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German Pages 305 [306] Year 2020
Studien und Texte zu Antike und Christentum Studies and Texts in Antiquity and Christianity Herausgeber/Editors Christoph Markschies (Berlin) · Martin Wallraff (München) Christian Wildberg (Pittsburgh) Beirat/Advisory Board Peter Brown (Princeton) · Susanna Elm (Berkeley) Johannes Hahn (Münster) · Emanuela Prinzivalli (Rom) Jörg Rüpke (Erfurt)
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Wolfgang Häfele
Krankheit und ihre Behandlung Studien zu Sophronios von Jerusalems Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
Mohr Siebeck
Wolfgang Häfele, geboren 1985; 2005–11 Studium der Ev. Theologie und Philosophie; 2012–14 Promotionsstipendium im Graduiertenkolleg „Medicine of the Mind, Philosophy of the Body“ der Alexander-von-Humboldt-Stiftung; 2014–16 Vikariat in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz; seit 2017 Pfarrer in Berlin.
ISBN 978-3-16-159192-1 / eISBN 978-3-16-159193-8 DOI 10.1628 / 978-3-16-159193-8 ISSN 1436-3003 / eISSN 2568-7433 (Studien und Texte zu Antike und Christentum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2020 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp und Göbel in Gomaringen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.
Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Frühjahr 2018 von der Sprach- und literaturwissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertationsschrift angenommen. Nach der Verteidigung im November 2018 habe ich sie für die Veröffentlichung leicht überarbeitet. Mein Dank gebührt meinen beiden Doktorvätern Prof. Dr. Philip van der Eijk und Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Christoph Markschies für ihre Anregungen, ihre Fragen, ihre Begeisterung, ihre Beharrlichkeit, Unterstützung und Geduld. Jenseits des von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung geförderten und von Prof. Dr. Philip van der Eijk geleiteten Projektes Philosophy of the Body, Medicine of the Mind. Discourses of Health and Well-Being in the Ancient World wäre diese Untersuchung nicht möglich gewesen. An dieser Stelle danke ich deshalb stellvertretend für all jene, die an diesem Projekt mitgearbeitet haben, Dr. Oliver Overwien und Dr. Orly Lewis für Montagskolloquium und Lektürekurs, anregende Diskussionen über Disziplinengrenzen hinweg und so manche Tasse Kaffee. Der Alexander-von-Humboldt-Stiftung danke ich für das Promotionsstipendium, das sie mir gewährt hat, und den Herausgebern der Reihe Studien für Antike und Christentum für die Aufnahme dieser Untersuchung. Corinna Zisselsberger, Stefanie Rabe und Benita Ross danke ich für ihre Anmerkungen zu Vorstudien und dafür, dass sie die letzte Fassung der Arbeit so gründlich Korrektur gelesen haben. Mit der Veröffentlichung dieser Studie endet ein langer, so anstrengender wie bereichernder Weg. Neues beginnt. Ich danke den Menschen, die diesen Weg mit mir gegangen sind und, manchmal ohne es zu ahnen, zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben – ganz besonders meiner Frau Benita Ross. Und ich freue mich auf die Wege, die vor uns liegen. Berlin, im Oktober 2019
Wolfgang Häfele
Inhaltsverzeichnis Vorwort ...................................................................................................... V 1
Einleitung ........................................................................................... 1
1.1 Was ist Inkubation? ............................................................................... 1 1.2 Sophronios und die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes .............. 2 1.3 Die Erforschung der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes ............ 5 1.4 Forschungen zum Verhältnis von Medizin und Christentum ................... 9 1.4.1 Tendenzen der neueren Forschung .............................................. 9 1.4.2 Transformationen der antiken Medizin in der Spätantike ...........10 1.4.3 Antike Medizin und Christentum ...............................................12 1.5 Fragestellung und Gliederung der vorliegenden Untersuchung ............14
2
Annäherung an die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes: Kommentar des mir. 1 ................................................15
2.1 Einbettung in den Kontext .....................................................................15 2.2 Inhaltsangabe .......................................................................................16 2.3 Text und Übersetzung ...........................................................................17 2.4 Kommentar ...........................................................................................24 2.5 Zusammenfassung und Ausblick ............................................................50
VIII
3
Inhaltsverzeichnis
Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden......53
3.1 Forschungsstand ...................................................................................55 3.2 Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes ...............................................................................................57 3.2.1 Zu den Begrifflichkeiten ............................................................57 3.2.2 Tabellarisches Inventar ..............................................................60 3.3 Inszenierungen von Krankheit und Leiden .......................................... 100 3.3.1 Häufigkeit und Verteilung von Krankheiten und Leiden .......... 100 3.3.2 Leiden beschreiben I: Namen ................................................... 101 3.3.3 Leiden beschreiben II: Wiederkehrende Motive ....................... 101 3.4 Wie entstehen Krankheiten und Leiden? .............................................104 3.4.1 Der Regelfall: Natürliche Ursachen .......................................... 106 3.4.1.1 Welche Leiden sind natürlich verursacht? ................... 106 3.4.1.2 Ausgewählte Beispiele ................................................ 109 3.4.2 Exkurs: Krankheiten und Leiden der Seele ............................... 113 3.4.3 Eingedrungene Lebewesen als Leidensursache......................... 117 3.4.3.1 Versehentlich verschluckte Tiere................................. 118 3.4.3.2 Fliegen, Tausendfüßler und Würmer ...........................120 3.4.4 Nicht natürliche Leidensursachen ............................................. 121 3.4.4.1 Gott und die Märtyrerheiligen ..................................... 121 3.4.4.2 Zauberei und Giftmischerei ......................................... 123 3.4.4.3 Teufel und Dämonen ................................................... 125 3.4.5 Wie entstehen Krankheiten und Leiden? Ein Fazit ................... 136
4
Die Ärzte und die ärztliche Behandlung .................................. 139
4.1 Zu den Begrifflichkeiten: ἰατρός κτλ. ................................................... 141 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6
Überblick .................................................................................141 Singularbelege von ἰατρός κτλ. ................................................ 142 Pluralbelege von ἰατρός κτλ. .................................................... 144 Exkurs: Hippokrates, Galen und Demokrit ............................... 146 Berichte ohne Nennung von Ärzten .......................................... 148 Zusammenfassung .................................................................... 150
Inhaltsverzeichnis
IX
4.2 Das Auftreten und Wirken von Ärzten ................................................. 150 4.2.1 Die äußeren Umstände des ärztlichen Auftretens ..................... 151 4.2.2 Die ärztliche Behandlung ......................................................... 155 4.2.3 Versagen die Ärzte? ................................................................. 159 4.3 Über Gesios, den Iatrosophisten (mir. 30) .......................................... 163 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5
Einbettung in den Kontext ........................................................ 163 Inhaltsangabe ........................................................................... 163 Text und Übersetzung .............................................................. 164 Kommentar .............................................................................. 173 Zusammenfassung .................................................................... 201
4.4 Die Ärzte, Gott und die Märtyrer ........................................................ 202 4.4.1 Rückblick ................................................................................. 202 4.4.2 Die Ärzte und die Märtyrer ...................................................... 203 4.4.3 Die Märtyrer als ὄντως ἰατροί ..................................................211
5
Gedeutete Krankheit ..................................................................... 219
5.1 Krankheit und Häresie ........................................................................ 220 5.1.1 Die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes als „panorama des erreurs religieuses du temps“ (Gascou)......................... 220 5.1.2 Häretiker in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes ... 223 5.2 Über Johannes, den Subdiakon, der Leukome in beiden Augen hatte (mir. 37) ..................................................................................... 227 5.2.1 Inhaltsangabe ........................................................................... 227 5.2.2 Text und Übersetzung .............................................................. 228 5.2.3 Kommentar .............................................................................. 234 5.3 Über Stephanos, der ebenfalls in den Augen Leukome hatte (mir. 38) ..............................................................................................249 5.4 Über Elias, den Aussätzigen (mir. 13) ................................................. 254 5.4.1 Inhaltsangabe ........................................................................... 254 5.4.2 Text und Übersetzung .............................................................. 255 5.4.3 Kommentar .............................................................................. 259 5.5 Zusammenfassung ............................................................................... 270
X
6
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung ......................................................................... 273
Literaturverzeichnis.............................................................................. 279 Quellen und Übersetzungen ........................................................................ 279 Hilfsmittel................................................................................................... 281 Sekundärliteratur ....................................................................................... 281
Register der Personen, Orte und Sachen ......................................... 291
1
Einleitung
Kapitel 1
Einleitung 1.1 Was ist Inkubation? Was ist Inkubation Die antike Praktik, eine Traumerscheinung dadurch zu begünstigen, dass die betreffende Person an einem bestimmten Ort schläft, wird als Inkubation bezeichnet.1 Besondere Bedeutung erlangte diese Kultpraktik in den Heiligtümern des Asklepios, dem in der Antike vor allem die Fähigkeit zugeschrieben wurde, Kranke zu heilen: Seit dem fünften Jahrhundert v. Chr. erfreute sich sein Kult besonderer Beliebtheit. Davon zeugt nicht nur die prominente Lage des Asklepieions am Hang der Athener Akropolis. Der Asklepioskult breitete sich in der Folge auch über die gesamte bewohnte Welt aus.2 Auch in anderen Kulten wurde die Inkubation praktiziert: Im ägyptischen Kult der Isis, der ebenfalls heilende Kräfte zugesprochen wurden, scheint sie „geläufige Praxis“3 gewesen zu sein. Auf lange Sicht bedeutete der Siegeszug des Christentums zwar das Ende der paganen Heilkulte, nicht aber der Inkubation. Das Christentum macht sie sich zu eigen. In der Analyse dieses Aneignungsprozesses erweisen sich die in den Jahren 2005 bis 2016 im Berliner Sonderforschungsbereich 644 Transformationen der Antike entfalteten Begriffe der Transformation und der Allelopoiese als ausgesprochen hilfreich.4 Das Teilprojekt Heil und Heilung hatte gar die Christianisierung der Inkubation als Testfall für eine innerantike Transformation zum Gegenstand.5 In jedem Fall treten nun christliche Heilige, Märtyrer oder Engel in Konkurrenz zu paganen Gottheiten, denn auch sie erscheinen an ihren heiligen Orten im Traum und veranlassen im günstigsten 1
Einen ersten Überblick über das Phänomen bietet WACHT, Art. Inkubation, 179–265. WICKKISER (Asklepios, 1–110) führt diesen Erfolg auf zwei Gründe zurück: Zum einen lag den Athenern daran, im Peleponnesischen Krieg die Bande mit Epidauros zu festigen, dessen Asklepieion sich schon damals großer Berühmtheit erfreute. Zum anderen hätten es „hippokratische“ Ärzte abgelehnt, hoffnungslose Fälle zu behandeln. 3 WACHT, Art. Inkubation, 204. 4 Vgl. BÖHME, Einladung, 7–37; BERGEMANN u.a., Transformation, 39–56. 5 Einen ersten Überblick vermitteln die in der ZAC 1/2013 erschienenen Beiträge zur Tagung „Inkubation – Heilung im Schlaf. Heidnischer Kult und christliche Praxis“ sowie MARKSCHIES, Gesund werden, 187–216. 2
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Kapitel 1: Einleitung
Fall die Heilung. Von diesen Heilungen zeugen die Berichte, die in die Inkubationswundersammlungen Einzug gefunden haben. Die bekanntesten dieser Sammlungen sind – neben den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes – die Wunder der Heiligen Kosmas und Damian, der Heiligen Thekla und des Heiligen Artemios.6 Auch materiell haben diese Heilkulte Spuren hinterlassen – nur eben leider nie an den Orten, an denen sich die Transformation eines Heilkultes mit Hilfe von Texten gut nachvollziehen lässt, und umgekehrt.7 Dies erschwert die Rekonstruktion des Transformationsprozesses auch am Wirkort der Heiligen Kyros und Johannes, an dem sich ein Isis-Heiligtum befand.
1.2 Sophronios und die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes Sophronios und die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes In einer Hinsicht heben sich die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes deutlich von den übrigen Inkubationswundersammlungen ab: Sie sind die Schöpfung eines einzigen Autors, der noch dazu historisch greifbar ist.8 Sophronios von Jerusalem, ihr Autor, wird um 550 in Damaskus geboren. Dort studiert er und lehrt Rhetorik. Ende der 570er Jahre besucht Sophronios dann das Heilige Land. Dort lernt er Johannes Moschos kennen, mit dem er bis zu dessen Tod 619 befreundet sein und zahlreiche Reisen unternehmen wird. Diese Reisen bilden die Grundlage für Johannes Moschos’ Pratum spirituale. Ihre erste gemeinsame Reise führt sie um 578 nach Ägypten. Erst nach ihrer Rückkehr wird Sophronios Mönch und tritt in das TheodosiosKloster in Bethlehem ein. Es folgen weitere gemeinsame Reisen auf dem Sinai, in Palästina und schließlich erneut nach Ägypten.9 Während dieses zweiten Aufenthalts in Ägypten, zwischen 610 und 614, verfasst Sophronios dann aller Wahrscheinlichkeit nach die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes: Wie sich mirabile (= mir.) 8,2 entnehmen lässt, hat der seit 610 regierende Johannes der Mildtätige Eulogios nämlich bereits als Patriarch abgelöst. Doch erwähnt
6 Einen Überblick über diese Sammlungen bieten noch immer DELEHAYE, Recueils antiques, 19–32, und ders., Hagiographie, 51–68, sowie WACHT, Art. Inkubation, bes. 230– 263. 7 MARKSCHIES, Gesund werden, 198. 8 Zu Leben und Werk vgl. ausführlich SCHÖNBORN, Sophrone, und ALLEN, Sophronius, 15–23. Zur Beziehung von Sophronios und Johannes Moschos s. CHADWICK, John Moschus, 41–74. 9 SCHÖNBORN, Sophrone, 54–64; ALLEN, Sophronius, 16–18.
1.2. Sophronios und die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes
3
Sophronios die Einnahme Alexandriens durch die Perser im Jahre 614 noch mit keinem Wort, sodass 614 als terminus ante quem anzusehen ist.10 In Ägypten erblindet Sophronios, wie er in mir. 70 darlegt. Er sucht daraufhin die Heiligen Kyros und Johannes auf, die ihn auch heilen. Die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes verfasst er, wie er schreibt, aus Dankbarkeit, dass sie ihn von einem Augenleiden erlösten. Daneben klingen in den Berichten zumindest zwei weitere Motive an, die Sophronios zur Abfassung der Wundersammlung veranlasst haben dürften: Zum einen wirbt Sophronios für den Kult der Heiligen Kyros und Johannes, indem er ihre Bedeutung herausstreicht, ihre Bereitschaft und Fähigkeit, zu heilen. Das Isis-Heiligtum ist dann bereits Geschichte.11 Nun sind es in erster Linie christliche Strömungen und die von ihnen verehrten Heiligen, die in Konkurrenz zueinander treten.12 Deshalb propagiert Sophronios zum anderen auch die Beschlüsse des Konzils von Chalkedon, die sich die Heiligen Kyros und Johannes, wie er es darstellt, zu eigen gemacht haben und die in Ägypten in besonderer Weise umstritten waren. Während Sophronios als Verfechter der Lehre von den zwei Willen und Wirkweisen in Christus und als Patriarch von Jerusalem, der er von Anfang 634 bis zu seinem Tod im März 639 war, in die Geschichte eingegangen ist, blieben die beiden Ansinnen, die er mit den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes verfolgt hat, weitgehend ohne Erfolg. Den Heiligen Kyros und Johannes ist ein in erster Linie literarisches Nachleben in griechischer und lateinischer Sprache beschieden. In der koptischen Hagiographie hingegen haben sie kaum Spuren hinterlassen.13 Die Überreste des Heiligtums wurden bis heute nicht gefunden und auch sonst sind keine materiellen Hinterlassenschaften der beiden Heiligen in Ägypten bekannt.14 Der Schluss liegt also 10
Vgl. SCHÖNBORN, Sophrone, 64–71. Γραφῆς γὰρ καὶ τὰ κατ᾿ αὐτὸν καθέστηκεν ἄξια, καὶ οὐ ψάμμου καὶ λήθης σκεπάσματος· ὡς Μενουθῆς τὸ δαιμόνιον, καὶ ταύτης αἱ τελεταὶ καὶ βωμοὶ καὶ τὸ τέμενος, ὧν ὠφέλιμος μὲν ἡ λήθη καθέστηκεν, καὶ διὰ τοῦτο τοῖς μάρτυσι πέπρακται. Ἐπιβλαβὴς δὲ λίαν ἡ θέα τοῖς βλέπουσιν, καὶ διὰ τοῦτο ψάμμῳ θαλλατίᾳ καλύπτεται, ἀναιρούσῃ παντελῶς αὐτῆς τὸ μνημόσυνον, καὶ δημιουργούσῃ τὴν τῶν οὐ θεωμένων ὠφέλειαν (66,1,2–8 [385f FM]). Vgl. auch Sophr. H. Protheoria 23–29. 12 Nachdem ihn die Märtyrerheiligen unbesucht lassen, will Elias den Heiligen Metras aufsuchen (mir. 13,4). In mir. 30,13f etabliert Sophronios die Gleichrangigkeit von Kosmas und Damian und Kyros und Johannes, indem er auf Christus als die gemeinsame Quelle ihrer Heilmittel (ἰάματα) verweist. Ein Kommentar beider Berichte findet sich in Kap. 4.3 bzw. Kap. 5.4. 13 MONTSERRAT, Pilgrimage, 257f; PAPACONSTANTINOU, Culte, 135, sowie zum archäologischen Befund ausführlich: STOLZ, Kanopos, 193–207. 14 MARAVAL, Lieux saints, 317–319; MONTSERRAT, Pilgrimage, 257; PAPACONSTANTINOU, Culte, 136. 11
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Kapitel 1: Einleitung
nahe, dass Sophronios die Bedeutung der beiden Märtyrerheiligen insgesamt übertreibt.15 Ihr Kult scheint sich allein bei der pro-chalkedonensisch orientierten Oberschicht Alexandriens einer gewissen Beliebtheit erfreut zu haben.16 Bei der Zusammenstellung der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes konnte Sophronios auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Er kennt den Kultort. Daneben dienten ihm sicher auch Inschriften, Ex-Voto-Tafeln oder Bilder und vor allem Gespräche mit Hilfesuchenden oder dort Beschäftigten als Informationsquellen.17 So erfahren wir zum Beispiel, dass die Heilung des Phonteinos in der Nähe des Grabes der Märtyrerheiligen bildlich dargestellt war.18 In mir. 69,8 zitiert Sophronios das Graffito, das der blinde Johannes nach seiner Heilung dort hinterlassen hat.19 Zudem scheinen regelmäßig Objekte, die mit den Heilungen in Verbindung stehen, neben ihrem Grab ausgestellt worden zu sein: Sophronios erwähnt die von Ammonios’ Hals abgefallenen χοιράδες20 und auch den Stein von der Größe eines Eis, der das Leiden der anonym bleibenden Frau verursacht.21 All dieses Material ist, wie Csperegi festhält, bereits mit Heilungsgeschichten verbunden,22 auf die Sophronios bei der Abfassung der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes zurückgreifen kann.
15
PAPACONSTANTINOU, Culte, 136. „The apparent preponderance of Alexandrian pilgrims, an appreciable number of whom were rich or otherwise socially prominent, may suggest that an important constituency of the shrine was among the Chalcedonian élite of Alexandria, whether or not native-born“ (MONTSERRAT, Pilgrimage, 276). 17 Vgl. FERNANDEZ MARCOS, Thaumata, 169–173; CSEPREGI, Compositional History, 129–132. 18 Νεμεσίων δὲ τάχα μὴ βλαβεὶς ἐκ τοῦ θαύματος, μέρος τι τοῦ τοίχου πλησίον τοῦ μνήματος μαρμάροις ἐκόσμησεν, Χριστὸν ἐν ταύταις καὶ Ἰωάννην τὸν Βαπτιστήν τε καὶ πρόδρομον καὶ Κῦρον τυπώσας τὸν μάρτυρα, καὶ ἑαυτὸν τὴν ἐπὶ τούτῳ χάριν κηρύττοντα (28,12,4–7 [297f FM]). 19 Ἐγὼ Ἰωάννης, πόλεως τῆς μεγίστης Ῥώμης ὁρμώμενος, τυφλὸς ὀκτὼ χρόνους γενόμενος, ἐνθάδε διὰ τῆς τῶν ἁγίων Κύρου καὶ Ἰωάννου δυνάμεως προσκαρτερήσας ἀνέβλεψα (69,8,4–7 [393 FM]). GASCOU bezweifelt mit Verweis auf die Sophronios eigenen Klauseln, dass diese Inschrift in dieser Form authentisch ist (Sophrone, 218 Anm. 1294). 20 ἃς (sc. τὰς χοιράδες) οἱ τότε τῷ νεῷ διακονούμενοι ἐπὶ πολλὰς ἡμέρας πρὸ τοῦ τῶν ἁγίων ᾐώρησαν μνήματος (1,9,5f [245 FM]). 21 Λίθος οὗτος ἐτύγχανεν ὠοῦ μεγάλου φέρων τὸ μέγεθος καὶ πάντας ἐκπλήττων ὁρώμενος, ὃν καὶ πρὸ τῆς τῶν ἁγίων θήκης ᾐώρησεν, ἐπ᾿ ἔτεσι πλείοσι φαίνεσθαι πρὸς μνήμην τοῦ θαύματος, καὶ τῶν δεδρακότων ἀνύμνησιν (48,9,1–4 [357 FM]). 22 CSEPREGI, Compositional History, 129. Sie führt auch die eben genannten Beispiele aus mir. 28, 48 und 69 an. 16
1.3. Die Erforschung der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes
5
Auf den ersten Blick wirkt der Text vielleicht noch wie eine Sammlung von 70 nur lose miteinander verbundenen Berichten. Das Gegenteil ist der Fall: Die Berichtssammlung ist plan- und absichtsvoll gestaltet. Dies zeigt sich unter anderem in der klaren, immer wieder auch reflektierten und kommentierten Struktur des Werkes. Einzelne Berichte beziehen sich immer wieder aufeinander.23 Selbst ihre Gesamtzahl ist nicht zufällig gewählt: In dem Vorwort, das Sophronios der Sammlung voranstellt, diskutiert er den besonderen Charakter der Zahlen 7, 10 und eben 70.24 Deshalb habe er auch 70 Berichte zusammengestellt, also „sieben Dekaden oder zehn Heptaden“.25 Die 70 Berichte sind geographisch organisiert: Die ersten 35 Berichte schildern, was Kyros und Johannes „an Alexandrinern“ (εἰς Ἀλεξανδρέας) vollbracht haben sollen. Die nächsten 25 Berichte (mir. 36–59) handeln von „Ägyptern und Libyern“ (ἐπ᾿ Αἰγυπτίοις ... καὶ Λίβυσι) und die letzten 20 (mir. 60–70) von Menschen „von anderswo her“ (ἐξ ἀλλοδαπῆς). Dennoch handeln, wie Montserrat zu Recht bemerkt, über 50 der 70 Berichte von Menschen, die in Ägypten geboren wurden oder leben. Zudem hätten es die, die in Ägypten außerhalb Alexandriens leben, bis zur Anlage der Heiligen Kyros und Johannes in der Regel nicht besonders weit.26
1.3 Die Erforschung der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes Die Erforschung der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes Die vorliegende Studie untersucht, was in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes als Krankheit verstanden und wie sie behandelt wird. Dabei berücksichtigt sie in besonderer Weise, wie sich die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes zur zeitgenössischen Medizin verhalten. Bevor die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung im Einzelnen erläutert und ihre Gliederung entworfen werden kann (Kap. 1.5), erscheint es sinnvoll, einen Blick auf die Forschungsgeschichte zu werfen. Dabei müssen wir uns auf 23
So berichten die mir. 8–10 von dem Verwalter von Kyros’ und Johannes’ Anlage, seiner Frau und seiner Tochter. Die mir. 13–15 sind alphabetisch nach den Namen der jeweiligen Protagonisten geordnet. Wie die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes organisiert sind, untersucht CSEPREGI, Compositional History, 181–187. Sie listet auch die eben genannten Beispiele. 24 Διὰ τοῦτο γὰρ καὶ δεκάδας ἑπτὰ καὶ μόνας θαυμάτων γράψαι προήχθημεν, τὸν ἑπτὰ ἀριθμὸν παρὰ Γραφῇ μυστικὸν, καὶ τὸν δέκα τέλειον βλέποντες· καὶ δι᾿ αὐτῶν παριστᾷν ἀμφότερα τὰ περὶ τὰ σημεῖα δυναμένους, τό τε μυστικόν καὶ τὸ τέλειον (Sophr. H. Protheoria 4,1–6 [4 BRINGEL]). 25 Ὅθεν καὶ ἡμεῖς τῶν ἁγίων ἑβδομήκοντα ταὐτὸν δέ εἰπεῖν δεκάδας μὲν ἑπτὰ, ἑπτάδας δὲ δέκα τῶν θαυμάτων γεγράφαμεν (Sophr. H. Protheoria 6,1–3 [7 BRINGEL]). 26 MONTSERRAT, Pilgrimage, 274f.
6
Kapitel 1: Einleitung
zwei Themenkreise beschränken:27 die Erforschung der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes (in diesem Kapitel) und einige Bemerkungen zum Verhältnis des spätantiken Christentums zur zeitgenössischen Medizin (im folgenden Kapitel 1.4). Zunächst zu den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes: In älteren Untersuchungen treten sie meist im Zusammenspiel mit anderen Inkubationswundersammlungen in Erscheinung. Ihre Autoren arbeiten dann in aller Regel ihre Gemeinsamkeiten heraus und heben die Besonderheiten der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes hervor.28 Dieses mehr oder weniger erklärt komparatistische Ansinnen durchzieht auch die wenigen älteren Einzeluntersuchungen der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes, die sich spezifische Fragestellungen zu beantworten vornehmen.29 In gewisser Hinsicht teilen die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes damit das Schicksal der hagiographischen Literatur insgesamt: Die moderne Forschung interessiert sich für sie in erster Linie „unter dem Gesichtspunkt des historischen Quellenwerts“.30 Sie gelten seit jeher als herausragendes Zeugnis christlicher bzw. christianisierter Inkubation und es ist sicher kein Zufall, dass sich auch die einzige monographische Untersuchung der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes dieses Thema zum Gegenstand gewählt hat. Diese Untersuchung, Natalio Fernández Marcos’ 1975 erschienene Studie Los Thaumata de Sofronio. Contribución al Estudio de la Incubatio Cristiana markierte in der Erforschung der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes gleichwohl einen Wendepunkt, und dies in gleich zwei Hinsichten: Zum einen unterstrich sie die Eigenständigkeit und Bedeutung des Textes, der von nun an vermehrt auch losgelöst von anderen Inkubationswundersammlungen in den Blick geriet. Zum anderen belebte insbesondere die der Untersuchung angefügte Textedition die zwischenzeitlich zum Erliegen gekommene Beschäftigung mit dem Text, und zwar trotz oder vielleicht auch gerade wegen der gegen sie geltend gemachten Vorbehalte.31 27 Die vorliegende Untersuchung berührt zweifellos weitere Themenkreise, deren Erforschung hier nicht in der gleichen Ausführlichkeit dargestellt werden kann. Hierzu gehören die Entwicklung der Inkubation als Kultpraxis und die Geschichte der antiken Medizin. Auf wichtige Arbeiten und relevante Überblickswerke wird zu gegebener Zeit hingewiesen. 28 Hierfür exemplarisch ist DELEHAYE, Recueils antiques, 19–32. 29 Beispielhaft sei hier auf NISSEN, Sophronios-Studien III verwiesen. Auf seine Studie zu „Medizin und Magie bei Sophronios“, so deren Untertitel, kommen insbesondere die Kap. 3 und 4 der vorliegenden Untersuchung zurück. 30 Mit Blick insbesondere auf das hagiographische Schaffen des Leontios von Neapolis beklagt dies bereits RYDÉN, Ueberlegungen, 48. 31 Während FERNÁNDEZ MARCOS’ Studie insgesamt positiv aufgenommen wurde, fiel die Textedition bei der Kritik durch. DARROUZÈS bezeichnet sie als vorläufig (Rez. FM,
1.3. Die Erforschung der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes
7
Fernández Marcos’ Edition („FM“) basiert auf dem Vaticanus Graecus 1607 („C“), dem einzigen Kodex, der die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes vollständig wiedergibt,32 und auf dem Berolinus Graecus 220 („F“), der neben einer Vita der Heiligen Kyros und Johannes eine Auswahl von 15 Berichten enthält, die Textlücken in C zu schließen hilft.33 Angelo Mais 1840 erschienene editio princeps („E“) beruhte noch allein auf C. Diesen Text adaptierte Migne mit einigen nicht gekennzeichneten Änderungen für die Patrologia Graeca (Band 87/3). Er stellt ihm die texttreue und deshalb auch textkritisch wertvolle lateinische Übersetzung des Bonifatius Consiliarius (mir. 1–12) und Athanasius Bibliothecarius (die übrigen mir.) gegenüber.34 Einen weiteren wichtigen Einschnitt markierte die erste vollständige, kommentierte und auch publizierte Übersetzung der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes in eine moderne Sprache: Sie wurde von Jean Gascou im Jahr 2006 vorgelegt.35 Übersetzung und Kommentar gehen weit über die schlichte Aufbereitung des Forschungsstandes hinaus – insbesondere in der Textkritik: Gascou fasst den Stand der textkritischen Erforschung nicht nur zusammen und unterzieht ihn einer kritischen Überprüfung, sondern wertet auch zwei Fernández Marcos noch unbekannte Textzeugen („G“ und „V“) aus, die zwar nur neun bzw. zwei Berichte wiedergeben, dafür aber von herausragender textkritischer Qualität sind.36 Als sehr hilfreich erweisen sich zudem seine Erläuterungen der Realien. Diese erste auch publizierte modernsprachliche Übersetzung scheint die Forschung insbesondere im englischsprachigen Raum angeregt zu haben, sich wieder eingehender mit den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes zu befassen. 262). LACKNER urteilt gar, dass Fernández Marcos „seiner Aufgabe als Editor nicht gewachsen“ sei (Rez. FM, 77). LACKNER schlägt zahlreiche Verbesserungen vor (ebd., 75– 77). Weitere Verbesserungsvorschläge steuern insbesondere DUFFY (Observations, 71–90; Readings, 169–177) und GASCOU (Sophrone, 25–227 Anm. 85–1355) bei. 32 FERNÁNDEZ MARCOS, Thaumata, 231–235, beschreibt den Kodex formal. Ein Inhaltsverzeichnis findet sich in GASCOU, Origines, 5f. 33 Den Kodex, in dem sich die mir. 1–7; 23; 26–27; 41–42; 45–46 und 59 finden, beschreibt FERNÁNDEZ MARCOS, Thaumata, 235–237. 34 FERNÁNDEZ MARCOS, Thaumata, 237f. Bonifatius’ Übersetzung muss zwischen 654 und 704 entstanden sein, die des Athanasius in den Jahren vor 886 (GASCOU, Origines, 6). Vgl. zur Überlieferungsgeschichte auch NEIL, Miracles, 183–193. 35 Die als Dissertation eingereichte kommentierte Übersetzung von DENISE PELTIER (Récit) wurde nicht publiziert. Der Verf. konnte sie nicht einsehen. In FESTUGIÈREs Collections grecques de miracles findet sich eine Auswahl, die mir. 12, 31, 34 und 35, in französischer Übersetzung. Schließlich existiert eine von POLITIS angefertigte Rohübersetzung der gesamten Sammlung ins Deutsche; die ersten Berichte sind als Arbeitsprobe unter www.antikes-christentum.de/de/forschung/heilung/heiligentexte/sophronios (zuletzt abgerufen am 19.3.2018) veröffentlicht. 36 Vgl. GASCOU, Sophrone, 9.
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Kapitel 1: Einleitung
Überblickt man die in jüngerer Zeit erschienenen Arbeiten, so wird deutlich, dass die beiden oben beschriebenen Möglichkeiten des Textzugangs auch weiterhin gewählt werden: Die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes werden als eine von mehreren Inkubationswundersammlungen gelesen und verstanden. Nun wird allerdings meist ein thematischer Textzugang gewählt. So untersucht beispielsweise Béatrice Caseau, welche Gegenstände sich verschiedenen Wundersammlungen zufolge an den jeweiligen Kultorten befinden,37 und Anne-Marie Bernardi die Bedeutung der Träume im Heilungsprozess.38 Auch wie die zeitgenössische Medizin gesehen wird, wird diskutiert.39 Zudem erscheinen in jüngerer Zeit auch vermehrt Spezialuntersuchungen, die sich einzelnen Aspekten des Textes widmen. So untersucht Susan R. Holman, in welcher Weise sich Reiche und Arme in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes einander gegenüberstehen und wie von Kinder erzählt wird.40 Phil Booth wiederum sieht Sophronios’ Werk in erster Linie als Illustration, wie sich die Erlösung der Menschheit vollzieht.41 Aber auch das historische Interese am Phänomen der christlichen (oder christianisierten) Inkubation reißt nicht ab.42 In den letzten Jahren haben sich Jean Gascou und Ildikó Csepregi in besonderer Weise um die Erforschung der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes verdient gemacht. Neben der eben bereits erwähnten französischen Übersetzung der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes hauchte Gascou der Suche nach dem Ursprung des Kultes der beiden Märtyrerheiligen neues Leben ein.43 Zudem entwickelt er die damit verbundene Frage weiter, inwieweit ihre Kultstätte in Konkurrenz zum Isis-Heiligtum in Menouthis getreten ist. Er untersucht nun auch, inwieweit sich in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes innerchristliche Gruppenbildungsprozesse niederschlagen.44 Diese Frage beschäftigt auch Ildikó Csepregi. Überdies untersucht sie, inwieweit sich die Beschreibungen der Traumerscheinungen selbst über die Zeit hinweg verändern.45 Schließlich sei an dieser Stelle auch ihre Dissertati37
CASEAU, Ordinary Objects, 625–654. BERNARDI, Rêve, 123–134. 39 DÉROCHE, L’image, 437–460. 40 HOLMAN, Rich and Poor, 103–124; dies., Children, 143–170. 41 BOOTH, Saints, 52–63; ders., Sophronius, 1–27; ders., Crisis, bes. 69–79. 42 Dieses Phänomen erforschte das Teilprojekt Heil und Heilung des SFB 644 Transformationen der Antike. Vgl. MARKSCHIES, Gesund werden, 62–99. 43 GASCOU, Origines. Vgl. zu dieser nun schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts andauernden, relativ breiten Diskussion die neueren Arbeiten von Peter GROSSMANN (Gündung, 203–212) und Dominic MONTSERRAT (Carrying on, 230–242; Pilgrimage, 257–279). 44 GASCOU, Religion. 45 CSEPREGI, Theological Other, 59–72; dies., Theological Self-Definition, 17–30; dies., Mysteries, 97–130. 38
1.4. Forschungen zum Verhältnis von Medizin und Christentum
9
on erwähnt, in der sie eine kompositionsgeschichtliche Analyse der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes und anderer Inkubationswundersammlungen unternimmt.46
1.4 Forschungen zum Verhältnis von Medizin und Christentum Forschungen zum Verhältnis von Medizin und Christentum 1.4.1 Tendenzen der neueren Forschung Nachdem die Spätantike im Gefolge Edward Gibbons bis in die 1970er Jahre hinein in erster Linie als eine Zeit des Verfalls und Untergangs betrachtet wurde, sind neuere Entwürfe bemüht, sich einer Wertung zunächst zu enthalten. Sie betrachten die Spätantike in erster Linie als eine Zeit der Transformation und des Wandels.47 Dieser Perspektivwechsel ließ das Interesse an der nachgalenischen Medizin von neuem aufkeimen (Kap. 1.4.2) und auch die Frage, wie das spätantike Christentum Krankheit auffasst und mit ihr umgeht, erfreut sich in der jüngeren Forschung durchaus einer gewissen Beliebtheit (Kap. 1.4.3).48 Ein wesentlicher Fortschritt der jüngeren Forschung besteht darin, dass sie ihre eigenen Voraussetzungen in zunehmendem Maße reflektiert. Sie ist zurückhaltender geworden, moderne Konzepte vorschnell auf die Antike zu übertragen. In ihrem Forschungsbericht The State of the Question listen Marx-Wolf und Upson-Saia gleich vier Problemfelder auf, in denen dies virulent wird:49 Zum einen bestehe „selten ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Art und Weise, wie spätantike Texte und moderne medizinische Wissenschaft Körper klassifizieren.“50 Was wir heute als Lepra bezeichnen, unterscheidet sich grundlegend von dem, was in „der“ Antike als Lepra bezeichnet wurde. Zum anderen unterscheiden sich auch die Metaphern, die 46
CSEPREGI, Compositional History. Zu diesem Perspektivwechsel hat Peter BROWNs populärwissenschaftliches Werk The World of Late Antiquity von 1971 sicher in besonderer Weise beigetragen. Inzwischen liegen mehrere Gesamtdarstellungen der Spätantike vor; an dieser Stelle sei nur auf Averil CAMERONs The Mediterranean World in Late Antiquity hingewiesen. Während die zeitliche Abgrenzung der Spätantike immer wieder diskutiert wird, mehren sich in jüngster Zeit aber auch Stimmen, die die einseitige Betonung der kulturellen Kontinuität sowie die Vernachlässigung von ökonomischen und materiellen Gesichtspunkten kritisieren (WARDPERKINS, Fall). 48 Vgl. den kürzlich erschienenen Forschungsbericht von MARX-WOLF und UPSONSAIA (State, 252–272). 49 Vgl. zum Folgenden MARX-WOLF/UPSON-SAIA, State, 266–268. 50 MARX-WOLF/UPSON-SAIA, State, 266 (Orig. engl.). 47
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Kapitel 1: Einleitung
medizinisches Wissen jeweils strukturieren. Zum dritten verengen moderne Konzepte auf die Antike übertragen den Blick für weitere mögliche Deutungen. Schließlich blendet dieses Vorgehen die Bedeutung von sozialen Parametern bei der Krankheitsdiagnose in der Antike aus. Was für die Arbeit an den Quellen gilt, gilt natürlich auch für die Disziplin als ganze: In jüngerer Zeit wird immer deutlicher, dass die Disziplinengrenzen in der Moderne deutlicher, starrer und auch undurchlässiger sind, als dies in der Antike der Fall ist.51 Dies betrifft nun aber nicht nur das Untereinander der Disziplinen, also etwa das Verhältnis von Medizin und Religion, sondern auch die Disziplinen selbst. Jedenfalls handelt es sich bei der griechischrömischen Medizin von vorneherein um ein vielgestaltiges Phänomen, das neben den in erster Linie mit Hippokrates und Galen assoziierten „rationalistischen“ oder „naturalistischen“ Ansätzen zu jeder Zeit auch andere Formen des Umgangs mit Krankheit und Heilung umfasste.52 1.4.2 Transformationen der antiken Medizin in der Spätantike Mit Blick auf die Medizin sind in der Spätantike zwei Entwicklungen von besonderer Bedeutung:53 Zum einen verselbständigt sich das Werk des römischen Arztes Galen (129–216 n. Chr.). Ihm war eine Synthese der dogmatischen und empirischen medizinischen Methode gelungen. Auf den Hippokrates zugeschriebenen Schriften aufbauend etablierte er die sogenannte Humoralpathologie, die Gesundheit und Krankheit in erster Linie als Folge eines Gleich- oder Ungleichgewichts der vier Körpersäfte Blut (αἷμα), Phlegma (φλέγμα), gelbe Galle (χολή ξανθή) und schwarze Galle (χολή μελαίνα) bzw., genauer, ihrer Elementarqualitäten warm, kalt, flüssig und fest, beschreibt. Galens Ideen konnten sich durchsetzen und entwickeln sich in der Spätantike zu einem in sich geschlossenen Theoriegebilde, das andere Entwürfe verdrängt. Vivian Nutton formulierte einmal treffend: „Galen was becoming Galenism.“54 Sein Entwurf wird normativ und prägt die Medizingeschichte bis weit in die Neuzeit hinein. Gegen Ende der Spätantike sind es nicht die Alternativen zu Galen, die diskutiert werden, sondern die Alternativen, wie er zu verstehen ist.55
51
Vgl. MARX-WOLF/UPSON-SAIA, State, 268–270. VAN DER EIJK, Galen, 346–348; ders., Medicine, 23–29. 53 Die Geschichte der antiken Medizin zeichnet NUTTON, Medicine, nach. Zur Spätantike vgl. ebd., 299–317. 54 NUTTON, Medicine, 303. An anderer Stelle (God, bes. 22–24) zeichnet NUTTON nach, weshalb sich Galens Werk auch in der christlichen Spätantike behaupten konnte. 55 NUTTON, Medicine, 299. 52
1.4. Forschungen zum Verhältnis von Medizin und Christentum
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Zum anderen verselbständigen sich Theorie und Praxis in der Spätantike zusehends. 56 Dies ist insofern nicht ohne eine gewisse Ironie, als Galen selbst den Anspruch vertreten hat, dass der beste Arzt zugleich auch Philosoph sein solle. In jedem Fall werden Galens Schriften und die Hippokrates zugeschriebenen Werke von einem Stephanos und anderen ebenso kommentiert wie die Schriften Aristoteles’.57 Ein Teil der Medizin wird damit zu einer Buchwissenschaft, deren Methode, der Kommentar älterer Texte, der der Philosophie oder Theologie ähnelt. Zugleich stellen die Kompendien der sogenannten Enzyklopädisten Oribasios, Aëtios oder Paulos von Aigina das medizinische Wissen der Zeit für den praktischen Gebrauch zusammen und bewahren es auf diese Weise auch vor dem Verderben. Vivian Nutton bezeichnete die Enzyklopädisten deswegen einmal im positiven wie negativen Sinn als „medical refrigerators of antiquity“.58 Ihre Eigenleistung gerät erst in den letzten Jahren in den Blick der modernen Forschung: Their own voice, based on their professional judgement, medical experience and expertise, shines through in their selection and arrangement of material from a very large body of medical literature, and in their subtle re-writing.59
Dieses Auseinanderdriften von medizinischer Wissenschaft und ärztlicher Praxis in der Spätantike begünstigt es offenbar, dass sich der Rahmen dessen weitet, was als medizinisch adäquat angesehen wird oder werden kann.60 Dabei ist allerdings Vorsicht geboten: Die in der Forschungsliteratur immer wieder begegnende Gegenüberstellung einer Schul- und einer Volksmedizin übersieht durch ihre Fokussierung auf den institutionellen Ort, dass auch die sogenannte Volksmedizin einer eigenen Logik folgt.61 Während es – um ein modernes Beispiel zu bemühen – aus schulmedizinischer Sicht mangels Wirkstoff völlig unerheblich ist, welche homöopathischen Kügelchen der Patient schluckt, wird die Homöopathin sehr genau darauf achten, dass es die nach den Regeln ihrer Kunst richtigen sind, die sie ihrem Patienten verschreibt.
56
NUTTON, Galen, 3f. NUTTON, Medicine, 305. Es ist möglich, dass sich Stephanos und Sophronios kannten. In jedem Fall weisen die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes einige Reminiszenzen auf. Vgl. Kap. 3.4.1, S. 113f, Kap. 4, S. 141f, und Kap. 4.2.2, S. 158f. 58 NUTTON, Galen, 2. 59 VAN DER EIJK, Principles, 553. 60 NUTTON, Galen, 8f; PETIT, Alexandrie, 293–313. 61 Vgl. SARASIN, Wissensgeschichte, bes. 164–172. 57
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Kapitel 1: Einleitung
1.4.3 Antike Medizin und Christentum Nach den grundlegenden Arbeiten von Darrel Amundsen und Owsei Temkin62 hat sich in jüngerer Zeit vor allem Gary Ferngren mit seiner Untersuchung Medicine & Health Care in Early Christianity darum verdient gemacht, die Frage zu klären, wie sich das antike Christentum zur Medizin stellt. Dabei zeigt sich, dass sich die Haltung von Christen und Christinnen der Medizin gegenüber nicht grundsätzlich von der unterscheidet, die ihre griechisch-römische Umwelt an den Tag legt.63 Spätantike Christinnen und Christen gehen, wenn sie krank sind, wie selbstverständlich zum Arzt.64 Ihre Haltung der ärztlichen Zunft und ihrem Handwerk gegenüber lässt sich sogar eher als wohlwollend beschreiben. In diese Richtung weist jedenfalls nicht nur das Entstehen der ersten Krankenhäuser in der Mitte des 4. Jahrhunderts,65 sondern auch, dass Christen den Arztberuf jedenfalls nicht unterdurchschnittlich häufig ergreifen.66 Zu Sophronios’ Zeiten wäre ein Arzt, der kein Christ ist, in jedem Fall bemerkenswert. Nicht zuletzt wäre es anders wohl kaum zu erklären, wieso sich christliche Autoren in ihren theologischen Schriften gerne Metaphern aus den Wortfeldern der Krankheit und Heilung bedienen,67 etwa um das Wirken von Jesus (als Arzt) zu umschreiben.68 Nun darf aus dieser zumindest auf den zweiten Blick wohlwollenden Haltung des Christentums der Medizin gegenüber allerdings weder geschlossen werden, dass es sich beim antiken Christentum in erster Linie um eine „Religion der Heilung“69 handelt. Ferngren behält mit seinem Hinweis Recht, dass „Heilung niemals im Mittelpunkt der frühchristlichen Verkündigung stand und immer nur neben der guten Nachricht zum Stehen kam, die die Versöh-
62
Exemplarisch seien hier angeführt die gesammelten Aufsätze AMUNDSENs zum Thema Medicine, Society, and Faith in the Ancient and Medieval Worlds (1996) sowie TEMKINs noch immer grundlegende Untersuchung Hippocrates in a World of Pagans and Christians (1991). Außerdem sei an dieser Stelle auch auf den von Véronique BoudonMillot und Bernard Pouderon herausgegebenen Sammelband Les Pères de l’Église face à la science médicale de leur temps (2005) hingewiesen. 63 FERNGREN, Medicine, 13. 64 FERNGREN, Medicine, 83. 65 FERNGREN, Medicine, 113–139. 66 SCHULZE, Medizin, 144–154. 67 Vgl. FERNGREN, Medicine, 28; LE COZ, Pères, 137–154. Beide verweisen auf die drei Kappadozier Gregor von Nyssa, Gregor von Nazianz und Basilios von Cäsarea und ihre hervorragenden Kenntnisse medizinisch-philosophischer Diskurse der Zeit. 68 Dieses Motiv untersucht DÖRNEMANN, Krankheit. 69 HARNACK, Medicinisches, 96.
1.4. Forschungen zum Verhältnis von Medizin und Christentum
13
nung mit Gott und die Erlösung des Sünders anbot.“70 Noch darf bestritten werden, dass sich in dem noch jungen Christentum durchaus auch Strömungen entwickeln, die sich von der naturalistischen Medizin ihrer Umwelt abwenden. Gerade in der asketischen Literatur lässt sich eine Abkehr von dem antiken Ideal eines gesunden Mittelmaßes hin zu den beiden Extremen festhalten: Dabei kann sowohl der gesunde Körper zum Ideal werden als auch der kranke.71 Schließlich kann auch die metaphorische Rede durchaus in Konkurrenz zu dem Feld treten, dem die Metaphern entliehen sind, nämlich dann, wenn die uneigentliche Rede nicht mehr als solche erkennbar ist: Heilige, die heilen, können durchaus in Konkurrenz zu Ärzten treten. Hierbei handelt es sich allerdings um keine neue Problemkonstellation: Religiöse Deutungs-, ja, sogar Heilungsangebote gab es schließlich auch in der griechisch-römischen Antike. Gelegentlich kommt es sogar zu Überschneidungen, wie im Falle der Inkubation im Rahmen des AsklepiosKultes.72 Dass die moderne Forschung dieses Nebeneinander in der christlichen Spätantike nun problematisiert, ist in gewisser Weise nur konsequent, wenn man unter Fortschritt die „Fähigkeit (versteht), menschliche Probleme durch technologische Innovation zu lösen, und die Entwicklung von Modellen, die Naturphänomene besser erklären“ können.73 Denn in der christlichen Spätantike nimmt die Entwicklung tatsächlich einen anderen Lauf: Während sich die grundsätzliche Haltung der Medizin gegenüber kaum verändert, lassen sich nun doch neue Schwerpunkte feststellen. Parallel zu den eben beschriebenen Transformationen der antiken Medizin (Kap. 1.4.2) entwickelt sich in der christlichen Spätantike ein öffentliches Gesundheitswesen, das mehr noch von Nächstenliebe als von medizinischer Fachkompetenz durchdrungen ist. Das noch junge Christentum betont die Zuwendung zu den Kranken (caring) gegenüber ihrer mit den damaligen Mitteln ohnehin häufig aussichtlosen Heilung (curing).74
70
„At no period was healing central to the early Christian message, and it always remained peripheral to a gospel that offered reconciliation to God and eternal salvation to sinners.“ (FERNGREN, Medicine, 85). 71 CRISLIP, Thorns, bes. 59–137. 72 Vgl. VAN DER EIJK, Medicine, 23–25. 73 MARX-WOLF/UPSON-SAIA, State, 258f (Orig. engl.). 74 Vgl. FERNGREN, Medicine, 145f.
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Kapitel 1: Einleitung
1.5 Fragestellung und Gliederung der vorliegenden Untersuchung Fragestellung und Gliederung der vorliegenden Untersuchung Die skizzierten Entwicklungen lassen zwei Pfade besonderes vielversprechend erscheinen: Zum einen erscheint es angezeigt, die Analyse nicht so sehr auf die Untersuchung von möglichen Parallel- und Kontexten als vielmehr auf die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes selbst zu konzentrieren. Hierdurch wird es möglich, eine Forschungslücke zu schließen. Denn tatsächlich wird dem Faktum bislang noch zu wenig Beachtung geschenkt, dass es sich bei den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes um das planvoll gestaltete Werk eines einzigen Autors handelt. Hierzu bietet sich die Fragestellung, was Sophronios eigentlich unter Krankheit versteht und wie er sich deren Heilung vorstellt, in besonderer Weise an, zieht sich dieses Thema doch wie ein roter Faden durch den gesamten Text. Zudem eignet sich diese Fragestellung, den eben skizzierten Forschungsstand zum Verhältnis des Christentums zur antiken Medizin anhand eines Beispieltextes einer Überprüfung zu unterziehen. Dass den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes eine besonders kritische Haltung der antiken Medizin gegenüber nachgesagt wird, lässt ihre Untersuchung umso vielversprechender erscheinen. Diese Untersuchung soll sich in drei Schritten vollziehen. Mit dem Kommentar des Berichts über Ammonios (Kap. 2) sollen zunächst einige Eigenheiten der von Sophronios zusammenstellten Berichte vorgeführt werden: der typische Aufbau der einzelnen Berichte und ihre Einbettung in die Wundersammlung als Ganze. Aus der Arbeit an diesem ersten Bericht ergeben sich die Fragen, die in den folgenden Kapiteln entfaltet werden sollen: Was betrachtet Sophronios als Krankheit? Was verursacht Krankheiten? Und wie werden sie dargestellt? Diesen Fragen widmet sich Kapitel 3. Kapitel 4 konzentriert sich darauf, wie Ärzte beschrieben werden, wie sie auftreten und behandeln. Hierbei sind es insbesondere die faktischen und konzeptionellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Handeln der Märtyrerheiligen und dem der weltlichen Ärzte, die uns in besonderer Weise interessieren. Kapitel 5 vertieft ein Phänomen, das bereits im Kommentar des ersten Berichts und in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes dann immer wieder begegnet, nämlich dass Sophronios Krankheit eine besondere Bedeutung beimisst. Dies tritt in den Fällen besonders deutlich hervor, in denen er einen Zusammenhang zwischen den Krankheiten und den Glaubensüberzeugungen von Häretikern herstellt. Dieses Phänomen lässt sich aber eben auch in anderen Wunderberichten bemerken. Kapitel 6 fasst die Ergebnisse der Untersuchung zusammen.
2
Annäherung an die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes: Kommentar des mir. 1 Kapitel 2
Annäherung an die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes: Kommentar des mir. 1 Gegenstand dieses zweiten Kapitels ist der Bericht „über Ammonios, den octavarios, der choirades um den Hals hatte“ (mir. 1). Im Kommentar zu diesem Bericht werden einige Eigentümlichkeiten der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes herausgestellt, etwa der Aufbau von Sophronios’ Berichten oder deren Verankerung in ihrem Kontext, der Berichtssammlung. Zudem eignet er sich hervorragend dazu, den Quellenwert der Wundersammlung zu veranschaulichen. Zugleich verdeutlicht der in diesem Kapitel dargebotene Kommentar, weshalb sich der Verfasser gegen einen streng lemmatischen Kommentar entschieden hat. Ein lemmatischer Kommentar könnte nämlich seine eigentliche Stärke, unklare Begriffe zu erklären und intertextuelle Bezüge zu dokumentieren, kaum zur Geltung bringen. Begriffe, deren Gehalt sich nur unter Zuhilfenahme anderer Texte erschließen ließe, sind so zahlreich nicht; bei den für das Textverständnis wirklich relevanten Parallelen zu den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes verhält sich dies nicht anders. Hingegen ermöglicht es die für diese Untersuchung gewählte Form der Kommentierung insbesondere, ansonsten verborgen bleibende Erzählbögen sichtbar werden zu lassen.
2.1 Einbettung in den Kontext Der Bericht über den octavarios Ammonios eröffnet die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes in allen bekannten Handschriften. 1 Von der Handschrift V einmal abgesehen, die nur mir. 1 und Teile von mir. 23 überliefert, schließt sich diesem Bericht in den übrigen Handschriften der zweite Bericht „über Theodoros, der in beiden Augen Leukome hatte“2 an. Diese mit vier Paragraphen recht kurze Wundergeschichte entfaltet ein Moment, das bereits im 1
Vgl. hierzu Kap. 1.3, S. 7. Περὶ Θεοδώρου τοῦ ἐσχηκότος ἐν τοῖς δύο ὀφθαλμοῖς τὰ λευκώματα (2,0,1 [247 FM]). 2
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Kapitel 2: Annäherung an die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes
ersten Bericht von herausragender Bedeutung für den Heilungsprozess ist: die Notwendigkeit von πίστις, von blindem Vertrauen auf die Märtyrerheiligen. Innerhalb der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes ist besonders die Nähe zu mir. 58 zu beachten: Petros aus Charax, ebenfalls „ein ehrenwerter Mann, auf Abstammung, Reichtum und auch Klugheit stolz“,3 erkrankt nämlich wie Ammonios an χοιράδες. Nun ist es nicht nur die durchaus ähnliche Charakterdisposition der jeweiligen Protagonisten, sondern auch die jeweiligen Beschreibungen der Krankheit und des Behandlungsprozesses, die den Vergleich reizvoll machen.
2.2 Inhaltsangabe Nach einer kurzen Einleitung (§1) und Überleitung zum eigentlichen Wunderbericht (§2) schildert der insgesamt 14 Paragraphen lange Wunderbericht zwei mit einem gewissen Abstand (Μετὰ χρόνον δέ τινα ..., §10) aufeinander folgende Erkrankungen des Ammonios sowie deren Heilung durch die beiden Märtyrerheiligen Kyros und Johannes. Nach Einleitung und Überleitung setzt der erste Durchgang (§2–9) mit der Vorstellung des Protagonisten ein (§2f). Hierauf folgt die Beschreibung seiner Erkrankung (§3), Auftreten und Versagen der Ärzte (§4), die Abwendung von den Ärzten und die Hinwendung zu den „wahren Ärzten“, den ὄντως ἰατροί Kyros und Johannes (§5). Anders als die zuvor zu Rate gezogenen Ärzte erkennen die Märtyrerheiligen, dass Ammonios „an Seele und Körper erkrankt war“ und er sich „mit Blick auf beider Nacken in schlechtem Zustand befand“ (§7). Kyros und Johannes behandeln beide Leiden, zunächst das seelische (§7), dann das körperliche (§8). Hierauf folgt schließlich der Bericht über die „Flucht“ der χοιράδες und damit über die erfolgte zweifache Heilung, der in das Lob der Märtyrer mündet. Der zweite Durchgang (§10–14) ist weitgehend parallel aufgebaut: Dem Bericht über Ammonios’ erneute Erkrankung, diesmal ein Magenleiden, das prima vista durch seine Überheblichkeit verursacht zu sein scheint (§10), folgt auch hier die Beschreibung von Auftreten und Versagen der Ärzteschaft (§11). Ammonios bemerkt deren Versagen. Sogleich wendet er sich von den Ärzten ab und den beiden Märtyrerheiligen zu (§12). Kyros und Johannes erscheinen ihm und geben Anweisung, wie er Heilung erlangen könne (§13). Ammonios wird geheilt und verlässt das Heiligtum. Sophronios leitet zum nächsten Bericht über (§14).
3
ἀνὴρ … τίμιος, γένει δὲ καὶ πλούτῳ καὶ φρονήσει γαυρούμενος (58,1,1f [373 FM]).
2.3. Text und Übersetzung
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2.3 Text4 und Übersetzung Περὶ Ἀμμωνίου τοῦ ὀκτοβαρίου χοιράδας ἐσχηκότος περὶ τὸν τράχηλον §1 Δίκαιον οἶμαι τῆς τῶν θαυμάτων ἀρχόμενος διηγήσεως, πρῶτα τὰ οἰκεῖα φράσαι τῆς πόλεως, ἐν ᾗ καὶ τῶν μαρτύρων ἡ θαυμαστὴ γέγονεν ἄθλησις, καὶ τὸ σεπτὸν αὐτῶν ᾠκοδόμηται τέμενος· ἵνα μήτε τοὺς Ἀλεξανδρέας λυπήσωμεν, ἑτέρους αὐτῶν ἐν τοῖς ἰδίοις προτάττοντες· μήτε τὴν πόλιν αὐτὴν ἀτιμάσωμεν, μεγίστην οὖσαν καὶ καλὴν καὶ ἐράσμιον, καὶ ἀξίαν διὰ τοῦτο προτάττεσθαι, ἵνα τὴν ἀρχὴν τῆς διηγήσεως κληρωσάμενα θαύματα, καὶ τὰ πρὸς δήμου τοσούτου καὶ τοιαύτης πόλεως ἀληθῆ μαρτυρούμενα, καὶ τοῖς ἔπειτα λέγεσθαι μέλλουσι παραπέμψοι τὸ εὔπιστον. §2 Οὐκοῦν ἀρχέτω τῶν θαυμάτων ἡμῖν ὁ Ἀμμώνιος, ἐπεὶ καὶ αὐτὸς τῶν πρώτων ὑπῆρχε τῆς πόλεως, πλούτῳ τε διαπρέπων καὶ ἀγαθῷ πατρὶ σεμνυνόμενος. Ὁ μὲν γὰρ χρόνους οὐκ ὀλίγους τὴν Ἀλεξανδρέων Ἐκκλησίαν διῴκησεν πατὴρ,5 Εὐλογίου τοῦ πάνυ τὸν θρόνον ἰθύνoντος·6 ὁ δὲ τὴν τῆς ὀκτάβης ἀρχὴν (τέλος τοῦτο κατ᾿ ὀγδοάδα) καθέστηκεν, ἀδίκως μὲν 4
Über Ammonios, den octavarios, der um den Hals choirades hatte Gerecht ist es, denke ich, den Bericht der Wunder beginnend, zuerst die eigenen der Stadt zu schildern, in der auch der bewundernswerte Kampf der Märtyrer stattgefunden hat und ihre ehrwürdige Anlage steht. So werden wir weder die Alexandriner verärgern, indem wir ihnen andere auf eigenem Terrain vorziehen, noch die Stadt selbst entehren, obschon sie groß ist, schön und reizvoll und deshalb würdig, vorangestellt zu werden, damit die Wunder, die den Anfang der Erzählung zugeteilt bekamen und die von einer so großen Bevölkerung und einer solchen Stadt als wahr bezeugt werden, auch den folgenden Glaubwürdigkeit verleihen. Also soll uns Ammonios den Anfang der Wunder machen, da er selbst zu den Oberen der Stadt gehörte, durch Reichtum hervorragend und auf den tüchtigen Vater stolz. Der eine nämlich, der Vater, verwaltete die Kirche der Alexandriner nicht kurze Zeit, während der exzellente Eulogios auf dem Bischofsstuhl saß, der andere aber das Amt der octava. (Diese Steuer beträgt ein Achtel. Obgleich
= 243–248 FM. Cj. GASCOU (Sophrone, 26 Anm. 93), διῴκησεν, πατὴρ Εὐλογίου E, FM ex L pater Eulogii, qui sedem ipsam optime dispensavit. DUFFY (Observations, 78) hält πατήρ und das weiter unten folgende ὁ υἱός für nachträglich eingefügt; sie verdeutlichen, wessen Tätigkeit zunächst und wessen Tätigkeit im Anschluss beschrieben wird. 6 F, G, V, ἰθύναντος C, E, FM (DUFFY, Observations, 78; GASCOU, Sophrone, 26 Anm. 93). 5
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Kapitel 2: Annäherung an die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes
συναγόμενον, εὐσεβῶς δὲ διοικούμενον· ὃ ὁ υἱὸς πρὸ τέλους διήνυσεν).7 §3 Οὗτος γοῦν ὁ Ἀμμώνιος νέος ἔτι τυγχάνων, καὶ κάλλει σώματος τῶν ἐφήβων κοσμῶν τὰ συστήματα πάθος ἔσχεν χαλεπὸν εἰς τὸν τράχηλον, ὅπερ ἰατροὶ χοιράδας καλῶς ὀνομάζουσιν, διὰ τὸ ζώοις ἐοικέναι τοιούτοις τὰ τοῦτο δημιουργοῦντα τὸ νόσημα, καὶ καινοὺς συφεῶνας τῶν ἀθλίων ἀνθρώπων τοὺς τραχήλους ποιούμενα. Ταῦτα τὸν τοῦ νέου περιστοιχήσαντα τραχήλον8, καὶ ὥσπερ ἐν κοιλίᾳ μητρὸς ἐκτρεφόμενα, καὶ ταῖς κατ᾿ ὀλίγον αὐξήσεσι τὸν αὐχένα συντείνοντα, καὶ συναύξειν αὐτοῖς ἀναγκάζοντα, ἐν μεγάλῳ κακῷ τὸν νεανίαν διέθηκαν, συνέχοντά τε καὶ συμπνίγοντα τῇ περιτάσει τοῦ δέρματος. §4 Ὁ δὲ πατὴρ τοὺς σοβαροὺς τῶν ἰατρῶν προσκαλούμενος, τοῦ νέου τὸ πάθος ἐδείκνυεν, καὶ βοηθεῖν ἠντιβόλει τῷ παιδὶ κινδυνεύοντι, καὶ μισθοὺς τῆς θεραπείας ἀξίους πρὸ τῆς θεραπείας προσέφερεν· οἱ δὲ τὸν Ἰουλιανόν (τοῦτο γὰρ ἦν ὄνομα τῷ πατρί) διὰ τιμῆς πλείονος ἄγοντες, καὶ τὸν παῖδα στέργειν ὑπὲρ αὐτὸν ἐπομνύμενοι, καὶ ἄλλως πως τῇ ὀλκῇ τῶν μισθῶν ἐφηδόμενοι, τῆς τε 7
zu Unrecht erhoben, wird sie pflichtgemäß verwaltet; diese trieb der Sohn vor seinem Ende ein.) Dieser Ammonios nun – er war noch jung und mit Schönheit des Körpers schmückte er die Gruppen der Jugendlichen – hatte ein schweres Leiden am Hals, das die Ärzte treffend choirades nennen, weil die, die diese Krankheit hervorbringen, solchen Tieren ähneln und die Hälse der elenden Menschen zu ungewöhnlichen Schweineställen machen. Nachdem sie den Hals des Jungen umgeben hatten, wuchsen sie wie im Mutterleib heran, spannten den Nacken durch ihr langsames, aber stetiges Wachstum und zwangen ihn, mit ihnen mitzuwachsen. So versetzten sie den Jungen in eine sehr schlechte Lage: Sie umschlossen ihn und würgten ihn durch das Spannen der Haut. Der Vater aber rief die Hochtrabenden der Ärzte herbei, zeigte das Leiden des Jungen und bat ‹sie› inständig, seinem in Gefahr schwebenden Kind zu helfen. Auch der Behandlung angemessene Löhne zahlte er vor der Behandlung. Die aber schätzten Julianos (dies war der Name des Vaters) hoch und beschworen, das Kind mehr als ihn zu lieben. Auch sonst über die Masse des Lohnes jubelnd schworen
E, FM schließen die Klammer bereits nach ὀγδοάδα und setzen ein Kolon nach διοικούμενον. Da aber τὴν τῆς ὀκτάβης ἀρχήν Objekt zu διῴκησεν ist und sich καθέστηκεν auf τέλος bezieht, sind die Klammern entweder ganz zu streichen und hinter ἀρχήν ein Kolon zu setzen (so LACKNER, Rez. FM, 75) oder aber, wie wir es GASCOU (Sophrone, 26 Anm. 94) folgend tun, erst hinter διήνυσεν zu schließen. Das Kolon nach διοικούμενον ist dann zu streichen (ebd., 26 Anm. 96). 8 G, V, E, τραχήλου FM (GASCOU, Sophrone, 27 Anm. 102).
2.3. Text und Übersetzung
νόσου τὴν ἄκεσιν χρέος εἶναι διώμνυντο, καὶ ταύτην αἰδῷ καὶ τιμῇ τοῦ πατρός, καὶ πόθῳ καὶ στοργῇ τοῦ παιδὸς παρασχεῖν ἐπηγγέλλοντο. §5 Καὶ δὴ πάντα τὰ τῆς τέχνης κινήσαντες, καὶ τοῖς ὑπὲρ τὴν τέχνην9, εἰ ἔστιν εἰπεῖν, ἐγχειρήσαντες,10 ὤνησαν οὐδέν· ἐπεὶ τοῖς μάρτυσιν τὰ τοῦ παιδὸς ἐτηρεῖτο σωτήρια. Τοῦτον γὰρ ὁ πατήρ, τῶν ἰατρῶν ἀφελόμενος, τοῖς ὄντως ἰατροῖς Κύρῳ καὶ Ἰωάννῃ προσήνεγκε, ὧν τὴν τιμίαν σορὸν καταβρέχων τοῖς δάκρυσιν, ἀρωγοὺς γενέσθαι τοῦ παιδὸς ἐλιτάνευεν, καὶ μὴ παριδεῖν αὐτοῦ τὸν υἱὸν τηλικούτῳ κλύδωνι συνεχόμενον. Οἱ δὲ τοῦ γέροντος ἐπακούσαντες, καὶ τὰ τῆς εὐχῆς οὐκ ἀτιμάσαντες δάκρυα, καὶ τὸν νέον ἰάσαντο, κἀκείνου τοῦ δεινοῦ περιδερρέου λαμπρῶς ἠλευθέρωσαν. §6 Ἀδικεῖν δὲ νομίζω, εἰ μὴ τῆς θεραπείας μνήμην ποιήσομαι11. Ἐπεὶ γὰρ τὸν νεανίαν ἑώρων ὑπέροφρυν, καὶ τῷ τοῦ πλούτου φυσήματι πρὸς ἀλαζονείαν αἰρόμενον, οὐ πρότερον τοῦ σωματικοῦ τένοντος τὰς οἰδήσεις κατέπαυσαν, εἰ μὴ τῆς ψυχῆς τὴν φλεγμονὴν ἐθεράπευσαν· πλείω γὰρ τῆς τῶν σωμάτων ἰάσεως τῆς τῶν ψυχῶν ἀπαθείας φροντίζουσιν. §7 Τὸν οὖν Ἀμμώνιον ψυχῇ νοσοῦντα καὶ σώματι βλέποντες, καὶ 9
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sie, dass die Heilung der Krankheit Pflicht sei, und kündigten an, diese aus Verehrung und Ehrerbietung für den Vater und Liebe und Zuneigung für das Kind zu verschaffen. Dann, obwohl sie alles ihrer Kunst mögliche getan und auch, wenn man das sagen kann, das über ihre Kunst Hinausgehende versucht hatten, nutzten sie nichts. Die Rettung seines Kindes indes wurde von den Märtyrern verwahrt. Also nahm der Vater Ammonios von den Ärzten und brachte ihn zu den wahren Ärzten Kyros und Johannes, deren ehrwürdigen Schrein er mit Tränen durchnässte. Er flehte sie an, des Kindes Helfer zu werden und seinen Sohn nicht zu übersehen, während er so große Not litt. Diese erhörten den Alten, verachteten die Tränen des Gebets nicht, heilten den Jungen und befreiten ihn von jener fürchterlichen Halskette auf glanzvolle Weise. Doch meine ich, Unrecht zu tun, wenn ich die Behandlung nicht erwähne. Als sie nämlich sahen, wie hochmütig der Jüngling war und sich durch die Wohlstandsblase zur Prahlerei erhob, beseitigten sie die Schwellungen seiner körperlichen Sehne, nachdem sie die Entzündung seiner Seele behandelt hatten. Denn mehr als auf die Heilung der Körper sind sie auf die Unversehrtheit der Seelen bedacht. Als sie nämlich sahen, dass Ammonios an Seele und Körper erkrankt
F, G, V, ὑπὲρ τῆς τέχνης C, E, FM (GASCOU, Sophrone, 27 Anm. 106). G, V, ἐγχωρήσαντες C, E, ἐγχειρίσαντες F, FM (GASCOU, Sophrone, 27 Anm. 105). 11 Cj. GASCOU (Sophrone, 27 Anm. 107), ποιήσωμαι C, E, FM.
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Kapitel 2: Annäherung an die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes
τοὺς ἑκατέρων αὐχένας κακῶς διακείμενον, οὕτω τῆς θεραπείας ἠξίωσαν· πρῶτον μὲν τὰ πρὸ τῆς σεβασμίου αὐτῶν σοροῦ σαροῦν ἐπιτάττουσιν, ὅπως μάθοι μὴ ὑπερφρονεῖν, παρ᾿ ὃ δεῖ φρονεῖν ἵνα διὰ τῆς εἰς τὰ κάτω καὶ εἰς γῆν κατανεύσεως, ὅθεν τε ἐλήφθη διδάσκοιτο, καὶ ὅποι μικρὸν ὕστερον ἀποστραφήσεται καθώς που φησὶν ὁ Θεὸς τῷ πρωτοπλάστῳ Ἀδάμ Ἐν ἱδρῶτι τοῦ προσώπου σου φαγῇ τὸν ἄρτον σου, ἕως οὗ ἀποστρέψαι σε εἰς γῆν ἐξ ἧς ἐλήφθης, ὅτι γῆ εἶ καὶ εἰς γὴν ἀπελεύσῃ. Καὶ πρὸς Θεὸν Δαβὶδ ὁ θεσπέσιος· Ἀντανελεῖς τὸ πνεῦμα αὐτῶν καὶ ἐκλείψουσιν καὶ εἰς τὸν χοῦν αὐτῶν ἐπιστρέψουσιν.
§8 Ἀλλ᾿ οὕτω τῆς ψυχῆς τοῦ νέου τὸν ὄγκον μαράναντες, καὶ ὅστις εἴη μαθεῖν ἀναγκάσαντες, ἐπὶ τὸ τοῦ σωματικοῦ τραχήλου πάθος τὰς χοιράδας τὸ φάρμακον ἔπεμπον. Τοῦτο δὲ ἦν τῆς αὐτῶν κηρωτῆς ἡ παναλκὴς ἔμπλαστρος, ἣν ἄρτῳ μιχθεῖσαν, περιθεῖναι τῷ τραχήλῳ προσέταξαν· καὶ τῆς τῶν ἁγίων γενομένης κελεύσεως12, τοῦ πάθους ὁ παῖς ἀπηλλάττετο· οὐ πολλαῖς γὰρ ταῖς ἡμέραις ἀντισχεῖν αἱ χοιράδες πρὸς τὸ φάρμακον ἴσχυσαν.
§9 Ὅθεν ἐπιτεθέντος αὐταῖς τοῦ 12
war und sich mit Blick auf beider Nacken in schlechtem Zustand befand, würdigten sie ihn folgender Behandlung: Zunächst trugen sie ihm auf, vor ihrem ehrwürdigen Grab zu kehren, auf dass er lerne, nicht „mehr von sich zu halten, als sich’s gebührt“ (Röm 12,3), auf dass er durch die nach unten, zur Erde gebückte Haltung belehrt werde, woher er genommen wurde und wohin er wenig später zurückkehren werde, so wie Gott zu Adam, dem Erstgeschaffenen, spricht: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde wirst, davon du genommen bist. Denn Erde bist du und zu Erde wirst du werden“ (Gen 3,19). Und zu Gott David, der göttlich tönende: „Du wirst ihren Geist hinwegnehmen, und sie dahinschwinden und zu ihrem Staub werden sie zurückkehren“ (PsLXX 103,29). Nachdem sie aber das Geschwollene der Seele des Jungen vernichtet und ihn gezwungen hatten, zu lernen, wer er sei, richteten sie das Heilmittel gegen das Leiden des körperlichen Halses, die choirades. Dies aber war das höchstwirksame Pflaster aus ihrem Wachs, das sie ihm mit Brot vermischt um den Hals herumzulegen auftrugen. Nachdem der Befehl der Heiligen ausgeführt war, wurde das Kind von seinem Leiden befreit. Nicht viele Tage nämlich brachten es die choirades fertig, gegen das Heilmittel zu bestehen. Sobald das Hilfsmittel auf sie aufge-
C, G, V, E, προστάξεως F, FM (GASCOU, Sophrone, 28 Anm. 115).
2.3. Text und Übersetzung
βοηθήματος, οὕτως ὀξέως ὥσπερ τινὸς μαστίζοντος αὐτὰς ἤ διώκοντος ἔφυγον· καὶ ἄφνω διαρρήξασαι τὸ περιέχον αὐτὰς τοῦ αὐχένος δερμάτιον πρὸ τοῦ τῶν ἁγίων ἔπεσον13 μνήματος· ἑξήκοντα δὲ ἦσαν καὶ ἑπτὰ τὸν ἀριθμόν, ὡς ἔλεγον αὐτὰς οἱ μετρήσαντες· ἃς οἱ τότε τῷ νεῷ διακονούμενοι ἐπὶ πολλὰς ἡμέρας πρὸ τοῦ τῶν ἁγίων ᾐώρησαν μνήματος, τὴν τῶν μαρτύρων ἰσχὺν ἐνδεικνύμενοι, καὶ πάντας κινοῦντες πρὸς θεάρεστον αἴνεσιν. Καὶ Ἀμμώνιος μὲν ἐπὶ διπλῷ τῷ νοσήματι διπλῆν λαβὼν καὶ ἴασιν, ὑγιὴς ἀποδίδοται τῷ γεννήσαντι14. §10 Μετὰ χρόνον δέ τινα πάλιν ἐπαρθεὶς τῷ φρονήματι καὶ λήθην τῆς προλαβούσης παιδείας κτησάμενος, σωματικῇ πάλιν ἀσθενείᾳ παιδεύεται· καὶ τὰ κρείττω φρονεῖν μαρτύρων ἐπιτιμίοις διδάσκεται. Ἀσθενήσας γὰρ οὐ μετρίως τὸν στόμαχον ἐκινδύνευεν· κολικευμὸν δὲ μᾶλλον Ἀσκληπιάδαι τὸ πάθος ἐκάλεσαν καὶ οὐ στομάχου διάθεσιν τὸ διάφορον τῶν ἀλγηδόνων συγκρίναντες καὶ μείζους ταύτας ἢ κατὰ στόμαχον βλέποντες· οὔτε γὰρ ἦν αὐτόν τινος μεταλαβεῖν, ὃ μὴ πάλιν ἀνήγαγεν εὐθὺς διὰ στόματος, μὴ δυναμένης αὐτοῦ τῆς γαστρὸς τὸ παρὰ τοῦ στομάχου15 πεμπόμενον δέξασθαι, ἥτις τοῖς 13
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legt worden war, flüchteten sie so geschwind, als ob sie jemand peitsche oder verfolge. Jählings zerrissen sie die Nackenhaut um sie herum, fielen vor dem Grab der Heiligen nieder. 67 war ihre Zahl, wie jene sagten, die sie zählten. Diese ließen die damals am Heiligtum den Dienst Verrichtenden mehrere Tage vor dem Grab der Heiligen hängen, demonstrierten so die Macht der Märtyrer und bewegten alle zu gottgefälligem Lob. Ammonios aber wurde, nachdem er gegen zweifache Krankheit auch zweifache Heilung empfangen hatte, gesund seinem Erzeuger übergeben. Als er aber nach einiger Zeit erneut überheblich wurde und die zuvor erhaltene Belehrung vergessen hatte, wurde er erneut durch körperliche Schwäche belehrt, und Besseres zu denken durch die Strafen der Märtyrer gelehrt. Er erkrankte nämlich und befand sich wegen seines Magens in nicht mäßiger Gefahr. Eher Kolik nannten die Asklepiaden das Leiden, und nicht Magenzustand, als sie die Stärke der Schmerzen miteinander verglichen und diese für größer als beim Magen hielten. Tatsächlich vermochte er auch nichts zu sich nehmen, das er nicht sofort wieder durch den Mund von sich gab. Sein Magen konnte das vom Schlund her
F, G, V, ἔπεσαν C, E, FM (GASCOU, Sophrone, 29 Anm. 116). τῷ γεννήσαντι G, vgl. L genetori om. C, E, FM (GASCOU, Sophrone, 29 Anm. 119). 15 Die abweichende Übersetzung von στομάχου mit „Schlund“ statt, wie sonst, mit „Magen“ erscheint notwendig, da γαστήρ hier eindeutig „Magen“ bedeutet. GASCOU (Sophrone, 29 Anm. 122) löst dieses Problem durch Konjektur. Er liest στόματος statt στομάχου. 14
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Kapitel 2: Annäherung an die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes
στρόφοις πιεζομένη, καὶ δριμυτέραις ταῖς ἀνίαις δουλεύουσα, μένειν ἐν αὐτῇ τὴν τροφὴν οὐκ ἠνίσχετο, ἀλλὰ θᾶττον αὐτὴν κατιοῦσαν ἀνέπεμπεν, καὶ διὰ στόματος ἔρριπτεν, δίοδον δι᾿ ἑαυτῆς οὐ περέχουσα.
§11 Ἀλλ᾿ εἰ καὶ τὸ πάθος ἰατροὶ καὶ τούτων οἱ φοροῦντες τοὺς τρίβωνας, καὶ τῇ κομψείᾳ τῶν λόγων ἐπερειδόμενοι (ἅπαντες γὰρ εἰσέτρεχον) σαφῶς ἔγνωσαν, τὴν μὲν νόσον μαθεῖν ἠδυνήθησαν, οὐκέτι δὲ καὶ τὴν ἴασιν παρέχειν εὐπόρησαν, καίτοι λίαν αὐτὴν ἀνιχνεύοντες καὶ δωρεῖσθαι γλιχόμενοι, ἵνα καὶ τῶν μισθῶν κομψὸν16 τὸ ἀργύριον, καὶ τῆς εὐδοκιμήσεως κομψοτέραν τὴν δόξαν πορίσωνται. §12 Διὸ καὶ πάντων αὐτῶν καταγνοὺς ὁ Ἀμμώνιος, καὶ μηδεμίαν πρὸς αὐτῶν εὑρὼν τὴν ὠφέλειαν, εἰ μὴ μόνον τὸ μαθεῖν αὐτῶν τὴν πρὸς τὸ πάθος ἀσθένειαν, καὶ ὅτι λόγοις μέν εἰσιν ἱκανώτατοι, ἔργοις δὲ θεραπεύειν ἀνίκανοι, πρὸς Κῦρον πάλιν καὶ Ἰωάννην ἐξέρχεται, μόνους αὐτοὺς ἰατροὺς μετὰ Θεὸν αὐτῷ πιστεύσας γενήσεσθαι. Ὅθεν καὶ τάχος τὴν ἴασιν εἴληφεν, μισθὸν εὐπρεπῆ τῆς εἰς αὐτοὺς κομισάμενος πίστεως. Καὶ τοῦ μὲν στομάχου ἔλαιον ἦν καὶ κηρωτὴ τὸ καθάρσιον, ἅπερ αὐτῶν τὴν σορὸν πυρὸς 16
Geschickte nicht aufnehmen, da er von den Gedärmen zusammengeschnürt wurde und heftigerer Qual ausgesetzt war. Er ertrug es nicht, dass Nahrung in ihm blieb, sondern schickte sie, sobald sie hinabgekommen war, zurück und warf sie durch den Mund aus, den Durchgang durch ihn selbst nicht gewährend. Aber auch wenn Ärzte und unter diesen die, die den Tribon tragen und sich auf die Finesse ihrer Worte stützen – denn sie rannten alle herbei – das Leiden genau erkannten, konnten sie zwar die Krankheit in Erfahrung bringen, aber es gelang ihnen nicht, noch die Heilung zu verschaffen, wenngleich sie sie sehr suchten und danach strebten, beschenkt zu werden, um sowohl das hübsche Lohngeld als auch die hübschere Ehre des Ansehens zu erlangen. Ammonios fand dies an ihnen allen bestätigt und hatte von ihnen keinen Nutzen erfahren, nur dass er ihre Schwäche dem Leiden gegenüber erfahren hatte und dass sie zwar mit Worten mehr als genügen, mit Taten zu behandeln aber ungenügend sind. Deshalb ging er wiederum zu Kyros und Johannes hinaus, überzeugt, dass sie allein ihm Ärzte nächst Gott würden. Daher erlangte er auch schnell die Genesung, ein angemessener Lohn für den ihnen entgegengebrachten Glauben. Für den Magen war Öl und Wachs das reinigende
et mercedum pompam argento L, καὶ τὸν μὲν μισθὸν κομψόν C, E, καὶ τὸν μὲν μισθὸν τῶν μισθῶν κομψόν F, FM (DUFFY, Observations, 79; GASCOU, Sophrone, 30 Anm. 126).
2.3. Text und Übersetzung
μαρμαρυγῇ καταλάμπουσι· τῆς δὲ ψυχῆς τὸ κενόδοξον καταλλήλῳ φαρμάκῳ περιστροβοῦσιν οἱ μάρτυρες. §13 Ἐλθόντες γὰρ νυκτὸς πρὸς Ἀμμώνιον, τὴν μαλακὴν ἐσθῆτα καὶ ῥέουσαν παραστεῖλαι17 κελεύουσιν, περιθέσθαι δὲ τραχυτέραν ἀμφίασιν τὴν ἐκ στυππίων μὲν ἔχουσαν ὕφασμα, σάκκον δὲ καλουμένην, διὰ τὴν πρὸς σάκκον ἐγγυτάτην τραχύτητα, ἣν οἱ πάνυ πτωχοὶ διὰ τὸ λίαν εὔωνον καὶ εὐτελὲς περιβάλλονται. Ταύτην ἀντὶ τῆς πολυτελοῦς καὶ χλιδώσης ἐσθῆτος εἰπόντες ἐνδύσασθαι, τοῖς ἀσθενοῦσιν ἀδελφοῖς τὸ πότιμον ὕδωρ ἐπὶ τῶν ὤμων ἄγειν προστάττουσι· οὐ κέραμον ἕνα βαστάζοντα, ἀλλὰ δύο ἐπ᾿ ἀμφοτέρων τῶν ὤμων θεσπίσαντες καὶ οὐ πρότερον αὐτὸν ἰάσασθαι φήσαντες εἰ μὴ πρότερον αὐτὸς ἀνύσει τὸ πρόσταγμα. §14 Ὁ δὲ πληρώσας τῶν ἁγίων τὴν κέλευσιν, καὶ τὸ νᾶμα μετὰ τοῦ λεχθέντος ἐνδύματος ἐπιεικῶς ὑδρευσάμενος, τὴν ἐπηγγελμένην τῇ τοιᾷδε πράξει ῥῶσιν ἐδέξατο. Οὕτω δὲ καὶ ταύτην ἐκφυγὼν ὁ Ἀμμώνιος τὴν ἀσθένειαν, τοὺς ταύτης ἰατροὺς καὶ τῆς προλαβούσης διώκτας εὐφημήσας ἀπῴχετο. Καὶ ἡμεῖς δὲ τοὺς ἁγίους ὑμνήσαντες18 (οὗτοι19 γὰρ μετὰ Θεὸν οἱ τῶν λεχθέντων παθῶν ἰατροὶ καθεστήκασιν), ἐπ᾿ ἄλλας ἀξιαγάστους αὐτῶν 17
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Mittel, welche ihren Schrein mit Feuerfunken erhellen. Die Einbildung der Seele wendeten die Märtyrer mit einem geeigneten Heilmittel um. Eines Nachts kamen sie nämlich zu Ammonios und befahlen, das weiche und fließende Gewand auszuziehen und ein raueres Kleidungsstück aus Werg gewebt umzulegen, Sack genannt wegen der einem Sack nahen Rauheit und das sich die ganz Armen umwerfen, weil es sehr erschwinglich und billig ist. Nachdem sie ihm gesagt hatten, dies anstelle des teuren und weichen Gewands anzuziehen, ordneten sie an, den schwachen Brüdern frisches Wasser auf den Schultern zu bringen und dabei nicht einen Krug zu tragen, sondern zwei, auf jeder Schulter einen. Zuvor sagten sie, dass er nicht eher geheilt werde, als wenn er die Anordnung ausführe.
Als er aber den Befehl der Heiligen ausgeführt und bescheiden das Quellwasser in besagtem Gewand geholt hatte, empfing er die ihm für solches Handeln versprochene Heilung. So entfloh Ammonios auch dieser Krankheit, und nachdem er deren Ärzte und die Verfolger der vorangehenden gepriesen hatte, ging er davon. Und nachdem auch wir die Heiligen besungen haben – denn diese sind nächst Gott als die Ärzte der besagten Leiden eingesetzt –,
G, V, vgl. deponere L (LACKNER, Rez. FM, 75), περιστεῖλαι C, E, FM (GASCOU, Sophrone, 30 Anm. 128). 18 ὑμνησαντες FM. 19 οὕτοι FM.
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Kapitel 2: Annäherung an die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes
ἰατρείας χωρήσωμεν.
wollen wir zu anderen ihrer bewundernswerten Heilungen voranschreiten.
2.4 Kommentar Die Überschrift nennt Name, Tätigkeit und Erkrankung des Protagonisten. Die meisten Überschriften weisen diese Grundstuktur – Nennung von Namen und Leiden – auf. Über etwa der Hälfte der Berichte findet sich, wie hier, auch der Hinweis auf den Beruf oder eine andere bemerkenswerte Eigenschaft des Protagonisten. Einige wenige Überschriften nennen nur Namen und/oder weisen auf eine bestimmte Eigenschaft des Protagonisten hin. Vermutlich sind die Überschriften Teil des ursprünglichen Texts.20 Die Überschrift prägt die Textwahrnehmung in aller Regel: In diesem Bericht lenkt sie die Aufmerksamkeit auf die im ersten Durchgang geschilderten Ereignisse. Ammonios’ Rückfall und erneute Genesung werden nicht einmal angedeutet. Inwieweit damit gerechnet werden kann, dass der Ausdruck χοιράδες ohne die folgende Erläuterung verstanden wurde, wird noch zu klären sein.21 Zudem hebt die Überschrift Ammonios’ Tätigkeit als Steuereintreiber deutlich hervor und weckt damit bestimmte Hörerwartungen.22 Ammonios’ Jugend, Schönheit und Reichtum erwähnt Sophronios hier noch nicht. §1 Zu Beginn des Wunderberichtes, zu Beginn der 70 Wunderberichte, legt Sophronios dar, warum es „gerecht“ sei, den Bericht (διήγησις) mit den Wundern zu eröffnen, die sich in Alexandrien zugetragen haben. Die Begründung erfolgt in drei Schritten. Zunächst betont Sophronios die besondere Verbindung der beiden Märtyrer und der Stadt: Hier habe sich nicht nur ihre θαυμαστὴ … ἄθλησις ereignet, also ihr Martyrium stattgefunden, hier befinde sich auch „ihre ehrwürdige Anlage“.23 Es sei unangemessen, den Alexandrinern „auf eigenem Terrain“ andere vorzuziehen, sie dadurch zu verärgern und die Stadt selbst zu entehren. Diese 20
Die Vorlage der in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts begonnen lateinischen Übersetzung kennt sie bereits. Die handschriftliche Überlieferung scheint auch relativ stabil zu sein. Die immerhin acht (von 15 möglichen) Abweichungen, die sich zwischen F und C feststellen lassen und die Fernández Marcos im kritischen Apparat zu den mir. 2, 3, 5, 6, 7, 26, 27, 41 vermerkt, sind geringfügig. 21 Vgl. den Kommentar zu §3, S. 28–32. 22 Vgl. den Kommentar zu §2, S. 26f. 23 Vgl. GASCOU, Religion; GROSSMANN, Gründung, 203–212; MONTSERRAT, Carrying on, 230–242; ders., Pilgrimage, 257–279.
2.4. Kommentar
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sei „groß, schön und reizvoll“ und deshalb würdig, vorangestellt zu werden. Sie ist es aber auch aus einem anderen Grund wert. ἀξίαν διὰ τοῦτο kann nämlich nicht nur als Zusammenfassung des Vorangehenden begriffen werden, sondern auch als Vordersatz des folgenden Konsekutivsatzes: Weil die Authentizität der Wunder, die sich in Alexandrien ereignet haben, durch eine „so große“ Stadtbevölkerung und „eine solche“ Stadt bezeugt werde und damit gesichert sei, können und sollen sie diese so erlangte Glaubwürdigkeit (τὸ εὔπιστον) auch den nun folgenden Wunderberichten beigeben. Der damit erhobene Anspruch ist notiert. Eine vergleichbare Einleitung findet sich auch zu Beginn der zweiten (mir. 36,1–2) und dritten (mir. 51,1–5) Sektion, in der sich an Ägyptern und Libyern bzw. an Angehörigen anderer Völker vollbrachte Wunder finden.24 §2 Mit οὐκοῦν signalisiert Sophronios, dass er den nun folgenden Bericht über das, was Ammonios widerfahren ist, für einen in diesem Sinne konsequenten Anfang hält – zumal Ammonios zu den Stadtoberen gehört. Zwei mit τε ... καί verbundene partizipiale Bestimmungen charakterisieren ihn näher: Ammonios rage durch seinen Reichtum hervor (πλούτῳ τε διαπρέπων) und sei auf den tüchtigen Vater stolz (καὶ ἀγαθῷ πατρὶ σεμνυνόμενος). Auf diese Weise werden auch zwei für den weiteren Verlauf des Wunderberichts wichtige Eigenschaften eingeführt: Ammonios’ Reichtum und sein Stolz.25 Die Analyse der weiteren Belege von διαπρέπω und σεμνύμω in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes ergibt, dass die Begriffswahl allein noch keine Wertung dieser Charaktereigenschaften einträgt.26 Gleichwohl dürfte dem lesenden oder zuhörenden Publikum durchaus bewusst sein, dass 24 Zur Struktur der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes s. S. 3f (mit Hinweis auf weiterführende Literatur). 25 Auch Petros, der Protagonist des 58. Berichts, gehört der reichen Oberschicht an. Vgl. den Kommentar zu §6, S. 38f. 26 Aus den beiden anderen Belegen für διαπρέπω lässt sich schließen, dass Sophronios mit διαπρέπω eine Besonderheit herausstellen will: in mir. 29,3 den irdischen Reichtum der Athanasia (πλούτῳ γηΐνῳ διέπρεπεν) und in mir. 50,3 die edle Abstammung des Nonnos (γένει διέπρεπεν ἐπισήμῳ κατὰ χώραν ὑπάρξαντι). Dabei kann es sich um eine Besonderheit handeln, die zu einer insgesamt wenig schmeichelhaften Charakterisierung beiträgt, wie dies bei Athanasia der Fall ist. Dabei kann es sich aber auch um eine Besonderheit handeln, auf die im weiteren Erzählverlauf nicht weiter eingegangen wird und die ohne Wertung bleibt. σεμνύνω ist breiter belegt: mir. 13,1; 29,3; 30,10; 36,2; 51,7; 54,7. Dieses Jubeln oder Stolzsein wird allerdings keineswegs durchgängig negativ bewertet. Im Gegenteil: An vier dieser Stellen erscheint das Jubeln bzw. der Stolz durchaus angemessen: 13,1 (der Apostel Paulus auf seine στίγματα); 36,2 (Libyen und Ägypten über die Teilhabe am Besitz der Heiligen); 51,7 (Georgios auf seinen Landsmann Paulos und ihre gemeinsame Heimatstadt Tarsus); 54,1 (Damaskus solle sich über die Gaben der beiden Märtyrer freuen).
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Kapitel 2: Annäherung an die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes
Reichtum und Stolz keine völlig unproblematischen Eigenschaften sind. Zumal diesen beiden zu Beginn des nächsten Paragraphen zwei weitere ähnlich ambivalente Charakterisierungen zur Seite gestellt werden: Ammonios’ Schönheit und Jugend. Auf drei dieser vier Eigenschaften kommt Sophronios im Zusammenhang mit Ammonios’ Erkrankung zurück.27 Der Schluss liegt also nahe, dass Sophronios’ scheinbar nicht negative Charakterzeichnung der dunkle Grund ist, von dem sich Ammonios’ später berichtete Wandlung abheben wird. Der nun folgende, sich bis zum Paragraphenende erstreckende Satz stellt die Erwerbstätigkeit von Vater (ὁ μέν) und Sohn (ὁ δέ) gegenüber. Dass Sophronios dabei zunächst auf den Vater zu sprechen kommt, kann nur indirekt erschlossen werden, ergibt sich aber aus der Textlogik: Nun folgt nämlich die Erläuterung, warum Ammonios auf den „tüchtigen Vater“ stolz ist. Ammonios’ Vater muss, so berichtet es Sophronios, unter dem 581–608 regierenden chalkedonensischen Bischof Eulogios ein hohes kirchliches Verwaltungsamt innegehabt haben. Weitere Quellen, die dies bestätigen oder widerlegen würden, sind nicht bekannt. Auch über die Tätigkeit des Sohnes, auf die der Bericht nun zu sprechen kommt, informieren uns allein die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes.28 Ammonios verwaltet die Eintreibung der octava als octavarios. Sophronios’ Erläuterungen dieser Steuer erhellen ihr Wesen allerdings nur bedingt: Wir erfahren zwar die Nominalhöhe der Steuer (ein Achtel), nicht aber, wer sie wofür entrichten musste. Anderen Quellen lässt sich entnehmen, dass es sich bei der octava um eine einmalig oder doppelt, nämlich von Käufer und Verkäufer, zu entrichtende 12,5-prozentige Steuer auf bestimmte (Luxus-)Produkte handelte, die in das römische Reich ein- oder ausgeführt wurden.29 Offenbar hält Sophronios die Steuer, die Ammonios bis zu seinem Tod (πρὸ τέλους) eintrieb,30 für „zu Unrecht erhoben“ (ἀδίκως μὲν συναγόμενον). Ob Recht und Billigkeit speziell der octava öffentlich diskutiert wurden oder es sich hierbei um eine Einzelmeinung handelt, lässt sich mangels geeigneter Quellen nicht entscheiden. Ihre Abschaffung in eben jener Zeit ist jedenfalls 27 Vgl. §6: Ἐπεὶ γὰρ τὸν νεανίαν ἑώρων ὑπέροφρυν, καὶ τῷ τοῦ πλούτου φυσήματι πρὸς ἀλαζονείαν αἰρόμενον… (Hervorhebung des Verfassers). 28 Vgl. DUFFY, Observations, 78f. 29 Vgl. hierzu ausführlich DELMAIRE, Largesses, 307–309, der die relevanten Quellenbelege nennt und auf weiterführende Literatur verweist. 30 Die in allen Handschriften belegte und dennoch etwas eigenartige Wendung dürfte einem Wortspiel geschuldet sein: τέλος kann „Ende“ und „Lebensende“, aber eben auch „Steuer“ oder „Zoll“ bedeuten (GASCOU, Sophrone, 26 Anm. 98; LSJ, s.v. τέλος, 1772– 1774). DUFFY (Observations, 78) übersetzt „on behalf of the government“ und POLITIS „vor seiner (sc. des Amtes der octava) Abschaffung“.
2.4. Kommentar
27
nicht nachweisbar. Das Gewicht der Aussage, die Steuer werde ἀδίκως μὲν συναγόμενον, εὐσεβῶς δὲ διοικούμενον, dürfte in jedem Fall auf dem zweiten Glied liegen: Selbst wenn die Erhebung der Steuer ein Unrecht darstelle, wird sie von den zuständigen Autoritäten, in diesem Fall also von Ammonios, doch pflichtgemäß eingetrieben.31 Über seine Amtsführung hingegen, die allein geeignet wäre, antik-spätantike Vorurteile Steuereintreibern gegenüber zu brechen,32 äußert sich Sophronios nicht. Diese ausgesprochen subtile, weil letztlich dem Publikum überlassene, Form der Charakterzeichnung scheint durchaus beabsichtigt. Jedenfalls fragt sich, wieso Sophronios sonst so prominent auf Ammonios’ Beruf hinweisen sollte, ohne hierauf im weiteren Berichtsverlauf zurückzukommen. §3 Sophronios beginnt den eigentlichen Wunderbericht („Dieser Ammonios nun…“), um ihn sogleich durch die weitere Charakterisierung seines Protagonisten zu unterbrechen: Ammonios sei „noch jung“ und von außerordentlicher körperlicher Schönheit. Schönheit (κάλλος) wird in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes grundsätzlich positiv gewertet, wenngleich sie den Neid anderer auf sich ziehen und auf diese Weise zu unangenehmen Konsequenzen führen kann. 33 In seiner Beurteilung der Jugend ist Sophronios ungleich kritischer. Hier hebt er vor allem den Aspekt der Unbedarftheit und den der Verführbarkeit hervor. Beides könne gefährliche Konsequenzen haben. 34 Auch weiterhin charakterisiert Sophronios Ammonios nicht eindeutig negativ. Allerdings dürfte die Akkumulation der je für sich ambivalenten Eigenschaften Reichtum, Stolz, Jugend und Schönheit bei einem Steuereintreiber das Publikum aufmerken und bereits vermuten lassen, dass sich Ammonios auf dem falschen Weg befindet. 31 Diese Interpretation erscheint mir plausibler als jene Gascous, Ammonios als implizites Subjekt des Ausdrucks εὐσεβῶς δὲ διοικούμενον aufzufassen, der die octava „avec piété“ (GASCOU, Sophrone, 26) eingetrieben habe. 32 In der Spätantike wurden Steuern entweder von Staatsbeamten eingetrieben oder von Selbständigen, die das Recht, Steuern einzutreiben, meistbietend ersteigert hatten. Ihrem finanziellen Eigeninteresse folgend dürften sie bei der Steuereintreibung recht gründlich vorgegangen sein. Wegen der ihnen unterstellten Geldgier waren sie verrufen. Vgl. etwa MICHEL, Art. τελώνης, 98–100, oder OIKONOMIDES, Art. Tax Collectors, 2017f. 33 Die weiteren Belege des Wortes κάλλος sind mir. 38,10: die Schönheit der personifizierten Kirche; 68,1: die Schönheit, deretwegen man beneidet und einem Neider in der Folge zum Opfer fallen kann; 68,3: Johanna, der dies ob ihrer Schönheit widerfahren ist. Schönheit beschränkt sich nicht nur auf körperliche Schönheit, sondern kann auch von der Seele ausgesagt werden, so ist in mir. 16,2 von νοερᾶς τὸ κάλλος die Rede. Die Wendung κάλλος σώματος begegnet allerding nur hier, in diesem ersten Bericht. 34 Zum Aspekt der Unbedarftheit vgl. beispielsweise mir. 44,2f und Kap. 3.4.3.1, S. 119–120, zu dem der Verführbarkeit vgl. zum Beispiel mir. 12,2.
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Kapitel 2: Annäherung an die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes
Der weitere Bericht bestätigt diesen Verdacht. Nun endlich kommt Sophronios auf Ammonios’ Krankheit zu sprechen: Wir erfahren, dass Ammonios ein „schweres Leiden am Hals“ hatte; die Beschreibungen der χοιράδες in mir. 1 und 58 stimmen in der Einschätzung der Schwere überein. In beiden Fällen betrifft das Leiden den Hals. Möglicherweise verweist auch der Ausdruck ἄθλιοι ἄνθρωποι bereits auf den mir. 58 geschilderten Wettkampf oder gar Krieg zwischen Ärzten und Leiden, auch wenn der Begriff ἄθλιος hier von seiner kämpferischen Grundbedeutung losgelöst und in der Bedeutung „elend“ gebraucht wird.35 Dass die Ärzte das Leiden χοιράδες nennen sei „trefflich“, „weil die, die diese Krankheit hervorbringen, solchen Tieren ähneln und die Nacken der elenden Menschen zu ungewöhnlichen Schweineställen machen.“ Die etymologische Ableitung des Namens χοιράδες von χοῖρος ist nicht ungewöhnlich und findet sich auch bei Aëtios von Amida oder Paulos von Aigina.36 Aëtios hält ihre Ähnlichkeit mit den „drüsenartigen Warzen“ auf „den Kiefern der Wildschweine“ für ausschlaggebend, „denen die χοιράδες ähneln“. Andere, so fährt er fort, führten den Namen auf „die Fruchtbarkeit des Tieres“ zurück, da „auch das Leiden in Fülle auftrete“.37 Deutlich knapper, in der Sache aber ähnlich äußert sich Paulos. Zu diesen beiden Möglichkeiten zieht er auch noch die „Felsklippen“ als Namensgeber in Betracht.38 Einer Entscheidung enthält er sich allerdings. Sophronios’ Interesse erschöpft sich nicht in der Etymologie, die nicht ohne Wirkung bleibt,39 vielmehr versucht er, mit ihrer Hilfe den Krankheitsverlauf zu verdeutlichen: Die Benennung sei passend, insofern die χοιράδες von 35
ἰατροῦ μὴ δυναμένου πρὸς τὸ πάθος μαχήσασθαι, καὶ μαχησαμένου τὴν νίκην κομίσασθαι· ἀλλὰ πολλῶν μὲν εἰσπηδώντων πρὸς τὸ στάδιον, οὐδενὸς δὲ τὸ βραβεῖον λαμβάνοντος, ἀλλ᾿ ἡττωμένου καὶ φεύγοντος, καὶ τῇ φυγῇ στεφανοῦντος τὸ νόσημα (58,2,6–9 [373 FM]). 36 Hippokrates, Galen und Oribasios nehmen keine etymologische Ableitung des Namens vor. In Oribasios’ Collectiones Medicae findet sich diese in einem Scholion zu XLV,16 nachgetragen, das sich auf Heliodoros und Antyllus als Gewährsleute beruft (170 RAEDER). 37 Χοιράδες ὠνομάσθησαν κατὰ μεταφορὰν τὴν ἀπὸ τῶν χοίρων· εὑρίσκονται δὲ κατὰ τὰς σιαγόνας τῶν συῶν συστροφαὶ ἀδενώδεις, αἷς τισιν ἐοίκασιν αἱ χοιράδες· τινὲς δέ φασιν ἀπὸ τῆς πολυγονίας τοῦ ζῴου τὸ ὄνομα τεθεῖσθαι, ὅτι καὶ τὸ πάθος ἐν πλήθει γίνεται (Aët. 15,5,1–4 [17,12–15 ZERVOS]). 38 τοὔνομα λαβοῦσα ἢ ἀπὸ τῶν χοιράδων πετρῶν ἢ ἀπὸ τῶν συῶν, ὅτι πολυτόκον τὸ ζῷον, ἢ ὅτι τοιουτώδεις οἱ χοῖροι τραχήλους ἔχουσιν (Paul.Aeg. 6,35,1 [CMG IX/2,73,12– 14 HEIBERG]). 39 Sophronios’ Ableitung übernimmt das Etymologicum Gudianum (11. Jh.) beinahe wörtlich: Χοιράδες, νόσημά τι περὶ τὸν τράχηλον τῶν ἀνθρώπων γενόμενον, ὅπερ οἱ ἰατροὶ χοιράδες καλῶς ὀνομάζουσι, διὰ τὸ ζώοις ἐοικέναι τοιούτοις τὰ δημιουργοῦντα τὸ νόσημα, καὶ κενοὺς σοφεώρας ἀνθρώπων τοὺς τραχήλους ποιουμέναι (567f STURZ).
2.4. Kommentar
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Schweinen ähnelnden Wesen hervorgebracht würden (διὰ τὸ ζώοις ἐοικέναι τοιούτοις τὰ τοῦτο δημιουργοῦντα τὸ νόσημα). Unklar bleibt allerdings, worin diese Ähnlichkeit überhaupt besteht. Zwar behausen beide Ställe, doch schaffen letztgenannte ihre „ungewöhnlichen Schweineställe“ (καινοὺς συφεῶνας) selbst. Auch deren Heranwachsen im Mutterleib wird durch ein ὡς relativiert. Allein die große Menge an Geschwistern verbindet beide: Eine Sau wirft etwa zehn Ferkel je Wurf, die χοιράδες sind insgesamt 67, wie mir. 1 und 58 übereinstimmend berichten. Eine darüber hinausgehende Ähnlichkeit zum Beispiel ihrer Erscheinung wird nicht berichtet. Unklar bleibt letztlich auch, wer als τὰ … δημιουργοῦντα bezeichnet wird.40 Alles spricht dafür, dass an jene Wesen gedacht ist, die in §8 nur kurz „gegen das Heilmittel bestehen können“ und in §9 „flüchten“ und „vor dem Grab der Heiligen niederfallen“. Allerdings werden diese dort immer als χοιράδες bezeichnet. Die Trennung zwischen Krankheitsverursacher und dem eigentlichen Leiden verwischt hierdurch. Den allgemeinen Ausführungen über die Krankheit, die in deren Auswirkungen mündeten, folgt nun die konkrete Beschreibung von Ammonios’ Leiden: Die Verursacher der χοιράδες umringen seinen Hals – in mir. 58 ist ebenfalls der Hals betroffen – und nisten sich dann unter dessen Haut ein. Dort wachsen sie langsam, aber stetig (κατ᾿ ὀλίγον) heran, als ob (ὡς) sie sich in einem Mutterleib befinden. Die im Hintergrund stehende Vorstellung scheint hierbei in mir. 1 und 58 dieselbe zu sein, nämlich dass sich die Krankheitsverursacher sexuell fortpflanzen.41 Das Wachstum der Krankheitsverursacher jedenfalls, das in mir. 58 nicht beschrieben wird, führt dazu, dass Ammonios’ Hals immer dicker wird: Die immer größer werdenden Krankheitsverursacher spannen den Nacken – 40
Nach Ausweis der übrigen Belege in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes und von Parallelstellen soll mit δημιουργέω τὸ νόσημα ‚nur‘ ausgesagt werden, dass besagte Wesen das Leiden bei Menschen bewirken können. In den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes beschreibt δημιουργέω nämlich ein recht unspezifisches „verschaffen“ oder „bewirken“. Vgl. mir. 18,4: καὶ τέρψιν πνευματικὴν σαρκικῇ μεμιγμένην ἡδύτητι δημιουργοῦντες τῷ θαύματι, oder 28,7: καὶ τὴν ῥῶσιν αὐτῷ δημιουργήσειν ὀφείλοντας. Die weiteren Belege sind: mir. 30,7; 42,4; 64,6; 66,1. Die Kombination der Begriffe δημιουργέω und νόσημα bzw. νόσος oder πάθος ist in der medizinischen Literatur nicht belegt. In der theologischen Literatur hingegen finden sich vier weitere Belege, von denen einer von unserer Stelle abhängig ist, nämlich das Zitat im Etymologicum Gudianum. In allen drei Fällen – Chrys. hom. in Mt. 58,3; hom. in 2 Cor. 12,6; Gr.Nyss. mort. (GNO 9,58,7f [HEIL]) – ist der Wortgebrauch dem in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes vergleichbar. 41 In mir. 58 wird dies weiter ausgeführt: Wie in mir. 1,9 lassen sich die χοιράδες vom Nacken abgefallen zählen. In beiden Berichten sind es 67, in mir. 58 fügt Sophronios an: et duas cum ipsis masculini simul sexus et feminini, quae hunc hominum osorem generaverunt exercitum (L = PG 87/3, 3631C, der griechische Text dieser Stelle ist korrupt).
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Kapitel 2: Annäherung an die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes
Sophronios wechselt von τράχηλος zu αὐχήν über42 – und zwingen ihn „mitzuwachsen“. Wenn dies zunächst noch gelungen ist, gelingt es doch schon bald nicht mehr: Durch die Hautspannung würgen sie ihn und werden ihn, wie wir aus mir. 58 erfahren, irgendwann erwürgen. Notieren wir, dass die Beschreibung von Ammonios’ Leiden voll von Wörtern ist, die teilweise mit spezifischerer Bedeutung auch im medizinischen Kontext Verwendung finden: Neben den Namen der Körperteilen sind dies συντείνω, διατίθημι oder περίτασις τοῦ δέρματος. Sophronios’ Beschreibung von Krankheit und Krankheitsverursachern sucht in der antiken Literatur ihresgleichen. Auf der literarischen Ebene wirkt sie plausibel, insofern sie Namen, Symptombeschreibung, Aggressivität der Krankheitsverursacher, ihre spätere Flucht sowie ihren Niederfall vor dem Grab der Märtyrer in ein Gesamtkonzept einzubinden mag, das durch die in mir. 58 gegebene Beschreibung fortgeschrieben wird. In der antiken medizinischen Fachliteratur begegnen χοιράδες als eine Sonderform der Geschwülste (φύματα).43 Obwohl allerdings die Krankheit Hippokrates und vor allem Galen folgend in den großen medizinischen Kompendien der Spätantike beschrieben wird, handelt es sich nach Ausweis der Belegstellen in der überkommenen Literatur um kein besonders häufiges Krankheitsbild: Den 89 Belegen für φύματα im Corpus Hippocraticum stehen nur fünf für χοιράδες gegenüber.44 Ebenso wenig ist das Krankheitsbild besonders deutlich: Während es sich bei den χοιράδες bei Hippokrates (Gland. 7) ausschließlich um eine Erkrankung der Mandeln zu handeln
42 Ein Bedeutungsunterschied zwischen dem in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes deutlich breiter belegten und auch in mir. 58 gebrauchten Begriff τράχηλος (mir. 1,0; 1,3; 1,3; 1,3; 1,8; 1,8; 30,5; 30,8; 30,9; 30,11; 36,11; 38,11; 58,0; 58,2; 58,4; 58,4; 58,5; 58,5; 58,6; 61,2; 61,2; 61,5; 63,2; 63,5; 70,16) und dem nur in mir. 1 belegtem αὐχήν (mir. 1,3.7.9) lässt sich nicht feststellen, obwohl nach Auskunft von LSJ (s.v. τράχηλος, 1811f, 1811) manche Autoren in der Weise einen Bedeutungsunterschied zwischen beiden Wörtern nahelegen, dass τράχηλος den ganzen Hals und αὐχήν den Nacken bezeichne. Tatsächlich bleibt unklar, welche Halsregion genau von χοιράδες betroffen ist. Auch die dritte und letzte Bezeichnung des betroffenen Areals als τένων (§6) lässt eine genauere Bestimmung nicht zu. Der Wechsel zwischen beiden Begriffen erklärt sich aus dem Bedürfnis nach Variation am besten – zumal beide Begriffe ähnliche Wort- und Bedeutungsfelder erschließen: Zu τράχηλος vgl. PGL s.v. τραχηλιαστής, τραχηλιόω, τράχηλος, vgl. außerdem PGL und LSJ s.v. τραχηλιάω sowie unten, S. 33. Zu αὐχην vgl. LSJ s.v. αὐχέω, αὔχη und αὔχησις. 43 Vgl. hierzu CRAIK, Hippocratic, 91 (mit weiterführender Lit.). Sie vermutet dies aufgrund von χοιράδες, καὶ τἄλλα φύματα (Aph. 3,26 [4,498 LITTRÉ]). 44 Vgl. CRAIK, Hippocratic, 91. Gleichwohl können Anzahl der Fundstellen in jedem Fall nicht mehr als ein Indiz für die Häufigkeit des Auftretens einer Krankheit sein.
2.4. Kommentar
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scheint, 45 können sie den Enzyklopädisten Oribasios, Aëtios und Paulos von Aigina zufolge grundsätzlich überall am Körper auftreten. Meist seien sie aber an Hals (τράχηλος), Armbeugen (μασχάλαι) und Drüsen (βουβῶνες) zu finden. 46 Allein, dass es sich um eine Verhärtung handelt, darf durchgehend als Konsens gelten.47 Paulos von Aigina unterscheidet eine prinzipiell heilbare, gutartige (εὐήθης) von einer durch chirurgischen Eingriff nicht zu beseitigenden bösartigen (κακοήθης) Variante der χοιράδες.48 Davon einmal abgesehen finden sich aber keine Hinweise darauf, dass es sich bei den χοιράδες um ein besonders schlimmes oder gar tödliches Leiden handelt. Gegen die χοιράδες werden von Galen und den Enzyklopädisten vor allem chirurgische Maßnahmen vorgeschlagen, daneben aber auch diverse äußerliche Anwendungen und Umschläge, selbst solche auf Wachsbasis.49 Es würde folglich wenig überraschen, das in §8 von den Märtyrern verordnete Heilmittel unter diesen zu finden. Eine bewusste Anleihe ist allerdings unwahrscheinlich und lässt sich auch nicht nachweisen. Der kurze Durchgang durch die fachwissenschaftlichen Ausführungen legt den Schluss nahe, dass zumindest medizinisches Fachpersonal durchaus mit dem offenbar seltenen Krankheitsbild der χοιράδες vertraut war. Zugleich lassen die hier herangezogenen antiken medizinischen Texte die Tendenz erkennen, dass sich der Begriff, was als χοιράδες bezeichnet werden kann, im Laufe der Zeit weitet. Sophronios macht sich dies zu Nutze: Durch die erwähnte Vielzahl von Ausdrücken, die in medizinischen Texten teilweise auch als Fachbegriffe 45
GRMEK (Les maladies, 261–290, hier: 289) erinnert die Gland. 7–8 gegebene Beschreibung der χοιράδες an die einer Lymphknotentuberkulose – „bien qu’assez confuse“ – wie überhaupt der Begriff χοιράδες nur in dessen Ausführungen zur Tuberkulose begegnet. Beide Begriffe werden aber nicht miteinander gleichgesetzt. 46 So übereinstimmend Orib. Fr. 45,16,1; Aët. 15,5; Paul.Aeg. IV,33,1; VI,35,1. 47 Man beachte aber die leichte Bedeutungsverschiebung beim Vergleich der nahezu identischen Aussagen von Galen (γίνονται δ᾿ αὗται σκιρρωμένων ἀδένων, Meth. med. 15,11,2f = 10,982 KÜHN) und Oribasios (Αἱ χοιράδες γίνονται μὲν σκιρρωμένων ἀδένων, Fr. 45,21,1 [CMG VI/2,1, 177,5 RAEDER]) mit denen Paulos von Aiginas: Αἱ χοιράδες ἀδένες εἰσὶν ἐσκιρρωμένοι (VI,35,1 [= CMG IX/1,354,6 HEIBERG]), Ἡ χοιρὰς ἀδήν ἐστιν ἐσκιρρωμένος (VI,35,1 [= CMG IX/2,73,11 HEIBERG]). 48 Die bösartige Variante würden „einige auch als krebsartig bezeichnen“ (καρκινώδεις τινὲς εἰρήκασιν). Sie werde „beim Auflegen eines Arzneimittels schlimmer“ (πρὸς ἐπίθεσιν φαρμάκου χείρους γινόμεναι) und lasse sich „mittels chirurgischem Eingriff nicht ganz entfernen“ (οὐ πάνυ τι χειρουργίας ὑπείκουσιν) (6,35,1 [CMG IX/2, 73 HEIBERG]). Die gutartige Variante hingegen lasse sich chirurgisch gut behandeln (6,35,2ff [CMG IX/2, 73f HEIBERG]). Über Krankheitsentstehung und -verlauf berichtet Paulos von Aigina nichts. 49 Textbelege führt NISSEN, Sophronios-Studien, 366f an.
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Kapitel 2: Annäherung an die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes
begegnen, erweckt er den Eindruck, seine Beschreibung der χοιράδες sei auch wissenschaftlich adäquat.50 Auf diese Weise ‚kapert‘ er einen selten gebrauchten, unscharf umrissenen medizinischen Begriff und schafft damit innerhalb des Kosmos anerkannter Begrifflichkeiten ein neues, in sich stimmiges Krankheitsbild. Nur erschöpft sich sein Interesse darin, eine Basis für das Wirken der Märtyrer zu schaffen, das in Ammonios’ Fall nicht nur auf die Behandlung eines körperlichen Leidens zielt. Hingegen ist ein eigenständiges Interesse an der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer medizinischer Theoriebildung nicht erkennbar. Eine bemerkenswerte Parallele zu der Schilderung von Ammonios’ Erkrankung findet sich in Plutarchs Cicero-Biographie: Dessen Gegenspieler Vatinius leidet ebenfalls unter χοιράδες, was Cicero Plutarch zufolge gleich zweimal argumentativ gegen ihn wendet:51 Beim ersten Mal soll der Verweis auf Vatinius’ Krankheit seine wenig vorteilhafte Charakterisierung als Rüpel unterstützen. Beim zweiten Mal nimmt Cicero diese Erkrankung für die Behauptung zum Anlass, besagter Vatinius werde zu Recht als geschwollener Redner bezeichnet. Wenngleich es sich wohl nur um eine Motivparallele zu handeln scheint, so ist doch zumindest beim zweiten Mal eine gewichtige strukturelle Parallele kaum zu übersehen: Bei Sophronios implizit, dort explizit wird ein bestimmtes Krankheitsbild zu einem bestimmten Verhalten in Beziehung gesetzt, und zwar über die räumliche Metaphorik der Schwellung, ohne dass eine kausale Verbindung zwischen Erkrankung und Verhalten auch nur anzunehmen notwendig wäre.52 Begünstigt wird der so produzierte Bedeutungsüberschuss der χοιράδες sicher noch dadurch, dass sowohl Ammonios als auch Vatinius am Halse leiden – an dem Körperteil also, das nicht nur begrifflich in besonderer Weise mit
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Nicht zuletzt deswegen hat sich der Verfasser entschieden, den Begriff χοιράδες nicht zu übersetzen. Politis’ Vorschlag, χοιράδες mit „Schweineschwellungen“ wiederzugeben, ist zwar reizvoll, insofern deutlich wird, dass χοιράδες eben kein stabiler Begriff ist und keine bestimmte Krankheit bezeichnet: In gewisser Hinsicht erfindet Sophronios ja tatsächlich eine Krankheit. Diese Übersetzung verdunkelt allerdings, dass Sophronios sehr wohl den Anspruch erhebt, eine bestimmte, von den Ärzten (!) trefflich χοιράδες genannte Krankheit korrekt zu beschreiben. 51 Ἐπεὶ δὲ Οὐατίνιος, ἀνὴρ ἔχων τι τραχὺ καὶ πρὸς τοὺς ἄρχοντας ὀλίγωρον ἐν ταῖς συνηγορίαις, χοιράδων δὲ τὸν τράχηλον περίπλεως ... (Plu. Cic. 865b [= 75 FLACELIÈRE/CHAMBRY]). Aὐτὸν δὲ τὸν Βατίνιον ἔχοντα χοιράδας ἐν τῷ τραχήλῳ καὶ λέγοντα δίκην οἰδοῦντα ῥήτορα προσεῖπεν (Plu. Cic. 873e [= 95 FLACELIÈRE/CHAMBRY]). 52 Vgl. hierzu auch die Kommentare zu §6, 35–37, und §10, 44.
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dem Hochmut verbunden ist,53 sondern an dem sich auch des Menschen Hochmut oder Demut in besonderer Weise ablesen lässt.54 §4 Nachdem Sophronios Ammonios’ Leiden beschrieben hat, berichtet er nun – dem üblichen Berichtsverlauf folgend –, dass Ärzte konsultiert werden:55 Der Vater ruft die „hochtrabenden“ unter ihnen herbei; σοβαροί ist in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes durchgehend negativ besetzt. Er bittet sie eindringlich, seinem „in Gefahr schwebenden Kind zu helfen.“ Noch bevor die Ärzte die Behandlung (θεραπεία) beginnen, zahlt er ihnen bereits „der Behandlung angemessene“, also wegen der Schwere der Krankheit und des Wohlstandes des Vaters wohl sehr hohe Löhne. Jenseits aller Polemik – die Bezeichnung jener Ärzte als hochtrabend ist sicher nicht die vom Vater gewählte – kann dem Abschnitt entnommen werden, dass Ärzte keineswegs als homogene Gruppe wahrgenommen wurden: Aus der Masse der Ärzte stechen einige durch Reputation und Auftreten heraus. Zudem erfahren wir, dass sich offenbar mehrere Ärzte zugleich an der Behandlung eines Kranken versuchen; hier wird allerdings nicht berichtet, ob sie dabei einen einheitlichen Therapieansatz verfolgen oder jeder seinen ihm eigenen. Schließlich kann dieser Passage entnommen werden, dass die Zahlung zumindest des vollen Behandlungslohns, dessen Höhe sich offenbar an der Schwere der Krankheit orientierte, im Voraus unüblich war. Die Ärzte schwören daraufhin, „das Kind mehr als ihn (sc. den Vater) zu lieben“ und die Krankheit zu heilen. Die Heilung des kranken Kindes erheben sie zur Pflicht (χρέος) und erklären, diese „aus Verehrung und Ehrerbietung (αἰδῷ καὶ τιμῇ) für den Vater und Liebe und Zuneigung (πόθῳ καὶ στρογῇ) für das Kind“ zu erfüllen. Die Äußerungen der Ärzte lassen also durchaus redliche Motive erkennen; diesen Eindruck sucht Sophronios auf zweifache Weise zu unterlaufen. Einerseits hinterlässt die beinahe schon epische Breite der Schilderung den Eindruck, diese Äußerungen könnten gar nicht ernst gemeint sein, und tatsächlich gelingt es den Ärzten letztlich auch nicht, ihre Pflicht zu erfüllen. Andererseits deutet Sophronios bereits hier ein anderes 53
Vgl. S. 30 Anm. 42. Vgl. – allerdings ohne jeden Hinweis auf χοιράδες – etwa 1Clem 63,1 (= 148 LINDEMANN/PAULSEN): Θεμιτὸν οὖν ἐστὶν τοῖς τοιούτοις καὶ τοσούτοις ὑποδείγμασιν προσελθόντας ὑποθεῖναι τὸν τράχηλον καὶ τὸν τῆς ὑπακοῆς τόπον ἀναπληρῶσαι, ὅπως ἡσυχάσαντες τῆς ματαίας στάσεως ἐπὶ τὸν προκείμενον ἡμῖν ἐν ἀληθείᾳ σκοπὸν δίχα παντὸς μώμου καταντήσωμεν, oder, um nur zwei weitere Beispiele zu geben, Dor. doct. 1,8: Βλέπεις ὑπερηφάνειαν; βλέπεις τράχηλον, βλέπεις ἀνυποταξίαν (= SC 92,158,12f REGNAULT/DE PRÉVILLE) und Dor. doct. 1,9: Πάλιν μετὰ τὸ ἀσχημονῆσαι, ἔδωκε πρόφασιν τοῦ μετανοῆσαι καὶ ἐλεηθῆναι, καὶ ἔμεινεν ὁ τράχηλος αὐτοῦ ὑψηλός (= SC 92,160,5f REGNAULT/DE PRÉVILLE). 55 Auf Auftreten und Wirken der Ärzteschaft geht Kap. 4.2 ausführlich ein. 54
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Motiv an, das er selbst ohne Zweifel für das wahrscheinlichere hält, nämlich die im Voraus gezahlten, „der Behandlung angemessenen Löhne“, die die Ärzte jubeln lassen. §5 Einen ausführlichen Bericht darüber, was die Ärzte alles versuchen, um den armen Ammonios zu heilen, gibt Sophronios nicht. Er begnügt sich mit der summarischen Notiz, dass sie alles „ihrer Kunst mögliche getan“ haben, sogar „das über ihre Kunst Hinausgehende versucht hatten“. Das Fehlen von Parallelen sowie Sophronios’ Einschränkung εἰ ἔστιν εἰπεῖν lässt darauf schließen, dass es sich nicht um eine feste Wendung handelt. Vielmehr versucht Sophronios, den Kontrast von angeblichem Können und beinahe beiläufig festgestellter Nichtsnutzigkeit mit Hilfe einer originellen Formel deutlicher herauszustellen. Der sich anschließende, etwas eigenwillig formulierte Hinweis, dass die „Rettung des Kindes … von den Märtyrern verwahrt“ wurde, darf nicht als Grund für das Scheitern der Ärzte missverstanden werden. Die Ärzte scheitern wegen ihres Unvermögens und, weil die Krankheit Sophronios zufolge unheilbar ist.56 Vielmehr fungiert dieser Hinweis als Vorschau auf die ab dem folgenden Paragraphen beschriebene erfolgreiche Behandlung der Märtyrer. Dass nun aber von σωτήρια die Rede ist, ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert: Anders als θεραπεία und wie die nur im „Gerede“ der Ärzte begegnende ἄκεσις nimmt σωτήρια vorweg, dass der Junge auch tatsächlich gesund wird. Darüber hinaus eröffnet der Begriff aber auch einen weiteren, genuin theologischen Assoziationsrahmen – wie sich überhaupt der Fokus von einem pathologischen Geschehen ausgehend zu weiten beginnt: Nicht σωτήρια von einem χοιράδες-Befall des Nackens steht nunmehr im Vordergrund, sondern σωτήρια des Kindes. Bevor aber der Heilungsprozess (und damit auch die Schilderung desselben) beginnen kann, ist die Abkehr von den Ärzten und die Hinwendung zu „den wahren Ärzten Kyros und Johannes“ zu vollziehen. Diese Charakterisierung als ὄντως ἰατροί führt Sophronios’ Strategie konsequent fort, seine Beschreibungen der Krankheit als medizinisch akkurat erscheinen zu lassen. Indem nämlich die erfolglosen Ärzte subtil degradiert werden – nichts anderes impliziert der märtyrerliche Titel der wahrhaftigen Ärzte –, werden zugleich die Märtyrer als eigentliche Ärzte behauptet. Damit sind sie aber nicht
56 πάθος ἐστὶ δυσκατέργαστον, καὶ νόμοις ἰατρῶν οὐ πειθήνιον, καὶ ἄγχον ἀγρίως τοὺς πάσχοντας. Τοῦτο καὶ Πέτρος περὶ τὸν τράχηλον ἔσχηκε, καὶ σχὼν ἀποθανεῖν ἐκινδύνευε (τοιοῦτο γὰρ τῶν χοιράδων τὸ γέννημα), καὶ κινδυνεύων ἠπόρει τοῦ σώζοντος ἰατροῦ μὴ δυναμένου πρὸς τὸ πάθος μαχήσασθαι, καὶ μαχησαμένου τὴν νίκην κομίσασθαι (58,2,2–7 [373 FM]).
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‚anders‘, als die Ärzte sein sollten. Sie sind, wie diese eigentlich sein sollten.57 Auch weiterhin bleibt Ammonios untätig. Der Vater ist die eigentlich handelnde Person: Er tränkt das Märtyrergrab mit seinen Tränen und fleht sie an (ἐλιτάνευεν), dass sie seinen Sohn retten. Für Julianos steht es außer Frage, dass die Märtyrerheiligen hierzu in der Lage sind – wenn sie es denn wollen. Dieses Vertrauen, die πίστις, in die (Fähigkeit der) Märtyrer, die hier nicht explizit thematisiert wird, erweist sich auch in anderen Wunderberichten als eine der Voraussetzungen, vielleicht sogar die entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Märtyrerheiligen tatsächlich tätig werden.58 Die Märtyrer erhören (ἐπακούσαντες) ihn. Die später berichtete Heilung wird hier bereits vorweggenommen: Ammonios wird „von jener fürchterlichen Halskette auf glanzvolle Weise“ befreit werden. §6 Zwar hat Sophronios das Ende des Wunderberichts bereits vorweggenommen; der Prolepse als Stilmittel bedient sich Sophronios gerne und oft. Doch betont er, dass er es für Unrecht halten würde, die Behandlung (θεραπεία) nicht zu schildern. Wie schon in §1 stellt Sophronios die nun folgende Schilderung als innere Notwendigkeit dar. Häufig, und so auch in diesem Fall, ist der Behandlungsverlauf wesentlich für das Verständnis des Leidens des jeweiligen Hilfesuchenden: Die beiden Märtyrer bemerken nämlich sogleich, dass Ammonios nicht einfach nur unter den χοιράδες-Verursachern leidet. Er sei darüber hinaus auch hochmütig (ὑπέροφρυν) und durch seinen Reichtum überheblich geworden (πρὸς ἀλαζονείαν αἰρόμενον). Dieses seelische Leiden bezeichnet Sophronios als „Entzündung der Seele“ (τῆς ψυχῆς τὴν φλεγμονήν). Die in §2 noch neutral gehaltene Charakterisierung des reichen und stolzen Ammonios wird nun eindeutig ins Negative gewendet. Schon weil die wahren Ärzte Kyros und Johannes eine andere Diagnose stellen, greifen sie auch auf eine andere Form der Behandlung zurück als die Ärzte, die sich allein und zudem erfolglos auf das körperliche Leiden konzentriert hatten. Zunächst behandeln sie die „Entzündung der Seele“, dann erst die „Schwellungen der körperlichen (Nacken-)Sehne“ (τοῦ σωματικοῦ τένοντος τὰς οἰδήσεις), bei denen es sich ohne Zweifel um eine Umschreibung für Ammonios’ χοιράδες-Leiden handelt. Auch weiterhin bedient sich Sophronios technisch wirkendem Vokabular. Dieses Mal fehlt allerdings jeglicher Anhaltspunkt in der antiken medizinischen Literatur: Ein Zusam57
Auf das Verhältnis von Ärzten und Märtyrern geht Kap. 4.4.2 ein. Den Märtyrerheiligen als ὄντως ἰατροί ist Kap. 4.4.3 gewidmet. 58 Auf die Bedeutung der πίστις für den Behandlungsprozess kommt der Kommentar zu §12, S. 47f, zurück.
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menhang zwischen οἰδήσεις und χοιράδες wird nirgends hergestellt und auch ein über die bloße Nennung beider Begriffe in einem gemeinsamen Kontext hinausgehender Zusammenhang zwischen φλεγμονή und χοιράδες lässt sich nicht feststellen. Der Ausdruck τῆς ψυχῆς φλεγμονή ist in der medizinischen Literatur überhaupt nicht belegt. Wiederum bedient sich Sophronios also auch im medizinischen Kontext gebrauchter Begriffe, ohne an einen bestimmten zeitgenössisch-medizinischen Diskurs anzuknüpfen. In der nicht-medizinischen Literatur begegnet das Bild der entzündeten Seele im Übrigen des Öfteren. Procopé spricht gar von dem „alten(n), oft verwendete(n) Bild vom (Hochmut) als ‚Entzündung‘ (φλεγμονή) der Seele“.59 So illustriert Dio Chrysostomos mit diesem Bild, dass es wie bei entzündeten Körperteilen eben dauere, bis sie, also die Seele, heile.60 Eine darüberhinausgehende inhaltliche Bestimmung unterbleibt hier jedoch noch, wenngleich es möglich ist, die nun folgende Rede über die Gier (πλεονεξία) als solche aufzufassen. In der christlichen Literatur, in der das Bild der entzündeten Seele weitaus häufiger gebraucht wird und jetzt auch die Wendung τῆς ψυχῆς φλεγμονή begegnet, wird genau dieser Pfad beschritten: Die Entzündung kann nun inhaltlich als Stolz (ἔπαρσις), Eitelkeit (τῦφος) oder Hochmut (ὑπερηφανία) näher bestimmt werden und als Folge unter anderem von Geiz, der wiederum aus dem Horten von Reichtümern oder Amtswürden erwächst.61 Diese begriffliche Weite, die bereits die wenigen in Anmerkung 61 angeführten Textbeispiele erkennen lassen, ist der herausgehobenen Stellung des Hochmuts in altkirchlichen Sündenlehren geschuldet: Origines, dessen Verständnis in der Folgezeit prägend wurde, hielt Hochmut für „größer als alle Sünden, ja die Grundsünde des Teufels selbst“ und betrachtete ihn als das „Haupt aller Übel“.62 Auch jenseits einer solchen inhaltlichen Füllung oder der Angabe möglicher Ursachen wird das Bild der Seelenentzündung weiter ausgearbeitet: Nun 59
PROCOPÉ, Art. Hochmut, 831. D.Chr. 17,6,4; vgl. auch Plu. De communibus notitiis adv. Stoicos 1059c5–7. 61 φλεγμονὴ δὲ, ἔπαρσις ψυχῆς, ἐξ ἀλόγου οἰήσεως ὀγκουμένης, καὶ διὰ τοῦτο ἐπαιρομένης κατὰ τῆς γνώσεως τοῦ Χριστοῦ (Bas.[?] Is. 1,18 [PG 30,148C]); τύφου φλεγμονὴν τῆς ψυχῆς δεξαμένης (Thdt, h.rel. 24,6,7 [SC257,146 CANIVET/LEROYMOLINGHEN]) und Χρημάτων γὰρ πορισμὸς πλεονεξίας μὲν ὑπόθεσις· κτῆσις δὲ οὐδὲν εἰς εὐδοξίαν· ἀλλὰ μάτην τυφλοῖ, διακενῆς ἐπαίρει, φλεγμονῇ τινι παραπλήσιον πάθος ἐργάζεται περὶ τὴν ψυχήν Οὐ γὰρ ὑγιὴς ὄγκος οὐδὲ ὠφέλιμος ὁ τῶν φλεγμαινόντων σωμάτων, ἀλλὰ νοσώδης, ἐπιβλαβὴς, ἀρχὴ κινδύνου, καὶ πρόφασις ἀπωλείας. Τοιοῦτο καὶ περὶ ψυχὴν ὑπερηφανία. Καὶ γὰρ οὐ μόνον ἐπὶ χρήμασιν ἔπαρσις γίνεται … ἀλλὰ καὶ χειροτονητοῖς ἀξιώμασιν ὑπὲρ φύσιν ὑψοῦνται (Bas. hom. 20,1 [PG 31,525C-D]). 62 Superbia peccatis omnibus maior est et ipsius diaboli principale peccatum. … oportet fugere superbiam malorum omnium caput (Or. hom. 9 in Ezech. 2 = GCS 33,409,4f.20f BAEHRENS). Übers. PROCOPÉ, Hochmut, 829, der dies ebd., 829–844 ausführt. 60
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treten insbesondere das Moment der Schwellung und des sich Erhebens deutlicher hervor, ohne dass allerdings der metaphorische Charakter des Bildes vergessen wird.63 An dem vorliegenden ersten Wunder der Heiligen Kyros und Johannes ist insbesondere bemerkenswert, wie konsequent die im griechischen wie deutschen Wortfeld „Hochmut“ enthaltene räumliche Metaphorik entwickelt wird: Dem sich erheben (ὑπέροφρυν, πρὸς ἀλαζονείαν αἰρόμενον) und der Wohlstandsblase (τὸ τοῦ πλούτου φύσημα) korrespondiert das therapeutische Erniedrigen im folgenden Paragraphen, das in der Vernichtung des „Geschwollenen der Seele“ (τῆς ψυχῆς … τὸν ὄγκον, §9) mündet. Von hier wiederum wird deutlich, warum Sophronios die Umschreibung τοῦ σωματικοῦ τένοντος τὰς οἰδήσεις für Ammonios’ χοιράδες-Leiden wählt: Sie fügt sich hervorragend in die Metapher der Seelenentzündung ein. Dass die beiden Heiligen das Seelenleiden zuerst behandeln, hat Methode. Hierauf deutet nicht nur der Tempuswechsel hin. Wie neben mir. 1 insbesondere die in den Kap. 4.3, 5.2 und 5.3 behandelten mir. 30, 37 und 38 zeigen, sind Kyros und Johannes in der Tat „mehr als auf die Heilung der Körper (τῆς τῶν σωμάτων ἰάσεως) … auf die Unversehrtheit der Seelen (τῆς τῶν ψυχῶν ἀπαθείας) bedacht.“ Doch was ist hiermit gemeint? Während Sophronios das mit „Heilung“ treffend übersetzte Wort ἴασις recht häufig gebraucht (111 Belege), finden sich für ἀπάθεια in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes neben diesem nur zwei weitere Belege: In mir. 69,3 und 70,864 beschreibt der Begriff den von den jeweiligen Protagonisten ersehnten Zustand, dass ihr Leiden – beide leiden unter einer Erkrankung der Augen – ein Ende habe. Die Aussage, die beiden Märtyrer achteten in besonderer Weise auf die Unversehrtheit der Seelen, muss von daher so verstanden werden, dass die Märtyrer bestrebt sind, die Seelen in einen Zustand frei von Beeinträchtigung durch Krankheit zu überführen. Die Rede von ἀπάθεια fügt sich also mit Blick auf die Entzündung der Seele konsequent in das in der christlichen Literatur ge-
63 Vgl. bereits LSJ und PGL s.v. φλεγμαίνω. Besonders deutlich wird dies in Chrys. hom. 7 in Phil. 5: Ἐπὶ τῶν σωμάτων εἰπέ μοι, ποῖά φαμεν ὑγιαίνειν; τὰ ὄγκον ἔχοντα πολὺν, καὶ πολλοῦ πνεύματος ἔνδοθεν γέμοντα καὶ ὕδατος, ἢ τὰ κατεσταλμένα, καὶ τεταπεινωμένην ἔχοντα τὴν ἐπιφάνειαν; Δῆλον ὅτι ταῦτα. Οὐκοῦν καὶ ἐπὶ τῆς ψυχῆς, ἡ μὲν φλεγμαίνουσα ὑδέρου χεῖρον ἔχει νόσημα· ἡ δὲ κατεσταλμένη παντὸς ἀπήλλακται πάθους (PG 62,236,11–17). 64 ἀποθέσθαι μὲν ποθῶν τὴν ἀσθένειαν, ἀναλαβεῖν δὲ τὴν πρὸ ταύτης ἀπάθειαν, ὃ παντὸς ἀσθενοῦντος καθέστηκε γνώρισμα (69,3,2f [392 FM]). Ἐπιστάντες οὖν αὐτῷ καθ᾿ ὕπνους ἀμφότεροι (τρίτη δὲ ἡ νὺξ ἀφ᾿ ἧς παρεγένετο), οὕτως αὐτῷ περὶ τῆς τῶν μελλόντων ἀπαθείας τὴν πίστιν ἐνέθηκαν (70,8,1–3 [396 FM]).
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brauchte Bedeutungsspektrum der ἀπάθεια als Freiheit von Leidenschaft und Sünde ein.65 Wäre der Nachweis möglich, dass diese Bedeutung in mir. 69,3 und 70,8 mitschwingt, ließe sich dies als Hinweis darauf verstehen, dass Sophronios einen kausalen Zusammenhang zwischen Ammonios’ körperlichem und seinem seelischen Leiden durchaus für möglich hält. Sein Bericht lässt diesen Schluss allerdings bislang nicht zu. Ein Seitenblick auf mir. 58 führt nicht weiter: Auch hier scheint es einen Bezug zwischen dem moralisch zweifelhaften Charakter des Petros und seiner Erkrankung zu geben. Zunächst wirkt dies allerdings nicht so: Petros war ein ehrenvoller Mann, stolz auf seine Herkunft, seinen Reichtum und seinen Verstand … Seines Vaterlandes Grenzen überschritt er in Lobreden. … Dieser außergewöhnlich edle Petros nun, im Reichtum schwimmend, der durch seine Abstammung berühmte und durch seinen Verstand geschmückte, fiel einer schweren Krankheit zum Opfer. Denn die Eigenheiten der Natur sparen auch solche nicht aus, auch wenn sie glauben, sich von den Ihresgleichen durch Vorzüge zu unterscheiden.66
Misstrauen erwecken allerdings – neben Petros’ offenkundigem Stolz67 – die Ausführlichkeit von Sophronios’ Ausführungen sowie der sarkastisch anmutende Abschlusssatz, Krankheit würde auch die treffen, die sich durch πλεονεκτήματα68 von ihren Mitmenschen zu unterscheiden meinen. §7 Der erste Satz dieses Paragraphen schließt Sophronios’ Vorschau auf die nun folgende Behandlung von Ammonios’ doppeltem Leiden ab. Die Märtyrer sehen nicht nur, „dass Ammonios an Seele und Körper erkrankt war“. Sie erkennen auch, dass er „sich mit Blick auf beider Nacken in schlechtem Zustand befand“. Sophronios entwickelt also das Bild der entzündeten Seele. Er parallelisiert beide Erkrankungen, indem er sie lokalisiert. Der Nacken ist
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Die Begrifflichkeiten, mit denen Sophronios Gesundheit und Genesung sowie Krankheit und Erkrankung bezeichnet, werden in Kap. 3.2.1 eingehend betrachtet. 66 ἀνὴρ γέγονε τίμιος, γένει δὲ καὶ πλούτῳ καὶ φρονήσει γαυρούμενος. ... τῆς πατρίδος τὰ ὅρια ταῖς εὐφημίαις ἐπέρασε ... Πέτρος οὖν οὗτος ὁ κάλλιστος, ὁ πλούτῳ ῥεόμενος, ὁ γένει (περίφημος add. DUFFY ) καὶ φρονήσει κοσμούμενος, χαλεπῷ νοσήματι περιπέπτωκεν· φείδεται γὰρ οὐδ᾿ αὐτῶν τὰ τῆς φύσεως ἴδια, εἰ καὶ τοῖς λεχθεῖσιν πλεονεκτήμασιν διαφέρειν τῶν ὁμοφύλων νομίζουσιν (mir. 58,1 [373 FM]). 67 Nach Ausweis von LSJ ist γαυρόω mit „stolz sein“ zu übersetzen, ohne dass anhand der gegebenen Beispiele eine pejorative Konnotation anzunehmen wäre. Im PGL fehlt das entsprechende Lemma. Aus den im Lexikon zur byzantinischen Gräzität auffindbaren verwandten Lemmata lässt sich eine negative Konnotation des Begriffes zumindest in späterer Zeit erschließen. 68 Wiederum haben wir es mit einem schillernden Begriff zu tun, der nach Ausweis des LSJ eher positiv konnotiert zu sein scheint, nach PGL hingegen eher negativ.
2.4. Kommentar
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hierfür prädestiniert, und das nicht nur, weil er von den χοιράδες befallen ist.69 Der weitere §7 und der folgende §8 treiben den eigentlichen Bericht voran. Sie schildern, wie die beiden Märtyrerheiligen Ammonios’ doppeltes Leiden behandeln, und zwar zunächst, wie in §6 angekündigt, sein seelisches Leiden, dann sein körperliches. Gegen das seelische Leiden verordnen die beiden Märtyrer, dass Ammonios „vor ihrem ehrwürdigen Grab zu kehren“ habe. Auf diese Weise solle er, wie Paulus in Röm 12,3 mahnt, lernen, nicht „mehr von sich zu halten, als sich’s gebührt“. Die beiden Märtyrer erniedrigen ihn also, um seinen Hochmut zu beseitigen.70 Und tatsächlich dürfte der octavarios diese Tätigkeit als ‚unter seinem Niveau‘ empfunden haben. Eine eigenständige Bedeutung des Kehrens, deretwegen es sich um eine für die Demütigung besonders geeignete Tätigkeit handeln würde, lässt sich zwar nicht erkennen. Doch erlaubt es die dabei einzunehmende „zur Erde gebückte Haltung“ Sophronios, sowohl das Motiv des gebeugten Nackens wiederaufzunehmen71 als auch die räumliche Metaphorik des Hochmuts.72 Durch die gebückte Haltung solle Ammonios „belehrt werde(n), woher er genommen wurde und wohin er wenig später zurückkehren werde“. Zwei Schriftzitate streichen heraus, was Ammonios offenbar vergessen hat: wie niedrig und vergänglich der Mensch ist. Die Behandlung des Seelenleidens erfolgt also letztlich mittels des Körpers. §8 Ammonios muss die Anweisungen der Märtyrer ausgeführt haben: Das „Geschwollene der Seele“ ist „vernichtet“; ὄγκος und μαραίνω sind zwar keine ausschließlich medizinischen, aber auch medizinische Begriffe. Ammonios wurde „gezwungen“, zu lernen, wer er sei. Dass nun Ammonios angesprochen wird, ist insofern bemerkenswert als er bislang noch nicht
69 Vgl. hierzu S. 30 Anm. 42 und S. 33 Anm. 54. Dass es sich bei „beider“ Nacken um den Nacken des Körpers und den der Seele handelt, kann allerdings nur aus der Rede von einem σωματικός τράχηλος (§8) geschlossen werden. Vgl. hierzu den Kommentar zu §8, 40. 70 Körperliche Anstrengungen galten als durchaus probates Mittel, „gegen den (Hochmut) des Geistes (und) die Lästerung“ anzugehen, „weil man annahm, daß der Leib durch physische Zermürbung gedemütigt werde (und) mit ihm dann auch die Seele, die ihm verbunden ist.“ Weitere Mittel bestanden darin, hochmütige Gedanken zu unterbinden, demütige hingegen zu pflegen (PROCOPÉ, Art. Hochmut, 842–844, Zitat: 844). 71 Vgl. den Kommentar zu §5, S. 33. 72 Zur räumlichen Metaphorik sei auf den Kommentar zu §6, S. 35–37, verwiesen. Auch in mir. 29 und 30 ist die gebückte, unmenschlich-animalische Körperhaltung von Bedeutung. Vgl. hierzu Kap.4.3.4 (zu §3), S. 184f.
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als handelnde Person in Erscheinung getreten ist. Zumindest im ersten Durchlauf ist es sein Vater, der für ihn handelt. Ammonios bleibt auffällig passiv.73 Nachdem die Märtyrer Ammonios’ seelisches Leiden kuriert haben, „richteten sie das Heilmittel gegen das Leiden des körperlichen Halses“. Bemerkenswert ist zunächst der Ausdruck des „körperlichen Halses“ (σωματικός τράχηλος), insofern er, wie schon oben der Ausdruck „beider Nacken“ (οἱ ἑκατέρων αὐχένες), einen Hals der Seele als Gegenstück vermuten lässt. Dieses durch die Parallelisierung der beiden Erkrankungen eigentlich naheliegende Bild wird allerdings auch hier nicht weiter entfaltet. Auch die etwas merkwürdige Rede von „dem Heilmittel“ (τὸ φάρμακον), das nun gegen das körperliche Leiden gerichtet wird, hilft hier nicht weiter, um den Zusammenhang der beiden Erkrankungen zu verstehen. Es handelt sich hierbei nämlich um kein bestimmtes Heilmittel. Stattdessen wird τὸ φάρμακον hier als abstrakter Begriff gebraucht, unter dem nun durch Gebrauch des Demonstrativums τοῦτο das Heilmittel „gegen das Leiden des körperlichen Halses“ subsummiert wird, das durch die Apposition τὰς χοιράδας näher bestimmt wird. Bei dem Heilmittel, das die beiden Märtyrer um den Hals aufzutragen anordnen, handelt es sich um ein Pflaster „aus ihrem Wachs, das sie ihm mit Brot vermischt um den Hals herumzulegen auftrugen.“ Obwohl sich die Behandlungsansätze der Ärzte und der Märtyrerheiligen mitunter durchaus ähneln,74 lassen sich doch keine wirklich exakten Parallelen zu dieser Behandlung dieses Leidens finden. Auch Petros, den Protagonisten des mir. 58, behandeln die Märtyrer anders: Ihm tragen sie auf, noch warmes Brot in Pflasterform auf die χοιράδες aufzulegen, es nach einigen Stunden abzuwaschen und diesen Vorgang bis zur Ausheilung zu wiederholen.75 Der Genesungsprozess erstreckt sich über insgesamt zwei Mal drei Tage,76 obwohl nur eine Anwendung berichtet wird. 73
Vgl. nur §2: Ἀμμώνιος … ἀγαθῷ πατρὶ σεμνυνόμενος oder §4: Ὁ δὲ πατὴρ τοὺς σοβαροὺς τῶν ἰατρῶν προσεκαλούμενος, τοῦ νέου τὸ πάθος ἐδείκνυεν, καὶ βοηθεῖν ἠντιβόλει τῷ παιδὶ κινδυνεύοντι. 74 Die Anwendung von Heilmitteln auf Wachsbasis in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes dokumentiert DEUBNER, De incubatione, 82f. Zum fachmedizinischen Hintergrund s. NISSEN, Sophronios-Studien, 366f. Auf die Heilkunst der Märtyrerheiligen im Vergleich zu der der Ärzte geht Kap. 4.4.2 ausführlich ein. 75 Ἄρτος δὲ ἦν, τὴν ἐκ πυρὸς ἔτι φέρων θερμότητα, ὃν διαπρῖσαι προσέταττον, καὶ θερμὸν προσενέγκαι ταῖς χοιράσιν ἐπίθεμα, καὶ τοῦτο βαστάσαι ὡς ὡρῶν πέντε διάστημα τῷ τραχήλῳ προσφιλῶς ἐπικείμενον· καὶ τότε λουτρῷ προσπελάσαντα, καὶ ἔσω κατὰ τὸν θερμὸν ἀέρα γενόμενον, ἀποσπᾶν τοῦ τραχήλου τὸ φάρμακον, καὶ τοῦτο πάλιν χρῆσθαι λουσάμενον, μέχρι τελείας τοῦ πάθους ἰάσεως (58,4,1–6 [374 FM]). 76 καὶ τοῦτο πάλιν χρῆσθαι …, μέχρι τελείας τοῦ πάθους ἰάσεως (mir. 58,4 [374 FM]); Ἐπιθεὶς δὲ πάλιν τῷ τραχήλου τὸ φάρμακον ὡσεὶ τρεῖς, καὶ τὰ τούτου θεραπεύεται τραύματα (mit. 58,6 [374 FM]).
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Die Heilung vollzieht sich also, könnte man schlussfolgern, auch in mir. 58 plötzlich. Dennoch ist die verfolgte Grundidee eine deutlich andere: In mir. 58 dient das Brotpflaster offenbar dazu, die gefräßigen χοιράδες in das Brotpflaster zu locken und dann mit diesem abzuwaschen.77 Dies würde jedenfalls erklären, warum Sophronios am Ende von mir. 58 die in mir. 1 nur in der etymologischen Ableitung des Namens begegnende Assoziation mit dem Schwein wieder aufleben lässt. In mir. 1 vollzieht sich die Heilung in jedem Fall plötzlich und letztlich scheint allein der Hinweis von Bedeutung, dass es sich bei dem Pflaster um ein höchst wirksames Pflaster (παναλκὴς ἔμπλαστρος) handelt. Die Umstände der Anordnung bleiben im Unklaren: Übermitteln die Märtyrer diese Ammonios selbst oder Dritten? Während Ammonios schläft oder wacht? Auch die Ausführung des märtyrerlichen Befehls wird nicht eigens geschildert: Wird Ammonios tätig? Oder Dritte? Fest steht nur, dass die Märtyrer unabhängig davon, wer nun das Pflaster aufgetragen hat, die eigentlich Handelnden sind: Sie sind es, die „das Heilmittel gegen das Leiden des körperlichen Halses“ richten. Alle anderen führen ihre Anordnungen nur aus. Nachdem dieser Befehl aber ausgeführt wurde – der Genitivus absolutus kann temporal oder auch kausal verstanden werden –, „wurde das Kind von seinem Leiden befreit“. Wiederum folgt eine Prolepse, die diesen Sachverhalt näher erläutert: „Nicht viele Tage nämlich brachten es die χοιράδες fertig, gegen das Heilmittel zu bestehen.“ §9 Die Vorstellung, dass es sich bei den χοιράδες bzw. ihren Verursachern um Lebewesen handelt, die sich unter Ammonios’ Haut eigenistet haben, wird im weiteren Berichtsverlauf konsequent weiterentwickelt: Sie können dem Heilmittel „nicht viele Tage“ widerstehen. „Sobald das Hilfsmittel auf sie aufgelegt worden war, flüchteten sie“.78 Während der Wechsel von φάρμακον zu βοήθημα ob des zwar nicht identischen, sich aber doch stark überschneidenden Bedeutungsspektrums unproblematisch ist,79 steht die Aussage, dass die χοιράδες dem Heilmittel nicht viele Tage wiederstehen konnten, in einer gewissen Spannung zu der nun folgenden Fluchtschilderung. Zwar kann die Litotes auch als Umschreibung des Gegenteils verstanden werden, dieser Gebrauch ist aber auch in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes nicht der vorherrschende. So wird beispielsweise in §2 das besondere Gewicht, das die Litotes einer Zeitangabe 77
Vgl. GASCOU, Sophrone, 196 Anm. 1174. οὐ πολλαῖς γὰρ ταῖς ἡμέραις ἀντισχεῖν αἱ χοιράδες πρὸς τὸ φάρμακον ἴσχυσαν. Ὅθεν ἐπιτεθέντος αὐταῖς τοῦ βοηθήματος, οὕτως ὀξέως … ἔφυγον (mir. 1,8f [245 FM]). 79 So kann φάρμακον die βοήθημα fremde Bedeutung „Gift“ haben, was sich wie beispielsweise in mir. 12,4 leicht aus dem Kontext erschließen lässt. Hingegen werden beide Begriffe nicht nur in mir. 6,2.4 synonym gebraucht. 78
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verleiht, genutzt, um eine lange Dauer zu umschreiben, ohne aber ein Extrem auszudrücken. Wahrscheinlicher scheint, dass Sophronios den ‚Widerspruch‘ zwischen beiden Aussagen als rhetorisches Mittel bewusst einsetzt. Unklar bleibt letztlich auch, in welchem Verhältnis die Auflage des Heilmittels und die Flucht der χοιράδες genau stehen. Mit anderen Worten: Es lässt sich nicht mit Sicherheit angeben, welche Funktion das βοήθημα im Heilungsprozess hat. Die χοιράδες fliehen jedenfalls, „als ob sie jemand peitsche oder verfolge“ (ὥσπερ τινὸς μαστίζοντος αὐτὰς ἤ διώκοντος), womit wohl eher Heftigkeit der Flucht und ihre hohe Geschwindigkeit unterstrichen, denn ausgesagt werden soll, dass die χοίραδες tatsächlich gepeitscht und verfolgt wurden.80 Durch ihre plötzliche Flucht zerreißen sie die sie zuvor umgebende Nackenhaut, fügen ihrem Opfer auf diese Weise ein letztes Mal Schaden zu und fallen schließlich vor dem Grab der beiden Märtyrer nieder. Zwar wirkt diese Flucht auf den ersten Blick wie eine Dämonenausfahrt. Die in mir. 1 und 58 geschilderte Eigenaktivität der χοιράδες unterstreicht diesen Eindruck noch. Nur werden sie nirgends als Dämon bezeichnet. Gegen eine Assoziation spricht insbesondere, dass es sich bei den χοιράδες um ein von Ärzten grundsätzlich behandelbares Leiden handelt.81
80 Die ursprüngliche Wortbedeutung von μαστίζω, peitschen, scheint in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes zugunsten eines etwas weiteren „peinigen“ zurückgetreten zu sein. Agens dieses Peinigens können Krankheiten und Dämonen sein. Am häufigsten sind es aber die Märtyrer selbst. Patiens ist in den meisten Fällen der jeweilige Protagonist des Wunderberichts. Mit Hinblick auf mir. 1,9 von besonderem Interesse sind mir. 54,8 und 67,3. Mir. 54,8 berichtet, wie ein Dämon, noch bevor das Schweinefett, das dort als Heilmittel fungiert, vollständig aufgetragen war, ὡς ὑπὸ θείας δυνάμεως μαστιζόμενον ἔφευγε; mir. 67,4 davon, dass ein Dämon μαρτυρικαῖς χερσὶ μαστιζόμενος, aber dennoch nicht Reißaus nimmt. Eine Parallele dafür, durch eine Passivform von διώκω die große Geschwindigkeit einer Handlung zu unterstreichen, findet sich in mir. 41,8: Die Zunge des kleinen Menas nimmt nach Kontakt mit dem Boden vor dem Heiligengrab erneut ihre ursprüngliche Form und Größe an ὡς ἔκ τινος διωκομένη καὶ φεύγουσα. Ob an ein Agens gedacht ist, bleibt hier wie dort und auch in mir. 23,4, dem dritten Beleg für eine Passivform von διώκω, im Unklaren. Grundsätzlich können die Märtyrer und der jeweilige Protagonist Subjekt von διώκω sein. Der Kreis der Verfolgten ist weiter und umfasst u.a. Krankheiten, Schmerzen und Dämonen. μαστίζω und διώκω werden nur hier in Kombination gebraucht. 81 Zu Teufel und Dämonen als Leidensursache s. Kap. 3.4.4.3. In Berichten, die ein von einem Dämon verursachtes Leiden zum Gegenstand haben, begegnen Ärzte häufig nicht. Vgl. hierzu Kap. 4.1.5, S. 151.
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In mir. 58 und auch mir. 1 wird berichtet, dass jeweils 67 χοιράδες gezählt wurden.82 Dies setzt voraus, dass es sich bei den χοιράδες um zählbare Wesen handelt. Doch warum es ausgerechnet 67 sind (und nicht etwa um 64 oder 13), lässt sich Sophronios nicht entlocken.83 Auch die Durchsicht der übrigen Belege des Zahlworts führt nicht weiter.84 Nissen vermutet Motiv, es gehe darum, „eine ungewöhnlich große Menge mit scheinbarer Gewissenhaftigkeit genau zu bezeichnen.“85 Inwieweit allerdings noch andere Motive, etwa die Beherrschbarkeit des Zählbaren oder der Nachweis genauer Quellen, zum Tragen kommen, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Aus der Fortsetzung des Berichts und auch aus anderen Wunderberichten wissen wir, dass „die damals am Heiligtum den Dienst Verrichtenden“ eine durchaus heterogene Gruppe von Klerikern und Laien ist, die ständig oder auch nur zeitweise im Dienst der Heiligen stehen. Unter ihnen finden sich einige ihrer ehemaligen Patienten. Manche von ihnen, so beispielsweise Christodoros und seine Familie, von denen die mir. 8–10 berichten, leben im Bezirk der Heiligen. Von Bedeutung ist hier gleichwohl nur, dass es sich um einen über jeden Verdacht erhabenen Personenkreis handelt. Die Diener beseitigen die vor dem Grabmal der Heiligen niedergefallenen χοιράδες nicht gleich, sondern lassen sie „mehrere Tage vor dem Grab der Heiligen hängen“.86 Auf diese Weise demonstrieren sie – nicht die χοιράδες – die märtyrerliche Macht und stiften zu „gottgefälligem Lob“ an. Der erste Teil des ersten Wunderberichtes wird durch den Hinweis abgeschlossen, dass Ammonios „gesund (ὑγιής) seinem Erzeuger übergeben“
82
In mir. 58 wird dies weiter ausgeführt: Hier fügt Sophronios an, unter ihnen seien et duas cum ipsis masculini simul sexus et feminini, quae hunc hominum osorem generaverunt exercitum (L = PG 87/3, 3631C, der griechische Text dieser Stelle ist korrupt). 83 Die Zahl 67 erscheint verdächtig: Sie ist Primzahl, ihre Quersumme ist 13. Ihre Einzelbestandteile 6 bzw. 60 und 7 gelten gemeinsam als durchaus bedeutsam. Aus dem Vorwort zu den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes wissen wir zudem, dass Sophronios ein Faible für Zahlenspiele dieser Art hat: In der Protheoria (4–5) begründet er ausführlich, warum er genau 70 Berichte zusammengestellt hat. 84 Neben mir. 1 und 58 ist die Zahl 67 in einem weiteren Wunderbericht von Bedeutung, nämlich in mir. 51,6: 67 Jahre verweilt Georgios im Heiligtum. Vgl. hierzu auch NISSEN (Sophronios-Studien, 377 Anm. 2) und mit ihm GASCOU (Sophrone, 29 Anm. 118), die darauf hinweisen, dass die Zahl 67 auch in einem der Iamata aus Epidaurus, Nr. 30, von Bedeutung ist. 85 NISSEN, Sophronios-Studien, 377 Anm. 2, der hierin ein relatives Spezifikum der Zahl 67 zu erblicken scheint. 86 Die ‚abgelegte‘ Krankheit als Beweis für die Macht der Märtyrer findet sich als Motiv nicht nur hier: In mir. 2 zeigt der Protagonist die abgefallenen λευκώματα – offensichtlich als eine Art Schleier oder Schuppen auf den Augen imaginiert – in einem Taschentuch herum.
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wurde, „nachdem er gegen zweifache Krankheit auch zweifache Heilung empfangen hatte“. In den §10–14 berichtet Sophronios, dass Ammonios ein weiteres Mal erkrankt und von den beiden Märtyrerheiligen geheilt wird. Dem Aufbau nach ähnelt dieser zweiten Durchgang dem ersten Berichtsteil: In §10 beschreibt Sophronios Ammonios’ erneute Erkrankung. §11 polemisiert gegen die Ärzte und ihre offensichtliche Nutzlosigkeit. §12 schildert, wie sich Ammonios von den Ärzten ab- und den Märtyrern zuwendet, und endet mit der Vorwegnahme der Heilung. In §13 werden die zur Heilung erforderlichen und entsprechend von Ammonios zu ergreifenden Maßnahmen geschildert. §14 beschließt den zweiten Durchgang wie auch mir. 1 als Ganzes. §10 Ammonios erliegt erneut seinem Hochmut, der ja, wie im ersten Durchgang deutlich geworden ist, sein eigentliches Problem darstellt: Nach einiger Zeit hatte jener „die zuvor erhaltene Belehrung (παιδεία) vergessen“ und wurde „erneut überheblich“ (πάλιν ἐπαρθεὶς τῷ φρονήματι). Diesem Erneutüberheblich-Werden folgt ein zweites πάλιν, nämlich die erneute Belehrung „durch körperliche Schwäche“ (σωματικῇ ... ἀσθενείᾳ), damit Ammonios „durch die Strafen der Märtyrer“ (μαρτύρων ἐπιτιμίοις) fortan Besseres denke (τὰ κρείττω φρονεῖν). Über eine wie auch immer geartete Kausalität ist hiermit gleichwohl nichts gesagt: dass sein Magenleiden oder auch der χοιράδεςBefall Ammonios belehren, künftig Besseres zu denken, setzt nicht voraus, dass die Märtyrerheiligen sie auch verursacht hätten.87 Dennoch verändert sich hierdurch, wie beide Krankheiten zu werten sind: Ammonios’ Magenleiden und der im ersten Durchlauf berichtete χοιράδες-Befall erscheinen nun als etwas für Ammonios Nützliches. Immerhin gelingt es Ammonios, seinen Hochmut durch diese Leiden bzw., genauer, durch deren Behandlung zu überwinden. Dieser Gedanke ist nur insofern gewöhnungsbedürftig, als sich Ammonios infolge seiner Leiden „in nicht mäßiger Gefahr“ befindet. Wiederum werden Ärzte eingeschaltet, die hier wie in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes des Öfteren als „Asklepiaden“ bezeichnet werden.88 Ohne dass deren Herbeirufen, Auftreten oder Agieren hier eigens geschildert würde, müssen sie Ammonios untersucht haben. Wegen der von dem Leiden hervorgerufenen starken Schmerzen bezeichnen sie es nämlich als Kolik (κολικευμόν) und nicht als Magenzustand (καὶ οὐ στομάχου διάθεσιν): In ihrer Intensität übertreffen die Schmerzen ganz offensichtlich die, die bei einem Leiden κατὰ στόμαχον zu erwarten wären. Weder der Schmerz als Kriterium für eine solche Diagnose noch die Beschreibung des Leidens lassen sich in einem bestimmten zeitgenössischen 87 88
Prinzipiell hält Sophronios dies für durchaus möglich. Vgl. Kap. 3.4.4.1. Vgl. Kap. 4.1.3, 147.
2.4. Kommentar
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fachmedizinischen Diskurs verankern; bei κολικευμός handelt es sich nach Ausweis des TLG um ein hapax legomenon:89 Während Sophronios im ersten Durchgang zumindest noch den Begriff χοιράδες aus der Fachmedizin übernimmt, kreiert er nun mit κολικευμός einen medizinisch-fachsprachlich anmutenden Begriff, um Ammonios’ Leiden zu beschreiben. Davon einmal abgesehen bleibt Sophronios seiner Strategie treu: Wiederum ist die Beschreibung des Leidens mit medizinischem Fachvokabular durchzogen. Wiederum treten Ärzte als Gewährsleute für Sophronios’ Schilderung in Erscheinung. Die nun folgende Schilderung des Krankheitsverlaufs wirkt ausgesprochen plastisch, weist aber auch eine gewisse Redundanz auf: Ammonios’ Magen „vermochte … nichts zu sich zu nehmen, das er nicht sofort wieder durch den Mund von sich gab.“ Der Magen wurde nämlich „von den Gedärmen zusammengeschnürt“ und war „heftigerer Qual ausgesetzt“. Entsprechend „ertrug er es nicht, dass Nahrung in ihm blieb“. Sobald „sie hinabgekommen war, … warf (er) sie durch den Mund aus“. Gerade im Rückblick auf den ersten Durchgang ist es bemerkenswert, dass auch hier über den Magen gesprochen wird, als ob es sich um ein selbständiges Wesen handeln würde. §11 Gegenüber dem vorangehenden Durchlauf ist Sophronios’ Polemik der Ärzteschaft gegenüber noch gesteigert. Die Gruppe der Ärzte ist nun nicht abgeschlossen, sie umfasst nicht allein, wie noch zuvor, die „Hochtrabenden der Ärzte“ (§4), sondern prinzipiell alle Ärzte. Unter diesen hebt Sophronios eine bestimmte Gruppe besonders hervor: die, „die den Tribon tragen und sich auf die Finesse ihrer Worte stützen“. Hierbei handelt es sich den Schilderungen an dieser Stelle sowie in mir. 25,3 und 30,2.5f zufolge um auf dem Gebiet der Medizin auch praktisch tätige Gelehrte, die den Tribon, den Philo-
89
An vergleichbaren Begriffen sind nach Ausweis des TLG 17 Mal das Adjektiv κολικός belegt und in zwei voneinander abhängigen Passagen je einmal das Partizip κολικευόμενοι.
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sophenmantel, als Erkennungszeichen trugen.90 In der Forschung werden sie für gewöhnlich als Iatrosophisten bezeichnet.91 Nun führt Sophronios auch aus, worin die Unzulänglichkeit der Ärzte und insbesondere ihrer Elite besteht: Ihnen gelingt es zwar, das Leiden genau zu erkennen (τὸ πάθος ... σαφῶς ἔγνωσαν) und die zugrunde liegende Krankheit in Erfahrung zu bringen (τὴν ... νόσον μαθεῖν). Trotz aller verbaler Raffinesse gelingt es ihnen allerdings nicht, noch den entscheidenden Schritt zu machen und das Leiden zu kurieren. Der lapidare Hinweis, sie alle – gemeint sind wohl alle Ärzte, nicht nur die Iatrosophisten – seien herbeigelaufen (εἰσέτρεχον), lässt ihr Auftreten lächerlich wirken. Zudem lässt dieser Hinweis das von Sophronios unterstellte eigentliche Motiv besonders überzeugend wirken: Zwar deutet dieser in §4 bereits an, dass die eigentliche Motivation der Ärzte ihre Gier sein könnte – der Vater zahlt „der Behandlung angemessene Löhne … vor der Behandlung“, die Ärzte wiederum jubeln „über die Masse des Lohnes“. Dennoch lässt er seinen Figuren dort noch die Möglichkeit, ehrenwertere Motive für ihr Handeln anzugeben. Diese Möglichkeit haben sie hier nicht. Der, anders als die Ärzte, über jeden Zweifel erhabene Autor unterrichtet uns, weshalb sie herbeilaufen und sich um die Behandlung des Leidens bemühen: Es ist ihr Verlangen, „beschenkt zu werden, um sowohl den hübschen Lohn als auch die hübschere Ehre des Ansehens zu erlangen.“92 Die von den Ärzten zuvor vorgebrachten Motive werden auf diese Weise ex post als vorgeschoben entlarvt. Sophronios schildert die Ärzte als in ihrem Auftreten überheblich und geldgierig. Letztlich sind sie charakterlich ähnlich deformiert wie Ammonios. §12 Ammonios selbst findet „dies an ihnen allen bestätigt“ – zumal er von den Ärzten „keinen Nutzen“ erfährt, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass er geheilt würde. Sie hätten das Leiden zwar erkannt, die Krankheit auch richtig benannt, würden also „mit Worten mehr als genügen“. In der Praxis hingegen 90 τοὺς δι᾿ ἐξοχὴν ἐνδεδυμένους τοὺς τρίβωνας, καὶ πάντα τὰ τῆς τέχνης αὐχοῦντας ἐπίστασθαι, καὶ τοὺς μανθάνειν ἐθέλοντας, ἐν ὀφρύϊ τῶν λόγων ὡς ἐν εἰδήσει τῶν ἔργων διδάσκοντας (25,3,3–5 [289 FM]), Σοφιστὴς ὁ Γέσιος ὑπῆρχε σοφώτατος, οὐ λόγους ῥητορικοὺς ἐξηγούμενος, καὶ διὰ τοῦτο φορῶν τὸ τριβώνιον, ἀλλὰ τέχνης ἰατρικῆς προϊστάμενος, καὶ ταύτης … διδάσκαλος … Οὗτος ὁ σοφὸς ἐν λόγοις αἰρόμενος, καὶ καλλίστοις λόγοις (cj. GASCOU [Sophrone, 102 Anm. 584], καλλίστοις ἰατροῖς C, E, FM, καὶ ... λόγοις om. L, vgl. hierzu ausführlich S. 168 Anm. 114) ἰατρὸς φημιζόμενος (30,2,1– 5 [302 FM]). Vgl. hierzu DUFFY, Byzantine Medicine, 21–24, OVERWIEN, Unterricht I, 1– 13, sowie ders., Unterricht II, 1–26. 91 Zur Problematik dieses Begriffs vgl. den Kommentar zur Überschrift „Über Gesios, den Iatrosophisten“, Kap. 4.3.4, 177f. 92 Auch diesen Vorwurf äußert Sophronios des Öfteren. Vgl. hierzu Kap. 4.2.1, 155– 157.
2.4. Kommentar
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erweisen sie sich als völlig ungenügend.93 Dass die Ärzte im Unterschied zu den Märtyrerheiligen vielleicht mit Worten, nicht aber mit Taten überzeugen, durchzieht als Motiv nicht nur diesen Bericht. Tatsächlich drückt sich hierin die implizite Hoffnung derer aus, die Kyros und Johannes aufsuchen: nämlich, dass die Märtyrerheiligen Menschen selbst dann noch zu heilen vermögen, wenn die irdische Heilkunst längst ihre Grenzen erreicht hat. Stand in den §4–5 das Gerede der Ärzte im Vordergrund, ist es in den §11–12 ihr Versagen: Ammonios wendet sich „wiederum“ (πάλιν) den Märtyrern zu. Im zweiten Berichtsteil wird Ammonios nun allerdings keineswegs mehr als passiv und der Vater als die eigentlich handelnde Person beschrieben: Im ersten Berichtsteil rief noch Julianos die Ärzte herbei und wandte sich, nachdem deren Versagen offenkundig wurde, vertrauensvoll an Kyros und Johannes. Nun ist es Ammonios selbst, der sich zunächst den Ärzten und dann den beiden Märtyrerheiligen zuwendet. Zudem ließ sich im ersten Durchgang nur indirekt, nämlich aus seinem Verhalten, auf Julianos’ Glauben schließen. Jetzt wird Ammonios’ Glaube explizit herausgestellt: An Kyros und Johannes „wendet er sich, überzeugt (πιστεύσας), dass sie allein ihm Ärzte neben Gott würden.“ Nicht nur in diesem ersten Bericht, in allen Wundern der Heiligen Kyros und Johannes ist die unbedingte πίστις – ob nun absolut gebraucht oder als πίστις in die Fertigkeit der Märtyrer bzw. die Märtyrer selbst näher bestimmt – die Grundvoraussetzung dafür, dass die Märtyrer tätig werden.94 Dieser Zusammenhang wird in dem sich anschließenden zweiten Bericht besonders deutlich.95 Umgekehrt wirkt fehlende πίστις wie ein Behandlungshindernis oder gar der Anlass für die Märtyrer, den Betreffenden durch Krankheit zu erziehen.96 In mir. 1 erscheint die vordergründig inhaltlich bestimmte πίστις wie der Grund für Ammonios’ schnelle Genesung. Dennoch lässt Sophronios die genaue Beziehung zwischen Ammonios’ Glaubensüberzeugung und seiner schnellen Heilung in der Schwebe: Nach Ausweis der übrigen Belege stellt 93
Die von Sophronios kritisch gesehene Diskrepanz zwischen Worten und Taten klingt bereits in seiner Schilderung des ärztlichen Auftretens in §4 an. 94 Vgl. hierzu grundsätzlich MARAVAL, Fonction pédagogique, bes. 384–386. 95 ἐλπίδα μίαν ἑαυτῷ περιθέμενος (C, G, E, θέμενος F, FM, vgl. GASCOU, Sophrone, 31 Anm. 136) ἀκαταίσχυντον, πίστιν τὴν εἰς αὐτοὺς ἀνυπόκριτον (C, E, ἀδιάκριτον F, G, FM, vgl. GASCOU, Sophrone, 31 Anm. 137) καὶ τὴν παρ᾿ αὐτῶν τοῖς οὕτω πιστεύουσιν γιγνομένην ἐπίσκεψιν. … τῆς εἰς αὐτοὺς ὁλοψύχου πίστεως τὸν καρπὸν ἀπεφέρετο. … καρπὸν ἐκομίσατο· τὸν οὐ χρόνοις πολλοῖς γεωργούμενον, ἀλλ᾿ ἁπλότητι πίστεως τιθηνούμενον· … ὑπόδειγμα πίστεως ἑαυτὸν παρεχόμενος, καὶ τῆς ἐκ πίστεως ἐγγινομένης ἰάσεως κηρύττων τὸ μέγεθος (2,2,2–4,8 [247f FM]). 96 Vgl. hierzu den Kommentar zu §10, 44, sowie die in Kap. 4.3 und Kap. 5 kommentierten mir. 13, 30, 37 und 38.
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Kapitel 2: Annäherung an die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes
ὅθεν zwar einen Zusammenhang zwischen Grund und Folge her, dieser kann aber – wie schon §9 nahelegt – in dem Sinne recht unspezifisch sein, dass das eine Folge des anderen sei, ohne dass notwendig an eine kausale Verursachung im engeren Sinn gedacht sein muss. Dass Sophronios die Genesung umgekehrt als „angemessene(n) Lohn (μισθὸν εὐπρεπῆ) für den ihnen (sc. den Märtyrern) entgegengebrachten Glauben (πίστεως)“ bezeichnen kann,97 lässt πίστις und ἴασις wie Güter erscheinen, die sich zwei Vertragsparteien freiwillig auszutauschen verpflichtet haben. Der Hinweis auf die Vertragserfüllung ist hier bereits vorweggenommen, die konkrete Ausgestaltung samt Hinweis auf die Erfüllung folgt. Auch dies kann wie eine Spitze der Ärzteschaft gegenüber verstanden werden: Ihnen gelingt es trotz des von Julianos freiwillig aufgebrachten, unangemessen hohen Lohns nicht, auch ihren Teil des Vertrages zu erfüllen, nämlich Ammonios zu heilen. Wie im ersten Durchgang (§8) werden auch hier das καθάρσιον zur Beseitigung der Magenerkrankung – Öl und Wachs98 – und das gegen die Einbildung der Seele (τῆς ... ψυχῆς τὸ κενόδοξον) geeignete Heilmittel (καταλλήλῳ φαρμάκῳ) genannt. Bemerkenswert ist schon an dieser Stelle, dass die Anwendung des καθάρσιον im Folgenden keine Erwähnung mehr findet und auch die Heilung von demselben nur am Rande berichtet wird. §13 schließt unmittelbar an das zuvor Gesagte an und erläutert eingeleitet durch γάρ, mit welchem Heilmittel die Märtyrer gegen τῆς ... ψυχῆς τὸ κενόδοξον vorgehen. Ihr Vorgehen ist durchaus mit dem in §7 beschriebenen Verfahren gegen τῆς ψυχῆς ... τὸν ὄγκον vergleichbar: Wiederum erscheinen Ammonios die beiden Märtyrer – nun ausdrücklich erwähnt: des Nachts. Dieses Mal tragen sie ihm auf, seine Kleidung gegen die eines Armen zu tauschen. Die Beschreibung von Ammonios’ eigenem Gewand (ἐσθής) ist recht kurz und beschränkt sich zunächst auf die beiden Attribute μαλακή und ῥέουσα. Umso ausführlicher hingegen ist die Beschreibung des Kleidungsstücks (ἀμφίασις), das er stattdessen anlegen soll. Diese Beschreibung hebt insbesondere die Rauheit seiner neuen Kleidung hervor: „ein raueres Kleidungsstück aus Werg gewebt …, Sack genannt wegen der einem Sack nahen Rau97 Ähnlich auch in mir. 2,3,3–6 (247 FM): καρπὸν … ἁπλότητι πίστεως τιθηνούμενον· ὃν ἀντιμετροῦντες οἱ ἅγιοι, εἰς τὴν αὐτῶν πηγὴν ἐξιέναι προσέττατον, καὶ τοῖς ἐν αὐτῇ χρίσαθαι (G, χρήσαθαι C, E, FM, vgl. GASCOU, Sophrone, 31 Anm. 138) νάμασιν πρὸς τὴν τῶν ὀμμάτων ἀνάβλεψιν. 98 Vgl. hierzu NISSEN, Sophronios-Studien, 366f. Die entsprechenden Textbelege sind bereits bei DEUBNER, Incubatione, 82f zusammengestellt. Auf die Medizin der Märtyrerheiligen auch im Gegenüber zur ärztlichen Heilkunst gehen die Kap. 4.4.2 und 4.4.3 ausführlich ein. Über Lampenöl als Heilmittel informiert CASEAU, Parfum, 141–175.
2.4. Kommentar
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heit“. Es handelt sich bei diesem Kleidungsstück um ein Kleidungsstück für Arme: Es ist „sehr erschwinglich und billig“ – anders als sein voriges, nun noch als πολυτελής und χλιδώση bezeichnetes Gewand. Sophronios’ Beschreibung der beiden Gewänder zielt darauf, den Kontrast zwischen beiden Kleidungsstücken möglichst krass erscheinen zu lassen. Wenngleich bei dem Gewand der ganz Armen möglicherweise an ein konkretes Gewand gedacht ist,99 ist die Parallele zu den bewusst abgenutzten und wenig komfortablen Gewändern der Wüstenväter sicher nicht zufällig. Wesentliches, von Ausführlichkeit und Wortwahl noch betontes Moment der Gegenüberstellung beider Gewänder ist deren Symbolgehalt: Das eine repräsentiert Hochmut, das andere Demut. Des Weiteren ordnen die beiden Märtyrer an, dass Ammonios seinen kranken Mitmenschen „frisches Wasser auf den Schultern zu bringen“ habe. Besonderes Gewicht erhält die märtyrerliche Anordnung zum einen dadurch, dass Ammonios Schmerzen leidet und dennoch nicht nur einen Krug auf einmal zu tragen habe, sondern gleich zwei, einen auf jeder Schulter. Zum anderen durch die Drohung, dass er „nicht eher geheilt werde, als wenn er die Anordnung ausführe.“ Wiederum bekämpfen die Märtyrer Ammonios’ Hochmut mittels einer Körperübung, die seiner Tätigkeit als Steuereintreiber durch ihren diakonischen Charakter diametral gegenüber steht. §14 Nachdem Ammonios „den Befehl der Heiligen … bescheiden“ ausgeführt hat, empfängt er nun die ihm für ein „solches Handeln versprochene Heilung“. Die Ausführungen zur πίστις (§12) lassen sich nun im Rückblick um einen weiteren Aspekt ergänzen: Zum Begriff der πίστις gehört der Gehorsam den Märtyrern gegenüber. Die auf den ersten Blick merkwürdig anmutende Formulierung, Ammonios sei dieser Krankheit entflohen (ταύτην ἐκφυγών ὁ Ἀμμώνιος τὴν ἀσθένειαν), begegnet in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes regelmäßig, und auch die weitere Abfolge der Ereignisse ist nicht ungewöhnlich: Auf den Lobpreis folgt der Abgang des Protagonisten. Die Bezeichnung der Märtyrer als „Ärzte dieser Krankheit“ und „Verfolger der vorangehenden“ nimmt einerseits die im Verlauf des ersten Wunderberichts konsequent entwickelte Vorstellung auf, die Märtyrer seien die eigentlichen Ärzte; die anderen reden zwar viel, vermögen aber wenig auszurichten und nehmen dadurch in ihrem Dünkel eine ähnliche Position ein wie der an der Seele erkrankte Ammonios. Andererseits wird bereits an der Be-
99
GASCOU (Sophrone, 30 Anm. 129) informiert, dass V σάκκαν anstelle des ersten σάκκον liest. Er hält es für möglich, dass dieses σάκκαν ein Begriff der alexandrinischen Umgangssprache ist.
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Kapitel 2: Annäherung an die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes
zeichnung „Verfolger“ deutlich, dass Krankheiten stark personifiziert imaginiert werden. In Ammonios’ Lobpreis der Heiligen stimmt auch Sophronios ein und kündigt den Bericht einer „anderen ihrer bewundernswerten Heilungen“ an. Sophronios spricht von sich selbst in der ersten Person Plural. Dennoch dürfte sich hinter dem zweimal verwendeten ἡμεῖς nicht allein Sophronios verbergen. Vielmehr versucht er auf diese Weise, auch das Publikum des Wunderberichtes zu umgreifen und zum nächsten Bericht ‚mitzunehmen‘.
2.5 Zusammenfassung und Ausblick In mir. 1 schildert Sophronios, was Ammonios widerfahren ist: Der reiche, schöne junge Mann erkrankt gleich zwei Mal, zuerst an χοιράδες, dann an einem als κολικευμός charakterisierten Leiden. Zwei Mal wird er von den Heiligen Kyros und Johannes geheilt und beide Male ist auch Ammonios’ Seele betroffen. Sophronios suggeriert eine Verbindung zwischen dem χοιράδες-Leiden und dem unter anderem als Entzündung charakterisierten Seelenleiden, seinem Hochmut. Die beiden Leiden überlagern sich nicht nur zeitlich, sondern betreffen auch beide in besonderer Weise den Hals: „Beider Nacken“ befinden sich, wie wir in §7 erfahren, in einem schlechten Zustand. Was den Nacken des Körpers betrifft, leuchtet dies sofort ein. Schließlich haben sich die χοιράδες dort eingenistet. Doch welchen Sinn hat es, von einem Nacken der Seele zu sprechen? Zunächst ist festzuhalten, dass es sich hierbei offensichtlich um eine Metapher handelt. Dafür spricht schon die Vielzahl von Ansätzen, mit denen Sophronios Ammonios’ Seelenleiden zu beschreiben versucht. In gewisser Weise liegt dieses Bild auch nahe, nicht nur wegen der intertextuellen Beziehungen, die die χοιράδες eröffenen. Der Hals, den sie befallen, ist schließlich auch der Körperteil, an dem sich des Menschen Hochmut oder Demut besonders gut ersehen lässt. Insofern ist die Parallele, die Sophronios zeichnet, nur folgerichtig. Über ihre jeweiligen ‚Symptome‘, die ‚Schwellungen‘, die sie verursachen, nähert er beide Leiden einander weiter an, sodass die Grenze zwischen der Erkrankung des Körpers und der Erkrankung der Seele zusehends verwischt. Es scheint nun in der Tat so, als hingen beide Leiden zusammen. In gewisser Weise besteht das innovative Element dieses Berichts genau darin, dass Sophronios beide Leiden miteinander verquickt. Denn tatsächlich gelingt es den herbeigerufenen Ärzten auch deswegen nicht, Ammonios’ Leiden zu behandeln, weil sie es nicht gänzlich verstehen. Dies ist nun deshalb umso bemerkenswerter, als die Ärzte mit dem Krankheitsbild der
2.5. Zusammenfassung und Ausblick
51
χοιράδες durchaus vertraut zu sein scheinen. Jedenfalls führt Sophronios sie als Gewährsleute an, warum das Leiden so benannt sei. Tatsächlich begegnet der Begriff χοιράδες in der medizinischen Literatur der Zeit, wenn auch selten. Er ist darüber hinaus in seiner Bedeutung auffallend unbestimmt; Einigkeit besteht in den medizinischen Schriften nur darüber, dass es sich um eine Verhärtung handelt. Sophronios ‚kapert‘ diesen Begriff und füllt ihn mit einer eigenen Beschreibung des Leidens, die allein in der Etymologie die Nähe zur Medizin bzw. fachmedizinischen Literatur sucht. Hierdurch erweckt er den Eindruck, es handele sich bei den von ihm beschriebenen χοιράδες tatsächlich um ein fachmedizinisches Konzept. Warum aber erkrankt Ammonios ausgerechnet an einer Krankheit, die als χοιράδες bezeichnet wird? Und auf wen geht die Deutung der Krankheit zurück, die Sophronios überliefert? Mit Sicherheit lassen sich beide Fragen nicht beantworten. Sophronios gibt keinen Hinweis auf mögliche Quellen. Gleichwohl scheint es unwahrscheinlich, dass er die Figur des Ammonios erfunden haben soll. Schließlich gehört Ammonios dem Bericht zufolge Alexandriens Oberschicht an und hat ein öffentliches Amt inne. Sophronios nennt seinen Vater beim Namen. Ammonios ist vermutlich auch erst wenige Jahre tot (§2). Insofern würde es der aus Alexandria stammenden Mehrheit derer, die Kyros und Johannes aufsuchen, mit Sicherheit auffallen, wäre er nicht bekannt. Zudem erklärt Sophronios, er wolle mit einem Bericht beginnen, der „von einer so großen Bevölkerung und einer solchen Stadt als wahr bezeugt“ werde und „auch den folgenden Glaubwürdigkeit“ verleihe. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass man sich diese Geschichte im Umfeld des Heiligtums tatsächlich noch erzählt und Sophronios sie dort gehört hat. Ob der historische Ammonios allerdings tatsächlich an χοιράδες erkrankt war oder Sophronios ein anderes Leiden zu χοιράδες werden lässt, lässt sich kaum entscheiden: Dass die χοιράδες nach der erfolgreichen Behandlung einige Tage vor dem Grab der Märtyrerheiligen ausgestellt wurden (§9), führt hier nicht weiter. Was die Ärzte vermuten, überliefert Sophronios nicht. In den §10–14 hingegen erfahren wir, dass die Ärzte das Leiden κολικευμός nennen. Aber auch in diesem zweiten Durchlauf ist das eigentliche innovative Moment, dass Sophronios über körperliche Leiden hinausgeht. Jetzt deutet er Krankheit nämlich als probates Mittel zu einem höheren Zweck: Sie dient Ammonios’ Besserung. Gleichwohl geht Sophronios auch hier nicht so weit, zu behaupten, dass die Märtyrerheiligen diese Leiden auch verursachen würden. Die in diesem Kapitel gewonnenen Einsichten legen es nahe, die Analyse des Krankheitsbegriffs der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes zu vertiefen (Kap. 3). Zugleich erscheint es nach der Analyse dieses ersten mirabile sinnvoll, den Zusammenhang von Gesinnung und Krankheit näher zu untersuchen. In den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes bietet sich hierfür
52
Kapitel 2: Annäherung an die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes
eine Gruppe von Heilungen in besonderer Weise an, nämlich die, die die Märtyrer an Häretikern vollbracht haben sollen (Kap. 5). Anhand dieser Wunderberichte sollte sich zudem die Frage am ehesten klären lassen, ob und, wenn ja, in welcher Weise Krankheit als Mittel zum Zweck der Märtyrer gesehen wird. Schließlich ergibt sich aus der Analyse dieses ersten Berichts ein weiterer Gegenstand, der eine eingehendere Untersuchung fordert: Nachdem Ammonios erkrankt ist, wendet sich zunächst sein Vater, dann er selbst der Behandlung wegen an Ärzte. Diesen gelingt es allerdings nicht, Ammonios zu helfen. Dies wirft Fragen auf: Wie setzt Sophronios Ärzte in Szene? Lassen sich Leitmotive erkennen? Warum gelingt es den Ärzten nicht, ihren Patienten zu helfen? Liegt dies an ihrem Unvermögen, ihrer Verblendung oder ihrer Unterlegenheit der Krankheit gegenüber? Warum wenden sich ihnen Menschen dennoch zu? Wie stehen die Märtyrerheiligen zu Ärzten? Wie verhalten sie sich, die ὄντως ἰατροί, zu jenen ‚irdischen‘ Ärzten? Und: Wie verhalten sich ihre Behandlungsansätze zueinander? (Kap. 4)
3
Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
Kapitel 3
Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden In ihrem Essay Illness as Metaphor (1977)1 zeigt Susan Sontag, dass bestimmte Krankheiten – „in spektakulärer und ähnlicher Weise … Tuberkulose und Krebs“2 sowie in jüngerer Zeit AIDS – „als Bild oder Metapher“3 verwendet werden: Über die eigentlichen, pathologischen Gegebenheiten hinaus ranken sich um diese Krankheiten bestimmte Vorstellungen über ihr Wesen, darüber, warum genau diese Krankheit jenen Mensch befällt, und schließlich, warum sie so verläuft, wie sie verläuft. Auf diese Weise werden Krankheiten gedeutet, eingeordnet und damit bis zu einem gewissen Grad auch beherrschbar: „Das Psychologisieren scheint Kontrolle gerade über Erfahrungen und Ereignisse (wie schwere Krankheiten) zu verschaffen, über die die Menschen tatsächlich wenig oder keine Kontrolle besitzen.“4 Gleichwohl seien solche Vorstellungen akzidentiell, eben uneigentlich. In der Folge kritisiert Sontag dann auch diesen, wie sie es formuliert, metaphorischen Gebrauch von Krankheit. Sie plädiert dafür, Krankheiten als das zu sehen, was sie sind, nämlich Krankheiten. „Krankheit (ist) keine Metapher (und) die ehrlichste Weise, sich mit ihr auseinanderzusetzen …, (besteht darin), sich so weit wie möglich von metaphorischem Denken zu lösen, ihm größtmöglichen Widerstand entgegenzusetzen.“5 Dies setze allerdings die „Aufklärung dieser Metaphern“ voraus.6 Dabei gehe es ihr, wie sie in ihrem 1989 erschienenen Essay AIDS and Its Metaphors präzisiert, nicht um die Abschaffung des metaphorischen Denkens, sondern darum, einzelne Metaphern kritisch zu hinterfragen: „Natürlich kann man nicht ohne Metaphern denken. Das heißt aber nicht, daß es nicht Metaphern gibt, vor denen wir auf der Hut sein oder die wir abschaffen müssen.“7 1
Der Essay erschien 1978 unter dem Titel Krankheit als Metapher in deutscher Spra-
che. 2
SONTAG, Krankheit, 9. SONTAG, Krankheit, 9. 4 SONTAG, Krankheit, 49. 5 SONTAG, Krankheit, 9. 6 SONTAG, Krankheit, 9. 7 SONTAG, Aids, 79. 3
54
Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
Susan Sontag unterscheidet also zwei Weisen, über Krankheit zu sprechen: die eigentliche Rede, also die möglichst präzise, wertfreie Beschreibung des Leidens, und die uneigentliche Rede, die Leiden deutet. Dabei scheint die uneigentliche Rede die Regel zu sein, die Beschreibung eher die Ausnahme. Entsprechend wichtig sei es deshalb, verwendete Metaphern immer wieder kritisch zu hinterfragen. Mit Blick auf die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes erscheint es daher angezeigt, zunächst danach zu fragen, was Sophronios eigentlich als Krankheit bezeichnet. Tatsächlich handelt nämlich jeder einzelne von Sophronios’ Berichten davon, dass die Heiligen Kyros und Johannes wegen eines bestimmten Leidens aufgesucht werden. Letztlich gilt dies auch für die mir. 33 und 34, deren jeweilige Protagonistinnen auf dem Weg zu den Märtyrerheiligen ein Unglück erleiden und nun auf deren Hilfe angewiesen sind. Als einzige Ausnahme kann mir. 11 gelten. Allerdings könnte auch das dort beschriebene Erleiden als πάθος bezeichnet werden: Die kleine Maria stürzt versehentlich aus dem Fenster und bleibt wie durch ein Wunder unverletzt. Dass dies den Märtyrern zuzuschreiben ist, wird erst durch einen Traum offenbar, den einer der bei ihnen Heilung Suchenden träumt. In einem ersten Schritt soll deshalb ein tabellarisches Inventar den Überblick über die in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes begegnenden Krankheiten ermöglichen (Kap. 3.2.2). Die Parallele, die Sophronios in mir. 1 zwischen Ammonios’ körperlichem Leiden – eine als χοιράδες bezeichnete Schwellung seines Halses – und einem mit seinem Hochmut in Verbindung gebrachten seelischen Leiden zieht, legt es nahe, in diesem Inventar all die Fälle gesondert auszuweisen, in denen die Beschreibung des Leidens über das eigentlich pathologische Geschehen hinausweist. Die metaphorische Rede über Krankheit wird uns dann besonders in Kap. 5 beschäftigen. Im vorliegenden Kapitel steht die Frage im Mittelpunkt, inwiefern Sophronios eigentlich über Krankheit spricht. Dabei interessiert uns nicht so sehr, inwiefern es ihm gelingt, sie präzise und wertfrei zu beschreiben. Vielmehr liegt unser Augenmerk darauf, inwieweit er dabei mit seinen ärztlichen Kollegen übereinstimmt oder sich von ihnen abhebt. Auch hier gab die Analyse von mir. 1 erste Hinweise: Sophronios’ Beschreibung der χοιράδες und des Magenleidens, dem Ammonios erliegt, wirkten zwar wie medizinisch präzise Beschreibungen. Die Analyse zeigte aber, dass sie dies eigentlich nicht sind. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf den Fragen liegen, inwieweit Dämonen Krankheiten verursachen können und wie Sophronios über Krankheiten der Seele spricht. Aus diesen kurzen Vorbemerkungen ergeben sich die Fragen, die dieses Kapitel zu beantworten hat: Was begreift Sophronios eigentlich als Krankheit? Welche Leiden werden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes wie beschrieben? Welche Ursachen haben sie? Und wie werden sie behandelt?
3.1. Forschungsstand
55
Kap. 3.1 gibt einen Überblick über den Forschungsstand, Kap. 3.2 über die Leiden, die in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes begegnen. Die einzige Gemeinsamkeit aller in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes beschriebenen Krankheiten besteht darin, dass die jeweiligen Protagonisten unter ihnen leiden. Ihr Leiden erweist sich als ausgesprochen wichtiges Moment, das mit der von Sophronios immer wieder betonten Schwere der beschriebenen Krankheiten korrespondiert. Entsprechend fördert die Analyse der Inszenierungen von Krankheit und Leiden eine Vielzahl verschiedener Perspektiven auf Krankheit und Leiden zutage, die dennoch gewisse Konvergenzen erkennen lassen (Kap. 3.3). An verschiedenen Stellen äußert sich Sophronios allgemein über Krankheit. Seine Äußerungen helfen, zu verstehen, was Krankheiten verursacht und wie sie entstehen (Kap. 3.4). Wie Krankheiten behandelt werden, untersucht das sich anschließende Kap. 4. Es konzentriert sich auf die durchweg erfolglose ärztliche Behandlung.
3.1 Forschungsstand Forschungsstand In seiner Untersuchung Los Thaumata de Sofronio befasst sich Natalio Fernández Marcos auch mit der Frage, was für ein Verständnis von Krankheit den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes zugrunde liegt.8 Seiner Ansicht nach sei es ein stark „dämonologisch“ gefärbtes Konzept.9 Dabei räumt er sogar ein, dass die meisten äußeren Erkrankungen natürliche Ursachen hätten.10 Zudem nimmt er weitere konkurrierende Konzepte wahr. Im Einzelnen unterscheidet Fernández Marcos drei Typen von Krankheiten, die auf das Wirken von Dämonen zurückzuführen sind: Besessenheit, Krankheiten, die Folge eines Dämonenangriffs sind – worunter etwa die von einem Dämon breit geschlagene Zunge des kleines Menas (mir. 41) fällt11 –, und schließlich Leiden, die Folge eines Unglücks sind, das auf dämonisches Einwirken zurückgeführt wird. So stürzt etwa Kalos ἐκ τοῦ μισοκάλου σπουδῆς12 von einer Leiter und bricht sich dabei das Bein (mir. 3). Dieses Verständnis von Krankheit als etwas dämonisch Induziertes hält er für durchaus charakteristisch für die Epoche, in der die Wunder der Heiligen Kyros 8 9
FERNÁNDEZ MARCOS, Thaumata, 87–122 (Kap. VI.A. Concepción de la enfermedad).
„Si tuviésemos que definir la concepción de la enfermedad que predomina en los
Thaumata, no dudaríamos en calificarla de demonológica“ (FERNÁNDEZ MARCOS, Thaumata, 87). 10 FERNÁNDEZ MARCOS, Thaumata, 106. 11 Vgl. Kap. 3.3.3, S. 103–105. 12 Mir. 3,1,3 (248 FM).
56
Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
und Johannes entstanden sind: „Der Rekurs auf dämonische Aktivität (und in kleinerem Umfang auf Magie) wurde bei beinahe allen auffälligen Krankheiten üblich, bei denen sich keine adäquate natürliche oder somatische Ursache angeben ließ.“13 Dass sich die Ursache einer Krankheit nicht erkennen ließ oder sich ein Leiden als unheilbar erwies, genügte seiner Ansicht nach bereits, sie auf das Wirken eines Dämons zurückzuführen. Mit diesem Verständnis von Krankheit überstiegen die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes die hippokratische Medizin, die sich ihrer eigenen Grenzen bewusst gewesen sei: Kyros und Johannes versprechen die erfolgreiche Behandlung gerade in Fällen, die als aussichtslos gelten. Zugleich verändere dieses dämonologisch geprägte Verständnis von Krankheit die hippokratische Medizin, indem sie ihr Dämonen als eine mögliche Ursache insbesondere für ungewöhnliche Leiden zur Verfügung stelle.14 Neben diesem dämonologischen Erklärungsmodell, dem er die von Sophronios erwähnten magischen Praktiken vielleicht etwas pauschal, aber doch nicht völlig zu unrecht zuschlägt,15 nennt Fernández Marcos die folgenden weiteren Erklärungsansätze: Krankheit als Folge göttlichen Zorns, als von eindringenden Tierchen verursacht, als eine Form von sich nicht ablösen wollenden Verunreinigungen und schließlich als natürlich verursacht.16 Fernández Marcos’ Analyse vertieft vieles von dem, was Theodor Nissen in seiner grundlegenden Untersuchung über das Verhältnis von „Medizin und Magie bei Sophronios“17 nur anreißen konnte. Nissen bezweifelte Sophronios’ medizinischen Sachverstand: „(K)ein Wort deutet darauf hin, daß er von der wissenschaftlichen Medizin mehr gewußt hätte als jeder gebildete Laie.“18 Gerade die Analyse seiner fachwissenschaftlich anmutenden Erklärungen verdeutlichen für Nissen, dass sich Sophronios über „medizinische Dinge … niemals auf höherer, nicht selten aber auf tieferer Stufe als dieses Laienurteil“ äußere.19 Bestätigt sieht er sich hierin unter anderem dadurch, dass Sophronios des Öfteren auf Dämonen, in deren Nähe Nissen zumindest genetisch theriomorphe Erkrankungen rückt, und Magie als Krankheitsursache verweist.20 Nun verfolgt Nissen allerdings 13 „…el recurso al demonismo (y en menor escala a la magia) se fue generalizando en casi todas las enfermedades llamativas para las que no se encontraba una causa física o somática proporcionada“ (FERNÁNDEZ MARCOS, Thaumata, 98). 14 Vgl. FERNÁNDEZ MARCOS, Thaumata, 98f. 15 Vgl. hierzu FERNÁNDEZ MARCOS, Thaumata, 97f.104–106, und unten, Kap. 3.4.4.2. 16 FERNÁNDEZ MARCOS, Thaumata, 100–104.106. 17 So deren Untertitel. 18 NISSEN, Sophronios-Studien, 371. 19 NISSEN, Sophronios-Studien, 372. 20 NISSEN, Sophronios-Studien, 374–378.
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
57
auch das Anliegen, die vermeintliche Kluft zwischen der zeitgenössischen Medizin und den in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes tradierten Vorstellungen von Krankheit und deren Behandlung hinzuweisen. Im weiteren Verlauf dieser Untersuchung wird zu überprüfen sein, ob es den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes wirklich angemessen ist, Dämonen und Magie den Stellenwert als Krankheitsursache einzuräumen, den ihnen Fernández Marcos und Nissen geben.
3.2 Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes 3.2.1 Zu den Begrifflichkeiten In den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes bedient sich Sophronios nicht weniger als sieben verschiedenen Begriffen, um Krankheit zu bezeichnen: ἀρρώστημα, ἀρρωστία, ἀσθένεια, νόσημα, νόσος, πάθημα und πάθος. Diese Aufzählung ließe sich ohne weiteres noch um Begriffe wie μάστιξ oder πληγή erweitern, die im übertragenen Sinn ebenfalls Krankheit bedeuten können. Die Belege der sieben zuerst genannten Begriffe verteilen sich relativ gleichmäßig über den Text; bemerkenswert ist allein eine gewisse Häufung von Belegen im Bereich der mir. 13–25.21 Zudem überwiegen die Singularformen die Pluralformen bei weitem. Hieraus kann geschlossen werden, dass Sophronios häufiger eine bestimmte Krankheit thematisiert, als allgemein über Krankheit zu sprechen. Die Analyse der Einzelbelege bestätigt diese Vermutung. Schließlich ist es bemerkenswert, wie unterschiedlich häufig Sophronios die einzelnen Begriffe gebraucht. Zumindest im Fall von πάθος und ἀσθένεια lässt sich dieser Befund mit der im Vergleich recht weiten Begriffsintention erklären: πάθος kann ganz allgemein „Leiden“ oder „Erleiden“ bedeuten und ἀσθένεια „Schwäche“. Begriff πάθος
Singular
Plural
Gesamt
132
(80 %)
34
(20 %)
166
νόσημα
86
(81 %)
20
(19 %)
106
νόσος
68
(87 %)
10
(13 %)
78
ἀσθένεια
52
(98 %)
1
(2 %)
53
ἀρρώστημα
23
(100 %)
0
(0 %)
23
21
Entsprechendes gilt, wie in Kap. 4.1.1 gezeigt, für die Belege von ἰατρός κτλ.
58
Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
Begriff
Singular
Plural
Gesamt
ἀρρωστία
8
(100 %)
0
(0 %)
8
πάθημα
4
(80 %)
1
(20 %)
5
Summe
373
(85 %)
66
(15 %)
439
Auf den ersten Blick mag diese Begriffsvielfalt überraschen. Doch ist sie auch in antiken medizinischen Texten nicht ungewöhnlich.22 Sie unterstützt zudem Sophronios’ Anliegen, seinem Publikum schon begrifflich möglichst viele Anknüpfungsmöglichkeiten zu bieten. Dieses Anliegen erklärt letztlich auch, warum das, was Sophronios als Krankheit bezeichnet, so weit gefasst sein kann. Er unterscheidet auch nicht zwischen Krankheiten und Behinderungen.23 Trotz dieser begrifflichen Vielfalt verwendet Sophronios die Krankheit bezeichnenden Begriffe weitgehend synonym: So begegnen beispielsweise in mir. 16,1 mit πάθος (2 Mal), νόσος (2 Mal), νόσημα und ἀσθένεια (2 Mal) auf relativ engem Raum gleich vier verschiedene Begriffe für Krankheit:24 … οὐ πάθει ποδῶν …, ἀλλ᾿ ἑτέρᾳ νόσῳ τοῦ τάχους στερούμενος … … ἐπὶ τῷ τοιούτῳ νοσήματι τάχα καὶ αὐτὸς αἰσχυνόμενος, καὶ κρύπτειν ἐθέλων ἑαυτοῦ τὴν ἀσθένειαν, καίτοι ψυχικοῖς οὐ γὰρ σωματικοῖς ἐπαισχύνεσθαι προσετάχθημεν πάθεσιν·… αὐτὸς γὰρ καὶ τὰς ἀσθενείας ἡμῶν καὶ τὰς νόσους ἐβάστασεν …
22
… von keinem Fußleiden, sondern von einer anderen Krankheit seiner Geschwindigkeit beraubt … … vielleicht auch, weil er sich der deratigen Krankheit schämte und sein Gebrechen verbergen wollte. Dabei ist es uns angeordnet, uns seelischer, nicht aber körperlicher Leiden zu schämen. … Er hat unsere Gebrechen und die Krankheiten getragen. …
Vgl. BROCK, Étude, bes. 272f. καὶ τοῦτο παθὼν συναναφέρει τῷ βρώματι καὶ τὸν τὸν πνεύμονα κατεσθίοντα σκώληκα· ὃν ἀποβαλών, συναποβάλλει τούτῳ τὸ νόσημα, καὶ τὴν ῥῶσιν εὐθέως είσδέχεται (4,4,6–8 [249 FM]), πάθος δὲ τὸ τῆς σύριγγος νόσημα (6,1,2f [251 FM]), Theodora verschluckt einen Frosch. Bei den Märtyrern angelangt, ἡ νόσος μὲν εὐθέως ἠλέγχετο· … οἱ ἅγιοι μάρτυρες, ὕδωρ πιεῖν πρὸ βρωμάτων ἐκέλευον, τῇ πόσει τοῦ νάματος τὴν φυγὴν ἐπαγγειλάμενοι τοῦ νοσήματος (26,2,9–13 [291 FM]). Als νόσοι kann Sophronios zudem – neben der Krankheit selbst – zugleich auch deren, modern gesprochen, Symptome bezeichnen: νόσον τὴν τελευταίαν ἐνόησεν, καθ᾿ ὅλου τοῦ σώματος ἄνθρακας ἐξανθήσασα. Ὡς δὲ μικρὸν τῶν νόσων ἐρράϊσεν, καὶ τῶν ἀνθράκων οὐ πολὺς ὁ θυμὸς ἐπεφαίνετο (62,3,2–4 [379 FM], Hervorhebungen des Verfassers). 24 Mir. 16,1,1f.6–9.14f (274f FM), Hervorhebungen des Verfassers. 23
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
59
Nun lassen sich in dieser Textpassage durchaus Nuancenunterschiede zwischen den einzelnen Begriffen ausmachen: So wäre zu überlegen, ob ἀσθένεια nicht auch hier den Fokus auf das Gebrechen bzw. die Schwäche des Protagonisten lenken soll, während Sophronios πάθος beim zweiten Mal vielleicht gerade wegen seines relativ großen Begriffsumfangs wählt. Immerhin vermag πάθος ganz selbstverständlich seelische und körperliche Dispositionen zu umfassen.25 Ein echter Bedeutungsunterschied zwischen den einzelnen Begriffen lässt sich an dieser Stelle dennoch nicht konstatieren. Der jeweils andere Beleg von πάθος bzw. ἀσθένεια verdeutlicht dies: Bei der ersten Nennung bezeichnet πάθος ein konkretes Leiden, ohne dass es überzeugend von νόσος abgegrenzt werden könnte. Ebenso verhält es sich mit dem zweiten Beleg von ἀσθένεια. Auch dessen Bedeutung erschließt sich an dieser Stelle, in einem Zitat aus Mt 8,17 = Jes 53,4, nicht im Gegenüber zu νόσος. Eine weitere Textpassage, ein Auszug aus mir. 18,2, bestätigt die Vermutung, dass Sophronios die einzelnen Begriffe trotz ihrer unzweifelhaft vorhandenen Bedeutungsschattierungen weitgehend synonym gebraucht:26 … πάθος δὲ καὶ νόσον ἔχων ἀνίατον πρόεισι, κἀν τοῖς μάρτυσιν ὑγείαν καρποῦσθαι βουλόμενος, καὶ ῥῶσιν τὴν ἀπ᾿ αὐτῶν κομιεῖσθαι γλιχόμενος. … ἐνταῦθα δὲ πάντως τῆς ἀσθενείας λαμβάνει τὴν ἴασιν· τοιοῦτο δὲ ἦν αὐτοῦ τὸ ἀρρώστημα, καὶ οὕτω τῆς θεραπείας ἐπέτυχεν …
… Er tritt mit einem Leiden, mit einer unheilbaren Krankheit hervor. Bei den Märtyrern möchte er Gesundheit erlangen. Die Genesung sehnt er, von ihnen zu erlangen. … Dort aber erhält er gänzlich die Heilung seines Gebrechens. So beschaffen aber war seine Krankheit und so erlangte er deren Behandlung. …
In dieser Textpassage begegnen vier der sieben genannten Begriffe für Krankheit. Alle bezeichnen sie das Leiden, dessentwegen sich der Protagonist dieses Berichts an die Märtyrerheiligen wenden wird, ohne dass erkennbar würde, dass Sophronios die einzelnen Begriffe voneinander unterschieden wissen wollte. Entsprechendes scheint nach Ausweis dieser Stelle auch für die Begrifflichkeit zu gelten, mit der Sophronios die Genesung beschreibt. In nur einem Fall lassen sich begriffliche Unterschiede zwischen νόσημα bzw. πάθος einerseits und ἀσθένεια andererseits vermuten: In mir. 39,3 erscheint die als νόσημα bezeichnete Lähmung des Petros als Folge eines schweren Gebrechens,27 ohne dass dies weiter ausgeführt würde. In §5 spre25
Vgl. hierzu nur die entsprechenden Einträge in LSJ (Sp. 1285f) und PGL (Sp. 992–
995). 26 27
Mir. 18,2,3–7 (277f FM), Hervorhebungen des Verfassers. καὶ πάρεσιν εἶχε τὸ νόσημα ἐκ μεγάλης ἀσθενείας γενόμενον (39,3,7f [336 FM]).
60
Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
chen die Märtyrerheiligen Petros’ Leiden als ἀσθένεια an. 28 Dies spricht nun auch in diesem Fall gegen eine begriffliche Differenzierung. Wenn Sophronios von Krankheiten spricht, die die Seele betreffen, spricht er von πάθος, νόσημα und ἀσθένεια, nicht aber von νόσος, ἀρρώστημα, ἀρρωστία oder πάθημα. 3.2.2 Tabellarisches Inventar Die folgenden Kapitel 3.3 und 3.4 befassen sich mit inhaltlichen Aspekten des Krankheitsbegriffs der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes und konzentrieren sich dabei auf einzelne exemplarische Textpassagen: Wie werden Leiden inszeniert? und: Wie entstehen Krankheiten? Dennoch lohnt es, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, welche Leiden in welchen Berichten wie beschrieben werden. Diesen Überblick ermöglicht das nun folgende tabellarische Inventar. Es befragt alle 70 Berichte daraufhin, – ob und, wenn ja, wie Sophronios das Leiden bezeichnet. Nennt Sophronios den Namen einer Krankheit, ist er in der Tabelle fett hervorgehoben, – wie Sophronios das Leiden beschreibt, – wodurch es verursacht ist, – wie die Märtyrerheiligen das Leiden behandeln29 und – ob es Hinweise darauf gibt, dass es sich bei dem jeweiligen Leiden um mehr als eine bloße Erkrankung des Körpers handelt. In aller Regel nennt die Überschrift den Namen des/der jeweils Erkrankten; in der tabellarischen Übersicht wird er abgekürzt.
28
ταύτην φυγεῖν τὴν κακίστην πάντων ἀσθένειαν (39,5,3f [337 FM]). Wann und wie Ärzte in Erscheinung treten und behandeln, untersucht Kap. 4.2.2. Die Behandlungsmethoden von Ärzten und Märtyrerheiligen kontrastieren die Kap. 4.4.2 und 4.4.3. 29
Beschreibung des Leidens
Die Krankheitsverursacher ähneln Schweinen: καὶ καινοὺς συφεῶνας τῶν ἀθλίων ἀνθρώπων τοὺς τραχήλους ποιούμενα. Ταῦτα τὸν τοῦ νέου περιστοιχήσαντα τραχήλου, καὶ ὥσπερ ἐν κοιλίᾳ μητρὸς ἐκτρεφόμενα, καὶ ταῖς κατ᾿ ὀλίγον αὐξήσεσι τὸν αὐχένα συντείνοντα, καὶ συναύξειν αὐτοῖς ἀναγκάζοντα (§3,3–8).
A. erkrankt erneut. Die Ärzte behandeln sein Leiden wegen der starken Schmerzen als κολικευμός und nicht einfach als στομάχου διάθεσις. A. vermag nichts zu sich zu nehmen, das der Magen nicht sofort wieder „hinausschicken“ würde (§10).
(mir.) Überschrift
(1,1–9) Περὶ Ἀμμωνίου τοῦ ὀκτοβαρίου χοιράδας ἐσχηκότος περὶ τὸν τράχηλον (vgl. Kap. 2)
(1,10–14)
Ja. Sophronios parallelisiert A.s körperliches mit einem seelischen Leiden. Vergleichspunkt ist das Anschwellen „der beiden Nacken“ (§7).
ja, → Leidensursache
A. solle vor ihrem Grab fegen: Der Staub und die gebückte Körperhaltung würden ihm seinen Platz anweisen (§7). Gegen die χοιράδες verordnen sie τῆς αὐτῶν κηρωτῆς ἡ … ἔμπλαστρος, ἣν ἄρτῳ μιχθεῖσαν (§8,3f) Für den Magen: Öl und Wachs aus ihrer Lampe (§12). Gegen τῆς δὲ ψυχῆς τὸ κενόδοξον (§12,8f): A. soll raue Kleidung anziehen und den „kranken Brüdern“ Wasser bringen (§13).
Eingedrungene Lebewesen (→ Beschreibung des Leidens)
Die Erkrankung scheint eine Erziehungsmaßnahme der Märtyrer zu sein; A. wurde wieder hochmütig.
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
Behandlung der Märtyrerheiligen
Leidensursache
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
61
nein Kyros und Johannes reichen ihm ein Stück Zitrone, das er essen soll (§4).
Das Heilmittel der Märtyrer lässt I. einen Wurm (σκώληξ) erbrechen, der seine Lunge fraß (§4). Das Fieber, dessen Ursache nicht genannt wird, trocknet M.s
τοῦτον (sc. τὸν πνεύμονα) γὰρ σηπόμενον κατ᾿ ὀλίγον ἀνέπτυεν εἰς αἷμα καὶ φλέγμα λυόμενον, καὶ τὴν ἐντεῦθεν τελευτὴν προσεδέχετο, ἥτις ἀκολουθεῖν πάντη τε καὶ πάντως τῇ τοιαύτῃ διαθέσει τοῦ πνεύμονος εἴωθεν (§2,3–5)
πυρετὸς δὲ ἦν σφοδρὸς τὸ ἀρρώστημα, … καὶ πᾶσαν σχεδὸν ἐξαναλώσας αὐτοῦ τῆς γαστρὸς τὴν ὑγρότητα, εἰς ἔμφραξιν αὐτὸν ὑπερβολῇ
(4) Περὶ Ἰσιδώρου τοῦ τὸν πνεύμονα ἀσθενήσαντος
(5) Περὶ Μηνᾶ τοῦ φιλοπόνου ἐσχηκότος τὴν
nein
nein
K. soll Öl aus ihrer Lampe auf die Wunde auftragen. Es füllt den Raum, den die Knochen hinterlassen haben.
ἐκ τοῦ μισοκάλου σπουδῆς, καὶ τῆς πρὸς τὰ καλὰ δεινῆς ἀντιστάσεως fällt K. von einer Leiter (§1,3f).
K. erleidet einen Splitterbruch: τὸν πόδα συντριβεὶς … τοῦ ποδὸς εἰς μυρία κατεάξας τὸν κάλαμον (§1,5f). Ärzte können nichts ausrichten, denn: σχεδὸν τῶν τοῦ ποδὸς ὀστέων ταῖς κατὰ μέρος ἀποβολαῖς τε καὶ ῥεύσεσιν, καὶ τῶν σαρκῶν τε συναναλωθεισῶν ταῖς τῶν ἰχώρων ἐκβλύσεσιν (§2,2–4)
(3) Περὶ Καλοῦ τοῦ κατεαγέντος τὸν πόδα
Die Märtyrerheiligen reichen ihm eine getrocknete Feige
nein
Th. soll zu ihrer Quelle gehen und sich dort waschen (§3f).
nicht genannt
τῶν τοῦ σώματος ὀφθαλμῶν τὴν ἀπώλειαν (§1,3f), τὰ τοὺς ὀφθαλμοὺς ἀμαυροῦντα λευκώματα (§1,5f), ἀνίατον (§2,1)
(2) Περὶ Θεοδώρου τοῦ ἐσχηκότος ἐν τοῖς δύο ὀφθαλμοῖς τὰ λευκώματα
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
Behandlung der Märtyrerheiligen
Leidensursache
Beschreibung des Leidens
Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
(mir.) Überschrift
62
Kyros und Johannes erscheinen mit dem ebenfalls angerufenen
Die stürmische See bringt Chr. aus dem Gleichgewicht
Chr. erkrankt schwer: δι᾿ ὅλου γὰρ ἐκβράσας τοῦ σώματος, τῆς ἐγκειμένης ὕλης συγκινηθείσης καὶ ἐκβλυσάσης30 τρόπον τινὰ
(8) Περὶ Χριστοδώρου τοῦ οἰκονόμου ἐν πλῷ
Cj. GASCOU (Sophrone, 47 Anm. 243), εἰσβλυσάσης C, E, FM.
nein
M. soll seine Beine mit ihrem Lampenöl einreiben (§3).
eine nicht benannte Krankheit mit ungenannter Ursache
Νόσῳ δὲ προσομιλήσας μακρᾷ, εἰς λουρόποδα μετέπεσεν ἐξ ὠκύποδος (§2,1f). An der „Riemenbeinigkeit“ leidet er, auch nachdem er die νόσος μακρά überwunden hat: Er ist bettlägerig.
(7) Περὶ Μηνᾶ τοῦ ἱμαντόποδος
30
nein
ein Pflaster aus Sesam, Honig und Zwieback (§3).
nicht genannt
nein
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
Die Fistel bereitet G. beständig Schmerzen und sondert unablässig τὴν ἐκ παντὸς τοῦ σώματος ἐν αὐτῷ συναγομένην ὑγρότητα ab (§1,4f).
(6) Περὶ Γεδδαίου τοῦ ναυλομάχου τοῦ ἐσχηκότος τὴν σύριγγα
Behandlung der Märtyrerheiligen (§4). Beim Essen löst sich die Verstopfung.
ξηρότητος ἤγαγεν (§1,4–7). Alles, was M. zu sich nimmt, verschlimmert seinen Zustand nur (§2).
ἔμφραξιν
Leidensursache
Bauchhöhle aus. Dies führt zur Verstopfung.
Beschreibung des Leidens
(mir.) Überschrift
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
63
nicht genannt
Th. leidet an ὀφθαλμία (§2). Das auch als τὸ τῶν ὀφθαλμῶν ἀρρώστημα (§5) bezeichnete Leiden ist schmerzhaft (§6).
Th. rutscht im „Bad der Heiligen“ aus und stürzt (§8). Nach dem Bad seien τὰ σώματα εὐπαθῆ τέ … καὶ χαυνότερα (§8,10f) und damit verletzungsanfälliger. Entsprechend schwer sind Th.s Verletzungen: Sie verletzt sich den Ellenbogen und blutet in Strömen: μεγάλου καὶ
(9,1–6) Περὶ Θεοδώρας τῆς γυναικὸς τοῦ οἰκονόμου κακῶς ὀφθαλμησάσης
(9,7–11)
Sophronios bietet mehrere Leidensursachen an: a) der von Kosmetikartikeln glitschige Boden (§8)
(δύσκρατος … γενόμενος, §6,5).
ἐπὶ τὴν τοῦ σώματος ἐπιφάνειαν (§6,6–8). In §9,6f ergänzt Sophronios: ὁ Χριστόδωρος τῇ τῶν ἐκβρασμάτων φορᾷ κυμαινόμενος καὶ τῇ τῆς ὕλης ἐκροῇ συμπνιγόμενος (§9,6f). Die ἐκβράσματα (§12) werden auch als ἄνθρακες oder φύματα (§13) bezeichnet. Sie seien trocken wie Fischschuppen und lassen sich nach der Behandlung abwaschen.
τινι τῆς λίμνης κινδυνεύσαντος, καὶ ἐκ τῆς τοῦ πλοῦ ἀηδίας ἐκβράσαντος
Leidensursache
Beschreibung des Leidens
(mir.) Überschrift
nein
nein Th. soll ihre Hand mit Wein aus Mareotis einreiben, Wolfsbarschfleisch auf die Wunden legen und schließlich (als Zei-
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
Im Traum zeigen Kyros und Johannes Th. ihr Heiligtum. Als sie es mit eigenen Augen sieht, ist sie geheilt.
Heiligen Theodoros. Gemeinsam untersuchen sie den Kranken καὶ οἷον νίτρῳ τὸν τῶν ἐκβρασμάτων θυμὸν κατευνάζοντες (§12,4f).
Behandlung der Märtyrerheiligen
64 Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
31
Beschreibung des Leidens
b) Die Märtyrer führen den Schaden auf Dämonen zurück (§11).
Leidensursache
C, E, FM. Vgl. GASCOU, Sophrone, 48 Anm. 246.
M. zahnt, was u.a. mit … … (§2,8f) einhergeht. Als die Zähne zum Vorschein kommen, gehen zwar die Schmerzen zurück, doch bleiben ihre Ohren mit Flüssigkeit gefüllt. Sie platzen. Die sich ergießende Flüssigkeit stinkt und ist voller Würmer (§4f).
(§10,3f). Sie erleidet heftige Schmerzen (§11). In der Schilderung des Heilungsprozesses (§10f) sind Hand und Ellenbogen betroffen.
,
31
Beschreibung des Leidens
Cj. LACKNER (Rez. FM, 75),
(11)
țȫijȘıȚȞ (vgl. Kap. 4.4.3, S. 213–215)
(10)
(mir.) Überschrift
– ein Rettungwunder.
M.s Mutter betritt im Traum eine Arztpraxis. Sie trifft dort auf Kyros, der ihr in M.s Ohren einzuführen verordnet, was sie in der Praxis finde. Es ist Honig.
chen des Siegs über die Dämonen) am selben Ort ein weiteres Bad nehmen.
Behandlung der Märtyrerheiligen
nein
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
.UDQNKHLWXQG/HLGHQLQGHQ:XQGHUQGHU+HLOLJHQ.\URVXQG-RKDQQHV
nicht genannt
E. leidet schon lange an Lepra. Am ganzen Körper trägt er ihre στίγματα (§1), τῆς ἁμαρτίας … σύμβολα (§2,1f). Sie werden im weiteren Verlauf als τὰς εἰδεχθεῖς ἐκείνας λευκάδας (§5,3f) beschrieben.
(13) Περὶ Ἠλίου τοῦ λεπροῦ (vgl. Kap. 5.4)
Die Märtyrer erscheinen E. auf dem Weg. Er soll zum Heiligtum zurückkehren. Dort solle er den Kot eines
Die körperliche Gesundheit stellt sich ein, als J. einen der Pfauen isst, die bei der Kirche der Märtyrer leben.
Die Märtyrer überzeugen J., sich der „katholischen“ Kirche anzuschließen, was allen durch die List der Märtyrer bekannt wird.
→ Beschreibung des Leidens
J.s Reichtum und Jugend bekriegen seine Seele und bezwingen sie: J. geht eine voreheliche Beziehung mit einer Frau ein, heiratet dann aber eine Andere. Die ausrangierte Geliebte rächt sich aus Eifersucht (ζῆλος). Sie erabreicht J. ein lähmendes Gift (φαρμακεία, φάρμακον), das ihn getötet hätte, wenn Gott nicht helfend eingegriffen hätte (§2–5). J. hängt einer Häresie an. Er sagt sich von ihr los und wird geheilt: διττὴν ἐσχηκὼς τὴν ἀσθένειαν, καὶ διττὴν ἐπὶ ταύτην κομισάμενος ἴασιν (§1,3f), ὑγείαν ψυχῆς καὶ ῥῶσιν σώματος προσλαβὼν διὰ πίστεως (§11,7), ἡ δὲ ῥῶσιν τοῦ σώματος τῇ τῆς ψυχῆς μεταθέσει συνέτρεχεν (§18,8f).
(12) Περὶ Ἰουλιανοῦ τοῦ κόμητος ἐκ περιεργίας παρειθέντος τὰ μέλη ἅπαντα
Behandlung der Märtyrerheiligen
Leidensursache
Beschreibung des Leidens
(mir.) Überschrift
66 Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
Weist das Leiden über den Körper hinaus? ja
Πάθος … ἀπάνθρωπον, ὃ πάντων … τῶν σωματικῶν παθῶν μεῖζόν ἐστιν καὶ πικρότερον (§1,5–7), etymologische Ableitung des Namens (§2), Mose habe die Verbannung der unter Elephantiasis leidenden angeordnet, διὰ δὲ τοῦ ἐλεφαντιῶντος τάχα τὸ τῶν ἠθῶν32 ἐκδιώξας
(15) Περὶ Ἰωάννου τοῦ λελωβημένου
32
G, vgl. morum L, παθῶν C, E, FM (GASCOU, Sophrone, 66 Anm. 379).
Zeugung während der Regelblutung (§3)
ein Dämon
Th. ist seit 18 Jahren besessen. Er erleidet damit ein ψυχῆς ἀθανάτου … τὸ νόσημα (§3,1). Nun erträgt er das „Toben des Dämons“ (τοῦ δαίμονος τὴν λύτταν, §3,7) nicht mehr und sucht die Märtyrerheiligen auf.
(14) Περὶ Θεοπέμπτου τοῦ δαιμονιῶντος
Die Heiligen tragen I. im Traum auf, fein zermahlenes Glas mit Wasser zu vermischen und sich damit einzureiben. Die Krankheit
nein
ja
ja
bestimmten Kamels mit Quellwasser befeuchten und sich dann damit einreiben.
E. verzagt ἐκ διαβολικοῦ δηλονότι φρονήματος (§3,3)
E. wird nicht geheilt. Er verzagt und sieht sich gezwungen, das Heiligtum zu verlassen: Βαρὺ γὰρ τῆς ἀκηδίας τὸ πάθος, καὶ πάνυ ψυχαῖς φιλοθέοις πολέμιον, καὶ μεγάλα ταύτας ἀδικῆσαι δυνάμενον … (§3,5–7). Sie erscheinen Th. im Traum: πνεῦμα πονηρὸν … ἀπηλάσαμεν (§5,4f).
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
Behandlung der Märtyrerheiligen
Leidensursache
Beschreibung des Leidens
(mir.) Überschrift
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
67
nein
nein
Im Traum erkundigen sich die Heiligen nach Z.s Leiden, dessen er sich nicht zu schämen brauche, und kurieren es durch Hodenmassage. Die Märtyrerheiligen erscheinen I. im Traum und statuieren ihre Überlegenheit über die Ärzte durch ein οἰκτρῷ … βοηθήματι (§3,9): I.
nicht genannt
J. wird als ὁ τῇ τοῦ χρυσίου κτήσει τε καὶ προσηγορίᾳ γαυρούμενος beschrieben. Seine Krankheit komme ὡς ἔκ τινος θείας ὀργῆς
J. verfällt einer schweren, von Ärzten nicht heilbaren Krankheit: τοὺς γὰρ μηροὺς ὁ ἀνὴρ … κατεδάπτετο· καὶ σαπέντος αὐτοῦ τοῦτοὺς μηροὺς περιέχοντος δέρματος, καὶ πάντοθεν δι᾿ ὑπερβολὴν διερρωγότος τῆς σήψεως, αἱ σάρκες αἱ τούτῳ καλυπτόμεθα πρότερον, τοῦ οἰκείου γυμνωθεῖσα πάμπαν ἐνδύματος, καὶ ἔνδυμα ὃ
(17) Περὶ Ἰωάννου τοῦ Χρυσώνου τοῦ σεσημμένους τοὺς μηροὺς ἔχοντος
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
Z.s Hoden schwellen an (τῶν γεννητικῶν ὀργάνων οἰδήσεσι, §1,3) und schmerzen. Er kann nur langsam laufen. Z. schämt sich seiner Krankheit (§1).
Behandlung der Märtyrerheiligen
(16) Περὶ Ζαχαρίου τοῦ τοὺς διδύμους πασχήσαντος (vgl. Kap. 3.4.1.1, S. 106–108)
Leidensursache
verschwindet δεδοικὼς τοὺς θεσπίζοντας, καὶ τάχα δι᾿ αὐτοὺς καὶ τὴν μιχθεῖσαν τοῖς ὕδασιν ὕαλον (§7,5f).
Beschreibung des Leidens
τὸ ἄγριον (§2,8f), auch Hiob soll das Leiden τῆς ἐλεφαντιάσεως gehabt haben (§4), τὴν ἱερὰν … νόσον (§6,8)
(mir.) Überschrift
68 Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
nicht genannt
πάθος ἔσχε δεινὸν καὶ ἀνίατον· καρκίνος τὸ πάθος ἐλέγετο … καρκίνῳ γὰρ ἐοικός, εἰκότως αὐτῷ (§1,5–7), verursacht starke Schmerzen (§2). S. bemerkt τὸ τυραννικὸν καὶ ἀνήμερον, καὶ τὴν πρὸς αὐτὸ τῆς ἰατρικῆς τέχνης
(19) Περὶ Στεφανίδος τῆς ἐχούσης τὸν καρκίνον
→ Beschreibung des Leidens
Am nächsten Morgen solle P. zum Tor gehen und den ersten Passanten schlagen. Der Soldat, den er trifft, fügt ihm eine Kopfverletzung zu. Die Würmer entweichen.
Würmer (§7)
solle seine Wunde mit einem Kümmel-SalzGemisch bestreuen.
über ihn. Ob hierin die Krankheitsursache zu erblicken ist, bleibt offen.
πρὸς τῆς φύσεως ἔλαχον ἀπολέσασαι, χωριζόμεναι τῶν ὀστέων ἀπέπιπτον, τῷ περιστέλλοντι κατὰ βραχὺ συνσηπόμεναι δέρματι καὶ πρὸς γῆν καταρρέουσαι (§2,7–13). Sein Leiden ist ausgesprochen schmerzhaft (§3f).
πάθος δὲ καὶ νόσον ἔχων ἀνίατον … ἤλγει τὴν κεφαλὴν ὡς λέγειν οὐκ ἔνεστιν, καὶ τὸ μὲν ἄλγος αἵ τε βοαί, αἵ τε ἀγρυπνίαι, καὶ μετὰ τούτων ὁ ὄγκος ἐδείκνυεν (§2). Vor Schmerzen schläft er nicht (§4).
Behandlung der Märtyrerheiligen
Leidensursache
Beschreibung des Leidens
(18) Περὶ Παύλου τοῦ τὴν κεφαλὴν σκωλήκων γέμουσαν ἔχοντος
(mir.) Überschrift
nein
nein
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
69
(§4,3f; §5,1).
,
… (§1,3f). ,
,
(§2,4f).
(§3). M. leidet Schmerzen und droht, zu ersticken (§3)
M.s Leiden, das die Ärzte įİȡȠȞ nennen, ist . ,
33
des Leidens (§3,1f). S. bittet die Märtyrer, sie zu heilen, , …
Beschreibung des Leidens
,
nicht genannt
Leidensursache
Cj. DUFFY (Observations, 82) ex L quem cadentem et palpitantem quidem tunc viderunt, Sophrone, 76, Anm. 439.
33
(21)
įȡȦʌĮ
(20)
(mir.) Überschrift
nein
nein
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
C, E, FM. Vgl. GASCOU,
Kyros bläst ihr im Traum dreimal in den Mund. M. erwacht, eilt auf die Toilette
M. solle Zwieback mit Wasser befeuchten und sich dann damit einreiben.
Behandlung der Märtyrerheiligen
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Beschreibung des Leidens
In der Therapie stellt sich heraus, dass ein Wurm ihre Eingeweide zerfraß (§5).
καὶ τὸ πάθος εἰς τέρας τὸν ἄνθρωπον ἤμειβεν … ἐπαχθέστατον νόσημα … ὡς ἀσκὸν ἀπετέλεσεν, πολυπλασιάσαν τῷ ὄγκῳ πρὸς τὸν ὑγιᾶ καταλειπόμενον (§1,8.10–12). Das Leiden weite sich aus und werde S. zugrunde richten (§2). Tatsächlich wächst das Geschwür über einen längeren Zeitraum: τὸ μέγεθος καὶ τὴν αὔξησιν, ἣν ἐν μακρῷ τῷ χρόνῳ προσέλαβεν … (§5,1f).
G. leidet an einem ungewöhnlichen Leiden: Er hat außergewöhnlich starke Kopfschmerzen. Sein Kopf brummt: μετ᾿ ἤχους γάρ τινος καὶ βομβώδους κινήματος τὰς ἀλγηδόνας ὑπέμεινεν (§1,6f). Die Märtyrer sorgen (anders als in mir. 18) für die Wundheilung, μὴ πάλιν εἰσέλθωσιν
(mir.) Überschrift
πασχούσης
(22) Περὶ Σαραπάμμωνος σκῖρον εἰς τὸν πόδα ἔχοντος
(23) Περὶ Γενναδίου τοῦ τὴν κεφαλὴν μυιῶν γέμουσαν ἔχοντος
nein
nein
Die Märtyrerheiligen verordnen S.s Eltern, dessen Bein mit dem Öl und Wachs ihrer Grableuchte einzureiben.
Kameldung solle ihm zum Heimittel werden. G. hält ein Kamel fest. Deren Besitzer schlägt G. ein Loch in den Kopf. Die Fliegen fliehen und die Um-
nicht genannt
Fliegen verursachen G.s Leiden. εἴτε δὲ περιεργίας τοῦτο τεκούσης, εἴτε καὶ φυσικοῦ τινος ἄλλου συμπτώματος, οὐ γινώσκομεν (§1,11–
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
und scheidet einen Wurm aus.
Behandlung der Märtyrerheiligen
φιλοτιμουμένων κακῶς πρὸς τὸ οὕτως ἀφειδῶς λυμαίνεσθαι τὸ ὁμόφυλον (§1,7–9)
Leidensursache
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
71
nicht genannt
In mir. 24 beschreibt Sophronios die Leiden gleich zweier Frauen, der reichen und der armen J.: καὶ ἡ μὲν δεινῶς ἠσθένει τὸν θώρακα καταφορητικῇ διαθέσει δουλεύουσα, ἡ δὲ τοὺς ὀφθαλμοὺς ἀπεκλείετο τύφλωσιν ἀπαρηγόρητον ἔχουσα (§2,2f). Beider Leiden gelten als unheilbar.
τὸ τῆς αἱμορροίας ἔσχεν ἀρρώστημα, ὑφ᾿ οὗ δεινῶς κατετήκετο καὶ μᾶλλον ἀφειδῶς ἀνηλίσκετο (§2,1f). Aus der πηγὴν … τοῦ πάθους (§2,3) quillt unablässig Blut. Ἐντεῦθεν
(24) Περὶ Ἰουλιανῆς τῆς τυφλῆς, καὶ Ἰουλιανῆς τῆς καταφορητικῆς
(25) Περὶ Ἐλπιδίας τῆς ἐχούσης αἱμόρροιαν
nicht genannt
stehenden verschließen das Loch mit dem Kot.
13).
ἀνατρέψασαι, καὶ κατὰ τὰ ἑπτὰ πονηρότατα πνεύματα μένοιεν, καὶ χείρονα τὰ ἔσχατα τῶν προτέρων ἐργάσοιντο (§5,5–7).
Die Märtyrer erscheinen E. im Schlaf: Sie solle Wein mit Myrte trinken.
Der reichen J. verordnen sie im Traum, sich auf den Boden zu legen: ψυχικοῦ πάθους καὶ σωματικοῦ γενήσεται φάρμακον (§5,5f). Der armen J. erscheinen sie ebenfalls: Sie solle gebratenes Krokodilfleisch zu Pulver zerstoßen und es auf die Augen auftragen.
Behandlung der Märtyrerheiligen
Leidensursache
Beschreibung des Leidens
(mir.) Überschrift
nein
Die reiche J. habe weder τὸν ὄγκον … τὸν μάταιον, noch τὸ ἐκ πλουσίου θεομίσητον φύσημα (§4,3f) abgelegt.
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
72 Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
περιεργίας ἐκ βρώματος (§2,3)
Th. hat einen Frosch verschluckt, der nun in ihrem γαστήρ lebt und den διάβολος ὁ μισάνθρωπος πρὸς ἀπώλειαν τῆς Θεοδώρας ἐχρήσατο (§4).
Leidensursache
Cj. GASCOU (Sophrone, 89 Anm. 515) ex L potius quam, om. C, E, FM.
Th. erleidet unerträgliche Qualen (ὀδύνην αὐτῷ γεννώσης ἀφόρητον, §2,4). Sein Leiden wird in
(27) Περὶ Θεοδώρου τοῦ
34
Der beim Trinken versehentlich verschluckte Frosch verursacht Th. durch seine Bewegungen Koliken (στρόφους). Der Frosch wächst in ihrem Bauch heran: τὰς ὀδύνας συνηύξανεν, ἃς οὐκέτι φέρειν ἰσχύουσα, εἰς τοὔδαφος ἐκυλίετο, ὥραν ἀναπαύλης οὐκ ἔχουσα, καὶ ἡσυχίας καιρὸν οὐ γινώσκουσα, ὡς πάσχειν ὑπὸ πνεύματος ὑποπτεύεσθαι μᾶλλον34 ἢ πάθος ἔχειν νομίζεσθαι σώματος (§2,3–5).
νεκρὰ μὲν ἐν ζῶσιν ἐφαίνετο, τοῦ ἐρυθραίνοντος ἐπιλείποντος αἵματος· ἐν νεκροῖς δὲ πάλιν οὐκ ἐλογίζετο, ἔτι τοῦ ζωτικοῦ ψυχοῦντος αὐτὴν καὶ συνέχοντος πνεύματος (§2,5–8).
Beschreibung des Leidens
(26) Περὶ Θεοδώρας τῆς καταπιούσης τὸν βάτραχον
(mir.) Überschrift
Die Märtyrer fordern Th. im Traum auf,
Im Traum verordnen die Heiligen, Th. solle vor dem Essen Wasser trinken. Als sie dies tut, muss sie sich übergeben und erbricht den Frosch.
Behandlung der Märtyrerheiligen
nein
nein
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
73
ja, → Beschreibung des Leidens
Verfehlung und Leiden korrespondieren: Ἀλόγως γὰρ εἰς τοὺς
Ph. solle sich von N. die Hände auflegen lassen. Als dies geschieht, wird Ph. geheilt. N. hingegen wird nicht geheilt.
Kyros und Johannes erscheinen A. im Traum: Trotz ihrer Verfehlungen würden
N., der das Schicksal durch die Sterne bestimmt wähnt, wurde der Augen des Körpers (ὀφθαλμοὺς …τοῦ σώματος, §6,4f) beraubt, mit denen er zuvor die Sterne beobachtete, denn δι᾿ αὐτῶν ὧν ἡμάρτανε κολαζόμενος (§6,8f). Seine ἀβλεψία sei ὡς μάστιξ ἦν καὶ δεσμὸς ἀδίκου θεωρίας αὐτὸν τιμωρουμένη καὶ εἴργουσα (§6,9f). Ph.s Erkrankung wird nicht näher beschrieben.
Während A. die Märtyrer verulkt, beißt sie ein Floh, ὡς τῶν ἁγίων ὑπερμαχοῦσα … ἣν ἡ γυνὴ κατασχεῖν κατανεύσασα, ἔμεινεν εὐθὺς ἐπὶ σχήματος, ἄνω νεῦσαι τὸ λοιπὸν οὐκ ἰσχύουσα,
(28) Περὶ Νεμεσίωνος ἀπὸ ἐπάρχων καὶ Φωτεινοῦ ἀπὸ ὀμμάτων
(29) Περὶ Ἀθανασίας ἀπιστούσης εἰς τοὺς ἁγίους Κῦρον
A.s Leiden wird in §10–13 als durch ihren Unglauben notwendig gewordene
→ Beschreibung des Leidens
eine Schlange zu essen. Th. sträubt sich, doch die Märtyrer überlisten ihn. Als er dies merkt, übergibt er sich und erbricht dabei auch das Gift.
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
§4,1f genauer beschrieben: καὶ τῇ βρώσει τοῦ καυστικοῦ φαρμάκου τὰ σπλάγχνα φλεγόμενος.
Behandlung der Märtyrerheiligen
κελευσθέντος ἀπὸ τῶν ἁγίων ἀσπίδα φαγεῖν
Leidensursache
Beschreibung des Leidens
(mir.) Überschrift
74 Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
35
C = ἄνιγμα cf. humorem non habentia L, ἄναιμα E, FM (LACKNER, Rez. FM, 76).
nein
Die Märtyrerheiligen fordern G. im Traum auf, als Esel verkleidet, „Ich bin dumm“ rufend durch ihre Kirche zu kriechen. Wenn er dies tue, werde er gesund.
G. behauptet, die Märtyrer würden wie irdische Ärzte heilen. Dieses „Geschwätz“ widerlegen sie. Ob sie G.s Krankheit verursachen, bleibt offen.
Τὰ νῶτα γὰρ ἀσθενήσας ὁ δείλαιος, καὶ σὺν ταῖς ὠμοπλάταις τοὺς ὤμους αὐτοὺς καὶ τὸν τράχηλον, ὡς ἔκ τινος θείας ὁρμῆς αὐανθέντας ἐσχηκὼς καὶ πάσης ἀμοιροῦντα κινήσεως (ταῦτα γὰρ τὰ τῶν ξύλων ξηρά τε καὶ ἄνικμα35 ἐν τῷ ζῶντι τυγχάνοντα σώματι, ἐλάλει τότε καὶ ὑπέγραφε, καὶ τὴν ὀδύνην ἐποιεῖτο τῇ τοιαύτῃ κολάσει κατάλληλον) (§5,4–8).
(30) Περὶ Γεσίου τοῦ ἰατροσοφιστοῦ (vgl. Kap. 4.3)
μάρτυρας ἁμαρτάνουσα, ἀλόγων αὐτὴν διὰ τῆς εἰς τὰ κάτω νεύσεως σωφρονίζουσι σχήματι (§10,1f).
sie sie heilen, wenn sie mit Glauben zu ihrem Heiligtum komme. So geschieht es dann auch.
παίδευσις der Märtyrer beschrieben.
οὔτε τὴν ὄρθιον δύναμιν ἢ διάπλασιν ἥτις μόνων ἀνθρώπων ἰδία καθέστηκεν ἐπιδείξασθαι (§9,8–12). Ἐγένετο δὲ οὐκ ἀναλγήτως ἡ βάσανος, ἀλλ᾿ ἔσχεν ὀδύνην τηλικαύτης τιμωρίας ἀκόλουθον· ὑφ᾿ ἧς μαστιζομένη σφοδρότατα πολυκλαύστοις φωναῖς τὰς κεκρυμμένας ἀλγηδόνας ὑπέφαινεν (§10,2–5).
καὶ Ἰωάννην τοὺς μάρτυρας
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
Behandlung der Märtyrerheiligen
Leidensursache
Beschreibung des Leidens
(mir.) Überschrift
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
75
Th. erblindet nach einem Frevel (→ Beschreibung des Leidens). Einen möglichen Kausalzusammenhang erläutert Sophronios nicht weiter.
Τούτῳ τῷ κτύπῳ Θεόδωρος τῷ βδελυρῷ καὶ φιλειδώλῳ μετὰ τὴν τῆς ἀχράντου κοινωνίας βρῶσιν χρησάμενος, εὐθὺς ἐστερεῖτο τῶν ὄψεων, καὶ τῶν ὀμμάτων ἐχήρευε, σύνδρομον τῇ δυσφημίᾳ τὴν τιμωρίαν εὑράμενος (§3,6–9). Die Umstehenden fürchten, ebenfalls zu erblinden, erblinden aber nicht.
Der Heide A. entzieht sich seinem Todesurteil, τὴν τῆς δίκης δεξιὰν οὐ διέφυγεν, ἀλλ᾿ ὑπὸ ταύτης κατασχεθεὶς ἐκολάζετο· ... ἀοράτως πληγεὶς πληγὴν χαλεπήν τε καὶ ἄφυκτον· νόσος δὲ ἦν ἡ πληγὴ κατὰ παντὸς εὐρυνομένη τοῦ σώματος, ἣν Ἀσκληπιάδαι προσαγορεύουσι πάρεσιν (§4,2.5–7). Die Lähmung breitet sich aus. Um den Verdacht zu zerstreuen, er sei ein Heide, sucht A. die Märtyrerheiligen auf. Dort kommuniziert er, um nicht den Anschein zu erwecken, Häretiker zu sein. Καὶ θᾶττον μετὰ
(31) Περὶ Θεοδώρου τοῦ μετὰ τὸ κοινωνῆσαι ῥινοκτυπήσαντος, καὶ παραχρῆμα τυφλωθέντος
(32) Περὶ Ἀγαπίου τοῦ Ἕλληνος
ein Dämon, ὥσπερ καὶ εἰς τὸν προδότην Ἰούδαν ὁ Σατανᾶς μετὰ τὸ λαβεῖν αὐτὸν
göttliche Gerechtigkeit
Leidensursache
Beschreibung des Leidens
(mir.) Überschrift
Weist das Leiden über den Körper hinaus? nein
Behandlung der Märtyrerheiligen Kyros und Johannes erscheinen Th. im Traum: Wenn er nach drei Tagen ein bestimmtes Zeichen sehe, werde er geheilt. Er und alle beten, dass es so sei, und es ist so.
Die Märtyrerheiligen warnen A. im Traum davor, in ihrer Anlage zu bleiben.
Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
nein, → Beschreibung des Leidens
76
(33) Περὶ Κοσμιανῆς ἀπιούσης εἰς τοὺς ἁγίους τοῦ εὔξασθαι καὶ πεσούσης ἐκ τοῦ ἀλόγου καὶ συντριβείσης τὸ σῶμα
(mir.) Überschrift
Leidensursache
τὸ ψωμίον ὅπερ ὁ Σωτὴρ ἐπέδωκεν ἐμβάψας εἰσήλατο (§9,6–8)
ὁ τοῦ φθόνου πατήρ … ῥίψας ἀθρόον τὸ φέρον αὐτὴν ὑποζύγιον ἐπ᾿ ἔδαφος ἤνεγκεν εἰς τοὐπίσω πεσεῖν (§4,1; 5,1f)
Beschreibung des Leidens
τὴν τούτων μετάληψιν, δαίμων ἄγριος εἰς αὐτὸν εἰσεπήδησεν … καὶ χαμαὶ κείμενος ἐσπαράττετο, καὶ τοὺς ὀφθαλμοὺς διεστρέφετο, καὶ τὰ μέλη χαλεπῶς ἐλυγίζετο, καὶ τοὺς ἀφροὺς ἐκ τοῦ στόματος ἔπεμπε κῦμα θαλάττιον ἐλεεινῶς ἐκμιμούμενος· καὶ νήφων μὲν ἐξ ὀλίγου, εἴπερ ἄρα καὶ ἔνηφε, λαλεῖν δὲ παντελῶς ἢ τὴν γλῶτταν ὅλως κινεῖν οὐκ ἠδύνατο· ὑπὸ τοῦ δαίμονος δὲ στρεβλούμενος (§9,5–6.8–12). Der Dämon erstickt ihn.
K. fällt mit dem Rücken voran vom Esel: ὃ φορᾷ σφοδροτέρᾳ φερόμενον τῇ γῇ προσραγέν, ὅλον εὐθὺς συνετρίβετο (§5,3f). Hätten sie die Märtyrer nicht reanimiert (ἀναψύχοντας), wäre sie wohl gestorben. Ihre Begleiter möchten ihre noch warmen Wunden (θερμά … τραύματα) sofort behandeln lassen, nicht erst μετὰ ψύξιν καὶ νέκρωσιν (§5,9–11). Denn frische Wunden ließen sich besser behandeln, heilten schneller und seien weniger schmerzhaft (§6).
Kyros und Johannes erscheinen K. im Traum. Kyros trägt Johannes auf, sie von diesem „Schlag“ zu befreien. Er gibt ihr daraufhin eine Backpfeife (§8). K. erwacht und ist gesund.
Behandlung der Märtyrerheiligen
nein
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
77
Leidensursache
Der ἀρχέκακος lenkt K.s Aufmerksamkeit auf ein Schlangenei. K. hält es für ein Vogelei und schluckt es (§2). Die Schlange schlüpft. Ihre Bewegungen, vielleicht auch Bisse, verursachen K. Schmerzen (§4).
ἀπὸ μαγείας (Überschrift), Pakt mit dem Teufel (§3), ἡ εἰς αὐτὸν μυσαρὰ περιεργία, ἣν οἱ γόητες ἐκεῖνοι σὺν
Beschreibung des Leidens
Im Heiligtum angekommen: τὰ σπλάγχνα πονεῖν ὁ Καλλίνικιος ἤρξατο … Καὶ στρόφοις μὲν αἱ ἀρχαὶ τῶν ἀλγηδόνων ἐῴκεισαν· ταῖς δὲ κατὰ μέρος αὐξήσεσιν τῶν μὲν στρόφων παρῃτοῦντο τὸ γνώρισμα, τοῖς δὲ δαιμόνων ὡμοιοῦντο στρεβλώσεσι (§4,3.5–7). Ὅθεν τὰ πρῶτα μὲν ἔκλαιε, προβαῖνον δὲ μείζοσι κραυγαῖς ηὖξε τὸ δάκρυον· ὡς δὲ βαστάζειν πλέον τοῦ ὄφεως τὰς ἀνίας οὐκ ἴσχυσε, πεσὼν εἰς γῆν ἐκυλίετο, ἐσπαράττετο, πολυειδῶς τοῖς μέλεσιν ἐτυλίσσετο, ὡς μηδὲ φωνὴν αὐτὸν ἐκπέμπειν εἰς ὕστερον δύνασθαι, ἀλλὰ θνήσκειν εὐθὺς τοῖς ὁρῶσιν νομίζεσθαι (§5,1–5).
Der Teufel lähmt Th.s Arme und Beine und lässt ihn große Schmerzen haben (§3). Dennoch halten die zu Rate gezogenen Ärzte das Leiden zunächst für ἐκ χυμῶν ... πληθωρίας entstanden (§4). Durch einen Hinweis der Märtyrer wird eine eherne Theophilos-Puppe gefunden, deren
(mir.) Überschrift
(34) Περὶ Δωροθέας, ἧς τὸ παιδίον Καλλίνικος εἰς τοὺς ἁγίους ἀπιόν, ὠὸν κατέπιεν ὄφεως
(35) Περὶ Θεοφίλου τοῦ ἀπὸ μαγείας συνδεθέντος τὰς χεῖρας καὶ τοὺς πόδας
Weist das Leiden über den Körper hinaus? nein
Behandlung der Märtyrerheiligen Die Heiligen ordnen im Traum an, dass der Junge zu einer bestimmten Zeit nach draußen gebracht werden solle. Dort angelangt, erscheint die Schlangenmutter, die ihr Kind zu sich ruft. Es folgt dem Ruf und verlässt K.s Körper.
nein
Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
Die Märtyrerheiligen sorgen durch ihre im Traum gegebenen Hinweise dafür, dass die Puppe (→ Beschreibung des Lei-
78
(36) Περὶ Θεοδώρου τοῦ ὑποδιακόνου ποδάγραν ἔχοντος
(mir.) Überschrift dens) gefunden wird.
μιαροῖς καὶ κακίστοις δαίμοσιν πράξαντες, θαλαττίῳ βυθῷ ὡς οὐκ ἀναλυθησομένην ἐνέβαλον (§11,1–3) nicht genannt
Arme und Beine mit Nägeln durchstoßen sind (§9). Das Entfernen der Nägel lässt Lähmung und Schmerzen enden (§10): καὶ οὕτως ὁ νοσῶν πάσης ἐλυτρώθη διαβολικῆς περιεργίας καὶ μάστιγος (§12,5f)
Die ποδάγρα trage ihren Namen zu recht διὰ τὴν τοῦ πάθους πολλὴν ἀγριότητα (§4). Sie sei unzähmbar. Th. habe sie seit frühester Kindheit: πόρους εὐθὺς δυσειδεῖς καὶ προκόπτοντας ἐπί τε ποδῶν καὶ χειρῶν τῇ τῶν ἀλγηδόνων βλαστῆσαι σφοδρότητι καὶ τῇ πανομβρίᾳ τοῦ συχνῶς καταστάζοντος ῥεύματος. Μετεπλάττοντο γὰρ αὐτῷ πρὸς λίθων ἀμορφίαν οἱ δάκτυλοι, μήπω τελείας τυχόντες αὐξήσεως· καὶ τῶν ποδῶν οἱ ταρσοὶ ἐμιμοῦντο τὰ τῆς γῆς ἀναστήματα· καὶ τάχα ἂν οἱ πόδες αὐτῷ καὶ σὺν τούτοις αἱ χεῖρες πρὸς ταῦτα μετέβαλον, τὴν οἰκείαν μορφὴν ἀρνησάμενοι, καὶ τὸ σφῶν εἶδος παντελῶς διαλλάξαντες (§5,6–6,5). In seinem letzten Traum symbolisiert eine Die Märtyrer halten im Traum Fürbitte für Th. Christus erbarmt sich, woraufhin Kyros und Johannes Th. anweisen, seine Hände und Füße mit ihrem Lampenöl einzureiben (§25–28).
Behandlung der Märtyrerheiligen
Leidensursache
Beschreibung des Leidens
Das Leiden selbst nicht. Jedoch machen Kyros und Johannes den Übertritt zur Kirche zur Bedingung, Th. zu heilen (§7).
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
79
Th. begegnet einem gewissen Paschasios, ὑπὸ πονηροῦ πνεύματος ἐνοχλούμενον ... διαπρυσίῳ φωνῇ τάδε πρὸς αὐτὸν ἀπεφθέγξατο, βλοσυρὸν ἐνιδὼν καὶ τοῖς ὀδοῦσι βρυχώμενος (§22,2–4).
Die Leukome verdrängen das Augenlicht (§2). Der Häretiker J. schließt sich der Kirche an: καὶ τὸ τῆς ἐκκλησίας ψυχωφελὲς ἀσπασάμενος κήρυγμα· … τριταῖος τὸ φῶς τοῖς ὄμμασιν ἔβλεπεν, τῷ φωτισμῷ τῆς ψυχῆς κατὰ πόδας ἑπόμενον (§5,5–8). ὁ τῶν καλῶν ἀναιρέτης ἐφθόνησεν, ἀποστερεῖν τε τοῦ διττοῦ τῶν ἁγίων δωρήματος ἔσπευδεν (§6,1–3): J. kehrt der Kirche den Rücken. Die Märtyrer nehmen ihm das Augenlicht. Nachdem sich J. der Kirche endgültig anschließt, geben sie es ihm erneut: οὐδέπω δὲ τελείαν τὴν ῥῶσιν ὡς τὸ πρῶτον ἐδέξατο, ἀλλὰ μόνον φέρων ἐν τοῖς ὄμμασι τῆς τοιαύτης
(37) Περὶ Ἰωάννου τοῦ ὑποδιακόνου λευκώματα ἐν ἀμφοτέροις ἐσχηκότος τοῖς ὄμμασιν (vgl. Kap. 5.2)
Schlange Th.s Krankheit (§29).
Beschreibung des Leidens
(36,22)
(mir.) Überschrift
keine
Die Märtyrer legen J. im Traum nahe, zur Kirche überzutreten und fortan dort zu kommunizieren. Nach seinem Rückfall und seiner Rückkehr zur Kirche hört er im Traum einen Diakon Mt 11,3–5 lesen. Hierauf erhält er auch sein körperliches Augenlicht teilweise zurück.
nicht genannt
Behandlung der Märtyrerheiligen
nicht genannt
Leidensursache
Parallelisierung des Nicht-SehenKönnens als Erblindeter und Häretiker, → Beschreibung des Leidens
nein
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
80 Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
Wie Johannes (mir. 37) ist S. Häretiker und hat Leukome in beiden Augen. Die Märtyrer heilen ihn, doch steht ihm der ὁ πᾶσιν ἀεὶ τοῖς χρηστοῖς διαφθονούμενος (§5,6f) entgegen: S. hegt die Absicht, daheim wieder seiner Häresie anhängen zu wollen. Die Märtyrer verordnen ihm daraufhin ein Bad. S. nimmt dies: οὕτω διετέθη κακῶς, ὡς πολλὰ γρηγορῆσαι νυχθήμερα, καὶ τὴν πολλὴν ἀϋπνίαν σὺν ταῖς ὀδύναις ὀδύρεσθαι, εἰς πάθος φρενῶν φέρειν εἰδυῖαν τοὺς πάσχοντας (§7). Er erblindet: γλώττης ὄλισθον καὶ δυσσεβὲς διανοίας κολάζουσα γέννημα (§8). S. kommuniziert von den Märtyrern im Traum inspiriert erneut und wird geheilt (§11f).
καὶ πάρεσιν εἶχε τὸ νόσημα ἐκ μεγάλης ἀσθενείας γενόμενον (§3,7f), die Lähmung
(39,1–9) Περὶ Πέτρου τοῦ
ἀγνωμοσύνης τὸν ὠφέλιμον ἔλεγχον, ἵνα τοῦτον ἄλλοι θεώμενοι, ἑαυτῶν ἀσφαλέστεροι γίγνοιντο (§10,8–10).
Beschreibung des Leidens
(38) Περὶ Στεφάνου ὡσαύτως ἐν τοῖς ὀφθαλμοῖς ἐσχηκότος λευκώματα (vgl. Kap. 5.3)
(mir.) Überschrift
nicht genannt
Kyros und Johannes bestrafen S. für seine Undankbarkeit (§7).
nicht genannt
Leidensursache
Die eigentliche Behandlung wird nicht
Die Märtyrer legen S. im Traum nahe, die Sakramente in der Kirche zu empfangen. Nach Rückfall und Rückkehr verordnen ihm die Märtyrer Endiviensaft gegen sein Augenleiden.
Behandlung der Märtyrerheiligen
Nein. Jedoch machen sie P.s
Parallelisierung des Nicht-SehenKönnens als Erblindeter und Häretiker: Μετὰ γὰρ τὴν ῥῶσιν τῆς ψυχῆς καὶ τοῦ σώματος, καὶ τῶν ἑκατέρων ὀφθαλμῶν τὴν ἀνάβλεψιν (§6,1f), → Beschreibung des Leidens
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
81
Beschreibung des Leidens
verlaufe tödlich. Kyros und Johannes gebrauchen P.s Schmerz als Druckmittel (§5–7).
Der Häretiker Menas träumt, dass ihn die Märtyrer zur Kommunion prügeln. Die Schläge spürt er noch am nächsten Morgen. Er kommuniziert. Seine Seele wird erleuchtet (φωτισθεὶς τὴν ψυχὴν, §11,6).
J. leidet unter einem δαίμων … ἄγριος, ὃς ἐν αὐτῷ τὴν κατοικίαν ποιούμενος, ἀφόρητος ἦν διὰ πολλὴν ἀγριότητα (§2,4f). Μετὰ χρόνον δὲ πάνυ συχνὸν τοὺς νεφροὺς βαρέως ἐνόσησεν, καὶ ἡ νόσος ἦν ἀνυπόστατος (§3,4–6): Er wälzt sich auf dem Boden, rennt im Tempel umher, raubt seinen Zeitgenossen durch sein tiefes Stöhnen (βαρυφώνοις στενάγμασι, §3,7) den Schlaf und hat sehr starke Schmerzen (§4,2). Zuvor litt J. an πόδαγρα und „unzähligen anderen Leiden“ (§5).
(mir.) Überschrift
παρέτου
(39,10f)
(40) Περὶ Ἰωάννου τοῦ Μνηματίτου τῶν ἁγίων τοὺς νεφροὺς πάσχοντος
nein, keines der Leiden
Die Märtyrer vertreiben den Dämon (§2).
Die Leidensursache gibt Sophronios bei keinem der Leiden an.
Sophronios berichtet nur, dass die Märtyrer J. heilen.
Es wird kein Leiden geschildert.
Übertritt zur Kirche zur Bedingung, ihn zu heilen.
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
Es wird kein Leiden geschildert.
geschildert.
Behandlung der Märtyrerheiligen
Es wird kein Leiden geschildert.
Leidensursache
82 Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
nicht genannt
T. erleidet eine schwere Fußkrankheit. Οὗτοι γὰρ τὸ τῶν ποδῶν εἶδος, εἰ ἔστιν εἰπεῖν,
(43) Περὶ Ταυρίνου
T. soll eine gepökelte Wachtel zerstoßen
nein
nein
Die Heiligen streicheln E. im Traum den Bauch. Er solle sich schnellstmöglich auf der Toilette erleichtern.
Weil es so heißt ist, trinkt E. viel Wasser und verfällt schließlich der Wassersucht (ὕδερον).
Der Vermesser E. nimmt stark zu: ἑαυτοῦ δὲ τὴν γαστέρα μετρεῖν οὐ δυνάμενος, ἔκ τινος ὑγρᾶς οὐσίας εἰς αὐτὴν ἀθροιζομένης αὐξήσασαν, καὶ μιμουμένην οὐκ ἀρουραῖον εὐμέτρητον μέγεθος, ἀλλ᾿ ὄρεσιν ἐοικὸς δυσέφικτον ὕψωμα, ταῖς ὑπερόγκοις καὶ μεγίσταις οἰδήσεσι (§1,2–5).
(42) Περὶ Εὐγενίου τοῦ γεωμέτρου ὑδρωπιάσαντος
nein
Beim Spiel fällt M. vor dem Märtyrergrab hin. Seine Zunge berührt den Boden und nimmt ὡς ἔκ τινος διωκομένη καὶ φεύγουσα (§8,6) ihre ursprüngliche Gestalt an.
Die M. begegnen vermuten, eine Sünde habe das Leiden verursacht. Tatsächlich zog ihm δαίμων τις ἀλιτήριος πολὺ νοσῶν τὸ μισάνθρωπον eines Nachts die Zunge heraus und schlug sie breit (§4,2f).
M.s Zunge ist ungewöhnlich groß und hängt ihm aus dem Mund heraus. Sie ist purpurn bis schwarz verfärbt. Der ununterbrochene Speichelfluss durchtränkt M.s Kleidung und Brust und färbt sie. Die ihn ansehen, reagieren mit Übelkeit, Mitleid und auch Erbrechen (§2f). M. kann keine feste Nahrung zu sich nehmen. Sein Leiden sei einzigartig (§4).
(41) Περὶ τοῦ παιδίου Μηνᾶ τοῦ ἔξω τὴν γλῶτταν κρεμαμένην τοῦ στόματος ἔχοντος
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
Behandlung der Märtyrerheiligen
Leidensursache
Beschreibung des Leidens
(mir.) Überschrift
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
83
nein
nein
und hiermit seinen Fuß einreiben. Die Märtyrer erscheinen „einem der kranken Brüder“ im Traum: A. solle gleich nach dem Aufstehen drei Kannen Wein trinken. Sie tut dies und erbricht daraufhin auch die Tiere. nicht beschrieben: Je näher er dem Heiligtum kommt, desto mehr hört K. Dort angekommen, ist er genesen.
A. verschluckt versehentlich drei σαμαμίθια: ὁ διάβολος αὐτῇ προευτρέπισε (§3,3).
vermutlich eine δαίμονος ἐνέργεια (→ Beschreibung des Leidens)
Die σαμαμίθια verursachen A. durch ihre Bewegungen heftige Schmerzen in den Eingeweiden (§5). Dank der Märtyrer kann sie τὸν ἐκ δαιμόνων αὐτῇ σκευασθέντα … θάνατον entfliehen (§8,1f).
K. wurde hörend geboren. Im Erwachsenenalter ertaubte er schlagartig (μετ᾿ αἰφνίδιον, §1,7f). πάντες οἱ θεώμενοι, δαίμονος ἐνέργειαν τὴν κώφωσιν ἔλεγον, καὶ οὐ πάθος ἢ σύμπτωμα σώματος (§2,3f). Sophronios teilt diese Einschätzung, da das Leiden plötzlich aufgetreten sei und Ärzte nicht helfen können.
(44) Περὶ Ἄννης τῆς μοναστρίας τρία καταπιούσης σαμαμίθια (vgl. Kap. 3.4.3.1)
(45) Περὶ Κοβιώτου τοῦ κωφοῦ καμηλαρίου
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
ἀρνησάμενοι, λώρων ἐμιμοῦντο νεκρῶν ἰδιότητα (§2,5–7). Sie sind ἀνενέργητοι (§2,11).
Behandlung der Märtyrerheiligen
λουρόποδος
Leidensursache
Beschreibung des Leidens
(mir.) Überschrift
84 Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
Beschreibung des Leidens
Οὗτος πάνυ δεινῶς ἀσθενήσας τὴν ὅρασιν, καὶ μὴ τυχὼν ἰατροῦ δυναμένου τὸ πάθος ἰάσασθαι, πρὸς τελείαν ἐλαύνεται τύφλωσιν … μεμυκῶτα γὰρ ἔσχε τὰ ὄμματα, καὶ μηδαμῶς ἀνοιγόμενα· μηδὲ χωρίζειν ἀλλήλων δυνάμενος ὡς ἀπὸ κολλῆς τινος προσηλωμένα τὰ βλέφαρα (§2,1–2.4–6).
Ein Mönch leidet unter demselben Leiden. Auch ihm befehlen Kyros und Johannes, sich im Teich Siloah zu waschen: καὶ μετ᾿ ἐκείνην εὐθὺς τὴν ἀπόπλυσιν τὰς ὄψεις ἀποματτόμενος, σὺν ταῖς ῥανίσι τοῦ νάματος καὶ τῶν ὀφθαλμῶν τὴν ἀχλὺν ἀπεμάξατο (§7,5–7).
P. hat eine ὀμμάτων ἀσθένειαν, die die ärztliche Behandlung nur verschlimmert. P. erblindet: ἔσχε τὴν τύφλωσιν ἄμαχον δέσποιναν … ἣν τὸ λοιπὸν καταγωνίσασθαι καὶ λαβεῖν ἀπ᾿ αὐτῆς τὸν αἰχμάλωτον, πᾶσιν ἀνθρώποις ὑπῆρχεν ἀδύνατον (§2,5–8). P. gelangt zu den Märtyrern und trägt das von ihnen verordnete
(mir.) Überschrift
(46,1–4) Περὶ τριβούνου τοῦ τυφλοῦ
(46,4–8)
(47) Περὶ Πατρικίου ἐν τοῖς ὀφθαλμοῖς ἐσχήκοτος λευκώματα
→ Beschreibung des Leidens. Die Heiligen sorgen zudem für das für die Reise nötige Geld. Die Märtyrer erscheinen ihm im Traum: Er solle sich die Augen mit Labneion einreiben, einer Substanz, die im Wesentlichen aus ungelöschtem
→ Beschreibung des Leidens
Kyros und Johannes verordnen ihm im Traum, sich im Teich Siloah zu waschen.
nicht genannt
nicht genannt
Behandlung der Märtyrerheiligen
Leidensursache
nein
nein
nein
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
85
A. leidet an einer ausgesprochen schweren, bis dahin völlig unbekannten Krankheit (§1): Ἐβόα γὰρ μόνον ὁ ἄρρωστος τὰ σπλάγχνα δεινῶς κατατρώγεσθαι, καὶ ὥσπερ ὑπὸ σκωλήκων βιβρώσκεσθαι, ἢ ὑπ᾿ ἄλλων δεινῶν ἑρπετῶν ἀναλίσκεσθαι μήτε τὴν αἴτιαν εἰδώς, μήτε τὸ πάθος παντελῶς ἐπιστάμενος (§2,1–4). A. hat starke Schmerzen: ὀδυνωμένῳ καὶ κράζοντι, καὶ μηδὲ νυκτὸς μηδὲ τῆς μετὰ ταύτην ἡμέρας τὸ σύνολον λέγοντι (§4,4–6 u.ö.).
Anastou leidet ein ganz ähnliches Leiden, das sich von A.’ Leiden doch unterscheidet: Ἐκεῖνος μὲν οὖν τὰ ἔνδον ὑπενόει βιβρώσκεσθαι, αὕτη δὲ μολιβδίνου τινὸς βάρους ᾐσθάνετο … καὶ ὁ μὲν ἀφανῆ τὴν ῥῶσιν ἐδέξατο, ἡ δὲ φανερῶς τὸ τῶν
(48,7–9)
Heilmittel auf die Augen auf: ἀνοίξας δὲ πάλιν τὰ ὄμματα, μεμυκότα γὰρ ἔχων ταῦτα ἐκάθητο, ἀθρόον ἀνέβλεψεν, δακρύων δίκην καταγαγὼν τὰ λευκώματα (§4,4–6).
Beschreibung des Leidens
(48,1–6) Περὶ Ἀντωνίου τοῦ Θηβαίου τὰ σπλάγχνα πάσχοντος
(mir.) Überschrift
nein
nein
nicht beschrieben
Anastou weiß zunächst nicht, was das Leiden verursacht (§7): Es ist ein Stein, groß wie ein großes Ei (§9).
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
A. gesundet. Die Märtyrer erscheinen, reklamieren seine Genesung für sich und geben ihm weitere Anweisungen.
Kalk besteht und stark ätzend ist.
Behandlung der Märtyrerheiligen
unbekannt → Beschreibung des Leidens
Leidensursache
86 Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
τοῦ μὲν Πιαμὼθ πόδας καὶ χεῖρας συνδήσαντες, καὶ πᾶν αὐτοῦ τὸ σῶμα ταῖς τῆς παρέσεως ὀδύναις μαστίξαντες· Γεωργίου δέ, τοῦτον συγκαταβρώξαντος πονηροτάτῳ δαίμοντι τὴν εἰσβολὴν συγχωρήσαντες (§5,5–8). Die beiden begreifen schnell, weshalb sie leiden, bekennen sich schuldig und bitten um Vergebung. P. befreien die Märtyrer von τῆς νόσου τὴν βάσανον/τὴν μάστιγα/τῶν πληγῶν (§6). G. lassen sie weiter büßen (§7).
Τοῦτο δ᾿ ἦν αὐτοῦ τὸ ἀρρώστημα, τοῦ δεξιοῦ ποδὸς ἡ ἀσθένεια· τοῦτον γὰρ ἔσχεν ἡμίξηρον, ξύλου ξηροῦ μηδὲν διαφέροντα, ἀλλὰ πάσης ποδῶν ἐνεργείας χηρεύοντα, καὶ σῶμα τὸ λοιπὸν μηδὲν εὐεργετῆσαι δυνάμενον, ἀλλὰ καὶ βλάψαι τὰ μέγιστα (§3,6–9). Ἐνταῦθα δὲ οὐ μόνον ὁ ποῦς τῆς οἰκείας ἐστέρητο ἐνεργείας, ἀλλὰ καὶ ὅλον τὸ σῶμα συναλγεῖν αὐτῷ κατηνάγκαζε (§4,8f). Das Bein schmerzt, und
(50) Περὶ Νώννου τοῦ τὸν πόδα ἡμίξηρον ἔχοντος
ἀλγηδόνων κατήγαγεν αἴτιον (§8,4f.7f)
Beschreibung des Leidens
(49) Περὶ Πιαμὼθ καὶ Γεωργίου τῶν νοσφισαμένων τὰ τοῖς ἁγίοις καρποφορηθέντα
(mir.) Überschrift
nicht genannt
Die Märtyrer bestrafen P. und G.
Leidensursache
Die Märtyrer erscheinen ihm im Traum: Er solle sein Bein mit dem Öl und Wachs ihrer Leuchte einreiben.
→ Beschreibung des Leidens
Behandlung der Märtyrerheiligen
nein
nein
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
87
nicht genannt
unbekannt: πόθεν μὲν αὐτῷ τὸ πάθος γεγένητο, λέγειν οὐκ ἔχομεν (§1,2f)
Λοιμὸς ἦν, καὶ οἱ τότε νοσοῦντες πρὶν ἢ διαγνωσθῆναι τὴν νόσον ἀπέθνησκον. Ἐνόσησε καὶ Γεώργιος… (§10,6f)
πάρετος ἦν, καὶ τὰ τῆς παρέσεως ἔφερε σήμαντρα, οὐ μέλει ἑνὶ βαστάζων τὴν πάρεσιν, ἀλλ᾿ ὅλοις καὶ τῷ ταῦτα συνέχοντι σώματι (§1,3–5). Der als Arzt auftretene Kyros verordnet Z. ein Bad, das dieser auch nimmt: δύνοντι μὲν γὰρ ἡ νόσος αὐτῷ συνεθάπτετο, ἀνιόντι δὲ οὐδ᾿ ὅλως αὐτῷ συνανήρχετο (§3,12f).
Prokopios hatte ein πάθος δυσίατον, τὴν τῆς
(51,10–12)
(52) Περὶ Ζωσίμου τοῦ ἀρχιήτρου ἔχοντος πάρεσιν
(53) Περὶ τοῦ
nicht genannt
τῆς ὀρφανίας ἀκόλουθος ἡ τῶν ὀφθαλμῶν ἐγένετο στέρησις, ἐκ πάθους ἐπιχύσεως ῥεύσασα (§7,10f)
Leidensursache
G. tut, was ihm die Heiligen auftragen: ἅπαν μὲν εὐθὺς τῶν ὀφθαλμῶν τὸ ὑγρὸν κατεφέρετο· καθαραὶ δὲ κόραι καὶ διαυγεῖς, τῆς παχείας ἐκείνης ὕλης ἀπαλλαγεῖσαι διέμενον, καὶ φῶς ἀνεμποδίστως ἐδέχοντο, καὶ λοιπὸν ἐνήργουν, ἣν πρὸ τοῦ πάθους ἔσχον ἐνέργειαν (§8,8–11).
mit ihm der ganze Körper.
Beschreibung des Leidens
(51,1–9) Περὶ Γεωργίου τοῦ πρεσβυτέρου τοῦ παθόντος ἐπίχυσιν
(mir.) Überschrift
→ Beschreibung des Leidens
Die Märtyrer bitten Gott, G. zu verschonen. Er gewährt es.
Die Märtyrer verordnen G., bithynischen Käse mit Wachs zu vermischen und auf die Augen aufzutragen.
Behandlung der Märtyrerheiligen
nein
nein
nein
nein
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
88 Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
Beschreibung des Leidens
ῥινὸς ὑπερσάρκωσιν (§2,3). Während er sich deswegen bei den Märtyrern aufhält, badet sein Sklave Theodoros. Ein Hai beißt ihn, zieht ihn zum Meeresgrund und vergräbt ihn dort. Die Märtyrer retten Th. an Land: καὶ τὴν πνοὴν δὲ μετ᾿ οὐ πολὺ χαρισάμενοι, πρὸς αἴσθησιν ἦγον τοῦ τραύματος, ὅπερ ὁ κύων ἐνειργάσατο δήγματι· τῆς πτέρνης γὰρ τοῖς ὀδοῦσι δραξάμενος, καὶ ἐκ ταύτης ἕλκων τὸν ἄνθρωπον, ἅπαν αὐτοῦ τὸ πέλμα μέχρι δακτύλων ἐμέρισεν. Ὅπερ ὡς ἀπὸ δένδρου φύλλον κρεμάμενον καὶ τῇδε κἀκεῖσε φερόμενον… (§4,9–5,2).
I. fällt immer wieder in Ohnmacht. I.s Eltern führen dies zunächst auf einen Exzess melancholischer Säfte zurück: ἀπὸ πλήθους μελαγχολικῶν χυμῶν τὰς συνεχεῖς ἐπιληψίας ἐκείνας καὶ μακράς καρηβαρείας συμβαίνειν οἰόμενοι· ἐκατέρας γὰρ ὡς ἔγνωμεν ἔπασχεν, τὰς μὲν συνεχέστερον, τὰς δὲ ἐντονώτερον καὶ
(mir.) Überschrift
παιδὸς τοῦ Ἐλευθεροπολίτου
(54) Περὶ Ἰσιδώρου ἐπιληπτιῶντος
πονηρός τις δαίμων εἰσήλατο (§3,9)
ein Haibiss
Leidensursache
Die Märtyrer erscheinen I.s Mutter Julia im Traum: Sie solle I. mit Schweineschmalz einreiben. So behandeln sie zugleich Julias Seele, soll sie
→ Beschreibung des Leidens. Die Wunden behandeln sie mit Wachs.
Behandlung der Märtyrerheiligen
nein
nein
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
89
Die Märtyrer erscheinen Th. im Schlaf: Er solle eine Schweinelunge über glühenden Kohlen braten, sie mit Wein zermahlen und seine Beine damit einreiben. Zudem erklären sie, wo das κακούργημα zu finden sei, das, geborgen, seinen Erschaffer tötet. Die Märtyrer erscheinen dem auf der Toilette schlafenden
→ Beschreibung des Leidens
G. jagt einen Hasen, fängt ihn aber nicht: οὐ γὰρ ἦν λαγωὸς τὸ φαινόμενον, ἀλλὰ πνεῦμα πονηρὸν καὶ μισάνθρωπον (§1,10f). Τοῦ
(56) Περὶ Γεωργίου τοῦ Κυπρίου τοῦ τοὺς
sich doch wegen „Adonis’ Tod“ Schweinefleischs enthalten haben.
Behandlung der Märtyrerheiligen
ein unter Th.s Türschwelle vergrabenes κακούργημα (§3)
Leidensursache
ἀπὸ μαγείας ἀκίνητος γίγνεται (§1,6)
μακρότερον (§5,5–8). Die Ärzte halten dagegen: Von Menschen könne das Leiden nicht besiegt werden, da es von einem bösen Geist verursacht sei.
Beschreibung des Leidens
(55) Περὶ Θεοδώρου τοῦ Κυπρίου τοῦ ἀπὸ μαγείας γεγονότος λουρόποδος
(mir.) Überschrift
nein
nein
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
90 Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
K. solle Kalbfleisch über Kohlen braten, es mit Wein zermahlen und sich damit einreiben.
δαιμόνιον … ἀκάθαρτον καὶ τῶν πλειόνων πολύ χαλεπώτερον, ἄγριόν τε καὶ μισάνθρωπον (§1,5f)
χοιράδες (Krankheitsbild wird als bekannt vorausgesetzt, und ist es durch mir. 1 auch)
Οὔτε γὰρ ἠσυχάζειν καὶ πρὸς ὀλίγον εἴα τὸν ἄνθρωπον, οὔτε δεσμοῖς ὑποτάττεσθαι, οὔτε σιδηραῖς ὑποκύπτειν ἁλύσεσιν, οὔτε τοῖς ἄλλοις μηχανήμασιν φράττεσθαι, οἷς οἱ τοιοῦτοι πεφύκασι σωφρονίζεσθαι, ἀλλ᾿ ἦν ἀδεής τε καὶ ἄφοβος, λογισμῶν ἔρημος, καὶ πάσης διανοίας ὀρφανὸς καὶ ἀλλότριος (§2,1– 5).
Das Leiden lässt sich nur schwer behandeln: πάθος ἐστὶ δυσκατέργαστον, καὶ νόμοις ἰατρῶν οὐ πειθήνιον, καὶ ἄγχον ἀγρίως τοὺς πάσχοντας (§2,2–4), und verläuft tödlich: ἀποθανεῖν ἐκινδύνευε (τοιοῦτο γὰρ τῶν χοιράδων τὸ γέννημα) (§2,4f).
(57) Περὶ Κυριακοῦ τοῦ Ῥοδίου δαιμονιῶντος
(58) Περὶ Πέτρου τοῦ Ἀμμαδᾶ χοιράδας ἐσχηκότος περὶ τὸν τράχηλον
P. solle frisch gebackenes Brot zerschneiden, als Umschlag auf die χοιράδες legen und nach fünf Stunden im
G. dreimal im Traum und fordern ihn auf, in seinem Bett zu schlafen. Er steht auf, geht und ist geheilt.
δρόμου δὲ πάλιν παυσάμενος, τοὺς πόδας κινεῖν οὐκ ἠδύνατο, ἀλλ᾿ ἀκίνητος μετὰ δρόμον διέμενε, λαγωὸν μὲν οὐκ εἰληφώς, εἰληφὼς δὲ τῶν ποδῶν τὸν ἐπίδεσμον· τοιαῦτα γάρ ἐστιν ἐκείνου τοῦ λαγωοῦ τὰ χαρίσματα (§2,1–4)
Behandlung der Märtyrerheiligen
πόδας ἐξ ἐνεργείας δαίμονος ἀσθενήσαντος
Leidensursache
Beschreibung des Leidens
(mir.) Überschrift
nein
→ Beschreibung des Leidens
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
91
36
,
36
(
C)
S. wird vergiftet. Er erkrankt an ĮੂȝȠȡȡĮȖȓĮ: , , , (§3,4–7). S. isst rohen Lauch, wie es die Märtyrer angeordnet haben, und betet. Dabei öffnet sich sein Kopf und ein Tausendfüßler ( ) springt heraus. Sein Leiden hat ein Ende. Als S. die Austrittsstelle betastet, stellt er fest, dass sie leicht feucht und weich ist.
(§6,2f).
Mit Hilfe der Märtyrerheiligen gelingt es P., sich der zu entledigen: 67 seien es gewesen, erzähle man sich,
Beschreibung des Leidens
Cj. GASCOU (Sophrone, 196 Anm. 1174) ex L,
(59)
(mir.) Überschrift
,
Vergiftung, die nur durch Gottes Eingreifen nicht tödlich endet, und in Beziehung zu dem Tausendfüßler zu stehen scheint
Leidensursache
C, E, FM.
Die Märtyrerheiligen erscheinen S. im Schlaf: Er solle rohen Lauch essen.
Bad abwaschen.
Behandlung der Märtyrerheiligen
nein
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
.DSLWHO(QWVWHKXQJXQG,QV]HQLHUXQJYRQ.UDQNKHLWXQG/HLGHQ
37
,
37
…
… (b)
. (a)
(b)
,
,
C, E, FM.
… (a)
(§1,8–11). Hätten Kyros und Johannes nicht eingegriffen, hätte sich das Leiden weiter ausgebreitet.
,
Beschreibung des Leidens
Cj. GASCOU (Sophrone, 198 Anm. 1184),
ıȪȡȚȖȖĮ
(61)
ʌȪȡȦȝĮ
(60)
(mir.) Überschrift
nicht genannt
nicht genannt
Leidensursache
Der eine kümmert sich um die Leber: Er massiert Ph. und verordnet, grüne Oliven teils zu essen, teils zerrieben auf die Lebergegend zu streichen; der andere um
Die Heiligen lassen sich von dem aus mir. 11 bekannten Johannes empfehlen. Nach Th.s Anreise verordnen sie ihm im Traum, sich mit in Wasser gelöstem Ton einzureiben.
Behandlung der Märtyrerheiligen
nein
nein
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
.UDQNKHLWXQG/HLGHQLQGHQ:XQGHUQGHU+HLOLJHQ.\URVXQG-RKDQQHV
νόσον τὴν τελευταίαν ἐνόησεν, καθ᾿ ὅλου τοῦ σώματος ἄνθρακας ἐξανθήσασα. Ὡς δὲ μικρὸν τῶν νόσων ἐρράϊσεν, καὶ τῶν ἀνθράκων οὐ πολὺς ὁ θυμὸς ἐπεφαίνετο, ἐμβραδύνειν δὲ μόνον οὗτοι τῷ σώματι τοῖς ἰατροῖς ἐνομίζοντο… (§3,2–5) R. stirbt: δεινῶς ἐπιβρύσαντος τοῦ νοσήματος (§9,5)
Ἀεὶ γὰρ αὐτοῦ πᾶν ἐδονεῖτο τὸ πρόσωπον· καθ᾿ οὗ καὶ τὴν πληγὴν ὑπῆρξε δεξάμενος· ὅπερ ἀκουσίως καὶ βιαίως σειόμενον ἑαυτῷ, συνεσάλευε πᾶσαν ὁμοῦ τὴν κεφαλὴν καὶ τὸν τράχηλον (§2,1–3). E. erinnere an Kain, dessen
(63) Περὶ Ἐλπιδίου τοῦ ἐκ περιεργίας δονουμένου τὸ πρόσωπον
περίοδος, ἀλλ᾿ ἀεὶ τοὺς ἰχῶρας αὗται κατέφερον, καὶ ἀλήκτως ἠνίων τὸν ἄνθρωπον (§2,1–5.7–9).
Beschreibung des Leidens
(62) Περὶ Ῥοδόπης ἐσχηκυίας ἐκβράσματα
(mir.) Überschrift
Οὗτος ἐχθροὺς ἔχων … περιεργίᾳ πρὸς αὐτῶν ὑποβάλλεται, οὐ μαγγανείαν ὑποστὰς διὰ βρώσεως,
nicht genannt
Leidensursache
nein
nein Die Märtyrer heilen E. Sie erscheinen ihm dann im Traum: Um gänzlich gesund zu werden, solle er sich
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
R. träumt von den Heiligen. Sie teilen ihr mit, dass sie sterben werde.
die Fistel, die Ph. mit zermahlenen Zitronenblättern bestreichen soll. Wer von beiden Kyros und wer Johannes ist, schreibt Sophronios nicht.
Behandlung der Märtyrerheiligen
94 Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
nein
τύφλωσις: → Beschreibung des Leidens
δαιμόνιον: nicht genannt
Die Märtyrer erscheinen Th. im Traum: Wenn er Mönch werde, werde er geheilt. Th. willigt ein. Sie vertreiben den Dämon und heilen seine Blindheit mit
καὶ πάθεσι δύο δυσχερέσι κρατούμενος· (a) ὧν τὸ μὲν δαιμόνιον ἦν πονηρότατον, ἀγριώτερόν πως ἐπερχόμενον καὶ ῥῆσσον ἀεὶ πρὸς πᾶν εὑρισκόμενον· … κτείνειν ἀφειδῶς καὶ ἀπολλύειν βουλόμενον· (b) τὸ δὲ τῶν ὀμμάτων ὑπῆρχεν ἡ τύφλωσις, οὐκ ἀσθενείᾳ γενόμενη τῆς φύσεως, ἀλλ᾿ ἐνεργείᾳ σχεδιασθεῖσα τοῦ δαίμονος, οὐκ ἐκ νόσου σωματικῆς
(65) Περὶ Θεοδώρου τοῦ τυφλοῦ καὶ δαιμόνιον ἔχοντος
nein
Im Traum signalisieren ihm die Märtyrer mit Gesten, er solle Wasser trinken.
nicht genannt
Der namenlose Protagonist ist von Geburt an ἄλαλος (§3): τὴν γλῶτταν εἶχεν ἀκίνητον καὶ τοῖς λοιποῖς οὐ συντρέχουσαν μέλεσιν (§4,1f). Zudem ist er auch, wie erst in §5f deutlich wird, κωφός (§5f).
Wasser aus Adyta bringen lassen, es trinken sowie Gesicht und Kopf waschen.
ἢ δηλητήριον λαβὼν διὰ πόσεως, ἀλλὰ πληγεὶς ἀφειδῶς διὰ δαίμονος, καὶ μυσαροῦ καὶ μέγιστα βλάπτοντος πνεύματος (§1,3.5–7)
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
Gesicht fortwährend gezuckt habe. Doch sei sein Leiden gravierender: καὶ τοῖς τρόμοις ὑπερβαλλόντως ἐτρύχετο (§2,8). Die ihn betrachten, bedauern ihn. Ärzte können ihn nicht heilen, wagen es nicht einmal, ihn anzusehen (§3).
Behandlung der Märtyrerheiligen
Leidensursache
Beschreibung des Leidens
(64) Περὶ τοῦ μογιλάλου
(mir.) Überschrift
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
95
nein Die Märtyrerheiligen tragen dem Verwalter im Traum auf, er solle G.s Wunden (wie die des unter die Räuber Gefallenen in Lk 10,25–37) mit Öl und Wein behandeln.
Ein überaus übler Dämon bedrängt G. (§2). G. flüchtet zu Kyros und Johannes. Doch bedrängt der Dämon ihn auch dort. ἐκ διαβολικοῦ δηλονότι συντάγματος findet G. ein Messer und verletzt sich schwer. πεσὼν εἰς γῆν ἐκυλίετο, καὶ ἔσκαιρεν ὡς οἱ σφαττόμενοι σκάιρουσιν, τὴν ψυχὴν ἀπολλύειν οἰόμενος, καὶ τοῖς παροῦσιν θνήσκειν εὐθὺς νομιζόμενος (§6,7–9). Sophronios beschreibt die durchge-
(67) Περὶ Γεωργίου τοῦ πνευματιῶντος καὶ ἑαυτὸν σφάξαντος
Warum der Dämon G. bedrängt, bleibt unklar. Jedoch treibt er G. dazu, einen Suizidversuch zu unternehmen.
nein
Die Märtyrer erscheinen M. im Traum: Er solle sich außerhalb des Heiligtums im Sand vergraben. Er „begräbt“ sich mit der Krankheit, „steht“ aber ohne sie wieder „auf“.
nicht genannt
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
πάθος δὲ εἶχεν … μέγιστον, καὶ … δυσχερὲς καὶ δυσίατον … Εἰς ὕδερον γὰρ πεσὼν ἀνιάτρευτον, καὶ χρονίσας ἐν αὐτῷ τῷ νοσήματι, δεινῶς ἐκινδύνευε ταῖς ἀλγηδόσι τῶν σπλάγχνων ὀδυνώμενος, καὶ ταῖς τοῦ παντὸς σώματος ὀγκώσεσι συμπνιγόμενος (§2,2–3.5– 7). M. möchte sterben: εἰδὼς τὸ τοῦ πάθους ἀνίατον, θανάτου τυγχάνειν ἐγλίχετο, ἵνα καὶ οὕτως ἐκφύγῃ τὸ νόσημα (§3,5f)
Behandlung der Märtyrerheiligen
(66) Περὶ Μηνᾶ τοῦ Λυκίου εἰς νόσον ὕδερον περιελθόντος
Leidensursache
einem Wachspflaster.
Beschreibung des Leidens
ἐπεισφρήσασα, ἀλλ᾿ ἐξ ἀγριότητος πνεύματος ἐνδημήσασα (§2,2–3.5–9)
(mir.) Überschrift
96 Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
38
Cj. DUFFY (Observations, 89) ex L et potus, om. C, E, FM.
Das J. verabreichte Gift tötet sie nicht, weil es Gottes Willen entgegensteht. , , . , … , , ,
(§8,5–
(68)
38
Einer der Diener leidet an der Lunge und droht, zu sterben. Die Ärzte können ihm nicht helfen, die Märtyrer aber heilen ihn.
7)
schnittene Kehle: ,
Beschreibung des Leidens
(67,11)
(mir.) Überschrift
nein
Die Märtyrer erscheinen J. im Traum: Sie solle gekochte Linsen essen und auch auf ihren Bauch auftragen. J. geht es daraufhin besser. Sie erscheinen ihr ein weiteres Mal
. Ihre Schwägerinnen, die ihr ihre Schönheit neiden, vergiften sie:
,
nein
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
Er solle Aloe trinken.
Behandlung der Märtyrerheiligen
nicht genannt
Leidensursache
.UDQNKHLWXQG/HLGHQLQGHQ:XQGHUQGHU+HLOLJHQ.\URVXQG-RKDQQHV
→ Beschreibung des Leidens
Während Sophronios in Alexandrien weilte, τοὺς ὀφθαλμοὺς ἀμφοτέρους ἠσθένησεν· οὐκ ἐπ᾿ ὀλίγας δὲ μόνας ἡμέρας ἔσχε τὸ νόσημα, ἀλλ᾿ ἐπὶ μῆνας οὐκ ὀλίγους ἐτρύχετο· καὶ μὴ
(70) Περὶ Σωφρονίου μοναχοῦ τοῦ γράψαντος,
Kyros und Johannes erscheinen S. im Traum: Er solle das in Öl gelöste Wachs
Die Heiligen erscheinen I. nach acht Jahren im Traum. Sie heilen ihn mit Worten und, indem sie seine Augen berühren. Ein gesondertes Heilmittel verordnen sie nicht.
nicht genannt
Οὗτος ὀφθαλμῶν ἀσθενείᾳ τὸ πρῶτον κατέχεται, δι᾿ ἣν ἰατροῖς ὄχλος ἐγίνετο (§3,1f). Mit jedem Arztbesuch verschlimmert sich sein Leiden. Schließlich erblindet er. Als er kein Geld mehr hat, erklären ihm die Ärzte, sein Leiden sei unheilbar: αἱ κόραι γάρ σου διέρρευσαν, καὶ ἀλλήλοις ἐπάγη τὰ βλέφαρα. (§4,7f). Die Leukome legen sich wie ein Film über die Augen (vgl. mir. 2): Πῶς δὲ ἢ ποίῳ τρόπῳ τοὺς ὀφθαλμοὺς ἀνοίξαντες ἐκκαθαίρουσιν, οὐκ ἐμάθομεν (§7,8f)
und geben ihr eine Art Kuchen zu essen sowie einen Lobgesang, den sie ununterbrochen singen solle.
προσενεγκάμεναι (§3,9–11)
ὀρθίως ἢ καθέζεσθαι συνήθως ἠδύνατο, ἀλλὰ κάτω νεύουσα, καὶ τὴν ἑαυτῆς κοιλίαν ταῖς ἀγκάλαις κατέχουσα, καὶ ταῖς ἀλγηδόσιν οἰμώζουσα πάσας τὰς ὥρας διήνυεν (§4,2–9).
Behandlung der Märtyrerheiligen
Leidensursache
Beschreibung des Leidens
(69) Περὶ Ἰωάννου τοῦ τυφλοῦ
(mir.) Überschrift
nein
nein
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
98 Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
Leidensursache
ihrer Leuchte auf die Augen auftragen. Hierauf sieht er wieder etwas. Die vollständige Genesung erlangt er durch einen weiteren Traum: Kyros bekreuzigt sein linkes Auge dreimal. Sein rechtes sei nicht krank.
Behandlung der Märtyrerheiligen
Weist das Leiden über den Körper hinaus?
Cj. GASCOU (Sophrone, 220 Anm. 1308) ex L infirmitas ad exsiccitatem oculorum, xerophthalmia, πρὸς ξηροφθαλμίαν C, E, FM.
φέρων τῶν ἀλγηδόνων τὸ πέλαγος (ἄτακτον γὰρ τὸ πάθος ὑπέμενεν) (§4,8–10) Die von Sophronios aufgesuchten Ärzte τὰ μὲν πρῶτα ἀλλαγὴν ἀέρος τὸ τοῦ πάθους ἔλεγον αἴτιον· εὐθὺς γὰρ μετὰ τὴν ἄφιξιν ὑπέστη τοῦτο Σωφρόνιος. Ὡς δὲ διέτεινε τὸ ἀρρώστημα πρὸς ὀμμάτων ξηρότητα, εἰς39 ξηροφθαλμίαν αὐτοῖς μετεπλάττετο, οὐ ξένους ἀέρας αἰτίαν, ἀλλὰ δυσκρασίαν ἔχων τοῦ σώματος· ὅθεν καὶ τὰ σμικρύνοντα τὸ σῶμα προσέταττον, ὡς διὰ τούτων ἰώμενοι τοὺς τοιῷδε νοσήματι περιπίπτοντας (§5,2–7). Schließlich vermuten sie, es handele sich um ἐπίχυσις oder πλατυκορία. Einig sind sich die Ärzte allein darin, dass die Krankheit unheilbar ist (§6).
παθόντος τοὺς ὀφθαλμοὺς ἐπιχύσεως
39
Beschreibung des Leidens
(mir.) Überschrift
3.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
99
100
Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
3.3 Inszenierungen von Krankheit und Leiden 3.3.1 Häufigkeit und Verteilung von Krankheiten und Leiden Die Heiligen Kyros und Johannes behandeln grundsätzlich alle körperlichen Krankheiten. Sie spezialisieren sich nicht auf bestimmte Leiden wie etwa der Heilige Artemios, der vor allem dann angerufen wird, wenn die Geschlechtsteile betroffen sind oder ein Eingeweidebruch vorliegt.40 In den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes begegnen Leiden, die einzelne Organe wie die Lunge oder aber die Eingeweide insgesamt betreffen, Knochenbrüche, Fleischwunden, Fisteln und andere Körperöffnungen, aus denen Flüssigkeit austritt, Augenerkrankungen sowie Leiden, die in einem Zusammenhang mit Tieren oder Dämonen zu sehen sind. Bemerkenswert ist dabei dreierlei: zum einen, wie häufig Augenerkrankungen beschrieben werden. Dies dürfte allerdings nicht nur den Tatsachen geschuldet sein, dass sich ihre Symbolik besonders gut erschließt41 und eine Erblindung eine besonders schwere Beeinträchtigung darstellt.42 Es darf auch als ein weiterer Hinweis darauf verstanden werden, dass Augenerkrankungen in der Tat weit verbreitet waren.43 Zum zweiten fällt auf, dass Sophronios seelische Leiden nie unabhängig von einem körperlichen Leiden oder dämonischer Aktivität thematisiert.44 Zum dritten unterscheidet Sophronios auch nicht grundsätzlich zwischen Leiden, die wir heute als Behinderung ansehen würden,45 und chronischen oder akuten Krankheiten.
40
PRATSCH, Inkubationsdarstellungen, 73f. In den mir. 28, 31, 37 und 38 parallelisiert Sophronios die Augenerkrankung mit einem seelischen Defekt. Außerdem berichten die mir. 2, 9, 24, 46, 47, 65, 69 und 70 von Erkrankungen der Augen. 42 JACKSON, Eye Medicine, 2229. 43 JACKSON, Eye Medicine, 2228. 44 Auf zwei scheinbare Ausnahmen von dieser Regel sei bereits an dieser Stelle hingewiesen: In mir. 16 unterscheidet Sophronios zwischen „willentlich“ und „ungewollt“ entstandenen Krankheiten: Τὰ μὲν γάρ ἐστιν τῶν νοσημάτων ἀκουσία … τὰ δὲ ἑκούσια (16,2,1f [275 FM]). Bei diesen willentlich hervorgerufenen seelischen Leiden handelt es sich, wie sich im weiteren Verlauf zeigen wird, um eine Folge schlechter Taten. Obwohl dies möglich wäre, thematisiert Sophronios solche Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes nicht unabhängig von einem körperlichen Leiden. Vgl. hierzu ausführlich Kap. 3.4.1.1, S. 107–109. In mir. 13 „verzagt“ (ἠθύμησεν, 13,3,2 [270 FM]) Elias, nachdem ihn die Märtyrerheiligen nicht besuchen, ἐκ διαβολικοῦ δηλονότι φρονήματος (13,3,3 [270 FM]). Sophronios bezeichnet sein Leiden als τῆς ἀκηδίας τὸ πάθος (13,3,5f [270 FM]). Auf mir. 13 kommt Kap. 5.4 zurück. Vgl. zum Ganzen auch den Exkurs „Krankheit der Seele“, Kap. 3.4.2. 45 Vgl. SAMAMA, Greek Vocabulary, 121–138. 41
3.3. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
101
3.3.2 Leiden beschreiben I: Namen Obwohl sich die einzelnen Berichte in ihrem Aufbau durchaus ähneln, handelt es sich doch um Schilderungen von Einzelfällen: Jeder Bericht erzählt die individuelle Leidensgeschichte seiner Patientin, seines Patienten. Je länger der einzelne Bericht ist, desto deutlicher macht sich dies bemerkbar. Diesen Beschreibungen kommen insofern eine besondere Bedeutung zu, als sie dem Publikum häufig überhaupt erst erschließen, woran der jeweilige Protagonist, die jeweilige Protagonistin leidet, denn nur in etwa der Hälfte der beschriebenen Fälle benennt Sophronios das jeweilige Leiden auch. Die von ihm angeführten Namen, die im diesen Kapitel vorangestellten Inventar fett hervorgehoben sind, sind zudem unterschiedlich aussagekräftig: So genügt es Sophronios in den mir. 2, 37 und 38, darauf hinzuweisen, dass die jeweiligen Protagonisten unter Leukomen (λευκώματα) leiden. Eine ausführlichere Beschreibung dieser Krankheit gibt er nicht. Er scheint vielmehr davon auszugehen, dass deren Leiden dem Publikum auch unter diesem Namen bekannt ist. Gleichwohl verweist der Name nicht immer auf ein klar umrissenes Krankheitsbild: So erfahren wir in mir. 9,1–6 zwar, dass Theodora unter einer ὀφθαλμία leidet, doch gebraucht Sophronios den Begriff hier offenkundig in einem allgemeinen Sinn, schließlich ist nicht jedes Augenleiden – wie das der Theodora – schmerzhaft. Es lässt sich nicht einmal immer mit Sicherheit entscheiden, ob es sich bei einem solchen Begriff noch um einen Namen oder schon um eine Beschreibung handelt: So entschließen sich die Ärzte beispielsweise in mir. 1,10–14 dazu, Ammonios’ Leiden aufgrund seiner Schmerzen als κολικευμός zu behandeln. Doch ist dieser Begriff – anders als das verwandte Adjektiv κολικός – so nur an dieser Stelle belegt.46 Doch selbst wenn der jeweilige Name in beiden Fällen nur bedingt geeignet ist, ein bestimmtes Leiden zu identifizieren, trägt er doch dazu bei, die jeweilige Leidensgeschichte zu erzählen. Die angeführten Namen helfen Sophronios vor allem dabei, bei seinem Publikum eine bestimme Vorstellung hervorzurufen, wie die von ihm beschriebene Krankheit ist.47 3.3.3 Leiden beschreiben II: Wiederkehrende Motive So individuell die Beschreibung der jeweiligen Leiden auch ist, es lassen sich auch einige wiederkehrende Motive festhalten: So betont Sophronios immer wieder, dass es sich bei dieser oder jener Krankheit um eine besonders
46
Vgl. Kap. 2.4 (zu §11), 45f. Besonders eindrucksvoll ist dies im Fall der in mir. 1 beschriebenen χοιράδες, vgl. Kap. 2.4 (zu §3), 28–33, oder der ποδάγρα, unter der Theodoros leidet, vgl. S. 164. 47
102
Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
schwere Krankheit handelt.48 Die Krankheit kann ungewöhnlich sein49 oder eben unheilbar.50 Sophronios gebraucht zudem immer wieder das Bild des (Wett-)Kampfes, um das Ringen der Ärzte und/oder des jeweils Betroffenen gegen die Krankheit zu illustrieren.51 Schließlich ist Sophronios in einigen Berichten offenkundig bemüht, möglichst detailliert zu schildern, wie sich das jeweilige Leiden äußert. Hierbei handelt es sich um die von ihm mit Abstand am häufigsten gewählte Strategie, die Leiden seiner Protagonisten zu inszenieren.52 So beschreibt er beispielsweise in mir. 41 Menas’ Zunge, die ein Dämon eines Nachts verunstaltet hatte: Μηνᾶς οὖν τὸ μειράκιον τὴν γλῶτταν εἶχεν ἔξω κρεμαμένην τοῦ στόματος, εἴδει καὶ μεγέθει τῶν ἀνθρωπίνων γλωττῶν πολὺ διαφέρουσαν· ἐπὶ σπιθαμὴν γὰρ μίαν ἔξω τῶν χειλέων αἰώρητο, καὶ πάντα τὸν πώγωνα καὶ τὸν γάργαρον ἔσκεπε, ὑπήνης δίκην βαθείας ὑπάρχουσα· τὸ δὲ χρῶμα τὸ ἐρυθρὸν μεταλλάξασα, μετὰ μελάνσεώς τινος 48
Die Zunge des jungen Menas hing aus seinem Mund heraus. In Form und Größe unterschied sie sich sehr von den menschlichen Zungen. Sie ragte nämlich eine Handbreit aus den Lippen heraus und verdeckte Kinn und Kehle wie ein dichter Bart. Die rote Farbe ging ins Schwarze über; die Zunge wirkte purpurn und bot einen ungewöhnlichen und ausge-
Νόσῳ δὲ προσομιλήσας μακρᾷ (7,2,1 [252 FM]); εἰς ἀρρωστίαν ἐνέπεσεν ἄστεκτον (8,6,5f); Δεινὸν ἦν αὐτῆς τὸ ἀρρώστημα, καὶ λόγου καὶ γλώττης ἐπέκεινα (21,1,3 [282 FM]) u.a.m. 49 Γενναδίου τὸ πάθος τίς οὐ θαυμάσειεν, καὶ τὴν τοῦ πάθους παράδοξον ἴασιν; ξένα γὰρ ὄντως ἀμφότερα, καὶ παθῶν ἀνθρωπίνων ἀλλότρια, καὶ γαληνίων φαρμάκων ἀνόμοια (23,1,1–3 [285 FM]). μηκέτι δρᾶσαι γιγνώσκοντες (sc. παῖδες … τῶν ἰατρῶν), μήτε πυθέσθαι τι τοιοῦτό ποτε διομνύμενοι μηδὲ μὴν εὑρεῖν ἐν τοῖς τῶν ἀρχαίων Ἀσκληπιάδων συγγράμμασι (41,5,3–5 [342 FM]). Vgl. auch den in der vorangehenden Fußnote angeführten Beleg aus mir. 21. 50 τὸ ἀνίατον (2,2,1 [247 FM]); νόσῳ δεινῇ περιπέπτωκεν, οὔτε λόγῳ φατῇ, οὔτε παισὶν ἰατρῶν εὐχερεῖ πρὸς τὴν ἴασιν (17,2,6f [276 FM]); πάθος δὲ καὶ νόσον ἔχων ἀνίατον (18,2,3 [277 FM]); πάθος ἔσχε δεινὸν καὶ ἀνίατον (19,1,5f [279 FM]) u.ö. 51 καὶ τοῦ πάθους ἡττᾶσθαι πάντες ὑφ’ ἓν ἐκινδύνευον· οὕτω δεινὸν ἦν τὸ ἀρρώστημα, καὶ πάντων Ἀσκληπιάδων πολέμιον· ἀλλὰ ταύτην αὐτῶν τὴν μάχην διέλυσαν προφανέντες οἱ ἅγιοι, καὶ τὴν νίκην, ποιητικῶς εἰπεῖν, ἑτεραλκέα ποιήσαντες· μᾶλλον δὲ τὸ δίκαιον ἑκατέροις βραβεύσαντες, τῇ αὐτῶν ἀρωγῇ τὸ πάθος ἀκέσαντο, καὶ μήτε τὴν νόσον, μήτε τοὺς αὐτὴν θεραπεύειν ἐθέλοντας, ὡς ὑπ᾿ ἀλλήλων ἡττωμένους λυπήσαντες (9,2,3–9 [257 FM]). Vgl. auch mir. 9,2; 36,4; 47,2; 58,2. 52 Detailliert beschreibt Sophronios beispielsweise einen Splitterbruch (mir. 3), wie Isidoros seine sich auflösende Lunge Stück für Stück hervorwürgt (mir. 4), eine Verstopfung (mir. 5), die Fistel des Geddaios, die sich wie eine Quelle ergießt (mir. 6) oder, wie Christodoros’ Säfte auf hoher See aus dem Gleichgewicht geraten und welche Folgen dies hat (mir. 8).
3.3. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
ἐπορφύριζε, ξένον προκειμένη καὶ δυσειδέστατον θέαμα, καὶ πάντας κινοῦσα τοὺς βλέποντας πρὸς ναυτίαν ὁμοῦ καὶ συμπάθειαν καὶ πρὸς ἀφόρητον ἔμετον. Ἀεὶ γὰρ λιβάδος δίκην τοῖς σιάλοις καταστάζουσα, καὶ τὸν πτυελὸν ἀεννάως προχέουσα τὸ ἱμάτιον ἔβρεχε καὶ τὸν θώρακα, καὶ τούτῳ τῆς οἰκείας μετεδίδου μελάνσεως, κοινωνὸν αὐτὸ ποιουμένη τοῦ χρώματος· ὡς πολλοὺς μὲν ἐντεῦθεν μηδὲ ὁρᾶν τὸ παιδάριον53 δύνασθαι· ἀλλ᾿ εἰ καὶ συνέβη γενέσθαι συνάντησιν, σκέπειν αὐτοὺς τὰ τοῦ σώματος ὄμματα, καὶ στρέφειν αὐτῶν εἰς τοὐπίσω τὰ πρόσωπα, ἵνα μὴ παρὰ γνώμην αὐτὸ θεασάμενοι καὶ παρὰ γνώμην τὸν στόμαχον διαστραφέντες ἐμέσωσιν 54
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sprochen hässlichen Anblick dar und rief in allen, die sie sahen, Übelkeit hervor, zugleich Mitleid und unerträgliches Erbrechen. Denn wie eine Quelle triefte der Speichel immerzu und die Spucke, die sie unablässig hervorbrachte, überströmte sein Gewand und seinen Brustkorb. Auf diese Weise verteilte sie ihre eigene Schwärze und machte sich das Gewand farblich passend. Viele konnten das Kind deshalb nicht einmal anschauen. Stattdessen hielten sie sich, wenn es einmal zur Begegnung kam, die Augen ihres Körpers zu und wendeten ihre Gesichter ab, dass sie nicht, wenn sie ihn ungewollt angesehen hatten, auch ungewollt den Magen umwenden und erbrechen müssen.
Unabhängig davon, ob Sophronios ein reales Geschehen beschreibt, ausschmückt oder erdenkt, ist es doch bemerkenswert, wie detailliert er Menas’ Zunge und die Reaktion derer schildert, deren Blick auf Menas fällt. Die Schilderungen sind ineinander verschränkt: Sophronios beschreibt die Form, Größe, Lage und Farbe der Zunge, dann die Reaktion, die sie auslösen. Daraufhin lenkt er die Aufmerksamkeit wieder auf die Zunge zurück. Er beschreibt, wie sie den Oberkörper mit Speichel „überströmt“ und dieser auf das Gewand abfärbt. Schließlich schildert er, wie die Umstehenden auf diesen Anblick reagieren: Sie versuchen, das Kind nicht anzuschauen, um nicht erbrechen zu müssen. Mit diesem Hinweis betont Sophronios den Ekel, den dieses Leiden hergerufen hat und so, wie er es beschreibt, auch bei seinem Publikum hervorrufen soll. Dass dem Ekligen auch eine Anziehungskraft innewohnt, sei an dieser Stelle nur notiert.55 Bemerkenswert ist die in §5 geschilderte Reaktion der Ärzte: Auch sie wenden sich entsetzt von dem Kranken ab, schlagen sich sogar ins Gesicht.
53 54 55
F, παίδιον C, E, FM (DUFFY, Observations, 87). Mir. 41,2,1–3,8 (341 FM). Vgl. MILLER, Anatomy, x.109–142.
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Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
Dabei kann Kazantzidis56 zeigen, dass zumindest das Corpus Hippocraticum durchaus bestrebt ist, dass Ärzte den Ekel überwinden, den Krankheiten hervorrufen, und durch Mitgefühl zu ersetzen lernen. Doch lassen sich allein die Heiligen Kyros und Johannes nicht davon abhalten, Menas zu helfen und erweisen sich damit wieder einmal als die besseren Ärzte.
3.4 Wie entstehen Krankheiten und Leiden? Sophronios interessiert sich in besonderer Weise dafür, welche Ursachen die von ihm beschriebenen Leiden haben. Die Kenntnis der Leidensursache ist nämlich für den Behandlungserfolg entscheidend.57 Gerade wenn sie in irgendeiner Weise ungewöhnlich, und das heißt: nicht natürlich ist, nennt er sie auch. Sophronios zufolge haben jedoch die meisten Leiden natürliche Ursachen.58 Doch bleibt letztlich unklar, was Sophronios hierunter genau versteht. Neben den wenigen positiven Bestimmungen, mit denen er in den mir. 14, 16 und 21 aufwartet, erweisen sich insbesondere die negativen Bestimmungen als weiterführend, also die Abgrenzungen, die er an diesen Stellen vornimmt. In mir. 14,2 erläutert Sophronios, warum beim Anblick des besessenen Theopompos jedermann in Tränen ausbricht: Menschen sind bei denen, die von einer solchen Krankheit (sc. der Besessenheit) ergriffen sind, in aller Regel niedergeschlagener, vielleicht weil es sich um kein körperliches Leiden handelt. Denn der Körper wurde von Anfang an, als er im Paradies vom Baum des Ungehorsams aß, den Naturgesetzen entsprechend den Leiden unterworfen. Er fügt sich dem Vergehen, den Fehltritten und, noch nicht gestorben, den Eigenschaften des Vergehens – bis zur gemeinsamen Auferstehung aller, in der das Vergehen und, was Vergehen mit dem Tod mit sich bringt, vernichtet wird. Die Krankheit der unsterblichen Seele hingegen ist wider die Natur, eine Veränderung ihrer unvergänglichen Natur, die Gott aus Gnade geschaffen hat, und ein dem Vergehen nahes Leiden, das aus der Missetat von Dämonen erwächst.59
56
KAZANTZIDIS, Empathy, 45–68. Vgl. Kap. 4.2.2, S. 158f. 58 οὐ γὰρ φυσικὸν ἦν, ὡς τὰ πολλὰ πάθη συμβαίνουσιν ἐκ χυμῶν πλειόνων γινόμενα, ἢ συμπτωμάτων ἀπ᾿ ἄλλων τικτόμενα (21,1,4–6 [282 FM]). Vgl. hierzu, Kap. 3.4.1. 59 Φιλοῦσι γὰρ ὡς ἐπίπαν οἱ ἄνθρωποι πρὸς τοὺς τοιούτῳ μᾶλλον κατεχομένους νοσήματι κατακάμπτεσθαι, ὅτι τάχα μὴ πάθος καθέστηκεν σώματος. Τοῦτο γὰρ ἐξ ἀρχῆς τοῦ ξύλου τῆς παρακοῆς εἴσω παραδείσου γευσάμενον (cj. DUFFY [Observations, 81]; γευσάμενος C, E, FM) φυσικῶς ὑπηνέχθη τοῖς πάθεσιν, καὶ δουλεύει φθορᾷ καὶ τοῖς τῆς φθορᾶς ὀλισθήμασιν καὶ μήπω θανόν (cj. DUFFY [Observations, 81]; θανών C, E, FM) ἰδιώμασιν μέχρι τῆς πάντων κοινῆς ἀναστάσεως, ἔνθα φθορά τε καὶ τὰ τὴν φθορὰν συνεισάγοντα θανάτῳ, παντελῶς καταλύεται. Ἀλλὰ ψυχῆς ἀθανάτου παρὰ φύσιν τὸ 57
3.4. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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Sophronios vermutet, Menschen seien angesichts einer solchen Krankheit (νόσημα), wie sie Theopompos erleidet, niedergeschlagener, eben weil es sich um kein körperliches Leiden (πάθος … σώματος) handele. Diesen Gedanken führt er nun aus, indem er körperliche Leiden und Krankheiten der Seele (ψυχῆς … τὸ νόσημα)60 einander gegenüberstellt. Vergleichspunkt zwischen beiden Formen von Leiden ist die φθορά, der der Körper seit dem Sündenfall und bis zur allgemeinen Auferstehung unterworfen ist. Die Seele hingegen ist der φθορά nicht unterworfen: Sie sei nicht nur unsterblich (ἀθάνατος), sondern eben auch unvergänglich (ἄφθαρτος). Nun haben Dämonen aber offenbar die Fähigkeit, auf Seelen einzuwirken und sie gegen ihre Natur (παρὰ φύσιν) zur Veränderung zu zwingen.61 Nun ließe sich daraus schließen, dass Sophronios die Leiden des Körpers umgekehrt als seiner Natur entsprechend, eben als κατὰ φύσιν, ansieht:62 Sophronios stimmt zwar mit der Tradition darin überein, dass der Körper seit dem Sündenfall der Vergänglichkeit und damit auch Leiden unterworfen ist.63 Nur erklärt er weder, was er damit und mit φυσικῶς ὑπηνέχθη τοῖς πάθεσιν genau meint,64 noch erläutert er, in welchem Verhältnis diese beiden Aussagen zueinander stehen. Doch vertieft er just diesen Aspekt an anderer Stelle. Auch dort führt er aus, weshalb ein Leiden gemeinhin für besonders grausam gehalten wird: Fürchterlich war ihr (sc. Martyrias) Leiden, jenseits von Worten und Sprache. Es war nämlich kein natürliches, wie die meisten Leiden, die aus einem Überfluss von Körpersäften entstehen oder aus anderen Zuständen erwachsen, denen nach der Übertretung im Paradies unterworfen zu sein zwangsläufig Schicksal des Körpers ist.65
Natürliche Leiden sind also solche Leiden, die ihre Ursache in einem Überfluss von Körpersäften haben oder andere Zu- oder Umstände (σύμπτωμα) νόσημα, καὶ φύσεως ἀφθάρτου χάριτι Θεοῦ τοῦ ποιήσαντος ἀλλοίωσίς τις καὶ πάθος φθορᾶς παραπλήσιον δαιμόνων ἐπηρείᾳ τικτόμενον (14,2,1–3,3 [271f FM]). 60 Auf Krankheiten und Leiden der Seele geht Kap. 3.4.2 ein. 61 Auf die von Dämonen verursachten Leiden kommt Kap. 3.4.4.3 zurück. 62 Inwiefern Alter, Krankheit und Tod als natürlich, also als κατὰ φύσιν oder παρὰ φύσιν anzusehen sind, wird in der antik-spätantiken medizinisch-philosophischen Literatur ebenfalls diskutiert. Vgl. hierzu KOVAČIĆ, Begriff der Physis, 136–143. 63 AMUNDSEN/FERNGREN, Perception, 2945; DÖRNEMANN, Krankheit, 299–307. 64 Die übrigen Belege von φυσικῶς in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes erhellen diese Phrase nicht: στερούμενον ἔρημον χηρεῦόν τε φυσικῶς τῆς καλοῦ καὶ κακοῦ διακρίσεως (11,3,1f [262 FM]), Ὥσπερ γὰρ τῶν θηρῶν ἀγριώτερα φυσικῶς τὸ ἀνήμερον ἔχοντα (36,4,3f [323 FM]). 65 Δεινὸν ἦν αὐτῆς τὸ ἀρρώστημα, καὶ λόγου καὶ γλώττης ἐπέκεινα· οὐ γὰρ φυσικὸν ἦν, ὡς τὰ πολλὰ πάθη συμβαίνουσιν ἐκ χυμῶν πλειόνων γινόμενα, ἢ συμπτωμάτων ἀπ᾿ ἄλλων τικτόμενα, οἷς μετὰ τὴν ἐν παραδείσῳ παράβασιν δουλεύειν ἀνάγκῃ τὸ σῶμα κεκλήρωται· (21,1,3–7 FM).
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zur Ursache haben, denen der Körper seit dem Sündenfall unterworfen ist. Diese Definition wirkt zunächst reichlich weit. Doch helfen auch hier die negativen Bestimmungen, sie genauer zu fassen. Die nun folgende Passage schließt direkt an die eben wiedergegebene an: …, sondern aus Zauberei, Bosheit einiger Menschen, Menschen mit gottlosem Vorhaben und dem Ehrgeiz, den Ihren ohne Ende zu schaden. Ob sie das Fräulein nun durch den Gebrauch von Giften oder mit schädlichen Dämonenangriffen und Geißeln, wissen wir als Menschen nicht.66
Sophronios hält also neben der Besessenheit auch solche Leiden nicht für natürlich verursacht, die mutwillig von Dritten herbeigeführt werden. Damit lassen sich – das tabellarische Inventar im Hinterkopf – die folgenden Gruppen von Leiden abgrenzen: natürlich verursachte Leiden (Kap. 3.4.1), als Grenzfall Leiden, die von eindringenden Tieren verursacht werden (Kap. 3.4.2), sowie Leiden, die keine natürliche Ursache haben, die von den Märtyrern, durch Magie und/oder Dämonen hervorgerufen werden (Kap. 3.4.4). 3.4.1 Der Regelfall: Natürliche Ursachen 3.4.1.1 Welche Leiden sind natürlich verursacht? Sophronios geht davon aus, dass die meisten Leiden natürliche Ursachen haben. Welche Leiden dies im Einzelnen sind, kann jedoch nur indirekt erschlossen werden. Sophronios kennzeichnet nämlich nur ein einziges als natürlich verursacht: das Hodenleiden von Zacharias (mir. 16). In diesem Bericht greift Sophronios die Unterscheidung zwischen körperlichen und seelischen Leiden aus mir. 14 noch einmal auf: Zacharias schämt sich seines Leidens. Sophronios hält dies jedoch für unangebracht, „zumal uns vorgeschrieben ist, sich ob seelischer, nicht aber ob körperlicher Leiden zu schämen.“67 Schließlich habe der Herr gesagt, dass die in ewige Schande Geschickten nicht die mit körperlichen Leiden Beladenen sein werden – denn er selbst trug unsere Schwächen und auch Krankheiten –, sondern die seelisch Schwachen und die, die üble Dinge getan haben.68
66 ἀλλ᾿ ἐκ περιεργίας καί τινων μοχθηρίας καὶ ἄθεον κεκτημένων προαίρεσιν, καὶ φιλοτιμουμένων κακῶς πρὸς τὸ οὕτως ἀφειδῶς λυμαίνεσθαι τὸ ὁμόφυλον. Εἴτε οὖν δηλητηρίοις χρώμενοι, εἴτε βλαπτικαῖς δαιμόνων ὁρμαῖς τε καὶ μάστιξιν ἐκάκουν τὸ γύναιον, ἀγνοοῦμεν ὡς ἄνθρωποι (21,1,7–2,2 [282 FM]). 67 καίτοι ψυχικοῖς οὐ γὰρ σωματικοῖς ἐπαισχύνεσθαι προσετάχθημεν πάθεσιν (16,1,13– 16 [274 FM]). 68 καὶ ὁ Κύριος δὲ τοὺς εἰς αἰσχύνην ἐκπεμπομένους αἰώνιον, οὐ τοὺς σωματικοῖς βρίθοντας πάθεσιν (αὐτὸς γὰρ καὶ τὰς ἀσθενείας ἡμῶν καὶ τὰς νόσους ἐβάστασεν), ἀλλὰ
3.4. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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Sophronios unterscheidet also zwischen Leiden, auf deren Entstehung der Leidende keinen Einfluss hat, und solchen, die der Betreffende selbst zu verantworten hat: Manche Krankheiten entstehen unwillentlich. Solches ist bekannt von denen des Körpers und um den Körper herum. Die anderen aber entstehen gewollt. Sie sind Auswüchse unserer Gedanken, die die Schönheit der mit Willensfreiheit und Vernunft ausgestatteten Seele misshandeln.69
Alle von Sophronios angeführten Autoritäten verurteilen die „frei gewählten und nicht notwendigen Leiden der Seele“,70 wenngleich eine jede anders mit ihnen umgeht: Das Gesetz (νόμος), also die Tora, sanktioniert die Seelenleiden. Die Propheten (προφῆται) mahnen, stattdessen das Gute zu wählen; die Gerechten (δίκαιοι) wiederum, sie zu meiden. Die Apostel (ἀπόστολοι) und Lehrer (διδάσκαλοι) zeigen Wege auf, ihnen zu entrinnen. Schließlich habe uns Jesus Christus „als erster den Weg der Gerechtigkeit aufgezeigt … und als erster den Pfad des vollständigen Rückzugs von seelischen Leiden gefunden“.71 Hingegen sähen die von Sophronios angeführten Autoritäten keinen Grund darin, sich körperlicher Leiden zu schämen (mir. 16,4). Zacharias brauche sich also selbst für sein Hodenleiden nicht zu schämen, könne er doch hierfür rein gar nichts. Von hier aus wird nun deutlich, dass die unwillentlich verursachten Leiden von den natürlichen Leiden zu unterscheiden sind: Leiden, die auf Dämonen, eingedrungene Tiere, überhaupt auf Dritte zurückzuführen sind, sind schließlich ebenso wenig willentlich verursacht wie die „des Körpers und um den Körper herum“ (mir. 16,2). Zudem beschreibt Sophronios – neben der Besessenheit 72 – zumindest ein weiteres seelisches Leiden, das nicht willentlich verursacht ist: Schließlich „verzagt“ Elias „aus einer offensichtlich teuflischen Absicht heraus“.73 Er erliegt der Akedia (ἀκηδία). Sein Verschulden besteht allenfalls in einem Unterlassen.74 Ihrer braucht man sich in der Konsequenz ebenfalls nicht zu schämen.
τοὺς ψυχικῶς ἀσθενήσαντες καὶ φαύλων ἐργάτας γενομένους (E, γενομένων C, FM, GASCOU, Sophrone, 69 Anm. 404) πράξεως εἴρηκεν (16,1,13–16 [275 FM]). 69 Τὰ μὲν γάρ ἐστιν τῶν νοσημάτων ἀκουσία, ὅσα σώματος καὶ περὶ σῶμα γνωρίζεται· τὰ δὲ ἑκούσια καὶ γνώμης ἡμετέρας κυήματα, ὅσα ψυχῆς αὐτεξουσίου καὶ νοερᾶς τὸ κάλλος λυμαίνεται (16,2,1–3 [275 FM]). 70 Περὶ δὲ τῶν τῆς ψυχῆς προαιρετικῶν καὶ οὐχ ἀναγκαίων παθῶν ἐνεκάλεσαν ἅπαντες ... (16,3,1f [275 FM]). 71 Ὁ δὲ Κύριος πρῶτος ἡμῖν τῆς δικαιοσύνης ὁδὸν ἐνδείξάμενος, καὶ τρίβον τῆς ἀπὸ τῶν ψυχικῶν παθῶν τελείας ἀναχωρήσεως πρῶτος εὑράμενος (16,4,1–3 [275 FM]). 72 Vgl. hierzu Kap. 3.4.4.3, S. 132–136. 73 ἠθύμησεν … ἐκ διαβολικοῦ δηλονότι φρονήματος (13,3,2f [270 FM]). 74 Vgl. hierzu ausführlich Kap. 5.4.3, S. 268–270.
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Zu schämen brauche man sich allein der willentlich herbeigeführten, seelischen Leiden: Sie „misshandeln“ nämlich die „Schönheit der … Seele“ (mir. 16,2). Darin gleichen sie der Besessenheit, die Sophronios ja als „eine Veränderung“ der „unvergänglichen Natur“ der Seele beschreibt (mir. 14,2).75 Der Sache nach handelt es sich hierbei um die schlechten Taten, die auf den Menschen durchaus eine gewisse Anziehungskraft auszuüben scheinen. Deswegen genügt das Gesetz auch nicht und ist Jesu Entdeckung so bedeutsam, wie man sich auch dauerhaft von den seelischen Leiden fern hält. Denn letztlich werden die Menschen am Jüngsten Tag daran gemessen: „die, die in die ewige Schande geschickt werden, sind nicht die, an körperlichen Leiden zu tragen haben …, sondern die seelisch Schwachen und, die üble Dinge getan haben.“76 Sophronios bezeichnet diese Form von Leiden gegenüber den körperlichen Leiden nicht nur als Leiden (πάθος) oder Form von Schwäche (ψυχικῶς ἀσθενήσας), sondern explizit auch als Krankheit (νόσημα).77 Dennoch spricht er nicht von Heilung, wenn es darum geht, sie zu überwinden, sondern von Wegen und Bewegung: „Der Herr hat uns als erster den Weg der Gerechtigkeit gezeigt und als erster den Pfad der vollständigen Abkehr von den Leiden(-schaften) der Seele entdeckt. Er ruft allen menschenliebend zu: ‚Lernt von mir!’“78 In den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes sucht die Märtyrerheiligen auch niemand nur wegen eines solchen seelischen Leidens auf. Selbst wenn sich also letztlich nicht mit Sicherheit bestimmten lässt, welche Leiden Sophronios für natürlich verursacht hält, so lassen doch die folgenden Kriterien, wenn sie erfüllt sind, den Schluss auf eine natürliche Leidensursache wahrscheinlich werden: zunächst die Übereinstimmung mit Sophronios’ Aussagen über natürliche Leiden. Als solche bezeichnet er Leiden, die ihre Ursache in einem Überfluss von Körpersäften haben oder andere Zu- oder
75
Vgl. Kap. 3.4, 105f. τοὺς εἰς αἰσχύνην ἐκπεμπομένους αἰώνιον, οὐ τοὺς σωματικοῖς βρίθοντας πάθεσιν …, ἀλλὰ τοὺς ψυχικῶς ἀσθενήσαντας καὶ φαύλων ἐργάτας γενομένους (E, γενομένων C, FM) πράξεων (16,1,13–16 [275 FM]). 77 οὐ τοὺς σωματικοῖς βρίθοντας πάθεσιν …, ἀλλὰ τοὺς ψυχικῶς ἀσθενήσαντας καὶ φαύλων ἐργάτας γενομένων πράξεως εἴρηκεν (16,1,14–16 [275 FM]), Περὶ δὲ τῶν τῆς ψυχῆς προαιρετικῶν καὶ οὐκ ἀναγκαίων παθῶν ἐνεκάλεσαν ἅπαντες (16,3,1f [275 FM]), Ὁ δὲ Κύριος … τρίβον τῆς ἀπὸ τῶν ψυχικῶν παθῶν τελείας ἀναχωρήσεως πρῶτος εὑράμενος (16,4,1–3 [275 FM]), ὅταν ἐξ οὐρανοῦ ὁ κριτὴς παραγίνεται ἀποδοῦναι ἑκάστῷ κατὰ τὰ ἔργα αὐτοῦ οὐ κατὰ τὰ πάθη τοῦ σώματος (16,4,6f [275 FM]). 78 Ὁ δὲ Κύριος πρῶτος ἡμῖν τῆς δικαιοσύνης ὁδὸν ἐνδειξάμενος, καὶ τρίβον τῆς ἀπὸ τῶν ψυχικῶν παθῶν τελείας ἀναχωρήσεως πρῶτος εὑράμενος, πᾶσιν τὸ Μάθετε ἀπ᾿ ἐμοῦ, φιλανθρώπως ἐφθέγξατο (16,4,1–3 [275 FM]). 76
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Umstände (συμπτώματα) zur Ursache haben, denen der Körper seit dem Sündenfall unterworfen ist.79 Sodann lassen sich auch den Schilderungen des Auftretens von Ärzten Indizien dafür entnehmen, ob es sich bei dem jeweils beschriebenen Leiden um natürlich verursachtes Leiden handelt: Ärzten ist es nämlich überhaupt nur möglich, gegen natürlich verursachte Leiden vorzugehen. In mir. 54 lehnen die zu Rate gezogenen Ärzte die Behandlung sogar ab, weil sie erkennen, dass Isidoros’ Leiden eben nicht „den Überschuss melancholischer Säfte“, sondern einen Dämon zur Ursache habe. Schließlich können wir davon ausgehen, dass Sophronios ein Leiden auch dann als natürlich verursacht verstanden wissen will, wenn die von ihm angegebene Leidensursache in der (spät-)antiken Medizin als Erklärungsmuster allgemein akzeptiert war und damit von seinem Publikum als plausibel akzeptiert werden konnte. Manchmal verweist Sophronios selbst auf solche Erklärungsmuster. Doch darf ein solcher Verweis nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Erläuterungen nicht selten eher oberflächlich sind und sich nirgends nachweisbar auf die zeitgenössische medizinische Literatur beziehen. Während also zumindest in Frage steht, ob sie ein medizinisches Fachpublikum überzeugen könnten, sind sie in sich doch durchaus schlüssig: Die geschickte Verbindung von Alltagsbeobachtungen und medizinischem Fachvokabular sollten auf Laien wie akkurate medizinische Erörterungen wirken. Sophronios hebt es hervor, wenn ein Leiden ungewöhnlich ist oder eine ungewöhnliche Ursache hat. Er notiert selbst Zweifelsfälle, etwa wenn die Ursache eines Leidens unklar ist. Umgekehrt bedeutet dies, dass wir in den 30 Fällen, in denen Sophronios nicht über die Leidensursache unterrichtet, grundsätzlich von einer gewöhnlichen und das heißt: natürlichen Leidensursache auszugehen haben.80 3.4.1.2 Ausgewählte Beispiele In einzelnen Berichten geht Sophronios näher auf die (mutmaßlich) natürlichen Leidensursachen ein. Als besonders aufschlussreich erweist sich in diesem Zusammenhang Sophronios’ Bericht über seine eigene Erkrankung (mir. 70). Hier zählt Sophronios nämlich mögliche, von seinen Ärzten erwogene Ursachen seiner Krankheit auf: Zunächst vermuten sie, die Luftveränderung habe sein Leiden verursacht. Schließlich sei es kurz nach seiner Ankunft 79
Vgl. Kap. 3.4, S. 106. Obwohl er das Konzept von Krankheit, das den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes zugrundeliegt, für ein dämonologisches hält (Thaumata, 87), gesteht auch FERNÁNDEZ MARCOS zu, dass die meisten Erkrankungen eine natürliche Ursache haben (ebd., 106). 80
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in Alexandrien aufgetreten.81 Als das Leiden dann aber länger anhält, schließen sie, dass es nun doch nicht auf das Sophronios fremde Klima zurückzuführen sei, sondern auf eine Dyskrasie des Körpers: Sein Körper habe das Gleichgewicht verloren und es müsse nun wieder hergestellt werden.82 Sophronios’ Ärzte bedienen sich damit zweier in der antiken Medizin allgemein anerkannter Erklärungen für die Entstehung von Krankheiten: den förderlichen oder schädlichen Einfluss der Umwelt auf die Konstitution des Körpers und Gleich- oder Ungleichgewicht der vier Körpersäfte Blut (αἷμα), Phlegma (φλέγμα), gelbe Galle (χολή ξανθή) und schwarze Galle (χολή μελαίνα) bzw. ihrer Elementarqualitäten warm, kalt, flüssig, fest.83 In mir. 8 kombiniert Sophronios die beiden Erklärungsansätze. Christodoros gerät auf Reisen in einen Sturm: „Durch das Schaukeln des Bootes, die unerträgliche Vermischung der Lüfte und das wilde Dagegenschlagen der Wellen verlor er sein Gleichwicht völlig, wurde deswegen fehlgemischt und verfiel einer unerträglichen Krankheit.“84 Diese beiden Erklärungsansätze bleiben natürlich auch in der antiken Medizin nicht unverbunden. Ungewöhnlich ist also nicht, dass Sophronios die beiden Erklärungsansätze miteinander verbindet, sondern allein, dass er sie unmittelbar kausal verknüpft. Die stürmische See zerstört das Gleichgewicht. Deswegen erkrankt er. Was seiner Erklärung an Genauigkeit fehlt, macht er durch ihre vordergründige Plausibilität wett. Wiederum zeigt sich also Sophronios in erster Linie bestrebt, seinem Publikum eine medizinisch genau wirkende, plausible Erklärung zu bieten. Ein drittes Beispiel für eine Krankheit, die auf eine Dyskrasie von Körpersäften zurückgeführt wird, findet sich in dem eben bereits zitierten mir. 54. Hier sind es die Eltern des kleinen Isidoros, die dessen epileptische Anfälle in Übereinstimmung mit der zeitgenössischen medizinischen communis opinio auf den Überfluss schwarzer Galle bzw. deren Elementarqualität zurückfüh-
81 τὰ μὲν πρῶτα ἀλλαγὴν ἀέρος τὸ τοῦ πάθους ἔλεγον αἴτιον· εὐθὺς γὰρ μετὰ τὴν ἄφιξιν ὑπέστη τοῦτο Σωφρόνιος (70,5,2–4 [395 FM]). 82 οὐ ξένους ἀέρας αἰτίαν, ἀλλὰ δυσκρασίαν ἔχον (cj. GASCOU [Sophrone, 220 Anm. 1309], ἔχων C, E, FM) τοῦ σώματος· ὅθεν καὶ τὰ συγκιρνῶντα (cj. GASCOU [Sophrone, 220 Anm. 1310], συνκιρνῶντα C, σμικρύνοντα E, FM) τὸ σῶμα προσέταττον, ὡς διὰ τούτων ἰώμενοι τοὺς τοιῷδε νοσήματι περιπίπτοντας (70,5,5–7 [395 FM]). 83 NUTTON, Medicine, 72–86, zeigt, dass es sich hierbei tatsächlich nur um zwei unter vielen Erklärungsansätzen handelt. Während der förderliche oder auch schädliche Einfluss der Umwelt auf den Körper allgemein hoch geschätzt wurde (ebd., 75), setzt sich die VierSäfte-Lehre erst mit Galen als „hippokratisch“ durch (JOUANNA, Posteriorité, 119–122). 84 ἀπὸ δὲ τῆς τοῦ πλοῦ δυσκινήσεως τῆς τε τῶν ἀέρων ἀνυποίστου συγχύσεως, καὶ τῆς τῶν κυμάτων ἀγρίας προσκρούσεως, ἀνομαλήσας ἀκρότατα, καὶ δύσκρατος ἐκ τούτου γενόμενος, εἰς ἀρρωστίαν ἐνέπεσεν ἄστεκτον (8,6,3–6 [254 FM]).
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ren.85 Die Ärzte halten dagegen: Ihrer Meinung nach sei das Leiden auf das Einwirken eines Dämons zurückzuführen; hiermit sollen sie recht behalten. Diese ärztliche Einschätzung ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Zum einen passen die Symptome, die Sophronios beschreibt, durchaus zu denen epileptischer Anfälle.86 Die Vermutung der Eltern ist also keineswegs abwegig. Zum anderen sehen die Ärzte selbst ein, dass sie in diesem Fall nichts tun können, und beginnen gar nicht erst mit der Behandlung. Leider erfahren wir nicht, woran sie erkennen, dass das Leiden einen Dämon zur Ursache hat. Neben Umwelteinflüssen und Dyskrasien können Leiden auch Folgen anderer Leiden sein. Dies ist etwa in den mir. 7, 47 und 51 der Fall, ohne dass Sophronios genauer beschreiben würde, wie dies vonstatten geht.87 In mir. 10 hingegen erläutert er, wieso Marou Schmerzen leidet: Sie zahnt. Selbst die von ihr erlittene Komplikation – ihre Ohren füllen sich mit einer übel riechenden Flüssigkeit, die von Würmern nur so wimmelt – scheint Sophronios hierauf zurückzuführen. Wie ein Leiden aus einem anderen erwächst, schildert Sophronios in mir. 5 am ausführlichsten: Menas hat Fieber, das seine Bauchhöhle zusehends austrocknet. Hierdurch erleidet er eine Verstopfung, die die Ärzte fälschlicherweise als das eigentlich zu behandelnde Leiden betrachten: … Ἡρρώστησεν δεινῶς ὁ φιλόπονος, πυρετὸς δὲ ἦν σφοδρὸς τὸ ἀρρώστημα, ὃς ἐπιτεταμένως αὐτῷ διακαῶς ἐμβαλών, καὶ πᾶσαν σχεδὸν ἐξαναλώσας αὐτοῦ τῆς γαστρὸς τὴν ὑγρότητα, εἰς ἔμφραξιν αὐτὸν ὑπερβολῇ ξηρότητος ἤγαγεν, καὶ ταύτην παίδες ἰατρῶν τῆς κοιλίας τὴν ἔμφραξιν τῶν πυρετῶν ὡς ἀκινδυνότερον ἀμελήσαντες, …88 85
Der philoponos89 erkrankte schwer. Die Krankheit aber war heftiges Fieber. Dieses durchdrang ihn stark sengend, erschöpfte fast alle Feuchtigkeit seines Bauches und führte wegen des Überschusses an Trockenheit zu einer Verstopfung. Die Ärzte90 vernachlässigten die vermeintlich ungefährlichere Verstopfung des Bauches dem Fieber gegenüber …
ἀπὸ πλήθους μελαγχολικῶν χυμῶν τὰς συνεχεῖς ἐπιληψίας ἐκείνας καὶ μακρὰς καρηβαρείας συμβαίνειν οἰόμενοι (54,5,5f [369 FM]). Die medizinisch-philosophische Diskussion über mögliche Ursachen von Epilepsie erhellt LO PRESTI, Mental Disorder, 198–212. 86 ἐκατέρας γὰρ ὡς ἔγνωμεν ἔπασχεν, τὰς μὲν συνεχέστερον, τὰς δὲ ἐντονώτερον καὶ μακρότερον (54,5,6–8 [369 FM]). 87 Die relevanten Textabschnitte führt das tabellarische Inventar in Kap. 3.2.2 an. 88 Mir. 5,1,4–8 (250 FM). 89 Als Philoponoi bezeichnet Sophronios „die Kräftigen“ unter den Kranken: ἐξ αὐτῶν δέ εἰσι τῶν ἀσθενῶν οἱ δυνάμενοι (35,6,1f [320 FM]). Sie übernehmen unterstützende Tätigkeiten: In mir. 35,6 helfen sie Theophilos die Anweisung der Märtyrer auszuführen. In mir. 56,2 führen sie Georgios zur Toilette, lassen ihn aber auch gelegentlich dort sitzen
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Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
Wiederum bemüht sich Sophronios, seinem Publikum möglichst eingängig, aber nicht unbedingt fachwissenschaftlich akkurat, zu erklären, was sich zugetragen hat. Jeder und jede weiß, dass Hitze im Allgemeinen und Fieber im Speziellen trocknend wirken, dass also Menas’ Bauchhöhle austrocknen musste. Sophronios’ Erklärung leuchtet ein. Seine Wortwahl wiederum ermöglicht es dem Publikum, seine Erklärung auch tatsächlich als medizinische Erklärung wahrzunehmen. Die Ärzte schätzen die Lage so, wie es Sophronios darstellt, also schlicht falsch ein und schaden dem Patienten damit unwillentlich. Mitunter lässt Sophronios auch mehrere Leidensursachen nebeneinander zum Stehen kommen oder ineinander greifen: In mir. 9 berichtet er, dass Theodora im Bad stürzt. Zunächst behauptet Sophronios noch, sie sei auf dem von Kosmetikartikeln rutschigen Boden ausgerutscht (§8), dann sollen es böse Geister gewesen sein (§11). Sophronios erklärt anhand der Temperaturverhältnisse im und außerhalb des Bades sogar, weshalb Theodora überhaupt so schwere Verletzungen hat erleiden können: Dieses trug sich nämlich nach dem Baden zu, als sie aus dem warmen Bereich in kalte Luft und Wasser hinausging, wenn die Körper der Badenden entspannt und weniger fest sind ob der Diffusion des Blutes, das erschlafft und seine Wärme entlässt. Denn das Warme flieht, solange wir uns in kälterer Luft befinden, nach innen zum Herzen und verbirgt sich dort (…). Aber sobald wir von warmer Luft umgeben sind, wenn sich die Kälte außen zurückgezogen hat, strebt die Wärme sofort an die Körperoberfläche.91
Diese Ausführungen könnten sich, wie Wolska-Conus zeigt, durchaus auch in den zeitgenössischen Aphorismen-Kommentaren des Stephanos finden:92 Stephanos diskutiert nicht nur die Wechselwirkung zwischen Körpertemperatur und Umgebungstemperatur,93 auch der Gedanke, dass die Haut in einer und sogar schlafen. Zu den verschiedenen Gruppen von Menschen, die sich im Bezirk der Heiligen Kyros und Johannes aufhalten, s. CASEAU, Ordinary Objects, 630–632. 90 Zur Wendung παίδες ἰατρῶν vgl. Kap. 4.1.3, S. 147. 91 μετὰ γὰρ τὸ λούσασθαι τοῦτο συμβέβηκεν, ἐξιούσης τῶν ἐμπύρων ἐπὶ τοὺς ψυχροὺς ἀέρας καὶ νάματα, ὅτε καὶ τῶν λουομένων τὰ σώματα εὐπαθῆ τέ ἐστιν καὶ χαυνότερα, τῇ διαχύσει τοῦ χαυνοῦντός τε καί ἐκλύοντος αἵματος (αὐτοῦ τὴν θερμότητα add. Gascou). Τοῦτο γὰρ τὸ θερμόν, ἕως μὲν ἐν ἀέρι ψυχροτέρῳ τυγχάνωμεν, ἐπὶ καρδίαν ἔσω φεύγει καὶ κρύπτεται, …· ἐπειδὰν δὲ ἀέρι θερμῷ προσομιλήσωμεν, ἀναχωρούσης τῆν ἔξω ‹ψυχρότητος›, εὐθὺς ἐπὶ τὴν ἐπιφάνειαν ἔξεισιν (mir. 9,8f [259 FM]). 92 WOLSKA-CONUS, Stéphanos, 56. Sie führt auch die folgenden beiden Textpassagen aus Stephanos’ Aphorismenkommentar an, die an dieser Stelle wiedergegeben werden sollen. 93 φησὶ γὰρ ἐκεῖνος (sc. Aristoteles), ὅτι ἀντιπεπονθότως ἔχουσι πρὸς ἑαυτὰ τὰ στοιχεῖα, καῖ ἀνθυποχωροῦσιν ἀλλήλαις καὶ ἀντιπεριίστανται αἱ ποιότητες. ὅτε μὲν γὰρ ἐν βάθει ἐστὶν ἡ θερμασία, καταλαμβάνει τὴν ἐπιφάνειαν ἡ ψῦξις· καὶ ἔμπαλιν εἰς τὸ βάθος ὑποχωρούσης τῆς ψύξεως εἰς τὴν ἐπιφάνειαν ἐφαπλοῦται ἡ θερμασία. ἐν τῷ χειμῶνι τοίνυν
3.4. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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kalten Umgebung fester ist als in einer warmen, findet sich bei ihm.94 Es ist durchaus möglich, dass es sich um mehr als nur eine Reminiszenz handelt. Wolska-Conus vermutet sogar, dass Sophronios und Stephanos einander kannten.95 In jedem Fall belegt auch dieser Bericht, wie sehr Sophronios bemüht ist, seinem Publikum eine möglichst plausibel anmutende Erklärung dafür zu bieten, was sich zugetragen hat. In diesem Fall würde sie vielleicht sogar jemanden vom Fach überzeugen. 3.4.2 Exkurs: Krankheiten und Leiden der Seele Im Überblick über die Häufigkeit und Verteilung von Krankheiten (Kap. 3.3.1) konstatierten wir, dass Sophronios seelische Leiden nie unabhängig von einem körperlichen Leiden oder dämonischer Aktivität thematisiert.96 Gleichwohl beschreibt er recht unterschiedliche Phänomene als Krankheit der Seele. Bislang begegnete uns das Phänomen der Krankheit der Seele in drei verschiedenen Kontexten: Zunächst äußert sich Sophronios in den mir. 14 und 35 allgemein über den Zusammenhang zwischen Krankheiten der Seele und Dämonen. In mir. 14,3 erläutert er, dass dämonisches Einwirken eine „Krankheit der unsterblichen Seele“ bewirken könne, wenn nämlich Dämonen Seelen „gegen (ihre) Natur“ zur Veränderung zwingen.97 In diesem Sinn ist Besessenheit eine Krankheit der Seele.98 In mir. 35,2 ergänzt er, dass auch der Pakt mit dem Teufel zwangsläufig den Seelentod nach sich zieht.99 Die ἀκηδία, das einzige Seelenleiden, das er beim Namen nennt, scheint ebenfalls τῆς ψύξεως περὶ τὴν ἐπιφάνειαν σχολαζούσης εἰς τὸ βάθος ὑποστέλλεται ἡ θερμασία· ἐν δὲ τῷ θέρει τῆς θερμασίας τὴν ἐπιφάνειεν καταλαβούσης ἐπὶ τοῦ βάθους ἡ ψῦξις ἐνδομυχεῖ (Steph. Comm. in Hp. Aph. I,27 [I,106,4–10 WESTERINK]). 94 ποιεῖ τὸ ψυχρὸν πύκνωσιν τῶν πόρων τοῦ δέρματος· τῇ οὖν πυκνώσει ἐναποκλείεται τὸ ἔμφυτον θερμὸν καὶ ὑπονοστεῖ ἐν τῷ βάθει ὡς ἐπὶ τὴν οἰκείαν ἀρχήν. εἶτα ἐπεκτείνεται ὡς ἐπὶ τὰ ἐκτὸς ἤτοι ἐπὶ τὴν ἐπιφάνειαν, καὶ εὑρίσκον στεγανὸν καὶ πυκνὸν τὸ δέρμα πάλιν συννεύει καὶ ῥώννυται καὶ τῇ ῥώσει ἅλλεται καὶ ἔρχεται ὡς ἐπὶ τὴν ἐπιφάνειαν, καὶ μὴ εὑρίσκον διέξοδον πάλιν ὑπονοστεῖ ἐπὶ τὴν οίκείαν ἀρχήν (Steph. Comm. in Hp. Aph. V,22 [III,68,24–30 WESTERINK]). 95 WOLSKA-CONUS, Stéphanos, 59. Vgl. Kap. 3.4.1, S. 113f, Kap. 4, S. 141f, und Kap. 4.2.2, S. 158f. 96 Auf die beiden möglichen Ausnahmen in mir. 13,3 und 16 wurde hingewiesen. Vgl. S. 101, Anm. 217. 97 Ἀλλὰ ψυχῆς ἀθανάτου παρὰ φύσιν τὸ νόσημα, καὶ φύσεως ἀφθάρτου χάριτι Θεοῦ τοῦ ποιήσαντος ἀλλοίωσίς τις καὶ πάθος φθορᾶς παραπλήσιον δαιμόνων ἐπηρείᾳ τικτόμενον (14,3,1–3 [272 FM]). 98 Vgl. Kap. 3.4.4.3, 132–136. 99 ψυχῆς γὰρ ὁ θάνατος τίκτεται ‹ἐκ› τῆς πρὸς ἐκεῖνον συμβάσεως (35,2,11f [319 FM]).
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Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
in diese erste Kategorie von Seelenleiden zu fallen, die auf dämonische Aktivität zurückzuführen sind, denn Elias „verzagt … aus einer offensichtlich teuflischen Absicht heraus“.100 Sodann erläutert Sophronios in mir. 16, weshalb man sich zwar seelischer, nicht aber körperlicher Leiden zu schämen brauche.101 Schämen müsse man sich nämlich allein willentlich herbeigeführter Leiden, die „die Schönheit der mit Willensfreiheit und Vernunft ausgestatteten Seele misshandeln“,102 also schlechter Entscheidungen. Diese in Zacharias’ Fall so hilfreiche Unterscheidung unterläuft Sophronios allerdings, als niemand die Märtyrerheiligen nur wegen eines solchen willentlich herbeigeführten seelischen Leidens aufsucht. Eine dritte Gruppe bilden die Seelenleiden, die Sophronios mit einem körperlichen Leiden verbindet: Bereits in mir. 1 zeigte sich, dass Ammonios nicht nur unter einem körperlichen Leiden, den χοιράδες, leidet, sondern eben auch an seiner Seele erkrankt ist: Sophronios beschreibt sie als entzündet und geschwollen. Er korreliert die beiden Leiden über die Symptome, die Schwellungen, die sie hervorrufen, und den Ort, an dem sie auftreten, betont sogar den Vorrang des seelischen Leidens.103 Dennoch lässt sich keines der beiden Leiden auf das andere zurückführen. Diese dritte Weise, explizit über Krankheiten der Seele zu sprechen, ist die mit Abstand häufigste. Sie begegnet in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes neben mir. 1 noch in sechs weiteren Berichten: In mir. 24 berichtet Sophronios von zwei Frauen namens Juliane, die eine reich, die andere arm. Kyros und Johannes sorgen sich in beiden Fällen um Körper und Seelen: „Die Märtyrer erschienen beiden gleichermaßen: Die Eitelkeit der einen korrigierten sie, die andere trösteten sie um ihrer seelischen Demut willen. Beiden schenkten sie aber die Heilung.“104 Die reiche Juliane erniedrigen sie. Sie solle auf dem Boden schlafen: „Dies werde (ihr) zum Heilmittel des seeli-
100 ἠθύμησεν … ἐκ διαβολικοῦ δηλονότι φρονήματος (13,3,2f [270 FM]). Zu mir. 13 s. Kap. 5.4. 101 ψυχικοῖς οὐ γὰρ σωματικοῖς ἐπαισχύνεσθαι προσετάχθημεν πάθεσιν (16,1,8f [274 FM]). 102 ὅσα ψυχῆς αὐτεξουσίου καὶ νοερᾶς τὸ κάλλος λυμαίνεται (16,2,2f [275 FM]). 103 πλείω γὰρ τῆς τῶν σωμάτων ἰάσεως τῆς τῶν ψυχῶν ἀπαθείας φροντίζουσιν (1,6,4f [244 FM]). Vgl. hierzu Kap. 2.4 (zu §6–8), S. 35–40. 104 Οἱ δὲ μάρτυρες ἴσως ἀμφοτέραις ἐφαίνοντο, τῆς μὲν τὸν τύφον παιδεύοντες, τῆς δὲ τὴν ψυχικὴν παρηγοροῦντες ταπείνωσιν· ἑκατέραις δὲ τὰς ἰάσεις δωρούμενοι (24,4,7–9 [288 FM]).
3.4. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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schen und körperlichen Leidens.“105 Der armen Juliane verordnen sie, Krokodilfleisch zu verkohlen, fein zu mahlen und auf die Augen zu streuen.106 In vier Fällen beschreibt das seelische Leiden einen Irrtum, dem der jeweilige Protagonist, die jeweilige Protagonistin erliegt: Julianos hängt einer Häresie an und ist gelähmt. Nachdem er dieser entsagt hat, heilen ihn Kyros und Johannes: „Die Heilung des Körpers aber ging mit dem Wandel der Seele einher.“107 In den mir. 37 und 38 verhält sich dies ganz ähnlich: Johannes „sah am dritten Tag das Licht mit seinen Augen, das der Erleuchtung der Seele auf dem Fuße folgte“,108 Stephanos hingegen kann „nach der Genesung seiner Seele und seines Körpers“ wieder „mit beiden Augen“ sehen.109 Schließlich befehlen Kyros und Johannes Julia in mir. 54, ihren kranken Sohn mit Schweinefett einzureiben. Die Märtyrerheiligen behandeln auf diese Weise ihre Seele;110 mit ihrer Hilfe gelingt es Julia nämlich, ihre, wie man vermutet, religiös begründete Abneigung gegenüber Schweinefleisch zu überwinden. – Auf diese letzte Gruppe von Wunderberichten, in denen seelische Leiden einen Irrtum beschreiben, kommt Kap. 5 zurück. Halten wir fest: Sophronios bezeichnet drei verschiedene Phänomene explizit als Krankheiten der Seele. Die größte Gruppe bilden die Fälle, in denen die Krankheit der Seele einen Irrtum veranschaulicht: Sophronios parallelisiert das körperliche und das seelische Leiden des jeweiligen Protagonisten mehr oder weniger deutlich, ohne dass sich ein Leiden auf das andere zurückführen ließe. Im Grunde bezeichnet Sophronios, wie sich aus mir. 16 ergibt, jede schlechte Tat als Krankheit der Seele, gleichwohl wendet sich nur wegen eines solchen Leidens niemand an die Märtyrerheiligen. Schließlich erörtert Sophronios, inwiefern Dämonen Krankheiten der Seele bewirken: Neben den 105
FM]).
καὶ τοῦτό σοι ψυχικοῦ πάθους καὶ σωματικοῦ γενήσεται φάρμακον (24,5,5f [288
106 GASCOU (Sophrone, 85 Anm. 503) weist auf Parallelen in der medizinischen Fachliteratur hin: ἡ τῶν Νειλῴων κροκοδείλων λευκώματα λεπτύνειν πεπίστευται (Paul.Aeg. VII,3 [CMG IX/2,229,12 HEIBERG]). Galen empfiehlt Landkrokodilblut für eine bessere Sicht (De simpl. med. 10,6 = XII,263 KÜHN). Die Kyraniden empfehlen gegen Leukome, selbiges mit Honig vermischt als Salbe auf die Augen aufgetragen als Heilmittel, als Schmerzmittel auch die zu Pulver zermahlene Haut und eben gegrilltes Krokodilfleisch (2,22 [150 KAIMAKIS]). Während die Symbolik des Heilmittels für die reiche Juliane geradezu offensichtlich ist, erschließt sie sich dem Verfasser bei der armen Juliane nicht. 107 ἡ δὲ ῥῶσιν τοῦ σώματος τῇ τῆς ψυχῆς μεταθέσει συνέτρεχεν (12,18,8f [269 FM]). Bereits zuvor konstatierte Sophronios: ὑγείαν ψυχῆς καὶ ῥῶσιν σώματος προσλαβὼν διὰ πίστεως (12,11,7 [267 FM]). 108 τριταῖος τὸ φῶς τοῖς ὄμμασιν ἔβλεπεν, τῷ φωτισμῷ τῆς ψυχῆς κατὰ πόδας ἑπόμενον (37,5,6–8 [331 FM]). 109 Μετὰ γὰρ τὴν ῥῶσιν τῆς ψυχῆς καὶ τοῦ σώματος, καὶ τῶν ἑκατέρων ὀφθαλμῶν τὴν ἀνάβλεψιν (38,6,1f [334 FM]). 110 τὴν αὐτῆς ψυχὴν θεραπεῦσαι σπουδάσαντες (54,6,7f [369 FM]).
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Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
in Kap. 3.4.4.3 behandelten Fällen scheint hierunter auch die ἀκηδία zu fallen, an der Elias leidet. Auf diesen Fall kommt Kap. 5.4 zurück. Die Krankheiten der Seele, die Sophronios beschreibt, würden in der antiken Medizin nicht als solche bezeichnet werden. Denn obwohl in der antiken Medizin zahlreiche Krankheitsbilder benannt wurden, die die medizinische Terminologie zum Teil bis heute prägen, ist ihr das Konzept einer Krankheit des Geistes oder der Seele als eigenständiges Konzept letztlich fremd. Krankheitsbilder wie Wahnsinn (μανία), Phrenitis (φρένιτις) oder Melancholie (μελαγχολία) werden gemeinhin auf eine natürliche Ursache zurückgeführt und entsprechend behandelt.111 Dies allein würde Sophronios allerdings noch nicht von Philosophen wie Platon oder Aristoteles unterscheiden, die – aus medizinischer Perspektive betrachtet – ebenfalls metaphorisch Rede über die Krankheit der Seele schreiben.112 Erst in dem Moment, in dem Sophronios Krankheiten der Seele auf Dämonen zurückführt, löst er sich von der antiken medizinisch-philosophischen Tradition. Nur unterscheidet er sich hierin nicht unbedingt von den ihm zeitgenössischen Ärzten.113 In mir. 54 sind es dann auch die Ärzte, die die Eltern des unter epileptischen Anfällen leidenden Isidoros an die Märtyrerheiligen verweisen. Auch wenn wir nicht erfahren, woran, erkennen die Ärzte nämlich, dass Isidoros’ Leiden nicht auf einen Überfluss schwarzer Galle zurückzuführen, sondern dämonischen Ursprungs ist. Unabhängig davon, ob sich dies nun wirklich so hätte zutragen können oder Sophronios die Ärzte in mir. 54 eine Erklärung abgeben lässt, die Ärzte auch in der Spätantike nie abgegeben hätten, zeigt sich an diesem Bericht zumindest, dass die verschiedenen Erklärungsansätze durchaus in Konkurrenz treten konnten. In der spätantiken medizinischen und theologischen Literatur sind solche Konflikte, wie Metzger zeigt, selten. Doch selbst im Konfliktfall erweisen sich die Frontlinien zwischen einer angeblich naturalistisch erklärenden Medizin und einem vermeintlich dämonologisch argumentierenden Christentums als weit weniger deutlich, als vielleicht vermutet. In jedem Fall aber scheinen Menschen in der Spätantike wesentlich eher bereit zu sein, verschiedene Erklärungsansätze nebeneinander bestehen zu lassen, als moderne Forscherinnen und Forscher.114 111 VAN DER EIJK, Medicine, 32. Vgl. für einen ersten Überblick auch ebd., 31–35. Einen umfassenden Überblick über den Forschungsstand bietet der von Harris herausgegebene Sammelband Mental Disorders in the Classical World. Einen terminologischen Überblick über diese Krankheitsbilder gibt THUMIGER, Vocabulary, 61–95. 112 Vgl. hierzu grundlegend PIGEAUD , Maladie, bes. 31–371. 113 NUTTON, Galen, 9. 114 Vgl. METZGER, Daimōn, 79–106. Zwei ihrer Spezialuntersuchungen (Wolfsmenschen, passim; Kynanthropy, 318–331) betrachten mit der Epiphaltes – nächtlichen, mut-
3.4. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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Nun ist es durchaus bemerkenswert, dass Sophronios eine vierte Gruppe von Krankheiten der Seele – über den in mir. 54 beschriebenen Fall hinaus – überhaupt nicht thematisiert: nämlich die Krankheitsbilder, die die antike Medizin oder Philosophie beschreiben, wie etwa der oben bereits erwähnte Wahnsinn, die Melancholie oder auch die Phrenitis. Dieser doppelte Befund – dass Sophronios alle Verhaltensauffälligkeiten, die er beschreibt, auf dämonische Aktivität zurückgeführt115 und die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes das in sich durchaus differenzierte System entsprechender Erkrankungen der Schulmedizin in keiner Weise reflektieren – lässt nur den Schluss zu, dass Sophronios die Grundannahme für unplausibel hält, dass die mit ihnen verbundenen Verhaltensauffälligkeiten eine körperliche Ursache hätten. 3.4.3 Eingedrungene Lebewesen als Leidensursache In drei Fällen (mir. 26; 34; 44) führt Sophronios das Leiden des jeweiligen Protagonisten, der jeweiligen Protagonistin auf das Verschlucken von Tieren zurück. In acht weiteren Berichten erweisen sich Tiere im Körper der jeweils Betroffenen als Begleiterscheinung oder Ursache ihres Leiden: In mir. 1 und 58 sind es χοιράδες, kleine Schweinen ähnliche und sich sexuell vermehrende Lebewesen.116 In mir. 4, 10, 18 und 21 sind es ein oder mehrere Würmer (σκωλήξ), in mir. 23 Fliegen (μυῖαι) und in mir. 59 ein Tausendfüßler (σκολόπενδρα). In den drei zuerst genannten Fällen, berichtet Sophronios, seien die Tiere jeweils versehentlich verschluckt worden. In den zuletzt genannten acht Fällen führt Sophronios zwei Mal eine nicht natürliche Ursache an: in mir. 21 περιεργία, wobei nicht bekannt wird, ob es sich um ein Gift handelt oder Dämonen herbeigerufen werden, in mir. 59 Gift (φαρμακεία).117 In mir. 23 erklärt Sophronios, er wisse nicht, ob es sich bei dem Leiden um ein natürlich verursachtes Leiden handele oder nicht.118 In den übrigen Fällen erläutert er nicht weiter, wie es dazu kam, dass die jeweils Betroffenen von Tieren befallen werden. Die folgenden Kapitel 3.4.3.1 und 3.4.3.2 erarbeiten die Charakteristika der von eingedrungenen Lebewesen verursachten Leiden in zwei Etappen: Theo-
maßlich von einem Dämon verursachten Albträumen –, sowie der Lyk- bzw. Kynanthropie, also den Vorstellungen, dass sich Menschen in Wölfe oder Hunde verwandeln, solche Konfliktfälle genauer. 115 Vgl. auch DE JONG, Demonic Diseases, 4f. 116 Vgl. Kap. 2.4, bes. 28–32. 117 Auf Zauberei und Gifte als Krankheitsursache geht Kap. 3.4.4.2 ein. 118 εἴτε δὲ περιεργίας τοῦτο τεκούσης, εἴτε καὶ φυσικοῦ τινος ἄλλου συμπτώματος, οὐ γινώσκομεν (23,1,11–13 [285 FM]).
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Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
dora, Dorotheas Kind und Anna verschlucken die Tiere zwar versehentlich, aber nur, weil ihnen eine Falle gestellt wurde. Es scheint auch kein Zufall zu sein, dass die jeweiligen Protagonistinnen ausgerechnet diese Tiere verschlucken. Wenn die Tiere, die Leiden Sophronios zufolge verursachen können, nun aber nicht willkürlich gewählt sind, weshalb wählt Sophronios sie dann? Dieser Frage geht das zweite Unterkapitel nach. 3.4.3.1 Versehentlich verschluckte Tiere Sophronios schildert insgesamt drei Fälle, in denen sich versehentlich verschluckte Tiere in der Bauchhöhle der Leidenden bewegen und ihnen auf diese Weise heftige Schmerzen verursachen: Theodora verschluckt einen Frosch (mir. 26), Dorotheas Kind ein Schlangenei (mir. 34), die noch sehr junge Anna drei kleine Echsen (mir. 44). Die drei Berichte weisen eine ähnliche Grundstruktur auf: Die Protagonisten aller drei Berichte verschlucken die Tiere versehentlich. So spielt Anna eines Tages allein mit hohlen Halmen: Sie führt einen nach dem anderen an ihren Mund, schließlich auch einen, in dem drei Echsen wohnen. Die Tierchen spüren die Erschütterung, versuchen zu fliehen, rutschen ab und stürzen unfreiwillig (ἀκούσιον) in den Bauch des Mädchens ab. Dort verursachen sie Anna schreckliche Schmerzen. Dass Anna die Echsen verschluckt, sei nun aber kein Zufall: Besagte Nonne, die sich noch im Kindesalter befand und der zu jener Stunde, wie es eben passiert, Menschen fehlten, die sie führen können – besagte Nonne verfiel einem unerhörten, gewaltigen Unglück, das ihr der Teufel bereitet hatte und sie, als er sie allein vorfand, auf diese Weise zum Tode führte.119
Dass Teufel und/oder Dämonen Menschen nachstellen, ist eine den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes durchaus geläufige Vorstellung.120 Auch Dorotheas Kind verschluckt das Schlangenei, weil ihm eine Falle gestellt wird. Im Allgemeinen vermögen Kinder121 – Anna und Kallinikos sind beide knapp 12 Jahre alt – eine solche nämlich noch nicht als solche zu erkennen:
119 Ὅθεν ἡ παροῦσα μονάστρια νηπιώδους ἡλικίας τυγχάνουσα, καὶ πρὸς ὥραν τῶν ἄγειν δυναμένων οἶα συμβαίνει χηρεύσασα, καινῷ δεινῷ περιπέπτωκεν, ᾧ ὁ διάβολος αὐτῇ προευτρέπισε, καὶ μόνην εὑρών, τούτῳ τῷ τρόπῳ πρὸς θάνατον ἤλασε (44,3,1–4 [348 FM]). In mir. 44,8,1f (349 FM) schreibt Sophronios dieses Unglück Dämonen zu: τὸν ἐκ δαιμόνων αὐτῇ σκευασθέντα διέφυγε θάνατον. 120 Kap. 3.4.4.3 wird hierauf ausführlich eingehen. 121 Eine Analyse der Berichte, in denen Kinder im Mittelpunkt stehen, bietet HOLMAN, Children, 156–170.
3.4. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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Wegen der Unerfahrenheit, des Mangels an Intellekt und Verstand kann man in diesem Alter nicht auf sich selbst gestellt bleiben. … Wie soll man die vielgestaltigen Übel eines Dämons erkennen, wenn man keinen Lehrer hat, der sie kennt? Wie soll man sich vor dem Betrug der Schlange und ihrer Missetat hüten, vor der auch Eva kurze Zeit von Adam getrennt nicht bewahrt wurde.122
Erst Erfahrung und Anleitung würden die diesen Kindern noch fehlende Fähigkeit ausgleichen, das Gute vom Bösen zu unterscheiden: (Das Schlangenei, das Dorotheas Sohn findet,) war weder zum Essen gut noch angenehm anzusehen, auch wenn es den Kindern so schien – wie auch Eva – wegen der Unvollkommenheit ihres Alters, denn ihre Seele hatte noch keine ausgebildeten Wahrnehmungsorgane, um Gutes und Schlechtes voneinander zu unterscheiden.123
In Theodoras Fall hält sich Sophronios mit einer Erklärung auffallend zurück. Erst im Rückblick wird deutlich, dass es tatsächlich der Teufel ist, der Theodora schaden wollte. Eva erwähnt er ausgerechnet in diesem Bericht nicht. Es ist durchaus bemerkenswert, dass Anna, Theodora und Kallinikos ausgerechnet einen Frosch, die σαμαμίθια genannten Echsen und ein Schlangenei verschlucken. Der Seher Johannes sieht „aus dem Rachen des Drachen und aus dem Rachen des Tieres und aus dem Munde des falschen Propheten drei unreine Geister kommen, gleich Fröschen“.124 Den Kirchenvätern gilt der Frosch „als Symbol des Sündhaften“.125 Die Parallele zur Schlange im Garten Eden zieht Sophronios selbst (mir. 34,2). Warum Anna ausgerechnet Samamithien verschluckt, ist weniger offensichtlich: In seinem Kommentar zu mir. 44 weist Gascou darauf hin, dass die seit Nissen übliche Übersetzung des seltenen Wortes σαμαμίθια mit „Gecko“ unzutreffend ist. Vielmehr handele es sich um eine Echsenart, die in den Kyranides (II,29) als eine Art Miniaturkrokodil mit gewissen magischen Eigenschaften beschrieben wird.126 Würde Sophronios tatsächlich hierauf anspielen, wäre jedenfalls die doch recht drastische Parallele einleuchtend,
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ἥτις ἡλικία μένειν ἐφ᾿ ἑαυτῇ δι᾿ ἀπειρίαν οὐ δύναται, καὶ νοῦ καὶ φρενῶν ὀλιγότητι. … ἢ πῶς δαίμονος γνοίη ποικίλα νοσήματα, εἰ μὴ σχοίη τὸν εἰδότα διδάσκαλον; ἢ πῶς ἀπάτην ὄφεως καὶ πανουργίαν φιλάξαιτο, ἣν οὐδ᾿ Εὔα χωρισθεῖσα μικρὸν τοῦ Ἀδὰμ ἐφυλάξατο; (44,2,4f.9–11 [347f FM]). 123 ὅπερ οὔτε καλὸν ἦν εἰς βρῶσιν, οὐδὲ ὡραῖον εἰς ὅρασιν, εἰ καὶ οὕτω τοῖς παισὶν ὡς καὶ τῇ Εὔᾳ διὰ τὸ ἀτελὲς τῆς ἡλικίας ἐφαίνετο, μήπω λαχοῦσι (cj. GASCOU [Sophrone, 118 Anm. 678], λαχούση C, λαχουσής E, FM) γεγυμνασμένα τὰ τῆς ψυχῆς αἰσθητήρια πρὸς καλῶν τε (C, om. E, FM [DUFFY, Readings, 173]) καὶ μὴ τοιούτων διάκρισιν (34,2,12–15 [315 FM]). 124 … πνεύματα τρία ἀκάθαρτα ὡς βάτραχοι (Apk 16,13 [771 NA28]). 125 WEBER, Art. Frosch, 536. 126 GASCOU, Sophrone, 158 Anm. 946.
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Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
die Sophronios zwischen dem von einem Dämon bereiteten Missgeschick Annas und der Verführung Evas durch die Schlange zieht.127 3.4.3.2 Fliegen, Tausendfüßler und Würmer Auch Fliegen, Würmer und Tausendfüßler rufen bestimmte, einander ähnliche Assoziationen hervor: Würmer sind (wie Fliegen) in besonderer Weise am Verwesungsprozess beteiligt. Aus der Beobachtung, dass sich einige Würmer von Leichen ernähren, konnte der Wurm schon zu alttestamentlicher Zeit zum Sinnbild ewiger Verdammnis werden.128 Auf den entsprechenden locus classicus JesLXX 66,24129 verweist Sophronios des Öfteren. Tausendfüßler begegnen in der Literatur zwar weit seltener, sind dafür aber recht einmütig konnotiert: Gregor von Nyssa zum Beispiel findet Tausendfüßler (wie Frösche und Kröten auch) ekelhaft und hässlich.130 Justin Martyr scheint Schlangen, Skorpione und Tausendfüßler gar mit Dämonen und bösen Geistern zu parallelisieren: „‚Ich gebe euch die Vollmacht, Schlangen, Skorpione, Tausendfüßler und jegliche Macht des Feindes niederzutreten.‘ Und nun sind uns, die wir an unseren … Herrn Jesus glauben alle Dämonen und bösen Geister, … untertan.“131 Bei den Fliegen, die in mir. 23 einen prominenten Auftritt haben,132 ist der biblische Bezug, vor allem zur Plageerzählung in Ex 8,12–28, deutlicher.133 Der Beelzebub, der Herr der Fliegen, der uns in der Septuaginta in 2KönLXX 1,2.16 begegnet, kehrt in Mt 10,25 und Lk 11,15 als oberster Dämon wieder. Sophronios’ in mir. 23,5 geäußerte Sorge, die Fliegen könnten einmal vertrieben wie die bösen Geister in Lk 11,24par. in Gennadios’ Kopf zurückkehren und Schlimmeres anrichten, ist vor diesem Hintergrund durchaus verständlich. Doch ist es bemerkenswert, dass Sophronios Gennadios’ Leiden gerade nicht auf dämonisches Einwirken zurückführt:134 Sophronios räumt zwar durchaus ein, dass Leiden und Heilung „beide wahrlich ungewöhnlich, von menschlichen Leiden verschieden- und den galenischen Heilmitteln un127
GASCOU, Sophrone, 158 Anm. 946. Vgl. LANG, Art. σκώληξ, 454–456. 129 “Denn ihr Wurm wird nicht sterben“ (ὁ γὰρ σκώληξ αὐτῶν οὐ τελευτήσει). 130 Gr.Nyss. hom. 4 in Cant. 1,15 (GNO VI,104,6–10 [LANGERBECK]). 131 Δίδωμι ὑμῖν ἐξουσίαν καταπατεῖν ἐπάνω ὄφεων καὶ σκορπίων καὶ σκολοπενδρῶν καὶ ἐπάνω πάσης δυνάμεως τοῦ ἐχθροῦ. Καὶ νῦν ἡμεῖς, οἱ πιστεύοντες ἐπὶ τὸν σταυρωθέντα ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου Ἰησοῦν κύριον ἡμῶν, τὰ δαιμόνια πάντα καὶ πνεύματα πονηρὰ ἐξορκίζοντες ὑποτασσόμενα ἡμῖν ἔχομεν (Just.Mart., dial. 76,6 [394,20–24 BOBICHON]). NA28 listet Justins varia lectio der Stelle Lk 10,19 nicht. 132 Auf mir. 23 kommt Kap. 5.4.3 (zu §6), 272, zurück. 133 HERMANN, Art. Fliegen, 1113–1115.1120. 134 Trotz GASCOU, Sophrone, 84 Anm. 491. 128
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gleichartig“135 seien. Doch betont er, nicht zu wissen, ob das Leiden auf περιεργία oder eine natürliche Ursache zurückzuführen sei.136 Unklar bleibt zudem auch, welche Krankheitsursache die versammelten Ärzte annehmen, die das Leiden mit allerlei Heilmittelchen zu behandeln versuchen. In keinem Fall erfahren wir von Sophronios, wie die Tiere jeweils eingedrungen sind. Selbst in den scheinbar eindeutigen Fällen der mir. 21 und 59 bleibt dies unklar. 3.4.4 Nicht natürliche Leidensursachen Neben den Leiden, die eine natürliche Ursache haben oder von eingedrungenen Tieren verursacht wurden, berichtet Sophronios auch von Leiden, deren Auftreten der göttlichen Gerechtigkeit oder den Märtyrerheiligen (Kap. 3.4.4.1), magischen Praktiken (Kap. 3.4.4.2) oder Teufeln und Dämonen (Kap. 3.4.4.3) zuzuschreiben sind. 3.4.4.1 Gott und die Märtyrerheiligen In den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes beschreibt Sophronios vier Fälle, in denen die Märtyrerheiligen und sogar die göttliche Gerechtigkeit selbst ein Leiden verursachen. Verursachen die Märtyrerheiligen ein Leiden, so hat dies stets eine pädagogische Funktion:137 Das Leiden soll den jeweiligen Protagonisten, die jeweilige Protagonistin dazu bringen, von bestimmten Positionen Abstand zu nehmen und sich stattdessen bestimmte andere Überzeugungen anzueignen. In mir. 29 beispielsweise berichtet Sophronios von Athanasia, die die Märtyrer „des Öfteren (verspottete) und behauptete, dass sie keine Märtyrer seien, erklärte, dass sie auch nicht um Christi willen das Martyrium erlitten oder gelitten hätten.“138 Ein unhaltbarer Standpunkt, wie Sophronios meint. Deshalb müsse sie „einen Eindruck ihrer Züchtigung erlangen, damit sie nicht endlos sündige“.139 Kyros und Johannes teilen Sophronios’ Einschätzung offenbar, denn tatsächlich „wird sie durch die Menschenliebe der von ihr
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ξένα γὰρ ὄντως ἀμφότερα, καὶ παθῶν ἀνθρωπίνων ἀλλότρια, καὶ γαληνίων φαρμάκων ἀνόμοια (23,1,2f [285 FM]). 136 εἴτε δὲ περιεργίας τοῦτο τεκούσης, εἴτε καὶ φυσικοῦ τινος ἄλλου συμπτώματος, οὐ γινώσκομεν (23,1,11–13 [285 FM]). 137 Vgl. hierzu ausführlich MARAVAL, Fonction pédagogique, 383–393. 138 αὐτοὺς ἐκωμῴδει συχνότερον, καὶ μὴ εἶναι μάρτυρας ἔλεγεν, μηδὲ διὰ Χριστὸν ἠθληκέναι ἢ παθεῖν ἀπεφήνατο (29,3,8–10 [299 FM]). 139 καὶ πεῖραν ἔδει λαβεῖν τῆς τούτων δριμυτέρας παιδεύσεως, ἵνα μὴ μείνοι διηνεκῶς ἁμαρτάνουσα (29,9,2f [300 FM]).
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geschmähten Märtyrer auf folgende Weise erzogen:“140 Als sie sie erneut verunglimpft, beißt sie, „als ob er für die Märtyrer kämpfte“141, ein Floh. Athanasia bückt und verrenkt sich dabei. Sie vermag sich nicht mehr aufzurichten.142 Kyros und Johannes erscheinen ihr im Traum und überzeugen sie davon, sich zu bekehren. Hieraufhin zieht sie zu ihnen und gesundet (im Wortsinn) auf der Schwelle. Erziehungsmaßnahme und Strafe lassen sich nirgends voneinander trennen: Die Pädagogik der Märtyrer basiert auf Strafe. Dafür haben ihre Strafen aber auch einen bestimmten Grund. Zudem sind sie, obwohl sie mitunter drakonisch anmuten, dem jeweiligen Vergehen in Sophronios’ Augen durchaus angemessen. In mir. 38 beschreibt Sophronios den Fall des erblindeten Häretikers Stephanos:143 Stephanos schließt sich der Kirche an. Dafür schenken sie ihm das Augenlicht. Nun fasst Stephanos allerdings den Beschluss, sich nach seiner Rückkehr nach Hause wieder seinen häretischen Glaubensüberzeugungen zuzuwenden. Er bricht damit den Vertrag, den die Märtyrerheiligen mit ihm geschlossen haben. Die Märtyrer bestrafen ihn deshalb, noch bevor er seinen Worten Taten folgen lassen kann:144 Sie verordnen ihm ein Bad, woraufhin dieser Höllenqualen erleidet und schließlich wieder erblindet. Sein neuerliches Leiden führt ihn zu den Märtyrern zurück. Stephanos bekehrt sich erneut, woraufhin ihn Kyros und Johannes heilen. Selbst in mir. 49, in dem Kyros und Johannes Piamoth und Georgios dadurch bestrafen, dass sie den einen lähmen und in den anderen einen Dämon einfahren lassen, und in dem der Strafaspekt eindeutig im Vordergrund steht, lässt sich der Wille der Märtyrer erkennen, die Übeltäter zu bessern. In den eben betrachteten Berichten verursachen die Märtyrerheiligen das jeweilige Leiden. Jedenfalls scheint es so. Gerade in der Auseinandersetzung mit Häretikern bedienen sie sich eines Leidens und insbesondere der Schmerzen, die es verursacht, um den jeweiligen Protagonisten von ihrer Position zu überzeugen. Als etwa der Häretiker Petros, von dem mir. 39 berichtet, zu den Märtyrern kommt, lindern sie seine Schmerzen zunächst. Als er dann aller140
οὕτω φιλανθρωπίᾳ μαρτύρων τῶν πρὸς αὐτὴν δυσφημουμένων παιδεύεται (29,9,5f [300 FM]). 141 ὡς τῶν ἁγίων ὑπερμαχοῦσα (29,9,8 [300 FM]). 142 καὶ τοὺς ἁγίους ἀσέμνως γελῶσα διέπαιζε, ψύλλα μία χαμόθεν πηδήσασα, δάκνει σφοδρῶς αὐτῆς τὸν ἀστράγαλον· ἣν ἡ γυνὴ κατασχεῖν κατανεύσασα, ἔμεινεν εὐθὺς ἐπὶ σχήματος, ἄνω νεῦσαι τὸ λοιπὸν οὐκ ἰσχύουσα, οὔτε τὴν ὄρθιον δύναμιν ἢ διάπλασιν ἥτις μόνων ἀνθρώπων ἰδία καθέστηκεν ἐπιδείξασθαι (29,9,7–11 [300 FM]). 143 Vgl. hierzu ausführlich Kap. 5.3. 144 καὶ δίκη θεία (cj. GASCOU [Sophrone, 142 Anm. 831] ex L divina) τῶν λόγων ὡς (C, ὥσπερ E, FM [LACKNER, Rez. FM, 76]) ἔργων ἀκούσασα, ὡς πεπραχότα τὸν εἰρηκότα μετήρχετο (38,7,2f [334 FM]).
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dings in der Auseinandersetzung weiterhin hartnäckig bleibt, rufen sie sie ihm wieder hervor145 und bringen ihn auf diese Weise dazu, einzulenken. Über diese vier Berichte hinaus gibt es eine kleine Zahl von Berichten, die mir. 1, 30 und 31, in denen letztlich unklar bleibt, ob die Märtyrer ein Leiden verursachen oder nicht. Da zwei dieser drei Berichte an anderer Stelle ausführlich behandelt werden,146 sei hier auf eine ausführlichere Analyse verzichtet. Sophronios hält sich auffallend zurück, Leiden direkt auf Gott zurückzuführen. In den Fällen, in denen er dies selbst nahelegt, vereitelt er einen voreiligen Schluss durch ὡς: Johannes’ Krankheit komme ὡς ἔκ τινος θείας ὀργῆς147 über ihn. Photinos erblinde ὡς μάστιξ ἦν καὶ δεσμὸς ἀδίκου θεωρίας αὐτὸν τιμωρουμένη καὶ εἴργουσα.148 Allein das Geschick des Häretikers Stephanos (mir. 38) und das des Heiden Agapios (mir. 32)149 führt Sophronios unmittelbar auf die göttliche Gerechtigkeit (δίκη θεία) zurück. 3.4.4.2 Zauberei und Giftmischerei In insgesamt acht Berichten verweist Sophronios darauf, dass das beschriebene Leiden durch magische Praktiken verursacht worden sei. Er bezeichnet sie als μαγεία oder περιεργία. Der Begriff μαγεία ist in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes fünf Mal belegt. Vier Belege entfallen auf mir. 55, einer auf mir. 35.150 In beiden Berichten verursacht das Leiden ein Artefakt: In mir. 35 stellt sich heraus, dass Zauberer mit Hilfe von Dämonen eine Puppe angefertigt haben,151 deren Hände und Füße von Nägeln durchbohrt sind. Erst als die Puppe gefunden wird und die Nägel entfernt werden, kann sich auch der zuvor gelähmte Theophilos wieder bewegen. Dieser Bericht ist auch der einzige, in dem beide Begriffe, μαγεία und περιεργία, begegnen. In mir. 55 ist es eine 145
Οἱ δὲ θεσπέσιοι ταῦτα λέγοντι προσηπείλησαν, καὶ ὡς οὐκ ἄλλως σωθήσεται φήσαντες ἀνεχώρησαν τὰς ἀλγηδόνας αὐτῷ διυπνίσαντες, ἃς ἦσαν αὐτοὶ κατευνάσαντες (39,5,10–12 [337 FM]). 146 Mir. 1 untersucht Kap. 2, mir. 30 Kap. 4.3. 147 Mir. 17,2,7 (276 FM). 148 Mir. 28,6,9f (296 FM). 149 Vgl. hierzu Kap. 3.4.4.3, S. 135f. 150 Mir. 35,0; 55,0; 55,1; 55,1; 55,2. 151 οἱ γόητες ἐκεῖνοι σὺν μιαροῖς καὶ κακίστοις δαίμοσιν πράξαντες (35,11,2f [321 FM]). Deratige Bindezauber, sog. Defixionen, scheinen in Antike und Spätantike ein weit verbreitetes Mittel gewesen zu sein, Anderen zu schaden. Meist wurde der Zauberspruch in Bleitäfelchen eingeschrieben. Auch der Gebrauch von Puppen ist belegt. Ungewöhnlich ist allein die von Sophronios beschriebene Fixierung des Beines durch einen Nagel. Vgl. zum Phänomen BUSCH, Magie, 31–40.
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unter der Türschwelle vergrabene Übeltat (κακούργημα), die Theodoros lähmt. Wie dieses Artefakt hergestellt wurde, erfahren wir nicht, doch legt Sophronios durch den Hinweis, der Hersteller sei Jude, eine magische Praktik nahe.152 Den Begriff περιεργία gebraucht Sophronios in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes insgesamt zehn Mal, doppelt so häufig wie den der μαγεία.153 Während μαγεία offenbar immer mit Artefakten verbunden ist, scheint Sophronios davon auszugehen, dass es grundsätzlich zwei Formen von περιεργία gibt: zum einen Gifte, zum anderen eine περιεργία, die sich dämonischer Kräfte bedient. Alle Berichte, in denen von περιεργία die Rede ist, lassen sich der einen oder der anderen Domäne zuordnen. Selbst in mir. 21, in dem Sophronios bemerkt, dass die genaue Leidensursache unbekannt sei, stellt er beide Möglichkeiten in den Raum: Er wisse schlicht nicht, ob sich die Übeltäter Gift oder aber dämonischer Kräfte bedienten.154 Neben dem eben bereits betrachteten mir. 35 beschreibt Sophronios mit mir. 63 einen weiteren Fall, in dem sich die Übeltäter von Dämonen helfen lassen: Auch hier stellt uns Sophronios die beiden Möglichkeiten, wie περιεργία wirken kann, vor Augen, nämlich Gift oder Dämonen. In diesem Fall sei es jedoch eindeutig: Elias „wurde nicht einem Zauber untertan, während er aß, noch nahm er ein Gift zu sich, während er trank, vielmehr wurde er gnadenlos von einem Dämon geschlagen, einem dreckigen und ausgesprochen schädlichen Geist.“155 In den vier mir. 12, 27, 59 und 68 wird der jeweilige Protagonist vergiftet. In drei der vier Berichte (mir. 12, 27, 68) begegnet das Wort περιεργία, in einem (mir. 59) nicht. Wiederum in drei der vier Berichte betont Sophronios, dass die vergiftete Person gestorben wäre, wäre ihr Gott nicht rechtzeitig zur Hilfe geeilt (mir. 12, 59, 68). Gift tötet schnell und effektiv. In drei Fällen (mir. 27, 59, 68) verursacht das Gift heftige Schmerzen in den Eingeweiden, in einem (mir. 12) eine Lähmung. Die Heilmittel variieren. Zwar unterscheidet sich mir. 59, in dem das Wort περιεργία nicht begegnet, in diesen Motiven nicht von den übrigen Vergiftungsgeschichten, doch ist die Heilungsgeschichte ungewöhnlich: Nachdem Stephanos das Heilmittel zu sich genommen hat, springt ein Tausendfüßler (σκολοπένδρα) aus Stephanos’ Kopf heraus. Nun liegt es nahe, Gift und Tausendfüßler zu assoziieren, 152
Vgl. FRENSCHKOWSKI, Magie, 171–174. Mir. 12,0; 21,0; 21,1; 23,1; 27,5; 35,11; 35,12; 63,0; 63,1; 68,0. 154 Εἴτε οὖν δηλητηρίοις χρώμενοι, εἴτε βλαπτικαῖς δαιμόνων ὁρμαῖς τε καὶ μάστιξιν ἐκάκουν τὸ γύναιον, ἀγνοοῦμεν (21,2,1f [282 FM]). 155 περιεργίᾳ πρὸς αὐτῶν ὑποβάλλεται, οὐ μαγγανείαν ὑποστὰς διὰ βρώσεως, ἢ δηλητήριον λαβὼν διὰ πόσεως, ἀλλὰ πληγεὶς ἀφειδῶς διὰ δαίμονος, καὶ μυσαροῦ καὶ μέγιστα βλάπτοντος πνεύματος (63,1,5–7 [381FM]). 153
3.4. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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doch enthält sich Sophronios einer solchen Zuschreibung. Ebenso bleibt unklar, inwieweit sich diese Giftgabe von den übrigen Giftgaben unterscheidet: Fällt dieses Gift nicht unter den Begriff περιεργία oder erwähnt Sophronios diesen Begriff hier nur nicht? In den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes beschreibt Sophronios drei Typen von magischen Leidensursachen: Zunächst Artefakte, die er offenbar als μαγεία im eigentlichen Sinn versteht und die die Protagonisten beider Berichte lähmen, sodann Gift. Schließlich können auch zur Hilfe gerufene Dämonen Leiden verursachen. Beides, Gift zu verwenden und Dämonen anzurufen, bezeichnet Sophronios als περιεργία. Menschen, die sich μαγεία oder περιεργία bedienen, charakterisiert Sophronios durchweg als bösartig und von Eifersucht getrieben. Hierin ähneln sie dem Teufel und dessen Schergen. μαγεία und περιεργία verursachen vorzugsweise Lähmungen156 und heftige Schmerzen in den Eingeweiden.157 Nur in einem Fall hat περιεργία eine andere Wirkung, nämlich dass das Gesicht dauerhaft zittert. Sophronios erkennt durchaus an, dass magische Praktiken Leiden verursachen können. Wie mir. 23 zeigt, bleiben sie aber ein Erklärungsansatz unter vielen. Dort konstatiert er nüchtern: „So gewaltig und ungewöhnlich war die Krankheit: Ob es Magie hervorgebracht hat oder irgendein anderer natürlicher Umstand, wissen wir nicht. Denn wir konnten allein das Leiden und dessen Behandlung in Erfahrung bringen.“158 Und dennoch lässt Sophronios keinen Zweifel daran, dass μαγεία und περιεργεία gottlose Treiben sind, gegen die Menschen ohne die Hilfe der Märtyrer machtlos sind: Ärzte vermögen selbst gegen die Gifte nichts auszurichten, die die Märtyrer durch herbeigeführtes Erbrechen unschädlich machen. 3.4.4.3 Teufel und Dämonen159 Unter den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes finden sich insgesamt 20 Berichte, in denen der Teufel, ein oder mehrere Dämonen ein Leiden verursachen. Diese Berichte lassen sich in insgesamt drei Gruppen einteilen: Zunächst sind die mir. 3, 9, 26, 33, 34 und 44 zu nennen, in denen der Teufel, ein Dämon oder Dämonen ein Unglück verursacht haben sollen, bei dem sich die jeweiligen Protagonisten verletzen (A). In den übrigen Berichten verursa156
περιεργεία: mir. 12 (Gift), μαγεία/περιεργεία: mir. 35, μαγεία: 55. περιεργεία: mir. 21 (unbekannt), 27, 68, in gewisser Weise auch 59 (Gift). 158 οὕτω δεινὸν ἦν τὸ νόσημα καὶ ἀλλόκοτον· εἴτε δὲ περιεργίας τοῦτο τεκούσης, εἴτε καὶ φυσικοῦ τινος ἄλλου συμπτώματος, οὐ γινώσκομεν· μὸνον γὰρ τὸ πάθος καὶ τὴν τούτου θεραπείαν μαθεῖν ἠδυνήθημεν (23,1,11–13 [285 FM]). 159 Vgl. zum Ganzen DE JONG, Demonic Diseases, 1–8. 157
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chen Teufel und Dämon die Leiden der jeweiligen Protagonisten unmittelbar. In den mir. 35, 41, 56, 63 und 67 treten sie den jeweils Betroffenen als eigenständig agierende Wesen gegenüber (B). Dämonen können aber auch von ihrem Opfer Besitz ergreifen, und Menschen Dämonen haben. Diese Phänomene bezeichnen wir als Besessenheit. Hiervon berichtet Sophronios in den mir. 14, 32, 36, 40, 54, 57, 65 und 66 (C). A. Auf Dämonen zurückgeführte Unglücke In insgesamt sechs Berichten erleiden die jeweiligen Protagonisten ein Unglück, das Sophronios auf das Wirken von Dämonen zurückführt. Dabei kann es sich um einen Unfall handeln (mir. 3, 9, 33) oder eben um einen der Fälle, in denen Tiere verschluckt werden (mir. 26, 34, 44).160 In mir. 9 verweist Sophronios pauschal auf „Dämonen“ (δαίμονες). In den übrigen fünf Berichten bewirkt das Unglück der Teufel selbst;161 in mir. 44 erwähnt Sophronios beides, dass der Teufel und dass Dämonen Anna den Tod zu bereiten versuchen.162 Der Teufel steht den jeweiligen Protagonisten und auch den Märtyrerheiligen diametral gegenüber: In mir. 3 stürzt Kalos – ein, wie Sophronios eigens betont, sprechender Name –, während er eine Treppe hingeht, und zwar „durch den Eifer des Teufels und dessen gewaltiger Abneigung gegen das Schöne“.163 Ganz ähnlich ergeht es Kosmiane, deren Unglück Sophronios in mir. 33 berichtet. Sie sucht die Märtyrerheiligen nicht wegen einer Krankheit auf, sondern allein um ihnen die Ehre zu erweisen. Dies missfällt dem Teufel: „Als der Vater des Neides sah, mit wie viel Verlangen sie zu den Heiligen drängte, meinte er, dass er großen Schaden nähme, wenn sie mit solchem Eifer und solcher Wärme in den heiligen Bezirk gelange.“164 Auf halber Strecke – Kosmiane reitet auf einem Esel – löst er den Sattel. Kosmiane stürzt und stirbt. Die Märtyrer reanimieren sie. Kosmiane kommt wieder zu sich, lehnt jedoch jede ärztliche Behandlung ab und setzt ihren Weg zu den Heiligen fort. Sie erinnert die Märtyrer daran, weshalb sie ursprünglich zu ihnen 160
Vgl. Kap. 3.4.3.1. Mir. 3: μισόκαλος, mir. 26: διάβολος ὁ μισάνθρωπος, mir. 33: ὁ τοῦ φθόνου πατήρ, μισόκαλος, mir. 34: ἀρχέκακος. Zu mir. 44 vgl. die folgende Anm. 162 ἡ παροῦσα μονάστρια … καινῷ δεινῷ περιπέπτωκεν, ᾧ ὁ διάβολος αὐτῇ προευτρέπισε, καὶ μόνην εὑρών, τούτῳ τῷ τρόπῳ πρὸς θάνατον ἤλασε (44,3,1–4 [348 FM]); τὸν ἐκ δαιμόνων αὐτῇ σκευασθέντα διέφυγε θάνατον (44,8,1f [349 FM]). 163 ἐκ τῆς τοῦ μισοκάλου σπουδῆς, καὶ τῆς πρὸς τὰ καλὰ δεινῆς ἀντιστάσεως (3,1,3f [248 FM, Hervorhebung des Verfassers]). 164 Ταύτην ὁ τοῦ φθόνου θεασάμενος, σὺν πόθῳ πλείονι πρὸς τοὺς ἁγίους ὁρμήσασαν, μεγάλην αὐτὸ[ν] τὴν ζημίαν ὑφέξειν ἐμομιζεν, εἰ μετὰ τοσαύτης σπουδῆς καὶ θερμότητος εἰς τὸν ναὸν τὸν θεῖον ἀφίκοιτο (33,4 [313 FM]). 161
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kommen wollte und dass selbst der Teufel sie nicht davon habe abhalten können.165 Nun sei es nur recht und billig, wenn sie sie auch heilten. Dies tun Kyros und Johannes auch. In mir. 9 berichtet Sophronios, dass Theodora im „Bad der Heiligen“ (§8) ausrutscht und stürzt. Der Ort erweist sich dabei als besonders verhängnisvoll: Zum einen fallen Theodoras Verletzungen nun, nachdem sie ein Bad genommen hat, deutlich schwerer aus, als sonst zu erwarten.166 Zum anderen meinte man in der Spätantike, dass sich Dämonen gerne in Bädern aufhielten und dort wegen der Umweltbedingungen auch besonders aggressiv seien.167 Gleichwohl erklärt Sophronios zunächst, Theodora sei auf dem von Kosmetikartikeln rutschigen Boden ausgerutscht. Erst als er Kyros’ und Johannes’ Behandlungsanweisung wiedergibt, ist von Dämonen die Rede: Kyros und Johannes verordnen Theodora nämlich, „ein Bad zu nehmen – denn sie erkannten, dass der Schaden von Dämonen herrühre –, damit sie an dem Ort, an dem die Dämonen Theodora bedrohten, nun auch das Denkmal ihrer Behandlung aufstellten.“168 Dieser Gegensatz zwischen dem Teufel und den Dämonen einerseits, den Märtyrerheiligen andererseits ist für Sophronios von grundsätzlicher Natur: In mir. 26 betitelt Sophronios den Teufel als ὁ μισάνθρωπος. Ihm stehen die auch οἱ φιλάνθρωποι genannten Märtyrerheiligen Kyros und Johannes gegenüber. Zwischen diesen beiden stehen die Menschen – von dem einen bedroht und den anderen beschützt.169 Dies zeigt sich in den mir. 34 und 44 besonders deutlich, in denen die noch jungen Anna und Kallinikos dem Teufel in die Falle tappen und versehentlich Tiere verschlucken, die ihnen in der Folge große Schmerzen bereiten.170 Zugleich wird hieran die funktionale Ähnlichkeit von Märtyrerheiligen und Dämonen deutlich: Die Vorstellung, dass sie handeln, ermöglicht es Menschen, zu begreifen, was ihnen sonst unbegreiflich bliebe.171 165
ὁ μισόκαλος κωλῦσαι τεθέληκεν, ἀλλ᾿ οὐκ ἴσχυσεν, τὴν ὑμῶν εὑρὼν συζυγίαν ἀντίπαλον (33,7,7–9 [314 FM]). 166 Vgl. hierzu Kap. 3.4.1.2, S. 113f. 167 Vgl. GASCOU, Sophrone, 48 Anm. 253. Dieses Phänomen untersuchen eingehender BONNER, Demons, 203–208, und MEYER, Magie, 937–942. 168 καὶ λουτρῷ δὲ προσφόρως κελεύουσι χρήσασθαι, ἐκ δαιμόνων εἶναι τὴν βλάβην νοήσαντες, ἵνα καθ᾿ ὅν τόπον (cj. GASCOU [Sophrone, 48 Anm. 253] ex L in loco in quo, τρόπον C, E, FM) ἡ τούτων ἐπήρεια γέγονε, κἂν τούτῳ αὐτοὶ τὸ τῆς θεραπείας στήσωσι τρόπαιον (9,11,7–10 [259 FM]). Erkrankung und Heilmittel weisen oft eine gewisse Nähe auf. Vgl. Kap. 4.4.2, S. 211f. 169 Vgl. auch Kap. 4.3.4, S. 197f, und Kap. 4.4.3, S. 219–220. 170 Vgl. Kap. 3.4.3.1, S. 105f. 171 „Being neither god nor man the demon may act on behalf of both in that particular realm to which each of the two do not have access. The notion of demon in all its different
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Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
Diese Figur, dass der Teufel das Leben von Menschen negativ beeinflusst, begegnet in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes keineswegs nur, wenn Sophronios über Unfälle und die aus ihnen resultierenden Leiden schreibt. Auch Stimmungsveränderungen, die dem jeweiligen Protagonisten zum Nachteil gereichen, können auf Dämonen zurückgeführt werden. So beschreibt Sophronios etwa die Gemütslage des Theodoros in mir. 36: „Durch die Einwirkung eines Dämons verfiel er aber nach der Kommunion in eine gewaltige Verzweiflung“ und schlief betrübt ein.172 B. Physisches Einwirken von Dämonen In insgesamt vier Berichten, mir. 41, 56, 63 und 67, beschreibt Sophronios, wie Dämonen den jeweiligen Protagonisten attackieren. In mir. 41 berichtet Sophronios, wie der kleine Menas zu seinem Leiden kam: Eines Nachts, als (Menas) schlief, ergriff irgendein frevelhafter, an großem Menschenhass leidender Dämon dessen Zunge und zog sie aus dem ihr eigenen Platz heraus. Der Abscheulichste attackierte sie ohne Erbarmen, vergrößerte sie durch seine Schläge und machte, dass sie draußen hing, sich aber nicht mehr nach innen zurückziehen konnte.173
Sophronios’ Schilderung ist in zumindest drei Hinsichten bemerkenswert: Zum einen ist es „irgendein … Dämon“ (δαίμων τις), nicht etwa mehrere Dämonen oder der Teufel selbst, der dieses Attentat begeht. Dies unterscheidet dieses Leiden von der eben betrachteten Gruppe. Zum anderen führt Sophronios auch keinen besonderen Grund an, weshalb dieser Dämon Menas attackiert. Stattdessen verweist er allgemein auf dessen Frevelhaftigkeit und Menschenhass:174 Der Dämon schlägt ohne Erbarmen zu. Zudem ist es drittens durchaus bemerkenswert, wie detailliert Sophronios beschreibt, was der Dämon tut. Er tritt Menas gegenüber, zieht seine Zunge heraus und schlägt sie breit. Allein, wer ihm diese Information gegeben hat – der Junge schläft und wacht offenbar auch durch die Schläge nicht auf – und warum niemand jemals zuvor ein solches Leiden beobachtet hat, erklärt Sophronios nicht. uses pay witness to this discursive funtion that enables humans to bridge the gap to the inaccessible.“ (KLOSTERGAARD PETERSON, Notion, 39) 172 Ἐξ ἐνεργείας δὲ δαίμονος είς δεινὴν (Politis: ἀθυμίαν) εἰσπέπτωκεν μετὰ τὴν μετάληψιν, καὶ ἐν τοῖς οἰκείοις ἑαυτὸν ἐμβαλὼν λυπούμενος στρώμασι θᾶττον ἐκ τῆς λύπης ἀφύπνωσε (36,23,1–3 [227 FM]). 173 νυκτὸς ὡς ἐκάθευδεν, δαίμων τις ἀλιτήριος πολὺ νοσῶν τὸ μισάνθρωπον, τῆς τούτου γλώττης δραξάμενος τῆς οἰκείας ἑστίας ἐξέσπασεν· καὶ πλήξας ἀφειδῶς ὁ παμμίαρος, καῖ μείζονα τάυτην ταῖς πληγαῖς ἐργασάμενος, ἔξω κρέμασθαι καὶ μὴ χωρεῖσθαι τοῖς ἔνδον πεποίηκε (41,4,2–6 [341 FM]). 174 Bemerkenswert ist Sophronios’ Hinweis, der Dämon leide (νοσῶν) an Menschenhass.
3.4. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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Diese Form dämonischen Einwirkens ist also in doppelter Hinsicht ungewöhnlich: Sophronios gebraucht ein Bild – die Schläge, die, anders als es zu erwarten wäre, keine Schmerzen verursachen –, um zu erklären, wie der Dämon vorgeht. Und obwohl es sich bei dem Beschriebenen um etwas offensichtlich Seltenes handelt, steht doch nicht in Frage, dass Dämonen derartiges bewirken können. Deshalb kann Sophronios auch auf eine ausführlichere Erklärung ihrer Wirkweise verzichten.175 Die Ärzte jedenfalls, die den Jungen selbstredend untersuchen, sind entsetzt und ratlos, zumal sie selbst „in den Schriften der alten Asklepiaden“176 keinen Hinweis auf dieses Leiden finden. In aller Ausführlichkeit – die Schilderung erstreckt sich über drei Paragraphen – beschreibt Sophronios die Krankheit und den Ekel, den sie hervorruft.177 Die Menschen wenden sich von Menas ab, um nicht erbrechen zu müssen. Dem einen oder der anderen gelingt es, den Ekel zu überwinden und den Jungen anschauen. Sie alle stellen die Frage, die Jesu Jünger Jesus über den Blindgeborenen gestellt haben: „Wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er so geworden ist?“178 Sophronios verschweigt Jesu Antwort, die da lautet: „Weder dieser noch seine Eltern, vielmehr damit Gottes Werke in ihm offenbar werden.“179 Tatsächlich zielt der Wunderbericht aber genau hierauf ab. Entsprechend jubeln die, die Menas’ Heilung bezeugen, auch: „Wir haben heute Unglaubliches gesehen“.180 In mir. 63 berichtet Sophronios von Elpidios, dessen Feinde ihm einem Zauber unterwerfen. 181 Elpidios wurde von einem Dämon geschlagen, einem dreckigen und ausgesprochen schädlichen Geist. Sein ganzes Gesicht, wo er auch den Schlag abbekommen hatte, zitterte nämlich immer. Was ihn unkontrolliert und heftig erschütterte, ließ den ganzen Kopf und zugleich den Nacken erzittern.182
175
Vgl. zu den einzelnen Motiven – „Dämonen kommen von außen an den Menschen heran“, „Dämonen schädigen die Menschen“ und „Dämonen sind menschenähnlich dargestellt“ – mittel- und neuplatonischer Dämonologie BUSCH, Testament, 56–62. 176 ἐν τοῖς ἀρχαίων Ἀσκληπιάδων συγγράμμασι (41,5,4f [342 FM]). 177 Vgl. hierzu Kap. 3.3.3. 178 τινὰς δὲ ταύτῃ προστιθέναι καὶ τῆν περὶ τοῦ τυφλοῦ γεννηθέντος ἀποστολικὴν ἐπερώτησιν, τό· Τίς ἄρα ἥμαρτεν, οὗτος ἢ οἱ γονεῖς αὐτοῦ, ἵν᾿ οὕτως γένηται; (41,3,11–13 [341 FM] mit einem Zitat aus Joh 9,2). 179 οὔτε οὗτος ἥμαρτεν οὔτε οἱ γονεῖς αὐτοῦ, αλλ᾿ ἵνα φανερωθῇ τὰ ἔργα τοῦ θεοῦ ἐν αὐτῷ (Joh 9,3 [328 NA28]). 180 Εἴδομεν … παράδοξα σήμερον (41,9,5f [343 FM] mit einem Zitat aus Lk 5,26). 181 περιεργίᾳ πρὸς αὐτῶν ὑποβάλλεται (63,1,5 [381 FM]). Vgl. hierzu Kap. 3.4.4.2. 182 πληγεὶς … διὰ δαίμονος, καὶ μυσαροῦ καὶ μέγιστα βλάπτοντος πνεύματος. Ἀεὶ γὰρ αὐτοῦ πᾶν ἐδονεῖτο τὸ πρόσωπον· καθ᾿ οὗ καὶ τὴν πληγὴν ὑπῆρξε δεξάμενος· ὅπερ
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Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
Auch hier beschreibt Sophronios das Wirken des Dämons als einen Schlag. Obwohl der Schlag auch Elpidios offensichtlich nicht im eigentlichen Wortsinn schmerzt, hat er doch zur Folge, dass sein Gesicht samt Kopf und Nacken fortan zittert. Es ist also durchaus bedeutsam, wo Elpidios getroffen wurde. Elpidios’ Leiden erinnert Sophronios an Kain, der als Strafe für den Brudermord „jammernd und zitternd auf der Erde“183 sein sollte. Dennoch gebe es – einmal davon abgesehen, dass Elpidios’ Leiden schwerer wiege – einen weiteren wesentlichen Unterschied: Gott habe Kain mit den besten Absichten, eben die Menschen liebend, bestraft. Der Dämon hingegen handelt die Menschen hassend.184 Die Märtyrerheiligen verschreiben Elpidios, er solle Wasser aus einem See mit dem magisch klingenden Namen τὰ Ἄδυτα kommen lassen,185 es trinken und sich damit Kopf und Hals waschen. Wasser findet in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes als Heilmittel des Öfteren Verwendung. Mit ihm bekämpfen die Märtyrer auch hier Gleiches mit Gleichem:186 „Das unruhig Fließende ließ Kopf und unruhiges Angesicht zum Stehen kommen. Und das Wasser, das im Fließen begriffene, machte den immer bewegten Nacken unbeweglich.“187 Die mir. 56 und 67 fallen insofern aus dem Rahmen, als es hier Tiere zu sein scheinen, die das Leiden des jeweils Betroffenen verursachen. Georgios, der Protagonist des 56. Wunders, jagt einem Hasen nach, doch gelingt es ihm nicht, diesen auch zu fangen: „Die Erscheinung war nämlich kein Hase, sondern ein schändlicher, menschenfeindlicher Geist.“188 Georgios gibt auf, bleibt stehen und ist gelähmt. Als ob es sich um einen Allgemeinplatz handelἀκουσίως καὶ βιαίως σειόμενον ἑαυτῷ, συνεσάλευε πᾶσαν ὁμοῦ τὴν κεφαλὴν καὶ τὸν τράχηλον (63,1,6–2,3 [381 FM]). 183 στένων καὶ τρέμων ἔσῃ ἐπὶ τῆς γῆς (GenLXX 4,12), στένων καὶ τρέμων ἐπὶ τῆς γῆς LXX (Gen 4,14). 184 ὅσον Θεὸς μὲν ἐκεῖνον φιλανθρώπως ἐκόλαζε, δαίμων δὲ τοῦτον μισανθρώπως ἐμάστιζεν (63,2,8f [381 FM]). Tatsächlich handelt es sich bei dem sogenannten Kainsmal, das Sophronios als Zittern deutet, um ein Schutzmal, das ihn vor Rache bewahren soll (Gen 4,15). 185 NISSEN, Sophronios-Studien, 279. Sophronios lokalisiert diesen ansonsten unbekannten See an der libyschen Grenze, 500 Stadien, also ca. 104 km westlich von Alexandrien. Vgl. GASCOU, Sophrone, 204 Anm. 1217. 186 Zu diesem „homöopathischen“ Therapieprinzip der Märtyrerheiligen: Kap. 4.4.2, S. 211f. 187 τὸ νᾶμα τὸ ἄστατον ἵστη κεφαλὴν καὶ πρόσωπον ἄστατον· καὶ ὕδωρ τὸ ἀεὶ τῇ ῥεύσει κινούμενον, ἀκλόνητον ἐποίει τὸν ἀεὶ κλονούμενον τράχηλον (63,5,5–7 [382 FM]). 188 οὐ γὰρ ἦν λαγωὸς τὸ φαινόμενον, ἀλλὰ πνεῦμα πονηρὸν καὶ μισάνθρωπον (56,1,10f [371 FM]).
3.4. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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te – tatsächlich konnte der Verfasser keine Parallele finden –, erklärt Sophronios, dass „solches die Gaben jenes Hasen“ seien.189 Gleichwohl ist es wichtig, zu notieren, dass Sophronios zumindest von einer Attacke eines Tieres berichtet, ohne hierbei einen dämonischen Einfluss zu erwägen. In mir. 53 attackiert ein Hai Theodoros und verletzt ihn schwer. Nicht jedes Leiden, das durch ein Tier verursacht ist, ist also auch ein dämonisches Leiden. C. Besessenheit Unter den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes finden sich insgesamt acht Berichte (mir. 14, 32, 36, 40, 49, 54, 57, 65), in denen Dämonen von Menschen Besitz ergreifen oder Menschen einen Dämon haben. Im Folgenden seinen die einzelnen Berichte190 genauer betrachtet. In mir. 14 berichtet Sophronios von Theopompos, der schon 18 Jahre lang unter einem Dämon leidet und nun endlich die Märtyrerheiligen aufsucht. Anhand seines Falles erklärt Sophronios, weshalb es den Menschen so schwer fällt, den Anblick von Besessenen zu ertragen: eben weil es sich um kein körperliches Leiden handelt, sondern um eine Krankheit der untersterblichen Seele. Indem Dämonen auf Seelen einwirken und sie so zur Veränderung zwingen, fügen sie ihnen Leiden zu, die deren Natur zuwiderlaufen.191 Sophronios verzichtet allerdings darauf, zu beschreiben, wie die Dämonen auf die Seelen einwirken. Er beschränkt sich hier und anderswo darauf, dass die Dämonen den jeweils Betroffenen Schaden zufügen. Wie sich diese Krankheit auswirkt, wie sich „das Wüten des Dämons“192 zeigt, schildert Sophronios in diesem Bericht nicht. Sophronios berichtet nur, dass Theopompos die Märtyrer aufsucht, die den Dämon dann „neutralisieren und vertreiben“.193 Damit sind bereits zwei wichtige Motive eingeführt: Die Dämonen wüten und ihre Gegenspieler, die Märtyrerheiligen, versuchen, sie zu verjagen. Hierzu gesellt sich ein drittes Motiv, das der Enge oder des Bedrängtwer-
189
τοιαῦτα γάρ ἐστιν ἐκείνου τοῦ λαγωοῦ τὰ χαρίσματα (56,2,3f [371 FM]). Zu mir. 54 s. Kap. 3.4.1.2, 112f. 191 μὴ πάθος καθέστηκεν σώματος … Ἀλλὰ ψυχῆς ἀθανάτου παρὰ φύσιν τὸ νόσημα (14,2,2f.3,2f [271 FM]). Vgl. hierzu ausführlich Kap. 3.4, S. 105f. 192 τοῦ δαίμονος τὴν λύτταν (14,3,7 [272 FM]). 193 τοῖς ταύτην καταργοῦσίν τε καὶ διώκουσιν Κύρῳ καὶ Ἰωάννῃ προσέρχεται μάρτυσιν (14,3,7f [272 FM]). Nicht immer ist es der Protagonist, der die Märtyrerheiligen aufsucht. In mir. 40,2 etwa wird der Protagonist in Ketten gelegt und zu den Märtyrern geführt. 190
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Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
dens.194 Alle drei Motive begegnen gepaart mit der doch recht schematischen, deutlich biblische Anleihen aufweisenden Beschreibung, wie sich der Besessene verhält, auch an anderer Stelle wieder, so beispielsweise in mir. 40: Der Grund seines Umzugs war ein, wie sie sagen, wilder Dämon, der in ihm Wohnung genommen hatte und wegen seiner großen Wildheit unerträglich war. Seinetwegen wurde Johannes mit Ketten gefesselt zu den Märtyrern geführt, damit sie sich seiner erbarmten und ihn von dem mit ihm zusammen wohnenden Dämon befreiten. Dies taten sie auch sogleich. Sie vertrieben den Dämon geschwind und beschenkten ihn mit der dauerhaften Lösung seines Wahnsinns.195
Gelegentlich schildert Sophronios ausführlicher, wie sich Besessene verhalten: In mir. 36, dem längsten der insgesamt 70 Wunderberichte, erscheinen Kyros und Johannes dem Häretiker Theodoros im Traum und erklären, dass sie ihn nicht heilen würden, solange er sich nicht der katholischen Kirche196 anschließe. Am nächsten Morgen geht Theodoros zu ihrem Grab, um zu beten. Dort trifft er auf einen gewissen Paschasios,197 „der von einem bösen Geist bedrängt wurde“.198 Dies zeigt sich an der Art und Weise, wie er spricht, mit einer „durchdringenden Stimme“, seinen grimmigen Blicken und daran, dass er mit den Zähnen knirscht.199 Paschasios erklärt Theodoros auf Anordnung der Märtyrer,200 was er zu tun habe. Daraufhin entsinnt sich dieser seines Traumes und schließt sich, indem er das Abendmahl empfängt, der Kirche an. Gerade deshalb ist es durchaus bemerkenswert, dass Theodoros kurz darauf „unter dem Einfluss eines Dämons“ einer großen Traurigkeit verfällt.201 Wiederum sind es die Märtyrer, die helfend eingreifen, nun aber
194 Ἀδελφὲ Θεόπεμπτε, λέγουσιν, ἰδοὺ τὸ παρενοχλοῦν σοι καὶ θλίβον σε πνεῦμα πονηρὸν … ἀπηλάσαμεν. … σὺν τῷ δαιμονίῳ καὶ τὸν ἐξ ὁδοιπορίας ἀποθέμενος κάματον (14,5,3–5 [272 FM]). 195 τὸ δὲ τῆς μετοικήσεως αἴτιον, δαίμων ἦν, ὡς λέγουσιν, ἄγριος, ὃς ἐν αὐτῷ τὴν κατοικίαν ποιούμενος, ἀφόρητος ἦν διὰ πολλὴν ἀγριότητα. Τούτου χάριν ὁ Ἰωάννης δεδεμένος ἁλύσεσιν πρὸς τοὺς μάρτυρας ἤγετο, ὅπως αὐτὸν ἐλεήσαντες τοῦ συνοικοῦντος λυτρώσωνται δαίμονος· ὃ καὶ θᾶττον πεπράχασιν. Ἐκβαλόντες γὰρ εὐθὺς τὸ δαιμόνιον, τῆς τούτου μανίας διηνεκῆ δωροῦνται τὴν λύτρωσιν (40,2,3–9 [339 FM]). 196 Vgl. zur Bedeutung des Epithetons „katholisch“ WIPSZYCKA, Καθολική, bes. 166– 168. 197 GASCOU (Sophrone, 132 Anm. 771) weist darauf hin, dass dieser sprechende Name sonst kaum bezeugt ist: „Ce nom peu attesté, qui fait allusion à la Pâque, est à sa place dans le processus de régénération religieuse du patient.“ 198 ὑπὸ πονηροῦ πνεύματος ἐνοχλούμενον (36,22,2f [327 FM]). 199 διαπρυσίῳ φωνῇ τάδε πρὸς αὐτὸν ἀπεφθέγξατο, βλοσυρὸν ἐνιδὼν καὶ τοῖς ὀδοῦσι βρυχώμενος (36,22,3f [327 FM]). 200 καὶ ταῦτά σοι λέγειν οἱ ἅγιοι μοι προστάττουσι μάρτυρες (36,22,7f [327 FM]). 201 Ἐξ ἐνεργείας δὲ δαίμονος (36,23,1 [327 FM]).
3.4. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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gegen den Dämon stehend: Sie erscheinen Theodoros erneut im Traum und trösten ihn. Dass sich Sophronios in seiner Dämonologie in besonderer Weise des biblischen Vorbildes bedient, wird in mir. 65 noch deutlicher: Dort zitiert er die Bibel, um zu beschreiben, wie sich der Dämon an einem anderen Theodoros vergreift: „‚Er warf ihn oft‘, wie der Vater des Besessenen in den Evangelien zu dem Herrn sagt, ‚in Feuer und Wasser’“.202 Inwiefern es sich hierbei um eine Metapher handelt, bleibt letztlich unklar und auch hier wird nur umrissen, wie der Dämon agiert: Zwar erfahren wir, dass der Dämon die zweite, in diesem Bericht beschriebene Krankheit verursacht, aber nicht, wie er dies tut. Der biblische Bezug sichert seine Schilderung ab. Er genügt als Fundament, auf dem Sophronios bauen kann. Besessenheit kann sich in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes auch allein auf den Intellekt auswirken: Auch in mir. 57 betont Sophronios die Aggressivität des Dämons, der Kyriakos schon mehrfach das Leben genommen hätte, wenn nicht Christus über ihn gewacht hätte. Eigentlich bemerkenswert ist aber der Hinweis, dass Kyriakos „unverzagt und furchtlos war. Er war frei von Schlussfolgerungen und bar und fern jeder Überlegung.“203 In mir. 32 berichtet Sophronios von dem Heiden Agapios. Ihm gelingt es durch Bestechung, aus Konstantinopel nach Alexandrien zu fliehen und so seinem Todesurteil zu entgehen. Nur: Der rechten Hand der Gerechtigkeit entkam er nicht, sondern wurde von dieser ergriffen und bestraft; er wurde nicht, wie beim ersten Mal, den Gesetzen überlassen …, sondern unsichtbar getroffen von einem schweren und unausweichbaren Schlag. Eine Krankheit aber war dieser Schlag, die seinen ganzen Körper betroffen hat. Die Ärzte nennen sie Lähmung. 204
Agapios’ Lähmung breitet sich zusehends aus und erreicht schließlich auch die Zunge. Er sucht Kyros und Johannes auf, damit ihn niemand bezichtige, ein Heide zu sein. Schließlich würde in Agapios’ Situation, so Sophronios’ Hintergrundannahme, jeder und jede die Märtyrerheiligen aufsuchen. Dort
202
πολλάκις γὰρ ὡς ὁ τοῦ δαιμονιῶντος πατὴρ ἐν Εὐαγγελίοις πρὸς τὸν Κύριον ἔφησεν, εἰς πῦρ αὐτὸν καὶ ὕδωρ ἐνέβαλε, κτείνειν ἀφειδῶς καὶ ἀπολλύειν βουλόμενον (65,2,4–6 [384 FM]). 203 ἀλλ᾿ ἦν ἀδεής τε καὶ ἄφοβος, λογισμῶν ἔρημος, καὶ πάσης διανοίας ὀρφανὸς καὶ ἀλλότριος (57,2,4f [372 FM]). 204 τὴν τῆς δίκης δεξιὰν οὐ διέφυγεν, ἀλλ᾿ ὑπὸ ταύτης κατασχεθεὶς ἐκολάζετο· οὐ νόμοις παραδοθεὶς ὡς τὸ πρότερον …, ἀλλ᾿ ἀοράτως πληγεὶς πληγὴν χαλεπήν τε καὶ ἄφυκτον· νόσος δὲ ἦν ἡ πληγὴ κατὰ παντὸς εὐρυνομένη τοῦ σώματος, ἣν Ἀσκληπιάδαι προσαγορεύουσι πάρεσιν (32,4,1–3.5–7 [309 FM]).
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Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
angelangt, gibt er sich zunächst als Häretiker aus205 und umgeht so, am Abendmahl teilzunehmen. Um aber dann nicht noch mehr Aufsehen und Unmut zu erregen, nimmt er doch am Abendmahl teil. Sogleich fuhr ein wilder Dämon in ihn ein … Er lag auf dem Boden, wandte sich in Krämpfen, verdrehte die Augen, seine Glieder verbogen sich übel und Schaum kam aus seinem Mund, eine Meereswelle erbärmlich nachahmend. Wenn er plötzlich zu sich kam, falls er wirklich zu sich kam, konnte er doch überhaupt nicht sprechen oder die Zunge bewegen.206
Der Dämon erstickt ihn schließlich. Agapios stirbt. Nun liegt es nahe, dass es sich hierbei um eine Strafmaßnahme der Märtyrerheiligen handelt. Jedenfalls berichtet Sophronios über Agapios auch, „damit niemand, der allein die Heilungen ansieht, glaube, die Märtyrer seien in der Abwehr weniger aktiv“.207 Nur erfahren wir wiederum nicht, wie Kyros und Johannes im Einzelnen vorgehen. Sophronios hält sich, wie in Kap. 3.4.4.1 gezeigt werden konnte, auffallend zurück, ein Leiden direkt auf Gott oder die Märtyrerheiligen zurückzuführen: Agapios’ Lähmung ist der eine von zwei Fällen, die Sophronios direkt auf die göttliche Gerechtigkeit zurückführt. Da es in mir. 38 die Märtyrerheiligen sind, die deren Urteil ausführen, 208 liegt es nahe, Kyros und Johannes eine aktive Rolle zuzuweisen. Ein ähnliches Schicksal mit allerdings deutlich weniger gravierenden Folgen erleidet Georgios, über den Sophronios in mir. 49 berichtet: Die Märtyrer bestrafen ihn, der ihnen ein Schwein unterschlagen hat, indem sie „einem ausgesprochen bösen Geist die Einfahrt gestatteten“.209 Dem liegt die Vorstellung zu Grunde, dass die Märtyrerheiligen Dämonen Befehle erteilen können. In der Regel schützen sie die Menschen. Hier nun unterlassen sie dies aber und erlauben dem bösen Geist, in Georgios einzufahren. Georgios befreien die Märtyrer nicht. Stattdessen muss er nun zwei Mal am Tag ihre Anlage kehren, die Augen wie ein Schwein auf den Boden gerichtet, um ihn an seinen Betrug zu erinnern und zur Buße zu animieren. Bemerkenswert ist, dass er hierzu offenbar in der Lage ist. Von einem Dämon
205
ὡς ἐν αἱρέσεως σχήματι (32,9,2 [311 FM]). δαίμων ἄγριος εἰς αὐτὸν εἰσεπήδησεν, … καὶ χαμαὶ κείμενος ἐσπαράττετο, καὶ τοὺς ὀφθαλμοὺς διεστρέφετο, καὶ τὰ μέλη χαλεπῶς ἐλυγίζετο, καὶ τοὺς ἀφροὺς ἐκ τοῦ στόματος ἔπεμπε κῦμα θαλάττιον ἐλεεινῶς ἐκμιμούμενος· καὶ νήφων μὲν ἐξ ὀλίγου, εἴπερ ἄρα καὶ ἔνηφε, λαλεῖν δὲ παντελῶς ἢ τὴν γλῶτταν ὅλως κινεῖν οὐκ ἠδύνατο (32,9,6.8–12 [311 FM]). 207 ἵνα μὴ μόνας τὰς ἰάσεις θεώμενοι ἀργοτέρους πρὸς ἄμυναν τοὺς μάρτυρας οἴοιντο (32,11,3f [311 FM]). 208 Vgl. hierzu Kap. 3.4.4.1 und zu mir. 38 insgesamt Kap. 5.3. 209 πονηροτάτῳ δαίμοντι τὴν εἰσβολὴν συγχωρήσαντες (49,5,7f [358 FM]). 206
3.4. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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befallen zu sein, wirkt sich in den einzelnen Berichten eben recht unterschiedlich aus. D. Krankheit und Dämonen Die Leiden, die von Dämonen verursacht werden, lassen sich in drei Gruppen einteilen: (A.) Leiden, die Sophronios auf ein von Dämonen verursachtes Unglück zurückführt, (B.) von Dämonen direkt verursachte körperliche Leiden sowie (C.) Menschen, die einen Dämon haben bzw. von einem Dämon bedrängt werden und darunter leiden. Die beschriebenen Leiden weisen gewisse Gemeinsamkeiten auf: Teufel und Dämonen werden als menschenfeindlich und -hassend beschrieben. Sie treten den Menschen gegenüber. Sie versuchen, ihnen zu schaden, und es gelingt ihnen auch. Sie stehen den Märtyrerheiligen gegenüber und sind diesen prinzipiell unterlegen.210 Während Ärzte gegen Dämonen nichts auszurichten vermögen, gelingt es Kyros und Johannes grundsätzlich, sie zu verjagen. Zwar bedienen sie sich hierzu gelegentlich eines Heilmittels, eigentlich entscheidend ist aber ihr Wort.211 Im Einzelnen unterscheiden sich die Berichte dann aber doch deutlich voneinander: Die unter A. gesammelten Unglücke werden fast sämtlich auf den Teufel zurückgeführt, während die übrigen Berichte von einem oder auch irgendeinem Dämon sprechen. Nur die Berichte, in denen ein körperliches Leiden auf einen Dämon zurückgeführt wird, beschreiben, wie der Dämon das jeweilige Leiden verursacht. Dass sie hierzu in der Lage sind, steht außer Frage. Gerade bei den unter C. zusammengetragenen Fällen von Besessenheit zeigt sich zudem eine wiederkehrende, deutlich an der Bibel orientierte Motivik. Mit mir. 67 widersetzt sich zumindest ein Bericht dem hier vorgeschlagenen Schema: Georgios hat einen Dämon,212 dem er entfliehen möchte.213 Die Märtyrer versuchen auch, ihn zu vertreiben, doch der Dämon leistet Widerstand. Er lässt eine Eule Georgios immer wieder, auch wenn dieser den Schlafplatz wechselt, bekoten. Georgios treibt dies in den Suizid: Er findet „ohne Zweifel durch teuflische Fügung“214 ein Messer und versucht, sich selbst zu töten.
210
Sophronios bewegt sich damit im Rahmen der mittel- und neuplatonischen Dämonologie. Vgl. hierzu BUSCH, Testament, 56–67. 211 Vgl. hierzu ausführlich Kap. 4.4.3. 212 καὶ δαιμόνιον ἔσχε (67,2,1 [387 FM]). 213 Τούτου ποθῶν τὴν φυγὴν ὁ Γεώργιος (67,3,1 [387 FM]). 214 ἐκ διαβολικοῦ δηλονότι συντάγματος (67,6,1f [388 FM]).
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Kapitel 3: Entstehung und Inszenierung von Krankheit und Leiden
Schließlich ist es durchaus bemerkenswert, dass Dämonen, auch wenn sie Krankheiten und Leiden verursachen können, nur am Rande als Krankheiten bezeichnet werden: In mir. 65 benennt Sophronios die Tatsache, dass Theodoros einen Dämon hat, als ἀσθενεία, νόσημα und πάθος. Dies dürfte in erster Linie der Tatsache geschuldet sein, dass hier gleich zwei Leiden beschrieben werden, der Dämon selbst und die von ihm verursachte Blindheit. In den übrigen Berichten lässt sich die Nähe der Dämonen zur Krankheit nur indirekt erschließen: In mir. 67 heißt es, Georgios habe bei den anderen Kranken215 gewohnt, und wenig später, dass der Erkrankte216 verlegt wurde. In den übrigen Fällen werden Dämonen nicht als Krankheit oder Leiden bezeichnet. 3.4.5 Wie entstehen Krankheiten und Leiden? Ein Fazit Sophronios interessiert sich sehr dafür, welche Ursachen die von ihm beschriebenen Leiden haben. Dies hat auch einen sachlichen Grund, insofern die Kenntnis der Leidensursache über den Behandlungserfolg entscheidet.217 Gleichwohl systematisiert er die verschiedenen von ihm angeführten Leidensursachen nicht. Als entsprechend schwierig erweist es sich, nicht nur natürliche von nicht natürlichen Leidensursachen zu unterscheiden, sondern auch die verschiedenen Leidensursachen voneinander abzugrenzen. Die meisten der in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes beschriebenen Krankheiten haben eine natürliche Ursache: Sie werden von einem Überfluss von Körpersäften verursacht oder haben andere Umstände zur Ursache, denen der Körper seit dem Sündenfall unterworfen ist. Auf diese natürlichen Leidensursachen geht Sophronios allerdings selten näher ein – wenn er sie überhaupt erwähnt (Kap. 3.4.1). Erscheint ihm die Leidensursache in irgendeiner Weise ungewöhnlich, nennt er sie. Dabei markieren die Leiden, die von eingedrungenen Tieren verursacht werden, nicht nur den Grenzfall zwischen natürlich und nichtnatürlich verursachten Leiden dar. Spätestens jetzt wird auch deutlich, dass Sophronios verschiedene Erklärungsansätze nebeneinander stellen oder ineinander übergehen lassen kann. In drei der insgesamt elf Fälle verschlucken die jeweiligen Protagonisten die Tiere nämlich nur vermeintlich versehentlich; eigentlich gehen sie Dämonen in die Falle. In zwei weiteren Fällen lassen περιεργία bzw. Gift die Tiere in den Körper des jeweils Betroffenen eindringen. In den übrigen sechs Fällen erläutert Sophronios nicht weiter, wie es dazu kam, dass der oder die jeweils Betroffene von Tieren befallen wird. Bei
215
μετὰ τῶν ἄλλων ἀσθενῶν (67,3,2f [387 FM]). τὸν ἀρρωστοῦντα (67,5,5 [388 FM]). 217 Vgl. Kap. 4.2.2, S. 158f. 216
3.4. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
137
genauerer Betrachtung zeigte sich auch, dass es durchaus bedeutsam ist, welche Tiere eindringen: Sie sind allesamt negativ konnotiert (Kap. 3.4.2). Ist eine Leidensursache nicht natürlich, geht Sophronios grundsätzlich näher auf sie ein: So bedienen sich beispielsweise Kyros und Johannes Krankheit und Schmerzen zu pädagogischen Zwecken (3.4.4.1). In acht Berichten führt Sophronios das jeweilige Leiden auf magische Praktiken zurück. Dabei kann es sich um zauberkräftige Artefakte, Gifte oder eben Zaubersprüche handeln; in einigen dieser Fälle lassen sich die Zaubernden auch von Dämonen unterstützen (Kap. 3.4.4.2). Die Leiden, die Sophronios auf Dämonen zurückführt, lassen sich in drei Gruppen einteilen: Dämonen können ein Leiden (A.) mittelbar und (B.) unmittelbar verursachen. Zudem können sie (C.) von einem Menschen Besitz ergreifen und ihm auf diese Weise Schaden zufügen (Kap. 3.4.4.3). So unklar es im Einzelnen bleibt, wie diese Leiden genau entstehen, steht doch außer Frage, dass die von Sophronios angeführten Ursachen auch wirklich Ursachen der beschriebenen Leiden sind und sein können. Halten wir fest: Obwohl Sophronios Leiden in einer gewissen Anzahl an Berichten auf eine nicht natürliche Ursache – also die Märtyrer, Zauberei oder Dämonen – zurückführt, ist der Regelfall doch ein anderer. Die meisten Leiden haben eine natürliche Ursache. Damit kann nun Fernández Marcos’ Behauptung zurückgewiesen werden, das Krankheitskonzept der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes sei ein dämonologisches: Sophronios bezeichnet es auch nur in einem Bericht als Krankheit, dass dessen Protagonist einen Dämon hat. Er differenziert also auch begrifflich zwischen Krankheiten und Dämonen. Mit anderen Worten: Dämonen können Krankheiten verursachen, sind aber selbst keine.
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Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
Kapitel 4
Die Ärzte und die ärztliche Behandlung Wie sich die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes zur zeitgenössischen Medizin und insbesondere ihren Praktikern verhalten, ist durch die Arbeiten von Theodor Nissen und Wanda Wolska-Conus verhältnismäßig gut erforscht. In seinem grundlegenden Aufsatz Sophronios-Studien III. Medizin und Magie bei Sophronios (1939) geht Nissen der seinerzeit umstrittenen Frage nach, ob Sophronios selbst Iatrosophist gewesen sei. Obgleich er davon überzeugt ist, „daß Sophronios ‚Sophist‘ als gelernter Rhetor genannt werde“, bleibt für Nissen „das gewichtigste Argument Buechelers nachzuprüfen, der Hinweis auf die Stellen des Buches über die Mirakel des Kyros und Johannes, ‚in quibus multa medicinam olent‘.“1 In seiner Analyse konzentriert er sich auf das Heilverfahrens der beiden Heiligen und die in den Berichten transportierten Vorstellungen über die Ursachen von Krankheit. Beidem stellt er die Ansichten der ‚rationalen‘, ‚wissenschaftlichen‘ Medizin gegenüber, ohne allerdings genauer zu erklären, was er hierunter versteht. Nissen kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: (A)lle seine (sc. Sophronios’) mittelbaren und unmittelbaren Äußerungen über die rationale Medizin, ihr Verfahren und ihre Vertreter sind so schroff und ablehnend, daß der alte Cato, der unbändige Hasser der griechischen Ärzte, an ihnen seine helle Freude gehabt hätte“.2 Seiner Ansicht nach deute „kein Wort … darauf hin, daß er von der wissenschaftlichen Medizin mehr gewußt hätte als jeder gebildete Laie.3
Nun ist auch ein weitaus positiveres Urteil möglich: Wolska-Conus nähert sich den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes mit dem Interesse, Näheres über Leben und Werk von Stephanos von Athen bzw. Stephanos von Alexandrien zu erfahren, bei denen es sich ihrer Meinung nach um eine einzige Person handelt. In der Wundersammlung bemerkt sie zahlreiche Anspielungen auf Vorstellungen, die im Umfeld des Arzt-Philosophen zirkuliert sein 1 NISSEN, Sophronios-Studien, 351. Er bezieht sich auf eine Studie BUECHELERs, die dieser unter dem Titel Coniectanea 1882 veröffentlicht hat. Das Zitat findet sich darin auf S. 328. 2 NISSEN, Sophronios-Studien, 381. 3 NISSEN, Sophronios-Studien, 371.
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
dürften. Entsprechend beurteilt sie Sophronios’ Fachkenntnis, überhaupt seine Einstellung zur ‚profanen‘ Medizin völlig anders, als Nissen es tat: Sophronios était-il hostile à la médicine profane, ne comprenait-il rien aux techniques et aux théories de l’art médical? Nous sommes portée à soutenir le contraire: en effet, autant qu’on peut en juger d’après les allusions, fugitives certes, mais caractéristiques, que nous avons relevées dans des contextes particulièrement défavorables à l’exposé des théories scientifiques, Sophronios connaissait la médicine telle qu’elle a été enseignée à Alexandrie au 6e et au 7e siècle aussi bien que les médecins, et plus spécialement Stéphanos le sophiste, dont il a suivi les leçons entre 581 et 583.4
Nissen und Wolska-Conus messen die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes letztlich daran, ob die in ihnen implizit vertretenen oder explizit geäußerten Ansichten mit theoretischen Aussagen der zeitgenössischen Schulmedizin kompatibel sind. Dass sie zu so unterschiedlichen Schlussfolgerungen gelangen, dürfte auch ihrem jeweiligen Forschungsinteresse geschuldet sein: Nissen versucht den Nachweis, dass Sophronios unmöglich Iatrosophist gewesen sein könne. Entsprechend zeigt er sich ihn in erster Linie daran interessiert, wie sich Sophronios und die Märtyrerheiligen von der Schulmedizin ihrer Zeit abgrenzen und unterscheiden. Wolska-Conus verfolgt das entgegengesetzte Anliegen: Ihr liegt daran, die Rezeption von Überzeugungen aus dem Umfeld des Arzt-Philosophen Stephanos in der Wundersammlung nachzuweisen. Allem Spott und aller Polemik zum Trotz zeige sich in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes „le véritable sentiment de l’auteur envers la profession“ ausgerechnet in den ausgesprochen wohlwollenden Passagen mir. 20,2 und 32,12.5 Diese Behauptung erscheint recht kühn und bedarf in jedem Fall einer ausführlicheren Begründung. Dennoch trifft Wolska-Conus die entscheidende Schwachstelle von Nissens Argument, das Sophronios’ positive Äußerungen über die Möglichkeiten ärztlicher Kunst nicht zu integrieren vermag. Statt wie Nissen und Wolska-Conus danach zu fragen, welche Schnittmengen die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes und die uns überkommenen zeitgenössischen medizinischen Texte aufweisen, unternimmt dieses Kapitel den Versuch, das Verhältnis von Ärzten und Märtyrerheiligen sowie deren jeweiliger Heilkunst vom Text ausgehend zu bestimmen. Hierzu verschaffen wir uns zunächst einen Überblick darüber, wo und wie Sophronios 4
WOLSKA-CONUS, Stéphanos, 59. Hierbei bezieht sie sich wohl auf Jo. Mosch. prat. 77: Ἀπήλθομεν ἐν μιᾷ εἰς τὸν οἶκον Στεφάνου τοῦ σοφιστοῦ, ἐγὼ καὶ ὁ κύριος Σωφρόνιος, ἵνα πράξωμεν … Ὡς οὖν ἐκρούσαμεν εἰς τὸν οἶκον τοῦ φιλοσόφου, παρέκυψεν κόρη λέγουσα· Καθεύδει, ἀλλ᾿ ὀλίγον έξικακήσατε (PG 87/3, 2929D). Zur Biographie des Sophronios s. SCHÖNBORN, Sophrone, 53–98, und ALLEN, Sophronius, 15–23. Zur Beziehung von Sophronios und Johannes Moschos s. CHADWICK, John Moschus, 41–74. 5 WOLSKA-CONUS, Stéphanos, 58. Vgl. hierzu Kap. 4.2.3, S. 162f.
4.1. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
141
auf Ärzte zu sprechen kommt (Kap. 4.1). In einem zweiten Schritt fragen wir dann, wie er sie agieren lässt (Kap. 4.2). Kapitel 4.3 konzentriert sich auf mir. 30, das von dem Iatrosophisten Gesios und insbesondere dessen Vorwurf handelt, die Märtyrerheiligen behandelten wie andere Ärzte auch. Nachdem deutlich geworden ist, dass die Märtyrerheiligen anders behandeln, erörtert Kap. 4.4, wie dieser Befund vor dem Hintergrund der unzweifelhaft und nicht nur auf der begrifflichen Ebene vorhandenen Kontinuitäten zwischen Märtyrerheiligen und Ärzten zu interpretieren ist.
4.1 Zu den Begrifflichkeiten: ἰατρός κτλ. 4.1.1 Überblick Um eine Figur oder Figurengruppe als Arzt oder Gruppe von Ärzten zu charakterisieren, gebraucht Sophronios die Begriffe ἰατρός, Ἀσκληπιάδης, ἰατρίσκος, ἀρχιητρός und ἰατροσοφιστής. Gelegentlich bedient er sich auch Umschreibungen, von denen οἱ τῆς ἰατρικῆς ἐπιστήμης (mir. 20,2) noch die expliziteste ist. Es ist nicht nur bemerkenswert, wie ungleich die Belege von ἰατρός κτλ. über den Text verteilt sind: Während die mir. 15–33 ein gutes Drittel der Belege (60 von 173), die mir. 22–30 sogar ein knappes Viertel (41 von 173) auf sich vereinen, ist ἰατρός κτλ. in insgesamt zwölf Berichten überhaupt nicht belegt.6 Auch die Übermacht des Begriffs ἰατρός ist auffällig: Von den insgesamt 173 Belegen von ἰατρός κτλ. entfallen 158 auf Formen von ἰατρός. Begriff
Singular
Plural
Gesamt
ἰατρός
25
133
158
Ἀσκληπιάδης
0
9
9
ἰατρίσκος
3
0
3
ἀρχιητρός
2
0
2
6
Schon durch die Analyse der Belegdichte, also der Anzahl der Belege von ἰατρός κτλ. im Verhältnis zur Länge des jeweiligen Berichts, ließe sich zeigen, dass Ärzte in vielen Berichten nur am Rande in Erscheinung treten. In 37 der 70 Berichte begegnet eine Form von ἰατρός κτλ. rechnerisch höchstens alle vier Paragraphen. Unter den 22 Berichten, in denen eine Form zumindest alle zwei Paragraphen begegnet, finden sich neun in den mir. 15–33 und sechs in den mir. 22–30. Im folgenden Kapitel 4.2, das einem qualitativen Ansatz verpflichtet ist, kommen wir auf die Frage nach der Ausführlichkeit der jeweiligen Darstellung zurück. Auch auf die Berichte, in denen ἰατρός κτλ. überhaupt nicht belegt ist, kommen wir in Kap. 4.1.5 zurück.
142
Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
Begriff ἰατροσοφιστής Summe
Singular
Plural
Gesamt
1
0
1
31
142
173
Insgesamt überwiegen die 142 Pluralbelege die 31 Singularbelege bei weitem. Allein ἰατρός begegnet sowohl im Singular als auch im Plural; Ἀσκληπιάδης ist ausschließlich im Plural, ἰατρίσκος, ἀρχιητρός und ἰατροσοφιστής nur im Singular belegt. Von diesem Befund ausgehend wenden wir uns zunächst den Singularbelegen von ἰατρός κτλ. und der Frage zu, wie Sophronios über einzelne Ärzte spricht. Bei der Analyse der Pluralbelege von ἰατρός κτλ. können wir davon ausgehen, dass Ärzte in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes praktisch überall in Gruppen auftreten, und uns entsprechend auf die Frage konzentrieren, ob diese Gruppen in sich geschlossen und homogen sind oder aber prinzipiell offen und divers. 4.1.2 Singularbelege von ἰατρός κτλ. Von den 158 Belegen von ἰατρός entfallen nur 25 auf Singularformen. Hiervon sind zehn Teil einer negierten oder negativen Aussage, das heißt: Teil einer Aussage über die Gesamtheit der Ärzte.7 Einmal wird ἰατρός als Allgemeinbegriff gebraucht: ἰατροῦ τὸ δωμάτιον (10,5). Ein anderes Mal bezeichnet er einen beliebigen, sehr guten Arzt8 und dann einen beliebigen „anderen Arzt“.9 Fünf der Belege beziehen sich auf Kyros bzw. Kyros und Johannes, zwei auf Gott selbst.10 An überhaupt nur sieben Stellen bezeichnet ἰατρός einen bestimmten Arzt. Auf einen dieser Ärzte entfallen zwei Belege, verbleiben also sechs, an denen Ärzte als handelnde Personen in Erscheinung treten. Von diesen sind uns drei namentlich bekannt, drei nicht. Die drei uns namentlich unbekannten Ärzte erscheinen allesamt in einem ungünstigen Licht: 7
οὐκ ἔχων ἰατρόν (6,2,3 [251 FM]); ἰατρὸν οὐχ εὕρισκεν ἕτερον (44,6,2 [349 FM]); μὴ τυχὼν ἰατροῦ (46,2,1 [351 FM]); μήτε πρὸς ἰατροῦ κερδᾶναι δυνηθεῖσα τὴν ἴασιν (48,7,5f [356 FM]); Ἰατροῦ δὲ παντὸς πρὸς τὸ πάθος ὀκλάσαντος (51,8,1 [363 FM]); ἠπόρει τοῦ σώζοντος ἰατροῦ μὴ δυναμένου πρὸς τὸ πάθος μαχήσασθαι (58,2,6 [373 FM]); ἰατροῦ τοῦ παλαίοντος ἐπιλείψαντος (58,3,1f [373 FM]); μὴ τυχὼν ἰατροῦ (59,4,2 [375 FM]); ἰατρὸς οὐδείς (66,3,5 [386 FM]); τὸν ἰατρὸν οὐχ εὑρίσκουσα (68,4,4 [390 FM]). 8 Ἐκεῖνο μὲν γὰρ καὶ ἰατρὸς ἴσως ἂν ἔπραξεν ἄριστος … τοῦτο δὲ οὔτε τις ἰατρῶν ποιήσειεν (11,1,3–5 [262 FM]). 9 καὶ ἑτέρου θᾶττον ἰατροῦ τὴν ἑτέραν ἀκούσας ἐκόμπαζεν ἔμπλαστρον (30,4,7f [303 FM]). 10 Zu den Märtyrern als ὄντως ἰατροί s. Kap. 4.4.3.
4.1. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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Der „fähige Arzt“ (εὐφυὴς ἰατρός), der in mir. 47,1 begegnet, verschlimmert das Leiden seines Patienten noch. Die Ärzte, die in mir. 40 und 67 begegnen, scheitern beide daran, das Leiden ihres jeweiligen Patienten zu heilen: In mir. 40,6 wird auf einen Arzt verwiesen, der Johannes zuvor ein wirkungsloses Medikament verkauft hat.11 In mir. 67 ermahnen die Märtyrer einen der Torwächter, der einen „anderen Arzt“ zum Heiligtum gerufen hatte.12 Beide bezeichnet Sophronios als ἰατρίσκος, als Quacksalber.13 Die drei namentlich bekannten Ärzte stechen durch ihre fachliche Exzellenz hervor: Gesios ist ἰατροσοφιστής (30,0), Zosimos wird als ἀρχιητρός vorgestellt (52,0; 52,1), Theodoros als Arzt und τὴν τέχνην εὐδόκιμος, καὶ διὰ τοῦτο περίφημος (55,1). In der Bewertung ist das Spektrum breiter: Während Sophronios den Iatrosophisten Gesios in wenig vorteilhaftes Licht taucht,14 geht er auf den Berufsstand des Zyprioten Theodoros, dessen Geschichte er in mir. 55 erzählt, nicht näher ein. Hier heißt es lediglich: Da er aber, nachdem er alles getan hatte, für sich die Flucht der Krankheit nicht herbeiführen konnte und der Schwäche seiner Kunstfertigkeit gewahr wurde, stellte er sich unter den Schutz von Kyros und Johannes, die die Krankheit in die Flucht zu schlagen und dem Kranken die Heilung zu gewähren vermögen.15
Im Vordergrund dieses Berichts steht vielmehr die Eliminierung der Leidensursache, eines unter Theodoros’ Türschwelle vergrabenen Gegenstandes, dessen von den Märtyrern angeregte Bergung den Tod des Übeltäters zur Folge hat. Anders gelagert ist der Fall des Archiaters Zosimos:16 Hier scheint es zunächst tatsächlich so, als wolle Sophronios dessen Tätigkeit als unnütz diffamieren.17 Auch die sich anschließende Aussage, er habe anderen Heilung versprochen, lässt sich so verstehen, dass er sie ihnen zwar versprochen, nicht aber verschafft habe. Die Satzstruktur jedoch legt eine andere Deutung nahe: 11
ὅσα τῷ ἰατρῷ προσεκόμισας τῷ δεδωκότι σοι τὴν ἀντίδοτον (40,6,7 [340 FM]). ἰατρὸν … ἕτερον (67,10); ἰατρὸν ἀγαγεῖν ἐπεχείρησεν ἕτερον (67,11,6f [389 FM]). 13 Dieses seltene Wort ist in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes dreimal belegt, nämlich in mir 40,4; 40,6 und 67,9. 14 Vgl. den Kommentar zu mir. 30 in Kap. 4.3. Dort, in Kap. 4.3.4, S. 177f, wird auch der Begriff ἰατροσοφιστής geklärt. 15 ἀλλ᾿ ὡς πάντα ποιήσας ἑαυτῷ τῆς νόσου τὴν φυγὴν οὐκ ἐβράβευσεν, τῆς τέχνης ἐγνωκὼς τὴν ἀσθένειαν, Κύρου πρόσφυξ καὶ Ἰωάννου καθίσταται, τῶν φυγαδεῦσαι δυναμένων τὸ νόσημα, καὶ χαρίσασθαι τῷ νοσοῦντι τὴν ἴασιν (55,1,9–12 [370 FM]). 16 Über die Funktion der Archiatroi in Zosimos’ Heimatstadt Konstantinopel zu Sophronios’ Zeit ist recht wenig bekannt. Vielleicht ist der Archiater Zosimos am Kaiserhof tätig, vielleicht von der Stadt angestellt, vielleicht handelt es sich hierbei aber auch, wie in späteren Zeiten, nur noch um einen Ehrentitel. Vgl. zur Begriffsgeschichte NUTTON, Archiatri, bes. 210–212. 17 καὶ ὡς οὐκ ἦν ἰατρὸς ἀπηλέγχετο, καὶ τὴν τέχνην ἀσθενοῦσαν ἐδείκνυε (52,1,8f [365 FM]). Der in Anm. 18 wiedergegebene Text schließt sich direkt an. 12
144
Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
Zwar versprach er anderen Heilung, dennoch vermochte er es nicht, sich selbst in einer solch schwierigen Situation zu helfen, und rief stattdessen die Märtyrerheiligen zu Hilfe. „So gelangte auch Zosimos zu den wahren Ärzten und bezeugte, dass sie die Gabe hätten, Übel abzuwehren.“18 Diesem Bekenntnis entspricht das den Märtyrern von dem Gelähmten entgegengebrachte Vertrauen, auf das der ganze weitere Bericht fußt. 4.1.3 Pluralbelege von ἰατρός κτλ. Die Pluralbelege von ἰατρός bezeichnen in der weit überwiegenden Zahl eine in sich nicht weiter differenzierte Gruppe von Ärzten: In den Berichten ist schlicht von ‚Ärzten‘ die Rede.19 In elf der 58 Wunderberichte, in denen Ärzte in Erscheinung treten, stellt Sophronios auf die große Anzahl an Ärzten ab, die sich – sei es gleichzeitig, sei es nacheinander – an der betreffenden Krankheit versuchen und scheitern.20 In dreien dieser sowie 15 weiteren Wunderberichten hebt er die besondere Qualität der betreffenden Ärzte hervor.21 Im Einzelnen bleibt unklar, worin diese Qualität besteht und wie sie erworben wurde, hieran zeigt Sophronios aber auch kein besonderes Interesse. Er scheint allein daran interessiert, dass sie als herausragend gelten. Nur zwei der Pluralbelege lassen einen Rückschluss auf eine besondere institutio18 καὶ ὁ ἄλλοις ἐπαγγελλόμενος ἴασιν, ἑαυτῷ βοηθεῖν οὐκ ἠδύνατο, ἀλλ᾿ εἰς ἄμυναν ἐκάλει τοὺς μάρτυρας. Ἐλθὼν οὖν πρὸς τοὺς ὄντως ἰατροὺς καὶ ὁ Ζώσιμος, καὶ μαρτυρήσας αὐτοῖς τὸ προσὸν ἀλεξίκανον (52,1,9–2,2 [365 FM]). Die Passage schließt direkt an den in Anm. 17 zitierten Text an. 19 Zu den Belegen von ἰατροί, die sich auf die Märtyrerheiligen beziehen, s. S. 215, Anm. 251, und S. 216, Anm. 252. 20 πλῆθος ἰατρῶν εὐδοκίμων (9,2,2 [257 FM]); μετὰ πολλῶν ἰατρῶν (10,8,5 [262 FM]); πᾶσιν μὲν ἰατροῖς, πᾶσι δὲ τοῖς ἀκούουσιν (23,1,7 [285 FM]); τὰ τῶν ἰατρῶν κατεπάτει συνέδρια (27,4,2 [293 FM]); ὁρμαθοὺς ἰατρῶν (29,10,6f [301 FM]); συχνῶς τοὺς ἰατροὺς μετεστέλλετο (32,4,9 [309 FM]); Πολλοὶ γοῦν παῖδες αὐτὸ τῶν ἰατρῶν ἐθεάσαντο (41,5,1 [342 FM]); ἰατρῶν ἔσχε πλῆθος (50,5,7 [360 FM]); παρενοχλῶν ἰατροῖς οὐκ ἐπαύετο … ἰατροὺς πλείονας (61,3,1.4 [378 FM]); ὁ τῶν ἰατρῶν κόσμος (61,4,2 [378 FM]); μυρίοι … ἰατροί (68,4,5 [390 FM]); ἰατροῖς ὄχλος ἐγίνετο … πολλὴν ἰατρῶν ἀμοιβήν (69,3,1–2.4 [392 FM]); ἐνοχλεῖν ἰατροῖς οὐκ ἠδύνατο (69,5,1f [392 FM]). 21 τοὺς σοβαροὺς τῶν ἰατρῶν (1,4,11 [296 FM]), οἳ τῶν πλειόνων διαφέρειν ἐλέγοντο (6,1,7f [251 FM]); πλῆθος ἰατρῶν εὐδοκίμων (9,2,2 [257 FM]); τοὺς τῶν ἰατρῶν ἐξέχοντας (22,2,6 [284 FM]); ἰατρῶν … οἱ δόκιμοι (26,2,6 [291 FM]); ἰατρῶν ἐπιλογήν (28,6,11 [296 FM]); τοὺς κομψοὺς τῶν ἰατρῶν (30,6,4 [303 FM]); Πολλοὶ γοῦν παῖδες αὐτὸ τῶν ἰατρῶν ἐθεάσαντο, καὶ τούτων εἶδον οἱ προὔχοντες (41,5,1f [342 FM]); τῶν ἰατρῶν οἱ σοφώτεροι, καὶ δόξαν εἰδήσεως ἔχοντες (48,2,4f [355 FM]); δοκίμοις ἰατροῖς (54,5,4 [369 FM]); παρενοχλῶν ἰατροῖς οὐκ ἐπαύετο … (ἐπεζήτει τοὺς κρείσσονας) (61,3,1f [378 FM]); τοῖς ἀρίστοις ἑαυτὸν ἰατροῖς ἐπεδείκνυεν (70,4,10f [395 FM]). Vgl. auch πολλὴν ἰατρῶν ἀμοιβὴν ποιησάμενος· ἀεὶ γὰρ διώκων τὸν κρείσσονα (69,3,4 [392 FM]) und unten S. 147 Anm. 25. Die Liste ist mit NISSEN, Sophronios-Studien, 352f abgeglichen.
4.1. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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nelle Stellung der betreffenden Ärzte zu: In mir. 1,11 treten ἰατροὶ καὶ τούτων οἱ φοροῦντες τοὺς τρίβωνας und in mir. 25,3 Ärzte, die δι᾿ ἐξοχὴν ἐνδεδυμένους τοὺς τρίβωνας, in Erscheinung.22 In mir. 11,5 erwähnt βασιλέως ἰατροί.23 Zwei weitere Belege können in dieser Weise gedeutet werden: In mir. 21,3 begegnen τῶν ἰατρῶν οἱ προστάται, mir. 60,2 spricht von Ἰατρῶν ... σοφισταί καὶ ἡγούμενοι. In beiden Fällen lässt sich allerdings die Vermutung, es handele sich um „Vorsteher“ einer organisierten Gruppe, mangels weiterer Belege nicht erhärten. Bei den παίδες ἰατρῶν hingegen – der Ausdruck παίδες ἰατρῶν (5,1; 17,2; 36,4; 48,1) bzw. παίδες ... τῶν ἰατρῶν (41,5) ist insgesamt fünf Mal belegt – handelt es sich um keine abgeschlossene Gruppe von Ärzten.24 An neun Stellen gebraucht Sophronios den Begriff Ἀσκληπιάδαι, um eine bestimmte Gruppe von Ärzten oder allgemein „(die) Ärzte“ zu bezeichnen.25 Eine besondere Konnotation des Begriffs lässt sich nicht erkennen,26 sodass das Bestreben nach Variation die plausibelste Erklärung für das Nebeneinander beider Begriffe darstellt.27
22
Vgl. hierzu Kap. 2.4 (zu §11), S. 45f, und auch mir. 30,2: Hier berichtet Sophronios, dass Gesios den Tribon trug, „weil er in der ärztlichen Kunst brillierte und seinen Schülern … als deren gründlicher Lehrer bekannt war“ (τέχνης ἰατρικῆς προϊστάμενος, καὶ ταύτης σὺν ἀκριβείᾳ διδάσκαλος τοῖς μανθάνουσι … γνωριζόμενος, 30,2,2–4 [302 FM]). 23 Dieser Ausdruck findet sich in einer korrumpierten Textpassage; GASCOUs Vorschlag, mit Verweis auf imperiales medici qui præ cæteris sunt nominabiles L βασιλέως ἰατροί statt βασιλέως ἰατρός C, E, FM zu lesen, schließe ich mich an (Sophrone, 53 Anm. 299). 24 In mir. 41,5 erwähnt die προὔχοντες der παίδες ἰατρῶν, was dafür spricht, dass Sophronios παίδες ἰατρῶν und ἰατροί letztlich synonym gebraucht. 25 Ἀσκληπιάδαι (1,10,5 [245 FM]); τῶν Ἀσκληπιάδων … οἱ ἄριστοι (8,9,8 [255 FM]); πάντων Ἀσκληπιάδων πολέμιον (9,2,4 [257]); τῶν Ἀσκληπιάδων οὐδείς (24,2,8 [287 FM]); τοὺς Ἀσκληπιάδας (28,7,10 [296 FM]); Ἀσκληπιάδαι (32,4,7 [309 FM]); τῶν Ἀσκληπιάδων οἱ δόκιμοι (32,12,5 [312 FM]); ἐν τοῖς τῶν ἀρχαίων Ἀσκληπιάδων συγγράμμασι (41,5,4f [342 FM]); τοῖς Ἀσκληπιάδαις (47,2,5 [354 FM]). 26 Hiervon bildet allenfalls mir. 41,5 eine Ausnahme, insofern τῶν ἀρχαίων Ἀσκληπιάδων die unter den Ärzten vermutete Autorität dieser Schriften besser als ἰατρῶν zu umschreiben geeignet sein könnte. 27 Eine Ausnahme bildet mir. 28,7. Hier geht es Sophronios darum, ein Kontinuum zwischen den Ärzten bzw. Asklepiaden und Asklepios als deren hervorragendem Vertreter herzustellen: „Warum versammelte er (sc. Nemesion, der Protagonist des mir. 28) die Asklepaiden? Er wusste doch, dass er von ihm (sc. seinem Schicksal) besiegt wird, würde er auch Asklepios selbst als Kampfgenossen aufbieten“ (τί τοὺς Ἀσκληπιάδας συνήθροιζε …; εἰδὼς ὡς πρὸς αὐτῆς νικηθήσεται, κἂν τὸν Ἀσκληπιὸν αὐτὸν ἐπιφέροιτο σύμμαχον, 29,7,10–12 [296 FM]).
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
An zwei Stellen wählt der Autor eine Paraphrase, die auf die ärztliche Kunst oder Wissenschaft rekurriert.28 Mit Sicherheit verweist auch die Wendung: „die, die stolz auf deren (sc. Hippokrates, Galen und Demokrit) Reden sind und uns deren Namen anstelle von wirksamen Heilmitteln antragen“ (mir. 13,2), auf eine nicht näher bestimmte Gruppe von Ärzten. 4.1.4 Exkurs: Hippokrates, Galen und Demokrit In den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes begegnen die drei Namen Hippokrates, Galen und Demokrit des Öfteren.29 Während nun die Identifikation von Hippokrates und Galen keine besonderen Schwierigkeiten bereitet, lässt sich letztlich nur vermuten, wen Sophronios mit Demokrit im Sinn hat. Vorgeschlagen wurden Bolos von Mendes, der vor allem von Plinius dem Älteren her bekannte und in der Literatur auch als Bolos Demokritos begegnende (Ps.-)Demokrit sowie Demokrit von Abdera.30 Die Entscheidung für oder gegen eine der genannten Personen fällt allerdings schon deswegen nicht leicht, als sie bereits in antiker Zeit nicht mehr trennscharf nebeneinander bestehen, sondern ineinander überzugehen neigen. Vor diesem Hintergrund erscheint es am wahrscheinlichsten, dass Sophronios auf den Naturphilosophen Demokrit von Abdera abzielt. Hierfür spricht nicht nur dessen Rezeption in medizinischen Schriften und die ihm nachgesagte besondere Beziehung zu Hippokrates.31 Es lässt sich auch eine direkte Parallele in Theophylaktos Simokates’ Historiae ins Felde führen, die Sophronios möglicherweise sogar aufgreift.32 An insgesamt vier Stellen werden Hippokrates, Galen und Demokrit und/oder die zugehörigen Adjektive gemeinsam genannt. In mir. 30 erklärt Gesios, wessen Heilmittel die Märtyrer angeblich anwenden,33 wenig später
28
τὴν πρὸς αὐτὸ τῆς ἰατρικῆς τέχνης ἀδράνειαν, ἣν οἱ ταύτην μετιόντες ἔργοις καὶ λόγοις ἐκήρυττον (19,3,2f [279 FM]); οἱ τῆς ἰατρικῆς ἐπιστήμης (20,2,3 [281 FM]). 29 Diesen dreien könnte noch Asklepios zur Seite gestellt werden. Vgl. hierzu S. 147, Anm. 27. 30 Vgl. GASCOU, Sophrone, 21 Anm. 70 (mit weiterführender Lit.). 31 Vgl. GASCOU, Sophrone, 21 Anm. 70 (mit weiterführender Lit.). 32 In Simokates’ Paraphrase von Diodoros’ Abhandlung über die Nilschwemme (D.S. I,37–41) erwähnt Simokates Δημόκριτος ... ὁ τῆς φύσεως ἀδελφός (7,17,18 [278 DE BOOR]). Dass es sich hierbei nur um Demokrit von Abdera handeln kann, ergibt sich aus Diodoros’ Bericht: An der entscheidenden Stelle heißt es: Δημόκριτος δ᾿ ὁ Ἀβδηρίτης (I,39,1 [67 VOGEL]). In mir. 13,2 gebraucht Sophronios jedenfalls eine Simokates ganz ähnliche Wendung. Er bezeichnet Demokrit als ὁ ἀδελφὸς ὁ νόθος τῆς φύσεως, also als Bastard-, falscher, uneigentlicher „Bruder der Natur“. Den Hinweis verdanke ich POLITIS. 33 καὶ τοῦτο μὲν Ἱπποκράτειον ἔλεγε τὸ βοήθημα· τάδε γὰρ ἐν τῷδέ φησι τῷ συγγράματι· τοῦτο δὲ Γαλήνειον ἐβόα τὸ φάρμακον, κἀν (C, E, κἄν FM) τῷδε κεῖσθαι τῷ
4.1. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
147
stellen die Märtyrer die Rückfrage, wo sich denn das diesmal von ihnen angewandte Heilmittel finde.34 In mir. 13,2 erklärt Sophronios, dass Hippokrates, Galen und Demokrit, und „mit ihnen die, die sich mit ihren Worten brüsteten“, in diesem Fall nutzlos seien.35 In mir. 43,3 werden sie als von der Erde aus sprechende Ahnen der Medizin bezeichnet, die der göttlichen Wissenschaft der Heilkunde gegenüberstehen.36 Viermal werden Hippokrates und Galen, nicht aber Demokrit genannt: In mir. 15,6 erklärt Sophronios, er berichte die von den Märtyrern verordnete Therapie nur, „damit die Spitzfindigen unter den Ärzten nicht glauben, dass die Heiligen irgendetwas hippokratisches verordnet hätten, und deren unfassbare Kraft nicht dadurch schmähen, dass sie behaupten, Hippokrates und Galen seien der Grund der Heilung und nicht die Märtyrer, die sie vollbracht haben.“37 In mir. 19,2 werden Galen und Hippokrates als γενάρχαι der Ärzte und als τὸ τῆς τέχνης κομψὸν σεμνολόγημα bezeichnet. Mir. 22,2 berichtet, dass die Ärzteelite dem Erkrankten auch dann nicht helfen konnte, nachdem „sie den Galen durchwühlt, den Hippokrates erneut gelesen“ und diverse Therapien versucht hatten.38 Eine ähnliche Funktion hat deren Erwähnung auch in mir. 30,6. Schließlich gibt es zwei Stellen, die nur Hippokrates nennen: In mir. 17,3 gelangt der Erkrankte schließlich zu dem Schluss, „dass es in Hinblick auf die Krankheit nicht möglich ist, einen Nutzen aus Hippokrates zu ziehen“ und wendet sich daraufhin an das Märtyrerpaar.39 Ähnliches wird in mir. 54,6 berichtet.40
λόγῳ διηγγέλλετο· ἄλλο δὲ Δημοκρίτειον εἶναι, διηγεῖτο σαφῶς τὸ ἐπίθεμα, καὶ τὸν τόπον ἔνθα τοῦτο, φησίν, ἐμνημόνευε (30,4,3–7 [303 FM]). 34 λέγε ποῦ τὰ τοῦ πάθους τοῦ σοῦ βοηθήματα Ἱπποκράτης ὁ σὸς ἀνεγράψατο, ἢ Γαληνὸς ὁ παρὰ σοὶ θαυμαζόμενος εἴρηκεν; ποῦ δὲ ταῦτα Δημόκριτος ἔφησεν; (30,12,5–7 [305 FM]). 35 ἄπρακτοι γὰρ κἀνταῦθα πεφύκασιν Ἱπποκράτης τε καὶ Γαληνὸς καὶ Δημόκριτος ὁ ἀδελφὸς ὁ νόθος τῆς φύσεως, καὶ σὺν αὐτοῖς οἱ τοῖς λόγοις αὐτῶν βρενθυνόμενοι (13,2,6– 8 [270 FM]). 36 τοὺς θείας ἰατρικῆς ἐπιστήμονας, καὶ οὐ τῆς Ἱπποκρατήν καὶ Γαληνὸν καὶ Δημόκριτον, τοὺς ἀπὸ γῆς φθεγγομένους, ποιουμένης γεννήτορας (43,3,4–6 [347 FM]). 37 μήπως ἰατρῶν οἱ περίεργοι, Ἱπποκράτειόν τι προσενέγκαι τοὺς ἁγίους νομίσωσιν, καὶ ταύτῃ τὴν ἄρρητον αὐτῶν σκορακίσωσιν δύναμιν, Ἱπποκράτην αἴτιον Γαληνὸν τῆς ἰάσεως, καὶ οὐ τοὺς μάρτυρας τοὺς δεδρακότας κηρύττοντες (15,6,2–5 [274 FM]). 38 Οἱ δὲ τὸν Γαληνὸν περιστρέφοντες, καὶ τὸν Ἱπποκράτην ἑαυτοῖς ἀνελίττοντες (22,2,8f [284 FM]). 39 τὸ πρὸς τὴν νόσον ἀδύνατον ἐξ Ἱπποκράτους κερδαίνειν (cj. GASCOU [Sophrone, 72 Anm. 420] ἐκέρδαινεν C, E, FM) (17,3,5 [277 FM]). 40 τῶν ἐξ Ἱπποκράτους θεωρήσας τὸ ἀναλκές (54,6,1f [369 FM]).
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
Einmal begegnet allein das Adjektiv γαλήνιος. Hier ist es eine Krankheit, die als „den menschlichen Leiden fremd und den galenischen Heilmitteln unähnlich“ beschrieben wird.41 Alle eben angeführte Stellen setzen eine besondere Bedeutung von Hippokrates, Galen und Demokrit für die Medizin voraus. Was Hippokrates und Galen betrifft, ist sie unumstritten. Dass Sophronios Demokrit nennt, überrascht. Zugleich ist es aber ein Indiz für den großen Erfolg der ihm zugeschriebenen alchemistischen und astro-medizinischen Werke.42 In Sophronios’ Gebrauch dieser drei Namen lassen sich zwei Momente unterscheiden: Zum einen treten Hippokrates, Galen und Demokrit als Autoren und Autoritäten der Medizin in Erscheinung. Zum anderen gebraucht er ihre Namen mitunter auch als Synonym für die ärztliche Kunst insgesamt. Wie Sophronios die Möglichkeiten der ärztlichen Kunst einschätzt, wird uns im weiteren Verlauf dieses Kapitels noch mehrfach beschäftigen. Halten wir hier jedoch fest, dass Sophronios die Namen – von mir. 13,2 einmal abgesehen – mit keiner Wertung versieht. 4.1.5 Berichte ohne Nennung von Ärzten In den Berichten 13, 14, 16, 31, 34, 37–39, 49, 56, 57, 64 und 65 werden Ärzte weder genannt noch wird deren Wirken thematisiert.43 Diese 13 Berichte sind nun keineswegs gleichmäßig über den Text verteilt. In der zweiten Dekade haben sich drei dieser Berichte angesammelt (mir. 13, 14, 16), in der Mitte der Wundersammlung gleich fünf (mir. 31, 34, 37–39). Im weiteren Verlauf finden sich außerdem zwei „Zwillingspaare“ (mir. 56, 57; 64, 65). Zumindest zum Teil lässt sich dieser Befund mit Rückgriff auf die Makrostruktur des Textes erklären: Sophronios neigt dazu, Berichte mit ähnlichem Thema bzw. Inhalt zu gruppieren. Nun lassen sich auch zwischen den hier betrachteten Wunderberichten thematische Konvergenzen finden: Die mir. 13, 14 und 16 sind Teil eines Zyklus, der der Entstehung und unterschiedlichen Typen von Krankheit besondere Beachtung schenkt. Die mir. 37–39 thematisieren in je unterschiedlicher Weise das Verhältnis von Krankheit und Häresie.44 Die mir. 56 und 57 berichten jeweils von der Heilung eines Besessenen. Den recht losen Zusammenhang zwischen den mir. 64 und 65 stellt Sophronios selbst her: „Weil auch er von einer Flucht aus zweifacher Schwäche berichtet, wollte er an den Vorangegangenen angefügt wer41
παθῶν ἀνθρωπίνων ἀλλότρια, γαληνίων φαρμάκων ἀνόμοια (23,1,2f [285 FM]). PETIT, Alexandrie, 302–304.311. 43 Der einzige Beleg von ἰατρός in dieser Gruppe bezieht sich auf Kyros und Johannes: τοὺς σωμάτων καὶ ψυχῶν ἰατροὺς ἀνυμνήσαντες (38,12,5 [335 FM]). 44 Die mir. 37 und 38 werden in Kap. 5.2 und Kap. 5.3 kommentiert. 42
4.1. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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den, der dem Gebundensein der Zunge und Taubheit entflohen ist und doppelte Heilung doppelter Krankheit erlangte.“45 Hingegen lässt sich ein solcher Zusammenhang zwischen den mir. 31 und 34 nicht feststellen. Dieser Befund lässt vermuten, dass es eine gewisse Korrelation zwischen dem Nicht-Auftreten von Ärzten und bestimmten inhaltlichen Gesichtspunkten gibt. Es fällt jedenfalls auf, dass es unter den genannten Berichten gleich mehrere gibt, in denen das Leiden auf dämonische Kräfte zurückgeführt wird (mir. 13, 14, 31, 56, 57, 65) oder bei denen es sich um Strafwunder bzw. um Wunder an Häretikern (37–39, 49) handelt. Gleichwohl stellen beide Merkmale keine Ausschlusskriterien dar: In mir. 36, das einen Zyklus von Heilungen von Häretikern (mir. 36–39) eröffnet, führt Sophronios aus, dass „die Ärzte“ Theodoros’ Leiden „treffend Gicht nannten.“46 Arztbesuche werden berichtet, sie verschaffen Theodoros aber keine Linderung: „Als er aber sah, dass die Krankheit ihn einnahm und der Kunst offenkundig überlegen war, nahm er … bei den Heiligen Zuflucht.“47 In mir. 54 sind es angesehene Ärzte (δόκιμοι ἰατροί), die den Eltern des erkrankten Isidoros zu verstehen geben, „dass die Krankheit von Menschen nicht besiegbar sei, weil er einen bösen Geist und nicht melancholischen Saft als Krankheit habe.“48 Auch das Fehlen jeden Hinweises auf ärztliche Tätigkeit in den mir. 16, 34 und 64 lässt sich aus dem Inhalt des Wunderberichts, wenn schon nicht zwingend erklären, dann doch plausibel machen: Mir. 16 verfolgt das Anliegen, aufzuzeigen, dass es keinen Grund gebe, sich körperlicher Erkrankungen zu schämen.49 Von den sechs Paragraphen, die der Wunderbericht umfasst, entfallen allein vier auf die Einleitung und einen längeren Exkurs über den Unterschied zwischen willentlich herbeigeführten (ἑκούσια [sc. νοσήματα]) und unwillkürlich entstandenen (ἀκούσια) Krankheiten. Entsprechend erscheint die Annahme gerechtfertigt, Sophronios wolle sich hier auf diesen theoretischen Unterschied und dessen praktische Anwendung konzentrieren. Ähnlich ließe sich auch mit Blick auf mir. 64 argumentieren, in dem sich Sophronios mit Stücken paganer Überlieferung auseinandersetzt. 45
διττῆς καὶ αὐτὸς ἀσθενείας φυγήν (fugam L, φυγεῖν C, E, FM, vgl. DUFFY, Observations, 89) διηγούμενος, καὶ τῷ προλαβόντι θέλων συντάττεσθαι, γλώττης δεσμὸν πεφευγότι καὶ κώφωσιν, καὶ διττοῦ νοσήματος διττὴν λαχόντι τὴν ἴασιν (65,1,1–4 [384 FM]). 46 ὅπερ ἰατροὶ ποδάγραν … καλῶς προσηγόρευσαν (36,4,2f [323 FM]). 47 Ἰατροῖς μὲν γὰρ ἑαυτὸν τὸ πρῶτον ἐκδέδωκεν· ἀλλ᾿ ὡς εἶδεν κρατοῦν αὐτὸν τὸ ἀρρώστημα καὶ τῆς τέχνης ἐμφανῶς περιγιγνόμενον, πρὶν ἢ καὶ αὐτοῦ περιγένηται, πρὸς τοὺς ἁγίους κατέφευγε (36,6,7–9 [323 FM]). 48 ἀνθρώποις ἀνίκητον εἶναι τὸ νόσημα, πνεῦμα πονηρὸν καὶ οὐ μελαγχολικὸν χυμὸν ἔχων τὸ νόσημα (54,5,8–10 [369 FM]). L liest von C abweichend hominibus invictum esse languorem, spiritum scilicet nequam, et non melancholicum humorem, causam habentem. 49 Zu mir. 16 vgl. Kap. 3.4.1.1, S. 107–109.
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
Im Zentrum von mir. 34 wiederum steht ein Unglück, das sich auf dem Weg zum Heiligtum ereignet hat: Dorotheas Kind verschluckt unterwegs ein Schlangenei und droht in der Folge zu sterben. Die Märtyrer bewahren es davor. Insofern erscheint es nur konsequent, den Weg zu den Märtyrern fortzusetzen, und zwar sowohl für Dorothea, die Protagonistin, als auch aus erzählerischer Perspektive.50 4.1.6 Zusammenfassung Schon auf den ersten Blick zeigte sich, wie ungleich die Belege von ἰατρός κτλ. verteilt sind: In insgesamt zwölf Berichten ist ἰατρός κτλ. nicht belegt. Hingegen lässt sich im Bereich der mir. 15–33 eine Konzentration von Belegen nachweisen. Bemerkenswert sind zudem die Übermacht der Belege von ἰατρός gegenüber anderen Begriffen sowie die von Plural- gegenüber Singularbelegen. In überhaupt nur sechs Berichten berichtet Sophronios von einzelnen Ärzten. Deren Charakterisierung lässt keine gemeinsame Grundstimmung erkennen: Die namentlich nicht bekannten Ärzte und Gesios erscheinen in wenig schmeichelhaftem Licht. Hingegen erwähnt Sophronios Theodoros’ Beruf (mir. 55) nur beiläufig. Wiederum hinterlässt mir. 52 einen eher positiven Eindruck des Arztes Zosimos, der sich, selbst erkrankt, rechtzeitig an die Märtyrerheiligen wendet. In den meisten Fällen spricht Sophronios schlicht von „Ärzten“ oder „den Ärzten“. In etwa einem Siebtel der Wunderberichte steigert er diese Rede durch den Verweis auf die große Anzahl zu Rate gezogener Ärzte. In etwa einem Viertel der Wunderberichte suchen die Erkrankten die „ärztlichen Koryphäen“51 auf, bevor sie sich dann, nach deren Scheitern, an die Märtyrer wenden.
4.2 Das Auftreten und Wirken von Ärzten Nachdem die Begriffe, mit denen Sophronios Ärzte belegt, zu Analysezwecken bislang weitgehend aus ihrem Kontext herausgelöst wurden, fragen wir nun danach, wie die Ärzte als literarische Figuren charakterisiert werden. Nun ist es gerade der Kontext der einzelnen Belege, der uns in besonderer 50
Zudem schildert bereits das vorangegangene Wunder, dass es in solchen Fällen – Unglück auf dem Weg – besser ist, seinen Weg zu den Märtyrern fortzusetzen: In mir. 33 berichtet Sophronios, wie die arme Kosmiane auf dem Weg zum Heiligtum von ihrem Esel stürzt. Sie verweigert die Rückkehr, um sich ärztlich versorgen zu lassen, besteht vielmehr darauf, direkt zu den Heiligen gebracht zu werden, und wird von ihnen geheilt. 51 NISSEN, Sophronios-Studien, 352.
4.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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Weise interessiert. Neben charakteristischen und möglicherweise auch charakterisierenden semantischen Bezügen liegt unser Augenmerk vor allem auf der Schilderung des Auftretens und Wirkens von Ärzten. Deren Umfang fällt recht unterschiedlich aus. In manchen Fällen erschöpft sich Sophronios’ Bericht in einem Nebensatz: In mir. 2 heißt es schlicht, dass der an Leukomen leidende Theodoros „von den Ärzten von deren Unheilbarkeit erfuhr“,52 in mir. 3, dass „der Beistand der Ärzte“ nichts gegen das Leiden auszurichten vermochte,53 weitere Beispiele ließen sich anfügen. Zwar lässt sich auch in diesen Fällen kaum bestreiten, dass Auftreten und Wirken von Ärzten geschildert werden. Nur erschließt sich über diese Berichte nicht, wie Sophronios die Ärzte als literarische Figuren charakterisiert. Das andere Extrem stellt ohne Zweifel der Bericht über Erkrankung und Genesung des Iatrosophisten Gesios dar, in dem Sophronios ausführlich auf Auftreten und Wirken dieses Arztes sowie seiner Kollegen eingeht und der deshalb im folgenden Kapitel 4.3 analysiert werden soll. In den meisten Fällen umfassen Sophronios’ Ausführungen wenige Zeilen, in denen er eine oder auch mehrere Handlungen von Ärzten schildert, die ihrem Auftreten, ihrem Umgang mit dem Patienten und/oder der Krankheit sowie schließlich ihrem Versagen zugeordnet werden können. Diese drei Bereiche strukturieren denn auch die folgenden Ausführungen. 4.2.1 Die äußeren Umstände des ärztlichen Auftretens In der weit überwiegenden Zahl der Wunderberichte wenden sich die jeweiligen Protagonisten zunächst an Ärzte. Erst wenn diese ihnen nicht oder nicht mehr helfen können, wenden sie sich an die Märtyrerheiligen.54 Dass Ärzte im Krankheitsfall oder nach einem Unfall die erste Adresse darstellen, setzen die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes als selbstverständlich voraus – mit charakteristischen Ausnahmen: In mir. 9 führt Theodora als Vorwand dafür an, dass sie nicht mit ihrem zum Verwalter des Heiligtums bestellten Mann Christodoros ziehen könne, dass sie bei Ärzten in Behandlung sei. Sie wird von den Märtyrern geheilt und begleitet ihn schließlich doch. Als ihre Tochter Marou erkrankt, „beschloss sie, nach Alexandria zu gehen und das Kindchen Ärzten vorzustellen, damit es von ihnen behandelt und versorgt würde.“55 Bevor es so weit kommt, wird es geheilt. Mir. 33 berichtet über Kosmiane, die die Märtyrer nicht wegen einer Krankheit aufsucht, sondern um ihnen ihre Verehrung zu erweisen. „Als der Vater des Neides sah, mit wie 52
πρὸς τῶν ἰατρῶν μαθὼν ἀυτῶν τὸ ἀνίατον (2,2,1 [247 FM]). Ἀλλ᾿ ὅτε τὴν τῶν ἰατρῶν ἀρωγὴν εἶδεν πρὸς τὸ πάθος ἀνόνητον (3,2,1 [248 FM]). 54 Vgl. WOLSKA-CONUS, Stéphanos, 50. 55 εἰς Ἀλεξάνδρειαν ἐλθεῖν ἐβουλεύσατο, καὶ τὸ παιδίον ἰατροῖς προσενέγκασθαι, ἰαθησόμενόν τε καὶ πρὸς αὐτῶν θεραπευθησόμενον (10,5,4–6 [261 FM]). 53
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
viel Verlangen sie zu den Heiligen drängte, meinte er, dass er großen Schaden nähme, wenn sie mit solch einem Eifer und solcher Wärme in den heiligen Bezirk gelange.“56 Er sucht danach, dies zu verhindern: Kosmiane stürzt und verletzt sich schwer, erkennt aber das Werk eines Dämons und besteht deswegen darauf, ihre Reise zu den Märtyrern fortzusetzen – und das obwohl ihre Chance, von einem gewöhnlichen Arzt geheilt zu werden, dadurch geschmälert wird, dass ihre Wunden in der Zwischenzeit abkühlen.57 Noch in derselben Nacht erscheinen ihr die beiden Märtyrer in Gestalt von Ärzten58 und heilen sie. Ähnliches widerfährt Johannes, der für die Pflege des Märtyrergrabes verantwortlich ist: Gegen ein Nierenleiden verkauft ihm ein Quacksalber (ἰατρίσκος) ein Heilmittel, das Johannes am nächsten Morgen einzunehmen gedenkt. Die Märtyrer erscheinen ihm, schelten ihn – und versprechen ihm, wie der Quacksalber, Genesung, wenn er auch ihnen, wie dem Quacksalber, drei Goldstücke zahle (mir. 40). In mir. 67 berichtet Sophronios, dass die Märtyrer einen der Türsteher dafür auspeitschen, dass er einen ἰατρίσκος in ihre Anlage eingelassen habe, damit dieser die Wunden eines gewissen Georgios behandele. In allen diesen Fällen besteht bereits eine Beziehung zwischen den jeweiligen Protagonisten und den Märtyrerheiligen: Theodora soll in ihrer Anlage wohnen (mir. 9) bzw. wohnt dort bereits seit einiger Zeit (mir. 10). Kosmianes Unfall ereignet sich auf dem Weg zu den Märtyrern, die sie, wie sie eigens betont, um ihrer selbst sehen möchte (mir. 33). Johannes ist in ihrer Anlage beschäftigt (mir. 40) und Georgios befindet sich bereits in deren Obhut (mir. 67). In all diesen Berichten würde der Rückgriff auf ärztliche Hilfe diese bereits bestehende Beziehung als defizitär erscheinen lassen. Deshalb unterläuft Sophronios hier die sonst nirgends grundsätzlich in Frage gestellte Selbstverständlichkeit, im Krankheitsfall zunächst einen Arzt aufzusuchen. Etwa 20 Berichte schildern, wie es dazu kommt, dass Ärzte tätig werden; den übrigen Berichten lassen sich hierüber keine Informationen entlocken.59 Ärzte 56 Ταύτην ὁ τοῦ φθόνου πατὴρ θεασάμενος, σὺν πόθῳ πλείονι πρὸς τοὺς ἁγίους ὁρμήσασαν, μεγάλην αὐτὸς τὴν ζημίαν ὑφέξειν ἐμομιζεν, εἰ μετὰ τοσαύτης σπουδῆς καὶ θερμότητος εἰς τὸν ναὸν τὸν θεῖον ἀφίκοιτο (33,4,1–3 [313 FM]). 57 εἰς πόλιν ἀποστρέφειν οἱ συνόντες ἠβούλοντο, ἵνα θερμά, φησίν, ἔχουσαν ἔτι τὰ τραύματα, πρὸς ἰατροὺς ἀπενέγκωσιν, καὶ μὴ μετὰ ψύξιν καὶ νέκρωσιν. Δοκοῦσιν γὰρ τὰ τῶν τραυμάτων θερμότερα, καὶ πρὸς ἴασιν ἑτοιμότερα, καὶ μήτε τοσοῦτον ἰατροῖς παρέχειν τὸν κάματον, μήτε μὴν ἄλγος ἐμποῖειν τοσοῦτον τοῖς πάσχουσιν, ὅσον τὰ μετὰ πλῆξιν ψυχρούμενα καὶ βραδύνοντα δέξασθαι φάρμακον (33,5,9–6,4 [313 FM]). Kosmianes Entscheidung ist schon deshalb bemerkenswert, als die Märtyrerheiligen in diesem Fall keineswegs die letzte Hoffnung sind: Kosmiane sucht sie zuerst auf. 58 σχήμασιν ἰατρῶν (33,8,4 [314 FM]). 59 Ein eindeutiges Kriterium, wann Sophronios hierauf näher eingeht und wann nicht, lässt sich nicht angeben. Je kürzer der Wunderbericht ist und je knapper das Auftreten der
4.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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werden aufgesucht,60 herbeigerufen61 oder strömen herbei.62 Eine eindeutige Präferenz lässt sich nicht erkennen: Alle drei Fälle sind in etwa gleich häufig und ähnlich wie die Belege von ἰατρός κτλ. verteilt. Aus dem Berichteten ergibt sich in der Regel auch nicht, warum die Ärzte so auftreten, wie sie auftreten. Zudem lassen sich keine Regelmäßigkeiten dergestalt nachweisen, dass etwa die Erwähnung eines Honorars grundsätzlich damit verbunden wäre, dass Massen von Ärzten herbeiströmen. Um die äußeren Umstände des ärztlichen Auftritts zu beschreiben, verbleiben als weitere Ansatzpunkte deren Anzahl, deren Stellung sowie etwaige Äußerungen über das vereinbarte oder geforderte Honorar. Nun bemerkten wir bereits im vorangegangenen Kapitel, dass Ärzte zumeist in Gruppen auftreten, Sophronios deren Stärke in nicht wenigen Fällen sogar noch betont.63 Dies ist im Übrigen selbst dann der Fall, wenn sie von dem jeweiligen Protagonisten aufgesucht werden. Auch auf die vermeintlich herausgehobene Stellung vieler der erwähnten Ärzte sind wir bereits eingegangen.64 In gleich drei Berichten begegnet gar eine große Anzahl herausragender Ärzte.65 Nur das dritte Moment, die Bezahlung, wurde bislang noch nicht thematisiert. Die Berichte setzen sie ebenso selbstverständlich voraus wie den Arztbesuch im Krankheitsfall. Der Quacksalber, der in mir. 40 begegnet, verkauft sein φάρμακον und von den beiden Juliane genannten Frauen, deren Schicksal in mir. 24 geschildert wird, ist es nur der einen, der reichen Juliane möglich, Ärzte zu rufen, „dass sie sie heilen. Die andere war deren Trost und der von den Kranken ersehnten Visite wegen ihrer Armut beraubt.“66 Von diesen beiden Berichten einmal abgesehen, wird die Bezahlung der Ärzte in neun weiteren eigens erwähnt. In mir. 6,2; 25,4 und 46,5 unterstreicht der Hinweis, dass die jeweiligen Protagonisten ihr Vermögen für Arztbesuche aufgewendet haben, die Aussichtslosigkeit der Situation, da die Ärzte die Behandlung ohne entsprechende Entlohnung nicht fortsetzen. In mir. 6 und 46 wird zudem der Kontrast zwischen den gegen Geld behandelnden Ärzten und den kostenlos wirkenden Märtyrerheiligen herausgestellt. In den übrigen Berichten dient das Honorar den Ärzten als Ansporn, tätig zu werden. Während sich Sophronios in mir. 22,2 – der Vater des erkrankten Protagonisten verspricht den Ärzteschaft geschildert wird, desto unwahrscheinlicher ist ein Hinweis darauf, wie es zur Beauftragung der Ärzte kommt. 60 Mir. 6,1; 10,5; 25,3; 27,4; 45,2; 61,3; 70. 61 Mir. 1,4; 22,2; 24,2; 28,6; 29,10; 30,6; 32,4; 35,3; 67,7. 62 Mir. 1,11; 8,9; 21,3; 60,2; 68,4. 63 Die zugehörigen Textstellen sind auf S. 146 Anm. 20 notiert. 64 Die zugehörigen Textstellen sind auf S. 146 Anm. 21 notiert. 65 Mir. 9,2; 41,5; 61,3. 66 καὶ ἡ μὲν ἰατροὺς ἐκάλει πρὸς ἴασιν, ἡ δὲ καὶ τῆς τούτων ψυχαγωγίας καὶ τοῖς νοσοῦσιν ποθεινῆς ἐπισκέψεως διὰ πτωχείαν ἐστέρητο (24,2,3–5 [287 FM]).
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
Ärzte einen angemessenen Lohn, wenn sie sein Kind heilen – und in mir. 28,6 – Nemesion locke „deren gute mit dem Versprechen guter Löhne“67 – einer Wertung enthält, ist seine Schilderung sonst wenig vorteilhaft. Erinnert sei an den in Kap. 2 analysierten ersten Bericht: Um seinen kranken Sohn zu retten, ruft Ammonios’ Vater die „Hochtrabenden der Ärzte“ (τοὺς σοβαροὺς τῶν ἰατρῶν) herbei. Ausführlich schildert Sophronios die Treueschwüre der Ärzte und unterläuft deren Ernsthaftigkeit zugleich durch die epische Breite der Schilderung und die Anführung des offenbar handlungsleitenden Motivs: die recht üppige Entlohnung. Erfolg ist den Ärzten dennoch nicht beschieden, die „Rettung des Kindes hielten die Märtyrer bereit.“68 Ähnlich verhält es sich, als er erneut erkrankt: Wiederum gelingt es den herbeigelaufenen Ärzten nicht, Ammonios die ersehnte Heilung zu verschaffen, „auch wenn sie sie sehr suchten und danach strebten, beschenkt zu werden, um sowohl das hübsche Lohngeld als auch die hübschere Ehre des Ansehens zu erlangen.“69 Dieselbe Grundidee verfolgt Sophronios auch in mir. 29,10. In mir. 32,4 behandeln die Ärzte den Kranken, obwohl sie „wussten, dass er nicht überleben würde und auch der Krankheit nicht entfliehen könnte. Aber auf die Bezahlung bedacht betrogen sie den Elenden.“70 Am eindrücklichsten aber schildert Sophronios die Gier der Ärzte in mir. 69,3–5, die den ärztlichen Auftrag pervertiert. Expressis verbis verknüpft Sophronios in diesem Wunderbericht das Voranschreiten von Johannes’ Erblindung mit immer besseren Ärzten: „Während er immerzu einem besseren (sc. Arzt) nacheilte, verschlimmerte sich seine Krankheit …, bis er bei den Angesehenen und Illustren angelangte und sich als durch und durch dunkel und düster erwies.“71 Dass die Ärzte nun von Johannes ablassen, führt Sophronios allein darauf zurück, dass „auch dessen Geldbeutel mit dem Augenlicht an Glanz verlor.“72 Als wäre dies nun nicht genug, führt Sophronios aus, wie sich die Ärzte ihm gegenüber verhalten, solange sein Portemonnaie noch prall gefüllt ist: „‚Nur 67
τοὺς τούτων ἀγαθοὺς ἐπαγγελίᾳ μισθῶν ἀγαθῶν ἀφελκόμενος (28,6,11f [296 FM]). τοῖς μάρτυσιν τὰ τοῦ παιδὸς ἐτηρεῖτο σωτήρια (1,5,2f [244 FM]). 69 καίτοι λίαν αὐτὴν ἀνιχνεύοντες καὶ δωρεῖσθαι γλιχόμενοι, ἵνα καὶ τῶν μισθῶν κομψὸν (et mercedum pompam argento L, καὶ τὸν μὲν μισθὸν κομψόν C, E, καὶ τὸν μὲν μισθὸν τῶν μισθῶν κομψόν F, FM [DUFFY, Observations, 79; GASCOU, Sophrone, 30 Anm. 126]) τὸ ἀργύριον, καὶ τῆς εὐδοκιμήσεως κομψοτέραν τὴν δόξαν πορίσωνται (1,11,4–6 [246 FM]). 70 Οἱ δὲ παραγενόμενοι, τὰ τῆς τέχνης ἐπ᾿ αὐτῷ διεπράττοντο, εἰδότες μὲν ὡς οὐ ζήσεται, οὐδὲ τοῦτο φύγοι τὸ νόσημα, ἀλλ᾿ ἐλπίδι μισθῶν ἀπατῶντες τὸν ἄθλιον (32,4,9– 12 [309 FM]). 71 ἀεὶ γὰρ διώκων τὸν κρείσσονα, χεῖρον ἐποίει τὸ νόσημα· … μέχρις οὗ τοῖς ἐμφανέσι καὶ λαμπροῖς προσιών, ἀφανὴς καὶ ἀλαμπὴς διαμπὰξ ἀποδείκνυται·(69,3,4–8 [392 FM]). 72 σὺν τῷ γὰρ ὀφθαλμιαίῳ φωτὶ καὶ τὸ βαλαντιαῖον φέγγος ἐξέλιπεν (69,3,10 [392 FM]). 68
4.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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Mut!‘, hörte er von den Ärzten häufig. ‚Sei vor allem nicht betrübt und sorge dich auch nicht! Wir erwarten nämlich, dass du gut wirst sehen können.’“73 Sobald sein Geldbeutel aber leer ist, ändert sich auch das Verhalten der Ärzte dem Kranken gegenüber: „‚Verschwinde!‘, hörte er von ihnen. ‚Dass dich kein Sterblicher mit dem Versprechen betrüge, dass du die Sonne sehen wirst! Denn deine Pupillen sind geschwunden und die Augenlieder kleben aneinander. Sieh dich vor, dass dir kein Arzt dein Geld verschlingt, wenn er dich mit Worten allein hoffnungsfroh macht, dich aber nicht gut sehend machen kann.“74 Bemerkenswert ist nicht nur die veränderte Haltung ihrem Patienten gegenüber, sondern auch die veränderte Einschätzung der Heilungschancen. Besonders schwer wiegt die Warnung vor der, so suggeriert es Sophronios, nun selbst eingestandenen Gier ihrer Zunft, die auch vor falschen Versprechungen keinen Halt macht. Gier und Ruhmsucht erweisen sich als erste kritische und zugleich in Sophronios’ Augen charakteristische Eigenschaften der Ärzte. 4.2.2 Die ärztliche Behandlung Fluchtpunkt von Sophronios’ Schilderungen der ärztlichen Behandlung ist überall, dass die Ärzte versagen. Seine Schilderungen dienen in erster Linie dazu, deren Scheitern zu illustrieren oder zu erklären. Hingegen zeigt er an einer möglichst akkuraten Beschreibung der ärztlichen Behandlung kein Interesse.75 Hierauf weisen etwa summarische Berichte dergestalt hin, dass die Ärzte „alles ihrer Kunst mögliche getan und auch, wenn man das sagen kann, das über ihre Kunst Hinausgehende versucht hatten“76 oder dass sie „das Leiden genau erkannten“ und „die Krankheit … in Erfahrung bringen“ konnten, es ihnen aber nicht gelang, „noch die Heilung zu verschaffen“.77 In der Gesamtschau zeigt sich gleichwohl, dass die Berichte ein dreistufiges Behandlungsschema voraussetzen. Dieses zeichnet sich bereits in dem eben wiedergegebenen Zitat aus mir. 1,11 ab. Am deutlichsten tritt es aller73 Θάρσει, πρὸς τῶν ἰατρῶν συχνότερον ἤκουεν, καὶ λύπην μηδαμῶς μηδὲ μέριμναν κέκτησο· θᾶττον γάρ σε καλῶς βλέπειν ἐλπίζομεν (69,4,1–3 [392 FM]). 74 Ἄπελθε, πρὸς αὐτῶν ἐπυνθάνετο, μηδείς σε θνητῶν ἀπατήσειεν, λέγων ὡς ὄψει τὸν ἥλιον· αἱ κόραι γάρ σου διέρρευσαν, καὶ ἀλλήλοις ἐπάγη τὰ βλέφαρα. Ὅρα μηδείς σου φάγοι τῶν ἰατρῶν τὸ ἀργύριον, μόνοις σε ποιῶν τοῖς λόγοις εὐέλπιδα, εὐόμματον δὲ ποιεῖν οὐ δυνάμενος (69,4,6–9 [392 FM]). 75 Vgl. WOLSKA-CONUS, Stéphanos, 53: „Nulle part, cela va de soi, Sophronios ne se risque dans un discours médical…“ 76 Καὶ δὴ πάντα τὰ τῆς τέχνης κινήσαντες, καὶ τοῖς ὑπὲρ [τὴν τέχνην], εἰ ἔστιν εἰπεῖν, ἐγχειρ[ή]σαντες (1,5,1f [244 FM]). Die Textänderungen werden auf S. 19, Anm. 9, und auf S. 19, Anm. 10, begründet. 77 Ἀλλ᾿ εἰ καὶ τὸ πάθος ἰατροὶ … σαφῶς ἔγνωσαν, τὴν μὲν νόσον μαθεῖν ἠδυνήθησαν, οὐκέτι δὲ καὶ τὴν ἴασιν παρέχειν εὐπόρησαν (1,11,1.3f [246 FM]).
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dings in mir. 21,3 hervor: Die an Martyrias’ Krankenbett aufgelaufenen Anführer der Ärzte „erkannten weder das Leiden noch vermeldeten sie seine Ursache und lehnten es ab, ein Heilmittel darzubieten.“78 Dies ist indes bemerkenswert, als sich Parallelen zur zeitgenössischen medizinischen Literatur aufzeigen lassen. Wolska-Conus umreißt etwa das Vorgehen des alexandrinischen Arztes Stephanos wie folgt: se rapporter d’abord à Hippocrate ou à Galien, donner un référence à l’un ou l’autre de leurs écrits, ou d’une façon générale se référer aux anciens, tout en accompagnant des citations d’un développement théorique sur telle ou telle maladie … composé selon un schéma plus ou moins fixe : définition de la maladie, son origine, les signes qui permettent de la reconnaître, la thérapeutique comportant la médication et la diététique.79
In den einzelnen Berichten konzentriert sich Sophronios entweder auf die vergebliche Suche nach der Krankheitsursache, deren Kenntnis Voraussetzung für die erfolgreiche Behandlung des Patienten ist, oder darauf, welche Heilmittel die Ärzte gegen eine Krankheit verordnen. In drei Berichten, mir. 5, 30 und 35, begegnen beide Aspekte gleichermaßen. In besonderem Maß zeigt sich Sophronios an der Krankheitsursache interessiert.80 Dies zeichnete sich bereits bei der Analyse seiner Vorstellungen von der Krankheitsgenese ab, und auch in den Schilderungen, wie Ärzte Patienten behandeln, nimmt die Krankheitsursache eine herausgehobene Stellung ein. Ihre Kenntnis ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung: Kommen die einzelnen Wunderberichte auf die Krankheitsursache zu sprechen, wird das Versagen der Ärzte darauf zurückgeführt, dass sie selbige nicht erkennen: In mir. 5 berichtet Sophronios über Menas, der schwer an Fieber erkrankt und in der Folge eine Verstopfung erleidet. Die Ärzte „sorgen sich nicht um das Fieber, das sie für ungefährlicher halten“, sich aber als eigentliche Krankheitsursache erweist. Stattdessen konzentrieren sie sich darauf, die Verstopfung zu bekämpfen.81 Mit mir. 35,4 und 55,1 schildert Sophronios zwei weitere Fälle, in denen die anwesenden Ärzte versagen, weil sie die eigentliche Krankheitsursache nicht erkennen können: Nachdem sie dem Kranken diverse Behandlungen haben angedeihen lassen, „gestanden die Ärzte schließlich zähneknirschend ihre Unkenntnis der Krankheit ein. Als 78
Ἐκεῖσε δὲ τῶν ἰατρῶν οἱ προστάται συρρέοντες, οὔτε τὸ πάθος ἐγίνωσκον, οὔτε τὴν αἰτίαν ἀπήγγελλον, οὔτε προσφέρειν ἠνείχοντο (ἠνίχοντο C, ἠνίσχοντο FM, vgl. DUFFY, Readings, 172) φάρμακον (21,3,1–3 [282 FM]). Vgl. WOLSKA-CONUS, Stéphanos, 54. 79 WOLSKA-CONUS, Stéphanos, 53 (mit Textbeispielen). 80 Mit Blick auf die Krankheitsgenese weist hierauf bereits WOLSKA-CONUS, Stéphanos, 54 hin. Auf die von Sophronios angeführten Krankheitsursachen geht Kap. 3.4 ausführlich ein. 81 καὶ ταύτην παίδες ἰατρῶν τῆς κοιλίας τὴν ἔμφραξιν τῶν πυρετῶν ὡς ἀκινδυνότερον ἀμελήσαντες, διαλύειν ἠπείγοντο (5,1,7f [250 FM]).
4.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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aber der Geschwächte von deren Unkenntnis und mit der Unkenntnis von deren Machtlosigkeit erfuhr, befahl er, dass man ihn zu den Heiligen bringe“.82 Ähnlich verhält es sich auch im Fall des oben bereits erwähnten Arztes Theodoros, der „durch Zauberei gelähmt wurde. Weil er die Ursache seines Leidens nicht erkannte, versuchte er, sich selbst zu behandeln, indem er tat, wovon er glaubte, dass es ihn heilen würde, und anwandte, was anderen nicht durch Zauberei, sondern durch Schlaffheit der Glieder Leidenden genutzt hatte.“ Nachdem er „alles versucht hatte, … wurde er der Schwäche seiner Kunst gewahr“ und nahm Zuflucht bei den Heiligen Kyros und Johannes.83 Die erwähnte Schwäche seiner Kunst liegt in der Krankheitsursache begründet. In dieser Weise argumentiert Sophronios nicht nur hier. So legt etwa die in mir. 23,1 von Sophronios aufgeworfene, aber unbeantwortete Frage nahe, dass das Scheitern der Ärzte darauf zurückzuführen sein könnte, dass die Krankheit möglicherweise keine natürliche Ursache habe. Deutlicher wird Sophronios in mir. 29: Athanasia, die es sich zur Gewohnheit gemacht hat, über die beiden Märtyrerheiligen zu spotten, züchtigen sie, auf dass sie sich eines Besseren besinne. Zunächst erkennt sie die Ursache ihres Leidens nicht und schickt deswegen nach massenhaft Ärzten. Diesen gelingt es allerdings trotz der in Aussicht gestellten Belohnung nicht, der Erkrankten zu helfen: „Sie verkannten die Ursache des Leidens und erkannten nicht, was zu tun sei.“84 Den Überfluss an Blasphemie (τὸ πλῆθος τῆς δυσφημίας), die eigentliche, in das Gewand medizinischer Terminologie gekleidete Krankheitsursache, beseitigen erst die Märtyrer, die Athanasia eines Nachts erscheinen. Erinnert sei sodann an mir. 54,5. Hier weisen Ärzte die Eltern des kleinen Isidoros’ unisono darauf hin, dass dessen Krankheit nicht, wie jene meinen, einem „Überfluss melancholischer Säfte“85 geschuldet sei. Vielmehr habe er
82
μόλις ποτὲ τοῦ νοσήματος εἰρηκότες τὴν ἄγνοιαν· τὴν τούτων δὲ γνοὺς ὁ ἄρρωστος ἄγνοιαν καὶ μετὰ τῆς ἀγνοίας τὸ ἄναλκες κομίζειν αὑτὸν πρὸς τοὺς ἁγίους ἐκέλευε (35,4,4–6 [319 FM]). Ähnlich auch mir. 26,2,6f (291 FM): ἰατρῶν … οἱ δόκιμοι, παντελῶς ἀπορήσαντες πρὸς τὸ νόσημα, καὶ μηδεμίαν αὐτοῦ λαβεῖν δυνηθέντες διάγνωσιν. 83 οὗτος ἀπὸ μαγείας ἀκίνητος γίγνεται, καὶ τοῦ πάθους ἀγνοήσας τὸ αἴτιον, ἑαυτὸν θεραπεύειν ἐσπούδαζεν, ἐκεῖνα ποιῶν ἅπερ αὐτὸν ἰατρεύειν ἐνόμιζεν, καὶ ἃ παθόντας ἑτέρους, οὐ μαγείαν, ἀλλ᾿ ἀργίαν μελῶν, προσενέγκας ὠφέλησεν· ἀλλ᾿ ὡς πάντα ποιήσας ἑαυτῷ τῆς νόσου τὴν φυγὴν οὐκ ἐβράβευσεν, τῆς τέχνης ἐγνωκὼς τὴν ἀσθένειαν, Κύρου πρόσφυξ καὶ Ἰωάννου καθίσταται (55,1,6–11 [370 FM]). 84 ὧν ἀγνοοῦσα τὸ αἴτιον (καὶ τοῦτο γὰρ τῷ πλήθει τῆς δυσφημίας ἐκέρδαινεν), καὶ διαδράναι ποθοῦσα τὸν κίνδυνον, ὁρμαθοὺς ἰατρῶν μετεστέλλετο. Οἱ δὲ προθύμως συνέρρεον, ἀδροτέρων μισθῶν προσδοκίαις γαυρούμενοι· ἀλλὰ ταύτης ἀπέπιπτον, ἀγνοοῦντες τοῦ πάθους τὸ αἴτιον, καὶ τί ποιεῖν οὐ γινώσκοντες (29,10,5–9 [301 FM]). 85 ἀπὸ πλήθους μελαγχολικῶν χυμῶν (54,5,5 [369 FM]).
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
„eine von Menschen nicht besiegbare Krankheit; einen bösen Geist und nicht melancholischen Saft habe er zur Krankheit.“86 Wie Ärzte behandeln, berichtet Sophronios in den mir. 5,1; 12,5; 19,2; 22,2; 23,1; 30,4–6; 35,4; 45,2; 60,2. Da mir. 30,4–6 im folgenden Kapitel ausführlich analysiert wird und die Ergebnisse weitgehend übertragbar sind, können wir uns hier auf einige wenige Punkte beschränken: Zunächst fällt die große Zahl der jeweils genannten Heilmittel auf.87 Bei diesen handelt es sich allerdings – und nur mit Ausnahme von mir. 19,288 – nicht um konkrete Heilmittel, sondern um Allgemeinbegriffe. Keines der Heilmittel hat eine dem Patienten nützliche Wirkung, in zwei Fällen (mir. 5,2; 60,2) verschlimmern sie sein Leiden sogar noch. Sodann lässt sich mir. 22,2 entnehmen, dass die Behandlung des Patienten mit der Konsultation von Hippokrates und Galen89 beginnt. Diesen Eindruck bestätigen mir. 30,4, 30,6 und mir. 41,5.90 Zuletzt sei auf drei Passagen hingewiesen, in denen Sophronios die Beratung der Ärzte untereinander in den Vordergrund rückt: mir. 18,3; 48,2 und 70,5f. Hierbei geht es Sophronios nun nicht darum, deren Äußerungen allgemein zu charakterisieren, sondern vielmehr darum, einige charakteristische Negativbeispiele zu präsentieren: die Uneinigkeit der Ärzte untereinander (18,3; 70,5f) sowie deren Wankelmütigkeit (48,2; 70,5f).
86
ἀλλ᾿ ὡς μίαν πρὸς πάντων ἀπόφασιν ἤκουον ἀνθρώποις ἀνίκητον εἶναι τὸ νόσημα, πνεῦμα πονηρὸν καὶ οὐ μελαγχολικὸν χυμὸν ἔχων τὸ νόσημα (54,5,8–10 [369 FM]). L liest causam habentem, was GASCOU für überzeugender hält (Sophrone, 189 Anm. 1141). 87 διαλύειν ἠπείγοντο πλείσταις ἐμβροχαῖς καὶ διαφόροις ἐναίμασι χρώμενοι, καὶ τὰς τῶν ἀντιδότων λυτικὰς διὰ στόματος πέμποντες, καὶ βρώματα τὸν στόμαχον φθείροντα παρεχόμενοι (5,1,8–11 [250 FM]), ἰατρῶν δὲ οὐδεὶς τοῦ πάθους αὐτὸν ἠδύνατο ῥύσασθαι, οὐ διαίταις, οὐκ ἀντιδότοις, οὐκ ἐπαλλήλοις ἀλείμμασιν, οὐ παντοδαποῖς βοηθήμασιν (12,5,5–7 [265 FM]), ἣν οὐ φάρμακον εὐτριβές, οὐ δραστήριον, οὐκ ἔμπλαστρος ἡ γαλβιανή τε καὶ πάγχριστος, οὐχ ἡ Φίλωνος καλουμένη ἀντίδοτος, οὐκ ἄλλο τι φυσικόν τε καὶ ἄκρατον ἢ ἐκ συναφείας εἴδους ἑτέρου βοήθημα κατευνάζειν ταῦτα μέχρι τῆς σήμερον ἴσχυσεν (19,2,6–10 [279 FM]), ἰατροὶ δὲ πολλοῖς μὲν ἀλείμμασι, διαφόροις δὲ σμήξεσι, φλεβοτόμοις τε καὶ καθαρσίοις καὶ λοιποῖς χρώμενοι βοηθήμασι (23,1,9–11 [285 FM]), Πολλὰς γοῦν ἀντιδότους ὀρέξαντες καὶ καθάρσια πλείονα (ἐκ χυμῶν γὰρ πληθωρίας τὸ πάθος ἐνόμιζον), καὶ ἕτερα αὐτῶν δι᾿ ἀλειμμάτων καὶ διαφόρου διαίτης ποιήσαντες (35,4,1–3 [319 FM]). Die folgenden Passagen setzen ebenfalls voraus, dass eine Vielzahl von Heilmitteln zur Anwendung kommt. Im Einzelnen aufgezählt werden sie allerdings nicht. καὶ πόλλα μὲν τῷ νοσοῦντι προσφέροντες (22,2,9 [284 FM]), Πολλοὺς γὰρ περιελθὼν καὶ πληρώσας πολλῶν ἐπιτάγματος (45,2,6–7 [350 FM]), πᾶν ὅπερ ἰατροὶ πρὸς τὴν αὐτοῦ παῦλαν προσέφερον (60,2,8f [376 FM]). 88 Vgl. zu den einzelnen Heilmitteln GASCOU, Sophrone, 75 Anm. 433–435. 89 Οἱ δὲ τὸν Γαληνὸν περιστρέφοντες, καὶ τὸν Ἱπποκράτην ἑαυτοῖς ἀνελίττοντες καὶ πόλλα μὲν τῷ νοσοῦντι προσφέροντες (22,2,8f [284 FM]). 90 μηδὲ μὴν εὑρεῖν ἐν τοῖς τῶν ἀρχαίων Ἀσκληπιάδων συγγράμμασι (41,5,4f [342 FM]).
4.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
159
Neben Schilderungen der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit rekurriert Sophronios in sieben der Wunderberichte auf Ärzte, um den Namen einer Krankheit einzuführen, den er sonst selbst nennt. In drei der sieben Belege belässt er es bei dem Hinweis, wie sie ein bestimmtes Leiden benennen.91 In zwei weiteren fügt er an, dass und warum er die Benennung als treffend (καλῶς) erachtet.92 In mir. 1,10 erläutert Sophronios, warum die Ärzte ein bestimmtes Leiden als κολικευμόν und nicht als στομάχου διάθεσις bezeichnen: ob des größeren Schmerzes, den das Leiden verursacht.93 In mir. 15,1 spekuliert er von dem Namen ausgehend, den die Ärzte einer Krankheit gegeben haben, über das Wesen der Krankheit. In mir. 15,2 ist er bereits zu dem Schluss gekommen, dass das Wesen der Krankheit deren Benennung durch die Ärzte veranlasst hat.94 In allen Fällen können Sophronios’ Ausführungen als Ausdruck seiner Distanz zur Ärzteschaft verstanden werden,95 die aber zugleich auch seine Sachkenntnis unterstreichen. In jedem Fall steigern sie die Anschaulichkeit seiner Ausführungen; mit Blick auf seine Beschreibungen von χοιράδες (1,5), des κολικευμόν πάθος (1,10), der ἐλεφαντίασις (15,1f) und der ποδάγρα (36,4) leuchtet dies unmittelbar ein. 4.2.3 Versagen die Ärzte? Sophronios spricht Ärzten keineswegs ab, ihren Patienten helfen zu können. So gelingt es den Ärzten in mir. 1,11 zwar nicht, Ammonios zu heilen, doch
91
τὸ μὲν πάθος οἱ τῆς ἰατρικῆς ἐπιστήμης ὕδερον λέγουσιν· (20,2,3 [281 FM]), ὁ παρ᾿ ἰατροῖς σκῖρος λεγόμενος (22,1,10 [283 FM]), νόσος … ἣν Ἀσκληπιάδαι προσαγορεύουσι πάρεσιν (32,4,6f [309 FM]). 92 ὅπερ ἰατροὶ χοιράδας καλῶς ὀνομάζουσιν, διὰ τὸ ζώοις ἐοικέναι τοιούτοις τὰ τοῦτο δημιουργοῦντα τὸ νόσημα, καὶ καινοὺς συφεῶνας τῶν ἀθλίων ἀνθρώπων τοὺς τραχήλους ποιούμενα (1,3,3–5 [243f FM]); ὅπερ ἰατροὶ ποδάγραν, ὡς οἶμαι, καλῶς προσηγόρευσαν, διὰ τὴν τοῦ πάθους πολλὴν ἀγρότητα (36,4,2f [323 FM]). 93 κολικευμὸν δὲ μᾶλλον Ἀσκληπιάδαι τὸ πάθος ἐκάλεσαν καὶ οὐ στομάχου διάθεσιν τὸ διάφορον τῶν ἀλγηδόνων συγκρίναντες καὶ μείζους ταύτας ἢ κατὰ στόμαχον βλέποντες (1,10,4f [245 FM]). Vgl. hierzu Kap. 2.4 (zu §10), S. 45f. 94 Πάθος Ἰωάννης ἔσχεν ἀπάνθρωπον, ὃ πάντων εἰπεῖν τῶν σωματικῶν παθῶν μεῖζόν ἐστιν καὶ πικρότερον, καὶ διὰ τοῦτο τάχα πρὸς ἰατρῶν τὴν τοῦ ἐλέφαντος ὁμωνυμίαν σημαίνεται. Ὥσπερ γὰρ ἐκεῖνο τὸ ζῶον τῶν ἄλλων τετραπόδων ἀλκῇ διαφέρει καὶ μεγέθει τοῦ σώματος …, οὕτω καὶ τοῦτο τῶν ἄλλων παθῶν πολὺ μεῖζον ἰατροὶ τῇ κακίᾳ σκοπήσαντες, τῷ τοῦ ἐλέφαντος ὀνόματι προσηγόρευσαν (15,1,5–2,2.4f [272f FM]). Die abenteuerlich anmutende Herleitung des Namens ἐλεφαντίασις findet sich ähnlich auch bei Aret. SA IV,13 (II, 85–900 HUDE). Vgl. GASCOU, L’éléphantiasis, 269, und ders., Sophrone, 66 Anm. 377 mit Verweis auf GRMEK, Maladies, 253). 95 NISSEN, Sophronios-Studien, 372.
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
erkennen sie genau, woran er leidet.96 In mir. 7 gelingt es den Ärzten, Menas’ Krankheit zu heilen, nur den durch die Krankheit entstandenen Schaden vermögen sie nicht, zu beseitigen.97 Das Leiden der kleinen Marou wiederum hätte, so schreibt Sophronios in mir. 11,1, „vielleicht auch ein sehr guter Arzt vollbringen können, wenngleich nicht so schnell und mit Hilfe eines solchen Heilmittels.“98 Ärzte spenden ihren Patienten „Trost“.99 Dass die „der medizinischen Wissenschaft Kundigen“ der wassersüchtigen Maria nicht helfen konnten, erscheint Sophronios gar deswegen bemerkenswert, als sie dies doch „bei beinahe allen anderen Krankheiten vermögen. Die einen behandeln sie vollständig, bei den anderen trösten sie die Erkrankten und lindern ihre Beschwerden mit Hilfsmitteln.“100 Selbst sein eigenes Tun vergleicht Sophronios mit dem angesehener Asklepiaden: Wie diese ihren Patienten unangenehm schmeckende Medizin mit Honig vermischt verabreichen, füge jener zwischen den süßen Geschichten einige herbe ein; die Süßen würden die Seelen der Zuhörer behandeln, während sie die Herben unbemerkt reinigen.101 Von daher erscheint es fragwürdig, ob Sophronios die ärztliche Kunst tatsächlich so gering schätzt, wie Nissen behauptet. Er beurteilt die ärztlichen Handlungsmöglichkeiten von Ärzten sogar recht wohlwollend. Und dennoch gelingt es Ärzten in keinem der von Sophronios geschilderten Fälle, ihren Patienten zu helfen.
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τὸ πάθος ἰατροὶ καὶ τούτων οἱ φοροῦντες τοὺς τρίβωνας, καὶ τῇ κομψείᾳ τῶν λόγων ἐπερειδόμενοι … σαφῶς ἔγνωσαν, τὴν μὲν νόσον μαθεῖν ἠδυνήθησαν, οὐκέτι δὲ καὶ τὴν ἴασιν παρέχειν εὐπόρησαν (1,11,1–4 [246 FM]). 97 καὶ λυτρωθεὶς τοῦ νοσήματος, τῶν ἰατρῶν μὲν πρὸς τὸ μαρκὸν ἀνδρισαμένων ἀρρώστημα, ἀπειπαμένων δὲ πρὸς τὴν ἐκ τῆς νόσου τεχθεῖσαν ἀσθένειαν (7,2,4f [252 FM]). 98 Ἐκεῖνο μὲν γὰρ καὶ ἰατρὸς ἴσως ἂν ἔπραξεν ἄριστος, εἰ καὶ μὴ οὕτω ταχέως, μηδὲ τοιούτῳ φαρμάκῳ χρησάμενος (11,1,3f [262 FM]). 99 ἡ δὲ καὶ τῆς τούτων ψυχαγωγίας καὶ τοῖς νοσοῦσιν ποθεινῆς ἐπισκέψεως διὰ πτωχείαν ἐστέρητο (24,2,4f [287 FM]). 100 πάθος ἐσχηκυῖα δυσίατον καὶ παρ᾿ ἐλπίδα λαβοῦσα τὴν ἴασιν. Καὶ τὸ μὲν πάθος οἱ τῆς ἰατρικῆς ἐπιστήμης ὕδερον λέγουσιν· ὀνῆσαι δέ τι τὸν εἰς τοιαύτην ἐλθόντα διάθεσιν οὐκ ἰσχύουσιν, οὐ μικρόν, οὐ μέγιστον, οὐ παραμυθίαν τινὰ πρὸς τῆς τέχνης χαρίσασθαι, ὅπερ ἐν ἅπασιν σχεδὸν τοῖς λοιποῖς ποιοῦσι νοσήμασιν, τὰ μὲν τέλεον θεραπεύοντες, τὰ δὲ ψυχαγωγοῦντες τοὺς ἔχοντας καὶ μειοῦντες τρόπον τινὰ βοηθήμασιν (20,2,2–8 [281 FM]). 101 τοῖς μὲν ἡδέσι τὰς τῶν ἀκουόντων ψυχὰς θεραπεύοντα, τοῖς δὲ στυπτικωτέροις ταύτας (sc. τὰς ψυχάς cj. GASCOU [Sophrone, 114 Anm. 649], ταῦτα C, E, FM) ἀνεπαισθήτως καθαίροντα· ὡς καὶ τῶν Ἀσκληπιάδων οἱ δόκιμοι πράττουσιν· μέλιτι γὰρ τὰ δηκτικὰ (C [DUFFY, Readings, 173], δεκτικὰ E, FM) καὶ ὠφέλιμα τῶν φαρμάκων συνδήσαντες, ἤτοι προσμίξαντες, τοὺς δεομένους καθάρσεως ἐκκαθαίρουσιν. Τούτους οὖν καὶ ἡμεῖς ἐνθάδε μιμούμενοι, τοῖς προλαβοῦσιν ἡδέσι τὰ παρόντα δηκτικὰ (wie eben) προσποιήσαντες, ἑτέροις ταῦτα τερπνοῖς συγκαλύψωμεν (32,12,5–9 [312 FM]).
4.2. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
161
Die Gründe sind vielfältig, lassen sich aber auf zwei Grundmuster zurückführen: Entweder beginnen die Ärzte die Behandlung gar nicht erst, weil sich die Erkrankung als unheilbar herausgestellt hat (so zum Beispiel in mir. 8,9), sie (wie in mir. 54) von einem Dämon verursacht ist, der in den Patienten eindringt, oder sich der Erkrankte die Behandlung nicht leisten kann (so beispielsweise in mir. 69). Oder sie beginnen die Behandlung zwar, brechen sie dann aber unverrichteter Dinge ab, weil das Vermögen des Erkrankten aufgezehrt ist oder sich die angewandten Behandlungsmethoden als erfolglos erwiesen haben. Selten entschwinden dann die Ärzte, meist ist es der Patient, der sich von den Ärzten abwendet. Sophronios führt dann gerne die „Schwäche“ der Ärzte und der ärztlichen Kunst an.102 Gelegentlich resümiert er auch nur, dass sie dem jeweiligen Protagonisten keine Heilung verschaffen konnten103 oder es dem jeweiligen Protagonisten nicht möglich war, Heilung zu erlangen.104 In den meisten Fällen verweist er darauf, dass die Ärzte dem jeweiligen Protagonisten keinen Nutzen verschaffen konnten.105 In allen Fällen ist Sophronios’ Schilderung aber eher knapp gehalten und trifft nur selten eine Aussage, die über die je konkrete Situation hinausgeht. Warum die Ärzte die jeweilige Krankheit nicht zu behandeln vermögen, wird nur selten ausgeführt. Dann aber ist der Grund entweder darin zu suchen, dass die Ärzte die Krankheitsursache nicht erkennen,106 oder liegt im Wesen der Krankheit begründet: In mir. 12,5 heißt es etwa nach einer Auf102 Λέγειν δὲ πάλιν καὶ ἐπὶ τούτου τοῦ νοσήματος τῶν ἰατρῶν τὴν ἀσθένειαν ὡς πᾶσιν οὖσαν εὐσύνοπτον παραιτήσομαι (42,3,1f [344 FM]), τὴν τῶν ἰατρῶν ἀρωγὴν εἶδεν πρὸς τὸ πάθος ἀνόνητον (3,2,1 [248 FM]), καὶ τὴν πρὸς αὐτὸ τῆς ἰατρικῆς τέχνης ἀδράνειαν, ἣν οἱ ταύτην μετιόντες ἔργοις καὶ λόγοις ἐκήρυττον (19,3,2f [279f FM]), φανερὰ δὲ τοῖς πᾶσιν ἐγίνετο καὶ τῶν ἰατρῶν ἡ ἀμάθεια (26,2,10 [291 FM]), τὴν τέχνην ἀσθενοῦσαν ἐδείκνυε (52,1,9 [365 FM]), τῆς τέχνης ἐγνωκὼς τὴν ἀσθένειαν (55,1,10 [370 FM]) u.a.m. Hierzu gehören auch die Fälle, in denen es dem jeweiligen Protagonisten nicht möglich ist, einen Arzt zu finden, der dessen Leiden heilen könnte, wie dies etwa in mir. 58,3 der Fall ist. 103 οὐκέτι δὲ καὶ τὴν ἴασιν παρέχειν εὐπόρησαν (1,11,3f [246 FM]). 104 Ὡς δὲ πάντων πειραθείς, τῆς ὑγείας οὐκ ἔτυχεν, καὶ πάντα δαπανήσας οὐκ ἠλευθερώθη τῆς σύριγγος (6,2,1f [251 FM]), παρὰ ἰατρῶν οὐχ εὑρὼν τὸ γλυκὺ τῆς ἰάσεως (15,5,2 [273 FM]). 105 ὤνησαν οὐδέν (1,5,2 [244 FM]), μηδὲν πρὸς μηδενὸς ὠφελούμενος (ἄπρακτοι γὰρ κἀνταῦθα πεφύκασιν Ἱπποκράτης τε καὶ Γαληνὸς καὶ Δημόκριτος ὁ ἀδελφὸς ὁ νόθος τῆς φύσεως, καὶ σὺν αὐτοῖς οἱ τοῖς λόγοις αὐτῶν βρενθυνόμενοι (13,2,5–8 [270 FM]), μηδὲν ἐξ αὐτῶν ὠφελούμενος (17,3,2 [277 FM]), ὀνῆσαι δέ τι τὸν εἰς τοιαύτην ἐλθόντα διάθεσιν οὐκ ἰσχύουσιν, οὐ μικρόν, οὐ μέγιστον, οὐ παραμυθίαν τινὰ πρὸς τῆς τέχνης χαρίσασθαι (20,2,4f [281 FM]), ὠφελοῦντες οὐδὲν ὡς μὴ φανέντες ὑπέστρεφον (21,3,3 [282 FM]), ὠφέλουν οὐδὲν τὸν Γεννάδιον (23,1,10f [285 FM]) u.a.m. 106 Vgl. hierzu Kap. 4.2.2, S. 157.
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
zählung von verschiedenen Heilmitteln, dass „das Leiden über all diesen stand und seine Hand keiner menschlichen Hand reichen wollte.“107 Dass der Schwere und Eigentümlichkeit einer Krankheit durchaus eine eigenständige Bedeutung zukommt, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sie auch dann betont wird, wenn Ärzte nicht oder nur am Rande in Erscheinung treten. Mit Blick auf die oben bereits erwähnte ποδάγρα führt Sophronios aus: Wie man sich erzählt, fiel Theodoros in jungen Jahren einer Fußkrankheit anheim, die die Ärzte wegen der großen Wildheit des Leidens, wie ich finde, treffend ποδάγρα nennen. Wie nämlich die wilderen der Tiere von Natur aus unbändig sind, sich von denen, die sie bändigen wollen, nicht unterkriegen und einen zähmenden Zügel nicht anlegen lassen, so ist auch diese unbändige Krankheit für die Ärzte unzähmbar. Sie nimmt der Gesundheit Zügel nicht auf. Vielmehr zerstört sie die Zügel, die ihr durch die Heilmittel angelegt werden sollen, als ob sie aus Spinnenweben bestünden, und entflieht, ihre ihr eigene Wildheit zurückgewinnend.108
In jedem einzelnen Fall, in dem sich Ärzte an der Therapie einer der beschriebenen Krankheiten versuchen, scheitern sie. Entweder beginnen sie die Behandlung gar nicht erst, sie wird vorzeitig abgebrochen oder erweist sich als ungeeignet, die jeweilige Krankheit zu besiegen. Nun überrascht es angesichts solch schwerer, mitunter auch eigentümlicher Krankheiten nicht, dass die Ärzte versagen. Gerade deshalb erscheint es nun aber verfehlt, hierin die eigentliche Spitze der Ärzteschaft und ihrem Handwerk gegenüber erblicken zu wollen. Wie sie auftreten (Kap. 4.2.1) und wirken (Kap. 4.2.2), legt vielmehr nahe, dass es bestimmte Charakterzüge sind – namentlich deren Überheblichkeit, Schwatzhaftigkeit, Geldgier und Ruhmsucht –, die Sophronios polemisch überzeichnet und gegen die Ärzte, und insbesondere die Angesehenen unter ihnen, wendet. Seine Karikaturen gewinnen zwar vor dem Hintergrund an Schärfe, dass auch die angesehensten Ärzte nicht in der Lage sind, die jeweilige Krankheit zu behandeln.109 Die eigentliche Pointe von Sophronios’ Charakterisierung aber ist der minutiöse Bericht ihres in seinen Augen in jeder Hinsicht unangemessenen Auftretens.
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ἀλλ᾿ ὅλων τούτων ὑπῆρχεν τὸ πάθος ἀνώτερον, ἀνθρωπείᾳ χειρὶ χεῖρα παρασχεῖν μὴ βουλόμενον (12,5,7f [266 FM]). 108 Οὗτος, ὥς φασιν, ὁ Θεόδωρος ἐκ νέας ἡλικίας τῷ τῶν ποδῶν περιπίπτει νοσήματι, ὅπερ ἰατροὶ ποδάγραν, ὡς οἶμαι, καλῶς προσηγόρευσαν, διὰ τὴν τοῦ πάθους πολλὴν ἀγριότητα. Ὥσπερ γὰρ τῶν θηρῶν ἀγριώτερα φυσικῶς τὸ ἀνήμερον ἔχοντα τοῖς ἐθέλουσίν εἰσιν ἀνυπότακτα τιθασσεύοντα χαλινὸν οὐ (C, om. E, FM [DUFFY, Readings, 174]) δεχόμενα· οὕτω καὶ τοῦτο τὸ ἀνήμερον νόσημα, παισὶν ἰατρῶν ὑπάρχον ἀτίθασσον, ὑγείας χαλινὸν οὐκ ἀνέχεται, ἀλλ᾿ αὐτοὺς τοὺς προσφερομένους αὐτῷ τοῖς βοηθήμασιν, ὥσπερ ἐξ ἀράχνης ὄντας περικόψας ἀπέρχεται, τὴν οἰκείαν ἀναλαβὸν ἀγριότητα (36,4,1–8 [323 FM]). 109 Vgl. VAN DER EIJK, Galen, 344–346.
4.3. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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Natürlich bildet die Schilderung ärztlicher Tätigkeit dann auch den Hintergrund, von dem sich Kyros und Johannes leuchtend abheben – und zwar in Hinblick auf ihre Haltung, ihr Können und nicht zuletzt auch ihren Erfolg.
4.3 Über Gesios, den Iatrosophisten (mir. 30) Nachdem wir uns einen Überblick über Verteilung und Konnotation der Belege von ἰατρός κτλ. verschafft und anschließend gefragt haben, wie einzelne Ärzte und Gruppen von Ärzten als literarische Figuren charakterisiert werden, verbleibt die Frage, wie sich das Verhältnis von Ärzten und Märtyrerheiligen sowie deren jeweiliger Tätigkeit gestaltet. Diese Frage wird uns bei der nun anstehenden Analyse des Berichts über den Iatrosophisten Gesios leiten. 4.3.1 Einbettung in den Kontext Περὶ Γεσίου τοῦ ἰατροσοφιστοῦ findet sich unter den Berichten 1–35, in denen Sophronios an Alexandrinern vollbrachte Wunder dokumentiert. Dass sich in der näheren Umgebung von mir. 30 weitere Berichte finden, die das Wirken von Ärzten ausführlicher als üblich thematisieren, wurde bereits notiert.110 Noch festzuhalten gilt, dass mir. 30 das zweite in einem von mir. 29 bis 32 reichenden Zyklus von Wundern ist, der „die Strenge und Schärfe der Heiligen“ herauszustellen gedacht ist.111 Mit dem ersten dieser Berichte, mir. 29, verbinden mir. 30 eine Zahl gemeinsamer Motive, auf die im Kommentar näher einzugehen sein wird. Der Übergang zum folgenden Bericht wirkt hiergegen reichlich abrupt. Bemerken wir an dieser Stelle zwei weitere Besonderheiten des Wunderberichts: Von mir. 70 einmal abgesehen ist mir. 30 der einzige Bericht, der Erkrankung und Genesung einer für uns historisch greifbaren Persönlichkeit zum Gegenstand hat. Zudem ist mir. 30 der einzige Bericht, dessen Protagonist zum Zeitpunkt seiner Niederschrift mit Sicherheit nicht mehr lebt. 4.3.2 Inhaltsangabe Mir. 30 berichtet über den Iatrosophisten Gesios, dessen Erkrankung und anschließende Genesung, die er den beiden Märtyrerheiligen zu verdanken hat. Bereits in §1 zeichnet sich ein Konflikt ab, der den weiteren Wunderbericht prägen wird. Gesios behauptet nämlich, dass das Märtyrerpaar „die
110
Vgl. hierzu ausführlich Kap. 4.1.1, S. 143. δύο ἢ καὶ τρία διηγήματα, δι᾿ ὧν ξαὶ τὸ σύντονον καὶ στυπτικὸν τῶν ἁγίων γνωσθήσεται, 29,1,1–3 [298 FM]). 111
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
Krankheiten der Menschen mit Hilfe ärztlicher Kunst, nicht mit Hilfe göttlicher und übernatürlicher Kraft behandelten“ (§3). Der eigentliche Wunderbericht setzt mit der Vorstellung des Protagonisten ein, der sich, so deutet Sophronios an, nur zum Schein habe taufen lassen (§2), Christen wegen ihrer angeblich unvernünftigen Christusverehrung verspotte und dabei auch vor den Märtyrern nicht Halt mache (§3). Es ist der erste Vorwurf, dass die Märtyrerheiligen wie andere Ärzte auch behandeln, der im weiteren Berichtsverlauf im Vordergrund steht (§4) – und Gesios, der diesen widerlegt: Gesios erkrankt schwer, vermag sich selbst mit den ihm zu Verfügung stehenden Mitteln keine Heilung zu verschaffen (§5). Auch seine Kollegen versagen und verweisen ihn an Gott, den „alleinige(n) Arzt dieses Leidens“ (§6). Gesios’ Kollegen raten ihm, die beiden Märtyrerheiligen um Hilfe zu ersuchen. Dieser lehnt dies zunächst ab (§7), sucht sie dann aber doch auf. Kyros und Johannes erscheinen ihm schließlich im Schlaf und verordnen ihm, am nächsten Morgen auf allen Vieren durch das Heiligtum zu kriechen und lauthals seine Dummheit zu bekennen. Gesios hält diese Erscheinung zunächst für einen Albtraum (§8). Kyros und Johannes erscheinen ihm erneut und verordnen ihr Heilmittel ein weiteres Mal (§9) und, nachdem Gesios die Erscheinung ein weiteres Mal als Gespinst abgetan hatte, ein drittes Mal (§10). Jedes Mal verschärfen sie die Strafe ein wenig. Nun erkennt Gesios, dass ihm die beiden Märtyrerheiligen tatsächlich erschienen sind, führt deren Anweisung aus und gesundet (§11). In der darauffolgenden Nacht erscheinen ihm die Märtyrerheiligen ein weiteres Mal und fordern ihn auf, wie er es sonst auch zu tun pflegt, anzugeben, bei welchem Arzt sich ihr Heilmittel beschrieben finde (§12). Gesios weiß hierauf keine Antwort und ist damit widerlegt. Die Märtyrer lobend und bekennend, „dass sie die Leidenden in Gottes Namen heilen“, verlässt er schließlich ihre Anlage (§13). Dass Kosmas und Damian ein ähnliches Wunder vollbracht haben und auch andere Wunderberichte einander ähneln, hierauf kommt Sophronios abschließend zu sprechen (§13f). 4.3.3 Text112 und Übersetzung Περὶ Γεσίου τοῦ ἰατροσοφιστοῦ §1 Πάρεστι νῦν καὶ ὁ Γέσιος οὐ τεχνολογῶν τῶν ἁγίων τὰ φάρμακα, καὶ θεραπεύειν τοὺς πάσχοντας κατὰ θεσμὸν αὐτοὺς ἰατρικὸν 112
= FM 302–306.
Über Gesios, den Iatrosophisten Nun ist auch Gesios anwesend: Er fabuliert nicht über die Heilmittel der Heiligen und brüstet sich auch nicht damit, dass sie die Leidenden nach
4.3. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
βρενθυνόμενος, ἀλλὰ νοσῶν καὶ σφοδρῶς ὀδυνώμενος, καὶ τῆς θείας μετασχεῖν δωρεᾶς ὀρεγόμενος, ἧς ἀπολαύσας ἀδρότερον καὶ θεόθεν ἰᾶσθαι μαρτυρήσας τοὺς μάρτυρας, μηδὲν εἶναι τῶν ἰατρῶν τὰ κομψεύματα πρὸς τὴν τῶν ἁγίων ἀλκὴν ἀπεφήνατο. Λέξωμεν τοίνυν αὐτοῦ τὴν ἀσθένειαν, καὶ τῆς ἀσθενείας τὸ αἴτιον, καὶ τὸ ταύτης χαριέστατον φάρμακον, κἂν εἰ αὐτὸς εἰς ἔτι καὶ νῦν ἐπαισχύνεται, καὶ φανεροῦσθαι πᾶσιν οὐ βούλεται γράμμασιν.
§2 Σοφιστὴς ὁ Γέσιος ὑπῆρχε σοφώτατος, οὐ λόγους ῥητορικοὺς ἐξηγούμενος, καὶ διὰ τοῦτο φορῶν τὸ τριβώνιον, ἀλλὰ τέχνης ἰατρικῆς προϊστάμενος, καὶ ταύτης σὺν ἀκριβείᾳ διδάσκαλος τοῖς μανθάνουσι κατ᾿ ἐκεῖνο καιροῦ113 γνωριζόμενος. Οὗτος ὁ σοφὸς ἐν λόγοις αἰρόμενος, καὶ καλλίστοις λόγοις114 ἰατρὸς φημιζόμενος, Ἑλληνικῆς οὐκ ἦν ὁ τρισάθλιος δεισιδαιμονίας ἐλεύθερος, ὡς ἔλεγον οἱ σαφῶς τὰ κατ᾿ αὐτὸν ἐπιστάμενοι, καὶ τὸ ἀκούσιον αὐτοῦ ἐθριάμβευε βάπτισμα, ὅπερ ἀπειλὴν φοβηθεὶς βασιλικὴν ἐβαπτίσατο· καὶ τοῦ θείου λουτῆρος ἀνιών, τὸ Ὁμηρικὸν ἐκεῖνο δυσσεβῶς 113
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den Regeln ärztlicher Kunst behandeln. Vielmehr erkrankt er, leidet heftige Qualen und sehnt sich, der göttlichen Gabe teilhaft zu werden. Seit er diese im Überfluss genossen hatte, bezeugte er, dass die Märtyrer von Gott her heilen, und erklärte, dass die Feinsinnigkeiten der Ärzte nichts im Vergleich zum Beistand der Heiligen seien. Sprechen wir nun über seine Schwäche, der Schwäche Ursache und deren ausgesprochen elegantes Heilmittel – auch wenn er selbst sich noch heute schämt und nicht allen durch Niederschrift bekannt werden will. Gesios war ein überaus weiser Gelehrter. Nicht weil er Rhetorik lehrte, nicht deshalb trug er den Tribon, sondern weil er in der ärztlichen Kunst brillierte und seinen Schülern zu jener Zeit als deren gründlicher Lehrer bekannt war. Dieser Weise, der in Reden herausgehoben wurde und als Arzt in den schönsten Worten sprach – der dreimal Unglückliche war nicht frei von heidnischem Aberglauben, wie die berichteten, die seine Umstände genau kannten. Er plauderte offen über seine unfreiwillige Taufe, die er aus Furcht vor kaiserlicher Drohung empfing, und als er dem göttlichen Bad entstieg, stieß er jenen Homer-Vers gottlos hervor: Ajax aber
C, E, κατ᾿ ἐκεῖνον καιρόν FM (vgl. GASCOU, Sophrone, 102 Anm. 583). Cj. GASCOU (Sophrone, 102 Anm. 584), καλλίστοις ἰατροῖς C, E, FM, καὶ ... λόγοις om. L. Die Konjektur ist nicht zwingend: καλλίστοις ἰατροῖς C könnte die handelnde Person des dann vielleicht besser in εὐφημιζόμενος zu ändernden φημιζόμενος bezeichnen. Nur ergänzt κάλλιστοι ἰατροί nicht wirklich sinnvoll. Die übernommene Konjektur verfolgt die Idee, dass dem Gelehrten Gesios schmeichelnde Worte nicht nur zu Teil wurden, sondern er selbst sich erloquent auszudrücken verstand. 114
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
ἀπεφθέγξατο. Αἴας δ᾿ ἐξαπόλωλεν, ἐπεὶ πίεν ἀλμυρὸν ὕδωρ §3 Ταύτην οὖν καὶ μυηθεὶς τὰ θειότατα, κρύπτων παρ᾿ ἑαυτῷ τὴν δυσσέβειαν, ἐκωμῴδει μὲν ἀεὶ Χριστιανούς, ὡς τὸν Χριστὸν ἀλογώτατα σέβοντας, καὶ τοῖς ἐνθέοις αὐτοῦ νόμοις δουλεύοντας, ἄλλα τε πολλὰ βδελυρῶς ἐρευγόμενος, κἀκ τοῦ πονηροῦ τῆς καρδίας θησαυροῦ τὰ πονηρὰ προφερόμενος ῥήματα· ἀπὸ γὰρ τοῦ τῆς καρδίας ἀληθῶς περισσεύματος, τὸ στόμα λαλεῖ τε καὶ φθέγγεται. Ἐκωμῴδει δὲ καὶ Κῦρον καὶ Ἰωάννην τοὺς μάρτυρας ὡς ἐκ τέχνης ἰατρικῆς θεραπεύοντας τὰ τῶν ἀνθρώπων νοσήματα, καὶ οὐκ ἐκ θείας τινὸς καὶ ὑπερτάτης δυνάμεως. §4 Πυνθανόμενος γὰρ τὰ τοῖς ἀσθενοῦσι πρὸς αὐτῶν προσταττόμενα φάρμακα, ἃ καὶ ἡμεῖς μερικῶς ἀνεγράψαμεν, ἰατρῶν εἶναι ταῦτα διδάγματα διετείνετο· καὶ τοῦτο μὲν Ἱπποκράτειον ἔλεγε τὸ βοήθημα· τάδε γὰρ ἐν τῷδέ φησι τῷ συγγράμματι· τοῦτο δὲ Γαλήνειον ἐβόα τὸ φάρμακον, κἀν115 τῷδε κεῖσθαι τῷ λόγῳ διηγγέλλετο· ἄλλο δὲ Δημοκρίτειον εἶναι, διηγεῖτο σαφῶς τὸ ἐπίθεμα, καὶ τὸν τόπον ἔνθα τοῦτο φησίν ἐμνημόνευε116· καὶ ἑτέρου θᾶττον ἰατροῦ τὴν ἑτέραν ἀκούσας ἐκόμπαζεν ἔμπλαστρον· καὶ πάντως τὰ πρὸς τῶν ἁγίων λεγόμενα, τινῶν ὑπάρχειν ἰατρῶν διεβεβαιοῦτο καττύματα, φυσιολογῶν ἀεὶ τὰ 115 116
war völlig zerstört, nachdem er salziges Wasser trank. Nachdem er nun in das Heiligste eingeweiht war, verbarg er diese Gottlosigkeit bei sich. Er scherzte stets über die Christen, weil sie Christus höchst unvernünftig verehrten und seine göttlichen Gebote sklavisch befolgten, stieß auch vieles andere in ekelerregender Weise aus und brachte aus dem schändlichen Schatz seines Herzen schändliche Worte hervor. Aus dem Überquellen des Herzens nämlich spricht und tönt der Mund tatsächlich. Er scherzte aber auch über Kyros und Johannes, die Märtyrer, dass sie die Krankheiten der Menschen mit Hilfe ärztlicher Kunst, nicht mit Hilfe göttlicher und übernatürlicher Kraft behandelten. Wenn er nämlich die Heilmittel in Erfahrung brachte, die den Kranken von ihnen verordnet wurden und die auch wir im Einzelnen aufgeschrieben haben, ereiferte er sich, dass es sich um ärztliche Anweisungen handele: Dieses Hilfsmittel bezeichnete er als hippokratisch. Diese sind nämlich, sagte er, in der folgenden Schrift beschrieben. Jenes Medikament, schrie er, ist galenisch, und verkündete, dass es sich an der folgenden Stelle finde. Ein anderes sei von Demokrit. Die Anwendung beschrieb er genau und rief die entsprechende Stelle in Erinnerung. Als er von einem anderen Pflaster hörte, tönte er sogleich, es sei das eines anderen Arztes. Überhaupt, versicherte er,
C, E, κἄν FM. GASCOU (Sophrone, 103 Anm. 589), τοῦτο, φησίν, ἐμνημόνευε E, FM.
4.3. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
νοσήματα, καὶ τὰς τῶν διαδιδομένων117 ποιότητας, καὶ κατὰ λόγον αὐτὰ τὸν ἰατρικὸν ἐπιτάττεσθαι, καὶ τῶν παθημάτων ἐνεργεῖν τὴν καθαίρεσιν.
§5 Ἀλλὰ τούτων αὐτοῦ τῶν φληνάφων, οὐκ ἄλλων τινὰ παριστῶσιν οἱ μάρτυρες ἔλεγχον, εἰ καὶ σαφῶς ὑπ᾿ αὐτῶν τῶν πραγμάτων ἐλέγχονται, ἀλλ᾿ αὐτὸν τὸν παράφρονα Γέσιον, τὸν τούτων ποιητὴν καὶ γεννήτορα. Τὰ νῶτα γὰρ ἀσθενήσας ὁ δείλαιος, καὶ σὺν ταῖς ὠμοπλάταις τοὺς ὤμους αὐτοὺς καὶ τὸν τράχηλον, ὡς ἔκ τινος θείας ὁρμῆς αὐανθέντας ἐσχηκὼς καὶ πάσης ἀμοιροῦντα κινήσεως (ταῦτα γὰρ τὰ τῶν ξύλων ξηρά τε καὶ ἄνικμα118 ἐν τῷ ζῶντι τυγχάνοντα σώματι, ἐλάλει τότε καὶ ὑπέγραφε, καὶ τὴν ὀδύνην ἐποιεῖτο τῇ τοιαύτῃ κολάσει κατάλληλον), καὶ τοῦ πάθους ἀγνοήσας τὸ αἴτιον, ἰατρεύειν ἑαυτὸν ὁ τοὺς ἄλλους ἰώμενος ἠγωνίζετο. Ἐχρῆτο γοῦν διαφόροις ἀλείμμασιν καὶ καθαρσίοις τῶν ἀλειμμάτων οὐχ ἥττοσιν, διαίτας τε πολυτρόπους διήμειβε, καὶ θερμοτέρων τροφῶν μετελάμβανε, ψύξιν εἶναι καὶ φλέγμα τὴν ἐν ἐκείνοις οὖσαν τοῖς τόποις οἰόμενος, καὶ ταύτῃ διαφορεῖσθαι δοκῶν τὸ τῆς ἀσθενείας παραίτιον. §6 Ὡς δὲ πάντα τὰ τῆς τέχνης πεποίηκεν, καὶ ἃ Γαληνὸς αὐτὸν καὶ 117 118
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seien alle von den Heiligen genannten Mittel von irgendwelchen Ärzten zusammengeklaubt. Die Krankheiten und die Eigenschaften der verteilten Mittel erklärte er stets natürlich und behauptete, sie würden gemäß ärztlicher Vernunft verordnet und Linderung der Leiden bewirken. Um aber sein Geschwätz zu widerlegen, wählten die Märtyrer – auch wenn es die Ereignisse selbst bereits klar widerlegten – niemand anderen als den verrückten Gesios selbst, dessen Erfinder und Erzeuger: Der Elende erkrankte am Rücken. Mit den Schulterblättern waren ihm auch die Schultern selbst sowie sein Nacken wie aus göttlichem Antrieb heraus vertrocknet und jeder Bewegung unfähig. Sie stellten und bildeten nämlich trockenes und dürres Holz in einem lebendigen Körper nach und verursachten den einer solchen Bestrafung angemessenen Schmerz. Und obwohl er die Ursache seines Leidens verkannte, mühte sich jener, der sonst die anderen behandelt, sich selbst zu behandeln. Er wendete also verschiedene Salben an und auch Abführmittel in nicht geringerer Zahl. Er versuchte verschiedene Diäten und nahm wärmere Speisen zu sich, weil er meinte, dass, was sich an jenen Orten fand, eine Verkühlung und Phlegma sei. Dadurch glaubte er, dass die Ursache der Krankheit verschwinden würde. Als er aber alles der ärztlichen Kunst Mögliche getan und alles bewerkstel-
Cj. DUFFY (Readings, 173), διαδεδομένων E, FM. C = ἄνιγμα cf. humorem non habentia L, ἄναιμα E, FM (LACKNER, Rez. FM, 76).
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
Ἱπποκράτης καὶ τῶν ἄλλων ἰατρῶν ὁ ἑσμὸς ἐξεπαίδευσε πέπραχεν,119 καὶ τὸ πάθος οὐδὲν ἀπεμείωσε, οὔτε τινὰ τριπόθητον κίνησιν τοῖς ἀκινήτοις μέλεσιν ἠδυνήθη χαρίσασθαι, τοὺς κομψοὺς τῶν ἰατρῶν μεταστέλλεται, καὶ προσελθόντας, εἰπὼν τὴν ἀσθένειαν, ταύτης αὐτοὺς ἀπῄτει τὸ φάρμακον. Ὡς ἕκαστος δὲ τὸ δόξαν ἀπήγγελλον, τελευταῖον αὐτὸς ἅπαντα δεδρακέναι τὰ λεχθέντα πρὸς αὐτῶν διηγήσατο. Οἱ δὲ τούτων ἀκούσαντες, ἀφασίᾳ κατείχοντο· καὶ μόνον εὐθὺς τοῦ πάθους ἰατρὸν τὸν τῶν ὅλων Θεὸν ἀνηγόρευον, τὸν πλέον τι παρὰ ἀνθρώπους120 δυνάμενον, καὶ δρῶντα τὰ πᾶσιν ἀνθρώποις οὐ δρώμενα. §7 Εἰς τοὺς ἁγίους οὖν Κῦρον καὶ Ἰωάννην ἐξιέναι προσέταττον, καὶ τὴν αὐτῶν ἀναμένειν ἐπίσκεψιν, καὶ τὴν ἐκ ταύτης θεραπείαν προσδέχεσθαι, ἐπειδὴ θείας αὐτοὶ μετέχουσι χάριτος, καὶ θείᾳ δυνάμει δημιουργοῦσι τὰ θαύματα. Πρὸς οὓς εὐθέως ὁ Γέσιος καὶ τοὺς ἁγίους ἰατρικῶς ἐνεργεῖν τὰς ἰάσεις ἐφθέγγετο, καὶ θεῖον οὐδὲν ἢ θαυμαστὸν ἐπιδείκνυσθαι, ὃ μὴ τοῖς παλαιοῖς ἰατροῖς διηγόρευται. Οἱ δὲ πρὸς τοῦτο σοφῶς ἀνθιστάμενοι, καὶ πολλὰς αὐτῶν θεραπείας προσφέροντες, καὶ μυρία φάρμακα λέγοντες καὶ τὰ τούτοις ἰαθέντα νοσήματα, τοὺς λόγους εἰπεῖν 119
ligt hatte, was ihn Galen, Hippokrates und die Masse der übrigen Ärzte gelehrt hatten, sich aber sein Leiden in keiner Weise besserte und er auch seinen starren Gliedern die dreifach ersehnte Bewegung nicht zu geben vermochte, schickte er nach den Raffiniertesten der Ärzte. Als sie herbeigekommen waren, nannte er seine Schwäche und fragte sie nach deren Heilmittel. Als aber ein jeder seine Ansicht geäußert hatte, erklärte er schließlich, dass er alles von ihnen Vorgeschlagene bereits getan habe. Als sie dies hörten, waren sie bestürzt und erklärten sogleich, Arzt dieses Leidens sei allein der Gott des Alls, der mehr vermag als Menschen und vollbringt, was kein Mensch vollbringen kann. Dann verordneten sie, zu den Heiligen Kyros und Johannes hinauszugehen, ihre Visite abzuwarten und die sich aus dieser ergebende Behandlung anzunehmen, da sie an der göttlichen Gnade teilhaben und ihre Wunder mit göttlicher Macht wirken. Hierauf entgegnete Gesios sofort, dass auch die Heiligen ihre Heilungen ärztlich wirkten und nichts Göttliches oder Wundernswertes aufwiesen, das nicht bereits von den alten Ärzten beschrieben wurde. Jene aber sperrten sich hiergegen weise. Sie führten viele ihrer Behandlungen an, nannten unzählige Heilmittel sowie die mit ihnen geheilten Krankheiten und forderten
Cj. GASCOU (Sophrone, 103 Anm. 594) ex L Cum autem omnia quæ artis erant fecisset, quæque se Galenus et Hippocrates aliorumque medicorum examen edocuerat peregisset. 120 Cj. DUFFY (Observations, 84) cf. super homines L, ἀνθρώποις C, E, FM.
4.3. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
ἀπῄτουν τὸν ἄρρωστον. Ὁ δὲ καὶ λέγειν ἐθέλων οὐχ εὕρισκε, καὶ λέγων εὐθὺς πρὸς αὐτῶν ἀνετρέπετο· καὶ σιγᾶν ἠξίου πρὸς αὐτὸν καλῶς ἀντιλέγοντας, καὶ σιγῶν ἀκουσίως ἐπείθετο· καὶ πεισθεὶς πρὸς τοὺς μάρτυρας ἤρχετο οὐ τοσοῦτον πειθοῖ, ὅσον ἀλγηδόσι δειναῖς ἐλαυνόμενος.
§8 Ἐλθόντι δ᾿ οὖν ὅμως αὐτῷ, καὶ ῥώσεως τυχεῖν ἱκετεύοντι, καὶ κατὰ δύναμιν λιπαροῦντι τοὺς μάρτυρας, νύκτωρ καθεύδοντι φαίνονται, καὶ τὸ τοῦ πάθους μηνύουσι φάρμακον, ἀκόλουθον τιμωρίαν τοῦ πάσχοντος· φάσκων γὰρ εἶναι σοφὸς μᾶλλον μωρὸς ἢ σοφὸς ἀπεδείκνυτο. Φέρε γὰρ ὄνου σᾶγμα, φησίν, καὶ τοῦτο φόρησον, τοῖς ὤμοις αὐτὸ περιθέμενος καὶ τραχήλῳ καὶ νώτῳ τοῖς πάσχουσιν· καὶ μεσούσης ἡμέρας ὅλον ἡμῶν περινόστει τὸ τέμενος, μεγαλαφώνως βοῶν, ὡς Μωρός εἰμι καὶ ἀνούστατος· καὶ τοῦτο πεπραχὼς, ὡς εἰρήκαμεν, εὐθὺς εὑρήσεις τὴν τοῦ σώματος ἴασιν. Καὶ ταῦτα μὲν εἰς αὐτὸν οἱ ἅγιοι φήσαντες ᾤχοντο· ὁ δὲ στραφεὶς φαντασίαν ἐκάλει τὸ ὅραμα, καὶ οὐ Χριστοφόρων ἁγίων ἐπίταγμα· καὶ διαπτύσας ὡς φάσμα τὸ θέσπισμα, τῶν λεχθέντων οὐδὲν διεπράττετο.
§9 Πάλιν δὲ λιτανεύων τοὺς μάρτυρας, ταῦτα ποιεῖν μετὰ προσθήκης ἐπύθετο. Ἐλθόντες γὰρ πάλιν πρὸς αὐτὸν ὡς ἐκάθευδεν, καὶ κώδωνα σὺν τῷ σάγματι μέγαν ἐκ
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den Kranken auf, die Erklärungen zu geben. Obgleich sie zu geben gewillt, fand er sie nicht. Wenn er etwas sagte, wurde er von ihnen sofort widerlegt. Er forderte ihr Schweigen, obgleich sie ihm treffend widersprachen, und wurde, während er schwieg, wider Willen überwunden. Überwunden ging er zu den Märtyrern, nicht so sehr aus Überzeugung, als vielmehr durch fürchterliche Schmerzen getrieben. Als er jedenfalls zu ihnen kam, die Märtyrer flehte, Genesung zu erlangen, und sie nach Kräften anflehte, erschienen sie ihm nachts im Schlaf und offenbarten ihm das Heilmittel seines Leiden, eine passende Strafe für den Leidenden. Obwohl er nämlich weise zu sein vorgab, erwies er sich als eher dumm denn weise. „Nimm den Eselssattel“, sagten sie also, „und trage ihn, nachdem du ihn auf die leidenden Schultern, Nacken und Rücken gelegt hast. Gehe dann mittags in unserer ganzen Anlage umher und rufe laut: ‚Ich bin dumm und überaus töricht!‘ Nachdem du dies, wie wir es gesagt haben, getan hast, wirst du die Heilung deines Körpers sofort erlangen.“ Als sie dies zu ihm gesagt hatten, gingen die Heiligen. Gesios aber erwachte und nannte die Schau eine Täuschung, keine Anordnung der Christus tragenden Heiligen. Er bespuckte das Orakel als Gespinst und tat nichts von dem, was gesagt war. Als er aber die Märtyrer von neuem anflehte, vernahm er, dass er selbiges mit einem Zusatz tun solle. Sie kamen nämlich wiederum im Schlaf zu ihm und ordneten an, dass er zu dem Sattel
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
τοῦ τραχήλου κρεμάσαι προστάττουσι· καὶ σὺν τούτοις αὐτῶν121 τὸν νεὼν διαθέειν τό, Μωρός εἰμι, κράζοντα. Ἀλλ᾿ ὡς καὶ ταύτην δι᾿ ἄνοιαν ἠθέτει, τὴν κέλευσιν122 φάσμα καλῶν ἀνακόλουθον, τὸ σᾶγμα τεχνολογεῖν123 καὶ τὸν κώδωνα μὴ δυνάμενος, μηδὲ ποίας ταῦτα τυγχάνουσι κράσεως καὶ φυσικῆς καὶ οὐσιώδους ποιότητος ἰσχύων ποιήσασθαι τὴν κατάληψιν, αὖθις ἐδέετο καὶ ἱκετείας τῷ Δεσπότῃ προσέφερεν, θεραπεῦσαι μᾶλλον αὐτοῦ τὴν ἀσθένειαν, καὶ μὴ παριδεῖν αὐτὸν φάσμασιν βουκολούμενον. §10 Οἱ δὲ θειότατοι ὄντως καὶ φιλάνθρωποι μάρτυρες πάλιν ἐφάνησαν καὶ πάλιν ποιεῖν τὰ πρῶτα προσέταξαν, προσθέντες καὶ τὸν χαλινὸν φορεῖν ὡς τὰ ἄλογα, καὶ ὑπό τινος τῶν οἰκετῶν προβαδίζοντος ἕλκεσθαι. καὶ ἕπεσθαι κατὰ τρόπον αὐτὸν τῷ σάγματι καὶ τῷ κώδωνι σεμνυνόμενον, καὶ τό, Μωρός εἰμι, μάλα σαφῶς ἐπιλέγοντα· οὐχ ἑαυτοὺς ταῖς προσθήκαις τοῦ τε χαλινοῦ καὶ τοῦ κώδωνος διορθούμενοι, ἀλλὰ τοῦ σοφωτάτου Γεσίου ταύταις ἐκδηλοτέραν ποιοῦντες τὴν ἄνοιαν, καὶ αἰσχύνῃ 121
eine große Glocke um seinen Hals hängen und mit diesen in ihrer Kirche „Ich bin dumm!“ rufend umherrennen solle. Aber auch diesen Befehl ignorierte er aus Torheit und tat ihn als abartiges Gespinst ab, denn Sattel und Glocke konnte er nicht genau deuten. Er vermochte nicht einmal zu erfassen, welcher Mischung sowie natürlicher und substanzartiger Qualität diese seien. Er betete von neuem und brachte dem Herrn sein Flehen dar, er möge doch seine Schwäche heilen anstatt ihn, von Gespinsten getäuscht, zu übersehen.
Die wirklich göttlichsten und menschenliebenden Märtyrer erschienen erneut und ordneten erneut an, zuvor Genanntes zu tun, fügten aber hinzu, er solle auch Zaumzeug wie die Pferde tragen und sich von einem der Diener, jener vorausgehend, ziehen lassen; er solle auf nämliche Weise folgen, sich Sattel und Glocke rühmen und dabei sehr deutlich: „Ich bin dumm“ rufen. Indem sie Zaumzeug und Glocke hinzufügten, verbesserten sie sich nicht selbst, vielmehr stellten sie hierdurch die Torheit des überaus klugen Gesios deutlicher heraus und geißelten seine Dummheit mit peinli-
Cj. DUFFY (Observations, 84), vgl. cum his ad templum suum L, σὺν τοῖς αὐτῶν C, E, FM. GASCOU (Sophrone, 104 Anm. 596) liest σὺν τοῖς αὐτοῖς, ohne Zweifel die eleganteste Lösung, insofern sie das deplaziert wirkende αὐτῶν zu vermeiden weiß. Da L αὐτῶν ebenfalls voraussetzt, scheint es dennoch zum Ausgangstext zu gehören. 122 Cj. DUFFY (Observations, 84), καὶ ταύτην τὴν διάνοιαν ἠθέτει, τὴν κέλευσιν C, E, FM. Zustimmend GASCOU, Sophrone, 104 Anm. 597. 123 Cj. LACKNER (Rez. FM, 76), vgl. L; τεχνολογῶν C, E, FM. Zustimmend GASCOU, Sophrone, 104 Anm. 598, der darauf verweist, dass sich diese Konjektur bereits bei NISSEN, Sophronios-Studien, 362 findet.
4.3. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
δριμυτέρᾳ καὶ μείζονι μαστίζοντες αὐτοῦ τὸ ἀσύνετον. Αὐτοὶ μὲν οὖν οἱ θεσπέσιοι εἰπόντες ταῦτα πρὸς αὐτὸν ἀνεχώρησαν. §11 Ὁ δὲ γενόμενος ἔξυπνος, φάσμα πάλιν εἰπεῖν ἐδειλία τὸν ὄνειρον, τῷ τρισσῷ βεβαιωθέντα τῆς ὄψεως, καὶ τοῦτο ποιεῖν ἠναγκάζετο τῆς ἀπαλλαγῆς τοῦ νοσήματος ἕνεκα, καὶ ἵνα μὴ πρὸς ὀργὴν ἀσυγχώρητον καθ᾿ ἑαυτοῦ κινήσῃ τοὺς μάρτυρας. Τὸ σᾶγμα γοῦν ἐπ᾿ ὤμους καὶ νῶτον ἀράμενος, κἀν τῷ τραχήλῳ φορέσας τὸν κώδωνα, καὶ τὸν χαλινὸν ἐνθεὶς τῇ κεφαλῇ καὶ τῷ στόματι, τοῦ παιδὸς ὄπισθεν εἵπετο ἀνὰ τὸ τέμενος ἄγοντος, κἀν τούτῳ τοὺς διαύλους ἀνύοντος (δέκα δὲ ἦσαν, ὥς φασιν οἱ μετρήσαντες), τό, Μωρός εἰμι, κράζων συχνότατα. Πληρώσας οὖν τῶν ἁγίων τὴν κέλευσιν, σὺν τῷ σάγματι καὶ τῷ χαλινῷ καὶ τῷ κώδωνι, καὶ τὴν ἐπινώτειον νόσον ἀπέθετο, καὶ τὴν ῥῶσιν ἀνείληφεν, τὴν φίλην αὐτῶν τοῖς προστάγμασιν καὶ σύνδρομον τοῖς θεσπίσμασιν. §12 Ἐπελθούσης δὲ τῆς νυκτός, καὶ τῆς ἕω διαδεξαμένης124 125 φαιδρότητος, πάλιν Γεσίῳ καθεύδοντι οἱ θεῖοι παρίστανται μάρτυρες, καὶ τὴν εἰς αὐτοὺς ἁμαρτίαν χαριέντως πως αὐτὸν ἀνεμίμνησκον. Ἐπειδὴ γάρ, λέγουσι, πάντα τὰ πρὸς ἡμῶν τοῖς νοσοῦσι διδόμενα φάρμακα, τῶν πάλαι
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cherer und größerer Scham. Die Wunderbaren selbst sagten ihm dies also und zogen sich dann zurück. Er aber zögerte, aus dem Schlaf erwacht, den Traum erneut einen Albtraum zu nennen, war er doch durch sein dreimaliges Auftreten bestätigt. Er war nun gezwungen, dies um der Befreiung von der Krankheit willen zu tun und um die Märtyrer nicht zu einem erbarmungslosen Zorn gegen ihn zu bewegen. Er hob also den Sattel auf Schultern und Rücken, hängte die Glocke um den Hals, befestigte das Zaumzeug am Kopf und im Mund und folgte dem Diener, der ihn kreuz und quer durch die Anlage führte, und, während er seine Runden drehte (zehn waren es, sagen die, die sie gezählt haben), rief er sehr, sehr oft: „Ich bin dumm!“ Damit hatte er den Befehl der Heiligen ausgeführt: Mit Sattel, Zaumzeug und der Glocke legte er auch sein Rückenleiden ab und erlangte Genesung, die Freundin ihrer Anweisungen und Gefährtin ihrer Offenbarungen. Als aber die Nacht vorangeschritten war und ihr die Helligkeit des Morgens folgte, zeigten sich dem schlafenden Gesios die göttlichen Märtyrer erneut und erinnerten ihn ziemlich elegant an seine Verfehlung ihnen gegenüber. „Da du ja meinst“, sagten sie, „dass alle Heilmittel, die wir den Kranken verabreichen, Erfindungen
Cj. LACKNER (Rez. FM, 76) εὐωδία δεξαμένης C, ἕω δεξαμένης E, FM. Cj. GASCOU (Sophrone 30 Anm. 605) ex L et orientis succedente claritate, καὶ τὴν τῆς … φαιδρότητα C, E, FM. 125
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
φθιμένων126 ἰατρῶν εἶναι θέλεις εὑρήματα, λέγε ποῦ τὰ τοῦ πάθους τοῦ σοῦ βοηθήματα Ἱπποκράτης ὁ σὸς ἀνεγράψατο, ἢ Γαληνὸς ὁ παρὰ σοὶ θαυμαζόμενος εἴρηκεν; ποῦ δὲ ταῦτα Δημόκριτος ἔφησεν; ἢ τῶν ἄλλων τις ᾀδομένων ἰατρῶν ἐμνημόνευσεν; Καὶ εἰ ταῦτα παρ᾿ αὐτοῖς εὕροις λεγόμενα, καὶ περὶ τῶν ἄλλων ἀληθεύσεις φθεγγόμενος· εἰ δὲ τοιοῦτον οὐδὲν ἐκείνους λέγοντας ἀποδείξειας, γίγνωσκε σαυτὸν καὶ περὶ τῶν ἄλλων ψευδόμενον. Οἱ μὲν οὖν ἅγιοι οὕτω τὸν Γέσιον στηλιτεύσαντες καὶ συκοφάντην ἐμφανῶς διελέγξαντες, ἔλυσαν τὸν ἐνύπνιον. §13 Ὁ δὲ καὶ ὑπνῶν ὑπεφήνατο ἀντιλέγειν οὐδὲν ἔχων τοῖς μάρτυσιν, καὶ διυπνισθεὶς ἐξεπλήττετο, τεθηπὼς τὸν σοφώτατον ἔλεγχον. Ὑμνήσας δ᾿ οὖν ὅμως τῶν ἁγίων τὴν δύναμιν, καὶ θεόθεν αὐτοὺς ὁμολογήσας ἰᾶσθαι τοὺς πάσχοντας, τοῦ τεμένους αὐτῶν ἀνεχώρησεν. Φασὶ δὲ καὶ Κοσμᾶν καὶ Δαμιανὸν τοὺς ἁγίους συνιατροὺς καὶ συμμάρτυρας τοιοῦτόν τι διαπράξασθαι, ὥσπερ τὸ τοῦ παρέτου καὶ τῆς ἀλάλου γυναικός· οὐ μὴν ἀλλὰ καὶ τὸ τῆς Ἑβραίας τῆς ἐχούσης τὸν καρκίνον ἔσω κρυπτόμενον Κῦρος καὶ Ἰωάννης πεπράχασι· ἅπερ πολλοὶ ὡς χθὲς γεγονότα μέμνηνται καὶ κηρύττουσιν. §14 Ἀλλὰ ταῦτα μὲν ὡς καὶ τοῖς ἐκείνων ἐγγεγραμμένα θαύμασι 126
längst verblichener Ärzte seien, sag, wo dein Hippokrates über die Hilfsmittel gegen dein Leiden schreibt oder der von dir bewunderte Galen hierüber spricht? Wo aber behandelt sie Demokrit? Oder nennt sie ein anderer der von dir gepriesenen Ärzte? Wenn du diese von ihnen beschrieben findest, wirst du auch über die anderen sprechend die Wahrheit sagen. Wenn du aber zugestehst, dass jene ein solches nirgends beschreiben, dann erkenne dich selbst, dass du auch über die anderen lügst. Die Heiligen stellten Gesios so in der Tat zur Schau, widerlegten den Verleumder offensichtlich und lösten den Traum dann auf. Gesios wiederum gab noch im Schlaf zu erkennen, dass er den Märtyrern nichts zu entgegnen habe, und staunte erwacht die überaus weise Widerlegung bewundernd. Nachdem er nun ebenfalls die Macht der Heiligen gepriesen und bekannt hatte, dass sie die Leidenden von Gott her heilen, verließ er ihre Anlage. Man sagt aber, dass auch Kosmas und Damian, die heiligen Mitärzte und Mitmärtyrer, etwas derartiges vollbracht haben, wie das des Lahmen und der stummen Frau; indes haben Kyros und Johannes auch das der Jüdin mit einem in ihrem Inneren verborgenen Krebs bewirkt. Viele erinnern sich daran, als ob es sich gestern ereignet hätte, und verkünden es. Weil sie aber in deren Wundern niedergeschrieben wurden, haben wir sie
C, φθειρομένων E, FM (DUFFY, Readings, 173).
4.3. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
παρεδράμομεν· τὸ παρὸν δὲ τεράστιον ὡς μὴ γραφὲν ἐν αὐτοῖς ἡμεῖς ἀνεγράψαμεν. Καὶ θαυμαζέτω μηδεὶς εἰ ἀλλήλοις οἱ ἅγιοι τὰ αὐτὰ διαπράττονται127 θαύματα, ἐκ μιᾶς γὰρ πηγῆς Κῦρός τε καὶ Ἰωάννης, Κοσμᾶς τε καὶ Δαμιανός, Χριστοῦ τοῦ Θεοῦ ἡμῶν ἀρύονται τὰ ἰάματα, καὶ ἕνα Δεσπότην ἔχουσί τε καὶ τιμῶσιν ἑκατεροι, τὸν δι᾿ αὐτῶν ἡμῖν τὰς θεραπείας δωρούμενον, καὶ δρῶντα τὰ πολύτροπα τέρατα· ὃν ὡς τῶν ὅλων Θεὸν ὄντα ὑμνήσαντες, καὶ τοὺς μάρτυρας ὡς πιστοὺς αὐτοῦ γεγονότας θεράποντας, ἑτέρων θαυμάτων τὰς παραθέσεις ποιούμεθα.
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ausgelassen. Die vorliegende Sensation aber haben wir aufgeschrieben, weil sie in jenen nicht geschrieben steht. Dass sich auch niemand wundere, wenn die Heiligen je dieselben Wunder vollbringen, schöpfen doch Kyros und Johannes sowie Kosmas und Damian ihre Heilungen aus einer Quelle, Christus, unserem Gott, auch haben und verehren sie je einen Herrn, der uns durch sie Behandlungen schenkt und vielfältige Zeichen wirkt. Diesen wollen wir als Gott des Alls preisen, ebenso die Märtyrer als seine frommen Diener und dann andere Wunder anfügen.
4.3.4 Kommentar Die Überschrift ist auffallend kurz und verschweigt, woran der Protagonist leidet: Sie nennt allein seinen Namen (Gesios) und seien Beruf (ἰατροσοφιστής). Hierdurch ist dieser allerdings eindeutig identifiziert. Über den historischen Gesios ist – von Heimatstadt (Petra) und ungefähren Lebensdaten (Ende 5./Anfang 6. Jahrhundert.) einmal abgesehen – kaum genaueres bekannt. Dies überrascht angesichts seines Nachruhms: In one of history’s odd quirks, Gessius’ name and reputation as a skilled iatrosophist continued to be evoked for nearly a millenium after his death even as those of more skilled and accomplished intellectuals were largely forgotten.128
Bereits zu Lebzeiten beginnt die historische Figur des Gesios, literarisch überformt zu werden. Hierbei lassen sich zwei gegenläufige Tendenzen beobachten, deren Entwicklung Edward Watts in seinem Aufsatz The Enduring Legacy of the Iatrosophist Gessius nachzeichnet. 129 Noch zu Gesios’ Lebzeiten attestiert ihm der pagane Philosoph Damaskios, dass „er die ärztliche Kunst in Wort und Tat genauer verstand als jeder andere Arzt und auch Iatro-
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Cj. DUFFY (Observations, 84), cf. patrent L. διαπράττοντες E, FM. WATTS, Enduring Legacy, 114. 129 Wir folgen seinen Ausführungen im Wesentlichen. Vgl. zu Damaskios insb. 117– 120, zu Zacharias Scholastikos insb. 120–123. 128
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
sophist seiner Zeit.“130 Trotz offenkundiger Defizite auf dem Gebiet der theoretischen Philosophie erwies sich im entscheidenden Moment die Tapferkeit seiner guten Seele. Während nämlich Heraiskos von Kaiser Zeno gesucht wurde, versteckte er ihn – sich selbst in Gefahr bringend – in seinem eigenen Haus. Als jener, nachdem er in seinem Versteck erkrankt war, verstarb, begrub er ihn, wie es sich gehört, und ließ ihm die üblichen Ehren angedeien.131
Etwa zur selben Zeit fügt Zacharias Scholastikos, der spätere Bischof von Mytilene, die Figur des Gesios in seine Sammlung fiktiver Dialoge Ammonius sive De mundi opificio contra philosophos disputatio ein. Er, Gesios, erfährt eine vernichtende Kritik: „So verlief die Diskussion mit dem, der sich der ärztlichen Kunst rühmte, der sich umfassender Weisheit pries und sich mehr ergötzte als alle Bewohner der Nilgegend.“132 Obwohl beide Referenzen unterschiedlicher kaum sein könnten, eint beide Texte doch, dass sie Gesios als einen der führenden Intellektuellen seiner Zeit porträtieren. Hieran ändert sich auch in den folgenden Jahrhunderten wenig: Während er den einen in erster Linie als herausragender Arzt und Wissenschaftler in Erinnerung bleibt,133 erinnern ihn die anderen als „the prototypical representative of a hubristic and misguided Alexandrian medical community.“134 Die von Damaskios noch so hervorgehobene Tatsache hingegen, dass Gesios gerade in Zeiten der Bedrängnis an den althergebrachten Bräuchen festgehalten hat, rückt in den Hintergrund. Zwar führt Watts Gesios’ Prominenz in der arabischen Tradition zumindest mit darauf zurück, dass er „the last unequivocally pagan doctor known to teach in Alexandria“, jedenfalls kein Christ gewesen sei.135 Sophronios scheint sich dessen jedoch – entgegen Watts’ Behauptung – nicht mehr bewusst zu sein. Er porträtiert Gesios trotz aller Vorbehalte, die er gegen ihn geltend macht, als Christen. Selbst wenn der Geschichte, die Sophronios im Umfeld der beiden Märtyrerheiligen gehört haben mag, ein anti-paganer Zug zueigen gewesen sein sollte,136 so lässt er sich in Sophronios’ Version allenfalls noch erahnen. 130
καὶ τὴν τῶν ἰατρικῶν ἔργων τε καὶ λόγων ἀκριβεστέραν τῶν καθ᾿ ἑαυτὸν πάντων ἰατρῶν τε καὶ ἰατροσοφιστῶν κατώρθωσε τέχνην (Dam. Phil. Hist. 128,8–10 [292 ATHANASSIADI]). 131 Ἀποδέχομαι δὲ τὸ ἀνδρεῖον παράστημα τῆς ἀγαθῆς ψυχῆς. Τόν τε γὰρ Ἡραΐσκον ἐπιζητούμενον ὑπὸ Ζήνωνος βασιλέως οἴκῳ τῷ ἰδίῳ κατέκρυψε παραβαλόμενος πρὸς τὸν κίνδυνον καί, ἐπειδὴ ἐν τῇ φυγῇ νοσήσας ἀπηλλάγη τοῦ σώματος, εὖ τε περιστείλας καὶ τὰ νομιζόμενα θεραπεύσας (Dam. Phil. Hist. 128,16–20 [292 ATHANASSIADI]). 132 Τοιαύτη τις ἦν ἡ πρὸς τὸν αὐχοῦντα τὴν ἰατρικὴν τέχνην διάλεξις, ὃς ἐπὶ σοφίᾳ πάσῃ βρενθύεται καὶ γανύσκεται παρὰ πάντας τοὺς οἰκοῦντας τὸν Νεῖλου (Zach.Mit. opif 938– 940 [125 COLONNA]). 133 Vgl. WATTS, Enduring Legacy, insbes. 123f.128–130. 134 WATTS, Enduring Legacy, 114. 135 WATTS, Enduring Legacy, 129f. 136 WATTS, Enduring Legacy, 128.
4.3. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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Dass Gesios als ἰατροσοφιστής tituliert wird, ist nicht ungewöhnlich: Alle zeitgenössischen Belege des Begriffs finden sich in unmittelbarer Nähe von Erwähnungen seiner Person.137 Auch der Sache nach scheint die Begriffswahl angemessen, schließlich porträtiert Sophronios Gesios als herausragenden Arzt und Wissenschaftler – selbst wenn sich dieser der Grenzen seiner Kunst nicht bewusst ist. Dennoch sollte der Begriffsnennung nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden: In den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes begegnet er nur hier, in der Überschrift. Ohnehin handelt es sich bei ἰατροσοφιστής um einen seltenen, in der zeitgenössischen medizinischen Literatur überhaupt nicht belegten Begriff, der erst in der modernen Forschungsliteratur prominent geworden ist.138 Es handelt sich, wenn man so möchte, um einen modernen Fachbegriff, mit dem zumeist praktisch bewanderte Medizinprofessoren bezeichnet werden.139 Seinerzeit bediente man sich stattdessen durchaus vergleichbarer Begriffe.140 So auch Sophronios, der Gesios wenig später als σοφιστής vorstellt, der „in der ärztlichen Kunst brillierte“ (τέχνης ἰατρικῆς προϊστάμενος, §2), und ihn als jemanden beschreibt, der Medizin nicht nur unterrichtet, sondern auch praktiziert. §1 Vielleicht ist sich Sophronios dieser literarischen Überformung des historischen Gesios bewusst. Jedenfalls suggeriert die Eröffnung des Berichts, die Formulierung πάρεστι νῦν, Gesios betrete eine Bühne und stehe nun tatsächlich vor uns, dem Publikum.141 Sophronios’ Gebrauch der Tempora unterstützt diesen Eindruck und strukturiert zugleich die Einleitung: Der erste Abschnitt, der von οὐ τεχνολογῶν bis ὀρεφόμενος reicht und von Präsenzpartizipien dominiert ist, beschreibt, was Gesios auf der Bühne vor Publikum tut bzw. nicht tut. Der zweite Abschnitt, der von ἧς ἀπολαύσας bis ἀπεφήνατο reicht und im Aorist geschildert ist, markiert den entscheidenden Wendepunkt, die Peripatie. Diese Wendung ist Teil der gegebenen Vorstellung. Zugleich geht sie ihr voraus: Der Schauspieler Gesios hat seine Haltung den Märtyrern gegenüber ein für allemal 137
SZABAT, Teachers, 198 Anm. 136. Dass sich ἰατροσοφιστής in allen Passagen auf Gesios bezieht, ist zumindest missverständlich, wie die auf S. 176, Anm. 130 angeführte Passage aus Dam. Phil. Hist. beweist. 138 Vgl. BALDWIN, House Call, 16 und Szabat, Teachers, 198f. Sie grenzen sich kritisch von BOWERSOCK ab (Greek Sophists, 66f), der sich in der Zwischenzeit ausführlicher zum Thema geäußert hat (Iatrosophists, 83–91). 139 Zum Medizinunterricht im spätantiken Alexandrien s. hierzu DUFFY , Byzantine Medicine, 21–24, sowie ausführlich OVERWIEN, Unterricht I, 1–13, und ders., Unterricht II, 1–26. 140 SZABAT, Teachers, 198f (mit zahlreichen Textbeispielen). 141 Eine derartige Inszenierung wird zwar auch in fünf weiteren Berichten (5,1; 14,1; 28,1; 29,3; 50,3) angedeutet, aber nirgends so konsequent ausgeführt wie hier.
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geändert, auf der Bühne stellt er diese Wandlung nun dar. Der dritte Abschnitt, von λέξωμεν τοίνυν an, leitet zum in mir. 30 geschilderten Geschehen über. Die soeben eingeschlagene doppelte Perspektive auf Gesios einerseits als Schauspieler, der sein Leben vor Publikum darstellt, andererseits als vorgeblich historische Person, die diese Ereignisse tatsächlich erlebt hat, führt Sophronios konsequent fort: Mit den Worten λέξωμεν τοίνυν lenkt er unsere, des Publikums, Aufmerksamkeit auf den nun folgenden Bericht, vergisst es aber nicht, zuvor noch Gesios’ Reaktion darauf zu schildern, dass er mit seiner Geschichte nun im Mittelpunkt steht: Er schäme sich „noch heute“ und möchte „nicht allen durch Niederschrift bekannt werden“.142 Darüber hinaus fungiert die Einleitung auch als Exposition der weiteren Ereignisse: Selbst wenn der Konflikt zwischen Gesios und den Märtyrerheiligen hier noch nicht als Teil der zu erzählenden Geschichte in Erscheinung tritt (οὐ τεχνολογῶν ... καὶ ... βρενθυνόμενος), zeichnet er sich bereits ab. Ausführlich wird Sophronios darüber berichten, mit welchem Eifer Gesios über die von den Märtyrern verordneten Heilmittel gesprochen (§4) und behauptet habe, dass sie „nach den Regeln ärztlicher Kunst“ behandeln (§3f). Schließlich lässt sich Gesios’ Wandel auch nur dann angemessen würdigen, wenn seine eigene Position zuvor eine gänzlich andere war. Und tatsächlich waren ihm gerade die „Feinsinnigkeiten der Ärzte“ oder ihr „Geschwätz“ – κομψεύματα kann beides bedeuten – bis zu jenem Moment lieb und teuer. Doppeldeutigkeiten dieser Art durchziehen den gesamten Bericht: Neben den in ihrer Bedeutung LSJ zufolge zwischen Genialität und Haarspalterei changierenden κομψεύματα und dem nach Ausweis des PGL mit einem ähnlichen Bedeutungsspektrum ausgestatteten τεχνολογεῖν verdient die Wendung θεσμός ἰατρικός besondere Aufmerksamkeit. Das in der medizinischen Literatur nur selten gebrauchte Wort θεσμός trägt die Idee eines feststehenden, übermenschlichen Gesetzes in sich.143 Damit treten θεσμός und ἰατρικός in
142 Berücksichtigt man diese doppelte Perspektive, so löst sich auch die Spannung zwischen κἂν εἰ αὐτὸς εἰς καὶ νῦν ἐπαισχύνεται (§1) und τοῖς μανθάνουσι κατ᾿ ἐκεῖνον καιρὸν γνωριζόμενος (§2), die WOLSKA-CONUS bemerkt (Stéphanos, 52 Anm. 28). Auch hierzu, zu Protagonisten, die die Verbreitung ihrer Geschichte steuern wollen, finden sich in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes weitere Beispiele: Wie viele in seiner Situation verbreitet auch Antonios die Kunde von der ihm geschenkten Genesung lauthals. Er habe, schreibt Sophronios zu Beginn seines, des 48., Berichts geradezu darauf gedrungen, dass seine Geschichte niedergeschrieben werde. 143 Galen verweist in De usu partium zwei Mal auf das aus Platons Phaidros 248c bekannte Gesetz der Adrasteia (UP VI,12 = I,338,16f HELMREICH; UP VI,13 = I,340,12f HELMREICH). Hippokrates erwähnt die θεσμοί ἀληθείης (Ep. 17,5 [82,11 SMITH]) und die Galen zugeschriebene, eigentlich aber von Porphyrios stammende Schrift Ad Gaurum 10,6,5 die θεσμοί φύσεως (48,1 KALBFLEISCH).
4.3. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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eine gewisse Spannung, die sich in einer feinen Ironie entlädt. Gesios’ Stolz (βρενθυνόμενος) streicht diesen noch deutlicher hervor. In diesem ersten Paragraphen bedürfen einige weitere Begriffe bzw. Phrasen einer Erläuterung, zumindest: θείας … δωρεᾶς, θεοθεν ἰᾶσθαι μαρτυρήσας τοὺς μάρτυρας, ἀσθένεια und χαριέστατος. Wie sich die Wendungen θείας … δωρεᾶς und θεοθεν ἰᾶσθαι erklären, erläutert Kap. 4.4.3. μαρτυρήσας τοὺς μάρτυρας stellt ein im Deutschen schwer nachbildbares Wortspiel dar: Die Märtyrer bezeugen ihre Überzeugung durch den Tod. Was ἀσθένεια betrifft, sei auf Kap. 3.2.1 und den Kommentar zu mir. 30,5 verwiesen. Auf den etwas eigenwilligen Gebrauch von χαριέστατος kommt der Kommentar zu mir. 30,12 zurück. §2 Mit der Vorstellung des Protagonisten beginnt Sophronios den eigentlichen Bericht. Seine Ausführungen konzentrieren sich auf Gesios’ berufliches Wirken (1. Teil) und seine religiösen Überzeugungen (2. Teil). Sophronios stellt Gesios als „überaus weise(n) Gelehrte(n)“ (σοφιστής … σοφώτατος) vor. Er habe den Tribon144 nicht deshalb getragen, „weil er Rhetorik lehrte“, „sondern weil er in der ärztlichen Kunst brillierte“ (τέχνης ἰατρικῆς προϊστάμενος). Der Begriff σοφιστής ist zur Abfassungszeit der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes durchaus gebräuchlich, um einen Gelehrten oder, spezifischer noch, einen herausragenden Lehrer zu kennzeichnen; seine Verwendung ist keineswegs auf das Gebiet der Rhetorik beschränkt.145 Aus Sophronios’ Vorstellung geht zudem eindeutig hervor, dass Gesios’ eigentliches Betätigungsfeld die Medizin war; „seinen Schülern (war er) zu jener Zeit als deren gründlicher Lehrer bekannt“. Als auch praktisch tätiger Medizingelehrter erfüllt Gesios damit alle Anforderungen, die die moderne Forschung an einen Iatrosophisten stellt.146 Doch sei auch an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass der entsprechende griechische Begriff an sich selten und in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes allein in der Überschrift belegt ist. Allein hier, in der Vorstellung des Iatrosophisten, deutet Sophronios an, dass Gesios zur Zeit der Abfassung der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes bereits verstorben ist. Sophronios’ Schilderung des Gesios ist literarisch überformt und hat, wie sich noch zeigen wird, kaum einen historischen Quellenwert. Dennoch zeichnet seine Schilderung Wesen und Wirken der
144
Vgl. Kap. 2.4 (zu §11), S. 45f. „… the term σοφιστής denoting an excellent teacher or exegete was used not only for teachers of rhetoric, but also casually for teachers of medicine, usually with an additional note specifying the domain“ (SZABAT, Teachers, 190). 146 Vgl. den Kommentar zur Überschrift dieses mir., S. 177f. 145
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sogenannten Iatrosophisten im Grunde durchaus treffend nach und ist deswegen zumindest in dieser Hinsicht von nicht geringem historischem Wert. In der Überleitung zum zweiten Teil, zur Gretchenfrage nach der Religion, betont Sophronios, dass „dieser Weise“ (οὗτος ὁ σοφός) nicht nur „in Reden herausgehoben wurde“ (ἐν λόγοις αἰρόμενος), sondern auch selbst „als Arzt in den schönsten Worten sprach“. Um ein Lob handelt es sich hierbei allerdings nur dem ersten Anschein nach, krititisiert Sophronios doch an Ärzten oft en passant, dass sich ihr Wirken in warmen Worten erschöpfe.147 Unter Berufung auf die, „die seine Umstände genau kannten“ (ὡς ἔλεγον οἱ σαφῶς τὰ κατ᾿ αὐτὸν ἐπιστάμενοι) verweist Sophronios darauf, dass „dieser dreimal Unglückliche … nicht frei von heidnischem Aberglauben“ war. Genaueres erfahren wir allerdings nicht, weder hier noch im weiteren Berichtsverlauf. Sophronios lässt diesen nicht ungefährlichen Vorwurf im Raum stehen. 148 Stattdessen schildert er, wie Gesios eigentlich zum Christentum stehe: Er habe, schreibt Sophronios, „seine unfreiwillige Taufe“ (τὸ ἀκούσιον αὐτοῦ … βάπτισμα) nicht verhehlt und kommentierte sie gleich, „als er dem göttlichen Bad entstieg“, mit dem vermeintlichen Homer-Vers: „Ajax aber war völlig zerstört, nachdem er salziges Wasser trank.“149 Indem Gesios diesen Vers rezitiert, vergleicht er nun sein eigenes Schicksal mit dem des Ajax, der sich gegen Poseidon erhoben hatte und hierfür mit Tod durch Ertrinken bestraft wurde. Offenkundig hält sich auch Gesios der Gotteslästerung für schuldig. Durch die Taufe, das salzige Wasser, meint er, bereits „völlig zerstört“ zu sein. Dabei soll die Taufe doch genau das Gegenteil bewirken. Dieses Homer-Zitat ist in jedem Fall bemerkenswert: Obwohl Sophronios seinen Homer kennt und durchaus auch zitiert, grenzt er sich – wie an anderer Stelle zu zeigen ist – zumindest rhetorisch deutlich von ihm ab.150 Allein das Zitat hätte er als „gottlos“ (δυσσεβῶς) gesagt brandmarken können. Der historischen Rückfrage hält dieses Bild des Gesios als zwangsweise getauften, dem Heidentum aber weiterhin zugeneigten Christen nicht stand.151 Auch sonst dürften Sophronios’ Ausführungen zur Rekonstruktion von Gesios’ Leben kaum zu gebrauchen sein. Hierauf deuten nicht nur die offenkun147 Akzeptiert man die von Gascou vorgenommene Konjektur nicht und liest weiterhin καὶ καλλίστοις ἰατροῖς (vgl. hierzu S. 168 Anm. 114), würde Sophronios’ Überleitung auf Gesios’ Ansehen auch bei seinen Kollegen abzielen. 148 Vgl. den Bericht „Über den Heiden Agapios“ (mir. 32) und hierzu Kap. 3.4.4.3, S. 135f. Die Grenzen des offiziell Erlaubten lotet CASEAU (Crypto Paganisme, 541–570) aus. 149 Tatsächlich handelt es sich hierbei um eine freie Adaption des in der Spätantike als authentisch geltenden Verses Od. IV,511 (vgl. GASCOU, Sophrone, 102 Anm. 586). 150 Zum Umgang mit paganem Brauchtum und Gedankengut s. Kap. 5.1.1. 151 Vgl. hierzu den biographischen Abriss im Kommentar zur Überschrift, S. 175f.
4.3. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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digen Parallelen zum vorangehenden Bericht hin,152 dies zeichnet sich auch in der recht faktenarmen Exposition ab: Das erste Faktum, dass Gesios ein hervorragender Arzt sei, ist unbestritten; das zweite, seine angeblichen religiösen Überzeugungen, abwegig. Statt uns nun weitere Informationen an die Hand zu geben, die Sophronios mit Sicherheit hätte erlangen können,153 suggeriert er nicht zuletzt durch den Verweis auf die, „die seine Umstände genau kannten“ (οἱ σαφῶς τὰ κατ᾿ αὐτὸν ἐπιστάμενοι), gut informiert zu sein. Dies lässt allein den Schluss zu, dass er an der historischen Person des Gesios kein eigenständiges Interesse zeigt. Stattdessen entwickelt er eine bereits literarisch gewordene Figur. §3 Sophronios beschließt die Exposition mit der Feststellung, dass Gesios „seine Gottlosigkeit“ nach seiner Taufe „bei sich verbarg“ (ταύτην … κρύπτων παρ᾿ ἑαυτῷ τὴν δυσσέβειαν), und befeuert damit das in §2 eingestreute Gerücht, dass dieser „nicht frei von heidnischem Aberglauben“ sei. Nun ist dieses Gerücht insofern unzutreffend, als sich Gesios aller Wahrscheinlichkeit nach nie hat taufen lassen: Damaskios, immerhin eine unserer ältesten Quellen, hob Gesios gerade dafür hervor, dass er in schwierigen Zeiten an der althergebrachten Religion festgehalten habe. Lassen wir den so legitimen wie unbefriedigenden Erklärungsansatz einmal beiseite, Sophronios sei durch die, „die seine Umstände genau kannten“, unzureichend informiert, und konzentrieren uns auf die Funktion des eingestreuten Gerüchts: Es lässt Gesios einen Makel anhaften und eignet sich zugleich hervorragend dazu, dessen kritische Haltung seiner neuen Religion und deren Weltbild gegenüber zu erklären.154 Zudem ist es nicht auszuschließen, dass Sophronios die bereits literarisch gewordene Figur des Gesios dadurch zu brechen sucht, dass er ihr die von Damaskios noch so herausgestellte Charaktereigenschaft nimmt. Im weiteren Berichtsverlauf kommt Sophronios auf diesen von ihm wahrgenommenen Makel nicht wieder zurück; er stellt auch nirgends einen Bezug 152
Vgl. hierzu unten, S. 182–184. WOLSKA-CONUS zufolge habe Sophronios 581–583 bei Stephanos, einem Schüler des Gesios, studiert (Stéphanos, 59). Selbst wenn man diese Behauptung für nicht haltbar hält, ist es doch nicht unwahrscheinlich, dass sich Stephanos und Sophronios kannten oder, Interesse vorausgesetzt, hätten kennenlernen können. 154 Auch im vorangehenden Wunderbericht, mit dem wir uns gleich noch ausführlicher befassen werden, erwägt Sophronios dies: Εἴτε δὲ πλάνῃ τινὶ κρατουμένη καὶ φάσμασιν Ἑλληνικοῖς ὑποκλίνουσα, οὕτω τοὺς ἁγίους διέσυρεν, εἴτε δὲ φρενὸς καὶ καρδίας ἁπλότητι, διὰ τὸ μὴ φέρεσθαι γραφὴν τὴν τοῦτο μηνύουσαν καὶ τὴν ἄθλησιν αὐτῶν τὴν ὑπὲρ Χριστοῦ καὶ τὴν μαρτυρίαν ἡμῖν ἀπαγγέλουσαν, μόνην δὲ τοῦτο βοᾶν τοῦ Κυρίλλου τοῦ θείου θεόπνευστον σάλπιγγα, λέγειν οὐ δύναμαι· πλὴν ἑκάτερον ἀσεβὲς καὶ ἀπαίδευτον. Εἰ μὲν γὰρ κατὰ τρόπον τὸν πρότερον ἐδυσφήμει τοὺς μάρτυρας, πρόδηλον ὡς δυσσεβείας τοῦτο καὶ πλάνης ἐπίμεστον· εἰ δὲ κατὰ τὸν δεύτερον, ὃν ὑποπτεύομεν, τιμωρίας ἀξία καὶ μέμψεως (29,4,1–9 [299 FM]). 153
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zwischen Gesios’ Beruf und dessen heidnischer Vergangenheit her. Eine solche Verquickung lässt sich in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes auch sonst nirgends nachweisen.155 Obwohl Gesios seine Neigung zur althergebrachten Religion seit seiner unfreiwilligen Taufe verbarg, steht er den Christen und insbesondere den beiden Märtyrerheiligen ausgesprochen kritisch gegenüber. Zwei von Gesios’ Kritikpunkten nennt Sophronios; ἐκωμῴδει leitet sie ein, μέν – δέ strukturieren sie. Der erste ist eher grundsätzlicher Natur: Seiner Ansicht nach verehrten die Christen Christus in höchst unvernünftiger Art und Weise (ὡς τὸν Χριστὸν ἀλογώτατα σέβοντας) und befolgten seine Gebote sklavisch (τοῖς ἐνθέοις αὐτοῦ νόμοις δουλεύοντας).156 In beiden Fällen zielt er auf die Praxis von Gottesdienst und Lebensführung; sie erscheint ihm unvernünftig. Allerdings konkretisiert Sophronios diesen Vorwurf nicht weiter. Stattdessen holt er zum Rundumschlag aus, indem er anfügt, dass Gesios noch „viele andere Dinge in ekelerregender Weise“ ausgestoßen habe. Diese „schändlichen Worte“ seien „dem Überquellen des Herzens“ entsprungen, wie Sophronios in Anlehnung an Mt 12,34f und Lk 6,4 festhält. Nach der bereits erwähnten angeblichen Neigung des Gesios zur althergebrachten Religion suggeriert auch dies eine zweifelhafte Gesinnung. Die zweite mit ἐκωμῴδει eingeleitete Aussage, Gesios habe sich „auch über Kyros und Johannes“ mokiert, kann in jedem Fall als Beispiel für solch „schändliche Worte“ verstanden werden. Zugleich verstärkt diese Aussage den Bezug zum vorangehenden Bericht, den bereits das in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes nur hier und dort begegnende Verb κωμῳδέω (29,3; 29,11; 30,3; 30,3) hergestellt hat. Sophronios lässt Athanasia „als Erste die harte Hand der Märtyrer den Übeltätern bezeugen und ihre wohltuende, menschenliebende Haltung den Umkehrenden gegenüber.“157 Sie „verspottete (die Märtyrer) des Öfteren und behauptete, dass sie keine Märtyrer seien, erklärte, dass sie auch nicht um Christi willen das Märtyrium erlitten oder gelitten hätten.“158 Als sie sie wieder einmal verunglimpft, beißt sie, „als ob 155
Zum Umgang mit paganen Bildungsgütern s. Kap. 5.1.1. Christliche Autoren fühlten sich – vielleicht auch von Vorwürfen wie diesem – schon früh herausgefordert, aufzuzeigen, dass der christliche Glaube durch und durch vernünftig ist. Dieses Phänomen, das gerade in den ersten Jahrhunderten wesentlich zur Lehrentwicklung beigetragen hat, wird als Apologetik bezeichnet. 157 Ἡκέτω τοίνυν εἰς μέσον Ἀθανασία τὸ γύναιον, καὶ μαρτυρείτω πρώτη τῶν μαρτύρων τὸ κολαστικὸν πρὸς τοὺς πταίοντας, καὶ τὸ πρὸς τοὺς μετανοοῦντας εὐργετικὸν καὶ φιλάνθρωπον (29,3,1–3 [299 FM]). 158 αὐτοὺς ἐκωμῴδει συχνότερον, καὶ μὴ εἶναι μάρτυρας ἔλεγεν, μηδὲ διὰ Χριστὸν ἠθληκέναι ἢ παθεῖν ἀπεφήνατο (29,3,8–10 [299 FM]). Dass die Märtyrer heilen, steht interessanterweise auch hier nicht zur Debatte. 156
4.3. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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er für die Märtyrer kämpfte“159, ein Floh. Athanasia bückt sich, verrenkt sich und vermag sich nicht mehr aufzurichten.160 Kyros und Johannes erscheinen ihr im Traum, woraufhin sie zu ihnen zieht und auf der Schwelle gesundet. Die Parallelen zwischen beiden Berichten sind offensichtlich: Beide, Athanasia und Gesios, verspotten Kyros und Johannes öffentlich.161 Die eine glaubt nicht, dass sie „um Christi willen das Märtyrium erlitten und gelitten hätten“, der andere, „dass sie die Krankheiten der Menschen mit Hilfe ärztlicher Kunst, nicht mit Hilfe göttlicher und übernatürlicher Kraft behandelten.“162 Obwohl Sophronios in beiden Fällen erläutert, welche Vorbehalte Athanasia bzw. Gesios hegen, bleibt das eigentliche Motiv trotz Sophronios’ Vermutung unklar, sie seien dem heidnischen Aberglauben nicht abgeneigt. Jedenfalls erkranken beide. In beiden Fällen führt Sophronios das Leiden auf Kyros und Johannes zurück; einen auch ursächlichen Zusammenhang zwischen den Märtyrerheiligen und der Krankheit stellt Sophronios hingegen nicht her. Selbst deren jeweilige Leiden weisen gewisse Ähnlichkeiten auf, wenngleich das verbindende Moment, die durch Tiervergleich zur Sprache kommende Vernunftlosigkeit von Athanasias bzw. Gesios’ Überzeugung das eine Mal noch in der Beschreibung der Krankheit163 zu stehen kommt, das andere Mal erst in der Schilderung des Heilmittels in mir. 30,8–10. §4 Gesios’ Vorwurf wird nun entfaltet und weiter zugespitzt. Gesios unterstellt den Märtyrern nämlich nicht nur, dass sie ihre Patienten wie gewöhnliche Ärzte auch behandelten, sondern sogar, dass sie hierbei wenig originell vorgingen: All ihre Heilmittel fänden sich bereits bei anderen Ärzten beschrieben. Die rhetorische Gestaltung dieses Vorwurfs ist ausgesprochen interessant. Mit ihr befassen wir uns deshalb noch vor den eigentlich inhaltlichen Aspekten des Vorwurfs.164 Gesios’ Vorwurf, dessen Wiedergabe bereits §3 Ende beginnt, lässt sich in fünf Abschnitte gliedern:
159
ὡς τῶν ἁγίων ὑπερμαχοῦσα (29,9,8 [300 FM]). καὶ τοὺς ἁγίους ἀσέμνως γελῶσα διέπαιζε, ψύλλα μία χαμόθεν πηδήσασα, δάκνει σφοδρῶς αὐτῆς τὸν ἀστράγαλον· ἣν ἡ γυνὴ κατασχεῖν κατανεύσασα, ἔμεινεν εὐθὺς ἐπὶ σχήματος, ἄνω νεῦσαι τὸ λοιπὸν οὐκ ἰσχύουσα, οὔτε τὴν ὄρθιον δύναμιν ἢ διάπλασιν ἥτις μόνων ἀνθρώπων ἰδία καθέστηκεν ἐπιδείξασθαι (29,9,7–11 [300 FM]). 161 Vgl. hierzu allgemein DAL SANTO , Debating, 149–236. 162 Vgl. hierzu den Kommentar zum folgenden Paragraphen. 163 Ἀλόγως γὰρ εἰς τοὺς μάρτυρας ἁμαρτάνουσα, ἀλόγων αὐτὴν διὰ τῆς εἰς τὰ κάτω νεύσεως σωφρονίζουσι σχήματι (29,10,1f [301 FM]). 164 Der vorliegende Kommentar konzentriert sich auf den Vergleich der jeweils verwendeten Heilmittel. Wie sich Märtyrerheiligen und Ärzteschaft sowie deren jeweilige Heilkunst zueinander verhalten, thematisieren die Kap. 4.4.2 und 4.4.3. 160
182 1. 2. 3. 4. 5.
Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
Ἐκωμῴδει … ὑπερτάτης δυνάμεως. Πυνθανόμενος … διετείνετο· καὶ τοῦτο μὲν Ἱπποκράτειον … ἐκόμπαζεν ἔμπλαστρον· καὶ πάντως … καττύματα, φυσιολογῶν … καθαίρεσιν.
Die Abschnitte 1 und 5 bilden den äußeren Rahmen und stellen Gesios’ eigene Position heraus. Dass die Märtyrerheiligen wie gewöhnliche Ärzte auch behandeln würden (1.) und dass sich Krankenheiten und Heilmittel natürlich erklären ließen (5.), – diese Aussagen markieren den wesentlichen Unterschied zwischen der ‚orthodoxen‘ Position des Sophronios und der ‚heterodoxen‘ des Gesios darüber, wie Kyros und Johannes wirken. Die Abschnitte 2 und 4 bilden den inneren Rahmen. Dieser stellt vor allem auf den Eifer ab, mit dem Gesios die Märtyrer bloßzustellen und seine Position als die richtige zu erweisen versucht. Die einleitende Wendung „Wenn er nämlich die Heilmittel in Erfahrung brachte (Πυνθανόμενος γάρ), die den Kranken von ihnen verordnet wurden, … ereiferte er sich (διετείνετο), dass es sich um ärztliche Anweisungen handele“, korrespondiert mit der die Ausführungen beschließenden Feststellung „Überhaupt (καὶ πάντως), versicherte er (διεβεβαιοῦτο), seien alle von den Heiligen genannten Mittel von irgendwelchen Ärzten zusammengeklaubt.“ Diese beiden Aussagen rahmen den dritten Abschnitt, vier allgemein gehaltene Beispiele dafür, wie Gesios je ein Heilmittel der Heiligen als bereits von einem Arzt beschrieben entlarvt und als Beweis für die Richtigkeit seiner Aussage die entsprechende Fundstelle angibt. Die Beispiele lassen sich durch zwei gegenläufige Tendenzen charakterisieren: Zum einen lässt der Text das Bestreben erkennen, die Beispiele wie Notizen wirken zu lassen, die in der je konkreten Situation gemacht wurden und nun einfach wiedergegeben werden. Diesen Eindruck erzeugt Sophronios durch die extrem verknappte Ausdrucksweise, die große Anzahl von Verben des Sagens (ἔλεγε, φησί, ἐβόα, διηγγέλλετο, διηγεῖτο σαφῶς, ἐκόμπαζεν), die die Grenze zwischen direkter und berichteter Rede undeutlich werden lässt, sowie zahlreiche Indexbegriffe, deren Deutung eine bestimmte Situation voraussetzt. Bestärkt wird dieser Eindruck noch dadurch, dass die einzelnen Beispiele inhaltlich kaum Überschneidungen und – von Partikeln und Pronomen abgesehen – keine Wortwiederholungen aufweisen. Zum anderen scheint der Text aber gerade von einer bestimmten Situation abstrahieren und die Beispiele als abstrakte Beispiele darbieten zu wollen: Die Indexbegriffe und Pronomen greifen ins Leere; die konkrete Situation, deren Kenntnis eine zweifelsfreie Interpretation überhaupt erst ermöglichen würde, erschließt sich dem Publikum nicht. Auch die angeführten Heilmittel bleiben abstrakt: Sophronios spricht von τοῦτο ... τὸ βοήθημα, τοῦτο δὲ ... τὸ φάρμακον, ἄλλο δὲ … ἐπίθεμα, ... τὴν ἑτέραν ... ἔμπλαστρον, nicht von bestimmten Heilmit-
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teln.165 Entsprechendes gilt für die angeführten Textstellen: Gesios verweist auf τῷδε ... τῷ συγγράμματι, sodann auf τῷδε ... τῷ λόγῳ und τὸν τόπον. Sophronios’ Anliegen, möglichst abstrakte Beispiele für das Verhalten des Gesios zu finden, deren Leerstellen das Publikum nach Belieben füllen kann, erklärt auch, warum Sophronios ausgerechnet Hippokrates, Galen und Demokrit als die Ärzte nennt, denen die Märtyrer ihre Heilmittel entlehnen: Sie treten in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes nicht nur als Autoren und Autoritäten auf dem Gebiet der Medizin in Erscheinung, Sophronios gebraucht ihre Namen mitunter auch synonym für die ärztliche Kunst selbst.166 Die besondere Pointe der Aufzählung besteht darin, dass Sophronios ihr ein weiteres Glied anfügt: Der genannte „andere Arzt“ garantiert, hierin in seiner Funktion dem ‚unbekannten Soldaten‘ vergleichbar, die Vollständigkeit der Beispiele. Er fungiert als Leerstelle, die nun jeder beliebige Arzt füllen kann. Halten wir, bevor wir endlich auch inhaltlich auf Gesios’ Vorwurf eingehen, fest: Nirgends steht zur Disposition, dass die Heiligen Kranken erscheinen, ihnen Heilmittel verordnen und sie behandeln. Wie ist nun Gesios’ Vorwurf zu bewerten, die Heiligen behandelten ihre Patienten wie andere Ärzte auch? Gesios erhebt den Vorwurf und ist offenkundig der Überzeugung, ihn stützen zu können: Er erklärt sowohl die Krankheiten (νοσήματα) als auch die Eigenschaften der von den Märtyrerheiligen verordneten Heilmittel (τὰς τῶν διαδιδομένων ποιότητας), indem er sie auf die Natur167 zurückführt. Im Grunde vollzieht er damit den Weg nach, den Sophronios für notwendig erachtet, damit eine Behandlung überhaupt von Erfolg gekrönt sein kann: Er begibt sich auf Ursachenforschung, denn erst, wenn die Ursache erkannt ist, kann die Behandlung gelingen.168 Sodann erklärt er, warum die Behandlungen, die Kyros und Johannes verordnen, wirken. Insofern kann Gesios’ Vorwurf durchaus auch als Kompliment verstanden werden, denn sie erreichen Gesios zufolge κατὰ λόγον ... τὸν ἰατρικόν, was den anderen Ärzten nicht gelingt. Sophronios nimmt hieran dennoch Anstoß: Zum einen ist es ihm ein Anliegen, zu zeigen, dass die Märtyrerheiligen eben nicht „gemäß ärztlicher Vernunft“ heilen. Zum anderen hält er Gesios für hochmütig, denn Gesios hält sich für den Märtyrerheiligen zumindest ebenbürtig. 165
Vgl. hierzu Kap. 4.2.2, S. 160f. Vgl. hierzu Kap. 4.1.4. 167 Dabei handelt es sich um einen durchaus schillernden Begriff: Die in Alexandria entstandenen medizinischen Kommentare des sechsten und siebten Jahrhunderts unterscheiden bereits vier verschiedene Bedeutungen von φύσις. Vgl. JOUANNA, Notion, 232– 234. 168 Vgl. Kap. 4.2.2, S. 158f. 166
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
Hingegen erhebt sich in der modernen Forschung Widerspruch: Sie hat sich ausführlich mit der Frage beschäftigt, inwieweit die von den beiden Märtyrerheiligen verordneten Heilmittel Rückhalt in der (spät-)antiken Medizin finden. Die Antwort fällt erstaunlich einmütig aus: „Ebenso wie das Heilverfahren im ganzen müssen auch die Heilmittel sowohl in ihren Gattungen wie im einzelnen von denen der wissenschaftlichen Medizin möglichst verschieden sein.“169 Überhaupt sind die von den Märtyrern verwendeten Heilmittel als Heilmittel von eher untergeordneter Bedeutung: Sie sind „im Grunde überflüssig und markieren eher den Gegensatz zur wissenschaftlichen Therapie, als daß sie durch sich selbst wirken.“170 Die Märtyrer bedienen sich in aller Regel einfacher, wertloser Heilmittel um selbst schwerste Krankheiten zu heilen.171 Nicht nur hierdurch heben sie sich von den übrigen Ärzten ab: Der Einfachheit ihres Heilverfahrens steht der von Sophronios selbst geschilderte Aufwand gegenüber, den die Ärzte bei der Behandlung betreiben. Überhaupt unterscheidet sich auch das jeweils angewandte Heilverfahren grundlegend.172 Nun bedienen sich die Märtyrerheiligen hier und da durchaus Behandlungsmethoden, die Ähnlichkeiten mit Heilverfahren zeitgenössischer Ärzte aufweisen. Erinnert sei hier nur an das von den Märtyrern verordnete BrotWachs-Pflaster gegen die χοιράδες, unter denen Ammonios leidet, oder die getrocknete Feige, die die Märtyrer dem Protagonisten des mir. 5 gegen dessen Verstopfung verordnen. In dem einen Fall erstreckt sich die Parallele darauf, dass Pflaster, auch Brotpflaster, in der zeitgenössischen Medizin als Heilmittel anerkannt sind und breite Verwendung finden.173 In dem anderen Fall ist es sogar möglich, einen medizinischen Hintergrund dieser Verordnung auszumachen, von dem sich Sophronios abzuheben sucht.174 Der von diesen beiden Beispielen nahegelegte Schluss lässt sich durchaus verallgemeinern: Die von den Märtyrern verordneten Heilmittel weisen immer wieder gewisse Ähnlichkeiten mit Heilmitteln und Heilverfahren auf, die 169
NISSEN, Sophronios-Studien, 361. NISSEN, Sophronios-Studien, 363. 171 τῶν οὐδαμινοῖς καὶ ψιλοῖς βοηθήμασιν ἰσχυρὰ καὶ μεγάλα παυόντων νοσήματα (61,1,7f [377 FM]). Vgl. hierzu GASCOU, Sophrone, 23, der auch die Ausnahmen von dieser Regel listet. 172 Vgl. Kap. 4.4.2. 173 Vgl. Kap. 2.4 (zu §8), S. 40. 174 Getrocknete Feigen haben eine abführende Wirkung, um die ein Aëtios von Amida auch wusste: δύναμιν δὲ ἔχουσι (sc. ἰσχάδες) λεπτυντικήν τε καὶ τμητικήν, δι᾿ ἣν καὶ τὴν γαστέρα πρὸς ἔκκρισιν ὁρμῶσι καὶ νεφροὺς ἐκκαθαίρουσιν (Aët. I 380 [136,26–137,1 OLIVIERI]). NISSEN kommentiert, dass „das Wunder eigentlich nur in der großen Wirkung einer kleinen Dosierung“ liegt (ebd., 370). GASCOU ergänzt die ausgesprochen kurze Zeit, bis die Wirkung einsetzt (Sophrone, 35 Anm. 164). 170
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in der zeitgenössischen Medizin Anwendung finden. Hierdurch wirken die von Kyros und Johannes verwendeten Heilmittel in der Tat „vielfach wie eine Verhöhnung oder Parodierung der rationalen Therapie“.175 Darüber darf allerdings weder vergessen werden, dass sich mehr als ‚gewisse Ähnlichkeiten‘ nirgends nachweisen lassen, noch dass sich in den meisten Fällen überhaupt kein zeitgenössisch-medizinischer Hintergrund aufzeigen lässt. Dies wiederum ist schon deshalb bemerkenswert, als die Menge akzeptierter Heilmittel sowohl insgesamt als auch gegen eine je bestimmte Krankheit in spätantiker Zeit deutlich anschwillt und Parallelen so eigentlich kaum noch zu vermeiden sein sollten. Auch von einem medizinhistorischen Standpunkt wird man Gesios’ Vorwurf also als unbegründet zurückweisen müssen. Dass sich Gesios’ Vorwurf als unbegründet erweist, überrascht nicht wirklich, positioniert sich Sophronios in dieser Frage doch recht eindeutig: Was Gesios sagt, hält er für Geschwätz, das einer Widerlegung nicht einmal bedarf (vgl. §5). Gleichwohl scheint diese – bedenkt man die gänzlich andere Haltung der Heiligen Kosmas und Damian Ärzten und ärztlichem Handwerk gegenüber – keineswegs abwegige Vermutung nicht nur von Gesios geäußert worden zu sein. Jedenfalls zeigt sich Sophronios auch an anderen Stellen bemüht, die kategorialen Unterschiede zwischen den von Ärzten und den von Kyros und Johannes bewirkten Heilungen herauszustreichen.176 §5 Befassten sich die ersten vier Paragraphen mit der Vorstellung des Protagonisten, berichten die nun folgenden Paragraphen von der Erkrankung (§5) sowie den vergeblichen Therapieversuchen des Gesios und seiner Kollegen, auf die hin er die beiden Märtyrerheiligen aufsucht (§6f). Zunächst lenkt Sophronios die Aufmerksamkeit allerdings auf die beiden Märtyrerheiligen und ihre Reaktion auf Gesios’ Aktivität: Zwar bedürfte es einer Widerlegung dieses seines Geschwätzes (τούτων αὐτοῦ τῶν φληνάφων ... ἔλεγχον) eigentlich nicht, da die von den Märtyrerheiligen vollbrachten Taten für sich sprechen. Dennoch streben die Märtyrer eben diese an und wählen hierfür „niemand anderen als den verrückten (παραφρών) Gesios selbst, dessen Erfinder (ποιητής) und Erzeuger (γεννήτωρ)“. Diese Deklassierung des Gesios bedarf nun keiner ausführlichen Erläuterung; die Vokabel παραφρών spricht für sich und auch ποιητής wird in der Literatur in diesem Sinne einschlägig gebraucht.177 Die Überleitung zu der nun folgenden Schilderung, wie Gesios erkrankt, ist denkbar knapp gehalten: Ein einfaches γάρ genügt Sophronios, die ansons175
NISSEN, Sophronios-Studien, 367. Auf den folgenden Seiten (367–371) diskutiert er zahlreiche Beispiele. Vgl. hierzu auch GASCOU, Sophrone, 24. 176 Hierauf kommt Kap. 4.4.2 zurück. 177 Vgl. PGL s.v., 1108f.
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ten unverbundenen Erzählabschnitte miteinander zu verbinden. Im Folgenden fragen wir zunächst danach, woran Gesios eigentlich leidet. Sodann sei ein Blick darauf geworfen, wie seine Krankheit im weiteren Berichtsverlauf thematisiert wird. Schließlich sei auch die Krankheitsursache genauer betrachtet. Der Krankheitsbeschreibung lässt sich entnehmen, dass Gesios am Rücken erkrankt (ἀσθενήσας). Seine Schulter- und Nackenpartie „vertrocknet“; Sophronios vergleicht deren Erscheinungsbild mit „trockene(m) und dürre(m) Holz“. Bewegen kann er sie nicht und Gesios leidet Schmerzen. Nun ist es nicht ohne weiteres möglich, zu eruieren, woran Gesios gelitten haben soll. Zu den grundsätzlichen Problemen, vor die die retrospektive Diagnose stellt,178 gesellt sich hier die Tatsache, dass Sophronios das im weiteren Verlauf mal mit πάθος, mal mit ἀσθένεια und einmal auch mit νόσημα bezeichnete Leiden weder benennt noch eingehender beschreibt. Entsprechend dürftig bleibt der Versuch, dieses Leiden auf einen dem damaligen Publikum bekannten Begriff zu bringen. Die deutlichsten Bezüge zur medizinischen Literatur der Zeit ergeben sich noch aus Sophronios’ Schilderung, Gesios’ Schultern und Nacken ähnelten trockenem und dürrem Holz:179 Aristoteles und Galen gebrauchen die in der Antike weit verbreitete Analogie von Pflanze und Mensch180 nämlich auch, um die Charakteristika des Greisenalters zu erläutern. In De Sanitate Tuenda schreibt Galen: Wenn es (sc. das Lebewesen) weiter austrocknet …, werden seine Glieder schwach und in den Bewegungen unsicher. Ein solcher Zustand wird Greisenalter genannt und entspricht dem Vertrocknen der Pflanzen.181
Neben der Trockenheit ist auch die Kälte für das Greisenalter charakteristisch. An anderer Stelle führt Galen aus, Aristoteles habe das Greisenalter treffend mit einer vertrockneten Pflanze (verglichen). Pflanzen sind nämlich, wenn sie jung sind, in der Tat weich und feucht. Wenn sie aber altern, scheint es, dass sie immer trockener werden und schließlich völlig vertrocknet sind, und dies ist für sie der Tod. Dass nun das Greisenalter das trockenste der Lebensalter ist, ist nach Gesagtem 178
Vorsichtig optimistisch, dass retrosprektive Diagnostik möglich ist, zeigt sich beispielsweise GRMEK, Maladies, 19–21. LEVEN lehnt sie „als hochspekulative und in ihrer Aussagekraft sehr begrenzte Gedankenübung“ ab (Krankheiten, 180). Er plädiert für eine „medizinhistorische Deutung des Krankheitsgeschehens der Vergangenheit“; sie sei „spannender … und auch aufschlussreicher für das Verständnis der Gegenwart“ (ebd. 181). 179 Vgl. zum Folgenden BYL, Gérontologie, und KOVAČIĆ, Begriff der Physis, 136–143. 180 Vgl. hierzu KOVAČIĆ, Begriff der Physis, 125–129. 181 ἐπὶ πλέον δὴ ἀναξηραινόμενον οὐκ ἀσαρκότερόν γε μόνον, ἀλλὰ καὶ ῥυσὸν ἀποτελεῖται, καὶ τὸ κῶλον ἀκρατὲς καὶ σφαλερὸν ἐν ταῖς κινήσεσι. καὶ καλεῖται μὲν ἡ τοιαύτη διάθεσις γῆρας, ἀνὰ λόγον δ’ ἐστὶ τῇ τῶν φυτῶν αὐάνσει (Gal. San.Tu. I,2,10 = VI,5f K. [5,8–11 KOCH]).
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offenkundig. Dass es aber auch das kälteste ist, ist noch offensichtlicher; niemand wird hierüber streiten wollen. Wenn man nämlich Greise berührt, scheinen sie, kalt zu sein.182
Die Übereinstimmungen zwischen der soeben dargelegten medizinischen Perspektive auf das Greisenalter und Sophronios’ Beschreibung von Gesios’ Leiden sind bemerkenswert: der Pflanzenvergleich, das Motiv der Trockenheit, die Einschränkung der Bewegungsfähigkeit, schließlich die Kühle (ψύξις), die im weiteren Berichtsverlauf erwähnt, aber auch von Sophronios nicht in den Pflanzenvergleich integriert wird. Trotz dieser offenkundigen Parallelen lassen sich zwischen Sophronios’ Darstellung und allgemein akzeptierten Vorstellungen des Alterns durchaus auch Unterschiede feststellen: Schmerzen sind in medizinischen Erörterungen des Alters von eher untergeordneter Bedeutung. Zudem ist nur ein Teil seines Körpers, nämlich seine Schulter- und Nackenpartie, direkt von dem Leiden betroffen. Ohne dieses Leiden hätte Gesios wohl nie seine ärztlichen Kollegen (§6f) und schließlich auch die Märtyrerheiligen (§8–13) aufgesucht. Gleichwohl geht Sophronios im weiteren Berichtsverlauf kaum näher auf Gesios’ Leiden ein: Die drei genannten Charakteristika, dass ihm weite Teile des Rückens vertrocknen, er sich nicht bewegen kann und Schmerzen erleidet, entfalten im weiteren Berichtsverlauf kaum eine Relevanz. In §6 erwähnt Sophronios zwar Gesios’ starre Glieder. Gleichwohl scheint seine Bewegungsfreiheit kaum nennenswert eingeschränkt. Jedenfalls gelangt er selbst zu den Heiligen (§8) und ist auch in der Lage, deren doch recht ungewöhnlichen Behandlungsanweisungen (§8–11) ohne Hilfe auszuführen. Von etwaigen Schmerzen ist allein am Ende von §7 die Rede. Worin die Ursache von Gesios’ Leiden besteht, hält Sophronios denkbar offen: Zwar legen die Hinführung, der in der Beschreibung der Leidens versteckte Hinweis, die betroffenen Körperteile wären ὡς ἔκ τινος θείας ὁρμῆς vertrocknet, und schließlich auch Sophronios’ Kommentar, die Erkrankung „verursachte den einer solchen Bestrafung (κόλασις) angemessenen Schmerz“ nahe, dass das Leiden von den Märtyrern verursacht wurde. Dass es sich aber tatsächlich so verhält, wird nirgends ausdrücklich bestätigt.183 Gleichwohl hat 182
καὶ καλῶς Ἀριστοτέλης εἰκάζει τὸ γῆρας αὐαινομένῳ φυτῷ. καὶ γὰρ οὖν καὶ τὰ φυτά, νέα μὲν ὄντα, μαλακά τ᾿ ἐστὶ καὶ ὑγρά, γηρῶντα δ᾿ ἀεὶ καὶ μᾶλλον φαίνεται ξηραινόμενα καὶ τελευτῶντα τελέως ἀποξηραίνεται καὶ τοῦτ᾿ ἔστιν αὐτοῖς ὁ θάνατος. Ὅτι μὲν δὴ ξηρότατον ὡς ἐν ἡλικίαις τὸ γῆρας, ἐκ τῶν εἰρημένων εὔδηλον· ὅτι δὲ καὶ ψυχρότατόν ἐστιν, ἔτ᾿ ἐναργέστερον, ὥστ᾿ οὐδ᾿ ἠμφισβήτησεν οὐδεὶς ὑπέρ γε τούτου. καὶ γὰρ ἁπτομένοις οἱ γέροντες ψυχροὶ φαίνονται (Gal. Temp. II,2 = I,581f K. [46,10–18 HELMREICH]). 183 Überhaupt hält sich Sophronios auffallend zurück, ein Leiden ursächlich auf die Märtyrerheiligen oder gar Gott zurückzuführen. Vgl. hierzu ausführlich Kap. 3.4.4.1.
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
sein Leiden eine eindeutig pädagogische Funktion. Es passt in gewisser Weise auch zu seiner starren Haltung Kyros und Johannes gegenüber. Mit ihrer Behandlung zwingen die Märtyrerheiligen Gesios dann auch dazu, sich zu bewegen: Er muss seine Haltung ihnen gegenüber ändern, sich im doppelten Wortsinn bewegen. Denn Kyros und Johannes heilen ihn erst, als er einen Esel imitierend durch ihr Heiligtum zieht. Auch hierin ähnelt der Bericht dem vorangehenden über Athanasia. Weil nun Gesios die Ursache seines Leidens offensichtlich nicht erkennt, erscheint es sinnvoll, das Partizip ἀγνοήσας konzessiv zu deuten und „obwohl er die Ursache seines Leidens nicht erkannte…“ zu übersetzen. Damit ist Gesios’ Behandlung im Grunde zum Scheitern verurteilt, denn die Kenntnis der Krankheitsursache ist für den Behandlungserfolg von herausragender Bedeutung.184 Und so müht sich Gesios auch ab (ἠγωνίζετο), sich selbst zu behandeln. Die nun folgende Aufzählung von Heilmitteln betont zum einen die Vielzahl unterschiedlicher Heilmittel, derer sich Gesios bedient: Genannt werden Salben (ἀλείμματα), Abführmittel (καθάρσια), Diäten (διαίται) sowie die Umstellung seiner Ernährungsgewohnheiten. Zum anderen stellt sie auch die große Menge der einzelnen Heilmittel heraus: διάφορα ἀλείμματα, καθάρσια τῶν ἀλείματταων οὐχ ἥττονα, διαίται ... πολύτροποι, θερμότεραι τροφαί. Gerade weil Sophronios zeigen will, dass Gesios wirklich nichts unversucht lässt, ist es bemerkenswert, dass – mit Ausnahme der zur äußeren Anwendung bestimmten Salben – alle genannten Heilmittel auf die Ernährung bzw. Verdauung abzielen. Zudem fällt auf, dass die Liste trotz ihres Umfangs kaum konkrete Informationen darüber bereit hält, welche Heilmittel Gesios genau verwendet. Eine Ausnahme bildet allein der Hinweis, dass er fortan „wärmere Speisen“ zu sich nahm, „weil er meinte, dass das, was sich an jenen Orten fand, eine Verkühlung“ sei. Die Erklärung lässt Sophronios Gesios nur andeuten; der Hinweis auf das Phlegma wirkt wie nachgeschoben: Jedenfalls scheint Gesios diese Verkühlung auf einen Überschuss an Phlegma zurückzuführen, den kältesten und feuchtesten der vier Körpersäfte.185 Dem durch diesen Überschuss entstande184
Vgl. hierzu Kap. 4.2.2, S. 158f. ψυχρότατον δὲ καὶ ὑγρότατον ἁπάντων τῶν ἐν τῷ ζῷῳ τὸ φλέγμα (Gal. Temp. II,3 = I,603 K. [59,23f HELMREICH]). Dies widerspricht der oben geäußerten Vermutung nicht, Sophronios orientiere sich in seiner Beschreibung am Altern. Wenig über der eben angeführten Passage aus De temperamentis diskutiert Galen die Position einiger angesehener Ärzte, das Greisenalter sei, betrachte man die Vielzahl feuchter Ausscheidungen, ein feuchtes. Galen differenziert: ὑγρὸς οὖν ὁ γέρων ἐστίν, οὐ τοῖς οἰκείοις μορίοις, ἀλλὰ τοῖς περιττώμασι, καὶ ξηρός, οὐ τοῖς περιττώμασιν, ἀλλὰ τοῖς μορίοις αὐτοῖς, ὥστ’ ἄλλῳ μὲν 185
4.3. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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nen Ungleichgewicht versucht er dem hippokratischen Prinzip contraria contrariis folgend durch eine wärmende Behandlung zu begegnen.186 Es ist durchaus möglich, dass sich Sophronios in seiner Schilderung an medizinischen Darstellungen des Alterns orientiert. Doch gibt er keine bestimmte Krankheitsursache an und impliziert, dass die Märtyrerheiligen für Gesios’ Leiden verantwortlich sind. Sophronios geht es in der Schilderung des Leidens in erster Linie darum, die Erfolglosigkeit der vielen Heilmittel herauszustellen, die Gesios anwendet. Dass sich deren Spektrum als eher limitiert erweist, wirkt zwar kurios, bleibt in der Folge aber ohne Bedeutung. Nicht erst die folgenden Passagen verdeutlichen nämlich, dass Gesios tatsächlich alles der ärztlichen Kunst Mögliche versucht. §6 Was das Publikum längst ahnt, tritt nun ein: Gesios’ Leiden bessert sich trotz all seiner Bemühungen nicht. Er vermag es nicht, „seinen starren Gliedern die dreifach ersehnte Bewegung nicht zu geben“. Sein Scheitern ist perfekt. Die Motivik – die Erschöpfung der ärztlichen Kunst und der Verweis auf Galen, Hippokrates und „die Masse der übrigen Ärzte“ – ist uns bereits aus den vorangehenden Kapiteln 4.1 und 4.2 vertraut und bedarf deswegen an dieser Stelle keiner eingehenderen Untersuchung. Halten wir nur fest, dass weder etwaige Versuche, neue Behandlungsmethoden zu finden, noch nichtärztliche Behandlungsansätze erwähnt werden. Zudem wird Demokrit, anders als bislang, nicht mit Galen und Hippokrates aufgezählt; die Gruppe der Ärzte bleibt aber durch den Verweis auf „die Masse(n) der übrigen Ärzte“ eine grundsätzlich offene Gruppe. Wie oben kann sie auch hier beliebig vervollständigt werden. Dass Gesios nun andere Ärzte zu Rate zieht, erscheint aus seiner Perspektive nur konsequent, und ist es vor allem mit Blick auf die Erzählabsicht auch. Auf diese Weise unterstreicht Sophronios nämlich, dass Gesios von ärztlicher Seite keine Heilung erwarten kann. Nebenbei bereitet Sophronios so auch den Boden für die im folgenden Paragraphen geschilderte Auseinandersetzung über die Fähigkeiten der beiden Märtyrerheiligen, die Gesios mit ὑγρός, ἄλλῳ δὲ ξηρός (Gal. Temp. II,2 = II,581 K. [46,1–4 HELMREICH]). Galen hält letzteres für zutreffend. 186 Während nun die Umstellung der Ernährungsgewohnheiten im Alter, insbesondere die Einnahme wärmerer Speisen, durchaus auch von Galen hätte empfohlen werden können, fehlen Sophronios’ Ausführungen die erwartbaren Hinweise auf Leibesübungen, Massagen oder Änderungen der Trinkgewohnheiten. Die von ihm erwähnten Salben und Abführmittel wiederum empfiehlt Galen nicht. Vgl. hierzu ausführlich BYL, Gérontologie, 78.80–83. Das zugrundeliegende Krankheitskonzept erläutert Kap. 3.4.1.2. Auf diese Gemeinsamkeiten und Unterschiede der irdischen Medizin der Ärzte und der himmlischen Medizin der Märtyrerheiligen kommen die Kap. 4.4.2 und 4.4.3 zurück.
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seinen Kollegen führen wird und die letztlich dazu führt, dass er die beiden Märtyrerheiligen, wenn auch widerwillig, aufsucht. Gesios’ Hoffnungen werden durch die „Raffiniertesten der Ärzte“ nicht erfüllt. Neues erfährt er von ihnen nämlich nicht: „Als sie herbeigekommen waren, nannte er seine Schwäche (ἀσθένεια) und fragte sie nach deren Heilmittel (φάρμακον). Als aber ein jeder seine Ansicht geäußert hatte, erklärte er schließlich, dass er alles von ihnen Vorgeschlagene bereits getan habe.“ Die Ärzte reagieren hierauf mit Bestürzung: Nun ist es für jedermann offensichtlich, dass die Mittel ärztlicher Kunst erschöpft sind. Eine weitere Behandlung ist damit ausgeschlossen. Entsprechend verkünden sie sogleich, „Arzt dieses Leidens sei allein der Gott des Alls, der mehr vermag als Menschen und vollbringt, was kein Mensch vollbringen kann.“ Die Frontstellung dieses Berichts – der Getaufte Gesios steht dem heidnischen Aberglauben durchaus wohlwollend gegenüber, seine Kollegen verweisen ihn mit seinem Leiden an Kyros und Johannes – legt es nahe, dies als Hinweis auf den einen, christlichen Gott zu verstehen. Die Ärzte, von denen Sophronios berichtet, sind also Christen. §7 Nachdem Gesios’ Kollegen die Aufmerksamkeit am Ende des vorangehenden Paragraphen auf den „Gott des Alls“ als alleinigen „Arzt dieses Leidens“ gezogen haben, lenken sie sie nun auf die beiden Märtyrerheiligen, seine Sachwalter.187 Sie verordnen (προσέταττον) Gesios nämlich, „zu den Heiligen Kyros und Johannes hinauszugehen, ihre Visite abzuwarten und die sich aus dieser ergebende Behandlung anzunehmen“. Schon das Vokabular schafft ein Kontinuum zwischen dem ärztlichen Wirken und dem der Märtyrerheiligen, deren Erscheinen selbst medizinisch-fachsprachlich geschildert wird: Sie kommen zur Visite (ἐπίσκεψις) und geben eine Behandlung (θεραπεία) vor, die Gesios dem Rat seiner Kollegen zufolge annehmen (προσδέχεσθαι) solle. Die ihrer Verordnung hinzugefügte Erklärung, Gesios solle zu ihnen gehen, weil „sie an der göttlichen Gnade teilhaben und ihre Wunder mit göttlicher Macht wirken“, lenkt die Aufmerksamkeit auf den eigentlichen Konflikt zurück, dessen Linien Gesios’ Entgegnung pointiert zutage treten lässt: Jener „entgegnete … sofort, dass auch die Heiligen ihre Heilungen ärztlich wirkten und nichts Göttliches oder Wundernswertes aufwiesen, das nicht bereits von den alten Ärzten beschrieben wurde.“ Entsprechend gering, so kann nach der Lektüre des vorangehenden Paragraphen ergänzt werden, seien auch deren Erfolgsaussichten. Schließlich hat Gesios ja bereits alles versucht: Er selbst gilt als herausragender Arzt und hat zudem noch die Raffiniertesten unter den Ärzten herangezogen.
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Vgl. hierzu ausführlich Kap. 4.4.3.
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Nun sind es ausgerechnet die Raffiniertesten unter den Ärzten, die sich „hiergegen weise“ „sperrten“. Das besondere Gewicht ihrer Aussage dürfte deutlich sein, schließlich handelt es sich um Ärzte, die als solche grundsätzlich von den Möglichkeiten der ärztlichen Heilkunst überzeugt sein sollten, aber offenkundig auch um ihre Grenzen wissen. Die zweifellos recht schematische Schilderung des Streitgesprächs lässt den Konflikt zwischen beiden Positionen, der des Gesios und der der übrigen Ärzte, umso deutlicher hervortreten: Gesios’ Kollegen verweisen auf „viele von ihren Behandlungen“, „unzählige Heilmittel sowie die von ihnen geheilten Krankheiten“. Gesios wiederum gelingt es nicht, seinen Kollegen zu erklären, wie die Märtyrerheiligen behandeln und ihre Heilmittel wirken. Damit scheitert er in seinem von Sophronios bereits in §4 dargestellten Bemühen. Zum einen scheint es ihm schwer zu fallen, überhaupt Erklärungen für ihr Wirken zu finden. Zum anderen scheinen diese Erklärungen, wenn er sie denn gibt, seine Kollegen nicht zu überzeugen: „Wenn er etwas sagte, wurde er von ihnen sofort widerlegt.“ Die Diskussion erschöpft sich. Gesios bricht sie schließlich „wider Willen überwunden“ ab. Nur überzeugt ist er nicht: „Überwunden ging er zu den Märtyrern, nicht so sehr aus Überzeugung, als vielmehr durch fürchterliche Schmerzen getrieben.“ Gesios wendet sich also letztlich und wie so viele andere mangels Alternative an die beiden Märtyrerheiligen. §8–10 Der Ausdruck δ᾿ οὖν ὅμως signalisiert eine Zäsur: Gesios gelangt zu den Märtyrern und fleht sie – nicht den „Gott des Alls“ (§6) – nach Kräften an, Genesung zu erlangen (καὶ ῥώσεως τυχεῖν ἱκετεύοντι, καὶ κατὰ δύναμιν λιπαροῦντι τοὺς μάρτυρας). Wie lange sich die Märtyrer bitten lassen, erfahren wir nicht. Eines Nachts aber erscheinen sie ihm im Schlaf (νύκτωρ καθεύδοντι φαίνονται) und „offenbarten ihm das Heilmittel seines Leiden, eine passende Strafe für den Leidenden.“ Inwiefern sie wirklich passend ist, bleibt zunächst noch offen. Die eingeschobene Erklärung, dass sich Gesios, „(o)bwohl er … weise zu sein vorgab, … als eher dumm denn weise“ erweist, 188 erschließt sich nämlich vollends erst durch den nun folgenden Bericht der Erscheinung der Märtyrer und der von ihnen gegebenen Anweisungen. Im weiteren Verlauf der §8–10 werden insgesamt drei Erscheinungen der Märtyrer berichtet. In der ersten Erscheinung tragen die Märtyrer Gesios auf, er solle zur Mittagszeit auf allen vieren und mit einem Eselssattel auf Rü188
Politis hält diese Erklärung für ein abgewandeltes Zitat von Röm 1,22 (φάσκοντες εἶναι σοφοὶ ἐμωράνθησαν). Wenngleich fraglich ist, ob dieser Bezug intendiert ist und/oder bei der Rezeption hergestellt wird, ist er doch ob der dort behandelten Thematik der Selbsterhebung und Ignoranz des Menschen bemerkenswert.
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
cken, Schultern und Nacken, den leidenden Körperpartien eben, durch ihre Anlage laufen und laut: „Ich bin dumm und überaus töricht!“ rufen. Habe Gesios dies getan, werde er „sofort“ (εὐθύς) geheilt werden. Gesios hält diese und auch die folgende Erscheinung für nicht authentisch, weswegen er die ihm gegebenen Anweisungen ignoriert. Erst als ihm die Märtyrer das dritte Mal im Traum erscheinen, muss er einsehen, dass ihm die Anweisungen tatsächlich von den Märtyrern gegeben wurden (vgl. §11). Notgedrungen führt er sie aus. Die Dreizahl der Erscheinung ist nicht nur an dieser Stelle bedeutungsvoll;189 in diesem Bericht ist sie zudem gut vorbereitet: Gesios begegnete bereits als τρισάθλιος, als dreimal Unglücklicher (§2), der seinen Gliedern die dreifach ersehnte (τριπόθητος) Bewegung nicht zu geben vermochte (§6). Die Schilderungen der einzelnen Erscheinungen haben ein durchaus starkes repetitives Moment. Das Wort πάλιν begegnet in den §8–10 insgesamt vier Mal, zudem verweist Sophronios auf die jeweils zuvor ergangenen Anweisungen der Märtyrer. Zugleich zeigen sich aber auch bestimmte Entwicklungslinien, die sich über die Schilderungen hinweg erstrecken. Um diese besser herauszuarbeiten, sollen die Schilderungen der drei Erscheinungen gemeinsam analysiert werden. Zunächst ist festzuhalten, dass sich die einzelnen Erscheinungsberichte jeweils auf die Anweisungen konzentrieren, die die Märtyrer Gesios geben. Narrative Elemente fehlen, von der formelhaften Schilderung ihres Auftretens (1.-3. Erscheinung) und Abgehens (1.+3. Erscheinung) einmal abgesehen. 190 Überhaupt ist die Schilderung auf das Wesentliche konzentriert. Der Hinweis etwa, Gesios werde geheilt, sobald er die Anweisungen der Märtyrer ausgeführt habe, fehlt in dem Bericht der zweiten und dritten Erscheinung. Hingegen betonten die Märtyrer jedes Mal, dass Gesios ihre gesamte Anlage durchqueren und dabei laut Μωρός εἰμι rufen solle.191 Die verfolgte Absicht ist 189
Als Paulos denselben Traum drei Mal in Folge träumt, erkennt er, dass ihm die Märtyrerheiligen erschienen sind (mir. 18,5f). Johannes, von dem mir. 37 berichtet, erscheinen die Märtyrerheiligen nach drei Tagen. Stephanos, dem Protagonisten des mir. 38, versuchen sie drei Mal vergeblich, Segen zu reichen. Vgl. FERNÁNDEZ MARCOS, Thaumata, 42 Anm. 15, und GASCOU, Sophrone, 17. 190 νύκτωρ καθεύδοντι φαίνονται … Καὶ ταῦτα μὲν εἰς αὐτὸν οἱ ἅγιοι φήσαντες ᾤχοντο (§8), Ἐλθόντες γὰρ πάλιν πρὸς αὐτὸν ὡς ἐκάθευδεν (§9), Οἱ δὲ θειότατοι ὄντως καὶ φιλάνθρωποι μάρτυρες πάλιν ἐφάνησαν … Αὐτοὶ μὲν οὖν οἱ θεσπέσιοι εἰπόντες ταῦτα πρὸς αὐτὸν ἀνεχώρησαν (§10). 191 μεσούσης ἡμέρας ὅλον ἡμῶν περινόστει τὸ τέμενος, μεγαλαφώνως βοῶν (§8), αὐτῶν τὸν νεὼν τό, Μωρός εἰμι, διαθέειν κράζοντα (§9), ὑπό τινος τῶν οἰκετῶν προβαδίζοντος ἕλκεσθαι. καὶ ἕπεσθαι κατὰ τρόπον αὐτὸν …, καὶ τό, Μωρός εἰμι, μάλα σαφῶς ἐπιλέγοντα (§10). In der ersten Erscheinung fordern die Märtyrer Gesios noch auf, Μωρός εἰμι καὶ ἀνούστατος zu rufen. Die weiteren Male genügt ihnen das Μωρός εἰμι. Das Bestreben, den Ausdruck möglichst zu verknappen, mag es geschuldet sein, dass die
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deutlich: Jeder und jede soll hören, was Gesios zu sagen hat. Seine Schande soll öffentlich werden. Dass er sich hierbei wie ein Esel (§8) bzw. – wohl durch die Doppeldeutigkeit von ἄλογον motiviert – wie ein Pferd (§10) durch die Anlage bewegen soll, stellt diese Absicht nur deutlicher heraus: Neben der Bedeutung, die Sophronios der Körperhaltung in der Behandlung auch an anderer Stelle zuschreibt,192 ist hierfür die bereits antike Überzeugung entscheidend, der Esel sei ein besonders dummes Tier.193 Zudem ist die Verwendung von Eseln und Eselmasken im Zusammenhang entehrender Strafen in spätantiker Zeit nachgewiesen.194 Von Erscheinung zu Erscheinung ergibt sich dadurch eine gewisse Steigerung, dass die Märtyrer ihre zuvor gegebenen Anordnungen jeweils ergänzen: In ihrer zweiten Erscheinung fügen sie an, „dass er zu dem Sattel eine große Glocke um seinen Hals hängen solle“ (§9), in ihrer dritten dann, dass er sich zäumen und von einem Diener „ziehen“ (ἕλκεσθαι, §9) lassen solle. Offenbar besorgt, dass die unbestreitbare Entwicklung als Selbstkorrektur verstanden werden könnte, fügt Sophronios eigens an, dass sich die Märtyrer hierdurch nicht selbst korrigierten (§10). Vielmehr würden sie „hierdurch die Torheit des überaus klugen Gesios deutlicher heraus(stellen) und … seine Dummheit mit peinlicherer und größerer Scham“ geißeln (§10). Über die KautelFunktion hinaus rahmt diese Aussage den Bericht über die Erscheinungen der Märtyrer in zweifacher Weise. Der erste Aussagenteil greift Sophronios’ Kommentar auf, Gesios erweise sich trotz gegenteiliger Selbsteinschätzung „als eher dumm denn weise“ (§8), der zweite verdeutlicht, inwiefern es sich um „eine passende Strafe für den Leidenden“ (§8) handele. Wie Gesios auf die Erscheinungen der Märtyrer reagiert, wird verhältnismäßig ausführlich geschildert und weist im Vergleich zur Wiedergabe der Anweisungen auch die größere Entwicklung auf: Nachdem ihm die Märtyrer zum ersten Mal erschienen sind, erwacht Gesios195 und bezeichnet „die Schau als Täuschung“ (φαντασίαν ἐκάλει τὸ ὅραμα).196 Er hält sie für „keine Anbeiden Synonyme μωρός und ἀνούς ihren Platz nur im Bericht der ersten Erscheinung haben, in dem das Wortspiel ἀνούς – ὄνος diese Doppelung nahelegt. 192 Vgl. hierzu Kap. 2.4 zu §7, 39f, sowie in diesem Kap. zu §3, 184f. 193 Vgl. OPPELT, Esel, bes. 584. 194 Vgl. OPPELT, Esel, 589. 195 Das Partizip στραφείς eröffnet zahlreiche Deutungsmöglichkeit: Man denke an das nach LSJ belegte Herumwälzen im Schlaf oder das conversus der lateinischen Übersetzung. Sophronios gebraucht στραφείς regelmäßig in der Bedeutung „erwachen“. Ein Hochschrecken nach einem Albtraum oder ähnliches impliziert es nicht unbedingt. 196 Während ὅραμα durchgehend neutral die Erscheinung der Märtyrer bezeichnet und entsprechend häufig belegt ist (6,2; 11,8; 18,5; 21,5; 27,4; 30,8; 36,11; 38,12; 38,9; 41,7; 49,6; 68,5; 70,11), ist φαντασία insgesamt nur drei Mal belegt (18,5; 27,4; 30,8), und zwar jeweils als Bezeichnung für eine vermeintlich nicht authentische Erscheinung der Heiligen.
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
ordnung der Christus tragenden Heiligen.“ Entsprechend heftig fällt seine Reaktion aus: „Er bespuckte (διαπτύσας) das Orakel und tat nichts von dem, was gesagt war.“ Dennoch bezieht sich die recht brüske Zurückweisung allein auf die vermeintliche Täuschung; gleich im Anschluss, zu Beginn des folgenden Paragraphen, lesen wir nämlich, dass Gesios die Märtyrer von neuem anfleht. Gesios’ Reaktion auf die zweite Erscheinung der Märtyrer wird ausführlicher geschildert als die auf deren erste Erscheinung. Gesios habe „auch diesen Befehl aus Torheit“ ignoriert und als „abartiges Gespinst“ (φάσμα ... ἀνακόλουθον) abgetan,197 „denn Sattel und Glocke konnte er nicht genau deuten. Er vermochte nicht einmal zu erfassen, welcher Mischung (ποίας ... κράσεως) sowie natürlicher und substanzartiger Qualität (φυσικῆς καὶ οὐσιώδους ποιότητος) diese sind.“ Sophronios überschüttet Gesios mit beißendem Spott, indem er ihn mit diesen medico-philosophischen Begrifflichkeiten über die Erscheinung der Märtyrer knobeln und doch zu keinem Schluss kommen lässt.198 Gesios gibt nicht auf. Nun wendet sich sein Gebet allerdings direkt an Gott, den Herrn (ἱκετείας τῷ Δεσπότῃ προσέφερεν), nicht wie zuvor noch an die Märtyrer. Er „möge doch seine Schwäche (ἀσθένεια) heilen anstatt ihn, von Gespinsten getäuscht, zu übersehen.“ Dass sich einer der Hilfesuchenden direkt an Gott wendet, ist in der Tat ungewöhnlich. In den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes fungieren die Märtyrer durchgängig als Mittlerfiguren zwischen Gott und den Menschen, und zwar in beide Richtungen. So heißt es etwa gegen Ende dieses Wunderberichts, die Märtyrer schöpften „ihre Heilungen (ἰάματα) aus einer Quelle, Christus, unserem Gott, … der uns durch sie Behandlungen schenkt (τὸν δι᾿ αὐτῶν ἡμῖν τὰς θεραπείας δωρούμενον) und vielfältige Zeichen wirkt“ (§14). Umgekehrt, schreibt Sophronios an anderer Stelle, wären wir in großer Gefahr, „wenn wir nicht von unzähligen Märtyrern beschützt würden und durch das Vergießen ihres eigenen Bluts keine Fürsprecher bei Christus für uns hätten.“199
Mit Blick auf die Begrifflichkeit sei auch auf den Kommentar zum folgenden Paragraphen verwiesen. 197 Zu den Begrifflichkeiten, mit denen Sophronios Traumerscheinungen der Märtyrer und Gesios’ jeweilige Reaktion bezeichnet, vgl. oben, S. 197 Anm. 196, und unten, zu §11, S. 198f. 198 Diese Erläuterung lesend, fühlt sich WOLSKA-CONUS „aussitôt aux savants discours de Stéphanos“ erinnert (Stéphanos, 58). Ebenso zutreffend dürfte GASCOUs weitergehende Aussage sein, Sophronios mokiere sich über den „jargon philosophique et médical séculier“ (Sophrone, 105 Anm. 599). 199 ἐν κινδύνοις δὲ καὶ ἡμεῖς γενησόμεθα, μὴ μυριάσι μαρτύρων φρουρούμενοι, καὶ ταῖς οἰκείων αἱμάτων προσχύσεσι, ὑπὲρ ἡμῶν τὸν Χριστὸν πρεσβεύοντας ἔχοντες (29,5,3–5
4.3. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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Dass sich Gesios mit seinem Anliegen direkt an Gott wendet, kann nun in der Tat als Ausdruck seiner Geringschätzung den Märtyrern gegenüber verstanden werden200 oder als Zeichen von Hochmut. Bemerkenswert ist allerdings, dass Sophronios hierauf in keiner Weise eingeht: Weder verurteilt er, dass sich Gesios direkt an Gott wendet, noch hat es irgendeine Auswirkung. §11 Die Schilderung von Gesios’ Reaktion auf die dritte Erscheinung ist die ausführlichste. Neben der Bewertung des Traums berichtet Sophronios gleich auch die Ausführung der Anweisungen und schließlich die Genesung des Gesios. Hiermit ist die Gliederung der folgenden Ausführungen vorgegeben. Wiederum sinniert Gesios gleich nach dem Erwachen über die Erscheinung der beiden Märtyrer. Sophronios lässt keinen Zweifel daran, dass Gesios den im Traum (ὄνειρος) erteilten Anweisungen auch dieses Mal keine Folge geleistet hätte, hätte er nicht dieselbe Erscheinung oder zumindest einander sehr ähnliche Erscheinungen zum dritten Mal gehabt: Der Traum wurde „durch sein dreimaliges Auftreten“, wie es wörtlich heißt, „bestätigt“.201 Die Begrifflichkeit, mit der Sophronios Gesios auf die Erscheinungen der beiden Märtyrer verweisen lässt, weist ein recht großes Spektrum auf: ὅραμα, θέσπισμα – φαντασία, φάσμα (§8), κέλευσις – φάσμα ... ἀνακόλουθον, φάσματα (§9), ὄνειρος, ὄψις – φάσμα ... ἐδειλία (§11). Zunächst fällt auf, dass Sophronios als Erzähler auch hier kein besonderes Interesse daran zeigt, die Erscheinungen der Heiligen begrifflich von anderen Erscheinungen abzugrenzen, ihm im Falle von κέλευσις nicht einmal besonders daran gelegen ist, die Erscheinung als solche kenntlich zu machen. Hingegen drückt sich die Sophronios wichtige Differenz zwischen der Erscheinung der Märtyrer und einem trügerischen Bild bereits in der Wortwahl des Gesios aus: Eine entsprechende Konnotation haben φαντασία und φάσμα in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes überall.202 Bemerken wir außerdem die Steigerung, die sich in der Verwendung von φάσμα feststellen lässt: Zunächst spricht Gesios von einem φάσμα, sodann von einem φάσμα ... ἀνακόλουθον, [299 FM]). Auf die Vorstellung einer doppelten Vermittlung geht Kap. 4.4.3, S. 219–220, ein. 200 So GASCOU, Sophrone, 18 und 105 Anm. 600. 201 Die Bestätigung einer Erscheinung durch deren dreifaches Erscheinen begegnet auch in mir. 18,5. Überhaupt misst Sophronios der Dreizahl eine besondere Bedeutung bei, vgl. S. 195 Anm. 189. 202 In den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes ist der Begriff φάσμα insgesamt sieben Mal belegt: mir. 9,7; 13,3; 29,4; 30,8; 30,9; 30,9; 30,11. Vier Belege entfallen also auf mir. 30. Die übrigen drei finden sich im Zusammenhang dämonischer Erscheinungen: τὰ τῶν δαιμόνων φαυλότατα φάσματα (9,7,3f [258 FM]), δαιμονίου φάσμα μεσημβρινοῦ (13,3,7 [270 FM]), φάσμασιν Ἑλληνικοῖς ὑποκλίνουσα (29,4,1f [299 FM]). Zu φανστασία und ὅραμα s. oben, S. 197 Anm. 196.
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
womit er eine Präzisierung auf der kognitiven Ebene vornimmt, und schließlich von einem φάσμα ... ἐδειλία, womit die emotionale Ebene erreicht ist. Nachdem sich die Erscheinung der beiden Märtyrer durch ihr dreimaliges Auftreten als authentisch erwiesen hat, ist Gesios gezwungen (ἠναγκάζετο), die Anordnungen der Märtyrer auch auszuführen; einerseits „um der Befreiung von der Krankheit willen“, andererseits „um die Märtyrer nicht zu einem erbarmungslosen Zorn gegen ihn zu bewegen.“ Während das eine keiner Erläuterung bedarf, schließlich haben die Märtyrer dies selbst angekündigt, bemerkten wir an anderer Stelle bereits, dass sich die Märtyrer Krankheiten und vor allem Schmerzen zu pädagogischen Zwecken durchaus bedienen.203 Der eigentliche Ausführungsbericht wartet ohne Überraschungen auf: Gesios „hob also den Sattel auf Schultern und Rücken, hängte die Glocke um den Hals, befestigte das Zaumzeug am Kopf und im Mund und folgte dem Diener, der ihn kreuz und quer durch die Anlage führte, und, während er seine Runden drehte …, rief er sehr, sehr oft: ‚Ich bin dumm!’“. Einen neuen Gesichtspunkt trägt allein der Hinweis bei, dass sich Gesios zehnmal durch die gesamte Anlage führen lässt.204 Die Richtigkeit dieser Aussage verbürgen wiederum „die, die sie gezählt haben“, also Augenzeugen, von denen Sophronios seine Informationen zu haben vorgibt. Der Erzähler bestätigt, dass Gesios „den Befehl der Heiligen ausgeführt“ habe: „Mit Sattel, Zaumzeug und der Glocke legte er auch sein Rückenleiden ab und erlangte Genesung, die Freundin ihrer Anweisungen und Gefährtin ihrer Offenbarungen.“ Die beiden letztgenannten Aussagen verweisen einerseits auf die Notwendigkeit des Gehorsams den beiden Märtyrerheiligen gegenüber,205 andererseits darauf, dass die Offenbarungen der Märtyrer zumindest in den von Sophronios zusammengestellten Fällen tatsächlich von Genesung begleitet sind. Vereinzelte Ausnahmen bestätigen die Regel. §12 Der Schilderung der körperlichen Genesung des Gesios folgt eine weitere Erscheinung der Märtyrer, mit der sie Gesios’ Irrtum bezüglich ihrer Heilmittel auszuräumen suchen. Auch hier ist es von Bedeutung, dass der Nacht „die Helligkeit des Morgens“ folgt (τῆς ἕω … φαιδρότητος). Auf diese Weise illustriert Sophronios den Wandel, den der jeweilige Protagonist vollzieht.206 Kyros und Johannes erinnern den noch schlafenden Gesios „ziemlich elegant“ (χαριέντως πως) an seine Verfehlung; und tatsächlich deutet diese 203
Vgl. Kap. 3.4.4.1. Sophronios hat durchaus eine Vorliebe für Zahlensymbolik. Die Zahl Zehn hält er für vollendet (τέλειον [Protheoria 4 = 5,21 BRINGEL]). 205 Vgl. hierzu grundsätzlich MARAVAL, Fonction pédagogique, bes. 384–386. 206 Diese Gegenüberstellung von Licht und Finsternis ist in mir. 37 und 38, die von den Häretikern Johannes und Stephanos berichten, besonders ausgeprägt. Sie werden in den Kap. 5.2 und 5.3 eingehender betrachtet. 204
4.3. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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Wendung an, dass das nun geschilderte Vorgehen der Märtyrer für Publikum und Protagonisten gleichermaßen überraschend zu sein gedacht ist.207 Dies ist es gleichwohl nur teilweise, insofern die Märtyrer ja zuvor bereits angekündigt hatten, „sein Geschwätz“ durch „den verrückten Gesios selbst“ (§5) zu widerlegen. Am ehesten dürften noch die erneute Erscheinung überraschen und die Ausführlichkeit, mit der sie Gesios’ Behauptung widerlegen, „dass alle Heilmittel, die wir den Kranken verabreichen, Erfindungen der längst verblichenen Ärzte seien“. In §4 wurde dieser Vorwurf ja durch konkret wirkende, wie sich herausstellte, eigentlich aber abstrakte Beispiele unterlegt. Sophronios greift sie erneut auf und lässt die Märtyrer Gesios Auskunft darüber verlangen, „wo dein Hippokrates über die Hilfsmittel gegen dein Leiden schreibt oder der von dir bewunderte Galen hierüber spricht? Wo aber behandelt sie Demokrit? Oder nennt sie ein anderer der von dir gepriesenen Ärzte?“ Vergleicht man diese Fragen mit den Gesios in den Mund gelegten Beispielen, so fallen zunächst die strukturellen Ähnlichkeiten auf: Die Fragen der Märtyrer lassen sich, wie zuvor die Beispiele, in vier Teilfragen zerlegen, deren Gliederungsprinzip die jeweils angesprochenen Ärzte sind; Demokrit wird wieder mitaufgezählt. Im Unterschied zu den zuvor genannten Beispielen ist die Situation, in die hinein die Märtyrer sprechen, hier klar bestimmt: Gesios solle angeben, wo die betreffenden Ärzte „die Heilmittel gegen sein Leiden“ (τὰ τοῦ πάθους τοῦ σοῦ βοηθήματα) erwähnen. Überhaupt konzentriert sich die Frage in jeder Hinsicht auf Gesios, dessen Beziehung zu den betreffenden Ärzten durch die ihnen beigelegten Attribute eigens herausgestellt und den insgesamt auch hier eher knappen Ausdruck betont wird. Die Märtyrer fragen Gesios nach Ἱπποκράτης ὁ σός, Γαληνὸς ὁ παρὰ σοὶ θαυμαζόμενος sowie τῶν ἄλλων τις ᾀδομένων ἰατρῶν; allein Demokrit ist kein Attribut beigestellt. Während nun die besondere Stellung von Hippokrates und Galen kaum überraschen dürfte, verdient die Steigerung des letzten Kettengliedes Beachtung: Nun ist es nicht einfach ein anderer Arzt, sondern „ein anderer der von dir gepriesenen Ärzte“. Diese Charakterisierung gewinnt ihre besondere Pointe dadurch, dass Bewunderung eigentlich und vorrangig den Märtyrern gebührt, die im Gegensatz zu den bereits „längst verblichene(n) Ärzte(n)“ (πάλαι φθιμένων ἰατρῶν) noch immer wirken. Nun dürfte sich das Publikum durchaus darüber im Klaren sein, dass die Behandlung, die die Märtyrer Gesios angedeihen lassen, keine ist, die Ärzte normalerweise anwenden würden. Von daher würde es eher überraschen, erwartete das Publikum, dass Gesios die Frage der Märtyrer tatsächlich beantwortet. Stattdessen dürfte es sowohl Anliegen der Märtyrer als auch Erwartung des Publikums sein, dass Gesios seinen Irrtum nun auch einräumen muss. Hierzu kommt es zunächst aber nicht, vielmehr gestehen sie Gesios 207
Vgl. mir. 18,3; 46,4.
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
siegessicher zu: Sollte er Auskunft geben können, wird ihm dies auch in allen anderen Fällen möglich sein. „Wenn du aber zugestehst, dass jene ein solches nirgends beschreiben, dann erkenne dich selbst, dass du über die anderen lügst.“ Logisch betrachtet ist diese Alternative keineswegs zwingend; so wäre es zum Beispiel auch möglich, dass sich Gesios nur in diesem einen Fall irrt, in allen anderen aber recht behält. Nun dürfte es an der Sache vorbeigehen, Sophronios „ein Musterbeispiel eines falschen Syllogismus“208 zu attestieren. Sein Argumentationsziel besteht ja letztlich nur darin, dass Gesios seinen Irrtum auch eingesteht. Seine Kollegen konnten ihn dazu in §7 ja noch nicht bringen – obwohl sie ihn bereits widerlegt hatten. Der hieraus abgeleitete Schluss, Gesios’ Überzeugung sei grundsätzlich falsch, ist zwar logisch fragwürdig, wirkt aber gerade durch die Diskussion mit seinen Kollegen, die ja bereits zahlreiche Beispiele angeführt haben, nicht unplausibel. Die Märtyrerheiligen erwarten von Gesios die Selbsterkenntnis, dass er sich getäuscht hat; der Anklang an das berühmte γνῶθι σεαυτόν des delphischen Orakels ist sicher nicht zufällig gewählt.209 Damit ist alles gesagt. Kyros und Johannes haben ihr Ziel erreicht. Denn sie stellen „Gesios so in der Tat zur Schau“ und „widerleg(e)n den Verleumder offensichtlich“. Daraufhin endet der Traum. §13 Nachdem die Auflösung zunächst aus der Perspektive der Heiligen (Οἱ μὲν οὖν, §12) geschildert wurde, folgt in diesem Paragraphen nun Gesios’ Perspektive (Ὁ δὲ καί): Gesios gibt noch im Schlaf (ὑπνῶν) zu erkennen, „dass er den Märtyrern nichts zu entgegnen habe“, also seine Widerlegung eingesteht. Auch aus dem Traum erwacht staunt er noch über „die überaus weise Widerlegung“; eine, wie wir gesehen haben, den Märtyrern und ihrem Wirken gegenüber angemessene Haltung. Er erkennt seine Niederlage an. Wie allgemein üblich wird auch hier der Auszug des Protagonisten aus dem τέμενος der Heiligen berichtet. Hier finden sich dann auch die beiden Aspekte versammelt, in denen Gesios aus Sicht des Sophronios einen wesentlichen Fortschritt erzielt: Gesios verlässt die Anlage nämlich erst, nachdem auch er „die Macht der Heiligen gepriesen und bekannt hat, dass sie die Leidenden in Gottes Namen heilen“.
208
NISSEN, Sophronios-Studien, 358. Ebenso wenig überzeugt GASCOUs Deutung, Gesios sei in eine von den Märtyrern gestellte logische Falle gefallen (Sophrone, 106 Anm. 607). 209 Zur Rezeption des delphischen Spruchs vgl. COURCELLE, Connais-toi, bes. I,11–291. Einen Überblick gibt TRÄNKLE, ΓΝΩΘΙ ΣΕΑΥΤΟΝ, 19–31. AUWERS/SOMERS (Pèlerinage, 1–12) konzentrieren sich auf die patristische Literatur.
4.3. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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Hieran schließt sich nun ein längerer Exkurs an, in dem Sophronios eine Verhältnisbestimmung zwischen den Kyros und Johannes zugeschriebenen und den von „Kosmas und Damian, (den) heiligen Mitärzte(n) und Mitmärtyrer(n)“ überlieferten Wundern versucht. Die Doppelbedeutung von θαῦμα als Bezeichnung einerseits für das eigentliche Wunder und für den Bericht über dieses Wunder andererseits ist ihm bewusst. Zunächst nennt Sophronios Beispiele für dem Vernehmen nach (φασί) von Kosmas und Damian bewirkte Wunder, die auch Kyros und Johannes zugeschrieben wurden: „etwas derartiges“ (τοιοῦτον τί) wie auch „das des Lahmen und der stummen Frau“ (τὸ τοῦ παρέτου καὶ τῆς ἀλάλου γυναικός).210 „Indes“ (οὐ μὴν ἀλλὰ) gebe es aber auch Wunder, die Kyros und Johannes vollbracht haben, aber landläufig Kosmas und Damian zugerechnet werden. Als Beispiel nennt er „das der Jüdin mit einem in ihrem Inneren verborgenen Krebs“ 211 und fügt als Bestätigung seiner Behauptung an, dass sich viele daran erinnern, „als ob es sich gestern ereignet hätte, und (es) verkünden“. Dass nun Wunder mehreren Heiligen zugeschreiben werden, ist nicht ungewöhnlich: So kann, um bei diesem Beispiel zu bleiben, das Motiv des Lahmen und der stummen Frau durchaus als „thème de folk-lore“ betrachtet werden.212 Neben einer bemerkenswerten Überlieferungsgeschichte des ent210 Mir. 24 (162–164 DEUBNER), vgl. FESTUGIERE, Collections grecques, 88; GASCOU, Sophrone, 106 Anm. 609. FESTUGIERE und GASCOU verstehen ὥσπερ τὸ τοῦ παρέτου καὶ τῆς ἀλάλου γυναικός als Erklärung des τοιοῦτόν τι. Dann stellt sich allerdings die Schwierigkeit ein, dass der vorliegende Wunderbericht weder einen Lahmen noch eine Stumme erwähnt und sich auch sonst kaum eine Parallele zwischen beiden Berichten feststellen lässt. GASCOU (ebd.) deutet eine Lösung dieser Schwierigkeit an: „Les considérations de Sophrone sont-elles bien à leur place originelle? Le seul texte sophronien comparable serait le miracle n° 52, sur un paralytique auquel les saints donnent un ordre semblant dépasser ses forces, récit où la transition est déficiente.“ Wahrscheinlicher scheint mir allerdings, dass Sophronios mit ὥσπερ τὸ τοῦ παρέτου καὶ τῆς ἀλάλου γυναικός dem τοιοῦτον τί ein weiteres Beispiel anfügen will. Dass sich „etwas derartiges“, also etwas mir. 30 vergleichbares, in den Wundern der Heiligen Kosmas und Damian nicht findet, überrascht derweil nicht. Sophronios schreibt dieses Wunder ja gerade nieder, „weil (es) in jenen nicht geschrieben steht“ (§14), sondern, wie Φασὶ δὲ καὶ Κοσμᾶν καὶ Δαμιανὸν ... τοιοῦτόν τι διαπράξασθαι nahelegt, nur mündlich überliefert wurden. 211 Mir. 2 (101–104 DEUBNER), vgl. FESTUGIERE, Collections grecques, 88; GASCOU, Sophrone, 106 Anm. 610. Letzterer verweist außerdem auf den in ÄgU.K III,382 abgedruckten koptischen Bericht eines Wunders hin, das Kyros an einer Jüdin vollbracht haben soll. Da es allerdings nur fragmentarisch erhalten ist, ist eine sichere Zuordnung nicht möglich. Schließlich verweist GASCOU auf mir. 54,6, eine zumindest entfernte Parallele: Hier nötigen die Heiligen Kyros und Johannes eine gewisse Julia dazu, ihren erkrankten Sohn mit Schweinefett einzureiben, die sich dessen angeblich wegen Adonis’ Tod enthalten habe. 212 FESTUGIERE, Collections grecques, 88 Anm. 2.
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
sprechenden Kosmas und Damian zugeschrieben Wunders,213 wird ein solches Wunder nämlich auch von den Hl. Menas214 und Kollouthos215 berichtet. Sophronios reklamiert es dennoch für ‚seine‘ beiden Heiligen Kyros und Johannes; wie übrigens auch das Wunder der an Krebs leidenden Jüdin. Deutlich wird dies nicht nur durch die Einleitung οὐ μὴν ἀλλὰ καί, sondern auch durch den Hinweis auf die vielen, die sich daran noch erinnern und davon erzählen. Auf diese Weise etabliert Sophronios, wenn nicht gar die Überlegenheit, so doch zumindest die Gleichrangigkeit der Märtyrerpaare Kyros und Johannes auf der einen sowie Kosmas und Damian auf der anderen Seite. Denn eigentlich waren es, so argumentiert Sophronios, Kyros und Johannes, die die genannten Wunder vollbracht haben – sekundär wurden sie dann auch anderen Heiligen zugeschrieben. Die theologisch durchaus plausible Erklärung, wieso es so scheint, als würden „die Heiligen je dieselben Wunder vollbringen“ (§14), zielt jedenfalls nicht darauf ab, den Unterschied zwischen den einzelnen Heiligen einzuebnen. Sophronios geht, im Gegenteil, sogar davon aus, dass die einzelnen Märtyrer und Heiligen in einer hierarchischen Ordnung stehen. 216 Die eigentliche Pointe dieser Aussage erschließt sich allerdings erst mit dem Wissen darum, dass die ungleich prominenteren Heiligen Kosmas und Damian seinerzeit in besonderem Maße in miaphysitischen Kreisen verehrt wurden.217 §14 Obwohl Sophronios keinen Zweifel daran lässt, dass besagte Wunder von den Heiligen Kyros und Johannes vollbracht wurden, zieht er aus der Tatsache, dass sie auch Kosmas und Damian zugeschrieben werden, die Konsequenz, sie auszulassen: „Die vorliegende Sensation aber haben wir aufgeschrieben, weil sie in jenen nicht geschrieben steht.“218 Der sich nun anschließende zweite Teil des Exkurses bietet eine theologische Erklärung dafür, warum „die Heiligen je dieselben Wunder vollbrin213
Vgl. hierzu FESTUGIERE, Collections grecques, 158 Anm. 10. DUFFY/BOURBOUHAKIS, Five Miracles, 74f.78–81 präsentieren gleich zwei Versionen dieses Berichts. Vgl. auch die Hinweise in FESTUGIÈRE, Collections grecques, 88 Anm. 2; GASCOU, Sophrone, 106 Anm. 609. 215 DEVOS, Un étrange miracle, 363–380 (vgl. GASCOU, Sophrone, 106 Anm. 609). 216 So ordnet ihnen Sophronios nach Ausweis von mir. 8,11 und 70,12 (vgl. auch 53,4) Theodoros Stratelates, einen der bedeutensten Heiligen der Epoche, unter (GASCOU, Sophrone, 43 Anm. 215). Ein solch hierarchisches Gefälle lässt sich im Übrigen auch innerhalb des Märtyrerpaares nachweisen: In der Tat wirkt Kyros des Öfteren wie der Senior-Partner des Gespannes (MONTSERRAT, Carrying on, 232). 217 GASCOU, Sophrone, 106 Anm. 612 und Religion, 19f. Ganz ähnlich verhält es sich in mir. 13,4: Elias wendet sich, von den Märtyrern enttäuscht, dem Heiligen Metras zu. Vgl. hierzu Kap. 5.4.3 (zu §4), S. 270. 218 Vgl. hierzu S. 202, Anm. 210. 214
4.3. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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gen“: Sie „schöpfen … aus einer Quelle, Christus, unserem Gott, auch haben und verehren sie je einen Herren, der uns durch sie Behandlungen schenkt und vielfältige Zeichen wirkt.“ Nach diesem Exkurs beschließt Sophronios den Wunderbericht mit dem Lobpreis, der wie so oft Sophronios und sein Publikum gleichermaßen umfasst, und der Ankündigung, weitere Wunder anfügen zu wollen. Entsprechend dem zuletzt genannten Thema werden sowohl Christus „als Gott des Alls“ als auch „die Märtyrer als seine frommen Diener“ explizit genannt. 4.3.5 Zusammenfassung Mir. 30 ist der einzige Bericht, in dem Sophronios über Erkrankung und Heilung einer historischen, zur Abfassungszeit aber schon lange verstorbenen Person berichtet. An der historischen Person des Gesios lässt seine Schilderung ein nur geringes Interesse erahnen: Inbesondere dass Gesios trotz kryptopaganer Züge zum Christentum konvertiert sei, hält der historischen Rückfrage nicht stand. Stattdessen lässt er eine bereits zu dessen Lebzeiten literarisch gewordene Figur vor Publikum auftreten, die sich durch ihre medizinische Fachkompetenz auszeichnet, der aber spätestens seit den AmmoniosDialogen des späteren Bischofs von Mytilene Zacharias auch Überheblichkeit nachgesagt wird. Wie es dazu kam, dass Sophronios ausgerechnet diese Episode berichtet, lässt sich letztlich nicht befriedigend erklären. Des Öfteren eingestreute Hinweise auf ihm mündlich zugetragene Informationen sowie der Hinweis auf eine offenbar existierende mündliche Tradition, die diese Episode den Heiligen Kosmas und Damian zuschreibt, deuten darauf hin, dass der Legendenkern durchaus älteren Datums ist. In die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes fügt sich der Bericht indes in jedem Fall hervorragend ein: Er kommt in einem Bereich der Wundersammlung zu stehen, in der der Ärzteschaft große Aufmerksamkeit zuteil wird.219 Als bemerkenswert erwiesen sich zudem die Parallelen zum vorangehenden Bericht 29 über Athanasia, die die für Sophronios’ Ohren unerhörte Behauptung von sich gibt, Kyros und Johannes seien eigentlich keine Märtyrer. Mir. 30 behandelt nun die Frage, inwiefern sich ihre Heilkunst von der der ‚normalen‘ Ärzte unterscheidet. Insofern können beide Berichte durchaus als Entfaltungen desselben Themas verstanden werden, nämlich wie der Status der Märtyrerheiligen zu bestimmen sei. Sophronios lässt keinen Zweifel daran, dass er den von Gesios erhobenen Vorwurf für „Geschwätz“ (§5) hält, dass die Märtyrer „die Krankheiten der Menschen mit Hilfe ärztlicher Kunst, nicht mit Hilfe göttlicher und überna219
Vgl. Kap. 4.1.1, S. 143.
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
türlicher Kraft behandelten.“ (§3) Die Märtyrer widerlegen ihn durch „niemand anderen als den verrückten Gesios selbst“ (§5): Zwar hält sich Sophronios bedeckt, ob Gesios’ Erkrankung auch ursächlich auf die Märtyrer zurückzuführen ist, eine „passende Strafe für den Leidenden“ sei sie aber allzumal (§8). Nachdem Gesios zunächst ohne Erfolg versucht, sich selbst zu behandeln, ruft er die „Raffiniertesten“ (§6) seiner Kollegen herbei. Auch diese können ihm mit Mitteln ärztlicher Kunst nicht helfen und proklamieren, dass „allein der Gott des Alls“ „Arzt dieses Leidens“ sei (§6): Sie verordnen ihm, Kyros und Johannes aufzusuchen. Gesios versucht zunächst, sich der Anweisung seiner Kollegen durch Diskussion zu entledigen, vermag es aber nicht, deren Argumente zu entkräften. Schließlich bricht er sie ab und gelangt zwar nicht „aus Überzeugung“, aber von „fürchterliche(n) Schmerzen getrieben“ (§7) zur Anlage der beiden Märtyrer. Die Behandlung selbst führt Gesios’ Überzeugung, wie von Sophronios angekündigt, ad absurdum: Die Märtyrer kurieren ihn, indem sie ihn allen im Heiligtum Anwesenden und nicht zuletzt auch dem Publikum seine Dummheit vorführen lassen. Dass er sich geirrt hat, gesteht Gesios schließlich selbst ein und bekehrt sich.
4.4 Die Ärzte, Gott und die Märtyrer 4.4.1 Rückblick Von den 13 Berichten abgesehen, in denen keine Ärzte in Erscheinung treten (Kap. 4.1.5), gehört die Schilderung von Auftreten und Wirken von Ärzten zum festen Repertoire der einzelnen Berichte (Kap. 4.1.1). Bei der Analyse der einzelnen Belege von ἰατρός κτλ. (Kap. 4.1.2–4.1.3) zeigte sich, dass Sophronios nur selten einzelne Ärzte auftreten lässt. In den meisten Fällen begegnen sie in Gruppen. Hierbei neigt Sophronios zwei Momente zu betonen, die allerdings die Homogenität dieser Gruppe in keiner Weise beeinträchtigen: ihre Größe sowie die besondere Qualität der anwesenden Ärzte. In aller Regel wenden sich die jeweiligen Protagonisten erst dann an Kyros und Johannes, wenn ihnen Ärzte nicht mehr zu helfen vermögen. Selbst Sophronios setzt also wie selbstverständlich voraus, dass Ärzte im Krankheitsfall die ersten Ansprechpartner sind; in den meisten Fällen, nur eben nicht in den von Sophronios beschriebenen, gelinge es ihnen schließlich auch, den Kranken zu helfen. Kritisch beurteilt er allerdings ihren Aktionismus, ihre Überheblichkeit, Geldgier und Ruhmsucht, also eine Haltung, die er der ganzen Ärzteschaft und insbesondere ihrer Elite zu unterstellen bereit ist (Kap. 4.2.1).
4.4. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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Die Schilderung der eigentlichen Behandlung (Kap. 4.2.2) zielt grundsätzlich auf deren Scheitern ab und dient dementsprechend vor allem dazu, die Unzulänglichkeit der Ärzte der betreffenden Krankheit gegenüber zu illustrieren. In den etwas ausführlicheren Schilderungen begegnen insbesondere die Motive der vergeblichen Suche der Ärzte nach der Krankheitsursache und der zahlreichen, aber letztlich immer erfolglosen Therapieansätze. In Kap. 4.2.3 bemerkten wir, dass es den Ärzten trotz Sophronios’ recht wohlwollender Einschätzung ihrer Handlungsmöglichkeiten in keinem der beschriebenen Fälle gelingt, ihre jeweiligen Patienten vollständig zu heilen. Zumindest die beiden von Sophronios angeführten Gründe, dass die Ärzte die Krankheitsursache nicht erkennen oder aber einer besonders schweren Krankheit nicht Herr zu werden vermögen, lassen ihr Versagen wenig verwunderlich erscheinen. Gerade deshalb erscheint es aber auch wenig überzeugend, hierin die eigentliche Spitze gegen die Ärzte und ihr Handwerk erblicken zu wollen. Die Pointe von Sophronios’ minutiösen Berichten ihres Auftretens besteht vielmehr in den wenig schmeichelhaften Karikaturen der Ärzte, und insbesondere deren Koryphäen, als überheblich, schwatzhaft, geldgierig und ruhmsüchtig. Dass sie versagen, gibt ihnen zusätzliche Schärfe. 4.4.2 Die Ärzte und die Märtyrer Kyros und Johannes heben sich in jeder Hinsicht von ihren weltlichen Kollegen ab – vor allem dadurch, dass sie jede Krankheit erkennen und erfolgreich behandeln können. Während dies nun nirgends bestritten wird, sieht sich Sophronios des Öfteren mit der Meinung konfrontiert, dass es sich hierbei um keinen prinzipiellen, sondern allenfalls um einen graduellen Unterschied zwischen Märtyrerheiligen und Ärzteschaft handele. Kyros und Johannes behandelten nicht anders als, sondern wie ihre weltlichen Kollegen, nur seien sie hierbei eben besonders erfolgreich. Genau an dieser Frage entzündet sich auch der Konflikt zwischen Kyros, Johannes und Gesios. Gesios erklärt ja die „Krankheiten und die Eigenschaften der verteilten Mittel stets natürlich und behauptete, sie würden gemäß ärztlicher Vernunft verordnet und Linderung der Leiden bewirken.“220 Zugleich bezweifelte er, dass die Märtyrerheiligen „die Krankheiten der Menschen … mit Hilfe irgendeiner göttlichen, übernatürlichen Kraft“ heilten.221 220
φυσιολογῶν ἀεὶ τὰ νοσήματα, καὶ τὰς τῶν διαδιδομένων (C, vgl. DUFFY, Readings, 173; διαδεδομένων E, FM) ποιότητας, καὶ κατὰ λόγον αὐτὰ τὸν ἰατρικὸν ἐπιτάττεσθαι, καὶ τῶν παθημάτων ἐνεργεῖν τὴν καθαίρεσιν (30,4,9–11 [303 FM]). 221 Ἐκωμῴδει δὲ καὶ Κῦρον καὶ Ἰωάννην τοὺς μάρτυρας ὡς ἐκ τέχνης ἰατρικῆς θεραπεύοντας τὰ τῶν ἀνθρώπων νοσήματα, καὶ οὐκ ἐκ θείας τινὸς καὶ ὑπερτάτης δυνάμεως (30,3,6–8 [303 FM]).
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
Auch in mir. 15 sieht sich Sophronios genötigt, näher auf das Heilmittel der dort beschriebenen Krankheit einzugehen, „damit die Umtriebigen der Ärzte nicht glauben, die Heiligen hätten irgendetwas Hippokratisches verabreicht, und deren unbeschreibliche Kraft dadurch abtun, dass sie verkünden, Hippokrates und Galen seien Ursache der Heilung, nicht die Märtyrer deren Urheber.“222 Hier wie dort betont Sophronios nicht nur, dass die Märtyrer völlig andere Heilmittel verwenden als gewöhnliche Ärzte, er erklärt auch, wieso es sich so verhält. Dies sei anhand eines längeren Abschnitts aus mir. 22 erklärt. Dessen noch junger Protagonist, der kleine Sarapammon, leidet an einer von den Ärzten σκῖρος genannten Krankheit, also einem hier die Beine befallenden, sich ausbreitenden und verhärtenden Geschwür. Auch in diesem Bericht lässt Sophronios die Ärzte den dunklen Hintergrund bilden, vor dem sich die Märtyrerheiligen leuchtend abheben. Natürlich vergisst er es nicht, die offenkundig fürstliche Bezahlung (μισθοὺς ἀξίους δώρου) zu erwähnen, die Sarapammons Vater Julianos den herausragenden Ärzten (οἱ τῶν ἰατρῶν ἐξέχοντες) für die Heilung seines Sohnes verspricht. Eindrücklich schildert er, wie sich die Ärzte ihrer Autoritäten versichern und den Jungen zu behandeln versuchen, vor allem aber, dass sie schließlich scheitern und gezwungen sind, ihre Niederlage gegen dieses Leiden einzugestehen: Οἱ δὲ τὸν Γαληνὸν περιστρέφοντες, καὶ τὸν Ἱπποκράτην ἑαυτοῖς ἀνελίττοντες, καὶ πόλλα μὲν τῷ νοσοῦντι προσφέροντες, εἰς κενὸν δὲ πυκτεύοντες, καὶ ἀνόνητα κάμνοντες, καὶ μηδὲν ὠφελῆσαι δυνάμενοι, τέλος ἐπαύσαντο, τῇ παύλῃ τὴν ἧτταν κηρύσσοντες223, καὶ τὴν τοῦ πάθους ἀπόρθητον δύναμιν. Ἐντεῦθεν ἐπὶ Κῦρον ὁ νέος καὶ Ἰωάννην ἐφέρετο· τούτους γὰρ οἱ γονεῖς μεμαθήκασιν ἅπαν νόσημα καὶ πᾶσαν ἀσθένειαν θεραπεύοντας, καὶ νόμοις ἰατρῶν καὶ στοχαστικαῖς ἀποφάσεσι μὴ δουλεύοντας. Οἱ γὰρ 222
Nachdem sie aber den Galen durchwühlt, den Hippokrates gelesen und dem Kranken zwar vieles verabreicht, doch vergeblich gekämpft, umsonst gearbeitet und nichts haben nützen können, hörten sie schließlich auf, gestanden endlich ihre Niederlage und die unverwüstliche Kraft des Leidens. Daraufhin wurde der Junge zu Kyros und Johannes gebracht. Seine Eltern hatten nämlich gehört, dass diese jede Krankheit und jedes Gebrechen behandelten, ohne ärztlichen Regeln oder versuchsweisen Urteilen unterworfen zu sein. Denn
Γράψω δὲ καὶ τὸ φάρμακον, δι᾿ οὗ τοιοῦτον ἀρρώστημα οἱ μάρτυρες εὐμαρῶς ἐθεράπευσαν, μήπως ἰατρῶν οἱ περίεργοι, Ἱπποκράτειόν τι προσενέγκαι τοὺς ἁγίους νομίσωσιν, καὶ ταύτῃ τὴν ἄρρητον αὐτῶν σκορακίσωσιν δύναμιν, Ἱπποκράτην αἴτιον Γαληνὸν τῆς ἰάσεως, καὶ οὐ τοὺς μάρτυρας τοὺς δεδρακότας κηρύττοντες (15,6,1–5 [274 FM]). 223 Cj. DUFFY (Observations, 83), κοιμίσαντες C, E, FM (vgl. GASCOU, Sophrone, 81 Anm. 473).
4.4. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
ἄνωθεν τὰς ἰάσεις δωρούμενοι, ἐπάνω πάντων εἰσί, καὶ κεναῖς διδαχαῖς οὐχ ὑπόκεινται, ὡς ἐν πᾶσιν αὐτῶν τοῖς σημείοις γινώσκονται,224 ἰατρικὸν μηδὲν ἐπιτάττοντες, ἀλλὰ καὶ ἐναντία προστάττοντες. Οἵα γὰρ κοινωνία πρὸς σκότος φωτί; κἀνταῦθα λέγειν ἀκόλουθον· εἴπερ ἐκ Θεοῦ μὲν οἱ μακάριοι μάρτυρες, ἐξ ἀνθρώπων δὲ καὶ ἐκ γῆς οἱ ἐπὶ γῆς ἰατροὶ θεραπεύουσιν.225
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die, die ihre Heilungen von oben her schenken, befinden sich über allen und unterliegen nicht leeren Lehren, wie man es in all ihren Zeichen ersehen kann, in denen sie nichts Medizinisches verordnen, sondern auch Gegenteiliges verschreiben. „Welche Gemeinschaft hat Licht mit Finsternis?“ (2Kor 6,14) ist nämlich auch hier zu sagen angebracht, insofern die seligen Märtyrer aus Gott, die Ärzte auf der Erde aber aus Menschen und der Erde behandeln.
Schon der Übergang markiert die zentrale Differenz zwischen den Ärzten und den Märtyrerheiligen: Kyros und Johannes heilen „jede Krankheit und jedes Gebrechen“.226 Den wesentlichen Unterschied zwischen Märtyrerheiligen und Ärzten nennt der zweite Aussagenteil, dass Kyros und Johannes dies nämlich tun, „ohne ärztlichen Regeln oder versuchsweisen Urteilen unterworfen zu sein.“227 Die Überlegenheit der Märtyrerheiligen führt Sophronios darauf zurück, dass sie „ihre Heilungen von oben her schenken“ (ἄνωθεν τὰς ἰάσεις δωρούμενοι) und sich „über allen“ (ἐπάνω πάντων εἰσί) befinden, letztlich also auf den Ursprung ihrer Heilkunst. Weil sie den „leeren Lehren“ der Ärzte nun „nicht unterliegen“ (κεναῖς διδαχαῖς οὐχ ὑπόκεινται), ist es erzählerisch nur konsequent, der Abgrenzung der Märtyrerheiligen von den Ärzten nicht allzu viel Raum einzuräumen und sich stattdessen auf die Abgrenzung der durch ihren jeweiligen Ursprung unterschiedenen Heilverfahren zu konzentrieren: Der oberen, himmlischen, lichten, göttlichen steht also die untere, irdische, finstere, menschliche Heilkunst gegenüber. Obwohl sich nun aber beide Heilverfahren ihrem Ursprung und Wesen nach voneinander unter224
Cj. GASCOU (Sophrone, 81 Anm. 474), γινώσκοντες C, E, FM. Mir. 22,2,8–3,9 (284 FM). 226 Mir. 22,3. Die absolut und verglichen mit den Ärzten überlegene Fähigkeit der Märtyrer, Krankheiten zu heilen, betont Sophronios des Öfteren: ἐπ᾿ αὐτοὺς τουτουσὶ τοὺς πανσθενεῖς ἰατροὺς ἐκ τῆς πόλεως ἔρχεται (4,3,6f [249 FM]), ἐπὶ Ἰωάννην καὶ Κῦρον τοὺς πανσθενεῖς ἰατρούς (24,3,3 [287 FM]), ὡς ἰατροῖς ἀηττήτοις προσέδραμεν, καὶ ὡς πάντα πράττειν ἰσχύουσιν ὅσα δρᾶν ἐτελήσωσιν (50,6,2f [361 FM]), ἰσχυροτέρας ἰατρῶν ἀρωγῆς τῆς ἐκείνων ἐπιβουλῆς εὐπορήσασα (44,8,2f [349 FM]), ἰατρὸν ἀνίχνευε (C, om. E, ἀνίχνευε ἰατρ‹ὸν› FM, vgl. GASCOU, Sophrone, 217 Anm. 1283) ἰατρῶν πλεῖον δυνάμενον (69,5,4 [392 FM]). 227 Mir. 22,3. 225
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
scheiden, verhalten sie sich zueinander: Die göttliche Heilkunst ist der menschlichen in jeder Hinsicht überlegen. Die Überlegenheit der Märtyrer wiederum folgt aus der Überlegenheit der Heilkunst, derer sie sich bedienen. Begnügen wir uns zur Illustration dieses Sachverhalts vorerst mit nur einem weiteren Beispiel. In mir. 43 schildert Sophronios „diese schlimmste Krankheit“, unter der Taurinos leidet: Nach der endgültigen Aussage der Ärzte, dass er seine Beine niemals würde bewegen können (dies war nämlich ihre aus der Kunst abgeleitete Aussage), erhob er sich und ging zu Kyros und Johannes, den Mitmärtyrer des göttlichen Kyros, Kundige der göttlichen Medizin und nicht der, die Hippokrates, Galen und Demokrit zu Ahnen macht, die von der Erde aus sprechen. Die wunderbaren Märtyrer nahmen diesen, als er ankam, auf und würdigten ihn der Genesung, die jene aufgegeben hatten.228
Wiederum weist Sophronios auf die Grundverschiedenheit beider Heilverfahren hin, die sich in Ursprung und Wirkung zeigt. In diesem Textbeispiel wird nun auch deutlicher, worin der Gegensatz zwischen den Ärzten und den Märtyrerheiligen eigentlich besteht: Sie bedienen sich einer je anderen Heilkunst. Mit der einen kann grundsätzlich jede Krankheit geheilt werden, während dies mit der anderen zwar in den meisten, keineswegs aber in allen Fällen gelingt. Hingegen kommt Sophronios auf Unterschiede in Auftreten und Wirkung nur am Rande zu sprechen: Dass sie im Gegensatz zu den weltlichen Ärzten kostenlos behandeln229 und völlig unprätenziös seien, muss Andeutungen und Nicht-Gesagtem entnommen werden. Vergleichen wir etwa, wie die herbeigerufenen Ärzte und wie Kyros und Johannes auf das in mir. 41 geschilderte Leiden des kleinen Menas reagieren, so fällt es auf, dass Sophronios die Re-
228
Ταύτην ὁ Ταυρῖνος τὴν κακίστην ἔχων ἀσθένειαν, μετὰ τὴν τῶν ἰατρῶν τελευταίαν ἀπόφασιν, ὡς οὐκ ἄν ποτε πόδας ὁ τοιοῦτος κινήσειεν (αὕτη γὰρ ἦν αὐτῶν ἡ [C, om. E, FM [DUFFY, Readings, 175] ἐκ τῆς τέχνης ἀπόφασις) πρὸς τὸν Κῦρον αἰρόμενος ἔρχεται καὶ Ἰωάννην τὸν Κύρου τοῦ θείου συμμάρτυρα, τοὺς θείας ἰατρικῆς ἐπιστήμονας, καὶ οὐ τῆς Ἱπποκρατήν καὶ Γαληνὸν καὶ Δημόκριτον, τοὺς ἀπὸ γῆς φθεγγομένους, ποιουμένης γεννήτορας. Ὃν οἱ θαυμάσιοι μάρτυρες ἐλθόντα δεξάμενοι, ῥώσεως τῆς παρ᾿ ἐκείνων ἀπογνωσθείσης ἠξίωσαν (43,3,1–8 [346f FM]). 229 Ausdrücklich erwähnt Sophronios dies nur in mir. 6,2, mit dem zusätzlichen Hinweis, dass sie die Bedürftigen versorgen, und in mir. 24,3. In mir. 40 verlangen sie von dem in ihrer Anlage angestellten, nierenkranken Johannes, dass er ihnen drei Münzen für die Behandlung zahle. Hiermit karikieren sie allerdings die Forderung eines Arztes, auf die der Unglückselige eingegangen war, ohne dass ihm das verkaufte Medikament irgendeinen Nutzen gestiftet hätte. Dem erkrankten Antonios, von dem mir. 48 berichtet, tragen sie auf, nach seiner Genesung in seine Heimat zurückzukehren, fortan Wein anzubauen und den Märtyrern jedes Jahr einen bestimmten Teil der Erträge zukommen zu lassen.
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aktion von Kyros und Johannes als negatives Spiegelbild der Reaktion der Ärzte gestaltet: Bei diesem Leiden waren sie (sc. die Ärzte) sofort bestürzt, sie alle schlugen nur ihr Gesicht und nahmen reißaus. Sie wussten nicht, was zu tun sei, und schworen, niemals etwas Derartiges gehört oder aber in den Schriften der alten Aspklepiaden gefunden zu haben. Kyros und Johannes hingegen, die Märtyrer, die ihre Heilungen von Gott her darbringen, sahen die vorliegende Schwäche und taten nichts derartiges, weder waren sie bei dem Anblick selbst bestürzt, noch entzogen sie sich, weil es sich um ein schweres Leiden handele, auch behaupteten sie nicht, dass das Heilmittel dieses Leidens bei Gott, dem Arzt aller, nicht beschrieben würde.230
Kehren wir zur eben angeführten Passage aus mir. 22 und der oben aufgeworfenen Frage zurück, wie sich die jeweiligen Heilverfahren voneinander unterscheiden. Sophronios weist in mir. 22 darauf hin, dass „die Zeichen“ (τὰ σημεῖα) selbst als Beweis für seine Ausführungen dienen können, verordnen Kyros und Johannes doch schlechterdings „nichts Medizinisches …, sondern auch Gegenteiliges.“ Ersteres sei nun Sophronios zufolge überhaupt nicht möglich: Selbst wenn sie einmal etwas verordnen würden, das auch ein irdischer Arzt in einer bestimmten Situation empfehlen würde, handelte es sich dennoch um ein Heilmittel ihrer himmlischen Heilkunst. Insofern ist nur konsequent, worauf der Nachsatz mit und ohne Ergänzung des nonnumquam der lateinischen Übersetzung hinweist,231 nämlich dass die Märtyrerheiligen mitunter sogar Heilmittel verordnen, die den Heilmitteln diametral gegenüberstehen, die ein irdischer Arzt in derselben Situation verordnet hätte. Bezeichnenderweise lassen sich hierfür in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes allerdings kaum Beispiele finden: Die Märtyrerheiligen sind in der Wahl ihres Heilmittels nicht nur nicht an die Gesetze der ärztlichen Kunst gebunden. Für sie ist die ärztliche Kunst nicht einmal eine Referenzgröße; ihre Heilkunst ist von jener grundsätzlich unterschieden. Mir. 27,7 bestätigt die grundsätzliche Differenz zwischen beiden Formen von Medizin, zugleich erfahren wir hier auch genaueres über die von den Märtyrerheiligen verwendeten Heilmittel: Die Heiligen heilen nämlich 230
καὶ πρὸς τὸ πάθος εὐθὺς ἐκπληττόμενοι, μόνον ἅπαντες τὰς ὄψεις τύπτοντες ἔφευγον, μήτε τί (C, μηκέτι E, FM; GASCOU, Sophrone, 152 Anm. 909) δρᾶσαι γιγνώσκοντες, μήτε πυθέσθαι τι τοιοῦτό ποτε διομνύμενοι μηδὲ μὴν εὑρεῖν ἐν τοῖς τῶν ἀρχαίων Ἀσκληπιάδων συγγράμμασι. Κῦρος δὲ καὶ Ἰωάννης οἱ μάρτυρες οἱ θεόθεν τὰς ἰάσεις προφέροντες, τὴν παροῦσαν ἰδόντες ἀσθένειαν, οὐδὲν τοιοῦτο δεδράκασιν, οὐδὲ πρὸς τὴν θέαν αὐτὴν ἐξεπλάγησαν, οὐδὲ ὡς δυσχερῆ παρῃτήσαντο, οὐδὲ μὴ γεγράφθαι ταύτης τὸ φάρμακον παρὰ Θεῷ τῷ πάντων ἰατρῷ διεκήρυξαν (41,5,2–9 [342 FM]). 231 Die entsprechende Passage übersetzt L mit sed et contraria nonnunquam praeceperint, was GASCOU zu einer Ergänzung des griechischen Texts bewegt (Sophrone, 81 Anm. 475). L kann aber auch als bloße Explikation des griechischen Texts interpretiert werden, der diese Nuance auch so in sich trägt.
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nicht, indem sie wie die irdischen Ärzte das Gegenteil zur Medizin des Gegenteils machen, vielmehr heilen sie das Ähnliche mit dem Ähnlichen. Sie unterliegen nämlich nicht ärztlichen Gesetzen oder behandeln mit diesen jene, die zu ihnen kommen. Stattdessen gewähren sie kraft eines himmlischen Dekrets unerwartete und göttliche Heilungen.232
Das Prinzip, nach dem die Märtyrerheiligen heilen, ist nun aber nicht als in einem modernen Sinn homöopathisch misszudeuten; als „médecine analogique ou symbolique“ dürfte es, wie im Anschluss zu zeigen ist, treffender beschrieben sein.233 Der „gelegentlich von Sophronios versuchte Nachweis, daß die Heilung nach diesem Grundsatz erfolgt sei“, bestehe Nissen zufolge, „in der Aufspürung vermeintlicher Ähnlichkeiten zwischen Krankheitsverlauf und Heilverfahren, die oft genug ganz unwesentlich oder auch bei genauerem Zusehen überhaupt nicht vorhanden sind.“234 In mir. 13 schildert Sophronios, was Elias widerfährt: Um geheilt zu werden, soll der an Lepra leidende Elias seinen gesamten Körper mit aufgeweichtem Kamelkot einreiben.235 Nun wird man nicht umhinkommen, das verbindende Moment von Lepra und Kot, die Unreinheit, als eher oberflächlich zu charakterisieren. Dadurch wird es jedoch nicht zwangsläufig unplausibel oder gar reizlos. Dies ist selbst dann nicht der Fall, wenn sich zum zugrundeliegenden Verfahren Parallelen in der wissenschaftlich-medizinischen Literatur finden lassen: Dem an Wassersucht leidenden Menas, von dem mir. 66 berichtet, verordnen die Märtyrer, sich im Sand einzugraben; ein auch in der medizinischen Literatur empfohlenes Vorgehen.236 Selbst wenn sich nun Parallelen in der zeitgenössischen medizinischen Fachliteratur anführen lassen, trägt der bloße Verweis doch kaum etwas zum Textverständnis bei. Nissen bleibt mit seiner Behauptung, „Sophronios verschleiert diese Zusammenhänge durch eine Deutung des Verfahrens im Sinne des ὅμοιον ὁμοίῳ“,237 jedenfalls das Motiv schuldig. Auch die Gelegenheit ist fraglich: In mir. 66 sucht Sophronios die Auseinandersetzung mit der Ärzte-
232
τῶν ἁγίων οὐ τὰ ἐναντία τῶν ἐναντίων κατὰ τοὺς ἀπὸ γῆς ἰατροὺς ποιουμένων ἰάματα, ἀλλ᾿ ἰωμένων τοῖς ὁμοίοις τὰ ὅμοια. Οὐ γὰρ νόμοις ἰατρῶν ὑποκείμενοι, τούτοις τοὺς προσιόντας αὐτοῖς θεραπεύουσιν, ἀλλ᾿ οὐρανίῳ κρατοῦντες θεσπίσματι, παραδόξους καὶ θείας τὰς ἰάσεις χαρίζονται (mir. 27,7,3–7 [394 FM]). GASCOU bevorzugt, mit Blick auf retenti L, aber gegen C, κρατηθέντες (Sophrone, 91 Anm. 526). 233 GASCOU, Sophrone, 23. 234 NISSEN, Sophronios-Studien, 359 (mit Zusammenstellung der wesentlichen Textbeispiele). 235 Dieser Bericht ist Gegenstand von Kap. 5.4. 236 Vgl. Cass. Fel. 76, Aët. II,9 oder Paul.Aeg. III,48,4 (NISSEN, Sophronios-Studien, 371). 237 NISSEN, Sophronios-Studien, 371.
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schaft oder zeitgenössisch-medizinischen Vorstellungen nämlich gerade nicht. Stattdessen bietet Sophronios drei selbständige symbolische Deutungen dieses Geschehens an: Zuerst stellt er den Bezug zum nun im Meeressand verborgenen „Dämon von Menouthis“ und dessen Kult her.238 Sodann lässt er Menas „das Sandbegräbnis mehr als einen Hinweis auf seinen Tod denn auf seine Genesung“ deuten. 239 Schließlich stellt sich heraus, dass es sich eigentlich um eine Anspielung auf die noch ausstehende Auferstehung handelt: „Als er sich aber nach seinem Begräbnis aus diesem erhob, fehlt ihm die Krankheit als Miterweckte.“240 Halten wir fest: Sophronios geht es vor allem darum, die Märtyrer als von der ärztlichen, irdischen Heilkunst unabhängig zu erweisen, indem er behauptet, ihre jeweiligen Heilkünste hätten einen je anderen Ursprung. Diese Behauptung, die in einem letztlich zirkulären Vorgehen sowohl durch die von den Märtyrern verwendeten Heilmittel gestützt wird als auch die andersartigen, von den Märtyrerheiligen verwendeten Heilmittel erklären soll, ist ausgesprochen folgenreich: Die Charakterisierung der irdischen Medizin als Gegenstück zur oberen, himmlischen, lichten, göttlichen Medizin kann nun nämlich kaum noch positiv sein. Interessanterweise führt aber die Übermacht der Märtyrerheiligen gerade nicht zur Abwertung der irdischen Heilkunst oder ihrer Praktiker. Ihre Möglichkeiten bewertet Sophronios recht wohlwollend,241 zudem rechnet er mit der Möglichkeit, dass Gott Ärzte in dem an sich aussichtslosen Kampf gegen Krankheit unterstützt.242 Er brandmarkt vor allem eine bestimmte Haltung, die er der Ärzteschaft und insbesondere ihrer Elite unterstellt: Sie versuchten, regelmäßig die Grenzen der ärztlichen Heilkunst zu übersteigen, seien hochmütig, ruhmsüchtig und gierig. Dass diese Haltung nicht alternativlos ist, illustrieren die Gegenbeispiele des Theodoros243 oder
238 Γραφῆς γὰρ καὶ τὰ κατ᾿ αὐτόν (sc. Μηνᾶν) καθέστηκεν ἄξια, καὶ οὐ ψάμμου καὶ λήθης σκεπάσματος· ὡς Μενουθῆς τὸ δαιμόνιον, καὶ ταύτης αἱ τελεταὶ καὶ βωμοὶ καὶ τὸ τέμενος, ὧν ὠφέλιμος μὲν ἡ λήθη καθέστηκεν, καὶ διὰ τοῦτο τοῖς μάρτυσι πέπρακται. Ἐπιβλαβὴς δὲ λίαν ἡ θέα τοῖς βλέπουσιν, καὶ διὰ τοῦτο ψάμμῳ θαλλατίᾳ καλύπτεται, ἀναιρούσῃ παντελῶς αὐτῆς τὸ μνημόσυνον (66,1,2–7 [385f FM]). 239 θανάτου μᾶλλον ἢ ῥώσεως σύμβολον τὴν ἐν ψάμμῳ ταφὴν ὑπελάμβανεν (66,5,1f [386 FM]). 240 ταύτης δὲ μετὰ τὴν ταφὴν ἀνιστάμενος, οὐκ εἶχε συνεγειρόμενον αὐτῷ τὸ ἀρρώστημα (66,6,4f [387 FM]). 241 Vgl. hierzu Kap. 4.2.3, S. 162f. 242 ἰατροῖς δὴ τῆς σήμερον ὅσον ἐκ τέχνης ἀνίατον, εἰ μὴ Θεὸς συμμαχοῦσαν αὐτοῖς χαρίσοιτο δύναμιν (66,2,3f [386 FM]). 243 Vgl. hierzu Kap. 4.1.2, S. 145.
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
der Kollegen Gesios’, die jenen an die Märtyrerheiligen verweisen, nachdem die Mittel ihrer eigenen Kunst ausgeschöpft sind. Sophronios bezieht mit dieser Gegenüberstellung ohne Zweifel eine Extremposition. So stehen etwa Kosmas und Damian, „die heiligen Mitärzte und Mitmärtyrer“244 und zugleich Kyros’ und Johannes’ prominenteste Kollegen, der Ärzteschaft und ihrem Wirken wesentlich freundlicher gegenüber. Sie bedienen sich auch deren Heilverfahren: „Kosmas und Damian verschmähen die ärztliche Technik keineswegs, am wenigsten die chirurgische, und wie sie von ihren weltlichen Berufsgenossen respektiert werden, stehen sie auch ihrerseits diesen freundlich gegenüber.“245 Dass dies auch Kyros’ und Johannes’ Weg hätte sein können, hierauf weisen das medizinische Gerät in Grabesnähe hin246 oder biographische Notizen, denen zufolge Kyros zu Lebzeiten Arzt gewesen sein könnte.247 Sophronios greift diese Tradition des Kultortes auf: Auch er charakterisiert Kyros und Johannes als Ärzte, nur eben als ὄντως ἰατροί. Ihre Behandlungen haben auch zumindest formal große Ähnlichkeiten mit denen ihrer irdischen Kollegen. Nur: Weshalb ist er darauf so bedacht, den besonderen Status der märtyrerlichen Medizin hervorzuheben? Einen ersten Anhaltspunkt bietet wiederum der von Gesios und anderen geäußerte Vorwurf, Kyros und Johannes heilten wie irdische Ärzte auch: Sophronios bestreitet dies nicht nur wegen der prinzipiellen Verschiedenheit von Heilmitteln und Heilverfahren. Vor allem würde es seiner (vielleicht durch eigene, in mir. 70 verarbeitete Erfahrungen gewonnenen) Einsicht zuwiderlaufen, dass der ärztlichen Kunst – anders als den Märtyrerheiligen – grundsätzlich Grenzen gesetzt sind. Sophronios erscheint es ausgeschlossen, dass sie nicht in der Lage sein könnten, irgendeine Krankheit nicht zu heilen. Schließlich wirken sie von Gott her (θεόθεν). Die Unterscheidung beider Heilkünste und damit die Abgrenzung der Märtyrerheiligen von den irdischen
244
τοὺς ἁγίους συνιατροὺς καὶ συμμάρτυρας (30,13,5 [305 FM]). NISSEN, Sophronios-Studien, 355f (mit Textbeispielen). 246 Ἐλθὼν οὖν ὁ Νεμεσίων καὶ τῶν ἁγίων στὰς πρὸ τοῦ μνήματος … τῆς τε σοροῦ τῶν λειψάνων, καὶ τῆς μήλης τῶν ἁγίων ἁψάμενος (28,11,1–3 [297 FM]). Vgl. hierzu GASCOU, Sophrone, 96 Anm. 551. 247 Sophronios zufolge war Kyros zu Lebzeiten Mönch, Johannes Soldat. In seiner den Wundern in C vorangestellen Lobrede auf die beiden Märtyrerheiligen findet sich der Hinweis ὁ μὲν τοὺς πεπονθότας ἀνθρώπους ἰάτρευεν, ὁ δὲ τοὺς ἐρρωμένους ἐτίτρωσκεν· καὶ συλλήβδην εἰπεῖν, ὁ μὲν οὐρανίῳ βασιλεῖ συνετάττετο, ὁ δὲ ἐπιγείῳ βασιλεῖ συνωπλίζετο (11 [12,22–25 BRINGEL]). Deutlicher wird die zweite Vita der beiden Heiligen (V2): ἰατρὸς τὴν τέχνην, οὗ τὸ ἐργαστήριον μέχρι τοῦ νῦν πᾶσιν δῆλον πέφυκεν, εἰς ναὸν ὑπάρχον τῶν Ἁγίων Τριῶν Παίδων, διὰ τῆς αὐτῶν τῶν μαρτύρων χάριτος βρῦον ἰάματα (2 [PG 87,3,3677B]). Vgl. hierzu BRINGEL, Introduction, o.S., und GASCOU, Origines, 24.30. 245
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Ärzten hat also einen sachlichen Grund: Die Fundamentaldifferenz zwischen dem, was Gott, und dem, was den Menschen möglich ist. Das eigentliche Problem dieser Unterscheidung besteht darin, dass sie alles andere als augenfällig ist – gerade weil die Beschreibung der jeweiligen Heilverfahren, ihre Struktur, selbst die Begrifflichkeiten so deutliche Parallelen aufweisen. 4.4.3 Die Märtyrer als ὄντως ἰατροί In allen bislang diskutierten Wunderberichten führt Sophronios die überlegene Wirksamkeit der Märtyrer auf die göttliche Heilkunst zurück, derer sie sich bedienen. Anders als irdische Ärzte kennen sie „die Krankheiten der Sterblichen“ grundsätzlich „von Gott her“ und „schenken ihnen in der Folge Heilung.“248 Auch die Mehrzahl der Protagonisten sucht Kyros und Johannes nicht zuletzt wegen dieser besonderen Eigenschaft auf – allerdings erst, nachdem sie vergeblich ärztliche Hilfe in Anspruch genommen und von den Märtyrerheiligen erfahren haben: Zunächst hat er (sc. Theodoros) sich selbst Ärzten ausgeliefert. Als er aber sah, dass ihnen sein Leiden überlegen war und es ihre Kunst offenkundig überwand, nahm er, bevor es auch ihn überwinde, Zuflucht bei den Heiligen. Er hatte nämlich erfahren, dass nach Gott sie allein, wenn es ihnen beliebe, das Leiden zügeln könnten, indem sie ihm göttliche Zügel, und nicht mit Menschenkunst gemachte, anlegen.249
Die Verschiedenartigkeit von irdischer und himmlischer Heilkunst hebt Sophronios immer wieder hervor. Es ist gerade die Überlegenheit der himmlischen Heilkunst, die die Heiligen nicht nur ἰατροί sein, sondern ὄντως ἰατροί werden lässt.250 Hierin zeigt sich nun aber auch das beide Heilkünste verbindende Moment. Denn obwohl Sophronios die prinzipielle Verschiedenheit beider Heilverfahren betont, ähneln sich die jeweils verwendeten Begrifflichkeiten doch sehr: Kyros und/oder Johannes werden insgesamt drei 248 κομίζειν αὑτὸν πρὸς τοὺς ἁγίους ἐκέλευε, τοὺς θεόθεν εἰδότας βροτῶν τὰ νοσήματα, κἀκεῖθεν αὐτοῖς τὰς ἰάσεις ὀρέγοντας (35,4,5–7 [319 FM]). 249 Ἰατροῖς μὲν γὰρ ἑαυτὸν τὸ πρῶτον ἐκδέδωκεν· ἀλλ᾿ ὡς εἶδεν κρατοῦν αὐτῶν (cj. GASCOU [Sophrone, 127 Anm. 729], vgl. et illos superaret L, αὐτόν C, E, FM) τὸ ἀρρώστημα καὶ τῆς τέχνης ἐμφανῶς περιγιγνόμενον, πρὶν ἢ καὶ αὐτοῦ περιγένηται, πρὸς τοὺς ἁγίους κατέφευγε, μόνους μετὰ Θεόν, εἰ θελήσαιεν, δύνασθαι κατευνάζειν τὸ πάθος πυθόμενος, χαλινὸν ὀρέγοντας ἔνθεον, καὶ οὐ βροτείας ἐκ τέχνης γενόμενον (36,6,7–11 [232 FM]). 250 Οἱ δὲ ὄντως ἰατροὶ χρηματίζοντες μάρτυρες, τῆς θείας αὐτῶν δεῖξαι δυνάμεως καὶ τῆς ἰατρῶν ἀσθενείας θέλοντες τὸ διάφορον (17,3,7–9 [277 FM]). ὄντως ἰατροί werden Kyros und Joahnnes auch in mir. 1,5 und 52,2 tituliert. Vgl. hierzu auch 36,6 (s. S. 215 Anm. 249); τὴν Ἰωάννου καὶ Κύρου τῶν ἀληθινῶν ἰατρῶν λέξωμεν δύναμιν (42,3,4 [344 FM]) sowie 43,3 (s. S. 209 Anm. 228).
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
Mal als ἰατρός251 und 21 Mal als ἰατροί bezeichnet. 252 Auch ihre Patienten nehmen sie als solche wahr;253 des Öfteren ist dies, wie die in den voranstehenden Fußnoten gegebenen Belege zeigen, sogar explizit notiert. Ihre Wahrnehmung unterscheidet sich allein dadurch, dass sie frei von all den negativen Eigenschaften und Zügen sind, die Sophronios den Ärzten allgemein unterstellt, diese mithin sogar ins positive gewendet sind.
251
In mir. 33,9 und 52,4 wundern sich die jeweiligen Protagonisten, wo der Arzt geblieben sei, der sie zuvor erfolgreich behandelt habe. Johannes wiederum, der Protagonist des 69. Berichts, bringt sein gesamtes Vermögen für ärztliche Behandlungen auf, denen allerdings kein Erfolg beschieden ist. Nun sucht er „einen Arzt, mächtiger als die Ärzte, mit ärztlichem Urteil, der Reichtümer nicht bedarf, und nicht dies allein, sondern auch einen, der den Schwachen nährt“ (ἰατρὸν ἀνίχνευε [C, vgl. LACKNER, Rez. FM, 77, DUFFY, Readings, 177; ἀνίχνευε ἰατρ‹ό›ν FM] ἰατρῶν πλεῖον δυνάμενον, καὶ γνώμην ἰατρῶν χρημάτων οὐ χρῄζοντα ἔχοντα, καὶ οὐ τοῦτο μόνον, ἀλλὰ καὶ τὸν ἄρρωστον τρέφοντα [69,5,4–6 [392 FM]]). Der Text lässt keinen Zweifel daran, dass es die beiden Märtyrerheiligen sind, auf die die Beschreibung zutrifft: „Denn kurz darauf erfuhr er, dass Kyros und Johannes in Alexandrien solche wären, die er finden wollte und begehrte“ (Κῦρον γὰρ οὐκ εἰς μακρὰν καὶ Ἰωάννην ἐν Ἀλεξανδρείᾳ πυνθάνεται οἵους εὑρεῖν ἐθέλοι καὶ γλίχεται [69,5,8f [392 FM]]). 252 τοῖς ὄντως ἰατροῖς Κύρῳ καὶ Ἰωάννῃ προσήνεγκε (1,5,4 [244 FM]); μόνους αὐτοὺς ἰατροὺς μετὰ Θεὸν αὐτῷ πιστεύσας γενήσεσθαι (1,12,4f [246 FM]); τὴν ἀσθένειαν, τοὺς ταύτης ἰατροὺς … εὐφημήσας ἀπῴχετο (1,14,3–5 [246f FM]); οὕτοι γὰρ μετὰ Θεὸν οἱ τῶν λεχθέντων παθῶν ἰατροὶ καθεστήκασιν (1,14,5f [247 FM]); ἐπ᾿ αὐτοὺς τουτουσὶ τοὺς πανσθενεῖς ἰατροὺς ἐκ τῆς πόλεως ἔρχεται (4,3,6f [249 FM]); ἀλλὰ τούτους ἡγούμενος ἰατροὺς μισθωμάτων οὐ χρήζοντας καὶ τροφέας τῶν ἀπορούντων ὑπάρχοντας (6,2,4f [252 FM]); Ἡμεῖς δὲ τῶν θεσπεσίων τούτων ἰατρῶν τὴν ἐπιστήμην θαυμάσαντες (7,1,1f [252 FM]); κατευνάζουσιν καὶ ὡς προσηνεῖς ἰατροὶ θεραπεύουσιν (8,5,3f [254 FM]); Οἱ δὲ ὄντως ἰατροὶ χρηματίζοντες μάρτυρες (17,3,7 [277 FM]); θαυμάσωμεν … τοὺς ἰατροὺς τοῦ νοσήματος (23,1,3f [285 FM]); ἐπὶ Ἰωάννην καὶ Κῦρον τοὺς πανσθενεῖς ἰατροὺς καὶ χρημάτων οὐ χρῄζοντας (24,3,3f [287 FM]); Ἡμεῖς δὲ σὺν ἄμφω τοὺς ἰατροὺς εὐφημήσαντες (24,6,7f [288 FM]); In der Rede der Kosmiane: οὐκ ἄλλους ἰατροὺς τοῦ ἐμοῦ ποιησαμένη νοσήματος (33,7,9f [314 FM]); Kyros und Johannes erscheinen σχήμασιν ἰατρῶν (33,8,4 [314 FM]); τοὺς σωμάτων καὶ ψυχῶν ἰατροὺς ἀνυμνήσαντες (38,12,5 [335 FM]); τῶν ἀληθινῶν ἰατρῶν λέξωμεν δύναμιν (42,3,4 [344 FM]); ἰσχυροτέρας ἰατρῶν ἀρωγῆς τῆς ἐκείνων ἐπιβουλῆς εὐπορήσασα (44,8,2f [349 FM]); ὡς ἰατροῖς ἀηττήτοις προσέδραμεν (50,6,2 [361 FM]); Ἐλθὼν οὖν πρὸς τοὺς ὄντως ἰατρούς (52,2,1 [365 FM]); τῶν ἡμετέρων παθῶν ἰατροὶ θεοδώρητοι (62,5,6 [379 FM]); Die Märtyrer selbst: οὐκ οἶδας ὅτι Χριστὸς ἡμᾶς ἰατροὺς τοῖς πιστοῖς ἐχαρίσατο; (67,10,2 [389 FM]). 253 Diese Kontinuität entging auch der modernen Forschung nicht: Eine Verhältnisbestimmung von irdischen Ärzten und Ärzteheiligen versucht ZEPPEZAUER (Warum wirken Wunder?, bes. 147–153.156–159). MILLER (Hospital Dreams, 199–215) wagt den Übertrag von der hagiographischen Realität auf die Gegebenheiten zeitgenössischer medizinischer Institutionen. Schließlich zeigt CSEPREGI (Changes, 131–144), wie sich der medizinische Fortschritt auf die Traumgestaltung auswirkt.
4.4. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
213
Auch die jeweiligen Behandlungsmethoden weisen deutliche strukturelle Parallelen auf: Die Märtyrer gehen wie Ärzte vor. Sie untersuchen. Sie bemühen sich, die Krankheit zu verstehen und ihre Ursache zu erkennen. Sie behandeln ihre Patienten oder geben Anweisungen, wie sie zu behandeln seien. Erinnert sei an dieser Stelle nur an mir. 61,5: Der eine untersuchte seine Leber, der andere beschaute die Fistel am Nacken und während der eine die Leberschmerzen stoppte, trocknete der andere den Fistelquell. Nachdem sie dies getan hatten, zogen sie sich zurück. Im Abgehen befahlen sie, um die vollständige Genesung seiner beiden Leiden zu erlangen, folgendes zu tun: Der, der die Fistelflüsse zum Stillstand gebracht hat, verordnete, dass er Zitronenblätter zerreibe und auf das Leiden auftrage. Der, der die Leber durch Berührungen heilte, ordnete an, dass er grüne Oliven besorge, einen Teil esse, den anderen aber zerstoße und dort auftrage, wo die Leber ist.254
Bei genauerem Hinsehen zeigen sich allerdings immer wieder Elemente, die die strukturelle Parallelität unterlaufen; in der vorstehenden Passage etwa die Form ἐθέσπισε, die das zuvor verwendete προσέταξεν ablöst und in der theologischen Literatur zwar breit belegt ist, in der medizinischen hingegen ausgesprochen spärlich. Am deutlichsten treten solche subversiven Elemente in mir. 10 zutage: Die Frau des Verwalters der Anlage der beiden Märtyrerheiligen beschließt, am nächsten Morgen mit ihrer schwer kranken Tochter nach Alexandrien zu ziehen und einen Arzt aufzusuchen. Sie schläft ein und findet im Traum nach langem Weg durch die Wüste „die Arztpraxis und in ihr einen Mönch sitzen.“255 Κῦρος ἦν οὗτος ὁ φανεὶς καθεζόμενος· μοναστὴς γὰρ ἐγένετο, καὶ μοναστῶν ἀεὶ ὀφείλεται φαίνεσθαι σχήματι. Πυργίσκος δὲ ἔμπροσθεν εἱστήκει256 τοῦ μάρτυρος, ἵνα τὸ τῶν ἰατρῶν, φησίν, σχῆμα κἀκεῖ διασώζοιτο, εἰσελθοῦσα δ᾿ 254
Diese sitzende Erscheinung war Kyros. Er war nämlich Mönch und gehalten, immer im Habit der Mönche zu erscheinen. Ein Arzneischrank stand vor dem Märtyrer, damit er, sagt sie, auch hier den äußeren Anschein eines Arztes bewahre. Als sie
Καὶ ὁ μὲν αὐτοῦ τὸ ἧπαρ ἐσκόπευεν, ὁ δὲ κατενόει τοῦ τραχήλου τὴν σύριγγα· καὶ ὁ μὲν τὰς ὀδύνας τοῦ ἥπατος ἔπαυσεν, ὁ δὲ τὰς τῆς σύριγγος πηγὰς ἀνεξήρασεν· καὶ ἐπειδὴ ταῦτα ποιοῦντες ἐπαύσαντο, τάδε ποιεῖν ἀπιόντες ἐκέλευσαν, καὶ ἀμφοτέρων τελείαν τὴν ῥῶσιν κομίσασθαι· ὁ τῆς σύριγγος στήσας τὰ ῥεύματα, τρίψαι κιτρόφυλλα καὶ προσενέγκαι τῷ πάθει προσέταξεν· ὁ τὸ ἧπαρ δὲ ταῖς ἁφαῖς ἰασάμενος, ἐλαίας ἐνέγκαι χλωράς· καὶ τὰς μὲν ἐσθίειν ἐθέσπισε, τὰς δὲ λειῶσαι, καὶ τὸν τόπον καταπλάσαι τοῦ ἥπατος (61,5,1–8 [378 FM]). 255 Καὶ κατ᾿ ἐκείνην τὴν νύκτα καθ᾿ ἣν εἰσελθεῖν παρεσκεύσαστο, ἔρημον ὁρᾷ καθευδήσασα (C, E, FM, per desertum se conspicit pergere, per quod diu iter faciens L) ἰατροῦ τὸ δωμάτιον· εὕρισκεν καὶ μοναστὴν ἐν αὐτῷ καθεζόμενον (10,5,7–9 [261 FM]). 256 ἱστήκει C, ἑστήκει E, FM (DUFFY , Readings, 171).
214
Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
ἐλογίζετο ὡς ἱατρεῖον τοῦτο καθέστηκεν.257 Πρὸς ἣν ὁ ἅγιος ὁ δῆθεν ἐπὶ θρόνου καθήμενος ἔλεξεν· Ἐνθάδε, ὦ γύναι, τί παραγέγονας; Ἡ δέ, Ἰατρεῖον ζητοῦσα, πρὸς αὐτὸν ἀπεκρίνατο· καὶ τοιοῦτον μὲν ἐγὼ τόνδε οἰκίστον νενόμικο· ἐν αὐτῷ δὲ οὐδὲν τῶν ἐν τοῖς ἰατρείοις258 πρὸς περιοδείαν ὄντων ὁρῶ παρακείμενον· ἀλλ᾿ οὐδὲ ἔνδον τι τῶν τοιούτων ἔχει σου τὸ ἀρμάριον.259
aber eintrat, fragte sie sich, ob dies tatsächlich eine Arztpraxis sei. Der nach wie vor auf einem Sessel sitzende Heilige fragte sie: „Warum bist du hierher gekommen, Frau?“ Diese antworte ihm: „Ich suche eine Arztpraxis und hielt dieses Häuslein für eine solche. Ich sehe hier aber keines der in Arztpraxen zur Behandlung benötigten Dinge bereitliegen, auch dein Schrank enthält nichts dergleichen.“
Sophronios lässt zunächst keinen Zweifel daran, dass Theodora Kyros in einer Arztpraxis antrifft: Der Ort wird einmal als ἰατροῦ τὸ δωμάτιον, sonst als ἰατρεῖον bezeichnet. Selbst wenn wir nicht erfahren, woran, ist die Praxis doch von außen offenkundig als solche zu erkennen und zumindest, was das Mobiliar betrifft, wie eine solche eingerichtet.260 Zweifel befallen Theodora, als sie die Praxis betritt: Zunächst dürfte es sie überrascht haben, in ihr einen Mönch und keinen Arzt vorzufinden, dann, dass sie „keines der in Arztpraxen zur Behandlung benötigten Dinge bereitliegen“ sieht und insbesondere der „Schrank … nichts dergleichen“ enthält. Tatsächlich findet sich das Heilmittel nur nicht an dem hierfür vorgesehenen Platz: Kyros fordert Theodora auf, sich doch einmal genau umzusehen. Was sie finde, sei das von ihr gesuchte Heilmittel. In einer Nische findet sie dann auch ein Glas Honig, mit dem sie zu ihrer daheim gebliebenen Tochter zurückkehrt. Den ersten Eindruck unterläuft Sophronios auf verschiedene Weisen: Zunächst erscheint Kyros Theodora nicht als Arzt, sondern als Mönch. Die von Sophronios angeführte Weisung, „immer im Habit der Mönche zu erscheinen“, hält ihn an anderer Stelle jedenfalls nicht davon ab, als Arzt in Erschei257
διασώζοιτο, ὡς ἱατρεῖον τοῦτο καθέστηκεν C, διασώζοιτο, ὡς ἱατρεῖον τοῦτο φαίνεται E, FM. Die Syntax sowie ingressa vero, apud semetipsam cogitabat utrum hæc statio esset medici L deuten darin hin, dass die Textüberlieferung in C gestört ist (GASCOU, Sophrone, 51 Anm. 278). Ich ergänze. 258 Cj. DUFFY (Observations, 80) mit Verweis auf in stationibus L, ἰατροῖς C, E, FM. 259 Mir. 10,6,1–8 (261 FM). GASCOU fügt hier eine alte, weil bereits in L enthaltene, Glosse (Ὡς οἶμαι γὰρ τὸ ἀρμάριον φαρμακοθήκη μειζόνων νοσημάτων ἐτύγχανεν) aus §4,7 an, die sich dort nicht so recht in den Text einfügen will (Sophrone, 51 Anm. 281). 260 Vgl. zu πυργίσκος und ἀρμάριον GASCOU, Sophrone, 51 Anm. 276 sowie die in der vorangehenden Anmerkung wiedergegebene Glosse, die GASCOU an das Ende dieses Paragraphen stellt.
4.4. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
215
nung zu treten.261 Auch in seinem Handeln setzt sich Kyros von den Ärzten ab: Er bleibt auf seinem Sessel sitzen, stellt keine Untersuchungen an und selbst das Heilmittel übergibt der Märtyrer nur indirekt. Seine Frage, weswegen Theodora gekommen sei, bereitet die Äußerung ihres Zweifels vor, bleibt aber letztlich unbeantwortet. Theodora bemerkt die Eigenart des Geschehenen: Im Nachdenken über den Traum deutet sie ihn als eine Erscheinung des Märtyrers, der seinen Namen ja nicht nannte, aber durch den „Arzneischrank …, sagt sie, auch hier den äußeren Anschein eines Arztes“ bewahren wollte. Jenseits solcher Analogien und der von Sophronios oft ausführlich beschriebenen Behandlungen und Behandlungsanweisungen, die Nissen eingehend untersucht,262 erfahren wir wenig Genaueres über die himmlische Heilkunst. Außerhalb der Auseinandersetzung mit den Ärzten tritt sie fast vollständig in den Hintergrund. Dass sich die Märtyrer selbst als den Gläubigen von Christus geschickte Ärzte begreifen263 und von diesen auch als solche wahrgenommen werden,264 tut dem keinen Abbruch. Dann treten Kyros und Johannes in erster Linie als Mittler zwischen Gott und Mensch in Erscheinung. In den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes wird Gott selbst zwei Mal als ἰατρός bezeichnet – interessanterweise beide Male von Ärzten in der Absicht, Gott als die ultimative ärztliche Instanz auszuweisen.265 Kyros und Johannes agieren – wie andere Heilige auch – „von Gott her“ (θεόθεν). Um zu illustrieren, wie dies im Einzelnen vonstatten geht, bedient sich Sophronios unterschiedlicher Bilder: Das der himmlischen Heilkunst ist eines, das
261
Κατ᾿ αὐτὴν γὰρ τὴν νύκτα σχήμασιν ἰατρῶν ἀφικόμενοι (33,8,3f [314 FM]). Wie Kyros und Johannes zu erscheinen pflegen, erläutert DAL SANTO, Debating, 228–231. 262 NISSEN, Sophronios-Studien, bes. 363–371. 263 Οὐκ οἶδας ὅτι τοῦ κόσμου παντὸς ἰατρεῖον ἡμῶν ὁ οἶκος καθέστηκεν; οὐκ οἶδας ὅτι Χριστὸς ἡμᾶς ἰατροὺς τοῖς πιστοῖς ἐχαρίσατο; (67,10,1f [389 FM]). 264 Ὦ Χριστοῦ τοῦ Δεσπότου θεράποντες, καὶ μιμηταὶ τῆς αὐτοῦ πρὸς ἡμᾶς ἀγαθότητος· ὦ τῆς ἀνθρωπίνης φύσεως ἀλεξίκακοι, καὶ τῶν ἡμετέρων παθῶν ἰατροὶ θεοδώρητοι· ὦ πάσης νόσου διῶκται θεόπεμπτοι, καὶ πάσης θεραπείας δοτῆρες ἀένναοι (62,5,4–7 [379f FM]). 265 Nachdem „die Raffiniertesten unter den Ärzten“ (τοὺς κομψοὺς τῶν ἰατρῶν) keine Therapie vorschlagen können, die Gesios nicht bereits versucht hat, „erklärten (sie) sogleich, dass der alleinige Arzt dieses Leidens der Gott des Alls sei“ (μόνον εὐθὺς τοῦ πάθους ἰατρὸν τὸν τῶν ὅλων Θεὸν ἀνηγόρευον [30,6,8f [303 FM]]). Das andere Mal beschwören die zu Rate gezogenen Ärzte, dass sie von einer Krankheit, wie sie Menas befallen habe, noch nie etwas gehört hätten und sich hierzu auch „in den Schriften der alten Asklepiaden“ (ἐν τοῖς τῶν ἀρχαίων Ἀσκληπιάδων) nichts finde. Die Märtyrer hingegen beschwören nicht, dass „das Heilmittel dieses Leidens bei Gott, dem Arzt aller, nicht beschrieben würde“ (οὐδὲ μὴ γεγράφθαι ταύτης τὸ φάρμακον παρὰ Θεῷ τῷ πάντων ἰατρῷ διεκήρυξαν [41,5,8f [342 FM]]).
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Kapitel 4: Die Ärzte und die ärztliche Behandlung
des weitergereichten Geschenks ein anderes, das des Befehle ausführenden Sachwalters ein drittes. In jedem Fall ist es Sophronios wichtig, den eigentlichen Urspung der märtyrerlichen Gnadengabe herausgestellt zu wissen: Nicht wir … sind Herren der Gesundheit, sondern Christus deren Schöpfer und Lenker. …Wir bringen nämlich für alle gleichermaßen Bitten dar und, wen auch immer uns unser Herr, Gott und Erlöser Jesus Christus befiehlt, den befreien wir, indem wir ihn behandeln, sofort. … Wenn er sich erbarmt und es für gut erachtet, es nur zu befehlen, werden wir sogleich zu Erfüllern seiner göttlichen Gebote. Ohne seine Zustimmung können wir die, die zu uns kommen, weder behalten noch entlassen.266
Selbstverständlich ist Gott nicht auf die Märtyrerheiligen angewiesen, um Menschen zu heilen. Er tut dies auch auf anderem Wege267 und die Märtyrer haben keine Kraft aus sich heraus. Dennoch sind die Menschen auf sie angewiesen, und zwar schon deshalb, um Gott auf sich aufmerksam zu machen: „Wir wären in großer Gefahr, wenn wir nicht von unzähligen Märtyrern beschützt würden und durch das Vergießen ihres eigenen Bluts keine Fürsprecher bei Christus für uns hätten.“268 Unabdingbar ist diese Form der Vermittlung dennoch nicht: Die Märtyrer empfehlen den drei Frauen, an die die vorstehende Auskunft gerichtet ist, sich mit ihnen zusammen an Christus zu wenden; Gesios tut dies von sich aus.269 Dennoch ist diese doppelte Vermittlung zumindest in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes der Regelfall. Beides, Fürbitten und Ausführung der göttlichen Befehle, ihre Therapien sowieso, sind stark prozessual gedacht: So gelingt es den Heiligen in mir. 51,10f durch Intervention an höchster Stelle, die Engel davon abzuhalten, Georgios aus dem irdischen Leben fortzuführen. Umgekehrt lassen sich
266
Οὐχ ἡμεῖς … τῆς ὑγείας τυγχάνομεν κύριοι, ἀλλὰ Χριστὸς ὁ προβολεύς τε καὶ πρύτανις. … ἡμεῖς γὰρ ὑπὲρ πάντων ὁμοίως τὰς ἱκετείας προσφέρομεν· καὶ ὃν ἂν πρὸς τοῦ Δεσπότου Θεοῦ καὶ Σωτῆρος ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ κελευσθείημεν, τοῦτον θεραπεύσαντες εὐθὺς ἀπολύομεν. … καὶ εἰ σπλαγχνισθείη, καὶ μόνον κελεῦσαι καταξιώσειεν, ταχέως ἡμεῖς πληρωταὶ τῶν θείων αὐτοῦ θεσπισμάτων γιγνόμεθα· οὗ χωρὶς ἐπινεύσεως, οὔτε κρατεῖν οὔτε ἀπολύειν τοὺς πρὸς ἡμᾶς ἐρχομένους δυνάμεθα. (42,5,9f; 6,2–5.6–9 [345 FM]). Auf diese Passage weist auch GASCOU, Sophrone, 18, hin. 267 Sophronios rechnet mit der Möglichkeit, dass er auch irdische Ärzte in seinen Dienst nehmen kann: ἰατροῖς δὴ τῆς σήμερον ὅσον ἐκ τέχνης ἀνίατον, εἰ μὴ Θεὸς συμμαχοῦσαν αὐτοῖς χαρίσοιτο δύναμιν (66,2,3f [386 FM]). 268 ἐν κινδύνοις δὲ καὶ ἡμεῖς γενησόμεθα, μὴ μυριάσι μαρτύρων φρουρούμενοι, καὶ ταῖς οἰκείων αἱμάτων προσχύσεσι, ὑπὲρ ἡμῶν τὸν Χριστὸν πρεσβεύοντας ἔχοντες (29,5,3–5 [299 FM]). 269 Vgl. hierzu DAL SANTO, Debating, 180–182.
4.4. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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die Märtyrer in mir. 36,12 erst von den Engeln erweichen, sich des Häretikers Theodoros doch noch anzunehmen.270 Die den Märtyrern geschenkte Gnadengabe ist mit ihrer Person verbunden. Zumeist erscheinen sie zwar Menschen, die sich in ihrer Anlage aufhalten, grundsätzlich können sie jedoch an jedem beliebigen Ort tätig werden: Denn kein Ort hindert ihre Hilfe und ihr Unheil abwehrendes Kommen, weder auf dem Land, noch auf dem Wasser, nicht einmal auf dem Meer, ob er nah ist oder in großer Entfernung liegt. Vielmehr erscheinen sie sofort, wohin auch immer irgendjemand sie zur Hilfe ruft, und helfen, retten und bewahren ihn.271
Auch die Wirkung ihrer Gnadengabe ist personal gerichtet: Nemesion, von dem mir. 28 berichtet, bleibt krank, als er Reliquien und Sonde der Heiligen auf deren Anweisung hin berührt, jedoch gesundet Photeinos, den er direkt im Anschluss berührt.272 Dem Lampenöl wiederum, dessen sich die Märtyrerheiligen des Öfteren als Heilmittel bedienen, wohnt auch eine eigene Wirkmächtigkeit inne; mutatis mutandis dürfte dies auch für alle weiteren geweihten Objekte im Umfeld ihres Grabes gelten. Mit der δύναμις Christi oder der Heiligen ist sie jedoch in keiner Weise zu vergleichen: „Wir (sc. Sophronios) erkennen an, dass es (sc. das Lampenöl) selbst Macht über Krankheiten hat, aber was ist dies schon im Verhältnis zu Christus, der Weisheit und Macht Gottes, der auch den Märtyrern selbst Machtgaben zugeteilt hat?“273 Im Gegensatz zur δύναμις der Heiligen scheint deren (schwächere) Wirkung nun tatsächlich an den Gegenstand gebunden und unabhängig davon, wer das Öl gebraucht. Nur so erklärt sich die Schilderung in mir. 36,19f, dass die Märtyrer den Häretiker Theodoros davon abhalten, von dem Lampenöl zu nehmen.274
270
Vgl. hierzu DÉROCHE, Tensions, 150f, und DAL SANTO, Debating, 177–180. εἴργει γὰρ αὐτῶν τὴν ἀρωγὴν καὶ τὴν ἀνεξίκανον (cj. DUFFY [Observations, 80] u.a. mit Verweis auf salutarem L, ἀνεξίκανον C, E, FM) ἄφιξιν τόπος οὐδείς, οὐ χερσαῖος, οὐ λιμναῖος, οὐδὲ πάλιν θαλάττιος, οὐ πλησίον συγκείμενος, οὐ μακρὰν ἀφεστὼς διαστήμασιν, ἀλλ᾿ εἰς ὅπουπερ ἂν αὐτούς τις πρὸς συμμαχίαν καλέσειεν εὐθέως ἐφίστανται, καὶ βοηθοῦσιν αὐτῷ καὶ σώζουσιν καὶ φυλάττουσιν (8,4,4–9 [254 FM]). Auf diese Passage weist auch GASCOU, Sophrone, 18 hin. 272 Auf diese Passage weist GASCOU, Sophrone, 18, ebenfalls hin. 273 Καὶ δύναμιν αὐτὸ νοσημάτων ἔχειν τιθέμεθα, ἀλλὰ τί πρὸς Χριστὸν τοῦ Θεοῦ σοφίαν ὄντα καὶ δύναμιν, τὸν καὶ μάρτυσιν αὐτοῖς χαρίσματα δυνάμεων νέμοντα; (36,16,2–5 [326 FM]). 274 Gegen GASCOU, Sophrone, 18. Über Lampenöl als Heilmittel vgl. CASEAU, Parfum, 141–175. 271
5
Gedeutete Krankheit
Kapitel 5
Gedeutete Krankheit In ihrem Essay Krankheit als Metapher weist Susan Sontag daraufhin, dass sich die Beschreibung bestimmter Krankheiten nicht in der Beschreibung der eigentlichen, pathologischen Gegebenheiten erschöpft. Vielmehr seien mit diesen Krankheiten – Sontag nimmt Tuberkulose, Krebs und AIDS in den Blick – bestimmte Vorstellungen über ihr Wesen, ihren Verlauf und über die Gründe verbunden, aus denen eine bestimmte Person an ihr erkrankt. Von solchen Vorstellungen gelte es sich möglichst zu lösen. Nur so sei die Auseinandersetzung mit der eigentlichen Krankheit überhaupt möglich.1 Auch Sophronios beschreibt Krankheiten. Er erklärt, wie sie entstehen, und deutet das Geschehen damit zwangsläufig.In den beiden vorangehenden Kapiteln konnte allerdings gezeigt werden, dass Sophronios meist natürliche Krankheitsursachen vermutet und ihnen in aller Regel auch keine besondere Bedeutung beimisst. Umso bemerkenswerter sind dann allerdings die Berichte, in denen nicht allein der Körper von dem Leiden betroffen ist:2 Gleich im ersten Bericht bemerkten wir die Parallele, die Sophronios zwischen Ammonios’ körperlichem Leiden – eine als χοιράδες bezeichnete Schwellung seines Halses – und einem mit seinem Hochmut in Verbindung gebrachten seelischen Leiden zieht.3 Ein ähnliches Phänomen konnte in den mir. 29 und 30 beobachtet werden: Athanasias Unvernunft drückt sich in ihrem Leiden aus. Sie erleidet eine Rückenblockade, sodass sie sich – den unvernünftigen Tieren hierin ähnlich – nicht mehr aufrichten kann.4 Umgekehrt soll Gesios wie ein Esel durch die Anlage der Märtyrer laufen und dabei laut: „Ich bin dumm!“ rufen. Dann werde er sein Leiden überwinden.5 In den Berichten, die von Häretikern handeln, nimmt die Deutung der Krankheit einen besonderen Stellenwert ein: In den mir. 37 und 38 berichtet Sophronios beispielsweise, wie die Häretiker Johannes und Stephanos erblin1 2
Vgl. SONTAG, Krankheit, 49. Im tabellarische Inventar (Kap. 3.2.2) sind die entsprechenden Berichte gekennzeich-
net.
3
Vgl. Kap. 2.4, bes. S. 32 und 35–37, sowie zusammenfassend Kap. 2.5. Ἀλόγως γὰρ εἰς τοὺς μάρτυρας ἁμαρτάνουσα, ἀλόγων αὐτὴν διὰ τῆς εἰς τὰ κάτω νεύσεως σωφρονίζουσι σχήματι (29,10,1f [302 FM]). Vgl. Kap. 4.3.4, S. 184f. 5 Vgl. Kap. 4.3, S. 194–199. 4
220
Kapitel 5: Gedeutete Krankheit
den. Erst, als sie sich auf Betreiben der Märtyrer hin der einen Kirche anschließen und also ihre Seelen erleuchtet werden, können sie von neuem sehen. Während Sophronios in diesen beiden Berichten ausführlich auf das Wechselspiel von Licht und Finsternis eingeht, thematisiert er die zugrundeliegende Krankheit nur am Rande. Nun ließe sich vermuten, dass Sophronios Krankheit insbesondere dann eine besondere Bedeutung verleiht, wenn es sich um Menschen handelt, die an den Märtyrerheiligen zweifeln oder einer häretischen Bewegung angehören, und dass diese Deutung dann das pathologische Geschehen verdrängt. Doch lässt sich in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes zumindest ein weiterer Bericht finden, in dem Sophronios’ Deutung das zugrundeliegende Geschehen zurückdrängt: In mir. 13 deutet Sophronios Elias’ Lepra als Bild eines verfehlten Lebenswandels aus. Insofern stellt sich tatsächlich die Frage, die dieses Kapitel zu beantworten versucht: Inwieweit benutzt Sophronios Krankheit als Metapher? Zunächst verhilft dieses Kapitel zu einem Überblick darüber, welche Häresien und Häretiker in der Wundersammlung wo genannt werden (Kap. 5.1). Dann wendet sich die Untersuchung den Berichten 37 (Kap. 5.2) und 38 (Kap. 5.3) zu. Kapitel 5.4 untersucht mit mir. 13 den Bericht über den leprakranken Elias. Kapitel 5.5 bündelt die Ergebnisse.
5.1 Krankheit und Häresie 5.1.1 Die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes als „panorama des erreurs religieuses du temps“ (Gascou) Während sich Sophronios dem bisherigen Eindruck nach zurückhält, Krankheiten unmittelbar auf in seinen Augen verwerfliche Einstellungen oder Überzeugungen zurückzuführen, bildet die Abkehr von ebendiesen regelmäßig die Voraussetzung dafür, dass die Heiligen heilend tätig werden: C’est ainsi que Sophrone lui-même (miracle n° 70) a interprété son ophtalmie, et sa guérison, alors que l’insuccès des visites du fataliste Némésiôn (miracle n° 28) et du païen Agapios (miracle n° 32) sanctionne l’opiniâtreté de l’hypocrisie. Ainsi les Θαύματα peuvent-ils être considérés comme un panorama des erreurs religieuses du temps…6
Zwei solcher Irrtümer begegneten uns bereits im vorangehenden Kapitel: Athanasia verstieg sich zu der Behauptung, Kyros und Johannes hätten das Martyrium nie erlitten (mir. 29), und Gesios zu der, dass sie wie andere Ärzte auch heilten (mir. 30). Überblickt man nun aber das ganze von Sophronios 6
GASCOU, Sophrone, 18f.
5.1. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
221
gezeichnete Panorama, fällt auf, dass es zu allermeist Christen sind, die solchen Irrtümern erliegen: Ein einziger Wunderbericht, mir. 32, handelt von einem Heiden.7 In einem weiteren ist „der Übeltäter“, der Theodoros verzaubert, ein Jude, was Sophronios zufolge magische Praktiken nahelegt.8 In allen übrigen Fällen jedoch handelt es sich um Christen. Gehören sie keiner Häresie an, lässt sich Sophronios des Öfteren zu Spekulationen darüber verleiten, ob sie nicht doch heidnischem Aberglauben nachhängen. Hierzu geben ihm die Überzeugungen der jeweiligen Protagonisten Anlass: Der eben bereits erwähnte Nemesion etwa „übertraf die Reichen nicht allein durch seine Reichtümer, sondern auch durch die Weisheit heidnischer Lehren und den aus diesen herausbrechenden Raffinessen.“9 Natürlich ist dies nicht wörtlich zu verstehen: Über die nächsten Paragraphen hinweg zerlegt Sophronios Nemesions Überzeugung, das Weltgeschehen sei durch die Sterne determiniert, mit Verweis auf die Heilige Schrift und andere theologische Argumente. Sophronios erwähnt zwar, dass sich Nemesion selbst unter die Christen rechne, lässt sich hiervon allerdings nicht überzeugen. Jedenfalls kommentiert er, Nemesion habe „seine Taufe und alles, was er Christus hierbei zugesagt habe,“ vergessen,10 als er sich der Astrologie zugewandt hat. Auch in Athanasias Fall erwägt er, „ob sie von irgendeinem Irrtum beherrscht und heidnischen Illusionen zugeneigt war und sich deshalb das Maul über die Heiligen zeriss“,11 oder es hierfür eine andere Ursache gebe. Schließlich streut er entsprechende, ihm vorgeblich selbst zugetragene Gerüchte in seinem Bericht über Gesios: Er lässt Gesios seine eigene Taufe mit einem Homervers kommentieren, der ihren unfreiwilligen, unaufrichtigen Charakter herausstellt.12 Zudem habe Gesios Christen verspottet und mit seinen Überzeugungen auch die Märtyrerheiligen. Es ist nun aber bezeichnend, dass Sophronios Gesios’ Überzeugungen nicht einfach als heidnisch kennzeichnet und damit disqualifiziert. Vielmehr lässt er die Märtyrerheiligen sie ad absurdum führen.13
7
Vgl. hierzu unten, S. 227f, und oben, Kap. 3.4.4.3, S. 135f. ὁ κακουργήσας … Ἑβραῖος δ᾿ ἦν, καὶ τοιαύτης ὑπολήψεως οὐκ ἐλεύθερος (55,4,3–5 [371 FM]). 9 ἐπλεονέκτει δὲ τῶν μόνοις πλουτούντων τοῖς χρήμασι, σοφίᾳ λόγων Ἑλληνικῶν καὶ τοῖς ἐκ τούτων σπουδαζομένοις στομύλμασιν (28,1,9f [294 FM]). 10 ἐν Χριστιανοῖς, φησίν, ἀριθμούμενος … λήθην λαβὼν τοῦ βαπτίσματος, καὶ πάντων ὧν ἐκεῖ τῷ Χριστῷ συνετέτακτο (28,6,2.6f [296 FM]). 11 Εἴτε δὲ πλάνῃ τινὶ κρατουμένη καὶ φάσμασιν Ἑλληνικοῖς ὑποκλίνουσα, οὕτω τοὺς ἁγίους διέσυρεν (29,4,1f [299 FM]). 12 Mir. 30,2. Vgl. Kap. 4.3.4 (zu §2), S. 180f. 13 Vgl. Kap. 4.3.4 (zu §12), S. 199–201. 8
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Kapitel 5: Gedeutete Krankheit
Die pauschale Ablehnung von Bildungsgütern ist überhaupt in nur zwei Fällen angesagt – wenn es um heidnische Fabeln geht14 oder er auf Homer zu sprechen kommt: Als Sophronios erblindet, erscheinem ihm Kyros und Johannes, Kyros in Gestalt seines geistigen Vaters und Lehrers Johannes Moschos,15 Johannes in der eines hohen Staatsbeamten. Der Beamte fragt den Lehrer, ob er einen Schüler namens Homer habe.16 Denn (s)elbst die, die nur zur Schwelle der weltlichen Bildung vorgedrungen sind, wissen, dass Homer blind war. … Sein Gegenüber beschwor, dass er zwar einen Schüler habe, dieser aber nicht Homer heiße, und fügte hinzu, dass dieser niemals je einen homerischen Vers angefasst habe und hierdurch seinen Abstand zur Finsternis Homers bekunde.17
Obwohl Sophronios seinen Homer, wie das in mir. 30 eingestreute Zitat beweist, durchaus gut kennt und die Aussage des Lehrers also unzutreffend ist, zeigt sich der Heilige erleichtert. In den meisten Fällen sind es also die Überzeugungen des jeweiligen Protagonisten, die Sophronios spekulieren lassen. Nur in zwei Fällen ist es das Verhalten, das ihm Anlass zur Sorge bietet: In mir. 31 berichtet Sophronios „über Theodoros, der nach der Kommunion lautstark die Nase hochzog und sofort erblindete“.18 Diese unter Christen Sophronios zufolge durchaus verbreitete Gewohnheit sei deshalb höchstproblematisch, weil es sich hierbei eigentlich um eine pagane kultische Praxis handelt.19 Entsprechend kritisch sieht Sophronios auch, dass Julia, über die er in mir. 54 berichtet, wegen Adonis’ Tod, also wiederum wegen eines heidnischen Irrglaubens, den Kontakt mit Schweinefleisch meidet.20 Die Märtyrer befehlen ihr im Traum, ihren kranken Sohn mit Schweinefett einzureiben, 14 Vgl. das geradezu programmatische Ἐλλήνων οἱ μῦθοι … καὶ τῶν γεγραφότων ἡ πρὸς ἀλήθειαν ἔνδεια (64,6,4f [383 FM]), außerdem mir. 66, aus dem S. 212 Anm. 238 zitiert. 15 Ἰωάννῃ τῷ πνευματικῷ Πατρὶ καὶ διδασκάλῳ τοῦ νοσοῦντος ὡμοίωτο (70,8,3f [396 FM]). Die Beziehung zwischen Sophronios und Johannes Moschos erhellt CHADWICK, John Moschus, 41–74. 16 Ἔχεις, εἰπών, μαθητὴν λεγόμενον Ὅμηρον (70,8,10f [396 FM]). 17 Ἴσασι δὲ καὶ οἱ πρόθυρα μόνον κοσμικῆς παιδείας πατήσαντες, ὡς τυφλὸς ὑπῆρχεν ὁ Ὅμηρος, … Ὁ δὲ μεθ᾿ ὅρκων ἐφθέγξατο, ἔχειν μὲν μαθητήν, Ὅμηρον δὲ μὴ λέγεσθαι· προσεπέφερεν δὲ ὡς οὐδὲ στίχον Ὁμηρικὸν ἥψατό ποτε· διὰ τούτου δηλῶν τὸ τῆς Ὁμηρικῆς ἀχλύος ἀμέθεκτον. (70,9,1–6 [396 FM]). 18 Περὶ Θεοδώρου τοῦ μετὰ τὸ κοινωνῆσαι ῥινοκτυπήσαντος, καὶ παραχρῆμα τυφλωθέντος (31,0,1f [306 FM]). 19 Vgl. mir. 31,2f und GASCOU, Sophrone, 107 Anm. 616 und 108 Anm 618. 20 βεβλάφθαι γὰρ τὴν Ἰουλίαν, τοῦτο γὰρ αὐτῆς ὑπῆρχε τὸ ὄνομα, περὶ τὴν πίστιν ἐφήμιζον, πρὸς πλάνην Ἑλληνικὴν ἀποκλίνουσαν, καὶ ταύτῃ διὰ τὸν Ἀδώνιδος θάνατον τὰ κρέα παραιτεῖσθαι τὰ ὕεια (54,6,8–10 [369 FM]). Der Legende nach tötet der in einen Eber verwandelte Ares Adonis aus Eifersucht.
5.1. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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was sie auch tut. Letztlich bleibt dabei zwar offen, ob das Gerücht zutreffend ist, zerstreut ist es nun aber allemal. Denn selbst wenn es stimmte, so hat Julia nun die Überlegenheit der Märtyrerheiligen anerkannt und ist bekehrt. Dass dieser Vorwurf, dem Heidentum zugeneigt zu sein, durchaus gefährlich sein konnte, illustriert mir. 32: Der Heide Agapios wird in Konstantinopel verhaftet. „Unverhofft floh er das Schwert der Gerechtigkeit, nicht durch Meinungsänderung, denn niemand hätte ihn hierfür getadelt, sondern durch diverse Bestechungen“.21 In Alexandrien angekommen und von einer Lähmung befallen raten ihm, der sich als Christ ausgibt, viele, die Heiligen Kyros und Johannes aufzusuchen. Diesem Rat folgt er auch, weigert sich aber, an der Kommunion teilzunehmen. Zunächst gibt er vor, einer Häresie anzugehören, nimmt aber schließlich doch am Abendmahl teil. Ein Dämon fährt in ihn ein. Wenige Tage später stirbt er. Agapios zieht es also selbst in der Anlage der Heiligen vor, als Häretiker und nicht als Heide zu gelten: Als Häretiker zieht er sich zwar den Unmut seiner Mitpatienten zu, muss dafür aber keine juristischen Konsequenzen befürchten. 22 5.1.2 Häretiker in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes Deutlicher noch als die Konzentration von Berichten, in denen Ärzte in Erscheinung treten,23 ist die der Berichte über Häretiker: Aus der Gruppe der von Fernández Marcos nach inhaltlichen Gesichtspunkten zusammengestellten Züchtigungswundern („milagros de escarmiento“), die mir. 12, 13, 28–31, 36–39, 49 sowie mit Einschränkung auch 32 und 67 umfasst,24 finden sich acht Berichte im Bereich der mir. 28–39. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass es sich um zwei distinkte Zyklen handelt, ein Zyklus von Züchtigungswundern (mir. 29–32) und ein Zyklus von Berichten, deren Protagonist einer häretischen Bewegung angehört (mir. 36–39). Den ersten Zyklus eröffnet Sophronios mit der Erinnerung daran, dass er auch „zwei, drei Berichte“ niederschreiben wollte, „durch die auch die Strenge und Schärfe der Heiligen bekannt würde“.25 Athanasia solle „als Erste die harte Hand der Märtyrer den Übeltätern gegenüber wie auch ihre wohltuende,
21
φεύγει δὲ παρ᾿ ἐλπίδα τῆς δίκης τὴν μάχαιραν, οὐ μεταθέσει γνώμης (οὐδεὶς γὰρ ἂν ἐπεμέμψατο,) ἀλλὰ χρυσίου πολλαῖς μεταδόσεσι (32,1,5f [308 FM]). 22 Zu den Grenzen des offiziell Erlaubten: CASEAU, Crypto Paganisme, 541–570. 23 Vgl. Kap. 4.1.1, 143. 24 Vgl. FERNÁNDEZ MARCOS, Thaumata, 180–192. 25 Εἰρηκότες ἐν τοῖς προλαβοῦσι μεμνήμεθα ὡς δύο ἢ καὶ τρία διηγήματα γράψωμεν, δι᾿ ὧν καὶ τὸ σύντονον καὶ στυπτικὸν τῶν ἁγίων γνωσθήσεται (29,1,1–3 [298 FM]).
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Kapitel 5: Gedeutete Krankheit
menschenliebende Haltung den Umkehrenden gegenüber“ bezeugen.26 Ihr folgen Gesios,27 Theodoros und Agapios.28 Aus den angekündigten zwei, drei Berichten werden also vier: Athanasia, Gesios und Theodoros werden von den Märtyrern eines Besseren belehrt und geben alte Gewohnheiten und Überzeugungen auf. Agapios hingegen bekehrt sich nicht und erleidet, anstatt wie die übrigen von Kyros und Johannes geheilt zu werden, einen qualvollen Tod. Sophronios vergleicht sein eigenes Vorgehen, erbaulichen Berichten einige mahnende beizufügen, mit dem eines Arztes, der nützliche, aber bittere Medizin in süßem Honig getränkt verabreicht.29 Entsprechend beschließt er mir. 32 mit der Ankündigung, noch zwei, drei erfreulichere Wunder anzufügen, um die Berichte der an Alexandrinern vollbrachten Wunder zu beschließen.30 Den anderen Zyklus stellt Sophronios an den Anfang des zweiten Teils der Sammlung, in dem jene Wunder zusammengestellt sind, die Ägyptern und Libyern widerfahren sind. Er kommt damit im Zentrum der Sammlung zu stehen. Zudem ist mir. 36, der Bericht über den Häretiker Theodoros, mit 30 Paragraphen der ausführlichste der gesamten Sammlung. Beides spricht dafür, dass Sophronios diesen vier Berichten eine besondere Bedeutung beimisst. Sie haben Beispielcharakter. Schon an der Wertung der in mir. 36 geschilderten Ereignisse lässt sich dies ablesen: „In den Wundern an Ägyptern und Libyern erstrahle nun Theodoros aus Thennesios …, der einst unter 26 Ἡκέτω τοίνυν εἰς μέσον Ἀθανασία τὸ γύναιον, καὶ μαρτυρείτω πρώτη τῶν μαρτύρων τὸ κολαστικὸν πρὸς τοὺς πταίοντας, καὶ τὸ πρὸς τοὺς μετανοοῦντας εὐργετικὸν καὶ φιλάνθρωπον (29,3,1–3 [299 FM]). Vgl. zu mir. 29 Kap. 4.3.4, S. 182–184. 27 Vgl. hierzu ausführlich Kap. 4.3. 28 Vgl. hierzu Kap. 3.4.4.1, 135f, und Kap. 5.1.1, 227f. 29 τοῖς μὲν ἡδέσι τὰς τῶν ἀκουόντων ψυχὰς θεραπεύοντα, τοῖς δὲ στυπτικωτέροις ταύτας (sc. τὰς ψυχάς cj. GASCOU [Sophrone, 114 Anm. 649], ταῦτα C, E, FM) ἀνεπαισθήτως καθαίροντα· ὡς καὶ τῶν Ἀσκληπιάδων οἱ δόκιμοι πράττουσιν· μέλιτι γὰρ τὰ δηκτικὰ (C [DUFFY, Readings, 173], δεκτικὰ E, FM) καὶ ὠφέλιμα τῶν φαρμάκων συνδήσαντες, ἤτοι προσμίξαντες, τοὺς δεομένους καθάρσεως ἐκκαθαίρουσιν. Τούτους οὖν καὶ ἡμεῖς ἐνθάδε μιμούμενοι, τοῖς προλαβοῦσιν ἡδέσι τὰ παρόντα δηκτικὰ (wie eben) προσποιήσαντες, ἑτέροις ταῦτα τερπνοῖς συγκαλύψωμεν (32,12,5–9 [312 FM]). 30 ἕτερα δύο ἢ τρία θαύματα τερπνότερα γράψαντες, τέλος τῶν ἐπ᾿ Ἀλεξανδρεῦσι γραφέντες τεράτων οὐ γεγονότων μόνον αὐτὰ ποιησώμεθα (32,11,6–8 [312 FM]). Dass sowohl in mir. 29 als auch in mir. 33 das Schicksal von Frauen geschildert wird, ist kein Zufall: ὥσπερ ἀπὸ γυναίων τῶν ἀνιώντων ἡ διήγησις ἤρξατο, οὕτω καὶ τῶν ἡδόντων ἡ γραφὴ ἀρχὴν ἔχει πάλιν τὰ γύναια (33,1,5f [312 FM]). In diesem Sinn kann auch die Parallelisierung der Überschriften – Περὶ Ἀθανασίας ἀπιστούσης εἰς τοὺς ἁγίους Κῦρον καὶ Ἰωάννην τοὺς μάρτυρας (29,0,1 [298 FM]) und Περὶ Κοσμιανῆς ἀπιούσης εἰς τοὺς ἁγίους τοῦ εὔξασθαι … (33,0,1 [312 FM]) – als Zeichen einer bewussten Gestaltung gedeutet werden.
5.1. Krankheit und Leiden in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes
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die Laien und die gezählt wurde, die sich von der katholischen Kirche abgespalten haben, nun aber durch Gottes Gnade sowie der Märtyrer Erleuchtung und Verfügung unter deren Kinder gerechnet wird und … als Subdiakon in der ehrwürdigen Behausung der Heiligen dient.“31 Alle vier Berichte weisen dieselbe Grundstruktur auf: Die jeweiligen Protagonisten suchen Kyros und Johannes in der Hoffnung auf, von ihren Krankheiten geheilt zu werden. Die Märtyrer erscheinen ihnen auch, drohen aber, dass sie sie nicht heilen, bis sie sich nicht von ihrer Häresie losgesagt und der katholischen Kirche angeschlossen hätten. Unter dem Druck der Märtyrer überwinden die jeweiligen Protagonisten ihre Zweifel. Sie schließen sich der Kirche an und erlangen mit der Kommunion Heilung. Mir. 37 und 38 berichten darüber hinaus von einem Rückfall ihres jeweiligen Protagonisten in die Häresie, woraufhin diese von neuem erblinden. Erst nach erneuter Kommunion sehen sie wieder. Auch wenn die vier Berichte thematisch und, was die Motive anbelangt, wie kaum eine andere Gruppe aufeinander abgestimmt sind, betonen die Berichte doch je andere Momente: Mir. 37 und 38 parallelisieren die Blindheit ihrer Protagonisten mit ihrer Zugehörigkeit zu einer häretischen Gruppe. Mir. 36 beschreibt, wie Theodoros mit sich und den Märtyrern darum ringt, gesund zu werden – zunächst noch ohne sich der Kirche anschließen zu müssen. In mir. 39 konzentriert sich Sophronios schließlich auf die Märtyrerheiligen und erklärt, weshalb sie sich in Wort und Tat der katholischen Kirche verpflichtet fühlen.32 Dabei betonen sie vor allem die Bedeutung der Beschlüsse des Konzils von Chalkedon, an denen sich die Kirche tatsächlich geschieden hat: Das Konzil von Chalkedon versuchte die Frage zu klären, wie Jesus Christus ganz Gott und ganz Mensch sein könne und zugleich eine Person. Dabei verwirft das Konzil in seiner Definition sowohl die (Nestorios zugeschriebene) Position, dass die göttliche und die menschliche Natur in Jesus Christus getrennt und unvermischt nebeneinander existieren. Es verwirft aber auch die mono- oder besser: miaphysitische Gegenposition, nach der sich die menschliche und die göttliche Natur zu einer Einheit verbinden. 31
Προλαμπέτω τοίνυν Αἰγυπτίων ὁμοῦ καὶ Λιβύων ἐν θαύμασιν ὁ ἐκ Θεννήσου Θεόδωρος …, ὁ τότε μὲν ἐν λαϊκοῖς ἀριθμούμενος καὶ τοῖς Ἐκκλησίας τῆς καθολικῆς ἀποσχίζουσιν, νυνὶ δὲ Θεοῦ χάριτι καὶ μαρτύρων φωτισμῷ καὶ προστάγματι, καὶ ἐν τοῖς ταύτης παισὶ λογιζόμενος, … καὶ λειτουργῶν ὡς ὑποδιάκονος ἐν τῷ σεπτῷ τῶν ἁγίων οἰκήματι (36,3,1–7 [323 FM]). Vgl. zur Bedeutung des Epithetons „katholisch“ WIPSZYCKA, Καθολική, bes. 166–168. 32 τῆς καθολικῆς Ἐκκλησίας τὸ κήρυγμα σέβουσιν, καὶ τὴν ταύτης κοινωνίαν ἀσπάζονται (39,1,3–5 [336 FM]), διὰ τὴν τῶν ἀποστατούντων τῆς Ἐκκλησίας ὠφέλειαν, … καὶ νῦν μεταμάθωσιν τὴν ἀλήθειαν, καὶ τὰς οἰκείας αἱρέσεις ἐάσαντες, τῇ τοῦ Σωτῆρος Ἐκκλησίᾳ προσέλθωσιν, τῷ σκοπῷ τῶν ἁγίων ἑπόμενοι, καὶ πρὸς αὐτῶν τὸ χρηστὸν διδασκόμενοι (39,2,2–6 [336 FM]).
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Kapitel 5: Gedeutete Krankheit
Allerdings gelingt es dem Konzil nicht, die Sachfrage für alle Beteiligten befriedigend positiv zu klären; miaphysitische Positionen erfreuen sich zu Sophronios’ Missfallen insbesondere in Ägypten ausgesprochen großer Beliebtheit33 und bleiben auch in der Folge durchaus einflussreich. Sophronios entwickelt, was er vorfindet, denn tatsächlich scheint sich der Kult der Heiligen Kyros und Johannes vor allem bei Alexandriens prochalkedonensischer Oberschicht einer gewissen Beliebtheit erfreut zu haben.34 Dabei ist ihre Fähigkeit, zu heilen, schon von der Konstruktion des Kultorts her mit der Frage verbunden, welche christologische Position die richtige ist. Sie hat Beweischarakter: Wer heilen kann, hat Recht. Deshalb konkurrieren die Märtyrerheiligen und ihr Kult auch mit dem vermutlich heterodoxen Kult des Menas oder dem der Heiligen Kosmas und Damian.35 Vor diesem Hintergrund überrascht es nun nicht, dass die in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes begegnenden Häretiker allesamt miaphysitischen Gruppierungen angehören, die Sophronios im Übrigen auch an anderer Stelle verurteilt:36 Julianos, der Protagonist des 12. Berichts, und Theodoros, von dem mir. 36 berichtet, sollen Anhänger des Julianos von Halikarnassos37 gewesen sein. Erst als die Märtyrerheiligen Julianos damit drohen, dass Christus weder Gaianiter noch Theodosianer als Gläubige anerkenne,38
33
Odium quippe multum Ægyptii ex irrationabilitate ac barbarico sensu contra sanctum hoc feruntur concilium, quemadmodum quondam adversus Israeliticum populum, horum parentes ac genitores (36,5 [PG 87/3, 3574A]). C überliefert diese Passage nicht. 34 „The apparent preponderance of Alexandrian pilgrims, an appreciable number of whom were rich or otherwise socially prominent, may suggest that an important constituency of the shrine was among the Chalcedonian élite of Alexandria, whether or not native-born“ (MONTSERRAT, Pilgrimage, 276). 35 Nachdem ihn die Märtyrerheiligen unbesucht lassen, will Elias den Heiligen Metras aufsuchen (mir. 13,4). In mir. 30,13f etabliert Sophronios die Gleichrangigkeit von Kosmas und Damian und Kyros und Johannes, indem er auf Christus als die gemeinsame Quelle ihrer Heilmittel (ἰάματα) verweist. Ein Kommentar beider Berichte findet sich in Kap. 4.3 bzw. Kap. 5.4. 36 Sophr. H. ep. syn. 2,6,1.3 (140.148 ALLEN = ACO ser. sec. II,1,480.484). 37 In einem nach 518 geführten Streit mit Severos von Antiochien vertritt Julianos die später als häretisch verworfene Position, dass der menschliche Leib Christi „unverweslich“ (ἄφθαρτον) sei. Vgl. hierzu ausführlich LANGE, Energeia, 283–286. Innerhalb des miaphysistischen, anti-chalkedonensischen Lagers kommt es in der Folge zur Spaltung: In Ägypten stehen sich nun die Gefolgsleute des Julianos von Halikarnassos und dessen Nachfolger Gaianos auf der einen Seite und auf der anderen die des Severos von Antiochien und des Theodosios auch im Kampf um den Patriarchenthron gegenüber. Vgl. LANGE, Energeia, 328. 38 ὡς οὐ Γαϊανίτας, οὐ Θεοδοσιανούς, ἐν μέτρῳ πιστῶν ἢ εὐσεβῶν ἀριθμῷ ἔχει Χριστὸς ἢ λογίζεται (12,11,3–5 [267 FM]). In §17 beschreibt Sophronios, wie etwa 100 Kleriker
5.2. Über Johannes, den Subdiakon, der Leukome in beiden Augen hatte (mir. 37) 227
wendet er sich von ihnen ab. Dieser Hinweis ist insofern bemerkenswert, als die Märtyrerheiligen sich nicht nur von Julianos’ Häresie abgrenzen, sondern zugleich auch die Gegenposition im anti-chalkedonensichen Lager verurteilen. Dieser Gegenposition, der Häresie des Theodosios und Severos, hängen Johannes, Stephanos und Petros an, von denen die mir. 37, 38 und 39 handeln; Johannes bekleidet dort sogar den Rang eines Subdiakons.39 Schließlich scheint auch mir. 25 nicht ganz frei von anti-miaphysitischer Polemik zu sein.40
5.2 Über Johannes, den Subdiakon, der Leukome in beiden Augen hatte (mir. 37) Über Johannes, den Subdiakon, der Leukome in beiden Augen hatte (mir. 37) 5.2.1 Inhaltsangabe In mir. 37 berichtet Sophronios davon, wie Johannes mit Leukomen in beiden Augen zu den Märtyrerheiligen geführt und schließlich von diesen geheilt wird. Wie Theodoros, der Protagonist des vorangegangenen Wunderberichts, so gehört auch Johannes zunächst einer häretischen Gruppierung an, schließt sich dann aber der katholischen Kirche an und steigt schließlich in den priesterlichen Stand auf (§1). Eine Besonderheit dieses Berichts besteht in der deutlichen Parallele eines körperlichen und eines seelischen Defizits, die die ausgesprochen präsente Licht-Finsternis-Metaphorik zieht. Insofern ist es nur konsequent, dass sich Sophronios nach einer kurzen Vorstellung seines Protagonisten auf die Unmöglichkeit der Gemeinschaft von Licht und Finsternis in Anlehnung an 2Kor 6,14 konzentriert (§2). Die §3–5 schildern Johannes’ Ankunft im Heiligtum, wie er von den beiden Märtyrerheiligen im Traum aufgesucht wird, ihre Anweisungen ausführt und schließlich geheilt wird. Mir. 1 hierin vergleichbar, erleidet Johannes nach vollständiger Genesung einen Rückfall in die Häresie: Er wendet sich erneut seiner früheren Glaubensgemeinschaft zu und wird zur Strafe von den Märtyrern mit Blindheit geschlagen (§6). Durch seine erneute Umkehr erlangt er sein Augenlicht ein weiteres Mal zurück, wenngleich nicht mehr in gleicher Vollkommenheit. Er steigt in den Klerus der Kirche auf (§7) und dient den Märtyrern fortan als Subdiakon. Wie sich diese Geschehnisse genau zuder Gaianiter in die Kirche zurückkehren, in der Julianos just in diesem Moment kommuniziert und sich so offiziell der orthodoxen Kirche anschließt. 39 Vgl. hierzu Kap. 5.2.3 (zur Überschrift), S. 238, und (zu §4), 243f. 40 Jedenfalls listet Sophronios die Ἀγνοηταί, eine anti-julianistische Gruppierung innerhalb des anti-chalkedonensischen Lagers, in ep. syn. 2,6,3 unter den Häretikern (148 ALLEN = ACO ser. sec. II,1,484). Vgl. ALLEN, Sophronius, 9f.
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tragen, hiervon berichten die §8–10, die in der Überleitung zu einem anderen „ihrer züchtigenden Wunder“ münden (§10). 5.2.2 Text1 und Übersetzung Περὶ Ἰωάννου τοῦ ὑποδιακόνου λευκώματα ἐν ἀμφοτέροις ἐσχηκότος τοῖς ὄμμασιν §1 Ἐπειδὴ Θεοδώρου τὴν νόσον γεγράφαμεν, καὶ τὴν εἰς ἐκκλησίαν βιαίαν καὶ ἀκούσιον εἴσοδον, καὶ τὴν εἰς ὑπηρέτας Θεοῦ τρισόλβιον πρόοδον, φέρε καὶ Ἰωάννην αὐτῷ συνυφάνωμεν, τὸν ὁμοίως καὶ αὐτὸν κοινωνικὸν ἐξ ἀκουσίου γενόμενον2, καὶ τῆς κοινωνίας μισθὸν τὴν ῥῶσιν δρεψάμενον, καὶ πάλιν ἀδελφὸν κατὰ βαθμὸν ἱερατικὸν χρηματίζοντα. §2 Ἰωάννης οὖν οὗτος, ἡ τῆς παρούσης γραφῆς ἀφορμή τε καὶ πρόφασις ἐκ Κυνῶ μὲν τῆς Αἰγυπτίας ὥρμητο πόλεως· ἐν ἀμφοτέραις δὲ ταῖς κόραις ἔσχε λευκώματα, καὶ τούτων τὸ φῶς ταῖς τῶν λευκωμάτων εἰσβολαῖς ὑπεχώρησεν, ὡς μὴ δυνάμενον κόρας ὀφθαλμῶν συνοικεῖν τοῖς λευκώμασιν· ποία γὰρ κοινωνία φωτὶ πρὸς σκότος; ὡς καὶ Παῦλος ὁ θεσπέσιος εἴρηκεν· οὔτε γὰρ τὸ φῶς ἐν κοινωνίᾳ μένειν τοῦ σκότους ἀνέχεται, οὔτε τὸ σκότος σύνοικον τὸ φῶς παραδέξασθαι δύναται, ἀλλ᾿ ἐναντίαν τὴν φύσιν ἐν ἅπασιν ἔχοντα, ἐναντίαν καὶ τὴν ἐνέργειαν κέκτηνται· ὥστε τοὺς ἔχοντας, ἢ τὸ
1 2
Über Johannes, den Subdiakon, der Leukome in beiden Augen hatte Nachdem wir Theodoros’ Krankheit geschildert haben, seinen erzwungenen und unfreiwilligen Eintritt in die Kirche sowie sein dreimal glückliches Vorrücken unter die Diener Gottes, wollen wir ihm nun auch Johannes anfügen, der ebenso, auch er unfreiwillig, Teil der Gemeinschaft geworden ist, als Lohn der Gemeinschaft die Heilung erntete und nun, wieder als Bruder, im priesterlichen Stand wirkt. Dieser Johannes nun, der Anlass und Grund des vorliegenden Berichts, stammte aus der ägyptischen Stadt Kyno. In beiden Pupillen aber hatte er Leukome. Deren Licht zog sich beim Eindringen der Leukome zurück, da es die Pupillen der Augen nicht zusammen mit den Leukomen zu bewohnen vermag. Denn welche „Gemeinschaft hat Licht mit Finsternis?“, wie auch der göttlich tönende Paulus (2Kor 6,14) fragt. Weder erträgt nämlich das Licht, in Gemeinschaft der Finsternis zu bleiben, noch kann die Finsternis das Licht als Mitbewohner annehmen. Vielmehr haben sie eine in jeder Hinsicht gegensätzliche Natur, auch besitzen sie eine gegensätzliche
= FM 330–333. E, γενόμενοι FM (vgl. GASCOU, Sophrone, 136 Anm. 791).
5.2. Über Johannes, den Subdiakon, der Leukome in beiden Augen hatte (mir. 37) 229
σκότος μὴ βλέπειν, ἢ τὸ φῶς μὴ σκοτίζεσθαι.
§3 Ἰωάννης οὖν ἔχων τοῦ σκότους τὰ αἴτια, τοῦ φωτὸς ἀπετύγχανεν, καὶ τούτου χωρισθεὶς ἐσκοτίζετο 3, καὶ σκοτισθείς τὸ παράπαν οὐκ ἔβλεβεν· ἐν νόσῳ γὰρ τῶν ὀμμάτων γενόμενος, καὶ φωτὸς στερηθεὶς, ὡς προείρηται, ἐπὶ Κῦρον καὶ Ἰωάννην τοὺς μάρτυρας ἤγετο, ἑτέρων ὀφθαλμοῖς ποδηγούμενος· ἐνιαυτοῦ δὲ ἑνὸς διιππεύσαντος, τῆς τῶν ἁγίων ἀρωγῆς ἠξιοῦτο καὶ χάριτος. Οὕτω δὲ τῶν ἁγίων γέγονεν ἡ ἐπίσκεψις· ἐπὶ τῆς στρωμνῆς ὁ Ἰωάννης ἐκάθευδεν, καὶ καθεύδων, ἑαυτὸν ἑστῶτα πρὸ τοῦ τῶν ἁγίων ἔβλεπε μνήματος, καὶ περὶ τῆς τῶν ὀμμάτων ἐδέετο ῥώσεως· καὶ τοῦτο ποιῶν τοὺς ἁγίους ἐδόκει θεάσασθαι ἔμπροσθεν τῆς οἰκείας σοροῦ ἐν πρεσβυτέρων καθημένους μορφαῖς τε καὶ σχήμασιν· οἳ τῶν θρόνων ἀναστάντες, καὶ τῆς χειρὸς τὸν Ἰωάννην λαβόμενοι ἐπὶ τὸ θεῖον θυσιαστήριον ἤγαγον. §4 Καὶ τούτῳ αὐτὸν παραστήσαντες, ἄρτον αὐτῷ προσένεμον ἅγιον ζωοποιὸν Χριστοῦ σῶμα γενόμενον· καὶ μετὰ τὴν τούτου μετάληψιν, ἀπὸ τῆς μυστικῆς πάλιν τραπέζης λαβόντες ποτήριον, θείου πεπληρωμένον ἐπότιζον γάλακτος· ᾧ τάχα καὶ Παῦλος ὁ ἀπόστολος ποτίζειν τοὺς ἐν Χριστῷ νηπιάζοντας ἔγραφε. Μεθ᾿ ἃ τὸν Ἰωάννην ἀπέλυον
Wirkung, sodass die, die die Finsternis haben, nicht sehen, und die, die das Licht haben, nicht verfinstert werden. Weil nun Johannes die Ursachen der Finsternis in sich trug, verfehlte er das Licht. Von diesem getrennt, wurde er verfinstert. Verfinstert sah er überhaupt gar nichts. Er verfiel nämlich einer Augenkrankheit und wurde, wie zuvor gesagt, des Lichts beraubt zu Kyros und Johannes, den Märtyrern, geleitet, von Anderer Augen geführt. Nachdem aber ein Jahr verstrichen war, wurde er der Hilfe und Gnade der Heiligen würdig erachtet. So aber ereignete sich die Visite der Heiligen: Auf seiner Bettstatt schlief Johannes. Schlafend sah er sich selbst vor dem Grab der Heiligen stehen und bat um die Genesung seiner Augen. Dabei meinte er, die Heiligen vor ihrem eigenen Schrein in Gestalt und Gewand von Presbytern sitzen zu sehen. Diese standen von ihren Stühlen auf, nahmen Johannes’ Hand und führten ihn zu dem heiligen Altar. Nachdem sie ihn neben diesen gestellt hatten, teilten sie ihm heiliges, lebendig machender Leib Christi gewordenes Brot aus. Nachdem er es eingenommen hatte, nahmen sie von dem mystischen Tisch nun einen Kelch, mit göttlicher Milch gefüllt, und ließen ihn trinken. (Auch der Apostel Paulus schrieb, dass er die Kinder in Christus stillte: Wahrscheinlich mit dieser.) Hiernach entließen sie Johan-
3 Cj. DUFFY (Observations, 86), vgl. sequestratus tenebras patiebatur L, σκοτισθεὶς ἐχωρίζετο C, E, FM.
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Kapitel 5: Gedeutete Krankheit
τοιοῖσδε αὐτὸν περιφράξαντες ῥήμασιν· Ἰδοὺ τῆς ἀληθινῆς ζωῆς τὴν ὁδὸν, ὦ νεανία, κατέμαθες. Τὸ λοιπὸν οὖν ἐνθάδε τῶν μυστηρίων Χριστοῦ μεταλάμβανε· Θεοδοσίου γὰρ καὶ Σευήρου ὁ Ἰωάννης ὑπῆρχεν ὁμόδοξος, καὶ τούτων τοῦ δόγματος ὑποδιακόνου τάξιν κεκλήρωτο. §5 Ταῦτα καθ᾿ ὕπνους ὁ τέως τυφλὸς θεασάμενος, τὸν μὲν ὕπνον ἀπέβαλε, τὴν δὲ καθ᾿ ὕπνον ἐνεστήριξε μύησιν, θείαν αὐτὴν ὑπολαβών, καὶ τὴν τῶν σωματικῶν ὀφθαλμῶν εἰ τελεσθείη χαριουμένην ἀνάβλεψιν. Ὅθεν ἀναστὰς τῶν μυστηρίων εὐθέως ἔνθα προσετάχθη μετέλαβε, πᾶσαν αὐτοῦ τὴν προτέραν παράδοσιν ἀποθέμενος, καὶ τὸ τῆς ἐκκλησίας ψυχωφελὲς ἀσπασάμενος κήρυγμα· καὶ τοῦτο πεπραχὼς ὡς τεθέπιστο, τριταῖος τὸ φῶς τοῖς ὄμμασιν ἔβλεπεν, τῷ φωτισμῷ τῆς ψυχῆς κατὰ πόδας ἑπόμενον, καὶ γέγονεν ὡς γεγέννητο4, καὶ ἦν ὡς οὐ νοσήσας ποτὲ τὰ τοῦ σώματος ὄμματα.
§6 Ἀλλ᾿ ἐν τούτοις ὄντι καὶ λαμπρότατα βλέποντι, ὁ τῶν καλῶν ἀναιρέτης ἐφθόνησεν, ἀποστερεῖν τε τοῦ διττοῦ τῶν ἁγίων δωρήματος ἔσπευδεν. Καὶ δὴ ἐστέρησεν ὡς ἠβούλετο5· ἀλλὰ πάλιν φανέντες οἱ σωτῆρες διέσωσαν, καὶ τὴν τοῦ μισοκάλου βουλὴν κατεστρέψαντο. Τοῦ γὰρ Ἰωάννου Πατρὸς τελευτήσαντος (Θεόδωρος οὗτος 4 5
nes und stärkten ihn mit folgenden Worten: Siehe, des wahren Lebens Weg, o Jüngling, hast du kennengelernt. Empfange also die Sakramente Christi von nun an hier. Johannes hing nämlich Theodosios und Severos an und hatte in deren Lehre eine Stellung als Subdiakon inne. Als der bis dahin Blinde dies im Schlaf sah, schüttelte er den Schlaf zwar ab, hielt aber die im Schlaf erhaltene Einsicht fest; er hielt sie für göttlich und meinte, dass sie, ausgeführt, die neuerliche Sehkraft seiner körperlichen Augen schenken würde. Deshalb empfing er die Sakramente gleich nach dem Aufstehen, wo es ihm befohlen wurde. Seine ganze frühere Lehre legte er ab und umschlang die seelennützliche Verkündigung der Kirche. Als er dies wie aufgetragen getan hatte, sah er am dritten Tag das Licht mit seinen Augen, das der Erleuchtung der Seele auf dem Fuße folgte. Er wurde, wie er geboren war, und war, als ob er niemals an den körperlichen Augen erkrankt wäre. Doch als er sich in diesem Zustand befand und glänzend sah, wurde der Vernichter des Guten missgünstig und sputete sich, die doppelte Gabe der Heiligen zu rauben. Und natürlich raubte er sie, wie er es wollte. Aber wiederum erschienen die Retter, retteten ihn und durchkreuzten den Plan des Hassers des Guten. Johannes’ Vater Petros war nämlich gestorben.
Cj. GASCOU (Sophrone, 138 Anm. 800), vgl. sicut natus est L, γεγένητο C, E, FM. C, ἐβούλετο E, FM (DUFFY Readings, 174).
5.2. Über Johannes, den Subdiakon, der Leukome in beiden Augen hatte (mir. 37) 231
ἐλέγετο καὶ διάκονος τῆς λεχθείσης ὑπῆρχεν αἱρέσεως), ἀφικνοῦνταί τινες πρὸς γένος αὐτῷ πλησιάζοντες6, καὶ ἀναστρέφειν οἴκαδε πείθουσιν, διάκονον ποεῖν ἀντὶ τοῦ Πατρὸς ὑποσχόμενοι. §7 Καὶ δὴ λαβόντες τὸν νέον ἀπῄεσαν, τῆς τῶν ἁγίων ἐντολῆς παντελῶς ἐκλαθόμενον. Ὡς δὲ πλησίον τῆς Κυνῶ τὸν Ἰωάννην οἱ λαβόντες γεγόνασιν, καὶ σημεῖον ἓν καὶ μόνον ἀπεῖχον τῆς πόλεως, καταλαβόντες οἱ μάρτυρες ὀφθαλμοφανῶς Ἰωάννου τὰς ὄψεις ῥαπίζουσιν, καὶ τὸ φῶς ἀφαιροῦνται ὅπερ δεδώκασιν, καὶ τὸ σκότος ἐνδύουσιν ὅπερ ἀφελόντες ἐτύγχανον. Ἐν τούτῳ δὲ κακοῦ Ἰωάννης γενόμενος, ἔγνω τὸ αἴτιον, καὶ γνοὺς μετενόησεν, καὶ μεταγνοὺς ἔτυχε συγχωρήσεως, καὶ συγγνώμης τυχὼν διωρθώσαντο, καὶ διορθωσάμενος πάλιν ἀνέβλεψεν, καὶ ἀναβλέψας δουλεύει τοῖς μάρτυσι, καὶ7 δουλεύων ἀποδοχῆς ἠξιώθη φιλόφρονος, καὶ ταύτης ἀξιωθεὶς εἰς τὸν τῆς ἐκκλησίας κλῆρον προέκοψε· τότε δὲ λαβὼν τὸ φιλάνθρωπον ῥάπισμα, καὶ τυφλὸς ὡς τὸ πρῶτον γενόμενος, πάλιν ὑπέστρεφε καὶ τῆς ποθουμένης πόλεως ἀπηρνεῖτο τὴν εἴσοδον, τῶν ἁγίων εἰδὼς τὴν συμπάθειαν, καὶ ὡς ἐπιστρέφοντα δέξονται καὶ θεραπεύσουσιν πρὸς σωτηρίαν παιδεύσαντες.
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(Theodoros hieß dieser und war Diakon der besagten Häresie.) Einige ihm nahe Verwandte kamen und überredeten ihn, nach Hause zurückzukehren: Sie boten ihm an, ihn zum Diakon anstelle seines Vaters zu machen. Und dann nahmen sie den Jungen und gingen fort; das Gebot der Heiligen hatte er gänzlich vergessen. Als aber die, die Johannes fortgenommen hatten, in die Nähe von Kyno gelangt und nur noch einen Wegstein von der Stadt entfernt waren, packten die Märtyrer Johannes augenfällig und schlugen ihm ins Gesicht: Das Licht, das sie gegeben hatten, nahmen sie und hüllten ihn in Finsternis, die sie zuvor genommen hatten. In diesen üblen Zustand geraten, erkannte Johannes die Ursache. Sie erkennend, kehrte er um, umkehrend, erlangte er Vergebung, Verzeihung erlangend, besserte er sich, sich gebessert habend, sah er wieder, wieder sehend, diente er den Märtyrern, dienend, wurde er freundlicher Aufnahme gewürdigt, dieser gewürdigt, rückte er in den Klerus der Kirche auf. Als er nämlich die menschenfreundliche Ohrfeige bekam und von neuem erblindete, machte er kehrt und verweigerte den Einzug in die ersehnte Stadt, weil er das Mitgefühl der Heiligen kannte und wusste, dass sie ihn, wenn er umkehrte, aufnehmen und heilen würden, nachdem sie ihn zur Rettung gezüchtigt hatten.
Del. τῶν DUFFY (Observations, 86), vgl. veniunt quidam illius secundum genus propinqui L, ἀφικνοῦνταί τινες τῶν πρὸς γένος αὐτῷ πλησιάζοντες C, ἀφικνοῦνταί τινες τῶν πρὸς γένος αὐτῷ πλησιαζόντων E, FM. 7 C, vgl. et serviens L, om. E, FM (DUFFY, Readings, 174).
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§8 Ἀμέλει κατ᾿ ἐκείνην τὴν νύκταν κοιμώμενος ἔβλεπε, μᾶλλον δὲ ἐπεὶ μὴ ἔβλεβεν, ἤκουεν· Θᾶττον ὑπόστρεψον, καὶ θεράπευε τεθυμωμένους τοὺς μάρτυρας, τούτους τῷ τοῦ οἰκονομοῦντος τὸ τέμενος, Χριστόδωρος ἦν ὁ θαυμάσιος, δηλώσαν ὀνόματι.8 Ἀληθὲς δὲ καὶ οὕτως ἦν τὸ ἐνύπνιον, τοῦτο τάχα τῶν ἁγίων κατὰ θείαν ἐργασαμένων διοίκησιν· ὅτι χωρὶς τῆς Χριστοδώρου, φησίν, ἐπιτροπῆς ἀνεχώρησεν· ὅθεν ἐλθόντα τὸν Ἰωάννην οὔτε ἰδεῖν οὔτε τοῖς ἀνὰ τὸν σηκὸν ἀσθενοῦσιν συναριθμεῖσθαι9 τεθέληκεν, ἀλλ᾿ ἐν τῷ σεπτῷ τοῦ τεμένους ἱερατείῳ κατέκειτο, ἔνθα καὶ πάντες οἱ ξενιζόμενοι μένουσιν, τόπον ἕτερον διὰ τὸν ἐνόντα τῶν νοσούντων λεὼν μὴ εὑρίσκοντες. §9 Ἐν τούτῳ γοῦν Ἰωάννης ἡμέρας τρεῖς κατακείμενος, καὶ τόπον ἀσθενοῦντος οὐ λαβών, ὡς δεδήλωται, τῆς τῶν μαρτύρων τοῦτο διοικουμένης χαριεστάτης δυνάμεως, μετὰ τὰς τρεῖς ὡς ἐκάθευδε, διάκονον ὁρᾷ κατὰ τόπον ἑστῶτα τοῦ ἄμβωνος, καὶ τῶν σεπτῶν Εὐαγγελίων τὰς βίβλους βαστάζοντα, καὶ μεγαλοφώνως εὐαγγελιζόμενον. Τοῦτο δὲ ἦν ὅπερ 8
Und tatsächlich sah er, während er in jener Nacht schlief – besser: hörte er, weil er ja nicht sah: „Kehre geschwind um und sorge dich um die wütenden Märtyrer!“ Diese Worte offenbarte er, indem sie sich als der Verwalter ihrer Anlage ausgaben; Christodoros war der bewundernswerte. Wahrhaftig war der Traum aber auch so. Vielleicht gestalteten ihn die Heiligen einem göttlichen Plan folgend, hatte er sich doch dem Vernehmen nach ohne Christodoros’ Erlaubnis entfernt. Deshalb wollte er Johannes bei seiner Ankunft weder sehen noch zu den Kranken im Heiligtum rechnen. Johannes ließ sich also im verehrungswürdigen Hierateion der Anlage nieder. Dort verweilten auch alle Gäste, die wegen der Massen von Kranken keinen anderen Platz finden konnten. Hier lag Johannes nun drei Tage lang darnieder, ohne, wie deutlich wurde, den Platz eines Kranken einzunehmen. Die überaus gnadenreiche Macht der Märtyrer hatte dies eingerichtet. Nach drei Tagen sah er im Schlaf einen Diakon an der Stelle des Ambos stehen, die Bücher der ehrwürdigen Evangelien halten und mit lauter Stimme das Evangelium lesen. Das aber, was die Erscheinung aus dem
Der Teilsatz τούτους ... ὀνόματι stellt vor gleich mehrere Schwierigkeiten, zu deren Lösung quos dispensantis templum Christodori scilicet illius mirabilis insinuabat vocabulo L nicht beiträgt: Zum einen ist unklar, worauf sich τούς bezieht, zum anderen kann Johannes dem Sinn nach nicht Subjekt von δηλώσας sein. Auf GASCOU wirkt schließlich auch Χριστόδωρος ἦν ὁ θαυμάσιος wie eine „glosse ancienne“. Er schlägt vor, τῷ (sc. ὀνόματι) statt τούς und δηλῶσαν statt δηλώσας C, E, FM zu lesen. Subjekt wäre dann das Traumgeschehen insgesamt (Sophrone, 139 Anm. 805). 9 Cj. DUFFY (Readings, 174) ex L connumerare, om. C. Der von Mai edierte Text weist an dieser Stelle eine Lücke auf; die PG ergänzt συντάττεσθαι, was FM übernimmt.
5.2. Über Johannes, den Subdiakon, der Leukome in beiden Augen hatte (mir. 37) 233
τοῦ κατὰ Ματθαῖον Εὐαγγελίου ὁ φανεὶς ἀνεγίνωσκεν, ἡ τοῦ Σωτῆρος πρὸς Ἰωάννην τὸν Βαπτιστὴν διὰ τῶν οἰκείων μαθητῶν ἐρωτήσαντα, Σὺ εἶ ὁ ἐρχόμενος, ἢ ἕτερον προσδοκῶμεν; ἀπόκρισις. Καὶ ἀποκριθεὶς ὁ Ἰησοῦς εἶπεν αὐτοῖς· Πορευθέντες ἀπαγγείλατε τῷ Ἰωάννῃ ἃ ἀκούετε καὶ βλέπετε· τυφλοὶ ἀναβλέπουσιν, λεπροὶ καθαρίζονται, χωλοὶ περιπατοῦσιν, καὶ κωφοὶ ἀκούουσιν. §10 Τούτων ἀκροατὴς τῶν ῥημάτων Ἰωάννης καθ᾿ ὕπνους γενόμενος, εὐθέως ἀνίσταται σὺν τῷ ὕπνῳ τὴν τύφλωσιν ἀποθέμενος· ἀναβλέψας γὰρ τοῖς τοῦ σώματος ὄμμασιν, τὸ φέγγος ὁρᾷ νεωστὶ τοῦ ἡλίου γενόμενον (ὄρθρος γὰρ ἦν)· καὶ τότε μετὰ τὴν τῆς νυκτὸς ἀναχώρησιν, ἡλιακαῖς ἀκτῖσιν ὁ ἀὴρ10 ἐλευκαίνετο, ὅτε καὶ Ἰωάννης τῆς σωτηρίου φωνῆς λεγούσης ἀκροασάμενος, ὡς11 Τυφλοὶ ἀναβλέπουσιν, ἀθρόως ἀνέβλεψε, πίστει προφωτισθεὶς τὴν ψυχὴν καὶ φωτεινὰ προκτησάμενος12 ταύτης τὰ ὄμματα· οὐδέπω δὲ τελείαν τὴν ῥῶσιν ὡς τὸ πρῶτον ἐδέξατο, ἀλλὰ μένει13 φέρων ἐν τοῖς ὄμμασι τῆς τοιαύτης ἀγνωμοσύνης τὸν ὠφέλιμον ἔλεγχον, ἵνα τοῦτον ἄλλοι θεώμενοι, ἑαυτῶν ἀσφαλέστεροι γίγνοιντο. Ἡμεῖς δὲ καὶ ταύτης τῆς παντωφελοῦς παιδεύσεως ἕνεκα
10
Evangelium nach Matthäus las, war die Antwort des Erlösers an Johannes den Täufer, der durch seine eigenen Schüler gefragt hatte: „Bist du der, der da kommt oder sollen wir einen anderen erwarten? – Und Jesus antworte und sagte ihnen: Geht und verkündet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen, Aussätzige werden rein, Lahme gehen und Taube hören“ (Mt 11,3–5). Als Johannes diese Worte im Schlaf gehört hatte, stand er sofort auf und legte zusammen mit dem Schlaf die Blindheit ab. Als er nämlich wieder mit den Augen seines Körpers sah, sah er neu den Glanz der Sonne aufgekommen; der Morgen brach gerade an. Und dann, nach dem Rückzug der Nacht, wurde die Luft von Sonnenstrahlen erhellt. Als Johannes die Stimme des Erlösers sagen hörte, dass Blinde sehen, sah er plötzlich wieder, nachdem er zuvor durch Glauben in seiner Seele erleuchtet wurde und zuvor deren leuchtende Augen erworben hatte. Aber nie erlangte er die Heilung vollkommen wie zuvor, sondern blieb mit dem nützlichen Beweis einer solchen Undankbarkeit in den Augen zurück, damit andere diesen sehen und sicherer werden als zuvor. Wir aber wollen die Heiligen auch dieser gänzlich nützlichen Züchtigung
C, ἀνήρ E, FM (DUFFY, Readings, 174). C, om. E, FM (DUFFY, Readings, 174). 12 Cj. DUFFY (Observations, 86), vgl. et prius illuminatis hujus possessis optutibus L, προσκτησάμενος C, E, FM. 13 Cj. DUFFY (Observations, 86), vgl. sed manet L, μόνον C, E, FM. 11
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Kapitel 5: Gedeutete Krankheit
τοὺς ἁγίους14 τοῖς ὕμνοις ὑμνήσαντες, ἄλλης αὐτῶν παιδευτικῆς θαυματουργίας ἁψώμεθα.
wegen mit Hymnen preisen und uns einem anderen von ihnen vollbrachten, züchtigenden Wunder zuwenden.
5.2.3 Kommentar Überschrift Der Protagonist dieses Wunderberichts ist der vierte, der den Namen Johannes trägt (mir. 15, 17, 40, 69). Sophronios misst ihm allerdings keine besondere Bedeutung bei. Johannes war Subdiakon, hat also die höchste der niederen Weihen empfangen.15 Dieses Amt bekleidete er bereits „in deren (sc. Theodosios’ und Severos’) Lehre“ (§4). Dass er es auch nach seiner Bekehrung in der katholischen Kirche innehatte, bestätigt der Text zwar nicht explizit: In §7 heißt es nur, dass er „in den Klerus der Kirche“ aufrückte. Wahrscheinlich ist dies aber schon wegen der in §1 gezogenen Parallele von Theodoros (mir. 36) und Johannes. Des Weiteren erfahren wir, dass Johannes – wie die Protagonisten der mir. 2, 38 und 47 – unter einem Leukom leidet. In allen vier Fällen sind beide Augen betroffen und der jeweilige Protagonist erblindet: In den mir. 37 und 38 werden Ärzte überhaupt nicht erwähnt. In dem kurzen mir. 2 findet sich nur der pauschale, von Ärzten gegebene Hinweis, Theodoros’ Leiden sei nicht heilbar. In mir. 47 versucht sich ein „fähiger Arzt“16 an der Behandlung. Er verschlimmert das Leiden allerdings nur noch. Die Märtyrerheiligen wiederum verordnen Theodoros in mir. 2, er solle zu ihrer Quelle gehen und sich waschen. Patrikios, von dem mir. 47 berichtet, solle in ein Badehaus gehen und sich die Augen mit ungelöschtem Kalk einreiben. Hieraufhin lösen sich die Leukome von den Augen. Theodoros zeigt sie sogar in einem Tuch liegend herum.17 Diese Vorstellung ist so absurd nicht, sieht die durch das Leukom eingetrübte Linse doch tatsächlich so aus, als habe sich ein Film über sie gelegt. In mir. 37 beschreibt Sophronios die Heilung nicht; in mir. 38 erwähnt er immerhin das Heilmittel: Endiviensaft. §1 Sophronios verknüpft den nun beginnenden Bericht mit dem vorangegangenen, weil sich das Berichtete ähnelt: Wie Theodor wurde auch Johannes 14
C, om. E, FM (DUFFY, Readings, 175). Zu Funktion und Bedeutung des Amtes ausführlich: WIPSZYCKA, Ordres mineurs, bes. 233–237. 16 εὐφυὴς ἰατρός (47,1,11 [353 FM]). 17 καὶ τὰς ὄψεις ἐν τούτῳ (sc. τῷ ῥείθρῳ) νιψάμενος, καὶ ταύτας εἴς τι φακιόλιον ἐκμαξάμενος ἔβλεψεν, σὺν τῇ τῶν ὑδάτων ὑγρότητι, καὶ τῶν ὀφθαλμῶν ἀποβαλὼν τὰ λευκώματα. Ἅπερ τῶν ὀμμάτων … κἂν τῷ φακιολίῳ τυγχάνοντα, πᾶσιν εἰσδραμὼν τοῖς ἀνὰ τὸν νεὼν εὑρεθεῖσιν ὑπέδειξεν (2,4,2–6 [247 FM]). 15
5.2. Über Johannes, den Subdiakon, der Leukome in beiden Augen hatte (mir. 37) 235
„unfreiwillig Teil der Gemeinschaft“, erlangte „als Lohn der Gemeinschaft die Heilung“ und dient „nun … im priesterlichen Stand“. Der beiläufig eingestreute Hinweis, dass Johannes nun wieder „Bruder“ sei, ist wohl auf Theodoros zu beziehen und als weiterer Hinweis auf die innere Einheit beider Berichte zu verstehen: Johannes und Theodoros waren als Häretiker Geschwister. Nachdem erst der eine, dann der andere der Häresie den Rücken zugekehrt hat und in den Dienst der Kirche eingetreten ist, sind sie nun wieder Brüder im Dienst der Kirche. Die Rückschau auf den vorangegangenen Bericht und die Vorschau auf den nun folgenden stellen nicht nur den Zwang heraus, den es bedurfte, sondern verweisen auch auf den glücklichen Ausgang, den beide Berichte letztlich nehmen. Dennoch setzen sie durchaus unterschiedliche Akzente: So erwähnt Sophronios zwar Theodoros’ Krankheit, nicht aber dessen Genesung. Johannes’ Erkrankung wiederum erwähnt er nicht, nur dessen Heilung. Zudem fällt der Hinweis darauf kürzer aus, dass sich Johannes der Gemeinschaft unfreiwillig anschloss. Dieses Moment tritt hierdurch etwas in den Hintergrund. Mit Blick auf den weiteren Berichtsverlauf wäre dies nur konsequent, betont dieser Bericht die Eigenaktivität und -verantwortlichkeit des Johannes stärker als mir. 36. Dass Johannes die Heilung als Lohn der Gemeinschaft „für sich erntet“ (δρεψάμενον), erhärtet dieses Verdachtsmoment. Zudem dürfte es mit Blick auf den weiteren Berichtsverlauf kein Zufall sein, dass Sophronios die Wörter κοινωνικός bzw. κοινωνία wählt: Positiv formuliert ist es die Zugehörigkeit zum Licht, negativ die Unmöglichkeit der Gemeinschaft von Licht und Finsternis, die Gegenstand der nun folgenden Ausführungen sein werden. §2 Auf die Einleitung, die den weiteren Berichtsverlauf wie eine Zusammenfassung vorwegnimmt, folgt nun die Vorstellung des Protagonisten Johannes, „Anlass und Grund des vorliegenden Berichts“, der aus der ägyptischen Stadt Kyno, dem heutigen Banā, stammt. 18 Die Beschreibung seiner Krankheit fällt recht kurz aus und konzentriert sich auf deren Wirkungen, und nicht auf deren Symptome oder ähnliches: „In beiden Pupillen“ hat Johannes „Leukome …, deren Licht (sich) infolge der Angriffe der Leukome“ zurückzieht, weil es „die Pupillen der Augen“ schlicht nicht zusammen mit den Leukomen bewohnen könne. Mit anderen Worten: Johannes erblindet. Dass Sophronios Licht und Leukomen eine Eigenaktivität zuschreibt, ist für ihn nichts Ungewöhnliches. Insbesondere die Aggressivität, die die Leukome an den Tag legen, erweist sich als eine typische Eigenschaft von
18
Vgl. GASCOU, Sophrone, 136 Anm. 792.
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Krankheit: Auch hier greift Sophronios zur Charakterisierung auf das Bild des Krieges (ταῖς τῶν λευκωμάτων εἰσβολαῖς) zurück.19 Einen spezifischen medizinischen Hintergrund setzt Sophronios offensichtlich nicht voraus: Ärzte werden in diesem Wunderbericht mit keinem Wort erwähnt und auch spezifisch medizinische Begriffe fehlen weitgehend.20 Selbst die Bezeichnung der Leukome als Augenkrankheit (νόσος τῶν ὀμμάτων) folgt erst im folgenden Paragraphen. In diese Richtung, dass Sophronios keinen spezifischen medizinischen Hintergrund vor Augen hat, weist bereits die eigenartig anmutende Wendung „Pupillen der Augen“ (κόραι τῶν ὀφθαλμῶν): Sie ist im medizinischen Schrifttum ausgesprochen selten zu finden, begegnet dafür aber in der theologischen Literatur umso häufiger, ist diese Wendung doch in der Septuaginta gleich sechs Mal belegt. Dort umschreibt sie in pleonastischer Art und Weise das „Auge“ (3Makk 5,47; Spr 30,17; Sach 2,12) oder aber – und dies trägt einen neuen Aspekt zur Interpretation des Wunderberichts bei – den sprichwörtlich zu behütenden „Augapfel“ (Dtn 32,10 = OdSal 2,10; Ps 16[17],8). Die recht kurze Beschreibung von Johannes’ Erblindung zielt also nicht so sehr darauf ab, das Geschehen in möglichst genauer, medizinisch akkurater Weise zu schildern. Vielmehr bereitet sie die folgende Meditation der an das Apostelwort τίς κοινωνία φωτὶ πρὸς σκότος (2Kor 6,14) angelehnten Frage ποία γὰρ κοινωνία φωτὶ πρὸς σκότος vor, die sich bis in den folgenden Paragraphen hinein erstreckt. Die Frage des Apostels zu beantworten, bleibt, wie bei rhetorischen Fragen üblich, dem Leser überlassen. Sophronios begnügt sich damit, die implizierte Antwort zu begründen: Weder Licht noch Finsternis (οὔτε ... τὸ φῶς ..., οὔτε τὸ σκότος ...) könne mit dem je anderen zugleich bestehen. Vielmehr (ἀλλ᾿) seien ihre Natur (φύσις) und auch ihre Wirkweise (ἐνέργεια) gegensätzlich; offenbar ist dies auch der Grund, warum beide nicht zusammen bestehen können. Allgemein folgt daraus jedenfalls, dass die, die das Licht haben, nicht verfinstert werden, und umgekehrt die, die die Finsternis haben, nicht sehen. Folgt man dem Textzusammenhang, liegt es nahe, Sophronios’ Ausführungen über den fundamentalen Gegensatz von φῶς und σκότος und deren Unvereinbarkeit auf das Augenlicht und dessen Rückzug zu beziehen; die Parallelität der beiden Aussagen ὡς μὴ δυνάμενον κόρας ὀφθαλμῶν 19
Vgl. Kap. 3.3.3, S. 103. Nicht spezifisch medizinische, aber auch medizinische Begriffe begegnen hingegen schon, bleiben aber in ihrer Anzahl überschaubar. Zu nennen sind: νόσος (§1), ρῶσις (§1.3.10), κόραι, λευκώματα (§2), νόσος τῶν ὀμμάτων (§3), νοσέω (§5.8), ἀσθενέω (§8.9), τύφλωσις, σῶμα, ὄμμα (§10), weitere Belege ergeben sich durch das Zitat von Mt 11,3–5 in §9 und dessen Wiederaufnahme in §10. 20
5.2. Über Johannes, den Subdiakon, der Leukome in beiden Augen hatte (mir. 37) 237
συνοικεῖν τοῖς λευκώμασιν und οὔτε τὸ σκότος σύνοικον τὸ φῶς παραδέξασθαι δύναται stützt diese Deutung. Eine weitere Deutungsmöglichkeit eröffnet der Begriff κοινωνία, der bereits in §1 begegnet und dort die Kirchengemeinschaft bezeichnet: Licht als Sinnbild für Wahrheit und Rechtgläubigkeit, Finsternis als Versinnbildlichung von Irrtum und Häresie.21 In diese Richtung weist möglicherweise auch die Wahl der Begriffe φύσις und ἐνέργεια, deren Zuordnung zentrales Thema der Auseinandersetzung um die „richtige“ Interpretation des Chalkedonense in der beginnenden miaenergistischen Debatte über die Frage war, ob die menschliche eine gegenüber der göttlichen eigenständige Wirkweise habe. Aber schon weil sich Sophronios erst deutlich später aktiv in letztere einschaltet, sollte diese mögliche Anspielung nicht überbewertet werden.22 §3 Den allgemein gehaltenen Überlegungen über das Verhältnis von Licht und Finsternis folgt in §3 nun die Anwendung auf Johannes’ Fall. Der Sprachduktus ändert sich nicht. Auch die Anwendung ist voller abstrakter Begriffe („Ursachen der Finsternis“) und Aussagen, deren genauer Gehalt schwer greifbar bleibt („verfehlte er das Licht“, „wurde er verfinstert“). Sie ist zudem ähnlich ambivalent wie die zuvor angestellten allgemeinen Überlegungen. Die Aussagen über Licht und Finsternis können sich sowohl auf Johannes’ Blindheit als auch auf die noch fehlende Gemeinschaft mit der Kirche beziehen. Erst jetzt wird der eigentliche Wunderbericht mit dem Hinweis darauf wiederaufgenommen, dass Johannes eine „Augenkrankheit erlitt“; der Anschluss ist durch ὡς προείρηται recht deutlich markiert. Obwohl nun sein Augenleiden im Vordergrund zu stehen scheint, wird die Spannung der Ambivalenz doch aufrechterhalten: φωτὸς στερηθείς und andere Kombinationen von φωτός mit einer Passivform von στερέω begegnen ausschließlich in der theologischen Literatur und dürften wohl auf SapSal 18,4a zurückzuführen sein: ἄξιοι μὲν γὰρ ἐκεῖνοι στερηθῆναι φωτὸς καὶ φυλακισθῆναι σκότει. In diesem Zustand wird Johannes nun zu den Märtyrern Kyros und Johannes geführt, und zwar, da Johannes den Weg selbst nicht gefunden hätte, mit „Anderer Augen“ (ἑτέρων ὀφθαλμοῖς). Auch diese Aussage ist doppeldeutig. Jedenfalls ist es auffällig, dass kein Beweggrund angeführt wird, weshalb 21 Licht und Finsternis einander in dieser Weise gegenüberzustellen und in ihrer Bedeutung zu übertragen, darf indes als gemein spätantikes Gedankengut betrachtet werden. Eine erste Orientierung und Hinweise auf weiterführende Literatur gibt WALLRAFF, Licht, 100– 137. 22 Über Leben und Wirken des späteren Patriarchen von Jerusalem infomiert SCHÖNBORN, Sophrone, bes. 53–98 und 119–238. Die Entwicklung der auf Chalkedon folgenden christologischen Diskussion bis 680/81 zeichnet LANGE, Energeia, nach. Zu Sophronios in dieser Auseinandersetzung, vgl. ebd., 601–606.
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sich Johannes nun den beiden Märtyrern zuwendet: Weder wird auf die Märtyrer als ‚letzte Hoffnung’ verwiesen, noch auf sein Vertrauen in ihre Fähigkeiten, das Johannes ihnen ein Jahr später entgegenbringen wird. Der Bericht bricht hier ab und setzt erst wieder ein, nachdem ein Jahr verstrichen ist und Johannes „der Hilfe und Gnade der Heiligen gewürdigt“ wurde. Die nun folgende, als solche angekündigte Schilderung der „Visite“ (ἐπίσκεψις) erstreckt sich bis zum Ende des folgenden Paragraphen. Wiederum erfahren wir über die Umstände nicht viel, nur dass Johannes wohl des Nachts auf seiner Bettstatt liegt und schläft. In der Nacht träumt er, bzw. quellsprachlich ausgedrückt: „sah er sich selbst vor dem Grab der Heiligen stehen“ (ἑαυτὸν ἑστῶτα πρὸ τοῦ τῶν ἁγίων ἔβλεπε μνήματος) und bittet um die Genesung seiner Augen (τῆς τῶν ὀμμάτων ἐδέετο ῥώσεως).“ Bemerken wir, wie schnell der Traum zumindest grammatisch real wird: Intentionales Objekt von ἔβλεπε ist allein der Sachverhalt, dass Johannes vor dem Märtyrergrab steht. Schon sein Bitten ist nicht mehr von ἔβλεπε abhängig. Ein letztes Anzeichen von Unsicherheit über den ontologischen Status des Erlebten trägt ἐδόκει ein, ansonsten aber wird der Traum als tatsächliches Erleben geschildert. Die beiden Heiligen, die Johannes „vor ihrem eigenen Schrein in Form und Gestalt von Presbytern sitzen zu sehen“ meint, stehen von ihren Stühlen auf, nehmen Johannes’ Hand und führen ihn zu dem heiligen Altar. Sophronios wählt diese Traumsituation sicher nicht zufällig: Den Märtyrerheiligen geht es erklärtermaßen darum, Johannes zu seinem eigenen Heil zu führen. Hierzu muss er sich allerdings der Kirche anschließen, als deren Würdenträger die Märtyrerheiligen Johannes im Traum auch erscheinen. Damit ist die Doppelfunktion der Kirche benannt: Sie sorgt sich um Menschen wie Johannes und markiert zugleich den Ausweg aus seinem Leiden. §4 Nachdem die beiden Märtyrer Johannes zum Altar geführt haben, „teilen sie ihm Brot aus, das heiliger, lebendig machender Leib Christi geworden war.“ Danach reichen sie ihm den Kelch, der ebenfalls auf dem Altar, dem „mystischen Tisch“ steht. Dieser ist nun aber nicht mit Wasser und Wein, Christi Blut, gefüllt ist, sondern mit „göttlicher Milch“. Abendmahlsszenen begegnen in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes des Öfteren, und zwar ausschließlich in Berichten, die von Häretiker handeln (mir. 12 und 36–39) oder einen Frevel illustrieren (mir. 31 und 32). Gleichwohl verfremdet Sophronios das Geschehen: Die Märtyrerheiligen reichen Johannes nämlich nicht Brot und Wein, sondern Brot und Milch. Eine möglicherweise von Sophronios stammende Glosse erläutert dieses ungewöhnliche Element: Bei dieser Milch handelt es sich wohl um die, die der Apostel Paulus seinen geistlichen Kindern zu trinken gab, die wie Säuglinge feste Speisen noch nicht zu sich nehmen können (1Kor 3,2; 1Petr 2,2; Hebr 5,12f). Möglicherweise spielt Sophronios auch auf einen ägyptischen
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Taufritus an: Nach der Taufe kommunizieren die Täuflinge mit Brot und Wein. Dann, im Anschluss, wird ihnen ein Kelch mit Milch und Honig gereicht, den sie ebenfalls trinken.23 Vor diesem Hintergrund dürfte es kein Zufall sein, dass die Märtyrerheiligen Johannes direkt im Anschluss als „Jüngling“ (ὦ νεανία) ansprechen. Die beiden Heiligen entlassen (ἀπέλυον) Johannes – man beachte weiterhin den technischen Sprachgebrauch –, „nachdem sie ihn mit folgenden Worten gestärkt hatten (περιφράξαντες): Siehe, des wahren Lebens Weg, o Jüngling, hast du kennengelernt.“ Daraus ergibt sich die weitergehende Forderung der Märtyrer, Johannes solle von nun an auch hier die Sakramente Christi empfangen (Τὸ λοιπὸν οὖν ἐνθάδε τῶν μυστηρίων Χριστοῦ μεταλάμβανε). Dass Johannes die Sakramente ausgegeben werden und er ihrer teilhaftig wird, markiert den entscheidenden Wendepunkt: Johannes steht nun wieder in Kommunion mit der Kirche, er hat sich bekehrt. Die Märtyrer haben ihm „des wahren Lebens Weg“ gezeigt (Ἰδοὺ τῆς ἀληθινῆς ζωῆς τὴν ὁδὸν, ὦ νεανία, κατέμαθες).24 Nun ist es an ihm, ihn zu gehen. Sogleich wird auch der Hintergrund der Ermahnung erläutert, der allerdings dem geneigten Leser nicht neu ist: Die Vorwegnahme von Informationen mit anschließender Wiederholung ist ein Sophronios teures Stilmittel, das er auch hier gebraucht und dessen Wirkung sich hier gut aufzeigen lässt. Zwar könnte man vermuten, dass der Spannungsbogen durch die Vorwegnahme von Informationen nicht gehalten wird, tatsächlich werden aber nur einige Informationen vorweggenommen. So berichtet §1 nur, dass sich Johannes wie Theodoros der Kirche unfreiwillig anschloss. Hier erfahren wir nun zusätzlich, dass er Anhänger von Theodosios und Severos war25 und in deren Lehre den Rang eines Subdiakons bekleidete. In den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes hat die Prolepse also, allgemeiner gesprochen, eine doppelte Funktion: Einerseits orientiert sie den Leser bzw. Zuhörer, dem es nun möglich ist, den Spannungsbogen des Berichts mitnachzuvollziehen. Andererseits verschiebt sich durch sie der Schwerpunkt vom bloßen Berichtsinhalt, vom Was?, auf die Art und Weise, wie erzählt wird.
23
Hippol. can. 19 (PO 31,2,382–385 COQUIN). Vgl. GASCOU, Sophrone, 137 Anm. 796. Die göttliche Milch als Sprachbild für den Wein zu verstehen (so CSEPREGI, Mysteries, 110) greift jedenfalls zu kurz. 24 Der Ausspruch der Märtyrer lehnt sich in Sprachgebrauch und Motivik an das biblische Vorbild an, insbesondere die Nähe zu Joh 14,6 ist kaum zu übersehen: ἐγώ εἰμι ἡ ὁδὸς καὶ ἡ ἀλήθεια καὶ ἡ ζωή. 25 Vgl. S. 230, Anm. 37.
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Es ist durchaus bemerkenswert, dass sich Sophronios nicht mit der Auseinandersetzung mit tatsächlichen oder vermeintlichen Lehrunterschieden aufhält.26 Sein eigentliches Argument ist ein institutionelles: Weil er der Kirche angehört, ist er im Recht. Sophronios hält fest, dass Johannes Theodosios und Severos gleichgesinnt bzw., wie man auch übersetzen könnte, deren Anhänger war und in deren Lehre das Amt eines Subdiakons bekleidete. Eine der Kirche vergleichbare Institution setzt also auch Sophronios voraus. Gleichwohl vermeidet er es, näher auf diese einzugehen. Selbst die Aussage, Johannes habe die Stellung eines Subdiakons innegehabt, wird durch das vorangestellte τούτων τοῦ δόγματος gleich doppelt relativiert. Zum einen wird deutlich, dass es sich um eine Partikularlehre handelt, die nicht die der Orthodoxie ist – entsprechend ist Johannes zwar Subdiakon, aber eben nur in deren Lehre. Zum anderen ist δόγμα als Begriff für die Umschreibung einer bestimmten Institution zumindest ungewöhnlich,27 könnte dahingehend verstanden werden, dass der Gruppe, der Johannes angehört, das stabile institutionelle Element streitig gemacht werden soll. Auch ohne auf die Fundamentalunterscheidung von Licht und Finsternis zurückzukommen, wird auf diese Weise der Unterschied zwischen einer wie auch immer gearteten häretischen Gruppe und der Kirche deutlich. Mit anderen Worten: Es gibt nur die eine Kirche. §5 In der Traumvision selbst tritt Johannes nur zu Beginn als handelnde Person in Erscheinung; allein dass er vor dem Grab der Heiligen steht und dort um die Genesung seiner Augen bittet, wird ihm zugeschrieben. In ihrem weiteren Verlauf tritt seine Aktivität vollends hinter die der Märtyrer zurück. Dies ändert sich erst, als er aus dem Schlaf erwacht. Dabei ist die Wendung ταῦτα κατ᾿ ὕπνους ... θεασάμενος, τὸν ... ὕπνον ἀπέβαλεν wohl nicht so zu verstehen, als wäre das Gesehene für sein Erwachen unmittelbar ursächlich. Mit dem Erwachen erlangt Johannes zugleich seine Aktivität: Er „schüttel(t) … den Schlaf ab und sicher(t) die im Schlaf offenbarte Anleitung“, leistet dieser also insofern bereits Folge, als das Festigen seiner Umkehr eine der Forderungen der Märtyrer darstellt. Dass Johannes der Traumvision solche Bedeutung zumisst, liegt darin begründet, dass er die ihm offenbarte Anleitung (τὴν ... καθ᾿ ὕπνον ... μύησιν) für göttlich hält, also für authentisch, vertrauenswürdig und wirksam. Tat26
Dies zeigt sich auch daran, dass Sophronios sich mit polemischen Diskreditierungen auffällig zurückhält. Selbst der Ausdruck ὁμοδόξος impliziert keine Wertung, gebraucht Sophronios ihn doch, um Übereinstimmung mit „richtigen“ wie auch „falschen“ Glaubensüberzeugungen festzuhalten. 27 In dieser Bedeutung ist δόγμα in LSJ und PGL nicht belegt. Am nächsten kommen der Bedeutung, die das Wort an dieser Stelle hat, noch „system of belief, religion, creed“ (PGL s.v., C, 377).
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sächlich verspricht er sich von ihrer Befolgung, „dass sie ihn einmal ausgeführt mit dem erneuten Sehen seiner körperlichen Augen beschenken würde.“ Auch hier ist es entscheidend, dass die Anleitung befolgt wird; hierdurch wird allerdings kein Anspruch begründet. χαριουμένη verdeutlicht, dass es sich bei der erwünschten Folge um eine Gnadengabe handelt. Der Anleitung der Märtyrer folgend, empfängt Johannes sofort nach dem Aufstehen die Sakramente, und zwar dort, wo es ihm befohlen wurde.28 Der Hinweis darauf, dass er seine „ganze frühere Lehre“ ablegt und „die seelennützliche Verkündigung der Kirche“ umschlingt, ist wenig mehr als eine Explikation dessen, was mit der Kommunion vollzogen ist: Johannes steht nun in Gemeinschaft mit der von Sophronios als rechtgläubig betrachteten Kirche. Seine „ganze frühere Lehre“ hat er abgelegt, sich von ihr also, wie wir heute eher sagen würden, distanziert (πᾶσαν αὐτοῦ τὴν προτέραν παράδοσιν). Auch weiterhin sucht Sophronios die Konfrontation mit Johannes’ vormaliger Glaubensgemeinschaft nicht: παράδοσις bedeutet, ganz allgemein, „Überlieferung“. Ein expliziter Vergleich mit der Kirche und selbst adversative Partikel fehlen. Allein aus der Bestimmung des kirchlichen κήρυγμα als ψυχοφελής, das Johannes freudig empfängt (ἀσπασάμενος), nachdem er seine frühere Lehre einfach abgelegt (ἀποθέμενος) hat, kann eine sehr subtil vorgetragene Wertung herausgelesen werden. Anders als man es vielleicht vermuten könnte, führt aber nicht die Kommunion als solche zur Genesung, vielmehr ist die Ausführung des märtyrerlichen Befehls entscheidend. Dies wird schon daraus deutlich, dass die Kommunion, an der Johannes in der Traumvision teilhat, ohne direkte Wirkung bleibt. Sophronios beugt damit nicht nur dem Irrglauben vor, die Abendmahlselemente hätten magischen Charakter. Er betont damit auch die Notwendigkeit, dass Johannes an seiner Genesung mitwirken muss. Nachdem er „(d)ies“ dann aber „wie aufgetragen erledigt (hatte), sah er am dritten Tag das Licht mit seinen Augen“. Zunächst verzichtet Sophronios darauf, zu verdeutlichen, ob allein an die Augen des Körpers gedacht ist. Dies wird erst durch die folgende Partizipialbestimmung deutlich, dass das Licht der „Erleuchtung der Seele“ „auf dem Fuße“ folgte. Dennoch lässt sich der durch den schillernden Begriff φῶς erzeugte Bedeutungsüberschuss kaum übersehen – schon dass Johannes das Licht ausgerechnet am dritten Tag (τριταῖος) erblickt. Wie das seinerseits ausgesprochen lichte Auferstehungsgeschehen, erscheint auch Johannes’ Wieder-sehen-können als Neuanfang: „Und er war, wie er geboren war, als ob niemals an den körperlichen Augen erkrankt.“ 28
Hiermit ist wohl nicht an einen bestimmten Ort innerhalb der Kirche der Märtyrer gedacht, solange er nur der von Sophronios als rechtgläubig betrachteten Kirche zuzurechnen ist.
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§6 markiert die Peripetie des Wunderberichts: Johannes ist im Licht. Er steht in Gemeinschaft mit der Kirche und befindet sich in dem beschriebenen Zustand (ἐν τούτοις ὄντι), in dem er glänzend sah (λαμπρότατα βλέποντι) – so, als wäre er „niemals an den körperlichen Augen erkrankt“ (§5). Gleich der Beginn dieses Paragraphen, dessen erstes Wort (Ἀλλ᾿), verheißt allerdings mit Blick auf die Fortsetzung des Wunderberichts nichts Gutes. Der Vernichter des Guten (ὁ τῶν καλῶν ἀναιρέτης) tritt Johannes entgegen: Er neidet ihm sein Glück und strebt danach, „die doppelte Gabe der Heiligen“, also die Wiederherstellung der Augen sowohl des Körpers als auch der Seele, „zu rauben“. Den weiteren Bericht fasst eine Prolepse grob zusammen: Der Neider „beraubt“ Johannes so, „wie er es wollte“. Die Retter (σωτῆρες) aber erscheinen ein weiteres Mal, retten Johannes und „durchkreuzen den Plan des Hassers des Guten“ (μισοκάλου βουλήν). Schon weil aber im weiteren Berichtsverlauf weder der Neider noch dessen Wirken erwähnt werden, ist die wesentliche Funktion der Prolepse nicht in der Vorwegnahme von Informationen zu sehen, sondern in der Vorwegnahme einer Deutung des sich nun anschließenden Tatsachenberichts. Deren Pointe liegt nun darin, dass sich Menschen schuldhaft oder auch nicht den Plan des Neiders zu eigen machen und ihn in die Tat umsetzen: Wenn also berichtet wird, dass „(e)inige nahen Verwandten … zu Johannes (kamen) und (ihn überredeten), nach Hause zurückzukehren“, damit er in besagter Häresie Diakon anstelle seines verstorbenen Vaters werde,29 ist genau hierin das Wirken des Neiders zu sehen, dass die „nahen Verwandten“ Johannes aus dem Licht herauslocken. Insofern sie sich den Plan des Neiders unbewusst zu eigen machen, stehen sie selbst nicht in einem schmeichelhaftem Licht dar. Dies fügt sich, sei am Rande bemerkt, gut in die bereits oben beobachtete Strategie ein, die hier auch als solche benannte Häresie subtil zu diffamieren.30 §7 Den Verwandten jedenfalls gelingt es, Johannes dazu zu überreden, den Posten seines Vaters zu übernehmen. Zumindest das Gebot der Heiligen steht dem hier argumentativ nicht entgegen; Johannes hat es in der zwischen dem ersten und dem zweiten Teil des Wunderberichts vergangenen, nicht näher bestimmten Zeit „gänzlich vergessen“. Und so nehmen seine Verwandten Johannes mit und machen sich auf den Weg. Mit diesem ersten Satz sind bereits zwei der drei Schlüsselwortfelder dieses Abschnittes eingeführt: das der Bewegung und das des Sich-Nehmens 29
Obwohl der Ämterkauf, die sog. Simonie, als ein ernsthaftes Problem betrachtet und entsprechend behandelt wurde, wurde es im spätantiken Ägypten selten kritisiert, dass kirchliche Ämter die Tendenz hatten, in der Familie zu bleiben. Vgl. hierzu ausführlich WIPSZYCKA, Fonctionnement, 212–217. 30 Sie ähneln damit den Menschen, die sich mit Hilfe von Zauberei dämonischer Kräfte bedienen. Vgl. hierzu Kap. 3.4.4.2.
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bzw. Sich-Bemächtigens (λαμβάνω, καταλαμβάνω). Das dritte, das des Sehens, begleitet uns bereits seit dem Berichtsbeginn, ist aber in diesem Abschnitt von besonderer Bedeutung. Beinahe am Ziel angelangt – Kyno, die, wie wir später erfahren, ποθουμενή πόλις, ist nur noch einen Wegstein, also eine Meile entfernt – „packten die Märtyrer Johannes augenfällig (ὀφθαλμοφανῶς) und schlugen ihm ins Gesicht (τὰς ὄψεις)“. Folge ist, dass Johannes erneut erblindet: τὸ φῶς ἀφαιροῦνται ὅπερ δεδώκασιν. Betrachten wir zunächst, wie sich die Erzählstränge entwickeln, bevor wir uns der von Sophronios verwendeten Begrifflichkeit zuwenden. Auf den ersten Blick scheint es hier so, als würde Sophronios die in den §2–3.5 eröffneten Ambiguität des Begriffspaars φῶς und σκότος hinter sich lassen: φῶς und σκότος bedeuten hier „Augenlicht“ bzw. „Finsternis“ im Sinne von Sehvermögen und Blindheit. Andernfalls ließe es sich kaum erklären, dass nun nicht mehr nur das Licht, sondern auch die Finsternis mit dem Wirken der Märtyrer in Verbindung gebracht werden kann, ja sogar auf deren Wirken zurückgeführt wird: τὸ σκότος ἐνδύουσιν ὅπερ ἀφελόντες ἐτύγχανον. Die Verknüpfung beider Bedeutungsebenen gibt Sophronios aber auch hier nicht auf, geht doch die Trennung vom Licht im übertragenen Sinne der Erblindung im wörtlichen Sinn voraus: Von der Kirche und den Märtyrern wendet sich Johannes spätestens dann ab, als er sich seinen Verwandten anschließt – wenn nicht schon, als er das Gebot der Märtyrer vergisst. Am neuerlichen Tiefpunkt der berichteten Ereignisse nimmt Sophronios den weiteren Erzählverlauf wieder vorweg. Allein sprachlich ist diese Passage bereits auffällig, bestehen doch die einzelnen Teilsätze aus je einem partizipialen Ausdruck und einem Verb. Die Verbindung zwischen ihnen wird nun aber nicht allein durch das sie verbindende καί hergestellt, sondern vor allem dadurch, dass der partizipiale Ausdruck der folgenden Phrase das Verb der vorangehenden aufnimmt. Auf diese Weisen entsteht eine Kette von insgesamt sieben Gliedern: (Ἐν τούτῳ δὲ κακοῦ Ἰωάννης γενόμενος,) ἔγνω τὸ αἴτιον, καὶ γνοὺς μετενόησεν, καὶ μεταγνοὺς ἔτυχε συγχωρήσεως, καὶ συγγνώμης τυχὼν διωρθώσαντο, καὶ διορθωσάμενος πάλιν ἀνέβλεψεν, καὶ ἀναβλέψας δουλεύει τοῖς μάρτυσι, καὶ δουλεύων ἀποδοχῆς ἠξιώθη φιλόφρονος, καὶ ταύτης ἀξιωθείς
Der Ablauf der Ereignisse ist deutlich erkennbar und es liegt (auch wegen der Vielzahl abstrakter Begriffe) nahe, in diesem Text eine Art Wegbeschreibung zu erkennen: Wie vollzieht sich Umkehr? Es mangelt jedoch an Parallelen, die diesen Verdacht erhärten helfen könnten.
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Mit τότε δέ λαβὼν τὸ φιλάνθρωπον ῥάπισμα führt Sophronios zum eigentlichen Wunderbericht zurück: Die „menschenfreundliche Ohrfeige“, die mit seiner erneuten Erblindung einhergeht, führt zu Johannes’ neuerlicher Umkehr (τότε δὲ λαβὼν τὸ … ῥάπισμα, καὶ τυφλὸς ὡς τὸ πρῶτον γενόμενος, πάλιν ὑπέστρεφε), weiß er doch, dass die Märtyrer ihn in diesem Fall „aufnehmen und heilen würden“. Mit ὀφθαλμοφανῶς und ὄψεις sowie εἰδώς werden in diesem Paragraphen gleich drei Wörter eingeführt, die in je unterschiedlicher Weise mit der Ursprungsbedeutung von Sehen als Sinneswahrnehmung umgehen und damit besagtes Wortfeld weiten: Während die Verwendung von ὄψεις recht unspektakulär ist,31 ist die Wahl von εἰδώς doch bemerkenswert. Zwar bedeutet das Perfekt von *εἴδω als Resultat des Sehens „wissen“, die ursprüngliche Bedeutung sollte aber schon wegen der lautlichen Nähe zu den weiterhin die Bedeutung „sehen“ tragenden Aorist-Formen nie ganz verblasst sein. Mit Blick auf den Nahkontext scheint mir ὀφθαλμοφανῶς die interessanteste Wahl: Nach Auskunft von Liddell-Scott-Jones (s.v. ὀφθαλμοφανής) bedeutet es zunächst „apparent to the eye, visible“, dann aber auch „obvious“.32 Es stellt sich also die Frage, ob die Märtyrer „sichtbar“ eingreifen oder ob es einfach offensichtlich ist, dass sie Johannes schlagen. Sophronios scheint letzteres im Sinn zu haben: Der Hinweis, Johannes habe die Ursache seiner erneuten Blindheit erkannt (ἔγνω δὲ αἴτιον), wirkt nicht wie die Wiedergabe einer Sinneswahrnehmung, sondern eher wie Deutung. Zudem verhalten sich auch die „engen Verwandten“ nicht so, als sei irgendetwas geschehen. Sie setzen den Weg in die „ersehnte Stadt“ einfach fort. Damit ergibt sich nun aber eine interessante Parallele zwischem dem Wirken der Märtyrer und dem des Neiders (§6): Sophronios impliziert, dass der Neider dafür verantwortlich ist, dass sich Johannes von seinen Verwandten zur Rückkehr in sein altes Leben überreden lässt. Für ihn ist es nun genauso „offensichtlich“, dass Johannes erblindet, weil er sich von den Heiligen abwendet. Insofern ist es auch nur konsequent, dass die einzigen, die das Offensichtliche nicht so sehen, nämlich Johannes’ Verwandten, einfach weiterziehen. Die von Johannes erfahrene Realität bleibt nicht ohne Folgen, stellt doch die neuerliche Erblindung den Grund für seine Rückkehr zu den Märtyrern dar 31
Im Singular entspricht ὄψις dem Deutschen „Gesicht“ recht exakt. Dem Gegenstand der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes ist es geschuldet, dass die Zweitbedeutung „(Traum-)Gesicht“ hier die häufiger begegnende ist. Im Plural bedeutet ὄψεις „Augen“; an zwei anderen Stellen, mir. 13,8 und 41,5, nimmt ὄψεις die Bedeutung „Gesicht“ an. 32 Der Vollständigkeit halber sei ergänzt, dass PGL (s.v. ὀφθαλμοφανῶς) als weitere Bedeutung „with one’s own eyes“ ergänzt.
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und seine Umkehr zumindest die Voraussetzung dafür, dass er seine Sehkraft erneut erlangt. Dieser Sinneswandel lässt sich bis in die Satzsemantik hinein nachverfolgen. Jedenfalls ist die plötzliche Präsenz von Verben des Wollens (ποθουμένη, ἀπηρνεῖτο) in dieser Passage bemerkenswert: Es scheint gerade so, als würde Johannes nun zu einer aktiv handelnden Person, die sich auch gegen die Verwandten stellt. Dieser Wandel von einer passiven zu einer aktiv handelnden Person – ein Motiv, das uns bereits aus mir. 1,12 vertraut ist33 – zeigt sich in hervorragender Weise auch in der Verwendung von Verben des Nehmens bzw. Ergreifens: Die Verwandten „nehmen den Jungen“ (λαβόντες τὸν νέον), können sogar „die Nehmer“ (οἱ λαβόντες) genannt werden. Die Märtyrer packen ihn (καταλαβόντες οἱ μάρτυρες). Schließlich aber ist es Johannes selbst, der die Ohrfeige „nimmt“. Johannes’ Umkehr, die durch den Nachsatz, dass er „den Eingang in die ersehnte Stadt“ verweigert, zunächst noch so wirkt, als wolle er zu Kyros und Johannes zurückkehren, erscheint nun in einem anderen Licht, nämlich auch als innere Umkehr. Und in der Tat ist es durchaus naheliegend, in der tatsächlichen Entfernung von dem Märtyrerpaar und ihrem Bezirk, der Annäherung an die ποθουμένη πόλις sowie der Weigerung, in sie hineinzugehen, schließlich der Rückkehr zu den Märtyrern, mehr als nur die Schilderung eines Reiseberichts zu sehen. Diese Deutung ist bereits vorbereitet: Neben dem „unfreiwilligen Eintritt“ (§1), dem „dreimal glücklichen Vorrücken“ (§1, in Bezug auf Theodoros) und dem in §3 und §4 beobachteten Zusammenspiel von „führen“ und „geführt werden“ sei hier nur an die Feststellung der Märtyrer erinnert, Johannes habe „des wahren Lebens Weg“ kennengelernt (§4). Selbst die Schilderung seiner Heilung greift dieses Bild auf, schließlich folgt „das Licht … der Erleuchtung der Seele auf dem Fuße“ (§5). Die ausgesprochen reiche räumliche Semantik dieser Passage schmückt sie noch aus.34 Johannes kennt das „Mitgefühl“, „Mitleid“ oder auch „Mitleiden“ der Märtyrerheiligen. Ihre συμπάθεια erklärt auch, warum sie sich für Johannes einsetzen: Sie leiden mit ihm mit – weil er leidet und weil er sich doch nicht der einen Kirche angeschlossen hat. Sie wollen ihn retten; das haben sie durch ihre Züchtigung deutlich gemacht. Entsprechend weiß Johannes, dass ihn die Märtyrerheiligen „aufnehmen und heilen würden“, wenn er denn nur umkehre. 33
Vgl. Kap. 2.4 (zu §12), 47. Die Verwandten nehmen den Jungen und „gingen fort“ (ἀπῄεσαν); „in der Nähe von Kyno angelangt und nur einen Wegstein von der Stadt entfernt“ (πλησίον τῆς Κυνῶ τὸν Ἰωάννην οἱ λαβόντες γεγόνασιν, καὶ σημεῖον ἓν καὶ μόνον ἀπεῖχον τῆς πόλεως); „machte er kehrt“ (ὑπέστρεφε); „wenn er umkehrte“ (ἐπιστρέφοντα). 34
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§8 Dass ihn die Märtyrer „aufnehmen und heilen würden“, diese Vorahnung des Johannes wird gleich zu Beginn des nun folgenden Paragraphen bestätigt: „Tatsächlich“ (Ἀμέλει) erfährt er noch „in jener Nacht“ (κατ᾿ ἐκείνην τὴν νύκταν) die Zuwendung der Märtyrer. Im Schlaf hört er eine Stimme – denn zu sehen vermag er nichts, wie ausdrücklich betont wird.35 Diese ermahnt ihn, geschwind umzukehren (Θᾶττον ὑπόστρεφον) und sich „um die wütenden Märtyrer“ zu sorgen (θεράπευε). Damit werden zwei zuvor wichtige Begriffe – ὑποστρέφω und θεραπεύω – erneut aufgegriffen. Während der erste wie kurz zuvor gebraucht und nur die Dringlichkeit der offenbar noch nicht angetretenen, doppelten Rückreise zu unterstreichen scheint, fällt mit Blick auf θεράπευε auf, dass nun nicht die Märtyrer, sondern Johannes selbst das handelnde Subjekt ist.36 Mit Ἀληθὲς δὲ καὶ οὕτως ἦν τὸ ἐνύπνιον unterstreicht Sophronios, dass der Traum authentisch ist, obwohl wesentliche Merkmale zu fehlen scheinen: Auditionen sind in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes in der Tat ausgesprochen selten und selbst Träume, in denen die Märtyrer in anderer Gestalt erscheinen, zumindest nicht häufig.37 Die Authentizität des Traumes, und das heißt im Kontext der Wundersammlung: die Abkunft von den Märtyrern, steht in diesem Wunderbericht nicht in Frage. Dies hindert Sophronios aber nicht daran, darüber zu spekulieren (τοῦτο τάχα), warum die Märtyrerheiligen Johannes im Traum ausgerechnet in Gestalt von Christodoros ermahnen, um die vorgeblich wütenden Märtyrer zu besänftigen. Seine Lösung ist verblüffend einfach und denkbar schwer zu widerlegen: möglicherweise aufgrund eines göttlichen Plans (κατὰ θείαν ἐργασαμένων διοίκησιν). Johannes habe sich nämlich – wie entweder er selbst berichtet oder durch Hörensagen bekannt wurde, φησίν kann beides bedeuten – seinerzeit aus dem Heiligtum entfernt, ohne sich die offensichtlich erforderliche Erlaubnis von Christodoros einzuholen. Dies wiederum erklärt dessen ausge35
Dass dies nicht zwangsläufig der Fall ist, zeigt das Beispiel der schwer augenkranken (κακῶς ὀφθαλμησάσης) Theodora, der Protagonistin von mir. 9, die im Traum auf Veranlassung der beiden Heiligen zu sehen vermag. 36 An den beiden anderen Stellen, an denen θεραπεύω in dieser Bedeutung benutzt wird, mir. 33,3 und 47,2, ist das Sorgen auf Θεόν gerichtet. Eindeutig überwiegt aber in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes die Bedeutung „pflegen, therapieren, heilen“. Präferenzen bei der Wahl des Subjekts lassen sich nicht erkennen. 37 In mir. 10 erscheint Kyros Marou in Gestalt eines Arztes. Vgl. hierzu Kap. 4.4.3, S. 217–219. In mir. 38 hört Stephanos im Traum die Stimme des Verwalters Christodoros. Vgl. hierzu Kap. 5.3, S. 254. In mir. 52 erscheint Kyros Zosimos οὐκ ὄναρ ὡς τοῖς πλείοσι φαίνεται, ἀλλ᾿ ὕπαρ (52,3,2f [365 FM]) wiederum in Gestalt eines Arztes. Vgl. hierzu auch DAL SANTO, Debating, 228–231. Sophronios hat also im Umkehrschluss eine sehr genaue Vorstellung davon, wie Kyros und Johannes aussehen. Er erkennt sie und andere Traumgestalten am Aussehen. Vgl. mir. 70,12.18 und hierzu DAL SANTO, Text, 47f.
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sprochen verhaltene Reaktion bei Johannes’ Ankunft: Christodoros will „Johannes … weder sehen noch zu den Kranken im Heiligtum rechnen“, woraufhin sich dieser mit den anderen Gästen, „die einen anderen Platz wegen der Massen von Kranken nicht finden konnten“, „im verehrungswürdigen Hierateion des Tempelbezirks“ niederlässt. Hierbei handelt es sich um den eigentlich allein den Priestern und Liturgen vorbehaltenen Altarraum,38 der aber offenbar auch ausgewählten Laien offenstand.39 §9 Im Hierateion verbringt Johannes drei Tage, ohne dass ihm ein Krankenlager zugewiesen wird. Dafür sorgen die Märtyrerheiligen und ihr Plan wirkt sich zu Johannes’ Gunsten aus. Er wird geheilt. In der dritten Nacht, die er an besagtem Ort verbringt, sieht Johannes nämlich „im Schlaf einen Diakon an der Stelle des Ambos stehen, die Bücher der ehrwürdigen Evangelien halten und mit lauter Stimme das Evangelium lesen.“ Sophronios betont, dass es sich hierbei um ein Traumgeschehen handelt: Er bezeichnet den Lektor als „der Erschienene“ bzw., näher am Sinn des Originals, „die Erscheinung“ (ὁ φανείς). Dennoch ist es nach dem Hinweis in §8, dass Johannes im Traum nur hört, nicht aber sieht, durchaus bemerkenswert, dass Johannes den Diakon auch tatsächlich sieht. Entsprechend detailliert schildert Sophronios das Geschehen – bis in die für zeitgenössische Verhältnisse ausgesprochen detaillierte Angabe der Bibelstelle (Mt 11,3–5). Die Wahl ist wohl bedacht: Johannes darf sich angesprochen fühlen; denn er trägt den Namen des Täufers. Er wird sogar am eigenen Leib erfahren, was da geschieht: „Blinde sehen, Aussätzige werden rein, Lahme gehen und Taube hören.“40 An dieser Stelle bricht das Zitat ab: dass auch „Tote auferstehen und Armen das Evangelium gepredigt wird und selig ist, wer sich nicht an mir (sc. Jesus) ärgert“ übergeht Sophronios. Hierdurch verschiebt sich der Sinn doch merklich: Nun steht die Krankenheilung klar im Vordergrund. Diese Sequenz ist für die Rezeption dieser Perikope in der theologischen Literatur durchaus repräsentativ: Oft sogar explizit um Krankenheilung und 38
Vgl. schon FESTUGIÈRE, Introduction, 220. GASCOU (Sophrone, 139 Anm. 808) erhärtet diese Vermutung: τὸν μόνοις ἱερεῦσι τὲ καὶ λειτουργοῖς ἀπόκληρον τόπον, ὃν καλοῦμεν ἱερατεῖον (Max. myst. 2 [15,213f BOUDIGNON]). In mir. 38,3 teilen die Märtyrerheiligen Stephanos dort, also im ἱερατεῖον oder der, wie sie auch genannt wird, ἱερατική αὐλή, gesegnetes Brot aus. Aus mir. 39,10 wissen wir, dass dort der Altar steht. 39 GASCOU (Sophrone, 139 Anm. 808) weist in diesem Zusammenhang auf zwei koptische Wunder hin: In einem Wunder des Hl. Menas wird deutlich, dass das Hierateion reichen, frommen Laien zumindest gelegentlich offenstand. Ähnlich verhält es sich ihm zu Folge auch in den koptischen Wundern des Hl. Kollouthos. 40 Mt 11,5. Gegenüber NA28 zeigen sich einige kleinere Unterschiede: Die beiden Mittelglieder der Aufzählung sind vertauscht, zudem fehlt Sophronios ein auch in der Texttradition nicht einmütig gesetztes καί vor χωλοὶ περιπατούσιν.
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auch um Dämonenaustreibung ergänzt zählt sie die Zeichen des hereinbrechenden Reiches Gottes auf. Zugleich beweisen diese Ereigenisse die Überlegenheit Jesu und/oder seiner Nachfolgerinnen und Nachfolger. §10 Welche Funktion die Schriftlesung hat, wird nicht gleich deutlich. Wir erfahren nur, dass Johannes wieder sehen kann, als er die „diese Worte im Schlaf gehört hatte“ bzw., wie es kurz darauf heißt, „die Stimme des Erlösers sagen hörte, dass Blinde sehen“. Diese beiden Verweise auf „diese Worte“ und „die Stimme des Erlösers“ gliedern die nun folgende Schilderung, wie Johannes sein Augenlicht zurückgewinnt: Zunächst beschreibt Sophronios den Morgen, den anbrechenden Tag, den Johannes nun endlich wieder sehen kann. „Als er nämlich (γάρ) wieder mit den Augen seines Körpers sah, sah er neu den Glanz der Sonne aufkommen; der Morgen brach nämlich gerade an.“ Erst dann kommt er auf die Voraussetzung dafür zu sprechen, dass er wieder sehen kann: Johannes „sah … plötzlich wieder, nachdem er zuvor durch Glauben in seiner Seele erleuchtet wurde und zuvor deren leuchtende Augen erworben hatte.“ Zwar erfahren wir auch hier nichts Genaueres darüber, wie sich die Erleuchtung der Seele auf sein körperliches Sehvermögen auswirkt. Klar ist nur, dass die Erleuchtung der Seele der Wiederherstellung des Sehvermögens vorausgeht. Beides steht dennoch nicht beziehungslos nebeneinander: Sophronios parallelisiert Seele und Körper – hierin mit mir. 1 vergleichbar41 – über deren jeweilige Augen und die im ganzen mir. 37 ausgeprägte LichtFinsternis-Metaphorik. Interessanterweise erst in Anschluss an dieses atmosphärisch gespannte Morgenerwachen macht der Text eine gewichtige Einschränkung: Anders als beim ersten Mal kommt Johannes fortan nicht mehr in den Genuss einer vollkommenen Heilung, „sondern (bleibt) mit dem nützlichen Beweis einer solchen Undankbarkeit in den Augen zurück“. Die Märtyrerheiligen entfernen Johannes’ Leukom offenbar nicht vollständig. Seine Augen sind also auch weiterhin, zumindest teilweise, eingetrübt und seine Sehkraft entsprechend beeinträchtigt. Die Eintrübung erinnert Johannes an seine Geschichte und vor allem sein Fehlverhalten – und mehr noch die, die ihn sehen. Für sie ist dieser Beweis in Johannes’ Augen, wie das einleitende ἵνα anzeigt, auch gedacht. Einen konkreten Effekt hat er ebenfalls: Er sorgt dafür, dass andere der Macht der Märtyrer „sicherer werden als zuvor“. Es handelt sich also insgesamt um eine „gänzlich nützliche Züchtigung“: Johannes selbst hat zur Kirche zurückgefunden und die, die ihn sehen, werden von einer Abkehr bewahrt. Insofern ist es nur konsequent, wenn Sophronios mit diesen Worten zum folgenden Wunderbericht überleitet: „Wir aber 41
Vgl. Kap. 2.4, bes. S. 32 und 35–37, sowie zusammenfassend Kap. 2.5.
5.3. Über Stephanos, der ebenfalls in den Augen Leukome hatte (mir. 38)
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wollen die Heiligen auch dieser gänzlich nützlichen Züchtigung wegen mit Hymnen preisen und uns einem anderen von ihnen vollbrachten, züchtigenden Wunder zuwenden.“
5.3 Über Stephanos, der ebenfalls in den Augen Leukome hatte (mir. 38) Über Stephanos, der ebenfalls in den Augen Leukome hatte (mir. 38) In dem auf mir. 37 folgenden Bericht schildert Sophronios Stephanos’ Krankheit und seine wundersamen Heilung. Wie wir in §1 erfahren, gehört Stephanos der Häresie an, der auch Johannes angehörte. Wie dieser hat auch jener Leukome in den Augen.42 Die beiden Berichte ergänzen einander, indem Sophronios nun einen anderen Schwerpunkt setzt: Während sich Sophronios in mir. 37 auf den Gegensatz von Licht und Finsternis konzentriert, stellt er in mir. 38 die Bedeutung der einen Kirche heraus. Insofern ist es nur konsequent, dass Sophronios Stephanos’ Versuche, das „überaus liebliche Licht“ seiner Augen zurückzugewinnen, eher beiläufig notiert: Er „lief hin und her, das zu finden begehrend, was er eben verloren hatte.“43 Stephanos gelangt zu den Märtyrerheiligen, deren „Eifer für den rechten Glauben“ genauso wie „die ihnen gegebene Heilkraft“ Sophronios für bewunderswert hält.44 Kyros und Johannes besuchen Stephanos zunächst vier Monate lang nicht. Ihr Anliegen ist ein pädagogisches: Sie versuchen so, seine „unnachgiebige Ansicht“ aufzuweichen und Stephanos für das Bessere empfänglich zu machen.45 Dann erst erscheinen sie ihm im Traum. Wie Johannes in mir. 37 versuchen die Märtyrerheiligen auch Stephanos dazu zu bewegen, das Abendmahl in der einen Kirche zu empfangen: Im Traum rufen sie Stephanos zu sich in den „Hierateion“ genannten Altarraum.46 Dort reichen sie ihm „Segen“, „Weißbrot mit einem eingeprägten
42 Ἐνόσει μὲν καὶ αὐτός, ... καὶ τῆς τοῦ προλαβόντος ὑπῆρχεν αἱρέσεως (38,1,3–5 [333 FM]). 43 ὧν πολλὴν δικαίῳ (add. GASCOU [Sophrone, 140 Anm. 819] cf. L multam jure fecit provisionem) ποιούμενος πρόνοιαν ὡς φωτὸς γλυκυτάτου παθόντων τὴν στέρησιν, τῇδε κἀκεῖσε διέθεεν, εὑρεῖν ἐπιποθῶν ὃ πρώην ἀπώλεσεν (38,1,5–7 [333 FM]). 44 ἔτι δὲ τούτων τὸν ζῆλον τὸν ὑπὲρ τῆς ὀρθῆς θαυμάσωμεν πίστεως, καὶ τὴν δεδομένην αὐτοῖς τῶν ἰαμάτων ὑμνήσωμεν δύναμιν (38,2,2–4 [333 FM]). 45 Πρῶτον μὲν γὰρ ἐπὶ μῆνας τέσσαρας ἐλθόντα τὸν Στέφανον ἀνεπίσκεπτον εἴασαν, διὰ τούτου τὴν δυσμετάθετον (cj. DUFFY (Observations, 86) cf. L immutabilem, δυσκατάθετον C, E, FM) αὐτοῦ γνώμην μαλάσσοντες (C, E, μαλάσοντες FM [GASCOU, Sophrone, 141 Anm. 820]), καὶ πραότερόν πως πρὸς παραδοχὴν τοῦ βελτίονος ἐργαζόμενοι (32,2,4–6 [333 FM]). 46 Vgl. hierzu den Kommentar zur mir. 37, Kap. 5.2.3 (zu §8), S. 251.
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Kreuz“.47 Diesen lässt Stephanos versehentlich zu Boden fallen, und auch der zweite und dritte Versuch, den Segen zu übergeben, schlagen fehl. Als Kyros sein Bedauern darüber ausdrückt, dass er nicht am Abendmahl teilnehme, versteht Stephanos mit einem Mal, wovon der Traum wirklich handelt: Er wendet zwar ein, dass er die „Speise ohne Tod“ sehr wohl „jeden Sonntag“ einnehme.48 Doch die Märtyrer verneinen es: „Wahrlich, nicht ein einziges Mal hast du hier nach deiner Ankunft kommuniziert.“49 Erst wenn er dies tue, könnten sie ihm helfen. An diesem Traumgeschehen ist dreierlei bemerkenswert: Zum einen verfremdet Sophronios das eucharistische Geschehen, und dies sogar deutlicher als noch in mir. 37.50 Kyros und Johannes erscheinen in Mönchsgewänder gehüllt und teilen Stephanos Segen aus (§3), nicht die Abendmahlselemente selbst. Zum zweiten nutzt Sophronios die Gelegenheit, Wesen und Wirkung des „lebendig machenden und erlösenden Leibs und Blutes Christi, unseres Gottes,“51 zu vermitteln oder in Erinnerung zu rufen, die „uns von (den Priestern) als geistige Nahrung und zur Vergebung der Sünden ausgegeben wird.“52 Schließlich lässt Sophronios Kyros indirekt bestreiten, dass das Abendmahl, das Stephanos jeden Sonntag zu sich nimmt, Abendmahl ist. Der Heilige hält daran fest, dass Stephanos seit seiner Ankunft nicht ein Mal kommuniziert habe. Er bindet die Gültigkeit des Abendmahls an die Institution der einen Kirche. Auf den Traum hin „eil(t) Stephanos der Gemeinschaft der katholischen Kirche entgegen und erlang(t) erneut die Sehkraft, die deren Sakramenten folgte.“53 Selbst sein Diener schließt sich der Kirche kann: „Obwohl er hier fremd war, hielt er für offenkundigen Wahnsinn gegen Gott und die Heiligen, die katholische Kirche und den orthodoxen Glauben zu kämpfen.“54 47 καὶ εἰς τὴν ἱερατικὴν αὐλὴν εἰσπηδήσαντι, εὐλογίαν αὐτῷ (ἄρτος ἦν καθαρὸς σταυρὸν ἐντετυπωμένον ἔχων) παρείχοντο (32,3,3–5 [333 FM]). 48 καθ᾿ ἑκάστην Κυριακὴν ταύτης μεταλαμβάνειν τῆς ἀθανάτου τροφῆς ἀπεκρίνατο (32,4,6–7 [334 FM]). 49 Ὄντως, φησίν, οὐδ᾿ ἅπαξ ἐνθάδε μολὼν ἐκοινώνησας (32,4,8 [334 FM]). 50 Vgl. die Schilderung des Abendmahlsgeschehens in mir. 37, Kap. 5.2.3 (zu §4), S. 242f. 51 τὸ ζωοποιὸν καὶ σωτήριον σῶμα καὶ αἷμα Χριστοῦ τοῦ Θεοῦ (38,4,2f [333 FM]). 52 τὸ πρὸς ἐκείνων εἰς τροφὴν ἡμῖν πνευματικὴν καὶ ἄφεσιν ἁμαρτιῶν παρεχόμενον (38,4,5f [333f FM]). 53 Ἀναστὰς δὲ τῶν ὕπνων ὁ Στέφανος, τῇ τῆς καθολικῆς Ἐκκλησίας κοινωνίᾳ προσέδραμεν, καὶ τοῖς ταύτης μυστηρίοις ἑπομένην τὴν ἀνάβλεψιν εὕρισκεν (38,5,1–3 [334 FM]). Vgl. zur Bedeutung des Epithetons „katholisch“ WIPSZYCKA, Καθολική, bes. 166–168. 54 ἑπομένην τὴν ἀνάβλεψιν εὕρισκεν. Ἐντεῦθεν καὶ ὁ τούτῳ διακονούμενος, τῶν ἐκκλησιαστικῶν τοῦ Σωτῆρος προβάτων ἐγίνετο, μανίαν εἶναι σαφῆ, καίτοι βάρβαρος ὤν,
5.3. Über Stephanos, der ebenfalls in den Augen Leukome hatte (mir. 38)
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Eine Prolepse warnt vor dem drohenden Unheil, denn der, „der immer alles Gute neidet, war diesen auch bei ihrer Rettung missgünstig.“55 Doch gelingt es dem Widersacher letztlich nicht, Stephanos seines Geschenkes zu berauben. Wiederum deutet Sophronios das Geschehen: Sein Diener fragt Stephanos nämlich, wie sie es denn nach ihrer Rückkehr mit der Religion halten wollen, und Stephanos entgegnet ihm, dass sie zu Hause „wieder wie zuvor unseren eigenen Lehren und dem Glauben anhängen wollen, den (ihnen ihre) Väter in die Hand gegeben haben.“56 Diesen Vorsatz bestraft die „göttliche Gerechtigkeit“ (δίκη θεία):57 In der folgenden Nacht erscheinen Kyros und Johannes Stephanos und ermuntern ihn, ein Bad zu nehmen. Daraufhin „erging es ihm so schlecht, dass er viele Tage und Nächte mit Schmerzen durchwachte und die lange Schlaflosigkeit beklagte, die die Leidenden in den Wahnsinn zu treiben vermag.“58 Erst die Menschenliebe (φιλανθρωπία) der Märtyrerheiligen beendet dieses Elend. Stephanos – nun angemessen bestraft – erblindet erneut, doch verkennt er „schändlich den Grund der Folter.“59 Dennoch wollen die „Christus nachahmenden Märtyrer“ und „ausgesprochen menschenfreundlichen Märtyrer“60 Stephanos nicht verloren geben. Sie erscheinen ihm erneut, damit er den Grund seines Leidens erfahre und entsprechende Konsequenzen ziehe: In der Gestalt des Regenten von Stephanos’ Heimatstadt Nikiou werfen sie Stephanos vor, vertragsbrüchig geworden zu sein, mahnen ihn, den Vertrag von nun an einzuhalten, und drohen ihm für den Fall, dass er es nicht tue. Stephanos bittet daraufhin um Vergebung und schwört, „nie mehr, weder mit Worten noch mit Taten etwas Derartiges zu tun“.61 Kurz darauf erscheinen ihm Kyros und Johannes erneut: Dieses Mal stehen sie neben dem Altar. Dort bringen sie „das unblutige Opfer“ dar62 und lassen Stephanos daran teilhaben. Gegenüber der Abendmahlsschilderung in Steλογισάμενος, τὸ πρὸς Θεὸν καὶ ἁγίους, Ἐκκλησίαν τε καθολικὴν καὶ πίστιν ὀρθόδοξον μάχεσθαι (38,5,3–6 [334 FM]). 55 ἀλλ᾿ ὁ πᾶσιν ἀεὶ τοῖς χρηστοῖς διαφθονούμενος, καὶ τούτους σωζομένους ἐβάσκανεν (38,5,6f [334 FM]). 56 τῶν οἰκείων πάλιν δογμάτων ὡς τὸ πρὶν ἀνθεξώμεθα, καὶ πίστεως ἧς ἡμῖν οἱ πατέρες ἡμῶν ἐνεχείρισαν (38,5,8f [334 FM]). 57 Zur göttlichen Gerechtigkeit als Leidensursache vgl. Kap. 3.4.4.1. 58 οὕτω διετέθη κακῶς, ὡς πολλὰ γρηγορῆσαι σὺν ταῖς ὀδύναις (transp. GASCOU [Sophrone, 143 Anm. 833], vgl. L. In C, E, FM steht σὺν ταῖς ὀδύναις hinter ἀϋπνίαν.) νυχθήμερα, καὶ τὴν πολλὴν ἀϋπνίαν ὀδύρεσθαι, εἰς πάθος φρενῶν φέρειν εἰδυῖαν τοὺς πάσχοντας (38,7,9–11 [334 FM]). 59 ἠγνόει κακῶς τῆς βασάνου τὸ αἴτιον (38,8,4 [334 FM]). 60 οἱ Χριστομίμητοι μάρτυρες ὑπερβαλλόντως ὄντες φιλάνθρωποι (38,9,1f [334 FM]). 61 μηκέτι μὴ λόγῳ μὴ ἔργῳ τοιοῦτό τι διαπράξασθαι (39,9,9f [335 FM]). 62 τὴν ἀναίμακτον θυσίαν προσφέροντες (38,10,4 [335 FM]).
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phanos’ erstem Traum handelt es sich nun eindeutig um ein eucharistisches Geschehen:63 §10,5–11,7 καὶ μεταλαβόντι πάλιν αὐτῷ τὴν τοῦ Σωτῆρος Νύμφην τὴν Ἐκκλησίαν ὑπέδειξαν ἐν λαμπροῖς ἐσθήμασιν ἀπαστράπτουσαν, καὶ κόσμον ἔχουσαν ἔνθεον καὶ κάλλος ἀνείκαστον ἀνθρωπίνῃ φωνῇ μὴ λεχθῆναι δυνάμενον. Ἥτις ἐλθοῦσα πρὸς τὸ σεπτὸν θυσιαστήριον, πάλιν καὶ αὐτὴ τῶν ἐπικειμένων Χριστοῦ μυστηρίων τῷ Στεφάνῳ λαβοῦσα μετέδωκεν· καὶ τοῖς ἁγίοις εἰρηκόσιν, ἀρκεῖν αὐτῷ64 τὸ δοθέν πρὸς τελείωσιν, τοιούτοις ἀπεκρίνατο ῥήμασιν· Βούλομαι περιττεύειν αὐτὸν τοῖς θείοις δωρήμασιν, καὶ τοῦτο πλεῖον τῶν δεδομένων κομίσασθαι· ἐγὼ γὰρ αὐτὸν ἐδεξάμην νῦν φωτιζόμενον, καὶ υἱὸς ἐμὸς ἀπὸ τοῦ παρόντος κεκλήσεται.
Καὶ ταῦτα πρὸς τοὺς μάρτυρας λέξασα, σταυρὸν χρύσεον λίθοις διαυγέσιν καὶ τιμίοις ἐκλάμποντα ἀπὸ τοῦ τραχήλου τοῦ νέου περὶ τὸ στῆθος ᾐώρησεν, τοῦτον φύλακα τοῦ δοθέντος αὐτῷ παρασχοῦσα φωτίσματος·
Als er wieder Anteil nahm, zeigten sie ihm die Braut des Erlösers, die Kirche; sie erstrahlte in glänzenden Gewändern, trug gotterfüllten Schmuck und besaß eine unvergleichliche, von einer menschlichen Stimme nicht beschreibbare Schönheit. Diese ging zu dem ehrwürdigen Altar, nahm von den dort liegenden Sakramenten Christi und gab Stephanos dann höchstselbst ein weiteres Mal Anteil. Als die Heiligen sagten, dass ihm das Gegebene zur Vollendung genüge, antwortete sie mit folgenden Worten: „Ich will, dass er die göttlichen Gaben im Überfluss besitzt und dies über das Gegebene hinaus erwirbt. Denn ich habe ihn, den nun erleuchteten, aufgenommen und mein Sohn wird er von nun an genannt werden.“ Nachdem sie dies zu den Märtyrern gesagt hatte, hängte sie ein goldenes Kreuz, das durch leuchtende und wertvolle Steine erstrahlte, vom Hals des Jungen herab vor seine Brust. Diesen Schutz für die ihm gegebene Erleuchtung gab sie.
Diese Sequenz ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Zum einen sind Personifizierungen der Kirche im griechischen Osten – anders als im lateinischen Westen – sehr selten.65 Zum anderen ist es durchaus bemerkenswert, dass die personifizierte Kirche Stephanos ein weiteres Mal (πάλιν) und höchstselbst 63
Auch CSEPREGI liest diese Sequenz als Überbietungsgeschichte: „When the saints reveal him the cause, … a more elaborated initiation, a real mystagogia is necessary“ (Mysteries, 110f). 64 Cj. GASCOU (Sophrone, 144 Anm. 843) ex L sufficere illi, ἀρκεῖ αὐτά C, ἀρκεῖ αὐτό E, ἀρκεῖ αὐτῷ τὸ δοθέν FM. 65 Vgl. WESSEL, Ekklesia, 30; GASCOU, Sophrone, 144 Anm. 842.
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(καὶ αὐτή) das Abendmahl verabreicht, obwohl Stephanos „das Gegebene zur Vollendung genüge“. Sie geht auf Nummer sicher. Sie gibt Stephanos, dem „nun erleuchteten“ (νῦν φωτιζόμενον), Anteil an ihrem Licht: Die, die selbst „in glänzenden Gewändern“ erstrahlt (ἐν λαμπροῖς ἐσθήμασιν ἀπαστράπτουσαν), hängt Stephanos ein „goldenes“, mit „leuchtenden“ Steinen besetztes Kreuz (σταυρὸν χρύσεον λίθοις διαυγέσιν … ἐκλάμποντα) um den Hals. Dieses Kreuz schützt die Stephanos „gegebene Erleuchtung“ (τοῦ δοθέντος … φωτίσματος): §11,7–12 ὅτι ἔξω προελθόντα τοῦ ἱεροῦ τόπου τὸν Στέφανον, μετὰ τὴν τῆς μυσταγωγίας ἐκείνης ἀπόλυσιν, αἰγύπτιός τις δυσειδής τε ἅμα καὶ βέβηλος, ἐκδύειν66 ἠβούλετο τῆς ἐκκλησίας ἔξω γενόμενον, καὶ πολὺ μαχησάμενος οὐ δεδύνηται· ἀλλὰ καὶ νικηθείς, εἰς βόθυνόν τινα δυσκατάληπτον πέπτωκε, σταυροῦ δηλονότι τοῦ τῆς νίκης δοτῆρος καὶ φύλακος τὸν οἰκεῖον προσκυνητὴν πάλιν ῥωννύοντος, καὶ νίκην κατὰ τοῦ σκότους παρέχοντος.
Als Stephanos nach der Entlassung aus jener mystischen Feier den heiligen Ort verließ, wollte ihn ein hässlicher und zugleich auch unheiliger Ägypter berauben, als er gerade aus der Kirche kam. Heftig kämpfend, vermochte er es nicht, sondern fiel besiegt in eine unergründliche Grube. Offenkundig stärkte das Kreuz, der Bringer des Sieges und Beschützer, den eigenen Verehrer von neuem und verhalf ihm zum Sieg über die Finsternis.
Wie die Abendmahlssequenz selbst, so kann auch die sich nun anschließende Bedrohung als eine Überbietungsgeschichte gelesen werden: Dieses Mal missgönnt der Neider Stephanos die Erleuchtung nicht einfach nur. Nun ist es auch nicht der Diener, der ihm die Gretchenfrage stellt, und Stephanos, der sich daraufhin falsch entscheidet. Vielmehr greift ihn jetzt der als „ein hässlicher und unheiliger Ägypter“ figurierte Dämon67 selbst an. Doch gelingt es ihm nicht, Stephanos zu überwinden: Das Kreuz beschützt Stephanos und verhilft ihm zum „Sieg über die Finsternis“, der in seiner Genesung mündet. Kurz darauf „legte Stephanos die Finsternis auch von den Augen ab … und sah das Licht wie zuvor“.68 66
C, E, ἐκβύειν FM (GASCOU, Sophrone, 144 Anm. 847). Stephanos’ Kampf mit dem (dunkelhäutigen) Ägypter nimmt einen uns vielleicht zweifelhaft erscheinenden, aber durchaus verbreiteten Topos auf. Man vergleiche beispielsweise Pass. Perp. et Fel. 10,6–14 (SC 417,136–142 AMAT) und den Kommentar zur Stelle (ebd., 224). Zugleich spiegelt diese Szene den Kampf gegen den Dämon von Menouthis wieder, der selbst „finster und ägyptisch“ (Laud. 24,22 [26 BRINGEL]) und „dunkel wie ein Ägypter“ (Laud. 24,32 [26 BRINGEL) ausgesehen habe und den die Märtyrerheiligen davonjagen (Laud. 29). Vgl. GASCOU, Religion, 9. 68 καὶ τῶν ὀφθαλμῶν τὸ σκότος ἀπέθετο, καὶ τῆς ὑγείας ἀπήλαυσε, καὶ τὸ φῶς ὡς τὸ πρίν ἐθεάσατο (38,12,1f [335 FM]). 67
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Anders als im vorangegangenen mir. 37 gibt Sophronios in diesem Bericht auch ein Heilmittel an: „Endivien- oder Chicoréesaft nutze er zur Behandlung. Denn deren Saft herauszupressen, ordneten die Märtyrer durch Erscheinungen an.“69 Mit dem Christuslob und dem Lob der „Ärzte von Körper und Seele“70 leitet Sophronios zum nächsten Bericht über.
5.4 Über Elias, den Aussätzigen (mir. 13) 5.4.1 Inhaltsangabe Mir. 13, in dem Sophronios von Elias und seiner Lepra-Erkrankung berichtet, findet sich in der Abteilung von Heilungen, die Menschen aus Alexandrien widerfahren sind. Es ist sicher kein Zufall, dass sich im näheren Umfeld dieses Berichts weitere Berichte finden, die den Umgang der Märtyrer mit körperlichen und seelischen Erkrankungen (mir. 12: Häresie), deren Verhältnis zueinander (mir. 14: Besessenheit, mir. 16: Scham angesichts körperlicher und seelischer πάθη) oder das Verhältnis von Krankheit und Sünde (mir. 13: Lepra, mir. 15: Elephantiasis) thematisieren. Der Bericht ist vielleicht gerade wegen seiner ungewöhnlichen Exposition bemerkenswert: Sophronios stellt hier die στίγματα, die Elias als Aussätzigen zu erkennen geben, denen des Apostel Paulus gegenüber. Während Paulus auf die seinen zu Recht stolz ist (§1), handelt es sich bei denen des Elias um „Merkmale der Sünde“, die Jesus Christus „dem Geist und dem Buchstaben nach aus der Menschheit fortgetrieben“ habe (§2). Elias leidet. Ärzte können ihm nicht helfen. Deswegen wendet er sich Kyros und Johannes zu (§2). Die Märtyrerheiligen erscheinen ihm zunächst nicht. Daraufhin verzweifelt Elias und beschließt, ihre Anlage zu verlassen (§3). Auf dem Weg zur Konkurrenz, einem miaphysitischen MetrasHeiligtum, erscheinen ihm Kyros und Johannes und befragen ihn, woher er komme (§4) und warum er ihr Heiligtum verlassen habe. Sie stellen ihm die Genesung in Aussicht, wenn er zurückkehre (§5), und geben ihm genaue Anweisungen, was er dafür zu tun habe (§6). Elias führt ihre Anweisungen aus (§7) – allerdings nicht vollständig: Sein Gesicht salbt er nämlich nicht mit der von den Märtyrern verordneten Salbe ein. Deshalb bleibt sein Gesicht auch, wie Kyros und Johannes es angedroht hatten, weiterhin von der Lepra befallen (§8). 69
σεριών ὀπῷ πρὸς θεραπείαν χρησάμενος· τούτων γὰρ ἐκχυματίζεσθαι τὸν ὀπὸν οἱ μάρτυρες δι᾿ ὁραμάτων ἐκέλευσαν (38,12,2f [335 FM]). Wie die Märtyrerheiligen heilen, untersuchen die Kap. 4.4.2 und 4.4.3. 70 τοὺς σωμάτων καὶ ψυχῶν ἰατρούς (38,12,5 [335 FM]).
5.4. Über Elias, den Aussätzigen (mir. 13)
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5.4.2 Text1 und Übersetzung Περὶ Ἠλίου τοῦ λεπροῦ §1 Τὸ εἰς Ἠλίαν δὲ τὸν λεπρὸν πραχθὲν τοῖς ἁγίοις τεράστιον, τίς ἀκούσας οὐ θαυμάσει τοὺς δράσαντας, καὶ πλεῖστα δύνασθαι μαρτυρήσει τῷ θαύματι; Λεπρὸς ὁ Ἠλίας ἐτύγχανεν, καὶ χρόνον πολὺν ἔσχε τοῦτο τὸ σύμπτωμα, οὐχ ἑνὶ μέλει λεπρὸς γνωριζόμενος, ἀλλ᾿ ἐν ὅλῳ τῷ σώματι τῆς ἀσθενείας φέρων τὰ στίγματα, οὐχ ἅπερ ἔχων ὁ Παῦλος ἐπ᾿ αὐτοῖς ἐσεμνύνετο· ἀρεταὶ γὰρ ἐκεῖναι καὶ πράξεις οὐράνιοι, ἐν Παύλῳ τὸν Χριστὸν εἰκονίζουσαι, καὶ ἀκτῖνες οἷόν τινες τοῦ δικαιοσύνης Ἡλίου τυγχάνουσαι, καὶ τέκνα φωτὸς καὶ υἱοὺς ἡμέρας ποιοῦσαι τοὺς ἔχοντας· ἀλλ᾿ ἐκεῖνα ἃ κατὰ νόμον Μωσαϊκὸν βδελυρά τε ἦν καὶ ἀκάθαρτα, καὶ τὸν γεννώμενον ἄνθρωπον ἔξω παρεμβολῆς2 καὶ πόλεως ἤλαυνεν, ὡς βδελυρὸν καὶ ἀκάθαρτον τῶν λοιπῶν ὁμοφύλων ἀπείργοντα.
§2 Ταῦτα φέρων Ἠλίας τὰ στίγματα, τῆς ἁμαρτίας ὑπάρχοντα σύμβολα, ἅπερ ὁ Λόγος Θεὸς ὢν καὶ ἄνθρωπος ἐν ἀνθρώποις γενόμενος, καὶ κατὰ πνεῦμα καὶ κατὰ γράμμα τῶν ἀνθρώπων ἀπήλασεν, καὶ τὸν τότε θεραπευθέντα κατὰ τὸ γράμμα, λεπρὸν κατὰ τὸν νόμον Μωϋσέως 1
Über Elias, den Aussätzigen Was aber an Elias, dem Aussätzigen, von den Heiligen Ungeheuerliches getan wurde – wer wird, wenn er es hört, die Vollbringer nicht bewundern und aufgrund des Wunders bezeugen, dass sie ausgesprochen viel vermögen? Elias war aussätzig und hatte dieses Unglück lange Zeit. Nicht an einem Körperteil war er als Aussätziger zu erkennen, vielmehr trug er am ganzen Körper die Merkmale der Schwäche. Nicht hatte er die, auf die Paulus stolz war: Denn jene waren Wundertaten und himmlische Werke, Christus in Paulus abbildend. Wie Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit sind sie und zu Kindern des Lichts und Söhnen des Tages machten sie die, die sie haben. Sondern (er hatte) jene, die gemäß dem mosaischen Gesetz abscheulich und unrein waren. Den Menschen, der ‹sie› hervorgebracht hatte, verstießen sie aus Lager und Stadt, ihn als abscheulichen und unreinen Menschen von seinen Mitmenschen bannend. Diese Zeichen trug Elias; Merkmale der Sünde sind sie, die das Wort, Gott seiend und Mensch unter Menschen geworden, nach dem Geist und nach dem Buchstaben aus der Menschheit fortgetrieben hat. (Das Wort) ordnete auch an, dass der damals nach dem Buchstaben geheilte
= FM 269–271. Cj. LACKNER (Rez. FM, 76), καὶ τὸν γεννώμενον ἄνθρωπον ἔξω παρεμβολῆς καὶ ἀκάθαρτα, καὶ τὸν γεννώμενον ἄνθρωπον ἔξω παρεμβολῆς C, E, FM. 2
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προσενέγκαι τὸ δῶρον ἐθέσπισεν· καὶ μηδὲν πρὸς μηδενὸς ὠφελούμενος (ἄπρακτοι γὰρ κἀνταῦθα πεφύκασιν Ἱπποκράτης τε καὶ Γαληνὸς καὶ Δημόκριτος ὁ ἀδελφὸς ὁ νόθος τῆς φύσεως, καὶ σὺν αὐτοῖς οἱ τοῖς λόγοις αὐτῶν βρενθυνόμενοι, καὶ τὰς τούτων ἡμῖν προσηγορίας ἀντὶ μεγάλων φαρμάκων προσφέροντες), πρὸς Κῦρον καὶ Ἰωάννης τοὺς μάρτυρας ἔρχεται, τοῦ πάθους ἴασιν θέλων πορίσασθαι, καὶ πιστεύων ὡς πάντως πορίσεται. §3 Οὐκ ὀλίγου δὲ παρεκταθέντος χρονικοῦ διαστήματος, μηδὲν ὀνήσας ἠθύμησεν, τῶν ἁγίων οἰκονομίαις τισὶν ταμιευομένων τὴν ἴασιν· καὶ τοῦτο παθὼν ἐκ διαβολικοῦ δηλονότι φρονήματος, τοῦ καὶ αὐτὸν κωλῦσαι τῆς θεραπείας θελήσαντος, καὶ τὴν τῶν ἁγίων ἐκκόψαι συμπάθειαν, μένειν ἔτι κατὰ τὸ τέμενος οὐκ ἠδύνατο. Βαρὺ γὰρ τῆς ἀκηδίας τὸ πάθος, καὶ πάνυ ψυχαῖς φιλοθέοις πολέμιον, καὶ μεγάλα ταύτας ἀδικῆσαι δυνάμενον, εἰ μὴ θᾶττον αὐτὸ ὡς δαιμονίου φάσμα μεσημβρινοῦ νεανικῶς ἀποσβέσωσιν· ὅπερ ὁ λεπρὸς ποιεῖν ὑπερθέμενος, καὶ μὴ ἰσχύσας ἔτι φέρειν αὐτοῦ τὴν ἐκπύρωσιν, ἀπάρας ᾤχετο, καταλιπὼν τὸ τέμενος, καὶ τὰ τῶν μαρτύρων θεῖα χαρίσματα, καὶ ὅσον ἐπ᾿ αὐτῷ τῆς οἰκείας ἀσθενείας τὴν ἴασιν.
Aussätzige nach dem Gesetz des Moses das Opfer darbringe. Weil (Elias) von niemandem in irgendeiner Weise Hilfe erfahren hatte – denn nutzlos sind Hippokrates, Galen und Demokrit, der falsche Bruder der Natur, auch hier und mit ihnen die, die stolz auf deren Reden sind und uns deren Namen anstelle von wirksamen Heilmitteln antragen –, deswegen ging er zu Kyros und Johannes, den Märtyrern, im Willen, Heilung seines Leidens zu erlangen, und im Glauben, dass er sie gänzlich erlangen würde. Nachdem eine nicht geringe Wartezeit vergangen war und er keine Hilfe erfahren hatte, verzagte er; die Heiligen hatten die Heilung aus gewissen Gründen aufgespart. Dies erlitt er aus einer offensichtlich teuflischen Absicht heraus, die darauf gerichtet war, ihn von der Heilung abzuhalten und auch das Mitleid der Heiligen zu vertreiben, und konnte darum nicht mehr in ihrer Anlage bleiben. Ein schweres Leiden nämlich ist das der Akedia, den gottliebenden Seelen überaus feindlich gesonnen und in der Lage, diesen großen Schaden zuzufügen, wenn man selbiges nicht schnell und rigoros als Erscheinung des Mittagsdämons auslöscht. Dies zu tun, versäumte der Aussätzige. Da er sein Entbrennen nicht mehr zu tragen vermochte, reiste er ab und ging fort, die Anlage hinter sich lassend, die göttlichen Gnadengaben der Märtyrer und auch, soweit es an ihm lag, die Heilung seiner eigenen Schwäche.
5.4. Über Elias, den Aussätzigen (mir. 13)
§4 Ἀλλ᾿ οἱ ἅγιοι κατὰ τὸν καιρὸν αὐτὸν3 φθονηθέντα τῆς ῥώσεως θεασάμενοι, οἰκτείραντες ἐπηλέησαν, φροντίσαντες οὐδὲν τῆς εἰς αὐτοὺς ἀλογίας καὶ ὕβρεως. Ἀναχωροῦντι δὲ κατὰ τὸ Μητρᾶ τοῦ ἁγίου μαρτύριον μεσούσης ἡμέρας ἐν μοναχῶν ὑπαντήσαντες σχήματι, καὶ ἄγνοιαν συμπαθῆ προσποιησάμενοι, πόθεν ἔρχοιτο καὶ ποῦ πορεῦοιτο προσηρώτησαν. Ὁ δὲ ὡς ἀληθῶς ἀγνοοῦσιν ἐπαγγελίαν ποιούμενος, καὶ τοὺς ἁγίους ὠνόμασεν καὶ ‹τέμενος›4 ἔφρασεν. Ἀλλ᾿ οἱ μάρτυρες καὶ τὴν αἰτίαν λέγειν δι᾿ ἣν ἐκεῖ παρεγένετο διεκέλευον· ὁ δέ, Τὴν αἰτίαν, ἔφησεν, βλέπετε· προφανὴς γὰρ αὕτη καὶ οὐ χρῄζει τινὸς τοὺ μηνύοντος. §5 Οἱ δὲ θεσπέσιοι πάλιν ἐπύθοντο, καὶ τίνος, λέγοντες, ἕνεκα πρὸ τῆς τοῦ πάθους ἀπαλλαγῆς ἀνεχώρησας; παραμονῆς τὸν χρόνον ἐσήμανεν, καὶ ὡς5 οὐδὲν ὠφελεῖτο παραμείνας ἐμήνυεν, μάρτυρας τὰς εἰδεχθεῖς ἐκείνας λευκάδας ποιούμενος· οὐ τοὺς ἁγίους ἐν τούτῳ μεμφόμενος ὡς μὴ δυνηθέντας ἢ μὴ θελήσαντας, ἀλλ᾿ ἑαυτὸν ἀνάξιον σὺν εὐλαβείᾳ καὶ δάκρυσιν εἰπὼν τοῦ δωρήματος· οἱ δὲ συμπαθέστατοι μάρτυρες ἔτι μᾶλλον αὐτὸν ἐλεήσαντες· Πείθου καὶ νῦν ἡμῖν καὶ δρομαίως6 ὑπόστρεφε, λέγουσιν, καὶ ὄψει Θεοῦ τὰ θαυμάσια, καὶ τὴν ἐπὶ σοὶ τῶν
3
Doch die Heiligen sahen im richtigen Augenblick, dass ihm seine Genesung missgönnt wurde, und hatten Mitleid und Erbarmen; in keiner Weise dachten sie an seine Unvernunft oder Unverschämtheit ihnen gegenüber. Als er sich zum Schrein des Heiligen Metras zurückzog, mittags, begegneten sie ihm in Mönchsgestalt und fragten ihn mitfühlendes Unwissen vortäuschend, woher er komme und wohin er ginge. Dieser machte eine Ansage wie gegenüber wirklich Unwissenden, nannte die Heiligen und sprach vom Heiligtum. Die Märtyrer aber ermahnten ihn, auch zu sagen, warum er sich dort aufhielt. „Den Grund seht ihr“, antwortete er, „denn er ist offensichtlich, niemand muss ihn mitteilen.“ Die Herrlichen erkundigten sich erneut und fragten: „Und weswegen hast du dich zurückgezogen, bevor du von deinem Leiden befreit wurdest?“ Er gab die Dauer seines Aufenthaltes an, teilte mit, dass er während seines Aufenthaltes in keiner Weise Hilfe erfahren habe und machte jene grauenhaften weißen Stellen zu Zeugen. Den Heiligen warf er dabei nicht vor, dass sie es nicht gekonnt oder nicht gewollt hätten, sondern bezeichnete sich selbst gottesfürchtig und unter Tränen dieser Gabe unwürdig. Die äußerst mitfühlenden Märtyrer erbarmten sich sei-
Cj. LACKNER (Rez. FM, 76), αὐτῷ FM. Cj. FM ex L templum asseruit; τοὺς μῆνας C, E. 5 C, E, om. FM (LACKNER, Rez. FM, 76). 6 Cj. GASCOU (Sophrone, 63 Anm. 360), δρομέως C, E, FM. 4
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Kapitel 5: Gedeutete Krankheit
ἁγίων ἐπίσκεψιν.
§6 Πρὸς τὸ αὐτῶν οὖν ἀφικόμενος τέμενος, καμήλους εὑρήσεις ἐπὶ τὴν πηγὴν παριούσας ὡς τέτταρας, καὶ τῆς τετάρτης ἐπιμελῶς τὴν κόπρον δεξάμενος τῷ τῆς πηγῆς ἀνάλυσον ὕδατι, καὶ τούτῳ τῷ χρίσματι ἅπαν σου τὸ σῶμα κατάχρισον, μηδὲν ὅλως παρερχόμενος ἄχριστον, ἴνα μὴ τὸ τούτου μὴ χριόμενον μείνῃ πάλιν κατάστικτον καὶ ταύτῃ τῇ νόσῳ διηνεκῶς κατεχόμενον. Καὶ ταῦτα κατὰ πρόσωπον λέξαντες, ἀφανεῖς ἀθρῶον7 ἐγένετο. §7 Ὁ δὲ θείαν εἶναι τὴν ὄψιν εὐθὺς λογισάμενος, καὶ ὡς αὐτοὶ εἰσιν οἱ φαινόμενοι καὶ ταῦτα προστάξαντες μάρτυρες, σπουδαίως πρὸς τὸ σεπτὸν αὐτῶν ἔρχεται τέμενος, καὶ πρὸς τῇ πηγῇ8 τὰς λεχθείσας αὐτῷ καμήλους εὑράμενος, τὴν τῆς τελευταίας ὀνθόν, ὡς εἶπον, ἀπέλαβεν9, καὶ ταύτην τῆς αὐτῶν πηγῆς ἀποβρέξας τοῖς νάμασιν, ὅλον ἑαυτὸν περιέχρισεν. Ἔσχεν δὲ κἀνταῦθα φθονοῦντα τὸν δαίμονα. §8 Τὰς γὰρ ὄψεις οὐκ ἔχρισεν τὸ χρίσμα, φησίν, τὸ καθαῖρον αὐτὸν μυσαττόμενος· ὅθεν ἀκολούθως κατὰ τὴν τῶν ἁγίων θεόφραστον κέλευσιν, ὅλον μὲν αὐτοῦ τὸ σῶμα καθαρὸν τῶν στιγμάτων εὐθέως ἐγένετο, τὸ δὲ πρόσωπον ἔμεινεν διὰ βίου 7
C, ἀθρόως FM (DUFFY, Readings, 172). C, τῆς πηγῆς FM (DUFFY, Readings, 172). 9 C, ἐπέλαβεν FM (DUFFY, Readings, 172). 8
ner noch mehr. „Gehorche uns und kehre geschwind zurück“, sagten sie, „und du wirst Gottes Wunderwerke sehen und die Fürsorge der Heiligen für dich.“ „Dann bei ihrem Heiligtum angekommen, wirst du Kamele an der Quelle vorbeilaufend vorfinden, vier an der Zahl. Nimm den Mist des vierten sorgfältig auf und löse ihn im Quellwasser. Salbe mit dieser Salbe deinen ganzen Körper ein und lasse keine einzige Stelle ungesalbt, damit die nicht eingesalbte Stelle nicht weiterhin befleckt und dauerhaft dieser Krankheit unterworfen bleibt.“ Nachdem sie dies von Angesicht zu Angesicht gesagt hatten, wurden sie plötzlich unsichtbar. Elias schloss sofort, dass die Erscheinung göttlich war und dass es die Märtyrer selbst waren, die erschienen und dies anordneten. Er eilte zu ihrer ehrwürdigen Anlage und fand bei der Quelle die ihm angekündigten Kamele vor. Den Dung des letzten nahm er, wie sie sagten, auf, tränkte diesen mit Wasser ihrer Quelle und salbte sich vollständig ein. Aber auch hier stand ihm der Dämon missgünstig entgegen. Sein Gesicht salbte er nämlich nicht, wie man sich erzählt, weil er sich davor ekelte, was ihn rein machen würde. Die Konsequenz daraus war, dass – gemäß dem inspirierten Befehl der Heiligen – sein ganzer Körper sogleich von den Merkmalen befreit
5.4. Über Elias, den Aussätzigen (mir. 13)
κατάστικτον· τῆς μὲν αὐτοῦ παρακοῆς οὐ κρυπτόμενος ἔλεγχος, τῆς δὲ τῶν μαρτύρων δυνάμεως καὶ παραλογιζομένης κελεύσεως κῆρυξ ἀσίγητος καὶ μάρτυς ἀληθῶς ἀξιόπιστος· καὶ πολλὰ μὲν ἑαυτὸν τῆς παρακοῆς ὁ Ἠλίας ἐμέμψατο, ὤνησεν δὲ τὸ παράπαν οὐδέν, ὥσπερ οὐδὲ Ἡσαῦ μετὰ δακρύων ἐκζητήσας αὐτοῦ τὰ πρωτότοκα.
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wurde, sein Antlitz aber zeitlebens befleckt blieb: der unverborgene Beweis seines Ungehorsams, ein niemals stiller Verkünder und wahrhaft glaubwürdiger Zeuge der Macht der Märtyrer und eines widervernünftigen Befehls. Viele Vorwürfe machte sich Elias wegen seines Ungehorsams, es nutzte ihm aber überhaupt nichts, wie (es) auch Esau nicht (nutzte), als er unter Tränen sein Erstgeburtsrecht verlangte.
5.4.3 Kommentar Die Überschrift ist auf das Nötigste reduziert: Sie verrät Namen und Leiden des Protagonisten dieses Berichts. Elias ist der einzige dieses Namens in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes, ohne dass ihm Sophronios allerdings eine besondere Bedeutung beimessen würde. Er ist auch der einzige, der unter Lepra leidet.10 §1 Sophronios eröffnet den Bericht mit der rhetorischen Frage, wer die (erst in §2 namentlich genannten) Kyros und Johannes nicht bewundern und in der Folge bezeugen würde, was sie vermögen, wenn er oder sie Elias’ Geschichte hört. Damit ist sowohl die Brücke zum vorangehenden Wunderbericht geschlagen, der, wie so viele, mit dem Lob der Märtyrer endet,11 als auch der Blick nach vorne gelenkt, auf das „Ungeheuerliche“, das Sophronios nun berichtet. Es folgt die Exposition: Elias hat schon lange Aussatz und lässt sich auch als Aussätziger identifizieren, schließlich sei er nicht nur „an einem Körperteil“ als Aussätziger zur erkennen, sondern trage „die Merkmale der Krankheit“ (ἀσθενείας ... τὰ στίγματα) am ganzen Körper. Gleichwohl verzichtet Sophronios darauf, die Symptome der Krankheit zu beschreiben; er setzt schlichtweg voraus, dass jederman weiß, wie ein Leprakranker aussieht. Als Indizien bietet er in diesem Wunderbericht lediglich die Heilungsmethode an – Elias soll seinen Körper mit einer Salbe einreiben (§6) – und den Hinweis, dass sein Körper befleckt (κατάστικτος, §6.8) sei. 10
Auf Elias’ Krankheit kommt der Kommentar (zu §1–2), S. 264–268, zurück. Ἡμεῖς δὲ τὴν περὶ αὐτοῦ διήγησιν ἐκπληρώσαντες, καὶ τοὺς ἁγίους ὑμνήσαντες, ἐφ᾿ ἑτέραν αὐτῶν θαυματουργίαν μετέλθωμεν, καὶ ταύτης ποιησώμεθα τὴν διήγησιν (12,18,9– 11 [269 FM]). 11
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Kapitel 5: Gedeutete Krankheit
Vermutlich ist Sophronios’ Bild biblisch vorgeprägt und die Lepra als ein weißer Hautausschlag imaginiert (Ex 4,6). Tatsächlich scheint im Alten Testament aber eine Vielzahl von Hauterkrankungen unter diesem Schlagwort zusammengefasst zu sein. Der Sache nach ist dies auch durchaus angemessen, wird der Aussatz im Alten Testament doch in erster Linie unter kultischen und nicht unter medizinischen Gesichtspunkten betrachtet.12 Von hier erschließt sich auch, weshalb Sophronios besagte Merkmale nicht, wie es naheliegen würde, als συμπτώματα bezeichnet, sondern als στίγματα. Er betrachtet den Aussatz nämlich auch im Folgenden in einer religiösen Perspektive, indem er Elias στίγματα denen des Paulus gegenüberstellt: Denn „nicht jene hatte er, auf die Paulus stolz war, … sondern jene, die … abscheulich und unrein waren.“ Der Apostel Paulus erwähnt in 2Kor 12,7–9, dass ihm ein Stachel – oder, wie Luther übersetzt: „Pfahl“ – ins Fleisch (σκόλοψ τῇ σαρκί) gegeben ist. Dieser Stachel wird traditionell mit der „Krankheit“ oder „Schwäche des Fleisches“ (ἀσθενείαν τῆς σαρκός) identifiziert, die Paulus in Gal 4,13f argumentativ ins Feld führt.13 Dass Sophronios die Merkmale von Paulus’ Krankheit als στίγματα bezeichnet, könnte ebenfalls aus dem Galaterbrief herrühren: In Gal 6,17 spricht der Apostel von τὰ στίγματα τοῦ Ἰησοῦ ἐν τῷ σώματί μου. Aus dem Kontext liegt es zwar näher, diese στίγματα als die Zeichen von Paulus’ eigener Kreuzigung zu verstehen.14 In jedem Fall aber übernimmt Sophronios diese positive Deutung der στίγματα und überträgt sie auf die in 2Kor 12,8 noch als ἄγγελος σατανᾶ bezeichnete Krankheit.15 Paulus sei – auch dies ein Motiv aus Gal 6,14 – „auf sie“ sogar „stolz“ (ἐπ᾿ αὐτοῖς ἐσεμνύετο) gewesen, denn sie bilden „Christus in Paulus“ ab. In diesem Sinn kann Sophronios Paulus’ στίγματα auch als „himmlische Werke“ bezeichnen. Unklar bleibt allein, was Sophronios genau damit meint, dass die στίγματα auch ἀρεταί sind. Natürlich liegt es nahe, ἀρεταί als Gegenbegriff zu ἁμαρτία
12
FREY-ANTHES, Krankheit, Abschnitt 6.3. In der griechischen medizinischen Literatur ist der Begriff λεπρός gegenüber dem der ἐλεφαντίασις von eher untergeordneter Bedeutung und bezeichnet mit der Schuppenflechte zunächst auch eine andere Krankheit. Sophronios unterscheidet beide Krankheiten, wie mir. 15 beweist. Vgl. KLINGMÜLLER, Lepra, 7–9; BAYER, Art. Aussatz, 1023f; NUTTON, Medicine, 29f; HOLMAN, Healing, 287– 293; GASCOU, L’éléphantiasis, 274–276. 13 Vgl. CRISLIP, Thorns, 20 und 31. 14 ἐμοὶ δὲ μὴ γένοιτο καυχᾶσθαι εἰ μὴ ἐν τῷ σταυρῷ τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ, δι᾽ οὗ ἐμοὶ κόσμος ἐσταύρωται κἀγὼ κόσμῳ (Gal 6,14 [589 NA28]). 15 Eine ähnliche Figur findet sich im Übrigen auch bei Gregor von Nyssa (hom. in Cant. 12 [365,16–366,6 LANGERBECK]).
5.4. Über Elias, den Aussätzigen (mir. 13)
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(§2) zu verstehen16 und mit „Tugenden“ zu übersetzen. Doch stellt sich die Frage, inwiefern die στίγματα selbst Tugenden sein können. Insofern erscheint es an dieser Stelle sinnvoller, ἀρεταί mit „Wundertaten“ oder Auszeichnungen zu übersetzen.17 Wiederum dürfte die Näherbestimmung der στίγματα als „Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit“ einem Wortspiel (Ἠλίας – ἥλιος) geschuldet sein. Gleichwohl weitet Sophronios nun die Perspektive: Er stellt nicht mehr nur Elias und Paulus einander gegenüber, sondern diejenigen, die στίγματα wie Paulus haben, und diejenigen, die wie Elias solche tragen, die nach „dem mosaischen Gesetz abscheulich und unrein waren.“ Sophronios bedient sich biblischer Motive, um das begonnene Bild auszugestalten: τέκνα φωτός (Eph 5,8), υἱοὶ φωτός ἐστε καὶ τέκνα ἡμέρας (1Thess 5,5). Entsprechend zahlreich sind die Belege in der patristischen Literatur sowohl für die einzelnen Ausdrücke als auch für die Verbindung derselben.18 An dieser Stelle bemerkenswert ist allerdings nicht nur, dass etwas als Strahl der Sonne der Gerechtigkeit bezeichnet wird. Bemerkenswert ist vor allem, dass diejenigen zu Kindern des Lichtes werden, die diese Strahlen tragen, also στίγματα haben, wie Paulus sie trägt. Elias trägt nun nicht die στίγματα des Paulus, sondern (ἀλλά) jene, die nach dem mosaischen Gesetz abscheulich (βδελυρά) und unrein (ἀκάθαρτα) sind: Das Buch Levitikus dokumentiert in den Kapiteln 13 und 14 recht umfangreiche Bestimmungen, wann welche Form von Aussatz vorliege, wann er als geheilt gelten könne und welche Opfer der vom Aussatz Geheilte darbringen müsse. Die Feststellung obliegt dem Priester, da es sich bei Reinheit um eine vor allem religiöse Kategorie handelt. Stellt der Priester bei jemanden Aussatz fest, gilt dieser als unrein (ἀκάθαρτος) und muss ἔξω τῆς παρεμβολῆς (LevLXX 13,46) von den Seinen getrennt leben. Diese alttestamentliche Vorschrift ist nun offensichtlich außer Kraft gesetzt. Elias kann sich frei bewegen. Die theologische Begründung, warum sie an Geltung verloren hat, folgt in §2. Zugleich wird aber bereits an dieser Stelle deutlich, dass Sophronios die Lepra mit dem Begriff der Sünde verbindet. Ungewöhnlich ist dabei nun nicht, die Lepra als Bild zu verwenden. Im Gegenteil: „Diese metaphorische Verwendung von lepra(!) ist in der patristi-
16 Dass Lepra und Sünde in einem Zusammenhang stehen, greift Sophronios in mir. 15 noch einmal auf: διὰ μὲν τοῦ λεπροῦ τὸ τῆς ἁμαρτίας ἐξορίσας παμποίκιλον (15,2,7f [273 FM]). 17 Vgl. LSJ s.v. ἀρετή, 238. 18 Vgl. beispielsweise Orig. comm. in Mt 12,37 oder Ps.-Macarius, Logoi B 26.
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Kapitel 5: Gedeutete Krankheit
schen Literatur weit verbreitet“.19 Ungewöhnlich erscheint inzwischen eher, dass er der Lepra nichts Positives abgewinnen kann.20 Eine interessante Parallele zu unserer Stelle findet sich im Übrigen in Kyrill von Alexandriens De adoratione in spiritu et veritate: Leprabefall wird dort mit Leben in der Sünde parallelisiert und einem Leben in Christus gegenübergestellt. In diesem Zusammenhang, und nur hier, fallen auch die Adjektive ἀκάθαρτος und βδελυρός zur näheren Charakterisierung der Lepra.21 §2 Genau die eben beschriebenen στίγματα trägt Elias, die Sophronios nun auch explizit als τῆς ἁμαρτίας ... σύμβολα beschreibt.22 Während sich Sophronios in §1 auf das Alte Testament konzentriert, wendet er sich nun dem Neuen Testament zu, wie Jesus Christus mit Leprakranken umgeht: Der Logos, „Gott seiend und Mensch unter Menschen geworden“, habe die Merkmale der Sünde – τῆς ἁμαρτίας allein kann aus syntaktischen Gründen nicht gemeint sein – „nach dem Geist und nach dem Buchstaben“ aus der Menschheit vertrieben. Die Gegenüberstellung von κατὰ πνεῦμα und κατὰ γράμμα ist, so wie sie hier durchgeführt wird, ungewöhnlich: Angestammter Ort beider Ausdrücke ist die Gegenüberstellung des alten, mosaischen Gesetzes κατὰ γράμμα und des von Jesus errichteten neuen Gesetzes κατὰ πνεῦμα (vgl. bereits 2Kor 3,6– 8). Vor diesem Hintergrund muss Sophronios wohl so verstanden werden, dass Jesus Christus zum einen die kultischen Bestimmungen rund um den Aussatz aufgehoben hat, zum anderen aber auch ein Leben ohne Lepra im übertragenen Sinn ermöglicht, also ein nicht in der Sünde verhaftetes Leben. Nachdem Sophronios die „Merkmale der Schwäche“ des Elias mit denen des Paulus verglichen (§1) und sie in Beziehung zum Aussatz gesetzt hat, wie er im Buch Levitikus (§1) und im Neuen Testament (§2) beschrieben wird, kehrt Sophronios zum eigentlichen Wunderbericht zurück. Sophronios hält zunächst fest, dass Elias „von niemanden in irgendeiner Weise Hilfe erfahren“ habe; dabei hat er vermutlich in erster Linie die Ärzte im Blick, die Elias zu Rate gezogen hat.
19 BAYER, Art. Aussatz, 1026. Vgl. zu diesem Phänomen im Allgemeinen HOLMAN, Healing, 294–298, und mit Blick auf die die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes GASCOU, L’éléphantiasis, 280–282. 20 Anders die drei Kappadozier Gregor von Nyssa, Gregor von Nazianz und Basilios von Cäsarea, vgl. HOLMAN, Healing, bes. 298–398. Zur Lepra als „heiliger Krankheit“ (ἱερὰ νόσος) vgl. auch BAYER, Art. Aussatz, 2016f, und GASCOU, L’éléphantiasis, 278f. 21 Cyr. ador. 543 (PG 68,988D). 22 Die Wendung τῆς ἁμαρτίας ... σύμβολα ist nach Auskunft des TLG ohne Parallele; auch die Suche nach der Kombination der beiden Lexeme ἁμαρτία und στίγμα trägt nicht zur Klärung dieser Passage bei.
5.4. Über Elias, den Aussätzigen (mir. 13)
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Das in der medizinischen Literatur meist unter dem Begriff der ἐλεφαντίασις besprochene Krankheitsbild galt – bei allen Unterschieden im Detail – als durch ein Übermaß schwarzer Galle verursacht und auch als prinzipiell heilbar.23 Gleichwohl gelingt es den Ärzten nicht, Elias zu heilen. Der Vorwurf, den Sophronios den Ärzten macht, erwächst also auch hier aus der Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit.24 Nachdem ihm die Ärzte nicht haben helfen können, sucht Elias die Märtyrerheiligen Kyros und Johannes auf, um von ihnen geheilt zu werden. Sein Glaube, dass er die Heilung auch „gänzlich erlangen würde“, ist hierfür Bedingung.25 Wie der weitere Verlauf des Wunderberichts zeigen wird, vertraut Elias den Märtyrerheiligen allerdings nicht in ausreichendem Maß. Deshalb wird er auch nicht vollständig geheilt. §3 Dass Elias lange Zeit im Heiligtum ausharrt, hebt Sophronios dreifach hervor: durch die Litotes οὐκ ὀλίγου, das Verb ἐκτείνω (wörtlich: ausstrecken) sowie die etwas umständlich anmutende Formel χρονικὸν διάστημα (wörtlich: zeitliche Spanne). In aller Kürze stellt Sophronios fest, dass Elias in all dieser Zeit keine Hilfe erfährt und schließlich verzagt (ἠθύμησεν). Wie es hierzu kommt, entfaltet Sophronios nun. Zur Verteidigung der Heiligen führt Sophronios an, dass Kyros und Johannes die Heilung aus gewissen, nicht weiter ausgeführten Gründen aufgespart hätten. Beide Begriffe – ταμιεύω und οἰκονομία – entstammen der Verwaltungssprache, wenngleich οἰκονομία als Begriff eine spezifisch christliche Weiterentwicklung erfahren hat. Durch ihre Verwendung erscheinen die beiden Heiligen als vorausschauend planende Verwalter von etwas, über das sie auch tatsächlich verfügen können. Dass Elias verzagt, erleidet er (παθών) aus einer teuflischen Absicht (ἐκ διαβολικοῦ δηλονότι φρονήματος) heraus. Wie wir später (§7) erfahren, steht ihm der Dämon entgegen: Er missgönnt Elias seine Genesung (§4) und möchte ihn auch im weiteren Verlauf von seiner vollständigen Heilung abhalten (§7). Zugleich versucht er, das Mitgefühl der Märtyrerheiligen zu untergra-
23
Vgl. KLINGMÜLLER, Lepra, 7–9; HOLMAN, Healing, 287–293. Zu Hippokrates, Galen und Demokrit in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes vgl. Kap. 4.1.4. Auftreten und Wirken der Ärzte thematisiert Kap. 4.2. Der Bericht über den Iatrosophisten Gesios, der Gegenstand von Kap. 4.3 ist, illustriert diesen Konflikt. Kap. 4.4 vergleicht die ärztliche Heilkunst mit der, derer sich Kyros und Johannes bedienen. 25 Vgl. zur Bedeutung des Glaubens im Heilungsprozess MARAVAL, Fonction pédagogique, 383–397. 24
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ben. Dies gelingt ihm vorerst auch: Elias kann nicht mehr in der Anlage der Märtyrer bleiben.26 Dass es sich offensichtlich um einen teuflischen Plan handelt, wird allerdings erst in der Folge deutlich: Elias’ Verzagen (ἠθύμησεν) entpuppt sich als τῆς ἀκηδίας τὸ πάθος, ein Leiden, das „den gottliebenden Seelen überaus feindlich gesonnen“ sei und ihnen „großen Schaden“ zufügen könne. Bei der ἀκηδία handelt es sich um einen schwer fass- und kaum übersetzbaren Begriff, der sowohl Gleichgültigkeit im positiven und negativen Sinn wie auch Erschöpfung bezeichnen kann. Damit weist die ἀκηδία eine gewisse Nähe zur μελαγχολία auf, einem durchaus ambivalenten Gefühlszustand, der als Leiden auch von Philosophen und Ärzten bedacht wurde.27 Beide Konzepte werden allerdings nirgends explizit miteinander verbunden und ein jedes entfaltet seine Wirkung auf eigene Weise. Insgesamt bleibt die Melancholie das weitere, offenere und auch ambivalentere Konzept, während die Akedia – auch durch ihre Promotion zu einem der acht Laster und damit zu einem theologischen Fachbegriff – relativ eng umgrenzt erscheint.28 Die sicherlich bedeutendste Weiterentwicklung erfuhr der Begriff ἀκηδία nämlich bei Euagrios Pontikos, wo er im Rahmen einer Beschreibung der die Asketen versuchenden ὀκτὼ λογισμοί, „zum Affekt des überdrüssigen Widerwillens gegen das aszetische Leben“29 als Ganzes avanciert, der letztlich in (Fahnen-)Flucht mündet.30 ἀκηδία wirkt sich aber nicht nur auf das Verhalten der von ihr Betroffenen aus. In der monastischen Literatur werden auch eine ganze Reihe körperlicher Anzeichen genannt: „Gelenkschmerzen, eine auf dem ganzen Körper liegende Schwere, Schüttelfrost, Schläfrigkeit, Schwindel und Fieber.“31 Elias erliegt seiner Verzweiflung (ἠθύμησεν) jedenfalls und wird des Aufenthalts (zur Konnotation von παραμονή s.u.) im Heiligtum überdrüssig. Er sehnt sich nach einem Ort, an dem er „das, wonach er Bedarf hat, leichter findet.“32 Die Bezeichnung als bzw., je nach Interpretation des ὡς, der Vergleich mit einer δαιμονίου φάσμα μεσημβρινοῦ ist insofern ungewöhnlich, als die 26
Zu dem Phänomen, dass Sophronios für den Protagonisten ungünstige Entwicklungen auf Dämonen zurückführt, s. Kap. 3.4.4.3, S. 127–129. 27 Vgl. SIMON, Mind, 228–237; FLASHAR, Melancholie. Es ist durchaus bemerkenswert, dass auch die Melancholie auf einen Überfluss schwarzer Galle zurückgeführt wird. 28 Vgl. KLIBANSKY u.a., Saturn, 139f. 29 VÖGTLE, Art. Acedia, 62. 30 Vgl. zur Begriffsgeschichte VÖGTLE, Art. Acedia, 62f; GUILLAUMONT, Introduction, 84–90; CRISLIP, Sin, 143–169. 31 CRISLIP, Sin, 146–158, Zitat: 157 (Orig. engl.). 32 Ἄγει δὲ αὐτὸν καὶ εἰς ἐπιθυμίαν τόπων ἑτέρων ἐν οἷς ῥᾳδίως τὰ πρὸς τὴν χρείαν ἔστιν εὑρεῖν (Evagr.Pont. cap. prakt. 12 [SC 171,524 GUILLAUMONT]).
5.4. Über Elias, den Aussätzigen (mir. 13)
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ἀκήδια seit Euagrios regelmäßig mit dem Mittagsdämon identifiziert wird.33 Sophronios’ Zurückhaltung, ἀκηδία und Mittagsdämon gleichzusetzen, könnte sich daher erklären, dass er das ἀκήδια-Leiden zwar von einem Dämon verursacht sieht, deswegen aber (und anders als Euagrios) streng von seinem Verursacher unterschieden wissen will.34 Erst nach diesem erklärenden Einschub berichtet Sophronios von Elias’ Auszug: Elias versäumt es nämlich, gegen die ἀκήδια anzugehen, gegen die in der monastischen Literatur eine Verschärfung oder Verminderung der asketischen Bemühungen, das Gebet, Handarbeit und anderes mehr empfohlen wird.35 Elias vermag sein „Entbrennen“ nicht mehr zu ertragen und reist ab. Obwohl ἐκπύρωσις einen „Wutausbruch“ versinnbildlichen kann, ist Sophronios’ Gebrauch von ἐκπύρωσις ungewöhnlich: Das Bestreben, an einem anderen Ort zu sein, dürfte eher mit Rastlosigkeit, vielleicht auch einem gewissen Frust denn mit einem Wutausbruch assoziert sein. Im Zusammenhang mit dem Begriff ἀκηδία ist ἐκπύρωσις nach Auskunft des TLG anderswo jedenfalls nicht belegt. Vielleicht gebraucht Sophronios den Begriff ἐκπύρωσις gerade, um die Intensität von Elias’ Empfindung zu verdeutlichen, die ihn an den Rand des Verderbens führt. Immerhin wird ἐκπύρωσις auch als terminus technicus für den Weltenbrand am Ende der Zeit gebraucht. Möglicherweise spielt Sophronios auch auf ein nicht weiter beschriebenes körperliches Symptom der ἀκηδία an und Elias leidet unter starkem Fieber. Jedenfalls ist die Begriffswahl vorbereitet: Elias unterlässt es, die Erscheinung des Mittagsdämons „auszulöschen“. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass Elias nicht nur ihre Anlage hinter sich lässt, sondern auch die „göttlichen Gnadengaben der Märtyrer“ sowie die Heilung seiner Schwäche (τῆς οἰκείας ἀσθενείας τὴν ἴασιν) – soweit es an ihm selbst liegt (ὅσον ἐπ᾿ αὐτῷ). Wenngleich sie nämlich bevorzugt dort in Erscheinung treten, ist das Wirken der Märtyrer nicht auf ihren Bezirk beschränkt.36 Darum geht es hier aber auch nicht: Entscheidend ist, dass Elias der Glaube an seine Heilung – eben das, was an ihm liegt – fehlt.
33
Evagr.Pont. cap. prakt. 12. Vgl. auch die übrigen Belege: Orig. sel. in Ps. 90 (PG 12,1552C), Ath., exp. Ps. 90 (PG 27,401B), Cyr. Ps. 90,6 (PG 69,1220A) und GUILLAUMONT, Introduction, 87 Anm. 1. Zur Vorstellung des Mittagsdämons vgl. CAILLOIS, Démons. 34 Vgl. Kap. 3.4.4.3, S. 136–137. 35 CRISLIP, Sin, 155–158. 36 Mit dieser Frage setzt sich Sophronios insbesondere in mir. 8 auseinander. Zu den im Hintergrund stehenden zeitgenössischen Kontroversen vgl. GASCOU, Sophrone, 41 Anm. 199.
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Kapitel 5: Gedeutete Krankheit
§4 Die Heiligen sehen „im richtigen Augenblick“ (κατὰ τὸν καιρόν), dass Elias seine Genesung (τῆς ῥώσεως) missgönnt wurde (φθονηθέντα) – von „dem Dämon“, wie sich aus §7 ergibt. Sie zeigen „Mitleid und Erbarmen“ (οἰκτείραντες ἐπηλέησαν, letzteres nur ein weiteres Mal belegt). Selbst „seine Unvernunft oder Unverschämtheit ihnen gegenüber“ übersehen sie großzügig. Elias wendet sich nämlich nicht nur von Kyros und Johannes ab, sondern zugleich auch dem heiligen Metras zu, dessen Heiligtum aller Wahrscheinlichkeit nach nicht der orthodoxen Kirche zugehörte: Indem sich also Elias Metras zuwendet, wendet er sich nicht nur von Kyros und Johannes ab, sondern eben auch vom orthodoxen Glauben.37 Die Märtyrer erscheinen ihm auf dem Weg, mittags (μεσούσης ἡμέρας), also zu der Zeit, zu der der zuvor erwähnte Mittagsdämon aufzutreten pflegt.38 Sie erscheinen ihm allerdings nicht in ihrer eigenen, sondern in Gestalt von Mönchen (ἐν μοναχῶν ... σχήματι).39. Mit „mitfühlendem Unwissen“, eine Wendung ohne Parallele, fragen sie ihn, „woher er komme und wohin er gehe.“ Es entspinnt sich ein kurzes Gespräch zwischen Elias und den Märtyrern, die er nicht als solche erkennt. Gespräche dieser Art finden sich in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes des Öfteren und auch die eigentlich überflüssige Frage, was Elias habe, ist nicht ohne Parallele (am eindrücklichsten: mir. 16,5f). Elias’ Antwort ist durch Sophronios’ Ausführungen über die Schwere der Krankheit vorbereitet (§1f): Der Grund seines Aufenthalts sei offensichtlich. §5 Auf die folgenden Fragen, warum er sich πρὸ τῆς τοῦ πάθους ἀπαλλαγῆς zurückgezogen habe, verweist Elias auf die Länge seines Aufenthaltes – παραμονή könnte auch mit Beharrlichkeit oder Ausdauer wiedergegeben werden –, ohne dabei Hilfe erfahren zu haben. In den §4 und 5 verfolgt Sophronios zwei Anliegen: Zum einen ist ihm daran gelegen, dass Elias das Heiligtum zwar verlassen hat, den Märtyrern aber (trotz §4,2–3) keine Vorwürfe macht, dass er nicht geheilt wurde. Er wirft ihnen weder Unvermögen noch Unlust vor. Stattdessen nimmt er die Schuld „gottesfürchtig und unter Tränen“ auf sich, in dem er sich als „dieser Gabe unwürdig“ bezeichnet. Dadurch empfiehlt sich Elias, sie doch noch zu empfangen. Zum anderen streicht Sophronios mit den Wendungen οἰκτείραντες
37
Vgl. hierzu ausführlich GASCOU, Sophrone, 63 Anm. 355. Kyros und Johannes behandeln, wie es in mir. 27,7 heißt, τοῖς ὁμοίοις τὰ ὅμοια. Ihre Heilmethoden weisen häufig gewisse Parallelen zum pathologischen Geschehen auf. Vgl. Kap. 4.4.2, S. 211f. 39 Auch in mir. 10,6; 21,4; 38,3; 52,3; 70,8.10 erscheinen sie in einer anderen als der ihnen eigenen Gestalt. 38
5.4. Über Elias, den Aussätzigen (mir. 13)
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ἐπηλέησαν (§4,2), ἄγνοιαν συμπαθῆ (§4,4–5) und ἔτι μᾶλλον αὐτὸν ἐλεήσαντες (§5,6–7) die Barmherzigkeit der Märtyrer heraus. Kyros und Johannes eröffnen Elias eine zweite Chance: Wenn er zurückkehre, werde er „Gottes Wunderwerke sehen und die Fürsorge der Heiligen“ erfahren. Trotz des doch recht anderen Sprachregisters ergänzen sich beide Satzteile: Neben das Staunen über die Wunderwerke stellt Sophronios mit ἐπίσκεψις einen eher nüchternen Begriff, der ein professionelles Fürsorgeverhältnis beschreibt – im kirchlichen Kontext das einer Visitation und im medizinischen das einer Patientenvisite. §6 Nachdem die beiden Märtyrer, die sich nach wie vor nicht zu erkennen geben, Elias’ Gehorsam eingefordert und eine entsprechenden Gegenleistung in Aussicht gestellt haben, fahren sie mit konkreten Anweisungen fort, was Elias beim Märtyrerbezirk angekommen unternehmen soll. Auffällig und erst mit Blick auf den Ausgang der Geschichte verständlich ist dabei die Ausführlichkeit, in der die Märtyrer Elias auf die Folgen hinweisen, sollte er ihre Anordnungen nicht vollständig umsetzen. Auch der eigentliche Charakter der Anweisung durch die Märtyrer wird vom Ende der Geschichte her deutlicher: Sie ist τῶν ἁγίων θεόφραστον κέλευσις. Obwohl Kot sowohl in der wissenschaftlichen Medizin als auch in „Magie“ und „Aberglaube“ der Antike und Spätantike als Heilmittel Verwendung findet40 und selbst für Kamelkot spezifische Verwendungen belegt sind,41 tragen die entsprechenden Belege wenig zur Klärung des vorliegenden Berichts bei. Doch findet sich in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes eine direkte Parallele: Der Bericht über die Heilung des armen Gennadios (mir. 23) ist, sicher auch wegen der Komik der Geschichte, der weitverbreitetste Bericht über ein Wunder der beiden Heiligen.42 In Gennadios’ Kopf haben sich Fliegen eingenistet. Ihretwegen „litt er … Schmerzen zusammen mit einem Geräusch, Summen von Bewegung, das allen Ärzten und allen, die es hörten, fremd anmutete.“43 Die Märtyrer, an die sich Gennadios schließlich wendet, wissen, was zu tun ist: Sie tragen ihm auf, er solle nach dem Aufstehen aus der Kirche heraustreten. Dort würden drei Kamele stehen. Deren letztes solle er festhalten, bis es defäkiert habe. Gennadios folgt der Anweisung der Märtyrer, stößt dabei aber auf den Widerstand des Kameltreibers, der ihn auffordert, das Kamel umgehend loszulassen. Gennadios widersetzt 40
BRASHEAR/BREITENBACH, Art. Kot, 773–776.808–810. Cyranides II,18. 42 Mir. 23 begegnet uns in allen bekannten Sammlungen, zudem existiert, wie GASCOU, Origines, 19 Anm. 100, bemerkt, auch eine arabische Fassung. 43 μετ᾿ ἤχους γάρ τινος καὶ βομβώδους κινήματος τὰς ἀλγηδόνας ὑπέμεινεν, ὃ πᾶσιν μεν ἰατροῖς, πᾶσι δὲ τοῖς ἀκούουσιν ξένον ὑπῆρχε λεγόμενον (23,1,6–8 [285 FM]). 41
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Kapitel 5: Gedeutete Krankheit
sich. Daraufhin schlägt der Kameltreiber Gennadios mit seinem Kamelsporn ein Loch in den Kopf und öffnet so unfreiwillig „den von den in ihm festgehaltenen Fliegen ersehnten Ausgang.“44 Auch der Kameldung bleibt nicht ohne Nutzen: Auf den Kopf aufgetragen soll er ein erneutes Eindringen von Fliegen in „jene fliegenreiche Wunde“45 verhindern, „damit sie nicht kehrt machen und zurückkehren und wie die sieben grundbösen Geister bleiben und schlimmer als zuvor zu Werke gehen.“46 So deutlich die Parallelen auf den ersten Blick auch sind, so deutlich unterscheiden sich die beiden Wunderberichte dann doch im Detail: Vier Kamelen stehen drei in mir. 23 gegenüber. Ein Kameltreiber wird in mir. 13 nicht erwähnt, sicher nicht nur, weil sich das Kamel in mir. 13 sofort erleichtert. In dem einen Fall fungiert die Kameldungsalbe als Heilmittel gegen Lepra, das Elias selbst aufträgt, im anderen als Wundheilmittel, das von der umstehenden Menge aufgetragen wird. Auch sprachlich scheint Sophronios um Variation bemüht, jedenfalls ist es auffällig, dass es kaum wörtliche Parallelen zwischen mir. 13 und 23 gibt.47 Dennoch handelt es sich bei dem von den Märtyrern verordneten Heilmittel um eines, wie sie es gerne verschreiben: Es ist billig. Zudem besteht eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem (unreinen) Kot als Heilmittel und der (unreinen) Krankheit der Lepra.48 Nachdem die Märtyrer Elias ihre Anweisungen κατὰ πρόσωπον mitgeteilt haben, werden sie unsichtbar. §7 Wohl deshalb, weil die beiden Mönche unsichtbar werden, folgert Elias, dass es sich um eine göttliche Erscheinung gehandelt habe: Dass es tatsächlich die Märtyrerheiligen gewesen sind, die ihm erschienen sind, und ihre Anweisungen entsprechend authentisch sind. Letztere führt Elias, soweit wir bis hier erfahren, gewissenhaft aus. Offensichtlich um sprachliche Variation bemüht, wird der Inhalt des vorangehenden Paragraphen einem Ausführungsbericht vergleichbar wiederholt.
44 καὶ ταῖς ἐν αὐτῇ φρουρουμέναις μυίαις ποθουμένην ἀνοίγει ἔξοδον (23,4,7f [286 FM]). 45 τὸ μυοφόρον ἐκεῖνο τραῦμα (23,5,4f [286 FM]). 46 μὴ πάλιν εἰσέλθωσιν ἀνατρέψασαι, καὶ κατὰ τὰ ἑπτὰ πονηρότατα πνεύματα μένοιεν, καὶ χείρονα τὰ ἔσχατα τῶν προτέρων ἐργάσοιντο (23,5,5–7 [286 FM]). Sophronios spielt auf Mt 12,43ff; Lk 11,24ff an: Kehrt ein böser Geist zurück, dann nimmt er zusammen mit sieben anderen Geistern Wohnung in dem jeweiligen Menschen; sie treiben ihr Unwesen dann heftiger denn je. 47 Mir. 13: τῆς τετάρτης, τὰς λεχθείσας αὐτῷ καμήλους – mir. 23: τῆς ἐσχάτης, ἡ λεχθεῖσα καμήλος; mir. 13: τὴν κόπραν, τὴν ... ὀνθόν – mir. 23: ἀφοδεύσεις, ἐκκρινόμενον σκύβαλον, τὴν κόπρον, βολβίτων; mit. 13: ἀνάλυσον ὕδατι, ἀποβρέξας τοῖς νάμασιν – mir. 23: ὕδασιν ... δευόμενον, ὕδασι δεύσαντες. 48 Vgl. Kap. 4.4.2, S. 211f.
5.4. Über Elias, den Aussätzigen (mir. 13)
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„Aber auch hier stand ihm der Dämon missgünstig entgegen“ – Sophronios weist auf das drohende Unheil hin. Nun ist auch endlich deutlich, dass Elias tatsächlich der Dämon entgegensteht.49 Bislang war nur von einer „offensichtlich teuflischen Gesinnung“ (§3) die Rede. §8 Wohl aus Ekel salbt Elias sein Gesicht nämlich nicht mit der Kameldungsalbe ein. Jedenfalls scheint dies die Erklärung zu sein, die man (φησίν) Sophronios zugetragen hat. Deshalb wird er nur teilweise geheilt. Die Konsequenz erscheint zwangsläufig, auch wenn ein Seitenblick auf mir. 27 zeigt, dass die Märtyrer an anderer Stelle durchaus Mittel wissen, ihrer Anordnung zur Umsetzung zu verhelfen: Dem erkrankten Theodoros erscheinen sie und verordnen ihm, er solle eine bestimmte Giftschlange als Heilmittel essen. Zunächst hält er die Erscheinung der Heiligen für ein Trugbild. Als er durch ihr dreimaliges Erscheinen von der Echtheit ihrer Erscheinung überzeugt ist, ziert er sich, ihren Befehl auszuführen. Daraufhin wenden die Heiligen eine List an: Theodoros solle an ihre Quelle gehen und essen, was er darin finde. Er findet eine Gurke und isst sie. Erst beim letzten Bissen entdeckt er, dass er bereits große Teile jener Giftschlange gegessen hat und wirft den letzten Bissen weg. Kyros und Johannes überlisten Theodoros und, wenn man so will, auch seinen Ungehorsam und Zweifel. Dennoch wird er geheilt. Nicht so Elias. Es fragt sich nun also, warum er nicht geheilt wird: In §2 wurde deutlich, dass Sophronios die Lepra offenbar als Bild deutet für ein in Sünde verhaftetes Leben. Mit Hilfe der Märtyrerheiligen könnte es gelingen, dieses Leben zu überwinden, wenn sich Elias völlig auf die Märtyrer einlassen würde. Doch das gelingt Elias nicht. Deshalb leidet er auch weiterhin an der Lepra,50 wie es die Märtyrer angekündigt hatten, wenngleich nun nicht mehr sein ganzer Körper, sondern ‚nur‘ sein Gesicht befleckt (wie §6,5: κατάστικτον) ist. Mit der Gegenüberstellung des ganzen Körpers und eines Körperteils knüpft Sophronios an die Exposition an (§1). Auch die Erwähnung der στίγματα verweist auf den Berichtsanfang. Beides stärkt die Vermutung, dass auch das Berichtsende nicht einfach nur der Bericht über die Heilung von der Lepra als pathologischem Geschehen ist. Elias’ Gesicht weist Sophronios eine weitergehende Aufgabe zu. Es dient als „unverborgener Beweis seines Ungehorsams“, als „niemals stiller Verkünder 49 Missgunst von Dämonen bzw. des Dämons als Synonym für den Teufel (vgl. §3,3) gegenüber Christen ist ein gängiges Thema der Literatur. Vgl. Eus. h.e. 10,4,14; Ath. v.Anton. 22,2 u.a.m. 50 In diese Richtung weist auch GASCOU, Sophrone, 61 Anm. 343, dessen dort gezogener Kurzvergleich mit mir. 15 allerdings nicht trägt.
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Kapitel 5: Gedeutete Krankheit
und wahrhaft glaubwürdiger Zeuge der Macht der Märtyrer und eines widervernünftigen Befehls.“ Eine Aufgabe, die eigentlich Sophronios’ Wunderbericht selbst zukommt. Denn nur ihm, nicht aber dem Gesicht kann man entnehmen, dass es sich um einen widervernünftigen Befehl gehandelt hat. Der eigentliche Bericht ist bereits – durchaus untypisch – beendet. Dennoch kommt Sophronios noch einmal auf seinen Helden zurück und erwähnt die Vorwürfe, die er sich wegen seines Ungehorsams macht. Doch bleiben sie ohne Folgen wie auch Esaus – bitteres, aber anders als es Sophronios es schreibt, tränenloses (Gen 27,34) – Verlangen nach dem Erstgeburtsrecht ohne Folgen bleibt.
5.5 Zusammenfassung In ihren Essays Krankheit als Metapher und Aids und seine Metaphern weist Susan Sontag darauf hin, dass bestimmte Krankheiten als Bilder verwendet werden. Über die eigentlichen, pathologischen Gegebenheiten hinaus fungieren sie als eine Art Projektionsfläche für Vorstellungen über ihr Wesen, ihr Entstehen, ihren Verlauf und ihr Vergehen. Die beiden vorangehenden Kapitel untersuchten, wie eigentliche und uneigentliche Rede über Krankheit bei Sophronios gewichtet ist. Dabei zeigte sich, dass Sophronios Krankheiten so behandelt, wie dies auch ein antiker Arzt tun würde. Er misst den beschriebenen Krankheiten in einem Großteil der Fälle auch keine besondere Bedeutung bei. Umso bemerkenswerter sind dann allerdings die Berichte, in denen nicht allein der Körper von dem Leiden betroffen ist. In diesen Berichten scheinen nämlich die fragwürdigen Haltungen der Protagonisten und ihre Leiden in einem wie auch immer gearteten Zusammenhang zu stehen. Ihre Parallelen sind jedenfalls nicht zufällig. In den Berichten, die von erblindeten Häretikern handeln (mir. 37 und 38), tritt das körperliche Leiden in der Tendenz sogar hinter das seelische Leiden zurück. Während die Gegenüberstellung von Licht und Finsternis im wörtlichen und übertragenen Sinn – oder vielleicht besser: im körperlichen und seelischen Sinn – als hermeneutischer Schlüssel betrachtet werden kann, thematisiert Sophronios die eigentliche Grunderkrankung, die Leukome in den Augen der Protagonisten, nur noch am Rande. Insofern ist es nur konsequent, dass der Kircheneintritt, der mit der Erleuchtung der Seele einhergeht, auch die Voraussetzung für die Befreiung von den Leukomen darstellt. Wie deutlich das körperliche Leiden hinter dem seelischen zurücktritt, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass Ärzte in beiden Berichten überhaupt nicht erwähnt werden und Sophronios in mir. 37 noch nicht einmal ein Heilmittel nennt. In diesen Berichten zeigt sich diese Verschiebung des Schwerpunkts hin zur seelischen Disposition des jeweiligen Protagonisten schließlich darin,
5.5. Zusammenfassung
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dass immer ein Rückfall beschrieben wird. Das Leiden erstarkt (mir. 37) oder ein anderes Leiden tritt hinzu (mir. 38). Besonders deutlich lässt sich diese Akzentverschiebung an der herausgehobenen Stellung des Abendmahls erkennen, das in erster Linie Auskunft über die Kirchenzugehörigkeit des jeweiligen Protagonisten gibt. In mir. 38 ist es dann auch konsequenterweise die Kirche, die Stephanos über das eigentlich notwendige hinaus gegen die Attacken des Teufels abschirmt. So interessant diese Betonung der Heilswirkung der Kirche auch ist, so wenig überrascht sie vor dem Hintergrund der in Kap. 5.1.2 herausgearbeiteten Frontstellungen. In den untersuchten mir. 37 und 38 deutet Sophronios das pathologische Geschehen der jeweiligen Protagonisten, indem er es in Beziehung zu ihrer in seinen Augen häretischen Gesinnung setzt. Dabei dominiert das Deutungsgeschehen das Faktische: Johannes und Stephanos werden erst wieder gesund, nachdem sie sich der Kirche angeschlossen haben. Überhaupt scheint ihre Genesung mit ihrer Kirchenzugehörigkeit verbunden. Dennoch müssen wir festhalten, dass diese Dominanzbeziehung unterschiedlich ausgeprägt ist und von dem jeweiligen Krankheitsbild begünstigt werden kann: In dem in mir. 24 beschriebenen Fall der beiden Julianes behandeln die Märtyrerheiligen zwar auch deren Seelen und die jeweilige Heilmethode hat einen Zusammenhang mit deren Erkrankung,51 dennoch parallelisiert Sophronios die Erkrankung des Körpers und der Seele in keiner Weise. In mir. 1 hingegen erwiesen sich beide Erkrankungen über das jeweils betroffene Körper- bzw. „Seelen-“Teil sogar als recht deutlich parallelisiert. Schließlich konnten wir in mir. 13 beobachten, in welcher Weise sich eine Krankheit deuten lässt, ohne dass diese Deutung notwendig wäre, um das Berichtete zu verstehen: In mir. 13 steht die Lepra für ein unvollkommenes Leben, von dem sich Elias lösen muss, doch gelingt ihm dies trotz Kyros’ und Johannes’ Hilfe nicht. In Anlehnung an Susan Sontag lässt sich nun festhalten, dass Sophronios Krankheit in erster Linie als ein pathologisches Geschehen betrachtet; dass sein Blick von bestimmten, zeitgenössischen Vorstellungen geprägt ist, ändert daran nichts. Doch dabei bleibt es nicht: Die Heiligen kümmern sich eben nicht nur um die Gesundheit des Körpers, sondern auch um die der Seele. Ihr gilt ihre besondere Aufmerksamkeit.52 Durch die Parallelisierung von Erkrankungen des Körpers und der Seele werden diese in Beziehung gesetzt: Sie haben etwas miteinander zu tun – mal mehr, mal weniger. Während sich Sophronios nirgends dazu verleiten lässt, auf eine kausale Beziehung zwi51
Vgl. Kap. 3.4.2. πλείω γὰρ τῆς τῶν σωμάτων ἰάσεως τῆς τῶν ψυχῶν ἀπαθείας φροντίζουσιν (1,6,4f [244 FM]). 52
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Kapitel 5: Gedeutete Krankheit
schen beiden Formen von Krankheit zu pochen, wird doch deutlich, dass die Erkrankung der Seele die Erkrankung des Körpers in ein neues Licht rückt – und sei es nur dadurch, dass die Heilung der Seele der des Körpers vorausgehen muss.
6
Zusammenfassung
Kapitel 6
Zusammenfassung Die vorliegende Untersuchung hat es sich zum Ziel gesetzt, zu ergründen, was in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes als Krankheit aufgefasst und wie mit ihr umgegangen wird. Diese Fragestellung erschien uns vor dem Hintergrund insofern besonders interessant, als den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes eine ausgesprochen kritische Haltung der zeitgenössischen Medizin gegenüber nachgesagt wird (Kap. 1.5). Nach einigen einleitenden Hinweisen zur Inkubation als Kultpraktik, zu den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes und Sophronios von Jerusalem als deren Autor (Kap. 1.1–1.3) beschäftigte uns die Frage, wie sich das spätantike Christentum und die zeitgenössische Medizin zueinander verhalten. Im Gefolge der Neubewertung der Spätantike seit den 1970er Jahren wandelt sich auch das Bild, das die moderne Wissenschaftsgeschichte von der spätantiken Medizin zeichnet. Dies ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass sie wesentlich vorsichtiger geworden ist, moderne Konzepte auf die Antike zurückzuprojizieren (Kap. 1.4.1). Zugleich verabschiedet sich die moderne Forschung aber auch von der doch mehr oder weniger linear gedachten Vorstellung eines zielgerichteten medizinischen Fortschritts und weitet den Blick für Entwicklungen, die – wie die Geschichte der Medizin in der Spätantike – zunächst wie ein Rückschritt erscheinen (Kap. 1.4.2). Die jüngeren Arbeiten zur Frage, wie sich das spätantike Christentum zur zeitgenössischen Medizin verhält, zeigen, dass sich die Haltung von Christinnen und Christen nicht grundsätzlich von der ihrer Umwelt unterscheidet. Die Medizin scheint unter Christinnen und Christen sogar ein besonderes Ansehen genossen zu haben. Gleichwohl kommt es in der Spätantike zu Akzentverschiebungen, die in einer dem Fortschrittsparadigma verpflichteten Geschichtsschreibung durchaus kritisch gesehen werden: Das in christlicher Zeit entstehende Gesundheitswesen räumt der Pflege (caring) der Kranken einen tendenziell höheren Stellenwert ein als deren Heilung (curing). Schließlich gibt es im Christentum durchaus auch die Bewegung weg vom antiken Ideal des gesunden Mittelmaßes hin zu den Extremen. Kapitel 2 führte anhand von mir. 1 den typischen Aufbau und den Quellenwert der Wunder der Heiligen Kyros und Johannes vor Augen. In diesem ersten Bericht ließen sich auch erste Beobachtungen anstellen, was Sophronios als Krankheit versteht und warum die Ärzte versagen, während es den
Zusammenfassung
274
Heiligen Kyros und Johannes gelingt, die Leiden des Ammonios zu heilen. Dabei zeigte sich, dass Sophronios ein aus der medizinischen Literatur bekanntes, aber doch unterbestimmtes Krankheitsbild, die χοιράδες, übernimmt und ausgestaltet. In der Folge parallelisiert er dieses körperliche Leiden mit dem seelischen Leiden, dem Ammonios ebenfalls erlegen ist, dem Hochmut: Beide Leiden verursachen Schwellungen. Zudem ist der Hals, den die χοιράδες befallen haben, das Körperteil, an dem sich des Menschen Hochmut oder Demut besonders gut ersehen lässt. Nur geht Sophronios selbst in diesem ersten Bericht nicht so weit, einen kausalen Zusammenhang zwischen beiden Leiden zu behaupten. Kapitel 3 griff Susan Sontags Unterscheidung auf zwischen dem Eigentlichen, dem pathologischen Geschehen, und dem UneigentlichMetaphorischen, den Deutungen der jeweiligen Krankheit. Während Letzteres in Kapitel 5 eingehend untersucht werden sollte, konzentrierten sich die Kapitel 3 und 4 auf die Frage, was Sophronios eigentlich als Krankheit begreift. Ein Blick in die Forschungsliteratur legte nahe, dass er hierunter etwas anderes versteht als ein spätantiker Arzt: Nach Fernández Marcos sei das vorherrschende Konzept von Krankheit in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes nämlich ein dämonologisches. Zuvor bestritt bereits Nissen mit dem Verweis auf Dämonen und Magie als Erklärungen für Krankheit, dass Sophronios über nennenswerten medizinischen Sachverstand verfüge (Kap. 3.1). Zunächst zeigte sich, dass Sophronios zwar auf eine Vielfalt verschiedener Begriffe für Krankheit und Heilung zurückgreift, er diese aber weitgehend synonym gebraucht (Kap. 3.2.1). Die Übersicht über alle in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes beschriebenen Krankheiten (Kap. 3.2.2 und 3.3) bildet den Ausgangspunkt für die folgende Untersuchung der von Sophronios erwogenen Krankheitsursachen: In aller Regel haben Krankheiten natürliche Ursachen. Die Erklärungen, die Sophronios gibt, greifen in der zeitgenössischen Medizin allgemein anerkannte Prinzipien auf, stehen ihnen in jedem Fall nicht entgegen (Kap. 3.4.1). Daneben beschreibt Sophronios aber auch Krankheiten, die eine nicht natürliche Ursache haben, die von Gott oder den Märtyrerheiligen, Zauberei und Giftmischerei oder Teufel und Dämonen verursacht werden (3.4.4). Die Fälle, in denen sie von eingedrungenen Lebewesen verursacht werden, können aus guten Gründen als Grenzfälle betrachtet werden (Kap. 3.4.3). In jedem Fall hat Sophronios keine Schwierigkeiten damit, verschiedene Erklärungsansätze nebeneinander zu stellen oder miteinander zu kombinieren. Bemerkenswert ist, was Sophronios als seelische Leiden klassifiziert (Kap. 3.4.2): Zu nennen sind zunächst die Fälle, in denen die Krankheit der Seele einen Irrtum veranschaulicht, in denen Sophronios das körperliche und das seelische Leiden des jeweiligen Protagonisten mehr oder weniger deutlich
Kapitel 6: Zusammenfassung
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parallelisiert, ohne dass sich das eine Leiden auf das andere zurückführen ließe. Wie mir. 16 nahelegt, begreift Sophronios im Grunde sogar jede schlechte Tat als Krankheit der Seele. Nur wendet sich allein wegen eines solchen Leidens niemand an die Märtyrerheiligen. Schließlich erörtert Sophronios anhand von mir. 14 und 35, inwiefern Dämonen Krankheiten der Seele bewirken und beschreibt auch einige Fälle von Besessenheit. Doch überrascht es, dass Sophronios überhaupt nur ein seelisches Leiden mit Namen nennt: die ἀκηδία, an der Elias leidet. Jede Form auffälligen Verhaltens führt er auf dämonische Aktivität zurück. Hierin unterscheidet er sich deutlich von der zeitgenössischen Medizin. Kapitel 4 untersuchte, wie Sophronios Ärzte in Szene setzt. Zunächst (Kap. 4.1) erschien es uns bemerkenswert, dass es sich bei den Ärzten in den meisten Fällen um eine nicht weiter spezifizierte Gruppe handelt. Einzelne Ärzte führt er nur selten ins Feld; er bewertet sie auch keineswegs einmütig. Wenn Sophronios allerdings „die Ärzte“ genauer beschreibt, dann verweist er auf ihre besondere Qualität und ihre Masse. Es zeigte sich, dass sich die Protagonisten und Protagonistinnen in der weit überwiegenden Zahl der Wunderberichte zunächst an einen oder mehrere Ärzte wenden. An Ärzten mangelt es jedenfalls nie. Selbst Menschen, die auf dem Gebiet des Heiligtums wohnen (mir. 10) oder dort Zeuge eines Unglücks werden (mir. 67), denken zunächst daran, einen Arzt zu Rate zu ziehen. Wie es zur Behandlung kommt, wird nirgends eingehender beschrieben. Allein auf die oft üppigen ärztlichen Honorare verweist Sophronios immer wieder (Kap. 4.2.1). Was die eigentliche Behandlung betrifft, nimmt die Diagnose, insbesondere die Suche nach der Krankheitsursache bei Sophronios besonderen Raum ein. Ihre Erkenntnis ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Behandlung. Umgekehrt scheitern die Ärzte in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes gerade deshalb so häufig, weil sie die Ursache einer Krankheit eben nicht erkennen. Die eigentliche ärztliche Behandlung beschreibt Sophronios, wenn er überhaupt näher auf sie eingeht, recht holzschnittartig: Meist verweist er nur auf die große Zahl der erfolglos angewandten Heilmittel (Kap. 4.2.2). Obwohl er Ärzten immer wieder Hochmut und Gier unterstellt und letztlich keiner ihrer in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes beschriebenen Behandlungsversuche von Erfolg gekrönt ist, schätzt er ihre Möglichkeiten ingesamt aber doch recht hoch ein. Der Erfolg bleibt nur deshalb aus, weil sie die Krankheitsursache nicht in allen Fällen zu erkennen vermögen, sich die Krankheit als zu schwer oder als von einem in den Patienten eingedrungenen Dämon verursacht erweist (Kap. 4.2.3). Die Krankheit und Heilung des Iatrosophisten Gesios, die mir. 30 berichtet, inszeniert die Konkurrenz zwischen den Ärzten und den Märtyrerheiligen (Kap. 4.3). Sophronios bietet eine eigenwillige Lösung an: Während unbestritten bleibt, dass Ärzte und Märtyrerheilige heilen können, verweist
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Sophronios auf ihre sich prinzipiell unterscheidenden Heilverfahren (Kap. 4.4.2). Das der Märtyrerheiligen ist dem der Ärzte natürlich überlegen (Kap. 4.4.3). Kapitel 5 griff Susan Sontags Unterscheidung zwischen der Beschreibung des pathologischen Geschehens und der Deutung der jeweiligen Krankheit erneut auf: In Kapitel 3 konnte bereits gezeigt werden, dass sich Sophronios’ Beschreibungen des pathologischen Geschehens durchaus im Rahmen der in der Spätantike allgemein anerkannten Vorstellungen bewegen und er also Krankheit keine besondere Bedeutung verleiht. Nun zeigte sich, dass die Deutungen in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes vor allem dann an Bedeutung gewinnen, wenn die Protagonisten einer häretischen Bewegung anhängen (Kap. 5.1). Tatsächlich ist nämlich nicht nur das Engagement der Märtyrerheiligen für die Definitionen des Konzils von Chalkedon bemerkenswert, sondern auch, dass sich die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes selbst als ein „panorama des erreurs religieuses du temps“1 (Gascou) lesen lassen. Dabei reflektiert die Wundersammlung in erster Linie innerchristliche Konflikte; andere mögliche Konflikte – etwa zwischen Christen und Heiden oder Juden – treten dagegen in den Hintergrund. Die Kapitel 5.2 und 5.3 untersuchten mit den mir. 37 und 38 zwei solcher Heilungsberichte und das jeweils zutage tretende Verhältnis von Krankheit und Häresie: Johannes und Stephanos, deren Protagonisten, leiden beide unter Leukomen. Doch fällt auf, dass Sophronios auf das eigentlich pathologische Geschehen, das Augenleiden, nur am Rande eingeht. Ärzte werden in beiden Berichten nicht erwähnt. Stattdessen verlegt sich Sophronios auf das Wechselspiel von Licht und Finsternis, dessen doppelter Sinn (körperlich: sehen/nicht sehen; seelisch: erkennen/nicht erkennen) sich unmittelbar erschließt. Priorität räumt er der Seele ein: Der Übertritt zur wahren Kirche, der sich mit der Teilnahme am Abendmahl vollzieht, ist die Voraussetzung dafür, dass die Märtyrerheiligen Stephanos und Johannes heilen. Im Heilungsprozess erleiden Stephanos und Johannes beide einen Rückfall: Sie wenden sich von der wahren Lehre ab. Daraufhin nehmen ihnen die Märtyrerheiligen das Augenlicht. Erst als sie sich wieder bekehren, schenken die Märtyrerheiligen es ihnen von neuem. Obwohl die Parallelität beider Leiden nicht zu übersehen ist, geht Sophronios weder so weit, die Häresie des Johannes und Stephanos selbst als eine Krankheit zu beschreiben, von der die beiden geheilt werden müssten, noch postuliert er, was die Krankheitsentstehung betrifft, einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Augenleiden und den häretischen Überzeugungen des Stephanos bzw. des Johannes. 1
GASCOU, Sophrone, 19.
Kapitel 6: Zusammenfassung
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Kapitel 5.4 untersuchte mir. 13, das von Elias, dem Aussätzigen, handelt. Dieser Bericht ist schon deswegen bemerkenswert, als Sophronios überhaupt nur hier ein seelisches Leiden beim Namen nennt. Elias verzweifelt, weil die Heilung zunächst ausbleibt, und erliegt der ἀκηδία. Daneben ist es aber vor allem die Beschreibung des Aussatzes, die diesen Bericht unter den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes so besonders werden lässt. Sophronios nimmt die schon biblische Tradition auf und verbindet den Aussatz mit der Sünde. Auf diese Weise lässt er Elias’ Leiden zu einer Projektionsfläche werden für das misslingende Leben, von dem sich Elias mit Gottes Hilfe vollständig abwenden könnte. Dies gelingt Elias allerdings nicht. Gleichwohl geht dessen Krankengeschichte nicht in dieser Deutung auf; die Seele wird im Zusammenhang mit dem Aussatz mit keinem Wort erwähnt. Elias’ Krankengeschichte kann auch losgelöst von dieser Deutung gelesen und verstanden werden. Ziehen wir ein Fazit: In den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes wird nirgends in Frage gestellt, ob ein Protagonist, eine Protagonistin krank ist. Sie sind es – oder nicht. Das ist für alle einsichtig, zumal es sich bei den von Sophronios beschriebenen Fällen in der Regel um besonders schwere Fälle handelt. Anders verhält es sich mit der Leidensursache: Sie zu erkennen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, ist für Sophronios wie auch die zeitgenössische Medizin von herausragender Bedeutung. Nun ist es durchaus bemerkenswert, dass Sophronios natürliche Krankheitsursachen als Regelfall betrachtet und er allgemein akzeptierte Vorstellungen, wie Krankheiten entstehen, zur Erklärung heranzieht. Diese Leiden können Ärzte auch behandeln. Es gibt allerdings auch eine deutlich kleinere Gruppe von Krankheiten, die auf andere, nicht natürliche Ursachen zurückgeführt werden und gegen die Ärzte machtlos sind: In stärkerem Umfang, als dies in der zeitgenössischen Medizin nachzuweisen wäre, verweist Sophronios auch auf Gott, die göttliche Gerechtigkeit, die Märtyrerheiligen, Zauberei und Giftmischerei, sowie Teufel und Dämonen als Krankheitsursachen. Von der zeitgenössischen Medizin hebt sich Sophronios allein dann deutlich ab, wenn es um Krankheiten der Seele geht – ein Konzept, das der antiken Medizin ohnehin fremd ist. In der antiken Medizin werden die entsprechenden Krankheitsbilder in aller Regel auf eine körperliche Ursache zurückgeführt. Hingegen geht Sophronios davon aus, dass ein Irrtum, dem jemand erliegt, in einer Krankheit der Seele zum Ausdruck kommen kann. Im Grunde kann Sophronios sogar jede schlechte Tat als Krankheit der Seele beschreiben. Interessanterweise wendet sich aber niemand nur wegen einer solchen Erkrankung an Kyros und Johannes. Sie sind in den Wundern der Heiligen Kyros und Johannes immer mit einer körperlichen Erkrankung verbunden. Gleichwohl behauptet Sophronios nirgends einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden.
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Wie die Krankheit der Seele entsteht bleibt letztlich in den allermeisten Fällen unklar. Einen Sonderfall stellt wiederum die Besessenheit dar. Hier ergibt sich auch der einzige Berührungspunkt zur zeitgenössischen Medizin, werden doch Dämonen als Leidensursache von Ärzten zumindest in Erwägung gezogen. Doch sucht Sophronios ihre Nähe nicht und auch die durchaus differenzierte medizinische Terminologie seelischer Erkrankungen bleibt ohne Bedeutung. Jenseits dieses Sonderfalls, den die Krankheiten der Seele bilden, treten die Unterschiede zwischen zeitgenössischer Medizin und Sophronios vor allem dann zutage, wenn es um die Heilung der Krankheit geht. Hier heben sich Kyros und Johannes erklärtermaßen von den irdischen Ärzten ab: Ihre Heilkunst ist anders und zugleich mächtiger als die der irdischen Experten. Kyros und Johannes, die ὄντως ἰατροί, vermitteln, was Gott möglich ist. Dabei agieren sie wie Ärzte. Gelegentlich treten sie sogar als Ärzte auf, doch sind ihre manchmal banal erscheinenden Behandlungen letztlich ohne tiefere Bedeutung. Am Ende genügt ein Wort und die betreffende Person ist gesund.
Literaturverzeichnis Die verwendeten Abkürzungen entsprechen den Abkürzungen Theologie und Religionswissenschaft nach RGG4 (UTB 2868), Tübingen: Mohr Siebeck 2007. Falls dort nicht zu finden, folgen sie LSJ und PGL oder für Lexika, Zeitschriften und Reihen Siegfried M. Schwertner, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete (IATG2), Berlin/New York: de Gruyter 1994. Sofern nicht anders angegeben, wurden die Übersetzungen vom Verfasser angefertigt.
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Register der Personen, Orte und Sachen Abendmahl, siehe Kommunion Abendmahlselemente 238f, 249f Adyta (τὰ Ἄδυτα) 130 Aggressivität – siehe auch Kampf – von Dämonen 127, 132–134 – von Krankheiten 30, 162, 235f Akedia (ἀκηδία) 113f, 264f Alexandria 3–5, 24f, 51, 140, 174, 223, 226 Aloe 97 Altar 238, 247, 251f Ambo 247 Ansehen 25f, 33, 46, 144f, 153f, 162, 173–175, 177, 204 Apatheia (ἀπάθεια) 37–38 Aristoteles 11, 112, 186f Arm, siehe Extremitäten Artefakt, siehe Zauberei Artemios 100 Arzt/Ärzte 33–35, 44–47, 103f, 139– 217 – Asklepiaden 141f, 145 – Auftreten von ~n 33, 44–46, 151– 155, 189f – Behandlung 34, 109–112, 155–163, 188f, 204f – herausragende ~ 33, 143–147, 190f – Honorar 33f, 46, 48, 152–155, 206 – Iatrosophist 45f, 139–142, 173–175, 177f Arztpraxis 213–215 Asklepiaden 141f, 145 Asklepios 1, 13, 145 Astrologie 74, 148, 221 Auge 3, 37, 43, 64, 72, 74, 76, 80, 85f, 88, 98–101, 115, 134, 154f, 227–254 – siehe auch Leukome
Bad 64f, 88f, 91f, 112, 122, 127, 178, 234, 251 Bauch 83, 92, 97, 111f, 118 – siehe auch Magen Behandlung – ärztliche ~ 34, 109–112, 155–163, 188f, 204f – der Hl. Kyros und Johannes 61–99, 183–185, 203–211 Behinderung 58, 100 Bein, siehe Extremitäten Berührung 83, 98, 187, 213, 217, 222 Besessenheit 55, 104–106, 113, 131– 135 Blindheit, siehe Auge Blut 10, 62, 64f, 72f, 92, 112, 194, 238, 250f – siehe auch Humoralpathologie – Regelblutung 67 Brot 40f, 63, 70, 93, 184, 238f, 249f Bruch 62 Chalkedon, Konzil von 3f, 225–227, 236f, 276 Chicoréesaft 254 Chirurgie 31, 210 Christologie, siehe Chalkedon, Konzil von Cicero, Marcus Tullius 32 Damaskios 173f, 179 Dämon von Menouthis, siehe Isis Dämon(en) 55f, 102–106, 116, 118– 120, 123–137, 149, 242, 253f – Aggressivität 127, 132–134 – Besessenheit 55, 104–106, 113, 131– 135 – Mittags~ 265f
292
Register der Personen, Orte und Sachen
Demokrit von Abdera 146–148, 183, 197, 206 Demut 33, 49, 114, 266f Demütigung 37, 39, 48f, 72, 74f, 134, 192–198 Diakon 242, 247 Dreizahl 40, 70, 76, 84, 91, 99, 119, 152, 192, 195f, 216, 241, 250, 267, 269 Eifer 126, 176, 182, 249 Eifersucht 66, 125 Eingeweide 45, 70f, 73f, 78, 84, 86, 96– 98, 124f Eitelkeit 36, 114 – siehe auch Stolz Ekel 103f, 120, 129, 180, 269 Elephantiasis (ἐλεφαντίασις) 67f, 159, 260, 263 Endiviensaft 254 Entzündung 35–37 – siehe auch Schwellung Erbrechen 45, 62, 73f, 103, 125, 129 Erinnern 126, 130, 134, 174, 196, 199f Erniedrigung, siehe Demütigung Erziehungsmaßnahme (Krankheit als ~) 39, 44, 47, 87, 121–123, 180f, 187f, 191–198, 223f, 248f Esel 74f, 77, 126, 191–196 Essen 62f, 92f, 97f, 119, 269 Euagrios Pontikos 264f Eule 135 Eulogios von Alexandrien 2, 26 Extremitäten 63–65, 68f, 71, 78f, 81– 84, 87–91, 93 Fachsprache, medizinische 28, 30–32, 44f, 58, 101, 159, 190, 194 Feige 62, 184 Ferkel, siehe Schwein Fieber 111f, 156, 264f Finsternis 205, 222, 235–237, 243, 253 – siehe auch Licht Fistel 63, 93f, 213 Fliege 71, 120f, 267f Floh 74, 122 Fortpflanzung, sexuelle 29, 117 Frosch 73, 118f Fuß, siehe Extremitäten
Galen von Pergamon 10f, 30f, 146–148, 156, 158, 183, 186–189, 204, 206 Galle, gelbe, siehe Humoralpathologie Galle, schwarze, siehe Humoralpathologie Gecko 119 Gemeinschaft 205, 235–237, 241, 249f Gerechtigkeit 107f, 121–123, 133f, 223, 251, 261 Geschwür 30, 71, 204 – siehe auch Schwellung Gesicht, siehe Kopf Gesios 163–202 Gestalt der Hl. Kyros und Johannes 152, 213–215, 222, 238, 246, 251, 266 Gesundheit 10, 13, 34, 37f, 59, 162, 216 – siehe auch Heilung Gier 27, 36, 46, 154f, 162 Gift 66, 74, 92, 97, 101, 117, 123–125, 269 Glas, zermahlenes 67 Glaube (πίστις), siehe Vertrauen (πίστις) Glaubwürdigkeit 4, 25, 30, 43, 51, 109f, 112f, 178f, 196, 199f, 226, 240 Gnade 104, 124, 216f, 225, 238, 241, 265 Gott 56, 66, 88, 92, 97, 123f, 142, 190, 194f, 201, 203–211, 215–217 Grab der Hl. Kyros und Johannes 4, 35, 39, 42f, 83, 132, 152, 210, 217, 238 Hai 89, 125 Hals 28–33, 38–41, 94, 130, 193, 252f Hand, siehe Extremitäten Häresie 66, 79–82, 115, 122f, 148f, 217, 219–227, 237f, 240–242 Hase 90f, 130f Hass 128, 130, 135, 242 Haut 29f, 41f, 68f, 112f, 260 Heilmittel 40–42, 48f, 61–99, 158, 181– 185, 188f, 207–209, 217, 267f Heilung 12f, 33, 37, 40f, 47f, 59, 108, 114f, 161, 203–206, 225, 263 – siehe auch Gesundheit Hierateion 247, 249 Hiob 68 Hippokrates von Kos 10f, 30, 146–148, 156, 158, 183, 204, 206
Register der Personen, Orte und Sachen Hochmut 33, 35–39, 44–46, 49, 162, 183, 195, 209 Hoden 106f Homer 178, 221f Honig 63, 160, 214, 224, 239 Honorar, ärztliches ~ 33f, 46, 48, 152– 155, 206 Humoralpathologie 10, 62–64, 78, 105f, 109–112, 157f, 186–189 Iatrosophist 45f, 139–142, 173–175, 177f Inkubation 1f, 6, 8f, 13 Isis 1–3, 8, 209, 253 Jesus Christus 79, 107, 120, 129, 195, 201, 215–217, 221, 225f, 247f, 260, 262 Johannes der Mildtätige 2 Johannes Moschos 2, 222 Judas 76 Jugend 24, 26f, 65f, 83, 118f, 186f, 238f Julianos von Halikarnassos 226f Kain 130 Kalbfleisch 91 Kamel 267f Kampf 28, 64f, 102, 122, 145, 204, 209, 235f, 250, 253 Käse, bithynischer 88 Kind(er) 26, 33–35, 103, 118f, 153f, 204, 213f, 222, 225, 238, 252, 261 Kirche 234f, 237–241, 249–253, 266 – siehe auch Häresie Klerus 43, 225f, 234f, 238, 242 Kohle 91f, 115 Kollouthos 200, 247 Kommunion 76f, 81f, 128, 134, 223, 225, 238f, 241, 251–254 – Abendmahlselemente 238f, 249f Kopf 69, 71f, 92, 94f, 120, 129f Körper 15, 19, 37, 104–107, 110, 248 Körper, ganzer 63f, 66–68, 76f, 87f, 94, 96, 133, 259, 264 Körpersäfte (Blut, Phlegma, gelbe und schwarze Galle), siehe Humoralpathologie Kosmas und Damian 185, 199–201, 210, 226
293
Kot 71f, 135, 208, 267f Krankheit 53–137 – Aggressivität 30, 162, 235f – als Erziehungsmaßnahme 39, 44, 47, 87, 121–123, 180f, 187f, 191–198, 223f, 248f – als Strafe 44, 74, 81, 87, 121–123, 130, 133f, 149, 164, 187, 191–198, 251 – der Seele 35–40, 48, 66f, 72, 74f, 80–82, 96, 100, 104–108, 113–117, 264 – unheilbare ~ 31, 34, 56, 62, 68–70, 72, 79, 85, 88–91, 93–99, 102, 161, 209 – Ursache 44, 55f, 104–137, 156–158 Krebs 31, 53, 69f, 199f Krieg, siehe Kampf Krokodil 115, 119 Kuchen 98 – siehe auch Brot Kult der Hl. Kyros und Johannes 3–5, 8, 24, 43, 49, 84, 111f, 126f, 152, 217, 226, 246f Kümmel 69 Kyrill von Alexandrien 262 Kyros und Johannes – Behandlung 61–99, 183–185, 203– 211 – Fürsprecher bei Gott 194, 216f – Gestalt 152, 213–215, 222, 238, 246, 251, 266 – Grab 4, 35, 39, 42f, 83, 132, 152, 210, 217, 238 – Kult 3–5, 8, 24, 43, 49, 84, 111f, 126f, 152, 217, 226, 246f – Lohn 206 – Überlegenheit 135, 200, 205f, 211 Labneion (ungelöschter Kalk) 85 Lähmung 59, 76, 78f, 81f, 87f, 124f, 133f Lampe 61f, 87, 99 Lampenöl, siehe Öl Lauch, roh 92 Leber 93, 213 Leiden, siehe Krankheit Lepra 9, 208, 259–263, 268f Leuchte, siehe Lampe
294
Register der Personen, Orte und Sachen
Leukome 43, 62, 80f, 85f, 98, 101, 151, 234–236, 248 – siehe auch Auge Licht 154, 197, 235–237, 241–243, 248, 252f, 261 Linsen (Hülsenfrucht) 97 Lohn, siehe Honorar Lunge 62, 97
Phlegma 62, 188 – siehe auch Humoralpathologie Phrenitis (φρένιτις) 116f Presbyter 88, 238 Priester 235, 247, 250, 261 Puppe, siehe Zauberei
Magen 44f, 48, 83, 92, 97f, 103 – siehe auch Bauch Magie, siehe Zauberei Medizin in der Spätantike 10–13, 55– 57, 109–113, 116f, 139f, 156, 174f, 183–185, 207f – Fachsprache 28, 30–32, 44f, 58, 101, 159, 190, 194 Melancholie (μελαγχολία) 116f, 264 Menas 200, 226, 247 Menschenliebe 13, 108, 121, 130, 180, 244, 251 – siehe auch Mitleid Metras 3, 226, 266 Miaphysitismus, siehe Chalkedon, Konzil von Mitleid 83, 103f, 245, 263, 266f Mittagsdämon 265f Monophysitismus, siehe Chalkedon, Konzil von
Regelblutung 67 Reichtum 24–27, 35f, 38, 66, 68, 72, 212, 221 Reinheit, siehe Unreinheit Rückfall 44, 225, 242f, 251
Nacken, siehe Hals Natur (φύσις) 38, 104–106, 116f, 146, 162, 183, 194, 203, 225f, 236f Neid 27, 97, 126, 151, 242, 251, 253 Niere 82, 152 Octava/octavarios 26–27 Ohr 65, 84 Ohrfeige, siehe Schlag Öl 48, 62f, 71, 79, 87, 96, 98f, 217 – siehe auch Wachs Paganismus 133f, 173f, 178–180, 221– 223 Paulus 238, 260f Pfau 66 Pferd, siehe Esel Pflaster 31, 40f, 63, 91, 96 Philanthropie, siehe Menschenliebe
Quelle, siehe Wasser
Salz 69, 178 Scham 106–108, 176 Schlag 69, 71, 77, 82, 97, 124, 128–130, 133, 244f Schlange 74, 78, 80, 97, 118f, 269 Schmerz 44, 63–65, 68–71, 73–75, 77– 79, 81f, 84, 86f, 93, 96–99, 101, 118, 122, 124f, 129f, 186f, 191, 264 Schönheit 24–27, 97, 107f, 126, 178, 252 Schwein 28f, 89f, 115, 134, 222f Schwellung 32, 35–37, 68, 72 – siehe auch Geschwür Seele 89, 119, 160, 174, 241, 248 – Krankheit der ~ 35–40, 48, 66f, 72, 74f, 80–82, 96, 100, 104–108, 113– 117, 264 Severos von Antiochien 226f, 239f Siloah, Teich 85 Sohn, siehe Kind(er) Sophist 139f, 177 – siehe auch Iatrosophist Speichel 103 Stephanos von Athen 112f, 139f, 156, 179, 194 Sterne, siehe Astrologie Steuer(eintreiber), siehe Octava/octavarios Stolz 25–27, 35f, 38, 146, 176f, 260 Strafe, Krankheit als ~ 44, 74, 81, 87, 121–123, 130, 133f, 149, 164, 187, 191–198, 251 Subdiakon 225, 227, 234, 239f
Register der Personen, Orte und Sachen Sünde 36–38, 74, 76, 83, 119, 121, 129, 250, 260–262, 269 – ~nfall 104–106, 119 Taufe 178f, 221, 239 Tausendfüßler 92, 120, 124f Teufel, siehe Dämon(en) Theodosios von Alexandria 226f Thorax 72 Tochter, siehe Kind(er) Ton (Material) 93 Tribon (Philosophenmantel) 45f, 145, 177 Überlegenheit der Hl. Kyros und Johannes 135, 200, 205f, 211 Unheilbarkeit einer Krankheit 31, 34, 56, 62, 68–70, 72, 79, 85, 88–91, 93–99, 102, 161, 209 Unreinheit 119, 208, 259–262, 268 Ursache von Krankheit 44, 55f, 104– 137, 156–158 Vatinius, Publius 32 Vergessen 39, 44, 221, 242 – siehe auch Erinnern Verletzung 62, 64f, 69, 71f, 77, 89, 96f, 112, 268 Verstopfung 111f Vertrauen (πίστις) 15f, 35, 47–49, 74f, 248–251, 265f
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Wachs 31, 40, 48, 71, 87–89, 96, 98 – siehe auch Öl Wachtel 83f Wahnsinn (μανία) 116f Wasser 61f, 67f, 70, 73, 85, 93, 95, 112, 130, 178, 217, 238 Wassersucht 70, 83, 96, 160, 208 Wein 64, 72, 84, 90f, 96, 206, 238f Wettkampf, siehe Kampf Wolfsbarsch 64 Wunde, siehe Verletzung Wurm 62, 65, 69, 71, 120 Wut 131, 246, 265 – siehe auch Zorn Zacharias Scholastikos 174 Zahlensymbolik 5, 43, 196 – Dreizahl 40, 70, 76, 84, 91, 99, 119, 152, 192, 195f, 216, 241, 250, 267, 269 Zahn 111, 132 Zauberei 55–57, 106, 123–125, 157, 267 Zitrone 62 Zitronenblätter 94, 213 Zorn 56, 196 – siehe auch Wut Zunge 83, 95, 102f, 133f Zwei–Naturen–Lehre, siehe Chalkedon, Konzil von Zwieback, siehe Brot