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German Pages 90 [96] Year 1977
Anglistische Arbeitshefte
14
Herausgegeben von Herbert E. Brekle und Wolfgang Kühlwein
Marlis Hellinger
Kontrastive Grammatik Deutsch/Englisch
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1977
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Hellinger, Marlis Kontrastive Grammatik Deutsch, Englisch. - 1. Aufl. - Tübingen : Niemeyer, 1977. (Anglistische Arbeitshefte ; 14) ISBN 3-484-40050-1
ISBN 3-484-40050-d © Max Niemeyer Verlag Tübingen 1977 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany
INHALTSVERZEICHNIS
0. Vorbemerkung 1. Einleitung 1.1 1.2
vi 1
Zur Terminologie Kontrastive Grammatik - eine Disziplin der angewandten oder
3
der theoretischen Linguistik?
4
2. Grundbegriffe der kontrastiven Grammatik
7
2.1 Äquivalenz 2.2 Interferenz 2.2.1 Interferenztypen 2.2.2 Interferenz als Abweichung von der Norm 2.3 Intersprache 2.3.1 Intersprache und Spracherwerbsprozesse 2.3.2 Zur Beschreibung der Intersprache 3. Kontrastive Grairmatik und linguistische Theorie
7 10 12 15 17 18 19 22
4. Kontrastive Phonetik und Phonologie des Deutschen und Englischen . .
25
4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3
Phonemkombinationen Die subphonemische Ebene Verschlußlösung Auslautverhärtung Merkmale zusammenhängender Rede Das linking-r Intonation Vokalabschwächung
5. Kontrastive Syntax des Deutschen und Englischen 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5
28 30 30 31 33 33 34 35 37
Verben mit drei Komplementen Mediopassiv Relativsätze Infinitivkonstruktionen Zur Wortbildung im Deutschen und Englischen
37 41 44 50 59
6. Kontrastive Semantik des Deutschen und Englischen
64
6.1 6.1.1 6.1.2 6.2 6.3
Wortfeldtheorie und Komponentenanalyse Beispiel einer deutsch-englischen Wortfeldanalyse Zur Ermittlung semantischer Merkmale Weitere semantische Relationen Ansätze zu einer erweiterten kontrastiven Semantik
65 66 69 70 75
7. Lösungsvorschläge für die Aufgaben
79
8. Literatur
85
o.
VORBEMERKUNG
Das vorliegende Arbeitsheft wendet sich vornehmlich an Studenten und Lehrer der neueren Sprachen, insbesondere an Anglistik/AmsrdJcanistik-Studenten und Englischlehrer. Es soll diesen Adressatengruppen einen gezielten Einstieg in eine Teildisziplin der Linguistik ermöglichen, die in den letzten zwanzig Jahren eine stürmische Entwicklung zu verzeichnen hatte, deren Möglichkeiten und Grenzen aber bis heute umstritten sind. Dies gilt für die theoretischen Grundlagen der kontrastiven Grammatik genauso wie für ihre Anwendung in der Übersetzungspraxis und im Sparachunterricht. Einigkeit herrscht inmerhin darüber, daß eine Beschäftigung mit den Grundbegriffen und Methoden der kontrastiven Grairmatik Bestandteil eines jeden neusprachlichen Studiengangs sein muß. Zur Verwirklichung dieses Desiderats soll das Arbeitsheft einen Beitrag leisten, sei es als Basistext für Lehrveranstaltungen an den Hochschulen und in den Studienseminaren, als Grundlage für einen Linguistikkurs auf der differenzierten Oberstufe oder als Anregung zum Selbststudium. Als Einführung in eine Spezialdisziplin kann dieses Arbeitsheft nicht zugleich eine Einführung in die allgemeine Linguistik sein. Es muß daher die Vertrautheit mit linguistischen Grundbegriffen und Methoden vorausgesetzt werden, wenn eine optirrale - und das heißt vor allem auch kritische - Benutzung angestrebt wird. Die Funktion des Arbeitsheftes kann dann als erfüllt gelten, venn es (1) ein ökonomisches Arbeiten mit den vorhandenen Quellen ermöglicht, 1.2) als Referenztext für die Beschreibung analoger sprachlicher Teilprobleme herangezogen werden kann, und (3) diejenigen Aspekte der kontrastiven Linguistik problematisiert, für die noch keine akzeptablen Lösungen vorliegen. Während der Arbeit am Manuskript erhielt ich wertvolle Anregungen von den Herausgebern dieser Reihe, Herrn Prof.Dr.H.E. Brekle und Herrn Prof.Dr.W. Kühlwein, weiterhin von Frau Elizabeth Judd, M.A., und Herrn Prof.Dr.W.-D. Bald, besonders aber von Herrn B.Schmidt, dessen ausführliche Kommentare ihren Niederschlag in der letzten Fassung des Manuskripts gefunden haben. Zu danken habe ich darüberhinaus meinen Studenten, mit denen insbesondere Aufgaben und Lösungsvorschläge diskutiert wurden. Natürlich bin ich für alle verbleibenden Mängel allein verantwortlich.
Marburg, im Juni 1976
Marlis Hellinger
1.
EINLEITUNG
Anstelle einer entwicklungsgeschichtlichen Darstellung der kontrastiven Grammatik (KG), wie sie etwa in Nickel 1973a, Burgschmidt/Götz 1974 und Kühlwein 1975 vorliegt (vgl. auch Filipovic 1971, 1972c; Nickel 1972a; DiPietro 1971), sollen einführend zwei zentrale Fragen beantwortet werden: (1) Was ist unter kontrastiver Grammatik zu verstehen, und welches sind ihre Ziele? (2) In welchem Verhältnis stehen kontrastive Grairmatik und andere vergleichende Disziplinen? Die kontrastive Grammatik vergleicht im Rahmen einer bestürmten linguistischen Theorie zwei oder mehr sprachliche (Teil-)Systeme zur Feststellung und Beschreibung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten dieser Systeme. Dabei wird inplizit von einer synchronischen Orientierung ausgegangen, d.h. der diachronische Vergleich gehört zunächst nicht zu den Aufgaben der kontrastiven Grantratik. über die Deskription hinausreichende Ziele - etwa im Hinblick auf nßgliche Konsequenzen für den Fremdsprachenunterricht (FU) - gehen in diese Definition nicht ein (vgl. z.B. Wagner 1969, S. 306; Nickel 1973a, S. 463). Für Spracherwerb wie -Vermittlung unmittelbar relevante Teilaufgaben sind die Aufdeckung von Interferenzbereichen zwischen zwei (seltener mehr) sprachlichen Systemen, die Vorhersage und Diagnose bestürmter Fehlerkategorien sowie Identifizierung und Beschreibung sog. Lemersprachen, d.h. intersprach licher Teilsysteme, deren Ausbildung den Erwerb von (Fremd-)Sprachen charakterisiert. Eine befriedigende Lösimg der genannten Probleme setzt eine Zusammenarbeit der kontrastiven Grairmatik mit anderen Disziplinen (z.B. der Lernpsychologie - vgl. Vogel/Vogel 1975) voraus. Schließlich ergibt sich als eine weitere Aufgabe der kontrastiven Grairmatik die Bewertung und evtl. Modifikation linguistischer Theorien. Die zweite Frage zielt vor allem auf das Verhältnis der kontrastiven Gramiratik zur vergleichenden Sprachwissenschaft und zur Sprachtypologie ab (vgl. Kühlwein 1975). Die wichtigsten Merkmale aller drei vergleichenden Disziplinen sind im folgenden stichwortartig zusammengestellt. Für die kontrastive Gramiratik werden dabei einige Annahmen getroffen (so ihre Theorieabhängigkeit),
2 die erst an späterer Stelle begründet werden. Die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft -
ist diachronisch orientiert beschreibt Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Sprachen vergleicht möglichst alle miteinander verwandten Sprachen untersucht sprachliche Veränderungen faßt diese als Gesetzmäßigkeiten (z.B. "Lautgesetze") zusammen, die eine Einzelsprache von der gemeinsamen Vorstufe unterscheiden - rekonstruiert frühere Sprachstufen - ist nicht an eine bestimmte linguistische Theorie gebunden - ist (im Hinblick auf Spracherwerbs- bzw. -Vermittlungsprozesse) nicht anwendungsorientiert. Die Sprachtypologie - ist synchronisch (panchronisch) orientiert - vergleicht auch genetisch und kulturell weit auseinanderliegende Sprachen - vergleicht (im Hinblick auf linguistische Universalien) möglichst viele Sprachen bzw. Sprachsysteme (z.B. auch Dialekt und Hochsprache) - ist nicht an sprachlichen Veränderungen interessiert - kommt aufgrund syntaktischer, semantischer u.a. Variablen zur Aufstellung von Kriterien für die Zuordnung einer Sprache zu einem Sprachtypus - bedient sich ebenfalls des Prinzips der inneren Rekonstruktion - dient der linguistischen Theoriebildung insofern, als sie universelle Klassifikationskriterien zur Ermittlung linguistischer Universalien beschreibt - ist nicht anwendungsorientiert. Die kontrastive Granmatik - ist synchronisch orientiert interessiert áich weder für genetische noch sprachtypologische Verhältnisse - beschränkt sich im allgemeinen auf die Kontrastierung von zwei, seltener mehr Sprachen (dialingual) bzw. Sprachsystemen (diastratal, diatopisch) - beschreibt (in ihrer jetzigen Form) keine sprachlichen Veränderungen (vgl. allerdings den vorletzten Punkt) - dient der Beschreibung sprachlicher Kontaktphänomene und gleichzeitig der Vorhersage von Interferenzen - ist an eine (jeweils zu bestimmende) linguistische Theorie gebunden und beteiligt sich erst in Ansätzen selbst an der Theoriebildung - stellt durch die Beschreibung von Intersprachen Material für Aussagen über Spracherwerbsprozesse bereit - ist anwendungsorientiert, indem sie zur Aufdeckung und Diagnose von Lernschwierigkeiten beiträgt und damit letztlich auch Daten für deren Therapie anbietet. Eine Abgrenzung der kontrastiven Gramrratik von der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft einerseits, von der Sparachtypologie andererseits, gestaltet sich um so schwieriger, je mehr auch neuere Entwicklungen der allgemeinen Linguistik in der kontrastiven Grammatik ihren Niederschlag finden. So werden heute inner stärker sprachliche Variation und Sprachwandel diskutiert, vor allem in der Soziolinguistik, der Dialektologie und im Zusammenhang mit Spracherwsrbsprozessen. Die Ablösung der von deSaussure bis Chcmsky geltenden strengen
3 Dichotomie von synchroner und diachroner Sprachbeschreibung durch andere Konzeptionen ist in vollem Gange. Andererseits unterscheiden sich auch Sprachtypologie und kontrastive Granmatik eher in ihrer Zielsetzung als in ihren Methoden. Als theoretischer Rahmen für alle vergleichenden Disziplinen wird deshalb eine Theorie des Sprachvergleichs gefordert (vgl. Schwarze 1972). 1.1
Zur Terminologie
Wenn man sich etwa das bei Burgschmidt/Götz (1974, S. 22-25) und Welte (1974, S. 335f) angegebene bibliographische Material unter terminologischen Gesichtspunkten ansieht, dann lassen sich auf den ersten Blick drei Gruppen unterscheiden - die "kontrastiven", die "vergleichenden" und die sonstigen Untersuchungen. Bei der dritten Gruppe handelt es sich um Arbeiten, die im Titel u.a. folgende Termini verwenden: Konfrontative Linguistik, Typologie, Sprachmischung, Kontaktphänenene, Interlinguistik. Die Bezeichnung "konfrontative Linguistik" findet sich vornehmlich in Publikationen aus Polen und der DDÇ (vgl. etwa Zabrocki 1970). Eine inhaltliche Abgrenzung gegenüber der kontrastiven Linguistik (KL) in dam Sinne, daß konfrontative Linguistik als Ctoerbegriff zu verstehen sei, der die Beschreibung sowohl der Gemeinsamkeiten wie der Unterschiede der beteiligten Sprachen einschließt, gegenüber der kontrastiven Linguistik, die sich nur im die Unterschiede kürmere, ist nicht haltbar. Die Ziele der kontrastiven Linguistik richten sich prinzipiell eben nicht nur auf die Unterschiede zweier (oder mehrerer) Sprachen bzw. Sprachsysteme. Die Begriffe "Sprachmischung" und "Kontaktphänenene" starnen aus der Soziolinguistik amerikanischer Prägung, insbesondere der Untersuchung von Bi- und Multilingualisnus. Die dabei charakteristischen sprachlichen Phänomene werden von der kontrastiven Granmatik unter den Stichwörtern Interspraahe und Interferenz behandelt. Gegenstand der "Interlinguistik" schließlich sind nicht natürliche Sprachen, sondern zum Zwecke internationaler Kcrnnunikatian entwickelte Plan- oder Welthilfssprachen, z.B. Esperanto (vgl. Haupenthal 1976). Auch "Interferenzlinguistik" kermt als Synonym für kontrastive Linguistik nicht in Frage, deren Ziele ja über Aufdeckung und Beschreibung von Interferenzerscheinungen hinausgehen (vgl. Juhâsz 1973). Die Bezeichnungen kontrastiv/eontrastive und komparativ/comparative können heute als konventionell festgelegt gelten. Als "kontrastiv" wird der synchrone, theoriegebundene Vergleich zweier Sprachen oder deren Subsysteme bezeichnet. "Katparativ" ist der diachrone, theoretisch nicht stringente Vergleich zweier (oder mehrerer) Sprachzustände zur Darstellung sprachlicher Veränderungen.
4
"Vergleichend" tritt als Bezeichnung für beide Möglichkeiten auf, manchmal auch als Oberbegriff, und ist deshalb für unsere Zwecke wenig geeignet. Allerdings ist auch engl, comparative mehrdeutig, ein Grund für Bezeichnungen wie "comparative descriptive linguistics" als Synonym
für contrastive linguistics
(so z.B. bei Ellis 1966, S. 12; vgl. zu anderen Begriffssystemen Harris 1954 und Veith 1971). 1.2
Kontrastive Graimatik - eine Disziplin der angewandten oder der theoretischen Linguistik?
Über den Status der kontrastiven Grammatik gibt es zwei Auffassungen, von denen die zweite erst in den letzten Jahren entschiedene Vertreter gefunden hat. Weitverbreitet - und charakteristisch für die erste Entwicklungsphase der kontrastiven Granmatik - ist die Definition als Zweig der angewandten Linguistik (vgl. Preston 1975, S. 69). So verstanden stellt die kontrastive Granmatik irehr oder weniger nur ein Verfahren dar, das sprachtheoretische Ergebnisse - oft nur selektiv Übernamen auf ihre Verwendbarkeit für sprachdidaktische Zwecke prüft und Analysen unter dem Aspekt ihrer Verwertbarkeit im Frerrdsprachenunterricht anfertigt. Zur Beschreibung von so wichtigen Kategorien wie Äquivalenz oder Interferenz wendet sie sich an Nachbardisziplinen. Nach dieser Auffassung gehört eigene Theoriebildung nicht zu den Aufgaben der kontrastiven Granmatik. Auch die praktischen Analysen dieses Arbeitsheftes bewegen sich im Rahmen bereits vorliegender linguistischer Modelle. Die zweite Auffassung erweitert den Arbeits- und Funktionsbereich der kontrastiven Granmatik über die Anwendung hinaus. Sie geht von der Tatsache aus, daß gerade die ersten kontrastiven Analysen neue Probleme aufgedeckt haben, die einer theoretischen Klärung bedurften: So war z.B. der Begriff der Interferenz in der generativen Transformationsgranrnatik (CTG) nicht definiert, da das Problem selbst - jedenfalls in der Standardtheorie (Chomsky 1965) - keine Rolle spielte. Ebenso warf der Begriff der Äquivalenz ungelöste Fragen auf, nachdem auch die Übersetzungswissenschaft keine adäquate Lösung anbieten konnte. Zwar wird Äquivalenz auch in der generativen TransformationsgramiBtik behandelt, etwa bei der Beschreibung von Paraphrasenbeziehungen oder der Frage, in welcher Weise Tiefen- und Oberflächenstrukturen als identisch zu werten sind; aber Äquivalenzrelationen zwischen Sätzen verschiedener Sprachen waren in diesem Modell nicht Untersuchungsgegenstand. Indem nun die kontrastive Granmatik bislang unbekannte, bzw. nicht befriedigend geklärte Probleme aufdeckt, kann sie schon vorhandene Theorien modifizieren bzw. die Entwicklung neuer Theorien
5 stimulieren (vgl. Oksaar 1972, S. 85; DiPietro 1972, S. 145). Von hier aus ist der Schritt zur Forderung nach einer Theorie der kontrastiven Grammatik nicht mehr weit. Interessanterweise wurde sie erst laut, nachdem die Standardtheorie Chcmskys entscheidende Modifikationen erfahren hatte, als nämlich die strenge Trennung von Syntax und Semantik aufgegeben wurde und nicht mehr die Syntax die zentrale Komponente des generativen Mechanismus war, sondern diese Rolle einer Semanto-Syntax übertragen wurde. Dabei stellt sich natürlich unmittelbar das Problem der Äquivalenz, deren Definition nun auf der Basis semantischer Identität von Tiefenstrukturen geleistet werden sollte. Aufgrund des jeweiligen Verhältnisses zur Theorieebene kann also durchaus eine theoretische und eine angewandte Variante der kontrastiven Grammatik unterschieden werden. Aufgabe 1 Welche der genannten vergleichenden Disziplinen ist für die folgenden Untersuchungen zuständig? (a) Eine Analyse der Wortstellung in deutschen und englischen Nebensätzen. (b) Die Feststellung, daß das Deutsche sich synthetischer verhält als das Englische (synthetisch: grammatische Funktionen werden durch Stammoder Wurzelflexion markiert). (c) Die Beschreibung muttersprachlicher Interferenzen im Deutsch türkischer Gastarbeiter. (d) Die Analyse des Türkischen als zur Klasse der agglutinierenden Sprachen gehörig (agglutinierend: Markierung der Beziehungen zwischen Wörtern durch gleichbleibende Affixe). (e) Eine Untersuchung der Bedeutungsgeschichte von neuenglisch nice. (f) Die Beschreibung des Deutschen und Englischen als westgermanische Sprachen. (g) Ein Vergleich des deutschen und englischen Phoneminventars. (h) Die Feststellung, daß süddeutsche Dialekte sich bei der Markierung bestimmter grammatischer Funktionen analytischer verhalten als die Hochsprache, vgl. z.B. dem Vater sein Haus gegenüber (des)· Vaters Haus (analytisch: grammatische Funktionen werden durch eigene Wörter ausgedrückt) . (i) Die Beschreibung des mittelenglischen Wortschatzes im Vergleich zur altenglischen Zeit. (j) Die Bestimmung universeller Kategorien für den Sprachvergleich. Aufgabe 2 Welche Aussagen können Sie nach der Lektüre der einleitenden Partien von Kufners Buch (1962, S. lf) bezüglich eines sprachtheoretischen Rahmens machen?
Aufgabe 3 Was meinen Stockwell/Bowen (1965, S. viii) mit "the theory"? Sehen Sie sich die Fußnoten auf S. 22 und S. 25 an, dazu den jeweiligen Textzusammenhang. Welche Folgerungen können gezogen werden? Aufgabe 4 In Stockwell/Bowen/Martin (1965, S. viii) sind die Namen verschiedener contributors genannt. Welche Schlüsse können Sie daraus für die zugrundegelegte Theorie ziehen? Arbeitsanregung Diskutieren Sie, inwiefern Spracherwerbstheorien, Soziolinguistik, Dialektologie und linguistische Stilistik "kontrastiv" arbeiten. Reflektieren Sie in diesem Zusammenhang die oben genannten Begriffe dialingual, diastratal, diatopisch, dazu noch diastruktional (vgl. Veith 1971, S. 22f und die dort angegebene Literatur).
2.
GRUNDBEGRIFFE DER KONTRASTIVEN GRAMMATIK
2.1
Äquivalenz
Bevor man überhaupt etwas kontrastieren kann, ist es erforderlich, den Begriff der Äquivalenz zu klären, d.h. die Bedingungen festzulegen, unter denen Elanente zweier Sprachen L1 und L2 als vergleichbar gelten können. Diesen Vorgang haben Halliday/Mclntosh/Strevens "establishment of carparability" genannt (1964, S. 114). Die Feststellung der Kontrastierbarkeit setzt wiederum die Existenz adäquater linguistischer Beschreibungen der beteiligten Sprachen voraus. Es gehört nicht zu den Aufgaben der kontrastiven Granmatik, diese Einzelbeschreibungen zu erstellen. Vielmehr ist man sich weitgehend darüber einig: (...) daß die KG als Grammatik prinzipiell keine eigenen wissenschaftlichen Interessen in bezug auf Ausarbeitung von Deskriptionsmethoden wahrnehmen soll, sondern für ihre Zwecke schon bestehende Modelle anzuwenden hat, und zwar einheitlich für die in Frage kommenden Sprachen (...) (Raabe 1972, S. 59)
So wäre etwa ein Vergleich der deutschen Naru-nalkaiposition aufgrund einer traditionellen Darstellung mit entsprechenden englischen Vfortbildungsmustern in transfornationeller Beschreibung unzulässig. Ein Vergleich zweier Sprachen setzt natürlich eine generelle
comparability
voraus, die auf der Hypothese beruht, daß prinzipiell alle natürlichen Sprachen zur Vermittlung weitgehend übereinstimmender Informations inhalte geeignet sind, daß die einzelnen Sprachen dafür aber sehr unterschiedliche formale Mittel einsetzen. Diese generelle Vergleichbarkeit muß im Rahmen einer kontrastiven Grammatik so spezifiziert werden, daß sie mit Hilfe linguistischer Kategorien dargestellt werden kann. Das Problem läßt sich auf die Frage einschränken - wann sind Elemente (Morpheme, Syntagmen, Sätze usw.) zweier Sprachen äquivalent? Innerhalb eines
Sprachsystams bieten sich zur Feststellung von Äquivalenzen
verschiedene Synonymierelationen an, wobei der Begriff des semanto-syntaktischen Merkmals die entscheidende Rolle spielt. Synonymierelationen auf der semantosyntaktischen Ebene werden im allgemeinen als Paraphrasen bezeichnet - im Rahmen von Chcmskys Modell in Bezug auf transformationeil verwandte Oberflächenstrukturen, in einem erweiterten Modell aber auch in Bezug auf regionale, soziale
8 und stilistische Varianten einer Sprache. Um eine Synonymie- oder Paraphrasenbeziehung in der kontrastiven Praxis identifizieren zu können, fordert man z.B. einen bilingualen Sprecher auf, darüber zu entscheiden, ob eine Äußerung SL1 in ihrem Informationswert einer Äußerung SL2 entspricht. Fällt das Urteil positiv aus, haben also SL1 und SL2 die gleiche Bedeutung, dann gelten beide als äquivalent. Man spricht allerdings in diesem Falle nicht von Synonymie, sondern von einer Übersetzungsrelation. Eine Übersetzung kann damit als Übertragung von Information bzw. Bedeutung verstanden werden. Während des Transmissionsprozesses bleibt die Information weitgehend konstant, das Resultat sind (meist) formal verschiedene Oberflächenstrukturen. Wenn äquivalente Konstruktionen auch formale Ähnlichkeiten zeigen also sich nicht nur tiefenstrukturell entsprechen - kann man sie mit Krzeszowski als kongruent bezeichnen: "Formally similar equivalent constructions (
) may
be called congruent" (1967, S. 37). Die Kongruenz von Konstruktionen setzt in dieser Definition also (semantische) Äquivalenz voraus. Eine andere Auffassung vertreten Burgschmidt/Götz (1974, S. 55 und 87f), indem mit Kongruenz "die Übereinstirrinung semantisch äquivalenter oder auch nicht äquivalenter Sätze in L1 und L2 hinsichtlich ihrer Form (Oberflächenstrukturen)" bezeichnet wird (S. 87). Bei aller Kürze zeigt sich hier doch die zentrale Rolle der Semantik für die kontrastive Grairmatik. Zudem scheint als linguistisches Bezugssystem nur ein solches in Frage zu kamen, das tiefen- und oberflächenstrukturelle Ebenen unterscheidet. Wenn wir daher als Bezugssystem eine neuere Variante der generativen Transformationsgrainnatik zugrundelegen, dann können wir als Bedingung für die Äquivalenz zweier Sätze eine identische seltentische Eingabestruktur festlegen. Das setzt eine beiden Sprachen gemeinsame Semantikkcnponente voraus, aus der die einzelsprachlichen Oberflächenstrukturen erzeugt werden. Damit bewegen wir uns aber bereits im Bereich von Überlegungen zu einer Theorie der kontrastiven Grammatik, die sich die Entwicklung einer Semantiksprache als Mechanismus einer Sprachvergleichsgramtiatik zum Ziel setzt (vgl. Schwarze 1972) . Bis aber ein solcher Fonraiismus anwendungsreif ist, werden wir weiter auf die Übersetzung als Verfahren zur Feststellung von Äquivalenzen zurückgreifen müssen. Vergleichen Sie dazu die folgenden Definitionen von Äquivalenz: To establish that these [items (z.B. personal deictics im Englischen und Französischen) - M.H.] are comparable, we first need to show their contextual equivalence; this can be done most simply by reference to translation. If the items are not at least sometimes equivalent in translation, they are not worth comparing. (Halliday/Mclntosh/Strevens 1964, S. 115)
9 A textual translation equivalent, then, is any TL [= Target Language - M.H.] form (text or portion of text) which is observed to be the equivalent of a given SL [= Source Language - M.H.] form (text or portion of text). The discovery of textual equivalents is based on the authority of a competent bilingual informant or translator. (Catford 1965, S. 27)
Es ist notwendig, sich die Definition von Äquivalenz aufgrund einer Übersetzungsrelation als eine Beschränkung klarzumachen. Hier geht es um eine auf semantischer Ebene festgelegte Äquivalenz, die meist zusaittnen mit einer partiellen formalen Ähnlichkeit auftritt. Vorstellbar ist natürlich auch eine Definition unter Berücksichtigung pragmatischer Faktoren, wie sie sich bei Catford an gleicher Stelle durch den Hinweis auf "on a particular occasion" und bei Halliday et al. durch "contextual" andeutet. Ähnlich heißt es auch später bei Catford: The aim in total translation must therefore be to select TL equivalents not with "the same meaning" as the SL items, but with the greatest possible overlap of situational range. (Catford 1965, S. 49)
So können in einem bestimmten situativen Kontext auch folgende Äußerungen äquivalent sein, wenn sie dieselbe Sprecherintention verbalisieren: (la) Peter spielt Tennis. (lb) Peter is enjoying his favourite pastime. (2a) Mach doch mal das Fenster zu! (2b) There's an awful draught in here, isn't there?
Während (1a,b) äquivalente Antworten auf Fragen wie Wo ist Petev?/ Was macht Peter gerade? sein können, kann auch (2b), obwohl formal eine Frage, die Funktion einer Bitte oder Aufforderung im Sinne von (2a) erfüllen. Mit diesen Überlegungen sind aber die Grenzen einer streng linguistischen Semantik bereits überschritten, denn für die Feststellung der Äquivalenzbeziehung zwischen (1a,b) bzw. (2a,b) sind pragmatische Kategorien notwendig (vgl. Bouton 1976, S. 161). Diese wiederum wären in einer Sprechhandlungstheorie zu definieren, für die es bisher aber erst Ansätze gibt. Eine Erweiterung des Äquivalenzbegriffs unter Berücksichtigung kontextueller Faktoren deutet sich jetzt auch bei Krzeszcwski an. Er geht davon aus, daß zwei Sätze SL1 und SL2 von einem bilingualen Sprecher aufgrund von drei Entsprechungen assoziiert werden - der referentiellen, der semanto-syntaktischen und der lexikalischen Entsprechung. Textual equivalence liegt vor, wenn zwei Sätze nur bezüglich der beiden ersten Relationen einander entsprechen, ideal equivalence liegt vor, wenn darüberhinaus auch noch lexikalische Entsprechung gegeben ist. Gegenstand der kontrastiven Granmatik sind nur Sätze mit gleicher semantischer Eingabe, wobei festgelegt wird, daß
10 (...) sentences which constitute the closest acceptable approximations to word-for-word translations are in the relation of ideal equivalence while paraphrases of ideal equivalents are in the relation of textual equivalence. (Krzeszowski 1974, S. 186) Es deutet sich also eine mögliche Erweiterung der kontrastiven Grantnatik um eine pragmatische Karponente an. Dies sind aber Zukunftsperspektiven, so daß wir uns auf eine kontrastive Grammatik beschränken werden, die mit herkänmlichen linguistischen Kategorien auskernt, und in diesem Sinne akzeptieren wir Königs Bedingungen für das Auftreten von Äquivalenz : Comparability presupposes semantic equivalence (...) Detailed and precise statements can only be made in those cases where certain features of meaning are associated in both languages with the same features of form, i.e. it is necessary to have a certain formal congruence. (König 1972a, S. 52) Aufgabe 5 Um welche Art von Äquivalenz handelt es sich bei den folgenden Beispielen? (a) Ehemann/Gatte; Kamel/Wüstenschiff; Schnitte/Stulle; Schule/Penne. (b) Paris/the capital of France; Schmidt/der Bundeskanzler; How do you do?/ Guten Tag; Let's go for a walk/Kommst Du mit spazieren? (c) Sie hat ihn geschlagen/He was hit by her; She was wearing a very expensive coat/Sie hatte einen Mantel an, der sehr teuer war. Aufgabe 6 Welche Möglichkeiten der Feststellung von Äquivalenz gibt es? Arbeitsanregungen (1) Vertiefen Sie die Diskussion des Äquivalenzbegriffs unter Berücksichtigung der Ausführungen von Kühlwein (1973, S. 566). (2) Versuchen Sie, die bei Burgschmidt/Götz (1974, S. 68ff) genannten Typen von Äquivalenz voneinander abzugrenzen. Beachten Sie dabei, daß formale Ähnlichkeit nicht in Abhängigkeit von Äquivalenz festgelegt wird. 2.2
Interferenz
Als Einstieg in das sprachlich wie psychologisch so schwierige Phänomen der Interferenz vgl. die folgenden Definitionen: By phenomena of interference I mean those instances of deviation from the norms of a language which occur in the speech of a bilingual as the result of his familiarity with another language, i.e. as a result of language contact. (Weinreich 1965, S. 126; so fast wörtlich schon Weinreich 1953, S.l) Language interference, i.e. transferring linguistic habits of L^ to L^ (and possibly vice versa), is an inevitable outcome of the language contact which occurs in the process of learning L^. (Krzeszowski 1967, S. 34)
11 By interference, I mean the use of elements of one language or dialect while speaking or writing another; it is characteristic of the message. By intégration I mean the incorporation into one language or dialect of elements from another; it is characteristic of the code. (Mackey 1970, S. 195)
Ein erstes Stichwort ist natürlich language contact - es verweist auf Weinreichs Buch Languages in Contact, auf das praktisch alle nachfolgenden Beschreibungen von Sprachkontakt Bezug nehmen. Wenn Weinreich seine Definition von Interferenz aus dem sprachlichen Verhalten bilingualer Sprecher ableitet (wobei er wie Mackey den Aspekt der Perzeption vernachlässigt), so können wir hier auch den Fremdsprachenlerner als einen Typus des bilingualen Sprecher-Hörers einbeziehen. Beide repräsentieren verschiedene Stadien des Zweitsprachenerwerbs, dessen Beschreibung die linguistische Auseinandersetzung mit der jeweiligen Erst- oder Muttersprache voraussetzt. Ein weiterer Probienkreis, nämlich die Dichotomie
VOTI
Norm und Abweichung,
läßt sich ebenfalls von Weinreich bis heute verfolgen. Damit hängt auch die Frage zusammen, in welcher Weise Interferenz, die ja häufig als Phänomen des Performanzbereichs angesehen wird, von der - wie auch initier gearteten - Kompetenz des betreffenden Sprecher-Hörers abzugrenzen ist. Schließlich bleibt noch das Verhältnis von Interferenz und Fehler zu klären. Transfererscheinungen liegt offenbar das Bestreben des Sprecher-Hörers zugrunde, bereits erworbene Produktions- und Perzeptionsstrategien beim Gebrauch und weiteren Ausbau der Sprech- bzw. Verstehensfähigkeit einzusetzen, d.h. das einmal Gelernte auch in veränderter Situation anzuwenden. Dabei kcmnt es aber nicht nur zu Lernfortschritten, sondern auch zu Lernrückschritten. Man kann davon avisgehen, daß ein Lemstadiun χ das Lernstadium y in bestimnter, d.h. gesetzmäßiger Weise beeinflußt. Dieser als Transfer bekannte Vorgang hat eine positive Variante (facilitation) und eine negative (interference), je nachdem, ob der Lernprozeß erleichtert oder behindert wird. Die Interferenz wiederum kann sowohl als Beeinträchtigung von χ auf y auftreten, im Fall des Fremdsprachenlerners also von der Muttersprache zur Fremdsprache (proactive inhibition), wie auch als Rückwirkung von y auf χ (retroactive inhibition). Dazu die folgende auf Carroll (1968, S. 114f) beruhende Abbildung: Abb. 1 traesfer
proactive inhibition
retroactive inhibition
12
Während die proaktive Variante der Interferenz beim Fremdsprachenerwerb außerordentlich häufig ist, tritt die retroaktive Henmung (von Jakobovits 1969, S. 61 backlash -interference genannt) eher zwischen der zweiten und der ersten Fremdsprache auf als zwischen der ersten Fremdsprache und der Muttersprache. In natürlichen Kontaktsituationen - im Unterschied zum künstlichen, d.h. organisierten und geplanten Sprachkontakt im Frerndsprachenunterrricht - dürfte das Verhältnis von proaktiver und retroaktiver Heirmung ausgeglichener sein. Wegen des häufigen Auftretens im Zweitsprachenerwerb werden wir uns im folgenden auf den negativen Transfer, und zwar die Interferenz in ihrer proaktiven Variante beschränken, nicht, weil die Wirkung der facilitation unterschätzt würde, sondern weil das Resultat des positiven Transfers mit linguistischen Mitteln bisher nicht zu identifizieren ist. Auf positiven Transfer rückführbare Äußerungen sind ja "korrekt" und weichen nicht von der angestrebten Norm ab. Trotzdem darf bei der Beschreibung von Spracherwerbsprozessen die facilitation nicht vernachlässigt werden (vgl. zur Diskussion des Interferenzproblems unter lernpsychologischen Gesichtspunkten Vogel/Vogel 1975, S. 66ff und 88ff, sowie Burgschmidt/Götz 1974, S. 119). Wenn wir im folgenden - ausgehend von der Definition von Interferenz als Resultat - versuchen, durch Auffinden des als äquivalent angenommenen Elements (im Frerodsprachenunterricht also oft eines Elements der Mutterspräche), den Interferenzprozess nachzuvollziehen, ist es notwendig, die engere Definition von Äquivalenz, nämlich unter Einschluß formaler Ähnlichkeiten vorauszusetzen. Darüberhinaus werden Gebrauchsphänomene (insbesondere Frequenzaspekte) zu berücksichtigen sein. 2.2.1
Interferenztypen
Interferenzen können auf allen sprachlichen Ebenen vor, und tatsächlich dienen diese auch häufig als Klassifikationsrahmen für zusammenfassende Darstellungen (z.B. Czochralski 1966, Weinreich 1953, S. 64 oder Nemser/Slama-Cazacu 1970, S. 105). Wir gehen dagegen von einzelnen Interferenztypen selbst aus, deren Auftreten ja nicht an eine bestinmte linguistische Ebene gebunden ist. So schwierig im einzelnen eine Abgrenzung ist, werden unten fünf Typen von Interferenz unterschieden, wobei es sich bei den ersten drei Typen um interstrukturale, bei den beiden letzten um intrastrukturale Interferenz handelt. Intrastrukturale Interferenzen können innerhalb eines sprachlichen Systems (z.B. eines Dialektes oder einer Fremdsprache) beschrieben und vielfach auch erklärt werden, während für die interstrukturale Interferenz ein zweites sprachliches System (die Hochsprache oder die Muttersprache) heranzuziehen ist.
13 (1) Substitution (substitution) Zwei Fälle sollen hier erfaßt werden. Voraussetzung für Fall 1 ist ein Element der Fremdsprache, das in der Muttersprache keine äquivalente Entsprechung hat. Der Lerner verfolgt hier die Strategie der größtmöglichen Annäherung, indem er aus dem ihm geläufigen muttersprachlichen Material dasjenige Element ersetzt, das dan fremdsprachlichen maximal ähnlich ist. Auf der phonologischen Ebene ist für deutschsprachige Lerner z.B. die Substitution von dt. /s/ für engl. /Θ/ typisch (entsprechend dt. /z/ für engl, /δ/) - vgl. dt. */sin/ für /θιη/. Die erwähnte Ähnlichkeit wird durch die Erhaltung der folgenden Merkmale erreicht: Sowohl /Θ/ wie /s/ sind stiirmlos, beide sind Frikative (Reibelaute). Es ändert sich lediglich der Artikulationsort von engl. [+dental] zu dt. [+alveolar]. Ein dentaler Frikativ ist im deutschen Phoneminventar nicht vorgesehen, er kommt nur bei bestimmten Sprachstörungen vor, etwa beim sog. Lispeln (Sigmatismus). Diese Tatsache mag mit für die häufig zu beobachtenden Hemnungen deutscher Schüler bei der Imitation von /Θ, 5/ verantwortlich sein. In diesem Sinne ist auch die so häufig zu beobachtende Wort-für-VJort-Übersetzung als Substitution zu beschreiben, bei der fremdsprachliche syntaktische Muster durch muttersprachliche ersetzt werden. Bei Fall 2 handelt es sich um die Ersetzung oder Übertragung muttersprachlicher Verteilungsregeln bei Elementen, die in beiden Sprachen vorhanden sind. Im Deutschen sind im Gegensatz zum Englischen stirrrrhafte Konsonanten am Wartende unzulässig ("Auslautverhärtung" - vgl. Kap. 4.2.2). Der deutsche Lerner analysiert z.B. engl, head /hed/ aufgrund deutscher Distributionsregeln und ersetzt das englische Merkmal [+stimnliaft] deshalb durch das in dieser Position im Deutschen obligatorische [-stirmnhaft] - /hed/ -> */het/. Besonders wichtig für den Fremdsprachenunterricht ist die Tatsache, daß diese Regeln nicht nur die Produktion, sondern auch die Identifikation (Perzeption) der betreffenden englischen Laute beeinflussen. (2) Über-/Unterdifferenzierung {over-/under-differentiation) Diesem Interferenztyp liegt eine mangelnde oder übertriebene Differenzierung sprachlicher Elemente zugrunde, basierend auf der Bildung von Hypothesen über die Organisation der Fremdsprache aufgrund muttersprachlicher Bedingungen. Realisiert der Lerner fälschlicherweise eine sprachliche Differenzierung seiner Muttersprache in der Fremdsprache, wo eine solche Differenzierung redundant ist, dann kann von Überdifferenzierung gesprochen werden (z.B. dt. gehen/fahren kann führen zu * drive home für go home). Unterdifferenzierung liegt vor, wenn eine sprach-
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liehe Differenzierung der Fremdsprache aufgrund muttersprachlicher Verhältnisse als redundant interpretiert und deshalb nicht realisiert wird (z.B. dt. schwimmen kann zur Verwendimg von *swim in der Bedeutung von float führen). Die Termini over-differentiation und under-differentiation wurden von Weinreich für den phonologischen Bereich benutzt (vgl. Weinreich 1965, S. 130), können aber entsprechend auf den syntaktischen und lexikalischen Bereich übertragen werden. (3) Uber-/Unterrepräsentation (over-indulgenae/under-representation) Während die bisher besprochenen Interferenzen als Fehler im eigentlichen Sinne gelten, führt der folgende Interferenztypus zu Äußerungen, die in Isolation von Muttersprachlern durchaus als "korrekt" beurteilt werden, in größeren Redeund Textzusammerihängen aber eine Abweichung von den Gebrauchsfrequenzen in der Fremdsprache darstellen (vgl. Levenston 1971, S. 115; Zydatiss 1974). So kennt etwa das Deutsche den verkürzten Relativsatz nicht, eine Tilgung des Relativpronemens (The man I saw vs. The man that (whom, who) I saw) kann im Deutschen nicht nachvollzogen werden. Nach dem Prinzip des negativen Transfers ist hier.ein übermäßiger Gebrauch der Variante mit Relativpronomen zu erwarten, also der aus der Muttersprache geläufigen Struktur. Die Unterrepräsentation des sog. aontaot clause beruht dann auf der zu seltenen Anwendung der fakultativen englischen Tilgungsregel. Andererseits kann aufgrund von Lehrmethoden eine Uberrepräsentation der fremdsprachlichen Struktur auftreten (bei deutschen Lernern z.B. im Fall der -ing-Form). Durch veränderte Frequenzverhältnisse der fremdsprachlichen Varianten können sich so in der Lernersprache gegenüber der Zielsprache andere kcmnunikative (insbesondere auch stilistische) Effekte ergeben, was eine umfassende Fehlerdefinition zu berücksichtigen hätte. (4) übergeneralisierung (over-generalisation) Beim Erwerb der Muttersprache wie einer Fremdsprache kann das Phänomen der Übergeneralisierung beobachtet werden. Dabei handelt es sich im einen Typ der intrastrukturellen Interferenz, deren Ursache die Anwendung einer bereits intemalisierten Regel (z.B. book + [Plural] -» books) auch auf solche Fälle ist, die anderen Beschränkungen unterliegen (z.B. sheep + [Plural]
*sheeps; vgl. auch
Radden 1975, S. 246). (5) Hyperkorrektheit (hyperaorreotion) Die auf Hyperkorrektheit beruhenden Interferenzen gelten (wie (3)) isoliert nicht als Fehler, sie können aber zusammen mit weiteren, insbesondere extralinguistischen
15 Variablen zur Identifizierung von Sprechern einer bestimmten Schicht der Sprachgemeinschaft herangezogen werden. Labov (1966, 1970) hat in seiner Analyse des New York City English bezüglich des Gebrauchs von /r/ in Wörtern wie guard, far, etc. (seit dem 2. Weltkrieg ein Prestigemarker) hyperkorrektes Sprachverhalten der unteren Mittelklasse feststellen können: In Lesetests (bei Texten, Wortlisten, Minimalpaaren) übertraf sie nämlich in der Häufigkeit des Gebrauchs von /r/ sogar die obere Mittelklasse. In Alltagssituationen dagegen zeigte sie dasselbe Verhalten wie die obere Arbeiterklasse. Für den Fremdsprachenunterricht dürfte die Relevanz dieses Phänomens sprachlicher Variation nur gering sein. Das Problem der Hyperkorrektheit könnte sich allenfalls in Bezug auf den muttersprachlichen Dialekt der Lerner stellen. Andererseits können über den Lehrer hyperkorrekte Formen in den Unterricht einfließen. 2.2.2
Interferenz als Abweichung von der Norm
Bei der Definition von Interferenz geht man meist von der Situation des Sprachkontakts aus, besser - des echten Sprachkontakts im Unterschied zur künstlichen Situation im Fremdsprachenunterricht. Typisch für die echte Kontaktsituation ist der Gebrauch beider (oder mehrerer) Sprachen bzw. Sprachsysteme und die situationsadäquate Variation innerhalb jeder der beteiligten Sprachen, wobei jeweils unterschiedliche kanmunikative Normen die Selektion bestimmen. Im Frerodsprachenunterricht wird dagegen der Wechsel von der Muttersprache zur Fremdsprache nicht von kcranunikativen Bedürfnissen des Lemers gesteuert, sondern von didaktischer und organisatorischer Planung. Echte wie simulierte Kontaktsituationen sind durch das Auftreten von Interferenzen gekennzeichnet, die schon von Weinreich als Abweichungen von einer Norm (meist der Standardsprache) definiert wurden. Als solche lassen sich auch regionale, soziale und stilistische Varianten einer Sprache beschreiben, die aber auch ihrerseits wieder Normcharakter tragen können. Bewußte (kreative) Verletzungen der Norm durch (meist) muttersprachliche Sprachteilnehner (Stilistik) oder die konventionellen regionalen oder sozialen Abweichungen stehen nichtbeabsichtigten Verletzungen der Norm durch den (Fremd)Sprach(en)lerner gegenüber. Letztere werden von keiner Gruppe der Sprachgemeinschaft akzeptiert, sondern als Fehler abgelehnt. Unter Norm wird hier nicht allein die im Sinne Chomskys beschriebene Kompetenz eines idealen Sprecher-Hörers gesehen, die sich an der Grammatikalität von Äußerungen orientiert. Eine wesentliche Rolle spielt der performanztheoretische Gesichtspunkt der Akzeptabilität, die - zumindest im üblichen Verständnis dieses Begriffs - die Granrnatikalität voraussetzt. Bei einer performanzbezogenen De-
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finition der sprachlichen Norm spielt neben dan verständlichen Gebrauch auch die Frequenz eine Ralle. Diese Überlegungen führen den Begriff der Norm aus einer rein grairrnatiktheoretischen Behandlung heraus und legen ihn im Sinne einer Gebrauchsnorm der Sprachgemeinschaft fest (vgl. auch Bausch 1973, S. 161). Dabei handelt es sich nicht um eine invariante Größe, sondern eher im ein Kontinuum, das soziale und pragmatische Faktoren einschließt und dementsprechend Raum läßt für sprachliche Variation: Even in highly literate communities there is a permissible range of variation in usage, and on close examination we find that instead of a fixed code and a positive norm, we have an unstable code and a relative norm. (Mackey 1970, S. 200)
Interferenzen können weder generell als Fehlleistungen beschrieben werden, noch können alle Fehler auf Interferenzprozesse zurückgeführt werden. Neben Ursachen wie mangelnder Aufmerksamkeit, Grenzen des Kurzzeitgedächtnisses, psychisch bedingten Störfaktoren usw. stellt die Interferenz nur eine unter zahlreichen anderen Fehlerquellen dar. Als "fehlerhaft" bezeichnen wir "einen Satz S1 der Sekundärsprache eines Lerners, zu dem es einen Satz S2 der Zielsprache als Korrektur gibt" (Kohn 1974, S. 36). Als fehlerhaft müssen wir im Sinne der obigen Bemerkungen nun auch einen Satz S1 des Lemers betrachten, der nicht den Frequenzverhältnissen der Fremdsprache entspricht. Zwischen Interferenz und Fehler lassen sich im Hinblick auf den Frendsprachenunterricht folgende Zusaitmenhänge feststellen: (1) Interferenz - als Abweichung von einer Norm, der ein enger Kompetenzbegriff im Sinne Chomskys (1965, S. 4) zugrundeliegt - wird als Fehler angesehen (vgl. oben Typ 1,2,4), den man entweder zu beseitigen versucht (Sanktionierung) oder als foreign accent duldet (mit entsprechend modifizierten Verhaltensmustern gegenüber dem Ausländer); (2) Interferenz - als Verletzung einer Gebrauchsnorm im Sinne einer performanztheoretischen Definition - wird als "non-native use" der Fremdsprache gewertet (vgl. Typ 3, evtl. auch 5); (3) Interferenz - insbesondere auf der lexikalischen Ebene - wird als Entlehnung aus LI akzeptiert (allenfalls von sog. Sprachpflegern negativ beurteilt) und kann zur Erweiterung der jeweiligen L2 - Norm führen.
Aufgabe 7 Um welchen Typus von Interferenz handelt es sich in den folgenden Beispielen? (a) (b) (c) (d) (e) (f)
A piece of wood swam down the river. Having reached the port they were looking forward to seeing their families. I am back in some minutes. Tom hided behind a tree. He used to sit on that bank. The girl which I yesterday met is from Boston.
17 Aufgabe 8 Im Deutschen ist die Subjektivierung eines indirekten Objekts nicht möglich: A reward was given to him -» He was given a reward. Welche Interferenzen sind beim deutschen Lerner zu erwarten? Arbeitsanregungen (1) Stellen Sie fest, welcher Kompetenzbegriff den folgenden Ausführungen jeweils zugrundeliegt: Hymes (1971a), Krzeszowski (1972), Oksaar (1972) und DiPietro (1968). (2) Diskutieren Sie die folgenden Zitate aus Oksaar (1973) unter Bezug auf den Fremdsprachenerwerb: Spracherwerb (SE) muß (...) immer im Zusanmenhang mit der sprachlichen Umgebung des Kindes gesehen werden. (Oksaar 1973, S. 303) Äuf jedem Stadium ihrer Entwicklung muß von der Eigenständigkeit der Kindersprache ausgegangen werden. (S. 303) Ohne eine sprachliche Umgebung entwickelt ein Kind keine Sprache. (S. 304) Die Fähigkeit, Sprache zu verstehen, ist ursprünglicher als die Fähigkeit zu sprechen. (S. 304) Neue Funktionen werden zuerst durch alte Formen ausgedrückt, ebenso wie neue Formen zuerst alte Funktionen zum Ausdruck bringen. (S. 306) (3) Sammeln Sie Argumente für den Vorschlag, beim gesteuerten Zweitsprachenerwerb die Norm unter Bezug auf das jeweils angestrebte Lernziel zu definieren. (4) Beschreiben Sie Interferenzen deutscher Lerner bei der Produktion von engl. /I/ mit Hilfe der Kategorien Über/Unterdifferenzierung. (5) Diskutieren Sie die Wirkung von Uber-/Unterrepräsentation aufgrund Ihrer Lektüre von Levenston 1971 und Zydatiss 1974. Versuchen Sie, die dort behandelten Kategorien (z.B. formality, verbosity, archaism) auch im Deutschen nachzuweisen. 2.3
Intersprache
Bezogen auf den Erst- wie Zweitsprachenerwerb taucht das Phänomen der Intersprache in der Literatur unter den verschiedensten Bezeichnungen auf, die jeweils auch spezielle Aspekte der Interpretation in den Vordergrund rücken. Im Englischen finden wir vor allem
interlanguage (z.B. bei Selinker 1972, Corder
1973, 1975), (general) compromise system (Filipovic 1972b), approximative system (Nemser 1971a) oder idiosyncratic dialect (Corder 1971), im Deutschen Intersprache, Interimsprache, Lernerspräche, Annäherungsgrammatik oder Interimsgrammatik. Zum Begriff Interlingua, der nicht mit dem Terminus Intersprache verwechselt werden darf, vgl. Pause 1974 und Burgschmidt/Götz 1974, S. 63ff.
18 2.3.1
Intersprache und Spracherwerbsprozesse
Qnpirische Untersuchungen bei Kindern haben gezeigt, daß die Sprachentwicklung als kontinuierlicher Prozeß verläuft, in dem - ohne, daß jeweils eine scharfe Abgrenzung möglich wäre - linguistisch signifikante Lernstadien nachzuweisen sind, die ihrerseits als Intersprache oder Lernersprache zusanmengefaßt werden können. Diesen Lernstadien entspricht eine stufenweise Ausbildung der Denkfähigkeit, die wiederum mit der Fähigkeit zur Durchführung logischer Operationen zusammenhängt (vgl. Ramge 1973, S. 32; ferner Ausubel 1974 und Vogel/Vogel 1975). Trotz grundlegender Unterschiede zwischen Erst- und Zweitsprachenerwerb kann man von einer partiellen Parallelität beider Lernprozesse ausgehen (vgl. Corder 1967). Der Zweitsprachenerwerb unterscheidet sich aber von Erstsprachenerwerb u.a. dadurch, daß er mit dem Aufbau der fremdsprachlichen (Übergangs-)Kompetenz gleichzeitig für die von der Muttersprache verschiedenen Begriffe und Strukturen die Entwicklung neuer Perzeptions- und Produktionsstrategien voraussetzt, die ihrerseits von den muttersnrachlichen beeinflußt werden. Die Annahme, daß in beiden Spracherwerbsprozessen ähnlich gelernt wird, läßt sich durch enpirische Untersuchungen stützen, obwohl die bisher von der Lemtheorie und Psycholinguistik vorgelegten Ergebnisse noch nicht zur Formulierung einer adäquaten Theorie des Spracherwerbs ausreichen. So hat sich die behavioristische Spracherwerbstheorie nicht durchsetzen können (u.a., weil sie das Phäncmen der sprachlichen Kreativität nicht erklären konnte), während andererseits an mentalistischen Modellen ebenfalls von verschiedenen Seiten Kritik geübt worden ist (vgl. Bense 1973, Holzer/Steinbacher 1972). Ein Beispiel für die Parallelität beider Spracherwerbsprozesse ist das schon erwähnte Phänonen der Übergeneralisierung, dem Lernstrategien zugrundeliegen, die auf dem Prinzip von Imitation und Induktion beruhen. Weiterhin wird das für Perzeption und Produktion von Mutter- und Fremdsprache(n) erforderliche Regelwissen offenbar schrittweise erworben. Vau jeweiligen Wissensstand oder Kcrrpetenzgrad ausgehend, werden Hypothesen über weitere Äußerungen gebildet, die dann in einer kamunikativen Situation getestet werden: Die zu Sprachverstehen und -Produktion notwendigen Regelmechanismen werden erworben, indem das Kind versuchsweise Grammatiken konstruiert und sie im Laufe seiner sprachlichen Entwicklung ständig modifiziert. (Ramge 1973, S. 27)
Das Ergebnis einer solchen Uberprüfung von Hypothesen über sprachliche Fakten ist also entweder eine Festigung der gebrauchten Struktur oder eine Korrektur, wenn die Sprecherintention nicht im beabsichtigten Sinne vermittelt werden konnte. Spracherwerbsprozesse verlaufen demnach im Sinne eines allmählichen
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Auf- und Ausbaus sprachlicher Kcnpetenz - verstanden als Teil einer umfassenden kcnrnunikativen Kcrpetenz -, wobei auch Phasen rückläufiger Prozesse eingeschlossen sein kämen. Der Begriff der Intersprache stützt sich auf folgende Annahmen: 1) When the learner is attempting to communicate in T, he employs a linguistic system, a, distinct from Β and Τ and internally structured. [T = target language, Β = base language - M.H.] 2) The a's representing successive learning stages from an evolving series, aj , extending from a learner's first attempts to communicate in Γ to'nëar-perfect use of Τ (...) This evolution is presumably marked at every stage by systemic influence from B. It also represents an accretion of elements from T. These stages are definable qualitatively and quantitatively. 3) The a's of learners in the same contact situation (i.e. sharing the same Β and Τ), and at the same level of proficiency (a ) - defined crosslinguistically -, roughly coincide. (Nemser/Slama-Cazacu 1970, S. 119)
Bei der kontrastiven Untersuchung des Erst- wie des Zweitsprachenerwerbs sind zwei methodische Schritte erforderlich. Um Lernersprachen beschreiben zu können, maß zunächst das sprachliche Verhalten möglichst großer und möglichst homogener Lernergruppen zu einem bestürmten Zeitpunkt während des Lernprozesses analysiert werden, wobei sich dann aus dem Vergleich der einzelnen Stufen Aussagen über den Sprachentwicklungsprozeß ableiten lassen. Zvm anderen muß jeweils eine Kontrastierung mit der Zielsprache (also dem fertig ausgebildeten sprachlichen System) erfolgen, wobei davon ausgegangen wird, daß die Lernersprache sich der Zielsprache im Laufe der Entwicklung inner mehr'annähert, aber nie mit ihr identisch wird. 2.3.2
Zur Beschreibung der Intersprache
Für die Beschreibung von Lernersprachen reicht also offenbar das seit deSaussure im Mittelpunkt linguistischer Arbeit stehende synchrone Verfahren nicht aus. InterSprachen können nicht allein aufgrund von Gemeinsairkeiten mit und Abweichungen von der Zielsprache definiert werden. Wenn Aussagen über Spracherwerbs-, d.h. Entwicklungsprozesse gemacht werden sollen, müssen auch diachronische Gesichtspunkte in die Beschreibung einbezogen werden. Dabei sind einige theoretische Konseguenzen zu bedenken. Man wird nun VOTI dem zugrundegelegten linguistischen Bezugsmodell verlangen, daß es nicht eil lein statische Kompetenzen beschreibt und erklärt, sondern auch sprachliche Veränderungen. Es ist bisher aber nicht klar, wie dieses Problem - beispielsweise im Rahmen einer generativen Granmatik - gelöst werden könnte (vgl. dazu Fasold in Klein/Wunderlich 1972). Voraussetzung für die angedeutete zweidimensionale kontrastive Analyse der
20 Intersprache ist ein Verfahren zu ihrer Identifizierung, wobei sich die für die Skalierving eines Kontinuums bekannten Schwierigkeiten ergeben (vgl. Torgerson 1958, DeCamp 1971). Hier scheint eine interdisziplinäre Lösung erforderlich, wie sie sich ja generell bei der Beschreibung ναι Spracherwerbsprozessen anbietet. Der Beitrag der kontrastiven Linguistik liegt dabei vor allem in der Feststellung einer Korrelation zwischen Auftreten und Häufigkeit bestinnrter linguistischer Merkmale und dem jeweiligen Lernstadium. Die Hypothese einer solchen Korrelation basiert auf der Beobachtung der Regelhaftigkeit der InterSprache, die damit linguistisch erfaßbar wird: (...) far from being the chaos of random interference that is generally implied, the continuum [intersprachlicher Stadien - M.Η.] represents an ordered and principled dynamic process (...) (Bickerton 1973, S. 645) Traditionellerweise werden Lerneräußerungen mithilfe der Kategorien Norm und Abweichung beschrieben, und zwar aufgrund der Tatsache, daß für die Lernersprache das Auftreten von Fehlern charakteristisch ist. Die Begriffe Norm, Abweichung und Fehler müssen innerhalb einer linguistischen Theorie definiert werden, wenn sie für die Beschreibung der Intersprache von Belang sein sollen. Dies kann z.B. in einem generativen Modell geschehen, wenn als Norm diejenigen Sätze verstanden werden, die vcm Regelapparat der Granmatik erzeugt bzw. interpretiert werden, während den abweichenden Sätzen keine Strukturbeschreibung zugeordnet wird. Dabei ist auch der Notwendigkeit einer performanztheoretischen Norndefinition Rechnung zu tragen. Abweichende oder "fehlerhafte" Strukturen könnten so mit linguistischen Mitteln als typische Merkmale der Intersprache identifiziert werden. Allerdings ergeben sich durch die Betonung des Aspekts der Abweichung verschiedene Konseguenzen - (1) würde eben nur ein Aspekt der Intersprache untersucht, wenn auch ihr offenbar auffälligster, und (2) würde der produktive Aspekt der Lernerkcnpetenz in den Vordergrund gerückt, der perzeptive aufgrund methodischer Schwierigkeiten der Erfassung vernachlässigt. Die Beschreibung der Intersprache wäre auf diese Weise allein durch eine linguistische Fehleranalyse (FA) zu bewerkstelligen, ein Weg, der gerade im Fremdsprachenunterricht zum Zweck der Leistungsmessung gern beschritten wird. Wenn aber aus den Ergebnissen der Fehleranalyse auch Aussagen über Intersprachen und damit letztlich über Spracherwerbsprozesse - abgeleitet werden sollen, dann sind mindestens folgende Faktoren zu berücksichtigen: - Es muß neben der Produktion auch die Perzeption als Teil der sprachlichen Kompetenz untersucht werden (die bisherigen Fehleranalysen vernachlässigen das Hören/Lesen gegenüber dem Sprechen/Schreiben); - Die Datensammlung darf sich nicht ausschließlich auf einen Produktions-
21 typus stützen (z.B. auf schriftliches Material einer so speziellen Testform wie der Nacherzählung; vgl. z.B. Legenhausen 1975); - Bei der Datensammlung und -auswertung müssen die jeweiligen kontextuellen Faktoren, insbesondere Variablen der Testsituation, berücksichtigt werden; - Es dürfen nicht allein fehlerhafte Äußerungen zum Korpus gerechnet werden (typisch für die InterSprache ist das Auftreten von richtigen und falschen Äußerungen; ebenso muß das Problem nicht gemachter Äußerungen gelöst werden). Fehleranalysen sowie Tests verschiedener Art können darüberhinaus nur dann für die Beschreibung der Intersprache von Belang sein, wenn sie streng nach den Methoden der empirischen Sozialforschung durchgeführt werden. Aufgabe 9 Geben Sie eine linguistische Beschreibung und Erklärung der folgenden orthographischen Fehler (vgl. auch Kühlwein 1972): (a) force (für forth); (b) emty, ashure; (c) permití, wittness; (d) atventure, speet; (e) then (für than); (f) söhn (für son). Aufgabe 10 Welche Funktion erfüllt die linguistische Fehleranalyse (a) für die kontrastive Grammatik (b) bezüglich der Beschreibung von Lernersprachen (c) im Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht? Arbeitsanregungen (1) Vergleichen Sie Definition und Beschreibung von Intersprache in den folgenden Aufsätzen: Corder (1971, 1973), Filipovic (1972b), Nemser (1971a), Selinker (1971, 1972), Raabe (1974a) und Richards (1971). Welche Unterschiede sind bezüglich Terminologie und theoretischer Grundlegung festzustellen? (2) Beantworten Sie aufgrund der Lektüre von Corder (1972) die folgenden Fragen : (a) Welche Schlüsse können für den Verlauf von Sprachlernprozessen gezogen werden, wenn man bei der Beschreibung der Intersprache auf den Bezug zur Erwachsenensprache verzichtet? (b) Wie können die einzelnen Stufen der Intersprache zueinander in Beziehung gesetzt werden? (c) Welche Konsequenzen ergeben sich für eine Nutzung dieser Ergebnisse im Fremdsprachenunterricht? (d) Welche der diskutierten Testtypen (Leistungstest, Fertigkeitstest, usw.) erscheinen geeignet für die Ermittlung linguistisch signifikanter Aussagen über die Lernersprache (Literatur zum Testproblem finden Sie z.B. bei Burgschmidt et al. 1975)? (3) Diskutieren Sie die im sprachpraktischen Teil Ihres Studiengangs verwendeten Formen von Leistungsmessung »inter dem Gesichtspunkt ihrer Eignung für die Beschreibung von Lernersprachen (bzw. der jeweiligen Lernerkompetenz). (4) Diskutieren Sie am Beispiel der Sätze John swim like a fish und Peter is a brave child (mit brave als "Übersetzung" von dt. brav) das Problem von Kommunikationsstörungen durch Interferenzfehler. (5) Charakterisieren Sie Ziele und Methoden der linguistischen Fehleranalyse (vgl. dazu u.a. Hellinger 1975a, Nickel 1972d, Valdman 1974).
K O N T R A S T I V E G R A M M A T I K UND L I N G U I S T I S C H E
3.
THEORIE
Die Theorieabhängigkeit der kontrastiven Grammatik kann aufgrund folgender Fragen näher erläutert werden: (1) Inwiefern ist die kontrastive Grammatik auf Ergebnisse der theoretischen Linguistik angewiesen? (2) Welche Vorzüge bietet die generative Transformationsgrammatik als Bezugsmodell für die kontrastive Grammatik gegenüber anderen linguistischen Theorien? (3) Welche Möglichkeiten ergeben sich für die Entwicklung einer Theorie der kontrastiven Grammatik, inwiefern also werfen die bisherigen kontrastiven Untersuchungen Probleme auf, die nicht von der zugrundegelegten Theorie gelöst werden können, sondern die Schaffung einer eigenen theoretischen Basis für die kontrastive Grammatik nahelegen?
Die oben formulierten Ziele der kontrastiven Grartmatik sind nur dann zu verwirklichen, wenn sich die kontrastive Grartmatik auf adäquate Einzelbeschreibungen der beteiligten Sprachen stützen kann, die unter Verwendung desselben Beschreibungsapparates entstanden sind. Für die Kontrastierung veri zwei Sprachsystemen ergibt sich das folgende Diagramm: Abb. 2
GL1 (GL2) synbolisiert die Grarrrratik der Sprache L1 (L2) im Rahmen der linguistischen Theorie T. KG L1/2 repräsentiert die auf GL1/GL2 basierende kontrastive Granxratik der Sprachen L1 und 12.
Beide haben in der Analyse gleichbe-
rechtigten Status, wenn auch in der kontrastiven Praxis durchweg L1 als Ausgangssprache und L2 als Zielsprache fungieren, also ein "gerichteter" Vergleich durchgeführt wird. Die Komponente G ist als Idealisierung aufzufassen, d.h. als Zusairmenfassung aller bisher erstellten (und noch zu erstellenden) Einzelanalysen von L 1 , die durch a-η repräsentiert sind. Die kontrastive Grammatik analysiert
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also jeweils nur Ausschnitte aus L1 und L2, wobei sie sich auf die vorliegenden Teilgrammatiken Ga_nL1/Ga_nL2 stützt. Unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsökoncmie stellt sich die Frage, ob verschiedene linguistische Theorien in eine kontrastive Analyse eingehen können. Für ein solches Verfahren ließen sich allenfalls praktische Gründe anführen. So wird man ναι der sog. pädagogischen Graitmatik (vgl. Bald et al. 1972) nicht verlangen können, daß sie sich ausschließlich an einer linguistischen Theorie orientiert. Vielmehr wird man ihr zubilligen müssen, daß sie sich aus dem vielfältigen Angebot diejenigen Teillösungen herausgreift, von denen am ehesten ein Beitrag für die Optimierung des Fremäsprachenunterrichts zu erwarten ist. Das Ergebnis eines solchen Verfahrens (Ivir spricht 1974, S. 78 von "contrastive mix") muß theoretisch allerdings unbefriedigend bleiben, da es verschiedene Teilanalysen aneinanderreiht, für die die Bezeichnung kontrastive Grammatik, die ja auch theoretische Stringenz impliziert, unzulässig ist. Hinzu kcnmt di e Interrelation der verschiedenen linguistischen Ebenen eines Sprachsystems. Ein Beispiel von Lee (1972, S. 163) zeigt die Verflechtung syntaktischer, serran tischer und phanologischer Faktoren. So kann der Satz I don't lend my books to anyone je nach Betonving entweder heißen I lend my books to no one oder I lend my books to special people only. Im Französischen kann die Phonologie diese Distinktion nicht übernehmen, hier sorgen syntaktische Mittel für eine Unterscheidung personne gegenüber n'importe qui (vgl. auch Bolinger 1972). Zwischen der Wahl eines linguistischen Bezugsrrodells und der Definition von Äquivalenz besteht eine wechselseitige Abhängigkeit. Wenn also von zwei äquivalenten Sätzen gefordert wird, daß sie identische semantische Repräsentationen haben, dann kann als linguistischer Rahmen für die entsprechenden Einzelbeschreibungen nur eine Theorie in Frage kcrrmen, die Tiefen- und Oberflächenebenen unterscheidet, also z.B. eine neuere Variante der generativen Transfonrationsgranrnatik oder ein kasusgrantnatischer Ansatz. Als weitere Komponente führen wir nun eine allgemeine Theorie des Sprachvergleichs (vgl. Raster 1971, Schwarze 1972, 1975) in unser Diagramti ein, die zum einen die Äquivalenz zweier Ausschnitte aus L1 und L2 festzustellen, zum anderen das Phänomen der Interferenz wie auch das Verhältnis von Norm und Abweichung zu klären hätte. Die kontrastiven Analysen von L1 und L2 wären dann in doppelter Weise theoretisch abgesichert, einmal durch den Bezug zur kontrastiven Theorie und zum anderen indirekt durch die Viechselbeziehung zwischen linguistischer und kontrastiver Theorie.
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Abb. 3
Aufgabe einer Theorie der kontrastiven Granmatik oder einer Sprachvergleichsgranmatik ist es, (...) die in Übersetzungsäquivalenz stehenden Sätze verschiedener Sprachen einander zuzuordnen. Sie soll jedoch über die Äquivalenzurteile zweisprachiger Individuen hinausgehen, indem sie von den lexikalischen Entsprechungen abstrahiert und diejenigen abstrakten Strukturen von Sätzen verschiedener Sprachen einander zuordnet, durch die die Fähigkeit zu Äquivalenzurteilen theoretisch erfaßbar ist. (Schwarze 1972, S. 19) Arbeitsanregungen (1) Sammeln Sie die gegen die kontrastive Grammatik vorgebrachten Kritikpunkte und diskutieren Sie sie unter linguistischen wie didaktischen Aspekten. Als Arbeitsgrundlage können folgende Aufsätze aus Nickel (1972b) dienen: James "Zur Rechtfertigung der kontrastiven Linguistik" (S. 21ff), Coseriu "Über Leistung und Grenzen der kontrastiven Grammatik" (S. 39ff) und Lee "Überlegungen zur kontrastiven Linguistik im Bereich des Sprachunterrichts" (S. 157ff). (2) Diskutieren Sie als Beispiel für eine strukturelle kontrastive Analyse Moulton 1968 (vgl. dazu Barrera-Vidal/Kühlwein 1975, S. 126f.), als Beispiele für kontrastive Analysen im Rahmen der generativen Transformationsgrammatik Wagner 1969 und Krzeszowski 1972, 1974, und als Beispiel für die Verbindung von kasusgrammatischen und generativ-semantischen Ansätzen Pusch 1972.
4.
KONTRASTIVE PHONETIK UND PHONOLOGIE DES DEUTSCHEN UND ENGLISCHEN
Der Bereich von Phonetik und Phonologie ist durch einzelsprachliche Analysen recht gut abgedeckt, vgl. für das Deutsche z.B. Funkkolleg Sprache I (1973) oder Werner (1970), für das Englische vor allem Gimson (1970), und als kontrastive Arbeit Kufner (1971). Die Bevorzugung des taxonomischen Strukturalismus als Bezugsrahmen erscheint dabei folgerichtig, denn mit Begriffen wie Opposition, Kontrast, Distribution und vor allem Phonem (modifiziert als Bündel distinktiver Merkmale), und Methoden wie Minimalpaarbildung oder Substitution (Komnutationstest) waren gerade in der Phonologie bedeutende Ergebnisse erzielt worden, die sich überdies für eine Anwendung im Fremdsprachenunterricht eigneten. Die ersten kontrastiven Analysen schienen darüberhinaus die heute so umstrittene predictive power (Interferenzvorhersage) der kontrastiven Granmatik zu bestätigen (vgl. dazu Burgschmidt/Götz 1974, S. 199). Allerdings ging hier in gewisser Weise das erwartete Ergebnis schon in die Analyse mit ein, da die vorhergesagten Interferenzen ja durchweg schon bekannt waren. So wußte man natürlich, daß für deutsche Sprecher die Substitution von /v, z, s/ für engl, /w, 3, Θ/ prädikabel ist. Zweifel an der prinzipiellen Stichhaltigkeit kontrastiver Vorhersagen ergaben sich erst aus der Feststellung, daß die Sprecher einer anderen Muttersprache (oder eines anderen Subsystems der jeweiligen Muttersprache) verschiedene L1 - Laute für ein und dasselbe L2-Phonem ersetzen. Manche Sprecher des Blaok English substituieren /v, f/ für Standard American English /g, θ/ - was übrigens auch für weiße Sprechergruppen nachgewiesen wurde (vgl. Davis 1971, S. 92). Aus dem Blaok English ist aber auch die Ersetzung von /d, t/ für /S, θ/ bekannt. Zudem kennen auch in regionalen/ sozialen Varianten des Britischen Englisch beide Substitutionen vor (vgl. Gimson 1970, S. 184). Ein wenig einheitliches Bild ergibt sich z.B. auch für ungarische Sprecher (vgl. Nemser 1971b). Diese Untersuchungen bestätigen die Hypothese, daß performanzbezogene kontrastive Analysen hinsichtlich der predictive power dan reinen Systemvergleich von L1/L2 überlegen sind. Charakteristisch für die genannten Interferenzen ist die Erhaltung der phonetischen Ähnlichkeit der betreffenden Laute, die mithilfe artikulatorischer
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Merkmale festgelegt wird. Entweder bleibt die Artikulationsart erhalten /S, Θ/ wie auch /v, f/ und /z, s/ sind Reibelaute; oder der Artikulationsort wird - zumindest annähernd - beibehalten: /g, Θ/ wie /d, t/ sind Dentale bzw. Alveolare (bei Werner 1970, S. 74 wird zwischen beiden Orten nicht unterschieden) . Aufgrund der Kontrastierung der beteiligten artikulatorischen Fakten ist aber noch keine Aussage darüber möglich, welche der phonetisch ähnlichen Varianten für ein gegebenes Phonem substituiert werden. Kohler stellt in diesem Sinne fest: The connection of predictive statements in contrastive studies with elements of taxonomic phonological theory can thus only be a first approximation, and in many cases it will fail completely. Its adequacy and applicability is thus limited. (Kohler 1971, S. 84)
Trotzdem erkennt audi Kohler die praktischen Vorteile einer taxoncmi sehen Theorie an, indem er zeigt, daß auch die generative Phonologie weder das Problem der Fehlervorhersage noch das einer Erklärung der phonologischen/phonetisehen Interferenz lösen kann, darüberhinaus aber Fakten erklärt, die für die kontrastive Phonologie irrelevant sind. Während für die kontrastive Syntax und Semantik vorzugsweise neuere linguistische Modelle verwendet werden (vgl. auch Kap. 5 und 6), scheint trotz der bekannten Mängel für den Bereich der kontrastiven Phonetik und Phonologie ein taxoncraisches Modell das angemessenste zu sein. Zum Problem der Vorhersage kennt noch ein weiteres. Efe ist nicht möglich, aufgrund von Interferenzprognosen Aussagen über Schwierigkeitshierarchien zu machen (wie es z.B. von Stockwell/Bowen 1965, S. 15f versucht wurde). Entgegen der Annahme, daß die größten Schwierigkeiten im Bereich des größtmöglichen Kontrasts liegen, ist es eher so, daß "a sound which is markedly foreign to English will be learned, in part at least, more quickly than a familiar sound vrfiich patterns differently" (Roland 1966, S. 259). Vielmehr können gerade auch Ähnlichkeiten (Kontrastmangel) zwischen L1 und L2 zu Fehlleistungen führen (Ranschburgsches Phänomen; Prinzip der homogenen Henmung - vgl. Juhász 1970, S. 92ff.). Ohne eine enpirische Fundierung (vor allem durch Fehleranalysen) kann aber auch dieser Gesichtspunkt nicht in die Unterrichtspraxis eingebracht werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Therapiemaßnahmen im Bereich der Phonetik, wie jede didaktische Maßnahme, von jeweils angestrebten Lernziel abhängen. Wenn sich nun heute die phonetische Ausbildung im Rahmen des Englischunterrichts am übergeordneten Lernziel der kommunikativen Kcrrpetenz orientiert, könnte dies letztlich die Toleranz sogar von Interferenzen bedeuten, die auf der Verletzung phonemischer Oppositionen beruhen, denn durch
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eine Reihe von Redundanzen (z.B. auf der syntaktischen oder pragmatischen Ebene) ist auch in solchen Fällen die Kcmnunikation noch gewährleistet. Vielmehr muß eine variable (bzw. graduierbare) Akzeptabilität der Lerneräußerungen angestrebt werden, für deren Feststellung und Überprüfung Heike (1972) verschiedene Tests vorschlägt. Zudem zeigt er, daß das Ziel der phonemischen Korrektheit, das als Groblernziel für den Fremdsprachenunterricht gilt, prinzipiell nicht zu erreichen ist, da hier die Trennung zwischen der abstrakten Phonemebene und der Sprachproduktion nicht beachtet wird. In diesem Zusartmenhang weist Selinker (1971, S. 37) mit seinem "concept of 'fossilization'" darauf hin, daß bes tinnite Laute unabhängig von den Fortschritten des Lerners fehlerhaft realisiert werden. Akzeptabilität ist dann gegeben, wenn sich die Realisierving eines Phonems durch den Lerner innerhalb der Bandbreite bewegt, die durch die Analyse von Äußerungen muttersprachlicher Sprecher des unterrichteten sprachlichen Systems ermittelt werden kann (vgl. die "differential thresholds" bei Nemser/Slama-Cazacu 1970, S. 124). Bei der Festlegung dieser Bandbreiten handelt es sich (...) um die Feststellung der für eine Sprache spezifischen Realisationsnormen. Als Ziel des Ausspracheunterrichts, ganz gleich bis zu welchem Grad es erreicht werden kann und soll, bietet sich grundsätzlich nur die subphonemische Korrektheit im Sinne einer Aneigung der Realisationsnormen der Fremdsprache an. (Heike 1972, S. 4)
Um dieses Ziel zu erreichen, genügt der konventionelle Phonetikunterricht im Sprachlabor nicht, der bisher den Perzeptionsaspekt vernachlässigt hat. Es müssen neben den Ergebnissen der artikulatorischen Phonetik auch diejenigen der akustischen (vgl. Lindner 1969) und vor allem der auditiven Phonetik (vgl. v. Essen 1966) berücksichtigt werden. Angesichts der Fülle von Untersuchungen im Bereich von Phonetik und Phonologie des Deutschen und Englischen (vgl. zuletzt Dirven et al. 1976, S. 106ff.) wird hier auf eine erneute Gegenüberstellung der entsprechenden Vokal- und Konsonanteninventare verzichtet. Stattdessen wird auf die oben genannten Darstellungen scwie die folgenden Aufgaben und Arbeitsanregungen verwiesen. Aufgabe 11 Stellen Sie Argumente für und gegen den Phonemstatus englischer [tr, dr, ts, dz] und deutscher Affrikaten tpf, ts, t/, ks] zusammen.
Aufgabe 12 Machen Sie aufgrund einer kontrastiven Analyse der deutschen und englischen Konsonanteninventare Aussagen über zu erwartende Interferenzen bei deutschen wie englischen Lernern. Welche Möglichkeiten stehen für eine Verifizierung Ihrer Prognosen zur Verfügung?
28 Aufgabe 13 Welche Interferenzen sind aufgrund einer Kontrastierung der deutschen und englischen Vokaltrapeze zu erwarten? Testen Sie Ihre Prognosen an Tonbandaufnahmen aus einem Phonetikkurs. Bitten Sie umgekehrt Ihren englischen Lektor, Ihnen deutsche Texte auf Band zu sprechen und analysieren Sie diese Aufnahmen. Aufgabe 14 Stellen Sie entsprechend die deutschen und englischen Diphthonge gegenüber und überprüfen Sie Ihre daraufhin getroffenen Interferenzprognosen. Arbeitsanregungen (1) Vergleichen Sie die kontrastiven Darstellungen von Kufner (1971), Scherer/Wollmann (1972), Dirven et al. (1976) u.a. und diskutieren Sie die Unterschiede. (2) Kontrastieren Sie die für das Deutsche und Englische charakteristischen Varianten (Allophone) der Phoneme /l/ und /r/. (3) Ermitteln Sie Unterschiede zwischen dem amerikanischen und britischen Englisch im Bereich von Konsonanten, Vokalen und Diphthongen. 4.1
Phonenkcnbinationen
Es ist eine bekannte Erfahrung aus der Praxis des Frendsprachenunterrichts, daß Laute, die in Isolation einwandfrei produziert werden, im sprachlichen Kontext doch wieder muttersprachlich bedingten Interferenzen unterliegen. Zahlreiche Schwierigkeiten ergeben sich aus unterschiedlichen Kcnbinationsregeln deutscher und englischer Phoneme. Zum einen sind solche Verbindungen zu nennen, deren Elemente im Deutschen einzeln, aber nicht in Katbination vorkamen, z.B. /r¡g(r)/ - vgl. engl. /'hArjgri/ gegenüber dt. /'huqriç/, engl. /'fiqgs/ gegenüber dt. /'firje/. Als Variante zu /ngr/ erscheint /qgr/ auch im Deutschen, allerdings nur in Überschreitung von Morphemgrenzen, z.B. bei Fang|rate.
an\greifen,
Zum anderen gehören Lautverbindungen hierher, die dem Deutschen
fremde Elemente enthalten, insbesondere /s, Θ, w/: (1) Vokal + g + {m, η} + (ζ) Beispiele: /rxSujz, 'ηο:3η, 'hi:Snz/ (2) Vokal/Diphthong + {t, d, f, m, n,> r¡, 1} + θ + (s) Beispiele:
/ e r t e , b r e d ö , f i i ö s , wο:πιθ, ταΛηθΞ,
l>eij(k)es,
weie/
(3) Vokal + Konsonant + Konsonant + θ + (s) Beispiele:
/szksQs,
twelf9/
(4) θ + {r, w} + Vokal/Diphthong Beispiele:
/Örev,
9wo:t/
(5) {t, d, k, s, (h)} + w + Vokal/Diphthong Beispiele:
/twaxs,
d w o : f, Jcwart, s w e l ,
hwxtf/
Dagegen bereiten andere im Deutschen ebenfalls nicht vorhandene Phonemkoirtoi-
29
nationen in der Regel keine Schwierigkeiten, so die meisten Verbindungen mit /j/ - z.B. /dis'pju:t, 'bju:tr, tju:n, dju:, kju:, fju:, sju:, hju:, nju:/. Auch für Verbindungen mit stimmlosen Verschluß- und Reibelauten gibt es irorphernübergreifend - wieder Realisierungen im Deutschen, vgl. Schaltjahr, Strickjacke, Kopfjäger, Wolfs junge, das kann jeder. Für englische (weniger für deutsche) Lerner gehören folgende Phonemkcrrbinationen zu den Problemfällen (die Orthographie wirkt hier noch verstärkend auf die Interferenzgefahr ein): (6) vgl. dt. /kni:, 'kno:tn, gno:m, gnu:/ gegenüber engl, /ni:, not, nsvm, nu:/ (7) vgl. dt /'/la:fn, /ma:l, /nel, Jva:rts/ gegenüber engl. /sli:p, smo:l, sni:k, swit// Diese knappen Bemerkungen mögen genügen, um die Frage der unterschiedlichen Kombinatorik im Deutschen und Englischen zu illustrieren. Weitere Beispiele finden sich in jeder Einführung in die Phonetik und Phonologie des Deutschen und Englischen. Es liegt allerdings nahe, an dieser Stelle noch eiratal das Problem der Norm, d.h. der Standard- oder Hochsprache aufzugreifen. In der phonetischen Ausbildung im Fremdsprachenunterricht zeigt sich inner deutlicher die Notwendigkeit, nicht allein den Standard der Muttersprache als Bezugspunkt für Interferenzerscheinungen heranzuziehen, sondern auch regionale und soziale Merkmale der Muttersprache (aufgrund diatopischer und diastrataler Analysen) zu berücksichtigen. Damit kennten einerseits Redundanzen im Lernprozess vermieden und andererseits ausreichend Zeit zur Behandlung veil Spezialproblemen der jeweiligen Lernergruppe gewonnen werden. Dies impliziert allerdings, daß der Lehrer durch seine Avisbildung in die Lage versetzt werden muß, selbständig kontrastive Analysen durchzuführen und daraus entsprechende Konsequenzen für seinen Unterricht abzuleiten. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, daß sich die Lehrmaterialien zwangsläufig am Standard orientieren. Beispiel: Da in einigen nördlichen Varianten des Deutschen anlautendes /st/ die Norm ist, erweist sich die Opposition von Standard-dt. /ft/ und engl, /st/ als gegenstandslos. Der Weg über den muttersprachlichen Dialekt kann sich dort günstig auf den Lernprozess auswirken. Ein ähnliches Beispiel starrrrrt aus der in der Gegend von Mainz gesprochenen Variante des Deutschen. Interferenzen wie */zins/ für engl, since /sms/ sind dort kann zu erwarten, da dieser Dialekt eine Regel besitzt, die alle standard-dt. anlautenden stiimhaften /z/ in ihre stimmlosen Varianten /s/ verändert, vgl. /si// für standard-dt. sich /ziç/. IXirch die Einbeziehung muttersprachlicher Dialekte in den Fremdsprachenunterricht stellen sich aber wiederum neue Probleme, die bei der Beschränkung
30 auf den Standard nicht auftreten würden. Einige Beispiele werden dazu im folgenden Kapitel genannt. 4.2
Die subphonemische Ebene
Exemplarisch sollen hier nur zwei positionsbedingte Erscheinungen analysiert werden, zuerst die Art der Verschlußlösung bei Plosivlauten, dann die sog. Auslautverhärtung. 4.2.1
Verschlußlösung
Die für das Englische charakteristischen Stufen der Verschlußlösung (release stages) hat Gimscn (1970, S. 155ff.) ausführlich dargestellt. Folgende sechs Stufen sind zu nennen: (1) (2) (3) (4) (5) (6)
No audible release in final positions [stop] No audible release in stop clusters [rAbd] Glottal reinforcement of final /p, t, k/ [/o(p)?] Nasal release ['hspm] Lateral release ['kitl] Affrication of plosives [t s aim]
Dem Lerner, der im eben definierten Sinne Akzeptabilität seiner fremdsprachlichen Äußerungen anstrebt, wird folgender Rat erteilt: A foreign speaker of English may be generally intelligible without adopting any of these features, such is the redundancy of information carried in the English utterance. But the foreign learner who aims at a near approximation to the speech of English natives should adopt the following features at least: (a) Inaudible release of plosives preceding other plosives or affricates. (b) Nasal release of plosives followed by a homorganic nasal, especially /t, d/ + /n/. (c) Lateral release of /t, d/ + /l/. (d) Affrication of /p, t, k/ as a stage in learning aspiration of these plosives in strongly accented positions. (Gimson 1970, S. 159)
Ein Teilproblem der Verschlußlösung ist die Frage der Aspiration. Punkt (6) zeigt die Möglichkeit, daß im Englischen die Aspiration von /p, t, k/ vor Vokal bis zur Affrikation erweitert werden kann. Starke Aspiration in dieser Stellung ist auch im Standarddeutsch die Regel - Peter, Kind. ['p^e:t^3; kh i n t h ]. Zu Interferenzen kennt es aber in der unter (1) genannten Position der Plosivlaute, wo der deutsche Lerner ebenfalls die Tendenz zu starker Aspiration zeigt, während die Verschlußlösung im Englischen nicht hörbar ist stop, rat, luak *[stp£^, rast*1, lAk h ].
Diese Feststellung sollte wiederum durch regionale Fakten ergänzt werden. So bereitet in einigen Dialekten des Deutschen schon die Aspiration vor Vokal
31
Schwierigkeiten, etwa in dan von Burgschmidt/Götz untersuchten fränkischen Dialekt. Dort treten nämlich an die Stelle der stiftmLosen aspirierten FortisPlosivlaute die entsprechenden Lenis-Varianten, die ihre Stimrrhaftigkeit verloren haben, so daß sie sich von [p, t] nur noch durch geringeren Atemdruck (Lenis-Qualität) unterscheiden - [b-, d-], z.B. in engl, paw, toe [p^o:, Λ ν ] -» [bo:, dsv]. Auch in der Position vor [r, 1, n] kamen stinmlose Lenis-Varianten vor, z.B. in *[grsv] für engl, crow [krsv] (vgl. Burgschmidt/ Götz 1972, S. 211). Sind engl, /b, d, g/ intervokalisch noch voll stiimnhaft - /'ri:dxt, 'rAb 'avt/, so erscheinen sie vor bzw. nach Vokal wortan- und auslautend zwar noch lenis, aber nur noch teilweise oder gar nicht mehr stirmtiaft - [l?il, klAly]. Der einzige Unterschied zwischen rope [revp] und robe [revi?] besteht demnach in der Opposition fortis-lenis. In beiden Fällen tritt weder Aspiration noch Stinnhaftigkeit auf. Allerdings bewirkt die Lenis-Artikulation eine Längung des vorangehenden Vokals (Diphthongs). Im erwähnten Mainzer Dialekt können /k>, d, g/ vor Vokal stimmlos, vor Konsonant sogar fortis sein - vgl. standarddt. [gro:s, drai, bro:t] gegenüber Mainzerisch [kro:s, trai, pro:t]. Interferenzen bewirken deshalb Homophonie - dry/try [trai], grow/erou [krev], bray/pray [prei], d.h. die im Englischen distinktive fortis-lenis-Opposition wird von Sprechern dieses Dialektes nicht realisiert. Es erweist siedi also als notwendig, über phonemische Oppositionen hinaus auch nicht-distinktive artikulatorische Merkmale kognitiv zu erfassen und Lehrmaterialien im Hinblick auf eine akzeptable Realisierung dieser Merlatale zu entwickeln. Daraus ergeben sich Konsequenzen für die phonetische Ausbildung im Lehrerstudium (vgl. Burgschmidt/Götz 1972, S. 221; James 1974, S. 98f). 4.2.2
Auslautverhärtung
Das Deutsche unterscheidet sich auf der subphcnemischen Ebene insbesondere durch die schon mehrfach erwähnte Auslautverhärtung von Englischen. Dieses Phäncmen trägt als außerordentlich häufige Interferenzursache in entscheidendem Maße zu einem "deutschen Akzent" bei. Es sollen deshalb die diesbezüglichen Regeln hier noch einmal zusarrmengefaßt werden. Stimmhafte Verschlußlaute und Reibelaute verlieren im Deutschen ihre Stirrmhaftigkeit (und ihre LenisQualität) : (1) im Wortauslaut (vgl. Funkkolleg I, S. 407) [+obstruent] -» [-stimmhaft] / # Beispiele: ['ta:gS, 'li:b$, bra:v8 (kindsf) ] -» [ta:k, li:p, (das kint ist) bra:f]
32
(2) im Silbenauslaut vor Konsonant [+obstruent] -» [-stimmhaft] / [-vokalisch] Beispiele: ['erbe, 'klaid^-, 'k^:nige, 'tsa:gan] -» ['£rptu:m, 'klartsa:m, 'k(¡í :nikliç, 'tsa:khaft] (3) in flektierten Formen vor stimmlosem Konsonant [+obstruent] -» [-stimmhaft] / [-stimmhaft] Beispiele: ['li:ben, 'za:gen] -» [li:pst, za:kst] Im Englischen bleibt dagegen in den genannten Positionen irrerer die LenisQualität erhalten, wenn auch, wie in Abschnitt 4.2.1 dargestellt, bei unterschiedlicher Verschlußlösung verschiedene Stufen der Stinnhaftigkeit vorkamen. (...) speakers of some languages, e.g. of the Germanic type, tend to neutralize the /p/-/b/ kind of opposition in final positions, using a fortis plosive for both. It must be remembered that /b, d, g/ finally, though they may not be voiced, remain weak as compared with /p, t, k/, the preceding sounds retaining full length. (Gimson 1970, S. 153) Beispiele für die Kategorie (2) kommen auch im Englischen vor - vgl. [nju:z, faxv] -» ['njutspeipe, 'farfpsns]. Da es
sich hier aber nicht wie im Deutschen
un eine produktive phonologische Regel handelt, werden diese Fälle lediglich als regressive Assimilation beschrieben. Das Produkt einer solchen Assimilationserscheinung kann auch Stimrihaftigkeit sein, wenn einem stiimhaften Konsonanten ein im Silbenauslaut stintnloser Konsonant vorausgeht - vgl. [gu:s] -» ['gu:zbri]. Aufgabe 15 Welche Erscheinungen liegen den folgenden Beispielen zugrunde? (a) (b) (c) (d)
[ 1 svpm δβ 'do: ] [ai 1 haeftv] [Sev3 *jAr¡ 'men] ['gvb 'boi]
Aufgabe 16 Handelt es sich bei der Aussprache /t/ für das past-Morphem -ed um ein Beispiel für Auslautverhärtung? Die Schreibung -ed für /t/ kommt vor "in verbal past tenses and participles after fortis consonants other than /t/" (Gimson 1970, Ξ. 161). Aufgabe 17 Welche der oben genannten release stages ist typisch für die gehobene deutsche Umgangssprache? Aufgabe 18 Welche Interferenzen sind bei folgenden Wörtern/Nominalphrasen bei deutschen Lernern zu erwarten? Erklären Sie die Interferenzen mithilfe artikulatorischer Merkmale :
33
(a) language, love, bridgehead, job; (b) spotless, godless; topmost, roadmap; written, ridden; (c) white tie, that dog, head boy, bad pain, red car, bed time, good judge. Arbeitsanregungen (1) Diskutieren Sie die Konsequenzen, die sich aus der Forderung ergeben, der sprachpraktischen Ausbildung auf Schul- und Hochschulebene das Prinzip der subphonemischen Korrektheit zugrundezulegen sowie regionale/ soziale Variation in der Muttersprache zu berücksichtigen. (2) Fertigen Sie Teilanalysen für den Dialekt Ihres Heimat- oder Studienortes an. Stellen Sie Interferenzprognosen für Sprecher dieses Dialekts beim Erwerb des Englischen. Überprüfen Sie Ihre Prognosen an Material, das Ihnen am Ort zugänglich ist. 4.3
Merkmale zusaitmsnhängender Rede
Ebenso wie die Realisation einzelner Phoneme von ihrer lautlichen Umgebung abhängt, so treten auch im Wort- und Satzzusarmenhang regelrtäßige lautliche Veränderungen gegenüber tvörtern in Isolation auf. 4.3.1
Das
linking-r
Bei dieser Form der Liaison handelt es sich um die Erscheinung, daß postvokalisches /r/, das in der Received Pronunciation
(RP) einer generellen Tilgungs-
regel unterliegt, vor folgendem Vokal erhalten bleibt. Dies gilt in der Position vor gebundenen wie vor freien Morphemen. (1) [ 1 w o : ts, fo:, bes] ['wo:tsrxij, 'f3:rr, 'besrsbl] ['a:nss mi:, 'mo: SQV, ' m s him, 'ίεΘ 'piel] -> t'a:nserit, mo:'rsvve, 'nierim, 'f£srinAf] Von dieser Regel ist das sog. intrusive-r
zu unterscheiden, das fakultativ
zwischen /a:, Ο:, Θ/ und folgendem Vokal auftritt, ohne daß dies durch etymologische bzw. orthographische Fakten gerechtfertigt wäre. It is clear that the RP-system of linking /r/s strongly encourages the creation of analogous links in similar phonetic contexts. Spelling consciousness remains an inhibiting factor (...) (Gimson 1970, S. 209) (2) [ai'disrav,
1
o:rln, spaxrirj, ' dra :meran 'mju:zxk, 3a 1 Ja :rav'p3: Ja]
Bei deutschen Sprechern ist in den genannten Positionen eine Interferenz durch den glottalen Verschlußlaut zu erwarten. Allerdings ist der glottal stop auch bei einigen RP-Sprechern festzustellen: With some speakers, however, fear of using the intrusive /r/ (...) may inhibit such liaison (d.h. das linking-r -M.H.), a vowel glide or glottal stop being used, e.g. the door opened /3a 'do: „eupand/ or [3a 'do: JaOpand], (Gimson 1970, S. 299)
34
Diese Feststellung kann natürlich nicht zur Toleranz der deutschen Interferenzen durch den Kehlkopfverschlußlaut führen. Dabei ist auch hier wieder auf Varianten des Deutschen (z.B. das Schwäbische, vgl. James 1974, S. 98, oder auch das Schweizer Deutsch) hinzuweisen, in denen vokalischer Aus- und Anlaut ohne Einfügung durch den glottalen Plosivlaut gebunden werden. Dies wäre wiederum bei der phonetischen Ausbildung zu berücksichtigen. 4.3.2
Intonation
Ctowahl die Fähigkeit zu einer akzeptablen Intonation nicht weniger zum Lemzielkatalog des Englischunterrichts gehört als eine akzeptable Realisierung phonemischer Einheiten, kennt ihr in Einführungen in die Phonetik und Phonologie wie auch in Lehrwsrken für den Englischunterricht nur eine untergeordnete Rolle zu. Bald (1975) weist auf Lücken in der Forschung hin, die dafür vor allem verantwortlich sind. So erklärt sich auch, daß zur kontrastiven Intonation des Deutschen und Englischen bisher noch keine umfassende Darstellung vorliegt. Wir können deshalb hier nur einige Aspekte andeuten, die eine solche Untersuchung zu berücksichtigen hätte. Unter Intonation fassen wir mit Bald (1975, S. 139) folgende Phänomene zusammen: Pause, Betonung und Rhythmus, sowie Tonhöhenverlauf (zur Vertiefung vgl. die bei Bald verzeichnete Literatur sowie Quirk et al. (1972), Appendix II). Die Position der Pause ist in den folgenden Beispielen für die unterschiedliche syntaktische und s emantische Interpretation verantwortlich: (1) I'll move / on Saturday I'll move on / Saturday
(2) I fed her / dog biscuits I fed her dog / biscuits Unterschiedliche Betonungsmuster machen das nächste Beispiel zum Minimalpaar: (3) an »English 'teacher an 'English ,teacher Zur Bewahrung des Sprechrhythmus vgl. die Positionsveränderung des Akzents in den folgenden Beispielen: (4) [ J i wez ' f i f t i : n * j i : e z 'svld] [ / ι wez 'dßAst f i f ' t i : n ] (5) ['piksdill 's3:kss] ['klevs ta pike'dxli] (6) [sn Άηηθνη 'felev] [ i t s 'kwait Αη'ηθνη] Bezüglich des Torihähenverlaufs scheint es zwischen beiden Sprachen keine
35 nennenswerten Unterschiede zu geben. In beiden werden diejenigen Wörter betont, die entsprechend der beabsichtigten Mitteilung hervorgehoben werden, und damit korreliert auch der Tonhöhenverlauf: Abb. 4 engl.
he went away
t t «
• · ·
dt.
er ist weggegangen
er ist weggegangen?
.·_· 4.3.3
·» t
«
he went away?
I
9 · W
Ψ
.· · ·
Vokalabschwächung
Intonation und Sprechgeschwindigkeit wirken sich auf die Qualität und Quantität der unbetonten Silben aus. Zu einer akzeptablen Aassprache des Englischen gehört deshalb unbedingt die Beherrschung der Regeln für das sog. weakening. Vgl. die folgenden beiden Äußerungen, deren Informationswert sich aufgrund der weak forms unterscheidet (dazu Gimson 1970, S. 285): (1)
[,hi: WDZ 'leit] [hi wez 'leit]
Von der Vokalabschwächung, die von einem kurzen, halboffenen, neutralen Mittelzungenvokal bis hin zur Tilgung reicht, sind insbesondere der gesamte Auxiliarkcmplex, Pronomina und Präpositionen betroffen: (2) ['ai 'kam] ['ai ksn 'du: it] ['ai kn 'dvit] (3) [ai hsv 'si:η hxm] [ai 8v 'si:n im] [ai ν 'si:η im] (4) [pe'haeps i:l 'giv ju: θ 'haend lm'self] ['haez i: ' teikn iz Am'brele wig im] (5) ['giv lt tv mi:] ['giv it(t)s mi]
Im Bereich der zusammenhängenden Rede sollte der Lerner (...) observe the rules concerning weak forms, [should] cultivate the correct variations of word rhythmic patterns according to the context, and [should] make proper use of liaison forms (German speakers, in particular, should avoid an excess of pre-vocalic glottal stops). (Gimson 1970, S. 302)
36 Aufgabe 19 Welche sprachlichen Kittel setzt das Deutsche ein, um einen den Beispielen (1) bis (3) von Abschnitt 4.3.2 entsprechenden Bedeutungsunterschied zu signalisieren? Ist die Position der Pause bzw. der Betonung jeweils das einzige unterscheidende Merkmal? Welche Interferenzen lassen sich voraussagen? Aufgabe 20 Transkribieren Sie den folgenden Text unter Beachtung der weak forms (aus Arnold/Gimson 1970, S. 72, dort auch die Auflösung): "Well, here we are! Eighteen and a half minutes past seven. Not bad going, considering the traffic we've had on the way." - "Are you sure this is the hotel?" - "Why, yes. It says "Grand Hotel" on the front doesn't it?" - "It doesn't look very grand to me. In fact, it could do with a good coat of paint. I don't think I'm going to like it." - "Oh, come on Mary! Old Robinson recommended it. And I should think he's fussy about where he stays." - "Let's hope it's better inside. There's no harm in trying it, I suppose. " Aufgabe 21 Welche Schwierigkeiten ergeben sich bei dem Versuch einer Kontrastierung des Phänomens der Vokalabschwächung mit deutschen Verhältnissen?
5.
KONTRASTIVE SYNTAX DES DEUTSCHEN UND ENGLISCHEN
Die folgenden Teilprobleme aus der Syntax des Deutschen und Englischen werden unter dem Gesichtspunkt eines nichtgerichteten Vergleichs betrachtet, so daß Interferenzbereiche sowohl für den Englischlerner (mit Deutsch als Muttersprache) wie für den Deutschlemer (mit Englisch als Muttersprache) diskutiert werden. Alle Beispiele dienen ferner als Argument dafür, kontrastiven Analysen ein semanto-syntaktisches Sprachmodell - etwa Fillmores sog. Kasusgranmatik zugrundezulegen.(vgl. zu diesari Modell insbesondere Fillmore 1967, 1968; Rohdenburg 1969, Abraham 1971; zu allen behandelten syntaktischen Fragen sind Quirk et al. 1972 und Stockwell et al. 1973 zu konsultieren). Kasus bezeichnet hier nicht eine oberflächenstrukturelle Kasus/orm, sondern im Sinn von Kasusrolle eine semantisch motivierte Kategorie der Tiefenstruktur. 5.1
Verben mit drei Komplementen
Im ersten Beispiel geht es um die Klasse deutscher und englischer Verben mit drei tiefenstrukturellen Katplenenten. In Fillmores Notation haben die betreffenden Verben (V) den Kasusrahmen [
V,0,D,A], wobei in den folgenden
Beispielsätzen A (agentive) als Subjekt fungiert, D (dative) als indirektes Objekt, und 0 (objective) als direktes Objekt. Die drei Kasus sind wie folgt definiert: Agentiv - "the case of the typically aninate perceived instigator of the action identified by the verb"; Dativ - "the case of the animate being affected by the state or action identified by the verb" und Objeativ - "the senantically most neutral case, the case of anything representable by a noun whose role in the action or state is identified by the semantic interpretation of the verb itself" (Fillmore 1968, S. 24f). (la) (lb) (lc) (Id)
Peter gave him the book. They paid her the money. Mary sent him her application. I told her the whole story.
Mögliche Ubersetzungsäquivalente s i n d im Deutschen: (2a) Peter gab ihm das Buch. (2b) Sie zahlten ihr das Geld.
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(2c) Maria schickte ihm ihre Bewerbung. (2d) Ich erzählte ihr die ganze Geschichte.
Die Sätze (1a) und (2a) sind sanantisch äquivalent und zudem formal so ähnlich, daß iran von "struktureller Synonymie" sprechen könnte (zum Äquivalenzproblem vgl. oben Kap. 2.1, dazu auch Marton 1970; zur hier behandelten Verbkategorie auch Jackendoff/Culioover 1971). Die Sätze (1a-d) sind durch die Regel Indireat-Objeot-Movement aus (3a-d) entstanden (bei dieser Regel rückt das indirekte Objekt unter Tilgung der Präposition unmittelbar hinter das Verb): (3a) (3b) (3c) (3d)
Peter gave the book to him. They paid the money to her. Mary sent her application to him. I told the whole story to her.
Die Möglichkeit der Ctoer flächenmarkierung des Dativelarents durch die Partikel to kann bei englischen Lernem zu Fehlleistungen wie der folgenden führen: (4) *Peter gab das Buch zu ihm.
Auch das Deutsche kann das tiefenstrukturelle Dativelement mit Hilfe einer Präpos i tionalphrase realisieren. Dabei ergeben sich aber eventuell semantische oder stilistische Verschiebungen gegenüber (2a-d), worauf wir hier nicht weiter eingehen: (5a) (5b) (5c) (5d)
Peter gab das Buch an ihn. Sie zahlten das Geld an sie. Maria schickte ihre Bewerbung zu ihm. Ich erzählte die ganze Geschichte für sie.
Für (1a) und (3a) sind allerdings gewisse Einschränkungen bezüglich ihrer (situativen) Äquivalenz zu machen, obwohl beide Sätze als Realisationen einer gemeinsamen Tiefenstruktur aufgefaßt werden. Denn je nachdem, welches Kaiplement im Satz Thema (das "Bekannte") und welches Rhema (das "Neue") ist, ergeben sich bestimmte formale Konsequenzen, die zum einen die Intonationsmuster betreffen, zum anderen die lineare Anordnung der Komplemente, d.h. die Wbrtstellung. Zirmermann (1972, S. 18) geht davon aus, daß im Deutschen eine Tendenz zur Finalisierung des Rhemas besteht, die zusammen mit einer Frontierung des Themas auftritt (vgl. auch Kirkwood 1970) . Diese Regelmäßigkeit würde demnach die Wahl der einen oder anderen Variante im Deutschen steuern, wobei für eine Erklärung und Beschreibung der jeweilige Textzusanrienhang zu berücksichtigen ist (ein Argument gegen eine Satzgrairmatik als Bezugsmodell für die kontrastive Granratik) :
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(6a) Peter gab ihm das Buch. (6b) Ihm wurde das Buch (von Peter) gegeben. (6c) Das Buch wurde ihm (von Peter) gegeben.
Diese Beispiele zeigen, daß im Deutschen jedes Komplement von Verben wie geben, senden, zahlen, u.a. an die Satzspitze rücken kann. Dabei kann Passivierung notwendig werden (6b,c). Dies gilt auch für das Englische, wobei aber im Gegensatz zum Deutschen das Dativkcmplement bei der Frontierung oberflächenstrukturell als Subjekt markiert wird: (7a) (7b) (7c) (7d)
He was given the book. She was paid the money. He was sent her application. She was told the whole story.
Satz (7a) ist aus (1a) abgeleitet, während die Passivierung von (3a) den folgenden Satz ergibt (bei der Passivierung wird irrmer die dan Verb unmittelbar folgende NP subjektiviert bzw. frontiert): (8) The book was given (to) him (by Peter).
Van englischen Lerner sind hier natürlich Fehlleistungen wie (9) zu erwarten, von deutschen Lerner solche wie (10): (9) *Er wurde das Buch gegeben. (10) *Him was given the book.
Im Deutschen kann das Dativ-Kanplement also ohne formale Konsequenzen subjektiviert werden (6b), während die Subjektivierungstransformation im Englischen oberflächenstrukturelle Kasusmarkierungen tilgt (7a-d). Diese Verhältnisse kann eine taxoncmische Darstellung natürlich nicht erklären. Sie kann lediglich Positionsveränderungen beschreiben und - wie Kufner (1962, S. 68) patterns der folgenden Art empfehlen, deren didaktischer Wert umstritten ist, weil Gebrauchsphänanene unberücksichtigt bleiben (die Symbole in der folgenden Abbildung sind natürlich nicht mit Filimores semantisch motivierten tiefenstrukturellen Kasus(rollen) zu verwechseln, Kufner bezeichnet damit Flexionsformen, also einzelsprachliche Oberflächenphäncmene): Abb. 5 der Junge gab der Frau das Buch Nom Dat Acc der Junge gab das Buch der Frau Nom Acc Dat der Frau gab der Junge das Buch Dat Nom Acc das Buch gab der Junge der Frau Acc Nom Dat
40 Alle vier Konstruktionsmuster stehen - unbegründet - gleichberechtigt nebeneinander, auf unterschiedliche Bedeutungen und Gebrauchsfrequenzen wird nicht hingewiesen. Die Gebrauchsfrequenzen der passivischen Sätze im Englischen niißten in Abhängigkeit des Thema-Rhema-Problems ermittelt werden. Inmerhin kann man - wenn man Jespersen (1933, S. 121) folgt - davon ausgehen, daß "over 70 per cent of passive sentences found in English literature contain no nention of the active
subject." Diese Zahl dürfte für das gesprochene Englisch noch
höher liegen. Transformationsübungen der Art Peter gave him a book -» A book was given to him by Peter (wie man sie in deutschen Lehrwerken für den Englischunterricht findet) gehen also an der Sprachwirklichkeit vorbei. Gerade Frequenzuntersuchungen wären aber für kontrastive Analysen, die sich um einen Beitrag zur Optimierung vcn Lehr- und Lemmaterial bemühen, von großer Bedeutung (vgl. Svartvik 1966, S. 141). Einen Beitrag in dieser Richtung leistet die Untersuchung von Zydatiss (1974). Er geht mit Duáková (1969, S. 29) davon aus, daß der nicht-muttersprachliche Gebrauch einer Sprache sich nicht allein in Fehlern wie (4, 9, 10) manifestiert, sondern auch in falschen Frequenzverhältnissen der verwendeten Strukturen, die ja Oberflächenstrukturen und ohne Textzusanmenhang gar nicht als fehlerhaft zu identifizieren sind. Zydatiss kann aufgrund von kontrastiven Analysen, Fehleranalysen und vor allen experimentellen Tests (eliaitation procedures) die ναι Levenston (1971, S. 115f) als over—indulgence und under-representation bezeichneten Charakteristika der Intersprache statistisch belegen. So führten nur 10% der deutschen Probanden bei der Übersetzung vcn Ihm wurde viel Geld angeboten die für das Englische typische Subjektivierung durch (He was offered a lot of money), während mehr als 50% deis Objektkcnplenent frontierten (Λ lot of money was offered to him). Damit liegt hier ein eindeutiger Felli ven Unterrepräsentatien der englischen Subjektivierung vor (bzw. eine Uberrepräsentation der Frontierung des Objektkanplements). Aufgabe 22 In welcher Reihenfolge müßten in einer generativen Transformationsgrammatik des Englischen die Transformationen Indirect-Object-Hovement und Passivierung angeordnet sein, damit sowohl (7a) wie (8) erzeugt werden können?
Aufgabe 23 Erklären Sie die folgende Fehlleistung eines deutschen Schülers - *They told it him.
41
5.2
Das Mediopassiv
Das zweite Beispiel beschäftigt sich mit einem Konstruktionstyp des Englischen, dessen Interpretation als Aktiv oder Passiv in der Literatur umstritten ist, und dessen Verbelement nicht eindeutig als transitiv oder intransitiv zu klassifizieren ist. Vgl. die folgenden Sätze: (IIa) (lib) (11c) (lid)
The books sell quickly, This car steers hard. Wonderloaf toasts better, The mud brushes off easily.
Die üblichen deutschen Übersetzungsäquivalente (12a-d) werden allgemein als Iteflexivkonstruktionen interpretiert, was sich offenbar auf das Auftreten der Partikel sieh in der Oberfläche folgender Sätze bezieht: Die Bücher verkaufen sich schnell. Dieser Wagen läßt sich schwer lenken. ?Wonderloaf toastet sich besser. Der Schmutz läßt sich leicht abbürsten.
(12a) (12b) (12c) (12d)
Übersetzungsnöglichkeiten ohne Reflexivpronomen (und in (13a,b) wieder ohne Nennung eines Agens) wären folgende: (13a) (13b) (13c) (13d)
Die Bücher sind schnell zu verkaufen. Dieser Wagen ist schwer zu lenken. ?Wonderloaf kann man besser toasten. Den Schmutz kann man leicht abbürsten.
Für Sätze des Typus (11) lassen sich aktivische wie passivische Paraphrasen finden, allerdings ist das transformationelle Verhalten der genannten Beispielsätze unterschiedlich: (14a) (14b) (14c) (14d)
*The books are quick to sell. This car is hard to steer. The books are sold quickly. *This car is steered hard.
Offenbar zeigen aber die Sätze (11a-d) Merkmale sowohl des Aktivs (nämlich bzgl. der syntaktischen Form) wie des Passivs (bzgl. der Bedeutung). Oberflächenstrukturell gleichen sie Sätzen wie John sells (the book) quickly, interpretiert werden sie dagegen wie Sätze der Art The books are sold quickly. Es hat für dieses Phäncmen verschiedene Erklärungsversuche gegeben, von denen wir drei nennen. (1) Jespersen (1909-49, Bd. 3, S. 347) behandelt den Typus im Kapitel über Transitivität als "activo-passive use of sane verbs", d.h. er hält es nicht für notwendig, eine dritte Verbkategorie einzuführen (S. 351 spricht er allerdings von "pseudo-active"), sondern interpretiert das Problem als ein Gebrauchsphäncmen:
42 The peculiarity of this use consists in the passive meaning to be attributed here to the active verb, which is thus notionally passive though formally active (...) (Jespersen 1909-49, Bd 3, S. 350)
Der Gebrauch solcher Verben setzt spezifische semantische Bedingungen voraus, nämlich (1) "we think of the subject to seme extent as active itself," (S. 350) und (2) ein spezifisches Merkmal des Verbs steht im Mittelpunkt der Aussage, so daß es im allgemeinen ein Adverb bei sich hat. Aufgrund unseres kasusgrammatischen Ansatzes können diese sanantisehen Bedingungen präzisiert werden. Das Subjekt, verstanden als oberflächenstrukturelle Kategorie, erhält während des Generierungsprozesses ein Merkmal [+Agentiv], das normalerweise nur belebten Ncmina zukamt. Dieser Vorgang ist aus der Stilistik (insbesondere bzgl. der poetischen Sprache und der Werbesprache) als Personifizierung bekannt. Versehen mit diesen Merkmal können books, car, Wonderloaf, usw. in Subjektfunktion mit Verben wie sell, steer, toast, usw. kollokieren. Die von Jespersen geforderte deskriptive Ergänzung des Verbs ist in der Tiefenstruktur anzusiedeln; an der Oberfläche kann sie dann durch verschiedene syntaktische oder lexikalische Mittel realisiert werden: (15a) (15b) (15c) (15d)
The The The The
books books books books
do sell. won't sell. are easy to sell. sell easily.
(2) Joos (1964, S. 97f) spricht von unmarked passive, wenn er die folgenden beiden Sätze gegenüberstellt: (16a) They're selling like- experts. (16b) They're selling like hotcakes.
Im ersten Fall ist die NP (experts) als "actor" zu interpretieren, es liegt also ein aktiver Satz mit einem transitiven Verb zugrunde, das passivierbar ist Cars are sold by them like experts. Die NP (hotcakes) in (16b) bezeichnet Joos als "victims", er geht also von einer passive meaning aus, ohne daß der Satz formal als Passivkonstruktion markiert ist. Auch in dieser Interpretation ist wieder eine Unterscheidung von Oberflächen- und.Tiefenelementen angelegt, die aber nicht explizit formuliert wird. (3) Lyons (1968, S. 366ff.) spricht in Anlehnung an die klassische griechische Grammatik von middle voice (S. 373) und führt das Mediopassiv als dritte Kategorie neben Aktiv und Passiv ein. Die Verben der Sätze (11) nennt er pseudointransitive. Auch Lyons geht auf die formalen Abweichungen dieser Sätze von
43 "normalen" Passivsätzen ein - sie erfüllen lediglich ein Kriterium, nämlich die Frontierung der Ofojektsroninalphrase, während die anderen beiden formalen Kennzeichen (der passive marker {be + η} und der fakultative Agentivkasus by + NP) nicht auftreten. Daß dies nicht auf Tilgung dieser Elemente zurückzuführen ist, zeigt die Unmöglichkeit, die beiden folgenden Sätze als Paraphrasen voneinander zu interpretieren: (17a) The books sold quickly. (17b) The books are sold quickly
(by John).
Mit syntaktischen Kriterien allein kann man das Problem offenbar nicht lösen. So schlägt Lyons vor - in Anlehnung an Halliday 1968, S. 208 - The books sold quickly als [+proaess-oriented] zu interpretieren, während (17b) ein Merkmal [+agent-oriented] zugeordnet würde. Hier ist aber nicht allein eine semantische Analyse erforderlich, sondern auch eine pragmatische. Die Diskussion scheint genügend Argumente für eine Lösung im Sinne von Lyons zu liefern, nämlich die Kategorie der pseudo-intransitiven Verben einzuführen, die aus transitiven Verben abzuleiten sind, welche wiederum auf intransitive zurückgeführt werden. In der Tiefenstruktur wäre also ein Merkmal anzusetzen, das man vorläufig als [+prozeß-orientiert/prooess-oriented] umschreiben könnte. Die kontrastive Analyse zeigt, daß beide Sprachen dieses Merkmal Oberflächenstrukturell realisieren können. Wie erwähnt, kann dies im Deutschen z.B. durch ein "Reflexivpronomen" geschehen. Nun ist aber zu fragen, ob ein Satz wie (12a) überhaupt die Bedingungen für das Erscheinen eines Reflexivpronomens auf der Ctoerfläche erfüllt. Die Partikel sich in (12a) kann kaum als fakultatives Reflexivpronomen interpretiert werden, das bei Referenzidentität zweier NPs im gleichen Teilsatz die zweite NP ersetzt (vgl. König 1972b): (18) Hans^rasiert HanSj -» Hans rasiert sich (19) *Die Bücherj hciben die Bücherj schnell verkauft -* Die Bücher haben sich schnell verkauft
Ein Argument gegen die Interpretation als Reflexivproncmen ist auch das Verhalten bei der Einführung von selbst (mit emphatischer Betonung), die generell bei fakultativen Reflexivkonstruktionen möglich ist (Hans rasiert sich selbst): (20a) (20b) (20c) (20d)
*Die Bücher verkaufen sich selbst schnell. *Dieser Wagen läßt sich selbst schwer lenken. *Wonderloaf toastet sich selbst besser. *Der Schmutz läßt sich selbst leicht abbürsten.
Auch eine Erklärung als obligatorisches Reflexivproncmen könnt nicht in Frage, wo sich nicht aus einer vollspezifizierten NP abgeleitet wird (vgl. Hans erholt sieh).
44 Weiterhin ist die Einfügung von (wie) von selbst, die in Reflexivkonstruktionen nicht akzeptabel ist (*Peter rasiert sich (wie) von selbst), in mediopassiven Sätzen dann durchaus möglich, wenn auf diese Weise ein Mverbkcrnplernent wie leichty gut, schnell ersetzt wird (21a); gleichzeitiges Auftreten von Adverbkcuplement und (wie) von selbst hat nur geringe Akzeptabilität (21b), bei Mverbkorrplementen mit einem Merkmal [-positiv], also z.B. langsam, schwery sohlecht resultieren ungranmatische Sätze (21c): (21a) Die Bücher verkaufen sich (wie) von selbst. (21b) ?Die Bücher verkaufen sich schnell (wie) von selbst. (21c) ^Dieser Wagen läßt sich schwer (wie) von selbst lenken.
Die kontrastive Analyse zeigt also, daß die Partikel sich in (12a-d) nicht als Reflexivpronomen erklärt werden kann, sondern eher als Oberflächenmerkmal für das Mediopassiv zu interpretieren ist. Mögliche Interferenzen bei deutschen Lemern sind (1) Unterrepräsentation von Sätzen des Typs (11) und (2) Substitution deutscher "Reflexivkonstruktionen" wie in *The books sell themselves quickly. Außerdem wird auf passivische Konstruktionen ausgewichen, wobei das entscheidende Merkmal der Prozeßorientierung zugunsten des Merkmals [+agens-orientiert] verloren geht, die entsprechenden Ubersetzungen den englischen Sätzen also nicht mehr äquivalent sind. Für englische Lerner sind Fehlleistungen des Type *Die Bücher verkaufen gut zu erwarten. Aufgabe 24 Welche Relevanz haben die Kategorien transitiv/intransitiv für die Analyse mediopassiver Sätze?
Aufgabe 25 Beschreiben Sie den Satz The door opened
und sein deutsches Äquivalent.
Arbeitsanregung Diskutieren Sie den Satz Jt cost a fortune Mittelverben).
5.3
(cost gehört zur Gruppe der sog.
Relativsätze
Die kontrastive Analyse komplexer Sätze des Deutschen und Englischen legt ebenfalls die Wahl eines Bezugsmodells mit semantischer Basis und transformationeller Komponente nahe. Als Beispiel sollen restriktive und nicht-restriktive Relativsätze dienen. Die Unterscheidung der beiden Relativsatztypen aufgrund funktioneller
45 Kriterien ist bekannt. Während der restriktive Relativsatz die von ihm modifizierte NP als Teilmenge der durch sie bezeichneten Menge von Gegenständen, Sachverhalten usw. kennzeichnet, explizieren die nicht-restriktiven (explikativen) Relativsätze "nur inhaltliche Merkmale, welche der Sprecher als inhärente Züge der entsprechenden Nominalphrase betrachtet" (Rohrer 1971, S. 210). Eine Analyse der Betonungsmuster in beiden Relativsatztypen bestätigt dieses funktionale Kriterium. So trägt eine restriktive Relativsatzkonstruktion (22a, 23a) nur einen Satzhauptton, während in einer nicht restriktiven Konstruktion (22b, 23b) sowohl der übergeordnete Satz wie auch der Relativsatz jeweils einen eigenen Satzton tragen. Im Englischen werden die Pausen in nicht-restriktiven Relativsatzkonstruktionen im Schriftbild meist durch Karmata markiert, während sich im Deutschen hier kein Unterscheidungskriterium ergibt. (22a) Es soll Studenten geben, die in den Ferien Romane lesen. (22b) Mein Freund Otto, der in den Ferien gern Romane liest, ist jeden Abend betrunken. (23a) Women who are intelligent are threatening to men. (23b) Women, who are intelligent, are threatening to men. Natürlich muß der Satzton nicht auf den unterstrichenen Komponenten liegen, seine Position hängt auch von den jeweils vorliegenden Uiema/Rhema-Verhältnissen ab. Den beiden Funktionen von Relativsätzen entsprechen verschiedene syntaktische Regeln, deren Anwendung im Deutschen und Englischen in einigen Punkten differiert (2, 3, 8, 9) : (1) Nur in (23a) kann die NP women durch those women ersetzt werden, womit die Subjekt-NP des Matrixsatzes (bzw. die durch sie bezeichneten Referenten) als Teilmenge von all women identifiziert wird. Dies gilt auch für deutsche restriktive Relativsätze (Diejenigen (solche) Frauen, die ...). (2) Nur in (23a) kann who durch that ersetzt werden. Da im Deutschen die Wahl des Relativpronomens immer von Genus und Numerus der übergeordneten NP abhängt, also kein flexions-neutrales Relativpronomen zur Verfügung steht, hat dieser Punkt für die Unterscheidung restriktiver und nichtrestriktiver Relativsätze im Deutschen keine Relevanz. (3) Für englische Lerner ergeben sich insbesondere aufgrund der zahlreichen Flexionsformen der unterschiedlichen Relativpronomina erhebliche Fehlermöglichkeiten. Andererseits ist im Deutschen das Merkmal f+human] nicht distinktiv, was zu Interferenzen wie *The books who .../ *The girl which... führen kann. (4) Nur in (23a) können Relativpronomen und Kopula des Relativsatzes getilgt und kann das prädikative Adjektiv vor die Subjekt-NP des Matrixsatzes transportiert werden. Dies gilt ebenfalls für das Deutsche (Intelligente Frauen sind...).
46 (5) Nur in (23b) kann der Relativsatz durch bestimmte Satzadverbien modifiziert werden {Women, who obviously (unfortunately, etc. J are intelligent, ...). Dies gilt auch für das Deutsche (Frauen, die bekanntlich (übrigens, usw.) intelligent sind, ...). (6) Nur in (23b) läßt sich die NP des Matrixsatzes durch einen Eigennamen ersetzen (Mary, who is intelligent,...), so auch im Deutschen. Aus (5) und (6) kann man ableiten, daß die im Relativsatz gegebene Information sich nicht auf eine Teilmenge der durch die übergeordnete NP bezeichneten Referenten bezieht, sondern auf die Gesamtmenge. (7) Nur (23b) erlaubt eine einfache Koordination von Matrix- und Konstituentensatz (Women are intelligent. Women (They) are threatening to men). (8) Erscheint der Relativsatz in Objektfunktion, dann kann zwar im restriktiven (23a) das Relativpronomen durch that ersetzt oder getilgt (0) werden, im nicht-restriktiven (23b) kann allenfalls that in einigen speziellen Kontexten gewählt werden, Tilgung kommt aber nicht vor: (24a) íwhicb Ì The old movies that 5-1 watched on TV last night ... I
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(24b) iwhichi The old movie,·» ?that>I watched on TV last night, ... I* 0
J
Tilgung des Relativpronomens ist im Deutschen generell nicht möglich, woraus sich insbesondere Interferenzgefahren für englische Lerner ergeben. (9) Auch Relativsätze mit Präpositionalphrasen verhalten sich im Deutschen anders als im Englischen. Nur in restriktiven Relativsätzen kann das Relativpronomen im Englischen getilgt werden, wobei gleichzeitig die Präposition von der Relativsatzspitze hinter das Verb rückt: (25a) [with whom I danced all night The girls who(m)/that I danced with all night 11 danced with all night (25b) Mary,
fwith whom I danced all night