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German Pages 162 [166] Year 2018
Ökonomische Glaubensfragen Strukturen und Praktiken jüdischen und christlichen Kleinkredits im Spätmittelalter Herausgegeben von Gerhard Fouquet und Sven Rabeler
Geschichte Franz Steiner Verlag
VSWG – Beiheft 242
Gerhard Fouquet / Sven Rabeler Ökonomische Glaubensfragen
vierteljahrschrift für sozialund wirtschaftsgeschichte – beihefte Herausgegeben von Mark Spoerer, Jörg Baten, Markus A. Denzel, Thomas Ertl, Gerhard Fouquet und Günther Schulz.
band 242
Ökonomische Glaubensfragen Strukturen und Praktiken jüdischen und christlichen Kleinkredits im Spätmittelalter Herausgegeben von Gerhard Fouquet und Sven Rabeler
Franz Steiner Verlag
Umschlagabbildung: Ein jüdischer Geldleiher mit einem christlichen Kunden, Holzschnitt (Ausschnitt) aus: Cicero, Officia, Augsburg 1531; Abb. in Georg Liebe: Das Judentum in der deutschen Vergangenheit (Monographien zur deutschen Kulturgeschichte 11). Leipzig 1903, S. 13. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2018 Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12225-2 (Print) ISBN 978-3-515-12229-0 (E-Book)
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort ........................................................................................................... 7 Gerhard Fouquet / Sven Rabeler Einleitung ........................................................................................................ 9 Gabriela Signori Gelihen geltz. Christliche Geldleihe aus dem Blickwinkel spätmittelalterlicher Gerichtsbücher ............................................................. 21 Christian Hagen Das Konstanzer Ammanngerichtsbuch (1423–1434) als Quelle für christlich-jüdische Kreditgeschäfte. Ein Projektbericht ................................ 43 David Schnur Wirtschaftliche Beziehungen zwischen jüdischen Geldverleihern und christlichen Handwerkern im spätmittelalterlichen Frankfurt am Main ....... 63 Tanja Skambraks Zwischen Kooperation und Konkurrenz. Jüdische Pfandleihe und Monti di Pietà in Italien ................................................................................. 99 Hans-Jörg Gilomen Christlicher Glaube und Ökonomie des Kredits im Spätmittelalter ............ 121 Autorinnen, Autoren, Herausgeber ............................................................. 161
VORWORT Bei den Beiträgen des vorliegenden Bandes handelt es sich um die überarbeiteten Referate, die am 21. September 2016 in der gleichnamigen Sektion des 51. Deutschen Historikertages in Hamburg gehalten wurden. Den Referentinnen und Referenten, die damals den Weg an die Elbe fanden und nunmehr zur Publikation der Ergebnisse beitragen, sei auf das Herzlichste gedankt. Zusätzlich bereicherte die Sektion ein kommentierender Vortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. Alfred Haverkamp – andere Forschungspflichten verhinderten, dass er auch für die Publikation einen Text beizusteuern vermochte. In seiner Schuld stehen wir für Hinweise, die er uns gleichwohl zukommen ließ. Dem Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands danken wir für die Aufnahme unserer Sektion in das Programm des Hamburger Historikertages, der unter dem Motto „Glaubensfragen“ stand. In den Dank eingeschlossen seien die Organisatoren und Helfer vor Ort, die zum guten Gelingen beitrugen. Schließlich sei dem Hauptherausgeber der Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Prof. Dr. Günther Schulz, herzlich gedankt für die Aufnahme des Bandes in die Reihe der Beihefte dieser Zeitschrift. Kiel, im Juli 2018
Gerhard Fouquet, Sven Rabeler
EINLEITUNG Gerhard Fouquet, Kiel / Sven Rabeler, Kiel Unter all den Schnurren über Nachbarn, Verwandte und Freunde, auf die er stets aus ist, erzählt Hermann Weinsberg, der Kölner Jurist, Autobiograph und Tagebuchschreiber, auch von der Gesellentour seines Bruders Hieronymus, detailreich wie immer, doch diesmal im Tonfall traurigen Angedenkens.1 Seine Fahrt hatte Hieronymus nach Lübeck und in die Seestädte an der südlichen Ostsee, nach Dänemark und nach Hamburg geführt, wo er neunzehnjährig am 4. März 1553 starb. Sein Bruder sei, so schreibt Hermann Weinsberg, selbst in den toit gelaufen wie ein dol schaif, dan er wolt die welt durchwandern. Der Kölner Handwerksgeselle lebte während seiner Wanderschaft beständig auf Kredit. So zeigte Cornelius Mulner, Hermann Weinsbergs in Hamburg ansässiger gutter frunt, diesem nicht allein den Tod seines Bruders an, sondern fügte gleich noch eine offene Forderung über 14 Taler bei, verbunden mit einer skrupulösen Auflistung aller darin eingeschlossenen Beträge: Als Hieronymus nach Hamburg gekommen sei, habe er diesem zunächst 6 Schilling geliehen. Offenbar bedurfte der wandernde Geselle aber auch einer kompletten Neuausstattung an Kleidung, jedenfalls führte Mulner weiterhin 7 Schilling für ein Paar Schuhe an, 1 Gulden für Barchent zu einem Wams, ½ Gulden für das zugehörige Futter, 42 Schilling für das Tuch zum Anfertigen von Hosen, 24 Schilling für deren Futter, schließlich 20 Schilling für den Arbeitslohn des Schneiders. Der Rest der Schuldsumme setzte sich aus Auslagen für die Pflege des Erkrankten und dessen Begräbnis zusammen. Doch vergab Hieronymus Weinsberg auf seiner Fahrt auch selbst Kleinstkredite, gleich Mulner ohne erkennbaren Zins. Im Watsack mit seinen kümmerlichen Hinterlassenschaften fanden sich sieben Briefe, darunter zwei Schuldanerkenntnisse. Dessen erstes stellte ein gewisser Johann van Kentwich über eine Schuld von 2 Gulden und 2 Schilling aus, die nach seiner Rückkehr aus London zu tilgen sei. Der zweite Brief stammte von einem Thonis van Tor, der von dem ersamen und fromen Jeronimus einen niederländischen Hornschen Gulden, einen schottischen Rider und einen Reichstaler erlich und fromlich geleint hatte. 2 1
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Zu Hermann Weinsberg sei hier allein verwiesen auf den Forschungsüberblick von Tobias Wulf: Bestandsaufnahme und Perspektiven der Weinsberg-Forschung, in: Manfred Groten (Hg.): Hermann Weinsberg (1518–1597). Kölner Bürger und Ratsherr. Studien zu Leben und Werk (Geschichte in Köln, Beihefte: Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte 1). Köln 2005, S. 35–57; außerdem an neuerer Literatur auf Matthew Lundin: Paper Memory. A Sixteenth-Century Townsman Writes his World (Harvard Historical Studies 179). Cambridge, Mass./London 2012. Hermann Weinsberg: Liber Iuventutis, fol. 273r–275r, nach: Digitale Erfassung sowie historische und sprachgeschichtliche Auswertung der Aufzeichnungen des Kölner Bürgers Hermann Weinsberg (1518–1597). Ein interdisziplinäres DFG-Forschungsprojekt der Abteilun-
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Nach dem stets zitierfähigen Wort von Bruno Kuske war die spätmittelalterliche Welt „allseitig vom Kreditprinzip durchdrungen“3 – die passiven und aktiven Darlehen des Hieronymus Weinsberg illustrieren dies in überlieferungsbedingter, letztlich willkürlicher Exemplarität für das Milieu der Handwerksgesellen. Darlehen, Borgkauf, Stundung und zahlreiche andere Kreditformen bildeten in dieser spätmittelalterlichen Welt – in all ihrer Variabilität nahezu unabhängig von Schicht- und Gruppenzugehörigkeiten – eine regelmäßige, aus konkreten Lebenssituationen erwachsende, gleichsam alltägliche Erfahrung. Einen besonders prägnanten Eindruck von dieser Alltäglichkeit, die nur gelegentlich Eingang in die Verschriftlichung rechtlicher Vorgänge fand, vermitteln jene Wettschulden, um die der Jude Gombrecht mit dem Schuhmacherknecht Henne 1383 vor dem Frankfurter Schöffengericht prozessierte und von denen David Schnur in seinem Beitrag zu berichten weiß. 4 So zeigen sich im Kredit ökonomische, soziale und kulturelle Praktiken der Zeitgenossen, womit sich uns Heutigen zugleich die Möglichkeit eröffnet, entsprechende Forschungsperspektiven miteinander zu verknüpfen. In dieser in sich verflochtenen wirtschafts-, sozial- und kulturgeschichtlichen Perspektivierung erhält die Verbindung von ‚Kredit‘ und ‚Glaube(n)‘ besonderes Gewicht. KREDIT ALS ‚GLAUBENSFRAGE‘ – KREDIT UND ‚GLAUBENSFRAGEN‘ Fragen des ‚Glaubens‘ – im Sinne religiöser Überzeugungen wie als Basis oder Resultat zwischenmenschlicher Kommunikation – berühren ganz unmittelbar ökonomische Probleme, wird die wirtschaftliche Ratio jedweder Zeit und Epoche doch vielfältig geprägt und beeinflusst von Prognosen und Spekulationen, von Annahmen, Überzeugungen und Ängsten, all dies eingebettet in kulturelle Muster und ethische Bezüge. Forschungen zur vormodernen Wirtschaftsgeschichte haben derartige Aspekte in den letzten Jahren insbesondere auf der ökonomischen Mikroebene, welche die Akteure, ihre Verflechtungen und die Bedingungen ihres Handelns in den Blick nimmt, zunehmend thematisiert. Das gilt beispielsweise für die Interpretation von (Fern-)Handelsbeziehungen als vertrauensbasierte Netzwerke,5 besonders aber für die
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gen für Rheinische Landesgeschichte und Sprachforschung am Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, hier http://www.weinsberg.uni-bonn.de/Edition/Liber_Iuventutis/Liber_Iuventutis.htm [5.4.2018]. Bruno Kuske: Die Entstehung der Kreditwirtschaft und des Kapitalverkehrs, in: Ders.: Köln, der Rhein und das Reich. Beiträge aus fünf Jahrzehnten wirtschaftsgeschichtlicher Forschung. Köln/Graz 1956, S. 48–137 [erstmals erschienen in: Fritz Beckmann u. a.: Die Kreditwirtschaft, Tl. 1 (Kölner Vorträge 1). Leipzig 1927, S. 1–79], hier S. 52. Beitrag von David Schnur, S. 87 mit Anm. 179. Zur Bedeutung von Netzwerken im Handel siehe allgemein Gerhard Fouquet / Hans-Jörg Gilomen (Hg.): Netzwerke im europäischen Handel des Mittelalters (Vorträge und Forschungen 72). Ostfildern 2010; Carsten Jahnke: Mit Strukturen von gestern auf Märkte von morgen? Hansische Kaufleute und deren Handelsorganisation an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert, in: Rolf Hammel-Kiesow / Stephan Selzer (Hg.): Hansischer Handel im Strukturwandel vom 15. zum 16. Jahrhundert (Hansische Studien 25). Trier 2016, S. 101–135; zur Bedeutung des
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Frage nach Formen und Wirkungen einer ‚moral economy‘. Als Edward P. Thompson den Begriff vor fast fünf Jahrzehnten in die sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Forschung einführte, ging es ihm vornehmlich um die Forderungen und das Handeln der als Masse auftretenden Armen und insbesondere um die ‚Hungerrevolten‘ im 18. Jahrhundert sowie die zeitgenössischen Reaktionen darauf.6 Von diesem ursprünglichen Kontext hat sich der Begriff weitgehend verselbständigt: Als Schlagwort der Spätmittelalter- und bislang mehr noch der Frühneuzeitforschung kennzeichnet er die in den letzten Jahren vermehrt geführte Diskussion um die Verbindungen zwischen wirtschaftlichem Handeln einerseits, sozialen Ordnungsvorstellungen und ethischen Maßstäben andererseits. 7 Dass geschichtswissenschaftlich damit ein Gegenstand aufgegriffen wird, der seit einiger Zeit auch in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung reüssiert, dürfte schwerlich ein Zufall sein: Überdeutlich schlagen sich darin aktuelle Fragen und Befindlichkeiten nieder. Den heuristischen und methodischen Wert schmälert das nicht. Besonders markant treten die solchermaßen angesprochenen Phänomene im Umgang mit Krediten hervor, ist der Kredit doch wortwörtlich eine Frage des ‚Glaubens‘. Im 1776 in erster Auflage veröffentlichten achten Band der ‚Oekonomischen Enzyklopädie‘ von Johann Georg Krünitz (1728–1796) ist zu lesen, dass unter Credit
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‚Vertrauens‘ z.B. Ulf Christian Ewert / Stephan Selzer: Wirtschaftliche Stärke durch Vernetzung. Zu den Erfolgsfaktoren des hansischen Handels, in: Mark Häberlein / Christof Jeggle (Hg.): Praktiken des Handels. Geschäfte und soziale Beziehungen europäischer Kaufleute in Mittelalter und früher Neuzeit (Irseer Schriften, N. F. 6). Konstanz 2010, S. 39–69; Stephan Selzer / Ulf Christian Ewert: Verhandeln und Verkaufen, Vernetzen und Vertrauen. Über die Netzwerkstruktur des hansischen Handels. in: Hansische Geschichtsblätter 119 (2001), S. 135–161; Stefan Gorißen: Der Preis des Vertrauens: Unsicherheit, Institutionen und Rationalität im vorindustriellen Fernhandel, in: Ute Frevert (Hg.): Vertrauen. Historische Annäherungen. Göttingen 2003, S. 90–117. Zurzeit arbeitet Ole Meiners (Münster) an einer Dissertation zum Thema „‚Moralische Ökonomie‘ und hansischer Handel. Vertrauen und informelle Beziehungen in merkantilen Netzwerken des 15. und 16. Jahrhunderts“ (vgl. https://www.uni-muenster.de/Geschichte/histsem/ NZ-G/L1/forschen/olemeiners.html [10.5.2018]). – Hier wie auch im Folgenden wird kein umfassender Literaturbericht geboten, der den Rahmen dieser Einleitung sprengen müsste und zudem manche Wiederholung zu den folgenden Beiträgen einschlösse. Stattdessen beschränken sich die Angaben auf wenige exemplarische Hinweise. Edward P. Thompson: The Moral Economy of the English Crowd in the Eighteenth Century, in: Past & Present 50 (1971), S. 76–136 [erneut abgedruckt in: Ders.: Customs in Common. London 1991, S. 185–258]. Vgl. dazu Ders.: The Moral Economy Reviewed, in: Ders.: Customs (wie oben), S. 259–351; zu dem damit angesprochenen Themenfeld aus jüngerer Zeit etwa John Bohstedt: The Politics of Provisions. Food Riots, Moral Economy, and Market Transition in England, c. 1550–1850 (The History of Retailing and Consumption). Farnham, Surrey/Burlington 2010. Vgl. z.B. Laurent Feller: La richesse des moines. Économie morale et économie politique au haut Moyen Âge, in: Monachesimi d’oriente e d’occidente nell’alto medioevo. Spoleto, 31 marzo–6 aprile 2016, Bd. 2 (Settimane di studio della Fondazione Centro italiano di studi sull’alto medioevo 64,2). Spoleto 2017, S. 845–870; Ute Frevert: The Moral Economy of Trust. Modern Trajectories (Deutsches Historisches Institut London, Annual Lecture 2013). London 2014; Joseph P. Ward: Culture, Faith, and Philanthropy. Londoners and Provincial Reform in Early Modern England (Early Modern Cultural Studies). New York 2013; Laurence Fontaine: The Moral Economy. Poverty, Credit, and Trust in Early Modern Europe. New York 2014 [frz. Ausgabe: L’économie morale. Pauvreté, crédit et confiance dans l’Europe préindustrielle. Paris 2008].
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die Ueberredung anderer von unserer Glaubwürdigkeit zu verstehen sei, im engeren Sinn die Ueberredung anderer von unserm Vermögen, das zu bezahlen, was wir schuldig sind, schließlich in noch einmal verengter Definition der Borg, oder die Handlung, da man in dieser Ueberredung einem andern sein Gut anvertrauet.8 Kreditgeschäfte stellen niemals nur den Transfer von Geld dar, als grundlegende Form wirtschaftlichen Interagierens ist der Kredit stets eingebunden in das Spannungsfeld von Treu und Glauben zwischen Vertrauen und Misstrauen, 9 bedeutet er die Präsentation des ökonomischen Selbst im Sinne der Krünitzschen Ueberredung in der Hoffnung, bei anderen Glauben zu finden – oder ihn nicht zu verlieren: Als Benedetto Cotrugli (†1469) gut drei Jahrhunderte vor Krünitz in Neapel seine Schrift ‚Della Mercatura et del Mercante perfetto‘ verfasste, beschimpfte er diejenigen, die ihre Schulden nicht bezahlten, als ungerecht und falsch, als Betrüger und Schurken, vor denen man wie vor der Pest fliehen solle, ja als Menschen ohne Glauben: […] questi sono iniquissimi, nafri, falsi, ingannatori et ribaldi, homini dai quali si debbe fuggire come da peste iniquissima, homini senza fede […].10 In die moralische Verurteilung des Schuldners, der seinen Glauben (fede) verloren hat, mischt sich als religiöses Verdikt die Verworfenheit des Menschen, den sein fehlender Glaube (fede) aus der christlichen Gemeinschaft ausschließt. Für die soziale Sanktionierung des Kredits hatten Zeitgenossen tatsächlich ein waches Auge. Das musste etwa der reiche Augsburger Goldschmied Franz Bäsinger erfahren, von dem Burkard Zink (um 1396–1474/75) in seiner Chronik berichtet: Auf die ungeheure Summe von 24.000 Gulden hätten sich Bäsingers Schulden aus groß hantierung und gewerb mit allerlai kaufmanschaft belaufen. Als er 1444 nicht auf der Frankfurter Messe erschien, um seine dortigen Zahlungstermine wahrzunehmen, habe sich in Augsburg ain groß geschrei und murmelen erhoben, weil niemant west, wa er hinkommen was, weshalb die leut übel erschraken, dann er was vil schul8
Stw. ‚Credit‘, in: Johann Georg Krünitz: Oekonomische Enzyklopädie, Bd. 8. Berlin 1776, S. 424– 438, hier S. 424 f. 9 Zum ‚Vertrauen‘ als einem wirtschaftsgeschichtlichen Quellen- und Forschungsbegriff siehe oben Anm. 5 und 7, außerdem z.B. Craig Muldrew: The Economy of Obligation. The Culture of Credit and Social Relations in Early Modern England (Early Modern History: Society and Culture). Basingstoke/New York 1998. Vgl. zur Bedeutung des ‚Vertrauens‘ allgemein auch den kompakten einleitenden Abriss bei Jan Hirschbiegel: Nahbeziehungen bei Hof – Manifestationen des Vertrauens. Karrieren in reichsfürstlichen Diensten am Ende des Mittelalters (Norm und Struktur 44). Köln/Weimar/Wien 2015, S. 53–63. Zur Illustration des damit verbundenen Forschungsspektrums vgl. zudem die Sammelbände Susanne Lepsius / Susanne Reichlin (Hg.): Fides/Triuwe (Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung 20,2). Berlin 2015; Petra Schulte / Marco Mostert / Irene van Renswoude (Hg.): Strategies of Writing. Studies on Text and Trust in the Middle Ages. Papers from „Trust in Writing in the Middle Ages“ (Utrecht, 28–29 November 2002) (Utrecht Studies in Medieval Literacy 13). Turnhout (2008); Frevert (Hg.): Vertrauen (wie Anm. 5). 10 Benedetto Cotrugli: Il libro dell’arte di mercatura, hg. von Ugo Tucci (Techné 9,1). Venedig 1990, S. 157 (lib. I, cap. 9). Zu Cotrugli siehe Michele Luzzati: Art. ‚Cotrugli, Benedetto‘, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 30. Rom 1984, S. 446–450. Verwiesen sei hier ansonsten nur auf den jüngst erschienenen Aufsatz von Tiziano Zanato: Benedetto Cotrugli, Merchant Writer, in: Carlo Carraro / Giovanni Favero (Hg.): Benedetto Cotrugli – The Book of the Art of Trade. Cham 2017, S. 175–211.
Einleitung
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dig und verklagten in als ain dinkflüchtigen man. Daraufhin sah sich der Augsburger Rat zum Handeln veranlasst und ordnete die Verfolgung des vermeintlich flüchtigen Schuldners an. Als Bäsinger, der sich in der Zwischenzeit heimlich zu Kaiser Friedrich III. nach Wiener Neustadt begeben hatte, einige Wochen darauf wieder nach Augsburg kam, clagt er zu seinen geltern, daß sie im unrecht tun hetten, dann sie hetten im ain ruef gemacht. Doch habe sich – so Zink – gefunden, dass ihm keineswegs Unrecht geschehen sei, denn vom Kaiser habe er eine Urkunde mitgebracht, der zufolge ihm seine Gläubiger einen Zahlungsaufschub von zwei Jahren gewähren sollten. Das nutzte dem Schuldner wenig, denn der Rat ließ ihn in die eisen legen. 11 Für Burkard Zink dürfte diese Mär ein Exemplum für verwerfliches Verhalten und dessen gerechte Folgen im Rahmen der städtischen Gemeinschaft gewesen sein. Zu entnehmen ist seinem Bericht aber auch, wie in diesem exorbitanten Fall die Kontrolle seitens der städtischen Öffentlichkeit12 funktionierte (geschrei und murmelen), wie der Schuldner um seinen öffentlichen Glauben gebracht wurde (ruef) und wie der Rat ordnend einzugreifen suchte: Der Schuldner, der seine Verbindlichkeiten nicht zu bedienen vermochte, erlitt genau jenen vollständigen Verlust von Treu und Glauben, wie ihn Benedetto Cotrugli forderte. Oder doch nicht? Beim abschließenden Vergleich kamen auch die Gläubiger keineswegs ungeschoren davon, mussten sie doch auf ein Viertel ihrer Forderungen verzichten, wie Zink nicht zu erwähnen vergisst. Krünitz, Cotrugli und Zink verdeutlichen je auf ihre Weise, wie komplex die Verbindung des Kredits mit Fragen des ‚Glaubens‘ in der Vormoderne war, wurden damit doch unmittelbar soziale Strukturen und Normengefüge, mentale Dispositionen und religiöse Wertungen berührt. Auf den Punkt bringt diese Komplexität Thomas Elyot († 1546) in seiner 1531 veröffentlichten adligen Erziehungslehre ‚The Boke named The Governour‘ in der Darlegung der unterschiedlichen Interpretationen des lateinischen Wortes Fides: As beleuynge the preceptes and promyse of god it is called faythe. In contractes betwene man and man it is communely called credence. Betwene persones of equall astate or condition it is named truste. Fro the subiecte or seruaunt to his souerayne or maister it is proprely named fidelitie and in a frenche terme loyaltie. 13
11 Burkard Zink: Chronik, bearb. von F[erdinand] Frensdorff = Die Chroniken der schwäbischen Städte: Augsburg, Bd. 2 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 5). Leipzig 1866, S. 99–101. 12 Zu dem nicht einfachen Begriff der städtischen ‚Öffentlichkeit‘ sei hier allein verwiesen auf Gerd Schwerhoff: Stadt und Öffentlichkeit in der Frühen Neuzeit – Perspektiven der Forschung, in: Ders. (Hg.): Stadt und Öffentlichkeit in der Frühen Neuzeit (Städteforschung, Reihe A: Darstellungen 83). Köln/Weimar/Wien 2011, S. 1–28; Pierre Monnet: Die Stadt, ein Ort der politischen Öffentlichkeit im Spätmittelalter? Ein Thesenpapier, in: Martin Kintzinger / Bernd Schneidmüller (Hg.): Politische Öffentlichkeit im Spätmittelalter (Vorträge und Forschungen 75). Ostfildern 2011, S. 329–359. 13 Thomas Elyot: The Boke named The Governour. London [1531], Text online unter: Renascence Editions. An Online Repository of Works Printed in English Between the Years 1477 and 1799, http://hdl.handle.net/1794/681 [13.5.2018]. Die zitierte Passage findet sich im dritten Buch im einleitenden Abschnitt des Kapitels VI (Of faythe or fidelitie, called in latyne FIDES whiche is the fundation of iustyce). Entsprechend der Intention der Schrift geht es im Weiteren vor allem
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Religiöser Glaube und vertragliche Glaubwürdigkeit, horizontales Vertrauen und vertikale Treue: dieses sensible Ineinandergreifen ökonomischer Relevanz, sozialer Wirkungen und mental verankerter Deutungsmuster verband den Kredit im Mittelalter ganz unmittelbar noch auf einer weiteren Ebene mit dem ‚Glauben‘, war er doch solchermaßen auch in die Geschichte der christlich-jüdischen Beziehungen eingeschrieben. In der Beschäftigung mit jüdischem und christlichem Kredit sowie ihrem Verhältnis zueinander sind teilweise bis heute Thesen und Urteile wirksam, welche die wirtschaftsgeschichtliche Forschung seit dem 19. Jahrhundert erarbeitet hat. Dazu zählt etwa die Annahme einer lange Zeit dominanten Stellung jüdischer Geldleiher, 14 während beispielsweise Hans-Jörg Gilomen für Zürich in den ersten Jahren des 15. Jahrhunderts zeigen konnte, dass diese nur rund 4 Prozent der Gläubiger in den Eingewinnerverzeichnissen ausmachten. Allerdings erreichte ihr Anteil an den Forderungen fast 25 Prozent 15 – ein Befund, der auf die Notwendigkeit differenzierter Analysen verweist, zumal zu fragen ist, in welchem Maß die jeweiligen Verhältnisse vor Ort differierten. Lange standen zudem die großen Financiers im Vordergrund, seien es Juden oder Christen, 16 sowie bestimmte Formen des kaufmännischen, kommunalen und fürstlichen Kreditwesens. Doch zeigt sich die angesprochene Allgegenwart des Kredits im mittelalterlichen Wirtschaftsleben eben nicht nur im Fernhandel, um die Treue (fidelitie/loyaltie). Zu Thomas Elyot siehe Stanford Lehmberg: Art. ‚Elyot, Sir Thomas‘, in: Oxford Dictionary of National Biography, online unter https://doi.org/10.1093/ ref:odnb/8782 [13.5.2018]. Vgl. auch Fontaine: Moral Economy (wie Anm. 7), S. 9. 14 Zur nicht geradlinigen Entwicklung der Forschungsmeinungen zu diesem Punkt seit dem 19. Jh. vgl. den prägnanten Überblick bei Hans-Jörg Gilomen: Die ökonomischen Grundlagen des Kredits und die christlich-jüdische Konkurrenz im Spätmittelalter, in: Eveline Brugger / Birgit Wiedl (Hg.): Ein Thema – zwei Perspektiven. Juden und Christen in Mittelalter und Frühneuzeit. Innsbruck/Wien/Bozen 2007, S. 139–169, hier S. 139 f. Zur kontrovers diskutierten Frage der Ablösung oder Verdrängung jüdischer durch christliche Geldgeber vgl. beispielsweise auch Ders.: Die Substitution jüdischer Kredite im Spätmittelalter. Das Beispiel Zürichs, in: Lukas Clemens / Sigrid Hirbodian (Hg.): Christliches und jüdisches Europa im Mittelalter. Kolloquium zu Ehren von Alfred Haverkamp. Trier 2011, S. 207–233; Michael Toch: Der jüdische Geldhandel in der Wirtschaft des deutschen Spätmittelalters: Nürnberg 1350–1499, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 117 (1981), S. 283–310; Markus J. Wenninger: Man bedarf keiner Juden mehr. Ursache und Hintergründe ihrer Vertreibung aus den deutschen Reichsstädten im 15. Jahrhundert (Archiv für Kulturgeschichte, Beihefte 14). Wien/Köln 1981. Siehe am Beispiel italienischer Städte auch den Beitrag von Tanja Skambraks im vorliegenden Band. 15 Die Angaben nach Hans-Jörg Gilomen: Die Substitution jüdischer Kredite im Spätmittelalter. Das Beispiel Zürichs, in: Clemens/Hirbodian (Hg.): Christliches und jüdisches Europa (wie Anm. 14), S. 207–233, hier S. 218. 1435 machten die Juden rund 16 Prozent der Gläubiger aus, ihr Anteil an der gesamten Kreditsumme betrug knapp 41 Prozent. Ebenda, S. 224. – Zur Bedeutung, die christlichen Kreditgebern bereits im 13. und frühen 14. Jh. zukam, siehe Joseph Shatzmiller: Shylock geht in Revision. Juden, Geldleihe und Gesellschaft im Mittelalter, übers. von Christoph Cluse, mit bibliographischen Ergänzungen (1990–2007) und einem Nachwort des Übersetzers. Trier 2007, bes. S. 125–135. 16 Vgl. beispielsweise Friedhelm Burgard u.a. (Hg.): Hochfinanz im Westen des Reiches 1150– 1500 (Trierer historische Forschungen 31). Trier 1996; Wolfgang von Stromer: Oberdeutsche Hochfinanz. 1350–1450, 3 Tle. (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 55–57). Wiesbaden 1970.
Einleitung
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zum Beispiel in Form des Wechsels, 17 auf den immobiliengestützten Rentenmärkten, 18 im Kapitalbedarf der Städte 19 oder in den fürstlichen Finanzen mit ihren adligen und stadtbürgerlichen Geldgebern 20 – seine Ubiquität erweist sich gerade 17 Beispielsweise Markus A. Denzel: Das System des bargeldlosen Zahlungsverkehrs europäischer Prägung vom Mittelalter bis 1914 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 201). Stuttgart 2008; Michael North (Hg.): Kredit im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa (Quellen und Darstellungen zur hansischen Geschichte, N.F. 37). Köln/ Wien 1991; Rolf Sprandel: Das mittelalterliche Zahlungssystem nach hansisch-nordischen Quellen des 13.–15. Jahrhunderts (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 10). Stuttgart 1975. Als Beispiel für die ‚Kreditwirtschaft‘ eines Kaufmanns sei verwiesen auf Matthias Steinbrink: Ulrich Meltinger. Ein Basler Kaufmann am Ende des 15. Jahrhunderts (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 197). Stuttgart 2007, bes. S. 72–92. 18 Einschlägige Untersuchungen entstanden insbesondere in den 1970er Jahren, z.B. Hans-Peter Baum: Hochkonjunktur und Wirtschaftskrise im spätmittelalterlichen Hamburg. Hamburger Rentengeschäfte 1371–1410 (Beiträge zur Geschichte Hamburgs 11). Hamburg 1976; Helga Haberland: Der Lübecker Renten- und Immobilienmarkt in der Zeit von 1285–1315. Ein Beitrag zur Sozial- und Wirtschaftspolitik der Hansestadt Lübeck (Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck, Reihe B 1). Lübeck 1974; Rolf Sprandel: Der städtische Rentenmarkt in Nordwestdeutschland im Mittelalter, in: Hermann Kellenbenz (Hg.): Öffentliche Finanzen und privates Kapital im späten Mittelalter und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Forschungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 16). Stuttgart 1971, S. 14–23. Einen ‚Vorläufer‘ bildet Ahasver von Brandt: Der Lübecker Rentenmarkt von 1320–1350. Diss. phil. Kiel 1935. 19 Siehe z.B. Michael Rothmann / Helge Wittmann (Hg.): Reichsstadt und Geld. 5. Tagung des Mühlhäuser Arbeitskreises für Reichsstadtgeschichte, Mühlhausen, 27. Februar bis 1. März 2017 (Studien zur Reichsstadtgeschichte 5). Petersberg 2018; Bernd Fuhrmann: Rentenverkäufe der Stadt Nürnberg während des 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (Schriften zur Sozialund Wirtschaftsgeschichte 28). Hamburg 2016; José Ignacio Andrés Ucendo / Michael Limberger (Hg.): Taxation and Debt in the Early Modern City (Financial History 19). London/Brookfield, Vermont 2012; Harm von Seggern / Gerhard Fouquet / Hans-Jörg Gilomen (Hg.): Städtische Finanzwirtschaft am Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit (Kieler Werkstücke, Reihe E: Beiträge zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 4). Frankfurt a.M. 2007; Hans-Jörg Gilomen: Anleihen und Steuern in der Finanzwirtschaft spätmittelalterlicher Städte. Option bei drohendem Dissens, in: Sébastien Guex / Martin Körner / Jakob Tanner (Hg.): Staatsfinanzierung und Sozialkonflikte (14.–20. Jh.) / Financement de l’état et conflits sociaux (14e–20e siècles) (Schweizerische Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte 12). Zürich 1994, S. 137– 158; Ders.: Die städtische Schuld Berns und der Basler Rentenmarkt im 15. Jahrhundert, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 82 (1982), S. 5–64. 20 Exemplarisch genannt seien Manuela Sissakis: Das Wachstum der Finanzgewalt. Kriegs- und Herrschaftsfinanzierung im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel zur Regierungszeit des Herzogs Heinrich d.J. (1515–1568) (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 270). Hannover 2013; Gerhard Fouquet / Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini (Hg.): Hofwirtschaft. Ein ökonomischer Blick auf Hof und Residenz in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (Residenzenforschung 21). Ostfildern 2008; Uwe Schirmer: Kursächsische Staatsfinanzen (1456–1656). Strukturen – Verfassung – Funktionseliten (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 28). Stuttgart 2006; Friedrich Edelmayer / Maximilian Lanzinner / Peter Rauscher (Hg.): Finanzen und Herrschaft. Materielle Grundlagen fürstlicher Politik in den habsburgischen Ländern und im Heiligen Römischen Reich im 16. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 38). Wien/München 2003. – Einzelne Akteure behandeln etwa Gerhard Fouquet: Geldgeschäfte im Auftrag des römischen Königs – Eberhard Windeck, Brügge, Lübeck und König Sigmund (1415–1417), in: Zeitschrift
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an den Konsumentenkrediten, die etwa im Wege der Pfandleihe vergeben wurden, für die aber auch der Warenkredit eine Rolle spielen konnte: 21 All dies bestimmte das Wirtschaften gerade der kleinen (und auch der nicht ganz so kleinen) Leute mit, bis hin zu den „Ökonomie[n] ohne Haus“, um es mit Valentin Groebner zu formulieren.22 Dieser oftmals kleineren, kleinen und kleinsten Kredite sowie der damit verbundenen sozialen Praktiken nimmt sich die gegenwärtige Forschung verstärkt an. 23 JÜDISCHER UND CHRISTLICHER KLEINKREDIT IM SPÄTMITTELALTER Ausgehend von den skizzierten Grundüberlegungen, befasst sich der vorliegende Band mit dem christlichen und dem jüdischen Kleinkredit in spätmittelalterlichen Städten. Im Mittelpunkt stehen die zumeist ganz profanen Beziehungen zwischen für Historische Forschung 41 (2014), S. 375–399; Franz Irsigler: Reinhard von Schönau – financier gentilhomme. Eine biographische Skizze, in: Burgard u.a. (Hg.): Hochfinanz (wie Anm. 16), S. 281–305. Ein Beispiel für einen adligen (Fürsten-)Financier auch bei Sven Rabeler: Niederadlige Lebensformen im späten Mittelalter. Wilwolt von Schaumberg (um 1450–1510) und Ludwig von Eyb d.J. (1450–1521) (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, Reihe IX: Darstellungen aus der fränkischen Geschichte 53). Würzburg 2006, bes. S. 353–363. – Zur Bedeutung von Krediten in kleineren adligen Ökonomien Markus Bittmann: Kreditwirtschaft und Finanzierungsmethoden. Studien zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Adels im westlichen Bodenseeraum 1300–1500 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 99). Stuttgart 1991. 21 Auf die Bedeutung der kleinen Warenkredite weist Hans-Jörg Gilomen: Der Kleinkredit in spätmittelalterlichen Städten. Basel und Zürich im Vergleich, in: Rudolf Holbach / Michel Pauly (Hg.): Städtische Wirtschaft im Mittelalter. Festschrift für Franz Irsigler zum 70. Geburtstag. Köln/Weimar/Wien 2011, S. 109–148, hin. Vgl. im vorliegenden Band auch die Beiträge von Christian Hagen, S. 62, und von Hans-Jörg Gilomen, S. 129. 22 Valentin Groebner: Ökonomie ohne Haus. Zum Wirtschaften armer Leute in Nürnberg am Ende des 15. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 108). Göttingen 1993. 23 Nur als Beispiele neuerer Arbeiten, die besondere Akzente mit Blick auf kleinere Kredit- und Schuldverhältnisse in Spätmittelalter und früher Neuzeit setzen, seien angeführt Kurt Andermann / Gerhard Fouquet (Hg.): Zins und Gült. Strukturen des ländlichen Kreditwesens in Spätmittelalter und Frühneuzeit (Kraichtaler Kolloquien 10). Epfendorf 2016; Gabriela Signori: Schuldenwirtschaft. Konsumenten- und Hypothekarkredite im spätmittelalterlichen Basel (Spätmittelalterstudien 5). Konstanz/München 2015; Dies. (Hg.): Prekäre Ökonomien. Schulden in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (Spätmittelalterstudien 4). Konstanz/München 2014; Beate Sturm: ‚wat ich schuldich war‘. Privatkredit im frühneuzeitlichen Hannover (1550–1750) (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 208). Stuttgart 2009; Gabriele B. Clemens (Hg.): Schuldenlast und Schuldenwert. Kreditnetzwerke in der europäischen Geschichte 1300–1900 (Trierer historische Forschungen 65). Trier 2008; Jürgen Schlumbohm (Hg.): Soziale Praxis des Kredits. 16.–20. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 238). Hannover 2007. Seit 2018 ist am Historischen Institut der Universität Mannheim ein DFG-Projekt zu „Kleinkredit und Marktteilhabe im Spätmittelalter“ angesiedelt (Antragstellung: Annette Kehnel, Hiram Kümper und Tanja Skambraks), siehe einstweilen http://gepris.dfg.de/gepris/projekt/399266981 [14.5.2018].
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Gläubigern und Schuldnern, die damit verknüpften Praktiken der Vergabe, Absicherung und (günstigenfalls) Rückzahlung von Krediten und die daraus resultierenden mikroökonomischen Strukturen örtlicher Kapitalmärkte. In welchem Verhältnis standen christlicher und jüdischer Kredit zueinander, inwieweit konkurrierten oder koexistierten christliche und jüdische Geldhändler, welchen Regelungen und Restriktionen unterlagen sie? Welche Gruppen von (potentiellen) Schuldnern wurden jeweils angesprochen? Wer nutzte überhaupt Instrumente des Kleinkredits, welche Rolle spielten dabei ökonomische Ressourcen und soziale Positionen? Welche Formen der Absicherung gab es neben der Pfandleihe und welche Bedeutung kam dabei der städtischen Schriftlichkeit zu, etwa in Gestalt der Stadtbücher? Inwiefern konnten bei der Darlehensvergabe Regeln einer ‚moral economy‘ zum Tragen kommen, wurden mithin der Geldbedarf städtischer Unterschichten oder gar die Unterstützung Bedürftiger ins Kalkül einbezogen? Und inwieweit prägte endlich der stets latente, nicht selten aggressiv aufbrechende, in seinen alltäglichen Wirkungen aber nicht immer leicht abzuschätzende Antijudaismus Entwicklung und Ausgestaltung von Kreditmärkten? Zusammengeführt werden Präsentationen aktueller Forschungen zu Städten nördlich und südlich der Alpen im Zeitraum zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert. Exemplarisch richtet sich der Blick auf Frankfurt, eines der wichtigen jüdischen Zentren im Reich (David Schnur), sodann mit Konstanz (Christian Hagen) und Basel (Gabriela Signori) auf christliche und jüdische Kreditpraktiken im deutschsprachigen Südwesten, mit den Monti di Pietà in ihrem Verhältnis zur jüdischen Pfandleihe auf italienische Städte (Tanja Skambraks). Der abschließende Beitrag (Hans-Jörg Gilomen) gilt besonders den Wirkungen christlicher Glaubensvorstellungen, kirchlicher Normierungen sowie antijüdischer Ressentiments auf den Kredit im Mittelalter und ordnet dabei auch zuvor gewonnene Ergebnisse noch einmal ein. Im Vorgriff auf die Ausführungen der Autorinnen und Autoren seien hier nur einige wenige allgemeinere Überlegungen kurz notiert. 1. Als nicht ganz einfach erweist sich die Kategorisierung als ‚Kleinkredit‘, wofür unterschiedliche Ansätze vorgeführt werden. Christian Hagen definiert als Grenze – gleichsam ‚pars pro toto‘ – den vierteljährlichen Tagelohn im Bauhandwerk (7 Gulden). 24 Demgegenüber betont Hans-Jörg Gilomen noch stärker die Relation von Kredit und differierender Einkommenslage, indem er Summen „bis zu etwa dem halben Jahreseinkommen eines Schuldners“ dem Kleinkredit subsumiert und damit zu einer ungefähren Größenordnung bis 20 Gulden gelangt.25 Tanja Skambraks wiederum hat in ihrem Beitrag vornehmlich das durch Pfand abgesicherte Darlehen im Blick. Und Gabriela Signori wie auch David Schnur verwenden den Begriff nicht und definieren ihren Untersuchungsgegenstand aus den Formen und Erträgen städtischer Überlieferung, wobei Schnur hervorhebt, dass sich die Beziehungen zwischen jüdischen Gläubigern und christlichen Handwerkern in Frankfurt während des 14. Jahrhunderts „keineswegs
24 Beitrag von Christian Hagen, S. 48 mit Anm. 27. 25 Beitrag von Hans-Jörg-Gilomen, S. 124.
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allein auf kleinere Konsum- oder Notkredite beschränkt“ habe.26 Absolute, relationale, funktionale und überlieferungsbedingte Kriterien entsprechen den unterschiedlichen Kontexten und Intentionen: Gerade in dieser Pragmatik zeigen sie die analytischen Möglichkeiten der Beschäftigung mit ‚Kleinkrediten‘ auf. 2. Das Verhältnis von christlichem und jüdischem Kredit konnte von Ort zu Ort unterschiedlich ausfallen, rechtliche und funktionale Rahmenbedingungen differierten erheblich: War nach Ausweis der von David Schnur ausgewerteten Frankfurter Schöffenbücher die jüdische Kreditvergabe gang und gäbe – freilich ohne dass die Überlieferungslage den Vergleich mit den christlichen Gläubigern zuließe –, zeigt Christian Hagen beispielhaft für das Jahr 1423, dass im Konstanzer Ammanngerichtsbuch Einträge zu christlichen Geldgebern weit überwogen. In der Basler Gerichtsbuchüberlieferung, mit der sich Gabriela Signori beschäftigt, treten jüdische Geldgeber fast überhaupt nicht hervor, was aber nach ihrer Abwanderung aus der Rheinstadt im Jahr 1397 kaum verwundern kann. Damit bestätigt sich einmal mehr die Unverzichtbarkeit lokaler und regionaler Studien: Während sich die jüngere Forschung zur jüdischen Geschichte immer wieder einzelnen Orten oder Städtegruppen auch unter Berücksichtigung wirtschaftsgeschichtlicher Aspekte zugewandt hat, 27 wären lokale Kreditmärkte in ihrer Christen wie Juden betreffenden Gesamtheit noch stärker in den Blick zu nehmen, worauf die Projektvorstellung Christian Hagens ebenso nachdrücklich hinweist wie auf die Notwendigkeit des überregionalen Vergleichs.28 Christliche und jüdische Kreditpraktiken standen nicht unverbunden nebeneinander, kooperativ oder abgrenzend ergänzten, beeinflussten, überformten sie sich gegensei-
26 Beitrag von David Schnur, S. 98. 27 So z.B. – in Umfang und Tiefe ganz unterschiedlich – David Schnur: Die Juden in Frankfurt am Main und in der Wetterau im Mittelalter. Christlich-jüdische Beziehungen, Gemeinden, Recht und Wirtschaft von den Anfängen bis um 1400 (Schriften der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen 30). Wiesbaden 2017; Christian Scholl: Die Judengemeinde der Reichsstadt Ulm im späten Mittelalter. Innerjüdische Verhältnisse und christlich-jüdische Beziehungen in süddeutschen Zusammenhängen (Forschungen zur Geschichte der Juden, Abt. A: Abhandlungen 23). Hannover 2012; Gerhard Fouquet / Sven Rabeler: Juden in den Ostseestädten Wismar und Rostock im Mittelalter – ein Vergleich, in: Jahrbuch für Regionalgeschichte 30 (2012), S. 17–36; Alfred Haverkamp: Juden in Trier während Antike und Mittelalter, in: Reinhold Bohlen / Benz Botmann (Hg.): Neue Adresse: Kaiserstraße. 50 Jahre Synagoge Trier. Festschrift (Schriften des Emil-Frank-Instituts 10). Trier 2007, S. 13–44; Matthias Schmandt: Judei, cives et incole. Studien zur jüdischen Geschichte Kölns im Mittelalter (Forschungen zur Geschichte der Juden, Abt. A: Abhandlungen 11). Hannover 2002; Klaus Lohrmann: Die Wiener Juden im Mittelalter (Geschichte der Juden in Wien 1). Berlin/Wien 2000; Gerd Mentgen: Studien zur Geschichte der Juden im mittelalterlichen Elsaß (Forschungen zur Geschichte der Juden, Abt. A: Abhandlungen 2). Hannover 1995. 28 Für den dabei ebenfalls wichtigen Vergleich zwischen den Verhältnissen nördlich und südlich der Alpen vgl. Alfred Haverkamp: Juden in Italien und Deutschland während des Spätmittelalters: Ansätze zum Vergleich, in: Ders.: Neue Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte (2000– 2011). Festgabe zum 75. Geburtstag des Verfassers, hg. von Christoph Cluse und Jörg R. Müller. Hannover 2012, S. 59–102, bes. S. 81–88 (zur wirtschaftlichen Betätigung von Juden, auch außerhalb des Geldhandels).
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tig 29 – oder in den Worten Hans-Jörg Gilomens: „Glaubensfragen waren für die Strukturierung von Kreditformen und -institutionen im Spätmittelalter grundlegend […].“ 30 3. Differenziert beantwortet wird damit auch die vieldiskutierte Frage nach der Substitution des jüdischen Kredits. 31 Dass dieser vor allem im 15. Jahrhundert an Bedeutung verlor, lässt sich vielfach belegen, 32 doch auf welche Schwierigkeiten dies treffen konnte, zeigt Tanja Skambraks an den Monti di Pietà: Aus Sicht ihrer Initiatoren sollten diese unter anderem die jüdische Pfandleihe überflüssig machen. In Frage gestellt wurde dieses Unterfangen jedoch nicht allein durch die zuweilen zu konstatierende mangelnde Begeisterung städtischer Obrigkeiten (wie in Venedig) und den oftmals ungenügenden Kapitalstock, sondern auch durch den Zielkonflikt, der sich aus der Verbindung von Darlehen und Caritas ergab – Wirtschaftlichkeit einerseits, Hilfsleistung andererseits waren nicht leicht miteinander zu vereinbaren, die jüdische Geldleihe erwies sich nicht selten als das flexiblere Instrument. 4. Um Kapitalmärkte nicht allein in ihren Dimensionen, der Quantität ihrer Geldflüsse und ihren normativen Bedingungen zu beschreiben, sondern Kredit als soziale Praktik zu begreifen, ist – das zeigen alle Beiträge – die personengeschichtliche Analyse notwendig. „Es braucht mehr Vergleichsstudien, welche die Daten nicht anonymisieren, sondern personalisieren. Denn bei den Personen liegt der Schlüssel zu einem besseren Verständnis des städtischen Wirtschaftslebens“, wie Gabriela Signori hervorhebt. 33 Dies gilt für Gläubiger wie Schuldner gleichermaßen. Neben sozialen Schicht- oder Gruppenzugehörigkeiten wäre beispielsweise auch das Geschlecht als handlungsleitender Faktor einzubeziehen.34 Den ‚Karrieren‘ von Schuldnern 35 und den ‚Geschäftsprofilen‘ von Gläubigern wäre ebenso nachzugehen wie langfristigen Bindungen an bestimmte Geldgeber oder ‚Schuldnernetzwerken‘, wie sie zum Beispiel David Schnur mit den in sei-
29 Vgl. beispielsweise zum Instrument der ‚Schadennahme‘ die Beiträge von Christian Hagen, S. 60 und 62, von David Schnur, S. 97 f., und von Hans-Jörg Gilomen, S. 129–132. 30 Beitrag von Hans-Jörg Gilomen, S. 121. 31 Vgl. oben Anm. 14. 32 Siehe den Beitrag von Hans-Jörg Gilomen, S. 129. 33 Beitrag von Gabriela Signori, S. 42. 34 Zu Schuldnerinnen und Gläubigerinnen vgl. beispielsweise Signori: Schuldenwirtschaft (wie Anm. 23); Hans-Jörg Gilomen: Frauen als Schuldnerinnen und Gläubigerinnen in der Stadt Basel in den 1420er Jahren, in: Signori (Hg.): Prekäre Ökonomien (wie Anm. 23), S. 103–137; Harm von Seggern: Verschuldung und „Prekariat“ in Lübeck um 1500. Der Aussagewert der Stadtbücher, in: Zeitschrift für Lübeckische Geschichte 94 (2014), S. 51–74, hier bes. S. 69–72; Sturm: Privatkredit (wie Anm. 23); Martha Keil: Mobilität und Sittsamkeit: Jüdische Frauen im Wirtschaftsleben des spätmittelalterlichen Aschkenas, in: Michael Toch (Hg.): Wirtschaftsgeschichte der mittelalterlichen Juden. Fragen und Einschätzungen (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 71). München 2008, S. 153–180; Michael Toch: Die jüdische Frau im Erwerbsleben des Spätmittelalters, in: Julius Carlebach (Hg.): Zur Geschichte der jüdischen Frau in Deutschland. Berlin 1993, S. 37–48. 35 Beitrag von Christian Hagen, S. 48.
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nen Quellen so häufig gemeinsam auftretenden Frankfurter Fischern Kraft, Reinhard, Gerlach und Kune sichtbar macht. 36 Nicht zuletzt verweist die intensive Quellenorientierung aller Beiträge darauf, wie wichtig in der Beschäftigung mit den Phänomenen des Kleinkredits im Spätmittelalter – über sämtliche ‚ökonomischen Glaubensfragen‘ hinweg – die Grundlagenarbeit am Material ist und weiterhin sein wird: an Stadtbüchern unterschiedlicher Art, die in besondere Weise Chancen zur Gewinnung serieller Daten bieten, aber auch an Rechnungen, Statuten und Traktaten. An Grenzen stößt dies in der Regel freilich beim Kredit in seinen kleinsten, kaum formalisierten und institutionalisierten Ausprägungen, wie er auch und gerade entlang sozialer Solidaritäten und persönlicher Vertrauensbeziehungen vergeben wurde, oftmals ohne Zins und Sicherheit. Selten ist dies anhand von Quellen konkret nachzuweisen. Umso beachtenswerter sind jene Beispiele, die uns – so wie Hieronymus Weinsberg mit seinen Verbindlichkeiten gegenüber Cornelius Mulner und den wenigstens verbrieften Außenständen seiner Gesellen Johann van Kentwich und Thonis van Tor – ausnahmsweise einen kurzen Blick auch in diesen Teil der „allseitig vom Kreditprinzip durchdrungen[en]“37 spätmittelalterlichen Welt eröffnen.
36 Beitrag von David Schnur, S. 88–92. 37 Oben Anm. 3.
GELIHEN GELTZ Christliche Geldleihe aus dem Blickwinkel spätmittelalterlicher Gerichtsbücher * Gabriela Signori, Konstanz Geld ist ein bemerkenswert vieldeutiger Begriff, im Mittel- ebenso wie im Neuhochdeutschen. Er steht für Zahlungsmittel, Zahlung oder Leistung, am häufigsten aber einfach für Zins. 1 Wer sich für Zinsen interessiert, muss demnach mit dem Geld beginnen. Von der Nützlichkeit des Geldes als Zahlungsmittel brauchte man im Zeitalter der „kommerziellen Revolution“ 2 niemanden mehr zu überzeugen. Spätestens seit dem 13. Jahrhundert hatte es in Diskurs und Praxis sämtliche Gesellschaftsbereiche durchdrungen. 3 Fortan hielten es Schriftgelehrte wie der Pariser Theologe Nicolas Oresme († 1382) sogar für einen Segen der Menschheit. Immer großräumigere Handelsnetze hätten den „natürlichen“ Warentausch erschwert. Deswegen hätten „scharfsinnige“ Menschen das Geld als künstliches Zahlungsmittel ersonnen (subtilitati homines usum monetae invenire). 4 Für Oresme war Geld ein überaus nützliches Werkzeug im Dienste des Gemeinwohls. 5 Niemand dürfe es aus Eigeninteresse „manipulieren“. Eine wissentlich herbeigeführte Geldentwertung sei schlimmer
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Vorbemerkung zu den wörtlichen Quellenzitaten: Zeichen, die in der Vorlage durchgestrichen sind, stehen in spitzen Klammern, Schrägstriche hingegen markieren Ergänzungen zwischen den Zeilen oder am Rand der Vorlage. Senkrechte Striche stehen für Zeilenwechsel in der Vorlage. Ergänzungen und Worterklärungen der Autorin sind in eckige Klammern gesetzt. Markus Stock: Von der Vergeltung zur Münze: Zur mittelalterlichen Vorgeschichte des Wortes Geld, in: Klaus Grubmüller / Markus Stock (Hg.): Geld im Mittelalter. Wahrnehmung – Bewertung – Symbolik. Darmstadt 2005, S. 34–51. Robert Sabatino Lopez: The Commercial Revolution of the Middle Ages 950–1350. Englewood Cliffs 1971. Henri Pirenne: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Europas im Mittelalter. 4. Aufl., München 1976, S. 117–137; Michael North: Kleine Geschichte des Geldes. Vom Mittelalter bis heute. München 2009, S. 28–37; Jacques Le Goff: Geld im Mittelalter. Stuttgart 2011. Nicolaus Oresme: Traktat über Geldabwertungen, hg. von Edgar Schorer. Jena 1937, S. 34; Nicolas von Oresme: De mutatione monetarum: Tractatus / Traktat über Geldabwertungen, übers. von Wolfram Burckhardt. Berlin 1999, S. 4. Vgl. Diana Wood: Medieval Economic Thought. Cambridge 2002, S. 69–88 („What is money?“). Oresme: Traktat über Geldabwertungen (wie Anm. 4), S. 36 (Kapitel 1); Ders.: De mutatione monetarum (wie Anm. 4), S. 4: nummisma est valde utile bonae communitati civili, et reipublicae usibus opportunum, immo necessarium.
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als Wucher. 6 Mit dieser Warnung endet der an den französischen König Karl V. († 1380) adressierte ‚Traktat über Geldabwertungen‘. 7 Nicht alle Theologen teilten Oresmes Einschätzung, Geldentwertung sei schlimmer als Wucher. Für die meisten war Wucher das schlimmste aller Laster. 8 Unter Wucher verstanden die einen jeden Vorteil, der über die einfache Rückgabe einer geliehenen Sache (mutuum) hinausging, andere generell jede Hoffnung auf Gewinn (lucrum). 9 Den Geldverleih gegen Zins hatte das Zweite Laterankonzil 1139 unter dem Vorsitz von Innozenz II. (1130–1142) den Christen untersagt und das Dritte Laterankonzil hatte die Bestimmung des Zweiten erneuert. 10 Das Vierte Laterankonzil bzw. Innozenz III. (1198–1216) weichte das Verbot auf – zum Schutz der Christen, wie es heißt. 11 Die Geldgeschäfte der Christen interessierten Innozenz III. nicht wirklich. Es ging ihm primär um die Juden. Das Verbot erwies sich für den Handel als wenig praktikabel, das hatten die Rechtsgelehrten schnell erkannt. 12 In Reaktion auf das Wucherverbot bildete sich 6
Oresme: Traktat über Geldabwertungen (wie Anm. 4), S. 94 (Kapitel 17); Ders.: De mutatione monetarum (wie Anm. 4), S. 42 (Kapitel 15). Vgl. Guillaume R. Sarrat de Tramezaigues: Nicole Oresme: Ruptures précaires dans le monde de financement de l’effort de guerre, in: Olivier Bertrand (Hg.): Sciences et savoirs sous Charles V. Paris 2014, S. 279–302; Hendrik Mäkeler: Nicolas Oresme und Gabriel Biel. Zur Geldtheorie im späten Mittelalter, in: Scripta Mercaturae 37 (2003), S. 56–94. 7 Oresme: Traktat über Geldabwertungen (wie Anm. 4), S. 94 (Kapitel 17). 8 U.a. Jacques Le Goff: Wucherzins und Höllenqualen. Ökonomie und Religion im Mittelalter. Mit einer Einführung von Johannes Fried. 2., völlig überarb. Aufl., Stuttgart 2008; Ulrich Rehm: Avarus non implebitur pecunia. Geldgier in Bildern des Mittelalters, in: Grubmüller/Stock (Hg.): Geld im Mittelalter (wie Anm. 1), S. 135–181. Zu den älteren diesbezüglichen Bestimmungen vgl. Harald Siems: Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen (Monumenta Germaniae historica, Schriften 35). Hannover 1992, S. 500–666. 9 A[lonzo]-M[ario] Hamelin (Hg.): Un traité de morale économique au XIVe siècle. Le Tractatus de usuris de maître Alexandre d’Alexandrie (Analecta mediaevalia Namurcensia 14). Louvain/ Lille 1986, S. 73 f.: Mutuum si non est gratuitum, non est mutuum sed usura. Vgl. Rolf Sprandel: Art. ‚Zins IV‘, in: Theologische Realenzyklopädie. Studienausgabe, Bd. 36. Berlin 2006, S. 683; Wood: Medieval Economic Thought (wie Anm. 4), S. 159–205; Hans-Jörg Gilomen: Wucher und Wirtschaft im Mittelalter, in: Historische Zeitschrift 250 (1990), S. 265–301, hier S. 269 f.; Gerhard Rösch, Wucher in Deutschland 1200–1350. Überlegungen zur Normdidaxe und Normrezeption, in: Historische Zeitschrift 259 (1994), S. 593–636. 10 Lateran II, c. 13, in: Josef Wohlmuth (Hg.): Dekrete der ökumenischen Konzilien, Bd. 2: Konzilien des Mittelalters. Paderborn u.a. 2000, S. 200; Lateran III, c. 25, in: ebenda, S. 223. Vgl. Stefan Schima: Die Entwicklung des kanonischen Zinsverbots. Eine Darstellung unter besonderer Berücksichtigung der Bezugnahmen zum Judentum, in: Eveline Brugger / Birgit Wiedl (Hg.): Jüdisches Geldgeschäft im Mittelalter (Aschkenas 20,1). Berlin 2010, S. 239–279. 11 Lateran IV, c. 67, in: Wohlmuth (Hg.): Dekrete der ökumenischen Konzilien, Bd. 2 (wie Anm. 10), S. 265 f. Vgl. Gilomen: Wucher und Wirtschaft (wie Anm. 9), S. 277 f.; John Clare Moore: Pope Innocent III and Usury, in: Frances Andrews (Hg.): Pope, Church and City. Essays in Honour of Brenda M. Bolton (The Medieval Mediterranean 56). Leiden 2004, S. 59–75. 12 Rösch: Wucher in Deutschland (wie Anm. 9), S. 596; Hans-Jürgen Becker: Das Zinsverbot im lateinischen Mittelalter, in: Matthias Casper / Norbert Oberbauer / Fabian Wittreck (Hg.): Was vom Wucher übrigbleibt. Zinsverbote im historischen und interkulturellen Vergleich. Tübingen 2014, S. 15–45.
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gegen Ende des 13. Jahrhunderts ein in Sachen fundiertes Kreditwesen aus, das auf der Fiktion fußte, dass mit dem Erwerb eines Kredits ein Kaufgeschäft, kein Geldgeschäft getätigt wurde. 13 Ähnlich funktionierte das von den Städten betriebene und geförderte Rentenwesen.14 Hinzu kamen neue bargeldlose Zahlungsformen wie der Wechsel, mit denen sich räumliche Distanzen leichter überwinden ließen als mit unhandlichem Bargeld.15 Diese Praktiken feierte die Wirtschaftsgeschichte längere Zeit als Meilensteine der Modernisierung.16 Anders als der immobiliengestützte Kredit stieß der Geldverleih in der älteren Wirtschaftsgeschichte auf wenig Interesse. Oder er wurde einseitig mit Juden, Lombarden oder Cawertschen assoziiert. 17 Erst 13 Vgl. aus unterschiedlicher Perspektive Franz Irsigler: Kreditgewährung und Formen der Kreditsicherung im Mittelalter, in: Gabriele B. Clemens (Hg.): Schuldenlast und Schuldenwert. Kreditnetzwerke in der europäischen Geschichte 1300–1900 (Trierer historische Forschungen 65). Trier 2008, S. 67–84; Hans-Jörg Gilomen: Die ökonomischen Grundlagen des Kredits und die christlich-jüdische Konkurrenz im Spätmittelalter, in: Eveline Brugger / Birgit Wiedl (Hg.): Ein Thema – zwei Perspektiven: Juden und Christen in Mittelalter und Früher Neuzeit. Innsbruck u.a. 2007, S. 139–169; ferner die Beiträge zu Italien, Flandern, den Hansestädten und Polen im Sammelband Michael North (Hg.): Kredit im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa (Quellen und Darstellungen zur hansischen Geschichte, N. F. 37). Köln/Wien 1991. 14 Gabriela Signori: Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln: der spätmittelalterliche Leibrentenvertrag, in: Markus Bernhart / Stefan Brakensiek / Benjamin Scheller (Hg.): Ermöglichen und Verhindern. Vom Umgang mit Kontingenz (Kontingenzgeschichten 2). Frankfurt a.M./ New York 2016, S. 117–142. 15 Markus A. Denzel: La practica della cambiatura. Europäischer Zahlungsverkehr vom 14. bis zum 17. Jahrhundert (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 58). Stuttgart 1994, S. 79–278; Ders.: Das System des bargeldlosen Zahlungsverkehrs europäischer Prägung vom Mittelalter bis 1914 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 201). Stuttgart 2008, S. 17–46. 16 Vgl. Gilomen: Die ökonomischen Grundlagen des Kredits (wie Anm. 13), S. 139 f.; Gregory B. Milton: Christian and Jewish Lenders: Religious Identity and the Extension of Credit, in: Viator 37 (2006), S. 301–318, hier S. 302. 17 Milton: Christian and Jewish Lenders (wie Anm. 16), S. 301 f. Die Literaturliste zu jüdischen und lombardischen Geldverleihern ist lang, vgl. etwa Reinhold Mueller: Les prêteurs juifs de Venise au Moyen Âge, in: Annales 30 (1975), S. 1277–1302; Franz Irsigler: Juden und Lombarden am Niederrhein im 14. Jahrhundert, in: Alfred Haverkamp (Hg.): Zur Geschichte der Juden im Deutschland des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 24). Stuttgart 1981, S. 122–162; Michael Toch: Geld und Kredit in einer spätmittelalterlichen Landschaft. Zu einem unbeachteten hebräischen Schuldenregister aus Niederbayern (1329–1332), in: Deutsches Archiv für die Erforschung des Mittelalters 38 (1982), S. 499–550; Ders.: Jüdische Geldleihe im Mittelalter, in: Manfred Treml / Josef Kirmeier (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Aufsätze (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17). München 1988, S. 85–94; Joseph Shatzmiller: Shylock Reconsidered. Jews, Moneylending, and Medieval Society. Berkeley u.a. 1990; Franco Morenzoni: Les prêteurs d’argent et leurs clients dans le Valais savoyard à la veille de la peste noire. La casane de Sembrancher en 1347, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 42 (1992), S. 1–27 (Lombarden); Prêteurs et banquiers juifs du Moyen Âge au XXe siècle (Archives juives 29,2). Paris 1996; Olivier Ramirez: Les juifs et le crédit en Savoie au XIVe siècle, in: Jean-Marie Cauchies (Hg.): Crédit et société: les sources, les technqiues et les hommes (XIVe–XVIe s.) (Bibliothèque d’Études savoyennes 6). Neuchâtel 1999, S. 53–66; Michael Toch (Hg.): Wirtschaftsgeschichte der mittelalterlichen Juden. Fragen und Einschätzungen (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 71).
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nach der Judenvertreibung seien die Christen dazu übergegangen, im großen Stil Geldgeschäfte zu tätigen. 18 Zu Recht gibt der Zürcher Wirtschafts- und Sozialhistoriker Hans-Jörg Gilomen zu bedenken, dass die zeitlichen und räumlichen Unterschiede viel zu groß seien, um in dieser Frage Entwicklungslinien erkennen zu können. 19 Der jüdische Geldverleih sei zeitlich und räumlich begrenzt und beschreibe ein konjunkturelles, kein strukturelles Phänomen. Überdies werde viel zu selten zwischen jüdischem und christlichem Geldverleih verglichen. 20 Der Mangel an Vergleichsstudien führt zwangsläufig zu Verzerrungen, die ideologisch nicht so wertfrei sind, wie sie auf Anhieb scheinen. 21 Ein Beispiel: Im Konstanzer Ammanngerichtsbuch (1423–1434) verzeichnet sind vornehmlich Eigen und Erbe betreffende Verträge, deren gerichtliche bzw. öffentliche Registrierung nicht nur in Konstanz für Bürger und Einwohner verpflichtend war. 22 Es finden sich in dem Gerichtsbuch aber auch überraschend viele Einträge, die gelihen gelt und andere reine Geldgeschäfte betreffen, bald mit, bald ohne dingliche Sicherheit (Personal- und Realkredite). 23 Mit dem Konstanzer Gerichtsbuch hat sich der Schweizer Wirtschaftshistoriker Hektor Ammann (1894–1967) einge-
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München 2008; Jacques Labrot: Affairistes et usuriers au Moyen Âge, Bd. 1: Les Lombards, l’hérésie et l’Église. Cahors 2008; Brugger/Wiedl (Hg.): Jüdisches Geldgeschäft im Mittelalter (wie Anm. 10); Myriam Greilsammer: L’usurier chrétien, un juif métaphorique? Histoire de l’exclusion des prêteurs lombards (XIIIe–XVIIe siècle). Rennes 2012. Hans-Jörg Gilomen: Die Substitution jüdischer Kredite im Spätmittelalter. Das Beispiel Zürichs, in: Lukas Clemens / Sigrid Hirbodian (Hg.): Christliches und jüdisches Europa im Mittelalter. Kolloquium zu Ehren von Alfred Haverkamp. Trier 2011, S. 207–233. Ebenda, S. 207. Mit wenigen Ausnahmen wie eben Gilomen: Substitution jüdischer Kredite im Spätmittelalter (wie Anm. 18), S. 218 und 224 (Zürich, Beginn 15. Jh. bis zur Vertreibung); Milton: Christian and Jewish Lenders (wie Anm. 16), S. 308 (für das katalanische Santa Coloma de Queralt); Antoni Furió: Diners i crèdit: els jueus d’Alzira en la segona meitat del segle XIV, in: Revista d’historia medieval 4 (1993), S. 127–160 (für das ehedem maurische Alzira bei Valencia); Friedhelm Burgard: Christlicher und jüdischer Geldhandel im Vergleich. Das Beispiel der geistlichen Herrschaft Trier, in: Johannes Heil / Bernd Wacker (Hg.): Shylock? Zinsverbot und Geldverleih in jüdischer und christlicher Tradition. München/Paderborn 1997, S. 59–80 (in Trier ging der christliche Geldverleih dem jüdischen voraus, der in den Jahren 1330–1349 eine Hochkonjunktur erlebte); Robin R. Mundill: Christian and Jewish Lending Patterns and Financial Dealings during the Twelfth and Thirteenth Centuries, in: Philip R. Schofield / Nicholas J. Mayhew (Hg.): Credit and Debt in Medieval England c. 1180–c. 1350. Oxford 2002, S. 42–67. Der Vergleich wiederum ist insofern schwierig, als zum christlichen Geldverleih kaum Studien vorliegen. Vgl. Marjorie K. McIntosh: Money Lending on the Periphery of London, 1300–1600, in: Albion 20,4 (1988), S. 557–571; Michael E. Bratchel: Usury in the Fifteenth-Century Lucchesia: Images of the Petty Moneylender, in: Journal of European Economic History 32 (2003), S. 249–276, auf der Grundlage von Urteilen der geistlichen Gerichtsbarkeit. Prozesse wegen Wucher seien selten, meist hätten sie Stellvertreterfunktion bei Nachbarschaftskonflikten. Milton: Christian and Jewish Lenders (wie Anm. 16), S. 302. Stadtarchiv Konstanz, A IX 10. Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen des Geldverleihs in Konstanz vgl. Renate Overdick: Die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Juden in Südwestdeutschland im 15. und 16. Jahrhundert, dargestellt an den Reichsstädten Konstanz und Eßlingen und an der Markgrafschaft Baden (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen 15). Konstanz 1965, S. 35–68, hier S. 37–56.
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hender auseinandergesetzt. Zunächst fokussierte er auf die darin enthaltenen Verbindlichkeiten der Konstanzer Kaufleute. 24 Drei Jahre später widmete er sich dem Geldverleih der Konstanzer Juden. 25 Ammann behandelt die zeitgleichen Geschäfte von Juden und Christen also getrennt. Und es entsteht der Eindruck, dass die Geldgeschäfte der Christen ausschließlich in Handel und Gewerbe (Warenkredite) gründeten, während die Konstanzer Juden ausschließlich dem Geldverleih nachgingen. Dem widersprechen die im Ammanngerichtsbuch verzeichneten Warengeschäfte von Juden und die darin verzeichneten Geldgeschäfte der Christen. 26 Vor der Judenvertreibung (1448) beobachten wir also auch für Konstanz ein zeitliches Nebeneinander von jüdischem und christlichem Geldverleih.27 Die Substitutionsthese lässt sich für Konstanz auch insofern nicht verifizieren, als wir für die Zeit vor dem Ammanngerichtsbuch (1423) keine belastbaren Datenreihen28 haben und das Ammanngerichtsbuch nach 1434 nicht mehr weitergeführt wurde.29 Im Sinne von Hans-Jörg Gilomen erfassen wir also auch in Konstanz lediglich eine obrigkeitlich gelenkte Konjunktur. Im Folgenden möchte ich mich eingehender mit dem Geldverleih von Christen befassen, mit dem also, was gemäß Kirchenrecht nicht sein sollte, im 15. Jahrhundert aber fast überall selbstverständlich geworden war. In den zeitgenössischen Rechtsquellen firmiert diese Geschäftsart unter dem Oberbegriff ‚geliehenes Geld‘. 30 Kon24 Hektor Ammann: Konstanzer Wirtschaft nach dem Konzil, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 69 (1949/50), S. 63–174. 25 Ders.: Die Judengeschäfte im Konstanzer Ammann-Gerichtsbuch 1423–1434, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 71 (1952), S. 37–84. Vgl. Heymann Chone: Zur Geschichte der Juden in Konstanz, in: Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland 1 (1936), S. 3–16. 26 Ammann: Konstanzer Wirtschaft (wie Anm. 24), Nr. 11, 14, 22, 55, 69, 81, 101, 114, 135, 149, 202, 233, 301, 344, 354, 385, 410, 442, 445, 497, 534, 535, 544 (nur die Schulden, die als geliehenes Geld ausgewiesen sind). Hortense Hörburger: Judenvertreibung im Spätmittelalter. Am Beispiel Esslingen und Konstanz (Campus Forschung 237). Frankfurt a.M. 1981, S. 75–77 (Warengeschäfte von Juden). 27 Hörburger: Judenvertreibung (wie Anm. 26), S. 59–90; Helmut Maurer: Konstanz im Mittelalter, Bd. 2: Vom Konzil bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts. Konstanz 1989, S. 65 f. 28 Helmut Fidler: König Sigismund, das Konstanzer Konzil und die Juden, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 133 (2015), S. 85–123. 29 Rund zehn Jahre nach dem letzten Eintrag im Ammanngerichtsbuch setzen die Protokolle des Konstanzer Siebenergerichts in Schuldsachen ein, ein Gericht, das nicht Verträge registrierte, sondern in Streitfällen entschied: Stadtarchiv Konstanz, H V 1 = Das buch fur die siben uff Ringborterthor (1409–1454). Die Einträge beginnen mit den Jahren 1409/1410, brechen danach aber ab und setzen erst 1441 wieder ein. Anfänglich treten darin noch vereinzelt Juden in Erscheinung, gemessen an der Vielzahl ihrer im Ammanngerichtsbuch verzeichneten Geldgeschäfte sind es aber überraschend wenig. Vgl. den Beitrag von Christian Hagen im vorliegenden Band. 30 Friedrich Riederer: Spiegel der wahren Rhetorik (1493), hg. von Joachim Knape und Stefanie Luppold (Gratia. Tübinger Schriften zur Renaissanceforschung und Kulturwissenschaft 45). Wiesbaden 2009, S. 327: Der contract ‚lyhung‘ als wenn einer dem andern gelt lyhet: hat die natur das solich lyhenschafft vmb sust vff hoffung allein, das so er vßlyhet vnd nit mer widerumb zu empfahen / beschehen sol; Der statt Fryburg im Brisgow statuten und stattrechten, in: Wolfgang Kunkel / Hans Thieme (Hg.) / Franz Beyerle (Bearb.): Quellen zur Neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands. Weimar 1936, S. 241–323, hier S. 247: Von gelyhner barschaft sol dhein genieß empfangen werden.
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zentrieren werde ich mich dabei auf die Rheinmetropole Basel, da deren archivalische Überlieferung der freiwilligen Gerichtsbarkeit weit weniger fragmentarisch ist, als dies in Konstanz der Fall ist. Keine andere größere Stadt im deutschen Südwesten führte derart differenziert Buch über die Geldgeschäfte ihrer Bürger wie die Stadt Basel (siehe die Tabelle). Selbst im Vergleich mit Städten wie Augsburg, Nürnberg oder Ulm ist der Ausdifferenzierungsgrad des Basler Gerichtsarchivs zu Beginn des 15. Jahrhunderts einzigartig. 31 Juden treten darin kaum mehr in Erscheinung. Sie hatten die Stadt Basel bereits 1397 (wieder) verlassen. 32 Als Stichdaten der Ausdifferenzierung erscheinen die Jahre 1407, 1420 und 1425; außer bei den Verrechnungen entsprechen die Daten aber keiner Änderung der Gerichtsordnung.33 Die Anlage eigener Verrechnungsbüchern ist hingegen eine logische Folge der anteilsmäßigen Befriedigung der Gläubiger, die in Basel 1452 das Prioritätsprinzip („wer zuerst kommt, mahlt zuerst“) ablöste. 34 Kurz zu Inhalt und Funktion der Gerichtsbücher: In die Fe rt i gun gs bü c her (Serie B) wurden – anders als im Konstanzer Ammanngerichtsbuch – überwiegend Nachlassregelungen, Hauskäufe sowie liegenschaftsfundierte Kreditgeschäfte aufgenommen, an denen die Kirche genauso partizipierte wie die Laien. 35 ‚Fertigen‘ 31 Die Quellengruppe Gerichtsbücher ist im Vergleich zu den Stadtbüchern bislang nicht systematisch erschlossen, vgl. Werner Schultheiß: Über spätmittelalterliche Gerichtsbücher aus Bayern und Franken. Beiträge zum Urkundenwesen und Gerichtsverfahren Süddeutschlands, in: Festschrift für Hans Liermann zum 70. Geburtstag (Erlanger Forschungen, Reihe A: Geisteswissenschaften 16). Erlangen 1964, S. 265–296. Zu Nürnberg Ingomar Bog: Die Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Reichsstadt Nürnberg. Gedanken über Editionsprobleme, in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, Bd. 2. Nürnberg 1967, S. 830–850; Walter Schorr: Zwangsvollstreckung und Konkurs im Recht der freien Reichsstadt Nürnberg. Nürnberg 1961, S. 9–12; Valentin Groebner: Ökonomie ohne Haus. Zum Wirtschaften armer Leute in Nürnberg am Ende des 15. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 108). Göttingen 1993, S. 190–206. 32 Werner Meyer: Benötigt, geduldet, verachtet und verfolgt. Zur Geschichte der Juden in Basel zwischen 1200 und 1800, in: Heiko Haumann (Hg.): Acht Jahrhunderte Juden in Basel: 200 Jahre Israelitische Gemeinde Basel. Basel 2005, S. 13–65, hier S. 40–46. 33 Einschneidende rechtliche Veränderungen sind festgehalten in der Dienstordnung der Gerichtsbeamten (Johannes Schnell [Hg.]: Rechtsquellen von Basel, Stadt und Land, Tl. 1. Basel 1856, Nr. 64, S. 63–73, sine dato), in der neuen Ordnung des Nachgerichts vom 7. Febr. 1433 (ebenda, Nr. 122, S. 115–121), im ‚Blauen Buch‘ vom Okt. 1441 (ebenda, Nr. 143, S. 134–148) sowie im neuen Stadtrecht vom 23. Juli 1457 (ebenda, Nr. 148, S. 150–186). Vgl. Hans-Rudolf Hagemann: Basler Rechtsleben im Mittelalter, 2 Bde. Basel/Frankfurt a.M. 1981 und 1987, Bd. 1, S. 46 f. Die Daten sind mit den Änderungen der städtischen ‚Buchführung‘ nicht deckungsgleich. 34 StABS ANA GA G 1, fol. 5r (30. Juni 1452): Verrechnet wird hier erstmals nach der nuwen ordnung. Festgehalten ist der entsprechende Ratsbeschluss aber erst in der Gerichtsordnung von 1457. Schnell (Hg.): Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 33), Nr. 148, Art. 109, S. 184: ieglichem an siner schuld nach markzal geben solle, umb das nit einer allein bezalt werde und die anderen manglen muͤsten, als in vergangnen zyten dick und vyl bescheen ist. Vgl. Hagemann: Basler Rechtsleben (wie Anm. 33), Bd. 2, S. 132 f., sowie allgemein zum Verfahren Robert Oertel: Entwicklung und Bedeutung des Grundsatzes anteiliger Gläubigerbefriedigung im älteren deutschen Rechte (Ausgewählte Doktordissertationen der Leipziger Juristenfakultät). Leipzig 1901, S. 27–44. 35 Gabriela Signori: Schuldenwirtschaft. Konsumenten- und Hypothekarkredite im spätmittelalterlichen Basel (Spätmittelalterstudien 5). Konstanz/München 2015, S. 87–119.
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Tabelle: Übersicht über die Basler Gerichtsbücher, die zu wesentlichen Teilen von Krediten und anderen Schulden handeln Signatur
Name
Bandzahl
Jahre
A
Urteilsbücher
B
Fertigungsbücher
183
1394–1681
51
C
1420–1713
Vergichtbücher (Konfessate)
39
1425–1644 36
D
Kundschaften
47
1420–1715
E
Frönungen und Verbote
19
1425–1648
G
Verrechnungen
52
1452–1878
K
Beschreibbüchlein
19
1407–1666
bedeutet in Schriftform fassen. 37 In den Verbot s b üchern (Serie E) ist der sogenannte Sicherheitsarrest (Verbot) verzeichnet, mit dem laut Gerichtsordnung von 1457 das Hab und Gut von „verstorbenen, erblosen oder flüchtigen Personen“ belegt wurde.38 In denselben Verbotsbüchern wurde auch eingetragen, wenn Häuser wegen ausbleibender Zinszahlung, Schulden oder „Missbau“ „gefrönt“, das heißt, durch das Gericht beschlagnahmt wurden.39 Die Zwangsversteigerung gefrönter Immobilien zu registrieren war indes Aufgabe der Fertigungsbücher. Überwiegend von Geldforderungen handeln demgegenüber die Ko nfes s at - oder Ver gi ch t bücher (Serie C), in denen Schuldner öffentlich vor Gericht ihre Schulden bekannten (verjehen). 36 Faktisch setzt die Serie C erst mit dem zweiten Band 1433 (1427–1437) ein. C 1 ist noch ein ‚gemischtes‘ Gerichtsbuch, das zwar mit Konfessaten beginnt (fol. 3r [1425] bis 67v [1433]) – deswegen die falsche Einordnung –, aber auch andere, nach Themen geordnete Geschäfte enthält. ‚Mischbücher‘ alter Prägung laufen anfänglich noch mehrere Jahre parallel zu den neuen Gerichtsbüchern: StABS ANA GA P 1 (1410–1417); P 2 (1422–1431); P 3 (1427–1438). Im Folgenden wird das Gerichtsarchiv als GA abgekürzt, StABS steht für Staatsarchiv Basel-Stadt, ANA für ältere Nebenarchive und AHA für älteres Hauptarchiv. 37 Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Bd. 3. Leipzig 1862, Sp. 1554 f. 38 Schnell (Hg.): Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 33), Nr. 148, Art. 97, S. 180: Item als bißhar gewonheit gwesen, wenn luͥt abgestorben, erbloß oder fluͥchtig worden sint, das solich ir verlassen guet durch froͤmd und heimisch verbotten und in haft geleit einmal oder zwuͥrent angeschriben und dannathin des gerichtz harkommen und gewonheit nit nachkomen, nit dester minder das, so also erloͤßt, gerechet und nach markzal menglichem so also verbotten haben geteilt ist […]. Vgl. Hagemann: Basler Rechtsleben (wie Anm. 33), Bd. 1, S. 59–68; Bd. 2, S. 117–139; Adrian Staehelin: Zwangsvollstreckung in älteren Schweizer Stadtrechten, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 93 (1976), S. 184–256, sowie allgemein Hans Planitz: Die Vermögensvollstreckung im deutschen mittelalterlichen Recht, Tl. 1: Die Pfändung. Leipzig 1912; Ders.: Grundlagen des deutschen Arrestprozesses. Ein Beitrag zur deutschen Prozeßgeschichte. Leipzig 1922; Guido Kisch: Der deutsche Arrestprozeß. In seiner geschichtlichen Entwicklung. Wien/Leipzig 1914; Guido Krass: Das Arrestverfahren in Frankfurt am Main im Spätmittelalter. Frankfurt a.M. u.a. 1996. 39 Der Begriff ‚Frohnung‘, ‚Fröhnung‘ (hier mit ‚h‘) ist in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Bd. 4,1,1. Leipzig 1878, Sp. 239, mit retentio und Beschlagnahme gleichgesetzt. Vgl. Hans Planitz: Die Fronung, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 78 (1961), S. 39–63.
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Eine öffentlich vor Gericht bekannte Schuld musste bei Zahlungsverzug nicht erst umständlich erstritten werden, die im Konfessat enthaltenen Sanktionen griffen unverzüglich.40 Den meisten Schuldnern, deren Güter aus Sicherheitsgründen verboten wurden, begegnen wir in den Beschreibbüchlein (Inventaren) wieder, der Serie K des Basler Gerichtsarchivs. 41 Die Mehrzahl der Inventare war obrigkeitlich angeordnet (von befelch miner herren). Mehrfach intervenierte das Gericht aber auch auf Wunsch der Gläubiger (von anruͤffung siner schuldner), gelegentlich auch von anruͤffung wegen siner erben. 42 In den Verre chnun gen (Serie G) dokumentierte das Gericht, welchem Gläubiger wieviel Geld aus der Versteigerungsmasse zustand bzw. zugeteilt wurde.43 Verbotsbücher, Beschreibbüchlein und Verrechnungsbücher bilden eine sachliche Einheit. In den Kun ds chaft s büchern (Serie D) verzeichnet 40 Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Bd. 12,1. Leipzig 1954, Sp. 432– 441 (Stw. ‚Vergicht‘), 607–612 (Stw. ‚verjehen‘); vgl. Adalbert Erler: Art. ‚Schuldanerkenntnis (prozessual)‘, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 4. Berlin 1990, Sp. 1510– 1512; Fritz Klingmüller: Das Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis des Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich (Abhandlungen zum Privatrecht und Civilprozeß des Deutschen Reiches 9,4). Jena 1903, S. 16–25; Michael M. Postan: Private Financial Instruments in Medieval England, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 23 (1930), S. 26–75; Bernhard Diestelkamp: Wucherverbot und abstraktes Schuldanerkenntnis in der Praxis Brabanter Schöffen zu Anfang des 14. Jahrhunderts. Zur Anwendung der Clementine „De usuris“, in: Gerd Kleinheyer / Paul Mikat (Hg.): Beiträge zur Rechtsgeschichte. Gedächtnisschrift für Hermann Conrad (Rechts- und Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, N.F. 34). Paderborn u.a. 1979, S. 47–63. 41 Schnell (Hg.): Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 33), Nr. 27, S. 157 (1457): Item es sollent oͮch schultheis, vogt, amptluͥte und der gerichtschriber, so sy von des gerichtz wegen aberstorbner, fluͥchtiger oder anderer luͥten, der guet mit gericht gefroͤnt und bezogen worden were, verlassen guet beschriben sollent, des selben guetz nuͥtzit uͥber ale wenig noch vil nemen noch verenderen, denn allein iren rechten geschoͤpften lone. Sowohl die amtliche Beschreibung (Serie K) als auch die Verrechnung (Serie G) hätten in Anwesenheit zweier ehrbarer Männer oder Ratsherren zu erfolgen. Vgl. Ruth-Elisabeth Mohrmann, Art. ‚Inventar‘, in: Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 2., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Bd. 2. München 2012, Sp. 1284 f. 42 Inventare auf Wunsch von Testamentsvollstreckern: StABS ANA GA K 2 (1475–1481), I, S. 17; Freunden: ebenda, II, S. 154–161; Erben: ebenda, I, 44–48, 70–73, II, 61–63, 88–90, 128–136, 143–148; Schuldnern: ebenda, I, 13–15, 32, 34, 38–40, 63–64, 74, II, 1, 17, 25, 33, 47–49, 57, 58– 61, 63–64, 65, 66–68, 78–80, 82, 94–95, 102, 110–111, 113–117, 118 (zweimal), 121–126, 166. 43 Das Formular der Basler Verrechnungsbücher ist meist zweigeteilt: Im ersten Teil erscheinen die privilegierten Schulden, darunter Schreib- und Verrechnungsgebühren, Gerichtsgebühren, Karrerlohn, der Lohn für den Schmied, der das Haus zu verriegeln hatte, „Lidlohn“, Bodenzinsen, Hauszinsen, Steuern und Pfandleihen, im zweiten Teil erst die Namen der Gläubiger, deren Ansprüche im Verbotsbuch verzeichnet sind. Privilegiert meint, dass die Gläubiger den Gesamtbetrag erhielten. Zu den privilegierten Schulden vgl. Schnell (Hg.): Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 33), Nr. 148, Art. 64, S. 169 (1457): Item wenn es oͮch hinnenfúr zue schulden kompt, das man von gerichtz wegen yemanden umb schulde, hußzinse, lydlon, brustlone oder taglone varende pfand geben und ußtragen sol, so sollent des ersten soliche pfender, die des der die schuldig ist, angriffen und genommen werden, biß das dem cleger ein benuͤgen beschicht. Finde man nicht genügend Sachgüter, könne der Kläger liegendes Gut angreifen. Ebenda, Nr. 148, Art. 106, S. 182 f. (1457): Doch sol man in solicher bezalung vorab ußrichten bondenzinß, hußzinß, lybfelle, gedingter gesinlone, der sich in einem nechst vergangen jore gmacht hette, brustlon, und darnach verbrieft zinß und guͥlte […].
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finden sich die Protokolle von Zeugenvernehmungen (Kundschaften). Die Kundschaft war ein im süddeutschen Raum weitverbreitetes Instrument der streitenden Gerichtsbarkeit. Dennoch wurden die Zeugen in Basel gewöhnlich auf Begehren (ad instantiam) von Klägern und Beklagten bestellt und nicht von Amts wegen.44 Die meisten Kundschaften handeln auf die eine oder andere Art von Schulden, personelle Überschneidungen zu den Serien B, C, E und G sind aber kaum nachzuweisen. Das heißt, wer seine Ansprüche in die Gerichtsbücher der freiwilligen Gerichtsbarkeit hatte eintragen lassen, lief später selten Gefahr, in Rechtsstreitigkeiten verwickelt zu werden. Die Schrift erweist sich im Schuldenkontext als ein bemerkenswert effizientes Sicherungsinstrument. 45 Probleme verursachten den Kundschaften zufolge vor allem die mündlich abgeschlossenen Geschäfte sowie die Praxis, das Schuldeneintreiben an Dritte zu delegieren, die es darüber hinaus noch versäumten, ihre Geschäfte zu quittieren.46 Mit den Kundschaften werde ich mich an dieser Stelle nicht weiter befassen, weil sie andere Problemfelder aufdecken als die Verbots- und Vergichtbücher, die uns wiederum tiefen Einblick in die Geldgeschäfte der Basler Bürger, Hintersassen und Einwohner gewähren. VERBOTSBÜCHER Die Zahl der Verbote (Sicherheitsarreste) ist mit 300 bis 400 pro Jahr beachtlich. Deutlich seltener waren die Frönungen mit 40 bis 80 Verfahren pro Jahr. 47 Beides sind für ein Gemeinwesen von rund 8.000 bis 10.000 Einwohnern (Kinder mit inbegriffen) jedoch bemerkenswert hohe Zahlen. 48 Die Mehrzahl der Verbote waren sogenannte Nachlassarreste. Der Tod war also nicht nur der Zeitpunkt des individuellen Gerichts, sondern auch der Zeitpunkt der individuellen Generalabrechnung. Anders als im Stadtrecht vorgesehen, wurde das Verbot aber auch häufig als Druckmittel eingesetzt, säumige Schuldner zum Zahlen zu bewegen. Das Verfahren war aber nicht immer erfolgreich, wie die Fälle zeigen, in denen zahlungsunfähige Schuldner in Reaktion auf die ersten Verbote die Flucht ergriffen. 49
44 Ebenda, Nr. 148, Art. 71, S. 172 f. (1457). Vgl. Amelie Rösinger: Zur Augen- und Ohrenzeugenschaft in den Basler Kundschaften, in: Dies. / Gabriela Signori (Hg.): Die Figur des Augenzeugen. Geschichte und Wahrheit im fächer- und epochenübergreifenden Vergleich. Konstanz 2014, S. 89–103. 45 Neben den Gerichtsbüchern wären noch die Schuldbriefe, Kaufhausbücher und private Schuldbücher und Rechnungszettel zu nennen. Zu den Sicherheiten vgl. Gabriela Signori: Risikover-
meidung: Der Platz der Sicherheiten im städtischen Kreditwesen des 15. Jahrhunderts, in: Benjamin Scheller (Hg.): Kulturen des Risikos im Europa des Mittelalters und der Frühen Neuzeit (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 99) (im Druck).
46 StABS ANA GA D 11 (1475–1480), passim. 47 Hagemann: Basler Rechtsleben (wie Anm. 33), Bd. 2, S. 124 und 139. 48 Hektor Ammann: Die Bevölkerung von Stadt und Landschaft Basel am Ausgang des Mittelalters, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 49 (1950), S. 25–52. 49 StABS ANA GA K 2 (1475–1481), I, 12, 34, II, 34–36, 47–49, 120.
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Am 1. Februar 1480 beispielsweise ließ Ritter Bernhard Sürlin 50 wegen ausstehender Hauszinsen in der Höhe von 2 Pfund und 3 Schilling das Hab und Gut einer Frau namens Zwingerin beschlagnahmen. 51 Am Tag darauf erschien der Schuhmacher Veltin Gilgenstein vor Gericht, um seine Ansprüche auf dasselbe Gut in Höhe von 10 Schilling anzumelden. 52 Zehn Tage später wurde die Habe der Zwingerin, als sy fur fluchtig gegeben ward, in ihrem Haus in der Lyß beschrieben. 53 Wieder eine Woche später erschien der Wagner Rudolf Graf vor Gericht, in dessen Haus die Zwingerin zwei Hämmer hatte liegen lassen. 54 Ihm war sie 17 Schilling und 2 Pfennig schuldig geblieben. 55 Bei ihrem Nachbarn, dem Baumann Zschan Fuchsmann, standen 32½ Schilling taglon aus. 56 Weitere Schuldforderungen kamen hinzu, so dass sich ihre Verbindlichkeiten auf 8 Pfund 3½ Schilling und 2 Pfennig beliefen – Geld, das sie nicht hatte, sonst hätte sie nicht die Flucht ergriffen. Aus der Zwangsversteigerung ihres bescheidenen Besitzes ergab sich ein Betrag von 7 Pfund 7 Schilling. 57 Der einzige, der das ihm Zustehende in vollem Umfang zurückerhielt, war Ritter Bernhard Sürlin. Denn wie lidlon waren Hauszinsen eine privilegierte Schuld.58 Beim Nachlassarrest war die Reihenfolge umgekehrt. Hier folgte das Verbot meist umgehend auf die amtliche Beschreibung. Kurz nachdem die Witwe Ennelin Betterin alias Ennelin von Zürich gestorben war, wurde ihr Besitz beschrieben. 59
50 Ein Pfund (lib oder lb) sind 20 Schillinge (ß) oder 240 Denare/Pfennige (d), ein Schilling sind 12 Denare/Pfennige. Zuweilen wird auch in Kreuzer, Plappart und „Beheimsch“ (böhmische Groschen) gerechnet. 51 StABS ANA GA E 6 (1475–1493), fol. 42v: Item her Bernhart Surlin verbûtet der Zwingerin gůt fûr 2 lib 3 ß. – StABS AHA Steuern B 17 (1470–1472): St. Peter, S. 22: Item herr Bernhart Suͤrlin 5830 g. Die Zwingerin ist nicht im Steuerbuch von 1470–1472 aufgeführt, aber vermutlich ihr Mann (ebenda, St. Leonhard, S. 40): Item Hans Zwinger 10 lb. 52 StABS ANA GA E 6 (1475–1493), fol. 43r: Item Veltin Gilgenstein hat der Zwingerin gůt verbotten fûr 10 ß. – StABS AHA Steuern B 17 (1470–1472): St. Peter, S. 13: Item Veltin Gilgenstein, der schůster, 50 g. 53 StABS ANA GA K 2 (1475–1481), II, S. 120 f.: Anno lxxxmo sabbato post Agate der Zwingerin verlassen gůt als sy fûr fluchtig geben ward in irem huß zer Luß ûber beschriben und darinn funden worden. 54 StABS ANA GA K 2 (1475–1481), II, S. 120: Item in Graffen huß zwen hammen. 55 StABS ANA GA E 6 (1475–1493), fol. 43v: Item Růdolff Groff hatt verbotten derselben Zwingerin gůt 17 ß 2 d. – StABS AHA Steuern B 17 (1470–1472): St. Leonhard, S. 37: Item Růdolff Groff, der wagner, 500 g und die Krepserin, sin swiger 90 g. 56 StABS ANA GA E 6 (1475–1493), fol. 43v: Zschan Fuchßman hatt verbotten der Zwingerin gůt fûr 32½ ß umb taglon. – StABS AHA Steuern B 17 (1470–1472): St. Leonhard, S. 40: Item Zschan Fusmanie 5 lb. Fuchsmann war selbst ein säumiger Zahler (ebenda, fol. 26v). 57 StABS ANA GA G 2 (1471–1494), fol. 46r: Anno et die quo supra [Dienstag, 29. Febr. 1480] ist Zwingerin als einer flúchtigen gůt beschriben, verkufft und daruß erloͤßt worden 5 lb 15 ß me 1 lib 6 ß, erloͤst uß zwein geissen und vj ß erloͤst usß eim roß. 58 Zur Definition der verschiedenen Lohnarten vgl. Schnell (Hg.): Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 33), Nr. 148, Art. 63, S. 168 f.: Und sol fuͥr lidlon gehalten werden gesindlone, so des jors, als er denn vorderet, verdienet hett und nit uͥber das jore ußgestanden ist, deßglich ammenlone, brustlone, taglone, die nit uͥber ein monat ußgestanden sind […]. 59 StABS AHA Steuern B 17 (1470–1472): St. Peter, S. 27: Item Ennlin von Zuͤrich 20 lb.
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Das Inventar datiert auf den 29. Juli 1480.60 Am 1. August meldeten die ersten Gläubiger ihre Ansprüche an. Es waren fast ausschließlich Geldforderungen im unteren Schillingbereich, insgesamt 4 Pfund 14½ Schilling und 16 Pfennig, die mehrheitlich von wohlhabenden Kaufleuten, Schuhmachern und Schneidern herkamen: Enneli Betterin: Item Friderich Hartmann [Kaufmann] hat Ennelin Betterin zer Nuwen Badstuben seligen verlassen gůt verbotten fûr 1 lib 7 ß. ǀ Item Clauß Voͤgelin, der ferwer, hat Ennelin Betterin gůt verbotten fûr 7 ß. ǀ Item Hanß Rosenfeld [Schneider] hat Ennelin Betterin gůt verbotten fur 2 ß. ǀ Item Jacob Sarbach [Maurer] hat Ennelin von Zurch, deß Thoma trukerß efrowen seligen gůt verbotten fûr 12 ß 8 d. ǀ Elsin zum Hopt [Kauffrau] dazselb fûr 6½ ß. ǀ Item Peter, der schůmacher gegen dem Suffzen ûber, fur 7 ß. ǀ Item Clara Neigerin hat Ennelin von Zûrch seligen gůt verbotten fûr 2 ß. / Peter Schůmacher 7 ß dazselb. ǀ Zscheckabûrlin [Krämer] dazselb fûr 1 lib 4 ß 8 d. 61
Diese ‚nackten‘ Geldforderungen verdrängen seit den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts schrittweise den in den älteren Verbotsbüchern vorherrschenden reinen Sacharrest (infolge der anteilsmäßigen Befriedigung der Gläubiger). 62 Welche Kreditform diesen Geldforderungen zugrunde liegt, geht aus den Einträgen nicht hervor: Item Margret von Zurch haͤt Waltherß husfrowen Ennelin [Weberin] seligen gůt verbotten fûr 17 ß 4 d. ǀ Item Walther Růtschlin [Stadtknecht] dazselb fûr 8 ß 2 d. ǀ Item Andriß Pfister [Schuhmacher] dazselb fûr 1 lib 3 ß. Dedit totum. 63 ǀ Item Joß von Spinal [Kürschner] dazselb fûr 8 ß. Dedit totum. ǀ Heinrich Bechtolt dazselb fûr 30 ß. Dedit totum. ǀ Item Barbara, Steffen Lowen frow deß kursanerß, dazselb fûr 2½ ß. 64
Es ist nicht klar, ob Ennelin Walther Rütschlins Untermieterin oder Ehefrau war. Die beiden lebten auf jeden Fall zusammen mit Walthers Mutter in demselben Haus im Kirchspiel St. Leonhard, versteuerten aber getrennt. Zwischen 1470 und 1472 verfügte Ennelin (alias Wiberin, Tüchlinwiberin oder Neigerin) über ein für ihre Verhältnisse bescheidenes Vermögen von 25 Pfund. 65 Margret von Zürich aus dem
60 StABS ANA GA K 2 (1475–1481), II, S. 163: Anno lxxx sabbato post Jacobi [29. Juli 1480] Ennelin von Zúrch, Thoma Zirendorffer von Zurch seligen verlassen gůt beschriben und daselbs funden worden. 61 StABS ANA GA E 6 (1475–1493), fol. 47v–48v; StABS ANA GA G 2 (1471–1494), fol. 47v (22. Aug. 1480): 2 ß Knechtlohn, 6½ ß Schreib- und Rechengeld, 12 ß 8 d an Jakob von Sarbach Hauszins. Alle anderen Gläubiger gingen leer aus. 62 Signori: Schuldenwirtschaft (wie Anm. 35), S. 59–70. 63 Mit dem Vermerk dedit totum wird signalisiert, dass der Gläubiger keine weiteren Ansprüche mehr geltend machte. 64 StABS ANA GA E 6 (1475–1493), fol. 28r (1. Aug. 1478); StABS ANA GA G 2 (1471–1494), fol. 39v (17. Aug. 1478): Nach Abzug des Knecht- und Wäscherlohns, des Schreibers- und Rechengeldes, der Bestattungskosten, des Lohns für den Schmied sowie anderer Lohnforderungen blieben 16 Pfund 3 Schilling und 6 Pfennig, die ausreichten, um alle Gläubiger in vollem Umfang zu befriedigen. 65 StABS AHA Steuern B 17 (1470–1472): St. Leonhard, S. 55: Item Walther Ruͤtschli und sin můter 10 lb und Enneli, die husfrow 25 lb. Die Güter dieses Walther Rütschlin (Wachmeister) wurden, kurz nachdem er gestorben war, ihrerseits „verboten“ (StABS ANA GA E 6 [1475–1493], fol. 146r).
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Kirchspiel St. Alban, welche die Verbotsserie einleitet, besaß demgegenüber nichts.66 Pfister und Spinal, beide aus dem Kirchspiel St. Peter, versteuerten ein Vermögen von rund 100 Pfund. 67 Etwas besser situiert war mit einem Vermögen von 250 Gulden allein Heinrich Bechtold aus dem Kirchspiel St. Leonhard, über dessen ‚Beruf‘ die Quellen schweigen.68 Das Geld floss in Ennelins Fall über die Kirchspielgrenzen hinweg, aber in sozial weitgehend homogenen bzw. horizontalen Bahnen. Die Beträge sind allesamt gering. Sie bewegen sich fast ausschließlich im unteren Schillingbereich (2½, 8, 17, 30 Schilling). Als besondere Schulden herausgehoben werden in den Verbotsbüchern gewöhnlich Hauszins, Lohn und „geliehenes Geld“. Ab und an werden auch Pfänder genannt, weil sie später verrechnet werden mussten. 69 Gemessen an der Vielzahl ‚nackter‘ Geldforderungen ist der Vermerk, es handle sich um „geliehenes Geld“, in den Verbotsbüchern aber eher selten anzutreffen. Am 8. Januar 1473 verbot eine Schmitterin das Gut der jüngst verstorbenen Els Haßlerin wegen 20 Gulden, „die sie ihr auf ihr Haus geliehen habe“.70 Das war für beide Frauen sehr viel Geld. Und es waren nicht die einzigen Verbindlichkeiten der Haßlerin, die Anfang Januar 1473 vor dem Schöffengericht offengelegt wurden. Vor Gericht erschienen insgesamt 27 verschiedene Gläubiger und Gläubigerinnen! 71 Das ist eine stattliche Zahl für eine Person, die 66 StABS AHA Steuern B 19 (1475–1481): St. Alban, S. 23: Spenlihower lit am wirt. Margred von Zurich, sin husfro nût. Spänlihauer wurde 1475 wegen Missbau und ausbleibender Zahlungen gefrönt (StABS ANA GA E 6 [1475–1493], fol. 7r). Ein halbes Jahr später wurde sein Haus zwangsversteigert, vgl. Signori: Schuldenwirtschaft (wie Anm. 35), S. 83 f. 67 StABS AHA Steuern B 17 (1470–1472): St. Peter, S. 3: Item Jos von Spinal, der kuͤrsner, 100 g. Ebenda: Item Andres Pfister, der schůmacher 92 lb. 68 StABS AHA Steuern B 17 (1470–1472): St. Leonhard, S. 45: Item Heinrich Bechtolt 250 g. 69 Vgl. oben Anm. 43. 70 StABS AHA Steuern B 17 (1470–1472): St. Leonhard, S. 49: Item Else Haslerin 15 lb. In demselben Kirchspiel sind unter dem Namen Schmitterin zwei Frauen aufgeführt, eine junge und eine alte Schmitterin, die 20 bzw. 30 Pfund versteuerten (ebenda, S. 41 und 47). Welche der beiden Frauen der Haßlerin das Geld geliehen hatte, ist nicht klar. 71 StABS ANA GA E 5 (1465–1475), S. 240–242: Elß Haßlerin: Item die Kannengiesserin im Spittal hatt verbotten einer frowen seligen gůt, genant Elß Haßlerin, fûr 6 ß. ǀ Item der alt Hans Blorer [Kürschner] dasselb gůt fûr 7 lib. totum. ǀItem die Haßlerin dasselb gůt fûr 10 ß. totum. ǀ Hans von Feltkirch, der gremper, fûr 1 lib 5 ß. totum. ǀ Hans von Landows můter fûr 11½ ß umm ein umwinderlin [ringförmig verarbeitetes Leinentuch] lidlon. totum. ǀ Item meister Hans Zschan [Weber] dasselb gůt fûr ein tuͤchly, hoͤrt sant Ulrichen an buw, ist ir zu verkoffen geben, hatt sy fûr 1 g geschetzt. totum. ǀ Item 4 ß demselben Zschanen. totum. ǀ Item meister Erhart Rosenfeld [Schneider] fûr 4 lib, dafûr hatt er ein pfand, ist nit sovil wert. ǀ Item die Heidelerin hatt verbotten Elß Haßlerin seligen gůt fûr 3 ß 2 gulden [sic] minder 18 d. totum. ǀ Item die Schmitterin dasselb gůt fûr 20 g, so sy iren uff das huß gelihen hatt. totum. ǀ Hans Stahel, deß scherers wyb, fûr 1 lib 3½ ß. totum. lidlon. ǀ Anßhelm Steinhûsers frow dasselb fur 32 ß. ǀ Item Elsin Schafferß dazselb gůt fûr 5 ß lidlon von weben. totum. ǀ Item Margret Widemenny fûr ein tuͤchly fûr 8 ß. totum. ǀ Item Heinricus Gredler dasselb gůt fûr 2 g. totum. ǀ Die Altenbachin dasselb gůt fûr 10 ß /4 d/, daran hat sy ein pfant. totum. ǀ Ennelin Schoͤnkindin dasselb gůt fûr 2 g, daz ander. ǀ Elß Frygin dasselb gůt fûr 9 ß. totum. ǀ Ennelin Vaßbinderin dasselb gůt fur 3 g. totum. lidlon. ǀ Item Jacob von Wiker, der bartscherer, dazselb gůt fur 11 ß. totum. ǀ Anno 1473: Item Claus Tûtelin [Schneider] dasselb gut fûr 10 ß. totum. ǀ Růdolff Tûtelin [Karrer] dasselb gut fûr 5 ß lidlon. totum. ǀ Berbelin Nußbom [Untermieterin]
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nur 15 Pfund Vermögen versteuerte. Wie bei Walther Rütschlins Untermieterin war auch bei der Haßlerin das Geld in überwiegend horizontalen Bahnen geflossen, bei ihr jedoch innerhalb desselben Kirchspiels (St. Leonhard) und häufig von Frau zu Frau (sechzehn Frauen zu elf Männern). Aufgetürmt hatte sich im Verlauf der Jahre ein kleiner, aber für ihre Verhältnisse beachtlicher Schuldenberg von rund 50 Gulden – ein Betrag, der ihr 1470–1472 versteuertes Vermögen weit überstieg. Die Haßlerin scheint im Textilhandwerk tätig gewesen zu sein. Denn sie schuldete insgesamt sechs der sechzehn Frauen und einem Mann (Rudolf Tütelin 72) Lohn, darunter einer nicht nachweisbaren Elsin Schaffers 73 5 Schilling für Webarbeiten (von weben) und der Tochter des alten mittellosen Hans Crista ein Hemd, ein Tüchlein und 17½ Schilling als lidlon. 74 Mit einem steuerbaren Vermögen von 2.000 Gulden war der Metzger Lienhard David der reichste Mann in der Gruppe der 27 Gläubiger, gefolgt von der Witwe Helena Altenbachin mit 600 Gulden. 75 Geliehen hatte die Altenbachin der Haßlerin zwar nur etwas mehr als 10 Schilling, dies aber gegen Pfand. Dasselbe beobachten wir beim Schneider Erhart Rosenfeld, abermals aus dem Kirchspiel St. Leonhard, der um das Jahr 1470 ein Vermögen von 200 Gulden versteuert hatte.76 Rosenfeld hatte der Haßlerin abermals gegen Pfand 4 Pfund vorgestreckt. Das Pfand sei aber nit sovil wert, notierte der Gerichtsschreiber. Gewöhnlich werden in den Basler Verbotsbüchern auch Warenkredite herausgehoben. Sie werden in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aber immer seltener. Im Nachlassarrest des Siegelschneiders Jost Burnhart beispielsweise sind fünf Paar Schuhe, zehn Silbermünzen aus Metz (metzblank),77 etliche „Buchstaben“ (wohl gegossene Lettern für den Druck) und ein Bett aufgelistet, das ihm die Frau eines Heinrich Vetter vermietet hatte. Beim Rest handelt es sich abermals um ‚nackte‘ Geldforderungen (28. März 1471). 78 Jost Burnharts Gläubiger waren in der ganzen Stadt
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fûr 6 ß lidlon. ǀ . ǀ Lienhart David [Metzger] fûr 3½ ß. ǀ Item die Voͤgtin dasselb gůt fûr 3 ß. totum. ǀ Item Berchtold Mûller [Schneider] fûr 1½ gulden 6 ß. ǀ Hanß Crista, der alt zoller zů Waldenburg, Elß Haßlerin gůt fûr fûr ein hemd und tuͤchlin und anderß 17½ ß siner tochter fûr lidlon, als sy ir gedient hät. totum. Den Verrechnungen lässt sich entnehmen, dass kein Gläubiger den vollen Betrag zurückerhielt, nicht einmal die Schmitterin, denn das Haus der Haßlerin war nur 15½ Gulden wert (StABS ANA GA G 2 [1471–1494], fol. 8r–8v: 22. März 1473). StABS AHA Steuern B 17 (1470–1472): St. Leonhard, S. 42: Item Rudolff Tuͤtelin, der karrer, 40 lb. Item Conrat Tuͤtelin, sin sun, 30 lb. Das Genitiv-‚s‘ steht für ‚Frau‘ eines Schaffers. Ebenda, S. 35: Item Hans Cristen nuͤt. Hans Christa und seine Frau wurden, kurz nachdem sie gestorben waren, ihrerseits verboten (StABS ANA GA E 6 [1475–1493], fol. 47v). StABS AHA Steuern B 17 (1470–1472): St. Leonhard, S. 41: Item Lienhart Davit, der metzger, 2.000 g. Ebenda, S. 56: Item die Altenbachin 600 g. Ebenda, S. 44: Item Erhart Rosenfeld, der schnider, 200 g. Zu den im Umlauf befindlichen Münzarten vgl. Matthias Steinbrink: Ulrich Meltinger. Ein Basler Kaufmann am Ende des 15. Jahrhunderts (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 197). Stuttgart 2007, S. 63–72. StABS ANA GA E 5 (1465–1475), S. 226 f.: Sigelgraber: Item Caspar von Arx [Kaufmann] hatt verbotten ǀ /Josten Burnhart des sigelgrabers/ seligen verlassen gůt fûr totum 2 gulden. ǀ Item Heinrich Clingenberger [Schuhmacher] dasselb gůt fuͤr 5 par schuch 15 ß. ǀ ǀ Item herr Joͤrg vom Keller dasselb gůt
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verstreut, allein die beiden Kaufleute Kaspar von Arx und Hans Zscheckabürlin, der damalige Oberzunftmeister, kamen aus seinem Kirchspiel St. Martin. 79 Die meisten Schulden waren ‚nackte‘ Geldforderungen von einigen wenigen Schilling bis 2 Gulden, etwas mehr als 10 Pfund in der Summe. Außer dem Kloster Lützel erhielt keiner sein Geld in vollem Umfang zurück.80 Das Soll hatte beim Siegelgraber das Haben weit überschritten. Seiner Witwe blieb nichts mehr, womit sie hätte wirtschaften können. Im Steuerbuch von 1475 ist neben ihrem Namen ein „o“ eingetragen. 81 BESCHREIBBÜCHLEIN Den meisten Schuldnern, deren Güter aus Sicherheitsgründen in Serie von verschiedenen Gläubigern verboten wurden, begegnen wir in den Basler Beschreibbüchlein (Zwangsinventaren) wieder. In den inventarisierten Truhen, Kammern und Häusern befand sich gewöhnlich allerlei Hausrat, Kleider und Bettzeug, manchmal auch Werkzeug oder Bargeld, 82 zuweilen selbst bei denen, die sich verschuldet hatten. Unter den bescheidenen Habseligkeiten einer Margret von Ulm fanden die Amtleute 15 Schilling Bargeld. 83 Davon zogen sie umgehend 6½ Schilling Beschreibungskosten ab. 84 Offenstehende Rechnungen hatte Margret nicht. Bei der 1476 verstorbenen Margaretha vom Kaiserstuhl fanden die Amtleute allerlei Lumpen, eine kleine Lade mit vier Gebetschnüren, eine weitere mit Messern, dazu aber auch einen kleinen Schatz an verschiedenen Gold- und Silbermünzen: Item 6 guldin in gold. ǀ Item
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7 ß. totum. ǀ Item Matys Meiger dasselb gůt fûr 2 lib. totum. ǀ Item die herren zem Saffran fûr 2 gulden. ǀ ǀ Item Peter zem Plawen Vogel fûr 17 ß. totum. ǀ ǀ Item Henman von A hatt verbotten Jost Burnhartz gůt fûr 10 meczblanck und 5 d me fûr 5 ß. totum. ǀ Item Hanns Zscheckapûrlin [Kaufmann] dasselb gůt fûr 9 ß minus 2 d. totum. ǀ Item Matys Tischmacher fûr 6 ß 4 d ǀ ǀ Jost von Spinal [Kürschner] dasselb gůt fûr 8 ß. totum. hat 3 ß daran. ǀ ǀ Item Hans Foltz, der scherer, dasselb gůt fûr 6 ß 4 d. totum. ǀ Heinrich Vetters frow dasselb gůt fûr zinß von einem bett, so sy im dry wuchen von wyhenacht gelihen, ist all wuchen 5 rappen. totum. tůt 10 ß. ǀ Friderich Landek 14 ß. ǀ Hannß Hammer, der teschenmacher, 17 ß. StABS AHA Steuern B 18 (1475–1481): St. Martin, S. 11: Hans Zschickpúrlin der jung 3.200 fl. – Ebenda, S. 21: Herr Hans Zschickpûrlin 12.800 fl. – Ebenda, S. 15: Caspar von Arx 1.200 fl. Vgl. Paul Koelner: Die Safranzunft zu Basel und ihre Handwerke und Gewerbe. Basel 1935, S. 497, 500, 523, 585, 607; Ders.: Die Zunft zum Schluͤssel in Basel. Basel 1953, S. 221, 249 f., 252. StABS ANA GA G 2 (1471–1494), fol. 2v. StABS AHA Steuern B 18 (1475–1481): St. Martin, S. 16: Die Sigelgrabin o. Katharina Simon-Muscheid: Die Dinge im Schnittpunkt sozialer Beziehungsnetze. Reden und Objekte im Alltag (Oberrhein, 14. bis 16. Jahrhundert) (Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte 193). Göttingen 2004. StABS ANA GA K 2 (1475–1481), II, S. 3: Anno etc. 1478 uff mitwoch nach Letare [4. März 1478] von geheiß miner herren ist Margret seligen von Ulm verlassen gůt beschriben. Ebenda: Item 15 ß in barschafft. ǀ Item 6½ ß zu beschriben.
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42 behemsch. ǀ Item 4 kerlin [Gefäß] aber uff 10 blaphart gelts. ǀ Item 10 ß in múncz.85 Von „geliehenem Geld“ ist in den Beschreibbüchlein verständlicherweise selten die Rede. Das Inventar ist nicht der richtige Ort, Ansprüche geltend zu machen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Der Stadtarzt Hans Wilhelm hatte 1475 bei Ulrich Meltinger diverse Silbergegenstände versetzt, wie es heißt, vmm ein summ geluhes geltz, nemlich 44 Pfund Basler Pfennige. 86 Im Nachlaßinventar des hoch verschuldeten Schusters Hans von Vinstingen ergänzte der Gerichtschreiber am Rand: Item lederin mantel /Hans von Hall hat 1 lb daruff gelihen/. 87 Ungewöhnlich viel Bargeld und „Briefe“ hatte der im Oktober 1479 verstorbene Küfer Cloͤwin Zschampi gehortet.88 In Geldnöten befunden hatte er sich nicht, im Gegenteil. Die Orte, wo er sein Hab und Gut aufbewahrte, waren dabei genauso bemerkenswert wie das Verwahrte selbst. Den einen Teil nämlich hatte Zschampi im Kloster St. Leonhard deponiert, den anderen im Frauenkloster Klingental.89 Die Amtleute begannen ihre Arbeit im Kloster St. Leonhard. 90 Dort fanden sie einen „Trog“ mit allerlei Kleidern, Hüten und Tüchern sowie eine kleine Kiste (ledlin) mit „Gerümpel“, dazu Zschampis Schuldbücher, drei kleine Bücher und Schreibzeug. 91 Am Tag darauf gingen die Amtleute ins Kloster Klingental, wo sie auf einen ungewöhnlichen Hort an Bargeld Basler, Metzer und Straßburger Prägung stießen.92 Auch diverse 85 StABS ANA GA K 2 (1475–1481), I, S. 24: 1476 an frytag nach Jubilate [10. Mai] ist Margret von Kaiserstůl seligen in Fritz Brotbecken huß abgangen vnd ir uerlassen gůt hinder dem wirt zem Blůmen beschriben worden. 86 StABS ANA GA K 2 (1475–1481), I, S. 3. Vgl. Steinbrink: Ulrich Meltinger (wie Anm. 77), S. 85–87. 87 StABS ANA GA K 2 (1475–1481), I, S. 13–15. 1470 hatte er im Kirchspiel St. Peter noch 250 Gulden versteuert (StABS AHA Steuern B 17 [1470–1472]: St. Leonhard, S. 13). Kurz nach seinem Tod häufen sich die Verbote (StABS ANA GA E fol. 8r–9v). 88 StABS AHA Steuern B 17 (1470–1472): St. Leonhard, S. 61: Item Clewi Zschanpe, der kuͤbler, 800 g. 89 Renée Weis-Müller: Die Reform des Klosters Klingental und ihr Personenkreis. Diss. Basel 1956, S. 144. Vermutlich hatte Klaus früher in Kleinbasel gelebt, wie die anderen Mitglieder seiner Familie. 90 Nicht erwähnt bei Beat Matthias von Scarpatetti: Die Kirche und das Augustiner-Chorherrenstift St. Leonhard in Basel (11./12. Jh.–1525). Ein Beitrag zur Geschichte der Stadt Basel und der späten Devotio Moderna (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft 131). Basel u.a. 1974. 91 StABS ANA GA K 2 (1475–1481), II, S. 99 f.: Zschampi: anno lxxnono mercurij ante Galli ist Cloͤwin Zschampiß seligen verlassen gůt von befelch miner herren beschriben worden menglichem zů sinen rechten in dem closter zů sant Leonhart. Aus dem Jahr 1477 stammt das Mächtnis, das er und seine Frau Elsa miteinander abgeschlossen hatten. Es enthält nichts, das uns weiterhelfen könnte, außer dem Hinweis, dass die beiden kinderlos waren (StABS ANA B 10 [1475–1480], S. 125): Item do hat frow Elsa Zschampin mit dem ersamen Hanß von Langental, spitalmeister, irem vettern und mit recht gegebnen vogt, der iren in dirr nachgeschribnen sach uff verzihung der vogti, so Clauß Zschampi, ir elicher mann und vogt zů ir hat, dem erstgemelten Clauß Zschampi ir varent gůt gemacht nach der stattrecht und hat irselbs darinn vorbehalten 40 g, cleider, cleinoter und waz zů irem lib gehoͤrt, davon sol mann geben irß bruderß seligen dryen kinden iglichem 10 g und Agta von Zabern, der kannengiesserin, och 10 g. So dann hat sy och gemacht 20 g den frowen zu Gnadental uff irem dritteil irß huses mit den fûrworten, wer den bestimpten iren dritteil des huses nemen welle, daz der den frowen die 20 g uswissem soͤllte. 92 StABS ANA GA K 2 (1475–1481), II, S. 100–102: Anno quo supra jovis ante Galli ist sin gůt in dem closter Clingental beschriben und daselbs funden worden als hernach staͤt: Item ein beschlagen laden und darinn in einem hultzin zeinlin [?] 19 lib, 2 Basler blaphart in iteligen blapharten. ǀ
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Rentenbriefe hatte Zschampi dort deponiert, die mit dem Bargeld zusammen eine Summe von mehr als 900 Gulden ergeben haben dürften. 93 In einer Zelle im Dormitorium des Frauenklosters stießen die Amtleute schließlich noch auf allerlei Kissen, Teppiche, Tücher und Stoffe, die dem Verstorbenen gehörten.94 Wie all dies in das Frauenkloster gelangt war, wissen wir nicht (Zschampis Sohn Oswald war Beichtvater der Klosterfrauen von Klingental 95). Wie Zschampi führten den Basler Beschreibbüchlein zufolge sehr viele Geschäftsleute Schuldbücher. Erhalten geblieben sind aber nur diejenigen Exemplare, die als Beweismittel oder als Besitztitel Eingang in die örtlichen Archive fanden. 96 VERGICHTBÜCHER Überwiegend von Geldschulden handeln schließlich die Basler Konfessat- oder Vergichtbücher, in denen die Schuldner ihre Verbindlichkeiten öffentlich vor Gericht „bekannten“.97 Der Eintrag ins Gerichtsbuch war kostenlos, vorausgesetzt Gläubiger und Schuldner waren sich einig. War das nicht der Fall, musste der Schuldner eine Gebühr von 6 Schilling Pfennigen bezahlen. 98 Aus der Unentgeltlichkeit dürfte sich die vergleichsweise hohe Zahl von 300 bis 400 Konfessaten jährlich erklären.99
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Item 50 gulden in eim liderin seklin. ǀ Item aber ein roter sekel und darin 9 meczblanken, dry alt blaphart und 1 behemsch, ein schlussel blaphart, ein Strasburger groschen, zwen Strasburger blaphart und 20 Strasburger blaphart. ǀ Item 91 gulden in eim clein ledlin. ǀ Item ein silberin zanschaben, ein seklin mit pfeffer, 6 lerer sekel und geltseklin, ein wenig tafelblyß, ein silberin becher. ǀ Item ein lini seklin und darinn 74 lib 10 ß in fierern. ǀ Item 24 lib in Crútzern in eim ledlin und 2 fierer. Ebenda: Item ein brieff wyset 18 lib lipding zinses her Oswalten, sinem sun. ǀ Item ein brief wy 10 ß geltz. ǀ Sin mechnuß brieff. ǀ Ein brieff wyset 10 gulden lypdings uff Huningen. ǀ Ein brieff wyset 40 gulden lipding zinses uff Mulhusen. Oswald war Beichtvater der Klosterfrauen. Ebenda. Weis-Müller: Reform des Klosters Klingental (wie Anm. 89), S. 144. Hans-Jörg Gilomen: Der Kleinkredit in spätmittelalterlichen Städten. Basel und Zürich im Vergleich, in: Rudolf Holbach / Michel Pauly (Hg.): Städtische Wirtschaft im Mittelalter. Festschrift für Franz Irsigler zum 70. Geburtstag. Köln/Weimar/Wien 2011, S. 109–148; Steinbrink: Ulrich Meltinger (wie Anm. 77); Gabriela Signori (Hg.): Das Schuldbuch des Basler Kaufmanns Ludwig Kilchmann (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 231). Stuttgart 2014. Siehe oben S. 27 f. mit Anm. 40. Schnell (Hg.): Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 33), Nr. 122, S. 117 (1433): und sol der, dem die schuͥlde zue gehoͤrt, vi phenn. in den stock geben von solicher vergicht wegen, so im der schuldener getaͤn und im hatt lassen inschriben. dieselben sechs phenn. sollent ouch mit der houptschuͥlde ingeschriben werden, wand der schuldener und nit der glouber die phlichtig sol sin ze bezalende mit der selben houptschuͥlde. Der Ordnung des Nachgerichts lässt sich entnehmen, dass bis zu diesem Zeitpunkt (1433) der Gläubiger für die Gerichtskosten aufgekommen war und nicht der Schuldner. Vgl. Hagemann: Basler Rechtsleben (wie Anm. 33), Bd. 2, S. 49 f. Signori: Schuldenwirtschaft (wie Anm. 35), S. 31. Im Jahr 1427 zählt Hans-Jörg Gilomen einmalig 698 Vergichte (Hans-Jörg Gilomen: Frauen als Schuldnerinnen und Gläubigerinnen in der Stadt Basel in den 1420er Jahren, in: Gabriela Signori [Hg.]: Prekäre Ökonomien. Schulden in Spätmittelalter und Früher Neuzeit [Spätmittelalterstudien 4]. Konstanz/München 2014, S. 103–137).
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Beträge unter 5 Pfund sollten laut Gerichtsordnung vom 7. Februar 1433 jeweils am Montag oder am Mittwoch verhandelt werden. 100 Für Beträge über 5 Pfund waren der Dienstag und der Donnerstag vorgesehen. Daran hielten sich die Betroffenen gewöhnlich, so dass die überragende Mehrzahl der Vergichte ihrem geringen Streitwert entsprechend auf Montag oder Mittwoch datiert. Schulden öffentlich zu bekennen war für den Gläubiger ein Sicherungsinstrument, das reibungslose Rückzahlung garantierte. 101 Eine öffentlich bekannte Schuld musste bei Zahlungsverzug nicht mehr gerichtlich erstritten bzw. bewiesen werden, da die Sanktionen in diesem Fall unmittelbar in Kraft traten. Das hob die ansonsten eher schlechte Zahlungsmoral. Wer eine öffentlich bekannte Schuld „übersaß“, das heißt, wer eine solche Schuld nicht fristgerecht beglich, wurde laut Ratserlass vom 28. Mai 1421 unverzüglich vor die Unzüchter, die für Schuldsachen zuständigen Gerichtsherren, 102 geboten und von denselben unzúchtern ane alle gnade in eide genommen […], ein phund phenningen ze besserung ze gebende, einen monat vor den crútzen ze leistende und nit harin ze kommende, er habe denne die besserung geben, den monat geleistet und den schuldner unclaghaft gemacht. 103
Der säumige Schuldner durfte die Stadt erst wieder betreten, wenn er das Bußgeld bezahlt und seine Schulden beglichen hatte, zudem für einen Monat in die Verbannung gegangen war. Brach er den Schwur und blieb trotzdem in der Stadt, sollten ihn die Wachmeister in ein kefien legen, in ein nacht darinn beliben lassen und im nútzit anders denn wasser und brot ze essende geben, und sol dennocht fúr der stette crúze ußgewisen werden ze leistende und ze haltende als vor geschriben stat. 104
Bei Wasser und Brot in den Käfig gelegt wurden Schuldner also nicht wegen offenstehender Schulden, sondern wegen Meineid. In den älteren Schuldbekenntnissen werden die Sanktionen, allen voran der Stadtverweis, ab und an noch explizit genannt.105
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Im Jahr 1427 sind es auch doppelt so viele Frönungen und Verbote wie sonst (Hagemann: Basler Rechtsleben [wie Anm. 33], Bd. 2, S. 124). Schnell (Hg.): Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 33), Nr. 122, S. 116 (1433). Andreas Heusler: Zur Geschichte des Executivprocesses in Deutschland, in: Zeitschrift für Rechtsgeschichte 6 (1867), S. 127–205, hier S. 143–158; Hagemann: Basler Rechtsleben (wie Anm. 33), Bd. 2, S. 48–61. Zu den Unzüchtern vgl. Hagemann: Basler Rechtsleben (wie Anm. 33), Bd. 1, S. 196: „Die Häufung der Straffälle, die er seiner Entscheidung unterwarf, veranlaßte den Rat, für die Aburteilung der leichteren Vergehen, die er ebenfalls von Amtes wegen verfolgen lassen wollte, einen ständigen Ausschuß aus seiner Mitte zu bestellen: die ‚Unzüchter‘. Dieses Gremium bestand [ursprünglich] aus einem Ritter und zwei Achtburgern, die vierteljährlich wechselten.“ Schnell (Hg.): Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 33), Nr. 112, S. 110. Der Beschluss datiert auf den 28. Mai 1421. In der revidierten ‚Unzüchterordnung‘ aus dem Jahr 1515 (ebenda, Nr. 232, S. 247) wird präzisiert, dass „vergichte“ Schulden innerhalb eines Monats bezahlt werden müssten, „vergichte“ Zinsen (Hauszinsen oder Ewigzinsen) hingegen binnen zwei Wochen, vgl. Hagemann: Basler Rechtsleben (wie Anm. 33), Bd. 2, S. 48–50. Schnell (Hg.): Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 33), Nr. 112, S. 110. StABS ANA GA C 1 (1425–1437), fol. 15v (Dienstag, 29. Jan. 1426): Item do veriach Henslin Armbruster pro se etc. Hansen Irmin, dem koͤffhußkarrer, vel suis heredibus, 4½ gulden und den
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Zuweilen werden in den Vergichtbüchern auch noch Zahlungstermine festgelegt oder Pfänder gestellt. Später begnügten sich die Gläubiger immer häufiger mit dem summarischen Verweis auf das „Stadtrecht“. In den älteren Konfessatbüchern sind noch vergleichsweise viele Warengeschäfte verzeichnet, die später in das Kaufhausbuch ausgelagert wurden. 106 In den ersten Jahren kamen auch noch viele Schuldner von auswärts. 107 Sowohl der hohe Anteil an Auswärtigen als auch die Vielzahl der Warengeschäfte sollten in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts schrittweise zurückgehen. An die Stelle der Fremden traten im Verlauf des Jahrhunderts immer ausschließlicher ‚kleine Leute‘, während die Schuldbekenntnisse der Kaufleute wie ihre Warengeschäfte im Kaufhausbuch verzeichnet werden mussten. Eingetragen wurden in die Vergichtbücher von Anfang an aber auch reine Geldgeschäfte, wie das als „geliehenes Geld“ ausgewiesene Darlehen, dass Ennelin Rübsam im Jahr 1426 ihrem ältesten Sohn Klaus gewährte: Item do veriach Claus Růbsam frow Ennelin, siner můter 22 guldin , als si im die bâr verlichen hetti, und des ze sicherheit so versatzt er ir darumb in phandes wyse sin graw pherid in den worten, wenne ir jungster sun harkommet, daz er denne das pherid sol verkoͤffen. Gilt es denne me denne 2 gulden, daz sol si im hinuß gen, gulte es aber minder, dasselb sol er ir nachziehen. promittens de rato. 108
Ennelin Rübsam war eine Geschäftsfrau, die auch innerhalb der Familie auf klare Verhältnisse bestand und Geld nicht ohne Pfand bzw. Sicherheit verlieh. In der Stadt herrschte Realerbteilung, kein Kind sollte dem anderen vorgezogen werden. Daran hielten sich die Städter gewöhnlich akribisch. 109 22 Gulden waren zu der Zeit ein ansehnlicher Betrag für einen jungen Mann ohne Rücklagen. 110 Der in den Vergichtbüchern fixierte Geldverleih in Gestalt von „geliehenem Geld“ bewegte sich gewöhnlich jedoch nicht in horizontalen, sondern in vertikalen Bahnen, wie eines der zahlreichen Beispiele aus dem Jahr 1475 zeigt: Item an sampstag ante Jacobi hat Peter Kúbler nach bekannter urteil verjehen hern Hanns Irme 8 g geliches geltes. 111 Kübler, der Schuldner, lässt sich in den Steuerlisten nicht nach-
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kosten ze bezalend untzen ze mittfasten oder aber der stettrecht vor den crûtzen, also daz man in darumb fûr die unzûchter nit bedarff jagen. Promittens de rato ad manus scult. per fidem etc. Zu den Kreuzen Guy P. Marchal: „Von der Stadt“ und bis ins „Pfefferland“. Städtische Raumund Grenzvorstellungen anhand von Urfehden und Verbannungsurteilen oberrheinischer und schweizerischer Städte, in: Ders. (Hg.): Grenzen und Raumvorstellungen (11.–20. Jh.) (Clio Lucernensis 3). Zürich 1996, S. 225–263. Ein Kaufhausbuch wurde allerdings schon 1417 geführt, vgl. Schnell (Hg.): Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 33), Nr. 100, S. 99. Anders als die Einheimischen mussten sie versprechen, die Stadt nicht zu verlassen, bis sie ihre Schulden beglichen hätten. StABS ANA GA C 1 (1425–1437), fol. 43r. Hagemann: Basler Rechtsleben (wie Anm. 33), Bd., 2, S. 34–48, 304–312. Gustav Schönberg: Finanzverhältnisse der Stadt Basel im XIV. und XV. Jahrhundert. Tübingen 1879, S. 528 (1429 war Klaus selbst Kaufmann und versteuerte ein ungefähres Vermögen von 150 bis 300 Gulden). StABS ANA GA C 12 (1471–1480), S. 1.
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weisen.112 Irmi, der Gläubiger, hingegen zählte in den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts zu den reichsten Männern der Stadt. 113 Umrahmt werden diese als „geliehenes Geld“ herausgehobenen Schulden gelegentlich von der Formel „um seiner Bitte wegen“ oder „aus guter Freundschaft“: Jtem do bekannt sich Hanns von Lietingen, der meczger, fur sich und all sin erben, das er rechter redlicher schuld schuldig syg und gelten solte dem ersamen wysen Heinrichen von Brunn, burger und des rats ze Basel, und allen sinen erben 20 rinisch g /so er im von siner ernstlichen bitt also bare gelihen hette/, dieselben schuld hatt er glopt vnd versprochen ze bezalende […].114
Abermals sticht das soziale Gefälle zwischen Gläubiger und Schuldner, dem Metzger und dem steinreichen Kaufmann, ins Auge.115 Dasselbe Gefälle beobachten wir abermals bei dem Ehepaar Klaus und Verena Klüpfel, das im Januar 1480 gemeinsam beim Kaufmann Bechtold Dold Geld aufgenommen hatte. 116 Jtem da habent Clauß Clupffel [zur Judenschule] und Verena, sin efrowe, sich bekant unverscheidelich schuldig sin meister Bechtolt Dolden 20 rynisch guldin in gold gelihens gelcz, dieselbige schuld sy in min deß notarien, anstatt minß hern schultheis [Hand] glopt und versprochen habent fur sich und ir erben, im oder sinen erben uszerichten uff pfingsten nechstkunfftig. 117
Als Sicherheit bzw. Pfand brachte das Ehepaar einen Schuldbrief aus Genf zum Einsatz. 118 Wenige Wochen später starb Klaus Klüpfel. Am 3. Mai meldeten die ersten Gläubiger ihre Ansprüche an mit Geldforderungen, die sich in der Summe auf 120 Gulden, 142 Pfund und 14½ Schilling beliefen (das überschritt Klüpfels Finanzverhältnisse 112 1463 hatte er mit seiner Frau Greda einen Widemsvertrag aufgesetzt (StABS ANA B 8a [1463– 1465], S. 80), das Haus zum Schwanen an der Freien Straße sowie diverse Rebäcker, Äcker, Matten und Korngülten betreffend. Sie hätten einen Sohn, von dem sie seit langem nichts mehr gehört hätten. Sie seien beide „alt und betagt“, hieß es schon 1463. 113 StABS AHA Steuern B 18 (1475–1481): St. Martin, S. 19: Hans Irmy, Paltasar Irmy und und Rigart von Andlo, min vogt tochter 12.600 fl. / 12.200 fl. 114 StABS ANA GA C 12 (1471–1480), S. 113. – StABS ANA GA C 5 (1445–1455), fol. 107r: Jtem do veriahent meister /Peter/ Engel, der weber, und Greda, sin ewirtin, […] Michel Franken, der vor ettzlichen ziten miner herren soldner wazz, 20 guldin von lihendes wegen, die er inen in gůter frûntschaft verlichen hat, dieselben 20 gulden soͤllent si im, oder ob er nit were, Margrethen von Swartzenburg, /siner ewirtin/, oder iren erben gütlich und aͮne alles verziehen geben und bezalen untzen uff sant Martins tag prox. Teͣtent si des nit, wezz denne der genant Michel Frangk, oder ob er nit were, /die vorgenant sin ewirtin oder ir/ erben /des/ in schaden und kosten koͤmment oder kommen moͤchtent, den soͤllent si inen abtragen und darzů der statt recht tun. Promittens de rato per fidem ad manus Mangni notarii. 115 StABS AHA Steuern B 17 (1470–1472): St. Leonhard, S. 44: Item Hans von Lietingen, der metzger, 300 [sic]. – Ebenda, S. 56: Item Heinrich von Brunnen 5.000 g. 116 StABS AHA Steuern B 17 (1470–1472): St. Leonhard, S. 58: Item Clewi Klüpfel zer Judenschůl 200 g. – StABS AHA Steuern B 18 (1475–1481): St. Martin, S. 12: Bechtold Told 2.500 fl. 117 StABS ANA C 12 (1471–1480), S. 371. 118 Ebenda: Und deß zu sicherheit habent sy im ingesetzt die schuld und brieff, so die von Genff im [sic] schuldig sint etc., mit den furworten, wo die bezalung nit beschech in maß [als] vorstät, mag er die selbigen schuld und brieff, und ob daran abgon wurde alle ander ir ligende und varende guͤter, sampt und sunderß, angriffen biß zu voller bezalung mit dem kosten daruff gangen, alles ungeverlich.
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bei weitem).119 Klüpfel war im Handel tätig gewesen, wie wir den Basler Kundschaften entnehmen. 120 Zusammen mit Konrad Remisfeld hatte er um das Jahr 1465 eine Handelsgesellschaft gegründet. 121 Daraus erklären sich wohl auch die vergleichsweise hohen Schuldverpflichtungen. Von zwei Ausnahmen abgesehen handelt es sich wieder ausschließlich um ‚nackte‘ Geldforderungen. Unter seinen Gläubigern treten namhafte Basler Kaufleute hervor wie Kaspar von Arx, Hans von Bizanz, Heinrich Meder, Ludwig Schmid und Ludwig Zscheckabürlin. 122 Bechtold Dolds Name erscheint nicht auf der Gläubigerliste. Dank dem Eintrag im Vergichtbuch hatte er seine 20 Gulden binnen Monatsfrist zurückbekommen. Geldbeträge von 20 Gulden und mehr sind in den Basler Vergichtbüchern aber eher selten verzeichnet. Die meisten der öffentlich vor Gerichte bekannten Schulden bewegen sich in bescheideneren Dimensionen (unter 5 Pfund). Zu einem ähnlichen Resultat ist Hans-Jörg Gilomen gelangt bei seiner Auswertung der Zürcher Eingewinnungsverzeichnisse.123 Vor allem in Krisenzeiten majorisierten Klein- und Kleinstbeträge alle anderen öffentlich bekannten Schulden. Das heißt nicht, dass wirtschaftliche Not zwang, mehr Schulden aufzunehmen als gewöhnlich, sondern lediglich, dass die Gläubiger in schweren Zeiten selbst bei Kleinstbeträgen auf zusätzlichen Sicherheiten bestanden. 124 Anders als das „geliehene Geld“ fließen diese Klein- und Kleinstbeträge zumeist in horizontalen Bahnen. Aus der Masse der Gläubiger ragt 119 StABS ANA E 6 (1475–1493), fol. 45v–46r: Clúpfel: Item meister Heinrich von Voll hat Clauß Clupfels seligen gut verbotten fur 13 lib minus 1 ß. ǀ Item Remisfelden hat dazselb verbotten fur 35 g. ǀ Item Hertrichs seligen frow dazselb fúr 8 lib 17 ß. ǀ Item Caspar von Arx dazselb fúr 10 lib 6 ß. ǀ Item Cloͤwein Kung von Bartenhein fur 3½ lib 2 ß. ǀ Item der alt wagmeister dazselb fúr 2 lib 12 ß minus 1 rappen. ǀ Item Hannß Muller von Wallenburg fur 16 lib uff rechnung. ǀ Item Stroͤlerin, die zieglerin, fúr 2½ lib daz erst. ǀ Item Erhart Wagnerß seligen wittwe dazselb fur 9 lib. ǀ Item die thomherren zu Tann dazselb fúr 48 g. ǀ Item der propst daselbs fúr 28 lib 5 ß d. ǀ Item Růdolf Hasenclaw dazselb fur 4 g. ǀ Item Martin Alban, der karrer von Sulgen, dasselb fúr 4 g und 30 ß lidlon. ǀ Item Erhart Lanthelin dazselb fur 35 ß. ǀ Steffan Behem hat Clupfels gut verbotten fur 9 g. ǀ Item Joͤrg Fyhel von Weiblingen hat Clauß Clúpfels seligen gůt fur 8 lib . 120 Über seine Tätigkeit wird gesagt (StABS GA D 11 [1475–1480], fol. 89v [1479]): Jtem Heinrich Grúsch von Fryburg in Vͤchtland hat geseit bij sinem geswornenn eid, wie sich vor xiiij joren, minder oder mer ungeverlich, gemacht, daz Claus Clúpffel zü im hie in der statt Basel komenn und geseit, wie er, nemlich Clúpffel, und Rennisfeld ein zijt gemeinschafft mit einannder gehept und ein summ geltz zusamen geleit, damit zu werben, bäten in, disen gezúgen, so wol thon und ein dritt mann mit inen ze sind und och in gemeinde mit inen zu werben. Rennisfeld 35 Gulden. Handel mit Häuten. 121 StABS AHA Steuern B 19 (1475–1481): St. Alban, S. 1: Cůnrad Remyßfeld 150 fl. Vgl. HansRudolf Hagemann: Basler Handelsgesellschaften im Spätmittelalter, in: Peter Böckli u.a. (Hg.): Festschrift für Frank Vischer zum 60. Geburtstag. Zürich 1983, S. 557–566. 122 StABS ANA E 6 (1475–1493), fol. 46v: Clupfel: Item Heinrich Meder dazselb fur 1 lib. ǀ Item Ludwig Smid verbut Clupfels gůt fur 5 lib 14½ ß. ǀ Item Zscheckaburlin dazselb fur 10 lib 19 ß. ǀ Item Clauß Senger dazselb fur 8 g. ǀ Item Hanß von Bisantz dazselb fur 12 g in gold. ǀ Item Casper von Arx 10 lib 6 ß. 123 Gilomen: Substitution jüdischer Kredite im Spätmittelalter (wie Anm. 18), S. 218 f. und 224. 124 Richard Goddard: Surviving Recession: English Borough Courts and Commercial Contraction, 1350–1550, in: Ders. / John Langdon / Miriam Müller (Hg.): Survival and Discord in Medieval Society. Essays in Honour of Christopher Dyer (The Medieval Countryside 4). Turnhout 2010, S. 69–87.
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jedoch eine kleine Gruppe von reichen und superreichen Kaufleuten hervor, welche die Geschäfte mit ‚kleinen Leuten‘ nicht scheuten, allen voran Friedrich Hartmann, genannt zur Linde, Ludwig Zschackabürlin, Ludwig Schmid, Heinrich von Münsterol und der Schumacher Hans Steinsulz. 125 Am Montag, den 12. Juni 1480 sind nacheinander fünf Konfessate eingetragen, davon gehen vier auf besagten Friedrich Hartmann, genannt zur Linde, zurück: zer Linden
Item Claus Fromhercz vergicht Friderich zer Linden xiiij ß uff rechnung, retulit Clauß. ǀ Item Elß Luchsenhofin vergicht Friderich zer Linden viij blaph[art]. ǀ Item Agneß Lepkuͤchlerin vergicht Friderich zer Linden j lib ix ß. ǀ Item Heinrich Sutor vergicht Friderich zer Linden xxxv ß uff rechnung, retulit Peterhans. ǀ Item Heinrich Wyslin vergicht meister Heinrich Meigern iiij lib. 126
Friedrich zur Linde lebte zusammen mit seiner Mutter im Kirchspiel St. Martin, dem Kirchspiel der Kaufleute, und versteuerte 1475 ein Vermögen von 2.200 Gulden. 127 Nur die Lebküchlerin wohnte in seinem Kirchspiel.128 Die Schuldner des Hans Steinsulz kamen hingegen fast alle aus der Nachbarschaft, und die meisten von ihnen waren Frauen.129 Für welche Art von Geschäften diese von Kaufleuten vorgestreckten Klein- und Kleinstbeträge stehen, erfahren wir nicht. Selbst bei den Schulden auf Rechnung wird nicht gesagt, was genau verrechnet wurde. Aber die Vergichtbücher bestätigen den in den Verbotsbüchern gewonnenen Eindruck, dass die Geldgeschäfte dieser Kaufleute sozial wenig exklusiv waren. Kaufleute wie Ulrich Meltinger oder Ludwig Kilchmann agierten jedoch völlig anders. 130 *** Die Basler Gerichtsbücher überrollen uns mit einer Lawine an Geldforderungen, über deren Zustandekommen genauso wenig gesprochen wird wie über die Kosten und den daraus erzielten Gewinn, mit dem ich meine Ausführungen begonnen habe. Sozial konzentrieren sich die Einträge in den Gerichtsbüchern im Verlauf der Jahre immer mehr auf eine Armada kleiner Leute, die in prekären Wirtschaftsverhältnissen lebten, weil sie mit Geld wirtschafteten, das sie laut Steuerbüchern gar nicht hatten. Die gewerbetreibende Mittelschicht und die im Handel tätige Oberschicht organisierten ihre Geschäfte anders. Für Konfessat und Warenkredit benutzten sie das Kaufhausbuch, flankiert von privaten Schuld- oder Geschäftsbüchern, die laut Be125 126 127 128
Signori: Schuldenwirtschaft (wie Anm. 35), S. 47–53. StABS ANA C 12 (1471–1480), S. 400. StABS AHA Steuern B 18 (1475–1481): St. Martin, S. 8: Fridrich zer Linde und sin můter 2.200 fl. StABS AHA Steuern B 18 (1475–1481): St. Martin, S. 18: Acharius Lepkuͤcher und sin stiefftochter. Bei beiden ist ein „o“ eingetragen. 129 Signori: Schuldenwirtschaft (wie Anm. 35), S. 48–50; Gabriela Signori: Vorsorgen – Vererben – Erinnern. Kinder- und familienlose Erblasser in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 160). Göttingen 2001, S. 194–196. 130 Franz Irsigler: Kaufmannstypen im Mittelalter, in: Cord Meckseper (Hg.): Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des Bürgertums in Norddeutschland, 1150–1650, Bd. 3. Stuttgart-Bad Cannstatt 1985, S. 385–397.
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schreibbüchlein fast jeder führte, der Handel oder Gewerbe trieb.131 Dementsprechend selten sind diese Gruppen in den jüngeren Verbotsbüchern als Schuldner anzutreffen, noch seltener begegnen wir ihnen in den Vergichtbüchern. Ob Verbot oder Vergicht, die hohe Zahl an ‚nackten‘ Geldforderungen überrascht. Woher die Schulden kamen, wird, wie gesagt, selten präzisiert. Das war sicher gewollt. Verstreut stoßen wir auf Pfänder oder „geliehenes Geld“. Worin sich dieses „geliehene Geld“ von anderen Geldforderungen unterscheidet, geht aus den Einträgen jedoch nicht hervor. Ob Hans-Jörg Gilomens Einschätzung stimmt, bei dem „geliehenen Geld“ handle es sich nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis um zinslose Darlehen, vermag ich auf der Grundlage der Basler Gerichtsbücher nicht zu beurteilen. 132 Der schier unüberschaubaren Masse an Geldgeschäften begegnete die Stadt mit dem Ausbau der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Mehrfach verbot sie im Verlauf des 15. Jahrhunderts auch Wuchergeschäfte, meinte damit aber stets die Pfandleihe.133 In den Basler Vergichtbüchern findet sich zum 12. April 1480 der Eintrag: Item Arnolt, der scherer, hat sich bekannt und verjehen, das er Lienharten von Arow ein silbrin kettin, so er im gelihen hatt, hie zwuschen pfingsten ze antwurten. 134 Das dürfte eine jener Pfandleihen gewesen sein, welche die Stadt eigentlich nicht in ihren Mauern haben wollte. Der Amtmann wurde nicht dafür bezahlt, die Rechtmäßigkeit der Geschäfte zu kontrollieren. Bezahlt wurde er fürs Schreiben. Und so schlich sich in die Gerichtsbücher gelegentlich ein, was eigentlich nicht hätte sein dürfen. Auf solche Pfandgeschäfte stoßen wir in den Verbots- und Vergichtbüchern mehrfach. Der Durchgang durch die Basler Gerichtsbücher hat in vielerlei Hinsicht mehr Fragen aufgeworfen als Antworten geliefert. Es braucht mehr Vergleichsstudien, welche die Daten nicht anonymisieren, sondern personalisieren. Denn bei den Personen liegt der Schlüssel zu einem besseren Verständnis des städtischen Wirtschaftslebens. Ohne Kaufleute ist dieses Wirtschaftsleben zwar nicht denkbar, aber es beschränkt sich nicht auf sie. In der Summe sollte deutlich geworden sein, dass die vielen kleinen Geldgeschäfte, denen wir in den Basler Verbots- und Vergichtbüchern begegnen, alles andere als eine ökonomische Randerscheinung waren, sondern vielmehr das Fundament des städtischen Wirtschaftslebens bildeten. Es ist kaum vorzustellen, dass dies im 14. Jahrhundert, als in Basel noch Juden lebten, völlig anders gewesen sein soll.
131 Signori: Schuldenwirtschaft (wie Anm. 35), S. 121–135. 132 Im vorliegenden Band S. 123. 133 Schnell (Hg.): Rechtsquellen von Basel (wie Anm. 33), Nr. 101, S. 100: uff borg, in pletzschis oder wůchers wise. Vgl. Gilomen: Substitution jüdischer Kredite im Spätmittelalter (wie Anm. 18), S. 221: „Das Verbot wucherischen Borgkaufs wurde in städtischen Statuten eingeschärft und insbesondere Jugendliche von einer Verschuldung durch solche Kredite geschützt.“ 134 StABS ANA GA C 12 (1471–1480), S. 393.
DAS KONSTANZER AMMANNGERICHTSBUCH (1423–1434) ALS QUELLE FÜR CHRISTLICH-JÜDISCHE KREDITGESCHÄFTE Ein Projektbericht Christian Hagen, Kiel Aber des vorgeschriben jars mornend nach sant Bartholomeus tag [25. August 1435] waich enweg von disem land vͤlrich jm holtz, der zuͤ constentz jn grossem gewerb vnd globen sasz, vnd was schuldig, als man sagt, by achtzig tusend guld(in) vnd mer vnd hett gar vil lüt angestossen vn(d) betrogen. 1
Der Bankrott des Färbers und Kaufmanns Ulrich Imholz muss für Zeitgenossen wie den Konstanzer Chronisten Gebhart Dacher (um 1425–1471) aufsehenerregend gewesen sein, schon aufgrund der enormen Schuldensumme von 80.000 Gulden. Zugleich handelt es sich nicht um das ökonomische Scheitern ‚irgendeines‘ Konstanzers, denn Ulrich Imholz hatte als Beteiligter am Gesellschaftshandel und zeitweiliges Ratsmitglied ohne Zweifel einige städtische Bekanntheit. 2 Außerdem wird an späterer Stelle in der Chronik deutlich, wie die Schuldstreitigkeiten sogar den obrigkeitlichen Anspruch des Rates zu gefährden drohten, da der Gläubiger und Geschlechtsbürger Hans Lind im August 1437 den Kaufmann in seine Gewalt brachte, obwohl dieser vom König freies Geleit nach Konstanz erhalten hatte. 3 Mit Ulrich Imholz tritt einer von zahllosen wirtschaftlichen Akteuren klarer zu Tage, die im Konstanzer Ammanngerichtsbuch aus dem Zeitraum von 1423 bis 1434 verzeichnet sind.4 Während der Nationalökonom Eberhard Gothein in Imholz aufgrund der Auseinandersetzungen mit der Leinweberzunft einen frühen Textil-Industriellen sehen wollte, hat Anton Maurer ihn eher als ‚typischen‘ Kaufmann charakterisiert, der überwiegend mit Leinwand handelte, dabei jedoch besonders viel Kapital bewegte. 5 1 2
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Sandra Wolff: Die „Konstanzer Chronik“ Gebhart Dachers. „By des Byschoffs zyten volgiengen disz nachgeschriben ding vnd sachen …“. Codex Sangallensis 646: Edition und Kommentar (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen 40). Ostfildern 2008, S. 549. Zu dem ursprünglich vermutlich aus St. Gallen stammenden und seit 1414 in Konstanz nachweisbaren Ulrich Imholz zuletzt Barbara Frenz: Ulrich Imholz, die Leinenweber und der Rat von Konstanz, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 148 (2000), S. 41–66; außerdem Anton Maurer: Ulrich Imholz. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte der Stadt Konstanz aus der Zeit nach dem Konzil, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 44 (1915), S. 93–110, hier S. 94. Vgl. Wolff: Chronik (wie Anm. 1), S. 575 f. Das Original befindet sich im Stadtarchiv Konstanz (im Folgenden StAK), A IX 10. Siehe Eberhard Gothein: Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes und der angrenzenden Landschaften, Bd. 1: Städte und Gewerbegeschichte. Straßburg 1892, S. 523; Maurer: Imholz (wie Anm. 2), S. 99–102; Rudolf Holbach: Frühformen von Verlag und Großbetrieb in der gewerb-
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Es überrascht nicht, dass die ältere Wirtschaftsgeschichte im Allgemeinen gerade an den bedeutendsten Kaufleuten und Bankiers der Zeit Interesse gezeigt hat. Anhand des Konstanzer Ammanngerichtsbuchs sind beispielsweise auch die Geschäfte Lüpfried Muntprats, Teilhaber an der Ravensburger Gesellschaft, nachvollzogen worden. Aloys Schulte sah in ihm um 1430 den reichsten Bürger und Kaufmann in ganz Schwaben. 6 In der Folgezeit hat sich vor allem Hektor Ammann (1894–1967) ausführlich mit dem Konstanzer Ammanngerichtsbuch beschäftigt und daraus 1949 sowie 1952 Auszüge veröffentlicht. 7 Doch auch für den Schweizer Historiker und Archivar standen die genannten „großzügige[n] Kaufmannsgestalt[en]“ von Konstanz im Vordergrund. 8 Daneben galt Ammanns Interesse all jenem, was „über die Stadt hinaus von Bedeutung“ war, besonders den überregionalen Handelsbeziehungen. 9 Zahlreiche seiner Feststellungen zur Konstanzer Wirtschaft flossen später in seine Arbeit zum Lebensraum der mittelalterlichen Stadt ein. 10 Der Themenbereich Kredit und Schulden stand dementsprechend nicht im Zentrum von Ammanns Untersuchungen. Eine darauf ausgerichtete systematische Durchsicht des Ammanngerichtsbuchs erfolgt derzeit im Rahmen des an der Universität Kiel angesiedelten DFG-Projekts ‚Gläubiger und Schuldner: Christliche und jüdische Darlehensmärkte in deutschen Städten des Spätmittelalters‘. Im Folgenden wird zunächst das Forschungsvorhaben mit seinen methodischen Implikationen skizziert, um danach zwei Hauptfragen nachzugehen: Welche Erkenntnisse lassen sich in Bezug auf den urbanen mittelalterlichen Kreditmarkt aus dem Ammanngerichtsbuch ziehen? Und welche Aussagen können wir anhand dieses Beispiels über das Verhältnis von christlichem und jüdischem Kredit treffen? DAS FORSCHUNGSVORHABEN An die Arbeiten von Craig Muldrew und Laurence Fontaine anknüpfend, die beide die Bedeutung des Vertrauens und der sozialen Verflechtungen für Kreditgeschäfte hervorgehoben haben, sind in den letzten Jahren die sozialen Aspekte des Schuldenlichen Produktion (13.–16. Jahrhundert) (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 110). Stuttgart 1994, S. 156 f., 564. 6 Aloys Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft 1380–1530, Bd. 1 (Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit 1). Berlin 1923, S. 24–29; Ders.: Wer war um 1430 der reichste Bürger in Schwaben und in der Schweiz?, in: Deutsche Geschichtsblätter 1 (1900), S. 205–210. 7 Hektor Ammann: Konstanzer Wirtschaft nach dem Konzil, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 69 (1949/50), S. 63–174; Ders.: Die Judengeschäfte im Konstanzer Ammanngerichtsbuch 1423–34, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 71 (1952), S. 37–84. – Zur Person Michael Fahlbusch: Art. ‚Hektor Ammann‘, in: Ders. / Ingo Haar / Alexander Pinwinkler (Hg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften. Akteure, Netzwerke, Forschungsprogramm. 2. Aufl., Berlin/Boston 2017, Teilbd. 1, S. 21–27. 8 Ammann: Wirtschaft (wie Anm. 7), S. 90. 9 Ammann: Judengeschäfte (wie Anm. 7), S. 37. 10 Hektor Ammann: Vom Lebensraum der mittelalterlichen Stadt. Eine Untersuchung an schwäbischen Beispielen, in: Berichte zur deutschen Landeskunde 31 (1963), S. 284–316, hier S. 296–301.
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machens und Geldverleihens seitens der wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Forschung auch für das Mittelalter wieder vermehrt thematisiert worden. 11 Immer noch unter dem Eindruck der europäischen Vertrauens- und Schuldenkrise widmeten sich in den letzten Jahren mehrere Tagungen dem Themenkomplex Kredit- und Schuldenwirtschaft. 12 Mit dem Projekt ‚Gläubiger und Schuldner: Christliche und jüdische Darlehensmärkte in deutschen Städten des Spätmittelalters‘ werden auf der Basis von seriellen Quellen und mit statistisch-prosopographischer Methodik einige städtische Darlehensmärkte des Reichsgebiets im 14. und 15. Jahrhundert vergleichend in den Blick genommen. Es geht somit um die Einordnung des christlichen und jüdischen Kreditwesens in das örtliche, aber auch überregionale Wirtschaftssystem. Zu beachten sind die unterschiedlichen Formen und Typen des Kredits, der individuelle und allgemeine finanzielle Umfang der Geschäfte und nicht zuletzt die soziale Struktur des Kreditmarkts. Das Hauptaugenmerk richtet sich auf das Verhältnis und die funktionalen Wechselbeziehungen zwischen christlichem und jüdischem Kredit. Damit folgt das Projekt nicht zuletzt inhaltlich-methodisch den Überlegungen von Michael Toch und Hans-Jörg Gilomen zur Substitution jüdischer Kredite im Spätmittelalter.13 Denn wenn die Rolle der christlichen wie jüdischen Geldgeber bzw. ihr Zusammenspiel verstanden werden soll, kann nicht streng zwischen christlicher Wirtschaft und jüdischen Geschäften getrennt werden. 14 Zugleich ist es wichtig, Ausmaß und Umfang der jüdischen wie christlichen Kreditpraxis miteinander zu vergleichen, um der älteren, eindimensionalen Darstellung entgegenzuwirken, wonach die Juden über das gesamte Mittelalter hinweg die wichtigsten Kreditgeber gewesen oder gar keinem anderen Gewerbe nachgegangen seien. Gerade von der wirtschaftlichen Tätigkeit der Juden im Mittelalter zeichnet die Forschung aufgrund der zahlreichen Untersuchun11 Craig Muldrew: The Economy of Obligation. The Culture of Credit and Social Relations in Early Modern England. London 1998; Laurence Fontaine: The Moral Economy. Poverty, Credit and Trust in Early Modern Europe. Cambridge 2014 [L’Économie Morale. Pauvreté, credit et confiance dans l’Europe préindustrielle. Paris 2008], S. 268–296. – Jüngst Gabriela Signori: Schuldenwirtschaft. Konsumenten- und Hypothekarkredite im spätmittelalterlichen Basel (Spätmittelalterstudien 5). Konstanz/München 2015, S. 9–13. 12 Siehe die Beiträge in Gabriela Signori (Hg.): Prekäre Ökonomien. Schulden in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (Spätmittelalterstudien 4). Konstanz/München 2004; Kurt Andermann / Gerhard Fouquet (Hg.): Zins und Gült. Strukturen des ländlichen Kreditwesens in Spätmittelalter und Frühneuzeit (Kraichtaler Kolloquien 10). Epfendorf 2016. – Auch der Arbeitskreis für spätmittelalterliche Wirtschaftsgeschichte tagte im Dez. 2015 zu ‚Kredit im Mittelalter: Kultur-, sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Herangehensweisen‘, vgl. den Tagungsbericht von Simone Würz, in: H-SozKult, 30.06.2016, www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-6587 [15.11.2017]. 13 Michael Toch: Der jüdische Geldhandel in der Wirtschaft des Deutschen Spätmittelalters: Nürnberg 1350–1499, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 117 (1981), S. 283–310, hier S. 306– 309; Hans-Jörg Gilomen: Die Substitution jüdischer Kredite im Spätmittelalter. Das Beispiel Zürichs, in: Lukas Clemens / Sigrid Hirbodian (Hg.): Christliches und jüdisches Europa im Mittelalter. Kolloquium zu Ehren von Alfred Haverkamp. Trier 2011, S. 207–234. 14 Wenngleich Ammann die wirtschaftlichen Verflechtungen gesehen hat, fällt aus heutiger Perspektive doch auf, dass er die „Geschäfte der Judengemeinde“ bzw. „Judengeschäfte“ (vielleicht auch nur aus Formgründen) gesondert von den Urkunden zur Wirtschaftsgeschichte publiziert hat. Vgl. Ammann: Judengeschäfte (wie Anm. 7), S. 37–43, bes. S. 37.
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gen der letzten Jahre bereits ein sehr viel differenzierteres Bild. 15 Das christliche kanonische Zinsverbot und die Ausnahmen davon hatten allerdings trotzdem zentrale Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Aktivitäten von Juden und Christen. 16 Die vergleichende Perspektive des Projekts richtet sich auf das Reichsgebiet, zeitlich und örtlich sind jedoch drei Schwerpunkte gesetzt: Untersucht wird zum einen Wien, der große Hauptort und die Residenz des Hauses Habsburg, zum anderen Konstanz, eine bedeutende Bischofsstadt, die sich in Emanzipation von ihrem ursprünglichen Stadtherrn zur Reichsstadt entwickelte, sowie das hessische Babenhausen, eine kleine Residenzstadt der Herren von Hanau mit damals ungefähr 800 Einwohnern. Bei der Auswahl der Untersuchungsorte musste gemäß der Fragestellung darauf geachtet werden, dass zum einen die jüdische Präsenz gegeben war und zum anderen genügend Material überliefert ist. Da es sich zudem um drei Residenzstädte ganz unterschiedlicher Größe und Ausprägung handelte, kann für die Fragestellung ebenso das Zusammenspiel von Stadt und Hof berücksichtig werden. 17 Als Quellen werden primär städtische Amtsbücher herangezogen, entsprechend ergänzt um weiteres Material. Damit wird die Frage des christlich-jüdischen Kredits auf möglichst breiter Datenbasis thematisiert. Untersuchungen zu einzelnen Orten wie Trier oder Koblenz haben beachtliche Ergebnisse hervorgebracht, mussten sich dabei jedoch häufig mit verstreuter urkundlicher Überlieferung zufriedengeben. 18 Den Wert serieller Quellen für die Untersuchung von Darlehensmärkten hat neben anderen Stuart Jenks anhand von Gerichtsprotokollen des bischöflichen Landgerichts Würzburg unter Beweis gestellt.19 Ganz explizit den jüdischen Geldhandel hat Michael Toch wiederholt quantifizierend untersucht und dabei auch die Ammannschen Regesten des Konstanzer Gerichtsbuchs berücksichtigt. 20 Die Gerichtsüberlieferung hat in den letzten Jahren insgesamt wieder erhöhte Aufmerksamkeit erfahren. 21 15 Siehe die Beiträge in Michael Toch (Hg.): Wirtschaftsgeschichte der mittelalterlichen Juden: Fragen und Einschätzungen (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 71). München 2008; ferner Gregor Maier: Wirtschaftliche Tätigkeitsfelder von Juden im Reichsgebiet (ca. 1273 bis 1350) (Arye-Maimon-Institut für Geschichte der Juden: Studien und Texte 1). Trier 2010. 16 Siehe Markus J. Wenninger: Juden und Christen als Geldgeber im hohen und späten Mittelalter, in: Alfred Ebenbauer / Klaus Zatloukal (Hg.): Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt. Wien u.a. 1991, S. 281–299; Hans-Jörg Gilomen: Wucher und Wirtschaft im Mittelalter, in: Historische Zeitschrift 250 (1990), S. 265–301. 17 Dies ergibt sich auch aus der Kooperation mit dem in Kiel beheimateten Projekt der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen ‚Residenzstädte im Alten Reich (1300–1800). Urbanität im integrativen und konkurrierenden Beziehungsgefüge von Herrschaft und Gemeinde‘, vgl. https:// adw-goe.de/forschung/forschungsprojekte-akademienprogramm/residenzstaedte/ [15.11.2017]. 18 Friedhelm Burgard: Funktion und Rolle der stadttrierischen Bankiers von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts, in: Ders. u.a. (Hg.): Hochfinanz im Westen des Reiches 1150–1500 (Trierer historische Forschungen 31). Trier 1996, S. 179–208; Franz-Josef Ziwes: Zum jüdischen Kapitalmarkt im spätmittelalterlichen Koblenz, in: ebenda, S. 49–74. 19 Stuart Jenks: Judenverschuldung und Verfolgung von Juden im 14. Jahrhundert. Franken bis 1349, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 65 (1978), S. 309–356. 20 Toch: Geldhandel (wie Anm. 13), S. 297 f.; Ders.: Wirtschaft und Geldwesen der Juden Frankfurts im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: Karl Erich Grözinger (Hg.): Jüdische Kultur in Frankfurt am Main von den Anfängen bis zur Gegenwart. Ein internationales Symposium der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main und des Franz Rosenzweig
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Die Bücher der freiwilligen Gerichtsbarkeit aus Konstanz und Wien enthalten eine Vielzahl öffentlicher Schuldverschreibungen, sei es für Warenkauf auf Kredit oder Darlehensgeschäfte auf Basis von Grundstücken (Renten). 22 Die Babenhausener Gerichtsprotokolle bieten darüber hinaus zahlreiche Beispiele für das Einklagen nicht bezahlter Schulden sowie Auseinandersetzungen um Bürgschaften und Pfandgegenstände.23 Diverse Quellenreihen städtischer Herkunft wurden von der Forschung zudem zwar beachtet, aber lediglich aus der Perspektive des jüdischen Kredits untersucht oder summarisch abgehandelt. Aufgrund der schieren Masse verwundert es auch nicht, dass die Forschung sich erst zum Teil an diesen Quellen abgearbeitet hat. Die Zahl der Nürnberger Schuldbekenntnisse wird für den Zeitraum zwischen 1484 und 1498 zum Beispiel auf etwa 13.000 geschätzt. 24 Gerade mit den Untersuchungen zu Basel und Zürich sind diesbezüglich bereits wegweisende Schneisen durch das Quellendickicht geschlagen. 25 Eingedenk mündlicher Vereinbarungen und privater Geschäftsbücher bilden selbst diese seriellen Quellen in der Regel nur einen Bruchteil der tatsächlichen Schuldgeschäfte ab. Neben der Frage nach der Verflechtung von Darlehensgeschäften von Christen und Juden bleibt es ebenso ein Ziel, einen möglichst umfassenden Blick auf die betreffenden spätmittelalterlichen städtischen Kreditmärkte zu gewinnen. In Zusammenarbeit mit der Abteilung Forschungsdatenmanagement des Kieler Rechenzen-
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Research Center for German-Jewish Literature and Cultural History (Jüdische Kultur 1). Wiesbaden 1997, S. 25–46, hier S. 27 f. Mit jüdischem Schwerpunkt jüngst Claudia Steffes-Maus: Juden vor dem Rothenburger Landgericht während der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in: Alfred Haverkamp / Jörg R. Müller (Hg.): Verschriftlichung und Quellenüberlieferung. Beiträge zur Geschichte der Juden und der jüdisch-christlichen Beziehungen im spätmittelalterlichen Reich (13./14. Jahrhundert) (Forschungen zur Geschichte der Juden, Abt. A: Abhandlungen 25). Peine 2014, S. 171–215; David Schnur: Juden und Gerichtsbücher am Beispiel der Reichsstadt Frankfurt am Main (1330–1400), in: ebenda, S. 217–273. – Siehe auch den Beitrag von David Schnur in diesem Band. Eine Teilauswertung der Wiener Satzbücher bei Hertha Ehrenböck: Das jüdische Darlehensgeschäft auf Liegenschaften in Wien im späteren Mittelalter. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte der Juden in Österreich. Diss. phil. Wien 1932. Regesten bei Friedrich von Battenberg (Bearb.): Quellen zur Geschichte der Juden im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt (1080–1650) (Quellen zur Geschichte der Juden in hessischen Archiven 2). Wiesbaden 1995. Zu den Gerichtsprotokollen Gunter Gudian: Recht und Gericht im Alltag einer spätmittelalterlichen Gemeinde, in: Jürgen Damrau (Hg.): Festschrift für Otto Mühl zum 70. Geburtstag 10. Oktober 1981. Stuttgart u.a. 1981, S. 209–224. Einzelaspekte sind anhand der Babenhausener Überlieferung durch Schüler des Rechtshistorikers Gunter Gudian untersucht worden. Thematisch relevant Burkhard Kunstein: Vollstreckungs- und Pfandrecht in Babenhausen im 14. und 15. Jahrhundert. Diss. jur. Köln 1973; Manfred Hüttemann: Die Bürgschaft im Babenhausener Recht des 14. und 15. Jahrhunderts (Gerichtsbücherstudien 6). Aalen 1976. Vgl. auch Schnur: Juden und Gerichtsbücher (wie Anm. 21), S. 221 Anm. 26. Valentin Groebner: Ökonomie ohne Haus. Zum Wirtschaften armer Leute in Nürnberg am Ende des 15. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 108). Göttingen 1993, S. 192. Gilomen: Substitution (wie Anm. 13); Ders.: Der Kleinkredit in spätmittelalterlichen Städten. Basel und Zürich im Vergleich, in: Rudolf Holbach (Hg.): Städtische Wirtschaft im Mittelalter. Festschrift für Franz Irsigler zum 70. Geburtstag. Köln 2011, S. 109–148; Signori: Schuldenwirtschaft (wie Anm. 11).
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trums wurde seit Anfang des Jahres 2017 eine auf die Projektanforderungen zugeschnittene Access-Datenbank entworfen, die zur Sammlung und Verknüpfung von Informationen (zu den Personen sowie zu Kreditvolumen, Laufzeit und so weiter) dient. Daraus ergibt sich einerseits eine belastbare statistische Basis für den jeweiligen städtischen Markt und den Vergleich. Andererseits können durch die Verknüpfung eines jeden Geschäftsaktes mit den personengeschichtlichen Daten mit Hilfe dieses Werkzeugs die Geschäfte einzelner Individuen näher betrachtet werden. Den ‚Karrieren‘ der Schuldner und Schuldnerinnen wird im Besonderen nachzugehen sein, da die soziale Dimension der Kreditmärkte entsprechend Beachtung finden soll. Hierzu gehört auch die Möglichkeit, im Rahmen der Arbeit an der Datenbank die Verbindung persönlicher Schuldverhältnisse sichtbar zu machen und womöglich das aus Schulden resultierende soziale Geflecht aufzuzeigen. Die bereits bekannten Kaufleute gilt es dabei weiter im Auge zu behalten. Uns beschäftigt aber zudem die Frage, inwieweit beispielsweise auch die Schuldverhältnisse der urbanen Unterschicht, der ‚working poor‘, abzulesen sind. In diesen weniger Vermögenden sind zugleich die Hauptnutzer der sogenannten Kleinkredite zu sehen, die in der Sektion ‚Ökonomische Glaubensfragen‘ des Hamburger Historikertags 2016 im Mittelpunkt standen. Kleinkredite, gemeint sind meist Konsumkredite von geringem Umfang, werden im modernen Kontext in der Regel unter Angabe einer maximalen Kreditsumme (zum Beispiel bis 5.000 Euro) eingegrenzt, eine einheitliche Definition existiert jedoch nicht. 26 Auch die historische Forschung bedient sich des Begriffs eher lose und in Gegenüberstellung zu großen Krediten. Trotz aller Probleme der Vergleichbarkeit und um dennoch einen Richtwert zu haben, wird in Anlehnung daran für Konstanz das Jahreseinkommen eines Tagelöhners als Grundlage genommen. Auf dieser Basis werden im vorliegenden Beitrag Darlehen bis maximal 7 Gulden, was ungefähr dem Tagelohn eines Quartals in Konstanz in den 1420er/30er Jahren entsprach, als Kleinkredite betrachtet. 27 Zum Zweck des Vergleichs bieten diese geringen Einkommen eine Ausgangsbasis. Es liegt jedoch auf der Hand, dass die subjektive Bewertung eines Kredits oder einer Geldsumme damals wie heute im Auge des Betrachters liegt und in Abhängigkeit zu Einkommen und Vermögen steht. Was in unterschiedlichen sozialen Gruppen des Spätmittelalters als kleiner oder großer Kredit galt, ist anhand serieller Quellen kaum herauszuarbeiten. 26 Siehe Kompakt-Lexikon Wirtschaft. 5.400 Begriffe nachschlagen, verstehen, anwenden. 12. Aufl., Wiesbaden 2014, S. 309. Nach Stand Jan. 2017 entsprächen 5.000 Euro mehr als drei Monaten Bruttolohn eines gemäß Mindestlohn Beschäftigten. 27 Ein Konstanzer Tagelöhner erhielt im Bauhandwerk Mitte des 15. Jh.s am Tag etwa 14 bis 16 Pfennig. Bei angenommenen 265 Arbeitstagen und voller Beschäftigung zu 16 Pfennig ergibt sich ein Jahreseinkommen von 4.240 Pfennig (27,18 Gulden) und ein Quartalseinkommen von 6,79 Gulden. Vgl. Ulf Dirlmeier: Untersuchungen zu Einkommensverhältnissen und Lebenshaltungskosten in oberdeutschen Städten des Spätmittelalters (Mitte 14. bis Anfang 16. Jahrhundert) (Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 1978/1). Heidelberg 1978, S. 180; Julius Cahn: Münz- und Geldgeschichte der im Großherzogtum Baden vereinigten Gebiete, Tl. 1: Münz- und Geldgeschichte von Konstanz und des Bodenseegebietes im Mittelalter bis zum Reichsmünzgesetz von 1559. Heidelberg 1911, S. 381–384.
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DIE STADT KONSTANZ ZU BEGINN DES 15. JAHRHUNDERTS Die historischen Wurzeln der Stadt Konstanz liegen in der Marktsiedlung, die um 900 in enger Verbindung mit dem Bischofssitz entstand. 28 Seit dem 11. Jahrhundert schwand der Einfluss des bischöflichen Stadtherrn auf die Bürgerschaft, die sich in Annäherung an das staufische Königtum 1192 die Steuerfreiheit gegenüber dem Bischof bestätigen ließ. 29 Im Laufe des 13. Jahrhunderts entwickelte sich das Ratsgremium bereits zum wichtigsten städtische Selbstverwaltungsorgan. Im Jahr 1312 schloss die Kommune ein erstes Städtebündnis mit Zürich, Schaffhausen und St. Gallen ab. Bereits um 1400 konnte der Bischof kaum mehr herrschaftliche Ansprüche durchsetzen. Die Stadt sicherte sich königliche Gerichtsprivilegien und Zollrechte und galt inzwischen unbestritten als Reichsstadt.30 Im 15. Jahrhundert umfasste Konstanz ungefähr 5.000 bis 6.000 Einwohner. Die wirtschaftliche Geltung verdankte der Ort nicht zuletzt der ausgezeichneten Verkehrslage an Bodensee und Rhein. Besondere ökonomische Bedeutung für den Bodenseeraum erlangte seit dem 12. Jahrhundert die Produktion von Leinwand, später gewannen auch der Barchent- und Seeweinhandel an Gewicht. 31 Die Stadt entwickelte sich zu einem wichtigen Ort des Italienhandels, enge Bindungen bestanden nach Mailand und Venedig. Im 13. Jahrhundert sind auch italienische Geldhändler, „Lombarden“ oder „Kawerschen“ genannt, in der Bodenseestadt nachweisbar. 32 Um den auswärtigen Kaufleuten den Warenhandel zu erleichtern, baute die Stadt ab 1388 das direkt am See gelegene großräumige mehrstöckige Kaufhaus, das als Lagerplatz, Verkaufshalle und Zollstelle diente. 33 Während des Konstanzer Konzils
28 Siehe Helmut Maurer: Konstanz im Mittelalter, 2 Bde. 2. Aufl., Konstanz 1996, Bd. 1, S. 52–65; Peter F. Kramml: Konstanz: Das Verhältnis zwischen Bischof und Stadt, in: Elmar L. Kuhn u.a. (Hg.): Die Bischöfe von Konstanz, Bd. 1: Geschichte. Friedrichshafen 1988, S. 288–300. Zur Residenzfunktion Andreas Bihrer: Art. ‚Konstanz‘, in: Werner Paravicini (Hg.) / Jan Hirschbiegel / Jörg Wettlaufer (Bearb.): Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Ein dynastischtopographisches Handbuch, Teilbd. 2: Residenzen (Residenzenforschung 15,1,2), S. 306–309; Ders.: Der Konstanzer Bischofshof im 14. Jahrhundert. Herrschaftliche, soziale und kommunikative Aspekte (Residenzenforschung 18). Ostfildern 2005. 29 Maurer: Konstanz (wie Anm. 28), Bd. 1, S. 100–116, bes. S. 112 f. 30 Kramml: Konstanz (wie Anm. 28), S. 292. 31 Vgl. Hektor Ammann: Die Anfänge der Leinenindustrie des Bodenseegebiets, in: Alemannisches Jahrbuch 1 (1953), S. 251–313, hier S. 269–271. 32 Einzelbelege bei Winfried Reichert: Lombarden in der Germania-Romana. Atlas und Dokumentation, Tl. 2 (Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte 2,2). Trier 2003, S. 383 f. Im Jahr 1281 nahm der Konstanzer Rat Franziskus Sbarrata aus Asti mit drei socii in das Bürgerrecht auf mit der ausdrücklichen Erlaubnis, Kapital gegen Zins (decem solidos pro uno denario, libram vero pro duobus denariis) ausleihen zu dürfen. Siehe Aloys Schulte: Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwischen Westdeutschland und Italien mit Ausschluß Venedigs, 2 Bde. Leipzig 1900, Bd. 2, S. 213 f. 33 Zum Konstanzer Kaufhaus Heinz Kimmig / Peter Rüster: Das Konstanzer Kaufhaus. Ein Beitrag zu seiner mittelalterlichen Rechtsgeschichte, 2 Bde. (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen 6). Konstanz 1954; zuletzt Nina Kühnle: Vom Breisgau bis zum Bodensee: Kaufhäuser als Zentren von Handel und Profit, in: Gudrun Ochs / Gabriel Zeilinger (Hg.): Kaufhäuser an
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wurde das Gebäude 1417 bekanntermaßen als Ort für das Konklave genutzt, als Martin V. zum Papst gewählt wurde. Aus Anlass der Kirchenversammlung kam zudem eine Vielzahl fremder Kaufleute, Handwerker und Bankiers in die Stadt. 34 Neben den Florentinern agierte zu dieser Zeit der bekannte Basler Henmann Offenburg als Bankier in Konstanz, und auch die einheimischen Bürger selbst betrieben Geldwechsel, wofür sie dem Rat monatliche Gebühren zahlten. 35 Dass es in der hier behandelten Folgezeit einen Rückgang von Konsum, Gewerbeproduktion und Handel gab, mutet plausibel an, insgesamt geht die Forschung für die Jahrzehnte nach dem Konzil jedoch nicht von einem regelrechten Einbruch der wirtschaftlichen Entwicklung aus. 36 Einen ersten Hinweis auf die Anwesenheit von Juden in Konstanz stellt die Erwähnung in der sogenannten Reichssteuerliste von 1241 dar. Die Stadt selbst zahlte damals 60 Mark Silber, die Konstanzer Juden wurden mit 20 Mark Silber veranschlagt.37 Nach den Verfolgungen von 1349 erscheinen Juden erst wieder seit 1375 vereinzelt in den Quellen. 38 Das Bürgerbuch sowie Urkunden belegen die Neuaufnahme in die Stadt. Für die regelmäßige Beteiligung der Juden am Geldverleih sprechen diverse Schuldquittungen ebenso wie das Fragment eines hebräischen Geschäftsbuchs aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. 39 Im September 1413 nahm König Sigismund zugunsten der Stadt Konstanz mehrere hier lebende jüdische Familien unter seinen Schutz, die sich ihm und dem Reich
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Mittel- und Oberrhein im Spätmittelalter. Funktionen und Funktionalisierungen (in Vorbereitung zum Druck in der Reihe ‚Schriften zur südwestdeutschen Landesgeschichte‘). Siehe Gerhard Fouquet: Die unverzichtbaren Geldgeber. Kaufleute-Bankiers auf dem Konzil, in: Karen Evers (Bearb.): Das Konstanzer Konzil 1414–1418. Weltereignis des Mittelalters (Katalog). Darmstadt 2014, S. 123f.; Kurt Weissen: Die Päpste und ihre Bankiers. Von Italien nach Konstanz, in: Karl-Heinz Braun u.a. (Hg.): Das Konstanzer Konzil (1414–1418). Weltereignis des Mittelalters (Essays). Darmstadt 2013, S. 28–32. Weissen: Päpste (wie Anm. 34), S. 29 f.; Schulte: Geschichte des mittelalterlichen Handels (wie Anm. 32), Bd. 1, S. 338 f. Klaus D. Bechtold: Zunftbürgerschaft und Patriziat. Studien zur Sozialgeschichte der Stadt Konstanz im 14. und 15. Jahrhundert (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen 26). Sigmaringen 1981, S. 25 f. Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. 3, hg. von Jakob Schwalm (Monumenta Germaniae Historica, Leges IV,3). Hannover/Leipzig 1904–1906 [MGH Const. III], S. 2–5. Zur jüdischen Gemeinde von Konstanz im Mittelalter siehe Franz Hundsnurscher: Art ‚Konstanz‘, in: Arye Maimon (Hg.): Germania Judaica, Bd. 3: 1350–1519, Teilbd. 1. Tübingen 1987, S. 665–673; Renate Overdick: Die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Juden in Südwestdeutschland im 15. und 16. Jahrhundert, dargestellt an den Reichsstädten Konstanz und Eßlingen und der Markgrafschaft Baden (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen 15). Konstanz 1965; Hortense Hörburger: Judenvertreibungen im Spätmittelalter. Am Beispiel Esslingen und Konstanz (Campus Forschung 237). Frankfurt a.M. u.a. 1981, S. 70; Maurer: Konstanz (wie Anm. 28), Bd. 1, S. 152–154; Bd. 2, S. 65 f. Vgl. Hörburger: Judenvertreibungen (wie Anm. 38), S. 70 f., 108 f.; Wolfgang von Stromer / Michael Toch: Zur Buchführung der Juden im Spätmittelalter, in: Jürgen Schneider (Hg.): Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege. Festschrift Hermann Kellenbenz, Bd. 1: Mittelmeer und Kontinent (Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte 4). Stuttgart 1978, S. 387–412.
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in der Vergangenheit als dienstbar erwiesen hatten. 40 Der König erließ ihnen auf zwölf Jahre den goldenen Opferpfennig und die halbe Judensteuer. Mit dieser weitgehenden Abgabenbefreiung hatten die Juden vornehmlich die Konstanzer Steuer zu entrichten, bei Rechtsstreitigkeiten sollten sie sich einzig vor dem Konstanzer Rat oder dem Ammanngericht verantworten. Auf solche Weise versuchten die Konstanzer Juden vermutlich die Gefahr zu mindern, mit dem Wuchervorwurf ihrer Schuldner vor ein geistliches Gericht zitiert zu werden. 41 Doch blieb ein Restrisiko dennoch bestehen. 1413 genannt sind mit Isaak, Gottlieb, Salman, Löw, Abraham, Samuel und Kirsman zahlreiche auch im Ammanngerichtsbuch erwähnte Juden. 42 Im Jahr 1425 gewährte Sigismund der Stadt abermals die Aufnahme von Juden zu ihrem Nutzen.43 Für den Beginn des 15. Jahrhunderts werden zwölf bis sechzehn jüdische Haushalte angenommen. Von mehreren Häusern in jüdischem Besitz beherbergte ein Gebäude des Ramungshofs (in der heutigen Münzgasse) die Synagoge (juden schuͦl). 44 Die jüdische Besiedlung konzentrierte sich im Bereich Fischmarkt / untere Münzgasse, archäologische Funde deuten auf eine Kellermikwe in diesem Areal hin. 45 Wie viele Gemeinden verhielten sich auch die Stadtoberen von Konstanz den Juden gegenüber sehr zwiespältig. 46 Bereits eine Konstanzer Ratsordnung von 1383 reglementierte allgemein die Geldleihe. 47 Demnach hatte das Ratsregiment ein besonderes Interesse daran, auch den ärmeren Bewohnern die Geldbeschaffung zu ermöglichen. Der Rat setzte zwar eine Zinsobergrenze, billigte jedoch die hochverzins40 Regesta Imperii XI. Die Urkunden Kaiser Sigmunds (1410–1437), 2 Bde., bearb. von Wilhelm Altmann. Innsbruck 1896–1900, Bd. 1, Nr. 736 (15. Sept. 1413). Vgl. Heymann Chone: Zur Geschichte der Juden in Konstanz, in: Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland 6 (1936), S. 3–16, hier S. 13; Karel Hruza: König Sigismund und seine jüdischen Kammerknechte, oder: Wer bezahlte „des Königs neue Kleider“?, in: Ders. / Alexandra Kaar (Hg.): Kaiser Sigismund (1368–1437). Zur Herrschaftspraxis eines europäischen Monarchen (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 31). Wien u.a. 2012, S. 75–136. 41 Dazu Hans-Jörg Gilomen: Kooperation und Konfrontation. Juden und Christen in den spätmittelalterlichen Städten im Gebiet der heutigen Schweiz, in: Matthias Konradt / Rainer Christoph Schwinges (Hg.): Juden in ihrer Umwelt. Akkulturation des Judentums in Antike und Mittelalter. Basel 2009, S. 157–227, hier S. 203. 42 Vgl. Ammann: Judengeschäfte (wie Anm. 7), S. 42–74. 43 Regesta Imperii XI (wie Anm. 40), Bd. 2, Nr. 6176 (3. März 1425). 44 StAK, A IX 10, S. 277, 364. Vgl. Chone: Geschichte (wie Anm. 40), S. 12. 45 Jochem Pfrommer: Auf den Spuren jüdischer Geschichte in Konstanz. Eine spätmittelalterliche Mikwe im Bereich Fischmarkt / untere Münzgasse, in: Dorothea Weltecke (Hg.) / Mareike Hartmann (Bearb.): Zu Gast bei Juden. Leben in der mittelalterlichen Stadt. Begleitband zur Ausstellung. Konstanz 2017, S. 97–103. 46 Siehe u.a. Markus J. Wenninger: Man bedarf keiner Juden mehr. Ursachen und Hintergründe ihrer Vertreibung aus den deutschen Reichsstädten im 15. Jahrhundert (Archiv für Kulturgeschichte, Beihefte 14). Wien u.a. 1981; Gilomen: Kooperation und Konfrontation (wie Anm. 41), S. 157–227. 47 Edition bei Otto Feger (Bearb.): Vom Richtebrief zum Roten Buch. Die ältere Konstanzer Ratsgesetzgebung. Darstellung und Texte (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen 7). Konstanz 1955, S. 24 f.
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ten Kleinkredite für die ärmeren Bewohner gleichzeitig ganz bewusst. Den Juden kam sogar die Pflicht zu, die mit hohem Risiko behafteten Konsumkredite zu gewähren: Ez sol och enkain jud enkainem unserm burger noch nieman, der bi uns sesshaft ist, ain pfunt pfenning túro lihen, danne ze der wochem umb zwen pfenning, und sol enkainem armen menschen versagen 10 ß d umb 1 d; 5 ß d umb 1 hl ze der wochen. 48
Den Juden wurde eingeräumt, von einheimischen Bürgern das Pfund Pfennig um maximal 2 Pfennig die Woche zu leihen, was dem verbreiteten Jahressatz von 43,3 Prozent entsprach. Für ein halbes Pfund (10 ß dn) konnte entsprechend 1 Pfennig pro Woche verlangt werden, bei einem viertel Pfund (5 ß dn) fiel ein Heller bzw. ein halber Pfennig an. 49 Dieser Zinssatz für die jüdischen Kreditgeschäfte war auch in anderen Städten üblich und galt ebenso noch für den Überlieferungszeitraum des Ammanngerichtsbuchs von 1423 bis 1434. Nur ein Abschnitt der Verordnung war an Juden adressiert, der Großteil richtete sich bezeichnenderweise an christliche Geldverleiher. Die Christen sollten auf das Jahr berechnet nicht mehr als 11,1 Prozent Zinsen nehmen.50 Dass in dieser Ratsordnung die jüdische Zinsnahme nach Wochen, die christliche hingegen nach Jahren kalkuliert wird, kann bereits als Indiz für die unterschiedliche Art der Darlehensvergabe von Christen und Juden angesehen werden. Ausdrücklich verboten wurde den Christen, ihr Kapital in andere Städte oder an Juden umzuleiten, mithin sich so an höheren Zinsgewinnen zu beteiligen. Dass längst nicht alle Konstanzer dieser Norm folgten, lässt sich an einzelnen Gerichtsverfahren wegen Geldverleihs an Juden ablesen. 51 Während innerstädtischer Unruhen zwischen den Geschlechtern und Zünften in Konstanz 1429/1430 standen insbesondere die Handelsgesellschaften in der Kritik des Handwerks. Der Versuch, jede private Verbindung von Zünftlern und Stadtadligen – selbst bei Veranstaltungen der Geschlechtertrinkstuben – zu verbieten, führte dazu, dass ungefähr 47 ehrbare Leute ihr Bürgerrecht aufgaben und stattdessen in Schaffhausen das Bürgerrecht annahmen. 52 Zu dieser Zeit wurde die Ravensburger Ritualmordbeschuldigung als Vorwand genommen, um alle Juden der Stadt gefangen zu setzen. 53 Nach mehreren Monaten kam es 1430 zur Freilassung, doch bereits 48 Feger (Bearb.): Richtebrief (wie Anm. 47), S. 25. 49 Es wurde zu dieser Zeit in Konstanz sowohl mit Pfund Pfennig als auch mit Pfund Heller gerechnet. 1 Pfund Pfennig (lb dn) = 20 Schilling (ß dn) = 240 Pfennig (dn); 1 Pfund Pfennig entsprach 2 Pfund Heller. Siehe Bernhard Kirchgässner: Das Steuerwesen der Reichsstadt Konstanz 1418–1460 (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen 10). Sigmaringen 1960, S. 166–171. 50 Feger (Bearb.): Richtebrief (wie Anm. 47), S. 24. 51 Peter Schuster: Eine Stadt vor Gericht. Recht und Alltag im spätmittelalterlichen Konstanz. Paderborn u.a. 2000, S. 134. 52 Dazu Bechtold: Zunftbürgerschaft (wie Anm. 36), S. 141–147. 53 Siehe Christian Hagen: Zwischen Privilegierung und Vertreibung – Die Ratspolitik gegenüber Juden in Konstanz und Esslingen während des 15. Jahrhunderts, in: Michael Rothmann / Helge Wittmann (Hg.): Reichsstadt und Geld. 5. Tagung des Mühlhäuser Arbeitskreises für Reichsstadtgeschichte, Mühlhausen, 27. Februar bis 1. März 2017 (Studien zur Reichsstadtgeschichte 5). Petersberg 2018, S. 229–242; Overdick: Stellung (wie Anm. 38), S. 57–60; Hörburger: Judenvertreibungen (wie Anm. 38), S. 81–85.
Das Konstanzer Ammanngerichtsbuch
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im August nahmen abermals einige Konstanzer die jüdischen Einwohner auf eigene Faust gefangen. Nach dem Chronisten Gebhart Dacher habe man in Konstanz darüber nachgedacht, die Juden zu verbrennen, so wie es in Ravensburg geschehen war.54 Schließlich beschloss der Rat 1432 die Ausweisung der Juden, erlaubte gleichzeitig aber die Abwicklung noch laufender Geschäfte. Zu einer gänzlichen Ausweisung kam es in der Praxis ebenso wenig wie nach dem gleichlautenden Beschluss von 1440. Auch lieh die Stadt zu dieser Zeit selbst noch kleine Beträge bei den Juden, wie ein städtisches Verzeichnis von 1442 belegt. In demselben Jahr nahmen die Kämmerer der Stadt zudem noch bereitwillig Steuern von bis zu 60 Gulden pro Person bzw. Familie ein. 55 1443 wurden die noch verbliebenen Juden abermals wegen Mordbeschuldigungen gefangen gesetzt. Ihre Freiheit konnten sie sich erst fünf Jahre später durch Zahlungen an die Stadt und König Friedrich III. zurückkaufen. 56 Bereits die Gefangensetzung von 1432 sollte die Stadt mit einer Strafzahlung an den Kaiser wiedergutmachen, mit der aber letztlich die Juden belastet wurden. Auf diesem Wege gelang es dem Kaiser, die Schulden aus der Zeit des Konstanzer Konzils gegenüber der Stadt zu ‚tilgen‘. Nach der nochmaligen Ausweisung 1537 verschwand die jüdische Bevölkerung dann für Jahrhunderte aus Konstanz. 57 DAS AMMANNGERICHTSBUCH (1423–1434) Das hier behandelte Gerichtsbuch wurde am Ammanngericht geführt, dem im 15. Jahrhundert de jure noch in bischöflicher Hand befindlichen Schöffengericht, dessen Ursprünge im alten Markt- und Stadtgericht lagen.58 Infolge der Auseinandersetzungen um die Gerichtsherrschaft zwischen Bischof und Bürgergemeinde seit dem 13. Jahrhundert verlor der bischöfliche Ammann gegenüber Rat und Bürgermeister schrittweise an Bedeutung. Sowohl die schriftliche Überlassung von Grundstücken (Fertigung) als auch die Ausstellung von Schuldbriefen verblieben jedoch beim Ammanngericht. Der Bischof bestellte den Ammann, während der Rat die zwölf Schöffen bestimmte. Von 1422 bis 1431 fungierte beispielsweise das Ratsmitglied Ulrich Ehinger als
54 Vgl. Wolff: Chronik (wie Anm. 1), S. 482–489, bes. S. 488. 55 StAK, L 862, fol. 56v, 57v, 58v. In der Reihe dieser Schuldregister, die dem Rechenamt zum Vermerk der städtischen Ein- und Ausgänge sowie Steuerrestanzen dienten, sind noch weitere Informationen zu den Konstanzer Juden zu erwarten. Sie wurden, soweit ich sehe, bislang nicht eingehend ausgewertet. Zur Konstanzer Finanzverwaltung vgl. Kirchgässner: Steuerwesen (wie Anm. 49), S. 26–50, bes. S. 42–45. 56 Siehe Peter F. Kramml: Kaiser Friedrich III. und die Reichsstadt Konstanz (1440–1493). Die Bodenseemetropole am Ausgang des Mittelalters (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen 29). Sigmaringen 1985, S. 203–211. 57 Ebenda, S. 212 f.; Hundsnurscher: Konstanz (wie Anm. 38), S. 670. 58 Zum Folgenden Konrad Beyerle / Anton Maurer (Bearb.): Konstanzer Häuserbuch, Bd. 2: Geschichtliche Ortsbeschreibung. Heidelberg 1908, S. 25–45.
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Ammann. 59 In den Ratsbüchern wurde diese Besetzung seit 1432 regelmäßig dokumentiert. 60 Bereits im 14. Jahrhundert wurden Schuldsachen jedoch auch vor Vertretern des Rats verhandelt, woraus letztlich das „Gericht der sieben Richter“ entstand. Im 15. Jahrhundert waren hier vor allem strittige Schuldklagen anhängig, während die Schuldanerkenntnisse vor dem Ammanngericht verglichen damit wohl eine kurzfristige Vollstreckung erlaubten. In einem Satzungsbuch aus der Mitte des 15. Jahrhunderts heißt es zur Zuständigkeit des Ammanns und seiner Zwölferbank: Die richten umb schulden, das ein burger dem andern dahin bût, desglichen ain gast aim burger und umb gichtig schuld muß ain burger ain gast in drin tagen verpfenden oder in vier wuchen für die statt gon. 61
Folglich sollten sowohl Bürger als auch Gäste vor dem Ammanngericht Schulden aufschreiben und einfordern können. Vor dem Gericht bekannte (gichtige) Schulden sollten bei Nichtzahlung von Bürgern gegenüber Gästen innerhalb weniger Tage mit Pfandeinsetzung gedeckt werden, sonst drohte nach vier Wochen der Stadtverweis. Erst im Laufe des 16. Jahrhundert zog der Rat das Ammanngericht und damit sämtliche Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Schuld- und Grundstücksangelegenheiten ganz an sich. Das Ammanngerichtsbuch ist kein Protokollbuch, sondern beinhaltet die Kurzfassungen der vor dem Gericht verhandelten Geschäfte bzw. die Konzepte der daraus hervorgehenden Urkunden. 62 Es ist 550 Seiten stark und enthält insgesamt etwa 3.000 bis 4.000 Einträge. In der Papierhandschrift selbst wird es als registrum bezeichnet und erinnert damit insgesamt stark an eine Notariatsimbreviatur. Die Kreuze am Rand der Handschrift deuten auf die urkundliche Ausfertigung hin, Einträge über Geschäfte, die sich zerschlugen oder abgewickelt wurden, wurden mit einem nihil oder bezahlt gekennzeichnet und kanzelliert. 63 Etwa drei Viertel der gesamten Einträge verfügen über ein nebenstehendes Ausfertigungskreuz, während nur etwa 5 bis 6 Prozent der Geschäftsakte kanzelliert wurden. Da kein kanzellierter Eintrag gleichzeitig mit einem Kreuz markiert ist, ist wohl der These Konrad Beyerles zu folgen, wonach die Rechtsgeschäfte zwar während der Gerichtssitzung ‚verbucht‘ wurden, die Urkundenausfertigungen aber mit einigem zeitlichen Abstand erfolgten. 64 Dies würde bedeuten, dass nur jene Geschäfte, die sich in der Zwischenzeit erübrigt hatten, kanzelliert wurden. Daraus folgt im Rückschluss, dass wir über die Tilgung von Schuldverhältnissen nach der Ausfertigung aus dem Buch nichts erfahren.
59 Zur Familie und speziell zu Ulrich Ehinger, der später in königlichem Dienst stand, siehe Kramml: Kaiser Friedrich III. (wie Anm. 56), S. 314 f. 60 Beyerle/Maurer (Bearb.): Häuserbuch (wie Anm. 58), S. 32. 61 StAK, A IX 2, fol. 258–260, zitiert nach Kramml: Kaiser Friedrich III. (wie Anm. 56), S. 242. 62 Hierzu Ammann: Wirtschaft (wie Anm. 7), S. 64–66; Beyerle/Maurer (Bearb.): Häuserbuch (wie Anm. 58), S. 41–44. 63 Es hat sich jedoch auch eine Urkunde eines Geschäftsaktes erhalten, bei dem das entsprechende Kreuz neben dem Bucheintrag nachweislich fehlt. Vgl. StAK, Urk. Nr. 267 (8444) vom 1. Dez. 1424; StAK, A IX 10, S. 117. 64 Beyerle/Maurer (Bearb.): Häuserbuch (wie Anm. 58), S. 41 f.
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Ein Vergleich von Bucheintrag und dazugehöriger urkundlicher Ausfertigung bestätigt die Ausstellung einen Tag nach dem Gerichtstermin: In zwei aufeinanderfolgenden Bucheinträgen vom 2. September 1427 werden der Verkauf des alten Gebäudes „zur Katz“ (zu der katzen an Blaicher stad gelegen) durch zwei Mitglieder der Trinkstubengesellschaft, Johann Freiburger und Johann Apotheker, an den Juden Abraham von St. Gallen für 300 Gulden und die damit verbundenen Zahlungsmodalitäten festgehalten.65 Der Inhalt der Urkunde stimmt mit dem (zweiten) Eintrag über die Restzahlungen überein und ist entsprechend ausführlich, sie selbst datiert vom 3. September 1427.66 Von der Kaufsumme entrichtete Abraham 100 Gulden sofort und sollte danach jährlich 12,5 Gulden in mehreren Tranchen bezahlen. Die Ausführlichkeit der Urkunde verdeutlicht, wie sehr sich der Bucheintrag auf die wesentlichen Aspekte beschränkt und keinen vollständigen Vertragstext darstellt. Wie in diesem Beispiel besiegelte in der Regel der Ammann die Geschäftsakte. Daneben sind aber auch beteiligte Geschäftspartner oder Dritte ausdrücklich als Siegler benannt. Wie bereits Hektor Ammann in seiner Auswertung betonte, vermittelt das Ammanngerichtsbuch den Eindruck, dass gerade die ersten Jahrgänge alle Geschäfte enthalten, die vor das Gericht gebracht wurden. Trotz der Menge der Einträge bekommen wir durch die Quelle aber keinen allumfassenden Einblick in die Kredittransaktionen in der Stadt. Gerade kleine Pfandleihgeschäfte fanden hier allem Anschein nach keinerlei Eintragung. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die jüdischen Einwohner alle Geschäfte vor das Ammanngericht brachten. 67 Es fällt insgesamt auf, dass die Zahl der jährlichen Einträge zudem ab 1428 abnimmt, jüdische Betreffe fehlen nach 1429 vollkommen. Der letzte Umstand lässt sich auf die beschriebenen Unruhen und Verhaftungen von 1429/30 zurückführen. Warum das Buch über diesen jüdischen Anteil hinaus für die letzten Jahre insgesamt deutlich weniger Einträge enthält, ist unklar. Hektor Ammann macht hierfür die mangelnde Geduld späterer Schreiber verantwortlich und geht davon aus, dass die Buchführung am Gericht mit diesem Band gänzlich zum Erliegen kam. 68 Diese Behauptung kann mit Blick auf das Ammanngerichtsbuch aus der Zeit von 1519 bis 1521 entkräftet werden. 69 Möglicherweise spielte vielmehr der zeitweise Auszug zahlreicher Geschlechter im Jahr 1429 eine entscheidende Rolle. 70 Mit den Auseinandersetzungen von 1429/30 habe sich auch die Kluft zwischen Bischof und Rat in Bezug auf die Gerichtshoheiten wieder verschärft, wie Konrad Beyerle betont.71 In dieser Umbruchphase gab zudem der Ammann Ulrich Ehinger 65 StAK, A IX 10, S. 293. Zur Gesellschaft und zum Haus vgl. Christoph Heiermann: Die Gesellschaft ‚Zur Katz‘ in Konstanz. Ein Beitrag zur Geschichte der Geschlechtergesellschaften in Spätmittelalter und früher Neuzeit (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen 37). Stuttgart 1999, S. 171–173. 66 StAK, Urk. Nr. 305 (8269) vom 3. Sept. 1427. 67 Ammann: Judengeschäfte (wie Anm. 7), S. 42. 68 Ammann: Wirtschaft (wie Anm. 7), S. 65. 69 StAK, H VII 1. Dazu Beyerle/Maurer (Bearb.): Häuserbuch (wie Anm. 58), S. 43 f. 70 Für den entsprechenden Zeitraum ist bei der Auswertung auf die Abwesenheit dieser Personen zu achten. Vgl. Bechtold: Zunftbürgerschaft (wie Anm. 36), S. 142–144. 71 So Beyerle/Maurer (Bearb.): Häuserbuch (wie Anm. 58), S. 35 f.
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sein Amt auf, ihn finden wir stattdessen an der Spitze der Zunftvertreter. Der Bischof Otto III. von Hachberg unterstrich in der Folgezeit nun wieder besonders seinen stadtherrlichen Anspruch auf das Gericht. Gut möglich also, dass die Bürger das Gericht phasenweise auch aus politischen Gründen mieden und Schuldsachen seither wieder vermehrt vor die Ratsvertreter gebracht wurden. Vor dem Gericht „der sieben Richter“ (uf dem tore) wurden, wie erwähnt, zumindest Schuldklagen verhandelt. 72 Der Band des Ammanngerichts aus der Zeit von 1519 bis 1521 stützt jedenfalls die These des allgemeinen Bedeutungsrückgangs des bischöflichen Gerichts. Enthält das Jahr 1423 noch insgesamt 488 Einträge, so wurden 1521 nur noch 177 Rechtsgeschäfte vor dem Gericht abgewickelt. 73 KREDITE NACH DEM AMMANNGERICHTSBUCH Die Daten des ersten Jahres erlauben einen Blick auf die Möglichkeiten der statistischen Untersuchung: Für den Zeitraum von Februar bis Dezember 1423 wurden 392 Einträge aufgenommen, die Kreditgeschäfte oder Schuldsachen betrafen. 74 Das sind über doppelt so viele Geschäftsakte, wie Hektor Ammann für das betreffende Jahr publiziert hat, was seine enge Auswahl verdeutlicht. Mehr als ein Drittel dieser Einträge betrifft Rentengeschäfte, beinahe zwei Drittel stellen Darlehensverträge über Geld-, Waren- oder Dienstleistungen dar. Für den Großteil dieser Geschäfte fehlen jedoch Angaben über Gründe oder spezifische Verwendungszwecke. Versetzungen von Pfändern und umgeschriebene Forderungen sind unter sonstigen Schuldverhältnissen subsumiert (Tabelle 1). Im Rahmen dieser 392 Verträge treten ganz überwiegend Christen (ca. 80 Prozent) als Kreditgeber auf, während jüdische Gläubiger in etwa 20 Prozent der Fälle erscheinen (Tabelle 2). Lombarden werden beispielsweise nicht explizit erwähnt. Diese Verteilung passt zum Gesamteindruck: Insgesamt enthält das Buch über den Zeitraum von zwölf Jahren 650 Einträge mit jüdischer Beteiligung, also etwa 54 pro Jahr. 75 Die Gruppe der jüdischen Geldgeber beschränkte sich von 1423 bis 1429 auf nur 26 Personen, bestehend aus neunzehn Männern und sieben Frauen. 76 Für die letzten Jahre von 1429 bis 1434 werden keinerlei jüdische Akteure erwähnt, was wahr72 Die Überlieferung zum Siebenergericht ist längst nicht so umfangreich wie zum Ammanngericht. Eine erste Sichtung hat jedoch bereits ergeben, dass auch in den Protokollen der Siebener jüdische Gläubiger, die zum Teil aus dem Ammanngerichtsbuch bekannt sind, Erwähnung finden. Siehe beispielsweise StAK, H V 1, fol 16r, 16v. 73 Beyerle/Maurer (Bearb.): Häuserbuch (wie Anm. 58), S. 43. 74 Das Buch setzt Anfang Febr. ein, allerdings sind die Seiten 1 und 2 kaum entzifferbar. Der erste lesbare Eintrag stammt vom 3. Febr. 1423 auf Seite 3. Vgl. StAK, A IX 10, S. 1–3. Sämtliche Angaben, meist in Pfennig oder Heller, sind im Folgenden zum Vergleich in rheinische Gulden umgerechnet. – Ein rheinischer Gulden entsprach 1423 dreizehn Schilling bzw. 156 Pfennig. Zur Geldgeschichte und zu den schwankenden Umrechnungskursen vgl. Peter Spufford, Handbook of Medieval Exchange. London 1986, S. 247; Cahn: Münz- und Geldgeschichte (wie Anm. 27), S. 244–264, 380–384. 75 Zur Überlieferungsdichte anderer Städte vgl. Gilomen: Substitution (wie Anm. 13). 76 Vgl. Ammann: Judengeschäfte (wie Anm. 7).
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Das Konstanzer Ammanngerichtsbuch Tabelle 1: Kredite des Jahres 1423 (nach dem Ammanngerichtsbuch) Vertragsart
Anzahl
Summe
Durchschnitt
Rentenverkäufe Geld-, Waren- und Dienstleistungskredite sonstige Schuldverhältnisse
146
7.457,77 fl
51,08 fl
219
10.964,85 fl
50,07 fl
27
1.234,53 fl
45,72 fl
insgesamt
392
19.657,15 fl
50,15 fl
Tabelle 2: Gläubiger des Jahres 1423 (nach dem Ammanngerichtsbuch) 77 Gläubiger
Anzahl
Summe
Durchschnitt
Juden Christen unklar / ohne Angabe
75 307 10
2.667,15 fl 16.893,00 fl 97,00 fl
35,56 fl 55,03 fl 9,70 fl
insgesamt
392
19.657,15 fl
50,15 fl
scheinlich auf die beschriebene Gefangensetzung und Ausweisung zurückzuführen ist. Die Gesamtauswertung des Gerichtsbuchs bleibt abzuwarten, jedoch entsteht der Eindruck, dass die Bedeutung der Juden als professionelle Geldverleiher und Kreditgeber zu diesem Zeitpunkt stark hinter den Christen zurückstand. 78 Die Höhe der Rentenanleihen reichte von 12 bis 400 Gulden. Die an Immobilienbesitz gebundenen Rentengeschäfte sollen an dieser Stelle nicht im Mittelpunkt stehen, zumal die Juden daran generell nicht beteiligt waren. Das Material erweitert dennoch schon jetzt den Blick auf städtische Oberschichtsangehörige, von denen einige als besonders aktive Kapitalgeber aufscheinen. Allein Christoph Zipp, bislang überwiegend durch seine Handelsaktivitäten mit Wachs, Spezereien und Leinwand charakterisiert, kaufte im Jahr 1423 beispielsweise 16 Renten für über 730 Gulden. 79 Ein Blick auf die Stückelung der anderweitigen Geschäfte zeigt, dass auch hier nur von wenigen Kleinkrediten gesprochen werden kann (siehe Tabelle 3 auf der folgenden Seite). Nur 21 Kredite umfassen Summen bis 7 Gulden (durchschnittlich 4,64 Gulden), die sich auf insgesamt 97,42 Gulden beliefen. Fast 80 Prozent der aufgezeichneten Waren-, Geld- oder Dienstleistungskredite betreffen Summen von über 10 Gulden. Wie oben bereits erwähnt, erhielt ein Konstanzer Tagelöhner im Bauhandwerk Mitte des 15. Jahrhunderts am Tag etwa 14 bis 16 Pfennig – um einen Gulden zu verdienen, hätte er zehn bis zwölf Tagessätze gebraucht. 80 Für das Jahr 1423 kommt überhaupt nur ein Kredit von unter einem Gulden vor: Wälti Widmer bekannte im Juli 1423, Walther Fluguff 11 Schilling umb brot zu schulden, die er bis Galli (16. Oktober) zurückzahlen sollte. 81 Vergleichbare Kleinbeträge 77 Hier sind nur die erstgenannten Gläubiger des jeweiligen Geschäftsakts berücksichtigt. 78 Zur Kapitalkraft jüdischer Kreditgeber im 15. Jh. vgl. auch Ziwes: Kapitalmarkt (wie Anm. 18). 79 Zu Zipp siehe Bechtold: Zunftbürgerschaft (wie Anm. 36), S. 38–45, mit Hinweisen auf weitere Rentengeschäfte. 80 Dirlmeier: Untersuchungen (wie Anm. 27), S. 180. 81 StAK, A IX 10, S. 15 (29. Juli 1423).
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Tabelle 3: Einfache Stückelung der Kredite für Waren, Geld und Dienstleistungen 1423 (nach dem Ammanngerichtsbuch) Stückelung
Anzahl
Summe
Durchschnitt
bis 1 fl > 1 bis 5 fl > 5 bis 10 fl > 10 fl unklar / ohne Angabe
1 (0,46 %) 10 (4,57 %) 31 (14,16 %) 173 (79,00 %) 4 (1,83 %)
0,85 fl (0,01 %) 36,23 fl (0,33 %) 245,19 fl (2,24 %) 10.682,58 fl (97,43 %) —
0,85 fl 3,62 fl 7,91 fl 61,75 fl —
insgesamt
219 (100,00 %)
10.964,85 fl (100,00 %)
50,07 fl
Tabelle 4: Stückelung Zürich 1435 (alle Forderungen der Eingewinnerverzeichnisse) 82 Stückelung
Anzahl
Summe
Durchschnitt
bis 1 fl > 1 bis 5 fl > 5 bis 10 fl > 10 fl
203 (52,3 %) 110 (28,4 %) 32 (8,2 %) 43 (11,1 %)
77,35 fl (4,7 %) 281,39 fl (17,2 %) 241,69 fl (14,7 %) 1039,64 fl (63,4 %)
0,38 fl 2,56 fl 7,55 fl 24,18 fl
insgesamt
388 (100,0 %)
1640,07 fl (100,0 %)
4,23 fl
dürften im gesamten Buch nur einen geringen Anteil ausmachen – das ist ein enormer Unterschied zu den Ergebnissen, die Hans-Jörg Gilomen für Basler und Zürcher Quellen herausarbeiten konnte. Vor den städtischen Eintreibern (Eingewinnern) wurden in Zürich unbezahlte und unbestrittene Forderungen zur amtlichen Einziehung angemeldet. 83 Das Beispieljahr 1435 zeigt, dass dort die Anzahl der Einträge über kleine Forderungen unter einem Gulden überwogen (Tabelle 4). Auch in den von Gabriela Signori zuletzt ausführlich untersuchten Basler Vergichtbüchern überwiegen Schuldbekenntnisse über wenige Pfund oder Gulden. 84 Der Abgleich mit den Basler Steuerlisten belegt zudem, dass die Vergichtbücher häufiger durch die weniger vermögenden Basler als durch die wohlhabenden Kaufleute genutzt wurden. Hierzu trug wahrscheinlich auch der Umstand bei, dass die Einschreibung seit 1433 kostenfrei war, sofern die Parteien die Schuld im Konsens eintragen ließen. Die Belege des Konstanzer Ammanngerichtsbuchs (Tabelle 5) weisen genau in die entgegengesetzte Richtung: Die hohe Gesamtsumme der dort verzeichneten Kredite ergibt sich auch aus den zahlreichen Einträgen der überregional tätigen Kaufleute und ihrer Gesellschaften. Es finden sich dementsprechend wiederholt die Namen bekannter wohlhabender Konstanzer Kaufleute im Gerichtsbuch. 85 Im Februar 1423 gewährte Konrad Winterberg beispielsweise Ulrich Imholz einen Kredit in Höhe von 82 Gilomen: Kleinkredit (wie Anm. 25), S. 121. 83 Siehe Sibylle Malamud / Pascale Sutter: Die Betreibungs- oder Eingewinnungsverfahren der Stadt Zürich im Spätmittelalter, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 116 (1999), S. 87–118; Gilomen: Kleinkredit (wie Anm. 25). 84 Signori: Schuldenwirtschaft (wie Anm. 11), S. 31–34. 85 Vgl. Ammann: Wirtschaft (wie Anm. 7), S. 85–93.
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Das Konstanzer Ammanngerichtsbuch Tabelle 5: Ausführliche Stückelung der Kredite für Waren, Geld und Dienstleistungen 1423 (nach dem Ammanngerichtsbuch) Stückelung bis 1 fl > 1 bis 5 fl > 5 bis 10 fl > 10 bis 20 fl > 20 bis 50 fl > 50 bis 100 fl > 100 bis 200 fl > 200 bis 300 fl > 300 fl unklar / ohne Angabe insgesamt
Anzahl 1 10 31 50 64 33 19 4 3 4
Summe (0,46 %) (4,57 %) (14,16 %) (22,83 %) (29,22 %) (15,07 %) (8,68 %) (1,83 %) (1,37 %) (1,83 %)
219 (100,00 %)
0,85 fl 36,23 fl 245,19 fl 773,77 fl 2084,42 fl 2337,12 fl 2574,27 fl 936,50 fl 1976,50 fl —
Durchschnitt (0,01 %) (0,33 %) (2,24 %) (7,06 %) (19,01 %) (21,31 %) (23,48 %) (8,54 %) (18,03 %)
0,85 fl 3,62 fl 7,91 fl 15,48 fl 32,57 fl 70,82 fl 135,49 fl 234,13 fl 658,83 fl —
10.964,85 fl (100,00 %)
50,07 fl
1.074 rheinischen Gulden für Spezereien und Wachs. Michael Rothmann konnte anhand des Ammanngerichtsbuchs für den Gesamtzeitraum von 1423 bis 1434 Zahlungen auf den Frankfurter Messen in Höhe von 19.241 Gulden nachweisen.86 Selbst wenn man diese besonders hohen Kredite von der Berechnung ausschließt, bleibt es bei einer durchschnittlichen Höhe der Waren- und Geldkredite von ungefähr 50 Gulden. Das Konstanzer Ammanngericht war somit allem Anschein nach nicht der Anlaufpunkt für die weniger vermögenden Einwohner der Stadt. Dies könnte mit den vor Gericht anfallenden Kosten zusammenhängen, zumindest eine Siegeltaxe wird bei der Urkundenausstellung verlangt worden sein. 87 Den Quellen ist oftmals allein der jeweilige Schuldbetrag zu entnehmen und nur selten der Grund für den Kredit. Die häufigen Schulden für gelihen geltz verweisen zumindest auf Kredite in barer Münze. Immerhin in 56 Fällen lassen sich die Darlehen als Waren- oder Dienstleistungskredite identifizieren, insgesamt umfassen sie für das Jahr 1423 die Summe von 3.902,88 Gulden. Hier sind entsprechend auch einige Kredite kleinen und mittleren Umfangs auszumachen. Am 8. April 1423 verpflichtete sich Anna, die Frau des Meisters Steffan von Hüfingen, gegenüber dem Konstanzer Hans von Miltenberg, bis zum 16. Oktober des Jahres eine Schuld von 5 Pfund Pfennig zu begleichen. Er gewährte ihr also die nachträgliche Zahlung für seine geleisteten Dienste, und zwar by ainem kind, so er ir erzogen hant. 88 Das Ehepaar Simler kaufte zwei Fässer Wein für 6 Pfund Pfennig (9,23 Gulden) per Darlehen. 89 Johann am Weg aus Allensbach nahm im April beim Juden Märklin lediglich 2 Pfund Pfennig auf, wahrscheinlich um die Zeit bis zur Weinernte zu überbrücken, denn seine Schulden sollte er bis Mitte Oktober in Wein 86 Michael Rothmann: Die Frankfurter Messen im Mittelalter (Frankfurter historische Abhandlungen 40). Stuttgart 1998, S. 380–398, bes. S. 383. 87 So Beyerle/Maurer (Bearb.): Häuserbuch (wie Anm. 58), S. 29. 88 StAK, A IX 10, S. 15. 89 Ebenda, S. 9.
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zurückzahlen. 90 Ein typisches Exempel für das Wirtschaften mit Hausinventar ist der Borgkauf eines Bettes: Im Mai 1423 versprach das Ehepaar Georg und Kathrin Trenk gemeinsam mit ihrem Bruder, die Kosten für ein Bett samt Zubehör in Höhe von 11 Pfund Heller und 2 Schilling (8,6 Gulden) mit vierteljährlichen Abschlägen von 14 Schilling abzuzahlen. 91 Die zum Teil repräsentativen Betten samt Zubehör stellten zu dieser Zeit einen zentralen häuslichen Sachwert dar. 92 Am häufigsten wurde für Wein und Tuche Borgkauf gewährt, daneben auch für Pferde, Holz, Eisen, Leder, Schuhe und anderes. Bei den Warenkrediten für Leder in Höhe von 12 bis 17 Gulden wird es sich vermutlich um Materiallieferungen für das weiterverarbeitende Gewerbe gehandelt haben. Die Laufzeiten der Kredite waren vergleichsweise lang, im Durchschnitt wurde den Schuldnern eine Frist von etwa 200 Tagen gestattet. Mitunter richtete sich die Frist auch nach dem situativen Finanzbedarf des Kreditgebers, wie es eine häufig anzutreffende Urkundenformel andeutet: Der Schuldner sollte zahlen, wenn der Gläubiger das Geld nicht mehr entbehren konnte. Zwar gewährten vornehmlich Christen Warenkredite, doch griff bei diesen auch vielfach das Sicherungsprinzip der Schadennahme, auch „Judenschaden“ genannt. 93 Neben der Einsetzung von Immobilien und Bürgen stellte die Option der Schadennahmen die häufigste Absicherungsformel dar. An einigen Bucheinträgen lasst sich das Prinzip nachvollziehen: Im Juli 1427 erwarb Ursula von Hödorff bei H. Atzenholtz Gewand im Wert von 46 rheinischen Gulden. Die Summe sollte vertragsgemäß bis zu Mariä Geburt, also dem 8. September, zurückgezahlt werden. Auffällig ist die Erwähnung des Bürgen bzw. Mitschuldners (mitgult) Wilhelm Stetter. Die kurze Formel: darnach an schaden nehmen, räumte dem Gläubiger die Möglichkeit ein, nach Ablauf der Frist die ausstehende Summe bei einem christlichen, häufig aber jüdischem Geldverleiher aufzunehmen. Und in diesem Fall nahm H. Atzenholtz fünf Tage nach Verstreichen der Frist tatsächlich 46 Gulden zu Lasten der Ursula von Hödorff bei dem Juden Boman von Schaffhausen auf. Die Forderung und das Risiko wurden an den jüdischen Geldverleiher weitergegeben, der von der Schuldnerin entsprechend hohe Zinsen nahm (3 Heller pro Gulden, 50 Prozent Jahreszinssatz). Der Gläubiger bekam so schnell sein Kapital frei. Dem jüdischen Kredit kam in dieser Form also eine Überbrückungsrolle zu. Wie fast zu erwarten, wird die Zinsnahme christlicher Gläubiger so gut wie nie explizit erwähnt. Lediglich für den Fall des Verzugs werden an einer Stelle Mehrkosten von 5 Schilling genannt. 94 In Hinblick auf die Darlehen der jüdischen Geldgeber fallen zwei Verzinsungsmodi auf: Bei einigen Krediten wurde keine Frist vereinbart, und der gleiche Zinssatz von 2 Pfennig auf das Pfund pro Woche (43,3 Prozent im 90 91 92 93
StAK, A IX 10, S. 15. Ebenda, S. 22. Zum Sachwert des Bettes siehe Groebner: Ökonomie (wie Anm. 24), S. 246–252. Dazu grundlegend Guido Kisch: Das Schadennehmen, in: Ders.: Ausgewählte Schriften, Bd. 3: Forschungen zur Rechts- und Sozialgeschichte des Mittelalters. Sigmaringen 1980, S. 296–325; siehe auch Toch: Geldhandel (wie Anm. 13), S. 295 f.; Schnur: Juden und Gerichtsbücher (wie Anm. 21). – Siehe auch den Beitrag von David Schnur in diesem Band. 94 StAK, A IX 10, S. 28.
Das Konstanzer Ammanngerichtsbuch
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Jahr) galt ab dem Zeitpunkt der Geldaufnahme. Häufig wurde jedoch ein Fristtermin gesetzt, und erst für die Folgezeit wurde der Verzugszins von 2 Pfennig auf das Pfund pro Woche veranschlagt. Eine Terminsetzung ohne Angabe eines Wochenzinses könnte auch auf die stillschweigende Einberechnung eines Zinsabschlags (Disagio) hinweisen, so dass der wirkliche Auszahlungsbetrag kleiner war. Ob in der letzten Form wirklich eine bewusste Anpassung an die christlichen Gepflogenheiten zu sehen ist, wie Wenninger vorschlägt, scheint fraglich. Denn beide Modi bestanden nebeneinander. 95 Eventuell drückt sich in der unterschiedlichen Zinsnahme auch das ungleiche Maß an Bekanntschaft und Vertrauen der Akteure aus. Eine Zinseszinsnahme ließ sich bislang nicht sicher dokumentieren, obwohl einige Einträge dahin gehend interpretiert werden können, wenn zum Beispiel bestehende Abmachungen neu verhandelt wurden. 96 Für den seltenen Fall, dass wir über Informationen sowohl zu Summe und Laufzeit als auch zur nachträglichen Abrechnung verfügen, kann lediglich der wöchentliche Standardzins nachgewiesen werden: Eine Urkunde vom 23. Dezember 1435, dokumentiert die Kreditaufnahme über 40 Gulden bei dem Juden Eberlin.97 Der Dorsualvermerk verweist auf die am 25. November des Folgejahres (also nach 48 Wochen) fälligen 63 Gulden. 23 Gulden hiervon waren Zins, wie vereinbart wurden pro Gulden wöchentlich 2 Pfennig Zins fällig. Dass regelmäßig alle paar Monate die aufgelaufenen Zinsen zum Kapital geschlagen worden wären, lässt sich jedenfalls aufgrund des Materials nicht a priori annehmen. FAZIT Das Konstanzer Ammanngerichtsbuch ist durch die Auswertung von Hektor Ammann als wirtschaftshistorisch wertvoll bekannt. In Hinblick auf Kreditgeschäfte bietet die Quelle, wie gezeigt werden konnte, noch weit mehr Informationen zu Rentengeschäften und Warenkrediten als bislang angenommen. Das Beispiel belegt darüber hinaus, wie unterschiedlich städtische Schuldbücher ausfielen und diese dann genutzt wurden. Im Gegensatz zu den Basler oder Zürcher Büchern enthält das Ammanngerichtsbuch kaum Kleinkredite unter einem Gulden. Hier ist für die Zukunft noch der Vergleich mit der Überlieferung weiterer Städte interessant. Sollte die Eintragung vor städtischen Gerichten nicht wie in Basel kostenfrei gewesen sein, drängt sich die Frage auf, in welchem Ausmaß es sich für kleine Kredite des alltäglichen Konsums überhaupt lohnte, dort Einträge vorzunehmen. Bereits Valentin Groebner wies für Nürnberg in diesem Zusammenhang auf das Problem der Gerichtskosten hin.98 Sind die Chancen nicht größer, insbesondere Klein95 Wenninger: Juden und Christen (wie Anm. 16), S. 285. 96 Dazu Overdick: Stellung (wie Anm. 38), S. 39. 97 StAK, Urk. Nr. 469 (8257) vom 23. Dez. 1435. Ein weiterer hebräischer Dorsualvermerk verweist auf den ursprünglichen Geschäftsabschluss und die Schuldsumme von 40 Gulden. Für die Übersetzung und weitere Hinweise danke ich herzlich Andreas Lehnertz, M.A. (Trier). Hierzu Andreas Lehnertz: Forschungsbericht zu den Judensiegeln, in: Weltecke (Hg.)/Hartmann (Bearb.): Zu Gast bei Juden (wie Anm. 45), S. 124–126. 98 Groebner: Ökonomie (wie Anm. 24), S. 193.
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kredite eher in privaten Rechnungsbüchern wie denen von Stephan Offenburg und Ulrich Meltinger nachzuweisen? 99 Stellen die Basler Vergichtbücher mit ihrer Vielzahl von Kleinkrediten im Vergleich zu anderen städtischen Gerichtsbüchern vielleicht sogar einen Ausnahmefall dar? Insgesamt konnte auch für Konstanz eine große Bedeutung des christlichen Warenkredits festgestellt werden. Dabei waren der christliche und jüdische Kredit durch das Sicherungsprinzip der Schadennahme potentiell eng miteinander verflochten. Wie häufig zur Schadloshaltung tatsächlich auf jüdische Geldgeber zurückgegriffen wurde, bleibt zu überprüfen. Inwiefern die massenhafte Kreditvergabe der Christen den jüdischen Pfandkredit im 15. Jahrhundert verdrängte, lässt sich anhand von Konstanz nur schwer belegen. Dafür erfahren wir aus den Quellen generell zu wenig über kleine Pfandleihgeschäfte. Mit Blick auf die Kredite mittleren Umfangs sollte zudem der Rentenmarkt meines Erachtens nicht völlig ignoriert werden. Zwar wurden in Konstanz im Durchschnitt Rentenanleihen von über 60 Gulden aufgenommen, doch war der Einstieg schon für Kredite in Höhe von 12 bis 14 Gulden möglich, und nicht selten traten mehrere Personen, die durch Verwandtschaft oder Nachbarschaft miteinander in Beziehung standen, als Verkäufer einer Rente auf.
99 Siehe Signori: Schuldenwirtschaft (wie Anm. 11), S. 121–135.
WIRTSCHAFTLICHE BEZIEHUNGEN ZWISCHEN JÜDISCHEN GELDVERLEIHERN UND CHRISTLICHEN HANDWERKERN IM SPÄTMITTELALTERLICHEN FRANKFURT AM MAIN David Schnur, Schwäbisch Gmünd PROBLEMAUFRISS UND QUELLENGRUNDLAGE Insbesondere die ältere Forschung hat hinsichtlich der spätmittelalterlichen christlichen Handwerker zumeist pauschal eine judenfeindliche Grundhaltung postuliert und dabei immer wieder deren Beteiligung an gewaltsamen Übergriffen zum Nachteil der jüdischen Minderheit herausgestellt. 1 Einzelne Berufsgruppen wie etwa Flei1
In diese Richtung geht auch Dietrich Andernacht: Die Verpfändung der Frankfurter Juden 1349. Zusammenhang und Folgen, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 53 (1973), S. 5–20 [Erstabdruck in: Udim. Zeitschrift der Rabbinerkonferenz in der Bundesrepublik Deutschland 3 (1973), S. 9–25], wenn er darauf verweist, dass die spätestens um 1355 angefertigten Amtsbücher, in denen die Frankfurter Zunftordnungen niedergeschrieben wurden, in zweitverwendete hebräische Handschriften eingebunden sind. Zur Identifikation dieser Fragmente siehe Andreas Lehnardt: Hebräische Einbandfragmente in Frankfurt am Main. Mittelalterliche jüdische Handschriftenreste in ihrem geschichtlichen Kontext (Frankfurter Bibliotheksschriften 16). Frankfurt a.M. 2011, S. 131 f. Dazu kritisch die grundlegenden Ausführungen von Alfred Haverkamp: Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes im Gesellschaftsgefüge deutscher Städte, in: Ders.: Verfassung, Kultur, Lebensform. Beiträge zur italienischen, deutschen und jüdischen Geschichte im europäischen Mittelalter. Dem Autor zur Vollendung des 60. Lebensjahres, hg. von Friedhelm Burgard, Alfred Heit und Michael Matheus. Mainz/Trier 1997, S. 223–298 [Erstabdruck in: Alfred Haverkamp (Hg.): Zur Geschichte der Juden im Deutschland des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 24). Stuttgart 1981, S. 27–93]. Zu den Beziehungen zwischen Handwerkern und Juden siehe weiterhin Georg Caro: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Juden im Mittelalter und in der Neuzeit, Bd. 2: Das spätere Mittelalter (Grundriss der Gesamtwissenschaft des Judentums). Leipzig 1920, S. 192–195 und 208–211; Markus J. Wenninger: Man bedarf keiner Juden mehr. Ursachen und Hintergründe ihrer Vertreibung aus den deutschen Reichsstädten im 15. Jahrhundert (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 14). Wien/Köln/Graz 1981, bes. S. 199–204; mit einer knappen Übersicht über die Forschungsgenese und einem Überblick über die neuere Literatur Michael Toch: Die Juden im mittelalterlichen Reich (Enzyklopädie Deutscher Geschichte 44). 2. Aufl., München 2003, S. 96–100 und 110–120. Zuletzt die ältere Forschung am Beispiel Frankfurts wiederaufgreifend Gundula Grebner: Gewalt im Alltag, in: Kalonymos 12 (2009), S. 1–6. Etwas allgemeiner gehalten J. Friedrich Battenberg: Des Kaisers Kammerknechte. Gedanken zur rechtlich-sozialen Situation der Juden in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Historische Zeitschrift 245 (1987), S. 545–599, hier S. 553 und 561–563, allerdings ebenda, S. 553 Anm. 23, bereits mit dem Hinweis, dass „die Rolle der Zünfte und Handwerker bei Judenvertreibungen des Spätmittelalters allerdings von der jüngeren Forschung relativiert [wird]“. Am Beispiel der sogenannten Armlederpogrome (siehe dazu die nachfolgende Anm.) versuchte Otto Volk: Wirtschaft und Gesell-
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scher wurden hierbei nicht selten als besonders gewalttätig charakterisiert, ein Umstand, der sich keineswegs auf den Bereich der christlich-jüdischen Beziehungen beschränkt, sondern auch in der Historiographie zu den innerstädtischen Unruhen des 14. Jahrhunderts deutlich wird.2 Als Erklärungsversuch für die judenfeindliche Grundhaltung der Handwerker wird in aller Regel ganz allgemein auf die wirtschaftlichen Beziehungen beider Gruppen verwiesen, die sich – zugespitzt formuliert – in einem stetigen Spannungsverhältnis zwischen existentiellen Notkrediten einerseits und wucherischer Zinspraxis andererseits bewegt haben soll. Gleichwohl fehlen bislang tiefergehende und auf hinreichend großen Quellencorpora fußende Analysen zu den tatsächlichen Kreditbeziehungen beider Gruppen im städtischen Alltag. 3 Die-
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schaft am Mittelrhein vom 12. bis zum 16. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 63). Wiesbaden 1998, S. 749–773, hier bes. S. 757, einen derartigen Zusammenhang plausibel zu machen. František Graus: Pest – Geißler – Judenmorde. Das 14. Jahrhundert als Krisenzeit (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 86). Göttingen 1987, bes. S. 440 mit Anm. 220. Zur Rolle von Fleischern bei gegen Juden gerichteten Übergriffen und Pogromen siehe Siegfried Hoyer: Die Armlederbewegung – ein Bauernaufstand 1336/1339, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 13 (1965), S. 74–89; Klaus Arnold: Die Armledererhebung in Franken 1336, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 26 (1974), S. 35–62; Gerd Mentgen: Studien zur Geschichte der Juden im mittelalterlichen Elsaß (Forschungen zur Geschichte der Juden A 2). Hannover 1995, S. 348–360; Jörg R. Müller: Judenverfolgungen und -vertreibungen zwischen Nordsee und Südalpen im hohen und späten Mittelalter, in: Alfred Haverkamp (Hg.): Geschichte der Juden im Mittelalter von der Nordsee bis zu den Südalpen, Bd. 1: Kommentarband (Forschungen zur Geschichte der Juden A 14, 1). Hannover 2002, S. 189–222, hier bes. S. 210–213. Hans-Jörg Gilomen: Die Substitution jüdischer Kredite im Spätmittelalter. Das Beispiel Zürichs, in: Lukas Clemens (Hg.): Christliches und jüdisches Europa im Mittelalter. Kolloquium zu Ehren von Alfred Haverkamp. Trier 2011, S. 207–234, hier S. 213, mit seiner Kritik an Friedhelm Burgard: Christlicher und jüdischer Geldhandel im Vergleich, in: Johannes Heil / Bernd Wacker (Hg.): Shylock? Zinsverbot und Geldverleih in jüdischer und christlicher Tradition. München 1997, S. 59–80, sowie an Matthias Schmandt: Judei, cives et incole. Studien zur jüdischen Geschichte Kölns im Mittelalter (Forschungen zur Geschichte der Juden A 11). Hannover 2002, S. 75–84 und 154–167. Vgl. hierzu zudem Michael Rothmann: Die Frankfurter Messen in Mittelalter (Frankfurter Historische Abhandlungen 40). Stuttgart 1998, S. 17: „Ohne serielle Quellen sollte eine statistische Analyse ohnehin unterbleiben.“ Aus der Fülle an wirtschaftshistorischen Untersuchungen zur Geschichte der Juden sei an dieser Stelle nur verwiesen auf Michael Toch (Hg.): Wirtschaftsgeschichte der mittelalterlichen Juden. Fragen und Einschätzungen (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 71). München 2008; Ders.: Jüdische Geldleihe im Mittelalter, in: Manfred Treml / Josef Kirmeier (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Aufsätze (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17). München u.a. 1988, S. 85–94; Ders.: Der jüdische Geldhandel in der Wirtschaft des deutschen Spätmittelalters, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 117 (1981), S. 283–310; Franz Irsigler: Juden und Lombarden am Niederrhein im 14. Jahrhundert, in: Haverkamp (Hg.): Zur Geschichte der Juden (wie Anm. 1), S. 122–162; Hans-Jörg Gilomen: Die ökonomischen Grundlagen des Kredits und die christlich-jüdische Konkurrenz im Spätmittelalter, in: Eveline Brugger / Birgit Wiedl (Hg.): Ein Thema – zwei Perspektiven. Juden und Christen in Mittelalter und Frühneuzeit. Innsbruck 2007, S. 139–169; Markus J.Wenninger: Juden und Christen als Geldgeber im hohen und späten Mittelalter, in: Alfred Ebenbauer / Klaus Zatloukal (Hg.): Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt. Wien/Köln/Weimar 1991, S. 281–300; Gerd Mentgen: Herausragende
Beziehungen zwischen jüdischen Geldverleihern und christlichen Handwerkern
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sem Desiderat möchte sich der gegenwärtige Beitrag am Beispiel der spätmittelalterlichen Reichs- und Messestadt Frankfurt am Main widmen, die bereits im 14. Jahrhundert zu einem Handelszentrum europäischen Ranges aufstieg4 und sich bekanntlich während der 1930er und frühen 1940er Jahre als „Stadt des deutschen Handwerks“ 5 inszenierte. 6
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jüdische Finanziers im mittelalterlichen Straßburg, in: Friedhelm Burgard u.a. (Hg.): Hochfinanz im Westen des Reiches 1150–1500 (Trierer Historische Forschungen 31). Trier 1996, S. 75–100; Joseph Shatzmiller: Shylock geht in Revision. Juden, Geldleihe und Gesellschaft im Mittelalter, aus dem Englischen übersetzt von Christoph Cluse, mit bibliografischen Ergänzungen (1990–2007) und einem Nachwort des Übersetzers. Trier 2007; außerdem die Ergebnisse des vorliegenden Bandes. Rothmann: Frankfurter Messen (wie Anm. 3); Ders.: Messestadt, in: Lothar Gall (Hg.): FFM 1200. Traditionen und Perspektiven einer Stadt. Sigmaringen 1994, S. 69–106; Alexander Dietz: Frankfurter Handelsgeschichte, 4 Bde. Frankfurt a.M. 1910–1925 [ND Glashütten/T. 1970]; Nils Brübach: Die Reichsmessen von Frankfurt am Main, Leipzig und Braunschweig (14. bis 18. Jahrhundert) (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 55). Stuttgart 1994; Franz Irsigler: Köln, die Frankfurter Messen und die Handelsbeziehungen mit Oberdeutschland im 15. Jahrhundert, in: Hugo Stehkämpfer (Hg.): Köln, das Reich und Europa. Abhandlungen über weiträumige Verflechtungen der Stadt Köln in Politik, Recht und Wirtschaft im Mittelalter (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 60). Köln 1971, S. 341–429. Dazu etwa Franz Lerner: Kleine Bilder aus Frankfurt am Main, der Stadt des deutschen Handwerks. Für die im Felde stehenden Gefolgschaftsmitglieder der Stadtverwaltung zusammengestellt. Frankfurt a.M. 1940. Eine modernen Ansprüchen genügende Geschichte des Frankfurter Handwerks im Mittelalter stellt nach wie vor ein Desiderat dar, weshalb der derzeit im Entstehen begriffenen Arbeit von Ellen Diehm zur Frankfurter Handwerksgeschichte im Spätmittelalter (Arbeitstitel) bei Felicitas Schmieder (Hagen) bereits jetzt eine besondere Bedeutung zukommt. An älterer Literatur sind an dieser Stelle insbesondere die Untersuchungen von Franz Lerner zu nennen: Franz Lerner: Sitze und Zusammenschlüsse der ältesten Frankfurter Handwerke. Frankfurt a.M. 1937; Ders.: Geschichte des Frankfurter Metzger-Handwerks. Geschrieben im Auftrage der FleischerInnung Groß-Frankfurt. Frankfurt a.M. 1959; Ders.: Mit Gunst, Meister und Gesellen eines ehrbaren Handwerks. Gesammelte Beiträge zur Frankfurter Handwerksgeschichte, hg. von der Direktion des Historischen Museums (Schriften des Historischen Museums Frankfurt am Main 18). Frankfurt a.M. 1987; Ders.: Zeugnisse des Frankfurter Schreinerhandwerks. 500 Jahre Zunftprivileg (Kleine Schriften des Historischen Museums Frankfurt am Main 32). Frankfurt a.M. 1987; Ders.: Das Frankfurter Schreinerhandwerk im Wandel der Zeiten. Frankfurt a.M. 1987. Vgl. darüber hinaus auch Georg Spaett: Das Frankfurter Fischereigewerbe als Beitrag zur Zunftgeschichte. Grünberg 1927; Franz Essinger: Zur Geschichte des städtischen Fleischergewerbes im deutschen Mittelalter. Kallmünz 1929; Hartmut Schubert: Unterkauf und Unterkäufer in Frankfurt am Main im Mittelalter. Ein Beitrag zur Geschichte des Maklerrechts. Diss. (masch.) Frankfurt a.M. 1962; Heinz Lenhardt: Feste und Feiern des Frankfurter Handwerks. Ein Beitrag zur Brauchtums- und Zunftgeschichte (zugleich: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, 5. Folge 1,2). Frankfurt am Main 1951; Frank Göttmann: Die Frankfurter Bäckerzunft im späten Mittelalter. Aufbau und Aufgaben städtischer Handwerkergenossenschaften (Studien zur Frankfurter Geschichte 10). Frankfurt a.M. 1975; Kurt Wesoly: Lehrlinge und Handwerksgesellen am Mittelrhein. Ihre soziale Lage und ihre Organisation vom 14. bis ins 17. Jahrhundert (Studien zur Frankfurter Geschichte 18). Frankfurt a.M. 1985; Karl Bücher: Die Bevölkerung von Frankfurt am Main im XIV. und XV. Jahrhundert. Socialstatistische Studien, Bd. 1. Tübingen 1886, bes. S. 76–146; Georg Ludwig Kriegk: Frankfurter Bürgerzwiste und Zustände im Mittelalter. Ein auf urkundlichen Forschungen beruhender Beitrag zur Geschichte
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Wichtigste Quellengrundlage der nachfolgenden Ausführungen sind die seit dem frühen 14. Jahrhundert geführten Schöffengerichtsbücher der Reichs- und Messestadt Frankfurt am Main. 7 Das seit dem späten 12. Jahrhundert nachzuweisende Gericht tagte unter Vorsitz des Reichsschultheißen, dem zunächst Ministeriale, später dann Schöffen zur Urteilsfindung zur Seite standen. 8 Mit der dauerhaften Verpfändung des Reichsschultheißenamtes an die Stadt durch Kaiser Karl IV. in den Jahren 1372/74 ging die Rechtsprechung über die zum Bürgerverband zählenden Einwohner de facto auf den Rat über, der das Schultheißenamt seither verlieh. 9 In Messezeiten wurden bereits seit den 1330er Jahren tägliche Sondersitzungen abgehalten, um die erhöhte Nachfrage seitens der Fernhändler und Messebesucher zu bedienen.10 Verfahren um kleinere Pfand- und Geldschulden bis zu einer Höhe von 9 Schilling Heller wurden von den sogenannten Richtern abgewickelt, die jährlich durch die beiden Bürgermeister der Stadt ernannt wurden; der oberste Richter durfte bis zu einem Streitwert von einer halben Mark Pfennig selbstständig urteilen. Eine Verschriftlichung dieser Urteile um Kleinstbeträge erfolgte jedoch nur im Ausnahmefall, was im Folgenden stets zu berücksichtigen ist. 11
des deutschen Bürgerthums. Frankfurt a.M. 1862 [ND Glashütten/T. 1970], bes. S. 22–80 und 354–404; außerdem die Quellenedition von Karl Bücher / Benno Schmidt (Hg.): Frankfurter Amts- und Zunfturkunden, 2 Bde. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Stadt Frankfurt a.M. 6). Frankfurt a.M. 1915. 7 Hierzu bereits David Schnur: Juden und Gerichtsbücher am Beispiel der Reichsstadt Frankfurt am Main (1330–1400), in: Alfred Haverkamp / Jörg R. Müller (Hg.): Verschriftlichung und Quellenüberlieferung. Beiträge zur Geschichte der Juden und der jüdisch-christlichen Beziehungen im spätmittelalterlichen Reich (13./14. Jahrhundert) (Forschungen zur Geschichte der Juden A 25). Peine 2014, S. 217–273 (mit weiterer Literatur). Nachdem die Gerichtsprotokolle bis 1816/17 noch Teil des eigenständigen Schöffengerichtsarchivs gewesen waren, wurden sie erst anlässlich eines Grundstücksverkaufes in das städtische Archiv übernommen. Siehe hierzu Benedikt Jacob Römer-Büchner: Die Entwicklung der Stadtverfassung und die Bürgervereine der Stadt Frankfurt am Main. Frankfurt a.M. 1855, S. IV Anm. *. 8 Zur Frühphase des Gerichts siehe Fred Schwind: Die Landvogtei in der Wetterau. Studien zu Herrschaft und Politik der staufischen und spätmittelalterlichen Könige (Schriften des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde 35). Marburg 1972, S. 10–21 und 282–285. Ferner Reinhard Schartl: Gerichtsverfassung und Zivilprozess in Frankfurt am Main im Spätmittelalter, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 123 (2006), S. 135–165, bes. S. 135–144. 9 Grundlegend Friedrich Schunder: Das Reichsschultheißenamt in Frankfurt am Main bis 1372, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 42 (1954), S. 5–99, zu den Kompetenzen des Schultheißen bes. S. 34–36. Hierzu auch Konrad Bund: Frankfurt am Main im Spätmittelalter (1311–1519), in: Frankfurt am Main. Die Geschichte der Stadt in neun Beiträgen, hg. von der Frankfurter Historischen Kommission (Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission 17). Sigmaringen 1991, S. 53–149, hier S. 79–90 und 109–113. 10 Rothmann: Frankfurter Messen (wie Anm. 3), S. 9 f.; Ders.: Schulden vor Gericht: Die Frankfurter Messegerichtsbarkeit und der Messeprozess in Mittelalter und beginnender Früher Neuzeit, in: Anja Amend u.a. (Hg.): Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich (Bibliothek Altes Reich 3). München 2008, S. 285–303. 11 Zu den Kompetenzen der Richter sowie den durch die Streitparteien zu zahlenden Gerichtsgebühren siehe Schnur: Juden und Gerichtsbücher (wie Anm. 7), S. 228 f.
Beziehungen zwischen jüdischen Geldverleihern und christlichen Handwerkern
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Da die Serie der spätmittelalterlichen Gerichtsprotokolle Frankfurts bis 1503/08 in den Kriegsjahren 1943/44 im Stadtarchiv nach einem Bombentreffer lückenlos verbrannte und damit noch vor ihrer umfassenden Auswertung vollständig zerstört wurde, kann leider nicht mehr auf die archivalischen Originale zurückgegriffen werden. 12 Stattdessen müssen die dereinst gebotenen Inhalte über glaubwürdige Ersatzüberlieferungen für heutige Forschungsvorhaben nutzbar gemacht werden, wobei Qualität und Integrität derartiger Sekundärüberlieferungen kritisch zu prüfen sind. Berücksichtigt werden hierzu zunächst die in aller Regel publizierten Auszüge in älteren historiographischen Arbeiten (Quellenbeschreibungen, Urkunden- und Regestenwerke, wissenschaftliche Beiträge und Monographien), die jedoch noch um anderweitige, zumeist nicht publizierte Überlieferungen (etwa thematische Abschriftenund Exzerptesammlungen in Archiven sowie Nachlässe von Historikern und Laien) zu ergänzen sind. Diese Kombination verschiedener Überlieferungsstränge ermöglicht so im Idealfall nicht nur eine verlässliche Einsicht in die verlorene Quelle, gegebenenfalls sogar deren mehr oder weniger vollständige Rekonstruktion 13 sowie die Herausarbeitung von Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Ersatzüberlieferungen 14, sondern lässt verschiedentlich auch Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit der einzelnen Überlieferungsstränge zu. 15 12 Die Frankfurter Schöffengerichtsbücher waren zunächst zwar kriegsbedingt für eine Auslagerung vorgesehen, jedoch wurden sie in den Räumen des Stadtarchivs zurückgehalten, da sich ein mit politischer Rückendeckung des Generalgouverneurs Hans Frank angestoßenes Forschungsvorhaben den „Handelsbeziehungen zu Polen“ im Spätmittelalter widmen sollte und hierzu auch die seriellen Frankfurter Quellen zur Auswertung vorgesehen waren. Hierzu Alexander Krey: Die Praxis der spätmittelalterlichen Laiengerichtsbarkeit. Gerichts- und Rechtslandschaften des Rhein-Main-Gebietes im 15. Jahrhundert im Vergleich (Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte 30). Köln/Wien/Weimar 2015, S. 37 f. 13 Auf die Möglichkeiten und Grenzen einer Rekonstruktion verloren gegangener serieller Quellen wies Josef Rosen: Mittelalterliche Jahresrechnungen der Stadt Frankfurt aus zwei Jahrhunderten, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 59 (1985), S. 79–102, anhand der Frankfurter Stadtrechnungen hin, die 1943/44 ebenfalls nahezu vollständig vernichtet wurden. Von den dereinst mehr als 450 Rechnungsbänden der Jahre 1348 bis 1868 hat einzig die Jahresrechnung von 1428/29 diese Katastrophe überstanden, siehe Gerhard Fouquet: Zahlen und Menschen. Der städtische Haushalt der Königs- und Reichsstadt Frankfurt während der Jahre 1428/29, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 66 (2000), S. 95–131. 14 So beruhen etwa die Juden betreffenden, von Moritz Stern in den 1890er Jahren angefertigten Auszüge aus den verlorenen Rechenbüchern der Jahre 1348 bis 1411 nicht etwa auf einer Durchsicht der archivalischen Originale, sondern vielmehr auf den thematisch geordneten Exzerptserien, die wenige Dekaden zuvor von dem Stadtarchivar Georg Ludwig Kriegk angefertigt worden waren. Der umfangreiche wissenschaftliche Nachlass von Moritz Stern wird heute in den Central Archives for the History of Jewish People in Jerusalem/Israel verwahrt, die Rechenbuchauszüge finden sich dort unter der Signatur P 17-752. Eine Fotokopie dieser Sammlung ist mittlerweile in Frankfurt, Institut für Stadtgeschichte (im Folgenden: ISG), S 6a-648, zugänglich (mit maschinenschriftlicher Transkription). Vergleichbares gilt für die Auszüge aus den Frankfurter Rechenbüchern, die in der älteren Reihe der Deutschen Reichtagsakten zur Edition kamen. Auch diese griffen nicht unmittelbar auf die Originalbände, sondern vielmehr ausschließlich auf die Exzerpte von Kriegk zurück. Siehe hierzu Julius Weizsäcker (Hg.): Deutsche Reichstagsakten unter König Wenzel, Abt. 1: 1376–1387 (Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe 1,1). München 1867, S. LII und LVI f. Die umfangreichen thematischen Exzerptserien, die Kriegk
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Hinsichtlich der verlorenen Frankfurter Gerichtsbuchüberlieferung ist auf eine vergleichsweise gute und breit gefächerte Ersatzüberlieferung zu verweisen. Zu nennen sind etwa die 1841 erst posthum veröffentlichte Abhandlung von Johann Gerhard Christian Thomas 16 zur Geschichte des Frankfurter Oberhofes sowie die 1939 erstmals publizierte Studie von Helmut Coing, 17 die sich mit der Rezeption des römischen Rechts in Frankfurt befasste, ferner auch die verschiedenen Forschungen des Stadtarchivars Georg Ludwig Kriegk, 18 dem das Verdienst zukommt, als Erster
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hauptsächlich aus den Rechenbüchern des 14. und 15. Jh.s angefertigt hatte, gehören bedauerlicherweise ebenfalls in weiten Teilen zu den Kriegsverlusten des Frankfurter Stadtarchivs; vereinzelt wurden sie durch Dritte zuvor noch zum Druck gebracht. Die heute noch vorhandenen Quellensammlungen Kriegks werden verwahrt unter Frankfurt, ISG, S 6a-272 und -273, sowie Frankfurt, ISG, Ratswahlen und Ämterbestellung 72 (hierauf fußt übrigens Ludwig Heinrich Euler: Verzeichnis der Frankfurter Hauptleute, Stadt-Advokaten und Oberstrichter bis zum Jahre 1500. Nach Aufzeichnungen des Herrn Archivars Dr. Georg Ludwig Kriegk, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, N.F. 4 [1869], S. 218–236). Vgl. zudem Frankfurt, ISG, Extrakte aus den Rechen- und anderen Ratsbüchern 1–14. Vgl. dazu etwa Konrad Bund: Untersuchungen zu Chronologie, Quellenproblematik und Quellenwert der ältesten Memorialüberlieferung des Frankfurter St. Bartholomäusstifts. Mit einem Exkurs zu angeblich 1944 verbrannten Büchern des Stifts und zur Chronologie der fogelweiderEinträge in den Bartholomäusbüchern II 7 und II 11, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 32 (1982), S. 19–61, hier bes. S. 50–56. Zu einer besonders spektakulären Fälschung von angeblichen Exzerpten des lange Zeit irrig zu den Kriegsverlusten des Hauptstaatsarchivs Stuttgart zählenden „Roten Buches“ des Klosters Lorch siehe Hansmartin Decker-Hauff: Das staufische Haus, in: Die Zeit der Staufer. Geschichte – Kunst – Kultur. Katalog der Ausstellung, Bd. 3: Aufsätze. Stuttgart 1977, S. 339–374, und zu Decker-Hauffs Entlarvung als Quellenfälscher siehe Klaus Graf: Staufer-Überlieferungen aus Kloster Lorch, in: Sönke Lorenz / Ulrich Schmidt (Hg.): Von Schwaben bis Jerusalem. Facetten staufischer Geschichte (Veröffentlichungen des Alemannischen Instituts 61). Sigmaringen 1995, S. 209–240, hier S. 237 f. (online verfügbar unter urn:nbn:de:bsz:25-opus-52665 [14.4.2018]); Ders.: Der Mythos Staufer. Eine schwäbische Königsdynastie wird erinnert und instrumentalisiert, in: Schwäbische Heimat 61 (2010), S. 296– 306, hier S. 303–305 (online verfügbar unter urn:nbn:de:bsz:25-opus-77898 [14.4.2018]); Tobias Weller: Auf dem Weg zum „staufischen Haus“. Zu Abstammung, Verwandtschaft und Konnubium der frühen Staufer, in: Hubertus Seibert / Jürgen Dendorfer (Hg.): Grafen, Herzöge, Könige. Der Aufstieg der frühen Staufer und das Reich (1079–1152) (Mittelalter-Forschungen 18). Ostfildern 2005, S. 42–63, hier S. 56–63. Johann Gerhard Christian Thomas (Bearb.): Der Oberhof zu Frankfurt am Main und das fränkische Recht in Bezug auf denselben, aus dem Nachlass hg. von Ludwig Heinrich Euler. Frankfurt a.M. 1841, im dortigen Urkundenbuch bes. S. 299–430 und 452–580. Zur Geschichte des Frankfurter Oberhofes siehe zuletzt in vergleichender Perspektive Krey: Praxis (wie Anm. 12). Helmut Coing: Die Rezeption des römischen Rechts in Frankfurt am Main. Ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte. Frankfurt a.M. 1939 [2. Aufl. 1962]. Unter den im Text zitierten Gerichtsbuchauszügen finden sich auch einige Judenbetreffe (ebenda, S. 37 [zu 1480], S. 50 f. [zu 1482], S. 62 Anm. 2 [zu 1481] und Anm. 4 [zu 1482]), die bei Andernacht (Bearb.): Regesten 1401– 1519 (wie Anm. 26), fehlen. Auch die Studie von Alfons Vogt: Die Anfänge des Inquisitionsprozesses in Frankfurt am Main, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 68 (1951), S. 234–307, zitiert zahlreiche Gerichtsbucheinträge. Kriegk: Frankfurter Bürgerzwiste (wie Anm. 6); Ders.: Deutsches Bürgerthum im Mittelalter. Nach urkundlichen Forschungen und mit besonderer Beziehung auf Frankfurt a.M. Frankfurt a.M. 1868 [ND Frankfurt a.M. 1969]; Ders.: Deutsches Bürgerthum im Mittelalter. Nach urkundlichen For-
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systematisch gerade die spätmittelalterlichen seriellen Quellengruppen Frankfurts ausgewertet und dadurch auf deren Ergiebigkeit hingewiesen zu haben – neben den Schöffengerichtsbüchern sind dies bei Kriegk insbesondere die städtischen Rechnungssowie Bedebücher, 19 die ebenfalls 1943/44 untergingen. Seit dem frühen 20. Jahrhundert wurden die Schöffengerichtsbücher schließlich auch verstärkt für wirtschaftshistorische Fragestellungen herangezogen und rudimentär ausgewertet. Hektor Ammann beispielsweise arbeitete in den 1920er und 1930er Jahren anlässlich mehrerer Archivaufenthalte die Protokolle des 14. und 15. Jahrhunderts vollständig durch und fertigte eine Anzahl Exzerpte an, die heute im Institut für vergleichende Städtegeschichte an der Universität Münster zugänglich sind. 20 Die Entdeckung des inhaltlichen Reichtums dieser Quellengruppe wirkte sich dabei nachhaltig auf die danach erschienenen Untersuchungen Ammanns aus, gewissermaßen stellten sie für ihn einen nicht zu überschätzenden Einschnitt dar.21 Er war es auch, der Dritte auf die Relevanz der für die oberdeutsche Wirtschaftsgeschichte noch unberücksichtigten Frankfurter Quellen hinwies. 22 Gelegentlich führte die Berücksichtigung der bis dahin weitgehend unbeachtet gebliebenen Frankfurter Schöf-
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schungen, Neue Folge. Frankfurt a.M. 1871 [ND Frankfurt a.M. 1969]; Ders.: Geschichte von Frankfurt am Main in ausgewählten Darstellungen. Frankfurt a.M. 1871. Die heute verlorenen Bedebücher wurden umfassend analysiert von Bücher: Bevölkerung (wie Anm. 6), sowie von Friedrich Bothe: Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Reichsstadt Frankfurt (Beilage zum Jahresbericht der Liebig-Realschule zu Frankfurt am Main, Ostern 1906). Altenburg 1906; Ders.: Die Entwicklung der direkten Besteuerung in der Reichsstadt Frankfurt bis zur Revolution 1612–1614 (Staats- und Sozialwissenschaftliche Forschungen 26,2). Leipzig 1906. Münster, Institut für vergleichende Städtegeschichte, Nachlass H. Ammann. Das kürzlich erarbeitete Findbuch zum Nachlass ist online verfügbar, siehe Sebastian Schröder / Christof Spannhoff: Nachlass Hektor Ammann (23.07.1894–22.07.1967). Münster 2015, http://www.uni-muenster. de/imperia/md/content/staedtegeschichte/4_wissenschaftsservice/sammlungen_und_nachlaesse/ nachlaesse/nachlass_hektor_ammann.pdf [5.1.2017]. Kopien der Frankfurt betreffenden Teile des Nachlasses sind darüber hinaus auch zugänglich in Frankfurt, ISG, S1-425. Zur Vita Ammanns zuletzt Michael Fahlbusch: Hektor Ammann, in: Ingo Haar u.a. (Hg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen. München 2008, S. 38–43. Zu seiner umfangreichen Bibliographie siehe Emil Meynen: Hektor Ammann, in: Berichte zur Deutschen Landeskunde 43 (1969), S. 41–72; Rothmann: Frankfurter Messen (wie Anm. 3), S. 644–646. Rothmann: Frankfurter Messen (wie Anm. 3), S. 19, bemerkt hierzu treffend: „Im Grunde gibt es einen Ammann nach und einen vor den Frankfurter Schöffengerichtsbüchern.“ Siehe Werner Schnyder (Bearb.): Quellen zur Zürcher Wirtschaftsgeschichte. Von den Anfängen bis 1500, 2 Bde. Zürich/Leipzig 1937, hier Bd. 1, S. III und V, sowie die auf Frankfurter Gerichtsbucheinträgen beruhenden Regesten Bd. 1, Nr. 127, S. 66 (1333 IX 4); Nr. 158, S. 88 (1340 IX 6); Nr. 159, S. 88 (1341 III 15); Nr. 160, S. 88 (1341 III 21); Nr. 162, S. 89 (1341 VIII 28); Nr. 166, S. 90 (1342 III 6 und 13); Nr. 171, S. 93 (1343 III 27); Nr. 174, S. 94 (1343 IX 1); Nr. 176, S. 95 (1343 IX 12); Nr. 183, S. 98 (1344 III 18); Nr. 184, S. 98 (1344 III 19); Nr. 195, S. 102 (1346 IX 15); Nr. 202, S. 105 (1347 IX 3); Nr. 205, S. 105 (1348 III 31); Nr. 238, S. 123 (1357 VIII 28); Nr. 239, S. 123 (1357 VIII 31); Nr. 285, S. 146 (1371 IX 1); Nr. 321, S. 167 (1377 IX 7); Nr. 374, S. 204 (1385 III 21); Nr. 415, S. 229 (1389 IX 1 und 7); Nr. 422, S. 238 (1390 III 26); Nr. 1139, S. 648 (1458 IV 17); Bd. 2, Nr. 1183, S. 670 (1464 IX 12); Nr. 1266, S. 738 (1473 IX 14); Nr. 1287, S. 745 (1474 IX 16); Nr. 1322, S. 763 (1477 IV 14); Nr. 1366, S. 780 (1480 IX 16).
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fengerichtsbücher zu konzeptionellen Änderungen an bereits weit fortgeschrittenen Editionsvorhaben. Franz Bastian, der in den 1930er Jahren mit einer Quellenedition zur Geschichte der Regensburger Handelsfamilie Runtinger für die Reihe ‚Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit‘ beschäftigt war, führt im Vorwort zu seinem dreibändigen Werk an, dass er erst nach Fertigstellung des Manuskripts, das der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften bereits als druckreif vorgelegt worden war, „durch einen Hinweis von Hektor Ammann näher mit den Frankfurter Schöffenbüchern bekannt [wurde], um inne zu werden, daß diese tatsächlich die zentrale Quelle für die süd- und westdeutsche Firmengeschichte der früheren Zeit sind. Bald stand mein Entschluß fest, auch die Ergebnisse hieraus in den Rahmen meiner Betrachtung zu ziehen und dadurch den Wert von Darstellung und Personenregister für die allgemeine handelsgeschichtliche Forschung zu erhöhen.“ 23
In der Folge griffen auch weitere Editionsprojekte auf die Frankfurter Gerichtsbuchüberlieferung zurück und werteten diese für ihre zumeist thematisch gehaltenen Vorhaben aus. 24 Verschiedentlich wird selbst noch in jüngeren Arbeiten auf weitere Gerichtsbuchexzerpte hingewiesen, die sich in Privatbesitz befinden sollen und nicht oder nur sehr eingeschränkt nutzbar sind. 25 23 Franz Bastian (Bearb.): Das Runtingerbuch 1383–1407 und verwandtes Material zum Regensburger-südostdeutschen Handel und Münzwesen, 3 Bde. (Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit 6–8). Regensburg 1935–1944, hier Bd. 1, S. VII. Eine zusammenhängende Reihung von Exzerpten zu den „Regensburger Firmen in den ältesten Frankfurter Gerichtsprotokollen“ findet sich etwa ebenda, S. 112–115. 24 Vgl. dazu beispielhaft Aloys Schulte (Hg.): Geschichte der großen Ravensburger Handelsgesellschaft 1380–1530, 3 Bde. (Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit 1–3). Stuttgart/Berlin 1923, hier Bd. 3, Nr. 127, S. 478 (1452 I 19–29) und Nr. 128, S. 479 (1452 IX 9). Zur Auswertung kamen die Schöffengerichtsbücher ebenfalls bei Dietz: Frankfurter Handelsgeschichte (wie Anm. 4), doch verweist dieser nur pauschal auf die von ihm benutzten Quellen (Bd. 2, S. XII), ohne im Einzelnen die seinerzeit gültigen Signaturen anzuführen. Dies sei nach Bd. 2, S. VIII f., „ein alter Zopf, der abgeschnitten zu werden verdient“. Wegen dieses Vorgehens ist heute nicht mehr eindeutig zu rekonstruieren, welche Informationen Dietz den Gerichtsbüchern, anderen seriellen Quellengruppen oder auch Urkunden und Akten entnommen hat, so dass sein Werk als Ersatzüberlieferung nur mit der notwendigen Vorsicht zu gebrauchen ist. 25 Dazu etwa Wilhelm Koppe / Gert Koppe: Die Lübecker Frankfurt-Händler des 14. Jahrhunderts (Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck B 22). Lübeck 2006, passim, jedoch bes. S. 13 und 16 mit Anm. 29, wo auf die im Jahr 1935 angefertigten Exzerpte von Heinz Merling (Wiesbaden) verwiesen wird. Kritisch zur Qualität der Exzerpte Merlings äußerte sich Bund: Untersuchungen (wie Anm. 15), S. 50–56. Das ISG Frankfurt a.M. bemüht sich seit Kriegsende aktiv um den Erwerb derartiger Exzerptserien Dritter und stellt diese bei Erfolg zur Benutzung bereit. Zu verweisen ist – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – auf einige größere Serien von Rechenbuchexzerpten von Martin Romeiss (Frankfurt, ISG, S 6b-29; in Teilen gedruckt bei Martin Romeiss: Die Wehrverfassung der Reichsstadt Frankfurt a.M. im Mittelalter, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 41 [1953], S. 5–63, sowie ausgewertet von Konrad Ruser [Bearb.]: Die Urkunden und Akten der oberdeutschen Städtebünde vom 13. Jahrhundert bis 1549, 3 Bde. Göttingen 1979–2005, hier v.a. in Bd. 2 und 3) sowie von Moritz J. Elsas (Frankfurt, ISG, S 6b-91; es handelt sich hierbei um eine Mikroverfilmung der Frankfurtbetreffe der in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen aufbewahrten Materialsammlung [sog. Elsas-Archiv, Cod. Ms. Elsas], welche die Grundlage darstellte für Moritz J. Elsas [Bearb.]:
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Doch alle diese Exzerpte, Teileditionen und Ersatzüberlieferungen geben nur einen sehr kleinen, in weiten Teilen auch beliebigen Einblick in den inhaltlichen Reichtum der verlorenen Frankfurter Gerichtsbücher wieder. Nur hinsichtlich eines einzigen Sachbetreffs scheint die Ersatzüberlieferung zumindest für das 14. Jahrhundert annähernd lückenlos zu sein – nämlich für die hierin enthaltenen Einträge, die sich auf Juden beziehen. Das 1914 erschienene, von Isidor Kracauer erarbeitete ‚Urkundenbuch zur Geschichte der Juden in Frankfurt von den Anfängen bis 1400‘ widmet sich auf mehr als 600 Druckseiten den Judenbetreffen der Frankfurter Schöffengerichtsbücher, womit diese annähernd zwei Drittel des Gesamtwerkes einnehmen. 26 Insgesamt trug Kracauer für das 14. Jahrhundert rund 10.500 Nachweise aus der heute verlorenen Quellengruppe zusammen, wobei sich die Belege jeweils etwa zur Hälfte auf die Jahre 1330 bis 1349 sowie 1361 bis 1400 verteilen.27 Hierdurch wurde eine im nordalpinen Reichsgebiet singuläre Quellenüberlieferung zur Geschichte einer städtischen Judengemeinde während des 14. Jahrhunderts erschlossen und gesichert. 28 Die zeitliche Begrenzung dieser Ersatzüberlieferung auf die Jahre 1330 Umriss einer Geschichte der Preise und Löhne in Deutschland vom ausgehenden Mittelalter bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, 3 Bde. Leiden 1936–1940). 26 Isidor Kracauer (Bearb.): Urkundenbuch zur Geschichte der Juden in Frankfurt am Main von 1150–1400, 2 Bde. Frankfurt a.M. 1914. Siehe zudem Dietrich Andernacht (Bearb.): Regesten zur Geschichte der Juden in der Reichsstadt Frankfurt am Main von 1401–1519, 4 Bde. (Forschungen zur Geschichte der Juden B 1). Hannover 1996–2006; Ders. (Bearb.): Regesten zur Geschichte der Juden in der Reichsstadt Frankfurt am Main von 1520–1616, aus dem Nachlass hg. von Helga Andernacht, 2 Bde. (Forschungen zur Geschichte der Juden B 2). Hannover 2007. Zuletzt David Schnur (Bearb.): Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden in Frankfurt a. M. und in der Wetterau 1: 1273–1347, in: Alfred Haverkamp / Jörg R. Müller (Hg.): Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich. Trier/Mainz 2011, URL: http:// www.medieval-ashkenaz.org/quellen/1273-1347/fw01.html [14.4.2018]; Ders. (Bearb.): Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden in Frankfurt a.M. und in der Wetterau 2: 1348–1390, in: ebenda. Trier/Mainz 2017, URL: http://www.medieval-ashkenaz.org/quellen/1348-1390/fw02. html [14.4.2018]. 27 Nach dem Pogrom im Juli 1349, dem wahrscheinlich die gesamte jüdische Gemeinde zum Opfer fiel, siedelten sich erstmals wieder im Jahr 1360 Juden in der Reichsstadt Frankfurt an. Siehe hierzu Andernacht: Verpfändung (wie Anm. 1); Johannes Heil: Vorgeschichte und Hintergründe des Frankfurter Pogroms von 1349, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 41 (1991), S. 105–151; Joseph Goldschmidt: Die Rückkehr der Juden nach Frankfurt am Main im Jahre 1360, in: Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland 2 (1888), S. 154–171. Hiervon unbenommen ist der Umstand, dass seit 1357 vereinzelt wieder auswärtige Juden in den Frankfurter Quellen greifbar werden, die sich hier als Messegäste aufhielten. Zum Messebesuch auswärtiger Juden siehe David Schnur: Die Juden in Frankfurt am Main und in der Wetterau im Mittelalter. Christlich-jüdische Beziehungen, Gemeinden, Recht und Wirtschaft von den Anfängen bis um 1400 (Schriften der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen 30). Wiesbaden 2017, S. 562–579. 28 Hierzu ausführlich Schnur: Juden und Gerichtsbücher (wie Anm. 7). Zur Quellenüberlieferung zur Geschichte der Frankfurter Juden sei verwiesen auf Schnur: Juden in Frankfurt am Main (wie Anm. 27), S. 23–38. Zum Konstanzer Ammannbuch, das ebenfalls zahlreiche aussagekräftige Judenbelege enthält, siehe Hektor Ammann: Die Judengeschäfte im Konstanzer AmmannGerichtsbuch 1423–1434, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 71 (1952), S. 37–84; Heymann Chone: Zur Geschichte der Juden in Konstanz, in: Zeit-
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bis 1400 und die anderweitig nur noch sporadisch nachweisbaren Judenbetreffe der nachfolgenden Jahrzehnte, deren Abbruch somit allein in der Überlieferung und keinesfalls in zeitgenössischen Ursachen begründet liegt, bedingt eine zeitliche Begrenzung auf eben jene belegten sieben Dekaden. 29 Diese einzige vollständige sachthematische Auswertung der heute verlorenen Gerichtsbücher ermöglicht zugleich Rückschlüsse auf den dereinst vorhandenen Frankfurter Quellenreichtum, der allein in Betreff der spätmittelalterlichen Gerichtsbucheinträge eine sicherlich sechsstellige Größenordnung umfasst haben muss. Die Kracauerschen Gerichtsbuchexzerpte stellen ferner eine hinreichende quantitative Grundlage für wirtschaftshistorische Fragestellungen bereit, die andernorts aufgrund einer ungleich schlechteren Überlieferungssituation in dieser Form nicht oder nur eingeschränkt möglich sind. 30 Somit steht der Erforschung der jüdischen Geschichte Frankfurts eine herausragende Quelle zur Verfügung, die für allgemeiner gehaltene Fragestellungen nur noch sehr eingeschränkt Aufschluss geben kann. Bedingt durch den seriellen Quellencharakter sind hierin unzählige Pfand- und Kreditgeschäfte nachgewiesen, die sich in der urkundlichen Überlieferung, die tendenziell eher höher dotierte Darlehen begünstigt, in dieser Form nicht finden. Dabei muss jedoch stets beachtet werden, dass die zuvor genannten rund 10.500 Gerichtsbucheinträge mit jüdischer Beteiligung, die zu fast 90 Prozent Klagen jüdischer Geldverleiher gegen säumige Kunden und deren Bürgen darstellen, keineswegs alle Kredite dokumentieren, an denen Juden während der Laufzeiten der einzelnen Bände beteiligt waren. Vielmehr handelt es sich lediglich um die Kredite, die nicht ordnungsgemäß bedient worden waren, bei denen die Schuldner also etwa die vereinbarten Zahlungsziele nicht einhielten, die Bürgen eine Leistung verweigerten oder nicht ausgelöste und damit verfallene Pfänder nach Ende der Kreditlaufzeit gerichtlich aufgeboten werden mussten. Vertragsmäßig abgewickelte Darlehen brauchten nicht vor Gericht verhandelt zu werden, weshalb sie in der Regel auch nicht aktenkundig wurden. Die grundlegende Edition von Kracauer weist jedoch einige Schwächen und Mängel auf, die beachtet werden müssen. Angesichts der Masse an relevanten Belegen und aufgrund der Gleichförmigkeit der einzelnen Einträge entschied sich Kracauer schrift für die Geschichte der Juden in Deutschland 6 (1936), S. 3–16 (S. 3 Anm. 1 Ankündigung einer nicht erschienenen Edition); vgl. außerdem den Beitrag von Christian Hagen in diesem Band. 29 Arnold Esch: Überlieferungschance und Überlieferungszufall als methodisches Problem des Historikers, in: Historische Zeitschrift 240 (1985), S. 529–570. 30 Zudem muss beachtet werden, dass gerade derartige serielle Quellengruppen häufig noch unbearbeitet in den Archiven einen Dornröschenschlaf halten und allenfalls rudimentär erschlossen sind. Hinzuweisen ist hierzu beispielhaft auf die Gerichtsbuchüberlieferung der Stadt Hofheim am Taunus, die für das 15. Jh. zwar ebenfalls einige Hundert Judaica beinhaltet, jedoch selbst in Standardwerken wie der Germania Judaica, Bd. 3, nicht berücksichtigt worden ist, obgleich die Quellenlage gerade für die spätmittelalterliche Geschichte der Hofheimer Juden ansonsten mehr als dürftig ist. Hierzu Hans Ulrich Colmar: Das älteste Hofheimer Gerichtsbuch als regionalgeschichtliche und genealogische Quelle, Bd. 1: 1425 bis 1450. Hofheim a.T. 1986, bes. S. 67–70, sowie Germania Judaica, Bd. 1: Ismar Elbogen u.a. (Hg.): Von den ältesten Zeiten bis 1238; Bd. 2: Zvi Avneri (Hg.): Von 1238 bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, 2 Tle.; Bd. 3: Arye Maimon / Mordechai Breuer / Yacov Guggenheim (Hg.): 1350–1519, 3 Tle. Tübingen 1963–2003.
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„der besseren Übersichtlichkeit wegen“ 31 bewusst gegen eine Volltextedition und trug die Judenbelege lediglich in gestraffter Form tabellarisch zusammen. Passagen, die sich in die vorgegebenen drei Spalten seiner Tabelle (1. Gläubiger, 2. Schuldner, 3. Schuldsumme/Pfand) nicht recht einfügen wollten, erläuterte er im Anmerkungsapparat, meist anhand längerer wörtlicher Textauszüge oder regestenartiger Zusammenfassungen. Dies hat zur Folge, dass nur ein vergleichsweise kleiner Teil der Judenbelege in voller Länge und im Wortlaut bekannt ist, während die Masse der Nachweise ausschließlich im vorgenannten Tabellenschema vorliegt.32 Darüber hinaus verzichtete Kracauer seinerzeit in aller Regel auf eine tagesgenaue Datierung der einzelnen Gerichtsbucheinträge, so dass zumeist allein das Kalenderjahr bekannt ist. 33 Davon ausgehend, dass die Eintragungen im Jahresverlauf chronologisch abfolgen, ergibt sich zumindest ein – wenn auch schwacher – Hinweis auf eine ungefähre Datierung. Jedoch können unter Zuhilfenahme der übrigen, eingangs genannten Ersatzüberlieferungen weite Teile der Datierungen ebenfalls rekonstruiert werden; der Nachlass von Hektor Ammann eignet sich hierbei insbesondere zur tagesgenauen Datierung innerhalb der Messezeiträume. 34 BERUFSSTRUKTUR DER CHRISTLICHEN SCHULDNER IM SPIEGEL DER GERICHTSBÜCHER Das in den Schöffengerichtsbüchern enthaltene Namenmaterial ist vielfach durch ergänzende Zusätze der Gerichtsbuchschreiber angereichert, was den Zeitgenossen die eindeutige Identifikation der genannten Personen – Juden 35 wie Christen36 31 Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 319 f. 32 Lediglich die Jahrgänge 1330–1331 sowie 1361–1362 edierte er im Wortlaut. Siehe ebenda, S. 322 f. und 456–458. 33 Ebenda, S. 320, gibt Kracauer an, dass er die Datierungen nur dann hinzugefügt habe, „wo sie mir von Wichtigkeit erschienen, wie z.B. bei den einzelnen Stadien im Prozeßvollzuge.“ Im Unterschied zu den Rechnungsbüchern und den unter der Bezeichnung Bürgermeisterprotokolle überlieferten Ratsprotokolle, die sich beide am Osterjahr orientierten, richteten sich die Frankfurter Schöffengerichtsbücher am Kalenderjahr aus. Während die ältesten Protokolle mehrere Jahrgänge in einem Band vereinigten, bildete seit der zweiten Hälfte des 14. Jh.s ein Jahrgang in der Regel einen eigenen Band. 34 Hierzu detailliert Schnur: Juden und Gerichtsbücher (wie Anm. 7), S. 231–233, mit einer tabellarischen Übersicht über die derart ermittelten Laufzeiten auf S. 255–272. Die nachfolgend den Belegstellen in Klammern nachgestellten Datierungen stellen zumeist die anhand des Nachlasses von Ammann rekonstruierten Laufzeiten dar. 35 Die in anderen Zusammenhängen typischen Zusätze judeus bzw. judea fehlen in den Frankfurter Schöffengerichtsbüchern häufiger. Allerdings können die namentlich angegebenen Personen durch ergänzende Überlieferungen in aller Regel eindeutig als Juden identifiziert werden. Lediglich bei einigen nicht in Frankfurt lebenden Juden muss mangels eindeutiger Quellen ein Fragezeichen bleiben; dies betrifft allerdings für das 14. Jh. kaum mehr als zwei Dutzend Fälle. Zum reichhaltigen Namenmaterial von Frankfurter Juden und Jüdinnen siehe Alexander Beider: A Dictionary of Ashkenazic Given Names. Their Origins, Structure, Pronunciation and Migrations. Bergenfield 2001; Isidor Kracauer: Die Namen der Frankfurter Juden bis zum Jahre 1400, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 55 (1911), S. 447–463 und 600–613;
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– ermöglichte. Unter diesen Namenszusätzen finden sich zwar auch körperliche 37, soziale 38 oder familiäre 39 Charakteristika, doch nehmen Herkunftsbezeichnungen und Berufsangaben 40 den weitaus größten Raum ein. Eben diese Berufsangaben sind für die Bestimmung und Einordnung der jeweils genannten christlichen Personen als Handwerker grundlegend. Methodisch ist dabei zu berücksichtigen, dass während unseres Untersuchungszeitraums die Verstetigung von Namenszusätzen zu festen Namensbestandteilen einsetzt. 41 Hierzu nur ein knappes Beispiel: Im Jahr 1400 erwirkte die Jüdin Gutlin von Eppstein gegen einen Schuldner einen Zahlungsbeschluss über 3,5 Gulden. Der Schuldner wird in der Vorlage als Henne Becker fisscher bezeichnet, was prinzipiell offenlässt, ob es sich bei Becker bereits um einen Familiennamen oder noch um eine Berufsangabe handelt.42 Karl Bücher hat in seiner lexikonartigen Zusammenstellung der Berufe im mittelalterlichen Frankfurt dafür plädiert,
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Ders.: Die Namen der Frankfurter Juden bis zum Jahre 1400, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 11 (1913), S. 215–237; Kriegk: Frankfurter Bürgerzwiste (wie Anm. 6), S. 548– 553 Anm. 239. Vgl. etwa ebenda, S. 468–474. Einige Beispiele hierzu ebenda, S. 472: „Der kahle Wigand, Volcz Spitzebart, Hans Zegenbart, Hans mit dem Bart, Albrecht Langnase, Henne Langhals, Albrecht Roczmul, Gerhard Hochbein, Concze Krumpfuz, der kleine Theodor, der große Johann, Arnold mit der großen Nasen“. Etwa zum Christentum konvertierte Juden und Jüdinnen bei Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 824, fol. 3v (1395 VIII 9–30): Kether, etwan eine juden was; S. 725, fol. 55v (1386 IX 20–XII 31): Henselin, der gedaufft juden man; wohl dieselbe Person nochmals S. 757, fol. 6v (1390 II 3–25): Hans, der gedaufften judden man. Gegebenenfalls ist er mit dem bereits 1375 nachgewiesenen Hans Jude identisch, spätestens 1398 scheint er verstorben zu sein, siehe hierzu S. 569, fol. 63v (1375 VII 2–IX 4) (drei Einträge), sowie S. 853 f., fol. 37r und 39r (1398 VI 27–VII 3) (drei Einträge). Etwa ebenda, S. 680, fol. 111r (1382 XI 7): Jutte, Yselins husfrauwe, oder S. 717, fol. 1r (1386 II 9): Joselin, Jacobis son. Dies betrifft ebenfalls die Frankfurter Juden, die keineswegs ausschließlich als Geld- und Pfandleiher tätig waren, sondern auch zahlreiche andere Berufe und Beschäftigungen ausübten, darunter u.a. als Ärzte, Bäcker, Fleischer, Schreiber, Schreiner und Unterkäufer, gegebenenfalls sogar als Schneider. Hierzu die Aufstellung ebenda, S. 966 f., sowie die Ausführungen bei Schnur: Juden in Frankfurt am Main (wie Anm. 27), S. 580–621. Zu dieser Thematik siehe ferner Gregor Maier: Wirtschaftliche Tätigkeitsfelder von Juden im Reichsgebiet (ca. 1273–1350) (Arye Maimon-Institut für Geschichte der Juden, Studien und Texte 1). Trier 2010; Michael Toch: Geldleiher und sonst nichts? Zur wirtschaftlichen Tätigkeit der Juden im deutschen Sprachraum des Spätmittelalters, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 22 (1993), S. 117–126. Vgl. zudem die Registerangaben in Germania Judaica, Bd. 3,3 (wie Anm. 30), S. 2556–2558. Friedhelm Debus (Hg.): Stadtbücher als namenkundliche Quelle. Vorträge des Kolloquiums vom 18.–20. September 1998 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Geistes- und Sozialwissenschaftliche Klasse 7). Mainz/Stuttgart 2000; Kurt Andermann / Hermann Ehmer (Hg.): Bevölkerungsstatistik an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit (Oberrheinische Studien 8). Sigmaringen 1990. Speziell zu Frankfurt Kriegk: Frankfurter Bürgerzwiste (wie Anm. 6), S. 469 f., sowie insgesamt Bücher: Bevölkerung (wie Anm. 6), bes. S. 69–74. Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 894, fol. 55v (1400 VIII 20–30). Weitere Beispiele zu dieser Problematik finden sich etwa S. 387, fol. 70r (1343 VI 30–VII 28): Conrad Sagdrager, sartor; S. 719, fol. 17r (1386 IV 13): Peter Smid, schuchwirt; S. 722, fol. 33v (1386 VIII 6–21): Henne Oleyer, steinmetze.
Beziehungen zwischen jüdischen Geldverleihern und christlichen Handwerkern
75
bei derartigen Fällen zwischen einem Haupt- und einem Nebengewerbe zu unterscheiden.43 Problematisch wird es nun immer dann, wenn dieselbe Person in einem anderen Eintrag lediglich als Henne Becker erscheint und der Zusatz fisscher fehlt, wodurch man Henne wohl fälschlicherweise als Bäcker identifiziert haben würde und keineswegs als Fischer. Diese methodischen Vorbehalte müssen im Folgenden stets kritisch mitbedacht werden. Von den bereits angesprochenen etwa 10.500 Judenbetreffen der Frankfurter Gerichtsbücher können bei fast 2.500 Belegen eindeutig die Berufe der genannten Christen identifiziert werden, was einer erstaunlichen Quote von immerhin fast 24 Prozent entspricht.44 Unter den 135 unterschiedlichen Berufen finden sich neben Schneidern, Schuhmachern, Schmieden, Webern, Kürschnern, Fleischern, Bendern, Brauern, Steindeckern, Goldschmieden und Harnischmachern etwa auch Federn-, Senf- und Haferhändler, Holzfäller (hultzhauwir), Rattenfänger, Riemenschneider, Silberschmelzer, Töpfer sowie Totengräber und Züchtiger wieder. Gewichtet man diese Berufsgruppen nach der Anzahl ihrer Belege, so ergibt sich folgendes Bild. Von den insgesamt ermittelten 2.500 Einträgen mit Berufsangaben entfallen knapp 1.800 Nachweise auf die 30 belegstärksten Gewerbe; dies entspricht einer durchschnittlichen Quote von jeweils 60 Nennungen. 72 Prozent aller Judenbetreffe der Frankfurter Schöffengerichtsbücher, bei denen der Beruf des christlichen Schuldners nachgewiesen ist, sind in dieser Gruppe zu verorten. Oder anders gesagt: Die restlichen 700 Nachweise verteilen sich auf mehr als 100 Berufe, was nur noch einer Quote von jeweils sieben Belegen entspricht. 23 Berufsangaben sind sogar nur ein einziges Mal belegt, 12 zweimal, 14 dreimal, 6 viermal und 5 fünfmal. Zu den nur einmal nachgewiesenen Berufen zählen beispielsweise Haferhändler 45, Kalkbrenner 46, Mehlverkäufer 47, Rattenfänger (rattenfengir) 48, Scherenmacher49, Sensenschmied (sensensmit) 50, Töpfer (hefener) 51 sowie Züchtiger 52.
43 Karl Bücher: Die Berufe der Stadt Frankfurt a.M. im Mittelalter (Abhandlungen der philologischhistorischen Klasse der königlich-sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 30,3). Leipzig 1914, S. 3–20. In diesem Werk finden sich nicht nur Exzerpte zu den einzelnen Gewerben aus heute verlorenen Quellen zur städtischen Geschichte, sondern darüber hinaus auf Grundlage der ebenfalls vernichteten Bedebücher häufig auch statistische Angaben zur durchschnittlichen Nachweisdichte. 44 Nicht berücksichtigt wurden Angaben zu Adligen (Edelknechten, Rittern, Herren, Grafen) sowie städtischen Amts- und Funktionsträgern wie Bürgermeistern, Schöffen und Schultheißen. Einen Überblick über die insgesamt genannten Berufe bietet das Register bei Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 962–966, wobei jedoch zu beachten ist, dass hierin das gesamte Urkundenbuch erfasst ist, also auch die Urkunden sowie Bede-, Bürger-, Insatz- und Rechenbücher berücksichtigt sind. 45 Ebenda, S. 879, fol. 117r (1399 XI 14, nach). 46 Ebenda, S. 331, fol. 24r mit Anm. 3 (1335 IV 3). 47 Ebenda, S. 664, fol. 6r (1381 IV 22–VII 3). 48 Ebenda, S. 676, fol. 83r (1382 VI 27). 49 Ebenda, S. 546, fol. 64v (1374 II 1–III 10). 50 Ebenda, S. 346, fol. 60v, (1340 IX 21, nach). 51 Ebenda, S. 597, fol. 23r (1377 III 16). 52 Ebenda, S. 903, fol. 84v (1400 XI 15–22).
76
David Schnur
Betrachten wir die 30 am häufigsten nachgewiesenen Berufe etwas genauer (siehe Graphik), so fällt auf, dass es auch hier erhebliche Unterschiede in der Belegdichte gibt. Während Fischer, Schneider, Fleischer und Schuhmacher jeweils zwischen 138 und 176 Mal belegt sind, folgen Goldschmiede, Kürschner, Bäcker, Lohund Weißgerber, Schmiede, Bender, Harnischmacher und Sattler mit jeweils 66 bis 88 Nennungen. Die übrigen 18 Berufe, zu denen neben anderen Wagner, Weber, Betttuchmacher, Müller und Ölmüller, Kesselschmiede, Heuhändler, Steinmetze, Gürtelmacher, Färber, Ärzte und Unterkäufer gehören, sind jeweils zwischen 23 und 49 Mal überliefert. Aus Gründen der Übersichtlichkeit bietet es sich an, die Berufsangaben zu größeren Hauptgewerben zusammenzufassen.53 So lassen sich beispielsweise dem Hauptgewerbe ‚Leder‘ Altschuhflicker, Beutelmacher, Kürschner, Riemenschneider, Sattler, Schuhmacher, Taschenmacher sowie Loh- und Weißgerber subsumieren. Zum ‚Baugewerbe‘ gehören Dach- und Steindecker, Glaser, Grabenmacher, Maler, Maurer, Mühlenmacher, Steinmetze, Wegemacher, Ziegelmacher sowie die jeweils nur ein einziges Mal belegten Baumeister und Kalkbrenner. Die Gliederung der 135 Berufe in insgesamt zehn Hauptgewerbe ergibt die in Tabelle 1 aufgeschlüsselte Verteilung.
Graphik: Die 30 belegstärksten Berufsgruppen unter den Schuldnern in den Judenbetreffen der Frankfurter Schöffengerichtsbücher 53 Die Zusammenfassung der einzelnen Berufe zu größeren Einheiten dient allein analytischen Zwecken und erlaubt somit Rückschlüsse auf die Gewerbestruktur der spätmittelalterlichen Reichs- und Messestadt Frankfurt. Innerhalb der gebildeten Hauptgruppen kann es daher im Hinblick auf die Sozialstruktur zu größeren Diskrepanzen kommen. So sind etwa in der Hauptgruppe ‚Metall‘ neben Goldschmieden und einem Silberschmelzer auch Kessel- und Nagelschmiede zusammengefasst, obwohl es sich hierbei um unterschiedliche soziale Gruppen handelt.
Beziehungen zwischen jüdischen Geldverleihern und christlichen Handwerkern
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Tabelle 1: Verteilung der Berufsangaben nach Hauptgewerben Hauptgewerbe 55
Nachweise 54 gesamt
bis 1349
nach 1360
1
Nahrung
524 (21 %)
99 (19 %)
425 (81 %)
2
Metall 56
461 (19 %)
87 (19 %)
374 (81 %)
3
Leder 57
425 (17 %)
118 (28 %)
307 (72 %)
4
Textil
58
5
Dienstleistungen 59 60
6
Holz
7
Baugewerbe 61
357 (14 %)
55 (15 %)
302 (85 %)
281 (11 %)
63 (22 %)
218 (78 %)
179
(7 %)
18 (10 %)
161 (90 %)
99
(4 %)
13 (13 %)
86 (87 %)
8
Handel
62
89
(4 %)
9
Landwirtschaft 63
64
(3 %)
5
(1 %)
10
Sonstige 64
2.484 (100 %)
(6 %)
84 (94 %)
22 (34 %)
5
42 (66 %)
0
(0 %)
5 (100 %)
480 (19 %)
2.004 (81 %)
Mit 524 Nachweisen und damit gut einem Fünftel aller Berufsbelege führt der Bereich der ‚Nahrung‘ die Liste der Hauptgewerbe an, was sich anhand der bereits angesprochenen Belegdichte für Fleischer und Fischer bereits erahnen ließ. Zu dieser Gruppe gehören auch Bäcker, Brauer, Müller und Ölmüller sowie 15 weitere Berufe. Die metallverarbeitenden Gewerbe folgen mit 461 Nachweisen auf Platz zwei, und auch die lederverarbeitenden Berufe mit 425 Belegen gehören zu dieser Spitzengruppe. 54 Die Prozentangaben sind jeweils auf ganze Zahlen gerundet, wobei bis einschließlich 0,49 abgerundet und bei höheren Nachkommawerten aufgerundet wurde. 55 Bäcker, Birnenhändler, Brauer, Essighändler, Fischer, Fleischer, Haferhändler, Heringshändler, Hühnerhändler, Köche, Lebensmittelhändler, Mehlverkäufer, Müller, Obsthändler, Ölmüller, Salzhändlerin, Senfhändler, Weinknechte, Weinschröter und Weinsticher. 56 Armbrustmacher, Beingewender, Eisenhändler, Glockengießer, Goldschmiede, Gürtelmacher, Harnischmacher, Haubenschmiede, Holzschuhmacher, Kannengießer, Kesselschmiede, Messerschmiede, Münzer, Scherenmacher, Scherenschleifer, Schildmacher, Schlosser, Schmiede, Schwertfeger, Sensenschmiede, Silberschmelzer, Spengeler und Sporenmacher. 57 Altschuhflicker, Beutler, Kürschner, Riemenschneider, Sattler, Schuhmacher, Taschenmacher, Weiß- und Lohgerber. 58 Altgewender, Betttuchmacher, Deckenmacher, Färber, Gewandschneider, Handschuhmacher, Leinenweber, Leinwandmacher, Leinwandmesser, Löschmacher, Scherer, Schneider, Seidensticker, Tuchmacher, Tuchscherer, Walker, Wamsmacher, Weber bzw. Wollweber sowie Wollwieger. 59 Ammen, Ärzte, Bader, Boten, Brunnenzieher, Fuhrmänner, Gastwirte, Geistliche, Glöckner, Knechte und Mägde, Mantelwäscherinnen, Messer (motter), Schreiber, Opperknechte, Pfeifer, Prokuratoren, Rattenfänger, Sackträger, Schiffer, Schulmeister, Schützen, Stangenträger, Torwächter, Totengräber, Unterkäufer, Wäscherinnen, Wirte und Züchtiger. 60 Bender, Böttcher, Holzfäller, Holzträger, Kohler, Kohlenführer, Kohlenmesser, Säger, Schnitzer, Schreiner, Stellmacher, Stuhlmacher und Tischmacher. 61 Baumeister, Dach- bzw. Steindecker, Glaser, Grabenmacher, Kalkbrenner, Maler, Maurer, Mühlenmacher, Steinmetze, Wegemacher und Ziegelmacher. 62 Apotheker, Federnhändler, Heuhändler, Kaufmänner, Krämer und Pferdehändler. 63 Gärtner, Schäfer und Winzer. 64 Kerzenmacher, Stockmeister und Töpfer.
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David Schnur
Mit 357 bzw. 281 Nachweisen sind die Hauptgewerbe ‚Textil‘ und ‚Dienstleistungen‘ ebenfalls recht stark vertreten und rangieren noch vor dem Bereich ‚Holz‘, dessen 179 Belege sich mehrheitlich auf Bender, Schreiner und Stellmacher bzw. Wagner verteilen. Jeweils zwischen 64 und 99 Belegstellen weisen das ‚Baugewerbe‘ sowie die Hauptgruppen ‚Handel‘ und ‚Landwirtschaft‘ auf. Die tabellarische Übersicht zur Verteilung der einschlägigen Berufsangaben in den Frankfurter Schöffengerichtsbüchern auf die einzelnen Hauptgewerbe lässt zudem erkennen, dass in den meisten Fällen erhebliche Unterschiede in der zeitlichen Belegdichte bestehen: Bei allen Gewerben ist die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts deutlich stärker überliefert als die erste Hälfte. Dies ist einerseits in einer ungleichen Überlieferung begründet. Da die Gerichtsbuchüberlieferung überhaupt erst 1330 einsetzt, sind für die erste Jahrhunderthälfte lediglich 15 Jahrgänge bis zum Frankfurter Pogrom vom Juli 1349 belegt. Hingegen stehen für die zweite Jahrhunderthälfte, deren relevanter Zeitraum nach der Wiederansiedlung von Juden 1360 erst mit dem Folgejahr beginnt, fast 40 Jahrgänge zur Verfügung. 65 Ferner werden die Gerichtsprotokolle vor allem seit den 1370er Jahren detaillierter, da die Schreiber wesentlich häufiger auf die zuvor üblichen Pauschalisierungen verzichten und seither verstärkt etwa auch Pfänder im Einzelnen benennen. Diese gesteigerte Ausführlichkeit, die gegebenenfalls durch den Wechsel der Sprache zum Mittelhochdeutschen in der Jahrhundertmitte begünstigt wurde, schlägt sich auch bei den Personennamen und Berufsbezeichnungen nieder. Bei einigen Berufsgruppen können zudem andererseits signifikante Unterschiede zwischen der ersten und der zweiten Jahrhunderthälfte festgestellt werden, die nicht allein mit der Überlieferungssituation erklärt werden können. Besonders auffällig ist der Befund bei denjenigen Berufsgruppen, die erstmals nach 1360 als Kunden jüdischer Geld- und Pfandleiher belegt sind und zuvor bis 1349 kein einziges Mal oder ausgesprochen selten dokumentiert wurden (siehe Tabelle 2). Diese Besonderheit betrifft neben Altschuhflickern, Bendern, Betttuch- und Deckenmachern, Fischern, Fleischern und Goldschmieden auch Heuhändler, Kesselschmiede, Krämer, Kürschner, Schmiede, Schneider, Stellmacher, Weber und Wollweber sowie Weiß- und Lohgerber. Bei diesen Berufsgruppen, die jeweils zwischen 30 und 176 Mal belegt sind, datieren jeweils mehr als 80 Prozent aller Nachweise im Zeitraum zwischen 1360 und 1400.66 Einige andere Berufe sind umgekehrt ausschließlich oder mehrheitlich vor 1349 belegt und bleiben nach 1360 völlig oder weitestgehend ungenannt. 67 Die 65 Nach Auskunft einer knappen Notiz bei Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 728, war das Gerichtsbuch zum Jahr 1387 bereits an der Wende zum 20. Jh. verloren. 66 Die weniger als 30 Mal nachgewiesenen Berufe wurden hierbei ausgeklammert, da uns die Belegdichte für derlei Betrachtungen als zu gering und damit als nicht valide erscheint. Der Vollständigkeit halber seien sie dennoch mit den ermittelten, in Klammern nachgestellten Werten angeführt. Die erste Zahl bezieht sich dabei auf die Nachweise aus der ersten, die zweite auf diejenigen der zweiten Hälfte des 14. Jh.s. Im Einzelnen betrifft dies: Ammen (0/2), Ärzte (1/24), Baumeister (0/1), Beingewender (0/4), Beutler (0/2), Birnenhändler (0/3), Boten (1/5), Brauer (1/11), Eisenhändler (0/1), Federnhändler (0/1), Fuhrmänner (0/2), Gastwirt (0/1), Glaser (0/6), Glockengießer (0/7), Grabenmacher (1/12), Gürtelmacher (0/25), Haferhändler (0/1), Handschuhmacher (0/7), Haubenschmiede (1/16), Holzschuhmacher (1/18), Hühnerhändler (0/3), Kannengießer (0/16),
Beziehungen zwischen jüdischen Geldverleihern und christlichen Handwerkern
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Tabelle 2: Gewerbe, die nach 1360 weitaus häufiger erwähnt werden als bis 1349 Hauptgewerbe
Gewerbe
Nachweise gesamt
bis 1349
nach 1360
Nahrung
Fischer
176
16
Textil
Schneider
161
(9 %)
160 (91 %)
29 (18 %)
Nahrung
Fleischer
141
20 (14 %)
132 (82 %) 121 (86 %)
Metall
Goldschmiede
88
17 (19 %)
62 (81 %)
Leder
Kürschner
81
11 (14 %)
70 (86 %)
Leder
Weiß-/Lohgerber
78
11 (14 %)
67 (86 %)
Metall
Schmiede
77
15 (19 %)
62 (81 %)
Holz
Bender
66
3
(5 %)
63 (95 %)
Holz
Stellmacher
49
7 (14 %)
42 (86 %)
Textil
Weber/Wollweber
40
7 (18 %)
33 (83 %)
Leder
Altschuhflicker
39
0
(0 %)
39 (100 %)
Handel
Krämer
36
1
(3 %)
35 (97 %)
Metall
Kesselschmiede
34
5 (15 %)
29 (85 %)
Textil
Betttuch-/Deckenmacher
32
0
(0 %)
32 (100 %)
Handel
Heuhändler
30
0
(0 %)
30 (100 %)
übrigen Berufsgruppen entfallen weitaus gleichförmiger auf beide Jahrhunderthälften; die insgesamt 66 Belege für Harnischmacher verteilen sich sogar exakt paritätisch.68 Zur Hauptgruppe ‚Handel‘, die mit 89 Einzelnachweisen gerade einmal vier Prozent aller relevanten Berufsangaben auf sich vereinigt und nominell sogar noch hinter dem Baugewerbe zurücksteht, ist zu bemerken, dass die tatsächliche Anzahl der Kaufmann (0/1), Kerzenmacher (0/3), Köche (1/4), Kohler (0/2), Kohlenführer (0/1), Kohlenmesser (0/3), Leinenweber (1/18), Leinwandmacher (1/4), Leinwandmesser (0/2), Löschmacher (0/6), Maurer (0/2), Messer (0/1), Messerschmiede (1/25), Mühlenmacher (0/6), Nagelschmiede (0/3), Ölmüller (1/24), Pferdehändler (0/12), Pfeifer (0/5), Prokuratoren (0/21), Rattenfänger (0/1), Riemenschneider (0/3), Sackträger (2/15), Säger (0/3), Salzhändler (0/1), Salzmesser (0/1), Scherenmacher (0/1), Scherer (0/7), Schiffer (0/12), Schnitzer (0/1), Schreiner (2/25), Schulmeister (0/1), Schwertfeger (0/10), Seilmacher (1/9), Senfhändler (0/1), Seidensticker (0/3), Silberschmelzer (0/3), Spengeler (2/20), Sporenmacher (1/15), Stangenträger (0/4), Steindecker (1/17), Steinmetze (1/28), Stockmeister (0/1), Stuhlmacher (0/6), Tischmacher (0/1), Töpfer (0/1), Torwächter (0/13), Totengräber (0/6), Tuchmacher (1/5), Tuchscherer (1/12), Unterkäufer (3/20), Wäscherinnen (0/3), Wegemacher (0/3), Weinsticher (0/3), Winzer (1/7), Wirte (0/2), Wollwieger (0/2) und Züchtiger (0/1). 67 Augenfällig ist das Beispiel der Sattler, die insgesamt 66 Mal als Judenschuldner in den Gerichtsbüchern nachgewiesen sind. Davon datieren 50 Belege (76 Prozent) in der ersten Jahrhunderthälfte vor dem Pogrom und nur 16 Nachweise (24 Prozent) zwischen 1360 und 1400. Dies gilt in vergleichbarer Form auch für Brunnenzieher (4/1), Holzträger (1/0), Kalkbrenner (1/0), Lebensmittelhändler (2/0) sowie Sensenschmiede (1/0), obgleich die absolute Anzahl an ermittelten Nachweisen bei diesen Berufsgruppen insgesamt sehr dürftig ist. 68 Dies trifft mit kleineren Abweichungen ebenfalls zu bei Altgewendern (1/1), Apothekern (4/5), Armbrustmachern (1/1), Badern (8/9), Geistlichen (10/8), Glöcknern (6/4), Heringshändlern (2/2), Holzfällern (1/1), Müllern (21/16), Münzern (4/5), Schildmachern (3/3) und Weinknechten (2/3).
80
David Schnur
bei Frankfurter Juden verschuldeten Großhändler, Kaufleute und Messebesucher wohl um einiges höher zu veranschlagen ist, als die in den Gerichtsbüchern überlieferten Berufsbezeichnungen dies nahelegen. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang etwa auf die Aufbietung von drei Tuchen durch einen Juden im Herbst 1380, die Johann Drischreff aus Eisenach (von Ysinnach) zuvor für 165 Gulden Hauptgut verpfändet hatte.69 Bei dem Eisennacher dürfte es sich mit einiger Wahrscheinlichkeit um einen professionellen Tuchhändler handeln, der auf den Frankfurter Messen agierte. Hierfür spricht auch der Umstand, dass der in Anspruch genommene Kredit mit 165 Gulden weit überdurchschnittlich dotierte und mit drei offensichtlich höherwertigen Tuchen als Pfändern abgesichert werden konnte. Da jedoch in den Gerichtsbüchern eine eindeutige Berufsangabe zu diesem Schuldner fehlt, konnte der Eintrag für die hier vorgelegte Auswertung nicht berücksichtigt werden. Gleiches gilt auch für den vermutlich ebenfalls als Tuchhändler tätigen Ecke Daniel, der demselben jüdischen Geldleiher Isaak von Linnich unter Ausfertigung eines nicht überlieferten Schuldbriefes neun Tuche für 200 Gulden Hauptgut zuzüglich der anfallenden Zinsen (9 duche fur 200 guldin und den schaden) verpfändet hatte. Diese Tuche bot der Jude am Ausgang der Frankfurter Herbstmesse des Jahres 1380 vor dem Schöffengericht auf, wodurch der Vorgang überhaupt erst aktenkundig wurde. 70 Eine identische Anzahl Tuche boten während der Herbstmesse 1392 die gemeinschaftlich als Gläubiger agierenden Juden Kalman und David von ihrem Schuldner Flucke von Brüssel aufgrund einer unbezahlten Schuld in Höhe von 228 Gulden zuzüglich Zinsen auf.71 Neben der Kredithöhe deutet in diesem Fall auch der Herkunftsname auf einen professionellen Tuchhändler hin, der auf den für den europäischen Tuchhandel so wichtigen Frankfurter Messen tätig war. 72 Der zugehörige Gerichtsbucheintrag 69 Die Tuche waren bei dem Frankfurter Weinschröter Henne hinterlegt. Siehe Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 653, fol. 55r (1380 X 17, nach): Ysack von Lineche hat 3 duche uffgeboden, die da stent hinder Hennen winschroder, fur 65 guldin und 100 guldin, und sint Johann Drischreff von Ysinnach, et dampnum. 70 Ebenda, S. 653, fol. 50v (1380 IX 8–X 17). 71 Ebenda, S. 783, fol. 45r (1392 IX 13–16): 9 duche vor 228 guldin et dampnum. 72 Die häufiger belegten Beschreibungen der an Juden verpfändeten Tuche weisen ebenfalls auf ausgesprochen enge Verbindungen zu den beiden Frankfurter Messen hin. So erfahren wir beispielsweise von 19 halben englischen Tuchen, die Heinz von Limburg für 150 Gulden einem Juden verpfändet hatte (ebenda, S. 729, fol. 8r [1388 I 30–II 28]: 19 halbe engelsche duͤche vor 150 guldin), oder auch von 35 Aachener Tuchen (35 duche von Ache), die im Sommer 1377 wegen eines Kredits von 420 Gulden an ein jüdisches Gläubigerkonsortium versetzt waren (ebenda, S. 602, fol. 43r [1377 VII 10–VIII 31]). Besonders anschaulich tritt die Bedeutung von Tuchen als Pfänder gerade bei höheren Darlehen während der Fastenmesse 1391 hervor, als die vier Juden Moiste, Seligmann von Linnich, David von Oppenheim und Josef von Oppenheim innerhalb von nur zwei Wochen im Rahmen von acht unterschiedlichen Gerichtsverfahren rund 50 Tuche, einige englische Tuche, ein Barchent, zwei Säcke Seide und verschiedenes Pelzwerk mit einem Kreditvolumen von über 900 Gulden aufboten. Hierzu ebenda, S. 773, fol. 9r (1391 III 20–IV 3). Durch andere Überlieferungszusammenhänge ist die Verpfändung von Butzbacher, Mechelner, Löwener und Dinanter Tuch an Frankfurter Juden für die zweite Hälfte des 14. Jh.s belegt. Hierzu Schnur: Juden in Frankfurt am Main (wie Anm. 27), S. 376–380. Zur Bedeutung der Frankfurter Messen als Tuchhandelsplätze siehe Rothmann: Frankfurter Messen (wie Anm. 3); Dietz: Frankfurter Handelsgeschichte (wie Anm. 4), Bd. 1; Hektor Ammann: Die Friedberger Messen,
Beziehungen zwischen jüdischen Geldverleihern und christlichen Handwerkern
81
schweigt jedoch in Betreff seines Berufes, weshalb auch dieser Eintrag nicht in die statistische Auswertung aufgenommen werden konnte. An einen Messehändler ist beispielsweise auch im Fall des Hans von Antwerpen (von Antwerff) zu denken, der am Ende der Herbstmesse 1390 bei seinem jüdischen Kreditor Süßkind von Weinheim mit 160 Gulden Hauptgeld zuzüglich der Zinsen eines Jahres (vor 160 guldin heubtgeld und den gesuch ein iar) verschuldet war.73 Zur gleichen Zeit bot der Jude Liebermann von Linnich von seinem Schuldner Richard von Winden wegen Außenständen in Höhe von 200 Gulden Hauptgut zuzüglich der Zinsen eines Jahres eine Anzahl Tuche und Hosen auf. 74 BERUFSSPEZIFISCHE PFÄNDER UND HERKUNFT DER SCHULDNER In der Hauptgruppe ‚Metall‘, welche die metallverarbeitenden Berufe zusammenfasst, stellen die Gewerbe der Goldschmiede, Harnischmacher und Schmiede mit jeweils 66 bis 88 Nennungen die häufigsten nachzuweisenden Tätigkeiten dar, wobei den Schmieden zusätzlich noch die spezialisierten Hauben-, Kessel-, Messer-, Nagelund Sensenschmiede zur Seite zu stellen sind. Die Kredite, an denen Schmiede als Schuldner oder Bürgen für Dritte beteiligt waren, dotieren in der großen Mehrzahl der Fälle im unteren einstelligen Guldenbereich. Beispielhaft sei auf einige Gerichtsverfahren hingewiesen: Zum Jahresende 1375 bekannte der Schmied Koppeier, dem Juden Fivelin von Jerusalem zwei Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen zu schulden. 75 Einen Zahlungsbeschluss über fünf Gulden Kapital zuzüglich Zinsen erwirkte der Jude Josef von Gemünden im März 1377 gegen den Schmied Henne, 76 und der Schmied Konrad bekundete im Frühsommer desselben Jahres, dass er dem Juden Heilmann zwei Pfund vier Schilling Heller Hauptgut zuzüglich Zinsen schulde. 77 Bei höheren Schuldbeträgen fungierten die genannten Schmiede gegenüber den jüdischen Geldleihern in der Regel als Bürgen für Dritte. So bekundete im September 1377 der Schmied Peter, dass er gegenüber dem Juden Joselin von Kassel hinsichtlich der Schuld einer ungenannten Person in Höhe von 30 Gulden Hauptgut zuzüglich Zinsen als Bürge verpflichtet sei.78 Wohl derselbe Schmied Peter erkannte sechs Jahre später im Sommer 1383 vor Gericht eine weitere Bürgschaftsverpflichtung gegenüber einem anderen Juden in Betreff einer säumigen Schuld von 38 Gulden
73 74 75 76 77 78
in: Rheinische Vierteljahrsblätter 15/16 (1950/51) (zugleich: Festgabe für Hermann Aubin zum 65. Geburtstag), S. 192–225; Ders.: Der hessische Raum in der mittelalterlichen Wirtschaft, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 8 (1958), S. 37–70. Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 766, fol. 44r (1390 VIII 31). Ebenda, S. 766, fol. 44v (1390 VIII 31). Auch Josef von Oppenheim bot wegen Schulden in Höhe von 50 Gulden zur gleichen Zeit Tuche und Hosen desselben Schuldners auf. Hierzu ebenda, S. 766, fol. 45r (1390 VIII 31). Ebenda, S. 576, fol. 22v (1375 XII 7, nach). Ebenda, S. 595, fol. 18v (1377 III 9). Ebenda, S. 601, fol. 38r (1377 IV 17–VII 10). Ebenda, S. 606, fol. 56v (1377 IX 25); dazu gehört ebenda, S. 607, fol. 58v (1377 IX 30).
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zuzüglich Zinsen an. 79 Ebenfalls aufgrund einer Bürgschaftsverpflichtung gelang es dem Juden Kalmann während der Fastenmesse 1390, gegen den Sachsenhausener Schmied Henne und eine zweite Person ein Urteil zur Herausgabe von 46 Achtel Korn zu erwirken; in diesem Fall konnte der jüdische Gläubiger den zu Gericht sitzenden Schöffen nach Auskunft des Gerichtsprotokolls sogar einen heute verlorenen Schuldbrief vorlegen, der die Bürgschaftsverpflichtung eindeutig belegte (nach sins briefis sage). 80 Bei den Schmieden zeigen die zur Absicherung der Kredite gestellten Pfänder verschiedentlich, dass es um ihre wirtschaftliche Situation nicht allzu gut bestellt war, was ebenfalls bereits die recht bescheidene Höhe der durchschnittlich gewährten Kredite andeutet. Wohl als Notkredite zu charakterisieren sind daher diejenigen Verfahren, bei denen Werkzeug und Arbeitsgerät verpfändet wurde. Zum November 1341 hören wir so von einer nicht quantifizierten Menge Eisen (ferrum), das der Frankfurter Schmiedemeister Heinrich einem Züricher Juden verpfändet hatte. 81 Auch Ambosse sind mehrfach als Pfänder von Schmieden nachzuweisen, 82 zum April 1399 sogar ein gusseiserner Amboss, was sein Besitzer gegenüber den Frankfurter Schöffen explizit betonte. 83 Daraus ergibt sich eine Korrelation zwischen berufsspezifischen Ressourcen und den an Juden versetzten Pfändern, die auch bei anderen Gewerben zu konstatieren ist: Bäcker verpfänden Weizen 84, Müller Mehl85 und Korn86, Fleischer Schafe87, Gürtelmacher Gürtel88, Harnischmacher Harnische89, Sattler Sättel90, Schneider Mäntel und Gewand91, Schuhmacher Leder 92, Söldner und 79 Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 688, fol. 42v (1383 IV 24–VIII 2). 80 Ebenda, S. 760, fol. 16v (1390 III 21–22). 81 Ebenda, S. 377, fol. 40r (1342 XI 18–19). Zu den auf den Frankfurter Messen agierenden Züricher Juden siehe Schnur: Juden und Gerichtsbücher (wie Anm. 7), S. 253 f. mit Anm. 160; Hans-Jörg Gilomen: Silbermangel und jüdische Geldleihe. Prämerkantilistische Bedenken gegen den lombardischen und jüdischen Geldhandel im Spätmittelalter, in: Aschkenas 20,2 (2010), S. 281–303. 82 Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 517, fol. 68r (1372 XII 14); S. 836, fol. 3v (1397 I 15–II 23); S. 841, fol. 43v (1397 VI 20–IX 24); S. 875, fol. 100r (1399 IX 24–X 20) (hier: drei Ambosse, ein Brandeisen und zwei Büchsen). 83 Ebenda, S. 880, fol. 62r (1399 IV 7): So habe er dan den selben anbusz nit gesmidet, sundern er habe yn gegoszen. Zum gleichen Verfahren gehören auch die Gerichtsbucheinträge ebenda, S. 867, fol. 39r (1399 IV 9–10) (zwei Einträge); S. 875, fol. 100r (1399 IV 18–IX 11); S. 876, fol. 105r (1399 IX 24–X 20). 84 Ebenda, S. 375, fol. 34r (1342 IX 25–XI 15). 85 Ebenda, S. 375, fol. 36r (1342 IX 25–XI 15. 86 Ebenda, S. 424, fol. 39v (1347 III 21–IV 20); S. 796, fol. 68r (1393 XI 7–28); S. 817, fol. 29r (1395 IV 22–VI 7). 87 Ebenda, S. 375, fol. 36r (1342 IX 25–XI 15). 88 Ebenda, S. 611, fol. 2r (1378 III 17, vor). 89 Ebenda, S. 445, fol. 129v (1348 IX 26–X 3); S. 526, fol. 90r (1373 III 16–23); S. 737, fol. 40r (1388 VII 8–VIII 31); S. 831, fol. 40v (1396 VI 15–VIII 6). 90 Ebenda, S. 419, fol. 24v (1347 I 17, vor); S. 642, fol. 63r (1379 XI 7–XII 23). 91 Ebenda, S. 496, fol. 38r (1371 IX 15, nach), wo als weitere Pfänder noch zwei Töpfe und sechs Schüsseln genannt werden. Ebenfalls um Notkredite von Schneidern scheint es sich bei den nachfolgenden Gerichtsverfahren zu handeln: ebenda, S. 505, fol. 8v (1372 VIII 6–20) (zwei Ver-
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Schützen ihre Waffen 93, Messerschmiede Messer 94, Kürschner Pelze 95, darunter Eichhörnchen- und Lammpelze 96, Haubenschmiede Stechhelme 97 und Hauben 98, Kesselschmiede Kessel 99 und Kupfer 100, eine Mantelwäscherin einen Mantel 101, ein Glockengießer sogar einen Glockenschwengel 102 und Geistliche verbotenerweise Altartuche 103 und (liturgische?) Bücher 104. Ein Tuchmacher aus Limburg versetzte an Juden graues, weißes sowie englisches Tuch 105, ebenso eine Tuchschererin106 und ein Weber 107. Eine Wechslerin verpfändete ihrem jüdischen Geldleiher wegen eines Darlehens über 200 Gulden eine nicht genannte Menge Silber. 108 Auffällig ist ferner, dass zahlreiche Schmiede nicht in Frankfurt selbst ansässig waren, sondern im näheren Umland der Messemetropole lebten. Bereits zum Juni 1342 erfahren wir von einem Schmied aus Meilsheim (faber de Meylheim), der bei der Jüdin Bura mit 2,5 Pfund Heller Hauptkapital zuzüglich der Zinsen von acht Jahren (!) verschuldet war. 109 Nur wenige Tage später erwirkte der Jude Sauwelin gegen einen anderen, ebenfalls aus Meilsheim kommenden Schmied einen Zahlungsbeschluss über 11 Pfund Heller zuzüglich eines Zinsertrages in nicht genannter Höhe. 110 Darüber hinaus sind auswärtige Schmiede aus Dorfelden 111, Rintbruch 112, Rendel 113, Münnerstadt 114, Oberursel 115, Schweinfurt 116 und Siegen 117 belegt.
92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116
fahren); S. 519, fol. 72r (1373 I 28, vor); S. 523, fol. 84v (1373 II 16–III 16) (zwei Verfahren); S. 547, fol. 66v (1374 II 1–III 10); S. 549, fol. 83v (1374 III 24–VIII 7); S. 554, fol. 8r (1374 IX 4–5); S. 557, fol. 23r (1374 X 30–XI 17); S. 631, fol. 15v (1379 III 2–16); S. 838, fol. 18r (1397 III 27–VI 18); S. 843, fol. 51r (1397 VI 20–IX 24); S. 851, fol. 32v (1398 V 11–VI 27). Ebenda, S. 541, fol. 43v (1373 X 9–XII 7). Ebenda, S. 355, fol. 86r (1341 VII 27–VIII 17); S. 437, fol. 90v (1348 III 28). Ebenda, S. 889, fol. 34r (1400 VI 14). Ebenda, S. 474, fol. 89r (1369 III 7–9); S. 485, fol. 49r (1371 III 12–17); S. 516, fol. 63r (1372 XII 1); S. 542, fol. 43v (1373 X 9–XII 7); S. 567, fol. 56r (1375 IV 13–VII 2); S. 609, fol. 64v (1377 XI 9, nach); S. 772, fol. 70v (1390 X 12, nach); S. 809, fol. 59v (1394 XI 26). Ebenda, S. 581, fol. 36r (1376 I 18–III 10). Ebenda, S. 784, fol. 50v (1392 IX 27–XI 18). Ebenda, S. 811, fol. 67r (1394 XI 26, nach). Ebenda, S. 664, fol. 6r (1381 IV 22–VII 3). Ebenda, S. 672, fol. 61r (1382 III 19). Ebenda, S. 736, fol. 39r (1388 VII 8–VIII 31). Ebenda, S. 533, fol. 119v (1373 IV 27–VIII 12). Ebenda, S. 434, fol. 81v (1348 I 21, vor). Ebenda, S. 825, fol. 1r (1396 I 19). Ebenda, S. 531 f., fol. 114v (1373 VI 27–VIII 12); S. 729, fol. 8r (1388 I 30–II 28). Ebenda, S. 578, fol. 25v (1376 I 16). Ebenda, S. 864, fol. 18v (1399 II 21–III 4). Ebenda, S. 769, fol. 60r (1390 X 12, nach). Ebenda, S. 369, fol. 15v (1342 VI 3). Ebenda, S. 370, fol. 17r (1342 VI 14). Ebenda, S. 393, fol. 86v (1343 IX 15–XII 8). Ebenda, S. 408, fol. 137v (1345 I 17). Der Herkunftsname konnte leider nicht identifiziert werden. Ebenda, S. 517, fol. 68r (1372 XII 14). Ebenda, S. 685, fol. 18v (1383 III 5–9). Ebenda, S. 714, fol. 38r (1385 IV 12–VIII 2). Ebenda, S. 735, fol. 32r (1388 IV 11–29).
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Unter den als Judenschuldner überlieferten Schneidern sind ebenfalls Auswärtige zu finden, darunter aus Aachen 118, Bergen 119, Bibra 120, Erlenbach 121, Eschborn 122, Ginnheim 123, Höchst 124, Sachsenhausen 125, Sprendlingen 126 und Staden 127. Hingegen scheint der ebenfalls mehrfach als Kunde jüdischer Geldleiher nachgewiesene Schneidermeister Züricher (meister Zorcher, snider) in Frankfurt ansässig gewesen zu sein. 128 Auch in der Berufsgruppe der Müller, die zum Hauptgewerbe ‚Nahrung‘ zählen, werden zahlreiche Auswärtige genannt, darunter Müller aus Höchst 129, Oberursel 130, Mühlheim 131, Dreieichenhain 132, Kelsterbach 133, Langen 134, Gründau 135, Heddersheim 136, Massenheim 137, Bergen 138 und Nidda139. Damit stammt die Hälfte aller Müller, die nachweislich während des 14. Jahrhunderts bei Frankfurter Juden verschuldet waren, von auswärts. Anderes ist in der Gruppe der Goldschmiede zu konstatieren, die größtenteils in Frankfurt ansässig waren. 140 Nur wenige von ihnen wohnten andernorts, etwa in der isenburgischen Residenz Büdingen 141, der Handelsmetropole Köln 142, der elsässischen 117 Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 867, fol. 39r (1399 IV 9–10) (zwei Einträge). Kurze Zeit später erscheint mehrfach der Sohn des vorgenannten Siegener Schmiedes in den Gerichtsprotokollen. Hierzu S. 875, fol. 100r (1399 IX 24–X 20); S. 876, fol. 105r (1399 IX 24–X 20). 118 Ebenda, S. 745, fol. 18r (1389 IV 28). 119 Ebenda, S. 379, fol. 44r (1343 III 17, vor). 120 Ebenda, S. 712, fol. 22v (1385 III 28). 121 Ebenda, S. 764, fol. 38v (1390 VI 27–VIII 31). 122 Ebenda, S. 511, fol. 39r (1372 IX 10). 123 Ebenda, S. 720, fol. 27v (1386 VI 27); S. 732, fol. 19r (138 III 11–13). 124 Ebenda, S. 554, fol. 8r (1374 IX 4–5); S. 557, fol. 23r (1374 X 30–XI 17). 125 Ebenda, S. 847, fol. 1r (1398 III 28, vor). 126 Ebenda, S. 905, fol. 98v (1400, o.D.). 127 Ebenda, S. 706, fol. 57v (1384 XI 23–XII 9); S. 733, fol. 23r (1388 III 18–19). Gemeint ist hier der heutige Ortsteil von Florstadt im Wetteraukreis. 128 Ebenda, S. 576, fol. 22v (1375 XII 7, nach); S. 725, fol. 54v (1386 IX 20, nach); S. 777, fol. 36r (1391 IX 22–XI 9). 129 Ebenda, S. 352, fol. 76v (1341 III 30–IV 16). 130 Ebenda, S. 353, fol. 79v (1341 V 2–VII 27); S. 368, fol. 15r (1342 III 29–VI 3). 131 Ebenda, S. 375, fol. 34r (1342 IX 25–XI 15). 132 Ebenda, S. 384, fol. 58r (1343 IV 4–V 3). 133 Ebenda, S. 390, fol. 75v (1343 VIII 27). 134 Ebenda, S. 423, fol. 39r (1347 III 21–IV 20); S. 428, fol. 50v (1347 VIII 3); S. 431, fol. 67r (1347 X 2) (zwei Einträge); S. 453, fol. 167r (1349 IV 29–VI 17). 135 Ebenda, S. 424, fol. 39v (1347 III 21–IV 20). 136 Ebenda, S. 439, fol. 100v (1348 V 9 bis 23); S. 546, fol. 62v (1374 II 1–III 10). 137 Ebenda, S. 450, fol. 149r (1349 III 2–16). 138 Ebenda, S. 672, fol. 64v (1382 III 24). 139 Ebenda, S. 894, fol. 54v (1400 VIII 20–30) (zwei Einträge). 140 Zur Geschichte der Frankfurter Goldschmiede siehe Alexander Dietz: Meisterbuch der Frankfurter Goldschmiede im Mittelalter 1223–1556, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 30 (1913), S. 191–211. 141 Ebenda, S. 798, fol. 5v (1394 III 20, vor); S. 798, fol. 9r (1394 III 20–31). 142 Ebenda, S. 550, fol. 87v (1374 III 27–VIII 7): der goltsmid von Kollin; S. 573, fol. 17r (1375 XI 16–XII 3): von des gultsmedes wegin von Kollen.
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Kathedralstadt Straßburg 143 oder im benachbarten Mainz 144. Die höchsten Schuldtitel, die in dieser Berufsgruppe belegt sind, betreffen den Mainzer Goldschmied Philipp, der am Ende der Fastenmesse 1394 mit unterschiedlichen Darlehen über 264 bzw. 100 Gulden Hauptgeld zeitgleich bei zwei verschiedenen Frankfurter Juden in der Kreide stand. 145 Der vorhin konstatierte Befund zur Versetzung von berufsspezifischen Pfändern an jüdische Geldleiher lässt sich auch bei den Goldschmieden beobachten. Zur Herbstmesse 1333 erfahren wir von acht Ringen, die eine Goldschmiedin an einen Juden verpfändet hatte, 146 und 1367 führen die Protokolle einen namentlich ungenannten Goldschmied an, der eine nicht bezifferte Menge Gold an ein jüdisches Ehepaar versetzt hatte. 147 Ferner sind ein Stück Silber und ein Diamant148, silberne Kleinodien 149, 105 Perlen, zwei goldene Ringe und 4 Lot Silber150, 6 Gewichtsmark Silber151, vergoldete152 und silberne153 Gürtel, silberne Becher154 sowie nicht näher bestimmte silberne Pfänder155 (allirleye silbern phande156, silberne Gerätschaften 157) als dingliche Sicherheiten belegt. EXKURS: JUDEN ALS KUNDEN CHRISTLICHER HANDWERKER Mitunter, genauer gesagt in mehr als 60 Fällen, sind in den Frankfurter Gerichtsbüchern sogar Juden und Jüdinnen belegt, die bei christlichen Handwerkern verschuldet waren. Sabine Ullmann hat dieses Phänomen zutreffend als „Umkehrung des Stereotyps“ 158 charakterisiert. Besonders dicht ist hierbei die Überlieferung für den Frankfurter Juden Abraham, einen Sohn Kalmans von Mainz, der mindestens zehnmal als Schuldner und Kunde von Christen nachzuweisen ist. Abraham schuldete etwa einem christlichen Bader 15 Gulden, weswegen dieser im Herbst 1389 das 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155
Ebenda, S. 852, fol. 34v (1398 V 11–VI 7). Ebenda, S. 801, fol. 19r (1394 IV 27) (zwei Einträge). Ebenda, S. 801, fol. 19r (1394 IV 27) (zwei Einträge). Ebenda, S. 325, fol. 4v (1333 IX 6–7). Ebenda, S. 461, fol. 3v (1367 IX 17, nach). Ebenda, S. 519, fol. 75r (1373 I 28, vor). Ebenda, S. 533, fol. 119v (1373 IV 27–VIII 12). Ebenda, S. 541, fol. 42r (1373 X 9–XII 7). Ebenda, S. 852, fol. 34v (1398 V 11–VI 27). Ebenda, S. 601, fol. 39r (1377 IV 17–VII 10); S. 784, fol. 57v (1392 XI 26–XII 18). Ebenda, S. 798, fol. 5v (1394 III 20, vor). Ebenda, S. 864, fol. 17v (1399 II 21–III 4). Ebenda, S. 633, fol. 21v (1379 III 23); S. 783, fol. 48v (1392 IX 27); S. 801, fol. 19r (1394 IV 27); S. 820, fol. 43r (1395 VI 14–VIII 18); S. 832, fol. 51v (1396 VIII 6–IX 11). 156 Ebenda, S. 510, fol. 24r (1372 VIII 25–IX 1). 157 Ebenda, S. 754, fol. 57v (1389 XII 6–15). 158 So die Bezeichnung des Kapitels bei Sabine Ullmann: Nachbarschaft und Konkurrenz. Juden und Christen in Dörfern der Markgrafschaft Burgau 1650 bis 1750 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 151). Göttingen 1999, S. 448–450. Vgl. zudem Dies.: Kredit unter Juden und Christen während der frühen Neuzeit im Kraichgau, in: Kurt Andermann / Gerhard Fouquet (Hg.): Zins und Gült: Strukturen des ländlichen Kreditwesens in Spätmittelalter und Frühneuzeit (Kraichtaler Kolloquien 10). Epfendorf 2016, S. 111–131.
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zur Absicherung versetzte Pferd des Juden aufbieten ließ. 159 Bereits einige Jahre zuvor hatte ein christlicher Handschuhmacher wegen einer kleineren Schuld in Höhe von 1 Gulden ebenfalls ein Pfand Abrahams aufgeboten. 160 Gleich dreimal schuldete Abraham verschiedenen Schmieden Geld, wofür ihm die christlichen Handwerker 20 Hufeisen 161 bzw. 16,5 Pfund Eisen 162 geliefert hatten. 163 Die viermalige Verschuldung Abrahams bei einigen Schuhmachern geht ebenfalls auf Produktlieferungen zurück: Allein der Schuhmacher Henne Wetzil erwirkte im November 1388 gegen Abraham Zahlungsbeschlüsse über 1 Gulden und 8 Schilling Heller, da er dem Juden zuvor drei Paar gebundene Schuhe sowie zwei Paar Niederschuhe geliefert hatte.164 Hinzuweisen ist an dieser Stelle auch auf Schuldtitel, die auf Arbeitsleistungen christlicher Gewerbe für jüdische Kundenkreise zurückgehen. Der Prokurator Augsburger erwirkte etwa im Frühjahr 1386 gegen die Jüdin Zorline einen gerichtlichen Zahlungsbeschluss über 10 Gulden, da er ihr und ihrem Ehemann nicht näher bezeichnete Dienste geleistet habe (fur dinst, den he irme manne und ir getan hat).165 Else, die Ehefrau eines bei den Predigern ansässigen Frankfurter Benders, erwirkte im Herbst 1397 gegen die namentlich ungenannte Frau des Juden Eichhorn ein Urteil zur Bezahlung von 1,5 Gulden Arbeitslohn (1,5 guldin liedelons).166 Im Sommer 1391 hatte Fivelin von Altendorf vor Gericht bekannt, dass der Schneider Henne in seinem Auftrag gearbeitet habe, weshalb ihn die Schöffen zur Zahlung von 9 Schilling Arbeitslohn (vor sinen liddelon) verurteilten. 167 Auch Seligmann von Gelnhausen bekundete anlässlich einer Gerichtsverhandlung, dass er den Zimmermann mit der Verrichtung nicht näher bezeichneter Arbeiten beauftragt habe. 168 Auffällig ist zudem die Verschuldung von innergemeindlich herausragenden Frankfurter Juden und Jüdinnen bei Angehörigen des christlichen Baugewerbes.169 159 160 161 162 163 164
165 166 167 168 169
Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 750, fol. 43v (1389 IX 17–20). Ebenda, S. 543, fol. 49v (1373 X 9–XII 7). Ebenda, S. 583, fol. 41v (1376 III 26). Ebenda, S. 765, fol. 43v (1390 VI 27–VIII 31). Der dritte Kredit betrifft eine Schuld von 19 Turnosen, ein Kreditgrund ist nicht überliefert. Siehe ebenda, S. 765, fol. 43v (1390 VI 27–VIII 31). Ebenda, S. 740, fol. 60v (1388 XI 18–27). Vgl. dazu auch S. 738, fol. 49r (1388 IX 9). Letztgenannter Eintrag ist zudem im Volltext gedruckt bei Johann Henrich [!] Hermann Fries: Abhandlung vom sogenannten Pfeifer-Gericht, so in der kaiserlichen Freien Reichs-Stadt Frankfurt am Main, von uralten Zeiten her mit besondern und merkwürdigen Feierlichkeiten aljärlich einmal gehalten zu werden pflegt, welcher eine kurze Nachricht vom wahren Ursprung der beiden dasigen von Alters her berümten Reichs-Messen einverleibet, samt einigen anderen zufälligen Anmerkungen. Frankfurt a.M. 1752, S. 121. Zu den anderen Schulden Abrahams bei christlichen Schuhmachern siehe Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 491, fol. 14r (1371 IV 28–IX 1); S. 699, fol. 14v (1384 III 23). Ebenda, S. 717, fol. 6v (1386 III 28–IV 4). Ebenda, S. 841, fol. 42r (1397 VI 20–IX 24). Ebenda, S. 775, fol. 22r (1391 VII 31–VIII 30). Ebenda, S. 641, fol. 61v (1379 XI 7): Seligman von Geilinhusin hat bekannt, daz he Hertin zimmerman hiez arbeiden. Zu den nachfolgend genannten Juden und Jüdinnen sei verwiesen auf die entsprechenden Angaben im prosopographischen Katalog bei Schnur: Juden in Frankfurt am Main (wie Anm. 27), dort als CD-ROM-Beilage.
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Ber von Seligenstadt170, die reiche Geldleiherin Zorline171 sowie der Schulklopfer172 waren bei christlichen Glasern 173 verschuldet, Simon von Seligenstadt bei einem Ziegelmacher 174, der Jude Kalman bei einem Zimmermann 175, und Moise, ein Sohn Joselins von Marburg, schuldete 1393 einem Mühlenmacher sogar 100 Gulden 176. Gumprecht zum Storch, seines Zeichens Vorsteher der jüdischen Gemeinde, gestand 1331 vor Gericht ein, dem christlichen Maler Henkin 3,5 Pfund 1 Schilling zu schulden, und 1397 erfahren wir von einem halben Gulden, den Hase, ein Sohn Zorlines, einem anderen christlichen Maler schuldete. 177 Im Januar 1390 erwirkte ein Scherer gegen den Juden Sloman sogar einen gerichtlichen Zahlungsbeschluss über 10 Gulden, da der Jude ein Pferd verspielt hatte, dass ihm der Scherer für 14 Tage geliehen hatte. Zusätzlich hatte Sloman dem Scherer für jeden Tag 5 Schilling zu zahlen, insgesamt also weitere 3,5 Pfund Heller.178 Bereits einige Jahre zuvor ist ein anderer Jude belegt, der Wettschulden in ungenannter Höhe gegenüber einem Schuhmacherknecht hatte und sich hiervon vor Gericht erfolgreich lösen konnte. 179 Gelegentlich ist sogar belegt, dass handwerklich tätige Juden bei christlichen Berufsgenossen verschuldet waren, wie etwa zum Jahr 1342, als sich der jüdische Schreiner Salman (Salman kistenner) von dem christlichen Schreiner Götz (Gůtzo kistener) in Betreff eines nicht bezifferten Schuldtitels löste.180 170 171 172 173 174 175 176 177
178 179 180
Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 459, fol. 49v (1364 IX 2, vor). Ebenda, S. 653, fol. 52r (1380 IX 8–X 17). Ebenda, S. 737, fol. 43r (1388 VII 8–VIII 31). Zur Geschichte der Frankfurter Glaser siehe Franz Lerner: Beiträge zur Geschichte des Glaserhandwerkes in Frankfurt am Main, in: Ders.: Mit Gunst (wie Anm. 6), S. 11–42, hier bes. S. 11–15. Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 536, fol. 11r (1373 VIII 25–30). Ebenda, S. 688, fol. 40v (1383 IV 24–VIII 2). Ebenda, S. 790, fol. 31r (1393 IX 18–VI 18). Ebenda, S. 323, fol. 7v (1331 X 23, nach); S. 838, fol. 16r (1397 II 23–III 27). Zu christlichen Malerarbeiten, die im Auftrag von Juden durchgeführt wurden, siehe Dina Epelbaum: Die Wandmalereien im Haus „Zum Brunnenhof“, Zürich. Ein Beispiel jüdischer Kunst aus dem 14. Jahrhundert im Spannungsfeld zwischen Adaption und Abgrenzung, in: Judaica 58 (2002), S. 261–280; Dolf Wild / Roland Böhmer: Die spätmittelalterlichen Wandmalereien im Haus „Zum Brunnenhof“ in Zürich und ihre jüdischen Auftraggeber, in: Zürcher Denkmalpflege, Bericht 1995/96. Zürich 1997, S. 15–33; Sarit Shalev-Eyni: Kunst als Geschichte. Zur Buchmalerei hebräischer Handschriften aus dem Bodenseeraum (Arye Maimon-Institut für Geschichte der Juden, Studien und Texte 3). Trier 2011, S. 9–65, bes. S. 29–31. Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 756, fol. 2r (1390 I 26, vor): Henne Wolff, scherrer, hat erfolgit 10 guldin uff Slomman, juden, daz er yme ein perd hatte geluhen 14 tage, und verspilte yme daz do binnen und sulde yme alle tage 5 sol. davon geben, daz ist 3,5 lib.h. Ebenda, S. 692, fol. 71r (1383 X 28–XI 18): Gompracht, eyn jude, ist ledig von Hennen schuchwirten knechte von eyner wettunge wegin. Ebenda, S. 363, fol. 3r (1342 II 27, vor). Bereits drei Jahre zuvor hatte derselbe jüdische Schreiner Salman – hier bezeichnet als kistenmecher judeus – eine kleinere Geldschuld von 3,5 Pfund Heller zuzüglich Zinsen von dem christlichen kistenmecher Hertil eingeklagt. Hierzu S. 334, fol. 5r (1339 VIII 27). Ferner war zur gleichen Zeit mit Abraham ein weiterer jüdischer Schreiner in Frankfurt ansässig, siehe S. 395, fol. 91v (1343 XII 8, vor). Welcher der beiden Juden jedoch mit dem 1331 namentlich ungenannten Juden, der als Kistenhersteller bezeichnet wird (S. 323, fol. 10r [1331 X 23, nach]: judeus, qui operatur cistas), identisch ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Zu korrigieren ist jedenfalls Lerner: Frankfurter Schreinerhandwerk (wie Anm. 6),
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FISCHER UND FLEISCHER ALS KUNDEN JÜDISCHER GELD- UND PFANDLEIHER Immer wieder lässt sich zudem beobachten, dass dieselben christlichen Handwerker über längere Zeiträume mit teils höheren Darlehen als Kunden derselben jüdischen Geldleiher belegt sind. Als Beispiele für derartige, im Übrigen recht stabile Stammkundenbindungen soll zunächst eine Gruppe von Fischern und anschließend eine Fleischerfamilie dienen, die jeweils über mehrere Dekaden regelmäßig als Judenschuldner belegt sind. Eingangs wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Fischer mit insgesamt 176 Belegen die Gruppe der beruflich eindeutig zu verortenden Judenschuldner anführen.181 Von diesen Nachweisen entfallen 92 und damit etwas mehr als die Hälfte der Belege auf lediglich vier Personen, nämlich die Fischer Kraft, Reinhard, Gerlach und Kune, die vor allem in den 1370er und 1380er Jahren als Kunden jüdischer Geldleiher überliefert sind. Der Vater von Kraft, der ebenfalls als Fischer tätig gewesen war, 182 ist schon zum März 1342 als Kunde eines Frankfurter Juden belegt, 183 und auch Reinhard ist bereits während der Herbstmesse 1347 als Judenschuldner nachgewiesen,184 so dass ihre wirtschaftlichen Verbindungen zu Mitgliedern der jüdischen Gemeinde mithin sogar noch weitaus länger wirksam waren. Auffällig bei diesen vier Fischern ist jedoch nicht nur, dass sie so häufig nachzuweisen sind, sondern dass sie keineswegs ausschließlich als Einzelschuldner auftraten, vielmehr sehr häufig gemeinschaftlich in dieselben Darlehen involviert waren, sei es als gemeinsame Kreditnehmer oder aber als Bürgen für einen ihrer drei übrigen Berufsgenossen. Der Jude Joselin von Marburg erwirkte etwa im Spätsommer 1375 gegen Gerlach und Kune einen Zahlungsbeschluss über 23 Gulden zuzüglich Zinsen, da die beiden für Kraft gebürgt hatten. 185 Darüber hinaus waren alle drei Fischer zur gleichen Zeit bei demselben Juden noch mit weiteren 14 Pfund Heller Hauptgeld verschuldet. 186 Bereits im Vorjahr wurden Kune, Gerlach und Reinhold zur Zahlung von 14 Gulden Zinsertrag an Joselin verurteilt. 187 Mit Joselin,
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S. 22, der anführt, dass lediglich Juden mit dem Begriff kistenmechere belegt seien. Hierzu auch Bücher: Berufe (wie Anm. 43), S. 69. Hierzu oben S. 76 mit der Graphik zu den 30 belegstärksten Berufsgruppen. Dies ergibt sich aus Frankfurt, ISG, Bartholomäusstift Urkunden und Akten 498 (1356 II 8), wo Kraft anlässlich eines Grundstücksgeschäftes als Kraft, Sohn des Fischers Kraft, bezeichnet wird. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Metze erhält er gegen einen jährlichen Pachtzins von 14 Schilling Pfennig vom St. Bartholomäusstift eine zwischen Fischer- und Metzgertor gelegene Hofstätte. Wenige Jahre später erwirbt das Ehepaar von der Stadt Frankfurt eine Ewiggülte auf einem ganz in der Nähe bei der Mainbrücke gelegenen Haus. Hierzu Frankfurt, ISG, Holzhausen-Archiv Urkunden 54 (1361 VII 9). Vgl. dazu auch Bücher: Berufe (wie Anm. 43), S. 84 f., der angibt, dass unter den Frankfurter Fleischern schon vergleichsweise früh feste Familiennamen üblich gewesen seien, die sich „in vielen Generationen“ verfolgen ließen. Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 365, fol. 5r (1342 III 7). Ebenda, S. 429, fol. 58r (1347 IX 2–4). Ebenda, S. 569, fol. 63r (1375 VII 2–IX 4). Ebenda, S. 569, fol. 63r (1375 VII 2–IX 4). Ebenda, S. 550, fol. 93r (1374 III 27–VIII 7).
Beziehungen zwischen jüdischen Geldverleihern und christlichen Handwerkern
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ihrem jüdischen Gläubiger, und dessen Familie sind die vier Fischer in unterschiedlichen Konstellationen belegt, obwohl Joselin 1371 vom Gericht verurteilt worden war, da er die Bürgen Kunes rechtswidrig zur Leistung gedrungen hatte. 188 Im Jahr 1371 schuldeten Kraft und Kune der Ehefrau Joselins 20 bzw. 10 Gulden Hauptgeld,189 und im Folgejahr nahmen Kraft und Kune gemeinschaftlich 26 Gulden bei ihm auf, die fünf Wochen lang zinsfrei bleiben sollten. 190 Regelmäßig erfahren wir von Darlehen zwischen 20 und 44 Gulden,191 die in der Regel gegen Ausfertigung von Schuldbriefen gewährt wurden. 192 Kraft, Gerlach und Reinhard schuldeten Joselin im Frühsommer 1377 gemeinschaftlich 42 Gulden sowie 19 Pfund Heller, 193 zwei Jahre später liehen Gerlach und Reinhard erneut bei Joselin 43 Gulden und 30 Pfund Heller, 194 und 1382 nahmen Reinhard, Kune und Gerlach schließlich weitere 34 Pfund bei ihrem jüdischen Bankier auf. 195 188 Ebenda, S. 491, fol. 14r (1371 IV 28–IX 1): Joselin von Margpurg ist ledig von Cunen fisschern, alse he yme sine burgin wieder recht inhette gedrongen zu leisten. 189 Ebenda, S. 490, fol. 11v (1371 IV 28–IX 1) (zwei Einträge). 190 Ebenda, S. 517, fol. 67r (1372 XII 13): […] und sollen sten 5 wochen ane gesuch; waz sie lenger stunden, den gesuch musten sie keren. 191 Zu verweisen ist in chronologischer Abfolge mit Angabe der jeweiligen Kredithöhe auf ebenda, S. 483, fol. 45r (1371 II 23): 20 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 490, fol. 11v (1371 IV 28– IX 1): 20 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 493, fol. 25v (1371 IX 15, nach): 24 Gulden; S. 499, fol. 45v (1372 II 17–III 8): 150 Gulden; S. 517, fol. 67r (1372 XII 13): 26 Gulden weniger 2 Turnosen Hauptgeld; S. 519, fol. 74v (1373 I 28, vor): 23,5 Gulden; S. 599, fol. 26v (1374 XI 17, nach): zwei Kredite über jeweils 24 Gulden; S. 568, fol. 59v (1375 VII 2–IX 4): 23 Gulden; S. 569, fol. 63r (1375 VII 2–IX 4): 23 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 577, fol. 24v (1376 I 14, vor): 30 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 577, fol. 25r (1376 I 14): 50 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 598, fol. 31r (1377 IV 17–VII 10): 42 Gulden und 19 Pfund Heller; S. 616, fol. 23v (1378 IV 28–V 31): 20 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 628 f., fol. 8v–9r (1379 I 21–28) (zwei Verfahren): 44 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen bzw. 30 Pfund Heller, 44 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen und 43 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 636, fol. 37r (1379 IV 29–VI 27): 36 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 650, fol. 27v (1380 IV 9–IX 7) (zwei Verfahren): 34 Pfund Heller Hauptgeld zuzüglich Zinsen bzw. 27 Pfund Heller; S. 652, fol. 41r (1380 IX 8): 27 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 667, fol. 19r (1381 VIII 2–IX 2): 21 Pfund Heller, von denen 5 Pfund bereits zurückgezahlt sind; S. 674, fol. 75r (1382 V 2–VI 23): 34 Pfund Heller; S. 674, fol. 76r (1382 V 2–VI 23): 34 Pfund Heller; S. 694, fol. 80r (1383 XII 9–15): 35 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 711, fol. 17r (1385 III 15–17): 23 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 730, fol. 12r (1388 II 28): 28 Gulden; S. 757, fol. 5r (1390 II 3): 24 Gulden; S. 783, fol. 42r (1392 IX 2–13): 50 Gulden; S. 808, fol. 53r (1394 IX 16–XI 26): 20 Gulden; S. 816, fol. 27r (1395 IV 22–VI 7): 20 Gulden; S. 842, fol. 47v (1397 VI 20–IX 24): 20 Gulden; S. 870, fol. 56r (1399 IV 18–IX 11): 40 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 873, fol. 78v (1399 IV 18–IX 11): 44 Gulden. 192 Insgesamt sind fast 900 Schuldurkunden nachzuweisen, die den zu Gericht sitzenden Schöffen seitens der jüdischen Gläubiger zum Beweis der Richtigkeit ihrer Forderungen vorgelegt wurden. Überliefert ist hiervon keine einzige, lediglich aus den Gerichtsbucheinträgen wissen wir von ihrer einstmaligen Existenz. Eine tabellarische Übersicht hierzu bietet Schnur: Juden in Frankfurt am Main (wie Anm. 27), S. 404f. 193 Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 598, fol. 31r (1377 IV 17–VII 10). 194 Ebenda, S. 629, fol. 9r (1379 I 21–28). Hierzu gehört wohl auch S. 628, fol. 8v (1379 I 21–28) (zwei Einträge). 195 Ebenda, S. 674, fol. 76r (1382 V 2–VI 23).
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Noch ein weiterer Aspekt ist im Hinblick auf die Kreditpraxis der vier Fischer Gerlach, Kune, Reinhard und Kraft auffällig: Zwar hatten sie alle vier ausgesprochen enge Beziehungen zu dem Juden Joselin von Marburg und dessen Familienverband, von dem sie insbesondere ihre höheren Kreditbeträge erhielten, doch bedeutete diese längerfristige Bindung keineswegs, dass sie auf wirtschaftliche Beziehungen zu anderen jüdischen Geld- und Pfandleihern völlig verzichtet hätten. Der Fischer Kraft ist zwar häufig als Schuldner von Joselin und dessen Familie belegt, 196 gleichzeitig tritt er jedoch ebenso als Kunde der Juden Heilmann von Marburg 197, Josef 198, Bischof von Römhild 199, Josef von Gemünden 200, Anselm (von Gemünden) 201, Seligmann von Gelnhausen 202 und des jüdischen Schulklopfers Josef 203 in Erscheinung. Der Fischer Reinhard ist mehrheitlich ebenfalls als Schuldner Joselins 204, daneben aber auch einmal als Kunde von Isaak vom Hain 205 nachgewiesen. Ganz anders liegen die Verhältnisse beim Fischer Kune, der nicht nur zu Joselin 206 wirtschaftliche Beziehungen unterhielt, sondern mehrheitlich sogar in Verbindung mit anderen jüdischen Geldleihern überliefert ist – namentlich Heilmann von Marburg 207, Jakob von Miltenberg 208, dem Schulklopfer Josef 209, Michel Hotzil 210, Seligmann von Geln-
196 Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 483, fol. 45r (1371 II 23); S. 490, fol. 11v (1371 IV 28–IX 1); S. 493, fol. 25v (1371 IX 15, nach); S. 517, fol. 67r (1372 XII 13); S. 519, fol. 74v (1373 I 28, vor); S. 525, fol. 88v (1373 III 16–23); S. 534, fol. 5r (1373 VIII 12–22) (zwei Verfahren); S. 559, fol. 26v (1374 XI 17, nach) (zwei Verfahren); S. 568, fol. 59v (1375 VII 2–IX 4); S. 569, fol. 63r (1375 VII 2–IX 4); S. 598, fol. 31r (1377 IV 17–VII 10); S. 612, fol. 5r (1378 III 17, vor); S. 628, fol. 8v (1379 I 21–28). 197 Ebenda, S. 463, fol. 14r (1367 IX 17, nach); S. 545, fol. 57v (1374 I 30, vor); S. 614, fol. 14v (1378 III 17–29); S. 684, fol. 15v (1383 III 2–4). 198 Ebenda, S. 470, fol. 64v (1368 IX 13–XI 9). 199 Ebenda, S. 472, fol. 81v (1369 II 28, vor). 200 Ebenda, S. 484, fol. 47v (1371 II 10–12). 201 Ebenda, S. 497, fol. 41r (1372 II 17, vor); S. 528, fol. 96r (1373 III 30); S. 559, fol. 26v (1374 XI 17, nach); S. 583, fol. 41r (1376 III 24–26); S. 596, fol. 20v (1377 III 10). 202 Ebenda, S. 639, fol. 48r (1379 VIII 31). 203 Ebenda, S. 640, fol. 58r (1379 IX 16–XI 7). 204 Ebenda, S. 499, fol. 45v (1372 II 17–III 8); S. 549, fol. 85v (1374 III 24–VIII 7); S. 569, fol. 63r (1375 VII 2–IX 4); S. 598, fol. 31r (1377 IV 17–VII 10); S. 629, fol. 9r (1379 I 21–28); S. 651, fol. 28v (1380 IV 9–IX 7); S. 674, fol. 76r (1382 V 2–VI 23). 205 Ebenda, S. 499, fol. 45v (1372 II 17–III 8). 206 Ebenda, S. 490, fol. 11v (1371 IV 28–IX 1); S. 491, fol. 14r (1371 IV 28–IX 1); S. 517, fol. 67r (1372 XII 13); S. 559, fol. 26v (1374 XI 17, nach) (zwei Verfahren); S. 569, fol. 63r (1375 VII 2– IX 4) (zwei Verfahren); S. 628, fol. 8v (1379 I 21–28); S. 650, fol. 27v (1380 IV 9–IX 7) (zwei Verfahren); S. 674, fol. 75r (1382 V 2–VI 23); S. 674, fol. 76r (1382 V 2–VI 23). 207 Ebenda, S. 543, fol. 50r (1373 X 9–XII 7); S. 614, fol. 11v (1378 III 17); S. 616, fol. 23v (1378 IV 28–V 31); S. 652, fol. 41r (1380 IX 8); S. 667, fol. 19r (1381 VIII 2–IX 2); S. 684, fol. 16r (1383 III 4); S. 693, fol. 76v (1383 XII 2–9); S. 694, fol. 78r (1383 XII 2–9); S. 694, fol. 80r (1383 XII 9–15); S. 711, fol. 17r (1385 III 15–17); S. 711, fol. 21r (1385 III 22); S. 757, fol. 5r (1390 II 3). 208 Ebenda, S. 553, fol. 3r (1374 VIII 22–28). 209 Ebenda, S. 636, fol. 37r (1379 IV 29–VI 27). 210 Hierbei bekundete der Jude, dass er dem Fischer 18 Turnosen Zins (cinsis) schuldig sei. Siehe ebenda, S. 694, fol. 81v (1383 XII 15, nach).
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hausen211 sowie Wolf, dem Sohn Fivelins von Dieburg 212. Vergleichbar mit den Beziehungen des Fischers Kune sind diejenigen seines Berufsgenossen Gerlach, der nicht nur mit Joselin und dessen Familie 213 in geschäftlichen Verbindungen stand, sondern darüber hinaus auch mit Anselm von Gemünden 214, Heilmann von Marburg 215, dem Schulklopfer Josef 216, Josef von Miltenberg 217, Seligmann von Gelnhausen218, Abraham 219, Wolf, dem Sohn Fivelins von Dieburg 220, Meister Meier von Nordhausen 221 und dessen Ehefrau Rose 222, der ungenannten Ehefrau des Michel Hotzil 223, David von Oppenheim 224, Süßkind 225, Gutlin von Eppstein 226, Gute, der Ehefrau Menchins von Koblenz 227, dem Schulklopfer David 228 sowie der Jüdin Ritschlin 229. Demnach wandten sich die vier Fischer bei ihren gemeinschaftlich aufgenommenen und überdurchschnittlich dotierenden Darlehen hauptsächlich an einen einzigen Kreditgeber, nämlich an Joselin von Marburg und dessen Familie, während sie im Zuge anderer Kredite vielfach auch auf die Dienste weiterer Geldverleiher zurückgriffen. Die nicht bei Joselin aufgenommenen Kredite fielen jedoch insgesamt niedriger aus. Unter den übrigen Juden, die den Fischern Kredit gewährten, kommt Heilmann von Marburg, der eingedenk seines Herkunftsnamens vielleicht sogar zur Familie Joselins gehört haben könnte, ebenfalls eine gewisse Bedeutung zu. Es stellt sich nun die Frage, warum die vorgenannten vier Fischer in dieser Regelmäßigkeit als Judenschuldner überliefert sind, also nach dem Zweck ihrer Kreditaufnahmen. Die Zeitpunkte der Gerichtsbucheinträge legen dabei eine Verbindung zu den Frankfurter Messen nahe, und zumindest der Fischer Reinhard ist durch an211 Ebenda, S. 893, fol. 53r (1400 VIII 2–20). 212 Ebenda, S. 808, fol. 53r (1394 IX 16–XI 26); S. 842, fol. 47v (1397 VI 20–IX 24). 213 Ebenda, S. 499, fol. 45v (1372 II 17–III 8); S. 519, fol. 74v (1373 I 28, vor); S. 549, fol. 85v (1374 III 24–VIII 7); S. 559, fol. 26v (1374 XI 17, nach) (zwei Verfahren); S. 569, fol. 63r (1375 VII 2–IX 4) (zwei Verfahren); S. 577, fol. 24v (1376 I 14, vor); S. 598, fol. 31r (1377 IV 17– VII 10); S. 629, fol. 9r (1379 I 21–28); S. 651, fol. 28v (1380 IV 9–IX 7); S. 674, fol. 76r (1382 V 2–VI 23); S. 783, fol. 42v (1392 IX 2–13) (zwei Verfahren). 214 Ebenda, S. 528, fol. 96r (1373 III 30); S. 583, fol. 41r (1376 III 24–26). 215 Ebenda, S. 543, fol. 50r (1373 X 9–XII 7); S. 577, fol. 25r (1376 I 14); S. 616, fol. 23v (1378 IV 28–V 31); S. 694, fol. 80r (1383 XII 9–15); S. 711, fol. 17r (1385 III 15–17); S. 722, fol. 34v (1386 VIII 6–21); S. 730, fol. 12r (1388 II 28); S. 757, fol. 5r (1390 II 3). 216 Ebenda, S. 590, fol. 68r (1376 IX 5–10). 217 Ebenda, S. 622, fol. 37r (1378 VIII 30–IX 1). 218 Ebenda, S. 673, fol. 72r (1382 IV 14–V 2); S. 760, fol. 16r (1390 III 21). 219 Ebenda, S. 737, fol. 43r (1388 VII 8–VIII 31). 220 Ebenda, S. 771, fol. 69r (1390 X 12, nach); S. 808, fol. 53r (1394 IX 16–XI 26); S. 842, fol. 47v (1397 VI 20–IX 24); S. 870, fol. 56r (1399 IV 18–IX 11). 221 Ebenda, S. 784, fol. 52r (1392 IX 27–XI 18). 222 Ebenda, S. 801, fol. 20r (1394 IV 29). 223 Ebenda, S. 805, fol. 32v (1394 VIII 31–IX 1). 224 Ebenda, S. 806, fol. 36v (1394 VIII 31–IX 1); S. 816, fol. 27r (1395 IV 22–VI 7). 225 Ebenda, S. 819, fol. 36r (1395 VI 14–VIII 18). 226 Ebenda, S. 829, fol. 26r (1396 IV 19). 227 Ebenda, S. 873, fol. 78v (1399 IV 18–IX 11). 228 Ebenda, S. 886, fol. 19v (1400 III 26–30). 229 Ebenda, S. 901, fol. 77v (1400 XI 3).
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dere Quellen auch als Fischhändler belegt. Sein Vermögen dürfte in den 1370er Jahren bei rund 3.700 Pfund Heller gelegen haben – zumindest deutet die von ihm an den Rat entrichtete Bede hierauf hin. 230 Unmittelbar vor Beginn der Frankfurter Fastenmesse des Jahres 1372 lieh er sich gemeinsam mit seinem Berufsgenossen Gerlach von dem Juden Joselin von Marburg 150 Gulden Hauptgeld. 231 Zwar geht aus dem Gerichtsbucheintrag der Verwendungszweck dieses Darlehens nicht hervor, doch deuten der Zeitpunkt der Kreditaufnahme sowie die außerordentliche Kredithöhe auf eine direkte Verbindung zur Frankfurter Fastenmesse hin. Interessanterweise bürgten dieselben beiden Fischer Gerlach und Reinhard zwei Jahre später – diesmal am Ende der Fastenmesse – für drei namentlich ungenannte Fischer aus Speyer (drie fisscher von Spire), die bei dem Frankfurter Juden Kalman, einem Schwiegersohn des vorhin genannten Joselin, 30 Gulden Hauptgeld aufgenommen hatten. 232 Und auch der Umstand, dass Kune während der Fastenmesse 1385 vor Gericht bekundete, gemeinsam mit seinem Berufsgenossen Henne Lübecker einem Juden 9 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen zu schulden, 233 deutet darauf hin, dass es unter den Frankfurter Fischern keineswegs ungewöhnlich war, bei Juden in direktem Zusammenhang mit wie auch immer gearteten Messegeschäften Geld zu leihen. Zu verweisen ist an dieser Stelle ferner auf spezialisierte Heringshändler, die in den Schöffengerichtsprotokollen mehrfach als Judenschuldner nachzuweisen sind. 234 Vergleichbares ist ebenso für einige Frankfurter Fleischer plausibel zu machen. Beispielhaft soll dazu Hermann Birnitz betrachtet werden, der zwischen 1372 und 1388 insgesamt 26 Mal als Schuldner von jüdischen Geld- und Pfandleihern in den Gerichtsbüchern belegt ist.235 Die Hauptgelder, die im Zusammenhang mit ihm und 230 Hierzu Dietz: Frankfurter Handelsgeschichte (wie Anm. 4), Bd. 1, Nr. 323, S. 182 (Reinhard zum Schwalbächer). Eventuell ist er identisch mit einem gleichnamigen Händler, der bereits 1346 in den Quellen genannt wird und nach ebenda, Nr. 182, S. 166, ein Vermögen in Höhe von 9.100 Pfund Heller besaß. 231 Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 499, fol. 45v (1372 II 17–III 8). 232 Ebenda, S. 549, fol. 85v (1374 III 24–VIII 7). 233 Ebenda, S. 711, fol. 21r (1385 III 22). Zum Frankfurter Fischer Henne Lübecker, der ebenfalls häufiger als Judenschuldner in den Schöffengerichtsprotokollen belegt ist, siehe S. 604, fol. 46v (1377 VII 10–VIII 31); S. 616, fol. 23v (1378 IV 28–V 31); S. 624, fol. 42v (1378 IX 6); wohl auch S. 655, fol. 62r (1380 X 17, nach). 234 Ebenda, S. 350, fol. 69r (1341 III 16); S. 364, fol. 4v (1342 III 6); S. 781, fol. 27r (1392 V 10– VIII 27); S. 882, fol. 5r (1400 II 22, vor). In diesem Zusammenhang ist auch auf den Frankfurter Lübeck-Händler Johann Lemmechin zu verweisen, der während der Herbstmesse 1342 wegen Schulden von 120 Pfund Heller beim Juden Isaak von Köln mit der Frankfurter Krämerin Gudechin Glismud prozessierte. Hierzu Koppe/Koppe: Lübecker Frankfurt-Händler (wie Anm. 25), S. 24; Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 374, fol. 31r (1341 IX 11). Vollständig gedruckt findet sich dieser Eintrag zudem bei Thomas (Bearb.): Oberhof (wie Anm. 16), Nr. 7, S. 300. 235 Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 511, fol. 35v (1372 IX 8); S. 522, fol. 82r (1373 II 16–III 16); S. 536, fol. 12v (1373 VIII 30); S. 565, fol. 46r (1375 IV 2); S. 565, fol. 48r (1375 IV 4–6); S. 567, fol. 58v (1375 IV 13–VII 2); S. 579, fol. 28r (1376 I 18–III 10); S. 589, fol. 65r (1376 IX 3); S. 597, fol. 22r (1377 III 13); S. 605, fol. 52v (1377 IX 11); S. 613, fol. 6r (1378 III 17, vor); S. 615, fol. 17v (1378 IV 2); S. 615, fol. 19v (1378 IV 7); S. 620, fol. 31v (1378 VIII 2–30); S. 630, fol. 12r (1379 I 28–III 2); S. 648, fol. 17v (1380 IV 9–IX 7); S. 666,
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seiner Familie überliefert sind, dotieren fast doppelt so hoch wie die Kredite der übrigen Fleischer: Während Hermann Birnitz bei seinen Judenkrediten im Schnitt rund 15 Gulden aufnahm, kommen die Kredite der übrigen Fleischer im Schnitt nurmehr auf 8,5 Gulden. Dabei streuen die einzelnen Kredite des Fleischers Birnitz zwischen 2 Pfund Heller und 30 Gulden und diejenigen seiner Berufsgenossen zwischen 7 Heller und 39 Gulden; einzig der Fleischer Henne Gassenbacher nahm im Zuge einer Immobilienverpfändung mit 60 Pfund Heller ein höheres Darlehen auf.236 Birnitz pflegte zu Beginn der 1370er Jahre zudem engere geschäftliche Beziehungen zu den beiden jüdischen Brüdern Isaak und Fivelin von Jerusalem, die in acht Fällen als Geldgeber genannt werden.237 Erst nachdem die beiden Juden Frankfurt im Jahr 1376 verlassen hatten, sind Birnitz und seine beiden Söhne Dulde und Bechthold bis 1388 als Kunden von fünf weiteren jüdischen Geldleihern belegt, darunter Joselin von Marburg 238, Heilmann (von Marburg) 239, Ensgin 240, Seligmann (von Gelnhausen) 241 und Josef von Miltenberg 242, unter denen Isaak von Linnich 243 mit fünf Krediten über jeweils rund 18 Gulden als Gläubiger heraussticht. Einige der Schuldtitel, für die Birnitz gegenüber Juden verantwortlich zeichnete, betrafen Bürgschaftsverpflichtungen für Dritte. Zu Jahresbeginn 1376 erwirkte etwa ein Jude gegen ihn einen Zahlungsbeschluss über 22 Gulden Hauptgeld zuzüglich der Zinsen von zwei Jahren, da Birnitz für seinen Berufsgenossen Reinmar gebürgt hatte. 244 Eben dieser Reinmar wiederum ist in den Gerichtsprotokollen ebenfalls häufiger belegt und begegnet zwischen 1371 und 1378 insgesamt 15 Mal als Judenschuldner. 245 Im Frühjahr 1378 bekundete er zunächst gemeinsam mit dem ebenfalls
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fol. 17r (1381 VIII 2–IX 2); S. 683, fol. 12r (1383 III 2, vor); S. 683, fol. 13r (1383 III 2, vor); S. 683, fol. 14r (1383 III 2); S. 701, fol. 26r (1384 IV 18–VI 27); S. 709, fol. 12v (1385 III 14, vor); S. 721, fol. 28r (1386 VI 27); S. 739, fol. 57v (1388 IX 16–XI 16). Darüber hinaus werden als Fleischer und Judenschuldner noch einige weitere Familienangehörige von Hermann Birnitz genannt, so etwa Dine Birnitz (S. 535, fol. 6r [1373 VIII 12–22]; S. 551, fol. 98v [1374 VIII 7]), Konrad Birnitz (S. 723, fol. 42r [1386 VIII 31]) sowie Bechthold Birnitz (S. 738, fol. 49v [1388 IX 9], im Wortlaut gedruckt bei Fries: Abhandlung [wie Anm. 164], S. 122). Hierzu Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 480, fol. 32r (1370 IX 10, nach). Ebenda, S. 511, fol. 35v (1372 IX 8); S. 522, fol. 82r (1373 II 16–III 16); S. 536, fol. 12v (1373 VIII 30); S. 565, fol. 48r (1375 IV 4–6); S. 567, fol. 58v (1375 IV 13–VII 2); S. 589, fol. 65r (1376 IX 3). Ebenda, S. 579, fol. 28r (1376 I 18–III 10); S. 648, fol. 17v (1380 IV 9–IX 7). Ebenda, S. 597, fol. 22r (1377 III 13); S. 613, fol. 6r (1378 III 17, vor); S. 666, fol. 17r (1381 VIII 2–IX 2). Ebenda, S. 605, fol. 52v (1377 IX 11). Ebenda, S. 630, fol. 12r (1379 I 28–III 2); S. 701, fol. 26r (1384 IV 18–VI 27); S. 709, fol. 12v (1385 III 14, vor); S. 739, fol. 57v (1388 IX 16–XI 16). Ebenda, S. 683, fol. 12r (1383 III 2, vor); S. 721, fol. 28r (1386 VI 27). Ebenda, S. 565, fol. 46r (1375 IV 2); S. 615, fol. 17v (1378 IV 2); S. 615, fol. 19v (1378 IV 7); S. 683, fol. 13r (1383 III 2, vor); S. 683, fol. 14r (1383 III 2). Ebenda, S. 579, fol. 28r (1376 I 18–III 10). Ebenda, S. 496, fol. 36r (1371 IX 15, nach); S. 499, fol. 46r (1372 II 17–III 8); S. 509, fol. 19r (1372 VIII 20); S. 522, fol. 82r (1373 II 16–III 16); S. 537, fol. 16v (1373 IX 2–5); S. 579, fol. 28r (1376 I 18–III 10); S. 584, fol. 48r (1376 IV 21–VII 7); S. 603, fol. 45v (1377 VII 10–VIII 31);
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als Fleischer tätigen Jakob Rauch, seinem Schwager, dass sie einem Juden 10 Gulden schuldeten. 246 Darüber hinaus bekannte Reinmar zur gleichen Zeit, dass er seinen Schwager Rauch in Betreff weiterer Schuldtitel mit einer Gesamthöhe von 113 Gulden Hauptgeld von fünf anderen jüdischen Gläubigern lösen wolle. 247 Diese bemerkenswerte Kredithöhe von 113 Gulden Hauptgeld, die mehr als das dreizehnfache (!) des durchschnittlichen Kredits von Fleischern beträgt, dürfte kaum als Konsumkredit zu verstehen sein. Vielmehr scheinen Jakob Rauch und Reinmar – wie andere Fleischer auch – im Viehhandel tätig gewesen zu sein und hierfür mehrfach Kredite bei Juden in Anspruch genommen zu haben. Dabei arbeitete Rauch gelegentlich mit anderen Berufsgenossen zusammen, und so erscheint er auch als Partner des gerade etwas genauer betrachteten Fleischers Hermann Birnitz, mit dem er gemeinsam einem Juden 18,5 Gulden zuzüglich Zinsen schuldete. 248 Ferner ist Hermann Birnitz seinerseits auch als Bürge für den Fleischer Reinmar belegt und wurde 1376 auf Klage des jüdischen Gläubigers zur Zahlung von 22 Gulden zuzüglich der Zinsen von zwei Jahren verurteilt. 249 Vor diesem Hintergrund könnte eventuell auch die erstaunliche Bindung von Birnitz an jüdische Geldgeber erklärt werden, der ja fast zwei Jahrzehnte mit überdurchschnittlichen Volumina in mindestens 26 Fällen als Kreditnehmer von Juden belegt ist. Eine direkte Verbindung zum Viehhandel auf den beiden großen Frankfurter Messen ist hierbei möglich, wenngleich angesichts der Hauptgelder doch eher unwahrscheinlich; vielmehr dürfte wohl ein regionaler Kontext zugrunde gelegen haben. 250 Auch auswärtige Fleischer nutzten hierzu gelegentlich Kredite von Frankfurter Juden. Im Februar 1380 verurteilte das Schöffengericht etwa einen Fleischer aus Kronberg dazu, endlich zu seinem jüdischen Geldleiher zu gehen, um dort über Hauptgut, Zinsertrag sowie Gerichtsgebühren abzurechnen. 251 ÜBERLEGUNGEN ZUM ZWECK DER KREDITAUFNAHMEN Damit wird erneut die Frage nach dem Zweck der Kreditaufnahme aufgeworfen. Zahlreiche Gerichtsverfahren deuten zwar darauf hin, dass ein bedeutender Anteil der von christlichen Handwerkern bei Juden aufgenommenen Kredite als Konsumkredite zu werten sind und teilweise den Charakter veritabler Notkredite aufweisen. Deutlich wird dies etwa am Beispiel der Pfandgeschäfte, die nur geringe Volumina umfassen und bei denen berufsspezifische Pfänder oder Arbeitsgerätschaften, die für die Berufsausübung notwendig waren, versetzt wurden. 252 Andererseits können hier-
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S. 606, fol. 57v (1377 IX 25–30); S. 607, fol. 61r (1377 X 2–XI 9); S. 612, fol. 3v (1378 III 17, vor) (zwei Verfahren mit fünf Schuldtiteln). Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 612, fol. 3v (1378 III 17, vor). Ebenda, S. 612, fol. 3v (1378 III 17, vor). Ebenda, S. 620, fol. 31v (1378 VIII 2–30). Ebenda, S. 579, fol. 28r (1376 I 18–III 10). Lerner: Geschichte des Frankfurter Metzger-Handwerks (wie Anm. 6), S. 25–31. Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 730, fol. 9v (1388 I 30–II 28). Hierzu oben S. 82 f. und 85.
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mit längst nicht alle Kreditaufnahmen erklärt werden. Stattdessen scheinen im spätmittelalterlichen Frankfurt vielmehr auch enge Verbindungen zwischen jüdischer Geldleihe, Handwerkern und überregionalen Handelsmessen bestanden zu haben, die über zufällige Laufzeitübereinstimmungen hinausgehen. 253 Hierauf deutet nicht nur die Kreditpraxis einiger Fischer und Fleischer hin, sondern auch bei anderen Berufsgruppen lässt sich ein derartiger Konnex unterstellen. Um einen Produktivkredit scheint es sich etwa bei einem Darlehen des Frankfurter Weißgerbers Henkin zu handeln, der während der Fastenmesse 1364 einem Juden zwei Häuser verpfändet hatte, eines für 50 Gulden und das andere für 16 Pfund Heller. Die Rückzahlung sollte bereits wenige Monate später am Johannestag in der Herbstmesse (29. August) und damit zu einem Zeitpunkt erfolgen, wenn der Weißgerber die im Frühjahr eingekauften und während der Sommermonate gegerbten Tierhäute wieder auf der laufenden Messe verkauft haben würde. 254 Auch bei zahlreichen anderen Berufsgruppen kann ein direkter Zusammenhang zwischen den Frankfurter Messen und den Zeitpunkten für Kreditaufnahmen sowie -tilgungen bzw. Klageverfahren bei Säumigkeit konstatiert werden. Während der Herbstmesse 1378 bot der Jude Simon von Seligenstadt drei in bester städtischer Lage auf dem Samstagsberg gelegene Häuser auf, die der Essighändler Peter und dessen Frau Hebel dem Juden zuvor als Pfand für ein Darlehen in Höhe von 80 Gulden versetzt hatten. 255 In den Jahren 1367 bis 1372 hören wir gleich von mehreren Darlehen des Schäfers Lotze, die sich im Bereich zwischen 3 Pfund Heller und mehr als 90 Gulden Hauptgeld bewegten; bei diesen Beträgen ist an einen ‚normalen‘ Schäfer nicht mehr zu denken, vielmehr scheint er verstärkt oder sogar hauptsächlich mit Schafen oder deren Erzeugnissen gehandelt zu haben. 256 Zum August 1343 253 Bislang wird den durch Juden bereitgestellten Kapitalien keine Relevanz für die Finanzierung des exportorientierten städtischen Handwerks beigemessen. Siehe dazu Beat Fumasoli: Wirtschaftserfolg zwischen Zufall und Innovativität. Oberdeutsche Städte und ihre Exportwirtschaft im Vergleich (1350–1550) (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 241). Stuttgart 2017, darin bes. Kapitel III.3.2: Kreditwesen (Herrn Dr. Fumasoli danke ich sehr für die auszugsweise Überlassung seiner damals noch im Druck befindlichen Arbeit). Darüber hinaus wurde vor wenigen Jahren von prominenter Seite jegliche Bedeutung der Frankfurter Messen für die wirtschaftliche Tätigkeit der dortigen Judengemeinde abgelehnt. Hierzu Michael Toch: Wirtschaft und Geldwesen der Juden Frankfurts im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: Karl E. Grözinger (Hg.): Jüdische Kultur in Frankfurt am Main von den Anfängen bis zur Gegenwart (Jüdische Kultur 1). Wiesbaden 1997, S. 25–46, hier bes. S. 29. 254 Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 1, Nr. 193, S. 80 = Frankfurt, ISG, Insatzbuch 2, fol. 87r (1364 III 17). 255 Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 620, fol. 33v (1378 VIII 2–30). 256 Hierzu ebenda, S. 461, fol. 6v (1367 IX 17, nach): 8 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 463, fol. 12r (1367 IX 17, nach): 50 Pfund Heller; S. 485, fol. 48v (1371 III 12): 28 Gulden; S. 487, fol. 52v (1371 III 20–21): 60 Pfund Heller Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 490, fol. 11r (1371 IV 28–IX 1): 60 Pfund Heller Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 496, fol. 37r (1371 IX 15, nach): 45 Gulden und 60 Gulden Hauptgeld, jeweils zuzüglich Zinsen von zwei Jahren Laufzeit; S. 500, fol. 47v (1372 III 8): 30 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen von fünf Quartalen; S. 504, fol. 65r (1372 IV 5–VIII 6): 3 Pfund Heller; S. 507, fol. 13v (1372 VIII 6–20): 22 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 507, fol. 14r (1372 VIII 6–20): 91 Pfund 8 Schilling Heller Hauptgeld zuzüglich Zinsen.
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erfahren wir von einem Bäcker, der mit 40 Pfund 10 Schilling Heller zuzüglich Zinsen bei einem Juden verschuldet war, 257 und während der Herbstmesse 1370 bekundete ein anderer Bäcker, dass er dem Juden Jakob von Miltenberg Hauptgelder in Höhe von 30 Gulden sowie 45,5 Pfund Heller schulde, jeweils zuzüglich des Zinsertrages.258 Der in Frankfurt ansässige Färber Iwan ist mehrfach mit mittleren Hauptgeldern als Kunde jüdischer Geldverleiher greifbar, zunächst im Anschluss an die Fastenmesse 1341 mit einer Schuld von 20 Pfund Heller zuzüglich Zinsen 259 und zwei Jahre später mit einem Kredit über 25 Pfund Heller 260. Letztgenanntes Darlehen wurde nach Auskunft der Zinsberechnung an Ostern 1343 und damit am Ende der Fastenmesse aufgenommen und wurde im August desselben Jahres während der alten Herbstmesse fällig. Am Ende des 14. Jahrhunderts erfahren wir durch die Gerichtsbucheinträge von der regelmäßigen Kreditaufnahme des Färbers Conzechin, wobei die Hauptgelder in der Regel in zweistelliger Höhe lagen. 261 Die Apothekerin Metze, die in größerem Umfang mit Spezereien handelte und ein geschätztes Vermögen von 16.500 Pfund Heller besaß, 262 war am Ende der Herbstmesse des Jahres 1344 bei dem Juden Levi zum Storch mit 122 Pfund Heller Hauptgeld zuzüglich Zinsen verschuldet.263 Die eingangs angesprochene Verbindung von jüdischer Geldund Pfandleihe mit dem Tuchhandel auf den Messen könnte ebenfalls um zahlreiche weitere Beispiele vermehrt werden. 264 Die nicht selten über mehrere Jahre bestehenden Geschäftsverbindungen zwischen Handwerkern und jüdischen Geldleihern deuten in Verbindung mit den überlieferten Kredithöhen sowie der zeitlichen Nähe zu den Messen darauf hin, dass Juden keineswegs ausschließlich prekäre Konsumkredite an ihre handwerklich tätigen Schuldner vergaben. Die Messen dienten darüber hinaus auch als Rahmen zum Weiterverkauf verfallener und gerichtlich aufgebotener Pfänder. Nachdem ein Mainzer Kürschner bei dem Frankfurter Juden David von Oppenheim 75 Gulden Hauptgeld aufgenommen und diesem hierfür Pelzwerk verpfändet hatte, bot der Jude nach Ende der Herbstmesse die Pfänder erfolgreich auf und verkaufte die Pelze umgehend wei257 Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 389, fol. 73r (1343 VIII 6–19). 258 Ebenda, S. 477, fol. 16v (1370 VIII 16–IX 2). Hierzu gehören auch die Einträge S. 507, fol. 13v (1372 VIII 6–20); S. 537, fol. 19v (1373 IX 6); S. 554, fol. 4r (1374 VIII 28). 259 Ebenda, S. 353, fol. 81r (1341 V 2–VII 27). 260 Ebenda, S. 389, fol. 73r (1343 VIII 19). Demnach wurden zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung zusätzlich zum Hauptgeld auch die Zinsen seit Ostern desselben Jahres fällig, wodurch Geschäftsbeginn (Ausgang der Fastenmesse) sowie -ende (Herbstmesse) fassbar werden. 261 Ebenda, S. 793, fol. 54r (1393 IX 15): 13 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 800, fol. 16v (1394 IV 7–8): 6 Gulden; S. 815, fol. 26r (1395 IV 22): 20 Gulden; S. 824, fol. 74v (1395 XI 27, nach): 38 Gulden Hauptgeld zuzüglich Zinsen; S. 834, fol. 63r (1396 IX 20–X 31): 30 Gulden; S. 839, fol. 24v (1397 III 27–VI 18): 15 Gulden; S. 857, fol. 69v (138 IX 23): 19 Gulden 9 Schilling Heller zuzüglich Zinsen; S. 893, fol. 54r (1400 VIII 20–30): 13 Gulden mit Zinsen; S. 894, fol. 54v (1400 VIII 20–30): 3 Gulden 1 Ort. 262 So Dietz: Frankfurter Handelsgeschichte (wie Anm. 4), Bd. 1, Nr. 183, S. 166. 263 Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 406, fol. 129v (1344 IX 8, nach). Vgl. dazu auch einen weiteren Kredit derselben Apothekerin, den sie bei einer Jüdin aufgenommen hatte, S. 422, fol. 32r (1347 III 5–9). 264 Vgl. hierzu oben S. 80 f.
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ter. 265 Gleiches gilt auch für Pferde, die als verfallene, fressende Pfänder seitens der jüdischen Kreditoren gerichtlich aufgeboten wurden. 266 So bekundete etwa ein Kölner Händler während der Fastenmesse 1372, dass er dem Judenarzt Jakob von Straßburg für 50 Gulden einen Hengst abgekauft habe. 267 Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die jüdische Gemeinde der Reichsstadt Frankfurt am Main noch auf einer anderen Ebene in den Ablauf der beiden großen Frankfurter Messen eingebunden war, genauer gesagt in die Abwicklung der während der Messen fälligen Zahlungen zwischen Christen. Mittels des während des 14. Jahrhunderts im gesamten Reichsgebiet nachzuweisenden Sicherungsinstituts des ‚Schadennehmens‘ bei Juden konnten säumige Forderungen bei jüdischen Geldleihern zu Lasten des ursprünglichen Schuldners aufgenommen werden. Der ursprüngliche Gläubiger hielt sich hierdurch ‚schadlos‘, da er die ihm zustehende, aber nicht geleistete Zahlung temporär zwischenfinanzieren konnte. Eine Übertragung der Altschulden, sozusagen eine Umschuldung fauler Obligationen, fand dabei allerdings nicht statt. Die Schadennahme stellte rechtlich einen eigenständigen Kredit dar, so dass der Aufnehmende gegenüber dem jüdischen Gläubiger für die Rückzahlung der Gelder verantwortlich blieb. Jedoch konnte der aufgenommene Betrag mitsamt der nunmehr anfallenden Zinsen durch den Aufnehmenden gegenüber dem ursprünglichen, säumig gewordenen Schuldner geltend gemacht und gerichtlich eingeklagt werden, vorausgesetzt, dass dieser Schuldner seinem (christlichen) Gläubiger in die Möglichkeit zur Judenschadennahme eingewilligt hatte, was meist bereits bei Vertragsabschluss geschah. 268 Insbesondere für Frankfurt, dessen Messen sich im Untersuchungszeitraum zur zentralen Clearingstelle im Reichsgebiet für verschiedenste innerchristliche Zahlungsverpflichtungen entwickelten, 269 ist die Bedeutung
265 Der Fall ist dokumentiert bei Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 808, fol. 52v und fol. 56v (1394 IX 16–XI 26), sowie S. 809, fol. 59v (1394 XI 26). 266 Insgesamt können mindestens 400 Pferde belegt werden, die nach Auskunft der Frankfurter Gerichtsprotokolle durch Juden und Jüdinnen aufgeboten wurden. Hierzu Schnur: Juden in Frankfurt am Main (wie Anm. 27), S. 358–364. 267 Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 500, fol. 48v (1372 III 9–12): Peter Spicus von Coln hat bekannt, daz he eynen hengist habe gekaufft umb 50 guldin umb Jacob judenartzit. 268 Vgl. hierzu etwa ebenda, S. 564, fol. 43v (1375 III 14–30): Gotschalg gurteler hat Joseph von Mildenberg bekannt 24 lib.h. und den gesuche in daz dritte iar, und hat sie intnomen uff Henselin und uff Hanman, Katherinen son. Oder vielleicht noch deutlicher S. 638, fol. 45v (1379 VIII 25): Hantzele sagdregir hat bekannt, daz he Henrich Rebestock versast hat gein Elis und wolle in auch losen; ferner das zugehörige Schöffenurteil S. 639, fol. 49r (1379 IX 2): Unse hern hant gewiset mit dem urteil, daz Hantzele Henrich Rebestock bilche lose gein dem juden Elis, nach deme also he bekante, he hette in versast. Ähnlich auch S. 668, fol. 28v (1381 IX 13): Hartmud Bock hat bekannt, daz he Herman snider ledig wolle machen gein Heilman dem juden, alz he in versast hat; S. 679, fol. 102v (1382 IX 15): Gobele snidir und Metze Zollechinen hant irfolgit uff Syfrid Fikeln 11 gulden und den judenschaden, alse he sie gein Jacobe, den judenartzijt, virsast hat. 269 Dazu Rothmann: Frankfurter Messen (wie Anm. 3), S. 197 und passim; Bastian (Bearb.): Runtingerbuch (wie Anm. 23), Bd. 1, S. 181 f.
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von Judenschadennahmen für die wirtschaftliche Tätigkeit der vor Ort ansässigen jüdischen Gemeinde kaum zu überschätzen. 270 Auch die betrachteten christlichen Handwerker waren immer wieder in Judenschadennahmen involviert, sei es als ursprüngliche Gläubiger, die das ihnen geschuldete Geld bei Juden aufnahmen, oder als säumige Schuldner, die durch Schadennahmen an einen Juden ‚versetzt‘ wurden. So bekundeten im März 1371 etwa die beiden Fleischer Walter Bisze und Henne Gassenbacher, dass sie Heilmann zum goldenen Becher 13 Gulden schuldeten und dieser den Betrag auf ihren Schaden bei Juden aufnehmen könne (die moge er zu den judin uff sie nemen).271 Eine derartige Schadennahme dürfte ebenfalls vorgelegen haben, als ein Christ im März 1395 vor Gericht bekundete, dass er einen Bäcker aus dem benachbarten Bornheim hinsichtlich einer ungenannten Schuld an einen Juden versetzt habe, wie dies der ursprünglich zwischen ihm und dem Bäcker abgeschlossene Schuldvertrag vorsehe. 272 Die Gerichtsprotokolle führen während des gesamten 14. Jahrhunderts regelmäßig Judenschadennahmen durch Handwerker zu Lasten Dritter bzw. durch Dritte zu Lasten von Handwerkern an. Es sei abschließend, um nur einige Beispiele zu benennen, diesbezüglich etwa verwiesen auf Altschuhflicker 273, Bäcker 274, Betttuchmacher275, Fischer 276, Fleischer 277, Gürtelmacher278, Gerber279, Kesselschmiede280, Kohler281, Kohlenmesser 282, Sackträger 283 und Schneider 284. Damit stellt sich die Praxis der kreditwirtschaftlichen Beziehungen zwischen jüdischen Geld- und Pfandleihern einerseits und handwerklich tätigen Christen andererseits am Beispiel der Reichsund Messestadt Frankfurt als breit gefächertes Feld dar, das – freilich in unterschiedlicher Belegdichte – wohl nahezu sämtliche Darlehensarten umfasst und sich keineswegs allein auf kleinere Konsum- oder Notkredite beschränkt.
270 Zu dieser ‚Reservefunktion‘ jüdischer Geldleihe siehe ausführlich und auf breiterer Quellengrundlage Schnur: Juden in Frankfurt am Main (wie Anm. 27), S. 533–562 (mit Angabe der relevanten Literatur). Vgl. hierzu auch den Beitrag von Christian Hagen in diesem Band. 271 Kracauer (Bearb.): UB Juden (wie Anm. 26), Bd. 2, S. 486, fol. 52r (1371 III 20). 272 Ebenda, S. 813, fol. 10v (1395 I 14–III 26). 273 Ebenda, S. 564, fol. 41r (1375 III 14). 274 Etwa ebenda, S. 476, fol. 5v (1370 VIII 5, vor); S. 507, fol. 13r (1372 VIII 6–20); oder auch S. 813, fol. 10v (1395 I 14–III 26). 275 Ebenda, S. 495, fol. 33r (1371 IX 15, nach). 276 Ebenda, S. 493, fol. 26r (1371 IX 15, nach); S. 534, fol. 5r (1373 VIII 12–22); S. 545, fol. 57v (1374 I 30, vor); S. 694, fol. 78r (1383 XII 2–9) mit S. 694, fol. 80r (1383 XII 9–15); S. 724, fol. 51r (1386 IX 19); S. 757, fol. 5v (1390 II 3–25). 277 Ebenda, S. 323, fol. 3r (1331 X 23, vor); S. 486, fol. 52r (1371 III 20). 278 Ebenda, S. 564, fol. 43v, 1375 III 14–30); S. 613, fol. 11v (1378 III 17); S. 653, fol. 51v (1380 IX 8–X 17). 279 Ebenda, S. 545, fol. 57r (1374 I 30, vor); S. 664, fol. 10v (1381 VII 3–6); S. 666, fol. 15v (1381 VIII 2–IX 2). 280 Ebenda, S. 557, fol. 23r (1374 X 30–XI 17); S. 613, fol. 11v (1378 III 17). 281 Ebenda, S. 695, fol. 2v (1384 I 18–22). 282 Ebenda, S. 720, fol. 26v (1386 VI 18–27). 283 Ebenda, S. 638, fol. 45v (1379 VIII 25); S. 639, fol. 49r (1379 IX 2). 284 Ebenda, S. 668, fol. 28v (1381 IX 13); S. 679, fol. 102v (1382 IX 15).
ZWISCHEN KOOPERATION UND KONKURRENZ Jüdische Pfandleihe und Monti di Pietà in Italien Tanja Skambraks, Mannheim Spätmittelalterliche Städte in Italien boten eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Aufnahme von Kleinkrediten, etwa bei Hospitälern, Montes frumentarii, privaten Geldverleihern, Lombarden, Kawertschen, Juden und schließlich auch bei den Monti di Pietà (montes pietatis). Diese „Berge der Barmherzigkeit“ waren öffentliche Pfandleihanstalten, die seit der Mitte des 15. Jahrhunderts in Italien unter maßgeblicher Beteiligung und Förderung des Franziskanerordens entstanden. Sie gaben zu einem Zinssatz zwischen vier und zehn Prozent und gegen Pfand Kleinkredite oder Saatgut an bedürftige Bauern und Handwerker, aber auch an andere Institutionen wie Hospitäler oder Gilden aus. Die jeweils etablierten Monti di Pietà ließen sich häufig vom Papst durch Privilegien bestätigen und verbreiteten sich im Laufe von 100 Jahren in über 200 Städten Italiens, wie Vittorino Meneghin nachgewiesen hat. 1 Die Monti waren jedoch nicht nur Pfandleihhäuser, sie entwickelten sich zunehmend auch zu Anlageinstituten. Diese Funktion lässt sie als Frühformen von Bankhäusern, ähnlich den heutigen Sparkassen, erscheinen, was ihre Rolle für die Bankengeschichte verdeutlicht. Was die Monti jedoch jenseits der allgemeinen Banken- und Kredit1
Vgl. das katalogartige Verzeichnis bei Vittorino Meneghin: I Monti di Pietà in Italia dal 1462 al 1562. Vicenza 1986. Aktuelle Studien zu den Monti liegen bisher fast nur in italienischer Sprache vor. Einschlägig: Maria Guiseppina Muzzarelli: Il denaro e la salvezza: l’invenzione del Monte di Pietà (Collana di storia dell’economia e del credito 10). Bologna 2001; Dies. (Hg.): Banchi ebraici a Bologna nel XV secolo (Collana di storia dell’economia e del credito 2). Bologna 1994; Paola Avallone (Hg.): Il „povero“ va in Banca. I Monti di Pietà negli antichi stati Italiani (Secc. XV–XVIII). Napoli 2001; Daniele Montanari (Hg.): Monti di Pietà e presenza ebraica in Italia (secoli XV–XVIII). Roma 1999. Die einzige deutschsprachige Monografie ist älteren Datums – Heribert Holzapfel: Die Anfänge der Montes Pietatis (1462–1515). München 1903. Ideengeschichtlich relevant ist Giacomo Todeschini: Franciscan Wealth: From Voluntary Poverty to Market Society. New York 2009; zur administrativen Praxis: Mauro Carboni / Maria Guiseppina Muzzarelli (Hg.): I Conti dei Monti: Teoria e Pratica amministrativa nei Monti di Pietà fra Medioevo ed Età Moderna. Venedig 2008. Englischsprachige Literatur ist rar gesät. Eine Ausnahme bildet das Sonderheft von ‚Renaissance and Reformation‘: Nicholas Terpstra / Mauro Carboni (Hg.): The Material Culture of Debt (Renaissance and Reformation, N. S. 35,3). Toronto 2012, das interessante neue Fragestellungen eröffnet. Außerdem die Studien von Carol Bresnahan Menning: Charity and State in Late Renaissance Italy: The Monte di Pietà of Florence. Ithaca 1993 und Brian Pullan: Rich and Poor in Renaissance Venice: The Social Institutions of a Catholic State, to 1620. Oxford/Cambridge 1971. Im Rahmen meines seit 2013 laufenden Habilibitationsprojektes an der Universität Mannheim entsteht derzeit eine Monografie zu den italienischen Monti di Pietà, Kleinkrediten und Marktteilhabe im Spätmittelalter.
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geschichte interessant macht, ist ihre Rolle als kommunale soziale Einrichtung zum Zwecke der Marktpartizipation ärmerer Bevölkerungsschichten, der sogenannten pauperes pinguiores. Mittels der an sie vergebenen christlich legitimierten – und somit nicht wucherischen – Kleinkredite wurden jene als Konsumenten und Produzenten ermächtigt, die sonst aufgrund fehlender Rücklagen kaum kreditwürdig und in Krisenzeiten besonders anfällig waren. Die Monti wurden besonders von den Franziskanern gefördert, die ihre Einrichtung seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts mit einer Flut an Predigten empfahlen und vorantrieben. Dass sie in diesem Zusammenhang dezidiert als christliche Alternative zum ‚jüdischen Wucher‘ inszeniert wurden, spielt für das hier thematisierte Verhältnis von ökonomischem Handeln und Glaubensfragen – also für die vermeintliche Konfrontation zwischen Juden und Christen auf der Ebene wirtschaftlichen Handelns – eine entscheidende Rolle. In den meisten Städten Italiens waren die Ursprünge der Monti folglich eng mit der Geschichte der jüdischen Gemeinden verbunden. Dieses Verhältnis war gekennzeichnet von einem Wechselspiel aus Duldung und temporären Privilegien einerseits sowie Verboten und Reglementierungen jüdischer Geldleihe durch die städtischen Autoritäten andererseits. In den sogenannten condotte wurde den Juden das Bleiberecht gegen hohe Steuern und Sonderzahlungen genehmigt. Die jüdische Pfandund Geldleihe war seit dem 13. Jahrhundert ein fester Bestandteil der italienischen Stadtgesellschaften. Bekanntermaßen verliehen einige Juden Geld und verdienten damit ihren Lebensunterhalt – in einer Umwelt, die sie lediglich als Gäste betrachtete. Ihr bescheidener Gewinn wurde dann auch noch zur Deckung der Steuerzahlungen genutzt, welche die Juden leisten mussten. Leihe an Nicht-Glaubensbrüder war den Juden durch die Thora erlaubt (Deut 23,19). Der vorliegende Aufsatz wird das Verhältnis zwischen den Monti di Pietà als christlichen Pfandleihanstalten und Anlagebanken und den jüdischen Geldleihern wie überhaupt den jüdischen Stadtbewohnern anhand von Überlieferungsbeispielen aus Perugia, Florenz und Rom genauer analysieren und so einen Beitrag zur Ergänzung dieses teils immer noch verzerrten Bildes leisten.2 Der Geldhandel und die Pfandleihe waren neben und nach dem Klein- und Warenhandel die wichtigsten Betätigungsfelder der Juden in den italienischen Städten des Mittelalters seit dem 14. Jahrhundert. Jüdische Geldhändler aus dem deutschsprachigen Raum und Frankreich hatten sich nach den Pogromen seit den 1350er Jahren in Nord- und Ostitalien angesiedelt. 3 In ganz Italien ließen 2 3
Ein wichtiger Faktor, der unser Bild weiterhin verzerrt, ist darin zu sehen, dass das Verhältnis von Juden und Monti di Pietà meist anhand der nichtjüdischen Überlieferung thematisiert wird. Es fehlt weiterhin die Auswertung jüdischer Quellen zum Thema. Sie waren dort bereits seit dem 11. Jh. als Geldverleiher tätig gewesen. Vgl. Mariestella Botticini / Zvi Eckstein: The Chosen Few: How Education Shaped Jewish History, 70–1492. Princeton/Oxford 2012, S. 215–218, 237. Die „These, dass die starke Zunahme jüdischer Präsenz in vielen Städten Mittel- und Oberitaliens […] seit der Mitte des 14. Jahrhunderts durch den Rückzug von christlichen Bankiers aus den kleineren Kreditgeschäften beeinflusst“ worden sei, äußerte Alfred Haverkamp in seinem programmatischen Aufsatz: Juden in Italien und Deutschland während des Spätmittelalters: Ansätze zum Vergleich, in: Ders.: Neue Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte (2000–2011). Festgabe zum 75. Geburtstag des Verfassers, hg. von Christoph Cluse und Jörg R. Müller. Hannover 2012, S. 59–102, hier S. 75.
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sich jene aus Spanien nach der Vertreibung 1492 nieder. Dabei ist zu bemerken, dass die Geschäftsfelder des Warenhandels und der Geldleihe eng miteinander verknüpft waren. Nicht eingelöste Pfänder flossen beispielsweise einem regen Gebrauchtwarenhandel zu. Aus den Erlösen verkaufter Waren speiste sich wiederum das Kleinkreditgeschäft. Das städtische Kreditgeschäft im allgemeinen sowie die Überbrückung finanzieller Engpässe kleiner Leute, wie Handwerker und Tagelöhner, oblag in italienischen Städten seit dem 14. Jahrhundert in nicht geringem Maße auf Geldleihe spezialisierten Juden, die zugleich häufig auch untereinander gut vernetzte Händler waren und somit das nötige Kapital sowie die nötigen Kompetenzen (Lesen, Schreiben, Arithmetik, Buchführung) besaßen. 4 Die mediävistische Forschung zu diesem Thema hat in den letzten zwei Jahrzehnten5 verstärkt herausgearbeitet, dass das Verhältnis zwischen beiden Gruppen in vielen Fällen auf Koexistenz fußte statt auf einer reinen Verdrängungshaltung gegenüber den Juden, wie die Vertreter der älteren franziskanischen Forschung postu4
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Vgl. Botticini/Eckstein: Chosen Few (wie Anm. 3), S. 243. Hierzu treffend Haverkamp: Juden (wie Anm. 3), S. 83: „Selbst in ober- und mittelitalienischen Binnenstädten betrieben – trotz Konzentration der vermögenderen Juden auf die Geldleihe seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert – nicht wenige auch noch im späten Mittelalter diversen Warenhandel unter Einschluss von Edelmetallen und Pretiosen. Dieser lag in vielen Fällen über Pfänder aus Geldleihegeschäften nahe. Andere waren Kleinhändler, was offenbar in mehreren Städten etwa seit der Mitte des 15. Jahrhunderts zunahm.“ Vgl. beispielsweise jüngere Arbeiten zu der Rolle der Juden und ihrem Verhältnis zu christlichen Wirtschaftsakteuren, wie Joseph Shatzmiller: Shylock Reconsidered. Jews, Moneylending, and Medieval Society. Berkley/Los Angeles 1990 (in deutscher Übersetzung von Christoph Cluse: Shylock geht in Revision. Trier 2007); Brian Pullan: Jewish Banks and Monti di Pietà, in: Robert. C. Davis / Benjamin Ravid (Hg.): The Jews of Early Modern Venice. Baltimore/London 2001, S. 53–72; Angela Möschter: Gli ebrei a Treviso durante la dominazione veneziana (1388–1509), in: Gian Maria Varanini / Reinhold C. Mueller (Hg.): Ebrei nella Terraferma veneta del Quattrocento. Atti del Convegno di studio (Verona, 14 novembre 2003) (Quaderni di Reti medievali rivista 2). Firenze 2005, S. 71–84, online unter URI http://www.rmoa.unina.it/ id/eprint/2287 [19.6.2017]; Dies.: Juden und Christen, Armut und Fürsorge, Inklusion und Exklusion: Beispiele aus dem spätmittelalterlichen Italien, in: Philine Helas u.a. (Hg.): Armut und Armenfürsorge in der italienischen Stadtkultur zwischen 13. und 16. Jahrhundert. Bilder, Texte und soziale Praktiken. Frankfurt a.M. 2006, S. 263–286; ferner die zahlreichen Arbeiten zum römischen Bruderschafts- und Hospitalwesen und zur jüdischen Gemeinde von Anna Esposito, z.B.: Credito, ebrei, monte di pietà a Roma tra Quattro e Cinquecento, in: Roma moderna e contemporanea 10,3 (2002), S. 559–582; Dies.: Le ‚comunità‘ ebraiche di Roma prima del Sacco (1527): problemi di identificazione, in: Henoch 12 (1990), S. 165–189; Dies.: The Sephardic Communities in Rome in the Early Sixteenth Century, in: Imago temporis: medium aevum 1 (2007), S. 177–185. Eine ganze Reihe von Fallstudien der letzten Jahre führte das enge Zusammenspiel christlicher Stadtgemeinden und jüdischer Bewohner vor Augen. Vgl. z.B. Ariel Toaff: Judei cives? Gli Ebrei nei catasti di Perugia del trecento, in: Zakhor 4 (2000), S. 11–36, sowie Ders.: Jews, Christians and the first Monti di Pietà in Italy (1462–1500), in: Steven J. McMichael (Hg.): Friars and Jews in the Middle Ages and Renaissance (The Medieval Franciscans 2). Leiden 2004, S. 239–253. Außerdem der Sammelband von Michael Toch (Hg.): Wirtschaftsgeschichte der mittelalterlichen Juden. Fragen und Einschätzungen (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 71). München 2008, darin besonders Reinhold C. Mueller: The Status and Economic Activity of Jews in the Venetian Dominions during the Fifteenth Century, S. 63–92.
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lierten. 6 Als Exponent dieser aktuelleren Forschung schrieb Brian Pullan: „Up to a point Jewish banks and monti di pietà operated on similar lines.“ Des Weiteren betonte er, dass jüdische Kredite neben den Krediten der Montes nachgefragt wurden. Es gab also keine ‚einfache’ Substituierung jüdischer Dienstleistungen durch die neu eingerichteten Institute – auch wenn diese in den Statuten der Monti häufig als Ziel formuliert wurde. „But it often proved neither possible nor desirable to expel the Jews once a monte di pietà had been established. As a new and struggling institution, it frequently disposed of inadequate capital, and so the Jewish and the Christian banks often lived on together, sometimes addressing different clienteles and occasionally complementing each other in ways unforeseen, and certainly never intended, by the founders of the monti di pietà.“ 7
Auch Ariel Toaff hat in einem Aufsatz von 2004 8 darauf hingewiesen, dass die pauperes pinguiores, welche die Hauptadressaten der Monti waren, lediglich eine Gruppe der Kunden jüdischer Geldverleiher bildeten. Gleichermaßen äußerte sich bereits Shlomo Simonsohn in der Einführung zu seiner monumentalen Edition der kurialen Quellen zu den Juden: „At Perugia and elsewhere, the Monte di Pietà did not end the operations of the Jewish banks. In some places it interrupted their activities temporarily; in others, it drove them underground for a while; but in most, it hardly interfered. For a century or so, Jewish money-lending continued to flourish in Italy.“ 9
Anknüpfend an diese Forschungsergebnisse möchte der vorliegende Beitrag das Verhältnis zwischen jüdischen Pfandleihern und Christen im Kontext dreier italienischer Fallstudien – nämlich zur ersten Gründung eines Monte di Pietà in Perugia (1462), zu Florenz (gegründet 1496) und zur späten Gründung Rom (1539) – analysieren. Zunächst soll untersucht werden, welche Rolle den jüdischen Geldverleihern in den Quellen aus dem Umfeld der Monti bei deren Entstehung zugeschrieben wurde. Diese Frage wird anhand von Statutentexten beleuchtet, die unmittelbare Zeugnisse der Gründungen der jeweiligen Monti sind. Daneben gilt es zu ermitteln, wie sich das Verhältnis beider Gruppen im pragmatischen Schrifttum, wie Kassenbüchern und Pfandregistern, widerspiegelt. Die Kernfrage ist hier, in welchem Ausmaß die Gründung der Monti die Stellung der jüdischen Geldverleiher überhaupt veränderte. Blieben sie geduldet oder führte die Gründung eines christlichen Pfandleihhauses zu ihrer Vertreibung? Wie wurde die eventuell bestehende jüdische Geldleihe nach der Gründung eines Monte durch städtische Autoritäten reguliert? Die Beantwortung dieser Fragen wird innerhalb folgender Abschnitte erfolgen: Zunächst (1) wird auf das Verhältnis der Juden zu den Stadtgemeinden zwischen Verdrängung und Duldung eingegangen. Sodann (2) werden die Juden als Finanziers der Monti – und damit als unabdingbare Säule für die Entstehungsgeschichte dieser christlichen Institution – thematisiert. Dass (3) die Pfandleihhäuser zudem auch von 6 7 8 9
Holzapfel: Anfänge (wie Anm. 1), passim. Pullan: Jewish Banks (wie Anm. 5), S. 54 und 58. Toaff: Jews (wie Anm. 5), S. 241. Shlomo Simonsohn: The Apostolic See and the Jews, Bd. [7]: History (Pontifical Institute of Medieval Studies, Studies and Texts 109). Toronto 1991, S. 222.
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jüdischen Kunden genutzt wurden, wird im folgenden Abschnitt aufgezeigt. Schließlich (4) lässt sich die Verdrängungsthese gänzlich widerlegen am Beispiel der Stadt Venedig, wo es trotz vermehrter Bemühungen bis 1806 nicht zur Gründung eines Monte kam. Der darin (5) aufscheinende Pragmatismus im christlichen Umgang mit der jüdischen Geldleihe fand seinen Niederschlag auch in der Traktatliteratur. Im Fazit (6) wird die Vielfalt der Kredit- und Geschäftsbeziehungen von Juden und Christen zwischen Kooperation und Konkurrenz zusammengefasst. DIE JUDEN ZWISCHEN VERDRÄNGUNG UND AKZEPTANZ Essendo la Magnifica cità di Perugia per antico e vecchio errore in gravissimo pregiudictio e danno di bene spirituali e temporali per lo avere longo tempo concesso e per previlegi et capituli adfermato a li perfidi giuderi di potere fare usura e illicito guadagnio, piacque a l’altissimo Dio per sua clemenca e bontà essa magnifica cità da questo orrendo e detestabili vitio e dannoso liberare. 10 „So geschah es, dass in der großartigen Stadt Perugia durch einen alten und althergebrachten Fehler schwerer Schaden an spirituellen und weltlichen Gütern angerichtet wurde, da es den heimtückischen Juden seit langer Zeit erlaubt war und durch Privilegien und Kapitel [d.h. Verordnungen] bestätigt wurde, Wucher zu treiben und unrechtmäßige Gewinne zu machen. Deshalb gefällt es dem höchsten Gott, diese großartige Stadt durch seine Milde und Wohltätigkeit von jenem schrecklichen und verabscheuungswürdigen Laster und Schaden zu befreien.“
Dieses Zitat aus der Präambel der Statuten begründet die Einrichtung des ersten Monte in Perugia 1462.11 Gewiss zeigen die Dokumente, die uns über die Gründung der Monti di Pietà im Italien des 15. und 16. Jahrhunderts informieren, die Eindämmung und Vertreibung der als wucherisch angesehenen jüdischen Pfandleihe als topische Begründung für die Schaffung einer solchen christlichen Kreditanstalt. Vor allem die für die armen Bevölkerungsteile bedrückend hohen Zinsen der Juden werden hierfür immer wieder als ökonomische Begründung angeführt. Die Frage des rechten Glaubens spielt in der Argumentation der Befürworter der Monti nur eine untergeordnete Rolle. Ausgehend von diesem kurzen Text, der stellvertretend für die meisten Statuten der Monti di Pietà stehen kann, ist nach dem tatsächlichen Verhältnis zwischen beiden Gruppen im Zeitraum der jeweiligen Gründung dieser neuen Kreditanstalten zu fragen – oder konkret: Bedeutete die Einrichtung eines Monte tatsächlich das Ende der jüdischen Geldleihe? Welche Einschränkungen ihrer Geschäftspraktiken mussten die jüdischen Geldleiher andernfalls hinnehmen? In Perugia hatten seit dem 13. Jahrhundert jüdische Geldleiher gelebt und gearbeitet. 12 Einigen wurde – so zeigen die Einträge in den Steuerlisten der Stadt aus 10 Stanislao Majarelli / Ugolino Nicolini: Il Monte dei poveri di Perugia. Periodo delle origini (1462– 1474). Perugia 1962, S. 251. 11 Ebenda, App., S. 251–267. 12 Dies geht aus den Statuten der Stadt von 1279 hervor: Iudeos et qui nunc sunt et pro tempore erunt et venerint de civitate et comitatu Perusii expellam, et dabo operam, quod ulterius non veniant morari. Zit. nach: Ariodante Fabretti: Sulla condizione degli ebrei in Perugia dal XIII al
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dem 13. und 14. Jahrhundert – das temporäre (cives per tempus), in anderen Fällen sogar das dauerhafte Bürgerrecht (cives in perpetuum) verliehen.13 Dabei bezog sich die Einbürgerung häufig auch auf deren Familiaren. Im Jahr 1310 hieß es in den Statuten der Stadt, die Juden seien nützlich und wichtig für den Ort und seine Bewohner, vor allem zur Finanzierung militärischer Unternehmungen. 14 Im Zuge der Predigten des Franziskaners Bernardino da Siena kam es in den 1420er Jahren dann zu einer verschärften Wuchergesetzgebung. Die Juden, die Geld zum Wucherzins an Christen verliehen, sollten bestraft werden, indem man ihnen den rechten Fuß abschnitt – so ein besonders grausamer Beschluss in den Statuten des Bernardino vom 4. November 1425. 15 In den Folgejahren wurde die Ablehnung gegenüber den Juden noch deutlicher. Der Rat der Stadt griff in deren Geschäftstätigkeit besonders stark durch die Regulierung des Verkaufs verfallener Pfänder sowie die Festlegung der Zinsen auf Darlehen ein 16 – so zum Beispiel in einem 14 Kapitel umfassenden Abkommen vom Dezember 1457, das den Juden das Bleiberecht gegen schwerwiegende Einschränkungen ihrer Geschäfte einräumte.17 In den ersten beiden Kapiteln der Vereinbarung ging es um die Beschlagnahmung von Pfändern: Die Juden durften nicht dagegen klagen, es sei denn, zwei Zeugen belegten, dass es sich um eine betrügerische Aktion handele. Die Versteigerung verfallener Pfandgegenstände war durch Ausrufung dreimal anzukündigen und auf der Piazza öffentlich zu vollziehen. An drei Wochentagen (Montag, Mittwoch und Donnerstag) sollte sie unter Aufsicht eines Experten (für Stoffe, Schmuck und andere Objekte) stattfinden und von einem Notar bestätigt werden. Der Erlös (abzüglich der Darlehenssumme, der Zinsen und des Lohns für die Auktionsbeamten in Höhe von 18 Denaren pro Florin) musste durch den Juden an zwei Beamte der Stadt übergeben und von diesen dann an den Eigentümer des Pfandes oder – wenn dieser nicht auffindbar war – an das Ospedale della Misericordia weitergeleitet werden. Bei mehreren Pfändern pro Darlehen sollten diese
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XVII secolo. Documenti. Torino 1891, S. 70. Im Ganzen bei Ariel Toaff (Hg.): The Jews in Umbria, 3 Bde. (Studia post-biblica 43–45; A Documentary History of the Jews in Italy, [8]–10). Leiden/New York/Köln 1993–1994, hier Bd. 1, Nr. 17. Zur wichtigen und etablierten Stellung der Juden im Perugia des 13. und 14. Jh.s siehe auch Toaff: Judei cives (wie Anm. 5), passim mit dazugehörigen Quellen im Anhang. Zit. bei Majarelli/Nicolini: Il Monte dei poveri (wie Anm. 10), S. 71: […] et cum persone ipsorum iudeorum sint valde utiles et necessarie in civitate Perusii tam ipsi communi Perusii quam specialibus personis civitatis predicte et burgorum ipsius et maxime occasione habende pecunie et recipiende sub mutuo ab eisdem pro guerra et aliis rebus et necessitatibus occurrentibus. Auch bei Toaff (Hg.): Jews in Umbria (wie Anm. 12), Bd. 1, Nr. 84. Ein Beschluss vom Nov. 1381 legte eine Reihe bestimmter Rechte fest, die für 33 jüdische Geldleiher geringe Spielräume mit sich brachten. So wurde bestimmt, dass die Juden während zweier Jahre keinerlei Aufschläge auf Darlehen erheben dürften, dafür solle man sie wie Bürger der Stadt behandeln. Ebenda, Nr. 306. Antonio Fantozzi: Documenta Perusina de S. Bernardino Senensi, in: Archivum franciscanum historicum 15 (1922), S. 103–154 und 406–475, zit. bei Majarelli/Nicolini: Il Monte dei poveri (wie Anm. 10), S. 76 f. Beispielsweise 1457 auf 2 Denare pro Gulden pro Monat; 1 Goldgulden entsprach 50 Denaren. Vgl. Majarelli/Nicolini: Il Monte dei poveri (wie Anm. 10), abgedruckt auf S. 222–228, zusammengefasst auf S. 84–87. Neu abgedruckt bei Toaff (Hg.): Jews in Umbria (wie Anm. 12), Bd. 2, Nr. 1268.
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Objekte als Gruppe verkauft werden. Sofern sich der Eigentümer mit der Bitte meldete, die Pfandgegenstände nicht zu versteigern, konnte der Gläubiger dem zustimmen. Für alle nach dem 1. Januar 1456 verpfändeten Objekte wurde der Zinssatz auf 30 Prozent, für alle nach dem 9. November 1457 verpfändeten Gegenstände auf 24 Prozent festgesetzt. Die Pfänder verfielen nach zwei Jahren. Im Falle eines durch Zeugen bestätigten Betrugs seitens des Geldverleihers (aufgrund zu hoher Zinsen) wurden Strafzahlungen fällig. Falls ein Gegenstand gestohlen wurde, stand dem Besitzer innerhalb eines Monats nach Entdeckung des Sachverhaltes die Rückzahlung der Darlehenssumme zu, ohne dass er Zinsen zu entrichten hatte. War diese Frist verstrichen, hatte er Darlehenssumme und Zins zu zahlen. Kontrolliert wurde die Leihepraxis der Juden durch Auditoren aus der Zunft der Händler bzw. Geldwechsler. In ihrem Auftrag wurde ein Notar zu ihrer regelmäßigen Überprüfung angestellt. Falls jüdische Geldverleiher von außen Geld zu besseren Konditionen in Perugia verleihen wollten, so konnten sie dies ohne Hinderung tun. Waren ihre Bedingungen nicht besser, so benötigten sie erst die Zustimmung der zuständigen Auditoren. In Kapitel 14 schließlich wurden alle bisherigen Privilegien, Immunitäten und Begünstigungen für die Juden bestätigt, wenn sie den hier vorgetragenen Anforderungen nicht zuwiderliefen. Der Beschluss wurde von 14 Vertretern der jüdischen Gemeinde unterzeichnet. 1461 wurde die Zahl der Auditoren dann von zwei auf vier heraufgesetzt. Ob dies als Zeichen erhöhter Kontrolle zu werten ist, bleibt unklar. Dieses Dokument belegt das starke Eingreifen der Stadt in die Geschäftspraktiken der jüdischen Geldleiher, dem sie sich kaum widersetzen konnten. Das Bleiberecht der Juden in Perugia war an eine massive Selbsteinschränkung gebunden. Diese gezielte Schwächung der jüdischen Geldverleiher ebnete schließlich den Weg zur Errichtung des christlichen Pfandleihhauses. Im Jahr 1462 wurden nach jahrelanger indirekter Vorbereitung durch die vorangegangenen sukkzessiven Einschränkungen der jüdischen Geldleihe ganz konkrete Schritte zur Errichtung des Monte unternommen. Das nötige Grundkapital in Höhe von 3.000 Florin fehlte allerdings. 18 Somit verzögerte sich die Gründung um zehn Monate bis zum 25. Februar 1463. Auf die Forderungen Michele Carcanos in seiner Fastenpredigt reagierte der Rat der Stadt am 4. April 1462 mit der Aufhebung des Beschlusses von 1457. 19 Im März 1463 schließlich bestätigte der päpstliche Legat und Kardinal Berardo Eroli den Juden erneut ihre Privilegien – im Gegenzug hatten diese ein Darlehen zur Einrichtung des Monte di Pietà (pro initiando montem pauperum) in Höhe von 1.200 Dukaten gewährt. 20 In demselben Dokument, das Papst Pius II. am 29. April bestätigte, wurden zudem erneut Elemente der jüdischen Pfandleihe, wie Dauer und Verkauf uneingelöster Pfänder, reguliert. Bemerkenswerterweise hatte der Papst zehn Tage zuvor bestimmt, dass die Juden Perugias nun die Geldleihe in der zehn Kilometer südlich gelegenen Stadt Deruta weiterführen 18 Vgl. hierzu die verschiedenen Abschnitte der Statuten, Majarelli/Nicolini: Il Monte dei poveri (wie Anm. 10), S. 254–257. 19 Ebenda, S. 230. Vgl. Toaff (Hg.): Jews in Umbria (wie Anm. 12), Bd. 2, Nr. 1333 f. 20 Majarelli/Nicolini: Il Monte dei poveri (wie Anm. 10), S. 231. Toaff (Hg.): Jews in Umbria (wie Anm. 12), Bd. 2, Nr. 1362.
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könnten.21 Diese Maßnahme löste praktisch alle Probleme: Trotz des offiziellen Verbotes der Geldleihe zugunsten des Monte blieben die Juden als wichtigste Kreditgeber der Stadt erhalten. Die Unterstützung der Perusiner Juden durch die Päpste war kein Einzelfall, andere Städte wie Terni, Trevi oder Assisi liefern ähnliche Belege. 22 Ohne großes Aufheben wurde in Perugia die Gründung eines Monte quasi als natürliche Folge der Regulierung und Eindämmung der jüdischen Pfandleihe bzw. als neues System der Geldleihe dargestellt. Der Rat beschloss, dem Monte jährlich 1.000 Florin zukommen zu lassen, jedoch keinesfalls aus dem Verkauf der wertvollen Ressourcen Mehl oder Getreide. 23 Hinzu kam ein Darlehen von 2.000 Florin, das der Monte bei den jüdischen Geldleihern im Juli 1462 ‚aufnahm‘. 24 Nach der Gründung des Monte und der Aufhebung der Konvention von 1457 war das Verhältnis zwischen Juden und Christen in Perugia angespannt. Mehrere jüdische Bewohner wurden nach 1462 verschiedener Vergehen angeklagt. So wurde beispielsweise die Jüdin Bellaflora der Zauberei bezichtigt: Sie habe durch einen Zauberspruch das Wasser des Brunnens von Piantarosa im Stadtteil Porta S. Pietro verschwinden lassen. 25 Der Rat sprach sie von dem Vorwurf frei, ebenso wie den Juden Mose di Spagna, genannt Spiccalardo. Dieser war im Vorjahr von zwei Christen bestohlen worden. Viel schlimmer – da ein Fall von Apostasie – war der von seinem Glaubensbruder Samuele di Emanuele aufgebrachte Verdacht, dass er sich 40 Jahre zuvor in Spanien habe taufen lassen und dann wieder zum jüdischen Glauben zurückgekehrt sei. Der Fall wurde von Papst Pius II. an die Stadt zurückgegeben mit der Anweisung, Mose zu bestrafen. Das Ergebnis war, dass er vom Vorwurf freigesprochen und absolviert wurde. An diesen zwei Fällen zeigt sich die höchst fragile rechtliche Situation der Juden in der kleinteiligen Stadtgemeinschaft Perugias, die jeder und jedem durch willkürliche Denunziation zum Verhängnis zu werden vermochte. Dennoch war der Ruf beider Angeklagter offensichtlich so gesichert, dass eine Verurteilung abgewendet werden konnte. 26 Auch in Rom schränkte man die Befugnisse der jüdischen Geldverleiher nach Gründung des Monte 1539 durch Papst Paul III. 27 zu dessen Gunsten immer mehr
21 Vgl. hierzu Toaff: Jews (wie Anm. 5), S. 245 mit Bezug auf die bei Simonsohn abgedruckte Quelle. 22 Ebenda, S. 245–247. 23 Der Prozess der Aushandlung wird deutlich in einer ganzen Reihe von fast gleichlautenden Beschlüssen zur Bereitstellung der 3.000 Florin, siehe ebenda, S. 256 und 270–276. 24 Weitere kleinere Summen in Höhe von 400 Florin vom Papst und 125 Florin aus dem Verkauf von Getreide kamen hinzu. Man nahm zehn Prozent Zinsen (1 Florin = 1.000 Solidi, 1 Solidus = 12 Denare). 25 Beispiele bei Majarelli/Nicolini: Il Monte dei poveri (wie Anm. 10), S. 151 Anm. 1. 26 Ariel Toaff weist ebenfalls auf die Weiterführung der Geschäfte der Juden nach der Einrichtung des Monte in Perugia hin. Die jüdische Geldleihe lief trotz des Entzugs der condotta ‚halblegal‘ weiter. Er kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass christliche Anleger jüdische Banken auch weiterhin indirekt förderten. Vgl. Toaff: Jews (wie Anm. 5), S. 244 f. 27 Bulle Pauls III., abgedruckt bei Mario Tosi: Il sacro Monte di Pietà di Roma e le sue amministrazioni. Il banco di Depositi, La Depositeria generale della R. camera Apostolica, La Zecca, La Depositaria Urbana (1539–1874). Roma 1937, Dokumente auf S. 343–345. Des Weiteren: Marcello Maria D’Amato: I banchieri ebrei nella legislazione statutaria, in: Itinerari Ebraico-Cristiani.
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ein. Nach dem Sacco di Roma im Jahr 1527 wurde der Bedarf an Kleinkrediten dort besonders virulent. Die Gründung wurde initiiert durch Giovanni da Calvi, den Generalkommissar des Franziskanerordens in Rom. Er hatte auch an der Eröffnung und Prokuration der Statuten der Monti von Savona, Cesena und Bologna mitgewirkt. Insbesondere letzteres Statutenwerk war in den ersten Jahren des römischen Monte für diesen gültig. Wichtige Merkmale des Monte di Roma waren seine Organisationsform als Bruderschaft, in die alle Mitglieder jährlich zwei Carlini einzahlen sollten. Doch auch dieses Institut hatte lange Zeit mit der Einwerbung eines Grundkapitals zu kämpfen, insbesondere da die Darlehen bis ins Jahr 1552 zinsfrei gewährt wurden. 28 Die Einzelspenden reicher Mitglieder deckten keinesfalls die Kosten. Die Sicherung des finanziellen Überlebens wurde in diesem Falle letztlich nicht durch jüdische Kredite erreicht, sondern durch die Übertragung aller Einnahmen aus städtischen Gerichtsverfahren, wie sie 1584 von Gregor XIII. verfügt wurde. 29 Nach der Bulle Cum nimis absurdum Papst Pauls IV. vom 14. Juli 1555, die unter anderem die Einrichtung des jüdischen Ghettos in Rom anordnete, verschlechterte sich die Lage der Juden.30 Neben den darin enthaltenen vielfältigen Einschränkungen des allgemeines Lebens wurde in Artikel 12 auch das Kreditgeschäft reguliert: Die Buchführung musste auf Italienisch oder Latein erfolgen, kurzfristige Darlehen von weniger als 30 Tagen waren taggenau (nicht nach angefangenem Monat) zu verzinsen und Pfänder durften erst nach 18 Monaten verkauft werden. Der Mehrerlös sollte dem Pfandgeber zukommen. 31 Nichtsdestoweniger wurde die jüdische Geldleihe in Rom beibehalten, und dies geschah sicherlich, weil Teile der Bevölkerung auf jüdisches Kapital auch weiterhin angewiesen waren – insbesondere wenn man die Fragilität des ersten Monte im Auge behält.
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Societa, Cultura, mito (Università degli Studi di Roma „La Sapienza“, Collana del Dipartimento di Studi Storici dal Medioevo all’Età Contemporanea 1). Fasano 1987, S. 83–92. Siehe hierzu das „Summario delle Indulgentie Faculta et gratie concesse alli benefattori del Sacro Monte della Pieta de l’alma citta di Roma“, ediert von Donato Tamilia: Il sacro Monte de pietà di Roma: ricerche storiche e documenti inediti: contributo alla storia della beneficenza e alla storia economica di Roma. Roma 1900, S. 117. Tosi: Il sacro Monte (wie Anm. 27), S. 353–355. Zur Situation der Juden nach der Gründung des römischen Monte allgemein: Renata Martano: La missione inutile: la predicazione obbligata agli ebrei di Roma nella seconda metà del Cinquecento, in: Itinerari Ebraico-Cristiani (wie Anm. 27), S. 93–110. § 12. Et menses in eorum rationibus et computis ex triginta diebus completis omnino conficiant, et dies, qui ad numerum triginta non ascenderint, non pro mensibus integris, sed solum pro tot diebus quot in effectu fuerint, computentur, et iuxta ipsorum dierum numerum et non ad rationem integri mensis eorum credita exigant. Ac pignora, eis pro cautione pecuniarum suarum pro tempore consignata, nisi transactis prius a die, quo illa eis data fuerint, decem et octo integris mensibus, vendere nequeant, et postquam menses praedicti effluxerint, si ipsi iudaei pignora huiusmodi vendiderint, omnem pecuniam, quae eorum credito superfuerit, domino pignorum consignare. Bullarum, diplomatum et privilegiorum sanctorum Romanorum pontificum, 27 Bde. Turin 1857–1885, hier Bd. 6, S. 498–500; englische Übersetzung: Kenneth Stow: Catholic Thought and Papal Jewish Policy, 1555–1593. New York 1977, 291–298.
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Bereits am 29. August 1544 erging ein päpstlicher Erlass, 32 in dem alle Juden Roms aufgefordert wurden, nicht eingelöste Pfänder öffentlich versteigern zu lassen. Die Gewinne sollten entweder an den Eigentümer zurückgehen oder – wenn dies nicht möglich sei – an den Monte übertragen werden. Dasselbe Register enthält ein mit tolerantia überschriebenes Dokument vom 5. Juni 1544,33 das den Juden Isaac Salomonis und Bernardino Ciscatello die Ausübung ihrer Geschäfte erlaubt. Des Weiteren findet sich in dem Band eine Supplik, welche die Regulierung der Geldleihe und die Gründung einer Bank durch drei Juden (Emanule da Venchi, Moise da Ponte Corno und Paltbiele di Terracina) in Terracina, südlich von Rom, betrifft.34 Dann folgt die formelle Bestätigung von 20 Kapiteln durch den Kardinal Guido Ascanius vom 15. November 1544, die den drei Bankiers einige Freiheiten zuspricht. Dieses Toleranzedikt enthält eine Reihe höchst bemerkenswerter Beispiele für die Befreiung von üblichen Zwängen. Zugleich bezeugt es gerade in seinem Verzicht auf jegliche Einschränkungen das Wissen um die Notwendigkeit des Erhalts des jüdischen Geldhandels. So durften die drei Geldleiher weder durch städtische noch durch kirchliche Autoritäten in irgendeiner Weise an der Ausübung ihrer Geschäfte gehindert werden (Kapitel 1), die Stadt durfte keine Zwangsdarlehen von ihnen einfordern (Kapitel 2), weder sie noch ihre Geschäftspartner mussten die typischen Erkennungszeichnen tragen (Kapitel 3), es wurde ihnen sogar der Fürkauf von Wein und Getreide erlaubt (Kapitel 8) und sie waren frei in ihrer Buchführung (Kapitel 17). Solche bemerkenswerten Belege für individuelle Ausnahmen tauchen immer wieder in der Überlieferung auf und müssen in die Interpretation der Situation der Juden einfließen, die sich dadurch als wesentlich komplexer darstellt. Doch kehren wir nochmals nach Rom zurück. Dort erging am 5. April 1576 ein Erlass Gregors XIII., der den Verkauf der verfallenen Pfänder der Juden zugunsten des Monte festsetzte.35 Diese Bestimmungen flossen ein in die Statutenfassung von 1581. Sie enthält ein Kapitel, das den Umgang mit Überschüssen (sopravanzi) der Juden aus Pfandverkäufen zum Thema hat. Den durch den Verkauf nicht eingelöster Pfänder erwirtschafteten Gewinn mussten die Juden dem Monte übergeben.36 Dessen 32 Shlomo Simonsohn: The Apostolic See and the Jews, Bd. [5]: Documents: 1539–1545 (Pontifical Institute of Medieval Studies, Studies and Texts 105). Toronto 1990, Nr. 2444. Archivio Segreto Vaticano (im Folgenden: ASV), Cam. Apost., Arm. XXIX, vol. 135, fol. 111r–v. 33 ASV, Cam. Apost., Arm. XXIX, vol. 135, fol. 19v–20v. 34 Ebenda, fol. 150v–152r. 35 Tosi: Il sacro Monte (wie Anm. 27), S. 367 f.: […] circa residuum omnium pecuniarum pignorum ipsius Urbis Hebraeis mutuantibus traditorum et per ipsos Hebraeos venditorum non providerimus, volentes per huiusmodi novam Nostram provisionem in his etiam faciendam, dicti Montis augmento, ac alias in praemissis oportune providere, motu proprio, non ad alicuius instantiam, sed ex nostra scientia, ac de Apostolica potestatis plenitudine. […] per ipsos Hebraeos venditorum, Hebrei in dicta Urbe existentes, supradicto Monti consignari, et computum de per ipsos venditis reddere et eidem Monti tradere, hocque etiam in futuram observare, et dicti offici Montis Officiales librum unum, nomine Residuum Habraeorum descriptum, in quo necessaria omnia annotentur, ut si forte Domini pignorum, seu nunc certi sint, seu incerti, illa repeterent, restituere possint […]. 36 ASV, Bolle per diverse Militie di Cavalierii per diversi collegij di Roma, per il Monte di Pietà e per la Sancta Casa di Loreto, Armario IV, Tomo 22, S. 486–506; ediert bei Federico Arcelli (Hg.):
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Buchhalter sollte eigens ein Buch führen, in dem die Namen der jüdischen Geldleiher und deren Erträge aus der Pfandleihe zu vermerken waren. 37 Des Weiteren sollten der Geldverleiher und der Inhaber des Pfandes gemeinsam zum Monte kommen, um dort gegen einen bolletino die überschüssige Summe abzugeben. Für den Fall, dass sich die Juden diesen Regularien widersetzten, wurde ihnen mit gerichtlicher Klage gedroht. 38 Sieben Jahre danach ordnete Gregor XIII. motu proprio an, dass die Zinsen auf jüdische Kredite maximal 18 Prozent per annum betragen sollten.39 Die weiteren Bestimmungen entsprachen weitestgehend denen von 1555. 1596 verfügte Clemens VIII. ebenfalls einen Erlass, der noch stärker zu Gunsten des Monte ausfiel: Die Leihsumme für Juden wurde auf 12 Scudi je Pfandgegenstand festgelegt, und die Versteigerung der Pfänder sollte direkt im Gebäude des Monte stattfinden. Damit versuchte die Kurie die konkurrierende jüdische Pfandleihe allumfassend zu kontrollieren. Dennoch war die Stadt im 16. Jahrhundert nach wie vor auf die jüdische Geldleihe angewiesen. Die schwierige Situation der jüdischen Geldverleiher Roms verschlechterte sich jedoch weiter, bis schließlich 1682 alle ihre Pfandleihhäuser geschlossen wurden. Zu diesem Zeitpunkt war der Monte von Rom als Staatsbank schon fest etabliert. 40 JUDEN ALS FINANZIERS DER GRÜNDUNGEN – DAS BEISPIEL FLORENZ Ein wichtiger Aspekt, der das ambivalente Verhältnis zwischen den Stadtgemeinden und den Juden illustriert, ist die mangelnde Finanzkraft der Monti bei ihrer Gründung: Wie am Beispiel Perugias deutlich wurde, war die Stadt auf jüdisches Kapital angewiesen, damit der Monte überhaupt seine Geschäfte aufzunehmen vermochte. Auch in Florenz konnten die Monti nur durch Zwangsanleihen jüdischer Geldgeber ausreichend mit Grundkapital ausgestattet werden. Dort gelang die Gründung des Monte nach einem 1473 unternommenen vergeblichen Anlauf erst im Jahr 1496. 41
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Gli statuti del 1581 del Sacro Monte di Pietà di Roma (La politica 15). Soveria Mannelli 1999, S. 115: Essendo stato concesso al Monte da Nostro Signore, come di sopra s’e detto, autorità di riverdere & saldare li conto con li Hebrei di tutti li sopravanzi delle vendite de pegni, che li vengono in mano, con ricuperar da loro quel tanto, che sopravanzasse per tener’ in deposito […]. Ebenda, S. 116: […] che il computista tenghi un libro grande intitolato Sopravanzi delli Hebrei, nel quale scriva per ordine, il tempo, nome, & cognome dell’Hebreo, & di chi hà impegnato, il danaro prestato, la valuta della vendita, & il sopravanzo in partite separate, & in modo distinte, che quando venira la parte per haver il sopravanzo, come si dira di sotto, possi fare in detto libro sotto la sua partita la quetanza. Ebenda, S. 117: […] Et perche patria occorrere, che li Hebrei fossero renintenti al venir’ a far’ i conti, o pagar’ il saldato, in tal caso si proceda con loro per via di giustitia senza rispetto alcuno, saldando pero detti conti circa l’interessei, il tempo provisioni del Notaro, bandimento, & pretensioni di qual si voglia sorte di essi Hebrei, secondo li ordini delli Superiori. D’Amato: I banchieri ebrei (wie Anm. 27), S. 88 f. Ebenda, S. 92. Ciardini zeichnet in seinem Werk zu jüdischen Bankiers in Florenz den schwierigen Entstehungsprozess des dortigen Monte nach. Marino Ciardini: I banchieri Ebrei in Firenze nel secolo XV
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Bereits im August 1463 war die Zahl der in der Stadt geduldeten jüdischen Geldverleiher auf 70 eingeschränkt worden. 42 Ab den 1470er Jahren wurden ihre Rechte dann kontinuierlich beschnitten. Im Zeitraum vom 2. April bis 8. Juni 1470 durften sie keine Pfandleihe in der Stadt betreiben. Dennoch gab es auch hier Ausnahmeregelungen: So wurde den jüdischen Geldleihern Bongianni dei Gianfigliazzi und Bernardo Nero am 20. September 1471 die Pfandleihe zu 4 Denaren pro Lira erlaubt – allerdings unter der Bedingung, dass sie jährlich 1.200 Fiorini larghi an Steuern zahlten. Zudem wurde der Zins bei den lokalen Pfandleihern von 6 Denaren auf 3 Denare pro Lira herabgesetzt – dies war die Bedingung, damit Juden ihre Geschäfte wieder aufnehmen konnten. Darüber hinaus wurde bestimmt, dass die Steuern, welche die Juden zahlten, dem Monte Commune zufließen sollten. Ebenso verhielt es sich seit 1470 mit den Überschüssen aus Pfandverkäufen. 43 In den 1480er Jahren spitzte sich das Verhältnis zwischen Juden und Christen in der Stadt noch weiter zu. Es gab immer mehr Urteile gegen jüdische Geldleiher, die wegen verschiedener Verstöße angeklagt wurden. Ein Fall ist der des Abramo da Fano, der 1482 eines Angriffs auf die christliche Religion (er wehrte sich in einem Gespräch mit einem Priester gegen die Vorwürfe des Ritualmordes, die dieser in seiner Predigt erhoben hatte) beschuldigt wurde und 1485 zweimal wegen seiner Geschäftspraktiken (im ersten Fall wegen der Annahme von liturgischem Gerät als Pfand, im zweiten wegen Weiterverkauf eines Pfandes) unter Anklage stand. 44 In allen drei Fällen wurde er zu Strafzahlungen verurteilt: einmal 10 Lire, dann 400 und 600 Lire. Dieses Bild des Niedergangs wird allerdings konterkariert von anderen Befunden. So wurde beispielsweise der berühmte Prediger Bernardino da Feltre 1488 nach hassvoller Hetzerei gegen die Juden durch den Kanzler des Rates vor die Stadttore vertrieben. Die Stadtoberen positionierten sich mit einer Schutzbestimmung vom 11. März zugunsten der jüdischen Geldleiher. 45 Darin wurden die gewalttätigen Angriffe auf die Häuser der Juden beschrieben, die den Predigten Bernardinos gefolgt waren. Solche Aktionen sollten mit Bußgeldern in Höhe von 10 Gulden, dem Galgen oder körperlicher Züchtigung bestraft werden. Begleitet wurden all diese Auseinandersetzungen seit den 1470er Jahren von heftigen innerkirchlichen Kontroversen um die Rechtmäßigkeit der Zinsnahme. Öffentliche Disputationen wurden abgehalten und juristische Gutachten erstellt, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen sei.46 Tatsache ist jedoch, dass die Widerstände gegen den Monte erst 1496 überwunden werden konnten. Doch was passierte da-
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e il Monte di Pietà fondata di Girolamo Savonarola. Borgo S. Lorenzo 1907 [ND Firenze 1970]. Die Gründungsbestimmungen von 1473 finden sich ebenda im Anhang, Nr. XV, S. xlvii–li. Ebenda, S. 59 f. Hierzu die Bestimmung vom 10. März 1470, abgedruckt ebenda, Nr. XIII, S. xlivf. Hierzu die Quellen ebenda, S. lxxxi–lxxxiii. Ebenda, Nr. XXVI, S. lxxxiv f.: „Relazione del bando a favore degli ebrei promulgato in Firenze durante la predicazione del Beato Bernardino da Feltre (11 Marzo 1488)“. Verwiesen sei auf meinen Aufsatz, Tanja Skambraks: Expertise im Dienste der Caritas. Die Monti di Pietà zwischen gelehrtem Wissen und Erfahrungswissen, in: Marian Füssel / Philip Knäble / Nina Elsemann (Hg.): Wissen und Wirtschaft. Expertenkulturen und Märkte vom 13. bis 18. Jahrhundert. Göttingen 2017, S. 169–189.
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nach mit den Juden? Diese wurden mittels des Gründungsbeschlusses vom 28. Dezember 1495 formell zunächst aus der Stadt vertrieben. 47 Gemäß den ersten Statuten vom 18. April 1496 hatten sie ein Jahr Zeit, ihre Geschäfte offenzulegen und die Stadt zu verlassen. Dennoch kam auch die Stadt Florenz ohne ihre Darlehen weiterhin nicht aus: So ‚liehen‘ die Juden einem Beschluss vom 23. November 1496 zufolge der Stadt 9.000 Florin – wohlgemerkt zinslos –, womit sie sich das Bleiberecht für weitere drei Jahre erkauften. 48 Ein Zwischenfazit: Die bisher vorgetragenen Befunde scheinen zunächst wenig überraschend angesichts der Situation jüdischer Geldleiher im Allgemeinen. Zwangsakte wechselten sich mit Ausnahmeregelungen ab, Schikane mit erneuten Aufenthaltserlaubnissen. Dennoch ist deutlich geworden, dass die spätmittelalterlichen Städte Italiens auf das Kapital der jüdischen Geldleiher in hohem Maße angewiesen waren. Sie benötigten es dringend, auch um ihre eigene (christliche) Sozialpolitik in Gestalt der Monti durchsetzen zu können. Eine durchaus andere Perspektive auf das Verhältnis scheint jedoch in den nicht unmittelbar den städtischen Obrigkeiten zuzurechnenden Quellen auf – so etwa in einer Aufstellung des Florentiner Monte zu Spenden und Zahlungen aus dem Jahr 1496. Neben Spenden von Beamten des Monte, diversen Kirchen von Florenz, städtischen Gilden und Privatpersonen nennt die Quelle auch den Juden Abramo di Dante, der im April 1499 im Auftrag seines verstorbenen Glaubensbruders Manuele di Bonaiuto da Camerino 20 Gulden und im Juli nochmals 9 Gulden zahlte. 49 […] a detto fiorini 20 larghi d’oro in oro da Abramo di Dante Ebreo da S. Miniato, quali disse pagare per Manouello di Bonaiuto da Camerino Ebreo per parte di L. 200 di p.li che detto Manouellino alla sua morte lasciò per limosina a questo nostro Monte […] f. 20.
Tritt an dieser Stelle die gezielte Unterstützung einer christlichen Einrichtung durch einen Juden zu Tage, der einen Teil seines Nachlasses in karitativer Absicht spendete? Oder handelte es sich um noch ausstehende Schulden, die der Tote über einen Glaubensbruder gegenüber dem Monte begleichen ließ, um negative Konsequenzen für seine Hinterbliebenen zu vermeiden? Angela Möschter hat in ihrer Untersuchung zu Testamentseinträgen aus Foligno, die ebenfalls Zahlungen von Juden an den dortigen Monte aufzeigen, auf einen engen Bezug zwischen jüdischen und christlichen Caritas-Vorstellungen hingewiesen. Durch die Übertragung ihres Eigentums und die Ausübung mildtätiger Werke auf der Basis einer gemeinsamen biblischen Grundlage – so ihre These – garantierten die Verstorbenen die Anwesenheit der Juden in der christlichen Mehrheitsgesellschaft. 50 Die Vermutung einer ausstehenden Schuld des Manuele di Bonaiuto wird jedoch deutlich erhärtet anhand einer Quelle vom 30. Dezember 1471. 51 Daraus geht hervor, dass sich dieser an den Rat wandte mit 47 Ciardini: I banchieri Ebrei in Firenze (wie Anm. 41), Nr. XXXV, S. c–cii: „Provvisione che ordina per la seconda volta la costituzione del Monte di Pietà, e la cacciata degli Ebrei dal territorio“. 48 Ebenda, Nr. XXXVII, S. cviif. Vgl. auch Menning: Charity and State (wie Anm. 1), S. 76. 49 Ciardini: I banchieri Ebrei in Firenze (wie Anm. 41), Nr. XXXVI, S. ciii–cvii (Zitat S. cvi). 50 Möschter: Juden und Christen (wie Anm. 5), S. 280. 51 Ciardini: I banchieri Ebrei in Firenze (wie Anm. 41), Nr. XIV, S. xlvi f.: „Deliberazione dei Dieci di Balia circa un ricorso dell’ebreo Manuele da Camerino per cancellazione della posta dal catasto“.
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einer Beschwerde bezüglich eines Teils der Steuer, die er – laut Steuerliste – an den Monte Commune direkt abführen sollte. Im Vorfeld der Gründung des Monte di Pietà war die Stadt Florenz ja bereits bemüht gewesen, die Einnahmen aus der Steuer der Juden teilweise hierfür zu nutzen. Manuele stand also bereits zu Beginn der 1470er Jahre mit der Stadt im Konflikt. Dies geht auch aus einer weiteren Quelle hervor. In einem Dokument vom 29. Januar 1479 52 mit dem Titel Condanne di alcuni ebrei prestatori werden einigen namentlich genannten Juden, darunter auch jenem Manuele, Verstöße gegen die Statuten der Stadt vorgeworfen. Diese hätten eigenmächtig andere Geldverleiher beherbergt und ihnen die Ausübung ihrer Geschäfte in Florenz entgegen dem Erlass von 1463 ermöglicht sowie das Erkennungszeichen, einen gelben Kreis, nicht getragen. Die Höhe der Strafzahlungen der vier genannten Geldverleiher betrug zwischen 40 und 180 Libri larghi, Manuele musste 160 Libri larghi entrichten. 1488 schließlich sollte Manuele (wie alle anderen Geldverleiher der Stadt) eine Strafe von 200 Lire, im Jahr darauf (ebenso wie alle) 100 Lire bezahlen – angeblich aufgrund zu hoher Zinsen und nicht zurückgegebener Pfänder. 53 Vor dem Hintergrund dieser Befunde erscheint eine freiwillige zusätzliche Spende des Verstorbenen an den Monte doch recht unwahrscheinlich. Eher könnte man mutmaßen, dass es sich um noch ausstehende willkürliche Strafforderungen handelte, die post mortem beglichen wurden, jedoch in Wirklichkeit zur Errichtung des Monte di Pietà genutzt werden sollten. Wie repräsentativ ein solcher Einzelfall für die angenommene Unterstützung christlicher Einrichtungen durch Juden tatsächlich ist, muss an dieser Stelle ohnehin offen bleiben. JUDEN ALS KUNDEN DER MONTI Neben den eben angesprochenen normativen Texten, die ein wenig überraschendes Bild der christlich-jüdischen Beziehungen zeigen, belegen die pragmatischen Quellen, wie Kassenbücher oder Pfandregistereinträge, eine Vielfalt an Geschäftsbeziehungen zwischen den Monti und der jüdischen Bevölkerung. Schauen wir uns einige Beispiele aus Rom und Perugia an. Im Pfandregister des Monte in Perugia von 1468/69 tauchen immer wieder Namen von Juden auf, die verfallene Pfänder erwarben. So beschreibt ein Eintrag beispielsweise den Ankauf eines Stückes Stoff von zwei Ellen Länge, das der Schneider Paulo de Giapocho verpfändet hatte, durch den Juden Abraham Dattoli am 15. März 1468: Paulo de Giapocho sartore: uno lenzolo de teli 2 ff. --- s. 40 d. --Die 14 martii, nemo promisit; die 15 nemo; die 15 Abram Dattoli Ebreus promisit s. 65 cui fuit stabilitum. 54
Am 23. März erwarb der Jude Musettus Musetti einen Damenbeutel aus dunkelgrünem Stoff für 4 Florin und 25 Solidi: 52 Ciardini: I banchieri Ebrei in Firenze (wie Anm. 41), Nr. XIX, S. liv–lvii. 53 Dies belegen zwei Urteile vom 20. Okt. 1488 und vom 16. Mai 1489, ebenda, Nr. XXVII und XXVIII, S. lxxxv–lxxxvii. 54 Majarelli/Nicolini: Il Monte dei poveri (wie Anm. 10), S. 338.
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Marcho de Nicoluccio de Zocho: uno sacchetto de verde cupo da donna ff. 2 s. 80 d. --Die 20 martii, nemo; die 22, nemo; die 23, Musettus Musetto ebreus promisit fl. 4 et s. 25, cui fuit stabilitum. 55
Zwar wissen wir nicht, welche Berufe die genannten Personen ausübten, doch scheint eine Tätigkeit als Altkleiderhändler nicht ausgeschlossen. Dies sind nur zwei beispielhafte Einträge, die verdeutlichen, dass jüdische Stadtbewohner das System der Monti kannten und es auch nutzten. Die Gesamtzahl der in den Quellen erwähnten jüdischen Personen müsste freilich erst noch ermittelt werden. 56 Doch nicht nur beim Verkauf verfallener Pfänder tauchen Juden als Kunden der Monti auf, sie nahmen bei ihnen auch Geldanlagen vor. Dies belegen beispielsweise die Einträge in den Kassenbüchern des Monte di Roma aus den Jahren 1584 bis 1595. So finden sich mehrere Einträge im Libro Mastro des Jahres 1584 sowie in dazugehörigen Namensregistern.57 Unter dem Buchstaben M steht der Eintrag über die Einlage eines gewissen Melunio Aronetto hebreo über 50 Scudi. Im Namensregister des Jahres 1586 finden wir zum Beispiel den Namen des Moyse Mele hebreo, für das Jahr 1585 die Juden Manuele und Meluccio verzeichnet.58 Im Kassenbuch des Jahres 1591 ist die Einzahlung von 50 Florin durch die universitas hebrorum belegt. 59 Das Buch von 1590 enthält einen interessanten Eintrag, der eine jüdische Händlerin betrifft: Gimella Relitta del questo Moisse Anaun ebrea deve havere questo di 22 di februaro scudi cento di moneta reccioti. Santorum abem suo procuratore disse essere i indettissimi imprestateli ogi da Israel provensale ebreo come per li atti di m. Bernardino Pascassio et essere per tanti pre-
Abb.: Eintrag im Kassenbuch des Monte di Roma von 1591 (Einzahlung von 100 Scudi seitens der jüdischen Händlerin Gimella Relitta am 22. Februar 1590). Archivio di Stato di Roma, Arch. Sagro Monte di Pietà, Libro Mastro 1591, fol. 142r. 55 Ebenda, S. 342. 56 Ariel Toaff hat in diesem Zusammenhang vorsichtig darauf hingewiesen, dass diese Befunde nicht überschätzt werden sollten: „These contacts should not be overestimated, but in my view are of some significance.“ Toaff: Jews (wie Anm. 5), S. 252. 57 Archivio di Stato di Roma, Arch. Sagro Monte di Pietà, Libro Mastro 1585, 51-a, ohne Foliierung. 58 Archivio di Stato di Roma, Arch. Sagro Monte di Pietà, Libro Mastro 1586, 51-b, ohne Foliierung. 59 Archivio di Stato di Roma, Arch. Sagro Monte di Pietà, Libro Mastro 1591, fol. 70r.
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Tanja Skambraks tende Lallaco da Viterbo ebreo per cava di un botthegino che al presente li litiga et depossitarli senza pregiuditio delle sue ragioni per pargali a chi ripateca la mea cedula 136 --------- 100 60
In diesem Beispiel geht es um die Einzahlung eines Betrages von 100 Scudi am 22. Februar zum Zwecke der Begleichung von Schulden, die Gimella Relitta (und ihr Mann) bei einem gewissen Israel aus der Provence hatten. Die Summe wurde ebenfalls von einem Juden – Lallaco aus Viterbo – gefordert, und zwar für die Beilegung eines Streits um einen kleinen Laden. Der Mittelsmann war ein gewisser Maestro Bernardino Pascassio, möglicherweise der Notar, der das Geschäft dokumentierte. Die selbstverständliche Verflechtung jüdischer und christlicher Akteure in Geldgeschäften und -transfers tritt hierbei deutlich hervor. Der Monte als Bank wurde für das Überweisungsgeschäft durch eine ganze Gruppe genutzt. Insgesamt zeigt die vorgenommene Stichprobe der Kassenbücher von 1585 bis 1595, dass über zehn Jahre hinweg immer wieder auch Juden den römischen Monte als Anlagebank und für bargeldlosen Geldtransfer nutzten. Neben der Kooperation mit den lokalen Judengemeinden als Geschäftspartnern, die in diesem Abschnitt exemplarisch vorgeführt wurde, wird im Folgenden der Sonderfall der Stadt Venedig unter Bezugnahme auf die immer noch einschlägige Studie Brian Pullans aus dem Jahr 1971 vorgestellt. 61 Dort wurde bis 1806 kein Monte di Pietà eingerichtet. Pullan beschreibt den langen Prozess vergeblicher Versuche einer Etablierung des Monte. JÜDISCHE PFANDLEIHER STATT MONTI – DAS FALLBEISPIEL VENEDIG Juden durften im 14. und 15. Jahrhundert (mit Ausnahme eines Intermezzos von 1382 bis 1397) nicht in Venedig selber, sondern allein in Mestre siedeln und sich nur kurzfristig und zu bestimmten Gelegenheiten in die Stadt begeben. Erst seit 1509 gestattete es die Signoria den Juden, von der Terraferma nach Venedig umzuziehen. Dies geschah im Zuge des Einfalls der Liga von Cambrai; ihnen war es nun erlaubt, ihre Besitztümer und die Pfandgegenstände der christlichen Schuldner in der Stadt vor den anrückenden Truppen zu schützen. Durch die dauerhafte Präsenz der jüdischen Geldleiher war die Verfügbarkeit von Kleinkrediten gegeben. In Venedig gab es in den Jahren 1520 und 1523/24 zwei Versuche, einen Monte einzurichten. Beide scheiterten am Widerstand des Rates der Zehn. Dieser sah offenbar keinen Anlass für dessen Gründung und dürfte sich der wichtigen Rolle der Juden als Steuerzahler, Kreditgeber für die Stadt und für die kleinen Leute bewusst gewesen sein. Im Jahr 1520 unternahm der venezianische Bürger und pensionierte Senator Antonio Tron einen ersten Versuch zur Etablierung eines Monte. Er schlug vor, dass die jüdischen capitoli, also das Aufenthaltsrecht, nur noch für ein Jahr anerkannt werden sollten. Finanzieren wollte er den Fonds für den Monte durch öffentliche Steuereinnahmen, genauer die Wein- und Getreideakzise, was einen komfor60 Archivio di Stato di Roma, Arch. Sagro Monte di Pietà, Libro Mastro 1591, fol. 142r. 61 Pullan: Rich and Poor (wie Anm. 1), passim.
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tablen Betrag in Höhe von 70.000 bis 80.000 Dukaten im Jahr ergeben hätte. Obwohl Tron einige Anhänger dieser Idee um sich scharen konnte, fanden die Bittschreiben beim Rat keine Durchsetzung. Seine Gegner wie Andrea Trevisan argumentierten mit dem zu befürchtenden Missbrauch einer solchen Einrichtung durch unwürdige Personen: Die Darlehen könnten für unlautere Zwecke genutzt werden und nicht denen zugute kommen, die wirklich bedürftig seien. 62 1519 erklärte der Prokurator Antonio Grimani, der zu jenem Zeitpunkt als Berater des Consiglio dei Dieci fungierte, die Juden seien wichtig, um den Armen zu helfen, gleich ob sie im Ghetto oder in Mestre lebten. Somit sei es nötig, dass ihre capitoli bestätigt würden, inklusive dem Recht, gegen Zinsen Geld zu verleihen – schließlich sei dies ihre einzige Einnahmequelle. 63 Mit einer zweifachen Begründung gewährte der Senat den Juden schließlich am 16. März 1520 erneut das Bleiberecht. Zum einen bestand die Hoffnung, die Juden zur Konversion zu bewegen, wenn sie nur lange genug in einer christlichen Umgebung lebten. 64 Zum anderen – und dieses Argument kommt an späterer Stelle nochmals auf – halfen die Juden den Christen gewissermaßen, indem sie die Sünde des Wuchers auf sich nahmen. Im Zuge der Erneuerung der capitoli von 1508 wurden die jährlichen Steuern, welche die Juden zu zahlen hatten, von 6.500 auf 10.000 Dukaten erhöht.65 Dafür durften sie im Ghetto Gebrauchtwarenläden unterhalten, eine Erlaubnis, die zuvor durch separate Zahlungen hatte gesichert werden müssen, was nicht heißt, dass fortan keine zusätzlichen Forderungen von der Stadt erhoben werden konnten. Die Steuerzahlungen wurden zur Hälfte für militärische Zwecke – besonders die Flotte – verwendet. Vom Rest wurde der überwiegende Teil (4.500 Dukaten) für die städtische Leihbank Monte Nuovo verfügbar gemacht, kleinere Summen für Mietzahlungen von Bankhäusern in Padua und Mestre. Das Leihgeschäft durften die Juden gegen einen Zins von 15 Prozent auf Pfänder und 20 Prozent auf Schuldverschreibungen betreiben. Ihre Funktion als Hauptgeldgeber der Stadt blieb weiterhin bestehen und wurde immer wieder bestätigt. Dennoch versuchten antijüdische Kreise (diesmal ausgehend vom Hospital der Incurabili) immer wieder eine alternative christliche Kreditanstalt zu schaffen.66 Die Begründungen hierfür konzentrierten sich eher auf die Bewährtheit der Monti in anderen Städten sowie auf die große Not, die auch in Venedig eine solche Einrichtung erfordere. Das Argument der Judenvertreibung wurde nicht direkt aufgebracht. Die Reaktionen des Senats auf diesen Vorschlag waren durchaus positiv. Immerhin beschloss er 1523 die Schaffung des Instituts, und ein dreizehnköpfiges Prokuratoren-Konsortium wurde gebildet, bestehend aus elf Adeligen und zwei Textilhändlern. Diese legten 1524 auch einen Statutenentwurf vor, der sich im Wesentlichen an den Normen anderer Monti wie Treviso, Verona, Padua oder Mantua ausrichtete. Aus unbekannten Gründen unterband jedoch
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Ebenda, S. 493. Ebenda, S. 494. Ebenda, S. 455. Ebenda, S. 496 f. Ebenda, S. 499–501.
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der Rat der Zehn am 19. und 20. April 1524 erneut den Fortgang der Gründung. 67 Mutmaßlich hatte die Regierung des Stadtstaates kein Interesse an der Gründung eines Monte, der eventuell von Seiten der Juden als Bedrohung empfunden werden konnte – und auf diese war man schließlich angewiesen, um die militärischen Ausgaben für die venezianische Flotte im Kampf gegen den Papst und seine Verbündeten aufzubringen. Pullan fasst die Vorbehalte gegen die Gründung wie folgt zusammen: „To the end of the 1520’s, Venice was intermittently involved in the power struggle for Italian territory, and her navy still depended on Jewish contributions for its upkeep. It was all too likely that any proposal to establish a Monte di Pietà, even if not cast in the form of a direct attack on the Jews, would evoke a counterthreat from the Jews to close their banks and emigrate. The Council of Ten might reasonably doubt the wisdom of throwing the poor on to an institution which itself depended on voluntary contributions or loans: this was hardly the most propitious time either to propose new taxes or to divert old ones to the ends of social welfare.“ 68
Zwischen den 1540er und den 1560er Jahren verschärften sich die antijüdischen Tendenzen in Venedig – materialisiert in den neu ausgestellten condotte der späten 1540er Jahre, die sehr ungünstige Bedingungen für die jüdische Geldleihe mit sich brachten. Dazu gehörten niedrige Zinssätze (12 Prozent im Vergleich zu 20 Prozent im Kirchenstaat), das Verbot, Pfänder schon kurz nach Ablauf der Leihedauer zu verkaufen, sowie Verfügungen über die Abgabe der aus den Verkäufen erzielten Gewinne. Dies stand auch im Zusammenhang mit einer Stärkung der katholischorthodoxen Politik der Kurie unter Paul IV. Die Folge dieser Maßnahmen waren zahlreiche Bankrotte und die Emigration jüdischer Geldverleiher, die bis dahin in der Stadt oder in der Terraferma ansässig gewesen waren.69 Im Dezember 1571 erging schließlich der Befehl des Senats, dass alle Juden aus Venedig vertrieben werden sollten. Zugleich wurde aber in der Lagunenstadt ab 1573 ein sehr spezielles Modell der jüdischen Pfandleihe kreiert, das die Existenz eines Monte überflüssig machte. Im Ghetto Vecchio operierten sechs jüdische Banken im Kleinkreditgeschäft, mit einem Zinssatz von fünf Prozent und ausgestattet mit 50.000 Dukaten Kapital aus jüdischen Steuern.70 Diese Anordnung erlaubte es den Juden zwar, in der Stadt zu bleiben, paradoxerweise setzte sie aber die Leihepraxis der Monti mittels des jüdischen Kreditgeschäfts durch und kann schwerlich als Kompromisslösung interpretiert werden – bedeutete dies doch das Ende der selbstständigen und gewinnträchtigen jüdischen Geldleihe im Zentrum der Stadt. Auch in Venedig war das Verhältnis von Christen und Juden mithin von Ambivalenz gekennzeichnet: Jüdische Geldgeber waren von großem Nutzen für die Lagunenstadt, was die Errichtung eines Monte di Pietà letztlich trotz einiger Initiativen immer wieder verhinderte. Auf dem Festland der Republik sah die Situation anders aus, denn dort hatten sich seit dem späten 15. Jahrhundert in einigen Städten Monti als Konkurrenten zu jüdischen Pfandleihern etabliert. Dennoch zeigt dieser letzte Fall gerade die auch von den Zeitgenossen wahrgenommenen Vorteile der jüdischen 67 68 69 70
Pullan: Rich and Poor (wie Anm. 1), S. 501. Ebenda, S. 502. Ebenda, S. 530 f. Pullan: Jewish Banks (wie Anm. 5), S. 60, sowie Ders.: Rich and Poor (wie Anm. 1), S. 539 f.
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Kleinkredite. Fragt man nach den Argumenten für die Bevorzugung der jüdischen Pfandleihe gegenüber den Monti, so kann man als Hauptgrund die größere Flexibilität der Juden als Darlehensgeber nennen, die Brian Pullan hervorhebt und die sich in einigen Merkmalen jüdischer Pfandleihe identifizieren lässt: Jüdische Geldleiher verlangten keinen Nachweis über die Bedürftigkeit des Kreditnehmers und sie räumten längere Leihdauern ein. Bei den Monti betrug die Leihdauer in der Regel nur sechs Monate, höchstens ein Jahr. Pullan zufolge wurden auch die Pfänder von Juden großzügiger geschätzt, denn die Monti setzten sie immer ein Drittel unter dem realen Wert an. Zudem verliehen Juden Geld auch gegen Schuldscheine oder einen Ernteanteil statt gegen Pfänder. 71 Insgesamt zeigte die jüdische Pfandleihe also eine höhere Flexibilität im Vergleich zu den recht statisch agierenden Monti, und somit blieben die jüdischen Geldverleiher weiterhin konkurrenzfähig. Hinzu kam die Vernetzung mit lokalen Autoritäten wie dem Rat der Zehn in Venedig, welche die jüdischen Geldgeber in der Stadt halten wollten. RECHTFERTIGUNGSSTRATEGIEN – DER TRAKTAT ‚DE FOENORE IUDAEORUM‘ (1555) Die festgestellte Duldung und teilweise Förderung der Juden in den hier behandelten Städten als Ausdruck von religiöser Toleranz zu interpretieren, erschiene im Zusammenhang der jüdischen Geschichte des Mittelalters naiv, dennoch kann man von einem eigenartigen Pragmatismus sprechen, der das Verhältnis zur jüdischen Geldleihe im ausgehenden Mittelalter kennzeichnete. So schrieb der Dominikaner Sisto de’ Medici in der Mitte des 16. Jahrhunderts einen Traktat mit dem Titel ‚De foenore Iudaeorum‘, worin er den „Wucher“ der Juden in Venedig und anderswo rechtfertigte.72 Sisto de’ Medici wirkte von 1553 bis 1558 als Dozent für Philosophie an der Scuola di Rialto in Venedig. Seine aus Anschauung der dortigen Verhältnisse resultierende Argumentation fügt sich in das Bild der politischen Maßnahmen der 1540er bis 1560er Jahre ein. Der Traktat besteht aus drei Büchern, die wiederum in unterschiedlich lange Kapitel eingeteilt sind. Am umfangreichsten ist das zweite Buch mit 22 Abschnitten, darunter zahlreichen Passagen, in denen die Erlaubnis des Judenwuchers gerechtfertigt wird. 73 Ein zentrales Argument ist hierbei, dass das 71 Pullan: Jewish Banks (wie Anm. 5), S. 70: „In the eyes of customers, however, Jewish banks always enjoyed one advantage over a monte di pietà: they were not expected to make inquiries or pronounce moral judgements as to the uses to which their loans would be put. Indeed, to do so would have seemed an intolerable presumption, a reversal of the proper hierarchical relationship between Christian and Jew.“ 72 Sisto de’ Medici: De foenore Iudaeorum libri tres, Venetia 1555, verfügbar als Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek, 978799 4 Jud. 20, Beibd. 1, online unter http://www.mdz-nbnresolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10163654-7 [19.6.2017]. 73 Dies zeigen schon die Titel der Kapitel an (ebenda, fol. 5r–v), beispielsweise cap. 5: Permissionis explicatio, quam Iudaei perperam accipiunt; cap. 9: Foenus huiusmodi, non Christiano, sed Iudaeis permittatur exercendum; cap. 10: Notantur causae mali permittendi foenum propter bo-
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bonum commune multitudinis durch städtische Gesetzgebung gesichert werde, die wiederum an der Vernunft orientiert sein müsse und die es auch den Juden erlaube, Geld an Bedürftige zu verleihen. 74 Die Vorteile, welche die Präsenz der Juden für die Gemeinschaft der Christen mit sich bringe, überwiegen deutlich, so Sisto: Concluendum est igitur Principes Christianos, non solum posse permittere Iudaeis usuras: verum etiam statuta usurarum permissiva condere, & hoc propter vitandum maius malum, puta furta, &c. atque in populi sui commodum, atq; adeo totius civitatis utilitatem ac bonum. 75
Zum einen propagiert auch er die Einrichtung eines Monte zur Bekämpfung der Armut. Zum anderen sieht er die Anwesenheit der Juden als ‚notwendiges Übel‘, um Prostitution, Raub und Diebstahl durch arme Christen zu verhindern.76 Er führt somit für die Juden das Argument der Schadensbegrenzung gesellschaftlicher und moralischer Missstände ins Feld. Durch den Wucher der ohnehin sündigen Juden würde der Wucher der Christen, der noch viel schlimmer sei, vermieden. Deshalb solle man sie dulden. Die Monti sollten existieren, doch postuliert auch Sisto, dass sie allein zu schwach wären, um den Kreditbedarf der Stadt zu decken. Zudem habe die jüdische Geldleihe auch den Vorteil der Diskretion und der schnelleren Verfügbarkeit der Kredite. Die an dieser Stelle skizzierte paradoxe Wahrnehmung der Juden, die in gewisser Weise nützlich für die Christen seien, steht am Ende eines Entwicklungsprozesses, der seit dem 12. Jahrhundert in verschiedenen Typen christlichen Schriftguts aufscheint, wie Giacomo Todeschini nachgewiesen hat. 77 Die zunehmende Stereotypisierung der Juden als Wucherer beschreibt er als Resultat eines semantischen Veränderungsprozesses über Jahrhunderte – greifbar in exegetischen Traktaten, polemischen und politischen Schriften, die schließlich in eine veränderte Gesetzgebung durch Konzilsbeschlüsse und kuriales Schrifttum mündeten. Die Stigmatisierung der Juden als Wucherer sei demnach Resultat eines langwierigen Zuschreibungsprozesses, der im Laufe der Jahrhunderte semantisch immer negativer aufgeladen worden sei – nämlich als Laien und Andersgläubige seit dem 12. Jahrhundert als ökonomische Akteure verstärkt in Konkurrenz zur Kirche als der vorherrschenden ökonomischen Instanz traten. Die Sprache, mit der die Juden beschrieben wurden, wird von Todeschini als Ergebnis eines ökonomischen Transformationsprozesses charakterisiert, der seine linguistische Repräsentation in der zeitgenössischen Theologie fand. 78 Neben dieser Entwicklung ist die Ambiguität dieser Wahrnehmung der Juden entscheidend: Sie blieben – trotz ihrer Andersgläubigkeit und
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num proveniens, vel propter malum vitandum; cap. 12: Mala quae ob Hebraeorum usuras evitari videntur; cap. 13: Mons pietatis sanctus diligenter servandus: Quo etiam stante in Civitate, Iudaeorum tamen foenora ibidem permittenda. Sisto de’ Medici: De foenore Iudaeorum (wie Anm. 72), fol. 29r. Außerdem fol. 34r–v zur Argumentation über die ratio. Ebenda, fol. 50v. Ebenda, fol. 35r: Quum igitur pauperibus opem ferre, nobiliores praeservare, quieti populorum consulere; de genere praecipuorum bonorum sint in civitate: In bonis autem, semper maius est expetendum […]. Giacomo Todeschini: Christian Perceptions of Jewish Economic Activity in the Middle Ages, in: Toch (Hg.): Wirtschaftsgeschichte (wie Anm. 5), S. 1–16. Ebenda, S. 6.
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der damit verbundenen ‚Falschheit‘ – aus christlicher Sicht wesentliche Entlastungsakteure im ökonomischen Feld. FAZIT: KREDITBEZIEHUNGEN ZWISCHEN KOOPERATION UND KONKURRENZ – AMBIGUITÄT UND VIELFALT Die vorgeführten Beispiele zeigen deutlich, dass die italienischen Städte sehr wohl auf die Juden als Geldgeber angewiesen waren. Die Gründung der Monti hing in vielen Fällen sogar entscheidend von der Finanzierung durch jüdische Geldgeber ab. Die Fragilität vieler Monti aufgrund fehlender Finanzierungsmöglichkeiten in den Anfangsjahren machte die Präsenz jüdischer Geldleiher in den Städten weiterhin unabdingbar. Daraus folgte auch, dass der lokale Kleinkreditmarkt zunächst gar nicht von den Monti getragen wurde und jüdische Geldverleiher weiterhin die Pfandleihe und die Vergabe von Kleinkrediten gewährleisteten. Sobald ein Monte bestand, versuchte dessen Leitungsgremium häufig die jüdische Pfandleihe zu kontrollieren, wie beispielsweise aus der zweiten Fassung der Statuten des römischen Monte von 1581 hervorgeht. Die Monti waren als Kreditinstitute also keine Substitute für die jüdische Geldleihe – sie erscheinen ihr kurz- und mittelfristig sogar unterlegen, da sie viel weniger flexibel waren als die jüdischen Geldverleiher. So mussten beispielsweise die angehenden Schuldner ihre Bedürftigkeit beim Monte erst einmal nachweisen – nicht so bei den Juden. All diese Faktoren verweisen eher auf die Schwächen dieser Einrichtung und werden bestätigt in der Schließung einiger Monti nach kurzer Zeit. Doch auch Juden nutzten die Monti als Anlage- und Kreditinstitute. Jüdische Kleiderhändler kauften bei Versteigerungen der Monti verfallene Pfänder auf. Derartige Phänomene verweisen auf die enge Verbindungen zwischen einzelnen Marktsegmenten spätmittelalterlicher Stadtwirtschaft, in diesem Fall diejenige zwischen dem christlich motivierten Pfandkredit und dem jüdischen Gebrauchtwarenhandel. Hinzu kommen die Befunde testamentarisch verfügter Zahlungen einzelner Juden an die Monti – was die Frage nach den dahinter stehenden Motiven aufwirft. Handelte es sich um die gezielte Förderung einer christlichen Einrichtung durch Juden oder doch nur um die Begleichung von Schulden oder ausstehenden Zahlungen? Die hier angeführten Quellenbeispiele bedürfen noch der Ergänzung, um valide Antworten zu finden. Die Vielgestaltigkeit der Interaktionen zwischen Christen und Juden zeigt die enge Verschränkung und die Interdependenzen zwischen Wirtschaftsakteuren in spätmittelalterlichen Städten über konfessionelle Grenzen hinweg auf. Die in der allgemeinen Wahrnehmung verbreitete Ansicht einer ausschließlich judenfeindlichen Haltung christlicher Wirtschaftsakteure muss auf der Basis dieser Erkenntnisse zurückgewiesen oder zumindest stark relativiert werden. Juden galten als wichtige Funktionsträger – in ökonomischem Sinn wie in heilsgeschichtlicher Sicht. Beides war im Italien des 16. Jahrhunderts noch untrennbar miteinander verbunden.
CHRISTLICHER GLAUBE UND ÖKONOMIE DES KREDITS IM SPÄTMITTELALTER Hans-Jörg Gilomen, Zürich/Arlesheim Mehrere grundsätzliche Aspekte der Gestaltung spätmittelalterlicher Kreditwirtschaft sind in den Fokus unserer Überlegungen zu ‚ökonomischen Glaubensfragen‘ gerückt. Im Folgenden soll die religiöse, insbesondere kanonistische Konditionierung ökonomischen Handelns zugespitzter gefasst und erwogen werden. Zuerst wäre die dichotomische Sicht eines kreditfeindlichen kirchlich-klerikalen Diskurses und einer davon losgelösten wirtschaftlichen und sozialen Praxis zu hinterfragen. Die von Bruno Kuske 1927 bis Tyler Lange 2016 immer wieder festgestellte Massenhaftigkeit der Kreditbeziehung im Spätmittelalter – „Late medieval Europeans swam in a sea of credit“, hat Lange formuliert – beruhte nicht auf einer Loslösung vom kirchlichen Wucherverbot oder gar einer Absage an dieses, das im Gegenteil gerade von herrschaftlichen und städtischen Obrigkeiten in den durch Theologie und Kanonistik differenzierten Formen übernommen und auch gerichtlich durchgesetzt wurde. 1 Die religiöse Grundierung des ökonomischen und sozialen Denkens und Empfindens ist bis in alle Poren dieser Gesellschaft eingedrungen. Die neue Institutionenökonomie hat auch moderne Ökonomen gelehrt, dass die Formen wirtschaftlicher Institutionen in ihrer historischen Bedingtheit zu verstehen sind. 2 Glaubensfragen waren für die Strukturierung von Kreditformen und -institutionen im Spätmittelalter grundlegend, was etwa ein so hervorragender Wirtschaftshistoriker wie John Munro klar herausgearbeitet hat.3 Die vielfach in der Literatur geläufige 1
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Bruno Kuske: Die Entstehung der Kreditwirtschaft und des Kapitalverkehrs, in: Die Kreditwirtschaft, Tl. 1 (Kölner Vorträge 1). Leipzig 1927, S. 1–79 [Neuabdruck in: Ders.: Köln, der Rhein und das Reich. Beiträge aus fünf Jahrzehnten wirtschaftsgeschichtlicher Forschung. Köln/Graz 1956, S. 48–137]; Tyler Lange: Excommunication for Debt in Late Medieval France. The Business of Salvation. Cambridge 2016. Douglass C. North: Institutions, Institutional Change and Economic Performance (Political Economy of Institutions and Decisions). Cambridge 1990. Siehe insbesondere John H. Munro: The Medieval Origins of the ‚Financial Revolution‘: Usury, Rentes, and Negotiablity, in: The International History Review 25 (2003), S. 503–562; Ders.: The Late-Medieval Origins of the Modern Financial Revolution: Overcoming Impediments from Church and State (Working paper no. 2 for 2001, revised: 17 April 2003), Download unter https:// www.economics.utoronto.ca/public/workingPapers/UT-ECIPA-MUNRO-01-02.pdf [30.7.2017]; Ders: The Usury Doctrine and Urban Public Finances in Late-Medieval Flanders (1220–1550): Rentes (Annuities), Excise Taxes, and Income Transfers from the Poor to the Rich, in: Simonetta Cavaciocchi (Hg.): La fiscalità nell’economia europea, secc. XIII–XVIII (Atti della Trentanovesima settimana di studi 22–26 aprile 2007). Firenze 2008, S. 973–1026. Siehe auch Raymond de Roover: The Rise and Decline of the Medici Bank 1397–1494 (Harvard Studies in
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Diffamierung erlaubter Kreditformen als ‚Umgehungsgeschäfte‘ oder als Verstoß gegen Wuchergesetze, die dann auch zur Behauptung ihrer angeblichen Wirkungslosigkeit angesichts wirtschaftlicher Sachzwänge geführt hat, trifft die Sache hingegen nicht. Wirtschaftliche Akteure haben zu allen Zeiten – auch heute – durchaus unter gebotener formaler Einhaltung gesetzlicher Rahmenbedingungen Wege gefunden, scheinbar verbotene ökonomische Ziele dennoch legal zu erreichen, ohne dass dies dann als ‚Umgehung‘ angeprangert wird. Verboten hat die Wucherdoktrin nur den D arl eh en s z i n s und Geschäfte, in denen dieser verschleiert erhoben wird. Es sind deshalb l e gal e Ers at z ges ch äft e zu unterscheiden von ‚us ur a pal l i at a‘, bei der eine Darlehensverzinsung (d.h. Wucher) versteckt und betrügerisch vereinbart wird.4 Das Hauptbeispiel dafür waren in den Wuchertraktaten – übrigens bis ins 18. Jahrhundert – der Kreditkauf und der Lieferungskauf bei erhöhtem Preis; 5 wohl am häufigsten war aber die Angabe einer überhöhten Kreditsumme. 6 Die Unterscheidung von einerseits aufgrund von Privilegialrecht als Aus nahm en gestatteten jüdischen und christlich-lombardischen Zinsdarlehen und andererseits Krediten aufgrund erst auf Termin zu bezahlender Dienstleistungen und Waren ohne Preisaufschlag bleibt grundlegend wichtig. Zins darl ehen durch unprivilegierte Christen sind keineswegs im 15. Jahrhundert s el bs t vers t ändl i ch geworden, vielmehr wurden sie nicht nur durch kirchliche Zensuren, sondern auch durch städtische Gerichte schwer sanktioniert. Gerade in der von Gabriela Signori untersuchten Stadt Basel war die Wuchergesetzgebung damals durchaus rigide.7 1417 verbot der Rat strikt den Borgkauf und den Lieferungskauf, wenn bei der Zahlung ein
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Business History 21). Cambridge, Mass. 1963 [2. Aufl. 1968], S. 10: „It would be erroneous to believe that the usury doctrine was simply disregarded and had scarcely any effect on banking practices: on the contrary […] it exerted an enormous influence. First of all, the need for evading the usury prohibition, by legitimate means if possible, affected the entire structure of medieval banking.“ [Hervorhebung von mir.] Deshalb halte ich die Definition von de Roover: Rise and Decline (wie Anm. 3), S. 10, usura palliata sei „a loan concealed under the colour of another contract“, für problematisch. Bei der usura palliata muss in der Regel eine absichtliche und böswillige Täuschung vorliegen. Das lässt sich etwa am Wechsel illustrieren, der als Handelswechsel wucherrechtlich unbedenklich ist, aber als Kreditwechsel, insbesondere als trockener Wechsel (cambium siccum) klar ein verschleiertes Zinsdarlehen beinhaltet. Hingegen ist der in der Literatur oft als Umgehungsgeschäft bezeichnete Rentenkauf kein böswillig verstecktes Darlehen, obwohl er, insbesondere in der Form der wiederkäufigen Rente, ökonomisch die Funktion eines Kredits erfüllt. Siehe z.B. Adam Huth: Ius Canonicum, Liber V Decretalium Gregorii IX. De Delictis et Poenis per Quaestiones et Responsa. Augustae Vindelicorum 1730, S. 88: Usura palliata est, si venditor ob dilatam praecise solutionem pretii pluris supra justum alias pretium rem vendat, aut minoris ob praestitam in continenti solutionem. […] Contractus Mohatrae, quando quis vendit rem magno pretio cum pacto, ut ipsi emens statim revendat pro pretio minore, est illicitus & usura palliata. Siehe z.B. Johannes Buridanus: Quaestiones super octo libros Politicorum Aristotelis. Paris 1513 [ND Frankfurt 1969], hier benutzt nach der Transkription von Fabienne Pironet: Jean Buridan, Questions sur la Politique, Livre I. o.O., o.J., S. 154: Tertius modus est ut si pecunia locaretur ut dando decem francos pro undecim, et causa est bona quia pecunia non est locabilis, et vocatur usura palliata quia non vult expresse facere; ideo locat pecuniam quae non est locabilis. Sehr kurze Zusammenfassung bei Hans-Rudolf Hagemann: Basler Rechtsleben im Mittelalter, Bd. 1. Basel 1981, S. 80–82.
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höherer Warenpreis zu entrichten war als zum Zeitpunkt des Kaufes. Amtleute des Gerichts, Unterkäufer und Schreiber wurden unter Eid verpflichtet, solche Geschäfte anzuzeigen; der daraus gezogene Gewinn musste den Betroffenen erstattet werden. Wer als ein solicher kuntlicher wuocherer, pletzscher und fürkoufer erkannt werde, dürfe nie mehr in den Rat aufgenommen, zum Zunftmeister gewählt oder ins Gericht gesetzt werden. 8 1432 wurden hier nochmals alle wucherischen Verträge mit jungen Leuten für rechtlich kraftlos erklärt. 9 In den 1440er Jahren wurde eine Kommission aus drei Ratsherren eingesetzt, die allen wucherischen Geschäften nachspüren und dafür jeweils die Höhe der zu erhebenden Bußen vorschlagen sollten. Besonders erwähnt werden pletschkoufe oder wuocherkoufe uf borge, d.h. auch hier Verkäufe auf Kredit, bei denen dieser nicht zinslos gewährt wird. 10 Basel ist kein Sonderfall. In Luzern wurden erwischte christliche Wucherer 1417 mit Bußen zwischen 10 und 100 Goldgulden bestraft, 11 1432 wurde Wucher auch hier mit Ratsunfähigkeit geahndet. 12 In Zürich wurden Wucherdarlehen von Christen empfindlich gebüßt, so wiederholt in den 1440er Jahren. 13 ‚Geliehenes Geld‘ heißt in Basel keineswegs, dass es sich dabei um verbotene Zinsdarlehen handelte; vielmehr waren damit erlaubte z i n s l o s e Darlehen gemeint, wie es ja die Quellenstelle zur Mutter von Claus Růbsam ganz klar belegt. 14 Die meisten dieser Kredite aus unbezahlten Waren und Dienstleistungen, darunter auch Löhnen, führten dann ganz selbstverständlich zu ‚nackten‘ Geldforderungen. Die zweite Thematik, über die unter dem Aspekt ‚ökonomische Glaubensfragen‘ vertieft nachzudenken wäre, ist die Abgrenzung jüdischer und christlicher Kredite. Kein wirtschaftliches Gedankengebäude ist völlig widerspruchsfrei. Auffällig ist es, dass die Vorstellung einer ganz scharfen Abgrenzung jüdischer Kredite zeitgenössisch belegt werden kann, so in dem kanonistischen Grundsatz: canones Judaeis non sunt scripti, „das Kirchenrecht gilt nicht für die Juden“, der indessen schon zeitgenössisch in der Wucherfrage selten angeführt und leicht gekontert wurde durch den Hinweis, dass bei diesen Wuchergeschäften immer auch ein Christ beteiligt sei. 15 Scharf ist 8 9 10 11 12 13 14 15
Johannes Schnell (Hg.): Rechtsquellen von Basel Stadt und Land, Bd. 1. Basel 1856, S. 100–102, Nr. 101: Strafe des Wuchers, 11. Sept. 1417. Ebenda, S. 114 f., Nr. 120: Rechtliche Kraftlosigkeit aller wucherlichen Verträge mit jungen Leuten, 22. März 1432. Ebenda, S. 141 f.: Ordnung des Blauen Buchs (davor ein Erlass vom 16. Okt. 1441, danach einer vom 5. Juli 1449) mit Verbot wucherlicher Pfand- und Zinseszinsverträge. Errichtung einer besonderen Aufsichtsbeamtung. Staatsarchiv Luzern RP 1.1 Ratsprotokolle, fol. 392v–393r. Staatsarchiv Luzern RP 5 A Ratsprotokoll 1432–1483, fol. 14v, 1432. Werner Schnyder (Bearb.): Quellen zur Zürcher Wirtschaftsgeschichte von den Anfängen bis 1500, Bd. 1. Zürich 1936, S. 596, Nr. 1055. Vgl. den Beitrag von Gabriela Signori in diesem Band, S. 38. Zum Grundsatz canones Judaeis non sunt scripti siehe Wilhelm Endemann: Die nationalökonomischen Grundsätze der kanonistischen Lehre, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 1 (1863), S. 26–48, 154–181, 310–367, 537–576, 679–730, hier S. 168. Kontrovers wurde diskutiert, ob ein Christ, der bei einem Juden ein Wucherdarlehen aufnimmt, eine Todsünde begehe. Meist wurde die Sündhaftigkeit nur dem Gläubiger zugeschrieben, da der Schuldner ja unter Zwang handle, siehe Franz Schaub: Der Kampf gegen den Zinswucher, ungerechten
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die Abgrenzung auch in der gelegentlich geäußerten Meinung, dieses verdammungswürdige Geschäft sei den ohnehin verdammmten Juden zu überlassen. 16 Dass es neben dem unerlaubten Zinsdarlehen eine ganze Reihe erlaubter Kreditformen gab, ist dazu kei n Widerspruch.17 Widersprüchlich ist es aber, wenn christliche Lombarden oder ‚Kawerschen‘ genau dieselben Wucherprivilegien erhielten wie Juden. 18 Christian Hagen legt erste Ergebnisse seiner Auswertung des Konstanzer Ammanngerichtsbuches vor, die im Rahmen eines vergleichend angelegten Projekts zum Endziel hat, die Rolle der christlichen und jüdischen Geldgeber bzw. ihr Zusammenspiel und ihre Bedeutung im gesamten Kreditmarkt zu erkennen. Wichtig erscheint dabei vor allem die Absicht, nicht einzelne Kreditformen isoliert zu betrachten – etwa jüdische Pfandleihe oder christlichen Rentenmarkt –, wie dies bisher allzu oft geschehen ist. Wichtig ist es deshalb zunächst, Ausmaß und Umfang der jüdischen und der christlichen Kreditpraxis mit einander zu vergleichen. Im Ammanngerichtsbuch sind Kreditbeziehungen der Jahre 1423 bis 1434 dokumentiert. Es kann aber – wie meist in Gerichtsquellen – keine Vollständigkeit der Aufzeichnungen erwartet werden. Kredite in Rentenform dürften in Konstanz, wie überall in den spätmittelalterliche Städten im Reich, im Umfang der Beträge den überwältigenden Teil des gesamten Kreditmarktes umfasst haben, wenngleich ihre Anzahl und ihre Gesamtsumme im Buch nur rund ein Drittel aller Geschäfte einnimmt. Auch die Kleinkredite sind hier kaum belegt. Fast 80 Prozent der Kredite belaufen sich auf über 10 Gulden. Nach einer modernen Definition – ein Kleinkredit beläuft sich danach auf bis zu etwa dem halben Jahreseinkommen eines Schuldners – sind immerhin über 40 Prozent der Kredite im Umfang bis zu 20 Gulden wohl durchaus als Kleinkredite einzuschätzen. Das Urteil von Hagen ist aber sicher zutreffend, dass das Konstanzer Ammanngerichtsbuch sich von den Eingewinnerverzeichnissen Zürichs und den Vergichtbüchern Basels darin stark unterscheidet, dass etwas größere Kredite in Konstanz eine viel bedeutendere Rolle spielen. Warum das so ist, muss vorerst eine offene Frage bleiben. Die Überlieferungschance pfandgesicherter Kleinkredite Preis und unlautern Handel im Mittelalter. Von Karl dem Großen bis Papst Alexander III. Freiburg i.Br. 1905, S. 51–53. Auch Alexander Tartagnus hat die Sündhaftigkeit des Schuldners verneint, siehe Hermann Lange: Das kanonische Zinsverbot in den Consilien des Alexander Tartagnus, in: Marcus Lutter / Helmut Kollhosser / Winfried Trusen (Hg.): Recht und Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Johannes Bärmann zum 70. Geburtstag. München 1975, S. 99–112, hier S. 106. 16 Guillelmus Carnotensis: De vita et actibus regis Francorum Ludovici, in: Recueil des historiens des Gaules et de la France, Bd. 20. Paris 1840, S. 34. Hier wird berichtet, seine Räte hätten Ludwig dem Heiligen versichert, das Volk könne ohne Wucherdarlehen nicht leben, seine Äcker bestellen, seine Handwerke und Geschäfte betreiben. Da sei es besser, dass die ohnehin verdammten Juden dieses Werk der Verdammnis ausübten: […] et melius esse dicebant ac tolerabilius quod Judaei qui jam damnati sunt, huius damnationes exercerent officium quam aliqui christiani […]. 17 Siehe Hans-Jörg Gilomen: Die ökonomischen Grundlagen des Kredits und die christlich-jüdische Konkurrenz im Spätmittelalter, in: Eveline Brugger / Birgit Wiedl (Hg.): Ein Thema – zwei Perspektiven. Juden und Christen in Mittelalter und Frühneuzeit. Innsbruck/Wien/Bozen 2007, S. 139–169. 18 Siehe dazu Hans-Jörg Gilomen: Wucher und Wirtschaft im Mittelalter, in: Historische Zeitschrift 250 (1990), S. 265–301.
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ist überall sehr gering, da für die Pfandverwertung keine Gerichtsnachweise erforderlich waren. Welcher Anteil an jüdischen Krediten überhaupt in das Buch gelangt ist, lässt sich nicht abschätzen. Es dürfte nur eine geringe Zahl gewesen sein. Seit 1429 fehlen jüdische Betreffe hier ganz. Im Stichjahr 1423 treten bei rund 80 Prozent der Einträge Christen und nur bei 20 Prozent Juden als Kreditgläubiger auf. Über die gesamten zwölf Jahre sind nur 26 jüdische Personen an 650 Einträgen beteiligt. Überliefert sind somit jährlich nur gerade 54 Einträge mit jüdischem Bezug. 19 Zur Verdeutlichung der Lückenhaftigkeit sei die etwas absurde statistische Aussage angefügt, dass jede jüdische Person somit jährlich nur etwa zwei Geschäfte eintragen ließ. Hagen weist auf eine Konstanzer Ratsordnung von 1383 hin, die allerdings in Bezug auf die Thematik von ‚Glaube und Ökonomie‘ ein bisher ungelöstes Problem aufgibt. Es heißt hier, es solle kein Bürger und keine Bürgerin, arm oder reich, Kleriker oder Laie, die das Gewerbe der Geldleihe betrieben, mehr Nutzen davon nehmen als von 9 Pfennig einen Pfennig und von 9 Pfund ein Pfund auf ein ganzes Jahr. Wird vor Jahresfrist abgelöst, so soll der Wucherer von einem Pfund Haller nicht mehr als einen Haller wöchentlich nehmen, was aufs Jahr gerechnet von 9 Pfund Haller 6 Haller weniger als ein Pfund ergibt.20 Hier wird christlichen Geldverleihern, darunter sogar Klerikern, die ganz offen als gewerbsmäßige Wucherer bezeichnet werden, die Erlaubnis zum Geldverleih mit einer Verzinsung von jährlich 1 zu 9, d.h. 11,11 Prozent erteilt. Auf das Unerhörte dieser Bestimmung ist in der Forschung meines Wissens noch gar nicht gebührend hingewiesen worden. 21 Am 1311 unter 19 So schon Hektor Ammann: Die Judengeschäfte im Konstanzer Ammann-Gerichtsbuch 1423– 1434, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 71 (1952), S. 37–84; siehe dazu einige Vergleiche der Belegdichte an anderen Orten bei Hans-Jörg Gilomen: Die Substitution jüdischer Kredite im Spätmittelalter. Das Beispiel Zürichs, in: Lukas Clemens / Sigrid Hirbodian (Hg.): Christliches und jüdisches Europa im Mittelalter. Kolloquium zu Ehren von Alfred Haverkamp. Trier 2011, S. 207–233, hier S. 213 f. 20 Otto Feger (Bearb.): Vom Richtebrief zum Roten Buch. Die ältere Konstanzer Ratsgesetzgebung (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen 7). Konstanz 1955, S. 24 f., Nr. 75 (1383 April 18): Anno domini 1383 an samstag vor Georii, do satzt der gross rat dis satzung, das enkain burger noch burgerin, er sy arm ald rich, phaff oder laye, die sölichs gewerbs pflegend, die pfenninge umb pfenning uff merung usslihend, der sol nit mer nützens davon nemen, daz wie daz er lihen mag nün pfenning umb ain pfenning, nün pfunt umb ain pfunt ain gantzes jar, und nit türo. Und wär, daz jeman also uss lih und daz das guot in dem jar abgelöset wurde, als lang ez danne gestanden ist, so sol der wuochrer nit mer von ainem pfunt haller nemen danne ainen haller ze der wochen. Daz gebürt sich och dez jars von je nün pfunt haller ain pfunt haller und sehs haller minder. Der Text ist auch gedruckt in: Gisela Möncke (Ausw. und Übers.): Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte mittel- und oberdeutscher Städte im Spätmittelalter (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters – Freiher vom SteinGedächtnisausgabe 37). Darmstadt 1982, S. 238–240, Nr. 71. 21 Ich kenne als schwache Parallele einer nicht privilegialen, sondern allgemeinen Wuchererlaubnis für einheimische Christen nur einen (fast gleichzeitigen) Erlass des Vogtes von Murten vom 8. April 1382, wo es heißt: […] quicunque burgensis uel habitator ville et districtus Mureti mutuo concesserit seu vendiderit uel a se dederit vinum, bladum, pecuniam uel aliqua alia bona, quecunque sint, personis quibuscunque, videlicet libram ultra valorem trium solidorum per annum, committit bannum totiens [quotiens] contrarium fecerit, seu [quicumque] pro qualibet libra de vtilitate, vsura uel proficuo ultra valorem trium solidorum pro quolibet anno petierit,
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Papst Clemens V. eröffneten Konzil von Vienne wurde in einem Wucherdekret darüber geklagt, gegen göttliches und menschliches Recht werde an einigen Orten die wucherische Verworfenheit gebilligt. In Stadtrechten werde es erlaubt, Wucher zu fordern und zu zahlen, Schuldner würden zur Zahlung gezwungen. Das Dekret bestimmte, alle Amtleute, die künftig solche Statuten erließen oder urteilten, dass Wucher gezahlt oder zurückgeforderte Wucherzinsen nicht vollständig zurückzuerstatten seien, verfielen der Exkommunikation. Solche Statuten seien innert sechs Monaten aus den Stadtbüchern zu tilgen. Wer hartnäckig behaupte, Wucher zu treiben sei keine Sünde, solle als Häretiker verfolgt werden. 22 Es war dies die Krönung der exegerit, perceperit uel habuerit; si sit de villa, pro qualibet libra de qua vtilitatem receperit ultra valorem trium solidorum, debet exire villam per octo dies et soluere de banno III solidos laus.; si sit de extra villam, intret pro qualibet libra, ut supra, villam et moretur ibidem per VIII dies et soluat pro qualibet libra de banno III solidos. Friedrich Emil Welti (Bearb.): Das Stadtrecht von Murten (Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, Abt. 9: Die Rechtsquellen des Kantons Freiburg, Tl. 1: Stadtrechte 1). Arau 1925, S. 75, Nr. 53. 22 Josef Wohlmuth (Hg.): Dekrete der ökumenischen Konzilien, Bd. 2: Konzilien des Mittelalters vom Ersten Laterankonzil (1123) bis zum Fünften Laterankonzil (1512–1517). Paderborn 2000, S. 384 f.: [29]. Ex gravi ad nos insinuatione pervenit, quod quorundam communitates locorum in offensam Dei et proximi ac contra iura divina pariter et humana usurariam approbantes quodammodo pravitatem, per statuta sua iuramento quandoque firmata usuras exigi et solvi nedum concedunt, sed ad solvendas eas debitores scienter compellunt, ac iuxta ipsorum continentiam statutorum gravia imponendo, plerumque usuras repetentibus onera, aliisque utendo super his diversis coloribus et fraudibus exquisitis, repetitionem impediunt earundem. Nos igitur, perniciosis his ausibus obviare volentes, sacro approbante concilio statuimus ut, quicunque communitatum ipsarum potestates, capitanei, rectores, consules, iudices, consiliarii aut alii quivis officiales statuta huiusmodi de cetero facere, scribere vel dictare, aut quod solvantur usurae vel quod solutae, cum repetuntur, non restituantur plene ac libere, scienter iudicare praesumpserint, sententiam excommunicationis incurrant, eandem etiam sententiam incursuri, nisi statuta huiusmodi hactenus edita de libris communitatum ipsarum, si super hoc potestatem habuerint, infra tres menses deleverint, aut si ipsa statuta sive consuetudines, effectum eorum habentes, quoquo modo praesumpserint observare. Ceterum quia feneratores sic ut plurimum contractus usurarios occulte ineunt et dolose, quod vix convinci possunt de usuraria pravitate, ad exhibendum, cum de usuris agetur, suarum codices rationum censura ipsos decernimus ecclesiastica compellendos. Sane si quis in illum errorem inciderit, ut pertinaciter affirmare praesumat, exercere usuras non esse peccatum, decernimus eum velut haereticum puniendum, locorum nihilominus ordinariis et haereticae pravitatis inquisitoribus districtius iniungentes, ut contra eos, quos de errore huiusmodi diffamatos invenerint aut suspectos, tanquam contra diffamatos vel suspectos de haeresi procedere non omittant. Im Folgenden habe ich die meines Erachtens unzulässig modernisierende Übersetzung Wohlmuths leicht korrigiert: „Durch einen ernstzunehmenden Bericht drang zu uns, daß mancherorts die Gemeinden zur Beleidigung Gottes und des Nächsten und gegen göttliches ebenso wie menschliches Recht die Verworfenheit des Wuchers irgendwie billigen. Durch ihre manchmal sogar eidlich bekräftigten Statuten erlauben sie es, daß Wucher gefordert und gezahlt wird, ja zwingen sogar die Schuldner wissentlich zu dessen Zahlung. Nach dem Inhalt dieser Statuten erlegen sie meistens den Schuldnern, welche die Wucherzinsen zurückverlangen, schwere Lasten auf, indem sie diesbezüglich noch mancherlei ausgesuchte Scheingründe und Betrügereien verschiedener Art anwenden und so die Rückforderung behindern. Wir möchten gegen diese verderblichen Machenschaften vorgehen und bestimmen mit Billigung des heiligen Konzils: Alle Gewalten dieser Gemeinden, Bürgermeister, Amtmänner, Ratsherren, Richter, Stadträte oder sonstige Beamte, die künftig
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Bemühungen der Kirche, ihre Deutungshoheit in der Wucherfrage auch ins weltliche Recht zu übertragen. Es war zugleich der letzte wichtige Schritt in der Zuspitzung des päpstlichen Wucherverbots. Die Ablehnung des Wuchers gehörte nun zum richtigen, nicht häretischen christlichen Glauben. Das Dekret, dem schon Bemühungen Papst Gregors IX. in gleicher Richtung vorangegangen waren, zeigte durchaus Wirkung, unmittelbar zunächst in Italien und Frankreich. 23 Vor allem seit der Mitte des 14. Jahrhunderts häufen sich die Wucherverbote in den deutschen Städten. 24 Wie unten vor allem an italienischen Beispielen gezeigt wird, haben im Spätmittelalter einige Stadträte den Papst sogar dafür um Absolution gebeten, dass sie jüdischen Wucherern ihr Gewerbe in ihrer Stadt erlaubt hatten. Wie die geradezu unverfrorene Art des Konstanzer Rates, sich über geltendes Kirchenrecht hinwegzusetzen, zu erklären sei, bleibt rätselhaft. Es ist dies umso erstaunlicher, als im 14. Jahrhundert in Wucherfragen hier das geistliche Gericht des Konstanzer Offizials zuständig war. 25 solche Statuten machen, schreiben oder diktieren, oder die wissentlich urteilen, daß Wucher gezahlt werden oder daß gezahlte Wucherzinsen, wenn sie zurückverlangt werden, nicht vollständig und ohne Behinderung zurückerstattet werden, ziehen sich die Exkommunikation zu. Dieselbe Strafe ziehen sie sich auch zu, wenn sie derartige, bis jetzt erlassene Statuten aus den Büchern der Gemeinden nicht innerhalb von drei Monaten tilgen, sofern sie dazu berechtigt sind, oder wenn sie diese Statuten oder entsprechenden Gewohnheitsrechte auf irgendeine Weise beachten. Weil außerdem die Wucherer die Verträge über die Wucherzahlungen meistens so geheim und arglistig eingehen, daß sie kaum der Verworfenheit des Wuchers überführt werden können, entscheiden wir, daß sie bei Verhandlungen über Wucherzinsen durch kirchliche Zensur zum Vorlegen ihrer Rechnungsbücher genötigt werden müssen. Verfällt jemand dem Irrtum und behauptet hartnäckig, Wucher zu nehmen sei keine Sünde, so ist er nach unserer Entscheidung wie ein Häretiker zu bestrafen. Dabei erlegen wir den Ortsordinarien und den Inquisitoren der Häresien in aller Strenge auf, ja gegen alle, die ihrer Kenntnis nach wegen dieses Irrtums in üblem Ruf stehen oder verdächtig sind, vorzugehen wie gegen solche, die wegen Häresie in üblem Ruf stehen oder verdächtig sind.“ 23 Siehe dazu Hans-Jörg Gilomen: Das kanonische Zinsverbot und seine theoretische und praktische Überwindung? Mitte 12. bis frühes 14. Jahrhundert, in: Werner Maleczek (Hg.): Die römische Kurie und das Geld von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zum frühen 14. Jahrhundert (Vorträge und Forschungen 85). Ostfildern 2018, S. 405–449, hier S. 441 f. 24 Clemens Bauer: Diskussionen um die Zins- und Wucherfrage auf dem Konstanzer Konzil, in: August Franzen / Wolfgang Müller (Hg.): Das Konzil von Konstanz. Beiträge zu seiner Geschichte und Theologie. Festschrift für Hermann Schäufele. Freiburg 1964, S. 174–186, bemerkt S. 174, dass es nicht nachgewiesen werden konnte, ob diese Wucherverbote mit den kirchlichen Vorschriften zusammenhängen. 25 Theodor Gottlob: Die Offiziale des Bistums Konstanz im Mittelalter, in: Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte 42 (1948), S. 124–144, 161–191, 257–296, hier S. 257: „Die Kirche übte damals unbestritten die Strafgerichtsbarkeit über Laien bei Irr- und Unglauben, Zauberei, Meineid, Wucher, Ehebruch u. a. aus.“ Auch in Kapitulationen von Aarau, Lenzburg, Brugg und Zofingen mit Bern nach der Eroberung des Aargaus wird 1415 festgehalten, man werde sich nicht vor fremde Gerichte ziehen, usgenomen und vorbehebt die sachen der heilichen e, wuocher und semlich sachen, die von blossem rechten ane alles mittel an geistlich gericht gehörent […].Heinrich Boos (Hg.): Urkundenbuch der Stadt Aarau. Aarau 1880, S 237–241, Nr. 268* (Aarau ergibt sich an Bern, Aarau 1415 April 20), hier S. 240. Siehe auch Thomas D. Albert: Der gemeine Mann vor dem geistlichen Richter. Kirchliche Rechtssprechung in den Diözesen Basel, Chur und Konstanz vor der Reformation (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte 45).
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Es ist doch sehr fraglich, ob eine Wucherforderung in Konstanz Bestand haben konnte, wenn dagegen vor dem Offizial geklagt wurde. Selbst das auch für Klagen aus Konstanz offene Rottweiler Hofgericht hat Wucher betreffende Fälle an die geistliche Gerichtsbarkeit verwiesen. In der Gerichtsordnung von etwa 1435 heißt es: XI. Wie man weder juden noch cristan umb gesuoch, wuocher, spilgelt, noch wettgelt uf dem hofgericht nit richten, sunder das für gaistlich gericht wisen sol. Ist das ain jud oder cristan iemand uf das hofgericht ladt umb wuocher oder gesuoch, umb spilgelt oder wettgelt, man sol im darumb nit richten, ob der cleger das verantwurt, sunder man sol die sache mit urtail wisen für das gaistlich gericht, dahin si gehört. XII. Desglich von cristan, die juden oder cristan zuosprechend umb bekerung abgewuochretes gutes, das man och für gaistlich gericht wisen sol. Desglich ob ain cristan ainen cristan oder ainen juden uf das hofgericht taete laden und zu im clagte, das er im das sin abgewuochort hett, darüber sol das hofgericht ouch nit sprechen, ob der anclagt das verantwurt, sunder man sol die sache mit urtail wisen für das gaistlich gericht, dahin si gehoert. 26
Gerade im Südwesten des Reichs haben indessen auch einige Städte konkurrierend mit geistlichen Gerichten Wuchervergehen in eigener Kompetenz bestraft. 27 Vor allem dank der von Isidor Krakauer bis 1400 recht vollständig überlieferten Einträge zu jüdischen Belangen aus den Frankfurter Schöffengerichtsbüchern verfügt David Schnur über ein unvergleichlich dichtes Quellenmaterial zu jüdischen Darlehen an christliche Handwerker, Gewerbetreibende und auch Kaufleute in der Zeit von 1330 bis 1400, wenngleich fast nur strittige Geschäfte belegt und diese zudem nur tabellarisch erfasst sind. 28 Schnur kann die unterschiedliche Nachfrage verschiedener Berufsgruppen nachzeichnen. Die Funktion dieser jüdischen Kredite ist unterschiedlich. Schnur spricht von kleinen Notkrediten, daneben aber auch von größeren Beträgen, die nicht zuletzt von Handel und Gewerbe nachgefragt wurden. Stuttgart 1998, S. 127. Während es in Basel nur wenige Belege für Wucherfälle vor geistlichem Gericht gibt, ist ihre Anzahl in Chur bedeutender, ebenda, S. 197 bzw. S. 203. 26 Heinrich Glitsch / Karl Otto Müller (Hg.): Die alte Ordnung des Hofgerichts zu Rottweil (um 1435), in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 41 (1920), S. 281–369, hier S. 334 f. (5. Teil, XI und XII). Nach dieser Bestimmung konnten Juden zwar nicht um offene Wucherzinsen, jedoch durchaus um das Hauptgut eines Darlehens und um Verzugsentschädigung (interesse, schaden) bei nicht rechtzeitiger Rückzahlung und um ergangene Kosten vor dem Hofgericht klagen. Dies scheint Gerd Mentgen: Das kaiserliche Hofgericht Rottweil und seine Bedeutung für die Juden im Mittelalter am Beispiel des Elsaß, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 112 (1995), S. 396–407, zu verkennen. 27 So etwa Basel, Luzern, Zürich, siehe oben. Zu städtischen Verfahren gegen Wucherer findet sich nichts bei Peter Schuster: Eine Stadt vor Gericht. Recht und Alltag im spätmittelalterlichen Konstanz. Paderborn 2000. 28 Isidor Kracauer (Bearb.): Urkundenbuch zur Geschichte der Juden in Frankfurt am Main von 1150–1400, 2 Bde. Frankfurt a.M. 1914. Nach Abgabe des Manuskripts ist nun die Dissertation von David Schnur erschienen: Die Juden in Frankfurt am Main und in der Wetterau im Mittelalter. Christlich-jüdische Beziehungen, Gemeinden, Recht und Wirtschaft von den Anfängen bis um 1400 (Schriften der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen 30). Wiesbaden 2017, mit den beiden umfangreichen Kapiteln IV und V, S. 326–623, unter den Titeln „Jüdische Wirtschaftstätigkeit in der Wetterau“ und „Beobachtungen zur Struktur jüdischer Wirtschaftstätigkeit“. Leider konnten die Ergebnisse dieser wichtigen Arbeit nicht mehr berücksichtigt werden.
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Für den größeren Handel und damit die bedeutenderen Kredite vermutet er sogar eine Unterrepräsentation in den Quellen. Von der Zinshöhe her wäre zu überlegen, welche wirtschaftlichen Unternehmungen Erträge erzielten, die den Einsatz derart hochverzinslicher Kredite überhaupt als wirtschaftlich sinnvoll erscheinen lassen konnten. Für längerfristige Betriebskredite im Gewerbe und Handel waren sie jedenfalls ungeeignet. Im Handel konnten sie zur Finanzierung sehr kurzfristig abgewickelter und hochprofitabler Einzelgeschäfte eingesetzt werden. Zu überlegen wäre auch, welche Alternativen der günstigeren und zudem wucherrechtlich unbedenklichen Kreditfinanzierung begüterten Kreditsuchenden zur Verfügung standen. 29 Waren Juden für sie doch eher eine Art ‚lender of last resort‘, an den man sich nur in außerordentlichen Situationen der Illiquidität wandte? Der eher kleine Konsumkredit tritt wohl im Laufe des Spätmittelalters bei jüdischen Geldverleihern immer mehr in den Vordergrund. Nach meiner Hypothese ist dieser jüdische Kleinkredit vor allem zu Konsumzwecken im Verlauf des Spätmittelalters dann immer entbehrlicher geworden, weil die Handwerker, Gewerbetreibenden, Krämer usw. ihre Lieferungen und Dienstleistungen zunehmend selbst kreditierten und ihn so substituierten. Man musste nicht mehr zum jüdischen oder lombardischen Geldverleiher gehen, sondern konnte beim Lieferanten oder Handwerker direkt anschreiben oder aufs Kerbholz kerben lassen.30 Die vielen kreditierten Lieferungen und Dienstleistungen im Konstanzer Ammansgerichtsbuch deuten gleichfalls in diese Richtung. Von besonderem Interesse ist das ‚Schadennehmen‘, auf das Schnur hinweist und das auch Hagen kurz erwähnt. 31 Hier lässt sich der Unterschied eines Kredits aus Warenlieferungen und Dienstleistungen zu einem Zinsdarlehen verdeutlichen wie auch die Nähe oder der Übergang der beiden Formen. Der Warenlieferant oder 29 Zu diesen Alternativen siehe Gilomen: Grundlagen (wie Anm. 17). 30 Ders.: Substitution (wie Anm. 19), S. 207–233. 31 Guido Kisch: Das Schadennehmen, in: Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozessrecht 5 (1913), S. 477–506. Siehe jetzt die detaillierten Ausführungen zum Schadennehmen bei Schnur: Juden in Frankfurt am Main (wie Anm. 28), S. 533–562. Die von der Stadt Frankfurt nachweislich auf Schaden anderer Städte in den mehr als 20 Jahren zwischen 1361 und 1382 aufgenommenen Summen beliefen sich insgesamt wohl auf nur etwa 1.000 Gulden, wenn ich recht sehe. Das wäre beim Volumen des Stadthaushalts geradezu unbedeutend. Dass bei säumiger Rentenzahlung durch die Städte Rentner die Beträge bei Juden auf Schaden nahmen, ist doch eher selten belegt. Dies wurde durch die Städte als Schuldner mit Sicherheit deshalb möglichst vermieden, weil die Zinskosten dadurch sofort enorm anstiegen. Der Ausfall des Schuldendienstes wies zudem geradezu auf eine Art Bankrott einer Stadt hin und implizierte Vertrauensverlust in deren Kreditfähigkeit. Siehe dazu jetzt Hans-Jörg Gilomen: Anleihen im Finanzhaushalt schweizerischer Reichsstädte insbesondere durch den Rentenverkauf, in: Michael Rothmann / Helge Wittmann (Hg.): Reichsstadt und Geld. 5. Tagung des Mühlhäuser Arbeitskreises für Reichsstadtgeschichte, Mühlhausen 27. Februar bis 1. März 2017 (Studien zur Reichsstadtgeschichte 5). Petersberg 2018, S. 45–98, sowie die bereits ältere Arbeit Ders.: Anleihen und Steuern in der Finanzwirtschaft spätmittelalterlicher Städte. Option bei drohendem Dissens, in: Sébastien Guex / Martin Körner / Jakob Tanner (Hg.): Staatsfinanzierung und Sozialkonflikte (14.–20. Jh.) – Financement de l’Etat et conflits sociaux (14e–20e siècles) (Schweizerische Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte 12). Zürich 1994, S. 137–158. Die Verbreitung des Schadennehmens aufgrund nicht erfolgter Bezahlung von Warenlieferungen und Dienstleistungen und seine wirtschaftliche Bedeutung müssten eingehend untersucht werden.
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Dienstleister machte sich durch den jüdischen Geldverleiher bezahlt: Er erhielt den längst fälligen, zinslos gestundeten Kaufpreis oder Lohn von diesem statt direkt von seinem Kunden; die zinsfrei offene Forderung wurde erst jetzt durch die Abtretung an den Juden in ein Zinsdarlehen desselben an diesen Kunden des Christen verwandelt. 32 Ist es bedeutsam, dass man sich dafür an einen außerhalb der christlichen Gemeinschaft Stehenden, einen ‚Anderen‘, letztlich einen Fremden wandte? Dagegen spricht, dass Geld auf Schaden auch bei durchaus christlichen Lombarden genommen werden konnte. Doch auch sie waren Fremde, wenngleich nur geographisch und ‚ethnisch‘, als ‚Welsche‘ aus Italien stammend, waren ‚Andere‘. Den Typus des Fremden sah Georg Simmel im „Händler mit Produkten, die am Ort nicht produziert werden können, oder in demjenigen, der, wie in einer Sublimierung hiervon, das reine Geldgeschäft“ betreibe. Historisches Beispiel dafür waren ihm die europäischen Juden. In die wirtschaftlich geschlossene aufnehmende Gruppe, „mit aufgeteiltem Grund und Boden und Handwerken, die der Nachfrage genügen“, dringe „gewissermaßen als Supernumerarius“ der Fremde ein, der „seiner Natur nach kein Bodenbesitzer“ ist. 33 Das religiös motivierte Wucherverbot, das Ausnahmeprivilegien für einzelne Fremde, eben Juden und Lombarden zuließ, hat in dieser Sicht die Abgrenzung eher noch verschärft. Tatsächlich gibt es dafür als Gegenprobe die genau entsprechende Abgrenzung auf jüdischer Seite. Unter Juden galt ein wohl noch strikteres Wucherverbot als unter Christen. Geld auf Schaden konnten indessen auch Juden nehmen, aber eben ausschließlich bei Nichtjuden, bei Geldverleihern, die nicht ihrer Religionsgemeinschaft angehörten. Das ist schon erstaunlich früh belegt. Der bis etwa 1150 in Mainz wirkende Rabbiner Elieser ben Nathan hat in einer Response diesen geltenden Grundsatz klar formuliert: „Wenn ein Jude seinem Nächsten Geld schuldet, ihm ein Pfand gibt und zu ihm sagt: ‚Wenn ich dir bis zu jenem Tage nicht zahlen werde, kannst du auf mein Pfand gegen Zinsen Geld aufnehmen,‘ und als der Termin kam, in der Tat Geld gegen Zinsen (von einem Nichtjuden) auf-
32 Auch heute sind solche Forderungen meist für eine dreißigtägige Zahlungsfrist zinsfrei. Kreditkarten können übrigens in ihrer ökonomischen Funktion mit spätmittelalterlichen jüdischen Konsumdarlehen verglichen werden. 33 Georg Simmel: Soziologie. Leipzig 1908, S. 685–691: „Exkurs über den Fremden“ (Zitat S. 686 f.). Zur Kritik seiner Auffassung siehe Gernot Saalmann: Simmels Bestimmung des Fremden im Exkurs von 1908. Freiburg 2007, Download unter http://www.socio.ch/sim/on_simmel/t_saalmann. pdf [30.7.2017]; siehe jetzt Ezio Claudio Pia: Ai limiti della cittadinanza: credito e appartenenza per Ebrei e Lombardi, Mélanges de l’École française de Rome – Moyen Âge, online unter http://mefrm.revues.org/1305 [30.7.2017], englisches Résumé: „The civic ambiguity of Jews between the 12th and 14th centuries, in particular, constitutes the other side of the coin that conveys a ‚positive‘ light to the category of Christian citizenship, constructed on civic honour and the capacity to participate in the common good. A condition of uncertain membership which […] can be applied to a group of ‚almost Jews‘, or better ‚baptized Jews‘, the Lombards, whose long lasting presence in the European financial sphere – between the 13th and 17th centuries – is characterized by a recurrent alternation between inclusion and exclusion from the civitas. This form of imperfect citizenship is determined through the category of usury, which defines the behaviour of those who fail to understand the rules of economic coexistence and, through its extraneousness, potentially contaminates the civic body.“
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nahm, so hat er recht getan und im Auftrage von jenem gehandelt. Jener mag daher gehen und sein Pfand vom Nichtjuden einlösen.“ 34
Noch wenig untersucht ist die Frage, ob die Ermächtigung, Geld auf Schaden zu nehmen, schon beim ursprünglichen Geschäftsabschluss vertraglich explizit vereinbart werden musste oder ob dieses Recht auch ohne weiteres vom Gläubiger in Anspruch genommen werden konnte. Ein Zürcher Erlass von 1324 unterscheidet, ob das Geld bei Juden oder Kawerschen mit Wissen des Schuldners auf Schaden aufgenommen wurde oder ohne dessen Wissen. Im ersten Fall sei die Stadt gehalten, Hauptgut und Schaden (Entschädigung für die Zahlungssäumnis oder – bloß nach moderner Auffassung – ‚Verzugszins‘) von Amtes wegen einzutreiben, im zweiten hingegen nicht. 35 Recht differenziert hat das Rottweiler Hofgericht gemäß der Gerichtsordnung von 1435 Forderungen auf Schaden behandelt, nämlich nur wenn in den Urkunden Kosten und Schaden verbrieft seien oder wenn ein Beklagter sich mündlich dazu bekenne. Komme eine Geächteter aus der Acht, müsse er dem Kläger mit dem Hauptgut die Kosten ersetzen, auch wenn er dies nicht versprochen habe und es nicht verbrieft sei. 36 In Italien referierte Bernardin von Siena bloß als 34 Moses Hoffmann: Der Geldhandel der deutschen Juden während des Mittelalters bis zum Jahre 1350 (Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen 152). Leipzig 1910, S. 167. Siegfried Stein: The Development of Jewish Law on Interest from the Biblical Period to the Expulsion of the Jews from England, in: Historia Judaica 17 (1955), S. 3–40, geht S. 36 auf das jüdische Schadennehmen ein, bringt es aber mit den erst im 13. Jh. rezipierten Überschusstiteln lucrum cessans und damnum emergens in Zusammenhang und zitiert S. 37 einen leider nicht genauer belegten Text: „In the inter-Jewish Shtaroth on moneylending, this concept suddenly appears: […] if the money is not repaid in due course, Jew A, the creditor, allows Jew B, the debtor, to borrow money on interest from a Gentile to indemnify Jew A against damage or loss of gain.“ 35 Heinrich Zeller-Werdmüller (Hg.): Die Zürcher Stadtbücher des XIV. und XV. Jahrhunderts, Bd. 1. Leipzig 1899, S. 66, Nr. 163 (1324): Anno domini M°CCC°XXIIII°. Man schribet allen raeten und burgern ze wissenne: wo ein burger uf einen andern burger von den Juden ald von den Cauwerschin in unser stat guot entlehent mit des schuldeners wissende ald willen, ist, daz die Juden ald die Cauwerschin den beklagent umb ir guot, da ist der rat gebunden uf den eid, beide houptguot und gesuoch in ze gewinnenne. Were aber, das ein burger uf einen andern burger gelt heisset an den Juden ald an den Cauwerschin schriben, da ist der rat nicht gebunden, daz gelt in ze gewinnenne, noch der schultheiss da von ze richtenne mit enkeinen sachen. Siehe auch ebenda, S. 33, Nr. 89 (undatiert, 1324?); S. 80, Nr. 218 (undatiert, 1326?, vielleicht abgeschrieben durch den neuen Stadtschreiber, der ab fol. 51 seit 14. Juli 1335 schreibt). Zum Verfahren siehe Sibylle Malamud / Pascale Sutter: Die Betreibungs- oder Eingewinnerverfahren der Stadt Zürich im Spätmittelalter, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 116 (1999), S. 87–118. Zur Frage der Ankündigungspflicht allfälliger Schadennahme siehe jetzt auch Schnur: Juden in Frankfurt am Main (wie Anm. 28), S. 353–356. 36 Glitsch/Müller (Hg.): Die alte Ordnung (wie Anm. 26), S. 335: Was costen und schaden man uf dem hofgericht erkennt. Item man ertailt nieman kainen costen noch schaden, denn umb verbrieft schuld oder umb verbrieft zins und gült, da die brief schaden und costen wisend und besagend. Es wär denn, das ainer ainem costen und schaden versprochen hett zu beczaln und das der anclagt des gichtig wär, so beczalt er im billich schaden, doch das er den schaden kuntlich mach nach erkantnüß der urtailsprecher. Wirt aber ainer in aucht erclagt und in das auchtbuch geschriben, kompt er darnach uf recht usser aucht und wirt dem cleger umb das hoptgut vellig, wie wol er im dan schaden nit verhaissen noch sich darumb gegen im verschriben hat, so sol er im allen costen mit dem hoptgut beczaln, der dem cleger von gerichcz wegen daruf gangen
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Meinung einzelner Autoren (quidam tamen dicunt), dem Schuldner müsse von vornherein angezeigt werden, dass bei Zahlungsverzug der Gläubiger gezwungen sein werde, Geld auf Schaden zu nehmen. 37 Eine allgemein geforderte Voraussetzung war dies demnach offenbar hier nicht. Unerforscht ist es, wie oft Gläubiger dieses so häufig in den Verträgen genannte Recht auch wirklich in Anspruch genommen haben. Wucherrechtlich war es ganz unbedenklich und keineswegs ein Widerspruch, für einen zinslosen und deshalb erlaubten Kredit – hier für Waren oder Dienstleistungen – nach dem Ablauf des vereinbarten Zahlungstermins für weitere Stundung eine Entschädigung zu verlangen. In der Literatur wird dies dann häufig als ‚Verzugszins‘ bezeichnet. Aber dies ist eine ganz anachronistische moderne Auffassung, die einen nicht existierenden Widerspruch zum Wucherverbot konstruiert oder impliziert. In mittelalterlicher Sicht sind dies keine Darlehenszinsen oder Verzugszinsen, sondern es sind Entschädigungen für den Vert ra gs bru c h durch Nichteinhalten des vereinbarten Zahlungstermins und für den daraus entstehenden Schaden für den Gläubiger. Genauer spricht man in der Literatur deshalb von einem ‚extrinsischen oder äußeren Zinstitel‘, titulus mutuo extrinsecus in der Terminologie des Thomas von Aquin, 38 wobei Karl Lessel schon 1905 moniert hat, da kein Zins vorliege, sei „im Sinne der kanonistischscholastischen Lehre […] der Ausdruck ‚Ueberschusstitel‘ zutreffender“. Es gehe dabei um „die in äusseren Umständen liegende Berechtigung zur Annahme eines Ueberschusses […], auf den […] die Kategorie ‚Zins‘ nicht passt, weil er einem wirklichen Gewinn des Darleihers keinen Raum lässt […].“ 39 Im Spätmittelalter wurden selbst Darlehen von Lombarden und Juden kurzfristig zinsfrei gewährt; erst bei Überschreitung des gesetzten Zahlungstermins begann eine Entschädigung zu laufen. 40 Dies diente dazu, die Forderungen vor Gericht als wucherrechtlich zulässig durchsetzbar zu machen.
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ist; daz ist umb brief, daz inschribgelt der aucht, claglön den procuratoribus und botenlohn, was er des ussgeben hat und sich an des hofgerichcz amptlüten erfindet. Sancti Bernardini Senensis Ordinis Seraphici Minorum Opera Omnia Synopsibus Ornata, Postillis Illustrata, Necnon Variis Tractatibus […] locupletata. Venetiis 1745, Sermo XLII, Art. 1, Cap. 1, S. 250: Tertius quoque casus est, secundum aliquos, ratione morae, ut si debeas mihi centum ad terminum certum, & in termino solvere noluisti; ex quo oportuit me pecunias recipere sub usuris, teneris mihi solvere usuras illas, si solvi eas. Quidam tamen dicunt hoc verum esse, si primo observentur haec duo: Primo, quod sibi dicere debeo: Si mihi meum non reddis, oportebit me recipere ad usuram; quia alias non teneretur. Secundo, quod non possum aliter mutuo invenire, nisi per usuram. Terence P. McLaughlin: The Teaching of the Canonists on Usury, in: Mediaeval Studies 1 (1939), S. 81–147 [= Tl. 1]; 2 (1940), S. 1–22 [= Tl. 2], hier Tl. 1, S. 125–147: „Cases where something may be received in excess of the principal“; Jean Ibanès: La doctrine de l’église et les réalités économiques au XIIIe siècle: l’intérêt, le prix et la monnaie (Travaux et recherches de la Faculté de Droit et des Sciences économiques de Paris, série Sciences économiques 4). Paris 1967, S. 23– 27; Christian Braun: Vom Wucherverbot zur Zinsanalyse, 1150–1700 (Schriftenreihe des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Zürich 35). Winterthur 1994, S. 68 f. Karl Lessel: Die Entwicklungsgeschichte der kanonistisch-scholastischen Wucherlehre im 13. Jahrhundert. Diss. Freiburg im Ue. 1905, S. 18. Michael Toch: Geld und Kredit in einer spätmittelalterlichen Landschaft. Zu einem unbeachteten hebräischen Schuldenregister aus Niederbayern (1329–1332), in: Deutsches Archiv für
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Es gab eine ganze Reihe solcher Überschusstitel. Der Kanonist Heinrich von Segusia († 1271), als Kardinalbischof von Ostia genannt Hostiensis, hat sie samt einigen zusätzlichen Fällen in seiner Summa in einen Merkspruch gegossen.41 Antonin von Florenz hat diesen Spruch in seiner Summa etwas ungenau zitiert. Es heißt bei Antonin: „Auch ist zu merken, wenngleich einige sagen, Wucher sei in einigen Fällen zugelassen, so ist es richtiger zu sagen, dass er in keinem Fall zugelassen ist. Aber da in jenen Fällen, die sie anführen, etwas über die Hauptsumme hinaus genommen wird, deshalb und wegen einer gewissen Ähnlichkeit wird weit und unrichtig genommen gesagt, es sei hier Wucher zugelassen, aber es ist kein Wucher. Diese Fälle aber hat Hostiensis in seiner Summa aufgestellt, nämlich: Feuda fideiussor pro dote stipendia cleri. Venditio fructus cui velles iure nocere. Vendens sub dubio pretium post tempora soluens. Pena ne in fraudem legis commissorie gratis. Dans sociis pompam plus sorte modis datur istis.“ 42
Einige dieser Titel hatten zur Zeit des Antonin indessen an Bedeutung eingebüßt. Am wichtigsten waren im Spätmittelalter lucrum cessans – ein virtueller, in der Zukunft als möglich gedachter Schaden, damnum emergens – ein de facto erlittener Schaden, mora – Zahlungsverzug, poena conventionalis – Vertragsstrafe (meist für alle Überschusstitel gebraucht), periculum sortis – Risiko. In den Urkunden ist seit der Mitte des 13. Jahrhunderts für die erlaubten Überschüsse die Gesamtformel damnum, interesse et expensae üblich: Schaden (damnum), Verzugsentschädigung (interesse) und Kosten (expensae). Schon Raimund von Pennaforte hatte für ihre Erlaubtheit angeführt: […] non sunt usurae, […], sed potius interesse, id est, non lucrum est, sed vitatio damni. „Es sind nicht WucherErforschung des Mittelalters 38 (1982), S. 499–550, hier S. 513 sowie S. 544, 546, 554, belegt jüdische Darlehen aus Straubing, die sogar nur „bis zur Finsternis“, d.h. gemäß Toch (ebenda, S. 513) bis zum jüdischen Tagesende mit eintretender Dunkelheit zinsfrei gewährt wurden und für die anschließend wegen Verzögerung der Rückzahlung Entschädigung zu zahlen war. 41 Henricus a Segusio cardinalis Hostiensis: Aurea summa. Coloniae 1612, Lib. 5, cap. 19, sec. 7, Sp. 1448 f.: Feuda, fidejussor, pro dote, stipendia cleri, / Venditio fructus, cui velle jure nocere, / Vendens sub dubio pretium, post tempora solvens, / Poena nec in fraudem legis commissoriae, gratis, / Dans socii pompa, plus sorte modis datur istis. „Lehen, Bürge, für die Mitgift, Lohn des Klerus, Verkauf von Erträgen, wem du schaden willst, verkaufend bei Unsicherheit der Preise, nach Fälligkeit zahlend, Strafe, damit nicht das kommissorische Gesetz umgangen wird, unentgeltlich, dem Genossen zur Prunkentfaltung, wird auf diese Arten mehr als das Hauptgut gegeben.“ Henrici de Segusio Cardinalis Hostiensis Summa aurea. Venetiis 1574, liber 5, De Vsuris 8, Sp. 1619–1627: An aliquo casu vltra sortem quicquam licite exigatur, hier Sp. 1623, https://works.bepress.com/david_freidenreich/37/ [30.7.2017]. 42 Antoninus Florentinus: Summa theologica. Nürnberg 1477, online unter http://digital.ub.uniduesseldorf.de/urn/urn:nbn:de:hbz:061:1-33525 [30.7.2017], pars II, tit. 1, cap. 7, § 3: Item notandum quod licet quidam dixerint vsuram esse concessam in quibusdam casibus proprie loquendo in nullo casu conceditur. Sed quia in illis casibus quos illi ponunt aliquid recipitur vltra sortem, ideo et propter aliquam similitudinem large et inproprie sumendo dicitur vsura ibi permissa sed non est vsura. Illos autem casus ponit Hosti. in summa, videlicet Feuda fideiussor pro dote stipendia cleri. Venditio fructus cui velles iure nocere. Vendens sub dubio pretium post tempora soluens. Pena ne in fraudem legis commissorie gratis. Dans sociis pompam plus sorte modis datur istis. Der Text steht im Corpus Iuris c.3.X de fidejussoribus III.22. Zu päpstlichen Texten zu diesen Titeln siehe Gilomen: Zinsverbot (wie Anm. 23).
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zinsen, sondern vielmehr Entschädigungen, d.h. es ist nicht Gewinn, sondern Vermeidung von Schaden.“ 43 Gewinn aus Darlehen zu ziehen, ist wucherisch; aber den Schaden und die aufgelaufenen Kosten darf der Gläubiger sich ersetzen lassen. Beide genannten Themen, dasjenige der Wuchertheorie und das der Abgrenzung zwischen jüdischen und christlichen Darleihern, sind bei der Einrichtung der Montes pietatis angesprochen, denen der Beitrag von Tanja Skambraks gilt.44 Schon zeitgenössisch wurde heftig darüber gestritten, ob Pfandkredite von den Montes völlig unentgeltlich zu gewähren seien oder ob eine geringe Entschädigung zur Deckung der Unkosten erhoben werden dürfe. Darüber waren die observanten Minoriten, welche die Montes pietatis propagierten, zerstritten. In Urbino predigte vor der Errichtung des Monte 1468 Domenico da Leonessa für Unentgeltlichkeit, Fortunato Coppoli hingegen für ein Entgelt der Spesen. 45 Der Streit darüber wurde dann vor allem zwischen Dominikanern, Augustinereremiten und Franziskanern ausgetragen. In Florenz predigten Christophorus de Massis in der Kirche Santa Felicita und Thomas de Bergamo in der Dominikanerkirche Santa Maria Novella gegen den entgeltlichen Monte; gleichzeitig predigten über dessen Erlaubtheit Jacobus de Lallio in der Kathedrale und Fortunatus de Perusio in der Franziskanerkirche Santa Croce. 1473 wurde darüber vor dem Vikar des Erzbischofs verhandelt, der dann entschied, der entgeltliche Monte sei erlaubt und nicht wucherisch; die das Gegenteil gepredigt hatten, sollten es nicht wagen, in der Diözese von Florenz weiter dagegen zu predigen unter Strafe der Exkommunikation ipso facto.46 Auch der eifrige franziskanische Propagandist der Montes pietatis Bernardino da Feltre trat für Kompensation der Kosten ein. Ganz kostenlose Darlehen der Montes forderten nicht nur Dominikaner,
43 Raymundi de Pennafort o.P. Summa ad manuscriptorum fidem recognita & emendata, Sacrorumque Canonum, qui in codicibus & anterioribus editionibus tantummodo allegantur, testimoniis aucta, juxta editionem anni 1720 quam p. Honoratus Vincentius Laget ejusdem ordinis procuravit. Quid in nova haec editione praestitum sit. Veronae 1744, online unter https://archive.org/ stream/bub_gb_Ge5dJpx5O9YC/bub_gb_Ge5dJpx5O9YC_djvu.txt [30.7.2017], Lib. II, § II, S. 206: In quibus casis usurae permittantur, vel prohibeantur? Es geht hier näherhin um den Bürgen, der für den Schuldner bezahlt hat und nun dafür Rückzahlung samt interesse verlangt. 44 Einen informativen kurzen Überblick über die Forschung gibt Nicola Lorenzo Barile: Renaissance Monti di Pietà in Modern Scholarship: Themes, Studies, and Historiographic Trends, in: Renaissance and Reformation 35,3 (2012): Special Issue: The Material Culture of Debt, S. 85–114. 45 Mauro Carboni / Maria Giuseppina Muzzarelli: Introduzione, in: Dies. (Hg.): I monti di pietà fra teoria e prassi. Quattro casi esemplari: Urbino, Cremona, Rovigo e Messina. Bologna 2009, S. VII–IX, hier S. VIII. 46 Siehe die Sentenza di Domenico Bocchi nella disputa tra Francescani e Domenicani per la costituzione del Monte di Pietà (23 Aprile 1473), abgedruckt bei Marino Ciardini: I banchieri ebrei in Firenze nel secolo XV e il monte di pietà fondata da Girolamo Savonarola. Borgo San Lorenzo 1907, S. lii, Nr. XVI, hier nach dem notariellen Protokoll. Der Text ist auch enthalten in Bernardino de Bustis: Defensorium Montis pietatis contra figmenta omnia emule falsitatis, editum a fratre Bernardino de Busti, [Hagenau] 1513, online unter https://archive.org/details/bub_gb_ 20_9uADPigMC [30.7.2017], S. 89b-90a, bzw. in der Ausgabe Milano 1497, online unter http:// visualiseur.bnf.fr/Visualiseur?Destination=Gallica&O=NUMM-059141 [30.7.2017]. Nach dieser ediert und übersetzt den Text auch Saverio Amadori: Nelle bisacce di Bernardino da Feltre. Gli scritti giuridici in difesa dei Monti di Pietà. Bologna 2007, S. 162 f.
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sondern etwa auch der Franziskaner Michele da Acqui. 47 Besonders scharf hat der Augustinereremit Nicolo Bariano kostenpflichtige Montes-Darlehen in seinem Traktat mit dem polemischen Titel ‚De Monte impietatis‘ als wucherisch angegriffen. 48 Durchgesetzt hat sich aber die von Bernardino vertretene Meinung. Im Rededuell mit Michele da Acqui erwirkte er für sie 1493 die Billigung durch das Generalkapitel des Franziskanerordens in Florenz und dessen Weisung, dass künftig alle Ordensangehörigen nur noch über jenen Monte predigen sollten, bei dem für den Lohn des Personals und die Kosten ein Betrag über das Hauptgut des Darlehens hinaus erhoben werde. 49 Diese Auffassung wurde am Fünften Laterankonzil 1515 durch die Bulle ‚Inter multiplices‘ Papst Leos X. für die Gesamtkirche bestätigt. 50 Mit dieser Bulle hat sich in einem großen Teil der Literatur bis heute die unzutreffende Interpretation verbunden, damit sei die Darlehensverzinsung vom Papst zugelassen worden.51 Tatsächlich steht in der Bulle nichts dergleichen. Sie referiert 47 Über seinen Einsatz für die Errichtung des Mons pietatis in Verona berichtet begeistert Petrus Donatus Advogarius: Oratio ad senatum populumque Veronensem de Monte pietatis. [Verona nach 1490], online unter https://bildsuche.digitale-sammlungen.de/index.html?c=viewer&lv= 1&bandnummer=bsb00065147&pimage=00065147&suchbegriff=&l=it [30.7.2017]. Siehe auch Adelaide Ricci: Cremona, il suo primo Monte e il „Consortio de la Sancta Pietà“, in: Carboni/ Muzzarelli (Hg.): I monti di pietà (wie Anm. 45), S. 67–99, hier S. 71. 48 Nicola Barianus de Placentina [Nicolò Bariano]: De Monte impietatis. Cremonae 1496, online unter https://archive.org/details/ita-bnc-in2-00001151-001 [30.7.2017]. Auch in: Dorothei Asciani [Matthias Zimmermann, 1625–1689] Montes Pietatis Romanenses Historice, Canonice, Theologice detecti. Praemittitur Justus Tractatus De Nervis Rerum Gerendarum Roman. Eccles. Subjungitur Biga Scriptorum Pontificiorum Nicolai Bariani Augustiniani Montes Impietatis et Michaelis Papfavae Decisio contra Montes Pietatis. Lipsiae 1670, nach S. 965 mit neuer Zählung 1–105, online unter https://archive.org/details/bub_gb_XUeQtq_DRD8C [30.7.2017]. Zu Bariano siehe Maura Piccialuti: Art. ‚Bariani, Nicolò‘, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 6. Roma 1964, online unter http://www.treccani.it/enciclopedia/nicolo-bariani_(Dizionario-Biografico)/ [30.7.2017]. 49 Ausführlich über die Verhandlungen am Generalkapitel Bernardino Guslino: La vita del beato Bernardino da Feltre, hg. von Ippolita Checcoli. Bologna 2008, S. 231–233. Andrea Merli: Vita del beato Bernardino da Feltre della regolare osservanza di s. Francesco. Pavia 1818, sagt nur kurz S. 183: „Fu in questo Capitolo Generale, che disaminata venne, e discussa l’insorta quistione, in qual maniera fondar si dovessero i Monti di pietà, la cui decisione fu a Bernardino favorevole, e per lui gloriosa.“ 50 Bullarum diplomatum et privilegiorum sanctorum Romanorum pontificum Taurinensis editio, Bd. 5. Augustae Taurinorum 1860, S. 621–623; http://www.documentacatholicaomnia.eu/01_10_ 1512-1512-_Concilium_Lateranum_V.html [30.7.2017]. 51 Beispielsweise Jim Halteman: Productive Capital and Christian Moral Teaching, in: Faith and Economics 44 (2004), S. 26–38, hier S. 33: „Finally in 1515 Pope Leo X gave tentative approval to interest on loans at the Fifth Lateran Council. Commenting on this historic event Diana Wood (2002) suggests that ‚One of the most significant aspects of medieval economic thought was the emergence of the concept of interest on loans and its divorce from usurious and therefore sinful, profit. Ultimately this meant that money came to be regarded not just as a convenient medium of exchange, but as capital. And capital, given the right treatment, could and did grow […]. It is nicely ironic that it was the Pope himself who finally ‚justified‘ the taking of interest, in the sense of compensation and separated it from its sinful cousin usury (p. 207).‘“ Der Hinweis gilt Diana Wood: Medieval Economic Thought. Cambridge 2002, S. 207. Apodiktisch Rosa Maria Dessi: Usura, Caritas e Monti di Pietà. Le prediche antiusurarie e antiebraiche di Marco da Bologna e di Michele Carcano, in: I frati osservanti e la società in Italia nel secolo XV
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zunächst die beiden kontroversen Meinungen und erwähnt auch, bereits Paul II., Sixtus IV., Innozenz VIII., Alexander VI. und Julius II. hätten zugestimmt, dass von den Montes aufgrund des Darlehens selbst nichts gefordert oder erhofft werde, dass aber als Entschädigung für die Aufwendungen von den Nutznießern der Darlehen ein bescheidener Betrag über deren Summe hinaus erhoben werden dürfe. 52 Mit dem Hinweis auf diese früheren päpstlichen Stellungnahmen betonte Leo X., dass seine Bulle keinerlei Neuerung enthalte. Zugelassen wird nur eine Entschädigung für Verwaltungskosten ohne jeden Gewinn der Montes (absque montium huiusmodi lucro), zugelassen wird also – mit modernen Begriffen – nicht ein ‚Zi ns‘, sondern eine ‚Geb üh r‘.53 Der Papst und das Konzil wiesen darauf hin, dass es noch besser wäre, wenn diese Kosten nicht den Armen, welche die Darlehen beanspruchten, aufgebürdet, sondern anderswie gedeckt würden. 54 Es geht in der Auffassung von Papst und Konzil überhaupt nicht um die Bewilligung einer – wenn auch mo(Atti del XL Convegno internazionale in occasione del 550o anniversario della fondazione del Monte di pietà di Perugia, 1462, Assisi – Perugia, 11–13 ottobre 2012). Spoleto 2013, S. 170–268, hier S. 173: „Furono dei nuovi discorsi elaborati in ambito francescano in favore della subventio pauperum e rivolti contro la natura perfida degli ebrei, a mettere in moto quel lento processo di legittimazione del Monte di Pietà conclusosi nel 1515 con la bolla Inter multiplices di papa Leone X, che considerava lecito l’interesse richiesto perché necessario per sovvenire alle spese di gestione del Monte.“ Differenzierter, wenngleich doch nicht ganz zutreffend schon Winfried Trusen: Die Anfänge öffentlicher Banken und das Zinsproblem, in: Lutter/Kollhosser/Trusen (Hg.): Recht und Wirtschaft (wie Anm. 15), S. 113–131, hier S. 131: Das Fünfte Laterankonzil habe 1515 entschieden, dass mäßige Zinsen für die Darlehen der Montes pietatis erlaubt seien zur Deckung der Unkosten. „Damit war in der Praxis der Weg für die Anerkennung eines konventionellen Darlehenszinses ohne konkrete Berechnung des Interesses geebnet, auch wenn man die Lehre von den Zinstiteln keineswegs aufgab.“ Besonders scharf hat sich gegen solche Interpretationen gewandt Oscar Nuccio: Etica ed economia. Una critica radicale a Michael Novak e ai teocon, online unter http://www.kelebekler.com/occ/teocon00.htm [30.7.2017]. Nicht einsehen konnte ich Ders.: „Senza profitto dei monti“. Errore sostenere che Leone X ne legittimò l’interesse, in: Rivista Bancaria – Minerva Bancaria 57,5 (2001), S. 83–96 [= Tl. 1]; 57,6 (2001), S. 95– 110 [= Tl. 2]. Noch im Reichsabschied von 1654 wurden die Zinsen als Ausgleich für das interesse, also als Ersatz des damnum emergens und des lucrum cessans angesehen, ohne dafür Nachweise zu fordern. Reichsrechtlich ist die kanonistische Zinsregelung nie aufgehoben worden. 52 Bullarum … editio, Bd. 5 (wie Anm. 50): Aliis vero pluribus magistris et doctoribus contra asserentibus et in multis Italiae gymnasiis verbo et scripto conclamantibus pro tanto bono tam que reipublicae pernecessario modo ratione mutui nihil petatur neque speretur pro indemnitate tamen eorumdem montium impensarum videlicet ministrorum eorumdem ac rerum omnium ad illorum necessariam conservationem pertinentium absque montium huiusmodi lucro id que moderatum et necessarium ab his qui ex huiusmodi mutuo commodum suscipiunt licite ultra sortem exigi et capi posse nonnihil licere cum regula iuris habeat quod qui commodum sentit onus quoque sentire debeat praesertim si apostolica accedat auctoritas. 53 Auch moderne Banken verrechnen (zunehmend) nicht nur Kreditzinsen, sondern auch Gebühren für Verwaltung (z.B. Kontoführung) bzw. für Transaktionskosten. 54 Bullarum … editio, Bd. 5 (wie Anm. 50): […] multo tamen perfectius multo que sanctius fore si omnino tales montes gratuiti constituerentur hoc est si illos erigentes aliquos census assignarent quibus si non omni saltem vel media ex parte huiusmodi montium ministrorum solvantur impensae ut ad leviorem aeris solvendi portionem medio hoc pauperes gravari contingat ad quos cum huiusmodi census assignatione pro impensarum supportatione erigendos christi fideles maioribus indulgentiis invitandos esse decernimus.
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deraten – Verzinsung der Darlehen, die klar wucherisch wäre. Die Rubrik, unter der die Bulle im ‚Bullarium Romanorum pontificum‘ publiziert ist, lautet denn auch ganz klar: „Die Montes Pietatis, die durch christliche Barmherzigkeit errichtet sind, dürfen Geld darleihen und etwas für die Aufwendungen und als Entschädigung erhalten.“ 55 Das ist die Auffassung, die auch noch Pietro Ballerini 1747 gegen jede 55 Ebenda: Montes Pietatis, christiana charitate instituti, pecunias licite mutuant, aliquo pro impensis et indemnitate, et quidem moderate, recepto. Als das Konzil bereits tagte, wurde der schon 1498 verfasste Traktat ‚De monte pietatis magistri Thomae de Vio Caietani generalis Ordinis praedicatorum, Rome apud Iacobum Mazochium die 27. Februarii 1515‘ gedruckt, versehen mit der direkten Anrede des Autors an den Papst: Hec sunt Pater Beatissime, que in difficultate hac de Monte Pietatis mihi occurrunt. Et quia cogitationes mortalium timide humanumque iudicium sepe fallitur, et de salute hic agitur animarum, Beatitudinis tue iudicio in hac presertim synodo ea submittenda censui, humiliter supplicans ut certe veritatis sententiam a tuo suscipiamus apostolatu. Valet felix semper Auguste Rome die 8. Februarii 1515. Finis. Online unter https://archive.org/details/bub_gb_7aWdUhQr2DcC [16.5.2018]. Im Folgenden zitiere ich nach der Ausgabe: Opuscula omnia Thomae de Vio Caietani, cardinalis tit. S. Xisti, in tres distincta tomos, variis quaestionibus cum suis conclusionibus, ac utilissimis annotationibus appositis, recens aucta atque locupleta. Lugduni 1558, die allerdings die Seitenzahlen 185 und 186 doppelt aufweist, online unter https://archive.org/details/bub_gb_YjxOogOv6HIC [16.5.2018]. Cajetan behandelt sein Thema unter bewusstem Ausschluss des kanonischen und zivilen Rechts allein aufgrund der aristotelischen kommutativen und distributiven Gerechtigkeit. Er kommt zum Schluss, die Statuten der Montes seien gemäß iustitia commutativa ungerecht, da sie von den Darlehensnehmern die Bezahlung von Leistungen forderten, die nicht diesen, sondern den Darlehensgebern bzw. dem Monte zugute kommen: Nullus pauper tenetur ad reddendam mercedem debitam ministris huiusmodi pro custodia pecuniae vel pignoris, pro opere scribendi libros ratiocinii, aut pro domo ad haec conducta. Patet ista ex illo principio negativo, quo dicitur, quod nullus tenetur mercedem reddere pro opere facto in alterius favorem. S. 186-Ia Z. 7. Gemäß iustitia distributiva seien die Statuten ungerecht, weil sie von den Bedürftigsten, welche die größten Darlehen aufnehmen müssten und sie am längsten nicht zurückzahlen könnten, die höchsten Beiträge forderten, da ja die Belastung proportional von der Darlehenssumme und nach der Dauer bis zur Rückzahlung erhoben werde: […] non habetur, quod oportet mercedem istam quantitati mutui et tempori quo retinetur, commensurare. S. 186-IIa Z. 10. Sed secundum capitula huius Montis quanto pauper magis eget, magis gravatur […]. S. 188a Z. 1. Cajetan sagt nirgends, damit werde ein Darlehenszins erhoben, obwohl die kritisierte Veranlagungsart die erhobene Gebühr formal einem wucherischen Darlehenszins doch sehr nahe kommen ließ. Cajetan unterscheidet Ungerechtigkeit und Wucher klar. Das 9. Kapitel des Traktats trägt den Titel: Determinatio, quod in praedictis contractibus committitur usura. S. 186-IIa Z. 30. Wucherisch sei nicht nur die Erhöhung des Kapitals, sondern auch die Forderung von Rekompensation eines Schadens, der nicht aus der Wohltat des Darlehens entstehe: […] usura duobus modis committitur, scilicet augendo ex mutuo capitale, et exigendo recompensationem damni, quod non propter mutui beneficium incurritur. S, 186-IIa Z. 35. Zwei weitere von Cajetan angesprochene Punkte sind angesichts der Argumentation in der päpstlichen Bulle von besonderem Interesse. Leo X. wies darauf hin, es wäre viel besser und heiliger, wenn die Kosten nicht den Armen aufgebürdet sondern anderswie gedeckt würden. Cajetan formulierte dasselbe präziser und zwingender: Secundo dico, quod non sufficienter arguendo probatur, communitatem aut principem non teneri ad solvendam ministris mercedem. […] aequitas tamen a iustitia non multum remota exigit, quod princeps aut communitas ex publico aerario pauperibus etiam hoc modo subveniat. S. 185-IIb Z. 59. Leo X. betonte, seine Bulle enthalte gegenüber den Äußerungen seiner Vorgänger in dieser Sache keine Neuerung. Cajetan behauptete jedoch, die Päpste hätten zwar die Montes pietatis gebilligt, deren Statuten aber nur unter Vorbehalt des kanonischen Rechts, auf
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calvinistische, jansenistische oder sonstwie ‚häretische‘ Aufweichung als katholisch verteidigt hat: „Und so ist diese zur Entschädigung derselben Montes erhobene Zahlung bloße gerechte Vergütung der Löhne und Aufwendungen; ein Gewinn aber aus dem Darlehen oder des Darleihers ist es nicht, weshalb es auch kein Wucher sein kann.“ 56 Das entspricht auch völlig der von Bernardinus da Feltre in jenen drei Predigten in Pavia im April 1493 vertretenen Meinung, die, wie Oreste Bazzichi formuliert, „das theologische, anthropologische und soziale Fundament der Monti di Pietà konstituiert haben.“ 57 Entgegen Bazzichis Interpretation forderte Bernardino aber keineswegs die Zulassung von Zinsdarlehen durch den Monte, sondern er führte aus, wenn der Monte einen geringen Betrag über die Summe des Darlehens hinaus erhebe, so verlange er dies nicht aufgrund des Darlehens, sondern um die notwendigen Aufwendungen der Verwaltung zu decken. Erhellend sind zwei Beispiele, die er als Analogien anführte: Eine Witwe hortete Getreide. Da bat eine Arme, sie solle das er hier nun doch rekurriert: Ubi nota quod Mons ipse est simpliciter approbatus et erectus ab ipso summo Pontifice. Eius autem capitula supradicta sunt approbata cum hoc adiectivo, scilicet sacris canonibus non contraria: unde si qua capitula sunt sacris canonibus contraria, approbata non sunt. S. 190a Z. 13. Diese Einschränkung habe er, Cajetan, selbst in der Bulle für den Monte von Mantua gesehen. Dort steht tatsächlich nach einer detaillierten Zusammenfassung der Statuten, darunter der Bestimmungen über die von den Darlehensnehmern geforderten Gebühren, die Begründer des Monte hätten weitere Statuten erlassen, die den Bestimmungen der heiligen Väter nicht widersprächen: […] nonnulla alia Capitula et ordinationes desuper juxta materiae hujusmodi exigentiam, sanctorum Patrum decretis minime contraria, ediderunt […]. Daraus lässt sich aber umso weniger ein Vorbehalt ableiten, als weiter unten der Papst klar formuliert, er erteile seine Zustimmung […] Pauli Papae II. qui Perusinae, et Sixti IV. Romanorum Pontificum pradecessorum nostrorum, qui Savonen. Civitatum Montis Pietatis ordinationes et statuta per eorum litteras approbarunt, vestigiis inhaerendo […]. Annales Minorum (wie Anm. 115), S. 413. Cajetan irrt auch, wenn er diese angebliche Einschränkung auf alle päpstlichen Erlasse für Montes pietatis bezieht, ja sogar deren Verfälschung unterstellt: Non sunt igitur approbata capitula illa, quae iniusta esse superius monstratum est: propter quod si ita est, non parvum peccatum fuit, facere imprimi summi Pontificis bullas truncatas absque illa particula, scilicet sacris canonibus non contraria. S. 190a Z. 19. Unzugänglich war mir Thomas De Vio [Thomas Cajetan]: Scripta philosophica. Opuscula oeconomica-socialia, hg. von P[aul] Zammit. Romae 1934; gemäß Rodolfo Savelli: Aspetti del dibattito quattrocentesco sui monti di pietà: consilia e tractatus, in: Banchi pubblici, banchi privati e monti di pièta nell’Europa preindustriale: amministrazione, tecniche operative e ruoli economici. Atti del convegno, Genova, 1–6 ottobre 1990, 2 Bde. (Atti della Società ligure di storia patria, Nuova serie 31,2). Genova 1991, Bd. 1, S. 541–560, hier S. 544, soll dort der Traktat enthalten sein. 56 Pietro Ballerini: De jure divino et naturali circa usuram libri sex. In quibus adversus Haereticos usurarum patronos, cum recentes, tum antiquiores, catholicum praesertim dogma fuse defenditur, Bd. 1. Bologna 1747, online unter https://archive.org/details/bub_gb_RwKhkjZqdAYC [30.7.2017], Cap. XI, 8–12, S. 103–105, hier S. 104 f.: Ita haec solutio pro indemnitate ipsorum Montium exacta mera est stipendiorum, ac impensarum justa solutio; lucrum autem ex mutuo, aut mutuantis non est, unde nec usura esse potest. 57 Oreste Bazzichi: Il paradosso francescano tra povertà e società di mercato. Dai Monti di Pietà alle nuove frontiere etico-sociali del credito (Polis & Oikonomia 12). Cantalupa 2011, S. 121 f.: „[…] nell’aprile del 1493 dedicò all’istituzione del Monte di Pavia una trilogia di prediche […], che costituisce il fondamento teologico, antropologica e sociale dei Monti di Pietà.“
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ihr davon einen Saum leihen. 58 Die Witwe willigte ein. Die Arme bat weiter, das Getreide solle ihr nach Hause geliefert werden. Die Witwe beauftragte damit einen Träger. Wer sollte nun den Träger bezahlen? Die Witwe meinte: ich habe schon genug getan, dir das Getreide geliehen zu haben. Bezahle du den Träger, denn er dient dir, nicht mir. Im zweiten Beispiel fand ein Kaufmann einen Städter, der einwilligte, ihm dringend benötigte 100 Dukaten zu leihen. Als Sicherheit wollte er aber einen notariellen Vertrag darüber. Wer bezahlt nun den Notar? 59 Die Zahlung einer Entschädigung beim Darlehen an den Monte erfolge, so Bernardino, nicht vom Darlehen, sondern w e gen des Darlehens. 60 Dieser Gedanke ist leicht in die skizzierte, bereits seit langem geltende kanonistische Wucherlehre zu den extrinsischen Überschusstiteln einzuordnen. Auch bei diesen wird ein Betrag über die Darlehenssumme hinaus bezahlt, der aber nach Auffassung der Kanonisten gleichfalls nicht einen Zins vom Darlehen darstellt, sondern eine Entschädigung für dem Darlehen äußerliche Umstände. Der Traktat ‚Defensorium Montis pietatis contra figmenta omnia emule falsitatis‘ des Franziskaners Bernardino de Bustis, geschrieben auf Anregung des Bernardino da Feltre, zitiert in genau gleichem Sinn aus dem Consilium eines Kollegiums von Doktoren in Piacenza: „Die erste Schlussfolgerung ist es, dass für die Auslagen, Lasten, Löhne usw. etwas anzunehmen bis zum diesen Ausgaben entsprechenden Betrage keinesfalls als Wucher und Sünde bezeichnet werden kann.“ 61 Der ins Dekret aufgenommene ambrosianische Grundsatz: Quodcumque sorti accedit usura est, blieb nach dieser Auffassung ungebrochen gültig. 62 Auch Bernardin von Siena hatte den Satz übrigens in einer Predigt 1425 in der Kirche Santa Croce in Florenz als Definition des Wuchers zitiert.63 Ebenso wie bei extrinsischen Überschusstiteln kam nichts zum Hauptgut (sors, capitale) hinzu. Dies wird auch in den pragmatischen Schriften zur Errichtung von Montes pietatis ebenso klar formuliert, so etwa 1473 in Florenz. Alle 58 Der Saum ist ein Hohlmaß. 59 Allgemein formuliert er: Ognun che accipiet servitium, tornarà denarios sine augumento Montis nec communitatis […] ma non se vol che, qui facies bonum pago la spesa, sed ille qui accipit beneficium, P. Carlo Varischi da Milano (Hg.): Sermoni del b. Bernardino Tomitano da Feltre, Bd. 1. Milano 1964, sermone 55, S. 186 f., zitiert bei Maria Giuseppina Muzzarelli: I Monti di pietà ovvero scommettere sui poveri meno poveri [A stampa in „Quaderni della Fondazione del Monte di Bologna e Ravenna“, XI (2006), a cura di A. Chili, pp. 17–27. Distribuito in formato digitale da „Reti Medievali“], Download unter http://www.rmoa.unina.it/915/ [30.7.2017]. 60 Bazzichi: Paradosso (wie Anm. 57), S. 142 f. 61 Bernardino de Bustis: Defensorium (wie Anm. 46), Pars V, S. 82: Conclusio prima est, quod pro expensis et oneribus et salariis etc. aliquid accipere usque ad concurrentem quantitatem dictarum expensarum nulla prorsus dici potest usura vel peccatum. Auszug aus dem ‚Defensorium‘ ediert und ins Italienische übersetzt bei Amadori: Nelle bisacce (wie Anm. 46), S. 134 f. Danach zitiert Bazzichi: Paradosso (wie Anm. 57), S. 129 f. 62 Decreti pars secunda, causa XIV, Quaestio III, c. III. Mit etwas anderem Wortlaut Ambrosius: De Tobia, in: Migne, Patrologia Latina, Bd. 14. Lutetiae Parisiorum 1845, Sp. 759–794, hier Sp. 778C; siehe auch Ambrosius: De Tobia. Saggio introduttivo, traduzione con testo a fronte di Marta Giachero. o.O. 1965, S. 49. 63 Andrew Colin Gow / Gordon Griffiths: Pope Eugenius IV and Jewish Money-Lending in Florence: The Case of Salomone di Bonaventura during the Chancellorship of Leonardo Bruni, in: Renaissance Quarterly 47 (1994), S. 282–329, hier S. 286.
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Gläubigen hätten immer bekräftigt, das Zinsdarlehen sei derart verhasst, dass nicht nur die Darleiher, sondern auch jene, die auf irgendeine Weise dem Darlehen beistimmen, exkommuniziert seien, heißt es da.64 Es solle deshalb ein Mons subventionis et caritatis errichtet werden, durch den die bedürftigen Armen unterstützt würden gegen ein Pfand und einen angemessenen Betrag nicht für das Darlehen, sondern für die notwendigen Auslagen und für die Lokalitäten und die Bediensteten.65 Dies wirkte sich auch bis in die Buchhaltungen der Montes hinein aus. In derjenigen des Monte von Arezzo der 1490er Jahre wurde die ‚Gebühr‘ für das Darlehen als Lohn (salarium) bezeichnet, um den nicht auf einen Gewinn aus dem Darlehen zielenden Charakter des über die Hauptsumme hinaus geforderten Betrages zu unterstreichen.66 Dass nach modernen Begriffen eine Gebühr als Entgelt für die Transaktionskosten erhoben wurde, ergibt sich besonders erhellend aus der Buchhaltung des Monte von Prato. Unabhängig von der Laufzeit des Darlehens wurde hier eine Taxe von 3 Denaren je Lira erhoben, auch wenn das Darlehen schon am selben Tag oder nach wenigen Tagen zurückbezahlt wurde. Dahinter kann nur die Überlegung stehen, dass die Transaktionskosten für die Verbuchung der Einzahlung und Rückzahlung, für die Registrierung und dann wieder Austragung der Pfänder in den Büchern, für deren Ein- und Auslagerung, für die Kontrolle der Verwaltung praktisch dieselben waren, ob das Darlehen nun bloß für eine kurze oder für die längste zugelassene Laufzeit in Anspruch genommen wurde. Rechnete man die Gebühr bei äußerst kurzen Laufzeiten auf einen ‚Jahreszins‘ hoch, so käme man auf ganz unerhörte Sätze bis hin zu 910 Prozent! 67 64 Ciardini: Banchieri ebrei (wie Anm. 46), S. xlvii, Nr. XV, Provvisione che ordina per la prima volta la costituzione del Monte di Pietà (24 Marzo 1473): […] cuncti tamen fideles semper verum affirmaverunt, adeoque fenus et sacris nostris cristianis est detestatum ut canonum sanctissimis legibus non solum qui fenerantur verum etiam qui modo aliquo consentiunt fenus quique infra breve tempus, cum praesint, possintque prohibere quibus fenerari concessum est ne fenus exigant, et pro viribus non faciunt, excommunicati habeantur et sint, […]. 65 Ebenda: […] pro creatione ed ordinatione unius novi montis, qui nuncupetur Mons subventionis et caritatis: de quo de tempore in tempus nomine comunis florentie subveniatur pauperibus indigentibus, accepto pignore et convenienti mercede non pro mutuo sed pro expensis necessariis, pro locis et ministris et eo modo et forma prout a sacris tbeologis intellexerint fieri posse et debere absque preiudicio anime et sine peccato. 66 Paola Pinelli: „Ragguagliare ai tempi debiti le partite dell’entrate et uscite“. La contabilità dei monti pii toscani tra XV e XVI secolo, in: Maria Giuseppina Muzzarelli / Mauro Carboni (Hg.): I conti dei Monti. Teoria e pratica amministrativa nei Monti di Pietà fra Medioevo ed Età Moderna. Venezia 2008, S. 113–130, hier S. 120: „Normalmente però i prestiti del Monte Pio di Arezzo prevedevano la corresponsione di un interesse che contabilmente veniva indicato come salario, a sottolineare la natura non lucrativa del sovrappiù richiesto.“ Schon in den Statuten des Mons pietatis von Urbino von 1468 wurde das Entgelt über die Leihesumme hinaus salario genannt, siehe die Artikel IX, XII, bzw. capitale e salario in Artikel XV; Edition der Statuten bei Giulietta Gheller: I capitoli del Monte di pietà di Urbino del 1468 e le loro specificità nell’orizzonte delle coeve fondazioni di Monti Pii, in: Carboni/Muzzarelli (Hg.): I monti di pietà (wie Anm. 45), S. 1–65. 67 Pinelli: Ragguagliare (wie Anm. 66), S. 115: „Se guardiamo poi alla pratica quotidiana, ci accorgiamo che nel Monte pratese venne applicato un interesse di tre denari per lira anche nei casi di restituzione nello stesso giorno o a pochi giorni dall’accensione del mutuo, il che significava
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Hätten die Franziskaner als Voraussetzung für die Einrichtung der Montes die kanonistische Anerkennung moderater Zinsen für Darlehen als nicht wucherisch durchsetzen wollen, so wären sie bei der Amtskirche bis hin zu den Päpsten nie durchgedrungen. Nicht die franziskanischen Verfechter der Montes pietatis, sondern ihre Gegner haben in der Entschädigung für Verwaltung und Umtriebe einen Zins und damit Wucher gesehen. Die Bestimmung in der Bulle Leos X., dass der Monte keinerlei Gewinn machen dürfe (absque montium huiusmodi lucro), ist vielleicht näherhin darauf zurückzuführen, dass einzelne Verfechter der Montes, so der Franziskaner Angelo Carletti da Chivasso und der Dominikaner Annio da Viterbo, sogar befürworteten, einen geringen Teil der Entschädigung dem Fonds des Monte zuzuschlagen, was doch wohl die rote Linie zum Zinsdarlehen überschritten hätte. 68 Der Dominikaner Giovanni Nanni (1432–1502) meinte, die Armen, die ein Darlehen vom Monte entgegennehmen, sollten bei der Rückzahlung 10 Prozent über die Summe hinaus bezahlen, wovon die Hälfte für Löhne der Bediensteten, die andere Hälfte zur Vermehrung der Mittel des Mons dienen solle bis zu jener Summe, bei der es dann möglich werde, die Darlehen nur mit einem Aufschlag für die Löhne abzulösen. 69 In diesem Zusammenhang wird in der neueren Forschung häufig eine Textstelle aus einem Traktat des Franziskaners Petrus Johannis Olivi (1247/48–1296/98) angeführt, die eine ‚Kapitalproduktivität‘ postuliere und damit eine Legitimierung von Kapitalzinsen bzw. Darlehenszinsen vollziehe. Die genaue Formulierung ist für die Interpretation wichtig. Deshalb soll sie hier lateinisch zitiert werden: Causa autem quare sub tali pretio potest illud vendere vel commutare est: tum quia is cui prestatur tenetur sibi ad probabiliter equivalens, seu ad preservandum ipsum a damno probabilis lucri; tum quia illud quod in firmo proposito domini sui est ordinatum ad aliquod probabile lucrum, non solum habet rationem simplicis pecuniae, sive rei, sed etiam ultra hoc quamdam seminalem rationem lucrosi, quam communiter capitale vocamus: et ideo non solum habet reddi simplex valor ipsius sed etiam valor superadiunctus. Item ex hoc patet quando aliquis pecuniam, de un tasso d’interesse su base annua molto alto, che addirittura sfiorò in alcuni casi il 910 %.“ Siehe auch Anm. 69. 68 Angelo Carletti da Chivasso: Summa Angelica. Chivasso 1486, online unter https://archive.org/ details/ita-bnc-in2-00001628-001 [30.7.2017]; auch Angelo Carletti: Summa angelica de casibus conscientiae. Venezia 1492; Annio da Viterbo: Pro Monte Pietatis Consilia, hg. von Giovanni Tacuino. Venezia 1495. Siehe Amadori: Nelle bisacce (wie Anm. 46), S. 263 f., zit. bei Bazzichi: Paradosso (wie Anm. 57), S. 131. 69 Ioannis Nannis Viterbiensis ordinis Praedicatorum ad Barotium episcopum Patauinum Questiones due disputate super mutuo iudaico & ciuili & diuino, in: Johannes Baptista Rozellus / Giovanni Campeggi / Bernardus Feltrensis: Pro Monte Pietatis, Consilia sacrorum Theologorum: ac collegiorum Patauii & Perusii. Clarissimoru[m]q[ue] doctor[um] dd. Ioa[n]nis Baptistae Rozelli & Ioa[n]nis Campegii. Cum bulla ac breui dato fratri Bernardino Feltre[n]si. Sa[n]ctissimi Pape Innocentii Octaui. [Venedig ca. 1498], online unter https://www.digitale-sammlungen.de/index. html?c=autoren_index&ab=Rozellus%2C+Johannes+Baptista&l=de [30.7.2017], fol. a ii verso: Accipientes uero mutuum ciues pauperes obligentur ad hec: ut dent pignus usque ad sex menses uel annum: deinde cum repetunt pignus dent ultra sortem decem pro centenario: cuius una pars sit pro salario officialium. Alia ad augendum dictam summam: quousque crescat adeo: ut mutuum dari possit pauperibus absque ultra sortem nisi forte quantum sit pro salario officialium. Zu beachten ist, dass 10 Prozent sowohl für die Leihedauer eines halben wie eines ganzen Jahres erhoben werden sollten, also auch hier eher eine Gebühr als ein Zins, siehe auch Anm. 67.
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Hans-Jörg Gilomen qua firmiter mercari proponitur, prestat alicui ex sola pietate et necessitate illius, sub tali pacto, quod quantum consimilis summa apud talem equivalentem mercatorem lucrabitur vel perdet, tantum ipse lucretur vel perdat; non committit usuram, sed potius facit, aliquam gratiam, salva tamen sua indemnitate, sicut in quadam questione de Quolibet plenius est ostensum. 70
In der Übersetzung von Ulrich Meier lautet die entscheidende Stelle: „Wenn Geld oder Eigentum […] in einem sicheren Geschäft seines Eigentümers angelegt wird für einen gewissen wahrscheinlichen Gewinn (probabile lucrum), so hat das Geld oder die Sache nicht nur die einfache Kraft von Geld oder einer Sache (non solum habet rationem simplicis pecuniae sive rei), sondern darüber hinaus eine gewisse samenartige Kraft zur Profiterzeugung (quamdam seminalem rationem lucrosi), eine Kraft, die wir gemeinhin Kapital nennen (quam communiter capitale vocamus); und daher muss dem Eigentümer nicht nur der einfache Wert der Sache (simplex valor) erstattet werden, sondern außerdem noch ein Mehrwert, ein valor superadjunctus.“ 71
Es geht hier meines Erachtens klar um den extrinsischen Überschusstitel des lucrum cessans. Ich übersetze den entscheidenden Satz selbst wie folgt: „Was nach festem Entschluss des Eigentümers zu einem wahrscheinlichen Gewinn bestimmt ist, hat nicht nur die Kraft bloßen Geldes oder einer bloßen Ware, sondern darüber hinaus eine gewisse Potenzialität (oder Wesenheit) des Gewinnens, die wir gemeinhin Kapital nennen.“ Indessen bleibt Olivi völlig auf dem Boden der thomistischen ‚Arbeitsproduktivität‘, wenn er klar formuliert: „Es steht nämlich fest, dass das Geld, insofern es der Preis käuflicher Güter ist, keinerlei Gewinn bringt außer durch den Fleiß und das Handeln des Kaufmanns.“ 72 Nur die Arbeit – hier des Kaufmanns – schafft danach Wertvermehrung. Die Annäherung des hier eigentlich anvisierten lucrum cessans an den modernen Begriff der Kapitalproduktivität hat schon früh Widerspruch aufgrund marxistischer Ökonomie gefunden. Der Priester und christliche Sozialist Wilhelm Hohoff, der Karl Marx in Übereinstimmung mit der thomistischen Arbeitswerttheorie sah, ist schon 1908 auf die Formulierung Olivis – allerdings in der Wiederaufnahme durch
70 Giacomo Todeschini: Un trattato di economia politica francescana: il De emptionibus er venditionibus, de usuris, de restitutionibus di Pietro di Giovanni Olivi (Studi Storici / Istituto storico italiano per il medio evo 125–126). Roma 1980, S. 85. 71 Ulrich Meier: Lucra honorabilia. Reichtum und Herrschaft in der spätmittelalterlichen politischen Philosophie. Vortrag gehalten anlässlich der Tagung „Reichtum im späteren Mittelalter. Politische Theorie, ethische Handlungsnormen und soziale Akzeptanz“, Venedig, 7.–9. April 2010. Der Vortrag ist in den Akten dieser Tagung nicht gedruckt, siehe Petra Schulze / Peter Hesse (Hg.): Reichtum im späten Mittelalter. Politische Theorie – Ethische Norm – Soziale Akzeptanz (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 232). Stuttgart 2015. Ich danke Ulrich Meier für die großzügige Überlassung des Vortragstyposkripts. 72 Todeschini: Trattato (wie Anm. 70), S. 72. Stefano Zamagni: Per una ricostruzione storica del pensiero economico francescano, in: Giuseppe Chili (Hg.): Francesco d’Assisi. Otto Secoli di Storia (1209–2009). Atti (Quaderni della Fondazione del Monte di Bologna e Ravenna 14). Bologna 2009, S. 15–42, hier S. 17, formuliert: „[…] la giustificazione etica del guadagno – ciò che consente di distinguere il semplice denaro dal capitale – non è nel denaro in quanto tale, ma nel lavoro e nell’operosità di chi se ne serve nel commercio. E’ giusto il guadagno quando è il risultato di un lavoro da parte di chi beneficia del denaro.“
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Bernardin von Siena – eingegangen. 73 Man sei damals zur Ansicht gekommen, „dass das Geld an und für sich zwar unfruchtbar sei; wenn es aber im Handel angelegt werde, so werde es fruchtbar und könne sich selbst vermehren“. Er zitiert dazu Antonin von Florenz: Pecunia ex se sola minime est lucrosa nec valet seipsum multiplicare; sed ex industria mercantium fit per eorum mercationes lucrosa. 74 „Das Geld ist aus sich selbst heraus nicht gewinnbringend und kann sich selbst nicht vermehren; aber durch den Fleiß der Handeltreibenden wird es durch deren Geschäfte gewinnbringend.“ Hohoff kommentierte dazu: „Lucrativ wird das Geld im Handel allerdings, aber nicht produktiv.“ Und weiter: „Man hielt und hält noch heute die zwei ganz verschiedenen Fragen nicht auseinander: 1. Ist es per accidens moralisch und rechtlich statthaft, einen Gewinn mittelst des Geldes zu machen? – und 2. Ist es per se physisch und logisch möglich, dass das Geld fruchtbar oder produktiv werde? Die erste Frage ist freilich zu bejahen, die zweite unbedingt zu verneinen.“ 75
Ulrich Meier hat einen – wie ich meine, wichtigen – Hinweis darauf gegeben, von welchen Vorstellungen her sich Olivis Ausdruck seminalis ratio erschließen könnte.76 Die physikalische Impetuslehre habe um 1300 auf den Kapitalbegriff eingewirkt. „Die Wirkursachen von Bewegung und Geschwindigkeit wurden nicht mehr als körperliche Dinge aufgefasst. Bewegung wurde nun vielmehr auch durch die Vermittlung unkörperlicher Kräfte auf einen bewegten Gegenstand erklärt. […] Olivi nennt die vermittelnde Kraft, die einem Stein beim Wurf oder einem Pfeil beim Schuss mitgegeben wird virtus instrumentalis oder ratio seminalis [!]. Diese Kraft verbleibt in dem Projektil auch nach dem Wurf und nach dem Abschuss. In seinem Tractatus de usuris überträgt er diese Denkfigur auf den Handelsgewinn: Einfaches Geld, simplex pecunia, unterscheidet er dabei kategorial von angelegtem Geld.“
Genauer unterscheidet er im zitierten Text nicht angelegtes, sondern zur Anlage bestimmtes Geld, das hier statt angelegt einem Dritten als Darlehen zur Verfügung gestellt wird (quando aliquis pecuniam, de qua firmiter mercari proponitur, prestat). Diesem Geld, das mithin gar nicht investiert, sondern zwar zur Investition bestimmt, aber doch bloß ausgeliehen ist, spricht er die genannte ratio seminalis zu, da es sie im 73 Zu Hohoff siehe Klaus Kreppel: Entscheidung für den Sozialismus. Die politische Biographie Pastor Wilhelm Hohoffs 1848–1923 (Schriftenreihe des Forschungsinstituts der Friedrich-EbertStiftung 114). Bonn-Bad Godesberg 1974; weitere Literatur in dem guten Wikipedia-Artikel ‚Wilhelm Hohoff‘, https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Hohoff [6.4.2018]. Die Stelle findet sich in Sancti Bernardini Senensis Ordinis Seraphici Minorum Opera Omnia Synopsibus Ornata, Postillis Illustrata, Necnon Variis Tractatibus … locupletata, Bd. 2. Venetiis 1745, online unter http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10813168_00005.html [30.7.2017], S. 197b: Secunda [causa] est, quia illud quod in fermo proposito Domini sui est ordinatum ad aliquod probabile lucrum, non solum habet rationem simplicis pecuniae, sive rei, sed etiam ultra hoc quamdam seminalem rationem lucrosi, quam communiter capitale vocamus. Ideo non solum reddi habet simplex valor ipsius, sed etiam valor superadjunctus. 74 Antonin, Summa. theol. II, tit. 1, c. 7, § 16. 75 Wilhelm Hohoff: Die Bedeutung der Marxschen Kapitalkritik. Paderborn 1908, S. 74 f. Siehe auch Ders.: Zur Geschichte des Wortes und Begriffes ‚Kapital‘, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 14,4 (1918), S. 554–574 [= Tl. 1] und 15,2 (1919), S. 281–310 [= Tl. 2]. 76 Meier: Lucra honorabilia (wie Anm. 71). Meier folgt dabei der Interpretation von Michael Wolff: Geschichte der Impetustheorie. Untersuchungen zum Ursprung der klassischen Mechanik. Frankfurt a.M. 1978, S. 179 und 186 f.
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Handel habe. Wenn man das Bild vom Wurf eines Projektils gedanklich überträgt, gäbe der Fleiß des Kaufmanns dem Geld diese zusätzliche Kraft, diese seminalis ratio im Handel mit. Amleto Spicciani hat darauf hingewiesen, dass der entscheidende Aspekt die ganz bestimmte Intention des Darleihers sei, das Geld eigentlich im Handel gewinnbringend anzulegen. Die unter dieser Voraussetzung über die Darlehenssumme hinausgehende Entschädigung für den entgangenen Gewinn sei keine Ausnahme von der fundamental ethischen Norm des Wucherverbotes, sondern sie sei etwas substantiell vollkommen Verschiedenes vom Wucher, und das heißt hier modern: vom Darlehenszins.77 Der 1271 verstorbene Henricus de Segusio hatte in seiner ‚Lectura super quinque libros decretalium‘ diesen Gedanken schon vorweggenommen. Er schrieb: „[…] wenn einer Kaufmann wäre, der Märkte und Messen zu besuchen und dabei viel zu gewinnen pflegte, mir bei großem Bedürfnis aus Nächstenliebe Geld, mit dem er Geschäfte unternehmen wollte, leihen würde, bliebe ich deshalb zu seiner Entschädigung verpflichtet, sofern dabei nichts mit Wucherbetrug geschieht.“
Er fügte indessen hinzu, dass Papst Innozenz IV. das Gegenteil vertreten habe. 78 Olivi hätte es nicht einmal hypothetisch gewagt, gegen das Wucherverbot zu argumentieren, was damals als Häresie galt. 79 Gemäß Spicciani spricht Olivi dem zur Anlage gelangten oder bestimmten Geld, das er capitale nennt, Produktivität zu.80 Mir scheint indessen eher, dass er die Berechtigung einer Entschädigung für nicht realisierten Gewinn (lucrum cessans) näherhin begründen wollte. Es heißt bei ihm ja ausdrücklich: ad preservandum ipsum a damno probabilis lucri – „um diesen vor dem Schaden eines wahrscheinlichen Gewinns zu bewahren“. Das im Handel eingesetzte Geld vermehrt sich auch bei Olivi nur durch den Fleiß des Kaufmanns. So ist es wohl auch von Bernardin von Siena dann verstanden worden, der dem Kaufmann, der in Florenz städtische Zwangsanleihen zeichnete, eine Entschädigung für lucrum cessans zubilligte, quia non tradidit solam simplicis pecuniae rationem, sed 77 Amleto Spicciani: Il capitale del mercante, l’interesse e lo sconto nel pensiero di Pietro di Giovanni Olivi, in: Ders.: Capitale e interesse tra mercatura e povertà nei teologi e canonisti dei secoli XIII–XV. Roma 1990, S. 85–96, hier S. 89 f.: „Di fronte ad una norma fondamentalmente etica come quella che proibiva l’usura, l’idea di interesse non si poneva tanto come un ‚eccezione‘, quanto piuttosto come un atto totalmente diverso dall’usura. […] L’usura e l’interesse – realtà formalmente identiche ma sostanzialmente diverse – potevano appunto coestistere, perché si consideravano generate da ‚intenzioni‘ diverse.“ 78 Ideo puro […] quod si aliquis sit mercator, qui consuevit sequi mercata et nundinas et ibi multa lucrari, mihi multum indigenti, ex charitate mutuaret pecuniam, cum qua negotiaturus erat, quod ego exinde sibi ad suum interesse remaneo obligatus, dummodo nihil fiat hic in fraudem usurarum […]. Dominus tamen noster [Papst Innozenz IV.] scripsit contrarium. Zitiert bei Amleto Spicciani: La produttività del capitale e la questione dell’interesse nella dottrina teologicocanonista dei secoli XIII–XV, in: Ders.: Capitale e interesse (wie Anm. 77), S. 17–48, hier S. 35 f. 79 Spicciani: Capitale del mercante (wie Anm. 77), S. 93: „[…] non avrebbe mai osato, neppure in via ipotetica, opporsi ad una simile proibizione in un tempo in cui tali atteggiamenti venivano equiparati all’eresia.“ Siehe dazu Gilomen: Zinsverbot (wie Anm. 23): Am Konzil von Vienne wurde 1311 die Duldung von Wucher der Häresie gleichgestellt, Wohlmuth (Hg.): Dekrete der ökumenischen Konzilien, Bd. 2 (wie Anm. 22), S. 384 f. 80 Spicciani: Capitale del mercante (wie Anm. 77), S. 94: „L’Olivi riconobbe dunque esplicitamente la produttività del ‚capitale‘ monetario.“
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etiam tradidit capitale suum – „da er nicht nur das bloße Eigentum des Geldes, sondern auch sein Kapital übertragen hat“. 81 Noch im Traktat ‚De contractibus‘ des Konrad Summenhart von Calw (um 1450–1502) heißt es, dass das Geld nicht realiter vim capitalis besitze, aber doch interpretative seu ablative, weil der Eigentümer es nutzen könne wie ein Kapital. 82 Auch das Wort capitale bei Olivi kann meines Erachtens nicht in einer teleologischen Perspektive als Beleg für eine völlige Neuerung in Richtung des modernen Begriffs der Kapitalproduktivität gedeutet werden. Als Begriff für die Leihsumme begegnet es bereits zwischen 1148 und 1153 in der Antwort Papst Eugens III. auf eine Anfrage des Bischofs von Padua: „Zu dem, was deine Brüderlichkeit von mir erfragt, nämlich ob jene das Verbrechen des Wuchers (crimen usurarum) begehen, die aus den ihnen verpfändeten Gütern die Erträge beziehen und später das Hauptgut (capitale) zurückerhalten, so sage ich dir in Kürze, dass sich alle jene in Wucherverbrechen verstricken, die mehr erhalten als das Hauptgut (capitale) betragen hat, was immer nämlich zum Hauptgut (sorti) hinzukommt, ist Wucher.“ 83
Inhaltlich ging es damals um das Verbot der Totsatzung (mortuum vadium). Der letzte Satz ist ein Zitat aus Ambrosius’ ‚De Tobia‘. 84 Deshalb bezeichnet der Papst im Zitat nun dieselbe Sache – die Leihsumme – nicht mehr als capitale, sondern mit dem von ihm als Synonym verwendeten Begriff des Ambrosius: sors. Es war dies der im Corpus Iuris Canonici ebenso wie im Corpus Iuris Civilis völlig übliche Terminus für die Leihe- oder Darlehenssumme. Ich habe capitale oben mit ‚Hauptgut‘ übersetzt, weil dies im Mittel- bzw. Frühneuhochdeutschen des Spätmittelalters die gängige Bezeichnung der Leihesumme in genauer Übertragung ist. Näher steht dem Begriff capitale bei Olivi jedoch wohl eine Entwicklung in der Handelssprache. In der Handelspraxis in Italien wurde das Wort capitale schon seit dem 11. Jahrhundert für im Handel angelegte Geldsummen verwendet, insbesondere in Commenda-Verträgen. In Frankreich begegnen Belege von capitale für Geldanlagen im Handel dann seit dem 13. Jahrhundert. 85 Was Olivi meinte – im Handel angelegtes Geld – wird demnach schon längst als capitale bezeichnet. Olivi hat den Begriff wohl aus der Handelssprache übernommen und ihn in seine Argumentation für den Überschusstitel des lucrum cessans eingebaut. Wenn alles andere fehlt, wenn es keine konsistente Lehre über die Produktionsfaktoren gibt, kann man dann in den Text Olivis als völlig isoliertes wirtschaftliches Theorem den Begri ff der Kapitalproduktivität hineininterpretieren? Dass man, um Handel zu treiben, Geld benötige und dass man nur mit Einsatz von Geld Handelsgewinne erzielen könne, 81 Trusen: Anfänge (wie Anm. 51), S. 128. 82 Ebenda, S. 124; Trusen zieht S. 128 den Schluss: „Zwar ist der Begriff ‚Kapital‘ im Sinne einer Hauptsumme schon früher verwandt worden. Hier wird aber eine Inhaltsveränderung deutlich.“ 83 Migne, Patrologia Latina, Bd. 180. Paris 1855, Sp. 1567: Ad Johannem episcopum Patavinum. De usuris. Super eo quod a nobis tua fraternitas requisivit, scilicet an illi crimen usurarum (committant) qui ex possessionibus sibi pignore obligatis fructus percipiunt, et postmodum recipiunt capitale, breviter tibi dixerim, eos omnes usurarum criminibus obligari qui plus recipiant quam fuerit capitale; quidquid enim sorti accidit usura est. 84 Ambrosius: De Tobia. Saggio introduttivo … (wie Anm. 62), S. 4, 11, 49. 85 Hohoff: Zur Geschichte (wie Anm. 75), Tl. 1, S. 568–570, mit Einzelbelegen.
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war dagegen gewiss keine neue Einsicht. In die skizzierte Vorstellung von capitale in der Handelspraxis gehört auch schon eine Response des bereits genannten Elieser ben Nathan aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, in der Darlehenszinsen mit Handelsgewinnen verknüpft werden: „Wenn jemand Geld von seinem Nächsten übernimmt, um es gegen Zinsen zu verleihen und den Gewinn zu teilen, er hat aber damit Geschäfte gemacht und dadurch mehr als die Zinsen gewonnen, so kann der Geldnehmer nicht sagen: ‚Was ich über die Zinsen gewonnen habe, gehört mir.‘ Sie müssen vielmehr alles gleich teilen; denn das Geld des anderen hat ihm den Gewinn gebracht.“ 86
Sogar die eigentlich ganz erstaunliche Vorstellung, dass Geld ‚arbeite‘, soll übrigens sehr alt sein. So ist schon im Testament des venezianischen Dogen Giustiniano Partecipazio aus dem Jahr 829 die Rede von solidi laboratorii, also von ‚arbeitenden Solidi‘, die der Doge im Seehandel angelegt hatte.87 Aber arbeitet wirklich das Geld? Laboratorius findet sich nicht im ‚Du Cange‘. Im ‚Mediae Latinitatis Lexicon Minus‘ wird es mit ‚pflügbar‘ von Ackerland übersetzt. 88 Laborare ist in späteren venezianischen Dokumenten der Begriff für das Management einer Investition im Handel. 89 Der im Jahr 1300 verstorbene Jurist Rolandinus, ein genauer Zeitgenosse Olivis, überliefert in seiner ‚Summa totius artis notariae‘, einem Handbuch des Notariatswesens, das Formular eines Vertrages, durch den ein Mann sich an einem Handelsgeschäft beteiligt, indem er einem Kaufmann für ein Jahr 100 Pfund ad laborandum, & causa laborandi, & negociandi in arte & mercantia lanae & pannorum lanae exercendae übergibt, also „um zu arbeiten und Handel zu treiben und das Gewerbe und den Handel mit Wolle und Wolltüchern auszuüben“. 90 Levin Goldschmidt sah darin einen Beleg dafür, „dass man das Kapital behufs Gewinnes ‚arbeiten‘ läßt“.91 Hier arbeitet indessen nach meiner Interpretation der Textstelle der Kaufmann und nicht das Geld, das ihm eben zum Arbeiten und Handeltreiben unter Gewinnbeteiligung des Geldgebers übergeben wurde. Das ist ja gerade der Kern der Commenda, dass der eine Beteiligte nur Geld einschießt und der andere neben eigenem Geld seine Arbeit einbringt. Es war das Wucherverbot, das die Formung innovativer Neuerun86 Hoffmann: Geldhandel (wie Anm. 34), S. 167. 87 Andrea Gloria (Hg.): Codice diplomatico padovano dal secolo sesto a tutto l’undecimo. Venezia 1877, S. 12–16, Nr. 7, hier S. 14. Erwähnt bei Jacques Le Goff: The Usurer and Purgatory, in: The Dawn of Modern Banking. New Haven/London 1979, S. 25–52, hier S. 33. 88 Jan Frederic Niermeyer / Co van de Kieft: Mediae Latinitatis Lexicon Minus, Bd. 1. 2., überarb. Aufl., Darmstadt 2002, S. 755. 89 So Robert S. Lopez / Irving W. Raymond: Medieval Trade in the Mediterranean World. New York 1955, S. 38. Ebenda, S. 39–41 eine englische Übersetzung des Dokuments. 90 Rolandinus [de Passageriis]: Summa totius artis notariae Rolandini Rodulphini Bononiensis … In eandem summam luculentissimus apparatus, qui aurora per excellentiam dicitur. Venetiis 1546, online unter http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb11201406_ 00005.html [30.7.2017], lib. I, c. III, fol, 96v-97r: […] Antonius fuit contentus & confessus se habuisse & recepisse ac sibi integre datas, solutas, & numeratas esse ad laborandum, & causa laborandi, & negociandi in arte & mercantia lanae & pannorum lanae exercendae solummodo in ciuitate Bo. & non alibi. Ad quartam partem lucri & damni a Corra. quondam Titij. c. lib. bono […]. Siehe die folgende Anm. 91 Levin Goldschmidt: Handbuch des Handelsrechts, Bd. 1: Universalgeschichte des Handelsrechts. 3. Aufl., Stuttgart 1891, S. 259; der Hinweis auf Rolandinus in der Anm. 87.
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gen im Kreditwesen bestimmte. 92 Wegen des Verbots wurde nicht durch verzinste Kredite, sondern durch neue Assoziationsformen die Kapitalbasis zur Finanzierung der Unternehmungen erweitert. Formen der Partnerschaft und Kredite sind ganz allgemein austauschbare Arten der Investition. 93 Auch für Formulierungen portat (trans mare – in terra – apud Messania – Alexandriam) laboratum dürfte die Interpretation Goldschmidts kaum zutreffen. 94 Hohoff hat eine ganze Reihe solcher Verträge über ‚arbeitendes‘ oder ‚werbendes‘ Geld, wie er es nennt, zusammengestellt.95 Hingegen formuliert ein spätmittelalterliches Exemplum als Beispiel sündhaften Verhaltens: „Jeder Mensch unterbricht die Arbeit an Feiertagen, doch die Ochsen des Wucherers (boves usurarii), das heißt seine Gelder arbeiten unaufhörlich und versündigen sich so gegen Gott und alle Heiligen, und darum muß der Wucher, der Sünde ohne Ende ist, auch ohne Ende bestraft werden.“96
In dieser Formulierung ‚arbeitet‘ tatsächlich das Geld, aber hier ist es gerade nicht angelegtes, sondern bloß ausgeliehenes Geld. Die Frage der Abgrenzung jüdischen und christlichen Kredits ist für die erste Phase der Entstehung der Montes pietatis im 15. Jahrhundert, der die Ausführungen von Tanja Skambraks zum Monte von Perugia gelten, unter dem Aspekt ‚ökonomischer Glaubensfragen‘ fundamental. Für die franziskanischen Propagatoren der Montes war ohne Zweifel die Absicht zentral, die jüdische Pfandleihe entbehrlich zu machen. Sie waren nicht die einzigen und nicht die ersten. In Salins richtete sich bereits in der Mitte des 14. Jahrhunderts eine Darlehenskasse mit günstigen Zinsen gegen jüdischen und lombardischen Wucher; in Köln hat man spätestens 1412 eine städtische Pfandleihe (Käuferamt) geschaffen als Verdrängungsmaßnahme gegen die Juden. 97 Noch älter waren bloße Vorschläge, solche Darlehenskassen zu errichten. 92 Siehe dazu Hans-Jörg Gilomen: Kredit und Innovation im Spätmittelalter, in: Christian Hesse / Klaus Oschema (Hg.): Aufbruch im Mittelalter – Innovation in Gesellschaften der Vormoderne. Studien zu Ehren von Rainer C. Schwinges. Ostfildern 2010, S. 35–68, hier S. 57–59. 93 Raymond de Roover: The Organization of Trade, in: Michael M. Postan / Edwin E. Rich / Edward Miller (Hg.): The Cambridge Economic History of Europe, Bd. 3. Cambridge 1963, S. 42–118, hier S. 50: „[…] in economics, partnership agreements and loans are basically alternative and interchangeable forms of investment.“ 94 Hohoff: Zur Geschichte (wie Anm. 75), Tl. 1, S. 570 Anm. 6, übernimmt von Levin Goldschmidt die Interpretation: „Die Ausdrücke laboratum, ad laborandum, ex causa laborandi et negociandi usw. kehren immer wieder. Portare laboratum heißt: Das Geld oder Kapital zum Zweck des Gewinnes ‚arbeiten‘ lassen.“ 95 Ebenda, S. 570. 96 Jacques Le Goff: Wucherzins und Höllenqualen: Ökonomie und Religion im Mittelalter. 2. Aufl., Stuttgart 2008, S. 39 f. mit Hinweis auf Jean T. Welter (Hg.): Tabula exemplorum. Paris/Toulouse 1926. Die Übersetzung in der deutschen Ausgabe des Textes von Le Goff ist ungenau, denn in der Tabula Exemplorum heißt es S. 83: Quilibet homo cessat in diebus festivis ab opere suo, boves autem usurarii id est denarii semper laborant ut Deum et omnes offendat […]. Ich habe die Übersetzung entsprechend korrigiert. Siehe auch Le Goff: Usurer and Purgatory (wie Anm. 87), S. 33. 97 Zu Salins siehe Michel Mollat: Les pauvres au moyen âge. Etude sociale. Paris 1978, S. 335; zu Köln Bruno Kuske (Hg.): Quellen zur Geschichte des Kölner Handels und Verkehrs im Mittelalter, Bd. 1: 12. Jahrhundert bis 1449 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 33,1). Bonn 1923, S. 168, Nr. 479; Franz Irsigler: Juden und Lombarden am Niederrhein
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Philippe de Mézières hat 1389 im sehr judenfeindlichen 69. Kapitel seines ‚Songe du Vieil Pèlerin‘ vorgeschlagen, aus einer vom französischen König zur Verfügung gestellten Summe sollten in jeder cité, bonne ville, et chastellerie du royaume de Gaule an arme Leute gegen Pfänder zinslose Kredite ausgegeben werden, rückzahlbar nach einem Jahr zusammen mit einer freiwilligen Gabe von 10 Prozent des Betrages: […] c’est assavoir que pour cent receu et rendu il offrist a Dieu autre .x. ou ce qui seroit acordé, pour estre convertis a l’aumenctation de la grant somme premiere offerte par le roy et a Dieu dediee […]. Dann brauche man in Frankreich keine jüdischen und christlichen Wucherer mehr: […] et n’averoit on mestier ou royaume de Gaule ne de Juis ne de crestien usurier.98 Einige skrupulöse Leute, denen die Armut ihrer christlichen Brüder nicht einmal bis ans Hemd reiche, könnten nun sagen, diese freiwillige Gabe sei eine Form von Wucher. 99 Dem wird aber entgegengehalten, wenn jemand der Maison Dieu in Paris zugunsten der Armen ein Almosen von 10 Francs stifte und später vom Meister der Maison Dieu 100 Francs geliehen erhalte, die er nach einem Jahr zurückzahle, so würde keine heilige Schrift, kein Zivilrecht, kein Dekret und keine Dekretale dagegen sprechen. Was sollte bei der umgekehrten Reihenfolge – zuerst das Darlehen und bei der Rückzahlung eine Gabe von 10 Francs – falsch sein? […] et, par consequent, biau filz, le royaume de Gaule sera delivré de deux grans anemis qui font aler mainte ame en enfer, c’est assavoir des Juis et des Crestiens qui ont acoustumé a usure prester. 100 Auch der zuerst an der Sorbonne, dann seit 1384 in Wien lehrende Theologe Heinrich von Langenstein († 1397) hat etwa gleichzeitig angeregt, da es immer Not gebe, sollten die Reichen ausreichende Summen für Darlehen zur Verfügung stellen. In Stadt und Land sollten staciones pie mutuacionis eingerichtet werden, also Darlehenskassen, die indessen nur an jene leihen sollten, von denen Rückzahlung zu erhoffen sei. 101
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im 14. Jahrhundert, in: Alfred Haverkamp (Hg.): Zur Geschichte der Juden im Deutschland des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 24). Stuttgart 1981, S. 122–162, hier S. 131: „Spätestens 1412, also lange vor der endgültigen Ausweisung der Juden, richtete die Stadt Köln eine eigene Pfandleihe ein, um gerade die ärmsten Bevölkerungsschichten nicht mit Wucherzinsen zu belasten.“ Da die Juden bereits 1290 aus England vertrieben wurden, kann sich die 1361 erfolgte Gründung einer Pfandleihanstalt durch Bischof Michael Northburgh in London nicht gegen sie gerichtet haben. Die Institution, die zinsfreie Darlehen gewährte, musste nach kurzer Zeit geschlossen werden, da das vom Bischof eingeschossene Kapital von 1.000 Mark Silber aufgebraucht war. Siehe Mollat: Les pauvres au moyen âge (wie oben), S. 335. Philippe de Mézières: Songe du Viel Pelerin, Bd. 2, hg. von Joël Blanchard (Textes littéraires français 633,2). Genève 2015, S. 1045–1057, hier S. 1050. Ebenda: Aucuns clers scrupuleux ou autres, auquelx la froidure et povreté de leurs freres crestiens ne leur touche pas jusques a la chemise, porroient dire que la dessusdicte offerte gracieuse et volentaire du disisme ou de la volenté du donnant ou de ce qui seroit ottroyé, porroit estre une espece d’usure, qui porroit corrompre en esperit toute la masse de nostre gracieuse pratique et euvre de misericorde. Ebenda, S. 1051–1053 (Zitat S. 1053). Georg Kreuzer: Heinrich von Langenstein. Studien zur Biographie und zu den Schismatraktaten unter besonderer Berücksichtigung der Epistola pacis (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte 6). Paderborn 1987, S. 99.
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Die Zulassung jüdischer Pfandleihen in den nord- und mittelitalienischen Städten seit dem 14. Jahrhundert wurde von den städtischen Obrigkeiten vielfach mit der Notwendigkeit begründet, den ärmeren Stadtbewohnern einen Zugang zu Krediten zu ermöglichen. Dies wurde gelegentlich mit dem Hinweis auf Deuteronomium 15,7 als eine Christenpflicht dargestellt.102 Indessen hatten die damit Befassten offenbar zuweilen gar kein gutes Gewissen. Die Beratungen von 1458 zur beabsichtigten Einrichtung einer jüdischen Pfandleihe in Orvieto standen unter dem Vorbehalt, die päpstliche Obrigkeit solle verhindern, dass Kommunität, Räte oder sonst ein Bürger der Exkommunikation verfielen. 103 Die durch die Duldung des jüdischen Wuchers bewirkte Exkommunikation wurde von franziskanischen Propagatoren der Montes pietatis schon ganz früh in Predigten drohend vor Augen gestellt, so von Michele Carcano in Perugia zwischen 1460 und 1462. 104 Fortunato Coppoli predigte 1470 in Amelia, die ganze Bevölkerung sei im Stand fürchterlicher und schwerer Sünde sowohl wegen des Wuchers als auch wegen der Exkommunikation aufgrund des Vertrags darüber mit den Juden. 105 1471 wurden die Bewohner von Ascoli exkommuniziert, weil sie im Jahr zuvor eine condotta mit jüdischen Pfandleihern gebilligt hatten. 106 Die Oberen von Lucignano, die einen Vertrag mit einem Juden zur Errichtung einer Pfandleihe abgeschlossen hatten, wandten sich an Papst Sixtus IV. mit der Bitte um Absolution, da sie ihr Seelenheil in Gefahr wähnten. Der Papst beauftragte 1483 den Vikar des Bischofs von Arezzo, sie für dieses eine Mal von allen kirchlichen Zensuren und Strafen zu absolvieren und ihnen eine angemessene Buße aufzuerlegen. 107 Der Dominikanertheologe Giovanni Nanni betonte, damit habe der 102 Ioannis Nannis … Questiones (wie Anm. 69), fol. a ii verso: Quartum fundamentum est quod deus obligauit sub precepto communitates ad prouisionem pauperum ciuium: ut non essent egeni: Deuteronomii. ca. xv. dicens: omnino indigens & mendicus non erit inter uos & infra. Si inquit unus de fratribus tuis qui morantur intra portas tue ciuitatis ad paupertatem deuenerit non obdurabis cor tuum nec contrahes manum. Sed aperies eam pauperi. & dabis mutuum quo eum indigere perspexeris. Hoc preceptum obligat semper & ad semper cum ciuis tuus uenit in paupertatem: quia affirmatiuo additur negatiuum: dicens non obdurabis cor tuum nec contrahes manum tuam ad dandum mutuum indigentibus. 103 Antonio Santilli: Prestito ebraico e Monte di Pietà a Orvieto nella seconda metà del Quattrocento: prime note, in: Paolo Pellegrini (Hg.): Ebrei tra Umbria e Lazio: ricerche sui secoli XIV–XIX (Ricerche Umbre 3 [2014]). Terni 2014, S. 37–60, hier S. 39 f.: Verhandlungen seien nur zu führen, dummodo interveniat auctoritas superioris ne comunitas, consiliarii seu aliquis alius civis incurrere possit in pena excommunicationis. 104 Dessi: Usura (wie Anm. 51), S. 192. 105 Santilli: Prestito ebraico (wie Anm. 103), S. 40: […] orribile et grave peccatum esse in toto populo Amerino, tam usure quam etiam ratione excommunicationis, vigore capitulorum iam factorum cum Ebreis […]. 106 Ebenda. 107 Shlomo Simonsohn: The Apostolic See and the Jews, [Bd. 3:] Documents: 1464–1521. Toronto 1990, S. 1295 f., Nr. 1025 (27. Febr. 1483): Dilecto filio – vicario venerabilis fratris episcopi Arretini in spiritualibus generali. Dilecte fili, salutem etc. Supplicari nobis fecerunt dilecti filii priores et defensores communitatis opidi Lucigniani Vallisclanarum, Arretine diocesis, ut, cum ipsi superioribus mensibus, pro commodo hominum dicti opidi, conduxerint ibi ad mutuamdum [sic] Melem, Hebreum de Tuscanella, et cum eo certa capitula desuper iniverint, et tamen, more bonorum Christianorum, saluti animarum suarum cupiant consuli, cum suas propterea conscien-
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Papst keineswegs in den Abschluss solcher Verträge mit Juden eingewilligt, sondern nur die dafür vorgesehenen Kirchenstrafen nachgelassen. 108 Auf welche Klientel zielten die Montes pietatis ab? Giovanni Nanni führt aus: „Dreifältig ist die Art der Bürger in jeder Stadt. Die erste Art ist diejenige der Reichen, denen Gott die Reichtümer und die Verwaltung der Stadt gegeben hat. Die zweite ist diejenige der Armen, denen zuweilen eine ausreichende Nahrung und Versorgung des Hauses und der Familie mangelt. Die dritte ist jene der völlig Mittellosen und der Bettler, die außer den Hemden und Kleidern nichts besitzen.“ 109
Für diese letzten seien in einigen Kommunen durch Hospitäler, Brotverteilung an den Pforten der Reichen und andere Almosen gesorgt. „Für die fetteren Armen, die Häuser und Familien haben, aber ungenügende Versorgung, haben die Kommunen und Herren bisher vorgesorgt durch in beiden Testamenten [der Bibel] gebotene Darlehen, entweder indem sie ohne Übereinkunft den Juden darzuleihen mit Wucher erlaubten oder den Bürgern ohne Wucher. Da jedoch wahrlich Christen schon zu Wucherern gemacht werden und die Juden das Blut der christlichen Armen trinken, ist dieser Mons pietatis errichtet worden […].“ 110
Gemäß der franziskanischen Argumentation sollten die Montes der zweiten Kategorie der ärmeren Stadtbewohner dienen. Die völlig Mittellosen, die keinerlei Pfänder stellen konnten, waren hingegen nicht kreditfähig, sondern blieben auf Almosen tias gravatas esse sentiant, dignaremur de beneficio absolutionis eis misericorditer providere. Igitur, cum animarum piscatores simus, supplicationibus huiusmodi paterno affectu inclinati, tibi per presentes committimus ac mandamus, quatenus eosdem priores et defensores, ac quoscumque alios, etiam dominos et cives Senenses, qui ad premissa consenserunt sive faverunt, si id humiliter petierint, ab omnibus et singulis sententiis, censuris et penis ecclesiasticis, quas ob id quomodolibet incurrerunt, de preterito hac vice dumtaxat absolvas, et absolutos fore decernas, iniuncta eis et cuilibet eorum pro modo culpe penitentia salutari. Non obstantibus constitutionibus et ordinationibus apostolicis, ceterisque contrariis quibuscumque. Dat. Rome, die XXVII Februarii 1483, anno XII. 108 Ioannis Nannis … Questiones (wie Anm. 69), fol. a vi verso: Non enim omne quod tollerat summus pontifex in suis terris est licitum: Nam tollerat publicum meretricium. tollerat tyrannos tollerat sinagogas & ritus iudaicos; & eiusmodi multa non tamen sunt licita: & ipse licite illos tollerat permissione euitatiua uel ordinatiua: numquam tamen cooperatiua quia pontifex nunquam cooperatur sceleri & contra leges diuinas & nature ad id uero quod adducitur de Sixto pontifice quarto: respondeo quod id concessit quod potuit: potuit autem relaxare excommunicationem & infamias: & alias penas que taxantur a iure pontificio: nam relaxare potest legem qui condit leges: sed nullus pontifex potest concedere ut communitas cooperetur peccato & sceleri: & contraueniat naturali & diuine legi. 109 Ebenda, fol. a viii verso: Quoad primum est in primis notandum quod triplex est genus ciuium in quacunque urbe. Primum est diuitum: quibus Deus dedit diuitias & administrationem reipublicae. Secundum est pauperorum: quibus deest aliquando sufficiens uictus & prouisio domus. & familie sue: Tertium est inopum & mendicantium qui preter camisias & uestimentum nihil habent. 110 Ebenda, fol. a viii verso: Pauperibus uero pinguioribus habentibus domos: & familias sed insufficientem prouisionem. Communitates & domini hactenus prouiderunt de mutuo utroque testamento precepto: uel permittendo absque conuentione communitatis Iudeos mutuare ad usuram: uel ciues sine usura: Verum quoniam iam xristiani usurarii efficiuntur: & iudei potaut [sic für potant] christianorum pauperorum sanguinem: Ceptus est iste mons pietatis qui in casu proposito continet plures contractus. […].
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angewiesen. 111 Die Pfandleihe der Montes stand nur den pauperes pinguiores offen, den ‚fetteren Armen‘, die indessen ihre Bedürftigkeit den Verwaltern der Montes dartun mussten und zudem Gewähr bieten sollten, dass sie das dargeliehene Geld nicht leichtfertig vertun würden. 112 Die Höchstbeträge, welche die Montes pietatis ausliehen, waren durch die jeweiligen Statuten auf ein so geringes Maß beschränkt (4 bis 6 Fiorini; 1 bis 6 Dukaten; unter 1 bis 4 Lire), die Höchstlaufzeiten derart kurz bemessen (sechs bis zwölf Monate), dass eigentliche Investitions- oder Betriebskredite hier kaum aufgenommen werden konnten. 113 Die Statuten des Mons pietatis 111 Ihnen stand wohl auch nicht die Möglichkeit offen, sich ein Pfand von einem Christen auszuleihen und dieses dann in eigenem Namen bei einem Juden zu versetzen, wie dies für offenbar kreditfähigere Reflektanten in Bologna in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s nachgewiesen ist, siehe Chiara Marucchi: Il registro di un prestatore ebreo bolognese degli anni 1426–1431: edizione del testo ebraico e versione italiana. Dottorato Università di Bologna, Anno academico 2005–2006, online unter https://doi.org/10.6092/UNIBO/AMSDOTTORATO/230 [30.7.2017], Beispiele S. 10: Ho prestato a Jacobo Prepositi un anello del prezzo di un ducato e mezzo, che ha dato in pegno a proprio nome all’ebreo Ventura, che sta in piazza Maggiore, per venti soldi bolognini. 112 In seiner Bulle für den Mons pietatis von Savona vom 4. Juli 1479 nennt Papst Sixtus IV. zwei Kategorien von Armen: […] considerantes quod in civitate predicta contìnue sunt quamplurimi pauperes, quorum aliqui adeo pecuniis carere noscuntur, ut in eorum oportunitatibus expediat eos ad feneratores, et presertim Hebreos in civitate predicta degentes, persepe habere recursum, et ab eis, pignoribus traditis, sub non levibus usuris, pecunias mutuo recipere. Aliqui vero, quamquam pro eorum decenti substentatione facultates habeant, nihilominus vitam ducentes dissolutam, ut eorum noxios affectus adimpleant, ad eosdem feneratores ultro se offerentes, recurrunt, et sub huiusmodi usuris pecunias mutuo recipiunt ab eisdem, quas postea in malos usus convertunt, et statuto termino illas non restituentes, pignora perdunt, sicque paulatim ipsi feneratores tenues facultates exhauriunt eorundem per usurariam pravitatem, eos ad extremam miseriam deducentes in dies, quod non esset, si Hebrei publici feneratores non degerent ibidem […]. Simonsohn: Apostolic See, Bd. 3 (wie Anm. 107), S. 1260, Nr. 1006. 113 Höchstbetrag in Perugia 6 Fiorini für sechs Monate; in Assisi 5 Fiorini für neun Monate; in Spoleto 4 Fiorini für zwölf Monate. Alberto Ghinato: Studi e documenti intorno ai primitivi Monti di Pietà, Bd. 4. Roma 1963, S. 35–59, zitiert bei Bazzichi: Paradosso (wie Anm. 57), S. 115. Der Rat von Orvieto setzte mit Beschluss vom 11. April 1463 fest: […] non si prestassero più di fiorini quattro a persona a ragione di cinque lire di denari per ogni fiorino […], und zwar bei einer Laufzeit von höchstens sechs Monaten. Codice diplomatico della città d’Orvieto. Documenti e regesti dal secolo XI al XV e la Carta del Popolo codice statutario del comune di Orvieto, con illustrazioni e note di Luigi Fumi. Firenze 1884, S. 723 f. Gemäß den Statuten des Monte von Urbino von 1468 wurden höchstens 4 Fiorini auf sechs Monate verliehen, Gheller: Capitoli (wie Anm. 66), Artikel IX. Der am 12. Juni 1486, etwa einen Monat nach der Vertreibung der Juden, in Vicenza auf Initiative des Franziskaners Marco da Montegallo gegründete Mons pietatis verlieh höchstens 3 Fiorini auf längstens sechs Monate, siehe den vermutlich von Rachele Scuro verfassten, sehr guten Wikipedia-Artikel: Storia dell’usura a Vicenza, https://it.wikipedia. org/wiki/Storia_dell%27usura_a_Vicenza [16.5.2018]; außerdem Rachele Scuro: La presenza ebraica a Vicenza e nel suo territorio nel Quattrocento. Estratto da Reti Medievali Rivista, VI2005/1 (gennaio–giugno), www.rm.unina.it/rivista/dwnl/Ebrei_07_Scuro.pdf [16.5.2018]. Gemäß den Gründungsstatuten von 1490 verlieh der Monte von Verona höchstens 1 Dukaten auf sechs Monate, was aber 1491 auf 2 und 1496 auf 4 Dukaten erhöht wurde. Carmelo Ferlito: Il sacro monte di pietà di Verona nel secondo settecento. Università degli studi di Verona, Tesi di dottorato di ricercha in storia economica, 2007, S. 27 und 30, online unter https://www.academia. edu/7318343/Il_Sacro_Monte_di_Pieta_di_Verona_nel_secondo_Settecento [16.5.2018]. Die Montes pietatis in den mittelitalienischen Marche gewährten Darlehen von 1 bis 6 Dukaten (z.B.
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von Urbino aus dem Jahr 1468 untersagten sogar ausdrücklich, mit dem geliehenen Geld Geschäfte zu treiben.114 Dasselbe Verbot galt für den Monte von Mantua und den Monte von Parma, die 1486 und 1488 von Papst Innozenz VIII. gebilligt wurden, später auch für den Monte von Mailand. 115 Den Juden, die durch die Zulassungsverträge (condotte) oft auf die reine Pfandleihe unter Ausschluss der Leihe auf bloßen Schuldschein beschränkt wurden und die keine Konkurrenz für die einheimischen Kaufleute-Banquiers (marchand-banquier, merchant banker) waren, blieb eine etwas begütertere Klientel, die keinen Zugang zu Monte-Darlehen hatte. 116 Jüdische Pfandleihen und Montes pietatis konnten in vielen Städten durchaus nebeneinander bestehen und sich ergänzen, wie Tanja Skambraks betont. 117 Der ständige Wechsel zwischen unterschiedlichen Schikanen und oft widerwilliger Duldung der Juden als notwendiges Übel in den Städten wird von ihr aber dennoch kräftig herausgearbeitet. Während die franziskanischen Propagatoren der Montes den völligen Ersatz der jüdischen Geldleihe und die Vertreibung der Juden anstrebten, stand für die städti-
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Fano 2 Dukaten, Osimo 5 Dukaten), siehe Viviana Bonazzoli: Monti di pietà e politica economica delle città nelle Marche alla fine del ’400, in: Banchi pubblici (wie Anm. 55), Bd. 2, S. 565– 589, hier S. 581. Der Monte von Savona verlieh 1480 zwischen unter 1 bis 4 Lire von Savona, die bloß ein Viertel soviel wert waren wie die Lire von Genua; 16 Prozent der Darlehen liefen hier bis zu einem Monat, weitere 51 Prozent bis sechs Monate, nur 27 Prozent länger als ein Jahr, siehe Paola Massa Piergiovanni: Assistenza e credito alle origini dell’esperienza Ligure dei monti di pietà, in: Banchi pubblici (wie Anm. 55), Bd. 2, S. 591–616, hier S. 603 Anm. 37; S. 597: „Non è ancora prevista la possibilità di crediti alla produzione, diffusasi nel secolo successivo in centri italiani dotati di organismi più sensibili ai problemi produttivi dell’economia cittadina (ad esempio a Bologna, dove sorgono il Monte della seta e quello della canapa), ma ancora di più fuori d’Italia, dove diventerà comune per i Monti di Pietà la facoltà di concedere prestiti a piccoli artigiani e a bottegai che intendano iniziare un’attività.“ Gheller: Capitoli (wie Anm. 66), Artikel VIII. Zu Mantua: Simonsohn: Apostolic See, Bd. 3 (wie Anm. 107), S. 1363 Nr. 1081. Hier ist die Urkunde stark gekürzt wiedergegeben, gerade was die Einzelheiten der Verwaltung des Monte betrifft. Eine vollständige Edition der Urkunde bieten die Annales Minorum seu trium Ordinum a S. Francisco institutorum auctore A. R. P. Luca Waddingo Hiberno, Tomus XIV. Editio secunda opera P. Josephi Mariae Fonseca. Romae 1733 [1735], S. 411–415. Zu Parma und Mailand: Giuliana Albini: Il denaro e i poveri. L’istituzione dei Monti di Pietà alla fine del Quattrocento, in: Danilo Zardin (Hg.): La città e i poveri. Milano e le terre lombarde dal Rinascimento all’età spagnola (Atti del convegno, Milano, 13–14 novembre 1992). Milano 1995, online unter www.rmoa.unina.it/6/1/RM-Albini-Poveri.pdf [30.7.2017], S. 59–70; jetzt in: Giuliana Albini: Carità e governo delle povertà (secoli XII–XV). Milano 2002, S. 327–337. Beschränkung auf bloße Pfandleihe z.B. in Florenz 1437, siehe Ciardini: Banchieri ebrei (wie Anm. 46), S. i, Nr. 1: Capitoli tra il Comune e gli Ebrei (17 Ottobre 1437); in Assisi 1456, siehe Luciano Palermo: La banca e il credito nel medioevo. Milano 2008, S. 157–161, Documento n. 22 (Assisi, 16 luglio 1456); in Trevi 1469, Bazzichi: Paradosso (wie Anm. 57), S. 117, und 1474, ebenda. S. 120. So etwa in Trevi, wo der Mons pietatis 1469 auf Initiative des Franziskaners Agostino da Perugia eingerichtet wurde und eine förmliche Übereinkunft über die daneben weiterbestehende Pfandleihe des Isacco Angerilli getroffen wurde. Dazu Bazzichi: Paradosso (wie Anm. 57), S. 116–120; außerdem der merkwürdig judenfeindliche Text unter D. Aurelio Bonaca: Le memorie francescane di Trevi, Estratto da Studi Francescani, Anno XIII, n° 1. Firenze 1927, S. 61. online unter http://www.protrevi.com/protrevi/memfra09a.asp [16.5.2018]. Zu Jesi siehe Giovanni Annibaldi: I banchieri ebrei e il Monte di Pietà di Jesi, in: Picenum Seraphicum 9 (1972), S. 88–129.
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schen Führungen, abgesehen von der Furcht vor Exkommunikation und anderen, damit verbundenen kirchlichen Strafen, dem Nebeneinander der jüdischen Banken für den Konsumkredit und der Montes pietatis für den Hilfs- und Notkredit nichts entgegen, da beide unterschiedliche, aber erwünschte Funktionen wahrnahmen. 118 Von kirchlicher Seite, von der ‚Glaubensfrage‘ her, blieb die Zulassung der jüdischen Geldverleiher indessen prekär. Dem Reichsvikar Francesco Gonzaga von Mantua, der befürchtete, sich kirchliche Strafen zuzuziehen, weil er fremde Wucherer nicht vertreibe und auch zukünftig aufgrund der Bedürfnisse der Menschen wegen Kriegen und Seuchen nicht vertreiben könne, hatte Papst Bonifaz IX. schon 1401 erlaubt, die Wucherer bis zu einer anderslautenden Anordnung der Kirche zu dulden, jedoch nur sofern er deren Verbrechen nicht beistimme.119 Judenfreundlich klingt eine Urkunde des Papstes Nikolaus V. von 1452 für die Anzianen und Bewohner von Lucca: Obwohl der jüdische Unglaube (perfidia) zu verwerfen sei, sei doch deren Umgang den Christen nützlich. Da sie vom Schöpfer aller Kreatur geschaffen seien, sollten sie von den Christgläubigen nicht gemieden werden. Deshalb sage er die Bewohner Luccas von Exkommunikation und anderen kirchlichen Zensuren und Strafen dafür los, dass sie jüdische Wucherer bei sich dulden und ihnen Häuser vermieten. Das erlaube er ihnen unter Derogation der Entscheidung Papst Clemens V. und der Anordnungen der bischöflichen Kurie Luccas, soweit sie diese Sache betreffen.120 1489 beauftragte Papst Innozenz VIII. den Vikar des Erzbischofs von Siena, Obrigkeit und Bürger von Siena dafür zu absolvieren, dass sie einen Vertrag mit jüdischen Geldverleihern abgeschlossen hatten, da der Mons pietatis sich als ungenügend erwiesen habe. Genau wie in der Urkunde des Papstes Sixtus IV. für die Leute von Lucignano 118 Dies hat besonders klar herausgearbeitet Bonazzoli: Monti di pietà (wie Anm. 113), passim. Sie unterscheidet bei den Montes pietatis deren Funktion als „istituzione francescana“ von derjenigen als „istituzione cittadina“ sowie bei den Darlehen den „credito al consumo“ der jüdischen Banken und den „credito assistenziale“ der Montes. 119 Shlomo Simonsohn: The Apostolic See and the Jews, [Bd. 1:] Documents: 492–1404. Toronto 1988, S. 531, Nr. 493 (Rom, 17. Febr. 1401); Moritz Stern: Urkundliche Beiträge über die Stellung der Päpste zu den Juden, Heft 1. Kiel 1893, S. 66 f., Nr. 63. 120 Shlomo Simonsohn: The Apostolic See and the Jews, [Bd, 2:] Documents: 1394–1464. Toronto 1989, S. 992 f., Nr. 810 (Rom, 21. Aug. 1452): […] Quamvis reprobanda sit Iudeorum perfidia, utilis tamen est illorum conversatio Christianis, prout hoc tempore, experientia teste, comprobatur, unde cum sint ab omnium Creatore creati, non debent a Christifidelibus evitari. […] vos ac omnes et singulos cives vestre civitatis utriusque sexus ab excommunicationis ac aliis ecclesiasticis sententiis, censuris et penis, si quas pro eo, quod huiusmodi Iudeos tenuistis et eis domos locastis seu locari tacite vel expresse consensistis aut cum ipsis estis quomodocunque conversati, incurrisse censemini, presentium tenore absolventes et absolutos fore decernentes, vobis, ut in eadem civitate unum vel plures Iudeum sive Iudeos feneratores, quotiens vobis placuerit, tenere eisque domos et habitationes pro eorum usu locare, et cum eis, necessitate postulante, conversari absque alicuius pene incursu, libere et licite valeatis, auctoritate apostolica, tenore presentium indulgemus; proviso, quod propter hoc Iudei ipsi novis exactionibus non graventur, et usuras, quanto mitiores seu minori pretio fieri potest, exercere aut committere teneantur. Non obstantibus felicis recordationis Clementis pape V predecessoris nostri et statutis curie episcopalis Lucane de Iudeis loquentibus, quibus, quantum contra predicta disponant, expresse derogamus, illis alias in suo pleno robore permansuris, et aliis constitutionibus et ordinationibus apostolicis ceterisque contrariis quibuscunque.
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1483 sollte die Absolution nur für dieses eine Mal und unter Auferlegung einer angemessenen Buße erfolgen. 121 Derselbe Sixtus IV. hat 1478 übrigens auch dem Bürgermeister und dem Rat der Stadt Frankfurt am Main unter angemessener Bußleistung Nachlass kirchlicher Strafen wegen der Duldung von jüdischen Wucherern gewährt. 122 Die Unterschiede zwischen jüdischen Banken und Montes pietatis waren nicht sehr stark ausgeprägt. Auch eine Mehrzahl der jüdischen Kredite scheint in dieser Zeit eher bescheiden gewesen zu sein. „Es besteht keinerlei Zweifel […], dass die [jüdischen] Banken in erster Linie und häufig beinahe ausschließlich eine ihnen durch die Obrigkeit übertragene besondere Aufgabe erfüllten: das kleine Darlehen zum Konsum gegen Pfand“, urteilt Michele Luzzati ausdrücklich gegen unbelegte Ansichten, ihre Klienten seien vorwiegend Handelsgesellschaften, Bürger und Adlige gewesen. 123 In der etwas fragmentarischen Buchhaltung der jüdischen Bank des Sabbetai in Montepulciano für die Zeit von 1409 bis 1410 belaufen sich 41 bezifferbare Darlehen von insgesamt 100 auf nur bis zu 2 Florin und weitere 45 auf bis zu 6 Florin. 86 Prozent der Darlehen liegen in dieser Spanne sehr bescheidener Summen, die sich mit den Darlehensbeträgen der Montes pietatis decken. 124 Auch die Laufzeiten der Darlehen waren ähnlich kurz wie jene der Montes pietatis. 32,5 Prozent der Kredite liefen hier unter einen Monat lang, die Laufzeit von weiteren 45 Prozent erstreckte sich auf weniger als zwei Monate, kein einziger dauerte länger als ein Jahr. 125 Die jüdische Bank ai Quattro Pavoni in Florenz verlieh in den 1470er Jahren gemäß dem Libro di conto des Isaak von San Miniato Darlehenssummen von minimal 20 soldi (entspricht 2 Tagelöhnen eines Tagelöhners) bis höchstens
121 Simonsohn: Apostolic See, Bd. 3 (wie Anm. 107), S. 1392, Nr. 1110 (18. Mai 1489): […] discretioni tue per apostolica scripta commictimus et mandamus quatenus ipsos officiales, ac cives, notarios, et scriptores, necnon alios quoscunque, qui in premissis intervenerunt, si hoc humiliter petierint, ab excessibus, aliisque sententiis, censuris et penis predictis, auctoritate nostra, hac vice dumtaxat, absolvas in forma ecclesie consueta, iniunctis inde eis pro modo culpe penitentia salutari et aliis, que de iure fuerint iniungenda […]. 122 Stern: Urkundliche Beiträge, Heft 1 (wie Anm. 119), S. 65f., Nr. 62 (3. Jan. 1478): […] quia Judaeos in ista vestra civitate foenus exercentes toleravistis […] attento, quod id quodammodo inviti fecistis et doletis ab intimis […] indulgemus, quod confessor idoneus […] vos et quemlibet vestrum ab omnibus ecclesiasticis sententiis, censuris ac penis […] pro hac vice dumtaxat absolvere penitentiamque salutarem iniungere pro modo culpae possit […]. 123 Michele Luzzati: Ruolo e funzione dei banchi ebraici dell’Italia centro-settentrionale nei secoli XV e XVI, in: Banchi pubblici (wie Anm. 55), Bd. 2, S. 733–749, hier S. 741: „Non vi è alcun dubbio […] che i banchi assolvessero in prima istanza, e spesso quasi esclusivamente, ad un compito specifico affidato loro dalle compagini statali: il piccolo prestito al consumo su pegno.“ 124 Daniel Carpi: The Account Book of a Jewish Moneylender in Montepulciano (1409–1410), in: Journal of European Economic History 14 (1985), S. 501–513, hier S. 508. Zu dieser Quelle siehe Mauro Perani: Osservazioni preliminari allo studio del Registro di prestito ebraico della Badia di Cava de’ Tirreni, in: Sefer Yuhasin, Nuova Serie 1 (2013), S. 111–142, hier S. 118. Dass gemäß Darlehensbeträgen und Pfändern der jüdische Geldverleiher Isaia di Maestro Daniele da Urbino um 1427/1429 dieselbe Klientelschicht mit Konsumkrediten versorgte wie dreißig Jahre später der Mons pietatis von Urbino, betont Gheller: Capitoli (wie Anm. 66), S. 16. 125 Carpi: Account Book (wie Anm. 124), S. 512.
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45–50 fiorini larghi. Große Beträge sind ganz selten. Es dominieren Darlehen von 50 soldi bis 2 fiorini larghi. 126 Das Ziel der Franziskaner, insbesondere des Bernardino da Feltre, war es jedoch, die Juden gänzlich entbehrlich zu machen, jede Familiaritas von Christen und Juden zu unterbinden, sie aus den Städten zu entfernen. Deshalb haben sie nicht nur den jüdischen Kredit bekämpft, sondern auch gegen die Behandlung von Christen durch jüdische Ärzte und gegen jegliche Familiaritas zwischen Christen und Juden gepredigt. Es ging ihnen darum, die Städte von den Juden wie von einer Krankheit zu reinigen (smorbare la città).127 Nicht so sehr als Wucherer, sondern vielmehr als Juden sollten sie verschwinden. 128 In einigen Städten hatten insbesondere Bernar126 Flavia Careri: Il „Presto ai Quattro Pavoni“: dal libro-giornale di Isacco da San Miniato (1473–75), in: Archivio Storico Italiano 159 (2001), S. 395–421. Siehe auch Umberto Cassuto: Gli Ebrei a Firenze nell’età del Rinascimento (Publicazione del R. Istituto di studi superiori pratici e di perfezionamento in Firenze. Sezione di filosofia e filologia 40). Firenze 1918 [ND Firenze 1965], S. 164. Maristella Botticini: A Tale of ‚Benevolent‘ Governments: Private Credit Markets, Public Finance, and the Role of Jewish Lenders in Medieval and Renaissance Italy, in: Journal of Economic History 60 (2000), S. 164–189, hat indessen darauf hingewiesen, dass die wenigen erhaltenen jüdischen Rechnungsbücher ein verzerrtes Bild geben könnten. Sie hat den Catasto fiorentino von 1427 ausgewertet. Danach lieh in toskanischen Städten auch eine reichere Klientel bei Juden. Darlehen gegen Pfänder beliefen sich durchschnittlich auf 46 Florin bei einem Median von 20 Florin, Darlehen auf Schuldschein und andere Garantien auf 122 Florin bei einem Median von 50 Florin, ebenda S. 179. Bei dieser zweiten Kategorie handelt es sich um bedeutendere Kredite in wesentlich geringerer Anzahl. S. 184 formuliert sie: „While Jewish lenders did provide small, short-term consumption loans to poor households, they also extended long-term loans to merchants, artisans, and peasants to finance the purchase of tools and capital equipment.“ Ihre Belege für die zuletzt genannten Verwendungszwecke und die längeren Laufzeiten der Darlehen sind aber eher dünn. Eine Liste aller bisher bekannten italienischen jüdischen Rechnungen zur Pfandleihe gibt Perani: Osservazioni (wie Anm. 124). 127 Maria Giuseppina Muzzarelli: Monti di pietà e banchi ebraici nella predicazione osservante: Il caso di Bernardino da Feltre, in: Studi Francescani 110 (2013), S. 327–343, hier S. 332: „Il progetto era quello di mostrare che si poteva fare a meno dei banchi ebraici e dunque che si potevano espellere tutti gli Ebrei.“ S. 335: „smorbare la città“. Dass die Aufhetzung gegen die Juden durch Benardino da Feltre gefürchtet war, ist mehrfach belegt. Francesco Gonzaga von Mantua ordnete 1484 an, dass er das Kloster nicht verlassen dürfe, da er in seinen Predigten das Volk gegen die Juden aufstachle. Vittorino Meneghin: Documenti vari intorno al B. Bernardino Tomitano da Feltre (Studi e testi francescani 35). Roma 1966, S. 51 f. Aufgrund einer Beschwerde der Juden Veronas vom Mai 1492 verlangte der Doge von Venedig von den Rektoren Veronas, sie sollten Bernardino das Predigen gegen die Juden verbieten. Die Rektoren von Brescia warnten die Venezianer, sie würden es nicht weiter dulden, dass Bernardino in seinen Predigten die Juden erwähne. Ebenda, S. 207–209 und 233 f. 128 Ich beziehe diese Motivation hier zunächst nur auf die franziskanischen Förderer der Montes pietatis; generell siehe Miriam Greilsammer: L’usurier chrétien, un Juif métaphorique? Histoire de l’exclusion des prêteurs lombards (XIIIe–XVIIe siècle). Rennes 2012, S. 279: „Alors que les banquiers juifs italiens ont été persécutés avant tout pour leur judéité, les lombards sont poursuivis pour leurs activités usuraires.“ Siehe auch Luzzati: Ruolo e funzione (wie Anm. 123), S. 744: „[…] il problema centrale di molti polemisti di parte cristiana era quello di delimitare e regolare la presenza degli ebrei, indipendentemente dal fatto che esercitassero o meno l’usura. Se essi si erano sforzati di legittimare la loro presenza con l’usura, i loro avversari tentarono di delegittimarla mettendo al bando proprio l’usura. Al di là delle conclamate ragioni di carattere
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dino da Feltre, daneben auch andere Franziskaner Erfolg: Die Juden wurden vertrieben, so aus Assisi, Brescia, Gubbio, Parma, Montefiore Conca, Ravenna, Vicenza, Faenza, Orvieto, zuweilen, so gerade hier, aber nur für kurze Zeit; zuweilen, so in Verona, zog sich die Vertreibung in mehreren Anläufen über Jahre hin. Auch in den Bullen der Päpste, welche die Einrichtung von Montes in verschiedenen Städten unterstützten, von Pius II. 1463 für Perugia 129 und Orvieto, 130 Sixtus IV. 1479 für Savona, 131 Innozenz VIII. 1486 für Mantua 132 und 1488 für Parma 133 bis Julius II. 1507 für Bologna 134, ist eine antijüdische Motivation für die Errichtung der Montes pietatis ausdrücklich genannt. 135 Voraussetzung für die von den Franziskanern angestrebten Vertreibungen war ein Umschwung in der Lehre der Kirche von der augustinischen Duldung der Juden in der Zerstreuung als Zeugen für die Wahrheit der Evangelien hin zur Aufforderung zu ihrer Ausweisung. 2015 hat Rowan William Dorin eine Monographie über diesen zuvor kaum thematisierten grundlegenden Wandel vorgelegt. 136 Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts und insbesondere seit dem eigentlich gar nicht mit den Juden befassten Konzilsdekret ‚Usurarum voraginem‘ des Zweiten Konzils von Lyon 1274 forderten Vertreter der kirchlichen Hierarchie überall die Fürsten dazu auf, fremde Geldverleiher aus ihren Ländern zu vertreiben, darunter auch Juden, obwohl die katholische Lehre und damit die Kanonistik sich traditionell ausdrücklich für deren Duldung und gegen ihre Vertreibung gewandt hatte. Als die Juden 1494 nach der Errichtung des Mons pietatis aus Brescia vertrieben wurden, klang im Text der Aus-
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etico e religioso – che dobbiamo peraltro ben guardarci dal sottovalutare – colpire l’usura significava eliminare o rendere insignificante l’insediamento ebraico […].“ Simonsohn: Apostolic See, Bd. 2 (wie Anm. 120), S. 1101, Nr. 892 (29. April 1463). Ebenda, S. 1104, Nr. 894 (3. Juni 1463). Siehe auch Codice diplomatico della città d’Orvieto (wie Anm. 113), S. 723 f., zusätzlich mit dem Ratsbeschluss vom 11. April 1463 über statutarische Bestimmungen des Monte. Simonsohn: Apostolic See, Bd. 3 (wie Anm. 107), S. 1260, Nr. 1006 (4. Juli 1479). Ebenda, S. 1363, Nr. 1081 (29. Nov. 1486). Ebenda, S. 1380, Nr. 1093 (17. Mai 1488). Ebenda, S. 1495, Nr. 1093 (20. Febr. 1507). Dass in den Statuten des Mons pietatis von Urbino von 1468 bloß das Motiv genannt wird, levarle [nämlich: le persone bisognose] dalla voragine del’usura ohne jeden Bezug zu jüdischen Wucherern, wird von Gheller: Capitoli (wie Anm. 66), breit erörtert. Dass dieselbe Bruderschaft des Corpus Domini, welche die Errichtung des Monte betrieb, in derselben Zeit die Predella Paolo Uccellos mit der scharf antijüdischen Darstellung des Pariser Hostienfrevels von 1290 bestellt hat, lässt indessen eine ausgeprägt antijüdische Tendenz auch hier bei zumindest einigen maßgeblich Beteiligten klar erkennen. Zur judenfeindlichen Predella Uccellos siehe etwa Dana E. Katz: The Contours of Tolerance: Jews and the Corpus Domini Altarpiece in Urbino, in: The Art Bulletin 85,4 (2003), S. 646–661. Verbreitung fand die Fabel des Hostienfrevels von Paris in Italien dank der Version bei Giovanni Villani: Nuova Cronica, hg. von Giuseppe Porta. Parma 1991, S. 511, CXLIII; Varianten der Hostienfrevelfabel wurden durch Predigten der Franziskaner verbreitet, dazu Dessi: Usura (wie Anm. 51), S. 187 f., mit falscher Angabe der Stelle bei Villani. Rowan William Dorin: Banishing Usury: The Expulsion of Foreign Moneylenders in Medieval Europe, 1200–1450. Doctoral dissertation, Harvard University, Graduate School of Arts & Sciences. Cambridge, Massachusetts 2015, online unter http://nrs.harvard.edu/urn-3:HUL.InstRepos: 23845403 [30.7.2017].
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weisung die alte kirchliche Lehre noch zynisch an: Die Kirche möge zwar die Juden dulden, aber sie habe in keiner Weise festgesetzt, dass diese auch in Brescia geduldet werden müssten. 137 Es ist sehr wichtig, die Veränderungen in der längerfristigen Entwicklung der Montes pietatis im Auge zu behalten. 138 Die Montes unterscheiden sich schon seit dem 16. Jahrhundert stark von denjenigen des 15. Jahrhunderts. Ein grundlegender Unterschied war bei der Beschaffung der Betriebsmittel eingetreten. Ursprünglich wurden die Mittel aus freiwilligen Stiftungen begüterter Bürger und daneben aus deren zinsfreien Darlehen, vereinzelt auch durch Zuweisung einzelner städtischer Abgaben zusammengetragen. Nur von einzelnen Montes sind bereits in den 1470er Jahren auf Depositen Zinse oder vielmehr in der Auffassung der Zeit Entschädigungen bezahlt worden, so von denjenigen von Siena (1472), Prato (1474), Pistoia (1475) und vielleicht Brescia (1489).139 In Genua, wo die Gründung des Monte 1483 gänzlich auf der Initiative von Laien beruhte, wurden die Depositen von Beginn an gleich verzinst wie die Anteile an der Casa di San Giorgio. 140 Trotz des sogar über die Erlaubnis durch das Konzil von Trient fortdauernden religiös begründeten Widerstandes gegen Entschädigung von Depositen wurde diese Geldbeschaffung seit dem 16. Jahrhundert immer wichtiger. Damit erwuchs den Montes eine neue, ganz andersartige Funktion als Depositenbanken. Sie boten nun begüterten Städtern, darunter auch Juden, wie Skambraks zeigt, Anlagemöglichkeiten. Der Monte musste, soweit er seinen Ausleihungen Depositen zugrunde legte, mit der Differenz zwischen deren Verzinsung und dem Satz, der von den Darlehensschuldnern gefordert wurde, die Geschäfte abwickeln. Der Monte von Cremona von 1550 zum Beispiel verzinste die Depositen mit 5 Prozent und verlangte für Darlehen 6 Prozent. 141 Die Differenz betrug hier also nur 1 Prozent. Auch die Entschädigung der Depositäre stieß auf ganz gleichgeartete Bedenken wie die Gebühren für Kredite der Montes pietatis. Die Verzinsung der Depositen wurde mit den Überschusstiteln lucrum cessans und damnum emergens als wucherfrei erklärt. Pietro Ballerini fasste noch 1747 die damals weiter geltende kirchliche Lehre zusammen: Allein diejenigen seien vom Wuchervorwurf 137 Diane Owen Hughes: Distinguishing Signs. Ear Rings, Jews and Franciscan Rhethoric in the Italian Renaissance City, in: Past & Present 112 (1986), S. 3–59, hier S. 29: „While the Christian church may tolerate the Jews, it has in no way decreed that they have to be tolerated in Brescia; they should be treated as public prostitutes, who because of their filth are tolerated [only] while they live in a bordello, even so should those Jews live their stinking life in some stinking place, separate from Christians.“ 138 Zur Differenzierung der Funktionen der Montes schon im 16. Jh. siehe etwa Paola Lanaro: All’interno dell’attività di credito: il ruolo dei Monti di Pietà. Note di Lavoro, Università Ca’ Foscari. Venezia, No. 0 7 /NL/ 2006, online unter https://www.academia.edu/4157277/Prestare_ai_ poveri_Il_credito_su_pegno_e_i_Monti_di_Piet%C3%A0_in_area_Mediterranea_secoli_XV -XIX_ [30.7.2017]. In Udine z.B. entstanden drei verschiedene Montes mit sehr unterschiedlichen Funktionen. 139 Massa Piergiovanni: Assistenza (wie Anm. 113), S. 591–616, hier S. 607. Zu Prato Pinelli: Ragguagliare (wie Anm. 66), S. 123. 140 Depositen beim Monte wurden in Genua wie die Anteile der Casa di San Giorgio loca genannt und gleich gehandhabt, siehe Massa Piergiovanni: Assistenza (wie Anm. 113), S. 606 f. 141 Ricci: Cremona (wie Anm. 47), S. 82.
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entlastet, die mit dem gerechten Titel lucri cessantis oder damni emergentis ihr Geld den Montes allein um der Caritas willen übergäben und nur eine gerechte Entschädigung forderten. 142 Die Stoßrichtung gegen den jüdischen Darlehenskredit blieb auch im 17. Jahrhundert erhalten. 143 Matthäus Zimmermann (1625–1689) nennt als erstes Ziel der Montes pietatis die Linderung der Mittellosigkeit der Armen (sublevatio inopiae pauperum), die indessen in der Wahrnehmung von Zeitgenossen schon seit dem 16. Jahrhundert hinter Geschäftskrediten und der Funktion als Depositenbank zurückgetreten war, und dann sogleich als zweites die Aufhebung der jüdischen Wucherdarlehen und der wucherischen Verworfenheit (sublatio foenerationum Judaicarum & pravitatis usurariae). 144 Eine dritte Thematik zu ‚ökonomischen Glaubensfragen‘ ist mit den Begriffen horizontale und vertikale Kreditbeziehungen durch Gabriela Signori angesprochen. Dies führt mitten hinein in eine sehr grundlegende neue Wendung in der Diskussion der neueren historischen Kreditforschung. Den massenhaften Kreditbeziehungen wird darin eine soziale Kohäsionsleistung zugeschrieben, besonders wenn es sich um sogenannte ‚horizontale Beziehungen‘ handelt, also wenn Gläubiger und Schuldner sozial vergleichbare Stellungen einnehmen, sich auch im Alltag vielfältig austauschen und gegenseitig reziprok oder abwechselnd sowohl als Gläubiger wie als Schuldner auftreten, einander also bekannt, vielleicht sogar verwandt, jedenfalls gegenseitig verpflichtet sind. Sehr fraglich ist eine kohäsive Funktion hingegen bei ‚vertikalen Kreditbeziehungen‘, also Krediten sozial überlegener Gläubiger an sozial unterlegene Schuldner. Hier werden durch Kredite soziale Hierarchien, Unterschiede und damit auch Spannungen eher verstärkt. 145 Die uns hier interessierende ‚Glau142 Pietro Ballerini: De jure divino et naturali circa usuram libri sex, Bd. 1. Bologna 1747, online unter https://archive.org/details/bub_gb_RwKhkjZqdAYC [30.7.2017], Cap. XI, IV. De Montibus Pietatis, S. 104b: Pontifices illud unum probarunt in Montibus, cum pecunias quaerendas concessere; istud autem in foeneratoribus reprobarunt manifeste, cum eos solos ab usura excusari docuerunt, qui cum justo titulo lucri cessantis, aut damni emergentis pecuniam Montibus charitatis gratia traderent, solam justam indemnitatem postulantes, ut in dissertatione de Montibus Pietatis multis Apostolicis documentis fusius ostendi. Der ausführliche Traktat ‚De Montibus Pietatis‘, in dem die Quellen einzeln angeführt werden, findet sich in Bd. 2, online unter https://archive.org/ details/bub_gb_9AEwxwpLXkYC [30.7.2017], S. 89–166. Zu Ballerini siehe Ovidio Capitani: Ballerini, Pietro, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 5. Roma 1963, online unter http:// www.treccani.it/enciclopedia/pietro-ballerini_(Dizionario-Biografico)/ [30.7.2017]. 143 Giancarlo Breccola: Il „Mons Pietatis” di Montefiascone, in: Biblioteca e Società 55,4 (2006), S. 30–41, hier S. 31: „Nel corso del XVII secolo i Monti evolsero in organismi intermedi fra l’opera di beneficenza e l’istituto di credito, ma la loro finalità principale rimaneva quella di colpire la sola attività finanziaria consentita agli ebrei.“ 144 Asciani Montes Pietatis (wie Anm. 48), S. 807 f. In Sigismundi Scacciæ Tractatus de commerciis, et cambio. Venetiis 1650, § I, Quaestio I, 451, S. 78 f., wird der Übergang in einem Satz beschrieben: Hic mons pietatis aliquo in loco alteravit suam naturam, quia licet in eo maxima deponatur pecuniae quantitas, tamen modica est illa quae pauperum usui inservit; ideoque hunc montem vocant depositarium, inspecto pecuniarum usu, qui inservit negotio lucratorio et interesse lucri cessantis […]. 145 Elizabeth L. Hardman: Regulating Interpersonal Debt in the Bishop’s Court of Carpentras: Litigation, Litigators and the Court, 1486 and 1487, in: Journal of Medieval History 40, 4 (2014), S. 478–498, formuliert S. 479; „While credit could be vertical in nature and reinforce socio-
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bensfrage‘ wird durch den Gedanken hineingetragen, dass vorkapitalistische Kreditbeziehungen insbesondere der horizontalen Art zu verbinden seien mit der christlichen Verpflichtung, seinem Nächsten beizustehen. 146 Völlig verkannt wird in dieser häufig mit Berufung auf Karl Polanyi vorgetragenen Sicht indessen, dass auch in der modernen kapitalistischen Wirtschaft solidarische Austauschformen der Gabe eine weite Verbreitung und große Bedeutung haben.147 Die genannten Kriterien – soziale Gleichstellung und Horizontalität der Kreditbeziehungen sowie Unterstützungspflicht unter Christen – sind im Mittelalter gerade auf jüdische Kredite kaum anwendbar. Neuere Forschungen betonen denn auch eine christliche Modellierung der spätmittelalterlichen Kreditbeziehungenn innerhalb einer christlichen Ökonomie, die zumindest theoretisch auf einen karitativen, nicht profitorientierten Austausch gezielt habe. Dabei wird ein fundamentaler Unterschied zu kapitalistischen Krediten postuliert. In der Formulierung von Lange: „[…] a body of believers bound together in charity by debt and other forms of obligation […] of fidelity, honesty, and fairness in transactions and of equal if proportionate participation in securing the community’s good, individual, and collective survival in this world and salvation in the next.“148
Lange zitiert in seiner Konklusion dann meine Formulierungen zum Übergang von feudaler zu finanzieller Ausbeutung, die ich 1995 in Flaran vorgetragen habe, 149
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economic hierarchies, debt formation created a social tissue, reinforcing bonds throughout society, often among those of close familial or professional status.“ William Chester Jordan: Women and Credit in Pre-Industrial and Developing Societies. Philadelphia 1993, und Roderigue Lavoie: Endettement et pauvreté en Provence d’après les listes de la justice comtale, XIVe–XVe s., in: Provence Historique 23 (1973), S. 201–216, haben vertikale, d.h. ungleiche Kreditnetze untersucht; Elaine Clark: Debt Litigation in a Late Medieval English Vill, in: James Ambrose Raftis (Hg.): Pathways to Medieval Peasants (Papers in Mediaeval Studies 2). Toronto 1981, und Richard Britnell: Growth and Decline in Colchester, 1300–1515. Cambridge 1986, vornehmlich horizontale Netzwerke. In der Freiburger Handveste ist sogar der Anspruch auf Notkredite gegen Pfänder für Lebensnotwendiges festgeschrieben, siehe Emil Franz Josef Müller-Büchi: Geldleihe im mittelalterlichen Freiburg. Ein Beitrag zur Geschichte der Zinsfrage, des Wucherer- und des Hehlerrechtes, in: Festgabe für Wilhelm Schönenberger. Freiburg (Schweiz) 1968, S. 69–89. Ebenso im Dinghofrodel von Kembs 1383, siehe Ludwig August Burckhardt (Hg.): Die Hofrödel von Dinghöfen Baselischer Gotteshäuser und Anderer am Ober-Rhein. Basel 1860, S. 141–146: Dinghofrecht zu Kembs 1383, hier S. 146 (hier in der Interpunktion korrigiert): Item ist, das ein man kumpt und nit gelt hat zu einem, der brot veil hat, er zu ime spricht: Gib mir brot. Und der spricht: Gib mir das gelt. Und gicht diser: Ich hab sin nit [hier könnte etwas fehlen, z.B.: und gibt ein pfand nit] bluttig und leit es uff den brotbank, und darnach das brot hinweg treit und isset, der verköuffer mag in nit mit den rechten ansprechen. Oder der win verkofft, nimpt ein pfand, das nitt bluttig ist und dess tritteil besser ist denn der win, so mag er ouch an im nüt fordern, keinen frevel. Und löset der sin pfand nicht in acht tagen, so mag der wirt das pfand verkoffen, so die acht tage verschinen sint, für sin gelt. Karl Polanyi: The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen. Frankfurt a.M. 1978; zur großen Bedeutung der Gabe in der modernen kapitalistischen Ökonomie siehe Jacques T. Godbout: Le don, la dette et l’identité. Homo donator vs. Homo oeconomicus. Paris 2013. Lange: Excommunication (wie Anm. 1), S. 273. Hans-Jörg Gilomen: L’endettement paysan et la question du crédit dans les pays d’Empire au
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Hans-Jörg Gilomen
und knüpft daran Überlegungen zur „transition to capitalism“. Dies wiederum, die kapitalistischen Vorformen in der Wirtschaftspraxis des Spätmittelalters und der Übergang zum Kapitalismus, ist eine Thematik, die in der neueren Wirtschaftsgeschichte wieder intensiv diskutiert wird. Ich erinnere nur an den Erfolg des Buches von Martha Howell ‚Commerce before Capitalism in Europe‘ von 2010.150 Auch in diesen Fragenkreis gehören neuere Überlegungen zum Kredit im Spätmittelalter. Die Glaubensfrage war im Kreditwesen angesichts der Häretisierung der Akzeptanz von Darlehensverzinsung im Mittelalter und darüber hinaus durchaus von eminenter Bedeutung. Dies gilt vor allem für die spezifischen Ausformungen der erlaubten Kreditinstrumente und der Kreditmärkte, die durch das Wucherverbot entscheidend bestimmt wurden und vielfach nur von diesem her zu verstehen sind. Es gilt aber auch für den latenten Antijudaismus, der sich immer wieder an der Wucherfrage neu und virulent entzünden konnte. Neuere Tendenzen der Forschung, die mittelalterliche Judenfeindschaft kleinzureden, sollten sehr kritisch danach befragt werden, ob sie nicht – gewiss unbeabsichtigt und ungewollt – auch einen Beitrag leisten zur erschreckenden Verharmlosung des aktuellen Antisemitismus.151
Moyen Age, in: Endettement Paysan et Crédit Rural dans l’Europe médiévale et moderne (Actes des XVIIes Journées Internationales d’Histoire de l’Abbaye de Flaran, Septembre 1995). Toulouse 1998, S. 99–137. 150 Martha Howell: Commerce before Capitalism in Europe, 1300–1600. Cambridge 2010. 151 Zu Deutschland können die verstörenden Befunde zu Verbreitung und Verharmlosung des Antisemitismus nachgelesen werden im 2017 vorgelegten Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus. Deutscher Bundestag, 18. Wahlperiode, Drucksache 18/11970, online unter dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/119/1811970.pdf [30.7.2017]. Seither hat sich die Lage weiter verschärft. Am 25. April 2018 mahnte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Josef Schuster auf einer Kundgebung gegen Antisemitismus in Berlin: „Es hilft unserer Gesellschaft nicht, eine Harmoniesoße über alles zu kippen.“ Online unter https://www.tagesspiegel.de/berlin/ newsblog-zu-berlin-traegt-kippa-rund-2000-berliner-tragen-kippa/21212716.html [16.5.2018]. Zum 1. Mai 2018 meldete die Presse, so etwa ‚Focus online‘, zu einer Rede von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas: „Der Holocaust sei nicht durch Antisemitismus ausgelöst worden, sondern durch das ‚soziale Verhalten‘ der Juden, wie das Verleihen von Geld, sagte Abbas nach Angaben der Nachrichtenagentur Wafa vom Dienstag in Ramallah.“ [Hervorhebung von mir.] Online unter https://www.focus.de/politik/ausland/mahmud-abbas-palaestinenserpraesident-gibtjuden-schuld-an-holocaust_id_8857452.html [16.5.2018]. Ich habe schon 2009 versucht, die Frage der Beurteilung der mittelalterlichen Judenfeindschaft in der neueren Forschung grundsätzlich aufzuwerfen, siehe Hans-Jörg Gilomen: Juden in den spätmittelalterlichen Städten des Reichs: Normen – Fakten – Hypothesen (Kleine Schriften des Arye Maimon-Instituts 11). Trier 2009. Eine erhoffte Diskussion ist bis heute ausgeblieben.
AUTORINNEN, AUTOREN, HERAUSGEBER Gerhard Fouquet, geb. 1952. Studium der Geschichte und Germanistik in Gießen und Mannheim. 1996–2018 Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, ab 2018 Seniorprofessor in Kiel. Zwischen 2005 und 2008 Prorektor, anschließend bis 2014 Präsident der Christian-AlbrechtsUniversität. 2013 Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Dalhousie University in Halifax, Kanada. Seit 2012 stellvertretender Vorsitzender, seit 2014 Vorsitzender der Leitungskommission des Akademieprojekts ‚Residenzstädte im Alten Reich (1300–1800)‘. Arbeitsschwerpunkte in der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Spätmittelalters (unter anderem städtische Ökonomien, Fürsten und Höfe, Kultur von Stadtbürgertum und Adel). Hans-Jörg Gilomen, geb. 1945. Studium an der Universität Basel und an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales Paris. 1984–1988 Dozent an der Universität Basel, 1988–2010 ordentlicher Professor für Allgemeine und Schweizer Geschichte des Mittelalters sowie für mittelalterliche Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Zürich. Zahlreiche Publikationen zur Wirtschafts-, Sozial-, Städte-, Mentalitäts- und Kirchengeschichte. Christian Hagen, geb. 1980. Studium der Mittleren und Neueren Geschichte, Soziologie und Politischen Wissenschaft an den Universitäten Kiel und Bologna; Magisterarbeit 2008, Promotion 2013 mit einer Studie zur mittelalterlichen Urbanisierung (‚Fürstliche Herrschaft und kommunale Teilhabe. Die Städte der Grafschaft Tirol im Spätmittelalter‘, gedruckt 2015). 2008–2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. In den Jahren 2014/2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt ‚Rechtsräume & Geschlechterordnungen als soziale Prozesse – transregional‘ (Bozen). Seit 2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Rahmen des DFG-Projekts ‚Gläubiger und Schuldner: Christliche und jüdische Darlehensmärkte in deutschen Städten des Spätmittelalters‘ (Universität Kiel). Veröffentlichungen zur mittelalterlichen Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte, Stadtgeschichte und Tiroler Regionalgeschichte. Sven Rabeler, geb. 1971. Studium der Mittleren und Neueren Geschichte, Osteuropäischen Geschichte und Kunstgeschichte in Kiel. Promotion 2005. Zwischen 2001 und 2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter in verschiedenen Forschungsprojekten an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 2009 Beschäftigung an der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Akademieprojekt ‚Residenzstädte im Alten Reich (1300–1800)‘, Arbeitsstelle
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Autorinnen, Autoren, Herausgeber
Kiel. Derzeit Arbeit an einer Habilitationsschrift über Armenfürsorge und karitative Stiftungen in Städten des südwestlichen Ostseeraums (13.–16. Jahrhundert). Arbeitsschwerpunkte: Stadt- und Urbanisierungsgeschichte im Hoch- und Spätmittelalter, Residenzstädte in der Vormoderne, Armut, Fürsorge und Hospitäler im Mittelalter, Sozial-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte des spätmittelalterlichen Adels. David Schnur, geb. 1984. Studium der Fächer Geschichte und Sozialkunde für das Lehramt an Gymnasien an der Universität Trier (Erste Staatsprüfung 2010), danach Promotionsstipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Dissertation bei Prof. Dr. Lukas Clemens und Prof. Dr. Dr. h. c. Alfred Haverkamp an der Universität Trier zur Geschichte der Juden in Frankfurt und der Wetterau im hohen und späten Mittelalter (eingereicht 2014, im Druck erschienen 2017, ausgezeichnet 2015 mit dem Förderpreis der Stadt Wittlich und 2016 mit dem Arno Lustiger-Förderpreis im Rahmen des Rosl und Paul Arnsberg-Preises). Anschließend Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter (jeweils 50 Prozent) an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz und an der Goethe-Universität Frankfurt a. M. sowie in einem Forschungsprojekt an der Universität Trier. 2016–2018 Archivreferendar beim Landesarchiv Baden-Württemberg und der Archivschule Marburg – Hochschule für Archivwissenschaft, seit Mai 2018 Leiter des Stadtarchivs Schwäbisch Gmünd. Seit 2017 ordentliches Mitglied der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen. Gabriela Signori, geb. 1960. 2001–2006 Inhaberin der Professur für die Geschichte des Spätmittelalters und der Historischen Hilfswissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, seit 2006 Professorin für die Geschichte des Mittelalters an der Universität Konstanz, mbW (maßgeblich beteiligte Wissenschaftlerin) am Exzellenzcluster ‚Kulturelle Grundlagen von Integration‘. Forschungsschwerpunkte: Frömmigkeitsgeschichte, Geschichte des Mönchtums, der Familie, der Verwandtschaft und des Erbens, Kulturen der Ökonomie. Tanja Skambraks, geb. 1980. Studium der Mittelalterlichen Geschichte, Anglistik und Kommunikationswissenschaft an der Technischen Universität Dresden und der University of Edinburgh (1999–2006). 2012 Promotion an der Universität Mannheim mit einer Arbeit über das Kinderbischofsfest im Mittelalter (erschienen 2014). Seit 2015 akademische Rätin auf Zeit am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte der Universität Mannheim, wo sie derzeit an einem Habilitationsprojekt zu den italienischen Monti di Pietà arbeitet. Mitbegründerin des seit 2013 bestehenden Arbeitskreises für Spätmittelalterliche Wirtschaftsgeschichte, seit 2017 Vorsitzende von dessen Förderverein. Seit 2018 Leiterin eines DFG-Projektes zu den Klerikern der Londoner Kathedrale von St. Paul’s als Wirtschaftsakteuren. Forschungsschwerpunkte: spätmittelalterliche Banken- und Kreditgeschichte, vormoderne Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte, Methoden der Wirtschaftsgeschichte sowie englische Geschichte und vormoderne Ritual- und Festforschung.
v i e rt e l ja h r s c h r i f t f ü r s o z i a l u n d w i rt s c h a f t s g e s c h i c h t e – b e i h e f t e
Herausgegeben von Mark Spoerer, Jörg Baten, Markus A. Denzel, Thomas Ertl, Gerhard Fouquet und Günther Schulz.
Franz Steiner Verlag
ISSN 0341–0846
215. Ekkehard Westermann / Markus A. Denzel Das Kaufmannsnotizbuch des Matthäus Schwarz aus Augsburg von 1548 2011. 526 S. mit 1 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09899-1 216. Frank Steinbeck Das Motorrad Ein deutscher Sonderweg in die automobile Gesellschaft 2011. 346 S. mit 17 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10074-8 217. Markus A. Denzel Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungs verkehr (1621–1827) 2012. 341 S. mit 24 Abb. und 44 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10135-6 218. Bastian Walter Informationen, Wissen und Macht Akteure und Techniken städtischer Außenpolitik: Bern, Straßburg und Basel im Kontext der Burgunderkriege (1468–1477) 2012. 352 S. mit 3 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10132-5 219. Philipp Robinson Rössner Deflation – Devaluation – Rebellion Geld im Zeitalter der Reformation 2012. XXXIII, 751 S. mit 39 Abb. und 22 Tab., geb. ISBN 978-3-515-10197-4 220. Michaela Schmölz-Häberlein Kleinstadtgesellschaft(en) Weibliche und männliche Lebenswelten im Emmendingen des 18. Jahrhunderts 2012. 405 S. mit 2 Abb. und 3 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10239-1 221. Veronika Hyden-Hanscho Reisende, Migranten, Kulturmanager Mittlerpersönlichkeiten zwischen Frankreich und dem Wiener Hof 1630–1730 2013. 410 S. mit 20 Abb. und 2 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10367-1
222. Volker Stamm Grundbesitz in einer spätmittel alterlichen Marktgemeinde Land und Leute in Gries bei Bozen 2013. 135 S. mit 5 Abb. und 2 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10374-9 223. Hartmut Schleiff / Peter Konecny (Hg.) Staat, Bergbau und Bergakademie Montanexperten im 18. und frühen 19. Jahrhundert 2013. 382 S. mit 13 Abb. und 9 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10364-0 224. Sebastian Freudenberg Trado atque dono Die frühmittelalterliche private Grundherrschaft in Ostfranken im Spiegel der Traditionsurkunden der Klöster Lorsch und Fulda (750 bis 900) 2013. 456 S. mit 101 Abb. und 4 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10471-5 225. Tanja Junggeburth Stollwerck 1839–1932 Unternehmerfamilie und Familienunternehmen 2014. 604 S. mit 92 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10458-6 226. Yaman Kouli Wissen und nachindustrielle Produktion Das Beispiel der gescheiterten Rekonstruktion Niederschlesiens 1936–1956 2014. 319 S. mit 11 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10655-9 227. Rüdiger Gerlach Betriebliche Sozialpolitik im historischen Systemvergleich Das Volkswagenwerk und der VEB Sachsenring von den 1950er bis in die 1980er Jahre 2014. 457 S. mit 28 Abb. und 42 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10664-1
228. Moritz Isenmann (Hg.) Merkantilismus Wiederaufnahme einer Debatte 2014. 289 S. mit 4 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10857-7 229. Günther Schulz (Hg.) Arm und Reich Zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ungleichheit in der Geschichte 2015. 304 S. mit 18 Abb. und 15 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10693-1 230.1 Gerhard Deter Zwischen Gilde und Gewerbe freiheit. Bd. 1 Rechtsgeschichte des selbständigen Handwerks im Westfalen des 19. Jahrhunderts (1810–1869) 2015. 395 S., geb. ISBN 978-3-515-10850-8 230.2 Gerhard Deter Zwischen Gilde und Gewerbe freiheit. Bd. 2 Rechtsgeschichte des unselbständigen Handwerks im Westfalen des 19. Jahrhundert (1810–1869) 2015. 482 S. mit 2 Abb., geb. ISBN 978-3-515-10911-6 231. Gabriela Signori (Hg.) Das Schuldbuch des Basler Kaufmanns Ludwig Kilchmann (gest. 1518) 2014. 126 S. mit 6 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10691-7 232. Petra Schulte / Peter Hesse (Hg.) Reichtum im späten Mittelalter Politische Theorie – Ethische Norm – Soziale Akzeptanz 2015. 254 S. mit 3 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10943-7 233. Günther Schulz / Reinhold Reith (Hg.) Wirtschaft und Umwelt vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart Auf dem Weg zu Nachhaltigkeit? 2015. 274 S. mit 8 Abb. und 9 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11064-8 234. Nina Kleinöder Unternehmen und Sicherheit Strukturen, Akteure und Verflechtungsprozesse im betrieblichen Arbeitsschutz der westdeutschen Eisen- und Stahlindustrie nach 1945 2015. 384 S. mit 28 Abb. und 30 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11129-4
235. Eva Jullien / Michel Pauly (Hg.) Craftsmen and Guilds in the Medie val and Early Modern Periods 2016. 316 S. mit 5 Farb-, 5 s/w-Abb. und 20 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11235-2 236. Christopher Landes Sozialreform in transnationaler Perspektive Die Bedeutung grenzüberschreitender Austausch- und Vernetzungsprozesse für die Armenfürsorge in Deutschland (1880–1914) 2016. 386 S., kt. ISBN 978-3-515-11304-5 237. Wolfgang König Das Kondom Zur Geschichte der Sexualität vom Kaiserreich bis in die Gegenwart 2016. 233 S., kt. ISBN 978-3-515-11334-2 238. Janis Witowski Ehering und Eisenkette Lösegeld- und Mitgiftzahlungen im 12. und 13. Jahrhundert 2016. 340 S. mit 2 Abb. und 2 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11374-8 239. Jann Müller Die Wiederbegründung der Industrie und Handelskammern in Ostdeutschland im Prozess der Wiedervereinigung 2017. 284 S., kt. ISBN 978-3-515-11565-0 240. Hendrik Ehrhardt Stromkonflikte Selbstverständnis und strategisches Handeln der Stromwirtschaft zwischen Politik, Industrie, Umwelt und Öffentlichkeit (1970–1989) 2017. 317 S. mit 4 Abb. und 4 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11624-4 241. Beat Fumasoli Wirtschaftserfolg zwischen Zufall und Innovativität Oberdeutsche Städte und ihre Exportwirtschaft im Vergleich (1350–1550) 2017. 580 S. mit 15 Abb. und 6 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11803-3
Fragen des „Glaubens“ berühren unmittelbar ökonomische Probleme, ist wirtschaftliches Handeln doch vielfältig geprägt und beeinflusst von Prognosen und Annahmen, Überzeugungen und Ängsten – all dies eingebettet in kulturelle Muster und ethische Bezüge. Besonders markant treten diese Phänomene im Umgang mit Krediten hervor, da der Kredit sogar wortwörtlich eine Frage des „Glaubens“ ist. Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes befassen sich in ihren Beiträgen mit christlichem und jüdischem Kleinkredit im Spätmittelalter, ist doch die Geldleihe
eng mit der Geschichte der christlichjüdischen Beziehungen verknüpft. Untersucht werden Städte nördlich und südlich der Alpen, insbesondere Frankfurt, Konstanz und Basel sowie Kommunen Oberund Mittelitaliens, im Zeitraum zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert. Im Mittelpunkt stehen die Beziehungen zwischen Gläubigern und Schuldnern, die damit verbundenen Praktiken der Vergabe, Absicherung und Rückzahlung von Krediten, die daraus resultierenden mikroökonomischen Strukturen örtlicher Kapitalmärkte sowie das Verhältnis von christlicher und jüdischer Geldleihe.
www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag
ISBN 978-3-515-12225-2
9
7835 1 5 1 22252