassen. Für die Meißen-Erklärung zwischen der EKD und der Church of England z. B. ist zwar das Amt noch nicht versöhnt, aber bereits gegenseitig anerkannt, der Pfarreraustausch auf Zeit ist jetzt möglich und erwünscht. Auch die gegenseitige Einladung zur Teilnahme an der Feier der Eucharistie/des Abendmahls ist solch ein Schritt.« Das wird interessanter Weise in den »Überlegungen zur Realisierung weiterer Schritte auf 54 Auf dem Weg zu sichtbarer Einheit, 19. DwÜ Bd. 3, 741. Der letzte Satz ist innerhalb des Zitats ein Zitat aus dem Bericht der Anglikanisch-Lutherischen Europäischen Kommission, dem sog. Helsinki-Bericht von 1982, dort Nr. 43. 55 DwÜ Bd. 3, 741 f.

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dem Weg zur sichtbaren Kirchengemeinschaft von Alt-Katholischer Kirche in Deutschland und Vereinigter Evangelisch-Lutherischer Kirche Deutschlands« gemeinsam formuliert.56 Im französischen Reuilly wurde 2001 eine gemeinsame Erklärung »Berufen zu Zeugnis und Dienst« von den Anglikanischen Kirchen Großbritanniens und Irlands einerseits und der Lutherischen und Reformierten Kirche Frankreichs andererseits angenommen. Zwar führte das Ergebnis nicht über Meißen hinaus, aber die Meißener Gemeinsame Feststellung (1988) und auch die Porvooer Gemeinsame Feststellung (1992) gaben den vier Gesprächseinheiten grundlegende Impulse.57 Bemerkenswert sind die nationalen und internationalen Verschränkungen und die (Zwischen-) Lösung der eingeschränkten Anerkennung der ordinierten Ämter. Weiter : Das theologische Problem einer doppelten bilateralen Beziehung, die gleichzeitig zu zwei andern Partnern (EKD zu Anglikanern und zu AltKatholiken) besteht, die untereinander eigene Vereinbarung anderen Inhalts haben, ist – weil es unterschiedliche Möglichkeiten eröffnet – ökumenisch bisher ungelöst. Schließlich: Die apostolische Sukzession erweist sich für die nachreformatorischen protestantischen Kirchen ohne historisch-tradierten Episkopat trotz der Bemühungen im »Lima-Papier«58 als eine hohe Hürde, die selbst nordische und mitteleuropäisch-kontinentale Lutheraner aufgrund früherer historischer Entwicklungen unterschiedlich bewerten. – Die Erklärung »Berufen zu Zeugnis und Dienst« (2001) markiert die überregionale Bedeutung von Gesprächen auf bi-nationaler Ebene und macht damit unsichtbare ökumenische Wirkungen erkennbar.

4.7.9 Reformiert – altreformierter Dialog (1988 – 2012) Im äußersten Nordwesten unseres Landes ist in der Grafschaft Bentheim und der weiteren ostfriesischen Nachbarschaft in der Mitte des 19. Jahrhunderts die heutige Evangelisch-altreformierte Kirche in Niedersachsen entstanden. Anlass waren Proteste innerhalb der Gemeinden, die durch liberale Strömungen in der Kirchenleitung wie in der Verkündigung ausgelöst wurden. Im Grunde ist diese Kirche eine gewisse reformierte Variante zur Separation von Lutheranern in verschiedenen Regionen, die heute die SELK bilden. Die bekenntnisgebundene 56 Abschlussdokument der bilateralen Gesprächskommission VELKD – Alt-Katholische Kirche 2010, 6. 57 Text: DwÜ, Bd. 3 (2003), 814 – 834. 58 Taufe, Eucharistie und Amt. Konvergenzerklärungen der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des ÖRK, Frankfurt/Paderborn 1982, Abteilung Amt, §§ 42 – 44, S. 34 – 38.

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Gemeindekirche reformierter Tradition hatte keinen impulsgebenden Theologen oder Juristen als Anführer, sondern entstand typisch reformiert aus einer Gemeindebewegung.59 Seit 1988 hat ein ›Gemeinsamer Ausschuss‹ beider reformierter Kirchen theologische Gespräche aufgenommen, die nach 25 Jahren mit dem Ergebnis zu Ende geführt wurden, dass die Beziehung sich »sehr positiv entwickelt« hat. Es ist »gelungen, die Zusammenarbeit beider Kirchen in einem stetigen Prozess zu vertiefen.«60 Der Beginn dieser Gespräche ist bemerkenswert. Die Reformierten legten eine Art Schuldbekenntnis ab und öffneten damit in einem geistlichen Akt das Tor für Gespräche. Sie gedenken darin der Schuld, den Protesten Bentheimer Gemeindeglieder und den Vorwürfen vieler Kirchenältester »nicht offen und bußfertig begegnet« zu sein, sondern »Kritik an der Kirche ausgeschlossen und […] bekämpft« zu haben. Es werden darin offen Polizeieinsätze, Gerichtsverfahren, Behinderungen beim Bau von Kirchen sowie die Diskriminierung altreformierter Gläubiger als Separatisten und Sektierer angesprochen und bedauert.61 Nach vier Gesprächsphasen im Sinne wachsender ökumenischer Gemeinschaft in den Jahren 1988 – 1994, 1994 – 2000, 2000 – 2006 und 2006 – 2012 regte der Gemeinsame Ausschuss, der traditionsgemäß von den autonomen altreformierten Gemeinden jeweils von deren eigener Entscheidungsvollmacht her denken muss, an: »Die Zusammenarbeit reformierter und altreformierter Gemeinden vor Ort [soll] folgende Standards enthalten: gegenseitiger Predigeraustausch;- gemeinsame Gottesdienste (auch an einem Sonntagvormittag), Abendmahlsfeiern, Kirchenratssitzungen (auch mit thematischen Inhalten), Gemeindefeste, Seminare, Glaubenskurse;- Mitwirkung in Gremien z. B. für Diakonie, Kindergarten, Friedhof;- Austausch von Informationen (Gemeindebriefe, Treffen der Hauptamtlichen);- Gegenseitige Vertretungsdienste z. B. bei Krankheit oder Urlaub. Es ist ausdrücklich festgestellt, dass Personalgemeinschaft möglich ist, wenn eine Kirche eine Pfarrstelle nur teilbesetzen kann. Geprüft wird die »gegenseitige Berufbarkeit von Pastoren bzw. Pastorinnen«.62 Im Laufe der Jahre wurde auch erreicht, dass zwischen beiden Kirchen eine Übertrittsregelung angenommen wurde, ohne dass zuerst bei einer staatlichen

59 Gerrit Jan Beuker, Die Evangelisch-altreformierte Kirche in Niedersachsen zwischen Freikirche und Landeskirche. In: FF Bd. 11 (2001), 68 – 85. 60 Gemeinsam unterwegs. Aus der Arbeit des Gemeinsamen Ausschusses der Evangelischaltreformierten Kirche und der Evangelisch-reformierten Kirche. Eine Bilanz nach 25 Jahren. 61 Erklärung des Landeskirchenvorstands der Evangelisch-reformierten Kirche vom 14. Juni 1988. In: Gemeinsam unterwegs. Reformiert-altreformierte Gespräche, o. O., 2004, 9 f. 62 www.Evangelisch_Altreformierte_Kirche_Archiv. (Abruf 31. 8. 2013).

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Behörde ein Kirchenaustritt erklärt werden muss. Schon im Jahre 2000 wurde erklärt: »Was zusammengehört, wächst unaufhaltsam zusammen«. Bemerkenswert ist hier : Die inner-reformierten Gespräche sind formal nicht, wie es sich zu dieser Zeit allgemein durchgesetzt hat, nach den Leuenberger Kriterien und Strukturen geführt. Es gibt zwar Gemeinden mit Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft, aber diese sind nicht offiziell erklärt und scheinbar auch mehr oder weniger gemeindebezogen. Einmalig scheint das eröffnende Bußwort zu sein. Trotz erfreulicher Entwicklungen gibt es auch eine gewisse Zurückhaltung. Dieses überschaubare Beispiel bestätigt, wie Separationen innerhalb der eigenen theologischen und historischen Tradition neben den theologischen Fragen auch emotional bestimmte Positionen schaffen, die zwar versöhnt sind, aber dann einen längeren Heilungsprozess des Gedächtnisses brauchen.

4.7.10 Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden aus drei Traditionen (1990) Die Mennoniten sind von ihrem Ursprung her eine Gemeinde- und Täuferbewegung. Diese entstand in der Reformationszeit im Rückgriff auf das urchristliche Ideal der Nachfolge in enger Anlehnung an die Bergpredigt. Gläubiggewordene wurden durch die Taufe in die Gemeindemitgliedschaft aufgenommen. Die Gestaltung des Lebens der Gemeinden erfolgte ohne staatlichen Schutz, aber unter Repressalien durch Katholiken und Lutheraner. Mennoniten bildeten mit der gesamten Täuferbewegung des 16. und 17. Jahrhunderts als dritte Kraft eine Art freikirchliche Verbindung, ohne diesen Begriff für sich in Anspruch zu nehmen. In Deutschland haben drei voneinander unterschiedene Traditionen die heutige ›Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden‹ (AGM) gebildet. (1) Der 1887 organisierte »Verband deutscher Mennonitengemeinden« hat seine hiesigen Wurzeln im 17. Jahrhundert. Durch Verfolgungen in Bern wanderten sie zunächst in Südwestdeutschland ein. In dem durch den Dreißigjährigen Krieg stark in Mitleidenschaft gezogenen Landstrich waren sie durch eine 1664 für sie erlassene »Konzession« des pfälzischen Kurfürsten Carl Ludwig (1617/18 – 1680) für den Wiederaufbau willkommen. Vorher hatte er schon Ansiedlungsbewilligungen für einzelne »Wiedertäufer« gegeben.63 Die traditionellen Höfe mit erfolgreicher Landwirtschaft machten die Mennoniten bekannt. Es kam zu einer Ausbreitung in den damaligen süddeutschen Nachbar63 Günther Krüger, Die Täufer (am Oberrhein). Eine Spurensuche. In: Kirchengeschichte am Oberrhein. Ökumenisch und grenzüberschreitend. Hrgg. im Auftrag der ACK, UbstadtWeiher 2013, 174 – 179.

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staaten, die trotz des traditionellen Territorialkirchentums durch Sonderkonzessionen möglich wurde, aber oft mit Diskriminierungen und Schikanen verbunden war. (2) Die »Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden« bildete sich 1886 durch einen Zusammenschluss von Gemeinden überwiegend im norddeutschen Raum zwischen Westpreußen und Ostfriesland. Die traditionsreichen Gemeinden in Emden, Krefeld, [Hamburg-]Altona und Danzig waren an der Bildung dieses Gemeindeverbands beteiligt. Großen Einfluss hatte Hinrich van der Smissen (1851 – 1928) mit dem Hintergrund seiner einmaligen Familiengeschichte. In Hamburg hatte er zeitweise den Vorsitz der damals einzigen christlichen Einheitsbewegung, der Evangelischen Allianz, inne. Seine ökonomischen Beziehungen reichten nach Frankreich, in die Niederlande, nach Russland und in die USA. Durch ihn waren auch die Kontakte zu den pfälzischen Gemeinden, die ein Zweig der »Vereinigung« wurden, aktiviert und lebendig. (3) Schließlich ist die »Konferenz Süddeutscher Mennonitengemeinden« zu nennen, die sich 1967 in einer Arbeitsgemeinschaft verbunden haben. Delegierte aller drei Traditionen trafen sich 1982 um die Frage zu prüfen, ob eine Arbeitsgemeinschaft hergestellt werden kann. Für die typisch freikirchliche Gemeindebezogenheit wurde für das Jahr 1983 in Espelkamp ein Gemeindetag deutscher Mennoniten einberufen, dessen Motto gleichsam ein Programm war : »Einer ist euer Meister, ihr aber seid alle Brüder.«64 Das war zunächst der Start für die nunmehr alle drei Jahre folgenden Gemeindetage, die sich mit Fragen des Friedenszeugnisses und der Diakonie, zwei traditionellen Themen der historischen Friedenskirche, befassten. Die bald gemeinsam herausgegebene Zeitschrift »Brücke« unterstützte den Weg zueinander durch gegenseitige Informationen. In der Folgezeit erschien ein gemeinsames Jahrbuch und die entstehende Arbeitsgemeinschaft übernahm die Verantwortung für das »Deutsche Mennonitische Friedenskomitee« und das »Deutsche Mennonitische Missionskomitee«. Das bereitete den Weg, nunmehr auch Schritte auf eine volle Gemeinschaft einzuleiten. Sie führten 1990 zur formalen Organisation die »Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland« (AGM). In der Präambel ihrer Satzung sind die Grundsätze der Mennoniten gemeinsam formuliert: » Die Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland ist ein Zusammenschluss von Gemeinden, die ihren Ursprung in der Täuferbewegung der Reformationszeit haben. Sie bekennt sich zu Jesus Christus als dem Herrn und Erlöser der Welt. – Zur täuferischen Tradition gehören: – die Taufe auf das Bekenntnis des Glaubens;- die Selbständigkeit der Gemeinden;das Friedenszeugnis;- die Verweigerung des Eides als Ausdruck der Wahrhaftigkeit der Christen und der alleinigen Bindung des Gewissens an Gott. Maßstab 64 Dieses biblische Wort steht Matthäus 23, 8.

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für das Leben in der Nachfolge Jesu Christi ist die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments wie sie im Gespräch untereinander ausgelegt wird. Die AGM bekennt sich zum missionarischen und diakonischen Auftrag Jesu Christi und will für das Gespräch mit allen christlichen Kirchen und Gemeinden offen sein.«65 Die mennonitischen Gemeinden in Deutschland hatten damit eine gemeinsame Vertretung, die ausdrücklich auch in ökumenischen Fragen wahrgenommen wird. Das sollte sich schon bald in mehrfacher Hinsicht auswirken. Nach Gesprächen mit den Katholiken und Lutheranern sind außergewöhnlich anregende Dialogdokumente entstanden. In ihrer Folge fand 2010 in Stuttgart in Verbindung mit einer Tagung des Lutherischen Weltbunds eine bewegende Versöhnungsfeier statt.66 Bemerkenswert ist hier : Eine »Gemeindefamilie« mit kongregationalistischem Gepräge fand sich zusammen und vermochte der gemeinsamen Vertretung eine gewisse Autorität für Außenkontakte zu geben. Die tiefsten Wurzeln mit vielen Verletzungen bis zum Martyrium in der Reformationszeit verhinderten nicht, in den theologischen Dialog einzutreten und nach Wegen der Heilung des Gedächtnisses zu suchen und verbindliche Gemeinschaft zu praktizieren.

4.7.11 Mennoniten und Landeskirchen vereinbaren »Eucharistische Gastbereitschaft« (1996) Mennoniten wie die Lutheraner waren 1948 Gründungsmitglieder des ÖRK. Mennoniten sind bis heute die einzige »Täuferkirche« aus Deutschland, die in die Mitgliedschaft eingetreten ist. Sie wird durch ihren Theologen Fernando Enns auch im Zentralausschuss des ÖRK vertreten. Den Anstoß für die Gespräche dieser beiden Mitgliedskirchen des ÖRK gab das Confessio-Augustana-Jubiläum 1980 in Augsburg. Die zur Feier eingeladenen Mennoniten konnten dort als sog. »Wiedertäufer« nicht ihre eigene Verdammung, die sie in der Confessio Augustana ausgesprochen sehen, mitfeiern. Dies und die durch das ›Handbuch Religiöse Gemeinschaften‹ aufgeworfene Frage nach einer ständigen lutherischen Gastbereitschaft für mennonitische 65 Zit. n. Diether Götz Lichdi, Die Mennoniten in Geschichte und Gegenwart. Von der Täuferbewegung zur weltweiten Freikirche, Weisenheim am Berg 20042 erheblich veränderte und erweiterte Auflage, 219 f. 66 Einblicke in das weite Feld ökumenischer Arbeit bietet: Fernando Enns (Hg.), Heilung der Erinnerung – befreit zur gemeinsamen Zukunft. Mennoniten im Dialog. Berichte und Texte ökumenischer Gespräche auf nationaler und internationaler Ebene, Frankfurt/M./Paderborn 2008; ders., Ökumene und Frieden. Bewährungsfelder ökumenischer Theologie, Neukirchen 2012.

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Christen67 führte 1989 zur Bildung einer mennonitisch-lutherischen Gesprächskommission. Zwischen 1989 und 1992 kam es zu sieben Gesprächsrunden. Im Laufe der Gespräche tauchte die Frage nach einer zukünftigen »Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft« auf. Sie spiegelt etwas wider von der in den Gesprächen gewachsenen Offenheit. Diese kam auch darin zum Ausdruck, dass die teilnehmenden lutherischen Gesprächsteilnehmer für sich persönlich in der »Verfolgung der Täufer […] ein schuldhaftes Geschehen [sahen und …] um Verzeihung« baten. Sie sprachen sich als Vertreter ihrer Kirchen dafür aus, »unsere Beziehungen auf eine neue geistliche Grundlage [zu] stellen.« Am Ende empfahl die aus je fünf Vertretern bestehende Kommission trotz deutlicher Unterschiede nicht nur in der Tauffrage ihren Kirchen die »Abendmahlsgemeinschaft« zu empfehlen. Die VELKD-Synode im Frühjahr 1994 lehnte jedoch mit der Begründung der Verständnisunterschiede bei der Lehre von der Taufe die vorgeschlagene Abendmahlsgemeinschaft ab. Sie war aber bereit, eine Vereinbarung über »Gegenseitige Gastbereitschaft« zu schließen. Die Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden stimmte dem nun erzielten Ergebnis am 12. Mai 1994 zu, die Kirchenleitung der VELKD am 9./10. März 1995. Im Februar 1996 hat der Rat der EKD das Ergebnis begrüßt. Er empfahl den Gliedkirchen, der Vereinbarung zuzustimmen. Aus mennonitischer Sicht bedeutete dies, »dass Mennoniten beim Abendmahl in einer evangelischen Kirche nicht mehr abgewiesen werden und dass Protestanten an einem mennonitischen Abendmahl teilnehmen können, ohne mit Sanktionen ihrer Kirche rechnen zu müssen.«68 Vielleicht schwingt hier noch ein wenig die Enttäuschung darüber mit, dass es nur zu dieser Form der »abgestuften« Gemeinschaft beim Abendmahl gekommen ist. Die Möglichkeit der Teilnahme mennonitischer Christen am landeskirchlichen Abendmahl ist durch die dort vollzogene Öffnung zur Einladung aller Getauften gegeben und bedurfte von lutherischer Seite keiner besonderen Erklärung mehr. Dagegen kommt die mennonitische Praxis aus einer Zeit, in der in manchen Gemeinden ausschließlich versöhnte Gemeindeglieder zur Teilnahme berechtigt waren. Die »abgestufte« Form der »Eucharistischen Gastbereitschaft« schließt keine Konzelebration ein, in der Ordinierte Pastoren beider Konfessionen gemeinsam die Feier leiten und das Mahl reichen können. Es fällt sprachlich auf, dass zwei protestantische Kirchen »Eucharistische Gastbereitschaft« und nicht einfach »gegenseitige Einladung zur Abendmahlsteilnahme« vereinbart haben. 67 Horst Reller (Hg.), Handbuch Religiöse Gemeinschaften, Gütersloh 19781, 105. Dort hieß es: »9. […] Kommt ein Me.[nnonit] regelmäßig zum landeskirchlichen Abendmahl, muß ihm früher oder später in taktvoller Weise die Entscheidungsfrage gestellt werden.« 68 Diether Götz Lichdi, Die Dialoge der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden mit der VELKD und anderen Partnern. In: FF Bd. 20 (2011), 83 – 97.

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Mit den mennonitischen Gemeinden und der VELKD haben zwei Kirchen, die eine belastende geschichtliche Erfahrung haben, im Dialog miteinander einen versöhnten Neuanfang gemacht. Infolge der Differenzen im Verständnis der Taufe und deren Praxis kam es in der Reformationszeit nicht nur zu »Verwerfungen« in den lutherischen Bekenntnisschriften, sondern es wurde auch eine große Zahl von Täufern hingerichtet oder im günstigeren Fall vertrieben. Nach den zunächst auch in den USA aufgenommenen Gesprächen (2002 – 2004) kam es von 2005 bis 2008 zu einer internationalen lutherisch-mennonitischen Studienkommission.69 Die Transformation von der nationalen auf die internationale Ebene ermöglichte schließlich, dass die Vollversammlung des Lutherischen Weltbunds (LWB) anlässlich ihrer Vollversammlung in Stuttgart 2010 mit einem Schuldbekenntnis einen Strich unter die Vergangenheit zog und öffentlich gegenüber den Mennoniten »tiefes Bedauern und Schmerz über die Verfolgung der Täufer durch lutherische Obrigkeiten und besonders darüber, dass lutherische Reformatoren diese Verfolgung theologisch unterstützt haben« aussprach. Der Strich unter die bittere Geschichte wurde nicht allein in einem Dokument festgestellt, sondern – wie bereits bemerkt – in einem bewegenden Versöhnungsgottesdienst gezogen.70 Von 1998 bis 2003 haben die Mennonitische Weltkonferenz und die römischkatholische Kirche miteinander einen Dialog geführt. Das Ergebnis wurde unter dem Leitwort »Gemeinsam berufen, Friedensstifter zu sein« zusammengefasst.71 Von der Frage bewegt »Wie lassen sich die Erträge der gemeinsamen Arbeit vermitteln, damit die Sterotypen nicht von Generation zu Generation weitergegeben werden?«72 kam es im September 2007 in Hamburg zu einem Studientag, der im Auftrag der katholischen Bischofskonferenz und der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden die Ergebnisse der Weltebene mit dem Ziel diskutierte, »Impulse für weitere Schritte des Dialogs und der Versöhnung auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene um des Evangeliums willen zu geben.«73 Bemerkenswert ist hier : Nationale Gespräche haben die weltweite Aufarbei69 Heilung der Erinnerung – Versöhnung in Christus. Lutherisch-mennonitischer Dialog. In: DwÜ Bd. 4 (2012), 401 – 506 mit einem Anhang: Daß weltliche Oberkeit den Wiedertäufern mit leiblicher Strafe zu wehren schuldig sei, Etlicher Bedenken zu Wittenberg (1536). 70 Rainer W. Burkhart/Oliver Schuegraf, Heilung der Erinnerung – Versöhnung in Christus. Dialog zwischen der Mennonitischen Weltkonferenz und dem LWB. In: KNA-ÖKI, Dokumentation 24. Sept. 2013, I – XII. 71 Mennonitisch/Römisch-katholischer Dialog, Gemeinsam berufen, Friedensstifter zu sein. In: DwÜ, Bd. 4, 679 – 758. 72 Andrea Lange, Ökumenische Verständigung lohnt sich. In: Fernando Enns/Hans Jochen Jaschke, Gemeinsam berufen, Friedensstifter zu sein. Zum Dialog zwischen Katholiken und Mennoniten, Schwarzenfeld/Paderborn 2008, 19. 73 Ebd., 22.

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tung einer langen Geschichte eingeleitet. Die historischen Belastungen nahmen ihren Ausgang im unmittelbaren Umfeld der Reformation. Insofern war hier der Ort, das Gespräch einzuleiten. Mennoniten sind als eine der historischen Friedenskirchen unter den sog. Freikirchen, die in der Mehrzahl aus angelsächsischen Ländern kommen, von einer völlig eigenen Tradition geprägt. Ökumenisch bedeutsam und besonderer Beachtung wert ist die ausgewiesene Handlungs- und Beschlussfähigkeit eines freikirchlich-kongregationalistischen Gemeindebundes, der in sich drei Traditionen mit gemeinde-autonomen Grundstrukturen vereinigt.74 Diese Art der Rückbindung der kongregationalistischen Mennonitischen Weltkonferenz an die lokalen Gemeinden scheint bisher einmalig zu sein. Wünschenswert wäre eine Prüfung durch andere ökumenisch offene kongregationalistische Gemeindebünde, ob sie durch ähnliche strukturelle Elemente nachhaltiger in die ökumenischen Dialoge eingreifen können.

4.7.12 Die »Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre« (GER) – (1999/2006) Die ›Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre des Lutherischen Weltbunds und der Katholischen Kirche‹ ist zwar kein Dokument innerdeutscher Ökumene, aber die Vorbereitung, die Erklärung und die theologische Debatte um den Text sind entscheidend mit dem Land der Reformation verbunden. Das ist Grund genug, diesen weltweiten Prozess unmittelbar mit der innerdeutschen Ökumene zu verknüpfen. Nach Vorarbeiten sowohl von römisch-katholischen wie von lutherischen Theologen und der Aufnahme dieses Themenfeldes durch das Zweite Vatikanische Konzil wurde in Folge des Besuchs von Papst Johannes Paul II. 1980 und seiner Begegnung mit Vertretern der EKD75 in der Bundesrepublik Deutschland eine ›Gemeinsame Ökumenische Kommission‹ eingesetzt. Sie hatte die Aufgabe, besonders in der Frage der beiderseitigen Lehrverurteilungen aus Bekenntnissen der Reformationszeit und durch das Konzil von Trient eine Klärung anzustreben, nachdem inhaltliche Fragen bereits erkennbar auf ein gemeinsames Verständnis der Rechtfertigungslehre zusteuerten. Hier kamen die Vorgespräche zur Leuenberger Konkordie zur Hilfe, die eine Formel des Umgangs mit historischen Verurteilungen gefunden hatte. Darin war zunächst für das innerpro74 Karl Heinz Voigt, Freikirchen in Deutschland (19. und 20. Jahrhundert). KiG III/6, Leipzig 2004, 53 f. 75 Diese konfessionelle Eingrenzung wurde damals von den anderen ACK-Kirchen kritisch bewertet. Vgl. Kap. 4.9.

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testantische Gespräch festgestellt worden, dass »die in den Bekenntnisschriften ausgesprochenen Lehrverurteilungen […] nicht den gegenwärtigen Stand der Lehre« betreffen.76 An diese gefundene Problemlösung anknüpfend wurden beide Kirchen durch die ›Gemeinsame Ökumenische Kommission‹ gebeten, »verbindlich auszusprechen, daß die Verwerfungen des 16. Jahrhunderts den heutigen Partner nicht treffen, insofern seine Lehre nicht von dem Irrtum bestimmt ist, den die Verwerfung abwehren wollte.«77 Um über die Lutheraner hinaus die ganze EKD einzubeziehen, beschlossen 1994 die Arnoldshainer Konferenz, die VELKD und das Deutsche Nationalkomitee des LWB den vorgelegten Ergebnissen im Grundsatz zuzustimmen. Allerdings gaben sie zur Rechtfertigungslehre ein ergänzendes Votum ab. Nach internationalen Gesprächen, die in Deutschland hauptsächlich von Experten beachtet worden waren, trat nunmehr eine neue Phase der Diskussionen ein. Auf Weltebene wurde die Arbeit an der späteren »Gemeinsamen Erklärung (GER)« eingeleitet. Nach mehreren Läufen der Textentwürfe konnte am Ende mit der Methode des »differenzierten Konsens« zusammenfassend festgestellt werden, »daß zwischen Lutheranern und Katholiken ein Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre besteht, in dessen Licht die verbleibenden [vorher im Text beschriebenen] Unterschiede in der Sprache, der theologischen Ausgestaltung und der Akzentsetzung des Rechtfertigungsverständnisses tragbar sind.«78 Nachdem der Zustimmungstext durch die Synoden veröffentlicht worden war, erhob sich an hiesigen evangelischen theologischen Fakultäten ein Sturm des Protestes. Er ist umfassend dokumentiert durch die originalen Veröffentlichungen vieler Stellungnahmen und Aufrufe von Diskussionsteilnehmern. In einer »Stellungnahme«, die eine große Zahl fachkundiger Hochschullehrer unterzeichnet hatte, wurden »schwerwiegende Bedenken« zum Ausdruck gebracht, deren Ziel war, vor einer »Unterzeichnung zu warnen.«79 Begründet wurde die kritische Haltung in vier Punkten: (1) Die lutherische Rechtfertigungslehre sei »von Grund auf in Frage gestellt«, (2) die mit der geplanten »Erklärung« verbundene »ökumenische Zielvorstellung [sei] mit reformatorischen Kriterien unvereinbar,« (3) die Erklärung »habe nicht die Zustimmung der für Lehrfragen 76 Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa, Frankfurt/M. 1993, 32, Art. 32b. 77 Karl Lehmann/Wolfhart Pannenberg (Hg.), Lehrverurteilungen – kirchentrennend? Göttingen 1988, 195. Auch: Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz zur Studie ›Lehrverurteilungen – kirchentrennend?‹ Bonn 1994. 78 Gesamttext der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GER). In: DwÜ, Bd. 3, 419 – 438, Annex, 438 – 441, hier : (40), 429. 79 www.google.de/url?sa=t& rct=j& q=& esrc=s& source=web& cd=2& ved=0CDsQFjAB& u rl=http%3A%2F%2Fwww.w-haerle.de%2Ftexte%2FStellungnahme.pdf& ei=uTImUtKq GofVswbm3YGwDA& usg=AFQjCNEScA3TNmvj-CTOZ2vnNXi8ayy8JQ& bvm=bv.514953 98,d.Yms (Abruf 3. Sept. 2013)

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verantwortlichen Instanzen« gefunden und (4) sie erbringe »keine praktischen Konsequenzen für das ökumenische Miteinander vor Ort.«80 Verstimmungen gab es über das Zustimmungsverfahren und ebenfalls kritische Fragen an die Art der Zustimmung durch die Kirchen innerhalb des weltweiten Luthertums. Um aus der Sackgasse herauszukommen, in die der ganze Weg geführt zu haben schien, kam es überraschend durch einen halbwegs persönlichen Brückenbau des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger zusammen mit dem Bayerischen lutherischen Bischof Johannes Hanselmann zu einer Lösung. Sie formulierten unter der Assistenz des katholischen Ökumenikers Professor Heinz Schütte (1923 – 2007) und des Lutheraners Professor Joachim Track den Textentwurf, der später als »Gemeinsame offizielle Feststellung« (GOF) dem Gesamtdokument beigegeben wurde. Dieses zusätzliche Dokument zielte unter anderem darauf hin, die Zahl der Befürworter einer Unterzeichnung dadurch zu vermehren, dass gerade das Gewicht und die Bedeutung der Unterzeichnung genauer definiert wurde. Dieses Ziel ist auch – trotz immer noch zahlreicher Vorbehalte – erreicht worden. Die Unterzeichnung fand schließlich an einem historischen Tag und Ort statt: am 31. Oktober 1999 in Augsburg. Die Bewertung des theologischen Gehalts und die Folgen der Unterzeichnung werden – je nach Standort – unterschiedlich gewichtet.81 Der Weltrat Methodistischer Kirchen beglückwünschte die beiden GERKirchen nicht nur zu ihrem Schritt, sondern regte auch eine Beteiligung anderer Konfessionen und Denominationen an. Nach den entsprechenden theologischen Vorklärungen, an denen Walter Klaiber und der britische Methodist Geoffrey Wainwright entscheidend mitgearbeitet haben, kam es im Jahre 2006 anlässlich einer Vollversammlung des Weltrates Methodistischer Kirchen (World Methodist Council) in Seoul in Verbindung mit einer »Methodistischen Stellungnahme« zu einer »Offiziellen Gemeinsamen Bestätigung« der GER, die von allen drei Kooperationspartnern durch ihre auf Weltebene führenden Persönlichkeiten unterzeichnet wurde.82 In ihrer »Stellungnahme« legen die Methodisten dar, dass ihr Verständnis der Rechtfertigung sich aus vielen Quellen speist: Natürlich von Luther und den anderen Reformatoren her, aber es liegen auch Einflüsse der »katholischen Tradition der frühen Kirche sowohl im Osten wie im Westen« vor. 80 Ebd. 81 Als innerdeutsche ökumenische Stimme sei hingewiesen auf: Walter Klaiber, Der ökumenische Dialogprozess zur Rechtfertigungslehre. In: Theologisches Gespräch. Freikirchliche Beiträge zur Theologie, 32. Jg. (2008), Heft 2, 55 – 72. Schon bald nach der Unterzeichnung: Walter Klaiber, Vergangenheitsbewältigung braucht Zukunftsperspektive. In: Una Sancta 54. Jg. (1999), 119 – 121. 82 Es waren: Walter Kardinal Kasper (Rom), Generalsekretär Ishmael Noko (LWB, Genf), Bischof Sunday Mbang (Methodistische Kirche, Nigeria) und Generalsekretär George Freeman (World Methodist Council, Genf).

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»Das hat ihrer eigenen Lehre von der Rechtfertigung ihr bestimmtes Profil gegeben«, das jedoch den erreichten Konsens der GER nicht verletzt.83 Einige methodistische »Akzente« werden hier benannt: (1) Unvermögen und Sünde des Menschen angesichts der Rechtfertigung, (2) der Zusammenhang von Rechtfertigung und Heiligung, (3) Rechtfertigung »durch Glauben und aus Gnade« und schließlich die heftig diskutierte Formel über »Das Sündersein des Gerechtfertigten« mit dem zentralen lutherischen Thema simul iustus et peccator. In der innerdeutschen Ökumene ist die Arbeit am Verständnis der Rechtfertigungslehre durch den Deutschen Ökumenischen Studienausschuss (DÖSTA) weitergeführt.84 Auch auf Weltebene ist die theologische Arbeit fortgeschritten. Eine kleine international zusammengesetzte Arbeitsgruppe mit Alttestamentlern, Neutestamentlern und Systematikern aus katholischer, lutherischer, methodistischer und reformierter Tradition hat im Auftrag der vier Weltbünde in gemeinsamen Sitzungen »Biblische Grundlagen der Rechtfertigungslehre« erarbeitet und 2012 der Öffentlichkeit übergeben. Damit haben sie einen zentralen Aspekt der Selbstverpflichtung vom 31. Oktober 1999 erfüllt. Die Generalsekretäre der vier Weltbünde sehen in der Studie »ein verheißungsvolles Buch«.85 Nach dem Beitritt der methodistischen Kirchen zeigten auch einzelne Baptisten infolge von Anregungen aus Deutschland Interesse an einer Ausweitung der GER auf ihre Denomination.86 In einem kurzen Exkurs soll aufgezeigt werden, wie die bilateral angenommene GER auch für Entwicklungen der innerdeutschen Ökumene einen wenig beachteten und doch nicht zu übersehenden Impuls gab. Die innerdeutschen katholisch-protestantischen Gespräche waren stets zwischen dem Johann-Adam-Möhler-Institut und der VELKD geführt worden. Jetzt nahmen die Freikirchen einen Impuls auf und zeigten, dass es neben der VELKD auch andere kompetente evangelische Partner gibt, und dass »Gottes Geist in allen Kirchen am Werke ist«.87 Das erste römisch-katholisch – freikirchliche Symposion fand im Februar 2002 natürlich zum Thema Rechtfertigung statt. 83 Lutherisch/Methodistisch/Römisch-katholischer Dialog. In: DwÜ, Bd. 4, 1158 – 1162. 84 Uwe Swarat/Johannes Oeldemann/Dagmar Heller, Von Gott angenommen – in Christus verwandelt, Beih. ÖR 78, 2006. 85 Walter Klaiber (Hg.), Biblische Grundlagen der Rechtfertigungslehre. Eine ökumenische Studie zur Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre, Leipzig/Paderborn 2012. 86 Uwe Swarat, Baptisten im ökumenischen Gespräch. Die jüngsten zwischenkirchlichen Dialoge und ihre Ergebnisse. In: Andrea Strübind/Martin Rothkegel (Hg.), Baptismus. Geschichte und Gegenwart, Göttingen 2012, 229 – 258 (249 f). 87 Karl Heinz Voigt, Gottes Geist ist in allen Kirchen am Werke. In: Walter Klaiber/Wolfgang Thönissen, Rechtfertigung in freikirchlicher und römisch-katholischer Sicht, Paderborn/ Stuttgart 2003, 211 – 214. Darin sind 15 Beiträge aus fünf Kirchen dokumentiert.

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Angesichts der Debatten der vorausgegangenen Jahre gab es unter Wissenschaftlern aus den Freikirchen den Gedanken, »freikirchliche theologische Positionen hätten in ihrer Mittelstellung Brücken bauen können.« Inzwischen haben sechs solcher Symposien stattgefunden. Das vorletzte dieser Symposien widmete sich der ökumenisch schwierigen ekklesiologischen Fragestellung, dem zuletzt Untersuchungen zu Gestalt und Inhalt des gelebten Glaubens folgten.88 Alle bisherigen Tagungsbeiträge sind in bisher sechs themenorientierten Dokumentationsbänden veröffentlicht. Bemerkenswert ist hier : Der Prozess ist eine kirchliche Erfahrung ökumenischer Globalisierung mit erheblicher deutscher und auch innerhalb Deutschlands ökumenischen Beteiligung. Innerkonfessionell wie auch interkonfessionell greifen Themen, Herausforderungen, Strukturen und weltweit mit unterschiedlichem Engagement geführte Debatten ineinander. Am Verlauf des Prozesses zeigt sich in fruchtbarer Weiterführung ein Gewinn für alle, auch für nicht direkt beteiligte Kirchen. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass es die oft erwähnte ›bilaterale Ökumene‹ nicht gibt, weil auch nicht in Dialoge einbezogene Kirchen fast immer mitbetroffen sind.

4.7.13 Die europäischen Baptisten und die Leuenberger Kirchengemeinschaft (1996 – 2010) Die Kontakte der Methodisten zur Leuenberger Kirchengemeinschaft in den neunziger Jahren gaben für die Baptisten in Deutschland den Anstoß, ebenfalls die Frage nach möglichen Leuenberg-Beziehungen zu bedenken.89 Die innerbaptistischen Überlegungen wurden an die Europäische Baptistische Föderation (EBF) weitergegeben. Noch 1996 trat die Leitung des überwiegend baptistischen Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland in Abstimmung mit der EBF an die Leitung der Leuenberger Kirchengemeinschaft mit der Bitte heran, in Gespräche über eine mögliche Zusammenarbeit einzutreten. Die Perspektive war, als ersten Schritt eine »verbindliche Kooperation« anzustreben, aus der die volle »Kirchengemeinschaft« erwachsen kann. In den folgenden Jahren hat eine Arbeitsgruppe aus EBF und Leuenberg gearbeitet. Es war eine gute Voraussetzung, dass einige nationale baptistische Bünde schon länger in 88 Burkhard Neumann, Jürgen Stolze (Hg.), Ursprung und Sendung der Kirche. Apostolizität und Katholizität in freikirchlicher und römisch-katholischer Sicht, Paderborn/Göttingen 2011;- dies. (Hg.), Aus dem Glauben leben. Freikirchliche und römisch-katholische Perspektiven, Paderborn/Göttingen 2014. 89 Karl Heinz Voigt, Die Leuenberger Konkordie und das gemeinsame protestantische Zeugnis in Europa. In: Verein für Freikirchengeschichte, Rundbrief 1996, 4 – 9.

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bilateralen zwischenkirchlichen Gesprächen standen90 und eine größere Anzahl der etwa 11.000 in der EBF zusammengeschlossenen baptistischen Gemeinden mit den jeweils in ihrem Umfeld wirkenden Leuenberger Kirchengemeinden bereits wechselseitig Abendmahlsgemeinschaft praktizierten. Das Interesse der Baptisten lag in der Vertiefung der vorhandenen Gemeinsamkeit in Zeugnis und Dienst gegenüber der sich wandelnden Welt, der nicht nur das Heil zu bezeugen ist, sondern die auch eine Stimme braucht, um für Religionsfreiheit91 und Menschenrechte, zwei alte Säulen baptistischer Theologie und Praxis, einzutreten. Natürlich bestand auch ein Interesse daran, durch gemeinsame Information Vorurteile abzubauen. Dazu zählte besonders der Vorwurf, eine Sekte zu sein. Man konnte sich eine weitreichende Wirkung versprechen, wenn Baptisten gemeinsam mit den traditionsreichen Kirchen diesem Vorbehalt aus dem 19. Jahrhundert begegnen. In den Gesprächen mit Baptisten spielt naturgemäß immer das täuferische Selbstverständnis die zentrale Frage, aber auch die Gestalt des Kirche- und Gemeinde-Seins nimmt eine dominierende Stellung ein. Nach einer Dialogreihe zwischen der Leuenberger Kirchengemeinschaft und der Europäischen Baptistischen Föderation in den Jahren 1999/2000 stand im Herbst 2002 das Thema »Der Anfang des christlichen Lebens und das Wesen der Kirche« im Zentrum einer gemeinsamen Tagung. Diese Hamburger Tagung wurde geleitet von Bischof Martin Hein (Kassel) und Theodore Angelov (Sofia), dem Generalsekretär der EBF. Andr¦ Birmel¦ und der Baptist Tony Peck hielten die theologischen Referate vor einer europäisch zusammengesetzten Gruppe.92 Die Tagung hat durch eine Gesamtschau der christlichen »Initiation« bisherige Annäherungen weitergeführt, ohne dass in den bestehenden Unterschieden eine Lösung gefunden werden konnte, die volle Kirchengemeinschaft ermöglicht. Zwar konnte das für die Leuenberger Konkordie grundlegende gemeinsame Verständnis des Evangeliums festgestellt werden, aber in der Frage der Theologie und Praxis der Taufe konnte noch kein gemeinsames Verständnis gefunden werden. Einer der 90 Das war zur Zeit des Abschlusses der Vereinbarung von 2010 der Fall in Schweden, (wo inzwischen eine neue Kirche durch den Zusammenschluss von Baptisten, Methodisten und einer reformiert orientierten Missionskirche gebildet wurde), in England (seit 40 Jahren), in Österreich (2004 – 2007 mit einem gemeinsamen Abschlusskommuniqu¦), in Norwegen (mit unterschiedlichen Partnern 1989 und 2004) und in Frankreich (2001 – 2007). Zusätzlich war in Italien bereits Kirchengemeinschaft mit der Kirche der Waldenser und Methodisten erklärt worden. 91 Erich Geldbach, Markus Wehrstedt, Dietmar Lütz (Hg.), Religionsfreiheit. FS für J. Köbner, Berlin 2006. 92 Wilhelm Hüffmeier/Tony Peck (Hg.), Dialog zwischen der Europäischen Baptistischen Föderation (EBF) und der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) zur Lehre und Praxis der Taufe, Frankfurt/M. 2005. Der GEKE-Delegation gehörte auch der Methodist Manfred Marquardt an, ebd., 36.

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deutschen Teilnehmer auf baptistischer Seite, das zu bemerken ist für die weitere Entwicklung auf nationaler Ebene wichtig, war Kim Strübind. Die Ergebnisse der offiziellen Konsultationen lagen der GEKE-Vollversammlung 2006 in Budapest vor. Der dort vorgetragene Gedanke des Co – Vorsitzenden der gemeinsamen Kommission, Bischof Martin Hein, es könne ein Schritt in die Zukunft sein, wenn Baptisten, auch wenn sie die Säuglingstaufe als unangemessen betrachten, sie doch ihre Gültigkeit nicht ausdrücklich in Frage stellen, konnte durch Anthony Peck, den baptistischen Generalsekretär, jedoch nicht akzeptiert werden. Peck machte in Budapest die Bemerkung, das nun abgeschlossene Gespräch sei das erste dieser Art gewesen. Für die Weiterarbeit musste nach Budapest die Frage einer offiziellen GEKEBeziehung mit den Baptisten unterhalb der Mitgliedschaft, die es bis dahin noch nicht gab, gelöst werden. Die Partner gestanden sich danach in einer »Vereinbarung« eine Gemeinschaft zu, »die die unterschiedlichen Eigenarten und Überzeugungen der Partner respektiert und völlige Gegenseitigkeit zwischen ihnen sichert.« Eine Vereinbarung in diesem Sinne unterzeichneten die GEKE und die BEF im Jahr 2010.93 Inhalte dieser Vereinbarung waren »Gemeinsame Verpflichtungen« zu gegenseitigen und jährlichen Einladungen auf höchster Ebene sowie zu den Vollversammlungen der GEKE und die gegenseitige Information auch durch Treffen der Generalsekretäre. Im Blick auf die Zukunft wurde vereinbart, »den theologischen Dialog wieder aufzunehmen, sobald sich aus den regionalen Dialogen zwischen den Kirchen der GEKE und den Mitgliedsbünden der EBF neue Perspektiven ergeben haben.« Die Tür ist also für zukünftige Schritte geöffnet. Nicht zu unterschätzen ist die Bereitschaft und Möglichkeit, durch die Baptisten Beobachter und Berater in GEKE-Kommissionen zu entsenden. Der Begriff eines Beobachterstatus ist zwar vermieden, aber praktisch haben die europäischen Baptisten nunmehr eine Art Beobachterstatus in der GEKE und umgekehrt. Beide Gemeinschaften haben sich mit der 2010 geschlossenen »Vereinbarung« gemeinsam auf die Suche nach einer verbindlicheren Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst im Kontext einer zunehmend gottentfremdeten europäischen Gesellschaft begeben. Diese Bewegung stellt einen hoffnungsvollen Schritt in den Beziehungen zwischen Kirchen unterschiedlichen Taufverständnisses, unterschiedlicher Taufpraxis und unterschiedlicher Kirchen- bzw. Gemeindestruktur dar. Bemerkenswert ist hier : Das Gespräch kam durch den Anstoß aus der methodistischen Kirche in Deutschland zustande. Es wurde auf eine europäische Ebene gehoben, führte nach einem ausführlichen theologischen Dialog zwischen Kirchen unterschiedlicher Taufverständnisse zu einer neuen Form verbindlicher 93 Text: http://www.leuenberg.eu/sites/default/files/doc-11855 – 2.pdf (Abruf 7. Sept. 2013).

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Gemeinschaft und wirkte schließlich auf einen Zweig des deutschen Baptismus zurück, der zu einer regionalen, heftig debattierten Überprüfung der gegenseitigen Standpunkte führte, die wiederum Auswirkungen auf die zukünftige Gestaltung des lutherisch-baptistischen Verhältnisses in der Tschechischen Republik hatte. Es liegt also eine sowohl ökumenische wie internationale Verzahnung mit Wirkungen in verschiedene Richtungen vor. – Die erwähnte innerdeutsche Debatte wird an anderer Stelle behandelt.94 – Beide Vorgänge zusammengenommen zeigen erneut, wie besonders international vernetzte Kirchen die Ökumene auf nationaler Ebene beeinflussen können. Die Gespräche haben auch gewisse Grenzen der Leuenberger Konkordie aufgezeigt. Es ist sichtbar geworden, dass der Konkordientext von und für Kirchen formuliert wurde, die trotz ihrer vorausgehenden theologischen Unterschiede doch eine gemeinsame Geschichte und eine gemeinsame Grundstruktur haben. Für eine generelle Ausweitung reichen »das gemeinsame Verständnis des Evangeliums«, die erzielten Übereinstimmungen im Verständnis der Abendmahls, in der Christologie, in der Prädestination sowie die Einschränkungen im Blick auf die » in den Bekenntnisschriften ausgesprochenen Lehrverurteilungen«95 nicht in jedem Fall aus, um Kirchengemeinschaft zu begründen.

4.7.14 Die methodistischen Kirchen und die Leuenberger Kirchengemeinschaft (1997) Zu ersten Kontakten zwischen dem Committee for European Relations of the Methodist Church in Großbritannien mit dem Leuenberger Koordinierungsausschuss kam es durch Reverend Peter Stevens aus Oxford. Er fragte 1976 als Europa-Sekretär seiner Kirche nach der Möglichkeit eines Beraterstatus’ für die Britische Methodistische Kirche. Die Leuenberger Vertreter Wenzel Lohff und D. von Allmen antworteten für den Koordinierungsausschuss nach Beratungen mit dem Gesamtausschuss: 94 Vgl. Kap. 4.7.18. 95 Ernst Lippold, Kirche – Freikirche – Gemeinschaft. Entwicklungen im Verhältnis zur EKD. In: FF Bd. 12 (2002), 112 f. Lippold schreibt: »Ein ›Damnant Anabaptismus‹ (CA IX) ist in dieser Form heute nicht mehr nachzusprechen. Die [revidierte] Fußnote [in Gesangbüchern] lautet: ›Hier werden – wie in den Artikeln 2, 5, 8, 9, 16, 17 und 18 – Beispiele von Irrlehren aus der Alten Kirche oder der Reformationszeit genannt, auf die sich die Verwerfungen beziehen. Theologische Lehrgespräche in neuer Zeit haben zu der Einsicht geführt, dass die Lehrverurteilungen der Reformationszeit in wichtigen Punkten die Lehre der genannten Kirchen und Glaubensgemeinschaften heute nicht mehr treffen; nach wie vor trennende Lehrdifferenzen werden zu dem nicht mehr als ›Verdammungen‹ ausgesprochen.« (Evangelisches Gesangbuch, Ausgabe Niedersachsen-Bremen, Nr. 808, nach 1995).«

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»Wir wünschen zwar, diese Beteilung [von Beobachtern/Beratern] möge dazu beitragen, dass allmählich neue Beziehungen zwischen den europäischen Kirchen reformierter oder lutherischer Prägung einerseits und den verschiedenen methodistischen Kirchen andererseits zustande kommen. Dies schiene uns aber ein neuer Schritt zu sein, und die Annahme der Konkordie schiene uns wegen ihrer Bedeutung im Netz der lutherisch-reformierten Beziehungen nicht unbedingt geeignet zu sein, diesen Schritt zu konkretisieren.«96

Fast Parallel zur Initiative aus Oxford erteilte 1977 die für die BRD kirchenleitend tätige Zentralkonferenz den Auftrag zur Erarbeitung einer Vorlage zur Klärung der Abendmahlsgemeinschaft innerhalb der ev. Kirchen unter Berücksichtigung der Leuenberger Konkordie. Ausgelöst war die Frage durch das von der VELKD herausgegebene ›Handbuch Religiöse Gemeinschaften‹. Darin hieß es in der ersten Auflage: »Evang.-luth. Christen sollten nicht an methodistischen Abendmahlsfeiern teilnehmen.« Die methodistische Vorlage mahnte an, »eine neue zwischenkirchliche Phase einzuleiten.«97 Sie sollte nach der Entwicklung eines geschwisterlichen Miteinander nunmehr »zu zwischenkirchlich verbindlichen Vereinbarungen im Sinne ökumenischer Partnerschaft« führen. Es sollte mit der VELKD als dem Herausgeber des erwähnten Handbuchs ein offizielles Gespräch geführt werden. Ziel der zunächst bilateral geführten Lehrgespräche sollte »die gegenseitige Anerkennung sein, aus der sich infolge von Kirchengemeinschaft auch Abendmahlsgemeinschaft ergibt.« Diese Gespräche führten auf der Basis von Leuenberg schließlich zur Kirchengemeinschaft mit allen Gliedkirchen der EKD.98 Nach den Klärungen auf nationaler Ebene gab 1992 die Budapester Evangelische Versammlung (European Protestant Assembly) die Empfehlung, Leuenberg möge mit den Anglikanern und den Methodisten Konsequenzen für den gesamteuropäischen Bereich ziehen. Ein zentrales organisatorisches Motiv war, auf eine in der Debatte stehende ›Europäische Evangelische Synode‹ durch die Ausweitung der Leuenberger Möglichkeiten verzichten zu können. Der Bensheimer Ökumeniker Frieling hatte den Gedanken einer solchen ›Europäischen Evangelischen Synode‹ ins Gespräch gebracht. Aber es gab dagegen eine ganze Reihe von Vorbehalten: Was wird dann aus der Konferenz Europäischer Kirchen? Welche Rolle sollen, wollen und können die Anglikaner spielen? Unmissverständlich kam aus Dänemark die Rückfrage, ob eine »Synode« überhaupt eine angemessene Struktur sei. Au96 Schreiben Koordinierungsausschuss fuer die Leuenberger Lehrgespräche an Peter Stephens, Committee for European Relations of the [British] Methodist Church vom 13. April 1977. In: EmK Geschichte, 28. Jg. (2007) Heft 2. Dort: Karl Heinz Voigt, Die EmK und die Leuenberger Konkordie, 64 – 66 (65). 97 Ebd., Arbeitsvorlage Abendmahlsgemeinschaft innerhalb der Ev. Kirchen durch die Leuenberger Konkordie und die EmK, 67 – 70. Daraus auch die folgenden Zitate. 98 Vgl. Kap. 4.7.7.

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ßerdem hatten die nordischen Kirchen mit den Anglikanern durch die gemeinsame Grundlage des historischen Episkopats bereits eine verbindliche »Porvoo Erklärung«, die deutlich weiter ging als die »Meißener Erklärung«, geschlossen. Am Ende wurde die Leuenberger Kirchengemeinschaft zur Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) weiterentwickelt. Nach dem Budapester Treffen der Protestanten in Europa wurde 1993 von den beiden Partnern Leuenberg und methodistische Kirchen eine ›Gemeinsame Erklärung zur Kirchengemeinschaft‹ erarbeitet. Damit war für Leuenberg aus zwei Gründen ein neuer Schritt getan. Die früher der Konkordie zustimmenden Signatarkirchen haben nach den Beschlüssen durch ihre Kirchen ihre Zustimmung und damit Teilnahme in Genf hinterlegt. Dieser Weg schien den Methodisten für ihren Schritt in die Gemeinschaft nicht angemessen. Von den ursprünglich ausschlaggebenden Problemen der Reformationszeit waren sie unberührt und dadurch historisch in einer anderen Ausgangsposition. Der durch die Signatarkirchen gewählte Schritt der einseitigen Zustimmung war möglich, weil sie selber als Dialogpartner für den Text der Konkordie mitverantwortlich zeichneten und somit ihrem eigenen Dokument zustimmten. Das war für jene Kirchen anders, die eingeladen waren, sich der Vereinbarung anzuschließen. Sie kamen nicht nur von ›außen‹ dazu, sondern sie standen zu den traditionellen Konfessionen aus den Erfahrungen der Geschichte des 19. Jahrhunderts in einer anderen Beziehung. Die Methodisten fragten sich: Waren alle territorial organisierten Kirchen bereit, mit einer Kirche völlig anderer Struktur eine so weit reichende »Kirchengemeinschaft« einzugehen, wie sie sich aus der Konkordie ergibt? Das hohe Gut der Kirchengemeinschaft kann nur wirksam werden, wenn ihr beide Seite zustimmen und sie verwirklichen wollen. Darum war den Methodisten wichtig, statt beizutreten durch Zustimmung der Partner aufgenommen zu werden. Die neu erarbeitete »Gemeinsame Erklärung zur Kirchengemeinschaft«99 knüpft an frühere entsprechende Empfehlungen an, die durch bilaterale Lehrgespräche auf Weltebene zwischen Lutheranern und Methodisten (1979 – 1984) sowie Reformierten und Methodisten (1987)100 gegeben worden waren. Sie wurden in der BRD und der DDR ergänzt durch Lehrgespräche mit der VELKD bzw. dem BEK, die 1987/1990 zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft geführt hatten. Die Wiener Leuenberger Vollversammlung hat im Mai 1994 die »Gemeinsame Erklärung« verabschiedet und den methodistischerseits erbetenen

99 Text: DwÜ, Bd. 3 (2003), 778 – 783. 100 Zusammen in Gottes Gnade. Reformiert-Methodistischer Dialog. In: DwÜ Bd. 2 (1992), 307 – 315. In Australien, Italien und Sambia sind Reformierte und Methodisten, die an dem Dialog beteiligt waren, bereits vereinigt.

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Weg des Zustimmungsverfahrens für die Mitgliedskirchen beschlossen.101 Parallel hat der Europäische Rat Methodistischer Kirchen in einem Kommunique im September 1996 seine Zustimmung erteilt. Ebenfalls im September 1996 stellte der Exekutivausschuss der Leuenberger Kirchengemeinschaft fest, dass die durch die Signatarkirchen festgelegte Zweidrittel-Zustimmung erreicht war. Damit waren die rechtlichen Voraussetzungen für eine Aufnahme geschaffen. Am 2. Februar 1997 wurde im estnischen Tallinn in einem festlichen Gottesdienst mit einer Predigt des methodistischen Bischofs Walter Klaiber die Aufnahme öffentlich vollzogen. Damit ist erstmals eine nichtterritorial strukturierte Kirche Mitglied der heutigen Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) geworden. Mit dem Vollzug der verbindlich miteinander erklärten Kirchengemeinschaft haben sich beide Seiten verpflichtet: (1) Einander bei der Erfüllung der Zeugnisund Dienstgemeinschaft zu dienen. (2) Weiterführende theologische Gespräche über Rechtfertigung und Heiligung, Glaube und Erfahrung, Zeugnis einer Minderheit und die Frage des Proselytismus, Evangelisation und Sozialethik, Taufe und Kirchengliedschaft als zukünftige theologische Aufgabe zur Vertiefung des gemeinsamen Verständnisses des Evangeliums zu führen. (3) Es sollen die regionalen und lokalen Beziehungen überprüft und im Lichte von Leuenberg neu gestaltet werden. Und schließlich wollen sie (4) die aus der Verpflichtung erwachsenden ökumenischen Erfahrungen ermutigend in die weiter gefassten ökumenischen Beziehungen einbringen. Dieses wird als »Akt des Gehorsams gegenüber dem Herrn der Kirche und als Dienst an der Einheit der Christen« verstanden.102 Diese Vereinbarung gilt für alle methodistischen Zweige in Europa. Walter Klaiber wertet die Aufnahme der methodistischen Kirche als »einen zukunftsweisenden Schritt. Mit der Form einer zusätzlichen ›Gemeinsamen Erklärung zur Kirchengemeinschaft‹ war ein Weg gefunden, auch evangelische Kirchen aufzunehmen, die nicht direkt in die Lehrstreitigkeiten der Reformationszeit verwickelt waren.«103 Man kann die bald darauf folgenden Gespräche mit der Europäischen Baptistischen Föderation als eine direkte Folge der Aufnahme der methodistischen Kirchen sehen.104

101 Wilhelm Hüffmeier, Christine-Ruth Müller (Hg.), Wachsende Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst. Reformatorische Kirchen in Europa. Texte der 4. Vollversammlung der Leuenberger Kirchengemeinschaft in Wien, 3. bis 10. Mai 1994, Frankfurt/M. 1995, 259. 102 DwÜ, Bd. 3 (2003), 782 f. 103 Walter Klaiber, Wann wurden die methodistischen Kirchen in Europa in die Leuenberger Kirchengemeinschaft aufgenommen? In: EmK Geschichte, 28. Jg. (2007) Heft 1, 27 – 32 [30]. 104 Vgl. 4.6.13.

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4.7.15 Die Evangelische Kirche in Deutschland und die Leuenberger Kirchengemeinschaft (1999) Die Leuenberger Konkordie105 hat zunächst das Verhältnis der Gliedkirchen der EKD zueinander und später auch zur EKD grundlegend verändert. Durch ihre Zustimmungen zur Konkordie haben die evangelischen Kirchen der Reformationszeit nach Jahrhunderten volle Kirchengemeinschaft begründet. Die EKDGliedkirchen gehörten zur ersten Gruppe der zustimmenden Kirchen, nachdem die Arbeit am Text im März 1973 abgeschlossen war. Alle haben einzeln zugestimmt. Ungefähr 25 Jahre nach den Gliedkirchen wurde auch die EKD selber Leuenberg-Mitglied. Grund für den langandauernden Prozess waren Fragen des ekklesiologischen Selbstverständnisses der EKD, die sich selber zwar als eine »Kirchengemeinschaft ihrer lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen und damit selbst ein Modell der Kircheneinheit« verstand.106 Auf diesem Hintergrund erklärt sich, warum die EKD für ihre Zustimmung einen längeren Prozess der inneren Klärung brauchte, in dem es darum ging, welchen Status die Gliedkirchen ihr einzuräumen bereit waren. 1999 hat der Rat der EKD »nach dem Einverständnis von Synode und Kirchenkonferenz am 10. September die Zustimmung zur Leuenberger Konkordie beschlossen und folgende Erklärung abgegeben: ›Mit der Zustimmung zur Konkordie bringt die EKD zum Ausdruck, dass sie sich in der Gemeinschaft mit ihren Gliedkirchen, die diese Entscheidung bereits früher vollzogen haben, der Kirchengemeinschaft reformatorischer Kirchen in Europa im Sinne der Leuenberger Konkordie verpflichtet weiß, in ihr auf der Grundlage der Konkordie mitzuarbeiten bereit ist und sich in der Wahrnehmung ihrer sonstigen ökumenischen Aufgaben von der Konkordie leiten lässt.‹«107 105 Ihre Entstehung ist in Kapitel 3.12 dargestellt. 106 EKD-Kundgebung. Eins in Christus. Kirchen unterwegs zu mehr Gemeinschaft. www.ekd. de/synode2000/beschluesse_ku_eins_in_christus.html (Abruf 22. Aug. 2013). 107 www.ekd.de/international/berichte/2000/oekumene_reader2000_07.html. Inwieweit dieser Beschluss von dem Eindruck der römischen Erklärung »Dominus Iesus« beeinflusst ist, wird die Zukunft erweisen. Jedenfalls war die EKD (wie die anderen evangelischen Kirchen) über die darin »manifesten theologischen Irrtümer« – wie die EKD-Synode feststellte – empört, obwohl es nicht neu war, dass sich die römisch-katholische Kirche »als einzige vollkommene Realisierung der Kirche Jesu Christi« versteht. Damit war auch die ekklesiologische Qualität der EKD angefragt. Ein Jahr später veröffentlichte die EKD ein von ihrer »Kammer für Theologie« erarbeitetes »Votum« mit dem Titel »Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis«, das auch »zur sachgemäßen Weiterentwicklung der in der Evangelischen Kirche in Deutschland hergestellten Gemeinschaft der Gliedkirchen« beitragen sollte, wie der Ratsvorsitzende Präses Manfred Kock im Vorwort erläuterte. In: EKD-Texte, Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis. Ein Votum zum geordneten Miteinander bekenntnisverschiedener Kirchen, Hannover 2001.

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Bevor der Rat diese Entscheidung traf, holte er das Einverständnis der Synode und die Zustimmung der Kirchenkonferenz ein. In der selten an die Öffentlichkeit tretenden EKD-Kirchenkonferenz treffen sich die Leitungen aller Gliedkirchen. Zu ihren Aufgaben gehört die Mitwirkung der Landeskirchen für den Weg der EKD und die Beratung von Rat und Synode. Mit der Zustimmung durch die verschiedenen Gremien zur Leuenberg-Mitgliedschaft hat der Kirchenbund einen ökumenischen Gewinn erreicht, weil durch sie in der Frage des Kircheseins der EKD vorsichtig, wie der beschlossene Text ausweist, ein neuer Schritt vollzogen wurde. Im ÖRK und seinen Gremien vertritt die EKD die Landeskirchen, obwohl eigentlich diese dort Mitglieder sind, nicht aber die EKD. In der innerdeutschen Ökumene stellt sich, wie die folgende Darstellung zeigen wird, das Bild anders dar. Hier übernahm bisher immer die VELKD die Vorarbeit in Lehrgesprächen und in der Vorbereitung daraus entstehender Vereinbarungen. Die VELKD ist als Kirche im Vollsinn autorisiert, verbindliche zwischenkirchliche Gespräche zu führen, während die EKD über keine entsprechende Vollmacht und somit auch über kein dafür zuständiges Organ verfügt. Den Ergebnissen der VELKD-Gespräche haben in der Regel die reformierten und unierten Landeskirchen durch ihre Organe zugestimmt. Bemerkenswert ist hier : Eine verbindlich organisierte ökumenische Gemeinschaft setzt für die Weiterführung von Entwicklungen eine zwischenkirchlich handlungsfähige Lebensstruktur der beteiligten Kirchen voraus. Dazu gehören von den Organen erteilte Vollmachten und eine entsprechende Kontaktebene.

4.7.16 Die Charta Oecumenica (2001 – 2003)108 Als die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung 1997 im österreichischen Graz den Beschluss fasste, ein Dokument mit ökumenischen Richtlinien über grundlegende ökumenische Rechte und Pflichten zu formulieren, ahnte wohl keiner von den Delegierten der Kirchen, welche Auswirkungen dieser Schritt nach sich ziehen würde. Nach dem Grazer Beschluss sollte es um Proselytismus, Fundamentalismus und die Beziehungen zwischen Mehrheits- und Minderheitskirchen gehen. Es dauerte nicht lange, bis zwischen der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) mit ihren 125 Mitgliedskirchen und dem Rat der römisch-katholischen Bischofskonferenz in Europa (CCEE) die Frage möglicher gemeinsamer Konsequenzen aus diesen Überlegungen diskutiert wurde. Alle Konfessionen, ob Mehrheits- oder Minderheitskirche, waren durch den politischen Umbruch 108 Text der Charta Oecumenica: www.oekumene-ack.de/textepublikationen/2003.

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herausgefordert, die teilweise neue Rolle der Kirchen in den Staaten der ehemals kommunistisch regierten Länder und das »Hinterfragen des traditionellen Konzepts von National- und Staatskirchen«109 in westlichen wie östlichen säkularisierten Gesellschaften, zu hinterfragen und zukunftsorientiert kirchliche und ökumenische Konzepte zu entwickeln. Ein Treffen zwischen KEK und CCEE kam zu dem Ergebnis, »die Versöhnung zwischen den Kirchen Europas voranzutreiben« und damit Europa selber zu dienen.110 Es wurden erste Überlegungen zu einer »Charta Oecumenica« diskutiert. Eine beauftragte Arbeitsgruppe mit zweimal sechs Teilnehmern nahm 1998 ihre Arbeit auf. Aus Deutschland gehörten Reinhard Frieling (ev.) und Ilona Riedel-Spangenberger (kath.) dieser Gruppe an. Schritt für Schritt entwickelte sich die »Charta« mit ihren Themen und in ihrer Struktur. Es wurde in verschiedener Hinsicht Neuland betreten. Am Ende konnte Reinhard Frieling bilanzieren: »Zum ersten Mal in der Geschichte haben somit die höchsten Zusammenschlüsse der römisch-katholischen Bischofskonferenzen und der orthodoxen wie protestantischen Kirchen in Europa ein gemeinsames Dokument offiziell unterschrieben, in dem 24 ›Verpflichtungen‹ zu gemeinsamem ökumenischen Handeln enthalten sind.«111 Was war neu? Es wurde nicht nur ein Text formuliert, der den Kirchen zur Beratung überlassen wurde und der eine Reihe von Empfehlungen enthielt. Über frühere ökumenische Impulse hinaus wurden die Vertretungskörperschaften der Kirchen um Unterzeichnung gebeten. Es war von vorneherein klar, dass die unterzeichnende Zustimmung keinen kirchenrechtlich verbindlichen Charakter haben konnte, aber dass damit doch eine moralische Verbindlichkeit hergestellt wurde. Ein anderer nachhaltiger Schritt waren die Selbstverpflichtungen, zu denen die Kirchen sich bekannten. Unterzeichnete Selbstverpflichtungen sind mehr als nur Empfehlungen, wie sie traditionell durch ökumenische Dokumente z. B. von Vollversammlungen des ÖRK gegeben wurden. Schließlich ist außerordentlich bedeutsam, dass die Charta Oecumenica im Januar 2001 in Straßburg nicht nur durch die Präsidenten Metropolit J¦r¦mie für die KEK und Kardinal Miroslav Vlk für die CCEE unterzeichnet werden konnte. Von dort wurde sie »durchgereicht« an die nationalen Christenräte, in Deutschland an die ACK, und danach weiter in die regionalen und städtischen ökumenischen Gremien. Überall kam es zu zustimmenden Unterzeichnungen mit der jeweiligen Selbstverpflichtung der beteiligten Konfessionen und Denominationen. Ein Höhepunkt in Deutschland war die öffentliche Unterzeichnung im Rahmen des 109 Konferenz Europäischer Kirchen, Konsultation Kirche und Staat in Celakowice, Tschechische Republik, Genf 1998, 9. 110 Reinhard Frieling, Charta Oecumenica. Ein Einführung in ihre Intentionen und die Hintergründe ihrer Entstehung. In: MdKI 52. Jg. (2001), 54 – 58. 111 Ebd., 55.

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Berliner Ökumenischen Kirchentags am 30. Mai 2003 in einer vollbesetzten Messehalle. Es war ein denkwürdiger gottesdienstlicher »Festakt« in dem 16 Kirchen unter vielfältiger ökumenischer Beteiligung die Charta unterschrieben haben. Mit Bedauern und Respekt ist zu bemerken, dass sich nicht alle mit der ACK verbundenen Kirchen in der Lage sahen, den Selbstverpflichtungen zuzustimmen.

Links: Programm für den Festakt der Unterzeichnung der Charta Oecumenica, die in einem Gottesdienst mit großer Beteiligung erfolgte, der einen Höhepunkt des 1. Ökumenischen Kirchentags darstellte. Rechts: 16 Unterschriften von bevollmächtigten Repräsentanten ihrer Kirchen bezeugen die Übernahme der Selbstverpflichtungen, die in der Charta Oecumenica in einem gemeinsamen Prozess formuliert wurden. Damit haben sich ihre Kirchen in eine Gemeinschaft gestellt, die in jedem Ort beginnt und länderübergreifend die gesamte europaweite ökumenische Gemeinschaft stärkt.

Die Charta Oecumenica ist ein Basistext und enthält »Leitlinien für die wachsende Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa«. Nach einer Einleitung folgt ein Absatz mit ekklesiologischen Grundaussagen. Danach werden fünf Bereiche gemeinsamer Aktivitäten aufgelistet, denen drei Abschnitte über den Willen, Europa mitzugestalten folgen bevor die Beziehungen zum Judentum, zum Islam und anderen Religionen und Weltanschauungen umrissen werden. Mit der Bereitschaft zur Selbstverpflichtung liegt ein auf ganz unterschied-

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lichen Ebenen bestätigtes Papier vor, das je nach eigenem Standort recht unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen hat. Denen, die ökumenisch voranstürmen wollen, ging es besonders in den traditionell unterschiedlichen Positionen nicht weit genug. Die Mehrzahl begrüßte es, dass nunmehr gebündelt formuliert und vielfach durch eigene Unterzeichnung zugestimmt wurde, was heute zu tun bereits möglich ist. Der Mitautor und Ökumeniker Frieling fasste sieben Jahre nach der Erstunterzeichnung die Bedeutung zusammen und schrieb: »Die Charta ist ein europäisches Dokument, und so sind bezüglich ihrer Wirkung und Geltung recht unterschiedliche kirchliche und konfessionelle Bedingungen zu berücksichtigen. Die alte Aufteilung zwischen den orthodoxen Ostkirchen und der westlichen römisch-katholischen Kirche und dann die konfessionelle und geographische Differenziertheit seit der Reformation im 16. Jahrhundert prägen immer noch die konfessionelle Landkarte. Grob gesprochen leben etwa 90 % der europäischen Christen in ihrem Land in einer der großen Mehrheitskirchen und die anderen in einer Diasporakirche. Das prägt selbstverständlich sowohl das kirchliche Heimatbewusstsein als auch die Einstellung zur Ökumene. […] Diese Realitäten sind zu beachten, wenn die Frage nach der Rezeption der Charta Oecumenica in Europa gestellt und ihre Relevanz als ›Verpflichtung‹ oder ›Empfehlung‹ bzw. in der Terminologie von Sibiu 2007 als ›Anregung und Wegweiser‹ bedacht wird.«112

Auch in Deutschland gibt es noch reichlich Herausforderungen, einzelne Selbstverpflichtungen umzusetzen. Es wäre z. B. durchaus möglich, die innerdeutsche ökumenische Entwicklung insgesamt auf eine breitere Basis zu stellen. Zum gemeinsamen Handeln sagte die Charta ausdrücklich: »Wir verpflichten uns, auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens gemeinsam zu handeln, wo die Voraussetzungen dafür gegeben sind und nicht Gründe des Glaubens oder größere Zweckmäßigkeit dem entgegenstehen.« Die ACK bietet Voraussetzungen für eine breit angelegte multikirchliche Ökumene. Bemerkenswert ist hier : Die Aufnahme der Charta Oecumenica als europaweite ökumenische Verpflichtung, die bis in die örtlichen Gemeinden hineinwirkt und diese an dem Prozess der Suche nach der Einheit in theologischer Findung und praktischer Arbeit beteiligt, ist ein einmaliger Wurf. Hilfreich ist auch, dass Kirchen und Gemeinden in ökumenischer Gemeinschaft gesellschaftliche Perspektiven ausgestalten und in der Begegnung mit anderen Religionen in gemeinsamer gegenseitiger Wertschätzung den Dialog führen wollen.

112 Reinhard Frieling, Die Charta Oecumenica als Verpflichtung oder Empfehlung? Ihre Rezeption in Europa. US 2008, 13. – In Sibiu/Hermannstadt (Rumänien) fand im Jahr 2007 die Dritte Europäische Ökumenische Versammlung statt.

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4.7.17 Die Union Evangelischer Kirchen (2003) Nach erreichter Kirchengemeinschaft durch die Leuenberger Konkordie war es für die beiden Kirchenbünde, der aus der altpreußischen Union hervorgegangenen Evangelischen Kirche der Union (EKU) und der Arnoldshainer Konferenz, einer 1967 gebildeten Arbeitsgemeinschaft selbständiger Landeskirchen der unierten, reformierten und teilweise lutherischen Tradition, leichter geworden, sich neu zu organisieren. Am 26. Februar 2003 wurde im Berliner Dom ein Vertrag über den Schritt in eine neue gemeinsamen Zukunft unterzeichnet. Damit trat das innerlandeskirchliche Bündnis am 1. Juli 2003 in Kraft. Die bisher in der Arnoldshainer Konferenz mitwirkenden lutherischen Kirchen von Oldenburg und Württemberg, die von Anfang an nicht zur konfessionell strenger ausgerichteten VELKD gehörten, haben auf eine Mitgliedschaft in der neugebildeten UEK verzichtet. Ihr gehören zwölf Landeskirchen an. Sie umfassen die Regionen: Anhalt, Baden, Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Bremen, Hessen-Nassau, Kurhessen-Waldeck, Lippe, Mitteldeutschland, Pfalz, Rheinland, Westfalen und die Evangelisch-reformierte Kirche. Ziel des Zusammenschlusses ist eine Stärkung der EKD, die sich Schritt für Schritt auf dem Weg zu einer Kirche im vollen Sinne befindet. Seit ihrem Votum »Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis« und einer Kundgebung der EKD-Synode im Jahr 2000 zum Schwerpunktthema »Eins in Christus. Kirchen unterwegs zu mehr Gemeinschaft« hat die EKD sich selber als »Kirchengemeinschaft« und als Modell für »Kircheneinheit« verstanden.113 Wie immer es die Zukunft zeigen wird, mit dem Zusammenschluss von zwei landeskirchlichen Organen zu einer immer noch begrenzten Union Evangelischer (Landes-)Kirchen ist ein weiterer Schritt getan, der auch zur Vertiefung einer strukturellen Vergemeinschaftung der EKD hilft. Zukünftig stehen in der EKD die neue UEK und die VELKD nebeneinander. In diesem Zusammenhang ist die Rolle des Reformierten Bundes als einer Konföderation von Reformierten erwähnenswert. Der Reformierte Bund ist keine Landeskirche und darum kein EKD-Mitglied. Er hat lediglich in der Kirchenkonferenz einen Sitz. Der Reformierte Bund sieht in reformiert-kongregationalistischer Tradition in der EKD lediglich ein »Verbindungsmodell«, in dem die Konfessionen ihre Identität bewahren können. Auf der Heidelberger Hauptversammlung des Reformierten Bundes 2013 hat deren Moderator Peter Bukowski gesagt, es sei vor einem weiteren Schritt innerhalb der EKD momentan 113 Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis. Ein Votum zum geordneten Miteinander bekenntnisverschiedener Kirchen, Hannover 2001. Mit einem Anhang: Kundgebung der 9. Synode der EKD auf ihrer 5. Tagung zum Schwerpunktthema ›Eins in Christus. Kirchen unterwegs zu mehr Gemeinschaft‹.

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eine gute Zeit für ein Signal und führte aus: »Nur eine solche EKD kann ›unsere‹ Kirche sein, die konfessionelle Prägungen als Ressource begreift und verlässliche Strukturen und Lebensorte ihrer Pflege und Weiterentwicklung bereithält.«114 Dieses ist eine Tendenz gegen den Trend zur Verwirklichung des vollen Kircheseins der EKD und der Weg in eine andere Richtung, als die UEK ihn eingeschlagen hat. Sie ist aber gleichzeitig eine Herausforderung, nach einem Modell voller kirchlicher Einheit mit »Lebensorten« für spezielle Prägungen zu suchen. Innerhalb des Katholizismus scheint das mit dem Einheitsmodell der Kirche mit ihren Orden gelungen zu sein. Bemerkenswert ist hier : Ein neuer konfessioneller Zusammenschluss, gebildet aus zwei Vorgängergemeinschaften, führte die beteiligten Kirchen in eine neue, verbindliche Gemeinschaft innerhalb der EKD. Es sieht zunächst aus, als habe dieser Schritt ausschließlich innerdeutsche Konsequenzen. Zwar gehört die UEK keinem der konfessionellen Weltbünde an, ist aber – wie ihre Gliedkirchen – Mitglied der mit Leuenberg begründeten Kirchengemeinschaft, also Mitglied der GEKE und führt den besonderen Kontakt weltweit mit unierten Kirchen weiter. Bisher hatte die EKU die weltweite Gemeinschaft mit anderen Vereinigten beziehungsweise Unierten Kirchen gesucht, die allerdings einen mit dem preußischen nicht vergleichbaren Weg zur Union gegangen sind. Eine besondere Rolle spielte schon immer die United Church of Christ in den USA.115 Die UEK-Mitgliedskirchen pflegen Beziehungen zur Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK).

4.7.18 Die Arbeitsgemeinschaft von Baptisten und Lutheranern in Bayern schlägt Kirchengemeinschaft vor (2003 – 2009) Am 27. März 2003 konstituierte sich eine Bayerische Lutherisch-Baptistische Arbeitsgruppe, die später unter der Abkürzung BALUBAG Furore machen sollte. Handlungsvollmacht wurde dem ökumenischen Unternehmen erteilt durch Beschlüsse des Landeskirchenrats der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und die Leitung des Landesverbands Bayerns im Bund EvangelischFreikirchlicher Gemeinden (Baptisten). Beide Seiten wussten sich in diesem »offiziellen Lehrgespräch« als Repräsentanten durch die Zustimmungen einer114 www.reformiert-info.de/11487 – 15 – 8 – 2.html (Abruf 18. Sept. 2013). 115 Frederick Herzog/Reinhard Groscurth (Hg.), Kirchengemeinschaft im Schmelztiegel. Anfragen und Dokumente aus der United Church of Christ (USA), Neukirchen-Vlyn 1989. Die United Church of Christ (USA) ist eine Vereinigung aus (Frei-)Kirchen, die sich – natürlich freiwillig – aus vier Strömen 1957 zusammengeschlossen haben. Elga Zachau, Gemeinsames Anliegen. Die Kirchengemeinschaft zwischen Evangelischer Kirche der Union und der United Church of Christ (USA), Neukirchen 2009.

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seits des Präsidiums des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) und andererseits der VELKD sowie der EKD bestätigt. Nach einem intensiven theologischen Dialog wurde im April 2009 ein Dokument vorgelegt, in dem die zentrale Feststellung lautet: »Nach eingehender Prüfung der Lehraussagen konnten wir in allen wesentlichen Fragen eine grundlegende Übereinstimmung in der Auslegung des Evangeliums feststellen. Durch das genaue Bedenken der bisherigen Konflikte in der Praxis von Taufe und Abendmahl erarbeiteten wir Vorschläge, durch welche ein Grundkonsens in der evangeliumsgemäßen Gestaltung von Taufe und Abendmahl erreicht wurde. Daher empfehlen wir unseren Kirchen die Aufnahme von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft.«116

Nicht nur dieses Ergebnis, das alle Resultate früherer Dialoge zwischen Kinder taufenden und Gläubige taufenden Kirchen deutlich hinter sich ließ, sorgte für Überraschung. Die ungewöhnlich ausführliche Darlegung der Argumentation war hilfreich. Man spürt dem Dokument Zeile für Zeile ab, wie die Dialogpartner bemüht sind, die in beiden Kirchen zu erwartenden kritischen Leser mitzunehmen. Es sollte vermieden werden, was der römisch-katholische Systematiker und Ökumeniker Lothar Ullrich an anderen Dialogen richtig beobachtet hatte als er schrieb: Das Hauptproblem in der Rezeption von Konvergenzdokumenten ist, dass »Ergebnistexte einer ökumenischen Konsensbildung« anderen nur schwer zu vermitteln sind, »die nicht an dieser Konsensbildung teilgenommen haben.«117 Der Mitvollzug war aber gerade im Blick auf die baptistischen Gemeinden, die aufgrund der independenten Bundesstruktur alle ein Mitentscheidungsrecht haben, von größerer Bedeutung als in anderen Dialogen. Derartige Vorgaben hatten natürlich Auswirkungen auf die Gestalt einer mit und nach zu vollziehenden Argumentation und auf den Umfang des Textes. Sympathisch wirkte, dass der Text eine inhaltlich bestimmte Überschrift hatte und nicht einfach auf eine »Kooperationsvereinbarung« hinführte. Die Formulierung »Voneinander lernen – miteinander glauben« drückt etwas von der Hoffnung aus, die der Lernprozess bei den Beteiligten in Gang gesetzt hat. Die Methode des Dialogs von theologischen Lehrern und in den Gemeinden erfahrenen Praktikern war durch ein außerordentlich intensives gegenseitiges Kennenlernen bestimmt. »Eine Konfession stellte die theologischen Überzeugungen 116 Aus der ersten »wissenschaftlich zitierfähigen Fassung des Konvergenzdokuments« Voneinander lernen – miteinander glauben. Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe (Eph. 4,5). Konvergenzdokument der Bayerischen Lutherisch-Baptistischen Arbeitsgruppe (BALUBAG). In: Zeitschrift für Theologie und Gemeinde (ZThG), 15. Jg. (2010), 313 – 339 (314). Hervorhebungen übernommen. 117 Lothar Ullrich, Konsens- und Konvergenzdokumente. In: Wolfgang Thönissen u. a. (Hg.), Lexikon der Ökumene und Konfessionskunde, Freiburg 2007, Sp. 710.

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der jeweils anderen Seite solange dar, bis die dargestellte Seite sich recht verstanden sah.«118 Die Rahmenbedingungen wurden durch die Leuenberger Konkordie gegeben. Aber wesentliche Elemente des Dialogs waren auch Ergebnisse anderer Lehrgespräche. Darunter die von beiden Weltbünden geführten Dialoge,119 die Vereinbarung einer gegenseitigen Anerkennung von Waldensern, Methodisten und Baptisten, die Vereinbarung zwischen der VELKD und den Mennoniten als einer Täuferkirche,120 das als »Lima-Papier« vom Zentralausschuss des ÖRK erarbeitete Konvergenzdokument zu Taufe, Eucharistie und Amt, und nicht zuletzt die Ergebnisse des Dialogs zwischen der Europäischen Baptistischen Föderation und der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). In diesem Dialog hatte es zwar durch Erwägungen über einen »Initiationsprozess« eine vorsichtige Teil-Annäherung gegeben, aber eine mögliche Grundlage zu voller Kirchengemeinschaft war noch nicht zu erreichen. In der Entwicklung des Prozesses wird man nicht übersehen dürfen, dass der damalige Münchener Baptist Kim Strübind zunächst auf europäischer und dann auf bayerischer Ebene mitgewirkt und quasi eine Brücke zwischen beiden Gesprächsreihen gebaut hat. Inhaltlich wurden die zweifellos schwierigsten Fragen so platziert, dass zunächst über Rechtfertigung und Nachfolge, über das Verständnis von Kirche und dann nacheinander über Taufe und Abendmahl gesprochen wurde. Gerade in der Tauffrage legte die lutherische Seite den Schwerpunkt mehr Gewicht auf die »Zueignung« und die baptistische auf die »Aneignung«. Das führen sie in einem »Weg zu einem Grundkonsens in der Tauffrage« aus. Am Ende formulieren sie: »In der wechselseitigen Anerkennung der Taufe besteht zwischen Lutheranern und Baptisten allerdings eine Asymmetrie: Während die lutherische Seite die baptistische Taufe als vollgültig anerkennt, wird diese Anerkennung von baptistischer Seite oft mit dem Hinweis auf das ›Glaubensdefizit‹ der lutherischen Säuglingstaufe verweigert, weil der persönliche und unvertretbare Glaube des Täuflings als Taufvoraussetzung betrachtet wird. Baptisten nehmen in Fragen der Taufanerkennung weltweit allerdings unterschiedliche Standpunkte zwischen Toleranz, Akzeptanz oder Ablehnung der Säuglingstaufe ein.« Gemeinsam kann die Arbeitsgruppe nach ausführlicheren Darlegungen über die Taufe formulieren: »Baptisten und Lutheraner können beide Taufverständnisse als unterschiedliche, jedoch legitime Auslegung des einen Evangeliums anerkennen. Die Gewissheit, in der eigenen Lehre und Praxis dem Evangelium zu entspre118 Bayerische Lutherisch-Baptistische Arbeitsgruppe, ZThG, 315. 119 DwÜ Bd. 2 (1992), 214 f. 120 Aus Bayerische Lutherisch-Baptistische Arbeitsgruppe ZThG 15. Jg. (2010), 313 – 339 auch die folgenden Zitate.

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chen, impliziert daher nicht, die davon unterschiedene Lehre und Praxis der anderen als nicht evangeliumsgemäß zu verurteilen, weil man in der anderen konfessionellen Tradition die wesentlichen Anliegen auch der eigenen Auslegung gewahrt sieht.« Danach wird die Tragfähigkeit der theologisch gewonnenen Einsichten an den nicht leicht rezipierbaren Praxen den jeweils eigenen Entscheidungsträgern vorgelegt. Die Arbeitsgruppe tut dies in der Überzeugung, »mit diesem Dokument einen für beide Seiten gangbaren Weg aus dem Dilemma der unsere Traditionen so belastenden unterschiedlichen Taufverständnisse aufzuzeigen, der über bisherige Ergebnisse von Dialogdokumenten beider Seiten hinausweist.«121 Der Rezeptionsprozess gestaltete sich erwartungsgemäß äußerst schwierig. Das lag nicht nur an dem so lange kontroversen Thema der Taufe, sondern auch an den unterschiedlichen Selbstverständnissen vom Kirchesein. Diese hatten sich unter unvergleichlich unterschiedlichen historischen Bedingungen vollzogen und immer weiter verfestigt. Auch das nachdrückliche Aufzeigen der notwendigen Entwicklung eines Weges zum Konsens zwischen so unterschiedlichen Kirchen- oder Gemeindeverständnissen, wie sie hier vorliegen, ist ein wichtiger Beitrag für zukünftige ökumenische Dialoge. Bisher ist man weitgehend wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass in den meisten europäischen Staaten mit starkem protestantischen Bevölkerungsanteil der in der Reformationszeit begründete Typ territorialen Kirchentums so sehr zum Normalfall wurde, dass man gelegentlich von einem morphologischen Fundamentalismus gesprochen hat. Nun ist aber durch den Dialog und die folgende Prozedur der Rezeption unübersehbar ins Blickfeld getreten, dass mit bischöflich geleiteten Kirchen und independentistisch organisierten Gemeindebünden zwei nicht von vorneherein kompatible Kirchentypen auf Konsenssuche sind. Einerseits hatten Kirchenleitungen, früher sagte man »Kirchenregierungen«, weitreichende Vollmachten, andererseits sind es gerade die Independentisten, die zu früherer Zeit in solchen Strukturen kirchenleitende Anmaßungen sahen und darum den Gemeinden alle Vollmachten zudachten. Die »Ortsgemeinde«122 mit allein zu endgültiger Entscheidung berechtigten Gemeindegliedern verwirklicht eine Art Basisdemokratie, die den Entscheidenden ein hohes Maß an theologischer Einsicht abverlangt. Theologische Klärungen sind jedoch nicht durch demokratische Entscheidungen zu gewinnen. Sie setzen einem tragfähigen Vertrauen zuerst theologische Kompetenz, Einsicht und immerwährende Lernbereitschaft voraus. 121 Ebd., Hervorhebung eingefügt. 122 Für eine Kirche mit einem flächendeckenden Anspruch und eine Gemeinde mit individuell angenommener Gemeindegliedschaft ist dieser Begriff sehr verschieden gefüllt. Außerdem gibt es viele Städte, in denen es zwei oder mehr »Ortsgemeinden« gibt, die keineswegs immer gemeinsam »die Ortsgemeinde« bilden wollen.

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Eine zukünftig zu lösende Frage wird sein, welche Wege wie beschritten werden können, um zu weiterführenden Entscheidungen zwischen derart unterschiedlichen Kirchentypen zu kommen. Damit ist lediglich die Frage des Rezeptions- und Zustimmungsweges angesprochen. In dem ganzen vorgelegten Dokument ist keine ausdrückliche Erwähnung der unterschiedlichen kirchlichen Ordnungen erfolgt. Gibt es in den verbundenen und doch unabhängigen Gemeinden eine untereinander und dann auch ökumenisch verpflichtende Verbindlichkeit? Im Luthertum werden die verantwortlich geistlich Handelnden in der Ordination auf »Schrift und Bekenntnis« verpflichtet. Im deutschsprachigen Baptismus gibt es als theologisches Konsensdokument eine »Rechenschaft vom Glauben«. Inhaltlich hat diese theologische Basisformulierung eine ähnliche Funktion, aber formal ist ihr Gewicht für das konfessionelle Kirchesein völlig unterschieden. Den theologischen Darlegungen in der »Rechenschaft« ist am Ende für die notwendige inner-baptistische Rezeption der Vermerk angefügt: »den Gemeinden zum Gebrauch empfohlen.« Konkret ist damit nicht nur die Frage nach der gemeinsamen Taufformel aufgeworfen, sondern beispielsweise auch die nach dem Weg zur Ordination, deren Vollzug und vor allem deren inhaltliches Gewicht verbunden mit der formalen gesamtkirchlichen Bedeutung. Damit ist eine der zentralen ökumenischen Fragen angeschnitten. Wie in der EKD die Frage nach ihrer ekklesiologischen Qualität gestellt wird, ist auch innerhalb des baptistischen Bundes die Frage nach der theologischen Gewichtung des Bundes aufgeworfen. Beide Partner erörtern die Konsequenzen des Konvergenzdokuments.123 Innerhalb des baptistischen Gemeindebundes entwickelt sich der Wunsch nach der Fortsetzung des Gesprächs, nun auf der Ebene der VELKD und des Bundes Ev.-Freik. Gemeinden. Als ein Ziel dieser Gespräche ist die Hoffnung auf die Ermöglichung von Kirchengemeinschaft nicht von vorne herein ausgeschlossen. Dazu soll nach vorläufigen Zwischenüberlegungen geprüft werden, »ob die Unterschiede in der Tauffrage angesichts aller anderen Übereinstimmungen eine Kirchengemeinschaft wirklich unmöglich machen«,124 wie es im Zwischenbericht der Arbeitsgruppe des baptistischen Präsidiums der Freikirche heißt. An anderer Stelle wird aufgrund der praktizierten »Dichte« der inzwischen vorhandenen Beziehungen als einem Argument für eine denkbare volle Kirchengemeinschaft hingewiesen. Hier wird erneut – wie bei den Gesprächen zwischen der GEKE und der BEF – erkennbar, dass baptistischerseits der »Bezugsrahmen«, welcher mit der Leuenberger Konkordie für die VELKD vorgegeben ist, 123 Uwe Swarat, Baptisten im ökumenischen Gespräch. Die jüngsten zwischenkirchlichen Dialoge und ihre Ergebnisse. In: Andrea Strübind/Martin Rothkegel (Hg.), Baptismus. Geschichte und Gegenwart, Göttingen 2012, 229 – 258. 124 http://www.baptisten.de/engagement/dokumente-und-stellungnahmen/ (Abruf Sept. 2013).

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nicht in allen Punkten125 mitgetragen werden kann. Andererseits kann man gespannt darauf sein, ob es für die VELKD möglich sein wird, diesen gemeinsamen GEKE-Raum, in den sie mit erfreulichen Folgen eingebunden ist, öffnen zu wollen und zu können. Bemerkenswert ist hier : Das in der Vergangenheit in dieser Dynamik und Konsequenz zwischen Lutheranern und Baptisten nicht praktizierte Ringen um die sichtbare Gestalt der Einheit ist ein starker Ausdruck gemeinsamer ökumenischer »Geschwistersuche«. Ein Teilergebnis ist die in allen von Baptisten geführten Dialogen festgestellte Übereinstimmung in der Rechtfertigungslehre. Das weckt mancherorts die Hoffnung, sich wie die Methodisten der Gemeinsamen Erklärung auf Weltebene anschließen zu können.126 Auch das BALUBAG-Dokument zeigt Einwirkungen anderer Dialoge von verschiedenen Ebene und drückt darin eine zunehmende ökumenische Vernetzung aus. Eine ungewöhnliche ökumenische Dimension, die über die üblicherweise zwischen diesen Partnern diskutierte Tauffrage hinausgreift, ihr aber den theologisch angemessenen Rahmen gibt, tritt erst durch die Bemühung um die Rezeption mit dem Ziel einer Kirchengemeinschaft konkret zutage. Die Ursache dafür ist, dass es zwei unterschiedlich strukturierte Ekklesiologien sind, die eine Annahme der Ergebnisse anstreben. Auf der einen Seite steht die in Deutschland historisch bedingte Konfessionskirche mit ihren für alle Kirchenglieder, Pfarrer und Gemeinden verbindlichen Bekenntnissen und Ordnungen sowie mit synodalen wie kirchenleitenden Entscheidungsgremien. Auf der anderen Seite steht ein independentistischer Gemeindebund mit in jeder Hinsicht autonomen Einzelgemeinden, die für sich auch jegliche Entscheidungskompetenz in theologischen Fragen des Bekenntnisses und des Selbstverständnisses aus ihrer völlig anderen historischen Erfahrung bewahren.127 Ökumenisch herausfordernd ist die Frage, welche Schritte sind möglich und nötig, um Vereinbarungen zwischen derart unterschiedlichen Kirchentypen zu ermöglichen.128

125 Die Leuenberger Konkordie hat für sich als Grundlage für die Mitgliedschaft und die damit gegebene volle Kirchengemeinschaft drei Kernpositionen formuliert, die alle drei erfüllt sein müssen: (1) das gemeinsame Verständnis des Evangeliums (LK 6 – 12, 30), (2) Übereinstimmung im Verständnis von Taufe und Abendmahl (LK13 – 16) und (3) muss es Übereinstimmung angesichts der Lehrverurteilungen der Reformationszeit geben (17 – 26). 126 Uwe Swarat, Baptisten im ökumenischen Gespräch, 249 f. 127 In der bekenntnisartigen ›Rechenschaft vom Glauben‹ heißt es: »Jede Ortsgemeinde versteht sich als Manifestation des einen Leibes Christi und ordnet ihr Leben und ihren Dienst selbst. Untereinander sind die Ortsgemeinden verbunden nicht zuerst durch organisatorische Zusammenschlüsse, sondern durch den einen Herrn und den einen Geist.« Teil 2 I.2, Abs. 3. – Später folgt auch ein Abschnitt unter der Überschrift »Der eine Leib Christi und die getrennten Kirchen« (Teil 2 I.2). 128 Vgl. Kap. 5.5.3.

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4.7.19 Die gegenseitige Anerkennung vollzogener Taufen (2007) Am 29. April 2007 wurde im Magdeburger Dom im Rahmen eines Gottesdienstes eine Vereinbarung über die wechselseitige Anerkennung der Taufe unterzeichnet. »Wer dieses Sakrament empfängt und im Glauben Gottes Liebe bejaht, wird mit Christus und zugleich mit seinem Volk aller Zeiten und aller Orte verbunden. Als ein Zeichen der Einheit aller Christen verbindet die Taufe mit Jesus Christus, dem Fundament dieser Einheit,« heißt es in dieser gemeinsamen Erklärung. Elf autonome Kirchen konnten der Erklärung zustimmen.129 Trotzdem machte dieser Gottesdienst auch eine bestehende Trennungslinie sichtbar, die zwischen den Kirchen besteht. Schon 2003 stand der Vorstand der ACKvor der Frage eines solchen Schrittes der wechselseitigen Taufanerkennung. Die Mitgliederversammlung konnte sich aber noch nicht zu einem Schritt der öffentlichen Proklamation derer entschließen, die eine gegenseitige Anerkennung auszusprechen in der Lage waren. In Magdeburg wurde dann doch die Erklärung vollzogen. Die Koptisch-orthodoxe und die syrisch-orthodoxe Kirche konnten sich der Vereinbarung nicht anschließen. Dagegen hat die Orthodoxe Kirche in Deutschland durch den russisch-orthodoxen Bischof Longin von Klin das Dokument unterzeichnen lassen. Das Moskauer Patriarchat hatte zunächst die Vereinbarung unterzeichnet, aber später die Zustimmung wieder zurückgezogen. Zu den Nicht-Unterzeichnern gehörten als sog. »Täuferkirchen« auch die Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden, der Bund Evangelisch-freikirchlicher Gemeinden (Baptisten), der Bund Freier evangelischer Gemeinden, der Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden, die Siebenten-Tags Adventisten, außer ihnen natürlich die Heilsarmee und die Quäker, die keine Taufe kennen. Aber alle sind Mitglieder, Gastmitglieder oder ständige Beobachter der ACK. Diese Ausgangslage machte es der ACK nicht leichter, den Schritt zu einer öffentlichen Erklärung zu tun. Mit Recht haben die Kirchen täuferischer Tradition »gerade in dieser Frage erheblichen Klärungsbedarf« angemeldet.130 Im Magdeburger Gottesdienst hielt der methodistische Bischof Walter Klaiber die Predigt. Beteiligt waren der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Karl Kardinal Leh129 Es waren dies: Äthiopisch-orthodoxe Kirche, Arbeitsgemeinschaft Anglikanisch-Episkopaler Gemeinden in Deutschland; Armenisch-Apostolische Orthodoxe Kirche in Deutschland; Evangelisch-altreformierte Kirche in Niedersachsen; Evangelische BrüderUnität – Herrnhuter Brüdergemeine; Evangelische Kirche in Deutschland; Evangelischmethodistische Kirche; Katholisches Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland; Orthodoxe Kirche in Deutschland; Römisch-Katholische Kirche und Selbständige EvangelischLutherische Kirche. 130 Fernando Enns, Ökumene weiter denken! In: ThLZ 138. Jg. (2013), 638.

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mann und die Repräsentanten der unterzeichnenden Kirchen. Aus jenem Kreis der Kirchen, die in der täuferischen Tradition stehen und die darum nicht unterzeichnen konnten, sagte der mennonitische Pastor Werner Funck in seinem gottesdienstlichen Grußwort unter Hinweis auf die dort geübte Glaubenstaufe: »Auch wenn es diesbezüglich gegenwärtig keine Einheit zwischen Ihren und unseren Kirchen gibt, so wissen wir uns dennoch mit Ihnen verbunden als Gemeinschaft der Glaubenden im Bekenntnis zu Jesus Christus, unserem Herrn, ›und trachten darum, gemeinsam zu erfüllen, wozu wir berufen sind, zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes‹.«131 Mit diesem Hinweis auf die Basis des ÖRK erinnerte der Mennonit daran, dass die ökumenische Gemeinschaft nicht in der wechselseitigen Anerkennung der Taufe ihre Begründung findet. Impulse für diese öffentliche Erklärung gingen zunächst von dem sog. LimaDokument132 aus. Die Anregung zu dem letzten Schritt kam aus Rom und ist eine Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils. In dem 1993 herausgegebenen zweiten »Ökumenischen Direktorium«, einer überarbeiteten und weiterführenden Fassung der »Durchführungsbestimmungen über das ökumenische Anliegen« von 1967/70133, werden gemeinsame Erklärungen zur gegenseitigen Taufanerkennung angeregt. Im Mai 2002 hat Walter Kardinal Kasper, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit unter den Christen, den Bischofskonferenzen den Anstoß gegeben, die Möglichkeiten einer entsprechenden Anerkennung zu beraten und möglicherweise Schritte zu deren Realisierung einzuleiten. In Deutschland kam es offensichtlich nach einer gemeinsamen Abstimmung von DBK und EKD in Verbindung mit der ACK zur Bildung einer Arbeitsgruppe, die einen für alle Beteiligten zustimmungsfähigen Text erarbeitet hat, der am 29. April 2007 nach den entsprechenden Entscheidungen der einzelnen Kirchenleitungen unterzeichnet wurde. Bischof Huber hat in einem Bericht festgestellt: »Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland ist der erste ökumenische Rat, der diese Anregung umgesetzt hat.«134 Gerade diese Tatsache ist Ausdruck der erfreulichen und zugleich nicht ohne Wunden möglichen ökumenischen Zusammenarbeit, die sich im Rahmen der ACK in manchen Fragen punktuell entwickelt hat. Ökumenisch gesehen ist die wechselseitige Taufanerkennung eine theologische Konsequenz, die eine schrittweise zunehmend sichtbare Einheit öffentlich 131 Text des Grußwortes unter : www.mennoniten.de (Abruf 28. Aug.2013). 132 Taufe, Eucharistie und Amt – Konvergenzerklärungen der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des ÖRK. Angenommen in Lima 1982. Deutsche Fassung Paderborn/ Frankfurt, 1982. 133 Wolfgang Thönissen, Direktorium, ökumenisches. In: ders. (Hg.), Lexikon der Ökumene und Konfessionskunde, Freiburg 2007, Sp. 262 f. 134 Bericht aus der ÖC. Anlage zum Prot. ACK 17./18. Okt. 2007, 8.

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darstellt, auch wenn nicht alle Kirchen zustimmen können. Weil die Taufe mit Christus verbindet, ist sie unabhängig von jedem menschlichen Zusatz eine Grundlage für eine ökumenische Gemeinschaft, die über alles Trennende hinweg eine konstitutive Verbindung schenkt und weitere Schritte ermöglichen kann. Dass die Magdeburger kirchenrechtlich verbindliche Vereinbarung am ältesten Taufstein nördlich der Alpen möglich war, ist auch ein Zeichen historischen Bewusstseins in der wachsenden ökumenischen Gemeinschaft. Man darf nicht vergessen, dass es vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil »herrschende Praxis [war], die nicht in der katholischen Kirche gespendete Taufe einem prinzipiellen Zweifel zu unterziehen.«135 Aus protestantischer Sicht ist es ein hoffnungsvolles Zeichen, dass Taufen, die von ordinierten Pastoren aus Kirchen vollzogen wurden, die nicht in der Folge der bischöflich-apostolischen Sukzession stehen, heute als vollgültig anerkannt werden. Unter Bezugnahme auf die Enzyklika ›Ut Unum Sint‹ hat Papst Johannes Paul II. 1995 zur gegenseitigen Anerkennung der Taufe festgestellt, dass dieser Schritt »über einen ökumenischen Höflichkeitsakt hinausgeht [und] eine ekklesiologische Grundaussage darstellt«. Aus dieser Positionierung heraus ergibt sich die Frage, ob eine Taufanerkennung nur wechselseitig vollzogen werden kann. Es könnte den Schmerz jener Täuferkirchen, die aus theologischen Gründen und einer entsprechenden Praxis, die ein persönliches Glaubensbekenntnis zu ihrem Vollzug voraussetzt und darum keine gegenseitige Taufanerkennung mit vollziehen konnten, lindern,136 wenn eine einseitige Anerkennung der von ihnen rite vollzogenen Taufen von Seiten der Unterzeichnerkirchen möglich erschiene. Die der Magdeburger Erklärung zustimmenden Kirchen haben ausdrücklich festgestellt, dass die rite vollzogene Taufe »einmalig und unwiederholbar ist«.137 Damit erfolgt de facto einseitig die Anerkennung der in den sog. Täuferkirchen vollzogenen Taufen, weil im Falle des Konfessionswechsels eines gläubig Getauften damit eine Taufwiederholung ausgeschlossen ist. In Magdeburg haben die beteiligten Kirchen den von Lima ausgehenden und 135 Wolfgang Thönissen, Ein Konzil für ein ökumenisches Zeitalter. Schlüsselthemen des Zweiten Vatikanums, Leipzig/Paderborn 2013, 146. 136 Der baptistisch geprägte Bund Ev.-Freikirchlicher Gemeinden hat in einer Reaktion auf Presseberichte über Magdeburg eine Erklärung veröffentlicht. Darin nimmt er Bezug auf seine Bekenntnisformulierungen aus der »Rechenschaft vom Glauben« und beklagt den Dissens unter den Kirchen, die in der Taufe und im Verständnis von Amt und Eucharistie bestehen und führt aus: Trotz der Differenzen suchen wir »nach Wegen der Überwindung des Trennenden und Vertiefung der ökumenischen Kontakte.« www.baptisten.de/eng agement/dokumente-und-stellungnahmen/ (Abruf 28. Aug. 2013). 137 Diesen Aspekt hat der baptistische Ökumeniker Uwe Swarat in seiner Kommentierung der Enzyklika Ut unum sint noch nicht erwogen. Uwe Swarat, Die Ökumene-Enzyklika ›Ut unum sint‹ von Papst Johannes Paul II. aus baptistischer Sicht. In: Neue Anstöße zur Ökumene? Studientagung am 14. Oktober 1995 im Erbacher Hof, Mainz, hrgg. von Walter Seidel, Mainz 1995.

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von Rom unterstützten »Ruf, […] ihre Trennungen zu überwinden und ihre Gemeinschaft sichtbar zu manifestieren« gehört und sind ihm im Rahmen des bisher Möglichen gefolgt.138

4.7.20 Wachsende orthodoxe Gemeinschaft im »Dienst an der Einheit« (2010) Im Rahmen einer von der Präkonziliaren Panorthodoxen Konferenz 2009 in Chamb¦sy eröffneten formalen Voraussetzung hat sich im Februar 2010 eine Orthodoxe Bischofskonferenz in Deutschland (OBKD) konstituiert. Alle für diese Region aktiven orthodoxen Bischöfe haben die Satzung der Gemeinschaft unterzeichnet. Ende 2011 gehörten der OBDK 19 Mitglieder an. Damit haben die etwa 1,5 Millionen Orthodoxen in Deutschland einen Schritt zu einer innerorthodoxen Gemeinschaft getan, der es ihnen ermöglicht, gemeinsame Stellungnahmen abzugeben und gegenseitige Vertretungen im ökumenischen Bereich wahrzunehmen. So hat die Herbstvollversammlung der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, an der unter dem Vorsitz von Metropolit Augoustinos (Lambadarkis) elf weitere Würdenträger teilnahmen, am 12. November 2011 eine »Erklärung« zum Thema »Die Orthodoxe Kirche in Deutschland und ihr Dienst an der Einheit der Christen« verabschiedet. Darin werden alle orthodoxen Christen aufgefordert, nach den ihnen gegebenen Charismen an der Einheit mitzuwirken, besonders in der Familie und in der Kirchengemeinde. Dabei wird auf die zentrale Stellung der Eucharistie verwiesen und das Problem der Konflikte und Spaltungen, die zu egoistischer Selbstsicherheit führen, nicht verschwiegen. Die Orthodoxe Kirche bekräftigt darin die Verpflichtung, die beschädigte Einheit der Christen durch einen »Dialog der Wahrheit« und einen »Dialog der Liebe« wieder herzustellen.139 Wie die Zustimmung zur Leuenberger Konkordie ein innerprotestantischer Vorgang von weitreichender ökumenischer Bedeutung war, ist die Bildung einer Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland ein vergleichbarer innerorthodoxer ökumenischer Fortschritt. Bemerkenswert ist hier : In hierarchisch organisierten Kirchen wird der Weg zu einer wachsenden und vertieften Gemeinschaft durch Räume ermöglicht, die von der internationalen gesamtkirchlichen Ebene her – wie im Vatikanischen Konzil für die römisch-katholische Kirche – durch panorthodoxe Beschlüsse zu Bevoll138 In der sog. Lima-Erklärung heißt es: »Wo immer möglich, sollten die Kirchen die gegenseitige Anerkennung [der Taufe] ausdrücklich erklären.« In: Taufe, Eucharistie und Amt. Konvergenzerklärungen der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des ÖRK, Frankfurt/M.-Paderborn 1982, 15. 139 Die Orthodoxe Kirche in Deutschland und ihr Dienst an der Wahrheit. Erklärung vom 12. November 2011.

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mächtigungen führen, die der Führungsebene verbindliche ökumenische Schritte ermöglicht. Wieder erfahren in Deutschland wirkende Minderheiten und die Kirchen, mit denen sie ökumenisch verbunden sind, die internationale Rolle kirchlicher Gemeinschaft.

4.7.21 Der Freundeskreis »Philoxenia« (1966) In einem kurzen Exkurs ist es angemessen im Zusammenhang der Orthodoxie, den Freundeskreis »Philoxenia« zu würdigen. Ilse Friedeberg (1914 – 1998)140 hat ihn 1966 in der Kommunität Imshausen gegründet. Sein Thema sieht dieser Freundeskreis in einer inzwischen weit bekannten Ikone ›Abrahams Gastfreundschaft‹ abgebildet, auf der Abraham drei fremden Männern und damit Gott selbst (Gen. 18, 1 – 33) »Gastfreundschaft« erweist. »Gastfreundschaft« ist die deutsche Übersetzung des griechischen Wortes vikonem_a. Ilse Friedeberg musste, um vor den drohenden Anmaßungen in der NS-Zeit zu flüchten, ins britische Exil gehen. Später hat sie als Übersetzerin im Genfer Zentrum des ÖRK gearbeitet. Sie erlebte viele Begegnungen zwischen den Kirchen des Ostens und des Westens. Daraus ist bei ihr der Gedanke entstanden, den heute weitgespannten ökumenischen Freundeskreis Philoxenia ins Leben zu rufen. 1966 war die Zeit, als die Orthodoxen in der Frankfurter Ökumenischen Centrale noch als »nicht bodenständig« angesehen wurden. Ilse Friedeberg widmete sich in dieser Arbeit der Begegnung und dem Austausch, auch um auf nationaler Ebene zu fördern, was 1961 in Neu Delhi mit der Aufnahme von Orthodoxen in den ÖRK eingeleitet worden war. Die Philoxenia ist im Westen Deutschlands lange für einen ökumenischen Brückenbau und ein zunehmendes Verständnis für orthodoxe Theologie und Frömmigkeit tätig gewesen. In einer Anzahl von örtlich engagierten Personen und Gruppen, die teilweise innerhalb von regionalen ACKs aktiv sind, wird engagiert und ehrenamtlich insbesondere durch Tagungen und Begegnungen für ein ökumenisches Miteinander in einem vertieften Verständnis geworben. 2013 fand erstmals auf Einladung der Russisch-orthodoxen Kirche eine Tagung in Magdeburg statt. Daran wirkten u. a. der russisch-orthodoxe Erzbischof Feofan, der katholische Bischof Gerhard Feige und der evangelische Professor Reinhard Thöle mit.

140 Maria Wedewehr-Steffen (Hg.), Erinnerungen an Ilse Friedeberg. PHILOXENIA – Mosaiksteine ihres Wirkens. Privatdruck o. O. und o. J. (um 2000).

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4.7.22 Der Christinnenrat (1997) Es gibt eine zunehmende Zahl von Initiativen zur Bildung ökumenisch arbeitender Organisationen und Vereinigungen. Exemplarisch wird der 1997 gebildete Christinnenrat an dieser Stelle erwähnt. Er wurde durch die Initiative der international erfahrenen ACK-Geschäftsführerin Bärbel Wartenberg-Potter ins Leben gerufen. Unterstützung fand sie von der Baptistin Irmgard Stanullo, die ihren Gemeindebund in der Mitgliederversammlung der ACK vertrat.141 Beide bemühten sich darum, die Frauenabteilungen der ACK-Mitgliedskirchen für eine ökumenische Zusammenarbeit über den längst durch die Frauen ökumenisch beheimateten Weltgebetstag hinaus zu gewinnen. Die Genfer Impulse einer Dekade »Solidarität der Kirche mit den Frauen« (1988 – 1999) und die sich daran anschließende »Dekade zur Überwindung von Gewalt« (2001 – 2010) haben dem Anliegen erkennbar Impulse vermittelt. Der Christinnenrat hat die Ziele der gesamten ökumenischen Bewegung übernommen und führt sie weiter. Er verbindet seine Aktivitäten mit dem Einsatz für weitere Fortschritte in der Geschlechtergerechtigkeit. Das ist ein Aufgabengebiet, welches schon durch die Geschichte, die Theologie, aber auch durch die weltweit sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexte weit gefächert ist.142 In den angelsächsischen Freikirchen und in der Heilsarmee war die Verkündigung durch Frauen schon früh üblich, in den reformatorischen Kirchen des Kontinents gab es lange Vorbehalte und im Zusammenwirken mit den Orthodoxen kam es am Ende des 20. Jahrhunderts gelegentlich zu Spannungen. Zur Zeit gehören dem Christinnenrat insgesamt zwölf Frauenorganisationen aus den Landeskirchen, den Freikirchen, der römisch-katholischen und der alt-katholische Kirche an. Innerhalb seiner ›Leitsätze‹ hat der Christinnenrat formuliert: »Christliche Ökumene bezieht alle Konfessionen ein. Sie darf sich nicht auf die Kooperation einzelner Kirchen beschränken, sondern braucht und will die multilaterale Zusammenarbeit der Kirchen.«143 Allein die Tatsache der Aufnahme einer solchen Passage in die ›Leitsätze‹ zeigt vorsichtig an, dass die umfassende, multilaterale Ökumene noch immer keine Selbstverständlichkeit ist. Die Bemühung um einen organisatorischen Anschluss des Christinnenrates

141 Bärbel Wartenberg-Potter, Anfängerin. Zeitgeschichten meines Lebens, Gütersloh 2013, 229 – 231. 142 Michaela Sohm-Kronthaler/Ruth Albrecht (Hg.), Fromme Lektüre und kritische Exegese im langen 19. Jahrhundert. Die Bibel und die Frauen, Stuttgart 2014 mit Beiträgen aus verschiedenen kirchlichen Traditionen und Ländern. 143 www.christinnenrat.de/Oekumenische-Arbeitsgemeinschaft.html (Abruf 26. Juni 2014).

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an die ACK durch die Erlangung eines Status als Beobachter hat eine etwas ungewöhnliche Debatte ausgelöst.144

4.7.23 Zwischenbilanz: Aus Erfahrungen lernen Dieser Abschnitt ist eine erste Zwischenbilanz im Sinne einer Auswertung. Es wird versucht, aus den noch jungen Erfahrungen Konsequenzen anzuregen.

(1)

Den Reichtum wahrnehmen

Die Übersicht der verschiedenen Rezeptionsprozesse und Rezeptionsbemühungen zeigt eine Entwicklung, wie sie in Deutschland erst wirkungsvoll nach der Öffnung der ACK seit Mitte der 1970er Jahre möglich geworden ist. Wer die ökumenische Entwicklung nicht auf eine bilaterale Ebene begrenzt, muss von der Vielfalt der Bemühungen und der erzielten Teilergebnisse überrascht sein. Wenn erkannt wird, dass manche in unserem Land an Zahl kleine Kirchen145 unter uns große weltweite Kirchen repräsentieren, wird das dem ökumenischen Wertebewusstsein über die Partner gut tun. Ökumenisch zu denken und zu handeln heißt eben immer nationale Grenzen zu überschreiten. Die Übersicht zeigt, wie verengend und damit auch verarmend ein Blickwinkel wird, der fast ausschließlich die großen kirchlichen Körperschaften in Deutschland wahrnimmt. Ökumene ist immer »mehr als zwei«. Das zeigen die nicht weniger als 17 Mitgliedskirchen und vier Gastkirchen in der ACK, welche die falschen Vorstellungen von einer theologisch nicht möglichen »bilateralen Ökumene« aufhebt und die tatsächliche Pluralisierung des kirchlichen Lebens erfasst. Wer den Blick nur auf zwei richtet, wird der heutigen ökumenischen Wirklichkeit nicht mehr gerecht, auch weil in vielen Entscheidungen andere Kirchen direkt oder indirekt mitbetroffenen sind. Er bestärkt außerdem die 144 Vgl. Kap. 4.8.1.1. 145 Der immer wieder ins Feld geführte Zahlenvergleich ist geradezu antiökumenisch und zudem kann er zu einer Selbsttäuschung führen. Der Lutherische Weltbund gibt in seinen Statistiken über 70 Millionen Mitglieder an. In den europäischen Staaten sind sie zu einem erheblichen Teil eine »Erbschaft« aus dem berühmten cuius regio – eius religio, das zu einer Kirchengliedschaft ohne eigene Entscheidung geführt hat. Der Weltrat Methodistischer Kirchen zählt ebenso reichlich 70 Millionen in seinem Einflussbereich. Allerdings ist kein Mensch durch politische Entscheidungen ein Christ im methodistischen Verständnis geworden. Die Kirche ist seit dem 18. Jahrhundert ausschließlich durch Mission von unten gewachsen. Allein diese kurze Bemerkung zeigt, wie irritierend es in mancher Hinsicht ist, sich auf statistische Zahlen zu berufen. Ernüchternd ist ein Vergleich durchschnittlicher Besucherzahlen der Gottesdienste in der EKD 922.388 (2009) und in den Freikirchen 280.000 (ohne Kinder).

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Tendenz, den ökumenischen Blick national zu verengen, wie es durch den Aufruf »Ökumene jetzt«,146 der von einigen Prominenten erfolgte, in breiter Öffentlichkeit geschah. So, wie es keine bilaterale Ökumene gibt, ist auch eine nationale Ökumene ausgeschlossen. Ökumenisches Handeln und Wachsen ist immer Teil eines Prozesses innerhalb der weltweiten Ökumene, was eigentlich einer Formulierung von einem weißen Schimmel gleichkommt. Nur wer nicht wirklich ökumenisch denkt, also den Reichtum der weltweiten Christenheit nicht im Blick hat, kann mit solchen Forderungen wie dem Aufruf »Ökumene jetzt« die Öffentlichkeit irritieren und die längst überwunden geglaubte volkstümliche Vereinfachung, es gebe eine katholische und eine evangelische Kirche, neu propagieren und den ökumenischen Fortschritt differenzierter Wahrnehmung wieder eliminieren. Der um uns herum wahrnehmbare Fortschritt hat unterschiedliche Wurzeln und »Leitplanken«. Von größter Bedeutung sind übernationale Impulse: in der frühen Nachkriegszeit die Genfer Zentrale, später das Zweite Vatikanische Konzil, die Leuenberger Konkordie, das weltweit wirksame Konvergenzdokument über Taufe, Eucharistie und Amt vom Zentralausschuss des ÖRK, die Beschlüsse der Präkonziliaren Panorthodoxen Konferenz und auch die zahlreichen bilateralen Dialoge der Konfessionsfamilien auf Weltebene, die auf ihre Zweige in Deutschland vermittelnd einwirken. Auch die Forschung, die zu neuen Einsichten in der Schriftauslegung und damit Schriftanwendung führt, genauso wie die ökumenische Aufarbeitung historischer Weichenstellungen und biografischer Wirkungen – zum Beispiel das Lutherbild im Katholizismus – ist nicht hoch genug einzuschätzen. Zweifellos spielen auch gesellschaftliche Entwicklungen eine begleitende Rolle: die zu deutlich mehr Toleranz als in den früheren Jahrhunderten tendierende westliche Welt, die zunehmende Zahl von schnellen und weiten Reisen, die technologische Revolution mit der Möglichkeit der Übermittlung von Kenntnissen und Informationen in kürzester Zeit. Das sind gerade für ein Land umwälzende Einflüsse, dessen Kirchen durch territoriale Abgrenzung nationale Mentalitäten mitgeprägt haben. Es wäre vermessen, hinter allen Veränderungen nicht auch die wirkungsvolle erneuernde Kraft des Heiligen Geistes zu spüren, der auch die Kirchen in die Wahrheit leitet. Die ökumenischen Gesprächsebenen sind vielfältig. Die vorgelegte Übersicht zeigt, wie sie miteinander verwoben sind, auch wenn nicht immer alle Zuspieler mit am Tisch sitzen. In ihren Dokumenten, mit ihren erzielten Teilergebnissen, mit ihren Fragen und mit ihren Antworten sind sie präsent, manchmal aus der weltweiten eigenen Konfession, manchmal aus der regionalen Nachbarkirche, zu der innerhalb der ACK eine Vertrauensebene gewachsen ist, manchmal als ein Anstoß aus dem Genfer Umfeld und dann wieder durch einen Zwischenruf aus 146 oekumene-jetzt.de/index.php/aufruf-im-wortlaut (Abruf 8. Febr. 2014).

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Rom. Selbst Verunsicherungen, ob sie durch »Dominus Iesus« oder durch ein in einem Kirchenamt kursierendes Papier ausgelöst sind, können die Entwicklung nicht mehr grundsätzlich zurückwerfen oder in Frage stellen. Dazu leisten auch die konfessionellen, ökumenisch ausgerichteten Institute in Bensheim und in Paderborn ihren Beitrag. Überblickt man das Netz der Verbundenheit mit seinen starken Verknotungen und seinen Schwachstellen, dann muss man über die unglaubliche Kreativität staunen. Es gibt [1] bilaterale Einigung mit differenzierten Konsensen über die Rechtfertigung, der andere Kirchen sich anschließen; [2] multilaterale Anerkennung der Taufen, über die nicht alle in gleicher Weise glücklich sind; [3] Lehrgespräche, die zu voller Kirchengemeinschaft führen und auch solche, die zwar dieses hohe Ziel anpeilen, aber es noch nicht erreichen; [4] es gibt weiter ein verbindlicheres Zusammenfinden innerhalb einer Konfessionsfamilie; [5] erfreulicherweise tritt neuerdings ein trilateraler Dialog in Erscheinung, in dem zwei große Kirchen gemeinsam mit den Mennoniten im Gespräch sind; [6] endlich – ohne alle Entwicklungen erwähnt zu haben – hat sich die Mehrzahl der Kirchen und Gemeindebünde auch in unserem Land der über die Staatsgrenzen hinauswirkenden europaweiten Charta Oecumenica angeschlossen und sich damit gegenüber den anderen Kirchenfamilien selbstverpflichtend öffentlich festgelegt. Eigentlich muss man sagen: Die Ökumene in Deutschland boomt, auch wenn der Weg nicht so steil bergauf geht, wie es sich manche wünschen. Auch die kleinen Schritte sind Gehorsamsakte gegenüber dem Herrn der Kirche. Sie bergen die Verpflichtung zu Dienst und Zeugnis an einer Welt in sich, der es immer schwerer fällt, den Weg des Glaubens in der Nachfolge Christi zu finden und zu gehen. Und damit dienen sie der Kirche in ihrer Kernaufgabe: der Teilnahme an der Sendung Jesu Christi in dieser Welt. (2)

Wege in die Zukunft entdecken

Überschaut man die offiziellen Dialoge der Kirchen, dann treten neue Fragen und Anregungen für zukünftige Erweiterungen auf. Fernando Enns hat im Zusammenhang seiner Erwägung zur »Ungeduld und Komplexität der Ökumene« auf zwei Aspekte aufmerksam gemacht.147 Er fragt nach der »Leistungsfähigkeit und den Grenzen ökumenischer Lehrgespräche«. Zum Prozess wachsender ökumenischer Gemeinschaft reicht die »Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums« noch nicht aus. Territorialkirchen, die sich nicht gegenseitig ins Gehege gekommen sind, haben miteinander keine belastete Vergangenheit zu bewältigen. Das ändert sich sofort, wenn die Erfahrungen der 147 Fernando Enns, Ökumene weiter denken! Kirchen der täuferischen Tradition im Dialog. In: ThLZ 2013 (138. Jg.), 637 – 658.

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Täufer seit der Reformationszeit und die Spannungen zwischen den entstehenden Freikirchen und den Staatskirchen im 19. Jahrhundert in die Überlegungen einbezogen werden. Die Mennoniten haben nicht zufällig in den Lehrgesprächen über das gemeinsame Verständnis des Evangeliums hinaus »die Heilung der Erinnerung« mit Katholiken und Lutheranern diskutiert. Der Rückblick reichte bis ins 16. Jahrhundert. Angesichts der historischen Belastungen waren die Partner eindeutig. Aber wie ist es mit den gemeinsamen Erfahrungen im 19. Jahrhundert? Zunächst könnte man an die Vereinigung Evangelischer Freikirchen als Dialogpartner der Landeskirchen und der römisch-katholischen Kirche denken. Aber bei näherem Hinsehen gab es zwar gemeinsam erlittene und verursachte Verletzungen, bei differenzierter Betrachtung bestehen jedoch zwischen neutaufenden Gemeinden und den evangelisierenden Kirchen, also zwischen den Motiven der »Gemeindebewegungen« und den »Missionsbewegungen«, unterschiedliche Ursachen, verschiedenartiges Verhalten und deutlich unterschiedene Ziele ihres Wirkens. Wer sich zudem stark für Menschenrechte eingesetzt hat, musste kämpferischer auftreten als andere, deren zentrales Anliegen es war, möglichst in ökumenischer Gemeinschaft Menschen zum Glauben zu rufen und in der Nachfolge zu einem geheiligen Leben in sozialer Verantwortung zu stärken. Gerade das Reformationsgedenken mit den damit verbundenen historischen Selbstdarstellungen wirft die Frage neu auf, ob die Vergangenheit bewältigt oder nur verdrängt ist. Die ökumenische Gestaltung des Jahres 2017 wird zeigen, wie weit die »Heilung der Erinnerung« bis dahin fortgeschritten ist. Das betrifft nicht nur das landeskirchlich-freikirchliche Verhältnis, sondern in noch höherem Maße die aus der Reformationszeit wie aus der Gegenreformation überkommenen Verletzungen. Die oben aufgezeigten Beispiele wachsender Gemeinschaft können auch den zweiten von Fernando Enns erwähnten Aspekt konkretisieren. Der ökumenische Mennonit behauptet, »Eine ernsthafte Diskussion über ökumenische Hermeneutik und Methodik [ökumenischer Dialoge] mit den täuferisch-freikirchlichen Traditionen steht noch aus.«148 Eine ökumenische Interpretation von geschichtlichen Erfahrungen darf aber keineswegs auf die mit der Tauftheologie und Taufpraxis zusammenhängenden Fragen beschränkt werden. In unserer engeren ökumenischen Umgebung ist das Denken von einer ganz bestimmten, historisch gewordenen Art des Kircheseins geprägt. Im öffentlichen, aber auch kirchlichen, ja sogar wissenschaftlichen Bewusstsein ist eine Art kirchlicher Monokultur tief eingeprägt. Eine Folge für die Interpretation der Erfahrungen ist die generelle Betrachtung und Bewertung aus einem natürlich erscheinenden, aber doch einseitigen Blickwinkel. 148 Ebd., 641.

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Diese weitgehend unreflektierte Gewohnheit ist in einem ökumenischen Zeitalter zu überprüfen. Es gibt eben nicht nur die »evangelische« und die »katholische« Sicht, sondern daneben in einer durch die ökumenische Entwicklung neu wahrzunehmende Minderheiten-Sicht. Zwei konkrete Beispiele sollen die These der Notwendigkeit einer ökumenischen Hermeneutik erläutern. Als in Preußen die Zivilstandsgesetzgebung eingeführt wurde, haben die privilegierten Kirchen das als Verlust wahrgenommen. Die Freikirchen haben gejubelt. Jetzt brauchten sich ihre Kirchenglieder nicht mehr durch solche Pfarrer trauen lassen, die – gelinde gesagt – ihnen in der Regel nicht wohlgesonnen waren. Und methodistische Pastoren brauchten sich in der Hochzeitspredigt keine Vorhaltungen mehr darüber anhören, dass sie in ein fremdes Amt eingegriffen haben. Das zweite Beispiel führt in die neuere Geschichte und erscheint im Zusammenhang der Formel von der »Kirche im Sozialismus« bedenkenswert. Während es Kirchen gab, für die »Kirche im Kaiserreich« kein Problem war, zu dem man sich äußern musste, haben nicht anerkannte Kirchen immer schon ihren Standort in einer ihnen nicht freundlich gesonnenen, ihnen bürgerliche Rechte verweigernden Gesellschaft klären müssen. »Kirche im Kaiserreich« war ihnen eine Herausforderung, die gemessen an der Erfahrung nicht etwa »Kirche neben der Staatskirche«, sondern »Kirche unter der Staatskirche« zu sein, Probleme brachte, die sie auf ihr Kirchesein unter anderen politischen Bedingungen vorbereitete. »Kirche im Sozialismus« zu sein war eine Standortbestimmung, die sich nur partiell von früheren Standortbestimmungen, die man zwar nicht so formulierte, aber entsprechend erlebt hat, abhebt. Eine bisher kaum gelöste ökumenische Aufgabe kann also darin bestehen, eine Hermeneutik zur Interpretation der Geschichte zu entwickeln, die nicht weiter selbstverständlich an die »fremden« Minderheits-Erfahrung die Kategorien der »eigenen« Mehrheits-Erfahrungen anlegt. Ein solcher Schritt, die in Deutschland kleinen Kirchenzweige an ihren eigenen Maßstäben zu messen, wird ihr Bild verändern. Es wird der eigenen Theologie und Geschichte gerecht und kann neue Perspektiven für die ökumenische Gemeinschaft als Ganzes eröffnen. Eine ökumenische Hermeneutik der Geschichte kann auch helfen, in langer Schwarz-Weiss-Malerei und in langer Polemik entstandene stereotype Fehleinschätzungen zu überwinden. Dadurch kann etwas von der Komplexität und dem Reichtum der einen, alle umfassenden Kirche Jesu Christi wiederentdeckt werden. Solche Klärungen können die Grundlage dafür sein, das Gedächtnis zu heilen und dadurch die ökumenische Gemeinschaft zu vertiefen. Vielleicht eröffnen sich dadurch auch Einsichten für das zukünftige Miteinander von Mehrheits- und Minderheitskirchen in einer kirchenfernen Gesellschaft. Eine andere Zukunftsperspektive kann sich öffnen, wenn die früher darge-

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legten Beobachtungen der mennonitischen und der baptistischen Dialoge149 genauer untersucht werden. Eine vergleichende Studie, die genauen Einblick in die verschiedenen Prozesse nimmt, kann möglicherweise Erfahrungen für weiterführende methodische Ansätze zukünftiger Dialoge zwischen den ungleichen Partnern von Konfessionskirchen einerseits und Gemeindebünden mit autonomen örtlichen Gemeinden andererseits bereitstellen. Ein weiterer Schritt für die Erschließung neuer Methoden des Dialogs kann es sein, wenn auch die Täuferkirchen unter sich in Gespräche eintreten.150 Dabei wäre auch herauszufinden, welche theologischen und nichttheologischen Faktoren einem näheren Zusammenfinden im Wege gestanden haben und noch im Wege stehen.151 Es ist auffallend, dass weder kongregationalistische noch täuferische Freikirchen bisher auf Weltebene einen Dialog unter sich geführt haben.152 (3)

Ökumenische Vereinbarungen umsetzen

Wenn man untersucht, wie die Kirchen die in den Dokumenten festgestellten Ergebnisse kirchenrechtlich ausgestaltet und zugleich praktisch umgesetzt haben, dann kehrt sich die ökumenische Außen- zur ökumenischen Innensicht. Das Gefühl, mit dem Abschluss eines Dialogs und der Annahme eines Dokuments das Ende eines Prozesses erreicht zu haben und es damit genug sein zu lassen, ist eine latent vorhandene Gefahr. In unserer Zeit gibt es eigentlich keinen Grund mehr, von »Freikirchen« als Gegenbegriff zu den »Staatskirchen« zu reden. Gleichzeitig sind traditionelle Begriffe wie »Landeskirche« oder »Landesbischof« nicht nur durch politische neue Grenzziehungen oder durch neuerdings vollzogene kirchliche Zusammenschlüsse problematisch, sondern weil es keine geschlossenen Kirchentümer mit flächendeckend wirksamen Konfessionen mehr gibt, sind sie auch ökumenisch nicht mehr angemessen. Aber das ist nur eine sprachliche Erwägung. Tiefgreifender ist die Frage, welche Konsequenzen die nach kirchlichen Zu149 Vgl. Kap. 4.6.10;- 4.6.11;- 4.6.18. 150 Bisher hat es lediglich eine bemerkenswerte neue Stufe der Gemeinschaft zwischen drei mennonitischen Strömen innerhalb Deutschlands gegeben, die durch eine offizielle Arbeitsgemeinschaft auch eine ökumenische Handlungsfähigkeit nach außen eröffnet hat. 151 Andrea Strübind, Die unfreie Kirche. Der Bund der Baptisten im ›Dritten Reich‹, Neukirchen 1991. Darin: »Das ›Einigungswerk‹ mit den Taufgesinnten (214 – 222, u. 285 – 292);diess., Warum die Wege sich trennten. Baptisten und Freie evangelische Gemeinden. In: ZThG 12. Jg. (2007), 241 – 271. 152 Auch in den vier Bänden mit Dokumenten wachsender Übereinstimmung gibt es zahlreiche Dialogergebnisse zwischen jeweils einer Täuferkirche und einer übergemeindlich strukturierten Kirche, aber keiner zwischen zwei Täuferkirchen. Lediglich auf internationaler Ebene haben von 1989 bis 1992 der Baptistische Weltbund Theologische Gespräche mit der Mennonitischen Weltkonferenz geführt. Offensichtlich ist es nicht zur Veröffentlichung einer gemeinsamen Erklärung gekommen.

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sammenschlüssen neuformulierten Kirchenordnungen ausweisen. In welcher Weise sind zum Beispiel da, wo eine volle Kirchengemeinschaft begründet wurde, die sich daraus ergebenden Konsequenzen ins jeweilige Kirchenrecht eingefügt? Und in welchen Agenden sind für die Pastorinnen und die Pastoren vor Ort Hinweise auf Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit einer Erklärung ihrer Bedeutung für die Praxis eingefügt? Im Kirchenrecht muss schließlich nachvollzogen werden, dass sich mit der Kirchengemeinschaft z. B. das Recht, Taufpate in einer anderen beteiligten Kirche zu sein, verändert hat. Welche Konsequenzen sind in den kirchlichen Verwaltungen vollzogen, in denen in manchen Fällen des Konfessionswechsels die Überweisung als Übertritt an die Stelle des theologisch nicht tragfähigen Austritts gehandhabt werden muss? Und wie sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Personalstellen über die Rolle voller Kirchengemeinschaft bei der Frage von Einstellungen aus dem ökumenischen Bereich ins Bild gesetzt? Die Einlösung gesamtkirchlich eingegangener ökumenischer Verpflichtungen geschieht im Miteinander der Gemeinden in jeder Stadt und in jedem Dorf immer in konkreten Einzelfällen. Die Umsetzung der ökumenischen Verpflichtung nach innen erweist sich als ein schwieriger Prozess. Es ist leichter, mit mahnenden Worten ökumenische Partner an Hoffnungen auf einen ökumenischen Fortschritt in der Eucharistie/Abendmahlsgemeinschaft oder weiterer Schritte in der rechtlichen Ausgestaltung der Fragen von konfessionsverbindenden Ehen zu erinnern. Für eine bessere Fundierung solcher Worte kann es hilfreich sein, wenn die Beziehungen zwischen den theologisch geschulten Verhandlungsführern unter den Ökumenikern und den juristisch gestaltenden Umsetzern in den eigenen kirchlichen Verwaltungen noch verbessert werden.

4.8

Entwicklungen in ökumenischen Organisationen

Die dargestellten Entwicklungen in überwiegend bilateralen zwischenkirchlichen Aktivitäten werfen die Frage nach der Rolle der multilateral tätigen ökumenischen Organisationen auf. Es übersteigt den Rahmen, an dieser Stelle die lebhaften Beziehungen auf den Ebenen der verschiedenen Werke darzustellen. Aber sie sollen wenigstens in Beispielen kurz erwähnt werden. Einige der Minderheitskirchen in der ACK sind Gründungsmitglieder des Diakonischen Werkes, nachdem sie früher schon ihren Platz in der Inneren Mission hatten. Eine umfassende regelmäßige Zusammenarbeit hat es von Anfang an bei der 1959 ins Leben gerufenen Aktion Brot für die Welt und danach Dienste in Übersee gegeben. Das konstruktive Zusammenwirken im Bereich des Gemeinschaftswerkes der Evangelischen Publizistik hat sich über die Teilnahme an verschiedenen Kommissionen hinaus zu Mitgliedschaften entwickelt. Als es nach den Be-

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schlüssen im Bereich des ÖRK 1961 in Neu Delhi zur Bildung des Evangelischen Missionswerkes kam, haben einige Freikirchen darauf gedrängt, dass dieses Werk nur ökumenisch gestaltet werden kann. Die Verbindlichkeit geht über die frühere Zusammenarbeit im Deutschen Evangelischen Missionstag und dem Deutschen Evangelischen Missionsrat hinaus. Am Weltgebetstag der Frauen haben manche Freikirchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz schon seit 1927 teilgenommen. Daher waren sie nach der ökumenischen Organisation in Deutschland von Anfang an Mitglieder dieser Gemeinschaft. Ebenso ist die Mehrzahl der Freikirchen nicht nur Mitglied in der Deutschen Bibelgesellschaft, sondern einzelne arbeiten inhaltlich an ihren Projekten mit. Das komplizierte, aber sehr praktisch ausgestaltete Geflecht von Beziehungen und ökumenischer Zusammenarbeit kann hier nicht entfaltet werden. Auf den folgenden Seiten beschränkt sich die Darstellung auf die Kirchen und ihre Organe, welche fast alle eben aufgeführten Werke in sich schließen und sie damit auch nach außen mitvertreten.

4.8.1 Entwicklungen in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen auf Bundesebene (ACK) Die im Laufe der Jahre organisch vollzogenen Wandlungen im Umfeld der ACK werfen die Frage auf, ob deren eigene Rolle weiterhin sukzessive fortgeschrieben werden kann oder ob eine grundlegende Neubesinnung auf ihre Arbeit angebracht ist. Es hat sich ja nicht nur das allgemeine zwischenkirchliche Klima seit 1948 und 1974 verändert: Die zahlreichen bilateralen Vereinbarungen haben eine neue Ebene des verbindlichen Fortschritts auf bilateraler Ebene eröffnet. Die gewachsenen Aktivitäten der regionalen ACKs und deren wirksame Arbeit in gemeinsamen Projekten, wie in der Hafencity in Hamburg, den regionalen Kirchentagen und die gemeinsam verantworteten Publikationen zu ökumenischen Themen mit teilweise hauptamtlichen Akteuren lassen die Notwendigkeit einer Beschreibung der Rolle und daraus ergebenden Aufgaben der ACK im Blick auf diese Entwicklung wach werden. Abgesehen davon könnte es hilfreich sein, auch die Beziehungen der Landeskirchen und der Diözesen zur ACK mit diesen zusammen einmal zu erwägen. Welche Aufgaben fallen dem Knotenpunkt der multilateralen Ökumene in der ökumenischen Praxis zu? Sind es heute noch die gleichen Aufgabenfelder wie in der Vergangenheit, die der Bundes-ACK mit der ÖC in der gegenwärtigen Entwicklung zufallen? Ist nicht heute eine öffentliche ökumenische Gesamtvertretung, in der einer des anderen Last mitträgt, sowohl gegenüber den Mitgliedskirchen mit ihren Landeskirchen und Diözesen wie im Blick auf die Gesellschaft und die Politik eine jedenfalls punktuelle gemeinsame Aufgabe? Das wiederum ist in der gegenwärtigen Ar-

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beitsweise nicht zu bewältigen. Es schiene angemessen nach dem Muster des ACK-Vorstands mit einer gegenseitigen Vertretung der Konfessionsfamilien auch nach außen wirksame Aktivitäten in Angriff zu nehmen, um in Zeugnis und Dienst mehr als in der Vergangenheit mit einer Stimme in eine kirchenentfremdete Gesellschaft hinein zu sprechen. Ende 2011 zählte die ACK 17 Mitgliedskirchen, 4 Gastkirchen und 4 Beobachter. Die dadurch an Teilnehmerzahl gewachsene Mitgliederversammlung hat in einem Maße zugenommen, dass dem Vorstand eine neue Rolle zugewachsen ist. Ihm gehört neben dem wechselnden Vorsitzenden inzwischen je ein Vertreter oder eine Vertreterin der einzelnen »Konfessionsfamilien« an. Diese haben dadurch den Status von stellvertretenden Vorsitzenden. Wichtiger ist, dass dieser Vorstand inzwischen eine Art Steuerungsfunktion übernommen hat und die Inhalte der Mitgliederversammlungen, aber auch den Weg der ACK weitgehend bestimmt. Initiativen aus dem Plenum der Mitgliederversammlung sind selten möglich. Die Kirchen selber, die ja die eigentlichen Mitglieder sind, tragen durch ihre zuständigen Organe verhältnismäßig wenig zur Entwicklung der Ökumene in Deutschland über die ACK bei. Sie überlassen es dem ACK-Vorstand, den Weg zu bestimmen. Zusammenfassend kann man dem Eindruck des Kirchenrechtlers Andreas Weiss zustimmen, der zu dem Urteil kommt, »die Rechte der ACK [seien] stark eingeschränkt, so dass es sich eher um einen organisierten Gesprächskreis zum Austausch über Fragen der Ökumene und zu gemeinsamen Stellungnahmen als um einen rechtlichen, ökumenischen Verband handelt.«153 Diese Bewertung folgt der Tatsache, dass die Bedeutung der ACK auf das Drängen einiger Mitgliedskirchen auf keinen Fall ein »National Council of Churches« sein soll. Andrerseits stellt sich die ACK gegenüber den ökumenischen Institutionen anderer Länder neuerdings offiziell als ein »Council of Churches in Germany« dar. Dieses ist inzwischen die offizielle Übersetzung von »Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland« ins Englische, allerdings mit der ausdrücklichen Feststellung, es handle sich ausschließlich um einen »Arbeitsbegriff für die internationale Ebene, der in Deutschland nicht verwendet wird.«154 Damit ist ein Zwiespalt zwischen der nationalen Wirklichkeit und der internationalen Darstellung entstanden.

153 Andreas Weiss, Kirchenrecht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und ausgewählter evangelischer Freikirchen, Tübingen 2012, 455. 154 Bericht des ACK-Vorstands für die Jahre 2006 bis 2011, erstattet durch Bischof Friedrich Weber, 2012.

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4.8.1.1 Die ACK in einer »tiefen Krise« In dem Jahrzehnt um die Wende vom 20. ins 21. Jahrhundert geriet die ACK in die tiefste Krise ihrer gesamten Existenz. Es kamen verschiedene Fäden zusammen, die sich zu einem schwierigen Knäuel verknoteten. Bischof Klaiber äußerte sich als scheidender ACK-Vorsitzender in seinem Abschlussbericht ungewöhnlich kritisch. »Wird die Ökumenische Centrale in Zukunft noch arbeitsfähig sein?«, fragte er. Kürzungen der Hauptzuwendungsgeber hatten zu einem Personalabbau gezwungen. Drei der insgesamt siebeneinhalb Stellen mussten gestrichen werden. Trotzdem konnte die Grundlage für einen ausgeglichenen Haushalt nicht erreicht werden. Es kam zu Vakanzen, die eine enorme Belastung für das verbleibende Mitarbeiterteam bedeuteten. Klaiber schrieb 2007: »Die Frage nach der Existenzberechtigung der ACK wird durchaus gestellt. Nicht in offiziellen Verlautbarungen, wohl aber in informellen Gesprächen. Was bringt uns die ACK? Was kostet uns die ACK? Was folgt daraus? Es wäre sinnlos, solche Fragen zu tabuisieren. Sie werden gestellt, und sie sind symptomatisch für die ökumenische Situation, in der wir stehen.«155

Der scheidende Vorsitzende sah die Frage nach »effektiven Zweckbündnissen« aufkommen. Eindringlich formulierte Bischof Klaiber : »Wenn es uns ernst damit ist, dass wir unsere Arbeit im Namen Jesu Christi tun und nicht nur unsere eigene kirchliche Tradition propagieren, dann führt kein Weg daran vorbei, dass wir mit allen, die sich ebenfalls zu diesem Herrn bekennen, in irgendeiner Form Kontakt halten und mit ihnen zusammenarbeiten. Eine wie auch immer geartete Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen ist die notwendige Konsequenz aus ihrem Bekenntnis zu ihrem gemeinsamen Herrn. Das muss nicht unbedingt die Gestalt der jetzigen ACK in Deutschland e. V. haben, aber dass eine solche Arbeitsgemeinschaft auch einen sichtbaren und strukturierten Ausdruck suchen wird, ist letztlich unausweichlich.«

Der Abschlussbericht Klaibers stand nicht nur unter dem ökumenisch realistischen Motto »Die Aufgabe bleibt«, sondern auch unter einem erläuternden Leitwort aus dem Markus-Evangelium, das in der Lutherbibel mit der Überschrift »Der Rangstreit der Jünger« überschrieben ist: »Und als er daheim war, fragte er sie: Was habt ihr auf dem Weg verhandelt? Sie aber schwiegen; denn sie hatten miteinander verhandelt, wer der Größte sei.«156 Am Ende seines Berichtes erklärte der scheidende Vorsitzende nochmals seine Beobachtung: »Es geht mir 155 Auch alle folgenden Klaiber-Zitate aus »Die Aufgabe bleibt«. Bericht des Vorsitzenden der ACK zum Ende der Amtsperiode des Vorstands 2004 – 2007 am 7. und 8. März 2007 in Berlin. 156 Markus-Evangelium Kap. 9, 33f.

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nicht um Arbeitsbeschaffung für eine liebenswerte ökumenische Einrichtung, die von der Roten Liste der von Sparmaßnahmen bedrohter kirchlicher Institutionen heruntergeholt werden soll. Es geht mir um ein wichtiges Instrument zur Erfüllung unseres gemeinsamen Auftrages, zu dem uns Jesus Christus gerufen hat und weiter ruft.« Was hatte zu dieser Krise geführt? In der ACK gibt es keine Mitgliederbeiträge. Ihre Arbeit wird durch regelmäßige »Zuwendungen« der Kirchen getragen, zu denen sich die Kirchen verpflichtet haben. Sie sind nach der Größe der Mitgliedskirchen bemessen. Dies bedeutete, dass seit der 1974 erfolgten Neukonstituierung und der damit verbundenen Umorganisation die beiden mitgliederstärksten Kirchen 90 % des Gesamthaushalts übernommen haben, was von den Größenverhältnissen, auf die im Normalfall gerne rekurriert wird, mindestens angemessen war. Ungefähr 25 Jahre später haben beide fast gleichzeitig – gewiss nicht ohne gegenseitige Kenntnis – der ACK mitgeteilt, dass sie ihre Zuwendungen erheblich einschränken. Das geschah in einer Zeitphase, in der auch der ÖRK und die KEK von Deutschland aus vor ähnliche Fragen gestellt wurden. Für die ACK empfahl die EKD »eine deutliche Konzentration der in der geltenden Satzung aufgeführten Aufgaben […], die darauf gerichtet sind, das ökumenische Miteinander in Deutschland zu fördern.«157 In der Aufzählung der satzungsmäßigen Aufgaben wurde allerdings nur eine Auswahl getroffen, die sich auf nach innen gerichtete Aktivitäten konzentrierte. Es scheint dahinter eine Kritik an Entwicklungen innerhalb der ACK der Auslöser gewesen zu sein. Während dieser Phase der Verunsicherung hatte innerhalb der ACK der Christinnenrat, ein Zusammenschluss von elf ökumenisch bundesweit arbeitenden Frauenorganisationen,158 die mehrheitlich mit den Kirchen verbunden sind, den Antrag gestellt, ihm einen Beobachterstatus, wie er in der ACK-Satzung vorgesehen ist, zu gewähren.159 Entsprechend der Satzung für diesen Status haben die Organe der Mitgliedskirchen mit einer Zweidrittelmehrheit dem Antrag zugestimmt. Die bald folgende Diskussion um eine offiziell durch die EKD beantragte Satzungsänderung hinsichtlich des ACK-Beobachterstatus weckt den Anschein, als ob die Bemühung des Christinnenrates zur Erlangung dieser Form der ACK-Anbindung die kritische Lage verschärfte. Es entstand eine juristisch gesehen eigenartige Bemühung des EKD-Kirchenamtes in Hannover, die durch den Auslandsbischof Martin Schindehütte vertreten wurde. Der vom Kirchenamt vorgelegte Antrag auf eine Änderung der Satzung sollte rückwirkend in Kraft treten. Ziel war, den Weg zum Beobachterstatus an eine 157 Kirchenamt der EKD, Schreiben Bischof Martin Schindehütte vom 21. Nov. 2008. 158 Vgl. Kap. 4.7.21. 159 Seit Jahrzehnten hatte die ACK den Beobachterstatus verliehen an: (1) die Arbeitsgemeinschaft Ökumenischer Kreise, (2) das Evangelische Missionswerk und (3) die Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker).

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höhere Zugangshürde zu binden. Es war vorauszusehen, dass ein solches Ansinnen schon aus rechtlichen Gründen keine Mehrheit finden konnte. So trat es ein. Um wieder eine klare Ausgangslage zu schaffen, gab es ganz unterschiedliche Initiativen: Eine Organisationsberatung legte über die ÖC im Oktober 2008 einen Bericht vor. Weiter hat eine »Perspektivkommission« mit erfahrenen Vorstandsmitarbeitern zweier Generationen sich erneut mit der Frage nach »Aufgabe und Mandat« der ACK auseinandergesetzt. Diese von der EKD angeregte Debatte führte im März 2009 zu einer Vorlage, die nach der Zustimmung der Mitgliederversammlung an die Kirchen verschickt wurde. Als Ergebnis der unterschiedlichen Rückmeldungen kam der Auftrag heraus, »eine verbindliche Interpretation der Satzung zu Themen und Struktur« zu erarbeiten. Im Zusammenhang der eingetretenen Finanzmisere kamen aus den Freikirchen nicht nur besorgte Stimmen zur Zukunft der ACK, sondern auch Selbstverpflichtungen, die Höhe der bisherigen Zuwendungen nicht ebenfalls zu kürzen, obwohl die kirchensteuerfreien Gemeinden ebenfalls finanzielle Engpässe überstehen mussten. Es ist ein unübersehbares Zeichen der ACK-Wertschätzung, dass die kleineren Mitgliedskirchen auf eine Kürzung ihrer finanziellen Beiträge verzichtet haben. Die ACK-Probleme waren nicht intern geblieben. Am 18. Januar 2008 hatte die Zentralausgabe des epd im Zusammenhang der Berichterstattung über das Gedenken 60 Jahre ACK gemeldet: »Die Jubiläumsfeiern finden in einer Zeit statt, in der sich die ACK nach eigenen Angaben in einer ›tiefen Krise‹ befindet. Durch Kürzungen bei den Mitgliedsbeiträgen der beiden großen Kirchen und Personalvakanzen befindet sich die Arbeitsgemeinschaft in einer schwierigen Lage, die die Handlungsfähigkeit der Ökumene-Organisation bedrohe.«160

Fast zwei Jahre später forderte die Kirchentags-Generalsekretärin Ellen Ueberschär einen »Kurswechsel in der Ökumene«. Nach ihrer Meinung werde »das Christentum nur noch dann Relevanz haben, wenn die großen und kleinen christlichen Kirchen mit einer Stimme sprechen.«161 Das ist von der basisorientierten Kirchentagsleitung ein Votum, das in die entgegengesetzte Richtung der jüngsten Entwicklungen wies. Während der Zeit der notwendigen personellen Einschränkungen in der ÖC nahm deren Geschäftsführerin einen Ruf ins Kirchenamt ihrer Heimatkirche nach Düsseldorf an. Dies bedeutete, dass zu allem Übel auch die Leitung der ÖC ab 1. März 2009 kommissarisch wahrgenommen werden musste. 160 epd Zentralausgabe Nr. 13 vom 18. Januar 2008, 2. 161 epd Zentralausgabe Nr. 250 vom 29. Dezember 2009, 1.

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In der ersten Mitgliederversammlung, die nach dem Übergang des Vorsitzes von Bischof Klaiber auf Landesbischof Friedrich Weber am 17./18. Oktober 2007 in Nürnberg stattfand, stellte der neue Vorsitzende seinen ersten Bericht unter das Leitwort »Die Einheit der Christen fördern«. Damit setzte er als EKD-Vertreter ein positives Zeichen. Er schrieb u. a.: »Die ACK ist die Plattform, auf der über die notwendigen bilateralen Kontakte hinaus wirksame multilaterale Ökumene gepflegt werden kann. Erst hier kommen die große Vielfalt und der große geistliche und theologische Reichtum der Christenheit in den Blick.« Und später fügte er unmissverständlich hinzu: »Ökumene fängt zuhause an und bewährt sich im Miteinander von Kirchen und Freikirchen. Unser Auftrag ist es, in ökumenischer Partnerschaft Zeugnis von Christus abzulegen […].«162 In seiner sechsjährigen Amtsperiode hat Bischof Weber sich als ökumenischer Verbindungsmann, der in unterschiedlichen ökumenischen Verpflichtungen Verantwortung trug, zuletzt auch in der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), eingesetzt und bewährt. Freilich hat er die Rolle, welche die EKD und die DBK in der politischen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit für sich in Anspruch genommen haben, festgehalten. Aber am Ende seiner Zeit als Vorsitzender, die von 2007 bis 2013 dauerte, blieb es seine Zielvorstellung, »trotz angespannter finanzieller Lage die Zusammenarbeit zwischen den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften weiter zu vertiefen.« Ebenso klar hatte er in einem epd-Gespräch verlauten lassen: »Die beiden großen christlichen Kirchen, die weiter eigenständig gegenüber Politik und Gesellschaft auftreten wollten, würden der Errichtung eines ›nationalen Kirchenrats‹ nicht zustimmen. Sie seien nicht bereit, für eine gemeinsame Vertretung gegenüber dem Staat und der internationalen Ökumene auf Einflussmöglichkeiten zu verzichten. Ziel der Arbeitsgemeinschaft sei es, die Zusammenarbeit zwischen den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften weiter zu vertiefen.«163

Zu früheren Zeiten wurde den Minderheitskirchen zum Vorwurf gemacht, dass sie sich nicht in öffentlichen Fragen engagieren, was übrigens einer Überprüfung nicht stand hält. In manchen Fragen, z. B. der Religionsfreiheit waren einige von ihnen sogar führend. Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen wird es als eine Herausforderung verstehen, ihren gemeinsam getragenen Einfluss geltend zu machen. Das ist bedauerlich, weil dadurch öffentlich manifestiert wird, dass die Kirchen selber eine Einheit zwischen den Konfessionen und Denominationen nur langsam zulassen. Zusammenarbeit und Gemeinschaft nach innen wird erst glaubwürdig, wenn sie auch nach außen bezeugt und gelebt wird. Der landeskirchliche ACK-Vorsitzende Bischof Friedrich Weber musste mit 162 Friedrich Weber, Die Einheit der Christen fördern. Bericht des Vorsitzenden der ACK am 17. 10. 2007, 1 u. 5. 163 epd Zentralausgabe Nr. 204 vom 20. Oktober 2011, 1 u. 2.

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den auch von seiner Kirche vollzogenen Kürzungen der Finanzen umgehen und die entstandenen Probleme lösen. Er tat das mit Erfolg. Nach einiger Zeit der Tätigkeit anerkannte die Zentralredaktion des epd mit Recht das vorurteilsfreie ökumenische Engagement des Braunschweiger Bischofs und ging dazu über, ihn als »Ökumenebischof« zu bezeichnen. Das war keine von seiner Kirche verliehene öffentliche Bezeichnung, wie sie die Bischofskonferenz einem ihrer Mitglieder zuschrieb, sondern der Ausdruck des Respekts vor der ökumenischen Leistung für die EKD, in der ACK, als »Catholica-Referent« der VELKD und für sein Mitwirken in der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). In der kritischen Phase der ACK brauchte sie einen engagierten Vertreter, der – auch wenn er nicht dem Rat der EKD angehörte – doch auch einen Einfluss in seine Kirche hinein hatte. Es ist eigenartig, dass die Debatte über die gemeinsamen Aufgaben der Kirchen nicht auf theologischer Grundlage begonnen, sondern durch Finanzkürzungen und Satzungsänderungen angestoßen wurde. Als die Diskussion um »Mandat und Auftrag« eröffnet wurde, hatte die ACK gerade eine höchst intensive Phase inhaltlicher Arbeit geleistet, die über frühere Initiativen hinausging. In den Mitgliederversammlungen wurden Referate z. B. über die ökumenischen Folgen des Vatikanischen Konzils aus unterschiedlicher konfessioneller Sicht gehalten und diskutiert. Professor Hans Jörg Urban als katholischer ACKPionier und Bischof Walter Klaiber haben mehrere Beiträge dazu geleistet, die fast alle im Druck erschienen sind. Der Beobachter muss den Eindruck gewinnen, die zur »tiefen Krise« geführte gemeinsame Zurückhaltung der beiden größten Mitgliedskirchen erfolgte gerade zu einer Zeit, als ein Freikirchler, der keinen Einfluss auf eine der beiden Entscheidungsgremien in den Kirchen hatte, den ACK-Vorsitz führte. Wie dem auch sei, der Ausbruch dieser Krise war für alle Minderheitskirchen ein Schock. Erst wenige Jahre vorher hatte im Jahre 2000 die EKD-Synode in Braunschweig eine zukunftsorientierte »Kundgebung«, auf die an anderer Stelle eingegangen wird, unter dem Thema »Eins in Christus. Kirchen unterwegs zu mehr Gemeinschaft« verabschiedet. Darin brachte die Synode ihren ökumenischen Willen so umfassend zum Ausdruck wie kaum je zuvor. Sie gab u. a. kund: »Die bereits bestehenden Formen der Gemeinschaft christlicher Kirchen wollen wir intensiv unterstützen und als Instrumente des gemeinsamen Zeugnisses und Dienstes in der Welt nutzen: Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) und auf Weltebene den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK). Wir erklären unsere Bereitschaft, gemeinsam zu handeln, sofern uns keine tiefen Unterschiede der Überzeugung dazu zwingen, getrennt voneinander

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vorzugehen.«164 Und an anderer Stelle wird bekannt: »Wir sind schon eins in Christus, auch wenn wir noch nicht einig sind über die kirchliche Gestaltung unserer Einheit. Weil wir in Christus eins sind, suchen wir nach mehr Gemeinschaft der Kirchen. Das ist die Ökumene. Wir sind nur dann evangelisch, wenn wir zugleich ökumenisch sind. Konfessionelle Selbstgenügsamkeit macht uns arm.«165 Wie konnte es sein, dass es zwischen den Synodalen und der kirchlichen Exekutive einen so offensichtlichen Unterschied in der Einschätzung gab, in dessen Folge die ACK in die »tiefe Krise« stürzte? Bischof Weber ist es gelungen, die entstandene Verunsicherung aufzufangen. Anlässlich seiner Verabschiedung in der ACK wurde er als »Brückenbauer in der multilateralen Ökumene« gewürdigt. Sein Nachfolger, Bischof Karl-Heinz Wiesemann hat bei der Verabschiedung hervorgehoben, wie der braunschweigische Bischof Weber sich »für die Arbeitsfähigkeit der Ökumene-Organisation eingesetzt hat, die nach Sparmaßnahmen gefährdet gewesen sei.«166 Der römisch-katholische Bischof Karl-Heinz Wiesemann hat sich öffentlich zu einer weitgefassten innerdeutschen Ökumene bekannt. In einem Interview sagte er : »Die ACK steht für die multilaterale Ökumene. Sie sieht Dinge aus anderen Blickwinkeln als etwa die Ökumene der beiden großen Kirchen. Wobei man hinzufügen muss: die in Deutschland kleinen Kirchen, etwa die Baptisten und die Methodisten, sind im Weltmaßstab ebenfalls groß. In der multilateralen Ökumene können die christlichen Kirchen vor allem voneinander lernen. Wir Katholiken haben gerade den ersten Papst aus Lateinamerika und lernen aus seiner Sicht neue Aspekte auch für uns selber kennen. Ähnlich liegen die Dinge zwischen den Kirchen. Die ACK weitet den Blick weg nur von den eigenen Fragen zu den gemeinsamen. Gemeinsam brauchen wir eine Besinnung auf Orte, an denen wir Glauben erfahren und vertiefen. Und eine Stärkung darin, was wir Christen in der Gesellschaft, in der wir leben, gemeinsam bezeugen können.«167

Als der ACK-Vorsitzende Bischof Wiesemann in Verbindung mit der Aufnahme einer kleinen Kirche in die ACK nach seiner Meinung befragt wurde, antwortete er : »Auch die kleinen Gemeinschaften haben ja ihren Charme. Die Größe allein spielt keine Rolle. Ich treffe auf engagierte Gruppen, die den Austausch und das gemeinsame christliche Zeugnis als Aufgabe sehen. Vom Engagement, mitunter auch von dem Feuer dieser Gruppen können wir großen Kirchen manchmal gern inspiriert werden.« Es ist hilfreich, dass Bischof Wiesemann von Kardinal 164 Kundgebung der EKD-Synode zum Schwerpunktthema Eins in Christus – Kirchen unterwegs zu mehr Gemeinschaft, Braunschweig 2000. www.ekd.de/synode2000/beschluesse_ ku_eins_in_christus.html (Abruf 31. 10. 2013). 165 Ebd. 166 epd-ZA Nr. 79 vom 25. April 2014, 1. 167 www.predigtpreis.de/predigtpreisnewsletter/news/article/von-den-kleinen-kirchen-lernen. html#c2317 (Abruf 30. 10. 2013).

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Kasper im Blick auf die Kirchen der Reformation die Formulierung »Kirchen anderen Typs« übernommen hat; eine Formel übrigens, die nach seiner Einschätzung auch von Papst Benedikt XVI. akzeptiert wurde. 4.8.1.2 Die Beziehungen zwischen Bundes- und regionalen ACKs Zu den Aufgaben der ÖC gehört es, jährliche die Organisation einer gemeinsamen Tagung der Bundes-ACK mit allen 24 regionalen ACKs, die großenteils mit insgesamt 230 örtlich aktiven Arbeitsgemeinschaften in Verbindung stehen, vorzubereiten. Die regionalen ACKs nehmen je nach Größe und Ausstattung unterschiedliche Aufgaben wahr. Einige arbeiten an konkreten Themen, die teilweise durch die konfessionellen Schwerpunkte ihrer Region bestimmt sind. Manche führen Studientagungen durch. Besonders Baden-Württemberg, Bayern, aber auch Berlin und Hamburg publizieren Ergebnisse, Handreichungen, Empfehlungen, Arbeitshilfen, sie geben gelegentlich Stellungnahmen ab und organisieren gemeinsame Aktivitäten. In manchen regionalen ACKs sind kleinere Kirchen Mitglieder oder Gastmitglieder, die über diese ersten Kontakte auf die Bundes-ACK zuwachsen. Die gemeinsamen Versammlungen der regionalen ACKs sind von solchen Teilnehmern geprägt, die überwiegend in den Kirchen, aus denen sie kommen, ökumenisch engagiert sind. Ihre Hauptarbeitsgebiete liegen in der praktizierten Gemeinschaft mit den Kirchen innerhalb der eigenen Regionen und Orte. In manche regionale ACKs entsenden die Kirchen auch Laien, also Frauen und Männer, denen sich hier eine ökumenische Erfahrungsebene erschließt. Sie bringen für den ökumenischen Austausch und für das Hören auf das, was Gott anderen Kirchen als deren Charisma mit auf den Weg gegeben hat, einen wachen Sinn und ein offenes Ohr mit. Sie denken weniger in der Kategorie Kirchenvertretung mit strategischen Interessen. Vielmehr wollen sie ihren Wissenshorizont weiten, voneinander die theologischen Positionen sowie die Arbeits- und Leitungsstrukturen anderer Konfessionen und Denominationen kennen lernen und ökumenisch voranschreiten. Die Begegnung der Delegierten von Mehrheits- und Minderheitskirchen in den jeweiligen Regionen hat einen hohen ökumenischen Effekt. Als Delegierte aus allen Kirchen erfahren sie in der Praxis, wie die ökumenische Begegnung gerade dann fruchtbar wird, wenn durch das Einbringen der jeweils eigenen Position eine Bereicherung für alle ermöglicht wird. Anstatt sich anzupassen, lernen Kleine von den Großen genauso, wie Große von den Kleinen lernen. Die seit den siebziger Jahren einsetzende organisatorische Lösung von der ÖC hat die regionalen Eigenverantwortungen gestärkt und die Ortskirchen aktiv einbezogen. Für die Bundes-ACK hat dies auch den Effekt, dass »von unten« noch mehr zusätzliche Anregungen kommen können. Die Richtung hat sich

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erkennbar zugunsten der regionalen Aktivitäten geändert. War zunächst die Ökumene ein mühevoller Impuls der kleinen Bundes-ACK mit ihrer ÖC in die Regionen hinein, so geben heute die Regionen zurück, was sie früher empfangen haben. Die 1974er ACK-Neukonstituierung und die damit verbundene konsequente Einbeziehung der Diözesen hat für die Breite der ökumenischen Arbeit eine Verankerung nach sich gezogen, die einen wirkungsvollen Gewinn und landesweit eine willkommene und notwendige Bereicherung gebracht hat.168 Die Wiedervereinigung der beiden deutschen ACKs fand am 17./18. Oktober 1993 in einem festlichen Gottesdienst in Eisenach statt. Damit waren einige Diskussionen ausgelöst. Überraschend konnte der Bund Freier evangelischer Gemeinden (BFeG), der in der DDR Vollmitglied war, sich nicht entschließen, diesen Status für die Gesamtheit des Gemeindebundes zu übernehmen, obwohl er seit der 1948er Gründungsversammlung als Gastmitgliedschaft aktiv mitgearbeitet hat. Die Gründe dafür lagen allerdings nicht bei der ACK, sondern beim freikirchlichen Bund, in dem es in dieser Frage bisher keine Einmütigkeit gibt.169 Nach der Einschätzung von Johannes Demandt ist im Gemeindebund der FeG »insgesamt […] eine zunehmende ökumenische Offenheit festzustellen«,170 die sich auch aus positiven Erfahrungen in regionalen ACKs speist. Das Apostelamt Jesu Christi hatte bis zur Ost-West-Vereinigung nur in der DDR Beziehungen zur AGCK aufgenommen. Diese wurden als Gastmitgliedschaft nun in der gemeinsamen ACK weitergeführt. Ähnlich standen die Siebenten-Tags-Adventisten in der DDR mit der ACK in Verbindung. Um diese Beziehungen einheitlich weiter zu führen, wurden die Siebenten-Tags-Adventisten, diese sich in den voraufgegangenen Jahrzehnten ökumenisch immer mehr öffnende Freikirche, noch in Eisenach als Gastmitglied für das gesamte Deutschland aufgenommen.

4.8.2 Die Evangelische Kirche in Deutschland Eine mit großem Aufwand erarbeitete neue Grundordnung der westlichen EKD wurde von Synode 1974 verabschiedet. Sie hatte als Ziel eine Vertiefung des kirchlichen Selbstverständnisses vor Augen. Das landeskirchliche Zustimmungsverfahren ließ diese Initiative jedoch scheitern. Zentrale Fragen waren die Geltung der unterschiedlichen Bekenntnisse aus der Reformationszeit, die Kompetenz, Kirchengesetze zu erlassen, die Rolle der Kirchenkonferenz und 168 Siehe auch: Hans Jörg Urban, Zum Stand der Ökumene [1998]. In: »Damit die Welt glaube«. Der ökumenische Prozess im Dienst des christlichen Zeugnisses. FS Hans Jörg Urban, Paderborn 2000, 273 – 284. 169 Hartmut Weyel, Evangelisch und frei. Geschichte des Bundes Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland, Witten 2013, 178. 170 Johannes Demandt (Hg.), Freie Evangelische Gemeinden, Bh 114, Göttingen 2012, 78.

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eine organisatorische innerkirchliche Neuordnung der EKD-Finanzierung. Die als Folge vorgesehene Zentralisierung fand am Ende keine Zustimmung. So blieb die EKD auf der Basis ihrer Grundordnung von 1948 ein »kirchliches Konföderativgebilde eigener Art«, wie H. Brunotte es formulierte. Gerhard Besier sieht darin hinsichtlich der EKD »Spannungen und Unklarheiten zwischen dem Eigenständigkeitsbewusstsein der Gliedkirchen (nicht Mitgliedskirchen!) und dem Einheitswillen der Gesamtheit.«171 Als die EKD im September 1999 als die 100. Signatarkirche in eine formale Beziehung zur Leuenberger Konkordie trat, erklärte sie: »Mit der Zustimmung zur Konkordie bringt die EKD zum Ausdruck, dass sie sich in der Gemeinschaft mit ihren Gliedkirchen, die diese Entscheidung bereits früher vollzogen haben, der Kirchengemeinschaft reformatorischer Kirchen in Europa im Sinne der Leuenberger Konkordie verpflichtet weiß, in ihr auf der Grundlage der Konkordie mitzuarbeiten bereit ist und sich in der Wahrung ihrer sonstigen ökumenischen Aufgaben von der Konkordie leiten lässt.« Diese vorsichtige und abgewogene Formulierung ergibt sich aus dem Grundcharakter der EKD. Ökumenisch hat dieser Schritt die Konsequenz, dass seitens der Evangelischmethodistischen Kirche aufgrund der früher geschlossenen Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft nicht mehr von einer Kirchengemeinschaft mit den Gliedkirchen der EKD gesprochen werden muss, sondern dass die EKD selber über die Leuenberger Konkordie eine entsprechende Kirchengemeinschaft einnimmt. Als weiterer Schritt auf das formale Kirchesein zu muss man das »Votum zum geordneten Miteinander bekenntnisverschiedener Kirchen (innerhalb der EKD)« in der von der EKD-Kammer für Theologie 2001 erarbeiteten Schrift »Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis« sehen. In diesem Votum ist die »ökumenische Zielsetzung« wie folgt beschrieben: »Die Erklärung und Verwirklichung von Kirchengemeinschaft ist aus evangelisch [-landeskirchlicher] Sicht das Ziel ökumenischen Handelns. Dabei zeigen die verschiedenen Formen der Gemeinschaft von Kirchen, aber auch die unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen, auf die sie bezogen sind, dass es gestufte Verfahren zur Verwirklichung des ökumenischen Ziels gibt. Sie sind zu fördern, wenn sie dazu beitragen, eine Kirchengemeinschaft zu entwickeln, die im Sinne der Bezeugung der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche die volle gegenseitige Anerkennung der Kirchen verwirklicht.«172

Inzwischen zeigen die Zusammenführungen zur Nordkirche und zur Mitteldeutschen Evangelischen Kirche (MEK), dass ganz wie es in kritischen An171 Gerhard Besier, Art. Evangelische Kirche in Deutschland. In: EKL3 Bd. 1 (1986), Sp. 212. 172 Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis. Ein Votum zum geordneten Miteinander bekenntnisverschiedener Kirchen. EKD-Texte 69, Hannover 2001, 15.

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merkungen zu dem Votum zum Ausdruck kam, darüber hinaus führende Möglichkeiten der Einheit, nämlich Unionen gibt.173 Abgesehen davon zeigt auch die Meißener Erklärung, dass im internationalen Bereich die EKD die Rolle einer Kirche als Vertragspartner übernehmen kann.174 Die EKD-Synode im Jahr 2000 hat mit einer »Kundgebung«, mit der sie sich nach ihrer Grundordnung gezielt an die Öffentlichkeit richtet und die eine Zustimmung von Zweidritteln aller Synodalen braucht, das Thema Ökumene aufgegriffen.175 Darin hat sie sich erstmals in einer grundlegenden und umfassenden Form auch öffentlich zu Fragen der innerdeutschen Ökumene durch ihre höchste Repräsentanz geäußert. Die EKD stellt sich selbst darin aufgrund der Kirchengemeinschaft miteinander als »ein Modell der Kircheneinheit« vor. Die EKD-Synode sagte mit dieser Feststellung, dass die Gliedkirchen der EKD untereinander den gleichen Status in Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft haben, wie sie ihn mit der Herrnhuter Brüdergemeine schon lange und mit der Evangelisch-methodistischen Kirche 1987 ausdrücklich geschlossen hat. Aber »Kirchengemeinschaft« ist noch längst keine »Kircheneinheit« im Sinne einer Union. Es ist ein hoffnungsvolles Zeichen, dass inzwischen einige Gliedkirchen der EKD Schritte in diese Richtung gegangen sind. Aber das kann auf die Dauer nur ein Anfang sein. Ausdrücklich will die Synode »Mehr Gemeinschaft unter protestantischen Kirchen«. Nacheinander werden ausdrücklich genannt: die evangelischen Freikirchen und die anglikanischen Kirchen. Im nächsten Abschnitt geht es um »Mehr Gemeinschaft mit katholischen [also der römisch-katholischen sowie der Alt-Katholischen] und orthodoxen Kirchen« mit einem Untertitel »Ökumene wächst von unten«. Danach werden die gemeinsamen Aufgaben skizziert: Zeugnis und Dienst in der Welt, Mission und Dialog der Kulturen, Suche nach Versöhnung und Frieden und schließlich Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Am Schluss der zehnseitigen Erklärung wird die Hoffnung formuliert, dass »mehr ökumenische Gemeinschaft zur Kirchengemeinschaft mit anderen Kirchen führt«. Das Synodenthema, damals in seiner Bedeutung unterstrichen durch ein Referat des römisch-katholischen Ökumenikers Bischof Joachim Wanke aus Erfurt, und die mit großer Zustimmung aufgenommene »Kundgebung«, weckte große Hoffnungen für einen innerdeutschen ökumenischen Aufschwung. Nach der Erwähnung der bestehenden Kirchengemeinschaft mit der Herrnhuter Brüdergemeine und der Evangelisch-methodistischen Kirche, die mit mehr 173 KJ 129. Jg. (2002), Gütersloh 2006, 341 – 345 – Reaktionen aus dem freikirchlichen Raum. 174 Vgl. Kap. 4.7.8. 175 Kundgebung der 9. Synode der EKD zum Schwerpunktthema ›Eins in Christus‹. Kirchen unterwegs zu mehr Gemeinschaft. In: EKD TEXTE 69, Hannover 2001, 16 – 26.

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Leben gefüllt werden können, heißt es: »Die Gemeinschaft mit weiteren evangelischen Freikirchen in Deutschland wollen wir in bilateralen Dialogen fortentwickeln, um zu engerer Zusammenarbeit und auch zu Zwischenstufen der Kirchengemeinschaft zu gelangen.« Danach ist von den Mennoniten, dem baptistisch geprägten Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden und von Gemeinschaften pfingstlicher Prägung die Rede, mit denen das Gespräch gesucht werden soll. Die großen Erwartungen der Aufbruchstimmung einer Synode brauchen vielleicht eine Klärung für die Exekutive, auf welchem Weg sie umgesetzt werden sollen. Ist es das Kirchenamt der EKD mit seinen Referenten? Sind es die Delegierten der EKD in der ACK? Sind es die einzelnen Landeskirchen, aus denen die gewählten Synodenteilnehmer kommen? Wie lässt sich die Spannung lösen, dass einerseits die EKD klare Positionen bezieht, sie aber andererseits nur begrenzt mit Vollmachten ausgestattet ist, sie auch rechtlich auszugestalten? Welche Erwartungen richten sich andererseits an die ökumenischen Partner, die in der Regel in deutschlandweiten Kirchenrechtsstrukturen arbeiten und dadurch in konkreten Fragen der Zusammenarbeit mit ganz unterschiedlich positionierten Landeskirchen in Verhandlungen eintreten müssen, wenn sie mit einer realistischen Hoffnung auf Erfolg geführt werden sollen?176 Die Debatte um das Thema Konfessionswechsel ohne Kirchenaustritt, wie es in einem ökumenischen Zeitalter angesagt ist, um auch den theologischen Selbstansprüchen gerecht zu werden, zeigt konkret die Problematik auf.177 Auch in dieser Frage gibt die Charta Oecumenica eine Richtung vor, wenn es dort heißt, »dass jeder Mensch seine religiöse und kirchliche Bindung in freier Gewissensentscheidung wählen kann. Niemand darf durch moralischen Druck oder materielle Anreize zur Konversion bewegt werden; ebenso darf niemand an einer aus freien Stücken erfolgten Konversion gehindert werden.«178 Für die innerdeutsche Ökumene wäre es ein enormer Fortschritt, wenn die EKD sich rechtlich in einer Weise weiterentwickelt, dass sie als rechtsverbindlicher Partner mit den anderen deutschlandweit wirkenden Kirchen und Gemeindebünden in Verhandlungen eintreten kann.

176 Vgl. Kap. 4.7.18. – Die Bayerische Lutherisch-Baptistische Arbeitsgruppe (BALUBAG) ist ein Beispiel für ein regionales Gespräch, das lediglich mit den Leitung abgestimmt war. 177 Karl Heinz Voigt, Übertritt und Übertrittsregelungen. Zwischenkirchliche Probleme und ökumenische Perspektiven aus freikirchlicher Sicht. In: Athanasios Basdekis/Klaus Peter Voß (Hg.), Kirchenwechsel – ein Tabuthema der Ökumene? Probleme und Perspektiven, Frankfurt 2004, 43 – 57. 178 Charta Oecumenica, Selbstverpflichtung Nr. 2.

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4.8.3 Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Die VELKD spielt für die innerdeutsche Ökumene eine nicht zu unterschätzende Rolle. Ein wesentlicher Grund dafür ist ihr Selbstverständnis. Während die EKD lediglich ein Dach ist, zu dem sich autonome Landeskirchen unterschiedlicher theologischer und historischer Tradition im Zuge der Neuordnung nach dem Ende der Nazi-Herrschaft einigen konnten, bilden die heutigen Mitgliedskirchen der VELKD, das sind Bayern, Braunschweig, die Nordkirche, Sachsen, Schaumburg-Lippe und Thüringen gemeinsam eine Kirche im Vollsinn. Die VELKD und ihre Bischofskonferenz befasst sich als Kirche mit ökumenischen Fragestellungen in einer Weise, wie es für die EKD nicht möglich ist. Für die innerdeutsche Ökumene ist die VELKD ein Ansprechpartner, der zu eigenverantwortlichem und verbindlichem Handeln in der Lage ist. Diese lutherische Gesamtkirche hat in der Mehrzahl der innerdeutschen ökumenischen Vereinbarungen in der Praxis die Vorreiterrolle eingenommen. Das betrifft nicht nur die Lehrgespräche mit der römisch-katholischen Kirche seit 1976, sondern auch die Dialoge mit den Alt-Katholiken, den Anglikanern, den Mennoniten und der methodistischen Kirche. Sie kann als ein typisches Beispiel für den Weg zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen den Gliedkirchen der EKD und der Evangelisch-methodistischen Kirche stehen. Die Evangelisch-methodistische Kirche und die VELKD haben am Anfang die Lehrgespräche geführt, alle anderen Landeskirchen, die nicht der VELKD angehören, das waren die lutherischen Kirchen von Oldenburg und Württemberg und die Kirchen der damaligen Arnoldshainer Konferenz haben sich den Ergebnissen angeschlossen.179 An dieser »ökumenischen Alleinstellung« hat auch die im Gang befindliche Strukturreform innerhalb der EKD trotz der Kooperationsverträge und einer Konzentration auf ein gemeinsames Kirchenamt noch keine Veränderungen erreicht, weil hier bekenntnisgebundene inhaltliche Fragen berührt sind, die der EKD selber nur einen beschränkten Spielraum zum Eingehen innerdeutscher ökumenischer Verpflichtungen lassen. Die 1976 durch die VELKD aufgenommenen bilateralen Lehrgespräche mit der römisch-katholischen Bischofskonferenz haben seit bald vierzig Jahren ununterbrochen stattgefunden. Inzwischen liegen zwei gemeinsam erarbeitete und in den jeweiligen Kirchen diskutierte Arbeitsergebnisse vor. 1984 wurde »Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament« veröffentlicht und im Jahr 2000 folgte eine ekklesiologische Studie unter dem Titel »COMMUNIO SANCTORUM. Die Kirche als Gemeinschaft der Heiligen.«180 2009 nahm die bilaterale Arbeitsgruppe der Deutschen Bischofskon-

179 Vom Dialog zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft, Hannover/Stuttgart 1987. 180 COMMUNIO SANCTORUM. Die Kirche als Gemeinschaft der Gnade, Paderborn/Frank-

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ferenz und der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands das dritte Thema »Gott und die Würde des Menschen« auf.181 Im internationalen Bereich tritt mit der Meißener Erklärung die Evangelische Kirche in Deutschland als offizielle Partnerin der Kirche von England auf. Zwar wurde das Dokument selber 1988 von den lutherischen Bischöfen Karlheinz Stoll, damals Leitender Bischof der VELKD in der BRD, und Johannes Hempel, dem einflussreichen Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche Sachsen für den Bund Evangelischer Kirchen in der DDR unterzeichnet, aber die EKD hatte eine »Meißen Kommission« eingerichtet.182 Es wird hier die bisher ungelöste Problematik zwischen Konfession und Ökumene erkennbar. Einerseits braucht die Ökumene das konfessionelle theologische Profil, um im Dialog durch die gegenseitige Herausforderung zu wachsen, andererseits gibt es Kirchenrechtsprobleme im Umgang von kirchlichen Zusammenschlüssen mit unterschiedlicher konfessioneller Bindung und notwendigen verbindlichen Zustimmungen, die zu einer Grundlage für die Weiterführung von Entwicklungen im Sinne der Rezeption notwendig sind. Mit dem Beschreiten des Meißener Weges scheint eine Entwicklung eingeleitet, die sich »Auf dem Weg zu sichtbarer Einheit« weiter entfalten kann, damit durch eine bevollmächtigte EKD-Vertretung auch innerhalb Deutschlands eine ökumenische Kompatibilität hergestellt wird. Bemerkenswert ist, dass die für Rezeptionsprozesse in der innerdeutschen ökumenischen Entwicklung wichtige VELKD innerhalb der ACK keine eigene Stimme hat. Die seit der Gründung der ACK eingeleitete Vertretung des deutschen Landeskirchentums erfolgt durch die EKD, allerdings unter Berücksichtigung konfessioneller Gesichtspunkte. Überlegungen in der Leitung der VELKD, eine eigene Vertretung in der ACK zu etablieren, wurden nicht weiter verfolgt. Vielleicht war diese Formation der ACK noch eine Nach- oder Weiterwirkung einer früheren Genfer Empfehlung für den Deutschen Ökumenischen Studienausschuss (DÖSTA). Erich Geldbach erinnerte daran und schrieb: »In Genf legte man Wert darauf, dass die Lutheraner der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD) keine eigene Studienarbeit anfangen sollten, wie es der Lutherische Weltbund (LWB) seinen Mitgliedskirchen vorgeschlagen hatte, sondern [sie sollte] in den DÖSTA integriert werfurt/M. 2000 bietet in der Einleitung eine Übersicht über die Entwicklung von den beiden vorsitzenden Bischöfen Paul-Werner Scheel und Ulrich Wilckens, 9 – 13. 181 Neben diesen Dialogen gibt es seit Anfang 2001 regelmäßige theologische Symposien mit römisch-katholischen und freikirchlichen Theologen in Paderborn. 182 Auf dem Weg zu sichtbarer Einheit. Eine gemeinsame Feststellung zwischen der Kirchen von England, dem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR und der Evangelischen Kirche in Deutschland, Berlin/Hannover 1988. – Auch Das »Meißener Modell« bewährt sich. Bericht der gemeinsamen Kommission der EKD und der Church of England. epdDok. 5/97.

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den.«183 Es ist nicht ausgeschlossen, dass der damals gewichtige Genfer Wunsch und die unierte Führung der ACK durch Martin Niemöller hier ihre Wirkung zeigte.

4.8.4 Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen Diese 1926 gebildete älteste ökumenische Arbeitsgemeinschaft von ursprünglich vier autonomen Freikirchen war in den letzten Jahrzehnten einem erheblichen Wandel unterworfen. Als sich die Freikirchen zusammenfanden, um eine offizielle gemeinsame Vertretung in ökumenischen Fragen zu haben,184 schickte ihnen noch keine andere Kirche ein Grußwort. 75 Jahre später kam der EKDRatsvorsitzende Präses Manfred Kock zur Feier nach Berlin. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann ließ sich durch den ökumenisch engagierten Weihbischof Hans-Jochen Jaschke vertreten. In einem schriftlichen Grußwort brachte der Vorsitzende der Bischofskonferenz zum Ausdruck: »Das Verhältnis unserer katholischen Kirche zu den Freikirchen war in der Vergangenheit nicht immer ungetrübt und frei von Missverständnissen. Gottlob hat sich dies gründlich gewandelt. Vielen Ihrer Anliegen fühlen wir uns tief verbunden.«185 Drei davon wurden ausdrücklich erwähnt: die persönliche geistliche Verwurzelung im Glauben, die Herausforderung, das Evangelium als missionarische Kirche an die Menschen heranzutragen, sowie die Notwendigkeit, die ethischen Grundüberzeugungen, die aus der Bindung an Gottes Gebot erwachsen, auch öffentlich im Raum von Gesellschaft und Politik zu vertreten. Es gibt Überzeugungen, die uns trotz aller Unterschiede im Verständnis von Kirche und Kirchengemeinschaft »zutiefst verbinden«. »Diese Verbundenheit«, so schrieb Kardinal Lehmann, »empfinde ich als sehr bereichernd und beglückend.«186 Heute zählt die VEF 9 Mitglieds- und 4 Gastkirchen, darunter die Baptisten, die Mennoniten, die Methodisten, die Nazarener, die Heilsarmee, die Herrnhuter 183 Erich Geldbach, Der Deutsche Ökumenische Studienausschuss (DÖSTA). Chronik der ersten fünf Jahrzehnte, Paderborn/Frankfurt/M. 2010, 18 f. 184 Karl Heinz Voigt, Freikirchen und Ökumenische Bewegung. Die Bildung der Vereinigung Evangelischer Freikirchen zwischen Stockholm (1925) und Lausanne (1927). In: FF 9 (1999), 151 – 187. 185 Grußwort des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, aus Anlass der Feierlichkeiten zum 75jährigen Jubiläum der Vereinigung Evangelischer Freikirchen am 20. 11.2001 in Berlin. Kopie im Besitz des Verfassers. 186 Klaus Peter Voß, Was mich als Freikirchler an der Katholischen Kirche beeindruckt. In: ders., Ökumene und freikirchliches Profil, Berlin 2008, 88 – 93. Eine grundlegende Aufarbeitung der Beziehungen zwischen Römisch-katholischer Kirche und den Freikirchen in Deutschland steht noch aus.

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Brüdergemeine, einige Pfingstkirchen und die Siebenten Tags-Adventisten. In der kirchlichen Öffentlichkeit, teilweise auch in den ACKs, werden die Freikirchen als eine Einheit gesehen. Tatsächlich ist das Verbindende mehr die Erfahrung der kirchlichen Minderheit als die unterschiedliche Selbstverständnisse prägenden theologischen Positionen, obwohl es auch hier Gemeinsames gibt.187 Als der frühere Pastor der Freien evangelischen Gemeinden und freikirchliche Referent in der Ökumenischen Centrale, Klaus Peter Voß, eine neue theologische Präambel der wiedervereinigten VEF von 1991 vorstellte, erhoffte oder wünschte er sie auf dem Weg zur Kirchengemeinschaft zu sehen.188 Realistisch bewertet war das eine Utopie. Von den heute 13 VEF-Kirchen waren vier davon 1948 unter den ursprünglich sieben Gründungsmitgliedern der ACK. Später wurden weitere in die ACK aufgenommen. Dabei kann man das ökumenische Vorantasten über die VEF durchaus als eine Art Brücke in die ACK betrachten. Die schrittweise Aufnahme der ersten Freikirche mit pfingstlichen Wurzeln war ein über die VEF hinaus ausstrahlendes Ereignis. 1981 wurde die Gastmitgliedschaft des Mülheimer Christlichen Gemeinschaftsverbands begründet, zehn Jahr später erfolgte die Aufnahme in die volle Mitgliedschaft. Vorher hatte das Präsidium der VEF eine »Erklärung der VEF zu ihrem Verhältnis zum CGV [Christlichen Gemeinschaftsverband Mülheim/Ruhr] mit Blick auf die Berliner Erklärung« abgegeben. Die 1909 mit dem Aufkommen der Pfingstbewegung abgegebene »Berliner Erklärung« hatte scharfe Verwerfungen der aufbrechenden Pfingstbewegung formuliert und einen tiefen Riss insbesondere zwischen der ausdrücklich landeskirchlichen Gemeinschaftsbewegung189 und der Evangelischen Allianz einerseits und der Pfingstbewegung andererseits geschaffen. »Der seit der Berliner Erklärung aus dem Jahr 1909 bestehende garstige Graben erschwerte die Beziehungen zwischen Pfingstgruppen und der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) immer noch nachhaltig«, schrieb der Pfingsttheologe Richard Krüger 2010.190 Die VEF hat in ihrer »Erklärung deutlich gemacht, daß die VEF den

187 Ordnung der Vereinigung Evangelischer Freikirchen vom 11. April 2000. In: Freikirchenhandbuch, hg. v. der VEF – Redaktion Klaus Peter Voß, Wuppertal 2004, 141 – 146. Dort weitere Stellungnahmen und Texte. 188 Klaus Peter Voß, Ökumene und freikirchliches Profil 2008, 43 – 70. Auch in: ÖR 1/2000, 79 – 92. 189 Karl Heinz Voigt, Der Zeit voraus. Die Gemeinschaftsbewegung als Schritt in die Moderne? Erwägungen zur Vorgeschichte und Frühgeschichte des Gnadauer Gemeinschaftsverbands, Leipzig 2014. 190 Richard Krüger, Von der Berliner [1909] zur Kasseler Erklärung [1996]. Stand der Beziehungen zwischen DEA und BFP um 1980. In: FF Bd. 19 (2010), 104 – 113 (104).

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Christlichen Gemeinschaftsverband von den Verwerfungen der Berliner Erklärung als nicht mehr betroffen ansieht.«191 Das VEF-Präsidium übersandte diese »Erklärung« auch dem Hauptvorstand der DEA. Es war die Zeit gekommen, endlich die Aussagen der alten Erklärung zu revidieren. Deren zentrale Verwerfungen lauteten: »Die sogenannte Pfingstbewegung ist nicht von oben, sondern von unten, sie hat viele Erscheinungen mit dem Spiritismus gemein. Es wirken Dämonen in ihr, welche, vom Satan mit List geleitet, Lüge und Wahrheit vermengen, um die Kinder Gottes zu verführen.‹« Am 17. Januar 1989 erklärte das Präsidium der VEF einstimmig: Wir stellen »im Geiste der Versöhnung und der Liebe Christi fest, dass die in der ›Berliner Erklärung‹ ausgesprochenen Verurteilungen nach unserer Überzeugung nicht auf den Christlichen Gemeinschaftsverband Mülheim a. d. Ruhr zutreffen.«192 Mit dieser Stellungnahme war ein Prozess der Annäherung zur DEA und zum Gnadauer Verband eingeleitet. Im Januar 2009 wurde in einer »Gemeinsamen Erklärung« des Gnadauer Verbands und der Mülheimer u. a. über die »historischen Dokumente« beider Seiten erklärt: »Diese […haben…] für das gegenwärtige Miteinander von Gnadauer und Mülheimer Verband keine Bedeutung. Wir wissen, dass in der jeweils anderen Bewegung der Geist Jesu Christi wirkt.«193 Diese Art von Brückenbau konnten wohl nur Freikirchen leisten, die mit beiden Bewegungen in Beziehung stehen. Die seit den achtziger Jahren zu einer Arbeitsgemeinschaft von Minderheitskirchen heranwachsende VEF ist bemüht, ihren Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung und auch zum ökumenischen Fortschritt zu leisten. Neben einer gemeinsamen Interessenvertretung bietet sie die Plattform für Gespräche, die an kaum einer anderen Stelle geführt werden können. Man kann also sagen: Die VEF ebnet den oft sehr kleinen Freikirchen und Gemeindebünden im Anschluss an deren eigene Selbstorientierung den Weg aus der Vereinzelung und nimmt sie in eine größere Gemeinschaft von Minderheitskirchen auf. Damit wird das theologische und kirchliche Gespräch über die jeweils eigenen Grenzen hinaus ermöglicht und auch gefordert. Das Phänomen der Bildung neuer freikirchlicher Gemeinden stellt eine besondere Herausfor-

191 Walter Klaiber, Bericht über die Tätigkeit des Präsidiums der VEF (West) für die Jahre 1988 – 1991, Stuttgart o. J., 9. 192 Wortlaut der VEF-Erklärung vom 17. Januar 1989 in: Ekkehart Vetter, Jahrhundertbilanz. 100 Jahre Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden, Bremen 2009, 383 f. 193 Wortlaut »Gemeinsame Erklärung des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes und des Mülheimer Verbandes Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden zur ›Berliner Erklärung‹ von 1909. In: Ebd., 402 f.

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derung in der innerfreikirchlichen Pluralisierung da,194 aber nicht nur für sie. Die VEF hat zwölf sach- und themenorientierte Arbeitsgruppen, die regelmäßig ihre Aufgaben von der Planung der Rundfunk- und Fernsehgottesdienste bis zur Organisation eines theologischen Grundkurses für Laienprediger erledigen. Die früheren Versuche einer ständigen theologischen Arbeitsgruppe sind immer wieder an die Grenzen gestoßen, die durch recht unterschiedliche Positionierungen nicht zu unterschätzen sind.195 Einzelne VEF-Kirchen haben wohl Lehrgespräche mit anderen, nicht zur VEF zählenden Kirchen geführt, jedoch innerhalb der VEF hat es bisher keine Ansätze für derartige Gespräche zur Weiterführung der zwischenkirchlichen Gemeinschaft gegeben, die von ihr ausgegangen wären.

4.8.5 Die Konferenz Europäischer Kirchen (1959/1964) Die Einbeziehung der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) sprengt ein wenig den Rahmen der innerdeutschen Ökumene und es besteht kein Grund, diesen Zweig innerhalb der weltweiten ökumenischen Bewegung für eine deutsche Sicht besonders in Anspruch zu nehmen. Aber die Wirkungen der KEK nach Deutschland sind so nachhaltig, dass diese nicht ausgeblendet werden dürfen. Neben den regionalen ökumenischen Zusammenschlüssen in Asien, Afrika, Lateinamerika und Nordamerika hat die europäische Variante ihre Besonderheit. Sie verbindet westliche protestantische Kirchen mit östlichen Orthodoxen, sie schafft ein gegenseitiges Verständnis für frühere, bis heute vom Staat geförderte Kirchen und aus dem Nichts gewachsene freikirchliche Pflänzchen dazwischen, sie stand lange vor der Aufgabe, Kirchen in unbequemen sozialistischen Staaten und solchen im kapitalistischen Westen, auch reiche und arme Kirchen miteinander zu verbinden. Eine Geschichte der KEK kann hier nicht geschrieben werden.196

194 Reinhard Hempelmann, Evangelikale Bewegungen. EZW-TEXTE 206, Berlin 2009, 20. Auch: Heinrich-Christian Rust, Neue Freikirchen als Phänomen innerchristlicher Pluralisierung, Freikirchenhandbuch 2004, 177 – 186. 195 Karl Heinz Voigt, Freikirchen im Nationalsozialismus. In: Philipp Thull (Hg.), Christen im Dritten Reich, Darmstadt 2014, 95 – 104. Hier wird an den gesellschaftlichen Verhältnissen der Zeit des Nationalsozialismus differenziert gezeigt, in welcher Weise die unterschiedlich positionierten Freikirchen davon betroffen waren. 196 Robin Gurney, 40 Jahre KEK. Zur Feier des 40jährigen Jubiläums der Konferenz Europäischer Kirchen 1959 – 1999, Genf 1999.

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Drei Aspekte aus deutscher Sicht sollen kurz erwähnt werden: (1) Das Zusammenhalten und die Ebene der Begegnung im Umgehen der trennenden Mauer im vergangenen politischen Blockdenken. Männer und Frauen der gleichen Konfession oder Denomination konnten sich bei KEK-Tagungen treffen, Lutheraner aus München und Dresden, Reformierte aus Leer und Debrecen, und Unierte, die sonst nur ein kleines Schlupfloch in der Mauer hatten, Methodisten und Baptisten aus Bulgarien, Budapest und Prag konnten den Kontakt mit Zürich, Kopenhagen und Frankfurt am Main pflegten. Ein Symbol für den festen Willen zur kirchlich-ökumenischen Einheit über politische Systeme hinweg blieb die verfassunggebende Vollversammlung 1964, die wegen Passschwierigkeiten an Bord der MS Bornholm stattfand. Im Hintergrund stand die von der Bundesrepublik betriebene Frage der politischen Nichtanerkennung der DDR. Westliche Passkontrollen durften die Anerkennung nicht dadurch vollziehen, dass in Pässe, welche die DDR-Regierung ausgegeben hatte, ein Visum zur Einreise in einen westlichen Staat gestempelt wurde. Also fand man zunächst den Weg, über eine Art Nebenpass, den das in Berlin (West) ansässige Reisebüro der drei West-Alliierten ausstellte, um zur Einreisegenehmigung in ein »NATOLand« zu gelangen. Was kommen musste, kam: die DDR-Behörden verweigerten die Möglichkeit des Westberliner Zusatzpasses der Alliierten. Trotzdem konnte die KEK-Vollversammlung mit Delegierten aus der DDR ihre Verfassung annehmen. Die dänische MS Bornholm hielt sich in internationalen Gewässern zwischen Dänemark und Schweden auf und nahm in dieser Region DDR-Delegierte von einem aus der DDR kommenden Schiff an Bord.197 Diese Vorgänge zeigen die Brückenstellung der KEK für die Kirchen. (2) In völlig anderer Weise ist die KEK zur Trägerorganisation der Europäischen Ökumenischen Versammlungen in Basel 1989, Graz 1997 und Sibiu (Hermannstadt) 2007 geworden. Durch die KEKwurde der starke Impuls aus der Vollversammlung des ÖRK im kanadischen Vancouver von 1983 aufgenommen. Sie war das Instrument der Umsetzung von der Weltebene zu den europäischen und Länder-Versammlungen, aus denen die von Dresden und Magdeburg in ihrer gesellschaftlichen, politischen und auch ökumenischen Bedeutung herausragen. Der »konziliare Prozess« zog unaufhaltsam durchs Land. Tagungen, regionale ökumenische Versammlungen und Studienarbeiten schufen über die ACKs hinaus neue ökumenische Ebenen und leiteten einen Prozess weiteren 197 Ebd., 18. – Ein anderes Beispiel für den Ost-West-Verkehr : Drei methodistische Delegierte, die auf dem Weg zur Tagung der Generalkonferenz der methodistischen Kirche in den USA bereits im neutralen Wien angekommen waren, mussten von dort wieder nach Zwickau und Berlin-Ost umkehren, da die amerikanische Botschaft keine Visa für die Einreise in die DDR-Pässe stempeln durfte. Auch Interventionen aus Frankfurt/M. mit der dringenden Bitte, ein zusätzliches Blatt in die Pässe einzulegen, brachten keinen Erfolg.

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Kennenlernens ein, wie es besonders freikirchliche Referenten und Teilnehmer erlebten. Heute sind die Grundanliegen und Grundworte »Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« nicht mehr aus dem kirchlichen Sprachschatz wegzudenken, selbst bei Journalisten und Autoren zeigen sich in der Presse und der Öffentlichkeit Spuren. (3) Die zweite Europäische Ökumenische Versammlung fand in Graz statt. Durch einen wenig präzisen Beschluss hat sie die Tür zur Entwicklung der ›Charta Oecumenica‹ geöffnet. »Wir empfehlen den Kirchen«, beschlossen die Delegierten, »ein gemeinsames Dokument zu erarbeiten, das grundlegende ökumenische Pflichten und Rechte enthält und daraus eine Reihe von ökumenischen Richtlinien, Regeln und Kriterien ableitet, die den Kirchen, ihren Verantwortlichen und allen Gliedern helfen, zwischen Proselytismus und christlichem Zeugnis, sowie zwischen Fundamentalismus und echter Treue zum Glauben zu unterscheiden und schließlich, die Beziehungen zwischen Mehrheits- und Minderheitskirchen in ökumenischem Geist zu gestalten.«198 Es konnte zu einem nachhaltigen Wirken kommen, weil der Text gemeinsam von einer Kommission des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen in Europa (Consilium Conferentiarum Episcoporum Europae /CCEE) und der KEK erarbeitet werden konnte und auch die gemeinsame Zustimmung erfuhr.199

4.8.6 Die Deutsche Evangelische Allianz Die Evangelische Allianz ist die älteste einflussreiche Einheitsbewegung. Als nach deren einhundertjähriger Geschichte sich der ÖRK und in Deutschland die ACK organisierte, gab es Klärungsbedarf für das eigene Selbstverständnis und die Zuordnung beider Bewegungen zueinander. Frühe Probleme mit den beiden je eigenen Gebetswochen, die sich aus ganz unterschiedlichen historischen Quellen speisten, sind inzwischen in den Hintergrund getreten; ebenso die Frage der früher nahe beieinander liegenden Termine. Die Allianzgebetswoche hat den Charakter der überkonfessionellen betenden Gemeindeglieder, die Ökumenische Gebetswoche für die Einheit der Christen hat einen stärker liturgischen Charakter. Für vorurteilsfreie Christen ergänzen sich beide Wochen. Die von der Allianz über einen längeren Zeitraum formulierte Standardform zur Abgrenzung lautete: Die Ökumenische Bewegung ist die Gemeinschaft der Kirchen, die Evangelische Allianz dagegen die Gemeinschaft von Christen, auch wenn der

198 Reinhard Frieling, Charta Oecumenica. Eine Einführung in ihre Intentionen und die Hintergründe ihrer Entstehung. MdKI 52. Jg. (2001), 54. 199 Zur Charta Oecumenica, vgl. Kap 4.7.16.

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individuelle Akzent in der Praxis durch eine kirchlich-repräsentative Vertretung längst verloren gegangen ist. Die Evangelische Allianz entwickelte sich zeitweise zu einem Sammelbecken von Christen, aber auch von Gemeinschaften und innerkirchlichen Gruppen, die der Ökumenischen Bewegung kritisch, manchmal sogar ablehnend gegenüberstehen. Daraus entstand in der westdeutschen evangelischen Christenheit ein äußerst schwieriger Konflikt. Verschiedene innerlandeskirchliche konservative und kämpferisch »Bekennende Gemeinschaften«, die sich berufen sahen, in ihrer Kirche ein »Wächteramt« auszuüben, waren bemüht, die Evangelische Allianz für ihre Interessen zu instrumentalisieren. In dem von ihnen angestrebten neuen »Kirchenkampf«200 ist es ihnen zwar nicht umfassend gelungen, die ihnen in manchen theologischen Fragen und gesellschaftlichen Positionen nahe Allianz vor ihren Wagen zu spannen. Aber das Publikationsorgan, das die Allianz nach Abschaffung des traditionsreichen »Allianzblattes« mit dem nunmehrigen »Informationsdienst der Evangelischen Allianz« (IDEA) geschaffen hatte, geriet mehr und mehr zum Organ konfessionell orientierter innerlandeskirchlicher Gruppen. Rolf Hille schrieb als Pressereferent der Konferenz Bekennender Gemeinschaften: »Es ist nicht übertrieben, […] festzustellen, daß die Konferenz Bekennender Gemeinschaften ohne idea nicht wäre, was sie heute ist: eine Vereinigung, die durch rasche Kommunikation in einer weltweiten Bruderschaft steht, eine Gruppierung, über deren Wort man in Kirchen- und Missionsleitungen ständig informiert ist, und eine Dienstgemeinschaft, deren Ruf zur Wahrheit die Gemeinden immer neu vernehmen können.«201 Inzwischen bringt die Evangelische Allianz in Deutschland vierteljährlich wieder eine Zeitschrift in eigener Verantwortung in einer Auflagenhöhe von 24.000 Exemplaren heraus, die den Titel »EiNS – Gemeinsam glauben – miteinander handeln« trägt.202 Verbunden mit der Annäherung der Bekennenden Gemeinschaften stand die Evangelische Allianz vor einer inhaltlichen Akzentverschiebung. Das traditionell evangelikale Element 200 Rudolf Bäumer, Peter Beyerhaus, Fritz Grünzweig (Hg.), Weg und Zeugnis. Bekennende Gemeinschaften im gegenwärtigen Kirchenkampf (1965 – 1980), Bad Liebenzell/Bielefeld 1980. Wolf Dieter Hauschild bezeichnet die »Konferenz bekennender Gemeinschaften in den evangelischen Kirchen Deutschlands« als »eine Art Gegen-EKD«. In: TRE Bd. 10 (1982), Artikel Ev. Kirche in Deutschland, 675. 201 Rolf Hille, IDEA – Aktuelles Informationsforum auch der Bekennenden Gemeinschaften. In: Rudolf Bäumer u. a., Zeugnis. Bekennende Gemeinschaften im gegenwärtigen Kirchenkampf (1965 – 1980), 95 – 97 (97). 202 Die umfangreiche Arbeit von Gisa Bauer, Evangelikale Bewegung und evangelische Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, Geschichte eines Grundsatzkonflikts (1945 – 1989), Göttingen 2012, zeigt, wie wenig die zwischenkirchlichen Beziehungen im konservativevangelikal bestimmten Frömmigkeitsbereich bisher aufgearbeitet sind. In diesem Zusammenhang ist besonders das Kapitel »Die Deutsche Evangelische Allianz und die ökumenische Bewegung« zu beachten (221 – 258).

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der Weltevangelisation203 war in Gefahr, durch die Fragen nach rechter Lehre und der Treue zu den reformatorischen Bekenntnisschriften zurückgedrängt zu werden. So einleuchtend der Ansatz Ökumene der Kirchen und Allianz der Christen auf den ersten Blick erscheint, ist er theologisch doch irritierend. Gerade die evangelikal orientierte Frömmigkeit weiß, dass mit dem heilsgewissen Glauben immer auch eine gemeindlich-kirchliche Einbindung verbunden ist, weil der Heilige Geist in eine verpflichtende Gemeinschaft führt und er das Band ist, das alle zusammenbindet, die an Jesus Christus glauben. Die organisatorisch unverbindlich lockeren Allianzkreise können immer nur ein zusätzliches Forum für christliche Gemeinschaft über die verpflichtende Einbindung in eine Gemeinde hinaus sein. Ihre von der Bad Blankenburger Zentrale zu den örtlichen Allianzen hin ausgerichtete Arbeit, die fast ausschließlich durch Publikationen erfolgt, hat auch innerhalb der Evangelischen Allianz eine Entwicklung eingeleitet, die sich je länger um so deutlicher in der Arbeit und der Gestalt des Allianz-Vorstandes auswirkt. In den Hauptvorstand dieser Sammlungsbewegung, die sich selber heute als »Netzwerk evangelikaler Christen« bezeichnet, sind über 50 Personen berufen. Neben dem Vorsitzenden, z. Zt. Michael Diener, und dem Generalsekretär, seit vielen Jahren Hartmut Steeb, ist ein Geschäftsführender Vorstand tätig, der aus dem großen Hauptvorstand zwei Frauen und fünf Männer umfasst. Die weiteren über fünfzig Hauptvorstandsmitglieder sind zwar Einzelpersonen, repräsentieren aber doch zugleich ein sehr breites Spektrum von Institutionen: u. a. Kirchen, den Arbeitskreis für evangelikale Theologie (AfeT), natürlich das Allianzhaus in Bad Blankenburg, auch die Apostolische Kirche urchristlicher Mission, die Freie Theologische Hochschule Gießen, die baptistische Initiative ›Pro Vita – Freikirchliche Initiative für das Leben‹ und schließlich den Brockhaus-Verlag und eine Zentralafrikanische Mission.204 Wie deutlich die Allianz über die ursprünglich personale Mitgliedschaft hinausgewachsen ist, zeigt eine in drei Kategorien zusammengestellte Liste von 329 Organisationen und Institutionen, die sich nach Angaben der Allianzzentrale unter ihrer theologischen Basis sammeln. Seit einiger Zeit findet jährlich ein »Delegiertentreffen« der Evangelischen Allianz statt. Dieses bildet den unverbindlichen personalen Kontakt zu solchen Ortsallianzen, die dort durch einzelne Interessierte vertreten werden. Die Entwicklung zu einer Sammlungsbewegung ist für die Ökumene eine 203 Horst Marquardt/Ulrich Parzany (Hg.), Evangelisation aus Leidenschaft. Berichte und Impulse vom II. Lausanner Kongress für Weltevangelisation in Manila, Neukirchen 1990. 204 de.wikipedia.org/wiki/Der_Deutschen_Evangelischen_Allianz_nahestehende_Organisationen (Abruf 23. Sept. 2013).

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Bereicherung. Sie spiegelt etwas von dem Reichtum theologischer Möglichkeiten und setzt in mehrfacher Hinsicht Akzente, die in den Debatten notwendig sind, um vor jeder Form von Einseitigkeit zu schützen. Ein vorurteilsfreies Gespräch setzt allerdings einen gegenseitigen Respekt voraus, an dessen Ende ein größerer Gewinn zu erwarten ist, als in jedweder polemischen und lieblosen Auseinandersetzung, wie sie im Grunde gerade der evangelikalen Frömmigkeit in ihren Ursprüngen fern lag. Die Geschichte zeigt, dass sich innerhalb aller Kirchen, aber auch in Allianz und Ökumene innere Wandlungen vollzogen haben und immer noch vollziehen. Ein Beispiel im Bereich der Evangelischen Allianz ist das Eintreten für Religionsfreiheit. Es gehört international in großem Engagement und internationaler Breite zum ursprünglichen Programm der internationalen Evangelical Alliance.205 In Deutschland wurde über einhundert Jahre diese Menschenrechtsfrage, die für Minderheitskirchen von so großer Bedeutung ist, ausgeklammert.206 Heute steht dieser Einsatz auch auf der Tagesordnung der Deutschen Evangelischen Allianz. Sie trägt weiter seit 1999 ein »Institut für Islamfragen«. Es vertritt nicht immer die gewohnten Positionen, genauso wie innerhalb der Allianz im Blick auf das Missionsverständnis und die Frage der sog. Judenmission Positionen vertreten werden, die andere nicht teilen. Aber gegenseitige Verurteilungen bringen die jeweiligen Einsichten nicht voran und aus der Verdrängung oder dem gegenseitigen Abdrängen und Verdächtigen von Organisationen ist selten etwas Gutes erwachsen. Zu ökumenischem Denken und Handeln gehört nicht nur die traditionelle, aus der reformatorischen Erfahrung erwachsene Frage nach der reinen Lehre. Christenmenschen, die den Heiligen Geist empfangen haben, sind auch beschenkt mit einer neuen Liebe, die nicht von Feindbildern lebt. Auf dem Weg von einer personalen Allianz zu einer Sammelbewegung für weitgehend autonome Organisationen und Institutionen ist es begrüßenswert, dass sich in der Evangelischen Allianz ein Sammelpunkt und/oder durch eine gemeinsame theologische Basis eine Anlehnung zu einer größeren Gemeinsamkeit anbietet, die für jeden Christen auf lange Sicht ein unverzichtbarer Weg ist. Auch wenn der Begriff Ökumene bei manchen evangelikalen Christen vorbelastet oder gar verpönt ist, kann man nur begrüßen, dass es auch außerhalb der ACK eine ökumenische Gemeinschaft gibt, durch die Schritte aus der Isolierung und Alleinstellung möglich sind. – Während die Ökumenische Bewegung und auch die ACK ekklesiologisch von den verfassten Kirchen her organisiert sind, nutzt die Deutsche Evangelische Allianz die Struktur des Inde205 Gerhard Lindemann, Für Frömmigkeit und Freiheit. Die Geschichte der Evangelischen Allianz im Zeitalter des Liberalismus (1846 – 1879), Münster 2011. 206 Karl Heinz Voigt u. a. (Hg.), Menschenrechte für Minderheiten in Deutschland und Europa, Wetzlar 2004.

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pendentismus, welche die völlige Unabhängigkeit der autonomen örtlichen Gemeinden in jeder Hinsicht respektiert.

4.8.7 Der Verein für Freikirchenforschung Der Schritt von der konfessionellen zur ökumenischen, möglichst gemeinsamen Erforschung der Geschichte der Kirche birgt einen deutlichen Gewinn. Seit 25 Jahren ist eine intensive Arbeit im Verein für Freikirchenforschung entfaltet worden. Darin arbeiten 27 Denominationen zusammen. Die 180 Mitglieder mit zusätzlichen 21 Institutionen verteilen sich auf zwölf Länder. Die Forschungsarbeit von Spezialisten und Laienhistorikern erreicht eine ökumenische Breite, die einen gewissen Mangel in der allgemeinen Erforschung der Kirchengeschichte aufdeckt, weil sich das Bild ändert, wenn eine Tradition die andere als einen Teil der Kirche Christi würdigt. Das entstandene Gesamtdefizit kann der Verein für Freikirchenforschung natürlich nicht aufarbeiten und es wird solange andauern, bis die allgemeine Forschung an den immerhin staatlichen Universitäten den vorhandenen ökumenischen Reichtum entdeckt und die Forschung weiterführen wird. Themen wie Staat und Kirche, Religionsfreiheit, individuelle Verantwortung für den Glaubensweg, Einfluss der Aufklärung auf die Gestaltung der kirchlichen Ordnung, internationales, globales Kirchesein und zugleich Leben in der Minderheit sind höchst aktuelle Themenfelder, deren Aufarbeitung gewinnbringend für die Gesellschaft sein kann. Die ungewöhnliche Breite von Forschungsprojekten kann am Beispiel einer Tagung zum Thema »Friedenstheologie und Friedensengagement in den Freikirchen«, ein anderes aktuelles Thema, aufgezeigt werden. Es ist heute zweifellos eine ökumenische Thematik. Kaum eine andere Tagung kann einen derartig umfassenden und breiten Ansatz diskutieren wie es in der Gemeinschaft der Freikirchen möglich ist. Für die Mitarbeit über die immer im Verein engagierten Mennoniten hinaus, deren theologische Position als »Friedenskirche« Professor Fernando Enns aus Amsterdam entfaltete, konnte mit Frau Susanne Jalka, eine prominente Quäkerin aus Wien, für einen Vortrag gewonnen werden, denen die Friedensfrage eingestiftet ist. Obwohl sich die »Quäker« als »Religiöse Gesellschaft der Freunde« selber nicht als »Kirche« verstehen, werden sie traditionell als eine der drei »historischen Friedenskirchen« angesehen. Die mennonitische Friedenstheologie geht seit den Tagen der Reformation vom Ansatz der Gewaltlosigkeit aus, der zu umfassenderen Konsequenzen als die üblichen friedenstheologischen Debatten führt. Eine Konsequenz aus dem Zeugnis der Gewaltlosigkeit bestand für Mennoniten darin, sich der »Obrigkeit« nicht zu unterwerfen – was für ein Gedanke in einem vom Staatskirchen-Denken geprägten Umfeld! – und dass sie dies mit der Ablehnung eines Untertanen-Eids ausdrü-

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cken. Neben der Rechtfertigung spielte bei den Mennoniten immer eine an der Bergpredigt orientierte Nachfolgeethik eine zentrale Rolle. Innerhalb der in militärischer Struktur organisierten Heilsarmee ist der friedensethische Ansatz durch Erfahrungen in den Auseinandersetzungen des Burenkriegs (1899 – 1902) geweckt worden. Dies zeigt Auswirkungen der Internationalität dieser ungewöhnlichen »Freikirche«. Deren Gründer William Booth (1829 – 1912) wandte sich im weitesten Sinne des Friedenschaffens schon 1886 auch an die deutschen Herrscherhäuser. Sein Ziel war nicht allein »den Krieg zu verhindern«, sondern auch dem Opium-Handel ein Ende zu machen, »der so großes Elend über Millionen Chinas gebracht hat.«207 Die Internationalität der Kirche zwingt geradezu zu einer konsequenten, umfassenden Friedensethik. Die Siebenten-Tags-Adventisten kamen durch den amerikanischen Bürgerkrieg (1861 – 1865) zu der bis heute lebendigen Position des »Nichtkämpferdienstes«. Er führte nicht zum Pazifismus, aber befreite durch gesetzliche Anerkennung vom Waffentragen und führte neben der Begleitung befreiter Sklaven überwiegend zur Teilnahme am Sanitätsdienst. Damit wurde auch der Konflikt mit der angestrebten absoluten Sabbatruhe, die mit der adventistischen Frömmigkeit verbunden ist, zwar nicht gelöst, aber es wurde doch für den Einzelnen eine Entspannung in der Gewissensfrage erreicht. Bei den Methodisten habe die Friedensfrage historisch ihren Ursprung »zwischen Staatsloyalität und Verantwortungspazifismus«. Im Beziehungsgeflecht von Entwicklungen amerikanischer politischer Grundanschauungen und deren Beziehung zur britischen Krone seien frühe Ansätze für Entwicklungen in Friedensfragen entwickelt worden. Allerdings habe in der Situation europäischer Minderheiten die Entwicklung durch Anpassungen an staatskirchliche Traditionen, deren gesellschaftliches Engagement nur in geringem Maße möglich war, zu der Verengung ›Seelenrettung statt Staatsbeeinflussung‹ geführt. Damit war der Schritt von einer komplexen Sozialethik zu einer Individualethik eingeschlagen. Die Mehrzahl der sog. Freikirchen sieht sich heute selber nicht in einer pazifistischen Tradition. Die einzelnen Kirchen überlassen es ihren Kirchengliedern, ihrem Gewissen gemäß zu entscheiden, um dann entweder Soldaten zu werden oder den Kriegsdienst zu verweigern. Praktisch scheint es für eine Körperschaft, auch für eine Kirche, kaum möglich zu sein, eine Rückbesinnung auf eine konsequente pazifistische Haltung so durchzusetzen, dass eine entsprechende Verankerung in der offiziellen 207 Schreiben Hauptquartier der Heilsarmee, London, an den König von Württemberg vom 5. Juli 1886 mit fast 20 handgeschriebenen Unterschriften nach der Erstunterzeichnung vom Heilsarmee Gründer William Booth aus folgenden Ländern: Großbritannien und Irland, Frankreich, Deutschland [Stuttgart], Schweden, Italien, Vereinigte Staaten Nord Amerikas, Australien, Britisch-Indien, Schweiz, Holland und Cap der Guten Hoffnung (Reihenfolge nach dem Brief). HStA Stuttg. Best. E 151b/Bü 865.

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Lebens- oder Kirchenordnung erfolgt. Da sind die historischen Friedenskirchen in einer anderen Ausgangslage insofern jedes Kirchenglied schon mit der Aufnahme in diese Gemeinschaft um den damit angenommenen Status gewusst hat, sich also persönlich dazu entscheiden konnte. Trotzdem werden die Kirchen sich heute der Frage stellen müssen, ob nicht angesichts der Berufung aller Christen, Friedensstifter zu sein, und der Entwicklung technologisch ausgefeilter Kriegstechnik mit weitaus unmenschlicheren Methoden der Kriegsführung als noch im 20. Jahrhundert, zwei Aspekte deutlicher in Erscheinung treten müssen. Nämlich: (1) die Aufnahme der Friedensverpflichtung in die Reihe der kennzeichnenden Wesensmerkmale der Kirche Christi und (2) ein Bewusstsein dafür, dass die Friedensfrage als hochrangig einzuschätzende ökumenische Gemeinsamkeit mit allen Kirchen geteilt wird. Friedenstheologie kann nur ökumenisch betrieben werden Das breite Spektrum der unterschiedlichen Ansätze aus bestimmten historischen Situationen auch mit ganz unterschiedlichen theologischen Erwägungen zeigt, wie notwendig es ist, theologische Fragen und ethische Positionierungen nicht enggeführt in konfessionellen oder ausschließlich territorial bestimmten kirchlichen Traditionen zu führen, die geschichtlich durch eine bestimmte Obrigkeitsabhängigkeit geprägt sind. Die ökumenische Weite, wie sie sich schon in den Ökumenischen Versammlungen gezeigt hat, ist auch für die Bereicherung durch die Forschung eine Herausforderung an die in Deutschland wirkenden theologischen Kreise. Dieser Aspekt innerdeutscher Ökumene ist noch nicht wirklich entdeckt und realisiert. Da es an keiner deutschen Universität ein Institut oder eine Forschungsstelle für freikirchliche Theologie und Geschichte gibt, füllt die Arbeit dieses Vereins ansatzweise eine vorhandene ökumenische Lücke aus. Er ist eine Art ›historischer DÖSTA‹, auf überwiegend freikirchlicher Basis, in dem auch Landeskirchler, zu Vorträgen auch Universitätsprofessoren und internationale Gäste aktiv mitwirken. Manche Tagungsthemen zeigen, auf welche Breite die kirchenhistorische Forschung verzichtet, weil sie sich der Geschichte der kirchlichen Minderheiten kaum annimmt.

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Es kann hier nicht um eine Würdigung der Pastoralbesuche der Päpste gehen. Lediglich einige innerdeutsche ökumenische Aspekte sollen erwähnt sein. Im November 1980 besuchte der reisefreudige Papst Johannes Paul II. Deutschland. Es war der erste päpstliche Besuch im Land der Reformation seit 1782. Damals hatte Papst Pius VI. Augsburg besucht. Den Vorsitz in der ACK führte in einer völlig veränderten Zeit 1980 mit Bischof Paul-Werner Scheele erstmals ein Katholik. Der damalige Bischof von Würzburg war vor und nach dem Papstbesuch in Rom, um die Reise im Gespräch mit dem Papst vor- und nachzubereiten. Im Vorfeld des Besuches gab es ökumenische Unstimmigkeiten über die Rolle der ACK. Der Ökumeniker Scheele schrieb im Rückblick, er habe sich als ACK-Vorsitzender, deren »Anwalt [er nach seinem Verständnis] sein musste«, in einer »schwierigen Lage« befunden: »Mein Ziel war, diese Gemeinschaft als den Partner beim ökumenischen Treffen zu präsentieren, wobei klar war und auch den evangelischen Verantwortlichen deutlich gemacht wurde, dass die EKD in ihrer größeren Bedeutung entsprechend dabei besonders zu Wort kommen sollte. Aber das genügte der EKD nicht; man bestand darauf, es müsse zu einer eigenen Begegnung kommen. Das wurde schließlich dergestalt vereinbart, dass vor dem Treffen mit der ACK in räumlicher Nähe eine Begegnung mit ausgewählten Vertretern des Rates und der Katholischen Bischofskonferenz stattfand. Daran schloss sich die weitere Begegnung mit allen Vertretern der ACK an und daran noch einmal, in einer übrigens atmosphärisch hervorragenden Weise, das Treffen mit Vertretern der jüdischen Bevölkerung.«208

Innerhalb der ACK hat dieser »Doppelempfang« länger anhaltende Irritationen ausgelöst. »War nicht die EKD auch ACK-Mitglied?«, wurde gefragt. Die Mehrzahl der ACK-Kirchen fanden bestätigt, was sie von Anfang an empfanden: Innerhalb der EKD wird die ACK nicht so gewichtet, wie es in den anderen Kirchen der Fall war und sie es von der EKD auch gerne gesehen hätten. Dem polnischen Papst waren die Freikirchen nicht fremd. Als Erzbischof von Krakau hatte Wojtyla bevor er 1978 zum Bischof von Rom gewählt wurde, regelmäßig mit den Freikirchen ökumenische Kontakte; mit dem methodistischen Pastor Lucian Zaperty in Krakau war er durch Besuche in dessen Haus geradezu freundschaftlich verbunden. An ihm kann es nicht gelegen haben, dass es, wie Bischof Scheele später schrieb, zu »Schwierigkeiten […] im Vorfeld des Papstbesuches« kam. Der ACK-Vorsitzende hätte es auch lieber anders gesehen. Die Einschätzung der nicht-katholischen Kirchen in Deutschland wäre aus seiner 208 Paul-Werner Scheele, Weitervereinigung. Erfahrungen und Einsichten auf dem Weg zur Einheit im Glauben, Würzburg 2008, 54.

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Sicht besser nach den Vorstellungen der erst gut ein Jahrzehnt zurückliegenden Würzburger Synode erfolgt, die ausdrücklich eine Wertschätzung und Akzeptanz der Nicht-Landeskirchen postuliert hatte.209 Auf den ersten Blick mag man in der Rückschau sagen: Die bilaterale Begegnung war hilfreich, denn sie führte zur Einsetzung der ›Gemeinsamen ökumenischen Kommission‹, welche die grundlegenden theologischen Arbeiten bewältigte, die schließlich 1999 zur ›Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre‹ führten. Der zweite Blick zeigt, dass die nachträgliche Zustimmung der methodistischen Kirchen eine ökumenische Beteiligung durchaus gerechtfertigt haben könnte. Im Frühjahr 1981 sah sich der Rat der EKD im Nachgang zu den Empfängen in Mainz genötigt, die entstandenen Unstimmigkeiten zwischen ihm und der ACK auszuräumen. Es kam zu einem klärenden Gespräch mit dem ACK-Vorstand, in dem der Rat Verständnis dafür suchte, dass es zu einer gesonderten Begegnung gekommen war. Der zweite Besuch von Papst Johannes Paul II. hatte einen völlig anderen Akzent. Die Enzyklika Redemptoris Mater war verkündet, das Marianische Jahr war in Sichtweite, der Marianische Weltkongress in Kevelaer war in Vorbereitung. In diesem von katholischer Frömmigkeit geprägten Umfeld kam der Papst, um in Köln die Märtyrerin Edith Stein und in München den Jesuitenpater Rupert Mayer, der 24 Jahre lang Präses der ›Marianischen Männerkongregation‹ in München und ein mutiger Zeuge zur Zeit des Nationalsozialismus gewesen war, selig zu sprechen. Das war möglich aufgrund der von »der Kongregation für die Heiligsprechungsverfahren kraft Unserer Apostolischen Autorität«210 erfolgten Zustimmung. In Augsburg kam es am 4. Mai zu einem »ökumenischen Gottesdienst«, der an der Stätte gefeiert wurde, »die durch das Blutzeugnis der Märtyrerjungfrau Afra geheiligt ist.«211 Obwohl in den Freikirchen auch von »Gottes und Mariens Sohn« gesungen wird, ist diesen Kirchen aus der Zeit nach der Aufklärung eine solche Marienfrömmigkeit fremd, die bis zum Glaubenssatz, dass »Maria mit Leib und Seele zur himmlischen Glorie aufgenommen wurde« weiterführt und dieses schließlich »in der Autorität unseres Herrn Jesus Christus als ein von Gott geoffenbartes Dogma« angesehen wird. So ordnet denn auch der methodistische Bischof Hermann Sticher diesen Papstbesuch den »retardierenden Kräften« zu. Er sah 1988 Anzeichen dafür, »daß die Reisen von Papst Johannes Paul II. weniger die ökumenische Zusammenarbeit als die katholische Kirche stärken. Aber,« 209 Vgl. Kap. 4.2.4. 210 Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 77. Predigten und Ansprachen von Papst Johannes Paul II. anlässlich seines zweiten Besuchs in Deutschland, Bonn 1987, 25, 89. 211 Ebd., 118.

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schreibt er weiter, »und darin lag das Problem, das Freikirchen mit dem Papstbesuch in unserem Land im Mai 1987 hatten, es macht ökumenisches Vorankommen schwieriger, wenn bekannte Trennungsfaktoren wie die Mariologie durch eine Enzyklika oder durch die Ausrufung eines ›Marianischen Jahres‹ verstärkt werden. Nicht einzelne Formulierungen beschwerten, sondern diese Fakten als solche.«212 Am Augsburger »Ökumenischen Gottesdienst« in der Basilika St. Ulrich und Afra nahm außer dem Ratsvorsitzenden der EKD, Bischof Martin Kruse, und dem Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern, Johannes Hanselmann, für die ACK Hans-Beat Motel, Pfarrer der Brüdergemeine und bald danach gewählter ACK-Vorsitzender teil. Im Hintergrund wirkte auch die Enttäuschung von 1980 nach, durch welche die ACK kurzzeitig in zwei Gruppen geteilt worden war. Als Johannes Paul II. vom 21.–23. 6. 1996 zu seinem dritten Besuch, diesmal nach Paderborn und Berlin, kam, wurden aus den vormaligen Erfahrungen Konsequenzen gezogen. Der ökumenische Prozess war vorangeschritten und die Vorbereitungen wurden von erfahrenen Ökumenikern getroffen, die eine Wiederholung der Enttäuschungen der ACK-Vertreter von vorne herein ausschließen sollte. Das drückte sich nicht nur in einem gemeinsamen Empfang der Vertreter aller ACK-Kirchen aus, an dem nun aus der vormaligen DDR auch der Erfurter katholische Bischof Joachim Wanke als ACK-Vorsitzender und der methodistische ACK-Geschäftsführer Martin Lange teilnehmen konnten. Viel wichtiger als der Empfang war, dass danach im Hohen Dom zu Paderborn ein »Ökumenischer Gottesdienst« gefeiert werden konnte. Im Vorfeld waren dazu Teilnehmer aus allen Regionen des Landes und aus unterschiedlicher gesellschaftlicher oder politischer Verantwortung eingeladen, um die Predigt des Papstes zu hören. Landesbischof Horst Hirschler legte als Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche ein »Wort zur Schrift« aus und sprach über das Thema Rechtfertigung, der Griechisch-Orthodoxe Metropolit Augoustinos Lambadarkis war zu einem »Geistlichen Wort« eingeladen, der freikirchliche Pastor Uwe Kühne las Worte der Heiligen Schrift.213 Aus der Sicht der ACK war es diesmal gelungen, die innerdeutsche Ökumene auf eine andere Weise zu integrieren als dies bei den vorherigen Besuchen der Fall war. Paderborn mit dem Johann-Adam-Möhler-Institut ist eben durch die früheren Initiativen des dortigen Erzbischofs und späteren Kardinals Jaeger für den Katholizismus eine ökumenische Zentralstadt geworden.214 212 Hermann Sticher, Zwischen Stagnation und Voranschreiten. In: ÖR 37. Jg. (1988), 145. 213 Die Namen der Teilnehmer : www.dbk.de/fileadmin/redaktion/veroeffentlichungen/verlautbarungen/VAS126 A.TXT. 214 Bericht eines Teilnehmers: Karl Heinz Voigt, Zwischentöne hören und gottesdienstliche

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Als Papst Benedikt XVI. vom 22.–.25. September 2011 zu einer »Apostolischen Reise« nach Deutschland kam, war durch die bereits Jahre vorher begonnene »Lutherdekade« zum Reformationsjahr 2017 für Katholiken und Lutheraner eine von historischer Dichte gefüllte Zeit eingeleitet. Das schlug sich im Visitationsprogramm nieder. Aber auch die gesellschaftliche Situation hatte sich nicht nur durch die Wiedervereinigung des Landes verändert. Die nichtchristlichen Religionsgemeinschaften hatten sich nicht nur stärker etabliert und organisiert, sondern sie traten zunehmend mit Forderungen auf, die deutlich machten: das Land ist nicht mehr allein durch die christliche Tradition bestimmt, sondern insbesondere die wachsende Zahl der Muslime, die in praktizierter Frömmigkeit lebten, meldeten zunehmend Ansprüche in der Gesellschaft an, die allerdings nicht allein religiös, sondern damit vermischt auch politisch motiviert waren. Das alles hatte Auswirkungen im Besuchsprogramm. Am historischen Ort, dem Augustinerkloster in Erfurt, wo Luther Theologie studiert hatte, und in der Klosterkirche, wo er zum Priester geweiht worden war und seine erste Messe, die Primiz, gelesen hat, wurde ein gemeinsamer Gottesdienst gefeiert. Vorher war der Papst in Berlin mit den Muslimen zusammengetroffen. Es gab eine ganze Reihe weiterer Begegnungen: mit Vertretern der jüdischen Gemeinde, mit Vertretern der orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen, mit Vertretern des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, mit engagierten Katholiken aus Kirche und Gesellschaft und natürlich mit Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz.215 War das Programm so voll, dass die innerdeutsche Ökumene im Programm nicht vor kam? Oder hatte die ACK an Bedeutung verloren? Es ist keine Frage: theologisch hätte man keine großen Erwartungen an eine Begegnung knüpfen können, aber der innerdeutschen Ökumene hätte ein neuer Schritt der ACK in die Öffentlichkeit langfristig gut tun können. Für den Ratsvorsitzenden der EKD, Nikolaus Schneider, war die Begegnung im Erfurter Augustinerkloster eine Gelegenheit, aus der Debatte »Reformationsjubiläum« (lutherisch) oder »Reformationsgedenken« (römisch-katholisch) herauszuführen. Er bat den Papst als »Bruder in Christus«, den 31. Oktober 2017 als »ein Fest des Christusbekenntnisses zu verstehen und mit den Kirchen der Reformation zu feiern, so dass wir damit alle in ökumenischer Verbundenheit Christus bezeugen, ›damit die Welt glaube‹.«216 Wenn es alle feiern sollen, dann wird auch die ACK mit der Frage befasst sein, was das für die Zeichen sehen. Papst Johannes Paul II. in Paderborn und Berlin. In: emk-aktuell August 1996, 5 – 11. 215 Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 189. Apostolische Reise Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. nach Berlin, Erfurt und Freiburg 22.–25. September 2011. Predigten, Ansprachen und Grußworte, Bonn 2011. 216 Ebd., 70.

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Orthodoxen einerseits und die auf dem Boden der Reformation stehenden Freikirchen andererseits bedeutet.217 Übrigens ging der Papst in seiner Rede nicht auf die Bitte des Ratsvorsitzenden ein. Das konnte er auch nicht ohne sich vorher mit dem deutschen Episkopat abgestimmt zu haben. Einen anderen ökumenischen Akzent setzte Papst Benedikt XVI. in seiner Erfurter Ansprache. Er lenkte die Blicke zunächst auf die weltweiten Verschiebungen innerhalb der Christenheit und sprach dann ohne das Wort »Pfingstler« zu gebrauchen über die durch sie ausgelöste Bewegung: »Vor einer neuen Form von Christentum, die mit einer ungeheuren und von ihren Formen manchmal beängstigenden missionarischen Dynamik sich ausbreitet, stehen die klassischen Konfessionskirchen oft ratlos da. Es ist ein Christentum mit geringer institutioneller Dichte, mit wenig rationalem und mit noch weniger dogmatischem Gepäck, auch von geringer Stabilität. Dieses weltweite Phänomen – von dem ich von Bischöfen aus aller Welt immer wieder höre – stellt uns alle vor die Frage: Was hat diese neue Form von Christentum uns zu sagen, positiv und negativ? Auf jeden Fall stellt es uns vor die Frage, was das bleibend Gültige ist und was anders werden kann und muss – vor die Frage unserer gläubigen Grundentscheidung.«218

Insgesamt zeigte sich Papst Benedikt XVI. mit der ökumenischen Entwicklung zufrieden. Nachdem er auf den »Fehler des konfessionellen Zeitalters, dass wir weithin nur das Trennende gesehen und gar nicht existentiell wahrgenommen haben, was uns mit den großen Vorgaben der Heiligen Schrift und der altchristlichen Bekenntnisse gemeinsam ist«, hingewiesen hatte, sagte er »Es ist für mich der große ökumenische Fortschritt der letzten Jahrzehnte, dass uns diese Gemeinsamkeit bewusst geworden ist, dass wir sie im gemeinsamen Beten und Singen, im gemeinsamen Eintreten für das christliche Ethos der Welt gegenüber, im gemeinsamen Zeugnis für den Gott Jesu Christi in dieser Welt als unsere gemeinsame, unverlierbare Grundlage erkennen.«219

Es wird hier keine Zukunftsperspektive angesprochen. Der in den letzten Jahren zunehmend in den Mittelpunkt gerückte »geistliche Ökumenismus«, der die Fragen von Kirche und Amt zurücktreten ließ, klingt auch hier deutlich durch.

217 Volker Spangenberg (Hg.), Luther und die Reformation aus freikirchlicher Sicht, KKR 59, Göttingen 2013. Dazu: Volker Leppin, Rezension. In: ThLZ 139. Jg. (2014), 489 – 492. 218 Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 189, 73 f. 219 Ebd., 73.

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4.10 ACK – Standortbestimmungen zur Zeit von Jubiläen 4.10.1 Stimmen von Mitherausgebern der Ökumenischen Rundschau (1988) Wenige Monate bevor die ACK ihr 40jähriges Bestehen feierte, hatte die Redaktion der Ökumenischen Rundschau drei Mitherausgebern die Plattform für die Beschreibung der »Ökumenischen Situation Ende 1987« geboten. Der Katholik Theodor Schneider, der Reformierte Dietrich Ritschl und der methodistische Bischof Hermann Sticher schrieben aus unterschiedlicher konfessioneller und kirchlicher Tätigkeit ihre Eindrücke nieder. Der römisch-katholische Dogmatiker Theodor Schneider vermutete zur Lage der ökumenischen Situation eine verstärkte Rückwendung zu den Eigenheiten der jeweiligen Traditionen. »Die Bereitschaft, die ›Maßgeblichkeit‹ der eigenen Sehweise in Frage zu stellen [… und] die Bereitschaft zur Selbstkorrektur im weitesten Sinne hat in den letzten Jahren aufs Ganze gesehen wohl erheblich abgenommen!«220 Positiv würdigte Professor Schneider das Projekt »Lehrverurteilungen – kirchentrennend?« Lediglich die Rezeption erschien ihm zögerlich. Positiv bewertete er weiter den Augsburger gemeinsamen Gottesdienst mit dem Papst, dem Ratsvorsitzenden und anderen führenden ökumenischen Vertretern. Zum sog »Lima-Papier« bemerkte er : »Die Leitung der römisch-katholischen ›Weltkirche‹ hat zum erstenmal verbindlich auf einen vom Ökumenischen Rat vorgelegten ökumenischen Konvergenztext geantwortet, und sie hat das auf eine Weise getan, welche in hohem Maße Zustimmung signalisiert, wenngleich Fragen und Einwände nicht fehlen.«221 Der Heidelberger evangelische Systematiker Dietrich Ritschl sah eine »Müdigkeit an der Basis« aber auch in der weltweiten Entwicklung (Australien, Neuseeland, der Vereinigten Staaten). Er fand, die »Theologen treten auf der Stelle«. Der mit ausgewiesenen Wissenschaftlern besetzte DÖSTA habe in den letzten Jahren wegen der »verharzten Positionen der Großkirchen« und weil die Kirchen ihm noch nie eine Aufgabe gestellt haben, nur wenig konstruktiv zur ökumenischen Arbeit beitragen können. Ein freundlicheres Bild zeichnete er über die ›Kommission für Glauben und Kirchenverfassung‹. Dagegen fällte der Heidelberger Professor über die Kirchen das Urteil: Sie »werden bürokratischer«. Die ökumenischen Aufgaben seien in Kommissionen verlagert, in denen Spezialisten sich dieser Fragen annehmen, während die ungelösten, teilweise neuen ökumenischen Probleme auf die Seite gedrängt werden. Der ungeduldig wirkende Ritschl wünschte wenigstens in Ansätzen Antworten zu sehen, »die das 220 Theodor Schneider, Zur ökumenischen Situation Ende 1987. Streiflichter aus römischkatholischer Perspektive. In: ÖR 37. Jg. (1988), 139. 221 Ebd., 142.

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momentane Stillhalten rechtfertigen und dann zu einem neuen Aufbruch verhelfen. Während dieser Zeit der vielleicht notwendigen Neubesinnung und theologischen Inventur dürfen aber keine bürokratischen Verharzungen und Unfälle toleriert werden: Ein mennonitischer Prediger (mit Fakultätsexamen) bekommt keine Andachtszeit am Radio; eine neuapostolische Ärztin keine Stelle an einem evangelischen Krankenhaus; ein katholischer Religionslehrer mit evangelischer Frau keine feste Anstellung; Vorschläge für Praktika von katholischen Vikaren in evangelischen Gemeinden – und umgekehrt – werden als idealistisch abgetan – von den schweren ekklesiogenen seelischen Problemen der Partner in konfessions-verbindenden Ehen ganz zu schweigen.« Solche »Verkrustungen in unseren Kirchen« bezeichnet der schweizerische Theologe als »anachronistisch«.222 Die Analyse von Bischof Sticher findet sich in erweiterter Form auch in einer »Festansprache«, die er aus Anlass des 40jährigen Bestehens der ACK gehalten hat.

4.10.2 Vierzig Jahre ACK (1948 – 1988): Festakt in Bonn Zum Festakt hatten die Kirchen für den 14. September 1988 nach Bonn eingeladen. Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat es sich nicht nehmen lassen, daran teilzunehmen. Auch die leitenden Persönlichkeiten aus den Kirchen waren gekommen: Bischof Martin Kruse als Ratsvorsitzender der EKD, Bischof Karl Lehmann als Vorsitzender der römisch-katholischen Bischofskonferenz, der griechisch-orthodoxe Metropolit Augoustinos und für die Freikirchen Bischof Hermann Sticher, der die Ansprache hielt.223 Für den bisherigen ökumene-erfahrenen ACK-Vorsitzenden Heinz Joachim Held war mit dieser Sitzung die Übergabe der Verantwortung an Hans-Beat Motel von den Herrnhutern verbunden. Bischof Sticher sah aus der Minderheitssicht, dass die Kirche trotz der kurzen Zeit von 40 Jahren – verglichen mit 2000 Jahren Geschichte der Kirche Christi – nach dem Gegeneinander und Nebeneinander nun zu einem Miteinander fand. Er würdigte nach der Erinnerung an die Anfangsgeschichte der ACK und späteren Einflüssen wie durch das Zweite Vatikanische Konzil die Gesamtentwicklung positiv, allerdings verschwieg er problematische Entwicklungen nicht. Die Rolle, welche die Kirchen der ACK überließen, war ihm eine wichtige An222 Dietrich Ritschl, Zur ökumenischen Situation Ende 1987. Eindrücke über die ökumenische Situation. In: ÖR 37. Jg. (1988), 149 – 153 (152). 223 Hermann Sticher, Schritte auf dem Weg zu gemeinsamem Zeugnis und Dienst – 40 Jahre Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen. In: ÖR 37. Jg. (1988), 415 – 425. Daraus auch die folgenden Zitate.

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frage. Alle sollten nach seiner Meinung »das Instrument der Kirchen, das sie sich selbst geschaffen haben, […] noch viel mehr gebrauchen.« Später fragte der Bischof, ob die ›neue‹ ACK, damit meinte er die durch die Katholiken und die Orthodoxen bereicherte, »den an sie gestellten Erwartungen und auf sie gerichteten Hoffnung gerecht geworden ist?« Sein Eindruck: Sie hat viel geleistet, aber zweifellos hat sie nicht die Effektivität erlangt, die als Potential in ihr steckt.« Das ist ein Eindruck, den der inzwischen zum Bischof ernannte Heinz Joachim Held zehn Jahre später fast wörtlich wiederholte und als »eine behutsame Erinnerung« bezeichnete, die »sicher allen Kirchen in unserem Land galt.«224 Im Bereich Zeugnis und Dienst, so Stichers Meinung, könne die ACK in der Hinwendung zu den Menschen mehr beitragen. Ein zweifellos berechtigter Punkt der Kritik war die schwache öffentliche Selbstdarstellung und die kaum vernehmbare ACK-Stimme in die Öffentlichkeit hinein. Sie »war freilich sanft und leise, weil sie [– wenn sie sich überhaupt meldete –] zumeist ›nur‹ mit der Autorität der Delegierten und nicht mit der Autorisierung durch die Mitglieder, nämlich die Kirchen, reden konnte.« Noch einmal: »das Potential der ACK ist größer, als es bisher zur Entfaltung kommen konnte.« Er sah die Notwendigkeit, »daß die ACK stärker in das Bewusstsein der kirchlichen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit kommt.« Notwendige »Schritte nach vorn« sah Bischof Sticher, im Bereich des ökumenischen Lernens »allgemein und in der theologischen Ausbildung im besonderen.« Weiter seien die Beziehungen zwischen den regionalen ACKs wie die Beziehungen der ACK zu den ökumenischen Zusammenschlüssen in anderen Ländern ausbaufähig. Zur permanent diskutierten Frage nach dem Mandat der ACK betonte Bischof Sticher aus der Sicht der Minderheitskirchen: »was die ACK tatsächlich leisten soll und zu leisten vermag, hängt davon ab, inwieweit ihre Mitglieder das von ihnen geschaffene Instrument gebrauchen, welches Mandat sie der ACK gewähren, welche Verbindlichkeit ihres Handelns ermöglicht wird, welche Akzeptanz solches Handeln durch die Kirchenleitungen erfährt und wie stark ihre Arbeit rezipiert wird. Das verlangt zweifellos entsprechende rückbindende Strukturen, aber auch wachsendes Bewusstsein für die Notwendigkeit multilateraler Ökumene. Sie wird in unserem Land – das ist einsichtig – durch unterschiedliche Größen der in der ACK verbundenen Kirchen erschwert. Wird es (noch besser) gelingen anzuerkennen, daß im Reich Gottes nicht Größe und Macht die entscheidenden Maßstäbe sind […]? Wird es gelingen, ›Ökumene‹ in seiner Wortbedeutung von universal, allumfassend,

224 Heinz Joachim Held, Ein unausgeschöpftes Potential. Die Evangelische Kirche in Deutschland in ihrer Mitverantwortung für die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. In: ÖR 47. Jg. (1998), 3. Auch in: Heinz Joachim Held, Einsichten und Ausblicke. Erträge eines ökumenischen Lebensweges, Frankfurt/Main 2008, 318 – 333.

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also Glaubende aller Kirchen einschließend, wirklich zu erfassen und in Handeln umzusetzen?«225

Die »kirchliche ›Großwetterlage‹« fordert von den Kirchen mutige und getroste Schritte, besonders im gemeinsamen Zeugnis und zu gemeinsamem Dienst. Der Vortrag war nicht pessimistisch, aber er sprach vor den illustren Gästen doch wichtige Fragen der ACK-Selbstverständnisse an. Jedermann spürte, wie sehr die Frage nach der Rolle und dem Gewicht der ACK von deren Akzeptanz durch die Kirchen und die Rolle, die sie ihr einzuräumen bereit waren, abhängt. Man konnte erfassen, mit welchen anderen Hoffnungen die Zeit der Gründung von einigen erfüllt war, aber nicht von allen hiesigen Kirchen gleich. Einige wollten die Ökumene, weil sie zu ihrem Selbstverständnis gehörte, andere sollten sie, weil sie von Genf her gesollt war. Ihre Geburt in schwieriger Stunde der Not warf immer noch diesen und jenen Schatten auf ihre Handlungsfähigkeit. Später kam als ein neues Kernproblem die ökumenische Doppelstrategie vom Rat der EKD und der Bischofskonferenz hinzu, die bilateral ohne die ACK Themen der innerdeutschen Ökumene zu zweit besprachen. Auch hier scheint sich die geschichtliche Vorgeschichte auszuwirken, denn die bilaterale Gemeinschaft zwischen EKD und Bischofskonferenz lief der ACK-Mitgliedschaft der römisch-katholischen Bistümer voraus. Ein ständiges ökumenisches Problem, dass sich aus der bilateralen Beziehung regelmäßig wiederholte, war die gebremste öffentliche Stimme der ACK in öffentlichen Erklärungen. Einerseits liefen sie an der ACK vorbei, andererseits schätzte man es nicht, wenn die ACK eigenständig ihre Stimme erhob.226 Man konnte den Vortrag Stichers auch als eine Liste von Bitten und Wünschen an die anwesenden kirchenleitenden Persönlichkeit hören.

225 Hermann Sticher, Schritte auf dem Weg. In: ÖR 37. Jg. (1988), 424. 226 Ein Beispiel, das einen Aspekt dieses Problems zeigt: Drei Jahre nach dem Jubiläum trat folgende Situation ein: Die Annexion Kuwaits durch den Irak löste ab Mitte Januar 1991 unter der Führung der USA kriegerische Handlungen aus. Das gab für die Vorsitzenden von ACK und AGCK am 3. Januar 1991 den Anlass, eine Stellungnahme zu veröffentlichen. Es war unglücklich, dass die Vorstände und die Mitgliedskirchen vorher nicht konsultiert worden waren. Dadurch geschah es, dass die ACK-Stellungnahme einer geplanten gemeinsamen Erklärung von Bischofskonferenz und EKD einen Tag zuvor kam. Daraufhin intervenierte die EKD. Es wurden die Fassung von zwei Paragrafen der gerade in Beratung befindlichen Satzung in Frage gestellt, welche die öffentlichen Aufgaben der ACK betrafen. Die EKD zog jedoch ihren Antrag auf Änderung der genannten Absätze zurück und klärte deren Verständnis durch einen Brief des Ratsvorsitzenden. (Schreiben des Ratsvorsitzenden der EKD Bischof Martin Kruse an die ACK vom 28. Okt. 1991.)

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4.10.3 Fünfzig Jahre ACK (1948 – 1998): Gottesdienst und Tagung mit Gästen Als zehn Jahre später das 50jährige Jubiläum begangen wurde, begann der Vorsitzende Bischof Joachim Wanke, Erfurt, sein öffentliches Statement mit dem Satz: »Nicht für alle Christen in Deutschland ist die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) ein Begriff – und doch gehört sie zu den wichtigen ökumenischen Gremien der deutschen Kirchen.« Damit war die Spannung zwischen ihrer Akzeptanz und Bedeutung nach fünf Jahrzehnten umschrieben.227 Noch nicht alltäglich war der Beginn dieser Feier. In der Kasseler Martinskirche wurde am 10. März 1998 das Jubiläum mit einem Gottesdienst begonnen. Das war, nachdem ein Gottesdienst zur Wiedervereinigung von AGCK und ACK in Eisenach gefeiert worden war, eine erfreuliche Entwicklung. Die Jubiläumstagung fand danach in der Evangelischen Akademie Hofgeismar statt. Viele prominente Ökumeniker waren angereist, um zu gratulieren: Konrad Raiser als Generalsekretär des ÖRK, Keith Clemens, Generalsekretär der KEK, für die Kirchen Bischof Paul-Werner Scheele (Bischofskonferenz), Manfred Kock (EKD), Metropolit Augoustinos (Gr.-Orth. Metropolie), Walter Klaiber (VEF), der gastgebende Bischof Christian Zippert (Kassel), Frau Gontrude Weber vertrat das Ökumenische Informationszentrum Dresden. Nach Bischof Wankes Predigt in Kassel waren drei Vorträge in Hofgeismar zentral: Die Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth sprach über »Ökumene – unverzichtbarer Faktor der Zukunftsgesellschaft«. Über »50 Jahre unterwegs« sprachen Bischof Heinz Joachim Held228 und Kirchenpräsident i. R. Eberhard Natho aus der Sicht der beiden deutschen Staaten. Bischof Helds Urteil, die Geschichte der ACK sei »nicht spektakulär«, konnten die Ökumeniker unter den Zuhörern gut zustimmen. Er bemerkt: »Evangelische Landeskirchen und Freikirchen in Deutschland fanden sich zusammen oder wollten sich zusammenfinden.« Eigentlich hätte er sagen müssen »sollten« sich zusammenfinden, weil es die Genfer wollten und die Spenderkirchen in den USA darauf drängten.229 Er stellt noch einmal heraus, wie trefflich der Name »Arbeitsgemeinschaft…« sei und er wolle nicht daran »herumdeuteln«, wer am 227 Joachim Wanke, Einleitung zur Dokumentation fünfzig Jahre ACK. In: 1948 – 1998 Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. epd-DOK. 24/98 vom 8. Juni 1998. 228 Heinz Joachim Held, Fünfzig Jahre unterwegs. In: 1948 – 1998 Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. epd-DOK. 24/98 vom 8. Juni 1998, 5 f. 229 Noch im gleichen Jahr hat Bischof Held über die »Nötigung zur innerdeutschen Ökumene« geschrieben und ein anderes Bild gezeichnet. ÖR 47. Jg. (1998), 12 f. – Andrea Strübind, Freikirchen und Ökumene in der Nachkriegszeit. In: KGZ 6. Jg. (1993), 187 – 211. – Karl Heinz Voigt, »…wir werden wohl nicht darum herumkommen.« Vorgeschichte und Anfänge der ACK in Deutschland. In: FF Bd. 18 (2009), 111 – 146.

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Anfang gegen die übliche Formulierung vom »Nationalrat der Kirchen…« war, obwohl eine Untersuchung gar nicht notwendig gewesen wäre, denn der Rat der EKD wollte es nicht. Es war geschickt, »Ein Lob den kleinen Schritten auszusprechen«. Mancher in der ACK hätte in fünfzig Jahren etwas größere Schritte gewollt, aber die waren nicht möglich, weil sie nicht von allen gewollt waren. Daran schließt sich ein Erinnern an Personen an. Es wird ihre Wichtigkeit herausgestellt und gezeigt, wie aus den verschiedenen Traditionen das Gespräch bereichert wurde. Bischof Held verzichtete darauf, eine Zukunftsperspektive anzudeuten, obwohl er nach zwei Phasen des ACK-Vorsitzes mit zehn Jahren dazu gewiss in der Lage gewesen wäre. Ähnlich rückschauend war die Rede von Kirchenpräsident Eberhard Natho aus Dessau konzipiert. Er sprach einen vierfachen Dank aus: den Verantwortlichen für die Ökumene in Genf, die für die abgeschottete DDR besonders wichtig war, den Mitgliedskirchen und Mitarbeitern in der AGCK, dem Stadtökumenekreis Dresden, durch den die nachhaltig wirkenden Ökumenischen Versammlungen mit der AGCK auf den Weg gebracht worden waren, und schließlich dankte er für die Wende und die dadurch mögliche Zusammenführung der beiden Arbeitsgemeinschaften. Es gab zwar keine »Festschrift«, in der die gemeinsame Vergangenheit und die Zukunft reflektiert wurde, aber ein »Themenheft« der Ökumenischen Rundschau.230 Darin steuerte Heinz Joachim Held unter der Rubrik »Rückblick und Erwartung« einen Beitrag unter dem Thema »Ein unausgeschöpftes Potential« bei. Der führte deutlich über seine Rede in Hofgeismar hinaus. Er sprach darin die Praxis an, »dem kürzeren Weg der bilateralen Ökumene einen Vorzug vor den umständlicheren Verfahren der multilateralen Ökumene in Deutschland zu geben.« Er gab zu erkennen, dass Bischof Kruse die Tendenz vertreten habe, »man müsse die ACK zu einem wirklichen ökumenischen Rat der Kirchen weiterentwickeln.« Das entspricht genau Bischof Kruses Wertschätzung des Ökumenischen Rates Berlin. Auch Bischof Lehmann habe dafür votiert, »die ACK weit öfter für ein gemeinsames Handeln in Anspruch zu nehmen.« Der konziliare Prozess ist danach ein »ökumenischer Glücksfall« geworden. Es hat sich erwiesen, »daß die christlichen Kirchen und die kirchlichen Gemeinschaften in Deutschland unter dem Dach der ACK sehr wohl in der Lage sind, überzeugende Schritte zu einem gemeinsamen Glaubenszeugnis und zu einer gemeinsamen Wegweisung für das verantwortliche Handeln in der Gesellschaft zu tun.«231 Bischof Held sah darin aber »nicht mehr als einen Anfang« in einer »Sternstunde für die ACK«. Danach schaute er zurück und sprach, wie bereits erwähnt, von der »Nötigung zur innerdeutschen Ökumene« und kommentierte seine Feststellung mit dem Hinweis »Es ist nicht nur ein Gebot der geschicht230 1948 – 1998: 50 Jahre ACK. ÖR 47.Jg.(1998), Heft 1 – Daraus alle folgenden Zitierungen. 231 Ebd., 5. Hervorhebung übernommen.

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lichen Aufrichtigkeit, sondern es ist auch keine Schande, wenn wir uns nach fünfzig Jahren daran erinnern, daß der Anstoß zur Bildung der ACKvon draußen kam. Wir verdanken die innerdeutsche Ökumene der außerdeutschen Ökumene.« Eine solche Formulierung von einer »heilsamen Nötigung« haben selbst einzelne Ökumeniker nicht gut ertragen können. Noch in der gleichen Ausgabe der Ökumenischen Rundschau kommentierte der EKD-Mitarbeiter in der ÖC in seiner Chronik: »Statt von einer ›Nötigung von außen‹ sollte besser von einem ›Gefühl des Anstands‹ oder von einer ›inneren Nötigung‹ gesprochen werden, wie sie sich aus der Einsicht ausspricht: Die ökumenische Hilfe aus dem Ausland zur Überwindung der Not in Deutschland ist – vor allem in Nordamerika von Kirchen getragen, deren Schwesterkirchen in Deutschland verhältnismäßig kleine ›Freikirchen‹ sind. Wenn die Hilfe aus diesen Kirchen auch den Mitgliedern der Landeskirchen zugute kommen soll, können die Spenderkirchen mit Recht erwarten, daß ihre ökumenische Gesinnung auch im gegenseitigen Verhältnis der Kirchen in Deutschland wirksam wird. Deshalb sollte die ökumenische Zusammenarbeit innerhalb Deutschlands nicht auf das Hilfswerk beschränkt bleiben.«232

Wie soll man eine solche Passage kommentieren? Theologisch das ›Gefühl des Anstands‹? Historisch mit dem Blick auf die wirkliche Lage? Oder sonst irgendwie? Es war wichtig, dass sich nach der früheren Positionierung von Bischof Eichele mit dem ehemaligen ACK-Vorsitzenden Held nach Jahren wieder ein EKDBischof öffentlich für die ACK engagierte. Er wollte auf jeden Fall »Mehr als Gespräch und Beratung« und verwies auf die Entwicklungen, die seit dem Jubiläum von 1988 zu Aktionen geführt haben. Diese werden auf den nächsten Seiten kurz erfasst.

4.11 Die ACK mit allen gemeinsam in Aktion? Es hat Jahrzehnte gedauert, bis die Zeit für gemeinsame ökumenische Aktionen durch die ACK reif war. Die meisten regionalen ACKs waren schneller. Sie veranstalteten Stadtkirchentage und führten gemeinsame Bibelwochen durch, um nur zwei öffentlichkeitswirksame Beispiele zu nennen. Die Verantwortlichen in den regionalen ACKs hatten schon immer einen größeren Spielraum für eigene Entscheidungen als die oft durch das gesamtkirchliche Mandat eingeschränkten Delegierten der Bundes-ACK. Gemeinsame Studientagungen, die es seit 1993 in 232 Hans Vorster, Der Weg zur ACK und ihre ersten Jahre (1945 – 1956) – eine Art Chronik. In: ÖR 47. Jg. (1998), 63. Hervorhebung übernommen. Vorster bezieht sich auf das KJ 1955, 357.

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neuer Form gab, haben diese Lücke immer wieder aufgezeigt, wenn sich die Vertreter der regionalen ACKs in ihren Erwartungen im Vergleich mit den Bundes-ACK-Delegierten als der progressivere Teil zeigten. Geht man von den regionalen ACKs noch einen Schritt weiter auf die Gemeinde zu, dann kann man über das gemeinsame Zeugnis im Dienst nur Staunen: Gemeinsame Gottesdienste, in manchen Städten ständige gemeinsame Chöre, die einmal in dieser und dann in jener Kirche singen, gemeinsam ausgestattete Kleiderkammer für Menschen in Not, abwechselnde Wärmestuben in kalten Wintertagen, Kirchenasyl, von einer Gemeinde durchgezogen und von den Nachbarn unterstützt, nicht etwa nur finanziell, sondern auch durch medizinische Betreuung und Sprachunterricht für die Fremden, gelegentlich protestierende Menschenketten aus Landeskirchlern, Katholiken und Freikirchlern. Die Liste ist endlos. Je geringer das Maß der Verantwortung gegenüber der Kirchenleitung ist, je weiter wird der Spielraum bis hin zur gelegentlichen Eucharistiefeier mit offener Einladung ausgeschöpft. Die gemeinsamen ACK-Aktionen auf Bundesebene haben einen völlig anderen Charakter. Zu den nachhaltigsten Eindrücken zählen die Ökumenischen Versammlungen, die sich aus dem Aufruf von Vancouver entwickelten, also wieder einmal von der Weltökumene her zu uns zurück kamen. Es war wichtig, dass die ACK, die organisatorisch von der internationalen Ökumene weitgehend abgeschnitten ist, diesen Impuls aufnehmen konnte. Die Initialzündung für die folgenreichen Versammlungen von Dresden und Magdeburg, die auch im Blick auf die innerdeutsche Ökumene so viel Gewicht bekommen haben, ging im Februar 1986 vom Stadtökumenekreis Dresden mit Superintendent Christof Ziemer aus. Der erste Brief war unterzeichnet von drei landeskirchlichen Superintendenten, je einem römisch-katholischen Dekan, einem russisch-orthodoxen Erzpriester, einem methodistischen Pastor, einer Pastorin der Herrnhuter Brüdergemeine und einem reformierten Pfarrer. Es scheint typisch, dass unter den schwierigen Bedingungen der Kirchenleitung jener DDR-Zeit die Initiative aus einem örtlichen Ökumenekreis kommen musste. Vielleicht hat sie sogar die obersten Kirchenbehörden in eine Lage gebracht, hinter die sie nicht zurück konnten. In ihrer ganzen Geschichte hatte man der AGCK kein so bedeutendes öffentliches Projekt überlassen, wie es jetzt von der Basis aus eingeleitet wurde. In den Versammlungen trafen sich nicht nur die eingeübten »Ökumene-Profis«. Die Kirchen entsandten hochengagierte Pfarrer und profilierte, selbstbewusste Laien zu den Versammlungen, die man ihrerseits aufgrund ihrer Zusammensetzung als wirklich »ökumenisch« bezeichnen kann.233 Dem Motto entsprechend »lernte eine Hoffnung gehen«. Sie erreichte Abertausende und viele von 233 Katharina Seifert, glaube und politik. Die Ökumenische Versammlung in der DDR 1988/89, Leipzig 2000, 253 – 277.

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ihnen schrieben Briefe und nahmen auf diese Weise aktiv an dem ökumenischen Prozess teil.

Der erste Entwurf für die Sitzung der Arbeitsgruppe »Theologische Grundlegung« nach der ersten Dresdner Ökumenischen Versammlung. Vorgelegt von Propst Heino Falcke, Erfurt. (Privatarchiv des methodistischen Delegierten Dr. Ulrich Meisel, Dessau)

Im Westen wurde die ACK parallel von der EKD, den Herrnhutern und der methodistischen Kirche gebeten, gleichfalls an diesem weltweiten ökumenischen Prozess teilzunehmen. Seit 1986 befasste sich die ACK mit der Vorbereitung der beiden Foren in Königstein/Taunus (13.–16. 4. 1988) und Stuttgart (20.–22. 10. 1988). Diese Begegnungen führten in neuerer Zeit erstmals wieder zu friedensethischen Diskussionen über Konfessionsgrenzen hinweg und waren dadurch auch ein wichtiger zwischenkirchlicher Beitrag. Ohne es zu wissen, nahmen sie eine Tradition auf, die während der Weimarer Jahre durch den Deutschen Arbeitsausschuss des Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen auf den themenorientierten Jahrestagungen ökumenisch behandelt wurde.234 Die Arbeit von Königstein und Stuttgart wirkte an der Baseler Ökumenischen Versammlung von 1989 weiter. Die nächste Ökumenische Versammlung in Deutschland fand nach der wiedergewonnenen Einheit 1996 in

234 Vgl. Bd. 1, Kap. 12.1.1 /12.1.2.

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Erfurt statt. Sie konnte sich nicht einer so breiten Trägerschaft durch Kirchenglieder in den Gemeinden gewiss sein, wie es vorher der Fall war. Als sich die Foren für Königstein und Stuttgart vorbereiteten, liefen auch die Vorarbeiten für ein besonderes »Jahr mit der Bibel«. Waren die Ökumenischen Versammlungen intensives Arbeiten, Nachdenken, Diskutieren, Beten und Formulieren im Auftrag und im Einklang mit Vielen, so war das »Jahr mit der Bibel« zwar von Vielen getragen und verantwortet, aber doch weitgehend nicht miteinander, sondern gleichzeitig und parallel vollzogen. Mit anderen Worten: es war keine ökumenische Umsetzung in der breiten Öffentlichkeit, in der alle Kirchen an den gleichen Projekten gemeinsam gewirkt hätten. Zwischen dem Eröffnungsgottesdienst am 26. Januar 1992 in Stuttgart und dem Abschluss ein Jahr später mit einem Fernsehgottesdienst aus Dresden lagen viele kreative Aktivitäten, aber man kann nicht von einem gemeinsamen ökumenischen Aufbruch aller Kirchen reden. Das konnte man allerdings auch von Anfang an nicht erwarten, denn es war nicht ohne Probleme zu diesem Jahr in der gemeinsamen Trägerschaft von EKD, Bischofskonferenz, ACK und den mit der Bibelherstellung und Bibelverbreitung engagierten kirchlichen und freien Werken gekommen. Wer weiter nach einer umfassenden gemeinsamen öffentlichen Langzeitaktion durch die Gemeinschaft der Kirche hoffte, der blickte jetzt auf einen unter Bischof Joachim Wanke begonnenen und von dessen Nachfolger Bischof Walter Klaiber aktiv betriebenen »Konsultationsprozess über die gemeinsame Aufgabe der Mission und Evangelisation in Deutschland.« Als Ziel hatte er eine »missionarische Ökumene« vor Augen. In einer sechsköpfigen »Arbeitsgruppe ›Konsultationsprozess Mission und Evangelisation‹« unter der Leitung von Klaus Peter Voß, dem freikirchlichen Referenten in der ÖC, haben zwei Katholiken, zwei Landeskirchler und zwei Freikirchler ein konkretes Programm vorbereitet und das große Projekt im Auftrag der Mitgliederversammlung begleitet. Neben einer stark besuchten Tagung in der Hamburger Missionsakademie mit der Publikationen einer 270seitigen Dokumentation235 gab es auf ganz unterschiedlichen Ebenen immer neue Impulse. Synoden griffen das Thema auf, Kirchenversammlungen befassten sich mit der Mission im eigenen Land. Der lange Zeit historisch belastete Begriff »Mission« bekam wieder einen Stellenwert, wie er dem Auftrag zur Mission im Selbstverständnis der Kirche Christi zukommt. Kaum jemand hat das Themenfeld theologisch so vielschichtig ausgeleuchtet, wie der Exeget Walter Klaiber.236 So intensiv auch der Konsultati235 EMW, ACK, missio (Hg.), Aufbruch zu einer missionarischen Ökumene. Ein Verständigungsprozeß über die gemeinsame Aufgabe der Mission und Evangelisation in Deutschland., Hamburg 1999. 236 Nach seiner früheren Studie: Walter Klaiber, Ruf und Antwort. Biblische Grundlagen einer

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onsprozess verlief und so dringend auch eine aktive Missionierung im Westen genauso wie im Osten war, von einem gemeinsamen »Aufbruch zu einer missionarischen Ökumene« und von »einem unüberhörbaren Ruf als gemeinsames Zeugnis der Kirchen in eine nachchristliche Gesellschaft« hinein kann keine Rede sein. Die ACK hat bisher von den Kirchen noch keine Aufforderung bekommen, mit allen zusammen für die säkularen Menschen eine Einladung zum Glauben zu proklamieren. Sicher, es gibt logistische Probleme, auch theologische durch Unterschiede nicht zwischen den Konfessionen, sondern auch innerhalb derselben, aber vielleicht gibt es auch noch eine Scheu, sich in einer großen Buntheit und in einem christlichen Vertrauen zusammenzufinden und Schritte einzuleiten. Bei allem guten Willen und trotz des grundsätzlichen biblischen Auftrags, – in jüngster Zeit mehr motiviert durch die statistischen Entwicklungen in allen Kirchen und ihren Gemeinden –, wird man die hinter der Zurückhaltung stehenden unterschiedlichen theologischen Selbstverständnisse der Konfessionen nicht unterschätzen dürfen. 1999 hat die Synode der EKD in ihrer »Kundgebung« festgestellt: »Von dieser Synode geht das Signal aus: Die evangelische Kirche setzt das Glaubensthema und den missionarischen Auftrag an die erste Stelle…«.237 Die »Kundgebung« der Synode nahm die ökumenische Dimension der Mission als gesamtkirchlichen Auftrag auf. Darum konnte sie nach ihrem Selbstverständnis formulieren: »Weil wir von der einen Kirche Christi her denken, freuen wir uns auch über das Wachstum anderer christlicher Kirchen.«238 Das ist ganz in der Nähe der Tradition methodistischer Kirchen. Deren Gemeinden haben an vielen Orten einen Beitrag zur Verlebendigung der sie umgebenden Parochialkirchen geleistet, als sie eine nicht erfassbare Zahl landeskirchlicher »Freunde« und Gäste bei sich »überwintern« sah, während in den eigenen Gemeinden der Rationalismus und der Liberalismus eine nicht geringe Anzahl von Kanzeln besetzt hatte. Ähnlich war es mit dem Wirken der Herrnhuter Sozietäten an zahlreichen Orten. Das denominationelle Bewusstsein, selber nur ein Zweig neben vielen anderen an dem einen Baum der Kirche Christi zu sein, schafft eine Basis, auch in der Mission gemeinsam wirken zu können. Eine Kirche, welche die andern nicht als Kirchen im Vollsinn anerkennen Theologie der Evangelisation, Neukirchen 1990, nenne ich lediglich: ders., Aufbruch zu einer missionarischen Ökumene. Das gemeinsame Zeugnis der Kirchen in einer nachchristlichen Gesellschaft. In: Wolfgang Klausnitzer (Hg.), Ökumene in Deutschland – Blick voraus, Münster u. a. 2002. 237 Das Evangelium unter die Leute bringen. Zum missionarischen Dienst der Kirche in unserm Land. Mit: Kundgebung der 9. Synode der EKD zum Schwerpunktthema »Reden von Gott in der Welt – Der missionarische Auftrag der Kirche an der Schwelle zum 3. Jahrtausend.« EKD-TEXTE68/2000, 47. 238 Ebd., 44.

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kann, wird in der Praxis eine »Neuevangelisierung«, wie sie zeitweise als Aufgabe der römisch-katholischen Kirche für Europa proklamiert wurde, schwer in einem gemeinsamen Wirken vollziehen können. Um der Mission willen ist die Weiterführung des theologischen Dialogs über ein gemeinsam mögliches Verständnis von Kirche Christi nicht nur wünschenswert, sondern ein Gebot der Stunde. Das überzeugende Konzept eines missionarischen Kircheseins, wie es die Deutsche Bischofskonferenz ihren Gemeinden in der Schrift »Zeit zur Aussaat« übergeben hat, ist im ökumenischen Vorfeld wie eine Einladung zum Gespräch zu verstehen.239 Ein völlig anders geartetes ACK-Projekt in den Jahren 2004 bis 2011 wurde unter der Frage »Weißt du, wer ich bin?« entwickelt. Ziel des Projekts war eine Bildungsbemühung, die zu integriertem Denken und Handeln angesichts unterschiedlicher Kulturen und Religionen führt. Entsprechend wurde es von der ACK gemeinsam mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland, dem Zentralrat der Muslime in Deutschland und von der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion getragen. Naturgemäß stand die Unterstützung zu einem aktiven Leben in einer interreligiös geprägten Gesellschaft im Vordergrund. Die seitens der ACK gestaltete verantwortliche Beteiligung an diesem ›Trialog der Kulturen‹ durch die Übernahme der Hauptträgerschaft, öffnet den Blick auf eine wieder anders gestaltete Arbeitsstruktur.240 Neben diesen unterschiedlichen Aktivitäten fanden 2003 und 2010 in Berlin und München die beiden ersten großen Ökumenischen Kirchentage statt. Tausende Teilnehmer erlebten in Berlin die Unterzeichnung der Charta Oecumenica für Deutschland. Auch hier zeigt sich zwischen Berlin und München für den aufmerksamen Beobachter ein ökumenischer Fortschritt. War der Berliner Ökumenische Kirchentag noch von zwei Kirchen mit den ihnen zugeordneten Organisationen, dem Deutschen Evangelischen Kirchentag und dem Deutschen Katholikentag getragen und von vielen mitgestaltet, so wurde in den nachfolgenden Gesprächen die Entscheidung vorbereitet, in München auch andere ACK-Kirchen in die Trägerschaft, Vorbereitung und Durchführung einzubeziehen. Die Kirchentage, natürlich nicht in der Verantwortung der ACK, aber doch mit ihrer Beteiligung, sind wieder eine andere Form wirksamer ökumenischer Öffentlichkeit. Das gilt sowohl für das Wirken in die Kirchen hinein, denn für manche Teilnehmer bedeutete die Teilnahme die erste aktive Begegnung mit Christen anderer Konfessionen. Aber es gilt ebenso für die weitere Öffentlichkeit. Sie konnte beobachten wie das Zusammenspiel der Kirchen nicht nur möglich war, sondern sogar funktionierte. 239 Die deutschen Bischöfe, »Zeit zur Aussaat«. Missionarisch Kirche sein. Bonn 2000. 240 Elisabeth Dieckmann, Clauß Peter Sajak (Hg.), Weißt du, wer ich bin? Initiativen und Projekte für das interreligiöse und interkulturelle Lernen, Münster 2014.

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Von 2001 – 2010 hat der ÖRK die Kirchen zu einer »Ökumenischen Dekade zur Überwindung von Gewalt« aufgerufen. Ein Ziel war, Geist, Logik und Ausübung von Gewalt zu überwinden. Das war kein neues Themenfeld. Vorher hatte es schon ein »Arbeitsvorhaben zur Überwindung von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt« gegeben. Es gab offizielle Gruppen, die sich in der »Weiterführung des Konziliaren Prozesses« engagierten. Ein anderes wirksames Projekt war die weltweit ausgerufene ökumenische Dekade »Kirchen in Solidarität mit den Frauen«. Speziell für die ACK hatte die aus der vormaligen DDR übernommene jährliche »Friedensdekade« eine herausragende Bedeutung. Allein die Aufzählung dieser Projekte zeigt die Entwicklung in der Aufgabenstellung, der sich die ACK annimmt. Der gemeinsame Weg in den letzten Jahrzehnten zeigt eine Tendenz zu immer mehr gemeinsamen Projekten. Die ACK hat sich von einem Ort der Begegnung, der gegenseitigen Information und des Austausches zu einer wirklichen Arbeitsgemeinschaft entwickelt. Die Rolle, die durch die ACK der ÖC zugewiesen wird, ist in dem zunehmend handlungsorientierten Rahmen ungewöhnlich vielfältig. Manche von Genf oder von Rom international angestrebten Projekte müssen in die ACK-Mitgliedskirchen kommuniziert werden. Als Rückwirkung werden nationale Koordination mit Kirchen, sowie regionalen und örtlichen ACKs notwendig. Die Notwendigkeit inhaltlich kompetenter Begleitung ist nicht selten die Konsequenz. Gleichzeitig wirkt die ACK als Verbindungsstelle zwischen den Mitgliedskirchen, durch welche die Kommunikation gefördert werden soll. In Ausnahmefällen wird die ACK durch die ÖC direkt zum Projektträger, wie es im ›Trialog der Religionen‹ der Fall war, wo eben nicht eine Konfession, sondern die Gesamtheit der Christen als ein Partner teilzunehmen gefordert war. Die jüngste ACK-Phase, von den internationalen Anregungen aus Genf, aus Rom und gelegentlich aus den konfessionellen Weltbünden in Beratungen und Gesprächen zu einem gemeinsamem Handeln weiterzuführen, ist noch nicht abgeschlossen. Vielleicht sind die notwendigen konkreten Gestaltungselemente und Durchführungswege noch nicht zu Ende diskutiert und es herrscht noch keine volle Klarheit darüber, wo der Auftrag an die ACK und die ÖC beginnt und wie weit er ausgeführt werden kann und soll. Das kann, wie es sich in der Finanzkrise möglicherweise zeigte, auch innerhalb von Mitgliedskirchen und unter ihnen gelegentlich zu Irritationen führen. Die ganz unterschiedliche Durchführung der skizzierten Projekte zeigt, wie verschiedenartig sie sich verwirklichen ließen oder an ihre Grenzen stießen. Aber gerade diese Erfahrungen in der Entwicklung zeigt, dass die innerdeutsche Ökumene lebt und sich auf dem Weg in die Zukunft vorantastet. Das geschieht in einer Weise, in der einzelne Schritte und verbindliche Gemeinschaft gemeinsam ermöglicht sein sollen. Sicher gibt es Projekte in unterschiedlicher Wertigkeit zwischen Eucharistie-/Abendmahlsgemeinschaft und beispielsweise dem Auf-

Miteinander unterwegs

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trag, an der Mission Gottes gemeinsam teilzunehmen. Wer die öffentliche Debatte auf ein oder zwei Problempunkte beschränkt, wird der ökumenischen Wirklichkeit nicht gerecht.

4.12 Miteinander unterwegs Das letzte Kapitel gibt den Blick frei auf eine in unserem Land nie gekannte ökumenische Dynamik, die nicht allein von einer emotionalen Begeisterung getragen ist. Die Zahl der bilateralen Gespräche, Vereinbarungen, Abkommen und Beschlüsse zeigt wie auch die multilateralen Prozesse eine erstaunliche Entwicklung, die sich dem Betrachter öffnet. Das ist allerdings nur der Fall, wenn er in den wirklichen ökumenischen Raum eintritt, in dem er nicht nur zwei, vielleicht drei Konfessionen begegnet. Weil die Ökumene nicht nur weltweit, sondern auch in der Heimat alle umfasst, ist im Grunde jede Blickverengung ein Abirren vom ökumenischen Grundkonzept. Ökumene ist kein Machtspiel, sondern die Gestaltung der einen Kirche unter dem einen Herrn auf der einen Grundlage. Hier gilt es wirklich, dass »einer unser Meister ist, wir aber alle Brüder und Schwestern sind«, solche Brüder und Schwestern, die ihre Vorbilder nicht im politischen oder wirtschaftlichen Leben suchen, sondern die es lernen wollen, was es konkret bedeutet, wenn in der apostolischen Kirche jenes Wort ihres Apostels zu gestalten versucht wird, das auffordert: »Seid einander in brüderlicher, geschwisterlicher Liebe zugetan, übertrefft euch in gegenseitiger Achtung.«241 Die ökumenische Gemeinschaft bildet den Raum, in dem diese Grundhaltung weiter erlernt werden kann.

241 Der Apostel Paulus an die Gemeinde in Rom, Kap. 12, 10 nach der Einheitsübersetzung.

Kapitel 5: Zeit, der Berufung zur Einheit zu folgen

In fast allen Kapiteln wurde auf die besondere geschichtliche Situation der Kirchen in Deutschland eingegangen. Bereits im ersten Band trat das eigenwillig-nationale Verhalten der vormaligen deutschen Staatskirchen gegenüber der entstehenden ökumenischen Bewegung auffällig in den Gesichtskreis.1 In den hier folgenden Absätzen wird als Teil des Resümees versucht, die nicht ganz gradlinige Entwicklung der Ökumene in Deutschland aus ihrer längerfristigen geschichtlichen Erfahrung zu deuten und einige Anregungen für die Weiterführung des Weges zu geben, um »der Berufung zur Einheit zu folgen«. Es ist erkennbar geworden, wie der von den Kirchen im 19. und frühen 20. Jahrhundert zurückgelegte Weg für das ökumenische Zusammenleben eine nicht ganz einfache Spur zurückgelassen hat. Vielleicht hängt dies auch damit zusammen, dass sich in den Anfängen der ökumenischen Bewegung in Deutschland kaum Kirchenführer und Kirchenbehörden für diese von außen kommende Bewegung engagierten. Die treibenden Kräfte waren überwiegend unabhängige, an staatlichen Universitäten wirkende akademische Lehrer2 und Vereinsgeistliche3.

5.1

Die Abgrenzung gegenüber neuen Bewegungen hat Tradition

5.1.1 Zur Praxis innerkirchlicher Maßnahmen gegen den Pietismus Der Pietismus ist zweifellos sehr vielschichtig. Das betrifft auch sein Verhältnis zum Staat und der Staaten zu ihm. Manche Entwicklungen innerhalb des Pietismus und der Erweckungsbewegungen waren radikal. Wie schon oft verun1 Karl Heinz Voigt, Ökumene in Deutschland, Bd. 1, Göttingen 2014, 125 – 147. 2 In der Frühphase ragen besonders Adolf Deissmann (1866 – 1937) und Julius Richter (1862 – 1940) heraus. Aber für die spätere Zeit ist auch der international erfahrene Dietrich Bonhoeffer (1906 – 1945) zu nennen. 3 Friedrich Siegmund-Schultze, August Wilhelm Schreiber und der Laie Friedrich Albert Spiecker treten besonders in Erscheinung.

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sicherten radikale und konsequente Fromme staatliche Behörden. Andreas Gestrich schreibt: »In der allgemeinen Krise zwischen 1789 und 1815 war die nun einsetzende pietistische Erweckungsbewegung […] keine besonders staatstragende oder gar konservative Kraft. Kritik am Leben des Hofes und dem System des Spätabsolutismus wurde allenthalben geäußert. […] Die Kritik ging so weit, dass auch die Staatsform einer Republik selbst für lutherische Pietisten in jener Zeit kein wirkliches Feindbild darstellte.«4

Mündige Christen sind auch mündige Bürger. Den Landesvätern muss schon vor dieser Zeit manche Entwicklung innerhalb des Pietismus bedrohlich erschienen sein. Solche Bewegungen durften nicht zu einer politischen Gefahr werden. Sie könnten auch durch einen Unruhe stiftenden Separatismus unangenehm werden, wie man aus der Reformationszeit von den Täufern, von Radikalen wie Thomas Müntzer und ganzen Bewegungen wie in Münster wusste. Anders sind die in fast allen deutschen Staaten formulierten Dekrete, Edikte und Reskripte mit den zahlreichen konkreten Artikeln, welche die Wirksamkeit und Verbreitung der Pietisten einschränken sollten, nicht zu verstehen.5 Schon 1702 erließ Karl von Hessen-Kassel ein Separatistenedikt, nachdem es schon vorher »wegen separatistischer Versammlungen zu Konflikten mit kirchlichen und staatlichen Behörden gekommen war.«6 1706 wurde in Hessen-Darmstadt ein Dekret veröffentlicht, um »das Land von denen Pietisten zu säubern.« Es »richtete sich in erster Linie gegen außerkirchliche Entartungserscheinungen«.7 Damals wanderten schon zahlreiche pietistische Separatisten, die durch derartige Edikte unter obrigkeitlichem Druck standen, aus, teilweise ins Ysenburger Territorium »in welchem Ländlein GOtt […] seinen verjagten Kindern eine Zuflucht und Auffenthalt vergönnet hat.«8 Aufruhr und Revolution blieben aus. Aber auch in anderen Staaten wurden gesetzliche Bestimmungen erlassen: nach dem Pietistenedikt9 von Hessen-Kassel im Jahr 1702 folgte 1730 die Pfalz.10 In reformierten Ländern richtete man sich bei solchen Maßnahmen an Vorbil4 Andreas Gestrich, Pietistisches Weltverständnis und Handeln in der Welt. In: GdP Bd. 4, Glaubenswelt und Lebenswelten, hrgg. von Hartmut Lehmann, Göttingen 2004, 567. 5 In den verschiedenen Beiträgen von Bd. 2 der GdP (1995) sind nahezu 20 solcher gesetzlichen Maßnahmen gegen Pietisten und pietistische Konventikel erwähnt, die in ihrer Gesamtwirkung bisher wenig Aufmerksamkeit gefunden haben. 6 Hans Schneider, Der radikale Pietismus im 18. Jahrhundert. In: GdP Bd. 2, 133. 7 Friedhelm Ackva, Der Pietismus in Hessen, in der Pfalz, im Elsaß und in Baden. In: GdP Bd. 2, 203. 8 Hans Schneider, Der radikale Pietismus im 18. Jahrhundert. In: GdP Bd. 2, 131. 9 Ebd., 209. 10 Ebd., 212.

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dern aus der Schweiz aus.11 In Zürich war 1717 ein Pietistenmandat veröffentlicht.12 In Bremen war schon 1691 ein Edikt erlassen und 1740 durch eine Polizeiverordnung ergänzt. Zu einem bis heute bekannten Reskript kam es 1743 in Württemberg. Es wird sehr unterschiedlich interpretiert, aber es kann keinem Zweifel unterliegen, dass es dem Herzog von Württemberg Carl Eugen um die Kontrolle über die pietistische Bewegung und um die Einschränkung ihres Aktionsradius’ ging.13 Es kam z. B. durch die Missachtung des Reskripts, nachdem die Versammlungen getrennt nach Geschlechtern zu halten waren, »immer wieder zu obrigkeitlichen Untersuchungen«. Natürlich wurde mit dem Pietismus die Gefahr eines grenzüberschreitenden Separatismus verbunden. Zur Bewahrung der konfessionellen Einheit im Staatsgebiet und zur Abgrenzung gegen die Nachbarstaaten wurde mit gesetzlichen Maßnahmen und daraus folgenden Repressalien gegen geistliche Entwicklungen innerhalb der eigenen Kirche vorgegangen. Im 19. Jahrhundert wurden diese Reskripte teilweise reaktiviert, besonders um sie gegen die Grenzen überschreitenden Missionen der Freikirchen anzuwenden.

5.1.2 Erweckungsbewegungen und Gemeinschaftsbewegung In der Frühzeit der Erweckungsbewegung traten konfessionelle Überlegungen zurück. Die der Erneuerungsbewegung innewohnende geistliche Kraft hatte über alle konfessionellen Grenzen hinweg eine verbindende Mitte im zusammenführenden Begriff des Reiches Gottes und in endzeitlichen Erwartungen. Das war keine auf Deutschland begrenzte Erscheinung. Insgesamt wirkte sich die Erweckungsbewegung hierzulande auf die kirchliche Entwicklung positiv aus. Das erfolgte zwar gebietsweise unterschiedlich intensiv, aber doch unverkennbar. Die Befürchtung eines Separatismus scheint durch die mit der AntiPietistengesetzgebung und der damit verbundenen staatlichen Aufsicht und Kontrolle weniger stark als früher ausgeprägt gewesen zu sein, auch weil in der Frühzeit der Erweckung konfessionelle Interessen zurücktraten. Hinzu kam, dass die Aufklärung mit ihren Folgen des kirchlichen Rationalismus wie des theologischen Liberalismus nicht ohne Wirkung geblieben waren. Besonders der Rationalismus war im Bürgertum und vor allem in den Regierungen nicht ohne Einfluss geblieben, woran zahlreiche unter ihrer Verantwortung herausgegebe-

11 Johann Friedrich Gerhard Goeters, Der reformierte Pietismus in Bremen und am Niederrhein im 18. Jahrhundert. In: GdP Bd. 2 , 374. 12 Rudolf Dellsperger, Die Pietismus in der Schweiz. In: GdP Bd. 2, 588 – 616. 13 Martin Brecht, Der württembergische Pietismus. In: GdP Bd. 2, 245 ff.

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nen Kirchenordnungen, Gesangbücher und Katechismen, die weite fromme, gerade bürgerliche Volksschichten beeinflussten, erinnern. Ein neues strukturelles Element ist die Bildung einer Vielzahl von eigenverantwortlichen Vereinen. Diese »Assoziationen«, wie man anfangs die Vereine bezeichnete, ermöglichten es kirchlichen Verbänden und Gruppen, eine hohes Maß an Selbständigkeit zu erlangen und doch durch deren Führungskräfte in einer freundschaftlichen Verbindung mit den verfassten Kirchen zu stehen. Oft waren sie nicht konfessionsgebunden. Sie lebten und wirkten ohne das amtliche »Kirchenregiment« und konnten, und das ist hier der zentrale Punkt, in einer Art Einvernehmen mit den Landeskirchen ihre Arbeit betreiben. Man vermied es, sie in eine zur Separation drängenden antikirchlichen Position zu bringen. Die Missionsgesellschaften, die Bibel- und die Traktatgesellschaften, die Innere Mission und eine Vielzahl regionaler und überschaubarer Gründungen sind diesen Bewegungen zuzurechnen. Teilweise knüpften sie an die korrespondierenden Kreise der frühen, unter angelsächsischem Einfluss entstandenen Christentumsgesellschaft an und begleiteten das durch die Erweckungsbewegungen bereicherte kirchliche Leben, ohne die traditionellen Formen des territorialen Staatskirchentums und das Landesherrliche Kirchenregiment nachhaltig zu beunruhigen. Es war eine ideale Möglichkeit gefunden, freien kirchlichen Aktivitäten zwar keine Integration, aber durch personale Beziehungen doch eine An- und Einbindung in das Gesamtgefüge des landeskirchlichen Lebens zu geben. Die vielfältigen ökumenischen Wirkungen – besonders aus dem angelsächsischen Raum – wurden auf diese Weise positiv absorbiert, allerdings ohne die Landeskirchen selber in ihren Strukturen grundlegend zu verändern. Die Gemeinschaftsbewegung verdankt sich zahlreichen Einflüssen der internationalen Erweckungsbewegungen und besonders einiger herausragender Persönlichkeiten. Zeitweise standen die regionalen Gründungen durch ihre Leitungen in dem Konflikt, sich entweder für einen Weg zwischen landeskirchlicher Anbindung ohne eine Unterordnung oder einer autonomen Freikirchenbildung zu entscheiden. Trotz kritischer Bewertungen von Theologen und kirchlichen Behörden ist es den Führungskräften der Bewegung gelungen, die Bewegung in einer gewissen Form von Unabhängigkeit innerhalb des landeskirchlichen Protestantismus zu halten. Die Bildung der Gemeinschaftsbewegung hatte auch auf die ökumenische Entwicklung in Deutschland Einfluss. Ihr führender theologischer Kopf Theodor Christlieb14, der gleichzeitig ein kirchenpolitischer Stratege war, kannte die englischen Freikirchen aus seinen eigenen Londoner Jahren. Eine besondere Sympathie hatte er für die methodistische Kirche und ihr theologisches 14 Karl Heinz Voigt, Theodor Christlieb (1833 – 1889). Die Methodisten, die Gemeinschaftsbewegung und die Evangelische Allianz. Aufsätze zu Theodor Chrislieb, Göttingen 2008.

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Selbstverständnis entwickelt. Christlieb suchte nicht, wie andere Theologen, die polemische Auseinandersetzung mit den zu seiner Zeit in Deutschland kirchenbildenden Methodisten, sondern er nahm zentrale methodistische Elemente der Frömmigkeit auf, um sie in die Landeskirchen zu integrieren. Ursprünglich hoffte er, eine missionarisch ausgerichtete, ökumenische Bewegung mit »undenominationellen Charakter« bilden zu können. Das wurde durch antiökumenische und national denkende Kräfte verhindert. Dadurch kam es zur Bildung der Gemeinschaftsbewegung, die fast eine Art von innerlandeskirchlichen Methodismus darstellte, allerdings mit verkürztem theologischen Profil. Durch die Integration von zentralen Themen methodistischer Frömmigkeit ist es Christlieb gelungen, die methodistische Kirchenbildung zwar nicht »überflüssig« zu machen, wie er gehofft hatte, aber ihr doch einen Teil von ihrer damaligen Dynamik, welche die Methodisten in den Jahren zwischen 1850 und 1890 entfaltet hatten, zu nehmen. Dieses ökumenische Konzept einer Integration von theologischen und strukturellen Impulsen, die durch andere Bewegungen ausgelöst wurden, setzt eine eigene Offenheit voraus, die gerade in kirchlichen Verwaltungszentren, aber auch in örtlichen Gemeinden zu jener Zeit selten zu finden war. Man muss in der unter ausländischem Einfluss stehenden Gemeinschaftsbewegung sehen, wie es ihr in auffälliger Weise gelungen ist, Elemente der Moderne in ihre Arbeit zu integrieren, womit sie ihren eigenen Landeskirchen deutlich voraus war.15 Ob angesichts der Lage des Protestantismus diese Entwicklung sich am Ende positiv ausgewirkt hat, ist umstritten. Hartmut Lehmann stellte als Kenner der Kirche in ihren internationalen Bezügen anlässlich einer wissenschaftlichen Fachtagung zum Jubiläum des Gnadauer Gemeinschaftsverbands eine bemerkenswerte These auf: »Die Entscheidung der Führer des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, 1888 und in den folgenden Jahren und Jahrzehnten, die Verbindung zu den etablierten Kirchen aufrecht zu erhalten, hatte mittelfristig und langfristig ebenso erhebliche Auswirkungen wie deren in den Jahren nach 1888 immer deutlicher werdende Tendenz, sich weitestgehend auf deutsche Dinge zu konzentrieren und die Kontakte zu den Glaubensgeschwistern in anderen Ländern nicht weiter zu vertiefen.«16

Lehmann sieht nicht nur die nationale Entwicklung, die dem Empfinden der damaligen Zeit entsprach, kritisch, sondern er wirft auch die Frage auf: »Warum 15 Karl Heinz Voigt, Der Zeit voraus. Die Gemeinschaftsbewegung als Schritt in die Moderne? Erwägungen zur Vorgeschichte und Frühgeschichte des Gnadauer Gemeinschaftsverbands, Leipzig 2014. 16 Hartmut Lehmann, Die evangelische Gemeinschaftsbewegung im kirchenpolitischen Raum. In: Frank Lüdke/Norbert Schmidt, Evangelium und Erfahrung. 125 Jahre Gemeinschaftsbewegung, Berlin 2014, 65 – 80 (69).

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wurden die Freikirchen ausgegrenzt, anstatt mit diesen eine konstruktive Zusammenarbeit zu suchen?«17 Insgesamt haben sowohl die Staats- wie die »Kirchenregierungen« gegenüber neu in Erscheinung tretenden Frömmigkeitsbewegungen empfindlich reagiert. Sie wurden nicht selten unterdrückt, zur Auswanderung gedrängt oder in früherer Zeit sogar auszumerzen versucht. Auch der Gemeinschaftsbewegung begegnete man in den Kirchenleitungen weithin mit Skepsis. Eine überregionale feste Organisation und die missionarische Anlehnung an den Methodismus schufen eigenständige Entwicklungen, die zur Separation führen konnten.18 Die durchgehende Abwehrtendenz haben die Freikirchen im 19. Jahrhundert bitter erfahren.19 Sie kamen als autonome Kirchen, und ihre Wirksamkeit bildete eine Art von ökumenischer Vorhut. Sie waren der Anfang einer konfessionellen und denominationellen Pluralisierung, wie sie von den Traditionskirchen mit dem Blick nach Amerika immer als höchst unangenehme Entwicklung bewertet wurde. In sich stabile Kirchen und Gemeinden haben sich trotzdem in bescheidenem Rahmen durchgesetzt und bilden heute mindestens ein heimatliches ökumenisches Lernfeld. Andere, wie die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr aktiven, aus dem Anglikanismus kommenden »Irvingianer«, sind in ihrer ursprünglichen Gestalt von der Bildfläche verschwunden und fast der Vergessenheit anheim gefallen.20 Diese kurz skizzierte abgrenzende und ausgrenzende Haltung in staatlichen und kirchlichen Verwaltungszentren gegenüber dem Pietismus, der Erweckungsbewegung, teilweise der Gemeinschaftsbewegung und den missionarisch wirkenden Freikirchen, hat einen wesentlichen Grund in der staatskirchlichen Grundorientierung des gesamten Kirchenwesens. Im Vergleich mit anderen Kontinenten stellt sich dieser historische Hintergrund angesichts der heutigen gesamtkirchlichen Entwicklungen aus der Sicht der weltweiten Ökumene als ein kirchlicher Sonderweg dar.

17 Ebd., 80. 18 Karl Heinz Voigt, Der Zeit voraus. Die Gemeinschaftsbewegung als Schritt in die Moderne? Leipzig 2014, 31 – 35, 91 – 93. 19 Vorträge während des Symposions der Freikirchenforschung 2014, erscheint 2015. 20 Helmut Obst, Apostel und Propheten der Neuzeit. Gründer christlicher Religionsgemeinschaften des 19./20. Jahrhunderts. Berlin o. J., 20 – 44.

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5.2.1 Der historisch gewordene »Sonderweg« Im Rahmen der globalen Entwicklungen lehrt uns die internationale ökumenische Bewegung, die Kirchen des eigenen Landes im Kontext der Weltchristenheit anders wahrzunehmen, als dies vor dem Aufkommen der Ökumenischen Bewegung möglich war. Der Blick von außen verändert das Bewusstsein innen. Konkret heißt das: Als Teil der zahlenmäßig in den letzten beiden Jahrhunderten enorm gewachsenen Weltchristenheit wird den traditionellen europäischen Kirchen eine »Sonderrolle« mit einem »Sonderweg« beigemessen.21 Ich übernehme diesen Begriff des »Sonderwegs«, weite ihn aber auf den Weg der vornehmlich in Europa wirkenden früheren Staatskirchen aus. Sie haben durch die historischen Umstände der Reformation im Laufe der Jahrhunderte eine Lebensform gefunden, die innerhalb der heutigen Weltchristenheit die Ausnahme darstellt. Diese Tatsache ist der Ausgangspunkt dafür, dass die innerdeutsche Ökumene einen von allen außereuropäischen Ländern unterschiedenen Weg finden muss. Die aus der Reformationszeit entwickelte notwendige Verbindung der Kirche unter dem landesväterlichen Schutz mit der daraus folgenden Rolle der Kirchen innerhalb ihrer Staaten hatte verschiedene Folgen. Eine für die Entwicklung der Ökumene grundlegende Wirkung ergibt sich daraus, dass es auch im protestantischen Bereich über einen Zeitraum von vierhundert Jahren bis 1918 keine Religionsfreiheit und keine individuelle Glaubensfreiheit für alle Bürger im rechtstaatlichen Sinne gab. Mit ganz unterschiedlichen Methoden wurde verhindert, dass es zu einer kirchlichen Pluralisierung über die drei anerkannten Konfessionen hinaus kommen konnte, die wiederum schwerpunktmäßig in staatliche Strukturen eingefügt mit ihnen allein zustehenden Privilegien lebten. Das Ergebnis war eine Art gesetzlich geordnetes gebietsbezogenes Konfessionsmonopol, weil aus einem ursprünglich »befristete(n) Provisorium« für einen

21 Hartmut Lehmann, Säkularisierung. Der europäische Sonderweg in Sachen Religion. Göttingen 2004, 20072. Der Begriff »Sonderweg« umfasst in der bisherigen Diskussion unter Historikern die zunehmende Wirkung der Säkularisierung. Nirgends tritt sie so sichtbar in Erscheinung wie in den westeuropäischen Staaten, während gleichzeitig in den USA von einem ununterbrochen fortgesetzten Prozess einer Christianisierung gesprochen werden kann. Dazu: Hartmut Lehmann, Die Christianisierung Amerikas und die Dechristianisierung Europas im 19. und 20. Jahrhundert. In: Hartmut Lehmann, Säkularisierung. Der europäische Sonderweg in Sachen Religion, Göttingen 20072, (2004), 126 – 143.

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»pragmatischen Hilfs- und Notdienst« ein dauerhaftes »landesherrliches Kirchenregiment« wurde.22 Die damit verbundene Alleinstellung einer Konfession führte nicht nur zu einer kirchlichen Verarmung in Gestalt, Profil und kirchlichem Lebensvollzug, sondern auch zu einer eigenwilligen Selbsteinschätzung mit der Missbilligung jedweder anderen konfessionellen Entwicklung, es sei denn, sie wurde durch politische Entscheidungen herbeigeführt, auf welche die jeweilige von der Obrigkeit abhängige Kirche natürlich keinen Einfluss hatte.23 Zwischenkirchliche Begegnungen im Sinne des heutigen ökumenischen Lernens waren im Unterschied zu außereuropäisch-kontinentalen Ländern von vorneherein fast völlig ausgeschlossen. Das System der mit dem Staat deckungsgleichen Territorialkirche schuf aus sich selbst heraus nach außen weitgehend abgeschottete Kirchen, die durch die Interessen der Herrschenden ganz in deren Sinn zur Bewahrung der Integrität des eigenen Staatswesens instrumentalisiert wurden.24 Unterstützt wurde die Binnenorientierung der einzelnen Kleinstaaten durch das jeweilige konfessionelle, ursprünglich mehr als heute abgrenzende Bekenntnis, das für die einzelnen Konfessionen konstitutiv war. Die Bekenntnisschriften waren in früheren Jahrhunderten stärker als heute wirksam und stifteten eine exklusive Identität. Die grundlegenden Formulierungen der verpflichtenden Bekenntnisschriften wirkten in Lehre, Forschung, kirchlicher Ordnung und Verkündigung, weil die Theologen bei ihrer Ordination auf sie verpflichtet wurden. Prediger und Lehrer wirkten als Multiplikatoren auf der Kanzel und am Katheder nachhaltig. Die Katechismen hatten eine Breitenwirkung in Unterricht und Seelsorge der Gemeinden. Am weitesten waren die Gesangbücher gefasst, die zwar einer theologischen Grundausrichtung folgten, aber durch die Liederauswahl von Textdichtern verschiedener Zeiten und Konfessionen sich doch einer gewissen ›ökumenischen‹ Ausrichtung nicht versagten. Die theologischen Positionen des jeweiligen Landesherrn spiegeln sich auf jeden Fall in Katechismen und Gesangbüchern wider, weil er letztlich der ›Herausgeber‹ war.

22 Manfred Beutel, Reformation und Politik. Grundlegung, Institutionalisierung, Konfliktanalyen. In: MD Materialdienst 65. Jg. (2014), 107 – 111 (108). 23 Ein Beispiel bietet Hartmut Lehmann, Ursachen und Folgen der großen Säkularisation von 1803 in Oberschwaben. In: Hartmut Lehmann, Säkularisierung. Der europäische Sonderweg in Sachen Religion, Göttingen 20072, (2004), 70 – 85. Das bekannteste Beispiel ist die 1817 erfolgte Bildung der Evangelischen Kirche der Union in Preußen. (Gerhard Goeters/Rudolf Mau, Die Geschichte der Evangelischen Kirche der Union, Bd. 1, 1992.) 24 Es ist dringend notwendig, die mentalen Folgen einer über Jahrhunderte nach innen gelenkten Denkorientierung für das Wesen der Kirche von heute zu untersuchen.

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5.2.2 Flächendeckende Territorialkirchen – heute der ökumenische Ausnahmezustand Die territorial-kirchlichen Strukturen führten automatisch zu nahezu flächendeckenden konfessionellen und monopolen Landeskirchen. Diese waren sowohl in innerkirchlichen Angelegenheiten – man denke an die antipietistische Gesetzgebung –, wie in der Bekämpfung des »Sektenwesens« in der Lage, gemeinschaftlich mit dem Staat Macht auszuüben. Dies war immer eine Versuchung, die in der Reformation eigentlich gewonnene Freiheit zu verlieren oder zu missbrauchen. Die Praxis solcher Machtausübung war nicht nur die Verweigerung von Rechten und die Demütigung schutzloser Minderheiten in der Öffentlichkeit, die erst unter neuen politischen Verhältnissen in der Republik im Ansatz überwunden werden konnten. Das Ausspielen der Macht erfolgte im 19. Jahrhundert beispielsweise über die überall unter landeskirchlicher Aufsicht stehenden Schulen, in denen z. B. Kinder am Montag bestraft wurden, die am Tag vorher eine freikirchliche Sonntagsschule besucht hatten. Auffälliger trat die beherrschende Dominanz auf den überwiegend kircheneigenen Friedhöfen zu Tage. Durch teilweise offizielle kirchenregimentliche Anweisungen war es Minderheiten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein untersagt, eine Bestattung unter Verwendung einer freikirchlichen Agende, die übrigens bei den Methodisten zeitweilig eine Übersetzung aus dem anglikanischen Book of Common Prayer war, vorzunehmen.25 Es gibt Bereiche, in denen frühere Machtausübungen bis heute schleichend nachwirken. Die polemische Literatur des 19. Jahrhunderts hat Freikirchen gerne für die Darstellung von kirchlichen Feindbildern benutzt und – sicher in Unkenntnis – irrige Vorstellungen von deren Theologie und Praxis verbreitet. Das heutige Problem besteht darin, dass alte Vorstellungen immer noch wirksam sind, weil einerseits an den akademischen Ausbildungsinstituten des Staates und der Kirchen eine Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte bisher wenig Interesse gefunden hat.26 Andererseits reichen in den Minderheitskirchen weder

25 Karl Heinz Voigt, Streit um Begräbnisstätten und Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs. In: FF 24. Jg. (2015), 312 – 336. 26 Eine neuere Bemühung ist das von der Evangelischen Kirche im Rheinland in Angriff genommene Projekt ›Heilung der Erinnerungen. Das Verhältnis der evangelischen Frei- und Landeskirchen im 19. Jahrhundert. Ein Forschungsprojekt in der Reformationsdekade.‹ Vgl. dazu: epd-Dok. 9/2014. – Das Bensheimer Konfessionskundliche Institut leistet schon seit Jahren einen wichtigen Beitrag einerseits durch einen speziellen Referenten für die Kontakte zu den Freikirchen und andererseits durch die Öffnung der Publikationsreihe ›Kirche – Konfession – Religion‹ für Minderheitskirchen, aber auch durch die traditionellen Bensheimer Hefte, in denen seit 2011 eine neue Reihe »Die Kirchen der Gegenwart« durch Gury Schneider-Ludorff und Walter Fleischmann-Bisten herausgegeben wird.

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die personellen noch die finanziellen Ressourcen aus, um diesen ganzen Wust aufzuarbeiten. In dem Zusammenhang kann man es durchaus als eine Folge des »Sonderweges« der deutschen Landeskirchen bezeichnen, dass es bisher kaum zu einer Geschichtsschreibung gekommen ist, die über einen landeskirchlichen Ansatz hinaus zu einer ökumenischen Hermeneutik durchgestoßen wäre, die freilich über die Sicht der eigenen Konfession hinaus auch genügend Kenntnisse über Geschichte und Theologie der ökumenischen Partner verlangt.27 Mit entsprechender Literatur sind aber nur wenige der großen öffentlichen Bibliotheken an den Universitäten und in den Landeshauptstädten ausgestattet. Durch Staatsgesetze und den Summepiskopat haben die kontinental-europäischen Kirchen über Jahrhunderte in abgesicherten und geschützten Territorien mit fast exklusivem Anspruch gelebt. Im Vergleich mit den Kirchen in Nordamerika, Afrika und Asien sind sie dadurch unter einmaligen kirchenpolitischen und sozialen Bedingungen innerhalb der Weltchristenheit unbeabsichtigt und unfreiwillig auf einen kirchlichen »Sonderweg« geraten.

5.2.3 Ökumenische Folgen des kirchlichen »Sonderwegs« Folgen des »Sonderwegs« werden heute sowohl im Selbstverständnis der hiesigen Traditionskirchen wie in ihrer ökumenischen Praxis für die innerdeutschen ökumenischen Partner erfahrbar. Zwei unübersehbare Ergebnisse sind in der historischen Übersicht über die Ökumene in Deutschland besonders klar in Erscheinung getreten. Erstens: Fast alle wichtigen und einflussreichen ökumenischen Impulse kamen aus anderen Ländern. Zuerst waren es die Anfänge der Evangelischen Allianz. Danach war die Bildung eines deutschen Zweiges des Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen eine Reaktion auf Impulse aus Großbritannien und den USA. Die Organisation eines ›Council‹ der Kirchen in Deutschland in der – im Interesse der EKD – geringen Gestalt einer »Arbeitsgemeinschaft der Christlichen Kirchen« mit einer »Richtlinie« als grundlegender Verfassung war eine Forderung aus Genf. Die Neubildung der ACK erfolgte mit der vollen Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche als Folge der 27 Eine ökumenische Hermeneutik der Geschichte würde z. B. die Bewertung der Geschichte von 1918/19 mit dem Beginn der Weimarer Republik und der Kirchenartikel in der neuen Verfassung anders erfassen. Dass die unter demokratischen Prinzipien strukturierten Freikirchen einen anderen Zugang zur Republik hatten als die damals irritierten Staatskirchen, erfordert eine differenziertere Darstellung der Gesamtkirchengeschichte als sie allgemein üblich ist. Eine ökumenische Betrachtung der Geschichte der Kirche kann das Nebeneinander konfessioneller Sichten überwinden und bisher unbeachtete Perspektiven in der ökumenischen Entwicklung eröffnen.

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vatikanisch-konziliaren Revolution. Die höchst bedeutungsvolle Leuenberger Konkordie ist der Unnachgiebigkeit der Genfer Ökumeniker zusammen mit Faith and Order zu verdanken. Die spätere Charta Oecumenica empfing ihren ersten Impuls von der europäischen Ebene durch eine Versammlung der Konferenz Europäischer Kirchen in Graz. Daran war zwar Reinhard Frieling aktiv beteiligt, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass es notwendig war, den Gedanken über die europäische Beschlussebene einzuspeisen. Wo wäre eigentlich in Deutschland der Ort dafür gewesen? Es war ein Geschenk, dass es nach der Grazer Versammlung der Konferenz Europäischer Kirchen möglich geworden ist, die Charta Oecumenica zusammen mit dem Rat der Europäischen Bischofskonferenzen der römisch-katholischen Kirche zu formulieren. Vielleicht war es auch ein glücklicher Umstand, dass die Impulse von Carl Friedrich von Weizsäcker und von Heino Falcke, die zum Konziliaren Prozess führten, im Rahmen einer Vollversammlung des ÖRK thematisiert wurden. Ob sie ohne diese repräsentative Ebene in Deutschland die gleiche Wirkung erzielt haben würden, wie es später geschah, wird die Geschichte einmal zeigen. Die ökumenischkreative Rolle in den verschiedenartigen Dialogen, Vereinbarungen und Entwicklungen innerhalb Deutschlands spielten, sieht man von der Bedeutung der »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre« ab, eher die kleinen Partner.28 Die zweite unübersehbare Folge des historischen Erbes ist ein kirchen-soziologisches Denkmodell innerhalb unserer Gesellschaft. Sie lebt mit der Vorstellung einer »Zweikirchlichkeit«: entweder man ist römisch-katholisch oder man ist evangelisch-landeskirchlich, was kurzerhand mit evangelisch bezeichnet wird. Der Versuch seitens der EKD, die römisch-katholische Kirche außerhalb der ACK zu halten, wäre darauf hinaus gelaufen, diese gesellschaftliche Sicht auf eine bikonfessionelle Situation dauerhaft festzuschreiben. Das wäre nicht nur gegen den gesellschaftlichen Trend einer religiösen Pluralisierung gewesen. Es hätte auch ein Grundanliegen des Zweiten Vatikanischen Konzils, wie es die Würzburger Synode in dessen Folge eindrucksvoll für unsere deutsche Situation beschrieben hat, unterlaufen und sich geradezu als ökumene-fern erwiesen. In vergangenen Jahrhunderten, mindestens seit den frühen Bemühungen um eine Rekatholisierung, ist gewiss die landeskirchliche Tendenz mental für lange Zeit verfestigt worden, sich gegenüber anderen Konfessionen und Denominationen apologetisch zu positionieren. Die dadurch unterstützte Konfessionalisierung in Selbstbehauptung und Abwehr hat zweifellos auf den ursprünglich staatskirchlichen Protestantismus langfristig prägend gewirkt. Die Verteidigungshaltung hat eine Entwicklung zu konfessionellen Verengungen begünstigt. 28 Vgl. die Übersicht in 4.7.1 – 4.7.21.

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Zum Glück kann man heute in mancher Beziehung von einer völlig neuen Entwicklung sprechen. Sie deckt in der Praxis die Erfahrungen der Vergangenheit nicht mehr zu, ohne dass sie aufgearbeitet worden sind. Das fördert die ›Heilung der Erinnerungen‹. Die traditionelle Sicht von zwei mächtigen und einflussreichen Kirchen prägt immer noch unser Land. Die sog. »Religionsgemeinschaften« neben »christlichen Kirchen« werden von weiten Kreisen der Bevölkerung, insbesondere der »kirchenfernen Christen«, immer noch mit solchen Vorbehalten betrachtet, die vor langer Zeit ausgestreut wurden. Diese zweipolige Sicht der hiesigen Christenheit hat zu einem Bild geführt, das die Ökumene in Deutschland selbst durch führende Theologen als eine bilaterale Institution wahrnimmt.29 Dieses Bild wird permanent untermauert, wenn es zu öffentlichen bilateralen Erklärungen kommt, an denen mitzuwirken die anderen ACK-Kirchen nur in Ausnahmefällen eine Chance haben. Das geschieht aber auch durch Publikationen wie das weitverbreitete, in sechs Auflagen erschienene »Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen«, in dessen Titel sich manche »Kirchen« nicht wiederfinden. Es ist ein Ziel dieser Studie, den Reichtum, die Vielfalt und die Komplexität der Ökumene in Deutschland in der ganzen Breite par cum pari zu erfassen und dadurch ihr Bild pluralisierend zu bereichern. Ökumenische Gesinnung birgt im Grunde für jene, die einmal mit politischen Mitteln die Minderheitskirchen in Deutschland unterdrückt und diskriminiert haben, nach der grundlegenden ökumenischen Erneuerung heute die Verpflichtung, sich nunmehr für deren endgültige gesellschaftliche und natürlich uneingeschränkte kirchliche Akzeptanz einzusetzen. Es werden seit Jahren unter einer ganzen Anzahl von Verantwortlichen Schritte in respektvoller ökumenischer Liebe getan. Aber es gibt auch Strukturen und Rechte, die diesem persönlichen Engagement entgegenstehen. Insbesondere der landeskirchliche Protestantismus hat durch den historisch bedingten »Sonderweg« eine Tiefenwirkung erzielt, die sich ökumenisch auf ganz unterschiedliche Weise auswirkt: durch die in der Geschichte gewachsenen Kirchenrechtsstrukturen mit einem festgefügten Bild über die Gestalt der Kirche, in der gesellschaftlichen Stellung, in der Art der Finanzierung und besonders auffällig in den mit Mitgliederzahlen vergleichenden Selbstdarstellungen. Abschließend ist über den hier skizzierten »Sonderweg« zu sagen, dass sich eine enorme Umkehrung innerhalb der weltweiten Christenheit vollzieht, teilweise bereits vollzogen hat. Sie ergibt sich nicht nur durch Verschiebungen von 29 Wie oft ist z. B. der Ruf nach Eucharistiegemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche gefordert worden. Eine solche Bitte z. B. an eine in reformatorischer Tradition stehende baptistische Gemeinde habe ich noch nie gehört.

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statistisch erfassten Zahlen der Christenheit in Afrika und Asien, sondern auch aus der spirituellen Kraft der dort gewachsenen Kirchen. Jahrhunderte hat die Christenheit von Europa und den USA her gedacht. Durch »Missionsgesellschaften«, die bei uns in ihrer Blütezeit am Rande der Kirchen wirkungsvoll gearbeitet haben, entstanden in den heute selbständigen afrikanischen und asiatischen Staaten innerhalb sogenannter »Missionsgebiete« kirchliche Neubildungen. Sie wurden durch Pioniermissionare aus den vormaligen Zentren des Christentums in England, Amerika und Kontinentaleuropa gebildet. Die Mehrzahl der Missionare und Missionarinnen kam aus kirchlichen Erweckungsbewegungen. Dort stand Jahrzehnte nicht die Frage der »richtigen« Konfession im Mittelpunkt, sondern das Interesse, durch das Evangelium Menschen angesichts der damals hoch im Kurs stehenden endzeitlichen Erwartung für den Glauben an Jesus Christus zu gewinnen. Im 19. und auch im 20. Jahrhundert waren die entfernten Regionen Afrikas und Asiens auf einem »Sonderweg«. Die geistliche Kraft dieser Kirchen, ihre wachsende Bedeutung und ihr zunehmender Einfluss in der Ökumene und in anderen weltweiten christlichen Organisationen, aber auch in der vermehrte Bildung afrikanischer und asiatischer Kirchengemeinden unter uns und in der ersten Wahl eines Papstes aus Lateinamerika zeigen, dass die Kirchen im alten Europa und in Nordamerika in eine neue Lage gekommen sind.30 Das Bild vom »Sonderweg« ist noch ein ungewohntes Denkmodell, aber die »abendländische Kirche« kann aus dieser Entwicklung Hoffnung schöpfen und sich über den globalen Weg der Kirche und ihre Entwicklungen freuen. Die weltweiten Erfahrungen durch die neugebildeten Kirchen stellt das territorialkirchliche Prinzip in einer immer mobiler werdenden Welt schon im Ansatz in Frage. Wo Kirche Christi missionarisch wird, da sprengt sie alte Lebens- und Arbeitsstrukturen auf. Das hat, sicher diese weite Dimension nicht ahnend, der England-Missionar John Wesley bereits am Anfang des durch ihn eingeleiteten geistlichen Aufbruchs geschrieben. Als er in die traditionellen parochialen Grenzen seiner Kirche verwiesen werden sollte, schrieb er einem irritierten Pfarrkollegen: »Ich betrachte die ganze Welt als mein Kirchspiel.«31 Er wollte damit auch sagen: Grenzen und Abgrenzungen behindern die Mission. Aber gerade sie ist der zentrale Auftrag der Kirche Christi. Zusammenfassend kann man die europäische – zugespitzt die deutsche – »Sonderrolle« als die weltweit fast einmalige historische Entwicklung insbesondere protestantischen Landeskirchentums sehen. Sie sind ohne vorherige 30 Hartmut Lehmann skizziert »Das neue Gesicht des Weltchristentums am Ende der 20. Jahrhunderts« in seinem Buch Das Christentum im 20. Jahrhundert: Fragen, Probleme, Perspektiven, KiE IV/9, Leipzig 2012, 53 – 80. 31 John Wesley am 20. März 1739 an James Hervey : »I look upon all the world as my parish« In: The Letters of the Rev. John Wesley, A.M., edited by John Telford, Vol. 1, London 1931, 286.

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Missionierung entstanden und haben sich über Jahrhunderte als flächendeckende Konfessionskirche bewährt. Durch das enge Beziehungsgeflecht von Staat und Konfession wurden sie in einer fast kirchlich-monopolen Rechtslage konfessionell auf eine Weise geprägt, die ihnen im Vergleich mit anderen Denominationen eine Fülle Privilegien vermittelte. Das alles gibt es unter den neuen Bedingungen der weltweiten Mission im 21. Jahrhundert nicht mehr. Aber diese Geschichte prägt die innerdeutsche Ökumene permanent unbewusst und unbemerkt mit.

5.2.4 Kennzeichnungen des »europäischen Sonderwegs« In seinen Bemühungen um die Erklärung von Säkularisation, Dechristianisierung und Rechristianisierung hat Hartmut Lehmann den im historischen Bereich zunehmend gebrauchten Begriff des europäischen »Sonderweges« auch auf die Religionen angewendet.32 Seine Darstellung des Sonderwegs ergibt sich aus internationalen, man kann auch sagen ökumenischen Vergleichen. Es kann in Verbindung mit der Frage nach der Ökumene in Deutschland hilfreich und erhellend sein, wenn man die These vom Sonderweg national einengt und auf unsere Geschichte bezieht. Als Kenner der amerikanischen Kirchen und deren Geschichten liegt es für Hartmut Lehmann nahe, diesen ökumenischen Vergleich zwischen angelsächsischen und kontinentalen Kirchen Europas zu entwickeln.33 In der Skizzierung des europäischen Sonderwegs zeigt Lehmann ganz im Sinne ökumenischer Reflexion verschiedene amerikanische Erklärungsmodelle, um ein Bild von den unterschiedlichen Rollen der Religion in den USA und in Europa zu vermitteln. Es sei in den USA durch die offizielle Trennung von Kirche und Staat »ein freier religiöser Markt entstanden, auf dem auf der Grundlage eines immer weiter sich ausdifferenzierenden religiösen Pluralismus Religion ebenso wie andere Waren angeboten worden sei.«34 Konkurrenz, fast professionelle Werbung für Religions- und Kirchenzugehörigkeit, persönliches Engagement im Zusammenhang eines unterschiedlichen Profils einzelner Religionsgemeinschaften und Gemeinden habe zu beeindruckenden Ergebnissen geführt. 32 Hartmut Lehmann, Säkularisierung. Der europäische Sonderweg in Sachen Religion. Göttingen 2004, 20072. 33 Hartmut Lehmann, Das Christentum im 20. Jahrhundert: Fragen, Probleme, Perspektiven. KiE IV/9, Leipzig 2012. 34 Hartmut Lehmann, Säkularisierung. Der europäische Sonderweg, 16. – Friedrich Wilhelm Graf, Der Protestantismus. Geschichte und Gegenwart, München 2006 bedient sich einer ähnlich ökonomischen Sprache, z. B. 111.

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Schon früher hat es andere Erklärungsmodelle gegeben. Ein zentrales Thema war die Freiwilligkeit. Religionssoziologisch und psychologisch sind mit dem freiwilligen Kircheneintritt und der persönlichen Wahl einer denominationellen Gemeindezugehörigkeit Aspekte verbunden, die mit persönlichen Entscheidungen, eigenen Erfahrungen und dem Engagement in der Mitarbeit an den zentralen Aufgaben der Kirche wie auch an ihrer Finanzierung eng zusammen zu sehen sind. Den Gegensatz zu dieser Charakterisierung übermittelt Hartmut Lehmann angesichts der Frage der Säkularisierung im Anschluss an ein amerikanisches Erklärungsmodell hinsichtlich der Staatskirchen Europas. Er referiert eine frühe These des lange Zeit in Europa wirkenden amerikanischen Theologen Robert Baird35 an einem ekklesiologischen Thema: »Wenn man sich nicht dazu entschließe, aus diesen Kirchen in einem bewussten, gar öffentlichen Akt der Distanzierung auszutreten, dann gehöre man sein Leben lang dazu, unabhängig davon, ob man aktiv oder passiv sei, ob man von den Lehren dieser Kirchen ganz oder nur teilweise oder überhaupt nicht mehr überzeugt sei. Im Gegensatz dazu trete man in Amerika in einem bewussten Akt der Entscheidung in eine Kirche ein: Diese Entscheidung sei zum einen in der lokalen Gesellschaft eine durchaus öffentliche Angelegenheit, zum anderen in der Regel aber ohne eine vorhergehende weitere Entscheidung nicht denkbar, nämlich der Entscheidung für ein Leben im Glauben und nach den Regeln der Gemeinschaft.«36

Dieses alles führe dazu, dass in Amerika das persönliche »Interesse am Schicksal dieser Glaubensgemeinschaft deutlich größer sei als das eines Europäers, der in seine Kirche hineingeboren werde und dieser Kirche häufig nur noch nominell angehöre.«37 Lehmann selber fügte an anderer Stelle noch einen weiteren bedenkenswerten Gesichtspunkt hinzu. Er schrieb: »Das Prinzip der Freiwilligkeit wurde [in den USA] verstärkt durch religiöse Erweckungen. Im Gegensatz dazu misstrauten die Kirchenbehörden in Deutschland im gleichen Zeitraum allen neuen religiösen Ideen und den religiösen Aktivitäten von Laien. Dieser bürokratischen Überwachung entsprach zugleich auf Seiten derjenigen, die sich durch die kirchlichen Apparate unterdrückt fühlten, ein weitverbreiteter Antiklerikalismus.«38

Es ist verständlich, dass man es in Deutschland vorgezogen hat, einer These des einflussreichen Max Weber zuzustimmen. In seinem Werk »Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus« hat er noch zur Zeit des deutschen 35 36 37 38

BBKL Bd. 27 (2007), 71 – 75. Hartmut Lehmann, Säkularisierung. Der europäische Sonderweg, 17. Ebd. Hartmut Lehmann, Die Christianisierung Amerikas und die Dechristianisierung Europas. In: ders., Säkularisierung. Der europäische Sonderweg, Göttingen 20072, 126 – 143 (137).

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Staatskirchentums 1906 zur Frage der Freiwilligkeit die These vertreten, dass sich aus ihr »der Wunsch nach Absicherung und Stärkung des sozialen Status […] der Kirchenmitglieder« ableiten lasse.39 Das berechtigte Interesse Lehmanns ist, die Aufmerksamkeit auf die verschiedenartigen Entwicklungen des kirchlichen Lebens und die damit gegebenen unterschiedlichen Rollen der Kirchen in Europa und den USA sowie auf deren Auswirkungen auf die heutige Säkularisierung drüben und hier zu lenken. Im Zusammenhang der Frage nach der Ökumene in Deutschland wird ein Nebenaspekt herausgehoben. Es geht um einen Vergleich zwischen dem oben bereits skizzierten kontinentalen und speziell deutschen Verständnis einer »Bekenntniskirche« im Unterschied zur amerikanischen »Denomination«. Weiter geht es um die hiesigen territorialen Ein- und Abgrenzungen gegenüber der amerikanischen Freizügigkeit. Zu vergleichen ist weiter die Behinderungen zu einer freien Entfaltung geistlich motivierter (Reform-)Bewegungen, beispielsweise des Pietismus, um eine konfessionelle Monokultur unter der Aufsicht des Staates zu erhalten und demgegenüber in den USA die von Seiten des Staates ungebremsten Möglichkeiten einer kirchlichen Kultur in Freiheit, Vielheit und Vielfalt. Die erwähnten europäischen Aspekte haben die ökumenische Entwicklung innerhalb Deutschlands nicht nur gebremst, sondern ihr geschadet. In der Verweigerung gegenüber den wirklich nicht progressiven Versuchen der aus den angelsächsischen Ländern im 19. Jahrhundert gekommenen Freikirchen ist die ökumenische Möglichkeit der Begegnung unterschiedlicher Kirchentypen verpasst worden. Fünfzig Jahre nach der Integration der autonomen früheren Missionsgesellschaften in die Kirchen, die 1961 durch die Vollversammlung des ÖRK in Gang gebracht wurde, stellt sich die Frage, wieso die deutschen Kirchen selbst von ihren eigenen Missionspartnern, die aufgrund ihrer geschichtlichen Entwicklungen auf einen »normalen Weg« geleitet wurden, Kirchen gestaltende Anregungen nicht bewusster aufgenommen haben. Die Kirchen haben zwar die früher weitgehend staatlich und kirchlich unabhängigen Gesellschaften unter ihre Fittiche genommen, aber sie haben kaum diskutiert, ob die unter den Bedingungen der unabhängigen, fast freikirchlich organisierten Gesellschaften einerseits und unter den staatlichen Gegebenheiten in den damaligen »Missionsländern« andererseits fast natürlich gewachsenen ekklesiologischen Formationen sie auch beeinflussen könnten. Wie wenig manche ökumenischen Entwicklungen auf die Kirchen des »Sonderwegs« zurückwirken, zeigen auf zwei konkreten Feldern die Selbstdarstellungen der Kirchen in Sprache und Statistik. In einem Votum zum »geord39 Hartmut Lehmann, Säkularisierung. Der europäische Sonderweg, 17 f.

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neten Miteinander bekenntnisverschiedener Kirchen« sagt die Kammer für Theologie der EKD ganz selbstverständlich, was »Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis« ist, obwohl sie ihre Sicht nur aus landeskirchlicher Perspektive formulierte.40 Selbst unter den schwierigen Umständen der Kirchen in der DDR mit einer funktionierenden Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (AGCK) wurde ein Kirchengesetz für die dortigen Landeskirchen beschlossen, das den Titel trug »Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik«. Ökumenische Partner in anderen Ländern haben das anders verstanden und mussten erst lernen, dass diesem Bund eben nicht »die evangelischen Kirchen in der DDR« angehörten, sondern nur einige von ihnen. Die Beschreibung der Aufgaben in der Grundordnung des BEK lässt die ausschließlich landeskirchlich organisierte Gemeinschaft für den Leser aus der Ökumene keineswegs erkennen. Dort heißt es: »Der Bund bekennt sich zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. In der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft nimmt der Bund Aufgaben, die alle evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik und in der Bundesrepublik Deutschland betreffen, in partnerschaftlicher Freiheit durch seine Organe wahr.«

Erst im weiteren Verlauf des Textes wird in Artikel 10 deutlich, dass dieses alles ausschließlich die acht in der DDR angesiedelten Landeskirchen betraf. Natürlich sind die Baptisten als Bund Evangelisch-freikirchlicher Gemeinden eine kirchliche Körperschaft, und die Evangelisch-methodistische Kirche macht im Namen erkennbar, dass sie als »Kirche« »evangelisch« zu sein beansprucht und es auch ist. Innerhalb einer partnerschaftlichen Ökumene ist zu erwägen, inwieweit der allgemeine Begriff »evangelisch«, der im Laufe der Zeit zu einer fast konfessionellen Bezeichnung geworden ist, durch die eindeutigere Begrifflichkeit »landeskirchlich« oder »evangelisch-landeskirchlich« ersetzt werden muss. Zu verändern ist in einer Zeit ökumenischer Partnerschaft zweierlei. (1) Im Ökumenismusdekret hat das Zweite Vatikanische Konzil die römisch-katholischen den Ökumenikern mit der Festlegung par cum pari (auf der Ebene der Gleichheit) eine Weisung mit auf den Weg gegeben, die für die weitere ökumenische Entwicklung und das partnerschaftliche Gespräch gerade mit kirchlichen Minderheiten bedeutungsvoll ist. In der ›Würzburger Synode‹ wurde für die zwischenkirchlichen Beziehungen in Deutschland entfaltet, was für sie par cum pari in der Praxis bedeuten soll.41 (2) Es ist üblich, die statistischen Zahlen über die Kirchenzugehörigkeit von 40 EKD TEXTE 69, Hannover 2001. 41 Vgl. Kap 4.2.4.

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Landeskirchen und Freikirchen unkommentiert nebeneinander zu stellen. Das ist ökumenisch nicht gerade aufmerksam. Es ist doch unbestritten ein Unterschied, ob Kirchenmitglieder erfasst werden, die teilweise ihrer eigenen Kirche fremd gegenüberstehen und in deutlicher Passivität, manchmal Distanz leben oder ob sie sich bewusst einer Kirche angeschlossen haben. In seiner Geschichte des Christentums in neuerer Zeit widmet Hartmut Lehmann ein kleines Kapitel dem Thema »Probleme mit der Statistik«42. Über die landeskirchliche Situation in Deutschland auf der Grundlage von Daten in einem Atlas of Global Christianity bemerkt er hinsichtlich der darin zum Vergleich angegebenen Zahlen: »Wenn man aber alle diese Personen, die irgendwann einmal in ihrem Leben getauft wurden, ohne weitere Differenzierungen in die entsprechenden Statistiken aufnimmt, so zählt man am Ende auch alle jene mit, die sich in ihrem späteren Leben vom Christentum distanzierten, gar abwandten, oder die durch ihren Lebenswandel bewiesen, dass sie das Christentum verraten haben. […] Wie stünde es außerdem mit vielen Personen im europäischen Protestantismus und selbst im Katholizismus«, schreibt Lehmann weiter, »die zwar getauft sind, dann aber jahrzehntelang ein kirchenfernes Leben führen und deren letzte Verbindung zur Kirche nur noch eine von ihren Angehörigen arrangierte kirchliche Beerdigung ist?«43

Solche nicht populären Überlegungen finden in Teilen der ökumenischen Gemeinschaft, die sich aus Rücksicht solcher polarisierenden Formulierungen enthalten, Zustimmung, wenn sie aus der Sicht eines landeskirchlichen Historikers beigetragen werden. Auch dieser Aspekt der Differenz zwischen den statistischen Zahlen und dem gelebten Glauben ist ein Aspekt des europäischen Sonderwegs.

5.3

Ökumenisches Fortschreiten, um der Berufung zur Einheit zu folgen

Es sind inzwischen Wege beschritten worden, die eine Hilfe in der Aufarbeitung vorökumenischer Erfahrungen sein können. Zwei von ihnen werden hier vorgestellt.

42 Hartmut Lehmann, Das Christentum im 20. Jahrhundert: Fragen, Probleme, Perspektiven. KiE IV/9, Leipzig 2012, 26 – 29. 43 Ebd., 28.

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5.3.1 Lutheraner und Katholiken im Weltdialog mit Mennoniten Lutheraner brachten gegenüber Mennoniten zum Ausdruck, sie seien bereit, »die Verwerfungen der Vergangenheit zu überwinden und in einem Prozess des Dialogs Wege zu finden, einander frei als Schwestern und Brüder in dem einen Leib Christi anzuerkennen.«44 Das war der erste Schritt, dem die Erarbeitung einer gemeinsamen Studie folgte. In einem Kapitel beschreiben beide Partner auf reichlich 50 Seiten gemeinsam die früher erfolgten Verwerfungen von Täufern, benennen danach die verbleibenden Lehrdifferenzen und schauen am Ende in der verbindenden Gemeinschaft in und mit Christus versöhnt nach vorne. Im Jahr 2010 konnte es in Stuttgart zu einem bewegenden Versöhnungsgottesdienst zwischen dem Lutherischen Weltbund und der Mennonitischen Weltkonferenz kommen. Diese »Versöhnungsfeier« war möglich, weil die gemeinsame Aufarbeitung der besonders schweren Geschichte der Reformationszeit eine Basis dafür geschaffen hatte. Versöhnung wurde durch Bekenntnis und Buße zu einer lebendigen Erfahrung in konkreter, seelsorgerlicher »Heilung der Erinnerung«. Dahinter wollen und können beide Partner nicht mehr zurück. Der Weg nach vorne ist geöffnet. Dieser Arbeits- und Erkenntnisprozess vollzog sich im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts zwar in Deutschland, aber es war eine »Versöhnungsfeier« auf Weltebene. Diesem Dialog waren die mennonitisch – römisch-katholischen Gespräche in den Jahren 1998 – 2003 vorausgegangen. Der Abschlussbericht »Gemeinsam berufen, Friedensstifter zu sein« ist in drei Schritten formuliert: in je einem Kapitel wird (1) gemeinsam die Geschichte und (2) die Theologie betrachtet mit dem Ziel, (3) den Weg zur Heilung der Erinnerungen mit den Schritten der Reinigung der Erinnerung, dem Geist der Umkehr und der Gesinnung zur Buße, der Ermittlung des gemeinsamen christlichen Glaubens und der Verbesserung der Beziehungen zu beschreiben.45 Beide Dialoge gehen über die innerhalb Deutschlands geführten Gespräche46 hinaus, denn diese verzichten weitgehend auf die gemeinsame konkrete Erschließung der geschichtlichen Erfahrungen. Der mennonitisch – römisch-katholische Dialog stellt einleitend ausdrücklich fest: »Gemeinsam die Geschichte der Kirche neu lesen, hat sich in jüngeren Dialogen zwischen den Kirchen als

44 Heilung der Erinnerung – Versöhnung in Christus. Bericht der Internationalen lutherischmennonitischen Studienkommission. In: DwÜ Bd. 4 (2012), 401 – 506 (408). 45 Gemeinsam berufen, Friedensstifter zu sein. Bericht über den Internationalen Dialog zwischen der Katholischen Kirche und der Mennonitischen Weltkonferenz (1998 – 2003). In: DwÜ Bd. 4 (2012), 679 – 758. 46 Vgl. Kap. 4, 7.1 bis 4.7.21.

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fruchtbar erwiesen.«47 Die Arbeit unter einer ökumenischen Hermeneutik der Geschichte in einem gemeinsamen Studienprozess der Partner kann helfen, die unterschiedlichen Interpretationen früherer Erfahrungen zu überwinden, mindestens zu verstehen. Diese Schritte zur gemeinsamen Erforschung der geschichtlichen Wege haben neben der Arbeit auf Weltebene jeweils im nationalen Kontext eine besondere Relevanz. Das hängt wiederum mit dem kontinentalen Sonderweg in Europa zusammen. Die in den USA entstandenen Zweige der deutschen Minderheitskirchen – insbesondere Baptisten und Methodisten – haben dort völlig andere zwischenkirchliche und gesellschaftliche Erfahrungen gemacht als ihre unter dem hiesigen Staatskirchentum wirkenden Teile der gleichen Kirchen.48 Für die methodistische Kirche kommt hinzu, dass »Tradition« und »Erfahrung« zwei Aspekte ihres Quadrilaterals sind, mit dem sie ihr hermeneutisches Prinzip zusammen mit »Schrift« und »Vernunft« formuliert haben.49 Wenn Erfahrung und Geschichte innerhalb der Selbstverständnisses eine so bestimmende Rolle spielen, ist es im Grunde nicht möglich, auf ihre Erörterung in einem ökumenischen Dialogprozess zu verzichten. Das ist hinsichtlich der Kirchen methodistischer Tradition auch aus dem Grund ein besonderes Erfordernis, weil es für sie von Anfang an innerhalb der reformatorischen Theologie keine tiefgreifenden theologischen Differenzen, höchstens unterschiedliche Akzente und völlig anders verlaufene historische Erfahrungen gab. Die Rolle der Geschichte in der Beschreibung des methodistischen Selbstverständnisses wird dadurch unterstrichen, dass methodistische Kirchen ihre autonome Existenz von Anfang an weniger theologisch, als vielmehr mit missionarischer Notwendigkeit innerhalb des Anglikanismus in einer bestimmten Zeit historisch begründet haben. Wenn aber die Geschichte einen derartig hohen Stellenwert in der Beschreibung des Selbstverständnisses einnimmt, ist es kaum vertretbar, die geschichtliche Erfahrung in den zwischenkirchlichen Dialogen auszublenden. In Verbindung mit den Mennoniten und ihrer einmaligen geschichtlichen Erfahrung hat uns die Dialog-Praxis gelehrt, den konkreten Raum gemeinsamer 47 Gemeinsam berufen Friedensstifter zu sein. Bericht über den Internationalen Dialog, 687. 48 Andrea Strübind, »Mission to Germany«. Die Entstehung des deutschen Baptismus in seiner Verflechtung mit der internationalen Erweckungsbewegung und den Schwesterkirchen in den USA und in England. In: Andrea Strübind/Martin Rothkegel (Hg.), Baptismus. Geschichte und Gegenwart, Göttingen 2012, 163 – 200. – Karl Heinz Voigt, der deutschsprachige Zweig der Methodistenkirche in den Vereinigten Staaten von Amerika. In: Karl Steckel/C. Ernst Sommer (Hg.), Geschichte der Evangelisch-methodistischen Kirche, Stuttgart 1982, 39 – 58. 49 Das methodistische Quadrilateral: Bezeichnung für die vier Erkenntnisgrundsätze methodistischer Theologie, nämlich Schrift, Tradition, Vernunft und Erfahrung. Vgl. dazu: Walter Klaiber/Manfred Marquardt, Gelebte Gnade. Grundriss einer Theologie der Evangelischmethodistischen Kirche, Göttingen 20062, 84 f, 88.

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Wanderung nunmehr neu zu durchschreiten und bedrängende Erfahrungen auszuräumen. Dadurch bekommt das Bußgeschehen und das gegenseitige Vergeben einen konkreten Grund und Rahmen.

5.3.2 Dialog zwischen Lutheranern und Baptisten in Deutschland Ein anderes konkretes Beispiel eines vertieften Dialoges hat eine kleine Kommission von Lutheranern und Baptisten in Bayern praktiziert. Dort wurde in den Jahren 2003 bis 2009 ein Konvergenzdokument erarbeitet, das zu dem überraschenden Ergebnis führte: »Wir empfehlen unseren Kirchen die Aufnahme von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft.«50 Methodisch eröffnete der Dialog eine gerade für Begegnungen, die zwischen Mehrheits- und Minderheitskirchen einen theologischen Konsens suchen, einen zukunftsorientierten Weg. Zusammenfassend beschrieb ihn der lutherische Vorsitzende der gemeinsamen Arbeitsgruppe Ivo Huber in folgender Weise: »Der wesentliche Unterschied des Konvergenzdokumentes zu den vorhergehenden Dialogen liegt in einem doppelten hermeneutischen Neuansatz. Zum einen der Versuch, die jeweils andere konfessionelle Position so darzustellen, bis die dargestellte Seite sich recht verstanden sah. Diese wechselseitige Perspektive ermöglichte nicht nur eine intensive Durchdringung der jeweils anderen theologischen Akzentsetzung, sondern machte es auch möglich, die Stärken der anderen Tradition zu entdecken und zu würdigen. Zum anderen der Versuch, ein gemeinsames Fundament zu beschreiben, von dem aus der problematische Bereich des Taufverständnisses und der Praxis der Taufe angegangen werden konnte. Dass dieses Fundament die Rechtfertigungslehre war, ist für Lutheraner nahe liegend. Das gilt allerdings keineswegs für die baptistische Seite. Dass dies gelungen ist, ist ein nicht zu überschätzender Erfolg, der in der bislang gelaufenen Diskussion auch noch von keiner Seite in Frage gestellt wurde und dessen Konsequenzen bislang nur wenigen deutlich geworden sind.«51

Angesichts der unterschiedlichen theologischen und historischen Kenntnisse, die in der Regel über den kleineren Dialog-Partner vorhanden sind, kann die Methode wechselseitiger Darlegung der unterschiedlichen Positionen zu einem deutlich tieferen Durchdringen von Sachverhalten führen. Dieser hermeneutischen Kunstgriff eröffnet die Chance, im ökumenischen Dialog durch eine 50 Voneinander lernen – miteinander glauben. Konvergenzdokument der Bayrischen Lutherisch-Baptistischen Arbeitsgruppe (BALUBAG). In: ÖR 59. Jg. (2010), 93 – 119 (94). Auch: www.google.de/url?sa=t& rct=j& q=& esrc=s& source=web& cd=1& ved=0CCIQFjAA& url=http%3A%2F%2Fwww.gftp.de%2Fdownloads%2FKonvergenzdokument_Voneinander _lernen_miteinander_glauben_(BALUBAG).pdf& ei=6ZC_U-PFKKKa0QW7moGgBg& usg =AFQjCNH7HQJYtFFQaJBZdiygMh0HMmLQZg& bvm=bv.70810081,d.d2k. 51 Ivo Huber, Ein Herr, ein Glaube – und darum auch: eine Taufe! In: ÖR 59. Jg. (2010), 88.

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breitere Wissensgrundlage und mehr gegenseitiges Verständnis eine fundierte ökumenische Sicht zu eröffnen und dadurch dem Weg zueinander eine beiderseits durchgehend rezipierte theologische Basis zu verschaffen.

5.4

Fortschreiten auf begonnenen Wegen

Die neue Lage, welche auf fast allen Ebenen zwischen einzelnen kirchenleitenden Persönlichkeiten genauso wie zwischen kirchlichen Körperschaften, die sie vertreten, zwischen den Pastoren und Priestern am Ort und vielfach auch zwischen Gemeindegliedern gewachsen ist, birgt eine Herausforderung für die weitere Ausgestaltung einer verbindlichen Ökumene in sich. Auf der Basis des gewachsenen Vertrauens ist es möglich, auch kritische Fragen in verantwortlicher Partnerschaft zu erörtern, aber auch sich gegenseitig gerade durch ungewöhnliche, vielleicht unübliche Fragen zu bereichern. Die ökumenische Gemeinschaft ist in einem gemeinsamen Lernprozess so gewachsen, dass sie nach einer Anzahl von theologischen Klärungen nun auch Konsequenzen daraus ziehen muss, die in gemeinsames Handeln, wenigstens in gegenseitigen Respekt, wenn nicht in ökumenische Liebe einmünden. Das ist gewiss nicht immer leicht. Bei allem zwischenkirchlichen und zwischenmenschlichen Fortschritt wäre es ein Fehler, die Augen davor zu verschließen, dass Hochschullehrer an den Universitäten, Kirchenpolitiker in den Verwaltungszentren, Pastoren in ihren unterschiedlichen Frömmigkeitstraditionen mit konfessionellem, charismatischem oder evangelikalem Hintergrund und Glieder in den Gemeinden nicht immer das gleiche Bild von der Kirche Christi und damit auch von der Ökumene vor Augen haben. Das geschenkweise gewachsene Vertrauen, verbunden mit der überall wirksamen Dialogarbeit52 hilft in glaubensstarken Schritten über die Brücke zum Bruder und zur Schwester zu gehen. Im Rahmen der ACK sind verschiedene bemerkenswerte ökumenische Schritte vorbereitet und abgeschlossen worden. Von besonderem Gewicht war zunächst die Unterzeichnung der Charta Oecumenica und später das gemeinsame Bekennen in der Magdeburger Taufanerkennung. Es gibt Mitglieds- und Gastkirchen in der ACK, welche die in Magdeburg vollzogenen Schritte nicht mitgehen konnten. Einige der Nichtunterzeichner einer oder beider Erklärungen haben ihre daraus entstandene Lage negativ empfunden. Daraus ergibt sich im Nachgang die Frage, welche weiteren Schritte in diesen beiden Feldern möglich sind. 52 Die bisherigen vier Bände »Dokumente wachsender Übereinstimmung« mit den zahlreichen Dialogergebnissen, die vielfach auch auf die Ökumene in Deutschland eingewirkt haben, sind ein beredtes Zeugnis des guten Willens.

Fortschreiten auf begonnenen Wegen

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5.4.1 Überlegungen zur Charta Oecumenica Im Vorfeld der Unterzeichnung, die im Rahmen des ersten Ökumenischen Kirchentags 2003 in Berlin stattfand, haben sich alle Kirchen, auch die NichtUnterzeichner, zu ihrer Positionierung geäußert. Im Nachgang könnte es sowohl für Nicht-Unterzeichner wie für die Gesamt-ACK hilfreich sein, mit jeder einzelnen Kirche die Frage zu erörtern, ob es ihr möglich ist, ihre verpflichtende Mitwirkung in der ACK in der Weise zum Ausdruck zu bringen, dass sie die Charta Oecumenica in einer entsprechenden Fußnote mit einer von ihr zu beschreibenden Einschränkung unterzeichnet. Es ist undenkbar, dass eine Kirche die Gemeinschaft innerhalb der ACK mit den Schwesterkirchen praktiziert und sich gleichzeitig zu einer Selbstverpflichtung zu konkretem ökumenischen Verhalten in allen in der Charta erfassten Themenbereichen nicht in der Lage sieht. Es ist gut nachvollziehbar, dass es für einzelne Kirchen oder Gemeindebünde im Blick auf einzelne Passagen Gewissenskonflikte geben kann. Aber damit wird die Frage einer grundsätzlichen Enthaltung von einer Selbstverpflichtung wohl kaum begründet. Andererseits wird durch die in Fußnoten ausgedrückten Einschränkungen einzelner Kirchen für die Gesamtgemeinschaft der ACK erkennbar, in welchen Fragen theologische Herausforderungen auf eine Bearbeitung warten, um eine umfassendere Ausgestaltung der ökumenischen Gemeinschaft zu erreichen.

5.4.2 Überlegungen zur Taufanerkennung Die ACK hat im Jahr 2007 im Magdeburger Dom den öffentlichen Schritt zu einer verbindlicheren Ökumene getan. Elf Kirchen haben eine »Magdeburger Erklärung« unterschrieben. Damit haben sie zum Ausdruck gebracht, die in den Gemeinden ihrer Kirchen vollzogenen Taufen gegenseitig vorbehaltlos anzuerkennen. In die Freude über diesen unter den beteiligten ACK-Kirchen erreichten Konsens mischt sich gleichzeitig die schmerzliche Erkenntnis, dass in diesem für das christliche Leben konstitutiven Akt nur ein Teilkonsens möglich war. Jene Kirchen und Gemeinden, die ausschließlich auf der Grundlage des bereits angenommenen Glaubens hin taufen, konnten der »Magdeburger Erklärung« nicht zustimmen. Das ist eine weiterführende zukünftige Herausforderung an die ACK. Weil die christlichen Kirchen ihre Gemeinschaft auf das Fundament des christlichen Glaubens gründen, gelten unter ihnen Handlungsmotive, die in Politik und Gesellschaft nicht üblich sind. Das ermöglicht die Frage einer einseitigen Taufanerkennung. Solche Akzeptanz von Brüdern und Schwestern ist kein »öku-

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menischer Höflichkeitsakt«, – wie Johannes Paul II. schrieb53 –, sondern ein Grundelement christlicher Ethik. Theologisch und kirchlich kann die Taufanerkennung also keine Handlung auf Gegenseitigkeit sein. Dann würde gerade das eintreten, was die Kirchen nicht wollen dürfen: sie würden dem ökumenischen Handeln einen kirchenpolitischen Charakter verleihen. Zweifellos erfüllen die aufgrund des persönlichen Glaubens taufenden Kirchengemeinden die in der »Magdeburger Erklärung« genannten Kriterien, die wie folgt lauten: »Trotz Unterschieden im Verständnis von Kirche besteht zwischen uns ein Grundeinverständnis über die Taufe. Deshalb erkennen wir jede nach dem Auftrag Jesu im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes mit der Zeichenhandlung des Untertauchens im Wasser bzw. des Übergießens mit Wasser vollzogene Taufe an und freuen uns über jeden Menschen, der getauft wird.«54

Die kindertaufenden Kirchen sind vor die Frage gestellt, ob sie nicht die in den glaubenstäuferischen Gemeinden zweifellos rite vollzogenen Taufen einseitig anerkennen können, ja es in theologischer Konsequenz sogar müssen. Wenn das der Fall ist, müsste es ein »Magdeburg II« geben, um die Gemeinschaft mit den Kirchen, die in der Tauffrage unterschiedliche theologische Konsequenzen aus ihrem Verständnis der Schrift ziehen, öffentlich zu bekennen und damit einen möglichen Schritt aus der Kraft der gemeinsam empfangenen Liebe zu tun. Es könnte den Schmerz der Täuferkirchen, die aus theologischen Gründen und der entsprechenden Praxis, die ein persönliches Glaubensbekenntnis zu ihrem Vollzug voraussetzt und welche darum keine gegenseitige Taufanerkennung mit vollziehen konnten, lindern,55 wenn eine einseitige Anerkennung der von ihnen rite vollzogenen Taufen von Seiten der Unterzeichnerkirchen möglich erschiene. Die der Magdeburger Erklärung zustimmenden Kirchen haben ausdrücklich festgestellt, dass die rite vollzogene Taufe »einmalig und unwiederholbar ist«. Es erfolgt de facto einseitig die Anerkennung der in den sog. Täuferkirchen vollzogenen Taufen, wenn im Falle des Konfessionswechsels eines gläubig Getauften eine Taufwiederholung auch dann ausgeschlossen wird, wenn nicht schon früher eine Kindertaufe vollzogen worden war. Es wäre demnach wünschenswert, dass die wechselseitige Taufanerkennung 53 Johannes Paul II., Enzyklika » Ut Unum Sint «, Nr. 42. 54 Text: www.bistum-magdeburg.de/front_content.php?idart=3003. 55 Der baptistisch geprägte Bund Ev.-Freikirchlicher Gemeinden hat in einer Reaktion auf Presseberichte über Magdeburg eine Erklärung veröffentlicht. Darin nimmt er Bezug auf seine Bekenntnisformulierungen aus der »Rechenschaft vom Glauben« und beklagt den Dissens unter den Kirchen, die in der Taufe und im Verständnis von Amt und Eucharistie bestehen und führt aus: Trotz der Differenzen suchen wir »nach Wegen der Überwindung des Trennenden und Vertiefung der ökumenischen Kontakte.« www.baptisten.de/eng agement/dokumente-und-stellungnahmen/ (Abruf 28. Aug. 2013)

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um eine einseitige Anerkennung ergänzt wird. Dieses Zeichen der christlichen Wertschätzung wäre auch ein Schritt zur Vertiefung der Gemeinschaft mit den ACK-Kirchen, die in Magdeburg nur durch ein Grußwort mitwirken konnten, aber sich dem Grundeinverständnis entsprechend ihrer theologischen Erkenntnis aus Erkenntnis- und Gewissensgründen versagen mussten. Es bleibt eine grundsätzliche Anmerkung: Um den begonnenen Prozess verbindlich vereinbarter Teilgemeinschaft konsequent fortzuschreiben, erscheint es notwendig, den in die ACK neu aufzunehmenden Kirchen oder Gemeindebünden auch die Möglichkeit zu eröffnen, sich der Charta Oecumenica anzuschließen und zur Taufanerkennung Stellung zu nehmen.

5.4.3 Das ökumenische Problem nichtkompatibler Strukturen56 Die beiden deutschen Mehrheitskonfessionen sind durch ihre verfassungsrechtlichen Grundlagen in dem Sinne ähnlich strukturiert, dass sie durch ihre Bekenntnis- und Kirchenordnungstexte oder in einem Kanonischen Rechtskodex jeweils eine für alle zu ihnen gehörenden Zweige nicht nur eine verbindende, sondern eine verbindliche Ordnung haben. Beide haben darin jeweils eine gesamtkirchliche Rechtsbasis, in der sie ihr Selbstverständnis für sich und ihre Partner selbstverpflichtend formuliert haben. Auch wenn beispielsweise im Verständnis des Amtes und in den Vorstellungen dessen, was Kirche konstituiert, die Positionen unterschiedlich sind, ist es doch eine Tatsache, dass sie diese Fragen konkret in der Rückbindung an die jeweils eigenen Grundlagen in zwischenkirchlichen Dialogen erörtern, aber unter neu gewonnenen theologischen Einsichten auch durch ihre verfassungsrechtlich beauftragten Organe verbindlich weiterführen können. Sie sind in dieser Ausgangslage kompatibel, weil ihre beauftragten Gremien auf der Basis der jeweiligen Ordnungen rückgebunden sind und von für sie verbindlichen Positionen her Dialoge führen können. Sie kennen das Problem »konfessioneller Identitäten und ökumenischer Prozesse.«57 Andere ähnlich strukturierte Konfessionen und Denominationen wie z. B. die methodistischen können ebenfalls unter diesen Bedingungen in ökumenische 56 Gerade vor dem Abschluss dieses Bandes erschien eine neue Studie, in der Silke Dangel einerseits den »lutherisch-katholischen Rechtfertigungsdiskurs« und im folgenden Kapitel »die ökumenische Arbeit der Pfingstbewegung« anhand ausgewählter Dialog-Dokumente analysiert, um die Frage nach der »konfessionellen Identität« in ihrer Beziehung zu »ökumenischen Prozessen« zu stellen. Silke Dangel, Konfessionelle Identität und ökumenische Prozesse. Analysen zum interkonfessionellen Diskurs des Christentums, Berlin 2014. 57 Ebd.

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Gespräche eintreten. Es ist daher kein Wunder, dass es gerade die Methodisten sind, die sich sowohl in die Leuenberger Kirchengemeinschaft wie auch in die von Katholiken und Lutheranern formulierte »Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre« einklinken konnten. Das strukturelle Instrumentarium stand nach den punktuellen theologischen und strukturellen Gemeinsamkeiten zur Verfügung. Ungelöst scheint dagegen bisher die Frage, wie anders organisierte Kirchen und hier vor allem Gemeindebünde sich als Partner in ökumenische Entwicklungen verbindlich einbringen können. Historisch gesehen befinden sich insbesondere die independentistisch geprägten Kongregationalisten in einer schwierigen Lage. In ihrer Entstehungsphase haben sie sich als protestierende Gemeinden gegen die sie beherrschen wollenden, autokratischen, oft in staatlicher Abhängigkeit befindlichen, absolutistisch handelnden Kirchenleitungen aufgelehnt. Aus Glaubens- und Gewissensgründen haben sie eigene Gemeinden gebildet, die auf ihre Unabhängigkeit, Freiheit und mündige Eigenverantwortung gepocht haben. Sie haben sie in ihrem Selbstverständnis nach innen durch die konkrete Ausgestaltung des Priestertums aller Glaubenden und nach außen im erfolgreichen Kampf für Religionsfreiheit und Demokratie bewährt. Unter diesem Typ von Kongregationalisten, eigentlich Independentisten, lebte lange Zeit eine besondere Skepsis, eigentlich schon ein Misstrauen gegen jeden Ansatz einer mit Vollmachten ausgestatteten Kirchenleitung, auch gegen gesamtkirchliche Synoden und erst recht gegen bischöfliche Leitungsberechtigungen. Das ursprüngliche Aufbegehren zu Beginn des 17. Jahrhunderts gegen kirchenleitende Zentren und Organe sowie gegen jede Art von Machtstrukturen und Machtanwendung, hat ihre spezifischen ekklesiologischen Lebensformen geprägt.58 Als mündige, bewusste Christen wollten sie keine kirchlichen »Untertanen« sein. Ihre Teilhabe an Christus im Leben der örtlichen Gemeinde war für sie mehr als eine zur allgemeinen Sitte und Volksfrömmigkeit gehörende religiöse Lebensbegleitung. Die Gemeinden boten ihnen durch ihre Glaubensverkündigung ein Fundament für das gesamte christliche und bürgerliche Leben, Denken und Handeln, einschließlich des Protestes gegen das Verweigern von Religionsfreiheit. Schon der Begriff ›Kirche‹ ist für manche Independentisten bis heute negativ besetzt. In den Kirchennamen und Zeitschriften der durch diese geschichtliche Entwicklung geprägten Freikirchen tritt ihre theologische Positionierung den ökumenischen Partnern permanent entgegen. Sie sind keine »Baptistenkirche«, sondern ein »Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden«, dessen Kirchen58 John H. Y. Briggs, Die Ursprünge des Baptismus im separatistischen Puritanismus in England. In: Andrea Strübind/Martin Rothkegel (Hg.), Baptismus. Geschichte und Gegenwart, Göttingen 2012, 3 – 22.

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blatt lange Zeit den Namen »Der Wahrheitszeuge« und später »Die Gemeinde« trug. Ein solcher föderaler Bund von autonomen Gemeinden muss naturgemäß durch seine theologische Konstitution und ekklesiologische Struktur ein anderer ökumenischer Partner als eine Konfessionskirche sein. Im Vordergrund steht dabei nicht die Frage einer positiven Haltung gegenüber anderen Konfessionen und Denominationen. Der baptistisch geprägte Bund EvangelischFreikirchlicher Gemeinden ist 1948 Gründungsmitglied der ACK gewesen. In seinem »Glaubensbekenntnis – Rechenschaft vom Glauben« formulierte er ausdrücklich: »Jesus Christus baut seine Gemeinde in den verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften. Doch kann es trotz der Verschiedenheit und trotz Irrtum und Schuld auf allen Seiten nicht der Wille Gottes sein, daß konfessionelle Schranken die sichtbare Gemeinschaft aller Glaubenden und damit ihr glaubwürdiges Zeugnis vor aller Welt verhindern. Deshalb beten wir mit den Christen der ganzen Erde um Erneuerung aller Gemeinden und Kirchen, daß mehr gegenseitige Anerkennung möglich werde und Gott uns zu der Einheit führe, die er will. Schon heute ist es nicht nur Aufgabe einzelner Christen aus verschiedenen Kirchen, sondern dieser Kirchen selbst, aus der Trennung heraus mögliche Schritte aufeinander hin zu tun, vorhandene Vorurteile abzubauen und Einwände gewissenhaft zu formulieren und zu vertreten, voneinander zu lernen, füreinander zu beten und gemeinsam Christus zu verherrlichen in Zeugnis und Dienst.«59

Im Streben nach ökumenischer Einheit sind also keine grundsätzlichen theologischen Vorbehalte vorhanden, sondern es sind die mit der ekklesiologischen Konzeption verbundenen strukturellen Unterschiede zu lösen. Eine Bemühung um eine generelle Lösung ist für eine wachsende verbindliche Partnerschaft wünschenswert. Ein gewiss nicht zu unterschätzendes pragmatisches Problem der innerdeutschen Ökumene liegt darin, dass diese Struktur lediglich einigen Minderheitskirchen eignet, also eine Lösung des Problems für die Mehrheitskirchen nicht so dringend erscheint. Aber das ist nicht wirklich zielführend ökumenisch gedacht. Konkret betrifft diese Bundesstruktur neben den Baptisten mit den ihnen angeschlossen Gemeinden anderer historischer Tradition auch die Mennoniten, die im Zusammenhang ihrer Entstehung gar keine andere Wahl hatten, als Einzelgemeinden zu bilden.60 Weiter wirken mit starker örtlicher Ausprägung der Bund Freier evangelischer Gemeinden, der Mülheimer Verband Freikirch-

59 Bund Ev.-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten), Rechenschaft vom Glauben, Ausgabe 1995. Kapitel 7: Der eine Leib und die getrennten Kirchen, 11 f. 60 Fernando Enns, Ökumene weiter denken! In: ThLZ 138. Jg.(2013), Sp. 637 – 658.

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lich-Evangelischer Gemeinden und der im März 2014 in die ACK aufgenommene Freikirchliche Bund der Gemeinde Gottes. Es stellt sich die Aufgabe an zwei gegensätzlichen kirchlichen Grundstrukturen innerhalb der einen Kirche Christi. Die Ökumenische Gemeinschaft der ACK-Mitglieds- und Gastkirchen wird eines Tages nicht darum herum kommen, einen oder mehrere Wege zu suchen, durch die sie helfen kann, eine verbindende und verbindliche Zusammenarbeit zu vertiefen und strukturell auszugestalten. Am Ende darf die sichtbare Einheit der Kirche nicht durch unterschiedliche Selbstverständnisse und Formationen vernebelt werden. Genauso entspräche es nicht dem Miteinander der Kirchengemeinschaften, wenn das Gesamtbild der Kirche Christi durch solche Konfessionen bestimmt wird, die aufgrund ihrer geschichtlichen Voraussetzungen zufällig Mehrheitskirchen sind. Daher sollten die unterschiedlichen Kirchentypen untereinander und miteinander herausfinden, ob und in welcher Form ihre unterschiedlichen Organisationsformen Möglichkeiten in sich bergen, in dieser Frage Schritte zu unternehmen. Im Baptismus ist schon seit geraumer Zeit innerhalb der Bundesgemeinschaft eine Diskussion darüber in Gang gekommen, welche ekklesiologische Qualität der »Bund« mit seinen Organen für die Gesamtheit der Gemeinden hat. Damit ist auch die Frage nach der gegenseitigen Verbindlichkeit innerhalb der »Gesamtbundesgemeinde« aufgeworfen. Einer solchen geistlichen Wirklichkeit einer »Gesamtbundesgemeinde«, wenn man die gesamte Zahl der dem »Bund« angeschlossenen Gemeinden und vielleicht sogar die in anderen ähnlichen Bünden organisierten Gemeinden so zu bezeichnen wagt, kann man eine ekklesiologische Qualität ja nicht aberkennen. Also muss es auch einen Weg geben, die darin ohne eigenes Zutun begründete Verbindlichkeit der durch Christus gestifteten Gemeinschaft (joimym_a) eine Form zu geben. Eine vom Independentismus angesichts der gesellschaftlichen wie der ökumenisch-theologischen Herausforderung geschaffene Möglichkeit besteht darin, eine Lebensform zu suchen und zu gestalten, die nach innen eine für alle verbindliche Gemeinschaftsordnung formuliert und nach außen eine verbindliche Partnerschaft ermöglicht. Das ACK-Gründungsmitglied, der baptistisch geprägte Bund EvangelischFreikirchlicher Gemeinden, hat sich – wie oben gezeigt – in seinem »Glaubensbekenntnis« ökumenisch klar positioniert. Die historischen und gegenwärtigen »Verfassungen und Gemeindeordnungen« (1854 bis 2011) des Bundes Freier evangelischer Gemeinden, der die ACK-Gründung mit vorbereitete, aber dann den Status eines Gastmitglieds vorzog, sind in jüngster Zeit ebenfalls zusammengefasst veröffentlicht. In der Bundesverfassung von 1995 ist festge-

Wege, die von den Kirchen noch beschritten werden müssen

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stellt: »Die Bundesgemeinschaft trägt als Teil der weltweiten Christusgemeinde zu deren Einheit im biblischen Sinne bei«.61 Es wäre ein ökumenischer Fortschritt, wenn beide Seiten, die verfassten »Kirchen« und die wohlorganisierten »Gemeinden« mit ihren »Gemeindebünden« einen Weg zur Klärung dieser ungelösten ökumenischen Aufgabe einer autorisiert verhandelnden Kommunikationsebene finden könnten, weil er die Verbindlichkeit der Gemeinschaft mit der Gesamtchristenheit, wie sie sich ansatzweise in der ACK ausdrückt, festigen und vertiefen kann. In ihr kann und soll die im Geist bereits vorhandene und in Christus begründete Einheit der Kirche in einer sichtbaren Gestalt präsent werden können. Sie soll aber auch einen Weg zu einer gleichgewichtigen Dialogpartnerschaft eröffnen oder vertiefen. In der Geschichte der Ökumene in Deutschland sind zahlreiche Einflüsse aus den Kirchen anderer Länder zur Wirkung gekommen. Warum sollten nicht auch die Erfahrungen von Gemeindebünden in anderen Ländern hier anregende Beispiele als Rückwirkungen aus den Kirchen in Afrika und Asien, aber auch aus Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika weiterführende Impulse vermitteln können?62

5.5

Wege, die von den Kirchen noch beschritten werden müssen

In einigen kurzen Erwägungen sollen selten benannte Themenfelder ins Blickfeld gerückt werden, die bisher ungelöst sind. An ihnen wird erneut sichtbar, dass der gemeinsame ökumenische Weg wie eine Pilgerreise ist, deren Ziel längst noch nicht erreicht wurde, ja über deren Ziel noch nicht einmal eine einvernehmliche Klarheit besteht.

5.5.1 Kirchengemeinschaft – ökumenische Klärungen notwendig Für manche ist Kirchengemeinschaft autonomer Kirchen ein Ziel, für andere ist sie ein Teilziel. Die römisch-katholische Kirche kann den Ansatz, dessen Ziel 61 Hartmut Weyel, Evangelisch und frei. Geschichte des Bundes Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland, Witten 2013, 326. 62 Neuere ökumenische Entwicklungen innerhalb des Baptismus bei Uwe Swarat, Baptisten im ökumenischen Gespräch. Die jüngsten zwischenkirchlichen Dialoge und ihre Ergebnisse. In: Andrea Strübind/Martin Rothkegel. Baptismus. Geschichte und Gegenwart, Göttingen 2012, 229 – 258. Möglichkeiten innerhalb des Internationalen Bundes Freier evangelischer Gemeinden zeigt Walter Persson: In Freiheit und Einheit, aus dem Englischen übersetzt von Heinz-Adolf Ritter, Witten 1999, bes. 34 – 42. Zur Situation des deutschen Bundes evangelisch-freikirchlicher Gemeinde: Hartmut Weyel, Evangelisch und frei. Geschichte des Bundes Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland, Witten 2013, 170 – 180.

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eine »versöhnte Verschiedenheit« unter Einbeziehung aller Konfessionen und Denominationen ist, nicht teilen. Das Kirchenrecht mit der Alleinstellung der römisch-katholischen Kirche und ihre Festlegungen über die Ämter können mit dem Reichtum einer »versöhnten Verschiedenheit« nicht in Einklang gebracht werden. Vielleicht ebnet eines Tages das Grundmodell eines differenzierten Konsenses die Tür einen Spalt weit. Im protestantischen Bereich ist es ein Geschenk, dass zwischen manchen Konfessionen und Denominationen nach Jahrhunderten der Trennung Kirchengemeinschaft erreicht wurde. Aber so, wie sie sich jetzt darstellt, hat sie die damit verbundenen Möglichkeiten noch längst nicht ausgeschöpft.

5.5.2 Schritte der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa Nachdem die seit der Reformationszeit getrennten protestantischen Konfessionskirchen durch die Leuenberger Konkordie in eine volle Kirchengemeinschaft eingetreten sind, ist eine weitere Station der gemeinsamen Pilgerreise in der Form der Erweiterung der GEKE durch die methodistischen Kirchen in Europa markiert. Die Zweige der methodistischen Kirche in den europäischen Ländern hatten ursprünglich unterschiedliche Vorstellungen von einer Einbeziehung während der Frühgeschichte der Leuenberger Konkordie.63 Als 1997 die methodistischen Kirchen in einem öffentlichen Gottesdienst Mitglieder der Leuenberger Kirchengemeinschaft wurden, ist damit für diese Gemeinschaft eine weiterführende Entwicklung vorläufig abgeschlossen worden. Neu war, dass nach den bisherigen Signatarkirchen nun eine Gemeinschaft von Kirchen bzw. Kirchenzweigen durch eine Zweidrittel-Mehrheit aufgenommen wurde. Ein anderer Aspekt bestand darin, dass erstmals eine nicht an ein historisches Territorium gebundene, sondern eine grenzüberschreitende Gemeinschaft von Minderheitskirchen die gleichberechtigte Mitgliedschaft erlangen konnte. Es handelte sich also erstmals um »Parallelkirchen«, die gleichzeitig neben und gewiss zunehmend mit anderen Konfessionen in unmittelbarer ökumenischer Nachbarschaft wirken. Darin liegen bisher weitgehend unerschlossene Möglichkeiten des gemeinsamen Dienstes, weil sich seit Tallinn die Partner in einer größeren Zahl von Ländern und vielen Städten als solche erheblich näher kamen, die im Verständnis des Evangeliums zwar schon lange übereinstimmten, es nun aber formal gegenseitig anerkannt hatten. In den Städten und vielleicht noch mehr in ländlichen Diasporasituationen sind damit neue Möglichkeiten gemeinsamen 63 Vgl. Kap. 4.7.14.

Wege, die von den Kirchen noch beschritten werden müssen

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Wirkens erschlossen. Es sind nicht nur im Krankheitsfall, sondern im normalen Lauf des gemeindlichen Leben gegenseitige Vertretungen möglich.64

5.5.3 Kirchengemeinschaft praktizieren – notwendige Klärungen Kirchengemeinschaft ist allgemein definiert als »Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft«. Das ist der Gipfel dessen, was zwischen autonomen Kirchen unterschiedlicher Konfession oder Denomination unterhalb einer Union erreicht werden kann. Im Vollzug dieses hohen ökumenischen Gutes entstehen auf der Ebene der Gemeinden in der Praxis Fragen, die auch einer kirchenrechtlichen Klärung und damit einer Aufnahme in die kirchlichen Lebensordnungen und Agenden bedürfen. Am Beispiel der Gemeinschaft zwischen den Gliedkirchen der EKD und der Evangelisch-methodistischen Kirche kann konkret gezeigt werden, welche ökumenischen Schritte zu einer tieferen Gemeinschaft möglich sind und was dazu getan werden kann. Eine gegenseitige Vertretung bei Bestattungen ist im Grunde kein Problem. Eher ist hinsichtlich einer Taufe die Frage, welche Agende in welchem Falle von dem die Taufe Vollziehenden benutzt werden soll. Kommt es bei einer Abendmahlsfeier zu einer Konzelebration, dann wird in gegenseitigem Einverständnis die Liturgie der gastgebenden Gemeinde verwendet werden. Aber wie ist es bei einer Vertretung durch den benachbarten Pastor im Krankenhaus oder bei einem Krankenabendmahl? Es wäre weiter hilfreich zu klären, ob und wie Kinder aus einer Kirche am Konfirmanden-Unterricht bzw. Kirchlichen-Unterricht der anderen Kirche teilnehmen können oder vielleicht sogar sollen? Was geschieht bei regelmäßiger Teilnahme eines methodistischen Jugendlichen am Konfirmanden-Unterricht der landeskirchlichen Nachbargemeinde zum gottesdienstlichen Abschluss? Soll er daran teilnehmen und wie alle anderen »konfirmiert« werden? Oder soll es zu einem gemeinsamen Gottesdienst beider Gemeinden unter der Mitwirkung beider Pastoren kommen, und die landeskirchliche Agende benutzt werden? Oder sollen die landeskirchlichen Teilnehmer sich zu ihrer früher vollzogenen Taufe bekennen, also »konfirmiert« werden, und die methodistische Teilnehmerin der »heimatlichen« Theologie entsprechend lediglich den empfangenen Unterricht mit einer Segnung abschließen, aber das Bekenntnis zur früher vollzogenen Taufe bis zur Aufnahme in ihre Kirche, die unabhängig vom Alter erfolgt und theologisch der Konfirmation 64 In Flensburg wird gegenwärtig eine kleine methodistische Gemeinde von einer Pfarrerin der Nordkirche geleitet, in Frankfurt/M. (Ruferkirche) arbeitet eine Pfarrerin der Badischen (Landes-)Kirche.

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entspricht, offen bleiben, bis sie in eigener geistlicher Verantwortung den Glauben bekennen kann? Die Praxis der Taufpaten bei kindertaufenden Kirchen ist mancherorts im Falle der Übernahme einer Taufpatenschaft noch gebunden an die Mitgliedschaft einer der Landeskirchen. In der Praxis wird, wenn ein Pate aus einer anderen Kirche kommt, ein zusätzlicher Patendienst eines eigenkonfessionellen Taufzeugen verlangt. Im Falle von Kirchengemeinschaft ist diese Praxis im Grunde überholt. Darum ist sie kirchenrechtlich zu verankern. Schließlich ist die Möglichkeit einer gegenseitigen Überweisung von Kirchengliedern ohne formalen Austritt aus der bisherigen Kirche, also der Übertritt ohne Austritt, eine andere Konsequenz aus der in der Kirchengemeinschaft vollzogenen gegenseitigen Anerkennung. Auch hier sind die Modalitäten eines solchen Wechsels noch ungeklärt. Ob im Falle der besonders hohen Ebene von Kirchengemeinschaft auch eine gegenseitige gastweise Teilnahme an Sitzungen von zentralen Entscheidungsgremien hilfreich und weiterführend sein kann, sollte geprüft werden.65 Im Grunde sind nach den Feststellungen der theologischen Übereinstimmungen in den Lehrgesprächen und den offiziellen Bestätigungen vom Vollzug der Kirchengemeinschaft auch die kirchenrechtlichen Konsequenzen zu ziehen. In den Verfassungen, den Lebensordnungen, den Agenden und den Handlungsanweisungen für die kirchlichen Verwaltungen, beispielsweise für die Einstellungsbüros in kirchliche oder diakonische Dienste, ist es konsequent, den eingetreten Wandel im ökumenischen Fortschrift festzuschreiben. Die hier aufgeworfenen und andere Fragen eines auch kirchenrechtlich geordneten Handelns zwischen Kirchen, die in voller Kirchengemeinschaft stehen, wird bei weiteren Aufnahmen in die GEKE-Mitgliedschaft, die in deren Ordnung von Anfang an vorgesehen waren, akut. Wenn die zwischen der GEKE und der Europäischen Baptistischen Föderation geschlossene »Vereinbarung« die Zielverpflichtung enthält, den »höchstmöglichen Grad der Zusammenarbeit«66 zu suchen, dann können manche der aufgeworfenen Fragen durchaus auch in dieser Zusammenarbeit in Erwägung gezogen werden. Das ist auch denkbar, ohne bereits eine volle Übereinstimmung in der Form von Kirchengemeinschaft gefunden zu haben. Innerhalb einer Gesellschaft, in der das ursprünglich flä65 Man könnte landeskirchlich an die »Kirchenkonferenz« denken, methodistisch an die »Zentralkonferenz« und ökumenisch an die bisherigen bilateralen Gespräche zwischen dem Rat der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz. 66 Vereinbarung zwischen EFB [Europäische Baptistische Föderation] und der GEKE, kooperierende Körperschaften zu werden. In: www.google.de/url?sa=t& rct=j& q=& esrc= s& source=web& cd=1& ved=0CCIQFjAA& url=http%3A%2F%2Fwww.leuenberg.eu%2F sites%2Fdefault%2Ffiles%2Fdoc-11855-2.pdf& ei=dWbmU_HLCpHB7AbcqoGYDg& usg= AFQjCNHZuS9mffvdbAUWzZlFF2iGtEzfRw& bvm=bv.72676100,d.ZGU.

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chendeckende kirchliche Netz immer durchlässiger und die Diaspora dadurch immer größer wird, sind das keine theoretischen Fragen mehr, sondern Schritte zu einer offenen ökumenischen Praxis. Sie treten nicht so spektakulär in Erscheinung wie andere immer wieder angemahnte Schritte, aber sie sind trotzdem Teil der wachsenden ökumenischen Praxis.

5.5.4 Die Hoffnung auf eine ökumenische Hermeneutik Der Feststellung des Mennoniten Fernando Enns »Eine ernsthafte Diskussion über ökumenische Hermeneutik und Methodik mit den täuferisch-freikirchlichen Traditionen steht noch aus«67 kann man uneingeschränkt zustimmen. Allerdings betrifft die von ihm festgestellte Notwendigkeit keinesfalls nur die täuferischen Traditionen. Alle Kirchen und Gemeindebünde außerhalb der beiden in Deutschland dominierenden Kirchen werden bisher überwiegend an den Kriterien gemessen, welche diese beiden Kirchen für ihr eigenes Selbstverständnis entwickelt haben. Damit kann man den sog. Freikirchen mit ihren unterschiedlichen theologischen Ansätzen, geschichtlichen Erfahrungen und entsprechend entwickelten Kirchenverständnissen und Kirchenformen natürlich nicht gerecht werden. Die Reduzierung ihres Selbstverständnisses auf die simple Frage »Wie frei sind die Freikirchen?« zeigt eine Verengung in der Wahrnehmung ihres Selbstverständnisses und infolgedessen die Missdeutung des unpräzisen Begriffs ›Freikirche‹ unübersehbar auf. Vor einem halben Jahrhundert wurde innerhalb der Landeskirchen eine theologische Debatte um die Gestalt der Kirche geführt. Der auch in den USA inspirierte Kirchenreformer Ernst Lange mit seinen damals viel beachteten Experimenten und Alternativ-Bemühungen hat auch die Formulierung vom ›morphologischen Fundamentalismus‹ populär gemacht.68 Er kritisierte strukturelle Elemente des staatskirchlichen Erbes in der Gestalt seiner Kirche. Es wurde erkannt, wie sehr die Formen des landeskirchlichen Lebens in ihrer tradierten Gestalt einen normativen, fast fundamentalistischen Charakter gefunden hatten. Dass es neben dem normalen Pfarramt »Sonderpfarrämter« und es neben den normalen Leitungsdiensten »Sonderdienste« gab, drückte die Normativität dessen, was »normal« ist, sprachlich aus. Heute ist die herausfordernde Formulierung eines ›morphologischen Fundamentalismus‹ für die innerdeutsche Ökumene immer noch aktuell, weil für die Deutungshoheit dessen, was Kirche ist und vor allem, wie sie sich darstellt, das sog. volks67 Fernando Enns, Ökumene weiter denken! In: ThLZ Jg. 138 (2013), Sp. 641. 68 Z. B., Ernst Lange, Ein anderes Gemeindebild. Erwägungen zum Problem Kirche und Gesellschaft. In: Kirche für die Welt, München/Gelnhausen 1981, 177 – 194.

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kirchliche Modell selbstverständlich und vielleicht unreflektiert den Maßstab abgibt. Die Wendung vom morphologischen Fundamentalismus bleibt für die innerdeutsche Ökumene solange aktuell, bis sich eine ökumenische hermeneutische Praxis auf der gemeinsamen Grundlage par cum pari sowohl im kirchlichen Alltag wie in Lehre und Forschung durchgesetzt haben wird. Die vielfältigen, theologisch und historisch begründeten ekklesiologischen Wirklichkeiten innerhalb der Ökumene in Deutschland werden bisher nur in geringem Maße wahrgenommen. Die gesellschaftliche, aber auch kirchenpolitische Rolle der beiden großen kirchlichen Körperschaften ist in einer Weise wirksam, dass es nicht leicht ist, Minderheitskirchen zuerst aus ihrer eigenen theologischen, aber dann auch historischen Situation heraus zu verstehen und ihren Weg wie ihr Handeln von hierher zu deuten. Die prägende Kraft beherrschender kirchlicher Strukturelemente ist so mächtig, dass der bereits erwähnte Fernando Enns sogar für die mennonitische Tradition den Eindruck gewonnen hat, dass »sie im Laufe des 20. Jahrhunderts in Teilen ›volkskirchlichen Charakter‹ hinsichtlich ihrer Adaption der herrschenden Kultur angenommen« hat. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer »soziologischen Konvergenz«.69 Was hier für Bereiche der mennonitischen Gemeinden angesprochen wird, die als traditionelle Friedenskirchen in einigen theologischen Akzenten ein geradezu einmaliges Profil haben, trifft in erheblich umfangreicherem Maße für die Kirche in der methodistischen Tradition zu.70 Neben den möglichst flächendeckenden volkskirchlichen Gemeindestrukturen, die auf eine sie prägende Geschichte im 16. Jahrhundert zurückgehen und den staatlichen Einfluss bei der Bildung dieser Form von Kirche in sich trägt, gibt es andere Ausformungen des Kircheseins. Die independentistischen Kongregationalisten mit dem Grundsatz der völligen Autonomie der Einzelgemeinde ist kein Zufallsergebnis, sondern unter ganz bestimmten theologischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen entstanden. Diese Bewegung hatte die Kraft, gegen die herrschende Kirchenkultur z. B. den Gedanken der Religionsfreiheit durchzusetzen und im politischen Umfeld zur Wirkung zu bringen. Die Gemeindestruktur folgte von Anfang an gegen den gesamtkirchlichen Trend einem demokratischen Grundmuster und gestaltete sich im Umfeld fast absolutistisch beherrschter Kirchen in einer Praxis des Priestertums aller Glaubenden aus. Eine wichtige theologische Grundlage ist neben der historischen Wurzel des Puritanismus die Bundestheologie. Sie spielte in der Geschichte der ökumeni69 Fernando Enns, Ökumene weiter denken! In: ThLZ Jg. 138 (2013), Sp. 646. 70 Vergleicht man diese Entwicklung mit der ebenfalls grundökumenischen Herrnhuter Brüdergemeine, so zeigen sich in der Entwicklung der kirchlichen Selbstwahrnehmung bemerkenswerte Unterschiede.

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schen Bewegung gegenüber dem abgrenzenden Konfessionalismus in der Ausbildung eines integrierenden Denominationalismus eine öffnende Rolle. Neben dem Gemeinde-Kongregationalismus einiger Freikirchen gibt es die methodistische Connexio. Dieser Begriff der »Verbindung« war geeignet, die ekklesiologische Gestalt der methodistischen Bewegung zu beschreiben. Das connexionale System des Kircheseins drückt sich in einer Art konziliarem Prinzip aus. Durch ein System von »Konferenzen« sind alle Ebenen der Kirche von den örtlichen Gemeinden der Bezirke bis zur Weltgemeinschaft in verpflichtender Weise miteinander verbunden. Geregelt wird diese Weltgemeinschaft durch eine gemeinsame ›Verfassung, Lehre und Ordnung‹. Diese »Connexio« wird mit Leben gefüllt durch beauftragte Personen auf den verschiedenen Ebenen, die gleichsam das Band von der Ortsebene bis zur verfassunggebenden Weltversammlung, der Generalkonferenz, darstellen. Im Rahmen einer methodistischen Theologie wird das »Verbundsystem« »im Unterschied zur hierarchischen Struktur der katholischen und orthodoxen Kirchen und zur Unabhängigkeit der Einzelgemeinden des kongregationalistischen Typus« gesehen.71 Diese sehr unterschiedlichen Kirchentypen, von denen sich einer auf die autonome Einzelgemeinde, der andere sich auf eine Weltkirche bezieht, sind neben dem in Deutschland prägenden Typ einer synodal-territorialen Kirchenstruktur bisher nur selten in die ökumenische Diskussion eingeflossen. Ein gewisser ›morphologischer Fundamentalismus‹, der sich an die hiesige traditionelle Art des Kircheseins anschließt, verhindert die Wahrnehmung einer ökumenischen Weite. Am Beispiel des Kircheseins, das in der ökumenischen Diskussion seit der ersten Versammlung von ›Glauben und Kirchenverfassung‹ in Lausanne 1927 eine zentrale Rolle spielte, kann gut erkannt werden, vor welchen Herausforderungen eine ökumenische Hermeneutik noch steht. Wenn sie nicht ein einziges Modell zum Maßstab für die Bewertung anderer Kirchen machen will oder wenigstens einen partnerschaftlichen Dialog zu führen bereit ist, dann sind Grundkenntnisse in Theologie und Geschichte der Partner unverzichtbar.72 Wie groß die Defizite hier noch sind, zeigen selbst von Experten geschriebene Lexikonartikel, ja die Struktur der kirchlichen Lexika selber, die sich an einem Hauptstrom orientieren, der noch nicht bereit ist, ökumenische Aspekte zu integrieren, sondern ihnen teilweise immer noch als konfessionskundlichen Appendix im Sinne von »Sondergemeinschaft« einen außergewöhnlichen Status zuschiebt. 71 Walter Klaiber/Manfred Marquardt, Gelebte Gnade, Göttingen 20062, 393. 72 Ein Beispiel für diese Notwendigkeit bietet Friedrich Wilhelm Graf, Der Protestantismus. Geschichte und Gegenwart, München 2006. Rezension Karl Heinz Voigt. In: FF 16. Jg. (2007), 297 – 300.

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Die gegenwärtige Diskussion um eine Konvergenz- und Konsensökumene gegenüber einer Differenzökumene hat gezeigt, dass z. B. die bestimmende Macht eines strukturellen Fundamentalismus einen enormen ökumenischen Verlust in sich birgt. Wer andere kirchliche Wirklichkeiten nicht wahrnimmt oder seine eigenkirchliche Identität verliert, kann kaum ein ernsthafter ökumenischer Partner sein. Zum ökumenischen Reichtum der Gesamtgemeinschaft aller Kirchen gehören neben den unterschiedlichen theologischen Akzenten und historischen Erfahrungen auch die vielfältigen strukturellen Formen des Kircheseins: neben der sog. Volkskirche der Bund von Gemeinden oder die weltweit strukturierte Kirche. Das gilt gerade deswegen, weil die eigene Verfasstheit zugleich immer Negatives und Positives enthält. Wie notwendig die denominationelle Identität gerade in einer einseitig geprägten ökumenischen Nachbarschaft ist, zeigte der Kirchenrechtler Andreas Weiss auf. Er hat seine am Tübinger ›Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Kirchenrecht‹ angenommene Dissertation zum Thema »Kirchenrecht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und ausgewählter evangelischer Freikirchen« im Jahr 2012 veröffentlicht. In seinem Vorwort gibt er mit einer kurzen Bemerkung aufschlussreichen Einblick in den ökumenischen Kenntnisstand. Er schreibt: »Wenn ich während der Erstellung meiner Arbeit über mein Forschungsthema Auskunft gab, so kam häufig zu aller erst die Rückfrage. ›Haben die Freikirchen überhaupt Kirchenrecht?‹«.73 In unserer deutschen Kirchenlandschaft kann man sich bis heute kaum vorstellen, dass es kirchliche Gestaltungen und Lebensordnungen gibt, die in völlig anderen Kontexten und aus einem eigenen theologischen Ansatz heraus entstanden sind, als dieses in den hiesigen Traditionskirchen der Fall war.74 73 Andreas Weiss, Kirchenrecht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und ausgewählter evangelischer Freikirchen. Ein Rechtsvergleich,Tübingen 2012, Vorwort. 74 Anneliese Sprengler-Ruppenthal, Kirchenordnungen, TRE Bd. 18 (1989), 670 – 707 gibt eine historische Übersicht. Es ist typisch, dass sie sich auf die staatskirchlich/landeskirchliche Entwicklung beschränkt. – Im inneranglikanischen Methodismus wurden 1744 bis 1789 »Konferenzgespräche über Lehre und Ordnung« geführt. (John Wesley, Konferenzgespräche über Lehre und Ordnung, hrgg. v. Wilfried Nausner, Graz o. J. (Privatdruck)) Als es 1784 in Amerika zur ersten methodistischen Kirchenbildung kam, gab John Wesley den von ihm zur Aufsicht entsandten Boten eine Agende mit, die ein gekürztes Book of Common Prayer der Kirche von England war. (John Wesley’s Sunday Service of the Methodists in North America, London 1784, Faksimile Druck mit einer Einleitung von James F. White, Nashville 1984.) Für Taufen und Mahlfeier, Trauungen, Bestattungen und Ordinationen waren darin Ordnungen formuliert. 1792 organisierten die amerikanischen Methodisten mit der Generalkonferenz eine eigene gesetzgebende Körperschaft. 1798 erschien bereits die zweite Auflage einer Lebensordnung. (The Doctrines and Discipline of the Methodist Episcopal Church in America. With Explanatory Notes, by Thomas Coke and Francis Asbury. The tenth Edition. Philadelphia 1798 (Reprint 1979). Erste Übersetzungen ins Deutsche erfolgten 1804, 18082, Lancaster für die Methodisten, und 1809 und 1817 erschienen die entsprechende Ordnung für die heute mit der methodistischen Kirche vereinigte Evangelische Gemeinschaft (Glau-

Wege, die von den Kirchen noch beschritten werden müssen

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5.5.5 Ökumenische Gastfreundschaft auf allen Ebenen Die Praxis gegenseitiger Besuche der Kirchen untereinander hat deutlich zugenommen. Gemeinden laden sich gegenseitig bei Höhepunkten ihres kirchlichen Lebens ein. Das geschieht selbstverständlich bei Einweihungen und bei Einführungen neuer Pastorinnen oder Pastoren. Auf kirchenleitender Ebene lädt die EKD seit Jahrzehnten Gäste anderer Kirchen zu ihren Synoden ein. Das geschieht auch bei Konferenzen und Tagungen in den Regionen und bei der Mehrzahl der freikirchlichen Leitungsorgane. Die Begegnungen mit Gästeempfängen von kirchlichen und staatlichen Vertretern geben Gelegenheit zu freundlichen Grußworten. Nur selten kommt es zu derart folgenreichen Begegnungen wie beim Besuch von Papst Johannes Paul II. in Mainz, wo der Impuls für die spätere Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre gegeben wurde. Eine Rückschau von Kardinal Bea nach der ersten römischen Konzilsperiode ist bemerkenswert. Zur Teilnahme waren »Beobachter-Delegierte« verschiedener Kirchen und auch persönliche »Gäste des Sekretariats für die Einheit der Christen« eingeladen. 11 Orthodoxe, 1 Alt-Katholik, 5 Anglikaner, 4 Lutheraner, 4 Reformierte, 2 EKD-Delegierte (Edmund Schlink und Andreas Jung, beide aus Heidelberg), 1 Vertreter des Weltkonvents der Disciples of Christ, 2 Quäker, 5 Kongregationalisten, 6 Methodisten (darunter Franz Hildebrandt), 3 Vertreter der Internationalen Vereinigung für freies Christentum und religiöse Freiheit und schließlich vom ÖRK in Genf Lukas Vischer. Unter den acht persönlich von Beas Sekretariat eingeladenen »Gästen« waren zwei Brüder aus Taiz¦ und ein amerikanischer Baptist.75 In seiner Rückschau bewertete Kardinal Bea öffentlich die »Wechselwirkung« zwischen der Konzilsversammlung und den BeobachterDelegierten. »Zahlenmäßig war diese Gruppe, im Vergleich mit den über 2000 Konzilsvätern, recht klein, sozusagen nur ein Senfkörnlein; aber die Wechselwirkung war unerwartet groß. Verschiedene der Beobachter-Delegierten haben mehrfach schriftlich und mündlich ihrer Freude darüber Ausdruck verliehen, daß sie so eng an der Konzilsarbeit teilhaben durften, haben ihre Freude ausgedrückt über die Diskussionsfreiheit, die sie immer wieder feststellen konnten, wie auch über die vielen privaten Kontakte, die sie auch außerhalb der Konzilssitzungen mit nicht wenigen Konzilsvätern haben aufnehmen können. Umgekehrt haben manche Konzilsväter auch in öffentlichen Verlautbarungen erklärt, wie sehr sie sich über die Anwesenheit der Beobachter-Delegierten gefreut benslehre und Kirchen-Zucht-Ordnung der Evangelischen Gemeinschaft, Neuberlin 18172). In Deutschland erschienen die ersten Übersetzungen 1856 (noch in Cincinnati gedruckt, aber auch hier vertrieben), für die Ev. Gemeinschaft 1868 in Nürtingen gedruckt.) 75 Otfried Müller (Hg.), Vaticanum Secundum. Band I: Die erste Konzilsperiode, Leipzig 1963,185 – 187. In den folgenden Sitzungsperioden stieg die Zahl der »Beobachter-Delegierten« und »Gäste« von Mal zu Mal.

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haben und wie gerade auch die Anwesenheit der Beobachter das Konzilsklima bestimmt hat.«76

Sicher, die »Wechselwirkung« an einem Konzil ist schon allein durch die Dauer einer Sitzungsperiode einmalig. Aber die Bewertung durch den römischen »Ökumene-Minister«, die später vom Papst entsprechend ergänzt wurde, regt doch an, darüber nachzudenken, ob nicht auch in den hiesigen »normalen« Begegnungen eine Form gefunden werden kann, die über freundliche Grußadressen hinaus ökumenisch ertragreich sein kann. Abgesehen davon könnte die ACK an die Mitgliedskirchen eine Empfehlung geben, zu Arbeitssitzungen, in denen ökumenische Themen behandelt werden, Ökumenevertreter anderer Konfessionen einzuladen. Die EKD hat das mit einem Ökumene-Ausschuss, in dem ein Katholik und ein Freikirchler Mitglieder waren, praktiziert. Es würde gemeinsamen Aktivitäten einen neuen Impuls geben können, wenn für eine »ökumenische Begegnungskultur« eine Art Katalog für mögliche Rahmenbedingungen kreativ zusammengetragen wird. Dabei könnte es sich um eine Anregung handeln, die inhaltliche Impulse gibt. Aber nicht nur das. In einer Übersicht könnten Möglichkeiten für »fremde« Teilnehmer beschrieben, Grenzen aufzeigt, Erwartungen formuliert und überhaupt die Bedeutung der gegenseitige Teilnahme von Gästen, Beobachtern, Beratern, Referenten oder was immer es sein mag, so beschrieben werden, dass »Wechselwirkungen« eintreten können. Dazu gehört es, die ökumenischen Beziehungen zu stärken, bei Ökumene-Kritikern Vorurteile abzubauen, Missverständnisse auszuräumen und in allem das gegenseitige Vertrauen zu festigen. Weil alles ökumenische Geschehen und alle ökumenischen Entscheidungen von zwei Partnern die anderen immer einmal mehr einmal weniger mitbetreffen, ist Transparenz in Verbindung mit einer ökumenischen Begegnungskultur ein Faktor, den noch stärker in ein festes System ökumenischer Gemeinschaft zu integrieren sich lohnen würde.

5.6

Fruchtbare partnerschaftliche Ökumene zwischen ungleich großen Kirchen?

Die europäischen Mitgliedskirchen des ÖRK weisen in den meisten Ländern erhebliche Unterschiede in den Zahlen statistisch erfasster Mitglieder aus. Es gibt zahlenmäßig sehr große und außerordentlich kleine Kirchen. Dieses ungleiche Größenverhältnis der Konfessionen und Denominationen hat auf na76 Ebd., 184 f.

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tionaler Ebene zu einer ungewöhnlichen, für beide Seiten nicht leichten ökumenischen Ausgangslage geführt. Anderen Kontinenten sind Konstellationen entweder nur ganz großer und gleichzeitig nur ganz kleiner protestantischer Kirchen fremd.77 Das deutet wieder auf den europäischen »Sonderweg« hin, in dessen Hintergrund die Geschichte des flächendeckenden Territorialkirchentums steht, das in Jahrhunderten unter staatlichem Schutz und zugleich in partikularstaatlichem Interesse Bedingungen hervorgebracht hat, die eine ökumenische Entwicklung fast völlig ausschlossen. Diese Kirchentradition hat sich in bestimmten Denk- und Verhaltensweisen ausgeformt und mentalitätsprägend gewirkt. Es war selbstverständlich, wirklich einzige »Landeskirche« zu sein und es war ebenso natürlich, vor allen anderen Denominationen mit Privilegien ausgestattet und vor anderen Denominationen geschützt zu sein. In nicht wenigen Situationen wurden die Nicht-Landeskirchen sogar mit staatlicher Gewalt behindert. Dadurch sind ungewöhnliche Vorstellungen vom Kirchesein entstanden, die sich als standfest erweisen. Die historischen Vorgaben führten zu dem oben erwähnten zahlenmäßigen »Unverhältnis«78, das sich auf eine partnerschaftliche Ökumene hemmend auswirkt. Im Kontext der weltweiten Ökumene werden völlig andere zwischenkirchliche Erfahrungen vermittelt. Andere Größenverhältnisse und dazu die anders zu bewertenden statistischen Zahlen der Kirchen in den meisten außereuropäischen Kontinenten, lassen andere Bilder als die bei uns gewohnten entstehen. Territorial organisierte Kirchen, die aus den Staatskirchentümern der früheren deutschen Kleinstaaten herausgewachsen sind, wurden durch ihre historisch begrenzte organisatorische Gestalt aus der weltweiten ökumenischen Sicht – man wagt es kaum zu schreiben – zu teilweise kleinen Minderheitskirchen. Wenn nicht spezielle Beziehungen aus der Missionsgeschichte zu Bremen oder Lippe-Detmold bestehen, dann werden diese Mitgliedskirchen des ÖRK im weltweiten Netz der wachsenden Kirchen in den afrikanischen und asiatischen Staaten wie der großen Kirchen in den USA kaum wahrgenommen. 77 Das ist in der Mehrzahl der lateinamerikanischen Staaten nicht anders. Dort ist jedoch das Gegenüber eher katholisch-freikirchlich. Als neues Phänomen kommt hinzu, dass es seit einigen Jahrzehnten zu einer völlig neuen, teils innerkatholischen Begegnung mit einer rasant um sich greifenden Erweckung durch die Pfingstbewegung gekommen ist, wie wir sie in Deutschland in dem Maße nicht kennen. 78 Erich Geldbach, Freikirchen – Erbe, Gestalt und Wirkung, BH 70, 2. völlig neu bearbeitete Auflage, Göttingen 2005, überschreibt ein Kapitel »Landeskirchen und Freikirchen in Deutschland: ein Unverhältnis« (S. 124 ff.), das bisher ökumenisch nicht aufgearbeitet ist. Ein realistisches Bild könnte ein Vergleich ergeben, der zwischen einer der kleinen Landeskirchen mit einer entsprechenden Freikirche in ihren Aktivitäten, Pfarrerzahlen, der Gottesdienstteilnahmen, finanziellen Leistung z. B. für Brot für die Welt und die Weltmission und weiteren Tätigkeiten angestellt werden sollte.

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Das ist im internationalen Erleben von Ökumene völlig anders bei den in Deutschland – wieder aus geschichtlichen Gründen79 – klein gebliebenen Kirchen, besonders bei den Baptisten, den Methodisten und neuerdings auch den Pfingstlern. Die Vollversammlungen des ÖRK, die Sitzungen des Zentralausschusses sowie die Präsidentschaft und die Geschichte des ÖRK zeigen im Vergleich mit den Verhältnissen in Deutschland völlig ungewohnte Bilder. Diese massive Verschiedenheit in Geschichte und Gegenwart wird in unserem Lande nur von jenen ausgeglichen, die mit dem ökumenischen Motto »Weltweit denken – lokal handeln« das kirchliche Leben gestalten und die den Grundsatz par cum pari verinnerlicht haben. Er setzt eine spezielle Art der ›Bekehrung‹ von der konfessionellen Kirchenpolitik zu ökumenischen Gemeinschaftshandeln voraus, die den Weg der Ökumene als Weg zur Einheit in der Vielfalt auch im Blick auf unterschiedlich große Kirchen zu beschreiten willig ist. Eine partnerschaftliche Ökumene zwischen ungleich großen Kirchen, von denen zwei das öffentliche Bild beherrschen und eine größere Zahl mehr oder weniger in deren Schatten bleibt, ist weltweit eine fast einmalige Herausforderung in Europa, vielleicht noch in einer anderen Variante in Lateinamerika. In unserem Land übliche Zahlenvergleiche, die gerne benutzt werden, um das »Unverhältnis« herauszustellen, sind ökumenisch kritisch zu bewerten. In der Reformationszeit konstituierte protestantische Kirchen, die unter politischem Einfluss entstehen mussten und deren heutiger »Bestand« an Mitgliedern teilweise ein »Erbe« aus vorprotestantischer Zeit ist, kann man redlicherweise nicht mit den Zahlen von Mitgliedern der Minderheitskirchen in Deutschland vergleichen. Deren Gemeinden sind in einem mühsamen Prozess als Missionskirchen »von unten« durch Personen gewachsen, die sich ihnen – trotz der zeitweise damit verbundenen Verluste von bürgerlichen Rechten – als mündige Christen aus freiem Entschluss zugewandt haben. Insofern sind Zahlenvergleiche obwohl statistisch korrekt, theologisch und ökumenisch anzufragen, eigentlich zu verwerfen. Ökumenisch wäre ein anderer Vergleich von Interesse, der im folgenden Abschnitt kurz erwähnt sein soll.

5.7

Ein ökumenischer »Verfassungs«-vergleich?

Kirchliches Forschen nimmt besonders in methodischen Fragen immer wieder Anregungen aus anderen Wissenschaftsbereichen auf. In jüngster Zeit sind für die Erforschung kirchlicher Entwicklungen kulturwissenschaftliche Parameter übertragen worden. Aber der Blick kann auch auf völlig andere Fachrichtungen gewendet werden. Zwei Beispiele sollen kurz erwähnt sein. 79 Ebd., 124 – 160.

Ein ökumenischer »Verfassungs«-vergleich?

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Wirtschaftswissenschaftler haben in den vergangenen Jahrzehnten einen Zweig entwickelt, der innerhalb der Institutionenökonomik als Verfassungsökonomik auch von Juristen geschätzt wird.80 Ziel der in diesem Zusammenhang entwickelten Forschungsmethode ist es, u. a. im Vergleich von Staatsverfassungen herauszufinden, welchen Einfluss diese auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes ausüben. Verfassungen können förderlich oder auch behindernd sein. Für den ökumenischen Fortschritt ist es erwägenswert, einen ähnlichen Vergleich der Verfassungen von Kirchen zu unternehmen.81 Als Verfassungen werden hier die gegenwärtig gültigen Rechtsgrundlagen der einzelnen Konfessionen bezeichnet. Durch einen solchen Vergleich könnten für eine ökumenische Weiterentwicklung fördernde und hemmende Faktoren ans Licht gebracht werden. Gewiss wären dabei sehr unterschiedliche Positionen zu untersuchen: etwa welche Veränderungen in den kirchlichen Ordnungen zugunsten oder zuungunsten eines ökumenischen Fortschritts in den letzten Jahrzehnten erfolgt sind. Man denke an das Zweite Vatikanische Konzil oder an die Leuenberger Konkordie. Es ist aber auch zu untersuchen, wie in kirchlichen Neubildungen infolge von Unionen die ökumenischen Entwicklungen auf die neuformulierten Verfassungen Einfluss genommen haben.82 Dazu wäre zu fragen: welche Faktoren waren förderlich, welche hinderlich? Oder es ist zu fragen: sind wirklich in bischöflich organisierten Kirchen bessere Voraussetzungen für einen ökumenischen Fortschritt gegeben als in kongregationalistisch organisierten? Weiter : Welchen Einfluss üben die Unterschiede zwischen Mehrheits- im Vergleich zu Minderheitskirchen auf das ökumenische Lernen und Handeln innerhalb der einzelnen Kirchen aus? Die Liste der Fragen ließe sich beliebig fortsetzen. Ein derartiger, nicht im Interesse einer bestimmten Konfession erhobener Vergleich wird vermutlich für die ökumenischen Partner auch Standpunkte offen legen, die sich auf die ökumenische Entwicklung hemmend auswirken können und darum zunächst innerkirchlich und dann mit den Partnern dis80 Stefan Voigt, Institutionenökonomik. UTB 2339 München 20092. 81 Der Europa- und Völkerrechtler Christian Walter hat 2004 durch seine Habilitationsschrift über »Religionsverfassungsrecht in vergleichender und internationaler Perspektive« einen Anstoß in diese Richtung gegeben. Freilich herrschen bei ihm keine direkten ökumenischkirchlichen Interessen vor. Es geht ihm nach einer Rezension von Dieter Kraus im Schweizer Jahrbuch für Kirchenrecht in der umfangreichen Studie um die Entwicklung eines modernen Religionsverfassungsrechts zur Ausübung von Religionsfreiheit unter den wachsenden säkularen Bedingungen im europäischen Verbund. Trotzdem ist sein Ansatz auch für den ökumenischen Vergleich von Interesse. 82 1968 erfolgte weltweit die Vereinigung der Evangelischen Gemeinschaft und der Methodistenkirche zur Evangelisch-methodistischen Kirche. Die Organisation der Nordkirche vollzog sich in Schritten die 1977 zu Nordelbischen Kirche und 2012 zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland führten. Seit 2009 besteht die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland, die 2004 mit dem Weg über eine Föderation eingeleitet wurde.

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kutiert werden sollten. Innerkirchlich können die Ergebnisse für die jeweiligen Ökumene-Ausschüsse die Anregungen aufgreifen und präzise formulieren, welche Aufgaben sich ihrer Konfession stellen. Das würde helfen, nicht nur Forderungen an andere Partner zu stellen, sondern die jeweils eigene Ökumenebereitschaft konkret auszudrücken.

5.8

Minderheiten »Motor der Modernisierung«

Der Blick über den Zaun der Kirchengeschichtsforschung hin zu den Juristen eröffnet eine andere nachdenkliche sozialpsychologische Perspektive. Der in München lehrende Staatsrechtler Christian Walter hat auch ein Interesse für die Entwicklung des Kirchenrechts gezeigt.83 Er sieht staatskirchenrechtliche Entwicklungen im internationalen Horizont. In einem Beitrag zur Frage eines »Religiösen Pluralismus im Vereinten Europa« stellte er die These auf: Neue Bewegungen und kirchliche Minderheiten sind in der Entwicklung und Modernisierung des Staatskirchenrechts ein »Motor der Modernisierung«.84 Was für das Staatskirchenrecht gilt, das »in allen Rechtsordnungen ein stark traditionsgeprägtes Rechtsgebiet« ist,85 kann zweifelsfrei auch von den innerkirchlichen Rechtsverhältnissen gesagt werden.86 Darum ist ein Vergleich zwischen 83 Seiner völkerrechtlichen Dissertation »Regionalorganisationen und Vereinte Nationen« folgte die Habilitation mit dem Titel »Religionsverfassungsrecht in vergleichender und internationaler Perspektive«. 84 Christian Walter, »Sekten« und Freidenker als Motor der Modernisierung in den StaatKirche-Beziehungen. In: Hartmut Lehmann (Hg.), Religiöser Pluralismus in Europa. Freikirchen und Sekten, Göttingen 2005, 173 – 199. 85 Ebd., 173. 86 Welche Auswirkungen das Staatskirchenrecht auf die kirchlichen Minderheiten und damit welche ökumenisch-zwischenkirchliche Konsequenzen es hat, ist bisher kaum als Gegenstand der Forschung in Erscheinung getreten. In der Eidesfrage mag es die Mennoniten betreffen, in der ungewöhnlichen Frage der adventistischen »Sabbatheiligung« wird diese Frage aktuell. Aber auch weitergehend ist zu untersuchen, inwieweit Minderheitskirchen selbstverständlich von der an den Mehrheitskirchen orientierten Rechtssetzung mitbetroffen sind. Zum Beispiel entstand eine eigenartige Situation, als die Arbeitsgruppe Betreuung der Kriegsdienstverweigerer innerhalb der Vereinigung Ev. Freikirchen 1969 auf ein Privileg, das Mitglieder aller Kirchen in gleicher Weise betraf, verzichten wollte. Der Gesetzgeber hatte Personen, die sich auf das geistliche Amt vorbereiten, per se vom Wehrdienst und damit auch von der Notwendigkeit einer Antragstellung und nachfolgenden Behandlung als Kriegsdienstverweigerer »freigestellt«. Damit waren die angehenden Theologen von der Gewissensentscheidung zwischen Wehrdienst und Kriegsdienstverweigerung befreit. Die Freikirchen waren durch die an den Mehrheitskirchen orientierte Gesetzgebung mitgefangen, obwohl sie im Interesse einer rechtlichen Gleichstellung aller Bürger auf dieses Privileg (wie im Falle der Kirchensteuer, wo dieses möglich ist und praktiziert wird) verzichten wollten. (Dazu: Karl Heinz Voigt, »Friedensdienst mit und ohne Waffen?«. In: FF Bd. 13 (2003), 180 – 197.

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beiden Rechtsgebieten durchaus interessant, denn dort wie hier sind ähnliche Mechanismen und Entwicklungen wirksam. Noch einmal zur Analyse von Christian Walter. Er geht von der Erkenntnis aus, es könne im Staatskirchenrecht »bei längerem Fortbestand der Normen auch zu einer gewissen Verkrustung führen […], weil diese Strukturen aus sich heraus nur begrenzt reformfähig sind und sich die Orientierung an der Tradition im Zweifel durchsetzt. Vor diesem Hintergrund,« führt der Jurist weiter, »können neue und bislang noch nicht angepasste Gemeinschaften Bewegung in die vorhandenen Strukturen bringen.«87 Walter weist das an Beispielen aus Deutschland, Österreich, Griechenland, der Schweiz und den USA nach. Unter dieser Beobachtung liegt es nahe, in der Frage der ökumenischen Entwicklung eine Parallele zu ziehen. Historisch kann mit einer ganzen Reihe von Beispielen gezeigt werden, wie diese im Grunde völlig natürliche Spannung zwischen Beharrung und Fortschritt sich in der Geschichte der Kirchen in Deutschland zwischen Landeskirchen und Freikirchen bestätigt. Es kann hier nur eine ganz kurze Aufzählung erfolgen. Ausführlich behandelt Harald Beutel die Einflüsse des schottischen Reformers Thomas Chalmers in ihrer Bedeutung für die kongregationalistischen Freikirchen, insbesondere für deren Diakonie und das Modell des »Elberfelder Systems«, das weit über die Freikirchen hinauswirkte.88 Im Einzelnen wird das auf der örtlichen Ebene erlebt. Weil die freikirchliche Gemeinde an einem Ort ohne Parochialkirche eine Kapelle errichtete, fühlte sich die Landeskirche in einem gewissen Zugzwang, der zur Errichtung eines zusätzlichen Gotteshauses führte. Ähnlich führte die Bildung von freikirchlichen Sonntagsschulen in zahlreichen Orten als Reaktion darauf zur Einrichtung von landeskirchlichen Kindergottesdiensten.89 Bereits im 19. Jahrhundert war der Einfluss der Sonntagsschulbewegung auf die gesamtlandeskirchliche Entwicklung des Kindergottesdienstes bemerkenswert.90 In Württemberg führten die methodistischen Aktivitäten im 19. Jahrhundert zum sog. »Dissidentengesetz«, das dort wiederum den Prozess der autonomen Kirchenbildung einleitete. Selbst innerhalb der Gemeinschaftsbewegung, die immer wieder betonte, »Mit der (Landes-)Kirche, in der (Landes-)Kirche aber nicht unter der (Landes-)Kirche« zu wirken, sind sowohl einige theologische 87 Ebd., 174. 88 Harald Beutel, Die Sozialtheologie Thomas Chalmers und ihre Bedeutung für die Freikirchen. Eine Studie zur Theologie der Erweckungsbewegung, APTLH 52, Göttingen 2007. 89 J. Thomas Hörnig, [Der Kindergottesdienst] »Bringt Erkenntnis und Erbauung, bewahrt vor Methodisten«. Württemberg und die Anfänge der ›freiwilligen Sonntagsschule mit Gruppensystem‹. In: Frank Zeeb/Martin Hauff, Zwischen den Zeiten. 100 Jahre Württembergischer Evangelischer Landesverband für Kindergottesdienst 1905 – 2005, Stuttgart 2005, 14 – 28. 90 Karl Heinz Voigt, Internationale Sonntagsschule und deutscher Kindergottesdienst. Eine ökumenische Herausforderung, Göttingen 2007.

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und viele strukturelle Elemente insbesondere aus der methodistischen Tradition wirksam geworden.91 Bis in die Debatten über die Kirchenartikel hinein kann man in der Weimarer Nationalversammlung den Einfluss der Freikirchen auf deren Ausgestaltung verfolgen.92 Sie würden bis heute ohne freikirchliche Einwirkungen einen anderen Charakter gehabt haben. Zur Weimarer Zeit war die Mitwirkung der Freikirchen innerhalb des Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen ein nicht zu unterschätzender Faktor der frühen ökumenischen Beziehungen zwischen den Freikirchen und den Landeskirchen.93 Schließlich sei der zukunftsweisende Einfluss in der kirchlichen Frauenarbeit erwähnt. Ruth Albrecht schreibt zur Rolle der Frauen als Predigerinnen und Evangelistinnen: »In den meisten Freikirchen und Gruppierungen spielten Frauen bei deren Entstehung und Ausbreitung eine große Rolle, da das Engagement von Laien beiderlei Geschlechts zu den Kennzeichen dieses christlichen Milieus gehörte.«94 In ihrem Resümee unterstreicht sie dieses Phänomen nochmals im Unterschied zwischen festgefügten Kirchen und jüngeren kirchlichen Bewegungen, wenn sie feststellt: »Während in den Kirchen der reformatorischen Tradition bedingt durch die relativ starre Ämterstruktur Frauen und männliche Laien sich in weitaus geringerem Maße einbringen konnten, zeichneten sich vor allem in den Bewegungen, die unter angelsächsischem Einfluss entstanden, neue Gendermodelle ab.«95

Das Phänomen der Beharrung innerhalb eingeübter und in der Vergangenheit bewährter Strukturen ist psychologisch völlig natürlich. Auf die Bewahrung der Kontinuität, die Sicherung von Privilegien und die Erhaltung einer Ausnahmestellung in der Gesellschaft wird keine Institution freiwillig verzichten, auch die Kirche nicht. Aber zwischen dem Verhalten gegenüber dem Staat und gegenüber ökumenischen Partnerkirchen gibt es für Kirchen einen grundlegenden Unterschied. Eine geistlich gestaltete ökumenische Gemeinschaft fordert auch Respekt gegenüber anderen kirchlichen Partnern, die Anerkennung von deren 91 Karl Heinz Voigt, Der Zeit voraus. Die Gemeinschaftsbewegung als Schritt in die Moderne. Erwägungen zur Vorgeschichte und Frühgeschichte des Gnadauer Gemeinschaftsverbands, Leipzig 2014. 92 Verh. der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 328, Juli 1919, Berlin 1920, 1645 u. 1654. – Auch: Karl Heinz Voigt, Freikirchen in Deutschland, Leipzig 2004, 147 – 150 . 93 Vgl. Ökumene in Deutschland Bd. 1, 134. 94 Ruth Albrecht, Das Weib schweige? Protestantische Kontroversen über Predigerinnen und Evangelistinnen. In: Michaela Sohm-Kronthaler/Ruth Albrecht (Hg.), Fromme Lektüre und kritische Exegese im langen 19. Jahrhundert. Die Bibel und die Frauen, Stuttgart 2014, 211. 95 Ebd. 232. – Konkret führt das für den britischen Methodismus im 18. und frühen 19. Jahrhundert in dem gleichen Band Paul W. Chilcote in seinem Beitrag ›Methodistische Frauen und die Bibel: Die Beschäftigung mit der Heiligen Schrift im 19. Jahrhundert‹ aus. Ebd., 19 – 31.

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Würde, und vor allem die gleiche Ebene für den gemeinsamen Dienst der kleiner werdenden Kirchen an einer Gesellschaft, die sich rasant ihrem Einfluss entzieht. Eine missionierende Kirche, die sich auch dem einzelnen Bürger durch Wort und Diakonie zuwendet, kann, wenn sie in unserer pluralistischen Gesellschaft glaubwürdig sein will, nur ökumenisch denken, leben und handeln. Noch einmal zurück zur Ausgangsthese des Juristen Walter. Eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass Minderheiten ein »Motor der Modernisierung« – auch zu einer aktiven und lebendigen Ökumene – sein können, hat er konkret formuliert. Er traut die Kraft zur Veränderung »bislang noch nicht angepasste(n) Gemeinschaften« zu.96 Für den Staatsrechtler ist die gerichtliche Erstreitung von Rechten durch Weltanschauungsgemeinschaften, Freidenker, Atheisten und die neu sich etablierenden Religionen, die zunehmend auf eine Modernisierung des staatlich gesetzten Rechts setzen, normal.97 Eine ökumenische Partnerschaft verzichtet im Miteinander auf gerichtliche Auseinandersetzungen, aber sie erfordert ein verständnisvolles gemeinsames Ringen, an dem beide Seiten als gleichberechtigte Teilnehmer beteiligt sind. Die Zeiten, in denen einer über den anderen verfügt,98 sind durch die verpflichtende ökumenische Gemeinschaft überholt. Es wird kaum einen ökumenischen Fortschritt geben, wenn es keine selbstbewusste ökumenische Partnerschaft gibt. Alle können von allen lernen, um der Fülle Christi immer noch ein Stückchen näher zu kommen und in ihm die Einheit zu finden, die er will. In diesem motorischen Sinn stehen die jeweils kleineren Partner unter einer besonderen ökumenischen Verpflichtung. Ihnen fällt die Aufgabe zu, die jeweils größeren Kirchen zu weiterführenden Schritten herauszulocken. Die an anderer Stelle in dieser Studie vorgelegte umfangreiche Übersicht von zwischenkirchlichen Schritten gibt eindrucksvolle Beispiele für solche »geschwisterlichen Herausforderungen« durch den kleineren Partner und zeigt sie in ganz unterschiedlichen zwischenkirchlichen Beziehungen.99 Herausragend ist die 1980 in Mainz erfolgte Einleitung des Gesprächs über die Rechtfertigung, die in Verbindung mit dem Besuch von Papst Johannes Paul II. erfolgte. Dort regte ein auf nationaler Ebene organisierter Kirchenbund durch 96 Christian Walter, »Sekten« und Freidenker als Motor der Modernisierung in den StaatKirche-Beziehungen. In: Hartmut Lehmann (Hg.), Religiöser Pluralismus in Europa. Freikirchen und Sekten, Göttingen 2005, 174. 97 Aufgrund der Anträge der Zeugen Jehovas, als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt zu werden, hat das Bundesverfassungsgericht eine Neuinterpretation der Kirchenartikel vorgenommen und hat damit »eine erhebliche Abkehr von früheren Konzeptionen« vollzogen (Walter, Motor der Modernisierung, 180 – 184). 98 Vgl. Bd. 1, 147 – 154. 99 Vgl. Kap. 4.7 Unterwegs, ökumenische Beziehungen verbindlich zu gestalten.

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dessen Ratsvorsitzenden Landesbischof Eduard Lohse mit der auf Weltebene organisierten römisch-katholischen Kirche den folgenreichen Dialog zur Frage der Rechtfertigungslehre an.100 Innerhalb der deutschen Ökumene ging ein Anfangsimpuls zur Einleitung der Gespräche, die zur Kirchengemeinschaft zwischen den Gliedkirchen der EKD und der Evangelisch-methodistischen Kirche als zwei ungleichen Partnern führten, ebenfalls von dem kleineren Partner aus. Die international geführten Dialoge zwischen den Weltbünden der Lutheraner und der Mennoniten, wie zwischen dem römischen Einheitssekretariat und der Mennonitischen Weltkonferenz gingen auch auf Anfangsinitiativen der Mennoniten zurück. Einmal war es die Einladung eines römischen Vertreters zu einer Vollversammlung der Mennonitischen Weltkonferenz. Das andere Mal gaben für das Gespräch mit den Lutheranern die Feierlichkeiten des Augustana-Jubiläums 1980 den Anlass, als glaubens-täuferisch orientierte Gemeindebünde, darunter die Mennoniten, auf den Dissens durch die sie treffenden Artikel in der Bekenntnisschrift reagierten. Das führte schließlich zunächst zu bilateralen nationalen Gesprächen, denen die Weltebene folgte. In dieser Spannung zwischen Beharrung und Fortschritt haben die sog. kleinen Kirchen die ökumenische Verpflichtung, sich zur »ständigen Reformation« mit einer durch eine ökumenische Hermeneutik der Geschichte gewonnene überkonfessionelle Haltung einzubringen. Auf der anderen Seite sind die in der Gesellschaft maßgebenden Kirchen in der ökumenischen Pflicht, sich ernsthaft auf solche Gespräche einzulassen und sie zu fördern. Wie fruchtbar das sein kann, zeigen die seit 2002 im Paderborner Johann-Adam-Möhler-Institut geführten römisch-katholisch / freikirchlichen Gespräche, die eine Anregung aus der 1999 unterzeichneten bilateralen »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre«101 sind. Nach der sechsten Gesprächsrunde wird rückblickend ausdrücklich konstatiert: »Mit großer Dankbarkeit dürfen wir feststellen, dass in diesen Jahren ein Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten entstanden ist, das ein interessiertes Kennenlernen anderer kirchlicher Traditionen, eine offene und zugleich kritische Auseinandersetzung mit den Wurzeln anderer Kirchen und die konstruktive Erarbeitung gemeinsamer theologischer Positionen ermöglicht.«102 Jedes dieser Gespräche ist in einem Dokumentationsband publiziert und erzielt auf diese Weise eine breitere Wirkung. Dass innerhalb der ACK eine Offenheit für partnerschaftliches Voranschreiten gerade zwischen ungleich großen Kirchen besteht, kann man einem

100 Paul-Werner Scheele, Weitervereinigung , Würzburg 2008, 55. 101 Walter Klaiber/Wolfgang Thönissen, Rechtfertigung in freikirchlicher und römisch-katholischer Sicht, Paderborn/Stuttgart 2003. 102 Burkhard Neumann/Jürgen Stolze (Hg.), Aus dem Glauben leben. Freikirchliche und römisch-katholische Perspektiven. Paderborn/Göttingen 2014, 7.

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Interview des gegenwärtigen ACK-Vorsitzenden Bischof Karl-Heinz Wiesemann entnehmen. Auf die Frage, was die Ökumene heute brauche, antwortete er : »Die ACK steht für die multilaterale Ökumene. Sie sieht Dinge aus anderen Blickwinkeln als etwa die Ökumene der beiden großen Kirchen. Wobei man hinzufügen muss: Die in Deutschland kleinen Kirchen, etwa Baptisten und Methodisten, sind im Weltmaßstab ebenfalls groß. In der multilateralen Ökumene können die christlichen Kirchen vor allem voneinander lernen. Wir Katholiken haben gerade den ersten Papst aus Lateinamerika und lernen aus seiner Sicht von Kirche neue Aspekte auch für uns selber kennen. Ähnlich liegen die Dinge zwischen den Kirchen. Die ACK weitet den Blick weg von den bloß eigenen Fragen zu den gemeinsamen. Gemeinsam brauchen wir eine Besinnung auf Orte, an denen wir Glauben erfahren und vertiefen. Und eine Stärkung darin, was wir Christen in der Gesellschaft, in der wir leben, gemeinsam bezeugen können.«103

Diese Positionierung zeigt, dass innerhalb der römisch-katholischen Kirche der ökumenische Geist der Würzburger Synode in ihrem Verhältnis zu den Freikirchen lebendig geblieben ist. Bischof Wiesemann hat die ACK in einem guten Aufwind übernommen, denn auch sein Vorgänger, Landesbischof Friedrich Weber, hat sich für eine ökumenische Gemeinschaft aller stark engagiert. Er hat großes Verständnis und viel Interesse an dem Wirken der Minderheitskirchen gezeigt, und sich für ein gutes Miteinander eingesetzt wie kaum ein anderer Bischof vor ihm, der eine Landeskirche beaufsichtigte. Landesbischof Friedrich Weber war bis zu seinem frühen Tod international geschäftsführender Präsident der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) und national Vorsitzender des Kuratoriums im Bensheimer Konfessionskundlichen Institut des Evangelischen Bundes. Dieses Institut ist auch eine herausragende Mittelstelle zwischen den Landes- und den Freikirchen mit einem speziellen ›Referat Freikirchen und innerprotestantische Ökumene‹. Es erfüllt in einer engagierten Tätigkeit zentrale Aufgaben in fast allen Beziehungen der innerdeutschen Ökumene.

5.9

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(1) Die ökumenische Bewegung ist eine weltumspannende, alle Kirchen in allen Ländern berührende Bewegung. Das betrifft sowohl die Konfessionen und Denominationen, die sich dem ÖRK angeschlossen haben, aber auch solche Kirchen, Gemeinschaften und Gruppen, die ihm fern stehen oder sich ihm gegenüber kritisch verhalten. Der Wirkung dieser Bewegung kann sich weder der einzelne Christ, der mit seiner Gemeinde verbunden ist, entziehen, noch können es irgendwelche christliche Gemeinschaften und Kirchen. 103 www.predigtpreis.de/fileadmin/newsletter/2013/04-april/.

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Was in weltweiten kirchlichen Entwicklungen gedacht, erfahren, angeregt und umgesetzt wird, erreicht die lokale Gemeinde über nationale ökumenische Vermittler. Kürzlich ist ein »Brevier für den ökumenischen Pilgerweg der Kirchen«104 erschienen. Es ist geeignet, Impulse in kurzen Texten von der Weltebene aus Seoul und Kingston, aber auch aus Dresden, Königstein und Basel in die Familien zu transportieren. Im Sinne solcher »Transformation« ist es auch notwendig, die ökumenischen Spuren im eigenen Land zu suchen und offen zu legen. Die Dringlichkeit zeigt eine Passage in der Autobiografie der Lübecker Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter. Sie schrieb noch 2013. »Oft habe ich mich gefragt: Wozu ist die Ökumene da? Wie kann sich mehr Ökumene entwickeln? Die beiden großen Kirchen, die evangelische und die römisch-katholische, haben gut eingespielte bilaterale Strukturen. Die kleinen ACK-Kirchen leiden darunter, dass die beiden großen Kirchen alle wichtigen Entscheidungen allein untereinander ausmachen.«105 Die Bischöfin musste es wissen, denn von 1997 bis 2001 war sie Geschäftsführerin der ACK in der Frankfurter Ökumenischen Centrale und hat dort den ärgerlichen, aber wahren Slogan »Ökumene ist mehr als zwei!« geprägt. Die verengte ökumenische Sicht musste in dieser Studie im Rückgriff auf grundlegende Vorgaben aufgebrochen werden. Was innerhalb des Ökumenischen Rates der Kirchen von Anfang an praktiziert wurde und was vom Zweiten Vatikanischen Konzil mit der gleichen Formel par cum pari festgeschrieben ist, lag dieser Arbeit als Ausgangspunkt zugrunde. Es sollte die Ökumene in Deutschland in ihrer ganzen Breite der in ihr mitwirkenden Kirchen erfasst werden.106 (2) Der Blick in die Vorgeschichte zeigt sofort gewisse Probleme an. Es gab und gibt in Deutschland nur wenig Impulse für ein Zusammenwirken der Kirchen, weder hier im Lande noch weltweit. Will man nicht bei Gottfried Wilhelm Leibniz und seinem Interesse an einer Vereinigung der getrennten Kirchen beginnen,107 so muss man den Impuls der 1846 gegründeten Evangelical Alliance, der alsbald nach Deutschland herüberschwappte und schließlich das Leben vieler Gemeinden erreichte, aufgreifen. Es war bezeichnend, dass dieser Impuls aus einem angelsächsischen Land kam. Aber es war genauso typisch, dass ein 104 Bernd-Dieter Fischer (Hg.), Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung. Ein Brevier für den ökumenischen Pilgerweg, Berlin 2014. 105 Bärbel Wartenberg-Potter, Anfängerin. Zeitgeschichten meines Lebens, Gütersloh 2014, 228. 106 Es würde den Rahmen dieser Studie gesprengt haben, gleichzeitig die engagierte und reiche Mitwirkung insbesondere der deutschen Landeskirchen in der internationalen Ökumene in die Darstellung einzubeziehen. Allerdings haben einige Rückwirkungen aus der weltweiten Arbeit, welche für die gelebte Ökumene in Deutschland überdurchschnittliche Bedeutung erlangt haben, in der Darstellung ihren Platz gefunden. 107 Wenchao Li/Hans Poser/Hartmut Rudolph (Hg.), Leibniz und die Ökumene, Stuttgart 2013.

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Kernelement dieser Bewegung, der Einsatz für Religionsfreiheit, im staatskirchlich geprägten Deutschland für fast 150 Jahre aufgegeben werden musste. Der internationalen ersten Einheitsbewegung folgten einzelne charismatisch begabte und in Deutschland missionarisch wirkende Prediger : Zuerst Robert Pearsall Smith, ein bekehrter Quäker, und dann Friedrich von Schlümbach, ein deutsch-amerikanischer Methodist. Sie kannten keine konfessionellen Bindungen, sondern richteten ihre ganze Aufmerksamkeit auf Menschen ohne Glauben und ohne Leben in der Nachfolge Christi. Das war konfessionsübergreifend ihre Zielgruppe. Natürlich verbanden die »Missionsgesellschaften« Teile der Christenheit in Deutschland über die sog. »Missionsgebiete« in Afrika und Asien mit kirchlichen Missionen anderer Länder und Konfessionen. Aber als Teilnehmer in Edinburgh waren sie 1910 doch stark von nationalen Gefühlen geprägt. Da war der Einfluss des Christlichen Studentenweltbunds über den methodistischen Laien John Mott deutlich nachhaltiger. Die Deutsche Christliche Studentenvereinigung und der Studentenbund für Mission waren auf internationaler Ebene ökumenisch eingebunden, setzten diese Ansätze auch in Deutschland um und scheuten sich nicht, Frömmigkeitsformen aus der amerikanisch geprägten Bewegung zu übernehmen. Aus England wirkte einflussreich der Quäker Allen Baker nach Deutschland. Er regte im Vorfeld des Ersten Weltkriegs die kirchliche Friedensbewegung an. Die etablierten protestantischen Kirchen standen abseits. Um den ohne kirchliches Mandat wirkenden Pastor Friedrich Siegmund-Schultze sammelten sich einzelne Landeskirchler und eine Gruppe führender Methodisten und Baptisten. Es entstand neben der Evangelischen Allianz ein erstes ökumenisches Experimentierfeld. Die verfassten Landeskirchen standen abseits; vielleicht mussten sie es in Loyalität zu ihren obersten Bischöfen, die ihre Länder und zugleich ihre Kirchen regierten. Die Teilnahme an der Stockholmer Weltkonferenz wurde 1925 immer noch staatlich finanziert und war nicht frei von dem Gefühl der nationalen Verpflichtung, politische Interessen zu vertreten. Es ist keine Frage, auf dem Weg in eine ökumenische Zukunft kamen die Impulse aus den Kirchen in den angelsächsischen Ländern. Die deutschen Landeskirchen isolierten sich selber unter dem Einfluss deutsch-nationaler Empfindungen. Lediglich einzelne Persönlichkeiten, Professoren, Missionsdirektoren und Vereinsgeistliche, die nicht dem »Kirchenregiment« unterstanden, engagierten sich ökumenisch. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wirkten aus dem angelsächsischen Raum kommende Freikirchen in Deutschland. Sie waren Vorboten der Ökumene, die allerdings weitgehend abgewiesen wurden. (3) Nach 1945 wendete sich das Blatt. Der in Bildung befindliche ÖRK suchte so schnell wie möglich die deutschen Kirchen auf; in Stuttgart den Rat der EKD und anschließend in Berlin die breitere Ökumene. Schon in Stuttgart holten die Ökumeniker aus dem westlichen Ausland die EKD, deren Bekennende Kirche

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während der NS-Zeit große Sympathie in der Ökumene gefunden hatte, in die vorbereitenden Konferenzen für die Gründungsversammlung des ÖRK 1948. Von Genf aus wurde die Ökumenische Centrale finanziert. Weiterreichend war das Genfer Drängen auf die Bildung eines National Council of Churches in Germany. Es entstand eine gesollte und keineswegs eine gewollte Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen als ökumenische Plattform in Deutschland. Ihre freikirchlichen Gründungsmitglieder kamen nicht zufällig überwiegend aus den Kirchenfamilien, die in Amerika, England und anderen Ländern die Gaben für das Nachkriegs-Hilfswerk sandten. Aber man muss es so offen sagen: Die EKD hat kaum Interesse gezeigt, in eine innerdeutsche Ökumene einzutreten, die diesen Namen verdient hätte. Die Vorgeschichte der ACK und die Umstände der Gründungsversammlung 1948 zeigen, wo die damals noch in sich selbst uneinige EKD ökumenisch stand. So blieb die ACK nach einem energischen Start unter Martin Niemöller als erstem Vorsitzenden ein bescheidenes und im Grunde lange Zeit wirkungsloses Pflänzchen. Der Eindruck ist schwer von der Hand zu weisen, dass das auch so gewollt war. Das wurde noch einmal ganz deutlich, als nach dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils die Deutsche Bischofskonferenz vor der Frage stand, wie sie sich ökumenisch orientieren sollte. Für die Ökumene in Deutschland war es ein Segen, dass sich die Tendenz in der EKD, eine alleinige ökumenische Partnerschaft unter Ausschluss der ACK mit der römisch-katholischen Bischofskonferenz für sich in Anspruch zu nehmen, nicht durchsetzen konnte. Sowohl die katholische Kirche wie die international eingebundenen Freikirchen fanden für diese Sicht kein Verständnis. Die nicht gewünschte Aufwertung der ACK durch eine neue Gewichtsverteilung trat 1973 ein. (4) Eine neue ökumenische Periode wurde durch überraschende Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils eingeleitet. Wieder kam der Impuls von außen. Aber diesmal wurde er voller Erwartung aufgegriffen. Deutsche Katholiken waren froh, dass die Weichen zu einer neuen ökumenischen Entwicklung gestellt waren. In den Gemeinden kam es zu einer ökumenischen Euphorie. Sie wurde gestützt durch eine klare Strukturierung und Unterstützung durch die Bischofskonferenz, in den Diözesen durch die regionale Organisation und nicht zuletzt durch die Beschlüsse der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der BRD in Würzburg. Mit der Aufnahme der römisch-katholischen zusammen mit der Griechisch-Orthodoxen Kirche in die ACK war innerhalb der wichtigsten ökumenischen Organisation in der Bundesrepublik eine weite Perspektive für die Zukunft eröffnet. Die Beschlüsse der Würzburger Synode zur Ökumene im eigenen Land zeichneten die zukünftige positive Entwicklung der innerdeutschen Ökumene vor. Katholiken wussten aus ihrer Weltkirche von Anfang an, dass einige in Deutschland kleine Kirchen weltweit groß waren, und dass sie auch im ÖRK einen anderen Einfluss ausübten, als es die Baptisten und Methodisten in Deutschland konnten. Eine Neustrukturierung der ACK eröffnete ihr neue Rahmenbedingungen. Es wuchs in

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wenigen Jahrzehnten ein Vertrauensverhältnis, das zu neuen Entwicklungen führte. Die zunehmende Zahl von weltweiten, bisher überwiegend bilateralen Dialogen und ihr Einfluss auf die nationale Ökumene zeigen wichtige Verflechtungen auf. Die Zahl der zwischenkirchlichen Vereinbarungen ganz unterschiedlicher Art sind Ausdruck für die Bereitschaft, die interkonfessionellen Gespräche mit dem konkreten Ziel anschließender Rezeptionen zu führen. Aus anfänglichen Begegnungen waren zielführende Dialoge geworden, an denen eine größere Zahl von Kirchen beteiligt war. (5) Die ungleichen Größenverhältnisse treten für die ökumenische Praxis als ein Problem in Erscheinung. Manchmal werden sie als ein Argument dafür verwendet, dass neben der ACK eine spezielle bilaterale Beziehung zwischen der EKD und der Bischofskonferenz nötig sei. Ein früherer Versuch, einen Weg für ein ständiges gemeinsames Wirken auch in öffentlichen Äußerungen der Kirchen zu finden, führte nicht zum Ziel. Es gibt gute Gründe dafür, einen weiteren ökumenischen Schritt zu tun und einen neuen Anlauf zu nehmen, um eine Intensivierung des öffentlichen Zusammenwirkens zu erreichen. Es ist auf die Dauer nicht befriedigend, wenn die Ökumene in Deutschland in ihren Stellungnahmen und Erklärungen den Eindruck vermittelt, als sei sie lediglich »bilateral« wirksam. Aber das ist nur die Seite der öffentlichen Wahrnehmung nach außen. Die Berichte aus den Ökumenischen Versammlungen in Dresden, Magdeburg, Königstein und Stuttgart zeigen, dass die Mitwirkung der Freikirchen auch durch theologische Beiträge und das ökumenische Engagement zu Bereicherungen nach innen beigetragen hat. Der bereits erwähnte Staatsrechtler Christian Walter hat gezeigt, dass im Staatskirchenrecht Veränderungen durch die Forderungen von ganz unterschiedlichen Minderheiten durchgesetzt wurden. Er sah in den Minderheiten einen »Motor der Modernisierung« und Weiterentwicklung. Er gibt für seine These genügend historische Erinnerungen an die innovative Wirkung der Freikirchen in Deutschland. In einer vertrauensvollen ökumenischen Gemeinschaft müssen sie nicht mehr gegeneinander vor Gericht erstritten werden. Im ökumenischen Miteinander kann und darf es nicht um eine elegante Form der Kirchenpolitik gehen. Die Verpflichtung, par cum pari miteinander im Gespräch zu sein, kann langfristig nicht ohne Auswirkung auf die ökumenische Partnerschaft bleiben. (6) Ökumene in Deutschland gestern und morgen: Es kann keinen Zweifel darüber geben, das die weltweite ökumenische Bewegung in Deutschland nachhaltigen Einfluss genommen hat. Niemand hat das so intensiv erlebt, wie die Verantwortlichen in den Minderheitskirchen. Seit 1945 hat es einen tiefen Wandel im Selbstverständnis aller Kirchen gegeben. Die zwischenkirchlichen Beziehungen sind auf eine neue Grundlage gestellt, die von niemandem ernsthaft angezweifelt wird. Sie ist im Gegenteil von ganz unterschiedlicher Seite

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immer wieder als »unumkehrbar« bezeichnet worden. Man kann durchaus von einer Breitenwirkung sprechen, die von den Kirchenleitungsgremien bis in die örtliche Gemeinde zu einem neuen Miteinander geführt hat. Die neu entstandene ökumenische Atmosphäre gibt die Basis her, nach der Breitenwirkung nun in aller Offenheit, aber mit gewachsenem Vertrauen, an die Tiefenbohrung zu gehen. Das erfordert neben ökumenischer Liebe und gegenseitigem Verständnis auch »ökumenische Geduld«. Nach Jahrhunderte langer Entfremdung, in manchen Zeiten wirkten sie wie Feindschaft, ist den Kirchen innerhalb einiger Jahrzehnte durch die Ökumenische Bewegung und das Zweite Vatikanische Konzil eine Art »Mutationssprung« geschenkt worden. Solche gewaltigen Sprünge finden nicht in jedem Jahrzehnt statt. Aber nachdem sie erfolgt sind, bedürfen sie der permanenten sachlichen Aufarbeitung zur geduldigen Erwartung eines nächsten großen Sprunges. Diese geduldige Arbeit geschieht in dem demütigen Wissen, dass es immer um die eine Kirche Jesu Christi geht, die von dem Geist geleitet wird, der sie in alle Wahrheit zu führen gesandt ist. In der Charta Oecumenica haben sich die meisten ACK-Kirchen verpflichtet, aufeinander zuzugehen. Sie haben sich eine weitreichende Aufgabe vorgenommen und gesagt : »Im Geiste des Evangeliums müssen wir gemeinsam die Geschichte der christlichen Kirchen aufarbeiten, die durch viele gute Erfahrungen, aber auch durch Spaltungen, Verfeindungen und sogar kriegerische Auseinandersetzungen geprägt ist. Menschliche Schuld, Mangel an Liebe und häufiger Missbrauch von Glaube und Kirchen für politische Interessen haben die Glaubwürdigkeit des christlichen Zeugnisses schwer beschädigt. Ökumene beginnt deshalb für die Christinnen und Christen mit der Erneuerung der Herzen und der Bereitschaft zu Buße und Umkehr. In der ökumenischen Bewegung ist Versöhnung bereits gewachsen. Wichtig ist es, die geistlichen Gaben der verschiedenen christlichen Traditionen zu erkennen, voneinander zu lernen und sich so beschenken zu lassen. Für die weitere Entfaltung der Ökumene ist es besonders erforderlich, die Erfahrungen und Erwartungen der Jugend einzubeziehen und ihre Mitwirkung nach Kräften zu fördern. WIR VERPFLICHTEN UNS, – Selbstgenügsamkeit zu überwinden und Vorurteile zu beseitigen, die Begegnung miteinander zu suchen und füreinander da zu sein; – ökumenische Offenheit und Zusammenarbeit in der christlichen Erziehung, in der theologischen Aus- und Fortbildung sowie auch in der Forschung zu fördern.« Charta Oecumenica II,3

Abkürzungen

(Die Abkürzung in der Frühzeit der ACK war : AcK. Außer in Zitaten schreibe ich durchgehend ACK. Ähnlich gab es die Abkürzung EKiD, ich verwende durchgehend EKD).

ABEK ACK AEABl AEM AGCK AGP ADW AKIZ BBKL BEFG BFeG BFP BenshH Bh ÖR CCG DBK DEA DEKB DEMR DEMT DÖSTA DüW EABl EBF EG EKL EKU EmK epd-ZA ESG

Archiv Bremische Evangelische Kirche Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (BRD) Archiv der Evangelischen Allianz Bad Blankenburg Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (DDR) Arbeiten zur Geschichte des Pietismus Archiv Diakonisches Werk Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Bund Ev.-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten) Bund Freier evangelischer Gemeinden Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden Bensheimer Hefte Beiheft Ökumenische Rundschau Control Commission for Germany (British) Deutsche Bischofskonferenz Deutsche Evangelische Allianz Deutscher Evangelischer Kirchenbund Deutscher Evangelischer Missionsrat Deutscher Evangelischer Missionstag Deutscher Ökumenischer Studienausschuss Dokumente wachsender Übereinstimmung Evangelisches Allianz Blatt European Baptist Federation Evangelische Gemeinschaft Evangelisches Kirchenlexikon Evangelische Kirche der Union Evangelisch-methodistische Kirche Evangelischer Pressedienst Zentralausgabe Ev. Studentengemeinde

656 EZA EZW FF FS GdP HICOG

Abkürzungen

Ev. Zentralarchiv Ev. Zentralstelle für Weltanschauungsfragen Freikirchen Forschung Festschrift Geschichte des Pietismus (Bände 1 – 4) High Commission for Germany, oberstes Kontrollgremium der drei Westmächte HSTA Stuttg. Hauptstaatsarchiv Stuttgart JAMI-A Johann-Adam-Möhler-Institut Archiv KBG Konferenz Bekennender Gemeinschaften KEK Konferenz Europäischer Kirchen KiE Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen KJ Kirchliches Jahrbuch KNA-ÖKI Katholische Nachrichten Agentur – Ökumenische Information KOK Kirchliche Ostkonferenz KOKiD Konferenz Orthodoxer Kirchen in Deutschland KW Die Kirchen der Welt KZG Kirchliche Zeitgeschichte LABerlin Landesarchiv Berlin Lex WM Lexikon der Weltmission LKA Hann. Landeskirchliche Archiv Hannover LKA Stuttg. Landeskirchliches Archiv Stuttgart LWB Lutherischer Weltbund MdKI Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts NAE National Association of Evangelicals (USA) NSStA Stade Niedersächsisches Staatsarchiv Stade OAE Oncken Archiv Elstal ÖLex Ökumene Lexikon Öpd Ökumenischer Pressedienst ÖR Ökumenische Rundschau ÖC Ökumenische Centrale ÖRK Ökumenischer Rat der Kirchen RAB Religious Affairs Branch SBZ Sowjetisch Besetzte Zone SEK Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund SELK Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche SfM Studentenbund für Mission SMD Studentenmission in Deutschland STA Siebenten-Tags-Adventisten US Una Sancta VEF Vereinigung Evangelischer Freikirchen VELKD Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche WMC World Methodist Council WuT Wort und Tat ZAEmK Zentralarchiv der Ev.-methodistischen Kirche ZThG Zeitschrift für Theologie und Gemeinde

Archive – Bildquellen

Archive Archiv der Bremischen Evangelischen Kirche, Bremen Archiv der Evangelischen Allianz, Bad Blankenburg Archiv des Diakonischen Werkes, Berlin Archiv des Johann-Adam-Möhler-Instituts, Paderborn Archiv der sozialen Demokratie/Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn Evangelisches Zentralarchiv, Berlin Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Stuttgart Landesarchiv Berlin, Berlin Landeskirchliches Archiv Hannover, Hannover Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Stuttgart Niedersächsisches Staatsarchiv, Stade Oncken Archiv, Elstal (baptistisch) Unitätsarchiv der Herrnhuter Brüdergemeine, Herrnhut Zentralarchiv der Ev.-methodistischen Kirche, Reutlingen

Bildquellen Seite 102 113 – 116 320 324 329 509 534 534 596

Anwesenheitsliste Konstituierung der ACK: EZA, Bestand 2/184 Satzungen/Richtlinen der ACK 1948: Sammlung Voigt Organigramm: Grundstruktur Ök.Räte in der BRD: Frieling, Handbuch S. 42 Organigramm: Aufbau Ök. Rat in der BRD: Frieling, Handbuch S. 54 Organigramm: Struktur der ÖC (Otmar Schulz): Anlage ACK-Prot. vom 6./7. Nov. 1969 Programm Kirchengemeinschaft EmK und Gliedkirchen der EKD: Sammlung Voigt Programm Ök. Kirchentag Berlin, Charta Oecumenica: Sammlung Voigt Urkunde Charta Oecumenica – Unterzeichnungen: Ök. Centrale, Frankfurt/M. Arbeitspapier H. Falcke für Ök. Versammlung Dresden: Privatarchiv U. Meisel, Dessau

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Dokumente (Die zahlreich verwendeten Dialogergebnisse, Dokumentationen, Stellungnahmen, Protokolle und andere kirchenamtliche Papiere sind bei weitem nicht alle in der folgenden Übersicht erfasst. Die genauen bibliographischen Angaben finden sich direkt im Zusammenhang ihrer Zitierungen.)

Grundlegend und darum vorangestellt: Harding Meyer, Damaskinos Papandreou, Hans Jörg Urban, Lukas Vischer (Hg.), Dokumente wachsender Übereinstimmung, Bd. 1, Dokumente von 1931 – 1982, 1983, 19912 (neu bearbeitet); Bd. 2, 1982 – 1990; Bd. 3, 1990 – 2001; Bd. 4 mit neuen Herausgebern: Johannes Oeldemannm Friederike Nüssel, Uwe Swarat, Athanasios Vletsis, 2001 – 2010. – Die zahlreichen Erwähnungen sind in den Fußnoten des laufenden Textes ausgewiesen.

Die hier folgende Übersicht ist entsprechend der Anlage des Werkes breit gefächert. Die Dokumente werden chronologisch nach ihrer Veröffentlichung erfasst. Lehre und Kirchenordnung der Bischöflichen Methodistenkirche 1908, deutsche Ausgabe, Bremen 1908. Verh. der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 328, Juli 1919, Berlin 1920, 1645 u. 1654. Adolf Keller, DENKSCHRIFT über den Wiederaufbau und zwischenkirchliche Hilfe. Genf Ende Juli 1943. EZA 5/242. Adolf Keller, Tatsachen und Gedanken zur Prüfung der christlichen Hilfsarbeit und der Zukunft der Europäischen Zentralstelle für kirchliche Hilfsaktionen. (1943 – vertraulich) EZA 5/242.

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Literaturverzeichnis

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die Gemeinden [des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten)] der DDR 1978 in Berlin-Weißensee entgegengenommen und den Gemeinden zum Gebrauch empfohlen. Das Augsburger Bekenntnis 1530 – 1980. Revidierter Text, hg. v. Günther Gassmann u. a., Göttingen 19804. Taufe, Eucharistie und Amt. Konvergenzerklärungen der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des ÖRK, Frankfurt/M.-Paderborn 1982. Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa, Frankfurt/M. 1993. Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik. In: Amtsblatt der EmK II/1983, Dresden 1983, 8 – 14. Kirchenordnung der Europäisch-Festländischen Brüder-Unität, Ausgabe Bad Boll 1987. Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 77. Predigten und Ansprachen von Papst Johannes Paul II. anlässlich seines zweiten Besuchs in Deutschland, Bonn 1987. Vom Dialog zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft (Gliedkirchen der EKD und Ev.methodistische Kirche), Hannover/Stuttgart 1987. Amtliches Kirchenblatt des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland 1987, Nr. 1. Bericht George K. A. Bells über seine Deutschlandreise vom 18. bis 30. Oktober 1945. In: Vollnhals, Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch. Berichte ausländischer Beobachter 1945, Göttingen 1988, 224 – 233. Auf dem Weg zu sichtbarer Einheit. Eine gemeinsame Feststellung zwischen der Kirche von England, dem Bunde der Evangelischen Kirchen in der DDR und der Evangelischen Kirche in Deutschland, Berlin/Hannover 1988. Evangelisch-methodistische Kirche, Die EmK und die ökumenische Bewegung – Eine Orientierungshilfe für unsere Gemeinden. EmK heute Heft 56, Stuttgart 1988. Von Gottes Gnaden. 250 Jahre Württembergisches Pietisten-Reskript 1743 – 1993, Stuttgart 1989. Ökumenische Verantwortung. Eine Handreichung für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche. Hannover 1992. Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund, Grundlinien ökumenischen Handels, 1994. Wilhelm Hüffmeier, Christine-Ruth Müller (Hg.), Wachsende Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst. Reformatorische Kirchen in Europa. Texte der 4. Vollversammlung der Leuenberger Kirchengemeinschaft in Wien, 3. bis 10. Mai 1994, Frankfurt/M. 1995. Die Protokolle des Rates der EKD, bearbeitet von Carsten Nicolaisen u. a., ab Bd. 1, Göttingen 1995. Rechenschaft vom Glauben (Baptisten), Glaubensbekenntnis, Kassel, letzte Fassung nach 1995. Das »Meißener Modell« bewährt sich. Bericht der gemeinsamen Kommission der EKD und der Church of England. epd-Dok. 5/97, Frankfurt/M. 1997. Gemeinsames Bekennen zum dreieinigen Gott. Erklärung der ACK 1981. Wolfgang Bienert (Hg.), Wir glauben, wir bekennen, wir erwarten. Deutscher Ökumenischer Studienausschuss im Auftrag der ACK, Frankfurt/M. 1997. Niederschrift über die Begegnung zwischen den zukünftigen ACK-Kirchen v. 17. 10. 1947 in Assenheim. Veröffentlicht in der Ökumenischen Rundschau 47. Jg. (1998), Heft 1,127 – 130.

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Zeitschriften Amtsblatt der EKD Jg. 1948, Heft 5 v. 15. Juli 1948. Amtsblatt der Methodistenkirchen, 1948 Der Evangelist 1946, 1947 Evangelischer Botschafter 1950 »Nachrichtendienst« der Ev. Gemeinschaft, 1947, 1963 Wort und Tat 1950 Zeitschrift für Theologie und Gemeinde, Hamburg

Lexika TRE, EKL, ÖLex Jörg Ernesti u. Wolfgang Thönissen (Hg.), Personenlexikon Ökumene, Freiburg 2010. TRE (Paul Philippi, Diakonie I. In: TRE Bd. 8 (1981), 641.)

Anhang

Vorsitzende ACK (BRD und Berlin-West) 1948 – 1961 1961 – 1966 1966 – 1970 1970 – 1976 1976 – 1979 1979 – 1982 1982 – 1988 1988 – 1991 1991 – 1995 1995 – 2001 2001 – 2007 2007 – 2013 2013

Kirchenpräsident Martin Niemöller (EKD) Seminardirektor Hans Luckey (Baptist, BEFG) Landesbischof Erich Eichele (EKD) Bischof C. Ernst Sommer (Ev.-meth. Kirche) Landesbischof Gerhard Heintze (EKD) Weihbischof Paul-Werner Scheele (röm.-kath. Kirche) Präsident Heinz Joachim Held (EKD) Hans-Beat Motel (Brüder-Unität) Bischof Heinz Joachim Held (EKD) Bischof Joachim Wanke (röm.-kath. Kirche) Bischof Walter Klaiber (Ev.-meth. Kirche) Bischof Friedrich Weber (EKD) Bischof Karl-Heinz Wiesemann (röm.-kath. Kirche)

Vorsitzende AGCK (DDR) 1970 1971 1973 1976 1978 1981

1984

Kirchenpräsident Martin Müller (Landeskirche Sachsen-Anhalt) Seminardirektor Adolf Pohl (Baptist, BEFG) Sup. Berthold Tröger (Ev.-methodistische Kirche) Sup. Kurt Nasdala (Landeskirche – Görlitzer Kirchengebiet) Sup. Berthold Tröger (Ev.-methodistische Kirche) Landessuperintendent Gotthard Stegen (Landeskirche Mecklenburg) Bischof Horst Gienke (Landeskirche Greifswald) Unitäts-Direktor Theodor Gill (Ev. Brüder-Unität) Bischof Horst Gienke (Landeskirche Greifswald) Unitäts-Direktor Theodor Gill (Ev. Brüder-Unität) Kirchenpräsident Eberhard Natho (Landeskirche Anhalt) Oberkirchenrätin Irene Koenig (Landeskirche Sachsen) Bischof Armin Härtel (Ev.– methodistische Kirche) Kirchenpräsident Eberhard Natho (Landeskirche Anhalt) Oberkirchenrätin Irene Koenig (Landeskirche Sachsen)

682

1988

1990

Anhang

Johannes Schmidt (Bund Freier ev. Gemeinden) Kirchenpräsident Eberhard Natho (Landeskirche Anhalt) Johannes Schmidt (Bund Freier ev. Gemeinden) Landessuperintendent Rüdiger Timm (Landeskirche Mecklenburg) Es wird ein Vertreter für die röm.-kath. Kirche im Vorstand kooptiert.

Personenregister

Adamek, Helmut (Pfr. in Marburg/Lahn) 466 Adenauer, Konrad (1876 – 1967) 190 f., 236 Afra († um 133) 584 f. Ahlbrecht, Ansgar (*1928) 376 Aichelin, Helmut (*1924) 304 Albertz, Martin (1883 – 1956) 61, 123 Albrecht, Ruth (*1954) 257, 357, 429, 548, 646 Albright (US-Chaplain) 62 Albs, Wilhelm (1907 – 1993) 61 Andler, Erich (OKR) 396 f. Angelov, Theodore (Sofia) 525 Arndt, Johannes (1905 – 1988) 39, 126, 132 f., 299 Arvidson, Theodor A. (1883 – 1964) 55 Asmussen, Hans (1898 – 1968) 32, 37 – 39, 44, 60, 94 f., 97, 99 f., 103, 105, 108 f., 167 Athenagoras I. (Patriarch) (1886 – 1972) 347 Aubrey, Melbourn Evans (1885 – 1957) 61 Augoustinos Lambardakis von Elaia (Metropolit) (*1938) 242, 287, 384, 389, 546, 585, 589, 592 Averes, Derk Leonhard († 2013) 379 Averkamp, Ludwig (1927 – 2013) 242 Bachmann, Theodore (Professor) 196 f. Baillie, John (1886 – 1960) 61 f. Baird, Robert (1798 – 1863) 617 Baker, Joseph Allen (1852 – 1918) 651

Bargmann, Hinrich (1875 – 1953) 170 Barth, Karl (1886 – 1968) 34, 48 Basdekis, Athanasios (*1943) 181, 287, 347, 389, 400 f., 478, 482, 568 Baudert, Samuel (1879 – 1956) 31 Baudissin, Wolf Graf von (1907 – 1993) 187 f. Bayer, Siegfried (1915 – 1969) 28, 153, 171, 177, 184, 233, 387, 468, 474, 537, 564, 569, 585, 623 Bea, Augustin (1881 – 1968) 353 f., 639 Beaupain, Lothar (*1965) 262 f., 414, 423 Beckmann, Joachim (1901 – 1987) 66, 117, 216, 218 f., 301, 308, 310 f., 376 Behm, Hans-Jürgen 257, 396 Beisiegel, Karl (1912 – 1983) 137 f. Bell, George K. A. (1883 – 1958) 36, 38, 40, 42 – 46, 63, 157, 226, 267, 284 Belz, Gerhard (1932 – 2008) 141 Benn, Ernst-Viktor (1898 – 1990) 82, 84, 178 Berg, Christian (1908 – 1990) 73 – 76, 78, 146 f., 149 f., 315, 385, 460, 517 Berggrav, Eivind J. (1884 – 1959) 35 Bergmann, Gerhard (1914 – 1981) 243 Besier, Gerhard (*1947) 50, 566 Bethge, Eberhard (1909 – 2000) 45, 61, 109 Bintz, Helmut (*1929) 362, 379 Birmel¦, Andr¦ (*1949) 490, 525 Bodelschwingh, Friedrich von (1877 – 1946) 42 Bodensieck, Julius (1894 – 1986) 55

684 Böhm, Hans (1899 – 1962) 61 f., 234 Böhme, Walther (1891 – 1972) 45, 260, 396 Bonhoeffer, Dietrich (1906 – 1945) 44, 172, 336, 449, 603 Booth, William (1829 – 1912) 287, 581 Bosinski (Landessup., Mecklenburg) 397 Brennecke, Gerhard (1916 – 1973) 343, 397 Brenz, Johannes (1499 – 1570) 436 Brinkhues, Josef (1913 – 1995) 499 Brunotte, Heinz (1896 – 1984) 49, 173, 179, 236, 566 Buber, Martin (1878 – 1965) 224 Bucer, Martin (1491 – 1551) 437 Buchholz, Peter (1888 – 1963) 61, 151 Buchta (Pfr. Dr.) 233 Bukowski, Peter (*1950) 536 Bultmann, Rudolf (1884 – 1976) 206, 218, 243, 342, 356 Burghart, Georg (1865 – 1954) 93 Byrnes, James Francis (1879 – 1972) 59 Caleb, Isabel 126 f. Calvin, Johannes (1509 – 1564) 387 Campenhausen, Axel von (*1934) 189, 337 Carl Eugen, Herzog von Württemberg (1728 – 1793) 605 Carl Ludwig, Kurfürst von der Pfalz (1617 – 1680) 515 Christlieb, Theodor (1833 – 1889) 606 f. Clemens, Keith W. (Generalsekretär der KEK) 592 Cook, Henry (1886 – 1970) 266 Cotter, Arthur 42, 61 f. Crous, Ernst (1882 – 1967) 80, 97, 103, 105, 107, 120 f. Crum, Earl Le Verne (1891 – 1961) 33 da Silva, Gilberto (*1965) 282, 497 Dammann, Rolf (1924 – 2014) 260 Degenhardt, Johannes Joachim (1926 – 2002) 379 f., 384 Deissmann, Adolf (1866 – 1937) 603

Personenregister

Demandt, Johannes (*1952) 369, 402, 472 f., 565 Dibelius, Otto (1880 – 1967) 36, 43, 45, 47, 60 – 63, 67 f., 80, 92 f., 103, 105, 107 – 109, 122, 146, 151, 167, 184, 189 – 191, 220, 232 – 237, 254, 256, 268, 467 Diekmann, John A. (1872 – 1965) 73 Diener, Michael (*1962) 578 Diestel, Gudrun 302 Diestel, Max (1872 – 1949) 92, 232 f. Dietrich, Martin O. 123, 196, 331 Dietzel, Willy (1895 – 1951) 76, 118 Dietzfelbinger, Hermann (1908 – 1984) 331, 355 f., 374, 438, 458 Diffendorfer, Dr. Ralph E. (1879 – 1951) 56 Dissemond, Paul (1920 – 2006) 398 Dohle, Horst (†16. 11. 2002) 422 f. Döpfner, Julius August Kardinal (1913 – 1976) 374 f., 380, 458 Eckstein, Herbert (1912 – 2003) 340 Eggerath, Werner (1900 – 1977) 266 Ehrenström, Nils (1903 – 1984) 123 Eichele, Erich (1904 – 1985) 219, 243, 285, 288, 294, 298 – 302, 308 – 310, 312, 317, 361, 364, 374 f., 433, 594, 681 Eickhoff, Dr. Ekkehard (*1927) 484 Eisenberg, A. 200 Eisenhower, Dwight David (1890 – 1969) 59 Eklund, Johan Alfred (1863 – 1945) 235 Ellis, Edward (1899 – 1979) 63 Enns, Fernando (*1964) 438, 494, 517, 519, 543, 551 f., 580, 629, 635 f. Ensley, F. Gerald (1907 – 1996) 211 Epp, George Edward (1885 – 1970) 57 Ernesti, Jörg (*1965) 67, 348, 352, 354, 393, 455 Etherington (Rev.) 196 Fabeck, Wolfgang von 188 Falcke, Heino (*1929) 596, 613, 657 Falk, Johannes (1906 – 1985) 257, 260, 267, 397

Personenregister

Faulhaber, Michael Kardinal (1869 – 1952) 60 Federer, Georg (1905 – 1984) 80 f. Feige, Gerhard (*1951) 547 Feofan, (Oleg Iwanowitsch Galinski) (*1954) 547 Fiedler, Ewald (1892 – 1977) 41 Finney (Chaplain) 55 Fisher, Geoffrey (1887 – 1972) 38 Flade, Richard (1891 – 1951) 105 Flade, Walter (1916 – 2005) 379 Fleischmann-Bisten, Walter (1950) 20, 459, 461, 474, 611 Flint, Fritz 263 Freudenberg, Adolf (1894 – 1977) 30, 34, 50, 71 f. Freytag, Walter (1899 – 1959) 123 f., 143 f., 224 f., 248, 251 Fricke, Otto (1902 – 1954) 56, 331 Friedeberg, Ilse (1914 – 2008) 547 Friedrich, Johannes (*1948) 95, 173, 210, 350, 489, 603, 605, 613, 616, 637 Friedrich Wilhelm III. (1770 – 1840) 410, 496 Frieling, Reinhard (*1936) 110, 243, 277, 281, 286, 322 f., 325 f., 348, 351, 358, 362, 461, 464, 472, 528, 533, 535, 576, 613, 657 Fries, Heinrich (1911 – 1998) 499 Frings, Joseph Kardinal (1887 – 1978) 34, 41, 191, 355 Fry, Franklin C. (1900 – 1968) 59 Fuhrmann, Albert (1903 – 1964) 119 Funck, Werner (*1946) 544 Galen, Clemens August Graf von (1878 – 1946) 42 Garber, Paul Neff (1899 – 1972) 55 Geldbach, Erich (*1939) 24, 123, 172, 193, 231, 237, 243 f., 246, 321 f., 328, 348, 358, 376 f., 458, 474, 525, 570 f., 641 Gerstenmaier, Eugen (1906 – 1986) 27, 32, 66, 68 – 73, 76 – 79, 82, 85, 121 Gestrich, Andreas (1952) 604 Gienke, Horst (*1930) 409, 681 Gilbert, Wilhelm (1904 – 1997) 120

685 Glebe, Karl (1885 – 1966) 95, 97 f., 100, 107, 118 f., 239, 243 Gloede (Prof. in Rostock) 234 Gloege, Gerhard (1901 – 1970) 123, 234 Goebbels, Josef (1897 – 1945) 138 Goebels, Karl (1901 – 1991) 56 Gollwitzer, Helmut (1908 – 1993) 146 f. Goulding, R. (EBF-Präsident) 266 Graham, Billy (*07. 11. 1918) 212, 245 Greschat, Martin (*1934) 26, 28, 38, 130, 186, 188, 236, 342 Grotewohl, Otto (1894 – 1964) 236 Grüber, Heinrich (1891 – 1975) 25, 43, 47, 61, 151 f., 233, 236 f., 255 f., 397 Gundert, Wilhelm (OKR) 286, 323, 364 – 367, 375 Habsbawm, Eric J. (1917 – 2012) 84 Haendly, Wolfgang (1911 – 1996) 468 Hahn, Hans-Otto (*1936) 148, 302, 315 Hahn, Hugo (1886 – 1957) 259 Hahn-Bruckart, Thomas 131 Halfmann, Wilhelm (1896 – 1964) 61 Hamilkar, Alivisatos (1887 – 1969) 284 Hammelman, Howard (1917 – 2011) 111 Hammer, Walter (1924 – 2000) 321, 323, 333 f., 336 – 341, 361, 367 Hammer, Wolfgang (1919 – 1999) 106 Hänisch, Otto (1889 – 1954) 48, 386 Hanselmann, Johannes (1927 – 1999) 522, 585 Harling, Otto Ludwig von (1909 – 1993) 80, 94 – 97, 99 – 101, 103, 110, 158, 160 f., 175, 178, 184, 190 f., 197, 224, 226 f., 464 Harms, Hans-Heinrich (1914 – 2006) 123 f., 197, 209, 229, 251, 285, 302, 305, 317, 332, 337, 340, 344, 366, 375 f., 437 Härtel, Armin (*1928) 269 f., 273, 402, 406 f., 409, 415 f., 681 Hartenstein, Karl (1894 – 1952) 27, 123, 144, 197 f., 200, 465 Hartlapp, Johannes (*1957) 53, 58 Hartnack, Hugo (1892 – 1981) 74, 76, 80, 97, 103, 107, 239 Haug, Georg (1902 – 1977) 139 Haugg, Werner 428

686 Hauschild, Wolf-Dieter (1941 – 2010) 32 f., 342 f., 577 Heckel, Theodor (1894 – 1967) 69 Heiler, Friedrich (1892 – 1967) 227, 384, 392 Heim, Karl (1874 – 1958) 349 Hein, Martin (*1954) 525 f. Heinemann, Gustav (1899 – 1976) 95, 153, 356, 418 Heinrichs, Wolfgang (*1956) 472 Heintze, Gerhard (1912 – 2006) 334, 336 f., 339 f., 366, 379, 396, 681 Heitmüller, Friedrich (1888 – 1965) 212, 238 Held, Heinrich (1897 – 1957) 94 Held, Heinz Joachim (*1928) 231, 284, 391, 589 f., 592 – 594, 681 Henkys, Reinhard (1828 – 2005) 361, 398, 423 Henriksson, G. 55 Herbert, Karl (1907 – 1995) 56, 266, 346, 496 Herman, Stewart Winfield (1909 – 2006) 29 – 33, 41 f., 45, 50 – 53, 56, 58 f., 68, 76, 200, 267, 447, 473 Hervey, James (1714 – 1758) 615 Heßler, Hans-Wolfgang (*1928) 302, 304 f., 337 Hildebrandt, Franz (1909 – 1985) 36, 120, 336, 449, 639 Hille, Rolf (*1947) 126 – 128, 245 f., 577 Hirschler, Horst (*1933) 585 Hobsbawm, Eric J. (1917 – 2012) 84 Höffner, Joseph (1906 – 1987) 356 Högsbro, Halfdan R. (1894 – 1976) 196 Hollenweger, Walter (1927*) 214, 288 Homeyer, Josef (1929 – 2010) 367 Honecker, Erich (1912 – 1994) 264, 422 f. Huber, Emma (†1955) 55, 128 Huber, Ivo (*1961) 623 Huber, Paul (1900 – 1975) 95 f., 107, 145 Huber, Wolfgang (*1942) 148, 543 f. Hübner, Friedrich (1911 – 1991) 345 Humbert von Silva (um 1006/ 1010 – 1061) 347 Ihmels, Ludwig (1858 – 1933) 234

Personenregister

Immer, Karl (1916 – 1984) 44, 285, 339, 349, 459 Irineos (Galanakis) (Metropolit) (1911 – 2013) 287, 380, 389 Irving, Edward (1792 – 1834) 399 Iserloh, Erwin (1915 – 1996) 499 Iwand, Hans-Joachim (1899 – 1960) 145 Jacobi, Gerhard (1891 – 1971) 61 Jacoby, Ludwig Sigismund (1813 – 1874) 24 Jäger, Lorenz Kardinal (1892 – 1975) 301 Jakovos (Metropolit) 287 Jalka, Susanne (*1945) 580 Jänicke, Johannes (1900 – 1979) 261, 397 Jantzen, Walter (Mennonit) 397 Jaschke, Hans-Jochen (*1941) 519, 571 Jeremias, Joachim (1900 – 1979) 192 Johannes Paul II. (1920 – 2005) 379, 500, 520, 545, 583 – 586, 626, 639, 647 Johannes XXIII. (1881 – 1963) 352 f. Joop, Reinhard (1891 – 1969) 255 Jordan, Richard (*1889) 233 Jung, Hans-Gernot (1930 – 1991) 31, 93, 130, 246, 248, 405, 639 Kampe, Walther (1909 – 1998) 433 Karew, Alexander 266 Karl von Hessen-Kassel (1654 – 1730) 604 Karrenberg, Friedrich (1904 – 1966) 123 Keip, Bernhard (1869 – 1941) 47 Keller, Adolf (1872 – 1963) 68, 72, 225, 348 Kelly, James 134 Kemper, Claus (OKR) 319 Kennedy (Chaplain) 56 Kertelge, Karl (1926 – 2009) 377 Kerularios (Patriarch) (um 1002 – 1058) 347 Keussen, Rudolf (1877 – 1944) 120 Kingdom (Rev.) 196 Klaes, Gustav (1893 – 1958) 76 Klaiber, Walter (*1940) 242, 247, 369, 371, 408, 475 f., 507, 522 f., 530, 543, 558, 561 f., 573, 592, 597, 622, 637, 648, 681

Personenregister

Klapper, Gottfried (1917 – 2003) 291 f., 303, 305, 313, 317, 337, 345 f. Kleemann (OKR) 432 Klein, Laurentius (1928 – 2002) 235, 360, 455, 496, 499, 564 Kleinermeilert, Alfred (*1928) 308 f., 340, 366, 375, 380, 391 Knak, Siegfried (1875 – 1955) 92, 233 Knappen, Marshall Mason (*1901) 33 Knöppel, Karl Heinz (1928 – 2003) 120, 380 Koch, Carl (†1950) 74 – 76 Koch, Karl (1876 – 1951) 42 Kock, Manfred (*1936) 531, 571, 592 Koechlin, Alphons (1885 – 1965) 40, 471 König, Karl Kardinal (1905 – 2004) 24, 28, 287, 484, 581 Körtner, Ulrich H. (*1957) 484 Kraemer, Hendrik (1888 – 1965) 40 Krause, Günter (1914 – 1996) 260, 396 Kreck, Walter (1908 – 2002) 192 Kreutzer, Karl (1893 – 1963) 46 Kreyssig, Lothar (1896 – 1986) 234 Krimm, Herbert (1905 – 2002) 27 Krüger, Hanfried (1914 – 1998) 66, 104, 164, 208, 225, 227 f., 231, 285 – 287, 290, 295, 303, 305, 308, 319, 330 f., 337, 340 f., 344, 346, 348 – 350, 364, 366, 368, 375 f., 382, 388, 433, 450, 515 Krüger, Richard (*1941) 572 Krummacher, Friedrich Wilhelm (1901 – 1974) 396 Krusche, Werner (1917 – 2009) 407 Kruse, Martin (*1929) 585, 589, 591, 593 Krust, Christian Hugo (1896 – 1973) 288, 298 Kücklich, Gertrud (1897 – 1976) 135 Kücklich, Reinhold d. Ä. (1863 – 1931) 164, 213 Kücklich, Reinhold d. J. (1896 – 1975) 57, 124, 166, 181, 213 Kuhlmann, Gerhard 120, 380 Kühne, Uwe (*1940) 585 Kunst, Hermann (1907 – 1999) 107, 123, 161, 175 f., 187 – 189, 229

687 Küppers, Dr. Werner (1905 – 1980) 80, 97, 103, 105, 107, 120, 123 f., 144, 168, 176, 192, 200, 287, 297, 299, 303, 305, 309, 321, 340, 345, 348, 350 f., 362, 372 – 375, 377, 396, 478, 499 Lahr, Horst (1913 – 2008) 405 f., 413, 416 Lange, Ernst (1927 – 1974) 635 Lange, Martin (*1932) 20, 419, 585 Langhoff (Moderator) 397 Lapp, Theodore (1911 – 1989) 33 Leger, Richard (1884 – 1957) 75 f., 107, 117, 166, 197 Lehmann, Dr. M. C. (Mennonit) 56 Lehmann, Hartmut (*1936) 172, 271, 386, 604, 607, 609 f., 615 – 620, 644, 647 Lehmann, Karl Kardinal (*1936) 521, 571, 589, 593 Leibniz, Gottfried Wilhelm (1646 – 1716) 650 Leich, Werner (*1927) 409, 510 Lell, Joachim (1916 – 1993) 302, 306, 321, 333, 376, 460 Lewek, Christa (1927 – 2008) 361, 398 Lilje, Hanns (1899 – 1977) 107, 144, 167, 175, 197, 216, 218 f., 236, 467 Lissek, Vincens 380 Littell, Franklin H. (1917 – 2009) 198 f., 201, 203, 230, 465 Loewenich, Walther von (1903 – 1992) 384 Lohff, Wenzel (*1925) 437, 440 f., 527 Lohmann, Heinrich 302 Lohse, Eduard (*1924) 648 Longin von Klin (1946 – 2014) 543 Lowtschij, Andre (Erzbischof Alexander) (1891 – 1973) 43, 62 f., 284, 286 Luckey, Hans (1900 – 1976) 66, 117, 123, 135, 164, 184, 192, 200, 206 – 210, 213 – 217, 219, 228, 231, 242, 276, 281 f., 288, 294 f., 301, 351 f., 397, 681 Lukowicz, Joachim von (1906*) 76, 81 Luther, Martin (1483 – 1546) 43, 162, 167, 172, 436, 474, 510, 522, 586 f. Luther (OKR) 306, 311

688 MacAlpine, Orville 58 Mallet, Friedrich Ludwig (1792 – 1865) 23 Mann, Theophil (1872 – 1939) 283 Mann, Thomas (1875 – 1955) 138 Manns, Peter (1923 – 1991) 345, 360 Marahrens, August (1875 – 1950) 171 Marquardt, Horst (*1929) 84, 141, 207, 371, 408, 525, 578, 622, 637 Mascher, Herbert (1905 – 1966) 134 Matthews, Robert Walter (1881 – 1973) 61 f. Matthies, Helmut (*1950) 245 Mau, Rudolf (*1927) 17, 25, 108, 130, 235, 253, 260, 262, 267, 401, 417, 419, 422, 575, 610 Mäurer, Robert (1905 – 1977) 48 Maury, Pierre (1890 – 1956) 40 Maxwell (Rev.) 196 Maydell, Bodo Freiherr von 291 Mayer, Rupert SJ (1876 – 1945) 584 Mbang, Sunday 522 McCrea Cavert, Samuel (1888 – 1976) 40 McIntire, Carl (1906 – 2002) 241 Meier, Werner (1902 – 1989) 28, 165 Meinhardt, Lydia (1914 – 2008) 129 Meiser, Hans (1881 – 1956) 30, 60, 69 – 71, 104, 108 f., 145, 176, 317 Meißner, Herbert (1940) 252 Meissner, Wolfgang (1929 – 2005) 289, 380 Meister, Jakob (1889 – 1970) 43, 45, 61, 233, 516, 601 Melanchthon, Philipp (1497 – 1560) 437 Melle, F. H. Otto (1875 – 1947) 43, 46, 50 – 53, 55, 60 f., 73, 152, 254, 267 Menn, Wilhelm (1888 – 1956) 64 – 67, 78, 106, 122 f., 143 f., 153, 158, 161, 164, 166, 177, 196, 205, 214, 224 f., 227, 240, 243, 348, 453 Menno Simons (1496 – 1561) 162 Merzyn, Friedrich (1904 – 1991) 80, 103 Meyer, Harding (*1928) 49, 322, 442, 675 Michel, Otto (1903 – 1993) 49, 229, 261, 263, 268, 270, 405, 425 f. Michelfelder, Sylvester C. (1889 – 1951) 33, 40

Personenregister

Michelmann, Heinrich (1927 – 2006) 366 f., 461 Middendorf, Friedrich (1883 – 1973) 107, 161 Minor, Rüdiger (*1939) 20, 28, 130, 173, 259, 409, 510 Mitzenheim, Moritz (1891 – 1977) 31, 265 Mitzkewitsch, A. 266 Mladin, Nicolae (*18. 12. 1914) 432 Mochalski, Herbert (1910 – 1992) 108 Moderow, Hans-Martin 406, 411, 416 f. Möhler, Johann Adam (1796 – 1838) 314, 327, 348, 354, 359 f., 461 f., 523, 585, 648, 656 Moltmann, Jürgen (*1926) 289, 358 Mor¦t, Herbert 266 Mosner, Karl (1899 – 1951) 94, 101, 118 f. Motel, Hans-Beat (*1940) 117, 244, 391, 585, 589, 681 Mott, John Raleigh (1865 – 1955) 167, 225, 283, 348, 651 Mueller, Reuben Herbert (1897 – 1982) 429, 434 Müller, Eberhard (1906 – 1989) 69, 136 Müller, Ludwig (1883 – 1945) 131 Müller, Manfred (1903 – 1987) 111, 132 Müller, Martin (1903 – 1989) 396 Müntzer, Thomas (1490 – 1525) 604 Murphy, Robert Daniel (1894 – 1978) 33, 59 Natho, Eberhard (*1932) 592 f., 681 f. Neill, Stephen Charles (1900 – 1984) 196 Neuner, Peter (*1941) 377, 499 Newman, John Henry (1801 – 1890) 235 Nieland, Arnold (1906 – 1976) 321, 376 Niemöller, Martin (1892 – 1984) 30 – 32, 35, 37, 50, 60, 65 f., 70, 89, 97 – 107, 109 f., 118, 122 f., 144, 161 f., 166 f., 175, 179, 187, 194, 197, 201, 203 f., 207, 216, 221, 223 f., 227 f., 230 f., 256, 300, 351, 368, 384, 433, 450, 571, 652, 681 Niemöller, Wilhelm (1898 – 1983) 42 Niesel, Wilhelm (1903 – 1988) 301, 308 – 310, 346, 362, 451 Nikolaou, Theodoros (*1942) 284, 377

Personenregister

Nitsch, Wilhelm (1873 – 1962) 48, 95 Noko, Ishmael (*1943) 522 Nopitsch, Antonie (1901 – 1975) 127 f., 153 Nuelsen, John Louis (1867 – 1946) 348, 475 Nuschke, Otto Gustav (1883 – 1957) 256 Nuthmann, Curt 380 Oekolampad, Johannes (1482 – 1531) 437 Oncken, Johann Gerhard (1800 – 1884) 162, 397, 656 Osiander, Andreas (1498 – 1552) 437 Osterloh, Edo (1909 – 1964) 183, 188 Oxnam, Gerald Bromley (1891 – 1963) 52 f., 59 f., 75, 104 Parker, Major D. M. 58 Paul VI. (Papst) (1897 – 1978) 347, 352, 455 Peachy, Paul 201 Peck, Anthony 525 f. Petersen, Heinrich 75 Pfeiffer, Johannes 55 Philipps, Morgan 84 Pieper, Ernst (1884 – 1972) 45, 56, 80, 97 f., 103, 106 f., 151, 166, 197, 239, 254, 257, 266 Pioch, Ernst-Erwin 302 Planck, Heinrich von (1851 – 1932) 202 Pohl, Adolf (*1927) 397, 417, 681 Polyefktos (Metropolit) 284 Pörksen, Martin (1903 – 2002) 251, 344, 466 Potter, Philip (*1921) 402 Preysing, Konrad Graf von (1880 – 1950) 44 Pribilla, Max (1874 – 1956) 67 Pückler, Graf Eduard von (1853 – 1924) 131 Radau, Arthur (1898 – 1962) 46 Rademacher, Arnold (1873 – 1939) 67 Raiser, Konrad (*1938) 237, 474, 592 Raiser, Ludwig (1904 – 1980) 342

689 Renkewitz, Heinrich (1902 – 1974) 80, 107, 123 f., 197 f., 437 Richter, Julius (1862 – 1940) 348, 603 Richter, Martin (1886 – 1954) 31 Riedel, Heinrich (1903 – 1989) 131, 147, 229, 262 Riedel-Spangenberger, Ilona (1948 – 2007) 533 Riemenschneider, Willy (1895 – 1990) 106 Ritschl, Dietrich (*1929) 377, 588 f. Ritter, Heinz-Adolf (*1922) 59, 119, 137 f., 140, 472, 631 Roensch, Manfred 282 Röger, Armin (1908 – 1984) 45, 260, 397, 432 Roosevelt, Franklin D. (1882 – 1945) 60 Roth, Diethardt 477 Rott, Ludwig (*1931) 209 – 211, 213, 276 Rouse, Clara Ruth (1872 – 1956) 196 Rud¦n, Erik 266 Rudolph, Barbara (*1958) 284, 650 Ruhnow, Wolfgang (1944) 423 Runcie, Robert (1921 – 2000) 510 Rupp, E. Gordon (1910 – 1986) 36 – 40, 42 – 44, 56, 145, 267, 433 Sachsenmeyer, Albert (1889 – 1974) 58 Samjeske, Helmut (†1952) 256 Samuel, Otto (1887 – 1960) 59, 106 Schade, Gustav 201, 339 Schäfer, Franz (*1921) 432, 434 Scharf, Kurt (1902 – 1990) 216, 249 f., 467 f. Scheele, Paul-Werner (*1928) 358 f., 377, 391, 462, 499, 583, 592, 648, 681 Schempp, Johannes d. Ä. (1853 – 1931) 165 Schempp, Johannes d. J. (1880 – 1955) 95, 118, 123, 204 f. Schieck, Lothar (*1935) 270 Schiewe (Brüder-Unität) 397 Schimmelmann, Adeline Gräfin von (1854 – 1913) 257 Schindehütte, Martin (*1949) 559

690 Schlink, Edmund (1903 – 1984) 122 – 124, 144, 278, 376, 639 Schlümbach, Friedrich von (1842 – 1901) 131, 651 Schmidt, Paul (1888 – 1970) 46, 49, 53, 56, 75, 80, 85, 97 f., 103, 106 f., 124, 128 f., 135, 163 f., 204, 228, 238, 243, 414, 454, 607, 682 Schmidt-Clausen, Kurt (1920 – 1993) 467 Schmitt, Gerhard 396 f. Schmitz, Otto (1883 – 1957) 107, 161, 184, 197, 243 Schneck, Wilhelm Karl (1901 – 1974) 139 – 141, 167, 204 Schneider, Johannes (1895 – 1970) 192 Schneider, Nikolaus (* 1947) 586 Schneider, Theodor (kath. Professor) 397, 588 Schober, Theodor (1918 – 2010) 83, 433 Scholz, Ernst (1894 – 1972) 43, 46, 61, 92, 139, 142, 151, 204, 233, 256 Scholz, Luise (1890 – 1972) 55, 125 – 128, 153 Schöne, Jobst (*1931) SELK 282, 477, 497 Schönfeld, Hans (1900 – 1954) 30, 34, 56, 64, 67 f., 158, 225 – 227, 231 Schönherr, Albrecht (1911 – 2009) 406 f., 422 f. Schreiber, Wilhelm A. (1867 – 1945) 348, 603 Schröder, Otto (1921 –) 402 f., 472 Schrupp, Ernst (1915 – 2005) 250 f. Schultz, Ingo (Mennonit, Dipl.Ing.) 233 Schulz, Otmar (*1938) 49, 299, 304, 311, 326 – 328, 369, 396, 465, 657 Schütte, Heinz (1923 – 2007) 522 Schwarzhaupt, Elisabeth (1901 – 1986) 100 Schweitzer, Wolfgang (1916 – 2009) 123 Schweizer, Eduard (1913 – 2006) 35, 55, 68, 73, 200, 289, 437, 471, 485, 643 Sedgwick, Russell Luke 33 Seidel, Walter (1926 – 2010) 380, 545 Seifert, Katharina (*1965) 595 Seigewasser, Hans (1905 – 1979) 263 Sendler, Hans-Theodor 302

Personenregister

Sens, Matthias (*1944) 406, 411, 416 f. Seybert, John (1791 – 1860) 429 Sherrill, Henry Knox (1890 – 1980) 59 Siegel, Alfons 184 Siegel, Günther (1903 – 1998) 95 Siegmund-Schultze, Friedrich (1885 – 1969) 144, 348, 467, 603, 651 Siepmann, Gustav (1901 – 1979) 45, 260, 396 Sigg, Ferdinand (1902 – 1965) 55 Smend, Rudolf (1882 – 1975) 188 Smidt, Udo (1900 – 1978) 216, 218 f., 229, 294, 301, 309 f., 312, 318, 348 – 350, 356 – 358, 363, 375 Smith, Robert Pearsall (1827 – 1898) 55, 651 Söderblom, Nathan (1866 – 1931) 167, 283 Soltau, Otto 266 Sommer, Carl Ernst (1911 – 1981) 28, 57, 248, 259, 268, 275, 287, 316 – 318, 322, 334, 337 – 341, 344, 361 f., 366, 370 f., 379 f., 384, 389, 396, 428, 432 f., 622, 681 Sommer, J. W. Ernst (1881 – 1952) 56, 65, 73 f., 78, 80 f., 85, 88, 95 – 97, 104 – 107, 110 f., 117, 119, 123 f., 136 f., 144 f., 159, 166, 177, 187 f., 197, 204, 223 f., 227, 233, 238 f., 243, 254, 259, 267, 286, 348, 380, 475 f., 681 Sommerlath, Ernst (1889 – 1983) 123 Spira, Theodor (1885 – 1961) 56 Stählin, Wilhelm (1883 – 1975) 301, 355, 392 Stalin, Josef Wissarionowitsch (1879 – 1953) 25 Stamm, John S. (1878 – 1956) 57, 463 Steeb, Hartmut (*1953) 578 Stein, Edith (1891 – 1942) 43, 584 Steinberg, Hermann (1886 – 1969) 105 Stephens, Peter (*1934) 440 f., 528 Sticher, Hermann (1927 – 2014) 147 f., 315, 428, 465, 584 f., 588 – 591 Stimpfle, Josef (1916 – 1996) 356 Stoeffler, F. Ernest (1911 – 2003) 73 Stoll, Karlheinz (1927 – 1992) 508, 570 Stolt, Peter (*1926) 449

Personenregister

Storch, Anton (1892 – 1975) 191 Strauch, Peter (*1943) 212, 473 Strauß, Franz Josef (1915 – 1988) 236 Strenopoulos, Germanos (1872 – 1951) 283 f. Strübind, Andrea (*1963) 41, 49, 80, 86, 109, 117 – 119, 121 f., 208, 474, 523, 541, 554, 592, 622, 628, 631 Strübind, Kim (*1957) 526, 539 Sucker, Wolfgang (1905 – 1968) 356 Sulzberger, Arnold (1832 – 1907) 453 Süßmuth, Rita (*1937) 592 Swarat, Uwe (*1955) 474, 523, 541 f., 545, 631, 675 Thadden-Trieglaff, Reinold von (1891 – 1976) 144 f., 153 Thaut, Rudolf (1915 – 1982) 137, 147, 219, 369, 379, 434 Thimme, Hans (1909 – 2006) 337 Thöle, Reinhard (*1950) 547 Thomas, Johannes (1904 – 1983) 20, 71, 131, 268, 638, 645 Thomas a Kempis (1380 – 1471) 44 Thompson, Major J. C. 58 Thönissen, Wolfgang (*1955) 348, 354 f., 394, 462, 481, 499, 523, 538, 544 f., 648 Tibbe, Johann 291 Tiele-Winkler, Hans-Werner von (1865 – 1914) 257 Tillich, Paul (1886 – 1965) 138 Tillmanns, Robert (1896 – 1955) 123 Tomberge, Heinrich 151 Track, Joachim (*1940) 522 Trickett, Albert S. 75 Trickett, Dr. David 56 Tucci, Roberto SJ (*1921) 296 Ueberschär, Ellen (*1967) 253, 560 Ulbricht, Walter (1893 – 1973) 264 f. Ullrich, Lothar (1932 – 2013) 538 Ulrich, Heinrich-Hermann 110, 256, 262, 302, 304 – 306, 376, 402, 484, 570, 578, 585 Urban, Hans-Jörg (*1940) 314, 353, 360,

691 364, 366, 371, 374, 381 – 383, 390 f., 394, 442, 462, 562, 565 van Allmen, David 440 van den Heuvel, Albert (1932*) 214, 450 van der Smissen, Hinrich (1851 – 1928) 516 Vellmer, Erich (1910 – 1990) 466 Vischer, Lukas (1926 – 2008) 376, 442, 639, 675 Visser’t Hooft, Willem Adolf (1900 – 1985) 35, 40, 108, 143, 458 Vlk, Miroslav (*1932) 533 Vobbe, Joachim (*1947) 500 Voegele-Mönnighoff, Antonie (†2005) 379 Vogel, Hans (1903 – 1969) 260, 397 Vogelsang, Bernhard (1890 – 1972) 46 Volk, Hermann (1903 – 1988) 34, 36 – 38, 40, 44, 46, 48, 53, 56, 97, 105, 146 f., 167, 185 f., 226, 323, 325, 356, 417, 432, 474, 543, 587 Völkner, Marie (1874 – 1961) 55 Vollnhals, Clemens (*1956) 30 f., 33, 39 – 42, 44 f., 50, 59, 61 f., 267 Voß, Klaus Peter (*1953) 181, 400 f., 568, 571 f., 597 Voss, Pater Gerhard OSB (*1935) 456 Waddams, Herbert M. (1911 – 1972) 61 Wade, Raymond J. (1875 – 1970) 55, 275 Wagner, Günter (Baptist) 164, 228, 353, 391 Wainwright, Geoffrey (*1939) 369, 522 Walenski, Erich (1900 – 1968) 45 Walter, Christian (*1966) 45, 260, 262, 288, 296, 396, 472, 522, 544, 631, 643 – 645, 647, 653 Wanke, Joachim (*1941) 188, 210, 242, 487, 567, 585, 592, 597, 681 Warfield, Gaither P. (1896 – 1986) 55 Wartenberg-Potter, Bärbel (*1943) 548, 650 Washburn, Paul Arthur (1911 – 1989) 432, 434

692 Weber, Friedrich (1949 – 2015) 17, 473, 557, 561, 563, 649, 681 Weber, Gontrude 592 Weber, Max (1864 – 1920) 617 Weber, Otto (1902 – 1966) 123 Weeber, Rudolf (1906 – 1988) 331, 340 Weiss, Andreas 553, 557, 638 Weist, Herbert (1902 – 1968) 260 f., 266, 396 f. Weizsäcker, Carl Friedrich (1912 – 2007) 613 Weizsäcker, Richard von (*1920) 589 Wells, Stella D. 126 Weltinger, Siegmund (1886 – 1974) 151 Wendland, Heinz-Dietrich (1900 – 1992) 123 Wesley, Charles (1707 – 1788) 235 Wesley, John (1703 – 1791) 78, 84, 90, 162, 166 f., 207, 429, 432, 615, 638 Wetter, Friedrich Kardinal (*1928) 489 Weyel, Hartmut (*1942) 59, 95, 120, 238, 472 f., 565, 631 Wicke, Lloyd Christ (1901 – 1996) 434 Wiebe, Peter († 1997) 379 Wiesemann, Heinrich (1901 – 1978) 85 f., 119, 189, 191, 434 Wiesemann, Karl-Heinz (*1960) 15 – 18, 563, 649, 681 Wieske, Günter (*1925) 164, 228 Willebrands, Johannes Kardinal (1909 – 2006) 371 Wilson, William Iain Girdwood 33 Winterhager, Jürgen Wilhelm (1907 – 1989) 66, 109, 233 – 235, 256

Personenregister

Wischmann, Adolf (1908 – 1983) 123, 219, 285, 302 – 306, 310 f., 319, 349 Wischnath, Johannes Michael (*1950) 69, 72 f., 76 f., 79, 82, 84 Wißt, Otto (1910 – 1979) 134 f. Wojtyla, Karol s. auch Johannes Paul VI. (1920 – 2005) 583 Wölber, Hans-Otto (1913 – 1983) 301 Wolf, Ernst (1902 – 1971) 123, 192 Wolf, Hans Heinrich (1911 – 1987) 308, 311 Wunderlich, Friedrich (1896 – 1990) 78, 104, 123 f., 131, 134, 146 f., 166, 189, 200, 213, 231 f., 249, 254, 259 – 261, 267 f., 277, 299, 351, 368 – 371, 429, 432 f., 449, 475 Wunderlich, Lydia (†1945) 127 Wurm, Theophil (1868 – 1953) 29 – 31, 33 – 39, 41, 60, 62, 64, 68 – 72, 74, 80, 89, 103, 105, 109, 167, 225 Wyrwa, Fritz (1904 – 1958) 45 Zaperty, Lucjan (1941 – 2014) 583 Zeuner, Walther (1903 – 1983) 432 Ziemer, Christof (*1941) 169, 595 Zilz, Walter (1887 – 1957) 238, 243 Zimmermann, Walter 234, 459 Zink, Jörg (*1922) 141 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von (1700 – 1760) 121, 167, 476 Zippert, Christian (1936 – 2007) 592 Zulehner, Paul M. (*1939) 472 Zurbuchen, Rudolph (1879 – 1962) 73 Zwingli, Huldrych (1484 – 1531) 387, 436

Länder- und Ortsregister

Amsterdam 16, 36, 64 f., 67, 77, 91, 103, 105 f., 121 f., 125, 135, 143, 160, 164, 167, 175 – 177, 195 f., 199 – 202, 204, 228, 233, 284, 353 f., 453, 465, 483, 580 Antiochien 390, 479 Ariccia bei Rom 369 Arnoldshain 228, 240, 243, 297 – 299, 318, 437, 509 Assenheim 97 f. Aue/Sachsen 46, 51, 267 f., 274 Augsburg 27 f., 356, 435, 437, 456, 458 f., 483, 508, 517, 522, 583 – 585, 588 Bad Blankenburg/Thür. 419, 578, 655 Bad Boll 80, 105, 111, 134, 198 – 201 Bad Bramstedt 432 Bad Homburg 80, 117 Bad Klosterlausnitz 265, 268, 270, 273 Bad Liebenzell 205, 246, 577 Bad Pyrmont 254 Baden 28, 184, 198, 200, 465, 496, 536, 604 Baden-Baden 62, 196 Baden-Württemberg 142, 198, 465, 564 Barmen 108 Basel 34, 436, 476, 575, 596, 650 Bayern 537 Belgien 43, 56, 62, 431 Bensheim 321 f., 325, 327, 332, 351, 358, 376, 452, 459 – 462, 528, 551, 611, 649, 655 Bentheim 107, 513 f. Berlin 17, 20, 25, 29 f., 32 f., 36, 41 – 47, 50 – 53, 55 f., 58, 60 – 63, 67 – 69, 75, 80,

84, 92, 103, 105, 108 f., 120, 122, 125 – 128, 134 f., 139, 141 f., 145 – 147, 149, 151 – 153, 157 f., 169 – 172, 184, 192, 195 f., 204, 216, 220, 232 f., 235 – 238, 246, 254 – 258, 261, 263, 266 f., 284, 286, 289, 299, 332, 337, 361, 364, 376, 383 f., 397 – 399, 404, 406, 408 – 411, 414 f., 417, 419, 432, 442, 445, 459, 467 f., 479, 483, 488 f., 491, 510, 525, 534, 536, 558, 564, 570 – 575, 585 f., 593, 599, 607 f., 625, 627, 646, 650 f., 656 f., 681 Berlin-Dahlem 108, 233 Berlin-Kreuzberg 267 Berlin-Plötzensee 61 Berlin-Schöneberg 51, 259 Berlin-Spandau 62 Berlin-Steglitz 74 Berlin-Zehlendorf 62, 126 Bern 30, 273, 350, 515 Bethel 66, 108, 153, 248, 334 Bielefeld 161, 246, 334, 337, 492, 577 Birmingham 134 Bonn 20, 48, 80, 95, 103, 120, 187 f., 192, 221, 229, 246, 274, 350, 356, 377, 380 f., 500, 506, 521, 584, 586, 589, 599 Bossey bei Genf 140, 437 Boston/USA 127, 198 Brandenburg 36, 62, 125, 127, 152, 170, 236, 256 f., 397, 468, 491, 536 Braunschweig 20, 334, 336 f., 388, 467, 562 f., 569 Bremen 20, 24, 56, 78, 84, 139, 142, 195 f.,

694 214, 244, 255 f., 288 f., 466, 504, 527, 536, 573, 605, 641 Bristol 85 Buchenwald 60, 75 Buckow 417 Budapest 345, 432, 526, 528 f., 575 Büdingen 80, 103 Bulgarien 54, 56, 273 – 275, 433 f., 575 Cambridge 223 Canterbury 36, 38, 40, 402, 510 Chamb¦sy bei Genf 389, 481, 546 Chemnitz 29, 269 Chichester 40, 43, 63, 93, 157, 284 Cincinnati 73, 639 Dänemark 125, 273, 284, 511, 528, 575 Darmstadt 103, 117, 153, 195 f., 205, 356, 574 Davos 437 Dayton/Ohio 135 Debrecen 575 Delmenhorst (Oldb.) 56 Denver/Colorado 371, 433 Dessau 110, 254, 396, 593, 657 Detmold 48, 218, 229, 356 Detroit 55 Dortmund 218, 390 Dresden 31, 224, 250, 254, 258 f., 262, 267, 269, 400, 402, 408, 432 – 434, 440, 575, 592 f., 595, 597, 650, 653, 657 Dresden-Radebeul 259 Dublin 433 Düsseldorf 94, 105 f., 128, 132, 216, 259, 321, 560 Eberswalde 257, 267 Edewecht 74 Edinburgh 125, 223, 651 Eisenach 16, 83, 153, 159, 167, 169, 254, 282, 401, 421, 565, 592 Ellefeld/Vogtland 419 Emden 516 England 36 – 39, 44, 61 f., 64, 77, 134, 145, 208, 220, 238, 273, 404, 441 f., 449,

Länder- und Ortsregister

510 – 512, 525, 570, 615, 622, 628, 638, 651 f. Erfurt 110, 242, 267, 487, 567, 585 – 587, 592, 597 Espelkamp 516 Esslingen 48 Estland 511 Evanston/Illinois 124, 135, 144, 164, 195, 228, 231, 240 f., 249, 463, 495 Flossenbürg 44 Frankfurt/Main 30, 41, 46, 48, 51 – 53, 56, 58, 60, 62, 66, 80, 86, 97, 123 f., 133 f., 142, 149, 153, 181, 192, 223, 225, 227, 231, 245, 251, 254, 259, 267, 270, 274, 284, 301 f., 326, 328, 334, 337, 354, 370, 386, 389, 397, 400, 402, 429, 432, 434, 450, 468, 478, 480, 517, 521, 525, 530, 546, 570 f., 575, 590, 657 Frankreich 39, 54, 62, 256, 513, 516, 525, 581 Fulda 355 f., 418, 466 Genf 29 f., 34 – 36, 40 f., 44 f., 50, 55 f., 59, 61, 64, 66 – 75, 77, 80 f., 85 – 87, 92, 94 f., 97, 104 f., 108, 110 f., 119, 122 – 125, 132 f., 136 f., 143 – 145, 153 f., 157 f., 175, 195 f., 214 – 216, 218, 220 f., 225 f., 228, 231, 235, 250, 254, 276, 288, 290, 295, 302 – 305, 310, 317, 326 f., 349, 372, 376, 389, 438, 450, 453, 470, 481, 492, 502 f., 522, 529, 533, 547 f., 550, 570 f., 574, 591 – 593, 600, 612 f., 639, 652 Gera 266, 419, 421 Glasgow 134 Görlitz 407, 681 Goslar 292 Göttingen 28, 30 f., 33, 36, 39 – 42, 44 f., 47, 49 f., 53, 58 f., 61 f., 69, 71 – 73, 76, 80, 84, 103 f., 110, 121, 131, 133, 172, 188, 192, 207 f., 219, 235, 243, 247, 265, 267, 271, 277 f., 281, 283, 286, 323, 342, 348, 358, 369, 371, 384, 386, 394, 402, 408, 450, 454, 459, 473 f., 490, 492, 508, 521, 523 f., 541, 565, 577, 587, 603 f.,

Länder- und Ortsregister

606, 609 f., 616 f., 622, 628, 631, 637, 641, 644 f., 647 f. Grafrath 468 Graz 484, 532, 575 f., 613, 638 Greifswald 254, 681 Griechenland 285, 389, 645 Großbritannien 59, 91 f., 125, 153, 196, 249, 325, 513, 527, 581, 612, 631 Hamburg 49, 53, 62 f., 85, 120, 123, 132, 134, 139 f., 144, 147, 149, 153, 164, 192, 204, 210 – 214, 217, 229, 238, 242, 250 – 252, 254, 259, 261, 301, 326, 343 – 345, 351, 433, 449 f., 454, 491, 516, 519, 525, 556, 564, 597 Hannover 20, 24, 49, 65, 94, 96, 107, 141, 145, 153, 179, 183, 197, 213, 216, 219, 227, 258, 260, 264, 271, 282 f., 292, 295, 302, 321 f., 326, 333, 337, 361, 366, 375, 435, 450, 467, 477, 496 f., 508, 510, 531, 536, 559, 566 f., 569 f., 619, 656 Hannover-Herrenhausen 132 Hannoversch-Münden 467 Haynau (Schlesien) 170 Heidelberg 40, 122, 124, 376, 504, 536, 588, 639 Herford 107 Hermannsburg 123 Herrnhut 32, 402, 406, 417 Hessen 21, 28, 56, 89, 171, 197, 245, 466 f., 496, 536, 604 Hessen-Darmstadt 604 Hessen-Kassel 604 Hof an der Saale 60 Hofgeismar 592 f. Holland 39, 62, 256, 284, 305, 325, 581 Honolulu 433 Imshausen Jablonec

547 432

Karl-Marx-Stadt 268 f. Karlsruhe-Durlach 195 Karlsruhe-Thomashof 197 f., 464 Kassel 41, 78, 80, 100, 103 – 105, 111, 124,

695 132, 134, 137, 153, 157, 163 f., 184, 186, 191, 217, 234, 255, 257, 259, 266, 355, 372, 525, 572, 592 Kiel 49, 61, 177, 242 Kingston 650 Königstein 465, 596 f., 650, 653 Konstantinopel 283, 347, 480 Kopenhagen 68, 511, 575 Krakau 379, 583 Krefeld 516 Kühlungsborn/Ostsee 235 Lausanne 125, 223, 284, 353, 412, 472, 571, 578, 637 Leer/Ostfriesland 119, 575 Leipzig 25 f., 31, 41, 47, 108, 111, 130 f., 137, 153, 172 f., 186, 188, 224, 234 f., 253, 259, 262, 264 f., 268 f., 336, 342, 376, 386, 394, 411, 413, 419, 422, 432, 453, 476, 520, 523, 545, 572, 595, 607 f., 615 f., 620, 639, 646 Leuenberg 182, 271, 345, 435 – 441, 443, 495, 509 f., 515, 524 – 532, 537 Lima 442, 478, 511, 544 – 546 Limburg/Lahn 433, 466 Lippe-Detmold 641 London 30, 34, 37, 40, 42 – 44, 61, 91, 138, 204, 210, 237 f., 246, 273, 284, 287, 289, 442, 452, 581, 606, 615, 638 Lübeck-Dornbreite 73 Lund 70, 124, 325, 351, 437, 463 Magdeburg 254, 261, 421, 494, 543, 545, 547, 575, 595, 624 – 627, 653 Mainz 356, 360, 466, 545, 584, 639, 647 Marburg 171, 198, 436 f., 466 f. Mecklenburg 108, 235, 256 f., 397, 681 f. Mecklenburg-Vorpommern 29, 235, 257 – 259, 386, 428 Mesereh (Armenien) 223 Moskau 388, 479, 543 Mülheim/Ruhr 171, 214, 252, 288 f., 380, 504 f., 572 f. München 32, 35, 38, 41 f., 46, 51 – 53, 60, 104, 125, 131, 139, 142, 145, 147, 162, 173 – 176, 196, 229, 258, 272, 292, 331,

696 337, 355 f., 423 f., 459, 488 f., 539, 575, 584, 599, 616, 635, 637, 643 f. Münster 42, 130, 224, 237, 246, 356, 435, 474, 579, 598 f., 604 Nairobi 249, 433, 470 Neu-Delhi 147, 248 – 251 New York 55 f., 72 – 74, 104, 135, 274 f., 351 Nicäa 480, 495 Niederaltaich 310, 327, 357, 376 Niederlande 135, 241, 498, 516 Niedersachsen 28, 467, 513 f., 527, 543 Nottingham 63 Nürnberg 39, 60, 74, 86, 118, 127, 200, 238, 259, 408, 410, 478, 508, 561 Nürtingen 639 Oberursel 497 Oldenburg 124, 171, 251, 285, 332, 337, 355, 392, 536, 569 Oslo 35 Osnabrück 435 Ostberlin 189, 255, 396, 399 Österreich 56, 58, 126, 130, 255, 273, 379, 434, 459 f., 462, 483 – 485, 506, 525, 556, 645 Ostfriesland 170 f., 387, 516 Ostpreußen 234, 386 Oxford 41, 46, 53, 75, 120, 225, 527 f. Paderborn 20, 42, 193, 231, 236, 244, 308, 310, 312, 327 f., 341, 353 – 356, 359 f., 364, 366, 374, 377, 380 f., 391, 393 f., 442, 458 f., 461 f., 476, 499 f., 513, 517, 519, 523 f., 544 – 546, 551, 565, 569 – 571, 585 f., 648 Paris 42 Pennsylvanien 429 Pfalz 536, 604 Pirmasens 103 Pittsburgh/Penns. 370 Polen 56, 155, 170 f., 216, 266, 268, 273, 275, 342, 379, 434 Porvoo (Finnland) 511, 529

Länder- und Ortsregister

Prag 215, 275, 432, 575 Pyrmont 103 Reichenbach 268 Rerik bei Kühlungsborn 235 Reuilly 513 Riedböhringen bei Donaueschingen 354 Rom 278, 307, 311, 335, 347, 350, 353 – 356, 370 – 373, 376, 378, 387, 393, 443, 478, 499, 501, 522, 544, 546, 551, 583, 600 f. Rostock 234, 257 f., 267 Rothenmoor 257 Rottenburg 465 Rummelsberg 195 Sachsen-Anhalt 259, 681 Schauenburg 437 f. Schlesien 170, 386, 397 Schmie 201 f. Schönheide 269 Schwäbisch Gmünd 158, 450 Schwarzenshof/Thüringen 131 Schweden 125, 217, 273, 431, 440, 448, 472, 511, 525, 575, 581 Schweiz 35, 39, 55, 57, 73, 94, 143, 225, 248, 255, 273 f., 290, 379, 429, 434, 441, 498, 556, 581, 605, 645 Schwerin 254 Seoul 476, 522, 650 Sibiu (Hermannstadt) 535, 575 Siebenbürgen 432 Sigtuna/Schweden 405, 410, 413, 440 f. Sofia 525 Speyer 18, 82 St. Louis 269 Stein bei Nürnberg 127, 129 Stettin 459 Stockholm 55, 64, 125, 171, 412, 472, 571, 651 Straßburg 30, 378, 533 Stuttgart 20, 23, 26, 28 f., 34 – 42, 44, 46 – 50, 52, 54, 56 – 60, 62, 65, 67, 71, 74 – 80, 82 – 84, 89 f., 95 f., 103, 111, 123, 130, 132, 135, 143, 145 – 148, 150, 153, 157 f., 164 f., 173, 177, 180, 189,

697

Länder- und Ortsregister

196 – 201, 203, 207, 214 f., 217, 224, 232, 237 f., 243, 247 f., 253, 259, 261, 263, 267, 273, 275, 284, 286, 302, 306, 315, 326, 331, 334, 342 f., 345, 361, 369 – 371, 374, 404 f., 408, 428 f., 431 – 434, 447, 453, 459, 465, 475 f., 500, 508, 517, 519, 523, 548, 569, 573, 581, 596 f., 621 f., 645 f., 648, 650 f., 653, 656 Sunberry 134 Taiz¦ 639 Tallinn 274, 530, 632 Teterow 257 Thüringen 108, 255, 259, 266, 569 Thyateira 283 Toronto 134, 312, 463 Treysa 29 – 34, 47, 49, 56, 68 – 71, 74, 89, 108, 153, 195 f., 225, 436, 464 Trient 520 Trier 308 Tschechien 434 Tschechoslowakei 56, 506 Tübingen 62, 142, 189, 229, 358, 462, 476, 557, 638 Tunesien 434 Tutzing 437 Uchtenhagen/Mark 223 Ungarn 273, 275, 434 Uppsala 249, 251, 285, 288, 295 – 299, 302, 308, 310 f., 315 f., 319, 325, 328, 336, 338 f., 351 f., 432, 443, 475 USA 30, 39, 41, 49, 51 – 53, 56 – 59, 62, 70, 73, 76, 80, 85, 104, 118, 125, 127, 131, 133, 153 f., 164, 196, 208, 224, 226, 241, 244, 248 f., 254, 267 f., 271 f., 274, 290,

404, 427, 429, 433, 449, 477, 490, 501, 516, 519, 537, 575, 591 f., 609, 612, 615 – 618, 622, 635, 641, 645, 656 Vancouver 575, 595 Velbert 123 Vogtland 258 Warschau 55, 432 Washington 30, 33 Weener/Ostfriesland 258 Wermelskirchen 238 Wien 125 f., 130, 274, 345, 379, 484, 529 f., 575, 580 Wiesbaden 43, 51, 74, 107, 161, 196 Wismar 257 Witten 48, 59, 86, 94 f., 100 f., 120, 132, 140, 147, 149, 189, 212, 250, 254, 260 f., 354, 384, 454, 472 f., 565, 631 Wuppertal-Barmen 107 Württemberg 28, 87, 137, 171, 173, 178, 180, 196, 198 – 203, 206, 287 f., 292, 294, 401, 427, 429, 465, 536, 557, 569, 581, 605, 638, 645 Würzburg 359, 377, 443, 456 f., 462, 583, 648, 652 Ysenburg

604

Zürich 68, 72, 200, 225, 273, 289, 432, 575, 605 Züssow 405 f., 413, 416 Zwickau 46, 51, 153, 189, 259, 261, 267 f., 274, 406, 409 f., 413, 510, 575 Zwickau-Planitz 423

Konfessionen-, Denominationen- und Institutionen-Register

Abendmahlsgemeinschaft, s. auch Kirchengemeinschaft 108, 200, 405, 421, 442, 473, 508, 518, 525, 528, 555, 600 Abteilung für Religiöse Angelegenheiten (Alliierter Kontrollrat) 42, 46 ACK-regionale Entwicklungen 195 f., 205 f., 256 – 258, 463 – 469, 558 – 563 Adventismus /Adventisten, s. Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten Allgemeine Nothilfe der WiederaufbauAbteilung 34, 40 Allgemeines Wiederaufbau-Komitee für Berlin 45 Allianz, s. Evangelische Allianz Alt-Katholiken 86, 96, 120, 126, 168 f., 191, 195, 200 f., 204, 233, 296, 308, 343, 346, 350, 362, 379, 397, 425, 434, 466, 478, 483, 498 – 501, 505 f., 511, 513, 543, 569 Alt-Katholisches Bistum in Deutschland 72, 86, 97, 120, 149, 340, 343, 350, 379, 434, 472, 478, 498 – 500, 505 f., 543 Altlutheraner 45 Anglikaner 36, 40, 44, 61, 63, 72, 168, 196, 275, 442, 484, 498 f., 511, 513, 528 f., 569, 639 Anti-Rassismus-Programm 251, 287, 492 Apostelamt Jesu Christi 399, 401, 565 Apostolikum 331 Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK – BRD) 15 – 18, 49, 58, 66 f., 69, 80, 83, 89 – 92, 94 f., 97 f., 100 f., 103 – 107, 109 – 112,

116 – 125, 129, 132 f., 135 – 137, 143 f., 149 – 151, 153 – 155, 157 – 169, 171, 173 – 181, 183 – 200, 203 – 231, 233 – 235, 237 – 244, 247 – 249, 252, 256, 259 – 261, 276 – 279, 281 – 295, 297 – 319, 321 – 323, 326 – 328, 330 – 352, 355 – 385, 388 – 393, 410, 433, 437 f., 443, 448, 450 f., 453, 455 f., 461 f., 464 – 469, 473 – 475, 477 – 480, 482 – 484, 487 – 491, 496 – 499, 502, 505, 515, 520, 533 – 535, 543 f., 548 – 550, 555 – 565, 568, 570 – 572, 576, 579, 583 – 586, 588 – 600, 612 – 614, 624 f., 627, 629 – 631, 640, 648 – 650, 652 – 655, 657, 681 Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (AGCK – DDR) 16, 237, 261, 264, 266, 323, 379, 396 – 402, 404 – 407, 413 – 421, 425 f., 468, 473, 480, 565, 591 – 593, 595, 619 Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend Deutschlands (AEJ) 132 f., 208, 253, 298, 349 Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Groß-Berlin 151 Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM) 245, 251 f., 343 f., 655 Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden (AMG), s. Mennoniten Arnoldshainer Konferenz 292 f., 508, 521, 536, 569 Augsburger Pfingsttreffen 458

700

Konfessionen-, Denominationen- und Institutionen-Register

Baptismus/Baptisten/Bund Ev.-Freikirchlicher Gemeinden (BFEG) 32 f., 41, 43, 45 f., 48 f., 53, 56, 59, 61, 63, 66, 71 f., 74 – 76, 78, 81, 85, 90 f., 94, 96 f., 101 – 103, 106, 109, 123, 126, 128, 132 f., 135, 137, 147, 161 – 164, 170, 182, 189, 192, 200 f., 204, 206 – 208, 219 f., 228, 232 f., 235, 237, 247, 252, 256, 258, 263, 266, 271, 275, 277, 282, 294, 296, 299, 301, 326, 338, 340, 344, 351, 369, 387, 396 – 398, 405, 413 f., 417, 424 f., 428, 434, 440, 449, 473 f., 478, 523 – 527, 530, 537–539, 541 – 543, 554, 563, 571, 575, 578, 614, 619, 622 f., 626, 628 – 631, 634, 639, 642, 649, 651 f., 655 Barmer Theologische Erklärung 239, 439 Beirat für kirchliche Angelegenheiten beim Berliner Magistrat 25, 255 Bekennende Kirche 30 – 32, 34, 75, 95, 110, 131, 144, 221, 225, 238, 349, 651 Bekenntnisbewegung: Kein andres Evangelium 356, 470 Berliner Stelle (EKD) 108 f., 232 f. bilateral – multilateral 15, 17, 91, 168, 181, 276, 286, 296, 309 f., 313, 317, 323, 326, 330 f., 335 f., 338, 341, 349, 355, 357 f., 362, 364 – 368, 371, 373, 377, 381, 383, 387, 390 – 395, 400, 407, 420, 437, 451, 456 – 458, 488, 493, 501 f., 506, 511, 513, 523 – 525, 528 f., 548 – 551, 555 f., 561, 563, 568 f., 584, 590 f., 593, 601, 614, 634, 648 – 650, 653 Bischofskonferenz, Deutsche, s. Deutsche Bischofskonferenz British Council of Churches 40, 60 – 62, 93, 232, 402 BROT FÜR DIE WELT 88, 146 f., 154, 215, 228, 268, 315 Brüdergemeinde (Herrnhuter), s. auch Brüder-Unität 32, 70 – 72, 80, 86, 90, 105, 107, 121, 124, 128, 160 f., 167, 195, 198, 201, 251 f., 296, 340, 362, 379, 391, 397 f., 402, 407, 411, 419, 424, 476, 510, 543, 567, 571, 589, 595 f., 598, 636, 681 Brüdergemeinden (darbystisch) 59, 71, 76, 97, 266, 413, 428

Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) 154, 237, 265, 269, 342, 397 f., 402 – 410, 413, 416 – 420, 422 f., 425, 506, 510, 529, 570, 619 Bundestheologie 636 Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten) (BEFG), s. Baptismus/Baptisten Bund Evangelisch-reformierter Gemeinden 291 Bund Freier evangelischer Gemeinden (BFeG) 45, 59, 76, 90 f., 94 – 96, 99 – 101, 103, 116 – 119, 135, 138, 198, 200, 247, 260, 266, 296, 318, 321, 328, 369, 380, 398, 401 f., 413 f., 423, 434, 472 f., 543, 565, 629 – 631, 655 Catholica-Kommission (EKD) 300 Catholica-Referat/Referenten 323, 332 f., 461 Charta Oecumenica 17, 20, 445, 461, 477 f., 493, 532 – 535, 551, 568, 576, 599, 613, 624 f., 627, 654, 657 Christinnenrat 548, 559 Christlicher Studentenweltbund 69, 144, 283 f., 651 Church World Service 72, 80 f. Confessio Augustana 386, 517 Connections, Connexio, connexional 54 f., 265, 273, 371, 637 Council of Churches in Germany 557, 652 CVJM 131, 218 Deutsche Bischofskonferenz (DBK), s. auch Fuldaer Bischofskonferenz 34, 191, 276, 286, 307, 309 – 301, 313, 316 f., 329 – 332, 335 f., 338, 347, 349, 358 f., 363 f., 370 f., 374 f., 377 – 381, 389, 391, 393, 418, 451, 455 f., 458, 462, 465, 471, 482, 499, 508, 519, 521, 532 f., 543f., 546, 562, 569 – 571; 576, 583, 586, 589, 591 f., 597, 599, 613, 634, 652 f., 655 Deutsche Christliche Studentenvereinigung (DCSV) 69, 131, 136 – 138, 144, 182, 208, 349, 651

Konfessionen-, Denominationen- und Institutionen-Register

Deutsche Evangelische Kirche (DEK) 30, 33, 41, 46, 62, 70, 159, 170, 345, 471 Deutscher Bundesjugendring (DBJ) 133 Deutscher Evangelischer Kirchenbund (DEKB) 345, 655 Deutscher Evangelischer Kirchentag (DEKT), s. auch Kirchentag 144 f., 458 f. Deutscher Evangelischer Missionsbund 247 Deutscher Evangelischer Missionsrat (DEMR) 248, 343 – 345, 655 Deutscher Evangelischer Missionstag (DEMT) 247 f., 251 f., 343, 655 Deutscher Hülfsbund für christliches Liebeswerk im Orient 223 Deutscher Ökumenischer Studienausschuß (DÖSTA) 16, 65, 122 – 125, 144, 168, 192 f., 205, 229, 231, 244, 278, 284, 297, 300, 308, 311, 321 – 323, 327 f., 348 – 350, 360, 376 f., 381, 392 f., 437, 474, 478, 523, 570 f., 582, 588, 655 Deutsches Weltgebetstagskomitee, s. auch Weltgebetstag 127, 129 Diakonische Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchen 83, 86, 119, 147 – 150, 215, 306, 315, 370, 433 f. Diakonisches Werk der EKD (DW) 88 Dienste in Übersee (DÜ) 149, 370, 432, 555 Directorium Oecumenicum 307, 356, 395 ECLOFF-Fonds 119 Ecumenical Councils 86 Education and Religious Affairs (ERA) 33, 56, 58, 139 Europäische Zentralstelle für kirchliche Hilfsaktionen 68, 72 European Protestant Assembly 528 Evangelische Allianz 43, 48, 53, 70, 90, 95, 118, 138, 159, 161, 203 f., 212, 218 f., 237 – 246, 251, 261, 266, 413 f., 419, 449, 452 – 454, 470, 482, 505, 516, 572, 576 – 579, 606, 612, 651, 655 Evangelische Gemeinschaft, s. auch Evangelisch-meth. Kirche 45, 48, 56 f., 70,

701

72, 76, 78, 81, 87, 91, 95 f., 98, 103, 106, 132, 134 f., 138, 151, 162, 164 f., 173, 189, 195, 200 – 204, 213, 249, 255, 257 f., 260, 265 – 267, 272, 277, 427 – 431, 434, 441, 475, 638 f., 643, 655 Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), s. auch Rat der EKD 20, 23 f., 31 – 40, 46, 50, 52, 55 f., 59 f., 62 – 71, 73 f., 76 – 80, 82 – 86, 88 – 101, 103 – 105, 107 – 112, 116 – 118, 120 – 123, 131 – 133, 135 – 137, 141, 146 – 150, 153 f., 157 – 161, 164 – 167, 173 – 176, 179, 182 – 188, 190 f., 194, 197, 205, 207 – 214, 216 – 221, 223 – 225, 227 – 237, 241, 244, 248 – 250, 252, 254, 256, 258, 262, 264 f., 268, 270 f., 276 f., 281 f., 285 – 287, 291 – 319, 321 f., 325 – 328, 330 – 349, 351, 355 – 371, 373 – 379, 381 – 384, 387 f., 390 – 393, 396 – 400, 404, 408, 410, 418, 433 – 436, 438, 442 f., 446, 450 – 452, 454, 456 – 460, 470 f., 477 f., 491 f., 495, 499, 505 f., 508 – 513, 517 f., 520 f., 527 f., 531 f., 536 – 538, 541, 543 f., 549, 559 – 563, 565 – 571, 577, 583 – 586, 589 – 594, 596 – 598, 612 f., 619, 633 f., 639 f., 648, 651 – 653, 655, 657, 681 Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) 435, 643 Evangelischer Bund 237, 459 Evangelischer Pressedienst (epd) 141, 304, 327, 333 – 338, 341, 345, 403, 560 – 563, 570, 592, 611, 655 Evangelisches Missionswerk 88, 245, 250, 252, 282, 343, 556, 559 Evangelisch-methodistische Kirche (EmK), s. auch United Methodist Church 20, 28 f., 32, 48 f., 57, 91, 105, 117 f., 127, 165, 207, 235, 247, 257, 259, 267, 269 f., 273 f., 292, 369 – 371, 379, 384, 398, 400 f., 405 – 410, 413 – 416, 419, 421, 423, 427 f., 431, 434 f., 440 f., 446, 449, 454 f., 475 f., 506 – 510, 528, 530, 543, 566 f., 569, 619, 622, 633, 643, 648, 655, 657

702

Konfessionen-, Denominationen- und Institutionen-Register

Faith and Order Weltkonferenz von 1927 223, 284 Federal Council of Churches of Christ in America, s. US-Federal Council Flüchtlingsdienst 34, 50 Föderation Protestantischer Kirchen in Frankreich 40 Freikirchentag, s. auch Vereinigung Ev. Freikirchen (VEF) 45, 85 f., 105 f., 119, 124, 132, 184, 191, 454 Fuldaer Bischofskonferenz (DBK), s. auch Deutsche Bischofskonferenz 34, 338 Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung (GE) 475 f. Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten (STA) 58, 290 f., 399, 401, 501 – 503, 656 Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) 440, 525 f., 529 f., 537, 539, 541 f., 561 f., 632, 634, 649 General Commission on Army and Navy Chaplains 59 Griechisch-orthodoxe Metropolie 16, 129, 285, 380, 465 Heilsarmee 86, 93, 105, 107, 121, 126, 128, 149, 161, 198, 201, 214, 256, 287, 379, 457, 470, 543, 548, 571, 581 Herrnhuter, s. Brüdergemeine Hilfswerk der Evangelischen Kirche(n) in Deutschland, s. auch Diakonische Arbeitsgemeinschaft 79, 82 f., 85, 99, 122 Hussitische Kirche 442 Independentismus, independentistisch 106, 121, 254, 474, 540, 542, 580, 628, 630, 636 Interkommunion 327, 385, 481, 511 Internationaler Missionsrat 125, 250 International Lutheran Council (ILC) 497 Interzelebration 410, 439 Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik 310, 354, 377, 462

Jugendkammer der EKD

111, 131, 133

Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft, s. auch Kirchengemeinschaft 63, 149, 182, 292, 403, 408 – 410, 436, 438, 497, 508 f., 515, 518, 529, 538, 555, 566 f., 569, 623, 633 Katholisch, s. römisch-katholische Kirche Katholisch-apostolische Gemeinde 149, 399 Kirche der Brüder 28 Kirche im Sozialismus 269, 553 Kirchengemeinschaft, s. auch Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft 31, 89, 99, 181 f., 212, 265, 271, 276, 283 f., 342, 359, 387, 403, 405, 408 – 410, 412 f., 435 – 443, 446, 474, 477, 493, 497 – 501, 506, 508 – 510, 512 f., 524 f., 527 – 531, 536 f., 539, 541 f., 551, 555, 566 – 569, 571 f., 619, 630 – 634, 648, 657 Kirchenkonferenz (Treysa) 30 – 33, 225, 436 Kirchentag, Deutscher Ev. 17, 96, 111, 144 – 146, 149, 153 f., 198, 207, 224, 336, 370, 445, 448, 458 f., 465, 477, 488 f., 534, 556, 560, 599, 625, 657 Kirchliches Außenamt der EKD 32, 34, 65 – 67, 69, 97, 103, 122 – 124, 133 – 136, 154, 164, 197, 208 f., 219 f., 227 f., 231, 235, 240, 285 f., 297, 302 f., 305 f., 310 – 312, 316 – 319, 321 f., 325 f., 328, 337, 348 f., 360 f., 365F, 381 – 383, 391, 400, 40, 450 – 452, 454 Kirchliches Einigungswerk 30, 225 Konferenz Bekennender Gemeinschaften 245 f., 492, 577, 656 Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) 215, 266, 275, 292, 377, 399 f., 426, 528, 532 f., 559, 562, 574 – 576, 592, 613, 656 Konferenz für Praktisches Christentum 120 Konfessionskundliches Institut Bensheim 333 Kongregationalismus, s. auch Independentismus 222, 637

Konfessionen-, Denominationen- und Institutionen-Register

kongregationalistische Freikirchen 97, 413, 645 Konvergenz-Erklärung Taufe, Eucharistie und Amt, s. auch Lima-Papier 442, 478, 513, 539, 544, 546, 550 Konziliarer Prozess 575, 593, 600, 613 Leuenberger Kirchengemeinschaft, s. auch Gemeinschaft Ev. Kirchen in Europa 342, 405, 410, 440, 509, 524 f., 527, 529 – 531, 628, 632 Leuenberger Konkordie 16, 32, 211, 270, 281, 387, 403, 408, 410, 412 f., 418, 435, 442 f., 446, 493, 498, 507 – 510, 520, 524 f., 527 f., 531, 536, 539, 541 f., 546, 550, 566, 613, 632, 643 Lima-Papier, s. auch Konvergenzerklärung 513, 539, 588 Lutheraner 28, 30 – 32, 45, 52, 55, 58, 62, 68, 70 – 72, 91, 103, 109, 144, 162, 169, 175, 220, 258, 291, 317, 345, 348, 378, 387, 394, 435, 437, 442, 449, 464, 474, 476, 478, 496, 501 f., 512 f., 515, 517, 521 f., 529, 537, 539, 542, 552, 570, 575, 586, 621, 623, 628, 639, 648 Lutherische Freikirchen, s. Selbstständige Ev.-Luth. Kirche, SELK) Lutherischer Weltbund (LWB) 290, 378, 407, 477, 502 f., 519, 521 f., 570, 656 Lutherischer Weltkonvent 34, 40 Lutherrat 30, 32, 104, 107, 160 Mehrheitskirchen 350, 442, 452, 535, 629 f., 644 Meißener Erklärung/Gemeinsame Feststellung 442, 510 – 513, 529, 567, 570 Mennoniten 23, 28, 33, 72, 86, 90, 96, 120, 126, 161, 168, 186 – 188, 195, 197, 201, 256, 357, 397 f., 425, 515 – 520, 539, 551 f., 568 f., 571, 580 f., 621 f., 629, 635, 644, 648 Methodismus, s. Ev.-methodistische Kirche Minderheitskirchen 78, 84, 86, 88, 90, 121, 139, 150, 153, 221 – 223, 225 f., 277, 301, 314, 318, 339, 350, 373, 383, 411,

703

416, 422, 425, 434, 442, 449, 452 f., 457, 472, 479, 483, 488 f., 532, 553, 555, 561 f., 564, 573, 576, 579, 590, 611, 614, 622 f., 629, 632, 636, 641 – 644, 649, 653 Mischehen 356 Missouri-Synode 72, 497 Monophysiten 481 Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden 214, 289, 483, 504, 543, 573, 630 National Association of Evangelicals (NAE) 118, 241, 244, 656 Nationaler Christenrat 402 Nationaler Wiederaufbauausschuss der Evangelischen Kirche 69 Nazarener, Kirche der 571 Netzwerk konfessionsverbindender Ehen 469 Niederländische Reformierte Kirche 40 Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche 435 Nordkirche 271, 435, 566, 569, 633, 643 Oekumenischer Katechismus 214, 453 Ökumenische Centrale (ÖC) 49, 64 – 67, 92, 122 – 124, 154, 158, 161, 164, 166, 169, 178, 195 – 197, 203, 208 – 211, 215, 221, 223 – 227, 230 f., 242, 285, 290 f., 299, 301 – 306, 308 – 313, 315 – 318, 321 – 323, 325 – 328, 333, 335, 337, 348, 359 f., 363, 370, 381 – 383, 389 f., 396, 450 f., 453, 462 – 465, 467 f., 544, 547, 556, 558, 560, 564 f., 572, 594, 597, 600, 650, 652, 656 f. Ökumenische Gebetswoche 155, 208, 210, 239 f., 242, 326, 576 Ökumenischer Ausschuss für den mittleren und östlichen Raum Deutschlands 67, 233 – 235 Ökumenischer Jugendrat 399 Ökumenischer Rat der Kirchen 130, 308, 483 – 485, 656 Ökumenische Rundschau (ÖR) 96, 98, 117, 124, 142 – 147, 198, 206, 208 – 211, 213, 224 – 226, 230 – 232, 243, 248 f., 284,

704

Konfessionen-, Denominationen- und Institutionen-Register

287, 290, 322, 326 f., 348, 364, 371, 374, 378, 381, 390 f., 417, 456, 462, 465, 468, 488, 523, 572, 585, 588 – 594, 623, 655 f. Ökumenisches Direktorium 311, 362, 378, 393, 544 Ökumenismus-Dekret 353 Orthodoxie, s. Griech.-orth. Metropolie und Russisch-orth. Kirche Ostkirchenkonferenz 108 Pfingstbewegung 214, 256, 258, 288 f., 406, 472, 482 f., 503 – 505, 572 f., 627, 641 Porvooer Gemeinsame Feststellung (1992) 442, 511, 513 Presbyterianer 40, 61, 63 Proselytismus 79, 99, 179, 530, 576 Quäker, s. Religiöse Gesellschaft der Freunde Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, s. auch Ev. Kirche in Deutschland 31, 33, 50, 236, 332 Rat der Protestantischen Kirchen Deutschlands 117 Reformierte 16, 28, 31, 40, 45, 55, 63, 68, 72, 96, 101, 109, 121, 144, 161 f., 169, 196, 199, 210, 256, 258, 270, 272, 291 f., 338, 348 f., 377, 387, 394, 411, 435 – 437, 440 – 442, 456, 464, 476, 496, 502, 511 – 515, 523, 528 f., 531 f., 536 f., 575, 588, 595, 604 f., 639 Reichsverband für Kindergottesdienst und Sonntagsschule 111, 134 Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker) 72 f., 75, 93, 121, 256, 277, 291, 380, 397, 399, 401, 424 f., 457, 543, 559, 580, 639, 651 Religious Affairs Branch (RAB) 67, 124, 196 – 199, 465, 656 Römisch-katholische Kirche 16, 28 f., 42, 44, 47, 60 f., 63, 66 – 68, 72, 83, 90 f., 96, 121 f., 128 f., 139, 151 f., 163, 167, 177, 179 f., 187, 190, 204, 214, 233, 242, 246, 271 f., 278, 281, 286 f., 296 – 301, 305 f.,

307 – 314, 316 – 319, 321, 323, 325 – 337, 340 f., 345 – 347, 349, 352 – 391, 393 – 395, 398 f., 401, 405 f., 411, 420, 423, 425 f., 433, 439, 434, 446, 451, 454 – 460, 462 f., 465 – 469, 471 – 500, 505, 519 f., 522 – 524, 531 – 533, 535, 538, 543, 545 – 548, 550, 552, 562 f., 567, 569 f., 584 – 586, 588 f., 591, 595, 599, 612 – 614, 619, 621, 627, 632 f., 637, 641, 648 – 650, 652 Russisch-Orthodoxe Kirche 228, 286, 388, 399 Schauenburger Gespräche 437 Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund (SEK) 656 Sekretariat für die Einheit der Christen 353 f., 639 Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) und Vorgängerkirchen 86, 104, 121, 149, 168, 282 f., 380, 392, 411, 434, 466, 476 f., 496 – 498, 513, 543, 656 Separatismus, Separatisten 514, 604 f. Siebenten-Tags-Adventisten 53, 58, 290, 395, 425, 477, 501 f., 565, 581, 656 State Department 59 Studentenbund für Mission (SfM) 137, 651, 656 Studienabteilung Praktisches Christentum, Genf 34 Stuttgarter Erklärung (Schuldbekenntnis) 34 – 36, 39, 42, 46, 48 – 50, 54, 433, 460, 471 Taufanerkennung 322, 539, 543 – 545, 624 – 627 Toronto-Erklärung 195

Übertritt, Konversion 178 – 180, 185, 400 f., 415, 421, 555, 568, 634 Unierte Kirche aus der Preußischen Union 61 United Evangelical Church 57 United Lutheran Church of America 59 United Methodist Church (UMC), s. auch

Konfessionen-, Denominationen- und Institutionen-Register

Ev.-methodistische Kirche 48, 267, 269 f., 274, 430 f., 455 US-Federal Council 40, 55, 75 Vatikanisches Konzil, Zweites 16, 19, 29, 86, 220, 246, 281, 315, 342, 352 – 354, 358, 372, 393, 418, 443, 449, 457, 483, 498, 520, 544 f., 550, 589, 613, 619, 643, 650, 652, 654 Vereinigte Ev.-Luth. Kirche Deutschlands (VELKD) 30, 71, 104, 107, 176, 179, 182, 218, 229, 260, 276, 290 – 293, 313, 337, 346, 377, 408, 411, 443, 447, 451, 462, 477, 497, 502 f., 505 – 509, 512 f., 517 – 519, 521, 523, 528 f., 532, 536, 538 f., 541 f., 562, 569 f., 656 Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) 74 f., 77 f., 81, 85 f., 90, 92, 94, 96 – 98, 106, 111, 117, 119 f., 122, 132, 134 f., 137 f., 140 f., 147, 149, 151, 154, 159, 168, 170 f., 184, 189, 191, 200 f., 205, 209, 212 f., 215, 223, 249, 251 f., 259 – 261, 263 f., 266, 291, 294, 309, 314, 317, 326, 369 f., 392, 396, 407, 411 – 416, 418 – 422, 427, 432, 434, 454, 463, 470, 472, 477 f., 482 f., 492, 502, 505, 552, 561, 571 – 574, 592, 656 Waldenser 436, 441 f., 525, 539 Weimarer Reichsverfassung 24 Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen 36, 70, 77 f., 92 f., 109, 159,

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223, 225, 233, 284, 286, 467, 596, 612, 646 Weltbund Methodistischer Frauen 127 Weltgebetstag (der Frauen) 125 – 130, 153, 215, 228, 469, 548, 556 Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung (Lund 1952) 124, 437 Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft (Genf 1966) 250, 295 Weltkonferenz für Praktisches Christentum (Oxford 1937) 41, 225 Weltrat Methodistischer Kirchen/World Methodist Council (WMC) 211, 291, 299, 369, 407, 431, 433, 440, 475, 507, 522, 549, 656 Wiederaufbauausschuss, Ökumenischer 29 Wiederaufbau und zwischenkirchliche Hilfe 59, 68 Wiederaufbauwerkes des ÖRK, Deutscher Zweig 69 World Council of Christian Education 111, 135, 215 World Evangelical Fellowship 243 World Sunday School Association 111, 133 f., 223 Würzburger Synode 20, 371, 377, 455 – 459, 469, 471, 584, 613, 619, 649, 652 Zweites Vatikanisches Konzil, s. Vatikanisches Konzil

Bereits erschienen:

Karl Heinz Voigt

Ökumene in Deutschland Internationale Einflüsse und Netzwerkbildung – Anfänge 1848–1945 2014. 311 Seiten, gebunden € 44,99 D ISBN 978-3-8471-0269-4 eBook € 37,99 D ISBN 978-3-8470-0269-7

»Voigts Werk schließt eine bedeutsame Lücke in der ökumenischen Geschichtsschreibung.« Prof. Dr. Reinhard Frieling, Mitautor der Charta Oecumenica »… eine fundierte wie unterhaltsam geschriebene Darstellung.« Pof. Dr. Martin Friedrich, Studiensekretär GEKE, Wien Der Verfasser »wird nie müde, das besonders Freikirchliche zu betonen – das gibt diesem Buch seine besondere Perspektive.« Prof. Dr. Erich Geldbach, 1997-2004 Prof. für Ökumenik und Konfessionskunde in Bochum »… eine faktenreiche Kenntnis über den Verlauf der Frühgeschichte...« Dr. Klaus Peter Voß, ehemaliger freik. Referent in der Ökumenischen Centrale

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