Kult – Politik – Ethnos: Überregionale Heiligtümer im Spannungsfeld von Kult und Politik. Kolloquium, Münster, 23.–24. November 2001 3515087184, 9783515087186

Die in diesem Sammelband vereinigten Beiträge sind das Ergebnis eines internationalen Kolloquiums, das die Bedeutung und

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Table of contents :
KLAUS FREITAG – PETER FUNKE – MATTHIAS HAAKE: Einleitung: Kult – Politik – Ethnos
CHRISTOPH ULF: Anlässe und Formen von Festen mit überlokaler Reichweite in vor- und früharchaischer Zeit. Wozu lohnt der Blick in ethnologischanthropologische Literatur?
PETER SIEWERT: Kultische und politische Organisationsformen im frühen Olympia und in seiner Umgebung
CLAUDIA ANTONETTI: Die Rolle des Artemisions von Korkyra in archaischer Zeit: Lokale und überregionale Perspektiven
CHRISTOPH AUFFARTH: Das Heraion von Samos oder das Heraion der Argolis? Religion im Prozeß der Polisbildung
BERNHARD LINKE: Zeus als Gott der Ordnung. Religiöse Autorität im Spannungsfeld von überregionalen Überzeugungen und lokalen Kulten am Beispiel der Zeuskulte im archaischen Griechenland
JOANNIS MYLONOPOULOS: Von Helike nach Tainaron und von Kalaureia nach Samikon: Amphiktyonische Heiligtümer des Poseidon auf der Peloponnes
THOMAS CORSTEN: Stammes- und Bundeskulte in Akarnanien
NINO LURAGHI: Messenische Kulte und messenische Identität in hellenistischer Zeit
ANGELOS CHANIOTIS: Heiligtümer überregionaler Bedeutung auf Kreta
KLAUS FREITAG: Ein Schiedsvertrag zwischen Halos und Thebai in Delphi. Überlegungen zum Wirkzusammenhang zwischen Kult und Politik im Thessalischen Koinon des 2. Jahrhunderts v.Chr.
ANNETTE HUPFLOHER: Kaiserkult in einem überregionalen Heiligtum: das Beispiel Olympia
HANS-CHRISTIAN SCHNEIDER: Der Schrein des Iuppiter Latiaris und der Hain der Diana Nemorensis: Überlegungen zur überregionalen Funktion von Heiligtümern im frühen Latium
Abbildungsverzeichnis
Indices
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Kult – Politik – Ethnos: Überregionale Heiligtümer im Spannungsfeld von Kult und Politik. Kolloquium, Münster, 23.–24. November 2001
 3515087184, 9783515087186

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Klaus Freitag / Peter Funke / Matthias Haake (Hrsgg.)

Geschichte Franz Steiner Verla g

Kult - Politik - Ethnos Überregionale Heiligtümer im Spannungsfeld von Kult und Politik

Historia Einzelschriften - 189

Kult –Politik –Ethnos imSpannungsfeld Heiligtümer Überregionale von Kult undPolitik

HISTORIA Zeitschrift für Alte Geschichte histoire ancienne Revue d’ Journal of Ancient History Rivista di storia antica

EINZELSCHRIFTEN Herausgegeben von KaiBrodersen/Mannheim Mortimer Chambers/Los Angeles Martin Jehne/Dresden François Paschoud/Genève Hildegard Temporini/Tübingen

189 HEFT – – – – –– – – – –– ––



Peter Funke Klaus Freitag – (Hrsgg.)

Kult

– P olitik

–Matthias Haake

– E thnos

Überregionale Heiligtümer imSpannungsfeld vonKult undPolitik Kolloquium, Münster, 23.– 24. November 2001

Franz Steiner Verlag Stuttgart

2006

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek DieDeutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation inderDeutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind imInternet über abrufbar.

ISBN 10: 3-515-08718-4 ISBN 13: 978-3-515-08718-6

ISO 9706

Jede Verwertung desWerkes außerhalb derGrenzen desUrheberrechtsgesetzes ist unzulässig undstrafbar. Dies gilt insbesondere fürÜbersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung odervergleichbare Verfahren sowie fürdieSpeicherung inDatenverarbeitungsanlagen. © 2006 byFranz Steiner Verlag GmbH, Stuttgart. Gedruckt aufsäurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Druck: Printservice Decker Printed in Germany

&Bokor, München.

Inhaltsverzeichnis KLAUS FREITAG – PETER FUNKE – MATTHIAS HAAKE

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Einleitung: Kult –Politik –Ethnos CHRISTOPH ULF

Anlässe undFormen vonFesten mit überlokaler Reichweite in vorundfrüharchaischer Zeit. Wozu lohnt der Blick in ethnologischanthropologische Literatur?

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PETER SIEWERT

Kultische undpolitische Organisationsformen im frühen Olympia und

in seiner Umgebung

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CLAUDIA ANTONETTI

Die Rolle des Artemisions vonKorkyra in archaischer Zeit: Lokale undüberregionale Perspektiven

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CHRISTOPH AUFFARTH

Das Heraion von Samos oder das Heraion der Argolis? Religion Prozeß der Polisbildung

im

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BERNHARD LINKE

Zeus als Gott der Ordnung. Religiöse Autorität im Spannungsfeld von überregionalen Überzeugungen undlokalen Kulten amBeispiel der Zeuskulte

imarchaischen Griechenland

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JOANNIS MYLONOPOULOS

VonHelike nach Tainaron undvonKalaureia nach Samikon: Amphiktyonische Heiligtümer des Poseidon auf derPeloponnes

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THOMAS CORSTEN

Stammes- undBundeskulte

in Akarnanien

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NINO LURAGHI

Messenische Kulte undmessenische Identität

in hellenistischer Zeit

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ANGELOS CHANIOTIS

Heiligtümer überregionaler Bedeutung auf Kreta

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Inhaltsverzeichnis

KLAUS FREITAG

Ein Schiedsvertrag zwischen Halos undThebai in Delphi. Überlegungen zumWirkzusammenhang zwischen Kult undPolitik im 211 Thessalischen Koinon des 2. Jahrhunderts v.Chr. ANNETTE HUPFLOHER

Kaiserkult

in einem überregionalen Heiligtum: dasBeispiel Olympia

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HANS-CHRISTIAN SCHNEIDER

Der Schrein desIuppiter Latiaris undderHain derDiana Nemorensis: Überlegungen zur überregionalen Funktion vonHeiligtümern im frühen Latium

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Abbildungsverzeichnis

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Indices

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Einleitung von KLAUS FREITAG – PETER FUNKE – MATTHIAS HAAKE

Die in diesem Band vorgelegten Aufsätze sind der Ertrag eines internationalen Kolloquiums, das am 23. und 24. November 2001 in Münster stattfand. Die Tagung stand in unmittelbarem Zusammenhang mit denForschungen, die in den Jahren 2000 bis 2003 im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereiches 493 „ Funktionen vonReligion in antiken Gesellschaften des Vorderen Orients“in dem von Peter Funke geleiteten Teilprojekt „ Politische undwirtschaftliche Funktionen überregionaler Heiligtümer“durchgeführt wurden. Dieses Teilprojekt war in einen größeren Themenbereich eingebettet, derdenWechselbeziehungen zwischen Religion und Herrschaft gewidmet war. In Anbetracht der überaus großen Spannweite dieser Thematik wurde der Fokus auf drei Funktionen von Religion gerichtet: auf Herrschaftsformation, Herrschaftslegitimierung und Herrschaftskritik. Dabei wurde Herrschaft nicht als universales Phänomen in sozialen Beziehungen betrachtet, sondern auf den Bereich des Politischen –undzwar im Sinne dessen, was man (bei aller Problematik hinsichtlich der antiken Gegebenheiten) als ‚Staatlichkeit‘ bezeichnen kann –eingegrenzt. Mit der Korrelation vonReligion und Staat respektive Staatlichkeit in antiken Gesellschaften des östlichen Mittelmeerraumes wurde ein Aspekt in den Blick genommen, der angesichts aktueller Forschungstendenzen in den altertumswissenschaftlichen Fächern eine Neubewertung herausfordert, zumal die untrennbare Verknüpfung von Religion und Staat bisher vielfach unreflektiert vorausgesetzt wird.1 Vor diesem Hintergrund wurde im Teilprojekt „Politische undwirtschaftliche Funktionen überregionaler Heiligtümer“der Frage nach demVerhältnis von Religion undStaat in einer spezifischen Konstellation nachgegangen. Die zentrale Frage richtete sich dabei aufdie Funktion, die denHeiligtümern bei der Formierung undLegitimierung von Herrschaft zukam. Dieser Ansatz ist grundsätzlich gewiss nicht neu undhat im Hinblick auf die Genese undAusgestaltung der griechischen Polis in jüngster Zeit geradezu eine Renaissance erlebt.2 Anders steht es jedoch umdie politische Ausdeutung des Stellenwertes von überregionalen, also polis- undstammesübergreifenden Heiligtümern in dergriechischen Staatenwelt.3 Die politischen undwirtschaftlichen Funktionen überregionaler Heiligtümer haben erst in denletzten Jahren verstärkte Aufmerksamkeit 1 Vgl. dazu auch Hölkeskamp (2000).

2 Verwiesen sei neben der grundlegenden Untersuchung von Polignac (1995) auf die Arbeiten von Sourvinou-Inwood (1988); Sourvinou-Inwood (1990); Cole (1995); Parker (1996) undWoolf (1997); vgl. auch Schmitt-Pantel (1990). 3 Vgl. beispielsweise die Arbeiten von McInerney (1999) undHeine Nielsen (2002).

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Einleitung

–undzwar vor allem von archäologischer undreligionsgeschichtlicher Seite – erfahren.4 Dabei ist deutlich geworden, daß Ausstrahlungskraft undWirkungsweisen von Heiligtümern, die über denengeren lokalen Bereich hinausreichen, zunächst jeweils für sich erforscht werden müssen. Überregionale Heiligtümer wirkten mitunter als religiöse Zentren vonAmphiktyonien,5 während die großen panhellenischen Heiligtümer in Olympia, Delphi, Isthmia undNemea vor allem wegen ihrer Spiele und Feste6 in der gesamten hellenischen Welt Akzeptanz fanden.7 Orakelstätten wie das Apollon-Heiligtum in Delphi und das ZeusHeiligtum in Dodona8 wurden sogar über dengriechischen Bezugsrahmen hinaus ‚international‘ akzeptiert und zogen Ratsuchende aus allen Teilen der Mittelmeerwelt an.9 Heiligtümern hingegen, die als zentrale Kultstätten vonStammesund Bundesstaaten dienten, kam eher eine regionale Bedeutung im Rahmen staatlicher Organisationsformen zu, die sich umdie Kultstätten gruppierten und fürdie Verwaltung dersolcher Heiligtümer sorgten.10 Erst seitjüngster Zeit gerät dieser Typus von Heiligtümern in seiner politischen Wirkung undauch seiner ökonomischen Bedeutung11 verstärkt in denBlick derForschung.12 Dabei treten häufig aber immer noch die politischen Aspekte gegenüber den sakralen zurück.13 Allenfalls wird noch –wie etwa im Fall der delphischen Amphiktyonie – nach der Möglichkeit einer hegemonialpolitischen Instrumentalisierung dieser Heiligtümer gefragt.14 Stattdessen war im Münsteraner Forschungsprojekt das Augenmerk auf die multifunktionalen undmultidimensionalen Organisationsstrukturen von überregionalen –besser: supralokalen –Heiligtümern gerichtet, umin diesem Zusammenhang insbesondere auch die Regelungen undMechanismen derBinnenstrukturen der sich umdie Heiligtümer gruppierenden zwischenstaatlichen Verbünde zuberücksichtigen. Bei einem derartigen Vorgehen lassen sich Ansätze extrapolieren, wie solche Verbünde versuchten, zumindest Grundregeln eines geordneten Zusammenlebens autonomer, ursprünglich meist unmittelbar benachbarter, aber keineswegs zwingend ethnisch verwandter staatlicher Verbände festzule-

4 Vgl. Kilian-Dirlmeier (1985); Morgan (1990); Hellström –Alroth (1993); Alcock –Osborne (1994); Dillon (1997); Ulf (1997) undPerlman (2000). 5 S. Wüst (1954/55); Tausend (1992) undForrest (2000).

6 Vgl. dazu Ulf (1997). 7 Zur Kanonisierung der panhellenischen Heiligtümer s. Funke (2003). Eine Studie zur Schiedsgerichtsbarkeit derpanhellenischen Heiligtümer als Ausdruck ihrer Akzeptanz hatFreitag (2001) vorgelegt. 8 Vgl. dazu die im Rahmen des Projektes verfasste undim Druck befindliche Dissertation von N. Moustakis, Untersuchungen zu den binnenstaatlichen und zwischenstaatlichen Wirkungsweisen vonReligion undMythos imantiken Epirus, Diss. Münster 2001. 9 Vgl. Funke (2004). 10Vgl. dazu Freitag (2003). 11Vgl. Czech-Schneider (2002). 12Dazuvorallem Morgan (2003). 13Vgl. dazu Hölkeskamp (2000). 14Vgl. Nilsson (1951), 16. S. auch Lefèvre (1995); Lefèvre (1996); Lefèvre (1998) und Sanchez (2001).

Einleitung

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gen. Neben Institutionen wie der Theoria undTheorodokia15 unddemantiken Asylwesen16 sei hier beispielsweise die Einrichtung des sogenannten Gottesfriedens, derEkecheiria17 genannt, dersich überregionale Heiligtümer bedienten, um denFest- undKultteilnehmern einen geregelten Zugang zumjeweiligen Kultort zu sichern. Damit sind diese Kultzentren in einen Funktionszusammenhang eingeordnet, der über religiöse und sakralrechtliche Sphären hinausreicht. Überregionale Heiligtümer konnten so auch in politicis eine große Integrationskraft entfalten undidentitätsstiftend bzw. -sichernd für diejenigen wirken, die in den entsprechenden Kultverbänden organisiert waren. Die verschiedenen Identitätsebenen –wie die amphiktyonische, die bundesstaatliche oder auch die panhellenische –verhielten sich dabei zurje eigenstaatlichen Identität in der Regel nicht konkurrierend, sondern komplementär.18 Die Relationen zwischen den genannten Identitäten waren allerdings nicht starr, sondern konnten sich vielmehr in ganz unterschiedliche Richtungen entwickeln: Einerseits trug dasZusammenwirken in überregionalen Kulten undHeiligtümern für die beteiligten Gemeinschaften zu einer Stabilisierung auch der je eigenen ‚staatlichen‘ oder ethnischen Identität bei. Ganz bewusst kam der zwischenstaatliche Charakter auch in derjeweiligen institutionellen Ausgestaltung der Kultverwaltung und-praxis zumTragen. Andererseits lassen sich weitgehende Annäherungen zwischen den am Kult beteiligten Gemeinschaften auch in politicis immer dabeobachten, wostaaten- undstammesbündische Amphiktyonien bundesstaatliche Zusammenschlüsse generierten undüberregionale Kultzentren den Kulminationspunkt dieser Entwicklung bildeten. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen sollte im Rahmen des Kolloquiumseine exemplarisch ausgerichtete historisch-politische Analyse des komplexen dialektischen Verhältnisses von Religion undPolitik in den verschiedenen Identitäts- undHandlungsebenen derGriechen oberhalb vonGemeinschaften wie der Polis durchgeführt werden. Die drei kargen –zugestandenermaßen weit gefassten –Begriffe „Kult – Politik –Ethnos“bezeichnen die Eckpunkte eines Spannungsgefüges, von dem die hier vorgelegten Beiträge grundlegend bestimmt werden. ‚Kult‘als sinnfälliger allgemeiner Ausdruck für antike Religion angesichts der Prädominanz ritueller Akte gegenüber Glaubensinhalten19 umfasst die Kultteilnehmer, die Kultempfänger (d.h. die in denHeiligtümern verehrten Gottheiten), die Kultstätten unddie dort stattfindenden Kulthandlungen.

15Hierzu s. die grundlegenden Studien von Perlman (1995) undv.a. Perlman (2000). 16Vgl. Rigsby (1996) sowie auch die Beiträge in Dreher (2003); s. auch Dreher (1996); Dreher (1997) undTraulsen (2004). 17Vgl. Lämmer (1984). M. Theotikou (Münster) bereitet unter demTitel ‚Die Ekecheiria zwischen Religion undPolitik. Der sog. Gottesfriede (Festfriede?) als Instrument in den zwischenstaatlichen Beziehungen der griechischen Staatenwelt‘ eine Dissertation vor. 18Vgl. dazu Schachter (2000). 19Vgl. Graf (1997); zum Kult s. Lang (1993).

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Einleitung

Unter ‚Politik‘wird die Bedeutung von Heiligtümern, Kulten undden symbolischen Handlungen20 für die Genese, Ausgestaltung undWahrung von Staatlichkeit undpolitischer Herrschaft analysiert. In dermodernen Religionssoziologie werden Religion und Politik häufig als deutlich voneinander abgrenzbare autonome Bereiche eines gesamtgesellschaftlichen Systems betrachtet.21 Fürdas antike Griechenland ist eine derartige Systematisierung wegen der spezifischen Struktur polytheistischer Religionen wenig hilfreich. Dementsprechend wird in der modernen altertumswissenschaftlichen Forschung vor allem die Verflechtung zwischen Religion undanderen gesellschaftlichen Sektoren wie Recht und Politischem“ Ökonomie betont.22 Gerade derWirkungszusammenhang zwischen „ und„Religiösem“ist für die Ausprägung undStabilisierung verschiedenartiger politischer Organisationsformen imantiken Hellas voneminenter Bedeutung. Es ist allerdings wenig gewinnbringend, diesen Konnex allein zukonstatieren bzw. als gleichsam selbstverständlich wirksam zubetrachten; vielmehr ist es erforderlich, dieses Verhältnis unddie Wirkkräfte, die Politik undReligion miteinander verbinden, genauer zuanalysieren. In dergriechischen Welt hat sich eine besondere Art des „ Politischen“herausgebildet, die sich dadurch auszeichnet, dass in einem verantwortlichen Kollektiv über Richtlinien politischen Handelns verhandelt undentschieden wurde. „Staatlichkeit“entwickelte sich hier ohne die Macht eines Monarchen undohne einen privilegierten Priesterstand, der religiöse Stützen für politische Autoritäten hätte liefern können.23 Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Politik undReligion im antiken Griechenland stellt sich jedoch nicht nurin der Welt derPoleis, sondern vor allem auch dann, wenn die engeren Grenzen des Polisverbandes überschritten werden. Undgenau hier kommt der dritte Begriff, ‚Ethnos‘, ins Spiel: Unter diesem wird nicht nurdas, wasgemeinhin mit Stamm oder Stammstaat bezeichnet wird, verstanden, sondern jede Form staatlicher (oder noch allgemeiner: sozialer) Gemeinschaft, die dasmoderne Staats- undVölkerrecht als „ Staatsvolk“bezeichnet unddessen bestimmende Merkmale so überaus schwer zu definieren sind.24 Das, was mit Blick auf die Formen von Vergemeinschaftung im antiken Griechenland jenseits der Polis ethnische Identität genannt wird, ist in der Regel dauernden Wechselprozessen unterlegen. Ethnos ist nicht als Form eines primitiven, überkommenen Gegenmodells zur Polis aufzufassen; Ethne waren keine primordialen Stammesformationen, in denen gemeinsame Kulte die primäre und zentrale Verständigungsplattform darstellten.25 Vielmehr handelt es sich bei den Ethne umgeglaubte Abstammungsgemeinschaften,26 um(Groß-)Verbände, die

20Vgl. Geertz (1983). 21Vgl. dazu Jaeksche (2001). 22Bremmer (1994), 2, bezeichnet griechische Religion als „eingebettete Religion“ :„ In Ancient Greece religion was totally embedded in society –no sphere of life lacked a religious

. aspect“

23Vgl. Meier (1980). 24Vgl. Funke (1993) undferner auch Gehrke (2000). 25Vgl. Morgan (1991); Morgan (2002); Hall (1995); Hall (1997); Hall (2001); Ulf (1996); Walbank (2000) undMcInerney (2001); s. auch immer noch Gschnitzer (1971). 26Vgl. dazu Hall (1997).

Einleitung

11

in verschiedenem Maße politisch organisiert waren.27 Durch die verstärkten archäologischen und historisch-topographischen Forschungen in Gebieten, in denen sich Ethne ausformten, ist eine Neubewertung derUrbanisierungsprozesse in weiten Teilen Mittel- undNordwestgriechenland undauf der Peloponnes und deren Bedeutung für die Formierung und Ausgestaltung von Ethne vorgenommen worden.28 Daneben ist auch eine wichtige Erkenntnis aus dem Bereich der Polis auf die Ebene des Ethnos transponiert worden, die eine neue Perspektive auf das Verhältnis von Religion und Ethnos ermöglicht: Im Ethnos bestand genauso wenig wie in der griechischen Polis ein standartisierter undnormierter Zugriff auf Religion.29 In den verschiedenen Regionen, in denen sich Ethne entwickelten, lassen sich vielmehr ganz unterschiedliche Muster von religiösen Systemen30 undje verschiedene Wirkungsweisen von Heiligtümern, Gottheiten und Kulten erkennen. So wird unter dem Blickwinkel der Ethnogenese31 die vielfältige Rolle vonHeiligtümern impolitischen Formierungsprozess der Ethne deutlich. Im Kolloquium wurde in diesen Zusammenhang vor allem die stabilisierende Funktion vonHeiligtümern bei derÜberwindung derstrukturellen Labilität der Ethne exemplarisch herausgearbeitet. Ein weiterer, im Rahmen des Kolloquiums intensiv diskutierter Komplex, wardie regionale Ausdehnung vieler Ethne in archaischer Zeit. Die identitätsstiftende bzw. -sichernde Funktion von Heiligtümern undKulten32 zeigt sich gerade auch dort, wodiese der Definition von Territorium undGemeinschaft dienten.33 Dieser thematische Aspekt wurde in mehreren Vorträgen undimmer wieder auch in den Diskussionen des Kolloquiums in seiner zentralen Bedeutung herausgestellt. Kult undHeiligtümern kam aber nicht nur bei der Genese und(territorialen) Ausgestaltung der griechischen Ethne eine entscheidende Rolle zu; vielmher erfüllten sie auch eine wichtige politische Funktion beim Übergang der Ethne zu föderalstaatlichen Gebilden in spätklassischer und hellenistischer Zeit.34 Die Erörterung dieses Themenkomplexes bildete den dritten wichtigen Ansatzpunkt des Kolloquiums. Um die –hier nur ansatzweise skizzierten –vielfältigen Funktionen von Heiligtümern angemessen in den Blick nehmen zu können, wurde der zeitliche Rahmen des Kolloquiums bewußt sehr breit angelegt. Der chronologische Bogen wurde von der Archaik bis in die römische Kaiserzeit gespannt, da erst in einer solchen logue durée die in Frage stehenden Funktionszusammenhänge hinreichend differenziert zu betrachten sind. 27S. den kurzen Überblick von Freitag (2002). 28Vgl. allgemein Morgan (2003); s. auch Funke (1991) undFunke (1997). 29S. Gladigow (1983); Gladigow (1995) und Detienne (1986). 30Vgl. Morgan (2003). 31Zur Ethnogenese s. Ulf (1996). 32Vgl. Parker (1998). 33ZumKonzept der kollektiven Identität vgl. Gehrke (2001), 307– 309. 34Vgl. Beck (1997); Beck (2003); Funke (1998); Corsten (1999) undLehmann (2001); vgl. auch Vimercati (2003).

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Einleitung

Die in diesem Band als Ergebnis des Kolloquiums versammelten Beiträge haben zum Ziel, diejenigen Kräfte undMechanismen herauszuarbeiten, die im Spannungsfeld zwischen Kult, Politik undden polisübergreifenden Identitäten, hier in aller Kürze mit demSchlagwort „Ethnos“beschrieben, wirkten. FürdieHilfe bei derPlanung undDurchführung desKolloquiums undbei der Redigierung des Tagungsbandes sei an dieser Stelle M. Jung, N. Moustakis, H. Gorbahn, S. Grüber, E. Hübner, P. Quack, K. Rennwald, S. Scharff undA. Wessels ausdrücklich gedankt. Münster,

imAugust 2004

Klaus Freitag Peter Funke Matthias Haake

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Einleitung

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Anlässe undFormen von Festen mit überlokaler Reichweite

in vor- undfrüharchaischer Zeit

Wozu dient der Blick in ethnologisch-anthropologische Literatur?* von CHRISTOPH ULF

Wersich mitdenDark Ages indergriechischen Geschichte und/oder dergriechischen Archaik beschäftigt, stößt rascher als in anderen Feldern der antiken Geschichte auf die zwei grundlegenden Positionen in der Beantwortung der Frage, wie Erkenntnisse über die historische Realität dieser Zeiträume zu gewinnen sind. Dem methodischen Prinzip, daß die Vergangenheit nur aus sich selbst zu verstehen sei, steht die Auffassung gegenüber, daß zur sinnvollen Verknüpfung derinjedem Fall fragmentarischen Quellenaussagen eine mit modernen Begriffen undmodellhaften Erklärungsprämissen operierende Außenperspektive nicht nurzulässig, sondern auch notwendig sei. ImUmfeld dieser Diskussion ist die als Untertitel formulierte Frage „ Wozu ein Blick in ethnologisch-anthropologische Literatur?“angesiedelt. Die hier gegebene Antwort für die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens schließt allerdings die alte undauch neue Diskussion über die Möglichkeit der Überschreitung ‚völkischer‘ bzw. kultureller Grenzen nicht ein. Deshalb mußhier auch die Frage ausgeklammert bleiben, inwieweit der Begriff ‚Kultur‘zurBeschreibung historischer Sachverhalte überhaupt brauchbar ist.1 Es wird nur indirekt auf die Behauptung der Unmöglichkeit derartiger Überschreitungen Bezug genommen.

1. Ein Fallbeispiel: die Kaiko-Zeremonie bei den Tsembaga Maring Die Anwort beginnt mit der Beschreibung einer als Fallbeispiel für ein Fest mit überlokaler Reichweite anzusehenden Zeremonie bei denTsembaga Maring auf Papua-Neuguinea, mit der sogenannten Kaiko-Zeremonie. Der Auswahl dieses Beispiels liegen keine weiteren Überlegungen zugrunde als die, daßes sich gut zur Exemplifizierung der Möglichkeiten eignet, wie das Analyseinstrumentari* Für die kritische Lektüre danke ich Robert Rollinger. Seit der Abfassung dieses Artikels imJahr 2001 ist manches, was hier als Forderung formuliert wurde, innerhalb der sich nahe an der Methodendiskussion befindlichen Altertumswissenschaft akzeptiert und zum Teil auch umgesetzt worden. Beispielshalber sei nur verwiesen auf Whitley (2001); Dougherty –Kurke (2003); Morgan (2003) oder Rollinger –Ulf (2004). 1 Vgl. z.B. Pohl –Reimitz (1998); Daniel (2000); Lorenz (1997); Hall (2004). Zur mit all dem verbundenen alten Frage der methodologischen Grundlagen für den Vergleich die historisch orientierte Studie von Bichler (1978).

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um, das die Anthropologie bereithält, mit der Analyse antiker Feste verbunden werden kann. So wie für das Verständnis eines jeden in demgegebenen Kontext heranzuziehenden Fallbeispiels sind auch fürdasVerständnis derKaiko-Zeremonie eine Reihe von Umfeldinformationen nötig. Diese sind aufgrund der ethnographischen Beschreibung im Vergleich zu historischen Beispielen ohne große

Schwierigkeiten zugeben. Die Tsembaga Maring2 sind eine vondenca. 30 akephalen Maring-Gruppen in Papua-Neuguinea. Das Land, über das sie verfügen, ist begrenzt, undsie sind von Feinden umgeben. Der deshalb existierende Druck führt dazu, daß unter ihnen immer wieder interne Auseinandersetzungen in zyklischem Rhythmus ausbrechen. Das ist mit ein Grund dafür, daßdas Siedlungsverhalten nicht konstant bleibt, sondern einen Zyklus der Aggregation undder Dispersion aufweist. Dieser Zyklus läuft zu demvon Kriegs- undFriedenszeit parallel. Die Friedenszeit ist durch einen in jeder Friedenszeit wiederkehrenden Ablauf von Zeremonien gekennzeichnet, an dessen Ende die Kaiko-Zeremonie steht. Die Tsembaga sind in soziale Gruppen unterschiedlicher Integrationskraft gegliedert. Die kleinste soziale Gruppe stellt die Familie dar. Die TsembagaFamilien leben in individuellen, patrilinear strukturierten Haushalten undsiedeln in kleinen Weilern. Das Land, auf demsie siedeln unddassie bestellen, können sie nicht frei wählen. Das Anrecht dazu vergibt der Clan, zu demdie jeweilige Familie gehört. Wenn der für die Tsembaga charakteristische, zyklisch wiederkehrende interne Krieg beginnt, verlassen die Familien die Weiler und bilden gemeinsam mit ihren Hütten eine einem Dorf ähnliche Siedlung rund umden ihnen gemeinsamen traditionellen Zeremonien-Platz. DerClan stellt diedenFamilien übergeordnete soziale Ebene dar. Ein solcher Clan umfaßt ca. 75 Personen. In seinem Rahmen werden vondenMitgliedern des Clans ökonomische, politische undzeremonielle Aktivitäten durchgeführt. Über diese gemeinsamen Aktionen definiert er sich als soziale Gruppe. Im zentralen Teil desZeremonien-Zyklus erscheint er als derGastgeber bei Mahlen, zudenen andere Clans in geregeltem Ablauf eingeladen werden. Das gemeinsame, zu dieser Zeremonie gehörige rituelle Pflanzen des Rumbim-Baumes ist eine der entscheidenden Bausteine für das ‚Wir-Gefühl‘ des Clans. Bei diesen Anlässen tritt auch ein ritueller Anführer auf. Er hilft, dieZeremonien zukoordinieren, und ist auch für das sich amZeremonien-Platz befindliche gemeinsame Haus verantwortlich, in dem die im Kampf eingesetzten magischen Mittel und die in den Auseinandersetzungen verwendeten Kampfsteine gelagert werden. Alsdritte Ebene sozialen Zusammenhalts erscheint einnicht exakt definierter Cluster vonClans. Solche Cluster weisen, abhängig davon, aus wie vielen Clans sie zusammengesetzt sind, unterschiedliche Größen auf, auf jeden Fall jedoch einige hundert Personen. Der Clan-Cluster entsteht daraus, daß unter denClans derTsembaga aufgrund desnurin ungenügendem MaßzurVerfügung stehenden Landes die Gefahr der internen Auseinandersetzung latent vorhanden ist. Das

2 Zur Kaiko-Zeremonie Johnson –Earle (1987), 138–152; Rappaport (1967); Peoples (1982).

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vonFesten mit überlokaler Reichweite

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zwingt dazu, für den Fall des Krieges frühzeitig Verbündete an sich zu binden. Die dafür angestrebten Bindungen der Clans zueinander werden durch bewußte Heiraten undAustauschvorgänge zwischen Individuen undFamilien hergestellt. DerZusammenhalt imCluster bleibt jedoch wesentlich lockerer als derinnerhalb der Clans. So besitzt ein Cluster –anders als der Clan –keinen eigenen Namen undhat auch keinen eigenen Anführer. Dennoch werden demClan-Cluster Kompetenzen zugeordnet, über die weder die Familien noch die einzelnen Clans verfügen. Der Cluster ist für all das zuständig, wasdie in ihmvereinigten Clans gemeinsam betrifft. Er läßt sich von dieser Funktion herklar als lokale Gruppe definieren. Vonihmwird dann, wenn eine neue Auseinandersetzung zuerwarten ist, die Errichtung vonZäunen organisiert, die das Territorium eines jeden Clans abgrenzen. Über den Clan-Cluster werden zudem die ‚Schulden‘eingelöst, die für die Unterstützung in denkriegerischen Auseinandersetzungen an Nachbarn innerhalb der Region eingegangen worden sind. So wiebei derHerstellung derBindungen zwischen Individuen und Familien werden auch die hierfür nötigen Kontakte mit Hilfe von Heiratsbeziehungen, Handel undauch Festen hergestellt. Die früher geleistete Unterstützung wird im besonderen durch die Veranstaltung von Festen abgegolten, bei denen Schweine alsdiewesentlichen undbesonders wertvollen Prestigegüter geschlachtet werden. Ähnlich verhält mansich gegenüber denAhnen, aufderen Unterstützung manbauen konnte. Auch sie werden mit Schweinen, d.h. demOpfer vonSchweinen, für ihre Hilfe ‚entschädigt‘. Schließlich wird im Rahmen des Clan-Clusters eine der wichtigsten Zeremonien innerhalb des Zeremonien-Zyklus, nämlich das Pflanzen des Rumbim-Baumes, vorgenommen. Dieser Akt besitzt deswegen besondere Bedeutung, weil mit ihmdie Zeit der Waffenruhe eingeleitet wird. Der konkrete Ablauf des gesamten Zeremonien-Zyklus läßt sich in drei

Phasen einteilen. AmBeginn steht die eben erwähnte Herstellung der Waffenruhe, eingeleitet durch das rituelle Pflanzen der für diesen Zweck spezifischen Rumbim-Pflanze. Vom Clan-Cluster als der lokalen Gruppe werden hierzu die Verbündeten aus dem vergangenen Krieg eingeladen. Das aus diesem Anlaß organisierte kleine Fest hat einen doppelten Zweck: Es soll einerseits durch die Bewirtung der Eingeladenen mitdemals Prestigegut geltenden Schweinefleisch eine erste Entschädigung fürdie bisherige Unterstützung geboten undandererseits durch Opfer vonSchweinefleisch dieBesänftigung derAhnen derunterlegenen Clans erreicht werden. Insgesamt ist dasjedoch erst eine Art voneinleitender Zahlung. Solange die Rumbim-Pflanze wächst, d.h. für einen Zeitraum vonca. 5– 20 Jahren, hält man es für unmöglich, Krieg zu führen. Während dieser Zeit werden Prestigegüter (Schweine) produziert bzw. eingetauscht (z.B. Schmuck). Es ist wichtig, in den auf die Zeremonie der Pflanzung des Rumbim-Baumes folgenden Jahren möglichst viele Schweine zu züchten, um möglichst viele in der – wie allen bewußt ist –wieder bevorstehenden, die Friedenszeit beendenden Kaiko-Zeremonie zur Verfügung zuhaben.

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Wenn unter denTsembaga Konsens darüber existiert, daßes an derZeit ist, die Kaiko-Zeremonie zu beginnen (d.h u.a. auch, daß man der Meinung ist, genügend Schweine für die Gewinnung neuer Verbündeter zu besitzen), dann werden die Clan-Cluster-Grenzen mit Pfosten rituell abgesteckt. Die Pfosten grenzen auch das Gebiet ein, das ein anderer Clan in einem vorhergegangenen Krieg verloren hatte, wenn er es in der Zwischenzeit nicht wieder beansprucht hat.3 Als klares Signal dafür, daßdie Friedenszeit zuEnde ist, wird die RumbimPflanze ausgerissen. Das ist dererste Teil dergroßen Kaiko-Zeremonie. Auf individuelle Einladungen hin versammeln sich die Gruppen der Verbündeten beim zeremoniellen Zentrum des Clan-Clusters. Hier wird gehandelt undgetanzt, und es werden auch neue Heiratsbeziehungen angeknüpft. Vor allem aber werden die Verbündeten unterhalten undmit Schweinefleisch undanderen Nahrungsmitteln bewirtet. Diese sich über einen längeren Zeitraum (bis zu einem Jahr) erstreckende Zeremonie ist für die einzelnen Individuen die entscheidende Gelegenheit, um ihre Qualitäten vor aller Augen zupräsentieren. Jemand wird als umso erfolgreicher betrachtet, je mehr Verbündete er durch Heiraten undGeschenke imregionalen Umfeld an sich bzw. an seine Familie undso indirekt auch an seinen Clan hat binden können. Der für alle sichtbare Nachweis erfolgt bei den zur KaikoZeremonie gehörenden Gruppentänzen. Je zahlreicher der dabei getragene Schmuck aus Prestigegütern ist, als desto erfolgreicher gilt der Mann. Diese Prestigegüter stammen aus den vorangegangenen Austauschvorgängen undkamenzumTeil durch Handel vonweit her. Wersich so präsentieren kann, erwirbt sich dadurch fürdie zuerwartenden Auseinandersetzungen weitere Gefolgschaft. Das ist nicht nur für ihn als Individuum, sondern auch für seinen Clan von Vorteil. Mit demEnde derKaiko-Zeremonie setzen neue kriegerische Auseinandersetzungen ein.

2. Voraussetzungen zur Beschreibung undErklärung des historischen Phänomens: Feste mit überlokaler Reichweite

Auch ohne die Möglichkeit des direkten Vergleichs zwischen dem Beispiel der Kaiko-Zeremonie unddengriechischen Festen läßt dieknappe Beschreibung des Festablaufes bei den Tsembaga erkennen, welch umfassenden Kenntnisse notwendig sind bzw. wären, umbefriedigende Angaben über denZweck eines derartigen Festes machen zukönnen. Doch selbst im Besitz derartiger weitreichenderInformationen ist, daszeigt eine hier nicht weiter verfolgbare, in derAnthropologie geführte Diskussion über denZeremonien-Zyklus, eine eindeutige Festlegung derFunktion desFestes nicht möglich. Derentscheidende Grund fürdiese

Unsicherheit ist in demmethodischen Problem zu suchen, daß schon in die zur Beschreibung des Festes verwendeten Informationen Vorannahmen über das

3DaßdasTerritorium vondenunterlegenen Clans nicht mehr beansprucht wurde, liefert das Argument dafür, daß auch deren Ahnen das Territorium aufgegeben haben. Das mußte aber abgewartet werden, weil mansich sonst denZorn der Ahnen zugezogen hätte.

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weitere gesellschaftlich-soziale und politische Umfeld des Festes eingeflossen sind, ohne daßdiese Vorannahmen ausreichend geklärt worden sind oder geklärt werden können. Aufeben diese Situation stoßen wirauch, wenn diegriechischen Feste beschrieben werden, verstärkt noch dadurch, daß die Informationsbasis deutlich schmaler ist. Es lassen sich hier –so wie auch in der anthropologischen Diskussion –zwei große Gruppen derartiger Annahmen unterscheiden: einerseits Annahmen über das historische Umfeld, in dem die Feste stehen, und andererseits mitdiesen zusammenhängende Annahmen darüber, welches Begriffsinstrumentarium zur Beschreibung undErklärung der Feste selbst herangezogen werden darf.

2.1. Annahmen über das weitere historische Umfeld Für die Beschreibung der griechischen Feste ist eine Vielzahl von Annahmen notwendig, die sich auf das weitere historische Umfeld beziehen, in dem die Feste zu situieren sind. Diese Annahmen stehen nicht notwendigerweise mit den Festen in direkter Verbindung, aber die Feste sind ohne sie weder beschreibbar noch erklärbar. Im folgenden werden diejenigen unter diesen Bündeln von Annahmen genannt, auf welchen jede Beschreibung undErklärung dergriechischen Feste zumindest implizit beruhen muß. Weil sie weder ausführlich dargestellt noch kommentiert werden können, werden sie auf die als Grundlage der hier verfolgten Argumentation anzusehenden Hauptaussagen reduziert und mit nur knappen Literaturhinweisen versehen, die diese stützen. – Die griechischen Dark Ages sindkeine direkten Nachfolger dermykenischen Welt. Aufgrund der massiven demographischen Veränderungen und des tiefgreifenden kulturellen Wandels im ausgehenden 2. Jahrtausend ist es äußerst unwahrscheinlich, daßmykenische Traditionen über die Dark Ages hinweg in der Gestalt von politisch-sozialen Institutionen weitergelebt haben.4 Wer die Gegenposition einnimmt, muß nicht nur begründen können, warum kulturelle Muster weiterleben sollen, sondern mußauch klären, was der Begriff ‚Institution‘bedeuten soll.5 – Die Vorstellung von‚Stämmen‘als übergeordneten Einheiten beruht auf der in die Gedankenwelt der beginnenden Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts zurückführenden Annahme von seit jeher existierenden Völkern. Sie ist durch die Konzeption der Ethnogenese zu ersetzen.6 4 Zu dieser Position Patzek (1992); Raaflaub (1991); Kullmann (1999), 95–113. Die Gegenposition findet sich bei Gschnitzer (1991) oder Lehmann (1997), 365– 370. 5 In der Beurteilung des Sachverhaltes ist es wichtig, darauf zuachten, daßnicht ‚Institutionen‘mit ‚Traditionen‘so vermengt werden, daßsie als dasselbe erscheinen; hierzu jetzt Melville (1992). Der Begriff ‚Institutionen‘ sollte klar von der Möglichkeit des Weiterlebens von Gewohnheiten und Anschauungen abgehoben werden. Vor diesem Hintergrund sind z.B. die in jüngerer Zeit diskutierten Kriegergräber zu sehen, die aus funktional bestimmbaren Umfeldern erklärbar sind, aber keine besondere politisch-soziale Einheit oder gar ein ‚Ethnos‘ als Fundament benötigen, wie das bei Institutionen der Fall zu sein scheint. Ähnliches gilt für die für eine griechische Aristokratie in Anspruch genommenen Bankettszenen; hierzu z.B. Kistler (2001). 6 Dazu Ulf (1996); Hall (1997).

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– Die Welt der ersten Jahrhunderte des ersten Jahrtausends ist innerhalb der später als griechisch bezeichneten Welt von großen Unterschieden gekennzeichnet. Es ist von parallel existierenden, unterschiedlichen Formen politisch-sozialer Gruppierungen auszugehen, wiedasdie voneinander abhebbaren archäologischen ‚Zonen‘nahelegen.7 – Die literarischen Quellen (Homerische Epen, Hesiod) sind nicht als Äußerungen zu verstehen, die sich auf den gesamten geographischen Raum ‚Griechenland‘beziehen. Die Epen bieten keine umfassende, sondern nureine aus der Perspektive ihres Entstehungsraumes formulierte Argumentation für einen bestimmten, nicht in der Realität so schon vorgegebenen politischsozialen Zustand.8 Hesiods Bild undseine Handlungsanweisungen basieren auf einem bestimmten kleinräumigen Umfeld. Deshalb werden andere, noch stärker lokal begrenzte Lebensverhältnisse beleuchtet, aber nicht solche – , die in grundsätzlichem Kontrast zueiner angeblich rein wiemanoft meint – aristokratischen Welt derEpen stehen.9 – Der mit den griechischen (Ethnos-) Festen in Verbindung stehende Begriff ‚Heiligtum‘ist mit Konnotationen dermodernen Wissenschaftssprache belastet, die zu einer Trennung von ‚profan‘ und ‚sakral‘ tendieren. Die klare Abgrenzung einer sakralen voneiner profanen Sphäre geht in derRegel von derReligion als einer nacheigenen Regeln funktionierenden Welt aus. Dabei wird übersehen, daß in vormodernen Gesellschaften religiöses Denken und Handeln in den gesamten Lebenszusammenhang funktional eingebaut ist. Auch die griechischen Heiligtümer –als Teil einer derartigen Welt –können daher nicht innerhalb einer abgegrenzten religiösen Eigenwelt erklärt und verstanden werden. Zu ihrem Verständnis ist es auf jeden Fall nötig, die Funktion eines Heiligtums im Rahmen der jeweils möglichst präzise zu definierenden gesellschaftlichen Bedingungen zubestimmen. Die Voraussetzung für das Verständnis vonOrten, die in der wissenschaftlichen Terminologie als ‚Heiligtümer‘ bezeichnet werden, ist deshalb die Einsicht in das spezifische Funktionieren derjeweiligen Gesellschaft. Die Bestimmung der gesellschaftlichen Bedingungen bildet somit die Voraussetzung für die Analyse der Art undder Funktion eines Heiligtums.10

7 Vondieser Art ‚derGleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen‘ ist unabhängig davon auszugehen, ob mandie von Ian Morris vorgenommene Einteilung des archäologischen Befunds in Zonenin dieser Weise akzeptieren will oder nicht; Morris (1998); Morris (2000). Dazuauch Kistler (2003). 8 Zudiesem in dieser komplizierten Frage vertretenen Standpunkt z.B. Ulf (1989); Nicolai (1993); Ulf (1990), 259– 268; Raaflaub (1997); Raaflaub (1998). Zur Lokalisierung des zentralen Interesses der Epen an der östlichen Ägäis Gray (1974). Zum Kontext der möglichen geographischen Kenntnisse z.B. Jacob (1991); Sieberer (1990). 9Zuderhier vertretenen Auffassung z.B. diekommentierte Übersetzung vonTandy –Neale (1996). Siehe auch die vonSchmitz (1999); Schmitz (2004); Ulf (im Druck) gezogenen Verbindungslinien zwischen denEpen undHesiod. 10Die im Text vertretene Position beruht auch auf demwissenschaftlichen Zugriff, wie er durch die Social Anthropology vertreten wurde undwird. ZurGeschichte der Vorstellung von ‚sakral‘und‚profan‘undder möglichen Vorstellung von ‚Religion‘vander Veer (1996); Lewis

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2.2. Annahmen in Form von ‚Modellen‘zur Festlegung der zur Beschreibung des konkreten Phänomens verwendeten Kategorien

Die eben kurz skizzierten und noch eine Reihe weiterer Annahmen über das engere undweitere historische Umfeld gewinnen dadurch ihre Bedeutung in der Argumentation, daßsie in Verbindung mit ‚Modellen‘über dasmögliche Aussehender politisch-sozialen Einheiten im aktuellen Zeitraum stehen oder sogar als deren Teile zu gelten haben. Ob diese ‚Modelle‘ als theoretische Konzeptionen oder als begriffliche Wiedergabe realer Verhältnisse betrachtet werden, ändert nichts an demwichtigen Sachverhalt, daß die prämissenartigen Annahmen über das historische Umfeld unddie hier‚Modelle‘genannten Vorstellungen, die bei der Beschreibung undErklärung eines konkreten historischen Phänomens allein im Vordergrund stehen, eng miteinander verbunden sind. Die jeweils gewählte Kombination von Annahmen undModell entscheidet über die Auswahl der für die Beschreibung der historischen Phänomene, also für die Beschreibung des Umfelds der Feste ebenso wie der Feste selbst, notwendigen wissenschaftlichen und zum Teil auch vorwissenschaftlichen weil umgangsprachlichen Begriffe. Dieser Konnex spielt bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den hier zur Debatte stehenden Zeiträumen deswegen eine besondere Rolle, weil die vorliegenden archäologischen, historischen undliterarischen Informationen noch fragmentarischer als für andere Zeiten sind. Die eben erwähnte unterschiedliche inhaltliche Festlegung des fürdie Bestimmung vonFesten wichtigen Begriffs‚Heiligtum‘ läßt diese Abhängigkeit deutlich sichtbar werden. Man kann an diesem Beispiel aber auch erkennen, daßdie für Annahmen notwendigen umfassenderen modellartigen Vorstellungen schon in die Beschreibung des zurErklärung anstehenden Gegenstandes eingehen, meist ohne zur Diskussion gestellt zu werden. Dadurch sind diese (Denk-)Modelle, ob gewollt oder ungewollt, in dertäglichen Arbeit konstant präsent. Diese Verbindung voneinzelnen Annahmen undüber sie hinausreichenden Modellen hatKarl Acham treffend als „ deskriptiv-explanatorischen Zirkel“bezeichnet.11 Um die Auswirkung dieses Zirkels bestimmen zu können, ist es auch notwendig, zumindest die wichtigsten Modelle zurBeschreibung undErklärung der historischen Situation in den Dark Ages undder archaischen Zeit zu benennen. Denn nur in deren Kenntnis ist eine begründete Entscheidung für eines dieser Modelle oder auch für ein anderes Modell möglich.12 – Modell: Königtum bzw. Aristokratie vs. Demokratie. Die Anwendung dieser Begriffe auf die frühgriechische Welt ist keine Wiedergabe vonQuellenaussagen, sondern stellt eine auf bestimmten Vorstellungen über das Aussehen (1994); Stevens jr. (1996); zudem Girtler (1993). Zuderdie entgegengesetzte Position vertretenden ontologisch orientierten Religionsphänomenologie z. B. Lanczkowski (1983). Zurjüngsten Diskussion in Verbindung mit dergriechischen Archaik vgl. die knappe Skizze bei Hölkeskamp (2000), bes. 323f. 11Acham (1982). Für eine Neubewertung unter solchem Gesichtspunkt plädiert etwa auch Möller (2000). 12Es kann und soll hier weder ein ‚vollständiger‘ Überblick über die in Anwendung gebrachten Modelle noch ein umfassender Literaturüberblick geboten werden. Das Ziel ist nur, methodisch bedeutsame Zusammenhänge im Rahmen der Fragestellung zu benennen.

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‚früher‘ politisch-sozialer Einheiten beruhende Entscheidung dar, wie die Texte bzw. die entscheidenden Termini zu übersetzen sind und wie die archäologische Hinterlassenschaft zu ‚lesen‘ist. Die Herkunft derangesprochenen Vorstellungen undArgumentationen aus dem 18. bzw. 19. Jahrhundert ist leicht belegbar. Die Modellhaftigkeit der Einschätzung der Texte ebenso wiederarchäologischen Befunde wird auch daran erkennbar, daßder Einschätzung als Königtum oder Aristokratie schon seit jeher konterkarierend das Modell ‚Demokratie‘ entgegengesetzt wurde. Der offenkundige Mißerfolg dieser zweiten Sicht hängt nicht mitihrer geringeren wissenschaftlichen Qualität zusammen, sondern mit der Verbindung der beiden Modelle mit politischen Anschauungen, im konkreten damit, daß die konservativmonarchische bzw. konservativ-aristokratische Einschätzung mit der Realpolitik des 19. Jahrhunderts inEinklang stand. So konnte die ‚demokratische‘ Sicht erst nach demzweiten Weltkrieg in Parallele zudengeänderten politischen Bedingungen langsam an Boden gewinnen.13 Insgesamt sind diese Modelle –ihrem Ursprung aus einer evolutiv-linearen Geschichtsbetrachtung entsprechend –zuwenig differenzierend für ein adäquates Erfassen der historischen Realität. Sie werden in dieser ‚reinen‘ Form daher auch kaum mehr vertreten, spielen aber imHintergrund nach wie voreine Rolle. – Modell: Basileus. In Konsequenz der Vorstellung, daß frühe Gesellschaften monarchisch organisiert sind, werden die Termini, mit welchen in der literarischen Hinterlassenschaft (Ilias, Odyssee, Hesiod) die Führungspositionen gekennzeichnet werden, entsprechend inhaltlich bestimmt. Diese ArtderBegriffsfestlegung erweist sich als ein Derivat aus dem Modell ‚Königtum‘. Das hat natürlich nicht nur Auswirkung auf die Übersetzung der Begriffe, sondern auch auf die Sicht des gesamten Aufbaus der angenommenen politisch-sozialen Einheiten.14 Der Begriff ‚Basileus‘ läßt jedoch eine größere Bandbreite in der Ausgestaltung des Bildes vom ‚Monarchen‘ zu.15 – Modell: ‚petty chiefs‘. Dieses Modell wurde sowohl zur Beschreibung der homerischen Gesellschaft als auch für das ‚Lesen‘ bestimmter archäologischer Befunde angewendet. Es stellt bewußt jüngere, anthropologisch fundierte modellhafte Vorstellungen über die Art der Organisation ‚früher‘Gesellschaften gegen die alte, wenig differenzierende, mit monarchischen Systemen operierende Position.16 Die Akzeptanz eines solchen Modells hat 13Diese Zusammenhänge werden in der wissenschaftsgeschichtlichen Betrachtung zunehmend beachtet, allerdings stärker im Blick auf das 20. als auf das 19. Jahrhundert. Allgemein dazu Christ (1999). Direkt zumThema Ulf (2003). 14Dieses Modell ist für die Position charakteristisch, wie sie prononciert von Gschnitzer (1991) oder auch Lehmann (1997), undin partieller Abhängigkeit vielfach auch vonLatacz, z.B. Latacz (1989), vertreten wird. 15Die ganze Bandbreite des Begriffs wird erfaßt von Donlan (1997); vgl. auch Osborne (1996), 137– 139. Auf das weitere Umfeld führt Fouchard (1997). 16Qviller (1981); Ulf (1990); von Reden (1995), 13– 76 (Part I: Exchange and Value in Epic); Raaflaub (1997); Donlan (1998); Donlan (1999b). Aufarchäologische Befunde wurde das Modell z.B. vonMorgan (1990) bezogen.

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nicht nur massive Auswirkungen auf das den Epen und der frühen Lyrik abgewonnene Bild der politischen und sozialen Landschaft, sondern bietet auch Verbindungslinien zudemalten Modell ‚Demokratie‘. – Modell: ‚chief‘ als Heros. Mit Hilfe dieses Modells wird versucht, die anthropologisch fundierten Einwände gegen das alte Monarchie-Modell mit anthropologischer Terminologie abzuschwächen. Es wird vor allem auf den außergewöhnlichen archäologischen Befund vonLefkandi appliziert, umihn mit historischem Leben zu versehen. Zu diesem Zweck wird das selbst auf einer Reihe von (problematischen) Annahmen beruhende Bild einer heroischen Welt, widergespiegelt in denHomerischen Epen, aufgegriffen undder Terminus ‚Heros‘mit demdes ‚chief‘in Parallele gesetzt.17 Die große Bandbreite des anthropologischen Begriffs ‚chief‘ bleibt dabei unberücksichtigt, undder ‚chief‘ wird auf eine einem Monarchen ähnliche Position reduziert. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, daß der so gedeutete Befund von Lefkandi ein für ganz Griechenland zu generalisierendes Phänomen sei. Die Hoffnung jedoch, daß weitere ähnliche archäologische Befunde diese Hypothese stützen werden, hat sich bisher nicht erfüllt.18 – Modell: Ethnos. Dieses Modell beruht einerseits auf der alten Auffassung, daßfrühe menschliche Gemeinschaften nach ‚Stämmen‘organisiert sind, die in dem Begriff ‚Stammstaat‘ offen tradiert wird.19 In dieses Modell fließen andererseits in jüngerer Zeit auch Ergebnisse aus der Anthropologie ein, welche der Vorstellung von ‚Stämmen‘ konträr gegenüberstehen. Damit ist insbesondere das Bild der Ethnogenese gemeint, in dem aus gemeinsamer realer, d.h. ‚blutsmäßiger‘Abstammung gebildete Stämme keinen Platz mehr haben. Das Modell wird benötigt, umdie nurlose zusammenhängenden, aus (auch ethnisch) unterschiedlichen Elementen zusammengesetzten und nur zweitweilig als Einheit politisch aktiv werdenden (Landschafts-)Verbände zu einem historisch erklärbaren Phänomen werden zulassen.20 Das ist dann von besonderer Bedeutung, wenn man die Siedlungen in den Dark Ages im Blickfeld hat, die sich mit demModell ‚Polis‘nicht erfassen lassen.21 – Modell: Polis. Das Modell ‚Polis‘ spielt in alle genannten Modelle hinein. Das Ausmaß, in demdasderFall ist, wird vondenunterschiedlichen Auffas17Zur Problematik der auf diese Weise tradierten alten Vorstellung eines ‚heroischen Zeitalters‘, wiees ab dem 19. Jahrhundert vertreten wurde, vgl. Haubold (2000); zumhiermit zusammenhängenden Prämissengeflecht Ulf (2002). Einen lesenswerten, wenn auch nicht unproblematischen Überblick bietet Morris (1997). 18 In diesen Zusammenhang wurden jüngst auch die Befunde in Thermos eingeordnet; 220. Morris (2000), 218– 19Die Grundlage für diejüngeren Darstellungen bietet in diesem Punkt nach wie vor Busolt (1920), 128– 130. Kritisch dazu Ulf (1996); Hall (1997). 20Grundlegende Überlegungen dazu bei Funke (1993); Osborne (1997), 286– 288; zudem 176. Die Zahl derkeineswegs gleich gearteten Studien, die Morgan (1991); Gehrke (2000), 159– auf solcher Basis landschaftliche Räume zu fassen suchen, steigt kontinuierlich; z. B. Piérart (1996); Heine Nielsen –Roy (1999); McInerney (1999); Behrwald (2000). 21ZurHerkunft, Struktur undVerteilung derSiedlungen Eder (1998); Lang (1996); Mazarakis Ainian (1997).

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sungen darüber bestimmt, wann die als spezifisch angesehene griechische Polis entstanden sein soll. Unabhängig davon ergibt sich die Notwendigkeit, mit demModell ‚Polis‘zuoperieren, daraus, daßdie historisch helle griechische Archaik nicht-monarchisch organisierte, in Städten lebende politischsoziale Einheiten kennt. Diese Besonderheit benötigt eine eigene Form der Beschreibung undder Erklärung.22 Die jüngere Diskussion, wie dieses Modell im konkreten auszugestalten ist, verzichtet immer stärker auf die Argumentation mit der (griechischen) Staatstheorie zugunsten eines anthropologisch orientierten Vergleichs von Stadtstaaten. Eines der grundsätzlichen Probleme, dasdabei offen ansTageslicht tritt, ist die Frage, wiedenn‚Stadtstaat‘zudefinieren sei.23

Die Einschätzung des historischen Umfelds der griechischen Feste kann nicht ohne die Anwendung eines oder mehrerer dieser Modelle vorgenommen werden. Doch es werden diese ‚Modelle‘ nicht gleichermaßen als Modelle empfunden. Das liegt daran, daß sie näher oder weniger nahe an den jeweils vertretenen Erwartungen über das Aussehen der historischen Realität stehen. Diese Erwartungen fußen in der Regel auf ‚Bildern‘, die in einer langen wissenschaftlichen Tradition entstanden sind. Wegen ihrer Vertrautheit wird oft nicht mehr wahrgenommen, daß sie sich nicht direkt aus denQuellen ergeben, sondern einen einer

bestimmten Entstehungszeit verhafteten ‚etischen‘Zugriff darstellen, durch den dieQuellen erst ‚lesbar‘werden. Dereben verwendete Terminus ‚etisch‘soll auf eine bei all diesen Überlegungen oft zuwenig beachtete, aber methodisch wichtige Unterscheidung aufmerksam machen, nämlich auf die Unterscheidung zwischen Innen- undAußenperspektive, die in der anthropologischen Literatur mit denAdjektiva ‚emisch‘und‚etisch‘signalisiert wird.24 Mit ihr verbindet sich die schon in in der Einleitung angesprochene methodologisch wichtige Frage, ob zur ‚Rekonstruktion‘ vonVergangenheit nicht ausihr stammende Begriffe angewendet werden dürfen bzw. welche Begriffe hierfür als adäquat anzusehen sind. 22Das betont z.B. Meier (1980). 23Die vonGawantka (1985) gewählte wissenschaftsgeschichtliche Perspektive zeigt das an der Herkunft des Begriffs schon deutlich. Zur Vielfalt dessen, wasmit demBegriff erfaßt wird, vgl. denmit reichen Literaturangaben versehenen Überblick vonWelwei (1998), zumanthropologischen Ansatz Hansen (2000), aber auch die weitere Diskussion, wiesie imCopenhagen Polis Centre geführt wird, amBeispiel von Murray (2000). 24 Der Begriff „emic“( abgeleitet von Phonemik) verweist auf die in einer Gesellschaft existierende Innensicht. Damit sind jene Bedeutungen gemeint, die eine Gesellschaft selbst mit den eigenen kulturellen Erscheinungen verbindet. Diese werden auch als symbolische Bedeutungen bezeichnet. Diese emische Sicht ist in der Regel nicht in der Lage, Zusammenhänge, die außerhalb der symbolischen Bedeutungen liegen, zu erkennen. Häufig fehlt hierzu auch das notwendige Begriffsinstrumentarium. Der Begriff „ etic“(abgeleitet von Phonetik) verweist auf die von außen an eine Gesellschaft herangetragene Sichtweise, in der auch nach Kriterien analysiert undsystematisiert wird, die nicht vonderGesellschaft selbst formuliert werden. Auf diese Weise wird versucht, die Zusammenhänge, die hinter bzw. oberhalb der symbolischen Bedeutungen liegen, ans Tageslicht zu befördern; z.B. Barnard (1997); Lett (1996). Zumweiteren theoretischen Umfeld Schweizer (1993).

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3. Die Anthropologie als Raum für Analogien Im Bewußtsein der genannten Voraussetzungen ist es leichter, eine Antwort darauf zu geben, was die Beschäftigung mit der Anthropologie für die in Frage stehenden antiken Phänomene leisten kann. Die Anthropologie bietet auf jeden

Fall ein beinahe unbegrenzt erscheinendes Feld anmenschlichen Verhaltens- und Denkweisen, wenn sie natürlich auch nicht ‚alles‘enthält.25 In derPraxis können nicht alle Phänomene daraufhin getestet werden, ob sie für das zur Erklärung anstehende antike Phänomen eine brauchbare Analogie darstellen. Zur Eingrenzung der Suche nach Phänomenen, die als Analogie benützt werden können, ist daher eine Art von Parameter notwendig, welcher aus dem zu erklärenden Gegenstand, d.h. auf unsere Fragestellung bezogen, ausdenVerhältnissen imGriechenland der Dark Ages undder Archaik gewonnen wird. In diesem Parameter sollten die als notwendig anzusehenden Bedingungen enthalten sein, denen die ausdemFeld der Anthropologie auszuwählenden Analogien genügen müssen.

3.1. Das Selektionskriterium

Umzueiner klaren Selektion zugelangen, ist es sinnvoll, sich derGliederung der vormodernen menschlichen Gesellschaften zubedienen, welche in derAnthropologie nicht ohne Grund gebräuchlich ist. In der stark der Tradition der social anthropology verhafteten jüngeren Anthropologie werden drei Typen vorstaatlicher Gesellschaften unterschieden:26 family groups, local groups und regional polity. Die Entscheidung für die Auswahl eines dieser drei Typen als Feld der Analogie ist von der Einschätzung der politisch-sozialen Verhältnisse während der Dark Ages und der Archaik abhängig. Hier wird davon ausgegangen, daß für keine derinnachmykenischer Zeit existierenden, archäologisch indizierten, räumlich wie zeitlich unterschiedlichen ‚Zonen‘ größere politisch-soziale Einheiten unddaher auch nicht klar ausgeprägte soziale Schichtungen anzunehmen sind. Angesichts dieser Annahmen ist der erste Typ ‚family group‘, in diesem Zusammenhang zumindest,27 nicht von Interesse, weil mit ihm nomadisch lebende Gesellschaften erfaßt werden. Es scheiden aber auch die mit ausgeprägten chief25Die vorsichtige Formulierung ergibt sich daraus, daß in der Geschichte eine Reihe von Gesellschaftsformen bzw. menschlichen Verhaltensformen geschaffen worden sein können, welche mit den Mitteln der Anthropologie nicht zu erfassen sind. 26Zumfolgenden Johnson –Earle (1987); Plattner (1989). 27Auf eine solche Richtung weist aber die in den homerischen Epen sich findende Verwandtschaftsterminologie, die eindeutig auf die Kernfamilie zielt. Denn die Betonung der Kernfamilie ist in der Regel mit den sehr flexiblen kognatischen Verwandtschaftsregeln verbunden, wie sie sich z.B. in nomadischen Gesellschaften findet. Das dürfte seinen Grund darin finden, daß mit einer solchen Bestimmung von Verwandtschaft sehr rasch auf sich ändernde ökonomische Bedingungen reagiert werden kann. Eine konsequente Untersuchung dergriechischen Verwandtschaftsterminologie vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Anthropologie fehlt 176; noch. Zu einer Einführung in die Verwandtschaftsterminologie vgl. Harris (1989), 174– Parkin (1997); Stone (1997).

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doms zu verbindenden Formen politisch-sozialer Organisation, nämlich Gesellschaften mit scharfen Hierarchien und festen Bürokratien (unterschiedlicher Gestalt) aus, wie sie für denTyp ‚regional polity‘, aber auch des ‚frühen‘Staats charakteristisch sind. Solche sind auch weder im frühen noch im späteren Griechenland derPoleis undderEthne auszumachen. Im Gegensatz zu diesen beiden Typen vorstaatlicher Gesellschaften läßt sich aber das wegen seiner großen Bandbreite sehr flexible Modell ‚big man‘28gut als Analogie oder auch Folie für die frühen, nicht gleichförmigen griechischen Verhältnisse in Form einer Arbeitshypothese verwenden.

3.2. Formen vonFesten in ‚big-man-Gesellschaften‘ Innerhalb des auf diese Weise gewählten Gesellschaftstyps muß eine weitere Fokussierung auf die als Analogie heranzuziehenden Feste erfolgen. Dasist nicht so einfach wie der erste Selektionsschritt, weil in der Anthropologie bis in allerjüngste Zeit keine übergreifenden Untersuchungen zudiesem Thema vorliegen.29 Dennoch sind resümeeartige Feststellungen auch über die zur Debatte stehenden Feste möglich, diemehrere soziale Gruppen undauch politisch-soziale Einheiten innerhalb des Typs ‚big man‘miteinander in Verbindung bringen.30 Imweiteren Selektionsvorgang sind zuerst dievergleichsweise gutdokumentierten Charakteristika derartiger Feste zubenennen. Die Festlegung dessen, was als besonderes Merkmal zu gelten hat, kann jedoch, wie oben schon angedeutet, nicht allein auf ‚emischen‘Angaben beruhen. Denn ‚emische‘Angaben bringen nurdieperspektivische Festlegung durch die Bedeutung derFeste undihrer Teile bzw. ihrer Motivation und Konsequenzen der Betroffenen zum Ausdruck. Im folgenden werden daher zwei, die ‚emische‘mit der ‚etischen‘Sicht verbindende, schematisierende Kategorisierungen vorgeführt, wie siejüngst in derAnthropologie geboten wurden. Dies entspricht dem geforderten Parameter, nach dem die griechischen Feste in das anthropologische Umfeld eingeordnet werden sol-

len.

3.2.1. Gründe, Mittel undZiele der Feste

Die folgenden Merkmale werden für Feste als konstitutiv angesehen. Social Technology. Die Herstellung von Beziehungen zwischen politischsozialen Gruppen unddarüber hinaus noch die Herstellung einer den einzelnen 28Vgl. hierzu die in Anm. 3 und23 genannten, einführenden Publikationen undzudem Godelier –Strathern (1991) oder Godelier (1999). 29Hayden (2001), 23, spricht davon, daß Feste weder in der Anthropologie noch in der the limited Archäologie hinreichend Berücksichtigung gefunden haben, was er zum Teil auf „ theoretical attention devoted to the topic in general anthropology“zurückführt. 30Hayden (2001), 30, trennt sie von anderen Festen wie „work feasts, penalty feasts, soli. citation feasts“

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Einheiten übergeordneten „ collectivity“ist ein wesentliches Bedürfnis von ‚big man‘- Gesellschaften. Um dieses Bedürfnis befriedigen zu können, wird eine besondere Atmosphäre erzeugt, eben die des Festes.31 Präsentation vonSurplus. Ein wichtiges Mittel zur Erreichung dieses Ziels ist die Transformation von Surplus in die für die Ausgestaltung des Festes nötigen Mittel undin veräußerbare Mittel in Form vonGaben. Die Art derTransformation undderen Ausmaß kann undwird als „ display“des sich hierin ausdrückbaren Erfolgs verstanden mit demZiel, sich dadurch für potentielle Partner als attraktiv zu präsentieren. Weil die Größe des Surplus über die Möglichkeit der Festgestaltung entscheidet, erwächst daraus ein Impetus zur Intensivierung der Produktion.32 Wettbewerb. Aus der Präsentation als Basis für die mögliche Attraktivität ergibt sich Wettbewerb. Das Aussehen der politisch-sozialen Einheit und ihres Umfelds ist für die unterschiedliche Ausprägung des Wettbewerbverhaltens von entscheidender Bedeutung. Grundlegend hierfür ist die ökologische Situation. Ihre Beschaffenheit entscheidet über das Ausmaß der Notwendigkeit zur Kontaktnahme zwischen Gruppen. Diese wird drängend, wenn das Verhältnis von Bevölkerungszahl undden vorhandenen Ressourcen zu Schwierigkeiten für die Subsistenz führt. Als Folge davon ist mit einem ‚gespannten‘ Klima zurechnen. Zu ihm gehört die Vorstellung der Existenz gefährlicher Feinde außerhalb der eigenen politisch-sozialen Gruppe. Je größer die Einheiten sind, desto intensiver wird der interne Wettbewerb zwischen den die Gruppen repräsentierenden ‚big men‘unddamit derGruppen, auf die sie sich stützen. Die Verstärkung des Wettbewerbs in Verbindung mit einem umfangreicher werdenden Mehrprodukt führt zu einer Abhebung ‚politischer‘ Zeremonien von intragruppalen Zeremonien. Auf diese Weise kommt eine politische Ebene klar zumVorschein.33 Feste Strukturen. Steht der Wettbewerb bei solchen Festen im Vordergrund, dann besteht die Tendenz, feste Strukturen an einem bestimmten Ort einzurichten.34

Praktische Vorteile. Aufdiese Weise können ganz praktische Vorteile erzielt werden: Mobilisierung von Arbeit; Herstellung von kooperativen Beziehungen innerhalb von Gruppen; Herstellung kooperativer Allianzen zwischen sozialen Gruppen; Investition von Surplus undErzeugung von Gewinn; Attraktivität für Heiratspartner undpotentielle Verbündete; Güteraustausch durch die Präsentation des Erfolgs; Herstellung von politischer Macht durch die Generierung eines auf Gegenseitigkeit basierenden Netzwerks.35 31Wiessner (2001), 117. Hierzu auch Fabietti –Remotti (1997) s. v. festa, 302; Turner (1996). 32Hayden (2001), 26f.; 59; Wiessner (2001), 117. 33Hayden (2001), 39, unter Bezug auf Michael Clarke: „the higher levels tend to include lower levels (e.g. lineages include families) andthus, each level of social unit tends to be associated with a specific size range (number of participants) of feasting.“ 34Hayden (2001), 57. 35Hayden (2001), 29f., derdarüber hinaus noch darauf hinweist, daßso dasSurplus vonder normalen Bevölkerung zueiner Elite umgeleitet werden kann, daßWohlwollen erzeugt wird und daß so die Kompensation für Vergehen erreicht werden kann.

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Teilnehmer. Bei jedem dieser Feste sind grundsätzlich Gastgeber und Gäste beteiligt. Dieser Einladungscharakter erzeugt eine Situation der Reziprozität promotional“bzw. zwischen den Teilnehmern am Fest. In der Gestalt von „ alliance feasts“stehen diejeweiligen Gruppen als Ganze undnicht bloß einzelne „ Individuen auf demPrüfstand.36 Zeitpunkt. Weil diese Feste in ihrem Grundcharakter Feste zwischen Gastgeber undEingeladenen sind, existiert kein fester, kalendarisch fixierter Zeitpunkt für die Abhaltung des Festes. Aus diesem Grund ist eine eigens ausgesprochene Einladung auch dann notwendig, wenn die Feste bzw. Festmahle zyklusartigen Charakter besitzen.37 Ort. Der Ort für das Fest ist vor allem dann, wenn das Ziel des Festes die „ community solidarity“ist, nicht das Haus des Gastgebers, sondern ein abseits gelegener, oft ungewöhnlicher Ort oder auch ein Ort, der für alle gut erreichbar ist.38 Religion. Die Zeremonien stehen meist in Verbindung miteinem heiligen Ort (mit einem heiligen Haus) undrituellen Handlungen (Pflanzen von Ritualpflanzen, Verbindung mit Ahnen). Andiesem Ort, dernicht unter demEinflußbereich nureines Teiles derpolitisch-sozialen Einheit steht, werden die gruppenübergreifenden Gottheiten lokalisiert. Solche Gottheiten kommen nicht zuletzt ins Spiel, umso eine zur Selbstzerstörung führende Steigerung des kompetitiven Verhaltens zustoppen.39 Andie Stelle der imWettbewerb getauschten bzw. verbrauchten Güter treten Weihegeschenke. Ein Gut an einem heiligen Ort zu deponieren, bedeutet natürlich ebenfalls eine Veräußerung von Gütern und stellt in diesem Sinn nichts anderes als eine –weniger aufwendige –Variante der auf die Verdestruction nichtung des Gegners durch eine Abart von Generosität zielende „ strategy“dar, wohin sich das bekannte Potlach-Ritual entwickelt hat.40 Vor diesem Hintergrund erhält die ‚emische‘ Angabe, daß mit Geschenken an die Götter deren Hilfe erreicht werden kann, denZugeiner rationalisierenden Erklärung. Die Bedeutung der Heiligtümer, an denen die Gaben deponiert werden (müssen), wird viel eher in ‚etischer‘ Perspektive durch ihre Charakterisierung als Zentralorte erkennbar.41

36Hayden (2001), 35. 37Hayden (2001), 58. 38Hayden (2001), 55; 57; Wiessner (2001), 133. 39So Wiessner (2001), 131–133, in der historisch orientierten Analyse der Tee-Zeremonie bei denEnga. 40 Zu dem hier angesprochenen Umfeld der „Gabenökonomie“S ahlins (1972); Gregory 61; Plattner (1989); Humphrey –Hugh-Jones (1992); Wilk (1996). (1982), 59– 41Unter diesem Aspekt gesehen, unterbrechen die Heiligtümer dieZirkulation vonPrestigegütern durch Deponierung. ImKontext derGabenökonomie ist daher eine der Deponierung entsprechende Gegenleistung zuerwarten. Diese ist auch gegeben. Sie liegt auf symbolischer Ebene insofern, als die Heiligtümer Einheit stiften, Risiken vermindern und somit Energie sparen helfen. Zudiesem Aspekt Rowlands (1987), 8; Champion (1989).

Anlässe undFormen vonFesten mit überlokaler Reichweite

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3.2.2 Typologie vonFesten unter demAspekt ihrer Funktion

Aus der Vielfalt der möglichen Umfelder, in denen Feste situiert sein können, ergibt sich eine ungemein große Variationsbreite für die konkrete Ausgestaltung der Feste. Der von Brian Hayden unternommene Versuch der Kategorisierung der imengeren Sinn als „feast“zu bezeichnenden Festformen unter funktionalem Aspekt eröffnet jedoch heuristisch fruchtbare Perspektiven auch für alle Feste mit überlokaler Reichweite.42 ALL FEASTS ALLIANCE &

ECONOMIC FEASTS

DIACRITICAL FEASTS

COOPERATION FEASTS

(For gain)

(Sumptuary status/display)

SOLIDARITY FEASTS

SOLICITATION FEASTS &

(Within groups)

PUNISHMENT FEASTS

RECIPROCAL FEASTS

COMPETITIVE FEASTS

(Between groups)

(Profits from loans & interests)

POLITICAL SUPPORT

FEASTS TO ACQUIRE

FEASTS

POLITICAL POSITIONS

(To obtain political

(As a formal criterion for political advancement)

supporters) PROMOTIONAL FEASTS

MATURATION FEASTS

(To display success &

(Investment of surpluses in children)

attract labor or economic support)

WORK PARTY FEASTS TRIBUTE FEASTS

Abb. 143

Mit denhier verwendeten drei übergeordneten Kategorien lassen sich die im vorhergehenden Abschnitt genannten „ Gründe, Mittel, Ziele“in funktionaler Hinsicht als Merkmale vonKlassen vonFesten ausmachen. In der ersten Kategorie „alliance & cooperation feasts“wird die „social technology“auf eine als egalitär aufgefaßte Gesamtheit („ collectivity“) gerichtet. Die hierfür veranstalteten Feste können aufgrund der begrenzten ökonomischen Möglichkeiten nicht groß ausgestaltet werden. Davon aber nicht beeinträchtigt ist der grundsätzliche Gedanke, daß der Transfer des Surplus in der Ausgestaltung 42Hierzu Hayden (2001), 35f., mit der Tabelle in 38. 43Leicht verändert nach Hayden (2001), 38, fig. 2.1.

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eines solchen Festes und in bei dieser Gelegenheit gegebenen Gaben als Bindungsmittel zwischen Individuen bzw. denmit ihnen verbundenen Gruppen fungieren soll. Hier kommt Wettbewerb ins Spiel. In welchen Dimensionen dasder Fall ist, hängt nicht nur von den ökonomischen Möglichkeiten, sondern zuerst vom Grad der Notwendigkeit ab, zu kooperieren bzw. Unterstützung für die eigene Gruppe zu gewinnen. In der zweiten Großkategorie „economic feasts“sind solche Feste zusammengefaßt, deren Funktion es ist, ein–zumindest imAugenblick dieses Festes – nicht egalitäres Verhältnis herzustellen. Hayden bringt hierfür den Begriff des credit rating“als adäquate Übersetzung von Status undPrestige ein.44 Mit ihm „ weist er auf dendie Funktion des Festes sicherstellenden Sachverhalt, daßes die größte Angst des „ aggrandizers“ist, nicht in der Lage zu sein, ein Fest zugeben bzw. eingegangene Verpflichtungen einzulösen. Der Zweck dieser Feste ist es, Schuld“ durch Generosität eine (zumindest im Augenblick nicht einlösbare) „ beim Empfänger derGaben zuerzeugen. Solches Verhalten kann dazu verhelfen, politische Positionen zuerreichen. Es ist aber auch bei Wiedergutmachungen im Spiel undin abgeschwächter Form auch im Verhältnis zwischen denGeneratio) zumAusdruck kommt, oder nen, wie es in Übergangsriten („ maturation feasts“ in Festen, die mit demArbeitsprozeß in Verbindung stehen. Die Abhängigkeit kann –ideologisch unterbaut –so weit gehen, daß sich das Verhältnis ökonomisch gesehen umkehrt, so daß aus denFesten Tributfeste werden. Die dritte Großkategorie –vonHayden nicht weiter ausgeführt –geht auf den von Michael Dietler verwendeten Begriff der „diacritical feasts“zurück. Damit sind Festmahle mit einer differenzierten Küche und einem besonderen Stil der Konsumption gemeint. Beides dient als symbolisches Mittel, umeinKonzept von Rangdifferenzen imStatus vonsozialen Ordnungen oder Klassen Realität werden zu lassen undals Realität zu behaupten.45

3.3. Die Typologie der Feste als Analyseraster Der Rahmen der Feste in ‚big-man-Gesellschaften‘, eingeengt auf Feste mit überlokaler Reichweite, bietet die Möglichkeit, einzelne Feste durch ihre Verortung in der so gewonnenen Typologie mit historischer Bedeutung zu versehen, die nicht der ‚emischen‘Perspektive entnommen werden kann. Die Einordnung der Kaiko-Zeremonie ebenso wie die für die Einordnung der griechischen Feste zu nennenden Gesichtspunkte können für diese Feststellung erste Prüfsteine bilden.

44Hayden (2001), 32. 45 Dietler (2001), 85: „ the use of differentiated cuisine and styles of consumption as a diacritical symbolic device to naturalize undreify concepts of ranked differences in the status of social orders or classes“ . Ein ganz konkretes Beispiel fürderartige Feste bietet Juncker (2001). Einen Versuch derAnwendung auf die Dark Ages bieten Kistler –Ulf (im Druck).

Anlässe undFormen

vonFesten mitüberlokaler Reichweite

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3.3.1. Die Einordnung der Kaiko-Zeremonie als Exempel Innerhalb dieses schematischen Überblicks läßt sich die eingangs beschriebene Kaiko-Zeremonie an zwei Stellen einordnen. Die in die Vorbereitungsphase fallenden kleineren Feste gehören ohne Zweifel zumTypdes „ , reciprocal feast“ das große die Friedenszeit beschließende Fest ist in den Rahmen des Typs des political support feast“zu stellen. Diese Zuordnungen ergeben sich nicht allein „ aus dem Festablauf, sondern beruhen wesentlich auch auf der Kenntnis des politisch-sozialen unddes ökonomischen Umfelds derTeilnehmer. Der Vorgang der Verortung dieser Zeremonie im Überblick ist ein Beispiel dafür, wie man auch die antiken Feste mit überlokaler Bedeutung durch die Verortung im Überblick in ihrer Spezifik erkennen kann. Diese Feststellung führt zu den für die Dark Ages bzw. fürdie griechische Archaik angenommenen „Voraussetzungen“ insofern zurück, als sie bestätigen, daßohne derartige Annahmen eine Kategorisierung der griechischen Feste kaum Überzeugungskraft beanspruchen kann.

3.3.2. Gesichtspunkte für die historische Einordnung der griechischen Feste unter ‚etischem‘Aspekt

In der oben –nurvage –angegebenen undhier auch nicht weiter präzisierbaren grundsätzlichen Einschätzung der historischen Situation wurde von folgenden griechischen Spezifika ausgegangen: keine ‚völkischen‘ Einheiten wie Stämme; geringe Bevölkerungsdichte im Durchschnitt; fehlende monarchische Spitze; weitreichende Egalität; sich erst langsam ausbildende soziale Stratifizierung –je nach Form der politisch-sozialen Einheit in unterschiedlicher Intensität. Von dieser Basis aus lassen sich die zur Debatte stehenden griechischen Feste in das obige Schema wie folgt einordnen. Unter der Rubrik „ alliance & cooperation feasts“betreffen die beiden Kategorien „ promotiopolitical support feast“und„ nal feast“auf jeden Fall die griechischen Feste, eventuell auch die Kategorie „ reciprocal feast“ . Unter derRubrik „economic feasts“scheint nurdie Kategorie „ feast to acquire political position“Hinweise auf die Bedeutung dergriechischen Feste geben zu können. Die Rubrik „ diacritical feasts“aber scheidet vollständig aus, weil die hier einzuordnenden Feste eine strikte, mitderPosition vonmächtigen „chiefs“zu verbindende soziale Differenzierung voraussetzen. Die Zuweisung zudiesen Kategorien steht in Einklang mitderAnnahme, daßdas ‚big-manModell‘ – der plausible Ausgangspunkt für die Bestimmung der Feste ist. Der in demSchema gegebene Überblick läßt daneben aber auch noch erkennen, daßes nicht unbedingt notwendig ist, zwischen regionalen undüberregionalen Heiligtümern zuunterscheiden. Es scheint wichtiger zusein, auf die Funktioneneines Festes zuachten. ‚Region‘ist nicht als ein rein geographisch festzulegender Begriff zu betrachten, sondern seine Bestimmung hängt davon ab, wie groß die selbständig agierenden politisch-sozialen Einheiten sind. Sind sie klein, d.h., ist die Bevölkerungsdichte gering, dann reduziert sich der Umfang des Raumes, der als ‚Region‘ anzusprechen ist bzw. als solche empfunden wird. Es

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kann hier dennoch nach denselben Mustern des Verhaltens undDenkens vorge-

gangen werden wie in größeren als zusammengehörig angesehenen Territorien, die wirgängigerweise als Regionen ansehen. Wichtiger als der Begriff der Region scheint die Bestimmung der Art der politisch-sozialen Einheit zu sein. Nurdann, wenn Gesellschaften an „ Gemein46 hinzugewinnen, werden schon bisher existierende Verhaltensschaftsdichte“ muster verstärkt unddadurch allerdings auch langsam verändert. Die Veränderung läßt sich als das Resultat der intensivierten Nutzung bekannter Elemente

verstehen.

4. Der Nutzen aus demBlick in die Anthropologie Aus diesem Überblick über wesentliche Elemente, aus denen Feste in unterschiedlichen Umfeldern in verschiedener Weise zusammengesetzt sein können, undüber wichtige Basisfunktionen, die mit Festen zuverbinden sind, lassen sich folgende allgemeine Feststellungen über den Nutzen der Berücksichtigung anthropologischer Forschungen im altertumswissenschaftlichen Feld treffen: 1. Die Anthropologie gibt den Blick auf eine Vielzahl von Elementen frei, die als Voraussetzungen für die Abhaltung von Festen und als konstitutive Bestandteile vonFesten anzusehen sind. 2. Erst in Kenntnis dieser Vielzahl potentieller Elemente wird es möglich, Bezugspunkte für denkbare Analogien zudenantiken Beispielen zunennen. 3. Ebenfalls erst in Kenntnis dieser Vielzahl von Elementen wird es möglich, mit einiger Sicherheit zu bestimmen, welche Felder menschlicher Verhaltensweisen für eine denkbare Analogie auszuscheiden sind. Das frühzeitige ‚Abblocken‘nicht erwünschter Analogien kann dadurch verhindert werden. 4. Die Funktion eines Festes ist nur durch seine Einbindung in denjeweiligen gesellschaftlichen Kontext, der für sich aus etischer Perspektive analysiert werden muß, feststellbar. Die Anthropologie läßt den denkbaren Kontext sichtbar werden.

5. Bei derBestimmung möglicher Analogien genügt es nicht, imFeststellen der Bedeutung derantiken Beispiele nureine emische Perspektive einzunehmen. Das hat seinen Grund darin, daß in denQuellen die Hinweise auf die symbolischen Bedeutungen, d.h. auf die gesellschaftlichen Funktionen undBedeutungen, in der Regel fehlen. 6. DiePalette möglicher Typen vonFesten, welche die Anthropologie erarbeitet hat, hilft beim Versuch deretischen Einordnung derantiken Nachrichten, sowohl der archäologischen als auch der schriftlichen. 7. Durch die Zuordnung zu einem Fest-Typ lassen sich mögliche Gründe und Funktionen für ein Fest wahrscheinlich machen.

46Dieser Terminus tung“geprägt.

wurde

von Robert Rollinger im Gespräch als „Gemeinschaftsverdich-

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35

Daraus folgt, daßmitderZuhilfenahme anthropologischer Erkenntnisse eben daserst möglich wird, wasmanhäufig diesem Vorgehen als Mangel ankreidet. Dadurch daß auf diese Weise die ‚etische‘ Perspektive zur ‚emischen‘ bewußt hinzutritt, werden erstens verschiedene Bedingungsebenen, etwa solche, wie sie sich imAnschluß an Fernand Braudel unterscheiden lassen, erst erkennbar. Und zweitens läßt sich jetzt erst feststellen, wie das Verhältnis zwischen diesen Ebenen beschaffen ist. Erst auf der Basis dieses Wissens ist festzulegen, worin die

Spezifik eines historischen Phänomens besteht.47 Aus diesen allgemeinen Feststellungen ergeben sich Konsequenzen für die praktische Arbeit. 1. Die Möglichkeit derBeurteilung des Ausmaßes undderQualität des ausden Quellen ermittelten Wissens. Durch den Blick in anthropologische Literatur wird erst sichtbar, was wir alles aufgrund der begrenzten Aussagen der zur Verfügung stehenden Quellennicht wissen, wasaber inhohem Maßals gegeben vorausgesetzt wird. Die einleitend genannten, für die historische Einordnung derAussagen derQuellen notwendigen Modelle sind dafür ein klares Zeugnis. 2. DerGewinn eines Suchrahmens als Minimalergebnis. Durch den Blick in anthropologische Literatur wird darüber hinaus sichtbar, welche Fragen an die Quellen gestellt werden sollten. Dies wird in jüngeren Arbeiten auch zunehmend getan, wenn es etwa um das Problem geht, wie ‚Landschaften‘ (ethne) zu einer Einheit werden48 oder welche Funktion Heiligtümer für die entstehenden Poleis besitzen.49 DerBlick in die Anthropologie geht aber z. B. auch denFragen voraus, wann eine Surplus-Produktion möglich wird, welche die Basis für die Herstellung größerer Netzwerke sein muß, und ob für eine solche Produktion Anstöße von außen vorliegen können bzw. müssen. Ohne das Begriffsinventar der ökologischen Anthropologie undderpolitischen Ökonomie sind weder präzise Fragen noch Antworten zu erwarten. 3. Die Notwendigkeit derBerücksichtigung desgesellschaftlichen undökologischen Umfeldes bei der Analyse von Heiligtümern bzw. der mit ihnen verbundenen Feste. Der Blick in die Anthropologie läßt keinen Zweifel daran, daß nicht nurdie Dimension vonFesten, sondern auch die konkrete Ausgestaltung jedes ihrer Elemente von dendemographischen undgesellschaftliche Bedingungen, die ihrerseits wieder mit den ökonomischen in direkter Verbindung stehen, abhängig sind. Die Bestimmung der gesellschaftlichen Verhältnisse erscheint daher als eine notwendige Bedingung für die Festlegung der Bedeutung religiöser Feste.50 47Eben das vorzuführen, ist das Ziel von Morris (2000), auch wenn seine Definition der Archäologie als‚Kulturgeschichte‘ zu neuen, aber anderen Problemen führt.

48Vgl. oben Anm. 20. 49 Zur Diskussion darüber de Polignac (1984); Marinatos –Hägg (1993); de Polignac (1994); Langdon (1997). 50Die nach wie vor –meist jedoch nur implizit –verwendeten Denkmuster von ‚Volk‘und ‚Stamm‘sind vor diesem Hintergrund zur Debatte zu stellen.

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4. Eine Hilfestellung inderReflexion über diestets notwendige Modellbildung. EinUrteil überdasgesellschaftliche undpolitisch-soziale Umfeld, indemein

5.

Fest erscheint, ist, wie mehrfach schon festgehalten, ohne Modellbildung nicht möglich. Um zu plausiblen Modellen zu gelangen, ist die Herstellung von Analogien zwischen den Informationen über die antiken Verhältnisse und denen aus der Anthropologie notwendig. Es ist jedoch vor dem die methodischen Möglichkeiten verzerrenden Mißverständnis zu warnen, daß eine Analogie ein 1:1 übernehmbares ‚Abbild‘des zu erklärenden Sachverhalts sein könnte. Die Kenntnis derin derAnthropologie existierenden Möglichkeiten menschlicher Verhaltensformen erweitern unabhängig davon die Möglichkeiten, Erklärungsmodelle zu bilden. Die Frage der Spezifik. Erst vordemHintergrund desanthropologischen Materials undderanthropologischen Theoriebildung läßt sich erkennen, inwieweit die griechische Situation spezifisch ist. Sie scheint sich ab dem Zeitpunkt der Ausbildung überregionaler Heiligtümer undder mit ihnen verbundenen Feste insbesondere dadurch auszuzeichnen, daßdie in solchen Situationen imanthropologischen –undim vergleichbaren historischen –Umfeld erkennbare Hierarchisierung nicht im gleichen Maß ausgebildet wurde. Es sind keine Eliten erkennbar, diefürdieDurchführung derartiger Feste ansonsten zuständig sind,51 noch weniger ‚chiefs‘vergleichbare hierarchische Spitzen. In dieser offensichtlich auch unter geänderten demographischen Bedingungen52 beibehaltenen weitgehenden Egalität innerhalb der sehr unterschiedlichen politischsozialen Einheiten undzwischen ihnen53 liegt derGrund auch für die Spezifik dergriechischen Feste –mitihrer dominanten kompetitiven Komponente. Bibliographie

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Kultische und politische Organisationsformen im frühen Olympia und in seiner Umgebung VON PETER SIEWERT

DemWunsch des Veranstalters entsprechend behandle ich ausderEditionsarbeit an den seit 1936 in Olympia gefundenen Bronze-Urkunden das Thema anhand von vier Dokumenten, die noch wenig bekannt sind undmanches Singuläre und Überraschende enthalten, vor allem aber vielfältige Probleme bieten.1 Die folgenden Ausführungen haben den ausdrücklich zugestandenen „ -Chaworkshop“ rakter: Sie konzentrieren sich auf die erkennbaren kultischen und politischen Organisationsformen und die damit verbundenen „ Identitätsebenen“des ZeusHeiligtums, die demSonderforschungsbereich 493 ein Anliegen sind. Dabei beginne ich mit demjüngsten Dokument aus der historisch helleren Mitte des 5. Jahrhunderts, umeine etwas besser gesicherte Ausgangsbasis zuhaben. Vondort ausbewegen wir unsbis zuUrkunden des ausgehenden 6. Jahrhunderts. AmSchluß steht der Versuch einer systematischen Zusammenfassung.

1. Elische Bürgerrechts- undTheorodokieverleihung auf einer Bronze-Ringscheibe aus der Mitte des 5. Jahrhunderts Die spiralförmig beschriftete Scheibe (Inv. Nr. B 6970) von22 cm Durchmesser trägt folgenden Text:2 ρ ίν α λ ε ο ῖο 1 Τ ν ι Ἀθ ν α ά ο δ ὶϜ ᾽α αἔθ α ᾽ἀ νκ α ὶϜ γ ὐ π εα έν τ ο νκ ὸκ εια ν Ϝ α λ είοκἐνφ υ ν λ ὰ 2 ἐν ε ίμ ν , ᾽ὀπ ο ο ία νλ ικ ρἐπ ᾽ ν ρ ᾶ τ νΣ π α ά ικ β ο ία ικ Ε ὐ ο ιν 3 α ν ενκ α ὶτ νθ ὰ ερ ιΤ Α Ρ Α Ε Κ Ο Ο Ρ Ε Ν Ι[.]ΙΣ Π ΙΤ ΙΣ Ο Α Μ Ἀ θ ̣ ̣ ̣ γ α μ λ 4 α α ν ά τ δ α νκ α ὲπίναξἄ υ . ὀδ οΔ ια ὶΚ ικ σ ιός.vacat

1Ich danke Peter Funke für die Einladung. Außer den Abkürzungen der L’Année Philologique unddes Supplementum Epigraphicum Graecum werden im folgenden gebraucht: LSAG2 = Jeffery (1990). OB = Olympia-Bericht

OF = Olympische Forschungen StV = Bengtson (1975). 2 Die Spiralen sind als Zeilen gezählt; Erstpublikation durch Siewert (2002b); zur Inschrift Taita (2001).

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PETER SIEWERT

1 „Die Eleer machten Athanadas undRhinon, sie undihre Nachkommenschaft, zuEleern; undsie sollen in eine Phyle 2 eintreten, (in) welche sie wollen; und sie sollen an der Epoikie (= Gemeinschaft auswärtiger Eleer) in Sparta undjener auf Euboia teil(unverständlich) 3 haben; undsie sollen die Festgesandtschaft aufnehmen 4

Athanadas (soll ....) Gebiet schenk an Zeus.“

(?) von Kikysion; diese Tafel ist ein Weihge-

Dialekt undSchrift –etwa ins mittlere Drittel des5. Jahrhunderts zudatieren –sind elisch. DerText ergibt: Ein Athanadas, vermutlich Spartaner, undRhinon,

vermutlich ein Euboier (von Chalkis oder Eretria oder einer anderen Polis der Insel), erhalten vondenEleern 1) das Bürgerrecht, 2) die Teilnahme an einer elischen „Epoikie“in Sparta, bzw. in Euboia, 3) die Theorodokie; das ist die ehrenvolle Aufgabe, die elischen Festgesandten aufzunehmen undzu betreuen, wenn diese zur Teilnahme amOlympischen Zeusfest unddenAgonen einladen unddiedazunötige Waffenruhe (Ekecheirie) verkünden. In demunverständlichen Kontext der Zeilen 3 und4 scheint „Kikysia“sich auf Kikysion, die nach Strab. 8,356f. einst größte Stadt der Pisatis, zubeziehen. Die Verfügungsgewalt der Eleer über pisatisches Gebiet (ein Grundstück für Athanadas?) läßt zusammen mitanderen Indizien vermuten, daßsie dieses Gebiet bald nach derPerserabwehr erobert hatten.3 Die überraschende elische „ Epoikie 36, der voneinem elischen Mantis Tisamein Sparta“erklärt sich aus Hdt. 9,33– nos und seinem Bruder Hagias berichtet, daß die beiden –etwa zur Zeit des Xerxeszuges –als einzige Fremde dasspartanische Bürgerrecht erhielten. Tisamenos verstand es, ausOpfertieren, die vor undwährend der spartanischen Feldschlachten dargebracht wurden, denWillen des siegverleihenden Zeus zuerkennen. Elische Seher, vor allem aus demGeschlecht der Iamiden, leisteten diesen Dienst auch in anderen griechischen Staaten, wie z. B. in Stymphalos, Sybaris, Kroton, Syrakus, und wurden ebenfalls von ihren ‚Dienstgebern‘ durch die Verleihung ihres Bürgerrechtes oder andere Privilegien geehrt.4 Die elische Epoikie“in Sparta undaufEuboia, über deren Teilhaber oder Mitgliedschaft die „ Eleer allein –wie die Urkunde zeigt –disponieren konnten, dürfte aus Eleern bestanden haben, die in nicht-elischen Gemeinschaften dauerhaften Wohnsitz undTätigkeit –vorallem imZusammenhang desZeus-Kultes –gefunden haben.5 Vielleicht sind diese elischen Epoikien im Ausland als mit gewissen Privilegien ausgestattete Zeus-Kultvereine der dortigen Eleer zu verstehen, an denen Athanadas undRhinon als elische Neubürger Anteil erhalten. Aus ihrer Ehrung, die elische Festgesandtschaft betreuen zu dürfen –hier liegt die weitaus früheste

3 Paus. 5,10,2: Die Eleer bauten denZeus-Tempel aus der Beute derbesiegten Pisaten und Triphylier; vgl. auch Hdt. 4,148,4. 4 Kett (1966), 31f.; 84– 98; 102f.; 105–107. 5 Ausführlicher Siewert (2002b), 364– 367; vgl. Taita (2001).

Kultische undpolitische Organisationsformen

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, ergibt sich die Lage ihres Wohnsitzes in Verleihung der Theorodokie vor6 – Sparta undauf Euboia. Beispiele aus späteren Theorodokenlisten lassen vermuten, daß Athanadas und Rhinon Funktionäre oder Priester im einheimischen Zeuskult waren und deshalb die Gesandtschaft des panhellenischen Zeus von Olympia in Empfang nahmen.7 Das mehrfach beispiellose Dokument enthüllt verschiedene OrganisationsDie Eleer“und„Phyle“zeigen, daß sich die Geformen undIdentitätsebenen: „ meinschaft der Eleer als Polis, nicht als Ethnos verstand.8 Diese Polis verfügt über vermutlich kultisch begründete Außengemeinden, die (bisher unbekannten) „ Epoikien“von ‚Auslands‘-Eleern, die zumindest elische Manteis im Dienst fremder Staaten umfaßt haben dürften. , die Festgetheoriai“ Panhellenischen Charakter haben auch die elischen „ sandtschaften, unddie ehrenvolle Ernennung fremder Staatsangehöriger zuihrer ερ δ ο ι= später θ ρ α εα Festgesandtschaft in Sparta in Empfang nehmen zukönnen, mußte Athanadas die spartanische Staatsbürgerschaft besitzen; d. h. er wurde zum Eleer, ohne sein bisheriges Bürgerrecht aufzugeben. Diese elisch-spartanische Doppelstaatsbürgerschaft läßt sich aus Gründen der Reziprozität für die genannten Iamiden Tisamenos und Hagias annehmen, nachdem sie das spartanische Bürgerrecht erhalten hatten. Hier überschneiden sich Identitätsebenen, was beim sonst fremdenfeindlichen Sparta überrascht, aber wohl für denkultischen Charakter dieser elisch-spartanischen Beziehungen spricht. ) und „Euboia“(anstelle des Namens einer Lakedaimon“ Sparta“(statt „ „ euboischen Polis) zeigen, daß die Eleer ihre Außengemeinden nach der geographischen, nicht nach ihrer politischen Identität bezeichneten, wasmöglicherweise einen Archaismus elischer Kultverwaltung darstellt. Die Verfügungsgewalt der Eleer über pisatisches Gebiet von Kikysion offenbart als eine weitere Identitätsebene denpolitisch-militärischen Herrschaftsbereich desexpansiven elischen Staates. Insgesamt zeigt die neue Inschrift neben einer profan-politischen Ebene des elischen Staates undseiner regionalen Vorherrschaft eine überraschend komplexe panhellenische Ebene auf zumindest überwiegend religiöser Grundlage: Die Eleer ernennen im 5. Jahrhundert Betreuer ihrer Festgesandten, verfügen über privilegierte Auslandsgemeinden in der griechischen Welt undpflegen doppelte Staatsbürgerschaften.

6 Perlman (2000), 18f.; 63. 7 Siewert (2002b), 366. 8 Vgl. den elischen Staatsheros „Sosi-polis“, Paus. 6,20,2– 5; 6,25,4.

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2. Elische Urteile über Boioter, Thessaler, Athen undThespiai Auf einem Bronzeblech findet sich der folgende, 1981 edierte Text:9

έα ]φ ςvac. ρ[α )γ (γ ο ρ ρ ύ ·Π ς ιό Δ α μ λ α γ Ἄ vκ α ὶΧα ρ ίξ εν ο ςκ α ὶτ ο ὶμ α σ ρ τ ο ὶvac.

ρ ο )τ ν δ ς νΒ ο α ο (τ ιο έν τ νΜ ο α ιςτ ]α ὶρδίκ α τ ὶρκὰ 4 κ ]Ἀ ρ ισ τ ό λ ο χ ο α ν α ίο , vac. ςτ ο ν ῖρἈθ ςἐδικα α τ ξ ά )Θ εσ ὐ να π ιέσ ὐ τ ὸ α ο ν σ ινκ ὶτ ῖρσ ς ο νκ α ὶτο ]π έγ ὶ(ρ ἀ μ ]ὲδικ ν α ν ο α λ εσ ίο νΘ ο ὸτ π ἀ ,κ εν μ ᾶ τ σ ςδικα ]π ἀ εδ ίκ α . vacat. ξ ν α Besitz des Zeus. Der Schreiber (?) Pyrrhon und „ Charixenos unddie Mastroi entschieden, daß die Urteile, die Menandros undAristolochos gegen die Boioter zugunsten der Athener gefällt hatten, zugunsten sowohl der Thespier wie ihrer Mitglieder nicht rechtmäßig gefällt worden waren, undlösten sie vondenThessalern (d.i.: sie hoben deren Verurteilung zurEntschädigung Thespiais auf).“ Dialekt undSchrift, die sich ins zweite Viertel des 5. Jahrhunderts datieren läßt, sind elisch. Der komplizierte Sachverhalt ließ sich in folgender Weise verständlich machen: Boioter und Thessaler beteiligten sich 480 am Xerxeszug undan denKriegshandlungen in Mittelgriechenland undAttika. Wahrscheinlich auf der Olympiade von 476 wurden sie von den Hellanodiken Menandros und Aristolochos zu Entschädigungszahlungen an das zerstörte Athen undThespiai verurteilt, sei es wegen des Bruchs der Waffenruhe zur Zeit der Olympien im Sommer von 480, oder sei es wegen Bruchs des 481 vereinbarten innergriechischen Friedens der antipersischen Kampfgemeinschaft. Hier scheint ein Revisionsurteil der elischen Rechenschaftsbehörde der Mastroi vorzuliegen, das die Thessaler vonderZahlungspflicht gegenüber Thespiai freispricht. Zunächst fällt wieder die panhellenische Identitätsebene ins Auge. Mit dem Urteil über vier griechische Staaten exemplifiziert sich die wörtliche Bedeutung des Begriffs des „Hellenenrichters“, des „Hellanodiken“. Es handelt sich nur nicht umagonale Verstöße einzelner Athleten, sondern umDelikte, die militärische Gemeinschaften begingen, und über die Hellanodiken zumindest im Fall von Ekecheirie-Verletzungen eine vonZeus abzuleitende Kompetenz ausübten. Mankönnte sie internationale Sakralgerichtsbarkeit nennen, die–auch imFalle Delphis –eine ausführlichere Untersuchung verdiente. In „Athener undThespier“sind Bürger zweier Poleis genannt undmit„BoioThessaler“gemeinsam agierende Ethne, die mehrere Poleis umfaßter“und „ ten.10

9 Siewert (1981). 10Ob diese ethnos- oder landschaftsbezogenen Verbände um 480 als Stamm- oder als Bundesstaaten zu verstehen sind, läßt die Inschrift nicht erkennen.

Kultische undpolitische Organisationsformen im frühen Olympia

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εσ π Besonders eigenartig ist die Staatsbezeichnung der Θ ιε ὶο ῖςκ α ἱσ ν ὺ ή εσ ιςerα σ π ει κ ιε α ῖςσ ρ ὶΘ ίβ ὐ τ νΕ α ὐ ὺ τ ο ῖς , die in Hell. Oxyrh. 16,3 als Θ scheint undnach demdaneben genannten parallelen undbenachbarten Beispiel von Plataiai (κ α ὶΣ ρ κ ῶ ώ νκ φ λ ο α ῶ νκ υκ ὶ Ἐρυθ α α ὶΣ κ α ὶτ ίω ν ρ ῶ νἄλ λ νχω ω μ ὲ ) als ‚Schwundstufe‘ ν μ ἐκ τ π έν είν ο ις[= Plataier] συμ ο ω ν ευ ιτ ῶ ο ν λ ο ρ ν ό τ ερ π einer Sympolitie zu verstehen ist. Diese Bezeichnung charakterisiert denProzeß einer archaischen Polis-Expansion durch eine anscheinend föderative Angliederung kleinerer Nachbarorte. Da boiotische Sieger der vorhellenistischen Zeit in der Olympionikenliste nach ihren Heimatstädten, nicht nach demEthnos aufgezeichnet wurden11, ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß ein Grieche in Olympia je nach Art seines Auftretens zwei verschiedenen Identitätsgruppen angehörte. Als individueller Athlet in denAgonen repräsentierte er überwiegend seine Heimatpolis, als Soldat im Heer eines Ethnos galt er als dessen Angehöriger. Demnach könnte manvoneiner unterschiedlichen agonistischen undmilitärischen Identität der gleichen Person sprechen.

3. Privilegien für Olympiabesucher aus Übersee Ein ca. um500 entstandenes Dokument auf einer Bronzetafel führt uns in einen ebenfalls bisher unbekannten, nun aber friedlichen Bereich des panhellenischen Heiligtums. Der fragmentarische undz. T. schwer lesbare Text lautet:12

̣

̣ ̣

[----------------- Ẹ I ---------------- K I [ -------------------̣ [----- ̣ N ἐξ D U α ὶTOṆ [ ------[------̣ κ ̣ ἰαρ ο Δ....̣ [-- ------------------] ςπ [ο ̣ -] ̣ σ(θ ---)α ικα [ ε λ α ν [ι]̣ ρ ἴτ ιςἄλ( λ)ο έ ο γ έν ο ιτ ςδια ρ ]Ϝ α ἀ ---] ---] -]εἈ 4 [Ν ὲνἐ ὄ Α Ρ ιμ ο [------------ -] ιτ ά ρ δ α κ σ ὲτονΑ ὲρδ ]π -------᾽πἐπ [ β υ μ ν ε ρ ε τ κ ε Λ ο α ρ θ ά ὶ ί α π ι δ ς κ α Ἐ ὶ Κ κ ς ] ε ν ἐπ ἔ ̣ [---------- -] ---᾽ [--------------- --------] ρ ίτ αμόλ̣ οι α ρ Ν ο μ είο ιἐντἰα ιςσ θ τ α ἰδ έτ -------[------ τ ᾽ιΕ ·ο [ μ ά γ α λ τ μ μ εςπ ὰ νἀ ]̣ ο ρ χ ι---- ] -------] ο ς[κἀ τ ν , ὀν ο π ο τ ίν εδα τ έν ᾽ --] ---] 8 [- τ νκἀ μ ὰ ρ ] ξεν χ ν ν εο α , δα ὸ π ο τ ίν ο ι. vacat ------᾽ -᾽ [„ wennjemand] ausdemHeiligtum [etwas wegnimmt oder weggeht ---] -[--------------------------------------------------------------------------------------] vollständig aufzuteilen (?) und wenn ein anderer hinzukommt [4 [- ] über die Schäden (?): alle die diesseits vonAkra[-- sind ---------] [- -]die unterhalb von Epidamnos (sind) und die (Griechen) Libyens und die -------------------] -Kreter undauch die [- wohnen] --zum dritten Mal (?) kommt. Wenn jemand im Heiligtum [- wenn einer

8

einen Standplatz einrichtet [--]eines] derWeihgeschenke (schädigen), mußderHirte fünf [- die Tiere (?) Drachmen [als Strafe zahlen----] -[- wenneiner (oder: dieTiere) das] Gästehaus (schädigen), mußer (der Täter ---] oder der Hirte) eine Drachme zahlen.“vacat

11Moretti (1957), 196f. s. v. Beozia. 12Inv. Nr. B 6077; Text vorläufig ediert von Siewert (2002a).

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Erkennbar sind besondere Regelungen für Besucher, die nicht ausdemMutterland kommen, sondern von der Adriaküste bis Epidamnos, der nördlichsten griechischen Apoikie dieser Küste, undaus Kreta undLibyen, d.h. aus Kyrene unddenbenachbarten griechischen Kolonien. Die geographischen Bezeichnungen „Kreter undLibyer“und„unterhalb vonEpidamnos“scheinen –ähnlich der großen Theorodokenliste von Delphi13 –sich an den üblichen Seerouten zu orientieren14. Für Tiere, seien es Rennpferde für die Agone oder eher Opfertiere für das Zeusfest, werden anscheinend Standplätze, die wohl auch der Weide dienten, im Heiligtum vorgesehen undStrafsummen für Schädigung oder Verschmutzung von Weihgeschenken und Gästehaus festgesetzt.15 Im Hinblick auf Identitätsebenen bezeichnet derBegriff „ Libyer“hier, wieauch in anderen Zeugnissen, diedort siedelnden Hellenen ohne Differenzierung in Bürger vonKyrene, Barke, Taucheira u.a.,16 während vor allem historisch-geographische Experten Kreter“ , dieausBürgern damit dieEinheimischen desLandes benennen17. Auch„ vieler Städte bestehen, ist wie „ Libyer“ein rein geographischer, kein politischer Begriff, vergleichbar mit der Epoikie „ in Euboia“der eingangs behandelten Inschrift. Wenn es nicht wie bei den Strafurteilen gegen Boioter undThessaler umAktionen politisch-militärischer Gemeinschaften ging, hat die Tempelbürokratie Olympias die griechische Welt anscheinend nach geographischen Gesichtspunkten eingeteilt, wobei die Schifffahrtsrouten die Abfolge vorgaben. Die Urkunde scheint Aufenthaltserleichterungen fürBesucher ausdenRandgebieten derhellenischen Welt zupropagieren, wasin einem –noch ungeklärten –Verhältnis zu den ganz überwiegend von Überseegriechen errichteten Schatzhäusern Olympias stehen dürfte. Das in der Inschrift genannte Epidamnos hatte Das wohl in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts ein Schatzhaus errichtet:18 „ Schatzhaus derLibyer in Kyrene“ , dasmangels Architekturresten nicht datierbar ist, erinnert sogar im Ausdruck an die unscharfe Bezeichnung „ Libyer“in der Inschrift.19 Aus Übersee stammen ferner die Schatzhäuser aus Syrakus, Gela, Selinus, Sybaris, Metapont, Sybaris undByzanz, ausdemMutterland jene zwei von Sikyon undMegara.20

13Ediert vonPlassart (1921). 14Siewert (2002a), 69f. 15Über denAufenthalt vonTieren undBesuchern in Heiligtümern Dillon (1997). 16Z. B. Soph. El. 702; 727; Paus. 6,13,7; 6,18,1; 6,14,10. Vgl. Zimmermann (1999a), 135– 159; 189f.; 201. 137; 157– 17 Hekataios FGrHist 1 F 346; 357; Hdt. 4,186,1; 7,70f.; 7,165; Thuk. 1,104,1; vgl. Zimmermann (1999b), 151. 18Paus. 6,19,8; Herrmann (1992), 29. 19Paus. 6,19,10: Λ ιβ ύ ω νἐσ τ ὶτ η ῶ σ νἐ α ῃθ ρ ή υ ν ό νΚ ρ υ ς ; Herrmann (1992),

haus VIII 26; 30.

20Paus. 6,19; Herrmann (1992), 25– 32.

29; zu Schatz-

Kultische undpolitische Organisationsformen

imfrühen Olympia

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4. Vorschriften für olympische Ringkämpfer Im letzten Viertel des 6. Jahrhunderts v. Chr. wurden in Olympia ausführliche Regeln für den Ringkampf aufgezeichnet, von deren Text ein unvollständiger Teil auf einer Bronzetafel erhalten blieb, den Joachim Ebert undder Verfasser unlängst veröffentlichten.21 κ ο λ -] γ Ϝ α ν ὔ α ο[-- ο τ ε ὰ τ κ ν υ α ισ ο ὔ λ ο ἒν α τ α δ ά Ὀ λ εκ α ὲπ δ α ν[ λ ὰ κ εφ -] νκ α τ ὰ ο λ ὰ ὶμ ὲρπ τ ιτ α α ὀδια νκ ίο α ιπ δ ο ά -------------τ [τ α ι -ν εσ έο σ χ α ιὐπ ο τ α ὶτού ισ ν ικ έο τ α ο ε ςἐν τ ερ ν ια ------------------------------------------] 4 ντὈ λ ρ Ϝ ια κ ν π χ ύ α ἂ λ ε νἀ είο ν α νἐ νκ ο ὶτού ν τ ο ικ ιμ ξ ιό α ρ δ ν ο ὔ τἄ -] κ α ---᾽ ᾽ ὔκ ) ἄ α Ϝ ειδ ὸ ὲ ν ςνα ·α ἰμ [ιν (ο π ο α ῖκ α ν υ εγ τ -] ὔ ία ςο ν >χ μ . Κ