Konfession und Kommunikation: Religiöse Koexistenz und Politik in der Alten Eidgenossenschaft (Die Grafschaft Baden 1531–1712) 9783412506681, 9783412223915


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Konfession und Kommunikation: Religiöse Koexistenz und Politik in der Alten Eidgenossenschaft (Die Grafschaft Baden 1531–1712)
 9783412506681, 9783412223915

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Daniela Hacke

Konfession und Kommunikation Religiöse Koexistenz und Politik in der Alten Eidgenossenschaft (Die Grafschaft Baden 1531–1712)

2017 Böhlau Verlag Köln Weimar Wien

Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung  der wissenschaftlichen Forschung sowie der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein. Die Autorin Daniela Hacke ist Professorin für die Geschichte der Frühen Neuzeit am Friedrich-Meinecke-Institut der FU Berlin.

Zugl. Habilitationsschrift Universität Zürich Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Die Kappeler Milchsuppe von 1529. Ms B 316, f. 418v (Zentralbibliothek Zürich). Vorsatz: Die politische Struktur der Eidgenossenschaft im 18. Jahrhundert; Quelle: Marco Zanoli. Nachsatz: Karte der Grafschaft Baden in der Frühen Neuzeit; Quelle: Marco Zanoli.

© 2017 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Anja Borkam, Jena Umschlaggestaltung: Satz + Layout Werkstatt Kluth, Erftstadt Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-22391-5

Für Leah Charlotte und Simon Jonah

Inhalt Danksagung  ............................................................................................11 1 Einleitung  . . ......................................................................................... 13 1.1 Koexistenz und Differenz  ............................................................ 13 1.2 Toleranz als Leidensfähigkeit  ...................................................... 21 1.3 Koexistenz und Konflikt  .............................................................. 27 1.4 Konfessionalisierung als kommunikative Praxis  ........................... 34 1.5 Politik und Kommunikation  ........................................................ 45 1.6 Quellenkorpus und Grenzen der Interpretation  .......................... 53 1.7 Erkenntnisinteressen und Zielsetzung  ......................................... 58 2 Konfession und Kommunikation  ....................................................... 65 2.1 Einleitung  .................................................................................... 65 2.2 Die Tagsatzung der Eidgenossen  ................................................. 70 2.2.1 Boten und Instruktionen  ................................................... 77 2.2.2 Abschiede  .......................................................................... 89 2.2.3 Katholische und evangelische Konferenzen  ....................... 94 2.2.4 Mehrheitsprinzip  ............................................................... 99

2.3 Die Gemeine Herrschaft der Eidgenossen: Die Grafschaft Baden  .................................................................. 2.3.1 Verwaltung und Amtmänner  ............................................. 2.3.2 Gerichtsherrschaften  ......................................................... 2.3.3 Eherecht und Sittenzucht  .................................................. 2.3.4 Geistlichkeit  ...................................................................... 2.3.5 Visitationen und Schulwesen  . . ........................................... 2.4 Fazit: Eidgenössischer Kommunikationsraum Grafschaft Baden  . . .......................................................................

119 123 127 132 138 139 144

3 Parität durch Konflikt. Religiöse Koexistenz gestalten  . . .................... 149 3.1 Einleitung  .................................................................................... 149 3.2 Landfrieden und Reformation  ..................................................... 154 3.3 Der Landfrieden von 1531: Normen der Koexistenz  ..................... 160 3.4 Normen und Konflikte: Zur Verhandelbarkeit des Normativen  . . . 167 3.4.1 Die Auslegung des Landfriedens (1532 – 1560)  . . ................... 168 3.4.2 Vom Landfrieden zum Landfriedensrecht (1561 – 1655)  ....... 177 3.4.3 Neue Sprache und wachsende Divergenz (1656 – 1712)  ........ 195 3.5 Fazit: Verfahren der Konstruktion religiöser Koexistenz  .............. 207

8

Inhalt

4 Der Spott von der Kanzel: Geistliche und ihre Lästerpredigten  ......... 211 4.1 Einleitung  .................................................................................... 211 4.2 „Schmützen“ und „schmächen“ in der eidgenössischen Politik  .... 223

4.3 Geistliche und ihe Predigten: Zur Habituskontrolle der Sprechenden  ....................................... 4.3.1 Theologische Wahrheiten und bissige Worte: Reformierte Predigten  ....................................................... 4.3.2 Zwingli der Verführer: Katholische Predigten  ................... 4.3.3 Sprache und der Wettstreit um Gläubige  . . ......................... 4.3.4 Spott und strukturelle Gewalt  .. .......................................... 4.4 Schmähreden und eidgenössische Kommunikations- und Handlungsoptionen  ................................ 4.4.1 Kommunikation „inn Geheimb“  ........................................ 4.4.2 Strategische Eidgenossen und politisches Selbstverständnis  .............................................. 4.4.3 Politische Mehrheiten und „vnverschamte Zungen“  .......... 4.4.4 Schmähreden und besonnene Eidgenossen  .. ...................... 4.5 Fazit: Zur Funktionsvielfalt von Sprechhandlungen  ....................

235 239 260 270 275 276 277 279 285 290 293

5 Kommunikation über Glaubenswechsel: Eidgenössische Konvertiten  ............................................................... 297 5.1 Einleitung  .................................................................................... 297 5.2 Konversionen zum Protestantismus  ............................................. 305

5.2.1 „Factus apostata“: Der Zurzacher Chorherr Caspar Schwerter  ............................................... 5.2.2 „aus angebohrner Menschlicher schwach vnd blödigkeit“: Der mönchische Konvertit Johannes Frey  . . ........................ 5.2.3 „trang des gewissens“: Der Kapuziner Claudius Schobinger  ................................. 5.3 Konversionen zum Katholizismus  . . .............................................. 5.3.1 Die Rhetorik des „abfalls“ und die Praktiken der Konversion  . . ........................................... 5.3.2 Konversion als Tauschgeschäft? Zum Streit um das Sigristenamt in Würenlos 1638 – 1639  ...................... 5.4 Konfessionell gemischte Ehen und Kinderkonversionen  ............. 5.4.1 Heinrich Bullinger und Der christliche Ehestand (1540)  ....... 5.4.2 Verena Rhynerin (1644)  . . .................................................... 5.4.3 Eeßbethen Kellerin (1649)  ................................................. 5.4.4 Kinderkonversionen  ........................................................... 5.5 Fazit: Konversionen in der religiösen Koexistenz  .........................

306 323 338 352 356 362 372 374 377 384 387 391

Inhalt

6 Kommunikation über Räume: Eidgenössische Simultankirchen  ....... 397 6.1 Einleitung  .................................................................................... 397

6.2 „das fürnemst und erste Sacrament“: Taufsteineinsetzung in Zurzach 1604  . . ......................................... 6.2.1 Kommunikatives Geschehen  ............................................. 6.2.2 Hinter der Tür oder vor der Kanzel: Debatten um den Standort des Taufbeckens  . . .................... 6.2.3 Eine Gesandtschaft in Zürich  ........................................... 6.3 Vom missbrauchten Abendmahlstisch zum Taufbecken: Dietikon 1615  .. .............................................................................. 6.4 Taufsteineinsetzung als Widerstandsakt: Würenlos 1642  .. ............ 6.5 Katholische Objekte und reformierte Handlungsgefüge: Zurzach 1639 – 1644  ......................................... 6.5.1 Das kommunikative Geschehen 1639  ................................. 6.5.2 Das kommunikative Geschehen 1640  .. ............................... 6.5.3 Das kommunikative Geschehen 1641  ................................. 6.6 Das Simultaneum reale: Die Kapelle von Spreitenbach (1639 – 1654)  .. ..................................................... 6.7 Fazit: Der Kirchenraum als politischer Handlungsraum  . . ............

405 409 413 417 424 438 447 448 464 467 471 482

7 Leben in der Differenz: Religiöse Koexistenz und politische Kommunikation – Schlussbetrachtung und Ausblick  .. ...................... 487 7.1 Ausdifferenzierungen und Interaktionsformen  ............................ 488 7.2 Konfessionskonflikt und Konfessionalisierung  . . ........................... 493 7.3 Politische Kommunikation in der Alten Eidgenossenschaft  ........ 500 8 Anhänge  .. ........................................................................................... 507 8.1 Reformierte Untertanen in der Grafschaft Baden  .. ...................... 507

8.2 Reformierte und katholische Geistliche in der Grafschaft Baden  .. ............................................................. 508

9 Quellen- und Literaturverzeichnis  ..................................................... 515 9.1 Verwendete Zeitschriften- und Lexikasiglen  ............................... 515 9.2 Internetressourcen  ....................................................................... 516 9.3 Archivalische Quellen  . . ................................................................ 517 9.4 Ungedruckte Quellen  .................................................................. 521 9.5 Gedruckte Quellen  ...................................................................... 522 9.6 Sekundärliteratur  ......................................................................... 523 10 Sach-, Orts- und Personenregister  ..................................................... 571

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Danksagung Ein Buch entsteht in Kommunikationsgefügen und auch diese Schrift wäre kaum ohne den Austausch mit Freundinnen und Freunden und Kolleginnen und Kollegen denkbar. Sebastian Bott richtete mein Augenmerk auf die Grafschaft Baden, als ich nach einem bikonfessionellen Territorium Ausschau hielt; er war in der Anfangsphase ein wichtiger Gesprächspartner. Beat Näf griff den Gesprächsfaden enthusiastisch auf und organisierte einen denkwürdigen Tag und ein Gespräch mit Max Rudolf in Birmenstorf. Bernd Roeck fand die Themenwahl zunächst zwar ein wenig exotisch, ließ mir aber bei Gestaltung und Konzeption der Arbeit freie Hand; er war immer dann zur Stelle, wenn ich ihn brauchte, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Kaspar von Greyerz, André Holenstein und Andreas Würgler bestärkten mich in der konzeptionellen Phase. Im Staatsarchiv Zürich lenkten Martin Leonhardt, Thomas Neukom und Christian Sieber sehr freundschaftlich meine unsicheren Schritte, teilten ihr Wissen über die frühneuzeitliche Schweiz und halfen mir damit mehr, als sie ahnten. Barbara Welter genehmigte mir sehr unbürokratisch Zugang zu den archivalischen Beständen des Landvogteischlosses Baden, wofür ich sehr dankbar bin, und Andreas Stegmeier wies mich fachkundig in das Archiv ein. Viele andere stellten Kontakte her, steuerten wertvolle Hinweise in Gesprächen und nach Lektüren bei, wofür ich Niklaus Bigler, Urs Bitterli, Heike Bock, Arndt Brendecke, Emidio Campi, Susanne Friedrich, Corinne Gürcan, Joel Harrington, Sigrun Haude, Randolph Head, Mark Hengerer, Vitus Huber, ­Francisca Loetz, David M. Luebke, Jan-­Friedrich Mißfelder, Christian Moser, Birgit Näther, Susan Karant-­Nunn, Ulrich Pfister, Bernd Roeck, Ulinka Rublack, Roger Sablonier (†), Christian Schweizer, Gerd Schwerhoff, Kim Siebenhüner, Claudius Sieber, Dominik Sieber, Gabriela Signori, Martina Stercken und Ulrike Strasser herzlich danke. Bridget Heal danke ich stellvertretend für das Herausgebergremium von German History für die Erlaubnis, Teile meines Aufsatzes zur religiösen Koexistenz in der Alten Eidgenossenschaft wiederzuverwenden und Eva Schlotheuber und Regula Schmid-­Keeling danke ich für die genehmigte Voreinsicht in unveröffentlichte Manuskripte.1 Für die Drucklegung tätigten Eva Diet und Ato Quirin Schweizer hilfreiche Recherchen und prüften fachgerecht die Anmerkungen, während Luca Scholz

1 Daniela Hacke, Church, Space and Conflict: Religious Co-­Exsistence and Political Communication in Seventeenth-­Century Switzerland, in: German History 25 (2007), 285 – 312.

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Danksagung

das Gesamtdokument mit kritischem Blick und einem bemerkenswerten Gefühl für Sprache las. Franscica Hoyer, Thomas Lau und Hannes Ziegler prüften das gesamte Manuskript gleich mehrmals und trugen mit ihrem Sinn für Struktur und ihren wertvollen Kommentaren sehr zu dessen Verbesserung bei. Hannes Ziegler danke ich darüberhinaus für seine stete Gesprächsbereitschaft und ein nie versiegendes intellektuelles Interesse an diesem Projekt. Ermöglicht wurden die Forschungen durch eine Anschubfinanzierung der Universität Zürich und maßgeblich durch die großzügige finanzielle Unterstützung durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF ); letzterem danke ich zudem für den ebenfalls großzügigen Druckkostenzuschuss. Die noch fehlenden Mittel für die Drucklegung stiftete dankenswerterweise die Boehringer Ingelheim Stiftung. Die Zeit der Entstehung und der Drucklegung dieses Buches begleitete mein Mann Jens Hammer mit Liebe und Humor. Bereits während die Habilitationsschrift Form annahm, kamen unsere Kinder Leah Charlotte und Simon Jonah zur Welt. Sie bereichern seitdem unser Leben; nicht nur deswegen kommt ihnen dieses Buch zu.

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Einleitung

1.1 Koexistenz und Differenz Im Juni 1675 verhandelte die eidgenössische Elite auf der Tagsatzung ein Ereignis, das sich im Birmenstorfer Kirchenraum zugetragen hatte.1 Birmenstorf lag in dem nordwestlich an Zürich angrenzenden Territorium der Grafschaft Baden, einer sogenannten Gemeinen Herrschaft, die von mehreren eidgenössischen Kantonen bzw. „Orten“, wie es im frühneuzeitlichen Sprachgebrauch heißt, gemeinsam regiert wurde. Die gemeinsamen Regierungsgeschäfte wurden von den eidgenössischen Orten durch entsandte Boten auf der Tagsatzung debattiert, die als Versammlungsort das oberste politische Gremium der Alten Eidgenossenschaft konstituierte.2 Bedingt durch die Reformation und die konfessionelle Spaltung der Alten Eidgenossenschaft gehörten die regierenden Orte der Grafschaft Baden unterschiedlichen Konfessionen an. Bern, Zürich und Evangelisch Glarus waren reformiert, Uri, Zug, Luzern, Schwyz und Unterwalden waren beim katholischen Glauben geblieben. Die konfessionelle Pluralisierung der Alten Eidgenossenschaft betraf nicht nur die Regenten der Grafschaft Baden, sondern ebenfalls die in diesem Territorium lebenden Untertanen. Im Zuge der Verbreitung der Reformation hatten einige Untertanen den reformierten Glauben als den wahren erkannt und das Gebiet durch die Annahme des reformierten Bekenntnisses de facto religiös zersplittert. Die katholischen Reformbemühungen seit dem späten 16. Jahrhundert bedeuteten allerdings eine überwiegende Rekatholisierung des Territoriums. Neben ausschließlich katholischen Dörfern blieben nur einige reformierte und wenige bikonfessionelle Dorfgemeinschaften bestehen. Einer zeitgenössischen Zählung

1 Bei der Rekonstruktion der politischen Kommunikation folge ich in der Regel dem jeweiligen Kalender der reformierten und der katholischen Orte (julianischer Kalender bzw. gregorianischer Kalender nach 1584); nur bei Schriftwechseln der eidgenössischen Regenten, die sich aufeinander beziehen, gebe ich die Datierung nach beiden Kalendern an. Als „Alte Eidgenossenschaft“ werden in dieser Arbeit jene Territorien und Herrschaften bezeichnet, die im weiteren Sinn Teil des sog. Corpus Helveticum vor 1800 waren. Dazu zählten neben den 13 Orten bzw. Ständen mit deren Untertanengebieten die sogenannten Zugewandten Orte, vgl. Holenstein, Art. Corpus Helveticum, in: HLS online, http://www.hls-­dhs-­dss.ch/textes/d/D9824.php (Zugriff 30. 01. 2016). 2 Zur Tagsatzung vgl. die ausführliche Diskussion in Kap. 2: Konfession und Kommunikation.

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Einleitung

zufolge lebten um 1655/1656 knapp unter 3400 reformierte Untertanen in der Grafschaft Baden.3 In dem erwähnten Dorf Birmenstorf teilte sich eine katholische Mehrheit mit einer reformierten Minderheit die Kirche.4 Diese gemeinsame Kirchennutzung war über Jahrzehnte hinweg friedlich verlaufen, doch im Frühsommer 1675 hatten einige reformierte Bauern und junge, „freche“ Gesellen auf dem Altar der Birmenstorfer Kirche Platz genommen und die Altartüren beschmutzt. Die katholischen Gesandten interpretierten die Handlungen im Birmenstorfer Kirchenraum auf der eidgenössischen Tagsatzung als eine „irreverenz“, eine fehlende Ehrerbietung dem Allerheiligsten gegenüber.5 Ehrfurcht und Ehrerbietung brachten Katholiken üblicherweise durch eine Kniebeuge Richtung Altarsakrament zum Ausdruck. Die reformierte Dorfjugend von Birmenstorf hingegen entehre und entheilige den katholischen Kultgegenstand.6 Indem sie den Altar zum Sitzen nutzte, führte sie ihn einer neuen Funktion zu. Mit ihrer Handlung thematisierte die reformierte Dorfjugend zudem die religiösen Praktiken des konfessionellen Gegenübers und betonte die Unterschiedlichkeit der eigenen Konfessionszugehörigkeit durch diese Provokation. Damit markierten die reformierten Dorfbewohner die verschiedenen konfessionellen Zugehörigkeiten im Dorf. Diese Form der Performanz wird in dieser Studie als konfessioneller Differenzierungsprozess bezeichnet, der in der religiösen Koexistenz stattfand. Konfessionelle Differenz war somit nicht einfach gegeben, sondern wurde markiert und performativ immer wieder „hergestellt“. Die Produktion konfessioneller Differenz bedurfte zudem des konfessionellen Gegenübers, denn sie ereignete

3 StAZH E II 22, Verzeichnis der Evangelischen Seelen in der Grafschafft Baden, Rheintal und Thurgauw für das 1655 Jahr gibt die Zahl der Reformierten in der Grafschaft Baden mit 2907 Seelen ohne Würenlos an; in StAZH E I 30.90 wird die Zahl der reformierten Seelen von Würenlos 1656 mit 458 beziffert. 4 Zu Beginn des 16. Jahrhunderts bestanden die Gemeinden aus jeweils ca. 300 Kirchgängern, genaue Zahlen für spätere Jahrhunderte fehlen, vgl. Rudolf, Geschichte, 1991, 173 – 174. 5 Vgl. EA 6/1, 3, 1331 (Art. 363 und 365) sowie StAZH BVIII 142, fol. 81v für beide Zitate. 6 Diese Form der Verunreinigung lässt sich mit Mary Douglas als eine Analogie lesen, die eine kritische Sicht auf die konfessionelle Ordnung des Dorfes zum Ausdruck brachte, die durch quantitative, rechtliche und religiös-­kulturelle Ungleichheit charakterisiert war. Grundlegend zu Verunreinigungsvorstellungen Douglas, Reinheit, 1988. Zu Handlungen der Desakralisierung von Glaubenssymbolen in der Alten Eidgenossenschaft vgl. Duft, Glaubenssorge, 1944; Z’Graggen, Tyrannenmord, 1999; Volkland, Abgrenzung, in: von Greyerz/Siebenhüner (Hg.), Religion, 2006, 343 – 365, hier 256 – 257; dies., Simultanverhältnisse, in: BC 22, 1999, 28 – 35; dies., Katholiken, in: Bucher (Hg.), Sankt-­Galler Geschichte, 2003, Bd. 4, 131 – 146 sowie dies., Konfession, 2005, 71 ff., 81 ff.

Koexistenz und Differenz

sich in der Begegnung und damit im Beziehungsgeflecht von Katholiken und Reformierten. Der amerikanische Historiker Keith Luria betitelte konfessionelle Ausdifferenzierungsprozesse daher als „boundary work“.7 Für Luria sind solcherlei Grenzziehungen zunächst mentale Konstrukte – „people think themselves into difference“ –, die mit sozialem Sinn und Bedeutung versehen würden.8 Wie alle sozialen Gruppen beteiligten sich auch Katholiken und Protestanten an der Herstellung der Grenzen und definierten damit, wer sie waren; sie nahmen Unterscheidungen vor, indem sie sich selbst von den anderen absetzten, die sie als different wahrnahmen und als anders konstruierten.9 Von einer anderen Perspektive her betrachtet bedurften konfessionelle Differenzierungsprozesse und Grenzziehungen der Annäherung, der Begegnung und der Interaktion. Die Birmenstorfer Protestanten wussten offenbar um die zentrale Bedeutung des Altars in der katholischen Liturgie, da es gerade dieses Kultusobjekt war, das sie verunreinigten. Ein gewisser religiöser Wissensstand über die jeweils andere Religion war Voraussetzung, wollte man das konfessio­ nelle Gegenüber wirkungsvoll provozieren, schmähen oder demütigen. Die Zugehörigkeit zu einer Konfessionsgemeinschaft in frühneuzeitlichen Gesellschaften basierte dementsprechend auf einer Glaubensnorm und einer Wissensform, zudem eröffnete sie Gläubigen – Laien wie Geistlichen – verschiedene Handlungsoptionen, soziale Handlungen wie Aneignungs- und Abgrenzungsstrategien, die aus dem konfessionellen Selbstverständnis erwuchsen.10 In Übereinstimmung mit neueren Forschungsarbeiten teilt die vorliegende Arbeit 7 Luria, Boundaries, 2005, xxiii. 8 Dies in Anlehnung an den Anthropologen Anthony P. Cohen, vgl. Luria, Boundaries, 2005, xxiii–xxiv. 9 Luria identifiziert drei unterschiedliche Varianten der Grenzziehungen bzw. der Grenzüberschreitungen: erstens die Überschreitung der Konfessionsgrenze durch nichtreligiöse Kontakte wie familiäre, wirtschaftliche, politische etc., zweitens Überschreitung der Grenze durch „boundary management“ durch Verfahren der konfessionellen Koexistenz wie Friedensedikte, Paritätsregelungen, Kommunikationskanäle usw. und drittens die Konstruktion der Grenze durch Aus- und Abgrenzung der konfessionellen Gegner, vgl. Luria, Boundaries, 2005, hier xxviii–xxxi. Einen Überblick über das frühneuzeitliche Forschungsfeld „Grenzen und Grenzüberschreitungen“ vermittelt der Band von Roll/ Pohle/Myrczek (Hg.), Grenzen, 2010. 10 Zum Begriff des konfessionellen Selbstverständnisses vgl. Volkland, Konfession, 2005, 15 – 22, hier 16 sowie dies., Konfession, in: von Greyerz/Jakubowski-­Tiessen/Kaufmann/ Lehmann (Hg.), Interkonfessionalität, 2003, 91 – 104. Auch wenn ich den Begriff des „Selbstverständnisses“ für geeigneter halte als den Begriff der „Identität“ und ersteren benutze, wenn ich das Potential der „Selbstreflexion“ in konfessionellen Streitprozessen betone, favorisiere ich den Begriff der konfessionellen „Zugehörigkeit“, da er für ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer Konfessionsgemeinschaft steht, ohne eine permanente

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Einleitung

die Grundannahme, dass das Zugehörigkeitsgefühl zu einer konfessionellen Großgruppe im Zuge der Konfessionalisierungen einen Prozess darstellte, der nicht allein durch kirchliche und weltliche Autoritäten gelenkt und verstärkt wurde.11 Vermittlungsprozesse christlicher Normen und Werte waren grundsätzlich komplexe Vorgänge, die sich aus Traditionen und Erneuerungen speisten und somit kaum auf der schlichten Internalisierung durch folgsame Untertanen beruhten; im Aneignungsprozess wurden Normen wie Werte außerdem modifiziert und interpretiert.12 Zudem folgten die Vermittlungsprozesse unterschiedlichen Dynamiken, so dass in dieser Studie dort, wo es das Quellenmaterial erlaubt, argumentiert wird, dass konfessionelle Zugehörigkeiten ebenso als Produkt des bikonfessionellen Zusammenlebens entstanden und in der religiösen Koexistenz konturiert und geschärft wurden.13 Dabei geht die vorliegende Arbeit von einem Verständnis von konfessionellen Grenzen aus, das diese nicht mehr als Barrieren, sondern als Orte der Begegnung und der „Berührungszonen“ interpretiert, wie dies aktuell Historikerinnen und Historiker (und Geographinnen und Geographen) als Folge der kulturalistischen Wende in der Geschichtswissenschaft tun.14 Nimmt

Selbstreflexion vorauszusetzen. Vgl. zu diesem Problem Büttgen, Eindeutigkeit, in: Pietsch/Stollberg-­Rilinger (Hg.), Ambiguität, 2013, 27 – 38. 11 Vgl. etwa Freist, Representations, in: Höfele/Ruge/Schmidt (Hg.), Pluralization, 2007, 143 – 161; dies., Borders, in: Dixon/Freist/Greengrass (Hg.), Diversity, 2009, 203 – 225; Jalabert, Catholiques, 2009 sowie Duhamelle, Confession, in: EG 57, 2002, 513 – 527 und ders., frontière, 2010. Benjamin J. Kaplan argumentiert in diesem Kontext, dass die fromme, aber nichtkonfessionelle christliche Kultur, die die verschiedenen Gläubigen von Utrecht teilten, nicht ausschließlich das Ergebnis einer obrigkeitlichen Konfes­ sionspolitik gewesen, sondern entscheidend von der Bevölkerung mitgetragen worden sei. Hier lässt sich von vergleichbaren Werten zwischen Obrigkeit und Bevölkerung sprechen, die auf einer eigenen Wertekultur christlicher Untertanen basierten, vgl. Kaplan, Calvinists, 1995. Willem Frijhoff ist dabei, eine Theorie der ungeschriebenen Codes zu entwerfen, die die Kontakte zwischen Angehörigen unterschiedlicher Konfession bzw. verschiedenen Glaubens steuerte, vgl. Frijhoff, Dimensions, in: BerkvensStevelinck/Israel/Posthumus Meyjes (Hg.), Emergence, 1997, 213 – 237 sowie ders., Belief, 2002, bes. Kap. 2: Religious Coexsistence. 12 Als Beispiel für jüngere Arbeiten und zudem mit Blick auf eidgenössische Verhältnisse formuliert vgl. Loetz, Gap, in: Holenstein/Maissen/Prak (Hg.), Alternative, 2008, 75 – 97. 13 Immer noch grundlegend zur Grenzthematik François, Grenze, 1991, der die obrigkeitliche Inszenierung konfessioneller Differenzen stärker als die lokalen Abgrenzungstendenzen betont. Zur Rolle von Geistlichen in diesem Prozess vgl. Kap. 4: Der Spott von der Kanzel. 14 Vgl. die knappe Diskussion mit Literaturangaben bei Burke, Kulturgeschichte, 2004, 172 – 177, der allerdings die Hybridisierung der Kulturen durch Begegnung stärker betont

Koexistenz und Differenz

man Grenzen als etwas wahr, das Begegnungs- und Reibungspotentiale eröffnete, dann lässt sich konfessionelle Zugehörigkeit als ein Faktor interpretieren, der in der religiösen Interaktionskoexistenz durch Zuschreibungs-, Aneignungsund Ausdifferenzierungsprozesse immer wieder neu produziert und zugewiesen wurde. Diese Prozesse waren unter anderem deshalb möglich, weil die religiöse und konfessionelle Andersartigkeit in unterschiedlichen – auch materiellen – Formationen in den bikonfessionellen Begegnungszonen der Eidgenossenschaft präsent und gegenwärtig waren. Wie das Eingangsbeispiel bezeugt, waren konfessionelle Unterschiede und materielle Differenzen von den Zeitgenossen jederzeit beobachtbar. Diese Möglichkeit der Wahrnehmung von distinkten religiösen Praktiken und den Glaubens- und Symbolsystemen der Konfessionen bot den Hintergrund für Handlungen, die in Zuschreibungs- und Differenzierungsprozessen durch Kontaktzonen kulminierten, wie etwa dem simultan genutzten Kirchenraum. Ich spreche von „Prozessen“, da sich konfessionelle Abgrenzung vom 16. bis zum frühen 18. Jahrhundert weiter ausdifferenzierte und eindeutiger manifestierte.15 Konfessionelle Zuschreibungs- und Differenzierungsprozesse folgten zudem unterschiedlichen Wegen: von „oben“ nach „unten“, aber auch horizontal zwischen den reformierten und katholischen Untertanen der Grafschaft Baden und den kirchlichen und weltlichen eidgenössischen Autoritäten unterschiedlicher Konfessionszugehörigkeit. Einzelne Personen und die verschiedenen Obrigkeiten (insbesondere der Landvogt und die eidgenössischen Regenten) mussten sich zum „Konfessionellen“ verhalten und es zum Bestandteil sozialer Handlungen und zum Gegenstand politischer Kommunikation werden lassen. Somit rücken das Interaktionspotential und das Beziehungsgeflecht zwischen den Konfessionen – von Personen, aber auch von

als ich dies tue, sowie Marchal (Hg.), Grenzen, 1996 und Kaplan/Carlson/Cruz (Hg.), Boundaries, 2009. 15 Wie dies ältere Untersuchungen zum bikonfessionellen Zusammenleben im Alten Reich verdeutlicht haben. Sie beleuchten vielfach die demographische Bedeutung des Faktors „Konfession“ anhand der Analyse des Geburten-, Heirats- und Sterbeverhaltens sowie der Namensgebung von Katholiken und Protestanten in den paritätischen Reichsstädten. Dies gilt insbesondere für das ohnehin sehr gut erforschte Augsburg, aber auch für kleinere Reichsstädte, vgl. Rublack, Konfession, in: Rabe/Molitor/Rublack (Hg.), Festgabe, 1976, 62 – 96; Warmbrunn, Konfessionen, 1983; Heller-­Karneth, Konfessionen, 1996; François, Grenze, 1991; Roeck, Stadt, 1989 deutete die demographischen Ergebnisse mentalitätshistorisch. Auch Zschunke, Konfession, 1984, versucht sich an einem Ansatz, der die historische Demographie mit der Mentalitätsgeschichte verbindet und fragt nach der „Lebensbewältigung“ und der „Lebensdeutung“ von Menschen, die in der Frühen Neuzeit in einer Kleinstadt lebten.

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Einleitung

politischen Gruppen und Eliten – stärker ins Blickfeld als in sich geschlossene homogene Konfessionsgruppen. In der Alten Eidgenossenschaft hatte die Betonung konfessioneller Differenz überdies eine dezidiert politische Dimension. In Birmenstorf war nicht nur der Kirchenraum Austragungsort konfessioneller Auseinandersetzungen. Die konfessionellen Differenzierungsprozesse wurden auch auf der eidgenössischen Tagsatzung im Medium der politischen Kommunikation und des eidgenössischen Rechts fortgeführt; es ist diese politische Perspektive, die in dieser Studie gegenüber einer mikrohistorischen Betrachtungsweise der Erfahrung von religiöser Koexistenz dominiert. In den politischen Verhandlungen der eidgenössischen Regenten stand nicht nur ein Chorgitter zur Debatte, das die katholische Partei zum Schutz des Allerheiligsten forderte („damit den altären verschont vnd keine solche vngebühr mehr wider fahren“), sondern auch ein Taufstein für die reformierte Gemeinde, die sich bislang mit einer einfachen Schale beholfen hatte.16 Zudem beschwerten sich die reformierten Gesandten über die neuen Gemälde in der Kirche; sie seien unautorisiert und ohne Wissen des zuständigen Kollators (Pfrundinhabers) angebracht worden und als „Neuerung“ nicht rechtens.17 Mit dieser Semantik wurde ein Rechtsbruch zum Ausdruck gebracht, der den Bestimmungen zur rechtlichen Koexistenz zuwiderlief, wie sie im Landfrieden von 1531 artikuliert worden waren. Der simultan genutzte Kirchenraum war ein Gotteshaus, das den visuellen Kulturen und den religiösen Handlungsanforderungen beider Glaubensgemeinschaften trotz bestehender konfessioneller Antagonismen gerecht werden musste.18 Diesen Herausforderungen der konfessionellen Pluralität begegneten die regierenden Stände im Medium der politischen Kommunikation, dem Ort der Interpretation und der Auslegung eidgenössischen Rechts. Konfessionskonflikte in den Gemeinen Herrschaften der Alten Eidgenossenschaft waren Konflikte, die auf unterschiedlichen politischen Ebenen ausgetragen wurden, da sie zwar aus den Modalitäten des täglichen Zusammenlebens erwuchsen, die Verhandlung des Streitfalls jedoch in der politischen Kommunikation der eidgenössischen Orte unterschiedlicher Konfession stattfand. Mit der Tagsatzung als der obersten politischen Institution der Alten Eidgenossenschaft stand den eidgenössischen Regenten ein Gremium zur Verfügung, auf dem die aus der gemeinsamen Regentschaft resultierenden lokalen Konfessionskonflikte, aber auch andere Regierungsgeschäfte verhandelt werden konnten. In Anlehnung an Ulrich Pfister werden diese Konflikte, die auf

16 StAZH BVIII 142, fol. 81v. 17 Ebenda, fol. 80v–81r. 18 Zum Kirchenraum als Handlungsraum grundlegend Dürr, Kultur, 2006.

Koexistenz und Differenz

unterschiedlichen Ebenen Spuren hinterließen, in dieser Studie als „Mehrebenenkonflikte“ bezeichnet.19 Der Transfer des Konflikts in einen anderen sozialen, politischen und rechtlichen Raum der Eidgenossenschaft – von dem Dorf auf die Tagsatzung – bedeutete mit seiner Politisierung und Verrechtlichung außerdem die Enttheologisierung von konfessionellen Streitpunkten. Konfessionelle Differenzen wurden in der Alten Eidgenossenschaft durch die Verrechtlichung von Konflikten als politische Geschäfte verhandelt.20 Lokale Konfessionskonflikte in den bikonfessionellen Dorfgemeinschaften hatten aufgrund der politisch-rechtlichen Zuständigkeit und aufgrund der divergierenden konfessionellen Zugehörigkeit der eidgenössischen Regenten kommunikative Auswirkungen. Das kommunikative Aufkommen lokaler Konfes­ sionskonflikte wurde dadurch produziert, dass die katholischen und reformierten Orte als oberste Regenten der Grafschaft Baden versuchten, ihre differierenden Herrschaftsinteressen und Konfliktlösungen auch gegen den jeweils anderskonfessionellen Mitregenten durchzusetzen. Als prägend für die Herrschaftspraxis und die politische Kommunikation während und auch weit nach dem „konfessio­ nellen Zeitalter“ erwies sich die konfessionelle Zugehörigkeit der regierenden Orte; diese generierte neben konfessionsgebundenen Interessen und politisch-­ konfessionellen Standpunkten auch eine konfessionsspezifische Auslegungspraxis eidgenössischen Rechts. Politisch-­konfessionelle Positionen wurden in der Auseinandersetzung und in der Abgrenzung von den jeweils konfessionell anderen Orten in der politischen Kommunikation konturiert und verfestigt, so dass in dieser Studie argumentiert wird, dass auch in der politischen Kommunikation permanent konfessionelle Differenzierungsprozesse stattfanden, die strukturell durchaus mit jenen vergleichbar sind, die auf der lokalen Ebene stattfanden. In der politischen Kommunikation wurden durch konfessionelle Differenzierung politisch eindeutige Positionen hergestellt und verfestigt.21 Zugleich legen die politischen Verhandlungen des Birmenstorfer Falles nahe, dass diese Herstellung von konfessioneller Eindeutigkeit selbst eine Geschichte hatte: Am Ende des 17. Jahrhunderts gingen die politischen Eliten bereits recht routiniert mit der Frage um, wie der Kirchenraum den Bedürfnissen beider 19 Zum Begriff „Mehrebenenkonflikte“ vgl. Pfister, Konfessionskonflikte, in: SZRKG 101, 2007, 257 – 311, hier 262. 20 Vgl. Guex/Schnyder Burghartz, Schweiz, in: Traverse 8, 2001, 7 – 24, hier 19 – 20, die zu bedenken geben, dass die Vorliebe für politische Lösungen eine Konstante in der Geschichte der Schweiz darzustellen scheint. 21 Anregend: Stollberg-­Rilinger, Einleitung, in: Pietsch/dies. (Hg.), Ambiguität, 2013, 9 – 26 sowie Büttgen, Eindeutigkeit, in: ebenda, 27 – 38 und Mißfelder, Konversion, in: ebenda, 170 – 182.

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Glaubensgemeinschaften angepasst werden konnte. Durch die permanente Wiederholung der politischen Kommunikation über Konfessionskonflikte waren nicht nur die Positionen der konfessionellen Parteien bekannt; es hatten sich bei der Verwaltung der Gemeinen Herrschaft überdies kommunikative Verfahren etabliert, die es möglich werden ließen, dass die katholischen und reformierten Orte zu pragmatischen und bereits etablierten Lösungen fanden, die die Wahrscheinlichkeit einer Eskalation des Konflikts minimierten. Wesentlich für die Dynamik und die Politisierung von Konfessionskonflikten in der Alten Eidgenossenschaft waren somit die spezifische Verfassungsform der Gemeinen Herrschaft und die rechtliche Zuständigkeit in Fragen der Bikonfessionalität. In Anlehnung an die Definition von Philip Benedict und Ulrich Pfister werden in dieser Arbeit unter Konfessionskonflikten „Auseinandersetzungen um lokale Kirchenverhältnisse beziehungsweise um das alltägliche Zusammenleben unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften [begriffen], bei denen sich Obrigkeiten unterschiedlicher Konfessionszugehörigkeit gegenüberstanden“.22 Konfessionelle Konflikte der Alten Eidgenossenschaft beinhalteten eine Sprengkraft, die über das soziale Ordnungsgefüge der bikonfessionellen Dorfgesellschaften hinausreichte. Sie sind daher nur vor dem Hintergrund der spezifischen Verfassungsform der Gemeinen Herrschaften und damit der spezifischen konfessionellen Geographie in der frühneuzeitlichen Schweiz angemessen zu thematisieren. Der Transfer auf die Bühne eidgenössischer Politik weist diesen lokalen konfessionellen Konflikten zudem eine dezidiert politische Bedeutung für das eidgenössische Gefüge zu, so dass sie geeignet scheinen, Fragen hinsichtlich der politischen Kultur der Alten Eidgenossenschaft zu beantworten. Historiographisch betrachtet ergeben sich aus dem Beschriebenen drei größere Forschungszusammenhänge: Da sich die Untersuchung den gelebten Formen der religiösen Koexistenz und dem politischen Umgang mit diesen zuwendet, situiert sie sich erstens im Kontext kulturhistorischer Untersuchungen zur religiösen Pluralität im frühneuzeitlichen Europa. Religiöse Vielfalt wird in der historischen Forschung und in der Folge in dieser Einleitung unter zwei grundlegenden Aspekten diskutiert, nämlich der Frage nach den Praktiken der Toleranz (verstanden als eine spezifische Verhaltensform in der religiösen Vielfalt) und dem Zusammenhang von Konflikt und Koexistenz in mehrkonfessionellen Gesellschaften der Frühen Neuzeit. Da in der Grafschaft Baden und in anderen Gebieten, in denen sich plurale religiöse Landschaften bildeten, eine konfessionelle Homogenisierung fehlschlug, scheinen sie

22 Pfister, Konfessionskonflikte, in: SZRKG 101, 2007, 257 – 311, hier 257 sowie Benedict, Religion, in: von Greyerz/Siebenhüner (Hg.), Religion, 2006, 155-173, hier 160-162..

Toleranz als Leidensfähigkeit

auf den ersten Blick der Konfessionalisierungsthese zu widersprechen. Dieser Aspekt wird, zweitens, im Zusammenhang mit der These der Konfessionalisierung von Staat, Kirche und Gesellschaft kontrovers beleuchtet, wobei vor allem den Stimmen Raum zugemessen wird, die eine religions- und wahrnehmungsgeschichtliche Perspektive einfordern und sich mit der Frage nach der Dynamik zwischen Annäherung und Abgrenzung zwischen den Konfessionsgemeinschaften auseinandersetzen. Da eidgenössische Konfessionskonflikte als Mehrebenenkonflikte politisches Verhandlungsgut konstituierten und die Kategorien Herrschaft und Kommunikation in den Gemeinen Herrschaften der frühneuzeitlichen Schweiz auf besondere Weise miteinander verschränkt waren, wird die Studie drittens als methodischer Ansatz vorgestellt, der dem historiographischen Feld der politischen Kommunikation und der Kulturgeschichte des Politischen verpflichtet ist.

1.2 Toleranz als Leidensfähigkeit Kehren wir noch einmal zu dem am Anfang dieser Einleitung geschilderten Streitfall aus Birmenstorf zurück. Konfessionelles Zusammenleben scheint in der Wahrnehmung der Dorfbewohner weniger ein Zustand gewesen zu sein, den sie begrüßten, sondern der den Kirchgängern ein Dorn im Auge war. Aufgrund der divergierenden konfessionellen Glaubensformen und Glaubenspraktiken verlangte dieser Zustand den jeweiligen Gläubigen die Fähigkeit ab, den konfessionell Anderen mit seinen Glaubensmanifestationen im gemeinsam genutzten Kirchenraum zu erdulden oder zu ertragen. War die Grenze der Duldsamkeit erreicht, dann wurde der Unmut in Handlungen kanalisiert, die sich gegen die im Kirchenraum materialisierten Glaubenssysteme richteten. Dies bedeutet zweierlei: Erstens gehörten Leidensfähigkeit und Toleranz in der Frühen Neuzeit als Begriffspaar eng zusammen und zweitens ließ sich jeder Konflikt in bikonfessionellen Gemeinschaften als konfessioneller Konflikt austragen. Mit dem ersten Gedanken möchte ich auf die Historizität eines Begriffs verweisen, der die Forschungsliteratur lange Zeit dominierte und durchaus unterschiedlichen semantischen Codierungen über die Jahrhunderte hinweg unterlang: der Begriff der Toleranz. Toleranz leitet sich von dem lateinischen Verb tolerare ab – etwas dulden oder ertragen.23 Erst mit der Moderne avancierte der Begriff der Toleranz zum Synonym für eine liberale Geisteshaltung, die gleiche institutionalisierte religiöse 23 Schreiner, Art. Toleranz, in: Geschichtliche Grundbegriffe 6, 1990, 445 – 605, hier 448.

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Rechte und Freiheiten in einem rivalisierenden Glaubenssystem mit einschloss.24 In den meisten europäischen Sprachen hat das Fremdwort Toleranz seiner lateinischen Herkunft nach „mit der Leidensfähigkeit (patientia) des einzelnen zu tun und seinem Verhalten gegenüber anderen (tolerantia mutua)“.25 In antiken und frühen christlichen Schriften stand tolerantia für die tugendhafte Fähigkeit, das von Gott gesandte physische Leid und die Mühsal auf Erden zu ertragen. Im Verlauf des Mittelalters spaltete sich das Begriffsspektrum des Wortes auf: Tolerantia stand nun für patientia (Geduld) im Sinne eines subjektiven Erduldens, aber auch für permissio (Einwilligung, Billigung) und damit für ein gegenstandsbezogenes Dulden im Sinne von Zulassen und Gewähren.26 Wie Klaus Schreiner betonte, liegen hier die sprachgeschichtlichen Ursprünge für die Bedeutung von tolerantia als einer Duldung religiöser Überzeugungen, „deren Wahrheitsanspruch von der rechtgläubigen Mehrheit weder geteilt, anerkannt und gebilligt noch zur Ursache von Inquisition, von Verfolgung und Bestrafung gemacht wurde“.27 Vor allem die kontrovers geführten Diskussionen über Grundfragen des religiösen Pluralismus im frühneuzeitlichen Konfessionsstaat wirkten begriffsprägend und machten den Begriff Toleranz zu einem politischen Handlungsbegriff.28 Zu einem „rechtlich verankerte[n] Ordnungsbegriff“, der die konfessionellen Mehr- und Minderverhältnisse gestaltete, wurde Toleranz erst in nachreformatorischer Zeit.29 Obwohl der Begriff der Toleranz in keinem der Religionsfrieden des 16. Jahrhunderts geführt wurde, stand er als gedank­ liches Ordnungsprinzip zur Verfügung, um Formen des gemischtkonfessionellen Zusammenlebens zu gestalten.30 Andersherum besaß der Begriff „Verfolgung“ im späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit durchaus positive Konnotationen, die im 21. Jahrhundert keineswegs mehr zu dem semantischen Spektrum des Wortes zählen: Religiöse 24 Grundlegend Forst, Toleranz, 2003. Zum „Begründungsdiskurs“ des 18. Jahrhunderts vgl. Fritsch, Toleranz, 2004 sowie Guggisberg, Toleranz, 1984, 10. 25 Schreiner, Art. Toleranz, in: Geschichtliche Grundbegriffe 6, 1990, 445 – 605, hier 446 sowie Forst, Toleranz, 2003, 53 – 127. 26 Schreiner, Art. Toleranz, in: Geschichtliche Grundbegriffe 6, 1990, 445 – 605, hier 449 – 450. 27 Ebenda, hier 450. Vgl. ebenfalls Walsham, Hatred, 2006, 4: Toleranz „was an act of forbearance, long-­suffering and also indulgence, a conscious decision to refrain from persecuting something one knew to be wicked and wrong. Deriving from the Latin verb, tolerare, to bear or to endure, the essence of ‚toleration‘ was stoicism and self-­restraint“. 28 Schreiner, Art. Toleranz, in: Geschichtliche Grundbegriffe 6, 1990, 445 – 605, hier 446 und 485; Forst, Toleranz, 2003, 172 – 180. 29 Schreiner, Art. Toleranz, in: Geschichtliche Grundbegriffe 6, 1990, 445 – 605, hier 447. 30 Ebenda sowie Forst, Toleranz, 2003, 172 – 180.

Toleranz als Leidensfähigkeit

Irrtümer zu korrigieren war eine moralische Tugend und eine göttlich befohlene Verpflichtung, geradezu ein Akt des Mitgefühls, geboren aus der Überzeugung, dass Häresie die Seele zerstöre. Zwang gegen Häretiker war daher eine bittere, aber sinnvolle Medizin: „its purpose was to cure and educate, to liberate individuals from bondage to falsehood, rather than to erase and exterminate. To prosecute was to display a charitable hatred“.31 In diesem Sinne war „Verfolgung“ nicht ausschließlich eine Form der heiligen Gewalt, sondern konnte für die Frühe Neuzeit als „an arm of pastoral theology“ (Mark Goldie) bezeichnet werden.32 Dies erklärt auch in Ansätzen, warum die gebildete öffentliche Meinung bis zum 18. Jahrhundert auf der Seite der Intoleranz stand.33 Diesem frühneuzeitlichen Verständnis zufolge waren Toleranz und Intoleranz dialektisch und gleichzeitig symbiotisch miteinander verbunden, denn Toleranz war selbst eine Form der Intoleranz.34 In einer europäischen Dimension hat Andrew Petegree „Toleranz“ – wohl mit einer leichten Übertreibung – als „the party cry of the disappointed, the dispossessed, or the seriously confused“ in frühneuzeitlichen Gesellschaften bezeichnet.35 In dieser Sicht war religiöse Koexistenz kein erwünschter gesellschaftlicher Zustand, sondern vielmehr etwas, was es zu überwinden gelte. Theologen und Juristen der Frühen Neuzeit begriffen Toleranz dementsprechend als „Duldung auf Zeit“ und stellten sie unter den Vorbehalt, die gespaltene Christenheit wieder zu vereinen.36 In der Frühen Neuzeit bezeichnete Toleranz eine politische und gesellschaftliche Interimslösung und war ein (Macht-)Instrument, um friedliche religiöse Koexistenz auf lokaler Ebene und politische Eintracht für einen lediglich begrenzten Zeitraum herzustellen; die konfessionelle Geschlossenheit nämlich war weiterhin oberstes Ziel.37 Vielfach war religiöse Pluralität in der Frühen Neuzeit das Ergebnis militärischer Auseinandersetzungen und folgte einer Logik der Schwäche und der politischen Unterlegenheit – so auch in der frühneuzeitlichen Schweiz. Nicht nur die Kappelerkriege in der Alten Eidgenossenschaft verdeutlichen, dass bikonfessionelle Gebiete politische Zugeständnisse waren, der Ausweis politischer Ohnmacht und die bittere Akzeptanz einer militärischen Niederlage. Religiöser Koexistenz 31 Walsham, Hatred, 2006, 2. 32 Goldie, Theory, in: Grell/Israel/Tyacke (Hg.), Persecution, 1991, 331 – 368, hier 337. 33 Kaplan, Coexsistence, in: Hsia (Hg.), Companion, 2004, 486 – 505, hier 490. Vgl. ebenfalls Mattioli/Ries/Rudolph (Hg.), Intoleranz, 2004. 34 Kaplan, Coexsistence, in: Hsia (Hg.), Companion, 2004, 486 – 505, hier 502. 35 Pettegree, Politics, in: Grell/Scribner (Hg.), Tolerance, 1996, 182 – 198, hier 198. 36 Schreiner, Art. Toleranz, in: Geschichtliche Grundbegriffe 6, 1997, 445 – 605, hier 601. 37 Turchetti, Concord, in: SCJ 22, 1991, 15 – 25; Schreiner, Art. Toleranz, in: Geschichtliche Grundbegriffe 6, 1997, 445 – 605, hier 485 – 487.

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haftete damit der unangenehme Beigeschmack des politischen Versagens an; sie stand für das Zerplatzen politischer Illusionen und hegemonialer Machtansprüche – ein Emblem der Unvollkommenheit.38 In diesem Sinne trugen auch die Zürcher das Projekt einer einheitlichen konfessionellen Gestaltung der Eidgenossenschaft und der Ausschließung der katholischen Orte aus den Gemeinen Herrschaften (wie Zwingli es in der Denkschrift Was Zürich und Bern not ze betrachten sye in dem fünförtischen Handel, 1531 formulierte) mit der Niederlage im Zweiten Kappelerkrieg und dem Tod des Reformators zu Grabe. Religiöse Pluralität war auch für die reformierten und katholischen eidgenössischen Orte ein Zustand, den sie lediglich erduldeten; das konfessionspolitische Ziel bestand aber weiterhin in einer konfessionellen Homogenisierung der Eidgenossenschaft und insbesondere der Gemeinen Herrschaften. Mit Blick auf die Grafschaft Baden wurde dieses Ziel erst mit dem Zweiten Villmergerkrieg und dem Vierten Landfrieden 1712 erreicht, als es den reformierten Orten nach einer militärischen Auseinandersetzung gelang, die katholischen Regenten aus der Grafschaft Baden zu verdrängen. Diesen historischen Prozessen zum Trotz konstruierte die Historiographie Meistererzählungen, die in einer teleologischen Perspektive die Entstehung moderner, zivilisierter Gesellschaften entwarfen und sich – mit Erleichterung und moralischer Überheblichkeit – von den vormodernen Gesellschaften distanzierten, die sie als gewaltsam und barbarisch kennzeichneten. Aus dieser Perspektive lieferten Vergangenheits(re)konstruktionen von religiöser Gewalt bzw. Schilderungen der Entwicklung von Toleranz die Konstruktion moderner nationaler Identitäten, da sie eine Form der positiven Identitäts- und Sinnstiftung konstituierten.39 Neben den grundlegenden Studien von Hans Rudolf Guggisberg zum linken Flügel der Reformation und dem Toleranzgedanken war in diesem historiographischen Kontext der Sammelband der englischsprachigen Historiker Ole Peter Grell und Robert W. Scribner zu Toleranz und Intoleranz in europäischer Perspektive bahnbrechend, da er die traditionelle Sicht einer fortschreitenden Entwicklung und einer stetigen Zunahme von „Toleranz“ radikal in Frage stellte.40 Stattdessen wurden religiöse Toleranz und Intoleranz in ihrem spezifischen sozialen und politischen Kontext rekonstruiert. Die Beiträge entwickeln eine Geschichte der religiösen Koexistenz an historisch spezifischen Orten und Zeiten und wenden sich damit den Praktiken der 38 Das Argument der Unvollkommenheit fällt bei Frijhoff, Toleration, in: Hsia/van Nierop (Hg.), Calvinism, 2002, 27 – 52, hier 32. 39 Kaplan, Faith, 2007, Einleitung. 40 Guggisberg, Toleranz, 1984 sowie ders., Wandel, in: Lutz (Hg.), Geschichte, 1977, 455 – 481; Grell/Scribner (Hg.), Tolerance, 1996.

Toleranz als Leidensfähigkeit

Toleranz zu, eine Perspektive, die sich als richtungsweisend erwies. Die aktuelle historische Forschung untersucht die rechtlichen Bedingungen und die sozialen Praktiken, die religiöse Koexistenz ermöglichten, und verfolgt keinen älteren ideengeschichtlichen Ansatz mehr, der von einer zunehmenden Toleranz von der Reformation bis zur Aufklärung ausgeht.41 Die Praktiken der Toleranz hat der Historiker Robert W. Scribner bereits 1996 als eine „tolerance of practical rationality“ zwischen Angehörigen unterschiedlicher Konfessionen beschrieben, die den Face-­to-­Face-­Gemeinschaften der Frühen Neuzeit geschuldet waren: „This was very much the tolerance of ordinary people, a tolerance found frequently in daily life which made little fuss about difference in belief and accepted it as a normal state of affairs“.42 John Rawls zufolge entstand „Western tolerance“ zunächst ohnehin als eine aus dem Alltag geborene Notwendigkeit, als ein Modus Vivendi „rather than one principle above others in an abstract field of thought“.43 Hier deutet sich ein wissenschaftlicher und moderner Toleranzgedanke an, der nicht mehr leidvolles Erdulden meint, sondern der lebensweltlich argumentiert und gegenseitige Akzeptanz – oder gar Respekt – im Umgang mit dem konfessionell Anderen propagiert. Gegen eine makrohistorische Meistererzählung einer Zunahme von „Toleranz“ wird eine soziale Praxis der friedlichen Koexistenz gesetzt, eine Praxis der gegenseitigen Duldung und Akzeptanz.44 Der Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann hat in diesem Zusammenhang von „Respektkulturen“ gesprochen, die in einen langen Prozess mit dem konfessionell Anderen entstanden seien. Erfahrung und Interpretation von und mit religiöser Alterität halfen ihm zufolge, das respektieren zu lernen, was man kannte. In dieser Hinsicht hat Kaufmann dem konfessio­ nellen Zeitalter die Qualität zuerkannt, „eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung einer Kultur des Respektes in der Moderne“ gewesen zu sein.45 Der unerwünschte Zustand der religiösen Vielfalt wird von Kaufmann mit Verweis auf das Gestaltungspotential der konfessionellen Interaktionen positiv gewendet; die transkonfessionelle Begegnung beinhaltet ihmzufolge auch die Möglichkeit, der religiösen und konfessionellen Alterität die Maske des Bösen und Fremden zu entreißen, mitunter indem das Fremde domestiziert und in einen Teil der eigenen Kultur verwandelt wird. Konfessionelle Differenz erhält 41 Benedict, Religion, in: SZRKG 101, 2007, 247 – 256, hier 250. Vgl. ebenfalls die Diskussion der Literatur bei Walsham, Hatred, 2006, 6 – 13. 42 Scribner, Preconditions, in: Grell/Scribner (Hg.), Tolerance, 1996, 32 – 47, hier 38. 43 Rawls, Liberalism, 1993, 159. 44 Vgl. Kaplan, Faith, 2007, 11. 45 Vgl. Kaufmann, Konflikte, in: Pfleiderer/Stegemann (Hg.), Religion, 2006, 139 – 172, hier 172 sowie ders., Conflicts, in: Head/Christensen (Hg.), Orthodoxies, 2007, 91 – 115.

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somit einen heuristischen Platz im Prozess der Annäherung und Abgrenzung zwischen den Konfessionsgemeinschaften. Diese Perspektive erscheint mir zukunftsweisend, denn einerseits kann sie sowohl die Annäherungs- und Vermischungsphänomene erklären, die auf lokaler Ebene überall im pluralisierten Europa bis zum 18. Jahrhundert zu beobachten waren. Andererseits werden Formen der konfessionellen Differenzherstellung wie die pejorative Wahrnehmung religiöser und konfessioneller Alterität und die damit verbundenen Handlungen der Diffamierung bzw. der Schmähung als grundlegende Prozesse der Konfessionalisierung ernst genommen. In diesem Sinne hat Alexandra Walsham Konfessionalisierung selbst als eine Formensprache der Toleranz gelesen: As religious pluralism became recognised as a permanent feature of parochial life, people began instinctively to differentiate themselves ever more overtly from neighbours whose doctrinal belief or modes of worship diverged from their own. Confessionalisation in this sense appears to have been a function not so much of persecution as of truce and ‚toleration‘, whether de facto or de jure.46

Konfessionelle Differenz muss demnach als Bestandteil religiöser Vielfalt und selbst konfessioneller Ambiguität ernst genommen werden, denn je stärker wir betonen, dass diese im Alltag überwunden werden konnte, desto schwerer sind „Intoleranz“ und konfessionelle Abgrenzungsprozesse zu erklären.47 Wie das Eingangsbeispiel verdeutlichte, konnten sich konfessionelle Differenzen im bikonfessionellen Alltag als Auseinandersetzung einzelner Christen mit den Glaubensdoktrinen der jeweils anderen Konfessionsgemeinschaft manifestieren. Die niederländische Historikerin Judith Pollmann hat daher in ihrer Untersuchung über den Utrechter Anwalt und Tagebuchschreiber Arnoldus Buchelius argumentiert, dass „Dutch Church members could and did participate both in the intolerant discourse of confessionalism and in the a-­confessional religious culture that Kaplan identified“.48 Die niederländische Republik stellte allerdings insofern eine Ausnahme dar, als es hier keine Staatskirche gab; bis 1796 waren offiziell lediglich die calvinistische und die reformierte Kirche anerkannt, was bedeutete, dass jede Form der religiösen Koexistenz nichtegalitär war, „because it was formally illicit“.49 Des Weiteren war hier die Entscheidung, einer Kirche 46 Walsham, Hatred, 2006, 303. 47 Pollmann, Bond, in: Hsia/van Nierop (Hg.), Calvinism, 2002, 53 – 7 1, hier 57. 48 Ebenda, hier 58 sowie 70/71: „In the Netherlands a culture of ‚persuasion‘ (or confessional allegiance and doctrinal purity) co-­exsisted with one of ‚religion‘ (or a-­confessional Christian piety). Belivers were able and willing to participate in both these cultures.“ 49 Frijhoff, Belief, 2002, 46.

Koexistenz und Konflikt

beizutreten, nicht zwingend und wurde individuell getroffen. Zudem – und darauf wies Joke Spaans hin – war die niederländische Republik ebenso wie die Alte Eidgenossenschaft stark dezentralisiert, so dass Konfessionspolitik lokal gestaltet und nicht zentral gelenkt wurde.50

1.3 Koexistenz und Konflikt In der Geschichtswissenschaft wurde religiöse Koexistenz lange Zeit mit Konfessionskonflikten und physischer Gewalt assoziiert, und dies, obwohl eine systematische Erforschung von Koexistenz und Konflikt und damit von Religion und Gewalt im europäischen Kontext noch zu leisten ist.51 Episoden wie die eingangs geschilderte konfessionelle Provokation, die in der politischen Kommunikation mediatisiert wurde, zählen hingegen nicht zu dem Repertoire an Vorstellungen über den Verlauf konfliktbeladener konfessio­ neller Begegnungen in der Frühen Neuzeit. Maßgeblich verantwortlich für dieses Bild eskalierender Auseinandersetzungen zwischen den Angehörigen unterschiedlicher Konfessionen in der Frühen Neuzeit waren Arbeiten zu den französischen Religionskriegen, die seit den 1970er – und 1980er – Jahren verdeutlichten, wie die Glaubensdifferenzen zwischen Katholiken und Protestanten zur Bildung distinkter religiöser Kulturen und zu gegenseitiger Feindseligkeit und Gewalt führten. In Anlehnung an Kulturanthropologinnen und Kulturanthropologen wie Mary Douglas und ihr Verständnis von Religion als einem Symbolsystem, das dem sozialen Leben Bedeutung zuweist,52 haben Historikerinnen und Historiker, die zur Geschichte des französischen 16. Jahrhunderts arbeiten, verstärkt die Antagonismen der religiösen Kulturen von Katholiken und Hugenotten aufgezeigt und Ansätze zur Erklärung von konfessionell motivierter Gewalt und Zwietracht geliefert.53 Eine 50 Spaans, Policies, in: Hsia/van Nierop (Hg.), Calvinism, 2002, 72 – 86, hier 85 – 86. Eine vergleichende Perspektive auf die Republiken der Niederlande und der Eidgenossenschaft entwirft der Band von Holenstein/Maissen/Prak (Hg.), Alternative, 2008. 51 Von Greyerz/Siebenhüner, Einleitung, in: dies. (Hg.) Religion, 2006, 9 – 10. 52 Dieses Verständnis von Religion als einem Symbolsystem war auch über die Historiographie zur französischen Geschichte hinaus enorm einflussreich, vgl. Douglas, Purity, 1966 sowie dies., Symbols, 1973; Geertz, Religion sowie Play, in: ders., Interpretation, 1973, 87 – 125, 412 – 453. 53 Zu denken ist in diesem Zusammenhang an die Arbeiten von Denis Richet, Barbara Diefendorf und Denis Crouzet, „die in den Religionskriegen und dem Massaker von 1572 Akte des Glaubens und des eschatologischen Handelns sahen“, vgl. von Greyerz/ Siebenhüner, Einleitung, in: dies. (Hg.), Religion, 2006, 9 – 25, hier 22. Leopold von

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vergleichbare Perspektive dominiert ebenfalls die deutschsprachige Frühneuzeitforschung, da auch hier Konfession aus der Perspektive der Konflikthaftigkeit religiöser Koexistenz untersucht wird.54 In der Schweiz stellte die Untersuchung von Konfessionskonflikten lange Zeit eine „offene Flanke der politischen Soziologie“ dar,55 obwohl sich die konfessionelle Geographie der Alten Eidgenossenschaft mit ihren Räumen der bikonfessionellen Konvivenz und komplexen Herrschaftsbedingungen geradezu als wissenschaftliche Laboratorien anbieten.56 In Teilen wurde diese Forschungslücke durch Ulrich Pfister geschlossen, der eine grundlegende Publikation zu Glaubenspraxis, Konflikt und Kon­fessio­nali­sierung in Graubünden vorgelegt sowie einen Tagungsband zur gleichen Thematik zusammen mit Georg Jäger publiziert hat.57 In beiden Publikationen wird nicht nur eine Auseinandersetzung mit der These der Konfessionalisierung geleistet, auf die ich gleich zu sprechen komme, sondern diese wird an einem Gebiet mit schwacher Staatsbildung überprüft. Zugleich entwickelt Pfister einen strukturalistischen Ansatz zur Erklärung von Kon­fessions­kon­flikten. Kon­fessio­nelle Unterschiede wurden in den bikonfessionellen Gegenden Graubündens als Ergebnis historischen Wandels operationalisiert, denn „zahlreiche binäre Konfliktgegensätze“ zwischen Angehörigen unterschiedlicher Konfessionen ließen sich in einen Konfessionsgegensatz transformieren.58 In diesem strukturalistischen Ansatz von Ulrich Pfister steckt die wichtige Überlegung, dass nicht jeder konfessionelle Konflikt religiös motiviert war, aber in codierter Form als

Ranke hatte die Zeit der Religionskriege noch als „essentially political“ interpretiert, vgl. den historiografischen Überblick von Sabean, Century, in: von Greyerz/Siebenhüner (Hg.), Religion, 2006, 109 – 123. 54 Vgl. Ehrenpreis, Konfessionskonflikte, 1993; Pfister, Konfessionskonflikte, in: SZRKG 101, 2007, 257 – 311; ders., Konfessionskirchen, 2012; Jäger/Pfister (Hg.), Konfessionalisierung, 2006 sowie Rosseaux/Poppe (Hg.), Konfession, 2012. 55 Pfister, Konfessionskonflikte, in: SZRKG 101, 2007, 257 – 311, hier 257 sowie Jäger/Pfister (Hg.), Konfessionalisierung, 2006. Des Weiteren vgl. insbesondere die Arbeiten von Head, Praktiken, in: BM 1999, 323 – 344; ders., Catholics, in: GH 17, 1999, 321 – 345; ders., Gmeinden, in: Kümin (Hg.), Landgemeinde, 2004, 21 – 57; ders., Dominion, in: ARG 96, 2005, 117 – 144; Volkland, Grenzen, in: HA 5, 1997, 370 – 387; dies., Katholiken, in: Haag/ Holtz/Zimmermann (Hg.), Frömmigkeit, 2002, 159 – 177; dies., Katholiken, in: Sankt Galler Geschichte 4, 2003, 131 – 146 sowie dies., Konfession, 2005. 56 Ein erster Überblick bei Forclaz, Pluralität, in: Baumann/Stolz (Hg.), Schweiz, 2007, 89 – 99. 57 Vgl. Pfister, Einleitung in: Jäger/Pfister (Hg.), Konfessionalisierung 2006, 2 – 40, hier 34 sowie Pfister, Konfessionskirchen, 2012, 32. 58 Pfister, Konfessionskonflikte, in: SZRKG 101, 2007, 257 – 311, hier 258.

Koexistenz und Konflikt

Religionskonflikt ausgetragen werden konnte, ein Gedanke, der in dieser Studie im Zusammenhang mit der Diskussion des Mehrheitsgrundsatz formuliert wird.59 Damit lässt sich erklären, warum Glaubensdifferenzen zwischen Katholiken und Protestanten in der religiösen Koexistenz in bestimmten Situationen in konfessionellen Auseinandersetzungen eskalierten, in anderen Situationen der Kategorie Konfession nur eine sekundäre Funktion im bikonfessionellen Zusammenleben zugewiesen wurde. Nicht nur Staatsbildungskonflikte ließen sich in Konfessionskonflikte transformieren, auch „Ehekonflikte, Dorfkonflikte, Zentrum-­Peripherie-­Konflikte auf regionaler oder gesamtstaatlicher Ebene, Herrschaftskonflikte, Faktionskonflikte und schließlich zwischenstaatliche Konflikte ließen sich alle in der abstrakten Sprache des Konfessionsgegensatzes darstellen“.60 Damit liegt laut ­Pfister ein entscheidender Vorteil einer strukturalistischen Analyse darin, dass sie die auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Strukturebenen gelagerten „dyadischen Konfliktlinien“ zusammenzuführen vermochte. Konfessionell motivierte Auseinandersetzungen konnten zu Kommunikationsmedien und zu Katalysatoren andersgelagerter Konflikte avancieren. 61 Insofern erlaubte „der universalistische Charakter des konfessionellen Glaubenswissens eine Transformation zahlreicher unterschiedlicher Konfliktlinien in die Leitdifferenz des konfessionellen Unterschieds, was sich in einer Eskalation von Konflikten niederschlagen konnte“.62 Zeitgleich existieren in dem historiographischen Feld der religiösen Pluralität auch Stimmen, die weniger die Konflikte in der konfessionellen Koexistenz betonen, sondern in der bereits kurz erwähnten lebensweltlichen Perspektive auf die alltagspragmatische Notwendigkeit eines friedlichen gemischtkonfessionellen Zusammenlebens aufmerksam machten, das auf wirtschaftlichen Zwängen und Nöten beruhte.63 Zudem gab es kulturelle Faktoren und Bindungen, 59 Vgl. die Diskussion des Mehrheitsgrundsatz in Kap. 2.2.4. 60 Pfister, Konfessionskonflikte, in: SZRKG 101, 2007, 257 – 311, hier 262. 61 Ebenda, hier 262. Ähnlich argumentiert Schmölz-­Häberlein, Konflikte, in: Eriksson/ Krug-­Richter (Hg.), Streitkulturen, 2003, 309 – 334. 62 Pfister, Konfessionskirchen, 2012, 365. 63 Scribner, Preconditions, in: Grell/Scribner (Hg.), Tolerance, 1996, 32 – 47, hier 38. In diesem Sinne auch Bernd Roeck, der konstatierte, dass es selbst um 1600 Unzählige gegeben habe, „die schlicht nicht ganz genau wussten, was man als Katholik, Lutheraner oder Calvinist zu glauben hatte“. Ders., Ketzer, 2007, 232. Ähnlich argumentiert Nicole Grochowina, die für die Konversionsfälle in den bikonfessionellen Gebieten Ostfrieslands von einer religiösen Indifferenz im Sinne einer Gleichwertigkeit der Konfessionen spricht, vgl. dies., Bekehrungen, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 243 – 270.

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die durch die Religionszugehörigkeit entstanden und die zu konfessionsübergreifenden Werten und Normen führten. Auf dieser Grundlage entwickelten Katholiken und Protestanten pragmatische Formen der religiösen Koexistenz, bei denen die Glaubensdifferenzen in den Hintergrund traten, um etwa den Sozialverband des Dorfes bzw. das Zusammenleben in enger Nachbarschaft nicht zu gefährden. Wie Keith Luria gezeigt hat, konnte sich eine gemeinsame Kultur auf der Grundlage vergleichbarer wirtschaftlicher Interessen, Familienwerte, ähnlicher geschlechtsspezifischer Rollenerwartungen, Ehrvorstellungen und Konzepten von sozialer Ordnung entwickeln.64 Zudem teilten Katholiken und Protestanten gemeinsame soziale und wirtschaftliche Interessen, die religiöse Differenzen in vormodernen Gesellschaften mediatisierten.65 Religiöse Pluralität war insofern nicht nur von Konflikten und Reibereien gekennzeichnet, sondern im Alltag vielfach durch Werte wie der guten Nachbarschaft, Verhandlungsbereitschaft und den Willen geprägt, friedliche Formen der religiösen Koexistenz zu entwickeln.66 Diese Formen der friedlichen religiösen Konvivenz werden im frühneuzeitlichen Quellenmaterial seltener reflektiert, da Konflikte – und nicht friedfertiges, normgerechtes Verhalten – Quellen produzieren. Mit Blick auf die Konflikthaftigkeit bikonfessionellen Zusammenlebens wird daher leicht vergessen, dass etwa Geistliche, die sich eine Simultankirche für ihre Gottesdienste teilten, täglich neu bewiesen, wie friedliches Zusammenleben zweier Glaubensgemeinschaften auf engstem (Handlungs-)Raum in frühneuzeitlichen Gesellschaften funktionierte.67 Luria hat daher jüngst die Selbstverständlichkeit der Annahme hinterfragt, dass „violence appears so inevitably the result of religious difference“.68 Er stellt der These der Unvereinbarkeit der religiösen Kulturen von Katholiken und Hugenotten eine andere Perspektive entgegen und rekonstruiert, welche kulturelle Bedeutung die doktrinär fixierten Differenzen in der katholischen und protestantischen Theologie für den religiösen Glauben, die religiösen Praktiken und die religiösen Grenzziehungen im Alltagsleben besaßen. Luria zufolge ist es die Aufgabe der Geschichtswissenschaft, beides, Konflikt und Konsens, zu erklären, da sie in vormodernen

64 Luria, Boundaries, 2005, xvi. 65 Peter Lang hat in diesem Zusammenhang von der „kommerzielle[n] Interaktion“ zwischen Katholiken und Lutheranern in Ulm gesprochen, vgl. ders., Katholiken, 1977, 138 – 140. 66 Vergleichbar argumentiert Luebke, Customs, in: Louthan/Cohen/Szabo (Hg.), Diversity, 2011, 53 – 73. 67 Hacke, Cultures, in: Calaresu/de Vivo/Rubiés (Hg.), History, 2010, 169 – 187. 68 Luria, Boundaries, 2005, xiii.

Koexistenz und Konflikt

Gesellschaften vielfach koexistierten.69 Zudem wurden Konfessionskonflikte in der Frühen Neuzeit nicht nur mit physischer Gewalt ausgetragen; auch der Kampf um die Seelen wurde seit der Glaubensspaltung „über weite Strecken medial, kulturell und strukturell geführt“.70 Als prominentes Beispiel sei die niederländische Republik genannt, in der konfessionelle Auseinandersetzungen in der aggressiven Pamphletliteratur (aber auch von aggressiven Kirchenmännern) geführt wurden.71 Gewaltsame Konfessionskonflikte gehörten somit zu den „spezifischen Ausprägungen von Religion und Gewalt in der Frühen Neuzeit“, waren aber nur eine Form, in der sich konfessionelle Antagonismen und Konflikte manifestierten.72 Die Diskussion hat gezeigt, dass konfessionelle Pluralität in der Frühen Neuzeit eine besondere Herausforderung auf lokaler und staatlicher Ebene darstellte, denn sie verlangte, wie ich im Folgenden ausführen möchte, nach legalen Maßnahmen, um mit religiöser Pluralität umzugehen und religiöse Koexistenz zu ermöglichen.73 Wie Scott Dixon mit Blick auf die Territorien des Alten Reichs mit der spezifisch konfessionell-­rechtlichen Situation an souveränen landesfürstlichen Territorien und den sich überlappenden Jurisdiktionen feststellte, tendierte zwar jede Stadt dazu „to deal with confessional plurality on its own terms“.74 Dennoch gab es vergleichbare Trends: Wie für die paritätischen Reichsstädte Augsburg, Biberbach, Ravensburg und Dinkelsbühl gezeigt worden ist, wurden öffentliche theologische Debatten durch 69 Ebenda, xv–xvi. Jalabert kommt zu einem vergleichbaren Ergebnis, vgl. ders., Catholiques, 2009. Gregory Hanlon, der die Formen der religiösen Koexistenz in dem südfranzösischen Dorf Aquitaine untersuchte, folgerte: „Social relations are not fundamentally harmonious, conflictive, consensual, or repressive, but are all of these“, vgl. ders., Confession, 1993, 6. 70 Von Greyerz/Siebenhüner, Einleitung, in: dies. (Hg.), Religion, 2006, 9 – 25, hier 14. 71 Für die niederländische Republik wurde das Bild einer quasi geschichtslosen, toleranten niederländischen Republik in der neueren Historiographie revidiert, da es sich dabei um überholte Geschichtskonstruktionen handelte. Vgl. die Beiträge von Kaplan, Tolerance, in: Hsia/van Nierop (Hg.), Calvinism, 2002, 8 – 26 und Frijhoff, Toleration, in: Hsia/van Nierop (Hg.), Calvinism, 2002, 27 – 52. 72 Von Greyerz/Siebenhüner, Einleitung, in: dies. (Hg.), Religion, 2006, 9 – 25, hier 14. 73 Dixon, Order, in: CEH 40, 2007, 1 – 33, hier 6. Den Zusammenhang der religiösen Verhältnisse des 16. und 17. Jahrhunderts im Alten Reich mit den Strukturen des entstehenden Territorialstaates dokumentiert der Sammelband von Bahlcke/Lambrecht/Maner (Hg.), Pluralität, 2006, 11 – 16. Systematisch hat Mark Häberlein den Zusammenhang von frühneuzeitlicher Staatlichkeit und der Entstehung religiöser Pluralität in süddeutschen Territorien untersucht, vgl. ders., Grenzen, in: Asch/Freist (Hg.), Staatsbildung, 2005, 151 – 190. 74 Dixon, Order, in: CEH 40, 2007, 1 – 33, hier 7.

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die Unterbindung von Kontroverstheologie und Schmähungen gesteuert, die Nutzung der simultan genutzten Sakralräume vertraglich reglementiert und der Umgang mit religiösen Symbolen stark kontrolliert, um in dieser Form Konfliktpotential zu minimieren und religiöse Koexistenz stabil zu gestalten.75 Konfessionelle Distinktion und Differenzherstellung waren Prozesse, die in europäischen Gesellschaften weniger in kriegerischen Zeiten stattfanden, sondern in historischen Perioden, in denen religiöse Pluralität rechtlich institutionalisiert war. Wesentlich für ein friedliches Verhältnis der Konfessionsangehörigen zueinander war damit das, was Benjamin J. Kaplan als ein „stable framework for coexsistence“ bezeichnet hat.76 In diesem Sinne hat auch Philip Benedict das Nachlassen von gewalttätigen Konfessionskonflikten im 17. Jahrhundert auf „friedenserhaltende Regelungen“ wie den Augsburger Religionsfrieden (1555), das Edikt von Nantes (1598) und den Westfälischen Frieden (1648) zurückgeführt, da mit diesen Mitteln legale Voraussetzungen einer friedlichen Koexistenz geschaffen worden seien.77 Ein jüngst publizierter Band zur religiösen Vielfalt in der europäischen Frühen Neuzeit verweist auf das „social management“ von religiöser Koexistenz, das die beidseitige Bereitschaft zur Verhandlung vorausgesetzt habe.78 Durchaus vergleichbar argumentiert Benjamin J. Kaplan, der in seiner Überblicksdarstellung zur religiösen Koexistenz und konfessionellem Konflikt die formalen und informellen Konfliktregulierungsmechanismen betont, die geholfen hätten, Konflikte zu begrenzen und das Eskalationspotential zu minimieren.79 Weitere Faktoren, die zur Stabilisierung einer religiösen Koexistenz beitrugen, erkannte er in der beidseitigen Anerkennung der Bekenntnisse und damit in der Möglichkeit, den eigenen Glauben weitgehend frei und uneingeschränkt praktizieren zu

75 Warmbrunn, Konfessionen, 1983. 76 Kaplan, Coexsistence, in: Hsia (Hg.), Companion, 2004, 486 – 505, hier 496. Vergleichbar argumentierte C. Scott Dixon, dass religiöse Vielfalt „only existed insofar as each religion was kept within its specified bounds“. Vgl. Dixon, Order, in: CEH 40, 2007, 1 – 33, hier 6. 77 Benedict, Religion, in: von Greyerz/Siebenhüner (Hg.), Religion, 2006, 155 – 173; das Zitat ist der Einleitung von Kaspar von Greyerz und Kim Siebenhüner entnommen. Ebenda, 19. 78 „Therefore, the social management of coexistence needs constant negotiation from both sides.“ Frijhoff, Worlds, in: Dixon/Freist/Greengrass (Hg.), Diversity, 2009, 21 – 52, hier 25. Gregory Hanlon analysiert die Strategien der Versöhnung, Kooperation und Konfliktvermeidung, die in dem von ihn untersuchten südfranzösischen bikonfessionellen Dorf Aquitane am Werk waren, vgl. ders., Confession, 1993. 79 Kaplan, Faith, 2007, 9.

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können.80 Dieser Aspekt wird uns in dieser Studie noch ausführlicher beschäftigen, denn die Konstruktion religiöser Koexistenz fand in der Grafschaft Baden unter ungleichen Rechtsverhältnissen statt. Damit gewinnen neben den rechtlichen Mechanismen, die zur friedlichen Lösung von Konfessionskonflikten beitrugen, die kommunikativen Möglichkeiten zur Begrenzung des Konfliktpotentials an Relevanz. Denn wenn der religiösen Koexistenz die Möglichkeit zum konfessionellen Konflikt inhärent war, barg doch jede konfessionelle Auseinandersetzung – so möchte ich ergänzen – auch die Chance der politischen, kommunikativen Mediatisierung und Verhandlung. Um dieser Dialektik von Konflikt und Konsens in einer vertikalen Betrachtung der Transformation der Konflikte gerecht zu werden, wählt diese Untersuchung eine epistemologische Perspektive, die auf die wissenschaftliche Analyse der vertikalen und horizontalen politischen Kommunikation fokussiert und dafür auf die Ursachenforschung in der horizontalen Beobachtung bikonfessioneller Koexistenz verzichtet. Im Kern geht es dabei erstens um die Frage, welche Verfahren und Strategien der katholischen und reformierten Regenten der Grafschaft Baden sich in der politischen Kommunikation über Konfes­ sionskonflikte über einen langen Zeitraum hinweg etablierten. In einer verfahrenstechnischen Perspektive ist zweitens die Frage relevant, welche Funktion der politischen Kommunikation für den Umgang mit konfessionellen Konflikten zukam. Diese Verschiebung konfessioneller Konflikte – vom bikonfessionellen Dorf auf die eidgenössische Tagsatzung und damit auf die zentrale gemeineidgenössische Institution der Alten Eidgenossenschaft – sind in der Historiographie zur Geschichte der frühneuzeitlichen Schweiz kaum untersucht, 81 während die politischen und sozialen Unruhen durchaus Gegenstand mehrerer Studien gewesen sind.82 Die Konfliktforschung in der Schweiz hat sich 80 So auch Kaplan, Coexsistence, in: Hsia (Hg.), Companion, 2004, 486 – 505, hier 496. Walsham, Hatred, 2006, 247 – 269, sprach in diesem Zusammenhang von obrigkeitlichen Erlassen und politischen Interventionen. 81 Vgl. allerdings Hacke, Konflikt, 2005; dies., Kirchenraum, in: Wegmann/Wimböck (Hg.), Konfessionen, 2007, 137 – 157 sowie dies., Cultures, in: Calaresu/de Vivo/Rubiés (Hg.), History, 2010, 169 – 187. Pfister, Konfessionskonflikte, in: SZRKG 101, 2007, 257 – 311, hier 273 – 286, diskutiert die beiden Konfliktebenen (lokal/eidgenössisch) in Verbindung mit den unterschiedlich verfassten Staatswesen der frühneuzeitlichen Schweiz. 82 Die unzähligen „Troubeln“ und Revolten vorwiegend des 18. Jahrhunderts waren durchaus Gegenstand wissenschaftlicher Reflexion. Die schweizerische Historiographie des 19. Jahrhunderts maß den politischen Unruhen und Revolten des Ancien Régime einen vergleichsweise großen Raum in ihren Darstellungen zu. Vor dem Hintergrund eines negativen Geschichtsbildes, das die Schweizer Historiographie des 19. Jahrhunderts von der Frühen Neuzeit als einer Epoche des Niedergangs entwickelte, ermöglichten

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damit überwiegend auf die Erforschung der horizontalen Verlaufsstrukturen von Konflikten und zudem auf die politischen und sozialen Unruhen und Proteste konzentriert.83 Mit Blick auf das zur Beobachtung stehende semantische Begriffspaar „Konsens und Konflikt“ ist daher nach der Bedeutung zu fragen, die der Transfer konfessioneller Konflikte für das Beziehungsgefüge der politischen Elite der Eidgenossenschaft hatte. Damit verschiebt sich die erkenntnistheoretische Perspektive: Sie fragt nicht mehr nach der lokalen Bedeutung von Konfessionskonflikten, sondern interessiert sich für die systemische Bedeutung der Gemeinen Herrschaft(en) für die Konfessionspolitik und das Bündnissystem der Eidgenossenschaft.

1.4 Konfessionalisierung als kommunikative Praxis Wie Joke Spaans griffig formuliert hat, war der Konfessionsstaat die frühneuzeitliche Antwort auf das Problem der religiösen Pluralität.84 Allerdings ließ sich das Ideal der konfessionellen Homogenität in der Frühen Neuzeit nicht in allen Gegenden Europas realisieren, und religiöse Vielfalt war ein Aspekt der historischen Wirklichkeit. Diese bi- bzw. multireligiösen Landschaften sind in der Geschichtswissenschaft dazu genutzt worden, ein sehr einflussreiches „Paradigma“ der Frühneuzeitforschung zu kritisieren: die These der Konfessionalisierung von Kirche und Staat, Politik und Religion. Diese in den 1970er-Jahren unter Rückgriff auf Ernst Walter Zeedens Konzept der „Konfessionsbildung“

die Schilderungen der unzähligen Händel und Unruhen gerade die Konstruktion einer gemeinsamen Vergangenheit auf der Grundlage einer weitverbreiteten „Revoltenerfahrung“, der das Streben nach Freiheit und Gerechtigkeit zugrunde lag. In dieser Freiheitsliebe erkannte die nationale Geschichtserzählung nicht nur eine spätmittelalterliche Heldentradition wieder, sondern bezog diese auch auf die revolutionären Bewegungen von 1798 bis 1848: „Die Freiheitsliebe verband so die vaterländische Tugend mit neuer nationaler Gesinnung“. Würgler, Revolution, in: Ernst/Tanner/Weishaupt (Hg.), Revolution, 1998, 79 – 90, hier 82 – 86, Zitat 86. Eine etwas andere Gewichtung nimmt vor Maissen, Disputatio, in: Traverse 3, 2001, 39 – 55, hier 40 – 41. 83 Dies trifft für die sehr differenzierte Bauernkriegsforschung und Kommunalismusdiskussion zu, wie sie um Peter Blickle entstand, aber auch auf die Arbeit von Andreas Suter über den Schweizer Bauernkrieg. Vgl. ders., Bauernkrieg, 1997 sowie ders., Troublen, 1985. Allerdings bildet Hans Wicks strukturgeschichtliche und konfliktsoziologische Arbeit über den „Glarnerhandel“ eine wichtige Ausnahme, da sie grundlegende Konfliktlösungsverfahren in der Eidgenossenschaft zwischen einzelnen Orten exemplarisch verdeutlicht. Vgl. Wick, Glarnerhandel, in: JbGL 69, 1982, 47 – 240. 84 Spaans, Policies, in: Hsia/van Nierop (Hg.), Calvinism, 2002, 72 – 86, hier 76.

Konfessionalisierung als kommunikative Praxis

von Heinz Schilling und Wolfgang Reinhardt formulierte These eines formal und funktional in allen drei Konfessionen parallel ablaufenden grundlegenden gesellschaftlichen Wandels ist zu einem wesentlichen wissenschaftlichen Referenzpunkt der Frühneuzeitforschung avanciert.85 Das Verständnis des 16. und 17. Jahrhunderts als einer Periode des gesellschaftlichen Wandels, wie es in der Konfessionalisierung als einem „Kardinalvorgang der Epoche“ zum Ausdruck kommt, geht von einer strukturellen Verzahnung von Kirche und Staat, Religion und Politik aus, die den „inneren Zusammenhang der religiösen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungslinien“ des 16. und 17. Jahrhunderts betont. 86 Durch diese innere Klammer ist die „frühe“ Frühe Neuzeit belebt worden, ein Zeitraum, der bis in die frühen 1980er-Jahre als „eine fade Periode“ galt, da er lediglich das Ende der Reformation und den Beginn des 30-jährigen Kriegs markiert habe.87 Gemein war beiden Historikern die modernisierungstheoretische Perspektive, wonach die Konfessionalisierung nicht nur den Zustand konfessionalisierter Gesellschaften etabliert habe, sondern in den säkularen Staat bzw. die Aufklärung gemündet sei.88 Damit ist der Prozess der Konfessio­ nalisierung schon von seiner Konzeption her nicht ergebnisoffen, sondern hat ein erklärtes Ziel: den säkularen Staat. Unterschiedliche Schwerpunkte legten die Theoretiker an anderer Stelle. Heinz Schilling betont die gesellschaftliche und politische Dimension der Konfessionalisierung und konstatiert einen engen Zusammenhang zwischen Konfessionalisierung und frühneuzeitlichen Staatsbildungsprozessen (Zentralisierung, Verrechtlichung, Bürokratisierung), der daraus resultiere, dass Kirche und Staat die Kirchenreformen gemeinsam vorantrieben.89 Mit dem Namen Wolfgang Reinhardt werden die funktionalen Äquivalenzen der Konfessionalisierungsvorgänge assoziiert. Hatte die ältere 85 Ernst Walter Zeedens problematisierte in den 1960er-Jahren den von Hubert Jedin geprägten Begriff der „Gegenreformation“ als Epochenbegriff und fasste mit dem Terminus der „Konfessionsbildung“ staatliche Rekatholisierungsmaßnahmen und die innere Reform innerhalb der eigenen Konfession begrifflich und konzeptionell zusammen. Vgl. Zeeden, Entstehung, 1965. Der Begriff „konfessionelles Zeitalter“, den Zeeden für den Zeitraum 1555 bis 1648 verstanden wissen wollte, fiel zuerst bei Troeltsch, Bedeutung, in: HZ 97, 1906, 1 – 66. Später wendete ihn Otto Brunner als spezifischen Epochenbegriff an, vgl. Brunner, Zeitalter, in: Rassow (Hg.), Geschichte, 1953, 284 – 316. 86 Schilling, Konfessionalisierung, in: HZ 246, 1988, 1 – 45. Bei Harm Klueting schließt die Epoche des konfessionellen Zeitalters (1525 – 1648) auch die reformatorischen Bewegungen mit ein, vgl. ders., Zeitalter, 1989. 87 Vogler, monde, Bd. 2, 1981, 251. 88 Schilling, Konfessionalisierung, in: HZ 246, 1988, 1 – 45, hier 3 – 5. 89 Schilling, Konfessionskonflikt, 1981 sowie ders., Zweite Reformation, in: ders. (Hg.), Konfessionalisierung, 1986, 387 – 437.

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Forschung die Gegensätze zwischen den Konfessionsbildungen akzentuiert, so hebt Wolfgang Reinhardt die Parallelität der Konfessionalisierungsvorgänge hervor.90Die Herausbildung klar umrissener Glaubensbekenntnisse und theologischer Dogmen zählen demnach ebenso zu den Verfahren der Konfessionalisierung wie der Ausbau der Institutionen (Konsistorien und Ähnliches) und institutionellen Verfahren (Kirchenvisitation), die für die Verbreitung und Durchsetzung der „neugeschaffenen Normen“ standen.91 Die Homogenisierung der christlichen Untertanen erfolgte innerhalb der einzelnen Konfessionsgesellschaften von „oben“ nach „unten“ und zielte in einer modernisierungsgeschichtlichen Perspektive auf eine „Formierung einer neuzeitlich disziplinierten Untertanengesellschaft, die anders als die mittelalterliche Gesellschaft nicht personal und fragmentiert, sondern institutionell und flächenmäßig organisiert war“.92 Insofern beschreibt Konfessionalisierung als Leitperspektive Schilling zufolge auch die „frühmoderne Normierung und Formierung von Verhalten, Glauben, Denken und Empfinden“.93 Insgesamt haben damit nicht nur sozial­ wissenschaftliche Modernisierungstheorien, sondern auch Gerhard Oestereichs und Norbert Elias’ Kategorie der Sozialdisziplinierung Eingang in das Konfessionalisierungsmodell gefunden.94 In der historischen Forschung ist die These der inneren Homogenisierung und der äußeren Abgrenzung der Konfessionskirchen zunächst durch viele Einzelstudien überprüft, aber auch stark kritisiert worden. Die Kritik kam aus unterschiedlichen Disziplinen – hier sollen nur solche Studien Erwähnung finden, die für diese Arbeit Relevanz haben. Die Kritikpunkte betrafen unter anderem die Periodisierung des Modells,95 formulierten den Einwand, ob die 90 Ungeachtet „eines zeitlichen Vorsprungs der Reformation vor der Regeneration der alten Kirche“, so Reinhardt, sei „der Vorgang doch im Wesentlichen parallel nach den selben Regel“ abgelaufen und habe dasselbe Ergebnis geliefert: die katholische, calvinistische und lutherische Konfessionskirche, vgl. Reinhard, Konfession, in: ders. (Hg.), Bekenntnis, 1981, 165 – 189, hier 179. 91 Ebenda, hier 181. 92 Schilling, Konfessionalisierung, in: HZ 246, 1988, 1 – 45, hier 6. Als Replik auf die an der These artikulierte Kritik spricht sich Schilling für eine Doppelperspektive aus, vgl. ders., Disziplinierung, in: HZ 264, 1997, 675 – 691. 93 Ebenda, hier 676. 94 Oestreich, Strukturprobleme, in: ders. (Hg.), Geist, 1969, 179 – 197; Breuer, Sozialdisziplinierung, in: Sachße/Tennstedt (Hg.), Sicherheit, 1986, 45 – 69 sowie Schulze, Begriff, in: ZHF 14, 1987, 265 – 302. 95 Gerade die „Vermittlung konfessionsspezifischer Inhalte und Verhaltensnormen“ verlange, so Helga Schnabel Schüle, eine Verschiebung des Untersuchungszeitraumes hinter das Jahr 1648, mit dem das „konfessionelle Zeitalter“ gemäß einschlägiger

Konfessionalisierung als kommunikative Praxis

Konfessionalisierung tatsächlich den Kardinalvorgang der Frühen Neuzeit darstelle,96 hielten nach den „Grenzen der Konfessionalisierbarkeit“97 Ausschau und bemängelten, dass dem Faktor Religion in dem Modell kaum Bedeutung beigemessen werde.98 Besonders vehement wurde die makrohistorische Perspektive der Konfessionalisierungsthese als „etatistische Einengung“99 und „generelle Staatsüberschätzung“100 kritisiert. Die Kritik betrifft zwei unterschiedliche Elemente, nämlich die Frage nach dem Motor der Sozialdisziplinierung und der Rolle, die der Religion dabei zugewiesen wird, sowie dem Verhältnis von Konfessionalisierung und Staatsbildung.101 Der Rechtshistoriker Michael Stolleis sieht nicht in der Konfessionalisierung, sondern in der Säkularisierung den entscheidenden Faktor, der frühneuzeitliche Staatsbildung beschleunigt habe.102

Überblicksdarstellungen und Handbücher gewöhnlich periodisiert wird, da es eine starke „dogmatisch-­theologische und verfassungsgeschichtliche Orientierung“ verrate, vgl. Schnabel-­Schüle, Jahre, in: Frieß/Kießling (Hg.), Konfessionalisierung, 1999, 23 – 40, hier 24 – 25. 96 Schon 1985 hat Winfried Schulze bezweifelt, dass die Konfessionalisierung ein Kardinalvorgang der frühneuzeitlichen Gesellschaft und damit wesentlich für die gesellschaftlichen Modernisierungsprozesse als solche gewesen sei. Schulze favorisiert ein offenes Modell, bei dem die Konfessionalisierung als ein wichtiger Prozess unter anderen elementaren Wandlungsvorgängen der Frühen Neuzeit, wie etwa Verrechtlichung, Territorialisierung oder Disziplinierung, gedeutet wird. Vgl. Schulze, Rezension, in: ZHF 12, 1985, 104 – 107 sowie ders., Konfessionalisierung, in: Dietz/Ehrenpreis (Hg.), Konfessionen, 1999, 15 – 30. Vgl. auch die weiterführende Debatte bei Mörke, Bedeutung, in: Asch/Duchhardt (Hg.), Absolutismus, 1996, 125 – 166. 97 Vgl. Anton Schindling, der die „Grenzen der Konfessionalisierbarkeit“ und damit des Konfessionalisierungsparadigmas betonte. Ders., Konfessionalisierung, in: Schindling/Ziegler (Hg.), Territorien, Bd. 7, 1997, 9 – 44. In diesem Sinne auch von Greyerz/ Jakubowski-­Tiessen/Kaufmann/Lehmann (Hg.), Interkonfessionalität, 2003; Benedict, Religion, in: SZRKG 101, 2007, 247 – 256 sowie Brockmann/Weiß (Hg.), Konfessionalisierungsparadigma, 2013. 98 Von Greyerz, Religion, in: SGWSG 3, 1983, 13 – 16, hier 14. 99 Schmidt, Sozialdisziplinierung, in: HZ 265, 1997, 639 – 682 und ders., Dorf, 1995. 100 Dinges, Kirchenzucht, in: IC 22, 1995, 393 – 395 und ders., Armenfürsorge, in: GG 17, 1991, 5 – 29. 101 Gegen die These der staatskirchlichen Disziplinierung wurde in den späten 1990erJahren in einer Studie zur Berner Kirchenzucht auf die Selbstregulierungsmechanismen und -potentiale der Untertanen aufmerksam gemacht. Der Kritikpunkt betraf nicht die Frage nach der Perzeption und Verarbeitung obrigkeitlicher Disziplinierungsmaßnahmen durch Untertanen, sondern zielte mit seiner Konzeption der „Kommune“ als „Auftraggeber“ der Sittenzucht auf ein Kernelement des Konzeptes, vgl. Schmidt, Dorf, 1995 sowie ders., Sozialdisziplinierung, in: HZ 265, 1997, 639 – 682. 102 Stolleis, Konfessionalisierung, in: IC 20, 1993, 1 – 32.

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Inzwischen wird über „konkurrierende Konfessionalisierungen“103 ebenso nachgedacht wie über „Selbstkonfessionalisierung“104 und eine gegenseitige soziale Kontrolle, die eine „horizontale Disziplinierung“ in Gang gesetzt habe.105 Kaspar von Greyerz hat in zwei, unter anderem mit dem Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann konzipierten Bänden Arbeiten von Nachwuchshistorikern vorgestellt, die das Konfessionalisierungsparadigma kritisieren und für eine Weiterentwicklung plädieren. Beide Bände zeigen sowohl die Vielfalt der Formen, in denen sich Konfession im Alltag und in der Gelehrtenkultur manifestierten, weisen aber auch auf die Grenzen von Konfessionalität hin. Da beide Bände in den Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte publiziert worden sind, stellen sie sich ausdrücklich in die Tradition der drei monumentalen Sammelbände zur reformierten, lutherischen und katholischen Konfessionalisierung.106 Nach anfänglichen Grabenkämpfen haben sich die Positionen damit in einigen Punkten angenähert, wobei die Nestoren der Konfessionalisierungsthese die Kritikpunkte als eine Ergänzung, nicht aber als Falsifizierung des wissenschaftlichen Diskurses verstehen.107 Dies gilt unter anderem für die Debatte zur Sozialdisziplinierung, aber auch für die hier thematisierte Problematik der gemischtkonfessionellen Koexistenz. In diesem Zusammenhang hat Heinz Schilling in einem wenig beachtetem Aufsatz bereits im Jahr 2001 dezidiert, dass wir über die kulturellen Kontakte über den konfessionellen Graben hinweg und die Prozesse der Osmose bzw. Adaption erst sehr unzureichend informiert 103 Ehrenpreis, Konfessionalisierung, in: Dietz/Ehrenpreis (Hg.), Konfessionen, 1999, 3 – 13, hier 8. 104 Schnabel-­Schüle, Kirchenzucht, in: Schilling (Hg.), Kirchenzucht, 1994, 49 – 64, hier 54 – 60. Peter Blickle spricht von Selbstchristianisierung, vgl. Blickle, Reformation, in: ders./Kunisch (Hg.), Kommunalisierung, 1989, 9 – 28, hier 25. 105 Schnabel-­Schüle, Kirchenzucht, in: Schilling (Hg.), Kirchenzucht, 1994, 49 – 64, hier 54 – 60. 106 Kaufmann/Schubert/von Greyerz (Hg.), Konfessionskulturen, 2008 sowie von Greyerz/­ Jakubowski-­Tiessen/Kaufmann/Lehmann (Hg.), Interkonfessionalität, 2003. Die er­­ wähnten monumentalen Sammelbände waren die folgenden: Schilling (Hg.), Konfessionalisierung, 1986; Rublack (Hg.), Konfessionalisierung, 1992; Reinhard/Schilling (Hg.), Konfessionalisierung, Münster 1995. 107 Mit Blick auf die Kirchenzuchtforschung und die Debatte um die „Sozialdisziplinierung“ schlug Heinz Schilling den Begriff der „Disziplinierungsforschung“ als Sammelbegriff vor, vgl. Schilling (Hg.), Institutionen, 1999, 3 – 38. Wolfgang Reinhard bemängelt, dass die Antagonismen zwischen zwischen Volksreligiosität und den religiösen Inhalten und Verhaltensformen, die von kirchlichen und weltlichen Obrigkeiten verbreitet wurden, komplexer seien, als von den Kritikern der Konfessionalisierungsthese behauptet, vgl. Reinhard, Sozialdisziplinierung, in: Boskovska (Hg.), Frühe Neuzeit, 1997, 39 – 55, hier 55.

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seien.108 Dieser Punkt ist in der Tat bemerkenswert und bezieht die am idealtypischen Modell der Konfessionalisierung geäußerte Kritik mit ein, die ursprünglich mit der Geschlossenheit der konfessionellen Konfessionsgruppen argumentiert hat, die sich in einer funktionalen Äquivalenz parallel zu homogenen Untertanengesellschaften entwickelt hätten. Neuere historische Arbeiten gehen in eine ähnliche Richtung und betonen, dass sich die verschiedenen religiösen Glaubensgemeinschaften nicht als geschlossene Blöcke gegenübergestanden hätten, sondern sich religiöse Bindungen „auf der Grundlage von verwandtschaftlichen, nachbarschaftlichen und genossenschaftlichen Beziehungen entwickelten“.109 Aus ähnlicher Perspektive wurde auf die „Grenzräume des Verhandelns“110 zwischen den Konfessionsgemeinschaften hingewiesen und damit grundsätzlich auf die Möglichkeit konfessioneller Kontakte. In dieser Perspektivierung wird die gegenseitige Bezogenheit der Konfessionsgemeinschaften zum Gegenstand wissenschaftlicher Reflexion gemacht und auf die Interaktionen zwischen Konfessionsangehörigen fokussiert. Zugleich wird angemahnt, die Konfessionalisierungsperspektive um die „Wahrnehmung der Trans- und Interkonfessionalität aspektivisch zu erweitern und die Kontextualität des Konfessionellen als Schlüsselproblem zu thematisieren“.111 Damit ist nicht nur die Vielschichtigkeit des Religiösen in der Frühen Neuzeit angesprochen, seine Bedeutung, Gestalt und konfessionelle Zugehörigkeit, sondern zudem das Beziehungsgeflecht, in dem einzelne Personen, Gruppen, aber auch Institutionen zu situieren sind und sich zu dem konfessionellen Gegenüber verhielten; implizit sind damit auch konfessionelle Selbst- und Fremdbilder, konfessionelle Grenzen und Transgressionen thematisiert. Diese Formen der konfessionellen Grenzüberschreitungen, der konfessionellen Indifferenz und damit der Praktiken der konfessionellen Uneindeutigkeit waren persistent, wie wir inzwischen wissen, und bestanden bei gleichzeitigen kulturellen Differenzierungsprozessen durchaus bis ins 18. ­Jahrhundert fort.112 Die Untersuchung von religiöser Pluralität und Vielfalt in den Gesellschaften der Frühen Neuzeit wird von der historischen Forschung allerdings nicht nur als eine Perspektivenerweiterung konzipiert, die den institutionengeschichtlichen Ansatz der auf dem Modernisierungskonzept fußenden Makrotheorie um die 108 Schilling, Confessionalisation, in: Andor/Tóth (Hg.), Frontiers, 2001, 21 – 35. 109 Roeck, Ketzer, 2007, 232. 110 Maissen, Konfessionskulturen, in: SZRKG 101, 2007, 225 – 246, hier 241. 111 Kaufmann, Einleitung, in: von Greyerz/Jakubowski-­Tiessen/Kaufmann/Lehmann (Hg.), Interkonfessionalität, 2003, 9 – 15, hier 14. 112 Vgl. die Diskussion des Phänomens in Pietsch/Stollberg-­Rilinger (Hg.), Ambiguität, 2013.

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notwendige lokale Perspektive erweitert und Religion als einen eigenständigen Faktor in seiner gesellschaftlichen Vielfalt ernst nimmt; religiöse Pluralität und ihre Repräsentationen im Alltag sind in direkter Abgrenzung zur Konfessionalisierung thematisiert worden. Religiöse Vielfalt wird damit selbst als ein Forschungsfeld entworfen, das Kritik an dem Konfessionalisierungsparadigma vorträgt und hilft, die Diskrepanz zu überwinden zwischen dem strukturalistischen Modell der Konfessionalisierung und damit einem idealtypischen Prozess einerseits und den Auswirkungen, die diese Dynamik auf Individuen bzw. Gruppen hatte, andererseits.113 Für diesen historiographischen Trend steht auch die Internationalisierung der deutschen Frühneuzeitforschung, da Frühneuzeithistorikerinnen und -historiker aus anderen Ländern bereits seit längerer Zeit Phänomene der religiösen Koexistenz untersucht haben, während sich deutschsprachige Historikerinnen und Historiker auf die Überprüfung und Anwendung dieses Modells anhand von Untersuchungsräumen aus dem Alten Reich konzentrierten.114 Diese in der religiösen Diversität beobachteten Phänomene der konfessionellen Interaktion, der konfessionellen Grenzüberschreitung oder der konfessionellen Indifferenz, wie sie besonders von der Konversionsforschung festgestellt worden sind, wurden vielfach als Beweis einer gescheiterten Konfessionalisierung gedeutet, da sie dem idealtypischen Modell einer konfessionellen Homogenisierung der Untertanen zuwiderliefen.115 In der deutschsprachigen Historiographie hat dies besonders vehement Frauke Volkland getan, die in der von ihr untersuchten bikonfessionellen Kleinstadt Bischofszell „Grauzonen“ gemischtkonfessionellen Zusammenlebens ausfindig machte, für die in der „Konfessionalisierungsforschung kein Platz“ sei.116 In dem Sammelband Living with Religious Diversity in Early Modern Europe argumentiert Dagmar Freist ähnlich grundlegend anhand gemischtkonfessioneller Ehen im Fürstentum Osnabrück, dass „the concept of confessionalization eclipsed or neglected phenomena such as religious pluralization and different religious identities that were only vaguely, if at all, informed by official teaching and legislation“.117 Nicht nur der Beitrag von Freist, sondern

113 Von Greyerz, Religion, 2000; Höfele/Laqué/Ruge/Schmidt (Hg.), Pluralization, 2007 sowie die Literaturangaben der folgenden Anmerkungen. 114 Obwohl sich das Konzept der Konfessionalisierung als ein Paradigma der europäischen Geschichte versteht, ist es zudem bislang kaum auf außereuropäische Länder angewandt worden, vgl. Ehrenpreis/Lotz-­Heumann, Reformation, 2002, 62 f. Aktuell deutet sich eine Trendwende an. 115 Für die deutsche Frühneuzeitforschung vgl. den Band von Lotz-­Heumann/Mißfelder/ Pohlig (Hg.), Konversion, 2007. 116 Volkland, Grenzen, in: HA 5, 1997, 370 – 387, hier 372 sowie dies., Konfession, 2005. 117 Freist, Borders, in: Dixon/Freist/Greengrass (Hg.), Diversity, 2009, 203 – 225, hier 205.

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der ganze Band ist als Kritik und Erweiterung der Konfessionalisierungsthese konzipiert. In unterschiedlichen Beiträgen wird deshalb versucht, historische Erfahrungen und Dynamiken einzufangen, die die Konfessionalisierungsthese widerlegen.118 Durchaus ähnlich verfährt die jüngst publizierte Dissertationsschrift von Duane Corpis zum Phänomen frühneuzeitlicher Konversionen, in der der Autor aufzeigt, inwiefern individuelle Konversionen die rigiden politischen, sozia­ len und kulturellen Grenzen der Konfessionsgemeinschaften destabilisierten.119 Diese geschichtswissenschaftlichen Ansätze betonen damit mehr oder weniger deutlich die Praktiken der konfessionellen Vermischung, der konfessionellen Uneindeutigkeit und damit die Widerstände, Brüche und Reibungsverluste, die bei Vermittlungsprozessen von religiösen Normen und Werten von „oben“ nach „unten“ stattfanden; sie betonen zudem das Entscheidungspotential und die Aneignungsprozesse der Rezipienten.120 Während diese Perspektive einerseits unsere Kenntnis bezüglich der Vielschichtigkeit von religiösen und konfessio­ nellen Phänomenen der Frühen Neuzeit erweitert und insofern auch Grenzen der Durchsetzbarkeit obrigkeitlicher christlicher Normen aufzeigt, waren diese religiösen Prozesse, phänomenologisch betrachtet, andererseits doch sehr eng mit den Konfessionalisierungs- und Staatsbildungsvorgängen in der Frühen Neuzeit verzahnt. Damit sind zwei Überlegungen verbunden: zum einen die Frage, inwieweit religiöse Koexistenz eine Folge schwacher Staatlichkeit bzw. einer uneindeutigen oder duldsamen Konfessionspolitik war, denn der eigent­ liche Vorteil des Konfessionalisierungskonzeptes liegt in diesem Zusammenhang ja gerade darin, dass es strukturell gewisse Verflechtungen zwischen Konfession und Politik aufzeigen kann; und zum anderen, ob die Inklusions- und Exklu­ sionsvorgänge, die hier zur Diskussion stehen, nicht wiederum auf die Bedeutung von Konfession im Alltag und in der Politik verweisen. Denn auch die Phänomene der konfessionellen Ambiguität können vielfach nur vor dem Hintergrund einer konfessionellen Formierung angemessen analysiert werden.121 Eine Praxis der religiösen Unentschiedenheit lässt sich damit nicht grundsätzlich von den

118 Greengrass, Afterword, in: Dixon/Freist/Greengrass (Hg.), Diversity, 2009, 281 – 296, hier 291. 119 Corpis, Boundaries, 2014. 120 Vgl. etwa Jalabert, Catholiques, 2009; Duhamelle, confession, in: EG 57, 2002, 513 – 527 und ders., frontière, 2010. Für die katholische Konfessionalisierung tat dies schon früh Forster, Revival, 1999 sowie ders., Counter-­Reformation, 1992. Dezidiert zum Forschungsobjekt wurde die konfessionelle Ambiguität jüngst in Pietsch/Stollberg-­Rilinger (Hg.), Ambiguität, 2013. 121 Vgl. Büttgen, Eindeutigkeit, in: Pietsch/Stollberg-­Rilinger (Hg.), Ambiguität, 2013, 27 – 38.

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Versuchen trennen, konfessionelle Eindeutigkeit immer wieder diskursiv, legal und performativ herzustellen – im Gegenteil bedingten sich diese Prozesse und Verfahren gegenseitig.122 Zudem unterschieden sich die Dynamiken der konfessionellen Ausdifferenzierung in der religiösen Vielfalt formal betrachtet nicht grundsätzlich von der konfessionellen Formierung, wie sie in monokonfessionellen Gesellschaften zu beobachten sind.123 Insofern schließt der eingeforderte Respekt für die religiöse Vielfalt nicht aus, dass es in der religiösen Koexistenz trotz inter- und transkonfessioneller Kontakte Prozesse der konfessionellen Differenzierung und der Bildung von konfessionellen Zugehörigkeiten gab. Anhand des Titelmotivs dieser Studie – der Kappeler Milchsuppe aus der Refor­ma­tions­ chronik Heinrich Bullingers – soll dieser Gedanke weiter ausgeführt werden. Bei dem drohenden konfessionellen Bürgerkrieg, dem Ersten Kappelerkrieg 1529, standen den reformierten Stadtkantonen Zürich und Bern die fünf katholischen Länder- und Städteorte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug gegenüber – eine militärische Begegnung, die durch den ersten konfessionellen Landfrieden von 1529 ihren Abschluss fand. Während die zerstrittenen Parteien über Krieg und Frieden verhandelten, soll sich das Fußvolk Bullinger zufolge bei einer gemeinsamen Mahlzeit vereint haben: Eine Schüssel wurde auf der Grenzlinie der konfessionellen Gegner platziert, und die reformierten Zürcher sollen zu dieser Mahlzeit das Brot, die katholischen Innerschweizer die Milch beigesteuert haben. Diese friedliche gemeinsame Mahlzeit symbolisierte die Konsensfähigkeit der Eidgenossen, aber auch ihr Territorialprinzip, denn langte jemand beim Essen auf die andere Seite der Schüssel, wurde er mit der Mahnung „fryß uff dinem erterych“ in seine Schranken verwiesen.124 Während die Darstellung als schweizerische Versöhnungsikonographie Karriere gemacht hat, da sie unter anderem konfessionelle Gegensätze zu überwinden vermochte,125 122 Vgl. Mißfelder, Konversion, in: Pietsch/Stollberg-­Rilinger (Hg.), Ambiguität, 2013, 170 – 182. 123 So auch Greengrass, Afterword, in: Dixon/Freist/Greengrass (Hg.), Diversity, 2009, 281 – 296, hier 291. 124 Bullinger, Reformationsgeschichte, 1838, Bd. 2, 183: „Uff ein zyt namend vil dappfferer xellen von den 5 orten, ein grosse můtten mitt milch, vnd stalltents vff die march, in mitten, schruwend den Zurychern zů, sy habind wol ein gute milchprochen, aber nut darin zů brochen. Da luffend redlich gesellen der Zurychern, hinzů, mit brot, und brochetend yn, vnd lag yetweder teyl uff sinem erterich, vnd aassend die milch mitt einanderen. Wenn denn einer über die halb muttenm vß greyff, vnd aas, schlug inn der ander teyl [in Schimpff ] vff die hand, und sagt fryß vff dinem erterych.“ 125 Zur Versöhnungsikonographie vgl. Kreis, Milchsuppe, in: SZG 44 (1994), 288 – 310, hier 289 – 290; ders., Schweiz, in: Flacke (Hg.), Mythen, 1998, 446 – 475, hier 464 – 466 und Mörke, Städtemythen, in: Kirchgässner/Becht (Hg.), Mythen, 2003, 91 – 118, hier 98 – 101.

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möchte ich eine andere Lesart zur Diskussion stellen. Die gemeinsame Mahlzeit lässt sich nicht nur als eine Form der momentanen politischen Befriedung lesen, sondern sie symbolisiert zudem die Dynamiken des konfessionellen Eigenen und Fremden, da eine Annäherung im gemeinsamen Mahl nur bei gleichzeitiger Abgrenzung mittels einer durch die Suppe gezogenen Grenzlinie möglich erschien. Da die Abbildung dichotomisch operiert, scheint sie betonen zu wollen, dass es zur Herstellung einer konfessionellen Position auch des Gegenpartes, nämlich des konfessionellen Gegenübers bedurfte. Die eigene konfessionelle Zugehörigkeit wurde somit beim bikonfessionellen und symbolisch stark aufgeladenen Mahl verfestigt. Diese konfessionelle Grenzziehung beruhte Bullinger zufolge auf Absprachen und wurde durch Handlungen der reformierten und katholischen Akteure aufrechterhalten, die die Konfessionszugehörigkeiten zusammen mit dem eidgenössischen Territorialprinzip immer dann verteidigten, wenn auf der falschen Seite der Suppenschüssel gegessen wurde; daher die Mahnung: „fryß uff dinem erterych“. Durch den Hinweis auf die Absprachen gerät das Gestaltungspotential konfessioneller Grenzziehungen in den Blick, zudem werden Grenzziehungen als Kontakt- und Berührungszonen denkbar, die Möglichkeiten der Verschiebungen konfessioneller Grenzen beinhalten und somit Handlungsmodi und kommunikative Verfahren freilegen, die neue konfessionelle Ordnungen generierten. Dieses Bild einer kommunikativen bzw. diskursiven Formung von konfessioneller Eindeutigkeit greift diese Untersuchung auf. Anhand detaillierter historisch-­anthropologischer Rekonstruktionen der politischen Kommunikation wird der Fokus in dieser Studie auf die Aushandlungs- und Zuschreibungsprozesse von Konflikten gelegt und die Entstehung und Verfestigung konfessioneller Zugehörigkeiten im politischen Narrativ beobachtet – und nicht einfach vorausgesetzt. In den kommunikativen Interaktionsräumen oder Interaktionsmedien, wenn wir den Ort ihrer materiellen Überlieferung als textuelle Produktion reflektieren, wurden konfessionell eindeutige Positionen in allen in dieser Studie zur Untersuchung stehenden historio­graphischen Feldern hergestellt: Politische Eliten taten dies durch kommunikative Verfahren, etwa bei der Interpretation der Landfriedensverträge, in denen sie konfessionspolitische Auslegungsverfahren etablierten. Geistliche stellten konfessionelle Eindeutigkeit her, indem sie in ihren Wortbot­schaften implizit Aussagen über das jeweils andere Glaubensbekenntnis trafen – nicht durch eine positive Wertung, sondern durch pejorative Zuschreibungen, die sich in den Ohren der Zuhörenden formten. Insbesondere wenn ihre Predigten und Wortbotschaften auf die Glaubensdoktrin und die Frage nach der einen Wahrheit zielten, verhielten sie sich im Verständnis der Zeitgenossen eindeutig, da sie die theologische Wahrheitsfrage

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beantworteten.126 Gerade wegen der weiterhin existierenden Praktiken der Dissimulation und der konfessionellen Ambiguität wurde von Konvertiten in der Frühen Neuzeit geradezu verlangt, dass sie sich eindeutig verhielten, mehr noch, dass sie ihre Konfessionszugehörigkeit authentisch kommunizierten und durch ein Bekenntnis offenlegten – Aufrichtigkeit musste, wie Jan-­Friedrich Mißfelder treffend formulierte, diskursiv produziert werden.127 Im Kirchenraum lässt sich der Zwang zur Konfessionalisierung als Zwang zur liturgischen Klarheit beschreiben, was unter anderem bei der Frage zum Ausdruck kommt, ob und an welchem Ort im Kirchenraum ein Taufbecken oder ein Altar aufgestellt und welche Bilder im Altarraum aufgehängt wurden. Diese Dynamiken der konfessionellen Ausdifferenzierung waren damit auch Prozesse der Produktion konfessioneller Eindeutigkeit. Das Konfessionalisierungskonzept operiert mit einem Ansatz, der durch den Blick auf den Ausbau der Konfessionskirchen stark institutionengeschichtlich ausgerichtet ist und der auf die Verfahren der Durchsetzung und Implementierung christlicher Normen in Konsistorien und Visitationsakten fokussiert. In diese Studie wird Konfessionalisierung vielmehr als ein prozesshaftes und ergebnisoffenes Geschehen interpretiert, das maßgeblich durch die politische Kommunikation der eidgenössischen Regenten gelenkt und geformt wurde. Damit gerät der Kommunikationsaufwand, der durch die Konfessionskonflikte und die Konfessionalisierungsbestrebungen generiert wurde, in den Blick, zugleich auch die Prozesse und Verfahrensweisen ihrer Durchsetzung. Damit werden auch die Techniken und Verfahren der inneren Homogenisierung von Konfessionsgruppen rekonstruierbar, da die politischen Homogenisierungsmaßnahmen und die Abgrenzungs- und Annäherungsphänomene kommunikativ geformt waren. Da in der Grafschaft Baden katholische und reformierte Orte regierten, lassen sich konkurrierende Sinndeutungen und Konfessionalisierungsvorgänge im politischen Narrativ beobachten und damit auch die Maßnahmen und Widerstände gegen die Konfessionalisierungsbestrebungen des jeweils konfessionell anderen Mitregenten. Die gegenläufigen Vorstellungen der Konfessionalisierungen lassen sich in den politischen Kommunikationszusammenhängen in den hier zur Diskussion stehenden thematischen Feldern immer wieder aufs Neue wissenschaftlich beobachten – es gibt also ein permanentes Reenactment der Bedeutung von Konfessionalität über einen Untersuchungszeitraum der langen Dauer hinweg. Da es sich im Fall der Grafschaft Baden um keine paritätische bikonfessionelle

126 Außerordentlich hilfreich Büttgen, Eindeutigkeit, in: Pietsch/Stollberg-­Rilinger (Hg.), Ambiguität, 2013, 27 – 38. 127 Mißfelder, Konversion, in: Pietsch/Stollberg-­Rilinger (Hg.), Ambiguität, 2013, 170 – 182.

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Regierungsform handelt (die reformierten Orte waren zahlenmäßig unterlegen) und um keine paritätischen Rechtsverhältnisse (der Landfrieden bevorteilte die katholischen Gläubigen), hing der Erfolg der reformierten Konfessionalisierung auch von strategischen und klugen Schachzügen sowie einer gewissen politischen Dreistigkeit der Zürcher Elite ab. Konfessionalisierung musste gegen massive Widerstände der katholischen Mitregenten durchgesetzt werden. Dies geschah durch politische Alleingänge, die kommunikationshistorisch nachwirkten, da sie weitere, auch explanatorische kommunikative Akte generierten.

1.5 Politik und Kommunikation Damit sollte deutlich geworden sein, dass Politik und Kommunikation in dieser Studie auf besondere Weise miteinander verzahnt werden, weshalb sich die Studie auch als Beitrag zu einer Kulturgeschichte des Politischen versteht. Doch was heißt Kulturgeschichte des Politischen? Barbara Stollberg-­Rilinger merkte in einem gleichnamigen Band nicht ganz zu Unrecht an, dass man sich mit einer solchen Frage gleich drei Probleme einhandle, da in der Geschichtswissenschaft umstritten sei, was das „Politische“, was „Kultur“ und schließlich was eine „Kulturgeschichte des Politischen“ eigentlich seien.128 Ohne eine hegemoniale Defini­tions­macht bzw. einen hegemonialen Gegenstandsbereich zu beanspruchen, scheint sich in der deutschen Geschichtswissenschaft zumindest ein gewisser Konsens hinsichtlich der Notwendigkeit entwickelt zu haben, die „herkömmlichen Verfahrensweisen der Politikgeschichte oder der politischen Sozialgeschichte durch die konsequente Berücksichtigung der kulturellen Dimension“ zu erweitern bzw. zu ersetzen.129 Diese Tendenz, die unter anderem auch an den kulturwissenschaftlichen Forschungsverbünden der Universitäten Bielefeld, Frankfurt, Konstanz und Münster ersichtlich ist,130 führte zu einem Boom an Arbeiten zur Neuen Politikgeschichte, der Kulturgeschichte des Politischen und einer Geschichte 128 Stollberg-­Rilinger (Hg.), Einleitung, in: dies. (Hg.), Kulturgeschichte, 2005, 9 – 26, hier 9. 129 Suter, Kulturgeschichte, in: Stollberg-­Rilinger (Hg.), Kulturgeschichte, 2005, 27 – 55, hier 27. 130 Gemeint sind der im Juni 2012 beendete Bielefelder SFB 584 „Das Politische als Kommunikationsraum in der Geschichte“, der die Rückkehr der Politikgeschichte nach Bielefeld bedeutete, das internationale Graduiertenkolleg 1067 in Frankfurt/Main „Politische Kommunikation von der Antike bis ins 20. Jahrhundert“, der im Dezember 2009 beendete SFB 485 der Universität Konstanz „Norm und Symbol. Die kulturelle Dimension sozialer und politischer Integration“ sowie der im Dezember 2011 abgelaufene SFB 496 in Münster „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution“.

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der politischen Kommunikation. Kulturgeschichte des Politischen verweist bei diesen geschichtswissenschaftlichen Ansätzen keinesfalls auf ein sektorales Verständnis von „Kultur“ als einer Kategorie, die neben anderen Kategorien wie jener der Ökonomie, Politik, Religion usw. gestellt wird; eine Kulturgeschichte des Politischen lässt sich zudem weniger über die Gegenstände, die sie behandelt, definieren, sondern ist stärker durch den methodischen Zugriff auf ihren Untersuchungsgegenstand gekennzeichnet.131 Gemeinsamer Nenner einer inzwischen erfreulich großen Anzahl unterschiedlicher Arbeiten ist der Versuch der „Dekonstruktion jedes überhistorisch-­universalisierenden und essentialistischen Verständnisses politischer Handlungsformen und Institutionen, Wertvorstellungen und Motive“.132 Der Weg, den eine Kulturgeschichte des Politischen geht, verläuft über die „Bedeutungsdimensionen der historischen Welt“ und ihrer Bezüge 133 und damit weniger über die Erforschung politischer Institutionen und herausragender Persönlichkeiten, sondern über die Sinnzuschreibungen und Deutungskonflikte. Werden den Symbolen, Diskursen und der Medialität von Geschichte größere Aufmerksamkeit zuteil, liegt der wissenschaftlichen Narration fast zwangsläufig ein konstruktivistisches Geschichtsbild zugrunde, worin eine wesentliche Stärke eines kulturalistischen Zugriffs auf die Geschichte formuliert ist.134 An dieser Stelle soll nicht das historiographische Feld der Kulturgeschichte des Politischen bzw. der Neuen Politikgeschichte als solches vermessen werden – dies haben bereits andere getan.135 Was aber geleistet werden soll, ist eine Konkretisierung der wissenschaftlichen Perspektive und damit die Frage, was eigentlich untersucht wird, wenn man das Politische zum Gegenstand kulturwissenschaftlicher Beobachtung macht.136 Mit dieser Formulierung soll im Sinne 131 Daniel, Kompendium, 2001; dies., Kulturgeschichte, in: Nünning/Nünning (Hg.), Konzepte, 2003, 186 – 204 sowie Stollberg-­Rilinger, Einleitung, in: dies. (Hg.), Kulturgeschichte, 2005, 9 – 26. 132 Stollberg-­Rilinger, Einleitung, in: dies. (Hg.), Kulturgeschichte, 2005, 9 – 26, hier 13. 133 Schlögl, Interaktion, in: Stollberg-­Rilinger (Hg.), Kulturgeschichte, 2005, 115 – 128, hier 115. 134 Ebenda. 135 Einen konzisen Überblick bieten Schorn-­Schütte, Politikforschung, 2006 sowie Frevert, Politikgeschichte, in: Frevert/Haupt (Hg.), Politikgeschichte, 2005, 7 – 26; Stollberg-­ Rilinger (Hg.), Kulturgeschichte, 2005 versammelt Aufsätze, die die Möglichkeiten einer Kulturgeschichte des Politischen für die Frühe Neuzeit ausloten; der Sammelband von Frevert/Haupt (Hg.), Politikgeschichte, 2005 konzentriert diese Thematik auf das 19. und 20. Jahrhundert; Mergel, Überlegungen, in: GG 28, 2002, 574 – 606 lotet das Feld theoretisch aus. 136 Diese Formulierung ist eng an Schlögl, Interaktion, in: Stollberg-­Rilinger (Hg.), Kulturgeschichte, 2005, 115 – 128, hier 116. Schlögl möchte damit verdeutlichen, dass es „um

Politik und Kommunikation

Hans-­Ulrich Wehlers durchaus auch darauf hingewiesen werden, dass diese Studie für sich in Anspruch nimmt, in die „harten“ Bereiche einer Politik- und Konfessionsgeschichte einzudringen und Wege aufzuzeigen, wie eine solche neu zu konzipieren ist.137 In Anlehnung an Ute Daniel wird in dieser Studie ein Kulturbegriff verwendet, der Kultur als ein „System kollektiver Sinnstrukturen“ versteht,138 mit denen Wirklichkeit definiert wird. Politik wird in dieser Untersuchung methodisch überwiegend als Kommunikationszusammenhang begriffen, der sich permanent im Vollzug konstituierte.139 Die kommunikative Dimension von Politik lässt sich bei der Verwaltung der Grafschaft Baden besonders vielfältig beobachten, da politische Entscheidungen in kommunikativen Akten gefällt, übermittelt, erläutert und durchgesetzt wurden. Politische Kommunikation war Sinndeutung, politisches Handeln und Ausdruck der Partizipation an der Herrschaftspraxis. Eine kulturalistische Perspektive auf die eidgenössische Politik bedeutet in dieser Perspektive eine Hinwendung zu den kommunikationshistorischen Charakteristika eidgenössischer Konfessionspolitik. Drei Gründe sprechen für dieses Vorgehen: erstens der mediale Aspekt, denn die Informationen über konfessionelle Interaktionen und den Verlauf von Konfessionskonflikten wurden unter den eidgenössischen Orten über Distanzmedien wie den Missiven, Instruktionen und Abschieden verbreitet und transportiert; zweitens waren auch die verschiedenen politischen Ebenen über das kommunikative Geschehen miteinander verschränkt, denn dörfliche konfessionelle Auseinandersetzungen wurden nicht nur innerhalb der Grafschaft Baden von den politischen Funktionsträgern verhandelt, sondern auf der eidgenössischen Tagsatzung zwischen den eidgenössischen Regenten; die politische Kommunikation über konfessionelle Streitpunkte konstituierte somit eine wichtige Kontaktzone zwischen den eidgenössischen Regenten. Des Weiteren nahmen sowohl die reformierten wie auch die katholischen Regenten durch kommunikative Akte Einfluss auf die Ausgestaltung der religiösen Koexistenz in den dörflichen Lebenswelten und zeigten somit, drittens, eine enorme Präsenz vor Ort. Die konfessionellen Differenzen wurden permanent von den regierenden Orten betont und inszeniert, in der kommunikativen Praxis, in der politischen Performanz und im politischen Narrativ. Die politische Sprache im Bedeutungen und Strukturen“ geht, ebenda, 116. 137 Wehler, Kommentar, in: Mergel/Welskopp (Hg.), Geschichte, 1997, 351 – 366, hier 353. Vgl. in diesem Diskussionszusammenhang auch Mergel, Überlegungen, in: GG 28 (2002), 574 – 606. 138 Daniel, Kultur, in: GG 19 (1993), 69 – 99, hier 72. 139 Goppold, Kommunikation, 2007, 22. Vgl. auch Stollberg-­Rilinger, Kommunikation, in: ZHF 4, 2004, 489 – 527, hier 495.

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Verständnis Quentin Skinners als politisches Handeln oder auch zeitgenössische Konzepte von Wort und Rede spielen daher für die Analyse keine Rolle.140 In dieser Untersuchung werden die mündlichen und schriftlichen Auseinandersetzungen um soziale und konfessionelle Ordnungsgefüge und Normen in der Frühen Neuzeit im politischen Narrativ analysiert. Damit gilt das Interesse dezidiert den konfessionsspezifischen Sinnzuschreibungen der eidgenössischen Regenten der Grafschaft Baden im Medium der politischen Kommunikation. Diese zeitgenössischen kommunikationshistorischen Verfahrensweisen des Politischen kommen grundlegend in der Auseinandersetzung über die gemeinsame Herrschaftsausübung zum Ausdruck. Anders als in den Untersuchungen zum bikonfessionellen Zusammenleben stehen bei dem kommunikationshistorischen Zugriff die politischen Kommunikationszusammenhänge, die aus dem bikonfessionellen Zusammenleben erwuchsen, im Zentrum der Betrachtung und weniger die Konflikthaftigkeit, die religiöser Koexistenz inhärent war. Mit den politischen Kommunikationszusammenhängen sind nicht nur die medial kommunizierten Anweisungen der eidgenössischen Regenten an die politischen Funktionsträger vor Ort gemeint, sondern darüber hinaus auch die Bestrebungen der politischen Eliten, im Medium der politischen Kommunikation Auslegungsverfahren der Rechtstexte zur religiösen Koexistenz zu etablieren und Konfessionalisierungsvorgänge voranzutreiben bzw. die Konfessionalisierungsvorgänge der jeweils andersgläubigen Mitregenten zu verhindern. Beide politisch-­rechtlichen Vorgänge konkurrierten unter den katholischen und reformierten Regenten, so dass in dieser Arbeit weniger objektive Machtstrukturen betont werden, sondern die permanente Unterwanderung von institutionellen Verfahren durch konfessionsspezifische Deutungs- und Auslegungskonflikte der eidgenössischen Regenten. Insofern wird ein frühneuzeitliches Politikverständnis entwickelt, das die Produktion von Sinn und Bedeutung in der politischen Kommunikation betont und ernst nimmt.141 Um dieses methodische Vorgehen einlösen zu können, operiert diese Studie nicht mit einem Verständnis von Kommunikation als der Übertragung von Informationen, wie es historischen Forschungen zur Frühen Neuzeit zugrunde liegt.142 Diese Unteruschung macht vielmehr methodische Anleihen bei den 140 Zu Skinner vgl. Meaning, in: H&T 8 (1969), 3 – 53; zur zeitgenössischen Bedeutung von Wort und Rede vgl. Loetz, Gott, 2002. 141 Ausführlicher: Schlögl, Interaktion, in: Stollberg-­Rilinger (Hg.), Kulturgeschichte, 2005, 115 – 128, hier 116 sowie ders., Anwesende, 2014. 142 In der historischen Forschung zur Vormoderne hat sich dieses Verständnis von Kommunikation als Informationsübertragung in einer Vielzahl von Arbeiten niedergeschlagen, vgl. etwa die Sammelbände Heimann/Hlaváček (Hg.), Kommunikationspraxis, 1998,

Politik und Kommunikation

Arbeiten zur symbolischen Kommunikation, die den performativen Charakter und die Ausdrucksvielfalt der Kommunikationsmedien betonen.143 Gerade für die Vormoderne bietet sich ein kulturwissenschaftlicher Zugriff an, da hier die Einschnitte in die symbolische Praxis, aber auch der Wandel des Symbolverständnisses durch Reformation und Aufklärung auf einer theoretischen Ebene beträchtlich waren.144 In dieser Studie geht es allerdings weniger um die Sichtbarmachung politischer Handlungen durch Symbole, sondern um kommunikative Handlungen, in denen Deutungskonflikte ausgetragen und konkurrierende Sinndeutungen produziert wurden. Insofern zielte die eidgenössische Kommunikation keinesfalls auf Verständigung bzw. auf Konsensherstellung zwischen den regierenden katholischen und reformierten Regenten, nur bisweilen sollten konfessionelle Differenzen in der politischen Kommunikation mediatisiert werden. Das überwiegende Kommunikationsverhalten der eidgenössischen regierenden Orte, insbesondere jenes des reformierten Ortes Zürichs, war vielmehr durch ein erstaunliches Beharrungsvermögen und einen enormen Kommunikationsaufwand gekennzeichnet. Politische Kommunikation war Ausdruck eines Herrschaftswillens und richtete sich vielfach gegen einen „Akt der Konfessionalisierung“ der konfessionell anderen Mitregenten bzw. gegen eine konfessionsspezifische Rechtsauslegung.145 Dem Prozessieren von Kommunikation selbst kam eine funktionale und konstitutive Bedeutung innerhalb der politischen Kultur der Alten Eidgenossenschaft zu. Aus diesem Grund kommt ein verständigungsorientierter Kommunikationsbegriff, wie ihn Jürgen Habermas entwickelt hat, in dieser Untersuchung nicht

Hundsbichler (Hg.), Kommunikation, 1992 sowie für die Eidgenossenschaft Jucker, Gesandte, 2004. Zugleich hat dieses Kommunikationsverständnis zu einer detaillierten Analyse der „Revolution“ der Medien (Buchdruck, Flugschriften, Zeitungen) und der technischen Innovationen im Post-, Verkehrs- und Nachrichtenwesen geführt, vgl. Behringer, Bausteine, in: ZHF 21, 1994, 92 – 112 sowie ders., Zeichen, 2003. Einen Überblick zur Kommunikationswissenschaft vermittelt Burkart, Kommunikationswissenschaft, 1995, einen praxisnahen Überblick über verschiedene Zugänge zur Kommunikation der Band von Günthart/Jucker (Hg.), Kommunikation, 2005. 143 Vgl. Stollberg-­Rilinger, Zeremoniell, in: ZHF 27, 2000, 389 – 405, hier 391. Hierbei rückt die Ausdrucksvielfalt der Kommunikationsmedien selbst ins Zentrum, was die zunehmend erforschten zeremoniellen und rituellen Formen von Herrschaft bezeugen, vgl. etwa Ragotzky/Wenzel (Hg.), Repräsentation, 1990 sowie Paravicini (Hg.), Zeremoniell, 1997. 144 Stollberg-­Rilinger, Zeremoniell, in: ZHF 27, 2000, 389 – 405, hier 390, in diesem Sinne auch Duchhardt/Melville (Hg.), Spannungsfeld, 1997, VI. 145 Zum Akt der Konfessionalisierung vgl. Harasimowicz, Kunst, 1996, unpaginiertes Geleitwort.

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zur Anwendung, vielmehr wird die Offenheit und die Kontingenz der politischen Kommunikation in der Alten Eidgenossenschaft betont. Der Kommunikationsbegriff, dem diese Studie verpflichtet ist, ist daher systemtheoretisch inspiriert. Der Nutzen eines differenztheoretisch und beobachtungstheoretisch konzeptionalisierten Kommunikationsbegriffs wurde in der Geschichtswissenschaft bereits von einigen Autoren ausgelotet 146 und auch auf Niklas Luhmanns Systemtheorie wird inzwischen öfter rekurriert.147 Diese liegt der Theorie von Interaktionssystemen zugrunde, wie sie von Goppold, Hengerer, Kieserling und Schlögl für die historische Forschung spezifiziert wurde.148 In diesen Publikationen wurde unter anderem versucht, den universalen Anspruch der Systemtheorie mikrosoziologisch fruchtbar zu machen und zu zeigen, dass „Systemtheorie einer mikrosoziologischen Ausarbeitung sowohl fähig ist als auch bedarf“.149 Auch dieser Analyse der politischen Kommunikation liegt sie in einer abgespeckten Form des Luhmann’schen Kommunikationsbegriffs zugrunde. Zur besseren Lesbarkeit der Arbeit wurde die Großtheorie allerdings weitestgehend 146 Den methodischen Nutzen betont programmatisch Schlögl, Perspektiven, in: Sehepunkte 4, 2004, 9 (10. 09. 2004), http://www.sehepunkte.de/2004/09/forum/neuere-­ publikationen-­zur-­kommunikationsgeschichte-­der-­fruehen-­neuzeit/artikel/per­spek­ tiven-­kommunikationsgeschichtlicher-­forschung-­b-­ein-­e-­mail-­interview-­mit-­prof-­ dr-­rudolf-­schloegl-­konstanz-16/ (Zugriff 21. 01. 2016); ders., Vergesellschaftung, in: ders. (Hg.), Interaktion, 2004, 9 – 60; ders., Interaktion, in: Stollberg-­Rilinger (Hg.), Kulturgeschichte , 2005, 115 – 128; ders., Anwesende, 2014; Hengerer, Hofzeremoniell, in: Malettke/Grill (Hg.), Hofgesellschaft, 2001, 337 – 368; ders. Konstellation, in: Burckhardt/Werkstetter (Hg.), Kommunikation, 2005, 519 – 546 sowie weniger explizit ders., Kaiserhof, 2005; explizit Kieserling, Kommunikation, 1999; Malz, Begriff, in: Günthart/Jucker (Hg.), Kommunikation, 2005, 13 – 26 und Hacke, Church, in: GH 25, 2007, 285 – 312. Religion als Kommunikationssystem untersuchen Tyrell/Krech/Knoblauch (Hg.), Religion, 1998 sowie Metzger, Religion, 2010. 147 Die Systemtheorie Luhmanns fand in der frühneuzeitlich orientierten Geschichtswissenschaft schon früh in der Hexenforschung Anwendung, namentlich in der Studie von Walz, Hexenglaube, 1993. Vgl. ebenfalls Körber/Arndt, Einleitung, in: dies. (Hg.), Medien-­System, 2010, 1 – 23, die die Mediengeschichte des Alten Reichs aus systemtheo­ retischer Sicht zurückverfolgen. Fabio Crivellari und Marcus Sandl loten das Potential aus, das der soziologische Medienbegriff von Niklas Luhmann für die Geschichtswissenschaft bereithalte, und kritisieren die „epistemologische Reduktion“, die vorliege, „wenn Medien als reine Transport-­Technologien“ aufgefasst würden. Crivellari/Sandl, Medialität, in: HZ 277, 2003, 619 – 654, hier 632. Vgl. ebenfalls Crivellari/Kirchmann/ Sandl/Schlögl (Hg.), Medien, 2004. 148 Goppold, Kommunikation, 2007; Kieserling, Kommunikation, 1999; Schlögl, Interaktion, 2004 sowie ders., Anwesende, 2014; Hengerer, Hofzeremoniell, in: Malettke/Grill (Hg.), Hofgesellschaft, 2001, 337 – 368 sowie ders. (Hg.), Abwesenheit, 2013. 149 Kieserling, Kommunikation, 1999, 9.

Politik und Kommunikation

unsichtbar gemacht. Wenn Luhmann daher in den einzelnen Kapiteln nur an einigen Stellen explizit Erwähnung findet, so war er dennoch prägend für die Analyse der historischen Kommunikationsvorgänge – sein Einfluss lässt sich im wissenschaftlichen Narrativ der Arbeit verfolgen. Der analytische Mehrwert eines systemtheoretischen Kommunikationsbegriffs soll allerdings dennoch in fünf Punkten benannt werden. Erstens ermöglicht ein systemtheoretischer Kommunikationsbegriff eine differenzierte Analyse des Funktionierens von Kommunikation, da weniger der Erfolg einer Kommunikation zur Beobachtung steht, sondern der Vorgang der Kommunikation selbst und damit die Prozesshaftigkeit des kommunikativen Geschehens, das Erfolgen oder Nichterfolgen von Kommunikation. Zweitens schärft ein systemtheoretischer Kommunikationsbegriff den Blick für den Konstruktionscharakter und den doppelten Kontingenzfaktor von Kommunikation, da er die verschiedenen Wahlmöglichkeiten betont, die Alter („Selektion einer Information, Selektion der Mitteilung dieser Information“) und Ego („selektives Verstehen oder Missverstehen dieser Mitteilung und ihrer Information“) zur Verfügung stehen.150 Eine solche Perspektivierung erleichtert ebenfalls eine Historisierung der politischen Vorgänge. Damit verbunden ist, drittens, die Möglichkeit der Erkenntnis, dass die politische Kommunikation ein Vorgang war (und ist), der permanent Unterscheidungen traf (und trifft) und nach Anschlussmöglichkeiten suchte (und sucht). Folgt man dem systemtheoretischen Verständnis, ist der Prozess der Kommunikation nicht allein mit Blick auf eine Verständigung zu analysieren, sondern vielmehr mit Blick auf die im Medium der politischen Kommunikation erfolgte Differenzherstellung. Die politische Kommunikation zwischen den katholischen und reformierten eidgenössischen Orten kann diesem systemtheoretischen Verständnis zufolge als ein Prozess verstanden werden, der höchst kontingent war. Ohne konkrete politische Lösungen in Konfessionskonflikten zu generieren, bedeutete die politische Kommunikation vielmehr eine spezifische Form der politischen Interaktion, die an der Grenze der katholischen und reformierten Kommunikationssysteme stattfand und eine kommunikative Begegnungs- und Verhandlungszone zwischen Angehörigen verschiedener Konfessionen darstellte. In dieser Konzeption ist auch das zuvor exemplifizierte Verständnis von Grenzen als Orten der Berührung bzw. der Begegnung aufgehoben. Trotz des Kontingenzpotentials eines differenztheoretischen Kommunikationsbegriffs – schließlich kann Ego nicht wissen, welche

150 Luhmann, Kommunikation, in: Gente/Paris/Weinmann (Hg.), Luhmann, 2002, 45 – 48, hier 45.

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Unterscheidungen Alter treffen wird, und Alter kann nicht ahnen, wie Ego die Differenz zwischen Information und Mitteilung verstehen wird – verfügen Gesellschaften über Strukturen, Institu­tionen und Handlungszusammenhänge, die als kontingenzreduzierende Faktoren dienen, worauf Rudolf Schlögl aufmerksam gemacht hat. Zudem vollzieht sich Kommunikation innerhalb einer etablierten sozialen Ordnung und eines spezifischen Handlungsraumes; diese Faktoren dienen ebenfalls der Kontingenzbewältigung und tragen zur Formung von Kommunikation und sozialer Ordnung bei.151 Viertens umfasst Kommunikation mithin auch das, was Handeln ist, macht also die in der Kulturwissenschaft gängige Unterscheidung zwischen Repräsentation und historischer Realität obsolet, da Sprache selbst in ihrer Eigenart, Bedeutung zu schaffen und nicht nur zu reproduzieren, ernst genommen wird.152 Fünftens erlaubt der systemtheoretische Kommunikationsbegriff die Beobachtung, dass trotz der Intensivierung diskursiver Praktiken und einer allgemeinen eidgenössischen Herrschaftsintensivierung in den Gemeinen Herrschaften keine gradlinige staatliche Verdichtung in der frühneuzeitlichen Schweiz stattfand. Herrschaft wird in dieser Arbeit als ein Phänomen wahrgenommen und analysiert, das sich in der politischen Praxis durch Teilhabe an kommunikativen Vorgängen immer wieder neu konstituieren musste. Insofern wird auf die Fragilität sowie auf die schon erwähnte Auflösung und Unterwanderung von Strukturbildung aufmerksam gemacht und die Historizität der Kategorien von Herrschaft, Macht und Politik akzentuiert,153 die in der frühneuzeitlichen Schweiz als Kommunikationsformen in Erscheinung traten. In dieser Studie wird ein Macht- und Herrschaftsverständnis entwickelt, das weniger die 151 Erst wenn, so der Konstanzer Historiker Rudolf Schlögl, „Techniken der Formung von Kommunikation“ verfügbar sind, wenn also die „Wiederholbarkeit der Kommunikation“ gesichert ist, entsteht soziale Ordnung, vgl. Schlögl, Perspektiven, in: Sehepunkte 4, 2004, 9, http://www.sehepunkte.de/2004/09/forum/neuere-­pub­lika­ tionen-­zur-­kommunikationsgeschichte-­der-­fruehen-­neuzeit/artikel/perspek­ti­ven-­ kom­mu­nikations­geschichtlicher-­forschung-­b-­ein-­e-­mail-­interview-­mit-­prof-­dr-­ rudolf-­schloegl-­konstanz-16/ (Zugriff 21. 01. 2016), 152 Luhmann, Systeme, 1984, 227 sowie Schlögl, Perspektiven in: Sehepunkte 4, 2004, 9, http://www.sehepunkte.de/2004/09/forum/neuere-­publikationen-­zur-­kom­mu­ni­ka­ tionsgeschichte-­der-­fruehen-­neuzeit/artikel/perspektiven-­kommu­nikations­geschicht­ licher-­forschung-­b-­ein-­e-­mail-­interview-­mit-­prof-­dr-­rudolf-­schloegl-­konstanz-16/ (Zugriff 21. 01. 2016), der den methodischen Nutzen dieser Position, die sich gegen ein kulturwissenschaftliches Verständnis als von der Repräsentanz von Welt in der Sprache wendet, betont, vgl. Schlögl, Bedingungen, in: Rösener (Hg.), Kommunikation, 2000, 241 – 261, hier 260 – 261. 153 Vgl. Schlögl, Vergesellschaftung, in: ders. (Hg.), Interaktion, 2004, 9 – 60, hier bes. 25 – 28.

Quellenkorpus und Grenzen der Interpretation

traditionsstiftenden Kontinuitäten als vielmehr die historische Differenz zur Moderne betont. Die Formen der politischen Kommunikation in der Alten Eidgenossenschaft sind nicht an sich Erkenntnisziel dieser Untersuchung; trotz des verwendeten differenztheoretischen Kommunikationsbegriffs wird keine systematische Formentypologie politischer Kommunikation in der Alten Eidgenossenschaft angestrebt, sondern das Kommunizieren an sich, und die Inhalte der politischen Kommunikation über konfessionelle Konflikte stehen als Ausdruck der Partizipation an Herrschaft zur Analyse.

1.6 Quellenkorpus und Grenzen der Interpretation Da es in der Schweiz kein zentrales Archiv gibt, das die im Zusammenhang mit der Verwaltung der Gemeinen Herrschaften produzierten Quellen verwahrt, sind die im Umfeld eines konfessionellen Streit- und Konfliktfalles entstandenen Archivalien über verschiedene (Staats-)Archive verstreut und dort zudem in verschiedenen Beständen zu erheben. Zentral für dieses Projekt wäre eigentlich das Staatsarchiv Aarau gewesen; allerdings ist die Bestandssituation dort durch zwei Faktoren nachhaltig beeinträchtigt: Erstens verblieb der für dieses Projekt wesentliche Bestand der Kirchen- und Religionssachen und damit auch jener der bikonfessionellen Gemeinden der Grafschaft Baden beim Umzug des alteidgenössischen Archivs 1803 nach Aarau im Landvogteischloss in Baden und ging dort bis 1929 größtenteils verloren. Nicht wieder auffindbar waren über diesen Bestand der Kirchen- und Religionssachen hinaus zweitens die Akten der Landvogteiverwaltung, die immerhin 46 Bände umfassten; damit verschwanden die Akten der Verwaltung der einzelnen Ämter, die 26 Bände der Kriminalakten, die zwar in Aarau ankamen, aber von dem Staatsschreiber Kasthofer an das Bezirksgericht Baden zurückgesandt wurden und verloren gingen. Insgesamt sind damit die Unterlagen der eigentlichen Verwaltungstätigkeit des Landvogts von Baden bis auf einige Überreste und die wesentlichen Dokumente zum bikonfessionellen Zusammenleben abhanden gekommen.154 Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit auf eine Quantifizierung des Quellenmaterials verzichtet, wie es etwa für die Erstellung von Konversionsraten, aber auch allgemein für Fragen nach dem Wandel und Verlauf von konfessionellen Konflikten und Auseinandersetzungen wünschenswert gewesen wäre. Durch

154 Zur Überlieferungsgeschichte vgl. Máthé, Pergament, 2003, 58 – 84. Bei den bischöflichen Obervogteien ist die Situation gänzlich desolat, da bis auf „einige klägliche Überreste totaler Verlust zu beklagen“ ist, vgl. Ebenda, 72.

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die Rekonstruktion der politischen Kommunikation der regierenden Orte und die systematische Erfassung der Konfessionskonflikte in der Grafschaft Baden, die auf der Tagsatzung verhandelt wurden, erfolgt die Erforschung konfessio­ neller Auseinandersetzungen überwiegend über die politische Kommunikation der eidgenössischen Regenten. Wo es das Quellenmaterial erlaubt – wie etwa anhand von Berichterstattungen über lokale Konfessionskonflikte durch die Dorfgeistlichen –, wird die eidgenössische Kommunikation um eine lokale Perspektive erweitert, die nicht nur die Dynamiken frühneuzeitlicher Konfes­ sionskonflikte verdeutlicht, sondern zudem die Kommunikationszusammenhänge in der Gemeinen Herrschaft transparent macht. Da Landfriedensbrüche in die rechtliche Zuständigkeit der „hohen“ eidgenössischen Obrigkeit fielen und die Geistlichen sowie der Landvogt der Grafschaft Baden den eidgenössischen Orten unvermittelt über konfessionelle Auseinandersetzungen in den einzelnen Dorfgemeinschaften berichteten, werden durch die Analyse des kommunikativen Geschehens auch verfahrenstechnische Prozesse der Verwaltungs- und Herrschaftspraxis der regierenden Orte analysierbar. Darüber hinaus wurde das Archiv der Grafschaft Baden erst 1782 unter dem Landschreiber Salomon Escher aus Zürich „geordnet“ und dabei zusammengehörige Dossiers auseinandergerissen.155 Der Archivar Walter Merz übernahm die vorgefundene Ordnung samt Einzelverzeichnung, die den Überblick über das archivalische Material und den Zusammenhang der Dokumente wesentlich erschwert.156 Seit der neuen Bearbeitung im Jahr 1986 wurden allerdings Querverweise angebracht.157 Für die vorliegende Arbeit wurde der Bestand der Landvogtei Baden eingesehen, also die Luzerner Akten (Grafschaft Baden Abteilung C 2813 – 2836). Allein der Ort Luzern überließ von den seit 1415 die Grafschaft Baden regierenden acht Orten seine Akten dem Staatsarchiv Aarau. Diese Luzerner Akten sind das Kernstück meiner Archivarbeit in Aarau. Sie dokumentieren konfessionelle Auseinandersetzungen im 17. Jahrhundert und verdeutlichen die Dynamiken der katholischen Kommunikationszusammenhänge, ihres Herrschaftsverständnisses und ihrer Herrschaftspraxis. Die regierenden Orte nahmen nicht mit gleicher Intensität am kommunikativen Geschehen teil – der politische Einfluss der regierenden Orte bzw. ihr Bestreben nach hegemonialer Machtentfaltung in den Gemeinen Herrschaften der Alten Eidgenossenschaft lässt sich unter anderem in dem Versuch ermessen, Herrschaftsinteressen gegenüber den Mitregenten durchzusetzen.

155 Zur Überlieferungsgeschichte vgl. Máthé, Pergament, 2003, hier 58. 156 Merz, Repertorium, 1935. 157 Máthé, Pergament, 2003, hier 58.

Quellenkorpus und Grenzen der Interpretation

Die reformierte Limmatstadt Zürich, an dessen Herrschaftsgebiet die Grafschaft Baden angrenzte, war über den gesamten Zeitraum hinweg sehr intensiv am kommunikativen Geschehen beteiligt und agierte für die reformierten Stände. Das weiter entfernt liegende Luzern war zwar gleichermaßen für die Bündelung des kommunikativen Geschehens unter den Orten gleicher Konfession verantwortlich wie Zürich, engagierte sich im Vergleich mit Zürich allerdings deutlich geringer in den konfessionellen Streitfällen und trat kommunikativ deutlich weniger in Erscheinung. Dies lag unter anderem auch daran, dass Luzern von der Grafschaft Baden geographisch weiter entfernt war und nicht über vergleichbar enge kommunikative Netzwerke verfügte wie Zürich. Luzern musste sich vielfach die notwendigen Informationen erst beschaffen, um in einem strittigen Fall eine eigene Position formulieren zu können. Die Rekonstruktion der politischen Kommunikation der eidgenössischen Elite bei konfessionellen Auseinandersetzungen wurde daher überwiegend anhand der Bestände des Staatsarchivs Zürich durchgeführt. Zu nennen sind hier die einund ausgegangenen Missiven. Bei diesen Missivbüchern handelt es sich um einen von der schweizerischen historischen Forschung gänzlich vernachlässigten Quellenbestand.158 Da die Missiven in den edierten Abschiedesammlungen – der Amtlichem Sammlung älterer eidgenössischer Abschiede, von der noch die Rede sein wird – nicht erfasst sind, wurde die Kommunikation zwischen den regierenden Orten anhand der archivalischen Originale rekonstruiert. Bei diesem umfangreichen Bestand an Korrespondenzen, Geschäftsbriefen, die in den Kanzleien der einzelnen Orte aufgesetzt wurden, wurden nur solche Schreiben berücksichtigt, die im Zusammenhang mit einem in dieser Arbeit analysierten Konfliktfall produziert worden sind. Der chronologisch geordnete Bestand wurde mithin punktuell und nicht systematisch ausgewertet. Der Quellenbestand der Missiven umfasst ebenfalls die Korrespondenzen, die der katholische Vorort Luzern – auch im Namen der katholischen Mitregenten – an den reformierten Mitregenten Zürich versandte; nicht erfasst ist hingegen die innerkatholische Kommunikation unter den katholischen Regenten der Grafschaft Baden. Einblick in diese kommunikativen Zusammenhänge bieten in einigen Fällen die im Bestand des Landfriedens erfassten Quellen sowie die im Staatsarchiv Aarau verwahrten Luzerner Akten. Festgehalten werden muss an dieser Stelle, dass in diesem Projekt die innerkonfessionellen Differenzen zwischen den katholischen Regenten zugunsten der Differenzen zwischen den reformierten und katholischen Orten vernachlässigt wurden, da prinzipiell die „innersystemische“ Kommunikation sowie die Kommunikation 158 Vgl. die Ausführungen bei Jucker, Gesandte, 2004, 195 – 223.

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zwischen regierenden Orten gleicher Konfession nicht systematisch erforscht wurde. Da ein wesentliches Ziel des vorliegenden Buches in der Analyse der konfessionsspezifischen Verfahren bei der Auslegung des Landfriedens sowie der Analyse des Kommunikationsverhaltens Zürichs zur Realisierung eigener Herrschaftsinteressen liegt, ist die Rekonstruktion der innerkatholischen politischen Kommunikation diesen Erkenntniszielen nachgeordnet. Wesentlich für die Rekonstruktion des eidgenössischen kommunikativen Geschehens sind die im Kontext der Tagsatzungen produzierten Quellen, die Instruktionen und Abschiede. Die Instruktionen sind, wie auch die Missiven, unedierte Quellenbestände und für die Frühe Neuzeit gänzlich unausgewertet.159 Mit diesem chronologisch geordneten archivalischen Bestand wurde ähnlich verfahren wie mit den Korrespondenzen: Eine Durchsicht dieser Bestände erfolgte auf der Grundlage der für dieses Projekt relevanten Konfliktfälle, das heißt der Veränderung des Kirchenraumes, der Feiertagsregelung, der Verletzung des Religionsfriedens durch Schmähreden und Spottpredigten sowie der Konversionen. Anders verhält es sich mit den Abschieden. Diese wurden im 19. Jahrhundert in mehreren Bänden ediert; das Produkt ist die Amt­liche Sammlung der älteren eidgenössischen Abschiede, die aufgrund der komplexen Überlieferungssituation der Abschiede für dieses Projekt unverzichtbar war. Allerdings suggeriert diese im 19. Jahrhundert entstandene Edition eine Form der Staatlichkeit selbst schon für das 13. Jahrhundert, die, wie Michael Jucker zu Recht bemerkt, „so nicht existiert haben konnte“.160 Problematischer als dieser Befund ist allerdings die Tatsache, dass die Abschiede nicht wortgetreu transkribiert, sondern paraphrasiert und vielfach in stark gekürzter Form publiziert wurden. Wer sich für die politische Sprache der Zeit und die Argumentationsmodi interessiert sowie die Landfriedensauslegungen nachvollziehen möchte, ist daher gut beraten, sich die Originalabschiede anzuschauen, wie es für die vorliegende Studie in ausgewählten Fällen geschehen ist. Die Kommunikation zwischen Zürich und den Landvögten wechselnder Konfession, aber auch mit den Geistlichen vor Ort ist in den umfangreichen Beständen des Landfriedens (1531 – 1750) und der Gemeinen Herrschaften, Grafschaft Baden (16.–18. Jahrhundert) verwahrt. Zusammen mit dem Bestand des Klosters Wettingen (1293 – 1791) ist ebenfalls der diplomatische Schriftverkehr zwischen Zürich und dem wichtigsten Kollator und Grundherrn der Grafschaft Baden dokumentiert. Zusätzlich finden sich in dem zuletzt genannten Bestand Verträge zwischen dem Konventsoberen aus Wettingen und der reformierten

159 Zu den mittelalterlichen Instruktionen vgl. ebenda, 95 – 106. 160 Ebenda, 33.

Quellenkorpus und Grenzen der Interpretation

Limmatstadt. Diese kommunikativen Vorgänge, die vielfach ohne Wissen oder gar hinter dem Rücken der katholischen Mitregenten geführt wurden, erlauben es, die politischen Strategien, Absichten und Motive des reformierten Vorortes samt seines kommunikativen Vorgehens zu rekonstruieren. Auch hier ist die einzig erkennbare Ordnung der Archivalien eine zeitliche Chronologie, so dass diese Bestände für den gesamten Zeitraum durchgegangen wurden (1531 – 1712). Das innerörtische kommunikative Geschehen wurde für den reformierten Stand Zürich anhand der Durchsicht der Ratsprotokolle und der Ratsmissiven (1421 – 1798) ermittelt, die über Register erschlossen sind. Weitere Quellen im Zürcher Staatsarchiv werden im Folgenden nur summarisch genannt. Hier ist der Bestand der Religionsbeschwerden (1531 – 1709) anzuführen, bei dem es sich um eine Sammlung von Beschwerden, Korrespondenzen und Kopien von Originalabschieden aus den Gemeinen Herrschaften handelt, die Landfriedensbrüche verzeichnen. Warum diese Akten nicht im oben erwähnten Bestand des Landfriedens eingegliedert sind, ist nicht zu rekonstruieren. Im umfangreichen Kirchenarchiv, genauer im Bestand E I der Religions- und Schulsachen, waren die Pfrundakten der Kirchengemeinden (1370 – 1737), die alphabetisch erschlossen und in sich chronologisch geordnet sind, besonders ergiebig. Durch diese Quellengattung konnten die Vorgänge in den bikonfessionellen Gemeinden anhand der Berichte der reformierten Geistlichen und deren Schreiben an die Zürcher Obrigkeit dichter rekon­struiert werden. Überwiegend sind hier einzelne Schriftstücke versammelt, die im Umkreis konfessioneller Konflikte und Auseinandersetzungen entstanden, wie etwa Korrespondenzen, die Beschwerden wegen der Benachteiligung der reformierten Untertanen vortrugen und beispielsweise den katholisch geprägten Innenraum der Simultankirchen beschrieben. Des Weiteren wurden einzelne Bestände des ebenfalls dem Kirchenarchiv zugeordneten Antistitialarchivs konsultiert; zu diesen zählen die Beschlüsse und Akten des Examinatorenkonvents, der obersten Kirchenbehörde Zürichs, eine Institution, die insbesondere bei den Lästerreden Geistlicher in Erscheinung trat und – teilweise – über Register zu erschließen waren. Der uneinheitliche Bestand der Fürträge und Bedenken der Geistlichkeit umfasst vereinzelt die Gutachten der Zürcher Geistlichkeit zu konfessionellen Auseinandersetzungen in den Gemeinen Herrschaften, wie beispielsweise zur Einführung des gregorianischen Kalenders oder hinsichtlich der Modalitäten der simultanen Kirchennutzung in der Grafschaft Baden. Auch die Bedenken von ­Bullinger über die „gwalt“ und „tyranney“ der katholischen Orte in den Gemeinen Herrschaften und Zürich gegenüber sind hier verzeichnet. Der Bestand E I 9 zu den Proselyten (1545 – 1800) und der Bestand E II 8 und 9 der Acta ecclesiastica (1550 – 1665) zur Beschreibung von „Kirchensachen“ in Stadt und Land

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waren hilfreich, um die Aufnahme der konvertierten katholischen Geistlichen in der reformierten Limmatstadt zu bewerten. Durch die systematische Einsicht der umfangreichen Visitationsakten der reformierten Kirche (1640 – 1712), die dem Examinatorenkonvent übersandt wurden, konnten nicht nur weitere Gravamina aufgenommen, sondern auch erste Überlegungen zum Einfluss des Zweiten Landfriedens auf den Ausbau eines kirchlichen Schulwesens in einer ländlichen Region gewonnen werden. Über die Visitationsberichte der Dekane fanden die Gravamina zudem Eingang in die Kommunikationszusammenhänge der Zürcher Kirchensynode.161 Damit wurden Archivalien erhoben und ausgewertet, die Aufschluss über die lokalen, territorialen und eidgenössischen Kommunikationsebenen geben und die Rekonstruktion der politischen Kommunikation ermöglichen.

1.7 Erkenntnisinteressen und Zielsetzung Die vorliegende Arbeit hat sich mit der Grafschaft Baden einen Untersuchungsraum gewählt, der nicht nur eine Vielzahl von Perspektiven auf den Untersuchungsgegenstand ermöglicht und dazu einlädt, unterschiedliche historiographische Felder miteinander in einen Dialog zu bringen, sondern die Arbeit betritt zudem in viererlei Hinsicht Neuland. Diese Feststellung gilt erstens dem Untersuchungsraum selbst, denn die Grafschaft Baden als der ersten Gemeinen Herrschaft der Alten Eidgenossenschaft, die Modellcharakter für alle weiteren entwickeln sollte, ist in der schweizerischen Historiographie erst in Ansätzen und überwiegend im Rahmen von älteren Dorf- und Verfassungsgeschichten untersucht.162 Gemeine Herrschaften sind von der historischen Forschung 161 Die Bevölkerungsverzeichnisse (1634 – 1806) des Staatsarchivs Zürich erlauben eine erste Darstellung der demographischen Entwicklung der reformierten Untertanen. Zudem lassen sich aus diesen Verzeichnissen (wie aus den Visitationsakten) die Namen der Pfarrgeistlichen der einzelnen Kirchengemeinden der Grafschaft Baden ermitteln (vgl. Anhänge). Die weiteren konsultierten Staats- bzw. Stadt- oder auch Gemeindearchive werden hier nicht aufgeführt, da dort zwar vereinzelt wichtige Quellenbestände erhoben wurden, wie etwa die Badenbücher im Berner Staatsarchiv, u. a. das Verzeichnis von Konvertiten in der Handschriftenabteilung Zürich, eine umfangreiche Pfarrchronik aus dem Pfarrarchiv in Gebensdorf, eine sogenannte Schmähpredigt eines Kapuziners im Stadtarchiv Baden, eine ausführliche Schilderung der Zurzacher Taufsteineinsetzung im Luzerner Staatsarchiv und vieles weitere mehr – die massgebliche Archivarbeit jedoch in den Staatsarchiven von Zürich und Aarau geleistet wurde. 162 Vgl. die ältere Literatur, etwa Weiss, Landvogteien, 1914; Strebel, Verwaltung, in: Argovia 52, 1940, 107 – 236; Kreis, Grafschaft, 1909; Billeter, Landvogtei, 1977; Peyer,

Erkenntnisinteressen und Zielsetzung

neben den geistlichen Territorien und den Landsgemeinden Schwyz, Glarus und Appenzell in der konfessionellen Geographie der Alten Eidgenossenschaft als Räume mit einer hohen Konfliktdichte identifiziert worden, da sie als Gebiete alteidgenössischer Herrschaft zu den Krisenherden der Alten Eidgenossenschaft zählten.163 Im Unterschied zu älteren verfassungsgeschichtlichen Arbeiten liegt der Fokus in dieser kommunikationshistorisch argumentierenden Untersuchung nicht auf den politischen und institutionellen Strukturen der Gemeinen Herrschaft, sondern auf den kommunikativen Verfahren der politischen Praxis der regierenden katholischen und reformierten Orte. Erkenntnisleitend ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob – und wenn ja, in welcher Form – den reformierten Orten und namentlich Zürich und Bern trotz der ungünstigen Strukturbedingungen (Mehrheitsgrundsatz, Landfrieden) die Durchsetzung eigener Herrschaftsinteressen im Medium der politischen Kommunikation in der Grafschaft Baden gelang. Die Feststellung einer grundlegenden Forschungslücke gilt, zweitens, für die eidgenössischen Landfriedensverträge, die verbindliche Bestimmungen zur rechtlichen Bikonfessionalität formulierten. In der vorliegenden Studie werden die rechtlichen Koexistenzsysteme von 1529, 1531, 1656 nicht nur erstmalig vergleichend über einen langen Untersuchungszeitraum (1531 – 1712) untersucht, um historischen Wandel in Form veränderter argumentativer Figuren in der politischen Kommunikation darzustellen, sondern es werden außerdem die reichhaltigen archivalischen Quellen zu den Landfriedensbrüchen von 1531 und 1656 evaluiert. Insofern wendet sich die Untersuchung der fast gänzlich vernachlässigten historischen Praxis der Landfriedensauslegung und damit der Ausdifferenzierung eidgenössischen Rechts durch die eidgenössischen Orte zu.164 Die Interpretation der Landfrieden geschah in der politischen Kommunikation über konfessionelle Auseinandersetzungen und Deutungskonflikte. Diese Arbeit thematisiert dementsprechend die politische Kultur der frühneuzeitlichen Schweiz ausschließlich mit Blick auf die Konfessionskonflikte, die in der untersuchten Region auftraten. Ausgeblendet werden Konflikte, die nicht Verfassungsgeschichte, 1978, 36 – 44, 58 – 61, 89 – 93, 97 – 100; Färber, Herrenstand, 1983; Bächtold, Landvögte, in: SchBeitr. 71, 1994, 73 – 95. Randolph C. Head kommt in diesem Zusammenhang das Verdienst zu, die Grafschaft Baden und den Zweiten Landfrieden von 1531 erstmals in eine moderne Forschungsdiskussion eingebunden zu haben, vgl. Head, Lordship, in: CEH 30, 1997, 489-512 sowie die Diskussion in Kap. 2: Konfession und Kommunikation. 163 Pfister, Konfessionskonflikte, in: SZRKG 101, 2007, 257 – 311 sowie ders., Einleitung, in: Jäger/Pfister (Hg.), Konfessionalisierung, 2006, 11 – 40. 164 Ausnahme: Head, Dominion, in: ARG 96, 2005, 117 – 144.

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die Landfriedensregelungen, sondern andere Herrschaftsrechte und recht­ liche Zuständigkeiten berührten (Nachbarschaftskonflikte im Dorf, Konflikte um die fiskalische Verwaltung der Grafschaft, der ländlichen Nutzungsrechte an Wald und Wiesen/Allende und dergleichen mehr). Da eine erste Phase der Institutionalisierung des Landfriedens in die Jahre nach dem Zweiten Kappeler­krieg von 1531 fällt, setzt die Analyse 1531 ein; um den Einfluss des Dritten Landfriedens von 1656 auf die Konstruktion von religiöser Koexistenz und die politisch-­konfessionelle Konfliktkultur zu bemessen, markiert den Endpunkt der Arbeit der Vierte Landfrieden von 1712, der für grundlegend neue politisch-­konfessionelle Herrschaftsverhältnisse steht, da die katholischen Orte aus der Regierung der Grafschaft Baden ausgeschlossen und das Prinzip der konfessionellen Parität unter den verbleibenden reformierten Regenten in dieser Gemeinen Herrschaft eingeführt wurde. Drittens versteht sich die Arbeit als eine grundlegende Untersuchung zur religiösen Koexistenz in einer ländlichen Region der frühneuzeitlichen Schweiz. Damit wurde ein Untersuchungsgegenstand gewählt – ländliche religiöse Koexistenz –, der in doppelter Hinsicht von der historischen Forschung vernachlässigt wurde. Dies betrifft zum einen die Praxis des bikonfessionellen Zusammenlebens in der Alten Eidgenossenschaft und zum anderen die Verfassungsstruktur der untersuchten Region.165 Wenn die Schweizer Geschichte, wie jüngst André Holenstein konstatierte, für komparative Untersuchungen zur Koexistenz und Konkurrenz zweier Konfessionen „unter den kulturellen Bedingungen der Frühen Neuzeit“ besonders prädestiniert ist, dann trifft dies in erhöhtem Maße auf die Gemeinen Herrschaften der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft zu, da hier Räume der konfessionellen Koexistenz auf lokaler und politischer Ebene als Reaktion auf die Reformation und die katholische Reform entstanden.166 Mit der Analyse der Abgrenzungs- und Annäherungsdynamiken in den Gemeinen Herrschaften wendet sich die Arbeit einem spezifisch eidgenössischen Untersuchungsraum zu; dennoch sollen über diesen geographischen Raum hinaus Erklärungsmodelle und Handlungsmodi in frühneuzeitlichen Gesellschaften reflektiert werden, die durch die Rekonstruktion von konfessionellen Begegnungen und Auseinandersetzungen Einblicke in die Konstruktionsformen 165 Vgl. allerdings Schmidt, Dorf, 1995; Pfister, Sittenzucht, in: ARG 87, 1996, 287 – 333; Duft, Glaubenssorge, 1944; Müller, Konfessionalisierung, in: ARG 86, 1995, 257 – 319; Bott/ Fuchs, Bausteine, in: Argovia 114, 2002, 148 – 175 sowie die Sammelbände von Haag/ Holtz/Zimmermann (Hg.), Frömmigkeit, 2002, Kümin (Hg.), Landgemeinde, 2004 und Eriksson/Krug-­Richter (Hg.), Streitkulturen, 2003. Vgl. jetzt auch die Arbeiten von Jalabert, Catholiques, 2009 sowie Duhamelle, frontière, 2010. 166 Holenstein, Reformation, in: ARG 100, 2009, 65 – 87, hier 66.

Erkenntnisinteressen und Zielsetzung

von konfessionellen Berührungszonen geben und damit Aussagen über die Dynamiken der konfessionellen Interaktion und der religiösen Koexistenz zwischen Konflikt und Koexistenz erlauben. In Übereinstimmung mit neueren Forschungsarbeiten vernachlässigt die Arbeit die strukturellen Gemeinsamkeiten der Konfessionsgemeinschaften, wie sie die These der Konfessionalisierung von Staat, Kirche und Gesellschaft postuliert, und betont stattdessen die kulturellen, rechtlichen und theologischen Differenzen, die die unterschiedliche Konfes­ sions­zugehörig­keit für die regierenden Orte (und die Untertanen der Grafschaft Baden) beinhaltete. Der kommunikationshistorische Fokus dieser Arbeit erlaubt es, die Produktion von konfessioneller Differenz als einen Prozess zu rekon­ struieren, der in der religiösen Pluralität stattfand, diese aber auch prägte und mitstrukturierte. Während auf eidgenössischer Ebene die konfessionellen Systeme (katholische Orte/reformierte Orte) kommunizieren, sind es auf lokaler Ebene überwiegend Angehörige der niederen Geistlichkeit; sie konstituieren den überwiegenden Teil derjenigen, denen man Schmäh- und Lästerreden zuschrieb und die zur jeweils konkurrierenden Kirche konvertierten. Damit argumentiert die Untersuchung in Teilen auch aus der lokalen Perspektive der Erfahrung von religiöser Pluralität und erweitert die Konfessionalisierungsforschung in Ansätzen um eine kulturelle, religions- und wahrnehmungshistorische Dimension. Viertens versteht sich die Studie als Beitrag zur Kulturgeschichte des Politischen, da in ihr die eidgenössische Konfessionspolitik der Frühen Neuzeit als Kommunikationsgeschichte des Politischen geschrieben wird. Ausgehend von der Beobachtung, dass das historiographische Feld zur religiösen Koexistenz in zwei Lager zersplittert erscheint, die entweder die Pluralisierungseffekte (Annäherung, Durchlässigkeit konfessioneller Grenzen) oder die Konfliktualität gemischtkonfessionellen Zusammenlebens betonen,167 wird in der vorliegenden Untersuchung eine andere epistemische Perspektive gewählt und nach der Bedeutung von religiöser Koexistenz und Konflikten für politische Kommunikationsprozesse gefragt. Erkenntnistheoretisch geht es in dieser Studie damit weniger um die Beschreibung von Ursachen und Verlaufsstrukturen von konfessionellen Konflikten, sondern um die kommunikativen Effekte, die durch Konfessionskonflikte im politischen Narrativ produziert wurden – die Studie betont demnach den Zusammenhang von Konfession und Kommunikation. Methodisch und historiographisch findet damit eine Neuakzentuierung statt, denn in dieser Untersuchung wird die kommunikative Praxis der religiösen Koexistenz in einer ländlichen Region mit komplexer Staatlichkeit wissenschaftlich beobachtet

167 So auch Schwerhoff, Konfessionskonflikte, in: Rosseaux/Poppe (Hg.), Konfession, 2012, 17 – 34, hier 17.

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und die kommunikativen Verfahren der politischen eidgenössischen Elite zur Herstellung konfessioneller, argumentativer Eindeutigkeit analysiert. Der Konfessionalisierungsthese wird mit einem kulturalistischen Ansatz begegnet, der die kommunikativen Strategien und Techniken der Zuschreibung und der Herstellung von Konfessionalität in der Frühen Neuzeit rekonstruiert. Anstatt Konfessionalisierung anhand der erreichten Ziele zu konstatieren, werden in dieser Studie die Konfessionalisierungsvorgänge in der kommunikativen Praxis verfolgt. Damit leistet diese Arbeit etwas grund­legend Neues, denn ihr gilt die Kategorie „Konfession“ nicht als eine stabile und fixe Größe, sondern als eine Kategorie, zu der sich die Untertanen der Grafschaft Baden, die Landvögte wechselnder Konfession sowie die reformierten und katholischen Orte, permanent verhalten mussten. Zu diesem Ziel wird die Bedeutung der Kategorie Konfession bei den Interaktionen in den bikonfes­sio­nellen Dörfern der Grafschaft Baden, überwiegend aber zwischen den eidgenössischen Regenten, auf der Tagsatzung und in den Missiven verfolgt. Diese unterschiedlichen Kommunikationszusammenhänge werden in dieser Arbeit zusammen mit dem kommunikativen Gefüge auf der territorialen Ebene (Landvogt bzw. Gerichtsherren) als eidgenössischer Kommunikationsraum „Gemeine Herrschaft“ bezeichnet. Da die in dieser Studie analysierten Konfliktfälle nicht durch die lokalen Amtmänner der Grafschaft Baden, sondern von der politischen Elite – den acht alten Orten der frühneuzeitlichen Schweiz – verhandelt wurden, versteht sich diese Arbeit nicht als eine Lokalstudie der Grafschaft Baden, sondern sie nimmt für sich in Anspruch, einen grundlegenden Beitrag zur Konfessionskultur und politischen Kultur der Alten Eidgenossenschaft zu leisten. In der politischen Kommunikation lässt sich nämlich nicht allein die Produktion von konfessioneller Differenz beobachten; es steht auch die Funktion der politischen Kommunikation für das konfessionelle und politische Ordnungsgefüge der Alten Eidgenossenschaft zur Interpretation. Die vorliegende Studie versteht sich als Beitrag zu einer Konfessions- und Politikgeschichte der Frühen Neuzeit unter kulturhistorischen und kommunikationstheoretischen Prämissen. Anhand der Erforschung der politischen Praxis der religiösen Koexistenz in einer ländlichen Region mit komplexer Staatlichkeit soll das Politische eng mit gesellschaftlichen und konfessionellen Sinn- und Weltdeutungsprozessen verbunden und dem Faktor der „Religion“ wieder größere Bedeutung in den katholischen und reformierten Konfessionalisierungsprozessen zugemessen werden. Die makrohistorische Perspektive wird dort, wo es das frühneuzeitliche Quellenmaterial erlaubt, mit einer mikrohistorischen Betrachtung der Konfessionalisierung als Erfahrungs- und Handlungsraum konterkariert, die die sich ausdifferenzierenden Prozesse der Annäherung und Abgrenzung von Mitgliedern beider Konfessionsgemeinschaften zwischen Koexistenz und

Erkenntnisinteressen und Zielsetzung

Konflikt zur Darstellung bringt. In Ermangelung strikter politischer Verfahrensweisen und einer fehlenden Bindung an politische und recht­liche Strukturen entwickelten die eidgenössischen Eliten eine kulturelle Praxis, in der die Bedeutung der Kategorie Konfession über unterschiedliche thematische (religiöse, kulturelle, soziale, rechtliche) Felder in der politischen Kommunikation jeweils neu verhandelt, debattiert und zugewiesen wurde; die hohe Kommunikationsbereitschaft und die Flexibilität in diesen Aushandlungsprozessen zählten zusammen mit dem Sinn für das Temporisieren als einer zeitgenössischen Form der Konfliktverarbeitung zum Signum eidgenössischer Politik in der Frühen Neuzeit.168 Alle drei Faktoren begünstigten das Funktionieren des komplexen eidgenössischen Bündnissystems und stellten politische Verfahren zur Bewältigung von religiös-­konfessioneller Differenz in der Frühen Neuzeit zur Verfügung. In einer kommunikationshistorischen Perspektive generierten Konfessionskonflikte nicht allein gewalttätiges Eskalationspotential, sondern schufen politische Kommunikationszusammenhänge und rechtliche Auslegungsprozesse, durch die auf einer systemischen Ebene politische Verfahren etabliert wurden, denen Kohäsionspotential für die bikonfessionellen Dorfgesellschaften, die Gemeinen Herrschaften und für das eidgenössische Bündnissystem zukamen. Indem die Untersuchung diese komplexen politischen Kommunikations­zusammen­ hänge rekonstruiert, beleuchtet sie das Spannungsverhältnis von Koexistenz und Differenz und fragt nach den stabilisierenden Mechanismen frühneuzeitlicher Konfessionspolitik. Damit ist das argumentative Feld benannt, auf dem sich die Arbeit bewegt. Die inhaltliche Struktur folgt der Dynamik von lokalen Konfessionskonflikten als Mehrebenenkonflikten und konturiert zunächst die Verfassungsstruktur der Gemeinen Herrschaft und diskutiert den angesprochenen eidgenössischen Kommunikationsraum (Kapitel 2). Sodann wird der Umgang mit und die Herstellung von „Konfessionalität“ in der politischen Kommunikation der eidgenössischen Regenten anhand der folgenden Konfliktfelder diskutiert: der Auslegung der Landfriedensverträge durch die politischen Regenten der Grafschaft Baden (Kapitel 3), der gesellschaftlichen Zuschreibungsprozesse, die aus den Wortbotschaften Geistlicher Schmäh- und Lästerreden machten (Kapitel 4), anhand der Konversionspraxis und Konversionspolitik der Alten Eidgenossenschaft, in der die Frage nach der Authentizität des Glaubenswechsels grundlegend war (Kapitel 5), sowie anhand der materiellen und liturgischen Ausdifferenzierung simultan genutzter Kirchenräume der Grafschaft Baden (Kapitel 6). Soweit es das frühneuzeitliche Quellenmaterial erlaubt, werden 168 Zum Begriff des Temporisierens vgl. Schulze, Zeit, 2007, 333 – 352.

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die Konfliktfälle durchgehend in den angesprochenen sozialen und politischen divergenten Kommunikationszusammenhängen Dorf und Tagsatzung analysiert: als Folge von Begegnung und Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Reformierten, wie sie in der Frühen Neuzeit in unterschiedlicher Intensität in den ländlichen bikonfessionellen Dorfgemeinschaften der Grafschaft Baden zu beobachten waren, in denen Gläubige unterschiedlicher Konfession zusammenlebten; vorwiegend aber im politischen Narrativ, in den politischen Kommunikationszusammenhängen zwischen den eidgenössischen Kommunikationspartnern unterschiedlicher Konfession, die für die Grafschaft Baden als einer Gemeinen Herrschaft konstitutiv waren.

2 Konfession und Kommunikation 2.1 Einleitung „Graffschafft Baden. Groß Tyrrany vor augen ist, O Fromme Lüth, ihr’s selbst wol wüst“ – in derart düsteren Farben skizzierte 1615 eine Schmähschrift die politische Landschaft der Grafschaft Baden.1 Verantwortlich für die marode Herrschaftspraxis war dem Schriftstück zufolge der oberste Amtmann der Grafschaft Baden, der reformierte Berner Landvogt Kaspar von Graffenried; von dessen Amtsmissbrauch, Geiz und Betrug war in der Schmähschrift die Rede. Zugleich imaginierte das Spottgedicht die besseren Zeiten – und dachte dabei an ein Jahrhundert, als die Grafschaft Baden noch kein gemeinsames Untertanengebiet der Alten Eidgenossenschaft und der Landvogt noch nicht Repräsentant der acht regierenden eidgenössischen Orte war: „Gantz Graffschafft. Ich sags beim eid, vor 300 Jahren Hatt man solcher Tyrannen nit erfaren“.2 Die Schlussstrophe wandte sich explizit an die acht regierenden Orte der Grafschaft Baden und fasste die Klagepunkte über den Amtsmissbrauch des Landvogts wie folgt zusammen: Graffschafft Baden diß vß einfalt gemacht, Bittend, o Ihr Acht Ort, diß wol betracht, Waß dieser Tyrann hab für ein bracht. Vns arme Schwytzer doch nit gar veracht! Mit Marter, Schwert, gfengknus vnd band, Hatt er verderbt stett, lüt vnd land, Geblündert vnd beraubet auch, Das doch nit ist der Berner brauch.3

Öffentlich wurden dem obersten Amtmann der Grafschaft Baden in spöttischer, aber auch in satirischer und in ironischer Weise tyrannischer Machtmissbrauch und ein eigennütziger Herrschaftsstil vorgeworfen. Die Kritik richtete sich explizit gegen eine Person – den Landvogt – und war zur Verbreitung in der

1 Rochholz, Pasquille, in: Argovia 9, 1876, 179 – 200, hier 181 – 187. Das Original befindet sich in StAAG AA 2815.1.3. Dort auch die Datierung der Archivare auf 1615 – 1616. 2 Rochholz, Pasquille, in: Argovia 9, 1876, 179 – 200, hier 185. 3 Ebenda, 186. Dort wird auch die Vermutung geäußert, das Pasquill sei als Reaktion auf die liturgische Umgestaltung der Kirche von Dietikon zu verstehen.

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Konfession und Kommunikation

Öffentlichkeit bestimmt.4 Die Schmähung entfaltete ihre Wirkung nur, wenn sie auch gelesen und verbreitet wurde, kurz, wenn das in ihr artikulierte Wissen auch zirkulierte.5 Seiner Funktion nach reiht sich das Schriftstück ein in eine in frühneuzeit­ lichen Gesellschaften durchaus populäre Form der Ehrverletzung, der Schmähschrift oder – dem zeitgenössischen Sprachgebrauch entsprechend – dem Pasquill.6 Diese Anschläge auf die Ehre einer Person waren unredlich, da sie anonym blieben und frühneuzeitliche Vorstellungen von redlichen Auseinandersetzungsformen verletzten. Auch das Spottgedicht gegen den Landvogt war anonym und heimlich „zu Baden angeschlagen“.7 Wer anonym eine Person beleidigte und kritisierte nahm dieser die Möglichkeit zur öffentlichen Widerrede; die Vorwürfe blieben an dieser Person haften. Beliebt und legitim waren politische Schmähschriften immer dann, wenn es um die Artikulation sozialen und politischen Protestes ging, denn in der Frühen Neuzeit wusste man ganz genau, wem man „etwas ins Gesicht sagen konnte, und wem nicht“.8 Pasquillen waren damit ein beliebtes Mittel zur Kritik Ranghöherer und der städtischen Obrigkeit.9 Sie boten einen Raum für frühneuzeitliche Machtkritik, die andernfalls

4 Ausgangspunkt einer jeden Erörterung des Begriffs „Öffentlichkeit“ bleibt die klassische Studie von Habermas, Strukturwandel, 1962. In der Mittelalterforschung hat Bernd Thum das Konzept von Habermas einer kritischen Würdigung unterzogen, vgl. ders., Öffentlichkeit, in: Ragotzky/Wenzel (Hg.). Repräsentation, 1990, 65 – 87. Die historische Forschung zur Frühen Neuzeit hat in Anlehnung an dieses Konzept wichtige Differenzierungen vorgenommen, vgl. die Forschungsdiskussion bei Rau/Schwerhoff, Räume, in: dies. (Hg.), Gotteshaus, 2004, 11 – 52, bes. 13 – 20. Zur Dichotomie von „öffentlich“ und „geheim“ weiterhin grundlegend Hölscher, Öffentlichkeit, 1979 sowie ders., Öffentlichkeit, in: Geschichtliche Grundbegriffe 4, 1978, 413 – 467. 5 Zur Funktion und Wirkung der Schmähschriften vgl. Bauer, Pasquille, 2008, 21. 6 Der Begriff „Pasquill“ entstand im 16. Jahrhundert in Rom und bezeichnete Spott- und Schmähgedichte, vgl. Bauer, Pasquille, 2008, 19. Der Aufschwung der Schmähschrift im 16. Jahrhundert „speist sich aus der Verbindung reformatorischen und sozialen Protests mit der innovativen Technik des Drucks“. Ebenda, 19. 7 Pasquill Herren Landtvogts zu Baden Caspar von Graffenriedt von Bern, so Ime zu Baden angeschlagen worden, in: Argovia 9, 1876, 181 – 187. 8 Rublack, Anschläge, in: Schreiner/Schwerhoff (Hg.), Ehre, 1995, 381 – 411, hier 384. 9 Pasquillen gegen die Obrigkeit interpretiert Roeck, Stadt, Bd. 2, 1989, 519 – 522, als ein Medium, durch das eine „Gegenöffentlichkeit“ hergestellt wird. Für Spottzettel als Bestandteil bäuerlichen Widerstands vgl. die Studie von Suter, Troublen, 1985. Verbalinjurien hingegen waren faire Wortwechsel zwischen gleichrangigen Personen. Zu diesen vgl. Fuchs, Ehre, 1999.

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unausgesprochen blieb.10 Spottgedichte reflektieren damit die Wahrnehmung von Herrschaft in Form einer kritischen Meinungsäußerung und sie lassen Rückschlüsse auf das Alltagswissen des Verfassers und damit der Untertanen zu. Die Kritik wurde in einer durchaus kreativen, selbst künstlerischen Form geäußert, da der soziale Protest nicht in plumpen Worten, sondern im gefälligen Reim daherkam. Über den Inhalt hinaus verweisen Spott- und Schmähgedichte der Frühen Neuzeit damit auf eine „Praxis der Formulierung“. 11 Da die Pasquille gegen den Landvogt von Baden Kritik an Ranghöheren übte und sozialen Protest formulierte, ist sie Bestandteil einer populären politischen Kultur der Alten Eidgenossenschaft. Nicht diese populären Widerstandsformen – die Pasquillen –, sondern der Landvogt als Repräsentant von Herrschaft ist zusammen mit dem in der Schmähschrift kritisierten Herrschaftssystem der Grafschaft Baden Gegenstand der folgenden Analyse. Die Grafschaft Baden war eine Gemeine Herrschaft und wurde von den acht alten Orten Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug und Evangelisch Glarus gemeinsam verwaltet. Diese Orte oder auch Stände, wie es im frühneuzeitlichen Sprachgebrauch hieß, entsandten einen Landvogt als ihren Repräsentanten in die gemeinsame Vogtei. Der Verfasser der Pasquille imaginierte nicht nur die Zeiten, als das Territorium noch kein Untertanenland der Eidgenossen war, sondern brachte die acht regierenden Orte zudem als Korrektiv einer landvogteilichen Herrschaftspraxis ins Gespräch, die dadurch charakterisiert war, dass die regierenden Orte Herrschaft aus der Distanz und mittels eines Repräsentanten ausübten. Die zur Analyse stehende Herrschaftssituation der Grafschaft Baden war somit komplex und konnte nur durch ein hohes Kommunikationsaufkommen – vor Ort und aus der Distanz – bewältigt werden. Strukturell sind diese Kommunikations­situationen der Grafschaft Baden durchaus mit denen in anderen Gemeinen Herrschaften vergleichbar. Zudem lassen sich durch die Art und Weise, wie die Gemeine Herrschaft von den eidgenössischen Orten verwaltet wurde, Rückschlüsse auf das Verständnis spezifisch eidgenössischer Staatlichkeit ziehen; eine Frage, die durchgängig interessiert und explizit im Schlusswort der Arbeit gebündelt reflektiert wird. Um eidgenössische Herrschaft in der Grafschaft Baden als kommunikative Praxis darzustellen, werden in diesem Kapitel zunächst die politischen Verfahren eidgenössischer Herrschaftsausübung in dem gemeinsam regierten

10 Zu den Möglichkeiten der Untertanen der Gemeinen Herrschaften, Ämterkritik zu üben, vgl. Head, Lordship, in: CEH 30, 1997, 489 – 512, hier 496 – 500. 11 Bauer, Pasquille, 2008, 22.

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Untertanengebiet zur Sprache gebracht. Ziel ist es, einen politischen Kommunikationsraum zu konturieren, der über den Repräsentanten der Grafschaft Baden und die lokalen Amtmänner hinaus die politische Elite der Eidgenossenschaft umfasste: die acht alten eidgenössischen Orte. Bei konfessionellen Konflikten waren es die eidgenössischen Orte, die in entscheidendem Maße das kommunikative Geschehen steuerten und generierten. Insofern steht in dieser Arbeit nicht allein die Funktionsweise einer Gemeinen Herrschaft zur Analyse, sondern es wird darüber hinaus die politische Kultur der Alten Eidgenossenschaft beleuchtet. Da die Herrschafts- und Kommunikationssituation zwischen der Grafschaft Baden und der Alten Eidgenossenschaft eng miteinander verzahnt waren, werden zunächst der politisch-­territoriale Aufbau der Alten Eidgenossenschaft und die Funktion der Gemeinen Herrschaften für das eidgenössische Bündnissystem diskutiert. Deren Eroberung führte zur Verstetigung der politischen Kommunikation auf dem eidgenössischen Gesandtenkongress, der Tagsatzung, auf dem sich die regierenden katholischen und reformierten Orte zur Erledigung der politischen Geschäfte trafen. Zusammen mit den konfessionellen Konferenzen, die sich mit der konfessionellen Spaltung als grundlegende Kommunikationsräume etablierten, werden Bedeutung, Funktion und kommunikative Verfahren der Tagsatzung in einem ersten Schritt evaluiert. Zweitens werden die rechtlichen Modalitäten der Herrschaftsausübung in der Grafschaft Baden analysiert. In der historischen Literatur dominiert die Auffassung, das Mehrheitsprinzip billige den reformierten Orten aufgrund ihrer Minderheitensituation einen nur sehr begrenzten politischen Handlungsspielraum zu. Da sich Zürich jedoch beharrlich weigerte, das Mehrheitsprinzip in religiösen Angelegenheiten anzuerkennen, führte eine katholische Mehrheit nicht automatisch zu einhelligen Entscheidungen der Tagsatzungsgesandten, wie durch die Analyse der Herrschaftspraxis in diesem und in den folgenden Kapiteln immer wieder betont wird. Die Gültigkeit des Mehrheitsprinzips war dementsprechend im gesamten Untersuchungszeitraum zu keinem Zeitpunkt unangefochten; ein Faktum, das zusätzlich zu den komplexen Regierungsstrukturen der Gemeinen Herrschaft zu einem erhöhten kommunikativen Aufwand unter den regierenden Orten führte. In der politischen Kommunikation wurden differierende, konfessionsspezifische Meinungen artikuliert, so dass das kommunikative Geschehen die politischen Verfahren etablierte, in denen die Diskursivierung von konfessioneller Eindeutigkeit der eidgenössischen Regenten verstetigt wurde. In einem dritten Schritt wird das politische Gebilde Grafschaft Baden mit seinen politischen Funktionsträgern diskutiert und die komplizierten geist­ lichen und weltlichen Herrschaftsverhältnisse der Grafschaft skizziert, die das

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räumlich und rechtlich stark zergliederte Herrschaftsgebiet wie ein feinmaschiges Netz überzogen. Die unterschiedlichen Herrschaftsrechte schufen nicht nur vielschichtige Abhängigkeitsverhältnisse, sondern prägten zudem den Gang der Kommunikation, da die geistlichen Grund-, Gerichts- und Zinsherren aufgrund ihrer Herrschaftsrechte als lokale Kommunikationspartner und Wissensproduzenten bei religiösen Streitfällen fungierten. Außerdem dokumentiert dieser Abschnitt die Intensivierung der Landeshoheit im Spätmittelalter durch die eidgenössische Herrschaft, die auf Kosten der zahlreichen grafschaftlichen Niedergerichtsherren verlief. Allerdings waren die Herrschaftsrechte, die die regierenden reformierten und katholischen Orte in diesem Territorium besaßen, seit der Frühen Neuzeit durch die landfriedlichen Verträge sehr ungleich verteilt. Aus diesem Grund werden, viertens, die Möglichkeiten Zürichs diskutiert, in der Grafschaft Baden als einer Gemeinen Herrschaft Kirchenreformen durchzuführen und die Instrumente einer Herrschaftsintensivierung zu etablieren (Eherecht, Sittenzucht, Schulbildung), wie sie anderorts als Folge des reformierten Konfessionalisierungsprozesses und einer frühneuzeitlichen Staatsbildung entstanden. Aufgrund der Dominanz des katholischen Kirchenrechts und des Zweiten Landfriedens waren die Möglichkeiten Zürichs, Prozesse der reformierten Konfessionalisierung in der Grafschaft Baden zu initiieren, äußerst limitiert; aus diesem Grund spielen andere normative Quellen für die Rekonstruktion von Konfessionalisierungsprozessen in der ländlichen Welt der Grafschaft Baden eine untergeordnete Rolle. Da Konfession und Kommunikation zentrale analytische Kategorien dieser Untersuchung darstellen, werden in einem abschließenden Schritt die politischen Kommunikationsformen und die Dynamiken des Kommunikationsprozesses in der Grafschaft Baden und der Alten Eidgenossenschaft analysiert und die unterschiedlichen politischen Ebenen (eidgenössisch/territorial/lokal) des Kommunika­tionsraums Grafschaft Baden rekonstruiert. Der Kommunika­ tionsaufwand konfessioneller Konflikte war erheblich, zugleich waren die Wege der politischen Kommunikation insbesondere im Schriftverkehr jenseits des Tagsatzungsgeschehens kaum standardisiert und deshalb äußerst vielfältig. Das kommunikative Geschehen in der Alten Eidgenossenschaft war im höchsten Maße emergent; lediglich durch die Wiederholung derselben kommunika­ tiven Strategien wurde das Kontingenzpotential der Kommunikation auf Dauer begrenzt. Diese beiden Faktoren waren prägend für die politische Kultur der Alten Eidgenossenschaft, die in dieser Studie permanent im kommunikativen Vollzug über einen langen Zeitraum hinweg (1531 – 1712) beobachtet wird. Obwohl dieser Abschnitt am Anfang der Studie steht, ist er gleichsam das Ergebnis der Analyse einer eidgenössischen Herrschaftspraxis, von der in den folgenden Kapiteln noch ausführlich die Rede sein wird.

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2.2 Die Tagsatzung der Eidgenossen Eine Verstetigung der politischen Kommunikation auf den eidgenössischen Tagsatzungen ist eng mit dem Erwerb der sogenannten Gemeinen Herrschaften verbunden. Gemeine Herrschaften waren Untertanengebiete, die von mehreren eidgenössischen Orten gemeinsam verwaltet wurden. Diese Gemeinen Herrschaften bildeten neben den vollberechtigten dreizehn eidgenössischen Orten, den Zugewandten Orten und den unter Schirmherrschaft stehenden Gebieten die vierte Kategorie im politisch-­territorialen Aufbau der Alten Eidgenossenschaft.12 Die ersten gemeinsamen Herrschaftsgebiete kamen 1410 mit der Besetzung des Eschentals und 1415 mit der Eroberung der Landvogtei Baden (Teile des heutigen Aargaus) in den Besitz der Alten Eidgenossenschaft.13 Bedingt durch die gemeinsamen Verwaltungsaufgaben in den neuen Herrschaftsgebieten entstanden schon bald regelmäßige Versammlungen der einzelnen eidgenössischen Orte, aus denen sich mit der Zeit die immer häufiger stattfindenden Tagsatzungen entwickelten.14 Innerhalb der Eidgenossenschaft, die trotz „Anzeichen institutioneller Verfestigung“ bis ins 16. Jahrhundert lediglich aus einem variablen Bündnisgeflecht sehr heterogener Bündnispartner bestand, kam den Gemeinen Herrschaften eine integrative Funktion zu, da sie zur Verstetigung der politischen eidgenössischen Kommunikation beitrugen.15Auf den gemeinherrschaftlichen Tagsatzungen (auch Jahrrechnungstagsatzungen) – eine Institution, die seit 1418 Bestand hatte 16 – waren die Landvögte, die im Turnus von

12 Holenstein, Herrschaften, in: HLS online, www.hls-­dhs-­dss.ch/textes/d/D9817.php (Zugriff 21. 01. 2016). 13 Zur Ereignisgeschichte vgl. Stettler, Eidgenossenschaft, 2004, 131 – 134 sowie Seiler/ Stegmeier, Geschichte, 1991, 35 – 37. 14 Die ältere Forschung des 19. Jahrhunderts verankerte die Anfänge der Tagsatzung in den Bünden, im 20. Jahrhundert dann in den Schiedsgerichten (Usteri), während neuerdings die Verwaltung der Gemeinen Herrschaften als Grund für die Verstetigung der politischen Kommunikation und ihrer Institutionalisierung gesehen wird. Andreas Würgler zufolge entstanden die Tagsatzung zudem aus dem Bedürfnis der spätmittelalterlichen Landfriedensbündnisse heraus, für „sichere Verhältnisse zu sorgen und Konflikte durch vermittelnde oder schiedsgerichtliche Verfahren zu lösen“. Vgl. Würgler, Reden, in: Neu/Sikora/Weller (Hg.), Praxis, 2009, 89 – 106, hier 92. Einen aktuellen Forschungsüberblick bei Würgler, Tagsatzung, 2013, 31 – 51. 15 Sablonier, Eidgenossenschaft, in: Wiget (Hg.), Entstehung, 1999, 9 – 42, hier 24 sowie allg. Würgler, Tagsatzung, 2013. 16 Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 94 (Erster Teil) spricht vom „Institut“ der Jahrrechnung, die 1418 entstand. Laut Mittler, Geschichte, Bd. 1, 1962, 77 erfolgte die erste Jahrrechnungsablage bereits am 9. Juli 1416.

Die Tagsatzung der Eidgenossen

zwei Jahren von den regierenden Orten in die Gemeine Herrschaft entsandt wurden, jährlich verpflichtet, über die Einkünfte aus den gemeinsam verwalteten Herrschaftsgebieten zu informieren.17 Nicht die Landvögte oder die einzelnen Orte, die sie entsandten, waren Landesherren der Gemeinen Herrschaft, sondern die Gesamtheit der regierungsberechtigten Stände. Die Untertanen der Grafschaft Baden und anderer Gemeiner Herrschaften wurden durch die auf dem Gesandtenkongress versammelten Boten im Unterschied zu den Untertanen aus den souveränen Orten nicht repräsentiert. Für sie war die Tagsatzung die „Hohe“ Obrigkeit und fungierte als Gremium für Bittschriften und als Appellationsinstanz für Rechtsfälle.18 In ausgesuchten Fällen übernahm der Gesandtenkongress strafrechtliche Aufgaben und fungierte als oberstes Gericht der Grafschaft Baden, vor dem Zeugenverhöre durchgeführt und die Verteidigung des Beklagten formuliert wurde. Mit der Besetzung der Landvogtei Baden und der Freien Ämter 1415 etablierte sich nicht nur der eidgenössische Gesandtenkongress. Diese Erwerbungen führten auch zur dauerhaften Differenzierung zwischen zwei Kategorien von Orten, die an den Tagsatzungen teilnahmen, nämlich den vollberechtigten und den Zugewandten Orten.19 Nur die vollberechtigten Orte verfügten über Sitz und Stimme an den Tagsatzungen. Wer von den Orten vollberechtigt war und wer nicht, ergab sich aus dem Bündnis mit anderen Orten und aus der politischen Praxis.20 Zu den vollberechtigten Mitgliedern der achtörtigen Eidgenossenschaft zählten die Reichsstädte Zürich und Bern, die Städte Luzern und Zug sowie die Länderorte Uri, Schwyz, Underwalden (Ob- und Nidwalden) und Glarus; sie verwalteten die erste Gemeine Herrschaft der 17 Sie fanden, da das Amtsjahr des Landvogts im Mai oder Juni endete, meist im Frühsommer statt, vgl. Mittler, Geschichte, Bd. 1, 1962, 276. Seit 1421 zunächst „auf Pfingsten“ und später dann „auf Sonntag nach Fronleichnam“, vgl. Joos, Entstehung, 1925, 34 sowie Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 94 (Erster Teil). 18 Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 94 (Erster Teil) sowie Würgler, Tagsatzung, in: Blickle (Hg.), Landschaften, 2000, 99 – 117, hier 115. Bei Bittschriften, die von einzelnen Personen vor den Tagsatzungsgesandten vorgetragen wurden, gibt es für das 16. Jahrhundert Indizien, dass die Gesandten im 16. Jahrhundert weitgehende Kompetenzen besaßen: Niklaus Bütikofer geht davon aus, dass sie die Appellationen selbstständig behandeln konnten, „ohne ihre Entscheide in den Abschieden an ihre Obrigkeiten zu melden oder gar von ihnen bestätigen zu lassen“. Bütikofer, Funktion, in: ZHF 13, 1986, 15 – 41, hier 26. 19 Peyer, Verfassungsgeschichte, 1978, 36 und Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 147 – 181 (Erster Teil). Würgler, Tagsatzung, 2013, 97: Tabelle mit den vollberechtigten Orten. 20 Würgler, Tagsatzung, 2013, 95 – 96.

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Eidgenossenschaft gemeinsam: die Grafschaft Baden. Die acht alten Orte waren als „Beati possidentes“ an allen später von den Eidgenossen gemeinsam erworbenen Herrschaften und Rechten beteiligt;21 allerdings tagten sie bei den Jahrrechnungstagsatzungen bzw. den gemeinherrschaftlichen Konferenzen in Baden allein und genossen Vorrang vor den Zugewandten Orten. 22 Dieses Prinzip war auch Zeitgenossen bewusst. Der Zürcher Gelehrte und reformierte Theologe Josias Simler (oder Simmler), dessen Werk über das Regiment gemeiner loblicher Eÿdgnoßschaft (1576) schnell zum frühneuzeitlichen Klassiker avancierte, zunächst ins Französische (1577) und einige Jahrzehnte später ins Niederländische (1613) übersetzt wurde, kann als der erste Historiograph der Tagsatzung gelten. Er besaß einen klaren Blick für Verfahren und staatsrechtliche Probleme und benannte 1576 die Bedeutung der gemeinherrschaftlichen Konferenzen ganz zu Recht damit, dass nur die eidgenössischen Orte, die auch zu den Regenten der betreffenden Gemeinen Herrschaft zählten, berechtigt waren, an diesen Konferenzen teilzunehmen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die verbleibenden eidgenössischen Orte von der Verhandlung der Regierungsgeschäfte, die die gemeinen Vogteien betrafen, ausgeschlossen waren: Da nicht alle gemeinlich in allen denen sachen so auff den Tagleistungen fürbtacht werdend / sonder wenn etwas zu handlen ist / von den siben oder acht Orten beuogtet werdend / vnd man die Appellation auß der selbigen Orten Botten zusamen / rathend und mehrend vnd die selbigen sachen.23

Zu den vollberechtigten acht Mitgliedern der Eidgenossenschaft wurden seit dem Stanser Verkommnis von 1481 fünf weitere Orte in das föderale Bündnisgeflecht integriert (1481 Freiburg und Solothurn, 1501 Basel und Schaffhausen und 1513 Appenzell), so dass bis 1513 die dreizehnörtige Eidgenossenschaft entstand. Prinzipiell waren sie an den Sitzungen der Tagsatzung gleichberechtigt, den Orten Basel, Schaffhausen und Appenzell kamen in diesem föderalen politischen Gebilde Vermittlungsfunktionen bei Konflikten unter den eidgenössischen Orten zu.24 Zudem besaßen nur Zürich und Bern völlige außenpolitische 21 Die Bezeichnung „acht Orte“ bzw. „acht alten Orte“ ist seit 1481 bzw. 1505 belegt, vgl. ebenda, 98. 22 Vgl. Peyer, Verfassungsgeschichte, 1978, 36 – 38 sowie allgemein zu der Rechtsstellung der Zugewandten Orte Oechsli, Orte, in: JSG 13, 1888, 1 – 497. 23 Simler, Regiment, 1576, 170v. 24 Peyer, Verfassungsgeschichte, 1978, 38. Allen fünf Orten wurde „eine innereidgenössische Neutralität und Vermittlungspflicht auferlegt“, vgl. Würgler, Tagsatzung, in: Blickle (Hg.), Landschaften, 2000, 99 – 117, hier 102. Usteri, Schiedsgericht, 1925, 286,

Die Tagsatzung der Eidgenossen

Bündnisfreiheit, die anderen Orte waren verpflichtet, etwaige Bündnisse mit den übrigen Orten abzusprechen.25 Neben den vollberechtigten Orten und den Orten, die gemeinsam Unter­ tanengebiete verwalteten, nahmen zudem die Zugewandten Orte an den Tagsatzungen teil; sie bildeten eine sehr heterogene Gruppe. In der schweizerischen Historiographie sind mit den Zugewandten jene Gebiete gemeint, die zur Eidgenossenschaft zählten, ohne vollberechtigte Orte oder Gemeine Herrschaften zu sein.26 Zugewandte Orte waren geistliche und weltliche Herrschaften, die mit einigen eidgenössischen Orten eine vertragliche Bindung eingegangen waren.27 Zu diesen Städten oder Ländern zählten Republiken, wie das Wallis (1416/1475), die Drei Bünde in Rhätien (1497/98), aber auch „peripher gelegene verbündete Städte wie Mülhausen (1515 – 1586/1797) oder Rottweil (1519 – 1632/89)“, die Abtei St. Gallen (1451 – 1798) sowie die Städte St. Gallen (1454 – 1798) und Biel (1474/1529 – 1798); letztere standen „mit Burgrechts- oder Schirmverträgen in einer gewissen Abhängigkeit zur Eidgenossenschaft“.28 Der politische Einfluss der Zugewandten Orte war gering und auf spezifische Geschäfte begrenzt. Zudem waren sie nicht an der Regierung der Gemeinen Herrschaften beteiligt. Eine letzte Kategorie von teilnehmenden Akteuren lässt sich seit dem 15. Jahrhundert mit den europäischen Mächten benennen. Europäische Mächte nahmen an der Tagsatzung teil, wenn es um Bündnisse, Verträge oder um Söldnerrekru­ tierung ging. Zwar traten europäische Mächte auch mit einzelnen Orten in diplomatischen Kontakt, doch wenn die gesamteidgenössische Meinungsbildung gefragt war, wurden diese Anliegen auf der Tagsatzung verhandelt. Daher „erschienen an den meisten Tagsatzungen auch Gesandte fremder Herren, um erkennt Anfänge der Vermittlerfunktionen schon im Dreiländerbund von 1315 und im Luzernerbund von 1332; in der achtörtigen Eidgenossenschaft waren es allerdings die Appenzeller, denen am 11. November 1411 im Burg- und Landrecht als erste die Rolle des Vermittlers übertragen wurde. 25 Würgler, Tagsatzung, in: Blickle (Hg.), Landschaften, 2000, 99 – 117, hier 102. 26 Oechsli, Orte, in: JSG 13, 1888, 1 – 497, hier 23, begegnet der Ausdruck „Zugewandte“ nicht vor dem Alten Zürichkrieg; er stößt auf ihn erstmals im Zusammenhang mit dem Waffenstillstand zwischen Schwyz und Zürich vom 1. Dezember 1440. 27 Würgler, Tagsatzung, 2013, 108. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde der Begriff „Zugewandte“ in einer verengten Bedeutung verwandt: Nun verstand man darunter nur noch den Abt und die Stadt St. Gallen sowie Biel. „Die übrigen Zugewandten wurden mit den besonderen Verbündeten der Glaubensparteien in der Bezeichnung ,ewiger Mitverbündeter‘ zusammengefaßt“, vgl. Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 156 – 157 (Erster Teil) sowie ders., Orte, in: JSG 13, 1888, 1 – 497. 28 Würgler, Tagsatzung, in: Blickle (Hg.), Landschaften, 2000, 99 – 117, hier 103.

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über militärische, ökonomische, rechtliche oder bündnispolitische Fragen zu verhandeln“.29 Zur Verstetigung der politischen Kommunikation unter den eidgenössischen Orten führte somit der eingangs erwähnte Zwang zur Rechnungsdarlegung der Landvögte, der aus der Eroberung der Gemeinen Herrschaften erwuchs. Bald wurden über die Rechnungsdarlegung und die Entscheidung von Rechtsfällen in den gemeinsamen Untertanengebieten hinaus auch gesamteidgenössische innen- und außenpolitische Angelegenheiten auf den Sitzungen mitverhandelt. Etwa 30 Prozent der Geschäfte, die auf den gemeineidgenössischen Tagsatzungen verhandelt wurden, stammten um 1500 aus den Gemeinen Herrschaften;30 gefolgt wurden sie von Verhandlungsgegenständen, die aus der Vermittlung in Konfliktfällen resultieren (24 Prozent), wobei die Konfliktformen größtenteils äußere Konflikte betrafen und weniger Streitigkeiten zwischen den eidgenössischen Orten. 14 Prozent resultierten aus der Bearbeitung von Bittschriften, während nur 16 Prozent auf die Bereiche Münzwesen, Kirche, Bundesangelegenheiten, Reislaufen und Wirtschaft entfielen. 10 Prozent des Arbeitsaufkommens erwuchs der Tagsatzung aus den diplomatischen Beziehungen; ein Kommunikations- und Arbeitsfeld, das – zählt man die Auslandsanteile der Konflikte und Bittschriften mit hinzu – auf 38 Prozent anwuchs. Militärische Probleme und Steuerfragen beschäftigten die Tagsatzung indes nur wenig.31 Der prozentuale Arbeitsaufwand, der den gemeineidgenössischen Tagsatzungen aus den Gemeinen Herrschaften erwuchs, blieb bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts stabil. Von 1470 bis 1600 kamen 35 Prozent und von 1601 bis 1728 rund 34 Prozent der gesamten Tagsatzungsgeschäfte aus den Gemeinen Herrschaften.32 Mit der Zunahme der Geschäfte verstetigte sich dementsprechend auch die Tagsatzung; aus einem „gelegentlichen Ereignis“ wurde eine „dauerhafte Institution“.33 Diesem Institutionenbegriff liegt ein soziologisches Verständnis zugrunde, das die Institution als ein auf Dauer gestelltes Verhalten begreift.34 In einer praxeologischen Betrachtungsweise bedurfte die Tagsatzung der „wiederholte[n] Aktualisierung“,35 da sich ihre Tätigkeit in den Treffen der Tagsatzungsboten symbolisierte. Diese Wiederholungsleistung kommt zum einen in 29 Ebenda, 113 – 122. 30 Bütikofer, Funktion, in: ZHF 13, 1986, 15 – 41, hier 26. 31 Ebenda, hier 23 – 32. 32 Die Zahlen basieren auf Stichproben, vgl. Würgler, Tagsatzung, 2013, 207 sowie Körner, Wirtschaftspolitik, in: Carlen/Imboden (Hg.), Wirtschaft, 1988, 55 – 7 7, hier 58 – 60. 33 Würgler, Tagsatzung, in: Blickle (Hg.), Landschaften, 2000, 99 – 117, hier 104. 34 Göhler, Institutionen, in: ders. (Hg.), Institutionenwandel, 1997, 21 – 56, hier 28. 35 Würgler, Tagsatzung, 2013, 171.

Die Tagsatzung der Eidgenossen

der kontinuierlichen Tagungsfrequenz zum Ausdruck, zum anderen semantisch in dem Begriff „einen Tag setzen“, also einen weiteren Termin zur Erörterung anstehender Geschäfte anzuberaumen.36 Durch die Verstetigung der Treffen der eidgenössischen Orte und der Verstetigung der politischen Kommunikation wurde auch die Institution Tagsatzung auf Dauer gestellt. Tagsatzungen konnten im Unterschied zu ständischen Versammlungen prinzipiell von jedem teilnehmenden Ort (oder einer Gruppe von Orten) einberufen werden, eine spätmittelalterliche Praxis, die sich bis ins 18. Jahrhundert hielt. Ebenso konnten die Zugewandten Orte und ausländische Mächte beim Vorort Zürich um die Einberufung einer Tagsatzung bitten. Üblicher war es seit dem 16. Jahrhundert, dass der Vorort von sich aus oder auf Anfrage anderer Orte den Termin für eine Tagsatzung ansetzte.37 Die meisten Tagsatzungen wurden allerdings an den vorangehenden Sitzungen anberaumt, indem die Boten einen neuen Termin zum Tagen ansetzten. Jahrrechnungen bedurften aufgrund ihres fixen Termins nicht der Einberufung. Die Einberufung der Tagsatzungen erfolgte auf schriftlichem Weg, sobald Ort und Termin der Sitzung bekannt waren. Lediglich bei den wiederkehrenden Jahrrechnungstagsatzungen ergingen in der Frühen Neuzeit keine Einladungen mehr. Im Unterschied zum Reichstag folgten die geladenen Orte formal keinem Befehl, sondern einer Bitte, allerdings bestand eine große Erwartung, dass der Einladung gefolgt werde.38 Strafen bei Nichterscheinen wurden nicht verhängt, es wurde allerdings die Reihenfolge mit 36 Erstmals taucht der Begriff 1482 in der Berner Schriftlichkeit auf, vgl. Jucker, Gesandte, 2004, 77, aber erst im 17. Jahrhundert wurde „Tagsatzung“ zur festen Bezeichnung, vgl. Wegmann, Tagsatzung, in: HBLS, Bd. 6, 1931, 629 – 631, hier 629. Parallel dazu wurde bis ins 18. Jahrhundert der Begriff der „Tagleistung“ verwendet, vgl. Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 94, Anm. 2 (Erster Teil) sowie die Beispiele aus dieser Arbeit. Jetzt auch Würgler, Tagsatzung, 2013, 21. 37 Die Bezeichnung „Vorort“ entstand erst im Dreißigjährigen Krieg, im 15. und 16. Jahrhundert wurde vom „ersten“, „vordrigsten“ oder „obersten“ Ort gesprochen, vgl. Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, 143 (Erster Teil). Würgler, Tagsatzung, in: Blickle (Hg.), Landschaften, 2000, 99 – 117, hier 104 und Bütikofer, Funktion, in: ZHF 13, 1986, 15 – 41, hier 22. Libson, Entstehung, 1912, 65 – 70, dem zufolge Zürich in der Mitte des 16. Jahrhunderts das ausschließliche Einberufungsrecht von Tagsatzungen erlangte, ebenda, 69. Oechsli kritisiert an Libsons Darstellung, dass er „die verschiedenen Zeiten nicht genügend auseinander zu halten scheint“, vgl. Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 94, Anm. 1 (Erster Teil). Die Vorreiterrolle Zürichs im Bund der Alten Eidgenossenschaft wurde bereits im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts in den ersten Landesbeschreibungen von Albrecht von Bonstetten und Konrad Tülst festgehalten, die nach den Burgunderkriegen entstanden. Für diesen Hinweis danke ich Martina Stercken. 38 Würgler, Tagsatzung, 2013, 238 – 39.

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den zu beratenden Geschäften umgestellt, wenn die betreffenden Boten noch nicht am Tagsatzungsort erschienen waren. Vorabsprachen vor Tagsatzungen waren durchaus üblich, zudem bürgerte sich seit der Reformation der Brauch ein, katholische und evangelische Konferenzen vor gemeineidgenössischen Tagsatzungen einzuberufen; ein solches Vorgehen praktizierten vor allem die katholischen Orte der Eidgenossenschaft.39 Die Treffpunkte der Tagsatzungen variierten, allerdings entwickelten sich einige Städte in dem Zeitraum von 1470 bis 1798 zu bevorzugten Tagsatzungsorten. Obwohl die Tagsatzungstreffen vor der Reformation (1470 – 1525) durch eine hohe Varianz des Ortes charakterisiert waren, fand die Mehrheit der über eintausend Tagsatzungen in diesem Untersuchungszeitraum in den Städten Luzern, Zürich und Baden statt.40 Nach der Reformation lässt sich eine Präferenz der katholischen Stadt Luzern (gefolgt von Baden) für die katholischen Treffen und für Aarau (gefolgt von Frauenfeld) für die reformierten Tagsatzungen konstatieren.41 Tagten die eidgenössischen katholischen und reformierten Orte gemeinsam, dann taten sie das überwiegend in Baden. In dieser nördlich von Zürich gelegenen katholischen Kleinstadt fanden in dem Zeitraum von 1470 bis 1798 die meisten gemeineidgenössischen Tagsatzungen statt (1315 Treffen von insgesamt 4670).42 Hier versammelten sich seit dem späten 15. Jahrhundert bis ins frühe 18. Jahrhundert auch die Boten der gemeinherrlichen Konferenzen, die die Regierung der Gemeinen Herrschaften und somit auch der Grafschaft Baden betrafen. Diese katholische Kleinstadt war Austragungsort der bekannten Badener Disputation von 1526 und Regierungssitz des Landvogts der gleichnamigen Grafschaft Baden. Wegen der gesunden Luft, der warmen Quellen und der schönen Herbergen galt Baden Zeitgenossen als ein angenehmer Tagungsort – zumindest der schon kurz erwähnte Zürcher Gelehrte und reformierte Theologe Josias Simler lobte 1576 die „Kommlichkeiten“ der Stadt.43 Bei den gemeineidgenössischen Tagen führte Zürich den Vorsitz. Damit kompensierte Zürich „seinen Bedeutungsverlust als Tagsatzungsort mit der Verfestigung seiner Rolle als Vorort, die es vor allem an den Sitzungen in Baden, aber auch zwischen 39 Sie waren allerdings keine Erfindung der konfessionellen Parteien, da es bereits vor der Reformation zu einer Reihe von Sondertagungen kam, vgl. Würgler, Tagsatzung, 2013, 241. 40 Würgler, Tagsatzung, 2013, 424. 41 Ebenda, 187, Tabelle 17. 42 Ebenda. 43 Des Weiteren pries er die günstige Lage der Stadt und das gute und reichhaltige Essen, vgl. Simler, Regiment, 1576, fol. 176v.

Die Tagsatzung der Eidgenossen

den Sitzungen spielte. Luzern dagegen wurde […] zur Hauptstadt der katholischen Schweiz“.44 Den Vororten Zürich und Luzern kamen, wie wir noch sehen werden, grundlegende Funktionen für die innerkonfessionelle Kommunikation zu, da sie diese bündelten, weiterleiteten und auch die konfessionellen Versammlungen einberiefen. Die Tagsatzung der Alten Eidgenossenschaft war damit keine Ständeversammlung, sondern ein Gremium mit vielfältigen Funktionen. Sie war für die Verwaltung der Gemeinen Herrschaften zuständig, zugleich bildete sie den Gesandtenkongress der eidgenössischen Orte (und Zugewandten). Zudem folgten die eigentlichen Sitzungen keinen verfassungsmäßigen Normen, sondern die eidgenössischen Versammlungen funktionierten auf gewohnheitsrechtlicher Basis. Die politischen Abläufe und die kommunikativen Verfahren sind daher nur über die Rekonstruktion der Funktionsweise dieser In­sti­ tu­tion und der politischen Praxis zu ermitteln. Die institutionelle Ausformung der Tagsatzung blieb während des gesamten Untersuchungszeitraums hinweg gering. Wie Würgler griffig formuliert, besaß die Tagsatzung in der Frühen Neuzeit „keine Kasse, kein Siegel, kein Personal, kein Archiv, kein Gebäude“. Die für die eidgenössischen Treffen benötigte Infrastruktur stellte der jeweilige Tagungsort.45 Dazu zählten auch die Schreiber, die zur Abfassung der eidgenössischen Schriftstücke verwendet, und die Archive, in denen die eidgenössischen Schriftstücke verwahrt wurden. 2.2.1 Boten und Instruktionen Die Tagsatzung war zudem ein Gesandtenkongress, der sich über die Teilnahme der aus den Orten entsandten Boten bzw. Gesandten konstituierte; in der Quellensprache des 16. und 17. Jahrhunderts wird nicht zwischen diesen beiden Begriffen unterschieden, weshalb beide Begriffe in dieser Studie alternierend und ohne Wertung benutzt werden.46 Die Anzahl der Tagsatzungsboten konnte voneinander abweichen, bei Geschäften, die die Grafschaft Baden betrafen, entstellte Zürich meist zwei Gesandte, ebenso verfuhr Luzern. Die Boten wurden durch je eigene Wahlverfahren bestimmt; es gab kein eidgenössisch verpflichtendes Verfahren, so dass die Profile der Tagsatzungsboten durchaus variierten. Bote 44 Würgler, Tagsatzung, 2013, 192. 45 Würgler, Boten, in: Schwinges/Wriedt (Hg.), Gesandtschafts- und Botenwesen, 2003, 287 – 312, hier 289 sowie ders., Tagsatzung, in: Blickle (Hg.), Landschaften, 2000, 99 – 117, hier 103 sowie Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 93 – 94 (Erster Teil). 46 Der spätmittelalterliche Sprachgebrauch kannte lediglich den Begriff des „Boten“; erst seit dem 16. Jahrhundert wurde der Begriff „Gesandter“ verwendet, vgl. Jucker, Gesandte, 2004, 81 – 82 und Anm. 41.

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zu sein bedeutete nicht, ein Amt innezuhaben; sie erhielten lediglich zeitlich befristete Aufträge, die sich auf eine bestimmte Tagsatzung bezogen. In dem sie entsendenden Ort hatten Boten hingegen ein Amt inne; vielfach waren es führende politische Amtsträger. In Städten wurden die Bürgermeister, Schultheißen oder Seckelmeister entsandt, in Länderorten wurden die Gesandten aus dem Kreis des Landammannes, Statthalters, Seckelmeisters oder Vogts rekrutiert. Auch wenn Tagsatzungsboten über einen längeren Zeitraum hinweg und auf mehreren Konferenzen die Funktion des Gesandten ausübten – wie dies bei den von Zürich aus entsandten Boten für die Beratungen zu den Badener Geschäften durchaus üblich war –, blieben sie doch an die „Mandatierung“ durch das jeweilige politische Gremium gebunden.47 War eine Tagsatzung ausgeschrieben, dann trafen die Gesandten meist am Abend vor dem ersten Sitzungstag ein. Als Vorbereitung auf die anstehende Sitzung verschaffte sich Zürich in seiner Funktion als Vorort zunächst einen Überblick über die an der Versammlung teilnehmenden Orte. Bei den Badener Tagsatzungen und Konferenzen ließ der Vorort Zürich durch den Untervogt von Baden am Abend vor den jeweiligen Sitzungen in Erfahrung bringen, „welcher Orten Botten kommen syend“.48 Dieses Vorgehen wurde dadurch erleichtert, dass die Boten aus den verschiedenen eidgenössischen Orten wie auch die fremden Gesandten bestimmte Herbergen brvorzugten. Der reformierte Stand Bern leistete sich als einziger eidgenössischer Ort im katholischen Baden einen ständigen Sitz am Tagsatzungsort; von 1564 an logierten die Gesandten im Haus Zum Grünen Berg, ab 1665 dann im Bernerhaus an der Weiten Gasse, welches von dem Werkmeister Abraham Dünz I. (1630 – 1688) erbaut wurde.49 Die katholischen eidgenössischen und fremden Gesandten nutzten das seit 1588 erbaute Kapuzinerkloster für ihre Vorbesprechungen für die Tagsatzungen.50 Traf der Untervogt von Baden die Gesandten an, teilte er Ihnen mit, „welcher stundt sy morndrigs vff dem Rathuß zůsamme[n] kommen sollend“.51 Der Sitzungssaal in Baden war demnach das Rathaus und nicht das Landvogteischloss, von wo aus der Landvogt die Vogtei verwaltete; zudem sollten die Sitzungen jeweils am Morgen beginnen. Eröffnet wurde die Tagsatzung durch den gastgebenden Ort bzw. in Baden durch den Zürcher Gesandten als Vertreter.52 Würgler 47 Würgler, Tagsatzung, 2013, 129. 48 Simler, Regiment, 1576, fol. 177v. 49 Buser, Bernerhaus, in: Holenstein/Engler/Gutscher-­Schmidt (Hg.), Zeit, 2006, 130. 50 Fischer, Gründung, 1955, 252. 51 Simler, Regiment, 1576, fol. 177v. 52 Eine Ausnahme bestand, wenn ein anderer Ort die Sitzung ausgeschrieben hatte, vgl. Würgler, Tagsatzung, 2013, 253.

Die Tagsatzung der Eidgenossen

zufolge begannen die Tagsatzungen ohne Gottesdienst mit der „eidgenössischen Begrüßung“; die Türen des Sitzungssaals standen während der Begrüßung und der Eröffnungsansprachen der fremden Gesandten offen und wurden erst geschlossen, wenn die Verhandlung der politischen Geschäfte begann.53 Die Sitzordnung an den Konferenzen betonte die prinzipielle Gleichheit der Teilnehmenden; hier gab es im Unterschied zum Reichstag oder zu anderen politischen Versammlungen „keine Unterteilung in Kurien und Bänke oder in Sitzende und Stehende“.54 Dennoch spiegelte die Reihenfolge der Plätze den zeremoniellen Rang der Orte in der politischen Hierarchie wider. Diese Hierarchie war bei Treffen der dreizehnörtigen Eidgenossen durch eine chronologische Ordnung strukturiert, nämlich durch die Reihenfolge der Integration in die Tagsatzung. Durchbrochen wurde dieses Prinzip der „Anciennität im Bund“ im Fall der drei bedeutendsten Stadtrepubliken:55 So man zusamen kompt so setzend sich die Botten den Orte[n] nach / un[d] sitzt zu vorderst der Bott von Zürych / vff einem höhern banck by de[m] tisch / demnach der von Bern / der von Lucern / und also die andere[n] nach der Orten Ordnung.56

Obwohl Zürich erst als fünfter, Bern erst als achter und Luzern als vierter Ort der Eidgenossenschaft beigetreten waren, konnten sie in der zeremoniellen Rangordnung aufgrund ihres politischen Gewichts einen besseren Platz einnehmen, als ihnen aufgrund ihrer Integration in das eidgenössische Bundesgeflecht zugestanden hätte.57 Dass die Gesandten aus Zürich, wie Simler betont, zudem auf höheren Plätzen bzw. an einem höheren Tisch Platz nahmen, bedeutete keine verfahrenstechnische Privilegierung, sondern hatte nur funktionale Gründe, die mit der Vorortstellung Zürichs zusammenhingen.58 Die Sitzordnung war insofern von Relevanz, da sie zugleich die Abstimmungsordnung festlegte. Der Sitzplatz hatte Einfluss auf die Reihenfolge der Meinungsäußerung:

53 Ebenda, 253 – 254. 54 Würgler, Tagsatzung, in: Blickle (Hg.), Landschaften, 2000, 99 – 117, hier 102. 55 Würgler, Tagsatzung, 2013, 589 – 90. 56 Simler, Regiment, 1576, fol. 178r. 57 Würgler, Tagsatzung, in: Blickle (Hg.), Landschaften, 2000, 99 – 117, hier 102. Zur Sitzordnung und zum Abstimmungsverfahren auf den Tagsatzungen vgl. auch Libson, Entstehung, 1912, 61 – 63. 58 Peyer zufolge saßen die Gesandten der acht alten Orte auf höheren Sitzen, vgl. Peyer, Verfassungsgeschichte, 1978, 104.

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Nach dem nu[n] aber alle Botte[n] ein andern nach ir instruction vn[d] befelch geoffnet habe[n] / so haltet dan[n] der Landvogt von Baden die umbfrag / vn[d] muß der Bott von Zürych anrathen vn[d] nach im die andere[n] de[n] Orte[n] nach. Deßglyche[n] so die umfrag beschäche[n] ist, zellt er ab / welches dz meer sye / vn[d] dz de[n] Orten / nit den Botten nach.59

Die Umfrage wurde mit den Zürcher Gesandten begonnen, wobei der Landvogt bei den in Baden stattfindenden Konferenzen die Tagsatzung leitete. Ihm stand der Stichentscheid zu, wenn Mehrheitsentscheidungen nicht eindeutig ausfielen. Da die Tagsatzung auch ohne Quorum Entscheidungen fällte, gab es zudem keine Mindestzahl anwesender Boten, die für Abstimmungen politischer Geschäfte verbindlich gewesen wäre.60 Vielmehr konnten die abwesenden Orte, wie 1511 von der Tagsatzung entschieden wurde, ihre Voten auch schriftlich einreichen.61 Auch wenn jeder Ort mehrere Boten auf die Tagsatzung entsenden konnte, besaß er nur eine Stimme, da „man nach den Orten vnnd nit nach den Boten die stimmen abzelt“.62 Prinzipiell konnten politische Geschäfte, wie erwähnt, von allen Orten, aber auch von fremden Mächten an der Tagsatzung zur Besprechung und Verhandlung vorgelegt werden. In welcher Reihenfolge sie auf der Tagsatzung verhandelt wurden, hing auch damit zusammen, welche Tagherren überhaupt zur Tagsatzung angereist waren.63 Bei den Badener Konferenzen wurden prinzipiell nur solche Angelegenheiten behandelt, die aus der gemeinsamen Verwaltung des Untertanengebiets resultierten: Es handlend aber die XIII. Ort nicht alle gemeinlich in allen denen sachen so auff den Tagleistungen fürbacht werdend / sonder wenn etwas zůhandlen ist / von den gmeinen Vogtheyen / so von den siben oder acht Orten beuogtet werdend / vnd man die Appellationen auß der selbigen verhört / oder sinst etwas handlet / das die siben oder acht Ort allein antrifft / so kommend allein der selbigen Orten Botten zůsammen / rathend vnd mehrend vmb die selbigen sachen.64

59 Simler, Regiment, 1576, fol. 178r. 60 Allerdings wurde beizeiten diskutiert, ob ein Geschäft bei der geringen Anzahl der Teilnehmer überhaupt sinnvoll verhandelt werden könne, vgl. Würgler, Tagsatzung, 2013, 254. 61 Kopp, Geltung, 1959, 42. 62 Simler, Regiment, 1576, fol. 170v. 63 Würgler, Tagsatzung, 2013, 254. 64 Simler, Regiment, 1576, fol. 170v.

Die Tagsatzung der Eidgenossen

„Rathend vnd mehrend“: Hinter dieser Formulierung verbergen sich politische Verfahren der Meinungsbildung und Abstimmung, die im Folgenden genauer betrachtet werden sollen. Josias Simler geht davon aus, dass die Schriftstücke, die an der letzten Tagsatzung den Gesandten mit auf dem Weg gegeben wurden, auf der aktuellen Sitzung erneut verlesen wurden, da die in diesem Schriftstück behandelten Geschäfte vielfach den Grund für die Ausschreibung der neuen Tagsatzung lieferten. Erst im Anschluss stellte der Zürcher Gesandte die aktuellen Geschäfte vor, die seine „Herren und Oberen“ auf der aktuellen Tagsatzung verhandelt wissen wollten; gleiches taten die Gesandten der anderen Orte.65 Sollte Josias Simler Recht haben, dann hätte der reformierte Ort wesentlichen Einfluss auf den Gang der Geschäfte gehabt, er hätte die Verhandlung eines Gegenstandes vorziehen oder auch verschleppen können. Von Klagen der katholischen Stände über „ex abrupto“ und in „verdeckter Manier“ vorgebrachte Themen berichtet zumindest die ältere historische Forschung.66 Um ihren Auftrag an den Tagsatzungen zu erfüllen, erhielten die Boten bzw. Gesandten schriftliche Anweisungen, Instruktionen, mit denen sie zu den eidgenössischen Konferenzen ritten. Verfasst wurden diese Schriftstücke in den politischen Gremien der sie entsendenden Orte, nämlich in dem Geheimen Rat, Kleinen Rat oder dem Kleinen und Großen Rat gemeinsam bzw. in den Landsgemeinden.67 Bevor sich eine Tagsatzung mit bevollmächtigten Boten versammeln konnte, mussten zunächst die örtlichen Gremien zusammenkommen und in teilweise langwierigen und aufwendigen Sitzungen eine Instruktion verabschieden. Diese wurde dann auf der Tagsatzung von den Boten mündlich vorgetragen. Instruktionen waren schriftliche Dokumente, die von eidgenössischen Gesandten mündlich vorgetragen wurden; ihrer politischen Funktion nach standen sie somit am Schnittpunkt von Fragen nach Formen der Schriftlichkeit und Mündlichkeit. Inwieweit die Instruktionen bindend waren, wird in der Geschichtswissenschaft kontrovers diskutiert. Die Forschungsliteratur

65 Ebenda, fol. 178r: „Wan[n] sich Enun die Botte[n] gesetzt habend / hebt der Bott von Zürych die sach an / grüßt zum erste[n] die Botten / vn[d] wie der bruch ist sine[n] selbs halbe[n] redt vnd entschuldigt er sich / daruf erzelt er was in letst vergangnem tag den Botten in abscheid gebe[n] / dan[n] vmb sömlicher sachen willen werdend meerteils die Tag bschriben. Wen[n] der Tag vmb einer anderen vrsach willen beschriben ist / zeigt er die selbig auch an / demnach erzelt er was im von seinen herren und Oberen in befelch geben / der sach halben zuhandlen / vnd das thund auch die anderen Botten / vnd erzellend irer Oberen befelch“. 66 Libson, Entstehung, 1912, 77. 67 Würgler, Tagsatzung, 2013, 284.

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zum Boten- und Gesandtschaftswesen hat Boten lange Zeit überwiegend als Überbringer von politischen Anweisungen thematisiert und ihnen einen kleinen politischen Verhandlungsspielraum zugemessen.68 In jüngerer Zeit ist diese Forschungsmeinung in Misskredit geraten. Betont werden zunehmend die Einflussmöglichkeiten der Gesandten als politische Akteure vor Ort und deren doppelte Funktion auf den Tagsatzungen: Einerseits waren die Tagsatzungsherren der einzelnen Stände Überbringer einer politischen Botschaft des Ortes, der sie entsandte; andererseits waren sie die politischen Akteure, durch die sich das kommunikative Geschehen auf der Tagsatzung erst konstituierte. Dementsprechend waren Gesandte sowohl „Vermittler“ als auch „Träger von Herrschaftswissen“.69 Insbesondere der Historiker Michael Jucker steht für eine Forschungsposition, die entgegen der Annahme eines Bindungszwangs der Gesandten deren Handlungsspielraum auf den eidgenössischen Tagsatzungen des Spätmittelalters betont. Seine Interpretation beruht im Wesentlichen auf drei Argumenten: Er verweist zu Recht darauf, dass die Gesandten dem politischen System angehörten, das sie repräsentierten, was sie zu Trägern von Herrschaftswissen und zu politischen Akteuren mache.70 Zweitens liest er die Instruktionen als Schriftstücke, die „bewusst offen“ formuliert worden seien und die daher den Handlungsspielraum der Gesandten nicht prinzipiell beschnitten, sondern im Gegenteil Möglichkeiten der politischen Aktion eröffneten. Diese Sicht wird zumindest für die Zürcher Instruktionen der Frühen Neuzeit in der vorliegenden Studie in Teilen verifiziert werden. Und drittens sei in der Forschung durch die Fixierung auf die Schriftlichkeit grundsätzlich der Spielraum verkannt, der durch die mündlichen Gespräche, Verhandlungen und Debatten auf den Tagsatzungen bestanden habe; ein Argument, das m. E. nach nicht grundsätzlich gegen einen generellen

68 Vgl. etwa Ernst, Gesandtschaftswesen, in: AKG 33/34, 1952, 64 – 95; Thiele, Gesandtschaftswesen, 1954, der ebenso wie Picard, Gesandtschaftswesen, 1967 das Gesandtschaftswesen als ausländische Diplomatiegeschichte schreibt. Für die deutschsprachige Forschung stellt der Sammelband von Schwinges/Wriedt (Hg.), Gesandtschafts- und Botenwesen, 2003 eine wichtige Zäsur dar. Hier werden Praxis und Strukturen des Gesandtschaftswesens ebenso in den Blick genommen wie die Gesandten als handelnde Personen und ihr Handlungsspielraum und ihre politische Kommunikation, vgl. etwa den Beitrag von Lutter, Bedingungen, in: ebenda, 191 – 223. 69 Jucker, Gesandte, 2004, 81. 70 Ohnehin erklärt Jucker das Entstehen der Instruktionen als eine Dokumentation innerörtischer Konsensbildung. Instruktionen liest er in diesem Sinne als „Konsensdokumentierung im Rat“, die Schriftlichkeit der Instruktionen habe eine „mehrheitlich ratsinterne Funktion“ erfüllt, vgl. ders., Gesandte, 2004, 98 und 101.

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Bindungszwang spricht.71 In Anlehnung an neuere Arbeiten charakterisiert Jucker das Gesandtschaftswesen abschließend als ein Nebeneinander von mündlichen und schriftlichen Kommunikationsformen, denn auch eine schriftliche Mitteilung bot, wenn mündlich vorgetragen, einen gewissen Interpretationsspielraum. Zudem sucht er Anschluss an Arbeiten, die das Gesandtschaftswesen als eine plurimediale Kommunikationsform interpretieren; eine Perspektive, die die Körper der Gesandten, ihre Gesten, Gebärden und ihre Kleidung als ein Medium der Kommunikation berücksichtigt.72 Das Verständnis eines vielseitig zu gestaltenden mündlichen kommunikativen Spielraums ist einerseits durchaus für das Verständnis des Tagsatzungsgeschehens weiterführend. Gestützt wird das Argument von Jucker durch das Sozialprofil der Tagsatzungsherren und deren Funktion für die rätische Meinungsfindung. Tagsatzungsboten waren, wie bereits erwähnt, politische Funktionsträger und rekrutierten sich aus den führenden lokalen Amtsträgern. Zürich entsandte vielfach den Bürgermeister, Schultheißen, Seckelmeister und Statthalter als Tagsatzungsherren auf die Konferenzen, Inhaber von Ämtern also, die zu den „fünf höchsten Ehrenstellen“ im Rat zählten.73 Die hohen politischen Amtsleute waren damit nicht nur Träger von Herrschaftswissen, wie Jucker argumentiert, sondern vertraten ein politisches Ziel auf den Tagsatzungen, das sie als Angehörige der Zürcher politischen Elite im Rat mit debattiert hatten. Somit ist im Licht der neueren Arbeiten davon auszugehen, dass die Tagsatzungsherren selbst Akteure der örtischen Meinungsbildung waren; erfahrene Tagherren waren mit großer Wahrscheinlichkeit an der Formulierung der Instruktion beteiligt, die sie dann zeitlich versetzt auf der Tagsatzung verlasen bzw. kommunikativ ausgestalteten.74 71 Vgl. Jucker, Gesandte, 2004, 95 – 106, hier 102. 72 In diesem Zusammenhang ist von Horst Wenzel von einer „Bi-­Medialität der mittelalterlichen Kommunikationsverhältnisse“, dem Nebeneinander von schriftlichen und mündlichen Kommunikationsformen, von körpergebundener und schriftgebundener Kommunikation gesprochen worden, vgl. Wenzel, Einleitung, in: ders. (Hg.), Gespräche, 1997, 9 – 21, hier 11 sowie ders., Boten, in: ders. (Hg.), Gespräche, 1997, 86 – 105, hier 92 – 93 sowie Jucker, Körper, in: Kellermann (Hg.), Körper, 2003, 68 – 83. Jüngst mit vergleichender und kulturhistorischer Perspektive Zey/Märtl (Hg.), Frühzeit, 2008. 73 So bezeichnet diese Ämter der Immerwährende Regimentsspiegel der Stadt Zürich von 1657, vgl. Weibel, Stadtstaat, in: Flüeler/Flüeler-­Grauwiler (Hg.), Geschichte, Bd. 2, 1996, 16 – 65, hier 17. Zu den Gesandten und ihren Ämtern vgl. etwa StAZH BVIII 9 (1596 – 1599), fol. 126v–127r, ebenda, BVIII 10 (1600 – 1606), fol. 53, fol. 104v, fol. 151v, fol. 194r–196r, ebenda BVIII 16 (1629), fol. 36r und fol. 68, ebenda BVIII 18 (1650 – 1660), fol. 87v, ebenda BVIII 22 (1678 – 1688), fol. 214v–215r. 74 Vgl. Würgler, Tagsatzung, 2013, 286, Jucker, Gesandte, 2004, 106 – 108 weniger explizit.

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Wenn allerdings, wie Jucker argumentiert, die Instruktionen bewusst offen formuliert waren, ist zu fragen, warum die Tagherren Geschäfte, für die sie ohne Instruktion waren, ad referendum nahmen und zur Vorlage für den örtischen Rat heimbrachten, ohne ihren Handlungsspielraum vor Ort zu nutzen. Wenn sie politische Akteure waren, die ohne ein imperatives Mandat agieren konnten, dann sollten sie im interpretativen Verständnis von Jucker auch Ad-hocEntscheidungen treffen können. Daniel Schläppi hat auf der Grundlage seiner Untersuchung der Zurlauben’schen Familienakten durchaus einige Beispiele für solche Ad-­hoc-­Entscheidungen von Tagsatzungsherren in der Frühen Neuzeit gefunden. Daher kritisiert Schläppi mit scharfen Worten die „unsinnige Annahme, die Tagsatzungsherren hätten sich im Rahmen ihrer heiklen Missio­ nen immer strikt an ihre Instruktion gehalten“.75 Dennoch ist der Verweis auf die Instruktion, die mit der Formel „in allen übrigen werden sich die Gesandten zu verhalten wissen“ in Sinne der eidgenössischen Verfahrenslogik auch als Beweis zu interpretieren, dass die Boten, wenn sie Ad-­hoc-­Entscheidungen trafen, genauso handelten, wie es ihnen die Instruktion aufgetragen hatte. Anders formuliert widerspricht die Tatsache, dass Tagsatzungsherren einen politischen Entscheidungs- und Handlungsspielraum vor Ort besaßen, nicht prinzipiell der Auffassung, sie seien an ein imperatives Mandat gebunden gewesen, wovon auch der Frühneuzeithistoriker Würgler ausgeht. Er spricht daher in Abgrenzung zu den Vertretern ausländischer Mächte von eidgenössischen Boten und – in seiner Habilitationsschrift – auch von Tagherren bzw. Tagsatzungsherren, während die vorliegende Studie die Begriffe in Anlehnung an die Usanzen in den frühneuzeitlichen Quellen (Instruktionen und Originalabschieden) wie erwähnt variabel verwendet.76 Würglers Habilitationsschrift misst den Tagsatzungs­boten insgesamt einen größeren Entscheidungs- und Handlungsspielraum zu, als dies noch bei seinen früheren Publikationen der Fall war,77 dennoch gibt er mit Recht zu Bedenken, dass bislang keine systematische Auswertung der Instruktionen vorliege.78 Verifiziert werden müsste zudem, ob mit der Zunahme der Produktion von Schriftlichkeit sich auch die Funktion der Instruktionen modifizierte und hinsichtlich einer engen Bindung

75 Schläppi, Akteure, in: Der Geschichtsfreund 151, 1998, 5 – 90, hier 11. 76 Würgler, Tagsatzung, in: Blickle (Hg.), Landschaften, 2000, 99 – 117, hier 108 sowie ders., Tagsatzung, 2013, etwa 287; vgl. etwa StAZH BVIII 15 (1634), fol. 89r. 77 Vgl. etwa Würgler, Boten, in: Schwinges/Wriedt (Hg.), Gesandtschafts- und Botenwesen, 2003, 287 – 312, hier 294 – 296. Würgler, „Reden“, in: Neu/Sikora/Weller, Zelebrieren, 2009, 89 – 106. 78 Würgler, Tagsatzung, 2013, 286.

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an rätische Meinungsvorgaben verfestigte.79 Erste Anzeichnen dafür lassen sich nicht nur in der Regelmäßigkeit erkennen, mit der diese Schriftstücke in der Frühen Neuzeit verfasst wurden, sondern auch darin, dass sie im 17. Jahrhundert in einigen Fällen – offenbar bei besonders wichtigen und grundlegenden Geschäften – mit „Instruction und Bevelch“ übertitelt wurden. Diese Formulierung betont den Bindungszwang der Gesandten an die Instruktion, die sich semantisch als „Befehl“ verstand.80 Da Instruktionen als Medien für oder als Grundlage der politischen Kommunikation auf und im Kontext des Tagsatzungsgeschehens unterschiedliche Funktionen von den rätischen Eliten zugewiesen bekamen, bedeutete der Bindungszwang der Tagsatzungsboten, wie er dem imperativen Mandat zugrunde liegt, keinesfalls, dass die Tagsatzungsboten generell ohne kommunikative Handlungs- und Entscheidungsfreiheit vor Ort waren – ein Argument, das ich im Folgenden anhand der Zürcher Instruktionen für konfessionelle Konflikte aus der Grafschaft Baden konkretisieren möchte. Im Sinne der politischen Verfahrenslogik hatten Instruktionen vier unterschiedliche Funktionen: Erstens enthielten die Instruktionen den Befehl, Religionsbeschwerden auf der Tagsatzung „anzuzeigen“ und damit zu einem politischen Verhandlungsgegenstand zu erheben.81 Für die Boten war mit diesem Befehl noch kein spezifisches Verhandlungsergebnis verbunden, da zunächst im Vordergrund stand, auf ein Problem oder einen Konflikt (in der Grafschaft Baden) aufmerksam zu machen. Ziel war demnach weniger die Formulierung eines Verhandlungs­ ergebnisses, sondern es ging verfahrenstechnisch um den Beginn der politischen Kommunikation zwischen den Gesandten der regierenden Stände. Über die Frage nach dem Handlungsspielraum der Boten hinaus verweist dieser Vorgang somit auch auf den Mehrebenencharakter der Konflikte, die in dieser Untersuchung zur Analyse stehen: Ein religiöser Streitfall aus einer bikonfessionellen Dorfgesellschaft der Grafschaft Baden wurde durch das Anzeigen zu einem eidgenössischen Geschäft, das der politischen Elite und damit den regierenden Orten der Alten Eidgenossenschaft zur Verhandlung vorgelegt wurde. Dieses Verfahren verdeutlicht den Transformationscharakter, der mit dem Akt des „anzeigens“ und der Funktion der politischen Institution verbunden war: Aus einem lokalen konfessionellen Konflikt wurde ein eidgenössischer Verhandlungsgegenstand, aus einem konfessionellen ein rechtlicher Streitfall, der kommunikative Implikationen hatte. 79 Jucker geht davon aus, dass es vor der Mitte des 15. Jahrhunderts kaum Instruktionen gegeben habe und Instruktionen erst ab 1520 zunehmen, vgl. ders., Gesandte, 2004, 106. 80 StAZH BVIII 16, fol. 142r (1644) sowie ebenda BVIII 19, fol. 355r (1666). 81 Vgl. etwa StAZH BVIII 9 (1596 – 1599), fol. 126v–127r.

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War ein lokaler Konflikt eidgenössischer Verhandlungsgegenstand, wurden auch die Instruktionen detaillierter. In einer zeitlichen Dimension geschah dies auf einer späteren Tagsatzung, denn erst nachdem ein Konflikt tagsatzungsrelevant geworden war, konnten die Boten der anderen regierenden Orte diesen Vorgang in ihrem Abschied aufnehmen und „heimbringen“. Dieses Verfahren des Heimbringens verdeutlicht damit auch die Gebundenheit der Boten an genaue Instruktionen der sie entsendenden Orte. Als die Zürcher Gesandten auf der Tagsatzung im Juni 1562 bezüglich einer Konversion zum reformierten Glauben ohne Instruktion waren, baten sie darum, den Handel in den Abschied zu nehmen und eine Entscheidung bis auf die nächste Tagsatzung zu verschieben, „bis man vernemd was Ir herren und oberen meinung und verstand“ sei.82 In Fällen wie diesen wurden die politischen Geschäfte „heimgebracht“ oder „hinter sich gebracht“ (auch ad referendum genommen). Erst auf einer erneuten Versammlung konnte dann bei vorliegenden Befehlen weiterverhandelt werden. Dauerten die Tagsatzungen hingegen mehrere Tage, so ergab sich die Möglichkeit, über nicht in den Instruktionen behandelte Geschäfte noch während der Sitzungen Anordnungen von der jeweiligen Obrigkeit einzuholen.83 In den betreffenden örtlichen Gremien der regierenden Orte wurde die Angelegenheit in der Folge beraten und das weitere Vorgehen in einer Instruktion festgelegt. Aber auch der Ort, der das Geschäft „angezeigt“ hatte, musste sich über ein Verhandlungsziel verständigen. In Zürich zog der Kleine Rat den Großen Rat nach den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts wieder vermehrt zur Anhörung der Boten und zum Abfassen ihrer Instruktionen heran, die seit den 1630er-Jahren von dem Geheimen Rat vorbereitet wurden.84 In einer (oder mehreren) Ratssitzungen musste die politische Elite über die politischen Strategien beraten und sich auf eine konsensfähige politische Vorgehensweise einigen, die in den Instruktionen verschriftlicht wurde. In den Ratsmanualen wurden die Aufzeichnungen über die Ratsverhandlungen verwahrt: Sie geben in selektiver Form Einblick in den innerörtischen politischen Prozess der rätischen Meinungsbildung. In diesem Schriftgut wurden keine vollständigen Ratsverhandlungen in ganzer Länge und mit kontroversen Debatten protokolliert, sondern lediglich ein politischer Konsens formuliert: das Ergebnis politischer Verhandlungen.85 82 StAZH BVIII 101, fol. 265v. 83 Bütikofer, Funktion, in: ZHF 13, 1986, 15 – 41, hier 22. 84 Würgler, Tagsatzung, 2013, 141. 85 Vgl. etwa StAZH BII 386, fol. 65 – 66, ebenda BII 388, fol. 81 – 84, ebenda BII 428, fol. 19 und 27 (Altartafeln Zurzach) sowie ebenda, BII 389, fol. 53r–v eine zusätzliche Predigt in Dietikon betreffend (Nachpredigt). Zu dieser vgl. Hacke, Konflikt, in: ZHF 32, 2005, 575 – 604.

Die Tagsatzung der Eidgenossen

Bei den Ratsmanualen handelt es sich nicht prinzipiell um „tagsatzungsrelevantes Schriftgut“, da nicht alle auf der Tagsatzung verhandelten Geschäfte in den Zürcher Ratsmanualen auftauchen.86 Mit Blick auf die Tagsatzungsgeschäfte lässt sich festhalten, dass der schriftlichen Instruktion mündliche Meinungsbildungsprozesse in den örtlichen Gremien vorausgingen. Die Instruktion beinhaltete, zweitens, die politische Entscheidung des entsendenden Ortes bzw. ein mehr oder minder konkret formuliertes Verhandlungsziel, eine Position, die auf den Tagsatzungen von den Gesandten vorzutragen war. Eine wiederkehrende Formulierung in den Instruktionen an die Zürcher Gesandten bezieht sich darauf, was sie auf einer spezifischen Tagsatzung „ußrichten und fürtragen“ bzw. „fürtragen vund handlen söllent“. 87 Vielfach lesen sich die Instruktionen als politische Meinungsäußerungen, die auf eine konfessionelle Abgrenzung den katholischen Mitregenten gegenüber fokussieren; in dieser Perspektive lassen sie sich als Texte lesen, die auf die Artikulation konfessioneller Eindeutigkeit ausgelegt waren.88 Beispielhaft sei auf eine Instruktion von 1657 im Rahmen von Schmäh- und Lästerworten eines katholischen Bürgers verwiesen. Zürich instruierte seine Gesandten, dass sie sich „deß handels auch dahin annemmen“, dass der Landvogt den „papistischen“ Bürger aus Zurzach entweder abstrafe oder dazu bringen solle, seine unwahren Reden über den Pfarrer zurückzunehmen.89 Zürichs Standpunkt in diesem Handel war eindeutig; doch innerhalb dieser Verhandlungsvorgabe besaßen die Gesandten einen gewissen Handlungsspielraum, den sie für sich in Anspruch nehmen konnten. Andere Instruktionen waren auf Mehrstufigkeit angelegt und gaben in gestaffelter Form spezifische Verhandlungsziele vor; in diesen Fällen hatten die Zürcher Gesandten einen größeren Kommunikations- und Handlungsspielraum. Die Instruktionen waren somit, insbesondere wenn sie auf den Treffen der Tagsatzungen laut verlesen wurden, eine Art schriftliche Legitimationsgrundlage für das politische Agieren der Gesandten in den eidgenössischen Verhandlungen und kommunizierten das Verhandlungsziel des entsendenden Ortes. Nicht immer waren alle Informationen in den Instruktionen auch für fremde Ohren bestimmt, worauf Formulierungen hinweisen, die Zürcher Gesandten sollten sich „inn geheimb“ mit den Berner Boten beraten.90 Damit gaben die Instruktionen einerseits den politischen 86 Erste Ergebnisse bei Jucker, Gesandte, 2004, 136 – 153, hier 147, der auch die unterschiedliche Schriftproduktion der eidgenössischen Orte in Ansätzen untersucht. 87 StAZH BVIII 5 (1555 – 1564), fol. 169r und 213r. 88 Dies geht aus den weiteren Beispielen in dieser Studie deutlich hervor. 89 StAZH BVIII 18 (1650 – 1660), fol. 87v. 90 StAZH BIV 28, fol. 250r.

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Handlungsspielraum der Boten vor, eröffneten diesen aber auch Freiräume für mündliche Verhandlungen. Betrafen die bisher diskutierten politischen Anweisungen die horizontale Kommunikation zwischen den Mitregenten der Grafschaft Baden, so enthielten Instruktionen, drittens, ebenfalls Anweisungen, wie sich die Gesandten den politischen Funktionsträgern der Grafschaft Baden gegenüber positionieren sollten. Instruktionen formulierten damit auch politische Erwartungen, die von den Gesandten in einer vertikalen Kommunikationssituation dem Landvogt und/oder den Niedergerichtsherren der Grafschaft Baden gegenüber zu kommunizieren waren. Die Gesandten sprachen auch hier in ihrer Funktion als Boten des jeweiligen regierenden Ortes. Die Gesandten Heinrich Escher, Zürcher Bürgermeister, und Johann Jacob Waser erhielten den Befehl, das Aufrichten von Kreuzen in der Grafschaft Baden auf der gesamteidgenössischen Tagsatzung im Juni 1684 als „Neuerung“ zu markieren. Gleichzeitig sollten sie den Anlass dazu nutzen, dem katholischen Landvogt von Baden vorzuhalten, dass das Aufrichten von Kreuzen verboten sei und einem Abschied von 1651 zuwiderlaufe. Die verschiedenen Kommunikationsmöglichkeiten, die das gemeineidgenössische Tagsatzungsgeschehen bot, beinhalteten auch die Möglichkeit, die Regierungspraxis des Badener Landvogts zu kritisieren und zu korrigieren.91 Viertens wurde den Boten in den Instruktionen aufgetragen, den eidgenössischen Gesandtenkongress zur innerkonfessionellen Meinungsbildung zu nutzen; jenseits des Tagsatzungsgeschehens konnten sich die Gesandten mündlich austauschen und beraten, um eine gemeinsame Position in einem Konfliktfall zu erarbeiten. Zeit für Gespräche boten etwa gemeinsame Essen im Wirtshaus, Kloster oder Badehaus.92 Diese Gespräche konnten informell stattfinden oder auf Anweisung der Stadt Zürich. Die Instruktionen an deren Gesandten formulierten in diesen Fällen kein konkretes Verhandlungsziel, sondern forderten ihre Abgesandten auf, sich mit den anderen reformierten Gesandten aus Bern und Evangelisch Glarus zu beraten, wie dies etwa anlässlich des Tegerfelder Kirchenbaus (1661 – 1663) geschah.93 In Fällen wie diesen besaßen die Gesandten einen unbegrenzten Handlungs- bzw. Kommunikationsspielraum, allerdings stand auch keine Abstimmung in einem politischen Gremium bevor; die Gesandten erfragten vielmehr die Meinungen der Mitregenten gleicher Konfession und referierten diese im Anschluss der Limmatstadt. Prinzipiell konnten 91 Vgl. StAZH BVIII 22, fol. 214v–215r. 92 Vgl. Würgler, Boten, in: Schwinges/Wriedt (Hg.), Gesandtschafts- und Botenwesen, 2003, 287 – 312, hier 294 – 296 sowie ders., Tagsatzung, 2013, 342 – 356. 93 StAZH, BVIII 21, fol. 55r.

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die eidgenössischen Tagsatzungen damit auch engere Bindungen zwischen den einzelnen Gesandten fördern.94 Eine gewisse Kontinuität der politischen Kommunikation wurde zudem durch die aus den Instruktionen ersichtliche personelle Kontinuität der Gesandten gesichert.95 2.2.2 Abschiede Während die Instruktionen Verhandlungsziele formulierten, waren die Abschiede die Protokolle bzw. die Memoranden der politischen Verhandlungen. Den Nachweis für eine regelmäßige Produktion dieser Schriftstücke am Tagsatzungsort und ihrer Archivierung durch die eidgenössischen Orte hat Michael Jucker für die 1470er-Jahre erbringen können (womit er zugleich den nationalgeschicht­ lichen Mythos einer seit 1291 kontinuierlich funktionierenden „staatlichen“ Institution widerlegen konnte).96 Abgefasst wurden die Abschiede von den jeweiligen ranghöchsten Stadtschreibern bzw. Landschreibern des Tagsatzungsortes, was in Teilen auch die einheitliche Form der Protokolle erklärt.97 Die Schreiber stammten in der Regel aus den führenden Familien der eidgenössischen Orte; bei den gemeineidgenössischen Tagen in Baden verfasste der dortige Landschreiber das Schriftstück.98 Die Abschiede wurden nicht gesiegelt, sondern lediglich von dem damit beauftragten Schreiber unterschrieben.99 Bei der Reinschrift stützte sich der Landschreiber auf Aufzeichnungen, mehr oder minder kurze Notizen, die er während der politischen Verhandlungen schnell und flüchtig aufs Papier gebracht hatte. Nicht immer sind diese Manualia der Tagsatzung eine reichhaltige Quellengattung, auch wenn sie bei einigen Geschäften Detailwissen festhalten, das in der vollständigen 94 Und zwar sowohl zwischen eidgenössischen, aber auch fremden Gesandten ausländischer Mächte, zu diesen vgl. Würgler, Boten, in: Schwinges/Wriedt (Hg.), Gesandtschafts- und Botenwesen, 2003, 287 – 312, hier 303. 95 Lau, Stiefbrüder, 2008, 68, konstatiert eine höhere Fluktuation „trotz der Dominanz einzelner Familien“ bei den Landorten Schwyz, Uri, Unterwaden, Zug, Appenzell und Glarus, die höher war als bei den Vertretern der Städte, die „zum Teil über Jahre und Jahrzehnte dieselben waren“. 96 Jucker, Gesandte, 2004. 97 Ebenda, 176 – 177. 98 Bis 1712 führte ein Landschreiber von Baden Protokoll, der, da er von der Mehrheit der regierenden Orte in Baden gewählt wurde, immer ein Katholik war. Der Versuch, zunächst Zürichs und dann auch der anderen reformierten Orte, 1633 neben dem katholischen auch einen reformierten Landschreiber zu institutionalisieren, blieb ohne Erfolg und konnte erst 1712 realisiert werden. Fortan gab es zwei Schreiber, vgl. Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 130 – 131 (Erster Teil). 99 Würgler, Tagsatzung, 2013, 276.

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Kanzleiabschrift, den Abschieden, unerwähnt bleibt. Landschreiber Salomon Escher zufolge „begreifen [die Manualia, D. H.] verschiedene Pollicey, Civil und andere Sachen, davon in den Abscheiden selbst keine Meldung gethan wird“.100 Dies spricht für die Selektivität eines Transformationsprozesses, der aus mündlichen politischen Verhandlungen schriftliche Dokumente machte, ohne dass wir bislang ausreichend davon Kenntnis hätten, welche Kriterien der Verschriftlichung zugrunde lagen.101 Unklar ist darüber hinaus weiterhin das kommunikative Gefüge, das der Abfassung der Abschiede vorausging. Damit ist nicht die Technik des Aufschreibens politischer Debatten gemeint, sondern die Verfahren der Meinungsbildung unter den Tagherren. Die Tagsatzung war ein Kongress von Gesandten souveräner Orte bzw. staatstheoretisch betrachtet souveräner Republiken, bei der „nur einhellige Entscheide Gewicht“ hatten.102 Differenziert werden muss diese Feststellung mit Blick auf die Gemeinen Herrschaften, da sich dort die einzelnen souveränen Orte als gemeinsame Regenten eines Territoriums begegneten und Meinungsbildung über Mehrheitsbildung stattfinden sollte. Dieses Mehrheitsprinzip war jedoch nicht unumstritten wie im weiteren Verlauf dieses Kapitels gezeigt wird. Wie aber wurde bei der Vielzahl der durch die Gesandten repräsentierten Orte Einhelligkeit auf der Tagsatzung hergestellt und wie sahen die Verfahren aus, die aus mündlichen Debatten schriftliche Abschiede machten? In einigen Fällen lassen diese ganz disparaten Schriftstücke, die Manualia, ansatzweise erahnen, wie kontrovers die politischen Verhandlungen auf den Tagsatzungen geführt worden waren. Hier wurden bei einigen Geschäften die Reden und Gegenreden der Gesandten minutiös protokolliert, also die heterogenen Meinungen der einzelnen Städte- und Länderorte, die in den Abschieden nur mit der lapidaren Bemerkung „nach langen Verhandlungen wurde beschlossen“ Eingang fanden.103 Auch ist die Sprache der Manuale unverblümt; hier wurden die „trockenen Verbalien“, die bei hitzigen Sitzungen fielen, ungeschönt aufs Papier gebracht.104 In der Reinschrift, den Abschieden, wurden sie dann teilweise durch gefälligere Worte ersetzt. Wer sich für vormoderne politische Verfahren 100 Staatsarchiv Aargau, https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/bks/dokumente_1/kultur/staatsarchiv/archivgliederung/BKSSTAR_grafschaft_baden.pdf (Zugriff 21. 01. 2016). 101 Auch Jucker geht davon aus, dass nicht alle mündlichen Debatten im Abschied verschriftlicht wurden, so dass sie nicht als „Konservierungsmedium“ fungierten, vgl. Jucker, Gesandte, 2004, 189. 102 Würgler, Tagsatzung, 2013, 302; zu den souveränen Republiken vgl. Maissen, Geburt, 2006, 290 – 294. 103 Welti, Abschiede, in: Argovia 2/3, 1862/1863, 322 – 346, hier 326. 104 Ebenda.

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der Konsensherstellung und damit für mündliche Kommunikationsformen und Entscheidungsmodi interessiert, ist hier an der richtigen Adresse.105 Am Ende der Tagsatzungen waren es die Abschiede, die den einzelnen Gesandten überreicht wurden. Abschied bedeutete zum einen ganz buchstäblich, dass die Gesandten nach Sitzungen, die durchaus auch ein bis vier Wochen dauerten, voneinander Abschied nahmen. Zum anderen bezeichneten sie das Stück Papier, mit dem die Tagherren nach Hause ritten. Nicht alle Gesandten hatten dieselbe Fassung im Gepäck, obwohl die Abschiede nach Abschluss der Konferenzen von einem Schreiber verfasst worden waren. Unterschiedliche Fassungen wurden angefertigt, da es Geschäfte bzw. Sitzungen gab, von denen einzelne Boten ausgeschlossen waren, wie beispielsweise Angelegenheiten aus den Gemeinen Herrschaften. Diese politischen Debatten wurden nicht in allen Fassungen der Abschiede dokumentiert. Es gibt Anzeichen, dass der Verschriftlichungsprozess, für den die Abschiede stehen, Kontrollmechanismen unterlag. Auf einer Badischen Jahrrechnung von 1596 wurde darauf gepocht, an dem Brauch festzuhalten, den Gesandten die Abschiede vorzulesen bzw. von diesen „gmeinlich abgehört“ zu werden, bevor sie im Gepäck an den jeweiligen Heimatort reisten.106 Dieses Verfahren wurde 1568 mit Mehrheitsentscheid auf der Tagsatzung beschlossen; die Orte Uri, Schwyz und Nidwalden hatten den Anstoß gegeben,107 da sie sich von diesem Vorgehen größere Klarheit über den Verschriftlichungsprozess versprachen. Das kommunikative Gefüge sah demnach mündliche Debatten der Gesandten vor, die zunächst schriftlich festgehalten wurden, um dann wiederum im Gremium laut verlesen zu werden – ein Vorgehen, das bezeugt, wie sehr einzelne Verfahrensschritte zugleich einer Schriftkultur und einer mündlichen Kultur verpflichtet waren. Die Praxis des Verlesens verschaffte einen gewissen Einblick in das Produkt des Verschriftlichungsprozesses und stellte sicher, dass es bei der Niederschrift der mündlichen Debatten, die zugleich eine selektive Ordnung präsentierte, zu keinen Missverständnissen und Doppeldeutigkeiten kommen konnte. Das Festhalten an diesem Verfahren, wie es 1596 geschah, ist Indiz, dass 105 Der Bestand der „Manualia“ der Tagsatzung im Staatsarchiv Aarau umfasst den Zeitraum von 1533 bis 1711; von der historischen Forschung ist er bislang nicht einmal in Ansätzen ausgewertet worden. Insbesondere für Fragen nach den mündlichen Verhandlungen auf den Tagsatzungen, wie sie Jucker, Gesandte, 2004, stellt, wäre dies eine lohnende Quellengattung gewesen, ebenfalls für Andreas Würgler, den die politische Praxis der Tagsatzung interessiert. 106 StAZH BVIII Instruktionen 9 (1596 – 1599), fol. 21v. Hinweise auf dieses Verfahren findet Jucker bereits im Spätmittelalter, vgl. ders., Gesandte, 2004, 176. 107 Würgler, Tagsatzung, 2013, 280.

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sich die Praktiken des Verlesens der Abschiede wohl einerseits etabliert hatten, die Praxis andererseits auch Unregelmäßigkeiten kannte. Nachdem die Abschiede verlesen worden waren, wurden sie durch die jeweiligen Boten „heimgebracht“, das heißt dem jeweiligen politischen Stand – Zürich, Bern, Luzern etc. – überreicht. Bindend waren die Abschiede nur für die Orte, die ihnen auch zugestimmt hatten. Nicht immer funktionierte dieses Verfahren reibungslos, wie einer Instruktion vom Ende des 16. Jahrhunderts zu entnehmen ist. Die Zürcher politische Elite drängte ihre Gesandten bezüglich eines „Gutachtens wegen verferthigung von abscheiden“ auf der Jahrrechnung in Baden 1596 darauf zu achten, dass ihnen der Abschied nach erfolgter Tagsatzung auch tatsächlich von dem Landschreiber überreicht, „aber doch sonsten ohne verzug nachgeschickt werdint“.108 Offensichtlich waren die Gesandten nach den Tagsatzungen ohne Abschied nach Hause geritten. Daher schlugen die Zürcher vor, dem Landschreiber „wann vil geschaffen sind“, einen „Substituten“ zur Seite zu stellen, der ihm auf den Jahrrechnungen und den anderen Tagsatzungen bei dem Verfassen der Abschiede zur Seite stehe und ihn vom Arbeitspensum entlaste.109 Hatte der Abschied seinen Bestimmungsort erreicht, wurden seine Inhalte den Ratsmitgliedern der Stadt offenbar verlesen und somit wiederum in einem kommunikativen Funktionszusammenhang zur Kenntnis gebracht. Über das bekannte Schmachbüchlein Gwalters etwa wurde der Zürcher Rat 1547 auf diesem Wege in Kenntnis gesetzt.110 Abschließend lässt sich festhalten, dass die Tagsatzung ein zentrales politisches Kommunikationsforum der eidgenössischen Kantone und mithin der politisch-­sozialen Elite der Eidgenossenschaft konstituierte. Ihre verfassungsrechtliche Bedeutung trat gegenüber ihrer funktionalen Bedeutung für das eidgenössische Bündnissystem zurück. Obwohl sich in der Struktur und den Verfahren der Tagsatzung „das Verhältnis von einzelörtisch-­kantonaler zur bündisch-­zentralen Souveränität als Grundproblem der Eidgenossenschaft“ spiegelt,111 behauptete sich die Tagsatzung als zentrale Institution der Alten Eidgenossenschaft, auf dem die eidgenössischen Orte ihre außenpolitischen Angelegenheiten und innereidgenössischen Streitigkeiten durch an Instruktionen gebundene Boten zur Verhandlung brachten. Gerade wegen ihres geringen 108 StAZH BVIII Instruktionen 9 (1596 – 1599), fol. 21v. 109 Ebenda, fol. 22r. 110 EA 4, 1/d, Tag in Baden, 28. Februar 1547, 775 (s). Zur Praxis des Verlesens vgl. zudem StAZH BVIII 5 (1555 – 1564), fol. 169r. Jucker bezweifelt aufgrund des sprachlichen Inhalts der Abschiede, dass diese im Spätmittelalter mündlich vorgelesen wurden, vgl. ders., Gesandte, 2004, 189 – 191, Zitat auf S. 190. 111 Würgler, Tagsatzung, 2013, 21.

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Grades an Formalisierung ist auf die Bedeutung der Tagsatzung als „eidgenössische Koordinationsinstitution“ hingewiesen worden, die Verhandlungen zwischen den Kontrahenten förderte und damit zu einer Reduktion des Konfliktpotentials beitrug.112 Zwar waren die Verfahrenswege langwierig, da neue und strittige Themen „heimgebracht“ und in wiederholten Sitzungen erörtert wurden, bevor ein Entschluss gefasst werden konnte, der bei gesamteidgenössischen Geschäften zudem nicht bindend war. Dennoch zeigt die politische Praxis, dass die strukturelle Schwerfälligkeit der politischen Verfahren bei strittigen Fragen und zähen Verhandlungen durchaus von Vorteil sein konnte. Denn Geschäfte, die ad referendum genommen wurden, wirkten deeskalierend, da strittige Angelegenheiten nicht sofort debattiert, sondern hinausgeschoben und „ruhen“ gelassen wurden, wie es in der zeitgenössischen politischen Sprache heißt. In den politisch angespannten Zeiten des Dreißigjährigen Krieges sind solche Deeskalationsdynamiken wiederholt zu beobachten. Diese positive Funktion der Entschleunigung beinhaltete zudem für unterlegene Orte die Möglichkeit, das Gesicht zu wahren , da es ihnen nun offen gelassen wurde, ob sie sich zu einem politischen Geschäft äußerten oder nicht. Insgesamt wurde die Tagsatzung von der historischen Forschung damit als „Integrationsfaktor für die Orte und als symbolische Verkörperung der Eidgenossenschaft“ gewürdigt, obwohl oder gerade wegen der staatsrechtlich und verfahrenstechnisch unklaren Situation.113 Zudem ermöglichte die lockere und wenig formalisierte Ausgestaltung der Tagsatzung ein hohes Maß an Flexibilität und eine jeweilige Anpassung an politische Notwendigkeiten.114 Auch wenn die Durchführung der Tagsatzungsbeschlüsse bei den einzelnen souveränen Orten lag,115 eröffnete der Gesandtenkongress Möglichkeiten einer politischen Kommunikation und bot Formen der Konfliktregulierung an.116 Dieses Potential zur Verständigung und Vertrauensbildung innerhalb der politischen Eliten durch einen gemeinsamen eidgenössischen Kommunikationsraum erschien nach der konfessionellen Spaltung durch die zunehmende Bedeutung von innerkonfessionellen Konferenzen gefährdet.

112 Wick, Glarnerhandel, in: JbGL 69, 1982, 49 – 249, hier 131 – 132. 113 Würgler, Tagsatzung, 2013, 21 sowie zur positiven Evaluation von Langsamkeit ebenda, 306 – 307. 114 Peyer, Verfassungsgeschichte, 1978, 104. 115 Ebenda, 105. 116 Würgler, Aushandeln, in: Traverse 3, 2001, 25 – 38.

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2.2.3 Katholische und evangelische Konferenzen Neben den gemeineidgenössischen Tagsatzungen, bei denen alle Orte geladen waren, und jenen, die aus der Verwaltung der Gemeinen Herrschaften resultierten, bilden die seit der Reformation tagenden katholischen und evangelischen Konferenzen zusammen mit Sonderkonferenzen die vier quantitativ bedeutendsten Sitzungstypen der Eidgenossenschaft.117 Der älteren Forschung gelten die konfessionellen Konferenzen neben den konfessionellen Sonderbündnissen mit ausländischen Allianzen als Signum einer konfessionell gespalteten Eidgenossenschaft.118 Sie werden als Ausdruck einer Verhärtung der Positionen der beiden Glaubensparteien im Streit um die Beschwörung der Bünde verstanden. Da sich die Eidgenossenschaft aus einem Bündnisgeflecht konstituierte, das durch Eid beschworen wurde, war dieser Streit folgenreich. Er institutionalisierte die gesonderten katholischen und reformierten Konferenzen. Die Streitigkeiten um die Beschwörung der Bünde, die erst 1797 beigelegt wurden, haben eine lange Tradition. Obwohl die Frage, „wer wem in welcher Form zu schwören habe“, keineswegs neu war,119 wurde die Kontroverse um die Beschwörung der Bünde nach der Reformation mit neuen Argumenten und mit einer neuen Vehemenz geführt. Der Streit brach sich 1529 Bahn, als die Artikel des Ersten Landfriedens zusammen mit den alten Bünden und dem Stanser Verkommnis beschworen werden sollten. Da sich die eidgenössischen Orte vor dem Hintergrund des sich anbahnenden Konfessionskriegs auf keine gemeinsame Eidformel einigen konnten, versicherten sie sich gegenseitig, dem Landfrieden und den Bünden getreu zu handeln.120 Inhaltlich stritten sich die Eidgenossen entlang der konfessionellen Lager, lediglich die bikonfessionellen Orte Glarus und Appenzell nahmen Vermittlerpositionen ein: Die katholischen Orte wollten die „neugläubigen“ Stände von der Bündnisbeschwörung und der Eidzeremonie ausschließen, die reformierten Orte lehnten ihrerseits den Text der Bündnisformel ab. Während Zürich und die reformierten Eidgenossen nur auf Gott, nicht aber auf die Heiligen schwören wollten, verlangten die katholischen Orte die Beibehaltung alter Usanzen. Zürich pochte auf die Freiheit in Glaubensfragen und verwies auf die Bünde, die keine spezifische 117 Würgler, Tagsatzung, 2013, 172. 118 Auch wenn sie in gewisser Hinsicht einem „geübte[n] eidgenössische[n] Brauch“ entsprachen. Leonhard von Muralt hat darauf hingewiesen, dass die fünf katholischen Orte innerhalb des komplizierten Bündnissystems von jeher eine geschlossene Gruppe gebildet hätten, die „räumlich, verfassungsgeschichtlich und politisch eng verbunden“ gewesen sei, vgl. von Muralt, Renaissance, in: Handbuch, 1980, 389 – 570, hier 469. 119 Würgler, Tagsatzung, 2013, 396. 120 Ausführlich ebenda, 389 ff.

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Religion vorschrieben und ausschließlich weltliche Angelegenheiten regelten. „Zum Beweis, daß man nicht einerlei Glauben sein müsse, um miteinander tagen zu können, führten die Zürcher das Beispiel der verschiedengläubigen deutschen Städte im Reichstag an“.121 Die katholischen Orte ließen sich auf dieses Argument nicht ein. Für sie war die Verwerfung der Heiligen Ketzerei, und mit Ketzern wollten sie nicht gemeinsam tagen. Die Glaubenseinheit war für die katholischen Eidgenossen untrennbar mit dem Weiterbestehen der Bünde verknüpft.122 Auch Zeitgenossen, wie etwa der schon mehrfach zitierte Josias Simler, leiteten die Entstehung der innerkonfessionellen Konferenzen aus der durch die Reformation bedingten Glaubensspaltung her: Als aber zu unserern zeyten sich etwas zweyung der Religion in der Eydgnoschafft erhebt hat / sind auch besonderbare und neüwe Tagleistungen entstanden. Und under anderen Orten kommend offt insonderheit zusamen /die nach genannten fünffe / Lucern / Ury / Schwyz / Underwalden / Zug.123

Neben den von Simler erwähnten Konferenzen der fünf katholischen Orte sind die Zusammenkünfte der evangelischen Stände zu nennen – auch ihre politischen Vertreter berieten sich ohne die katholischen Gesandten der politischen Elite. Da es sich bei den innerkonfessionellen Treffen vielfach um Geschäfte aus den gemeinsam verwalteten Untertanengebieten handelte, beteiligten sich an diesen Konferenzen die Gesandten der Orte gleicher Konfession, die an der Mitregierung der jeweiligen Gemeinen Herrschaft beteiligt waren.124 Von 1470 bis 1798 ermittelte Andreas Würgler eine Anzahl von 2008 Tagsatzungen und 959 gemeinherrschaftlichen Konferenzen, die die Gemeinen Herrschaften betrafen. Katholische Konferenzen lagen in dem Untersuchungsraum mit 1852 Tagungen weit über der Frequenz der evangelischen Konferenzen (700).125 Nach Jahrhunderten aufgeschlüsselt bedeutet dies, dass sich die Praxis der konfessionellen Treffen am Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts so weit etabliert hatte, dass die konfessionellen Zusammenkünfte – insbesondere die katholischen – die gemeineidgenössischen Konferenzen bei weiten überragten: Von 1587 bis 1617 fanden lediglich 102 gesamteidgenössische, dafür aber 86 reformierte

121 Körner, Glaubensspaltung, in: Im Hof (Hg.), Geschichte, 1986, 357 – 446, hier 419. 122 Ebenda, hier 419. 123 Simler, Regiment, 1576, fol. 171r. 124 Joos, Entstehung, 1925, 98. 125 Würgler, Tagsatzung, 2013, 175 – 177 sowie Tabelle 13 (Anzahl der Sitzungstypen).

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und 260 katholische Konferenzen statt.126 Thomas Lau zufolge intensivierte sich dieser Trend in den Jahren 1632 bis 1712. Von 4422 Konferenzen zwischen bi- und multilateralen eidgenössischen Standesvertretern kam es in diesem Zeitraum zu 3064 Treffen im innerkonfessionellen Rahmen und nur in 1358 Fällen „sprachen Anhänger verschiedener Konfessionen miteinander“.127 Auch wenn sich dieses Verhältnis im Laufe des 17. Jahrhunderts aufgrund der Abnahme der katholischen Treffen zugunsten interkonfessioneller Konferenzen veränderte, blieb es im Wesentlichen erhalten.128 Gleiches lässt sich über die Treffen der evangelischen Stände konstatieren. Allerdings blieben ihre innerkonfessionellen Konferenzen auch im 17. Jahrhundert unter der gemeineidgenössischen Tagungsfrequenz. „Ab Mitte des 17. Jahrhunderts nahm die Zahl der Tagsatzungen zwar insgesamt langsam zu, gleichzeitig stieg auch die Zahl der konfessionellen Konferenzen vor, während und nach der Tagsatzung, auf denen die Argumentationslinien der Konfessionsparteien harmonisiert werden konnten“.129 Damit sind die Funktionen der innerkonfessionellen Konferenzen angesprochen. Vorwiegend dienten sie der Stärkung nach innen, indem sie die unterschiedlichen Konfessionsparteien gleicher Konfession zu einer Kommunikationsgemeinschaft einten, die konfessionsspezifischen Interessen durch innerkonfessionelle Absprachen bündelten und dementsprechend eine politische Meinungsbildung von Orten gleicher Konfession förderten. Insbesondere die katholischen Eliten tagten vielfach vor den gemeineidgenössischen Tagsatzungen in Baden, um eine gemeinsame katholische Position bei anstehenden Geschäften zu erarbeiten und, wie Ludwig Libson formulierte, über „die zu befolgende Taktik“ zu beraten.130 Diese Treffen der katholischen Länder- und Städteorte fanden zunehmend in Luzern statt und reflektieren die gestiegene Bedeutung der katholischen Konfessionstreffen. Diese ermöglichten nicht nur eine interne Diskussion über zu verhandelnde eidgenössische Geschäfte, sondern gaben den katholischen Orten auch die Möglichkeit, ihre Gesandten mit gleichlautenden Befehlen für die eidgenössische Tagsatzung auszustatten.131 Innerkonfessionelle Konferenzen reduzierten insofern die Komplexität der eidgenössischen Kommunikationswege, taten dies allerdings entlang der konfessionellen Spaltung 126 Die Zahlen übernehme ich von Kopp, Geltung, 1959, 43, Anm. 31. 127 Lau, Stiefbrüder, 2008, 68 – 69. 128 Ebenda, 69 – 70. Die Abnahme der katholischen Treffen erklärt Lau mit der abnehmenden Bedeutung „von Konferenzen zwischen den inneren Orten“, ebenda. 129 Ebenda, 69. 130 Libson, Entstehung, 1912, 53. 131 Vgl. beispielsweise EA 4 1/d, 794, Tag in Luzern, 22. März 1547, wo es abschließend heißt: „heimzubringen, um auf dem nächsten Tag mit gleichem Befehl zu erscheinen“.

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der Eidgenossenschaft.132 Konfessionelle Tagsatzungen betonten und förderten damit die Entstehung konfessionsspezifischer Kommunikationsräume, die sich durch die politischen Beratungen der eidgenössischen Orte gleicher Konfession verstetigten. Aus diesem Grund waren die konfessionellen Konferenzen umstritten. Die Gesandten von Glarus brachten im Mai 1608 ihre Bedenken gegen die konfessionellen Treffen vor, da sie zu Misstrauen und gegenseitigen Verdächtigungen Anlass gäben. Glarus schlug vor, auf diese Treffen insgesamt zu verzichten und die Geschäfte – wie früher üblich – auf den Badischen Tagsatzungen zu erörtern.133 Dieser Einwand gegen die innerkonfessionellen Treffen war 1608 nicht grundsätzlich neu. Schon der Erste Landfrieden von 1529 formulierte ein Verbot dieser Zusammenkünfte, da sie den gemeineidgenössischen Interessen zuwiderliefen;134 ein Verbot, das allerdings im Zweiten Landfrieden – der den Ersten Landfrieden aufhob – keine Erwähnung mehr fand. Seitdem trafen sich die katholischen Orte bei ihren konfessionellen Konferenzen in Luzern, die reformierten Orte tagten vorwiegend in Aarau. Thomas Lau spricht angesichts dieser konfessionsspezifischen Organisation politischer Verhandlungsmodi davon, dass sie die „wechselseitige[n] Feindbild[er]“ der Eidgenossen verfestigten, da Gegensätze durch kommunikative Inklusion und Exklusion verstärkt und das gegenseitige Misstrauen vertieft worden seien.135 Auch wenn dieses Argument nicht ganz von der Hand zu weisen ist, hatten die konfessionellen Konferenzen bei der Verwaltung der Gemeinen Herrschaften durchaus eine funktionale Bedeutung, die zwar nicht Misstrauen reduzierte, aber weitere Kommunikationsangebote an die Mitregenten vorbereitete. Bei dem unübersichtlichen kommunikativen Geschehen in der Grafschaft Baden dienten diese Konferenzen erstens der innerkonfessionellen Verständigung, des Informationsaustausches und damit auch der Informationsbeschaffung über einen Konfliktfall. Hatten sich die Regenten ins Bild gesetzt, wurde zweitens auf weiteren innerkonfessionellen Tagungen eine gemeinsame Strategie entworfen; damit übernahmen konfessionelle Konferenzen wichtige verfahrenstechnische Funktionen. In dem unübersichtlichen und schwerfälligen Kommunikationssystem Gemeine Herrschaft bedurfte es vielfach weiterer Verhandlungen, um 132 Anlässlich einer katholischen Tagung in Luzern am 16. Juni 1649 heißt es, „Mit dem eidgenössischen Gruße wird die Erinnerung verbunden, dass die Conferenz vorzugsweise die Vorberathung einiger auf der Jahrrechnungstagsatzung vorkommender Angelegenheiten zum Zwecke habe“, vgl. EA 6/1, 1, Art. 7, 5. 133 EA 5/1, 1, Konferenz der evangelischen Orte, Zürich, 10. Juni 1608, 871. 134 EA 4/1b, 1478 – 1483. 135 Lau, Stiefbrüder, 2008, 71.

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gemeinsame politische Ziele unter den Regenten gleicher Konfession zu formulieren. Insofern ist Thomas Lau zuzustimmen, wenn er konstatiert, durch die konfessionellen Treffen würden konfessionelle Antagonismen verfestigt und nicht ausgeglichen.136 Allerdings machten konfessionelle Konferenzen eine Kommunikation mit dem konfessionellen Gegenüber nicht obsolet, im Gegenteil. Auf die konfessionelle Konsolidierung und Meinungsbildung durch die geschlossenen Kommunikationssysteme der katholischen und – seltener – der reformierten Regenten der Grafschaft Baden folgte eine kommunikative Öffnung auf einer gesamteidgenössischen Tagsatzung. Nach der kommunikativen Exklusion kam es zum Austausch über die konfessionsspezifischen Vorgehensweisen. Insofern lässt sich argumentieren, dass die innerkonfessionellen Zusammenkünfte die gesamteidgenössischen Tagsatzungen vielfach erst vorbereiteten und inhaltlich und funktional bedingten. Verfahrenstechnisch betrachtet erhöhten Konfes­ sions­konflikte damit auch das Kommunikationsaufkommen unter den eidgenössischen regierenden Orten.137 Zudem waren die innerkonfessionellen und konfessionsübergreifenden Konferenzen nicht der einzige Ort des politischen Austauschs. Wie die Rekonstruktion der politischen Kommunikation der für die Grafschaft Baden aktenkundig gewordenen Konfessionskonflikte der folgenden Kapitel verdeutlicht, generierten religiöse Streitfälle darüber hinaus ein aktives kommunikatives Geschehen in verschiedenen Medien. Neben der erwähnten Kommunikation auf den innerund interkonfessionellen Konferenzen, die Instruktionen und Abschiede produzierten, wurden Distanzmedien wie Missiven auch über die Konfessionsgrenzen hinaus verfasst und verschickt – diese banden die katholischen und reformierten Eidgenossen über ihre Funktion als Regenten der Gemeinen Herrschaft auch kommunikativ wieder aneinander. Von kümmerlichem Zusammenhalt der Alten Eidgenossenschaft, wie die ältere Forschung die Auswirkung der konfessionellen Treffen auf das Bündnissystem wertete, kann mit Blick auf die intensiven politischen Verhandlungen und das interkonfessionelle Kommunikationsaufkommen nicht gesprochen werden, im Gegenteil.138 Die folgenden Kapitel zeigen bei allem Konfliktpotential nachhaltig die Kohäsionskraft, die der politischen Kommunikation für das eidgenössische Bündnissystem zukam – selbst und gerade dann, wenn die politischen Verfahrensformen zwischen den katholischen und reformierten Eidgenossen immer wieder neu verhandelt wurden. 136 Ebenda. 137 Dies in Abgrenzung zu Lau, Stiefbrüder, 2008, 69, dem zufolge die Konflikte lediglich zu innerkonfessionellen Beratungen führten, die, wie erwähnt, das „wechselseitige Feindbild vertieften“. 138 Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 120 (erster Teil).

Die Tagsatzung der Eidgenossen

Diese Rekonstruktion des Verlaufs konfessioneller Konflikte und der politischen Kommunikation in der Alten Eidgenossenschaft ist nicht nur für Historikerinnen und Historiker aufwendig, auch die Regenten der Grafschaft Baden stöhnten angesichts der Unübersichtlichkeit des kommunikativen Geschehens.139 Wie die Analyse der Fallbeispiele verdeutlichen wird, erforderte Herrschaftsausübung in den Gemeinen Herrschaften nicht nur detektivischen Spürsinn, sondern ebenfalls Langmut, Beharrungsvermögen und den unbedingten Willen zur Herrschaftsausübung. Gerade weil das kommunikative Aufkommen intensiv und vielfach unübersichtlich war, mussten Ad-­hoc-­Entscheidungen im politischen Alltag von den eidgenössischen Regenten nur selten getroffen werden. Kommunikation unter Abwesenden im Medium der Schrift entschleunigte gewissermaßen die Kommunikations- und Entscheidungsverfahren, wodurch der Faktor Zeit an Relevanz gewann. Bei der schriftlichen Kommunikation konnte mit Bedacht die Unterscheidung von Information und Mitteilung getroffen und insofern die nötigen Selektionsschritte prozessiert werden. Fehlentscheidungen ließen sich auf diesem Weg vermeiden – zumindest wurde keiner der in dieser Studie analysierten kommunikativen Akte verifiziert oder gar widerrufen. Diese Selektionsleistung war auch den Empfängern einer Mitteilung ersichtlich und befähigte diese theoretisch dazu, „Distanz aufzubauen und reflexiv über Kommunikation zu kommunizieren“.140 2.2.4 Mehrheitsprinzip Deutlich sollte damit geworden sein, dass sich in der Alten Eidgenossenschaft konfessionsspezifische Kommunikationszusammenhänge etablierten, die in Funktion und Bedeutung für die eidgenössischen Regenten differierten. Damit sind die Institutionen der politischen Meinungsbildung angesprochen, nicht aber die politischen Verfahren, um trotz konfessioneller Spaltung eine gesamteidgenössische Meinungsbildung herzustellen. Der französische Staatstheoretiker Jean Bodin hatte das Problem der concordia dissens in den Republiken bzw. den États populaires und konkret den Schweizer Kantonen darin gesehen, dass sich hier ohne die Autorität eines Fürsten Meinungsverschiedenheiten leicht zu einem discorde verhärten könnten. In seinen Überlegungen 139 Anlässlich eines langwierigen Streitfalls um die Besetzung des Sigristenamts in Würenlos klagten am 5. November 1639 die Abgesandten der fünf katholischen Orte, sie hätten jetzt „sowohl vs dem jüngsten Badischen Abscheidt, als auch irer damals gehepten Herrn Ehrengesandten mit ettlichen Relation vmbstendlich verstanden“, worum es bei diesem Konfliktfall eigentlich gehe, vgl. StAAG AA 2829/11, Schreiben der Gesandten der fünf katholischen Orte an den Abt des Klosters Wettingen, 5. November 1639. 140 Frevert, Kommunikation, in: dies./Braungart (Hg.), Sprachen, 2004, 7 – 19, hier 12.

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nahmen die Mehrheitsentscheidungen einen zentralen Platz ein, da sich auf diesem Weg die Einheitlichkeit der Meinungen durch die Überwindung eidgenössischer Gegensätze herstellen lasse – Souveränität werde dann von der Mehrheit ausgeübt.141 Bodin verwies in seinen Überlegungen auf ein wesentliches Problem der eidgenössischen Politik, nämlich die Frage, wie politischer Dissens überwunden werden und wie die Beschlussfähigkeit der Eidgenossenschaft nach Innen und Außen garantiert werden könne. Die Mehrheitsentscheidungen, als Grundsatz eidgenössischer Politik vielfach auf den Tagsatzungen debattiert, unterstellten die Partikularinteressen der einzelnen souveränen Orte einem gesamteidgenössischen Gemeinwohl; sie sollten nur bei Geschäften, die die Gemeinen Herrschaften betrafen, verbindlich sein. Allerdings konnten sich die Mehrheitsentscheidungen in der politischen Kultur der Eidgenossenschaft trotz einer frühen Rezeption des römischen Rechts in der politischen Praxis nicht grundsätzlich etablieren, wie im Folgenden deutlich wird. In der Eidgenossenschaft setzte sich das Mehrheitsprinzip als Folge der Frührezeption des römischen und kanonischen Rechts seit dem 14. Jahrhundert durch, auch wenn die Rezeption in den heutigen Gebieten der Schweiz weniger intensiv war als in Süddeutschland.142 Das Mehrheitsprinzip war in eidgenössischen Satzungen verankert, etwa im Pfaffenbrief von 1370 und ebenfalls in einer Reihe von Bündnisverträgen der eidgenössischen Orte und Zugewandten.143 Allerdings scheint es bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts nicht oft zur Anwendung gekommen zu sein.144 Erst als sich mit der Eroberung der Grafschaft Baden als einem gemeinsam regierten Untertanengebiet im Jahr 1415 auch die Bundesstruktur der föderalen Eidgenossenschaft grundlegend änderte, wurde „in aller Form das Prinzip festgesetzt, dass jeweils der Wille der Mehrheit der regierenden Orte

141 Bodin, Les six livres de la République, 1993; zit. in: Christin, Mehrheitsentscheidungen, in: Schilling/Gross (Hg.), Spannungsfeld, 2003, 71 – 87, hier 71 – 72. 142 His, Einleitung, in: Schultheß (Hg.), Juristen, 1945, 1 – 58, hier 11 – 12. 143 Elsener, Majoritätsprinzip, in: ZRG KA 55, 1969, 239 – 281, hier 240 und 244. Zum Pfaffenbrief vgl. Elsener, Pfaffenbrief, in: ZRG KA 75, 1958, 104 – 180. Max Kopp zufolge fand der Grundsatz der zahlenmäßigen Mehrheit zum ersten Mal Anwendung als Entscheidung zwischen den eidgenössischen Orten im Kontext des Zürcher Bundes 1351, während im Dreiländerbund von 1291 das Mehrheitsprinzip nur eine geringe Rolle gespielt habe, vgl. Kopp, Geltung, 1959, 18 – 20. Elsener, Geschichte, in: ZRG KA 62, 1956, 73 – 116, hier 99, datiert den Durchbruch des Majoritätsprinzips in der Westschweiz und mit einer „kleinen Verspätung“ in der deutschsprachigen Ostschweiz „um 1300“ – und damit früher als Max Kopp. 144 Kopp, Geltung, 1959, 22.

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den Ausschlag geben soll“.145 Ein eidgenössischer Abschied vom 18. Dezember 1415 sah vor, dass „in allen Sachen, welche diese Pfandschaft [die Grafschaft Baden, D. H.] betreffen und an den Rath gemeiner Eidgenossen kommen, der mindere Theil dem mehren folgen soll“.146 Lediglich in den Urkunden über den Eintritt der Eidgenossenschaft in die Grafschaft Baden war die Geltung des Mehrheitsprinzips niedergelegt. „Für die anderen gemeinen Herrschaften wurde der Grundsatz lediglich gewohnheitsrechtlich angewendet“.147 Damit entwickelte sich der Grundsatz, dass Beschlüsse, die die gemeinsam verwalteten Untertanengebiete betrafen, für alle regierenden Orte verbindlich zu sein hätten und dass die Minderheit der Mehrheit bei ihren Beschlüssen zu folgen habe. Die einzelnen Orte hatten auf ihr Vetorecht zu verzichten, um ein gemeinsames Regierungshandeln zu ermöglichen.148 Die gemeinsamen Untertanengebiete verankerten damit Mehrheitsentscheidungen stärker im Bewusstsein der eidgenössischen Stände und ansatzweise wohl auch in der politischen Praxis der Eidgenossenschaft.149 Wilhelm Oechsli zufolge gab es nach dem Alten Zürcherkrieg Bestrebungen, selbst in „gemeinen Geschäften“ – hiermit waren Krieg und Frieden sowie Bündnisse gemeint – den Grundsatz zu etablieren, dass die Mehrheit verbindliche Beschlüsse für die Minderheit fassen könne.150 Obwohl der Mehrheitsgrundsatz Ferdinand Elsener zufolge als „selbstverständliches und stillschweigendes Prinzip der eidgenössischen Staatsverfassung“ galt und, wie auch Hans Conrad Peyer konstatiert, seit 1415 bei der Verwaltung der Gemeinen Herrschaften unzweifelhaft Gültigkeit besaß, kam er bereits in vorreformatorischer Zeit in der politischen

145 Peyer, Verfassungsgeschichte, 1978, 31; Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 105 (Zweiter Teil). 146 EA, 1, 156, Art., 347 und Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 208 (Erster Teil) sowie Stettler, Eidgenossenschaft, 2004, 134. 147 Kopp, Geltung, 1959, 42. 148 Ebenda, 25. 149 Nach dem Zürcherkrieg entwickelte sich der Grundsatz, „dass über die Zulässigkeit anderer Bünde die Mehrheit der Orte zu entscheiden hatte“, und die „eidgenössische oder zentralistische Partei arbeitete intensiv daran, dass in den gemeinen Geschäften das Mehrheitsprinzip zum allgemeinen Grundsatz erhoben wurde“, vgl. Kopp, Geltung, 1959, 27. 150 Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 107 (Zweiter Teil). Oechsli differenziert zwischen zentralistischen (auch eidgenössischen) und föderalistischen Bestrebungen. Zu Mehrheitsentscheidungen im Reichstag im 16. Jahrhundert vgl. Schlaich, Maioritas, in: ZRG 61/64, 1977/1978, 264 – 299/139 – 299, hier 278 – 279 (Erster Teil).

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Praxis nicht strikt zur Anwendung.151 Zudem bestanden Zweifel hinsichtlich des Geltungsbereichs des Mehrheitsprinzips: „Verschiedene Bünde, Verkommnisse und Tagsatzungsbeschlüsse tendierten auf Mehrheitsentscheide hin“; andere Bestimmungen ließen den Orten das Recht zu souveränen Entscheidungen.152 Insofern war das Bestreben, die Verbindlichkeit der Mehrheitsbeschlüsse auf eidgenössische Geschäfte auszuweiten, nicht konsensfähig.153 Auf der Tagsatzung in Luzern am 4. Oktober 1515 wurde dann zwar grundsätzlich die Geltung des Mehrheitsprinzips beschlossen, allerdings nur insofern die Bestimmungen der Bünde nicht berührt wurden.154 Durch diesen Beschluss wurden die grundsätzlichen Zweifel hinsichtlich des Geltungsbereiches des Mehrheitsprinzips nicht prinzipiell ausgeräumt. Umstritten blieb weiterhin, bei welchen Geschäften dieses Prinzip zur Anwendung kommen solle, ob die Minderheit Beschlüsse der Mehrheit verhindern könne und ob Einstimmigkeit bei den Beschlüssen erforderlich sei.155 Zudem gab es in der Eidgenossenschaft ebenso wenig wie im Heiligen römischen Reich deutscher Nation etablierte Verfahrenswege zur Praxis der Mehrheitsentscheidungen. Es fehlte an Regeln zur Beschlussfähigkeit, denn weder war eine Mindestteilnahme festgesetzt noch war geregelt, was geschehen solle, wenn nicht alle Orte anwesend waren. Außerdem wurde nicht mit „Ja“ oder „Nein“ gestimmt, sondern auf dem Wege einer Umfrage verschiedene Meinungen ermittelt, die dann wiederum konsensfähig im Abschied formuliert werden mussten. Unmittelbar vor der Reformation äußerte sich 1521 die Krise um das Mehrheitsprinzip als ein Streit um Pensionen, denn einige Orte wollten auf die Zahlungen ausländischer Gelder nur dann verzichten, wenn ein Beschluss einstimmig erzielt werden könne.156 Diese Krise um das Mehrheitsprinzip als einer Krise des Pensionswesens lässt sich mit einer Verschärfung und inhaltlichen Ausweitung der Debatte um die Pensionszahlungen erklären, die 1521 durch Zwinglis

151 Elsener, Majoritätsprinzip, in: ZRG KA 55, 1969, 238 – 281, hier 240 sowie Peyer, Verfassungsgeschichte, 1978, 89. 152 Kopp, Geltung, 1959, 41. 153 Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 109 (Zweiter Teil). 154 Der Abschied hielt fest, dass betreffend „dz sölhs daby blyben söll, doch unser aller pünden, wo dz die berurte, on schaden”, vgl. EA 3/2, 922, Art. 628, lit. e. und Elsener, Majoritätsprinzip, in: ZRG KA 55, 1969, 238 – 281, hier 242. 155 Elsener, Majoritätsprinzip, in: ZRG KA 55, 1969, 238 – 281, hier 242 – 243. Max Kopp zufolge galt das Mehrheitsprinzip immer nur für einzelne, genau abgegrenzte Materien, vgl. Kopp, Geltung, 1959, 69. 156 EA 4/1a, Nr. 63n, 147, lit. l., Luzern, 10. Dezember 1521 sowie Elsener, Majoritätsprinzip, in: ZRG KA 55, 1969, 238 – 281, hier 243 – 244, Anm. 20.

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wortgewaltige Predigt gegen die Pensionen eingeleitet wurden.157 Dennoch reichten diese Meinungsverschiedenheiten um die Rechtmäßigkeit von miet und anderen Gaben nicht aus, um das Mehrheitsprinzip grundsätzlich in Frage zu stellen. Erst mit der Reformation wurde dieses eidgenössische Prinzip der Mehrheitsfindung dauerhaft gefährdet.158 Ein erstes Beispiel bietet der Erste Landfrieden vom 26. Juni 1529, der die Souveränität der einzelnen Orte in Religionssachen zwar nicht antastete, im Vorfeld aber zu einer Diskussion des Mehrheitsprinzips geführt hatte. Im September 1528 verlangten die Gesandten von Zürich und Bern, dass die Gemeinden der gemeinsamen Untertanengebiete in freier Abstimmung über ihre Zugehörigkeit zum alten oder neuen Glauben entscheiden sollten.159 Eine Ausweitung der Reformation wäre dann dem politischen Mehr der Tagsatzung entzogen, auf der die Mehrheit der Stände katholischen Glaubens waren. Dieses Begehren wurde „mit Befremden vernommen“, da es gegen das Versprechen verstieß, „daß den Beschlüssen der Mehrheit von Allen nachgelebt werden solle“.160 Basel, Schaffhausen und Appenzell boten sich an, in dieser Sache zu vermitteln, und baten die Gesandten von Zürich und Bern, die Sache „heimzubringen“ und zu überdenken.161 Die katholischen Orte beharrten hingegen darauf, dass über die Einführung der Reformation als gemeineidgenössische Sache die Tagsatzung zu entscheiden habe, auf der sie in der Überzahl waren. In einem Abschied der fünf katholischen Orte im Oktober 1528 findet der Mehrheitsgrundsatz dann explizit Erwähnung, denn der reformierte Ort Zürich soll aufgefordert werden, „dass si ein mers lassind in vogtyen ein mers bliben“.162 Zürich und Bern führten daraufhin eine Differenzierung ein, die sich

157 Allerdings wurde schon am 7. April 1500 eine „Ordnung der Pensionen und Kriegsläufe wegen“ aufgesetzt, wonach Pensionen verboten wurden. Die Zustimmung zum Kriegsdienst war an das Einverständnis der Mehrheit der Orte gebunden, vgl. Kopp, Geltung, 1959, 34. Zu den neuen Konnotationen um das Pensionswesen vgl. Groebner, Geschenke, 2000, bes. 158 – 194 sowie 243 ff. 158 Worauf wohl auch Bodin anspielte, vgl. Christin, Mehrheitsentscheidungen, in: Schilling/Gross (Hg.), Spannungsfeld, 2003, 71 – 83, hier 72. 159 Vgl. EA, 4/1a, 2, 1407, Art. 580, lic. c (Baden, 28. September 1528) sowie Elsener, Majoritätsprinzip, in: ZRG KA 55, 1969, 238 – 281, hier 250. 160 EA, 4/1a, 2, 1407, Art. 580, lic. c (Baden, 28. September 1528) sowie Elsener, Majoritätsprinzip, in: ZRG KA 55, 1969, 238 – 281, hier 250. 161 Die drei Orte tauchen in diesem Abschied das erste Mal als Vermittler in konfessionellen Händeln auf, vgl. Elsener, Majoritätsprinzip, in: ZRG KA 55, 1969, 238 – 281, hier 251. Zur Bedeutung der Vermittlerfunktion dieser Orte bei konfessionellen Spannungen vgl. Usteri, Schiedsgericht, 1925, 288 – 291. 162 Strickler, Actensammlung, Bd. 1, 1878, 674 – 675, Nr. 2127: Abschied der fünf katholischen Orte, 21. Oktober 1528.

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als wirkmächtig erweisen sollte: Sie ließen ihre Boten im Oktober 1528 auf der Tagsatzung verkünden, sie würden sich zwar einer Mehrheit in weltlichen Dingen beugen, nicht aber in Angelegenheiten, die das Wort Gottes betreffen.163 Die Orte Basel, Schaffhausen und Appenzell wurden daraufhin mit einem Schlichtungsversuch betraut, der allerdings Mitte November 1528 scheiterte. Zürich hatte auf die Bitten, generell in den Gemeinen Herrschaften nach dem Mehrheitsgrundsatz zu verfahren, eine abschlägige Antwort erteilt. Rat und Bürger der Limmatstadt wollten zwar die Bünde wahren, sich allerdings „des göttlichen worts halb“ für die Interessen der reformierten Untertanen der Gemeinen Herrschaften einsetzen.164 In einer Christlichen Verwandtschaft zwischen Zürich und Bern wurde dieser Vorsatz bekräftigt. In den Gemeinen Herrschaften, wie dem Thurgau und der Grafschaft Baden, wo etliche Kirchspiele Begierde zeigen, das göttliche Wort zu hören, [wird] von beiden Städten beschlossen, die biderben Leute in den gemeinen Vogteien, die das Gotteswort mit der Mehrheit angenommen haben oder später annehmen, nicht bloß nicht zu strafen, sondern in dem Fall, daß Jemand sie davon drängen und deshalb überziehen oder wider Recht nötigen wollte, sie nicht zu verlassen, vielmehr mit der Hülfe Gottes dabei zu handhaben und zu schirmen, weil dieselben erbötig sind, in Dingen, welche Leib und Gut berühren, ihrer Obrigkeit gehorsam und gwärtig zu sein nach altem Herkommen.165

Neben diesem Schutz und Schirm wurde schriftlich festgehalten, dass Zürich und Bern den Untertanen freie Wahl in Glaubensdingen ließen und einem „Mehr“ lediglich in weltlichen Belangen folgen würden.166 Damit wurden zwei neue Differenzkriterien eingeführt: zum einen zwischen weltlichen Angelegenheiten und Glaubensdingen, zum anderen – und damit verbunden – eine Unterscheidung zwischen einer eidgenössischen Mehrheit und einer Mehrheit auf gemeindlicher Ebene.

163 Die Weigerung, einen Mehrheitsbeschluss in göttlichen Dingen anzuerkennen, erinnert an die Bekenntnisschrift der fünf Protestanten im Reich, die als Protestatio von 1529 in der Forschung bekannt wurde. Zu den verfassungsrechtlichen Wertungen bündig Schlaich, Maioritas, in: ZRG 61/64, 1977/1978, 264 – 299/139 – 299, hier 276 (Erster Teil). 164 EA, 4/1a, 2, 1442 – 1443, 14. November 1528, Baden. Unterschrieben ist das Dokument vom Unterstadtschreiber Zürich, wahrscheinlich Burckhart Wirz (1507 – 1542), einem Schüler Zwinglis, vgl. Elsener, Majoritätsprinzip, in: ZRG KA 55, 1969, 238 – 281, hier 252, Anm. 43. 165 EA, 4/1a, 2, 16. bis 18. November 1528, Bern, Art. 599, 1444, lit. e. 166 Ebenda.

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Vertraglich festgehalten wurde das Mehrheitsprinzip im Ersten Landfrieden vom 26. Juni 1529. Dieser Friedensvertrag beendete die militärische Auseinandersetzung mit dem Sieg Zürichs über die katholischen Orte; der Friede wurde durch die Vermittlung von Schiedsleuten aus den unbeteiligten Orten zwischen den reformierten Städten Zürich, Bern, Basel, St. Gallen, Mülhausen und Biel und den katholischen Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug geschlossen.167 Der erste Artikel formulierte das schon erwähnte Recht der souveränen Stände, über die Annahme oder Ablehnung der Reformation frei entscheiden zu können, wodurch „den beiden christlichen Bekenntnissen die staatliche Gleichberechtigung im Verhältnis von Stand zu Stand kraft eidgenössischen Vertragsrechts“ gewährleistet wurde.168 Mit Blick auf die gemeinsam regierten Untertanengebiete verankerte der Vertrag das Mehrheitsprinzip innerhalb der Gemeinden der Gemeinen Herrschaften und gewährte den Kirchgenossen das Recht, durch Abstimmung über ihre konfessionelle Zugehörigkeit zu entscheiden. Der Text des Landfriedensartikels enthielt eine strukturelle Benachteiligung für katholische Gläubige, da eine katholische Minderheit einer reformierten Mehrheit bei der Einführung der Reformation zu folgen hatte, eine reformierte Minderheit allerdings neben einer katholischen Mehrheit koexistieren konnte.169 Obwohl der Erste Landfrieden deutlich sichtbar die Herrschaftsinteressen der reformierten Orte formulierte, war auch dieser Text ein Kompromiss, Ergebnis politischer Verhandlungen zwischen den kriegsführenden katholischen und reformierten Orten. Mit der Annahme der Landfriedensregelungen wurde zugleich die Vision Zwinglis, in allen Orten bzw. Kantonen die reformierte Predigt zu erlauben und jeder Kirchengemeinde die Befugnis zur Abschaffung der Messe zu erteilen, vereitelt. Im politischen Alltag legten die reformierten Orte den Landfriedenstext dennoch so aus, als hätte Zwinglis Vorschlag Eingang in das Vertragswerk gefunden. Im Mai 1531 stellte Zürich an die Gesandtschaft von Frankreich das Ansinnen, sich dafür zu verwenden, „dass die fünf Orte dem Artikel des Landfriedens über den Glauben Genüge leisten, nämlich in ihren Gebieten das Gotteswort predigen und ungestraft davon reden zu lassen“.170 Die katholischen Orte verboten daraufhin die reformierten Predigten in ihren Gebieten bei Strafandrohung an Leib und 167 Vgl. EA 4/1b, 1478. 168 Stänz, Entwicklung, 1936, 14. 169 Zudem sollten die reformierten Gläubigen für die bilderstürmerischen Aktionen nicht gestraft werden, vgl. EA 4/1b, 1478 sowie von Salis, Entwicklung, 1894, 24 – 25, der eine interessante Berner Instruktion vom 20. August 1529 anlässlich der Verhandlung des Landfriedens zitiert. 170 Vgl. von Salis, Entwicklung, 1894, 26, Anm. 1.

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Leben, woraufhin intensive Verhandlungen über die Auslegung und Deutung des Landfriedenstextes zwischen den Parteien ausgelöst wurden.171 Diese hermeneutischen Verfahren der regierenden katholischen und reformierten Orte, die permanent konkurrierende Sinn- und Bedeutungszuschreibungen eines Textes produzierten, waren Signum des Zweiten Landfriedens von 1531.172 Dieser nach der Schlacht von Kappel zwischen den fünf katholischen Orten mit Zürich und kurz darauf auch mit Bern abgeschlossene Friedensvertrag 173 verwarf zwar nicht grundlegend das Gemeindemehr, allerdings wurde es in Glaubensdingen auf die katholische Partei beschränkt, da nur katholische Untertanen die Einführung des Gottesdienstes verlangen konnten. Dieser Schutz der katholischen Gläubigen wurde auch dann wirksam, wenn die katholischen Untertanen in der Minderzahl waren. Da das Prinzip cuius regio eius religio auch in der nachreformatorischen Eidgenossenschaft Gültigkeit besaß, betraf die Diskussion des Majoritätsgrundsatzes weiterhin weniger die einzelnen souveränen Länder und Städte der Eidgenossenschaft, sondern gesamteidgenössische Geschäfte – wie etwa das Defensionale im 17. Jahrhundert – und besonders die gemeinsamen Untertanengebiete, die durch Eroberung oder Erwerb an die Eidgenossenschaft gekommen waren. In absentia eines Souveräns konstituierte bei der Verwaltung der Gemeinen Herrschaften die Gesamtheit der regierenden reformierten und katholischen Orte die „hohe“ Landesobrigkeit. Ihr oblag nicht nur die Entscheidungshoheit bei Appellationen aus den Gemeinen Herrschaften, sondern die politische Zuständigkeit der regierenden Orte galt zudem der Wahrung der Bestimmungen zur religiösen Koexistenz, wie sie in den Landfriedensverträgen formuliert wurden. Obwohl Elsener selbstbewusst behauptete, dass bei strittigen Fragen die Minderheit der Mehrheit zu folgen habe, da in den Gemeinen Herrschaften „das Mehrheitsprinzip, teilweise nach Satzung, mindestens nach Gewohnheitsrecht, unbestrittene Geltung“ hatte,174 entwickelte sich die Frage, ob dies auch bei Dingen, die den Glauben betrafen, so sein sollte, zu einer der „wichtigsten Streitfragen im Zeitalter der Reformation“.175 Auch nach Abschluss des Zweiten Landfriedens von 1531 war und blieb das Mehrheitsprinzip ein strittiger Verhandlungsgegenstand zwischen den eidgenössischen Orten. Zürich beschwerte sich wiederholt, es „werde in allen Sachen übermehrt“, während die katholischen Orte auf dem Mehrheitsprinzip zur Herstellung einer gesamteidgenössischen Meinung beharrten. Die Gesandten von 171 Ebenda, Anm. 2. 172 Ausführlich dazu Kap. 3: Parität durch Konflikt. 173 Vgl. Walder (Hg.), Religionsvergleiche, Bd.1, 1960, 5. 174 Elsener, Majoritätsprinzip, in: ZRG KA 55, 1969, 238 – 281, hier 248. 175 Von Muralt, Renaissance, in: Handbuch, 1980, 389 – 570, hier 414.

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Zürich mussten sich auf der Tagsatzung im August 1546 (und nicht zum ersten Mal) die bittere Beschwerde und den Vorwurf der fünf katholischen Orte gefallen lassen, Zürich gefährde den Frieden und den Zusammenhalt der Eidgenossenschaft durch die Nichtachtung des Majoritätsprinzips; denn wenn ein Mehr keine Gültigkeit mehr besitze, „so daß ein Ort in einer Sache, ein anderes in einer anderen sich absöndern könnte, brauche man nicht mehr zu tagen, und könnte dann jedes Ort für sich selber handeln, was aber mit der Zeit der Eidgenossenschaft zu großem Nachtheil gereichen würde“.176 Im Herbst 1546 wurde das Problem dann grundsätzlich erörtert; es vermittelten die reformierten Orte Basel und Schaffhausen. Der Lösungsvorschlag griff die schon 1528 gemachte Unterscheidung Zürichs von weltlichen und religiösen Geschäften auf: Während bei ersteren das Majoritätsprinzip weiterhin Geltung haben solle, dürfe man in Religionssachen niemanden zur Einhaltung von Mehrheitsbeschlüssen zwingen.177 Freilich hatte Zürich ein Interesse daran, aus jedem politischen Geschäft eine Religionsangelegenheit zu machen. Obwohl die Differenzierung zwischen religiösen und politischen Geschäften erst 1632 im Badener Vertrag verschriftlicht wurde, entzog sich Zürich bei konfessionellen Streitfällen in der politischen Praxis bereits in der nachreformatorischen Zeit vermehrt den Mehrheitsentscheidungen der katholischen Orte. Zudem konnte jeder Konflikt in eine konfessionelle Auseinandersetzung transformiert werden. Wie die folgenden Kapitel verdeutlichen, praktizierte die Limmatstadt eine Auslegungspraxis des Zweiten Landfriedens, die keineswegs dem politischen Verständnis der katholischen Stände entsprach. Dieser neue Befund widerspricht der gängigen Forschungsmeinung. Andreas Suter etwa schließt in Unkenntnis der tatsächlichen Regierungspraxis, dass die katholischen Orte die alleinige Macht in den Gemeinen Herrschaften innegehabt hätten, und auch Andreas Würgler misst den Mehrheitsentscheidungen einen viel zu großen Einfluss auf die Regierungspraxis der bikonfessionellen Regenten zu.178 Die vorliegende Studie verdeutlicht hingegen die kommunikativen Verfahren der konkurrierenden Bedeutungszuschreibungen und setzt argumentativ auf eine konkrete Regierungspraxis der reformierten Orte, die den Mehrheitsgrundsatz permanent unterwanderte. Die geographische Nähe Zürichs zur Grafschaft Baden begünstigte schnelle politische Eingriffe und Ad-­hoc-­Entscheidungen vor Ort, zudem verkürzte sie die Kommunikationswege zwischen den Funktionsträgern der Grafschaft Baden und der Limmatstadt. Exemplarisch soll dies an der 176 EA, 4/1d, Nr. 307, 658 – 659, 9. August 1546 sowie Elsener, Majoritätsprinzip, in: ZRG KA 55, 1969, 238 – 281, hier 261. 177 EA 4/1d, Nr. 314, 682, 20. September 1546, Baden. 178 Suter, Bauernkrieg, 1997, 550 sowie Würgler, Tagsatzung, 2013, 302 – 303.

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Zurzacher Taufsteineinsetzung 1605 bis 1608 verdeutlich werden, der im Kontext um die Debatte des Mehrheitsprinzips eine grundsätzliche Bedeutung zukam. Zu den Ereignissen: Zürich hatte ohne die Zustimmung der fünf katholischen Mitregenten einen Taufstein in die von beiden Konfessionen genutzte Pfarrkirche von Zurzach einsetzen lassen. Zudem wurde dieser sakrale Raum durch das liturgische Objekt neu gestaltet, ohne dabei die katholische Doktrin und die Konzeption der sakralen Sphären zu berücksichtigen.179 Dieser Vorfall wurde zum Anlass einer grundsätzlichen Beschwerde über die Nichtachtung des Mehrheitsprinzips. In einem Vortrag, der von den Abgesandten der fünf katholischen Orte im Mai/Juni 1605 alten und neuen Kalenders vor den Bürgern und dem Rat Zürichs gehalten wurde,180 werteten die Vortragenden die Tat als „verschimpfung und verkleinerung“ der katholischen Religion, da sie „unns als dem mehren theil der mit regierenden orten“ nicht respektiere.181 Aus Sicht der katholischen Stände wog die Tat umso schwerer, da eine eidgenössische Tagleistung anberaumt war, die die Möglichkeit zur Verhandlung des Konflikts geboten hätte, um sich nach „Eidgnössischem bruch und härkommen, und unseren friedliebenden gemut mit einanderen beßprachen und verglichen. und also die sachen mit aller fründtlichkeit verhandlet werden können“.182 Anstatt diese Verhandlungsmöglichkeiten zu nutzen und den Mitregenten Respekt zu zollen, hatte Zürich allein gehandelt. Die Beschwerden der katholischen Orte wurden in „etlichen prinzipalen puncten“ aufgelistet. Der erste Beschwerdepunkt betraf das politische Selbstverständnis und das politische Vorgehen Zürichs in den Gemeinen Herrschaften. Der Mitregentschaft der katholischen Orte zum Trotz würde sich Zürich in den vogteyen, da wir die regierung mit Üch gemein habend, nit allein als für ein regierend ort, sonder noch wil mehr authoritet unnd gewalts, als wir übrige Regierende ordt überal zumeßend. [… und] die sachen für Üch selbst, fürnemmend handlend unnd abrichtend, glych als ob die Regierung üch allein zustunde unnd die sachen uns nit angiengent. So doch man alle gute gelegenheit hat, durch

179 Vgl. die Diskussion dieses Vorfalles in Kap. 6: Kommunikation über Räume. 180 Der Vortrag liegt in drei Versionen vor, vgl. StALU Akten 13/3362: Thurgau, Rheintal, Baden Landfriedenssachen. […] 3.–4. Juni 1605, fol. 98r–101v sowie StALU Akten 13/3363: Thurgau, Rheintal, Baden Landfriedenssachen. […] 5.–18. Juni 1605, fol.103r– 106v (zweite Version) und fol. 78r–84v (dritte Version). Die tatsächlich gehaltene Vortragsversion der Gesandten der fünf katholischen Orte vor dem Rat und den Bürgern der Stadt Zürich ist zu finden in: StAZH E II 101, fol. 120v–131r (29. Mai 1605). 181 Ich zitiere aus der Zürcher Version des Vortrags, vgl. StAZH, E II 101, fol. 122v. 182 StAZH, E II 101, fol. 122v.

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mittel der Badischen Tagleistung solche gemeine sachen mit ein anderen, als diß es mit gleichem surem schweiß lieb und leid erobert, zu participieren, ohne doch etwan solche üwer abgesandten, sich hitzig genug erzeigt handt.183

Die fünf katholischen Orte pochten darauf, dass 1415 mit der gemeinsamen Eroberung der Untertanengebiete auch eine gemeinsame Regierungsform etabliert worden sei und warfen Zürich vor, sich so zu verhalten, als sei es der alleinige Regent. Mit dem Hinweis auf die politischen Alleingänge Zürichs wurde ein grundsätzliches Problem angesprochen, nämlich die Frage, wie trotz konfessioneller Differenzen und daraus resultierenden differierenden Herrschaftsinteressen ein gemeinsames Regierungshandeln möglich sei. Der Hinweis auf die Tagsatzung als einem konfessionsübergreifendem Kommunikationsraum, der Gelegenheit zur Harmonisierung von Konflikten bot, war trügerisch, da dies zugleich der Ort institutionalisierter katholischer Überlegenheit war. Mehrheiten bestanden auf der Tagsatzung aufgrund einfacher Arithmetik zugunsten der katholischen Partei, ein Vetorecht kannte das Mehrheitsprinzip nicht. Einstimmigkeit war im Unterschied zu gesamteidgenössischen Entscheidungen zudem nicht notwendig: Bei Geschäften, die die Verwaltung der Gemeinen Herrschaften betrafen, war eine einfache Mehrheit ausreichend.184 Bei gleicher Stimmenzahl stand dem Landvogt von Baden (und später, nach 1712, dem Landvogt des Thurgau) in seiner Eigenschaft als Stimmenzähler der Stichentscheid zu. Diese politischen Verfahren begünstigten die fünf katholischen Orte bei Abstimmungen auf der Tagsatzung, da sie – selbst wenn der Landvogt reformiert war – über die „mehren Stimmen“ verfügten. Zudem, so argumentierten sie lapidar und trocken, hätten sie den Landfriedensvertrag und damit eidgenössisches Recht auf ihrer Seite.185 Die Antwort Zürichs auf diesen Vortrag erfolgte am 7. November 1605. Eingangs versicherten die Gesandten Zürichs, dass ihnen der Erhalt des gemeinen Friedens, der Ruhe und Einigkeit in der Eidgenossenschaft ein Anliegen sei. Auf die einzelnen Beschwerden gingen sie ausführlich und Punkt für Punkt ein. Allerdings konnten sie der katholischen Argumentation nicht folgen – von dem Vorwurf, „Eingriffe und Anmaßungen“ in den Gemeinen Herrschaften begangen zu haben, distanzierten sie sich, wie auch von dem Vorwurf der unbefugten Herrschaftsausübung. Eine solche „Anmaßung und Gewalt“ warfen die Zürcher im Gegenzug den fünf katholischen Mitregenten vor. Was hier im Medium der 183 Ebenda, fol. 122v–123r. 184 Peyer, Verfassungsgeschichte, 1978, 31 – 32. Zur Frage des Pars maior und des Pars sanior in der Eidgenossenschaft vgl. Elsener, Geschichte, in: ZRG KA 62, 1956, 73 – 116, 560 – 570. 185 StAZH, E II 101, fol. 123r.

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politischen Kommunikation vorgetragen wurde, sind divergierende Argumentationsmodi der regierenden katholischen und reformierten Orte, die in ihrer Diversität eine Verhandlung und Mediatisierung konfessioneller Gegensätze als Illusion erscheinen lassen. Eine konstruktive Verständigung über die von den katholischen Orten vorgebrachten Beschwerdepunkte erfolgte auf dieser Tagsatzung nicht. Hingegen trug Zürich die schon bekannte Differenzierung in politisch-­religiösen „Händeln“ vor. Zürich war bereit, sich der Mehrheit in weltlichen Angelegenheiten zu beugen, nicht aber solchen, die „den Landfrieden, die Religion und das Gewissen berühren“. Faktisch wurden damit die Gültigkeit der Landfriedensverträge und der Vollzug der Mehrheitsbeschlüsse ignoriert.186 Die Argumentation verdeutlicht, wie sehr die katholischen Stände trotz zahlenmäßiger Überlegenheit bei der Durchführung ihrer politischen Beschlüsse in der politischen Praxis auf die Bereitschaft der reformierten Minderheit angewiesen waren, ihnen bei ihren politischen Zielen zu folgen.187 Eine einfache Arithmetik reichte zur Durchsetzung katholischer Herrschaftsinteressen nicht aus, da das wirtschaftlich und politisch mächtige Zürich eine katholische Herrschaftspolitik durchaus boykottieren oder schlicht ignorieren konnte. Insofern machten Mehrheitsbeschlüsse politische Verhandlungen nicht obsolet – im Gegenteil. Insbesondere bei Geschäften, die nicht konsensfähig waren und bei denen die reformierten Stände den katholischen Mehrheitsbeschlüssen nicht Folge leisteten, wurden die politisch-­konfessionellen Standpunkte in der politischen Kommunikation immer weiter ausdifferenziert, oftmals auch nur perpetuiert. Kommunikation wird hier im Verständnis Niklas Luhmanns als ein Selektionsprozess analysierbar, der den Kommunikanten die Möglichkeit zur Annahme einer Information bzw. einer Mitteilung eröffnete. Politische Verhandlungen waren dadurch zäh und langwierig; wurde durch sie kein politischer Konsens im konventionellen Sinn erwirkt, sondern vielmehr konfessionsspezifische Unterscheidungen prozessiert, so stabilisierten diese kommunikativen Verfahren auf einer funktionalen Ebene durchaus das Kommunikationssystem Grafschaft Baden. Stabilität wurde durch eine permanente Kommunikationsbereitschaft der Regenten der Grafschaft Baden erreicht, so dass ein Selektionsprozess in den nächsten mündete und damit Anschlusskommunikation stattfand. Auf einer systemischen Ebene lässt sich eine gemeinsame Regierungspraxis der regierenden katholischen und reformierten Orte durchaus beobachten – sie fand im Medium der politischen Kommunikation statt. Demgegenüber betonten die 186 EA 5/1, 1, Konferenz der sieben katholischen Orte samt Appenzell, Inner-­Rhoden und Abt von St. Gallen, Luzern, 5. und 6. Dezember 1605, 765 – 766. 187 So argumentiert ebenfalls Schlaich, Maioritas, in: ZRG 61/64, 1977/1978, 264 – 299/139 – 299, hier 287, mit Blick auf die konfessionelle Situation im Reich.

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politischen Handlungen der reformierten Limmatstadt die konfessionsspezifischen Interessen der einzelnen Regenten. Das Vorgehen Zürichs werteten die katholischen Stände als nachteilig für die katholischen Untertanen in den Gemeinen Herrschaften und befürchteten insgesamt eine Schwächung der katholischen Religion. Zugleich befürchteten sie durch die Nichtachtung des Mehrheitsgrundsatzes eine Minderung ihrer politischen Ehre. Damit ist die Ehrsemantik als ein Aspekt der politischen Kommunikation in der Frühen Neuzeit benannt. Obwohl auf die Ehrsemantik in der eidgenössischen Diplomatie nicht häufig rekurriert wird, ist sie doch als eine politische Verhaltensweise insbesondere bei dem Streit um das eidgenössische Mehrheitsprinzip permanent präsent. In der politischen Sprache der Alten Eidgenossenschaft wurde allerdings nicht ausschließlich von „ere“ gesprochen, wie dies in der frühneuzeitlichen Diplomatie im Alten Reich der Fall war, sondern auf die „reputation“ der regierenden Stände verwiesen.188 Doch in welchem Verhältnis standen „Ehre“ und „Reputation“ in der frühneuzeitlichen Wertehie­ rarchie zueinander? Ein kurzer Exkurs zur Ehrsemantik verspricht Klärung. In der Geschichtswissenschaft wird unter Ehre in der Regel eine „Zuschreibung von Identität auf der Basis gesellschaftlicher Normen“ verstanden.189 Demzufolge bezeichnet Ehre zum einen „die Anerkennung eines Individuums oder einer Gruppe durch andere Personen, seit dem 18. Jahrhundert auch als ‚äußere Ehre‘ bezeichnet, zum anderen das Streben von Individuen oder Gruppen danach, dieser Anerkennung gerecht zu werden“.190 Die Reputation der katholischen Stände, auf die sie im politischen Diskurs verwiesen, bezeichnete der Definition zufolge die „äußere Ehre“ und meinte die Anerkennung, die den katholischen Ständen von ihren Mitregenten zugemessen wurde, und damit den Ruf, den die katholischen Stände bei ihren Mitregenten genossen. Insofern meinte die Reputation das Kapital, das die politischen Stände besaßen und das sie bei politischen Verhandlungen in die Waagschale werfen konnten. Obwohl in der Geschichtswissenschaft in jüngerer Zeit wiederholt auf die Relevanz des Ehrprinzips für das gesellschaftliche Zusammenleben hingewiesen wurde, 191 ist 188 „Damit unser ware Catholische religion unnd unsere reputation alda erhallten werde“ vgl. StAAG AA 2829/2 Dietikon 1615 – 1688 (evang. Taufstein etc.), Schreiben vom 18. und 19. April 1615. Zur Diskussion um die Ehre im Alten Reich vgl. Fuchs, Medium, 2010, 35 – 49. 189 Fuchs, Medium, 2010, 35 – 49, hier 38. 190 Ebenda. 191 Einen Überblick über die inzwischen breit untersuchte Funktionsvielfalt von Ehre in Gesellschaften der Frühen Neuzeit aus vorwiegend historisch-­anthropologischer Sicht geben die Sammelbände mit weiteren Literaturangaben von Schreiner/Schwerhoff

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die Bedeutung der Ehre für gesellschaftliche Herrschaftsträger von der Frühneuzeitforschung erst ansatzweise und überwiegend im Rahmen der Adelsforschung thematisiert worden.192 Für die spätmittelalterliche Eidgenossenschaft hat allerdings Elisabeth Wechsler in der Ehrerweisung und Ehrerhaltung ein entscheidendes Movens für politische Verhaltensweisen erkannt.193 Ralf-­Peter Fuchs hat jüngst vorgeschlagen, den Ehrbegriff für die Klärung von politischen Handlungsweisen zu instrumentalisieren, da es sich bei dem Ehrbegriff um einen gesellschaftlichen Code handle, in dem sich – unter Rückgriff auf gesellschaftliche Normen – Paradoxien auf eine bestimmte Art und Weise verarbeiten lassen. Diese Normen erscheinen dabei nicht als systematische, gestaffelte Grundsätze, die Handlungen rigide bis ins Detail vorschreiben, sondern als ein Reservoir an Handlungsmaximen, in dem differente, zuweilen auch widersprüchliche Werte koexistieren: Friedfertigkeit und die Bereitschaft zur Versöhnung waren in der Frühen Neuzeit ebenso positiv besetzt wie Macht, Stärke und Wehrhaftigkeit.194

Übertragen auf die politischen Verfahrensformen in der frühneuzeitlichen Schweiz erlaubt der Ehrbegriff verstanden als ein Reservoir verschiedener, auch widersprüchlicher Handlungsmaximen zweierlei: Erstens ermöglicht er eine flexiblere Bewertung und Einschätzung derjenigen Konfessionskonflikte, die selbst nach jahrelangen politischen Verhandlungen keine Lösung erfuhren. Wurde ein Konfliktfall „ruhen“ gelassen, war dies Ausdruck einer momentanen und vorübergehenden Bereitschaft, konfessionelle Antagonismen in politisch brisanten Zeiten – wie etwa während des Dreißigjährigen Krieges – nicht durch das Erzwingen einer politischen Lösung in einem Konfliktfall zu intensivieren. Eine Konfliktlösung stand nicht nur für die Harmonisierung unterschiedlicher Herrschaftsinteressen, sondern folgte durchaus auch der Logik von Erfolg und (Hg.), Ehre, 1995 und Backmann/Künast/Ullmann/Tlusty (Hg.), Ehrkonzepte, 1998 sowie die Monographie von Fuchs, Ehre, 1999. Aus soziologischer Sicht ist Pierre Bourdieu und sein Konzept des symbolischen Kapitals interessant. Die Stärken des Ansatzes liegen darin, dass Ehre hier als ein Kapital gilt, das transformierbar ist und sich nicht nur verlieren, sondern ebenfalls akkumulieren lässt, vgl. ders., Kapital, in: Kreckel (Hg.), Ungleichheiten, 1983, 183 – 198 sowie ders., Sinn, 1993. Allerdings sind die Begriffe der Ehre und der Reputation bei Bourdieu nicht streng getrennt, weshalb auf den folgenden Seiten mit einem handlungsorientierten Ehrbegriff argumentiert wird. 192 Garnier, Stellenwert, in: ZHF 29, 2002, 525 – 560 sowie Weber, Honor, in: Backmann/ Künast/Ullmann/Tlusty (Hg.), Ehrkonzepte, 1998, 70 – 98. 193 Wechsler, Ehre, 1991, 110 – 238. 194 Fuchs, Medium, 2010, 39.

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Niederlage. Denn wurde ein reformiertes Taufbecken im Sakralraum nach langen Verhandlungen genehmigt, dann symbolisierte das Becken nicht nur die Bereitschaft zur Konfliktlösung, sondern ebenfalls den materialisierten Verhandlungserfolg der reformierten Parteien. Ließ man den Streitfall hingegen „ruhen“, entging man der zwingenden Logik von Erfolg und Niederlage. Beide Parteien konnten in diesem Fall ihre politische Ehre wahren, auch wenn der Ausgang der Verhandlung weiterhin offenblieb. Damit verbunden konnte der Abbruch der politischen Verhandlungen einer weiteren Logik der frühneuzeitlichen Ehr­ semantik gehorchen, die für die politische Kultur der Alten Eidgenossenschaft repräsentativ war. Eine der Parteien konnte Einlenken und eigene Herrschaftsziele zurückstellen. Dies war im oben erwähnten Zurzacher Taufsteingeschäft der Fall. Nachdem die katholischen Orte ihren politischen Standpunkt verdeutlicht und die Herrschaftspraktiken Zürichs in der politischen Kommunikation als rechtswidrig markiert hatten, war es ihnen möglich, den Taufstein an seinem Ort zu belassen, ohne einen Ehrverlust zu erleiden.195 Wesentlich war in diesem Fall, dass die katholischen Orte in ihrer Funktion als Regenten zu Wort gekommen waren und ihre Herrschaftsauffassungen den reformierten Mitregenten gegenüber artikuliert hatten. Fand hingegen keine Form der gemeinsamen Regentschaft statt, erlitten die vom Regierungshandeln ausgeschlossenen Orte der frühneuzeitlichen politischen Ehrsemantik zufolge einen Ehrverlust. Obwohl die Frage nach dem Verbleib des Zurzacher Taufbeckens im Kirchenraum damit geklärt war, wurde die sehr viel grundsätzlichere Frage der Mehrheitsentscheidungen bzw. der politischen Alleingänge Zürichs in den Gemeinen Herrschaften auf mehreren Tagleistungen weiterverfolgt. Auf einer Tagsatzung der katholischen Orte in Luzern im April 1608 wurde beschlossen, ein „Concept“ zu verfassen, welches die Beschwerdepunkte gegen Zürich bündle, um es anschließend den eidgenössischen Orten zu ihrer Kenntnisnahme zukommen zu lassen. Außerdem sollte mit Freiburg, Solothurn, Appenzell und dem Abt von St. Gallen über diese Angelegenheit beratschlagt werden.196 Dies geschah auf einer Konferenz im Mai desselben Jahres. Wegen der Klagen der fünf katholischen Orte gegen Zürich wurde hier die Bitte geäußert, kraft ihres Bündnisses und ihrer Mitburger- und Brüderschaft, besonders für die Erhaltung der katholischen Religion zu einander zu halten, damit man in dieser

195 Und dies, obwohl „die vorgebrachten Argumente eine Widerlegung erfordert hätten“, vgl. EA 5/1, 1, Konferenz der sieben katholischen Orte samt Appenzell, Inner-­Rhoden und Abt von St. Gallen, Luzern, 13. September 1606, 794. 196 EA 5/1, 1, Konferenz der fünf katholischen Orte, Luzern 10.–12. April, 865.

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allen gemeinsamen Sache auf Tagen, aber wo sonst darüber verhandelt wird, mit einstimmigen Instructionen verfaßt sei.197

Die fünf regierenden katholischen Orte suchten in der dreizehnörtigen Eidgenossenschaft nach Verbündeten, die ihnen bei den politischen Auseinandersetzungen mit Zürich den Rücken stärkten. Waren die katholischen Orte in Einzelfällen bereit, Zürich nachzugeben – man denke nur an den Taufstein für die Zurzacher Gemeinde –, so sollte dem mitregierenden Stand Zürich sehr viel grundsätzlicher kommuniziert werden, dass sie an der Wahrung und Durchsetzung spezifisch katholischer Herrschaftsinteressen in den Gemeinen Herrschaften festhielten. Die Nichtachtung der Mehrheitsbeschlüsse und der gemeinsamen Regierungsform durch die politischen Alleingänge Zürichs waren ehrschädigend, wie wir gesehen haben. Auf diesem katholischen Tag wurde ein Schreiben an Zürich aufgesetzt, das die Beschwerdepunkte auflistete und die Bitte formulierte, der reformierte Ort möge seine Gesandten für die kommende Tagsatzung in Baden mit Vollmachten ausstatten und sie in die Lage versetzen, zu diesen Punkten Position zu beziehen – erst dann waren die Tagsatzungsgesandten auch tatsächlich beschlussfähig.198 Die evangelischen Orte waren nicht untätig; auf Initiative Zürichs – der reformierte Ort hatte den Tag ausgeschrieben – trafen sich angesichts der Grundsätzlichkeit dieser politischen Debatte die evangelischen Orte im Juni 1608 zu Beratungen in der Limmatstadt. Die Konferenz der reformierten Orte verfolgte das gleiche Ziel wie zuvor die Zusammenkunft der katholischen Orte: eine innerkonfessionelle Meinungsbildung über die jüngsten Vorgänge, um auf dem gemeineidgenössischen Tag in Baden eine gemeinsame Position zu vertreten. Zunächst informierte Zürich die anderen Orte über die Beschwerdepunkte der katholischen Stände.199 In der Sache wollte Zürich hart bleiben, denn die Limmatstadt befürchtete, die katholischen Orte würden ihre zahlenmäßige Überlegenheit dazu nutzen, die religiösen Bedürfnisse der evangelischen Untertanen in den Gemeinen Herrschaften zu ignorieren. Wie bereits aus der Diskussion um das Mehrheitsprinzip deutlich wurde, verfuhr

197 EA 5/1, 1, Konferenz der sieben katholischen Orte samt Appenzell, Innerrhoden und dem Abt von St. Gallen, Luzern, 6.–9. Mai 1608, 867. 198 Der Schreibentwurf wird den anwesenden Orten mit in den Abschied gegeben, vgl. ebenda. 199 Da die Beschwerden vorwiegend die Gemeinen Herrschaften des Rheintals und des Thurgaus betreffen, wird auf sie hier nicht im Einzelnen eingegangen. Von Interesse ist jedoch das politische Verfahren.

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Zürich entlang der Differenzierung, dass dort, wo es „um die Religion und den Landfrieden“ gehe, Mehrheitsentscheidungen zu keiner Zeit der politischen Praxis entsprochen hätten; zudem bat Zürich die anwesenden evangelischen Orte um Unterstützung.200 Auf der gemeineidgenössischen Tagsatzung in Baden im Juni 1608 erfuhr die Auseinandersetzung zwischen Zürich und den fünf katholischen Orten ihre Fortsetzung.201 Es waren die Gesandten aus Zürich, die die Verhandlung eröffneten. Sie nahmen Bezug auf das umfangreiche Schreiben, in welchem die katholischen Orte ihre Beschwerdepunkte bezüglich der gemeinsamen Regierungstätigkeit in den Gemeinen Herrschaften formuliert hatten. Die Gesandten trugen vor, dass sie diese Angelegenheit schon für erledigt hielten, denn vier der insgesamt sechs Klagepunkte seien schon im Jahr 1605 beantwortet worden.202 Dennoch beantworteten sie alle Klagepunkte ausführlich; eine diplomatische, versöhnliche und Respekt erweisende Geste, die von den katholischen Gesandten auch als solche gewertet wurde.203 Inhaltlich war Zürich weiterhin zu keinen Konzessionen bereit – dies galt insbesondere bei der Frage, ob sie bei Händeln, die die Religion und den Landfrieden berührten, den katholischen Ständen ein Mitbestimmungsrecht zubilligten, wie es die gemeinsame Regierungsform der Gemeinen Herrschaft und der Zweite Landfrieden laut den katholischen Mitregenten vorsahen. Die religiösen Interessen der reformierten Untertanen hatten für Zürich eindeutig Priorität. Auf den Vorwurf, sie würden den evangelischen Untertanen in den Gemeinen Herrschaften zu viel Beistand gewähren, die sich dann in ihren „Turba­ tionen“ bestärkt fühlten – unter anderem titulierten die reformierten Untertanen die katholischen Orte als die „fünf Örtli“ –, entgegneten die reformierten Gesandten, dass sie ihren Untertanen in Religionssachen Schutz schuldig seien, in politischen Dingen maße sich Zürich allerdings kein Vorrecht an, auch wenn sie bei der Eroberung des Thurgaus so viel „Mannschaft gestellt“ hätten wie die übrigen Orte zusammen.204 Die Gesandten Zürichs schlossen ihren Kurzvortrag mit der Versicherung, Zürich sei gewillt, die „Bünde, Verträge und 200 EA 5/1, 1, Konferenz der evangelischen Orte, Zürich, 10. Juni 1608, 871. 201 Zuvor hatten sich die katholischen Orte erneut in dieser Angelegenheit beraten, vgl. EA 5/1,1, Konferenz der sieben katholischen Orte, Luzern, 16. Juni 1608, 872. 202 Damit verwiesen die Gesandten Zürichs auf den Vortrag in dieser Sache, der am 7. November 1605 gehalten wurde. 203 Im Namen der katholischen Stände antwortet Schultheiß Schürpf, man habe es gern vernommen, dass Zürich zu freundlicher Besprechung die Hand biete, vgl. EA 5/1, 1, Jahrrechnungstagsatzung der dreizehn Orte, Baden, 29. Juni 1608, 878. 204 EA 5/1, 1, Jahrrechnungs-­Tagsatzung der dreizehn Orte, Baden, 29. Juni 1608, 878.

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den Landfrieden unverbrüchlich zu halten, und bitte die katholischen Orte, das auch zu thun“.205 In seiner Replik ging der Gesandte der katholischen Orte – der Schultheiß Schürpf trug die Argumente vor – wiederum detailliert auf die einzelnen Antworten ein und bat die Gesandten Zürichs, die Antworten „in brüderlicher Meinung“ aufzunehmen. Auch er versicherte, dass sich die katholischen Orte an Verträge, Bünde und den Landfrieden halten würden. Anschließend formulierte der Gesandte aus Glarus das Anliegen seiner „Oberen“, er möge zwischen den katholischen und reformierten Orten vermitteln, „damit die katholischen und evangelischen Orte in guter Einigkeit und Liebe verbleiben, weßhalb er ganz freundlich und eidgenössisch bitte, es möchte jeder Theil den anderen so viel möglich nachgeben“.206Auf ihrer Tagsatzung im Oktober 1608 bemühten sich die katholischen Orte dann tatsächlich, dem reformierten Ort zumindest in der Frage, wie er von den katholischen Orten tituliert werden solle – Zürich hatte sich gegen den Ausdruck „neugläubig“ gesträubt – entgegenzukommen; nach langen Beratungen einigten sich die Gesandten der katholischen Orte auf den Ausdruck „Protestanten“ bzw. „protestierende Religion“, wie er auch in Deutschland und Frankreich geläufig war.207 In der direkten Rede, wie etwa bei Treffen auf der Tagsatzung, sollten die Gesandten der reformierten Orte in Zukunft hingegen mit „Ihr“, „Eure Religion“ oder „Eure Religionsgenoßen“ angeredet werden.208 Damit war der eigentliche Konflikt nicht aus der Welt – die katholischen Orte formulierten daher auf einer weiteren Konferenz das Begehren, Zürich möge eine gemeineidgenössische Tagsatzung ausschreiben, einen Tag, den Zürich angesetzt, dann aber wieder „abgeschrieben“ hatte.209 In der strittigen Frage der Mehrheitsbeschlüsse wurde erst im sogenannten Badener Vertrag von 1632 anlässlich der Matrimonial- und Kollaturrechte ein neuer Beschluss formuliert, der zunächst nur Geltung innerhalb der Gemeinen Herrschaften des Thurgaus und des Rheintals besaß.210 Zunächst hatte ein 205 Ebenda. 206 Ebenda, 879. 207 Einen Überblick über den langjährigen Streit, wie die Konfessionen sich gegenseitig anreden sollen, bei von Salis, Entwicklung, 1894, 27 – 28, Anm. 3. 208 In Abschieden und Akten, in denen man in der dritten Person spricht, sollen nur die Orte mit Namen, aber ohne Erwähnung der Religion angegeben werden, vgl. EA 5/1, 1, Konferenz der katholischen Orte, Luzern, 20.–24. Oktober 1608, 895. 209 Vgl. Konferenz der sieben katholischen Orte samt Appenzell, Innerrohden und dem Abt von St. Gallen, Luzern, 3.–6. Februar 1609, 907. 210 Dieser sogenannte Kollatur- und Matrimonialstreit dauerte von 1627 bis 1632, vgl. EA 5/2, 2, 1541 – 1543, 7. September 1632, wo der Text des Vertrags abgedruckt ist. Wie Randolph C. Head zu recht anmahnte: „The affair has not been studied systematically“, vgl.

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Abgeordneter des Bischofs von Konstanz 1630 verlangt, dass die Matrimonialund Ehesachen im Thurgau und im Rheintal ohne Unterschied der Religion an den Bischof verwiesen und vom bischöflichen Chorgericht in Konstanz gerichtet werden sollten, und der Abt von St. Gallen machte entgegen bisherigem Brauch den Anspruch geltend, als Kollator und Lehnsherr in einigen Höfen im oberen Rheinthal auch reformierte Prediger nach seinem Belieben einsetzen zu können. Diese selbstbewussten Forderungen bringt von Salis mit dem kurz zuvor erlassenen kaiserlichen Restitutionsedikt (6. März 1629) in Zusammenhang, durch das die Position der katholischen Partei im Reich gestärkt worden sei.211 In der Alten Eidgenossenschaft wurde das Begehren der geistlichen Autoritäten von den fünf katholischen Orte unterstützt, während Zürich und Evangelisch Glarus heftig dagegen protestierten – nicht nur gegen diese Ansprüche, sondern wiederum grundsätzlich gegen das Mehr in Angelegenheiten, die die Religion und den Landfrieden betrafen.212 Wegen der angespannten politischen Situation im Heiligen römischen Reich deutscher Nation und den befürchteten Auswirkungen für die Eidgenossenschaft – Gustav Adolf näherte sich der Schweizer Grenze – verfolgten die katholischen Orte in diesen Jahren eine Politik der Entspannung und Friedenssicherung. Die Religionsstreitigkeiten wurden im Badener Schiedsspruch zunächst beigelegt, indem die Ansprüche des Bischofs von Konstanz und des Fürstabtes von St. Gallen abgewiesen wurden (reformierte Eheleute sollten sich an das Zürcher Stillstandgericht wenden) und die Zürcher Forderung nicht im vollen Umfang ihren Niederschlag fand. Bei Händeln („Irrung und Gespän“), die durch den Landfrieden nicht hinreichend erläutert seien, schrieb der Badener Vertrag vor, „soll kein Urteil im selbigem gefelt, sonder solche Spännigkeiten halber ein fründtlicher Vergleich getroffen werde“.213 Des Weiteren wurde hier der Zusatz formuliert, dass Streitigkeiten unter den regierenden Orten über evangelische Religionssachen mit Bezug auf die Gemeinen Herrschaften nicht durch Mehrheitsbeschluss der regierenden Orte, sondern durch einen Vergleich der Parteien oder, falls dieser nicht zustande komme, durch gleiche Sätze und Richter aus beiden Konfessionen geschlichtet werden sollten: ders., Thurgau, in: Ocker/Printy/Starenko/Wallace (Hg.), Politics, 2007, 239 – 258, hier 240. Die Kommunikationszusammenhänge und das Zustandekommen des Badener Vertrags von 1632 verlangen geradezu nach einer detaillierten Studie. Bis dahin verweise ich auf Gallati, Politik, in: JSG 43/44, 1918/1919, Teil 1, 54 – 72, 100 – 110 und auf Domeisen, Bürgermeister, 1975, 45 – 48. 211 Vgl. von Salis, Entwicklung, 1894, 41. 212 Ebenda, 42. 213 EA 5/2, 1541 – 1543, Art. 218 sowie von Salis, Entwicklung, 1894, 44.

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Und im Fall freündtlicher Verglich anfäncklich nit statt haben mag, sollend und mögend sie demnach von und uss ihnen selbsten vermög oder Pündten und Landtsfridens oder unparteyschen Orten von beiden Religionen gleiche Sätz und Richter nach altem Gebrauch und geübtem Harkommen erkiesen, sie güetlich ald rechtlich in entstandenen Gespänen zu entscheiden.214

Damit war das Mehrheitsprinzip nicht prinzipiell aufgehoben, sondern nur modifiziert, da die Schiedsleute erkannten: Ein „Mehr soll ein Mehr sein und bleiben, wie von unsern Altvordern herkommen“.215 Eine ausdrückliche Bestätigung erfuhr dieser Rechtszustand durch den Dritten Landfrieden vom März 1656 auch für die Grafschaft Baden, in dem betont wurde: In den Gemeinen Herrschaften aber, darauff sich der Landsfrid erstreckht, Jeder bei der freyen Uebung seiner Religion und was deren notwhendig anhanget, laut Landfridens und Anno Sechszehn Hundert dreyßig zwey auffgerichten Vertrags, ohnangefochten gelaßen.216

Der Gesetzestext blieb durch den Zusatz „und was dero anhanget“ weiterhin für unterschiedliche Auslegungen offen. Nun wurde das Schiedsverfahren, also eine gütliche Einigung außerhalb der Tagsatzung mit Richtern beider Konfessionen als Konfliktlösungsform ins Gespräch gebracht; eine Verfahrensweise, die in der politischen Praxis bei Konfessionskonflikten, die aus der Grafschaft Baden stammten, allerdings kaum zur Anwendung kam. Zudem wurden durch den Dritten Landfrieden keineswegs klarere und paritätische Rechtsverhältnisse geschaffen, denn das Mehrheitsprinzip bei konfessionellen Angelegenheiten blieb in der politischen Praxis auch weiterhin ein verbindlicher rhetorischer Referenzpunkt für katholische Eidgenossen. 217 Erst der Vierte Landfrieden von 1712 führte den Grundsatz der Parität in die Gemeinen 214 EA 5/2, 1541 – 1543, Art. 218 sowie von Salis, Entwicklung, 1894, 44. 215 Zit. nach: Elsener, Majoritätsprinzip, in: ZRG KA 55, 1969, 238 – 281, hier 263 sowie Peyer, Verfassungsgeschichte, 1978, 97. 216 Der Dritte Landfriede von 1656 ist abgedruckt in: EA 6/1, 1633 – 1637, Zitat 1635; siehe ebenfalls von Salis, Entwicklung, 1894, 45 sowie Elsener, Majoritätsprinzip, in: ZRG KA 55, 1969, 238 – 281, hier 263 – 266. 217 Hans Conrad Peyer betont, dass der Dritte Landfrieden das schon 1632 „ausgebaute Schiedsverfahren gegenüber den Mehrheitsbeschlüssen noch mehr“ bevorzugt, da allein die Frage, „was eine Religionssache sei und was nicht, […] nicht mehr von der Tagsatzung mit Mehrheit, sondern von einem eidgenössischen Schiedsgericht entschieden“ werde. „Offensichtlich hatte sich die schon 1632 deutlich werdende Tendenz der Reformierten durchgesetzt, alle Meinungsverschiedenheiten als Religionssachen

Die Gemeine Herrschaft der Eidgenossen

Herrschaften ein und entzog der Tagsatzung das Mehr in Angelegenheiten, die die hohen Regalien, die Landes- und Kriegsordnung und die Religionssachen berührten.218 Für die reformierten Regenten der Grafschaft Baden war die Tagsatzung damit eine Institution mit zwiespältigem Charakter: Sie diente zwar einerseits der Verrechtlichung konfessioneller Streitfälle und trug damit zur Verhandelbarkeit von Konflikten bei, anderseits war der eidgenössische Gesandtenkongress ein Gremiun, auf dem die katholischen Regenten eine Konfliktlösung über Mehrheitsvoten durchzusetzten versuchten. Bei konfessionellen Streitfällen aus der Grafschaft Baden war daher die Nutzung der Tagsatzung durch die reformierten Eidgenossen von strategischem Kalkül gelenkt.

2.3 Die Gemeine Herrschaft der Eidgenossen: Die Grafschaft Baden Nähern wir uns nun dem Untersuchungsraum dieser Arbeit, für den die bislang diskutierten Landfriedensverträge und der Mehrheitsgrundsatz in der politischen Praxis von grundlegender Relevanz waren: der Grafschaft Baden. Die Grafschaft Baden als eine Gemeine Herrschaft war keineswegs ein gewolltes politisches Gebilde; viel eher lässt sie sich als ein politisches Konstrukt bezeichnen, welches den Bedingungen und den Modalitäten der Eroberung geschuldet war. Die gemeinsame Regierungsform etablierte sich, als die eidgenössischen Orte 1415 im Namen des Reichs die habsburgischen Gebiete im österreichischen Aargau eroberten.219 „Bern und seine Verbündeten hatten den westlichen Teil des Aargaus eingenommen, Zürich den äussersten Osten und Luzern den Süden. Das ,Kernland‘ eroberten die Zürcher, die Luzerner und inneren Orte gemein­sam“.220 Zunächst war nicht geklärt, in welcher Weise das zu bezeichnen und damit dem Mehrheitsentscheid zu entziehen“. Peyer, Verfassungsgeschichte, 1978, 99. 218 Grundlegend zur Begriffsgeschichte der Parität Heckel, Parität, in: ZRG 80, 1963, 261 – 420. 219 Zur Ereignisgeschichte vgl. Frey, Eroberung, 1870, 217 – 289; Merz, Aargau, 1915, 280 – 284 (dort auch ältere Literaturangaben); Seiler/Steigmeier, Geschichte, 1991, 35 – 37 (mit anschaulichem Kartenmaterial); Stettler, Eidgenossenschaft, 2004, 128 – 137 und Brun, Schrift, 2006, 31 – 51. Zur reichsrechtlichen Begründung der kriegsführenden Orte vgl. Schuler-­Adler, Reichsprivilegien, 1985, 25 – 29. Zur Entstehung des Herrschaftskon­ strukts „Gemeine Herrschaft“ siehe vergleichend Siegrist, Eroberung, in: Festschrift, 1968, 246 – 267 sowie ders., Entstehung, in: Unsere Heimat 51, 1979, 26 – 33. 220 Brun, Schrift, 2006, 40 – 41.

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neue Herrschaftsgebiet verwaltet werden solle.221 Zürich stellte am 20. Juni 1415 den Antrag, was man „in disem krieg, als wir unseren herren dem küng hilflich gewesen syen wider den fürsten von Österrich“ erobert habe, „das man das alles liesse gemeinen eydgnossen zu gehören, umb das wir alle und gemein land dester bas bi friden und gnaden beliben mügen“.222 Noch vor der eigent­ lichen Eroberung des Aargaus befürworteten die Länderorte eine gemeinsame Verwaltung des Gebiets, während die Städte schon zu diesem Zeitpunkt den Grundsatz favorisierten, „daß jedes Ort zu alleinigen Besitze behalten dürfe, was es allein und ohne Mithilfe der übrigen erobere. Was gemeinsam erobert würde, sollte auch unter gemeinsamen Besitz fallen“.223 Auch in der Praxis verfuhren Bern, Luzern und dann auch Zürich nach dem Grundsatz, dass sie allein regieren wollten, was sie allein erobert hatten.224 Das Prinzip der Gemeinen Herrschaft kam im Aargau daher nur in einem Kerngebiet zur Anwendung, nämlich in der Grafschaft Baden sowie in den Freien Ämtern. Die restlichen eroberten Gebiete verleibten Bern, Luzern und Zürich ihren jeweiligen Herrschaftsgebieten ein. Der Gewinner war freilich Bern, da sich der Stadtstaat den weitaus größten Teil des Aargaus sichern konnte.225 Am 22. Juli 1415 übernahm Zürich die rechtliche Sicherung der gemeinsamen Eroberungen, indem es sich die Gebiete für 4500 Gulden von König Sigismund verpfänden ließ.226 Da die Zürcher dem habsburgischen Herrschaftsbereich näher standen als die anderen Eidgenossen – so sieht es Bernhard Stettler –, nahmen sie am 18. Dezember 1415 sicherheitshalber die Orte Bern, Luzern, Schwyz, Unterwalden, Zug und Glarus in die Pfandschaft mit auf; Uri trat

221 Dabei war die Eroberung ein Auftrag des Königs, der im Namen des Reiches geschah. Zu den rechtlichen Implikationen dieses Eroberungszugs vgl. Schuler-­Adler, Reichsprivilegien, 1985, 56 – 74. 222 Zit. in: Stettler, Eidgenossenschaft, 2004, 134 sowie bei Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 207 (Erster Teil). 223 Diese Absprache, die der Zürcher Rat dem ersten Landvogt der Grafschaft, Peter Oeri, vermittelte, ist nur aus einer Rechtsschrift von 1425 bekannt, vgl. Schuler-­Adler, Reichs­ privilegien, 1985, 56, Anm. 1 und Siegrist, Eroberung, in: Festschrift, 1968, 246 – 267, hier 254 – 258. 224 Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 207 (Erster Teil) sowie Frey, Eroberung, 1870, 233. 225 Sablonier, Eidgenossenschaft, in: Wiget (Hg.), Entstehung, 1999, 9 – 42, hier 15. 226 Allerdings musste Zürich jeder Zeit den römischen Königen die Wiederlösung gestatten: „doch sollte sie nur mit gutem Willen der Zürcher geschehen“, Frey, Eroberung, 1870, 274. Zu den Auswirkungen der Verpfändung für die betroffenen Städte vgl. Schuler-­ Adler, Reichsprivilegien, 1985, 82 – 95.

Die Gemeine Herrschaft der Eidgenossen

erst 1443 ein.227 Als wesentliches Regierungsprinzip wurde im Pfandvertrag vom 18. Dezember 1415 der Grundsatz festgelegt, dass der mindere Teil dem mehren zu folgen habe; ein Prinzip, das fortan in allen gemeineidgenössischen Vogteien Geltung besitzen sollte, in der politischen Praxis jedoch umstritten war, wie der vorherige Abschnitt gezeigt hat.228 Damit kam der Grafschaft Baden als einer der ältesten und bleibenden Gemeinen Herrschaften Modellcharakter für weitere gemeineidgenössische Besitzungen in der Ost- (Thurgau, Sargans, Rheintal) und der Südschweiz (Ennetbirgische Vogteien) zu.229 Das Territorium der Grafschaft Baden umfasste die ehemaligen habsburgischen Ämter Baden und Siggenthal, die bischöflich-­ konstanzischen Amtsbezirke Kaiserstuhl, Zurzach und Klingnau und das westlich der Aare gelegene Kirchspiel Leuggern. Die politische und militärische Bedeutung der Grafschaft Baden und des angrenzenden Freiamts resultierte aus der geographischen Lage: Wie ein langer, schmaler Landstreifen lag das Gebiet zwischen den reformierten Stadtstaaten Bern und Zürich. Als die Eidgenossen auf Kosten der Niedergerichtsherren – hier ist insbesondere der Bischof von Konstanz zu nennen – die eidgenössische Landeshoheit intensivierten und aus der Herrschaft Baden einen geschlossenen Verwaltungsbezirk machten, setzte sich Mitte des 15. Jahrhunderts die Bezeichnung „Grafschaft Baden“ für das Territorium durch – bis dato war von der „Herrschaft Baden“ die Rede gewesen.230 Im Unterschied zu dem Begriff der „gemeinen Vogtei“ umfasste der Ausdruck Gemeine Herrschaft auch unbevogtete Gebiete, wie Rapperswil, und solche Orte, an denen der Landvogt keine

227 Stettler, Eidgenossenschaft, 2004, 134 sowie Mittler, Geschichte, Bd. 1, 1962, 70 – 73. Das Recht, die anderen Orte mit in die Pfandschaft aufzunehmen, erhielt Zürich beim Eintritt in die Pfandschaft, vgl. Frey, Eroberung, 1870, 274. Schuler-­Adler stellt die These auf, dass der Anspruch der Eidgenossen auf die Eroberung des Aargaus im Zuge der Versöhnung zwischen König Sigismund und Herzog Friedrich IV. 1425 erloschen sei, vgl. Schuler-­Adler, Reichsprivilegien, 1985, 139 und 137. Eine andere Einschätzung vertritt Brun, Schrift, 2006, 50. 228 „[…] und haben uns mit einander des geeinbert also, […] das da der minder teil dem meren teil volgen sol ane all widerred“, vgl. EA 1, Nr. 49, 352. Neben der Landvogtei Baden verwalteten die acht bzw. sieben älteren Orte zudem die Freien Ämter, den Thurgau, das Rheintal, Sargans, Lugano, Mendrisio, Locarno und das Maggiatal seit dem Spätmittelalter gemeinsam, vgl. Im Hof, Ancien Régime, in: Handbuch, Bd. 2, 1977, 673 – 784, hier 753. 2 29 Diese Feststellung gilt ebenfalls für das gemeineidgenössische Untertanenland der Freien Ämter, vgl. Dubler, Ämter, in: Argovia 110, 2007, 8 – 57. 230 Von der Grafschaft Baden ist erstmals im Bündnis der Stadt Zürich mit dem König Friedrich III. 1442 die Rede, vgl. Mittler, Geschichte, Bd. 1, 1962, 74.

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Marco Zanoli, 2009

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Karte der Grafschaft Baden in der Frühen Neuzeit; Quelle: Marco Zanoli.

Die Gemeine Herrschaft der Eidgenossen

Herrschaftskompetenzen besaß, wie Baden, Frauenfeld, Bremgarten und Mellingen. Die Städte Baden, Bremgarten und Mellingen hatten insofern einen Sonderstatus in der rechtlichen Topographie der Grafschaft Baden inne, da sie über eigene Gerichte und Selbstverwaltung verfügten.231 Zunächst tauchte der Begriff Gemeine Herrschaft in den Jahren 1527 bis 1529 auf, als Zürich mit der Unterstützung Berns den reformierten Glaubensgenossen „in den gemeinen herschaften und vogteien, da si nit minder teil dann ein ander Ort habent“, seinen tätlichen Schutz gegen jede Verfolgung zusicherte und ihre Glaubensfreiheit garantierte.232 2.3.1 Verwaltung und Amtmänner Formal hatten alle eidgenössischen Städte- und Länderorte die gleichen Rechte an der Grafschaft Baden. In der politischen Praxis zeigte sich jedoch, dass die wirtschaftlich mächtigen und politisch einflussreicheren reformierten und katholischen Städteorte der Eidgenossenschaft – hier sind vorwiegend Zürich und Luzern zu nennen – das politische Geschehen in der Grafschaft Baden dominierten. Mit einer Ausnahme: Dem Rotationsprinzip, nach dem im Turnus von zwei Jahren ein Landvogt in die Grafschaft Baden entsandt wurde, mussten sich auch der mächtige reformierte Stadtstaat Zürich und der katholische Städteort Luzern beugen. Für die reformierten regierenden Orte brachte die konfessionelle Spaltung der Eidgenossenschaft zum bestehenden Mehrheitsgrundsatz demnach eine weitere strukturelle Benachteiligung: Aufgrund der Mehrheit der katholischen Städte amteten katholische Landvögte für zehn Jahre in der Grafschaft Baden, während die reformierten Landvögte dieses Amt lediglich sechs Jahre bekleideten. Bis zum Zweiten Villmergerkrieg 1712 war die Reihenfolge unverändert. Nach Zürich, das den ersten Landvogt stellte, entsandten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, Glarus und Bern ihren konfessionellen Repräsentanten.233 Bei vogteilichen Geschäften, die dem Mehrheitsprinzip unterlagen, 231 Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 205 (Erster Teil). König Sigismund hatte 1415 den Städten Baden, Mellingen und Sursee ihre Freiheiten bestätigt, diejenigen der Stadt Aarau wurde auch in den folgenden Jahren wiederholt bestätigt und teilweise erweitert, wie etwa 1417, vgl. Welti/Merz (Hg.), Rechtsquellen (erster Teil), 1899 u. a., 72 – 74. Vgl. ebenfalls die Bemerkungen von Welti, Urbar, in: Argovia 3, 1861/63, 160 – 268, bes. 247 ff. 232 Einen Überblick über die Entwicklung des Begriffs bei Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 206, Anm. 1 (Erster Teil). 233 Der erste Landvogt hieß Peter Oeri, vgl. Mittler, Geschichte, Bd. 1, 1962, 73. Die Namen der weiteren Landvögte nennt zusammen mit dem Herkunftsort die Ältere Sammlung der eidgenössischen Abschiede. Für die Jahre 1555 – 1585 vgl. EA, 4/2, 2, 1087 – 1088, für die Zeitspanne 1585 – 1627 vgl. EA 5/1, 2, 181 – 182, für die Jahre 1618 – 1648 vgl. EA 5/2, 3, für

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kam bei Stimmgleichheit dem Landvogt der Stichentscheid zu.234 Bis 1712 hatte er zudem die Kompetenz, alle von der Tagsatzung ausgehenden Schreiben zu siegeln und – nachdem die Gesandten aufgrund ihrer Instruktionen Bericht erstattet hatten – die Umfrage zu eröffnen.235 Damit ist ein wesentliches Prinzip von Herrschaft in den Gemeinen Herrschaften benannt. Das gemeinsame Regierungshandeln funktionierte nicht als direktes Amtshandeln, sondern Herrschaft wurde an einen Repräsentanten der regierenden eidgenössischen Orte in Baden delegiert und durch die Gesandten der regierenden Orte auf den Tagsatzungen ausgeübt.236 Durch diese Verwaltungspraxis (Rotationsprinzip) wurde, wie André Holenstein formulierte, „distributive Gerechtigkeit“ nach „korporativem Selbstverständnis“ gesichert.237 Der Repräsentant der eidgenössischen Obrigkeit in der gemeinen Vogtei war der schon erwähnte Landvogt als höchster landesobrigkeitlicher Herrschaftsträger. Die Landvögte entstammten der Führungsschicht der regierenden Orte.238 Einerseits repräsentierte er als Einzelner die Vielfalt der landesherrlichen Obrigkeit; andererseits war der Landvogt Befehlsempfänger und empfing die Befehle und Weisungen der regierenden Orte. In der politischen Sprache der Alten Eidgenossenschaft wurde der Landvogt daher als „Diener und Amptsmann“ tituliert; eine Bezeichnung die darauf verweist, dass der Landvogt bildlich gesprochen zwischen zwei Stühlen saß.239 Diese strukturell ambivalente politische Position der Landvögte als Teilhaber an der Landesobrigkeit und als Empfänger eidgenössischer Weisungen war immer dann besonders folgenreich, wenn es zu Konflikten mit den regierenden Orten kam. Auf den Badener Jahrrechnungen wurde die Verwaltungstätigkeit der Landvögte und ihrer Beamter daher durch die Gesandten der eidgenössischen Orte geprüft. Zudem waren deren Herrschaftsrechte stark eingeschränkt, da bei Angelegenheiten, die den Landfrieden betrafen, allein die eidgenössischen Regenten des Territoriums zuständig waren. Wenn frühneuzeitliche Territorialherren, wie die jüngere Verwaltungsgeschichte betont, vor allem „Vermittler von Herrschaft waren, die sich auf die Jahre 1649 – 1680 vgl. EA 6/1, 3, 1287 – 1288, für die Jahre 1681 – 1712 vgl. EA 6/2, 3, 1917. 234 Kreis, Grafschaft, 1909, 12 sowie Mittler, Geschichte, Bd. 1, 1962, 279. 235 Bütikofer, Konfliktregulierung, in: Parliaments, Estates and Representation 11, 1991, 103 – 115, hier 107. 236 Einen Überblick über die Begriffsgeschichte von Repräsentation leistet Hofmann, Repräsentation, 1974, hier 191. 237 Holenstein, Herrschaft, in: Gschwend/Suter (Hg.), Konflikt, 2012, 9 – 31, hier 20. 238 Eine prosopographische Untersuchung, die das Sozialprofil der Landvögte und der weiteren Amtsträger der Grafschaft Baden bestimmt, stellt ein wichtiges Forschungsdesiderat dar. 239 StABE A III 38, fol. 207.

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unübersichtlichen Handlungsfeldern vorsichtig zu bewegen und umsichtig zu behaupten hatten“,240 dann trifft diese Feststellung in erhöhtem Maße auf die Landvögte in Baden zu. Das Spezifische ihres Herrschaftsprofils bestand nicht allein darin, dass sie wie andere lokale Amtsträger in Territorien der Frühen Neuzeit unterschiedliche Ansprüche und „divergierende Interessen auszutarieren“ hatten.241 Die Badener Landvögte hatten zudem eidgenössische Regenten mit unterschiedlicher konfessioneller Zugehörigkeit zu repräsentieren, die vielfach widersprüchliche Befehle kommunizierten.242 Davon waren nicht nur die lokale Rechtsprechung und Verwaltungstätigkeit der Landvögte betroffen, sondern auch die Staatsbildungsprozesse, die in diesem Territorium von den eidgenössischen Regenten betrieben wurden und die zudem unter nichtparitätischen Rechtsverhältnissen stattfanden, wie weiter unten dargestellt wird. Die Landvögte amtierten als eidgenössische Beamte in der Niederen Feste in Baden, später Landvogteischloss genannt. Die Verwaltungstätigkeit und lokale Rechtsprechung des Landvogts umfasste die Verwaltung der obrigkeitlichen Einkünfte und Rechte, das Steuer- und Finanzwesen und die Militärhoheit. Zudem war der Landvogt oberster Richter der Grafschaft Baden; er übte die Malefiz- und die niedere Kriminalgerichtsbarkeit sowie die Zivilgerichtsbarkeit in höherer Instanz aus, allerdings nicht im gesamten Territorium.243 Die Urteile des Landvogts konnten nur von den eidgenössischen Gesandten auf der Tagsatzung revidiert werden, denn diese Institution fungierte für die Bewohner der Gemeinen Herrschaften als Instanz für Appellationen und Bittschriften.244 Der Landvogt war zudem Richter bei Appellationen in Zivilstreitigkeiten, die entweder direkt von den niederen Gerichten der Grafschaft (etwa den Dorfgerichten) an den Landvogt weiter verwiesen wurden oder zuvor von einem Grundherrn verhandelt worden waren. Damit urteilte der Landvogt über Streitigkeiten 2 40 Brakensiek, Amtsträger, in: Asch/Freist (Hg.), Staatsbildung, 2005, 49 – 67, hier 50. 241 Ebenda. 242 Dies in Abgrenzung zu Head, Lordship, in: CEH 30, 1997, 489 – 512, hier 500, der konstatiert, dass die Landvögte in „their daily excercise of power, on the whole, […] did not differ materially from their counterparts all over the southern Holy Roman Empire of the period“. 243 Abgesehen von der Stadt Baden übte der Landvogt die hohe Gerichtsbarkeit im gesamten Verwaltungsgebiet aus. Nur in vereinzelten Dörfern besaß er die niedere bzw. die hohe und die niedere Gerichtsbarkeit zusammen. In den Dörfern Ober-­Rohrdorf, Künten, Birmenstorf, Gebenstorf, Hüttlikon, Ehrendingn und Würenlingen besaßen die regierenden Orte die hohe und niedere Gerichtsbarkeit, vgl. Höchle, Geschichte, 1907, 16. 2 44 Bütikofer, Funktion, in: ZHF 13, 1986, 15 – 41, hier 26 sowie Würgler, Tagsatzung, in: Blickle (Hg.), Landschaften, 2000, 99 – 117, hier 115.

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zwischen den Dorfgemeinden, den Gerichtsherren und einzelnen Dorfgemeinden sowie zwischen den Dorfgemeinden und Privatpersonen.245 Beim Landgericht – auch Malefizgericht genannt – leitete er die Verhandlungen und ernannte die 24 Mitglieder des richterlichen Gremiums. Das Landgericht setzte sich aus acht Untervögten und weiteren sechzehn Landrichtern aus den Ämtern Weiningen, Klingnau, Kaiserstuhl und Zurzach zusammen.246 Nach der Reformation wurde es zu gleichen Teilen aus Männern beider Konfessionen berufen. Bei Konflikten, die im Gericht endeten, versuchte der Landvogt vor allem zu schlichten und nicht streng zu richten – ein Vorgehen, dass Randolph C. Head zufolge bei den komplexen legalen und jurisdiktionalen Verhältnissen für alle Beteiligten am profitabelsten war.247 Im Namen des Landvogts wurde ein Großteil der Mandate für die Grafschaft publiziert,248 im Namen der regierenden Stände nahm er die Huldigungen der Untertanen entgegen.249 Der Huldigungseid, den die Untertanen dem Landvogt von Baden zu leisten hatten, war ein wesentliches Instrument, um Einheitlichkeit in dem rechtlich und räumlich stark zergliederten Territorium zu schaffen.250 Klagen über die Versäumnisse beim Ablegen des Eids wurden auf den gesamteidgenössischen Tagsatzungen verhandelt.251 Nach dem Badener Landvogt war der Landschreiber der ranghöchste Beamte der Grafschaft. Über seinen Aufgabenbereich vor 1712 ist nur wenig bekannt.252 Vor wie nach 1712 scheint er der Kanzlei vorgestanden zu haben; gleichzeitig stand er dem Landvogt zur Seite und übernahm beratende Funktionen, wie dies auch der Untervogt tat. Der Landschreiber – ihn unterstützte ein Unterschreiber – führte den Schriftverkehr in der Grafschaft Baden. Bis 1712 war er in der Regel ein katholischer Bürger, der von der Mehrheit der regierenden Orte bestellt wurde; er amtierte für zehn Jahre.253 Die Untervogtstelle wurde im 18. Jahrhundert für jeweils zwölf Jahre besetzt. Zusammen mit dem Landschreiber fungierte der Untervogt als Berater des Landvogts und in dessen Abwesenheit als sein Stellvertreter.254 Er wohnte den 245 Kreis, Grafschaft, 1909, 11. 246 Höchle, Geschichte, 1907, 16 sowie Brüschweiler u. a., Geschichte, 1978, 94. 247 Head, Lordship, in: CEH 30, 1997, 489 – 512, hier 495. 248 Vgl. den Bestand der Mandate im Stadtarchiv Baden A 12 (16 – 22). 249 Kreis, Grafschaft, 1909, 11. 250 Meyer, Durchsetzung, in: Festgabe, 1944, 139 – 169. 251 1595 wurde beklagt, dass Kaiserstuhl, Zurzach und Klingnau dem Landvogt von Baden schon lange nicht mehr geschworen hätten, „und zwar aus Vergesslichkeit oder Nachlässigkeit der Vögte und Amtleute“, vgl. EA 5/1, 2, 1448. 252 Für die Zeit nach dem Zweiten Villmergerkrieg vgl. Kreis, Grafschaft, 1909, 18 – 20. 253 Dies trifft für die Zeit nach 1712 zu, vgl. Kreis, Grafschaft, 1909, 18. 254 Mittler, Geschichte, Bd. 1, 1962, 74 sowie Kreis, Grafschaft, 1909, 21.

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Standesgeschäften, Appellationen und Rechnungsablagen bei.255 Landvogt, Landschreiber und Untervogt bildeten zusammen das Landesvogteiamt.256 Da der Untervogt – ein Stadtbürger der katholischen Kleinstadt Baden – wie der Landschreiber und zeitweise auch der Landvogt katholisch war, setzte sich die oberste Grafschaftsverwaltung aus mehrheitlich katholischen Herrschaftsträgern zusammen.257 Erst ab 1713 wurde diese Stelle (ebenso wie das Amt des Statthalters) abwechselnd mit katholischen und reformierten Männern besetzt.258 Die Amtsuntervögte – in der Frühen Neuzeit wurden sie von dem Landvogt aus einem Dreiervorschlag der Gemeinden ernannt 259 – standen den acht inneren 260 und drei äußeren Ämtern vor, die der Grafschaft Baden ihre politische Gestalt gaben.261 Die drei äußeren Ämter Klingnau, Zurzach (Flecken) und Kaiserstuhl wurden auch als die bischöflich-­konstanzischen Ämter bezeichnet. Äußerlich waren die Amtsuntervögte durch ihre Kleidung als obrigkeitliche Funktionsträger leicht zu erkennen.262 In den Dörfern, in denen die Nieder­ gerichtsbarkeit beim Landvogt als einem Repräsentanten der regierenden Orten lag, leiteten sie die Gerichtsverhandlungen; hatte ein anderer Gerichtsherr die Niedere Gerichtsbarkeit inne – etwa der Abt des Klosters Wettingen –, so übernahm diese Funktion ein vom Konventsoberen ernannter Ammann. 2.3.2 Gerichtsherrschaften Am Wesen der Gerichtsherrschaft hatte sich durch die Eroberung der Eidgenossen im Jahr 1415 grundsätzlich nichts verändert.263 „An die Stelle der habsburgisch-­österreichischen Landgrafen traten nun die jeweiligen Landvögte 255 Witschi, Ortsgeschichte, 1984, 137. 256 Kreis, Grafschaft, 1909, 11. 257 Landschreiber und Untervogt rekrutierten sich vorwiegend aus den Familien Bueler und Schnorff, vgl. Head, Lordship, in: CEH 30, 1997, 489 – 512, hier 508, Anm. 72. 258 Sennhauser, Pfarreien, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 223 – 234, hier 231. 259 Wernli, Beiträge, 1948, 153 und für das 18. Jahrhundert Kreis, Grafschaft, 1909, 25 – 26. 260 Rohrdorf, Birmenstorf, Gebenstorf, Dietikon, Wettingen, Siggenthal, Ehrendingen und Leuggern, vgl. Höchle, Geschichte, 1907 sowie Kreis, Grafschaft, 1909, 25. 261 Die Ämter konnten durchaus auch mehre Dörfer umfassen. Schlieren, Spreitenbach und Dietikon etwa bildeten das Amt Dietikon, Wettingen, Würenlos, Hüttikon und Oetwil das Amt Wettingen, vgl. Wernli, Beiträge, 1948, 288. 262 Wernli, Beiträge, 1948, 288. 263 Hier ist nicht der Ort, die komplexen Herrschaftsverhältnisse der Grafschaft Baden vollständig darzustellen. Einen Überblick geben Meier/Sauerländer, Surbtal, 1995, 185 – 250. Instruktiv auch Witschi, Ortsgeschichte, 1984.

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der vorerst VII Orte (ohne Uri) und ab 1443 der VIII Alten Orte.“264 Durch den Landfrieden entstanden neue Herrschaftskompetenzen für die regierenden Orte und den Landvogt, die Herrschaftsstrukturen in der Gemeinen Herrschaft wurden jedoch nicht grundsätzlich neu geschaffen, sondern vielfach von den österreichischen Habsburgern übernommen.265 Unter den über dreißig Gerichtsherren, zu denen vorwiegend Klöster und Stifte zählten, war das Kloster Wettingen, die Johanniterkommende Leuggern im Amt Leuggern, das Kloster St. Blasien und das Fürstbistum von Konstanz am bedeutendsten.266 In der Grafschaft Baden bestanden damit unterschiedliche Herrschaftsrechte, die nicht nur die Abhängigkeitsverhältnisse prägten, sondern gleichzeitig auch den Gang der Kommunikation, denn die geistlichen Grund-, Gerichts- und Zinsherren waren zusätzlich zu den regierenden Orten und den weltlichen Herrschaftsträgern wichtige Kommunikationspartner bei konfessionellen Streitigkeiten. Zu ihnen zählen der schon kurz erwähnte Abt des Klosters Wettingen, der Bischof von Konstanz und das Kloster Königsfelden. Der Prälat des Klosters Wettingen hatte in der Grafschaft Baden den größten Herrschaftsbereich inne. Im 15. Jahrhundert gelang der Abtei eine Konzentration verschiedenster Herrschaftskompetenzen – nicht nur stieg sie zum bedeutendsten lokalen Zehnt-, Leib- und Grundherren auf, sie verfügte zudem über Twinggewalt und seit 1421 über den Würenloser Kirchensatz.267 Diese Verdichtung der Herrschaftsrechte ermöglichte eine Intensivierung der Herrschaft: Durch die Konzentration des klösterlichen Grundbesitzes auf jene Dörfer, in denen die Abtei öffentlich-­rechtliche Befugnisse innehatte, gelang es ihr, eine territorial geschlossene, weltlich-­kirchliche Herrschaft aufzubauen.268 2 64 Brüschweiler u. a., Geschichte, 1978, 93. 265 Sablonier, Eidgenossenschaft, in: Wiget (Hg.), Entstehung, 1999, 9 – 42, hier 18. 266 Das Benediktinerkloster hatte in Tegerfelden, Endingen, Schneisingen und Kirchdorf die niedere Gerichtsbarkeit inne. In Ehrendingen war die Landvogtei Baden als Rechtsnachfolgerin der Habsburger Niedergerichtsherr, in Lengnau war es die Deutschordenskommende Beuggen, vgl. Meier/Sauerländer, Surbtal, 1995, 185 und 238 – 240 zur Deutschordenskommende Beuggen. Sowohl die Kommende Beuggen wie auch das Kloster St. Blasien hatten Twing und Bann zusätzlich zu ihren grundherrlichen Rechten im Spätmittelalter erworben. Eine weitere Gemeinsamkeit benennen Bruno Meier und Dominik Sauerländer mit der Handhabung leibesherrlicher Bestimmungen. „Speziell die Kommende Beuggen, aber auch St. Blasien und die Johanniter nutzten dieses Instrument einerseits zur Erhaltung der Geschlossenheit ihrer Herrschaft, andererseits zum Ausgleich von Einnahmeausfällen“, vgl. ebenda, 248. 267 Zur Twinggewalt vgl. Dubler, Twing, in: HLS online, http://www.hls-­dhs-­dss.ch/ textes/d/D13697.php (Zugriff 10. 01. 2016). 268 Witschi, Ortsgeschichte, 1984, 105 – 113.

Die Gemeine Herrschaft der Eidgenossen

Innerhalb der Grafschaft Baden erstreckte sich die äbtische Gerichtsherrlichkeit auf die Dörfer Neuenhof, Staretswil, Killwangen, Spreitenbach, Dietikon, Bergdietikon, Schlieren, Wettingen und Würenlos.269 Allerdings verlor der äbtische Patrimonialstaat im Zuge der Intensivierung der Landeshoheit sukzessiv Rechte und Befugnisse an die Landesobrigkeit.270 Insbesondere Zürich gelang es, sein Spektrum an Machtkompetenzen und Einflussmöglichkeiten erheblich zu vergrößern und die Gerichtskompetenzen gegenüber dem Kloster zu stärken.271 Dem nach dem Zweiten Landfrieden bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts finanziell und durch den zeitweiligen Übertritt zum reformatorischen Glauben auch organisatorisch stark geschwächten Kloster griffen zunächst die katholischen Schirmorte unter die Arme – sie waren es auch, die die Rekatholisierung in den Dörfern der Abtei durchführten. Diese Maßnahmen führten allerdings nicht zu einer dauerhaften Intensivierung der kommunikativen Beziehungen zwischen Abtei und katholischen Orten, im Gegenteil. Abt und Konvent waren bestrebt, ihre Autonomie zu wahren. Die katholischen Ordensmänner riefen die katholischen Orte nur selten um Schutz und Hilfe an und lösten Konfliktfälle direkt mit der nahegelegenen Limmatstadt. Damit erhöhten sich sukzessive die Einflussmöglichkeiten Zürichs. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts erlangte die Stadt das Vorschlagsrecht für die Geistlichen, die an den dem Kloster inkorporierten Zürcher Kirchen und bikonfessionellen Pfarreien in der Grafschaft Baden amtierten.272 Dem Abt als Niedergerichtsherr und Kollator blieb das Recht zur Ein- und Absetzung des katholischen und reformierten Geistlichen. Zürich konnte einen Dreiervorschlag aus der Zürcher Geistlichkeit unterbreiten, die eigentliche Wahl lag indes beim Kloster. Dieses Verfahren führte einerseits dazu, dass die reformierten Pfarrer über enge Kontakte und Netzwerke mit der Zürcher Geistlichkeit

269 Wie die Abtei Wettingen in den Besitz der Gerichtsbarkeit kam, rekonstruiert Wernli, Beiträge, 1948, 95 ff. 270 Zum Ausbau der landesherrlichen Gerichtskompetenzen vgl. Bugmann, Zürich, 1949, 67 – 70. 271 Im Einzelnen sind hiermit Streitigkeiten mit den an den Zürcher Kollaturpfarreien amtierenden Geistlichen des Klosters gemeint, die vor die landesherrlichen Gerichte gebracht werden mussten. Rechtshändel über den Güterbesitz des Klosters im Zürcher Gebiet durften nur noch von der Obrigkeit der Stadt Zürich entschieden werden. Zudem verfügte der Abt seit Aufhebung des Frauenklosters Selnau über kein Visitationsrecht mehr und musste einen weltlichen Amtmann im Zürcher Wettingerhof halten. Des Weiteren griff Zürich in die auf Inkorporationen und Zehnten beruhenden Rechte der Abtei ein. Vgl. dazu ausführlich Bugmann, Zürich, 1949, 150 – 154. 272 Vgl. Bugmann, Zürich, 1949, 90.

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verbunden waren,273 andererseits entwickelten die Konventsoberen und die Zürcher Ratsmitglieder – und dies nicht nur aufgrund des erworbenen Vorschlagsrechts – eine stabile Kommunikationsbasis, um diese komplexe Herrschaftssituation im politischen Alltag weitgehend konfliktfrei zu meistern. In den drei zur Grafschaft Baden zählenden bischöflich-­konstanzischen Vogteien Klingnau, Zurzach (Flecken) und Kaiserstuhl hatte sich der Bischof von Konstanz im 13. Jahrhundert ein eigenes Territorium geschaffen.274 Hier besaß er neben der Niedergerichtsbarkeit auch die meisten obrigkeitlichen Rechte.275 Im Zuge der Intensivierung der Landeshoheit musste er diese allerdings an die eidgenössische Landesherrschaft abtreten.276 Dieser bischöfliche Besitz wurde in zwei Verwaltungsbezirke aufgeteilt, denen jeweils ein Obervogt vorstand.277 Im Schloss zu Klingnau residierte der Obervogt für Klingnau und Zurzach, im Schloss Röteln derjenige, der für Kaiserstuhl und die zur Obervogtei gehörenden Gebiete rechts vom Rhein zuständig war.278 Seit 1265 zählte auch das Chorherrenstift Zurzach mit dem gleichnamigen Flecken zu den Besitzungen des Bischofs von Konstanz. Wie Bruno Meier und Dominik Sauerländer betonen, erscheint das Stift im Spätmittelalter ausnahmslos als Rentenbezieher: „Der Unterhalt der zahlreichen Pfründen der Chorherren verursachte einen hohen Finanzbedarf. Das Stift betrieb im Gegensatz etwa zur Propstei St. Blasien noch eine relativ aktive Erwerbspolitik“.279 273 In Ermangelung eines eigenen Pfarrhauses wohnten die Pfarrer vielfach in Zürich. Zudem war Dietikon nur einen Fußmarsch von Zürich entfernt und einige Dörfer lagen direkt auf dem Zürcher Gebiet, wie das zur Pfarrgemeinde zählende Dorf Urdorf. 274 Siegrist, Zurzach, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 237 – 256, hier 241. Weitere bischöflich-­konstanzische Orte, durch die der Bischof im 13. Jahrhundert versuchte seine Herrschaft durch Stadtgründungen zu verräumlichen, waren Neunkirch, Bischofzell und Gottlieben. Zur „raumbezogenen Herrschaftsausübung“ im Habsburgischen Herrschaftsraum allgemein vgl. Stercken, Städte, 2006, hier besonders 76 – 95. 275 Seiler/Steigmeier, Geschichte, 1991, 39 sowie Siegrist, Zurzach, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 237 – 256, hier 242. 276 Siegrist, Zurzach, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 237 – 256, hier 243. 277 Welti, Urbar, in: Argovia 3, 1861/63, 160 – 268, hier 252 sowie Siegrist, Zurzach, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 237 – 256, hier 241 – 242. 278 Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 210 (Erster Teil). Einen detaillierten Überblick der Geschichte Klingnaus gibt Mittler, Geschichte, 1967. Die neue Stadtgeschichte von Klingnau (Dreyer, Clingen, 1989) basiert im Wesentlichen auf den Ergebnissen Mittlers. Für die spätmittelalterliche Stadt vgl. Meier, Stadt, in: Argovia 118, 2006, 64 – 72. 279 Im „14. Jahrhundert durch Kauf von Lehenbesitz, im 15. Jahrhundert durch den Erwerb von Laienzehnten“, vgl. Meier/Sauerländer, Surbtal, 1995, 237.

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Auch das klarissisch-­franziskanische Doppelkloster Königsfelden verfügte über zahlreiche Kirchensätze und Niedergerichte; sie wurden von einem Hofmeister verwaltet. 1363 erhielt das Kloster die Gerichtsherrschaft über Birmenstorf von der ungarischen Königin Agnes als Geschenk, die diese Herrschaftsrechte damit einer Institution überließ, die bereits von den Landesherren mit „besonderer Gerichtsherrlichkeit ausgestattet worden war“.280 Nach 1415 wurde die Stellung des Klosters deutlich geschwächt: Es lag nun auf bernischem Staatsgebiet und war ohne Schutz der mächtigen Stifterfamilie, der Habsburger.281 An der gerichtlichen Praxis änderte sich nach Eroberung der Eidgenossen indes kaum etwas. Ein vom Kloster Königsfelden ernannter Ammann leitete am Gerichtstag vor versammelter Bauernschaft und im Beisein eines klösterlichen Pflegers die Gerichtsverhandlung.282 Seit 1504, so verordnete es die Tagsatzung, hatten die Dorfgenossen zusätzlich zu dem vom Landvogt ernannten Untervogt einen Richter und zehn Männer zu benennen, die im Gericht sitzen sollten – die Gerichtssässen. Sie waren ermächtigt, den Dorfmeier und den Kirchmeier zu bestimmen. Neben dem königsfeldischen Vertrauensmann, einem Birmenstorfer Dorfbauern, der das Amt des Richters bekleidete, bestimmte in der eidgenössischen Zeit der Badener Landvogt einen weiteren Birmenstorfer zum Amtsuntervogt. Mit der Reformation verließen die Klosterfrauen 1528 das Kloster Königsfelden. Die Rechtsnachfolge trat der Landesherr Bern an, der damit auch die Ansprüche Königsfeldens als Niederer Gerichtsherr von Birmenstorf übernahm. Das bisherige Klostergebiet wurde eine besondere Landvogtei, der Landvogt residierte in den bisherigen Klostergebäuden und nannte sich weiterhin Hofmeister – er sollte für Birmenstorf zu einer wichtigen Bezugsperson werden.283 Nach der konfessionellen Spaltung der Eidgenossenschaft waren die von Bern eingesetzten Richter reformiert, während das Untervogtsamt von den mehrheitlich katholischen regierenden Ständen mit einem Katholiken besetzt wurde. Beide Herrschaftsträger trugen ihr Amt auf dem Leib: Seit 1457 trugen die Amtuntervögte einen Amtsrock und die katholischen eidgenössischen Orte behielten diese Tradition auch nach der Reformation bei; der Richter des reformierten Bern erhielt erst um 1580 seine Amtstracht. Beide Amtmänner waren Max Rudolf zufolge nicht nur Rivalen im Dorf, sondern dienten auch als „Spielfiguren auf dem Schachbrett“ der eidgenössischen Politik.284 280 Rudolf, Geschichte, 1991, 112. In Gebenstorf lag die niedere Gerichtsbarkeit beim Badener Landvogt. 281 Ebenda, 113. 282 Ebenda. 283 Ebenda, 168 – 169. 284 Ebenda, 117.

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Am Ende der Frühen Neuzeit verfügten die eidgenössischen regierenden Orte damit über ein breiteres Spektrum von Einflussmöglichkeiten und Machtkompetenzen als die habsburgischen Landesherren im Spätmittelalter. Diese Intensivierung der Landeshoheit durch die eidgenössische Herrschaft verlief auf Kosten der zahlreichen grafschaftlichen Niedergerichtsherren – hier ist auch der äbtische Patrimonialstaat zu nennen.285 Allerdings waren die Herrschaftsrechte, die die regierenden reformierten und katholischen Orte in diesem Territorium besaßen, in der Frühen Neuzeit sehr ungleich verteilt. Aus diesem Grund werden im letzten Unterkapitel die Möglichkeiten Zürichs diskutiert, in der Grafschaft Baden Kirchenreformen durchzuführen, wie sie anderorts als Folge des reformierten Konfessionalisierungsprozesses und einer frühneuzeitlichen Staatsbildung entstanden. 2.3.3 Eherecht und Sittenzucht Die folgende Diskussion versteht sich als ein Versuch, in Ansätzen zu reflektieren, welche Möglichkeiten die reformierte Kirche und Zürich in der Grafschaft Baden besaßen, um Kirchenreformen in diesem Territorium voranzutreiben. Wünschenswert wäre eine vergleichende Perspektive auf die reformierte und katholische Konfessionalisierung gewesen, die allerdings im Rahmen dieser Arbeit, die sich der Analyse der politischen Kommunikation über Konfes­sions­ konflikte widmet, nicht zu leisten ist. Was allerdings geleistet werden kann, ist die Heranführung an eine Thematik, die eine weitere Betrachtung verdient, denn die genaue Analyse der reformierten und katholischen Konfessionalisierungsprozesse und Fragen der frühmodernen Staatsbildung in den Gemeinen Herrschaften hängen eng mit den Formen der Konstruktion religiöser Koexistenz und insofern auch mit der Formierung frühneuzeitlicher konfessioneller Selbstbilder zusammen.286 Die Herausbildung klar umrissener Glaubensbekenntnisse und theologischer Dogmen zählt ebenso zu den Verfahren der Konfessionalisierung wie der Ausbau der Institutionen (Konsistorien und Ähnlichem) und institutionellen Verfahren (Kirchenvisitationen), die für die Verbreitung und Durchsetzung der „neugeschaffenen Normen“ standen.287 Maßgeblich für den politischen Handlungsspielraum der regierenden Orte waren die Landfriedensverträge. Der Erste Landfrieden hatte rechtliche Neubildungen durchaus gefördert und den Aufbau einiger grundlegender Organisationsstrukturen in den Gemeinen Herrschaften 285 Witschi, Ortsgeschichte, 1984, 144. Diesen Mediatisierungsprozess hat Fritz Wernli in seinem Buch, Beiträge, 1948, beschrieben. 286 Vgl. etwa die Beiträge in dem Band von Jäger/Pfister (Hg.), Konfessionalisierung, 2006. 287 Reinhardt, Konfession, in: ders. (Hg.), Bekenntnis, 1981, 165 – 189, hier 181.

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ermöglicht. Zu den wesentlichen rechtlichen Neubildungen nach dem Ersten Landfrieden von 1529 zählten die „organisierten Kirchgemeinden, die Organe der Gesamtkirche (Landsgemeinde und Synode), Grundsätze über die Besetzung des geistlichen Amtes und dessen ökonomische Ausstattung [sowie] Grundsätze über die Verwaltung und Verwendung der Kirchengüter“.288 Der Zweite Landfrieden von 1531 unterbrach nicht nur die Entwicklung der grundlegenden kirchlichen Organisationsstrukturen, sondern machte Bestehendes rückgängig. In der Gemeinen Herrschaft Thurgau wurden die nach 1529 gegründete Kirchensynode und das Ehegericht kurzerhand wieder abgeschafft.289 Damit war die Einrichtung von Presbyterien vereitelt, denn der Landfriedenstext sah lediglich die Bildung von Ausschüssen vor, die sich aus evangelischen Gemeindemitgliedern zusammensetzten und gemäß Instruktion und Auftrag der Kirchgenossenversammlung handelten.290 Die Organe der kirchlichen Selbstverwaltung waren damit nur rudimentär entwickelt. Auch die Ehegerichtsbarkeit änderte sich grundlegend. Mit dem Zweiten Landfrieden und der Dominanz des katholischen Kirchenrechts in den Gemeinen Herrschaften war nominell das bischöfliche Konsistorium für verheiratete Katholiken und Reformierte zuständig: Mit Ausnahme des Amtes Leuggern (Bistum Basel) gehörte die Grafschaft Baden zum schweizerischen Teil des Bistums Konstanz.291 Konstanz und der Bischof waren allerdings weit entfernt. Die enorme Größe der Diözese verhinderte den Aufbau einer eigenen effizienten Bürokratie der verarmten Bischöfe. Seit dem Ende des späten 16. Jahrhunderts besaß der Bischof faktisch keine Autorität mehr über den schweizerischen Teil seines Bistums, „a development favoured by the papal nuncio in Lucerns, who acted in effect as bishop for Catholic Switzerland“.292 Als Inhaber der Kirchengewalt über evangelische Gemeinden delegierten die katholischen Orte daher Ehen, in denen beide Teile oder zumindest der beklagte Teil evangelisch waren, 288 Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 84. 289 Köhler, Ehegericht, Bd. I, 1932, 224 sowie 228 – 230. 290 Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 99 – 100. Bestehen blieben allerdings neben den Ausschüssen die engeren Organe der Kirchgenossenschaft wie die Prädikanten und dessen Vorgesetzte; zu letzteren zählten die „Kirchen- und Steuerpfleger, dann weltliche […] Dorf- und niedere Gerichtsbeamte“, ebenda, 100. 291 Zum eidgenössischen Teil der Diözese Konstanz vgl. Degler-­Spengler, Teil, 1994 sowie Das Bistum Konstanz, das Erzbistum Mainz, das Bistum St. Gallen, in: Helvetia Sacra I/2. 292 Forster, Revival, 1999, 37 sowie Reinhardt, Frühe Neuzeit, in: Bischöfe, Bd. 1, 1988, 25 – 44, hier 34 – 35; Bühler, Hochstift, in: Freiburger Diöcesanarchiv 107, 1987, 35 – 44. Initiativen für Kirchenreform kamen de facto von dem Luzerner Nuntius, vgl. Zimmermann, Rekatholisierung, 1994, 127 – 132.

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an das Zürcher Ehegericht, für die Reformierten in Birmenstorf und Gebenstorf war ohnehin das Berner Chorgericht zuständig.293 Zu Beginn des 17. Jahrhunderts kam es bezüglich dieser Usanzen zu Diskussionen. Ein Abgeordneter des Bischofs von Konstanz verlangte 1630, dass die Matrimonial- und Ehesachen im Thurgau und im Rheintal ohne Unterschied der Religion an den Bischof verwiesen und vom bischöflichen Chorgericht in Konstanz gerichtet werden sollten. Die fünf katholischen Orte unterstützten dieses Begehren, während Zürich und Evangelisch Glarus heftig dagegen protestierten – nicht nur gegen diese Ansprüche, sondern wiederum grundsätzlich gegen das Mehr in Reli­ gionssachen und in Angelegenheiten, die den Landfrieden betrafen. Im bereits kurz erwähnten Badener Schiedsspruch fand die reformatorische Position ihren Niederschlag. Das Begehren des Abts aus St. Gallen und des Bischofs von Konstanz wurde abgelehnt, und reformierte Eheleute sollten sich weiterhin an das Zürcher Stillstandgericht wenden.294 Wie Frauke Volkland zeigen konnte, nutzten evangelische Untertanen im 17. Jahrhundert die Differenzen, die zwischen dem kanonischen und dem reformierten Eherecht der Limmatstadt bezüglich der Dispensation vom Ehehindernis wegen zu naher Verwandtschaft bestanden, aus, indem sie sich an das Gericht in Konstanz wandten, da die katholische Dispensationspraxis den Eheschließenden größere Freiheiten zugestand als das reformierte Eherecht.295 Diese Handlungsspielräume von Untertanen in den Gemeinen Herrschaften sind Beispiele der geringen Herrschaftsdurchdringung und einer – aus der Perspektive der Obrigkeit – misslungenen Sozial­ disziplinierung, wie sie auch anderorts in der Eidgenossenschaft der Frühen Neuzeit zu beobachten waren. Für eine geringe Herrschaftsdurchdringung spricht ebenfalls, dass der Aufbau von kirchlichen Sittengerichten (Chorgerichten und Stillständen) wie sie in Zürich und Bern mit der Reformation in Stadt und Land entstanden, in den Gemeinden der Grafschaft Baden nur mit großer Verzögerung stattfand.296 Kirchliche Sittengerichte zählen zu den Instrumenten reformierten Disziplinierungswillens; ihre Funktion und Bedeutung wird in der historischen Forschung durchaus kontrovers beurteilt. Während ältere Arbeiten den obrigkeitlichen Charakter der Sittenzucht betonen, verweisen neuere auf die Mechanismen der Selbstregulierung der Gemeinde und der Durchsetzung christlicher Normen.297 293 Köhler, Ehegericht, Bd. I, 1932, 224. 294 Vgl. von Salis, Entwicklung, 1894, 41 – 45. 295 Volkland, Herrschaft, in: Haas/Pfister (Hg.), Sozialdisziplinierung, 1999, 53 – 64. 296 Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 123. 297 Vgl. Brodbeck, Zucht, in: Holenstein/Engler/Gutscher-­Schmid (Hg.), Bern, 2006, 241 – 248 sowie Schmidt, Dorf, 1995.

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Bevor kirchliche Sittengerichte nach dem Vierten Landfrieden von 1712 institutionalisiert wurden, unterstanden Anhänger des reformierten Glaubens der Hochgerichtsbarkeit des Landvogts in Baden und seinen Amtmännern (bzw. dem bischöflichen Konsistorium in Konstanz oder dem Ehegericht in Zürich). Die Rechtspraxis scheint durchaus variabler als diese rechtlichen Zuständigkeiten gewesen zu sein. Für Gebenstorf konnte Dominik Sauerländer eine pragmatische Rechtspraxis beobachten, der zufolge leichte Konflikte, die sich gütlich beilegen ließen, vom Pfarrer selbst geregelt wurden, tätliche Auseinandersetzungen von Eheleuten hingegen fielen Sauerländer zufolge in den Zuständigkeitsbereich des Landvogts.298 Eine gewisse Kontrollfunktion übten zudem die niederen Gerichtsherren und natürlich die Dorfpfarrer aus, die Konrad Straub zufolge seit dem Ende des 17. Jahrhunderts über den seelsorgerischen Zuspruch hinaus die Möglichkeit hatten, bei ihren Gemeindemitgliedern Haus­visi­ta­tionen durchzuführen.299 Ein Ausschluss vom Abendmahl – ein sonst durchaus probates Mittel, einen Unbußfertigen von der dörflichen und sakralen Gemeinschaft auszuschließen – wurde nicht praktiziert, „da nach evangelischer Lehre der Geistliche eine solche nicht verhängen konnte, der Gemeindekirche aber das Organ zur Handhabung des Bannes fehlte“.300 Den normativen Vorgaben des Zweiten Landfriedens gemäß war die Ausübung einer Sittenzucht auf die dem Landvogt, den niederen Gerichtsherren und den Geistlichen zur Verfügung stehenden Maßnahmen begrenzt. Den Visitationsprotokollen zufolge, von denen weiter unten ausführlich die Rede sein wird, wurden Stillstände dem Verbot zum Trotz in einigen Gemeinden gehalten. In der Frühjahrsvisitation 1644 notierten die Visitatoren etwa, dass die „Stillständ werden zu Urdorf gehalten by Anlaß der versambleten Gmeinden“.301 Auch in Zurzach wurden solche Gremien gebildet. Der Ort der Versammlung war die Pfarrkirche, was bei der Frühjahrsvisitation 1661 allerdings zu Beschwerden führte.302 Die beschränkten Möglichkeiten der Durchsetzung christlicher Normen und einer christlichen Lebensführung ließ einige der Geistlichen zur lauten Klage anheben. Friedrich Bibel, Pfarrer im reformierten Dorf Schlieren, klagte den Visitatoren „ernstlich“, dass er das „unbändig Volck in keiner disciplin […] halten könne“ – der katholische Landvogt in Baden war ihm keine Hilfe. Daher hoffe 2 98 Sauerländer/Steigmeier, Wohlhabenheit, 1997, 38 – 39. 299 Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 123 – 124. 3 00 Ebenda. Zur Bedeutung des Abendmahls für die Konstitution einer Gemeinschaft und einer sozialen Ordnung vgl. Sabean, Schwert, 1990, 51 – 76. 301 StAZH E II 113, fol. 165, ebenfalls fol. 298; in Zurzach notierten die Visitatoren 1642, dass die Ältesten der Gemeinde Stillstände halten, vgl. StAZH E II 113, fol. 141. 302 Vgl. StAZH E II 117, fol. 310.

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Bibel, es werde mit der „kilchenzucht besser werden, wann in nechstkünftiger Zytt Evangelische Landvögt die regierung antretten werdind“.303 Ein konfessionelles Element bei Fragen der Durchsetzung christlicher Normen und der Abstrafung sündigen Verhaltens erkannte auch der reformierte Pfarrer Johannes Altmann einige Jahrzehnte nach Friedrich Bibel. Altmann war nur zögernd Pfarrer der bikonfessionellen Gemeinde Gebenstorf geworden, über die er viel Schlechtes gehört hatte. Erst nachdem er sich mit seinen Vorgängern beraten und aus Bern schriftliche Anweisungen erhalten hatte, übernahm er das Pfarramt in den Jahren 1697 bis 1709. Johannes Altmann erkannte in dem Verbot, Stillstände in den Gemeinen Herrschaften einzuführen, „arglistige Absichten“ der katholischen Orte. Denn nun würden die reformierten Untertanen wegen „Unterlassung der Kirchenzucht ein zügelloses Leben führen“, ohne dass die Pfarrgeistlichen die Gewalt besäßen, die „unordentlich Lebenden im Zaum zu halten“. Die Gerichtshoheit des Landvogtes wertete er als einen Versuch der katholischen regierenden Orte, die reformierten Gemeinden strategisch zu schwächen und gleichzeitig finanziellen Gewinn aus ihren Sünden zu schlagen. Obwohl ihm der Zürcher Stadtschreiber Heinrich Lavater in einem Brief davon abriet, „Neuerungen“ einzuführen, da sie „von schlimmster Consequenz“ wären, folgte Altmann dem Rat seines Pfarrkollegen Gerold Freitag aus der Gemeinde Tegerfelden, der ihm zur Einführung eines Chorgerichts riet. Allerdings sollte er dies heimlich und ohne „grossen Lärm“ vollführen. Am 3. April 1698 versammelte Altmann die Gerichtsgeschworenen nach gehaltener Predigt im Chor – das Volk hatte die Pfarrkirche schon verlassen – und trug ihnen etliche Vorschläge vor, wie man die Lebensbedingungen der armen und bedürftigen reformierten Gläubigen verbessern könne.304 Vor allem aber um die sittliche Lebensführung seiner Gemeindemitglieder zu kontrollieren und normwidriges Verhalten abstrafen zu können, bildete Altmann aus diesen Gerichtsgeschworenen „eine Art Ältestenrat der reformierten Kirchgemeinde, der ihn unterstützen und beraten sollte. Aus diesem Gremium machte er bis 1700 ein eigentliches Chorgericht, das er formell aufbot.“305 Den landfriedlichen Normen zum Trotz wurde in Gebenstorf Sittenzucht auf gemeindlicher Ebene praktiziert.306 3 03 StAZH E II 113, fol. 264. 304 Vgl. RPG, II, 6, 3: Chronik der Gemeinden Gebenstorf und Birmenstorf […], Bd. 3 (1698 – 1700), unfolliert, Jahr 1698. 305 Allerdings war das Chorgericht „wohl weniger ein Gericht als ein beratenes Gremium für den Pfarrer“, vgl. Sauerländer/Steigmeier, Wohlhabenheit, 1997, 38 – 39. 306 Altmann war nicht der einzige Pfarrer, der im späten 17. Jahrhundert ein Chorgericht in einer Gemeinen Herrschaft ins Leben rief. Auch Johann Heinrich Lavater (1652 – 1731) führte einen Stillstand in der thurgauischen Gemeinde Gachnang ein. Die

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Wie häufig das Phänomen der Bildung von Stillständen in der Grafschaft Baden gewesen ist, lässt sich auf der Grundlage des fragmentarisch überlieferten Quellenmaterials kaum beurteilen. Sicher ist, dass den Möglichkeiten, sittliches Verhalten zu normieren, in diesem Territorium durch den Zweiten Landfrieden starke Grenzen gesetzt wurden. Gleichzeitig gibt es einzelne Beweise dafür, dass in ausgewählten Dörfern der Grafschaft Baden auf lokaler Ebene ohne eine staatskirchliche Sozialdisziplinierung offensichtlich so etwas wie eine „Selbstzucht der Untertanen“ betrieben wurde.307 Der „Auftraggeber“ der Sittenzucht war in diesen Fällen die Gemeinde selbst und keine staatlichen Instanzen, die eine Disziplinierung ihrer Untertanen von „oben“ anstrebten. In diesem Kontext hat Heinrich Richard Schmidt in einer Weiterentwicklung der oberdeutschen Kommunalismusforschungen von Peter Blicke in seiner Untersuchung über zwei Dörfer im Umland des reformierten Stadtstaates Bern gegen den Etatismus in der Konfessionalisierungsforschung die „Kommune als Ensemble von gesellschaftlichen Verhältnissen“ konzipiert. Die Kommune sei nicht nur der „Handlungsrahmen“ gewesen, sondern der „Auftraggeber von Sittenzucht“308 oder, wie Andreas Holzem die Ergebnisse Schmidts zusammenfasst: Die „Gemeinde setzte das Maß ihrer eigenen Disziplinierung“,309 die durch die disziplinierenden Tendenzen auch organisatorisch und funktional gestärkt wurde.310 Inwiefern sich diese Ergebnisse einer selbstregulierenden und die Gemeinden funktional und organisatorisch stärkenden protestantischen Sittenzucht auf die Gemeinen Herrschaften der Eidgenossenschaft übertragen oder mit Hilfe ausgewählter Einzelstudien verifizieren lassen, bleibt der zukünftigen Forschung überlassen. Unter anderem müsste neben der quantitativen Frage inhaltlich geklärt werden, welche religiösen Normen die Chorgerichte in der Gemeinen Herrschaft anwandten und wem die Definitionsmacht über die Sittenzucht zukam.311 Stillstandsordnung des Pfarrers Lavater wurde wegweisend für alle weiteren im Thurgau eingeführten Stillstände, vgl. www.ref-­gachnang.ch/D/g_persoenlichkeiten.php (Zugriff 10. 01. 2016). 307 Zu dieser Form der „Selbstzucht der Untertanen Gottes“, die im Zentrum gemeindlicher Praxis stand und ohne den politisch-­staatlichen Sektor auskam, vgl. die Untersuchung von Schmidt, Dorf, 1995, 10. 308 Schmidt, Dorf, 1995, 59 sowie ders., Sozialdisziplinierung, in: HZ 265, 1997, 639 – 682. 309 Holzem, Konfessionsgesellschaft, in: ZKiG 110, 1999, 53 – 85, hier 63. 310 Schmidt, Gemeinde, in: Blickle (Hg.), Theorien, 1996, 181 – 214, hier 211 f. 311 Diese Überlegung basiert auf den Ausführungen von Andreas Holzem, der konstatiert, dass in den von ihm untersuchten Münsteraner Sendgerichten der Sendrichter „die religiösen Normen von außen mitbrachte“ und daher nicht von „Selbstkonfessionalisierung“ einer Gemeinde gesprochen werden könne, vgl. Holzem, Konfessionsgesellschaft, in: ZKiG 110, 1999, 53 – 85, hier 77 sowie ders., Religion, 2000.

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2.3.4 Geistlichkeit Wer entsandte die reformierte Geistlichkeit in die Gemeinden der Grafschaft Baden?312 Obwohl Zürich, Bern und Evangelisch Glarus gemeinsam das Kirchenregiment über die reformierten Gläubigen in der Grafschaft Baden führten,313 wurde die Kirchen- und Prädikantenordnung Zürichs für die reformierten Gemeinden in dieser – und anderen – Gemeinen Herrschaften verbindlich.314 Die reformierte Geistlichkeit der Grafschaft Baden kam mehrheitlich aus Zürich. In den Dörfern Gebenstorf und Birmenstorf, in denen Bern als Rechtsnachfolger des königsfeldischen Klosters in dessen Herrschaftsrechte eingetreten war, wurden die reformierten Seelsorger allerdings von Bern aus besetzt.315 Die reformierten Prediger, wie die Analyse konkreter konfessioneller Streitfälle verdeutlichen wird, verfügten über enge Kontakte zur Zürcher Obrigkeit, aus dessen Geistlichkeit sie kamen. Zürich nutzte sein Besetzungs- bzw. Vorschlagsrecht in einigen Dörfern der Grafschaft Baden, um die Pfarrstellen seit den frühen Reformationsjahren mit verlässlichen Predigern zu versehen.316 Nach dem Zweiten Landfrieden blieb die Besetzung der reformierten Pfarrstellen zwar weiterhin in der Hand der Zürcher und – mit Blick auf ­Gebenstorf und Birmenstorf – der Berner Obrigkeit, allerdings war dem Grundsatz gemäß, dass der zum Friedensschluss bestehende religiöse Zustand des reformierten Kultes nicht verändert werden durfte, eine weitere Schaffung reformierter Pfarrstellen untersagt.317 Somit verhinderte der Zweite Landfrieden,

312 Die Ausbildung des schweizerischen Priesternachwuchses erfolgte im 1579 begründeten Collegium Helveticum in Mailand. Erst 1586 wurde die päpstliche Nuntiatur in Luzern errichtet. Zu den kirchlichen Reformkräften in Luzern vgl. Sieber, Missionierung, 2005, 51, 74. 313 Höchle, Geschichte, 1907, 126. 314 Für den Thurgau, eine weitere Gemeine Herrschaft, vgl. Straub, Rechtsgeschichte, 1902. 315 Mit der Reformation hatte Bern die Rechtsnachfolge des Klosters Königsfelden angetreten. Das klösterliche Eigenamt, das bisherige Klostergebiet, wurde eine besondere Landvogtei und der Hofmeister, dem bislang die klösterliche Rechtsprechung und Klosterverwaltung unterstanden hatte, war nun ein vom Rat entsandter Berner, vgl. Werder, Gerichtsverfassung, in: Argovia 54, 1942, 1 – 173. Insbesondere für Birmenstorf war der Landvogt, der sich auch weiterhin Hofmeister nannte, eine wichtige Bezugsperson, vgl. Rudolf, Geschichte, 1991, 168 – 169, bzw. 172 – 173, die Kollaturrechte betreffend. 316 Hier ist insbesondere der einflussreiche Prediger Franz Zingg zu nennen, ein Freund Zwinglis, der schon früh heiratete (1523) und die Pfarrei Zurzach betreute. Franz Zingg beteiligte sich an der Berner Disputation 1528 und nahm als Feldprediger am Ersten Kappeler Feldzug teil. Er verstarb am 31. Januar 1530, vgl. HBLS, Bd. 7, 665 – 666. 317 Bern hingegen wurde aufgefordert, den Hofmeister von Königsfelden anzuweisen, die katholischen Gemeinden von Gebenstorf und Birmenstorf dem Landfrieden gemäß

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dass die Zürcher Geistlichkeit in weiteren Gemeinden der Grafschaft Baden (und anderer Gemeinen Herrschaften) Fuß fassen konnte. Die Besetzung einer Pfarrstelle mit einem reformierten Prediger hätte ohnehin ein Gemeindemehr zugunsten des reformierten Glaubens benötigt; religiöse Mehrheitsverhältnisse, die aufgrund des einseitigen Konversionsrechts in der Grafschaft Baden nach 1531 umstritten waren.318 2.3.5 Visitationen und Schulwesen Als kirchlicher Verwaltungsbezirk zählte die Grafschaft Baden zum schweizerischen Teil des Bistums Konstanz. Die katholischen Geistlichen unterstanden damit nominell der bischöflichen Gerichtsbarkeit, während die Zürcher Kirchensynode seit 1567 die Disziplinargewalt über reformierte Geistliche ausübte.319 Zweimal im Jahr wurden von den Dekanen ausführliche Visitationsprotokolle erstellt und seit 1639 an den Examinatorenkonvent in Zürich versandt. Die Mahnung, gewissenhaft zu visitieren, lässt sich bis ins 16. Jahrhundert zurückdatieren, allerdings fehlen bis 1610 nähere Angaben über den Umfang und die Form der Visitationen. Ab 1610 waren die Dekane angehalten, einen Begleiter mitzunehmen. Fehlbare Personen konnte der Dekan im Beisein von einem oder zwei Pfarrern ermahnen, des Weiteren folgte die Anzeige bei der Synode bzw. den Examinatoren. Während die Berichte in den ersten Jahren noch nicht einheitlich gestaltet waren, nahm der Grad ihrer Formalisierung mit den Jahren zu.320 Visitationsprotokolle sind von der historischen Forschung bislang als serielle Quelle ausgewertet worden, die Daten zur Frömmigkeits- und Kirchengeschichte, der Sozialdisziplinierung und damit generell der Norm- und Norm­ mit einem katholischen Geistlichen zu versehen, vgl. EA 4, 1/b, 1239 sowie Höchle, Geschichte, 1907, 175. 318 Das Konversionsrecht und die Konversionspraxis werden ausführlich geschildert in Kap. 5: Kommunikation über Glaubenswechsel. 319 Vgl. Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 85. Zur Sozialdisziplinierung der ländlichen Geistlichkeit im Zürcher Herrschaftsgebiet vgl. Gordon, Discipline, 1992. Eine kritische Diskussion dieses Konzepts bei Dinges, Kirchenzucht, in: IC 22, 1995, 393 – 395, ders., Armenfürsorge, in: GG 17, 1991, 5 – 29 sowie bei Schmidt, Sozialdisziplinierung, in: HZ 265, 1997, 639 – 682. 320 Baltischweiler, Institutionen, 1904, 45 – 46. Das Limmattal mit Spreitenbach und Dietikon gehörten zum Dekanat Rapperswil-­Zürich im Archdiakonat Zürichgau, das Teil des Bistums Konstanz war. Die Zürcher Geistlichkeit der Grafschaft Baden war dem Zürichsee Kapitel angeschlossen und wurde „1712 den räumlich am nächsten gelegenen Pfarrkapiteln zugeteilt (Tegerfelden AG und Zurzach AG zum Eglisauer Kapitel, Urdorf-­Dietikon zum Freiamtskapitel)“, vgl. StAZH Findbuch E IV Kapitelsarchive der zürcherischen Geistlichkeit 14./15.–19. Jahrhundert, 3.

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verstöße bereitstellt. Als serielle Quelle können Visitationsprotokolle dazu genutzt werden, innerhalb eines geographischen Raums die inhaltliche Entwicklung und Verschiebung spezifischer Fragekategorien über einen längeren Zeitraum hinweg zu dokumentieren. Visitationsakten sind somit ein „kirchliches Instrument, das der Kontrolle dient und einem hierarchischen Aufbau unterliegt. Darüber hinaus kann ihre Organisation, Durchführung und Überlieferung nach Zeit, Raum und Persönlichkeiten sowie aufgrund von Zufällen variieren.“321 Jüngste Untersuchungen interessieren sich im Kontext mit Fragen der Verwaltung und Herrschaftsdurchdringung für landesherrliche Visitationen, da diese in einer praxeologischen Perspektive dokumentieren, was Verwaltungen eigentlich machen, wenn sie verwalten, und damit auch Verfahren der Herrschaft aus der Distanz reflektieren.322 An diese Perspektive möchte ich anknüpfen, denn zu diesen Verfahren zählen auch die Techniken der Herrschaftsdurchdringung und Konfessionalisierung, wie sie sich etwa mit Blick auf die Visitationsprotokolle der reformierten Zürcher Kirche ableiten lassen. Hier wurde die Durchführung von Anweisungen und christlichen Normen überprüft, abgefragt und observiert, die dem Lebenswandel, der Amtsmoral und der seelsorgerischen Tätigkeit des Geistlichen galten. In diesem Zusammenhang hatten die Visitatoren zu klären, ob die Pfarrer die seit der Reformation verbindlichen Tauf-, Sterbe- und Eheverzeichnisse der reformierten Gemeinde führten. Zudem befragten sie Gemeindemitglieder zur Lebensführung und Predigttätigkeit des Pfarrers. Inwieweit die Visitationsprotokolle damit die Realität des religiösen Lebens einfingen, muss an dieser Stelle nicht entschieden werden.323 Die Protokolle hielten Wahrnehmungen bereit, die auf der Beobachtung der Visitatoren bzw. der Beobachtung der Gemeindemitglieder vor Ort basierten, die von den Visitatoren abgefragt und in den Visitationsakten festgehalten wurden.324 Auch wenn diese Formen der sozialen und christlichen Normverstöße in dieser Studie nicht weiterverfolgt werden, so legen sie doch Techniken der Aufmerksamkeit, der Observanz und der Beobachtung offen, die auch dann zum Einsatz kamen, wenn es um die Rahmenbedingungen der religiösen Koexistenz ging. Wie die frühneuzeitlichen Reisenden, von denen in der Einleitung

321 Menne, Visitationsakten, in: Freitag/Helbig (Hg.), Bekenntnis, 2009, 175 – 187, hier 175. 322 Näther, Produktion, in: Brakensiek/von Bredow/Nähter (Hg.), Herrschaft, 2014. 323 Vernard, Visitationsberichte, in: Zeeden/Lang (Hg.), Kirche, 1984, 36 – 75; zum Wert dieser Quelle weiterhin lesenswert Lang, Bedeutung, in: RJKG 3, 1984, 207 – 212. 324 Den argumentativen (Aus-)Weg über die Wahrnehmung wählt auch Menne, Visitationsakten, in: Freitag/Helbig (Hg.), Bekenntnis, 2009, 175 – 187, hier 187.

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die Rede war, beobachteten auch die Gemeindepfarrer die Modalitäten des bikonfessionellen Zusammenlebens und beschrieben die Konflikte, die aus der gemeinsamen Nutzung des Kirchengebäudes resultierten, oder hörten genauer hin, wenn Reformierte und Katholiken miteinander stritten. Visitatoren fragten zeitlich versetzt diese Beobachtungen durch das Auge und das Ohr ab. Die Ergebnisse der Befragungen über das bikonfessionelle Leben wurden in den Visitationsakten unter der Rubrik Gravamina vor allem als Beschwerden und Klagen geführt.325 Über die Visitationsberichte der Dekane fanden diese Formen der Beobachtung und Observanz des bikonfessionellen Lebens in der Grafschaft Baden Eingang in die Kommunikationszusammenhänge der Zürcher Kirchensynode. Darüber hinaus lassen sich Visitationsberichte hinsichtlich des Ausbaus eines kirchlichen Schulwesens und in Ansätzen zum religiösen Wissensstand der Dorfbevölkerung befragen. Diese politisch-­sozialen Veränderungen im Zuge der Reformation sind als kulturelle Faktoren bezeichnet und im Kontext der bäuerlichen Reformation und damit der Teilnahme der Bauern „bei der konfessionellen Entscheidung“ diskutiert worden.326 Als zentrales Element des reformierten Bildungswesens nennt Stefan Ehrenpreis den Leitgedanken, „dem Schulwesen einen öffentlichen Charakter innerhalb der Gemeinde zu geben“. Der familiären Erziehung begegnete man in Mitteleuropa schon seit dem 16. Jahrhundert mit einer gewissen Skepsis, da „man die Eltern für unprofessionell, ungebildet und zu wenig streng hielt“. Die reformierten Kontinentalen setzten daher auf ein kirchlich kontrolliertes Erziehungswesen.327 Auf der Grundlage der eingesehenen Bestände der Visitationsakten des 17. und 18. Jahrhunderts sollen hier einige Überlegungen zur Entwicklung des reformierten Schulwesens formuliert und damit die Überlegungen zu den Folgen des Zweiten Landfriedens von 1531 für eine reformierte Konfessionalisierung abgeschlossen werden.328 Eine umfassende Darstellung des Schulwesens ist allein deswegen kaum zu leisten, weil die frühneuzeitliche Bildungsgeschichte in der deutschsprachigen Historiographie meist als „Fortsetzung des Humanismus“ und damit als Geschichte der höheren Bildung geschrieben worden 325 Diese Bemerkungen basieren auf Gesprächen, die ich mit Arndt Brendecke während meiner Zeit an der Ludwig-Maximilians-Universität München führte. 326 Einen knappen Überblick über die Forschungslandschaft bei Ehrenpreis/Lotz-­ Heumann, Reformation, 2002, 47 – 52, Zitat 47. 327 Ehrenpreis, Einleitung, in: Schilling/Ehrenpreis (Hg.), Bildungsgeschichte, 2007, 1 – 17, hier 11. 328 Eingesehen wurden die erhaltenen Bestände, vgl. StAZH E II 113 (1640 – 1644) bis E II 130 (1710 – 1712).

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ist.329 Das niedere Schulwesen der Gemeinden, die Dorfschulen, um die es im Folgenden gehen soll, verzeichnet deutlich weniger Forschungsaktivitäten, auch wenn derzeit eine Trendwende zu bemerken ist.330 Diese Forschungsdesiderate gelten in verstärktem Maß für den ländlichen Raum der Gemeinen Herrschaften der Eidgenossenschaft, in denen die Untersuchung einer frühneuzeitlichen Bildungsgeschichte, die sich nicht als Teil einer Institutionen- oder pädagogischen Geschichte versteht, sondern die Bildungsgeschichte unter konfessionsvergleichender Perspektive betreibt, noch zu leisten ist.331 Der folgende Blick in die Visitationsakten des Zürcher Stadtstaates kann daher kaum mehr als ein erster Schritt in diese Richtung sein. Für die reformierten Gläubigen der Gemeinen Herrschaften war die Zürcher Schulordnung verbindlich; die erste, noch ungedruckte Schulordnung des Antistes Johann Jakob Breitinger entstand 1637, der bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zwei weitere folgten.332 In der Grafschaft Baden sollte die Schulordnung „in den schulstuben […] ufgehenckt werden“, damit sie den Schulmeistern und den Kindern „immer dar vor augen hangen“.333 Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Einträge in die Rubrik „Schul“; sie datieren auf das Jahr 1640, ab den 1680er-Jahren werden die Einträge systematischer und ausführlicher. Es wurde notiert, wo und von wem die Schule geführt wurde und für wie viele Kinder welcher Konfession. In der Gemeinde Urdorf unterrichtete der Schulmeister Rudolf „fleissig“ ungefähr vierzig Kinder, die im April 1641 den christlichen Lobgesang übten. Zu ihm kamen auch die Kinder aus Dietikon, „auch etliche kinder der papisten“ – selbst Mitte des 17. Jahrhunderts mischten sich

329 Ehrenpreis, Erziehungs- und Schulwesen, in: Schilling/Ehrenpreis (Hg.), Erziehung, 2003, 19 – 33, hier 23 – 26. 3 30 Dass das niedere Schulwesen kaum untersucht worden ist, lässt sich nicht zuletzt damit erklären, dass der deutschsprachigen Forschung das höhere und niedere Bildungswesen als getrennte Welten galten, anstatt, wie Stefan Ehrenpreis zu Recht einforderte, „den Systemcharakter des frühneuzeitlichen Bildungsaufbruchs herauszuarbeiten“, vgl. Ehrenpreis, Erziehungs- und Schulwesen, in: Schilling/Ehrenpreis (Hg.), Erziehung, 2003, 19 – 33, hier 26. 331 Vgl. etwa die Sammelbände zu diesem Themenkomplex in europäischer Perspektive von Schilling/Ehrenpreis (Hg.), Erziehung, 2003; dies. (Hg.), Bildungsgeschichte, 2007, in denen die frühneuzeitliche Bildungsgeschichte der Eidgenossenschaft nicht behandelt wird. Vgl. ebenfalls die Skizze eines Forschungsprogramms bei Ehrenpreis, Erziehungs- und Schulwesen, 2003, in: Schilling/Ehrenpreis (Hg.), Erziehung, 2003, 19 – 33, hier 28 – 33 sowie Ehrenpreis, Einleitung, in: Schilling/Ehrenpreis (Hg.), Bildungsgeschichte, 2007, 1 – 17. 332 Vgl. Strehler, Beiträge, 1934, 85. 333 StAZH E II 113, fol. 4.

Die Gemeine Herrschaft der Eidgenossen

die Konfessionen im Schulunterricht.334 In Schlieren wurde von dem „wurtzengraber“ Benedikt Störi der Schulunterricht von 1634 bis 1651 gehalten; wie Pfarrer und Gemeinde bezeugten, hatte er die Kinder wohl unterricht.335 In Einzelfällen wurde verzeichnet, unter welchen schwierigen Umständen der Schulunterricht gehalten wurde. In Zurzach und Tegerfelden versah der Pfarrer den Schulunterricht nur im Winter; in Ermangelung eines Schulgebäudes wurde die Kammer eines Nachbarn genutzt – das Bauen einer Schule oder die Erweiterung der Kirche zur Unterrichtung der Kinder wurde erwogen. Alternativ überlegte man, das Nachbarhaus des Pfarrers zu erweitern, um dort die Schulkinder unterrichten zu können.336 Im September 1641 waren die ungefähr sechzig Kinder noch ohne „schulstuben“.337 Erst in der Frühlingsvisitation konnte verzeichnet werden, dass nun „in der nüwen schulstuben“, die kürzlich von den Gemeindemitgliedern erbaut worden war, der Unterricht stattfinden werde.338 Auch in Dietikon klagte man über Platzmangel. Der Pfarrer Jakob Redinger berichtete 1648 nach Zürich, dass von den zweihundert jungen Leuten, die die Kinderlehre besuchten, „kaum der dritte theil in die stuben“ passen und „die anderen außerhar stahn mußend“.339 Diese prekäre räumliche Situation war keine Besonderheit der Grafschaft Baden; auch in den Gemeinden der Zürcher Landschaft des 17. und 18. Jahrhunderts zählte die fehlende Schulstube zu den geläufigen Missständen.340 Die Geistlichen teilten sich damit die Verantwortung, den religiösen Wissensstand der bäuerlichen Schulkinder anzuheben, mit gebildeten Laien, die in einigen Dörfern der Grafschaft Baden den Schulunterricht übernahmen. Dabei lässt sich eine Differenzierung beobachten. Während die Schulmeister

334 Ebenda, fol. 56. Wie häufig dieses Phänomen war, lässt sich kaum einschätzen. Weitere Beispiele „gemischtkonfessionellen“ Unterrichts – katholische Kinder besuchen den Schulunterricht des reformierten Schulmeisters und umgekehrt – bei Strehler, Beiträge, 1934, 99. 335 Vgl. StAZH E II 113, fol. 58 sowie StAZH E II 133, fol. 313. 336 StAZH E II 113, fol. 63 – 64. Anscheinend wurde die Schule in Zurzach 1610 von dem dortigen Prädikanten errichtet, was die katholischen Orte dazu veranlasste, sich mit dem bischöflich-­konstanzischen Vogt Zweyer zu besprechen, „damit der Bischof bei den Geistlichen daselbst das Nöthige anordne, sowie auch die weltliche Obrigkeit ihrerseits nicht ermangeln werde, den Abbruch des katholischen Glaubens vorzubeugen“, vgl. EA 5/1, 2, 1471. 337 StAZH E II 113, fol. 109. 338 Ebenda, fol. 142. 339 StAZH A 366.1 Kloster Wettingen (1293 – 1677), 21. Juli (Heumonat) 1648. 340 Strehler, Beiträge, 1934, 102 – 105.

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gebildete Laien waren, die die Kinder in Lesen und Schreiben unterrichteten,341 übernahm der Dorfpfarrer die Unterrichtung der christlichen Inhalte, wie den Kirchengesang und den Katechismus.342 Eine enge Verzahnung von schulischer und katechetischer Unterweisung, wie sie Stefan Ehrenpreis in reformierten Gemeinden mit Minderheitenstatus im Alten Reich beobachtet hat, lässt sich für die reformierten Gemeinden der Grafschaft Baden nicht konstatieren.343 Die Benachteiligung der reformierten Konfessionsgemeinschaft bestand darin, dass die Durchsetzung von Kirchenreformen in der Grafschaft Baden zwar nicht verhindert, aber wesentlich erschwert wurde. Diese rechtliche Benachteiligung der reformierten Untertanen erhöhte das Konfliktpotential in den bikonfessionellen Gemeinden der Grafschaft Baden und intensivierte zudem das kommunikative Geschehen unter den eidgenössischen Regenten. Konflikte produzieren nicht nur Quellen, sondern auch neue Kommunikationszusammenhänge. Bei diesen war Zürich federführend, da die Limmatstadt mit Vehemenz für die Verbesserung der materiellen, sozialen und rechtlichen Rahmenbedingungen ihrer reformierten Untertanen in der Grafschaft Baden stritt. Mit welchen argumentativen Verfahren Zürich sich den institutionellen Zwängen (Landfriedensverträgen, Mehrheitsprinzip) widersetzte, wird die Analyse der kommunikativen Auswirkungen von Konfessionskonflikten in den folgenden Kapiteln zeigen.

2.4 Fazit: Eidgenössischer Kommunikationsraum Grafschaft Baden Das politische Repräsentationssystem Grafschaft Baden war neben seiner bi­­ konfessionellen Regierungsstruktur (eidgenössische Orte, Landvogt wechseln­ der Konfession) maßgeblich durch die Abwesenheit der eidgenössischen Herrschaftsträger gekennzeichnet. Dies hatte zur Folge, dass die Verständigung über konfessionelle Streitfälle aus den bikonfessionellen Gemeinden der Grafschaft Baden vorwiegend im diplomatischen Schriftverkehr und auf den gemeineidgenössischen Tagsatzungen bzw. den evangelischen und katholischen Konferenzen 341 Ebenda, 96; Strehler zufolge wurden neben den praktischen Kenntnissen hohe mora­ lisch-­ethische Ansprüche an den Schulmeister gestellt. 342 So etwa bei der Herbstvisitation 1644 in Dietikon/Urdorf, vgl. StAZH E II 113, fol. 298. In Zurzach und Tegerfelden, wo die Schule wohl gemeinsam gehalten wurde, übernahm der Pfarrer beide Tätigkeiten, vgl. StAZH E II 113, fol. 253 – 254. Zur Ernennung der Schulmeister auf der Zürcher Landschaft vgl. Strehler, Beiträge, 1934, 85 – 90. 343 Ehrenpreis, Schulwesen, in: Schilling/Ehrenpreis (Hg.), Bildungsgeschichte, 2007, 97 – 122.

Fazit

stattfand, wo über die Konfliktfälle debattiert wurde. Die politische Kultur und soziale Ordnungsbildung in der Grafschaft Baden war nachhaltig durch die Kategorie der Konfession und die differierenden Kommunikationsformen (mündlich, schriftlich) in unterschiedlichen kommunikativen Medien geprägt. Die im Zusammenhang mit den Konfessionskonflikten produzierten Distanzmedien, Korrespondenzen, Instruktionen und Abschiede zwischen den eidgenössischen politischen Funktionsträgern sowie die Gravamina und Missiven der reformierten und katholischen Geistlichen vor Ort, exemplifizieren nicht nur die Formenvielfalt der politischen Verfahren, sondern akzentuieren den Kommunikationszusammenhang von Herrschaftsausübung. Herrschaft in den gemeinsam regierten Untertanengebieten tritt uns als ein Phänomen entgegen, das sich aufgrund der Abwesenheit eidgenössischer Herrschaftsträger auf Schriftlichkeit stützte und sich wesentlich als ein schriftliches kommunikatives Geschehen konstituierte. Auf der Tagsatzung wurden zwar Formen der Interaktionskommunikation zwischen Gesandten der eidgenössischen Orte praktiziert,344 allerdings waren diese kommunikativen Verfahren den Abschieden in ihrer Bedeutung nachgeordnet. Erst durch Abschiede erhielten die münd­ lichen Absprachen eine rechtsfortbildende Wirkung.345 Auf horizontaler Ebene, zwischen den regierenden Orten unterschiedlicher Konfession, wurde das kommunikative Geschehen jenseits der Tagsatzung seit der konfessionellen Spaltung durch die konfessionelle Zugehörigkeit der Eidgenossen strukturiert. Systembildend wirkten hier die Vorortfunktionen der Städte Zürich und Luzern; vor allem der katholische Vorort war für die Bündelung und Strukturierung der Kommunikation unter den katholischen Eidgenossen verantwortlich, während Zürich vielfach allein handelte, ohne die reformierten Mitregenten Bern und Evangelisch Glarus einzubeziehen. Es war überwiegend der katholische Vorort Luzern, der die katholischen Konferenzen ausschrieb und die Gesandten in Luzern beherbergte. Auch die Kommunikation um die gemeineidgenössischen Tagsatzungen und konfessionellen Konferenzen herum lenkte Luzern durch Missiven an die katholischen Mitregenten, die als Distanzmedien wesentlich für die innerkonfessionelle Verständigung waren. Diese den Raum und die Zeit überbrückende schriftliche Kommunikation der eidgenössischen Regenten gleicher Konfession galt zum einen der Informationsbeschaffung und dem Informationsaustausch über einen religiösen Streitfall; zum anderen wurde durch sie eine innerkonfessionelle Meinungsbildung ermöglicht, bevor mit der 344 Zur Interaktionskommunikation vgl. Schlögl, Vergesellschaftung, in: ders. (Hg.), Interaktion, 2004, 9 – 60, hier 21 sowie 27 – 30. 345 Vgl. die Diskussion über die Auslegung des Landfriedens in Kap. 3: Parität durch Konflikt.

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konfessionellen Gegenpartei verhandelt wurde. Federführend waren auch bei dieser Form der politischen Kommunikation die Städteorte Zürich und Luzern. Die Artikulation konfessioneller Antagonismen war wesentlicher Bestandteil des eidgenössischen Schriftverkehrs; konfessionelle Differenzen wurden in der politischen Kommunikation unter den eidgenössischen regierenden katholischen und reformierten Regenten permanent zur Sprache gebracht. Die konfessionelle Zugehörigkeit der eidgenössischen Orte war nicht nur bei der strittigen Frage der Mehrheitsentscheidungen eine grundlegende Kategorie, die in einem vergleichenden Ansatz die Produktion konfessioneller Unterschiede und in einer ergebnisorientierten Perspektive zur Herstellung konfessioneller Eindeutigkeit führte. Auch und gerade bei der gemeinsamen Verwaltung der Grafschaft Baden war die konfessionelle Zugehörigkeit als ein Differenzkriterium permanent verfügbar. Obwohl die regierenden Orte die „hohe“ Obrigkeit für die Untertanen und den Landvogt beider Konfessionen konstituierten, waren Herrschaftsinteressen und Kommunikationswege maßgeblich durch die Konfession der Kommunikanten strukturiert. Evangelische Untertanen und ihre Geistlichkeit wandten sich mit ihren Beschwerden an den reformierten Ort Zürich, die katholischen Untertanen und Geistlichen taten es ihnen gleich und artikulierten ihre politisch-­konfessionellen Anliegen an die regierenden Orte ihrer Konfession. In einer Perspektive „von unten“ konstituierte die konfessionelle Zugehörigkeit somit ebenfalls das entscheidende Kriterium für die Eröffnung des kommunikativen Geschehens. Selbst die Landvögte, die eine eidgenössische Regierungspluralität verkörperten, waren Teil dieses konfessionellen politischen Referenzsystems. Insofern reduzierte die konfessionelle Zugehörigkeit in gewisser Hinsicht die Komplexität der politischen Kommunikation, da sie die Kommunikationswege vereinfachte und übersichtlicher gestaltete. Die Reduktion der komplexen Kommunikations- und Verfahrenswege erhöhte somit auch die Erwartbarkeit des Gelingens von Kommunikation.346 Neben den horizontalen Kommunikationswegen lassen sich durchgängig vertikale politische Kommunikationsvariablen beobachten. Wegen ihrer Abwesenheit in dem gestaffelten Herrschaftssystem Gemeine Herrschaft waren die obersten Herrschaftsträger, die eidgenössischen Regenten, auf lokale Funk­tions­ träger angewiesen, die den lokalen Informationsfluss bündelten und lenkten – zu denken ist hier in erste Linie an die Landvögte der Grafschaft Baden, aber auch an die Landschreiber und Untervögte sowie die Geistlichen in den bikonfessio­ nellen Dorfgemeinschaften. Gleichzeitig waren die Landvögte selbst Träger

346 Zur „Nichterwartbarkeit“ des Gelingens von Kommunikation vgl. Haas/Hengerer (Hg.), Schatten, 2008.

Fazit

von Herrschaftsrechten und, wie etwa die lokale Geistlichkeit, Vertrauenspersonen für die Dorfbewohner. Durch diese Form der politischen Kooperation auf unterschiedlichen Ebenen, in beide Richtungen („oben“/„unten“) und in den konfessionell geprägten Kommunikationszusammenhängen (evangelische und katholische Konferenzen) formierte sich der Kommunikationsraum Grafschaft Baden. Damit wird in dieser Studie weniger ein konkreter geographischer Raum bzw. Ort für politische Verhandlungen bezeichnet, sondern ein abstraktes Gebilde, das sich durch die Herrschafts- und Kommunikationsbeziehungen und damit im Vollzug der Kommunikation über die Konfessionskonflikte aus der Grafschaft Baden verdichtete. In gewisser Hinsicht bezog sich das kommunikative Geschehen selbstredend auf einen konkreten geographischen Raum – die Grafschaft Baden –, die politisch-­rechtlichen Kommunikationszusammenhänge und Kommunikationsbeziehungen zwischen den eidgenössischen Regenten und lokalen Funktionsträgern wiesen indes weit über dieses Territorium hinaus. Aufgrund dieser Reichweite der politischen Kommunikation versteht sich diese Studie nicht allein als Analyse des kommunikativen Geschehens in der Grafschaft Baden. Durch die Rekonstruktion der kommunikativen Verflechtung zwischen den lokalen Funktionsträgern der Grafschaft Baden und den eidgenössischen Regenten gerät die politische Kommunikation in der Alten Eidgenossenschaft als solche in den Blick.

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3 Parität durch Konflikt. Religiöse Koexistenz gestalten 3.1 Einleitung 1643 veröffentlichte der Zürcher Stadtschreiber Hans Heinrich Waser einen umfangreichen Folianten mit dem Titel Größere deduction oder Beschrybung der Religionsbeschwerden in den gemeinen Eidt-­gnössischen Herrschaften.1 In diesem Werk führte Waser akribisch Buch über die Religionsbeschwerden, die aus den gemeinsam regierten Untertanenländern des Thurgaus, des Rheintals, der Grafschaft Baden und des Sargans stammten. Doch welches Verständnis von „Religionsbeschwerden“ lag dieser Kompilation zugrunde? Auskunft und erste Orientierung bietet das Inhaltsverzeichnis. Die „Tabula, et Index totius Operis“ legt die Ordnungskriterien des Werkes offen. In der Rubrik „Inn Crafft“ führte der reformierte Amtmann den Zweiten Landfrieden, das Herkommen, Verträge und eidgenössische Abschiede auf und verwies damit auf die grundlegenden rechtlichen Normen des bikonfessionellen Lebens in den Gemeinen Herrschaften. Das Recht auf freie Religionsausübung galt für die katholischen und reformierten Untertanen gleichermaßen, wenn auch die Modalitäten differierten. Die Religionsbeschwerden, die Waser beklagte, betrafen die Verletzung dieser Rechte, denn: „Dieseren Friden und Freyheit zuwider werdent die Euangelischen an vilen orthen übel beschwert […]“.2 Diese Beschwernisse, auf die schon im Titel des Werkes hingewiesen wurde, waren keine Klagen im heutigen Verständnis des Wortes. Waser wies mit seinem Werk vielmehr darauf hin, dass die evangelischen Gläubigen dem geschlossenen Friedensvertrag zum Trotz nicht die Religionsfreiheiten in den Gemeinen Herrschaften genossen, die ihnen rechtlich zustanden. Der reformierte Amtmann listete nicht nur konkrete Fälle aus den oben aufgeführten Territorien auf, sondern notierte vielfach die gesamteidgenössischen Abschiede, die in diesen und in früheren konfessionellen Streitfällen ergangen waren. Das Ziel, das Waser mit seinem Werk verfolgte, war damit ungleich ehrgeiziger, als es der Titel heutigen Leserinnen und Lesern suggeriert: Es ging dem reformierten Stadtschreiber keinesfalls nur darum, Material in Buchform zu präsentieren, das die Benachteiligung evangelischer Gläubiger verdeutlichte. Der Zürcher Amtmann strebte die Erstellung eines

1 StAZH B I 284, beidseitig foliiert. Hierbei handelt es sich um die Kopie des Originals in der Zentralbibliothek Zürich, ZBZ Ms. L 18. 2 StAZH B I 284, Tabula, et Index totius Operis.

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Kompendiums an, das konfessionell-­politische Rechtsbrüche verzeichnete, die gegen die Bestimmungen zur religiösen Koexistenz in den Gemeinen Herrschaften verstießen. Die Klagen der Reformierten aus den Gemeinen Herrschaften und die Abschiede der eidgenössischen Obrigkeiten wurden von dem Zürcher Stadtschreiber zusammengestellt, um Anwendung und Auslegung des Zweiten Landfriedens in der politischen Praxis zu dokumentieren. Wasers Werk war keineswegs vollständig; sein Verdienst lag vielmehr darin, dass es einzelne Konfliktfälle in einen historischen Kontext stellte, sie ordnete und systematisierte. Zudem wurden in den einzelnen Rubriken jeweils die gesamteidgenössischen Abschiede aufgeführt, die bei vergleichbaren Fällen von der eidgenössischen Tagsatzung verabschiedet worden waren. Bei seiner rechtshistorischen „Wühlarbeit“ (Aby Warburg) ging Waser weit in das 16. Jahrhundert zurück und gab den Benutzern damit ein praktisches Werk an die Hand, das eine rasche Orientierung über rechtliche Präzedenzfälle in der Alten Eidgenossenschaft erlaubte. Insofern ist das Verzeichnis von Hans Heinrich Waser auch ein Stück reformierter Erinnerungskultur. Zudem ist es ein Werk, das konfessionspolitisch denkt und argumentiert. Seit Anfang des 17. Jahrhunderts machten die weltlichen Autoritäten Zürichs strategischen Gebrauch von dem Wissen, das sich in ihren Archiven befand. Es wurden Sammlungen wichtiger Texte erstellt, die bei den politisch-­konfessionellen Auseinandersetzungen mit den katholischen Orten als Argumentationsgrundlage fungieren konnten.3 In diesen Herstellungs- und Gebrauchszusammenhang fügt sich Wasers Verzeichnis nahtlos ein. Dass der Verfasser die Seiten ab der Nummerierung 534 unbeschrieben ließ, mag darauf hindeuten, dass er sehr wohl wusste, dass seine rechtliche Traditionsbildung nur der Anfang, nicht aber das Ende eines langen Prozesses war. Um den Gebrauch von Texten im Zusammenhang mit Konfessionskonflikten geht es auch im folgenden Kapitel.4 Im Mittelpunkt der Analyse stehen keine Rechtskompilationen, sondern die eidgenössischen Landfriedensverträge

3 Head, Testimony, in: Plummer/Barnes (Hg.), Ideas, 2009, 289 – 305, hier 293 ff. 4 Zum historiographischen Kontext vom Gebrauchswert – und von den Gebrauchskontexten von Schrift allgemein – vgl. Head, Abbildung, in: Böhler/Hofmann/Reill/ Zurbuchen (Hg.), Tugend, 2000, 113 – 127, der die Entstehung von Archiven und die Sammlungspraktiken von Quellen problematisiert. Zum Gebrauch des Landfriedens vgl. Head, Testimony, in: Plummer/Barnes (Hg.), Ideas, 2009, 289 – 305 sowie ders., Modes, in: Blockmans/Holenstein/Mathieu (Hg.), Interactions, 2009, 115 – 129. Weitere wichtige Studien zum Gebrauch von Texten in der Eidgenossenschaft sind Brun, Schrift, 2006; Hildebrand, Herrschaft, 1996; Rauschert, Herrschaft, 2006 sowie Schmid-­Keeling, Geschichte, 2009.

Einleitung

selbst, die die Grundlage für Wasers Kompendium bildeten. Die Landfrieden legten als Resultat kriegerischer Auseinandersetzungen das gemischtkonfessio­ nelle Zusammenleben in den Gemeinen Herrschaften und die Souveränität der einzelnen Orte in der Wahl ihrer Konfession fest (Ius reformandi). Da der Erste Landfrieden von 1529 nur für zwei Jahre Gültigkeit besaß und der Dritte Landfrieden von 1656 den Zweiten Landfrieden von 1531 lediglich modifizierte, war es der Zweite Landfrieden, der sich in der politischen Praxis als besonders wirkmächtig erwies. Mit diesen Landfriedensregelungen – zu denen auch der Vierte Landfrieden von 1712 zählt – erreichte die Alte Eidgenossenschaft eine rechtliche und politische Regelung über das friedliche Zusammenleben von Katholiken und Protestanten, die im Alten Reich mit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 und in Frankreich und England durch erbitterte Glaubenskriege erst noch errungen werden musste.5 Ihre Bedeutung liegt darin, dass sie „beiden christlichen Bekenntnissen die staatliche Gleichberechtigung im Verhältnis von Stand zu Stand kraft eidgenössischen Vertragsrechts“ gewährleisteten.6 Während die souveränen Orte frei über die Einführung der Reformation in ihrem Territorium entscheiden konnten, wurden in den Landfriedensverträgen die rechtlichen Bedingungen der religiösen Koexistenz für die katholischen und reformierten Untertanen der Gemeinen Herrschaften verhandelt, die deutlich den jeweiligen Ausgang der militärischen Begegnung und damit die aktuellen politischen Kräfteverhältnisse unter den Eidgenossen reflektieren. Die vier landfriedlichen Verträge waren damit politisch-­rechtliche, aber keine lebensweltlichen „Koexistenzsystem[e]“, die das Zusammenleben beider Religionsangehöriger „mit dem Mittel des Rechts“ regelten.7 Sie schufen die legalen Bedingungen bikonfessionellen Zusammenlebens, weshalb der in der Kapitelüberschrift gewählte Begriff des Gestaltens wörtlich zu verstehen ist. Die Verträge waren entscheidend für die Art und Weise, wie religiöse und konfessionelle Koexistenz in den gemeinsam regierten Untertanenländern hergestellt, produziert und geschaffen wurde. Ermöglicht wurde die Auslegung der landfriedlichen Verträge durch den interpretativen Spielraum, den diese Rechtstexte ließen. In dieser Eigenschaft 5 Eine Diskussion der deutschen Religionsvergleiche bei Schilling, Acceptation, in: Schorn-­Schütte/Mörke (Hg.), Abhandlungen, 2002, 32 – 46. 6 Stänz, Entwicklung, 1936, 14. Die rechtsgeschichtliche Forschung spricht hier von dem simultaneum territoriale, eine Terminologie, die sich erst im 17. Jahrhundert in den Friedensverhandlungen des Westfälischen Friedens zu entwickeln scheint, vgl. Brüschweiler, Simultanverhältnisse, 1932, 5 – 6, Anm. 4. 7 Schilling, Konfessionalisierung, in: HZ 246, 1988, 1 – 45, hier 8 sowie ders., Acceptation, in: Schorn-­Schütte/Mörke (Hg.), Abhandlungen, 2002, 32 – 46, hier 37.

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Parität durch Konflikt

glichen die Landfriedensverträge durchaus anderen frühneuzeitlichen Friedenswerken, da diese ebenfalls vage formuliert und „auslegungsoffen“ waren und damit der interpretativen Festlegung geradezu bedurften.8 Die offene Struktur der Texte erlaubte eine intensive Auslegungspraxis, die für die politischen Handlungsräume steht, welche durch die Interpretationen des Rechtstexts zugleich mitgestaltet wurden. Der Gebrauchs- und Nutzungskontext der Landfriedensverträge, wie er sich seit Mitte des 16. Jahrhunderts in der Alten Eidgenossen­ scahft abzeichnete, ist demnach von den Auslegungs- und Deutungsversuchen der reformierten und katholischen Eidgenossen kaum zu trennen, die diese Werke konfessionsspezifisch lasen, verstanden und für ihre Herrschaftsinteressen instrumentalisierten. Wie dokumentierte Einzelfälle bezeugen, stritten die Eidgenossen selbst über die Bedeutung einzelner Wörter des Landfriedenstextes. Diese „hermeneutischen“ Verfahren der katholischen und reformierten politischen Elite des 16. und 17. Jahrhunderts praktizierten eine Rechtsauslegung, durch die sich der Landfriedenstext immer weiter entwickelte.9 Das eingangs erwähnte Verzeichnis einzelner Abschiede von Hans Heinrich Waser dokumentiert diese Auslegungspraxis in Auszügen, da es das sich ausdifferenzierende Wissen über rechtliche Entscheidungen in der Alten Eidgenossenschaft verwahrte. Gleichzeitig bezeugen die konfessionsspezifischen Lesarten die Verbindlichkeit der Texte, die einen wesentlichen Referenzpunkt in der eidgenössischen Konfessionspolitik der Frühen Neuzeit darstellten und die Grundlage für die divergierenden Rechtsverständnisse und Handlungsräume der politischen Elite bildeten. Zentrales Ziel dieses Kapitels ist es somit, die noch ausstehende Darstellung der Praxis der Landfriedensauslegung für die frühneuzeitliche Schweiz über einen langen Zeitraum hinweg zu leisten (1531 – 1712) und den Prozess der politischen und diskursiven Differenzierung anhand einschlägiger Konfliktfelder zu analysieren. Während die Rechtsgeschichte und die historische Forschung aus den Normen des Vertrags auf die Rechtsanwendung geschlossen haben, wird in dieser Studie erstmals der Beitrag der Rechtsauslegung im politischen 8 Axel Gotthardt betont, dass „der Religionsfrieden auslegungsoffen und in manchen Passagen von vornherein auslegungsbedürftig ist“, vgl. ders., Religionsfrieden, in: Kreuzer/­ Wüst/Schürmann (Hg.), Religionsfriede, 2005, 13 – 28, hier 23. Dass die Aussagen der Confessio Augustana „unscharf“ seien und „weiterer Auslegung und Festlegung“ bedürften, konstatiert ebenfalls einer der Väter des Konfessionalisierungsparadigmas, vgl. Reinhard, Konfession, in: ders. (Hg.), Bekenntnis, 1981, 165 – 189, hier 180. Reinhard erklärt diesen Sachverhalt mit der Tatsache, dass die Confessio Augustana „relativ früh in noch ungeklärter Situation“ entstanden sei. Ebenda. Vergleichbar auch Strohm, Zugänge, in: Schilling/Schmolinsky (Hg.), Religionsfrieden, 2007, 127 – 156. 9 Zum Verständnis des Begriffs „hermeneutische“ Verfahren vgl. Head, Testimony, in: Plummer/Barnes (Hg.), Ideas, 2009, 289 – 305, hier 299 – 300.

Einleitung

Narrativ beobachtet und ihre Bedeutung für das bikonfessionelle Zusammenleben aufgezeigt.10 Damit versteht sich dieses Kapitel als ein Beitrag zu einer Praxeologie der politischen Diskursivierung, die konkrete Folgen für die spezifischen Bedingungen der religiösen Koexistenz hatte. Durch die Rechtsauslegung wurde ein Friedensvertrag, der Landfrieden, der überwiegend aus Allianzen und Bündnissen bestand, von einem sehr lockeren Regelwerk zu einem Bestandteil des eidgenössischen Rechts, das von den Zeitgenossen als Landfriedensrecht bezeichnet wurde.11 Bei religiösen Streitfällen wurden die Landfrieden durch gemeineidgenössische Abschiede und Verträge ergänzt, präzisiert und somit auch in Teilen modifiziert. Sie zusammen machen die landfriedliche Gesetzgebung aus und veränderten stetig die legalen Bedingungen der religiösen Koexistenz in der Grafschaft Baden.12 Die politischen Verhandlungen über die einzelnen Klauseln des Landfriedens waren somit rechtsfortbildend. Paritätische Verhältnisse in diesem Territorium stellten insofern nicht das Produkt einer gesellschaftlichen Entwicklung hin zu einer gerechteren Gesellschaft dar, sondern sie waren das Ergebnis zähen Ringens um das landfriedliche Textverständnis und letztendlich die Folge eines militärischen Triumphes, nämlich des Sieges der reformierten über die katholischen Orte mit dem Zweiten Villmergerkrieg 1712. Der kommunikationshistorische Zugriff betont somit nicht allein die Konflikthaftigkeit religiöser Koexistenz, sondern betrachtet die politischen Handlungen und Kommunikationszusammenhänge, die daraus erwuchsen. Durch diese Rekonstruktion der Landfriedensauslegung in der frühneuzeitlichen Schweiz können zudem die politischen Entscheidungen der reformierten Stände und deren Handlungsspielräume sichtbar gemacht und dargestellt werden, wie das System Gemeine Herrschaft in der politischen Praxis funktionierte. Der Prozess der Intensivierung diskursiver Praktiken bedeutete zugleich eine 10 Vgl. allgemein Peyer, Verfassungsgeschichte, 1978; Meyer, Durchsetzung, in: Festgabe, 1944, 139 – 169 sowie Domeisen, Verfassungsgeschichte, 1978, 65 – 67. Lediglich Head, Dominion, in: ARG 96, 2005, 117 – 144 hat sich der Landfriedenspraxis innerhalb eines begrenzten Zeitraums, allerdings nicht auf der Grundlage archivalischen Materials, zugewandt. 11 Diese Entwicklung hatte Randolph C. Head zufolge eine verfassungsrechtliche Qualität: „The Landfrieden thus became constitutional in that it anchored both legal and discursive principles for understanding political and ecclesiastical life in the Confederation“, vgl. Head, Dominion, in: ARG 96, 2005, 117 – 144, hier 118 – 119. 12 Vgl. Brüschweiler, Simultanverhältnisse 1932, 71. Konrad Straub weist darauf hin, dass die katholische Mehrheit der regierenden Stände angesichts der Häufigkeit von Verträgen, die Zürich mit katholischen Kollatoren abschloss, im Jahr 1651 bestimmte, dass den Landfrieden modifizierende Verträge von ihnen genehmigt werden müssten, vgl. Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 104 – 105.

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Parität durch Konflikt

konfessionsspezifische Herrschaftsintensivierung durch die regierendenden Orte, da deren Erfolg oder Misserfolg mit politischen Handlungsoptionen verknüpft war. Um den historischen Wandel im Gebrauch der landfriedlichen Texte, aber auch Kontinuitäten mit denselben sichtbar zu machen, rekonstruiert dieses Kapitel die Landfriedensauslegung in drei historischen Untersuchungszeiträumen (1532 – 1560, 1561 – 1655, 1656 – 1712) anhand prägnanter Konfliktfelder. Insgesamt folgt das Kapitel Wasers Spuren, da es einen Beitrag zu einer rechtlichen Traditionsbildung, aber auch zu einer Genese von Konfessionskonflikten in der Alten Eidgenossenschaft des 16. und 17. Jahrhunderts leistet, die auf der Auslegung, Deutung und Interpretation eidgenössischen Rechts basierte. Dieses Kapitel entwickelt eine Argumentation in verdichteter Form, die zugleich das Ergebnis der Analyse der Konfessionskonflikte darstellt, die im weiteren Verlauf der Untersuchung zur Sprache kommen. Da auch Texte ihren Ort im historischen Geschehen haben, werden die Landfrieden einleitend in der Genealogie der reformatorischen Ereignisse in der Grafschaft Baden verortet.

3.2 Landfrieden und Reformation Die eidgenössischen Landfriedensverträge sind nur vor dem Hintergrund der reformatorischen Ereignisse in der Eidgenossenschaft angemessen zu verstehen. Durch die Reformation veränderte sich das politische Gleichgewicht in der Eidgenossenschaft nachhaltig, da sich nun zwei konfessionelle Lager gegenüberstanden. Mit Reformation und Konfessionalisierung erhielten diese ursprünglich mittelalterlichen Friedensvereinbarungen zur Niederlegung von Gewaltverbrechen und Fehde eine konfessionelle Zielrichtung, da sie nun die Friedensschlüsse bezeichneten, die nach den innereidgenössischen Religionskriegen von 1529, 1531, 1656 und 1712 entstanden. Die Bezeichnung „Landfrieden“ wurde von zeitgenössischen Chronisten des 16. Jahrhunderts wie Heinrich Bullinger, Johannes Stumpf und Johannes Salat „primär für das Vertragswerk selbst“ verwandt.13 Zudem bestimmten sie dem mittelalterlichen Gebrauch gemäß auch den „geogr[aphischen] Raum sowie den Rechtszustand“.14 Wie Hans Ulrich Bächtold schreibt, ergänzten und modifizierten die vier Landfriedensverträge die durch die Bundesbriefe vorgegebene Rechtslage in der Eidgenossenschaft.15

13 Bächtold, Landfriedensbünde, in: HLS online, www.hls-­dhs-­dss.ch/textes/d/D9807. php (Zugriff 07. 01. 2016). 14 Ebenda. 15 Ebenda

Landfrieden und Reformation

Unter der Agitation Huldrych Zwinglis und dem Expansionsdruck der reformierten Orte verschärften sich in den 1520er-Jahren die innereidgenössischen Spannungen. Insbesondere der Einfluss der regierenden Orte in den Gemeinen Herrschaften war unter den eidgenössischen Regenten strittig und führte wiederholt zu politischen Auseinandersetzungen. Durch die Annahme der Reformation in Bern lagen die Grafschaft Baden und die Freien Ämter zwischen den beiden mächtigsten reformierten Städteorten mit großem Herrschaftsgebiet – eine geographische Machtkonstellation, die den katholischen Orten nicht behagte.16 Diese machten ihren Einfluss in den Gemeinen Herrschaften geltend und nahmen die Untertanen in Eidespflicht; sie verboten ihnen auf das Strengste, evangelische Schriften zu lesen, an Fasttagen Fleisch zu essen sowie evangelische Predigten zu besuchen.17 Auf der Tagsatzung am 24. März 1528 verlasen die Gesandten aus Zürich eine ausführliche Instruktion. Zürich verlangte Straffreiheit für reformatorische Seelsorger und ihre Zuhörer in den Gebieten, an deren Regierung sie beteiligt waren. Auch opponierten sie gegen das Verbot, in der Fastenzeit mit Hühnern, Fleisch oder Eiern Handel zu treiben.18 Damit nahmen die Versuche der eidgenössischen Orte, die reformatorischen Vorgänge in den gemeinsam regierten Herrschaftsgebieten zu lenken, ab den späten 1520erJahren merklich zu.19 Das am 25. Juni 1528 zwischen Bern und Zürich geschlossene Burgrecht ist ein besonders deutliches Beispiel, da es explizit dem Schutz des evangelischen Glaubens in den Gemeinen Herrschaften galt.20 Auf der Tagsatzung am 28. September 1528 in Baden eröffneten die Gesandten aus Bern und Zürich mit dem im Burgrecht formulierten Begehren, „daß in den gemeinen Vogteien, an welchen sie Theil haben, Diejenigen, die das Wort Gottes hören möchten, wie die beiden Orte es predigen lassen, es hören dürfen, da ihre herren der meinung seien, daß man solches Niemanden abschlagen könne“.21 16 Zur – gewaltsamen – Einführung der Reformation im Berner Oberland mit weiterführenden Literaturangaben vgl. Holenstein, Durchsetzung, in: Holenstein/Engler/ Gutscher-­Schmid (Hg.), Zeit, 2006, 164 – 167. 17 Und anderes mehr, vgl. Höchle, Geschichte, 1907, 79 sowie EA 4/1a, 1285, 1291 – 1292. 18 EA 4/1a, 1292. 19 Für eine Chronologie der Ereignisse im Thurgau, ebenfalls einer Gemeinen Herrschaft, die unter dem Einfluss Zürichs größtenteils reformiert wurde (und dies im Unterschied zur Grafschaft Baden auch nach dem Zweiten Landfrieden blieb), vgl. aus rechtshistorischer Sicht Knittel, Werden, 1946, 3 – 34 sowie, detaillierter, Kägi, Aufnahme, 1972, bes. 154 – 159. 20 Höchle, Geschichte, 1907, 80 – 81 sowie EA 4/1a, 1522 – 1525. Schutz genossen des Weiteren Laien, die das reine Gotteswort hören wollten und Geistliche, die sich vermählten. 21 EA 4/1a, 2. Teil, 1407, Art. 580, lic. c (Baden, 28. September 1528) sowie Elsener, Ge­­ schichte, in: ZRG KA 62, 1956, 250. Mit diesem Begehren forderten die reformierten

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Parität durch Konflikt

Unter dem reformatorischen Druck nahmen zwischen 1525 und 1529 die Landgemeinden St. Gallen, Appenzell, Thurgau, Graubünden und Glarus sowie die Städteorte Bern, Basel und Schaffhausen die Reformation an.22 Um den Einfluss in den gemeinsam regierten Untertanenländern zu stärken, schlossen die katholischen Orte am 22. April 1529 mit der „Christlichen Vereinigung“ ein Bündnis mit Erzherzog Ferdinand von Österreich, das dann in Kraft treten sollte, wenn Zürich und Bern die katholischen Orte bei der Verfolgung von Reformierten in den Gemeinen Herrschaften behindern sollten. Dem zum Trotz nahm das auf dem Zürcher Herrschaftsgebiet liegende, aber politisch zur Grafschaft Baden zählende Schlieren Anfang 1529 als erste Gemeinde dieses Territoriums die Reformation an, schon bald folgten Bremgarten, Eggenwyl und Rohrdorf. Die konfessionellen Spannungen – Zürich ließ den Thurgauer Landweibel Max Wehrli enthaupten, Luzern nahm den Pfarrer Jakob Kaiser in Uznach gefangen und verurteilte ihn zum Tod – mündeten in den Ersten Kappelerkrieg, der, ohne dass es zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen wäre, durch den Ersten Landfrieden am 26. Juni 1529 zwischen den reformierten Orten Zürich, Bern, Basel, St. Gallen, Mülhausen und Biel sowie den fünf katholischen Orten beschlossen wurde.23 Für die reformatorischen Parteien war der Erste Landfrieden – auch wenn er als Ergebnis der politischen Verhandlungen mit den katholischen Orten deren Spuren trug – ein Meilenstein der Reformationsgeschichte. Nicht nur deutete er die durch die reformatorischen Bewegungen entstandenen religiösen Sakrallandschaften in rechtlich legitimierte konfessionell-­politische Rechtsverhältnisse um.24 In diesem Vertrag wurde auch die Differenzierung zwischen einer Mehrheit Stände das Recht auf christliche Selbstbestimmung in den Gemeinden der gemeinsam regierten Untertanengebiete, an denen Bern und Zürich beteiligt waren. 22 Gordon, Swiss Reformation, 2002, 86 – 115. 23 Den Einfluss Zwinglis auf das Geschehen und dessen politische Tätigkeit vermisst Haas, Zwingli, 1965. Zur Ereignisgeschichte aus militärhistorischer Sicht vgl. Bäder/ Bangerter, Kappeler Kriege, 2001. Die diplomatische Vermittlungstätigkeit des In- und Auslandes während der Kappelekriege dokumentiert die schmale Abhandlung von Schmid, Vermittlungsbemühungen, 1946. 24 Der erste Artikel bestätigte zunächst den Grundsatz cuius regius, eius religius der souveränen Orte; „aber die zuogwandten und vogtien, wo man mit einandern zuo beherschen hat, belangend, wo dieselben die meß abgestellt und die bilder verbrennt oder abgetan, daß dieselben an lib, eer und guot nit gestraft söllend werden; wo aber die meß und ander ceremonia noch vorhanden, die söllent nit gezwungen, ouch deheine predicanten, so es durch den merteil nit erkannt würd, geschickt, ufgestellt oder gegeben werden, sunder was under inen den kilchgnossen, die uf oder abzetuon, der glichen mit der spiß, so gott nit verboten ze essen, gemeret würd, dabi sol es biß uf der kilchgnossen

Landfrieden und Reformation

auf eidgenössischer und auf kommunaler Ebene wirksam. Waren es bis 1529 mehrheitlich einzelne Personen, die im Sinne der reformatorischen Bewegung agierten, so konnten nach 1529 die Gemeinden durch Abstimmung auf lokaler Ebene eigenverantwortlich über die Einführung der Reformation entscheiden. Damit war die Entscheidung über den Glauben keinem einzelnen Fürsten eines Territorialstaates bzw. den eidgenössischen Regenten unterstellt, sondern dem „« gemeinen Mann » als Mitglied seiner souveränen Gerichtsgemeinde“.25 Durch den Ersten Landfrieden von 1529 fand somit die Reformation eine verfassungsrechtliche Verankerung, zugleich wurde den katholischen Gläubigen die Ausübung ihres Glaubens gewährt. Der Erste Landfriede legte damit erstmals in der Geschichte der Alten Eidgenossenschaft das Prinzip der konfessionellen Parität fest. Durch diese verfassungsmäßige Verankerung des reformierten Glaubens wurden die rechtlichen Bedingungen geschaffen, die durch die Straffreiheit der Anhänger der reformierten Lehre sowie der Bilderstürmer die Verbreitung der Reformation in den gemeinsam regierten Untertanenländern ermöglichte. Mehrheitlich reformierte Untertanen konnten auf Gemeindeebene ihren Pfarrer vor Ort verlangen, doch zugleich genoss die katholische Minderheit das Recht, auch weiterhin die Messe zu hören – damit hatte sich das Gemeindemehr gegenüber einem eidgenössischen Mehr durchgesetzt. Diese rechtlichen Bedingungen zur religiösen Koexistenz in der Eidgenossenschaft boten somit die Rahmenbedingungen zur Etablierung gemischtkonfessioneller Milieus, einer historischen Praxis der Konversion, die von den jeweiligen Parteien des Friedensvertrags in dieser Form nie intendiert gewesen ist. In schneller Folge nahm in der Grafschaft Baden ein Großteil der Gemeinden die Reformation an – lediglich Klingnau unter konstanzisch-­bischöflichem und Baden unter dem Einfluss der katholischen Orte hielten am katholischen Glauben fest.26 Unter anderem aufgrund der im Ersten Landfrieden formulierten Straffreiheit besaßen die reformierten Orte nun einen größeren Agi-

gefallen bliben, und dehein teil dem andern sinen glouben weder fechen und strafen“. Walder, Religionsvergleiche, Bd. 1, 1960, 5. 25 Head, Kommunalismus, in: Kümin (Hg.), Landgemeinde, 2004, 21 – 57, hier 25 – 26, hat in diesem Zusammenhang mit Blick auf die Drei Bünde davon gesprochen, dass nun in gewisser Hinsicht „das cuius regio-­Prinzip des Reiches“ praktiziert worden sei, allerdings von der Gemeinde und nicht einem Fürsten. 26 In Klingnau stellte sich – ähnlich wie in Baden – die Pfarrgeistlichkeit „eindeutig gegen einen Bruch mit der kirchlichen Überlieferung“, vgl. Mittler, Geschichte, 1967, 104. In Baden machten zudem die reformationsfeindlichen Landvögte ihren Einfluss geltend – zu denken ist hier insbesondere an den katholischen Landvogt Heinrich Fleckenstein aus Luzern. Zum Ringen um Baden vgl. Mittler, Geschichte, Bd. 1, 1962, 299 – 303.

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tationsspielraum in den gemeinsam regierten Untertanenländern, da einzelne Personen für ihre Glaubensüberzeugung und ihren Glaubenswechsel nicht mehr die Verfolgung und die Bestrafung der katholischen Stände riskierten. Nach Abschluss des Ersten Landfriedens entschieden sich die von Zurzach aus versehenen Gemeinden Tägerfelden und Endingen für die Annahme der Reformation;27 Kadelburg folgte auf dem Fuß.28 Auf Begehren der Gemeinde und mit Unterstützung Zürichs wurde der erste reformierte Seelsorger nach Tegerfelden bestellt, Ulrich Müller zu Rhein, der sein Predigtamt am 15. August 1529 antrat.29 Eine weitere Zäsur in der Chronologie des Übertritts zur evangelischen Lehre in der Grafschaft Baden stellte die Annahme der Reformation des Klosters Wettingen dar: Unter dem Druck der reformierten Orte Zürich und Bern legten der Abt Georg Müller und die Mehrzahl der Mönche im August 1529 das Ordensgewand ab.30 Noch in derselben Woche folgten die Dörfer Würenlos und Fislibach, in denen das Kloster als Grund- und Gerichtsherr auch die Kollatur innehatte. In seiner Reformationschronik datierte Johannes Stumpf das Ereignis auf den 18. August 1529: An diesem Tag hätten die Würenloser Dorfbewohner ihre Kirche von Zierden und Bildschmuck gereinigt und „alle altar, ceremonien und bilder abgethonn“.31 Kurz nach diesen Ereignissen entschied sich auch die Zurzacher Gemeinde am 24. August 1529 für die Reformation – lediglich sieben namentlich bekannte Zurzacher stimmten beim „Mehren“ auf kommunaler Ebene für den katholischen Glauben.32 Auch die protestantische Zurzacher Gemeinde begehrte zur Verkündung des reinen Gotteswortes einen eigenen Pfarrer vor Ort und wandte sich an Zürich. Die Limmatstadt entsandte mit Franz Zingg einen engen Freund Zwinglis nach Zurzach, der bereits 1523 geheiratet hatte. Nicht überall in der Grafschaft Baden kam es zum Sturm auf die Pfarrkirche mit ihren Statuen, Gräbern und Bildtafeln. Verschont blieb etwa die Kirche in Klingnau, da hier trotz des unermüdlichen Versuchs Zürichs, die 27 Von Küssenberg, Chronik, Bd. 3, 1875, 433 sowie Höchle, Geschichte, 1907, 97. 28 Von Küssenberg, Chronik, Bd. 3, 1875, 433. 29 Höchle, Geschichte, 1907, 98. 30 Von Küssenberg datiert auf die Zeit zwischen dem 15. und 20. August 1529, Höchle nach Aktenstudium etwas früher, vgl. von Küssenberg, Chronik, Bd. 3, 1875, 433 sowie Höchle, Geschichte, 1907, 98 – 101. 31 Stumpf, Schweizer- und Reformationschronik, Bd. 2, 1955, 81. 32 Das erste Gemeindemehr war noch zugunsten des Katholizismus ausgefallen. Die Katholiken in Zurzach waren Cleüwe Wagner, Heinrich Adler, Conradt Huser, Hans Hölderle, Hans Bregell, der Hanselmann genandt, der Gross von Rhieten, Schnider Welti“, vgl. von Küssenberg, Chronik, Bd. 3, 1875, 434.

Landfrieden und Reformation

Gemeinde zum Glaubenswechsel zu bewegen, keine Mehrheit für die evangelische Bewegung zustande kam. Mit Peter Blicke lässt sich formulieren, dass eine Gemeinde­reformation in Klingnau aufgrund einer katholischen Mehrheit fehlschlug.33 Klingnau und Baden formierten somit Bastionen katholischen Glaubens in einer überwiegend reformierten Grafschaft Baden 34 – Kaiserstuhl nahm zusammen mit Birmenstorf und Gebenstorf als letzter Ort dieses Territoriums zwischen Januar 1530 und März 1531 nach erneutem Mehren auf Drängen Zürichs die Reformation an.35 Wohl ungefähr zeitgleich ersetzte Bern kraft der königsfeldischen Kollaturrechte den katholischen Priester Johannes Schliniger – er hatte bei der Badener Disputation 1526 seine Stimme dem Katholizismus gegeben – und ernannte den ersten reformierten Seelsorger von Birmenstorf, obwohl eine Mehrheit der Dorfbevölkerung katholisch blieb.36 In unmittelbarer Nähe, in dem ebenfalls unter Berner Kirchenherrschaft stehenden Dorf Gebenstorf, bekannte sich Pfarrer Abraham von Immer zur reformatorischen Bewegung. Ihm folgte die Mehrheit der Dorfbevölkerung, die daraufhin die Kirche von allen Zierden und Bildern reinigte.37 Der Erste Landfrieden von 1529 hatte damit die recht­ lichen Bedingungen geschaffen, unter denen sich die Grafschaft Baden in eine überwiegend reformierte Sakrallandschaft verwandelte. Dies sollte sich unter den Bedingungen des Zweiten Landfriedens grundlegend ändern.

33 Zum Konzept des Kommunalismus vgl. Blickle, Gemeindereformation, 1985; ders., Kommunalismus, in: HZ 242, 1986, 529 – 556; ders., Kommunalismus, 2 Bde., 2000. Aus der umfangreichen Literatur seien lediglich die weiteren Werke genannt: Blickle/ Kunisch (Hg.), Kommunalisierung, 1989; Fuhrmann, Christenrecht, in: Itinera 8, 1988, 14 – 32; dies., Kirche, in: Blickle (Hg.), Zugänge, 1987, 147 – 186. 34 Von Küssenberg, Chronik, Bd. 3, 1875, 442. Diese Einschätzung, die Grafschaft Baden (und Zurzach) seien mehrheitlich reformiert gewesen, wird geteilt von Heyl, vgl. Huber, Beiträge, in: ARG 2, 1872, 533 – 536, hier 533: „Als man aber glich nach dieser badischen disputation in mehrtheils flekhen und dörffern der grafschaft Baden zwinglisch worden, sind lüt zu Zurzach gewesen, die dise, neüerfundenen glauben anhangten dermassen, dass sie die mehrere part im flekhen usmachten“. 35 Höchle, Geschichte, 1907, 118. 36 Namentlich ist der erste reformierte Seelsorger von Birmenstorf nicht bekannt, vgl. Rudolf, Geschichte, 1991, 172. 37 Sauerländer/Steigmeier, Wohlhabenheit, 1997, 35.

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3.3 Der Landfrieden von 1531: Normen der Koexistenz Die Bestimmungen des Ersten Landfriedens waren nur von kurzer Dauer – der Vertrag wurde durch den Zweiten Landfrieden vom 20. November 1531 ersetzt. Der Zweite Landfrieden beschloss den Zweiten Kappelerkrieg zwischen den reformierten und den katholischen Orten und begründete die territorial-­ herrschaftliche Struktur der Alten Eidgenossenschaft, die sich nach 1531 kaum noch änderte. Der Zweite Landfrieden war ausgesprochen wirkmächtig und konstituierte das maßgebliche Normengefüge zur Konstruktion religiöser Koexistenz in den gemeinsam regierten Untertanenländern. Obwohl schon der Erste Landfrieden diesen Namen trug, wurde der zweite Vertrag von 1531 allgemein als „der Landfrieden“ bekannt,38 während sich der Text selbst nur als „frieden“ bezeichnete.39 Er billigte den Untertanen der Gemeinen Herrschaften weitaus größere religiöse Freiheiten zu, als dies in den souveränen Orten der Fall war, in denen der konfessionspolitische Grundsatz cuius regio, eius religio galt.40 Demnach stand der weltlichen Gewalt in ihrem Territorium auch in religiösen Fragen die vollkommene Souveränität zu. Ursprünglich war auch der Landfrieden von 1531 nur als ein vorübergehendes Recht gedacht.41 Der Vertrag wurde mit dem Ziel der Herstellung des momentanen religiösen Friedens in der Eidgenossenschaft aufgesetzt, war aber nicht für die Ewigkeit geschaffen, da er die durch die reformatorischen Bewegungen in den Gemeinen Herrschaften entstandenen reformierten, katholischen und auch gemischtkonfessionellen Gemeinden in eine rechtlich anerkannte religiös zersplitterte Landschaft verwandelte. Insofern schrieb der Landfriedenstext die religiöse Fragmentierung, die die politischen Eliten eigentlich überwinden wollten, durch den Friedensvertrag fest – nach Abschluss des Vertrags war eine konfessionelle Homogenisierung in den Gemeinen Herrschaften der Eidgenossenschaft kaum noch zu realisieren. Nichtsdestotrotz bot der Zweite Landfrieden den normativen Rahmen für innerkonfessionelle und interkonfessionelle Kooperation, da er ohne Klärung

38 Head, Dominion, in: ARG 96, 2005, 117 – 144, hier 118, Anm. 5. 39 Ihm liegen vier Friedensschlüsse zugrunde. Der Hauptvertrag ist der Frieden zwischen Zürich und den fünf katholischen Orten, der am 16. November 1531 geschlossen und am 20. November 1531 besiegelt wurde. Der um die Kriegsentschädigungen erweiterte Vertrag zwischen Bern und den fünf katholischen Orten übernimmt die Artikel des Landfriedens vom 20. November 1531 (er ist auf den 24. November 1531 datiert) und liegt wiederum den Friedensschlüssen mit Basel (22. Dezember 1531) und Schaffhausen (31. Januar 1532) zugrunde, vgl. Walder, Religionsvergleiche, Bd.1, 1960, 5 – 14. 40 Immer noch grundlegend: Elsener, Majoritätsprinzip in: ZRG KA 55, 1969, 238 – 281. 41 Brüschweiler, Simultanverhältnisse, 1932, 71 – 72.

Der Landfrieden von 1531

der theologischen Wahrheitsfrage Vorstellungen von Recht und Ordnung formulierte. Wie der Augsburger Religionsfrieden und das Edikt von Nantes nach ihm, stellte der Zweite Landfrieden damit bereits 1531 den Versuch dar, religiösen Dissens zu verrechtlichen und ihn politisch verhandelbar zu machen. Der Landfrieden von 1531 legte die Souveränität der einzelnen Orte in der Wahl ihrer Konfession fest (Ius reformandi) und begründete die Bikonfessionalität der Schweiz. Lediglich ein Artikel des Friedenswerkes galt den Gemeinen Herrschaften. Im zweiten Artikel wurde in sieben Klauseln der rechtliche Rahmen für den politischen Raum Gemeine Herrschaft geschaffen und die Freiheiten der Konfessionen definiert. Zunächst wurde grundsätzlich festgelegt, dass beide konfessionelle Parteien im Besitz ihrer bisherigen „friheiten, herlikeiten und gerechtigkeiten“ verbleiben sollten.42 Mit der zweiten Klausel wurde evangelischen Gläubigen, Gemeinden oder auch Klöstern gestattet, bei dem „nüwen glouben“ zu bleiben.43 Da die Rechtsstellung der evangelischen Untertanen im Landfrieden allerdings nicht die Erhöhung ihrer Zahl, sondern lediglich die „Garantie ihres Besitzstandes“ im Augenblick des Friedensschlusses vorsah,44 gestattete der Zweite Landfrieden keine weitere Errichtung evangelischer Pfarrstellen nach 1531.45 Die reformierten Gemeinden der gemeinsam verwalteten Untertanenländer konnten sich nur aus sich selbst erneuern, da der Zweite Landfrieden von 1531 eine Konversion zum reformierten Glauben nicht explizit erlaubte. Diese dritte Klausel zum Konversionsrecht formulierte ihre Einschränkungen nicht für Angehörige beider Glaubensbekenntnisse. Eine Konversion zum katholischen Glauben blieb für einzelne Personen, aber auch für ganze Gemeinden jederzeit möglich.46 Erst dieser entscheidende Strukturvorteil ermöglichte eine erfolgreiche Rekatholisierung nach Abschluss des 42 Walder, Religionsvergleiche, Bd. 1, 1960, 8 (a): „Zum anderen so söllen wier zuo beiden teilen einandern bi allen unsern friheiten, herlikeiten und gerechtigkeiten, so wier in den gemeinen herschaften und vogteilen hant, von aller menklichem ungehindert, genzlich bliben lassen“. Dem Rechtshistoriker Straub zufolge lässt sich aus diesem Passus die rechtliche Stellung des reformierten Bekenntnisses herleiten. Mit „herlikeiten“ sind Gerichtsherren, Klöster und Stifte mit besonderem Gottesdienst gemeint, vgl. Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 83. 43 Walder, Religionsvergleiche, Bd. 1, 1960, 8 (b): „Es ist ouch luter zwüschen uns zuo beiden teilen abgrettt und beschlossen, ob in den selben gemeinen herschaften etlich kilchhörinen, gemeinden oder herlikeiten, wie die genempt möchten werden, die den nüwen glouben angenomen und noch dabi bliben wellten, das si es woll tuon mögen“. 44 Brüschweiler, Simultanverhältnisse, 1932, 75. 45 Zu den Pfarrstellen vgl. Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 127. 46 Walder, Religionsvergleiche, Bd.1, 1960, 8 (c): „Ob aber etlichen derselben, so den nüwen Glauben angenommen und wider davon zuo stan begerten und den alten waren

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Friedenswerkes, da auf Druck der katholischen Regenten die Messe an vielen Orten der Grafschaft Baden wieder eingeführt werden konnte. In der vierten Klausel wurde den katholischen Gläubigen, die trotz der reformatorischen Bewegung – sei es „heimlich oder offentlich“ – bei „dem alten Glauben“ verblieben waren, zugesichert, ihren Glauben „ungefecht und ungehasset“ praktizieren zu dürfen.47 Die fünfte Klausel erweiterte dieses Recht auf freie Religionsausübung um einen Minderheitenschutz, denn lediglich die katholischen Gläubigen konnten auch dann das Recht auf das Feiern der Messe geltend machen, wenn sie unter einer reformierten Mehrheit lebten.48 Dieses Privileg führte zusammen mit dem Konversionsrecht zum Katholizismus in Dörfern, die fast vollständig zum reformierten Glauben übergetreten waren, dazu, dass die von den Reformierten für ihren Gottesdienst in Besitz genommene Pfarrkirche auch nach 1531 für die liturgischen Handlungen der katholischen Gemeinde genutzt werden konnte. Entscheidend für die Entstehung eines simultaneum reale war damit, dass das betreffende Kirchengebäude im Augenblick des Friedensschlusses von den evangelischen Gemeindemitgliedern genutzt wurde. Somit konnte das Minoritätenrecht nur geltend gemacht werden, wenn eine reformierte Mehrheit existierte, da wegen des einseitigen Konversionsrechts reformierte Mehrheiten nach 1531 nicht mehr entstanden.49 Damit war jede Pfarrkirche „potentiell eine Simultankirche“, denn auch in ausschließlich evangelischen Gemeinden bestand jederzeit die christenlichen glouben wider annemen wellten, das si des selbigen fries urloub, von menklichen ungehindert, guot fuog, macht und gwalt haben söllent“. 47 Ebenda, 8 – 9 (d): „Desglichen ob etwer in gemelten herschaften werde, so den alten glouben noch nit verlougnet, es were heimlich oder offentlich, das die selben ouch ungefecht und ungehasset bi irem alten glouben bliben söllent“. Randolph Head leitet aus dieser Formulierung ab, dass trotz des reformatorischen Druckes viele Krypto-­ Katholiken überlebt hätten, vgl. Head, Dominion, in: ARG 96, 2005, 117 – 144, hier 126. 48 Der Vertrag setzt keine Mindestzahl fest, vgl. Walder, Religionsvergleiche, Bd.1, 1960, 9 (e): „Ob ouch die selben, es wer an einem oder mer enden, die siben sacrament, das amt der helgen meß und ander ordnung der christlichen kirchen ceremonia wider ufrichten und haben wellten, das si das ouch tuon söllen und mögen und das selb als woll halten, als der ander teil die predicanten“. 49 Nicht allein der Übertritt zum katholischen Glauben beinhaltete das Recht auf Wiedereinführung der Messe; dieses Anliegen musste vor der Obrigkeit vorgebracht werden, vgl. Brüschweiler, Simultanverhältnisse, 1932, 76 und 78 sowie, zum Minoritätenrecht, 20. Konrad Straub bemerkt einschränkend, dass die genauen Bedingungen der Wiedereinführung des katholischen Kultes gesetzlich niemals festgelegt worden seien. Immerhin so viel: Es mussten drei bürgerliche, d. h. „in bürgerlichen Ehren stehende“ Personen bzw. Haushaltsvorstände sein – dazu zählten auch Witwen –, und das Anliegen musste aus freiem Willen gestellt werden. Der Wohnsitz musste in der Gemeinde liegen, vgl. Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 150 – 157, hier 151.

Der Landfrieden von 1531

Möglichkeit, dass sich einige Gemeindemitglieder zum katholischen Glauben bekannten und ihr Recht auf Wiedereinführung der Messe geltend machten.50 Der sechsten Klausel zufolge sollte das Kirchenvermögen, aber auch die Pfrund dem Zahlenverhältnis der katholischen und reformierten Gemeindemitglieder gemäß geteilt werden.51 Diese sechste Klausel des Landfriedens führte zu permanenten Streitigkeiten über die Aufteilung der finanziellen Ressourcen der Gemeinden. Abschließend verbot der Vertrag in der siebten Klausel Angehörigen beider Konfessionen, den jeweils anderen Glauben „zu schmützen noch zu schmächen“, und übertrug dem Badener Landvogt die Kompetenz, Übertretungen abzustrafen.52 Der Landfrieden war damit ein Friedenswerk und ein Rechtstext, der deviantes Verhalten inkriminierte. Trotz seiner Kürze bildete der Landfrieden nicht nur den rechtlichen Kontext für kirchenpolitische Fragen, sondern er war zudem das entscheidende Normengefüge, nach dem sich die hohe eidgenössische Politik in den Untertanengebieten zu richten hatte – ältere Herrschaftsstrukturen oder kirchliche Privilegien der Grafschaft Baden blieben vielfach unberücksichtigt. Zudem reproduzierte dieser Friedensvertrag in gewisser Hinsicht wiederum die konfessionellen Differenzen, die er als „landt=und Religions-­frieden“53eigentlich harmonisieren sollte, da er eine strukturelle Benachteiligung der evangelischen Gläubigen institutionalisierte. Dies galt nicht nur hinsichtlich des einseitigen Konversionsrechts. Aus der ersten Klausel des Landfriedens leiteten die katholischen regierenden Orte unter anderem das Fortbestehen klerikaler Privilegien und die gerichtlichen Kompetenzen des Bischofs von Konstanz ab, zu dem die Grafschaft Baden als dem östlichen Teil seines Bistums zählte.54 Zudem verwiesen die katholischen 50 Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 150. Conrad Peyer spricht in diesem Zusammenhang nicht ganz nachvollziehbar davon, dass in Dorf- und Stadtgemeinden mit reformierter Mehrheit das Gemeinde­mehr „durch die Gleichstellung der Konfessionen, die so genannte Parität, ersetzt“ worden sei, vgl. Peyer, Verfassungsgeschichte, 1978, 92. 51 Walder, Religionsvergleiche, Bd. 1, 1960, 9 (f ): „Si söllen ouch die kilchengüter und was den prüenden zuogehört, nach marchzall mit dem priester teilen, und das übrig dem predicanten gefolgen“. 52 Ebenda, 9 (g): „Es soll ouch thein teil den anderen von des gloubnes weder schmützen noch schmächen, und wer darüber tuon wurdi, das der selbig je von dem vogte daselbs dorum gestrafft werden soll, je nach gestalt der sach“. 53 StAZH BI 284, fol. 429. 54 Head, Dominion, in: ARG 96, 2005, 117 – 144, hier 125. Head hält fest, dass die „Catholic party soon began interpreting this clause as guaranteeing clerical privileges such as traditional parish boundaries, the exclusive sacramental privileges of parish priests, and the spiritual jurisdiction of the Bishop of Constance. This later provided a powerful way to favor Catholicism by insisting that Protestants, even where they celebrated

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Parteien auf diesen Passus des Landfriedens, um Veränderungen im religiösen Leben der Gemeinde – die Einführung des Katechismus, des Psalmensingens oder auch Veränderungen in der liturgischen Gestaltung der Kirche und den religiösen Handlungsweisen des Geistlichen und der Laien durch die reformierten Orte – als landfriedensbrüchige „Neuerungen“ zu markieren.55 In Gemeinden mit evangelischem Kollator kam es der katholischen Auslegungspraxis des Landfriedens zum Trotz zu der faktischen Ausgestaltung des Kultus in Anlehnung an die zürcherischen Formen, in Gemeinden mit katholischem Kollator waren diese Entwicklungen weitaus schwieriger.56 Die reformierten Untertanen genossen damit zwar das Recht öffentlicher Religionsausübung, allerdings nur „innerhalb der Schranken des Land­friedens­ recht[s]“.57 Leo Jud bezeichnete den Zweiten Landfrieden schon kurz nach seinem Zustandekommen als „faulen, ehrlosen Vertrag“, der die bedrängten reformierten Untertanen in den Gemeinen Herrschaften im Stich lasse.58 In der Tat galt das katholische Kirchenrecht in den Gemeinen Herrschaften für beide Konfessionen, zusätzlich waren Gewohnheitsrecht und Vertragsrecht für Angehörige des protestantischen Glaubens tätig. Erst der Vierte Landfrieden von 1712 führte paritätische Rechtsverhältnisse in den gemeinsam regierten Untertanenländern ein. Da der Landfrieden und der Mehrheitsgrundsatz in allen Gemeinen Herrschaften Gültigkeit besaß, waren die reformierten Regenten und ihre Untertanen strukturell benachteiligt. Die historische Forschung und die Rechtsgeschichte haben daraus geschlossen, dass den reformierten Ständen nur ein geringer politischer Handlungsspielraum zur Verfügung gestanden habe, da die Rechtsfortbildung bei den katholischen Orten lag. „Den evangelischen Ständen“, so formulierte Paul Brüschweiler, „blieb als Waffe gegen offenbare Verletzungen des Landfriedens einzig die Beschreitung des eidgenössischen Rechtsverfahrens durch Anrufung der unparteiischen Sätze“59 – eine Position, die grundsätzlich zu revidieren ist: zum einen was die Tätigkeit der Schiedsgerichte anbelangt, die bei religiösen und konfessionellen Streitfällen nur in separate services, still had to respect parish priests’ prerogatives to baptize and marry their flock.“ 55 Vgl. die Beispiele in den folgenden Kapiteln sowie Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 115 – 116. 56 Volkland, Konfession, 2005, 33. 57 Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 82. 58 Zit. nach: Bächtold, Bullinger, 1982, 20. 59 Brüschweiler, Simultanverhältnisse, 1932, 73. Niklaus Bütikofer betont, dass die konfessionellen Bürgerkriege von 1531, 1656 und 1712 die Zuständigkeit der Schiedsgerichte immer mehr eingeschränkt hätten, vgl. Bütikofer, Konfliktregulierung, in: Parliaments, Estates and Representation 11, 1991, 103 – 115, hier 105.

Der Landfrieden von 1531

Ausnahmefällen wie in der Kalenderfrage zur Anwendung kamen; zum anderen was den Landfriedenstext und dessen Gebrauch betrifft. Der Landfrieden war, wie eingangs erwähnt, auslegungsoffen und damit ein Text, der der interpretativen Auslegung geradezu bedurfte. Das gleiche Argument wurde im Zusammenhang mit dem Augsburger Religionsfrieden vorgebracht,60 über den gesagt wurde, der Text arbeite mit „bewußt zwiedeutige[n], dissimulierende[n] Formelkompromisse[n]“.61 Während eine solche Lesart das Scheitern des Religionsfriedenssystems unter anderem mit dessen semantischen Mehrdeutigkeiten erklärt,62 wird in dieser Studie bewusst eine andere Perspektive gewählt. Sie fußt auf dem systemtheoretischen Verständnis von Kommunikation (wie es einleitend umrissen wurde) und misst dem Akt des Kommunizierens als solchem Bedeutung zu, denn rein verfahrenstechnisch betrachtet hält das Prozessieren von Kommunikation Optionen der Anschlusskommunikation bereit und bindet somit die Verhandlungspartner durch den Akt der Kommunikation aneinander. Die Auslegungsoffenheit des Landfriedens ermöglichte damit zunächst die Ausdifferenzierung des Kommunikationsraums Gemeine Herrschaft. Des Weiteren war die politische Kommunikation und die Rechtsauslegung maßgebend für die Entstehung der religiösen und konfessionellen Milieus in den Gemeinen Herrschaften, da diese die normativen Rahmenbedingungen prozessierte. Die Auseinandersetzungen über die Interpretation des eidgenössischen Rechts waren selbst eine Form von Konfessionskonflikten, denen eine rechtsfortschreibende Wirkung zukam. Insofern ist Ulrich Pfister zuzustimmen, der in der Entwicklung der Parität ein wichtiges „verfahrenstechnisches Element zur institutionellen Bewältigung“ des Machtkonflikts zwischen Zürich und Bern einerseits und den katholischen Orten anderseits erkannte.63 In dieser Perspektive deutet auch dieses Kapitel die Vertragswerke nicht als Beweis einer 60 Axel Gotthardt betont, dass „der Religionsfrieden auslegungsoffen und in manchen Passagen von vornherein auslegungsbedürftig ist“, vgl. ders., Religionsfrieden, in: Kreuzer/­ Wüst/Schürmann (Hg.), Religionsfriede, 2005, 13 – 28, hier 23. Dass die Aussagen der Confessio Augustana „unscharf“ seien und „weiterer Auslegung und Festlegung“ bedürften, konstatiert ebenfalls einer der Väter des Konfessionalisierungsparadigmas, vgl. Reinhard, Konfession, in: ders. (Hg.), Bekenntnis, 1981, 165 – 189, hier 180. Reinhard erklärt diesen Sachverhalt mit der Tatsache, dass die Confessio Augustana „relativ früh in noch ungeklärter Situation“ entstanden sei. Ebenda. Des Weiteren Strohm, Zugänge, in: Schilling/Schmolinsky (Hg.), Religionsfrieden, 2007, 127 – 156. 61 Strohm, Zugänge, in: Schilling/Schmolinsky (Hg.), Religionsfrieden, 2007, 127 – 156, hier 127. 62 Heckel, Autonomia, in: ders., Schriften, 1989, 1 – 82, hier 37 sowie Gotthardt, Religionsfrieden, 2004. 63 Pfister, Konfessionskonflikte, in: SZRKG 101, 2007, 257 – 311, hier 259.

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kontinuierlichen Zunahme und Institutionalisierung konfessioneller Parität, wie dies die ältere Rechtsgeschichte tat,64 sondern bemisst Funktion und Bedeutung der eidgenössischen Kommunikation über die Vertragswerke. Beobachtet werden dementsprechend die Dynamiken unter den eidgenössichen Orten, die lokale Auseinandersetzungen in eidgenössische Konflikte transformierten und Konfessionsfragen im Medium des Rechts verhandelten. Um den Einfluss des Landfriedens für die Konstruktion und Gestaltung bikonfessioneller Verhältnisse in den gemeinsam regierten Untertanenländern zu bemessen, ist eine Hinwendung zur politischen Praxis unabdingbar. Eine Rekonstruktion der politischen Verhandlungen über diesen Vertragstext hat es allerdings schwer, da die den Landfrieden ergänzenden Abschiede und Verträge als Mittel der Rechtsfortbildung des Landfriedens weder kodifiziert noch vollständig zusammengetragen wurden. Lediglich seit dem 17. Jahrhundert entstanden die schon eingangs erwähnten Sammlungen, die allerdings aufgrund ihrer Unvollständigkeit und konfessionsspezifischen Sammelpraxis keine verlässlichen Quellen darstellen. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet ein reformierter Stadtschreiber ein rechtliches Kompendium anlegte: Die Dynamik der Rechtsfortbildung ging von den reformierten Orten aus; sie sammelten eifrig „Präzedenzfälle“ und verwiesen auf das Herkommen ihrer politischen und religiösen Handlungsweisen.65 Da die katholischen Stände nicht in dem gleichen Umfang wie die reformierten Parteien den kommunikativen Spielraum des Landfriedens nutzten, sind vergleichbare Verzeichnisse auf katholischer Seite nicht vorhanden.

64 Vgl. etwa Stänz, Entwicklung, 1936, 15, Anm. 7. „Die weiteren, im Laufe von zwei Jahrhunderten abgeschlossenen Landfrieden lassen eine Entwicklung zugunsten der Ausdehnung der Parität erkennen“. Auch von Salis spricht davon, dass die „vier im Laufe von zwei Jahrhunderten abgeschlossenen Landfrieden […] eine Entwicklung zugunsten der Ausdehnung der Parität der beiden christlichen Konfessionen erkennen“ lassen, vgl. von Salis, Entwicklung, 1894, 24. 65 Definitionen bei Usteri, Schiedsgericht, 1925, 264 – 273, der das Herkommen als Argumentationsfigur im Kontext der Schiedsgerichte beleuchtet. Interessant in diesem Zusammenhang ist Franz Michael Büeler (gest. 1712), der „Schwyzer Kanzlei- und Tagsatzungsschreiber, der später auch Unterschreiber der Grafschaft Baden wird“. Maissen, Geburt, 2006, 221 und, auf den folgenden Seiten, die Diskussion von B ­ üelers Hauptwerk, das Compendium des gemeinen eidgenössischen Rechts (fertiggestellt im Oktober 1696). Wie His, Einleitung, in: Schultheß (Hg.), Juristen, 1945, 1 – 58, hier 32 schreibt, wurde es auf Wunsch der fünf katholischen Orte zunächst nicht gedruckt, „dafür erhielt jede der fünf Regierungen eine Abschrift“. Büeler behandelte in seiner Schrift u. a. die Souveränität, das eidgenössische Recht, die Religionshoheit in den souveränen Orten und gemeinen Herrschaften, das eidgenössische Bündnisrecht sowie Gewohnheitsund ungeschriebenes Recht.

Normen und Konflikte

Eine Rekonstruktion der Auslegungspraktiken des Landfriedens muss aus den genannten Gründen unvollständig bleiben. Was im Folgenden aber geleistet werden soll, ist eine Analyse ausgewählter konkurrierender Deutungspraktiken anhand prägnanter Konfliktfelder, aus denen die kommunikative Praxis der Landfriedensauslegung ersichtlich wird.

3.4 Normen und Konflikte: Zur Verhandelbarkeit des Normativen Der landfriedliche Text war vom 16. bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts der grundlegende Referenzpunkt der eidgenössischen Eliten, um konfessionelle Streitfälle in den Gemeinen Herrschaften im diplomatischen Schriftverkehr und auf der Tagsatzung zu verhandeln. Die Auslegungspraktiken trugen wesentlich dazu bei, dass System Landfrieden zu formen; durch Abschiede und Verträge wurde der Vertrag immer weiter ausdifferenziert. Von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Vierten Landfrieden von 1712 etablierte sich eine Kultur der Landfriedensauslegung, die einerseits durch ein enormes Kommunikations­ aufkommen und zum anderen durch die konfessionsspezifischen Interpreta­ tionen und Gebrauchskontexte der eidgenössischen Regenten geprägt war. Insbesondere der reformierte Ort Zürich verfolgte aufgrund seiner strukturellen Benachteiligung in der politischen Praxis offensiv landfriedliche Auslegungsund Deutungsverfahren, die neben den lokalen Erfolgen auch dem Ziel galten, den politischen Handlungsspielraum der Limmatstadt zu vergrößern. Damit ist ein wichtiges Ergebnis dieses Kapitels bereits vorweggenommen, denn das Textund Rechtsverständnis, das in der Alten Eidgenossenschaft entwickelt wurde, war konfessionsspezifisch, ebenso wie die Gebrauchskontexte des Landfriedens. Die Verbindlichkeit des Zweiten Landfriedens stand allerdings zu keinem Zeitpunkt zur Disposition – im Gegenteil. Durch den permanenten Bezug auf diesen Text wurde dessen Verbindlichkeit performativ, in politischen Verhandlungen, aber auch semantisch, in der politischen Sprache, bekräftigt. Formulierungen wie „wyder den Landtfrieden gehandlet“ verankerten den Landfriedenstext als verbindlichen transkonfessionellen politischen Wert in der Kultur der Alten Eidgenossenschaft. Lediglich die Bedeutung dessen, was „wider den Landfrieden“ gehandelt zu haben bedeutete, wurde von den reformierten und katholischen Regenten uneinheitlich beurteilt. In einer kommunikationstheoretischen Perspektive generierte dieser Prozess der Ausdifferenzierung und Rechtsauslegung des Landfriedens nicht nur eine Intensivierung diskursiver Praktiken, nämlich der politischen Kommunikation, sondern er förderte zugleich die Stabilisierung des Systems Landfrieden, da die

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permanente Wiederholung der politischen Kommunikation half, den Prozess der Auslegung einzuordnen und überschaubar zu halten. Durch diese Erwartbarkeit der Landfriedensdeutung wurde zugleich der Kontingenzfaktor in der politischen Kommunikation über den eidgebnössischen Vertrag reduziert. Da die Landfriedensauslegung über konkrete Konfliktfälle erfolgte, die Handlungsoptionen der eidgenössischen Regenten verhandelten, stehen die hermeneutischen Textauslegungserfahren der regierenden Orte zugleich für eine spezifische Form der Herrschaftsintensivierung in der Grafschaft Baden. Gleichzeitig führten die kommunikativen Verfahren dazu, die wenigen institutionalisierten Herrschaftsstrukturen in der Eidgenossenschaft (Landfrieden, Mehrheitsprinzip) durch das kommunikative Geschehen permanent zu unterwandern, zu verflüssigen und aufzuweichen. Jenseits objektiver Machtstrukturen und schriftlicher Verfahrensregeln blieb die eidgenössische politische Kultur der Frühen Neuzeit von den konkurrierenden Bedeutungszuschreibungen und den konfessionsspezifischen Herrschaftsinteressen und Herrschaftspraktiken der acht alten Orte geprägt, ohne dass es zu einer institutionellen Verdichtung und einer normativen Verfestigung gekommen wäre. Die handlungsleitenden Normen der reformierten und katholischen Eidgenossen divergierten ebenso wie deren Rechtsverständnis und Rechtsauslegung. Insofern war auch die politische die Kommunikation der katholischen und reformierten Eidgenossen höchst emergent. Politischen Entscheidungen gingen vielfach Konfessionskonflikte voraus. Aus diesem Grund sind die folgenden Betrachtungen in drei politisch-­konfessionelle Konfliktfelder gegliedert. Durch die Unterteilung in drei Phasen sollen zudem der historische Wandel beim Umgang mit den Landfriedenstexten und Veränderungen der legalen und materiellen Bedingungen des bikonfessionellen Zusammenlebens in der Grafschaft Baden verdeutlicht werden. Die reformierte Partei war durch den Verlust Zwinglis im Zweiten Kappelerkrieg derartig gelähmt, dass die katholischen Regenten ihre konfessionsspezifischen Herrschaftsinteressen nach 1532 qua Mehrheitsbeschluss zunächst ohne großen Widerstand in der Grafschaft Baden durchsetzen konnten. 3.4.1 Die Auslegung des Landfriedens (1532 – 1560) Die ersten Jahre nach dem Friedensschluss waren für das Verständnis des Landfriedens und für den Umgang mit religiöser Koexistenz wegweisend. In den Jahren, die dem Vertragsschluss folgten, wurden Ad-­hoc-­Lösungen als Ergebnis der politischen Verhandlungen zwischen den lokalen Autoritäten und den regierenden Orten gefunden; diese Ad-­hoc-­Lösungen entwickelten Vorbildcharakter für den Umgang mit religiöser Koexistenz und religiösen Streitfällen in anderen Gemeinden. In der ersten Phase nach Friedensschluss, die in der Schweizer

Normen und Konflikte

Historiographie als Beginn der katholischen Reformation bzw. in der älteren Literatur als Beginn der Gegenreformation gilt, etablierten sich schnell erste Formen sozialer, rechtlicher und bikonfessioneller Koexistenzen. Nachhaltig wurde die plurale Konfessionslandschaft der Grafschaft Baden zunächst durch die Rekatholisierungspolitik der katholischen Orte geprägt; diese Politik der Überlegenheit war aufgrund des einseitigen Konversionsrechts zum Katholizismus möglich.66 Die überwiegend reformierte Sakrallandschaft, die im Anschluss an den Ersten Landfrieden von 1529 in der Grafschaft Baden entstanden war, wurde nach 1531 erfolgreich rekatholisiert. Der Erfolg der Rekatholisierung bedarf einer Erklärung, denn der Hinweis auf die Konversionsmöglichkeiten zum katholischen Glauben und den Druck der katholischen Orte erklärt nicht hinreichend, warum das religiöse Angebot von einer Mehrheit der Untertanen der Grafschaft Baden angenommen wurde. In einigen Gemeinden konnten sich reformierte Mehrheiten (Dietikon, Gebenstorf, Schlieren, Tegerfelden, Würenlos, Weiningen und Zurzach) halten, in anderen blieben reformierte Minderheiten bestehen: in Birmenstorf unter Berner Obhut, ebenso im benachbarten Spreitenbach sowie in Lengnau ein reformierter Hof und die Höfe Waldhausen und Hägelen in Fisibach.67 Kaiserstuhl, Klingnau, Schneisingen, Rohrdorf, Ehrendingen und Leuggern wurden katholisch, die Kleinstadt Baden war und blieb katholische Bastion der gleichnamigen Grafschaft mit rechtlichem Sonderstatus. Diese bikonfessionellen Dorfgesellschaften mit unterschiedlichen Mehrheitsverhältnissen waren die gesellschaftlichen Räume des religiösen Zusammenlebens, die in dieser Studie wissenschaftlich beobachtet werden. Grundlegend für das Leben in der religiösen Koexistenz waren die Bildung von Simultankirchen, die Aufteilung der Pfrund (Kirchenvermögen und Einkommen des Geistlichen) und die Nutzung des Pfarrhauses. Diese Aspekte sollen im Folgenden kurz anhand der Ereignisse in ausgewählten bikonfessionellen Gemeinden der Grafschaft Baden betrachtet werden. Eidgenössische Simultankirchen entstanden überall dort, wo eine katholische Minderheit ihr landfriedlich zugesichertes Recht auf Wiedereinführung der Messe geltend machte. Die Entstehung von Simultankirchen war zahlreich im ersten Jahrzehnt nach dem Abschluss des Zweiten Landfriedens und häufte sich in den Gemeinen Herrschaften wieder nach dem Konzil von

66 Bächtold, Bullinger, in: Gäbler/Herkenrath (Hg.), Bullinger, 1975, 269 – 289. 67 Bott/Fuchs, Bausteine, in: Argovia 114, 2002, 148 – 175, hier 151. Allerdings: In Dietikon reformierte Mehrheit, nicht Minderheit, vgl. Höchle, Geschichte, 1907, 185 sowie Meyer, Kappeler Krieg, 1976, 241. Er wiederum spricht davon, in Gebensdorf habe sich eine reformierte Minderheit halten können.

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Trient (1545 – 1563) im Zuge der katholischen Konfessionalisierung.68 Durch die Bildung von eidgenössischen Simultankirchen wurden Absprachen hinsichtlich der zeitlichen Nutzung und der liturgischen Gestaltung der Dorfkirche durch beide Glaubensgemeinschaften notwendig. 69 Simultankirchen wurden von beiden Kirchengemeinden benutzt, allerdings nicht zeitgleich – wie dies etwa in Ravensburg der Fall war –, sondern alternierend.70 Die Tagsatzung unterstützte die Wiedereinführung der Messe, und die katholischen Orte nutzten ihre zahlenmäßige Überlegenheit, um Altareinsetzungen in einer Reihe von Pfarrkirchen rasch und zügig zu realisieren. Proteste dagegen wurden von den reformierten Ständen und Dorfbewohnern verschiedentlich artikuliert. In Zurzach hatte der Vogt von Klingnau aus „eignem Gewalt“ die Messe verlesen lassen, wie Zürich im Dezember 1531 auf der Tagsatzung klagte. Die fünf Orte verwiesen auf die Rechtmäßigkeit seines Vorgehens, denn der Landfrieden „vermöge, dass jedermann zu dem Seinen komme, und daß in den gemeinen Vogteien männiglich, der die Messe und anderes dergleichen begehre, solche gänzlich ungehindert haben möge“.71 Während die Stiftskirche den zurückgekehrten Chorherren allein zur Verfügung stand, wurde die Pfarrkirche Sankt Maria fortan von den katholischen und protestantischen Kirchengemeinden in Zurzach für ihre Gottesdienste genutzt. In Dietikon kam es 1532 anlässlich der Wiedereinführung der Messe zu Auseinandersetzungen unter den Dorfbewohnern: Die reformierten Dorfbewohner widersetzten sich dem obrigkeitlichen Befehl der Einsetzung des Altars in der Pfarrkirche. Als dieser endlich stand, wurde er von evangelischen Einwohnern aus dem Zürchergebiet zerstört.72 In Würenlos wurde die Bitte um das Lesen der Messe und die Errichtung eines Altars Ende September 1532 formuliert. Zwar wurde der Altar anscheinend ohne weitere Konflikte in der Pfarrkirche aufgerichtet, allerdings weigerten sich die reformierten Gemeinden von Oetelfingen und Boppelsen, den Gottesdienst in Würenlos zu besuchen.73 Zürich

68 Brüschweiler, Simultanverhältnisse, 1932, 81. Zur Bildung von Simultankirchen im 16. Jahrhundert vgl. zudem Kersken, Behauptung, in: Bahlcke/Lambrecht/Maner (Hg.), Pluralität, 2006, 287 – 302. 69 Vgl. Kap. 6: Kommmunikation über Räume. 70 Holzem, Konfessionskampf, in: Schmauder (Hg.), Hahn, 2005, 41 – 74. Eine rechtshistorische Untersuchung bietet Kramer, Simultanverhältnisse, 1968. 71 EA 4/1b, Nr. 655, 1229, Tag in Zug, 1. Dezember 1531. 72 Vgl. etwa EA 4/1b, Nr. 734, 1367 – 1368, Tag zu Baden, 9. und 10. Juli 1532, EA 4/1b, Nr. 749, 1401, Tag zu Baden, 4. September 1632 sowie, zur Zerstörung, Höchle, Geschichte, 1907, 185. 73 Witschi, Ortsgeschichte, 1984, 225 sowie StAZH EI 30.90, 25. September 1532.

Normen und Konflikte

versuchte den Konflikt durch eine Teilung der Kirchengüter zu schlichten, was allerdings misslang.74 Damit konnten die reformierten Untertanen und Orte die Wiedereinführung der Messe zwar behindern, de facto aber nicht verhindern, da der Zweite Landfrieden auch einer katholischen Minderheit das Recht zusprach, ihren Gottesdienst zu feiern. Da dieser Text keinen Minderheitenschutz für reformierte Gläubige vorsah, besaßen Protestanten in Gemeinden, in denen bis zum Abschluss des Friedenswerkes keine reformierte Pfarrstelle eingerichtet worden war, nach 1531 nicht mehr das Recht, einen reformierten Gottesdienst zu verlangen. Reformierte Gläubige, wollten sie von einem evangelischen Prediger versehen werden, mussten sich in der Grafschaft Baden daher an die Orte begeben, an denen aufgrund reformierter Mehrheitsverhältnisse eine geistliche Versorgung der Gemeinde gesichert war. Dafür kamen neben dem ausschließlich reformierten Dorf Schlieren die bikonfessionellen Dorfgemeinschaften in Dietikon, Gebenstorf, Tegerfelden, Würenlos, Weiningen und Zurzach in Betracht. Die Simultankirchenbildung in den Gemeinen Herrschaften wurde demnach maßgeblich von den katholischen Untertanen und den katholischen regierenden Eidgenossen realisiert.75 Die alten Kirchengebäude blieben allerdings bis zum Neubau reformierter Kirchen im späten 17. bzw. im 18. Jahrhundert der Nutzung beider Konfessionsangehöriger und ihrer Geistlichen vorbehalten.76 Durch die neu entstandenen lokalen Simultanverhältnisse wurden zudem neue Regelungsformen im religiösen und sozialen Miteinander der bikonfessionellen Dorfgemeinschaften notwendig und damit konkrete Lösungen, wie religiöse Koexistenz im Dorf und im Kirchenraum gestaltet werden solle. 74 Bugmann, Zürich, 1949, 57. 75 Da diese Kirchen und auch Friedhöfe vielfach durch die Reformation entweiht worden waren, wurden die Boten von Zürich im Dezember 1531 beauftragt, ihrer Obrigkeit mitzuteilen, sie mögen dem Bischof von Konstanz freies Geleit durch die Grafschaft Baden und die Freien Ämter gewähren, damit dieser die Kirchen und Kirchhöfe neu weihen könne, vgl. EA 1/1b, Nr. 662, 1241, Tag zu Baden, 16. Dezember 1531. Am 10. Mai 1532 wiederholten die katholischen Gesandten ihr Gesuch, die Antwort Berns war negativ, diejenige Zürichs ambivalent: Der Bischof von Konstanz möge durch sein Gebiet reisen, sicheres Geleit könne man ihm allerdings nicht zusichern. Unter diesen Vorzeichen trat der Weihbischof Melchior von Konstanz im November 1532 seine Reise durch die Grafschaft Baden an und weihte – soweit wir wissen – lediglich zwei Altäre, das Korn und den Friedhof von Gebenstorf neu. Im Oktober 1532 hatte er bereits die Freien Ämter bereist, vgl. Höchle, Geschichte, 1907, 177. 76 Der berühmteste reformierte Kirchenbau der Grafschaft Baden ist die in Zurzach entstandene Querkirche (1716/1717), vgl. Germann, Kirchenbau, 1963.

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Davon waren neben den Regelungen zum simultanen Gebrauch des Kirchenraumes – von denen im sechsten Kapitel ausführlich die Rede ist – vor allem die Schaffung neuer weltlicher Ämter auf Gemeindeebene betroffen: In Simultangemeinden hatten beide religiösen Gemeinden Anspruch auf einen Vorgesetzten ihres Glaubens, also auf einen evangelischen und katholischen Dorfmeier, Ammann und Weibel.77 Während Klagen über mangelnde Bestellung weltlicher protestantischer und katholischer Amtmänner für die Grafschaft Baden nicht aktenkundig wurden, war dies hinsichtlich der Bestellung und Ausstattung der geistlichen Ämter in der Grafschaft Baden nicht durchweg der Fall.78 Die Konflikte in den bikonfessionellen Gemeinden der Grafschaft Baden um die Aufteilung der Pfarrstellen und des Kirchenvermögens hatten ihren Ursprung in den divergierenden Herrschaftsinteressen der regierenden Orte. Die Rechtmäßigkeit ihres Vorgehens begründeten beide Parteien mit Verweis auf den Landfriedenstext, über den die konfessionsspezifischen Ansprüche verhandelt wurden. Kurz nach Friedensschluss konnten vorwiegend die katholischen Stände ihre konfessionellen Interessen durchsetzen, unter anderem dank der Rekatholisierungspolitik Aegidius Tschudis, der die protestantischen Gemeinden vielfach bei der Aufteilung der Pfrund übervorteilte.79 Denn obwohl der entsprechende Passus des Landfriedens eine Teilung der Kirchengüter und der Pfrund „nach marchzal“ zwischen den Geistlichen festsetzte, sahen schon die ersten erläuternden Abschiede vom 8. April 1532 und 10. Juli 1532 von einer Teilung „der Substanz des Kirchenguts“ ab.80 Lediglich bei der Verwaltung und der Verwendung der Erträge sollten die katholischen und reformierten Parteien im gleichen Umfang berücksichtigt werden und Rechnung über den Gebrauch der Güter ablegen. Der erste Abschied vom April 1532 hielt fest, dass die Altgläubigen […] die Altäre und Kirchenzierden aus gemeinen Kirchengut wieder herstellen [sollen], die Kirchenpfleger über den Gebrauch der Güter, z. B. für Arme, Rechnung ablegen und künftig beide Parteien Pfleger setzen, die jährlich Rechnung zu geben haben. Die Pfarreien und Pfründen sollen auch nach Marchzahl der Leute geteilt werden.81

77 Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 101 – 102. Zur weltlichen Ämterstruktur der Grafschaft Baden vgl. die ausführliche Diskussion in Kap. 2: Konfession und Kommunikation. 78 Zum Sigristenamt und zum Kirchmeier vgl. die Beispiele weiter unten. 79 EA 4/1c, 225 sowie Höchle, Geschichte, 1907, 200. 80 Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 165. 81 Strickler, Actensammlung, Bd. 4, 1881, Nr. 1762, 8. April 1532 sowie, mit anderem Wortlaut, in EA 4, 1/b, Nr. 704, 1325, cc, Tag in Baden, 8. April 1532.

Normen und Konflikte

Lösungen wurden demnach vielfach erst über Konflikte und über die Auslegung des Zweiten Landfriedens gefunden. Eine prägende Funktion kam dabei den religiösen Streitprozessen in den bikonfessionellen Dorfgesellschaften zu, in denen das Kloster Wettingen – weniger das Chorherrenstift in Zurzach – als katholischer Grundherr und Kollator amtete. Nach dem Zweiten Landfrieden wurden die Klöster und Stifte wieder in ihre alten Rechte eingesetzt; „die Stiftsgebäulichkeiten sollten in erster Linie wieder zu katholischen Zwecken verwendet werden“,82 und die Stifts- und Ordensherren nahmen wieder von ihren verlassenen Pfründen Besitz.83 In Dietikon und Würenlos wurden schon früh Entscheidungen getroffen, die sich auf die Formen der religiösen Koexistenz auswirkten, die bei weiteren Konflikten in der Grafschaft Baden diskutiert wurden.84 Indem in den bikonfessionellen Gemeinden das Pfrundeinkommen mehrheitlich den katholischen Geist­ lichen zugesprochen wurde, auch wenn der Zweite Landfrieden ursprünglich eine Teilung des Kirchenvermögens vorgesehen hatte, wurde der katholische Geistliche als der gesetzliche Nachfolger und der rechtmäßige Inhaber der Pfrund behandelt. In diesen Dörfern wurde die Pfrund unter anderem aus dem Grundbesitz des Klosters Wettingen bestellt. Zusammen mit seinem Kollaturrecht kam dem Abt auch die Pflicht der Besoldung der Geistlichen zu. Konfession erwies sich als Distinktionsmerkmal, denn der katholische 82 Brüschweiler, Simultanverhältnisse, 1932, 78. 83 Für Zurzach vgl. Huber, Geschichte, 1869, 94. Wie der Rechtshistoriker Konrad Straub schreibt, konnten sich geistliche Korporationen (Klöster und Stifte) gemäß Art. II c des Zweiten Landfriedens „im katholischen Sinn rekonstruieren und dann einfach mit Bezugnahme auf Art. VII für sich und den katholischen Kultus in der Pfarrkirche des Klosters oder des Stifts wiedereinführen, auch wenn aus der Pfarrgemeinde niemand die Wiedereinführung forderte“, Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 150 – 151. Auf diesen Rechtssatz gestützt konnten die Ordensleute das Kloster Wettingen und das Chorherrenstift in Zurzach wieder in Besitz nehmen: Die Chorherren dieser geistlichen Institution stellten auf der Tagsatzung im Dezember 1531 das Begehren, in das Stift zurückkehren zu dürfen, das Kloster Wettingen wurde erst im Januar 1534 rekatholisiert, vgl. EA 4/1b, Nr. 662, 1238 – 1239, Tag zu Baden, 16. Dezember 1531. Das Begehren der Chorherren, „kraft des Landfriedens wieder zu den Ihrigen zu kommen“, wurde bewilligt. Sie wurden zugleich ermahnt, „dass sie fortan nicht mehr so schändlich haushalten und Aergernis geben sollen, wie es bisher geschehen“. Die Wettinger Ereignisse schildern Bugmann, Zürich, 1949, 46 – 50 sowie Meyer, ­Kappeler Krieg, 1976, 233 – 234. 84 Die Vorbildfunktion früherer politischer Entscheidungen konstatiert für das Thurgau Head, Dominion, in: ARG 96, 2005, 117 – 144, hier 130: „Indeed, several commonly applied solutions to religious coexistence were first worked out in early disputes over parishes controlled by these powerful ecclesiastical rulers“.

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Ordensmann favorisierte die katholischen Pfarrvikare, denen ein Großteil der Pfrund zugesprochen wurde.85 Im überwiegend reformierten Gebenstorf und dem überwiegend katholischen Birmenstorf hatte sich eine getrennte Verwaltung der katholischen und reformierten Kirchengemeinde bis Mitte des 17. Jahrhunderts vollzogen. Der Friedhof in Gebenstorf war nach Religionszugehörigkeit geteilt, nicht so in Birmenstorf.86 Zwar wurde das Kirchengut erst 1718 offiziell getrennt, allerdings nennen die Kirchenrechnungen von 1645/1646 zwei Sigristen, doch nur einen Kirchmeier (Kirchengutsverwalter). Dominik Sauerländer und ­Andreas Steigmeier mutmaßen, dies liege daran, dass in Gebenstorf ein reformierter und in Birmenstorf ein katholischer Kirchmeier als Verwalter des Kirchenguts ihre Ämter versahen oder aber doch zumindest in Gebenstorf ein katholischer und reformierter Kirchmeier amtete.87 Der evangelische Sigrist bekam das Sigristengut, der katholische Sigrist die Garben und das Brot. Zusammen erhielten sie zudem die Grundrechte und Pfennige von allen Kirchgenossen beider Konfessionen. Die Funktion des evangelischen Sigristen bestand darin, dem reformierten Prediger und der evangelischen Gemeinde zu Diensten zu sein und jede zweite Woche die Betstunde einzuläuten. Der katholische Sigrist sollte ebenfalls die Glocken für die Betstunde in Gang setzen, zudem kündigte er Prozessionen durch Glockengeläut an.88 1659 wurde diese Regelung offi­ziell von dem Landvogt und dem Hofmeister in Königsfelden bestätigt. Letzterer setzte beide Sigristen ins Amt ein. Während der reformierte Sigrist das Sigristen­gut nutzen konnte, bezog der katholische Sigrist als Lohn von jedem Haushalt eine Garbe Korn und ein Brot. Weitere Naturalzinsen und Geldgaben des Sigristenamtes mussten beide Sigristen teilen 89 Die Mehrkosten dieser konfessionellen Doppelbesetzung gingen damit vorwiegend zulasten der Gemeinde.90 Für Dietikon verfügte 1617 ein Abschied der katholischen Stände, dass die Kirchenrechnungen vom Abt des Klosters Wettingen abzunehmen seien. Im Verlauf des 17. Jahrhunderts übte die Limmatstadt Druck auf den Abt des Klosters Wettingen aus. Sie schlug vor, die Kirchenrechnungen im Beisein des reformierten Geistlichen von Oetelfingen und zweier „vorständiger“ Ältesten 85 Kirchenbaukommission (Hg.), Kirchgemeinde, 1926, 8. 86 Zu den Kirchenrechnungen StAAG AA 683 II (1659) sowie Rudolf, Geschichte, 1991, 213 f. und Tabelle mit Aufteilung des Kirchenguts ebenda, 214. 87 Sauerländer/Stegmeier, Wohlhabenheit, 1997, 42. 88 StAAG AA 683 II (1659). 89 „Zusätzlich musste der katholische dem evangelischen Sigristen jährlich 3,5 Gulden bezahlen“, vgl. Sauerländer/Steigmeier, Wohlhabenheit, 1997, 42 – 43. 90 Ebenda, 43.

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der reformierten Gemeinde vorzunehmen und das Kirchengut von Würenlos beiden Konfessionsangehörigen zuzusprechen. So konnten die Armen beider Konfessionen im gleichen Maße von finanziellen Zuwendungen profitieren. Zum Erhalt der beständigen „Einigkeit und Freundschaft“ zwischen den reformierten und katholischen Orten der Eidgenossenschaft schloss Abt Christoph Bachmann 1639 einen gütlichen Vergleich mit der Limmatstadt, in dem den Reformierten eine paritätische Kirchengutsverwaltung zugesprochen wurde. Die katholischen Städte und der katholische Nuntius protestierten vehement und erteilten dem Abt des Klosters Wettingen einen Verweis.91 Zur Besserung seiner Einkünfte zog der Prediger von Dietikon 1651 den Weinzehnten im Reppischtal an sich, „den bis dahin das Kloster Wettingen und der katholische Priester zu Dietikon eingezogen hatten“.92 Hinsichtlich der Nutzungsrechte an den Pfarrhäusern wurde bereits auf der gemeineidgenössischen Tagsatzung am 29. Januar 1532 in Baden mit Mehrheitsbeschluss entschieden, dass in bikonfessionellen Gemeinden, in denen beide Geistliche das Pfarrhaus für sich beanspruchten, dieses dem katholischen Priester zugesprochen werden solle. Dem reformierten Gottesmann solle nach dem Verhältnis der Personenzahl ein billiger Zins ausbezahlt werden.93 In Dietikon und in Würenlos, zwei Gemeinden mit überwiegend reformierter Dorfbevölkerung, konnten die fünf katholischen Orte diesen Besitzanspruch am Pfarrhaus realisieren.94 Zürich machte daraufhin auf der Tagsatzung im September 1532 geltend, dass „der Prädikant [von Dietikon] bei weitem die Mehrzahl auf seiner Seite habe“. Die fünf katholischen Orte baten daraufhin freundlich, dass auf frühen Tagen gemachte Mehr anzuerkennen, zumal Bern zu Gäbistorf und Birmenstorf, wo die Lehen ihm gehören, auch an anderen orten

91 Bugmann, Zürich, 1949, 110 sowie EA 5 2/a, 1694. 92 Bugmann, Zürich, 1949, 87. 93 Zürich und Bern behielten sich allerdings vor, sich dort nicht binden zu lassen, wo sie Lehnsherren oder Kollatoren waren, vgl. EA 4 1/b, Nr. 679, 1276, Tag in Baden, 29. Januar 1532 sowie Höchle, Geschichte, 1907, 179. „Seit etwa 1560 wurden bei Teilungen der Kirchengüter zwischen den Konfessionen nur die in der Kirchhöre (Kirchengemeinde) Verbürgerten beziehungsweise Eingesessenen gezählt und zwar selbst auswärtige Angehörige, während Ansassen, Hintersässen nicht gezählt wurden und namentlich auch keinen Anspruch auf Einführung katholischen Gottesdienstes gestützt auf Art. II e des Landfriedens hatten“, vgl. Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 93. Zum Anspruch der Katholiken auf das Pfarrhaus ders., Rechtsgeschichte, 1902, 176. 94 Bugmann, Zürich, 1949, 86. Auch in Fislibach wurden dem reformierten Gottesmann Pfarrhaus und Pfründe vorenthalten, vgl. Höchle, Geschichte, 1907, 188.

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das gleiche zugestanden, weil ja der Messpriester der Sacramente und anderer Dinge halb immer bereit sein müsse; dagegen solle das Haus gewerthet und der dem Prädikanten [d. h. seiner Gemeinschaft, D. H.] gebührende Antheil herausgegeben werden.95

Aus Ermangelung eines eigenen Pfarrhauses wohnten reformierte Geistliche – dies eine Konsequenz aus der konfessionsspezifischen Deutung des Zweiten Landfriedens – daher nicht in der Gemeinde, die sie als Seelsorger zu versehen hatten. Die reformierten Geistlichen von Würenlos und Dietikon wohnten im Zürcher Otelfingen bzw. in der Limmatstadt.96 Das Nachsehen hatten die reformierten Dorfbewohner, denn aufgrund der Entfernung der Geist­ lichen aus ihrer Gemeinde verfügte diese über keinen Pfarrer vor Ort, mit dem die Menschen nach gehaltener Predigt Glaubensfragen erörtern konnten oder der ihnen in schwierigen Lebenslagen beratend zur Seite hätte stehen können. Zudem erhöhten große Entfernungen zwischen Gotteshaus und Pfarrhaus die Wahrscheinlichkeit, dass der Gottesdienst mit Verzögerung begann, wie dies in Würenlos Mitte des 17. Jahrhunderts des Öfteren beklagt wurde.97 Zürich nahm diese Situation als eine Gefährdung für die reformierte Gemeinde wahr, denn ohne einen eigenen Pfarrer vor Ort – immerhin eine reformatorische Forderung – waren protestantische Gläubige den Einflüsterungen des katholischen Geistlichen ausgesetzt. Das einseitige Konversionsrecht zum katholischen Glauben wurde von den reformierten Parteien daher als eine permanente und potentielle Gefahr wahrgenommen. Nach erfolglosen Bitten bei dem Abt des Klosters Wettingen in den 1550er-Jahren, die Pfarrhäuser in Würenlos und Dietikon dem reformierten Geistlichen zu überlassen, wurde dem Prediger von Dietikon, nachdem Klagen über die unlauteren Konversionspraktiken des katholischen Geistlichen laut geworden waren, 1628 in Urdorf ein eigenes Pfarrhaus erbaut,98 sein Kollege in Würenlos erhielt 1660 mit dem Pfarrhausbau in Otelfingen seine eigene Behausung.99 Der Abt von Wettingen weigerte sich, sich an

95 EA 4/1b, 1401, Nr. 749, Tag zu Baden, 4. September 1532. 96 Bugmann, Zürich, 1949, 97. 97 Zur Verspätung der Pfarrer in Würenlos vgl. StAZH E II 8, fol. 169, 229 und 3707. Die reformierten Kirchgänger in Dietikon klagten 1617 vor dem Examinatorenkonvent, ihr Pfarrer gehe nach gehaltenem Gottesdienst unverzüglich nach Hause und stehe nicht mehr für die Erörterung von Glaubensfragen zur Verfügung, vgl. StAZH E II 15, fol. 1062. 98 Bugmann, Zürich, 1949, 98. Zu den Vorwürfen der unlauteren Konversionspraktiken des katholischen Geistlichen vgl. Kap. 5: Kommunikation über Glaubenswechsel. 99 Witschi, Ortsgeschichte, 1984, 210.

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diesem Bau finanziell zu beteiligen, mit der Begründung, dem Prädikanten sei sein Pfarrhausanteil ausgezahlt worden.100 In den ersten Jahren nach dem Friedensschluss etablierten sich demnach Formen religiöser Koexistenz durch politische Lösungen in Konfliktsituationen, die grundlegende Aspekte des religiösen Zusammenlebens regelten. Diese politischen Entscheidungen der ersten Jahre repräsentierten eine frühe Auslegungspraxis des Landfriedens, der sich erstmals als rechtliches Normengefüge in der politischen Praxis zu behaupten hatte. Die 1530er- und 1540er-Jahre waren bezüglich der Auslegung des Vertragswerks entscheidend, da dem vagen Rechtstext konkrete Deutungen in der politischen Praxis zugewiesen wurden. 101 Durch die politische Nutzung des landfriedlichen Textes in der frühneuzeit­ lichen Politik der Eidgenossenschaft wurde zudem die weitere Praxis der Landfriedensauslegung geprägt – den ersten politischen Entscheidungen kam damit eine Wirkmächtigkeit zu, die spätere Abschiede in diesem Maße nicht mehr erreichen sollten. Dies spricht für die politische und rechtliche Verbindlichkeit des Vertrags für den Umgang mit religiöser Koexistenz in der Alten Eidgenossenschaft. Zugleich wurde das Friedenswerk in der politischen Praxis weiter ausdifferenziert, wenn auf den Textkorpus Bezug genommen und wenn dieser ausgelegt wurde. Politische Entscheidungen wurden in den Jahren nach Friedensschluss qua Mehrheitsprinzip getroffen, so dass die katholische Mehrheit – insbesondere die Diskussion der kirchlichen Strukturen hat dies ergeben – ihre konfessionsspezifischen Herrschaftsinteressen in der Grafschaft Baden nicht nur formulieren, sondern auch durchsetzen konnte. In den folgenden Jahrzehnten sollte es Zürich allerdings gelingen, einige dieser frühen Entscheidungen zu revidieren und politische und argumentative Strategien zu entwickeln, wie den autoritativen Auslegungspraktiken der katholischen Stände zu begegnen sei. Dadurch wurde die Landfriedensauslegung heterogener und der politische Alltag komplexer. 3.4.2 Vom Landfrieden zum Landfriedensrecht (1561 – 1655) Die erste Phase der Auslegung des Landfriedens erstreckte sich somit bis zum Ende der 1540er-Jahre. Mitte des 16. Jahrhunderts waren wesentliche Grundlagen der Koexistenz in der Grafschaft Baden geschaffen: Die Verwaltung der Kirchengüter und die Benutzung der Pfarrhäuser waren geregelt und die 100 Bugmann, Zürich, 1949, 98. 101 Neben den oben diskutierten Formen der kirchlichen Strukturbildung betraf dies das im Landfrieden formulierte Schmähverbot. Es konstituierte eines der ersten Konfliktfelder, das nach Friedensschluss auf der Tagsatzung verhandelt wurde. Ausführlich dazu Kap. 4: Der Spott von der Kanzel.

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Simultankirchenbildungen in der Grafschaft Baden abgeschlossen. Während der Jahre, in denen das Konzil von Trient (1545 – 1563) tagte, wurden kaum religiöse und politische Auseinandersetzungen in der Grafschaft Baden auf den eidgenössischen Tagsatzungen verhandelt, erst im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts lässt sich wiederum eine Intensivierung der Konflikte beobachten.102 Die katholische Konfessionalisierung potenzierte nicht nur die Differenzherstellung in der Kommunikation mit den reformierten Orten, sie wirkte zunächst einmal „nach innen“ und führte zu einer stärkeren Kontrolle über die reli­giösen Institutionen 103 und die Lebensführung Geistlicher seit den 1570er-Jahren; dieser Prozess hatte im Thurgau schon in den 1550er-Jahren begonnen.104 Die katholische Erneuerung der sieben katholischen Orte wurde seit 1565 durch den Erzbischof von Mailand, Karl Borromäus, und sein Reformprogramm bewirkt. Eine päpstliche Nuntiatur wurde 1586 in Luzern errichtet.105 Mit der dogmatischen Abgrenzung verhärteten sich in diesem Zeitraum auch die konfessionellen Antagonismen, die u. a. in einer „bündnispolitische[n] Entfremdung zwischen den Glaubensparteien“ sichtbar wurden.106 Gleichzeitig gestaltete sich in dieser zweiten Phase der Landfriedensdeutung die Praxis der Landfriedensauslegung aufgrund der fortgeschrittenen Konfessionsbildungen kontroverser.107 Die reformierte politische Elite hatte aus den ersten Jahren, die 102 Vgl. EA 4 1/e (Stichwort Landfrieden) und EA 4 2/b (Herrschaftsangelegenheiten, Grafschaft Baden). 103 Das Kloster Wettingen, das seit 1415 unter der Schirmherrschaft der regierenden Orte stand, war davon allerdings nicht betroffen, da es zügig nach dem Zweiten Landfrieden unter der Führung der katholischen Orte rekatholisiert worden war. Betroffen war indes das Benediktinerinnenkloster Fahr, das 1530 aufgehoben und 1576 mit zwei Engelsberger Nonnen wiedereröffnet wurde. 104 Head, Dominion, in: ARG 96, 2005, 117 – 144, hier 135. 105 Harm Klueting zufolge wurde durch diese von Mailand aus geleitete katholische Konfessionalisierung der Ablösungsprozess der Eidgenossenschaft vom Reich verstärkt, vgl. den Tagungsbericht Oberschwaben und die Schweiz (18. 04. 2008 – 19. 04. 2008, Biberach), http://hsozkult.geschichte.hu-­berlin.de/tagungsberichte/id=2251 (Zugriff 07. 01. 2016). Zur Luzerner Nuntiatur vgl. Feldkamp, Nuntiaturen, in: SZRKG 88, 1994, 27 – 48; Pfister, Kirchengeschichte, Bd. 2, 1974, 315 – 326 sowie Fink, Nuntiatur, 1997. 106 Holenstein, Reformation, in: ARG 100, 2009, 65 – 87, hier 78. 107 Peter Stadler spricht in diesem Zusammenhang davon, dass sich in dem Jahrhundert zwischen 1560 und 1660 der konfessionelle Gegensatz auf der „eigentlichen Klimax“ befunden habe; die konfessionell-­politischen Gegensätze Europas hätten sich in denen der Alten Eidgenossenschaft widergespiegelt, „da die Fronten ins Ausland weiterliefen und die Beziehungen zur Nachbarschaft und zur politischen Umwelt überhaupt sich intensivierten“. In diesem Zusammenhang sind die weitgespannten Bündnisabschlüsse, aber auch die religiösen Orientierungspunkte und konfessionellen Impulse außerhalb

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dem Landfrieden folgten, ihre Lehren gezogen. Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts agierte sie wachsamer und konfliktbereiter, was sich daran bemessen lässt, dass Zürich seit den 1560er-Jahren ein Verständnis des Zweiten Landfriedens propagierte, das den eigenen Herrschaftsinteressen und dem religiösen Weltbild entsprach. Die Deutung des Landfriedens wurde damit zunehmend heterogener und konfessionsorientierter, die politische Praxis textorientierter, da hermeneutische Verfahren halfen, ein Textverständnis zu entwickeln, das die jeweilige argumentative Grundlage im Streit um die Durchsetzung katholischer bzw. reformierter Herrschaftsinteressen bildete. Konversion Für die Grafschaft Baden lassen sich diese hermeneutischen Praktiken der politischen Eliten besonders prägnant anhand des Konfliktfeldes der Konversion beobachten. 1561 wurde anlässlich des Glaubenswechsels eines gewissen Jakob Schleuningers aus Klingnau der Landfriedenstext auf der gesamteidgenössischen Tagsatzung einer genauen Prüfung unterzogen. Jakob Schleu­ ninger, der „vormalen des Päpstischen glaubens gewoßen“, war vom Badischen Landvogt im Beisein des Vogts von Klingnau ermahnt worden, auch weiterhin die Messe zu besuchen, ansonsten müsse er ihn gemäß dem Landfrieden abstrafen. Da Jakob Schleuninger seinen Glaubenswechsel ernst nahm und der Messe auch weiterhin fernblieb, wurde er vom Landvogt gefangen genommen, aber gegen eine Bürgschaft sodann wieder freigelassen. Auf der Tagsatzung im Juni 1562 forderten die Gesandten der katholischen Orte, dass Jakob Schleuninger, weil er „wider den Landfrieden gehandlet“ habe, die Grafschaft Baden verlassen müsse, wozu allerdings die Boten aus Zürich, Bern und Glarus nicht ihr Einverständnis geben wollten. Damit artikulierten die Gesandten von Zürich die in der Instruktion für den Tag im Juni 1562 gefasste Position der Zürcher Obrigkeit in dieser Streitfrage. Ihr eigentliches Verhandlungsziel – Schleuninger „bÿ sinem glouben bliben [zu] lasse[n]“ – konnten die Gesandten nicht realisieren. Allerdings machten sie gemäß der Instruktion deutlich, dass die Limmatstadt ein anderes Verständnis des Landfriedens habe und dementsprechend nicht mit der Bestrafung Schleuningers einverstanden sei.108 Dem Landvogt sollte von den Zürcher Gesandten mitgeteilt werden, dass die politische Elite von Zürich den Landfrieden „nit dermassen wie der der Eidgenossenschaft zu nennen, vgl. Stadler, Zeitalter, in: Handbuch, 1980, 571 – 672, hier 573 – 574. 108 StAZH BVIII 5, fol. 218v–221r, hier fol. 221r. Die Instruktion konnte deshalb so differenziert ausfallen, da der Fall Schleuninger in Zürich durchaus schon bekannt war, vgl. ebenda, fol. 172r.

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Landtvogt verstan“.109 Was folgte, ist spektakulär, denn im Originalabschied vom Juni 1562 wurden die differierenden Lesarten des Landfriedens festgehalten, die die Gesandten von Zürich und den fünf katholischen Orten im Medium der mündlichen Kommunikation artikuliert hatten. Der Abschied maß den Auslegungs- und Deutungspraktiken der Gesandten aus Zürich und den katholischen Orten viel Raum zu und hielt den mündlichen Austausch über die konkurrierenden Lesarten des Landfriedenstextes schriftlich fest. Die reformierten Orte betonten, dass sie dem Landvogt in seinem Verständnis des Landfriedens nicht folgen könnten, „dann der gloub ein frÿe gaab Gottes [seie], vnnd müsse ein jeder Inn sinem glouben was er gethan, gegen Gott rechnung [= Rechenschaft] geben“. Die Gesandten der katholischen Orte formulierten daraufhin ihr Befremden, dass die Zürcher „den artickel dess landfriedens, vff ein anderen verstand ziehen“ und einer reformierten Deutung unterziehen wollten. Zur Bekräftigung ihrer Argumentation verlasen die Gesandten der katholischen Orte drei Klauseln des zweiten Artikels des Landfriedens (b, c und d) und erläuterten anschließend diese längere Textpassage.110 Einleitend betonten sie die Unmissverständlichkeit des betreffenden Artikels, denn es sei „gar Luter und Clar“, dass Katholiken in den Gemeinen Herrschaften bei ihrem Glauben bleiben sollten vnnd nit gwalt haben, vom alten glouben abzestan sonst were es Inn solichen artickel wie Inn dem obern, so do stat, Ob ettlich den nüwen glouben angenommen, vnnd widerumb darvon zestan begerten. Das sy deß fryes vrloub, vnnd dz zethun macht und gwalt haben, auch sonderlich, vnd eigentlich specificiert worden das aber nit sige, vnnd achten wir für vnser person das vnsere herren und obern dißerenn artickeln khein ander verstand geben, noch zulassen.111

Die katholischen Gesandten wiesen damit nicht nur darauf hin, dass der Landfrieden ein eindeutiges Verbot des Glaubenswechsels zur reformierten Konfession beinhalte, sondern bestritten grundsätzlich, dass der Landfrieden einen Auslegungsspielraum besitze. Tatsächlich formulierte der Landfriedenstext explizit nur das Konversionsrecht zum Katholizismus und nicht zum Protestantismus. Daraus leiteten die katholischen Orte ab, dass – wo explizit kein positives Recht formuliert sei – ein Verbot die Regel sein solle, nämlich ein 109 Ebenda, fol. 221r. 110 Zumindest wurden diese Passagen mit in den Abschied aufgenommen. Zum besseren Verständnis, welcher Textteil des Landfriedens gemeint ist, folge ich der Nummerierung (a, b, c etc.) bei Walder, Religionsvergleiche, Bd.1, 1960. 111 StAZH BVIII 101, fol. 265v.

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Konversionsverbot zum reformierten Glauben. Zürich hingegen betonte, „das by unns der Landtffrieden eines anderen unnd nit so scharpfen verstandts sige“ – die Zürcher artikulierten damit ein Textverständnis, das grundsätzlich auf Auslegung basierte. Der Argumentation der katholischen Orte, der zufolge aus einer fehlenden Formulierung des Konversionsrechts zum reformierten Glauben ein Verbot zu folgern sei, konnte Zürich nicht folgen. Mit Bezug auf die fünf Klauseln (a, b, c, d, und e) des Zweiten Artikels des Landfriedenstextes argumentierten die Zürcher versiert und kenntnisreich, dass „der glouben Inn der Grafschaft Baden vnnd Inn ettlichen der glÿchen der gemeinen herrschaften Inn söllich sachen fryg sin sölle“.112 Glaubensfragen waren Gewissensfragen, die im Zwiegespräch mit Gott erörtert und nicht durch weltliche Gesetzgebung beschränkt werden sollten. Weder im Juni 1562 noch auf den folgenden gemeineidgenössischen Tagsatzungen wurde in dieser Frage ein endgültiger Beschluss gefasst. Diese Entschleunigung des politischen Geschehens bzw. diese Politik des Temporisierens oder Prolongierens kam den Herrschaftsinteressen Zürichs entgegen. Ein politisches Geschäft, das verschleppt und mit Verzögerung verhandelt wurde, bot so lange Verhandlungsspielraum, bis ein Abschied produziert wurde oder bis sich das Problem durch das Verschleppen in Luft auflöste: Das Prolonga­tionsprinzip war Teil der frühneuzeitlichen politischen Praxis taktisch versierter Eidgenossen.113 In den Instruktionen für die Tagsatzungen im Januar und März 1563 wurden die Zürcher Gesandten daher angewiesen, den Fall Schleuninger nicht erneut auf der Tagsatzung zu debattieren, sondern diesen ruhen zu lassen.114 Prolongieren war der Deeskalation von Konflikten förderlich, zudem erhoffte sich die politische Elite Zürichs einen (Verhandlungs-)Erfolg, der darin bestehe, dass ­Schleuninger beim reformierten Glauben bleiben könne.115 Im Angesicht katholischer Majorität war das Prolongationsprinzip eine Strategie der reformierten Orte, um dem Mehrheitsprinzip zumindest zeitweise zu entkommen, und zudem mit der Hoffnung verbunden, Herrschaftsinteressen durch das Verstreichen von Zeit und das Ruhenlassen von Konflikten zu realisieren. 112 Der Verweis auf die fünf Klauseln des Landfriedens befindet sich in den Instruktionen für die gemeineidgenössischen Tagsatzungen im Januar und März 1563, vgl. StAZH BVIII 5, fol. 230r–231r sowie fol. 242r–243r. 113 Zum „Temporisieren“ vgl. Schulze, Zeit, 2007, 333 – 352. Den Begriff Prolongationsprinzip verdanke ich der kritischen Lektüre dieser Arbeit durch Thomas Lau. 114 StAZH BVIII 5, fol. 230v sowie fol. 242r. 115 Für den Fall, dass die katholischen Orte Schleuninger zum Traktandum erhoben, hielten die Instruktionen im Januar und März 1563 detaillierte Instruktionen bereit, wie die Gesandten verhandeln sollten, vgl. StAZH BVIII 5, fol. 230v und 242r.

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Der Amtlichen Sammlung der älteren Eidgenössischen Abschiede zufolge war dies der erste Konversionsfall mit eidgenössischer Dimension in der Grafschaft Baden; ihm kam eine weitreichende Bedeutung zu, da er, wie die Zürcher politische Elite kenntnisreich und vorausschauend formulierte, nicht nur „den Schlininger, sonders ander Errenlüth künfftiglich auch berüwen wurde“.116 Die politischen Eliten der regierenden Orte waren sich über die Wirkmächtigkeit der erläuternden Abschiede und ihrer politischen Entscheidungen durchaus bewusst. Auslegungen des Landfriedens waren rechtsfortbildend, weswegen jedem einzelnen Fall große Bedeutung im Kontext einer rechtlichen Traditionsbildung zukam. Konversion wurde damit zu einem politischen Konfliktfeld, über das 1561/62 ein dezidiert konfessionsspezifisches Verständnis des Zweiten Landfriedens artikuliert wurde. Der Fall des Konvertiten Jakob Schleuniger markiert eine Zäsur in der politischen Kommunikation über Konfessionskonflikte in der Grafschaft Baden. Aufgrund dieses Streitfalles wurden erstmals differierende Lesarten des Landfriedens von den eidgenössischen Regenten produziert. Zugleich führte die reformierte Praxis der Textauslegung bei den katholischen Ständen zu einer neuen Wachsamkeit, was die Umsetzung der rechtlichen Normen des Landfriedenstextes betraf. Veranschaulicht werden kann dies wiederum am Konfliktfeld der Konversion. In den Jahren 1567 und 1568 konvertierten in Klingnau einige Personen zum reformierten Glauben. Nachdem dieser „Tatbestand“ auf der gemeineidgenössischen Tagsatzung am 16. November 1567 vom Landschreiber den Gesandten der katholischen Orte mitgeteilt wurde, trafen sich diese auf einer katholischen Tagsatzung am 25. November 1567 zu innerkonfessionellen Beratungen. Dort wurden der Landschreiber und der Vogt von Klingnau dem katholischen Abschied zufolge beauftragt, „fernerhin über alles sich ganz geheim zu erkundigen“ und die katholischen Gesandten auf der kommenden gesamteidgenössischen Tagsatzung von ihren Ermittlungen in Kenntnis zu setzen.117 Diese heimlichen Nachforschungen über die Konvertiten in Klingnau verdeutlichen nicht nur, wie die langwierigen Kommunikations- und Informationswege des Herrschaftskonstrukts „Gemeine Herrschaften“ für eigene Herrschaftsinteressen genutzt werden konnten; sie zeigen vielmehr, dass die katholischen Orte nach den Versuchen von Zürich (und Bern), einen Glaubenswechsel zum reformierten Glauben als eine religiöse Praxis zu deuten, die dem Landfrieden entsprach, entschlossen waren, diesen „Tatbestand“ nicht zu entkriminalisieren und sich Konversionen zum reformierten Glauben nicht aus der Hand nehmen zu lassen. Im katholischen Abschied wurde daher formuliert, dass „man den betreffenden

116 Ebenda, fol. 243r. 117 EA 4, 2/2, 1102, Art. 113.

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Artikel des Landfriedens nicht fallen lassen“ wolle.118 Die katholischen Stände bekräftigten mithin, dass sie sich einer Deutung des Landfriedens durch die reformierten Stände widersetzten, die im betreffenden Artikel des Vertrags das Recht zur Konversion zum reformierten Glauben erkannten. In der politischen Kommunikation wurden konkrete Fälle zu Präzedenzfällen, auf die bei späteren Entscheidungen verwiesen wurde. Daher vermieden die eidgenössischen Regenten immer dann rechtsfortschreibende Abschiede, wenn sie nicht ihrem jeweiligen Herrschaftsverständnis entsprachen. Da die Bedeutung einzelner Abschiede für die rechtliche Kultur und die politische Praxis in der Alten Eidgenossenschaft den eidgenössischen Regenten bewusst war, verhinderten die katholischen Regenten eine Auslegungspraxis der reformierten Orte, die ein offeneres Textverständnis des Landfriedens propagierte. Im 17. Jahrhundert nahmen diese hermeneutischen Lesarten des Landfriedens neue Formen an, es waren jetzt „word-­by-­word examinations of texts“.119 Wieder ging es um Konversionen, diesmal im Thurgau. In Zürich holte man sich Unterstützung von der Geistlichkeit, die zwar einerseits die Offenheit des Landfriedenstextes beklagte, da diese den Text für katholische Auslegungen prädestinierte, andererseits aber gerade in seiner Offenheit auch die Chance erkannte, den Landfrieden von 1531 für eigene Belange neu zu deuten. Konkret ging es um die zwei Wörter „sollen“ und „mögen“, die im Zweiten Artikel des Landfriedens auftauchten.120 Bis 1640 hatten die katholischen Orte ein Verständnis der Wörter „bi irem alten glouben bliben söllent“ entwickelt, das ein Konversionsverbot vom katholischen zum reformierten Glauben bedeutete. Zürich nahm sich ebenfalls des Wortes „sollen“ an, kam allerdings zu einer anderen Auslegung. Das Wort „sollen“, so ihre Argumentation, can be interpreted and understood to be about the faith that they should stay with, or about the form and manner in which they should stay with it, or about. That it must be taken neither in the first nor last of these, but rather in a middle sense, 118 Ebenda. 119 Head, Testimony, in: Plummer/Barnes (Hg.), Ideas, 2009, 289 – 305, hier 299 sowie ders., Modes, in: Blockmans/Holenstein/Mathieu (Hg.), Interactions, 2009, 115 – 129. 120 Walder, Religionsvergleiche, Bd.1, 1960, 8 – 9, (b): „Es ist auch luter zwüschen uns zuo beiden teilen abgerett und beschlossen, ob in den selben gemeinen herrschaften etlich kilchhörinen, gemeinden oder herlikeiten, wie sie genempt möchten werden, die den nüwen glouben angenommen und noch dabi bliben wellten, das si es woll tuon mögen“ (Kursivierung von mir, D. H.) sowie (d): „Desglichen ob etwer in gemelten herschaften were, so den alten glouben noch nit verlougnet, es were heimlich oder offentlich, das sie die selben ouch ungefecht und ungehasset bi irem alten glouben bliben söllent“ (Kursivierung von mir, D. H.).

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namely about the mode in which they should stay by their faith, is demonstrated by the additional little word ,also‘ […].121

Denn das kleine Wörtchen „auch“, so führte die Zürcher Geistlichkeit weiter aus, verweise auf die gleichen Rechte der reformierten und katholischen Gläubigen, denn wenn „this passage had promised or commanded something particular for one side, then the word ‚also‘, which implies reciprocity, would have been unneeded“. Daher verbiete es der Landfrieden auch katholischen Gläubigen nicht, zum reformierten Glauben zu konvertieren.122 Das Argument der Reziprozität der Rechte, das hier von der Zürcher Geistlichkeit geäußert wurde, war nicht neu. Der Examinatorenkonvent – das höchste geistliche Gremium Zürichs – hatte schon am Ende des 16. bzw. zu Beginn des 17. Jahrhunderts einen „Grundtliche[n] beweißthum“ geführt, dass krafft landtsfriedens, abscheiden und vertraegen, die Euangellisch und Catholisch Religion, in den gemeinen herrschaften des Thurgaus, Rheinthals, wie auch der graffschafften Baden und Sargans, gleicher freÿheit reciprocierlich genießen, keine über die ander nachtheil haben, auch keine an der anderen Religion gebräuch und Ceremonien gebunden seÿen.123

Damit hatte sich das Verständnis des Landfriedenstextes durch die Zürcher Geistlichkeit seit Beginn des 16. Jahrhunderts entscheidend verändert. In einem von Heinrich Bullinger am 22. Juli 1532 gehaltenen Vortrag über die Bedenken Meister heinrich Bullingers […] wie man vor kriegen In der Eidtgnoschaft syn hatte dieser noch davor gewarnt, die fünf katholischen Orte würden annehmen, sie hätten die Gewalt und das Recht, den Landfriedenstext nach eigenem Gutdünken auszulegen.124 Damit verwies Bullinger als Visionär zwar einerseits auf eine Praxis hermeneutischer Lesarten, die sich noch entwickeln sollte, andererseits artikulierte er im Unterschied zu seinen späteren Kollegen unter dem Eindruck der verlorenen Schlacht von Kappel nicht die Möglichkeiten einer reformierten Lesart des Friedensvertrags. Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts lässt sich bei 121 Zit. nach: Head, Testimony, in: Plummer/Barnes (Hg.), Ideas, 2009, 289 – 305, hier 300. 122 Ebenda. Randolph C. Head beschreibt die argumentative Verfahrensweise als „textual and technical, making use of precise definitions and logical techniques such as syllogisms, and drawing on Latinate vocabulary and syntax“. 123 StAZH E II 34, fol. 601r–611r, hier 603. Das Dokument ist undatiert, allerdings machen die Verweise auf frühere Abschiede des 16. Jahrhunderts eine Datierung um 1600 sehr wahrscheinlich. Der älteste erwähnte Abschied stammt von 1584. 124 StAZH E II 100, fol. 1r–9r.

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der politischen Elite Zürichs ein veränderter Umgang mit dem Text konstatieren. Gegen die Dominanz des Majoritätsgrundsatzes, der in letzter Konsequenz den faktischen Machtverlust der reformierten Stände in den gemeinsam regierten Untertanenländern bedeutet hätte, setzten diese auf Textinterpretation und Auslegungspraktiken, die ein Verständnis des Landfriedens artikulierten, das den reformierten Untertanen gleiche Rechte wie den katholischen Gläubigen zusicherte. Damit waren es vermehrt die Formen des bikonfessionellen Zusammenlebens, die seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu einem kontroversen Verhandlungsgegenstand in der eidgenössischen Politik der Frühen Neuzeit avancierten. Gleichzeitig führten die divergierenden Lesarten des Landfriedens zu einer größeren Kommunikationsdichte unter den regierenden Orten unterschiedlicher Konfession, da konfessionelle Differenzen die Konfliktfelder nicht nur konstituierten, sondern zudem intensive und damit langwierige politische Verhandlungen generierten – auf den gesamteidgenössischen Tagsatzungen, im diplomatischen Schriftverkehr und vermehrt auf den innerkonfessionellen Konferenzen. Kalenderreform Ein weitreichendes Konfliktfeld, das über die Grafschaft Baden hinaus in der politischen Kommunikation der Alten Eidgenossenschaft verhandelt wurde, betraf die Einführung des neuen Kalenders im März 1584.125 Mit der Bulle Inter gravissimas ordnete Papst Gregor XIII. am 24. Februar 1582 die Einführung eines reformierten Kalenders an.126 Aufgrund einer fehlerhaften Berechnung des astronomischen Jahres war seit der Einführung des julianischen Kalenders ein Überhang von zehn Tagen entstanden. Mit der gregorianischen Kalenderreform sollte dieser eliminiert und auch künftig verhindert werden, um den astronomischen Kalender und den Kirchenkalender wieder in Einklang zu bringen.127 Während 125 Der Landvogt wird angewiesen, „gemäß Beschluß zu Baden die Einführung des neuen Kalenders zu vollziehen“, EA 4/2, 2, 1103, Art. 119. 126 Eine ausführliche Geschichte der Entstehung, Veröffentlichung und Rezeption der Bulle Inter gravissimas in Coyne/Hoskin/Pedersen (Hg.), Gregorian Reform, 1983. 127 Unter der älteren Literatur immer noch lesenswert Stieve, Kalenderstreit, 1880, 1 – 98, der die Einführung der Kalenderreform in politischer, konfessioneller, und wirtschaftlicher Hinsicht diskutiert. Vgl. auch die konzise Darstellung von Mauer, Kalenderstreit, in: Medick/Krusenstjern/Veit (Hg.), Alltag, 1999, 345 – 356, hier 346 f. Die europäischen Grundlinien dieses Streitfalles zeichnet nach: Scheutz, Kalender, in: Hameter/­ Niederkorn-­Bruck/Scheutz (Hg.), Zeit, 2005, 116 – 143. In Augsburg führten die Auseinandersetzungen um die Einführung des gregorianischen Kalenders die Stadt an den Rand eines Bürgerkrieges, vgl. dazu Roeck, Stadt, Bd. 1, 1989, 125 – 169; Warmbrunn, Konfessionen, 1983, 359 – 375 sowie Wallenta, Kalenderstreit, in: Herzog (Hg.), Streit, 2002, 125 – 138. Dort auch weitere Literatur zum Augsburger Kalenderstreit. Den

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die katholischen Orte der päpstlichen Kalenderreform ohne Zögern folgten, stieß diese bei den reformierten Orten auf Widerstand. Von der Zürcher Geistlichkeit erschienen mehrere Schriften, in denen um den Wert und die Zulässigkeit dieser Neuerung gestritten wurde. Der einflussreichste Kritiker der Reform war Burkhard Leemann (1531 – 1613), er gab den Ausschlag zur Ablehnung der gregorianischen Kalenderreform.128 Seine Bedenken über den Nüwen Gregorianischen Kalender von 1584 richteten sich gegen die Annahme einer Kalenderreform, die dem Papst vom Konzil von Trient übertragen worden war und die dem Autor als ein Akt der katholischen Reform galt. Leemann folgerte daraus, dass der „Römische oder Gregorianische Kalender“ die Protestanten nicht angehe und zudem wider das christliche Gewissen sei: Von disem Bapst vnd Consilio flüst dieser Kalener har vnd soll derhalben nit allein verdechtig, vnd argwöhisch syn, sonder diewil wir vns auch in dem aller­gringsten deß Tridentinischen Concily theilhaff machen nit sollent nachkommen in kein wys noch weg, ohne sonder vnd großen anstoß vnd verletzung vnserer gwüßeinen.129

Zudem warf Leemann Papst und Konzil vor, die Kalenderreform unter anderem wegen des Breviariums und der katholischen Feier- und Festtage angedacht bzw. durchgeführt zu haben, vor allem wegen des Osterfestes, das die Grundlage zur Berechnung der weiteren Feiertage lieferte. Durch den gregorianischen Kalender wurde der bisherige Jahresablauf verändert, da sich die religiösen und profanen Feste verschoben.130 Mit seiner rhetorischen Frage, was die reformierten

Kalenderstreit in der theologischen Polemik spürt nach Traitler, Konfession, 1989. Einschlägig jetzt Koller, Zeiten, 2014. 128 Burkhard Leemann (auch Lehmann) war 1554 Magister der freien Künste zu Marburg, 1557 Pfarrer in Dietikon, 1560 Professor für Hebräisch, 1571 Pfarrer zu den Predigern, 1584 Pfarrer am Frauenmünster in Zürich, 1592 Pfarrer am Großmünster und Antistes der Zürcher Kirche, vgl. Eintrag „Lehmann“ in: HBLS, Bd. 4, 641 sowie Dejung/ Wuhrmann, Pfarrerbuch, 1953, 404. Dort auch die Nennung weiterer Schriften, die er verfasste. Weitere Schriften, die im Kontext der Kalenderreform erschienen, stammten von Hans Murer, Ursachen worumb der nüw Gregoriansichen Calender nit anzunemmen, sowie Heinrich Wolf, Mutationis Calendarii vel anni Juliani per Gregorium XIII. Pot. R. in hac mundi senecta factae Elenchus theologicus, die jedoch keinen großen Einfluss auf die Debatte hatten, vgl. Gutzwiller, Einführung, in: ZSK 72, 1978, 54 – 73, hier 57, Anm. 2. 129 ZBZ Ms. 124b, fol. 112r. Tatsächlich wurde eine Kalenderreform auf keiner der Sitzungen des Konzils von Trient im Detail debattiert, allerdings durch dieses angestoßen, vgl. Ziggelaar, Papal bull, in: Coyne/Hoskin/Pedersen (Hg.), Gregorian Reform, 1983, 201 – 239, hier 202. 130 Dies führte u. a. zu einer Bawrenklag Iber den Newen Kalender, die 1584 mit 330 Versen

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Gläubigen die katholischen Feier- und Festtage und die Liturgie der römischen Kirche angingen, machte Burkhard Leemann deutlich, dass dieser Reformpunkt für die religiöse Praxis der Reformierten vollkommen unerheblich sei.131 Zudem verstieß der Kalender Leemann zufolge gegen die christliche Freiheit, da die päpstliche Reform Andersgläubigen Vorschriften erteile, die von den weltlichen Obrigkeiten (vom Kaiser, Königen, Fürsten, Herren) durchzusetzen seien – damit wolle der Papst testen, wie weit sich der päpstliche Gehorsam erstrecke.132 Leemann, dessen Werk unter den Kritikern die größte Beachtung finden sollte, galt die gregorianische Kalenderreform außerdem als ein Reformwerk, dass „in disen gfarrlichen Zyten“ Unfrieden stiften und die Eidgenossen entzweien werde.133 So ganz Unrecht hatte der Autor mit dieser Prognose nicht. Da die sieben katholischen Orte mit Ausnahme von Ob- und Nidwalden bereits am 12./22. Januar 1584 den neuen Kalender annahmen,134 die reformierten Orte Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen sich jedoch der Kalenderreform verweigerten,135 lebten die reformierten und katholischen Eidgenossen fortan mit zwei unterschiedlichen Kalendern in „konfessionalisierten“ Zeiten.136 Wie im Folgenden ausgeführt wird, intensivierte die gregorianische Kalenderreform zwar einerseits die konfessionellen Spannungen in der Eidgenossenschaft und wurde zu einem Medium, über das sich konfessionelle Differenzen und damit konfessionelle Eindeutigkeit artikulieren ließen, zum anderen führte sie zu einem vermehrten Kommunikations- und Regelungsbedarf unter den Eidgenossen, wodurch sich der Landfrieden und die gemeinsame Verwaltung in einer systemischen Perspektive weiter ausdifferenzierten. Der Befehl an den Landvogt von Baden vom 12. März 1584, den neuen Kalender in der Grafschaft Baden einzuführen, war – wie viele Beschlüsse zuvor – auf Verlangen einer katholischen Mehrheit der eidgenössischen Orte erfolgt. Zürich, Bern, Glarus und Unterwalden artikulierten daraufhin ihr „beduwerns erschien, vgl. Gutzwiller, Einführung, in: ZSK 72, 1978, 54 – 73, hier 64 ff. Zu den verschiedenen Versionen der Bauernklage vgl. Koller, Zeiten, 2014. 131 ZBZ Ms. A 124b, fol. 112v. 132 Ebenda, fol. 113r–113v sowie 114r. 133 Ebenda, fol. 119r. 134 Gutzwiller, Kalender, in: HLS online http://www.hls-­dhs-­dss.ch/textes/d/D12812.php (Zugriff 10. 01. 2016). 135 Sie nahmen den neuen Kalender zusammen mit Katholisch-­Glarus, Neuenburg und Genf erst am 1./12. Januar 1701 an – Evangelisch-­Glarus nahm den neuen Kalender erst 1798 auf Druck der Gesetzgebenden Räte der Helvetik an, vgl. Gutzwiller, Einführung, in: ZSK 72, 1978, 54 – 73, hier 58. 136 Gutzwiller, Einführung, in: ZSK 72, 1978, 54 – 73; Kläui, Grundlagen, in: JbSGF, 1985, 3 – 22 sowie Maissen, Kalenderstreit, in: BM, 1960, 253 – 273.

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vnd missfallen ab söllicher vermässenheit“ und nahmen die Kalenderreform lediglich in den Abschied bzw., wie Unterwalden, „ad referendum“.137 Dem amtierenden Berner Landvogt David Tscharner trugen die reformierten Orte auf, niemanden in seinem Verwaltungsgebiet „um des nüwen Callenders wegen“ zu strafen, da es den Untertanen freistehe, den „nüwen Calenders zebruchen vnd zehalten“.138 Damit widersetzten sich die reformierten Regenten der Weisung der katholischen Orte, die die Annahme des gregorianischen Kalenders mit Mehrheit beschlossen hatten.139 Vor dem Hintergrund der Konfessionalisierungsprozesse wurde die Einführung der Kalenderreform in der Grafschaft Baden zu einem politischen und konfessionellen Streitfall. Wie wurden diese Differenzen hinsichtlich der konfessionalisierten Zeitmessung in den politischen Verhandlungen kommuniziert oder gar mediatisiert? Zunächst einmal wurde das Problem als solches reflektiert. Dies geschah wiederum auf schriftlichem Wege. In einem Schreiben an den Landvogt von Baden vom 3. April 1584 wurde auf die „vnglychheit, die sich by Inen den gemelten ortten, annemmung halben des nüwen Calenders zutregt“ eingegangen.140 Das eigent­ liche Problem bestand darin, dass der Landvogt als „Diener und Amptsmann“ der acht regierenden Orte deren Weisungen zu befolgen hatte. Bestand kein politischer Konsens unter den eidgenössischen Regenten, dann musste der Landvogt zwangsläufig dem „einen theil geuölgig, vnd dem anderen vnghorsam zesin“141 – in diesem konkreten Fall ging es um die Frage, ob diejenigen Untertanen abzustrafen seien, die weiterhin nach dem julianischen Kalender lebten. Daher empfahl das Schreiben dem Landvogt, sich an die Stände Zürich, Glarus und Unterwalden zu wenden und um Weisung zu bitten, wie er sich wegen des Kalenderstreits zu verhalten habe. Für den Fall, dass auch weiterhin keine beschlusskräftige Mehrheit unter den regierenden Orten zustande komme, stehe es dem Berner Landvogt zu, „das meer zefellen“.142 Da der katholische Ort Unterwalden erst vier Monate nach den anderen katholischen Orten die Kalenderreform annahm und Katholisch und Evangelisch Glarus mit diesem Schritt bis ins 18. Jahrhundert warteten (1701

137 EA 4/2, 1, 834 – 837, Art. 685, hier 835 sowie StABE A III 38, fol. 182. 138 StABE A III 38, fol. 182. 139 Im Thurgau, wo sich ebenfalls heftiger Widerstand der Untertanen gegen diese Änderung formierte, nahmen die konfessionellen Auseinandersetzungen um die Einführung des gregorianischen Kalenders offensichtlich noch weitaus größere Ausmaße an, vgl. EA 4/2, 1, diverse Tagsatzungen, etwa die gemeineidgenössische Tagsatzung in Baden, 17. Juni 1584, 835, Art. 685b sowie Tagsatzung in Baden, 26. August 1584, 841, Art. 691c. 140 StABE A III 38, fol. 207. 141 Ebenda. 142 Ebenda.

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bzw. 1798), standen sich im April 1584 jeweils vier regierende Orte gegenüber, die nach dem gregorianischen (Luzern, Uri, Schwyz, Zug) und nach dem julianischen Kalender lebten (Zürich, Bern, Glarus, Unterwalden).143 Bei politischem Dissens entstand eine Pattsituation, die die Grafschaft Baden regierungsunfähig machte. Da sich angesichts der veränderten konfessionellen Gewichtung in dieser politisch-­konfessionellen Streitfrage ein Konsens nicht durch zahlenmäßige Überlegenheit herstellen ließ, schlug das Schreiben vor, der Landvogt solle den Stichentscheid fällen. Auch bei Tagsatzungen in Baden fällte der Landvogt bei Stimmengleichheit den Stichentscheid. Insofern entsprach dieser Vorschlag durchaus den politischen Gewohnheiten der Eidgenossenschaft.144 In der politischen Praxis wurde dennoch ein anderer Weg eingeschlagen. Offensichtlich war die Verantwortung, die dem Landvogt durch einen Stimmentscheid übertragen wurde, angesichts der Tragweite der konfessionellen Streitfrage zu groß, so dass in einer Missive an den reformierten Ort Zürich Bedenken hinsichtlich dieser politischen Vorgehensweise artikuliert wurden: „diewyl das mehr glych vnnd zu beiden theillen vier einhellige orth sind, wie er sich hierob halten, welchem theil er das mer gäben vnd zufallen vnd gegen dem anderen theil verantwurten sölle“.145 Zürich wurde daher schriftlich von dem Mitregenten Bern gebeten, mit den katholischen Orten in Kontakt zu treten und in ihrem und in dem eigenen Namen darum zu bitten: diese sach jetzmalen inzustellen vnnd beruwen zelassen, bis vff ein nechstkunfftige Tagleistung, des wir vnns dis Calendarii halb vnderreden vnd verglychen möchten, damit Ir vnnd wir, auch vnnser Lanndtvogt zu Baden dieser beschäfftigung vntz [?] dahin zu ruwen vnnd er von der widerwertigen gepotten wegen, so imme von beiden theillen geschehen aller gefhar vnd vngunst überhept belyben möchte.146

Mit dem Vorschlag, die Einführung der Kalenderreform zunächst auf sich beruhen zu lassen und erst auf der nächsten Tagsatzung zu verhandeln, wurde diese 143 Zu Unterwalden vgl. Gutzwiller, Einführung, in: ZSK 72, 1978, 54 – 73, hier 69. Auf der Tagsatzung der fünf katholischen Orte vom 5. Juni 1584 hieß es: „Unterwalden habe den neuen Kalender nunmehr auch angenommen“. EA 4/2, 1, 833, Art. 684. 144 Steigmeier, Baden, in: HLS online, http://www.hls-­dhs-­dss.ch/textes/d/D8296.php (Zugriff 10. 01. 2016). 145 StABE A III 38, fol. 210. 146 Ebenda, fol. 210 – 211. Das Schreiben hat keinen Absender, nur einen Adressaten. Da es im Berner Bestand zum „Neuen Kalender“ verwahrt wird und Bern zudem nicht unter den Orten genannt wird, die sich neu zur Kalenderreform verhalten sollten, gehe ich davon aus, dass es sich hierbei um ein Schreiben des mitregierenden Ortes Bern handelt.

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Streitfrage verfahrenstechnisch den regierenden Orten zugeführt, die das Problem grundsätzlich und untereinander – und nicht über den Landvogt – verhandeln sollten. Bei diesem Konflikt wurden die fünf „vnparthyschen Schidorten“ Basel, Freiburg, Solothurn, Schaffhausen und Appenzell eingeschaltet, um zwischen den regierenden Orten zu vermitteln.147 Bevor die Verkündigung des „vßspruch“ der Schiedsorte auf der Tagsatzung anstand, wurde dem Berner Landvogt Tscharner am 12. September 1584 schriftlich mitgeteilt, er solle dafür sorgen, dass die Untertanen der Grafschaft Baden bis dahin „ruwig, fridsam vnnd Inn guter einigkeit“ miteinander lebten – die Einführung des gregorianischen Kalenders verschärfte ebenfalls die konfessionellen Antagonismen zwischen den katholischen und reformierten Untertanen, die anscheinend trotz des landfriedlichen Verbots den jeweilig konfessionellen Anderen beschimpften, schmähten und beleidigten.148 Im September 1584 unterbreiteten die fünf Schiedsorte den sieben bzw. acht regierenden Orten des Thurgaus – der Schiedsspruch galt ebenfalls für diese Gemeine Herrschaft – und der Grafschaft Baden einen Vorschlag,149 den Luzern, Uri, Unterwalden und Zug im Oktober 1584 annahmen,150 im November 1584 folgte Bern. Der reformierte Stand war äußerst zufrieden mit dem Vergleich, da die einzelnen Artikel „der Eeren Gottes noch vnserer christenlichen Reformation vnd glouben zu nachtheill noch abbruch oder schaden gereichen“.151 Auf der gemeineidgenössischen Tagsatzung im November 1584 in Baden kam es zwar nochmals zu Auseinandersetzungen bezüglich des im Kalenderstreits vorgeschlagenen Kompromisses der Schiedsorte, doch nach „allseitigen Ermahnungen“ wurde beschlossen, dass alle Orte eine Resolution an Zürich zu schicken hatten, die diese an die Schiedsorte weiterleiten sollte.152 Am 6. März 1585 war es dann so weit: Die Gesandten von Zürich und Bern sowie den katholischen Orten akzeptierten die „Vergleichung des Neüwen Reformierten Calenders“, der durch die Vermittlung der „neutralen“ Orte Basel, Freiburg, Solothurn, Schaffhausen und Appenzell zustande gekommen war.153 Zusammen mit der Frage, wie der 147 Ebenda, fol. 329. 148 Einige Hinweise in StABE A III 38, fol. 329 – 330, 12. September 1584. 149 Ebenda, fol. 339. 150 EA 4/2, 1, Konferenz der fünf katholischen Orte, 9. Oktober 1584, 844, Art. 694a. 151 StABE A III 38, fol. 408 – 409 152 EA 4/2, 1, Tagsatzung in Baden, 25. November 1584, 846, Art. 695 f. 153 Allgemein wird der 6. März 1585 als Datum genannt, vgl. etwa Gutzwiller, Kalender, in: HLS online, http://www.hls-­dhs-­dss.ch/textes/d/D12812.php (Zugriff 10. 01. 2016). Die Annahme erfolgte offensichtlich sogar schon auf der Tagsatzung in Baden am 24. Februar 1585, vgl. EA 4/2, 1, 854, Art. 699m: „Bern und Zürich sowohl als die V katholischen Orte erklären, dass sie die von den Schiedorten vorgeschlagenen Mittel

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gregorianische Kalender in den Gemeinen Herrschaften gehandhabt werden solle, entwarf der Vergleich eine neue konfessionsspezifische Feiertagsregelung. Der erste Artikel verwies zunächst grundsätzlich darauf, dass die Annahme des gregorianischen Kalenders weiterhin den souveränen Orten obliege.154 Ein zweiter Artikel galt der Friedenssicherung in den Gemeinen Herrschaften, da sich durch die Uneinigkeiten bezüglich der Zeitrechnung auch die konfessionellen Auseinandersetzungen zwischen den reformierten und katholischen Untertanen verschärft hatten. Die katholischen und reformierten Untertanen wurden unter Strafandrohung ermahnt, dass sie fridsamb und still, und auch vngefecht und ungehasset, In und usserthalb der Kirchen, auch in Wirts Haüßern und anderstwo verbleiben, und niemanderen dis spännigen Calenders halb, ungetratzt söllend lassen, bei einer aufgesetzten und bestimten Straff.155

In Ergänzung zum Zweiten Landfrieden von 1531 wurde in einem dritten Artikel festgelegt, dass die reformierten und katholischen Feste und Feiertage nach dem neuen Kalender zu feiern seien. Allerdings konnten Weihnachten, St. Stephan, St. Johannis Evangelistae, Neujahr, Ostern, Christi Himmelfahrt und Pfingsten von den Protestanten nach dem alten Kalender begangen werden. An diesen Festund Feiertagen der reformierten Gläubigen sollten die Katholiken an den Orten, an denen „beyde Religionen beyeinander in Eines Kirchen gehalten werden“, bei Androhung einer Strafe „aller Ihrer Handarbeith, Wercken und geschäfften gäntzlich still zustehn“, um die Gottesdienste der Andersgläubigen nicht zu stören. Die Reformierten mussten am Fronleichnamsfest ihre Arbeit lediglich am Vormittag ruhen lassen, was als ein Verhandlungserfolg der reformierten Orte gewertet werden kann – der Zürcher Stadtpfarrer Ludwig Lavater (1531 – 1586) hatte gegen das Fronleichnamsfest gewettert, da es „ein abgöttisch Fäst und wider den Landfriden“ sei.156 Da katholische Feiertage durch Prozessionen in der sakralen Landschaft des Dorfes stärker sichtbar waren, wurden sie an vielen Orten zur Zielscheibe konfessioneller Streit- und Differenzierungsprozesse.157 in Betreff des neuen Kalenders angenommen haben und dass sie den Schiedorten die dieses Handels wegen gehabten Bemühungen verdanken“. 154 StAZH A 238.1: Des Neüwen Calenders in den gemeinen Eidtgnössischen Herrschaften, 1585. 155 Ebenda. 156 Gutzwiller, Einführung, in: ZSK 72, 1978, 54 – 73, hier 62 – 63. 157 Vgl. die Fallstudie zur Störung einer Fronleichnamsprozession bei Volkland, Konfession, 2005, 99 – 137.

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In diesem Zusammenhang wurde der Fronleichnamstag in dem Vergleich ausdrücklich genannt. Viertens sah der schriftliche Vergleich vor, dass die Zurzacher Märkte wie bisher an Pfingsten stattfinden, bis auf den Sankt Verena Markt. Der Beginn der Jahrrechnung zu Baden, der bisher drei Wochen nach dem Pfingstfest lag, wurde auf das Fest Johannis des Täufers verschoben (24. Juni). Abschließend wurde allen Personen, die wegen des „spänigen Calenders“ straffällig geworden waren, Straffreiheit zugesichert und die Verbindlichkeit des Zweiten Landfriedens bekräftigt.158 Damit lebten die katholischen und reformierten Eidgenossen zwar weiterhin nach unterschiedlichen Kalendern, doch hatten sie durch den mit Hilfe der neutralen Orte der Eidgenossenschaft aufgestellten Vergleich ein Mittel geschaffen, um die konfessionellen Differenzen hinsichtlich der Zeitrechnung in den Gebieten zu verhandeln, in denen sich Katholiken und Reformierte eine Kirche teilten. Koexistenz auf engstem Raum: Simultankirchen Lokale Konfessionskonflikte um die zeitliche Nutzung und liturgische Ausgestaltung der Dorfkirchen wurden als Folge der Intensivierung der Konfessionalisierungsprozesse in der Grafschaft Baden seit Beginn des 17. Jahrhunderts vermehrt aktenkundig. Strittige Fragen galten den Modalitäten und Bedingungen der simultanen Kirchen- und Friedhofsnutzung durch Reformierte und Katholiken. Konfliktpotential beinhalteten insbesondere Fragen, die der liturgischen Gestaltung des sakralen Kirchenraums galten, wie etwa die Einsetzung und der Standort liturgischer Objekte, wie Taufbecken und Altäre und, Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts zudem die Aufrichtung von Kreuzen. Erhöhtes Konfliktpotential beinhaltete des Weiteren die malerische Ausgestaltung von Chor und Schiff durch die katholische Gemeinde, vereinzelt auch neue Reliquienankäufe oder fehlende Kirchenstühle. Insgesamt war es damit die veränderte liturgische Gestaltung, die konfessionelle Auseinandersetzungen durch die veränderten Nutzungsmodalitäten der von beiden Konfessionsgemeinschaften genutzten Kirche generierte. Nicht nur die konfessionelle Konfliktlandschaft veränderte sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts, auch die Argumentations- und Handlungsmodi der reformierten Limmatstadt wurden versierter und handlungssicherer als noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Der reformierte Ort hatte aus den vergangenen politischen Verhandlungen gelernt und verfolgte eine neue, kühne politische Vorgehensweise. Zürich setzte nicht mehr allein auf eine reformierte Landfriedensauslegung,

158 StAZH A 238.1: Des Neüwen Calenders in den gemeinen Eidtgnössischen Herrschaften, 1585.

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sondern schloss jenseits der etablierten rechtlichen Strukturen und Institutio­ nen (Mehrheitsgrundsatz, Tagsatzung) Verträge mit ausgewählten Grund- und Gerichtsherren der Grafschaft Baden, um die Lebensbedingungen sowie die Möglichkeiten der Religionsausübung für die reformierten Untertanen in der Grafschaft Baden zu verbessern und intensivierte über das Medium der Kommunikation den Einfluss auf den Landvogt von Baden. Diese veränderte Vorgehensweise Zürichs ist besonders gut am Konfliktfeld der simultanen Kirchennutzungen zu beobachten. Erste Vereinbarungen und Ordnungen über den Simultangebrauch von Pfarrkirchen durch Reformierte und Katholiken wurden schon früh auf den Tagsatzungen getroffen.159 Diese Nutzungs- und Gestaltungsbedingungen für die reformierten und katholischen Gemeinden waren Ausdruck der ungleichen Rechtsverhältnisse. Denn erstens hatte die katholische gegenüber der reformierten Gemeinde hinsichtlich der Nutzung der Pfarrkirche den Vorrang. Schon in einem frühen erläuternden Abschied aus dem Jahr 1532, der für alle Gemeinen Herrschaften Gültigkeit besaß, wurde für Dissenhofen im Thurgau geregelt, dass der katholische Gottesdienst vor dem Gottesdienst der reformierten Gemeinde stattfinden solle, und zwar im Sommer um sechs, im Winter um sieben Uhr.160 Zwar verschoben sich die Anfangszeiten des katholischen Gottesdienstes im Laufe der Zeit nach hinten, an dem Recht des zeitlichen Vorrangs der Katholiken wurde indes nicht gerüttelt.161 Zweitens wurde bei der Regelung der Nutzungsrechte der Pfarrkirche zwar der Beginn des katholischen Gottesdienstes, nicht aber sein Ende festgelegt. Da die Dauer im Belieben des katholischen Priesters lag, war der evangelische Pfarrer auf den guten Willen und die Fairness seines katholischen Kollegen angewiesen.162 Trotz beständiger Klagen über den Vortritt des katholischen Geistlichen und seiner Gemeinde wurde nie das Ende des katholischen Gottesdienstes festgelegt.163 Drittens bestanden ungleiche Verhältnisse hinsichtlich der Zugänglichkeit der Pfarrkirche, denn der Schlüssel wurde von der katholischen Pfarrstelle verwaltet. Klagen über versperrte Kirchen tauchen als Argument in konfessionellen Streitfällen daher vielfach auf. Ein letzter Punkt betraf die liturgische Nutzung und Gestaltung der Kirche. Trotz der rechtlichen Anerkennung der Ausübung des reformierten Bekenntnisses mit Blick auf die Nutzungs- und Gestaltungsrechte der reformierten 159 EA 4 1/a oder 4 1/b 1246, 1266, 1278, 1329, 1395 sowie EA 4 1/c 766, 785, 793, 851. 160 EA 4, 1b, Nr. 704, 1326, Tag zu Baden, 8. April 1532. 161 Einen Konflikt, der sich aus der zeitlichen Nutzung einer Simultankirche ergab, analysiert Hacke, Konflikt, in: ZHF 32, 2005, 575 – 604. 162 Brüschweiler, Simultanverhältnisse, 1932, 94. 163 Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 153.

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Gemeinde an dem von beiden Konfessionen genutzten Kirchengebäude und – damit verbunden – hinsichtlich der religiösen Handlungsweisen der Geistlichen wurde durch den Landfrieden eine strukturelle Benachteiligung der reformierten Untertanen verankert, die sich implizit an den Bedürfnissen der katholischen Gemeinden und ihrer Geistlichen orientierte. Denn zum einen schützte der Landfrieden lediglich den zum Zeitpunkt des Friedensschlusses bestehenden religiösen Status quo der reformierten Untertanen, ohne eine Ausdehnung des religiösen Kults oder Veränderungen desselben zu gestatten, während der Landfrieden den katholischen Parteien diese Veränderungen im Kirchenraum durchaus zubilligte.164 Zum anderen wurde eine Gestaltungsfreiheit der reformierten Gemeinde von den katholischen Parteien nur in dem Maße anerkannt, wie sie nicht die religiösen Handlungsweisen der katholischen Gemeinde und ihrer Geistlichen beeinträchtigte.165 Beide Argumente – das der „Neuerung“ und das der „Beeinträchtigung“ – avancierten in der politischen Kommunikation des 17. Jahrhunderts unter den lokalen und eidgenössischen Herrschaftsträgern zu wesentlichen rhetorischen Argumentationsfiguren, da sich die reformierten Orte einer derartig engen katholischen Auslegung des Landfriedenstextes nicht beugen wollten. In der Kommunikation über eidgenössische Kirchenräume war der landfriedliche Vertragstext somit ein grundlegendes Referenzwerk, auf das die streitenden Parteien Bezug nahmen, um konfessionsspezifische Herrschaftsinteressen am Kirchenraum zu artikulieren und durchzusetzen. Da Zürich immer häufiger bei der Besetzung von Prädikantenstellen, der Benutzung von Simultankirchen und dem Anteil an den Kirchen- und Pfrundgütern Verträge mit dem Abt des Klosters Wettingen schloß und die landfriedlichen Bestimmungen zugunsten einer reformierten Konfessionspolitik modifizierte, sicherten die katholischen Regenten ihren politischen Einfluss, indem sie Verträge, die von ihnen nicht gebilligt worden waren, für ungültig erklärten.166 Jenseits der Tagsatzung und eines katholischen Stimmenmehrs intensivierte und diversifizierte Zürich im 17. Jahrhundert damit insgesamt das kommunikative Geschehen, um eigene Herrschaftsinteressen in der Grafschaft Baden über Absprachen mit lokalen geistlichen und weltlichen Funktionsträgern ohne das Wissen der katholischen Mitregenten durchzusetzen. Zürich realisierte damit nicht nur eigene 164 Vgl. die Konfliktfälle in Kap. 5: Kommunikation über Glaubenswechsel sowie von Salis, Entwicklung, 1894, 3; Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 83 – 84 sowie Brüschweiler, Simultanverhältnisse, 1932, 96. 165 Insofern stellte sich das evangelische Gebrauchsrecht im Vergleich zu dem katholischen als ein Recht dar, „über das zur Hauptsache andere als sein eigentlicher Träger, zu bestimmen berechtigt waren“, Brüschweiler, Simultanverhältnisse, 1932, 85 – 86. 166 Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 105.

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Herrschaftsinteressen, sondern praktizierte eine rechtliche Fortschreibung des Landfriedens, auf die die katholischen Mitregenten einen begrenzten Einfluss hatten, so dass sich durch die praktizierte Auslegung des Landfriedens zunehmend unterschiedliche Rechtskulturen in der Eidgenossenschaft des 17. Jahrhunderts etablierten.167 In dem Kommunikationsraum Grafschaft Baden wurde das kommunikative Geschehen damit insgesamt unübersichtlicher, ein Ergebnis, das dem strategischen Vorgehen Zürichs nicht nur geschuldet, sondern von dem reformierten Ort ausdrücklich intendiert war. Der Faktor „Zeit“ gewann eine erhöhte Relevanz in der eidgenösischen Kommunikation über lokale Konfessionsfälle, da Handlungsoptionen auf Informationen basierten, die wiederum in der politischen Kommunikation zirkuliert oder eben vorenthalten wurden. 3.4.3 Neue Sprache und wachsende Divergenz (1656 – 1712) Eine neue Phase der konfessionellen Konfliktzuspitzung deutete sich in der Mitte des 17. Jahrhunderts an. Mit dem Schweizerischen Bauernkrieg 1653 und dem Artherhandel, der sich 1656 zum konfessionellen Bürgerkrieg, nämlich dem Ersten Villmergerkrieg ausweitete, waren auch die überkonfessionelle Bundesreform und die von Zürich und Bern 1655 für die Verwaltung der Gemeinen Herrschaften eingebrachten Forderungen gefährdet. Der Erste Villmergerkrieg wird in der älteren schweizerischen Historiographie in Kontinuität zu den Auseinandersetzungen der Reformationszeit gesehen: Alois Rey argumentierte, dass Zwingli neben der freien Verkündigung des Evangeliums auch eine verfassungspolitische Reform im Sinn gehabt habe. Diese habe eine konfessionell-­ politische Umgestaltung der Eidgenossenschaft bedingt – die Vorherrschaft sollten Zürich und Bern übernehmen – und den Ausschluss der katholischen Orte aus der Regierung der Gemeinen Herrschaften. Diese politische Vision konnte erst nach dem Zweiten Villmergerkrieg 1712 in der Grafschaft Baden realisiert werden.168 Andres Suter bringt den Ersten Villmergerkrieg in einen interpretatorischen Zusammenhang mit dem Bauernkrieg und dem Bundesprojekt von 1654/55. Er versteht den Villmergerkrieg als Ausdruck einer akuten Herrschaftskrise – für ihn ist er nicht nur ein Konfessions-, sondern auch ein Verfassungskrieg.169 Die Interpretation des Krieges ist für diese Untersuchung zweitrangig, interessant ist hingegen das Friedenswerk, der Dritte Landfrieden von 1656. Die Argumente und Verhandlungen der konfessionellen Lager bei der 167 Die inhaltliche Zuspitzung auf die unterschiedlichen Rechtskulturen verdanke ich Thomas Lau. 168 Rey, Folgen, in: MHVS 46, 1947, 40 – 51. 169 Suter, Bauernkrieg, 1997, 544 – 582. Thomas Lau wertete den Villmergerkrieg als weitere interkonfessionelle Entfremdung, vgl. ders., Stiefbrüder, 2008, 80 – 121.

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Bundesreform sind zusammen mit den Folgen des Dritten Landfriedens von 1656 für die religiöse Konfliktlandschaft der Alten Eidgenossenschaft Gegenstand der folgenden Überlegungen. Eine Reform des Bündnissystems wurde im Anschluss an den Schweizerischen Bauernkrieg von 1653 in Erwägung gezogen: Im Rahmen einer Tagsatzung unterstrich die Berner Obrigkeit bereits im Juli 1654 die Notwendigkeit „dauerhafter Absprachen über eine vertiefte militärische Zusammenarbeit für den Fall ‚entstehender Aufruhr‘ zwischen den fünf protestantischen Orten Zürich, Bern, Basel, Schaffhausen, Appenzell a. Rh. sowie dem reformierten Teil von Glarus“.170 Initiatoren des überkonfessionellen Reformprojekts eidgenössischer Bünde waren maßgeblich Zürich und Bern. Ein aus je vier katholischen und protestantischen Mitgliedern bestehender Ausschuss unter der Leitung des Zürcher Bürgermeisters Johann Heinrich Waser tagte vom 4. bis zum 29. Juli 1655 in Baden.171 In dem Einladungsschreiben der Zürcher und Berner Obrigkeiten zur gesamteidgenössischen Tagsatzung für eine überkonfessionelle Reform der Bünde wurden vier Gründe genannt: Erstens betonten die reformierten Orte die großen Mängel in der militärischen Zusammenarbeit zwischen den dreizehn eidgenössischen Orten,172 zweitens wurde auf die „diversitet“ hingewiesen, die zwischen den einzelnen Bundestexten aus dem 14., 15. und frühen 16. Jahrhundert bestehe und die es zu nivellieren gelte.173 Drittens wurde auf die „Ungleichheit“ zwischen den einzelnen Verträgen aufmerksam gemacht, da nicht alle dreizehn Orte der Alten Eidgenossenschaft über dieselben Rechte und Pflichten verfügten.174 Viertens nannten Zürich und Bern als Grund für

170 Suter, Bauernkrieg, 1997, 544. 171 EA 6/1, 4.–29. Juli 1655, 253 ff. (Bundesprojekt ist abgedruckt im Anhang). Zu den Bundesreformprojekten 1655 vgl. Utzinger, Bürgermeister, 1902, 48 ff; Diebolder, Bürgermeister, 1908; Gauss, Bürgermeister, 1953, Peyer, Verfassungsgeschichte, 1978, 97 ff. sowie Suter, Bauernkrieg, 1997, 544 ff. 172 Utzinger, Bürgermeister, 1902, 123 sowie Suter, Bauernkrieg, 1997, 544 – 545. 173 Ebenda sowie ebenda, 545 – 546. Die „diversitet“ resultierte daraus, dass das eidgenössische Bündnissystem aus einem Geflecht sich überlagernder Verträge bestand, die zu unterschiedlichen Zeiten geschlossen waren und lediglich einige Bundesmitglieder miteinander verbanden. Einen gesamteidgenössischen Bundesvertrag als rechtliche Grundlage aller vollberechtigten Mitglieder der Eidgenossenschaft existierte nicht. 174 Utzinger, Bürgermeister, 1902, 123 sowie Suter, Bauernkrieg, 1997, 546. Damit waren vor allem die fünf Orte Freiburg, Solothurn, Basel, Schaffhausen und Appenzell gemeint, die zwischen 1481 und 1513 Mitglieder der alten Eidgenossenschaft wurden und deren außenpolitische Souveränität stark eingeschränkt war. Sie durften keine Bündnisse mit anderen eidgenössischen Orten oder mit auswärtigen Mächten abschließen, es sei denn, die Mehrheit der übrigen Orte hatte ihre Zustimmung dazu gegeben. Zudem

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eine Bundesreform die problematische Verwaltung der Gemeinen Herrschaften. Die Verwaltungstätigkeit werde personell und inhaltlich weitestgehend durch die katholischen Orte ausgeführt, die sich auf das Mehrheitsprinzip beriefen. Damit unterstreichen die Klagen der reformierten Orte, dass kommunikative Spielräume zwar die Verhandelbarkeit des Normativen (Landfrieden) ermöglichten, sich die reformierten Orte allerdings gegen die Mehrheit der katholischen Stände und die rechtliche Strukturungleichheit zu bebaupten hatten. Johann Heinrich Waser führte daher die aus dem Mehrheitsgrundsatz für die in diesen Territorien lebenden reformierten Untertanen entstehende Benachteiligung im Einzelnen aus. Sie betraf die Beschwerden „gemeiner Regierung“ sowie die Behinderung der freien Religionsausübung der evangelischen Untertanen in den Gemeinen Herrschaften.175 In diesem Zusammenhang nannte Waser das Verbot, reformierte Kirchen für evangelische Glaubensgemeinschaften zu bauen (während Kapuzinerklöster durchaus entstünden), sowie das Gebot für Reformierte, selbst „bei katholischem Glockengeläut den Hut [zu] ziehen, das Ave-­Maria [zu] beten, auf gemeinsamen Friedhöfen katholische Begräbnispraktiken [zu] befolgen und auf die vielen katholischen Feiertage Rücksicht [zu] nehmen“.176 Des Weiteren klagte Waser über die Benachteiligung reformierter Untertanen bei der Besetzung von niederen und mittleren Verwaltungsämtern sowie über das Verbot der Konversion zum Protestantismus. Auch an der Verwaltungstätigkeit der katholischen Landvögte und Untervögte ließ Waser kein gutes Haar. Sie würden den Fiskus betrügen und die Verwaltung nach ihrem Gutdünken, das heißt nach „ihrer Phantasie und Passion“ gestalten.177 Aufgrund dieser Bedenken formulierten Zürich und Bern das schon seit der Reformationszeit verhandelte Ziel, Streitfragen, die die Religionsausübung der in den Gemeinen Herrschaften lebenden Untertanen betrafen, ohne das Mehrheitsprinzip zu verhandeln. Auf einer Sitzung, die die Bundesreform vorbereitete, einigten sich der Zürcher Bürgermeister Waser und der Berner General von Erlach auf die Forderung, dass Konfessionskonflikte in den Gemeinen Herrschaften durch konfessionell paritätisch zusammengesetzte Gerichte und nicht mehr durch Mehrheitsvoten auf der Tagsatzung entschieden werden sollten.178 Die im Zusammenhang mit einer überkonfessionellen Bundesreform vorgebrachten Forderungen Zürichs und Berns für die Verwaltung der Gemeinen Herrschaften waren im Jahr 1655 waren Basel, Schaffhausen und Appenzell bei innereidgenössischen Konflikten zur Neutralität verpflichtet, vgl. Peyer, Verfassungsgeschichte, 1978, 85. 175 EA 6/1, 1, 26. Dezember 1655, 292 – 293. 176 Ebenda, 293 sowie Suter, Bauernkrieg, 1997, 547. 177 Zit. nach Suter, Bauernkrieg, 1997, 547. 178 EA 6/1, 1, 31. März – 2. April 1655, 243 sowie Suter, Bauernkrieg, 1997, hier 547.

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keineswegs neu. Der Gedanke, das Mehrheitsprinzip auf nicht religiöse Streitfragen zu beschränken, war anlässlich der Matrimonial- und Kollaturstreitigkeiten im Thurgau und im Rheintal bereits im Badener Vertrag von 1632 formuliert worden. Der Text für eine Bundesreform beschränkte sich dann allerdings darauf, den „Inhalt der alten Bünde in einheitlicher Form zusammenzufassen“.179 Einige Probleme wie die militärische Zusammenarbeit und die Benachteiligung reformierter Untertanen der Gemeinen Herrschaften blieben gänzlich unerwähnt. Die katholischen Orte waren offenbar nicht gewillt, über diese Fragen zu verhandeln, daher wurden sie aus dem Bundestext ausgeklammert. Woraus resultierte die fehlende Verhandlungsbereitschaft der katholischen Eidgenossen? Zwei Gründe lassen sich mit Blick auf die Gemeinen Herrschaften anführen: zum einen die vitale geographische und strategische Lage der Gemeinen Herrschaften für die katholischen Stände. Diese Gebiete verbanden die Zentralschweiz auf den einzigen Verkehrswegen außerhalb der Territorien von Zürich und Bern nach Norden mit dem Burgland und den Rhein hinunter weiter mit Frankreich. Durch die Reussübergänge von Mellingen und Bremgarten in den Freien Ämtern und der Landvogtei Baden wurden zudem die östliche und die westliche Schweiz miteinander verbunden, das heißt die Territorien von Zürich und Bern. Aus diesen Gründen folgerte Andreas Suter, dass diejenigen Orte, die das Freiamt und die Landvogtei Baden bzw. die anderen Gemeinen Herrschaften beherrschte[n], […] mit anderen Worten nicht nur die Verbindung zwischen Bern und Zürich [beherrschten], sondern auch die nördlichen Zugänge zur Zentralschweiz, welche für die Versorgung dieser Gebiete mit dem lebensnotwendigen Korn und Salz von geradezu existentieller Bedeutung waren. Hätten die reformierten Orte diese Routen in ihre Hände bekommen, wäre die katholische Zentralschweiz handelspolitisch erpressbar geworden und in größte Abhängigkeit geraten.180

Zweitens wäre durch die Forderung der reformierten Orte, Streitfragen, die die Religion und den Landfrieden berührten, nicht durch das Mehrheitsprinzip, sondern durch paritätisch besetzte Gerichte entscheiden zu lassen, ein wesentliches normatives Regierungsprinzip der Gemeinen Herrschaften in Frage gestellt, das de facto in der Verwaltung der Grafschaft Baden bereits unterlaufen wurde.181

179 Suter, Bauernkrieg, 1997, 548. Der Bundesentwurf ist abgedruckt in EA 6/2, 1760 – 1766. 180 Suter, Bauernkrieg, 1997, 550. 181 Im Pfandvertrag von 18. Dezember 1415 wurde anlässlich der Eroberung der Landvogtei Baden – daran sei hier kurz erinnert – der Grundsatz festgelegt, dass der mindere Teil

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Vorübergehend wurden die eidgenössischen konfessionellen Spannungen durch den Bauernkrieg von 1653 umgeleitet, doch schon kurz darauf eskalierte der Artherhandel in den Ersten Villmergerkrieg von 1656. Zürich sah in der kriegerischen Auseinandersetzung, die keine gesamteidgenössischen Ausmaße annahm (Freiburg, Solothurn und Basel blieben neutral), seine Chance, den Zweiten Landfrieden zu revidieren. Auch wenn dies nur in Teilen gelingen sollte, geschah die institutionelle Veränderung des Landfriedens durch einen Machtkonflikt, der als Konfessionskonflikt ausgetragen wurde.182 Durch den Dritten Landfrieden von 1656, der den Villmergerkrieg beschloss, wurde die Frage, ob ein Konflikt konfessioneller Natur sei, dem Tagsatzungsmehr entzogen und der paritätischen Schiedsgerichtsbarkeit übertragen – im Badener Vertrag von 1632 war eine paritätische Schiedsgerichtsbarkeit zunächst nur für Streitigkeiten vorgesehen, die von evangelischen Religions- und Glaubenssachen herrührten.183 Conrad Peyer spricht in diesem Zusammenhang von einer „unscheinbaren, faktisch aber weit reichenden Wendung“, da mit dem Dritten Landfrieden von 1656 das Mehrheitsprinzip „generell beseitigt und die Parität der beiden Parteien an seine Stelle gesetzt“ wurde, da sich „in jeder beliebigen Streitfrage […] ein konfessionelles Element finden“ ließ.184 In der Tat formulierte eine katholische Stellungnahme im Januar 1656 die Besorgnis, dass die reformierten Parteien „Civil- und politische Sachen zu Glaubens Sachen“ umdefinieren könnten;185 dem mehren zu folgen habe; ein Prinzip, das fortan in allen gemeineidgenössischen Vogteien zur Anwendung kommen sollte, EA 1, Nr. 49, 352. 182 Pfister, Konfessionskonflikte, in: SZRKG 101, 2007, 257 – 311, hier 281. Zur Ereignisgeschichte Stadler, Zeitalter, in: Handbuch, 1980, 571 – 672, hier 660 sowie Pfister, Kirchengeschichte, Bd. 2, 1974, 446 – 455. 183 Elsener, Majoritätsprinzip, in: ZRG KA 55, 1969, 238 – 281, hier 266: „In den gemeinen herrschaften aber, darauf sich der landtsfrid erstreckt, jeder bei der freyen uebung seiner religion, und was deren notwendig anhanget, […] ohnangfochten gelassen, und da in selbigen herrschaften streit und mißhell under den regierenden orten vorfallen, und der einte teyl vermeinen tete, dass solche […] durch gleiche sätz zu entscheiden weren, der ander teyl aber dessen nicht gestehen wollte, so solle man deßwegen nichts unguts gegen einandern vornemen, sondern den zweifel oder die frag, ob es zu dem rechten gehöre oder nicht, durch unparteyische gleiche sätz vorderist entscheiden laßen, und da die sachen zu rechten erkant wurden, es dan ohne mittel darbey verbleiben, und solche nach anleitung der bündten und lands fridens, authentischer verträgen und abscheiden, auch nach recht und billichkeit entscheiden und außtragen“ (Hervorhebung von mir, D. H.). 184 Peyer, Verfassungsgeschichte, 1978, 97. Im Reichstag entschied die katholische Mehrheit, ob eine Religionsangelegenheit vorlag; ein politisches Verfahren, dass die Protestanten nicht zugestehen konnten, vgl. Schlaich, Maioritas, in: ZRG 61/64, 1977/1978, 264 – 299/139 – 299, hier 145 (Erster Teil). 185 EA 6/1, 28. Januar 1656, 305.

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diese Bedenken waren nicht spezifisch für die politisch-­konfessionelle Landschaft der Alten Eidgenossenschaft, sondern sie tauchten als Argumentationsfigur ebenfalls auf deutschen Reichstagen auf.186 Diese Beurteilung des Dritten Landfriedens als einem Vertrag, der die evangelischen Stände durch das Prinzip der konfessionellen Parität stärkte, resultierte freilich einzig und allein aus dem Studium des Vertragstextes, ohne die entsprechende Rechtspraxis in der Alten Eidgenossenschaft zu untersuchen.187 Dennoch müssen auch Rechtsnormen in einer Rechtspraxis zunächst einmal zur Anwendung kommen. Auf der Grundlage der Analyse des rechtlichen Umgangs mit konfessionellen Konflikten, die in dieser Studie analysiert wurden, muss die entscheidende Rolle, die dem Dritten Landfrieden von der historischen Forschung zugesprochen wurde, mit Blick auf die Grafschaft Baden revidiert werden. In diesem Territorium fungierte der Dritte Landfrieden keinesfalls als entscheidende Zäsur, denn Konfessionskonflikte wurden weiterhin in der politischen Kommunikation unter den regierenden Orten verhandelt, ohne dass ein paritätisches Schiedsgericht mit dem Konflikt betraut worden wäre.188 Der Einfluss des Dritten Landfriedens auf die politische Praxis war damit nicht annähernd so einschneidend, wie es der Rechtstext und die rechtlichen Normen erwarten lassen. Dennoch veränderte der Dritte Landfrieden die politische Praxis und den Umgang mit Konfessionskonflikten in zweierlei Hinsicht: Erstens generierte der Dritte Landfrieden durch die Möglichkeit der Auslegung und Hierarchisierung zweier landfriedlicher Texte (1531 und 1656) einen größeren Auslegungs- und

186 Vgl. Heckel, Parität, in: ZRG 80, 1963, 261 – 420, hier 364 ff. Die „Religionssache“ wurde „im Reich auch dort für anwendbar erklärt, wo sie einer Partei aus rein weltlich-­ politischen Gründen opportun erschien und wo weder direkt noch indirekt das geringste Religionsinteresse im Spiele war“, vgl. Elsener, Majoritätsprinzip, in: ZRG KA 55, 1969, 239 – 281, hier 264, Anm. 67. 187 Ich verweise hier auf zwei Publikationen jüngeren Datums, die bezeichnenderweise Literaturüberblicke darstellen und keine genuinen Forschungsleistungen sind, vgl. Pfister, Konfessionskonflikte, in: SZRKG 101, 2007, 257 – 311, hier 281 sowie Holenstein, Reformation, in: ARG 100, 2009, 65 – 87, hier 79. 188 Bei Konflikten zwischen den regierenden Orten sollten die unbeteiligten Stände in einer der gütlichen Verhandlung auf der Tagsatzung die Vermittlung übernehmen. Bei Konfessionskonflikten in der Grafschaft Baden war dies allerdings lediglich ein Mal der Fall, nämlich als es um die Einführung des gregorianischen Kalenders in dieser Gemeinen Herrschaft ging. Ob dies der gängigen politischen Praxis entsprach, müsste an einer anderen Gemeinen Herrschaft, etwa dem Thurgau, verifiziert werden. Zur Praxis der Schiedsverfahren vgl. Aemissegger, Tätigkeit, 1948, bes. Kapitel 8: Rechtswesen, hier 163 – 164.

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Deutungsspielraum. Nicht nur argumentierten die reformierten und katholischen Eidgenossen seit 1656 mit unterschiedlichen landfriedlichen Verträgen (1531 und 1656), sondern sie versahen, zweitens, auch den Text von 1656 mit konkurrierenden Bedeutungszuschreibungen und konfessionsspezifischen Lesarten. Neben die grundlegenden Argumentationsfiguren der „Neuerungen“ und der „Beeinträchtigung“ trat seit 1656 die ebenso grundlegende rhetorische Figur der „Parität“ in den eidgenössischen, politischen Verhandlungen. Damit wurden die politischen Verhandlungen der eidgenössischen politischen Elite erneut textbezogener und zugleich heterogener. Diskussionsgegenstand war nicht wie bei den „Neuerungen“ die Frage der Definition, sondern vielmehr die Frage, ob für beide christlichen Glaubensgemeinschaften in den Gemeinen Herrschaften paritätische Rechtsverhältnisse galten. Den argumentativen Bezugspunkt für die katholischen Orte bildete weiterhin der landfriedliche Text von 1531 und nicht der Dritte Landfrieden von 1656. Die reformierten Orte machten sich die im Dritten Landfrieden angelegten argumentativen Figuren zunutze, verwiesen allerdings ebenfalls weiterhin auf den Text von 1531, da schon der Zweite Landfrieden Zürichs Verständnis zufolge paritätische Rechtsverhältnisse begründet hatte: Der Gesandte Zürichs, Salomon Hirzel, trug anlässlich der Beschwerden Zürichs gegen die katholischen Orte vor, dass der Landfriede von 1531 grundsätzlich die Parität der Religionen aufgestellt habe“.189 Diese Deutung spricht für die enorme Wirkungsmacht des landfriedlichen Textes von 1531 und für seine rechtliche Verfestigung in der eidgenössischen politischen Kultur der Frühen Neuzeit. Die folgenden Beispiele sollen dies illustrieren. Bezeichnenderweise stammen die Beispiele allesamt aus dem Konfliktfeld der sogenannten Läster- und Schmähreden. Dies ist kein Zufall. In der Zeitspanne von 1644 bis 1664 machten diese ungefähr ein Drittel der gesamten religiösen Streitfälle aus, gefolgt von konfessionellen Auseinandersetzungen um die liturgischen Objekte der Konfessionskulturen. Ohnehin verzeichnen die Jahre 1644 bis 1664 die größte Konfliktdichte im gesamten Untersuchungszeitraum, da vermehrt von der lokalen Ebene, aus den bikonfessionellen Dorfgemeinschaften heraus an die regierenden Obrigkeiten über Benachteiligungen, Beschwerden und Klagen der reformierten Untertanen berichtet wurde.190 Zugleich sensibi 189 EA 6/1, 1, 331. 190 Nicht auszuschließen ist allerdings, dass in diesem Zeitraum die Überlieferungssituation der Quellen besser ist. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die exzessive schriftliche Dokumentations- und Beschwerdepraxis des reformierten Pfarrers Jakob Redinger zu nennen. Er stand der Pfarrei Dietikon in den Jahren 1646 bis 1656 vor und verfasste engagierte Schreiben, in denen er die Beschwerden der reformierten Gemeindemitglieder verfasste und verschriftlichte. Ein Großteil dieser an den Bürgermeister

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lisierten die konfessionellen Spannungen in der Folge des Ersten Villmergerkrieges die regierenden Orte für das Eskalationspotential der Gemeinen Herrschaften. Von der politischen Elite der Eidgenossenschaft wurden schmähende Wortbotschaften dementsprechend kurz nach Friedensschluss als „vnzimende action“ und als „freffentlich gehandlet“ bezeichnet.191 Schon im Vorfeld des Zweiten Kappelerkrieges stellte die „Kontrolle um Schmähungen“ ein „wichtiges Element der politischen Auseinandersetzungen dar“.192 Mitte des 17. Jahrhunderts wurde das Eskalationspotential von Schmähungen im politischen Diskurs reflektiert, da lästerliche Reden gegen Angehörige der jeweils anderen Konfession den gerade erst geschlossenen Frieden zwischen der katholischen und protestantischen Eidgenossenschaft gefährdeten und das Potential bargen, die politischen und konfessionellen Antagonismen auf eidgenössischer Ebene zu verstärken. Zudem praktizierten die regierenden Obrigkeiten eine Politik der dörflichen Friedenssicherung, indem sie den gegen die andere konfessionelle Partei geäußerten Ressentiments kurz nach dem Friedensschluss mit eindeutiger Sprache begegneten. Die von dem aus Zurzach stammenden Chorherren Wilhelm Tannemann an den Osterfeiertagen 1657 vor Angehörigen beider Konfessionen gehaltene „lasterlichen Crutzgang Predig“,193 wurde daher von dem reformierten Stand Zürich als eine Predigt, in der „wider den Landtsfriden geredt“ worden war, tituliert.194 Die Referenz an den Zweiten Landfrieden erfolgte von der reformierten Partei, um ein Verhalten zu inkriminieren, das gegen die normativen Bestimmungen zur religiösen Koexistenz verstieß. Der Dritte Landfrieden wurde kurz nach Beendigung des Villmergerkriegs im innerkonfessionellen Schriftverkehr weniger als Rechtstext evoziert, sondern als ein und Rat der Stadt Zürich gerichteten Beschwerden berichtete von der Benachteiligung der reformierten Untertanen in der Gemeinde (Kirchenausstattungen, Kirchennutzungen, Aufteilung des Kirchenguts, mangelnde Kirchmeier der reformierten Konfession, finanzielle Lastenverteilung etc.). Zum Quellenproblem vgl. meine Ausführungen in der Einleitung. 191 StAZH BIV 118, fol. 141r. Zudem wird ein „hochoberkeitliche[s] Mandat wider das schmuzens vnd schmechens“ erwähnt, das kurz nach Friedensschluss publiziert wurde, sich allerdings nicht in der Zürcher Sammlung „Mandate der Grafschaft Baden“ (1636 – 1767) befindet, vgl. StAZH I AAb1 und 2. 192 Pfister, Konfessionskonflikte, in: SZRKG 101, 2007, 257 – 311, hier 280 sowie zum Problem der Schmähungen Meyer, Kappeler Krieg, 1976, 119 – 123 et passim. 193 StABE A V 849 Badenbücher I, Abschied des Tag zu Baden, 1. Juli 1657, fol. 271. Bei Huber, Geschichte, 1869, 261 ist ein Guilelmus Tanemann erwähnt, der zunächst Pfarrer von Würenlos, am 1. Dezember 1653 vom Landvogt zum Kanoniker ernannt und am 17. Dezember 1657 Kustos wurde. Er starb am 9. Mai 1664. 194 StAZH BIV 118, fol. 141.

Normen und Konflikte

Vertrag, der einen Frieden besiegelte. Zürich sprach in einem Schreiben an den sich in Baden zur Kur befindlichen Bürgermeister Rahn, der Chorherr Tannemann habe „nit allein wider den Landtsfriden, sondern auch wider den jüngsten Friden Schlus“ verstoßen – der Zweite Landfrieden wurde als Rechtstext und der Dritte Landfrieden als Friedensvertrag in dem Schreiben bezeichnet.195 Dieses Beispiel ist kein Einzelfall. Die Bedeutung des Zweiten Landfriedens für die politischen Verfahrensregeln wurde in einem Badener Abschied von 1660 festgehalten. Dort hieß es, dass das politische Verfahren „wider den Landtsfriden, 1632 Vertrag vnd letisten Friedensschluss“ verstoßen,196 die politischen Handlungsoptionen demnach nicht durch die landfriedlichen Texte gedeckt waren. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts hatte der Zweite Landfrieden, ein Textkorpus, der im Laufe der politischen Praxis um viele Abschiede und Verträge ergänzt, modifiziert und weiterentwickelt worden war, eine rechtliche Autorität in den politischen Verhandlungen um die Konfessionskonflikte zwischen den regierenden Orten erlangt, die der Dritte Landfrieden von 1656 nie erreichen sollte. Zudem – oder sollte man sagen, daher – kam diesem Text in der Rechtspraxis nie die Bedeutung für die Konstruktion paritätischer Rechtsverhältnisse zu, die ihm Rechtshistoriker und Historiker gern attestieren.197 Ein Beispiel soll dies illustrieren. Anlässlich eines „lesterlichen Capuciners namens Wolfgang von Bar“ exemplifizierten die acht eidgenössischen Orte in den Jahren 1658 bis 1659 ihre konfessionsspezifischen Lesarten des Dritten Landfriedens und dessen Bedeutung für die Konstruktion religiöser Koexistenzen in den Gemeinen Herrschaften. Besonders kontrovers und langwierig wurde über die Frage der freien Religionsausübung von Katholiken und Reformierten debattiert;198 ein Verhandlungsgegenstand, der in der politischen Diskussionen der acht alten eidgenössischen Orte keineswegs neu war, nach dem Dritten Landfrieden von 1656 jedoch mit neuen Argumenten geführt wurde. 199 Die Verhandlungen sollen nicht im Einzelnen rekonstruiert werden, sondern 195 Ebenda. 196 StAZH BVIII 135, fol. 206v. 197 Grundlegend Elsener, Majoritätsprinzip, in: ZRG KA 55, 1969, 239 – 281, hier 240 f., 246, 253 f., 263 f., 266 f. Jüngst Pfister, Konfessionskonflikte, in: SZRKG 101, 2007, 257 – 311, hier 281. 198 Vgl. den sehr umfangreichen Bestand im Stadtarchiv Baden A 88.4: Klage die Predigt eines Kapuziners betreffend sowie die Bestände im Staatsarchiv Zürich (StAZH BVIII 135 (Abschiede), fol. 48v–50r, StAZH BVIII 18 (Instruktionen), fol. 137r–v, ebenda, fol. 150v–151r sowie ebenda fol. 158r–159r. 199 Vgl. etwa die im Rahmen der Zurzacher Taufsteineinsetzung 1605 geführten politischen Debatten um die Gültigkeit des Mehrheitsgrundsatzes in Fragen, die die Religion und den Landfrieden betrafen, in Kap. 2: Konfession und Kommunikation.

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Parität durch Konflikt

an dieser Stelle soll nur der neue politische Referenzrahmen zur Darstellung gebracht werden. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang die finale Stellungnahme der katholischen Eidgenossen; in ihrem „Schlußvericht“ teilten sie den reformierten Städteorten Zürich und Bern mit, dass die – uneingeschränkten – „Uebungen von beder Religionen“ in den Gemeinen Herrschaften keineswegs gestattet seien.200 Entgegen dem Rechtsverständnis der Städteorte Zürich und Bern beharrten die fünf katholischen Orte auf dem „alte[n] herkhommen“ und verwahrten sich dagegen, dass der Landfrieden – womit der Text von 1531 gemeint war – „in uhngesunden verstand zuezechen“, also fälschlich ausgelegt werden solle. Was sie unter einer falschen oder „uhngesunden“ und damit unzutreffenden Lesart des Landfriedens verstanden, erklärten die katholischen Eidgenossen sodann wie folgt: „undt mit einem wordt eine durchgehende paritet sowol in regiment alß religiös sachen“ einführen zu wollen. Einen paritätischen Rechtszustand, der religiöse Streitfragen miteinschloss und sich gegen Mehrheitsvoten der katholischen Stände richtete, war eine landfriedliche Deutung, die die katholischen Stände nicht teilten. Zudem stand eine solche Deutung für einen Rechtszustand, gegen den sich die katholischen Stände verwahrten, da dieser zu „uhnwiderbringlichen verfang undt nachtheill der mehrentheills Lobl.[ichen] Regierenden ortten“ geführt habe.201 Schon jetzt beklagten die katholischen Stände die sehr freie Auslegung des Landfriedens von 1531 durch den reformierten Stand Zürich.202 Die katholischen regierenden Orte beharrten darauf, bei den „alten gebreüchen, undt mehr den hundert Jehrigen gewohnheiten zue verblaiben“, und – da „gefahrliche und […] schedliche alterationes“ nach sich ziehende – „Neuerungen“ gänzlich zu vermeiden.203 Damit kommunizierten sie ein konservatives Rechtsverständnis, das sich gegen Veränderungen sträubte, wie sie etwa der Dritte Landfrieden von 1656 formulierte, der bezeichnenderweise von den katholischen Ständen in diesem Schreiben mit keinem Wort erwähnt wurde.

200 Die katholischen Regenten beziehen sich in diesem Zusammenhang auf ein Schreiben von Zürich und Bern, das mir nicht vorliegt, vgl. Stadtarchiv Baden, A 88.4, Nr. 29, 15. März 1659. Der Diskussionszusammenhang legt allerdings nahe, dass hier die uneingeschränkte Religionsausübung von Katholiken und Reformierten gemeint ist. 201 Stadtarchiv Baden, A 88.4, Nr. 29, 15. März 1659. 202 Ebenda. Vgl. auch die im Zusammenhang mit der Zurzacher Taufsteineinsetzung grundsätzlichen politischen Verhandlungen zwischen den katholischen Eidgenossen und Zürich wegen der Nichteinhaltung des Mehrheitsgrundsatzes in Kap. 2: Konfession und Kommunikation. 203 Stadtarchiv Baden, A 88.4, Nr. 29, 15. März 1659.

Normen und Konflikte

Kurz darauf, nämlich 1660, wurde die Argumentationsfigur der „parität“ anlässlich der Bestrafung eines reformierten Pfarrers, der „wegen einer vermeinten Lästerung wider die Papisten“ mit einer Buße belegt worden war, erneut zum Verhandlungsgut zwischen den reformierten und katholischen Obrigkeiten der Grafschaft Baden. Bei diesem Beispiel wurde anlässlich der Bestrafung von Geistlichen in den Gemeinen Herrschaften über die politischen Werte der Gleichheit und Ungleichheit gestritten. Es waren die reformierten Orte, die diese Werte gegen eine katholische Regierungspraxis ins Feld führten, die sich auf einen Mehrheitsgrundsatz beriefen. Die Ungleichheit, die die reformierten Parteien beklagten, bezog sich auf das Herrschaftsselbstverständnis und die Herrschaftspraxis der regierenden katholischen Orte. Auf der Badischen Tagsatzung am 4. Juli 1660 hatten die Berner Gesandten erstmals darauf hingewiesen, dass „Ire Herren vnd Oberen diße Vngleichheit nit verstehen, sonder begerten, dass selbige billicher massen ein gleichheit gegen beiderseits Religionen, Geistlichen sollte gehalten vnd verpflogen werden“.204 Unterstützt wurden die Berner Gesandten von den Boten aus Zürich und Glarus, die für eine unparteiliche und nüchterne Beurteilung warben, „man also durch dißer Zeit kein vnderschiedt nit machen, sonderen ohnne passion, auch ohnne ansehen der religion […] verfahren“ solle.205 Die katholischen Gesandten griffen die Argumentationsfiguren der „paritet oder gleichheit in Religionssachen“ auf, doch ihre Antwort konnte die reformierten Gesandten nicht zufriedenstellen. Denn zum einen vertraten die katholischen Boten den Mehrheitsgrundsatz – alles andere „wehre directe wider den Landtsfriden vnd wider die Alte Übung“ –, zum anderen verwiesen sie darauf, dass die weltliche Jurisdiktion über Geistliche ein Konfliktfeld darstelle, das nicht von ihnen behandelt werden könne. Denn de facto bedeuteten der Mehrheitsgrundsatz und die weltliche Jurisdiktion über Geistliche, dass die katholischen Funktionsträger (Landvögte) in Kooperation mit den katholischen Orten über reformierte Geistliche richteten. Zum Erhalt des eidgenössischen Friedens baten die katholischen Ehrengesandten jedoch „diese gedanckhen vmbs besten vnd sicherer Ruhe willen wolle sinckhen lassen“.206 Damit maßen die katholischen Eidgenossen dem Dritten Landfrieden von 1656 vier Jahre nach dessen Aufsetzen weiterhin keine Bedeutung bei religiösen Streitfragen in den Gemeinen Herrschaften zu. Argumentatives Referenzwerk für die katholischen 204 StAZH BVIII 135, fol. 229v. 2 05 In diesem Zusammenhang wird auf einen Badischen Abschied vom November 1651 verwiesen, vgl. StAZH BVIII 135, fol. 230r. In dem entsprechenden Band der Älteren Sammlung eidgenössischer Abschiede war allerdings kein Abschied ausfindig zu machen, der Fragen der Gleichheit und der Religion grundsätzlich behandelt. 206 StAZH BVIII 135, fol. 231r.

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Parität durch Konflikt

Orte bildete auch nach 1656 der Zweite Landfrieden von 1531, der zweifelsohne sehr vorteilhafte normative Bedingungen für die katholischen Glaubensgemeinschaften in den Gemeinen Herrschaften und für eine katholische Regierungspraxis formulierte. Zudem wurde durch den Badener Schiedsspruch und den Dritten Landfrieden die Rechtsstellung der katholischen Konfession nicht berührt. Daher misst auch Konrad Straub den Vertragstexten keine nachhaltige Wirkung zu, da sie wenig für den konfessionellen Frieden geleistet hätten. Die evangelischen Sätze gingen, so formulierte Straub, „von der Voraussetzung aus […], der Landfrieden enthalte die Parität und […] [sahen] gerade in den Verträgen von 1632 und 1656 über das Entscheidungsverfahren eine Bestätigung dieser Auffassung“ gegeben.207 Allerdings ließen sich auch die katholischen Mitregenten die religiösen Streitfälle nicht so ohne Weiteres aus der Hand nehmen. Sie drangen auch weiterhin auf die Durchsetzung ihrer Herrschaftsinteressen, indem sie eine katholische Lesart der Landfriedenstexte und deren Wertigkeiten im politisch-­konfessionellen Kontext favorisierten, die sich für die katholischen Untertanen in den Gemeinen Herrschaften als vorteilig erwiesen. Zudem maßen sie dem Dritten Landfrieden von 1656 keine Verbindlichkeit zu: Trotz der Klausel über paritätisch besetzte Gerichte im Dritten Landfrieden weigerten sich die katholischen Stände, auf diesen Passus Bezug zu nehmen. Ihre Strategie bestand in einer kommunikativen Verweigerung, indem sie in den politischen Verhandlungen die reformierten Mitregenten darum baten, den Frieden und die nachbarschaftliche Ruhe in der Alten Eidgenossenschaft nicht zu gefährden. Im Streit um die Frage eines paritätischen Rechtszustandes in den Gemeinen Herrschaften waren die katholischen Eidgenossen die Tradi­ tionalisten, die reformierten Stände die Reformer. Insgesamt lässt sich damit konstatieren, dass auch die rechtlichen Normen des Dritten Landfriedens von 1656 innerhalb eines konfessionsspezifischen Bedeutungsrahmens von den regierenden Orten gelesen, wahrgenommen und ausgelegt wurden. Die handlungsleitenden Normen, die die katholische bzw. die protestantische politische Elite aus diesem Schriftstück entwickelten, divergierten und schufen unterschiedliche Rechtsverständnisse und Handlungsoptionen. Das Gleiche gilt für die Verbindlichkeit der Landfriedenstexte. Auch ihnen wurde je nach Konfession der regierenden Orte eine mehr oder weniger verbindliche Funktion für den Umgang mit den aus der Bikonfessionalität resultierenden konfessionellen Streitfällen in den Gemeinen Herrschaften zugewiesen. Das Mehrheitsprinzip wurde durch den Dritten Landfrieden keineswegs beseitigt, wie Conrad Peyer angenommen hat. In der longue durée lässt sich 207 Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 107.

Fazit

vielmehr von einer Kontinuität einer politischen Praxis seit dem Zweiten Landfrieden von 1531 sprechen, da die reformierten Orte dem Mehrheitsgrundsatz in Fragen, die die Religion und den Landfrieden betrafen, keine verbindliche Geltung zumaßen und sich die katholischen Orte weigerten, einen paritätischen Rechtszustand im Dritten Landfrieden anzuerkennen. Die politische Praxis war seit den 1560er-Jahren durch konkurrierende Lesarten und konfessionsspezifische Landfriedensdeutungen gekennzeichnet, ohne dass sich an diesen politischen Verfahrensweisen der regierenden Orte grundlegend etwas geändert hätte – auch dies spricht für die Etablierung zweier distinkter eidgenössischer Rechtskulturen, die allerdings in der politischen Kommunikation der eidgenössischen Regenten weiterhin Verhandlungsgut darstellten. Insofern sorgten sie für kommunikative Berührungspunkte unter den Alten Eidgenossen. Einem historischen Wandel unterlagen hingegen die rechtlichen und handlungsleitenden Normen zur Bikonfessionalität in den Gemeinen Herrschaften, da sich diese durch die Landfriedensinterpretationen und durch die rechtfortschreibenden Abschiede veränderten. Seit dem Dritten Landfrieden wurden die politischen Verhandlungen zudem um neue Argumentationsfiguren und politische Werte bereichert, nämlich um die der Parität und der Gleichheit/Ungleichheit. Sie spielten seit 1656 eine wichtige Rolle in der politischen Kommunikation unter den protestantischen und katholischen Eidgenossen.

3.5 Fazit: Verfahren der Konstruktion religiöser Koexistenz Die Folgen der Landfriedensregelungen für die Konstruktion religiöser Koexistenz waren damit umfassend und einseitig – sie hatten vorwiegend für die reformierten Untertanen negative Auswirkungen. Während Kapitel 2 die Benachteiligung einer kirchlichen Strukturbildung für die reformierten Parteien in den Gemeinen Herrschaften rekonstruiert hat (Synode, Ehegerichtsbarkeit, Chorgerichte, Armenfürsorge, Schulwesen), wurden in diesem Kapitel die Normen der Bikonfessionalität diskutiert, die den katholischen Untertanen zum Vorteil gereichten und ihnen einen Minderheitenschutz und umfassendere Rechte als den reformierten Gläubigen einräumten. Da die reformierten Stände den Landfriedenstext seit Mitte des 16. Jahrhunderts hermeneutischen interpretativen Lesarten unterzogen, um die Interessen der reformierten Untertanen in der Grafschaft Baden zu wahren, führten die Landfriedensregelungen zu einer intensiven Verhandlungstätigkeit und damit zu einer größeren Kommunika­ tionsdichte zwischen den reformierten und katholischen regierenden Orten. Die Kommunikation zwischen den katholischen und reformierten Eidgenossen wurden somit insgesamt komplexer, da die Variablen im Kommunikationsprozess

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Parität durch Konflikt

zunahmen und diesen emergenter gestalteten. Zugleich kam dem Faktor der Zeit eine strategische Bedeutung innerhalb des Kommunikationraums Grafschaft Baden zu, da Zürich die Kommunikationsebenen lokal/territorial/eid­ genössisch flexibler gestaltete und im Interesse einer zügigen Informationspolitik gegeneinander ausspielte. Darüberhinaus verhinderten die konfessionalisierten Herrschaftsinteressen und die Versuche der konfessionsspezifischen Herrschaftsdurchsetzung eine verbindliche „überkonfessionelle“ bzw. transkonfessionelle Lesart des Zweiten Landfriedens. Die Auslegungsmodi eidgenössischen Rechts variierten in den drei untersuchten politisch-­konfessionellen Konfliktfeldern. Die erste Phase (1532 – 1560) war für die Interpretation und Auslegung des Landfriedens entscheidend, der erstmals in der politischen Kommunikation unter den regierenden eidgenössischen Orten zur Verhandlung stand. Die reformierten Orte konnten allerdings kurz nach der verlorenen Schlacht von Kappel, bei der auch Zwigli gefallen war, der Übermacht der katholischen Orte und ihren Landfriedensdeutungen nur wenig entgegensetzen: Die wesentlichen politischen Entscheidungen zur strukturellen Prägung der Grafschaft Baden (Besetzung der Pfarrstellen, Aufteilung des Kirchenguts, Simultankirchenbildung etc.) gingen von der katholischen Mehrheit aus. Diese Ad-­hoc-­Lösungen, die als Ergebnis der politischen Verhandlungen zwischen den lokalen Gemeinden, den regionalen Autoritäten und den regierenden Orten gefunden wurden, entwickelten Vorbildcharakter für den Umgang mit religiöser Koexistenz und konfessionellen Streitfällen in anderen Gemeinden. Zugleich wurden die wesentlichen konfessionsspezifischen Argumente entwickelt, auf die bei den folgenden Konflikten zurückgegriffen wurde. In der zweiten Phase (1561 – 1655) entwickelte sich die Landfriedensauslegung unter dem Eindruck der interkonfessionellen Spannungen kontroverser und heterogener, die politische Kultur der Landfriedensauslegung wurde zugleich textorientierter. Der Landfrieden entwickelte sich nicht nur zu einem zentralen argumentativen Referenzpunkt bei religiösen Streitfällen, sondern avancierte bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts zu einem Landfriedensrecht, mit dem die streitenden konfessionellen Parteien zunehmend konkrete legale Praktiken und Erwartungen verknüpften. Die dritte Phase (1656 – 1712) brachte deutlich weniger Änderungen der politischen Kultur der Landfriedensauslegung, als es aufgrund der Modifikationen des landfriedlichen Textes zu erwarten gewesen wäre. In Teilen lag dies daran, dass sich die katholischen Orte weiterhin auf den Zweiten Landfrieden von 1531 bezogen, die reformierten Orte hingegen mit beiden Friedenswerken argumentierten. Die politischen Verfahrensregeln und konkurrierenden Bedeutungsrahmen der regierenden Eidgenossen änderten sich nur graduell, allerdings veränderte sich die politische Sprache der Alten Eidgenossenschaft, indem seit 1656 neue politische Werte, nämlich die der Parität und

Fazit

der Gleichheit/Ungleichheit in der politischen Kommunikation zur Diskussion standen und verhandelt wurden. Dadurch modifizierte sich der Landfriedenstext auch weiterhin durch konkrete Konfessionskonflikte und seine hermeneutischen Lesarten. Die handlungsleitenden Normen, die die katholische bzw. die reformierte politische Elite aus diesem Schriftstück ableiteten, divergierten und schufen unterschiedliche Rechtsverständnisse und Handlungsoptionen. In allen drei Phasen überstieg der argumentative Referenzrahmen jeweils den geographischen Raum: Bei konfessionellen Streitfällen in der Grafschaft Baden wurde auch auf Entscheidungen und Abschiede verwiesen, die das Ergebnis politischer Verhandlungen von Konfliktfällen in anderen Gemeinen Herrschaften waren. Damit waren es paradoxerweise ausgerechnet die Konfessionskonflikte, die das Landfriedensrecht und die Bedingungen der religiösen Koexistenz weiterentwickelten: Denn nicht nur konnte sich eine spezifische eidgenössische Konfliktkultur entwickeln, wie mit Konfessionskonflikten in den gemeinsam verwalteten Untertanenländern zu verfahren sei, sondern zugleich wurde dem Text durch die Rechtsauslegung in der politischen Praxis von den politischen Agenten und den regierenden Orten Bedeutung zugewiesen, die die Offenheit des Textes zugunsten einer konfessionalisierten Lesart veränderten. Formal verfestigte sich der Landfrieden durch die permanente Bezugnahme in der rechtlichen Kultur der Alten Eidgenossenschaft. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts hatte sich damit zwar die Autorität des Textes gestärkt, der sich in der Rechts­ praxis bewiesen hatte, allerdings bot sich der Landfrieden als Medium zur Verhandlung konfessionsspezifischer Herrschaftsansprüche der regierenden Orte weiterhin an, da keine Verbindlichkeit bezüglich seiner Auslegung bestand. Trotz der an ihn formulierten legalen Erwartungen blieb der Landfriedenstext weiterhin für konfessionsspezifische Zuschreibungen und Interpretationen offen. Dementsprechend wurde die Praxis der Rechtsauslegung nicht obsolet, allerdings hatten sich bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts die grundlegenden argumentativen Deutungsmodi der reformierten und katholischen Stände etabliert. Beide Parteien kannten nun die Argumente der Gegenpartei und konnten sie besser einschätzen; ein Faktor, der systemtheoretisch betrachtet stabilisierend wirkte und Konflikte reduzierte. Damit kam dem argumentativen Wiederholungsfaktor in der politischen Kommunikation eine – um mit Luhmann zu sprechen – Kontingenz reduzierende Funktion zu.208 Funktional betrachtet führte die intensive Kommunikation unter den politischen Eliten der Eidgenossenschaft allerdings nicht zu einer Verdichtung institutioneller Strukturen,

208 Zur Kommunikation und seinem Kontingenzpotenzial vgl. Luhmann, Kommunikation, in: ders., Aufsätze, 2001, 94 – 110.

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wie sie etwa das Alte Reich kannte – im Gegenteil. Die politische Kultur der frühneuzeitlichen Schweiz zeichnete sich durch eine permanente Verflüssigung verbindlicher Entscheidungsnormen, wie etwa des Mehrheitsprinzips, aus, die auch Handlungsoptionen der regierenden Orte unterwanderten. Emergenz war einerseits das Resultat politischer Kommunikationsprozesse und andererseits der politischen Kommunikation inhärent. Die hermeneutischen Lesarten und Interpretationen des Landfriedens waren kommunikationshistorisch betrachtet Verfahren der Differenzherstellung. Sie wurden in der Grafschaft Baden als konfessionspolitische Instrumente einer zunehmend „konfessionalisierten“ Politik operationalisiert. Gleichwohl wurde durch die hermeneutischen Verfahren der katholischen und reformierten Eidgenossen eine Rechtsauslegung praktiziert, durch die sich die Landfriedenstexte immer weiter entwickelten, ausdifferenzierten und eindeutiger wurden. Das eingangs erwähnte Verzeichnis einzelner Abschiede von Hans Heinrich Waser dokumentiert diese Praxis der Produktion von hermeneutischer Eindeutigkeit in Auszügen, da es das sich ausdifferenzierende Wissen über rechtliche Entscheidungen in der Alten Eidgenossenschaft verwahrte. An diese waren weitere kommunikative Optionen und Handlungsoptionen gekoppelt, die Einfluss auf die Modalitäten der religiösen Koexistenz vor Ort hatten. Gleichwohl bezeugt gerade die intensive politische Kommunikation zwischen den eidgenössischen Orten die Verbindlichkeit der landfriedlichen Texte, die einen wesentlichen Referenzpunkt in der eidgenössischen Konfessionspolitik der Frühen Neuzeit darstellten und die Grundlage für die divergierenden Rechtsverständnisse und Handlungsräume der politischen Elite bildeten. Der Prozess der Auslegung des Landfriedens generierte demnach Formen der Verrechtlichung konfessioneller Divergenzen, die den Versuch beinhalteten, politische Handlungsspielräume zu schaffen oder zu beeinflussen. Die Deutungspraktiken des Landfriedens leisteten zudem einen entscheidenden Beitrag zur Geschichte der politischen Kommunikation als einem diachronen Differenzierungsprozess. Zudem formten sie auf lange Sicht die politische Kommunikation, machten sie einordbar und verringerten das Kontingenzpotential der Kommunikation zwischen Zürich und Luzern. Der Landfrieden von 1531 war damit mehr, als er auf den ersten Blick erscheint: nicht nur ein auslegungsoffener Vertrag, sondern ein Rechtssystem, das durch das ihm inhärente Potential zur Veränderung und Auslegung außerordentlich flexibel war und das den rechtsfortbildenden Prozess in den politischen Verhandlungen über das Vertragswerk ermöglichte, wenn nicht seiner geradezu bedurfte. Da die Verbindlichkeit des Textes zu keinem Zeitpunkt in Frage stand, repräsentierte er einen transkonfessionellen Bezugspunkt und einen stabilen politischen Wert in der innereidgenössischen Diplomatie der Frühen Neuzeit.

4 Der Spott von der Kanzel: Geistliche und ihre Lästerpredigten 4.1 Einleitung Konfessionelle Differenzen lassen sich unterschiedlich artikulieren. Ein katholischer Geistlicher aus dem bikonfessionellen Dorf Birmenstorf wählte 1658 die Form des Spottes, um sich von den reformierten Dorfbewohnern zu distanzieren. Von der Kanzel herab witzelte der Gottesmann vor versammelter Gemeinde: „Lieber [Lüth], säget mir, wie alt ist der lutherisch glaub? Er ist so nöw, wan er ein Käß wer, man äß ihn nit, so nöw ist er“.1 Spottende Worte dieser Art artikulierten eine hörbare Distanz zum reformierten Glauben; ihr interaktives Potential entfalteten sie, weil sie sich auf das konfessionelle Gegenüber bezogen und gerade damit das Zusammengehörigkeitsgefühl der katholischen Gemeinde im gemeinsamen Gelächter stärkten. Spott, der auf dem Feld des Religiösen agierte, benötigte den konfessionell Anderen als Gegenüber. Wortbotschaften, die dem konfessionellen Spott galten, wurden in der Grafschaft Baden daher überwiegend – wenn nicht ausschließlich – in bikonfessionellen Dorfgemeinschaften geäußert. Diese Form der verbalen Zuschreibung zählte damit zum wesentlichen Bestandteil der religiösen Koexistenz. In Birmenstorf sprach der katholische Gottesmann aus einer Position der Stärke heraus. Das Dorf zählte zu den bikonfessionellen Lebensräumen der Grafschaft Baden, die mehrheitlich katholisch waren. Die reformierte Minderheit wurde von dem Pfarrer aus dem nahegelegenen Gebenstorf seelsorgerisch betreut.2 Mit dieser religiösen Koexistenz vor Augen wusste der katholische Geistliche, wovon er sprach, als er im Birmenstorfer Kirchenraum den Vergleich zwischen der reformierten Religion und dem Schweizer Käse anstimmte. Er benutzte sein religiöses Wissen, das er als Gottesmann über die reformierten Konfessionsangehörigen besaß, um eine Wertaussage über die andere Konfession zu treffen. Diese zielte in Abwesenheit der reformierten Gemeinde auf die Unvermeidlichkeit der Tatsache, dass der reformierte Glauben im Vergleich zu dem katholischen der jüngere der beiden war. Durch diesen Vergleich wurde das reformierte Bekenntnis argumentativ einem u ­ nreifen Käse gegenüber gestellt.

1 StAAG AA Oberamt Königsfelden 449 A, fol. 366r. 2 Zu Beginn des 16. Jahrhunderts bestanden die Gemeinden aus jeweils ca. 300 Kirchgängern, vgl. Rudolf, Geschichte, 1991, 173 – 174.

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Der Spott von der Kanzel

Mit Blick auf die Konfessionsgemeinschaften hatte die Wortäußerung des Geistlichen zwei Funktionen: eine nach innen und eine nach außen; nach innen, da sie sich der eigenen konfessionellen Zugehörigkeit vergewisserte und verbal eindeutig verfuhr, nach außen, da sie die konfessionellen Differenzen zwischen den christlichen Gemeinden durch eben diese Eindeutigkeit betonte und neu inszenierte. Konfessioneller Spott lässt sich als eine Form der konfessionellen Abgrenzung verstehen, die in einem dynamischen Verhältnis zur Bildung konfessioneller Zugehörigkeiten stand, da sie diese voraussetzte und zugleich intensivierte.3 Konfessioneller Spott war damit zugleich Ausdruck und Produktion von konfessioneller Differenz. Sein performatives Potential galt der kommunikativen Herstellung konfessioneller Eindeutigkeit. Wie bereits angedeutet funktionierte der Witz des katholischen Geistlichen nur, weil er ein konfessionelles Gegenüber mitdachte, auch wenn dieses während der Gesprächssituation im Kirchenraum abwesend war. Im Akt des Schmähens wurde neben der vollzogenen verbalen Differenzherstellung durch die Bezugnahme auf den anderen Glauben eine Beziehung zur reformierten Konfession hergestellt – eine Form der Interaktion, die in einigen Fällen abstrakte, in den meisten interpersonale Züge trug.4 Mit dem Begriff der interpersonalen Interaktion soll das Beziehungsgeflecht unter Angehörigen unterschiedlichen Glaubens betont und in einer wahrnehmungshistorischen Perspektive nach den Selbst- und Fremdbildern gefragt werden, die in verbalen Zuschreibungsprozessen entstanden und zugewiesen wurden. Das Begriffsinstrumentarium erlaubt es, einzelne Szenarien zu beleuchten, in denen die „wechselseitige Bezogenheit der handelnden Personen samt ihrer Normen“ und somit die „personelle und soziale Verankerung der Konfessionalisierung“ reflektiert werden.5 Wie im Folgenden evident werden wird, lag dem Akt des Schmähens vielfach die Auseinandersetzung mit religiösen Normen und Werten zugrunde, die Ausdruck des religiösen Lebens und eines religiösen Erfahrungs- und Handlungsraums waren. Spott war daher eine Form der Aneignung und zugleich Ausdruck von Dissens.6 3 Dass im „Akt des Schmähens“ eine Zuordnung „samt impliziter Abgrenzung“ stattfand, konstatiert Claudius Sieber-­Lehmann in seiner Untersuchung antieidgenössischer Schmähungen, vgl. ders., Schimpfen, in: Kaiser/Sieber-­Lehmann/Windler (Hg.), Grenzfälle, 2001, 115 – 154, hier 116. Zum Repertoire des Spotts siehe Rey, Begegnung, in: Geschichtsfreund 118, 1965, 132 – 186, hier 156 – 158. 4 Meine Überlegungen zum Beziehungsgeflecht sind angeregt durch Kaufmann, Einleitung, in: Greyerz/Jakubowski-­Tiessen/Kaufmann/Lehmann (Hg.), Interkonfessionalität, 2003, 9 – 15, hier 14. 5 Holzem, Konfessionsgesellschaft, in: ZKiG 110, 1999, 53 – 85, hier 85. 6 Zum Verständnis von Spott als Aneignung und als Ausdruck von Dissens vgl. Duhamelle, Wandlungen, in: von Greyerz/Siebenhüner (Hg.), Religion, 2006, 321 – 342, hier 322 – 323.

Einleitung

Das folgende Kapitel versteht die spottenden und schmähenden Wortbotschaften als einen wesentlichen Aspekt der religiösen Koexistenz in Gesellschaften der Frühen Neuzeit und fragt nach den Funktionen, die dem konfessionellen Spott im Leben von Katholiken und Reformierten auf lokaler und eidgenössischer Ebene zukam.7 Spottende Wortbotschaften waren eine Möglichkeit, auf die Anwesenheit des konfessionell Anderen zu reagieren. Dies geschah in den hier diskutierten Beispielen keinesfalls wertfrei. In der Grafschaft Baden wurde konfessionelle Differenz überwiegend durch beleidigende oder schmähende Wortbotschaften hergestellt. Nur relativ selten wurden dem Dissens und der Distanz zur jeweils anderen religiösen Gemeinschaft durch die Übernahme und Verspottung von Ritualen der anderen Konfession, der Desakralisierung liturgischer Gegenstände im Kirchenraum oder auch durch die Behinderung bei der Ausübung der praxis pietatis der jeweils anderen christlichen Glaubensgemeinschaft Ausdruck verliehen. Zwar reflektieren die frühneuzeitlichen Quellen auch diese Varianten der konfessionellen Auseinandersetzung, Abgrenzung und Verspottung, allerdings fanden sie nur selten Erwähnung – es sind Einzelbeispiele, die sich einer repräsentativen Verallgemeinerung entziehen. Anders verhält es sich bei den beleidigenden Wortbotschaften, dem konfessionellen Hohn und Spott, der in den Quellen für das zur Untersuchung stehende Territorium – der Grafschaft Baden – keinen Einzelhinweis darstellt, sondern vielfach Erwähnung findet.8 Zu den Akteuren zählte überwiegend die niedere Dorfgeistlichkeit, die damit einen wesentlichen Anteil an den konfessionellen Differenzierungsvorgängen in den bikonfessionellen Gemeinschaften der Grafschaft Baden in der Frühen Neuzeit hatte. Durch den konfessionellen Spott dynamisierten und prägten sie das Leben in der religiösen Koexistenz entscheidend mit. Spöttische Wortäußerungen übernahmen im Kontext der religiösen Koexistenz drei wesentliche Funktionen: 7 Von der historischen Forschung wurde der konfessionelle Spott erst in Ansätzen untersucht, wie etwa von Duhamelle, Wandlungen, in: von Greyerz/Siebenhüner (Hg.), Religion, 2006, 321 – 342, hier 321. Konfessionelle Polemik wird allerdings immer wieder von Bernd Roeck diskutiert, vgl. ders., Stadt, Bd. 2, 1989, 847 – 849. 8 Ob dies ein Spezifikum der von mir untersuchten Gemeinen Herrschaft ist oder nicht, lässt sich beim derzeitigen Forschungsstand nicht beurteilen. Verbale Äußerungen gegen Angehörige der jeweils anderen Konfession werden von Frauke Volkland in ihrer Arbeit über die gemeine Vogtei Thurgau nicht thematisiert, vgl. Volkland, Konfession, 2005, so dass eine Vergleichsmöglichkeit nicht besteht. Ihre Ergebnisse legen nahe, dass im Thurgau Formen der Desakralisierung im Kirchenraum eine häufiger praktizierte Variante der konfessionellen Abgrenzung darstellten, vgl. Volkland, Simultanverhältnisse, in: BC 22, 1999, 28 – 35, hier 32 – 3 sowie dies., Katholiken, in: St. Galler Geschichte 4, 2003, 131 – 146.

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Erstens intensivierte der konfessionelle Spott die Abgrenzungstendenzen der reformierten und katholischen Konfessionsgruppen, wie eingangs an dem Beispiel des Schweizer Käse argumentiert wurde. Damit zählte die konfessionelle Polemik zu den Differenzierungsprozessen, die durchaus typisch für frühneuzeitliche bikonfessionelle Gesellschaften waren. Durch spöttelnde, witzelnde oder beleidigende Äußerungen über die andere konfessionelle Gemeinschaft wurden die religiösen Gegensätze durch Wortbotschaften theologischen Inhalts betont und neu inszeniert. Das Reden über die andere konfessionelle Partei markierte wirkungsvoll die theologischen Unterschiede der beiden Glaubensauffassungen. Negative Werturteile über den jeweils anderen Glauben und dessen Anhänger sowie interkonfessionelle Vergleiche zwischen der katholischen und protestantischen Konfession verfolgten das Ziel der He­rab­set­zung durch Belustigung, wodurch eine leicht zu durchschauende Hierarchie etabliert wurde. Manchmal entluden sich die Spannungen daher in Form eines lauten Gelächters.9 Funktional ähnelten die spöttischen Wortbotschaften damit den differenzierenden Verfahren der Kontroverspredigten. Darauf aufbauend lässt sich konfessioneller Spott, zweitens, als eine Möglichkeit begreifen, sich seiner selbst zu vergewissern und das Spannungs- und Konfliktpotential in den gemischtkonfessionellen Dorfgemeinschaften zu sublimieren, welches aus dem Wettstreit um die finanziellen Ressourcen der Kirchengemeinden, den Nutzungsbedingungen der Simultankirchen, den unterschiedlichen Symbolsystemen der Religionen und der Benachteiligung der reformierten Untertanen in vielen Belangen resultierte. Diese entlastende Funktion von Spott entfaltete seine Wirkung überwiegend nach innen, das heißt innerhalb der Konfessionsgemeinschaft, deren jeweiliger Sprecher die betreffende Wortäußerung formulierte. Insofern wird hier eine Lesart vorgeschlagen, die spöttische Wortäußerungen nicht ausschließlich als eine Verschärfung konfessioneller Gegensätze interpretiert, die aus den in Kapitel 2 beschriebenen Konfessionalisierungsprozessen entstanden, sondern die die Entlastungsfunktion für bikonfessionelle Gemeinschaften mitbedenkt. Gestützt wird diese Interpretation durch die Tatsache, dass sich konfessionelle Spannungen und Antagonismen in der Grafschaft Baden nur äußerst selten in Form physischer Gewalt manifestierten, so dass Aggressionen zwischen Katholiken und Protestanten ein anderes Ventil gefunden haben müssen. Allerdings sorgten die wachsamen Augen und Ohren der politischen Elite permanent dafür, dass Beleidigungen und spöttische Kommentare zwischen Konfessionsangehörigen die Ausnahme und nicht die Regel

9 Zur Funktion des Lachens in der frühneuzeitlichen Öffentlichkeit vgl. Kuhn, Laughter, in: TvsG 52, 2007, 77 – 93.

Einleitung

waren. Nur so hielten sich Entlastungsfunktion und Konfliktpotential von Spottund Schmähworten die Waage. Durch die eidgenössischen Obrigkeiten (lokal/ territorial/eidgenössisch) und die eidgenössische Rechtsprechung wurden diese Formen der – polemischen 10 – Kommunikation mit oder über den konfessionell Anderen inkriminiert. Die regierenden eidgenössischen Orte reagierten damit auf das angesprochene Konfliktpotential von Spott und Hohn und definierten in ihrer Rechtsauslegung, was konfessionelle Schmähungen waren. Diese Definitionen sind Indikatoren für zeitgenössische Sensibilitäten. Sie zeigen an, wann Predigten und Reden über das Konfessionelle dem zeitgenössischen Verständnis gemäß als soziale Handlungen wahrgenommen wurden, die provozierten, verletzten und eher konfessionelle Konflikte schürten, als diese durch ein gemeinsames Lachen in der konfessionellen Interaktion zu entschärfen. Damit stehen hier nicht die zeitgenössischen Konzepte von Wort und Rede zur Analyse, sondern das zeitgenössische Verständnis von Worten als Handlungen, die verletzten. Ein solches Verständnis lässt sich, drittens, rekonstruieren, weil in der Alten Eidgenossenschaft Schmähungen als Sprechhandlungen definiert wurden, welche die Möglichkeiten des Sagbaren überschritten, da sie die rechtlichen und sozialen Normen der Alten Eidgenossenschaft brachen. Insofern lassen sie sich als eine Form der symbolischen Gewalt beschreiben, die sich in Teilen gegen die territoriale (Landvogt) und überwiegend gegen die eidgenössische Obrigkeit (katholische und reformierte regierende Orte) richteten. Dieses Verständnis von Wortdelikten als einer Form der symbolischen Gewalt setzt einen historischen Gewaltbegriff voraus, der über rein physische Tätlichkeiten hinausweist und Gewalt auch in verbalen Verhaltensformen erkennt. Gewalt soll hier in Anlehnung an Francisca Loetz als eine Form sozialen Handelns verstanden werden, die historisch variabel war und kontextabhängig beurteilt wurde.11 Die Konfessionszugehörigkeit wirkte bei der Funktionsweise der symbolischen Gewalt als differenzierender Faktor, denn in der Grafschaft Baden wurde jeweils nur die konfessionelle Obrigkeit beleidigt, geschmäht oder bespöttelt, die Zielscheibe der jeweiligen Reden war. Damit lässt sich Spott auch als Widerstand gegen die Obrigkeit lesen, wie dies der Historiker Christophe Duhamelle vorgeschlagen hat. Er argumentierte, dass sich Spott gegen Bürokraten, Vertreter des Staates, also generell gegen die Oberen richte und eine Möglichkeit darstelle, der 10 Die heutige Bedeutung einer Polemik als scharfer Kritik oder unsachlichem Angriff deckt sich nicht mit dem semantischen Spektrum, welches dem Begriff in der Frühen Neuzeit zukam. Zu diesem vgl. Zedler, Universal-­Lexikon, Art. Polemik, Bd. 28, 1961 [1732 – 1754], Sp. 1079 – 1080. 11 Loetz, Gotteslästerung, in: von Greyerz/Siebenhüner (Hg.), Religion, 2006, 305 – 319, hier 318.

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strukturellen Gewalt der Konfessionalisierung auf lokaler Ebene zu begegnen, sie bloßzustellen oder sie zu instrumentalisieren.12 Doch wie funktionierten die Verfahren des Redens und wer wurde wie und mit welcher Intention verletzt oder geschmäht? Anhand des Beispiels vom Schweizer Käse möchte ich die Verfahren des Redens illustrieren. Der Vergleich zwischen einem Käse und dem reformierten Glauben, den der katholische Gottesmann vor versammelter Gemeinde anbrachte, ging mit seiner Intention über das eigentlich Gesagte hinaus: Denn nicht nur wurden die Zuhörer explizit daran erinnert, dass die reformierte Konfession noch nicht sehr alt sei, implizit wurde damit auch angedeutet, dass der katholische Glauben sehr viel älter als der reformierte war. Durch den Schweizer Käse, der nur im gereiften Zustand einen Gaumengenuss versprach, setzte der Prediger einen gemeinsamen Wissensstand oder besser: Erfahrungshorizont bei seinen Zuhörern voraus. Nur so konnte der von dem Geistlichen gemachte Vergleich zwischen den Konfessionen seine negative Wertung entfalten – einmal abgesehen davon, dass hier zwei ungleiche Dinge, nämlich eine Glaubensrichtung und ein Käse miteinander verglichen wurden, was an sich schon eine beleidigende Formulierung war, aber auch zum Lachen reizte. Diese Form des interkonfessionellen Vergleichs, dessen Verfahren auf Hohn und Spott basierten, waren als Teil der rechtlichen Bedingungen zur religiösen Koexistenz in der Alten Eidgenossenschaft verboten. Der Zweite Landfrieden von 1531 formulierte ausdrücklich das Verbot des „schmützen“ und „schmächen“ und beauftragte den Landvogt in Baden mit der Abstrafung dieses Deliktes. Der eingangs erwähnte katholische Geistliche riskierte mit seinen spöttelnden Äußerungen demnach, eine Straftat zu begehen, für die er vom Badener Landvogt belangt werden konnte.13 Beleidigungen gegen die Angehörigen der jeweils anderen Konfession brachen die Normen der religiösen Koexistenz in den Gemeinen Herrschaften und verletzten die zeitgenössischen Grenzen des Sagbaren. Nicht nur in dieser Hinsicht waren sprachliche Äußerungen soziale Handlungen, mit denen Sprechende etwas taten. Durch den Sprechakt selbst wurden Handlungen vollzogen. Sprachliche Äußerungen als Sprechakte bzw. als Sprechhandlungen zu begreifen bedeutet, dem sprachphilosophischen Ansatz von John Austin und 12 Duhamelle, Wandlungen, in: von Greyerz/Siebenhüner (Hg.), Religion, 2006, 321 – 342, hier 321 – 322. 13 Im Alten Reich hatte der Spott seit dem Westfälischen Frieden den „Status einer latent gehaltenen Gewalt“ inne. Die Trennungslinien zwischen Hohn, Blasphemie und Bluttat wurden seit dem Religionsfrieden deutlicher gezogen. Jedoch war der Spott „nach Reichsrecht kein strafbarer Aufruhr“. Duhamelle, Wandlungen, in: von Greyerz/ Sieben­hüner (Hg.), Religion, 2006, 321 – 342, hier 321, 330, 342.

Einleitung

John Searle zu folgen. Im Zuge der kommunikativ-­pragmatischen Wende in der Sprachwissenschaft, die sich von einer systemorientierten Linguistik abwandte, versahen diese beiden Theoretiker den Terminus „Sprechen“ mit einer neuen Bedeutung.14 In seinen Vorlesungen How to Do Things with Words, die in einer Publikation mit gleichnamigem Titel 1962 veröffentlicht wurden, entwickelte der englische Sprachphilosoph John Austin eine Theorie des Sprechakts, die sein Schüler John Searle systematisierte und modifizierte.15 Betont wurde von beiden Theoretikern, dass unter spezifischen Bedingungen derjenige, der etwas sagt, handelt, etwa Befehle oder ein Versprechen gibt, eine Entschuldigung ausspricht, eine Drohung tätigt oder eine Behauptung aufstellt. Solche Sätze sind für Austin performative Äußerungen, da mit ihnen nicht nur die Welt beschrieben, sondern Handlungen vollzogen werden. Zusätzlich wurde der Terminus der konstativen Aussagen eingeführt. Diese treffen Austin zufolge propositionale Aussagen über die Welt, die wahr oder falsch sein können.16 Im weiteren Verlauf seiner Vorlesungen variierte Austin seine Unterscheidung von konstativen und performativen Sprechakten, indem er die drei Redeweisen einführte, die mit der Sprechakttheorie assoziiert werden:17 den lokutionären Akt (der sich auf den reinen Ausdruck von Sprache, die lautliche Formulierung, bezieht), den illokutionären Akt (der sich auf den spezifischen Handlungscharakter von Sprache bezieht) und den 14 Differenzierter zu den Entwicklungslinien der Sprechakttheorie, die „nicht nur und nicht einmal in erster Linie linguistische Wurzeln“ hat – man denke nur an die Impulse, die die Sprechakttheorie der Sprachphilosophie Wittgensteins verdankt –, vgl. Helbig, Theorien, 2002, 299 sowie Linke/Nussbaumer/Portmann, Studienbuch, 2004, 206 – 207. Zur kommunikativ-­pragmatischen Wende als einer linguistischen Neuorientierung vgl. Helbig, Theorien, 2002, 252 – 258 sowie 298. 15 John Searle gilt in den einschlägigen Handbüchern als derjenige, der die Sprechakttheorie weiterentwickelte, systematisierte und modifizierte, insbesondere mittels der Unterscheidung von konstitutiven und regulativen Regeln, vgl. etwa Schützeichel, Kommunikationstheorien, 2004, 198 – 202. Neuerdings betont Krämer, Sprache, 2001, 10, 55 – 73, 135 – 153, die Gegensätzlichkeit der beiden sprachphilosophischen Ansätze. Diesen Verweis entnehme ich Loetz, Gott, 2002, 72, Anm. 96. Hilfreich zur Einordnung und Orientierung ist der Sammelband von Wirth (Hg.), Performanz, 2002. 16 Die Unterscheidung von konstativen und performativen Äußerungen ist vor allem für die kulturwissenschaftliche Prominenz der Sprechakttheorie (etwa bei Judith Butler/ Jacques Derrida) relevant geworden, vgl. Wirth (Hg.), Performanz, 2002, bes. 40 – 42. 17 Rainer Schützeichel spricht in diesem Kontext davon, dass die Dichotomie performativ/konstativ von der These abgelöst wurde, „dass jeder Sprechakt zusätzlich zu seiner Bedeutung eine spezifische Handlung ausführt oder eine spezifische Kraft hat. Austin transformiert den Begriff der performativen Äußerung in den der illokutionären Kraft von Sprechakten“. Schützeichel, Kommunikationstheorien, 2004, 196 – 197.

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perlokutiven oder perlokutionären Akt (der sich auf die Wirkungen bezieht, die mit einer sprachlichen Handlung erzielt werden). Diese drei Sprechakte werden nicht nacheinander vollzogen, sondern sind unterschiedliche Aspekte ein und derselben Äußerungshandlung. 18 Inwiefern kann dieses Verständnis von Sprache als einem Medium, in dem Handlungen ausgeführt werden, Historikerinnen und Historikern helfen, verbale Äußerungen von Menschen zu interpretieren, die in frühneuzeitlichen Gesellschaften lebten? Noch einmal sollen die Äußerungen über den Schweizer Käse als Beispiel dienen, dies zu illustrieren. Bei dem Vergleich, den der katholische Geistliche zwischen dem Käse und dem reformierten Glauben anstellte, beschrieb er keinen neutralen Sachverhalt. Sprache war nicht das Medium, mit dem der Gottesmann allein eine wahre oder falsche Aussage machte. Vielmehr bestand die illokutionäre Kraft seines Sprechaktes auf gemeindlicher Ebene darin, dass er etwas tat, indem er sprach, nämlich über die reformierte Konfession zu spotten, deren Angehörige zu beleidigen und insofern die konfessionelle Andersartigkeit zu betonen. Der katholische Geistliche traf eine Wertaussage über die Welt und vollzog eine propositionale Aussage. Noch in einem weiteren Sinne handelte der Gottesmann, indem er sprach. Indem er spottete, brach er den oben erwähnten zeitgenössischen Normenkodex zur religiösen Koexistenz. Der Geistliche wollte keine soziale Tatsache beschreiben, sondern eine soziale Handlung vollziehen. In der Geschichtswissenschaft sind die linguistischen Modelle der Sprechakttheorie bislang in der Mittelalter- und Frühneuzeitforschung zur Analyse von Wortdelikten wie der Gotteslästerung nutzbar gemacht worden, allerdings mit unterschiedlichen Intentionen und Gewichtungen. Gerd Schwerhoff macht sich die Sprechakttheorie John Austins und damit das Verständnis der Performativität verbaler Äußerungen zunutze, um über eine Analyse der sprachlichen Formeln bei der Gotteslästerung hinauszugehen. Gotteslästerungen versteht er im Sinne des linguistischen Modells Austins als soziale Handlungen, die innerhalb spezifischer sozialer Handlungskontexte gemacht und innerhalb der „sozialen Zusammenhänge“ interpretiert werden müssten.19 Gleichzeitig betont Schwerhoff die kaum zu umgehenden Unschärfen bei der Begriffsdefinition, da Gotteslästerung keine „Selbstbezeichnung“, sondern eine Bezeichnung für eine

18 Wenn ich die Entwicklungslinien richtig deute, kam mit John Searle eine vierte Redeweise hinzu, der propositionale Akt, der eine Aussage über die Welt macht. Eine schnelle Orientierung über die Differenzen zwischen Austin und Searle bietet Bußmann, Lexikon, 2002, 642 – 644. 19 Schwerhoff, Gott, 2004, 12 – 13.

Einleitung

„abwertende Fremdbezeichnung“ für die verbalen Sprechhandlungen anderer darstelle.20 Die Beurteilungsperspektive machte das Etikett der Gotteslästerung äußerst variabel.21 Dieses Verständnis von Gotteslästerung als einem durch gesellschaftliche Zuschreibungsprozesse entstehenden „Produkt“ vertritt ebenfalls die Historikerin Francisca Loetz. Loetz stützt sich in ihrer Arbeit zudem auf den programmatischen und an die soziologische Labelingtheorie angelegten Vorschlag der französischen Ethnologin Jeanne Favret-­Saada, dem zufolge allein die Zuhörenden – und nicht die Sprechenden – als Produzenten von Blasphemie zu begreifen seien, da sie eine verbale Äußerung mit dem Etikett der Gotteslästerung versehen.22 Damit wird das gängige Verständnis von Sprechenden, die Bedeutung produzieren und den Hörenden, die eine Information aufnehmen, umgekehrt.23 Zugleich zeigt Loetz Sympathien für die Sprechakttheorie Austins und Searles. Allerdings kritisiert sie an diesem sprachphilosophischen Modell, dass es hier ausschließlich um die Sprechenden und deren Intentionen gehe und nicht darum, wie sich die Sprechakte aufeinander bezögen. In der Tat lässt sich bei der Sprechakttheorie nicht von einer Theorie der Kommunikation sprechen.24 Loetz stützt sich daher auf linguistische Modelle, bei denen es nicht vorwiegend um die Sprecherposition und die durch den Sprechakt vollzogenen sozialen Handlungen, sondern in sehr viel stärkerem Maße um die Möglichkeiten des Verständnisses des Gesagten (oder Nichtgesagten) durch die Zuhörenden geht.25 Loetz betont somit die kommunikativen Bezüge in ihrer Arbeit,

20 Ebenda, 8. 21 Ebenda, 8 – 9. 22 Loetz, Gott, 2002, 71 – 76. Die Labelingtheorie – der Begriff wurde in den 1950er-Jahren im angloamerikanischen Raum geprägt – bezeichnet eine kriminalsoziologische Strömung, deren Vertreter abweichendes Verhalten als Produkt gesellschaftlicher Zuschreibungsprozesse lasen und nicht länger als Merkmal individueller Handlungen. Devianz und abweichendes Verhalten entstanden diesem Verständnis nach in den Wahrnehmungs- und Deutungsparametern anderer, oder, wie die berühmte Formulierung von Howard S. Becker, einem der Begründer der Labelingtheorie, lautet: „The deviant is one to whom that label has successfully been applied: deviant behaviour is behaviour that people so label“. Becker, Outsiders, 1963, 9. 23 Loetz, Gott, 2002, 72. 24 Schützeichel, Kommunikationstheorie, 2004, 201 – 202. 25 Die Referenz auf das Nichtgesagte, genauer: das Implikierte, folgt der Terminologie von Herbert Paul Grice. Konversationsimplikaturen betonen die Kluft zwischen Gesagtem und Gemeintem und sensibilisieren dafür, dass man Dinge kommunizieren kann, die in der wortwörtlichen Aussage nicht enthalten sind, vgl. Grice, Meaning, in: ders.: Studies, 1957, 213 – 223.

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die „Konversationsmaximen“ und damit auch die kommunikativen Regeln von Sprechhandlungen.26 Diese kommunikativen Bezüge werden in der folgenden Analyse nicht thematisiert, da eine kommunikative Interaktion zwischen Sprechendem und einem (oder mehreren) Zuhörer(n) nur in seltenen Fällen überhaupt überliefert ist. Auch spielen die zeitgenössischen Konzepte von Wort und Rede, wie sie von Francisca Loetz verfolgt werden,27 keine Rolle, da in diesem Kapitel die politischen Zuschreibungsprozesse der eidgenössischen Regenten im Vordergrund stehen. Allerdings folge auch ich dem Verständnis von Wortbotschaften als einem Sprechakt (bzw. der Sprech- oder auch Sprachhandlungstheorie).28 Zur Analyse stehen dafür Texte, in denen ein verbaler Sprechakt aufgezeichnet wurde, der vielfach im Kirchenraum, seltener im Wirtshaus oder auf offener Straße vollzogen und anschließend von dem Badener Landvogt und den regierenden katholischen und reformierten Orten beurteilt wurde. Welche Wirkung das Gesagte auf die Zuhörenden, die Dorfbewohner und das Kirchenvolk hatte, ist nur in seltenen Fällen zu ermitteln. Da die regierenden Stände sich zwar regelmäßig auf den Tagsatzungen versammelten, jedoch kaum vor Ort präsent waren, mussten sie über mutmaßliche Landfriedensbrecher von Dritten in Kenntnis gesetzt werden. In der Regel übernahmen die Geistlichen diese Funktion, in ausgewählten Fällen waren es auch die politischen Funktionsträger oder Mitglieder aus der Gemeinde. Insofern trafen auch die Informanten der eidgenössischen Obrigkeit Aussagen darüber, ob die Worte, die in einer Predigt, im Wirtshaus oder auf der Straße gesprochen wurden, die Bezeichnung des „schmützen“ und „schmächen“ verdienten. Unter den Anhängern der beiden Glaubensgemeinschaften war es durchaus strittig, welche verbalen Handlungen als „schmützen“ und „schmächen“ zu etikettieren waren. Daher lässt sich die Beobachtung Gerd Schwerhoffs, dass die Glaubensäußerungen der Einen „oft in den Aussagen der Anderen zur Blasphemie“ mutierten, durchaus auch auf eidgenössische Verhältnisse übertragen.29 Auf dieser zeitgenössischen Beurteilungsperspektive 26 Damit sind mit Grice die kontrafaktischen Prinzipien gemeint, anhand derer sich Kommunikation nicht zwangsläufig orientiert. Allerdings würden alle Teilnehmenden einer Kommunikation die Aussagen an diesen Prinzipien messen, vgl. Schützeichel, Kommunikationstheorien, 2004, 114 – 115 sowie zum Begriff der Konversationsmaxime 113 – 116. 27 Zu Skinner vgl. Meaning, in: H&T 8 (1969), 3 – 53, zur zeitgenössischen Bedeutung von Wort und Rede vgl. Loetz, Gott, 2002. 28 Loetz, Gott, 2002, differenziert zwischen Sprechakt und Sprechhandlung und ordnet diesen Begriffen unterschiedliche theoretische Modelle zu, eine sprachliche Differenzierung, die sich in dieser Form nicht bei Helbig, Theorien, 2002, 298 – 328 finden lässt. 29 Schwerhoff, Gott, 2004, 8.

Einleitung

resultieren auch die folgenden Analysekriterien: Zum einen sollen die Wortbotschaften als politische und zum anderen dort, wo es das Quellenmaterial erlaubt, als gesellschaftliche Zuschreibungsprozesse analysiert werden. Die Interpretation von Texten durch die politische Elite der Eidgenossenschaft führte zur Produktion weiterer Dokumente (Missiven, Instruktionen, Abschiede). Erst im Verlauf dieses gesellschaftlichen Prozesses wurden die verbalen Äußerungen zu Sprechhandlungen, die mit dem „juristischen“ Etikett des „schmützen“ und „schmächen“ versehen und somit als ein Delikt „gelabelt“ wurden. Nicht die Sprechenden, sondern die den Landfrieden interpretierenden regierenden Orte waren aktiv an dem Prozess der Herstellung des Delikts des „schmützen“ und „schmächen“ beteiligt. Die politische Elite der Grafschaft Baden und der Alten Eidgenossenschaft urteilte nicht nur über Normbrüche ihrer Untertanen. Eine Konsequenz der Anwendung des landfriedlichen Schmähverbotes war die Etablierung eines Diskursmodus, der sich an den Werten des konfessionellen Respekts orientierte. Als Schmähreden etikettierte Wortbotschaften von Geistlichen und Laien waren dieser Politik des eidgenössischen Zusammenhalts zufolge Unruhestifter, da sie konfessionelle Antagonismen zwischen Katholiken und Reformierten auf gemeindlicher und eidgenössischer Ebene betonten und im Ruf standen, Konflikte zu schüren. Insofern gab es zwar in der Alten Eidgenossenschaft eine kontroverse Theologie und eine ausgeprägte Streitkultur, wie die ausführlich belegten politischen Kommunikationen über verbale Wortäußerungen bezeugen. Allerdings fanden diese unter klaren normativen und diskursiven Vorgaben statt. Grundlegend bei den Prozessen der gesellschaftlichen sowie der politischen Zuschreibung war in der Frühen Neuzeit die konfessionelle Zugehörigkeit. Wer einer anderen Konfession als der des Sprechers angehörte, war eher geneigt, die Wortbotschaften zum Gegenstand gesellschaftlicher Zuschreibungsprozesse zu machen, was bei Predigten vor bikonfessionellem Publikum relevant wurde.30 Zum anderen werden in der folgenden Analyse die Formen der kommunikativen Differenzherstellung rekonstruiert, die durch die Sprechakte als soziale Handlungen vollzogen wurden. Damit geht es in diesem Kapitel um das zeitgenössische Verständnis von Spott und Hohn, wie es im Reden über die jeweils andere Konfession zum Ausdruck kommt bzw. um die Verfahren des Redens und des Schmähens, mit Hilfe derer konfessionelle Differenz hergestellt wurde. Differenzherstellung bedeutet nicht nur die Betonung von Unterschieden, sondern meint vielmehr die Herstellung von Eindeutigkeit in einem Zeitalter der 30 Vgl. den weiter unten geschilderten Fall einer Predigtrezeption.

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konfessionellen Ambiguität, indem auf dem Feld des Konfessionellen Stellung bezogen wurde.31 Die genannten theoretischen und methodischen Überlegungen werden meine Ausführungen in drei Schritten begleiten. In einem ersten Schritt wird eine Konzeption des Delikts erarbeitet und danach gefragt, welche Konsequenzen diese für die Sprechenden hatte. Die Definition des Delikts wird nicht aus normativen Quellen gewonnen, sondern anhand der politischen Praxis und damit der rechtlichen Zuschreibungsprozesse in der Alten Eidgenossenschaft rekonstruiert. Insbesondere in den Jahren nach dem Zweiten Landfrieden von 1531 stellte die politische Elite die entscheidenden Weichen für die Definition des Delikts, weshalb hier der Schwerpunkt der Analyse liegt. In einem zweiten Schritt werden die Schmähworte als Sprechhandlungen analysiert. Ein genauer Blick auf die gesprochenen Schmähworte verdeutlicht nicht nur, wie und vor allem wie vielseitig und phantasievoll konfessionelle Andersartigkeit und konfessionelle Eindeutigkeit in der Frühen Neuzeit sprachlich inszeniert wurde, sondern zeigt ebenfalls das Handlungsspektrum der gesprochenen Worte auf – nicht alle Wortäußerungen, die mit dem Etikett des „schmützen“ und „schmächen“ versehen wurden, verfolgten das gleiche Ziel und wollten verletzen oder beleidigen. Abschließend stehen die politischen Verfahrensweisen und obrigkeit­lichen Zuschreibungsprozesse im Vordergrund. In einer zeitlichen Verzögerung urteilte die eidgenössische Elite darüber, ob der Sprechakt des „schmützen“ und „schmächen“ tatsächlich ein solcher gewesen ist. Damit stellten die regierenden Orte den Sprechakt in einem präzisen rechtlichen Verständnis erst her, der dann von ihnen abgestraft wurde – ohne obrigkeitliches Urteil kein Delikt. Dieses Verfahren macht es auch schwierig, für die Wortdelikte, solange sie noch keine waren, das richtige sprachliche Instrumentarium zu finden. Die illokutionäre (oder die performative) Kraft der Sprechhandlungen, die die eidgenössische Elite vollzog, wenn sie über die beleidigenden Worte urteilte, hatte andere Effekte als die jener Sprechenden, die sich wegen einer Anklage des „schmützen“ und „schmächen“ verantworten mussten. Die regierenden Orte verkündeten in ihren Sprechhandlungen nicht nur rechtliche Definitionen, die Worte in Wortdelikte verwandelten, sondern sie verhängten Geld- oder andere Strafen, die das Leben der Betroffenen maßgeblich veränderten. Die Worte der „Calumnianten“,32 wie es in der zeitgenössischen Sprache heißt, konnten verletzen, allerdings ist die

31 Vgl. den hilfreichen Aufsatz von Büttgen, Eindeutigkeit, in: Pietsch/Stollberg-­Rilinger (Hg.), Ambiguität, 2013, 27 – 38. 32 StAZH BVIII 135, fol. 206v.

„Schmützen“ und „schmächen“

Wirkung, die den Sprechakten im historischen Kontext zukam – ein Urteil gegen eine Beleidigung – durchaus unterschiedlich zu werten. Mit Blick auf ihre Wirkung und ihre Funktion wird in dieser Untersuchung daher die Differenz der Sprechhandlungen auf gemeindlicher und auf eidgenössischer Ebene betont und die entlastende und sublimierende Funktion von Wortbotschaften verfolgt. Mit der Frage nach der Wirkung der beleidigenden Sprechhandlungen wird ein heikles Terrain betreten, da die Wirkung auf die Zuhörenden nur in Ausnahmen protokolliert wurde. Dem linguistic turn zum Trotz beharre ich weiterhin auf der unterschiedlichen Qualität verschiedener Textgattungen und hierarchisiere als Historikerin die diversen Quellengattungen. Einer politischen Entscheidung der regierenden Orte, die in einem Abschied mitgeteilt wurde, kommt als einem Rechtstext eine andere Wertigkeit zu als etwa den Aufzeichnungen über die Worte, die in einer Predigt gefallen waren und die von der eidgenössischen Elite nachträglich mit dem Etikett des „schmützen“ und „schmächen“ versehen wurden. Somit betone ich stärker die Funktionen der Texte in historischen Gesellschaften, als dies in der dekonstruktivistischen Sprachwissenschaft geschieht. In einer historischen Perspektive führe ich zudem eine Hierarchisierung von Sprechakten illokutionären Charakters ein, die – wenn ich die linguistischen Modelle richtig überblicke – so in der Sprachwissenschaft nicht vorgenommen wird. In dieser Untersuchung erfolgt demnach eine Betonbung der Sprecherposition als Machtposition und dementsprechend die Inszenierung von Herrschaftsverhältnissen durch die Handelnden, nämlich die regierenden Orte.

4.2 „Schmützen“ und „schmächen“ in der eidgenössischen Politik Ein Text, der eine erste Orientierung bei Fragen der Definition des Verbots des „schmützen“ und „schmächen“ bietet, ist der Zweite Landfrieden von 1531. Dieser Vertrag behandelt den Tatbestand des „schmützen“ und „schmächen“ als letzten Punkt in dem zweiten Artikel, der die Bedingungen der religiösen Koexistenz in den gemeinsam regierten Untertanenländern ausführt.33 Ein einziger Satz findet sich dort. Er lautet: „Es soll ouch thein teil den anderen von des gloubens wegen weder schmützen noch schmächen, und wer darüber tuon wurdi, das der selbig je von dem vogte daselbs dorum gestrafft werden soll, je nach gestalt der sach“.34

33 Ausführlich zu diesem Vertragswerk vgl. Kap. 3: Parität durch Konflikt. 34 Walder, Religionsvergleiche, Bd. 1, 1960, 9.

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„Schmützen“ und „schmächen“ – im 16. Jahrhundert verstand man unter diesem Begriffspaar Worte, die ein Gegenüber beschimpften und beleidigten und die semantisch im Kontext der Religionsgegensätze des frühen 16. Jahrhunderts zu verorten sind.35 Durch den landfriedlichen Text wurden diese Wortbotschaften zu einer „kriminellen“ Handlung, die vom Badener Landvogt abzustrafen war. Allerdings war der Text in seinen Formulierungen wenig konkret. Weder Strafmaß noch Definition dessen, was unter das Etikett des „schmützen“ und „schmächen“ fiel, fand sich im Landfrieden. Diese Unschärfe der Begrifflichkeit gab den gesellschaftlichen Zuschreibungsprozessen ihren hermeneutischen Spielraum. Mit dem Etikett des „schmützen“ und „schmächen“ wurde ein dementsprechend weites Feld verbaler Handlungen bezeichnet, welches in den Jahren nach Friedensschluss in der politischen Praxis ausdifferenziert wurde. War der Sachverhalt auch vage und knapp formuliert, so enthielt die Textpassage mit dem Zusatz „von des glouben wegens“ eine wesentliche Differenzierung, die das „schmützen“ und „schmächen“ von dem weiten Feld der frühneuzeitlichen Verbalinjurien gegen Menschen im Allgemeinen abgrenzte.36 Ehrverletzende Worte und Flüche waren keine Bestandteile der rechtlichen Bestimmungen des Zweiten Landfriedens, ebenso wenig wie blasphemische Redeweisen.37 Der Landfrieden stellte nur solche verbalen Äußerungen unter Strafe, die gegen den jeweils konfessionell Andersgläubigen bzw. gegen die jeweils andere Konfession gerichtet waren. Bedachten Katholiken und Reformierte hingegen Gott und Maria mit blasphemischen Schwüren, so fielen diese Wortäußerungen zwar unter das zeitgenössische Blasphemieverbot, nicht aber unter das im Zweiten Landfrieden formulierte Schmähverbot.38 Dabei spielte es dem landfriedlichen Text zufolge keine Rolle, aus wessen Mund die vermeintlichen Beleidigungen angeblich gekommen waren, ob aus dem Mund eines Laien oder dem eines Geistlichen, eines Katholiken oder Reformierten oder aus dem Mund eines Mannes oder einer Frau. Beide Personen-, Konfessionsund Geschlechtergruppen machten sich den rechtlichen Bestimmungen in den 35 Vgl. die Beispiele im Idiotikon, Bd. 9, 1040 – 1043, etwa Zwinglis: „Si söllind ouch die Lutherschen an den canzlen noch sust nit schmützen noch schenden in keinen weg“, ebenda, 1043. 36 Verbalinjurien diskutiert Fuchs, Ehre, 1999 sowie zum Fluchen Schuster, Stadt, 2000, 72 – 86. 37 Zum Delikt der Blasphemie vgl. Loetz, Gott, 2002 sowie Schwerhoff, Gott, 2004. 38 Ein überlieferter Fall, in dem explizit zwischen lästerlichen Reden und Gotteslästerungen differenziert wird, datiert auf 1704. Gemeint ist die „Controvers-­Predigt“ eines Kapuziners aus Baden, die dieser am Osterdienstag in Baden gehalten hatte. StAZH A. 321.1 Gemeine Herrschaften. Politisches Kadelburg und Zurzach (1265 – 1737), unfolliert, 1704.

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Gemeinen Herrschaften zufolge gleichermaßen strafbar. Anders als bei anderen Verstößen gegen den Landfrieden formulierte die Klausel über das „schmützen“ und „schmächen“ keine rechtliche Benachteiligung für die reformierten Untertanen – die Beurteilung von angeblich beleidigenden Äußerungen aus dem Mund eines Katholiken und eines Protestanten, so sah es zumindest der Landfrieden vor, hatte unter den gleichen normativen Prämissen zu erfolgen. Da in diesem Punkt paritätische Rechtsverhältnisse formuliert wurden, sprach dieser Passus damit von Respekt und Toleranz Andersgläubigen gegenüber. Die Verzahnung von Politik und Religion bedingte jedoch, dass auch die Auslegung dieser Klausel des Landfriedens konfessionsspezifische Zuschreibungsprozesse im Medium der politischen Kommunikation generierte und den Mehrheitsgrundsatz zu überwinden hatte. Auf eidgenössischer Ebene leitete die unterschiedliche Konfessionszugehörigkeit die divergierenden Deutungen des Landfriedensverbots ein sowie eine kommunikative Praxis der politischen Verhandlungen, da katholische und reformierte Eidgenossen die gefallenen Worte unterschiedlich auslegten – als landfriedenskonform oder als eine Handlung, die gegen den Landfrieden verstieß. Zudem war das Schmähverbot den Landvögten in Baden unterstellt; ranghohe Beamte, die aufgrund der Mehrzahl der katholischen regierenden Orte trotz des alternierenden Regierungsturnus mehrheitlich katholisch waren.39 Die Tagsatzung etablierte sich allerdings schnell als Korrektiv. Bezüglich der Kompetenzen des Landvogts wurde auf der Jahrestagsatzung in Baden am 21. Januar 1533 beschlossen, wenn diesem die „Sache“ zu groß oder zu gering erscheine, möge er sie vor die Gesandten der regierenden acht Orte bringen.40 Mit diesem Zusatz war der Kompetenzbereich des Landvogts, wie die politische Praxis zeigen wird, deutlich beschnitten. Das Urteil darüber, ob eine Sprechhandlung den Tatbestand des „schmützen“ und „schmächen“ erfüllte, lag nominell beim Landvogt und de facto bei den regierenden reformierten und katholischen Eidgenossen, einer politischen Elite, die sich durch die Konfessionszugehörigkeit und die interne Machthierarchie zunehmend ausdifferenzierte. Bei ihrer Beurteilung von Sprechhandlungen beriefen sich die eidgenössischen Regenten beider Konfessionen gleichermaßen auf den Zweiten Landfrieden, der sich schon kurz nach der Aufsetzung des Friedensvertrags als entscheidender argumentativer Referenzrahmen auch für schmähende Wortbotschaften etablierte. In der politischen Sprache wurde konfessioneller Hohn und Spott von der katholischen und protestantischen

39 Klagen wegen Benachteiligung reformierter Untertanen wurden daher aktenkundig, vgl. etwa StAZH BVIII 20, fol. 291v–292r. 40 EA 4, 1/c, 9, Tag zu Baden, 21. Januar 1533, Art.cc.

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eidgenössischen Elite gleichermaßen als Landfriedensbruch bezeichnet, was für die politische und rechtliche Verbindlichkeit des Vertrags bei dem Umgang mit unterschiedlichen Formen von religiöser Koexistenz spricht.41 Zugleich wurde das Friedenswerk in der politischen Praxis durch die Rechtsauslegung weiter ausdifferenziert. Ein erster – und wesentlicher – Schritt in diese Richtung wurde auf der Tagsatzung am 16. Dezember 1532 in Baden unternommen. Der katholische Landvogt von Baden und der katholische Hofmeister von Königsfelden berichteten über einen „Span“, der zwischen ihnen entbrannt sei und der die Predigt des Messpriesters von Birmenstorf betraf. Ein reformierter Gläubiger aus Birmenstorf hatte dem Hofmeister von Königsfelden mitgeteilt, der katholische Geistliche habe in seiner Predigt gesagt, „wer nicht glaube, dass Fleisch und Blut unseres Herrn Jesu im hochwürdigen Sakrament sei, der habe keinen rechten Glauben“.42 Dem reformierten Laien zufolge wurde ein theologisches Dogma – die Trans­sub­stan­tiations­lehre – zum Ausgangspunkt für den verbalen Prozess der Differenzherstellung zwischen Katholiken und Reformierten: Der katholische Geistliche nahm in dieser heiklen Frage kein Blatt vor den Mund und kommunizierte in eindeutiger Weise den theologischen Standpunkt seines Glaubens. Den reformatorischen Verständnissen zum Trotz hielt er an der Transsubstantiation, der Verwandlung von Wein und Brot in das Blut und Fleisch Jesu, fest.43 Nachdem auf der Tagsatzung ausführlich über die Predigt berichtet und beide Parteien ihre Argumente dargelegt hatten, sprachen die Gesandten beider Konfessionen zunächst ihr „ernstes Missfallen“ über den Inhalt der Predigt aus.44 Da allerdings auch die Prediger zu Rüti und Stäfa „die Altgläubigen als gloublos gescholten“ und der Geistliche von Bern ebenfalls „scharf wider 41 Redewendungen wie die, jemand habe „wÿder den Landfrieden gehandlet“ (StAZH A. 366.1, 2. März 1567), der „schmach: vnd lesterreden wider vnsere Christliche Religion vnnd derselben Lehrere vßgegoßen“ (StAZH BVIII 9, fol. 28r), der „schmäch und schmütz worten halben“ (StAZH BVIII 6, fol. 124r) oder auch etwas spezifischer, was den Ort und den Sprechenden betrifft, „vff dem kantzell säg, schwätzen oder lästern“ (StABE, Unnütze Papiere, Bd. 83, 9, Mai 1568, Nr. 29) bezeichneten trotz ihrer vergleichbaren Redewendungen ganz unterschiedliche verbale Äußerungen, je nachdem, wer sprach und welcher Konfession der Sprechende angehörte. Allerdings beinhaltete auch die zunächst eindeutige anmutende Formulierung „da man sich landsfridlich betragen solle“ (StAZH A. 321.1, 7. Juli 1671) hermeneutische Unschärfen, über die sich die regierenden Orte unterschiedlicher Konfession im politischen Diskurs verständigen mussten. 42 Rudolf, Geschichte, 1991, 174. 43 Zur Geschichte des Abendmahlsstreits vgl. Bizer, Studien, 1972. 44 Die Zusammenfassung in der Sammlung der Älteren eidgenössischen Abschiede ist leider sehr summarisch und verschweigt den genauen Wortlaut der Predigt, vgl. EA 4, 1/b, 1452 – 1453.

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den Landfrieden gepredigt“ hatte, befanden die Tagsatzungsgesandten beider Konfessionen, dass sich die Verstöße gegeneinander aufhöben. Folglich wurde keine Strafe verhängt.45 Während die Gesandten kurz nach Friedensschluss damit von einer Bestrafung der Geistlichen absahen, beauftragten sie den Landvogt von Baden, dem Messpriester von Birmenstorf unter Androhung einer Strafe und des Verstoßes von seiner Pfrund einen Verweis zu erteilen – eine Anweisung, die Ausdruck eines Willens zur Ausübung von Herrschaft war.46 Des Weiteren sollten die regierenden Orte ihren Geistlichen „des ernstlichen verbieten, auf oder neben der Canzel jemand zu lästern“. Wer gegen dieses Gebot verstieß, war an Leib und Gut „nach Verdienen“ zu strafen.47 Damit machten die regierenden Orte deutlich, dass sie grundsätzlich bereit waren, eine obrigkeitliche Sanktion zu verhängen und Personen abzustrafen, die eine pejorative Aussage über den anderen Glauben machten. Erst durch das obrigkeitliche Eingreifen wurden die gefallenen Worte in einem präzisen rechtlichen Sinn zu einer sozialen Handlung, die den Zweiten Landfrieden verletzte. Die Form der Herrschaftsausübung stellte zudem die durch die schmähenden Wortbotschaften verletzte Ehre der betroffenen Parteien wieder her. Wurden Beleidigungen auf beiden Seiten ausgesprochen, dann bot das frühneuzeitliche Ehrkonzept die Möglichkeit, im beidseitigen Einverständnis auf eine Strafe zu verzichten – allerdings erst, nachdem die Predigten in den politischen Verhandlungen als verbotene Sprechakte markiert worden waren.48 Insofern reagierte dieser Abschied des Jahres 1532 zügig und unvermittelt auf die Worte, die im Birmenstorfer Kirchenraum vernommen worden waren. Zwar wurde die Straftat nicht weiter ausdifferenziert und stand weiterhin als variable Etikettierung zur Verfügung. Doch eine Konkretisierung des Zweiten Landfriedens erfolgte durch zwei wesentliche Differenzierungen: Erstens wurde ein Strafmaß (Strafe an Leib und Gut bzw. Verstoß von der Pfrund) für diejenigen Prediger genannt, die den Landfrieden brachen; dieses Strafmaß bot einen verbindlichen Anhaltspunkt für weitere Straftaten. Durch den Zusatz „nach Verdienen“ blieb weiterhin ein begrenzter Ermessensspielraum beim Verhängen der Strafe bestehen. Zweitens nannte der Abschied nun einen konkreten Ort, die Kanzel (und „neben“ derselben) und assoziierte diese mit lästerlichen 45 EA 4, 1/b, 1452. 46 Ungeachtet seiner Autorität fungierte der Landvogt damit auch bei diesem Landfriedensbruch als Befehlsempfänger der regierenden Orte. 47 EA 4, 1/b, 1452 – 1453. 48 Zur frühneuzeitlichen Ehre vgl. die kurze Diskussion in Kap. 2: Konfession und Kommunikation.

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Worten und Reden. Durch die Nennung der Kanzel individualisierte der Zweite Landfrieden eine spezifische Tätergruppe als potentielle Landfriedensbrecher, nämlich die Geistlichen. Während Laien weiterhin unter der Formulierung „thein teil [soll] den anderen von des gloubens wegen weder schmützen noch schmächen“ subsumiert waren, erkannte der rechtsfortschreibende Abschied vom Dezember 1532 in den theologisch geschulten und mit gemeindlicher Autorität ausgestatteten Geistlichen eine Personengruppe, deren Wortbotschaften künftig besonders zu beobachten waren.49 Die Predigten von Geistlichen standen fortan unter besonderer Beobachtung. Nicht die Sprechhandlungen von Laien beschäftigten die eidgenössische politische Elite, sondern der Gesandtenkongress praktizierte die politischen Zuschreibungsprozesse überwiegend an den Predigten von Geistlichen und zwar im gesamten Untersuchungszeitraum.50 Geistliche, auch wenn sie einen durchaus unterschiedlichen Bildungsstand besaßen, verfügten weitaus eher als Laien über das nötige religiöse Wissen, um verbale Spitzen gegen die jeweils andere Religion zu formulieren.51 Zudem hatten Geistliche eine besondere Sprecherposition inne, da sie ihre Wortbotschaften von der Kanzel herab verkündeten. Dies machte sie zu einflussreichen Rednern. Das folgende Beispiel, bei dem Teile der Predigtinhalte überliefert sind, verdeutlicht, wie subtil die Auslegungs- und Zuschreibungsverfahren durch die eidgenössische politische Elite reformierten und katholischen Glaubens von Anfang an waren. Am 7. und 8. Januar 1533 berichtete der katholische Landvogt von Baden auf der katholischen Tagsatzung in Luzern über die Predigt des protestantischen Pfarrers von Dietikon, die dieser zu Weihnachten gehalten hatte. Damit war der Geistliche keine Ausnahme; die hier zur Verhandlung stehenden Predigten 49 Auch der Ulmer Rat sah sich angesichts der konfessionellen Polemiken von Geistlichen, die vor allem von den Kanzeln herab betrieben wurden, dazu veranlasst, „den überschäumenden Eifer durch entsprechende Verordnungen zu dämpfen“. 1568 verbot der Rat zudem religiöse Streitgespräche unter der Bevölkerung; Lang, Katholiken, 1977, 135. Eine auf „Unterbindung aller Schmähungen und Beleidigungen der anderen Konfession abzielende Ratspolitik“ konstatiert ebenfalls Warmbrunn, Konfessionen, 1983, 392, um einen offenen Antagonismus auf Reichsebene zu verhindern. 50 Ausnahmen bestätigen die Regel. Vgl. etwa meine Deutung des Fall des Jakob Bochsler, der ein wallfahrendes Ehepaar beleidigte, in: Hacke, Konflikt, in: ZHF 32, 2005, 575 – 604. 51 Die katholischen Geistlichen in den zum äbtischen Patrimonialstaat zählenden Dörfern der Grafschaft Baden waren in der Regel Konventuale des Klosters Wettingen, die reformierten Geistlichen wurden aus Zürich entsandt. Zur theologischen Ausbildung der reformierten Pfarrer im 17. Jahrhundert vgl. Strehler, Beiträge, 1934, 28 – 29 sowie Göing, Fremde, in: Ehrenpreis/Schilling (Hg.), Bildungsgeschichte, 2007, 29 – 45.

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Geistlicher wurden vielfach an hohen liturgischen Festtagen vollzogen. Am Weihnachtstag 1532 sollen im Kirchenraum von Dietikon folgende Worte gesprochen worden sein: Als im Euangelio stande, wie der here Jesus zu beschlossner thür zu sinen Jüngeren gangen, syer nit und sye erlogen, dann er des nit gewaltig noch mächtig sye gesin, der meynung und des verstands, er sye durch unsere frowen magt Maria in erbsünd enpfangen und geboren.52

Der Landvogt wurde beauftragt, Nachforschungen anzustellen, die den katholischen Orten auf der nächsten Tagsatzung in Baden die notwendigen Informationen und Argumente liefern sollten. Bis zur Tagsatzung in Baden am 18. Februar 1533 spitzten sich die Ereignisse allerdings zu. Der Prediger flüchtete aus Dietikon in das auf Zürcher Herrschaftsgebiet liegende Urdorf, da er vor seiner bevorstehenden Verhaftung gewarnt worden war. In einer Missive an den Landvogt von Baden setzte sich Zürich für seinen Geistlichen ein, der, wie es jetzt hieß, sogar in dreierlei Hinsicht gegen den Landfrieden verstoßen haben solle. Erstens warf man ihm vor, zu Weihnachten gepredigt zu haben, Christus sei nicht bei verschlossener Tür zu seinen Jüngern gelangt. Dieses Ereignis wird im Johannes-­Evangelium geschildert (20, 19 – 23). Nach seiner Kreuzigung und Auferstehung ging Jesus zu seinen Jüngern, die sich aus Angst vor den Juden bei verschlossenen Türen versammelt hatten. Ganz unvermittelt stand Jesus mit einem Mal in ihrer Mitte, ohne dass ihm die Jünger die Tür geöffnet hatten. Jesus zeigte ihnen seine Kreuzigungsmale, um ihnen zu versichern, dass er wahrhaftig unter ihnen sei. Weihnachten war jedoch das Fest der Geburt Christi und von dieser hatten die Geistlichen in ihren Gottesdiensten zu berichten, nicht aber von den Ereignissen kurz nach der Kreuzigung. Damit hatte der Gottesmann den liturgischen Festkalender missachtet und hatte es versäumt, über die immerwährende Jungfräulichkeit Mariens vor, während und nach der Geburt Christi zu predigen. Dass der Pfarrer diese Episode fälschlicherweise an Weihnachten gepredigt habe, wurde ihm als Zweifel an dem katholischen Dogma der Jungfrauengeburt ausgelegt.53 Dieses biologische Wunder – eine unbefleckte Empfängnis durch den Heiligen Geist, der Maria vor der Erbsünde bewahrte – war schon im vorreformatorischen Zürich umstritten. In seiner Schrift Eine Predigt von der ewig

52 Gleichzeitig werden die Worte des Predigers von Steinmaur referiert, der gepredigt haben soll: „Wer hinter einer Messe stehe, sei des Teufels“. EA 4 1/c, 1 – 2. 53 EA 4, 1/c, 26.

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reinen Magd Maria formulierte Zwingli bereits 1522 die offizielle Position der reformierten Kirche.54 Der Vorwurf, diese Passage der Predigt sei ein Landfriedensbruch, da in ihr ein katholisches Dogma angezweifelt werde, resultierte offensichtlich daraus, dass der Pfarrer von Dietikon die falschen Worte zum falschen Festgottesdienst gewählt hatte. Zweitens wurde dem reformierten Geistlichen vorgeworfen, er habe zu „Lichtmeß“ und demnach vierzig Tage nach Weihnachten gepredigt, dass „nur die Juden mit Lichtern umgehen“.55 Obwohl dieses Fest der Darstellung des Herrn von beiden Konfessionen gefeiert wurde, veranstalteten lediglich die katholischen Gläubigen eine aufwendige Lichterprozession, die die Liturgie der Reformierten nicht vorsah.56 Dem Geistlichen wurde vorgeworfen, er vergleiche in seiner Predigt Katholiken mit Juden. Drittens solle der Prediger im direkten Vergleich mit der katholischen Liturgie die Taufe der Reformierten, die vor versammelter Gemeinde öffentlich vollzogen wurde, als die bessere der beiden gelobt haben.57 Da die Aufwertung der einen zwangsweise die Abwertung der anderen Religion bedeutete, wurde auch diese Formulierung in einem politischen Zuschreibungsprozess als Landfriedensbruch markiert. Der Pfarrer aus Dietikon verwahrte sich allerdings gegen diese Vorwürfe und behauptete, dass „ihm seine Rede verkehrt worden sei“.58 Da er seine Predigt anders wertete, wollte er sich verantworten. Zürich setzte sich in seinem Schreiben an den Landvogt dafür ein, dass ihm dies bewilligt werde und er weiterhin als Pfarrer der reformierten Gemeinde Dietikon vorstehen könne. Andernfalls solle in Übereinkunft mit dem Landfrieden ein neuer reformierter Geistlicher entsandt werden. Auch wenn der Predigtinhalt nur in Auszügen vorliegt, zeigen die Anschuldigungen selbst bei einer vorsichtigen Interpretation, wie leicht der Vorwurf des Landfriedensbruches insbesondere im Reformationszeitalter gegen predigende Geistliche formuliert werden konnte. Unabhängig davon, ob der Prediger diese Worte tatsächlich von der Kanzel verkündet hatte oder ob die beleidigenden 54 Zwingli I, Nr. 15, 385 – 428. Zu den mariologischen Differenzen siehe die Ausführungen von Campi, Zwingli, 1997 sowie Loetz, Gott, 2002, 426 – 429. 55 EA 4, 1/c, 26. 56 In den Gemeinen Herrschaften kam es allerdings durchaus auch zur Übernahme katholischer Rituale. Ein Beispiel ist die traditionelle Hohlensteinfeier im Thurgau (Bischofszell), die nach der Reformation in modifizierter Form bestehen blieb und eine Prozession mit Psalmensingen vorsah, vgl. Volkland, Konfession, 2005, 49 – 97. 57 EA 4, 1/c, 26. Diese Äußerung soll er mit dem erklärenden Zusatz versehen haben „dann wir ganging nit mit kaadt und als dise“. Das Idiotikon bietet keine Erklärung für „kaadt“ an. 58 Ebenda.

„Schmützen“ und „schmächen“

Formulierungen das Produkt eines Rezeptionsprozesses darstellten, bezeugt dieses Beispiel, dass öffentliche Sprechhandlungen Geistlicher, die Vergleiche zwischen den Konfessionen anstellten, dafür prädestiniert waren, nach dem Zweiten Landfrieden in einer abwertenden Fremdbezeichnung mit dem Etikett des „schmützen“ und „schmächen“ versehen und zur Zielscheibe eidgenössischer Konfessionspolitik zu werden. Der reformierte Ort Zürich bemühte sich auf den Tagsatzungen darum, der Lesart der Predigt und des Landfriedens durch die Majorität der katholischen Eidgenossen handlungskräftige Argumente entgegenzusetzen. Zürich gelang es durch politische Verhandlungen zumindest, einen Strafnachlass für den Geistlichen zu erwirken und darauf zu dringen, dass die reformierten Gläubigen der Gemeinde auch weiterhin seelsorgerisch betreut wurden. Insofern konnte Zürich zumindest einen Teil seiner Herrschaftsinteressen in der gemeinen Vogtei wahren. Die politischen Auslegungsprozesse der regierenden Orte rückten die Artikulation theologischer Lehrmeinungen in der Nachreformationsära in einen religionspolitischen und rechtlichen Kontext, der die theologischen Ausdrucksformen Geistlicher einschneidenden Reglementierungen unterwarf. Ein vergleichender Blick auf die andere Glaubensrichtung, der dementsprechend kommentiert wurde, konnte dem Sprechenden rasch von seinen Zuhörern und den eidgenössischen Obrigkeiten als Landfriedensbruch ausgelegt werden, da er die legalen Grenzen des Sagbaren verletzte. Im Vergleich mit der Situation im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, wo zumindest gelehrte theologische Auseinandersetzungen zur theologischen Kultur des konfessionellen Zeitalters zählten, unterlag die Betonung religiöser und konfessioneller Differenzen in der Eidgenossenschaft besonderen rechtlichen Beschränkungen. Fast entsteht der Eindruck, als seien theologische Dispute und theologische Kontroversen nach dem Zweiten Kappelerkrieg gänzlich in Verruf gekommen. Eine weitere Begebenheit aus Dietikon erhärtet den Verdacht. Sie wird von dem reformierten Pfarrer Hans Heinrich Wirtz in einem Schreiben mit dem Titel Betreffend etliche daselbst fürgefalne beschwerlichkeiten im Juli 1609 geschildert. Wirtz zufolge sollen sich die reformierten Gemeindemitglieder von Dietikon im Wirtshaus aufgehalten haben. Als der katholische Priester zu der Runde stieß, gerieten sie in ein Gespräch „die Religion betreffend“.59 Worüber im Einzelnen gestritten wurde, erfahren wir nicht. Referiert wurde jedoch, dass die reformierten Dorfbewohner Dietikons dem katholischen Gottesmann unter Bezugnahme auf die Heilige Schrift und die Worte ihres Predigers „widerparht“ leisteten. Ganz offensichtlich waren die reformierten Dorfbewohner fleißige Kirchgänger, die 59 StAZH A. 238.1, 22. Juli 1609.

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die Predigten ihres reformierten Seelsorgers aufmerksam verfolgt und seine Worte memoriert hatten. Die Replik des katholischen Geistlichen berichtet von der Lust nach religiösem Streitgespräch, denn wie Wirtz notierte, habe dieser entgegnet, er wolle in seinem Beisein „vßs erwießen das wir den vnrecht vnd sie hergegen den wahren rechten glauben habind“.60 Eine Beweisführung, die einen konfessionellen Vergleich beinhaltete und die eine Konfession als die „wahre“ und die andere als die „vnrecht[e]“ bezeichnete, machte jedoch eine negative Wertaussage und sprach der anderen Konfession ihre theologischen Wahrheiten ab. Solcherart Äußerungen verstießen gegen die rechtlichen Bestimmungen, unter denen sich das bikonfessionelle Leben von Gläubigen und Geistlichen in den gemeinsam regierten Untertanenländern gestalten sollte. Da die Rede auf die Doktrin und die Frage nach der einen Wahrheit zielte, verfuhr sie im Sinne der Herstellung konfessioneller Eindeutigkeit. Dies ahnte auch Hans Heinrich Wirtz, der seinen katholischen Kollegen darauf hinwies, er handle hiermit „wider den Landtsfrieden“.61 Dieses Beispiel liefert eine weitere Präzisierung dessen, was unter die verbotenen Wortbotschaften in den Gemeinen Herrschaften fiel. Der katholische Messpriester führte Hans Heinrich Wirtz zufolge Reden über die theologische Wahrheitsfrage im Munde. Zeitgenössische hermeneutische Lesarten von verbalen Äußerungen, in denen „für ein wahrheit gepredigt“62 wurde, versahen diese Form der argumentativen Beweisführung rasch mit dem Etikett des „schmützen“ und „schmächen“, da sie auf die Produktion der konfessionellen Eindeutigkeit und damit auf eine wesentliche Frage des konfessionellen Zeitalters zielten. Zudem ließen es die Geistlichen selten bei einer knappen Aussage bewenden, womit die kommunikative Situation der Wortbotschaften in den Fokus rückt. Eine Behauptung provozierte weitere Fragen durch anwesende Zuhörer. Auch der katholische Priester von Dietikon war dazu bereit, mit weiteren theologischen Ausführungen zu beweisen, dass der katholische Glaube der wahre sei. Ein Sprechakt zog weitere nach sich, denen im theologischen Disput die Funktion zukam, die anfängliche Äußerung über die theologische Wahrheitsfrage zu beweisen. Ein Kapuziner hatte 1596 in Baden nicht nur „offentlich für ein wahrheit geprediget. sonders auch darby andere schmach: und lesterreden wider vnsere Christliche Religion. vnnd derselben Lehrere vßgoßen“.63 Diese Formulierung Zürichs, die sie ihren Gesandten als Instruktion mit auf die Tagsatzung in Baden gaben, verweist auf einen grundlegenden semantischen 60 Ebenda. 61 Ebenda. 62 StAZH BVIII, fol. 28r. 63 Ebenda.

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Zusammenhang, den der reformierte Ort als die betroffene „andere“ Konfession herstellte: Eine Beweisführung zur theologischen Wahrheitsfrage wurde in den Ohren Zürichs zu einer Schmach- und Lästerrede, da mit dem Beweis, die katholische Religion sei der wahre Glaube, zwangsweise die reformierte Konfession als die unwahre Glaubensrichtung klassifiziert wurde. Wenn konfessionelle Eindeutigkeit produziert wurde, ging dies Hand in Hand mit der Herstellung eines negativen Werturteils. Genau darin bestanden Beleidigung und rechtlicher Normbruch. Diese zeitgenössische Konzeption des „schmützen“ und „schmächen“ hatte weitreichende Folgen für die Möglichkeit der theologischen Auseinandersetzung in den Gemeinen Herrschaften, da sie den Ausdruckspielraum des theologischen Disputs erheblich einschränkte. Auseinandersetzungen um theologische Lehrmeinungen und Dogmen waren in erhöhtem Maße von gesellschaftlichen Zuschreibungsprozessen betroffen, ebenso wie Kontroverspredigten, die religiösen Streitgespräche par excellence. Diese Form des institutionalisierten Streitgesprächs hat Étienne François als „eine der meistverbreiteten Veranstaltungen des konfessionellen Zeitalters“ bezeichnet.64 Kontroverspredigten lassen sich als eine Form des öffentlich ausgetragenen konfessionellen Konflikts deuten, wie Hildegard Traitler dies getan hat.65 Da sie im Alten Reich fester Bestand des liturgischen Kalenders waren, hatte die Kontroverse dort zudem einen institu­ tionalisierten Charakter.66 In eidgenössischen Territorien, die wie die Grafschaft Baden gemeinsam verwaltet wurden, lässt sich hingegen keine Tendenz zur Institutionalisierung theologischer Kontroversen diagnostizieren – im Gegenteil. Da Kontroverstheologen mit ihren derben Streitpredigten den konfessionellen Antagonismus schürten und eine konfessionelle Identitätsstiftung nach innen und eine konfessionelle Abgrenzung nach außen förderten, taten Kontroverstheologen genau das, was die eidgenössische politische Elite seit dem Zweiten Landfrieden auf gemeindlicher Ebene zu unterbinden suchte. In dem Untersuchungszeitraum zählen kontroverstheologische Auseinandersetzungen daher nicht zu dem gängigen Konfliktrepertoire von Konfessionskonflikten. Nur gelegentlich begleiteten sie als polemische Bemerkungen die Konversion berühmter Personen.67 Außerhalb der Gemeinen Herrschaften war die literarische Gattung der Kontroverstheologie durchaus ein Mittel der konfessionellen Auseinander 64 François, Grenze, 1991, 144. 65 Den konfessionellen Konflikt als Auseinandersetzung von Kontroverstheologen untersucht Traitler, Konfession, 1989. 66 Zur institutionellen Kontroverse vgl. François, Grenze, 1991, 144. 67 Vgl. den Fall des Claudius Schobinger im Kap. 5.2.3. Näheres zur theologischen Kontroverse im Umfeld einer Konversion bei Maissen, Konvertit, in: SZRKG 52, 1958, 281 – 302.

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setzung und Differenzierung,68 allerdings kamen diese geistig-­theologischen Auseinandersetzungen zwischen Konfessionsangehörigen in der frühneuzeitlichen Schweiz nicht allzu häufig vor.69 Kontroverspredigten in der Grafschaft Baden – wie etwa die bekannte Controvers- oder Glaubens-­Streit-­Predig, die 1718 in Zurzach gehalten und drei Jahre später gedruckt wurde – waren dementsprechend neue Formen des öffentlichen konfessionellen Streitgesprächs, die erst dann legal wurden, als sich die Herrschaftsverhältnisse in diesem Territorium im 18. Jahrhundert zugunsten der drei reformierten Orte Zürich, Bern und Evangelisch Glarus änderten und die rechtlichen Bedingungen des Zweiten und Dritten Landfrieden in diesem Gebiet ihre Gültigkeit verloren.70 In der Grafschaft Baden spielte die Predigt als Mittel zur konfessionellen Differenzmarkierung im Prozess der Konfessionalisierung in der „frühen“ Frühen Neuzeit somit nur eine untergeordnete Rolle. Bis 1712 waren die Grenzen des Sagbaren in diesem Territorium eng gezogen. Die eidgenössische Elite ließ auf gemeindlicher Ebene kaum Raum für theologische Abgrenzungsbemühungen und effektvolle Inszenierungen einer konfessionellen Andersartigkeit. Als erstes Fazit lässt sich konstatieren, dass die politischen Zuschreibungsprozesse des 16. und 17. Jahrhunderts aus dem Delikt des „schmützen“ und „schmächen“ eine politische Handlung machten, die jedwede Form der theologischen Auseinandersetzung, der Kontroverse und des Disputs inkriminierte und die aufgrund ihrer Konzeption überwiegend in Geistlichen die potentiellen „Täter“ erkannte. Dies ist auch der Grund, warum im Folgenden zunächst die Geistlichen, ihre Sprechsituation und die Rezeptionsprozesse genauer betrachtet werden. 68 Vgl. etwa Klaiber (Hg.), Kontroverstheologen, 1978. 69 So schrieb der Luzerner Jesuit Laurentius Forer (1580 – 1659) ein fünfbändiges Werk mit dem Titel Colloquium oder Gespräch zwischen einem Catholischen Bidermann und eine, genannt Reformierten Haechlenmann und widmete sich Band für Band einer von den Reformatoren bestrittenen Lehre. Seine Kontrahenten waren die Zürcher Theologen Johannes Wirz (1591 – 1658) und Heinrich Hottinger (1620 – 1667). Im 17. Jahrhundert verfasste der Zürcher Johann Heinrich Heidegger (1633 – 1698) eine vernichtende Kritik des tridentinischen Konzilsprojekts mit dem Titel Tumulus Tridentini concilii. Zur Kontroverstheologie allgemein vgl. Pfister, Schweiz, in: Geiger (Hg.), Gottesreich, 1969, 289 – 309 und zur katholischen Kontroverstheologie in der Eidgenossenschaft, ders., Kirchengeschichte, Bd. 2, 1974, 459 – 467. 70 Controvers- oder Glaubens-­Streit-­predig/In dem berühmten Schweizerischen Flecken Zur­ zach […] Oster-­Dinstag den 19. April Anno 1718 auff offentlichem Platz / und under freyem himmel Von Erhardo Getruckt zu Constanz / Bey Leonhard Parens / hochfürstl. Bischöffl. Hof= Buchtrucker 1721. Vgl. ebenfalls StAAG AA 2826/10 Varia (Kontrovers­ predigt).

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4.3 Geistliche und ihe Predigten: Zur Habituskontrolle der Sprechenden Die Predigten der Geistlichen standen seit dem Abschied vom Dezember 1532 unter besonderer Aufmerksamkeit der eidgenössischen Zuhörerschaft. Wie die politischen Zuschreibungsprozesse verdeutlicht haben, wurden die Worte der Geistlichen von Dritten durchaus auch anders ausgelegt, als diese sie verstanden haben wollten. Damit rückt das Problem der Kommunikation zwischen Sprechenden und Zuhörenden ins Zentrum. Dazu zählen die verschiedenen Ausdrucksformen der Prediger ebenso wie die Rezeptionsprozesse der Zuhörenden. Zentral ist bei alldem die Frage, welchen Predigttext der Geistliche – und in welcher Form! – seinem Publikum zumutete. Bei diesem Kommunikationsprozess wurde der Predigt von der historischen Forschung eine „mediale Sonderstellung“ zwischen „Mündlichkeit, Bildlichkeit und Schriftlichkeit“ bescheinigt.71 Dies bedeutet, dass der überlieferte schriftliche Predigttext keinesfalls bindend sein musste, sondern im Vortrag interpretiert und ausgestaltet werden konnte. Damit war die Predigt mehr als nur ein verlesener Text, denn sie basierte auf der verbalen Ausgestaltung und Betonung einzelner sprachlicher Elemente ebenso wie auf der Gestik, der Emphase und nonverbalen Zeichen, wie etwa „Erregung oder Müdigkeit“.72 Zudem hatten Predigten verschiedene Funktionskontexte. Lesepredigten waren zum Vorlesen im Konvent bei Tisch oder für das erbauliche Lesen in der Zelle bestimmt, Kirchenpredigten richteten sich hingegen an eine Zuhörerschaft und inszenierten den schriftlichen Predigttext im Kirchenraum und nahmen wohl auch auf diesen Bezug. Die Forschung spricht in diesem Zusammenhang von einer Reoralisierung des schriftlichen Textes, einem Originaltext, der im Kirchenraum zum „preaching event“ wurde.73 Die Predigt als ein performatives Ereignis betont den gestalterischen Aspekt des Predigens und fokussiert auf die intendierte Rezipientenreaktion. Selbst visuelle Momente begleiteten die vorgetragene Predigt, die mit „illustrativen Beispielerzählungen“ und dem Einsatz „rhetorischer Bilder und Bildkomplexe“ belebt wurde.74 Die historische Forschung geht davon aus, dass Zuhörer die Bildrhetorik verfolgten und eigene Bilder von den Inhalten der Predigt vor dem inneren Auge imaginierten.75 Predigen ist damit ein im hohen Maß performatives und 71 Wetzel/Flückiger, Einleitung, in: dies. (Hg.), Predigt, 2010, 13 – 23, hier 13. 72 Ebenda, hier 14. 73 Ebenda, 14 – 15. 74 Ebenda, 17. 75 Hamburger/Bouché (Hg.), Mind’s Eye, 2006. Sprache ist damit in gewissem Maß auch ein Bildmedium, vgl. Wetzel/Flückiger, Einleitung, in: dies. (Hg.), Predigt, 2010, 13 – 23,

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kommunikatives Ereignis, das von dem Geistlichen gestaltet und gelenkt, aber nicht gänzlich kontrolliert werden konnte. Die Predigt führte daher zu einem gewissen Grad ein „kommunikatives Eigenleben“.76 Um dieser Vieldeutigkeit der Predigten zumindest in Teilen zu begegnen, wurden seit dem Spätmittelalter verschiedene Maßnahmen ergriffen, die auf eine Gewährleistung der Predigtdisziplin durch eine „verstärkte Habitualisierung und Habituskontrolle der Prediger“ zielten.77 Für den Zuhörer und die Zuhörerin war die Interpretation der Zeichen des Körpers ein vielschichtiger und schwieriger Akt, da die Körpersprache auf „mehreren Ausdrucks- und Bedeutungsebenen“ wirkte.78 Gesten und Gebärden transportierten für die Menschen der Vormoderne einen Zugang zur Seele, der uns heute verborgen ist – Michael Baxandall wies auf die „enge Verbindung zwischen der Bewegung des Körpers und der Bewegung der Seele oder des Gemüts“ hin, weshalb es die Gebärden der Geistlichen waren, die zur Zielscheibe der Normierungen wurden.79 Zugleich galt es in Anlehnung an die antike Tradition, die Stimme, die Gesten und den Gesichtsausdruck in Übereinstimmung zu bringen und Zeichen und Bezeichnendes in einen eindeutigen Zusammenhang zu rücken.80 Dennoch blieb das Predigen, wie Norbert Schindler betont, ein „vieldeutiger und insofern riskanter Akt“, der zahllosen potentiellen Missverständnissen ausgeliefert war.81 Ein Weg, der Vieldeutigkeit der Predigten und den gestischen Ausdrucksmitteln zu begegnen, bestand darin, die Körpersprache zu standardisieren und auf einen Kanon „einfach-­eindeutiger Grundgesten“ zu beschränken.82 An erster Stelle stand bei diesem Tugendkanon die modestia, die schon Thomas von Aquin als Mittel galt, um die Predigerwürde zu wahren. Damit formulierte der mittelalterliche Gelehrte weniger die Bescheidenheit als die Ausgewogenheit des Predigtstils als Ideal. „Gebärden“, schreibt Thomas von Aquin, „sind keine zum Lachen reizenden Angelegenaheiten; sie werden nämlich gemacht, um etwas zu vergegenwärtigen“.83 Aus dem Zeichencharakter der Gebärden folgte, dass ritualisierte Körperhaltungen und „liturgische Gebärden“ heilsgeschichtliche

hier 16. 76 Schindler, Prinzipien, in: HA 1, 1993, 359 – 393, hier 362. 77 Ebenda. 78 Ebenda, 363. 79 Baxandall, Wirklichkeit, 1987, 75. 80 Schmitt, Logik, 1992, 265. 81 Schindler, Prinzipien, in: HA 1, 1993, 359 – 393, hier 363. 82 Ebenda, 364. 83 Zit. in: Schreiner, Metaphorik, in: Ragotzky/Wenzel (Hg.), Repräsentationen, 1990, 89 – 132, hier 89.

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Sachverhalte zu vergegenwärtigen vermochten: Breitete der Priester die Arme aus, erinnerte der Geistliche an den am Kreuz hängenden Christus, faltete er die Hände und neigte das Haupt, wollte er „Demut und Gehorsam gegenüber dem erhöhten Christus zum Ausdruck bringen“.84 Daher sollten Prediger keine überzogene Gestik und Mimik pflegen, allerdings auch nicht übertrieben steif und reglos auf der Kanzel stehen, sondern eine effiziente Affekt- und Körperkontrolle beherrschen, die hastige und abrupte Bewegungen mied, aber die Prediger maß- und effektvoll ihre göttliche Botschaft in Szene setzen ließ.85 Das Repertoire der Gestik sollte gezielt eingesetzt werden. „[W]enn Du von etwas Feierlichem sprichst, stehe aufrecht und mit geringer Bewegung deines Körpers, aber weise mit dem Zeigefinger darauf hin“. „Und wenn Du von himmlischen oder göttlichen Dingen sprichst, schaue hoch und weise mit dem Finger zum Himmel“, instruierte zu Beginn des 16. Jahrhunderts der Mirror of the World in seiner dritten Auflage.86 Auch die Stimme hatte sich den Inhalten der Predigt anzupassen und dem Alter des Predigers gemäß zu sein.87 Dieser Prozess der Kontrolle von Gestik und Affekten wurde in der konfessionellen Ära fortgesetzt.88 Inwieweit die Predigtlehren in den alltäglichen Predigten übernommen wurden, ist aufgrund der spärlichen Quellen kaum zu beantworten.89 Noch schwie 84 Ebenda, hier 89 – 90. 85 Schmitt, Logik, 1992, 267 und Schindler, Prinzipien, in: HA 1, 1993, 359 – 393, hier 364. 86 Zit. in: Baxandall, Wirklichkeit, 1987, 82. „Daß diese Politik der Gebärdenstandardisierung und Affektvereinheitlichung, […], bereits im ausgehenden Mittelalter in einem nicht zu überschätzenden Ausmaß popularisierbar war, davon zeugen schon die ebenso bekannten wie erstaunlichen Erfolge fremdsprachiger Bußprediger, die ihr Publikum offenbar in erster Linie durch Gestus und Ausdruck ihrer Ausführungen zu beeindrucken vermochten“, Schindler, Prinzipien, in: HA 1, 1993, 359 – 393, hier 364. 87 So empfahl etwa Rudolph Graser 1768/1769 in seiner Predigtlehre, die Stimme dem Predigtstil anzupassen. „Nicht zu hoch, niemals zu laut! Es ist ein zartes Ding umb das Menschlich Gehör“, zit. nach: Herzog, Wohlredenheit, 1991, 304. 88 Herzog, Wohlredenheit, 1991, 302 – 311 und Zedler, Universal-­Lexikon, Art. Predigerkunst, Bd. 29, 1961 [1741], Sp. 246 – 266. Zur Entstehung der konfessionalisierten Überzeugungs- und Bekehrungspredigt, vgl. McGinness, Ideals, in: SCJ 11, 1980, 109 – 127. 89 Über den Predigtstil in Zürich urteilt Bloesch, Geschichte, Bd.1, 1898, 271: In Zürich bestand der Gottesdienst im frühen 16. Jahrhundert „fast ausschliesslich aus der Predigt und diese wieder aus einer nüchternen und, wenn auch eifrigen, so doch äussert kunstlosen und mitunter auch recht pedantischen Erklärung des Schrifttextes“. Im 17. Jahrhundert wurde die Predigt gelehrter, mit lateinischen und griechischen Zitaten versehen, zugleich wurde sie auch „trivaler moralisierend, mit Donnergepolter über die Laster der Welt“, ebenda, 431. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommt Markus Schär. Der nüchterne Predigtstil der Reformatoren wich im 17. Jahrhundert den wortgewaltigen Zürcher Pfarrern, die mit Donnerstimme von der Kanzel herab predigten und

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riger wird es, wenn wir uns den komplexen Rezeptionsprozessen zuwenden, um in Erfahrung zu bringen, wie die Predigten in der Frühen Neuzeit von der dörflichen Bevölkerung verstanden und aufgenommen wurden – als gestaltetes Ereignis und als eine medial vielschichtige Performanz; zum einen, weil hierfür die Quellen fehlen, die diesen komplexen Kommunikationsprozess von der Seite der Rezipienten beleuchten und damit die Nahtstelle zwischen der schriftlichen, visuellen und mündlichen Kultur, zwischen Geistlichen und Laien erhellen; zum anderen, weil wir generell noch sehr wenig über die Bedeutung wissen, die Laien den Predigten zumaßen, worauf u. a. der Historiker Rainer Wohlfeil hinwies: „Zwischen neugierigem Zuhören, vielfach belegter Forderung nach dem ‚Hören von Gottes Wort‘ und verinnerlichter Rezeption klafft eine Spanne, zu deren Ausfüllung die Quellen wenig Materialien überliefern.“90 Predigtstörungen in der hitzigen Phase des Reformationsgeschehens weisen darauf hin, dass die Störungen auf „die strittigen Punkte der verschiedenen Lehrmeinungen“ zielten.91 Da Predigten ihr Publikum zur Widerrede reizten, zeigen sie die Grenzen der intendierten Rezeptionsprozesse auf und betonen die Reibungsflächen und damit die Eigenständigkeit des Rezeptionsprozesses. Predigen war somit ein Kommunikationsprozess zwischen dem Geistlichem und seinem Laienpublikum, der auch die Widerrede mit einschloss.92 Kirchen waren somit „Orte der Kommunikation“.93 Diese Orte der Kommunikation sollen im Folgenden näher betrachtet werden, indem die Wortbotschaften, die Sprecherintentionen und, soweit möglich,

mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln einen „Kampf um Christianisierung der Landschaft“ führten, vgl. Schär, Seelennöte, 1985, 166 – 184. Dieser sehr einseitigen Sichtweisen der Funktion der Geistlichen muss sicherlich kritisch begegnet werden. Die neuere Forschung zeichnet ein differenziertes Bild der Aufgaben und Funktionen der Pfarrer, vgl. etwa Heiligensetzer, Kirchendiener, 2006, insbesondere 179 ff. und vor ihm Gugerli, Pfrund, 1988. 90 Daher, so Rainer Wohlfeil, werden „Aussagen über Aufnahme und überzeugte Aneignung reformatorischer Lehren […] historiographisch meist aus späteren Fakten abgeleitet“; Wohlfeil, Öffentlichkeit, in: Grenzmann (Hg.), Laienbildung, 1984, 41 – 52, hier 48. Ich danke Jan-­Friedrich Mißfelder für den bibliographischen Hinweis. 91 Schindler, Prinzipien, in: HA 1, 1993, 359 – 393, hier 365 – 366. Zur Predigtstörung vgl. ebenfalls Rublack, Predigtstörung, in: ders. (Hg.), Nonne, 1991, 32 – 36 sowie Fast, Reformation, in: Goertz (Hg.), Täufertum, 1975, 79 – 110. Zum Problem der Schriftinterpretation – der Umsetzung der reformatorischen sola-­scriptura-­Parolen – durch den gemeinen Mann vgl. Snyder, Word, in: ARG 81, 1990, 263 – 284. 92 Vgl. Rublack, Predigtstörung, in: ders. (Hg.), Nonne, 1991, 32 – 36, hier 36 sowie Rublack, Lutherische Predigt, in: ders. (Hg.), Konfessionalisierung, 1992, 344 – 395, hier 381 – 382. 93 Vgl. Roeck, Stadt, Bd. 1, 1989, 379.

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die Handlungskontexte reformierter und katholischer Geistlicher aufgezeigt werden. Anhand ausgewählter Predigten, in denen die differierenden theologischen Lehrmeinungen der jeweils anderen Religion sowie differierende religiöse Rituale zur Sprache kamen, möchte ich die Verfahren der Produktion von konfessioneller Andersartigkeit verdeutlichen. Die katholischen Geistlichen richteten ihre spottenden Äußerungen zudem vielfach an den Reformatoren selbst aus. Manchmal geschah dies über Umwege, denen ich folge, um der Logik zeitgenössischer Sprechhandlungen gerecht zu werden. 4.3.1 Theologische Wahrheiten und bissige Worte: Reformierte Predigten Bei dem folgenden Beispiel des Jakob Appenzeller, der am Ostermontag 1534 in Birmenstorf eine Kanzelrede hielt, die für große Aufmerksamkeit unter dem Kirchenvolk und den regierenden Orten sorgte, ist es auf der Grundlage des überlieferten Quellenmaterials möglich, die verschiedenen Sprechakte (Predigt, Zuhörende, regierende Orte) zu rekonstruieren. Damit lassen sich die vielschichtigen Rezeptions- und Auslegungsprozesse zur Darstellung bringen, die einer kontroversen Kanzelrede folgten. Im Folgenden wird dementsprechend einer nur äußerst selten überlieferten populären Predigtrezeption des 16. Jahrhunderts besonderer Raum zugemessen. Als Jakob Appenzeller, der Prediger der reformierten Gemeinden von Gebens­ torf und Birmenstorf, am Ostermontag 1534 die Kanzel betrat, konnte er vielleicht bereits ahnen, dass seine Ostermontagspredigt für Aufruhr sorgen würde. Dem liturgischen Kalender gemäß predigte er von der Abendmahlslehre, also über ein höchst brisantes und zwischen den verschiedenen Konfessionen kontrovers diskutiertes Thema. Für katholische Geistliche und Gläubige war der Leib Christi in der eucharistischen Messe präsent und legte auf wundersame Weise Zeugnis von der überirdischen Macht ab, indem Wein und Brot in lebendige Körperlichkeit verwandelt wurden. Das Erlebnis der Transformation und nicht die Einnahme der Hostie in der Gemeinschaft wurde seit dem Spätmittelalter zum zentralen Ereignis der katholischen Messe.94 Luther lehnte zwar den Gedanken der Transsubstantiation und des katholischen Opfergedankens ab, hielt aber an der realen Gegenwart, der Realpräsenz von Leib und Blut Christi im Abendmahl fest – auch für Luther war das Abendmahl ein Sakrament. Für den Schweizer Reformator Zwingli war das Abendmahl ein reines Gedächtnismahl,

94 Nach den katholischen Reformen durch das Konzil von Trient wurde der Eucharistiekult derart populär, dass er andere Formen der Frömmigkeit verdrängte, vgl. Muir, Ritual, 1997, 67 und 206.

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mit Hilfe dessen sich die Gläubigen an die Passion Christi erinnern sollten. Die reale Gegenwart Christi im Abendmahlssakrament leugnete Zwingli, für den das Sakrament als signum nur Gottes Heilshandeln bezeugte, aber keine Gnade vermittelte.95 Diese unterschiedlichen theologischen Lehrmeinungen zum Verständnis des Abendmahls waren Gegenstand von Appenzellers Predigt, ohne dass sie eine Störung des Predigtvortrags provoziert hätten. Unter dem reformierten Laienpublikum befand sich mit dem katholischen Untervogt Hans Widmer ein uns namentlich bekannter Katholik im Kirchenraum.96 Da die katholische Gemeinde in den Anfangsjahren nach Friedensschluss noch über keinen eigenen Messpriester verfügte, ist zu vermuten, dass sich noch weitere Katholiken zum reformierten Gottesdienst eingefunden hatten.97 Saßen andersgläubige Laien als der predigende Geistliche unter den Zuhörern, dann erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Inhalte der Predigt den Kirchenraum verließen und zum Gegenstand gesellschaftlicher Zuschreibungsprozesse avancierten – Anzeigen wurden durchweg von Angehörigen der jeweils anderen Konfession gemacht. Über Appenzellers Ostermontagspredigt wurde der katholische Landvogt in Baden dementsprechend schnell vom katholischen Untervogt Widmer und „ettliche[n] widerspennigen des Evangelions vnd kilchgnossen daselbst“98 in Kenntnis gesetzt, wie es in der Formulierung aus reformierter Feder heißt. Schon am darauffolgenden Sonntag wurde Appenzeller „vf frÿer strassen freventlich angefallen“ – wie er in seiner Verteidigung anklagend formulierte – und ins Gefängnis nach Baden geführt.99 Dreizehn Dorfbewohner, die Appenzellers Predigt beigewohnt hatten, wurden von den acht regierenden Orten auf 95 An der Frage der Realpräsenz zerbrach die Einheit des Protestantismus im Abendmahlsstreit zwischen Luther und Zwingli (1525 – 1529). An dem dogmatischen Gegensatz der deutschsprachigen Reformatoren scheiterte auch das Marburger Religionsgespräch (1529). Vgl. dazu Bizer, Studien, 1972 sowie, kurz und bündig, Ganzer, Lexikon, 2002, Sp. 2 – 5. 96 StABE A IV 30 (FF), fol. 19: „hanns widmer vndervogt zu Birmenstorff hat bezüget wie er vff der ostermontag an der predigt gwesen“. Die Untervögte der Grafschaft Baden waren bis 1712 ausschließlich katholisch, erst dann wurde dieses Amt alternierend an reformierte und katholische Amtsträger vergeben, vgl. Kap. 2: Konfession und Kommunikation. 97 Bis 1529 war die Stelle des katholischen Priesters besetzt. Max Rudolf geht davon aus, dass Bern kraft seines königsfeldischen Kollaturrechts die Stelle im Winter 1530/1531 durch einen Prädikanten ersetzte, vgl. Rudolf, Geschichte, 1991, 172. 98 Diese Formulierung legt nahe, dass Widmer nicht der einzige katholische Zuhörer von Appenzellers Ostermontagspredigt war. 99 StABE A IV 30 (FF), fol. 23.

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der Tagsatzung verhört. Diese eidgenössische politische Elite übernahm damit bei Landfriedensbrüchen strafrechtliche Funktionen, der Gesandtenkongress wurde zum Gerichtsgremium. Über das gerichtliche Verfahren auf den Tagsatzungen ist wenig bekannt.100 Es ist davon auszugehen, dass die Zeugen einzeln verhört wurden. Wer die Zeugenverhöre führte, ist ungeklärt, aber es ist zu vermuten, dass der Landvogt in Baden diese Funktion übernahm. Die Verhöre wurden in Anwesenheit der Gesandten der eidgenössischen Regenten geführt und in den Verhörprotokollen, den Kundschaften, festgehalten.101 Frauen waren in der Frühen Neuzeit durchaus als Zeugen im Gericht zugelassen, dennoch waren in diesem konkreten Fall nur Männer geladen.102 Eine Woche nach gehörter Predigt mussten sie vor der eidgenössischen politischen Elite zu Protokoll geben, was der Geistliche Appenzeller gepredigt hatte.103 Die Erinnerung der Zeugen wurde dabei durch Fragen nach den inkriminierten Passagen der Predigt gelenkt, was sich durch die Antworten der Zeugen in der Kundschaft deduzieren lässt. Die Aussagen kreisten allesamt um die Kernelemente der Predigt und damit auch um strittige theologische Lehrmeinungen. Der Katholik Hans Widmer war der erste Zeuge. Seine Aussage war die ausführlichste und enthielt die meisten Details, zudem war er einer der wenigen Zeugen, bei dem die Konfessionszugehörigkeit bekannt ist. Da Widmer die Verhaftung des Predigers initiiert hatte, konnte der Untervogt sicher sein, dass er als Zeuge geladen werden würde. Er konnte sich dementsprechend vorbereiten und sich die einzelnen Passagen der Predigt ins Gedächtnis rufen. Wie seine Aussage belegt, geschah das Memorieren bei ihm, wie auch bei den anderen Zeugen, auf eine sehr präzise Art und Weise. Er gab ausgesuchte Themen der Predigt nicht in einer Synthese wieder, sondern hatte sich einzelne Wortgruppen eingeprägt. Der Untervogt begann seine Zeugenaussage über den Predigtinhalt Appenzellers mit folgenden Worten:

100 In der entsprechenden Forschungsliteratur finden sich zwar Hinweise auf eine solche „gerichtliche“ Funktion der Tagsatzung, doch werden die Verfahren dieser Rechtsfälle nicht weiter diskutiert, vgl. Oechsli, Benennung, in: JSG 41/42, 1916, 51 – 230/87 – 258, hier 94 (Erster Teil) sowie Bütikofer, Funktion, in: ZHF 13, 1986, 15 – 41, hier 26. 101 Zur Quellenkritik der Kundschaften verweise ich auf Loetz, Gott, 2002, 96 – 109. Wie ergiebig Zeugenverhörprotokolle als mentalitätsgeschichtliche Quelle sind, zeigt der Band von Schulze/Fuchs (Hg.), Wahrheit, 2002. 102 Schnabel-­Schüle, Frauen, in: Gerhardt (Hg.), Frauen, 1997, 185 – 198, hier 190 – 193. 103 Zur Frage wie Erinnerung, Gedächtnis und Überlieferung funktionieren vgl. Fried, Schleier, 2004, der Quellenkritik mit Hilfe der Erkenntnis von Kognitions- und Neurowissenschaft betreibt.

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vnder anderen wortten [hat der Prediger] geredt sÿ söllent mit den vff der wÿder parthÿ auch mit den spilern fressern trinckern hürerer kein gmeinschaft haben / dann alls die vff den altar glouben vereinten sÿ fräsen unseren herrgott mit fleisch mit blut mit bein / wie er am krütz gehanget das were nit.104

Auffällig ist, dass sich Hans Widmer darum bemüht, die genauen Worte wiederzugeben, die auch der Prediger Appenzeller gewählt hatte. Diese Vermutung wird durch die Tatsache gestützt, dass auch andere Zeugen die gleiche Formulierung erinnerten. Dies trifft auch auf die Worte über das Abendmahl zu, denn Widmer gab mit seiner Formulierung „sy fräsen unseren herrgott mit fleisch mit blut mit bein“ eine in der Frühen Neuzeit durchaus verbreitete pejorative Lesart der katholischen Transsubstantiationslehre als christlichen Kannibalismus zu Protokoll.105 Die Gedächtnisleitung von einfachen Leuten war „offensichtlich mit dem wortwörtlichen Memorieren des Gesagten identisch“.106 Des Weiteren erinnerte Widmer, dass Appenzeller von Kühen gepredigt hatte, die für die sieben fetten und sieben mageren Jahre stünden; Widmer hatte sich nicht nur die genauen Worte, sondern sich auch die Bedeutung der Predigtworte als Gleichnis („beduttnus“) gemerkt. Zwei weitere Zeugen, deren Konfessionszugehörigkeit nicht bekannt ist, schlossen sich der Zeugenaussage Hans Widmers an, ohne eine eigene Erinnerung zu formulieren. Hans Schriber hatte sich vor allem die Passage des Abendmahls eingeprägt, aber es war der Zeuge Hans Zander, der das von Widmer erwähnte Gleichnis vervollständigen konnte: Er nannte neben den sieben Kühen auch die sieben Ähren, von denen Appenzeller gepredigt hatte. Zudem erinnerte er als Einziger, dass es sich hierbei um den Traum handelte, den einer gehabt hatte und der von einem anderen gedeutet worden war – wer diese Personen waren, gab Zander nicht zu Protokoll. Seiner Erinnerung gemäß wandte sich Appenzeller im Anschluss einem Kapitel aus den Korinthern und der Mahnung zu, mit „hürern […] und die wider got handle“, aber auch mit denen von der „wÿderparthey“ keine Gemeinschaft zu pflegen.107 Die Worte, die anlässlich des Abendmahls gesprochen wurden, hatte Hans Zander nicht memoriert, zumindest machte er zur Abendmahlsliturgie und ihrer Bedeutung keine Zeugenaussage. Der Zeuge Hans von Mundtwyl, dessen Konfessionszugehörigkeit ebenfalls unerwähnt bleibt, konnte präzisieren,

104 StABE A IV 30 (FF), fol. 19. 105 Vgl. die Diskussion weiter unten. 106 Schindler, Prinzipien, in: HA 1, 1993, 359 – 393, hier 372. 107 Dies könnte ein Verweis auf den ersten Brief an die Korinther sein, in dem Paulus vor der Unzucht und sexuellen Verfehlungen warnte (1 Korinther, 6, 12 – 20).

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dass der Prädikant „die herren Eiydtgnossen“ genannt hatte, als es um das Verbot des Spielens, Hurens und Trinkens gegangen war und der Prediger damit vermutlich auf ein obrigkeitliches Mandat verwiesen hatte, als er die Gläubigen seiner Gemeinde ermahnt hatte, einen christlichen Lebensstil zu führen.108 Des Weiteren erinnerte sich Hans von Mundtwyl daran, dass der Traum von den sieben mageren und fetten Kühen und Ähren von einem Propheten ausgelegt worden sei – seine Erinnerung an die Predigtworte war detailliert, denn es war Appenzeller selbst, der die Personen des Träumers und des Traumdeuters in seiner Predigt vertauscht hatte, wie wir noch sehen werden. Mundtwyls Gedächtnisleistung war beeindruckend, denn er konnte zudem präzisieren, dass die sieben fetten sieben gute und die sieben mageren sieben böse Jahre bedeuteten. Der folgende Zeuge Grasthalter erinnerte vor allem die Worte, die der Geistliche über die Abendmahlslehre im Mund geführt hatte. Christus habe zu seinen zwölf Jüngern gesagt, „[sehet] hin / das ist min lib […] wie Jetz die widerparthey sy essent unseren hergot mit bein mit fleisch und blut“. An das Gleichnis der sieben fetten und mageren Jahre erinnerte er sich ebenso wie abschließend daran, dass der Prediger „zu lest [gepredigt habe, D. H.] man sölte mit den vff der widerparthey kein gmeinschaft han nit mit Inen essen trincken spillen huren sunder sich [von] Inen sundern“.109 Er verband damit die Mahnung nach einer christlichen Lebensführung mit der Aufforderung, mit katholischen Gläubigen keine Gemeinschaft zu pflegen. Ein gewisser Hans Blum begann seine Zeugenaussage mit dem Kuhgleichnis, das seiner Aussage zufolge auch den Anfang der Predigt markierte: [U]nnd danach gsagt von des herren nachtmahl / wie der herr zu sinen jungeren geredt / alls er das brott brochen […] das ist min lib der für vil geben wurdt / und gebe Inen das tranck vnnd redte das ist min blut das für vil vergossen.110

Der zehnte Zeuge, Hans Schmid, sagte von der Substanz her sehr ähnlich wie Hans Blum aus, nur fasste er sich kürzer – sowohl was das Gleichnis als auch was die Bedeutung des Abendmahls betraf. Auffällig an der wortwörtlich protokollierten Rede des Zeugen Schmid ist, dass er als Einziger eine Interpretation wagte, nämlich: „also bedutte das brot und der wyn den er uns gebe auch den lib und blut Christi“.111 Hans Frey, der letzte Zeuge, leistete abschließend eine 108 Und ggf. hatte Jakob Appenzeller dies mit einer Lesung aus dem ersten Brief an die Korinther biblisch untermauert. 109 StABE A IV 30 (FF), fol. 21. 110 Ebenda. 111 Ebenda, fol. 22.

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nicht unbedeutende Präzisionsleistung, indem er ein weiteres Abendmahlsverständnis erwähnte. Er meinte sich zu erinnern, dass der Prediger gesagt habe „sy mogent unseren hergot nit mit fleisch bein und blut essen sundar geistlich müsse es verstanden werden“.112 Wie lassen sich die Zeugenaussagen interpretieren? Nicht einzeln genommen, sondern nur im Vergleich entfalten sie ihr heuristisches Potential. Nur im Vergleich wird deutlich, dass die protokollierten Zeugenaussagen eine verblüffende Übereinstimmung aufweisen. Zwar erinnerten nicht alle Zeugen die Predigt mit der gleichen Präzision, doch im Kern stimmen die Zeugenaussagen überein. Mit ihnen lassen sich die drei Hauptthemen der Ostermontagspredigt Appenzellers rekonstruieren: Von der Kanzel herab hatte der Prediger wohl zu Beginn seiner Predigt von den Träumen des Pharaos gesprochen, wie sie in Genesis 41, 1 – 8 von den sieben fetten Kühen und Ähren und den sieben mageren Kühen und Ähren überliefert sind. In seinem Predigtvortrag hatte der reformierte Pfarrer dabei die Bedeutung der Träume als Gleichnis betont. Zweitens kam der Pfarrer Appenzeller auf das Abendmahl zu sprechen, die strittigste Passage seiner Predigt. Diese unter Theologen kontrovers diskutierte Lehrmeinung führte interessanterweise auch zu unterschiedlichen Gedächtnisleistungen bei den Zeugen. Die Mehrzahl der Zeugen, deren Konfessionszugehörigkeit nur im Fall Hans Widmers bekannt ist, gaben zu Protokoll, dass Jakob Appenzeller sich in seiner Predigt abwertend zum katholischen Abendmahlsverständnis geäußert habe – seine Predigt wurde als ein Sprechakt rezipiert, der durch ein negatives Werturteil ein zentrales Dogma der katholischen Kirche in Frage gestellt und damit zugleich auf die unterschiedlichen Dogmenverständnisse der christlichen Kirchen hingewiesen hatte. Mehrere Zeugen hatten in diesem Zusammenhang zu Protokoll geben, Appenzeller habe sich abschätzig über das katholische Transsubstantiationsverständnis geäußert und mit seinen Predigtworten den Vorwurf des christlichen Kannibalismus formuliert.113 Lediglich ein Zeuge, Hans Frey, betonte, Appenzeller habe gepredigt, die Abendmahlslehre müsse als „geistig“ verstanden werden. Diese Zeugenaussagen müssen nicht unbedingt als Widerspruch gelesen, sondern können als ergänzende Zeugenaussagen verstanden werden. Freys Gedächtnis zufolge hatte sich Appenzeller auf das Abendmahlsverständnis der Reformierten bezogen, als er die rein symbolisch-­signifikative Bedeutung des Abendmahls als Gedächtnismahl erwähnt und die reale Gegen-

112 Ebenda. 113 Zum christlichen Kannibalismus vgl. die Diskussion bei Kilgour, Communion, 1990, 79 – 85 sowie Villas Bôas, Anatomy, in: Studies in Travel Writing 12, 2008, 7 – 27. Ich danke Ulrike Strasser für diese bibliographischen Hinweise.

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wart der menschlichen Natur Christi im Sakrament geleugnet hatte.114 Drittens erinnerte ein Großteil der Zeugen die Mahnung des Predigers, einen christlichen Lebensstil zu pflegen, nicht zu spielen, saufen, fressen und zu huren. In zwei Zeugenaussagen wurde diese Mahnung mit der Aufforderung des Geistlichen verbunden, sich von katholischen Gläubigen fernzuhalten, fast als seien diese Sünden unter den Katholiken besonders verbreitet. Diese Dorfbewohner hatten die Predigt Appenzellers zudem als ein Mittel interpretiert, das die Segregation der Konfessionsgemeinschaften fördern solle. Zu den gegen ihn formulierten Vorwürfen nahm Jakob Appenzeller ausführlich Stellung. Seine Verteidigung ist im Anschluss an die dreizehn Zeugenaussagen im Berner Abschiedsbuch verwahrt. Wie die Zeugen vor ihm, so machte auch Appenzeller seine Aussage vor den Gesandten der acht regierenden Orte, nachdem diese ihm die „artiklen“ verlesen hatten – entweder waren hiermit die Artikel des Landfriedens oder aber die einzelnen Punkte der Anklage gemeint.115 Hinweise auf die Verhörtechnik gibt der verzeichnete Text nicht, eher liest er sich wie ein langer Monolog, den Appenzeller hielt und der nicht durch äußere Fragen strukturiert oder in eine bestimmte Richtung gelenkt wurde. Appenzeller hatte sich offensichtlich vorbereitet, denn seine Verteidigung fiel nicht nur ausführlich, sondern auch sehr detailliert aus. So gab er etwa die konkreten Bibelstellen an, auf die er sich in seiner Predigt bezogen hatte. Damit erlauben die Quellen nicht nur die Rekonstruktion einer populären Predigtrezeption des frühen 16. Jahrhunderts, sondern ermöglichen zudem einen Vergleich mit der gehaltenen Predigt bzw. mit der Predigtversion, die Jakob Appenzeller rund eine Woche nach dem Ostermontagsgottesdienst vor den Gesandten der regierenden Orte zu Protokoll gab. Den Auftakt seiner Verteidigung machte der Gottesmann, indem er den Vorwurf des Landfriedensbruchs weit von sich wies: Ihm seien seine Worte „boslich vsgerupfft, verpert [verkehrt] vnd gefeltscht“ und dann eilends dem Landvogt von Baden überbracht worden, woraufhin dieser ihn „vff das aller vnglimplichesten verklagt als einer den Lanndtsfriden gebrochen, vnd vff vfrur gestifft“.116 Appenzeller reflektierte den gesellschaftlichen Zuschreibungsprozess, der aus seinen verbalen Äußerungen eine Sprechhandlung machte, die das Etikett des Landfriedensbruchs verdiente. Zugleich wies er das in diesem Prozess von ihm entstandene Fremdbild eines Geistlichen, der durch Wortbotschaften für Unruhe 114 LThK, Bd. 1, 1993, Sp. 39. 115 StABE A IV 30 (FF), fol. 23: „Darnach vff zinstag des XIIII Aprilis füre sine heren der acht orten […] gefört und presentiert, vnnd alda nach eröffnung der artiklen […] versprochen und verantwortet han“. 116 Ebenda.

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sorgte, von sich. Dieses Motiv – der Geistliche als Unruhestifter – wird hier das erste Mal in der Verteidigung Appenzellers artikuliert, formt aber einen wesentlichen Bestandteil dessen, worum es bei den Anschuldigen des „schmützen“ und „schmächen“ eigentlich ging: Prediger, die beleidigender Äußerungen in ihren Predigten beschuldigt wurden, widersprachen nicht nur dem Ideal vom Geistlichen als dem guten Hirten ihrer Gemeinde,117 sondern die Predigtinhalte sorgten zudem für Aufruhr und Unruhe in den bikonfessionellen Dorfgemeinschaften. Mit der Artikulation von theologischen Lehrmeinungen wurden nicht nur konfessionell eindeutige Positionen kommuniziert, sondern nicht selten auch Öl ins Feuer gegossen – man denke nur an die strittige Auslegung des Abendmahls. Neben der Wahrung der Würde des Predigtamtes standen damit die soziale Ordnung und der dörfliche Friede auf dem Spiel. Was erlaubt war und was zu weit ging, definierten die jeweils anderen – diejenigen, die solche Worte im Kirchenraum vernommen hatten, und diejenigen, die, wie der Landvogt und die regierenden Orte, über die gesprochenen Worte zu Gericht saßen. An Jakob Appenzeller war es nun, die Gesandten der regierenden Orte auf der Tagsatzung davon zu überzeugen, dass die Worte, die er für seine Predigt gewählt hatte, unschuldig und rein gewesen waren. Er tat dies, indem er seine Predigt so präzise wie möglich rekonstruierte. Vielleicht stand ihm bei seiner Gedächtnisleistung ein Predigtmanuskript zur Verfügung, wahrscheinlicher ist allerdings, dass er sich lediglich Notizen für seine Predigt gemacht hatte, Bibelstellen, die ihm helfen sollten, seine Predigt zu strukturieren und ohne große Gedächtnislücken zu Ende zu bringen – Zwingli trug seine Predigten gänzlich frei vor.118 Aber auch die Worte der Heiligen Schrift gaben Halt und Orientierung, sei es während der Predigt oder vor den Tagherren. Zudem entsprach dieses biblische Textverständnis dem Reformationsverständnis. Appenzeller gab daher an, die wesentlichen Passagen aus der Bibel vorgetragen zu haben.119 Mit dem Verlesen der Bibelstelle verfuhr Appenzeller nach dem sola-­scriptura-P ­ rinzip, dem theologischen Grundprinzip der Reformation, das die Heilige Schrift (sola scriptura), die sich selbst auslegt (sui ipsius interpres), an die Stelle der amtskirchlichen Lehrautorität setzte. Das Paschafest und der Wunsch Jesu, das Osterlamm mit seinen Jüngern zu verspeisen, bildeten das zentrale Motiv seiner Osterpredigt. Der Verweis auf weitere Bibelstellen 117 Diese biblische Metapher geht auf die Predigt von Zwingli zurück, vgl. die Diskussion weiter unten. 118 LThK, Bd. 8, 1999, Sp. 532. 119 Etwa, als es um das Abendmahl ging „so nam ich den text für mich, von dem nachtmal des heren wie es durch Lucam am 22 cap. geschrieben ist“, StABE A IV 30 (FF), fol. 23.

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war ihm das Mittel zur Interpretation seines Hauptmotivs am Osterfest. Nicht immer waren allerdings die genannten Bibelstellen und der Textinhalt seiner Predigt kongruent. Denn bei Moses, 12. Kapitel, ist vom Auszug aus Kanaan die Rede, aber nicht davon, wie Appenzeller in seiner Verteidigung angegeben habe, wie Gott dem israelischen Volk auftrug, das Osterlamm „zu rüsten“ und aus Ägypten zu ziehen. Doch an Ostern, so habe er weiter gepredigt, solle es nicht „zugan wie es by den Israelischen ist zu gan, sonder wie es Paulus lert die corinther“.120 Es folgte die Ermahnung, die ein Großteil der Zeugen memorierte und vor der Tagsatzung wiedergab: die wil sÿ also mitt einander das nachtmal des heren wellent halten, söllent sÿ sich flÿssen eins recht schaffnen christlichen lebens, vnd ir leben enderen vnd besseren, vnd nütt glych wider in die sorigen laster tretten, darinnen sÿ das gantz jar gestecket sind, als spilen, füllerÿ, zu trincken, gottlestern vnd schweren / huren […] damitt sÿ nitt schuldig werdent an dem Lÿb vnd blut des heren.121

Auch diese Mahnung, einen christlichen Lebenswandel zu pflegen, wurde durch eine biblische Lesung untermauert, nämlich durch einen der Epistel Petri. Da Appenzeller in diesem Zusammenhang auf den guten Lebenswandel zu sprechen kam, den die Gläubigen befolgen sollten, ist es sehr wahrscheinlich, dass er den „Heiligen Wandel der durch Christi Erlösten“ im Munde führte.122 Selbstverständlich diente Appenzeller das Feiern des Abendmahls nicht nur als Erinnerung an einen guten Lebenswandel, da es rein und ohne Sünde eingenommen werden sollte.123 Anlässlich der Worte „Das ist min lib, der für üch gebrochen oda geben wirt […] damitt ich mit nitt vertieffÿ“ erläuterte er die verschiedenen Auslegungen der Abendmahlslehre. Dass es sich dabei um bedeutungsschwere Worte handelte, war Appenzeller wohl bewusst. In seiner Verteidigung wies er diplomatisch darauf hin, dass

120 Worauf Jakob Appenzeller hier anspielt, ist kaum zu rekonstruieren – ggf. verwies der Prediger auf die Worte Paulus, der im ersten Brief an die Korinther vor allerlei Missständen warnte. 121 StABE A IV 30 (FF), fol. 23 – 24. 122 Sehr wahrscheinlich handelt es sich hier um Petrus 1, Heiliger Wandel der durch das Blut Christi Erlösten: „Und wisset, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem eitlen Wandel nach väterlicher Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes.“ 123 Allerdings wurden Sünder nicht von der Abendmahlsgesellschaft ausgeschlossen. Institutionelle Ahndungen kannte hingegen der calvinistische Glaube, vgl. Rublack, Reformation, 2003, 109 und 143.

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vff den hütigen tag / vil zwÿtracht / vnruw vnd vnrat in der kilchen gottes entstanden ist / Ein partÿ die haffet vff die heitere wort vnd grouben buchstaben, es seÿe da warlich […] flisch vnd blut […] Die ander party wil aber han allein den geist / vnd hatt doch ietwedry partÿ […] besondere gründ daruff sy […] ir meinung zu arhalten.124

Die unterschiedlichen Abendmahlsdogmen hatte Appenzeller in seiner Predigt erwähnt, allerdings ohne sie nach eigener Aussage zu gewichten.125 Zur Erläuterung verwies er auf zwei Gleichnisse aus dem Alten und Neuen Testament, auf Exodus 12 und Genesis 41, 1 – 8, in denen von dem Paschafest und den sieben fetten und mageren Jahren berichtet wird. Bei letzterem vertauschte Appenzeller tatsächlich Träumer und Traumdeuter, denn er nannte den Pharao als denjenigen, der den Traum deutete, und nicht als denjenigen, der ihn geträumt hatte. Es folgten zwei weitere Bibelstellen, Gleichnisse aus dem Neuen Testament.126 Der Kern seiner Verteidigung folgte im Anschluss. Denn jetzt erläuterte er sein Vorgehen wie folgt: Vnnd wie Ich also beider parteyen gründ vnd meinung anzeigt vnnd erklärt han, han ich das urteil nit wellen darüber geben welcher der styffer oder besser sÿe / auch nitt gesprochen stand da von diner meinung vnd nim die anderen an die hand […] sonder ich han das urteil an sÿ / die zuhörenden gelassen / vnd sprochen. Wolan frommen christen / Jetz habend ir gehört beder partÿ gründ vnd meinung / so urteilend Ir nun darüber wedere meinung der wahrheit am glÿchförmigesten sÿge / bÿ der selbigen mögend ir blÿben.127

Appenzeller hatte seiner Aussage zufolge lediglich die unterschiedlichen Lehrmeinungen zur Abendmahlslehre in seiner Predigt erwähnt, das Urteil darüber, 124 StABE A IV 30 (FF), fol. 24. 125 Ebenda: „Die ersten verlassent sich vff die krafft gottes. Die wil doch Gott alle ding möglich sÿend / so sÿ es auch möglich / das in krafft dieser worten / so sÿ vom priester gesprochen werdent / der […] natürlich lib christi mitt blut vnd fleisch […] da under der gstalt des brotts sÿge […]. Die wil doch Gott in krafft sines worts himel und erden geschaffen hat / desglÿchon andere grosse wunderwerck gewirckt vnd volbracht hat / als vss der Junckfrowen Maria geboren werden […] Ist durch die beschlossnen türen zu sine Jungeren in gan […]. Die anderen aber verlassint sich vff den buchstaben nitt allwegen wie er an Imselber lutet, sonder sÿ flisssent sich an ettlichen orten der art und eigenschafft der schrifft / da der buchstab ettwan von eine ding redet / das aber an Im selben nitt ist / sonder durch die Tropos andermerstendig genommen“. 126 Ebenda, fol. 25. Appenzeller nennt Lukas 8 und Matthäus 5 als Referenzen. 127 Ebenda.

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welche Lehre der Wahrheit entsprach, jedoch dem zuhörenden Kirchenvolk überlassen. Dass diese Aussage Appenzellers vor den Tagherren nicht die ganze Wahrheit dessen war, was er in der Kirche gepredigt hatte, erfahren wir von Appenzeller selbst, der präzisierte, er habe denen, die noch zweifelten und „die sach“ noch nicht verstünden, eine Deutung mit auf den Weg gegeben; und diese fiel protestantisch aus: hab ich also die selben wort vff das alhir einfaltigest erklärt / wie das sy by dem gebrochnen brott / vnd des ingeschenckte tranck sich söllent erinnern vnser arbeit selikeit wie das wir von wegen der sünden ewigklich solten von Gott verstussen vnd verdampt sin / womitt Christus Jesus darzwyschen wäre trätten, vnd hette sine lib für vns in den tod getan vnd sin blut für vns vergossen […] Das sollent wir in gedenck sin so offt wir von dem brot assent vnd von dem tranck trinckint. Denn das gebrochen brot bedüte sinen gebrochnen lib / vnd das ingeschenkt tranck das vergossen blut des herren.128

Zum Abschluss seiner Ostermontagspredigt lieferte der Gottesmann damit das reformierte Verständnis des Abendmahls als eines Gedächtnismahls, das die Gläubigen an das Opfer Christi erinnern sollte. Als Pfarrer der reformierten Gemeinden von Birmenstorf und Gebenstorf war er dem Landfrieden gemäß dazu durchaus berechtigt, denn damit praktizierte er die religiöse Ausübung seines Glaubens, wie sie ihm durch den Zweiten Landfrieden gestattet war. Allerdings wertete Appenzeller sehr wohl zwischen den theologischen Abendmahlslehren der beiden Konfessionen, auch wenn er dies in seiner Verteidigung abstritt. Mit dem Verweis auf die Gleichnisse, die den zentralen Schlüssel zu seinem Verständnis der Abendmahlslehre lieferten, vermittelte er nicht nur, was ein Gleichnis, ein „bedütnus“ sei. Implizit (und unvermeidlich) traf er zudem eine Wertaussage darüber, was richtig und was falsch war. Sein Fehler bestand dementsprechend darin, sich nicht auf die Erläuterung des reformierten Abendmahlsverständnisses allein beschränkt, sondern die theologischen Lehrmeinungen in einen konfessionellen Vergleich oder gar einen konfessionellen Wettstreit gebracht zu haben. Diese Interpretation wird durch weitere Beispiele erhärtet werden, fungiert aber bereits in diesem konkreten Fall als Erklärung dafür, warum die katholische Mehrheit der regierenden Orte zu dem Schluss kam, der Prediger habe „dem Landtfrieden zuwider gehandlet“.129

128 Ebenda. 129 EA 4/1c, 14. April 1534, 310.

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Als Konsequenz dieser politischen Etikettierung einer Predigt forderten die regierenden Orte, dass Appenzeller seine Pfrund für einen anderen Geistlichen räumen müsse. Bern wurde beauftragt, einen neuen Pfarrer zu bestellen.130 Auf der kommenden Tagsatzung kam es zu Differenzen hinsichtlich der Frage, wer eigentlich befugt sei, den Geistlichen zu entlassen: die Mehrheit der regierenden Orte oder Bern als Inhaberin der Kollaturrechte.131 Diese Divergenzen um die rechtlichen Kompetenzen wurden pragmatisch entschieden. Im September 1534 wurde auf der Tagsatzung beschlossen, dass der reformierte Geistliche bleiben dürfe, sofern er nicht weiter wider den Landfrieden predige und zudem ein Messpriester für die katholische Gemeinde bestellt werde. Appenzeller konnte bleiben, trotz einer Ostermontagspredigt, die für Aufregung gesorgt und gesellschaftliche und politische Zuschreibungsprozesse in der Dorfgemeinschaft und der eidgenössischen Tagsatzung in Gang gebracht hatte. Die politische Kommunikation über die Ostermontagspredigt Appenzellers illustriert damit drei wesentliche Elemente im Umgang mit dem Landfriedensverbot des „schmützen“ und „schmächen“. Zum einen verdeutlicht sie den Prozess der Fremdzuschreibung und dementsprechend, wie aus der Predigt eine soziale Handlung wurde, die beleidigte und daher mit dem Etikett des Landfriedenbruchs belegt wurde. Diese Zuschreibungsprozesse, an denen maßgeblich auch das Kirchenvolk als Rezipient der Predigt teilhatte, konnten aufgrund der katholischen Mehrheit auf der eidgenössischen Tagsatzung in den Jahren nach dem Zweiten Kappelerkrieg auch gegen den Widerstand einer reformierten Minderheit durchgesetzt werden. Zweitens deutet sich an, dass die Kanzel in den Gemeinen Herrschaften der Eidgenossenschaft zwar den Ort für eine christliche Unterweisung der Untertanen,132 keinesfalls aber den Ort des konfessionellen Wettstreits darstellte. Ein theologischer Disput bedeutete zwangsläufig einen wertenden Vergleich der theologischen Lehrmeinungen der beiden Konfessionen. Seit dem rechtsfortschreibenden Abschied vom Dezember 1532 verfolgten die eidgenössischen Obrigkeiten dabei die Wortäußerungen der Geistlichen besonders aufmerksam, da die Predigt ein wesentliches Medium zur Vermittlung von Glaubenswissen in der Frühen Neuzeit darstellte. Prediger 130 EA 4 1/c, Tag zu Baden, 14. April 1533, 310. 131 EA 4 1/c, Tag zu Baden, 5. Mai 1534, 321. Zwei Jahre später wurde auf dem Tag zu Baden daran erinnert, dass die Bestrafung der Messpriester und Prädikanten in den gemeinsam regierten Untertanenländern dem Landvogt in Baden zustehe, vgl. EA 4 1/c, Tag zu Baden, 26. Juni 1536, 715. 132 Zum Erfolg bzw. Misserfolg der „Christianisierung“ der Untertanen sowie zur kontroversen Forschungsliteratur vgl. den Überblick bei Ehrenpreis/Lotz-­Heumann, Reformation, 2002, 40 – 41, 44 – 45, 52, 65 und 76.

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hatten mit ihrer Vermittlerstellung zwischen Untertanen und Obrigkeit eine tragende Funktion bei der Konfessionalisierung der ländlichen und städtischen Gesellschaft. Sie waren für die Verbreitung und Verinnerlichung christlicher Werte und Normen innerhalb ihrer Gemeinde zuständig, ohne dass sie dadurch zu simplen Agenten des Staates wurden. Dazu mussten sie freilich selbst den Idealen des geistlichen Stands entsprechen.133 Von der Kanzel herab predigten sie zudem vor einem großen Publikum, was die Wahrscheinlichkeit erhöhte, dass ihre Worte auch außerhalb des Kirchenraumes erinnert und debattiert wurden. Selbst dann, wenn ihre Worte nur an einen Zuhörer gerichtet waren und den Makel des theologischen Disputs trugen, sorgten die regierenden Orte, die ihre Konfession durch die verbalen Äußerungen geschmäht sahen, dafür, dass der Geistliche durch die Tagsatzung bestraft wurde.134 Wie auch Appenzeller erfahren musste, war der interpretative Spielraum bei den Predigten von Geistlichen beschränkt. Drittens verdeutlicht die politische Kommunikation die Verfahren der gemeinsamen Regentschaft, denn die reformierten Orte waren den politischen Entscheidungen der katholischen Orte trotz Mehrheitsgrundsatz nicht widerspruchslos ausgeliefert. Bern nutzte die Verhandlungsbereitschaft, um einen politischen Kompromiss zu erwirken, der beiden konfessionellen Parteien zusagte. Appenzeller blieb, ein katholischer Messpriester kam.135 Die Verkündigung der theologischen Lehrmeinungen der katholischen und reformierten Kirchen beinhaltete demzufolge ein erhöhtes Potential für gesellschaftliche und politische Zuschreibungsprozesse, besonders dann, wenn sie auf zentrale Dogmen der Glaubensbekenntnisse zielten. In einem Fall, der rund fünfunddreißig Jahre später für Aufmerksamkeit sorgte, nutzte der Geistliche Josua Wäckerlin den interpretativen Spielraum, der sich durch die theologischen Lehrmeinungen der reformierten und katholischen Kirche bot, um sich über 133 Vgl. die Diskussion bei Schorn-­Schütte, Priest, in: CEH 33, 2000, 1 – 37 sowie die kritische Diskussion der Rolle der Geistlichkeit hinsichtlich des modernisierungshistorischen Potentials der Konfessionalisierung, dies., Konfessionalisierung, in: Bahlcke/Strohmeyer (Hg.), Konfessionalisierung, 1999, 63 – 77. Zur Rolle, die die ländlichen Pastoren Basels als „mediators of confessionalization“ spielten, vgl. Nelson Burnett, Rural Pastors, in: CHE 33, 2000, 67 – 85. David Gugerli zeichnet den „Weg von der disziplinierenden staatlichen Pfarrernorm hin zum Selbstbild einer immer autonomeren Berufsgruppe“ nach, ders., Selbstbild, in: Brändli/Gugerli/Jaun/Pfister (Hg.), Schweiz, 1990, 155 – 169, hier 156. 134 Zum „Zank über den Glauben“ zwischen dem Leutpriester von Mellingen und dem Bauer Hans Stuz von Rüti in den Bädern Badens vgl. EA 4 1/c, Tag zu Baden, 13. September 1535, 559. 135 1534 wurde dem katholischen Messpriester von den regierenden Orten ein eigener Sigrist zugesprochen, vgl. EA 4/1c, 14. April 1534.

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letztere zu mokieren. Wäckerlin, der in dem bikonfessionellen Dorf Würenlos das Predigtamt ausübte, wurde vorgeworfen, in seinen Predigten in der Simultankirche von Würenlos unter anderem über das katholische Verständnis von der wahrhaftigen und leiblichen Präsenz Jesus Christi in der Hostie gespottet zu haben: wie ettlich vermeinen, die mit dem Sacrament deß altars vmbgang, die vermeinen, sÿ können unßeren herren Gott, vß dem himmel oben zwingen vff den altar, der gloub vnnd all anderer Ire Ceremonien sÿe alles abGöttereÿ.136

Das materielle Eucharistieverständnis der katholischen Doktrin wurde von diesem reformierten Gottesmann, dem das Abendmahl als Gedächtnismahl die Erinnerung an Jesus Christus erleichtern sollte, dazu genutzt, dieses ganz buchstäblich auszulegen und zu behaupten, die Katholiken zwängen Jesus Christus auf den Altar. Diese Deutung der Transsubstantiationslehre implizierte eine deutliche Ablehnung des theologischen Dogmas. Da Wäckerlin die katholische Vorstellung einer Transsubstantiation, einer Verwandlung von Wein und Brot in lebendige Körperlichkeit, jedoch nicht nur nicht teilte, sondern zudem als Abgötterei betitelte, wurde ihm seine Predigt von dem Abt des Klosters Wettingen, der die äbtische Gerichtsherrschaft über das Dorf ausübte, als ein Sprechakt ausgelegt, der „wyder den Landtsfrieden gehandlet“ habe. Wie schon bei den Worten Appenzellers erfolgte der gesellschaftliche Zuschreibungsprozess als ein Landfriedensbruch durch eine Person der „anderen“ Konfession. Wäckerlins verbale Äußerungen interpretierte der Abt als Handlung, die den landfriedlichen Vertrag brach, da mit ihr die katholische Konfession beleidigt worden war. Zu dieser Handlung zählten weitere „schelt vnnd schmütz wortten“, die er in derselben Predigt geäußert hatte und die sich gegen die „Christenliche Pristerschaft“, den Ablasshandel und das Fegefeuer richteten.137 Josua Wäckerlins Kanzelrede benannte zusätzlich zu seiner Kritik an der katholischen Abendmahlslehre mit dem Ablasshandel ein weiteres prominentes theologisches Konfliktfeld, welches häufig zur Inszenierung konfessioneller Differenz in der Grafschaft Baden genutzt wurde.138 Diesen Eindruck vermittelt ein Schreiben, das 1638 der Pfarrvikar Bernhard Keller formulierte. Er beschuldigte den reformierten Prediger Felix Tobler, Zwietracht zwischen den Glaubensgemeinschaften gesät zu haben; für den katholischen Geistlichen war 136 StAZH A. 366.1, 2. März 1567. 137 Ebenda. 138 Fegefeuer und Priesterschaft tauchten in den Sprechhandlungen reformierter Geist­ licher hingegen selten auf.

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der evangelische Gottesmann daher für „viller Vnruehen ein Brunnenquell“.139 Keller zufolge spaltete Felix Tobler die bikonfessionelle Glaubensgemeinschaft mit den rhetorischen Mitteln der konfessionellen Provokation. Keller holte bei seinen rhetorisch nicht ungeschickt formulierten Anschuldigungen weit aus und begann im Jahr 1635.140 1635 war ein vollkommener Ablass verkündet worden,141 eine katholische Praxis, über die sich Tobler öffentlich lustig gemacht haben sollte. Von der Kanzel herab soll der reformierte Prediger über ein katholisches Dogma und den Papst gleichermaßen gespöttelt haben, ein Bauer habe ebenso viel Macht, seiner Frau einen Ablass zu erteilen, wie der Papst.142 In den Ohren des Rezipienten Keller wurde durch den Wortwitz nicht nur der oberste Hirte der katholischen Kirche beleidigt, sondern auch die heilsame Kraft der katholischen Ablässe in Frage gestellt. Polemiken um den Ablasshandel hatten eine lange Tradition, in die sich der Dorfpfarrer mit seinen spottenden Bemerkungen einreihte. Als Theologe kannte Tobler die ablehnende Haltung der evangelischen Theologie, für die der Ablass als Irrtum unhaltbar und als generelle Irreführung indiskutabel war. Ablässe waren im 9. Jahrhundert durch die in Bußbüchern für bestimmte Sünden festgesetzten Kirchenstrafen in Geldstrafen entstanden.143 Von diesen unterschieden sie sich allerdings dadurch, dass Ablässe „ausserhalb des Bußsakraments gewährt wurde[n]“.144 Dem Begriff nach waren sie ein „Erlass einer zeitlichen Strafe vor Gott für Sünden, die hinsichtlich der Schuld schon getilgt sind (Paul VI , Indulgentiarum doctrina 12)“.145 Gute Werke, verstanden im Wesentlichen als 139 StAAG AA 3492, 6: Von konfessionellen Streitigkeiten, 1638, fol. 1r. Zu den demonstrativen Abgrenzungsbemühungen in bikonfessionellen Gemeinden in der Eidgenossenschaft vgl. Volkland, Grenzen, in: HA 5, 1997, 370 – 387, hier 371. 140 Im Folgenden beziehe ich mich auf zwei Dokumente: StAAG AA 2829/11 sowie StAAG AA 3492/6. 141 Vollkommene Ablässe entstanden gegen Ende des 11. Jahrhunderts, als die Kirche den Kreuzfahrern völligen Straferlass gewährte. Allerdings ist unter den Theologen strittig, „ob der vollkommene Ablaß nur der Erlaß aller kanonischen Strafen mit einer nicht genauer bestimmbaren jenseitigen Wirkung ist (so Cajetan und wenige andre) oder die direkte Nachlassung aller Sündenstrafen vor Gott intendiert (so die meisten Theologen), wobei aber der volle Erfolg dieser Absicht im Einzelfall durchaus dahingestellt bleibt“; LThK, Bd. 1, 1957, Sp. 46 – 47 und 50. 142 Vgl. StAAG AA 2829/11, fol. 2v: „sprächende auff den Cantzel, der Papst habe so vill gwalt ablass auszuteilen als ein paur der vom pflug hain köm und sagte seiner frauwen hab ablass aller deiner sünden“. 143 895 hatte die Synode von Tribur unter Einfluss der germanischen Volksrechte Geldbußen als Ersatz für die öffentliche Kirchenbuße zugelassen, vgl. TRE, Bd. 1, 1977, 334. 144 TRE, Bd. 1, 1977, 335. 145 Ganzer, Lexikon, 2002, Sp. 5 – 6.

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Geldspenden für kirchliche Zwecke, brachten dem Spender Nachlass ­zeitlicher Sündenstrafen – und dies nicht nur auf Erden, sondern auch im Fegefeuer.146 In Deutschland hatte der Dominikanermönch und Ablassprediger Johann Tetzel mit seinen Ablasspredigen Luthers scharfe Kritik herausgefordert. In der Eidgenossenschaft predigte der Reformator Huldrych Zwingli gegen den Ablasshandel als eine gegen das „Evangelium dargebotene Sündenvergebung“ und reagierte damit direkt auf die Ablasspredigten des italienischen Franziskanermönches Samson, der auf seiner Reise durch die Schweiz möglichst viele Ablässe in bare Münze zu verwandeln suchte.147 Kritik wurde nicht erst in der Reformationszeit laut. Schon im 14. und 15. Jahrhundert hatten einzelne Theologen ( John Wycliff, Jan Hus, Johannes Ruchrath, Petrus Martinez von Osma) die grundsätzliche Verwerfung des Ablasses und der Ablasstheorie formuliert. Während die protestantischen Theologen (Luther, Zwingli, Calvin) den Ablass und eine Ablasstheorie unterschiedlich vehement verwarfen, bildete der Ablasshandel auch weiterhin einen festen Bestandteil des nachtridentinischen Katholizismus. Allerdings hatte das Tridentinum bei Bestätigung der göttlichen Bevollmächtigung der Kirche zur Erteilung von Ablässen die Missbräuche in der Ablasspraxis durchaus kritisiert und etwa die Beauftragung eigener Ablass­ prediger aufgehoben.148 Damit war die Haltung zur Ablassfrage ein wesentlicher Bestandteil der sich ausdifferenzierenden Glaubensauffassungen des 16. Jahrhunderts. Als Mittel zur konfessionellen Differenzherstellung standen die unterschiedlichen Lehrmeinungen zur Ablassfrage jederzeit zur Verfügung, um negative Werturteile über den jeweils anderen Glauben und dessen Anhänger zu formulieren und interkonfessionelle Vergleiche zwischen der katholischen und protestantischen Konfession mit dem Ziel der Herabwürdigung des Anderen anzustellen. Schauen wir uns Toblers Äußerungen noch einmal an. Wenn dieser von der Kanzel herab witzelte, ein Bauer habe ebenso viel Macht, einen Ablass zu erteilen, wie der Papst, dann zielte diese Kritik auf den Kern des Problems, nämlich die Frage nach der Legitimität des Ablasshandels. Während die nachtridentinische 146 TRE, Bd. 1, 1977, 335. 147 Die Predigt Zwinglis gegen den Ablass machte einen tiefen Eindruck, und Samson wurde das öffentliche Auftreten untersagt, vgl. Staehelin, Zwingli, Bd. 1, 1895, 144 – 145. In seinen Schriften tauchte die Verurteilung des kirchlichen Ablasses immer wieder auf – etwa in der Schrift Ußlegen und gründ der schlußreden oder articklen von 1523 (Zwingli II, Nr. 20, 1 – 457), allerdings stand die Kritik des Ablasswesens nie im Mittelpunkt seiner Ausführungen. Vgl. Winterhagen, Ablass-­Kritik, in: ARG 90, 1999, 6 – 71 sowie Dingel, Theorie, in: Der Evangelische Erzieher 48, 1996, 361 – 372. 148 TRE, Bd. 1, 1977, 355.

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Kirche mit der göttlichen Bevollmächtigung, Ablässe zu erteilen, argumentierte und die Gewalt des Papstes schlicht als „potestas“ oder als „Schlüsselgewalt“ bezeichnete,149 zogen evangelische Theologen die Heilige Schrift heran, um zu beweisen, dass in diesem Text weder vom Fegefeuer noch von einer Genugtuungsleistung nach diesem Leben und von deren Ermäßigung durch Ablass die Rede sei.150 Auch wenn Zwingli zunächst mehr die Missbräuche der Praxis bekämpfte und keine ausgewiesene theologische Gegenposition bezog, so hatten auch für ihn Ablass, Wallfahrten und Gelübde wenig Wert, da Gottes Gnade und Hilfe an allen Orten gleich waren.151 Tobler hatte offenbar in seiner Kanzelrede einen Kerngedanken der reformatorischen Ablasskritik versiert in ein Bild transformiert, das dem bäuerlichen Alltag entlehnt und zudem leicht verständlich war. Bernhard Kellers Bericht zufolge hatte der reformierte Geistliche weitere Sprechakte zur konfessionellen Differenzmarkierung genutzt. Nicht nur der Ablass, auch die katholische Prozessionstätigkeit soll ihm ein Dorn im Auge gewesen sein. Einen Tag nach dem Heiligen Osterfest 1636, nachdem die Lichterprozession der katholischen Gemeinde mit Gesang um die Kirche gezogen war, kommentierte Tobler dem Berichterstatter Keller zufolge dieses Ereignis mit den Worten, die Katholischen hätten wohl den Judas gesucht. Auch wenn die genaue semantische Bedeutung dieses Sprechakts nur noch schwer zu ermitteln ist, lässt sich durch die Reaktion Kellers zumindest so viel deduzieren, dass die Worte in seinen Ohren nach einer Beleidigung des katholischen Glaubens und seiner Glaubensgemeinschaft klangen. Als der katholische Landvogt Schneeberger den reformierten Prediger nach Baden zum Verhör zitierte, stritt dieser die Worte ab. Er gab lediglich zu Protokoll, von der Kanzel verkündet zu haben, die katholischen Gläubigen würden die Bilder anbeten.152 Auch diese Worte wurden in den Ohren des katholischen Amtmannes zu einer sozialen Handlung mit diffamierendem Charakter. Er warf dem reformierten Geist­lichen daher vor, willentlich eine Unwahrheit kommuniziert zu haben,

149 LThK, Bd. 1, 1957, Sp. 46. 150 In dieser Form argumentierte etwa Melanchthon. 151 Schärfer verurteilte Calvin (und natürlich Luther) den Ablasshandel. Für Calvin waren Ablass und Fegefeuer eine „Entheiligung des Blut Christi und ein Gaukelspiel des Satans, weil sie die Einmaligkeit und Einzigartigkeit der Vergebung Christus zunichte machten“; TRE, Bd. 1, 1977, 355. Luther prangerte 1517 die Ablasspraxis der Kirche in seinen 95 Thesen vehement an, eine Tat, die als entscheidender Markstein der Reformation gilt. 152 StAAG AA 2829/11, fol. 3r sowie StAAG AA 3492/6, fol. 1v, wo allerdings der Landvogt und die Bilder unerwähnt sind.

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denn als Geistlicher sei er sehr wohl darüber unterrichtet, dass Bildnisse den katholischen Gläubigen eine Gedächtnisstütze seien.153 Damit traute der katholische Landvogt dem reformierten Seelsorger nicht nur zu, die Differenzen in den theologischen Lehrmeinungen der katholischen und reformierten Kirche hinsichtlich der Bilderverehrung zu kennen, sondern er selbst differenzierte sehr genau zwischen Idolatrie und christlicher Unterweisung. Ob Tobler sich auf der Kanzel über die Lichterprozession der katholischen Glaubensgemeinschaft oder über die katholische Bilderpraxis mokierte – dass er die Bilderfrage in seiner Verteidigung überhaupt ins Spiel brachte, vergegenwärtigt, dass diese differierende theologische Lehrmeinung ebenso wie der Ablasshandel als ein Argument zur Inszenierung konfessioneller Differenz auf gemeindlicher Ebene zur Verfügung stand. Berührten die Differenzen dogmatische Lehrmeinungen, wurden über theologische Probleme Fragen der konfessionellen Eindeutigkeit verhandelt. Nicht nur als theologische Erörterung war Tobler die Bilderfrage eindringlich gegenwärtig, sondern als ganz reales Problem. Die reformierten Prädikanten der Grafschaft Baden predigten, wenn es sich um simultan genutzte Kirchen handelte, in Kirchenräumen, die nicht nur mit den katholischen liturgischen Objekten, sondern auch mit den visuellen Zeichen des katholischen Kults geschmückt waren. Einer Beschreibung des Kircheninnern von 1666 zufolge waren im Würenloser Kirchenraum sowohl der Hochaltar wie auch der Kanzelhimmel mit einem Gemälde versehen – die visuellen Zeichen differierender Glaubensbekenntnisse hatte der reformierte Prediger demnach buchstäblich vor Augen.154 Es ist davon auszugehen, dass sie eine permanente Provokation für den reformierten Geistlichen bedeuteten, da sie als visuelle und konfessionalisierte Medien Glaubensinhalte der katholischen Minderheit prominent und wirkungsvoll kommunizierten.155 Insofern waren auch Bilder Teil eines kon­fes­ sions­spezifischen Kommunikationssystems, das mit visuellen Mitteln operierte.156 Der katholischen Doktrin gemäß waren Bilder Medien, die grundlegende theologische Glaubenswahrheiten zu kommunizieren vermochten. Daher waren 153 StAAG AA 2829/11, fol. 3r. 154 StAZH E I 30.90, Schreiben an Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich von Hans Heinrich Trüb, 14. Mai 1666 sowie Hacke, Kommunikation, in: Rau/Schwerhoff (Hg.), Topographien, 2008, 280 – 305. 155 Roeck, Auge, 2004, 172 spricht in diesem Zusammenhang von „konfessionalisierten Botschaften“. 156 Zur Kunstgeschichte als Mediengeschichte vgl. Schwarz, Medien, 2002, hier 14 – 16. Für eine mediengeschichtlich orientierte Kunstgeschichte immer noch grundlegend Belting, Bild und sein Publikum, 1981 und Belting, Bild und Kult, 1990.

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sie als nützliche Unterweiser für die Gläubigen geeignet. Der reformierten Position in der Bilderfrage zufolge waren visuelle Medien kaum mehr als Bildgötzen. Zwingli hatte in seiner Kurzen christlichen Einleitung 1523 formuliert, dass wir den Glauben „ab den Wänden nit erlernen“.157 Ein und dieselben Bildmedien transportierten damit divergierende Botschaften, die weniger durch das Medium als durch die konfessionsspezifische Rezipientenhaltung Form annahmen. Insofern ließ sich Toblers Äußerung als eine Provokation deuten, da sie auf die in der Reformationszeit diskutierte Frage anspielte, ob die Bilder Götzen seien. Anders als bei der Ablassproblematik markierten die Bilder dementsprechend einen realen, sichtbaren und stets präsenten konfessionellen Unterschied, der – wurde er verbalisiert – Gefahr lief, als Landfriedensbruch bezeichnet zu werden. Jenseits elaborierter theologischer Positionen in der Bildtheorie besaßen Bilder im 17. Jahrhundert eine religiöse, soziale und politische Sprengkraft.158 Wahrscheinlich hatte Felix Tobler aus diesem Grund 1637 noch erfolgreich deren Anbringung verhindern können.159 Ein weiteres Ereignis im Dorf, das der Pfarrvikar Keller in seinem Schreiben schilderte, weist über das Delikt inkriminierter verbaler Handlungen hinaus. Keller zufolge ließ Felix Tobler im Jahr 1636 ein vom Landvogt gesiegeltes und vom Abt von Wettingen ausgegangenes Mandat ungelesen zurückgehen und seine Gemeinde riss einen „außgetruckhten Bötbefehl“ von der Kirchentür.160 Tobler verweigerte zudem den Befehl, das Mandat seiner Gemeinde zu verlesen, da man ihn nicht an der Rechnungslegung des Kirchenguts hatte teilnehmen lassen. Keller zufolge war dies kein Argument: „als wann […] die pfrund und gehorsam so er seinen Collatoren schuldig allein ann der krichenrächnung läge“.161 Mit dieser Formulierung traf Keller den Nagel auf den Kopf, denn der Pfarrer Felix Tobler inszenierte seine verweigerte Gehorsamspflicht anhand von prominenten Konfliktfeldern, wie etwa der Abnahme der Kirchenrechnungen

157 Zit. nach Altendorf, Zwinglis Stellung, in: Altendorf/Jezler (Hg.), Bilderstreit, 1984, 11 – 18, hier 14. 158 Selbstverständlich ist durch die Bildersturmforschung der Angriff auf Bilder als Bildgötzen inzwischen – und für die Eidgenossenschaft ohnehin – sehr gut erforscht. Dies gilt allerdings nicht für das Provokationspotential von religiösen Bildern im simultan genutzten Kirchenraum während des 17. Jahrhunderts. 159 StAAG AA 2829/11, fol. 3v. Zum Provokationspotential von Bildern in der Grafschaft Baden vgl. Hacke, Kommunikation, in: Rau/Schwerhoff (Hg.), Topographien, 2008, 280 – 305 sowie dies., Kirchenraum, in: Wegmann/Wimböck (Hg.), Konfessionen, 2007, 137 – 157. 160 StAAG AA 3492/6, fol. 1v. 161 StAAG AA 2829/11, fol. 3r–v.

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und der Teilung des Kirchenguts.162 Gehorsam verweigerte er allerdings nur den katholischen Amtmännern. Der Abt von Wettingen und der aus Luzern stammende katholische Landvogt hätten ihm als Zürcher nichts vorzuschreiben, soll Tobler gezürnt haben.163 Damit erwies sich die Konfessionszugehörigkeit ein weiteres Mal als ein wesentliches Differenzkriterium. Über die Konfes­ sionszugehörigkeit wurde der Fluss der politischen Kommunikation maßgeblich strukturiert und auch für die Frage, ob Untertanen den eidgenössischen Herrschaftsträgern (Landvogt/regierende Orte) den nötigen Gehorsam zollten, war die konfessionelle Zugehörigkeit ein wichtiges Differenzkriterium. Damit reflektieren die konfessionellen Sprechhandlungen Felix Toblers drei bislang noch nicht systematisch diskutierte Aspekte. Erstens verweigerten verbale Äußerungen, die in den Ohren des konfessionell „Anderen“ zu schmähenden Wortbotschaften wurden, in einem vertikalen Bezugssystem auch der eidgenössischen Obrigkeit den gebührenden Respekt, die die Konfessionszugehörigkeit der sozialen Gruppe teilte, die geschmäht wurde. Verbale Äußerungen, die im Sinne des eidgenössischen Schmähverbots als Handlung „wider den Landfrieden“ etikettiert wurden, brachen damit nicht nur das Normenwerk zur religiösen Koexistenz in der Eidgenossenschaft. Zudem waren sie ein Akt des Ungehorsams, da der politischen Elite, die beleidigt wurde, die ihnen gebührende Anerkennung als eidgenössische Obrigkeit verweigert wurde. Dieser Aspekt wird noch gesondert diskutiert werden. Zweitens – und damit verbunden – verletzten Geistliche durch ihre ambivalenten Sprechhandlungen ihre Vorbildfunktion, die in Inaugurationsritualen mit biblischen Metaphern unterstrichen wurde. Die Vorbildfunktion Geistlicher bezog sich nicht nur auf eine christliche Lebensführung, sondern auch auf die Stellung der Pfarrer innerhalb der Gemeinde: Sie sollten der Gemeinde ein Hirte und ein Lehrer sein, dem die Kirchengemeinde in einem Inaugurationsgebet versprach, zu folgen und zu gehorchen.164 Zwingli, der die biblische Metapher 162 1617 verfügte ein Abschied der katholischen Stände, dass die Kirchenrechnungen vom Abt des Klosters Wettingen abzunehmen seien. Im Verlauf des 17. Jahrhunderts übte Zürich Druck auf den Klostervorsteher aus. Die Limmatstadt schlug vor, die Kirchenrechnungen im Beisein des reformierten Geistlichen von Oetelfingen und zweier „vorständiger“ Ältester der reformierten Gemeinde vorzunehmen und das Kirchengut von Würenlos beiden Konfessionsangehörigen zuzusprechen. 1639, also zum Zeitpunkt der Abfassung von Kellers Bericht, schloss Abt Christoph Bachmann 1639 einen gütlichen Vergleich mit der Limmatstadt, in dem den Protestanten eine paritätische Kirchengutsverwaltung zugesprochen wurde, vgl. Bugmann, Zürich, 1949, 110. 163 StAAG AA 2829/11, fol. 3v. 164 Die erste Prädikantenordnung, vom Zürcher Rat 1532 erlassen, ist bei Schär, Seelennöte, 1985, 168 abgedruckt. Dort auch Angaben zum Prozess der Distanzierung der Geistlichen

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des Hirtenamts 1524 in seiner Predigt Der Hirt aufnahm, betonte die göttliche Kraft, die zur vorbildlichen Ausführung des Hirtenamtes nötig sei.165 Zudem wurde der Pfarrer von Zwingli, wie David Gugerli formuliert, „in Bezug auf die Gemeinde parallel zu Christus gesetzt“.166 Damit war der Pfarrer durch sein Amt von einer göttlichen Aura umgeben. Obwohl ihm die priesterliche Weihe fehlte, verkörperte er dennoch das Sakrale.167 Widerspenstige und eigensinnige Prediger widersprachen dem idealisierten Bild eines mit sakraler Macht ausgestatteten Geistlichen als Hirten. Ihnen wurde vorgeworfen, das Medium der Predigt, in der sie die Schaltstelle zwischen Gott und der Gemeinde verkörperten, für Sprechakte zu missbrauchen, die ihnen von der konfessionellen Gegenseite als beleidigende Handlungen ausgelegt werden konnten. Das Kirchenvolk machte sich das „konfessionsspezifische Kanzelgezänk“ der Geistlichen nicht zwangsläufig zu eigen.168 Auch Gläubige hatten Erwartungen an ihre Prediger, die sie offenbar enttäuscht sahen, wenn diese von der Kanzel herab „Zorn, Schmützund Schmachworte“ verkündeten.169Aus einer obrigkeitlichen Perspektive heraus wurde dieser institutionalisierte Kommunikationsprozess zwischen Geistlichkeit und Gemeinde ohnehin für neue – normwidrige – Inhalte genutzt und nicht zur Verkündigung und Vermittlung von theologischen Wahrheiten und Wissen. Drittens legen die Handlungen Toblers nahe, dass differierende theologische Lehrmeinungen nicht hinter jedem sprachlichen Angriff standen, sondern in den lokalen Konfliktfeldern um Ressourcen und fiskalische Mittel operationalisiert werden konnten. Die theologischen Sprechhandlungen hatten damit mehrere Kontexte: Einen theologischen, insofern die Lehrmeinungen der anderen

vom gemeinen Volk, der sich als langwierig erwies. Erst im 17. und 18. Jahrhundert wurden die Geistlichen Schär zufolge zu den „wichtigsten Statthaltern der Obrigkeit in der Landschaft“, Schär, Seelennöte, 1985, 171. Allerdings ist mit Rublack, Predigt, in: ders. (Hg.), Konfessionalisierung, 1992, 344 – 395, hier 381 – 382, zu bedenken, dass Geistliche nicht nur indoktrinierten, sondern ebenfalls Trost spendeten. Daher: „Homiletischer Gemeinplatz war, dass Predigt lehren, mahnen und trösten solle“, ebenda, 382. Zu den Sozialdisziplinierungsversuchen katholischer Geistlicher vgl. Feldbauer, Priester, in: Frieß/Kießling (Hg.), Konfessionalisierung, 1999, 247 – 273. 165 Zwingli III, Nr. 30, 1 – 68. 166 Gugerli, Pfrund, 1988, 31. 167 Ebenda sowie Delgado/Leppin (Hg.), Antichrist, 2011. 168 Schindler, Prinzipien, in: HA 1, 1993, 359 – 393, hier 383. 169 Dem Badener Leutpriester wurde im Mai 1568 vorgeworfen, er habe: „vff dem selben Tag mhertheils nütt anders gepredigett, dann vß einem Zornn, Schmütz- und schmachwortt getryben, dardurch der mehrtheill volcks wye ich von ettlichen selbs verstanden, meer geergeret worden, dann durch sölliche schältt wortt erbuwenn“; StABE, Unnütze Papiere, Bd. 83 (1560 – 1615), 9. Mai 1568.

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Konfession Thema der Wortbotschaften waren; einen rechtlichen, da durch diesen Bruch des Normenkodex zur religiösen Koexistenz in den Gemeinen Herrschaften die verbalen Äußerungen durch Zuschreibungsprozesse als Verbalinjurie etikettiert wurden; einen politisch-­konfessionellen, da sich solche Botschaften immer auch gegen die eidgenössischen Herrschaftsträger richteten; und einen sozialen, da konfessioneller Spott und Hohn auf soziale Wirklichkeiten und Ungerechtigkeiten auf der kommunalen Ebene reagierte oder die dadurch entstehenden Konflikte sublimierte.170 4.3.2 Zwingli der Verführer: Katholische Predigten In der Grafschaft Baden predigten katholische Geistliche mit der Gewissheit, in vielen bikonfessionellen Dörfern katholische Mehrheitsverhältnisse oder ausschließlich rekatholisierte Dorfgemeinden vorzufinden. Ihre Kanzelreden hielten sie in der Regel in einer Situation der quantitativen Überlegenheit und Stärke. Diese nutzten sie, um zielsicher ihren konfessionellen Spott anzubringen, der sich an den theologischen Lehrmeinungen des reformierten Glaubens­ bekenntnisses entzündete. Insofern sind die Sprechakte reformierter und katholischer Geistlicher trotz divergierender Inhalte in ihrer Verfahrensweise durchaus vergleichbar. Allerdings war das Repertoire katholischer Kirchenmänner breiter und in gewisser Weise unspezifischer. Neben der Kritik an der reformatorischen Lehre waren die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den katholischen und reformierten Eidgenossen des 16. und 17. Jahrhunderts und damit historische Ereignisse und keine theologischen Lehrmeinungen, wie es bei den reformierten Geistlichen der Fall war, die Objekte des Spotts. Weiterer signifikanter Unterschied ist die Tatsache, dass katholische Geistliche ihren beißenden Spott gegen die Reformatoren richteten. Insofern ist die konfessionelle Polemik katholischer Kirchenmänner personalisierter als die bislang diskutierten Beispiele der reformierten Geistlichen. Die Analyse einer 1646 in der Kleinstadt Baden gehaltenen Predigt soll den zuletzt genannten Aspekt illustrieren. Sie wurde vom dem namentlich nicht bekannten Guardian (Wächter bzw. Hausoberer) des Kapuzinerklosters gehalten und nahm sich gleich vier Reformatoren vor: Luther, Zwingli, Oekolampad und Calvin.171 Den ersten drei Reformatoren warf 170 Diese markantere Ziehung der konfessionellen Grenzen könnte Indiz für generelle Spannungen zwischen den reformierten und katholischen Dorfbewohnern sein, die sich anhand eines religiösen Streitfalls entluden. 171 Im Jahr 1646 gab es zwei Guardiane im Kapuzinerkloster in Baden: Kolumban von Sonnernberg aus Luzern, der am 16. Oktober 1625 in die Schweizerische Kapuzinerprovinz eintrat und am 5. Mai 1645 zum Guardian für Baden bestimmt wurde, sowie Felizian Sunner von Elzach. Er trat am 10. März 1612 in die Schweizerische Kapuzinerprovinz

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der Volksprediger vor, gegen das Keuschheitsgelübde verstoßen zu haben: Luther galt dem Prediger als „geiler, Gots und gelübbs vergeßner schwartz gekleidter […] mönch“. Zwingli warf er ebenso wie Oekolampad vor, „das gelübt der küschheut ehr vergäßnen wys gebrochen“ zu haben.172 Calvin schnitt im Urteil des Kapuziners besser ab, denn er hatte kein Keuschheitsgelübde abgelegt.173 Kritisierten reformatorische Pfarrer den katholischen Bilderkult als Abgötterei, so verdammte der wortgewaltige Kapuziner die bilderstürmerischen Taten der Reformationszeit 174: Beträffend der verdaulichen Reformationsfrücht, so ist die erste: dass man die H. Bilder dessen, sonderlich der für uns sein Blut vergossen, auffrührisch, geschleipff zerstümpflet, und zu äschen verbrämt worden; O seeliger Gott, wann ein solches mit dem Contrafet eines ihren Burgermeisters beschähe, welch ein Tragedi wurden er wecken.175

Abbildungen von Jesus Christus waren in der Tat ein häufiges Ziel bilderstürmerischer Aktivitäten, besonders dann, wenn sie Christus als Schmerzensmann zeigten. Für Karlstadt waren Abbildungen des leidenden Christus am Kreuz ein besonderer Stein des Anstoßes, weil sie, wie Martin Warnke formulierte, „Christus in die Sphäre menschlichen Empfindens hinabzogen und die Schmerzensgebärde Hoffnungslosigkeit suggeriere“.176 In der Zürcher Bilderdisputation von 1523 hatte der Pfarrer Conrad Schmid sich noch die vorsichtige Frage erlaubt, ob man die Bilder nicht so lange, bis die „inwendigen, abgötischen bild uß dem hertzen“ der Unwissenden verschwunden seien, mit Rücksicht auf die Hilflosigkeit der Unbelehrten zulassen solle, da man dem „schwachen sinen stab, ein und wurde am 20. April 1645 zum Guardian für Baden bestimmt. Für die freundlichen Auskünfte danke ich Dr. Christian Schweizer, Provinzarchivar der Schweizer Kapuziner in Luzern. 172 ZBZ A 124b, Nr. 51: Excerpta auß Pat. Gwardians des Capuciner Closters zu Baden den 28. Tag. Junii 1646 gehaltener Predigt, fol. 450r. 173 Womit der Prediger zweifelsohne Recht hatte. Martin Luther (1507), Huldrych Zwingli (1506) und Johannes Oekolampad (1510) wurden hingegen zum Priester geweiht. 174 Kapuziner galten lange als Prediger, die sich einer deftigen, volksnahen Sprache bedienten, so etwa Schneyder, Geschichte, 1968. In diesem Zusammenhang entstand die Bezeichnung „capuzinaden“, die als Schimpfwort gemeint war; damit war allerdings, wie Herzog, Wohlredenheit, 303, zu bedenken gab, über den Stand der barocken Kapuzinerpredigt „nichts auch nur halbswegs verlässliches gesagt“. 175 ZBZ A 124b, Nr. 51: Excerpta auß Pat. Gwardians des Capuciner Closters zu Baden den 28. Tag. Junii 1646 gehaltener Predigt, fol. 450v. Unterstrichen im Original. 176 Warnke, Geschichte, in: ders. (Hg.), Bildersturm, 1988, 65 – 98, hier 83.

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daran er sich hept, nicht uß der hand ruissen sol“.177 Für Zwingli stellte dies keine zufriedenstellende Lösung dar, denn es sei die Entscheidung der katholischen Geistlichkeit gewesen, die armen Leute „der gschrifft onwissenda“ zu lassen, so dass die Bilder als „stäb oder stecken der blöden“ hätten fungieren können. Ohnehin gelte für die Bilder: „das gott verbotten hat, das ist nit ein mittelding“.178 Während der reformierte Theologe predigte, dass man den Glauben von den Wänden nicht erlernen könne, waren die ikonoklastischen Praktiken der reformierten Bilderstürmer für den predigenden Kapuziner nicht mehr und nicht weniger als gewöhnlicher Diebstahl. Immerhin zerschlugen sie Eigentum, das nicht das ihre war. Die „Reformatores“ und der „Magistrat“ waren ihm zufolge daher „zu rechten Gotts dieben worden in dem das geistlich Gutt“ entwendet wurde.179 Während die katholischen Gläubigen Anhänger der „Rächten Cathol. Lerer“ seien, waren für den Kapuzinerprediger alle „uncatholischen“ Predikanten des Teufels. Abschließend – als „Notandum“ – verwahrte er sich dagegen, dass Zwingli „Christi Wort: Dies ist mein Leib in Dies bedeutet ein leib“ frevelhaft verkehrt habe.180 Auffallend ist, dass der Kapuziner die theologischen Differenzen zwischen den einzelnen evangelischen Konfessionen nicht thematisierte. Als Katholik polemisierte er gegen alle evangelikalen Glaubensauffassungen gleichermaßen, auch wenn er Zwingli als Eidgenossen einen großen Raum in seinen verbalen Äußerungen zumaß. Wie der predigende Kapuziner thematisierte auch der Zurzacher Chorherr Wilhelm Tannemann 1657 in seiner an den Osterfeiertagen gehaltenen Predigt ganz heterogene Aspekte der protestantischen Konfessionen. Seine Predigt wurde „vor beeden Religionen“ gehalten.181 Vielleicht war ebenfalls Hans Ludwig Baltenschwyler, der reformierte Geistliche Zurzachs, bei der Kanzelrede anwesend, sicher ist, dass er von „etliche[n] Evangelische[n] Kilchgnossen“ über die Inhalte der Kanzelrede informiert worden war. Als Sprachrohr der evangelischen Gemeinde informierte er sodann Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich über die „lesterpredigt“ des katholischen Geistlichen.182 Hohn und

177 Zit. nach ebenda, 70. 178 Zit. nach ebenda. Von der inzwischen ausufernden Literatur zum Bildersturm seien hier nur die einschlägigen Titel genannt: Immer noch grundlegend Hofmann (Hg.), Luther, 1983; Altendorf/Jezler (Hg.), Bilderstreit, 1984; Scribner (Hg.), Bilder, 1990; Schnitzler, Ikonoklasmus, 1996 sowie Blickle (Hg.), Macht, 2002. 179 ZBZ A 124b, Nr. 51: Excerpta auß Pat. Gwardians des Capuciner Closters zu Baden den 28. Tag. Junii 1646 gehaltener Predigt, fol. 451r. 180 Ebenda, fol. 451v. 181 StAZH BVIII 133, fol. 576. 182 StAZH E II 23, fol. 249.

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Spott Tannemanns richteten sich den Ausführungen Baltenschwylers zufolge vorwiegend auf die differierenden theologischen Glaubensinhalte der Bekenntnisse. Die erste konfessionelle Spitze galt dem sola-­scriptura-­Grundsatz – in Baltenschwylers Worten habe Tannemann gesagt „wir liggind nur uff dem rauwen buchstaben“. Allerdings ließe sich aus der Sicht des ausgebildeten Theologen, wie Tannemann fortfuhr, bei den Worten der Heiligen Schrift nicht beweisen, dass „sy gotteswort syge“.183 Wenn sie nicht Gotteswort wiedergeben, so lautete Tannemanns rhetorische Frage, welche Worte würden dann von den reformierten Geistlichen verkündet? Der Bezug dieser Äußerungen ist schnell hergestellt. In der reformierten Liturgie kam der Predigt eine besondere Stellung zu. Sie war der sakrale Ort, an dem „die Vermittlung bzw. die Weitergabe des Gotteswortes stattfand“.184 In seiner Schrift Von Clarheit und gewüsse oder unbetrogliche [Unbetrüglichkeit] des worts gottes (1522) äußerte sich Zwingli erstmals zum Schriftprinzip. Das göttliche Wort galt ihm als geistig und konnte weder durch den Text noch durch die Predigt vermittelt werden, nur durch den Geist Gottes.185 Damit „wurzelte der evangelische Glaube im unumschränkten Vertrauen in die als Wortbotschaft verstandene göttliche Offenbarung“.186 Protestantische Prediger waren somit mehr als bloße Verkündiger des Gotteswortes. In der worttheologischen Konzeption der evangelischen Lehre erscheinen sie vielmehr „als Arm Gottes, als Emanation des göttlichen Willens“.187 Diese Funktion protestantischer Prediger bezweifelte Tannemann in seiner Kanzelrede, wenn er in Frage stellte, ob reformierte Geistliche das Gotteswort verkündigten. Des Weiteren wurde dem katholischen Geistlichen vorgeworfen, sich über die Zerrissenheit unter den evangelischen Konfessionen lustig gemacht und die „Einhelligkeit“ des katholischen Glaubens gepriesen zu haben. Tatsächlich galt die Verschiedenartigkeit der Reformationen mit ihren politischen und theologischen Unterschieden der römisch-­katholischen Kirche als Beweis für den Irrtum des Schriftprinzips und der Reformation als solcher.188 Darauf spielte Tannemann an, wenn er witzelte, träfen drei evangelische Prediger aufeinander, so seien sie sich schon bald uneinig. Konkretisiert wurde diese Aussage anhand der

183 Ebenda. 184 Schindler, Prinzipien, in: HA 1, 1993, 359 – 393, hier 360. Dort auch Näheres zur protestantischen Verkündigungspraxis. 185 Gäbler, Zwingli, 1983, 58. 186 Schindler, Prinzipien, in: HA 1, 1993, 359 – 393, hier 360. 187 Ebenda. 188 Von Muralt, Renaissance, in: Handbuch, 1980, 389 – 570, hier 466.

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verschiedenen Auffassungen zur Bedeutung des Abendmahls.189 Zudem verweilte Tannemanns Predigt auch bei der Offenbarung. Sie, die Katholiken, hätten die Engel, die bisweilen erscheinen und ihren Heiligen „grosse ding offenbahrind“. Wer aber den Reformierten erscheine, soll der Prediger rhetorisch gefragt und die Antwort gleich mitgeliefert haben: Es falle Ihm ohngefragt ein Exempl yn. Dem Doctor Luther, alß Er wöllen die Mäss abschaffen, seige auch etwar erschinen, wer denn? Ein Engel, dem in 500 Jahren die Negel nit abgehauwen worden.190

Daraufhin habe sich in der Kirche lautes Gelächter erhoben. Spott und Witz waren bei den Zuhörern angekommen, auch wenn sich nicht mit Gewissheit rekonstruieren lässt, was das Kirchenvolk im Einzelnen zum Lachen reizte.191 War es das Bild eines Engels mit überlangen Nägeln, der dem deutschen Reformator erschien und damit eher einem Fabelwesen oder gar dem Teufel ähnelte als einem Engel? Die theologischen Feinheiten die differierenden Konzeptionen von „Offenbarung“ betreffend werden es wohl kaum gewesen sein, da sie von Tannemann nur angedeutet, aber nicht ausformuliert wurden.192 Man musste schon theologisch versiert sein, um dem Zurzacher Chorherrn folgen zu können. Folgendes war in seiner Logik weniger subtil, nämlich Tannemanns Erwähnung eines wesentlichen Gebots der Christenheit. In seiner Rede erinnerte er sein Kirchenvolk an die christliche Nächstenliebe und fragte in einer semantischen Abweichung rhetorisch: „[W ]ie habend uns aber vnseren Stifftbrüderen geliebet im letzten krieg? Sy habend vns vnser kilchen vnd klöster plündert wie ander Schölmen und dieben“.193 Die Anspielung auf den Ersten Villmergerkrieg 1656, der kaum ein Jahr zurücklag, hatten die 189 StAZH E II 23, fol. 249: „Im handel vom h. nachtmahl empfache der einte wahrhafftig Christi Lyb vnd blut, der ander die vßerlichgen Zeichen zur wiedergedechtnuß synen heilandts.“ 190 Ebenda, fol. 250. 191 Vielleicht fühlten sie sich auch nur gut unterhalten, diesen Eindruck vermittelt ein Quellenzitat, das bei Roeck, Stadt, Bd. 2, 1989, 656, abgedruckt ist. 192 Zum reformierten Offenbarungsverständnis vgl. ELThG, Bd. 3, 1994, 1461. Von Zwingli wird die Offenbarung Gottes „als innere Erleuchtung durch den Geist gefaßt, die nicht notwendiger Weise an die Bibel gebunden ist“, Rohls, Philosophie, 2002, 278. Zur katholischen Einheitshermeneutik vgl. NHThG, Bd. 3, 2005, hier 293 – 294. 193 StAZH E II 23, fol. 250. Im Matthäusevangelium (22, 34 – 40) antwortet Jesus auf die Frage eines pharisäischen Schriftgelehrten, welches das höchste Gebot sei, das erste Gebot sei das wichtigste („Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele“). Damit weist Jesus den Pharisäer auf das Gebot der Liebe hin,

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katholischen (aber auch die reformierten) Zurzacher noch nicht vergessen. Als Teil seiner Kanzelrede inszenierte Tannemann die militärischen Auseinandersetzungen in einer Form, die die reformierten Eidgenossen ins Unrecht („schölmen und dieben“) und die katholischen Eidgenossen ins Recht setzte und deren Opferrolle betonte.194 Damit erinnerte Tannemann seine Zuhörer nicht nur an die Unvereinbarkeit von christlicher Nächstenliebe und militärischen Auseinandersetzungen, sondern auch daran, dass sie den Kirchenraum und den Flecken Zurzach mit einstigen Kriegsgegnern teilten. War angesichts der Vergegenwärtigung der Schrecken des Krieges eine friedliche religiöse Koexistenz möglich? Der reformierte Geistliche, der die Inhalte von Tannemanns Kanzelrede seiner Zürcher Obrigkeit schriftlich mitteilte, urteilte eindeutig. Er beklagte, wie sehr Tannemanns Predigt „dass volcks hefftig gegen einanderen verbideret, vnd vnser allein seligmachende Religion in all wysend weg geschmecht mit hönischen, spottischen und lächerigen vßpfysungen“.195 Kurz nach dem konfessionellen Bürger- und Verfassungskrieg artikulierten die Wortbotschaften des katholischen Geistlichen eine hörbare Differenz zur reformierten Glaubensgemeinschaft als dem einstigen Kriegsgegner. Indem Tannemann sich über reformierte Glaubensinhalte lustig machte und die reformierten Konfessionsangehörigen verspotte, setzte er den seit dem Krieg ohnehin bestehenden konfessionellen Dissens zwischen Katholiken und Reformierten für seine Kanzelrede ein. Die militärischen Auseinandersetzungen zwischen den reformierten und katholischen Eidgenossen kamen ein weiteres Mal zur Sprache, diesmal wurde jedoch der Zweite Kappelerkrieg von 1531 auf der Kanzel evoziert. Wiederum war es ein katholischer Geistlicher aus Zurzach, der 1670 im Kirchenraum an den konfessionellen Bürgerkrieg erinnerte. Und wiederum war es der reformierte Geistliche vor Ort, der über dieses Ereignis ausführlich referierte. Der Zürcher Hans Kaspar Huber bekleidete das Amt des reformierten Pfarrers in Zurzach von 1668 bis 1677, bevor er nach Ottenbach ging. Ihm zufolge hatte der Dekan Schmid am 19. Mai 1670 in seiner Sonntagspredigt in schauspielerischer Manier dem er das Gebot der Liebe zum Nächsten anschließt („Du sollst deinen Nächsten lieben wie Dich selbst“). 194 Dies tat Tannemann nicht ganz zu Unrecht, denn die militärischen Auseinandersetzungen des Ersten Villmergerkrieges – so sieht es zumindest die ältere Historiographie – wurden in Kontinuität zur Reformationszeit mit dem Ziel geführt, die katholischen Orte aus der gemeinsamen Regierung der Gemeinen Herrschaften auszuschließen. Zur historiographischen Deutung des Ersten Villmergerkrieges vgl. Kap. 3.4.3. 195 StAZH E II 23, fol. 249.

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einen loblichen Stand von Zürich zum gspött angezogen, wie die loblichen fünff Ort im Capeler Krieg mit den Zürchern ghaußet, vnd mit gemachter Postur auff der Cantzel gezeiget, wie man sie nidergeschossen vnd gschlagen.196

Was dem reformierten Berichterstatter zufolge in Zurzach auf der Kanzel geschehen war, hatte mit theologischen Disputen und dem Aushandeln differierender theologischer Lehrmeinungen wenig gemein. Diese Schilderung suggeriert Bilder eines Geistlichen, der sich wenig um die eingangs erwähnte würdevolle Körpersprache scherte, sondern mit kräftigen Gesten Szenen aus einem Schlachtfeld vor den Augen seiner Zuhörer – oder Zuschauer? – auferstehen ließ. Hier erhält die eingangs erwähnte visuelle Kraft von Worten ihre konkrete Bedeutung, da die Wortrhetorik des Geistlichen mit erklärenden Gesten untermalt wurde. Weder entsprach dieses körperliche Gebaren der Würde des Predigtamtes noch wurden hier göttliche Botschaften verkündet – der katholische Geistliche vergegenwärtigte Hubers Schilderungen zufolge mit großer Freude und Gestik die Niederlage der reformierten Eidgenossen. Ziel des katholischen Spotts, wie der reformierte Gottesmann betonte, war in erster Linie der eidgenössische Reformator Zwingli. Der katholische Dekan hatte in seiner Predigt, die an einem Pfingstsonntag zur Zeit der Zurzacher Messe gehalten wurde, Zwingli als einen Verführer der reformierten Eidgenossen porträtiert. Der eidgenössische Reformator habe: einen loblichen Stand von Zürich nicht allein im glauben verführt, sonder auch in einen unglückhafften Krieg […], darinnen der Züricheren ein große anzahl vmkommen, vnd er der Zwinglj selbst erschlagen, geviertheilt und verbrändt worden, mit angehänkten vnd zu grosssem Hohngelächter angezogen disen worten: Es hab ein ehrlicher Bürger von zürich dem Zwingli, alß er auff der wahlstatt gelegen, zugerüfft: O Vli, Vli, wie host unß du so schandlich verführt.197

Um den Zweiten Kappelerkrieg und Zwinglis Tod rankt sich eine Legende, die der katholische Geistliche aus gutem Grund verschwieg. Sie berichtet davon, dass Zwinglis Herz unversehrt unter seiner Asche geborgen wurde, nachdem sein Leichnam gevierteilt und verbrannt worden war.198 Thomas Platter soll das 196 StAZH A. 321.1, 7. Juli 1671. Huber war im Anschluss an die Predigt des Dekan Schmids in seinem Pfarrhaus von „vnderschidliche frömde vnd heimbsche Herren“ aufgesucht worden, „die sich darüber beschwührt, dass dergelichen an disem orth, da man sich landfriedlich betragen solle, gesprochen dörffe“. 197 Ebenda. 198 Tischer, Zwinglis Leben, 1800, 148 – 149. Heinrich Bullinger erwähnte in seiner detaillierten und um Einzelheiten bemühten Reformationschronik von 1570 allerdings nur,

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Herz mit nach Basel genommen und dort Oswald Myconius gezeigt haben. Dieser warf das Herz in den Rhein, „damit nicht abergläubischer Missbrauch möchte damit getrieben werden“, und leistete einer Form der reformierten Reliquienverehrung Vorschub.199 Nicht den schändlichen Verführer erinnert diese Legende, sondern den mythisch überhöhten Reformator. Auch Hans Kaspar Huber, der aus eigenem Wunsch die reformierte Pfarrstelle in Zurzach angetreten hatte, bemühte sich redlich darum, das Ansehen Zwinglis zu ehren und ihn zu „vindicieren“. Der katholischen Sichtweise hielt er entgegen, dass Zwingli „[e]inen loblichen Stand von Zürich weder im glauben verführt, noch zu den glückhaften Kriegen veranlaset“.200 Die Verteidigung des schweizerischen Reformators geschah von der Kanzel herab und blieb nicht ohne Widerspruch – Huber berichtet von den Anschuldigungen des Dekans Schmid, der ihm vorwarf, das Kirchenvolk in seinen Kanzelreden gegen die katholische Gemeinde aufgebracht zu haben. Wie es aussieht, fand in Zurzach in den Jahren 1670/1671 eine für die Eidgenossenschaft äußerst selten dokumentierte Kanzelkontroverse zwischen dem reformierten und dem katholischen Geistlichen des Ortes statt. Freilich wurde diesem theologischen Treiben bald Einhalt geboten. Das ausführliche Schreiben Hans Kaspar Hubers verfolgte damit nicht nur das Ziel nachzuweisen, dass die Predigt des Dekans Schmid das Etikett des Landfriedensbruchs verdiene. Gleichzeitig reagierte Kaspar Huber auch auf die Klage, die der Dekan Schmid nach seiner Entschuldigung gegen ihn erhoben hatte. Doch der Reihe nach. Es war streng genommen nur ein Vorwurf, allerdings mit mehreren Punkten, gegen den sich Kaspar Huber zu verteidigen hatte. Schmid hielt ihm vor, auf der Kanzel „vngewohnte Controversias tractiert, Trutz, Curaschj geschrauwen“ und die Zuhörer „zu vnzeitigem Eiffer animiert“ zu haben.201 Huber entgegnete auf die drei Punkte gewissenhaft und wortreich. Zunächst gab der reformierte Geistliche unumwunden zu, „auff der Cantzel die Zeit vnd dass Zwinglis Leib gevierteilt worden sei, nicht, dass sein Herz unversehrt unter der Asche gelegen habe, vgl. von Greyerz, Rhein, in: Kuhn/Sallmann (Hg.), Religion, 2001, 31 – 34, hier 33. 199 Rotermund, Leben, 1818, 225 – 226. Zu den unterschiedlichen Berichten vgl. Locher, Legende, in: Zwingliana 9, 1953, 563 – 576, der abschließend zu dem Urteil gelangt, die verschiedenen Berichte seien vertrauensvoll. Von Greyerz, Rhein, in: Kuhn/Sallmann (Hg.), Religion, 2001, 31 – 34, hingegen zeigt, dass die Legende von Zwinglis unversehrtem Herzen vom 16.–18. Jahrhundert bei weitem nicht einheitlich, sondern durchaus unterschiedlich tradiert worden sei und es sich bei den Berichten auch um collagenartig konstruierte Texte gehandelt habe. 200 StAZH A. 321.1, 7. Juli 1671. 201 Ebenda.

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Jahr hero Controversias tractiert“ zu haben, gleichwohl habe er sich „beflissen die Religions-­Streit niemahlen zu berühren“.202 Zwar seien demnach strittige Themen in der Predigt zur Sprache gekommen, allerdings ohne dabei den Reli­ gionsstreit zu streifen. Doch was genau meinte Huber mit dieser Formulierung? Dass er keine öffentlichen Vergleiche theologischer Lehrmeinungen auf der Kanzel formuliert, sondern nur die Position der reformierten Kirche erörtert hatte? Denn wenn er (theologische) Kontroversen auf der Kanzel geführt oder auch die differierenden theologischen Lehrmeinungen in seinen Predigten in einen Wettstreit gestellt hatte, dann ließ sich dieses vergleichende Verfahren im Sinne der uns bislang bekannten politischen Zuschreibungsprozesse durchaus als eine Tat gegen den Landfrieden deuten. Erklärend fügte Huber an, er habe: wie es der landsfridliche Verträg erhöeschen, verhandlet, vnd sie gerichtet allein vnd einzig zu dem vnd hin, damit ich mien vertrawt Christen-­Völckli verleite zur Erkandtnuß Gottes vnd Ihres Heils, vnd zu einem frommen, gottsförchtigen löben vnd wandel.203

Mit dieser Ergänzung verwahrte sich Huber gegen den Vorwurf, kontroverstheologisch – wenn man „Controversias“ denn so übersetzen darf – gepredigt zu haben.204 Seiner Auskunft nach verfolgte er in seinen Predigten das Ziel, seine christliche Gemeinde zu göttlicher Erkenntnis zu verleiten und zu ermahnen, einen christlichen Lebenswandel zu führen.205 Damit hatte Huber durchaus wesentliche Aspekte der von ihm erwarteten Predigttätigkeit genannt. Der zweite Vorwurf, das unanständige Wort „Curaschi“ auf der Kanzel geschrien zu haben, ist auch unter Zuhilfenahme der Antworten Hubers in seiner Bedeutung nicht mehr rekonstruierbar, da der Wortsinn nicht überliefert ist.206 Den

202 Ebenda. 203 Ebenda. 204 Das Idiotikon führt diesen Begriff nicht, seine Verwendung durch Huber legt eine Begriffsbedeutung im Sinne von „Kontroversen“ nahe. 205 Des Weiteren führte er aus, dass seine „Controversias vngewohnt seigen“, könne er nicht beurteilen. „Es könnte villeicht seyn, dass einstheils menem eigenen Volck frömbd vnd ungewohnt fürkäme anzuhören einen einfaltigen grundtlicher vnd dötlichen [?] entscheid, der in der Christenheit obschwärenden Religions-­Streiten: andertheils möchte villeicht auch denjenigen, die etwn mehrmalen an der Wand auff einem predigen, dass sie auß denselben etwas carpieren vnd zu meinem nachtheil auffassen möchten, achtung geben, ngewohnt seyn einiche Taüffen Controversien so bscheidenliche, ohnvergreiffliche außführung“; StAZH A. 321.1., 7. Juli 1671. 206 Worauf angespielt wird, konnte trotz der kenntnisreichen Hilfe von Niklaus Bigler

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dritten Vorwurf, das „wörtli Trotz!“ verwendet zu haben, konnte Huber nicht entkräften, im Gegenteil gestand er ein, das Wort im Zusammenhang mit der bereits erwähnten Vindikation des eidgenössischen Reformators Zwingli gebraucht zu haben:207 Waß jetzt die Religion belanget, so hat H. Zwingli Sel. bey seinen löbzeiten selbst gnuegsam erspiert, dass sein lehr kein verführsche, sonder ein wahre, seligmachende vnd in Gottes heiligem Wort steiff gegründet lehr seige. Trotz! Dass biß dato jemand gewesen, der dz widerspil mit gutem grund hete zeigen können. Auß welcher Erzehlung sich scheinbarlich herfür thut, dass nit ich Herren Schmiden, sonder Er mir das wörgtj Trotz abgetrotzet habe.208

Obwohl Huber freimütig zugab, den Begriff „Trotz“ auf der Zunge geführt zu haben, führte er zu seiner Entschuldigung an, dies erst nach den „ehrrürig[en]“ verbalen Angriffen des Dekan Schmid getan zu haben. In diesem Sinne ist seine Formulierung zu verstehen, Schmiden habe ihm den Begriff abgetrotzt. Die beleidigenden Reden und der noch lange in den Ohren klingende Hohn des konfessionellen „Gegenübers“ veranlasste Huber nach eigenen Äußerungen dazu, den eidgenössischen Reformator und seinen Glauben auf der Kanzel zu verteidigen – und dies obwohl er wusste, dass die landfriedlichen Verträge eine solche Replik nicht gestatteten. Insofern ist dem Historiker Hillard von Thiessen zuzustimmen, dass Kanzelkontroversen in der Frühen Neuzeit auch innerhalb des frühneuzeitlichen Ehrdiskurses zu kontextualisieren sind, da Angriffe von der Seite der jeweils anderen Konfession über die theologischen Differenzen hinaus immer auch einen Angriff auf die Ehre bedeuteten.209 In diesem Zusammenhang sind auch die sozialen Handlungen Hubers zu interpretieren, dessen Replik auf eine Wiederherstellung der Ehre zielte. Innerhalb einer frühneuzeitlichen Wertehierarchie rangierte die Wiederherstellung der Ehre offenbar über der Einhaltung der rechtlichen Normen zur Bikonfessio­ nalität in den Gemeinen Herrschaften. Denn immerhin war der Geistliche Huber bereit, letztere zu brechen, um das Kapital der Ehre der reformierten Eidgenossen und Untertanen wiederherzustellen.

vom Schweizerdeutschen Wörterbuch nicht entschlüsselt werden, dem ich an dieser Stelle herzlich danke. 207 StAZH A. 321.1., 7. Juli 1671. 208 Ebenda. 209 Von Thiessen, Kapuziner, 2002, 154.

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4.3.3 Sprache und der Wettstreit um Gläubige Pfarrer Heinrich Trüb beschritt am 18. Januar 1666 einen anderen Weg. Seinem Schreiben an den Antistes von Zürich zufolge ließ er sich von dem katholischen Geistlichen Pater Alberie Rossman, Konventuale des Klosters Wettingen, nicht dazu reizen, den Landfrieden zu brechen. Trüb verdächtigte Pater Rossman, die reformierten Dorfbewohner des bikonfessionellen Dorfes Würenlos zum Glaubenswechsel überredet und „des glaubens halber hart angesprochen“ zu haben.210 Anlässlich eines Begräbnisses, an dem auch die Pfarrkinder des reformierten Geistlichen teilnahmen, soll er diese mit der Formulierung „Gut verloren ist verloren, Ehr verloren, mehr verloren, aber Glauben verloren ist alles verloren“ vor dem falschen Glauben gewarnt haben.211 Dieses Sprichwort kommentierte Pater Rossmann mit einem Gleichnis und schloss mit den Worten, er würde alles erleiden, was es zu erleiden gäbe, wenn er nur „diese vnsere Leüth möchte gewinnen“.212 In diesem Zusammenhang sprach er vom wahren apostolischen Glauben und rezitierte mit beeindruckender Sicherheit den ersten Artikel des Zweiten Landfriedens. Geistliche zählten damit zu dem Personenkreis, durch den die Inhalte des Landfriedens unter den Dorfbewohnern verbreitet wurden: Daß aber sie den rechten wahren glauben habind, dass habind die Zürcher bekennt selbst man sölle gen Zürich gahn man werdts finden, er Zoge daraufhin an die verbalia vß dem alten Landfrieden und also lautend: so söllend vnd wöllend wir von Zürich unser getrew lieb Eydtgnossen von den V. Orthen, des gleichen auch ihre lieben mitbürger und landtslüth vom wallis, vnd alle ihre mithafften sie seging geistlich oder weltlich bey ihrem wahren christlichen vngezweifelten glouben ietz und hernach in ihren eigenen städten Landen Gebieten und Herrlichkeiten gäntzlich ungearguiert vnd vndisputiert bleiben lassen. da bekennen wir da, sie habind den wahren ungezweifelten christlichen glouben. vßert disen glouben seigind alles secten. Der Zwinglianer, der Calvinisten, Lutheraner, ­Arrianer, Türken.213 210 StAZH E II 32, 18. Januar 1666. 211 Ebenda. 212 Ebenda. 213 Ebenda. Zum Vergleich, den ersten Artikel des Zweiten Landfriedens, wie er bei ­Walder, Religionsvergleiche, Bd., 1960, 7, abgedruckt ist: „Zum ersten so söllen und wöllen wier von Zürich unser getrüwen lieben Eytgnossen von den fünf orten, desglich ouch ir lieb mitburger und lantlüt von Wallis und all ir mithaften, si sient geistlich oder weltlich, bi irem waren ungezwifelten cristenlichen glouben jetz und hienach in iren eignen stetten, landen, gepieten und herlikeiten genzlich ungearguwiert [und] ungetisputiert bliben lassen, all böß fünd, ußzüg, geferd und arglist vermitten und hindan gesetzt.“ Der Rechtshistoriker Konrad Straub sieht darin den Beweis, dass der reformierte Glaube

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Die Referenz auf den ersten Artikel des Zweiten Landfriedens war sicherlich ein kluger Schachzug des katholischen Gottesmannes. Und in der Tat, er hatte Recht. Das Eingeständnis der Zürcher, die Katholiken hätten den wahren Glauben, findet sich in dieser Formulierung im Zweiten Landfrieden von 1531. Schon kurz nach Abschluss des Friedensvertrags haderten die Zürcher mit diesem Passus des Friedenswerkes. Bullinger formulierte in seiner Vorlage für das große Mandat vom 6. November 1531 kurz nach seinem Amtsantritt, dass Zürich den „rachten, waaren, urallten, begrünten christlichen glouben“ wieder gefunden und deshalb das Papsttum beseitigt habe.214 Die Frage nach dem rechten Glauben wurde im Verlauf des 16. Jahrhunderts des Öfteren verhandelt, unter anderem im sogenannten Gwalther Handel von 1547.215 Allerdings war der Versuch der Zürcher, einen diesen Passus revidierenden Abschied zu produzieren, nicht von Erfolg gekrönt. Auch im 17. Jahrhundert gab es weitere, erfolglose Versuche.216 Die katholischen Geistlichen konnten sich in der theologischen Wahrheitsfrage daher mit Recht auf den Zweiten Landfrieden berufen.217 In der Konversionspraxis besaßen katholische Geistliche einen eminenten Wettbewerbsvorteil ihren reformierten Kollegen gegenüber. Trüb beschuldigte Rossmann, diesen schamlos ausgespielt zu haben. Exemplarisch belegte er seine Vorwürfe an einem konkreten Fall, bei dem ein kranker Mann, der Dorfwirt im Rahmen des Landfriedens lediglich als eine sektische Abweichung toleriert worden sei, vgl. Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 82 – 83; eine Lesart, der Head, Dominion, in: ARG 96, 2005, 117 – 144, hier 125, Anm. 28 nicht folgen kann. Allerdings vertritt der katholische Gottesmann diese Auffassung. 214 Bächtold, Bullinger, 1982, 100. 215 Der Zürcher Prädikant Rudolf Gwalther (1519 – 1586) musste sich gegen den Vorwurf verteidigen, in einer als „Endchrist“ betitelten und 1547 bei Froschauer erschienen Schrift die fünf katholischen Orte geschmäht zu haben. In diesem Zusammenhang wurde auf der Tagsatzung auch die Frage verhandelt, wer den rechten Glauben besitze, Göttler, Wort Gottes, in: Zwingliana 18, 1989, 69 – 119. Zu Gwalther vgl. ausführlich Bächtold, Bullinger, 1982, 95 – 102. 216 Vgl. etwa EA 5/1, 1, Jahrrechnungstagsatzung der dreizehn Orte, Baden, 29. Juni 1608, 876 – 878, wo die katholischen Orte sich dagegen sträubten, dass Zürich seinen Glauben den wahren nenne, obwohl „im Landfrieden der katholische Glaube als der uralte, wahre und unbezweifelte genannt werde, welcher Zusatz beim Glauben Zürichs nicht vorkomme“. 217 Insofern erstaunt es, dass dieser Passus des Landfriedenstextes katholischen Geistlichen nicht häufiger als Argument diente. Er taucht aber auf in der Osterdienstagspredigt eines Kapuziners von Baden, vgl. StAZH A. 321.1, 1704, und in einem theologischen Disput zwischen einem katholischen Geistlichen und reformierten Laien, allerdings ohne dass explizit auf den Landfrieden verwiesen wurde, vgl. St AZH A. 238.1, 22. Juli 1609.

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Damast, durch die Heilsangebote der katholischen Konfession zur Konversion bewegt werden sollte. Damast habe an ihm gehabt ein schwär anligen in dem ihm das wasser nit mehr gangen, sondern in eiter und blut sich verwandlet, vnnd da ihm niemand könnte helffen, habind etliche papisten ihn ermahnet, er solle ein walfahrt thun gen Einsidlen, oder ein kelch in die kirchen verehren, so werde ihm geholffen: da er’s versprochen, habe es sich grad gebeßeret: da er’s aber nit gehalten, seige der schaden ihm wider ankommen, vnd noch böser worden da man ihn seines versprechen erinnert, vnd er einen kelch in die kirchen verehrt, weil er so ein hart hertz hatte, dass er nit wollte Catholisch werden, seige es gsin, alß wan mans mit dem bösen hinweg wüschte.218

Damast befand sich in einem Zwiespalt. Schon das Versprechen, auf Wallfahrt zu gehen oder der Kirche einen Kelch zu stiften, brachte seinem geschundenen Körper offenbar die erhoffte Erleichterung und Besserung. Allerdings zählten die zur Genesung vorgeschlagenen Mittel zu einer katholischen praxis pietatis und waren „wundertätige“ Angebote der katholischen Kirche.219 Die reformatorischen Bewegungen hatten durch die alleinige Mittlerrolle Christi und durch die Konzentration auf die Vermittlung der Gnade durch Predigt und Sakrament zur Verwerfung und Abschaffung jeglicher Wallfahrtspraxis geführt. Der Gewissenskonflikt des kranken Mannes bestand darin, dass er die Genesungsangebote der konkurrierenden Konfession nur annehmen konnte, wenn er zum katholischen Glauben konvertierte, was er aber offensichtlich ablehnte. Eventuell spielte auch eine gewisse Skepsis mit, ob eine Wallfahrt nach Einsiedeln tatsächlich dauerhafte Genesung von seinem Leiden bringen würde. 1570 hatte ein Mann reformierten Glaubens aus dem gemischtkonfessionellen Dietikon einem wallfahrenden Ehepaar unumwunden ins Gesicht gesagt, es „nütze nüt gan einsidlen zogan, die frauw sige nüt dan ein höltzin Bild […], und alle die

218 StAZH E II 32, 18. Januar 1666. 219 Der Luzerner Stadtschreiber Renward Cysat (1545 – 1614) berichtet, dass viele Protestanten heimlich, da aus „forcht der straff ihrer obrigkeit“, bei katholischen Geistlichen der Innerschweiz um geistlichen Rat und/oder praktische Lebenshilfe baten, bei „zeitlichen anliegen, kranckheiten oder anderen“ und „nit allein wahlfahrten thuen, sonder auch den h. messen vnd cathol. Gottsdiensten vnd ceremonien beywohnen“. Zit. nach von Greyerz, Intoleranz, in: Mattioli/Ries/Rudolph (Hg.), Intoleranz, 2004, 57 – 73, hier 65. Kaspar von Greyerz vermutet, dass solches „konfessionelles Grenzgängertum“ verbreiteter war, als die sich vorwiegend an den normativen Quellen orientierenden Untersuchungen der Konfessionalisierungsforschung nahelegen.

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gan einsidlen gangen, die syen all dieben, schelme und kätzer“.220 Damit vollzog die Sprechhandlung dieses Mannes eine dreifache Beleidigung, da er erstens die Wirkmächtigkeit des Wallfahrtsorts, zweitens der Jungfrau Maria in Zweifel zog und zudem drittens die Wallfahrer beleidigte.221 In der bikonfessionellen Landschaft der Grafschaft Baden stand die Wallfahrt in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als ein identitätsstiftendes Differenzkriterium zur Verfügung, über das sich Abgrenzungstendenzen zwischen den Konfessionsangehörigen herstellen und inszenieren ließen.222 Rossman hatte Trüb zufolge noch weitere verbale Handlungen vollzogen, die der Zweite Landfrieden unter Strafe stellte. Wiederum soll Zwingli die Zielscheibe katholischen Spottes geworden sein, den Rossman als Eidbrüchigen titulierte, da er sich trotz Keuschheitsgelübde ein Weib genommen hatte. Auch die schon bekannten Argumente gegen die reformierte Haltung in der Bilderfrage sollen dem Konventualen über die Lippen gekommen sein. Zu seiner Beweisführung, dass das katholische Glaubensbekenntnis die wahre Religion sei, zählten auch die „miracul und wunder“, von denen die katholische Kirche in großer Zahl wisse, die es aber bei den Reformierten nicht gebe.223 Kontext seiner Sprechhandlungen waren weiterhin seine Versuche, die reformierten Dorfbewohner zum Übertritt zum katholischen Glauben zu bewegen – ein Glaubenswechsel, den der Zweite Landfrieden durchaus billigte. Zu den Wundern gehörte auch jenes von den Häuptern „Petri und Pauli“, die „vnverwesen mit lebendig farben“ seien.224 Streng genommen handelte es sich hierbei um kein tatsächliches Wunder, sondern um – besonders gut? – erhaltene Reliquien der Apostel Peter und Paul. Die Sprecherintentionen katholischer Geistlicher gingen damit in den hier diskutierten Sprechakten über die Artikulation von Differenz durch konfessio­ nellen Spott und Hohn und eine Konfliktsublimierung hinaus: Katholische Geistliche nutzten die legalen Handlungsspielräume aus, die ihnen der Zweite Landfrieden einräumte, um reformierte Gläubige von den Vorteilen des Katholizismus zu überzeugen, gemischtkonfessionelle Glaubensgemeinschaften zu polarisieren und Abgrenzungstendenzen unter katholischen und reformierten 2 20 StAAG AA 2824/3, X. Kirchensachen 1563 – 1772, N° 2, 18. August 1570. 221 Zur ausführlichen Interpretation dieser Worte vgl. Hacke, Konflikt, in: ZHF 32, 2005, 575 – 604. 222 Hier lässt sich ggf. von dem Wettbewerbsvorteil der katholischen Kirche den protestantischen Kirchen gegenüber sprechen. Diese Anregung entnehme ich Reinhard, Konfessionalisierung, 1995, 426. 223 StAZH E II 32, 18. Januar 1666. 224 Ebenda.

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Untertanen zu fördern.225 Sprache war dementsprechend eine Waffe im Kampf um Gläubige. Allerdings lässt sich nicht geradlinig von den Sprecherintentio­ nen auf die Wirkungen schließen. Zudem vertraten auch gläubige Laien im Wettstreit der Konfessionen einen eigenen Standpunkt, wie nicht zuletzt der Fall Damasts bezeugt. Auch wurde angedeutet, dass die Versuche, Gläubige zur Konversion zu gewinnen, ein friedliches Miteinander im sozialen Dorfverband erschwerten. Einen solchen Vorwurf formulierte 1648 der bekannte reformierte Pfarrer Jakob Redinger.226 Er warf dem katholischen Gottesmann von Dietikon vor, mit öffentlichen Äußerungen die zufriedene Kirchengemeinde aufgebracht und den dörflichen Frieden im gemischtkonfessionellen Dorf gefährdet zu haben. Die Einschätzung, dass „solche schmütz und schmachwort nüt guts verfahend, sonder grosse Verbiterungen vnd Zwyfelhaftige gemüter vervrsachend“, war unter Geistlichen, die sich über die verbalen Äußerungen ihrer Kollegen der jeweils anderen Konfession äußerten, verbreitet, da sie konfessionellen Antagonismus und Dissens auf kommunaler Ebene provozierten.227 Redinger ging sogar noch einen Schritt weiter und stellte einen kausalen Zusammenhang zwischen beleidigenden Sprechhandlungen und Gewalttaten her. In seinen schriftlichen Ausführungen, die er über dieses Ereignis nach Zürich entsandte, betonte er, dass der katholische Geistliche in seiner Sonntagsmesse „lästerliche, dem landtsfrieden schwörwichtig zuwider laufende, und zu einem blutsbad anhetzende wort ausgestoßen“ habe.228 Ein verbaler Sprechakt hatte demnach zu einer tätlichen 225 Vgl. dazu ausführlich Kap. 5: Kommunikation über Glaubenswechsel. 226 Johan Jakob Redinger hatte ein bewegtes Leben, das hier verkürzt nach Steinbrecher, Verrückte Welten, 2006, 13 – 14, geschildert wird. Redinger wurde 1655 der Obrigkeit auffällig, da er den katholischen Pfarrer von Dietikon festgenommen hatte, um sich an dem Abt von Wettingen, seinem katholischen Grund- und Gerichtsherrn zu rächen, mit dem er im offenen Konflikt lebte. Redinger wurde daraufhin seines Amtes enthoben. In den folgenden Jahren ging Redinger auf den Spuren Amos Comenius’ (1592 – 1670) nach Amsterdam. Zudem war er von der Notwendigkeit eines Heilsprogramms überzeugt, das die Absetzung des Papstes und die Bekehrung von Juden, Türken und Heiden vorsah. In seinem späteren Leben hatte Redinger nächtliche Visionen, die ihn als Auserwählten zeigten. In dieser Mission reiste er zum französischen König nach Fontainbleau, widmete sich der Türkenbekehrung und begab sich am 25. Juli 1664 auf eine Reise ins Osmanische Reich. 1665 kehrte er nach Zürich zurück, verweilte aber nur kurz, da eine Reihe neuer und alter Klagen gegen ihn anhängig waren. Die Sehnsucht nach seiner Familie trieb ihn jedoch erneut zurück in die Limmatstadt. 1667 wurde er als geisteskrank eingestuft und ins Zürcher Spital gebracht. Das sollte er auch nicht mehr verlassen. Bis zu seinem Tod 1668 blieb Redinger im Gewahrsam des Spitals. 227 Die zitierte Äußerung stammt vom reformierten Pfarrer der Würenloser Gemeinde, Hans Konrad Keller, StAZH E II 20, 29. Dezember 1653, fol. 5. 228 StAZH A. 3661.1, 21. Juli 1648.

Geistliche und ihe Predigten

Auseinandersetzung geführt, wobei sich nicht mehr verifizieren lässt, ob eine solche auch tatsächlich stattgefunden hatte. Ohnehin waren auch Worte Taten, die zudem im Verdacht standen, weitere soziale und politische Handlungen zu provozieren. Insofern verfolgte die politische Elite der Eidgenossenschaft eine Politik der Befriedung, wenn sie die Grenzen des Sagbaren eng zog, um friedliche religiöse Koexistenz zu ermöglichen. 4.3.4 Spott und strukturelle Gewalt Die Wirkungen beleidigender Wortbotschaften waren nicht auf den lokalen Dorfverband beschränkt. Spott stellte eine Möglichkeit dar, wie bereits kurz erwähnt wurde, der strukturellen Gewalt der Konfessionalisierung zu begegnen, sie bloßzustellen oder sie zu instrumentalisieren.229 Diese einleitend referierte Beobachtung möchte ich im Folgenden kurz aufgreifen, da sie mir mit Blick auf das bikonfessionelle Herrschaftssystem Gemeine Herrschaft lohnend erscheint. Der Mehrebenencharakter konfessioneller Konflikte führte nicht nur dazu, dass lokale Schmähreden auf eidgenössischen Tagsatzungen debattiert wurden. Diese klangen aufgrund dieser Dynamik zudem ganz zwangsläufig auch in den Ohren der regierenden Elite. Auch auf der eidgenössischen Ebene provozierten beleidigende Wortbotschaften Reaktionen. Der Zürcher Bürgermeister Rahn hatte sich beispielsweise wegen der lästerlichen Reden des oben erwähnten katholischen Geistlichen persönlich in die Grafschaft Baden begeben. In seiner Missive an den Stadtschreiber Wolf in Zürich im Juli 1648 formulierte er treffsicher, dass die „abschüchliche lesterliche […] reden der priester“ sowohl dem Landfrieden aber eben auch „gemeiner ehrbarkeit zu wider“ sei.230 „Gemeiner Ehrbarkeit“ war freilich etwas anderes als die Ehre oder Reputation von der bislang die Rede war, denn sie bezog sich auf einen herausgehobenen gesellschaftlichen Stand und nicht auf ein symbolisches Gut.231 Wurde Zwingli als eidbrüchiger Bock verschrien oder eine Analogie zwischen einem jungen Käse und einer Glaubensrichtung gezogen, dann zielten diese Worte nicht nur gegen die reformierte Gemeinde, sondern sie waren auch gegen die politische Elite Zürichs gerichtet. Schmähende Wortbotschaften hatten dementsprechend verschiedene Adressaten, da sie die lokale Dorfbevölkerung, den Landvogt, aber auch die eidgenössischen Regenten der gleichen konfessionellen Zugehörigkeit beleidigten, gegen die sie gerichtet waren. Sie lassen Empfindungen einer 229 Duhamelle, Wandlungen, in: von Greyerz/Siebenhüner (Hg.), Religion, 2006, 321 – 342, hier 321 – 322. 230 StAZH A. 366. 1, 26. Juli 1648. 231 In frühneuzeitlichen Städten wurde mit der Ehrbarkeit das Patriziat bezeichnet, vgl. für Württemberg Haug-­Moritz, Ehrbarkeit, 2009.

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strukturellen Gewalt vermuten, die sich in diesen Sprechakten entluden und weit über die Grenzen des lokalen Dorfverbands und selbst der Grafschaft Baden hinausreichten. Ganz buchstäblich vollzogen diese Sprechakte soziale Handlungen, denn wenn katholische Geistliche über den reformierten Glauben spotteten, verweigerten sie ihrer reformierten eidgenössischen Obrigkeit durch die Beleidigungen den gebührenden Respekt. Gleiches gilt für die katholische Obrigkeit, wenn reformierte Geistliche über die Transsubstantiationslehre oder den katholischen Bilderkult spotteten. In Anlehnung an Paolo Prodi, der Fluchen und Schwören als einen Akt politischer Verweigerung gedeutet hat, lässt sich mit Blick auf die Gemeinen Herrschaften formulieren, dass die verbalen Sprechhandlungen theologischen Inhalts soziale Handlungen konstituierten, die immer derjenigen eidgenössischen Obrigkeit den Respekt und Gehorsam entzogen, die zur Zielscheibe des konfessionellen Spotts und Hohns wurden.232 Das konfessionsspezifische Ehrverletzungspotential der Worte, die das Regelwerk zur religiösen Koexistenz brachen, wurde in der Alten Eidgenossenschaft in politischen Zuschreibungsprozessen ermittelt, und es wurde geprüft, ob die betreffenden Formulierungen das Etikett des Landfriedensbruchs verdienten. Aus der Perspektive der eidgenössischen Obrigkeit versprachen diese Handlungen zudem eine Wiederherstellung der Ehre, die zur Wahrung ihrer Handlungs- und Regierungsfähigkeit im politischen Herrschaftssystem „Gemeine Herrschaft“ notwendig war. In der Alten Eidgenossenschaft konstituierten Ehrverletzung und Ehrwiederherstellung gesellschaftliche Prozesse, die politische Verfahren auf höchster politischer Ebene generierten. Diese sollen im Folgenden näher betrachtet und hinsichtlich der erkenntnisleitenden Frage analysiert werden, welche Handlungsoptionen die reformierten Eidgenossen trotz Mehrheitsvotum besaßen, um eine Wiederherstellung ihrer politischen Ehre im Falle beleidigender Worte gegen ihre Konfession einer katholischen Majorität gegenüber durchzusetzen.

4.4 Schmähreden und eidgenössische Kommunikations- und Handlungsoptionen Die komplexe Struktur des weitverzweigten und gestaffelten Herrschaftssystems der Grafschaft Baden war nicht nur äußerst unübersichtlich und schwerfällig. Herrschaft unter Abwesenden implizierte politische Kommunikations- und Handlungsoptionen, die das Regierungssystem „Gemeine Herrschaft“ zwar 232 Prodi, Sakrament, 1997 sowie ders., Eid, in: ders. (Hg.), Glaube, 1993, VII–XXIX.

Schmähreden

nicht explizit vorsah, die ihm aber immanent waren. Im Folgenden sollen drei unterschiedliche politische Vorgehensweisen dargestellt werden, die den reformierten eidgenössischen Regenten und lokalen politischen Funktionsträgern jenseits einer katholischen Mehrheit auf der Tagsatzung zur Realisierung eigener Herrschaftsinteressen in der Grafschaft Baden zur Verfügung standen. Da die katholischen Regenten auf Machtteilhabe und der Deutungsmacht von Schmähreden als Landfriedensbrüchen beharrten, geraten bei dieser Perspektive zudem die vertikalen und horizontalen gesellschaftlichen Zuschreibungsprozesse in den Blick. 4.4.1 Kommunikation „inn Geheimb“ Als 1568 der katholische Pfarrer in Klingnau unter dem Verdacht stand, dem Landfrieden zuwider gehandelt zu haben, war es der reformierte Landvogt Simon Wurstemberger aus Bern, der in Erfahrung gebracht hatte, dass „schmäch und schmütz worten […] an der Canzel vnnd darneben“ gefallen seien.233 Die Möglichkeit zum mündlichen Gespräch nutzte der Repräsentant der eidgenössischen Orte auf der Badener Tagsatzung, um allein die Gesandten aus Zürich ohne kommunikative Umwege rasch und „inn geheimb“ zu informieren.234 Mit diesem Akt der Geheimhaltung hinterging der reformierte Landvogt die katholischen mitregierenden Orte, denen er als Repräsentant der hohen Obrigkeit den gleichen Respekt – und damit die gleichen Informationen – schuldete. Offenbar wurde ein Bericht über die Vorkommnisse im Klingnauer Kirchenraum im Anschluss an die mündlichen Gespräche vom Landvogt verfasst und dem regierenden Stand Zürich zugesandt. Der reformierte Vorort, der mündlich von seinen Gesandten und schriftlich durch den Landvogt über die Ereignisse im Klingnauer Kirchenraum unterrichtet worden war, nutzte sodann die Anwesenheit der reformierten Gesandten aus Bern und Evangelisch Glarus auf der Tagsatzung am 29. September 1568 und instruierte seine Boten, sich mit diesen zu beraten.235 Diese Strategie des innerkonfessionellen Gesprächs wurde in einem anderen Fall von Zürich mit dem ausdrücklichen Befehl versehen, die Gesandten der anderen Stände nicht zu informieren, sondern zunächst die Ergebnisse der innerkonfessionellen Beratungen heimzubringen – Zürich sicherte sich damit den katholischen Mitregenten gegenüber einen deutlichen Wissensvorsprung.236 233 StAZH BVIII 6, fol. 124r. 234 StAZH BIV 28, fol. 250r. 235 Zumindest lautet so die Instruktion an die Zürcher Gesandten, den Bürgermeister Bernhard von Chaam und das Ratsmitglied Hans Kamblin, vgl. StAZH BVIII 6, fol. 124r. 236 Ebenda, fol. 139r.

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Wissen war fundamental, wenn es darum ging, Argumentations- und Handlungsstrategien zu entwerfen und aktiv in die politischen Zuschreibungsprozesse einzugreifen. Die Strategie, die katholischen Orte aus den Kommunikationszusammenhängen auszugrenzen, war im Klingnauer Geschäft erfolgversprechend. Der Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich hatten sich aus diesem Grund bereits vor der Tagsatzung im September am 21. Juli 1568 an den Landvogt gewandt und in einem Schreiben darum gebeten: du wellest Inn geheimb vnnd stille sie des Pfarrers von Klingnow halb ferer nachfrag haben vnnd wo du darumbe kuntschafft fundest, die selbig inn schrift verfassen vnnd vns zukommen lassen, damit wir vnnd darInn ersechen vnnd alßdann fürer nach der gepür vnnd notturfft zehandlen wüssint, vnnd dich also darinne nach vnnserm sonnders verthrawen beweysen, das stat vmb dich gannz zeitwillig zu beschulden.237

Zürich setzte bei seinem subversiven Vorgehen auf die Loyalität des Mannes, der den gleichen Glauben praktizierte wie die Limmatstadt. Dieser sollte den reformierten Stand Zürich durch die Niederschrift und die Zusendung der Kundschaft in den Besitz detaillierter Informationen über die angeblich beleidigende Sprechhandlung bringen. Nur wer detailliert über die im Kirchenraum gefallenen Worte informiert war, konnte überzeugend argumentieren und bezüglich der Frage, ob die Worte des Klingnauer Geistlichen das Etikett des Landfriedens verdienten, eine differenzierte Beurteilung vornehmen. In der Regel wurden die politischen Zuschreibungsprozesse der regierenden Orte auf der Grundlage von schriftlichen Dokumenten (Berichten, Missiven und eben auch Kundschaften) vorgenommen, Distanzmedien also, die den Fluss der Kommunikation und der Information sicherstellten. Nur äußerst selten bekamen die regierenden Orte die angeklagten Personen selbst zu Gesicht und hatten deren Verteidigung mit eigenen Ohren gehört.238 Die eidgenössische politische Elite verließ sich generell auf die Darstellung Dritter, wenn es um die Wiedergabe der konkreten Worte ging, die auf der Kanzel oder im Wirtshaus gefallen waren. Insofern befassten sich schon die Eidgenossen während ihrer politischen Zuschreibungsprozesse mit Sprechhandlungen, die ihnen vorwiegend als Texte vorlagen. 237 StAZH BIV 28, fol. 250v. 238 Insofern scheint der ausführliche Fall Jakob Appenzellers, von dem eingangs die Rede war, eine Ausnahme darzustellen, da die Kundschaften im Beisein der regierenden Orte erstellt wurden. Diese Vorgehensweise war der Tatsache geschuldet, dass Appenzeller eine Wirkungsmächtigkeit für die Landfriedensdeutung zukam, wie sie spätere Fälle in dem Umfang nicht mehr erreichen sollten.

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Der Gefallen, der vom reformierten Landvogt erbeten wurde, stellte Loyalitäten und Vertrauensverhältnisse innerhalb der reformierten politischen Elite her und unterzog andere einer Prüfung. Denn aus der bevorzugten Behandlung der Zürcher Elite resultierte eine Benachteiligung der katholischen Stände, die – wenn überhaupt – diese Schriftstücke mit zeitlicher Verzögerung erhielten. Trotz – oder wegen? – des großen taktischen Aufwands, der intensivierten Kommunikation und der Geheimhaltung über sein politisches Vorgehen war Zürich wegen der angespannten Lage in den 1560er- und 1570er-Jahren bereit, den Fall ruhen zu lassen. 4.4.2 Strategische Eidgenossen und politisches Selbstverständnis Waren die Landvögte reformiert, besaßen die reformierten Regenten demnach Verbündete vor Ort, die kurze Kommunikationswege nutzten und ihre Handlungsoptionen maximierten. Welche politischen Verfahrenswege standen den reformierten Regenten zur Verfügung, wenn der Landvogt katholisch war? Exemplarisch soll diese Frage anhand der langwierigen eidgenössischen Verhandlungen diskutiert werden, die aus einem Ereignis in Gebenstorf erwuchsen, bei dem der reformierte Pfarrer Benedict Steinegger 1660/1661 beschuldigt worden war, den anderen Glauben geschmäht zu haben. Dieses Beispiel ermöglicht Einblick in die Handlungsoptionen der reformierten Regenten der Grafschaft Baden in Fällen, in denen die katholischen Mitregenten durch die Wortbotschaften angeblich oder tatsächlich beleidigt wurden. Bereits Zeitgenossen differenzierten messerscharf zwischen den Aussagen, die sie selbst tätigten und die ihnen von anderen buchstäblich in den Mund gelegt wurden. Der reformierte Geistliche Steinegger setzte sich 1660 gegen die Beschuldigung zur Wehr, er habe anlässlich der Konversionsabsicht eines Gemeindemitglieds wider die Papisten gelästert. Steinegger verteidigte sich gegen den Vorwurf mit den Worten, eine Beleidigung sei ihm nie über die Lippen gekommen, sondern sie sei in den Ohren der „anwesenden persohnen“ entstanden.239 Steinegger unterschied somit zwischen dem Sender, ihm selbst und den Rezipienten der Botschaft, den anwesenden Personen. Bedeutung wurde Steinegger zufolge nicht durch ihn als Sprechenden, sondern maßgeblich durch 239 StAZH A. 238.3, 1660: „Diese meine wordt aber haben von stund an die anwesenden persohnen vsgetragen vnd entweders vs vnuerstand vnd verschluß oder vs bosheit verendert vnd verkehrt, daher der eine das, der anders diß von mir außgeben, wie dann der einte an gewüßen ordt gesagt, wan es Ihme das leben gult, so könne er meine wordt nit wiederholen, gleich wol zeüget Er ietz, ich habe gesagt, Ja woll du wilt Inn den kätzerischen glauben stellen, vnd dass diese wort niemalen Inn meine gedanken kommen, viel weniger vs dem mund gangen“.

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die Hörenden produziert, ein Vorgang, der an die eingangs diskutierte Labelingtheorie erinnert. Steinegger selbst verbürgte sich dafür, die katholische Konfession niemals als einen „kätzerischen“ und „abgöttischen“ Glauben tituliert zu haben. Dennoch hatte ihm der katholische Landvogt Heinrich Zurlauben aus Zug eine Buße von 600 Pfund auferlegt. Über diese Amtshandlung beklagte sich Benedict Steinegger schriftlich. Er beteuerte, keine Lästerungen wider „die papisten“ begangen zu haben. Sein Schreiben nannte keinen Adressaten, aber höchstwahrscheinlich war es an den reformierten Stand Bern gesandt worden, der die Kollaturrechte in Gebenstorf innehatte.240 In Gebenstorf hatte der Landesherr Bern mit der Auflösung des Kloster Königsfelden 1528 die Rechtsnachfolge angetreten, die sich auch auf Birmenstorf erstreckte. In seiner Funktion als niederer Gerichtsherr und als mitregierender Ort wurde Bern in diesem Fall, der – wie wir noch sehen werden – weite Kreise zog, kommunikativ rasch aktiv und schmiedete politische Allianzen mit Zürich. Kritisiert wurden unter anderem die politischen Verfahrensweisen der katholischen Orte. Diese hatten dem katholischen Landvogt Zurlauben den Rücken gestärkt, als er den Gebens­ torfer Pfarrer Steinegger für seine Wortdelikte eine Buße auferlegte. Auf der katholischen Tagsatzung der fünf Orte in Luzern am 17. Juni 1660 wurde dem Landvogt Zurlauben aufgetragen, trotz des Protestes aus Bern gegen die Strafe nicht von dem politischen Kurs abzuweichen. Dieses Vorgehen exemplifiziert das politische Selbstverständnis der fünf Orte, deren Entscheidungen aufgrund ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit immer zugleich auch Mehrheitsentscheidungen darstellten, auch wenn sie auf katholischen Konferenzen und nicht auf den eidgenössischen Zusammenkünften gefallen waren. Die Berner Gesandten wiesen daher auf der gesamteidgenössischen Konferenz am 4. Juli 1660 darauf hin, dass der katholische Zuschreibungsprozess, der die Worte des Gebenstorfer Pfarrers mit dem Etikett des Landfriedensbruchs versehen hatte, durchaus unterschiedliche Beurteilungsperspektiven zulasse. Gegen die katholische Deutung der katholischen Mitregenten appellierten die Berner Gesandten, die katholischen Boten mögen „der Außlegung seiner [des Pfarrers, D. H.] wortten glauben beymessen vnd vmbs besten willen die Bueß aufheben“ – die Gesandten Berns betonten demnach den Auslegungsspielraum, der jeder Wortäußerung inhärent war. Die katholischen Gesandten beharrten jedoch auf ihrem Standpunkt; sie trugen unbeirrt dem Landvogt auf, mit der Einziehung der Buße fortzufahren.241

2 40 Möglicherweise wurde zusätzlich Zürich informiert, vgl. StAZH A. 238.3, 1660. 241 So wurde es zumindest in den Abschied genommen, vgl. StAZH BVIII 135, fol. 206r–207r und 229v–231v sowie die Kurzfassung in EA 6/1, 3, 1324, Art. 314 u. 316.

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Damit hatten die katholischen Regenten der Grafschaft Baden ihre konfessionellen Herrschaftsinteressen auf der dafür vorgesehenen Institution, der Tagsatzung, artikuliert und ihre Befehle zur Durchsetzung dem Landvogt mitgeteilt. Die katholischen Kommunikationskanäle und die Zusammenarbeit zwischen Landvogt und den katholischen Orten hatten sich ebenfalls als effizient und verlässlich erwiesen. Die reformierten Orte schlossen sich daraufhin enger zusammen und intensivierten ihre Kontakte, indem sie sich schriftlich austauschten und berieten. Nach außen hin traten sie allerdings weiterhin allein auf. Als Nachfolger des Klosters Königsfelden verwahrte sich Bern gegen die Verfahrensformen der katholischen Orte dem reformierten Pfarrer gegenüber und erteilte dem Badener Landvogt wegen dessen Bestrafung einen Verweis.242 Diese Kommunikation unter Abwesenden verdeutlicht eindrücklich, wie in der bikonfessionellen Regierungspraxis der Gemeinen Herrschaft politische Differenzen hinsichtlich der Herrschaftsansprüche in Distanzmedien sichtbar gemacht wurden, aber auch, wie das politische Handeln der regierenden katholischen und reformierten Stände durch die Faktoren Konfession, Zeit und Raum determiniert wurden. Die konfessionsspezifischen Herrschaftsinteressen erfuhren ihre Artikulation auch in der innerkonfessionellen Kommunikation, nämlich zwischen den reformierten Orten Zürich und Bern. In einem Schreiben vom 3. Dezember 1660 an den Rat der Stadt Zürich formulierte Bern angesichts der Strafe und der Verfolgung, die der Prädikant Steinegger von Gebenstorf wegen „einer vermeinten seinerseits aber verneinenden lesterung wegen wider die Catholische Religion“ erleiden musste, zunächst seine Entrüstung. Mit dieser Formulierung wurde darüberhinaus eine von der katholischen Position divergierende Wahrnehmung der Ereignisse kommuniziert, da Bern der Aussage des Pfarrers, ihm seien keine Lästerungen über die Lippen gekommen, Glauben schenkte.243 Bern bat Zürich nicht nur um eine Stellungnahme („fürsichtiges Sentiment vnnd gutachten“), wie weiter vorgegangen werden sollte („was für mittel vnnd expedient Ihr für ersprießlich fundint“), sondern gab auch seiner Besorgnis Ausdruck, dass die katholischen regierenden Orte „durch das mehr die Judicatur vber die Hr: Predicanten In den gemeinen Vogteyen behoupten“ könnten.244 Diese Befürchtung 242 EA 6/3, 1, Katholische Konferenz, 25.–27. Oktober 1660, 1324, Art. 318. 243 StAZH A 238. 3, 3. Dezember 1600. 244 Ebenda. Die Limmatstadt antwortete noch im selben Monat. Zürich hielt es für das Beste, wenn der Handel bis zur nächsten Tagsatzung eingestellt werde, vgl. StAZH BIV 123, 10. Dezember (?) 1660, fol. 126r–v. Dies teilte der reformierte Ort kurz darauf auch dem Landvogt in Baden mit und betonte, dass das „anhalten eines loblichen Mitregierenden Orts in derglychen fählen billich zu respectieren“ sei, StAZH BIV 123, 22. Dezember 1660, fol. 129v. Der Landvogt entgegnete jedoch am 3. Januar 1661,

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war angesichts des Mehrheitsgrundsatzes nicht unbegründet: Beschloss eine katholische Mehrheit, einen reformierten Pfarrer zu strafen, dann konnte sie dies auf Grundlage der zahlenmäßigen Überlegenheit auch gegen den Willen der reformierten Mitregenten durchsetzen. Ohne eine aufgrund der fragmentarischen Quellenlage schwer zu rekons­ truierende vollständige Chronologie der kommunikativen Ereignisse zu bieten, seien im Folgenden die wesentlichen Kommunikationskanäle benannt, die Bern und Zürich nutzten, um politisch stärker in Erscheinung zu treten, ihre Handlungsoptionen zu maximieren und ihre Herschaftsziele zu erreichen. Zunächst versicherten sich Zürich und Bern einer gemeinsamen Einschätzung der Ereignisse und entwarfen eine gemeinsame politische Strategie. Auch dies geschah mittels der Distanzmedien. In dem Antwortschreiben vom 10. Dezember 1660 versicherte Zürich dem reformierten Mitregenten seine Unterstützung – und kommunizierte damit zugleich, dass Einhelligkeit hinsichtlich der Einschätzung der Lage bestand. Des Weiteren empfahl Zürich, an den Landvogt in Baden zu schreiben, um den „Handel“ und die „Execution“ der Strafe bis zur nächsten Tagsatzung einzustellen.245 Ob Bern diesen Rat befolgte, ist unbekannt, doch in jedem Fall wurde dem katholischen Landvogt von Zürich selbst unmissverständlich mitgeteilt, dass dieser seine Handlungen „wider Ihre [die evangelischen] Bürger vnd Evangelische Pfarrherrn zu Gebistorff“ einzustellen habe.246 Dieses Schreiben vom 22. Dezember 1660 pochte unmissverständlich darauf, dass ein katholischer Landvogt auch die Herrschaftsinteressen der reformierten Stände zu berücksichtigen habe, und reflektierte mithin über die Bedeutung der Kategorie Konfession innerhalb des Systems der Gemeinen Herrschaft. Zürich betonte demnach seine Autorität als ein Mitregent der Grafschaft Baden.247 Der Landvogt entgegnete jedoch am 3. Januar 1661, das Vorgehen sei ihm von den katholischen Orten befohlen worden. Er sei zwar bereit zu willfahren und die „übrige Activa und Execution In denen terminis wie Sie der gemeindt begerter massen vnd biß erstere Eidtgenösische Zuesamenkunfft eingestelt bleiben das Vorgehen sei ihm strikt von den katholischen Orten befohlen worden. Er sei zwar bereit zu willfahren und die „übrige Activa und Execution In denen terminis wie Sie der gemeindt begerter massen vnd biß erstere Eidtgenösische Zuesamenkunfft eingestelt bleiben zuelassen“, allerdings benötige er dazu von den übrigen Mitregierenden „vnd mehreren ortten“ einen solchen Befehl, StAZH A. 238.3, 3. Januar 1661. Geschickt wendet der katholische Amtmann das Mehrheitsprinzip gegen den reformierten Ort Zürich, 245 StAZH BIV 123, 10. Dezember 1660, fol. 126r–v. 246 Ebenda, 22. Dezember 1660, fol. 129v. 247 Zeitgenössisch formuliert liest sich die Äußerung wie folgt: Der Landvogt habe das „anhalten eines loblichen Mitregierenden Orts in derglychen fählen billich zu respectieren“; StAZH BIV 123, 22. Dezember 1660, fol. 129v.

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zuelassen“, allerdings benötige er dazu von den übrigen Mitregierenden „vnd mehreren ortten“ einen eindeutigen Befehl.248 Er argumentierte somit nicht mit der gleichen Konfessionszugehörigkeit, die es ihm aufgrund ähnlicher Herrschaftsinteressen leichter machte, sich den katholischen Orten gegenüber loyal zu verhalten, sondern der katholische Amtmann führte das Mehrheitsprinzip an, um seine Weigerung plausibel zu machen und den Anweisungen des mitregierenden Stands Zürichs als einer eidgenössischen Minderheit nicht zu entsprechen. Insofern konnte sich auch ein katholischer Landvogt mit Verweis auf die Regierungsprinzipien der Gemeinen Herrschaft als ein treuer und loyaler Amtmann der reformierten Stände inszenieren. Der katholische Landvogt rechtfertigte seine politischen Handlungen demzufolge mit den Anweisungen, die er von den katholischen Orten als der Regierungsmehrheit der Grafschaft Baden erhalten hatte. Der Versuch Zürichs, Druck auf den Landvogt auszuüben, um die politischen Entscheidungen der katholischen Orte zu „korrigieren“, hatte sich als Fehlschlag erwiesen. Eine weitere Möglichkeit war die politische Offensive. Am 17. Dezember 1660 versandte Bern ein Schreiben an die mitregierenden Orte der Grafschaft Baden. Darin artikulierte der reformierte Stand den eigenen politischen Standpunkt und seine Hoffnung, der Landvogt von Baden möge sein Urteil revidieren: Wiederum wurde darauf gedrungen, die „sach“ bis zur nächsten eidgenössischen Zusammenkunft auf sich beruhen zu lassen.249 Obwohl auf der Tagsatzung weiterhin eine katholische Regierungsmehrheit herrschte, bot der eidgenössische Gesandtenkongress den reformierten Ständen die Möglichkeit, eigene Standpunkte zu kommunizieren und ein politisches Geschäft neu zu verhandeln, kurz, politischen Dissens in der gemeinsamen Regierungspraxis zu artikulieren. Das Vorgehen des Landvogts und die „strenge Execution“ galt dem Berner Schreiben zufolge als „höchst beschwerlich vnd odios“. Zudem war die Buße gegen den Gebenstorfer Pfarrer ohne die Zustimmung – und das Wissen? – aus Bern, Zürich und Evangelisch Glarus erfolgt.250 Das politische Vorgehen des Landvogts wertete Bern daher als „dem Eidtgnosischen herkommen vnnd mitregierungsrechten, oder dessen gebürender gleichheit beobachtung vngemeß“.251 Bern sah das Prinzip der gemeinen Regentschaft unterlaufen, das nach Auffassung des reformierten Ortes gleiche Rechte für die regierenden Orte implizierte. Der 2 48 StAZH A. 238.3, 3. Januar 1661. 249 Ebenda, undatiert. Das nächste gesamteidgenössische Treffen fand am 3. Juli 1661 in Baden statt. 2 50 Zum Einfluss der katholischen Orte vgl. StAZH BVIII 136, Gemeineidgenössische Tagsatzung Baden, 3. Juli 1661, fol. 43v. 251 StAZH A. 238. 3, undatiert und ohne Folioangaben.

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Fall des Benedict Steinegger hatte eine grundsätzliche Wendung genommen, denn die reformierten Stände propagierten ein paritätisches Verständnis von Herrschaft und widersetzten sich damit der Regierungspraxis der katholischen Orte. Auf der Badischen Tagsatzung am 4. Juli 1660 wiesen die Berner Gesandten darauf hin, dass „Ire Herren vnd Oberen diße Vngleichheit nit verstehen, sonder begerten, dass selbige billicher massen ein gleichheit gegen beiderseits Religionen, Geistlichen sollte gehalten vnd verpflogen werden“.252 In diesem Sinne wurden auf der gesamteidgenössischen Tagsatzung in Baden am 3. Juli 1661 die vermeintlichen Lästerreden des Pfarrers Steinegger im Kontext des unrühmlichen Verhaltens katholischer Geistlicher und ihrer „scharpfe[n] landdtsfridtbrüchliche[n] mißreden“ diskutiert.253 Die Berner Gesandten beklagten das ungleiche Strafmaß für gleiche Taten: In Baden war ein katholischer Mann für seine „spötliche[n] Missreden“ gegen die reformierten Städte Zürich und Bern mit einer Strafe von 30 Pfund belegt worden, die ihm aufgrund seiner Armut allerdings auf 4 Pfund reduziert worden war, ohne dass er dafür eine Turmoder eine Leibesstrafe hätte in Kauf nehmen müssen.254 Da der Landfrieden trotz der erfolgten Differenzierungen lediglich ein ungefähres Strafmaß vorgab, besaß der Landvogt in Baden einen Handlungsspielraum bei der Festlegung der Strafe. Bei einem Dissens musste sich der Repräsentant der regierenden Orte vor den eidgenössischen Regenten verantworten. Folglich forderten die Berner Gesandten auf der Tagsatzung in Baden, „beydersyts Geistliche [sollten] in gleicher formb von dergleichen gehandhabet, abgestrafft vnd ein paritet gehalten werden“.255 Diesem Diktum konnten die katholischen Gesandten nicht folgen und betonten, der Landvogt von Baden habe auf Befehl „irer alß der mehr­ertheill der ortten“ gehandelt. Das politische Selbstverständnis der katholischen Orte war von der Überzeugung geprägt, als Mehrheit Regierungsgeschäfte allein entscheiden zu können. Diese Interpretation wird durch den Abschied bestätigt, in dem es heißt „[s]oviel aber paritet berühren thüe, köndten Sie dieselbe Innamen Irer Herren vnd oberen nicht gestatten“.256 Die Gesandten Zürichs kamen den Bernern zu Hilfe und sprachen sich dafür aus, die Strafe des Gebenstorfer Pfarrers gänzlich aufzuheben. In einem grundlegenderen Ton baten sie darum, dass man die reformierten Geistlichen nicht wie gemeine Bauern, sondern „alß auch vorsteher Irer Religion tractieren vnd halten wolle“.257 Über den Punkt 252 StAZH BVIII 135, fol. 229v. 253 StAZH BVIII 136, fol. 43. 254 Wie die Berner Gesandten explizit monierten, vgl. Ebenda, fol. 43r. 255 Ebenda. 256 Ebenda, fol. 43v. 257 Ebenda, fol. 44r.

Schmähreden

der Parität der reformierten und katholischen Geistlichen möge man sich um der eidgenössischen Freundschaft willen auf einer „conferenz nach gelegeheit vergleichen vnd vertragen“. Insofern werde man den katholischen Orten ihre „Jurisdiction“ in den Gemeinen Herrschaften nicht nehmen, die weiterhin ihr „Jus exercieren“ könnten.258 Die reformierten Orte forderten in Anlehnung an den Dritten Landfrieden paritätische Rechtsverhältnisse für beide christlichen Glaubensgemeinschaften in den Gemeinen Herrschaften und damit eine Rechtspraxis, die es ihnen ermöglichte, Einfluss auf die politischen Zuschreibungsprozesse zu nehmen und den Geistlichen bei gleichen Rechten auch das gleiche Strafmaß zuzumessen. Die Gesandten von Evangelisch Glarus schlossen sich dem Zürcher Standpunkt an.259 Die drei reformierten Stände vertraten damit einen gemeinsamen konfessionellen Standpunkt in diesem Geschäft. 4.4.3 Politische Mehrheiten und „vnverschamte Zungen“ Das Herrschaftssystem der Grafschaft Baden bot weitere Kommunikationskanäle, die den Fluss der Kommunikation zunächst an den Tagsatzungen vorbeilenkten. Schreiben war politisches Handeln, Kommunikation politische Einflussnahme. Eine mögliche Handlungsoption für die reformierten Regenten boten daher Verhandlungen mit den Prälaten des Klosters Wettingen. Dieser Niedergerichtsherr hatte innerhalb der Grafschaft Baden unter den Gerichtsherren den größten Herrschaftsbereich inne.260 Bei Vorfällen in seinem Herrschaftsgebiet lag es daher nahe, sich an ihn zu wenden. Die kommunikativen Netzwerke zwischen dem Rat der Stadt Zürich und dem Kloster Wettingen gestalteten sich im 16. und 17. Jahrhundert recht stabil, obwohl Ordensmann und Limmatstadt nicht die gleiche Konfessionszugehörigkeit hatten. Dies konnte, musste aber nicht zwangsläufig von Nachteil sein. Trotz unterschiedlicher Glaubensbekenntnisse ließen die Beziehungen zwischen Konvent und Limmatstadt politische Verhandlungen zu, die durchaus den Herrschaftsinteressen Zürichs entsprachen. Allerdings zeigten sich einzelne Prälaten den katholischen eidgenössischen Obrigkeiten gegenüber loyal und stellten Vertrauensverhältnisse zu diesen her.261 258 Ebenda. 259 Ebenda. 260 Die äbtische Gerichtsherrlichkeit des Klosters Wettingen erstreckte sich auf die Dörfer Neuenhof, Staretswil, Killwangen, Spreitenbach, Dietikon, Bergdietikon, Schlieren, Wettingen und Würenlos, vgl. Kap. 2: Konfession und Komnunikation. 261 Über die Gründe lässt sich nur spekulieren, da es keinerlei Anhaltspunkte gibt, aufgrund derer sich die Ergebnisse systematisieren ließen. Naheliegend scheint es mir daher, zunächst von verschiedenen Persönlichkeitsprofilen der Äbte auszugehen.

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Der folgende Schriftwechsel galt verbalen Handlungen, die ein katholischer Geistlicher angeblich in Würenlos, einem bikonfessionellen Dorf innerhalb des äbtischen Patrimonialstaates, vollzogen haben sollte. Die Verhandlungen, die Zürich mit dem Prälaten des Klosters Wettingen führte, wurden durch den reformierten Pfarrer Balthasar Diebolt in Gang gesetzt. Er hatte von der „vnver­ scham­te Zungen“ des katholischen Geistlichen durch einige Zuhörer erfahren, die bei der Predigt des katholischen Priesters anwesend gewesen waren.262 Diebolt informierte nach dem Gehörten den Zürcher Antistes Johann Caspar Waser am 13. Mai 1675 schriftlich über die Wortäußerungen des katholischen Geistlichen. Darin charakterisierte er den katholischen Gottesmann als einen „unruhwige[n], vnnachbarliche[n], häßige[n] priester“; bei seinen Anschuldigungen verwies er auf den Zweiten Landfrieden, der in seinem Schreiben als das argumentative Referenzwerk fungierte, denn Diebolts Einschätzung zufolge hatte dieser „gar vnlandtsfriedliche vnd ehrruhige worten wider vnser Christlich Religion ausgossen“.263 Laut Diebolt hatte der katholische Gottesmann das normative Regelwerk zur Bikonfessionalität gebrochen und eine Ehrverletzung begangen – in seiner Perzeption handelte der katholische Geistliche, wenn er sprach. Daher referierte Diebolt dessen verbale Äußerungen gewissenhaft in seinem Schreiben. Sie waren seine Beweismittel für eine rechtswidrige Tat. Um einen erhöhten Eindruck von Authentizität zu erzeugen, hatte Diebolt die Worte, die gefallen waren, in der indirekten Rede zu Papier gebracht. Zudem nannte er den Anlass und den größeren Kontext, in dem es zur Artikulation der Äußerungen gekommen war, die nun zur Verhandlung standen: die Leichenpredigt des katholischen Geistlichen, die er anlässlich des Todes einer zum katholischen Glauben konvertierten Frau im Würenloser Kirchenraum gehalten hatte.264 In dieser Predigt hatte er nach Auskunft von Diebolts Informanten den protestantischen Pfarrer beleidigt und sich unter anderem über die konfessionellen Mehr- und Minderheitsverhältnisse in der Grafschaft Baden lustig gemacht. Die Worte des katholischen Geistlichen referierte Diebolt wie 262 Aller Wahrscheinlichkeit nach waren dies evangelische Untertanen, da die Leichenpredigt, um die es im Folgenden geht, vor Angehörigen beider Konfessionen gehalten wurde. 263 StAZH E I 30: 90, 13. Mai 1675, Nr. 98. Müller, Rechtsverhältnisse, 1963 zufolge müsste es sich hier um Pater Ignaz Niderist handeln. Vgl. den Bericht des Sigristen Klein Hans Wenzel über die Handlungen des Priesters wider den Landfrieden, in: StAZH E I 30.90, 4. Juni 1675, Nr. 99. 264 Und die offensichtlich um das folgende sonntägliche Morgengebet der reformierten Gemeinde kreiste: „O her, o heiliger Gott, helige vns in deiner waarheit, dass wir und dein ganze Reformierte, Euangelische, Rechte Catholische Kilch eins seigind in dir“, StAZH EI 30: 90, 13. Mai 1675, Nr. 98.

Schmähreden

folgt: Die Evangelischen würden verkünden, die Jünger Christi seien in die Welt ausgezogen, um das Evangelium zu predigen, „nur seigen nur 2. Dörflin im Zürichbieth und 3. in der Grafschaft Baden, so Lutherisch, ob das alle welt seige?“.265 Daraufhin verließen einige der Zuhörer die Kirche. Auch wenn eine solche Äußerung eine Untertreibung darstellte, waren trotz der ungesicherten Zahlenverhältnisse in der Mitte des 17. Jahrhunderts aufgrund von katholischer Reform und erfolgten Konversionen die katholischen Untertanen zweifelsohne in der Überzahl.266 Die Beleidigung einer solchen Äußerung lag nicht darin, dass sie auf bekannte Tatsachen hinwies – die Reformierten der Grafschaft Baden waren sich ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit durchaus bewusst –, sondern darin, dass sie die konfessionellen Mehr- bzw. Minderheitsverhältnisse mit dem Erfolg bzw. Misserfolg der evangelischen Prediger (und deren Lehre) in Zusammenhang brachte, die landfriedliche Regelung zum Konversionsrecht hingegen vollkommen ignorierte. Bevor sich Diebolt an den Zürcher Antistes wandte, hatte er den Abt von Wettingen als seinen Vorgesetzten „[w]egen solcher schandtworten“ persönlich informiert. Auch der Ordensmann hatte sein Missfallen über derartige Reden geäußert, die er ebenfalls als Landfriedensbruch bewertete. Allerdings sah sich der Abt zu keiner weiteren Handlung befähigt, da „der landsfrieden nit von ihme, sonder von der hohen Landsoberkeit dependiere“.267 Damit wies der Prälat Diebolt auf die rechtlichen Zuständigkeiten bei Landfriedensbrüchen hin und begründete seine eingeschränkte Handlungsfähigkeit mit diesem Text. Doch auch eine Ausweitung des kommunikativen Geschehens schien dem Abt nicht zweckmäßig, der eine „schiedlichen transaction“ bevorzugte und Diebolt zufolge betont hatte, er könne ihn dißer sach einen höheren gwalt anzubringen, nicht aufhalten: wiewolen Er zu einer schidlichen transaction nicht ungeneigt seige. Gewüß ist es, dass herr Pralat dißen pfarrer als einen secularen von Luzern auch nit mehr gern an dem ort sihet, ihme auch wegen ander hendlen nicht gönstig ist.268

Obwohl nach dieser Auskunft auch der Ordensmann von Wettingen den katholischen Priester, von dem es weiter heißt, er habe sich „iezerzelter maaß über alle schranken der Ehrbarkeit und des Landfriedens“ hinweggesetzt, gerne von 265 StAZH EI 30. 90, 13. Mai 1675, Nr. 98. 266 1671 wurden in Würenlos lediglich 73 reformierte Haushalte mit 476 Personen gezählt, vgl. Anhang 1.: Reformierte Untertanen in der Grafschaft Baden. 267 StAZH EI 30.90, 13. Mai 1675, Nr. 98. 268 Ebenda.

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seinem Pfarramt entbunden hätte, gab der Abt einer gütlichen Einigung den möglicherweise langwierigen politischen Verhandlungen auf den Tagsatzungen durch die Gesandten der regierenden Orten als der „höheren gwalt“ den Vorzug.269 Nach einer mündlichen Unterredung mit dem Abt wandte sich Diebolt trotz der Einwände des Prälaten an die weltlichen und geistlichen Autoritäten Zürichs. Von dem Antistes ist kein Antwortschreiben an den reformierten Pfarrer überliefert, allerdings reagierten Rat und Bürgermeister von Zürich prompt. Am 14. Mai 1675 schrieben sie dem Abt von Wettingen und artikulierten ihr Bedauern und ihr Missfallen über die Reden des katholischen Priesters in Würenlos. Für die politische Elite aus Zürich war der Mann unhaltbar, da er dem Landfrieden zuwidergehandelt habe. Ihr Schreiben hatte wie die vorherige Unterredung Diebolts mit dem Abt die Entlassung des Geistlichen zum Ziel, der Rat und Bürgermeister als ein „ohnrüehige[r] und fridzerstörige[r] man“ galt. Zudem übte die politische Elite Druck auf den Ordensmann aus, indem sie ihm mitteilte, man werde andere Mittel zur Wiedergutmachung finden, sollte der katholische Priester auch weiterhin die katholische Gemeinde in Würenlos seelsorgerisch betreuen.270 Dem Abt gegenüber wurde die Wiederherstellung der Ehre des Stands Zürichs und der reformierten Untertanen als Argument für eine Handlungsnotwendigkeit genannt. Während Zürich als eidgenössische Obrigkeit die politische Machtposition vermittels der Distanzmedien dem katholischen Ordensmann gegenüber ausspielte, hatte dieser wohl die katholischen regierenden Orte über den unruhestiftenden Priester und die Reaktion aus Zürich informiert. Verbürgt ist allemal, dass sich Amman und Vogt von Schwyz am 5. Juni 1675 in einem Schreiben an den Abt von Wettingen wandten und diesen anwiesen, weder den Priester aus seinem Amt zu entlassen noch an eine „reparation“, also eine Wiedergutmachung, zu denken – bis zur nächsten Tagsatzung sollte der Ordensmann nichts unternehmen.271 Hatte der Abt von Wettingen sich den Befehlen der reformierten Limmatstadt widersetzt, leistete er den Befehlen der katholischen regierenden Orte Folge. Rat und Bürgermeister von Zürich mussten sich die Antwort des Prälaten gefallen lassen, „das ich über den Landtsfrieden, und was selbigem anhengig, dass wenigste zue iudicieren habe“ – eine Auskunft, die für 269 Da hier eine durch einen Schiedsrichter bzw. die Schiedsorte arrangierte Einigung sicherlich nicht gemeint war, folge ich der im Idiotikon als weiteren von „schiedlich“ vorgeschlagenen Terminologie als „annehmbar“, Idiotikon, Bd. 8, 272. 270 „Dann wan das nit gescheche: würden wir nachtrachtung haben, was für andere mitel zu ergryffen weren die sonsten zu ermanglende reparation zu erlangen“, StAZH EI 30.90, 13. Mai 1675, Nr. 98. 271 StAZH E I 30. 90, 5. Juni 1675.

Schmähreden

Zürich nicht neu war.272 Damit war der Versuch Zürichs, über Einflussnahme auf den niederen Gerichtsherrn von Wettingen die schriftlich artikulierten Herrschaftsansprüche durch eine rasche Entscheidung jenseits der Tagsatzung und dem Mehrheitsprinzip zu realisieren, vereitelt worden; zum einen durch den katholischen Ordensmann, der mit großer Wahrscheinlichkeit der Informant der eidgenössischen Obrigkeit gewesen war, einer Obrigkeit, die durch die übermittelten Informationen erst handlungsfähig geworden war; zum anderen durch das Eingreifen des katholischen Ortes, der handelte, indem er die Herrschaftsansprüche einer katholischen Obrigkeit kommunizierte. Insofern erwies sich die Konfessionszugehörigkeit ein weiteres Mal als ein grundlegendes Differenzkriterium in der Regierungspraxis der Gemeinen Herrschaft. Zudem half sie, die Loyalitäten eines niederen Gerichtsherrn seinen eidgenössischen Obrigkeiten gegenüber herzustellen und zuzuweisen. Gerade weil die Kommunikationskanäle den katholischen Parteien das ge­­ wünschte Ergebnis eingebracht hatten, wurden die verbalen Äußerungen des katholischen Priesters weder auf der folgenden noch auf weiteren Tagsatzungen verhandelt. Zürich gab offenbar die Versuche auf, den katholischen Geistlichen abzustrafen und die katholischen Orte ließen die Angelegenheit ruhen. Sie hatten kein Interesse daran, aus dieser Angelegenheit ein Tagsatzungsgeschäft zu machen, da es für sie auf der Grundlage des Landfriedens unmöglich gewesen wäre, zu einer Beurteilung zu kommen, der zufolge das Verhalten des Geistlichen landfriedenskonform war. Immerhin war selbst der Abt diesem Mann nicht wohlgesonnen und hätte ihn gerne durch einen anderen Geistlichen ersetzt. Zwar ist nicht gesichert, ob der katholische Priester aus seinem Amt entlassen wurde oder auf seiner Pfrund verblieb, doch gibt es Indizien, die auf letzteres hindeuten: Am 22. März 1676 klagte der Pfarrer Balthasar Diebolt erneut über den „unruhige[n] pfaff“ von Würenlos, der „je lenger je frecher wirt“.273 Die diskutierten Fallbeispiele beanspruchen insofern Repräsentativität, da sie in ihrer Verschiedenheit grundlegende politische Handlungs- und Argumenta­ tionsmodi der reformierten und katholischen Orte sowie den Zusammenhang der Kategorien Konfession und Kommunikation verdeutlicht haben. Da die katholischen Stände auch nach dem Dritten Landfrieden von 1656 weiterhin auf den Mehrheitsgrundsatz pochten, während die reformierten Eidgenossen 272 Zudem führte er an, dass der über den Priester als einem weltlichen Pfarrherrn nicht richten könne, vgl. StAZH E I 30.90, 10. Oktober (?) 1675, Nr. 101. Da die katholischen Geistlichen in der Regel Konventualen des Klosters Wettingen waren, wird sich der Begriff des „weltlichen Pfarrherrn“ auf den Umstand beziehen, dass dieser kein Pater, sondern nur ein geweihter Priester war. 273 StAZH E I 30. 90, 22. März 1676.

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mit der Figur der „Parität“ argumentierten, nutzten die reformierten Stände die variierenden Kommunikationskanäle „unterhalb“ der eidgenössischen Ebene. Eine der offensichtlichsten Möglichkeiten bestand darin, aufwendige Kommunikationswege zu verkürzen, um Handlungsoptionen zu maximieren. Dies geschah, indem Zürich vor Ort nach politischen Verbündeten suchte oder indem es Druck auf andersgläubige Landvögte ausübte. In beiden Fällen umging Zürich die Tagsatzung und das politische Mehr der katholischen Orte und betrieb eine Kommunikation im Geheimen, durch die außerdem ein unterschied­licher Informations- und Wissensstand unter den eidgenössischen Regenten hergestellt wurde, der darüberhinaus einen Handlungsvorsprung implizierte. Diese Strategie war, wie wir gesehen haben, von der Konfessionszugehörigkeit und den politischen Loyalitäten der entsprechenden Gesprächspartner abhängig. Zwar gelang es den reformierten Ständen im zweiten und dritten Beispiel nicht, ihre Herrschaftsinteressen gegen die katholische Mehrheit durchzusetzen, doch konnten sie zumindest einen politischen Standpunkt einnehmen und ein Herrschaftsverständnis artikulieren, das von einer paritätischen Herrschaftspraxis sprach. Damit markierten sie ihre politische Präsenz im Herrschaftssystem Gemeine Herrschaft, allerdings ohne ihre Beurteilung in den gesellschaftlichen Zuschreibungsprozessen als die gültige formulieren zu können. Die heterogenen Formen der Ab- und Anwesenheitskommunikation waren damit eine wesentliche Form politischen Handelns in den Gemeinen Herrschaften. Der letzte Darstellungspunkt verdeutlicht die grundlegende Funktion, die der politischen Kommunikation als systemstabilisierendem Faktor innerhalb des politischen Systems der Gemeinen Herrschaften zukam. 4.4.4 Schmähreden und besonnene Eidgenossen Die skizzierte Regierungspraxis der reformierten und katholischen Eidgenossen hat bei allem Dissens über konfessionsspezifische Regierungsinteressen deutlich gemacht, dass der Landfrieden einen transkonfessionellen Wert in der politischen Kultur der Alten Eidgenossen ausmachte.274 Gleichzeitig deutete sich in der bisherigen Diskussion an, dass die eidgenössischen Regenten in Krisenzeiten bereit waren, ihre Partikularinteressen zugunsten des eidgenössischen Wohls zurückzustellen und Konflikte ruhen zu lassen.275 Eine gewisse Vorsicht im Umgang miteinander war in angespannten Zeiten charakteristisch für die eidgenössische Politik. Aufrufe zum besonnenen politischen Handeln fanden sich vermehrt in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts

274 Vgl. ausführlich dazu Kap. 3: Parität durch Konflikt. 275 Vgl. Hacke, Konflikt, in: ZHF 32, 2005, 575 – 604, hier 598 – 602.

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und zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs und demnach in innenpolitischen und außenpolitischen Krisensituationen. Mit Blick auf die militärischen Ereignisse im Alten Reich wurde in der eidgenössischen Korrespondenz vor einer politischen Eskalation gewarnt. Da lokale konfessionelle Streitfälle rasch zu eidgenössischen Geschäften eskalierten, bargen sie ein beträchtliches Eskalationspotential. Repräsentativ ist in dieser Hinsicht unter anderem der Fall des katholischen Priesters von Baden. Dieser hatte sich kurz nach deren Erscheinen in seiner Sonntagspredigt am 9. Mai 1568 abschätzig über die zweite Helvetische Konfession von 1566 geäußert.276 Dieses Glaubensbekenntnis, so soll es von der Kanzel getönt haben, sei eine „einfälltige Confession, Ja einfalltig, wie ein achtzig Jähriger Jud“.277 Neben dem offensichtlichen Antijudaismus kommunizierte diese Formulierung ein negatives Verständnis des Alters, das auf einen gemeinsamen Erfahrungshorizont im Alltagsleben anspielte.278 Seine weiteren verbalen Äußerungen verfolgten eine eindeutige Sprecherintention, nämlich den Verfasser der Zweiten Helvetischen Konfession, den Theologen Heinrich Bullinger, zusammen mit dem Glaubensbekenntnis mit negativen Attributen zu belegen. Zwar wurde Bullinger in der Kanzelrede nicht namentlich genannt, die Verfasser – der katholische Geistliche sprach fälschlicherweise im Plural – wurden allerdings vor dem katholischen Kirchenvolk mit kindischen Schulkindern verglichen. Gingen die Verfasser der Zweiten Helvetischen Konfession noch in die Schule, so soll der katholische Geistliche von Baden von der Kanzel gehöhnt haben, „so wurdt sy der schulmeister fürher nämmen, und darumb über das bänckly züchen, unnd mitt Rutten strichen“ – für den katholischen Geistlichen war das Glaubensbekenntnis indiskutabel und die Verfasser verdienten für ihre schlechte Arbeit körperliche Züchtigungen, wie sie Schulkindern zustanden, die eine schlechte Leistung ablieferten. Wiederum bediente sich der katholische Priester eines gemeinsamen Wissensstands, den er zumindest bei den gebildeten Zuhörern voraussetzen konnte und der dem Alltagsleben entlehnt war. Seine Wortbotschaft produzierte durch den Vergleich ungleicher Dinge (Verfasser 276 In der Zweiten Helvetischen Konfession – ihr ging die Erste Helvetische Konfession von 1536 voraus – formulierte Heinrich Bullinger in 30 Artikeln sein Verständnis von „creation, sin, and salvation“; Gordon, Swiss Reformation, 2002, 183. Dort auch ausführliche Literaturhinweise zu diesem theologischen Werk, das zunächst das Bekenntnis der reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz, später auch der reformierten Kirchen von Schottland, Ungarn, Böhmen und Polen bildete. 277 StABE, Unnütze Papiere, Bd. 83 (1560 – 1615), Nr. 29 (ohne Paginierung). 278 Helbig, Judenfeindschaft, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd.6, 2007, 57 – 63; zum Alter in der Frühen Neuzeit vgl. die medizinhistorische Studie von Schäfer, Alter, 2004 sowie die kulturgeschichtlichen Sammelbände von Campell (Hg.), Growing Old, 2006 und Classen (Hg.), Old Age, 2007.

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der Helvetischen Konfession versus Schulkinder) ein negatives Werturteil und bediente sich der Komik. Insofern provozierte der Geistliche ein gemeinsames Gelächter der katholischen Zuhörer und setzte auf das interaktive Potential der Predigt. Gehört hatten seine Worte die politische Elite der katholischen Kleinstadt Baden: zusammen mit dem Schultheißen, dem Seckelmeister, dem Landschreiber, dem Stadtschreiber waren dies weitere Bürger und Räte der Stadt. Auch der Zürcher Obrigkeit klangen die Worte des Badeners in den Ohren. Nachdem sie von den Vorgängen im Badener Kirchenraum in Kenntnis gesetzt worden war, wurde die Predigt des katholischen Geistlichen schnell zum Gegenstand innerkonfessioneller Beratungen. Auf der evangelischen Tagsatzung in Aarau im August 1568 wurden die Zürcher Boten instruiert, ihren Berner Kollegen mitzuteilen, sollte der katholische Geistliche Berner Gebiet betreten, möge er wegen seiner „ungezymlichen predigen“ in Gefangenschaft genommen und die Zürcher Obrigkeit umgehend unterrichtet werden.279 Einige Wochen später hielten die Zürcher Gesandten für die gesamteidgenössische Tagsatzung in Baden Ende September 1568 jedoch eine ganz andere Instruktion in den Händen: Zwar hatte sich die Einschätzung der Zürcher Obrigkeit, was die „vngepürlich predig und Reden“ betraf, nicht geändert. Allerdings hatten die Gesandten nun den Auftrag, angesichts dieser „gefarlichen zyten vnnd lüffen […] die sach biß zu annderer Zyth beruwen zelaßen“.280 Ihr Befehl lautete daher, die lästerlichen Worte des Badener Geistlichen nicht zum Tagsatzungsgeschäft zu erheben und keinen „antzug“ zu machen. Die Berner Gesandten sollten über das neue politische Vorgehen in Kenntnis gesetzt werden. Geschäfte, die in der eidgenössischen Politik ruhten, wurden in der Regel nicht weiterverfolgt. Insofern kam diese politische Entscheidung der reformierten Eidgenossen dem Verzicht gleich, ihre Partikularinteressen in den angespannten politischen Zeiten seit den 1550er-Jahren (Glarnerhandel, konfessionelle Bündnisse, Militärallianz zwischen den fünf Orten und Papst Pius IV., katholische Reform) zurückzustellen, um die ohnehin existierenden innenpolitischen Antagonismen zwischen den reformierten und katholischen Eidgenossen nicht zu verstärken.281 Der Sprechakt 279 StAZH BVIII 6, fol. 106v. 280 Ebenda, fol. 115r–v. 281 Eine solche Politik beschränkte sich nicht auf das hier diskutierte Konfliktfeld verbaler Sprechhandlungen. Auch bei Konversionsfällen kann man für die 1560er-Jahre konstatieren, dass zugunsten der Wahrung von Ruhe und Einigkeit solche Geschäfte ruhen sollten, vgl. etwa den Fall des Schleuninger in Kap. 3.4.2.1. Zur konfessionellen Zuspitzung nach 1550 siehe Stucki, 16. Jahrhundert, in: Flüeler/Flüeler-­Grauwiler (Hg.), Geschichte, 1996, 172 – 281, hier 270 – 277 sowie Stadler, Zeitalter, in: Handbuch, 1980, 571 – 672, hier 571 – 606.

Fazit

des Badener Priesters wurde daher keinen weiteren gesellschaftlichen Zuschreibungsprozessen durch die eidgenössischen Tagsatzungsgesandten unterworfen.

4.5 Fazit: Zur Funktionsvielfalt von Sprechhandlungen Wenn der zu Beginn dieses Kapitels erwähnte katholische Geistliche höhnte, als Käse wäre der reformierte Glaube ungenießbar, da er viel zu jung sei, dann repräsentierten seine verbalen Äußerungen lediglich eine Variante der in diesem Kapitel analysierten Sprechhandlungen. Diese Wortbotschaften wurden vor dem Hintergrund kultureller Differenzierungen der Frühen Neuzeit interpretiert, wobei anhand einzelner Szenarien die wechselseitige Bezogenheit der handelnden Personen samt ihres Normensystems in den Mittelpunkt der Analyse gestellt wurden. Während die analysierten Sprechakte reformierter Geistlicher sich an den theologischen Differenzen entzündeten und theologische Standpunkte und religiöse Frömmigkeitspraktiken der katholischen Kirche aufs Korn nahmen (materielles Eucharistieverständnis, Ablasshandel, Bilderkult, Prozessionen), war das Themenspektrum katholischer Geistlicher ungleich breiter. Ihr konfessioneller Spott speiste sich zwar ebenfalls aus dem Themenspektrum, das die Pluralität theologischer Lehrmeinungen bereithielt (Schriftprinzip, Verständnis von Offenbarung), aber ihre teilweise sehr beißende Kritik galt darüber hinaus den Persönlichkeiten der Reformation (insbesondere Zwingli), historischen Praktiken der Reformation (Bildersturm) und historischen Ereignissen, die mit der konfessionellen Spaltung und Fragmentierung der Eidgenossenschaft assoziiert wurden (Kappelerkriege, Villmergerkriege). Der konfessionelle Spott katholischer Geistlicher thematisierte dementsprechend nicht ausschließlich die theologischen Unterschiede zwischen den Konfessionen. Der Unterschied der Inhalte lässt sich bei aller Vorsicht als eine ekklesiologisch bestimmte Differenz in der Konfessionsmentalität deuten. Während reformierte Kirchenmänner niemals grundsätzliche Kritik an der katholischen Kirche formulierten, gingen die Wortbotschaften katholischer Geistlicher mit ihren bissigen Bemerkungen über die Reformatoren und die historischen Ereignisse genau in diese Richtung – insbesondere die spottenden Bemerkungen zum Zweiten Helvetischen Bekenntnis legen eine solche Interpretation nahe. Welche Sprecherintentionen verfolgten die katholischen Geistlichen mit ihren Kanzelreden auf gemeindlicher Ebene? Soweit sich Rückschlüsse auf die Sprecherintentionen katholischer Geistlicher ziehen lassen, stand in vielen Fällen die Provokation eines lauten Gelächters an erster Stelle, das die katholische Gemeinde auch symbolisch im Kirchenraum einen sollte. Insbesondere die Beispiele Geistlicher, die sich einer drastischen Sprache und Gestik bedienten, legen eine solche Interpretation nahe. Allerdings

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hatte das Kirchenvolk durchaus eine eigene Meinung und verließ schon einmal den Kirchenraum, wenn es den Wortbotschaften des Geistlichen nicht folgen wollte.282 Gestaltete sich die Interaktion zwischen Geistlichem und Kirchenvolk indes im Sinne des Redners, dann wurde die Kirchengemeinde durch den Kommunikationsprozess zusammengeführt – die konfessionell andere Gemeinde hingegen verspottet, beleidigt und (teilweise) degradiert. Die Funktionen verbaler Sprechhandlungen Geistlicher in den bikonfessionellen Dorfgemeinschaften der Grafschaft Baden lassen sich dementsprechend wie folgt zusammenfassen: Erstens inszenierten beleidigende Sprechhandlungen die konfessionelle An­­ dersartigkeit der Konfessionen auf gemeindlicher Ebene und bezogen in der konfessionellen Koexistenz eindeutig Position – Sprechhandlungen lassen sich damit auch als ein Machtdiskurs um theologische Wahrheiten interpretieren. Katholiken und Reformierte lebten nicht nur in einem dörflichen Sozialverband zusammen, sondern teilten sich eine Kirche, ein Wirtshaus, manchmal selbst einen Haushalt.283 Geistliche, die in ihren Kanzelreden auch vor gemischtkonfessionellen Zuhörern die Unterschiede zwischen den Konfessionen betonten, indem sie die Vorzüge der eigenen Konfession konturierten oder die theologischen Differenzen der konkurrierenden Kirche bespöttelten, gefährdeten mit ihren Reden die friedliche religiöse Koexistenz auf gemeindlicher Ebene. Wurden die christlichen Kirchen in einen Wettbewerb gebracht, betrieben die Geistlichen zudem eine Konversionspolitik von der im folgenden Kapitel noch ausführlich die Rede sein wird. Zweitens waren beleidigende Sprechhandlungen eine Form des politischen Ungehorsams, da diese Redeweisen die Bedingungen für die religiöse Koexistenz in den Gemeinen Herrschaften brachen. Ihre Wirkung entfalteten diese Wortbotschaften auf unterschiedlichen Ebenen, innerhalb des lokalen Dorfverbandes, aber auch auf eidgenössischer Ebene, so dass diesen eine enorme Sprengkraft innerhalb des Regierungssystems, aber auch innerhalb der Alten Eidgenossenschaft zukam. Als lästerliche Reden bezeichnete Äußerungen klangen insofern nicht nur der jeweils anderen Konfession in den Ohren, sondern auch den jeweils anderen eidgenössischen Regenten. Soziale Handlungen waren diese Sprechakte, weil sie den jeweils anderen nicht nur beleidigten, sondern zudem den eidgenössischen Orten Gehorsam und Respekt verweigerten. Zwar brachen beleidigende Wortbotschaften die politisch-­konfessionellen Normen der katholischen und reformierten eidgenössischen Orte, durch verbotene Äußerungen wurden indes nur die regierenden Orte einer Konfession verhöhnt. Die Handlungsmodi der

282 Mit letzter Sicherheit kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass es sich in diesen Fällen um Angehörige der anderen Konfession handelte. 283 Dieser Punkt wird in Kap. 5: Kommunikation über Glaubenswechsel diskutiert.

Fazit

reformierten Eidgenossen waren durch das Mehrheitsprinzip deutlich eingeschränkt, um eine Wiederherstellung ihrer politischen Ehre durch Abstrafung zu erwirken, so dass Kommunikationsoptionen jenseits der Tagsatzung genutzt und etabliert wurden. Damit erwies sich die Konfession nicht nur in horizontaler Ebene, sondern auch im vertikalen Herrschaftsverhältnis als ausdrucksstarkes Differenzkriterium und verletzte die politische Ehre der regierenden Stände. Daraus folgt drittens, dass sich die Wortdelikte als Konfliktsublimierung und als Formen der symbolischen Gewalt lesen lassen. Auch wenn sich von den Wirkungen der Sprechakte nur unzulänglich auf die Intentionen der Sprechenden schließen lässt, begaben sich die Sprechenden in den hier diskutierten Fällen mit ihren Wortäußerungen auf das Feld der theologischen Deutungshoheit oder artikulierten ihren Dissens über die bikonfessionellen Lebenswelten im Dorfverband und auf der Regierungsebene der Gemeinen Herrschaft. Die Sprechakte wurden in dieser Studie als Ventil gelesen, um den mit der Konfessionalisierung verbundenen Zwang zu sublimieren und sich insofern gegen das symbolische Gewaltpotential der jeweils anderskonfessionellen eidgenössischen Regenten zu wenden. Gemeinsame Regentschaft mutete den Untertanen der Grafschaft Baden auch Obrigkeiten des jeweils anderen Glaubens zu – am deutlichsten wurde dieses Sublimierungspotential von Wortäußerungen in Fällen, in denen katholische Geistliche über Persönlichkeiten des Reformiertentums spotteten. Die verbalen Sprechhandlungen waren demnach rechtliche und soziale Normbrüche: In der Alten Eidgenossenschaft wurde ihnen der Status eines inkriminierten Verhaltens bzw. einer Straftat zugewiesen. Insbesondere eine „Tätergruppe“ hatte die eidgenössische politische Elite bei ihren rechtlichen Definitionen und politischen Zuschreibungen im Visier: Geistliche und ihre Predigten. Schon kurz nach dem Friedenswerk von 1531 erkannten die regierenden Orte in den theologisch geschulten und mit gemeindlicher Autorität ausgestatteten Geistlichen eine Personengruppe, deren Wortbotschaften besonders zu beobachten waren. Aufgrund der engen Auslegung des Landfriedensartikels und wegen der Zuspitzung des Delikts auf diese spezifische Tätergruppe fielen Kontroverspredigten, die im Alten Reich verbreiteten institutionalisierten Formen des religiösen Streitgesprächs, aber auch weniger aggressive Varianten der verbalen konfessionellen Abgrenzung unter das Etikett des „schmützen“ und „schmächen“. Die Möglichkeiten zur theologischen Auseinandersetzung, des konfessionellen Vergleichs oder auch des theologischen Disputs, der die Wahrheitsfrage berührte, galten in der Alten Eidgenossenschaft als Wortbotschaften, die aufgrund der konfessionellen Differenzmarkierung mit dem Etikett des Landfriedensbruches belegt wurden. Ziel dieser eidgenössischen Politik war eine Stabilisierung der religiösen Koexistenz. Zudem verwahrten sich die eidgenössischen Regenten dagegen, selbst zur Zielscheibe des konfessionellen Spottes zu werden. Aus diesen Gründen reagierte

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die eidgenössische politische Elite rasch auf die spottenden verbalen Äußerungen und machte die Worte reformierter und katholischer Geistlicher zu ihrem politischen Geschäft. Somit kam dem Badener Landvogt in den diskutierten Beispielen keineswegs die Schlüsselfunktion in der politischen Praxis zu, die ihm durch den Zweiten Landfrieden beim Delikt des „schmützen“ und „schmächen“ zugewiesen worden war. Er orientierte seine politischen Handlungen an den konfessionsspezifischen Herrschaftsinteressen der regierenden Orte, dessen Konfessionszugehörigkeit er teilte. Über die gleiche Konfessionszugehörigkeit wurden auch politische Loyalitäten zwischen der eidgenössischen Elite und dem Badener Amtmann hergestellt und zugewiesen. Die Konfessionszugehörigkeit regelte ebenfalls den Fluss der Kommunikation und generierte unterschiedliche politische Strategien. Der strategische Wechsel zwischen Abwesenheits- und Anwesenheitskommunikation waren taktische Mittel politischen Handelns, mit Hilfe derer sich den katholischen Majoritätsbeschlüssen begegnen ließ. Nach dem Dritten Landfrieden von 1656 wurde im Umgang mit den Wortdelikten dann verstärkt eine politische Wertediskussion geführt. Sie orientierte sich an den Werten der Gleichheit bzw. Ungleichheit. Die Kommunikation über Worte führte dazu, dass transkonfessionelle Werte – wie die Parität – nun in der politischen Kommunikation der Alten Eidgenossenschaft von den reformierten Eidgenossen in den politischen Diskurs eingeführt und verhandelt wurden. Während sich die Parität nicht als transkonfessioneller Wert der katholischen und reformierten Eidgenossen etablieren konnte, repräsentierten neben der Verbindlichkeit des landfriedlichen Textes die rhetorischen Identifikationsfiguren des Friedens und der Ruhe politische Werte, auf die sich die Eidgenossen in Krisenzeiten verständigen konnten. Diese bildeten das Gegengewicht zu einer Konfessionspolitik, die auf eine Durchsetzung der jeweiligen konfessionellen Partikularinteressen pochte. Der Aufruf, den eidgenössischen Zusammenhalt und die freundlichen nachbarschaftlichen Beziehungen unter den katholischen und reformierten Eidgenossen nicht durch religiöse Streitfälle aus den Gemeinen Herrschaften zu gefährden, war daher mehr als ein rhetorischer Referenzpunkt. Er stand, wie auch im folgenden Kapiteln argumentiert wird, für eine besonnene Konfessionspolitik der Eidgenossen in der Frühen Neuzeit, die trotz konfessioneller Antagonismen und der Bereitschaft zu langwierigen und harten politischen Verhandlungen nie das fragile politische Gleichgewicht und den innenpolitischen Zusammenhalt der Alten Eidgenossenschaft aus den Augen verloren.

5 Kommunikation über Glaubenswechsel: Eidgenössische Konvertiten 5.1 Einleitung Als der französische Humanist Michel de Montaigne 1580 seine Reise nach Italien antrat, führte ihn der Weg über Paris in die nördlich von Zürich gelegene Kleinstadt Baden. Baden war in der Frühen Neuzeit ein berühmter Badeort, der Gäste unterschiedlichen Geschlechts und konfessioneller Zugehörigkeit anzog. Obwohl Baden zu den katholischen Bastionen der gleichnamigen Grafschaft zählte, war diese Stadt ein Ort der konfessionellen Begegnung. Diese Erfahrung machte auch Michel de Montaigne, der sich zwecks Bäderkur für einige Wochen in dem Städtchen aufhielt. Diese Zeit nutzte der vielseitig interessierte Gelehrte für Beobachtungen aller Art, die er in seinem Reisetagebuch festhalten ließ. Montaigne äußerste sich nicht nur über die Qualität der Bäder, die bemalten Fassaden und die Tischsitten der Eidgenossen, sondern kommentierte das Beziehungsgeflecht zwischen Katholiken und Reformierten in der Stadt und damit auch deren Bereitschaft, den jeweiligen Glauben zu wechseln. Montaignes Beobachtungen zeugen von gründlicher Reflexion, denn er versammelte nicht nur erste Eindrücke in seinem Reisetagebuch, sondern seine Bemerkungen waren außerordentlich reflektiert. Sie belegen, dass er sich über die unterschiedlichen Grade der Interaktion zwischen den Konfessionen weitreichende Gedanken gemacht hatte. Zur gleichen Zeit, als in Frankreich die Religionskriege wüteten, ließ Montaigne seinen Sekretär 1580 in das Reisetagebuch notieren: Am Mittwoch kaufte der Wirt des Herrn de Montaigne Unmengen an Fisch, und dieser fragte ihn, warum. Er erhielt die Antwort, an diesem Tage esse man aus religiösen Gründen meistens Fisch. Darin sah der Herr de Montaigne eine Bestätigung dessen, was er schon vorher gehört hatte: Jene, die an der katholischen Konfession festhalten, tun dies umso eifriger und hingebungsvoller, wenn sie sich einem entgegengesetzten Glauben gegenübersehen. Hierüber ließ er sich nun folgendermaßen aus: Wenn unterschiedliche Bekenntnisse in Städten mit gemeinsamer Verfassung zu einem großen Mischmasch führen, lockert sich die Glaubenstreue, bis sich schließlich sogar die einzelnen Menschen vermischen, wie es ja in Augsburg und den anderen Reichsstädten der Fall ist. Wenn aber jede Stadt ihre eigene Verfassung hat (denn die Schweizer Städte haben alle ihre separaten Gesetze und Regierungsformen, so dass sie in der Gestaltung ihres öffentlichen Lebens völlig unabhängig voneinander sind […]), wenn also jede Stadt souverän ist und ein eigenes Gemeinwesen aller Bürger bildet, verfügt sie über das rechte

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Kommunikation über Glaubenswechsel

Rüstzeug für ihre Selbstbehauptung: Die Bürger werden durch die von den Nachbarn drohende Gefahr der Ansteckung aufgerüttelt, schließen sich immer enger zusammen und finden sich, da gegen Zweifel gefeit, in ihrem Glauben bestärkt.1

Der Kauf von Fisch aus religiösen Gründen war für Michel de Montaigne der Anlass für die Reflexion über die Annäherungs- und Abgrenzungsdynamiken von Reformierten und Katholiken in der Badener Kleinstadt. Dem französischen Reisenden zufolge intensivierte sich das konfessionelle Zugehörigkeitsgefühl einzelner Personen in bikonfessionellen Städten gerade dadurch, da es hier ein konfessionelles Gegenüber gab, an dem man sich reiben und von dessen Religionspraktiken man sich abgrenzen konnte. Diese intensivierten Abgrenzungstendenzen beobachtete Montaigne auch in der monokonfessionellen Kleinstadt Baden, in welcher Katholiken durch die Präsenz reformierter Badegäste in Berührung mit Andersgläubigen kamen. Eine „Vermischung“ der Konfessionen, so Montaigne, fand nur dort statt, wo reformierte und katho­ lische Gläubige von der Obrigkeit gebilligt ihre religiösen Riten vollzogen, wie dies in der paritätischen Reichsstadt Augsburg der Fall war. Die legale Gleichstellung beider Bekenntnisse bedingte die Durchlässigkeit der Konfessionsgemeinschaften, ein Zustand, den Montaigne als konfessionelles „Mischmasch“ bezeichnete – wobei unklar bleibt, ob damit eine lebensweltliche Durchdringung, eine Konversion zum anderen Glauben oder beides gemeint war. Montaigne betonte damit den Grundsatz cuius regio eius religio und somit den Zwang der Untertanen, ihrer jeweiligen Obrigkeit in Glaubensdingen zu folgen, als einen konfessionell stabilisierenden Faktor. Dem französischen Reisenden zufolge wurde das konfessionelle Zugehörigkeitsgefühl durch den eindeutigen, monokonfessionellen Rechtsstatus der Konfessionsangehörigen gestärkt. Während in den paritätischen Reichsstädten des Alten Reichs beide christliche Bekenntnisse denselben rechtlichen Status genossen und sich die Niederlande bei fehlender Staatskonfession einer weitgehenden Religionsfreiheit rühmen konnten,2 lebten die katholischen und reformierten Untertanen in den Gemeinen Herrschaften der Eidgenossenschaft unter nichtparitätischen Rechtsverhältnissen – die Kleinstadt Baden war eine Ausnahme.3 Zu der strukturellen Benachteiligung der 1 Montaigne, Tagebuch, 2002, 51. 2 Zur komplexen Situation der Toleranz in den Niederlanden vgl. Po-­Chia Hsia/van Nierop (Hg.), Calvinism, 2002 und Pollmann, Choice, 1999. 3 Bei aller Scharfsichtigkeit seiner Beobachtungen verkannte Michel de Montaigne, dass die Stadt Baden und mithin die Grafschaft als einer Gemeinen Herrschaft nicht souverän war. Zwar hatte das katholische Baden einen Sonderstatus inne, da hier neben den Stadtrechten, die Baden genoss, zudem vom katholischen Glauben abweichende

Einleitung

Gläubigen zählte ein einseitiges Konversionsrecht, denn Glaubenswechsel waren dem Landfrieden gemäß nur von der reformierten zur katholischen Konfession gestattet. Wechselten hingegen katholische Untertanen ihren Glauben, begingen sie einen religiösen Normbruch. Was aber geschah, wenn eine katholische Frau einen reformierten Mann ehelichte? Erwartete man von ihr, dass sie ihrem Mann auch im Glauben folgte und damit den Landfrieden brach, oder sollte sie dem eidgenössischen Recht treu, aber ihrem Gatten ungehorsam sein? Wie dieses Gedankenspiel verdeutlicht, generierten Glaubenswechsel in der Grafschaft Baden eine Reihe von Folgekonflikten, da Geschlechterordnungen mit Herrschaftsnormen kollidieren konnten. Des Weiteren führte diese Kriminalisierung des religiösen Verhaltens katholischer Untertanen zur Politisierung von Konversionen auf der höchsten politischen Ebene der Alten Eidgenossenschaft. Als Landfriedensbruch bedurften Glaubenswechsel zum Protestantismus einer Klärung durch die eidgenössische Tagsatzung. In ihrer politischen Praxis betrieben die Eidgenossen engagiert die konfessionelle Abgrenzung und Segregation, eine Form des „boundary-­building“,4 die nicht nur die rechtlichen Unterschiede immer wieder betonte, sondern die konfessionellen Differenzen durch politische Inszenierung sichtbar machte. Anders als in der paritätischen Reichsstadt Augsburg oder in Frankreich hatte diese Politik in den Gemeinen Herrschaften Erfolg, da der eidgenössischen Elite bei einem Normbruch beträchtliche Sanktionen zur Verfügung standen (Ausweisung aus dem Territorium, materielle Verluste, soziale Desintegration etc.).5 Die Erforschung der Konversionspraxis in den Gemeinen Herrschaften der Eidgenossenschaft verspricht daher neue und vielfältige Einblicke hinsichtlich der Konfessionspolitik der eidgenössischen Orte und des interkonfessionellen Beziehungsgeflechts, wie es etwa in gemischtkonfessionellen Ehen virulent wurde. Beide Aspekte – die soziale Praxis der Konversion und die Konversionspolitik – sind für die Gemeinen Herrschaften der Alten Eidgenossenschaft weitgehend unerforscht.6 Mit der Dissertation von Heike Bock liegt zwar eine Frömmigkeitspraktiken verboten waren. Diese Regelungen trafen allerdings nicht auf das ganze Territorium der Grafschaft Baden zu. 4 Keith P. Luria hat mit Blick auf die französische Konversionspolitik der Frühen Neuzeit von „boundary-­building“ gesprochen. Ders., Power, in: Dixon/Freist/Greengrass (Hg.), Diversity, 2009, 109 – 125. 5 Für Augsburg vgl. François, Grenze, 1991, für Frankreich vgl. Luria, Power, in: Dixon/ Freist/Greengrass (Hg.), Diversity, 2009, 109 – 125 sowie ders., Boundaries, 2005, Kap. 6. 6 Und dies, obwohl die Konversionsforschung ganz allgemein ein lebendiges und dichtes Forschungsfeld der Frühneuzeit darstellt. Jüngste Forschungsüberblicke bei Lotz-­ Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007; Bock, Konversionen, 2009 sowie bei Juneja/Siebenhüner (Hg.), Conversion, 2009.

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Kommunikation über Glaubenswechsel

umfassende Veröffentlichung vor, die Konversionen in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft in vergleichender Perspektive untersucht, allerdings konzentriert sich die Autorin auf Glaubenswechsel in den souveränen Orten Zürich und Luzern.7 Gleiches lässt sich über ältere Arbeiten konstatieren.8 Lediglich Frauke Volkland hat die Konversionspraxis im 17. Jahrhundert in Bischofszell, einer Kleinstadt in der Gemeinen Herrschaft Thurgau untersucht, der sie ein ganzes Kapitel widmet. Allerdings hat die Autorin dabei weder die Anwendung des Zweiten Landfriedens in der Rechtspraxis noch die Rolle der regierenden Orte bei diesem Phänomen diskutiert.9 Genau diese Aspekte sind jedoch wesentlich, um die konfessionspolitischen, rechtlichen und lebensweltlichen Dimensionen einer spezifischen Konversionspraxis in den Gemeinen Herrschaften in den Blick zu bekommen. Zudem bleiben Konversionen zum reformierten Glauben in Volklands Darstellung gänzlich ausgeblendet. Fast hat es den Anschein, als würde die Verfasserin von der Rechtsnorm, das heißt dem Verbot zum reformierten Glauben zu konvertieren, auf eine tatsächliche historische Wirklichkeit schließen. Ausgeblendet wurden dementsprechend auch die politischen Kommunikationszusammenhänge, in denen religiöse Entscheidungen einzelner Personen zum politischen Geschäft der eidgenössischen Elite erhoben wurden, sowie die politischen Debatten, in denen das eidgenössische Recht weiter ausdifferenziert wurde. Neben der sozialen Konversionspraxis werden in dieser Studie daher die Vielfalt und Vielschichtigkeit der kommunikativen Zusammenhänge von Glaubenswechseln aufgezeigt, die von Fall zu Fall variierten, aber grundsätzlich jede Konversion begleiteten. Dabei handelt es sich erstens um die Debatten der politischen eidgenössischen Elite mit ihren Verhandlungen über die Rechtmäßigkeit des sozialen Verhaltens und der Frage nach der Verhandelbarkeit der recht­ lichen Normen. Bei diesem politischen Diskurs stand die Figur des Konvertiten im Mittelpunkt, der zum reformierten Glauben wechselte. In der politischen Kommunikation wurden die legalen Grenzen neu gezogen und verhandelt, wie mit einer Konversion zum reformierten Glauben umgegangen, wie sie bestraft, aber auch wie über sie geschrieben und folglich in welcher Semantik über sie kommuniziert werden sollte. 7 Bock, Konversionen, 2009. 8 Hodler, Konversionen, in: Schmidt/Holenstein/Würgler (Hg.), Gemeinde, 1998, 281 – 291 sowie ders., Konvertiten, in: JbSolG 78, 2005, 293 – 304. 9 Volkland, Konfession, 2005, 139 – 187. Der dort ausführlich diskutierte Konversionsfall des Josua Platter wurde von ihr schon in einer früheren Publikation behandelt, vgl. dies., Konversion, in: Greyerz/Jakubowski-­Tiessen/Kaufmann/Lehmann (Hg.), Interkonfessionalität, 2003, 91 – 104.

Einleitung

Neben der Rekonstruktion der politischen Kommunikation der eidgenössischen Stände steht zweitens das kommunikative Geschehen zur Analyse, das durch Menschen, die dem ehemaligen Sozial- und Familienverband des Konvertiten zuzuordnen sind, wie etwa Ordensangehörige und Laien, geprägt wurde. Diese institutionellen und familiären kommunikativen Kontexte verdeutlichen sehr anschaulich, dass eine innerchristliche Konversion jeweils eine Exklusion und Inklusion in eine neue religiöse Gemeinschaft, aber auch in einen familiären Sozialverband bedeutete, eine Wahlmöglichkeit, die – wie Mehrfachkonversionen zeigen – auch reversibel war,10 die aber grundsätzlich erst mit der Reformation und der Aufspaltung der Christenheit denkbar wurde.11 Drittens war auch die Konversion an sich ein kommunikativer Akt, vereinzelt selbst ein mediales Ereignis, denn der Wille, die Glaubensgemeinschaft zu wechseln, musste in zunehmend institutionalisierten Konversionsverfahren glaubhaft und überzeugend vermittelt werden. Die Geschichtswissenschaft hat hier vereinzelt nach den „kommunikativen Mustern“ und den Erzählnarrativen gefragt, an denen sich der Glaubenswechsel orientierte.12 Die Konversionsforschung hat hinsichtlich des Glaubenswechsels von einer Krise, einem Bruch oder einem sozialen Drama gesprochen. Was diese Erfahrungen in einer emotionshistorischen Dimension bedeuteten, ist jedoch nicht einmal ansatzweise thematisiert worden.13 Ohne die interpretatorischen Möglichkeiten, die eine 10 Zum Phänomen der Mehrfachkonversionen Mulsow, Mehrfachkonversionen, in: von Greyerz/Jakubowski-­Tiessen/Kaufmann/Lehmann (Hg.), Interkonfessionalität, 2003, 132 – 150, der religiösen Indifferentismus anhand von Mehrfachkonversionen zu belegen sucht. 11 „Das Konzept ,Konversion‘ setzt damit Konfessionen voraus, die hinreichend klar voneinander abgegrenzt sind, so dass ein Wechsel von einer zur anderen Gruppe als soziales Faktum ins Gewicht fallen kann.“ Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig, Konversion, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 11 – 32, hier 14. Von Konversionen in der frühen Reformationszeit zu sprechen ist insofern ein Anachronismus, da sich die Konfessionsgesellschaft(en) zunächst formen musste und zudem die reli­giöse Orientierung der Reformatoren vielfach noch offen war, vgl. Schilling, Konversionen, in: Niewöhner/Rädle (Hg.), Konversionen, 1999, 43 – 57. Als Ausdruck und als Konsequenz des Auseinanderfallens des christlichen Glaubens gehören Konversionen daher zum konfessionellen Zeitalter, vgl. Mennecke-­Haustein, Konversionen, in: Reinhard/­ Schilling (Hg.), Konfessionalisierung, 1995, 242 – 257, hier 242. 12 Zu dem aus der Soziologie entlehnten Begriff der „kommunikativen Muster“ und seiner Anwendung in der Geschichtswissenschaft vgl. Lotz-­Heumann, Konversionserzählungen, in: Dies./Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 517 – 545. 13 Fidel Rädle hat Konversionen als Entscheidungshandeln bezeichnet, mit denen einzelne Personen eine „Krise“ zum Abschluss brachten, vgl. Ders., Konversion, in: Niewöhner/­ Rädle (Hg.), Konversionen, 1999, 1 – 3, hier 2; Rotraud Ries hat von Konversionen als

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Kommunikation über Glaubenswechsel

emotionshistorische Perspektive für eine Konversionsforschung bieten, gänzlich auszuschöpfen, soll an Einzelbeispielen zumindest die Relevanz eines derartigen Vorgehens verdeutlicht werden. Mit dieser erkenntnistheoretischen Ausrichtung möchte ich der in der Forschung vielfach diskutierten Frage nach einer Konfessionalisierung aus unterschiedlichen Richtungen (von „oben“, von „unten“ oder „horizontal“ usw.) entgehen und eine neue Perspektive anbieten.14 In einer kulturhistorischen Dimension versuche ich zu klären, welche Bedeutung Glaubenswechseln als Faktoren der konfessionellen Interaktion in bikonfessionellen Gebieten zukam und was sich daraus über den Umgang mit den Angehörigen der jeweils anderen Konfession ableiten lässt. Wenn die historische Forschung in jüngster Zeit den Begriff der konfessionellen Grenze intensiv diskutiert hat, dann möchte ich die Grenzthematik im Sinne der Einleitung zu diesem Buch stärker als die Möglichkeit des Austausches, der Begegnung und des Beziehungsgeflechts vermessen.15 Darüber hinaus interessieren mich Glaubenswechsel in zweierlei Hinsicht: als politisches Verhandlungsobjekt und als Erfahrungen, die Handlungsoptionen bereithielten

einer religiösen Neuorientierung gesprochen, die „meist einen radikalen Bruch mit dem bisherigen Leben und seinen sozialen Bezügen“ bedeuteten, vgl. Ries, Missionsgeschichte, in: Aschkenas 15, 2005, 271 – 301, hier 271; Als „Bruch mit sich selbst“ hat François, Grenze, 1991, 502 Konversionen erklärt. Zur Deutung von Konversionen als dem Abschluss einer inneren Krise vgl. Breuer, Konversionen, in: Niewöhner/ Rädle (Hg.), Konversionen, 1999, 59 – 69. Zur kritischen Auseinandersetzung mit der Vorstellung der Konversion als einem „Bruch“ und einer „Krise“ vgl. Volkland, Konfession, 2005, 141 – 145 sowie ihren Vorschlag, in Anlehnung an Victor Turner für die Konversionen den Begriff des „sozialen Dramas“ zu verwenden. Dies., Konfession, in: von Greyerz/Jakubowski-­Tiessen/Kaufmann/Lehmann (Hg.), Interkonfessionalität, 2003, 91 – 104, hier 99 – 100. 14 Zu den Forschungsdebatten vgl. von Thiessen, Konversionsbereitschaft, in: Zeitschrift des Breisgau-­Geschichtsvereins „Schau-­ins-­Land“ 119, 2000, 87 – 101, hier 97. Vgl. ebenfalls die Beiträge in dem Band von Greyerz/Jakubowski-­Tiessen/Kaufmann/ Lehmann (Hg.), Interkonfessionalität, 2003. Den Erfolg der Kirchenzucht bezweifelt Kooi, C ­ onverts, in: ARG 92, 2001, 195 – 214, da die Niederländer die konfessionellen Grenzen offenbar leicht – und in beide Richtungen – überschritten. 15 Rotraud Ries spricht von Konversion als einer sozialen „Praxis an der Grenze zwischen beiden Gesellschaften“, vgl. dies., Missionsgeschichte, in: Aschkenas 15, 2005, 271 – 301, hier 283. Die Ambivalenz der Grenze betont Kim Siebenhüner, die den Grenzbegriff der Kulturwissenschaftlerin Susan Stanfort Friedman in die frühneuzeitliche Konversionsforschung einführt, dies., Glaubenswechsel, in: ZHF 34, 2007, 243 – 272, hier 250 – 251. Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig, Konversion, in: Dies. (Hg.), Konversion, 2007, 11 – 32, hier 15 und 17, zeigen sich dem Begriff gegenüber verhalten.

Einleitung

bzw. generierten. Konversionen – ein ohnehin problematischer Begriff 16 – treten uns in den Archivalien meist als soziale Handlung entgegen, ohne dass auf der Grundlage des frühneuzeitlichen Quellenmaterials Aussagen über die Gründe oder Motive für die Entscheidung, den Glauben zu wechseln, getroffen werden können.17 Daraus folgt, dass hier auf eine Betonung der Innenperspektive verzichtet wird, die in unterschiedlichen Disziplinen lange Zeit die Forschungsdiskussion des Felds „Konversion“ bestimmte.18 Stattdessen wird versucht, einer kontextbezogenen Konversionsforschung Raum zu geben, die sich auf die Rekonstruktion der Erfahrungen, Umstände, Hintergründe und Etappen einer Konversion bezieht. Eine solche Perspektive bedingt, dass nur in Einzelfällen Rückschlüsse auf mögliche Konversionsmotive gezogen werden können.19

16 Im Folgenden wird der Begriff als neutrale Kategorie gebraucht, um einen innerchristlichen Konfessionswechsel zu bezeichnen. Zu den semantischen Konnotationen des Begriffs „Conversio“ vgl. Rädle, Konversion, in: Niewöhner/Rädle (Hg.), Konversionen, 1999, 1 – 3 sowie Mennecke-­Haustein, Konversionen, in: Reinhard/Schilling (Hg.), Konfessionalisierung, 1995, 242 – 257, hier 242 – 243. Eidgenossen sprachen nicht von „Konversion“, sondern mit pejorativem Unterton von „Apostaten“ und bezeichneten damit eine Person, die entweder zum katholischen oder zum reformierten Glauben konvertiert war. Vgl. etwa StAZH A. 309, 8. April 1604 sowie StAZH BIV 61, fol. 56v sowie die Beispiele in diesem Kapitel. Sehr viel häufiger begegnet uns in frühneuzeitlichem Quellenmaterial jedoch die Bezeichnung vom „Abfall“. Ein Pfarrer der Grafschaft Baden, Lux Wydler, berichtete 1605 lakonisch nach Zürich, wie „ich Im antritt meines amptes ein betrüpte Kilchen finden, in dem vor meiner ankonfft ettliche zum abfal geratten vnd treten“; StAZH A. 238.1, 21. März 1605. 17 Dennoch betrieben Zeitgenossen die Suche nach möglichen Konversionsmotiven intensiv; in zunehmend institutionalisierten Konversionsverfahren wurde die Glaubwürdigkeit und Authentizität der Konvertiten geprüft. Zur argumentativen Formung von Konvertitensuppliken vgl. Schunka, Autoritätserwartung, in: Regn/Oesterreicher/ Schulze (Hg.), Autorität, 2003, 323 – 337; Bock, Konversion, in: Kaufmann/Schubert/ Greyerz (Hg.), Konfessionskulturen, 2008, 153 – 174. Auf deren topische Durchformung sowie auf die generelle Schwierigkeit, zwischen biographischen und autobiographischen Aussagen in diesen Texten zu unterscheiden, weist Carl, Welten, 2007 hin. 18 Vgl. die Nachweise bei Luria, Boundaries, 2005, 246 – 248 sowie die jüngsten deutschsprachigen Forschungsüberblicke etwa bei Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 11 – 32. 19 Hierin folge ich Luria, Boundaries, 2005, 248. Kim Siebenhüner hat den Vorschlag gemacht, verstärkt die Bedingungen und Hintergründe von Konversionen zu erforschen, also die „Ereignisse, Erfahrungen und Etappen einer Biographie“ zu untersuchen und eine kontextbezogene Konversionsforschung zu betreiben, vgl. Siebenhüner, Glaubenswechsel, in: ZHF 34, 2007, 243 – 272, hier 263. Ansonsten ist Alexander Schunka beizupflichten: „Die letztliche Substanz und Motivation einer Konversionsentscheidung bleibt dagegen auf der Basis frühneuzeitlichen Quellenmaterials meist im Bereich der

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Kommunikation über Glaubenswechsel

Ziel der folgenden Ausführungen ist es damit, die religiöse Diversität und konfessionelle Pluralität anhand der Konversionspraxis und Konfessionspolitik in der Gemeinen Herrschaft der Grafschaft Baden für das 16. und 17. Jahrhundert aufzuzeigen. Berücksichtigt werden dabei sowohl Konversionen zum reformierten wie auch zum katholischen Glauben – nur eine vergleichende Perspektive vermag auch die konfessionellen Propria der Konversionspolitik und der Konversionspraktiken zu berücksichtigen. Da das frühneuzeitliche Quellenmaterial für die Grafschaft Baden sehr fragmentarisch und die Konversionsproblematik generell nicht dazu geeignet ist, verlässliche Aussagen über die Konversionsraten zu erstellen, wird auf eine quantitative Analyse verzichtet. Allerdings soll auch nicht verschwiegen werden, was vorliegt, nämlich, dass im 16. Jahrhundert neun Konversionsfälle in der Grafschaft Baden auf den eidgenössischen Tagsatzungen und ein Glaubenswechsel von dem zuständigen Niedergerichtsherren verhandelt wurden. Bei den hier erwähnten Fällen handelt es sich nicht immer um einzelne, namentlich bekannte Konvertiten, sondern auch um Gruppen von Personen – die Zahl der Konvertiten für das 16. Jahrhundert ist daher ungleich höher.20 Bis auf einen Fall waren dies ausschließlich Konversionen zum reformierten Glauben. Im 17. Jahrhundert sind neben Konversionen zum reformierten auch vermehrt solche zum katholischen Glauben aktenkundig geworden. Auch hier machen es summierende Formulierungen schwer, eine genaue Konver­ sionsrate zu ermitteln. In Würenlos beklagte der Landvogt 1646, dass „etliche katholische Töchter“ sich mit reformierten Parteien verheiratet hätten, und der Messpriester in Lengnau wurde 1615 beschuldigt, den Versuch unternommen zu haben, mehrere Personen zum Papsttum zu bekehren.21 Insgesamt wurden zwanzig Fälle erhoben – nicht alle wurden zum politischen Geschäft auf der Tagsatzung. Bei einer vorsichtigen Schätzung gehe ich für das 17. Jahrhundert von ca. vierzig Männern, Frauen und Kindern aus, die den Glauben wechselten. Auch wenn verlässliche Zahlen für das 16. und 17. Jahrhundert fehlen, lässt sich zweierlei konstatieren: Erstens stellten Konversionen in der Grafschaft Baden kein Massenphänomen dar, zumal wenn es sich um Glaubenswechsel zum Protestantismus handelte, die aufgrund der restriktiven Konversionspolitik Vermutung.“ Vgl. Schunka, Transgressionen, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 491 – 516, hier 493 f. 20 EA 4/2, 2, 1101, Art. 109, wo es heißt, der Landvogt habe auf der Tagsatzung berichtet, dass in Baden einige Personen vom alten Glauben abgefallen seien. Ebenfalls EA 5/1, 5, Art. 103, 1459, wo der Landvogt die katholischen Untertanen von Klingnau aus religiöser Unkenntnis zum „Abfall“ verführt haben soll. 21 EA 5/2, 1, 1681, Art. 114 (Würenlos) sowie BVIII 12, fol. 25r (Lengnau). Zudem bleibt unklar, ob der Messpriester Erfolg hatte.

Konversionen zum Protestantismus

ohnehin seltener waren als Konversionen zum Katholizismus. Zweitens verhielten sich die Angehörigen beider Konfessionsgemeinschaften dynamischer, als es die normativen landfriedlichen Bestimmungen der frühneuzeitlichen Schweiz vorsahen. Die Konversionspraxis in der Grafschaft Baden entsprach damit – so viel sei vorweggenommen – nicht durchweg den landfriedlichen Normen zum Konversionsrecht. Die Diskussion über Konversionen in der Grafschaft Baden erfolgt auf der Grundlage des frühneuzeitlichen Quellenmaterials in drei großen thematischen Blöcken: Zunächst werden die archivalisch besonders ausführlich dokumentierten Konversionen Geistlicher zum reformierten Glauben zur Darstellung gebracht. Es folgen Laienkonversionen zum Katholizismus, bei denen auch der Wettbewerbsvorteil der katholischen Kirche in den Gemeinen Herrschaften diskutiert wird. Abschließend werden Konversionen innerhalb einer Ehe bzw. eines Haushaltes und die daraus entstehenden innerfamiliären Konfessionskonflikte genauer betrachtet. In diesem dritten Abschnitt zur Konversionspraxis und Konversionsproblematik in den Gemeinen Herrschaften wird thematisiert, auf welche Art die eidgenössische Konfessionspolitik der frühneuzeitlichen Geschlechterordnung zuwiderlief und was dies für die Verfügungsgewalt (patria potestas) bedeutete, die das männliche Familienoberhaupt (pater familias) über die Haushaltsmitglieder ausübte.

5.2 Konversionen zum Protestantismus Geistliche zählten zu der sozialen Gruppe, die bei Konversionen in der frühneuzeitlichen Schweiz überdurchschnittlich oft vertreten waren.22 Dies erstaunt zunächst, da zu erwarten wäre, dass Geistliche als Repräsentanten ihrer Konfession besonders glaubensfest gewesen waren und über ein gefestigtes konfessionelles Selbstverständnis verfügten.23 Christine Kooi attestiert den niederländischen Geistlichen dementsprechend ein „certain committment to a specific confessional identity“ als Erklärung dafür, warum diese ihrem jeweiligen Glauben in der Regel treu blieben, obwohl sie in einer multikonfessionellen 22 Bock, Pfarrer, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 353 – 392, hier 354. Für Sachsen kam zu dem gleichen Ergebnis Schunka, Transgressionen, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 491 – 516, hier 496. 23 Ich verzichte weitgehend auf den problematischen Begriff der konfessionellen Identität, da dieser als Produkt okzidentaler Meistererzählungen entstand, vgl. Hacke, Selbstzeugnisse, in: dies., Frauen, 2004, 9 – 39, hier 27 – 34; programmatisch Volkland, Konfession, 2005, 15 – 22 sowie Jancke/Ulbrich, Individuum, in: dies. (Hg.), Individuum, 2005, 7 – 27.

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Gesellschaft mit durchlässigen konfessionellen Grenzen lebten.24 Als theologisch geschulte Männer waren Geistliche allerdings auch dazu prädestiniert, die divergierenden Lehrmeinungen der konkurrierenden Kirchen abzuwägen und sich der Relativität der christlichen Wahrheitsfrage bewusst zu werden. Darin lag die Einbruchstelle für einen Glaubenswechsel aus religiöser Überzeugung. Das Paradoxon der Konversionsanfälligkeit Geistlicher war somit ein wichtiges Kennzeichen des Konfessionalisierungsprozesses: Wie Heike Bock konstatiert, kamen Geistliche im Alltag vielfach in Kontakt mit Vertretern der jeweils anderen Konfession „zu deren wirkungsvoller und überzeugender Verwerfung die intensive Auseinandersetzung mit den entsprechenden Glaubensgrundsätzen die Voraussetzung war. Der Schritt zur Erkenntnis einer alternativen religiösen Wahrheit lag in einer solchen Situation nicht fern“.25 Das Erkennen einer alternativen religiösen Wahrheit durch die Auseinandersetzung mit den Lehrmeinungen der konkurrierenden Konfession war eine Möglichkeit, wie aus einem katholischen Geistlichen ein reformierter Seelsorger wurde. Des Weiteren legen die Konversionshintergründe und Konversionsumstände nahe, dass der Glauben in der Frühen Neuzeit ebenfalls in einer Situation der Not und der Bedrängnis gewechselt wurde und damit eher einer pragmatischen Handlungsoption entsprach als dem Ergebnis einer theologischen Reflexion. Dementsprechend waren Verlauf, Umstände und Konversionskontexte der geistlichen Konvertiten, die im Folgenden zur Diskussion stehen, äußerst heterogen. 5.2.1 „Factus apostata“: Der Zurzacher Chorherr Caspar Schwerter Die biographischen Angaben zum Leben des katholischen Chorherrn und Konkubinariers Caspar Schwerter sind karg. Zwar gilt er als der Autor dreier Chroniken, aber wann sein Leben begann, ist nicht mit absoluter Sicherheit verbürgt.26 Wahrscheinlich wurde er 1545 geboren.27 Sicher wissen wir, dass er am 8. Juni 1565 Kaplan in Baden wurde, am 28. November 1565 die Pfründe des Grünenzweigs erhielt, 1568 in die Bruderschaft Unserer Lieben Frau aufgenommen wurde, 1569 vom Landvogt Heinrich Fleckenstein zum Chorherrn von Zurzach gewählt wurde und nacheinander das Amt eines Kantors und 24 Kooi, Converts, in: ARG 92, 2001, 195 – 214, hier 212. 25 Bock, Pfarrer, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 353 – 392, hier 357. 26 Dejung/Wuhrmann, Pfarrerbuch, 1953, 526 schreiben ihm die Chroniken der Herrschaft Grünningen, der Grafschaft Kyburg und der Zurzachs zu. 27 Im Visitationsprotokoll von 1586 ist sein Alter mit 41 Jahren angegeben, vgl. Vasella, Visitationsprotokoll, 1963, 97. Einige Informationen zu Caspar Schwerter finden sich in Dejung/Wuhrmann, Pfarrerbuch, 1953, 526 (starb 1612).

Konversionen zum Protestantismus

Dekans versah.28 Als Chorherr führte er kein unbescholtenes Leben. Bei der Visitation 1586 wurde im Protokoll vermerkt, dass er zwar häretische Bücher besitze, unter ihnen etwa das Narrenschiff des Sebastian Brandt,29 nicht aber die Synodalstatuten. Zudem habe er schon seit einiger Zeit mit seiner Konkubine und seinen beiden Kindern zusammengelebt.30 Als ihn der Badener Landvogt 1594 aufgrund seines unpriesterlichen Lebenswandels nach Baden zum Verhör zitierte, traf Schwerter eine folgenreiche Entscheidung. Zusammen mit seiner Konkubine und seinen beiden Kindern verließ er den Flecken Zurzach „zwüschen zweyen tagen“ (zwischen zwei Vorladungen) und entzog sich der obrigkeitlichen Anordnung durch den Badener Landvogt.31 Wie zwei Jahre vor ihm der Zurzacher Chorherr Johann Caspar Frey mit seiner Konkubine und seinen Kindern verließ auch Schwerter die gemischtkonfessionelle Grafschaft Baden und flüchtete ins reformierte Zürich.32 Rat und Bürgermeister der Stadt Zürich stellten Schwerter unter ihren Schutz. Ihrem Verständnis zufolge hatte er keine Straftat begangen.33 Damit setzte sich die Zürcher Limmatstadt über eine Empfehlung des Kardinals Karl Borromäus hinweg, der 1570 geraten hatte, 28 Huber, 1869, 252. 29 Vgl. den Link www.ub.unibas.ch/cmsdata/spezialkataloge/poeba/poeba-002759099. htm (Zugriff 21. 01. 2016). 30 Vasella, Visitationsprotokoll, 1963, 97 – 98; schon beim Besuch des Nuntius Francesco Bonhomini im August 1579 zählte dieser Schwerter zu den Konkubinariern, die mit Frau und Kind zusammenlebten, vgl. Reinhardt/Steffens, Nuntiatur, Bd. I, 2, 1, 1906, 481. 31 Fischer/Sennhauser, Verenastift, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 165 – 222, hier 208 sowie Sennhauser, Ämter, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 604 – 610, hier 605. 32 Johann Caspar Frey, seit 1574 Zurzacher Chorherr, wurde 1592 ins Zürcher Ministerium aufgenommen (StAZH E I 9.1., 2. Mai 1592) und 1597 mit der Pfarrei Niederhasli betreut. Er fand 1599 den Tod im Katzensee bei Zürich und wurde als vermeintlicher Selbstmörder begraben, bis seine Ermordung durch einen Straßenräuber aktenkundig wurde, vgl. Fischer/Sennhauser, Verenastift, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 165 – 222, hier 208; daraufhin wurde er auf dem Friedhof in Niederhasli erneut bestattet, vgl. Dejung/Wuhrmann, Pfarrerbuch, 1953, 280. Der Luzerner Stadtschreiber Renward Cysat (1545 – 1614) verfasste über den abtrünnigen Chorherrn eine „erschröckhliche history“ und verbreitete darin die irrige Meinung, Frey habe sich aus Verzweiflung in den Weiher gestürzt und sei als Selbstmörder gestorben, vgl. Cysat, Collectanea, Bd. 2, Teil 2, 1977, 609 – 610. Dass Johann Caspar Freys Integration in die reformierte Konfessionsgesellschaft gelang, legt eine finanzielle Forderung nahe, bei der er auf die Unterstützung des Zürcher Rates zählen konnte: Am 22. Januar 1593 forderte er vom Stift Zurzach 15 Gulden für geleistetes Statutengeld und Chorkappe, vgl. Huber, Geschichte, 1869, 252. 33 StAZH BIV 51, fol. 43v sowie EA 5/1, 2, 1453.

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keine Konkubinarier aus anderen Diözesen aufzunehmen.34 In der Folge erhielt Caspar Schwerter das Zürcher Bürgerrecht, das schon seine Voreltern genossen hatten. Er heiratete seine ehemalige Konkubine Agatha Wagner aus Zurzach und legitimierte seine zwei Söhne Abel und Georg.35 Das Gewand des katholischen Chorherrn legte Caspar Schwerter ab und tauschte es mit der Kutte des reformierten Gottesmannes: Schwerter wurde ein reformierter Seelsorger und betreute seit 1596 die Gemeinde in Dietlikon, später in Dättlikon.36 Er blieb bei seinem neuen Glauben und starb 1612.37 Alle äußeren Faktoren sprechen dafür, dass es sich bei Caspar Schwerters Glaubenswechsel um einen radikalen Bruch mit seinem vorherigen Leben handelte. Legt man in Ermangelung eines Konversionsberichtes ausschließlich die äußeren Umstände seiner Konversion zugrunde, dann wurde aus einem Zur­ zacher Chorherrn plötzlich und unvermittelt ein reformierter Seelsorger, der mit Frau und Kindern ins benachbarte Zürich flüchtete.38 Halten wir uns zunächst an die Faktizität des Geschehens, so ist zu konstatieren, dass Caspar Schwerter rasch handelte, als er in einer Situation der höchsten Bedrängnis war. Mit seiner Flucht ins benachbarte Zürich war der Glaubenswechsel die maßgebliche Voraussetzung für ein Leben in der reformierten Limmatstadt. Die Umstände und Etappen seiner Konversion legen nahe, dass Schwerter die Konkurrenz der 34 Vasella, Visitationsprotokoll, 1963, 37. 35 Fischer/Sennhauser, Verenastift, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 165 – 222, hier 208. Zu diesem Phänomen, dass Konversionswillige ihre Frau gleich mitbrachten und auf protestantischem Boden heirateten, vgl. Schunka, Gäste, 2006, Kap. 5. 36 Vasella, Visitationsprotokoll, 1963, 97 – 98, Huber, Geschichte, 1869, 252 – 254 sowie Sennhauser, Ämter, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 604 – 610, hier 605. 37 Sennhauser, Ämter, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 604 – 610, hier 605, nennt als Todesjahr 1607. 38 Inwieweit mit dieser Entscheidung auch eine tiefgreifende Veränderung seines „Ichs“ verbunden war, wie dies von der soziologischen Konversionsforschung angenommen wird, lässt sich auf der Basis des frühneuzeitlichen Quellenmaterials nicht beantworten, vgl. Knoblauch/Krech/Wohlrab-­Sahr, Religion, in: Jaeger/Liebsch (Hg.), Handbuch, 2004, 349 – 363 sowie Knoblauch/Krech/Wohlrab-­Sahr, Bekehrung, in: dies. (Hg.), Konversion, 1998, 7 – 43. Vgl. ebenfalls den jüngsten Forschungsüberblick aus religions­ sozio­logischer Perspektive von Pollack, Überlegungen, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/ Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 33 – 55. Zudem ist es fraglich, ob sich das moderne wissenschaftliche Begriffsinstrumentarium nahtlos auf die Lebens- und Erfahrungswelten frühneuzeitlicher Konvertiten übertragen lässt oder ob es in diesem Kontext nicht sinnvoller erscheint, Konversionen als Ausdruck von Erfahrungen zu verstehen, die ein Konversionswilliger in dem Prozess des Glaubenswechsels sammelte.

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konkurrierenden Kirchen nutzte und der reformierten Kirche den Vorzug gab, da diese den geistlichen Stand in einer reformatorischen Neukonzeption vom Zölibat befreit hatte. Auch in der katholischen Kirche war der Lebenswandel der Kleriker seit dem Spätmittelalter Gegenstand scharfer Kritik gewesen, die insbesondere den übermäßigen Luxus und das Konkubinat anprangerte. Allerdings gingen die Kritiker nicht so weit, ihre Haltung in diesen Fragen grundsätzlich zu revidieren. Bevor weitere Überlegungen zum Glaubenswechsels Caspar Schwerters formuliert werden, sollen die Reformbemühungen der katholischen Kirche in einem knappen Exkurs dargestellt und die Problematik des Zölibats für die Geistlichen der Grafschaft Baden diskutiert werden. Exkurs 1: Die Reformbemühungen der katholischen Kirche Mit der Verbreitung der reformatorischen Ideen und insbesondere der Priesterehe erhielten die Diskussionen um den Zölibat eine neue Qualität, da der eheliche Stand nun auch für Geistliche denkbar war. Im Unterschied zu den protestantischen Reformbewegungen wurde die Priesterehe als Konsequenz eines theologischen Reinheitsdiskurses der katholischen Kirche verworfen. Maßgeblich für die Konzeption von Zölibat und geistlichem Eheverbot waren die Reformbemühungen der katholischen Kirche auf dem Konzil von Trient (1545 – 1563), einem Konzil, das die dogmatische Grundlage der katholischen Konfessionalisierung schuf.39 Die Reformdekrete bezogen sich vor allem auf Bischöfe, allerdings galten die darin formulierten Ideale für alle katholischen Geistlichen. Bischöfe hatten damit eine wesentliche Funktion im katholischen Reformprozess inne, da sie als „Scharniere“ der Reform die tridentinischen Normen an die Gemeindepriester weitergeben sollten. Letztere hatten diese dann in der Gemeinde zu verankern. Eine idealisierte Lebensweise der Seelsorger diente als Vorbild und sollte zur Nachahmung anleiten. Vorbild konnte nur sein, wer der Gemeinde vorstand und kein Teil von ihr war. Insofern postulierten die Reformdekrete auch die soziale Distinktion zwischen Geistlichen und Laien, die in vielen Gemeinden oftmals fehlte.40 Der Lebensrealität des ländlichen Klerus wurde dieses Ideal kaum gerecht.41

39 Maßgeblich für die Interpretation des Konzils von Trient ist weiterhin Jedin, Reformation, in: Zeeden (Hg.), Gegenreformation, 1973, 46 – 81 sowie ders., Geschichte, 4 Bde., 1949 – 1975. Zur Bedeutung des Tridentinums für die katholische Konfessionalisierung vgl. Reinhard, Gegenreformation, in: ARG 68, 1977, 226 – 251, hier 234 – 235 sowie ders., Konzil von Trient, in: Prodi/Reinhard (Hg.), Konzil von Trient, 2001, 23 – 42. 40 Vgl. Flüchter, Zölibat, 2006, 85 – 86. 41 Vgl. dazu Pfister, Pastors, in: CEH 33, 2000, 41 – 65.

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Die Verbreitung und die Identifizierung der nachtridentinischen Priestergeneration mit der Metapher des „Guten Hirten“ zählen zu den wichtigsten Auswirkungen des Tridentinums.42 Damit stand die Seelsorge im Zentrum der Aufgaben des Geistlichen. Deren vorbildliche, tadellose und einwandfreie Lebensweise wurde in direktem Bezug dazu gesehen, „als eine weitere Art der Verkündigung des wahren Glaubens“,43 als eine „Art beständiger Predigt“.44 Die Konzilsväter dachten dabei nicht zwangsläufig an den Zölibat: Zunächst verbanden sie den neuen propagierten Sittenwandel mit dem Gebot der Einhaltung der klerikalen Kleidung, aber auch der Haltung, Bewegung und Redeweise von Geistlichen. Kandidatenauswahl und bessere Priesterausbildung standen in engem Bezug dazu. Der Streit zwischen den reformatorischen und den altkirchlichen Theologen kreiste im 16. Jahrhundert um die Frage, ob der „gottgewollte“ und damit der „reine“ Stand in der Ehe oder im Zölibat zu situieren sei. Der Zölibat stand damit zwangsläufig im Zentrum des theologischen Reinheitsdiskurses.45 Während sich das Konzept der kultischen Reinheit durch alle Sitzungsperioden zog, fielen die Diskussionen um den Zölibat erst in die letzten Sitzungsperioden und fanden im Kontext der Sitzung über das Ehesakrament 1563 statt. In den Canones über die Ehe wurde die katholische Ehekonzeption als Gegenentwurf zur protestantischen Ehe und der Möglichkeit einer Priesterehe formuliert. Im Unterschied zum reformatorischen Ehediskurs waren Keuschheit und Ehe unvereinbar und Zuwiderhandlungen Geistlicher wurden mit dem Anathema belegt.46 Daraus folgte, dass in der Wertehierarchie der katholischen Kirche der Stand der Jungfräulichkeit und der Stand des Zölibats dem Ehestand übergeordnet blieben.47 Damit waren das Lob des Zölibats und das Verbot der Priesterehe ausgesprochen. In aller Ausführlichkeit formulierte das Dekret über die allgemeine Reform (Decretum de reformatione generali) vom 3. bis zum 4. Dezember 1563 ein Verbot des klerikalen Konkubinats und unterstrich, wie „schändlich“ und „unwürdig“ es

42 Flüchter, Zölibat, 2006, 85; zum Selbstverständnis der Geistlichen vgl. Dürr, Images, in: CEH 33, 2000, 87 – 108. 43 Flüchter, Zölibat, 2006, 86. 44 Alberigi/Wohlmuth (Hg.), Dekrete, Bd. 3, 2002, 783. 45 Flüchter, Zölibat, 2006, 88 – 89. 46 Alberigi/Wohlmuth (Hg.), Dekrete, Bd. 3, 2002, 755. 47 „Wenn jemand sagt, der Ehestand sei dem Stand der Jungfräulichkeit oder dem des Zölibats vorzuziehen und es sei nicht besser und seliger, in Jungfräulichkeit oder Zölibat zu verharren, als durch die Ehe gebunden zu sein, gelte das Anathema“, zit. nach: Alberigi/Wohlmuth (Hg.), Dekrete, Bd. 3, 2002, 755.

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für Kleriker sei, in „schmutziger Unzüchtigkeit“ und in „unreinem Konkubinat“ (impudicitiae sordibus immundoque concubinatu) zu leben, da hierdurch der „klerikale Dienst“ „höchste Unehre“ erfahre und die Gläubigen durch den „öffentlich Anstoß“ erregt würden.48 Damit argumentierten die Konzilsväter sowohl theologisch wie gesellschaftlich – gesellschaftlich mit den Auswirkungen des Konkubinats (Ärger und Anstoß der Gemeinde), theologisch mit dem Reinheitsdiskurs. Semantische Gegenstücke zum reinen und enthaltsamen Leben Geistlicher bildeten die Adjektive „schmutzig“ und „unrein“. Ohne zwischen einem Verdacht und einer vollzogenen Tat zu differenzieren, galt als unzüchtig, wer sich „innerhalb oder außerhalb [des] Hauses auf Dauer Konkubinen oder andere Frauen, bei denen Verdacht entstehen könnte, aufzunehmen oder mit ihnen vertrauten Umgang zu pflegen“.49 Damit wurde jeder vertraute Umgang von Geistlichen mit Frauen verboten. Exkurs 2: Die Umsetzung der Konzilsbeschlüsse in der Schweiz Wie von der jüngeren Forschung betont wird, bedeutete die Annahme der Konzilsbeschlüsse durch Papst und römische Kurie in der Bulle Benedictus Deus (30. Juni 1564) nicht, dass sie auch „eine konkrete Wirkung auf das kirchliche und gesellschaftliche Leben“ ausgeübt hätten. Dazu bedurfte es der Rezeption und der Auslegung der Konzilsbeschlüsse und seiner Reformdekrete. 50 Ein wichtiger Schritt in dieser Richtung war die Einrichtung von Institutionen, die die Durchsetzung der Reformdekrete garantieren sollten.51 In der Eidgenos 48 Alberigi/Wohlmuth (Hg.), Dekrete, Bd. 3, 2002, 792. 49 Ebenda, 793. 50 Ganzer, Konzilsbeschlüsse, in: Lutz (Hg.), Papsttum, 1994, 15 – 33, hier 15. Als Motor der Reform betrachtet Gleason daher weniger die tridentinischen Dekrete an sich als einen neuen „Geist“ des Tridentinums. Gleason, Reformation, in: Brady/Oberman/Tracy (Hg.), Handbook, Bd. 2, 1995, 317 – 345. Bossy, Counter-­Reformation, in: P&P 47, 1970, 51 – 70, hier 69 – 70, hält der katholischen Reform die Annahme vor, es ließen sich die Probleme durch obligatorische Gesetze lösen. Flüchter, Zölibat, 2006, 92, bezweifelt, dass „hinter den tridentinischen Dekreten eine rein instrumentelle Zielsetzung stand. Vor allem hinsichtlich der differenzierenden Vorschriften, wie auf geistliche Konkubinate zu reagieren sei, kann davon ausgegangen werden, dass auch den Konzilsvätern bewusst war, dass dies nicht eins zu eins umgesetzt würde. Die differenzierte Verfahrensvorschrift zeigt aber, für wie wichtig das Einschreiten der geistlichen Vorgesetzen betrachtet wurde.“ 51 Die Ausbildung der Konfessionskirchen ist insgesamt für die Alte Eidgenossenschaft erst in Ansätzen untersucht. Ulrich Pfister hat in diesem Zusammenhang auf die wesentlichen Eckdaten (posttridentinische Nuntiaturen (1578 – 1581) und Massnahmen für die Klerusreform, Gründung der ersten Jesuitenkollegs (1577), Beginn der Kapuzinermission in den 1580er-Jahren und die Neuordnung des Verhältnisses zu den Bistümern

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senschaft betraf dies in erster Linie die Gründung einer ständigen Nuntiatur in Luzern auf Wunsch der fünf katholischen Orte (1586), die sich maßgeblich auf Betreiben des Kardinals Karl Borromäus, Staatssekretär des Papstes, dann Erzbischof von Mailand, konstituierte.52 Borromäus, der sich als „maßgebender Mitbeteiligter am Konzil von Trient“ und als Protector Helvetiae seit 1560 für die Umsetzung der Konzilsbeschlüsse in der Südschweiz einsetzte,53 ist mit Blick auf seine Beziehung zur Schweiz in der deutschsprachigen Forschung erst mit einer geringen Zahl von Studien bedacht worden.54 Mario Dalgado hat kürzlich die Dokumente analysiert, die im Zusammenhang mit der Schweizerreise Karl Borromäus’ entstanden, die dieser im Sommer 1570 unternahm. Im Allgemeinen war Borromäus den katholischen Eidgenossen gegenüber wohlgesonnen, er charakterisierte sie als ein „ernstes, schlichtes und tüchtiges Volk“, das sich gegen die reformierten Gläubigen gut abzugrenzen wisse. Skandalös waren ihm zufolge gemischtkonfessionelle Gebiete in der Alten Eidgenossenschaft und die Praktiken der konfessionellen Ambiguität, da dort katholische Gläubige an den Gottesdiensten der reformierten Gemeinden teilnahmen.55 Besonders kritisierte Borromäus katholische Geistliche: „Keine Würde im Auftreten, keine Sorgfalt in der Behandlung heiliger Dinge, keine innere Reinheit; diese weltlich gekleideten Menschen, die das Heiligtum verkommen lassen, und es wagen, befleckten, schuldbeladenen Herzens zum Altar des Herrn zu treten“.56 Aufgrund dieser Passagen war die Informatio Borromäus’ für die Zukunft wegweisend, da sie „die Direktiven für die künftigen kirchlichen Maßnahmen“ enthielt, und zu diesen zählten auch die Klagen über die geistlichen Konkubinarier.57 Nicht nur Papst, Kurie und geistliche Würdenträger waren für die Umsetzung der Trienter Reformdekrete bedeutsam, mindestens ebenso wichtig war die Haltung der weltlichen Herrschaftsträger, denen die Annahme der Trienter Reformdekrete und deren Inkorporation in die weltliche Gesetzgebung oblag. Die katholischen Orte zeigten eine „diplomatische Zurückhaltung“ angesichts

Konstanz (1605 Kommissariat Luzern) und Lausanne (1614/1615)) verwiesen, vgl. ders., Konfessionskonflikte, in: SZRKG 101, 2007, 257 – 311, hier 263. Zur Jesuitenmission vgl. Sieber, Missionierung, 2005. 52 Pfister, Kirchengeschichte, Bd. 2, 1974, 321. 53 Ebenda, 315. 54 Vgl. Galgano, Informationsreise, in: Delgado/Ries (Hg.), Karl Borromäus, 2010, 93 – 107, hier 96. 55 Zit. in: ebenda, hier 99. 56 Zit. in: ebenda, hier 104. 57 Pfister, Kirchengeschichte, Bd. 2, 1974, 318 – 319. Borromäus’ Rolle bei der Durchsetzung der katholischen Reform in der Schweiz reflektiert Dommann, Einfluß, 1966, 55 ff.

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der an sie gestellten Erwartungen.58 Den Vorschlag, die Einhaltung der Konzilsbeschlüsse in den katholischen Gebieten bei hoher Strafe zu befehlen, lehnten die katholischen eidgenössischen Orte ab.59 Im Zuge der Bemühungen um eine katholische Reform in der Eidgenossenschaft drängte der Konstanzer Fürstbischof Kardinal Mark Sittich von Hohenems (1561 – 1589) auf eine Annahme der Konzilsbeschlüsse. Bei der Vollstreckung der heiligen Concilii standen für ihn die Reform des Klerus und die Gründung eines Priesterseminars im Vordergrund.60 Eine Synode kam nach langen Verhandlungen vom 1. bis 5. September 1567 zustande. Unter der Leitung Mark Sittichs von Hohenems wurden auf der Grundlage der tridentinischen Konzilsbeschlüsse neue Diözesanstatuten verabschiedet, die unter anderem der „Erneuerung des geistlichen Lebens“ und der „besseren Ausbildung des Klerus“ galten.61 Die katholischen Orte der Eidgenossenschaft wollten die Reform nur bei gleichzeitiger Sicherung ihrer Freiheiten, Privilegien und Rechte unterstützen. „Da Mark Sittich die Synodalbeschlüsse am 2. 4. 1568 von Rom aus ohne Rücksicht auf Einwände als Diözesangesetz publizierte und selbst dem Bistum fernblieb, erfolgte ihre praktische Durchführung nur sehr zögerlich.“62 In der Folgezeit war für die Umsetzung der Konzilsbeschlüsse in der deutschsprachigen Eidgenossenschaft wiederum ein Visitator bedeutsam, nämlich der

58 Reinhardt/Steffens, Nuntiatur, Bd. I, 1, 1906, XLII. Eine Geschichte der katholischen Reform in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft ist ein Forschungsdesiderat; trotz einiger neuerer Studien (Sieber, Missionierung, 2005) ist die Geschichte der katholischen Schweiz der Frühen Neuzeit immer noch ungeschrieben. Die Ausführungen auf diesen Seiten stützen sich daher überwiegend auf ältere Forschungsliteratur wie etwa Mayer, Konzil, 2 Bde., 1901 u. 1903; Schwegler, Kirche, 1943; Dommann, Einfluß, 1966 sowie Vischer/Schenker/Dellsperger, Kirchengeschichte, 1994. 59 Reinhardt/Steffens, Nuntiatur, Bd. I, 1, 1906, LXII. 60 Ebenda, LXIII–LXIX. 61 Bischof, Synoden, in: HLS online, http://www.hls-­dhs-­dss.ch/textes/d/D27054.php (Zugriff 21. 01. 2016). 62 Ebenda. Die katholischen Orte nahmen nicht öffentlich Stellung zu den Dekreten, eine Haltung, die sich in deren genereller Zurückhaltung der Implementierung der Konzilsdekrete in die Eidgenossenschaft fügt. Die Zurückhaltung der katholischen Orte lässt sich wohl am ehesten mit den Schwierigkeiten erklären, eine gemeinsame Konfessionspolitik zu entwerfen. Dies betraf nicht nur die souveränen katholischen Orte, sondern vor allem die Gemeinen Herrschaften, in denen auch die reformierten Stände an der gemeinsamen Verwaltung beteiligt waren. Zürich, Bern und Evangelisch Glarus waren nicht an die Trienter Reformdekrete gebunden. Zudem bot der Landfrieden von 1531 den Konzilsbeschlüssen „rechtliche Schranken“. Siehe die Ausführungen bei Reinhardt/Steffens, Nuntiatur, Bd. I, 1, 1910, LXXII–LXXIII.

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italienische Nuntius Giovanni Francesco Bonhomini.63 Seine rege und nachhaltige Visitationstätigkeit galt der Reform des schweizerischen Klerus, der seiner Schätzung zufolge überwiegend aus Konkubinariern bestand: 95 von 100 Geistlichen lebten ihm zufolge mit einer Konkubine in einem Haushalt.64 Bonhomini visitierte die schweizerischen Bistümer auf drei Reisen. Seine erste Reise begann im Juli 1579 und endete im März 1580. Die zweite Reise erstreckte sich von Mai 1580 bis Dezember desselben Jahres. Seine dritte Reise im Mai 1581 führte ihn nur noch nach Chur.65 Gegen Konkubinarier ging Bonhomini mit harten Strafen vor. Diejenigen Geistlichen, die mit einer Strafe belegt worden waren und dennoch die Messe zelebrierten, erklärte er als irregulär. Widerspenstige Geistliche wurden suspendiert. In einem Mandat vom 11. September 1579 verbot Nuntius Bonhomini dem Klerus das „Zusammenleben mit Frauen, außer mit [ihrer] Mutter, Großmutter, Schwester, Tante, Schwägerin oder mindestens [einem] 50jährigen Weib einwandfreien Rufes“. Geldstrafen von 50 und, beim wiederholtem Mal, 100 Kronen wurden gegen renitente Geistliche verhängt, die dem Verbot zum Trotz auch weiterhin mit ihrer Konkubine zusammenlebten.66 Den Reformen des Italieners Bonhomini begegnete der schweizerische Klerus mit offener Kritik. Ihm waren die Strafen zu hart. Die Sanktionen gingen selbst über das vom Konzil von Trient vorgeschlagene Strafmaß hinaus (den Verlust eines Drittels der Einkünfte).67 Inhaltlich verknüpfte der Schweizer Klerus in seiner Widerrede die Frage der Führung des Haushalts mit dem zentralen Thema des Konkubinats. Da nicht alle Geistlichen Verwandte besäßen, die ihnen den Haushalt führten, seien die Seelsorger auf Mägde und Haushälterinnen angewiesen. Der Landdekan des Bistums Basel hob in seiner Supplik hervor, dass auf dem Land Äcker bestellt, das Vieh sowie die Matten und Reben versorgt werden müssten.68 Der geistliche Pfarrhaushalt war ein ländlicher Ökonomiebetrieb, und der Pfarrer war bei der Verwaltung des „landwirtschaftlichen Besitzes 63 Vgl. Reinhardt/Steffens, Nuntiatur, Bd. I, 1, 1906, CCCXCIV–CDXV sowie den Dokumentenband Bd. I, 2, 1906, 325 ff. 64 Vgl. Fischer, Gründung, 1955, 10. Durch die tridentinischen Reformmaßnahmen wurden katholische Geistliche gezwungen, auf beides zu verzichten, auf die Ehe und auf das Konkubinat. 65 Vasella, Visitationsprotokoll, 1963, 8. 66 Ebenda, 32 sowie Vasella, Klerus, in: HJ 84, 1964, 86 – 100, hier 89. 67 Alberigi/Wohlmuth (Hg.), Dekrete, Bd. 3, 2002, 793. 68 Bislang ist die Organisation der Landhaushalte katholischer (und protestantischer) Geistlicher in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft gänzlich unerforscht. Ich stütze mich hier auf die Forschungsergebnisse von Labouvie, Konkubinate, in: GG 26, 2000, 105 – 127, hier 107 – 108, die einige deutsche Bistümer untersucht hat. Bei Sieber,

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mit dazugehörigen Abgabe- und Fronpflichten“ auf die Hilfe der Mägde und Haushälterinnen angewiesen.69 Unerlaubte Beziehungen zwischen katholischen Geistlichen und ihrem Dienstpersonal waren damit nicht zuletzt in der Organisation des ländlichen Pfarrhaushaltes begründet. Rückschläge gegen die Durchsetzung der Konzilsdekrete häuften sich in den konfessionell gemischten Gebieten, aber auch anderorts in der Eidgenossenschaft.70 In der Grafschaft Baden nahm der größte Teil der Geistlichen ihre Konkubinen wieder auf.71 Insbesondere die Verhältnisse im Zurzacher Stift hatte der Nuntius Bonhomini bei seiner Visitation im August 1579 als bedenklich beschrieben. Zehn von elf Chorherren charakterisierte er als „concubinarii manifesti“, die mit Frau und Kindern zusammenlebten – die Beziehung, die Bonhomini als Konkubinat bezeichnete, glich der einer Ehe.72 Unter den „concubinarii manifesti“ befanden sich auch die Chorherren Johann Caspar Frey und Caspar Schwerter.73 Der Landvogt von Baden und der dortige Landschreiber erhielten 1580 von der Tagsatzung den Befehl, die Konkubinen „auf zwei Meilen weit“ von Zurzach zu verweisen.74 Die ungehorsamen Frauen unter ihnen Missionierung, 2005, 95 – 106 wird das Thema als Rechtfertigung des Priesterkonkubinats kurz diskutiert. 69 Diese „verwalteten Gelder, trieben Abgaben und Schulden ein und wirkten im Haushalt, in der Landwirtschaft und in den zahlreichen Nebenerwerbszweigen (Viehzucht, Imkerei, Bierbrauerei, Weinbau, Weinausschank) mit“. Labouvie, Konkubinate, in: GG 26, 2000, 105 – 127, hier 107 – 108. 70 Die Kritik der Luzerner und Innerschweizer Priesterschaft rekonstruiert Sieber, Missionierung, 2005, 95 – 105. 71 Vasella, Visitationsprotokoll, 1963, 39 – 40. 72 Reinhardt/Steffens, Nuntiatur, Bd. I, 2, 1, 1906, 481 sowie Vasella, Visitationsprotokoll, 1963, 95, Anm. 49. Zur Frage, welche Beziehung in den Quellen mit der Bezeichnung „Konkubinarier“ gemeint ist, siehe Flüchter, Zölibat, 2006, 376 ff. 73 Die übrigen acht Chorherren waren die folgenden: Christophorus Sebastian von Ulm, Heinrich Oftinger, Jakob Forster, Johannes Attenhofer, Michael Schindler, Paul Schaufelbühl, Caspar Harder und Johannes Feurer genannt Röslin, vgl. Reinhardt/Steffens, Nuntiatur, Bd. I, 2, 1, 1906, 481, Anm. 3. 74 EA 4/2b, Art. 134, 1104 – 1105. Der Rat von Luzern hatte am 24. August 1580 von Alt­ schultheiß Frey aus Baden einen Brief bekommen, in dem er darauf drang, dass „dem […] landvogt alhie ernstlichen uferlegt werde, damit die pfarheren und andere priester in der umligenden grafschaft ouch ghorsam syend und ihre dirnen nit allein in nechsten wincklen, sonder uf die 2 myl wegs unverzogenlich verschickend“, zit. nach: Fischer, Gründung, 1955, 10, Anm. 4. Da die Reformansätze, die von der bischöflichen Kurie in Konstanz ausgingen, lediglich vereinzelte Maßnahmen betrafen, entschlossen sich die katholischen Orte zur Selbsthilfe, vgl. Fischer, Gründung, 1955, 14 – 15. Allerdings scheint die Haltung der katholischen Obrigkeit in der Konkubinatsfrage von Ort zu Ort variiert zu haben; am vehementesten ging Luzern gegen Konkubinarier vor, vgl.

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sollten an den Pranger gestellt und die widerspenstigen Priester der geistlichen Obrigkeit gemeldet werden – ob dies tatsächlich durchgesetzt wurde, ist nicht überliefert.75 Probst und Kapitel des Stifts Zurzach beschwerten sich über das Vorgehen gegen die Konkubinen im Namen des Stifts und der gesamten Priesterschaft der Grafschaft Baden. Sie baten, dass: ihre Concubinen, wenn nicht in ihren Häusern, doch in der nämlichen Ortschaft, wo sie wohnen, geduldet werden, bis Gott einen Theil vom anderen scheide, und zwar dieses wegen ihrer unerzogenen Kinder, die der Pflege ihrer Mütter so sehr bedürftig seien, ferner weil der Kleinzehnten, der den größten Theil ihres Einkommens ausmache, durch Weibsleute am besten könne eingesammelt werden.76

Da die Tagsatzungsgesandten diesbezüglich nicht instruiert waren, erging zu­­ nächst keine Antwort.77 Erst als aus einem Bericht von 1583 deutlich wurde, dass nicht nur die Chorherren in Zurzach, sondern auch andere Priester in der Grafschaft Baden ihre Konkubinen wieder zu sich genommen hatten, erging ein Befehl der Tagsatzung. Der Konstanzer Domprediger Dr. Jacob Miller wurde beauftragt, die Grafschaft Baden in Gegenwart des Landvogts zu visitieren. Miller hatte den Auftrag, die Konkubinen und Priesterfrauen aus dem Land zu verweisen und den Geistlichen das Leben mit einer Konkubine bei Verlust der Pfründen zu verbieten. Widerspenstige Priester sollten mit Hilfe des Landvogts abgesetzt und die Pfründe neu besetzt werden.78 Dieser Versuch, die Visitation in der Eidgenossenschaft Dr. Miller zu übertragen, scheiterte. Oskar Vasella vermutet, dass der Grund darin zu sehen war, dass die Landvögte in Zurzach „das usurpierte Recht zur Besetzung der Kanonikate schamlos ausübten“.79 Die Landvögte der Grafschaft, die die Kanonikate in Zurzach eigenhändig verliehen und sich diese mit 200 bis 300 Gulden bezahlen ließen, scheinen straffällige Chorherren, die mit ihrer Konkubine zusammenlebten, kurzerhand erpresst zu haben. Dies scheint auch das Vorgehen gegen den Konkubinarier Caspar Schwerter gewesen zu sein, der die Flucht nach Zürich dem Befehl vorzog, Vasella, Visitationsprotokoll, 1963, 28 – 44 oder auch Dommann, Einfluß, 1966 zur Frage des Konkubinats sowie Sieber, Missionierung, 2005, bes. 95 – 106. Eine systematische Untersuchung dieser Thematik steht noch aus. 75 EA 4/2b, Art. 134, 1104 – 1105. 76 Ebenda. 77 Ebenda. 78 EA 4/2b, Art. 147, 1105 – 1106. Über spätere Reformverordnungen des Bischofs vgl. Huber, Geschichte, 1869, 117 f. 79 Vasella, Klerus, in: HJ 84, 1964, 86 – 100, hier 87.

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beim Landvogt vorstellig zu werden. Landvogt Melchior von Flüe berichtete den fünf katholischen Orten am 9. April 1594, wie sich Caspar Schwerter „von Zurtzach gen Zürich begeben, alda er sich mit siner concubin verhürattet unnd jetzunder im Münster sin leer unnd predig mit großem frolocken uß publiciert“.80 Vom Konkubinarier zum pater potestas: Das neue Leben des Caspar Schwerter Für Caspar Schwerter besaß die reformatorische Geschlechteranthropologie der Zürcher Theologen sowie deren theologische Neukonzeption von Zölibat und Ehe eine konkrete lebensweltliche Bedeutung. Durch die Annahme eines neuen religiösen Bekenntnisses konnte Schwerter seine Konkubine durch eine öffentliche Eheschließung zu seiner rechtschaffenen Ehefrau machen und selbst ein Leben frei von Sünde führen. Caspar Schwerter reflektierte seinen religiö­ sen Glaubenswechsel im Kontext des Konkubinats. In seiner konfessionellen Selbstsicht waren es die ablehnende Haltung der katholischen Kirche in der Frage der Priesterehe und die harten Strafen, die ihn erwartet hätten, wäre er in Zurzach geblieben, die aus ihm einen „Apostaten“ gemacht hatten. Er sagte über sich: „propter concubinatum et nimiam Praefectorum Badensium mulctam factus apostata et Tigurim profectus 9. Februar 1594“.81 Seiner selbstreflektierenden Aussage zufolge wurde er zum Apostaten „gemacht“ – diese „Herstellung“ eines Konvertiten war in Schwerters Darstellung nach außen das Ergebnis einer theologischen Position, die Geistlichen keine Eheschließung gestattete, sondern ihnen Enthaltsamkeit abverlangte und bei Zuwiderhandlung abstrafte. Der Konstanzer Kardinalbischof Andreas von Österreich bestätigte in einem Schreiben an die fünf katholischen Orte, die beiden Chorherren Schwerter und Frei hätten ihr Amt, „um den übermäßigen Geldstrafen zu entgehen“, niederlegen müssen.82 Auch dem Kardinalbischof zufolge war es der äußere Zwang und keine innere religiöse Erkenntnis oder Überzeugung gewesen, die Schwerter zum Glaubenswechsel bewogen hatte. Umso erstaunlicher ist es, dass Schwerter bei seinem neuen Glauben blieb. Wie reagierte die politische Elite Zürichs auf Schwerters Konversion? Galt sie ihnen als glaubwürdig? Zeitgenossen waren die Konversionsmotive einzelner Personen keinesfalls gleichgültig, im Gegenteil. Besonders die Verfahren der eigentlichen Konversion fokussierten auf die wahren Motive des Konvertiten. In Zürich wurden im 17. Jahrhundert Prüfung und Aufnahme der Proselyten, also derjenigen Personen, 80 Zit. nach Vasella, Visitationsprotokoll, 1963, 98, Anm. 55. 81 Zit. nach Huber, Geschichte, 1869, 253 und Fischer/Sennhauser, Verenastift, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 165 – 222, hier 208. 82 Huber, Geschichte, 1869, 255, Anm. 1.

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die sich dem reformierten Glauben neu zugewandt hatten, von den Abgeordneten des Examinatorenkonvents, auch Verordnete zur Lehr, übernommen.83 Dieses aus weltlichen und geistlichen Vertretern zusammengesetzte Gremium verfasste nach eingehender Examinierung der konversionswilligen Personen ein Gutachten und sprach eine Empfehlung aus.84 Über die eigentliche Aufnahme der Proselyten entschied in Zürich jedoch der Rat. Dabei folgte er in der Regel den Empfehlungen des Examinatorenkonvents.85 Am Ende des 17. Jahrhunderts führte in Zürich der anwachsende Zustrom von Konversionswilligen aus weiten Teilen Europas zur Einrichtung einer eigenständigen Proselytenkammer. Diese Kammer besaß fest umrissene Kompetenzen – zu ihnen zählten die Prüfung und Aufnahme der Proselyten, aber auch die weitere Beobachtung der aufgenommenen Personen –, wodurch der Umgang mit Konvertiten weiter formalisiert und institutionalisiert wurde.86 Im 17. Jahrhundert ging die Unterweisung der Anwärter in einem neuen Glauben Hand in Hand mit deren Examinierung. Eine gründliche Befragung und Gewissensprüfung der Proselyten war dem reformierten frühneuzeitlichen Konversionsprozess ein zentrales Anliegen. Der Wunsch nach dem Wechsel des religiösen Bekenntnisses sollte aufrichtig, authentisch und dauerhaft sein und musste zudem glaubhaft kommuniziert werden. Die Examinatoren prüften entsprechend eingehend die Motive und Absichten der konversionswilligen Personen. Dieses Konversionsverfahren setzte einen gewissen religiösen Wissensstand der Proselyten voraus: Nur wer über religiöses Wissen verfügte, konnte die Fragen bezüglich des Glaubenswechsels beantworten und hatte

83 Zur Institution des Examinatorenkonvents vgl. Baltischweiler, Institutionen, 1904, 67 – 87. 84 Die ordentliche Besetzung, die bis ins 18. Jahrhundert Bestand haben sollte, war 1630 erreicht, bis dahin vergrößerte sich das Gremium stetig, vgl. Baltischweiler, Institutionen, 1904, 68 – 69. 85 Die enge strukturelle Verflechtung zwischen Kirche und Staat schuf im Zürcher Stadtstaat eine spezifisch reformierte Konversionspraxis, die dem katholischen Luzern, wo überwiegend geistliche Orden an der Konversionspraxis beteiligt waren, fremd war. Zum konfessionellen Vergleich zwischen Zürich und Luzern vgl. Bock, Konversionen, 2009, 117 – 132. Konversionsinstitutionen wie die gegründeten Proselytenkammern in reformierten Gebieten bzw. Städten der Eidgenossenschaft – neben Zürich ist hier an Bern (1699) und Genf (1707) zu denken – wurden im katholischen Luzern nicht geschaffen. Glaubenswechsel fanden ohne Zusammenarbeit mit dem Rat überwiegend in den geistlichen Orden der Kapuziner und Jesuiten statt, vgl. Pfister, Schweiz, in: Geiger (Hg.), Gottesreich, 1969, 289 – 309, hier 295 – 296. 86 Baltischweiler, Institutionen, 1904, 85, der als Gründungsdatum der Proselytenkammer das Jahr 1692 annimmt sowie Bock, Konversionen, 2009, 103, die Baltischweiler in seiner Datierung folgt. Zur Institutionalisierung ebenda, 109 ff.

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Aussicht auf Aufnahme im Zürcher Stadtstaat.87 Nachdem die konversionswilligen Personen ein mündliches und ein schriftliches Glaubensbekenntnis abgelegt hatten, wurde ihnen die Teilnahme am Abendmahl gestattet; ein Akt, der die konfessionelle Zugehörigkeit zu einer neuen Glaubensgemeinschaft öffentlich demonstrierte.88 Damit war die konfessionelle Zugehörigkeit des Konvertiten auch nach außen hergestellt. Die Prüfung von ehemaligen katholischen Geistlichen erfolgte mit besonderer Sorgfalt, zumal wenn diese – wie Caspar Schwerter oder der weiter unten diskutierte Kapuzinermönch Johannes Frey – nach einem erfolgreichen Glaubenswechsel und der gelungenen Integration in die reformierte Konfessionslandschaft als reformierte Seelsorger mit der konfessionellen Formung, Bildung und Erziehung der Zürcher Untertanen betraut wurden.89 Geistliche hatten nicht nur eine Vorbildfunktion, sondern waren als „Sozialdisziplinierer“ der mittleren Ebene für die Verbreitung und Verinnerlichung christlicher Werte und Normen innerhalb ihrer Gemeinde verantwortlich, eine Aufgabe, die Aneignungsprozesse und Handlungsspielräume implizierte.90 Nach dem Ablegen des reformierten Glaubensbekenntnisses wurden geistliche Konvertiten zunächst in die Bräuche der Zürcher Kirche eingeführt und auf das Predigtamt vorbereitet. Nach gehaltener Probepredigt erfolgte die Ordination.91 Vor diesem Hintergrund scheint es nicht sehr wahrscheinlich, dass Caspar Schwerters Konversion einzig den äußeren Umständen und seiner Flucht vor einer Strafe zuzuschreiben ist. Immerhin gelang ihm etwas, was nicht alle Konvertiten für sich beanspruchen konnten: Er blieb bei seinem neuen Glauben und führte – zumindest sind keine gegenteiligen Quellen erhalten – ein erfolgreiches Leben als Pfarrer in zwei Zürcher Gemeinden. Auf der Grundlage des Quellenmaterials kann man Schwerter kein fragiles konfessionelles 87 Heike Bock referiert den Fall einer Frau aus Zug, die auf die Frage der Examinatoren „warum si unserer religion weden wolte?“ nicht antworten konnte und daher 1693 von Zürich fortgeschickt wurde, Bock, Konversionen, 2009, 107. 88 Bock, Konversionen, 2009, 107. Zu den Unterweisungen im neuen Glauben vgl. auch die Angaben bei Siebenhüner, Glaubenswechsel, in: ZHF 34, 2007, 243 – 272, hier 256. Zur Bedeutung des Abendmahls für die Stiftung einer „sakralen“ Gemeinschaft vgl. Sabean, Schwert, 1990, 53 – 54. 89 Bock, Konversionen, 2009, 241 ff., diskutiert eine Quelle von 1642, aus der deutlich wird, dass sich die Examinatoren durchaus der potentiellen Gefahren bewusst waren, die mit der Besetzung einer Predigerstelle mit einem Proselyten zusammenhingen. 90 Vgl. die Diskussion bei Schorn-­Schütte, Priest, in: CHE 33, 2000, 1 – 37. Zur Rolle, die die ländlichen Pastoren Basels als „mediators of confessionalization“ spielten, Nelson Burnett, Pastors, in: CHE 33, 2000, 67 – 85. 91 Vgl. den weiter unten diskutierten Fall des Kapuziners Claudius Schobinger.

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Selbstverständnis attestieren.92 Es ist zu vermuten, dass der Glaubenswechsel für Schwerter bei weitem nicht so unvermittelt kam, wie er sich in den Quellen darstellt. Da Schwerter in seinem neuen Glauben sein Heil fand, spricht vieles dafür, dass der Glaubenswechsel keiner religiösen Indifferenz entsprang, sondern anders motiviert war.93 Da jede Motivsuche allerdings spekulativ ist, möchte ich Schwerters Konversion als eine Handlungsoption begreifen, die ihm und seiner Familie neue Lebensperspektiven eröffnete. Darunter verstehe ich kein „Entscheidungshandeln“, im Gegenteil.94 Die Herausforderungen, die durch den Glaubenswechsel auf Schwerter und seine Familie zukamen, waren gewaltig, und es ist nicht auszuschließen, dass diese, selbst wenn er dem reformierten Glauben zugeneigt war, eine innere Krise erst evozierten, da seine Entscheidung, mit dem bisherigen Leben und den sozialen Bindungen zu brechen, nicht freiwillig, sondern unter Zwang geschah. Gleichzeitig bedeutete die Konversion für Schwerter die Aussicht auf ein neues Leben und damit die Integration in eine neue Konfessionsgesellschaft. Seine Konversion eröffnete Schwerter eine Handlungsoption, da er durch den Wechsel in die reformierte Konfessionsgemeinschaft sein Leben neu erschaffen konnte: Aus einem delinquenten katholischen Priester, der mit seiner Konkubine und seinen illegitimen Söhnen in Zurzach lebte und sich der Vorladung durch den Badener Landvogt entzog, wurde ein rechtschaffener reformierter Geistlicher, der nun als pater potestas einer protestantischen Pfarrfamilie mit Frau und Kindern vorstand.95 Insofern nutzte Schwerter die parallel verlaufenden, aber inhaltlich sich ausdifferenzierenden Konfessionalisierungsvorgänge der katholischen und reformierten Konfession für eigene Lebensentwürfe und wechselte zur Legitimierung seiner Lebensführung von einem katholisch geprägten konfessionellen Normensystem in ein reformiertes Normengefüge. Die bikonfessionelle Landschaft der Alten Eidgenossenschaft und die rivalisierenden Geschlechteranthropologien der Konfessionsgruppen eröffneten aus einer lebensweltlichen Perspektive nicht nur einen 92 Zur Fragilität konfessioneller Identitäten siehe den Forschungsüberblick zu diesem Themenkomplex bei Holenstein, Reformation in: ARG 100, 2009, 65 – 87, hier 81. Zur Frage, ob man auch in einem anderen Glauben sein Heil finden konnte, vgl. Kooi, Converts, in: ARG 92, 2001, 195 – 214 und Pollmann, Road, in: Veer (Hg.), Conversions, 1996, 47 – 64. 93 Zur religiösen Indifferenz im Sinne einer Gleichwertigkeit der Konfessionen vgl. den Beitrag von Grochowina, Bekehrungen, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 243 – 270; zur Definition des Begriffes ebenda, 249 – 250. 94 Zum Entscheidungshandeln vgl. Rädle, Konversion, in: Niewöhner/Rädle (Hg.), Konversionen, 1999, 1 – 3. 95 Zur Funktion des Hausvaters in der protestantischen Familie vgl. Wunder, Überlegungen, in: Vanja/Wunder (Hg.), Wandel, 1991, 12 – 26.

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Entscheidungsspielraum, der die religiöse Wahrheitsfrage betraf, sondern boten zugleich Handlungsoptionen. Der Wegzug aus Zurzach bedeutete für Schwerter zwar den Verzicht auf sein Hab und Gut, aber der im katholischen Zurzach inkriminierte Geistliche entkam auf diesem Weg einer Strafe. Schwerter entzog sich damit dem politischen und rechtlichen Einflussbereich des Badener Landvogts und begab sich ins nahegelegene Zürich und damit außerhalb des Machtbereichs des Badener Landvogts.96 Die materiellen Folgen der Konversion Damit sind die materiellen Konsequenzen einer Konversion angesprochen. Solange Schwerter noch kein ordinierter Seelsorger war, war er auf die Alimentierung durch die Zürcher Obrigkeit angewiesen.97 Zudem setzte sich diese für die Herausgabe der in Zurzach verbliebenen Besitztümer Schwerters ein. In seiner Funktion als oberster Amtmann der Grafschaft hatte der Landvogt nämlich einen Teil von Schwerters Besitz konfisziert und nach Baden bringen lassen. Dies betraf unter anderem „40 soumen […] wyn“, etwas Hausrat und Bettwäsche.98 Die Verhandlungen, die Zürich im Namen Schwerters führte, erfolgten auf unterschiedlichen Wegen: mündlich, durch die Gesandten auf den Tagsatzungen sowie schriftlich mit Hilfe von Missiven an den Badener Landvogt. Da Zürich, wie die Limmatstadt dem Landvogt kommunizierte, nicht der Auffassung war, dass Schwerter durch seinen Glaubenswechsel und das Verlassen seiner Pfrund auch den Anspruch auf sein Hab und Gut verwirkt habe, wurde diesem befohlen, „mitt der sach still[zu]staan, vnd bemelt Schwerters gut vnver­ anderet belyben [zu] lassen, biß vff vnnser der acht orten Gesandten Zesammenkunft, so nechsten Tagen beschächen wirt“.99 Dieses politische Vorgehen war die Konsequenz einer Konfessionspolitik, die eigene Herrschaftsziele im Blick hatte. Im Jahr 1594 war der Landvogt von Baden ein Mann katholischen Glaubens.100 Obwohl er de iure Repräsentant der katholischen und reformierten Orte war, setzte sich der katholische Landvogt de facto verstärkt für die politischen Interessen der katholischen Orte ein – ein „konfessionalisiertes“ politisches 96 Anregend in diesem Zusammenhang die Überlegungen von Axel Gotthardt über den Augsburger Religionsfrieden, vgl. ders., Religionsfrieden, in: Wüst/Kreuzer/Schürmann (Hg.), Religionsfriede, 2005, 13 – 28, hier 17. 97 Dieser Aspekt wird bei der Konversion des Kapuziners Johannes Frey ausführlicher diskutiert. 98 StAZH BIV 51, fol. 43r. 99 Ebenda, fol. 49r. 100 In den EA 5/1, 2, 181 werden zwei Männer aus Unterwalden für das Jahr 1594 genannt: Balthasar Roher und Melchior von der Flüe.

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Handlungsschema, von dem bereits die Rede war. Zürichs Handlungsstrategie bestand als reformierter Ort darin, auf schriftlichem Weg Einfluss auf den Landvogt von Baden auszuüben. In diesem konkreten Fall verfolgte der reformierte Ort Zürich das Ziel, die Konversion des Chorherrn Caspar Schwerter zum eidgenössischen Politikum zu machen, um das Vorgehen des Landvogts zu kritisieren und dessen Handlungsoptionen einzugrenzen. Gleichzeitig versprach sich Zürich von diesem Vorgehen, seinen politischen Einfluss vermittels der Hilfe der reformierten Mitregenten Evangelisch Glarus und Bern geltend zu machen, um die materiellen Folgen des Glaubenswechsels zu mildern.101 Obwohl Zürich taktisch agiert hatte, blieb diese Strategie erfolgslos. Zwar nahmen die katholischen Gesandten von Luzern und Schwyz das Begehren auf Besitzherausgabe in den Abschied, allerdings wurde von einer eidgenössischen Mehrheit auf der Tagsatzung beschlossen, den Besitz nicht an Schwerter zurückzugeben, da er „bei Nacht und Nebel ausgerissen sei und Ehre, Eid und Gelübde“ gegenüber dem Verenastift von Zurzach gebrochen habe. Trotz des Einwands von Zürich und Evangelisch Glarus wurde beschlossen, Schwerters Gut zu verkaufen und den Erlös zu verrechnen.102 Die Konversion des katholischen Geistlichen Caspar Schwerter zum Protestantismus hatte damit nachweislich den Verlust materieller Güter zur Folge, bedeutete aber auch Straffreiheit und die Aussicht auf ein neues Leben. Aus einer konfessionsvergleichenden lebensweltlichen Perspektive bedeutete seine Konversion zum Protestantismus einen größeren biographischen Einschnitt als eine Konversion eines Protestanten zum Katholizismus, da erstere die Bereitschaft zur geographischen Mobilität bedingte. War die Entscheidung getroffen, mussten soziale Netzwerke neu geknüpft und eine neue Existenzgrundlage geschaffen werden.103 Die Beziehung Konversion und Mobilität lässt sich auch anders herum denken. In Zürich angekommen, hatte Schwerter nicht nur die räumlichen und territorialen Grenzen der bikonfessionellen Grafschaft Baden hinter sich gelassen und sich in eine monokonfessionelle Gesellschaft begeben, sondern auch den konfessionspolitischen Rechtsraum gewechselt: Im 101 StAZH BVIII 8, fol. 280r. 102 EA 5/1, 2, 1453 – 1454. 103 Einen Überblick des historiographischen Felds „Konversion und Mobilität“ bietet Siebenhüner, Glaubenswechsel, in: ZHF 34, 2007, 243 – 272, hier 267 – 269 sowie die Einsicht, dass einer Migration auch eine Konversion folgen konnte (und nicht umgekehrt, wie in diesem Kapitel dargestellt). Dazu vgl. dies., Conversion, in: P&P 200, 2008, 5 – 35. Zu religiös motivierten Migrationen vgl. Schunka, Gäste, 2004, 20 – 31 und 321 – 351; ders., Migration, in: Selderhuis/Wriedt (Hg.), Konfession, 2007, 1 – 26 sowie Bahlcke (Hg.), Glaubensflüchtlinge, 2008.

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reformierten Stadtstaat Zürich galt der konfessionspolitische Grundsatz cuius regio, eius religio, während die Gemeinen Herrschaften den Bestimmungen des Zweiten Landfriedens unterstanden und die religiöse Koexistenz beider Konfessionsgesellschaften gestatteten. Ob der ehemalige Chorherr Caspar Schwerter konvertierte, weil er unter dem Schutz der reformierten Limmatstadt stand, oder ob er die Grafschaft Baden verließ, um den reformierten Glauben praktizieren zu können, wird sich mit letzter Sicherheit nicht rekonstruieren lassen. Vieles spricht für eine Migrationspraxis als Konversionspraxis und nicht umgekehrt. 5.2.2 „aus angebohrner Menschlicher schwach vnd blödigkeit“: Der mönchische Konvertit Johannes Frey Johannes Frey (1598/1600 – 1669), Bürger der katholischen Kleinstadt Baden, kam im Mai 1634 mit dem Wunsch nach Zürich, das reformierte Glaubensbekenntnis abzulegen.104 Zum Zeitpunkt seiner Konversion hatte Frey bereits die Hälfte seines Lebens als Kapuzinermönch verbracht. Dem Orden war er am 17. Juli 1616 beigetreten, ein Jahr später hatte er die Profess abgelegt.105 Dementsprechend war er zu diesem Zeitpunkt sechzehn bzw. achtzehn Jahre alt. Widersprüche bestehen hinsichtlich seiner Wirkstätte, denn es ist ungeklärt, ob er dem Orden von Baden oder Frauenfeld angehörte.106 Beide Orden wurden in einer Gemeinen Herrschaft gegründet. Diese Klostergründungen in der deutschsprachigen Schweiz – das Badener Kloster wurde 1588, das Frauenfelder Kloster 1595 gegründet – erfolgten in gegenreformatorischer Absicht. Neben „frommen Motiven“ spielten „strategische Überlegungen“ eine wichtige Rolle, denn die Rekatholisierung der dem reformierten Glauben zugewandten Gebiete war erklärtes Ziel der Kapuzinerorden, die eine aktive Konversionspraxis verfolgten.107 Als Prediger, 104 Johannes Frey war Mitglied im Kapuzinerorden; das Zürcher Pfarrbuch und das HBLS führen ihn als Provinzialvikar, was allerdings nicht verbürgt ist. 1634 kam er nach Zürich, 1644 wurde er reformierter Pfarrer zu Greifensee, 1644 erhielt er das Bürgerrecht, vgl. HBLS, Bd. 3, 1926, 247, Nr. 21 sowie Dejung/Wuhrmann, Pfarrerbuch, 1953, 280. Für weitere Informationen über sein Leben vgl. Anm. 32 in diesem Kapitel. 105 Pfister, Konfessionelles in der Schweiz, in: Geiger (Hg.), Gottesreich, 1969, 289 – 309, hier 298 – 299. 106 Im HBLS und im Zürcher Pfarrbuch wird er als Kapuziner von Baden geführt, vgl. HBLS, Bd. 3, 1926, 247, Nr. 21 sowie Dejung/Wuhrmann, Pfarrerbuch, 1953, 280. Heike Bock zufolge war er Kapuziner im thurgauischen Frauenfeld, vgl. dies., Konversionen, 2009, 214. Rudolf Pfister zufolge wirkte Frey als Fastenprediger in Schwyz, was aber nicht belegt wird und – da es keinen Quellenbeleg gibt – unwahrscheinlich scheint. Ders., Schweiz, in: Geiger (Hg.), Gottesreich, 1969, 289 – 309, hier 298 – 299. 107 Allgemein zur Rekatholisierung Herzig, Zwang, 2000. Zur Konversionspolitik der Kapuzinerorden in der Schweiz vgl. Schweizer, Kapuziner, in: HLS online, www.hls-­dhs-­dss.

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Seelsorger, Armen- und Krankenpfleger verbreiteten die Kapuzinermönche den „tridentinischen Geist“ über Europa.108 Für die katholische Glaubensgemeinschaft der Schweiz war es daher besonders bitter, ausgerechnet einen Kapuziner an den reformierten Glauben zu verlieren. Doch zurück zum Anfang. „Sambtags den 17. Meyen 1634 am Morgen früe kam alhar gen Zürich vs der Capuschin von Frauwenfeld Johannes Frey, Burger zu Baden, Capucyner Ordens, vnd begehrt alhie vfgenomen und erhalten zu werden“.109 Der Bericht und die Empfehlung über den Konversionswilligen Kapuziner Johannes Frey wurde von den Verordneten zur Lehr der Stadt Zürich verfasst. Bei diesen Verordneten handelte es sich um Stadtpfarrer und Chorherren und somit um Männer der reformierten Kirche.110 Als Abgeordnete des Examinatorenkonvents übernahmen sie seit dem 17. Jahrhundert die Betreuung und Examinierung von konversionswilligen Personen.111 Über Johannes Frey, einen ungefähr 34-jährigen Mann, der als Kapuziner den Namen Pater Adam getragen und im Orden als Pfarrer und Beichtvater gewirkt hatte, berichteten sie, dass dieser wünsche, in der reformierten Limmatstadt aufgenommen zu werden. In der innerkonfessionellen Kommunikation Zürichs tauchte er fortan mit seinem bürgerlichen Namen auf: Die Transformation von einem Ordensmann zum Laien konkretisierte sich semantisch in der Namensgebung. ch/textes/d/D11708.php (Zugriff 21. 01. 2016) sowie Kapuzinerprovinz, in: Bruckner (Hg.), Franziskusorden, 1974, 33 – 119. Mit anderen in der deutschsprachigen Schweiz gegründeten Kapuzinerklöstern bildete das Frauenfelder Kapuzinerkloster die Schweizer Kapuzinerprovinz mit Sitz in Luzern. Zur Ausbreitung des Kapuzinerordens in der katholischen Schweiz vgl. Arnold, Kapuzinerkloster, 1981, 20; Baur, Ausbreitung, in: Freiburger Diöcesanarchiv, 1900, 1 – 101, hier 86 ff.; Fischer, Gründung, 1955, 32 ff. sowie 248 – 254; Müller, Einführung, in: Künzle (Hg.), Kapuzinerprovinz, 1928, 26 – 42; Wind, Entwicklung, in: Künzle (Hg.), Kapuzinerprovinz, 1928, 44 – 65. Zur Konversionspraxis der Kapuzinerklöster Bock, Konversionen, 2009. Die jüngste Darstellung zu diesem Thema von Thiessen, Kapuziner, 2002, 65 – 66, der sich nicht auf die schweizerischen Verhältnisse allein beschränkt. 108 Schilling, Aufbruch, 1988, 269. Vergleichbar auch Vernard, Kirche, in: ders. (Hg.), Zeit, 1992, 239 – 308, der die aktive Rolle der Kapuziner bei der katholischen Reform betont. Ronnie Po-­chia Hsia gelten die Kapuziner als katholische Erneuerer, vgl. ders., Gegenreformation, 1998, 37. Hillard von Thiessen bestimmt „die Rolle und Bedeutung der Kapuziner für die religiöse Alltagskultur der Frühen Neuzeit“ und insbesondere die Rolle der Kapuziner im Konfessionalisierungsprozess, ders., Kapuziner, 2002, 14 – 15. Wendland, Mission, in: Jäger/Pfister (Hg.), Konfessionalisierung, 2006, 207 – 230, untersucht das Selbstverständnis der Kapuziner als „Träger“ der Konfessionalisierung in Graubünden in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. 109 StAZH E II 8, fol. 817 und 822. 110 Flüeler/Flüeler-­Grauwiler (Hg.), Geschichte, Bd. 2, 1996, 247. 111 Baltischweiler, Institutionen, 1904, 68 und 85.

Konversionen zum Protestantismus

Wie andere in Zürich vorstellig gewordene Proselyten war auch Johannes Frey examiniert worden. Wie bereits bei der Diskussion der Konversion Caspar Schwerters deutlich geworden ist, standen für die Zürcher Examinatoren die Konversionsmotive zur Prüfung, da sie Hinweise auf die Authentizität des Glaubenswechsels versprachen. Zwar hatte Frey dem von seiner Examinierung angefertigtem Bericht zufolge begehrt, „zu vnserer [d. h. der reformierten, D. H.] christlichen Euangelischen Religion zutretten“, doch die Examinatoren fragten sich, „zu welchem End hin“ er in Zürich bzw. im Frauenmünster, seinem aktuellen Aufenthaltsort, verblieben sei.112 Johannes Freys Absichten hatte man „zu vnderschiedlichen mahlen auch von anderen vs vnserem Mittel erforschet“.113 Dahinter verbarg sich die Gewissheit, dass die Aufrichtigkeit ihren Sitz im Herzen der Menschen habe, den Examinatoren aber gerade dieser Blick ins Innere des Menschen versperrt war, zu dem nur der allwissende Gott Zugang hatte.114 Damit blieb trotz aufwendiger Konversionsverfahren und Gewissensprüfung des Konvertiten immer ein Restzweifel bestehen. Äußere Selbstdarstellung und gekonnte Rhetorik erschwerten den Blick auf die wahren Motive des Konvertiten. Aufrichtigkeit ist zudem nicht kommunizierbar, da sich im Akt der Kommunikation die Differenzempfindung bestehend aus der Unterscheidung zwischen Information und Mitteilung nicht auflösen lässt – schließlich kann man, wie Luhmann formuliert, „nicht sagen, dass man meint, was man sagt“.115 Insofern erweckt die Beteuerung mehr Zweifel, als dass sie diese zerstreuen würde. Im Kontext der Aufrichtigkeitsrhetorik wurden im Zürich der Frühen Neuzeit daher lebensweltliche Aspekte zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit und Standhaftigkeit des Konvertiten mit herangezogen, wie die Herkunft, der bisherige Lebenswandel und der Bildungsstand des Proselyten. Johannes Frey wurde bescheinigt, von guter Herkunft zu sein, von seinen Eltern „vff Ire wys yferig vfferzogen, jung in bemelten Orden gelocket vnd verstrickt worden, Im selbigen aber sich nicht allein vnclagbahr verhalten, sonder Im wandel vnd Predigen zimlicher mäsen achtbahr vnd berümbt gsyn“ und sich auch seit seiner Ankunft in Zürich „vnclagbahr betragen“ zu haben. In dem Gutachten wurde der städtischen Obrigkeit daher am 8. Juli 1634 empfohlen, Johannes Frey „In Iren schutz“ zu stellen.116 Als ehemaliger Ordensmann war Frey, wie viele andere Neubekehrte, auf die Alimentierung durch die Zürcher Obrigkeit angewiesen. Als katholischer 112 StAZH E II 8, fol. 820 – 821. 113 Ebenda, fol. 821. 114 Ebenda. 115 Luhmann, Systeme, 1984, 207. 116 StAZH E II 8, fol. 821 – 822.

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Geistlicher hatte er keinen Beruf erlernt, der sich außerhalb der Klostermauern in einem reformierten Stadtstaat ausüben ließ. Ein nicht unwesentlicher Aspekt bei konversionswilligen Personen betraf daher die Frage ihres Unterhalts oder, wie die Examinatoren formulierten, „wie er fürbas am komlichsten vnderhalten werden möchte“.117 Bei positiven Gutachten des Theologiegremiums erhielten die Proselyten in der Regel eine „materielle Unterstützung, die von der Ausstattung mit einem Reisegeld, über den vorübergehenden Aufenthalt in einem Wirtshaus bei freier Kost und Logis, das Versorgen mit Kleidungsstücken bis hin zur Finanzierung einer Handwerkerlehre reichen konnte“.118 Die Zuwendungen, die Johannes Frey erhielt, betrafen seine Unterbringung: Zunächst logierte er im Wirtshaus zum Sternen, dann wurde angewiesen, er solle für „8 oder 10“ Tage zum Pfarrer Schwarzenbach (1581 – 1646) im Frauenmünster gehen.119 Die Unterbringung in einem Gasthaus der Stadt zählte zu den geläufigsten Formen der Aufnahme, die Proselyten in Zürich erfuhren. Die Unterbringung bei einer Privatperson wie dem Pfarrer Schwarzenbach am Frauenmünster bezeugt, dass dem ehemaligen Kapuzinermönch Frey eine Bedeutung zugewiesen wurde, die nicht alle Konvertiten für sich beanspruchen konnten.120 Als ehemaliger Kapuziner war Frey potentieller Informant und zählte zu dem Kreis derer, die es genau wissen mussten. Geistliche Konvertiten „gewährten einen Blick hinter die Kulissen der Feinde, der durch nichts und niemanden zu ersetzten war“.121 Ihnen kam, wie Thomas Kaufmann mit Blick auf jesuitische Glaubenswechsler zum Luthertum formulierte, eine „diskursstrategische Schlüsselfunktion“ im allgemeinen Konfessionskonflikt zu.122 Es liegt nahe, hierin auch die Ursache für die bevorzugte Behandlung des Konvertiten Frey zu sehen. Während in Zürich die Transformation eines katholischen Geistlichen in einen Mann reformierten Glaubens voranschritt, versäumte es die katholische Seite nicht, um die verlorene Seele zu kämpfen. Diese Aufgabe nahm der Leiter der Ordensprovinz, der Provinzial, persönlich wahr.123 In Begleitung eines

117 Ebenda, fol. 817. 118 Bock, Konversion, in: Kaufmann/Schubert/Greyerz (Hg.), Konfessionskulturen, 2008, 153 – 174, hier 157 – 158. 119 StAZH E II 8, fol. 817. 120 Bock, Konversionen, 2009, 167. 121 Kaufmann, Konfession, 2006, 268. 122 Ebenda. 123 Zur Aufteilung der Schweizer Kapuzinerprovinzen und zu den Provinzoberen vgl. den knappen Überblick von Mayer, Kapuzinerprovinz, in: Bruckner (Hg.), Franziskusorden, 1974, 33 – 119.

Konversionen zum Protestantismus

Ordensbruders begab er sich nach Zürich. Dort begehrte er, mit dem abtrünnigen Frey zu reden. Hatte die Stadt Zürich einen Proselyten aufgenommen und unter ihren Schutz gestellt, wurden Anliegen dieser Art zunächst vom Rat geprüft. Im Falle Freys entschied der ehrsame Rat, die Unterredung mit dem konversionswilligen Kapuzinermönch solle im Beisein dreier Ratsherren und dreier Kirchenmänner stattfinden.124 Der Zeitpunkt des Gesprächs war gut gewählt, denn soweit wir wissen, hatte Johannes Frey sein reformiertes Glaubensbekenntnis noch nicht abgelegt. Damit befand sich der geflohene Kapuzinermönch zum Zeitpunkt der Unterredung in einem Prozess des Übergangs: Johannes Frey war im Begriff, von einer konfessionellen Gruppe in eine andere zu wechseln. Sein Zustand lässt sich als schwebend oder auch als „prekär“ definieren, durch den die Fragilität seiner gesellschaftlichen Situation des Übergangs markiert wurde.125 Damit befand sich Frey zwar im Prozess der gesellschaftlichen Ordnungsbildung, allerdings war dieser Vorgang keineswegs abgeschlossen.126 Gleichzeitig wurden Zugehörigkeit und Ausschluss, Inklusion und Exklusion in soziale Gefüge bzw. in konfessionelle Großgruppen durch die Figur des Konvertiten direkt erfahrbar. Zentrales Thema des Gesprächs zwischen Frey und dem Provinzial der Kapuzinerprovinz war dementsprechend auch der Übergang von einer Konfessionsgemeinschaft in eine andere und die Konsequenzen, die ein Konfessionswechsel nach sich zog. Der Provinzobere betonte in diesem Gespräch, das in einer Abschrift überliefert ist, die Unmöglichkeit der Situation des Übergangs.127 Da Frey, wie jeder Mönch, bei seiner Profess das Mönchsgelübde abgelegt hatte, war er lebenslang an das Gott gegebene Versprechen gebunden. Durch Ablegen des Mönchsgelübdes (votum monasticum) 124 StAZH E II 8, fol. 818. Als die beiden Ordensleute die Chorherrenstube betraten, hatten sie nicht nur Johannes Frey, sondern zudem den Seckelmeister Wirz, den Zunftmeister Ziegler, den Doktor Zügherr Hes sowie den Pfarrer zum Grossen Münster, den Verwalter Ulrich und den Pfarrer Schwarzenbach vor Augen. 125 Diese Überlegung wurde inspiriert durch die Tagungsankündigung „Prekäre Figuren – Politische Umbrüche. Abschlusstagung des SFB 485 ,Norm und Symbol‘“, Universität Konstanz vom 6. 11. 2009, http://hsozkult.geschichte.hu-­berlin.de/termine/id=12639 (Zugriff 26. 02. 2016). 126 Durch ihre Offenheit und Fragilität markieren diese „prekären Zustände“ „einen paradoxen gesellschaftlichen Ort der Ort- und Orientierungslosigkeit, in dem das Kontingente sozialer Ordnungsbildung unmittelbar erfahrbar und sichtbar wird“. Vgl. die Tagungsankündigung „Prekäre Figuren – Politische Umbrüche. Abschlusstagung des SFB 485 ,Norm und Symbol‘“, Universität Konstanz vom 6. 11. 2009, http://hsozkult. geschichte.hu-­berlin.de/termine/id=12639 (Zugriff 26. 02. 2016). 127 StAZH E II 8, fol. 818.

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verpflichtete sich der Mönch nicht nur zur Einhaltung der Zehn Gebote, sondern ebenfalls dazu, die consilia evangelica zu befolgen. Dem Dominikanermönch Thomas von Aquin zufolge waren dies Gehorsamkeit, Enthaltsamkeit und Armut. Da der Mönchsstand das Versprechen auf die Bereitschaft zur vollkommenen Hingabe an Gott beinhaltete, war der religiöse Stand für Thomas von Aquin dem des Laien übergeordnet.128 Während die Selbstverständlichkeit dieser mittelalterlichen Tradition in der Reformationszeit in ihre größte Krise geriet,129 blieb das Gelübde nach der katholischen Lehrmeinung ein Sakrament und ein Brechen des Gelübdes wurde mit Exkommunikation bestraft. Allerdings wurde die Observanz der Gelübde neben anderen die Reform der Orden betreffenden Fragen Gegenstand der Debatten auf dem Konzil von Trient (1545 – 1563), die in einem dritten Exkurs dargestellt werden. Exkurs 3: Observanz der Gelübde In dem Dekret über die Regularen und Nonnen (Decretum de regularibus et monialibus) vom 3. bis 4. Dezember 1563 wurde in mehreren Kapiteln die Zulassung zur Profess, das Professalter und die Freiheit der Entscheidung von Jungen und Mädchen beim Ordenseintritt behandelt. Das Mindestalter von Männern und Frauen, die einer Religionsgemeinschaft beitraten und die Profess ablegten, wurde auf sechzehn Jahre angehoben – bislang war eine rechtsgültige Profess bei Mädchen mit der Vollendung des zwölften, bei Jungen mit der Vollendung des dreizehnten Lebensjahres möglich gewesen. Zusätzlich wurde in dem Konzilsdekret normiert, dass eine vor diesem Mindestalter abgelegte Profess nicht rechtsgültig sei und keinerlei Verpflichtung für die Beachtung irgendeiner Regel einer Religionsgemeinschaft oder eines Ordens nach sich ziehe. Zur Profess wurde nur zugelassen, wer zuvor mindestens ein Jahr nach Empfang

128 TRE, Bd. 18, 169 – 175. 129 Die Ursache lag in der theologischen Unklarheit über das Wesen des Mönchgelübdes. Luthers scharfe Abrechnung mit den Mönchsgelübden in seiner Schrift De votis monasticis iudicium (1521) betraf die Frage, welche Gelübde rechte Gelübde seien. Er kam zu dem Schluss, dass sich das Mönchsgelübde nicht auf die Schrift stütze und im Grunde der Werkgerechtigkeit diene. Da es für Luther keine ewig bindenden Gelübde gab, sprach er Ordensmänner und Ordensfrauen von ihrem Gelübde frei. Luther zufolge sollten Mönche und Nonnen jederzeit das Recht besitzen, das Kloster zu verlassen – was diese in der Folge auch taten, vgl. TRE, Bd. 18, 175 – 177 sowie Bd. 12, 309 – 311. Die Klosteraustritte häuften sich ab Mitte des Jahres 1521, kurz bevor Luthers Schrift De votis monasticis iudicium (1521) erschien. Vgl. Lohse, Theologie, 1995, 158 – 164. Wie Luther lehnte auch der Schweizer Reformator Johannes Calvin die katholischen Gelübde des Mönchtums ab, vgl. TRE, Bd. 12, 311.

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des Habits zur Probe im Kloster gewohnt hatte.130 Bei Mädchen wurde zudem das Mindestalter für den Empfang des Ordenshabit auf zwölf Jahre festgelegt. 131 Das entsprach dem kanonischen Mindestalter für die Eheschließung und der Volljährigkeit (bei Jungen war die Volljährigkeit mit dreizehn Jahren erreicht). Zusätzlich wurde dekretiert, dass jede Novizin bezüglich ihrer geistigen Disposition zu examinieren sei, um zu prüfen, „ob sie gezwungen oder in die Irre geführt“ worden war.132 Männliche Ordensleute wurden in diesem Kapitel der Zulassung zur Profess nicht bedacht. Auch im 18. Kapitel, das von der Freiheit der Entscheidung beim Klostereintritt handelte, fanden sie keine Erwähnung. Damit war auch die Entscheidungsfreiheit geschlechterspezifisch markiert, denn lediglich der freie Wille von Mädchen, Frauen und Witwen wurde geschützt, sollten sie von Dritten gegen ihren Willen gezwungen werden, einem Kloster beizutreten. Diese Art von Zwang gegenüber Jungen und Männern wurde nicht thematisiert.133 Erst Kapitel 19, das die Vorschriften für den Klosterausund Übertritt zum Inhalt hatte, handelte von der Furcht und der Gewalt gegen Regulare. Bei diesen Männern, die unter dem Einfluss von Gewalt und Furcht, nämlich per vim et metum in einen Orden eingetreten waren oder die Profess vor dem Mindestalter von sechzehn Jahren abgelegt hatten, war dem tridentinischen Dekret zufolge allerdings die Beweispflicht sehr viel größer als bei Frauen.134 Während die heilige Synode bei dem Zwang gegen angehende Nonnen explizit die Strafe betonte, die allen Personen drohte, die eine weibliche Person zwangen, ins Kloster zu gehen (Anathem), lag der Fokus bei männlichen Ordenspersonen an anderer Stelle. Nicht die Strafe gegen die den Zwang ausübenden Personen stand im Vordergrund des Dekrets, sondern es wurde die Eigenverantwortung der Personen betont, die Opfer des Zwangs geworden war. Diese hatten innerhalb einer Frist von fünf Jahren vom Tag der Profess ab ihre Klage über den ihnen auferlegten Zwang zu äußern. Zudem mussten die Gründe vor dem eigenen Oberen und Ordinarius darlegt werden.135 Hatte der Regular allerdings eigenverantwortlich seinen Habit abgelegt, dann hatte er damit auch sein Recht verwirkt, seine Gründe für den Klosteraustritt an seinen Ordensobe 130 Alberigi/Wohlmuth (Hg.), Dekrete, Bd. 3, 2002, 781. 131 Ebenda. 132 Ebenda. 133 Ebenda, 781 – 782. 134 Bei Frauen nahm man offensichtlich eher an, sie seien Opfer von Gewalt und Zwang geworden. Diese Arbeitshypothese bedarf der Verifizierung anhand des empirischen Materials für die Frühe Neuzeit. Auf das Spätmittelalter trifft die These zu, wie jüngst Eva Schlotheuber zeigte; vgl. dies., Klagen, in: Meyer (Hg.), Alltag, 2010, 165 – 176. 135 Alberigi/Wohlmuth (Hg.), Dekrete, Bd. 3, 2002, 782.

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ren zu kommunizieren. In diesem Fall wurde er laut Decretum de regularibus et monialibus zur Rückkehr in das Kloster gezwungen und als Apostat bestraft.136 Obwohl das tridentinische Dekret damit den freiwillig ausgesprochenen Konsens von Novizen und Novizinnen schützte – wenn auch mit unterschiedlicher Intensität –, häuften sich die Fälle erzwungener Klostereintritte insbesondere in der posttridentinischen Ära.137 An der römischen Kurie konnten diese Frauen und Männer Klagen wegen eines erzwungenen Professgelübdes einreichen. Wie die tridentinischen Normen, so zeigt auch die Historiographie der erzwungenen Klostereintritte eine markante Geschlechtsspezifik: Bislang ist diese Geschichte überwiegend aus der Perspektive weiblicher Ordensmitglieder geschrieben worden, während die Narrative männlicher Ordensmitglieder noch zu rekonstruieren sind.138 Johannes Frey und die prekäre Situation des Übergangs Johannes Frey kommt insofern Bedeutung zu, da sich sein Konversionsnarrativ wesentlich auf die Verletzung der tridentinischen Dekrete stützt. In dem mündlichen Gespräch mit dem Provinzial der Kapuzinerprovinz brachte er die tridentinischen Normen zur Geltung und behauptete, dass das „glübdt syge geschechen In synem minderjehrigen alter, seige kein rechtmäsigs Göttliches, sonder ein menschliches glübdt“.139 Offensichtlich war er über die Hindernisse des Klostereintritts gut unterrichtet. Dem tridentinischen Dekret über die Regulare und Nonnen zufolge fiel das Unterschreiten des Mindestalters zwar nicht in die Kategorie des vim et metum – dass sein Eintritt in den Kapuzinerorden unter dem Einfluss von Gewalt und Furcht erfolgt sei, konnte Frey damit nicht schlüssig behaupten. Allerdings zählte das Unterschreiten des Mindestalters für das Ablegen der Profess durchaus zu den Gründen, die ein Regular vorbringen konnte, um aus dem Kloster auszutreten. Freys Behauptung, er sei jünger als sechzehn Jahre alt gewesen, als er als Novize die Profess ablegt hatte, bewegte sich damit durchaus gemäß dem juristischen Diskurs. Dieser Argumentation widersprach allerdings der Provinzial: 136 Ebenda. 137 Sperling, Convents, 1999, 4 sowie Zarri, Gender, in: Brown/Davis (Hg.), Gender, 1998, 193 – 212, hier 204 – 208. 138 Eva Schlotheuber, Klagen, in: Meier (Hg.), Alltag, 2010, 165 – 176. Dort findet auch ein Fall eines Mönches Erwähnung, der klagt, gegen seinen Willen per vim et metum in den Orden gezwungen worden zu sein. Am ausführlichsten hat zu der Thematik der nachtridentinischen erzwungenen Klostereintritte von Männern bislang Dall’Olio, disciplina, in: AnnTrento 21, 1995, 93 – 140, gearbeitet. 139 StAZH E II 8, fol. 819.

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Dieser Johannes Freyg syge schon 17 Jahre alt gsyn, Nun syge In der Eidtgnoschafft der bruch, das einer der 16 oder 17 Jahre alt, für ein Mann gerächnet, vnd der Oberkeit schwehren müse, warumb dann einer In sölichem alter nit auch sölte dörffen ein glübd thun.140

Damit argumentierte der Provinzial, dass der Kapuzinerorden das kanonische Recht rechtmäßig angewandt und die Rechtsordnung nicht unterwandert habe: Frey sei schließlich siebzehn Jahre alt und ein ganzer Mann gewesen, als er das Gelübde ablegte.141 Der Provinzial ging noch einen Schritt weiter: Da sich Frey ohne Wissen des Ordensoberen und des Ordinarius aus dem Kloster entfernt habe, sei er es gewesen, der das kanonische Recht missachtet habe. In diesen Fällen sah das Dekret über die Regularen und Nonnen vor, dass er zur Rückkehr ins Kloster gezwungen und als Apostat bestraft werden solle, ohne die Möglichkeit zu erhalten, seine Gründe für das Verlassen des Kloster nachträglich darzulegen.142 Diesen Rechtsnormen gegenüber war die Behandlung, die Frey erfuhr, sehr viel milder. Zwar erinnerte der Provinzial ihn an das Jüngste Gericht, vor dem er sich in letzter Instanz zu verantworten habe, aber er verzichtete darauf, dem ehemaligen Kapuzinermönch weltliche Strafen anzudrohen, im Gegenteil: Der Provinzial versuchte, ihn zurückzugewinnen, und versicherte ihm, dass er „alle gnad“ erfahren werde, wenn er wieder „zu Inen kehre“.143 Ganz offensichtlich profitierte Frey von dem Wettstreit der katholischen und reformierten Parteien um seine Seele. Selbst diese günstigen Konditionen konnten Frey nicht dazu bewegen, in den katholischen Sozialverband des Kapuzinerklosters zurückzukehren. Er begehrte, in Zürich zu bleiben. Die bikonfessionelle religiöse Landschaft der Alten Eidgenossenschaft ermöglichte es ihm, die konkurrierenden Konfessionen gegeneinander auszuspielen und selbstbewusst die eigene konfessionelle Zugehörigkeit zu bestimmen, wenn auch mit einer Formulierung, die uns heute verwirrend in den Ohren klingt: [er] syge nit von der catholischen Religion abgeträtten, sonder habe dieselb In der Statt Zürich erst recht funden, begehre alhie zu verblyben.144 1 40 StAZH E II 8, fol. 820. 141 Pfister, Schweiz, in: Geiger (Hg.), Gottesreich, 1969, 289 – 309, hier 298 – 299, zufolge war Frey dem Orden am 17. Juli 1616 beigetreten und hatte ein Jahr später die Profess abgelegt. Dementsprechend müsste er zu diesem Zeitpunkt sechzehn bzw. achtzehn Jahre alt gewesen sein, wenn wir davon ausgehen, dass er 1598 bzw. 1600 auf die Welt kam. 142 Alberigi/Wohlmuth (Hg.), Dekrete, Bd. 3, 2002, 782. 143 StAZH E II 8, fol. 819. 144 Ebenda.

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Was Frey genau damit meinte, als er äußerte, er habe die katholische Religion erst in Zürich gefunden, lässt sich zweifelsfrei nicht mehr ermitteln. Im Kontext seiner Konversionspraxis legen seine Worte nahe, dass er auf die religiöse Wahrheitsfrage anspielte. Diese Deutung erscheint umso plausibler, da er den Kapuzinern im gleichen Atemzug versicherte, dass „Gott Ine by der wahrheit erhalten vnd schirmen werde“.145 Erst im reformierten Zürich, so lassen sich seine Worte an die katholischen Ordensmänner deuten, habe er mit der reformierten Konfession den wahren christlichen Glauben gefunden. Vor den anwesenden Vertretern der städtischen geistlichen und weltlichen Obrigkeiten Zürichs wäre jede andere Gewichtung dieses zentralen Streitpunkts des konfessionellen Zeitalters auch unpassend gewesen. In seiner Revokationspredigt im Großen Münster machte Frey 1634 seinen Konfessionswechsel öffentlich plausibel,146 bevor er als Seelsorger von Greifensee bis zu seinem Tod 1669 wirkte.147 Wesentlich bei seiner Revokationspredigt war die Abgrenzung zum alten und die Identifikation mit dem neuen Glauben. Dies geschah vor dem Hintergrund einer konkreten biographischen Situation. Insofern ist Alexander Schunka zuzustimmen, der betont, dass „die Revokationspredigten nicht nur einen homiletischen, sondern vor allem einen autobiographischen Aspekt“ enthielten.148 Soweit wir von anderen Revokationspredigten und Schriften wissen, wurde dort die persönliche Konversionsgeschichte innerhalb einer theologischen Argumentation geschildert. Persönliche Beweggründe wurden theologisch überhöht.149 Öffentlich gehaltene Revokationspredigten waren dementsprechend propagandistische Instrumente erster Güte, die in ihrer kontroverstheologischen Bedeutung bislang unterschätzt wurden. Sie verdeutlichen, in welcher Form geistliche Konvertiten sich zum Zwecke der Glaubenspropaganda vereinnahmen ließen.150 145 Ebenda. 146 Ebenda, fol. 820. 147 Pfister, Schweiz, in: Geiger (Hg.), Gottesreich, 1969, 289 – 309, hier 299. 148 Schunka, Transgressionen, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 491 – 516, hier 498. 149 Revokationspredigten wurden bislang kaum genauer analysiert, vgl. aber Carl, Katholik in: Quellenedition, 30. 04. 2009 http://www.geschkult.fu-­berlin.de/e/konversionen/ einfuehrungen_quellen/einfuehrung_weinberger (Zugriff 21. 01. 2016). Jetzt auch als gedruckte Version: dies., Catholic, in: Juneja/Siebenhüner (Hg.), Conversion, 2009, 327 – 353 vorliegend. Zur propagandistischen Nutzung von Konversionen vgl. Lozar/ Schaser, Rückkehr, in: Frühneuzeit-­Info 13, 2002, 65 – 74. 150 Leider ist der Text von Freys Revokationspredigt nicht überliefert, so dass meine Interpretation an dieser Stelle verhalten ist. Allein die Tatsache, dass er seinen Konfessionswechsel öffentlich erklären musste, werte ich als Mittel der konfessionellen Propaganda.

Konversionen zum Protestantismus

Die Klosterflucht des Kapuziners Frey wurde in weiteren Medien reflektiert. Zu nennen ist ein Briefwechsel zwischen dem Guardian (Wächter bzw. Hausoberer) der Kapuzinerprovinz Baden und dem Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich vom 30. Mai 1634. Der Guardian war in den Jahren 1634 bis 1636 Franz Sebastian von Beroldingen.151 Er unterzeichnete sein Schreiben kurz mit „Sebastianus“.152 Wenn die Datierung der Verordneten zur Lehr korrekt ist, fand dieses Schreiben vor dem mündlichen Gespräch in der Chorherrenstube seinen Weg nach Zürich. Es formulierte eine konfessionelle Fremdsicht auf die Flucht des Kapuziners und nutzte den prekären Zustand des Übergangs für die Artikulation katholischer konfessioneller Interessen. Zunächst wurde die Glaubwürdigkeit der Konversionsmotive Freys bezweifelt. Die Flucht aus dem Kapuzinerkloster schrieb Franz Sebastian von Beroldingen der vermeintlichen Unzurechnungsfähigkeit des Mönches zu. Dieser sei: aus angebohrner Menschlicher schwach: vnd blödigkeit durch anreizung des bösen feindt vergesner, gantz vnbedachtsamer weiß von vns ausgetreten vnd bey E. hochwht. vnd deren loblichen Bottmesigkeit, freyen berümbten Stat Zürich auffhalten sölle.153

Der Entschluss, das Kapuzinerkloster zu verlassen, wurde von Franz Sebastian von Beroldingen in einer konfessionellen Fremdsicht mit einem Vokabular kommentiert, das in anderen Fällen Geisteskranken und Wahnsinnigen vorbehalten war.154 In seiner schriftlichen Kommunikation mit einem reformierten Gegenüber wertete der Guardian den Klosteraustritt Freys nicht als einen aus religiöser Überzeugung selbstbestimmten Akt, sondern sah die Person Frey fremdbestimmt: durch seine eigene Unvernunft bzw. „Blödigkeit“ und durch die Verführungskünste des „bösen feindt[es]“. Der böse Feind ist hier zweifelsfrei der Teufel, der Frey in seiner Wahl der Konfession irregeleitet habe.155 Der Guardian betonte mit dieser Formulierung die Irrationalität seines Glaubenswechsels, der keiner Gewissensentscheidung Freys entsprungen sei, sondern auf dessen geistiger Unzurechnungsfähigkeit und den Verführungskünsten des Teufels beruhe. Die „schwach- vnd blödigkeit“ konnte einen Menschen in der Frühen Neuzeit in jedem Lebensalter ereilen und auch die Verführungskünste 151 Vgl. Mayer, Kloster Baden, in: Bruckner (Hg.), Franziskusorden, 1974, 193 – 211, hier 200. 152 StAZH E II 8, fol. 824. 153 Ebenda, fol. 823. 154 Die „Terminologien des Wahnsinns“ untersucht Steinbrecher, Welten, 2006, 47 – 55; zur „schwachheit“ und „blödigkeit“, ebenda 47, Anm. 5, 48 – 49. 155 Ich danke Francisca Loetz für diesen Hinweis.

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des Teufels waren bei Jung und Alt nicht voraussehbar. Außer der Beschuldigung des Guardians gibt es für dessen Deutung keine weiteren Anhaltspunkte. Insofern lässt sich hier von einer Diffamierung Freys sprechen, denn einen vom Teufel verführten Mann hätten auch die reformierten Zürcher nicht gerne aufgenommen. Die Diffamierung Freys zielte ins Herz der reformierten theologischen Konversionspolitik Zürichs, in der das Gewissen eine tragende Rolle spielte. Ein Konfessionswechsel musste in den protestantischen Konfessionen theologisch akzeptiert werden, wenn er mit einer Gewissensnot begründet wurde. Die „einzige Möglichkeit, einer Konversion die Legitimität abzusprechen“, war dementsprechend, sie nicht als Gewissensentscheidung zu akzeptieren.156 Würden die reformierten Ratsherren der Argumentation von Beroldingens folgen, dann hieße dies, dass sie dem Kapuzinermönch Frey wegen seiner „schwach- und blödigkeit“ und der Verführung durch den Teufel die Fähigkeit absprächen, eine reine Gewissensentscheidung zu treffen. Als Konsequenz seiner Argumentation bat der Guardian die reformierten Ratsherren, dem Kapuzinermönch keinen Aufenthalt zu gewähren, sondern ihn auszuweisen und an den Kapuzinerorden zu übergeben. Von katholischer Seite aus war eine Wiedereingliederung in die soziale Ordensgemeinschaft geplant. Zu welchem Preis dies geschehen sollte und ob damit ein sozialer Abstieg in der Konventshierarchie verbunden gewesen wäre, blieb unerwähnt.157 Offensichtlich war man in Zürich jedoch anders verfahren, denn gut zwei Wochen später schrieb der Guardian erneut an den Bürgermeister der Stadt Zürich. In diesem Schreiben vom 17. Juni 1634 bat Sebastian von Beroldingen nicht mehr darum, Frey wieder dem Orden zuzuführen, sondern einzig um den Habit von Johannes Frey. Offensichtlich hatte der Guardian des Kapuzinerordens die Hoffnung aufgegeben, Frey würde wieder in die Klostergemeinschaft zurückkehren. Was blieb, war der Versuch, in den Besitz der mönchischen Kleidungsstücke zu gelangen. Mit Verweis auf die Armut des Bettelordens betonte von Beroldingen den Wert, den die Kleidungsstücke für den Konvent besaßen. Mit dem Wechsel in eine neue Konfessionsgemeinschaft trat der materielle

156 Bock, Pfarrer, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 353 – 392, hier 390 – 391. 157 StAZH E II 8, fol. 823: „Vnser gantz demütige bitt, sy wollten obgedachten. Alß vnseren Zugewandten vnd Ordens Mitbrüderen vs oberzelt, vnd mehreren vrsachen […] vnbeschwerdt vns wider überliefferen, kein vnderschlauff noch vfenthalt nit estaten, sonder synen so hochen versprechen nach, zum Rugkehr vnd vorigen Standt, wie an Ime billich vnd die eigene vernunfft dictiert, grosgünstig anweisen“.

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Wert der abgelegten Kleidungsstücke Freys in den Vordergrund. Dies war alles, was es für die katholische Seite noch zu gewinnen gab.158 Das Antwortschreiben der Diener der Kirchen und der Schul Zürichs vom 20. Juni 1634 geht auf beide Briefe des Guardians ein.159 Der Ton ist freundlich und einnehmend und um Eintracht und Wohlwollen bemüht. Das Schreiben beginnt mit einem diplomatischen Schachzug, denn es thematisiert die – prekäre – Situation des Übergangs eines Mannes von der katholischen in die reformierte Konfessionsgemeinschaft. Auch wenn alle Beteiligten wussten, dass die Konfessionsgrenzen zwar eng gezogen, aber dennoch als Berührungszonen durchlässig waren, wurden Glaubenswechsel in der Frühen Neuzeit als eine Gewissensentscheidung konzipiert, die unwiderruflich war. Da dieser Schritt geplant, aber noch nicht vollzogen war, schrieben die Diener der Kirchen und der Schul einerseits in einer Situation der Stärke, da sie im Begriff waren, einen konfessionellen Neuzugang zu verbuchen, andererseits wussten sie, dass Johannes Frey in der prekären Situation des Übergangs und unter dem Druck der Gegenseite seine Entscheidung jederzeit revidieren und zum katholischen Glauben zurückkehren konnte. Diese Vorsicht ist dem Schreiben an den Guardian anzumerken: gedachter Herr frey, da er sich wurde bereden lassen, Inen restituiert werden, woruß vnsers erachtens alle vnpassionierte gmüter vnschwär abnemmen mögend, das weder vnser G. Lieb. Herren als ein fromme, Christenliche fridliebende Oberkeit, nach wir die diener der wol Reformierenden Christenlichen Kilchen vnd Schul Zürich, einichstem Stand, wer auch derselbige syn möge, oder auch einicher Privat Hushaltung, die Irigen vngehorsam zu machen, abuzüchen ald vorzuhalten, gesinnet sygen.160 158 StAZH E II 8, fol. 825. 159 Eilfertig wird dem Guardian versichert, dass sie ihm die „begehrten Kutten, Rock und Mantel“ gerne überlassen hätten. Doch auch Frey hatte den materiellen Wert der gebrauchten Kleidungsstücke erkannt, den Mantel weiterverkauft und das Futter des Rocks anscheinend „an syn jetzige Kleidung“ verwendet. Damit hatte Johannes Frey nicht nur seinen Glauben, sondern auch die Kleidungsstücke abgelegt, verkauft und verändert, die sein altes Leben als Kapuzinermönch symbolisierten. Hinter seiner Tat stand ebenfalls die Not. Ohne eigenen Lebensunterhalt war er auf die Alimentierung und Einkleidung durch die Zürcher Obrigkeit angewiesen. Indem er einen Teil seiner Kleidung verkaufte, den anderen umänderte, erwies er sich als versiert und erfinderisch, zudem verringerte er die Kosten, die bei seiner Aufnahme für die Zürcher Obrigkeit entstanden. Dies betonen auch die „Diener der Kirchen und Schul“ Zürichs; StAZH E II 8, fol. 828. 160 StAZH E II 8, fol. 828.

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Schriftlich wurde der katholischen Gegenseite versichert, dass weder Frey noch andere katholische Untertanen durch die Zürcher Ratsherren, die Diener der Kirchen und der Schul Zürichs, oder die Bewohner der Stadt durch eine aktive Abwerbungspolitik zum Glaubenswechsel überredet worden seien und es Frey zudem jederzeit offen stünde, die Limmatstadt zu verlassen. Ehrlosen Menschen, die einen Eid oder ein Gelübde gebrochen hatten, wurde in Zürich weder Unterschlupf noch Beistand gewährt; dies gelte auch für Frey.161 Nachdem die Reformierten ihre Position bezüglich einer aktiven Konversionspolitik vermittelt hatten, polemisierten sie in dem Schreiben an den Guardian gegen die Gelübde und das Keuschheitsgebot der katholischen Kirche: wie sy dermahlen eins gegen dem heiligen Erbarmenden Schöpfer verantworten Werdint, das sy syner geschöpft so vil thusendt Junger blütlinen vnder den Jahren, ehe sy die künfftige ertragenheit irer angebohrnen Natur wüsen […], mit vnmüglichen gelübden der ewigen Keuschheit, vilmahlen auch mit schmertzen frommer Zucht […] vnd dardurch ein mehrers ald bestes nit stifftend, dann das ein vnzahl armer gewisen In Pynlichen brand gesetzt, verleitet zu abscheüchlicher beflechung des fleisches vnd consequenter vnder dem schyn besonderer Heiligkeit gestürtzt werden müsend;162

Die Kritik an den „vnmüglichen gelübden der ewigen Keuschheit“ war im reformierten Verständnis untrennbar mit der menschlichen Natur verbunden. In seiner Schrift Ein früntlich bitt und ermanung vom 13. Juli 1522 legte Zwingli ausführlich seine Anthropologie dar.163 Damit polemisierte Zwingli schon kurz nach dem Zürcher Fastenbruch gegen den Zwangszölibat und machte dieses Thema zu einem zentralen Punkt der Zürcher Stadtreformation. Zwingli zufolge war der Geschlechtstrieb der von Gott geschaffenen menschlichen Natur inhärent, dem nur die Menschen standhalten könnten, die Gott damit begabt habe. Aus dieser Erkenntnis leitete der Zürcher Reformator sein Verbot des Pflichtzölibats ab, das er für ein menschliches und nicht für ein göttliches Gesetz hielt. Gott habe den Menschen als Mann und Frau geschaffen, die in der Ehe ein Leib werden sollten. Insofern verstoße das Verbot der Priesterehe zum einen gegen 161 Ebenda, fol. 829. 162 Ebenda, fol. 829 – 830. 163 Der vollständige Titel der Schrift lautet: Ein früntlich bitt und ermanung etlicher priesteren der Eidgnoschafft, das man das heylig euangelium predigen nit abschlahe, noch unwillen darab empfach, ob die predgenden ergernus zuo vermiden sich eelich vermächlind, vgl. Zwingli I, Nr. 12, 1522, 210 – 248. Zum politischen Kontext dieser Schrift vgl. Burghartz, Zeiten, 1999, 39 – 40.

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die göttliche Schöpfung, zum anderen führe es „zu abscheüchlicher beflechung des fleisches“, wie auch die Diener der Kirchen und der Schul in ihrem Brief ausführten.164 Bereits im Gespräch mit Johannes Frey in der Chorherrenstube war die katholische Glaubenslehre der Gelübde und deren Praxis kritisiert worden: Vff diß war den beiden Capucynern fründtlich zu gmüt gführt wyl sy den Hr: Johan Frygen erInnert syner gelübden vnd des Jüngsten grichts, bitte man sy hingegen […] zubetrachten, ob vnd wie sy dermahlen eins eben am selben gricht verantworten wöllind, das sy vnd andere orden so vil tausendt junger blütlinen mit derglychen glübden übereilend, vnd ein vnzahl Persohnen […] adurch verleitind zu abschüchliche sünden vnd Mordthaten.165

In der Zürcher Chorherrenstube wurden die divergierenden theologischen Lehrmeinungen der reformierten und katholischen Kirche Gegenstand des Gesprächs zwischen den beiden konfessionellen Parteien. Die reformierte Partei erinnerte, ebenso wie Frey dies getan hatte, daran, dass ein Gelübde aus freien Stücken und nicht unter Zwang abgelegt werden sollte. Ihre Argumentation zielte auf eine historische Praxis der Rekrutierung von Ordensleuten. In seiner Antwort ignorierte der Provinzial den Aufzeichnungen der Verordneten zur Lehr zufolge die grundsätzlichen Bemerkungen der reformierten Zürcher zum Mönchsgelübde und die Frage der Keuschheit und blieb bei diesen theologischen Disputen knapp und fokussiert. „[S]y züchind niemanden In Iren Orden, sonder komme alles freywillig“.166 Und auch Johannes Frey sei freiwillig in das Kapuzinerkloster gekommen. Die mündliche Unterredung und der schriftliche Briefwechsel zwischen den reformierten Vertretern der städtischen Obrigkeit und der Kirche Zürichs auf der einen sowie den Repräsentanten des katholischen Ordens auf der anderen Seite verdeutlichen damit eine kommunikative Praxis, die die Vielschichtigkeit frühneuzeitlicher Religionskulturen in der Alten Eidgenossenschaft hervortreten lässt. In Anlehnung an Thomas Kaufmann verstehe ich unter „Vielschichtigkeit“ die unterschiedlichen „Grade konfessioneller Identität und Intensität“, die die christliche Religion für einzelne Menschen, soziale Gruppen und kirchliche Korporationen annehmen konnte.167 In der Auseinandersetzung mit dem konfessionellen Gegenüber wurden die unterschiedlichen Glaubensinhalte der beiden 164 StAZH E II 8, fol. 829 – 830. 165 Ebenda, fol. 819. 166 Ebenda. 167 Kaufmann, Einleitung, in: Greyerz/Jakubowski-­Tiessen/Kaufmann/Lehmann (Hg.), Interkonfessionalität, 2003, 9 – 15, hier 14.

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christlichen Religionen geschärft, was zu einem intensivierten konfessionellen Selbstbild führte, aber auch die konfessionelle Fremdwahrnehmung durch das konfessionelle Gegenüber steigerte. Die Auseinandersetzung über die divergierenden theologischen Lehrinhalte der beiden Konfessionsgemeinschaften und die Wahrnehmungsintensivierung der konfessionellen Gesprächspartner war das Resultat einer kommunikativen Praxis, nämlich des Redens über das Phänomen Konversion und des Gesprächs mit dem Konvertiten Johannes Frey. Erst die Rekonstruktion der kommunikativen Modi ermöglichte die Darstellung der dynamischen Differenzierungsprozesse zwischen den beiden Religionen in der Alten Eidgenossenschaft.168 Die Konversion Johannes Freys lässt sich in diesem Zusammenhang als Berührungspunkt zwischen den christlichen Religionen lesen und lenkt das Augenmerk auf das Verhältnis der beiden Konfessionsgesellschaften zueinander und damit auf das Beziehungsgefüge an der Grenze. Das Prekäre an dem Phänomen der Konversion bestand darin, eine Situation des Übergangs zu beschreiben, deren Ausgang offen und insofern kontingent war. Konvertiten, auf die diese Beschreibung zutrifft, befanden sich zeitweilig in einem Prozess der gesellschaftlichen Ordnungsbildung, der sich dadurch auszeichnete, dass die Konvertiten keiner konfessionellen Großgruppe zuzuordnen waren und der Ausgang des Konversionsprozesses offen war. Diese Personen waren als konversionswillig markiert, hatten diesen Schritt allerdings noch nicht vollzogen. Diese Beobachtung fokussiert auf den Kontingenzfaktor sozialer Ordnungsbildung frühneuzeitlicher Gesellschaften im Zustand der bikonfessionellen Pluralität – ein Aspekt, der von der frühneuzeitlichen Konversionsforschung bislang nicht thematisiert wurde und der einer weiteren Ausformulierung bedarf. 5.2.3 „trang des gewissens“: Der Kapuziner Claudius Schobinger Der dritte hier zur Untersuchung stehende Geistliche Claudius Schobinger (1642 – 1702), wie Frey ein entflohener Kapuzinermönch, brachte es schon in der Frühen Neuzeit zu einiger Berühmtheit. Er zählt zu den prominentesten Konvertiten unter den katholischen Geistlichen.169 Schon zu seiner Lebzeit rühmten 168 Dies in Anlehnung an Thomas Kaufmann, der von „binnenkonfessionellen Differenzierungsprozessen“ bzw. von „binnenkonfessioneller Pluralität“ spricht und damit die Differenzierungsprozesse innerhalb einzelner konfessioneller Großgruppen bezeichnet; vgl. ders., Einleitung, in: Greyerz/Jakubowski-­Tiessen/Kaufmann/Lehmann (Hg.), Interkonfessionalität, 2003, 9 – 15, bes. bündig 15. 169 Zitat im Unterkapitel in: ZBZ MS B 190, fol. 411r. Die reiche Produktion von Texten bezeugt die Bedeutung, die schon Zeitgenossen den Konversionen von Ordensmännern als Repräsentanten ihrer Konfession zumaßen. Auch das historiografische Angebot zu

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deutsche und lateinische Verse des Zürcher Diakons Hans Heinrich Brennwald mit leichter Schadenfreude im Unterton die Entscheidung Schobingers, zum Protestantismus zu konvertieren.170 Schobinger selbst machte von sich reden, da er in den späteren Lebensjahren zwei theologische Abhandlungen verfasste, die Auskunft über sein gewandeltes religiöses Selbstverständnis im Zeitalter des Konfessionspluralismus geben.171 Zudem griff er in eine kon­fes­sio­nelle Polemik ein, die über die Grenzen der Alten Eidgenossenschaft hinaus für Aufsehen sorgte, da sie das Transsubstantiationsdogma der katholischen Kirche auf die Probe stellte.172 Eine Konversionserzählung – wenn auch nicht als „Eigenbericht“, sondern aus der Feder einer den inneren Wandlungsprozess von außen schildernden Person – liegt mit dem fast sechzig Folioseiten umfassenden Bericht des reformierten Theologen Johann Heinrich Hottinger vor.173 Seine detaillierte und wortreiche Schilderung umfasst die Konversion und das weitere Leben seines Freundes Claudius Schobinger.174 Des Weiteren reflektieren Archivalien den Lebensweg und den Konversions­ prozess Schobingers.175 Sie belegen, dass es sich bei der Konversion Claudius Schobingers tatsächlich um ein historisches Ereignis und nicht um eine literarische Fiktion handelt, denn Schobinger ist auch biographisch in den Quellen fassbar.176 Insgesamt erlauben die Quellen neben einer lebensweltlichen VerorClaudius Schobingers Lebensweg und Konversion ist groß, vgl. Pfister, Schweiz, in: Geiger (Hg.), Gottesreich, 1969, 289 – 309, hier 299 – 309 und ders., Kirchengeschichte, Bd. 2, 1974, 469; Brändly, Geschichte, 1956, 145 f.; Dejung/Wuhrmann, Pfarrerbuch, 1953, 513; HBLS, Bd. 6, 227 sowie Bock, Konversionen, 2009, 259 – 61, 308 – 311. 170 ZBZ Ms B 190, fol. 417r. 171 Schobingers Schriften tragen den Titel Schriftmaeßige Waag-­Schaale […], Zürich 1695 sowie Der Schlimme Alchymist […], Zürich 1699. Dass seine Schriften auch außerhalb Zürichs gelesen wurden, zeigen Alder, Bibel, 1964, 93 sowie Brändly, Geschichte, 1956, 152 – 153, beide mit Verweis auf Hans Jost Schmidlin, der sich auf Schobinger bezieht. 172 Pfister, Schweiz, in: Geiger (Hg.), Gottesreich, 1969, 289 – 309. Zwei Schriften, die in Zürich verfasst und verlegt wurden, verteidigten den reformierten Geistlichen: Wahrhafte Erzellung und Widerlegung des in Wien erschallenen Geschreys … 1692 sowie der Erlaß von Burgermeister und Rath der Statt Zuerich, datiert vom 20sten Heumonat 1692. 173 Die Terminologie „Eigenbericht“ entnehme ich Luckmann, Kanon, in: Assmann/­ Assmann (Hg.), Kanon, 1987, 38 – 46, hier 42. 174 ZBZ Ms. B190 fol. 407 – 461. 175 Vgl. die Belege weiter unten. 176 Bei einem Mangel an Quellen jenseits von Konversionserzählungen lässt sich letztendlich nicht einwandfrei klären, ob es sich bei den Narrativen nicht um eine literarische Fiktion handelt, vgl. Kleinmann, Tagungsbericht, http://hsozkult.de/conferencereport/ id/tagungsberichte-2721 (Zugriff 21. 01. 2016), 2. bis 4. April 2009, Leipzig, sowie den Kommentar zum Vortrag von Ute Lotz-­Heumann.

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tung auch die Rekonstruktion des Konversionsnarrativs und der Argumenta­ tionsmodi. So viel sei vorweggenommen: Schobinger fokussierte die Wahrnehmung auf die innerkonfessionelle Pluralität und den Wettstreit der Konfessionen untereinander und betonte implizit die religiöse Wahlmöglichkeit, die einzelne Personen durch die seit der Reformation zerbrochene Christeneinheit zwischen den Konfessionskirchen besaßen.177 Am 22. August 1684 ergriff Pater Claudius Schobinger die Flucht. Des Nachts bei „hellem Mondschein“ soll er das Kapuzinerkloster in Baden verlassen haben.178 In diesem franziskanischen Reformorden verbrachte der 43-jährige Mann, der aufgrund seines untadeligen Lebenswandels den Namen Pater Perfectus trug, die letzten siebzehn Jahre seines Lebens.179 Seine Sonn- und Feiertagspredigten in der Badener Pfarrkirche waren beliebt.180 Über Urdorf, wo er am Morgen im Pfarrhaus ankam, setzte er seinen Weg in Begleitung des dortigen Sigristen nach Zürich fort. In Zürich erklärte er im Großmünster seinen Wunsch, zum Protestantismus überzutreten, da „er […] die reformierte Religion schon vor etwa Zeit für die wahre gehalten“ habe.181 Bürgermeister und Rat veranlassten daraufhin am 23. August 1684, Schobinger auf Kosten des Almosenamtes einzukleiden; des Weiteren sollte seine Glaubensfestigkeit geprüft werden.182 Da die Examinierung der Anwärter auf einen neuen Glauben mit dem erklärten Ziel erfolgte, die Authentizität einer Glaubensentscheidung zu prüfen, haben wir es – wie auch bereits schon in den zuvor diskutierten Fällen – mit einer zielgerichteten Kommunikation zu tun: Ein konversionswilliger Kapuziner musste überzeugend sein verändertes religiöses Weltbild kommunizieren. Diese mündliche Examinierung des Proselyten Schobinger fand schon bald nach dessen Eintreffen in Zürich statt. Am 25. August 1684 lag Bürgermeister und Rat der zweiseitige schriftliche Bericht vor.183 Es ist davon auszugehen, dass diese Dokumente einer gewissen Standardisierung unterzogen wurden. Nach einer knappen Einführung über die Herkunft und den beruflichen Werdegang 177 Besonders deutlich wird das Moment der Konfessionswahl durch die überlieferten Briefwechsel, die Schobinger kurz nach seinem Eintreffen in Zürich mit einigen katholischen Personen führte. Ob diese Missiven einem „kommunikativen Muster“ folgten, muss die weitere Forschung, die sich bislang vorwiegend auf Konversionserzählungen als Quellen gestützt hat, noch klären. 178 Brändly, Geschichte, 1956, 145. 179 StAZH E II 37, fol. 359 und zu seiner Altersangabe StAZH E II 38, 25. August 1684. 180 Pfister, Kirchengeschichte, Bd. 2, 1974, 469. 181 Brändly, Geschichte, 1956, 145. 182 StAZH B II 607, fol. 48. 183 Ratsmanual vom 25. August 1684 in StAZH B II 607, fol. 48 – 49.

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des Konvertiten folgten dessen Anliegen, seine Begründung und abschließend die Empfehlung des Theologengremiums. Mehr noch als der Aufbau des Textes verfolgte der Inhalt eine spezifische Funktion: Er sollte der städtischen Obrigkeit einen Eindruck über die Aufrichtigkeit der Konversionsmotive vermitteln. Da der Bericht auf der Schilderung Schobingers beruht, lässt diese Textgattung vorsichtige Rückschlüsse auf das mündliche Konversionsnarrativ des Proselyten zu. Zudem verdeutlicht der Bericht, dass es sich bei dem Phänomen „Konversion“ um einen Austausch von Glaubensinhalten handelte, der zugleich eine Ablehnung und Annahme von Glaubensvorstellungen implizierte, die den jeweiligen theologischen Lehrmeinungen entsprachen.184 In seiner Selbstdarstellung vor dem Theologengremium hatte Schobinger seine Annäherung an die reformierte Konfessionsgemeinschaft in Form seiner theologischen Auseinandersetzung mit den Glaubensstreitigkeiten der konkurrierenden Kirchen zu dem zentralen Motiv für einen Konversionswunsch erhoben. Ohne die Beweggründe für seinen Klostereintritt zu nennen, konzentriert sich der Bericht damit auf Schobingers gewandelte theologische Überzeugungen. Scheinbar hatte der entflohene Kapuzinermönch versucht, den Eindruck herzustellen, sein neuer Glaube sei das Ergebnis langjähriger Überlegungen und Reflexionen über theologische Schriften, die ihm in der Klosterbibliothek des Kapuzinerklosters in Baden zur Verfügung gestanden hätten.185Die Entscheidung, den Glauben zu wechseln, erschien vor diesem Hintergrund nicht als spontane Eingebung, sondern als das Ergebnis langjähriger und gründlicher Auseinandersetzung mit den divergierenden theologischen Lehrmeinungen der konkurrierenden Kirchen. Implizit thematisierte Schobinger damit den Prozess der Bildung seines konfessionellen Bewusstseins, der durch die Reflexion über theologische Inhalte gespeist wurde.186 Schobingers „Konversionsnarrativ“ vor den reformierten Examinatoren orientierte sich dabei an den grundlegenden konfessionellen Differenzen der katholischen und reformierten Konfessionen. Er sprach den theologischen Lehrmeinungen der reformierten Kirche die theologische Wahrheit zu und bezeugte auf diese Weise, dass seine Konversionsabsicht fundiert war, da sie auf theologischem Verständnis und Wissen basierte. Seine Ablehnung des katholischen Glaubens exemplifizierte Schobinger unter

184 In Anlehnung an Kooi, Conversion, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 271 – 285, hier 272. 185 ZBZ MS B 276, 22. August 1684. Zur Auseinandersetzung mit theologischen Schriften StAZH E II 38, fol. 355r–v. 186 Vgl. dazu Mennecke-­Haustein, Konversionen, in: Reinhard/Schilling (Hg.), Konfessionalisierung, 1995, 242 – 257.

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anderem anhand des Abendmahls.187 Das Abendmahl deutete Schobinger in Übereinstimmung mit dem Schweizer Reformator Huldrych Zwingli als reines Gedächtnismahl, mit Hilfe dessen sich die Gläubigen an die Passion Christi erinnern sollten. Die reale Gegenwart Christi im Abendmahlssakrament leugneten Schobinger wie auch Zwingli, für den das Sakrament als signum nur Gottes Heilshandeln bezeugte, aber keine Gnade vermittelte. Den Examinatoren zufolge begründete Schobinger sein reformiertes Abendmahlsverständnis mit Verweis auf die Heilige Schrift: So steh auch im h. Evangelio, der herr habe das brot nit den leib gebrochen, die Apostel habind das brot nit den leib gebrochen, die glübigen sagind, verharret in dem brechen des brots nit im brächen des leibs: Paulus sagt, das brot, das wir brächen, nit der leib, den wir brächen ist die gemeinschafft des leibs christi.188

Schobinger artikulierte damit nicht nur ein reformiertes Abendmahlsverständnis, sondern bediente sich bei seiner theologischen Beweisführung und Überzeugungsarbeit des sola-­scriptura-­Prinzips. Auch seine versierten und gelehrten Äußerungen über die Zahl der Sakramente, über die „natur des seligmachenden glaubens, und der guten wercken, von der Zuneigung des verdiensts und des heyls durch den glauben, vom fegefeür etc“ überzeugten die Examinatoren von seinem theologischen Wissen, welches bewies, dass Schobingers Konversionsabsicht aufrichtig und authentisch war. Claudius Schobinger wusste, was er tat, als er zum reformierten Glauben konvertierte. Der ehemalige Kapuzinermönch Schobinger entschied die christliche Wahrheitsfrage im Zeitalter des Konfessionspluralismus zugunsten der reformierten Religion. Er sprach von „erkantnus“, „gewüsen“ und „wahrheit“ als den Schlüsselbegriffen, die ihn zum Glaubenswechsel bewegt hatten; „in dem papstum“ wolle er nicht „lenger verharren […] aus beysorg der schweren straf Gottes, so er sein erkanntnus der wahrheit ferner wurde aufhalten in ungerechtigkeit“.189 Damit kommunizierte Schobinger sein verändertes konfessionelles Selbstverständnis in einem Vokabular, das sich an einem reinen Gewissen, religiöser Erkenntnis und der theologischen Wahrheitsfrage orientierte. Die religiöse Gewissensfrage, die Schobinger zum Dreh- und Angelpunkt seines Konversionsnarrativs machte, ist 187 Und bediente sich dabei des protestantischen Schriftverständnisses: „das mäßopfer und die leibliche gegenwahrt des leibs Chr. im h. Abendmahl keinen grund habe in der h. schrift, sonder villmehr denselben und dem Apostolischen glauben entgägen sey“. StAZH E II 37, fol. 359r. 188 Ebenda. 189 Ebenda.

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häufig in den protestantischen Quellen zu Konversionsfällen des 17. Jahrhunderts anzutreffen. Sie strukturierte förmlich das Reden über den Glaubenswechsel, lieferte die Begründungen und Erklärungen für die Konversionsabsicht. Mit dem reinen Gewissen wurde die Übereinstimmung von Glaubensbekenntnis und Glaubensüberzeugung bezeichnet, die sich im Handeln manifestierte. Hatten sich die inneren religiösen An- und Einsichten gewandelt, allerdings noch nicht die äußere Zugehörigkeit zu einer Konfession, gerieten die Menschen des 17. Jahrhunderts in Gewissensnot. Erst die „Konversion als Gewissensentscheidung brachte die innere und äußere Dimension des Glaubens wieder in Übereinstimmung“.190 Der Gewissensdiskurs bezeichnete nicht nur eine Differenz zwischen Innen und Außen, Glauben und Bekenntnis. Vor den Examinatoren des Theologengremiums war der Gewissensdiskurs zudem gut platziert, da ein Konfessionswechsel, wie wir gesehen haben, in den protestantischen Konfessionen theologisch akzeptiert werden musste. Der katholische Geistliche Schobinger konnte seine Examinatoren überzeugen: Sie bescheinigten ihm, dass er „allhero kommen, und das papstum samt seinem orden verlasen allein umb beruhigung seiner gwüsen, und des heils seiner seelen willen“.191 Den Examinatoren galt er als ein frommer, sittsamer und lernbegieriger Mensch, der „unser liebe, raths, hilfs und wolthuns würdig sey, wie wir nun auf sein leben, thun und lasen gute achtung zugäben, ihnne auch zu fromer falliger erkanntnus der wahrheit zuunderweisen“.192 Schon der erste Eindruck, den die Examinatoren von Schobinger bei dessen Eintreffen in Zürich hatten, war durchweg positiv gewesen. Bei der Unterredung in der Zürcher Chorherrenstube hielten ihn die Examinatoren für „wohlgelehrt“ und „uffrichtig“ und konstatierten ihm Standfestigkeit im Glauben: „wann dißer nit trüw verblybe, solle man nur keinem mehr waß getruwen“.193 Von der Aufrichtigkeit seiner Gründe und seiner Standfestigkeit im neuen Glauben überzeugt, empfahlen die Examinatoren der städtischen Obrigkeit am 25. August 1684, Claudius Schobinger in Zürich aufzunehmen und ihn zu alimentieren.194 Als Geistlicher hatte Schobinger zwar einen Beruf, konnte ihn jedoch in Zürich zunächst nicht ausüben. Er war daher mittellos und wie andere Konvertiten auf die Alimentierung durch die Obrigkeit angewiesen. 190 Bock, Pfarrer, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 353 – 392, hier 356. 191 StAZH E II 37, fol. 359r. 192 Ebenda, fol. 359v. 193 ZBZ MS B 276, fol. 1r, 22. August 1684. 194 Im Oktober 1684 wird Schobinger zudem ein „fürtrefliche Zeügnus“ ausgestellt, StAZH E II 37 (1684), fol. 371r.

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Am 17. Oktober 1684 legte Claudius Schobinger sein umfangreiches Glaubensbekenntnis ab, die Confessio fidei d. Claudii Schobingeri. Der Text umfasst sechzehn eng beschriebene Seiten.195 In den Konvoluten des Zürcher Examinatorenkonvents lässt sich die weitere Umwandlung eines katholischen in einen reformierten Geistlichen verfolgen.196 Zusammen mit der theologischen Umerziehung des Kapuziners zu einem reformierten Geistlichen bedeutete dies dessen Vorbereitung auf das Predigtamt. Am 5. Januar 1685 wurde Schobingers Wunsch, „in Theologia examiniert, und zum heiligen Predigtambt zugelassen zuwerden“ an den Bürgermeister weitergeleitet.197 Das von dem Inspektor – Utzinger mit Namen – nur einen Tag später erstellte Gutachten darf in dem Kontext dieses Berufswunsches Schobingers gelesen werden. Utzinger bezeichnete ihn als einen besonders frommen, ehrlichen und aufrichtigen Christenmenschen, der zudem ein fleißiger Besucher des reformierten Gottesdienstes, ein emsiger Leser der Heiligen Schrift und anderer „Reformiert-­Theologischer Bücher“ sei und sich täglich in seinem ganzen „Handel und Wandel“ als eifrig, beständig und gottesfürchtig erweise.198 Am 1. Februar 1685 folgte Schobingers Examinierung, am 8. Februar 1685 hielt der ehemalige Kapuzinermönch seine Probepredigt. Anschließend wurde er ordiniert und in den Zürcher Predigerstand aufgenommen.199 Dies war der Beginn einer langen und erfolgreichen Tätigkeit als reformierter Seelsorger.200 1686 ehelichte er die Witwe des Zuckerbäckers Heinrich Füssli, Esther Steinfels, und trat im Februar desselben Jahres die Nachfolge des Pfarrers Esslinger am Oetenbach an, eine Pfarrstelle, die er bis zu seinem Lebensende 1702 behalten

195 Das Glaubensbekenntnis liegt als lateinischer Text (Abschrift) und als deutscher Text (Abschrift) vor, vgl. ZBZ B 276, fol. 1 – 8 sowie 17 – 24. Das deutsche Glaubensbekenntnis trägt ein anderes Datum: 4. Oktober 1684. Weitere Kopien in ZBZ Ms. B 190, fol. 427r–439v. Das Bekenntnis verwirft die katholischen Glaubenslehren in wesentlichen Aspekten (Schriftverständnis, Abendmahl, Zahl der Sakramente, Sündenverständnis u. a.). Dazu zählt ebenfalls die Ablehnung von Mönchtum, Mönchsgelübde und Zölibat. 196 StAZH E II 37, fol. 359r–359v, fol. 371r, fol. 713r, 839r, fol. 839v, sowie fol. 905r. 197 StAZH E I 9.3b, 5. Januar 1685. 198 Im Januar 1685 stellte Inspektor Utzinger Claudius Schobinger zudem „das allerbeste Zeügnuß eines frommen, ehrlichen, und aufrichtigen Christen und besonderen Liebhabers unserer Reformierten allein seligmachenden Religion“ aus; StAZH E I 9.3b, 6. Januar 1685. 199 ZBZ Ms. 190, fol. 443v sowie Pfister, Schweiz, in: Geiger (Hg.), Gottesreich, 1969, 289 – 309, hier 303. 200 Schobingers Chronist schildert ausführlich dessen Predigttätigkeit, vgl. ZBZ Ms. B 190, fol. 443 ff.

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sollte.201 Schobinger blieb bei seinem neuen Glauben.202 Alles deutet darauf hin, dass der Konfessionswechsel für Claudius Schobinger keinen sozialen Abstieg bedeutete. Im Gegenteil: Claudius Schobingers Glaubenswechsel liest sich als ein Beispiel einer gelungenen Integration in eine neue Konfessionsgesellschaft. Integration und Desintegration: Die Erfahrung der Konversion und die Sprache der Emotionen Die Integration in eine neue Konfessionsgemeinschaft setzte in der Frühen Neuzeit die Protektion der Obrigkeit voraus, in deren konfessionellen Rechtsraum sich der Konvertit begab, sowie eine erfolgreiche soziale Anbindung an dem neuen Lebensort (Heirat) und die Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit. Bevor eine Integration in eine neue Gemeinschaft gelingen konnte, musste der Konvertit zunächst aus seiner alten Konfessionsgemeinschaft ausscheiden. Dies bedeutete meist, dass soziale und familiäre Bindungen, Netzwerke und Beziehungen gekappt wurden.203 Da eine Konversion kein punktuelles Ereignis, sondern ein Prozess von langer Dauer war, ergab sich eine Zeitspanne, in der die betreffende Person als konversionswillig markiert war, das neue Glaubensbekenntnis allerdings noch nicht abgelegt hatte – Claudius Schobinger erreichte Zürich am 2. August 1684 und legte am 17. Oktober 1684 sein neues Glaubensbekenntnis ab. Diese Phase habe ich im Zusammenhang mit dem Kapuziner Johannes Frey als einen fragilen Zustand bezeichnet, der zudem prekär war, da er die Unsicherheit der gesellschaftlichen Übergangssituation der Konversion verdeutlichte: Geistliche Konvertiten waren mit ihrem Eintreffen in Zürich zwar schon aus ihrer alten Konfessionsgemeinschaft ausgeschieden, hatten diesen Schritt formal allerdings noch nicht durch das Ablegen eines neuen Bekenntnisses bekräftigt. Dem Prozess der Konversion haftete damit etwas Ungewisses an, da sein Ausgang nicht vorhersagbar war. In dieser instabilen gesellschaftlichen und emotionalen Situation des Übergangs bot sich für die 201 StAZH E I 30, 1686 sowie StAZH E I 30.156, 1688 und 1702. Weitere Angaben zum Salär Schobingers bei Bock, Konversionen, 2009, 312 und Anm. 217. Sie verlässt sich allerdings auf die Angaben in der Chronik von Fries, ohne diese anhand der entsprechenden Pfrundakten zu kontrollieren. 202 Dem Protestantismus wird Claudius Schobinger bis zu seinem Tod 1702 treu bleiben, eine Tatsache, die insbesondere vor dem Hintergrund von Mehrfachkonversionen, die das Problem des religiösen Indifferentismus und damit die fehlende Bindung an eine bestimmte Konfession thematisieren, beachtlich ist. 203 Interessanterweise wurde eine solche konfessionelle Segregation in der niederländischen Republik nicht beobachtet; vgl. die Diskussion bei Pollmann, Bond, in: Po-­Chia Hsia/van Nierop (Hg.), Calvinism, 2002, 53 – 71, hier 56 – 57 sowie Forclaz, Emergence, in: Dixon/Freist/Greengrass (Hg.), Diversity, 2009, 249 – 266.

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Mitglieder der konfessionellen Gemeinschaft, die der Konvertit verlassen hatte, die Möglichkeit, für eine Rückbesinnung zu werben und darauf zu drängen, von einem Glaubenswechsel abzusehen. Gerade der Prozess des Übergangs war eine Phase intensiver Beziehungen in verschiedene Richtungen, nicht zuletzt mit der Konfessionsgemeinschaft, die der Konvertit zu verlassen beabsichtigte.204 Nicht nur aus diesem Grund ist zu überlegen, ob der in der Konversionsforschung vielfach erwähnte „Bruch“ die komplexe Situation des Konvertiten angemessen reflektiert. Die bestehenden Kontakte, und damit die Beziehungsgefüge zu Mitgliedern des katholischen Ordens, sind im Fall Schobingers besonders gut dokumentiert; sie kommen in den kommunikativen Medien zum Ausdruck, die es erlauben, den Blick auf dieses Phänomen zu präzisieren. Neben einer mündlichen Unterredung bringen mehrere Missiven aus dem sozialen Umfeld des Kapuzinerordens, aber auch seitens der katholischen Familie Schobingers die Situation des Übergangs zur Darstellung.205 Konversion wird in diesen Medien nicht mehr im Gewissens- und theologischen Wahrheitsnarrativ thematisiert, sondern von den unterschiedlichen Kommunikanten mit Blick auf den sozia­ len und emotionalen Verlust angesprochen, der mit einem Glaubenswechsel verbunden war. Im Folgenden soll das emotionale Narrativ als Strategie daher eingehender vorgestellt werden.206 Die Briefe, die Schobinger in Zürich erhielt, stammen von Mitgliedern katholischer Institutionen sowie von seiner Familie. Der bereits erwähnte Franz Sebastian von Beroldingen wandte sich im September und Oktober 1684 mehrmals brieflich an Claudius Schobinger. Das emotionale Narrativ, das dieser in seinen Briefen entwickelte, folgt einer intensivierten emotionalen Semantik und deutet eine emotionshistorische Dimension von Konversionen an, die in der historischen Konversionsforschung bislang kaum wahrgenommen worden ist. In einem Schreiben, das am 3. September 1684 in Zürich eintraf, bat er den „infelix Frater“, wieder in den Orden zurückzukehren.207 Einen Tag darauf folgte das zweite Schreiben, das nun den Fokus auf das Leid und die Seelenschmerzen richtete („animi dolorem“), welche der Provinzial, ausgelöst durch die Konversion 204 Vergleichbar auch Hanlon, Confession, 1993, 207, der argumentierte, dass Konversionen „might take place over a long period and not result in total rupture“. 2 05 Wahrscheinlich weil sich die städtische Obrigkeit des Prekären, d. h. der Gefahr der Situation bewusst war, fanden die Gespräche mit den Gesandten aus Luzern im Beisein des Zürcher Bürgermeisters Hirzel und des Inspektors Utzinger statt, vgl. StAZH B II 607, fol. 49. Auch Gesandte aus Baden versuchten ihn von der Konversion abzuhalten, vgl. Dejung/Wuhrmann, Pfarrerbuch, 1953, 513. 206 Anregend: Jarzebowski, Emotion, in: Flam/Kleres (Hg.), Methods, 2015, 248 – 258. 207 ZBZB 276, fol. 1v-2r.

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Schobingers, erleide. Zudem betonte von Beroldingen nun die engen sozialen und emotionalen Beziehungen, die Schobinger und er in einer brüderlichen und geistlich-­väterlichen Beziehung unterhielten („Carißimum meum Fratem et filium“).208 In seinem dritten Brief vom 10. Oktober 1684 entwarf sich Franz Sebastian von Beroldingen als einen Menschen, der von Tränen überwältigt seinen Brief habe abrechen müssen. Zudem bat er Schobinger erneut, zur katholischen Konfession zurückzukehren.209 Von Beroldingens Tränen waren an ein emotionales Narrativ gebunden, das einen eigenen Raum in dem Schreiben beanspruchte und das auf einer narrativen Ebene dazu diente, das enge emotionale Beziehungsgefüge zwischen ihm und Schobinger zu unterstreichen. Es sind die vergossenen Tränen, welche die weiterhin bestehenen Bindungen zwischen den beiden Männern manifest machen. Mithilfe der Sprache der Emotionen wird von dem katholischen Gottesmann das Verbindende und nicht das Trennende betont, Konversion erscheint nicht als Bruch, sondern als ein weiterhin bestehendes emotionales Beziehungsgefüge und die Tränen damit als Ausdruck einer sozialen Bindung. Als emotionales Narrrativ und soziales Kommunikationsmedium beanspruchten Tränen im 16. und 17. Jahrhundert ihren eigenen Platz in der katholischen Konfessionskultur und besaßen ein variierendes Bedeutungsspektrum. Tränen wurden nicht nur privat vergossen (wie dies seit der Moderne zunehmend der Fall ist), sondern sie waren durchaus für die Augen der Öffentlichkeit bestimmt. Ippolito Aldobrandini (Papst Clemens VIII., 1592 – 1605) verschüttete nicht nur so viele Tränen wie kein Papst vor und nach ihm. Er tat dies vor allem in der Öffentlichkeit, während der Elevation der Hostie oder während der Fronleichnamsprozession auf offener Straße.210 Diese sogenannten geistlichen Tränen wurden keinem spezifischen Geschlecht zugeordnet, sondern wurden von Frauen und Männern gleichermaßen vergossen.211 Im alten Mönchtum bis ins hohe Mittelalter werden Tränen als ein „aszetisch-­mystisches Element“ erwähnt.212 Sie waren durchweg positiv besetzt, da sie als eine Gabe Gottes galten, die von Gott gesandt und demnach weder erzwungen noch manipulierbar war.213 Dem Kapuziner St. Lorenzo da Brindisi (1559 – 1619), der neben dem bereits erwähnten 208 ZBZ B 276, fol. 1v–2r. 2 09 Das Schreiben vom 10. Oktober liegt mir nicht vor; ich verweise in diesem Zusammenhang auf Brändly, Geschichte, 1956, 145. 210 Vgl. Imorde, God, in: de Boer/Göttler (Hg.), Religion, 2013, 257 – 269, hier 257. 211 Benke, Gabe, 2012, 412. 212 Maron, Ignatius, 2001, 57. 213 Ebenda, 59 – 60. Trockenheit ist daher auch Signum des bösen Geistes, des Teufels, ebenda.

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Papst Clemens VIII. im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert als jemand galt, der mit der göttlichen Gabe der Tränen gesegnet war, vergoss anlässlich seiner Kanonisierung so viele Tränen, dass ein oder gar zwei Handtücher benötigt wurden, um sein Gesicht zu trocknen.214 Da Tränen in der katholischen Konfessionskultur als Zeichen Gottes verstanden wurden, gab es dementsprechend eine große Bereitschaft, allein oder gemeinsam zu weinen.215 Im Prozess der katholischen Konfessionalisierung kamen weitere Tränenarten hinzu. Wie Joseph Imorde gezeigt hat, differenzierten die neoscholastischen Jesuiten des Collegio Romano den Tränenkatalog weiter aus und passten ihn den Notwendigkeiten des theologischen Diskurses an.216 Der Jesuit Bartholomeo Ricci nannte in seiner Istruttione per meditare (1600) die Tränen des Mitleids (compassio), die süßen Tränen, die einem inneren Bedürfnis bzw. der Liebe zu Gott entsprängen (dulcendo), und die Tränen, die von einem Schock oder dem Gefühl der Reue herrührten (compunctio/contritio).217 Tränen waren damit nicht mehr allein als ein Zeichen Gottes zu interpretieren, sondern erhielten einen lebensweltlichen Kontexrt und konnten somit unterschiedliche Bedeutungen transportieren. Als erzählte Emotionen waren Tränen im Kontext von Konversionsabsichten damit semantisch vielschichtig. Zu den Tränen kamen weitere schriftliche Äußerungen des emotionalen Schmerzes. Maria Anastasia Wegmann, die Vorsteherin des Frauenklosters Mariae Krönung in Baden, wandte sich im Verlauf des Konversionsprozesses ebenfalls mit einem Brief an Claudius Schobinger. In diesem Schreiben, das am 3. September 1684 in Zürich eintraf, setzte Wegmann auf die Sprache der Emotionen, um ihren Schock angesichts der Konversionsabsichten Schobingers zu kommunizieren: „O Creüts, O Leid o gröste trübselige Trübseligkeit, mit meinem allergrößten schmertzen hab ich verstanden waß maaßen mein God liebster herr Vater prediger naher Zürich kommen“. Die Handlungen Schobingers benannte Maria Anastasia Wegmann als Grund für ihre Betrübnis und bat ihn „mit heißen thränen […] doch Eüwer vorhaben zu ändern […] kehret doch wider zu uns“.218 Den narrativen Raum, der den Emotionen im Brief 214 Imorde, God, in: de Boer/Göttler (Hg.), Religion, 2013, 257 – 269, hier 265. 215 Siehe dazu: Baumgarten, Ausgabe, in: ZKG 56 (1937), 399 – 423, hier 408. Geistliche Tränen flossen aus unterschiedlichen Gründen; es gab „Tränen der Reue, des Mitleids, der Betrübnis, der Sehnsucht, der Liebe usw.“ Maron, Ignatius, 2001, 57. 216 Imorde, God, in: de Boer/Göttler (Hg.), Religion, 2013, 257 – 269, hier 258. 217 Ebenda. 218 ZBZ MS B 276, fol. 2r–v, Schreiben der Maria Anastasia Wegmann (Wagmann?), 3. September 1684. Zu „heißen Tränen“ vgl. auch Ulbrich, Tränenspektakel, in: L’Homme 23, 2014, 27 – 42.

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zugemessen wurde, nutzte die Briefschreiberin, um die sozialen Bindungen und damit Schobingers Zugehörigkeit zur katholischen Konfessionsgemeinschaft zu unterstreichen, obwohl sich dieser bereits im reformierten Zürich aufhielt. Des Weiteren fokussierte Maria Anastasia Wegmann mit ihrer eindringlichen Bitte „kehret doch wider zu uns“ auf den Kern des Konversionsprozesses, da dieser weiterhin Wahlmöglichkeiten bereithielt und damit auch die Rückkehr Schobingers in den katholischen Orden. Das emotionale Narrativ bei Maria Anastasia Wegmann wurde funktional verwendet, nämlich um die sozialen und persönlichen Beziehungen zur katholischen Konfessionsgemeinschaft zu bekräftigen und zu reaktivieren.219 Auch hier fokussierte die Sprache der Emotionen auf das Gemeinsame und nicht das Trennende. Den größten Raum beansprucht das emotionale Narrativ in dem Schreiben von Wilhelm Schobinger, dem Vater von Claudius Schobinger. Dieses Schreiben vom 1. Oktober 1684 ist deshalb interessant, weil es die Konversion als eine Entscheidung reflektiert, die auf die innerfamiliären Beziehungen ausstrahlte und die das religiöse Selbstverständnis der Familienmitglieder erschütterte. Die Sprache der Emotionen in diesem Schreiben ist überwältigend, sie prägte die inhaltliche Struktur des Schreibens und fungierte als ein „narrative marker“.220 In das Zentrum des Schreibens stellte der Vater seine emotionalen Bindungen zu seinem Sohn: Der abscheiden von der welt in die Religion hat mir zwar mehr als wehe gethan und vill grauwe Haar verursachet, in dem Ich verhoffte an eüch in meinem grauwen alter ein hälff und trost zu haben. Aber ewer austritt aus demselbigen thuet mir noch weit mehr schmerdtzen verursachen und meine weise haar gar under den boden bringen, und so ich nit hoffe, der H. Sohn werde sich noch eines besseren bedencken, wider umbkehren, und mich ahrmen, betrübten und unglückseligen vatter sambt seinen gantz traurigen Kindern wider erfrowen.221

Den Lebensweg seines Sohnes reflektierte der Vater Wilhelm Schobinger einzig in der Sprache der Emotionen, selbst dann, wenn diese Empfindungen – wie bei dem Klostereintritt seines Sohnes – schon beträchtliche Zeit zurücklagen. 219 So erwähnt sie, dass er in Baden und Umgebung sehr beliebt gewesen sein soll, ZBZ MS B 276, fol. 2r–v, Schreiben der Maria Anastasia Wegmann (Wagmann?), 3. September 1684. 220 Jarzebowski, Emotion, in: Flam/Kleres, Methods, 2015, 249 – 259, etwa 252 – 253 sowie 256. 221 StAZH E II 37, Abschrift des Schreibens, welches mein vilgeliebter Vatter an mich geschickt, fol. 413.

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Schobinger memorierte die Entscheidungen seines Sohns als Handlungen, die Einfluss auf seinen emotionalen Haushalt hatten und strukturierte auch sein Schreiben nach seinen emotionalen Dispositionen. Erinnerung und Emotionen waren bei Schobinger eng miteinander verzahnt. Während die familiäre Desintegration und die Konversion als ein Bruch und als Verlust sozialer Bindungen von der Konversionsforschung betont wird, lässt sich in einer emotionshistorischen Perspektive das genaue Gegenteil feststellen, nämlich die Betonung familiärer Beziehungsgefüge, die einen großen Raum in den Briefen von Vater und Sohn beanspruchen. Zwar sei der Schritt, das konfessionelle Bekenntnis zu wechseln, eine Entscheidung, die jede Person allein treffe, in ihren Auswirkungen, so der Vater Schobinger, sei diese jedoch weitreichend, da sie das Leben der einzelnen Familienmitglieder verändere: Schobingers Bruder habe seinen Entschluss, ins Kloster zu gehen, revidiert (er wolle jetzt ein Handwerk erlernen), die Mutter liege krank im Bett und die Schwester sei von Leid geplagt. Folgerichtig bat Wilhelm Schobinger seinen Sohn, er möge sich seiner selbst und seiner Familie erbarmen und „wider umbkehren“.222 Die „Umkehr“ bezeichnete einen Weg, der eine religiöse Introspektion und eine konfessionelle Neuorientierung bzw. Rückbesinnung zum katholischen Glauben erforderte und der in seiner narrativen Logik den familiären Bindungen geschuldet war. Die Sprache der Emotionen übernahm somit konstitutive Funktionen innerhalb des Konfessionswettbewerbs, da mit ihrer Hilfe für die Beibehaltung konfessioneller Zugehörigkeiten und für die Aufrechterhaltung konfessioneller Ordnung geworben wurde. Der Versuch, dem Sohn in der Sprache der Emotionen dessen familiären und konfessionellen Bindungen anzutragen, schlug fehl. Selbst die Aussicht auf eine Rückkehr in ein Leben als Ordensmann vermochte Schobinger nicht zur Umkehr zu bewegen. In seinem Antwortschreiben an seinen Vater ging der ehemalige Kapuzinermönch daher zwar auf dessen emotionales Narrartiv ein, verband dieses inhaltlich aber mit einem neuen religiösen Selbstentwurf: hirmit hab Ich gleichwol von gott gesterckt alle strick und band der weltlichen Zuneigung, gunst, freundschaft samt anderen villfaltigen verhindernussen, mit welchen Ich so hart, starck und lang war angefesslet, starkmüthig zerrissen, mich aus der Babylonischen gefangenschaft, und aus der schweren Egiptischen dienstbarkeit in die sichere und trostreiche freiheit der Kinder Gottes und aller auserwelhten salvieret.223

222 Ebenda. 223 Ebenda, fol. 414 und ZBZ B 276, fol. 11 – 16.

Konversionen zum Protestantismus

Funktional steht die Sprache der Emotionen auch bei Claudius Schobinger für familiäre und soziale Bindungen, die er aufgrund seiner religiösen Neuorientierung „starkmüthig zerrissen“ hatte. Der emotionale Bruch, den Schobinger rhetorisch beschwor und den er seinem Vater kommunizierte, war an dessen Konversionsabsicht gebunden. Gleichzeitg bezeugen die Briefe, dass familiäre Beziehungen weiterhin bestanden und erst wenn eine Konversionsentscheidung gefallen war, mutwillig gekappt wurden. Funktional ist das emotionale Narrativ damit weiterhin in der Kommunikation zwischen Vater und Sohn als eine narrative Strategie präsent, wird von dem Sohn Claudius Schobinger nun aber dazu verwendet, um das Ausscheiden aus dem Kloster als einen Bruch mit der Familie und der Klostergemeinschaft zu betonen. Auch bei Claudius Schobinger beansprucht die Sprache der Emotionen damit einen wichtigen Raum in seinem Schreiben und antwortet funktional auf der Ebene, die ihm durch den Vater angetragen worden war, nämlich jener der Emotionen. Die Konversionsforschung würde hier davon sprechen, dass Schobinger mit seiner Konversion zum Protestantismus das religiöse Selbstverständnis der Familienangehörigen unterlaufen und eine „interpersonelle Krise“ der Familie ausgelöst habe, die zusammen mit der familiären Desintegration als einer grundlegenden Erfahrung der Konvertiten durchaus typisch für das Ritual der Konversion in der Frühen Neuzeit gewesen sei.224 Doch der Bruch mit der Welt bedeutete in Schobingers Selbstsicht vor allem das gewalttätige Zerreißen der emotionalen Bindungen und damit der „weltlichen Zuneigung, gunst, freundschaft“, die er mit Familie und dem Kapuzinerkloster in Baden bislang unterhalten hatte. Emotionale Bindungen müssen allerdings nur dann gekappt werden, wenn sie weiterhin bestehen. Erzählte Emotionen schufen somit im Zusammenhang mit Konversionsprozessen einen narrativen Raum, der funktional der Ausgestaltung sozialer und emotionaler Bindungs- und Beziehungsgefüge diente und der im Konversionsnarrativ auch dann noch auftauchte, wenn der Bruch mit der Familie und der konfessionellen Gemeinschaft betont wurde. Diese weitreichende Veränderung in seinem Leben kommunizierte Schobinger als einen entscheidenden Einschnitt in seinem Lebensweg, den er nur mit Gottes Hilfe gemeistert habe und der im Sinne der Sprache der Emotionen ein „Vorher“ und „Nachher“ implizierte. Zugleich band Schobinger seine Sprache der Emotionen an einen theologischen Freiheitsdiskurs, denn die gewonnene Freiheit, in die sich Schobinger aus der „babylonischen Gefangenschaft“ gerettet hatte, war eine Anspielung auf eines der Hauptwerke des deutschen

224 François, Grenze, 1991, 209 sowie Volkland, Konfession, in: von Greyerz/Jakubowski-­ Tiessen/Kaufmann/Lehmann (Hg.), Interkonfessionalität, 2003, 91 – 104, hier 103.

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Reformators Martin Luther, nämlich seiner lateinisch abgefassten Schrift De captivitate Babylonica ecclesiae (Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche, 1520). In dieser legte Luther sein Sakraments- und Kirchenverständnis dar. Indem Schobinger sich in seinem Antwortschreiben an seinen Vater auf die „weltliche Zuneigung“ und die „Babylonische gefangenschaft“ bezog, argumentierte er dementsprechend sowohl lebensweltlich mit emotionalen Bindungen wie auch theologisch und inszenierte seine familiäre, soziale und emotionale Desintegration in theologischer Überhöhung als Befreiung. Seiner religiösen Selbstsicht zufolge bedeutete sein Glaubenswechsel eine Befreiung vom falschen Glauben und den weltlichen emotionalen und sozialen Bindungen. Damit vermitteln die Reflexionen Claudius Schobingers den Eindruck, dass er nicht mit sich selbst und seiner bisherigen konfessionellen Zugehörigkeit brach, sondern sich sein religiöses Selbstverständnis in einem längeren Prozess grundlegend gewandelt hatte. Seine theologischen Überzeugungen und sein religiöses Gewissen hatten sich geändert, die er nun als einen Aspekt seines gewandelten konfessionellen Selbstverständnisses kommunizierte.225

5.3 Konversionen zum Katholizismus Einer der entscheidenden Strukturvorteile der katholischen Partei war im Zweiten Landfrieden von 1531 festgehalten. Reformierte Untertanen der gemeinsam regierten Untertanengebiete konnten über einen Glaubenswechsel frei entscheiden und jederzeit zum katholischen Glauben konvertieren. Dieses Konver­ sions­recht bedingte im Unterschied zu Konversionen zum reformierten Glauben keine Migration, da der Konfessionswechsel durch den Friedensvertrag als legale rechtliche Handlung definiert worden war. Folglich musste der territoriale Rechtsraum der Gemeinen Herrschaft bei einer Konversion zum Katholizismus nicht verlassen werden und das Hab und Gut des Konvertiten blieb unangetastet. Das Überschreiten der konfessionellen Grenze war in diesen Fällen nicht mit einem forcierten Überschreiten der territorialen Grenze der Gemeinen Herrschaft verbunden – im Gegenteil. In den Gemeinen Herrschaften der Eidgenossenschaft konnte dem Landfrieden zufolge ein Messgottesdienst eingerichtet werden, wenn eine katholische Minderheit dies verlangte. Konversionen kamen daher, wie Ulrich Pfister bemerkte, eine große Bedeutung für die „Kohäsion

225 Der Begriff des „Selbstverständnisses“ im Unterschied zur „konfessionellen Identität“ bietet sich in diesem Zusammenhang an, obwohl er an dieser Stelle ohne Programmatik verwendet wird; zu dieser vgl. Volkland, Konfession, 2005, 15 – 22.

Konversionen zum Katholizismus

der Kirchgemeinde als auch des konfessionellen Gefüges der Gemeinen Herrschaften […] zu“.226 Die Konversionen zum Katholizismus, die im Folgenden zur Untersuchung stehen, fanden damit unter anderen rechtlichen, materiellen und sozialen Vorzeichen statt als die bislang diskutierten Konversionen zum reformierten Glauben. Aus dem einseitigen Konversionsrecht ergab sich ein weiterer Vorteil für katholische Glaubensanhänger und für die katholischen Regenten der Gemeinen Herrschaften: Sie konnten eine aktive Konversionspolitik verfolgen und andersgläubige Untertanen offensiv zum Glaubenswechsel überreden, ohne dass die betreffende Person in Gefahr gewesen wäre, einen rechtlichen Normbruch zu begehen. Der offene Wettstreit mit der konkurrierenden Kirche entsprach zudem dem Selbstverständnis der katholischen Kirche, die „aktive, ja offensive und effektive Bekehrungsstrategien“ entwickelte (man denke etwa an die Sancta Congregatio de Propaganda fide, 1622) und diese Erfolge wiederum für eine gegenreformatorische Propaganda nutzte.227 Jeder einzelnen erfolgreichen Konversion – besonders von hochgestellten Persönlichkeiten – maß man daher eine besondere Bedeutung zu. Dieses Selbstverständnis war der protestantischen Kirche fremd, die erfolgreiche Konversionen weder propagandistisch verwertete noch institutionalisierte Bekehrungsstrategien entwickelte.228 Auch wenn die reformierte Kirche keine offensiv missionierende Kirche war, war ihr selbstverständlich an dem quantitativen Erhalt ihrer Gläubigen gelegen, die sie nicht an die innerchristliche Konkurrenz verlieren wollte. Durch das im Zweiten Landfrieden festgelegte Konversionsrecht zum katholischen Glauben konstituierten Konversionen zum Katholizismus in den Gemeinen Herrschaften eine permanente Bedrohung für die reformierten Obrigkeiten, da diese Option des Konfessionswechsels reformierten Gläubigen jederzeit offenstand. In den frühneuzeitlichen Quellen aus reformierter Feder ist daher eine gewisse Furcht, die eigenen Gläubigen an die Gegenseite zu verlieren, erkennbar. Angesichts der rechtlichen Möglichkeiten und der effektiven Bekehrungsstrategien war diese Sorge durchaus berechtigt. Die Rekatholisierungsmaßnahmen setzten in der Grafschaft Baden schon kurz nach dem Zweiten Landfrieden von 1531 ein, 2 26 Pfister, Konfessionskonflikte, in: SZRKG 101, 2007, 257 – 311, hier 273. 227 Mennecke-­Haustein, Konversionen, in: Reinhard/Schilling (Hg.), Konfessionalisierung, 1995, 242 – 257, hier 243, Anm.6. 228 In diesem Unterschied erkennt Ute Mennecke-­Haustein eine „letztlich ekklesiologisch bestimmte Differenz in der Konfessionsmentalität“, dies., Konversionen, in: R ­ einhard/ Schilling (Hg.), Konfessionalisierung, 1995, 242 – 257, hier 243, Anm. 6. Allerdings missionierten Pietisten und Reformierte intensiv gegenüber Juden und „Heiden“, vgl. Sieben­hüner, Glaubenswechsel, in: ZHF 34, 2007, 243 – 272.

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intensivierten sich in den Jahren nach dem Konzil von Trient und ebbten auch im 17. Jahrhundert nicht ab. Da, wie eingangs erwähnt, das frühneuzeitliche Quellenmaterial für die Grafschaft Baden sehr fragmentarisch und die Konversionsproblematik generell nicht dazu geeignet ist, verlässliche Aussagen über die Konversionsraten zu erstellen, wird auf eine quantitative Analyse verzichtet.229 Frauke Volkland erkennt eine Tendenz seit dem 17. Jahrhundert, wonach Konversionen zum Katholizismus in der Gemeinen Herrschaft Thurgau „mit der Zeit nicht seltener, sondern eher häufiger wurden“.230 Auch außerhalb der Alten Eidgenossenschaft war das 17. Jahrhundert, so wurde mehrfach konstatiert, „das eigentliche Zeitalter der Konversionen zum Katholizismus“.231 Da es in den Gemeinen Herrschaften keinen formalen Akt des Glaubenswechsels gab und die Konversionspraxis keiner Formalisierung oder gar Institutionalisierung unterlag, wie das andernorts der Fall war, fehlen verlässliche Quellen, wie etwa Konvertitenkataloge bzw. Konvertitenverzeichnisse, die schon in der Frühen Neuzeit mit dem Ziel erstellt wurden, Konversionen als quantitatives Phänomen zu dokumentieren. Visitationsakten, auf die sich Frauke Volkland stützt und in denen seit den 1640er-Jahren in der Rubrik der Gravamina vereinzelt auch Übertritte zum Katholizismus verzeichnet wurden, eignen sich nur bedingt, um eine tendenzielle Zunahme von Konversionen zu belegen. Wie die Autorin selbst einräumt, wurden die Visitationsberichte im Verlauf des späteren 17. Jahrhunderts immer stärker zu einem Disziplinierungsinstrument der Zürcher Synode, und die entsandten Dekane reagierten sensibilisiert auf das Phänomen

229 Zur Konversionsproblematik schreibt auch Philipp Benedict, dass es zwar viele Quellen gebe, diese aber „scattered and uneven“ seien, vgl. Benedict, Population, in: Transactions of the American Philosophical Society 81, 1991, 1 – 164, hier 48. Ebenso betont François, Grenze, 1991, 206 – 207, dass sich anhand der Archivalien nur Einzelstudien, aber keine statistischen Reihen erstellen ließen. Einen Überblick über das Datenmaterial für das Konversionsgeschehen in Europa trägt Deventer, Konversionen, in: WZGN 7, 2007, 8 – 24, hier 11 – 15, zusammen. 230 Volkland, Konfession, 2005, 165. Beat Hodler hat zwei Aufsätze zur eidgenössischen Konversionsthematik vorgelegt und kam anhand von Stichproben der reformierten Proselytenkammer und der Einsicht der katholischen Konvertitenkataloge zu der Einsicht, dass Konversionen in beide Richtungen in der Eidgenossenschaft eine „Massen­ erscheinung“ darstellten, vgl. Hodler, Konversionen, in: Schmidt/Holenstein/­Würgler (Hg.), Gemeinde, 1998, 281 – 291. Heike Bock hingegen ist in ihrer Einschätzung verhaltener, vgl. dies., Konversionen, 2009, 115 – 132 (katholische Kirche) und 125 sowie 152 – 164 (Unterstützungsleistungen für Proselyten). 231 Mennecke-­Haustein, Konversionen, in: Reinhard/Schilling (Hg.), Konfessionalisierung, 1995, 242 – 257, hier 244 sowie Deventer, Konversion, in: Aschkenas 15, 2005, 257 – 270, hier 259.

Konversionen zum Katholizismus

der Konversion in den visitierten Pfarreien. Die sensibilisierte Wahrnehmung der Visitatoren führte wiederum dazu, dass Konversionen in den Visitationsberichten verstärkt verzeichnet wurden, was im Umkehrschluss nicht bedeuten muss, dass sie am Anfang des 17. Jahrhunderts de facto weniger häufig waren bzw. im Verlauf des 17. Jahrhunderts zunahmen.232 Vergleichbar lässt sich im Fall der Grafschaft Baden argumentieren. Die mit aller Vorsicht gemachten Aussagen über die Konversionsraten lassen auch hier eine Zunahme im 17. Jahrhundert erkennen.233 Dennoch muss dies nicht bedeuten, dass Glaubenswechsel zum Katholizismus de facto zunahmen, lediglich die Versuche Zürichs, die katholischen Konversionsabsichten in der politischen Praxis als widerrechtlich zu markieren, wurden intensiviert und waren deutlich aggressiver, als dies noch im 16. Jahrhundert der Fall gewesen war. Damit wurden mehr Konversionsfälle zum Katholizismus zum politischen Geschäft auf der eidgenössischen Tagsatzung erhoben, die andernfalls nicht aktenkundig geworden wären, da es sich um Glaubenswechsel handelte, die landfriedenskonform waren. Darüber hinaus nahmen Konversionen einen unterschiedlich großen Stellenwert im Selbstverständnis der Konfessionen ein, was sich im Quellenmaterial wie auch in der Forschungssituation widerspiegelt.234 Da die Konversionsthematik sich aus unterschiedlichen Gründen einer verlässlichen quantitativen Analyse entzieht, stütze ich mich im Folgenden auf einige Pfarrberichte aus der Grafschaft Baden und greife das auf, was evident erscheint: die Konversionsrhetorik über den „abfall“ der Gemeindemitglieder und, damit verbunden, die Konversionsmethoden der katholischen Funktionsträger in der Grafschaft Baden. Dieser Abschnitt nimmt eine deutlich andere Perspektive ein als der erste Teil des Kapitels. Es stehen nicht länger die Handlungsoptionen der Konvertiten und der Glaubenswechsel als emotionales Narrativ im Zentrum. Im Folgenden werden Glaubenswechsel angesichts des einseitigen Konversionsrechts in den Gemeinen Herrschaften als Handlungsfelder eidgenössischer Konfessionspolitik thematisiert.

232 Volkland, Konfession, 2005, 168 – 169. Daher zieht sie zusätzlich Pfarrberichte mit heran. 233 Vgl. die kurze Diskussion der Konversionsraten auf den einleitenden Seiten in diesem Kapitel. 234 Deventer, Konversion, in: Aschkenas 15, 2005, 257 – 270, hier 259 – 261 sowie Mennecke-­ Haustein, Konversionen, in: Reinhard/Schilling (Hg.), Konfessionalisierung, 1995, 242 – 257, hier 243, Anm. 6. Die Autorin schreibt, dass Konversionen zum Katholizismus, die Gegenstand ihrer Untersuchung sind, „gegenüber denjenigen zum Protestantismus ein eigenes, qualitativ und quantitativ überwiegendes Phänomen [sind], in dem so etwas wie die ,Signatur‘ eines Zeitalters sichtbar wird.“

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5.3.1 Die Rhetorik des „abfalls“ und die Praktiken der Konversion Im September 1623 erreichte ein Schreiben des Pfarrers Hans Rudolf Stucki den Bürgermeister von Zürich. In diesem Schriftstück klagte Stucki über Praktiken des „abfalls“, wie sie die Wettingischen Beamten, also der Priester, der Amman und der Steuermeister praktizierten, um die reformierten Gläubigen von Dietikon „von der waren religion abwendig vnd fellig“ zu machen.235 Ungefähr zum Zeitpunkt des Schreibens lebten in der Pfarrei Dietikon mit Urdorf 925 reformierte Personen in 154 Haushalten.236 Dietikon war damit eines der wenigen Dörfer der Grafschaft Baden, das im 17. Jahrhundert mehrheitlich reformiert war. Während die Zürcher mit Argusaugen über die demographische Entwicklung der reformierten Untertanen wachten und seit Beginn des 17. Jahrhunderts detaillierte Bevölkerungsverzeichnisse durch die reformierten Pfarrherrn erstellen ließen, in denen auch der quantitative Zustand der reformierten Gemeinden erfasst wurde, sind vergleichbar differenzierte Quellen für die katholischen Gemeinden nicht verfügbar.237 Hier zeigt sich nicht nur die Überlegenheit der protestantischen Registrierung gegenüber der katholischen, auf die schon früh Susanne Dreyer-­Roos, Peter Zschunke und Étienne François aufmerksam gemacht haben.238 Die unterschiedliche Überlieferung zeugt „gerade in ihrer Verschiedenartigkeit bereits von der Existenz eines Konfessionsunterschieds“, wie François konstatierte.239 Dieser Konfessionsunterschied erwuchs in den Gemeinen Herrschaften der Eidgenossenschaft in erster Linie aus den rechtlichen Bedingungen der Koexistenz, wie sie der Landfrieden formulierte, sowie den Möglichkeiten, die sich daraus für eine aktive katholische Konversionspolitik ergaben. Der eingangs erwähnte Pfarrer Stucki beschwerte sich in einem Schreiben über die unlauteren Methoden, mit denen reformierte 235 StAZH E I 30.27, 13. September 1623, coram senatu. 2 36 Die Zahlen stammen aus dem Jahr 1634, vgl. Anhang 1: Reformierte Untertanen in der Grafschaft Baden. Über die katholische Bevölkerung der Grafschaft Baden liegen keine verlässlichen Zahlen vor. 237 Die Zürcher Bevölkerungsverzeichnisse („Cataloghi“, „Gmeind-­Rödel“) wurden auf Veranlassung von Johann Jakob Breitinger (1575 – 1645), Antistes der Zürcher Kirche, erstellt. Sie dienten der effizienteren Erfassung der Katechumenen in Zürich Stadt und auf der Zürcher Landschaft; in diesem Sinne rief die „Ordnung der Dieneren der Kilchen in Statt und uff der Landschafft Zürich“ vom 3. Mai 1628 die der Zürcher Synode unterstellten Pfarrer dazu auf, „alle jahr und eines jeden besonder, in ein ordentliche Verzeichnuß [zu] bringen die Namen aller Hußvätteren, Kinden und Diensten, damit er wüsse die Zahl aller vertrauwten Seelen“, StAZH, Findbuch, E II 700, 3. 238 Dreyer-­Roos, population, 1969, 13; Zschunke, Konfession, 1984, 6 sowie François, Grenze, 1991, 37. 239 François, Grenze, 1991, 33.

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Untertanen zum Glaubenswechsel angereizt würden. Stucki warf den katholischen Funktionsträgern vor, die reformierten Zuhörer durch stetiges aniochen, vnableßliches anhalten, durch überylung bym trunck, durch verheißung großer guttäten, verlyhung des zehndes, nachlaßung vnd milderung der schulden, vorhaltung gegenwertiger gefahren, durch verkleinerung und verlümbdung vnser hochehrenden altfordern vnd vorfahren im kilchen dienst, vnd vil andere derglychen mittel […] welche so vil verfahren mögen byetlichen myner zuhöreren, das sy vngeacht aller treüws, warheit, Euangelismus, glaubens, auch vilfaltigen mir gethanen versprechens von dem waren Gottesdienst, zu dem Lychtfertigen götzendiesnt abgetretten sind.240

Das Schreiben des reformierten Pfarrers thematisierte Glaubensübertritte im 17. Jahrhundert als Resultate intensiver katholischer Überredungsversuche, die unter anderem auch im Wirtshaus stattfanden („überylung bym trunck“). Diese Angebote, zum Katholizismus zu konvertieren, bestachen das reformierte Gegenüber nicht mit den theologischen Lehrmeinungen der katholischen Kirche, sondern sie bezogen ihre argumentative Kraft überwiegend aus einem lebensweltlichen Kontext: Sie versprachen den reformierten Untertanen finanzielle Erleichterung und andere Vorteile („verheißung großer guttäten“), sobald diese ihren Glauben wechselten. Hans Rudolf Stucki zufolge hatten die überwiegenden Konversionsmotive seiner Gemeindemitglieder nichts mit religiöser Introspektion und theologischer Überzeugung zu tun, sondern resultierten aus einer materiellen Vorteilslogik. Er ging in seinem Bericht sogar so weit zu behaupten, das religiöse Gewissen der Konvertiten habe sich nicht gewandelt, nur ihr konfessionelles Bekenntnis („das sy vngeachtet aller treüws, […] glaubens […] von dem waren Gottesdienst, zu dem Lychtfertigen götzendienst abgetretten sind“). Dementsprechend erkannte der reformierte Geistliche eine Differenz zwischen Innen und Außen, Glauben und Bekenntnis, die ursächlich mit einer Konversion zum Katholizismus zusammenhänge. Stucki war seinem Bericht zufolge nicht untätig gewesen, sondern hatte sich bei dem Abt des Klosters Wettingen, seinem Gerichts- und Lehnsherrn, über die Praktiken der Konversion im Beisein des katholischen Priesters von Dietikon beschwert. Stuckis Klagen führten seinem Schreiben zufolge allerdings nicht zur Besserung der Situation, sondern verschärften diese noch. Grund allen Übels war Stuckis Schreiben gemäß wiederum der Messpriester, der

240 StAZH E I 30.27, 13. September 1623, coram senatu.

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auch vff der gaßen offentlich, glych wan man zum pabstumb, wie in einen offenlichen freien kriegs- oder Veldzug vmbgschlagen hette, myne erschrockene, von vilen zyten har vngeründte, vnwüßende vnnd zu allem bösen vnd lychtfertickeit sich neigendt Zuhörer anfallend, anstastend, vffwiglend, mit verheißung guldner bergen vnd treüwung großer vngnaden, nit weniger dan di Capuciner […] betrübend, verwirrend, vnrüwig machend, etwan einen gar vnder das Leidige pabschiche Götzenioch zwingend vnd trengend.241

Mit religiöser Bekehrung, so Stucki, hatten die Praktiken der Konversion in Dietikon nichts mehr zu tun, im Gegenteil würde der katholische Geistliche seinen größeren Wissensstand den Laien gegenüber für seine unlauteren Konversionsmethoden einsetzen. Stuckis Wortwahl evoziert ein geradezu gewalttätiges Bild der Konversionsmethoden des katholischen Priesters und erzeugt den Eindruck, bei dessen Vorgehen handle es sich um einen kriegerischen Feldzug und nicht um einzelne Versuche, reformierte Gläubige zu bekehren. Die „schändlichen, schandlichen, vnfridlichen, vnnachburliche[n]“ Konversionspraktiken des katholischen Geistlichen hatten Stucki zufolge auch den sozialen Frieden im bikonfessionellen Dorf gefährdet. Damit bezeugt der Bericht auch die Hilflosigkeit des reformierten Geistlichen angesichts der strukturellen Vorteile, die der Landfrieden dem katholischen Pfarrer einräumte. Dieser Eindruck wird dadurch erhärtet, dass die katholischen regierenden Orte und der Abt des Klosters Wettingen Stuckis Beschwerden nicht nachgegangen waren. Stucki adressierte die katholischen Eidgenossen deshalb als seinen „Widerpart“ und brachte damit eine negative Wahrnehmung der katholischen Obrigkeit zum Ausdruck, die durch seine konfessionelle Zugehörigkeit geprägt war. Stucki wandte sich daher an die reformierten Herren in Zürich und bat sie, seinen eigenen Frieden sowie die Ruhe in der Gemeinde wiederherzustellen.242 Dieses Schreiben Stuckis wurde in Zürich coram senatu debattiert. Rat und Senat beschlossen, den Examinatorenkonvent in dieser Sache zu konsultieren.243 Als Kirchenrat des reformierten Stadtstaats Zürich kam dem Examinatorenkonvent keine obrigkeitliche Befugnis in den Gemeinen Herrschaften zu. Allerdings konnte er der politischen Elite in konfessionellen Streitfragen beratend zur Seite stehen. Das Gutachten der Examinatoren samt den Verordneten zur Lehr lag am 25. September 1623 vor. Nach der angemessenen Begrüßung und der Rekapitulation dessen, was zur Begutachtung stand, formulierte das Gutachten drei

241 Ebenda. 242 Ebenda: „mir vnd meiner bideren gmeind wierderumb zu ruwen helffen“. 243 Ebenda.

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Änderungsvorschläge. Erstens wurde zu einer personellen Konsequenz geraten. Obwohl Hans Rudolf Stucki bescheinigt wurde, ein „frommer, gflissner vnd gleerter“ Mann zu sein, der „an der abfallenden personen vnheil nit schuldig ist“, solle Stucki bei gegebenem Anlass „mit ehren vnd fugen“ aus dem Dienst entlassen und ein neuer Kandidat für die Pfarrstelle benannt werden.244 Zweitens hielten die Herren Examinatoren ein Gespräch mit dem Abt von Wettingen für notwendig, damit „der vnfriedliche Priester zu dietickon synes vngebürlichen wäsens ab, und zur haltung des Landfriedens gewiesen wurde“.245 Und drittens rieten die Examinatoren, für eine „komliche b[e]hußung“ für den reformierten Geistlichen in Dietikon Sorge zu tragen. Seit die Tagsatzung kurz nach Friedensschluss am 29. Januar 1532 mit katholischer Mehrheit beschlossen hatte, dass in den bikonfessionellen Gemeinden, in denen beide Geistliche das Pfarrhaus für sich beanspruchten, dieses dem katholischen Priester zustehe, residierte der reformierte Pfarrer von Dietikon im benachbarten Zürich.246 Dies sollte auf Vorschlag des Examinatorenkonvents geändert werden. Die Examinatoren begegneten damit der Konversionsgefahr reformierter Untertanen in der Gemeinde Dietikon, indem sie den Reformierten vor Ort größeren Beistand durch einen neuen – tatkräftigeren? – Geistlichen wünschten, der zudem durch seine permanente Anwesenheit Präsenz markieren und angesichts der aggressiven Konversionsmethoden des katholischen Geistlichen die Festigkeit im Glauben symbolisieren sollte.247 Das Vorgehen des katholischen Geistlichen beurteilten die Theologen als Landfriedensbruch – doch was tat der katholische Gottesmann, was dieser Vertrag verbot? Der Versuch, reformierte Untertanen zum Übertritt zum Katholizismus zu überreden, war an sich nicht strafbar und das Konversionsrecht zum katholischen Glauben im Friedensvertrag festgelegt. Da sich das Gutachten der Examinatoren in diesem Punkt bedeckt hält, kann nur gemutmaßt werden, dass hiermit die Praktiken der Konversion 244 Ebenda. 245 Ebenda. 246 EA 4 1/b, Nr. 679, 1276, Tag in Baden, 29. Januar 1532 sowie Höchle, Geschichte, 1907, 179. Zum Anspruch der Katholiken auf das Pfarrhaus Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 176. Die Streitigkeiten um das Pfarrhaus sind ausführlicher diskutiert in Kap. 3: Parität durch Konflikt. Zur Frage wo die Pfarrer von Dietikon wohnten vgl. Bugmann, Zürich, 1949, 97. 247 Die Examinatoren formulieren wie folgt: „[…] durch was allerley vngebürliche mittel vnd weg man vnderstaht die Evangelischen lüt zu Dietikon von der Religion abfellig zumachen vnd darnebent auch verstanden, dass die kilchgnossen zu iezigem ihrem Predicanten (glychwol ohne syn schuld) keinen sonderen willen tragen söllind, vnd also vff dem gegentheil desto mehr anlaaß genommen werde den biderben lüten dsto stärker zuzesezen“. StAZH E II 10, fol. 108v.

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selbst gemeint waren. Im Gutachten werden sie in Zusammenhang mit der Natur des Geistlichen gebracht, seinem „vnfriedlich[en]“ und „vngebürlichen wäsens“.248 Semantisch wird damit angedeutet, dass sich der Landfriedensverstoß auf die unfriedlichen Methoden und generell auf die Unruhe bezog, für die der katholische Geistliche unter den Gemeindemitgliedern sorgte. Der Erhalt der sozialen Ordnung und des dörflichen Friedens in der religiösen Koexistenz waren politisch-­moralische Werte, denen sich die reformierten und katholischen Orte gemeinsam verschrieben hatten und die die Theologen Zürichs durch das Vorgehen des katholischen Geistlichen gefährdet sahen. Der Zürcher Rat folgte in zwei wesentlichen Punkten dem Gutachten seiner Examinatoren. Zunächst entsandte er den reformierten Landvogt Escher zum Gespräch nach Wettingen, um mit dem Abt über den katholischen Priester zu reden, der im Dorf für Unruhe sorgte. Zugleich wurden Verhandlungen in Gang gesetzt, um für eine Behausung der reformierten Geistlichen in Dietikon/ Urdorf zu sorgen. Wenn auch unklar ist, was das Gespräch mit dem Abt von Wettingen bezüglich der Konversionspraktiken des katholischen Priesters von Dietikon ergab und was mit dem reformierten Geistlichen geschah, so hatten die Verhandlungen um ein eigenes Pfarrhaus der reformierten Geistlichen Erfolg: Es wurde 1628 in Urdorf erbaut.249 Bei aller Vorsicht vor Verallgemeinerung legt die Diskussion über die Praktiken der Konversion in Dietikon drei Aspekte nahe, die im Kontext des Konver­ sionsgeschehens in der Grafschaft Baden evident wurden – zwei davon als direkte Folgen des Zweiten Landfriedens: Reformierte Untertanen der Gemeinen Herrschaften konnten ihren Glauben wechseln, ohne deswegen ihr Hab und Gut zu verlieren und das Territorium verlassen zu müssen. In der Grafschaft Baden bedeutete eine Konversion zum katholischen Glauben einen weitaus geringeren biographischen Einschnitt als eine Konversion zum Protestantismus, ein Aspekt, der in Arbeiten zur Konversionspraxis in den Gemeinen Herrschaften bislang nicht thematisiert wurde, da die Einschränkungen, nicht aber die rechtlichen Möglichkeiten im Vordergrund stehen.250 Eine akteurszentrierte Perspektive hingegen bringt die Handlungsspielräume zur Geltung, die sich für reformierte Untertanen aus dem Konversionsrecht ergaben.

2 48 StAZH E I 30.27, 25. September 1623. 249 Bugmann, Zürich, 1949, 98. 2 50 So wurde konstatiert, dass sich lediglich das katholische, nicht aber das reformierte Bekenntnis weiter ausbreiten konnte, ohne den Handlungsspielraum zu reflektieren, der das Konversionsrecht reformierten Gläubigen einräumte, vgl. Volkland, Konfession, 2005, 32 sowie, vergleichbar Bock, Konversionen, 2009, 44.

Konversionen zum Katholizismus

Zweitens zeigt die Diskussion zur Konversionspraxis in Dietikon, wie wichtig Geistliche vor Ort waren. In diesem Punkt bestand eine strukturelle Benachteiligung der reformierten Gläubigen durch den Zweiten Landfrieden, da in den bikonfessionellen Gemeinden dem katholischen Geistlichen das Pfarrhaus zugesprochen worden war. Reformierte Seelsorger waren in diesen Gemeinden nicht permanent anwesend, kamen teilweise verspätet zu ihren Gottesdiensten und mussten darauf warten, dass ihnen der katholische Gottesmann den Kirchenraum überließ, denn dieser besaß das Recht, als Erster den Gottesdienst zu halten. Während die katholischen Geistlichen in ihrer Gemeinde lebten, verließen die reformierten Pfarrer das Dorf im Anschluss an ihren seelsorgerischen Dienst. Die vor Ort anwesenden katholischen Geistlichen waren damit sehr viel unmittelbarer Teil des sozialen Dorfverbands, in dem sie lebten und arbeiteten. Der kommunikative Raum, den sie füllen konnten, beschränkte sich nicht auf den Kirchenraum, sondern sie waren auch auf den Straßen, in den Wirtshäusern und den Privathäusern der Dorfbewohner präsent. Der soziale und politische Aktionsradius, den ihre Konversionspraktiken ausfüllen konnten, war dementsprechend weitaus größer als der ihrer reformierten Kollegen. Dennoch beurteilte die Zürcher Obrigkeit ihre reformierten Geistlichen, drittens, offensichtlich auch und gerade im Kontext des Konversionsgeschehens vor Ort. Obwohl Hans Rudolf Stucki als fromm, fleißig und gelehrt galt, riet der Examinatorenkonvent dem Zürcher Rat, diese Pfarrstelle mit einem „taugenlichen“ Mann zu besetzen. Stucki galt den Examinatoren als ein Pfarrer, zu dem die Gemeindemitglieder „keinen sonderen willen tragind“, seinen Befehlen demnach nicht Folge leisteten.251 Angesichts der Konversionen zum Katholizismus zogen die reformierten Herren in Zürich ihre eigenen Schlüsse, die sich auf die Tugenden und die Fähigkeiten des reformierten Seelsorgers bezogen, mit göttlicher Unterstützung die reformierten Kirchgänger bei dem „wahren“ Glauben zu halten.252 Im Falle Stuckis kamen sie zu einem negativen Urteil.253 Da der reformierte Ort Zürich einen kausalen Zusammenhang zwischen Konversionsgeschehen und Seelsorge herstellte, betonten reformierte Geistliche aus der Grafschaft Baden in ihren Schreiben an die reformierte Obrigkeit folglich ihre seelsorgerischen Fähigkeiten. Zentraler Argumentationshintergrund war die von Zürich in seiner Predigt Der Hirt (1524) aufgenommene Metapher des Geistlichen als der eines guten Hirten, der über den rechten Glauben seiner

251 Diese Bedeutung von „willen“ findet sich im Idiotikon, Bd. 15, 1263. 252 Gugerli, Pfrund, 1988, 31 – 32 sowie Heiligensetzer, Kirchendiener, 2006, 184. 253 StAZH E II 10, fol. 108r.

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Schäflein wache.254 Die Berichte, Briefe und Beschwerden, die reformierte Geistliche nach Zürich sandten, mussten – obwohl sie das Konversionsgeschehen vor Ort als eigentliche Botschaft übermittelten – argumentativ den Eindruck erzeugen, dass Konversionen zum Katholizismus in ihrer Pfarrei keinesfalls auf die mangelnde Umsetzung dieser Ideale im Alltag zurückzuführen seien. Geistliche datierten Glaubenswechsel zum Katholizismus daher in die Amtszeit ihres Vorgängers und entwarfen sich gleichzeitig in den Schreiben an die reformierte Obrigkeit als fleißige, fromme, gehorsame und umtriebige Seelsorger, die ihre „Schäflein“ unermüdlich im rechten Glauben unterwiesen.255 Die Metapher des Geistlichen als die eines guten Hirten stellte somit hohe Erwartungen an die reformierte Geistlichkeit, die im Zusammenhang mit dem Konversionsgeschehen in der Grafschaft Baden diesen zwar einerseits einen Argumentationsspielraum in ihrer Korrespondenz mit Zürich eröffnete, sie andererseits aber auch einem erheblichen Erklärungsdruck aussetzte. 5.3.2 Konversion als Tauschgeschäft? Zum Streit um das Sigristenamt in Würenlos 1638 – 1639 In der Historiographie zu eidgenössischen Konversionsgeschichten findet sich die Idee von der konfessionellen Zugehörigkeit als einem Tauschobjekt. Gemeint ist damit die Bereitschaft von konversionswilligen Personen, ihre konfessionelle Zugehörigkeit zu ändern, um eine günstigere soziale, wirtschaftliche oder politische Position zu erreichen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Konfessionszugehörigkeit gleich einem Objekt strategisch zur sozialen Transaktion zur Verfügung stand.256 Der Glaube wird in dieser Interpretation zu einem materiellen Gut, das eingebunden in eine Transaktion zum eigentlichen Anlass des Glaubenswechsels wird. Keine religiöse Überzeugung, sondern religiöser Indifferentismus war dieser Argumentation zufolge handlungsleitend, und genau 254 Zwingli III, Nr. 30, 1 – 68. Selbstverständlich identifizierte Zwingli „die katholischen Amtsträger mit dem ,falschen‘ Hirten“. Gäbler, Zwingli, 2014, 81. 255 Beispielhaft ist der Fall des Geistlichen Hans Lux Wydler aus Tegerfelden, der in seinen Schreiben an Zürich versicherte, „allen flys, müw, vnndt arbeit anzuwenden, domit dz wort Gots erhaltten vnd die scheffly christi rächt vnndt wol geweidt werdind, domit sy by der reinen vnd gsunden leer des H. Evangely ston verbliben mögindt“, StAZH A. 238.1, 21. März 1605. Zu Wydler vgl. HBLS, Bd. 7, 1934, 604 sowie Dejung/Wuhrmann, Pfarrerbuch, 1953, 641. 256 Vgl. Hodler, Konversionen, in: Schmidt/Holenstein/Würgler (Hg.), Gemeinde, 1998, 281 – 291, hier 291. In diesem Sinne auch Volkland, Konfession, in: von Greyerz/ Jakubowski-­Tiessen/Kaufmann/Lehmann (Hg.), Interkonfessionalität, 2003, 91 – 104. Mit dem Begriff der Transaktion strukturiert Pfister, Konfessionskonflikte, in: SZRKG 101, 2007, 257 – 311, hier 270 – 273, seine Ausführungen zu Konversionen.

Konversionen zum Katholizismus

hier liegt die Motivproblematik. Implizit wird mit dieser Argumentation ein Gegensatz konstruiert: Wer nach einer besseren sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Position strebte, konnte nicht fromm sein. Wer indes fromm war, versuchte gar nicht erst, seine aktuelle Situation zu verbessern.257 Dieses Interpretament soll im Folgenden anhand der zeitgenössischen Konversionspraxis zwar nicht gänzlich verworfen, aber doch problematisiert werden. Denn in einer quellenkritischen Perspektive ist auffällig, dass der Vorwurf, die Konfession als Tauschobjekt eingesetzt zu haben, im bikonfessionellen Dorfverband und dort einzig in der zeitgenössischen Fremdwahrnehmung entwickelt wurde. Glaubenswechsel sollten selbstverständlich im Verständnis der katholischen und reformierten Kirche einer theologischen Überzeugung und nicht materiellen oder sozialen Erwägungen entspringen, worin der Grund dafür zu suchen ist, weshalb Enthüllungen dieser Art nicht zum Repertoire an Selbstaussagen von Konvertiten zählten. Dennoch schlage ich vor, eine zeitgenössische Perspektive einzunehmen und neben den Auswirkungen, die eine Konversion für das konfessionelle Beziehungsgefüge im Dorf hatte, die gesellschaftlichen Zuschreibungsverfahren zu rekonstruieren. Dem Bericht des katholischen Pfarrvikars Bernhard Keller zufolge wurde der Stein ins Rollen gebracht, als der Würenloser Sigrist Matthias Ernst im Winter 1637 verstarb. Nach seinem Tod hinterließ er mehrere Waisen, drei davon so jung, dass sie noch nicht für sich selbst Sorge tragen konnten.258 Das Sigristenamt wurde in Würenlos wie auch in anderen bikonfessionellen Dorfgemeinschaften der Grafschaft Baden seit der Reformation mit einem Mann katholischen Glaubens besetzt – Ausnahme war Birmenstorf, wo es einen reformierten und katholischen Kirchendiener gab. Der katholische Sigrist stand dem katholischen Priester und dem reformierten Pfarrer gleichermaßen bei ihren Gottesdiensten zur Verfügung. Damit läutete ein katholischer Kirchendiener die Glocken, um den Beginn des reformierten Gottesdienstes anzuzeigen – eine konfessionsspezifische Besonderheit, die wie viele andere aus der katholischen Auslegung des Zweiten Landfriedens von 1531 resultierte. Als Nachfolger des verstorbenen Sigristen Matthias Ernst kam somit nur ein Katholik in Frage. Der Pfarrvikar Keller setzte sich jedoch für einen reformierten Mann namens Rudolf Rott ein, da dieser bei seiner Berufung auf das Amt die 257 Problematisch in diesem Sinne Winkelbauer, Karrieristen, in: Frühneuzeit-­Info 10, 1999, 9 – 20. 258 Dies ist derselbe Bernhard Keller, der den Bericht über die unautorisierte Taufsteineinsetzung verfasste, der in Kap. 6: Kommunikation über Räume, Erwähnung findet. Der hier diskutierte Bericht ist zu finden in StAAG AA 2829/11, Bericht der erwöllung des Catholischen und Luterischen Sigristen in Würenlos, 1638, hier fol. 1r.

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Waisen seines Vorgängers Matthias Ernst versorgen wollte. Zuvor musste Rott jedoch den katholischen Glauben annehmen. Gemeinsam mit seiner Familie begab er sich in das Kapuzinerkloster nach Baden. Dort beichteten er und seine Familie, die am 4. Juni 1638 das katholische Glaubensbekenntnis ablegten.259 Ein Kapuziner namens Johannes soll der Familie Rott ein Empfehlungsschreiben für den Abt von Wettingen mit auf den Weg gegeben haben, in dem er Rott für das Sigristenamt empfahl.260 Dieser Glaubenswechsel, der die Aussichten auf das Amt des Kirchendieners erst ermöglichte, rief Skeptiker auf den Plan. Ein Schreiben eines reformierten Mannes aus Würenlos vom Dezember 1638 formulierte den Gedanken, für dessen Glaubenswechsel seien unreligiöse Motive handlungsleitend gewesen, und die Familie Rott sei „vmb des Sigristen Diensts willen vom Evangelio abgeträtten“.261 Keller wiederum bemühte sich in seinem Bericht über die Erwählung des Sigristen, den Eindruck zu zerstreuen, hier sei die konfessionelle Zugehörigkeit gegen ein Amt in der Kirche eingetauscht worden. Der Konversionswunsch der Familie Rott bestand laut Keller bereits seit etlichen Jahren und hätte sich mit der Aussicht auf das Sigristenamt konkretisiert. In Kellers Bericht wird auch die Selbstsicht der Familie adressiert. Rotts Frau hatte offenbar andere Konversionswillige des Dorfes beschuldigt, diese würden einen Glaubenswechsel allein aus materiellen Erwägungen in Betracht ziehen. Ihre eigene Familie sprach sie allerdings von solcherlei unlauteren Motiven frei: Sie „wollen catholisch werden für sich selbsten, des einkommens aber vnd des Ampts begären sie“.262 Rotts Ehefrau begründete den Glaubenswechsel nicht kausal mit dem Amt des Kirchendieners, sondern er wurde in einen additiven Zusammenhang gebracht.263 Damit bestritten der katholische Pfarrgeistliche und die Familie Rott einerseits, dass ihre Konversion eine Transaktion gewesen sei.

259 Konversionen in Kapuzinerklöstern scheinen keine Seltenheit gewesen zu sein, vgl. Mayer, Kapuzinerprovinz, in: Bruckner (Hg.), Franziskusorden, 1974, 33 – 119, hier 44. 260 StAZH E I 30.90, Bericht vom Sigrist, Dezember 1638 sowie StAAG AA 2829/11, Bericht der erwöllung des Catholischen und Luterischen Sigristen in Würenlos, 1638, fol. 1v. 261 StAZH E I 30.90, Bericht vom Sigrist, Dezember 1638. 262 Während andere „begären catholisch zewerdn nur um des gutts willen“, StAAG AA 2829/11, Bericht der erwöllung des Catholischen und Luterischen Sigristen in Würenlos, 1638, fol. 1r. 263 Die Ehefrau von Rudolf Rott soll gesagt haben, „sie könten ietz also ohne einredt catholisch werden, weilen auch andere Euangelische sich verlauten lassen, wann mann inen dz Messmer ampt anhendigte, wollten sie Catholisch werden“. StAAG AA 2829/11, Bericht der erwöllung des Catholischen und Luterischen Sigristen in Würenlos, 1638, fol. 1r.

Konversionen zum Katholizismus

Andererseits wiesen sie in einer konfessionellen Fremdsicht auf eine derartige Praxis im 17. Jahrhundert hin. Sind die Konversionsmotive auch in diesem Beispiel nicht zweifelsfrei zu ermitteln, so bezeugen die weiteren Ereignisse, dass die Vergabe des Sigristen­ amtes an einen Gläubigen, dem unlautere Konversionsmotive unterstellt wurden, zu Unmut und Protest unter den Dorfbewohnern führte. Besonders die reformierte Kirchengemeinde und ihr Geistlicher Felix Tobler taten sich mit dem neuen katholischen Kirchendiener schwer. Der reformierte Pfarrer ­Tobler ließ dem neuberufenen Kirchdiener ausrichten, er solle nicht zum Gottesdienst läuten, sondern heimgehen, bis der „gspan des Sigristen“ geklärt sei.264 Rott läutete dennoch zum Gottesdienst und weigerte sich, der Anordnung des Pfarrers nachzukommen und das Kirchengebäude zu verlassen. Die anwesende evangelische Kirchengemeinde kam zu dem Schluss, „wan dieser apostata nit abträtten wölle, so wöllend sy heim, vnd nit by der Predig blyben, dan sy in nit würdig achtind, dz er vnß abwarten sölle; seige er von vns, so sölle er von vns blyben“.265 Für die reformierte Gemeinde bestand die Unmöglichkeit der Situation gerade darin, dass ein ehemaliger Konfessionsangehöriger mit seinem Glaubenswechsel ihre Gemeinschaft verlassen hatte, und dennoch den Gottesdienst der reformierten Dorfbewohner zu begleiten gedachte. Tobler und seine Kirchengemeinde verließen daher das Gotteshaus. An diesem Tag wurde keine Predigt gehalten. Und auch an den nächsten Predigttagen weigerte sich die reformierte Kirchengemeinde, ihr Gotteshaus zu betreten. Eher gedachten sie, der reformierten Predigt im nahegelegenen Otelfingen zu folgen (wo der reformierte Pfarrgeistliche aus Würenlos wohnte), als sich von einem konvertierten Sigristen die Kirchentür aufsperren und den Beginn des Gottes­dienstes durch das Läuten der Kirchenglocken anzeigen zu lassen.266 Ob es in diesem Kontext auch zu den Beschimpfungen und „tratzworten“ gekommen war, von denen in einer Relation wegen des spenningen Sigristen berichtet wird, ist nicht mehr zu klären.267 Fest steht – und dies ist eine deutlich negative Reaktion auf die Ernennung eines Konvertiten zum Sigristen –, dass die 264 StAZH E I 30.90, Schreiben Felix Toblers an den Pfarrherrn Jakob Breitinger im Großmünster in Zürich, 14. Juni 1638. 265 Ebenda. Dieses Ereignis referiert ebenfalls der katholische Pfarrvikar Keller, vgl. StAAG AA 2829/11, Bericht der erwöllung des Catholischen und Luterischen Sigristen in Würenlos, 1638, fol. 2v. 266 StAZH E I 30.90, 14. Juni 1638, fol. 43r. 267 „Sonder dass derselbig vnd syn gsind Sy die Euang. Kilchgnossen Inn vil wyß vnd weg beschimpft, tratzet vnd an Irem Gottsdienst mutwillig gehinderet“. StAZH E I 30.90, Relation wegen des spennigen Sigristen zu Würenlos, 1638/39.

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Besetzung des Sigristenamtes mit einem Mann, der zum katholischen Glauben konvertiert war, das Zusammenleben der Konfessionen und somit den dörflichen Frieden in erheblichem Maße beeinträchtigte.268 Die reformierte Kirchengemeinde beschwerte sich dementsprechend, „das sy einen, der von ihrer religion abgetretten zu einem Sigristen haben sollten, als von wellichem Ihnen sowol In Zyt Ihres wehrenden Gotsdienstes als vsserhalb desselben allerhand widerdrieß begegnet“.269 Die zeitgenössischen Implikationen, die mit einem Glaubenswechsel verbunden waren, schränkten die potentielle Ämterwahl von Konvertiten ein, zumal wenn es sich um ein Amt in der Kirche handelte. Diese Konstellation, ein zum katholischen Glauben konvertierter Kirchendiener, der dem reformierten Gottesmann zur Seite stand, irritierte auch den reformierten Geistlichen Tobler. Nach einem Gottesdienst schickte Tobler daher die katho­ lischen Bauern aus der Kirche, die wegen einer Eheschließung am evangelischen Gottesdienst teilgenommen hatten. Die verbleibenden reformierten Kirchgänger wurden zur Wahl eines reformierten Siegristen angestiftet, eine Tat, die nicht nur Unmut artikulierte, sondern zudem die kirchlichen Herrschaftsrechte ignorierte.270 Ein reformierter Kirchendiener wurde offenbar an diesem Tag gewählt, ohne dass Genaueres über ihn überliefert wäre. Der Pfarrvikar Keller informierte daraufhin den Abt von Wettingen über die jüngsten Ereignisse in der Pfarrei. Dieser war erwartungsgemäß empört, da diese unautorisierte Wahl eine „große schmach vnd vnbill eines dieners gägen seinem herren“ sei. Abt und Konventsälteste beschlossen daraufhin, alle Dorfbewohner, die bei der Wahl des reformierten Sigristen zugegen gewesen waren, dem katholischen Landvogt anzuzeigen.271 Was seit der Reformation offensichtlich überwiegend reibungslos funktioniert hatte – ein katholischer Sigrist, der beiden Geistlichen bei ihren Gottesdiensten zur Hand ging –, generierte seit 1638 Unfrieden zwischen den katholischen und reformierten Dorfbewohnern, da ein ehemals reformierter Mann zum katholischen Kirchendiener ernannt worden war. Rott, der ein bislang unbescholtenes

268 Auch die Mutter Rott, die ebenfalls konvertiert war, soll Mitglieder der reformierten Kirchengemeinde beschimpft haben, als diese den Schlüssel zur Kirche begehrten, vgl. StAZH E I 30.90, Schreiben des Pfarrherrn Felix Tobler an den Bürgermeister zu Zürich, 3. Dezember 1638 sowie StAZH E I 30.90, Schreiben des Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich an den Abt von Wettingen, 18. Januar 1639. 269 Vgl. StAZH E I 30.90, Schreiben des Abt von Wettingen, 1639. 270 StAZH E I 30.90, Bericht vom Sigrist, Dezember 1638 sowie Witschi, Ortsgeschichte, 1984, 231. 271 StAAG AA 2829/11, Bericht der erwöllung des Catholischen und Luterischen Sigristen in Würenlos, 1638, fol. 2r.

Konversionen zum Katholizismus

und redliches Leben geführt hatte, wurde von den Dorfbewohnern wegen seines Glaubenswechsels bedrängt.272 Keller befürchtete daher, dass Rott – im Glauben noch „zart“ – unter dem Druck der Reformierten „kleinmüetig wird, gedenckend diß vnheil sie im widerfaren, weil er sein Religion geenderet“.273 Gerade weil die Konversion mit einem Amt im Dorf verbunden war, veränderte sie auch das dörfliche und konfessionelle Beziehungsgefüge erheblich und produzierte Missmut und Protestbezeugungen.274 Insofern war Rotts Konversion keine Privatsache, sondern eine öffentliche Angelegenheit, die im Dorf, aber auch in der Grafschaft Baden sowie von den eidgenösssischen Regenten diskutiert und kommentiert wurde. Diese eidgenössische Dimension, die der Streit um das Amt des Kirchendieners in Würenlos generierte, wird im Folgenden in verdichteter Form geschildert. Das eidgenössische Kommunikationsvorkommen war derartig intensiv und langwierig, so dass ich mich darauf beschränke, die kommunikativen Austauschprozesse unter den Akteuren unterschiedlicher Konfession mit Blick auf die politischen Strategien und die etablierten Verfahrenswege in der Alten Eidgenossenschaft zu analysieren. Die politischen Verfahrenswege hatten sich in der Mitte des 17. Jahrhunderts bereits so weit etabliert, dass mit den Wegen, die die politische Kommunikation nahm, auch die Strategien der reformierten Mitregenten bekannt waren – die katholischen Eidgenossen mussten sich der Tatsache bewusst sein, dass Rat und Bürgermeister Zürichs permanent versuchten, sie aus den kommunikativen Netzwerken auszuschließen und eine Kommunikation mit den Funktionsträgern vor Ort favorisierten. Dies hatte aus der Sicht Zürichs den Vorteil, dass die vertikale Kommunikation im Unterschied zu der horizontalen hierarchisch strukturiert war und die katholischen Gesprächspartnern zudem nicht auf eidgenössische Mehrheiten pochen konnten, da sie – wie der Abt von Wettingen – nicht zu den eidgenössischen Regenten der Grafschaft Baden zählten. Die Durchsetzung lokaler Herrschaftsinteressen war in einer vertikalen Kommunikationssituation erfolgversprechender.

272 Keller berichtete, er „müendt sie ann im den catholischen glouben schelten, den er angenommen“. StAAG AA 2829/11, Bericht der erwöllung des Catholischen und Luterischen Sigristen in Würenlos, 1638, fol. 4v. 273 Ebenda, fol. 5r–v. 274 Einem „bösen buben“ wurde vorgeworfen, den Glockenschwengel bzw. den Köppel in der Glocke gelockert zu haben, so dass dieser beim Läuten zum evangelischen Gottesdienst zu Fall gekommen und nur durch Gottes Hilfe niemand verletzt worden oder gar ums Leben gekommen war; StAZH E I 30.90, Schreiben des Bürgermeisters und Rat der Stadt Zürich an Abt von Wettingen und Landvogt von Baden, 16. Februar 1639.

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Kommunikation über Glaubenswechsel

Bereits im Juni 1638 nahmen Rat und Bürgermeister aus Zürich schriftlich Kontakt mit dem Abt von Wettingen auf. Zusätzlich wurde ein Gesandter beauftragt, sich persönlich nach Wettingen zu begeben. Ziel der schriftlichen und mündlichen Kommunikationsanstrengungen war die Absetzung des katholischen Sigristen. Perspektivisch setzte Zürich darauf, dass der „Span“ auf der Tagsatzung zu einer interkonfessionellen Lösung führen und ohne „wythlauffigkeit“ beigelegt werde, wenn zuvor die entscheidenden kommunikativen Weichen gestellt und die notwendigen politischen Maßnahmen ergriffen worden waren, die den lokalen Herrschaftsinteressen Zürichs entsprachen.275 Zugleich war es die politische Intention Zürichs, den 1638 eigenmächtig erwählten reformierten Sigristen zu verstetigen, ein Amt, das die katholische Seite als unautorisiert ablehnte. Wie aus einem Vertrag ersichtlich wird, den Zürich mit dem Abt von Wettingen schloss, entsprach ein reformierter Kirchendiener in der Sicht Zürichs sowohl dem Herkommen wie auch dem Landfrieden.276 Als argumentative Referenz diente Birmenstorf, da hier seit der Reformation ein Mann reformierten Glaubens als Kirchendiener amtete.277 Der Abt hatte sich auf einer Konferenz mit Abgesandten aus Zürich am 23. Dezember 1638 dem Druck der Limmatstadt gebeugt, woraufhin zunächst ein Vergleich und im März 1639 der erwähnte Vertrag aufgesetzt worden war.278Der Vertrag bedeutete einen Verhandlungserfolg der reformierten Seite, denn dieser sah eine Stelle für den reformierten Sigristen vor und klärte zudem die Frage des Einkommens.279 Des Weiteren wurde der reformierten Kirchengemeinde ein 275 StAZH E I 30.90, Concept-­Schreiben an den Abt von Wettingen vom Rat und Bürgermeister der Stadt Zürich, 15. Juni 1638. 2 76 Der Vertrag mit dem Gotteshaus Wettingen liegt mit unwesentlichen Abweichungen in mehreren Abschriften vor; ich stütze mich auf die Version in StAZH E II 308, fol. 296 – 299, hier fol. 297. 277 Es gibt kaum einen Konfliktfall der Grafschaft Baden, der vergleichbar hohe Wellen schlug wie der Birmenstorfer Sigristenstreit. Max Rudolf schätzt, dass rund 400 Quellen produziert wurden. Nachdem die Sigristenstelle im 16. Jahrhundert durchweg von einem reformierten Mann besetzt war, drängten die katholischen Birmenstorfer erst bei der Ämterbesetzung 1623 auf einen katholischen Sigristen, vgl. Rudolf, Geschichte, 1991, 176 – 187. Der Streit dauerte viele Jahre (1624 – 1629, erneut 1647 – 1648, 1649 – 1650, dann 1658) und flackerte selbst im 18. Jahrhundert (1706) wieder auf. Vgl. EA 5/2, 3, 1688 – 91, Art. 153 – 172 sowie 6/1, 3, 321, Art. 296 – 298, Art. 300 – 301 und 312; des Weiteren EA 6/2,3, 1984, Art. 414. 278 Zum Vergleich vgl. EA 5/2, 1693, Art. 190. 279 Diese Frage der Besoldung hatte zu ständigen Reibereien geführt, da der katholische Sigrist beanstandete, er hätte größere Verpflichtungen als sein reformierter Kollege. Schließlich einigte man sich darauf, dass der katholische Sigrist das Sigristengut nutzen durfte, das zwei Jucharten, Acker- und etwas Wiesland umfasste. Zudem erhielt

Konversionen zum Katholizismus

Kirchenschlüssel und ein „ghalter“, ein Behälter, zugesichert, um das Taufbecken sicher verwahren und vor Verunreinigungen durch die katholischen Dorfbewohner zu schützen. Immer wieder hatte es Klagen über unreines und trübes Taufwasser gegeben.280 Die Konversion Rotts mündete in politischen Verhandlungen zwischen Zürich und dem Abt von Wettingen, durch die auf lange Sicht die Stellung der reformierten Kirchengemeinde in Würenlos gestärkt wurde. Dieser Erfolg war dem politischen Vorgehen Zürichs geschuldet, das auf eine kommunikative Annäherung und Verhandlung der Sache mit dem Abt von Wettingen gesetzt hatte. Die politische Strategie Zürichs war damit aufgegangen und der katholische Ort Luzern kommunikativ bislang nicht in Erscheinung getreten. Der Wissens- und Informationsvorsprung, der damit verbunden war, ließ sich von Luzern nur mit einem erheblichen (Zeit-)Aufwand aufholen. Eine institutionelle Schwäche in der Verwaltungsstruktur der Grafschaft Baden – die Abwesenheit der eidgenössischen Herrschaftsträger vor Ort – war hinsichtlich des kommunikativen Handlungsspielraums von der Limmatstadt genutzt, wenn nicht gar instrumentalisiert worden. Wie der weitere Verlauf des Konfliktfalls belegt, hatte sich der Abt von Wettingen mit der interkonfessionellen Lösung, dem Vertrag, in ein unübersichtliches Handlungsfeld widerläufiger konfessioneller Herrschaftsinteressen der regierenden Orte begeben. Auf der Tagsatzung am 7./8. Juni 1639 ließ Luzern in den Abschied aufnehmen, dass der zwischen Zürich und dem Abt von Wettingen getroffene „Accord“ über die Anstellung des reformierten Sigristen nicht landfriedenskonform und „von schlimmen Consequenzen“ sei.281 Zugleich nutzte Luzern diese Konferenz, um eine Kopie des Vertrags zu erhalten,282 die der Abt von Wettingen am 13. Juni 1639 an den Schultheiß und Rat von Luzern sandte.283 er jährlich „6 viertel Kernen für die Betreuung der Kirchenuhr sowie von den katholischen Kirchgnossen Weihnachts-, Oster- und Leichnamsbrote samt Lütgarben. Darüber hinaus hatte er Anspruch auf einen Zuschuss aus dem Kirchengut“. Witschi, Ortsgeschichte, 1984, 233 sowie StAZH E II 308, fol. 297 – 298. Der reformierte Sigrist erhielt jährlich die „lütgarben“ sowie die Weihnachts-, Oster- und Leichnamsbrote der reformierten Kirchengemeinde, StAZH E II 308, fol. 297. 1713 wurde das Kirchengut geteilt, vgl. Wüthrich (Hg.), Furttal, 1994, 101. 280 So etwa in StAZH E I 30.90, Bericht vom Sigrist, Dezember 1638. Der letzte Vertragspunkt betraf die Kirchenpfleger und die Teilnahme an den Kirchenrechnungen, vgl. StAZH E II 308, fol. 289. 281 EA 5/2, 1693, Art. 193a. 282 Konferenz der sechs mit dem Bischof von Basel verbündeten Orte EA 5/2, 1693, Art. 192. 283 StAAG AA 2829/11, Abt des Klosters Wettingen an Schultheiß und Rat der Stadt Luzern, 13. Juni 1639.

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Angesichts des politischen Erfolgs Zürichs ließ selbst Papst Urban VIII . (1623 – 1644) den katholischen Gesandten in Baden seine Missbilligung über die paritätische Besetzung der Sigristenstellen und die Teilung des Einkommens durch seinen Nuntius aussprechen. Die katholischen Gesandten legten gegen den zwischen Zürich und dem Abt geschlossenen Vertrag „Protestation“ ein. Der Abt von Wettingen geriet unter Druck. Er rechtfertigte sein Verhalten mit der fehlenden Unterstützung durch die katholischen Orte, denn „ihm [sei] weder von Seite des Landvogts noch der Obrigkeiten auf seine Klagen Rath und Hülfe zu Theil kommen […], so dass er endlich dem Drängen Zürichs nothgedrungen habe nachgeben müssen“.284 Zürich hatte das unübersicht­ liche Kommunikationssystem Gemeine Herrschaft ein weiteres Mal für eigene politische Interessen ausgenutzt und als regierender Ort einen Vertrag mit dem katholischen Abt geschlossen, der den katholischen Herrschaftsinteressen zuwiderlief. Der apostolische Nuntius Farnese bat auf der Konferenz der katholischen Orte vom 3. bis 6. November 1639 zwar darum, dass der eingegangene Vergleich aufgehoben werde, die katholischen Stände ließen es dann aber bei einer „Protestation“ gegen den Vertrag bewenden. Von der Tagsatzung aus hatten die katholischen Gesandten in einem Schreiben an den Abt von Wettingen noch ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen, diese „Neuerung“ – damit war die reformierte Sigristenstelle gemeint – rückgängig machen zu können.285 Der Abt von Wettingen wurde von den katholischen Orten gerügt. Er solle „künftig dergleichen gefährliche Sachen besser bedenken und, ohne vorher sich des Raths erholt zu haben, nicht vornehmen“.286 Die katholischen Regenten der Grafschaft Baden forderten von dem katholischen Funktionsträger eine Loyalität den regierten Orten gegenüber, die in der konfessionellen Zugehörigkeit begründet lag – die personale Einbindung in die territoriale Verwaltung war in der Grafschaft Baden an eine reine Konfessionslogik gebunden. Wurde diese unterwandert, dann eröffneten sich auf der politischen Ebene neue Möglichkeiten lokaler Herrschaftsausübung, die interkonfessionelle Beziehungsgefüge für politische Interessen nutzbar machte. Die Konversion der Familie Rott und die Besetzung des Sigristenamtes mit einem vom reformierten Glauben „abgefallenen“ Mann hatte demnach mehrere Konsequenzen auf unterschiedlichen Ebenen: Durch die Besetzung des Amtes mit einem Konvertiten wurde der dörfliche Frieden und das Zusammenleben der Konfessionen nachhaltig gestört, da die reformierte Kirchengemeinde einen 2 84 EA 5/2, 1693, Art. 193b. 285 StAAG AA 2829/11, Gesandten der fünf katholischen Orte an den Abt des Klosters Wettingen, 5. November 1639. 286 EA 5/2, 1693 – 1694, Art. 194.

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Kirchendiener ablehnte, der seinen Glauben angeblich im Tausch gegen eine günstige soziale Position gewechselt hatte. Die zeitgenössischen Reaktionen der Dorfbewohner waren eindeutig und legen nahe, dass Konversionen, wenn sie auf sozialen, materiellen und rechtlichen Transaktionen fußten, von den ehemaligen Konfessionsgenossen nicht akzeptiert wurden – zumal wenn mit dem Tausch eine Position erlangt wurde, die dem Konvertiten als Kirchendiener eine feste Rolle im Ablauf des reformierten Gottesdienstes zusprach. Konversion schaffte in diesem Beispiel zwar eine Handlungsoption (Amt) und löste soziale Probleme (Waisen), generierte aber auch zusätzliche soziale Spannungen im Dorf, die wiederum die Ausübung des Amtes erschwerten. Insofern wurden im Zusammenhang mit der Frage nach dem Konfessionswechsel zeitgenössische Sensibilitäten erkennbar. Eine eidgenössische Dimension der umstrittenen Ämterbesetzung initiierten Rat und Bürgermeister der Stadt Zürich. Die Limmatstadt nutzte die Neubesetzung der Sigristenstelle, um die im Zweiten Landfrieden von 1531 institutionalisierte strukturelle Benachteiligung der reformierten Kirchengemeinde in einem Vertrag zu überwinden. Die direkte Kommunikation mit dem Abt von Wettingen war in diesem Fall eine erfolgversprechende Handlungsoption, da Zürich zur Realisierung eigener Herrschaftsziele nicht nur Druck auf den Wettingischen Gerichts- und Grundherrn ausübte, sondern in dieser kommunikativen Situation zugleich eine Artikulation der Herrschaftsinteressen der katholischen Mitregenten verhinderte – das Mehrheitsprinzip kam in diesem konfessionellen Streitfall nicht zur Anwendung. Bevor die katholischen Orte in diesem schwerfälligen Kommunikationssystem reagiert hatten, war der reformierte Sigrist bereits ernannt und die „Neuerung“ durch einen Vertrag legalisiert. Den katholischen Orten und dem päpstlichen Nuntius blieb nur übrig, das Vorgehen und den Vergleich zu kritisieren und nachträglich ihren Dissens angesichts der Veränderungen im liturgischen Leben des Dorfes zu formulieren. Wer nicht rechtzeitig die eigene konfessionelle Position kommunizierte, so zeigt dieses Beispiel, markierte keine Herrschaftsinteressen und verlor an politischem Einfluss. Damit war es Zürich gelungen, eine weitere reformierte Sigristenstelle in der Grafschaft Baden zu schaffen, auf die bei den folgenden religiösen Streitfällen verwiesen werden konnte. Reformierte Kirchendiener waren fortan kein politisches Verhandlungsobjekt mehr, das sich als „Neuerungen“ bzw. als Landfriedensbruch markieren ließ.

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5.4 Konfessionell gemischte Ehen und Kinderkonversionen Konfessionszugehörigkeiten veränderten nicht nur die Beziehungsgefüge im Dorf, sondern berührten in einem sehr grundlegenden Ausmaß auch die eheliche Beziehung, wenn die Verbindung aus Ehepartnern unterschiedlicher Konfession bestand. Wie weit verbreitet das Phänomen der konfessionsübergreifenden Ehe war, ist ähnlich der Frage nach den quantitativen Konversionsraten angesichts des frühneuzeitlichen Quellenmaterials kaum zu beantworten. Während einige Autoren nur eine „geringe Zahl“ bzw. einen „extrem geringe[n] Anteil“ konfessionsübergreifender Ehen für die Frühe Neuzeit attestieren,287 warten andere mit erstaunlich hohen Zahlen auf: Trotz der „multiple ambiguities built into the notion of mixed marriage“ fand Gregory Hanlon immerhin 279 „mixed couples“ im französischen Layrac, einer Stadt mit einer Bevölkerung von drei- bis viertausend Personen.288 In der Schweiz scheint der Anteil von konfessionell gemischten Ehen ebenfalls gering gewesen zu sein, ein Befund, der sich auch für das bikonfessionelle Territorium der Grafschaft Baden aufdrängt. Gesichert ist, dass Ehen zwischen reformierten und lutherischen Eheleuten häufiger waren als zwischen katholischen und reformierten bzw. zwischen katholischen und lutherischen Personen. Dieses Heiratsverhalten lässt sich mit der größeren theologischen Differenz zwischen Katholizismus und Protestantismus erklären.289 Im Folgenden steht mit der Analyse der konfessionsübergreifenden Ehe ein erst wenig beachtetes Phänomen der frühneuzeitlichen Konfessionspluralität zur Diskussion.290 In Anlehnung an gebräuchliche Definitionen bezeichnet der Begriff der konfessionsübergreifenden Ehe eine legale Verbindung zwischen reformierten, lutherischen und katholischen Eheleuten. Ehen zwischen Christen und Juden sowie zwischen Christen und Sektenmitgliedern fallen nicht

287 Zschunke, Konfession, 1984, 103 – 104. François, Grenze, 1991, 191 – 192 konstatiert, dass es in Augsburg im regionalen Vergleich mit Straßburg und Oppenheim einen „extrem geringen Anteil“ von konfessionsübergreifenden Ehen gegeben habe. Er zählt lediglich 77 gemischtkonfessionelle Paare in den Hochzeitsamtsprotokollen in einem Zeitraum von 1774 bis 1799. Auch Frauke Volkland kommt zu dem Ergebnis, dass gemischtkonfessionelle Ehen eher selten gewesen seien, vgl. dies., Konfession, 2005, 184 f. sowie dies., Grenzen, in: HA 5, 1997, 370 – 387, hier 382 f. 288 Hanlon, Confession, 1993, 105 – 107. Für Oppenheim vgl. Zschunke, Konfession, 1984, 103. 2 89 Vgl. Heller-­Karneth, Konfessionen, 1996, 223 sowie Zschunke, Konfession, 1984, 103 – 104. 290 Vgl. zu dieser Thematik jetzt die Beiträge im Band von Luebke/Lindemann (Hg.), Matches, 2014.

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unter diese Bezeichnung.291 Die Ehe zwischen Eheleuten unterschiedlicher Konfession gilt einigen Historikerinnen und Historikern als Gefahr für die „Einheit der Familie“, anderen ist sie ein Indiz für eine Kooperation über die Konfessionsgrenzen hinweg, an denen sich die Bedeutung der religiösen Toleranz im Alltag – und nicht im gelehrten Diskurs – verfolgen lässt.292 Ähnlich argumentierte auch Étienne François, der sich mit Tocqueville fragte, wie sehr Erwägungen konfessioneller Art die Wahl eines Ehepartners bestimmten, bei dem familiäre, soziale und kulturelle Gesichtspunkte entscheidender waren „als die gefühlsmäßigen Neigungen“.293 Von der frühneuzeitlichen Konversionsforschung ist bei der Analyse konfes­ sio­nell gemischter Ehen in den Gemeinen Herrschaften der Alten Eidgenossenschaft ein markantes Problem bislang nicht diskutiert worden, welches aus der strukturellen Benachteiligung katholischer Untertanen in diesen Herrschaftsgebieten resultierte: Wie schon mehrfach betont, untersagte ihnen der Zweite Landfrieden bzw. das Konversionsverständnis der katholischen regierenden Orte eine Konversion zum reformierten Glauben. Was aber geschah, wenn ein reformierter Mann eine katholische Frau ehelichte? Diese Konstellation stellte ein grundlegendes Problem dar, denn zwei gesellschaftliche Ordnungsmodelle, die zeitgenössische Geschlechterordnung und die eidgenössische Konfessionspolitik, gerieten miteinander in Konflikt. In diesem dritten Abschnitt zur Konversionspraxis und Konversionsproblematik in den Gemeinen Herrschaften soll daher untersucht werden, auf welche Art die eidgenössische Konfessionspolitik der frühneuzeitlichen Geschlechterordnung zuwiderlief und was dies für die männliche Verfügungsgewalt (patria potestas) bedeutete, die das Familienoberhaupt (pater familias) über die Haushaltsmitglieder ausübte. In diesem Unter­ kapitel tritt die kommunikationshistorische Perspektive in den Hintergrund, um die frühneuzeitliche Konversionsforschung um eine geschlechtergeschichtliche Perspektive zu bereicheren. Bevor eidgenössische Fallbeispiele dieses Problem vertiefen, wird kurz die Haltung der reformierten Theologie des 16. Jahrhunderts am Beispiel Heinrich Bullingers zu dieser Thematik rekonstruiert.294 291 Auf die Bezeichnung „Mischehe“ wird hier verzichtet, da dieser Begriff zum Vokabular des Nationalsozialismus zählt und eine Ehe zwischen einem Christen/Christin und einem Juden/Jüdin bezeichnete. 292 Die Gefahr betont Zschunke, Konfession, 1984, 104, die interkonfessionelle Ehe als Chance für Kooperation und Toleranz thematisieren Hanlon, Confession, 1993, 102 sowie Freist, Body, in: Rublack (Hg.), Gender, 2002, 275 – 304, hier 277 – 278. 293 François, Grenze, 1991, 190 – 203, hier 190. 294 Einen Überblick der wichtigsten Synodalbeschlüsse der katholischen Kirche zum connubium mixtum bei Besnard, Beitrag, in: Literaturzeitung für die katholische Geistlichkeit

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5.4.1 Heinrich Bullinger und Der christliche Ehestand (1540) Der einflussreiche Theologe und Zwingli Nachfolger Heinrich Bullinger publizierte 1540 einen Traktat mit dem Titel Der christlich Eestand. Von der Literatur- und Geschichtswissenschaft wurde dieser Text aus unterschiedlichen Perspek­tiven beleuchtet, wobei seine Äußerungen zu Eheschließungen zwischen Partnern differierenden Glaubens weitestgehend unberücksichtigt blieben.295 Bullingers Ausführungen zu diesem Phänomen sind dem vierten Kapitel seiner Schrift zu entnehmen, wo es um das „Zusammenfügen“ der christlichen Eheleute geht (Von rechtmässiger Zusammenfügung Christlicher Eeläten, 1540). Gleich zu Beginn dieses Abschnitts ermahnte Bullinger die Väter, ihre Töchter mit gläubigen Christen zu verehelichen, damit diese nicht in die Gefahr des „abfalls“ und des Verlustes der Wahrheit kämen. Unter Rückgriff auf Paulus problematisierte Bullinger, wie in einer ehelichen Verbindung zwischen einem gläubigen und einem ungläubigen Menschen eheliche Einheit und Gemeinschaft herzustellen seien. Der reformierte Theologe betonte die Differenzen, denn der „vnglöubig hanget an der vngerechtigkeit / finsternus / falsch / irr­ thumb am tüfel vnnd an der götzery“, der gläubige Mensch hingegen „liebet die gerechtigkeit / Euangelische wahrheit / das liecht / den herren / vnnd hat Gott im läbend“. Das grundsätzliche Problem formulierte Bullinger mit der Frage: „Wie wöllend nun zwey die sömlich widerwärtige gmüt vnd fürnemmen habend an einem joch ziehen?“ Denn an einem „Joch“ zu ziehen, betonte die Gemeinsamkeit und Einheit der Eheleute und „ist ein form also zereden / vnd heißt gemeinsame haben vnnd sich eelichen verwätten“.296 Mit den semantischen Gegensatzpaaren von Gerechtigkeit/Ungerechtigkeit, Licht/Finsternis, Irrtum/Wahrheit, Gott/Teufel thematisierte Bullinger nicht nur den theologischen, sondern vielmehr den lebens- und alltagsweltlichen Gegensatz eines Ehepaares, das im Glauben uneins ist. Das eheliche Joch galt Bullinger als eine Form des gemeinsamen Ehelebens, in dem die Figur der „Einheit“ zentral war. Differenzen im Glauben zerstörten die Einheit der ehelichen Gemeinschaft und führten zu Streit, Zank und ehelichem Unfrieden: „Und im läben ist ouch ein kein ruw: vnd muß entlich das glöubig mit de[m] vnglöubig in stätem stryt ston / oder es muß dem vngläubigen nachlassen / vn wid[er] Gott/ I, 1827, 371 – 384 sowie IV, 1828, 52 – 64. 295 Einen Überblick über den jüngsten Forschungsstand bei Roth, Eheschriften, in: Zwingliana 31, 2004, 275 – 309, der bemängelt, Bullingers Schrift sei nie als Ganzes analysiert worden. Er unternimmt den Versuch, den Ehetraktat Bullingers gegenüber anderen reformatorischen Eheschriften zu positionieren und in die größeren literarhistorischen Zusammenhänge einzuordnen. 296 Bullinger, Eestand, 1548, x.

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sin seel/vn[d] conscientz thun.“297 Zur Wiederherstellung der ehelichen Einheit und des ehelichen Friedens empfahl Bullinger die Konversion, auch wenn dabei die Frage der Seele und des Gewissens berührt werde.298 Damit bestand innerhalb der interreligiösen Ehe immer die Möglichkeit zu missionieren. Da das Verhältnis der Geschlechter bei Bullinger nicht nur durch Gegenseitigkeit, sondern auch durch eine klare Hierarchie geprägt war – die Frau war dem Mann untertan –, sollte die Frau dem Mann in seinem Glauben folgen.299 Die Wiederherstellung der Einheit des Glaubens und damit der Einheit der Ehe war nicht nur wegen des ehelichen Friedens zentral, sondern auch deshalb, weil eine konfessionsübergreifende Ehe zwangsläufig das Problem aufwarf, in welchem Glauben die Kinder erzogen werden sollten. Die religiöse Erziehung der Kinder hatte im Glauben des Familienvaters zu erfolgen. Mit diesem Konversionsmodell formulierte Bullinger eine Geschlechterordnung und Geschlechterhierarchie in konfessionellen Angelegenheiten, die der Frau die Konversionsleistung abverlangte und dem Ehemann das Recht der religiösen Erziehung der Kinder zusprach.300 Der reformierte Theologe Bullinger war weder mit dem geschlechtsspezifischen Konversionsmodell bei der gemischtkonfessionellen Ehe noch mit seiner ablehnenden Haltung solchen ehelichen Verbindungen gegenüber allein. Ein Großteil der lutherischen, calvinistischen und katholischen Theologen des 16. bis 18. Jahrhunderts polemisierte gegen konfessionsübergreifende Ehen, da sie Gottes Geboten widersprachen, zu Unfrieden führten und die Frage aufwarfen, in welchem Glauben die Kinder erzogen

2 97 Ebenda. 298 Die Frage des Gewissens ist ein zentrales Thema bei interreligiösen Ehen, vgl. Freist, Body, in: Rublack (Hg.), Gender, 2002, 275 – 304, bes. 283 – 286. Das moderne Gewissen aus kulturhistorischer Perspektive konturiert Kittsteiner, Entstehung, 1995. 299 „Vnnd zwar/weliche ein vnglöubigen man[n] nimpt/die muß im nachziehen in vnglouben/vnnd da thun sähen vnd hören das dem waaren glouben gar zu wider vnnd ir an irer seel schädlich ist. Die kinder werdend auch vnder den vnglouben zogen.“ Bullinger, Eestand, 1548, x. An anderer Stelle heißt es allerdings: „Die wyber syend vnderthanig iren mannen/vff das ouch die dem wort Gottes nit gloubend/durch der wybern wandel on das wort gwunnen werdind“, Bullinger, Eestand, 1548, xi. Zur Geschlechterhierarchie in diesem „Ordnungstext“ vgl. Gsell, Hierarchie, in: Schnell (Hg.), Geschlechterbeziehungen, 1998, 89 – 117. Zum Begriff „Ordnungstext“ vgl. Burghartz, Integration, in: L’Homme 8, 1997, 30 – 42 sowie dies., Zeiten, 1999, 49 – 69. 300 Der Familienvater hatte auch außerhalb der Alten Eidgenossenschaft das Recht der religiösen Erziehung seiner Kinder inne, es sei denn, in Eheverträgen wurde der Mutter gestattet, die religiöse Erziehung der Töchter zu übernehmen, vgl. Heller-­ Karneth, Konfessionen, 1996, 222 – 223 sowie Freist, Body, in: Rublack (Hg.), Gender, 2002, 275 – 304, hier 288.

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werden sollten.301 Das „connubium mixtum“ war allerdings rechtsgültig, auch wenn, wie Stefan Buchholz betont, „alle drei Konfessionen (Lutheraner, Reformierte, Katholiken) darauf ausgerichtet waren, die Ehe als ungeteilte Lebensund Glaubensgemeinschaft zu erhalten“.302 Der Zweite Landfrieden von 1531 formulierte keine Leitgedanken hinsichtlich der Ehe zwischen Katholiken und Reformierten, obwohl diese Verbindungen durchaus unter die Formen der religiösen Koexistenz fielen, die in diesem Friedenswerk geregelt wurden. Die folgende Diskussion verfolgt damit drei wesentliche Ziele: Erstens gilt es, generell das Verständnis hinsichtlich der Themenkomplexe Ehe, Geschlechterordnung sowie der Konversionspraxis und Konfessionspolitik in den Gemeinen Herrschaften zu vertiefen. Zweitens wird durch die Analyse dem in der Forschung aufgestellten Diktum widersprochen, dass Ehen zwischen Katholiken und Reformierten ein Hinweis auf eine konfessionelle Indifferenz gewesen seien, und die Aufhebung der Konfessionsgrenzen bedeuteten.303 In Übereinstimmung mit jüngsten Arbeiten wird auf den folgenden Seiten vielmehr die Konflikthaftigkeit solcher Verbindungen aufgezeigt und argumentiert, dass Partnerinnen und Partner in gemischtkonfessionellen Ehen sehr wohl in dem Bewusstsein lebten, Beziehungsgefüge etabliert zu haben, die zeitgenössische Konfessionsgrenzen überschritten 304 – teilweise selbst gegen massiven politischen oder kirchlichen Widerstand. In diesen Verbindungen wurden konfessionelle Differenzen als differierende konfessionelle Zugehörigkeiten, die sich in unterschiedlichen Frömmigkeitspraktiken manifestierten, Teil einer ehelichen

301 Freist, Body, in: Rublack (Hg.), Gender, 2002, 275 – 304, hier 285. Zu Kinderkonversionen vgl. dies., Kinderkonversionen, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 393 – 421. 3 02 Buchholz, Recht, 1988, 348. „Die Ehe mit bekenntnisverschiedenen Häretikern wurde in der protestantischen Kirchenrechtslehre des 17. Jahrhunderts etwas milder beurteilt als in der Kanonistik“, ebenda 349 – 350. Die Haltung von Staat und der protestantischen bzw. katholischen Kirche der konfessionsübergreifenden Ehe gegenüber analysiert Luria, Boundaries, 2005, 149 – 153. 303 François, Grenze, 1991, 190 – 201; Volkland, Konfession, 2005, 155, 158 – 160, 175 – 176; dies., Katholiken, in: Sankt Galler Geschichte 4, 2003, 131 – 146, hier 143 – 144 sowie Loetz, Gap, in: Holenstein/Maissen/Prak (Hg.), Alternative, 2008, 75 – 97, hier 87, die in Anlehnung an Frauke Volkland im Zusammenhang von Eheschließungsstrategien reformierter Eidgenossen von „low confessional boundaries“ spricht, da konfessionelle Grenzen als leichte Hürden erschienen. 304 Freist, Borders, in: Dixon/Freist/Greengrass (Hg.), Diversity, 2009, 203 – 225 sowie Forclaz, Emergence, in: Dixon/Freist/Greengrass (Hg.), Diversity, 2009, 249 – 266; Freist, Glaubensfreiheit, in: Asch u. a. (Hg.), Frieden, 2001, 293 – 322 sowie Luria, Boundaries, 2005, 148.

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Beziehung. Damit wird auf die Erfahrungen der gelebten Religiosität hingewiesen und argumentiert, dass sich konfessionelle Zugehörigkeit nicht nur als Folge der Internalisierung obrigkeitlicher Werte, sondern eben auch in der konfessionellen Interaktion herausbildete.305 Drittens werden die geschlechtsspezifischen Markierungen aufgezeigt, denen gemischtkonfessionelle Ehen in der Frühen Neuzeit unterlagen.306 5.4.2 Verena Rhynerin (1644) Verena Rhynerin oder Rhyner lebte nicht in der Grafschaft Baden, sondern in einer anderen Gemeinen Herrschaft, dem Rheintal, einem Territorium, das seit 1490 von den eidgenössischen Orten gemeinsam verwaltet wurde.307 In den Jahren 1591 bis 1594 unterstellte die Stadt Zürich die reformierten Pfarrer des Rheintals seiner Synode, die vorher der Stadt St. Gallen untergeordnet gewesen waren. Dadurch wurde der Einfluss Zürichs gestärkt, da die reformierten Pfarrstellen im Rheintal mit Geistlichen aus Zürich besetzt wurden. Das Geschehen reflektiert die enge Bindung der reformierten Geistlichen nach Zürich und die kommunikativen Netzwerke mit der Limmatstadt, die bei Fragen der Geist­ lichen oder in Krisensituationen genutzt wurden. Über die Eheschließung einer reformierten Frau, Verena Rhynerin, mit einem katholischen Mann informiert ein Schreiben des rheintalischen Pfarrers Jacob Freitag an den Zürcher Antistes Jacob Breitinger.308 Seinen Bericht vom 7. März 1644 begann der reformierte Seelsorger mit der bekannten Metapher des Hirten, der über seine Schäflein wache und Sorge trage, dass sie im rechten Glauben lebten: Wylen einem jeden gethrüwen hirten vnd Seelsorger mit anderen auch diß snderlichen obligen will, dass er syner abefohlen Christen Schäfflin trage ein stähte sorg vnd flyßige rechnung, damit selbige vff den Ouwen gesunder vnd göttlicher Lehr geweydet vnd vß dem Brünnelin Isräels getrenckt.309

In der innerkonfessionellen Kommunikation zwischen dem reformierten Geist­ lichen und dem Vorsteher der reformierten Kirche wurde durch die Rezeption 305 Vgl. Freist, Representations, in: Höfele/Ruge/Schmidt (Hg.), Pluralization, 2007, 143 – 161 sowie dies., Borders, in: Dixon/Freist/Greengrass (Hg.), Diversity, 2009, 203 – 225. 306 Vgl. Volkland, Konfession, 2005, 155, 158 – 160, 175 – 176. 3 07 Aus den mir vorliegenden Quellen geht nicht hervor, in welchem Ort Verena Rhynerin vor ihrer Eheschließung lebte. Mit ihrem Mann zog sie in das mehrheitlich katholische Oberriet. 308 Aus dem Schreiben geht nicht hervor, welcher Gemeinde Pfarrer Freitag vorsteht. 309 StAZH E II 406, fol. 115r.

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der Hirtenmetapher die Schwere des Priesteramtes betont, das sich ohne göttliche Hilfe nicht erfüllen lasse.310 Die Schilderung, die Pfarrer Jacob Freitag im Anschluss entwickelte, erhob den Zwang zur entscheidenden argumentativen Figur: Was vnredlicher maaßen Verena Rynerin, ein 15 jährigs blut, myn Pfarrangehörige, fahre im August von einem papistischen Obrriehtischen gsellen heimlich bethörlet, hinderlistig verfält, wider vnser wehren vnd spehren entfuhrt vnd zur ehe genommen.311

Besaßen Frauen dem frühneuzeitlichen Geschlechterdiskurs zufolge die Verführungskraft über Männer, so verkehrte sich dieser Diskurs im Angesicht ihrer Jugend und der Bedrohung von Konversionen in sein Gegenteil: Die verführte Person war in diesem Fall die junge Frau, die gegen den Widerstand des Pfarrers umworben, entführt und mit dem Versprechen, ihren Glauben weiterhin praktizieren zu dürfen, zur Ehefrau genommen worden war.312 Die Zusage, die Einheit der Lebensgemeinschaft wiege mehr als die Einheit der Glaubensgemeinschaft, war das eigentliche Problem dieser konfessionell gemischten Ehe. Unabhängig davon, ob die Eheschließung tatsächlich unter der Prämisse der freien Religionsausübung für beide Ehepartner geschlossen oder ob diese Deutung der Schilderung des reformierten Geistlichen geschuldet war, erwies sich nach der Eheschließung, dass der religiösen Prägung der Eheleute unterschiedliche Bedeutung zugemessen wurde: Die konfessionellen Differenzen waren für den Ehemann gravierender als für die Ehefrau, denn während ersterer darauf pochte, dass seine Frau seinen Glauben annahm und katholisch werde, wollte die Ehefrau ihren reformierten Glauben weiterhin ausüben. Dieser Konflikt über die Konfessionszugehörigkeit der Ehefrau führte dazu, dass einerseits der Konversionsdruck auf die Frau erhöht wurde und diese andererseits ihren Glauben heimlich und gegen erheblichen Widerstand praktizierte: Grad nach dem ersten 14 tagen ist ihren das papistische vnwesen schon vast erlydet worden, hat noch Evangelischen predigen geseüfzet, etwan selbige heimlich zu Altstetten besucht, seinen Catechismun vnd fragen-­Buchlin bald abhin gefordert […] vnd sonst mit worten vnd wercken zimlich bezeüget, das von der Reformierten Religion sy nimmermehr sich werde abwenden laßen.313 310 Gugerli, Pfrund, 1988, 31 – 32 sowie Heiligensetzer, Kirchendiener, 2006, 184. 311 StAZH E II 406, fol. 115r. 312 Er soll ihr die „freyge übung der Religion“ zugesichert und sie damit zur Eheschließung überredet haben, vgl. StAZH E II 406, fol. 115r. 313 StAZH E II 406, fol. 115v.

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Waren der Ehemann und der katholische Pfarrherr davon ausgegangen, dass sich die Frau aufgrund ihres Alters leicht würde bekehren lassen und „dass sy mithin leicht werde eins anderen Sinns“, mussten die Herren nun ihren Irrtum erkennen.314 Die Missionierung innerhalb der Ehe war dem Bericht des Pfarrers Freitag zufolge ohnehin Teil einer ehelichen Strategie gewesen, da eine konfessionell gemischte Ehe zu keinem Zeitpunkt als Option einer ehelichen Lebensgemeinschaft vom Ehemann in Betracht gezogen worden sei. Wie schon Heinrich Bullinger befürchtete, waren Streit, Zwist und eheliche Zerwürfnisse die Folge, wenn Mann und Frau uneins im Glauben waren. Da die junge Frau, die trotz Schmähungen bei ihrem Glauben blieb, ihrem Ehemann nicht gehorchen wollte, stand die eheliche Gemeinschaft als solche auf dem Spiel. Das Beispiel der Verena Rhynerin bringt damit einen grundlegenden Konflikt der konfessionsübergreifenden Ehe in der Frühen Neuzeit auf den Punkt: Bei differierenden religiösen Frömmigkeitspraktiken in einem Haushalt wurde ein wesentliches Ordnungsprinzip des frühneuzeitlichen Haushalts und der ehelichen Verbindung unterwandert: Denn trotz der propagierten Gleichheit vor Gott war die Frau dem Manne untertan. Die Ordnung des Hauses basierte maßgeblich auf einer Geschlechterhierarchie, bei der dem Ehemann als Familienoberhaupt die Verfügungsgewalt über die Haushaltsmitglieder zustand. Begehrte die Ehefrau, wie Verena Rhynerin, zum reformierten Gottesdienst zu gehen, während ihr Mann von ihr verlangte, dass sie der katholischen Messe beiwohne und zur Beichte gehe, wurden konfessionelle Differenzen zu ehelichen Konflikten, die die Geschlechterordnung berührten, da sich die Frau zwischen dem Gehorsam ihrem Mann gegenüber und ihrem religiösen Gewissen sich selbst und Gott gegenüber entscheiden musste. Das Ehepaar lebte nach seiner Eheschließung in Oberriet.315 Dieses Dorf lag an den Wegen zu Au und Altstätten, wo Verena Rhynerin heimlich den reformierten Gottesdienst besuchte. Angesichts der katholischen Übermacht in Oberriet lässt sich mutmaßen, dass der Konversionsdruck auf die junge Frau beträchtlich war. Auch der Druck auf ihren katholischen Ehemann wird erheblich gewesen sein, da dieser in einem katholischem Milieu mit einer reformierten Frau lebte und es ihm nicht gelang, sie zum Gehorsam und damit zu einer Konversion zum Katholizismus zu zwingen, im Gegenteil. Der Ehemann hatte 314 Ebenda: „vnd vermeynt, wyl sy noch jung, woll also gelinder mit ihro umzegohn, dass sy mithin leicht werde eins anderen Sinns: da aber weder frünndtlikeit noch ernst an ihro wöllen hafften, sonder sy ihren glouben vnd die Predicanten wider allerley grusame schmähungen beharrlich verthädiget“. 315 Vgl. Kaiser, Oberriet (SG), in: HLS online, www.hls-­dhs-­dss.ch/textes/d/D1343.php (Zugriff 20. 01. 2016).

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ganz offensichtlich die Macht über seine Ehefrau verloren. Dieser Eindruck wird durch den Bericht des Pfarrers noch verstärkt, demzufolge Verena Rhynerin den gemeinsamen Haushalt – wenn auch mit Genehmigung ihres Mannes – verlassen und sich zu ihrer Mutter begeben hatte, die nicht wohlauf war. Im Folgenden kam es zu einem Verhör, wobei es den Anschein macht, als habe sich die junge Frau an die weltliche Obrigkeit gewandt, um dort zu beklagen, „was vilfaltigen verleümdens vnd verdamens vnser wahren Religion vnd deroselben vorstehnderen, es von synen nachburen habe mußen hören“.316 Um dem Druck der katholischen Nachbarschaft zu entkommen, begehrte sie, bis nach Ostern im Dorf ihrer Mutter verweilen zu dürfen. Nicht nur in der ehelichen Gemeinschaft, sondern auch im Verhör erwies sich die junge Frau als ausgesprochen willensstark. Auf die Mahnung des Junkers hin „entlouffe das mensch [= die Frau, D. H.] mehr so wöll sys nit weder verantworten, noch entgelten“, formulierte sie zwei Bedingungen, unter denen sie das eheliche Leben mit ihrem Mann wieder aufzunehmen bereit war: Verena aber zeiget dem Junckeren an, woffehrn man das spotten vnd lesteren vnser Reigion vor ihrn vnderlaß, sy zum beichten nit zwinge vnd zur Kilchen gohn laß, wohin sy wöll, so begere es mit synem man zuhaussen, wie sich gebürt: wo mans aber mit ihrn wurde machen wie bishar, so wurde sy vervrsachet werden, an anderen ohrten hilff vnd vnderschlauff zusuchen.317

Die junge Frau klagte damit das ein, was ihr Ehemann nicht bereit war ihr zuzugestehen: die Freiheit, ihren Glauben in einer konfessionsübergreifenden Ehegemeinschaft ausüben zu dürfen, ohne von ihrem Mann und den katholischen Dorfbewohnern verspottet und verhöhnt zu werden. Der Zweite Landfrieden von 1531, der auch im Rheintal als einer Gemeinen Herrschaft Geltung besaß, billigte den Untertanen der gemeinsam verwalteten Untertanengebiete das Recht zu, ihren katholischen bzw. reformierten Glauben unbehelligt zu praktizieren. Das in diesem Vertragswerk formulierte Schmähverbot schützte Andersgläubige vor Äußerungen, die in ihren Ohren zu spottenden und schmähenden Wortbotschaften mutieren konnten.318 Seinen Schutz und Schirm aufgrund der Schmähungen sagte ihr der Junker zu, allerdings wies er die junge Frau an, zur Beichte zu gehen, andernfalls müsse er sie in Ketten legen. Verena Rhynerin entgegnete, er möge es tun, „aber beichten werd ich nit“.319 Für die eheliche 316 StAZH E II 406, fol. 115v. 317 Ebenda, fol. 116r. 318 Vgl. Kap. 4: Der Spott von der Kanzel. 319 StAZH E II 406, fol. 116r.

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Gemeinschaft bedeutete Verena Rhynerins Weigerung zu konvertieren, dass sie ihrem Mann die Bereitschaft abverlangte, ihre religiöse Gewissensfreiheit über seine männliche Autorität zu stellen. Da Verena Rhynerins Mann die Ehe allerdings weiterhin als ungeteilte Glaubensgemeinschaft imaginierte und den Gehorsam seiner Frau auch hinsichtlich der Konfessionszugehörigkeit einforderte, drohte die Ehe als Lebensgemeinschaft zu zerbrechen. Ehen zwischen Partnern unterschiedlichen Glaubens waren dementsprechend starken Zerreißproben ausgesetzt und bedeuteten eine Bedrohung für das Fortbestehen der Ehe als Lebens- und Glaubensgemeinschaft. Die zentrale Frage des Konflikts zwischen den Eheleuten, nämlich ob sich die männliche Gewalt und Autorität des Ehemannes auf das religiöse Gewissen seiner Frau erstreckte, blieb durch den Zweiten Landfrieden unbeantwortet. Der reformierte Pfarrer Freitag sprach in diesem Zusammenhang von einem „vnbefugten Religions-­ Zwang“, da Verena Rhynerin begehrte, dem evangelischen Glaubensbekenntnis weiterhin treu zu bleiben. Das für beide Konfessionsangehörige landfriedlich verbriefte Recht auf freie Religionsausübung wog dem reformierten Seelsorger Freitag zufolge mehr als die männliche Gewalt des Hausherrn. Er stellte im Gegensatz zu Heinrich Bullinger das religiöse Gewissen der Frau über die patria potestas des Mannes. Die Frage, ob die Verfügungsgewalt des Ehemannes durch das Recht auf Religionsfreiheit beschränkt wurde, oder aber, ob die Ehefrau gezwungen werden konnte, die Konfession ihres Mannes anzunehmen, erhielt eine weitere Dimension im Zusammenhang mit dem einseitigen Konversionsrecht in den Gemeinen Herrschaften. Ehelichten katholische Frauen reformierte Männer, ergab sich zwangsläufig das Problem wie die verschiedenen Ordnungskriterien (patria potestas, religiöses Gewissen, einseitiges Konversionsrecht) zu hierarchisieren waren. Wog in diesen Fällen das religiöse Gewissen der Frau mehr als die konfessionelle Einheit in der Ehe? Sollte dementsprechend das Recht auf Religionsfreiheit der patria potestas übergeordnet werden? Bei einer positiven Beantwortung der Frage wäre zudem zu klären, ob diese Form der Hierarchisierung differierender Ordnungskriterien lediglich für Ehen von katholischen Frauen mit reformierten Männern Gültigkeit besaß oder sich auch auf Ehen von katholischen Frauen mit reformierten Männern erstreckte, denen ein Konversionsrecht durch den Zweiten Landfrieden versagt war. Diese Frage erhält anhand einer Konversionspraxis Bedeutung, die das Geschlechterverhältnis verkehrte. In einem Fall, der 1646 vor dem thurgauischen Landvogt Leo­degar Pfyffer aus Luzern verhandelt wurde, soll der reformierte Ehemann seiner katholischen Ehefrau versprochen haben, „sy by irem Glauben bleiben zelassen, Irer Religion zuwerden, vnd wann sy faste, so wölle er auch fasten, wann sy kein fleisch ässindt, so wölle er auch keins ässen, vnd habe Iro solches in die Handt Innen

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klöpfft“.320 Damit wäre zwar das Konversionsrecht in den Gemeinen Herrschaften gewahrt, allerdings wäre die frühneuzeitliche Geschlechterhierarchie und die Geschlechterordnung auf den Kopf gestellt worden. Wie die folgende Diskussion zeigt, barg auch der umgekehrte Fall grundlegende Probleme. Insofern stellt sich die Frage, wie sich angesichts der konfessionellen Pluralität und angesichts des Heiratsverhaltens der reformierten und katholischen Untertanen die Ordnung in der frühneuzeitlichen Geschlechterhierarchie wahren und die territoriale Konfessionspolitik respektieren ließen? Einige dieser Fragen wurden anlässlich der Eheschließung von katholischen Frauen mit reformierten Männern in Würenlos in einer Missive des katholischen Landvogts Hans Heinrich Elsener angesprochen, einem Schreiben, das am 12. Dezember 1646 in Luzern eintraf.321 Mit der Eheschließung hatten die katholischen Frauen ihre Konfession gewechselt, was der Missive zufolge „uß Inbildung deß sy den mennern In der Religion sich bequemen müssen“ geschehen sei.322 Was war in diesen Fällen zu tun?, so begehrte der oberste katholische Amtmann der Grafschaft zu wissen. In Würenlos hatte der katholische Dorfgeistliche samt Untervogt und Vater der katholischen Frau versucht, Druck auf sie auszuüben – dem Vater wurde geraten, der Tochter bei der Eheschließung mit einem reformierten Mann mit Enterbung zu drohen. Da Ehen in der Frühen Neuzeit neben den Neigungen der Brautleute sozialen, ökonomischen und – in höheren sozialen Schichten – zudem politischen Notwendigkeiten unterlagen, oblag die Entscheidung über die Wahl des zukünftigen Ehepartners nicht allein den Kindern, sondern erforderte das Mitspracherecht der Eltern. Eine Androhung der Enterbung der Tochter verdeutlicht die Mittel, die dem Vater als dem pater familias zur Verfügung standen, um seine Tochter zu zwingen, dem väterlichen Willen zu gehorchen.323 3 20 Allerdings bestritt nun der Ehemann dem Landvogt gegenüber, das Versprechen seiner Frau gegeben zu haben – im Gegenteil habe sie ihm versprochen, zum evangelischen Glauben zu konvertieren, vgl. StAZH A. 238.3, 12. Tag Wintermonats 1646. Laut den EA verwaltete 1648 der katholische Landvogt Leodegar Pfyffer aus Luzern die gemeine Vogtei Thurgau, vgl. 5/2, 1, 1495. Sein Nachfolger war 1648 Johann Anton Arnold aus Uri vgl. EA 6/1, 2, 1151. 321 Vgl. dazu EA 5 2/3, 1681 – 1682. 322 StAAG AA 2824/3, fol. 27r. 323 Obwohl Familie und Ehe in der Frühen Neuzeit inzwischen gut erforschte historiographische Felder darstellen, sind die Konflikte zwischen Eltern und Kindern erst in Ansätzen untersucht. Daher erfolgt hier der Verweis auf die venezianischen Verhältnisse, vgl. Hacke, Women, 2004, 89 – 118. Zu Eltern-­Kind-­Beziehungen allgemein vgl. Beer, Eltern, 1990.

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Über die eigentliche Frage, ob Frauen mit der Eheschließung das Glaubens­ bekenntnis ihres Mannes annehmen müssten, bestand der Missive zufolge Uneinigkeit. Der katholische Landvogt Hans Heinrich Elsener referierte die Meinung etlicher Pfarrherren, „wo der Landsfrieden sy daß heürathen dergestalten Zuegelaßen, […], das die weibspersohn dem man In der Religion nach zuefolgen schuldig“ sei.324 Die katholische Ehefrau Ursula aus der thurgauischen Pfarrei Pfyn argumentierte im Kern ähnlich, doch sah sie es 1646 nicht als ihre Pflicht, die Konfession des Ehemannes anzunehmen, sondern sie leitete aus diesem Grundsatz ein Konversionsrecht für Ehefrauen ab: „Sy habe gwalt ghan Irem Man nachzezpüchen vnd Päpstlich zewerden. So habe sy auch gwalt Irem Man nachzegahn vnd Euangellisch zewerden“.325 Ihre Folgerungen bedeuteten einen Bruch der religiösen Normen und der konfessionellen Ordnung in den Gemeinen Herrschaften. Aus dieser Heiratspraxis erwuchs eine Konver­ sionspraxis, die dem katholischen Verständnis des Landfriedens widersprach und dem Schreiben zufolge zu „große[n] weithleüffigkeiten“ unter den regierenden Orten beider Konfessionen führte. Angesichts der tatsächlichen und der noch drohenden Konversionen katholischer Frauen zum Protestantismus schlug der Landvogt Hans Heinrich Elsener vor, das religiöse Gewissen der Frau der patria potestas des Mannes überzuordnen: wo ein Catholischer dochter einen man der anderen Religion heürathen thate, man bedingen köndte, wie es krafft Landtsfriedens sonsten sein solte […], daß der man die frauw bey Ihrer Religion lassen, und die kinder dem Vatter oder der muetter In der Religion Zuefolgen ohngezwungen gwalt haben sollten.326

Zugleich hatte der Landvogt die Frage angesprochen, in welcher Religion Kinder aus einer konfessionsübergreifenden Ehe zu erziehen seien. Die von ihm vorgeschlagene Lösung verband Elsener mit der Hoffnung, nicht nur die katholischen Frauen bei ihrem Glaubensbekenntnis halten zu können, sondern zudem sicherzustellen, dass Kinder aus interreligiösen Ehen im katholischen Glauben erzogen werden würden. Da an dieser Stelle keine geschlechtsspezifische Regelung formuliert wurde – die Töchter seien in der Konfession der Mutter und die Söhne in dem Glauben des Vaters zu erziehen, wie es im Alten Reich in Eheverträgen durchaus üblich war 327 –, barg die unspezifische Formulierung 324 StAAG AA 2824/3, fol. 27r. 325 StAZH A. 238.3, 12. Tag Wintermonats 1646. 326 StAAG AA 2824/3, fol. 27v. 327 Der Familienvater hatte in der Regel das Recht der religiösen Erziehung seiner Kinder inne. Wenn die Kinder nicht in der Religion des Vaters erzogen werden sollten, bedurfte

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des Landvogts beträchtliches Konfliktpotential: zum einen, da die Auslegung des Landfriedens mit Hinblick auf die Ehepraxis als Konversionspraxis offen war, wie die Diskussion der folgenden Fälle verdeutlicht, und zum anderen, da der Rekurs auf die Religionsfreiheit der Kinder wiederum mit der patria potestas des Vaters kollidierte. 5.4.3 Eeßbethen Kellerin (1649) Der folgende Fall der Eeßbethen Kellerin und ihres Mannes Martin Rhym eröffnet neue Aspekte hinsichtlich der Landfriedensauslegung und der Bedeutung des Faktors Konfession für das eheliche Leben. Das Paar lebte in der Kirchengemeinde Wigoltingen im Thurgau.328 Wie das Rheintal war auch der Thurgau eine Gemeine Herrschaft. Er wurde von den sieben alten eidgenössischen Orten beider Konfessionen verwaltet.329 Auch hier war der Zweite Landfrieden von 1531 für das bikonfessionelle Leben der Katholiken und Reformierten maßgeblich. Seit 1567 waren die reformierten Pfarrer des Thurgaus der Zürcher Synode unterstellt, wodurch der Einfluss Zürichs gestärkt wurde, da die reformierten Pfarrstellen im Thurgau mit Geistlichen aus Zürich besetzt wurden.330 Die Mehrheitsverhältnisse fielen in der Pfarrei Wigoltingen zugunsten der reformierten Untertanen aus. 1533 begehrte der Inhaber der Vogteirechte zwar die Wiedereinführung der Messe, doch der Gottesdienst lag bis 1585 in protestantischen Händen. Ab 1585 besuchten die wenigen Katholiken der Pfarrei den Gottesdienst in Mühlheim.331 Auch Eeßbethen Kellerin und ihr Mann Martin Rhym zählten zu den reformierten Pfarrangehörigen der Gemeinde. Sie führten keine konfessionsübergreifende Ehe, sondern praktizierten beide den reformierten Glauben. Dies es eines Ehevertrags, der vor der Obrigkeit in Anwesenheit von zwei „Anverwandten als Zeugen beider Konfessions-­Parteien“ geschlossen wurde. „In einem solchen Ehevertrag hatten sich die Eheleute dann entweder verbindlich darauf zu einigen, dass alle Kinder in der Konfession der Mutter oder dass sie in der Konfession des jeweils gleichgeschlechtlichen Elternteils getauft werden sollten“; Heller-­Karneth, Konfessionen, 1996, 222 – 223 sowie Freist, Body, in: Rublack (Hg.), Gender, 2002, 275 – 304, hier 288. 328 „Die Pfarrei Wigoltingen entstand in einem grossen Hof des Bischofs von Konstanz und reichte von der Thur bis zum Anstoss an die Pfarrei Ermatingen bei Sonteswil und Wäldi“. Historischer Verein des Kanton Thurgau (Hg.), Kirchgemeinden, 1991, 140. 329 Zur eidgenössischen Landesverwaltung und den Gerichtsherrschaften im Thurgau vgl. Giger, Gerichtsherren, 1993. Zum bikonfessionellen Leben in einer Kleinstadt des Thurgaus – Bischofszell – vgl. Volkland, Konfession, 2005. Dort auch weiterführende Literaturangaben. 330 Historischer Verein des Kanton Thurgau (Hg.), Kirchgemeinden, 1991, 92. 331 Ebenda, 140.

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änderte sich mit der Konversion des Mannes Martin Rhym zum Katholizismus. In einer Missive des Dekans und Seelsorgers der Pfarrgemeinde Wigoltingen, Johann Christoph Kesselring, sprach dieser von ihm als dem „von vnser Christlichen Religion abgetretne[n] Martin Rhym“.332 Sein Glaubenswechsel wurde als Handlung reflektiert, ohne dass die Gründe und Motive für diesen Schritt genannt wurden. Die Konversion Martin Rhyms war keine Entscheidung, die nur ihn, sein Gewissen und seine religiösen Frömmigkeitspraktiken allein betraf. Sie hatte auch für die anderen Familienmitglieder nachhaltige Konsequenzen: für die Ehefrau, da diese – unvermittelt? – in einer konfessionell gemischten Ehe lebte, obwohl sie einst einen reformierten Mann geheiratet hatte; für die beiden Kinder, da diese nun einen katholischen Vater hatten, der sie ebenfalls zur Konversion zwingen wollte. In der Ehegemeinschaft führten die Differenzen bezüglich der Konfessionszugehörigkeit zu Konflikten. Seit seiner Konversion setzte Martin Rhym seine Ehefrau massiv unter Druck, dass sie ihm bei seinem Konfessionswechsel folge, so dass sie sich beklagte, er würde „gar ungebürlich […] mit Ihro haushalte[n]“.333 Wie der Bürgermeister und der Vater der Ehefrau beobachteten, geschah der Konversionsdruck unter Einsatz gewaltsamer Mittel. Wie der schon kurz erwähnte Johan Christoph Kesselring, Pfarrer der reformierten Kirche in Wigoltingen an seinen Bruder Kilian Kesselring, Gerichtsschreiber des Ehegerichts in Zürich berichtete, hatten die beiden Männer ein geschrey im haus gehöret, als ob man ein ander schlage, da sie in die stuben kommen, sige sie vbel geschlagen vff der gutschen [= Ruhebett, D. H.] gelegen, und der Man vnd pfaff vor ihr gestanden, die sie mit gwalt zur meß zu gohn zwingen wellen.334

Anlass für die ehelichen Zerwürfnisse war nicht nur die Konfessionszugehörigkeit der Ehefrau, sondern auch das Glaubensbekenntnis der Töchter. Der Ehemann Martin Rhym hatte in Konstanz ein Gelübde abgelegt und geschworen, 332 StAZH A. 238.3, 10. Januar 1649. 333 StAZH A. 238.3, 8. Januar 1649. Die Misshandlungen gingen der Ehefrau zufolge so weit, dass sie selbst um ihr Leben fürchtete. Eeßbethen Kellerin hatte sich beklagt, dass ihr Mann, der „Apostat“ „gar ungebürlich […] mit ihro haushalte, ihro offt tröwe sie gar ums leben zu bringen, und jetz und gar mit dem auffzeühe, er wölle sich von ihro gentzlich scheiden lassen, weil sie nit mit imme gahn wölle“. StAZH A. 239.3, 8. Januar 1649. Zum Konzept des gemeinsamen Haushaltens in der Frühen Neuzeit vgl. Wunder, Frauen, 1992, 58 ff. 334 StAZH A. 239.3, 10. Januar 1649.

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seine beiden Kinder fortan im katholischen Glauben zu erziehen.335 Die Konversion eines Ehepartners hatte damit auch Konsequenzen für die religiöse Erziehung der Kinder. Wie alt mussten Kinder in der Frühen Neuzeit sein, um einen rechtmäßigen Glaubenswechsel zu vollziehen? Über das Alter der Kinder dieser Ehe liegen keine Angaben vor. Auch lässt sich nicht beurteilen, ob diese über die Religionsmündigkeit verfügten, die in der Frühen Neuzeit als Voraussetzung einer rechtmäßigen Konversion galt.336 Des Weiteren erfahren wir nicht, ob die Religionsmündigkeit der Töchter geprüft wurde. Aus den vorliegenden Quellen geht lediglich hervor, dass der Wille des Vaters, sein Gelübde zu erfüllen, fehlschlug, denn seine Kinder besuchten weiterhin den reformierten Gottesdienst. Martin Rhym, der einzige Katholik in einer überwiegend reformierten Familie, drohte daraufhin, sich von seiner Ehefrau „gentzlich scheiden“ zu lassen.337 Dieser Wunsch erschien dem Pfarrer Christoph Kesselring, wie er seinem Bruder in Zürich mitteilte, als „ein Nüwerung, vnd biß haro Im Landtsfrieden nit üblich“.338 Auch das Zürcher Ehegericht räumte der Glaubensdifferenz keinen Einfluss auf die Ehescheidung ein, sondern urteilte nach den üblichen Rechtsgründen.339 Wegen der Drohung, die Ehe scheiden lassen zu wollen, und wegen der ehelichen Gewalt hatte Kesselring dem Vater der Ehefrau Kellerin geraten, sich an den thurgauischen Landvogt zu wenden und von ihm einen Landfriedensschutz sowie einen Befehl zu erbitten, damit der Ehemann gezwungen werde, seine „Eheliche treüw zu halten, und nit mehr, wie bishar sie zu misshandlen“.340 Eventuell aufgrund des tyrannischen Temperaments des Ehemannes, das auch einem katholischen Eheverständnis zuwiderlief, stärkte der katholische Landvogt Leodegar Pfyffer die Position der Frau in dieser Ehe und gestattete ihr, die Kinder mit zum reformierten Gottesdienst zu nehmen. Dem Faktor Konfession kam in dieser Ehe nicht nur eine konfliktintensivierende Bedeutung zu, sondern durch die Auslegung des Zweiten Landfriedens durch den obersten Amtmann des Thurgaus wurde auch die Geschlechterordnung unterwandert: Es war die Ehefrau, der die religiöse Erziehung der Kinder vom Landvogt zugesprochen wurde, und nicht dem Mann. In der Hierarchisierung der zur Verfügung stehenden Ordnungskriterien des Landvogts besaß 335 Ebenda, 8. Januar 1649. 336 Vgl. die Diskussion zu diesem Themenkomplex im folgenden Abschnitt. 337 StAZH A. 239.3, 8. Januar 1649. 338 Ebenda, 10. Januar 1649. 339 Köhler, Ehegericht, Bd. I, 1932, 138. Konfessionswechsel als Scheidungsgrund wurden am Baseler Ehegericht im Zusammenhang mit anderen Vergehen, wie etwa Ehebruch, verhandelt, vgl. Burghartz, Zeiten, 1999, 216 – 217. 340 StAZH A. 239.3, 10. Januar 1649.

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Konfession vor dem Geschlecht und der patria potestas oberste Priorität. Die territoriale Konfessionspolitik des Landvogts unterwanderte die Geschlechter­ hierarchien in der Ehe und bedeutete zudem eine Einschränkung der männlichen Verfügungsgewalt. Entsprechend lässt sich konstatieren, dass die Konfessionspolitik des Landvogts einen „Grundpfeiler der frühneuzeit­lichen Gesellschaft, die Herrschaft des Hausvaters über die Familie als kleinster Einheit im Staat, zur Disposition“ stellte.341 5.4.4 Kinderkonversionen Im Zuge von Kinderkonversionen konnte die Hausherrschaft des Vaters verletzt und unterwandert oder doch zumindest begrenzt bzw. herausgefordert werden. Die Durchsetzung der hausväterlichen Gewalt führte fast zwangsläufig zu innerfamiliären Auseinandersetzungen, wobei sich die Ehefrau bei diesen konfessionellen Familienkonflikten entscheiden musste, auf wessen Seite sie stand, auf der Seite ihres Mannes oder der ihrer Kinder. Die religiöse Gewissensfrage generierte im Zusammenhang mit dem Glaubenswechsel des Ehemannes und Hausvaters einen Loyalitätskonflikt für die Ehefrau. Zudem gerieten Rechte und Pflichten der Eheleute durcheinander. Standen bislang die Überlegungen zum Themenkomplex der territorialen Konfessionspolitik und der Geschlechterordnung im Mittelpunkt meiner Ausführungen zu Glaubenswechsel, Ehe und Haushalt, soll abschließend auf das Verständnis von Kinderkonversionen in den Gemeinen Herrschaften der Eidgenossenschaft fokussiert werden. „Das Phänomen von Kinderkonversion“  – und hier folge ich Dagmar Freist – „ist […] schwer mit den klassischen Merkmalen von Konversionen umschreibbar.“342 Der Grund hierfür liegt in der Feststellung der Verstandesreife der Kinder als Voraussetzung für eine rechtmäßige Konversion. Die konfessionelle Prägung und die Festigkeit im Glauben hingen untrennbar mit der Erlangung der Religionsmündigkeit zusammen. Die zeitgenössische Debatte im Alten Reich wurde von der Vorstellung getragen, dass die Erlangung von „Vernunfft“ bzw. Verstand, wie Johann Heinrich Zedler es zu Beginn des 18. Jahrhunderts formulierte, nicht mit einem bestimmten Lebensalter korrelierte. Die Eltern sollten den Verstand ihrer Kinder daher nicht nach deren tatsächlichem Alter, 341 Freist, Kinderkonversionen, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 393 – 421, hier 411. In Frankreich stellte sich die Situation anders dar. Zusammen mit der Stärkung der väterlichen Autorität wurden insbesondere die Einflussmöglichkeiten des States auf die religiöse Erziehung der Kinder in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert erweitert, vgl. Luria, Boundaries, 2005, 186 – 188. 342 Freist, Kinderkonversionen, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 393 – 421, hier 420.

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sondern nach „der wahrhaften Beschaffenheit“ beurteilen.343 Bei Kinderkonversionen in der Frühen Neuzeit wurde in den Auseinandersetzungen im Alten Reich verlangt, „die Rechtmäßigkeit einer Kinderkonversion von dem Nachweis fundierten Glaubenswissens und dem Gebrauch des Verstands abhängig zu machen“.344 Lassen sich diese Ergebnisse auf die politische Landschaft der Gemeinen Herrschaften der Alten Eidgenossenschaft übertragen? Es hat den Anschein, als seien zumindest die Grundlinien der frühneuzeitlichen Debatte über Kinderkonversionen und die zentrale Figur der „Vernunft“ und damit die Frage der Religionsmündigkeit vergleichbar.345 Ein kurzes Beispiel aus der Pfarrei Aadorf von 1685 soll dies illustrieren. Aadorf war ein Dorf in der gemeinen Vogtei Thurgau, „als Pfarrei jedoch erfasste es auch einzelne Höfe und Weiler auf Zürcher Boden“.346 Aardorf war bis ins 17. Jahrhundert hinein mehrheitlich reformiert. 1528/1529 trat die ganze Kirchengemeinde zum evangelischen Glauben über und erst 1627 gelang es den katholischen Orten, in Aadorf wieder einen katholischen Pfarrer einzusetzen, „da das Kloster (Tänikon) dort die niedere Gerichtsbarkeit besass“.347 In dieser Kirchengemeinde stand die Frage der Religionsmündigkeit eines Mädchens nach der Hinrichtung ihres Vaters und der Konversion ihrer Mutter zum Katholizismus zur Debatte. Wie der reformierte Pfarrer von Aadorf in einem Memoriale wegen Conrad Kochenhanßen und seiner Kinderen zu Aadorf vom 21. Juni 1685 argumentierte, hatte der verstorbene Konrad Kocher verfügt, das junge Mädchen solle nach seinem Tode von seinem Schwager erzogen werden.348 Die Mutter allerdings hatte das Mädchen dem Statthalter von Sonnenberg übergeben und in Einsiedeln einen Mann geheiratet.349 In welchem Glauben aber sollte das Mädchen erzogen werden? Erstaunlicherweise wurde die Frage über die Konfessionszugehörigkeit des Kindes nicht zu einem religiösen Streitobjekt unter den regierenden Orten des Thurgaus. In einer Beilage, die einem Project-­Schreiben aus Zürich an den regierenden Stand Luzern vom 21. Juli 1685 beiliegt, wird auf eine katholische 343 Zedler, Universal-­Lexikon, Art. Kinder Zucht, Bd. 15, 1961 [1737], Sp. 661 sowie Freist, Kinderkonversionen, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 393 – 421, hier 393. 344 Freist, Kinderkonversionen, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 393 – 421, hier 393. 345 Ich formuliere vorsichtig, da das komplexe Thema der Kinderkonversionen mit meinen Ausführungen keinesfalls erschöpfend behandelt ist. 346 Kägi, Aufnahme, 1972, 157. 347 Kirchgemeinden, 1991, 92. 348 StAZH A. 238.4, 21. Juni 1685. 349 Was mit den anderen zwei Kindern geschah, bleibt unerwähnt, vgl. StAZH A. 238.4, Schreiben des Landvogts im Thurgau an den Bürgermeister von Zürich, 21. Juni 1685.

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Tagsatzung Bezug genommen, auf der folgender Beschluss formuliert worden war: Das „minderjährige mägdlin“, deren Alter mit ungefähr zwölf Jahren angegeben wurde, solle an dasienige Orth alwohin die Muter solches verordnet, widrum gethan und biß zu seinen vernünfftigen Jahren alda gelassen werde, deme alsdann, wann es zu seinem vollkommenen Jahren und vernunfft kommen wird, unbenommen, sondern zugelassen sein solle, ein oder andere Religion zuerkießen und anzunemmen.350

Die katholischen Gesandten der den Thurgau regierenden Orte stärkten mit diesem Beschluss die Autorität der Mutter. Diese erstreckte sich zwar nicht auf die Konfessionswahl des Kindes, aber auf den Ort der Unterbringung und damit auf die Erziehung, so lange, bis das Mädchen ihre „vernünfftigen Jahre“ erreicht hatte. Erst die Erlangung der Vernunft bedeutete auch die Erlangung der Religionsmündigkeit. Diese war an kein spezifisches Alter gebunden. Zwar wird auf die „vollkommenen“ Jahre und dementsprechend das Erreichen der Volljährigkeit Bezug genommen, entscheidend aber war dieser Quelle zufolge die Fähigkeit, sich für die eine oder andere Religion entscheiden zu können. Wie der Beweis des Glaubenswissens und der Beweis des Verstands dann allerdings erbracht werden sollte und ob die Frage der Reife und der Mündigkeit von Kindern beider Konfessionen gleich beurteilt wurde, bleibt unerwähnt.351 Mit Blick auf den Zweiten Landfrieden und die Auslegungspraxis des Konversionsartikels im 16. und 17. Jahrhundert durch die katholischen Orte wird offenbar interpretatorisches Neuland betreten. Denn die Gesandten der katholischen Orte billigten dem Kind explizit das Recht zu, mit Erlangung der Religionsmündigkeit zwischen einem reformierten und katholischen Glaubensbekenntnis wählen zu dürfen. Die Möglichkeit der freien Religionswahl beinhaltete selbstverständlich auch die Option, sich dem Katholizismus zuzuwenden, wie dies die Mutter mit ihrer Wiederheirat bereits praktiziert hatte. Die Tatsache, dass der Fall die Aufmerksamkeit der regierenden Orte weckte, bedeutete für das Mädchen, dass es einen rechtlichen Schutzraum genoss, bis es mündig war und die religiöse Gewissensfrage allein entscheiden konnte. Insbesondere im Zusammenhang mit der Konversion der Eltern und den konfessionsübergreifenden Ehen stand die Konfession der Kinder zur Disposition. 350 StAZH A. 238.4, 21. Juli 1685, Hervorhebung von mir, D. H. 351 Zum Streit um die annos discretionis, dem Alter, ab dem ein Glaubenswechsel rechtmäßig war, zwischen den evangelischen und katholischen Reichsständen und zum Nachweis der Religionsmündigkeit vgl. Freist, Kinderkonversionen, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 393 – 421, hier 396 – 405.

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Ehefrauen konvertierten vielfach im Zusammenhang mit einer Wiederheirat. Lebten die Kinder bei der Mutter, generierte das neuangenommene Glaubensbekenntnis innerfamiliären Unfrieden und Konflikte, wenn die konfessionelle Einheit der Familie das erklärte Ziel war. In Kadelburg, einem überwiegend reformierten Dorf in der Grafschaft Baden konvertierte eine Ehefrau nach dem Tod ihres Mannes mit ihrer Wiederheirat zum Katholizismus. Während der ältere Sohn Martin Lermann beim evangelischen Glauben blieb, sollte der jüngere Hans Jakob Lermann zum katholischen Glaubensbekenntnis gezwungen werden und die Mutter zur Messe begleiten. Es ist zu mutmaßen, dass die Ungleichbehandlung der Söhne in puncto Konfessionszugehörigkeit mit deren Altersdifferenz zu erklären ist: Der ältere Sohn musste sich keines Zwanges erwehren (und hatte das elterliche Haus gegebenenfalls bereits verlassen), während der jüngere Bruder mit der Wiederheirat seiner Mutter unter der väterlichen Autorität seines katholischen Stiefvaters stand. Der Zwang, der auf ihn ausgeübt wurde, hatte das Ziel, die konfessionelle Einheit der Familie herzustellen, denn er – und sein Bruder? – praktizierten einen differierenden Glauben.352 Zwang, der von Müttern und Vätern ihren Kindern gegenüber ausgeübt wurde, kam überwiegend bei kleineren Kindern vor. Eine „betagte“ und „nit gar berühmte Mansperson“ in dem in der Grafschaft Baden gelegenen Kadelburg war 1663 zum Katholizismus konvertiert und versuchte den ungefähr zehnjährigen Sohn ebenfalls zur Konversion zu überreden. Als dieser sich weigerte, wurde er aus dem Haus verstoßen. Schließlich nahm sich der reformierte Pfarrer aus Zurzach „auß mitleiden“ des Kindes an und nahm ihn „alß sein Pfarrkind“ in sein Haus auf. Von dort wurde er „bey nacht und Nebel“ entführt, ohne dass wir erfahren, wer der Missetäter war.353 Bei Kinderkonversionen waren vielfach Gewalt, Zwang und selbst Entführung die rhetorischen Argumentationsfiguren, die in den frühneuzeitlichen Quellen auftauchen und debattiert wurden. Kinderkonversionen in den Gemeinen Herrschaften der Alten Eidgenossenschaft warfen insofern ein weiteres Problem auf, da nicht nur die landfriedlichen Konversionsnormen zu wahren, sondern mit der Feststellung der Religionsmündigkeit der betreffenden Kinder offensichtlich auch deren Glaubensentscheidung zu respektieren war. Auch wenn dieser Befund einer weiteren Erhärtung bedarf, so gibt es Indizien, dass in der Alten Eidgenossenschaft in der frühneuzeitlichen Debatte über Kinderkonversionen die Frage nach 352 StAZH A. 368.2, 18. Mai 1646. 353 StABE AV 849 Badenbücher I, Dezember 1663, fol. 275 – 276. Zum Phänomen der Entführung von Kindern in gemischtkonfessionellen Ehen in den Drei Bünden vgl. Maissen, Kinderraub, in: BM, 1960, 317 – 335 sowie Küng, Kindsentführungen, in: BM 1975, 141 – 161.

Fazit

der Erlangung von „Vernunft“ für die Frage nach deren Religionsmündigkeit zentral war. Legt man dies zugrunde, dann wurde die elterliche und insbesondere die väterliche Autorität zweifach beschnitten: durch den Verweis auf die Religionsmündigkeit von Kindern, die zu respektieren war, und durch die landfriedlich zugesicherte Religionsfreiheit. Diese Faktoren bedingten, dass das Handeln der Eltern in den frühneuzeitlichen Quellen in den Parametern von Gewalt, Zwang und selbst Entführung diskutiert wurden, auch wenn sie mit der Konversion ihres Kindes die Wiederherstellung der konfessionellen Einheit der Familie anstrebten.

5.5 Fazit: Konversionen in der religiösen Koexistenz Die „Vermischung“ der Konfessionen, die Montaigne eingangs für Augsburg konstatiert hatte, lässt sich in diesem Umfang nicht für die Grafschaft Baden beobachten. In diesem Territorium führte das Zusammenleben der Konfessionen zu erhöhtem Wettbewerb der Kirchen und zu einem größeren Wettstreit der regierenden Orte um die Seelen der Untertanen. Konversionen reflektierten damit konfessionellen Wettbewerb. Wurde andernorts – prominent etwa für die Niederlande – eine erhöhte religiöse Indifferenz und eine größere Durchlässigkeit der Konfessionsgrenzen in einer Gesellschaft konstatiert, in der Konversion „eminently possible“ war,354 erscheinen Glaubenswechsel in der Grafschaft Baden als politische Verhandlungsobjekte und als Formen der religiösen Devianz. Trotz der bis weit ins 17. Jahrhundert andauernden politischen Anstrengungen Zürichs, das landfriedliche Konversionsrecht auch auf katholische Untertanen auszuweiten, blieben Glaubenswechsel aufgrund des Widerstandes der katholischen Orte – hier ist Luzern zu nennen – ein Recht, das vorwiegend reformierte Untertanen genossen. Da es in den Gemeinen Herrschaften keine institutionalisierten Verfahren zur Konversion gab, wie etwa in Zürich oder in Luzern, lassen sich verlässliche Zahlen für Konversionsraten zum katholischen Glauben nicht erstellen. Anders verhält es sich mit Konversionen zum Protestantismus. Diese wurden aktenkundig, da sie ein normwidriges Verhalten konstituierten und auf eidgenössischer Ebene für politische Konflikte sorgten. Auch wenn das Quellenmaterial fragmentarisch ist, spricht doch vieles dafür, dass die verbotenen 354 Kooi, Conversion, in: Lotz-­Heumann/Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 271 – 285, hier 27 sowie dies., Converts and Apostates, in: ARG 92, 2001, 195 – 214; zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Nicole Grochowina in ihrer Untersuchung der gemischtkonfessionellen Gebiete Ostfrieslands, vgl. dies., Bekehrungen, in: Lotz-­Heumann/ Mißfelder/Pohlig (Hg.), Konversion, 2007, 243 – 270.

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Konversionen zum reformierten Glauben eher selten waren und kein Massenphänomen darstellten. Insgesamt verweisen die in diesem Kapitel diskutierten Konversionsfälle auf eine komplexe Konversionspraxis in den Gemeinen Herrschaften der Eidgenossenschaft, mit multiplen Konversionshintergründen, -erfahrungen und -kontexten. Die Konvertiten der vergangenen Seiten lebten überwiegend in den gemischtkonfessionellen Räumen der Grafschaft Baden. Sie waren, vergleichbar mit den Lästerreden, von denen das vorherige Kapitel berichtete, wesentlicher Bestandteil des konfessionellen Miteinanders. Diese Tatsache spricht dafür, dass Konversionen den Kontakt mit der jeweils anderen Konfession voraussetzten. Insofern betont die Konversionspraxis damit die trans- bzw. interkonfessionellen Beziehungsgefüge als eine strukturelle Voraussetzung des Glaubenswechsels. Diese Feststellung fußt auf dem Verständnis von Grenzen als Berührungsund Kontaktzonen, die Begegnungs-, aber auch Reibungspotentiale eröffnen. Hier förderte die Tätigkeit der Pfarrer und der Ordensangehörigen vor Ort die komplexen Annäherungs- und Differenzierungsprozesse der reformierten und katholischen Untertanen. Durch die Präsenz der eidgenössischen Regenten vor Ort wurden einerseits die Bildung eines ausgeprägten konfessionellen Bewusstseins und somit Abgrenzungstendenzen gefördert, andererseits bildeten die einzelnen Kommunikationsakte auf lokaler und eidgenössischer Ebene permanent Beziehungsgefüge der Konfessionsgruppen. Insofern lässt sich konfessionelle Zugehörigkeit als ein Ergebnis der religiösen Interaktionskoexistenz interpretieren, die durch Zuschreibungs-, Aneignungs- und Ausdifferenzierungsprozesse immer wieder neu produziert und zugewiesen wurde. Das Ringen um die Existenz und die Homogenität der Konfessionsgemeinschaften wurde von den kirchlichen und weltlichen Autoritäten mit unterschiedlichen Mitteln verfolgt. Während Funktionsträger der katholischen Kirche und die katholischen regierenden Orte eine aktive Rekatholisierungspolitik betrieben, war der reformierten Kirche dieses Selbstverständnis fremd. Dennoch war der reformierten Kirche und den reformierten regierenden Orten an dem quantitativen Erhalt ihrer Gläubigen gelegen. Da der Zweite Landfrieden eine aktive reformierte Konfessionalisierung in den Gemeinen Herrschaften verhinderte, wurden die konfessionellen Grenzen in der Grafschaft Baden von den eidgenössischen Funktionsträgern vor Ort, den Amtmännern und Geistlichen und den reformierten und katholischen Regenten permanent betont, neu gezogen und inszeniert. Diese Inszenierung der konfessionellen Differenzen geschah durch und im Medium der Kommunikation. Sie lassen sich im politischen Narrativ bzw. in der Kommunikation über Glaubenswechsel verfolgen: Die Rekonstruktion des Redens von und über Konvertiten ermöglichte Einblick in die Verhandlungen über die Rechtmäßigkeit sozialen Verhaltens und der

Fazit

Landfriedensauslegung. Gleichzeitig wurden durch diese Kommunikation immer auch die Berührungspunkte zwischen den beiden Konfessionsgemeinschaften manifest. In der Auseinandersetzung mit dem konfessionellen Gegenüber wurden die unterschiedlichen Glaubensinhalte der beiden christlichen Religionen verhandelt, was zu einem intensivierten konfessionellen Selbstbild führte, aber auch die konfessionelle Fremdwahrnehmung durch das konfessionelle Gegenüber steigerte. Die Auseinandersetzung über die divergierenden theologischen Lehrinhalte der beiden Konfessionen war das Resultat einer kommunikativen Praxis, nämlich dem Reden über das Phänomen Konversion. Erst die Rekonstruktion der kommunikativen Modi brachte die dynamischen Annäherungsund Differenzierungsprozesse zwischen den beiden Konfessionen in der Alten Eidgenossenschaft zur Darstellung. Die Konversionspraxis spricht demnach für die kulturelle und religiöse Diversität und für die Vielschichtigkeit der frühneuzeitlichen Religionskultur in der Alten Eidgenossenschaft. Die Differenzierungsprozesse kamen insbesondere in der Kommunikation zwischen Konvertiten und Mitgliedern des ehemaligen Sozialverbands wie zum Beispiel der Familie zum Ausdruck. Das kommunikative Geschehen während der Phase des Übergangs zeigte die emotionalen Rückgewinnungsstrategien der Konfessionsgruppen und betonte aufgrund der Ungewissheit des Ausgangs die Fragilität der Konfessionsbildung und deren Prozesshaftigkeit. Damit haftete dem kommunikativen Geschehen etwas Unvorhersehbares und Kontingentes an. Dementsprechend thematisieren Konversionen die soziale Ordnungsbildung frühneuzeitlicher Gesellschaften im Zustand der bikonfessionellen Pluralität oder gar der konfessionellen Fragilität. Katholische Untertanen der Grafschaft Baden – hier sind vor allem Geist­liche zu nennen – machten sich die Religionspluralität zunutze und immigrierten ins nahegelegene Zürich, um dort zum reformierten Glauben zu konvertieren. Nicht immer war eindeutig, ob es sich dabei um religiös motivierte Migrationen handelte oder ob der Glaubenswechsel dem cuius regio eius religio Grundsatz geschuldet war, denn die Hintergründe, Kontexte und Erfahrungen der Konversion differierten in den diskutierten Beispielen. Für alle konvertierenden Geistlichen bedeutete der Glaubenswechsel eine Handlungsoption und eröffnete neue Lebensperspektiven, stand aber auch für eine Desintegration aus bisherigen Sozialverbänden wie Orden und Familie. Durch die gelungene Integration in eine neue Konfessionsgesellschaft entstand bei keinem der drei diskutieren Fälle der Eindruck, der drastische Schritt der Konversion samt Migration sei mit einem „Bruch“ oder einer individuellen Krise gleichzusetzen, im Gegenteil. Der katholische Geistliche Schwerter spielte als gebildeter Mann die theologischen Denkräume als Handlungsräume bzw. die parallel verlaufenden, aber inhaltlich sich ausdifferenzierenden Konfessionalisierungsvorgänge der katholischen und

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reformierten Konfession gegeneinander aus, da er aus einem katholisch geprägten konfessionellen Normensystem in ein reformiert geprägtes konfessionelles Normengefüge wechselte, um seine Lebensform zu legitimieren. Anhand der Konversion des Geistlichen Claudius Schobinger wurde zu bedenken gegeben, ob Konversion tatasächlich als Bruch mit dem vorherigen Leben zu deuten ist, wie es in der Konversionsforschung getan wird. In einer emotionshistorischen Perspektive wurde diesem Narrativ ein anderes entgegengehalten, nämlich das der Sprache der Emotionen, durch die das Verbindende und nicht das Trennende betont und durch das ein weiterhin bestehendes emotionales Beziehungsgefüge zwischen den Konvertiten und ihrer Familie sichtbar wurde. Die Konsequenzen einer Konversion waren für die katholischen und reformierten Untertanen der Gemeinen Herrschaften höchst uunterschiedlich, ebenso wie die Erfahrungen, die Konvertiten bei oder mit einem Glaubenswechsel des Ehepartners sammelten. In besonderem Maße zeigte sich der unterschiedliche Erfahrungshorizont bei konfessionsübergreifenden Ehen. Diese Ehen unterwanderten ein wesentliches Ordnungsprinzip des frühneuzeitlichen Haushalts, das darauf basierte, dass dem Ehemann als Familienoberhaupt die Verfügungsgewalt (patria potestas) über die Haushaltsmitglieder zustand. Begehrte die Ehefrau zum reformierten Gottesdienst zu gehen, während ihr Mann von ihr verlangte, dass sie der katholischen Messe beiwohne, wurden konfessionelle Differenzen zu ehelichen Konflikten, da sich die Frau zwischen dem Gehorsam ihrem Mann gegenüber und ihrem religiösen Gewissen sich selbst und Gott gegenüber entscheiden musste – eine Loyalitätsleistung, die keinem Ehemann abverlangt wurde. Die Wiederherstellung der Ehe als Glaubensgemeinschaft war nicht nur wegen des ehelichen Friedens und der Aufrechterhaltung der frühneuzeitlichen Geschlechterordnung zentral, sondern auch deshalb, da eine interreligiöse Ehe zwangsläufig das Problem aufwarf, in welchem Glauben die Kinder erzogen werden sollten. Die weltlichen Obrigkeiten (Landvogt, regierende Orte) verfolgten eine Konfessionspolitik, die auf der Separation der Angehörigen verschiedenen Glaubens basierte. Aufgrund der Offenheit des Landfriedens und des Fehlens eines verbindlichen Abschieds war die territoriale Konfessionspolitik in dem Untersuchungszeitraum heterogener, als zu erwarten gewesen wäre. Insofern verdeutlicht die Diskussion, dass konfessionelle Zugehörigkeiten in der religiösen Vielfalt zusätzlich zu der oben erwähnten Tätigkeit der Geistlichen und den Handlungen der eidgenössischen Obrigkeit durch den Kontakt und die Interaktion mit konfessionell Anderen geschärft wurden. Konfessionelle Identitäten entstanden nicht allein als Folge obrigkeitlicher Konfessionalisierungsbemühungen. Ein wesentliches Ergebnis dieses Kapitels ist damit, dass sich konfessionelle Zugehörigkeiten sowohl in lokalen Zusammenhängen ausbildeten, nämlich in den

Fazit

bikonfessionellen Dorfgesellschaften und dort in der Begegnung und Auseinandersetzung mit dem konfessionell Anderen, dass sie aber auch das Resultat der Internalisierung obrigkeitlicher Werte waren. Im europäischen Kontext nahmen die bikonfessionellen Gemeinen Herrschaften der Alten Eidgenossenschaft insofern einen besonderen Status ein: Einerseits war in diesen Gebieten das katholische und reformierte Glaubensbekenntnis durch den Zweiten Landfrieden anerkannt, so dass beide Konfes­ sions­gruppen von der Obrigkeit unbehelligt ihre religiösen Riten und Frömmigkeitspraktiken vollziehen konnten. Andererseits herrschten keine paritätischen Rechtsverhältnisse, was in diesem Kapitel unter dem Aspekt des einseitigen Konversionsrechts und der Konversionspraxis diskutiert worden ist. Katholische Untertanen konnten zwar ihren religiösen Kultus praktizieren (und dies in größerem Umfang, wie das folgende Kapitel konstatiert), allerdings war es ihnen im 16. und 17. Jahrhundert untersagt, ihren Glauben zu wechseln. Mit Blick auf das Konversionsrecht lässt sich die rechtliche Situation der katholischen Untertanen der Gemeinen Herrschaften in deutlicher Abgrenzung zu den Katholiken und Protestanten der Niederlande mit den Untertanen im Alten Reich vergleichen, die in monokonfessionellen Territorien lebten, in denen die Bekenntnisfreiheit lediglich dem Reichsfürsten eingeräumt wurde. Für die übrigen galt der Grundsatz cuius regio, eius religio. Das Überschreiten einer konfessionellen Grenze bedingte aufgrund des einseitigen Konversions­ rechts bei Konvertiten zum reformierten Glauben ein Überschreiten der territorialen Grenze der Grafschaft Baden – lediglich im Zusammenhang mit interreligiösen bzw. konfessionsübergreifenden Ehen von Laien kamen in der Grafschaft Baden Übertritte zum Protestantismus vor, ohne dass die betreffenden Personen, meist Ehefrauen, das Territorium verlassen mussten. Religiös motivierte Migrationen waren in der Grafschaft Baden Konversionen zum Protestantismus, nicht zum Katholizismus. Obwohl es in der Alten Eidgenossenschaft explizit kein Auswanderungsrecht gab, zeigte sich in der Praxis, dass der Schutz eines souveränen Ortes konversionswilligen Personen eine Auswanderungspraxis ermöglichte, die im landfriedlichen Text nicht explizit vorgesehen war.355 Es bleibt der zukünftigen Forschung vorbehalten zu klären, 355 Im Unterschied zum Ius reformandi des Alten Reichs war in den Gemeinen Herrschaften allerdings die Frage ungeklärt, was mit dem Eigentum der konvertierenden und auswandernden Personen geschah. Heinz Schilling wertet das Auswanderungsrecht als einen im „europäischen Vergleich“ bemerkenswerten „Meilenstein hin zu individuellen Freiheitsrechten“. Vgl. Schilling, acceptation, in: Schorn-­Schütte/Mörke (Hg.), Abhandlungen, 2002, 32 – 46, hier 36 sowie Schulze, Concordia, in: Kunisch (Hg.), Studien, 1987, 43 – 80. Weiterhin grundlegend: Schneider, Ius reformandi, 2001.

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ob es damit in der Alten Eidgenossenschaft de facto eine Gebotsgewalt über einzelne Territorien, nicht aber über das Gewissen, über einzelne Räume, nicht aber über Personen gab.356

356 Zur Argumentation vgl. Gotthard, Religionsfrieden, in: Wüst/Kreuzer/Schürmann (Hg.), Religionsfriede, 2005, 13 – 28, hier 17.

6 Kommunikation über Räume: Eidgenössische Simultankirchen 6.1 Einleitung Im Jahr 1666 verfasste der reformierte Pfarrer Hans Heinrich Trüb eine detaillierte Beschreibung der liturgischen Gestaltung und Nutzung der Dorfkirche von Würenlos. Dieser Kirchenraum in der Grafschaft Baden wurde von einer katholischen Minderheit und einer reformierten Mehrheit der Dorfbewohner für ihren täglichen Gottesdienst genutzt. Diese religiöse Koexistenz hatte die räumliche Gestaltung der Kirche nachhaltig geprägt.1 Anlässlich einer „renovation und erneuerung“ der Kirche sandte Trüb einen Brief an den Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich, in welchem er die Modalitäten erläuterte, nach denen die Katholiken und Reformierten des Dorfes den Kirchenraum gemeinsam nutzten. Obwohl der Chorraum dieser dörflichen Pfarrkirche noch nicht vergittert war, wie es das Konzil von Trient vorsah, wiesen die zur Schau gestellten Objekte diesen Ort als einen vorwiegend katholischen Raum aus. Hier stand ein „großen altar“, der Hochaltar, zwei Fahnen, zwei Kreuze und „etlich andere zu papistisch gots dienst ghörige zierden“.2 Im Kirchenschiff befanden sich auf beiden Seiten in den Ecken Altäre sowie ein Taufstein für die katholische Gemeinde. Das Taufbecken der reformierten Dorfbewohner war seit seiner Einsetzung im Jahr 1642 auf der linken Seite vor dem Chor platziert. Eine hölzerne Kanzel, die von beiden Geistlichen zur Verkündigung des Gotteswortes benutzt wurde, war ebenfalls auf der linken Seite im Kirchenschiff an der Chormauer angebracht. Ansonsten, wie Trüb bemerkte, war in der Kirche „alles sauber“; eine Aussage, die sich auf die weißen Wände im Kirchenschiff bezog. Dieser Zustand sollte sich bald ändern. Anlässlich der oben erwähnten Renovierung der Pfarrkirche wurde ein „sonderbar gemäld“ aus dem Kanzelhimmel und ein weiteres aus dem Hochaltar entfernt und ohne das Wissen des reformierten Pfarrers in das Kirchenschiff und somit seiner Gemeinde, wie Trüb monierte, „für die augen 1 Einer Zählung von 1656 zufolge bestand die reformierte Gemeinde Würenlos unter Berücksichtigung der reformierten Dorfbewohner aus Oetlikon, Hüttikon und Oetwil, die den Gottesdienst in Würenlos besuchten, aus 458 reformierten und 213 katholischen Gläubigen, vgl. StAZH E II 700, 78. Hans Heinrich Trüb stand der reformierten Gemeinde Würenlos in den Jahren 1656 bis 1672 vor; insofern könnte er die Zählung vorgenommen haben. 2 StAZH E I 30.90, Schreiben an Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich von Hans Heinrich Trüb, 14. Mai 1666.

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Kommunikation über Räume

gehängt“. Diese unautorisierte visuelle Neugestaltung der Kirche war der Grund für Trübs Klage bei der Stadt Zürich, aus deren reformierter Geistlichkeit die Pfarrer von Würenlos stammten. Unmittelbar nach dem ersten Gottesdienst mit den neuen Gemälden vor Augen hatte Trüb den reformierten Landvogt Escher unterrichtet und diese „nüwerung“ im Kircheninneren beklagt. Trüb fürchtete, jeder Winkel im Kirchenraum sei bald mit Bildern übersät.3 Diese Ereignisse veranlassten den Landvogt Escher, sich zum Abt Gerhard von Wettingen zu begeben, dem Patronatsherrn und Grundherrn von Würenlos. Escher bat den Abt um die „abschaffung der in die kirch gehenkte gemälden“.4 Zwar kam der Konventsobere dieser Bitte nicht nach, allerdings wurden die Ereignisse im Kirchenraum zum Anlass genommen, erneut über das Projekt der Aufteilung der Kirche zu verhandeln.5 Zunächst wurde dazu der Kirchenraum inspiziert.6 Nachdem die Herren einen Eindruck über seine Größe und Beschaffenheit gewonnen hatten, wurde festgehalten, dass einer Aufteilung des Kirchenraumes nichts im Wege stünde. Zu diesem Zweck sollte der Chor durch ein Gitter vom Kirchenschiff getrennt werden.7 Der Chor wurde der katholischen Gemeinde zugewiesen, damit dort die bislang außerhalb des Chorraums stehenden zwei Altäre, der katholische Taufstein sowie die erwähnten Bildtafeln untergebracht werden konnten.8 Zudem wurde der Chor durch einen M ­ ellinger Künstler neu ausgemalt, der ehemalige Klosterschmied Lambert Kohler fertigte ein eisernes Chorgitter an.9 Das Kirchenschiff hingegen sollte „sauber“ sein, ohne Bilderschmuck und ohne Objekte des katholischen Kultes.10 Betrat man

3 Ebenda. 4 StAZH E I 30. 90, Schreiben des Landvogts Escher zu Baden an den Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich, 19./29. Mai 1666. 5 Ebenda. Trüb schrieb darüber nach Zürich, die „theilung der kilchen“ sei „schon fürgenommen worden aber nit kommen in den effect“, StAZH E I 30.90, Schreiben an Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich von Hans Heinrich Trüb, 14. Mai 1666. 6 Und zwar von dem Großkeller und Kanzler des Gotteshauses Wettingen, dem Untervogt Johann Ulrich Schnorff und dem Landvogt Escher, vgl. StAZH A. 315.3, Project zur Eingitterung des Chores, 4. Juni 1666. 7 In einem Schreiben an den Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich berichtete Landvogt Escher, dass es für die Katholiken im Chorraum wohl sehr „eng“ werden würde, StAZH A. 315.3, 7. Juni 1666. 8 StAZH A. 315.3, Project zur Eingitterung des Chores, 4. Juni 1666. 9 Witschi, Ortsgeschichte, 1984, 237. 10 Der Ausdruck „sauber“ ist dem Schreiben Trüb entnommen, StAZH E I 30.90, Schrei­ ben an Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich von Hans Heinrich Trüb, 14. Mai 1666. Die Aufteilung der Kirche folgt der Beschreibung ihrer Teilung, StAZH A. 315.3, ­Project zur Eingitterung des Chores, 4. Juni 1666.

Einleitung

die Kirche, sollten auf der rechten Seite, wo bisher der Altar der katholischen Gemeinde gestanden hatte, Stühle für die Gesandten errichtet werden, damit, wie Trüb es ausdrückte, „wir einen herr auch nach ehren setzen könnind“.11 Links im Kirchenschiff waren vor dem Chorraum der Standort für den Taufstein und der Aufbewahrungsort für den Gotteskasten der reformierten Gemeinde vorgesehen.12 Die Weiberstühle sollten ausziehbaren Stühlen weichen, damit „jedenmann wol plaz haben möchte“.13 Mit dieser Formulierung wurde nicht ausschließlich auf die Raumbedürfnisse der reformierten Gemeinde, sondern auch auf die des reformierten Pfarrers verwiesen, denn der Gottesmann benötigte genügend Platz, um vor dem Chorraum die Kinder taufen und die Ehen schließen zu können. Der Blick in das Innere einer eidgenössischen Dorfkirche steht aus vier Gründen am Anfang meiner Überlegungen über die konfessionelle Ausdifferenzierung sakraler Räume im Zeitalter der Konfessionalisierung. Erstens führen die Beschwerde Trübs und das Projekt zur Vergitterung des Chorraums Praktiken räumlicher Differenzierung vor, die eine friedliche religiöse Koexistenz im Kirchenraum erlaubten und die charakteristisch für die Grafschaft Baden des 17. Jahrhundert waren. Während konfessionelle Streitprozesse in und um den eidgenössischen Kirchenraum für das 16. Jahrhundert kaum aktenkundig wurden, erlebte dieses Territorium mit den fortschreitenden reformierten und katholischen Konfessionalisierungsprozessen des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts eine Reihe konfessioneller Auseinandersetzungen, die sich an der liturgischen 11 Es ist durchaus möglich, dass Trüb bei dieser Äußerung auch die „Herren“ der Würenloser Dorfgesellschaft im Sinn hatte. StAZH E I 30.90, Schreiben an Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich von Hans Heinrich Trüb, 14. Mai 1666. 12 StAZH A. 315.3, Project zur Eingitterung des Chores, 4. Juni 1666. 13 Trüb spricht davon „by allen weiber stulen lange ußzug stule“ zu installieren, StAZH E I 30.90, Schreiben an Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich von Hans Heinrich Trüb, 14. Mai 1666. In einer anderen Quelle heißt es, es solle „auch under die weiber stul auffzüg stuhlin gemacht werden, mit steinen trittem solle man so weith hinauß fahren von dem gatter [Chorgitter, D. H.], dass ein […] herr predikant die Ehen ÿnzusegnen platz gnug habe“. StAZH A. 315.3, Project zur Eingitterung des Chores, 4. Juni 1666. Ausziehbare Stühle gab es durchaus, meist in Richtung Mittelgang, die am Rand der festen Kirchenbestuhlung angebracht waren. Dies scheint hier nicht der Fall gewesen zu sein, da die Stühle, wenn sie den handelnden Pfarrer nicht behindern sollten, wohl in der ersten Reihe im Kirchenschiff und somit vor dem Chorraum gestanden haben müssen. Da Frauen wiederum „über die besten Plätze in der Kirche“ verfügten, nämlich über jene, die in unmittelbarer Nähe zum Chor und der Kanzel standen, scheint diese Deutung wahrscheinlich, vgl. Signori, Platz, in: Rau/Schwerhoff (Hg.), Gotteshaus, 2004, 339 – 382, hier 380. Ich danke Gabriela Signori (Konstanz) herzlich für die Hilfe bei der Deutung der Quellenzitate.

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und der visuellen Veränderung des simultan genutzten Sakralraums entzündeten. Die Reaktion des Pfarrers Trüb, als er von der Kanzel herab die katholischen Gemälde im Kirchenschiff erblickte, erinnert uns daran, dass die visuellen Kulturen der beiden Konfessionen nur schwer miteinander zu vereinbaren waren. Denn schaute ein katholischer Gläubiger auf die Gemälde im Kirchenraum, so sollten sie ihm grundlegende theologische Glaubenswahrheiten kommunizieren und nützliche Unterweiser sein, der reformierte Kirchengänger hingegen sollte mit Zwingli in Bildern kaum mehr als Bildgötzen erkennen – in seiner Eine kurze christliche Einleitung hatte Zwingli schon 1523 erkannt, dass Christen den Glauben „ab den Wänden nit erlernen“.14 Trüb fand daher nur ein Wort für die katholischen Gemälde, die er bei seinem Gottesdienst unvermutet vor Augen hatte – „sonderbar“ – und befürchtete voller Schrecken, das ganze Kirchenschiff sei bald mit Gemälden übersät.15 Angesicht einer solchen Vision wünschte er sich das Kirchenschiff wieder „sauber“, also rein, ohne Bildschmuck, schlichte, weiße Wände – womit hier nicht einer rationalen reformierten Religion das Wort geredet werden soll. Die Farbe Weiß konnte durchaus eine „spezifische symbolische Sakralität des reformierten Kirchenraums“ suggerieren.16 In diesem Sinne lässt sich auch die Bemerkung Trübs interpretieren; „sauber“ stünde dann für sein Verständnis eines bildfreien reformierten Sakralraums, der durch die katholischen Bildmedien profanisiert wurde. Des Weiteren verwies der Ausdruck „sauber“ in dem semiotischen Bedeutungskontext des reformierten Gottesmannes auf eine Form des spacing, da er eine räumliche Distinktion des katholischen und reformierten Kirchenraumes und den konfessionsspezifischen Konzeptionen von Sakralität bezeichnete.17 Zweitens verdeutlicht die Beschreibung des Kirchraumes aus der Feder des reformierten Gottesmannes, dass jedes Bild seinen Ort im Kirchenraum hatte. Provokationspotential besaßen die beiden Gemälde für Pfarrer Trüb erstaunlicherweise nur, solange sie im Kirchenschiff und damit während des Gottesdienstes direkt vor den Augen der reformierten Gemeinde und des predigenden Pfarrers hingen. Insofern wurde mit der anvisierten Teilung der Pfarrkirche – der 14 Zit. nach Altendorf, Stellung, in: Altendorf/Jezler (Hg.), Bilderstreit, 1984, 11 – 18, hier 14. Ein und dieselben Bildmedien transportierten damit divergierende Botschaften, die weniger durch das Medium als durch die Rezipientenhaltung Form annahmen. 15 Durch die Bildersturmforschung ist zwar der Angriff auf Bilder als Bildgötzen sehr gut erforscht. Dies gilt allerdings nicht für das Provokationspotential von religiösen Bildern im simultan genutzten Kirchenraum während des 17. Jahrhunderts. 16 Rublack, Reformation, 2003, 229 – 230. 17 Schwerhoff, Sakralitätsmanagement, in: Rau/Schwerhoff (Hg.), Topographien, 2009, 38 – 69.

Einleitung

Chor den Katholiken, das Kirchenschiff den Reformierten – eine pragmatische Lösung diskutiert, die der reformierten Gemeinde weiße Kirchenwände und eine Konzentration der liturgischen Objekte für den katholischen Kult im Chorraum erlaubte. Bei der Feier des reformierten Gottesdienstes werden in Würenlos, wie in anderen Simultankirchen der Eidgenossenschaft, die visuellen Zeichen des katholischen Kultes, die Altäre und Bilder mit schwarzen Tüchern verdeckt, die Reliquien im Altar verschlossen gewesen sein.18 Für die Katholiken war der Chorraum mit seiner Konzentration auf das Heilige – Hochaltar, Reliquien, Gemälde – ohnehin ein Raum in der Kirche, der in der sich in der Frühen Neuzeit ausdifferenzierenden „sakrale[n] Feingeographie des Kirchenraums“19 (Martin Scharfe) einen besonderen Platz einnahm. Als eines der inhaltlichen Kernelemente katholischer Konfessionalisierung wurde in katholischen Kirchenräumen daher eine „ehrfurchtsgebietenden Sphäre der Sakralität“ durch eine spezifische Form des spacing geschaffen, indem in der posttridentinischen Raumgliederung der Hochaltar für die Liturgen reserviert wurde, während die Laien hinter die Chorschranken zurücktraten.20 Die detaillierten nachtridentinischen Bestimmungen zur Ausstattung der Kirchen erwähnten, der Chorraum solle mit einem „würdigem Gemälde geziert“ und durch „Chorschranken vom Aufenthaltsort des Volkes geschieden“ werden.21 Die von Katholiken und Reformierten gemeinsam genutzte Pfarrkirche lässt sich damit als Raum denken, in dem sich die Ausdifferenzierung der konfessionellen Symbolsysteme beobachten lässt.22 Allerdings wurde durch die Ausmalung des Chors – vielleicht mit der Passion, den Aposteln oder den vier Evangelisten 23 – und durch dessen Vergitterung in der Würenloser Dorfkirche

18 RPG, II, 6, 3: Chronik der Gemeinden, Bd. 2 (1635 – 1698), fol. 103 – 104. 19 Zit. nach: Packeiser, Austausch, in: ARG 93, 2002, 317 – 338, hier 331. 20 Holzem, Kirche, in: Rau/Schwerhoff (Hg.), Gotteshaus, 2004, 447 – 461, hier 451 – 452 sowie Pfister, Tabernakel, in: Haag/Holtz/Zimmermann (Hg.), Frömmigkeit, 2002, 115 – 141. 21 Mayer-­Himmelheber, Kunstpolitik, 1984, 110 – 111 sowie Brüschweiler, Simultanverhältnisse, 1932, 95 – 96. 22 Zum Themenkomplex Kunst und Konfessionalisierung vgl. Roeck, Kunst, in: Hoffmann/Johanns/Kranz (Hg.), Frieden, 2005, 172 – 181 sowie Packeiser, Austausch, in: ARG 93, 2002, 317 – 338; zur konfessionsspezifischen Raumgestaltung vgl. Harasimowicz, Altargerät, in: Hoffmann/Johanns/Kranz (Hg.), Frieden, 2005, 210 – 221; zur Kirchenraumnutzung und ihrer sozialen und geschlechtsspezifischen Distinktion, vgl. Signori, Platz, in: Rau/Schwerhoff (Hg.), Gotteshaus, 2004, 339 – 382. 23 So geschehen in der von beiden Konfessionen genutzten Dorfkirche in Dietikon, vgl. dazu Hacke, Kirchenraum in: Wegmann/Wimböck (Hg.), Konfessionen, 2007, 137 – 157.

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nicht nur ein Akt der Konfessionalisierung realisiert,24 sondern auch der Raum der Geistlichen stärker von dem Raum der Laien getrennt. Weitere soziale und geschlechtsspezifische Distinktionsmerkmale wurden im Kirchenraum mit der erneuerten Bestuhlung geschaffen.25 Drittens zeigt die Beschreibung des Kircheninnerns, dass das visuelle Erscheinungsbild frühneuzeitlicher Kirchen aufs Engste mit den funktional-­religiösen Aspekten des Kirchenraumes verbunden war. Der Kirchenraum war in erster Linie ein religiöser Handlungsraum, wobei die Raumsituation die Handlungsoptionen und Handlungssituationen der Geistlichen vorstrukturierte. Zudem beinhalteten die Taufhandlungen, die reformierte Geistliche unter Einbezug ihrer Gemeinde vollzogen, ein gestalterisches Element, da zu diesem Zweck an vielen Orten in der Grafschaft Baden der Tisch samt Schale in den Chorraum gestellt wurde. Der Platz war nicht zufällig gewählt. Durch ihn wurde für die Taufhandlung zeitweilig ein neues liturgisches Zentrum im Kirchenraum etabliert: Durch die Nähe des Taufgeräts zu Altar und Kanzel, den Prinzipalstücken evangelischer Kirchenausstattungen, wurde ein Raum im Raum, eine „liturgische Trias“ geschaffen.26 Gleichzeitig wurde der Raum, in dem der Geistliche handelte, stärker von dem Raum der Gemeinde getrennt. Diese räumliche Gestaltungs- und Verhaltensnormierung ist nur ein Verweis auf den Versuch, den Kirchenraum in der Frühen Neuzeit als eine sakrale Sphäre zu konstituieren, die sich deutlich von der profanen Welt unterschied.27 Kaum zu trennen von den genannten funktional-­religiösen Aspekten sind somit viertens die bereits kurz erwähnten gestalterischen Elemente. Die von beiden Konfessionen genutzte Pfarrkirche war ein im höchsten Maße gestalteter Raum – gestaltet mit Blick auf die konfessionsspezifische Nutzung und die beschriebenen religiösen Handlungsweisen des katholischen und reformierten 24 Harasimowicz, Kunst, 1996, unpaginiertes Geleitwort. 25 Zur sozialen Distinktion vgl. Rau/Schwerhoff, Räume, in: dies. (Hg.), Gotteshaus, 2004, 11 – 52, hier 35 – 36. 26 Harasimowicz, Kirchenräume, in: Rau/Schwerhoff (Hg.), Gotteshaus, 2004, 413 – 445, hier 424. 27 Der protestantische Kirchenraum wurde mit der Reformation zwar konzeptionell entsakralisiert, in der Praxis wurde allerdings auch im Luthertum der Kirchenraum als Haus Gottes verstanden, vgl. Dürr, Kultur, in: Dürr/Schwerhoff (Hg.), Kirchen, 2005, 497 – 526 sowie Heal, Image, in: Coster/Spicer (Hg.), Space, 2005, 39 – 59. Systematisierende und konfessionsvergleichende Überlegungen bei Schwerhoff, Sakralitätsmanagement, in: Rau/Schwerhoff (Hg.), Topographien, 2008, 38 – 69. Zum posttridentinischen katholischen Kirchenraum mit seiner Ausrichtung der Blickachse auf den Altar und die Elevation der Hostie, vgl. Browe, Elevation, in: JLW 9, 1929, 20 – 67, hier 57 sowie vgl. Black, Confraternities, 1989, 30.

Einleitung

Geistlichen und deren Gemeinden.28 Die gestalterischen Maßnahmen zur Materialisierung der konfessionellen Kulturen im Kirchenraum verweisen auf das Veränderungspotential von Räumen und damit auf die Möglichkeit, zu historisieren.29 Zugleich erscheint der von beiden Konfessionen genutzte Kirchenraum als ein vorstrukturierter Raum, und dies in zweierlei Hinsicht: zunächst in materieller Hinsicht durch die den Raum und damit auch die religiöse Koexistenz konstituierenden räumlichen und materiellen Faktoren, die sich auf die religiöse Handlungssituation der Geistlichen und der Gemeinde auswirkten. Sakrale Räume ließen sich nicht beliebig erschaffen. Bei der – wenn auch nur partiellen Neugestaltung des Kirchenraumes – waren daher die das Handeln vorstrukturierenden Faktoren von Räumen in der politischen Kommunikation gegenwärtig. Diese religiösen Handlungssituationen in und um den Kirchenraum lassen sich mit Martina Löw als eine Wechselwirkung beschreiben, die durch Handeln und Strukturen konstituiert ist.30 Dies hat den Vorteil, dass der eidgenössische Kirchenraum in den materiellen und symbolischen Komponenten kenntlich wird, die eine Handlungs- und Konfliktsituation bedingten; sodann in rechtlicher und politischer Hinsicht: Trübs Einwand gegen die Gemälde als eine unautorisierte Erneuerung lieferte ein wichtiges Argument, dass den Kirchenraum als politischen Handlungsraum eidgenössischer Herrschaftsträger kenntlich machte. Den rechtlichen Kontext seiner Äußerungen bildete der Landfrieden von 1531, ein Vertrag, der – wie ausführlich diskutiert worden ist – ein eher vages Vertragswerk darstellte, das zwar den Handlungsrahmen für interkonfessionelle Kooperation absteckte, dessen rechtliche Leerstellen und Ambiguitäten allerdings die Grundlage für zukünftige Ausdifferenzierungsprozesse durch die politische Elite boten. Gegenstand dieses Kapitels sind die politisch-­kommunikativen Aushandlungsprozesse zur religiös-­liturgischen Ausgestaltung bikonfessionell genutzter Dorfkirchen in der Grafschaft Baden. Da eidgenössische Simultaneen offenbar keine Orte historischer Reflexion darstellten, sind auch keine Beschreibungen des Kircheninneren von zeitgenössischen Reisenden überliefert. Ohnehin ist das Quellenmaterial sehr disparat, zeitgenössische Darstellungen des 28 Das gestalterische Potential von Kirchenräumen als Handlungsräumen betont Dürr, Ohrenbeichte, in: Rau/Schwerhoff (Hg.), Gotteshaus, 2004, 383 – 411, hier 383 – 384 unter Verweis auf die Raumsoziologie Martina Löws. Grundlegend zum Kirchenraum als einem religiösen Handlungsraum, vgl. Dürr, Kultur, 2006. 29 Hier wird dem auf Martina Löw fußenden Verständnis Rechnung getragen, dass „Raum“ keine absolute, sondern eine relationale Kategorie ist; Raum ist nicht lediglich gegeben, sondern wurde sozial konstruiert, vgl. Löw, Raumsoziologie, 2001. 30 Vgl. Löw, Raumsoziologie, 2001, zusammenfassend 176 – 177.

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Kircheninnern und selbst Kirchenrechnungen fehlen vielfach, was die Rekonstruktion der Gestaltung des Kirchenraumes, der (An-)Ordnung der liturgischen Prinzipalstücke und damit der Modi der Kirchennutzung insgesamt erschwert. Selbst die einschlägige Literatur weiß nur sehr fragmentarisch Auskunft zu geben. Handwerker und Künstler und, falls sie überhaupt existierten, Bildprogramme sind nur in seltensten Fällen bekannt, Abbildungen nur in Einzelfällen und zeitgenössische Stiche in keinem der diskutierten Fälle überliefert. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass die mittelalterlichen Sakralräume und ihre liturgischen Ausstattungen, soweit nicht durch bilderstürmerische Aktionen zerstört, auch im 16. und 17. Jahrhundert weiter Bestand hatten. Da sie fortan zwei Religionsgemeinschaften dienten, wurden die Kirchenräume allerdings neuen liturgischen Bestimmungen zugeführt.31 Damit besteht prinzipiell das Problem, dass religiöse und politische Handlungssituationen in Kirchenräumen zur Analyse stehen, die sich nur fragmentarisch vorwiegend aus den Quellen, in denen die konfessionellen Streitprozesse geführt und reflektiert werden, rekonstruieren lassen. Dazu zählen vor allem die meist sehr reichhaltig überlieferten Missiven, aber auch die Instruktionen für die Gesandten auf den Tagsatzungen sowie die Abschiede, die das kommunikative Geschehen über die Gestaltung des Kirchenraums reflektieren. Vereinzelt wurden Ereignisse auch in einem Memoriale verschriftlicht oder die Beschwerden vom Geistlichen der evangelischen Gemeinde an den Rat und die Stadt Zürich übermittelt. Es ist somit vorwiegend die Kommunikation über die Kirchenräume, in der wir etwas über deren materielle Beschaffenheit erfahren. Dementsprechend werden die Prozesse der konfessionellen Abgrenzung und Annäherung überwiegend auf der Grundlage der eidgenössischen politischen Kommunikation nachvollzogen, die vielfach die Antagonismen der reformierten und katholischen Konfessionalisierungsprozesse zum Inhalt haben. Das folgende Kapitel ist in fünf Teile gegliedert. Die ersten drei Abschnitte diskutieren chronologisch die Einsetzung reformierter Taufbecken in der Graf 31 Zum Entstehungskontext der Simultankirchen, vgl. Kap. 3: Parität durch Konflikt. Simultane Kirchennutzungen entstanden in der Grafschaft Baden in der Kapelle Baldingen, den Pfarrkirchen Birmenstorf, Gebenstorf, Dietikon und Lengnau, den Kapellen in Spreitenbach und Tegerfelden (bis 1662, dann eigene reformierte Pfarrkirche), der Pfarrkirche Würenlos und der Pfarrkirche Zurzach (bis 1717, dann eigene reformierte Kirche). Bis auf Spreitenbach, wo eine baufällige Kapelle einem vergrößerten Neubau weichen musste, wurden die mittelalterlichen Kirchen auch nach der Reformation im 16. und 17. Jahrhundert weiterbenutzt. In der Schweiz kam eine reformierte Bautätigkeit nur zögerlich in Gang. Bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts entstanden neunzehn reformierte Kirchen, bei denen es sich ausschließlich um Dorfkirchen handelte, vgl. Germann, Kirchenbau, 1963, 43.

Taufsteineinsetzung in Zurzach 1604

schaft Baden in den Gemeinden Zurzach, Dietikon und Würenlos. Obwohl diese liturgischen Gegenstände von den katholischen Orten auf der argumentativen Grundlage des Zweiten Landfriedens als „Neuerungen“ markiert wurden, gelang es Zürich im Laufe des 17. Jahrhunderts, die simultan genutzten Kirchen in den bikonfessionellen Gemeinden den liturgischen Bedürfnissen der reformierten Glaubensgemeinde gemäß zu gestalten. Der vierte Abschnitt rekonstruiert den zähen Kampf um die Einsetzung eines katholischen Altars in Zurzach und verdeutlicht die Argumentationsmodi der reformierten Limmatstadt gegen das liturgische Objekt. Abschließend steht mit dem Kapellenbau von Spreitenbach ein Sakralraum zur Analyse, der nicht durch die Bestimmungen des Zweiten Landfriedens einem simultanen Gebrauch zugeführt wurde, sondern der von Anfang an als ein Kirchenraum konzipiert war, der beiden Glaubensgemeinschaften zur Verfügung stehen sollte. Insofern führt der letzte Abschnitt die einleitend diskutierten Aspekte (konfessionsspezifische materielle Kultur als Ergebnisse der katholischen und reformierten Konfessionalisierungsprozesse, konfessionsspezifische Raumnutzung und Handlungsoptionen der Geistlichen und dessen Gemeinden) exemplarisch und in verdichteter Form vor und zeigt, wie diese divergierenden Herrschaftsinteressen am Kirchenraum in der politischen Kommunikation mediatisiert wurden. Insgesamt wird damit vorgeführt, wie in der Alten Eidgenossenschaft eine friedliche Koexistenz im Kirchenraum durch politische und rechtliche Verhandlungsprozesse hergestellt und durch politische Entscheidungen geschaffen wurde.

6.2 „das fürnemst und erste Sacrament“: Taufsteineinsetzung in Zurzach 1604 Die Einsetzung reformierter Taufbecken nahm in der Grafschaft Baden in der Pfarrkirche von Zurzach seinen Anfang (1604). Kurz darauf folgten Dietikon (1615), Würenlos (1642) sowie Birmenstorf und Gebenstorf (1651).32 Die Taufsteineinsetzung in Zurzach war eine Reaktion auf die Chorvergitterung in der von beiden Glaubensgemeinschaften genutzten Pfarrkirche, da sie die Handlungsoptionen des reformierten Geistlichen deutlich einschränkte. Deshalb wird die Taufsteineinsetzung nicht isoliert, sondern zunächst im größeren Kontext mit den Nutzungs- und Gestaltungsrechten an der Pfarrkirche von Zurzach betrachtet.

32 Die zuletzt genannte Taufsteineinsetzungen sind jedoch archivalisch kaum dokumentiert, weshalb sie im Folgenden unerwähnt bleiben.

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Zurzach war Zeitgenossen in der Frühen Neuzeit durch den Verenakult und die zweimal im Jahr stattfindenden Messen bekannt.33 Seit der Glaubensspaltung lebten in diesem Flecken, dem das Stadtrecht verweigert worden war, Katholiken und Protestanten in enger religiöser Koexistenz zusammen.34 Die in geographischer Nähe des Verenastifts gelegene Pfarrkirche Sankt Maria wurde seit der Glaubensspaltung von 1532 bis 1716/1717 gemeinsam von Katholiken und Protestanten zur Verrichtung ihres Gottesdienstes genutzt.35 Die Rechte an dem Kirchengebäude waren in der Grafschaft Baden keineswegs paritätisch geregelt.36 So war etwa die Zugänglichkeit des Sakralraumes konfessionsspezifisch markiert, da die Chorherren des Verenastiftes den Kirchenschlüssel verwahrten.37 Den katholischen Geistlichen stand auch das Recht zu, den Gottesdienst vor ihren reformierten Kollegen zu verrichten. Dass nur der Beginn, nicht aber das Ende des katholischen Gottesdienstes festgelegt war, schuf zusätzliches Konfliktpo 33 Bodmer, Messen, in: Argovia 74, 1962, 3 – 144. 34 Zur Frage, warum Zurzach nie das Stadtrecht erhielt, vgl. die Diskussion von Schott, Marktflecken, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 257 – 266; zur Reformation in Zurzach vgl. Huber, Beiträge, in: ARG 2, 1872, 533 – 536; Huber, Chronik, in: ARsG 3, 1875, 411 – 474 sowie Finsler, Chronik, 1901; Höchle, Geschichte, 1907 sowie Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004. Innerhalb der Pfarrei existierten seit der Glaubensspaltung „reformierte Sondergemeinden in Zurzach und in Tegerfelden“, vgl. Siegrist, Zurzach, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 237 – 256, hier 244. 35 Im 18. Jahrhundert (1716/1717) erhielt die evangelische Gemeinde ihre eigene Pfarrkirche, vgl. Germann, Kirchenbau, 1963 sowie Siegrist, Zurzach, in: Sennhauser/Sennhauser/ Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 237 – 256, hier 244. Es handelt sich hierbei um einen bemerkenswerten Querbau mit Zwiebelturm. 36 Das Zurzacher Verenastift verfügte seit alters her über diese Kirche, Zürich hatte allerdings das Patronat inne und ernannte die evangelischen Pfarrherren. Vgl. Sennhauser, Pfarreien, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 223 – 234, hier 228. Das Kollaturrecht für die Chorherren des Verenastifts lag beim Badener Landvogt, seitdem Julius II. 1512 seine seit 1448 übliche Kollatur den Eidgenossen schenkte. Dieses Recht wurde 1532 an den Landvogt von Baden übertragen, vgl. Marchal, Verena, in: Helvetia Sacra II/2, 1977, 597 – 627, hier 600. 37 Erst 1668 forderten die Reformierten einen eigenen Kirchenschlüssel, vgl. Sennhauser, Pfarreien, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 223 – 234, hier 232. Die Klage über die fehlenden Schlüssel findet sich auch im Beschwerdekatalog des Stadtschreibers Waser, vgl. StAZH BI 284, fol. 295. Die Zugänglichkeit von Kirchen ist ein Forschungsdesiderat der Frühneuzeitforschung. Wie Susanne Rau und Gerd Schwerhoff formulierten, wird mit Unterschieden hinsichtlich der Konfession, der Funktionstypen von Kirchen und zwischen Dorf- und Stadtkirchen zu rechnen sein, vgl. Rau/Schwerhoff, Räume, in: dies. (Hg.), Gotteshaus, 2004, 11 – 52, hier 49, Anm. 122.

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tential.38 Auch Nutzung und liturgische Gestaltung des Kirchenraumes folgten keineswegs paritätischen Erwägungen. Das protestantische Gestaltungsrecht des Sakralraumes wurde dadurch eingeschränkt, dass die Riten des katholischen Kultes berücksichtigt werden mussten.39 Zudem hatte die evangelische Gemeinde die visuellen Manifestationen des katholischen Glaubens zu respektieren. Zwar fiel der Großteil der Innenausstattung bilderstürmerischen Aktivitäten zum Opfer,40 dennoch überlebten einige Fresken den Bildersturm. Zu diesen zählte der heilige Sebastian neben der Nische des südlichen Nebenaltars, eine Kreuzigung an der Südwand im Schiff und einige Renaissanceornamente über dem Triumphbogen.41 Zusätzlich hingen zwölf Rundbilder mit den Por­ träts der Apostel im Kirchenraum, vier von ihnen im Chor und acht im Schiff.42 Die reformierte Gemeinde vollführte den Gottesdienst demnach mit visuellen Manifestationen des katholischen Glaubens vor Augen. Für die religiöse Praxis der reformierten Glaubensgemeinschaft in der Pfarrkirche Sankt Maria in Zurzach hatte das katholische Gestaltungsrecht weitere Folgen: Als die Herren des Chorstiftes den offenen Chorraum der Pfarrkirche dem tridentinischen Geist gemäß vergitterten,43 wurde dieser spezifische

38 Brüschweiler, Simultanverhältnisse, 1932, 94 sowie die Diskussion in Hacke, Church, in: GH 25, 2007, 285 – 312. 39 Brüschweiler spricht zu Recht davon, dass sich das „evangelische Gebrauchsrecht […] im Vergleich zum katholischen als ein Recht dar[stellte], über das zur Hauptsache andere als ein eigentlicher Träger, zu bestimmen berechtigt waren“, vgl. Brüschweiler, Simultanverhältnisse, 1932, 85 – 86. 40 Wyss zufolge wurden Bilder und Altäre von Georg Teufel und dem aus Zürich entsandten Prädikanten Franz Zingg zusammen verbrannt, vgl. Finsler, Chronik, 1901, 140 sowie Höchle, Geschichte, 1907, 104 – 110. 41 Sennhauser, Zurzach, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 15 – 40, hier 31. 42 Zusätzlich waren an der Südwand Paulus mit dem Schwert und Jakobus minor mit der Walkerstande abgebildet; ebenfalls an der Südwand waren Bartholomäus mit dem Schindmesser zu sehen und – an der Nordwand – Judas Thadäus mit Keule und Mütze sowie Mathias mit Beil, Buch und Barett. Vgl. Reinle, Verena, 1948, 204 – 206. 43 Die Mailänder Provinzialsynode von 1576 sowie eine Reihe anderer Synodalversammlungen bis 1619 erhoben Altarschranken oder Chorgitter zur Pflicht, zusammen mit dem Verbot, dass Laien den Altarraum betreten dürfen, vgl. Braun, Altar, Bd. 2, 1924, 654. Über die Vergitterung des Chors in der Zurzacher Pfarrkirche gibt es verschiedene Angaben. In einem im Staatsarchiv Aarau verwahrten Abschied des Tags im September 1639 wird erwähnt, der Chor sei im Jahr 1600 vergittert worden, vgl. StAAG AA 2451: Abscheids Acta und Beylagen XLIII, 25. September 1639, Tag zu Baden, fol. 353r. In dem Zürcher und Berner Exemplaren des gleichen Abschieds wird die Vergitterung des Chors allerdings auf das Jahr 1618 datiert, vgl. StAZH A. 321.1 Gemeine Herrschaften,

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Raum des Kirchengebäudes für die Rituale der evangelischen Kirchennutzer unzugänglich oder doch zumindest der Zugang erschwert, und dies, obwohl in Zurzach wie auch in anderen bikonfessionellen Dörfern der Grafschaft Baden die Kirchen- und Kultusordnung der Stadt Zürich für die evangelische Gemeinde bei der liturgischen Gestaltung der Kirche und des Gottesdienstes maßgeblich war.44 Zwinglis Abendmahlsformular von 1525 hatte für den Abendmahlstisch den Platz im Chorraum vorgesehen,45 in dem auch die Zurzacher Protestanten an hohen Feiertagen ihr Abendmahl empfingen. Ein einfacher, beweglicher Tisch wurde zu diesem Zweck in den vorderen Chorraum gestellt.46 Der Chorraum wurde in den meist kleinen Dorfkirchen der Grafschaft von der reformierten Gemeinde während des Gottesdienstes zudem zum Stehen und Sitzen genutzt und überdies führte der Weg zu den Kirchenglocken in einigen Kirchen bzw. Kapellen durch den Chor.47 Zürich hatte daher schon im März 1592 in einem Schreiben an die fünf katholischen Orte gemahnt, dass in etlichen Kirchen, die von beiden Konfessionen für ihren Gottesdienst genutzt wurden, „die glëgenheit nit vorhanden, das man die Innschließung des Chors, aus nachtheil und verhinderung der Euangelischen kilchgnossen übrigen platzes Inn der kilchen, thun köndte“.48 Bei der Vergitterung des Chors in Würenlos wurde in dem im Juni 1666 schriftlich fixierten „Project zur Eingitterung des Chores“ immerhin durch bauliche Maßnahmen dafür gesorgt, dass beide Geistliche

Politisches, Zurzach und Kadelburg (1265 – 1737), unfoliiert sowie StABE, AV 849 Badenbücher I, fol. 144. 44 Vgl. Sennhauser, Pfarreien, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 223 – 234, hier 228. 45 Genauer: unter dem Triumphkreuz am Choreingang, vgl. Germann, Kirchenbau, 1963, 17 sowie ders., Kirchenbau, in: Raschzok/Sörries (Hg.), Geschichte, 1994, 192 – 200, hier 193. In den von beiden Konfessionen genutzten Kirchen der Grafschaft Baden war für die reformierte Gemeinde die gleiche Kirchen- und Kultusordnung gültig, wie sie maßgeblich von Zwingli im Jahr 1525 erstellt worden war, vgl. Zwingli, IV, 661, Nr. 70: Ordnung der christlichen Kirchen zu Zürich. 46 Vgl. StAZH A. 321.1, 1631. Ein beweglicher Altartisch, auf dem – mit einem weißen Leinentuch bedeckt – die Abendmahlsfeier gehalten wurde, entsprach durchaus Zwinglis Abendmahlsordnung von 1525, vgl. Germann, Kirchenbau, 1963, 18 – 19. 47 Vgl. etwa die Klagen des reformierten Pfarrers Jakob Redinger, „durch die Umgätterung und beschließung der Choren [in der Kirche von Dietikon und der Kapelle von Spreitenbach würde] under unserem Volck ein großer platz der stulen verschlagen, vnd mit der Zÿt das gelüth vorbehalten, wÿl man an beiden orten in und durch die Chor zum selbigen muß“, vgl. StAZH EI 30.27, Schreiben Jakob Redingers an den Rat und die Stadt Zürich, 13. Dezember 1650, Nr. 58. 48 StAZH A. 238.1, 15. März 1592.

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auch weiterhin Zugang zum Turm hatten.49 Der Zurzacher Chorraum wurde hingegen in seiner Funktions- und Handlungsvielfalt durch die Vergitterung drastisch beschränkt und von dem reformierten Geistlichen nun als ein spezifisch katholischer Raum erfahren. Dementsprechend klagte der reformierte Gottesmann im Jahr 1631, Propst und Kapitel hätten den Chor ganz in ihre Gewalt genommen.50 Sakrale Räume, das verdeutlichen diese Beispiele, ließen sich nicht beliebig erschaffen. Bei der, wenn auch nur partiellen Neugestaltung des Kirchenraumes waren die das Handeln vorstrukturierenden Faktoren von Räumen in der politischen Kommunikation präsent, wie auch im Folgenden weiter ausgeführt wird. 6.2.1 Kommunikatives Geschehen Eine wesentliche strukturelle Benachteiligung der reformierten Gläubigen in der Grafschaft Baden betraf in Simultankirchen die materiellen Gegebenheiten der Taufe. Diese ungleichen Bedingungen waren der Entstehung von simultan genutzten Kirchen in der Grafschaft Baden geschuldet. Denn machte eine katholische Minderheit ihr Recht auf Einführung der Messe und damit auf Mitbenutzung der Kirche geltend, dann wurden in diesen Kirchen die Altäre wieder errichtet und die Nutzungsbedingungen vertraglich festgehalten.51 Im Zuge dieser Inbesitznahme der Kirche erhielten die katholischen Gemeinden auch das Nutzungsrecht an den vorreformatorischen Taufsteinen, sofern diese nicht durch den Bildersturm zerstört worden waren. Die reformierte Gemeinde musste sich hingegen mit einem schlichten Gefäß behelfen. Zwar widersprach die Schlichtheit des Kultgegenstandes nicht grundsätzlich der reformierten Theologie – ganz im Gegenteil. Zwinglis Abendmahlformular sah selbst nur hölzerne „schüßlen und bächer“ vor, „damit der bracht nit wider kömme“.52 Diese schlichten Geräte wurden jedoch in Ermangelung eines eigenen Taufbeckens vielfach für die Taufe auf die katholischen Taufsteine gestellt – eine religiöse Handlungsweise, die nicht mehr praktikabel war, als die katholischen Taufbecken 49 StAZH A. 315.3, 4. Juni 1666. 50 Vgl. StAZH A. 321.1, ohne Folio- und Datumangaben. Ein besonders gut dokumentierter Fall einer Chorvergitterung im Toggenburg in: Z’Graggen, Tyrannenmord, 1999; vgl. ebenfalls Volkland, Konfession, 2005, 71 – 76. 51 Im Thurgau verteilten sich die Altareinsetzungen kraft Landfrieden über einen Zeitraum von einhundert Jahren. Besonders häufig waren sie kurz nach Abschluss des Zweiten Landfriedens von 1531 und als Folge der nach dem Konzil von Trient entschlossen geführten katholischen Konfessionalisierungsbestrebungen. Die letzten Altareinsetzungen im Thurgau fanden in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts statt, vgl. Brüschweiler, Simultanverhältnisse, 1932, 81. 52 Zitiert in: Germann, Kirchenbau, 1963, 18.

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im Zuge der katholischen Reform mit spitzen Deckeln versehen und zudem verschlossen wurden.53 In der Missive, die Zürich im Mai 1603 an den Propst und das Kapitel des Verenastiftes in Zurzach versandte, wies der reformierte Ort dementsprechend darauf hin, dass die reformierte Gemeinde „[v]mb Irer gelegenheit vnd nothurfft willen“ begehre, „zum tauff irer kinderen einen eignen tauffstein Inn der kilchen zů Zurzach zehaben“.54 Um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, hier handle es sich um einen Landfriedensbruch, führte Zürich ins Feld, dass „diewÿl an mehr orten Inn den Eidtgnoßischen gemeinen herrschaften vnder dem Landtsfrieden wo beider Religionsverwandte sich mit eines gemeinen Tauffsteins gebruchend, die Euangelischen eigne Tauffstein Inn Iren pfarrkilchen habend, vnnd Inen zugelassen werdent“.55 Zudem führe ein eigener Taufstein für die evangelische Gemeinde zu „mehr einigkeit, fründtschafft vnnd guten willens“ und helfe dabei, den Dorffrieden und die soziale Ordnung zu bewahren.56 Der in diesem Schreiben erwähnte Landfrieden hatte den Sakralraum jedoch in einen politischen Handlungsraum der regierenden Orte transformiert, denn Veränderungen in der materiellen Beschaffenheit des Kirchenraumes unterstanden der „hohen“ regierenden Obrigkeit. Zürich vermied jedoch die Tagsatzung und das Mehrheitsprinzip und wandte sich ohne Wissen der katholischen Stände direkt an den Propst des Verenastiftes – der reformierte Vorort der Eidgenossenschaft folgte damit den lokalen und nicht den eidgenössischen Herrschaftsstrukturen. Zürichs Hoffnung auf eine schnelle Lösung jenseits der Tagsatzung wurde allerdings enttäuscht. Das kupfernde Gefäß, das der reformierten Gemeinde für die Taufe zur Verfügung stand, war nicht durch ein Taufbecken ersetzt worden, und dies, obwohl es, wie die reformierte Gemeinde im Juni 1604 auf der Tagsatzung klagte, zwischenzeitlich von „böse[n] leüth[en]“ verunreinigt worden war.57 Die Gesandten der fünf katholischen Orte brachten jedoch lediglich ihre Verwunderung zum Ausdruck, dass die Zurzacher eine „ernüwerung“ begehrten, da Taufbecken für Angehörige der evangelischen Religion in der Grafschaft Baden unüblich seien. Daher, so die Folgerung, sollten sie bei „den altten Brüchen verblÿben“.58 53 Es sei denn, der katholische Priester schloss zu diesem Anlass die Deckel auf, vgl. Z’Graggen, Tyrannenmord, 1999, 220. 54 StAZH, BIV 61, 7. Mai 1603, fol. 24v. 55 Ebenda. 56 Daher klagte die Gemeinde am 27. Juni 1604 vor der Tagsatzung, vgl. StAZH, BIV 61, 7. Mai 1603, fol. 24v. 57 STAZH BVIII 114, fol. 137v–138r. 58 Ebenda sowie StABE A V 849 Badenbücher I, fol. 75 – 82, hier fol. 77.

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Mit den „alten Bräuchen“ war das Herkommen gemeint, die „Neuerung“ hingegen eine Referenz auf den Landfrieden. Nicht nur das Vertragswerk, auch der betreffende Passus war, wie gesagt, auslegungsoffen, da lediglich festgeschrieben wurde, es solle der Status quo gewahrt werden. Bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts etablierten die katholischen regierenden Orte eine Deutungspraxis, die jede Veränderung der Reformierten im Kirchenraum als einen Landfriedensbruch markierte – Chorgitter und Altäre von Katholiken fielen hingegen nicht unter dieses Verdikt. Die katholischen Eidgenossen präferierten eine Lesart des Landfriedens, die liturgische Gestaltungsfreiheiten für Katholiken, nicht aber für Reformierte vorsah.59 Mit diesem Verständnis des landfriedlichen Textes behinderten die katholischen Orte reformierte Konfessionalisierungsprozesse in den Gemeinen Herrschaften erheblich. Die Gesandten von Zürich hielten dieser Einschätzung entgegen, dass Taufsteine bereits im Thurgau bewilligt worden seien und daher keine Neuerung darstellten. Daraufhin schlugen die katholischen Gesandten einen Handel vor: Trete man ihrem Anliegen, neue Altäre in einigen Kirchenräumen errichten zu wollen, nicht entgegen, dann könne man auch den Bitten der reformierten Boten „mit gutem bescheid begegnen“.60 Liturgische Objekte konnten offenbar zwischen den Eidgenossen den Status politischer Tauschobjekte einnehmen. Dementsprechend erweiterte sich der kommunikative Argumentationsspielraum über die engen rechtlichen Grenzen des Landfriedens hinaus zu einem politischen Verhandlungsraum, in dem Verhandlungsgeschick und strategisches Können erforderlich waren. Der Hinweis der Zürcher Gesandten auf den Thurgau und die Einsetzung von Taufbecken verdeutlicht, dass das argumentative Referenzsystem über die Grafschaft Baden hinaus auch die Städte und Orte miteinschloss, die in einer anderen Gemeinen Herrschaft lagen. Daraus ergab sich für die reformierte Seite ein erweiterter Auslegungsspielraum des Landfriedens und dessen, was im politischen Diskurs als „Neuerung“ markiert werden konnte. Wegen des Verweis- und Argumentationssystems Gemeine Herrschaften waren die katholischen Parteien bestrebt, mögliche Änderungen, die die religiöse Praxis der reformierten Gläubigen verbesserten, durch die Markierung als Neuerung und als Landfriedensbruch von vornherein zu verhindern. Nur so blieb das argumentative Referenzsystem möglichst begrenzt und überschaubar. Die katholischen Eidgenossen argumentierten daher allein mit Verweis auf die Grafschaft Baden, 59 Straub, Rechtsgeschichte, 1902, 98. 60 StAZH BVIII 114, fol. 137v – 138r. Dieser Handel legt nahe, dass die fünf katholischen Orte trotz des für sie günstigen Mehrheitsgrundsatz rasche Absprachen langwierigen politischen Verhandlungen gegenüber bevorzugten.

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während die Zürcher auch andere Gemeine Herrschaften in ihre Beweiskette miteinschlossen. Die rhetorische Figur der Neuerung stand in der politischen Kommunikation um die liturgische Gestaltung und Nutzung des Kirchenraumes insofern permanent zur Disposition. Ein Konsens über die Frage, was eine Neuerung konstituierte, war weder zu erreichen noch Ziel des kommunikativen Geschehens. Vielmehr förderten die einzelnen kommunikativen Akte die Differenzen in der Herrschaftspraxis katholischer und reformierter Eidgenossen. Politische Kommunikation stellte somit auch konfessionelle Differenz und konfessionsspezifische Teilhabe am Kirchenraum her. Da nach Zürcher Meinung das Einsetzen eines Taufsteines keinen Landfriedensbruch bedeutete, instruierte die Limmatstadt ihre Gesandten Konrad Großmann und Hansen Escher für die folgende Tagsatzung im August 1604 mit „Ernst“, eine Antwort von den fünf katholischen Orte zu erbitten.61 Diese entschieden, den Kirchenraum „wie von alterhar“ zu belassen, konzedierten allerdings die Anfertigung eines „Gändterlin“, eines Schrankes oder eines Kastens, in welchem die Evangelischen von Zurzach ihr Becken einschließen könnten „vff dt Innen khein schmach begegne“.62 Damit wurde zwar den Vorgängen in der Pfarrkirche Sankt Maria von den katholischen Orten Rechnung getragen – hier ist die Verunreinigung gemeint –, der Einsetzung des ersten Taufsteins in der Grafschaft Baden stimmten die katholischen Orte jedoch nicht zu. Auf Drängen der Zürcher Abgeordneten versprachen die katholischen Gesandten, die Angelegenheit erneut in den Abschied zu nehmen und „an Ire herren [zu] bringen“, und signalisierten den reformierten Boten damit die weitere Gesprächs- und Verhandlungsbereitschaft in möglicher Anschlusskommunikation.63 Zugleich artikulierte dieser diplomatische Schritt Respekt für den Verhandlungspartner, was die Gesandten von Zürich vermerkten und – um es ihrer Obrigkeit zur Kenntnis zu bringen – auch in den Abschied nahmen.64 Den Respektbeteuerungen zum Trotz verschärfte sich der Ton bereits wenige Monate später. Die katholischen Obrigkeiten insistierten auf ihrer Entscheidung und konzedierten einzig einen Schrank als Aufbewahrungsort für das Becken.65

61 StAZH BVIII 10, fol. 140v. 62 StAZH BVIII 114, fol. 178v. 63 Ebenda. Zur Anschlusskommunikation vgl. Luhmann, Kommunikation, in: ders., Aufsätze, 2001, 94 – 110, hier 104. 64 StAZH BVIII 114, fol. 177v–178v, hier fol. 178v: „sÿ süchind woll, wie man Irr herren und oberen Respectiere, unnd was man Innen für gefallen erzeige. wellend dz auch Inn Ir abscheid nemmen“. 65 Ebenda, fol. 210v–211r.

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Der „spännige Tauffstein“ förderte nicht nur die Artikulation der konfessio­ nellen Differenzen zwischen den regierenden Orten. Auch in der Gemeinde Zurzach war die konfessionelle Zugehörigkeit der Gläubigen ein wichtiges Kriterium, das die Differenzen unter den Bewohnern des Fleckens herzustellen und zuzuweisen half. Zürich und Luzern artikulierten im April 1605 ihren Unmut über den Ungehorsam der jeweiligen andersgläubigen Untertanen. Zürich schrieb Luzern, sie mögen die katholischen Zurzacher ermahnen, dass „tratzen so sÿ gegen unserren Religions verwandten ohn unterlaß bruchend“ einzustellen, nur dann lasse sich in Zurzach und in der Alten Eidgenossenschaft in friedlicher Koexistenz leben.66 Luzern wiederum klagte Zürich, dass sich die reformierten Untertanen trotz der Versuche, in dem Taufsteingeschäft zu einem Vergleich zu gelangen, „unruwig und trätzig“ und auch gewalttätig verhielten.67 Zur dörflichen Friedenssicherung drohte der Landvogt in seiner Funktion als oberster Verwalter und Amtmann der Grafschaft, jeden an Leib und Gut zu strafen, der sich seinem Befehl widersetze und sich „rebellisch“ oder „ungehorsamlich“ verhalte.68 Beide Vororte der Eidgenossenschaft werteten die Verschärfung der Auseinandersetzung auf gemeindlicher Ebene als Gefahr für den Zusammenhalt der Eidgenossenschaft. Als Mehrebenenkonflikte bedrohten lokale Konfessionskonflikte nicht allein den dörflichen Frieden, sondern das eidgenössische Bündnissystem. Um die Ruhe, den Frieden und den Wohlstand in der Alten Eidgenossenschaft zu erhalten, wurden die Zürcher aufgefordert, die reformierten Untertanen „Ires ungebürlichen Wäsens“ zu verweisen und den „Handel“ bis zur nächsten Tagsatzung beruhen zu lassen.69 Mit dieser Weisung verschafften sich die katholischen Regenten Bedenkzeit, ohne dass in der Zurzacher Taufsteineinsetzung eine Entscheidung getroffen worden wäre. 6.2.2 Hinter der Tür oder vor der Kanzel: Debatten um den Standort des Taufbeckens Die Hartnäckigkeit, mit der Zürich die Taufsteinfrage verfolgte und das liturgische Objekt wiederholt zum Kommunikationsgegenstand unter den regierenden Orten erhob, zahlte sich auf lange Sicht aus. In einem als „Urkunde“ betitelten Dokument wurde vereinbart, dass die Gesandten der acht regierenden Orte der 66 Im Schreiben wird die gute Freundschaft, Ruhe und Liebe erwähnt, die Zürich verspricht, auch weiterhin in „vnserem, geliepten vatterland“ „einzupflanzen“, vgl. StAZH BIV 62, fol. 216r. 67 StAZH A. 321.1, 27. April 1605. 68 StAZH A. 321.1, 25. April 1605. Landvogt Pfyffer an den Rat und die Gemeinde Zur­ zach. 69 StAZH A. 321.1, 27. April 1605.

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Grafschaft Baden „einhelligklich erkhendt […] [haben], das die Euangelischen kilchgnoßen zů Zurzach zů Übung Ires Christlichen Gottes dienstes, ein […] Tauffstein Inn die kilchen daselbsten setzten mögint“.70 Mit der Genehmigung eines Taufsteins für die reformierten Gläubigen von Zurzach war allerdings erst ein Teilerfolg errungen 71 – verhandelbar blieb, an welchem Ort in der Pfarrkirche er eingesetzt werden sollte.72 Zwar wurde in der Urkunde auf diesen Punkt verwiesen, allerdings vornehmlich mit Blick auf die Differenzen zwischen einer katholischen und einer reformierten Position hinsichtlich der liturgischen Gestaltung des Kircheninneren. Diese strittige Frage verweist auf den Antagonismus der Konfessionalisierungsbestrebungen der regierenden Orte oder, anders formuliert, verdeutlicht sie die mediale Zuweisung konfessioneller Differenz. Zur Klärung der Standortfrage des neuen Beckens entsandte Zürich mit dem Seckelmeister Escher ein Ratsmitglied nach Baden, um dort mit dem katholischen Landvogt Pfyffer einen Vergleich zu erwirken. Als Escher am Morgen gemeinsam mit dem Landvogt nach Zurzach aufbrechen wollte, um die Einsetzung des Taufsteins einzuleiten, war dieser bereits seit einer Stunde hoch zu Ross unterwegs. Es scheint, als habe der Landvogt versucht, sich einen Zeitvorsprung zu verschaffen, denn als Seckelmeister Escher in Zurzach eintraf, hatten Pfyffer und die Chorherren des Verenastiftes bereits vereinbart, der Taufstein der Reformierten solle „hinderhalb In die kilchen“ gesetzt werden und somit an einem Ort, der dem katholischen Brauch entsprach.73 In der reformierten Theologie war die Taufe jedoch ein Sakrament, das nicht nur den

70 Diese Urkunde ist allerdings weder unterschrieben noch mit Siegel versehen, vgl. StAZH A. 368.2, 17. April 1605. 71 Unklar bleibt allerdings, wann und auf welcher Tagsatzung die Einigung erfolgte. Die schon kurz erwähnte Urkunde benennt mit der „jüngst gehaltene[n] Tagsatzung zů Baden“ den Zeitpunkt, an dem eine Einigung zwischen den regierenden Orten zugunsten der reformierten Haltung erfolgt sein soll. Demnach müsste es sich um den 17. April 1605 handeln. An diesem Datum fand zwar eine Tagsatzung in Baden statt, das Taufsteingeschäft wurde laut der Amtlichen Sammlung der älteren Eidgenössischen Abschiede jedoch nicht behandelt, vgl. EA 5/1, 2, 1470 sowie EA 5/1,1, 736. Eine Genehmigung des Taufsteins, die auf der Tagsatzung am 17. April 1605 erfolgt sein soll, wird ebenfalls erwähnt in: StAZH, A. 321.1, 25. April 1605. 72 StAAG AA 2829.12, fol. 50r–v, 28. April 1605. 73 In der vorreformatorischen Zeit hatte das Taufbecken seinen Platz im Westen der Kirche nahe dem Eingang „und symbolisierte so die Bedeutung der Taufe als erstes Sakrament“, vgl. Mathies, Taufbecken, 1998, 13. Es hat den Anschein, als hätten die katholischen Parteien den Taufstein auch an diesen Ort eingesetzt, vgl. die Kritik der Zürcher Geistlichkeit in StAZH E II 101, fol. 126v.

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Eintritt in die christliche Gemeinschaft und den Zugang zum Heil bewirkte, sondern das zudem öffentlich und vor der Gemeinde gespendet werden sollte.74 Eine wesentliche gestalterische Maßnahme in evangelischen Gemeinden betraf daher den Standort des Taufbeckens, der an einen zentralen Ort, meist in den Bereich des Chors, versetzt wurde.75 In diesem Sinne formulierte auch die schon kurz erwähnte Urkunde, der Taufstein möge „zum bruch deß heiligen Tauffs nach vnser waaren Christlichen Religion“ an einem „gebürend vnnd bequemen Ort wie brüchig gesetz [und] vfgerichtet“ werden, nämlich „grad für die Cantzel“ – ein Ort, der, so hieß es zuversichtlich, „dem landtsfriden nit vngemeß“ sei.76 Die katholischen Konfessionalisierungsbestrebungen hatten jedoch in der Folge des Konzils von Trient einen freien Blick auf die Kanzel vorgesehen. Wurden diese visuellen Vorgaben im Kirchenraum nicht umgesetzt, führte dies vielerorts – und nicht nur in der Grafschaft Baden – zu Beschwerden und Klagen.77 Wohl auch aus diesem Grund hatte der katholische Landvogt in Baden den Ort vor der Kanzel nicht für angemessen erachtet.78 In der Standortfrage des Taufsteins kamen Pfyffer und Escher somit zu keiner Einigung, so dass die liturgische Gestaltung und Nutzung des Kirchenraumes weiterhin offen blieb. Als eine Angelegenheit, die den Landfriden berührte, oblag die Entscheidung ohnehin den acht regierenden Orten, wie Landvogt Pfyffer betonte.79 Unvermittelt nahmen die Ereignisse eine Wende. Ohne sich auf weitere diplomatische Verhandlungen einzulassen und eine Entscheidung der folgenden Tagsatzung abzuwarten,80 erteilte der Zürcher Rat Seckelmeister Escher

74 Damit distanzierte man sich auch von den Taufpraktiken der Täufer, vgl. Germann, Kirchenbau, 1963, 12 und 23. 75 Mathies, Taufbecken, 1998, 13. Zwingli hatte für den Taufstein den Ehrenplatz in der Kirche vorgesehen, der in katholischen Kirchen vom Hauptaltar eingenommen wurde, vgl. Sennhauser, Pfarreien, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 223 – 234, hier 228. Der Rat in Bern hatte schon 1529 befohlen, die Taufsteine im Chor aufzustellen, vgl. Germann, Kirchenbau, 1963, 23. 76 StAZH A. 368.2, 17. April 1605. 77 Vgl. Heal, Image, in: Coster/Spicer (Hg.), Space, 2005, 39 – 59, hier 48. 78 StAZH A. 368.2, 17. April 1605. 79 Konkret ordnete der Landvogt an, die Frage – und damit den Taufstein – so lange unberührt zu lassen, „biß vff einer gnädigen herren gmeiner acht Regierenden Orten witteren Entschluß und bevelch“, vgl. StAZH A. 321.1, 25. April 1605. 80 Wie der Landvogt in einem Schreiben bedauert, geschah die Taufsteineinsetzung „ohn geachtet das sy die herren vom stifft gepätten, vnnd dz Recht fürgeschlagen, mit diser sach still zestahn, und dieselbig berüwen zelassen Biß vff Johanniß Baptista“, dem Tag der kommenden Tagsatzung, vgl. StAAG AA 2829.12, fol. 53r–54r, hier fol. 53v.

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und Hauptmann Holzhalb den Befehl, sie mögen nach Zurzach reiten, um dafür zu sorgen, dass der bewilligte Taufstein nun auch tatsächlich eingesetzt werde.81 Diese Anordnung wurde offensichtlich ohne Wissen oder Konsens der katholischen regierenden Orte erteilt, denn der katholische Untervogt der Grafschaft Baden Christoph Keller teilte dem Landvogt von Baden im April 1605 erstaunt mit, die Herren Escher und Holzhalb seien in Zurzach eingetroffen und hätten angeordnet, „die pfarrkilch daselbst zu eröffnen und bevelch geben (wider anerpotten Recht) den nüwen Tauffstein In die Kilchen zuthun unnd […] uffzurichten“.82 Noch am selben Tag unterrichtete der katholische Landvogt in Baden den Schultheißen und Rat der Stadt Luzern in aller Ausführlichkeit über diese Vorgänge – in diesen beiden Missiven war somit die Mitteilung von Informationen sowie der Verweis auf eine Kompetenzüberschreitung seitens des Zürcher Rats das kommunikative Ziel. Gleichwohl wurde in der folgenden artikulierten Entrüstung über das Vorgehen Zürichs auch ein konfessionelles Fremdbild entworfen. Da der von Zürich und der evangelischen Gemeinde gewünschte Standort des Taufsteins von den fünf katholischen Orten nicht bewilligt, sondern „die sach“ bis auf die nächste Tagsatzung eingestellt worden war, waren Escher und Holzhalb dem entrüsteten Landvogt zufolge mit einem „Werckmeister“ nach Zurzach geritten und hatten den Taufstein in den Sakralraum bringen und dort einsetzen lassen. Dies geschah „ohne vorwüßen hinderuckhs und verwilligen meines gnädigen herren vonn den Catholischen Ordten“.83 Nicht nur war ein Taufbecken ohne das Wissen der katholischen regierenden Orte in den Zurzacher Kirchenraum eingesetzt worden, sondern dieser sakrale Raum wurde zudem neu gestaltet, ohne die katholische Doktrin und die Konzeption ihrer sakralen Sphären zu berücksichtigen. Darüber zeigte sich auch der Landvogt empört, der beklagte, dass Taufbecken stehe „Inn der pfarr kilchen, da vorhin ein altar gestanden, zuo nächst by der kantzlen [am Rand: welches ort In meine] herren die Regierende Ort abgelehnt“.84 Mit dieser Einsetzung des Taufbeckens in der Nähe der Kanzel gestaltete Zürich die von beiden Konfessio­ nen genutzte Pfarrkirche gemäß der Konzeption der reformierten Taufliturgie um und schuf materielle Tatsachen, die wiederum zum kommunikativen Verhandlungsobjekt der regierenden Orte avancierten.

81 StAZH BII 292, 15. April 1605, fol. 24r. 82 StAAG AA 2829.12, fol. 49r. 83 Ebenda, fol. 54r. 84 Ebenda, fol. 53v.

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6.2.3 Eine Gesandtschaft in Zürich Die Nichtachtung der katholischen Mitregenten der Grafschaft Baden führte über die Standortfrage des Taufbeckens im Sakralraum der Zurzacher Pfarrkirche hinaus zu einer grundsätzlichen Erörterung der politischen Herrschaftsprinzipien in den Gemeinen Herrschaften. Auf ihrer Tagsatzung am 17. Mai 1605 beschlossen die katholischen Orte, eine Gesandtschaft in dieser Angelegenheit nach Zürich zu schicken.85 Wegen der angespannten politischen Lage wurde diese Anfrage behutsam vorgetragen und zunächst rhetorisch der eidgenössische Zusammenhalt inszeniert: Man erinnerte an die langwährende Nachbarschaft, die vertrauensvolle Freundschaft und die löblichen Bündnisse, die die eidgenössischen Orte miteinander verbanden. Sodann identifizierten die katholischen Eidgenossen die „einmüttigkeit“ und „liebe“ als das festigende Band, das es „unsers geliebte vatterlands gemeiner ruw, fried vnd wolstand“ zuliebe zu bewahren und zu erhalten gelte. Erst nach diesem diplomatischen Auftakt wurde das eigentliche Anliegen vorgetragen, nämlich katholische Ratsboten zu einer „guttwillige[n] Eÿdgnossische[n] audienz“ im Juni 1605 nach Zürich entsenden zu dürfen.86 Nur wenige Tage später ging in Luzern die positive Nachricht aus Zürich ein.87 Während der Vorbereitungen für eine Audienz in Zürich formulierte Uri in einem Schreiben an Luzern vom 5. Juni 1606 seine Bedenken. Der katholische innerörtische Stand befürchtete, es könnten sich „Weitläuffigkeiten“ aus dieser Gesandtschaft entwickeln, demnach ein Vortrag über die Beschwerden vor dem Rat von Zürich die politische und diplomatische Lage zwischen Zürich und den fünf katholischen Orten verschärfen.88 Der Vortrag der Gesandtschaft, der im Mai/Juni 1605 alten und neuen Kalenders vor dem Zürcher Rat gehalten wurde, war grundsätzlicher Natur: Nicht nur wurde in dieser mündlichen Interaktionskommunikation auf die Vorgänge in Zurzach Bezug genommen, sondern zudem weitreichende Beschwerden gegen Zürich wegen dessen Nichtachtung des Mehrheitsgrund-

85 EA 5/1, 2, 1470, Art. 196. 86 Die am 8. Juni 1606 nach der katholischen Zeitrechnung morgens von dem Rat empfangen werden mögen, vgl. StALU Akten 13/3362, Thurgau, Rheintal, Baden Landfriedenssachen […], 3.–4. Juni 1605, fol. 95r–v. 87 Das Schreiben trägt das Datum 25. Mai 1606, wobei es sich wohl um den alten Kalender handeln muss, vgl. StALU Akten 13/3362, Thurgau, Rheintal, Baden, Landfriedenssachen. […], 3.–4. Juni 1605, fol. 96r–v. 88 Dennoch fügt sich Uri dem Beschluss und verspricht, ebenfalls Boten zu entsenden, vgl. StALU Akten 13/3362, Thurgau, Rheintal, Baden, Landfriedenssachen […], 3.–4. Juni 1605, fol. 97r–v.

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satzes vorgetragen – ein Vorgehen, das den Zusammenhalt der Eidgenossenschaft aufs Höchste gefährde.89 Bevor Zürich im November 1605 eine Delegation nach Luzern entsandte, um sich der grundsätzlichen Kritik an ihrem Regierungshandeln zu stellen, formulierte die Zürcher Geistlichkeit am 29. Mai 1605 in einem Vortrag vor dem Zürcher Rat ihre Einschätzung bezüglich des Zurzacher Taufsteingeschäfts.90 In ihren „Bedenken“ betonte die Zürcher Geistlichkeit zunächst die Würde des Taufsakraments und verband die Unschicklichkeit des Ortes mit einer Kritik an den Zurzacher Stiftsherren und dem katholischen Landvogt: hetten gemelter Ihrer vnnd üwerer Landtvogt, deßgleichen die Stifftherren ein ort ernamset, das disen hochen vnnd heiligen vnnd von Gott selbst eingesetzten Sacrament gemäß were gsein, werind zweifels ohn, allesachen, mit vernugung beider theilen, in aller fründtlichkeit verricht worden.91

Eine Annäherung der Positionen war so lange nicht in Aussicht, wie die katholischen Parteien auf einem Standort im hinteren Teil der Kirche beharrten. Der reformierten Konzeption des Taufsakraments zufolge war dieser Standort nicht nur unwürdig, auch erschwerten die schlechten Lichtverhältnisse dem handelnden Geistlichen im hinteren Teil der Kirche die Ausübung seines religiösen Amtes – Bedingungen, die der „wahren Religion“ zu Verachtung, Hohn und Spott reichten.92 Angesicht der katholischen liturgischen Objekte, der „altär vnnd anderes“ mehr, die seit der Reformation das Erscheinungsbild vieler Kirchenräume verändert hätten, hoffte die Zürcher Geistlichkeit, der katholische Landvogt und die Stiftsherren würden bei der Standortfrage des Taufsteins 89 Diese grundsätzliche Diskussion wird in Kap. 2: Konfession und Kommunikation rekonstruiert, dort auch nähere Angaben zu den Vortragsversionen. Die tatsächlich gehaltene Vortragsversion der Gesandten der fünf katholischen Orte vor dem Rat und den Bürgern der Stadt Zürich ist zu finden in: StAZH E II 101, fol. 120v–131r (29. Mai 1605, reformierte Zeitrechnung). 90 StAZH E II 101, fol. 125r–131v, Kurtzer Bedenken der Dieneren der kirchen über den fürtrag der Gesandten von V. Orthen, so sy vor vnseren Gnedigen herren, Rath und Burgern gethan, 29. Mai 1605. Im Vergleich mit der Kirche Calvins hatte die Kirche Zwinglis einen sehr viel geringeren Einfluss auf die Regierungsgeschäfte, vgl. Weibel, Stadtstaat, Flüeler/Flüeler-­Grauwiler (Hg.), Geschichte, 1996, 16 – 65 sowie Stucki, 16. Jahrhundert, in: Flüeler/Flüeler-­Grauwiler (Hg.), Geschichte, 1996, 172 – 281. 91 StAZH E II 101, fol. 126v. 92 Ebenda: „sidenmahl sie disen tauffstein mit fleiß hinder die thüren vnnderstanden zesetzen, in ein winckel vnnd dunckel ort, Inmaaßen der predicant daselbst beÿ nahe in licht haben müßen, so er den heiligen tauff hette vollziehen wöllen“.

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ebenso entgegenkommend sein, wie es der Zürcher Rat gewesen war.93 Auch in der Wahrnehmung der Zürcher Geistlichkeit konnten liturgische Objekte demnach den Status politischer Tauschobjekte erhalten, eine Form des Verhandelns, die uns bislang vorwiegend in der politischen Kommunikation unter den regierenden Orten begegnet ist. Der Spielraum der politischen Kommunikation war durch die Einsetzung des Taufsteins in den Zurzacher Sakralraum deutlich beschnitten worden. Insofern kam der Kommunikation zwischen den regierenden katholischen und reformierten Orten zu diesem Zeitpunkt eine neue Funktion zu, nämlich die Umgestaltung des Zurzacher Kirchenraumes zu rechtfertigen und kommunikativ plausibel zu machen. Anlässlich der gemeineidgenössischen Tagsatzung in Baden im Juni 1605 versah die Zürcher Obrigkeit ihre Gesandten, den Bürgermeister Heinrich Brehm und das Ratsmitglied Leonhard Holzhalb, daher mit einer ausführlichen Instruktion.94 In dieser schriftlichen Anweisung für die Tagsatzung wurde im Detail festgehalten, was die Gesandten in Baden „zehandlen vnnd zeverrichten habent“.95 Die Argumentationsliste begann mit einem rechtlichen Argument, nämlich mit der Auslegung des Zweiten Landfriedens. Mit Verweis auf diesen Text sollten die Gesandten die Einsetzung des Taufsteins in die Zurzacher Kirche als rechtmäßig vertreten und argumentieren, dass ein eigener Taufstein für die evangelischen Gemeindemitglieder keineswegs als Landfriedensbruch zu werten sei, da dieses liturgische Objekt auch an anderen Orten, an denen der Landfrieden Gültigkeit habe, genehmigt worden sei.96 Der erneute Verweis auf eine andere Gemeine Herrschaft verdeutlicht, dass der reformierte Ort Zürich in der politischen Kommunikation ein argumentatives Referenzsystem etablierte, das auch Städte und Dörfer anderer Gemeiner Herrschaften mit einschloss. Damit war der argumentative Spielraum Zürichs bei dem Versuch, seine Handlungen nachträglich zu entschärfen, nicht allein auf die Kirchenräume der Grafschaft Baden beschränkt, denn was in anderen Gemeinen Herrschaften „brüchig“ sei,

93 Ebenda: „wo sid häro der Reformation altär vnnd anderes in die kilchen gesetzt worden, hab ihr es des ortes halb üwertheils iederzyt laßen beschähen, werind der hoffnung gsein, gemelten Landvogt vnnd die Stifftherren, hettind das billichen auch söllen thun“. 94 Das genaue Datum ist in der Quelle nicht genannt, vgl. StAZH BVIII 10, fol. 188r: „was sÿ Imnammen vnserer gnedigen herren Rath vnnd Burgerern der Stadt Zürich, vff dem Tag der Jahrrechnung zů Baden im Ergäuw diß 1605 Jars zehandlen vnnd zeverrichten habent“. Da jedoch erwähnt wird, die katholische Gesandtschaft sei erst vor kurzem in Zürich gewesen, gehe ich davon aus, dass es sich um die Tagsatzung am 26. Juni 1605 (und nicht am 23. Oktober) handeln muss. 95 Ebenda. 96 Ebenda, fol. 194r.

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wie etwa Taufsteine für die reformierte Gemeinde, das solle auch für die Grafschaft Baden gelten. Die liturgische Gestaltung von Kirchenräumen generierte in der schriftlichen und mündlichen politischen Kommunikation ein transkonfessionelles Kommunikationsfeld, auf dem sich die normativen Deutungspraktiken der regierenden Orte vollzogen. Die Einsetzung des Taufsteins wurde explizit mit Referenz auf den Landfrieden gerechtfertigt, hinsichtlich des Standorts des Taufsteins geschah dies nur implizit. Den Vorschlag von Landvogt und Stiftsherren, das Taufbecken „bÿ der kilchthüren“ aufzustellen, sollte mit den Worten, „dahin die tauffstein nit gehörend“ von den Gesandten als ein nicht tragbarer Vorschlag für den Standort eines Taufsteins abgetan werden. Die konfessionsspezifischen theologischen Konzeptionen des Taufsakraments erwiesen sich hinsichtlich der Aufstellung des Beckens als unvereinbar. Ein für die katholischen Parteien dem Taufsakrament angemessener Ort 97 war wiederum für Zürich untragbar und hätte, wie argumentiert wurde, den „Religions und Glaubensgenoßem zů schimpf vnnd verkleinerung gereicht“.98 Hier klingt an, dass bei dieser Formulierung der Landfrieden Pate gestanden hatte, denn gegenseitiger Respekt – und nicht Schimpf und Schmach – waren die Grundfesten, auf denen die religiöse Koexistenz im Landfriedenstext konstruiert worden war. Dementsprechend sollten die Gesandten auf der Tagsatzung in Baden die anwesenden katholischen Boten davon überzeugen, dass der vom katholischen Landvogt und Chorherrn erwählte Standort nicht den Normen des religiösen Zusammenlebens entsprach und zudem zu „vil widerwertigkeit vnd vnruw“ im Flecken Zurzach geführt hätte – hier operationalisierte der reformierte Ort das Argument von Kirchenräumen als Ordnungsfaktoren für frühneuzeitliche Stadt- und Dorfgemeinschaften für eine konfessionsspezifische Auslegung des Landfriedens. Die eigenmächtige Einsetzung des Taufsteins in der Zurzacher Pfarrkirche im vorderen Teil der Kirche hatte aus Zürcher Sicht das Ziel der Friedenssicherung im sozialen Gefüge des Fleckens Zurzach. Um „mehr frid vnd einigkeit willen“ habe man daher den Taufstein im Beisein von zwei Räten in den Chorraum der Pfarrkirche setzen lassen.99 Diese rhetorische Inszenierung des dörflichen Friedens ist 97 War eine eigene Taufkapelle in katholischen Pfarrkirchen nicht erschwinglich (wie sie die Kirchenbauinstruktionen des Mailänder Bischofs Karl Borromäus’ vorsahen), dann konnte für das Taufbecken ebenfalls ein Platz im hinteren Teil der Kirche, links neben dem Eingang, in Erwägung gezogen werden, vgl. Mathies, Taufbecken, 1998, 13, Anm. 6 sowie Mayer-­Himmelheber, Kunstpolitik, 1984, 141 – 142 zur Verordnung Karl Borromäus’ die Taufbecken betreffend. 98 StAZH BVIII 10, fol. 194r. 99 Ebenda.

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der Versuch einer sprachlichen Verschleierung, nämlich der Tatsache, dass der reformierte Ort im Interesse eigener konfessioneller Herrschaftsansprüche und religiöser Sinngebung den Mehrheitsgrundsatz in den Gemeinen Herrschaften und die Position der fünf katholischen Orte, des Landvogtes und der Stiftsherren von Zurzach ignoriert und unterlaufen hatte. Die Herrschaftsinteressen ließen sich bei dem Eingriff in das liturgische Ordnungsgefüge des Kirchenraumes zwar nicht verleugnen, allerdings konnte eine solche Tat nachträglich argumentativ entschärft und dementsprechend versichert werden, sie sei nicht „zu trotz oder verkleinerung vnd verschimpfung“ der katholischen Eidgenossen geschehen.100 Dass die katholischen Gemeindemitglieder von Zurzach und die katholischen mitregierenden Orte respektiert worden seien, käme darin zum Ausdruck, dass bei der Wahl des Standortes dem Landfriedenstext gemäß darauf geachtet worden war, dass dieser nicht an einem Ort eingesetzt worden war, an dem zuvor ein Altar gestanden habe oder wo er die Chorherren, die für die Seelsorge der katholischen Gemeinde zuständig waren, bei der Ausübung des Gottesdienstes behindert hätte.101 In ihrer Instruktion deuteten die Zürcher den landfriedlichen Vertragstext damit ein weiteres Mal – explizit und radikal – als eine getroffene Vereinbarung zur freien Religionsausübung und nicht, wie die katholischen Eidgenossen ihn interpretierten, als einen Rechtstext zur Bikonfessionalität, der die reformierten Gläubigen als Folge des Kriegsverlustes von 1531 strukturell benachteiligte.102 Auch in der Antwort Zürichs auf die Gesandtschaft der fünf katholischen Orte im Oktober/November 1605 neuen bzw. alten Kalenders, die vor dem Rat und den Hundert der Stadt Luzern verlesen wurde, vertraten die reformierten Gesandten einige Monate nach der Tagsatzung in Baden noch sehr dezidiert ihre Position – die Haltung Zürichs hatte sich demnach nicht geändert.103 Ihre Antwort umfasste nicht nur die Zurzacher Taufsteineinsetzung, sondern auch die umfangreichen Klage- und Beschwerdepunkte, die von den katholischen Gesandten im Frühsommer vorgebracht worden waren.104 Die Argumente der Zürcher Gesandten sind bereits bekannt und sollen an dieser Stelle nur in aller Kürze referiert werden. Was die Rechtmäßigkeit des Taufsteins als solchen 100 Ebenda. 101 StAZH, BVIII 10, fol. 194r. 102 Die Zürcher argumentierten: „Ieder theil [solle] den anderen sÿn Religion ohn Intrag üben laßen“, StAZH, BVIII 10, fol. 194r. 103 Vgl. EA 5/1, 1, Konferenz der sieben katholischen Orte samt Innerrhoden und Abt von St. Gallen, 5. und 6. Dezember 1605, 765. 104 Für eine ausführliche Diskussion der Beschwerdepunkte, die das Mehrheitsprinzip in den Gemeinen Herrschaften betreffen, vgl. Kap. 2: Konfession und Kommunikation.

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betreffe, verwiesen die Gesandten auf den entscheidenden argumentativen Referenztext, den Landfrieden, und deuteten die Einsetzung des Taufsteins als einen normenkonformen politischen Akt. Als reformierte Obrigkeit fühlten sie sich zudem verpflichtet, dem Anliegen der reformierten Untertanen nachzukommen. Auch hinsichtlich der Standortfrage wurden die bekannten Argumente vorgebracht. So sei der von dem katholischen Landvogt und den Stiftsherren gewählte Platz hinter der Tür „unschicklich“, zudem dunkel und damit der „wahren evangelischen Religion“ und dem heiligen Sakrament der Taufe „schimpflich“. Daher habe Zürich veranlasst, den von der reformierten Gemeinde finanzierten Taufstein an einem „schicklichen“ Ort in der Pfarrkirche von Zurzach einzusetzen, in eine Kirche, die – so die reformierte Sicht der Dinge – in der Mehrzahl von reformierten Glaubensgenossen genutzt und von ihnen finanziert werde.105 Als regierender Ort der Gemeinen Herrschaft sei es die Pflicht Zürichs, sich der Interessen seiner Glaubensgenossen anzunehmen, weshalb das Vorgehen Zürichs nicht Ausdruck eines Mangels an Respekt („Troz“) den mitregierenden katholischen Ständen gegenüber sei, sondern Teil seiner Regierungspflicht gegenüber den evangelischen Untertanen der Grafschaft Baden – die Wahrnehmung der Herrschaftsverhältnisse von „unten“ nach „oben“ oder, wie hier, von „oben“ nach „unten“ wurde über das Differenzkriterium der Konfession strukturiert und politische Handlungen entlang dieser Konfessionsgrenzen gerechtfertigt. In der politischen Praxis erwies sich der wirtschaftlich einflussreiche und mächtige Stand Zürich somit als ein auch rhetorisch geschickter Verhandlungsgegner, der die Herrschaftsstrukturen und Herrschaftsprinzipien in den gemeinsamen Untertanengebieten durch eine intensivierte kommunikative Praxis auszureizen und zu „dehnen“ verstand. Einer katholischen Verzögerungstaktik begegnete der reformierte Ort mit gezieltem Handeln (der Taufsteineinsetzung), eine Tat, die zur Wahrung des eidgenössischen Friedens wiederum durch erhöhte Kommunikationsbereitschaft entschärft werden musste. Diese kommunikativen Verfahren konnten deshalb Erfolg haben, weil die landfriedliche Gesetzgebung einen Deutungsspielraum zuließ, den Zürich ausreizte. Zudem wurde eine über die Bedeutung des Einzelfalls hinausgehende Differenzierung des Mehrheitsprinzips eingeführt. Zürich teilte dem katholischen Vorort Luzern in diesem Kontext mit, das sie zwar bereit seien, ein „Mehr“ in weltlichen Dingen zu 105 Zum Zahlenverhältnis vgl. StAZH, BVIII 10, fol. 194r. Der reformierte Prädikant Selber schätzt das Zahlenverhältnis von Katholiken und Protestanten im Jahr 1606 allerdings auf drei zu zwei, vgl. StAZH A. 321.1, ohne Folio- und Datumsangaben. Sennhauser, Pfarreien, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 223 – 234, hier 231, Anm. 28, zufolge war das Zahlenverhältnis von Katholiken und Reformierten im Jahr 1780 ungefähr gleich.

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respektieren, sobald aber der Landfrieden, die Religion und das Gewissen berührt würden, werde sich der reformierte Stand einem „Mehr“ nicht mehr beugen.106 Diese Haltung im Streit um das Mehrheitsprinzip ist zwar keineswegs neu.107 Allerdings fungiert sie im Kontext der konfessionellen Streitfälle der Grafschaft Baden erstmalig als Argumentations- und Handlungsgrundlage zur Durchsetzung eigener Herrschaftsinteressen. Argumentativ schwächte Zürich die eigene Position dadurch ab, dass in der Kommunikation weniger auf die Verletzung von Herrschaftsprinzipien hingewiesen, sondern stärker die Notwendigkeit der Gewährleistung der – im reformierten Verständnis auch landfriedlich geschützten – religiösen Praxis der reformierten Zurzacher betont wurde. Insofern sei das Vorgehen Zürichs auch nicht als „Troz“ und Missachtung den katholischen Mitregenten gegenüber zu werten.108 Die eidgenössische Kommunikation diente somit mehreren Zwecken: Man verständigte sich nicht nur über die konkreten Streitobjekte und formulierte eine eigene Position, sondern kommunizierte zudem ein konfessionelles Selbstverständnis, das in diesem Beispiel durch die Standortfrage des Taufbeckens und eine konfessionsspezifische Lesart des Landfriedens transportiert wurde. In der politischen Kommunikation wurde das eigenmächtige Vorgehen Zürichs entschärft, was die Bedeutung von Kommunikation als Kohäsionskraft ersichtlich werden lässt. Dem politischen Pragmatismus und der kommunikativen Gelassenheit der fünf katholischen Orte ist es außerdem zu verdanken, dass diese Krise des Mehrheitsprinzips nicht weiter eskalierte. In ihrer Replik vom 13. September 1606 verzichteten die katholischen Orte vorerst, auf die Differenzierung des „Mehr“ einzugehen und ließen zudem die Taufsteinangelegenheit in Zurzach auf sich beruhen, obwohl es einiges zu „replicieren“ gegeben hätte.109 Während dieser Konflikt, wie viele andere in der Alten Eidgenossenschaft, keine aktive Lösung erfuhr, bleibt in der Sache selbst zu konstatieren, dass der Taufstein für die evangelische Gemeinde in der Pfarrkirche von Zurzach nicht nur eigenmäch-

106 EA 5/1, 1, Konferenz der sieben katholischen Orte samt Innerrhoden und Abt von St. Gallen, 5. und 6. Dezember 1605, 766. 107 Vgl. die Diskussion in Kap. 2: Konfession und Kommunikation. 108 EA 5/1, 1, Konferenz der sieben katholischen Orte samt Innerrhoden und Abt von St. Gallen, 5. und 6. Dezember 1605, 766. Des Weiteren wird auf die Bereitschaft der evangelischen Gemeinde und des reformierten Standes verwiesen, auch Kruzifixe „und anderes“ mehr in der Pfarrkirche von Zurzach zu dulden. Diese gehören dem Landfrieden zufolge allerdings zu den von den Reformierten zu tolerierenden materiellen Zeichen des katholischen Kultes. Walder, Religionsvergleiche, Bd. 1, 1960, 9 (e). 109 EA 5/1, 1, Konferenz der sieben katholischen Orte samt Appenzell, Innerrhoden und Abt von St. Gallen, Luzern, 13. September 1606, Art. 600k, 794 – 795.

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tig eingesetzt worden war, sondern zudem an einem Ort, der dem reformierten Taufverständnis und der Liturgie entsprach: nämlich im vorderen Teil der Kirche.

6.3 Vom missbrauchten Abendmahlstisch zum Taufbecken: Dietikon 1615 Im Herbst 1614 reiste Peter Schmied von Baar (1594 – 1633) mit etlichen Konventsherren in das bikonfessionelle Dorf Dietikon. Als Abt des Klosters Wettingen war er zugleich Kollator des Dorfes und zur Abnahme der Kirchenrechnung berechtigt.110 Dietikon zählte ebenso wie Zurzach zu den bikonfessionellen Dörfern der Grafschaft Baden, in denen sich Katholiken und Reformierte eine Kirche teilten. Um den Abt bewirten zu können, entfernte der katholische Priester Benedikt Hoppler den Tisch, auf dem die Reformierten ihr Abendmahl empfingen, aus der Dorfkirche, stellte ihn in sein Pfarrhaus und servierte den Ordensmännern darauf ihr Mittagsmahl.111 Anschließend wurde der Tisch im Badehaus verstaut. Bei diesem Objekt wird es sich um einen schlichten Tisch gehandelt haben, der weniger durch seine besondere Gestalt als durch seinen Gebrauch und die auf ihm vollzogenen religiösen Handlungen zu einem liturgischen Gegenstand wurde. Einem reformierten Mann namens Heinrich Müller aus Urdorf fiel als Erstem auf, dass der Abendmahlstisch in der Kirche fehlte.112 Es hat den Anschein, als ging auch die Klage, die bei der Stadt Zürich wegen des Vorfalles eingereicht wurde, auf ihn zurück. Offenbar hatte Heinrich Müller, wohl auch mit Drohungen und üblen Reden, im Dorf um Unterstützung für dieses Unternehmen geworben.113 Er hatte Erfolg, denn dem Examinatorenkonvent zufolge beklagten sich die evangelischen Dorfbewohner von Dietikon 110 Als Patronatsherr konnte der Abt des Klosters Wettingen die Kirchenrechnungen in Wettingen, Dietikon und Spreitenbach allein abnehmen, die Würenloser Rechnung musste hingegen auch dem eidgenössischen Landvogt vorgelegt werden. Der Rechnungsabnahme wohnten bis 1612 die Geistlichen beide Konfessionen sowie zwei Männer aus Otelfingen und Boppelsen bei – zumindest in Würenlos war dies die gängige Praxis. In der Folge schloss man jedoch den reformierten Pfarrer und die zürcherischen Gemeindevertreter aus, Witschi, Ortsgeschichte, 1984, 239. 111 Unklar ist, warum der katholische Geistliche das Mahl nicht auf seinem Tisch servierte, vgl. StAZH BIV 73, fol. 345r–v, 3. Mai 1615, Schreiben vom Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich an den Landvogt im Oberen und Niederen Thurgau. 112 Urdorf lag auf Zürcher Gebiet und zählte nicht zur Gemeinen Herrschaft, war allerdings Teil der Kirchengemeinde Dietikon, vgl. Lengwiler/Lengwiler/Rothenbühler/ Stromer, Dietikon, 2003, 66. 113 StAZH E I 30. 27, 24. Januar 1615 sowie 29. Januar 1615.

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und Urdorf vor diesem Gremium, „das Inen vom Gegentheil der tisch, dan sÿ zum h. Nachtmahl bruchend, sÿe profaniert worden“.114 Diese Klage aus Dietikon und Urdorf erreichte den Zürcher Rat am 21. De­­ zember 1614.115 Der amtierende Bürgermeister Raahn begehrte in dieser Angelegenheit geistlichen Rat und trug dem Antistes, dem Pfarrer des Großmünsters, die Angelegenheit vor.116 Dieser empfahl zwischen dem „großen frevel und Verachtung“, die den reformierten Gläubigen und der „wahren“ reformierten Religion erwiesen worden waren, und der Frage, ob ein neuer Abendmahlstisch angefertigt werden solle, zu unterscheiden.117 Was den „Frevel“ anbelange, vertraue er auf das Wissen der Ratsherren. In der Frage des Abendmahlstisches müsse man gut abwägen. Er benannte sechs Gründe, die für einen neuen Tisch sprechen würden, und schlug vor, den alten Tisch bis zum Weihnachtsfest beizubehalten. Die Verunreinigung des Tisches nahm der Antistes außerdem zum Anlass, über die Anfertigung eines Taufsteins für die Kirche in Dietikon zu räsonieren.118 Durch einen verschließbaren Deckel sollte der neue Taufstein den reformierten Gläubigen auch zur Abhaltung des Abendmahls dienen;119 eine religiöse Praxis, die in der Alten Eidgenossenschaft durchaus üblich war.120 Der Rat von Zürich entsandte in der Folge den Junker Hans Georg Grebel als diplomatischen Unterhändler zum Abt von Wettingen. Der Abt des nahegelegenen wettingischen Klosters Maris Stella wurde hier nicht allein als „Mittäter“ zum offensichtlichen Gesprächspartner der Zürcher Obrigkeit. Junker Grebel konsultierte den Ordensmann vielmehr in seiner Funktion als Kollator und Grundherr des Dorfes, der nicht nur die katholischen und reformierten Pfarrherren einsetzte, sondern als Patronatsherr auch berechtigt war, die 114 StAZH E II 8, fol. 95. In der Kundschaft wird allerdings erwähnt, Müller sei „alleinig ohne Inn Zügen alhar Inn die statt kehrt und sich erklagt“, StAZH E I 30.27, 24. Januar 1615. Die Akten des Examinatorenkonvents scheinen mir hier allerdings verlässlicher, daher stütze ich meine Schilderung auf diese. 115 Diese Beschwerde ist im Staatsarchiv Zürich nicht mehr aufzufinden (auch in den Zürcher Ratsprotokollen befindet sich kein Hinweis). Meine Schilderung stützt sich auf die Protokolle des Examinatorenkonvents, in dem ausführlich über den Vorgang berichtet wird, vgl. StAZH E II 8, fol. 95 – 96 sowie E II 10, fol. 18r–19v. 116 Bis 1895 war der Antistes der Vorsteher der evangelisch-­reformierten Geistlichen; bis 1833 war das Amt mit der Pfarrstelle am Großmünster verbunden, vgl. Baltischweiler, Institutionen, 1904, 87. 117 StAZH E II 10, fol. 18r. 118 Ebenda, fol. 18v–19r. 119 Wie einem späteren Schreiben an den Abt von Wettingen zu entnehmen ist, vgl. StAZH BIV, 1. März 1615, fol. 93r–v. 120 Für den Thurgau vgl. Z’Graggen, Tyrannenmord, 1999.

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Kirchenrechnungen abzunehmen. Zudem erhoffte sich die Limmatstadt von der Unterredung mit dem Abt des Klosters Wettingen eine schnelle Lösung; ein listiger diplomatischer Schachzug, der aufging, aber für den Abt seine Folgen haben sollte. Dieser verfasste im Juni 1615 einen Bericht in dialogischer Form über die Unterredung, die im Januar 1615 mit dem reformierten Junker Grebel stattfand, der im Folgenden als Quelle dient. Hans Georg Grebel traf demzufolge am 3. Januar 1615 bei Tageszeit im Kloster Wettingen ein. Er bat um eine Audienz, die ihm gewährt wurde. Er formulierte die Klage seiner „gnädigen Herren und Oberen“, der Abendmahlstisch der reformierten Gemeinde habe für einen „Imbiß“ herhalten müssen. Zudem erinnerte er daran, dass anlässlich der Renovierung der Pfarrkirche und des Chores die weiße Farbe für das Kircheninnere im Taufbecken angerührt worden sei – Handlungen, die von der Zürcher Obrigkeit als „Despect und truz“ gewertet wurden.121 Die reformierten Untertanen der Dörfer Dietikon und Urdorf weigerten sich wegen dieser Desakralisierung, auf dem Tisch ihr Abendmahl zu empfangen. Zur „Verhütung mehr derglychen künfftigen Importanzen und vnglägenheiten“ trug Junker Grebel den Vorschlag vor, ein Taufbecken „mit einem darüber gedechten beschlossenen Blatt hinyn zesezen“ – der Deckel sollte vor Verunreinigung schützen und zugleich die Nutzung des Taufsteins als Abendmahlstisch ermöglichen.122 Der Abt hielt Grebel entgegen, dass auf dem Zürcher Gebiet des Öfteren Abendmahlstische zweckentfremdet und profanisiert in Gast- und Wirtshäusern anderen Funktionen zugetragen worden seien „und damaln in khein acht genommen worden“. Zudem – und hier zeigt sich, wie sehr Konflikte in und um das Kircheninnere sich im kollektiven Gedächtnis verfestigen – verwies der Abt auf die rund zehn Jahre zurückliegende Taufsteineinsetzung in der Pfarrkirche von Zurzach und auf den „Vnwillen, Irung und spän die beyde Religions genossen“ dadurch erfahren hatten.123 Liturgische Neugestaltungen des Kircheninnern veränderten nicht nur das sakrale Raum­ gefüge, sondern hatten auch Auswirkungen auf das bikonfessionelle Dorfgefüge, da neue liturgische Objekte die – vielfach über Jahrzehnte – eingespielte religiöse Praxis der Geistlichen und ihrer Gemeinden durch einen neugestalteten religiösen Handlungsraum veränderten. Neue Handlungsoptionen im Sakralraum wirkten in die bikonfessionelle Dorfgesellschaft hinein, insofern diese in den veränderten Gestaltungsmodi der Pfarrkirche durchaus die Strukturen des 121 Offensichtlich verfügte die reformierte Gemeinde in Dietikon bereits über ein eigenes Taufbecken, das anlässlich der Verunreinigung des Abendmahlstisches ebenfalls ersetzt werden sollte. 122 „[D]iene also dass Blatt an statt des disches“, StAAG AA, 2829/2, fol. 14v. 123 StAAG AA 2829/2, 9. Juni 1615, fol. 14v–15r.

Vom missbrauchten Abendmahlstisch

Vorteils bzw. der Benachteiligung der einen gegenüber der anderen Konfession erkannte. Als öffentliche Räume gefährdeten die Auseinandersetzungen um die liturgische Ausstattung der Dorfkirchen damit die konfessionellen und sozialen Ordnungsgefüge der Dorfgesellschaften. Aus diesem Grund weiteten sich Konflikte um die Gestaltung des Kirchenraumes leicht zu dörflichen Konflikten aus. Auch der Abt zögerte daher, dem Anliegen der Zürcher Obrigkeit zuzustimmen. Zudem hatten aufgrund der legalen Zuständigkeiten die katholischen Regenten über das Begehren der reformierten Gläubigen bezüglich der Neugestaltung des Kirchengebäudes zu befinden.124 Hinter diesem Verweis auf die katholischen Orte verbarg sich kein Unwissen über die Herrschaftsbefugnisse in der Grafschaft Baden. Die Äußerung lässt sich im Kontext der Anfertigung dieses Berichts in Kenntnis des Mehrheitsprinzips zum einen als politischer Pragmatismus oder – interpretativer – als Affirmation der Herrschaftsansprüche der katholischen Orte lesen, denn es ist zu vermuten, dass dieser Bericht zu ihrer Kenntnis verfasst worden war. Grebel hingegen reagierte auf den Hinweis der politischen und rechtlichen Zuständigkeit in der Frage der Kirchenraumgestaltung mit der – tückischen? – Vergewisserung, „waß die verantwortung gegen den herren der Catholischen Orten anbelangt, Ihr G[naden] hierumb unbekhümbert syn solle“. Die Stadt Zürich werde sich um alles weitere kümmern „und bj selbigen Ihr Gnaden vertretten, vnd die sach wol verantworten werden“.125 Der Abt konnte mit dieser Äußerung Grebels den katholischen regierenden Orten zumindest in Ansätzen erklären, warum er einem neuen Taufstein und seiner Einsetzung in die Pfarrkirche von Dietikon zugestimmt hatte. Im weiteren Verlauf der Ereignisse erwiesen sich die Überredungskünste Grebels als eine List. Denn in den „Wuchen vor weinacht [hat Grebel] […] sÿnern befehl gegen den abbt von wettingen verrichert, und eines Tauffsteins bewilligung von demselben vsbracht. das In der stille allhier einer gemacht und etwann zu glegner zeit In die kilchen zu dieticken gesetzt werden sölle“.126 Dieser Winkelzug verfolgte zwei Ziele: Zum einen machte er den Abt zum Komplizen und zum anderen wurden durch ihn die katholischen Regenten mit einem in aller Stille angefertigten Taufstein überrascht. Die folgenden kommunikativen Ereignisse differenzierten die Kooperation oder gar die Komplizenschaft zwischen Abt und Zürcher Rat weiter aus und betrieben die Exklusion der katholischen Orte aus dem kommunikativen Geschehen. In einer Reihe von Missiven erörterten der Zürcher Rat und der

124 Ebenda. 125 Ebenda, fol. 15r. 126 StAZH II 8, fol. 96.

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katholische Konventsobere die Details der Taufsteinfrage, wobei der Abt Zürich die Anfertigung des Taufbeckens überließ. Im März 1615 war die Angelegenheit so weit gediehen, dass Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich mit dem Konventsoberen über Ort und Zeitpunkt der Einsetzung des neugemeißelten Taufbeckens schriftlich konferierten. Zudem wurde das weitere Vorgehen und somit die Frage erörtert, ob der Abt mit seinen Leuten die Einsetzung vornehmen oder aber ob Zürich dies „inn stille thun lassen“ solle.127 Zürich war sich offenbar sehr wohl bewusst, die Herrschaftsprinzipien der Grafschaft Baden zu übertreten. Der Abt überließ die Einsetzung Zürich und beraumte einen Termin an, an dem die Umgestaltung der Pfarrkirche in Dietikon ins Werk gesetzt werden solle.128 Die eigentliche Tat verdichtete sich zu einem kommunikativen Ereignis. Kaspar Wiederkehr, Untervogt im Amt Dietikon, war als katholischer Augenzeuge bei der Einsetzung des Taufbeckens dabei und berichtete im Anschluss an die gelungene Tat dem Landschreiber und dem Untervogt der Grafschaft Baden über die Einzelheiten des Geschehens. Die katholischen Amtmänner informierten im Anschluss Schultheiß und Rat der Stadt Luzern über die Vorgänge in der Pfarrei Dietikon. In ihrer Darstellung folgten sie der Version Wiederkehrs.129 Dieser hatte in seinem Bericht geschildert, dass die Gemeinde Urdorf mit Hilfe eines Steinmetzes aus Zürich vor wenigen Tagen einen Taufstein vor die Kanzel gesetzt habe, „an welchen Orth von der nüwen Religion bißhero kein annderen Taufstein gehabt, dann ein Tisch vnnd ein Pfannen daruf“.130 Die Ausführung geschah in aller Frühe. Ein Steinmetz aus Zürich brachte das Taufbecken mit drei Rössern ins Dorf.131 Neben dem katholischen Untervogt Kaspar Wiederkehr war der katholische Priester Benedikt Hoppler bei der Einsetzung des Taufsteins zu früher Morgenstunde zugegen. Er wurde von den „Buwherren“ 127 Die Informationen hinsichtlich des Taufgeschirrs sind widersprüchlich. An dieser Stelle wird erwähnt, der Taufstein sei in der Form des alten gehauen worden. Von katholischer Seite heißt es, die Reformierten hätten bislang lediglich über einen „Pfanne“ zum Taufen verfügt; StAAG AA 2829/2, Schreiben von Johann Melchior Büeller und Christoph Keller an den Schultheiß und Rat der Stadt Luzern, 28. März 1615. 128 StAZH 366.1, 17. März 1615. Damit greift der Abt wahrscheinlich den von Zürich mit „nechsten Montag“, den 13. März alten Kalenders, um 7 in der Früh, vorgeschlagen Termin auf; StAZH BIV 72, 9. März 1615. 129 StAAG AA 2829/2, Schreiben von Johann Melchior Büeller und Christoph Keller an den Schultheiß und Rat der Stadt Luzern, 28. März 1615. 130 Ebenda, fol. 1. 131 Dieses Detail wird in der dritten Kundschaft erwähnt, vgl. StAAG AA, 2829/2, Eingenommener Bericht und Kundschaft wegen Einsetzung eines Taufsteins in Dietikon, fol. 19v.

Vom missbrauchten Abendmahlstisch

der Stadt Zürich in die Kirche gebeten. Im Kirchenraum befragte man ihn, an welchem Ort in der Kirche der Taufstein aufgestellt werden solle, damit dieser die „religionsübung“ seiner Gemeinde nicht behindere. Trotz aller Heimlichkeit des Vorgehens bildete der Religionsvertrag von 1531 den Referenzpunkt für das Geschehen, denn laut Landfrieden sollten die religiösen Handlungen beider Geistlicher und ihrer Gemeinden nicht behindert werden. Benedikt Hoppler deutete daraufhin auf den Platz, an dem bislang der Abendmahlstisch gestanden hatte – und dort fand der neue Taufstein auch seine Aufstellung.132 All dies geschah in Anwesenheit der reformierten Bauernschaft. Sie waren mit Degen und Säbeln bewaffnet und sollen etliche Mal verkündet haben, sie „wellen gern sechen, wer Innen den tauffstein widerumb vsser thun welle“.133 Diese Drohung legt nahe, dass sie ahnten, dass dieses neugewonnene liturgische Objekt nicht rechtmäßig, da ohne Wissen der katholischen Orte, zu ihrem Gebrauch in die Pfarrkirche gestellt worden war. Diese katholische Obrigkeit war zum Zeitpunkt der Taufsteineinsetzung weder über die Profanisierung des Abendmahlstisches noch über das neue Taufbecken unterrichtet, denn Zürich hatte, nachdem der „Consens“ des Abtes eingeholt worden war, keine weiteren kommunikativen Schritte in diese Richtung unternommen – im Gegenteil, beide Parteien hatten aus unterschiedlichen Motiven die Exklusion der katholischen Orte aus den kommunikativen Zusammenhängen betrieben.134 Umso stabiler gestalteten sich damit die kommunikativen Netzwerke zwischen dem Rat der Stadt Zürich und dem Kloster Wettingen. Mit der Einsetzung des Taufsteins in die Pfarrkirche von Dietikon war der reformierte Stand Zürich mit der Hilfe des Abtes von Wettingen den Interessen der reformierten Untertanen schnell und wirkungsvoll nachgekommen. Eine Gemeine Herrschaft implizierte jedoch, dass politische Entscheidungen von den eidgenössischen Regenten getroffen wurden. Diese Herrschaftsstrukturen wurden in der politischen Praxis ein weiteres Mal verflüssigt, denn die liturgische Ausstattung der Pfarrkirche in Dietikon war verändert, noch bevor die mitregierenden Orte von den Vorgängen in der Pfarrei erfahren hatten. Der Zweite Landfrieden hatte Sakralräume jedoch in politisch-­konfessionelle 132 Letzteres aus: StAAG AA, 2829/2, 9. Juni 1615: Bericht des Abtes von Wettingen über die Einsetzung des Taufsteins, fol. 15v. 133 StAAG AA 2829/2, Landschreiber und Untervogt an den Schultheiß und Rat der Stadt Luzern, 28. März 1615: „vnnd kommen die Lutherischen puren mit Iren Sÿtenweeren (welches zuvor nie geschechen.) gar trutzenlich zu kirchen. Lassend sich ettliche mahl zimlich mutwillig verluten, wellend gern sechen, wer Innen den Tauffstein widerumb vsser thun welle“. 134 StAZH BVIII 116, fol. 271r.

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Handlungsräume der regierenden Orte transformiert, da er Veränderungen bzw. „Neuerungen“ im Kirchenraum zum eidgenössischen Geschäft erhob.135 Luzern als mitregierender Ort war daher aufgebracht, als es durch den katholischen Untervogt und Landschreiber der Grafschaft Baden in einem detaillierten Bericht von der Taufsteineinsetzung in Dietikon erfuhr.136 Der Bericht, der an Luzern als den katholischen Vorort der Eidgenossenschaft am 28. März 1615 abging, betonte die Eigenmächtigkeit des Verhaltens, denn der Taufstein sei „ohn gefragt und eigens gewalts“ in die Mitte der Kirche und damit vor die Kanzel gesetzt worden, und das, obwohl an dieser Stelle zuvor kein Taufstein, sondern nur ein Tisch mit einer schlichten Pfanne gestanden hätte. Damit wurde argumentiert, dass es sich hierbei um eine durch den Landfrieden verbotene „Neuerung“ in der Religionspraxis der reformierten Bauern aus Dietikon handle.137 Durch die räumliche Umgestaltung des Sakralraums hatte sich zudem die Handlungssituation des katholischen Geistlichen im Raum verändert, da das neue Becken in der Mitte des Kirchenraumes aufgestellt worden war.138 Der Bericht generierte eine intensive Korrespondenz unter den katholischen Orten. Zusammen mit der Frage, wer die Einsetzung des liturgischen Gegenstandes in den Kirchenraum autorisiert hatte, wurde erörtert, ob ein solches Vorgehen den Bestimmungen des Landfriedens entsprach. Diese erste Phase der katholischen Beratungen war durch den Versuch gekennzeichnet, das Informationsdefizit mit Hilfe einer intensivierten innerkonfessionellen Kommunikation auszugleichen und eine eigene Position zu erarbeiten. Luzern kam bei der Kommunikation mit den katholischen Mitregenten seiner Funktion als Vorort der katholischen Orte nach, bündelte und verteilte die erhaltenen Informationen an die Räte von Schwyz, Uri, Zug und Unterwalden. In seinem ersten Schreiben betonte Luzern die Notwendigkeit, wegen der „frevelhaften“ Ereignisse in Dietikon, der „schmächlichen lästerwortten halb“ (die wohl bei der Einsetzung des Taufsteins gefallen waren) und wegen des „gefährlichen Stands“ der katholischen Religion in den eidgenössischen Bündnissen eine Zusammenkunft der katholischen Orte einzuberufen. Sie sollte der Stärkung der katholischen Religion und der „Reputation“ der katholischen Orte dienen.139 Daher bat Luzern darum, die Boten mit „vollmächtigem notwendigen befehl“ 135 Vgl. meine ausführliche Diskussion des Landfriedens in Kap. 3: Parität durch Konflikt. 136 StAAG AA 2829/2, 28. März 1615. 137 Ebenda. 138 Dieser Punkt wird durch die weiter unten diskutierten Maßnahmen zu Änderungen der Raumgestaltung deutlich, die die katholischen Orte auf ihrer Tagsatzung im Juni 1615 beschließen. 139 StAAG AA 2829/2, Schreiben vom 18. und 19. April 1615.

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zu instruieren, damit man mit Gottes Hilfe beratschlagen und mit gemeiner Zustimmung handeln könne.140 Auf der katholischen Konferenz vom 29. April 1605 wurde in Luzern beschlossen, die „Verachtung“ und den „Troz“, der den katholischen Ständen durch das eigenmächtige Handeln Zürichs erwiesen worden war, nicht hinzunehmen. Die Möglichkeit, den Taufstein durch die Amtmänner der Grafschaft Baden in einer Nacht-­und-­Nebel-­Aktion wieder aus der Kirche entfernen zu lassen, wurde verworfen. Da Herrschaft in den gemeinen Vogteien Herrschaft unter Abwesenden bedeutete, bestand zudem ein eklatantes Informationsdefizit, denn bis auf den schon kurz erwähnten Bericht des katholischen Untervogts und des Landschreibers der Grafschaft Baden verfügten die katholischen Stände über keinerlei Informationen bezüglich des Ablaufs und die Einsetzung des Taufsteins. Dies galt mit Blick auf die „Verachtung“, die dem Taufgeschirr erwiesen worden war, aber auch hinsichtlich der Beteiligung der reformierten Gläubigen bei dessen Einsetzung (eine Tat, die immerhin politischen Ungehorsam gegen die katholische Obrigkeit bedeutete).141 Es galt also, sich die Ereignisse in Dietikon zu vergegenwärtigen. Ereignisse wurden zu Informationen, wenn sie in den Kreislauf der politischen Kommunikation eingespeist wurden. Eine Vorauswahl traf die Missive, wenn sie kommunizierte, es gäbe Gerüchte („vilerlei reden“), dem „nüwgloubigen tisch oder touffgeschirr“ sei in einem Fastnachtspiel „etwas schmach bewiesen worden“, „auch das die nüwgloubigen Kilchgnossem daselbs, zu dieser Uffsetzung fürschub und hilff geben haben“. Es erging daher der Befehl, eine „flüssige und eigentliche Information“ zu verfassen, „wie es mit diesem touffstein […] ergangen vnnd was sich mit dessen vff richtung vmbstendlich zu getragen haben“.142 Damit formulierte diese Missive präzise, was die katholischen Orte von dem Bericht erwarteten, nämlich dass er die Ereignisse so ordnete und strukturierte, dass diese den Stellenwert von Informationen erhielten – Informationen, die die katholischen regierenden Orte wiederum in die Lage versetzen sollten, auf die Ereignisse in Dietikon angemessen zu reagieren und ihre politische Handlungsfähigkeit wiederzugewinnen.143 In diesem Sinne erzeugte Kommunikation Handlung und war gleichzeitig an sich schon Handlung.

1 40 Ebenda. 141 Vgl. EA 5/1, 2, 1465, Art. 158. Konferenz der sieben katholischen Orte, Luzern, 29. und 30. April 1615. 142 StAAG AA 2829/2, Schreiben vom 3. Mai 1615. 143 Die Möglichkeit, handeln zu können, wird in der Missive erwähnt, vgl. StAAG AA 2829/2, Schreiben vom 3. Mai 1615.

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Diese vertrauensvolle und meinungsbildende Aufgabe wurde dem katholischen Landschreiber und dem katholischen Untervogt der Grafschaft und nicht, wie es die Herrschaftsorganisation der Grafschaft Baden nahelegen würde, dem Landvogt übertragen, denn der aktuelle Repräsentant der regierenden Orte war ein reformierter Berner Patrizier namens Kaspar von Graffenried.144 Der angefertigte Bericht liegt mir nicht vor, dafür ein ausführliches Schreiben von Luzern an die mitregierenden Orte, in dem der katholische Vorort der Eidgenossenschaft seiner Funktion nachkam, die durch den Bericht erhaltenen Informationen an die Mitregenten weiterzureichen. Dieses Schreiben präsentierte sich als das Ergebnis katholischer Kommunikationszusammenhänge („soviel sÿ bÿ den Catholischen inn erfarung bringen können“), entlastete die reformierten Gläubigen der Gemeinde Dietikon und identifizierte den Abt von Wettingen als denjenigen, der die Taufsteineinsetzung gebilligt hatte („Wissen und Zusehen“).145 Die weitere Kommunikation galt dem Ziel, eine innerkonfessionelle Unterredung in Luzern zu ermöglichen und möglichst effizient zu gestalten. Daher bat Luzern wiederum die katholischen Mitregenten, ihre Gesandten „mitt nottwendigen bevelch“ zu versehen und sie am 19. Mai 1615 in Luzern erscheinen zu lassen.146 Auf dem katholischen Treffen in Luzern am 20. Mai 1615 wurden den teilnehmenden Parteien zunächst die Ergebnisse der jüngsten Informationsbeschaffung mitgeteilt. Zur Erhaltung der „Reputation“ der katholischen Orte und „damit die Zwinglischen nicht noch größere Dinge sich herausnehmen“, sollte dem Abt von Wettingen für sein Verhalten ein Verweis erteilt und der Müller aus Urdorf, der als derjenige identifiziert wurde, der die Dinge ins Rollen gebracht hatte, gestraft werden. Ein verbindlicher Beschluss wurde bei diesem Gespräch noch nicht getroffen, da die katholischen Orte nicht vollzählig versammelt waren und zudem zunächst die Erklärung des Konventsoberen abgewartet werden sollte.147 Das Rechtfertigungsschreiben, auf dessen Kommunikationszusammenhang zu Beginn der Fallgeschichte schon ausführlich verwiesen wurde, artikulierte neben der Rekonstruktion der Unterhaltung mit Junker Grebel auch seine „meÿnung“ in der weiterhin zur Verhandlung stehenden Frage, was mit dem Taufstein in der Pfarrkirche geschehen sollte. „Zuo erhaltung fründtlichs willens, vnd guoter bestendiger Nachbarschaft, rhuo und einigekeit“ formulierte der Abt Peter Schmied von Baar eine Position, die sich an den religiösen Bedürfnissen 144 Ebenda. Dieser Mann ist uns bereits bekannt; in Kap. 2: Konfession und Kommunikation ist er der Adressat der dort zitierten Pasquille. 145 Dies wird wiederum aus dem Schreiben von Luzern an die katholischen Mitregenten ersichtlich, vgl. StAAG AA 2829/2, 12. Mai 1615. 146 Ebenda. 147 EA 5/1, 2, 1465, Art. 159, Konferenz der fünf katholischen Orte, 20. Mai 1615, Luzern.

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der Konfessionen, dem Raumgefüge der Kirche und den Handlungssituationen der Geistlichen orientierte. So schlug er vor, der reformierten Gemeinde einen eigenen Taufstein zu gestatten, allerdings sollten die Reformierten im Gegenzug ihre gemauerte Kanzel, die vor dem Hochaltar stand und der katholischen Gemeinde die Sicht auf den Hochaltar und auf den handelnden Priester versperrte, an einen anderen und „bequemliches“ Ort versetzen. Des Weiteren schlug der Abt vor, den außerhalb des Chores im Kirchenschiff stehenden Altar aus der Kirche zu entfernen, da er bei der Verrichtung des Gottesdienstes seinen liturgischen Zweck verloren habe.148 Die vom Abt artikulierte Meinung über die liturgische Gestaltung des Kirchenraumes versuchte somit, sowohl der katholischen Gemeinde einen unverstellten Blick auf die Handlungen des Priesters und die Elevation der Hostie zu ermöglichen 149 als auch der reformierten Gemeinde ihren neuen Taufstein zu erhalten. Dieser vermittelnde Vorschlag des Abtes verdeutlicht einmal mehr, dass liturgische Objekte in der politischen Kommunikation der Eidgenossenschaft den Status politischer Tauschobjekte annehmen konnten. Zudem bezeugen sie, dass friedliche religiöse Koexistenz im Kirchenraum nur möglich war, wenn beide Konfessionsgemeinschaften über die für ihre Religionspraxis notwendigen Objekte verfügten und diese zudem ungehindert nutzen konnten. Der Vorschlag traf nicht auf taube Ohren. Auf ihrer katholischen Konferenz am 15. und 16. Juni 1615 äußerten die katholischen Orte zwar das Bedauern, dass Prälat und Priester die Einsetzung des Taufsteins nicht verhindert hätten.150 Allerdings folgten die katholischen Stände dem katholischen Ordensmann in seiner Empfehlung und beließen den Taufstein an seinem Ort, da er an der Stelle und auf der Höhe des profanisierten Abendmahltisches eingesetzt worden war. Somit beanspruchte er keinen „neuen“ Platz im Raumgefüge der Kirche. Die Einsetzung des Taufsteins deuteten die katholischen Orte damit nicht als eine landfriedenswidrige „Neuerung“. Der katholische Taufstein sollte jedoch „vorstehen“, damit das neue Becken der reformierten Gemeinde die liturgischen Handlungen am katholischen Taufstein nicht behinderte – die ungehinderte Ausübung der religiösen Praktiken ist ein im 148 StAAG AA, 2829/2, 9. Juni 1615. Die Diskussion um die Streitigkeiten um diesen Altar ist weiter unten ausgeführt. 149 Dies der Tatsache zum Trotz, dass Karl Borromäus auf dem Provinzialkonzil von 1564 verboten hatte, die Hostie über den Kelch zu heben, vgl. Browe, Elevation, in: JLW 9, 1929, 20 – 67, hier 62 und, für England, Duffy, Stripping, 1992, 111 ff. 150 Zudem solle gegen Zürich wegen der Eigenmächtigkeit des Vorgehens Klage geführt werden, vgl. EA 5/1, 2. Teil, 1465, Art. 160, Konferenz der sieben katholischen Orte, 15./16. Juni 1615.

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Vertrag zur Mehrkonfessionalität festgesetztes Recht beider Konfessionen. Zudem, so hielt der Abschied fest, sollten die weiteren Empfehlungen des Prälaten hinsichtlich der liturgischen Gestaltung des Kirchenraumes überprüft werden, die dem Altar im Kirchenschiff, der Kanzel sowie der Möglichkeit galten, dass Altar und Bilder mit „Troz und Schmach“ begegnet werde. Zur besseren Kenntnisnahme der Raumverhältnisse und der liturgischen Ausstattung der Pfarrkirche beschlossen die katholischen Herrschaftsträger in Luzern, ihre Tagsatzungsgesandten die Kirche in Dietikon inspizieren zu lassen. Dazu sollten sie vor ihrer Abreise aus Baden „das Nöthige“ anordnen. Zürich sollte mitgeteilt werden, dass die katholischen Orte beabsichtigten, den Taufstein wieder aus der Kirche entfernen zu lassen, falls der reformierte Stand sich auf diesen politischen Tauschhandel nicht einlasse.151 Drei Monate nach Einsetzung des Taufsteins hatten die katholischen Orte eine klare Haltung zu den Vorgängen in Dietikon entwickelt. Der Nichtachtung ihrer Mitregentschaft durch Zürich und ihrer Exklusion aus der politischen Kommunikation begegneten sie, indem sie ihrerseits die ihnen in der Grafschaft Baden zur Machtausübung zur Verfügung stehenden Kommunikationsstrukturen verstärkt nutzten – intensivierte politische Kommunikation war politische Partizipation an Herrschaftsrechten und Ausübung von Herrschaft. Diese Machtteilhabe war ehrstabilisierend, denn es ließen sich Bedingungen an den reformierten Mitregenten Zürich formulieren, die verdeutlichen, dass Luzern und die vier weiteren katholischen eidgenössischen Stände ihre Herrschaftsinteressen durchaus zu wahren und zu artikulieren verstanden. Die katholischen regierenden Orte hatten sich wieder ins Gespräch gebracht, der Ball lag bei Zürich. Zürich war im Unterschied zu den katholischen Regenten bestrebt, eine Ausweitung des kommunikativen Geschehens zu verhindern. Je mehr politische Herrschaftsträger in die Vorgänge involviert waren, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass die Taufsteineinsetzung weitere Kreise ziehen und zum Gesprächs- und Verhandlungsgegenstand auf der Tagsatzung avancieren würde. Zürich hatte ein gezieltes Interesse daran, den Ball – um das obige Bild aufzugreifen – flach zu halten und möglichst wenig Gerede um die Ereignisse zu generieren. Im Licht dieser Strategie der kommunikativen Negation ist die Bitte, die Zürich im Mai 1615 an den Landvogt richtete, es bei dem Vergleich zwischen dem Abt und der Stadt Zürich bewenden und den katholischen Priester, der bei der Taufsteineinsetzung zugegen war, straffrei zu lassen, durchaus einleuchtend.

151 EA 5/1, 2. Teil, 1465 – 1466, Art. 160, Konferenz der sieben katholischen Orte, 15./16. Juni 1615.

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Mit einem eingesetzten Taufstein als einem abgeschlossenen Geschäft war der Limmatstadt am besten gedient.152 Dieser taktische Schachzug des reformierten Stands betonte in seiner Negation wiederum die Bedeutung der Kommunikation in der politischen Praxis der Gemeinen Herrschaft. Zudem zeigte diese Missive die politischen Spielräume auf, die sich in der täglichen Kommunikation durch die Abwesenheit der obersten Herrschaftsträger ergaben und die – wie in diesem Fall durch Zürich – zur gezielten Artikulation eigener konfessioneller Herrschaftsinteressen genutzt wurden. Gleichwohl verwiesen sie auf die Verunsicherungen, die das politische System der Gemeinen Herrschaft generierte. Politisches Gerede und Gerüchte fanden in diesem vielschichtigen Kommunikationssystem leicht ihren Weg nach „oben“, aus den bikonfessionellen Dörfern hinein in die Ratsstuben der regierenden Orte. Bevor aus diesen Gerüchten verlässliche Informationen werden konnten, musste ihr Wahrheitsgehalt und damit der Bezug zu den eigentlichen Ereignissen überprüft werden. Zürich verwies in seiner Missive an den Landvogt auf einige Irritationen, denn der Limmatstadt sei zu Ohren gekommen, dass Landschreiber und Untervogt der Grafschaft Baden nach Dietikon geritten und die Kirche besucht hätten. Dieser Inspektion haftet etwas Verunsicherndes an, da „daruß geredt werden welle, als wann der dahin gemachten Thauffsteins halber etwas bedänkens sÿ sölte“.153 Nicht nur diese Inspektion gab Zürich zu denken, sondern auch die Tatsache, dass sie nicht wussten, auf welchen Befehl hin sich die badischen Amtleute nach Dietikon begeben hatten. Ob der Landvogt dies „Inn geheimb erfahren“ könne?154 Gerade dieses zuletzt artikulierte Anliegen verdeutlicht sehr plastisch die parallel verlaufenden katholischen und reformierten Kommunikations- und Handlungszusammenhänge in der Grafschaft Baden. Ohnehin gab es in dieser Phase der politischen Kommunikation, in der sich Luzern nachträglich über die Ereignisse in der Dorfkirche von Dietikon vermittels katholischer Kommunikationsnetzwerke informierte, die gewonnenen Informationen an die katholischen Mitregenten distribuierte und auf drei Konferenzen eine innerkatholische Position erarbeite, keine kommunikativen Begegnungen über die Konfessionsgrenzen hinaus. Kommunikationsnetzwerke und Kommunikationszusammenhänge wurden durch die konfessionelle Zugehörigkeit etabliert, die

152 So sahen es Rat und Bürgermeister von Zürich, vgl. StAZH BIV 73, Bürgermeister und Rat an den Landvogt im Oberen und Niederen Thurgau, 3. Mai 1615, fol. 345v. 153 StAZH BIV 73, Bürgermeister und Rat an den Landvogt im Oberen und Niederen Thurgau, 3. Mai 1615, fol. 345v. 154 Ebenda.

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auch den Informationsfluss und die Beratungen der Kommunikanten auf allen Ebenen (lokal, territorial, eidgenössisch) strukturierte. Einzige Ausnahme war der Abt von Wettingen, der aufgrund der komplexen Herrschaftsverbindungen durch stabile kommunikative Netzwerke intensiv mit der Zürcher Obrigkeit verbunden war. Die geographische Nähe und die etablierten Kontakte zwischen Zürich und dem Kloster Wettingen ließen zudem rasche Entscheidungen und politisches Handeln ohne langwierige Beratungen mit den katholischen mitregierenden Orten zu. Der Taufstein in Dietikon war, wie wir gesehen haben, rasch und eigenmächtig eingesetzt. Der katholischen Übermacht auf der Tagsatzung und der durch das Mehrheitsprinzip bedingten strukturellen Benachteiligung der reformierten Stände begegnete Zürich, indem es sich vermittels kommunikativer Praktiken über die Herrschaftsstrukturen der gemeinen Vogteien hinwegsetzte, den Abt in einer Audienz überzeugte und Fakten schuf, die dann wiederum zum Verhandlungs- und Beratungsgegenstand der mitregierenden Orte avancierten. Doch nicht nur die Kommunikationsvorgänge weisen eine konfessionsspezifische Färbung auf. Auch die Inhalte der Kommunikation, die maßgeblich von den reformierten und katholischen Vororten der Eidgenossenschaft geführt wurden, divergierten. Während Zürich mit dem Abt von Wettingen die neue Gestaltung des Sakralraums in Dietikon erörterte, waren Luzern und die mitregierenden katholischen Orte noch nicht einmal in die Taufsteinverunreinigung eingeweiht. Für Luzern und die katholischen Orte stand damit zunächst die Rekonstruktion der Ereignisse im Vordergrund. Doch wurde in den einzelnen kommunikativen Akten über die reine Informationsmitteilung hinaus den Handlungen im Kirchenraum nun eine politisch-­rechtliche Bedeutung zugewiesen. Die katholische Kommunikation über den Zweiten Landfrieden führte dazu, dass die rhetorische Figur der Neuerung, die in den eidgenössischen Korrespondenzen wiederholt auftauchte, medial geformt und mit konfessionspezifischer Bedeutung versehen wurde. Durch diese permanente und fortschreitende Auslegungspraxis des Zweiten Landfriedens wurde das vage Vertragswerk zu einem zentralen Referenzwerk in der eidgenössischen Kommunikation, über das sich die konfessionellen Differenzen der regierenden Orte zunehmend konkreter zuweisen und herstellen ließen. Die Auslegungspraxis des Landfriedenstextes verdeutlicht des Weiteren, dass die Taufsteineinsetzung im kommunikativen Geschehen als ein politischer und ein rechtlicher Konflikt verhandelt wurde, eine Konfliktminimierung mithin dadurch praktiziert wurde, dass die theologische Dimension konfessioneller Streitprozesse in der politischen Kommunikation unberücksichtigt blieb. Doch gerade diese stand bei den lokalen Auseinandersetzungen im Vordergrund, denn die reformierten Gläubigen von Dietikon begehrten ja nur deshalb einen

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neuen Abendmahlstisch, da der alte Tisch durch eine profane Handlung verunreinigt worden war. Erst auf der gesamteidgenössischen Tagsatzung am 28. Juni 1615 in Baden kamen die regierenden reformierten und katholischen Orte, repräsentiert durch ihre Gesandten, in dieser Sache das erste Mal zusammen. Zur Verhandlung stand auch hier (unter anderem) die Gestaltung des Kirchenraumes in Dietikon. Die katholischen Orte folgten dem Prälaten von Wettingen und gestatteten auf dieser gesamteidgenössischen Zusammenkunft nachträglich die Einsetzung des Taufsteins, allerdings machten sie einige Veränderungen des Sakralraums zu ihrer Bedingung. Diese innerkonfessionelle Position hatten sie auf der Konferenz in Luzern am 15./16. Juni 1615 erarbeitet. Jetzt wurde den Zürcher Gesandten der politische Tauschhandel mitgeteilt, denn die vor dem Hochaltar stehende Kanzel sollte auf die Seite versetzt, der Taufstein aus der Mitte an einen anderen Ort verrückt und der vor einigen Jahren aus der Kirche entfernte Altarstein wieder an Ort und Stelle gesetzt werden – im letzten Punkt folgten die katholischen Orte nicht mehr dem Abt von Wettingen.155 Ohne auf diese Tauschhandlungen einzugehen, insistierten die Boten aus Zürich, dass mit dem Einverständnis des Abtes von Wettingen gehandelt worden sei.156 Dennoch erklärten sie sich bereit, die Sache zur Beratung heimzubringen. Während von den reformierten Ständen auf zukünftigen Tagsatzungen in dieser Sache nichts mehr zu vernehmen ist und der neue Taufstein auch weiterhin in der Kirche von Dietikon stand, beschlossen die katholischen Orte auf einer Konferenz am 8. August 1615 in Luzern in Bezug auf die Aufrichtung eines Altars auf einen günstigeren Zeitpunkt zu warten, nämlich auf die Amtsperiode eines katholischen Landvogts.157 Damit war Zürich die zweite erfolgreiche Einsetzung eines Taufsteins in der Grafschaft Baden geglückt. Die katholischen Mitregenten hatten trotz Mehrheitsgrundsatz dem eigenmächtigen Vorgehen Zürichs in der politischen Praxis nur wenig entgegenzusetzen. Das schwerfällige politische System begünstigte politische Alleingänge, da die genauen Ereignisse von den mitregierenden Ständen zunächst zeitaufwendig rekonstruiert und zudem eine gemeinsame (innerkonfessionelle) Position erarbeitet werden musste. Taufsteine, die – wenn auch unrechtmäßig – in Kirchenräumen der Grafschaft Baden eingesetzt wurden, 155 Dieser hatte, daran sei kurz erinnert, in seinem Rechtfertigungsschreiben an die katholischen Orte erklärt, es gebe keine Verwendung für den außerhalb des Chors stehenden Altar, vgl. StAAG AA 2829/2, 9. Juni 1615, fol. 16. 156 Die Gesandten von Bern und Evangelisch Glarus – auch ihre Meinung wird in dieser Sache das erste Mal vernommen – sind diesbezüglich ohne Instruktionen. 157 EA 5/1, 2, 1466, Art. 162, Konferenz der sieben katholischen Orte, 8. August 1615, Luzern.

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avancierten zwar zu langwierigen kommunikativen Verhandlungsobjekten und verschärften das politische Klima zwischen den regierenden Orten, wurden aber in keinem der hier diskutierten Fälle von den katholischen Orten wieder aus den Kirchen entfernt. Die Haltung Zürichs bezeugt, dass es dem reformierten Stand weniger um eine gemeinsame Herrschaftsausübung als um die Durchsetzung eigener Herrschaftsinteressen und religiöser Sinnstiftung in der Grafschaft Baden ging. Auch die katholischen Orte erdachten zunehmend politische Wege jenseits der etablierten Herrschaftsstrukturen, wenn sie auf ihrer Tagsatzung beschlossen, mit der Aufrichtung des Altars auf eine Amtsperiode eines katholischen Landvogts zu warten. Die Präsenz eines katholischen Herrschaftsträgers vor Ort vereinfachte die Kommunikations- und Handlungssituationen. Ob dieser politische Schachzug gelang, davon soll weiter unten die Rede sein. Mit der Taufsteineinsetzung im bikonfessionellen Dorf Würenlos werden zunächst die Handlungs- und Argumentationsspielräume der Geist­ lichen vor Ort exemplifiziert.

6.4 Taufsteineinsetzung als Widerstandsakt: Würenlos 1642 Die schriftlichen Zeugnisse, die durch die Taufsteineinsetzung in der Pfarrkirche des bikonfessionellen Dorfes Würenlos generiert wurden, repräsentieren die Vorgänge im und um den Würenloser Kirchenraum als ein vorwiegend katholisches Kommunikationsereignis. Dieser Eindruck ist nicht zuletzt einem ausführlichen Bericht des katholischen Pfarrers Bernhard Keller geschuldet, der – nachdem er den Landvogt in Baden unterrichtet hatte – die Taufsteineinsetzung im Kirchenraum detailliert zu Papier brachte. Daher erlaubt es dieser Fall, den Blick stärker auf die Vorgänge in der Gemeinde zu lenken. Am Anfang stand dem erwähnten Bericht des katholischen Priesters Bernhard Keller vom 24. Juni 1642 zufolge die Entfernung der Kanzel aus dem Kircheninneren. Bei diesem liturgischen Gegenstand handelte es sich um eine aus drei Quadern gefertigte Kanzel, die „von alters häro“ „damitten“ unter dem Chorbogen gestanden hatte und von katholischen und reformierten Geistlichen gleichermaßen zur Verkündigung des Gotteswortes benutzt worden war. Als eine neue, hölzerne Kanzel an die linke Chormauer gehängt wurde, soll sich der reformierte Pfarrer Felix Tobler erstaunt geäußert haben, warum die von niemandem mehr genutzte Kanzel, die vor dem Chor und damit im Weg stand, nicht aus der Kirche entfernt werde. Die reformierte Gemeinde umfasste im Jahr 1645 immerhin 412 Seelen (der katholische Pfarrvikar hatte 1648 lediglich 209 Seelen zu betreuen) und war damit so groß, dass Tobler die Schaffung

Taufsteineinsetzung als Widerstandsakt

einer selbstständigen reformierten Pfarrei anregte.158 Das Kirchenschiff war zum Zeitpunkt des Streits 1642 sehr wahrscheinlich schon bestuhlt, da 1666 die Erneuerung angeregt wurde.159 Die Entfernung der Kanzel aus dem Kirchen­ innern versprach einen Platzgewinn, von dem beide christlichen Gemeinden profitieren konnten.160 Just am heiligen Ostertag trat der reformierte Geistliche im Beisein des Kirchpflegers, des Ammann und eines evangelischen Richters an den katholischen Pfarrer mit der Bitte heran, dieser möge ein gutes Wort beim Abt vom Wettigen einlegen, da er einen Taufstein für die reformierte Gemeinde begehre, „zue einplantzung merere einigkeit“.161 Da der katholische Geistliche ein Konventuale des Gotteshauses Wettingen war, kannten sich Abt und Priester persönlich; eine Konstellation, die sich – wie der reformierte Geistliche zu spekulieren schien – positiv bei einem Gespräch auswirken könne. Felix Tobler nannte Bernhard Keller auch gleich die wesentlichen Argumente: Ein Taufstein für die reformierte Gemeinde sei auch an anderen Orten, an denen sich Reformierte und Katholiken eine Kirche teilten, üblich. Aus diesem Argument wird ersichtlich, dass die Taufsteineinsetzungen in Dietikon und Zurzach nicht nur die materielle Kultur im Kirchenraum verändert hatten, sondern diese zudem einen rhetorischen Referenzpunkt bei vergleichbaren Fällen generiert hatten. Keller hingegen sprach von diesem liturgischen Gegenstand als einer „Neuerung“. Den Diskussionszusammenhang bildete für beide Geistlichen der Landfriedenstext. Beide Gottesmänner waren mit den grundlegenden Inhalten und den etablierten Deutungsmodi dieses Textes vertraut. Keller brachte mit dem Stichwort der Neuerung das entscheidende (katholische) Argument gegen eine Veränderung des Sakralraums, Tobler hielt versiert dagegen, neu sei nur das, was nicht an anderen Orten üblich sei. Die Gleichbehandlung der Glaubensgemeinschaften stifte zudem Einigkeit unter den katholischen und reformierten Dorfbewohnern. Keller ließ sich, wie er seiner katholischen Obrigkeit schriftlich versicherte, auf 158 „Ferner wyl die pfahri der evangeischen zu Würenlos gross, namlich 412 seelen, mangletend sy einen eignen predikanten, der zu würenlos sesshaft werde. Syn underhaltung könnte genugsam syn, wann die evangelischen ihren zähenden dem predikanten gebind, […] welches die predikanten begärend“, zitiert nach Witschi, Ortsgeschichte, 1984, 230. Einer Zählung von 1656 zufolge bestand die reformierte Gemeinde Würenlos unter Berücksichtigung der reformierten Dorfbewohner aus Oetlikon, Hüttikon und Oetwil, die den Gottesdienst in Würenlos besuchten, aus 458 reformierten und 213 katholischen Gläubigen, vgl. StAZH, E II 700 78, Otelfingen/Würenlos (1634 – 1709). 159 Witschi, Ortsgeschichte, 1984, 237. 160 StAAG AA, 2819/11, Bericht wie es mit der Neüwgläubig Taufstein in Würenlos härgang, verfasst von Bernhard Keller, 24. Juni 1642, fol. 31r. 161 Ebenda.

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diese Argumentation nicht ein – immerhin galt es in dem Bericht zu erklären, wie ein Taufstein ohne die Genehmigung der regierenden Orte in den Würenloser Kirchenraum gekommen war. Keller kam dem Drängen seines reformierten Kollegen nach und begab sich zum Abt von Wettingen. Einen Taufstein für die reformierte Gemeinde wollte der Abt jedoch nicht bewilligen. Er verwies Keller in dieser Angelegenheit an den katholischen Landvogt von Baden.162 Erneut soll Tobler den katholischen Geistlichen gedrängt haben, dieses Gespräch für ihn zu führen – die gleiche Konfessionszugehörigkeit der Kommunikanten war offenbar der Grund für die beharrlichen Bitten des reformierten Geistlichen. Keller kam ein weiteres Mal dem Drängen Toblers nach und begab sich nach Baden. Der katholische Landvogt Müller wies den katholischen Geistlichen bei dieser Gelegenheit an, Kanzel und Opferstock – letzterer wird hier das erste Mal erwähnt – an seinem Ort zu belassen, um „ein nuwen vfffruer“ zu verhindern.163 Dem reformierten Pfarrer Tobler aber solle er anzeigen, ich habe nit gewaalt die einsezung des Tauffsteins zuerlauben, sonder er solle sich gedulden und die sach biß nechst kommende jarrechnung, die dann in kurzer zeit verhandlen, verbleiben lassen, vnd so dan in diße einsezung des Tauffsteins von den herren Ehrengesandten bewilliget werde, so solle es mir nit zuwider sein.164

Insofern der katholische Geistliche Keller das Verbot des Landvogts, den Taufstein einzusetzen, an den reformierten Pfarrer Tobler weiterleitete, wusste nun auch Tobler, dass er sein Anliegen vor die nächste Tagsatzung zu bringen hatte – über die politischen und rechtlichen Zuständigkeiten war auch der reformierte Geistliche hinlänglich informiert. Doch Kellers Bericht zufolge wünschte Tobler weiterhin einen Taufstein für seine evangelische Gemeinde und bedrängte Keller, woraufhin dieser versicherte, dass er, wenn es die „hohe obrigkeit“ erlaube, nichts gegen einen neuen Taufstein in ihrer Kirche einzuwenden habe. Denn obwohl es sich bei dem Taufstein – wie Keller mit sicherer Deutungshoheit schrieb – um eine „unverhoffte neüwerung“ handle, war ihm der evangelische „gottskasten“, der neben dem Hochaltar im Chor hing und 162 Ebenda, fol. 31v sowie StAZH E I 30. 90, Bericht mit dem Titel „Kurzer bericht was mir von wegen des neueingesezten Tauffsteins zue würelos begegnet“, ohne Datum, fol. 73. 163 StAZH E I 30. 90, Bericht mit dem Titel „Kurzer bericht was mir von wegen des neueingesezten Tauffsteins zue würelos begegnet“, ohne Datum, fol. 73. 164 Ebenda.

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der, wie er formulierte, „ein ansächlichen platz einnimpt“, ein größerer Dorn im Auge. Zudem sorgte sich der katholische Gottesmann, die Hostie könne von dem reformierten Sigristen entehrt werden, da dieser über einen Schlüssel zur Kirche verfügte und damit ungehinderten Zugang zum Kirchenraum hatte und „darinn schaffen und handlen kann, was er will“.165 Der Kirchenraum als reli­giö­ser Handlungsraum wurde in diesem Fall von dem katholischen Geistlichen mit verbotenen magischen Praktiken assoziiert, denn öffentlich wurde gesagt, der Sigrist wolle mit einem „nigromantico“ auf Schatzsuche gehen und – so soll er sich geäußert haben – dazu „mangle im weiters nicht, als ein Catolische hosti“.166 Der Schlüssel des Ganzen, so schließt der Bericht, sei – ganz buchstäblich – der Kirchenschlüssel, der dem evangelischen Sigristen und Prediger jederzeit Zutritt zum Gotteshaus ermöglichte – sei es, um verbotene liturgische Objekte, wie den Taufstein, heimlich in den Kirchenraum zu tragen oder um entsakralisierende Handlungen an geweihten Objekten des katholischen Kultes vorzunehmen.167 Auch die oben formulierte Antwort Kellers, er habe nichts gegen einen Taufstein in der Kirche einzuwenden, stimmte Tobler zuversichtlich, da dies auch bezüglich der Handlungsoptionen im Kirchenraum Relevanz hatte.168 Anschließend begehrte Tobler von dem katholischen Priester zu wissen, an welchem Ort im Kirchenraum der Taufstein zur Aufstellung kommen könne – „Ort“ und „Raum“ waren auch für Zeitgenossen zwei zu differenzierende Kategorien.169 Damit konkretisierten sich die Gespräche über einen liturgischen Gegenstand, dem nun ein konkreter Platz in der Kirche zugewiesen wurde: Keller – so vermerkte er in seinem Bericht – machte „imme auff der lincken seiten vor den 165 StAAG AA 2819/11, Bericht wie es mit der Neüwgläubig Taufstein in Würenlos härgang, verfasst von Bernhard Keller, 24. Juni 1642, fol. 32r. 166 Ebenda, fol. 32r–v. Zur Zentralität der eucharistischen Feier, der Hostie und magischer Praktiken, vgl. Hacke, Wirkungsmächtigkeit, 2001; zur Nekromantie Ogden (Hg.), Nekromantie, 2010. 167 Daher schlug Keller vor, dem evangelischen Sigristen den Schlüssel zum Kirchengebäude abzunehmen, vgl. StAAG AA, 2819/11, Bericht wie es mit der Neüwgläubig Taufstein in Würenlos härgang, verfasst von Bernhard Keller, 24. Juni 1642, fol. 32v–33r. 168 Und der Verweis auf den „gottskasten“ im Chorraum, der zu viel Platz einnehme, war ein Hinweis, dass sich Keller von diesem bei der eucharistischen Feier und anderen sakramentalischen Handlungen gestört fühlte. 169 Zu dieser sprachlichen Unterscheidung vgl. Löw, Ort, in: Dürr/Schwerhoff (Hg.), Kirchen, 2005, 445 – 449, insbesondere 446 – 447, wo sie auf die bislang in den Geisteswissenschaften ausgebliebene Theoretisierung des Ortes als „Raum und der Ort als Basis“ hinweist, die notwendig seien, da sich beide Aspekte in der empirischen Analyse vermischten.

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Chor ein zeichen auff den bod[en] […], nichts wenigers gedenckende als dz es was ohne erlaubtnus fürnämen“.170 Mit diesem Zusatz distanzierte sich Keller von allen weiteren Vorgängen in seiner Pfarrei und wies dem reformierten Geistlichen allein die Verantwortung für das folgende Geschehen zu. Denn am 30. Mai 1642 – und immer noch ist Keller unser Berichterstatter – erhielt dieser unerwarteten Besuch von seinem Kollegen Tobler, der von ihm begehrte, er möge ihm das Gatter zu seinem Garten aufsperren, damit er und der Steinmetz freien Zugang zur Kirche hätten – die Lage der Dorfkirche bedingte offensichtlich, dass man den Garten des katholischen Priesters durchqueren musste, um zum Gotteshaus zu gelangen. Das Gatter wurde aufgesperrt, und Pfarrer und Steinmetz gelangten in die Kirche, wo sie den neuen Taufstein für die reformierte Gemeinde in Würenlos aufstellten 171 – und zwar genau an der Stelle, die der katholische Geistliche zuvor durch ein Zeichen markiert hatte. All dies geschah ohne das Wissen der regierenden Orte und des katholischen Landvogts. Sobald dieser von den Ereignissen erfuhr,172 zitierte er den reformierten Pfarrer Tobler nach Baden, um ihm, wie auch dem katholischen Geistlichen, einen „starckhen verweis“ zu erteilen. Als oberster Amtmann der Grafschaft Baden war der Landvogt an der sozialen Ordnungsbildung vor Ort beteiligt – die Markierung normwidrigen Verhaltens zählte mit zu seinem herrschaftlichen Aufgabenbereich. Felix Tobler nutzte die Situation, um einen Kompromiss auszuhandeln: Nachdem er auf die fehlende Gelegenheit hingewiesen hatte, die Taufhandlung für die reformierte Gemeinde an einem eigenen Taufstein zu vollziehen, bat er den Landvogt darum, das Taufbecken nicht, wie geplant, wiederum aus der Kirche zu schaffen, sondern damit „biß zue ankhunfft des herren burgermeisters“ zu warten – womit der Bürgermeister der Stadt Zürich gemeint sein wird.173 Geschickt erbat sich Tobler einen zeitlichen Aufschub, denn erst wolle er mit dem Bürgermeister über den strittigen Taufstein reden und dem Landvogt dann mitteilen, was das Gespräch ergeben habe. Diese Bitte verdeutlicht, wie sehr die Wahrnehmung der Herrschaftsverhältnisse von „unten“ nach „oben“ (und von „oben“ nach „unten“, wie wir bei der Zurzacher Taufsteineinsetzung gesehen haben) durch die konfessionelle Zugehörigkeit strukturiert war, denn Tobler versprach sich Unterstützung von der reformierten Zürcher 170 StAAG AA 2819/11, Bericht wie es mit der Neüwgläubig Taufstein in Würenlos härgang, verfasst von Bernhard Keller, 24. Juni 1642, fol. 31v–32r. 171 Ebenda, fol. 32r. 172 Wohl durch den katholischen Priester, vgl. ebenda, fol. 32v. 173 StAZH E I 30.90, Kurzer bericht was mir von wehen des neueingesetzten Tauffsteins zue würenlos begegnet, fol. 73v–74r.

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Obrigkeit. Bei religiösen Streitfällen war die Konfession ein wesentlicher Faktor zur Herstellung von Vertrauen zwischen Untertanen und Obrigkeit. Der Landvogt ließ sich auf diesen Handel ein, offenbar weil der Bürgermeister aus Zürich als Angehöriger der regierenden Orte die „hohe“ Obrigkeit darstellte, die der Landvogt vor Ort repräsentieren sollte. Doch als die Mitteilung über das Gespräch nicht erfolgte, zitierte der Landvogt die beiden Geistlichen im Anschluss an die Tagsatzung wiederum nach Baden, hielt ihnen „dise sach nachmahlen mit allem ernst vor“ und befahl ihnen, den Kirchenraum wieder in „alten stand zue sezen“. Die Drohung folgte auf den Fuß. Weil der Landvogt, wie weiter unten noch ausführlich geschildert wird, von den katholischen Orten für sein Verhalten gerügt worden war, betonte er nun in seinem Bericht, er habe beiden kommuniziert, dass er „ein solche vermessenheit ohne straff nit können lassen übergehen“ – und artikulierte damit zugleich sein Selbstverständnis als hoher politischer Herrschaftsträger der Grafschaft Baden. Während sich der katholische Geistliche dem Bericht des katholischen Landvogts zufolge als gehorsam erwies und Opferstock und Kanzel wiederum an den alten Standort stellen wollte, wurde in diesem Bericht das Bild eines subversiven und ungehorsamen reformierten Geistlichen gezeichnet, denn der reformierte Prediger widersetzte sich dem Landvogt Sebastian Müller zufolge seinem Befehl.174 Die konfessionsspezifischen Kommunikationswege markierten auch bei dieser unautorisierten Taufsteineinsetzung die politische Praxis und die politische Kommunikation. Rasch informierte Bernhard Keller den Landvogt in Baden und verhielt sich den etablierten Herrschaftsprinzipien in den Gemeinen Herrschaften gemäß. Die Tatsache, dass der Landvogt im Jahr 1642 katholisch war, mag es Keller erleichtert haben, seiner Mitteilungspflicht gegenüber dem obersten Amtmann der Grafschaft nachzukommen. Die konfessionsspezifische Prägung bei diesem kommunikativen Handel wurde dann durch die Entscheidung des Landvogts deutlicher, den Bericht über die Vorgänge in der Kirche in Würenlos an den katholischen Vorort der Eidgenossenschaft Luzern und nicht an den reformierten Stand Zürich zu referieren. Vier Aspekte wurden in diesem Schreiben genannt: Dass der katholische Geistliche Keller ihn über die aus dem Chor entfernte Kanzel informiert habe, die den Geistlichen und seine Gemeinde bei der Verrichtung des Gottesdienstes behindere; zweitens, dass der reformierte Prediger einen Taufstein an einen Ort in den Kirchenraum setzen möge, der die katholische Gemeinde nicht bei der Messe störe – ein Begehren, dem der Landvogt, drittens, nicht entsprach; und viertens, dass der Amtmann 174 Ebenda, fol. 74r.

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in Baden auf die Herrschaftsprinzipien und die rechtlichen Zugehörigkeiten verwies, wenn er formulierte, dass solcherlei Begehren vor die Ehrengesandten auf die nächste Tagsatzung gebracht werden müssten. Seine Missive schloss mit dem kurzen Hinweis, dass der Taufstein seinem Verbot zum Trotz „de facto“ in die Kirche in Würenlos eingesetzt worden sei.175 Diese Missive informierte den katholischen Vorort damit kurz und präzise über die Eingriffe in die materielle Kultur des Kirchenraumes. Sie zeichnete zudem das Bild eines widerspenstigen reformierten Pfarrers und erzählte von katholischer Umsicht, Verantwortung und Rechtschaffenheit. Luzern kam sodann in gewohnter Manier seinen Pflichten den vier mitregierenden katholischen Orten gegenüber nach und unterrichtete Schwyz, Uri, Underwalden und Zug am 7. Juni 1642 zügig von den Vorgängen in der Pfarrkirche in Würenlos. Das Schreiben des Landvogts wurde den mitregierenden Ständen als Kopie zugestellt.176 Noch wurde keine gemeinsame politische Strategie erarbeitet, sondern die weiteren kommunikativen Schritte erörtert, konkret die Frage, ob dieser „Handel“ auf der nächsten Tagsatzung oder zunächst intern in einer „fründtliche[n] mündtliche[n] ersprechung und Conferentz“, auf einer konfessionellen Konferenz diskutiert werden solle.177 Auch wegen anderer zu besprechender Geschäfte wurde eine katholische Zusammenkunft vor einem eidgenössischen Treffen für sinnvoll befunden.178 Eine solche fand am 27./28. Juni 1642 in Luzern statt.179 Die Inhalte der katholischen Tagsatzung wurden in einem Abschied festgehalten, der zunächst den Vorgang an sich verschriftlichte, indem er formulierte, der reformierte Pfarrer habe sich über das Verbot des Landvogtes hinweggesetzt und den Taufstein „eigens gewalts“ in die Kirche gesetzt. Ein solch frevelhaftes Vorgehen hätte das Handeln des Landvogts zum Erhalt der Autorität der katholischen regierenden Orte notwendig gemacht. Die „interessenten vnd urheber“ – damit sind die Geistlichen gemeint – wurden vom Landvogt hingegen weder abgestraft noch ihr 175 StAAG AA 2819/11, 1. Juni 1642. 176 Zumindest in der Antwort von Unterwalden sind zwei Schreiben des Landvogts erwähnt; es ist davon auszugehen, dass alle katholischen mitregierenden Orte in gleicher Weise beliefert wurden, vgl. StAAG AA 2819/11, 11. Juni 1642. 177 Ebenda, 7. Juni 1642. 178 Mir liegt lediglich die Antwort Unterwaldens vom 11. Juni 1642 vor, vgl. StAAG AA 2819/11, 11. 179 Auf dieser Tagsatzung sollen noch weitere Geschäfte, wie etwa der Frauenfelder Kirchenbau, erörtert werden, vgl. StAAG AA , 2819/11, 11. Juni 1642. Gleichzeitig teilen Schultheiß und Rat der Stadt Luzern Landvogt Sebastian Müller mit, dass sie erst nach Beratung mit den mitregierenden katholischen Orten dem Landvogt ihren Befehl kommunizieren werden, vgl. StAAG AA 2819/11, 8. Juni 1642.

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Frevel mit einer „demonstration zu erkennen gegeben“.180 Damit wurde das Verhalten des katholischen Landvogts Müller kritisiert, der zwar den katholischen Geistlichen zum Verhör zitiert, nicht aber den Pfarrer Tobler für sein eigenmächtiges Vorgehen abgestraft hatte. Trotz dieser Kritik am Regierungshandeln des obersten Amtmannes der Grafschaft Baden vertrauten die regierenden Orte auf die Vernunft und die Treue des Landvogts und damit darauf, dass dieser in Zukunft so handeln werde, dass das Ansehen der katholischen Stände nicht weiter zu leiden habe.181 Der Abschied schloss mit dem Auftrag, der Landvogt möge sich danach erkundigen, was der reformierte Sigrist im Schilde führe – hier ist die Sorge um die Entweihung der Hostie gemeint – und weitere Erkundigungen wegen des Kirchenschlüssels einholen. Auf ihrer Tagsatzung hielten die katholischen regierenden Stände somit die Ereignisse, die durch katholische Kommunikationskanäle rekonstruiert worden waren, im Medium der Schrift fest. Bei den folgenden mündlichen Beratungen auf der gesamteidgenössischen Tagsatzung in Baden erhielten diese dann den Status von Informationen, auf deren Grundlage die katholischen Gesandten ihre Positionen formulierten. Damit wird erstens deutlich, wie sehr die Landvögte trotz eigener Herrschaftskompetenzen in dem komplexen Herrschaftssystem Gemeine Herrschaft ein Medium darstellten, über das die konfessionellen Interessen der regierenden Orte durchgesetzt und hergestellt wurden. Die Kritik am Verhalten des Landvogts wurde von den katholischen und nicht von den reformierten Orten formuliert, denn diese hatten von der Regierungsweise des Landvogts durchaus profitiert – immerhin verfügte ihre Gemeinde in Würenlos nun über einen eigenen Taufstein und ihr Pfarrer Felix Tobler war für seine Tat nicht abgestraft worden. Damit ist indirekt auch schon der zweite Punkt angesprochen, nämlich wie sehr ungehorsames Verhalten von Untertanen einer klaren Strafsanktion der Obrigkeit bedurfte, sollte die soziale Ordnungsbildung gesichert und die Reputation der Herrschaftsträger nicht beschädigt werden. Die äußere Ehre, die Reputation der katholischen Stände, war in zweierlei Hinsicht bedroht: zum einen durch den Ungehorsam des reformierten Pfarrers dem katholischen Landvogt gegenüber, der als oberster Amtmann der Grafschaft Baden immerhin die Herrschaftsinteressen der regierenden Stände vor Ort repräsentierte. Aus dieser „konfessionalisierten“ Herrschaftsrepräsentation leitete sich zum anderen ab, dass der fehlende Respekt des reformierten Pfarrers dem katholischen Landvogt 180 Zur Erinnerung: Der katholische Landvogt hatte lediglich einen „starckhen verweis“ erteilt, aber keine Strafe verhängt. 181 Der Orginalabschied ist zu finden in: StAZH BVIII 127, fol. 331r–v, die modernisierte Fassung in EA 5/2, 3, 1694.

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gegenüber unweigerlich auch das politische Ansehen und die Durchsetzung der Herrschaftsansprüche der katholischen Stände gefährdete.182 Trotz eines Normenwerks zur religiösen Koexistenz in den Gemeinen Herrschaften, welches die katholischen Parteien vorteilhaft bedachte, und trotz eines Mehrheitsprinzips, welches eine Durchsetzung der katholischen Herrschaftsinteressen in der Grafschaft Baden erleichtern sollte, konnten die katholischen Parteien ihren politischen Einfluss in diesem – und in anderen Fällen – nicht geltend machen. Institutionalisierte katholische Überlegenheit, dies hat die Diskussion der bisherigen Fallbeispiele deutlich gezeigt, war kein Herrschaftskonzept an sich. Diese musste sich im täglichen politischen Handeln gegen reformierte „Subversivität“ und den Widerstand lokaler sowie eidgenössischer Herrschaftsträger beweisen. Herrschaft verfestigte sich erst in der erfolgreichen Durchsetzung von politischen Ordnungsvorstellungen, und Herrschaft ließ sich im politischen Alltag an seinen Erfolgen messen. In dieser Perspektive lag für die katholischen Stände sehr viel mehr in der Waagschale als nur eine versäumte Abstrafung eines widerspenstigen Priesters und eines neuen Taufbeckens im Würenloser Kirchenraum, denn das symbolische Kapital der politischen Ehre stand zur Disposition oder, wie es die katholischen Stände formulierten, ihr „ansehen“ und ihre „auctoritet“.183 Herrschaft, das verdeutlicht das kommunikative Geschehen allemal, war eben kein Zustand, sondern ein Prozess, der die Fragilität sozialer Ordnungsbildung und Herrschaftsdurchsetzung erkennen ließ. Dies traf im erhöhten Maße auf die Gemeinen Herrschaften zu. Baden und der Amtssitz des Landvogts waren weit von den regierenden Orten entfernt. In aller Stille und Schnelle ließ sich der Kirchenraum der Pfarrkirche von Würenlos verändern, bevor der Landvogt und die katholischen Orte über die nötigen Informationen verfügten, um einzugreifen. Insofern war Felix Tobler dem Landvogt und den regierenden Ständen immer ein Stück voraus, da er es verstand, seine Pläne geheimzuhalten – denn immerhin musste das Taufbecken zunächst angefertigt werden, wozu Vorbereitungen und Planungen notwendig waren. Welche Rolle Zürich bei diesen Aktionen spielte, ist nicht bekannt, aber es ist zu vermuten, dass der Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich in die Pläne ihres Geistlichen eingeweiht waren, da Schlosser und Steinmetz aus Zürich kamen.184 Der reformierte Vorort Zürich trat ebenso wie die mitregierenden Stände Evangelisch Glarus und Bern in diesem Handel 182 Zum fehlenden Respekt gegenüber Amtmännern als lokalen Repräsentanten des Staates vgl. Eibach, Staat, 1994. 183 EA 5/2, 3, 1694, Art. 195 und, für den Orginalabschied, vgl. StAZH BVIII 127, fol. 331. 184 Vgl. StAAG AA 2819/11, Schreiben des Landvogts von Baden an den Schultheiß und Rat der Stadt Luzern, 24. Juni 1642, fol. 34v.

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kommunikativ kaum in Erscheinung, weder im diplomatischen Schriftverkehr noch auf der gesamteidgenössischen Tagsatzung im Juli 1642 in Baden. Diese kommunikative Negation, wie ich weiter oben die Strategie dieses unauffälligen Abwartens genannt habe, war im Sinne einer politischen Praxis, die durch Kommunikation Herrschaftsinteressen markierte, durchaus sinnvoll, denn der in der Kirche eingesetzte Taufstein entsprach den Herrschaftsinteressen Zürichs. Insofern gab es keinen Bedarf zu handeln bzw. zu kommunizieren. Anders verhielt es sich mit dem katholischen Landvogt, der sich aufgrund seiner konfessionellen Zugehörigkeit den katholischen Orten gegenüber zu verantworten hatte.185 Auch wenn dem Landvogt auf der gemeineidgenössischen Tagsatzung in Baden im Juli 1642 aufgetragen wurde, den Taufstein zu entfernen oder zu „mindern“, hatte die reformierte Partei in diesem Streit gesiegt.186 Der Taufstein verschwindet als Verhandlungsgegenstand aus den eidgenössischen und den lokalen Kommunikationszusammenhängen. Erst in der eingangs erwähnten Beschreibung des Kircheninnern vom Mai 1666 findet neben den „papistischen“ Bildern und anderen katholischen Zierden auch der Taufstein der reformierten Gemeinde Erwähnung.187 Die artikulierten konfessionsspezifischen Herrschaftsinteressen der katholischen Orte an dem Kirchenraum in Würenlos hatten dieser Beschreibung zufolge keinen Niederschlag in der materiellen und liturgischen Kultur des Sakralraums gefunden.

6.5 Katholische Objekte und reformierte Handlungsgefüge: Zurzach 1639 – 1644 Die bisherige Diskussion hat die verschiedenen Argumentationsmodi aufgezeigt, die den reformierten und katholischen Orten bei der Einsetzung von Taufbecken für die reformierten Gemeinden der Grafschaft Baden zur Verfügung standen, 185 Beispielsweise in der Frage der Bezahlung des Taufbeckens, vgl. StAAG AA 2819/11, Schreiben des Landvogts von Baden an den Schultheißen und Rat der Stadt Luzern 24. Juni 1642, fol. 34v. 186 Diese Formulierung scheint anzudeuten, dass der Ort, an dem der Taufstein platziert worden war, den Sichtgewohnheiten der katholischen Gemeinde zuwiderlief bzw. den katholischen Geistlichen bei seinen religiösen Handlungen behinderte. Ein „mindern“ des Taufstein könnte demnach bedeuten, der liturgische Gegenstand möge so verrückt werden, dass wieder freie Sicht auf den handelnden Priester gewährleistet sei. Vgl. EA 5/2, 3, 1694, Art. 196. Für diesen Hinweis danke ich Susan Karant-­Nunn. 187 StAZH, E I 30.90, Schreiben an Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich von Hans Heinrich Trüb, 14. Mai 1666.

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und die subversiven politischen Strategien der reformierten Seite rekonstruiert, um liturgische Objekte, die von den katholischen Orten als Neuerung und somit als nicht landfriedenskonform markiert wurden, dennoch in den bikonfessionell genutzten Kirchenräumen zu errichten. Im Folgenden wird danach gefragt, welche rhetorischen Argumentationsfiguren die reformierten Orte auf der Grundlage des Zweiten Landfriedens besaßen, um Eingriffe in den kirchlichen Handlungsraum seitens der katholischen Orte zu verhindern und ihre Herrschaftsinteressen am Kirchenraum zu wahren. Stand bislang die Neugestaltung des Kirchenraumes als Handlungsraum durch reformierte Taufbecken zur Diskussion, rekonstruiert die folgende Diskussion die Auseinandersetzungen um einen neuen katholischen Altar und die durch dieses Objekt vorgenommene gestalterische Veränderung des Kirchenraumes. 6.5.1 Das kommunikative Geschehen 1639 Im Sommer 1639 materialisieren sich die Antagonismen der Konfessionalisierungsprozesse in weitreichenden Konflikten um die Gestaltung der Pfarrkirche von Zurzach. Wie schon bei der eingangs diskutierten Taufsteineinsetzung 1604 waren auch diesmal die kommunikativen Prozesse von ausgesprochen langer Dauer und Intensität. Sie werden im Folgenden stark verkürzt dargestellt. Die politische Kommunikation umfasst einen Schriftwechsel von mehr als fünfzig Missiven und deckt einen Zeitraum von fünf Jahren ab ( Juli 1639 bis Mai 1644). Er endete erst mit der Entfernung der „strÿttigen Altartafelen“ aus der Pfarrkirche von Zurzach.188 Der Beginn der Auseinandersetzungen um das liturgische Objekt im Zur­ zacher Kirchenraum ist nicht mehr mit Sicherheit zu rekonstruieren. Es ist wahrscheinlich, dass der reformierte Pfarrer der Zurzacher Gemeinde, Hans Ludwig Baltenschwyler, die Zürcher Ratsherren von der Veränderung des Kirchenraumes in Kenntnis setzte. Ohne Wissen und Zustimmung der regierenden Orte hatten die katholischen Bewohner des Fleckens den alten Hochaltar aus dem Chorraum entfernt und einen neuen in die Kirche getragen. Der bislang für die heilige Messe und die Elevation der Hostie benutzte Altar stand jetzt außerhalb des Chors. Dem schlichten Grundriss der Kirche zufolge befand sich das liturgische Objekt mitten im Kirchenschiff.189 Seit Beginn des 17. Jahrhunderts war der Chorraum zudem vergittert, so dass es den katholischen Bürgern

188 StAZH E II 113, fol. 269. 189 An ein rechteckiges Kirchenschiff war ein „eingezogener, dreiseitig geschlossener Chor angefügt, der auf einem kryptaförmigen Beinhaus steht und deshalb um sechs Stufen erhöht liegt“, Reinle, Verena, 1948, 204.

Katholische Objekte

mit Hilfe eines Mannes mit Schlüsselgewalt zwar möglich war, die liturgischen Objekte neu im Kirchenraum zu arrangieren, den reformierten Gemeindemitgliedern hingegen blieb der Zutritt zum Chorraum versperrt.190 Dass ein neuer Altar seinen Weg in den Zurzacher Kirchenraum gefunden hatte, wurde zwischen den reformierten regierenden Orten Bern und Zürich zum Gegenstand intensiver Kommunikation. In einem Schreiben vom 13. Juli 1639 schlug Zürich dem Stand Bern vor, wegen eines in die Kirche von Zur­ zach „eignes gewalts“ eingesetzten Altars eine Zusammenkunft einzuberufen.191 Der Vorschlag zu einer reformierten Tagsatzung wurde im Kontext der Konflikte um die Gestaltung von Kirchenräumen in der Grafschaft Baden erstmals anlässlich der Zurzacher Altareinsetzung artikuliert – in den bisherigen konfessionellen Streitprozessen hatte Zürich ohne die Unterstützung Berns gehandelt. Im Zurzacher Altargeschäft nutzte die Limmatstadt jedoch die Möglichkeit zu einer innerkonfessionellen Meinungsbildung, um auf der gemeineidgenössischen Tagsatzung in Baden im Juni/Juli 1639 mit Bern eine gemeinsame konfessionelle Position in dieser Angelegenheit vertreten zu können.192 Die Funktion der Distanzmedien, der Missiven, bestand in der Wissensübermittlung und der Organisation einer mündlichen Kommunikation auf der reformierten Konferenz, auf der zugleich eine Exklusion der katholischen Mitregenten betrieben wurde. Dass die reformierten Orte kommunikativ gemeinsam in Erscheinung traten und Zürich die Tagsatzung als Instanz zur mündlichen Verhandlung der Vorgänge in dem Kirchenraum in Zurzach in Anspruch nahm, ist eine Konsequenz der Ereignisse. Denn während in den vorherigen Beispielen „Neuerungen“ in Kirchenräumen Gegenstand der politischen Diskussion waren, die von reformierten Untertanen oder auf Initiative Zürichs durchgeführt worden waren, stand nun erstmals eine Veränderung 190 Es gibt bezüglich der Vergitterung des Chores widersprüchliche Jahresangaben. In einem im Staatsarchiv Aarau verwahrten Abschied des Tags im September 1639 wird erwähnt, der Chor sei im Jahr 1600 vergittert worden, StAAG AA 2451: Abscheids Acta und Beylagen XLIII, 25. September 1639, Tag zu Baden, fol. 353r. In dem Zürcher und Berner Exemplaren des gleichen Abschieds wird die Vergitterung des Chors allerdings auf das Jahr 1618 datiert, vgl. StAZH A. 321.1 Gemeine Herrschaften, Politisches, Zurzach und Kadelburg (1265 – 1737), unfoliiert sowie StABE, AV 849 Badenbücher I, fol. 144. 191 Mir liegt lediglich das Antwortschreiben aus Bern vor, in welchem die Missive aus Zürich vom 13. Juli 1639 erwähnt wird, vgl. StAZH A. 238. 1 Landfrieden, 22. Juli 1639. In diesem Schreiben begrüßten die Berner eine konfessionelle Tagsatzung, baten allerdings um eine Verschiebung des angesetzten Tags, da der Termin zu kurzfristig sei. 192 EA 5/2, 3, Konferenz der evangelischen Städte während der Jahrrechnungs=Tagsatzung zu Baden, Juni/Juli 1639, 1694.

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im Kirchenraum zur Debatte, die die katholischen Bürger von Zurzach zu verantworten hatten. Während auf der gemeineidgenössischen Tagsatzung im Abschied nur knapp festgehalten wurde, jeder Gesandte werde wissen, was es diesbezüglich zu berichten gebe, waren die Beratungen Zürichs und Berns ergiebiger: Sie beschlossen, den neu im Kirchenraum platzierten Altar zu entfernen. Zwei Möglichkeiten zur Realisierung dieses Vorhabens wurden entworfen: das Anliegen in „beider Städte Namen“ schriftlich an den Propst, das Kapitel und die katholischen Gläubigen in Zurzach zu richten oder aber auf den mündlichen Handlungsspielraum einer Gesandtschaft zu vertrauen und eine solche nach Zurzach abzuordnen.193 Es wurde der zuletzt erwogene Vorschlag realisiert. Am 3. August 1639 berichtete der Pfarrer Hans Ludwig Baltenschwyler von Zurzach nach Zürich, die Ehrengesandten Rahn aus Zürich und Abraham von Werd aus Bern seien „glücklich an d[er] herberg angelanget“. Der eigentliche Anlass seines Schreibens an den Antistes Breitinger war indes ein anderer: Denn als die Gesandten noch am selben Abend die Pfarrkirche in Augenschein nehmen wollten, wurde ihnen vom katholischen Kirchendiener der Zutritt zur Kirche verweigert. Dieser berief sich dabei auf den Propst und der Propst auf den Dekan. Ein weiteres Mal erwies sich die Frage der Zugänglichkeit des Kirchengebäudes als zentral.194 Der fehlende Besitz der Kirchenschlüssel konnte die reformierten Ehrengesandten jedoch nur für kurze Zeit an der Inspektion des Kirchenraumes hindern. Nachdem ein dritter Bote angefordert worden war, wurden die Herren in die Kirche gelassen, wenn auch erst am Tag nach ihrer Ankunft um zwölf Uhr. Im Beisein eines „gantzen grichts“ wurde die Angelegenheit – wohl im Kirchenraum selbst – erörtert. Der strittige Altar, der im zeitgenössischen Sprachgebrauch als „altartafel“ auch die schlichte reformierte Verwendung des Altars als „Tisch“ mittransportierte, war von dem katholischen Statthalter Schufelbühl zusammen mit einigen Helfern aus dem Chorraum in das Kirchenschiff versetzt worden 195 193 Ebenda. 194 StAZH A. 238.1, 19. November 1639: Schreiben von Pfarrer Baltenschwyler an Hans Heinrich Wirtz, Bürgermeister von Zürich sowie StAZH A. 238.1, 12. August 1639: Pfarrer Baltenschwyler an den Statthalter und Beisitzer am Ehegericht, Herrn Raahn von Zürich. Baltenschwyler klagt dem Statthalter und Beisitzer am Ehegericht Rhaan, dass er keinen Kirchenschlüssel besitze und den evangelischen Dorfbewohnern die Kirche außer zum Ratsdienst (und natürlich dem Gottesdienst) nicht geöffnet werde. Zum säkularen Gebrauch von Kirchen vgl. Rau/Schwerhoff, Räume, in: dies. (Hg.), Gotteshaus, 2004, 11 – 52 sowie allgemein Davies, Use, 1968. 195 StAAG AA 2829/12, Schreiben vom Rat der Stadt Zürich an den Landvogt in Baden, 14. August 1639.

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und stand nun „vff der sÿten gegen das Stifft-­Kirchen“196 und damit auf der rechten Seite der Kirche.197 Wohl im Anschluss an die Besichtigung besprachen sich die Zürcher und Berner Ehrengesandten mit dem Dekan des Stifts, wie Pfarrer Hans Ludwig Baltenschwyler dem Zürcher Antistes referierte.198 Diesem Schreiben zufolge war der Altar mit dem Wissen des Stiftes versetzt worden. Auf Nachfrage der Ehrengesandten wurde dies zwar vom Propst verneint. Doch der „friedliebende herr“ versprach ihnen „mit mund und hand“, den Altar alsbald wieder in den Chorraum zu stellen. An sein Versprechen knüpfte er allerdings die Bedingung, dass auf der nächsten gemeineidgenössischen Tagsatzung geprüft werde, ob die katholischen Glaubensgenossen tatsächlich nicht autorisiert gewesen seien, den Altar außerhalb des Chorraums aufzustellen.199 Damit wird dreierlei signalisiert: erstens die Bereitschaft, einen Konsens in diesem strittigen Altargeschäft zu finden; zweitens, dass der Propst durchaus über das Wissen bezüglich der rechtlichen Zuständigkeit im Kirchenraum verfügte; und drittens, dass der Propst gewillt war, sich den Herrschaftsstrukturen der Gemeinen Herrschaft zu beugen, die durch eine Mehrheit der katholischen Stände auf der eidgenössischen Tagsatzung nominell auch die Durchsetzung der katholischen Herrschaftsinteressen im Kirchenraum erleichterten. Seine Antwort camoufliert, dass er trotz der Versicherung, den Wünschen der Ehrengesandten aus Zürich und Bern zu entsprechen, eigentlich ein liturgisches Arrangement in der Zurzacher Pfarrkirche bevorzugte, das den religiösen Gewohnheiten und Handlungsweisen der katholischen Gemeinde entsprach. Ein Zürcher „Memorial“ an den Schultheiß und Rat der Stadt Luzern wies hingegen darauf hin, dass der zusätzliche Altar der Pfarrkirche nicht nur „die Weite“ nehme und den Raum für die Gläubigen begrenze, die an den drei hohen Festtagen und zur Zeit der Zurzacher Märkte zahlreich in die ohnehin zu kleine Kirche strömten. Zudem störe der in das Kirchenschiff versetzte Altar den Pfarrer bei seiner Predigt von der Kanzel, „da der gradt Directe gegen Ime in prospectu standte und seine concepta verwiren möge“.200 Dieses Argument verweist auf eine grundlegende Perzeption des Kirchenraumes, nämlich dass aus 196 StAZH A. 238.2, 4. März 1643: Project-­Vergleich zwÿschent beider Religionen kirchgenossen zu Zurzach. 197 StAZH E II 131, fol. 218, 5. April 1643. 198 StAZH E II 401, Pfarrer Hans Ludwig Baltenschwyler an den Antistes Jacob Breitinger, Zürich, 3. August 1639. 199 Ebenda. 200 StAAG AA 2829/12, Memorial der Stadt Zürich an Schultheiß und Rat der Stadt Luzern, 6./16. September 1639, fol. 36.

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der Beschränkung des materiellen Raums auch veränderte Handlungssituationen der Geistlichen resultierten, die zu Konfliktpotential unter den Gemeindemitgliedern beider Konfessionen führten. Aus der Perspektive der Zuhörer war durch den im Kirchenschiff stehenden Altar zudem der Blick auf die Kanzel und den handelnden Prediger versperrt.201 Der katholische Landvogt in Baden schlug deshalb vor, während des evangelischen Gottesdienstes einen Vorhang („umbhang“) vor den Altar zu ziehen, um das katholische liturgische Objekt zu verhüllen; eine pragmatische Regelung, die nicht unüblich für Kirchenräume war, in denen alternierend die Gottesdienste beider Konfessionen gefeiert wurden.202 Dieser Vorschlag des Landvogts trug dem Argument der „Verwirrung“ des Predigers Rechnung, nicht aber dem des Platzmangels. Bevor die Gesandtschaft aus Zürich und Bern in Zurzach eintraf, hatten die katholischen „mitbürger“ kurzerhand den breiten und hohen „tridt“, wohl den Altarsockel, von dem Altar entfernt, damit dieser schmaler aussehe und weniger Raum einnehme – und handelten dabei wiederum gegen den von der Tagsatzung ergangenen Befehl, der Altar solle „weder gmindert noch gmehret werden“, sondern so verbleiben, wie er war.203 Im Kontext dieser Debatten um die Altäre wurden auch grundsätzlich die Nutzungsrechte der reformierten Gemeinde an der Kirche und den verschiedenen Räumen in der Pfarrkirche Gegenstand der Kommunikation unter den regierenden Orten. Zürich schlug in dem erwähnten „Memorial“ an den Stand Luzern vor, die Vergitterung des Chores, die ohne das Wissen der reformierten Stände geschehen war, wieder rückgängig zu machen, „damit der Chor einer wie der andern Religion offen“ stehe. Die reformierte Gemeinde habe dann mit dem Chorraum mehr Platz zur Verfügung, der während des Gottesdienstes zum Sitzen oder Stehen genutzt werden

201 In Nürnberg ordnete der Rat deshalb 1542 die Entfernung der störenden liturgischen Objekte an, vgl. Heal, Image, in: Coster/Spicer (Hg.), Space, 2005, 39 – 59, hier 48. 202 StAZH A. 238. 1, Act mit Herrn Obervogt Zweyern von Klingnau wegen der Altartafel zu Zurzach, 14. November 1639. Vgl. etwa RPG, Chronik der Gemeinden, II, 6, 3, fol. 103 – 105. 203 StAZH A. 238.1, Schreiben des Landvogts in Baden an den Rat der Stadt Zürich, 4. November 1639. In seiner Missive an den Rat und die Stadt Zürich vom 3. November 1639 berichtete der Landvogt, wie es zu der Veränderung des „fueß blat“, also des Sockels des Altars gekommen war. Der Prälat des Klosters von St. Blasien hatte den Wunsch geäußert, man möge den Sessel, auf dem er während der Messe in der Stiftskirche saß, etwas erhöhen. Daraufhin wies der Küster den Sigrist an, den Altar „fuess“ aus der Pfarrkirche zu verwenden, um den Sessel des Prelaten damit zu erhöhen. StAZH A. 238.1, 3. November 1639.

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könne.204 Des Weiteren wollte Zürich ganz grundsätzlich die Frage der Zugänglichkeit zur Pfarrkirche geklärt haben und begehrte einen eigenen Kirchenschlüssel für die reformierten Geistlichen. Auch die Friedhofsnutzung und die Bestattung der reformierten Zurzacher war ein Anliegen der reformierten Obrigkeit. Während die reformierte Gemeinde von Zurzach Beschränkungen bei der Nutzung von Kirche und Friedhof zu erdulden habe,205 klagte Zürich über die religiösen Freiheiten der katholischen Gemeinde, die gar „ein procession uff gericht, dergleichen wohlsobaldt in der Aidgnoschaft nit gebraucht werde“ – eine Veränderung im religiösen und sozialen Ordnungsgefüge von Zurzach, die eine „Neuerung“ darstelle.206 Durch diese umfassende Kontextualisierung der Altarstreitigkeiten wurden zwei weitere Bedeutungsebenen hergestellt: Erstens wurde mit den Freiheiten, die die katholische Gemeinde genoss, die Benachteiligung der reformierten Gemeinde Zurzachs stärker akzentuiert. Und zweitens signalisierte Zürich damit, dass eine zusätzliche Einschränkung der religiösen Handlungsweisen untragbar war: Der Altar – so sahen es Zürich und der reformierte ­Geistliche – musste weg. Am 12. August 1639 schrieb allerdings der Pfarrer Baltenschwÿler nach dem Sonntagsgottesdienst in aufgebrachtem Ton an den Zürcher Antistes Breitinger und den Statthalter und Beisitzer beim Ehegericht Rhaan und teilte diesen hohen geistlichen und weltlichen Herren mit, dass der Altar trotz der „gutte[n] hofnung“ weiterhin an dem Ort im Kirchenschiff stehe, wo er den „Evangelischen zuo troz“ aufgestellt worden sei. Nachfragen beim Zurzacher Statthalter Schuffelbühl, der maßgeblich für die Veränderungen im Kirchenraum verantwortlich gewesen war, hatten ergeben, dass ein „ernsthaftes schrÿben“ des katholischen Landvogtes von Baden bei „höchster straaff und ungnad“ verbot, Hand an den Altar zu legen. Der Landvogt soll diesen Befehl mit den Worten kommentiert haben, er habe nicht geschworen, nur zwei, sondern alle acht regierenden Orte zu repräsentieren.207 Diese Kritik des katholischen Landvogts

204 Wie es bis zur Vergitterung des Chors in Dietikon der Fall war, vgl. StAZH A. 366.1, 26. Januar 1618. 205 Bei der Erweiterung des Kirchhofes in Zurzach 1574 wurde festgehalten, dass die konfessionelle Unterteilung des Friedhofs beibehalten werden solle, vgl. Siegrist, Zurzach, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 237 – 256, hier 245 – 246. Durch die in den 1630er-Jahren grassierende Pest kam es allerdings zu Engpässen, vgl. Sennhauser, Pfarreien, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 223 – 234, hier 232. 206 StAAG AA : 2829/12, Memorial der Stadt Zürich an Schultheiß und Rat der Stadt Luzern, 6./16. September 1639, fol. 37. 207 StAZH E II 401, fol. 610, Hans Ludwig Baltenschwyler an Johann Jacob Breitinger,

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Hans Martin Rigert war gegen Zürich und Bern gerichtet und galt deren Versuch, vor Ort und damit in einer kommunikativen Machtsituation jenseits des Tagsatzungsgeschehens die Entfernung des Altars ohne politischen Aufwand rasch und schnell zu erwirken. Wirkungsvoll inszenierte Rigert zudem seine Position als Repräsentant aller acht regierenden Orte. In seinem Schreiben an den Rat von Luzern vom 13. August 1639 nutzte er zudem die Möglichkeit, die Vorgänge aus seiner Perspektive zu schildern. Mit diesem Text liegt uns eine Schilderung aus katholischer Sicht vor, die – wie wir sehen werden – in einem entscheidenden Detail von der bislang dokumentierten Perspektive des reformierten Pfarrers Baltenschwÿler abwich. Denn Rigert las das Geschehen vor allem als eine versuchte Einflussnahme der reformierten Ehrengesandten auf die katholische Gemeinde in Zurzach.208 So berichtete er, die Gesandten hätten vor versammelter Bürgerschaft „weitleüffig angebracht und fürgehalten“, dass der Altar dem Landfrieden und anderen aufgesetzten Verträgen widerspreche, da er an einem Ort aufgestellt worden sei, an dem zuvor kein Altar gestanden habe. Zudem sei der Platz in der Pfarrkirche begrenzt, und wo zuvor drei oder vier Personen beim evangelischen Gottesdienst Platz gefunden hätten, werde dieser Platz nun von einem liturgischen Objekt der katholischen Gemeinde eingenommen. Damit rekapitulierte Rigert die reformierte Lesart des Landfriedenstextes, die auf dem Altar als Neuerung und der Behinderung der reformierten Gemeinde durch diesen fokussierte. Unter letzterem summierten die Ehrengesandten nicht nur die religiösen Handlungsweisen des Geistlichen, sondern auch die durch die materiellen Gegebenheiten des Kirchenraumes bedingten Möglichkeiten der reformierten Gemeinde, an dem Gottesdienst überhaupt teilzunehmen. Da zudem der Kirchenraum außerhalb des Chores nicht in den rechtlichen Zuständigkeitsbereich des Stiftes fiel, war dies ein Ort in der Pfarrkirche, der nicht eindeutig katholisch markiert war und dessen liturgische Nutzung und Gestaltung politisch verhandelbar waren.209

Antistes von Zürich, 12. August 1639 und StAZH A. 238. 1., Hans Ludwig Baltenschwyler an den Statthalter und Beisitzer am Ehegericht Herrn Raahn von Zürich, 12. August 1639. 208 StAAG AA 2829/12, Schreiben des Landvogtes Johann Rigert an Schultheiß und Rat der Stadt Luzern, 13. August 1639, fol. 22 – 23. 209 StAAG AA 2829/12, 27. September 1635, fol. 14 – 16. Schreiben von Propst, Dekan und Kapitel des St. Verenastifts in Zurzach, in dem erwähnt wird, dass Chor und Glocken der Pfarrkirche und des Münsters in ihren Zuständigkeitsbereich fielen – eine Behauptung, der in der Missive des reformierten Landvogts in Baden an Rat der Stadt Luzern vom 30. September 1635 mit Blick auf die Glocken widersprochen wird, vgl. StAAG AA 2829/12, 30. September 1635, fol. 17 – 18.

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Damit verdeutlicht die in Zurzach vorgetragene Beschwerde der reformierten Ehrengesandten über die widerrechtliche Nutzung des Kirchenraumes die im Medium der Kommunikation praktizierten Verfahren und Techniken der Landfriedensauslegung. Der entsprechende Passus in dem Vertragswerk formulierte lediglich das Recht, bei dem neuen Glauben „bleiben“ zu dürfen. Doch dieses Recht wurde bezüglich der Bedeutung für die religiösen Riten nicht weiter ausformuliert, es entstand also eine rechtliche Leerstelle hinsichtlich der Formen und der Gestaltung des Gottesdienstes samt seiner liturgischen Objekte.210 Diese Leerstelle wurde kommunikativ „gefüllt“, anders formuliert eröffnete der vage Landfriedenstext einen Deutungsspielraum, der in der politischen Kommunikation auf verschiedenen Ebenen konfessionsspezifisch ausgestaltet wurde. Eine neue Argumentationslinie entwarfen die Gesandten aus Bern und Zürich mit der Behauptung, der Altar stelle als eine „unbefüegte Newerung“ einen Landfriedensbruch dar.211 Die rhetorische Figur der Neuerung wurde bislang vornehmlich von den katholischen Mitregenten in der politischen Kommunikation über Veränderungen des Gotteshauses durch den reformierten Stand Zürich – und in einem Beispiel durch einen reformierten Geistlichen – vorgebracht. In der politischen Kommunikation über liturgische Objekte in der Grafschaft Baden war es im August 1639 das erste Mal, dass hinsichtlich der Gestaltung des Kirchenraumes von einer „Neuerung“ durch die katholischen Gläubigen gesprochen wurde. Da der Landfrieden zwar Veränderungen zuließ, die den katholischen Kult betrafen, Modifikationen durch die reformierten Gläubigen aber nicht duldete, steht diese Interpretation des Landfriedens durch die reformierten Orte auf einer nicht ganz eindeutigen rechtlichen Grundlage. Nichtsdestotrotz forderten die reformierten Gesandten vor versammelter Bürgerschaft, der strittige Altar solle wieder aus der Kirche entfernt werden. Die katholischen Bürger, so berichtete der Landvogt weiter, seien diesem Begehren nach kurzer Beratung höflich, aber entschieden begegnet. Sie hätten erklärt, der Altar sei allein „die ehr Gottes zuesuochen und niemandts Getraz“ und „mit aller Consens“ dem Landfrieden und Brief und Siegeln gemäß eingesetzt worden.212 Da der Altar dieser Einschätzung zufolge Gott zu Ehren rechtmäßig aufgestellt worden war und nicht, um die Mitbürger der anderen Konfession zu verspotten, solle er erst entfernt werden, wenn ein derartiger Beschluss auf der kommenden Tagsatzung von den regierenden Orten ergangen 210 Vgl. Kap. 3: Parität durch Konflikt sowie Walder, Religionsvergleiche, Bd. 1, 1960, 8 (b). 211 StAAG AA 2829/12, Schreiben des Landvogtes Rigert an Schultheiß und Rat der Stadt Luzern, 13. August 1639, fol. 22. 212 Ebenda.

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sei – einer Anweisung von den reformierten Orten allein wurde somit nicht Folge geleistet.213 Der Selektionsprozess, der dem kommunikativen Akt des Landvogts unterlag, markierte die Auslegung des Landfriedens durch die reformierten Orte als ungewöhnlich und kontrastierte diese mit dem als besonnen und gehorsam gezeichneten Verhalten der katholischen Bürger von Zurzach. Inhaltlich kamen die katholischen und die reformierten Kommunikationspartner auf keinen grünen Zweig. In weiteren Schriftwechseln wurden die bekannten Positionen nicht nur wiederholt, es verschärfte sich auch der Ton der Auseinandersetzung.214 Aus Erfahrung wusste Zürich, dass liturgische Objekte, die einmal im Kirchenraum standen, nur mit großem kommunikativen Aufwand wieder verändert werden konnten, in der Regel aber dort verblieben, wo sie sich befanden. Zürich unterrichtete Bern zudem regelmäßig über die bisherigen kommunikativen Akte mit den „papistischen Religionsgenossen“ in Zurzach und mit dem Landvogt von Baden und bat um eine Einschätzung und ein „fürsichtiges gutachten“ in dieser Sache.215 Der innerkonfessionellen Kommunikation kam in dieser durch Abwesenheit der Funktionsträger charakterisierten Herrschaftsform immer wieder auch die Funktion der Informa­tionsübertragung zu. Gleichsam verdeutlicht die Missive den Selektions­prozess von kommunikativen Vorgängen, denn der Bericht Zürichs ist keineswegs „neutral“, sondern eine verdichtete, konfessionsspezifische Darstellung und Interpretation des bisherigen Geschehens. In seiner Korrespondenz mit Bern deutete Zürich das Vorgehen des Landvogts als eine Tat „wider das Herkommen sidert der Religions Reformation“ und insbesondere „den von uns in Anno 1532 so mÿsam […] erlangten vertrag“.216 Die Landfriedensdeutung des reformierten Standes machte im Jahr 1639 nicht bei diesem Vertragswerk Halt, sondern bezog ihre Argumente auch aus dem Badischen Schiedsspruch von 1632, obwohl dieser Rechtszustand erst mit dem Dritten Landfrieden von 1656 auch für die Grafschaft Baden Gültigkeit erlangte. Zürich bezog sich auf den in diesem Vertrag gemachten Zusatz, 213 Was die reformierten Gesandten laut Schreiben des katholischen Landvogt Rigert „zornig“ machte, vgl. StAAG AA 2829/12, Schreiben des Landvogtes Rigert an Schultheiß und Rat der Stadt Luzern, 13. August 1639, fol. 22. Das mit „Mund und Hand“ gegebene Versprechen, den Altar zu entfernen, wird in dieser Version der Dinge nicht erwähnt, obwohl der Landvogt es nicht grundsätzlich leugnet. 214 StAZH E II 401, Hans Ludwig Baltenschwyler an Johann Jacob Breitinger, Antistes von Zürich, 12. August 1639 und StAZH A. 238. 1., Hans Ludwig Baltenschwyler an den Statthalter und Beisitzer am Ehegericht Herrn Raahn von Zürich, 12. August 1639. 215 StAZH A. 238.1, 17. August 1639. Aus diesem Grund erhält das Schreiben mehrere Beilagen („bylag“), die dem mir vorliegenden Schreiben fehlen. 216 StAZH A. 238.1, 17. August 1639. Allerdings wurde der Zweite Landfrieden 1531, und nicht 1532 aufgesetzt.

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dass Streitigkeiten unter den regierenden Orten über evangelische „Religions-­ gescheft[e]“217 oder „dero notwendigen Anhang“ in den Gemeinen Herrschaften nicht durch Mehrheits­beschluss der Orte, sondern durch Vergleich der Parteien oder, falls dieser nicht zustande komme, durch Richter aus beiden Konfessionen geschlichtet werden solle.218 In seiner Argumentation imaginierte Zürich die Möglichkeit, sich dem Mehrheitsprinzip durch die Ernennung gleicher Sätze in Religionsgeschäften zu entziehen und „die sach wo müglich hinzuolegen“.219 Diese Formulierung implizierte zudem Zürichs Hoffnung, den Konflikt um die Altareinsetzung in ihrem Sinne beizulegen. Jedoch wurde weder in diesem noch in einem anderen Konfessionskonflikt in der Grafschaft Baden ein paritätisches Schiedsgericht mit der Konfliktlösung beauftragt. Die Lösung des Konflikts oblag weiterhin den regierenden Ständen und der Tagsatzung.220 Eine innerkonfessionelle evangelische Position wurde somit schon zu einem frühen Zeitpunkt artikuliert, allerdings waren die interkonfessionellen Differenzierungsprozesse noch lange nicht abgeschlossen. Diese fanden in der horizontalen Kommunikation auf der Tagsatzung zwischen den regierenden Orten und vertikal in den Korrespondenzen vorrangig zwischen Zürich und dem katholischen Landvogt bzw. weiteren katholischen Funktionsträgern in Zurzach statt. Die intensive Korrespondenz zwischen dem reformierten Vorort und dem katholischen Landvogt in dieser Phase der Kommunikation wurde durch die Tat des katholischen Amtmanns generiert, der – obwohl Repräsentant der regierenden Orte – eine Amtshandlung im Zurzacher Kirchenraum angeordnet hatte, die zumindest nach dem Verständnis des reformierten Stands Zürichs seine Kompetenzen überstieg. Schon Ende August 1639 hatte der Landvogt Rigert aus Schwyz auf das Schreiben Zürichs vom 14. August alten Kalenders reagiert und eine pointierte Interpretation der politischen und rechtlichen Zuständigkeiten in diesem „Geschäft“ sowie seine Funktion als oberster Amtsträger der Grafschaft Baden mitgeteilt, also nichts Geringeres unternommen als eine katholische Auslegung der im Zweiten Landfrieden normierten Herrschaftsstrukturen. Sein Befehl, den Altar außerhalb des Chors stehen zu lassen, entspreche durchaus 217 StAZH A. 238.1, 17. August 1639. 218 Vgl. die Diskussion in den Kapiteln 2 und 3. 219 StAZH A. 238.1, Copy-­Schrÿben an Bern vom Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich, 17. August 1639: „und umb früntliche remedierung angehalten, und uff wüdrigen [?] fahl an sy craft – Lantsfriedens und vorgedachtens 1632ten Jars vertrags die ernamsung Irer Sätzen mit den unseren in glycher Zahl begert würde, so die sach wo müglich hinzuolegen“. 220 Berns Antwort vom 23. August 1639 kommunizierte grundsätzlichen Konsens in der Einschätzung des Zurzacher „Altar gescheffts[s]“, StAZH A. 238.1, 23. August 1639.

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den Herrschaftsstrukturen der Gemeinen Herrschaften, denen zufolge Änderungen im Kirchenraum nur nach Kenntnis der regierenden Orte bzw. „den mehreren theil“ vorgenommen werden könnten. Obwohl der Landvogt wie auch Zürich von „Veränderungen“ im Kirchenraum ausgingen, verbargen sich hinten der gleichen Bezeichnungen zwei unterschiedliche Vorgänge. Während Zürich den Standortwechsel des Altars aus dem Chor in das Kirchenschiff im Sinn hatte, also die Tat des katholischen Statthalters aus Zurzach, bezeichnete die Veränderung, die der Landvogt zu verhindern suchte, das Bestreben Zürichs, den Altar wiederum in den Chor zu versetzen – was dem katholischen Landvogt eine „Veränderung“ war – bedeutete im Verständnis des reformierten Ortes die Wiederherstellung eines materiellen Zustands und einer hergebrachten Handlungssituation. Damit verbunden manifestierten sich hier zwei unterschiedliche konfessionelle Positionen hinsichtlich der Herrschaftsstrukturen der Gemeinen Herrschaften: Sowohl der Landvogt wie auch Zürich entwarfen sich in der politischen Kommunikation als Bewahrer eines Raumgefüges im Kirchenraum und beanspruchten damit eine gewisse Autorität über die Anordnung der liturgischen Objekte im Raum. Vor diesem Hintergrund verortete der Landvogt seinen Befehl, den Altar bis zur kommenden Tagsatzung im Kirchenschiff zu belassen 221 – was Zürich zufolge eine Anmaßung seiner Kompetenzen darstellte, die den Kirchenraum in der politischen Kommunikation immer wieder als einen politischen Handlungsraum der hohen Obrigkeit markierten. Damit verstand sich der katholische Landvogt Rigert als Bewahrer des Mehrheitsprinzips der Gemeinen Herrschaften, da er zu gewährleisten suchte, dass die Entscheidung über das weitere Schicksal des Altars nicht von einem Ort allein, sondern gemeinsam von den regierenden Ständen auf der eidgenössischen Tagsatzung getroffen wurde. Als katholischer Repräsentant vertrat er diese Position auch in einer hierarchischen Kommunikationssituation, nämlich gegenüber dem reformierten Stand Zürich – und fügte allerdings beschwichtigend hinzu, all dies geschehe in der Hoffnung, unparteiisch gehandelt zu haben, und dass „solches niemandt zuounguetem ausdeüten“ werden möge.222 Diese in vielerlei Hinsicht konträren Positionen zwischen Zürich und dem katholischen Landvogt zeigen anschaulich, welchen argumentativen Spielraum die strukturell ambivalente politische Position barg, die die Landvögte in der Grafschaft Baden als Teilhaber an der Landesobrigkeit und als eidgenössische Befehlsempfänger innehatten und in welcher Form diese ambivalente Funktion 221 StAZH A. 238. 1, Schreiben an den Rat der Stadt Zürich vom Landvogt Rigert in Baden, 26. August 1639: „[O]hne Preiuditz aller orthen also wie es vor meiner Ambtsverwaltung gewesen verbleiben lassen sollen“. 222 Ebenda.

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in der politischen Praxis im Sinne der jeweiligen konfessionellen Herrschaftsinteressen genutzt wurde. Der katholische Statthalter Schufelbühl konnte in seinem Antwortschreiben an Zürich die Tatsache, dass der Altar nicht wie in dem an die reformierten Ehrengesandten gegebenen Versprechen wieder in den Chor (zurück-)gestellt worden sei, damit rechtfertigen, dass der Landvogt dies im „Namen unseren Gendigen Herren Oberen den Acht Alten Regierenden Orthen daselbig abgewert“ hatte. Damit nutzte er in der interkonfessionellen Kommunikation mit einem der regierenden Orte geschickt die politisch ambivalente Position des Landvogts, indem er diesen Zürich gegenüber in seiner Funktion als Repräsentant der eidgenössischen Orte begriff und daran erinnerte, dass der Befehl des Landvogts, den Altar an Ort und Stelle zu belassen, somit eine Anweisung sei, die den Willen der acht eidgenössischen Regenten repräsentierte, zu denen auch Zürich zählte.223 Beide Antworten konnten Zürich nicht zufriedenstellen, denn während der Landvogt sein politisches Handeln mit Verweis auf die Entscheidungshoheit der Tagsatzung rechtfertigte, an das Mehrheitsprinzip und damit an die strukturelle Benachteiligung der reformierten Orte erinnerte, bedeutete der Statthalter Schufelbühl dem reformierten Stand Zürich, dass deren Anweisungen so lange nicht Folge zu leisten waren, wie sie dem Befehl des Badener Landvogts widersprachen. Beide Stellungen implizierten aus der Perspektive Zürichs eine Beschneidung der Herrschaftskompetenzen des reformierten Stands in der politischen Praxis. Zürich zitierte daraufhin den Landvogt unter Nennung einer Frist nach Zürich; ein Akt, der im Kontext der religiösen Streitfälle der Grafschaft Baden einmalig ist und der die Hierarchie zwischen einem regierenden Ort und dem Landvogt von Baden dramatisch inszenierte.224 Der Landvogt – der sich zwischenzeitlich mit Luzern beraten, das Vorgehen Zürichs gegen ihn kommuniziert 225 und um Verständnis und Entschuldigung für sein Vorgehen bei den katholischen Regenten geworben hatte 226 – erschien am 5./15. September 1639 im Rathaus von Zürich. Diese mündliche Unterredung bzw. das Verhör des

223 Ebenda. 224 Ebenda, 4. September 1639. 225 StAAG AA 2829/12, Schreiben des Alt Schultheiß und des Rats der Stadt Luzern an den Landvogt Rigert in Baden, 29. August 1639 und StAAG AA 2829/12, Schreiben des Landvogts zu Baden an den Schultheiß und Rat der Stadt Luzern, 17. September 1639, fol. 35r. 226 Seine Position und sein Vorgehen erklärt Rigert zudem dem Schultheißen und Rat der Stadt Luzern, wohl auch, da er hier auf eine konfessionsspezifische „Rückendeckung“ hoffte, vgl. StAAG AA 2829/12, Schreiben des Landvogts zu Baden an den Schultheiß und Rat der Stadt Luzern, 16./26. August 1639.

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Landvogts wurde in dem schon kurz erwähnten Memoriale vom 6./16. September 1639 detailreich verschriftlicht. Es wurde im Anschluss an den Schultheißen und den Rat der Stadt Luzern überstellt, so dass diesem Schriftstück im Rahmen der politischen Kommunikation unter den regierenden Orten eine dokumentierende Funktion zukam. Da das „Memoriale“ das bisherige Geschehen zudem in einer spezifisch reformierten Schilderung synthetisierte und strukturierte, war es nicht wertfrei, sondern repräsentierte seine Argumente in einem konfessionalisierten Deutungsrahmen. Im Kleinen wurde hier ein Stück reformierter Erinnerungskultur geschaffen, auf die jederzeit zurückgegriffen werden konnte. Gleichzeitig wurden in diesem spezifischen Schriftstück neue Fakten genannt (wie etwa das Erscheinen des Landvogts vor dem Zürcher Rat) und neue Argumentationslinien entworfen, die verdeutlichen sollten, wer sich im Recht und wer sich im Unrecht befand. Es sind diese Punkte, auf die im Folgenden näher eingegangen wird. Die Zürcher hatten umfassend recherchiert: Bei seinem Erscheinen am 5./15. September 1639 vor dem Zürcher Ausschuss („ußschüz“), bestehend aus Statthalter Rhan, den Seckelmeistern Wirz und Müller sowie dem Landvogt Schneeberger samt Landschreiber, wurde dem Landvogt von Baden gleich zu Beginn der Unterredung vorgehalten, dass in Zurzach seit einhundert Jahren kein Altar an dem Ort in der von beiden Konfessionen genutzten Pfarrkirche gestanden habe, wo er aus dem Chor hin versetzt worden war. Daher, so die Folgerung des reformierten Ortes, sei die Tat der katholischen Religionsgenossen „ein unleidenliche newerung“, die gegen das Herkommen verstoße. Neben den wiederholten Bemerkungen zum Fehlverhalten des Landvogts wurden in diesem Schriftstück die rechtlichen Argumente gebündelt präsentiert: dass nämlich diese Tat von keinem der lokalen oder eidgenössischen Amtsträger autorisiert gewesen sei – auch nicht von katholischen Herrschaftsträgern. Genannt wurden in diesem Zusammenhang der konstanzisch-­bischöfliche Obervogt Johann Franz Zweyer aus Klingnau sowie der Propst des Zurzacher Chorherrenstiftes.227 227 Die Bischöfe von Konstanz erwarben zwischen 1265 und 1295 ein umfangreiches Herrschaftsgebiet südlich des Rheins. Diese Besitzungen wurden in zwei Verwaltungsbezirke geteilt, in die Obervogtei Klingnau mit Klingnau und Zurzach und in die Obervogtei Kaiserstuhl. Sitz der Vögte waren das Schloss Klingnau bzw. das Schloss Röteln nördlich des Rheins, vgl. Siegrist, Zurzach, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 237 – 256, hier 241 – 242 sowie Kap. 2: Konfession und Kommunikation. Die Vögte wurden vom Bischof von Konstanz ernannt und besaßen als Vertreter der Stadtherren umfassende Gebots- und Verbotsgewalt. Er führte den Vorsitz im Rat und oft auch im Gericht. Bürger, Räte, Richter und weitere städtische Beamte hatten ihm den Eid abzulegen, vgl. Mittler, Geschichte, 1967, 176 – 180. Johann Franz Zweyer von Evebach, Sohn des Andreas Zweyer von Evebach aus Uri (Vogt in Klingnau von 1589 – 1597),

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Ersterer war als Obervogt gewissermaßen der „Vorgesetzte“ des Statthalters bzw. des Untervogts Schufelbühls, der die Sache ins Rollen gebracht hatte.228 Der Zweite war als Vorsteher der Kanoniker des Chorherrenstiftes eine respektable katholische Autorität vor Ort.229 Des Weiteren wurde auf die lokalen Machtverhältnisse vor Ort verwiesen und irrtümlicherweise Bern als Kollator genannt 230 sowie auf einen „sonderbare[n] vertrag“ verwiesen, durch den den „Kirchgenossen beider Relligionen“ die „mere stim“ übertragen worden sei.231 Dieses angebliche Gemeindemehr kontrastierte Zürich mit den Beschränkungen, denen die Reformierten bei der Kirchennutzung und bei der Ausübung ihres Gottesdienstes tagtäglich begegneten, und betonte somit die Ungerechtigkeit dieses Zustands. Zu den in diesem Schriftstück genannten Benachteiligungen zählte selbstverständlich auch die strittige „Althar Taffel“. Der Landvogt brachte zu seiner Rechtfertigung vor, der Altar habe schon unter seinem Vorfahren, dem Landvogt Schmidtser an diesem Ort gestanden, ohne dass sich jemand darüber auf der Tagsatzung beschwert habe.232 Daher habe er gemeint (und meine es noch), dass er ohne das Wissen der regierenden Orte vor der kommenden

bekleidete das Amt von August 1633 bis Oktober 1678. Zudem war er Gerichtsherr in Tegerfelden, Endingen, Schneisingen und Hofstetten. 1688 wurde er zusammen mit seinem Bruder, dem kaiserlichen Generalfeldmarschall, in den erblichen Freiherrenstand erhoben, vgl. Mittler, Geschichte, 1967, 183. 228 Siegrist, Zurzach, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 237 – 256, hier 254. 229 Der Propst hatte im Kontext der Altarversetzung vorgeschlagen, den strittigen Altar in die Stiftskirche zu versetzen, eine Konfliktlösung, die in diesem Schriftstück zum ersten Mal artikuliert wurde. Das ist mir Beweis, wie fragmentarisch selbst bei so gut dokumentierten Fällen die Quellenlage ist, vgl. StAAG AA 2829/12, Memorial der Stadt Zürich an den Schultheiß und Rat der Stadt Luzern, fol. 36r. 230 Damit sei es an den Kollatoren und nicht an dem Landvogt „in kirchen und gaistlichen sachen Ze disponieren“ – eine Behauptung, die allerdings nicht mit dem Landfrieden vereinbar ist, der den Kirchenraum in einen politischen Handlungsraum transformiert. StAAG AA 2829/12, Memorial der Stadt Zürich an den Schultheiß und Rat der Stadt Luzern, fol. 37v. 231 Allerdings hatte laut Sennhauser, Pfarreien, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 223 – 234, hier 228, weder Bern die Kollatur inne – es war der Zürcher Rat, der die Pfarrherren ein- und absetzte – noch ist mir ein Vertrag bekannt, in dem den katholischen und reformierten Untertanen von Zurzach das Gemeindemehr zugesprochen wurde. Einzige Erklärung ist, dass es sich hierbei um eine Referenz auf den Ersten Landfrieden von 1529 handelt. Zu diesem vgl. Kap. 3: Parität durch Konflikt. 232 Diese Aussage scheint nicht plausibel, da Schufelbühl bereits unumwunden zugegeben hatte, dass er den Altar ins Kirchenschiff hatte versetzen lassen. Laut den EA 5/2, 3, 1662 war im Jahr 1637 Hans Bernhard Schmid aus Uri Landvogt der Grafschaft Baden.

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Tagsatzung keine „enderung“ vornehmen lassen könne – diese „Veränderung“ meint, wie oben ausführlich argumentiert, das Entfernen des Altars aus dem Kirchenschiff. Die Zürcher Herren des Ausschusses hielten dem Landvogt entgegen, es „werde Ime bessser verantwortlich sein wan er Zue ruw, alß unruw verhelfe, und damit die oberkheit nit behelliget werden“.233 Die indirekte Rede, in der das Memoriale abgefasst wurde, suggeriert wiederum Authentizität und Glaubwürdigkeit. Es warb vertrauensvoll um die Gunst der katholischen Leser. Zudem wurde die Ungeheuerlichkeit des Vorgehens des Landvogts hervorgehoben, indem auf den größeren gesamtpolitischen Kontext hingewiesen wurde: Man habe dißmahl ein Zeit da gleichsamb allenthalben an unser thür frembde waffen, das hoch notwendig fried: und einigkeit so wohl zwüschent den underthanen, alß auch den oberkheiten Zeerhalten, damit nit etwan durch den anlaß der Zwispeligkheit, und unfridt andere sich möchten im Trüben wasser Ze fischen gelüsten lassen.234

Der Aufruf, den Frieden in der Eidgenossenschaft nicht zu gefährden, ist in kriegerischen Zeiten, während des Dreißigjährigen Krieges, nicht als rhetorische Floskel zu werten, sondern als ein ernsthaftes Anliegen der eidgenössischen Kommunikation zum Erhalt des Friedens. Gleichwohl ist es ein moralisierendes Argument, denn dem Landvogt wird implizit vorgeworfen, in Zeiten, die der eidgenössischen Friedenssicherung bedurften, innereidgenössischen Zank und Streit gefördert zu haben. Zur Beilegung des Streitfalls wurde dem Landvogt nicht nur freundschaftlich die Hand gereicht,235 sondern zudem vorgeschlagen, dass einer der Herren des vernehmenden Ausschusses mit dem Landvogt nach Zurzach reite, um die Altartafel wieder in den Chor setzen zu lassen. Doch der Landvogt blieb auch in dieser mündlichen Kommunikationssituation trotz Überzahl an reformierten Ratsherren bei seinem Standpunkt – und wusste dabei Luzern auf seiner Seite.236 Allerdings war dies nicht sein letztes Wort. Rigert 233 StAAG AA 2829/12, Memorial der Stadt Zürich an den Schultheiß und Rat der Stadt Luzern, fol. 37v. 234 Ebenda. 235 „Sie beide Stett wellendt Ime helffen verantworten, auch in allen anderen begebenheiten die obrigkeitliche handt bieten und allen beÿsprung thuen“; StAAG AA 2829/12, Memorial der Stadt Zürich an den Schultheiß und Rat der Stadt Luzern, 6./16. September, fol. 37v. 236 In einem Schreiben Luzerns vom 7. September 1639 neuen Kalenders hatte der katholische Stand zwar ebenfalls leichte Kritik an dem eigenmächtigen Vorgehen des Landvogts geäußert, nahm allerdings dessen Entschuldigung an. In der Sache selbst, der Frage nämlich, ob der Altar zu verändern sei oder nicht, befand Luzern, dass der katholische

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versprach, bis zum 6./16. September eine endgültige Antwort zu geben.237 Zwar hielt er sein Versprechen, bat allerdings darum, die Entscheidungshoheit der Tagsatzung zu wahren, „da[mit] doch durch disers Interim nichts preiudiziert wirth“.238 Zürich und Bern hatten somit trotz ihres erheblichen kommunikativen Aufwands noch keinen wirklichen Erfolg im Streit um die Zurzacher Altartafel und die veränderte Handlungssituation im Kirchenschiff erreicht, als die Tagsatzungsgesandten am 25. September 1639 in Baden zusammenkamen. Den Zürcher Gesandten Salomon Hirtzel und Ludwig Schneeberger wurde in der Instruktion ein großer Verhandlungsspielraum zugemessen, den sie für Absprachen mit den Berner Gesandten nutzen sollten.239 Bern und Zürich brachten ihre Beschwerde über die veränderte Gestaltung der Zurzacher Pfarrkirche gemeinsam vor, fassten die Ereignisse, die konfessionellen Positionen der beiden Parteien zusammen und rekapitulierten die konfessionsspezifischen Argumentationslinien, um ihrer Forderung nach der (Wieder-)Herstellung der „alten“ räumlichen und liturgischen Gegebenheiten im Zurzacher Kirchenraum Ausdruck zu verleihen, der zufolge die „Taffel“ in den Chor gesetzt oder aus der Kirche entfernt werden sollte. Dem badischen Abschied zufolge kam eine Einigung in dieser Sache nicht zustande, woraus „vil ernsthafften vnd vnglÿcher discursen“ resultierten und weshalb die Zeit nicht mehr reichte, um die „parthÿgen beider Religionen von Zurzach“ anzuhören.240 Ohne eine eigentliche Konfliktlösung Landvogt richtig gehandelt habe, da sich der Altar schon vor dessen Amtsantritt im Kirchenschiff befunden habe, vgl. StAAG AA 2829/12, Schreiben des Alt Schultheiß und Rat der Stadt Luzern „in die Lender“, 7. (?) September 1639, fol. 33r. Der Landvogt habe „unsers gedunckens vernünfftig und gebürlich geanttwortet die wÿl aber diser altar ee das er disere vogtÿverwaltung angeträtten, also gewesst, und under ime nichts nüwes daran gemacht worden, so habe er vermeint sÿn schuldigkeit nit sÿge, dz er den selbigen ohne gemeiner Regierenden Ortten (als deren er ein gemeiner diener) verwüssen nit verenderen können lassen, geläbe also der hoffnung, ime dies niemandt ze unguten usdüten als ze ungnaden uffnemen sondern zum verantwortlichisten sÿn werde, inen also kein ustruckentliche resolution gegäben ob er ihrem begären willfahren wolle oder nit, und allein bÿ diser sÿner entschuldigung bewenden lassen“. 237 Dieses Schreiben liegt dem Memoriale bei. Das Original ist zu finden in: StAZH A. 238.1, 16. September 1639. 238 Kopie-­Schreiben des Landvogts von Baden Johann Rigert vom 6./16. September 1639 in: StAAG AA 2829/12. 239 StAZH BVIII 15, fol. 344v. 2 40 Zudem brachten die Gesandten von Zürich im Namen von Bern und Evangelisch Glarus noch weitere Beschwerden hinsichtlich der Situation der evangelischen Bewohner Zurzachs vor, vgl. StAZH A. 321.1, Auszug aus dem Badischen Abschied September 1639.

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zu bieten, formulierte der Abschied abschließend, man habe sich dahingehend vergleichen können, dass der umstrittene Altar zunächst in der Kirche verbleiben und „nichts daran gemehret noch gemindert“ werden sollte. Diese Formulierung ist nicht ganz eindeutig, scheint aber das Verbot zu formulieren, weder den Standort noch die Form des sich im Kirchenschiff befindlichen Altars zu verändern, da ein „mehren“ oder „mindern“ des Objekts Auswirkungen auf die Blickkonventionen und die Handlungsoptionen des Geistlichen im Kirchenraum haben könne. Dieser Zustand sollte so lange währen, bis die reformierten und katholischen Parteien in Zurzach verhört oder bis sich zwischenzeitlich eine Gelegenheit ergeben hatte, die Parteien zu versöhnen.241 6.5.2 Das kommunikative Geschehen 1640 Mit dieser für die bislang analysierten Konfliktverläufe untypischen Entscheidung der eidgenössischen Tagsatzung wurde die konfessionelle Auseinandersetzung um den Zurzacher Kirchenraum von der höchsten politischen Ebene auf die lokale Herrschaftsebene zurückverwiesen. In der Tat erging in dieser Angelegenheit kein weiterer eidgenössischer Beschluss mehr, obwohl in zwei Zürcher Instruktionen der Jahre 1640 und 1641 auf die „strÿgen altar tafel“ Bezug genommen wurde.242 Die nichtsdestotrotz bis zum Januar 1641 intensiv geführten Verhandlungen und Gespräche hatten in Teilen neue Protagonisten, wie etwa den Obervogt Zweyer aus Klingnau, der vom Bischof aus Konstanz als Vermittler eingesetzt worden war.243 Der reformierte Pfarrer Baltenschwÿler begrüßte das Vorgehen, zur „hinlegung des gspans“ den Obervogt Zweyer als „Mitels und tädigsperson, anzesprächen“. Jedoch schätzte er die Chance, die Katholiken doch noch für einen Vergleich zu gewinnen, als sehr unwahrscheinlich ein.244 Bis auf den kommunikativ umtriebigen Pfarrer Hans Ludwig Baltenschwyler war 241 StAZH A. 321. Gemeine Herrschaften, Politisches Zurzach und Kadelburg (Pfrundakten). Kürzere und leicht differierende Abschriften in: StABE AV 849, September 1639 sowie StAAG AA 2451: Abscheids Acta und Beylagen XLIII, Tag zu Baden, September 1639, fol. 353r–354r. 242 Vgl. StAZH BVIII 15, fol. 356r–v sowie StAZH BVIII 17, fol. 31r–v. Dies deutet darauf hin, dass das Zürcher Anliegen von den Gesandten auf der Tagsatzung nicht zur Sprache gebracht wurde. 243 StAZH A. 238.1, Schreiben des Pfarrers Wirz an Herrn Sebastian Bilgemi Zweyer von Efenbach, 6. November 1639. Zu dem Verwaltungsbezirk des Obervogts zählte neben Klingnau auch Zurzach vgl. Siegrist, Zurzach, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 237 – 256, hier 241 – 242 sowie Kap. 2: Konfession und Kommunikation. 244 „[S]ÿ werdind kümerlich wollen wÿchen, und sich zu einem verglich bequemen“; StAZH A. 238.1 Landfrieden (1531 – 1639), Schreiben des Pfarrers Ludwig Baltenschwyler an Hans Heinrich Wirz, Bürgermeister von Zürich, 19. November 1639.

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die lokale Kommunikationssituation vorwiegend durch die katholischen Verhandlungspartner geprägt (Obervogt, Badener Landvogt sowie den Bischof von Konstanz, zu dessen Bistum die Grafschaft Baden als der östliche Teil zählte). Allerdings konferierte der Obervogt Zweyer auch über die Konfessionsgrenzen hinweg mit den Zürcher Ratsherren und schuf damit Berührungszonen zwischen den Konfessionen. Innerkonfessionelle Kommunikationsnetzwerke, wie sie für die konfessionellen Streitprozesse zwischen der lokalen Herrschaftsebene und den eidgenössischen Orten in der Grafschaft Baden bislang charakteristisch waren, wurden in diesem spezifischen Fall zugunsten interkonfessioneller Kommunikationszusammenhänge durchbrochen. Dies galt auch auf lokaler Ebene. Die liturgische Neugestaltung der Zurzacher Pfarrkirche hatte im Flecken selbst für einige Aufregung gesorgt und die konfessionellen Abgrenzungstendenzen gefördert. Es hatte sich auch hier ein Ausschuss gebildet, der sich mit etlichen Klagepunkten an den Obervogt Zweyer wandte. Die von den evangelischen Zurzachern vorgetragenen Beschwerden reichte der Vermittler Zweyer an die katholischen Bewohner des Fleckens weiter. Bei dieser Unterredung brachten diese eine Rechtfertigung vor, die als Argumentationsfigur an die liturgischen Tauschhändel erinnert, denn der Versetzung der Altartafel wurde mit dem Verweis auf den Taufstein begegnet, den die reformierte Gemeinde „ouch für sich selbs […] in die kilchen gesetzt“ hatte – eine Veränderung des Kirchenraumes, die ohne die Zustimmung der eidgenössischen Tagsatzung erfolgt war. Der Taufstein war zu einem Erinnerungsort der Zurzacher Gemeinde geworden, und die katholischen Zurzacher argumentierten nun mit der Unrechtmäßigkeit seiner Einsetzung für die eigene Sache.245 Selbst der Bischof von Konstanz, der in diesen Handel mit involviert wurde, sprach sich Baltenschwyler zufolge dafür aus, zur „erhaltung, mehrung und fortpflantzung vertrauwlicher Nachpurschat, frid, ruw und einigkeit“ in „disem strÿtigen geschäft“ zu vermitteln und danach zu trachten, „dz diesere Altartafel widerum verenderet, und an end und orth den Euangelischen vnbeschwerlich, gethan werden möchte“.246 Dieser Befehl wurde einem Schreiben des reformierten Pfarrers Baltenschwyler zufolge auch der katholischen Gemeinde in Zurzach übermittelt. Dennoch blieben auch die weiteren Versuche Zweyers, einen Vergleich zwischen den katholischen und reformierten Zurzachern zu erwirken,

245 StAZH A. 238.1, Akt mit Herrn Obervogt Johann Franz Zweyer von Klingnau, 14. No­­ vember 1639. 2 46 Allerdings erfahren wir dies lediglich aus dem Memorial des reformierten Pfarrers, vgl. StAZH A. 238. 2, Schreiben des Pfarrers Ludwig Baltenschwyler an Hans Heinrich Wirz, 18. Mai 1640.

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ergebnislos.247 Die Gründe seien, so formulierte der reformierte Gottesmann, von „söllicher importanz und wichtikeit, daß sÿ schier nit wirdig sind vf dz papÿr zebringen“.248 Er brachte sie dennoch zu Papier und gab dem Handel damit eine qualitative Wende, da nun erstmals die Gründe für die Unnachgiebigkeit der katholischen Gemeinde, den reformierten Zurzachern im Altargeschäft entgegenzukommen, transparent und verhandelbar wurden. Baltenschwyler gliederte die Gründe in fünf Punkte. Allesamt formulierten sie den Vorwurf der Neuerungen: Genannt wurde erstens die Einsetzung eines neuen Taufsteins in die Pfarrkirche, zweitens der Bau einer eigenen Schule für die reformierten Schüler, drittens die Einführung des christlichen Lobgesangs, viertens das Abhalten von Stillständen in der Kirche und fünftens der Häuserkauf für den Prädikanten. Baltenschwyler kommentierte die Punkte anschließend mit den Worten, sie seien „chlin, vnd [von] keÿner wichtigkeit“, ohne allerdings ihre Richtigkeit zu bezweifeln. Eine Versöhnung werde dem Obervogt Zweyer zufolge dadurch erschwert, dass einige „privatspersonen“ wie etwa Herr Fleckenstein von Luzern, „sÿne Religionsverwandten zu Zurzach“ angehalten habe, „keÿns wëgs zewÿchen“, also eine Verhärtung der konfessionellen Fronten betreibe.249 Obervogt Zweyer schlug daraufhin in einem Vergleich vor, dass die reformierte Gemeinde sich an den Kosten für die Altarentfernung beteilige oder der Altar nach dem katholischen Gottesdienst mit einem schwarzen Tuch verhüllt werde; eine Lösung, die zuvor schon vom Badischen Landvogt artikuliert worden und die von den Ältesten der Gemeinde verworfen worden war.250 Dass die Informationsübermittlung durch die verschiedenen Kommunikationskanäle zwar zeitaufwendig war, aber funktionierte, zeigt ein Schreiben des Ratsherrn Wirz aus Zürich an den Obervogt Zweyer in Klingnau vom 21./31. Mai 1640, in dem zu dem vorgeschlagenen „accords mitlen“ des Obervogtes Zweyer Stellung genommen wurde. Zunächst honorierte Wirz den Versuch des katholischen Mittelsmannes, die katholische und reformierte Gemeinde in Zurzach in einem Vergleich zu versöhnen, „damit die Regierenden Oberkeiten beider 247 StAZH A. 238. 2, Schreiben von Hans Heinrich Wirz an den Obervogt Johann Franz Zweyer in Klingnau, 21./31. Mai 1640. 248 StAZH A. 238. 2, Schreiben des Pfarrers Ludwig Baltenschwyler an Hans Heinrich Wirz, 18. Mai 1640. 249 Ebenda. Schon in dem „Act mit Herren Obervogt Zweyer von Klingnau“ vom November 1639 wurde erwähnt, dass „die Zurzacher von Luzern zimlich gesterkt worden“, StAZH A. 238.1, 14. November 1639. 250 Welche Kosten gemeint sind, geht aus dem Schreiben von Baltenschwyler, in dem die Konfliktlösungen an den Ratsherren Wirz in Zürich kommuniziert wurden, nicht ganz deutlich hervor, vgl. StAZH A. 238. 2, Schreiben des Pfarrers Ludwig Baltenschwyler an Hans Heinrich Wirz, 18. Mai 1640.

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Religionen, deßwegen nit wÿther gegen ein andren In unwillen oder strÿtigkeit rachten“. Im Folgenden formulierte er indes seine Ablehnung der vorgeschlagenen Konfliktlösungen, zwei Gutachten seiner „vertrauwten herren“ hatten ihm diesbezüglich den Rücken gestärkt.251 Das Abdecken des Altars mit einem schwarzen Tuch nach Feiern der katholischen Messe wurde mit den Worten „so werde der sach noch nüt abgeholffen“ verworfen, da das Streitobjekt weiterhin im Kirchenschiff stand. Eine Beteiligung an den Kosten zur Entfernung des Altars lehnte Wirz ab.252 Nur eine Versetzung des Altars an einen anderen „komlich ort“ werde „zu Ir der Kilchgnoßen mehrer und bestendiger einigkeit dienen“.253 Über die liturgische Gestaltung des Zurzacher Kirchenraumes wurde im Mai 1640 die lokale und eidgenössische Friedenssicherung verhandelt. 6.5.3 Das kommunikative Geschehen 1641 Die Situation blieb auch in den folgenden Monaten unverändert. Erst im Januar 1641 schrieb Wirz im Auftrag der beiden Bürgermeister, des Statthalters Raahn und des Landvogts Schneeberger, an den Obervogt Johann Franz Zweyer und teilte diesem mit, dass vor kurzem auf einer Tagsatzung im Beisein des Bischofs von Konstanz beschlossen worden sei, die Altartafel aus der Kirche in Zurzach abtransportieren zu lassen.254 Im Interesse Zürichs war es nun, diesen Beschluss rasch umzusetzen, „damit nit etwan vff nechster Eidtgenössischer Zesammenkunffft deswegen widerumb verdrisslicher anzug beschehen möchte“. Der auf der Tagsatzung zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges im September 1639 gefasste Beschluss, den Streit um die Altartafel im Zurzacher Kirchenraum nicht eidgenössisch, sondern durch einen Vergleich der Parteien in einer lokalen Kommunikationssituation zu beenden, wurde offenbar nicht weiterverfolgt. Um die eidgenössische Kommunikationssituation unter den regierenden Orten zu entschärfen, war eine lokale Konfliktlösung unerlässlich. Daher kommunizierte Wirz dem Mittelsmann Zweyer, die Zürcher Obrigkeit würde es gern sehen, „dz der glÿchen ÿnlendische privat händlin zuovor us dem wäg gerumbt weren, damit man mit desto ledigerem und einhelligerem gmüt und also mit mehrerem nachtruck effect in so wichtigen Standtssachen ratschlagen und handlen könnte“.255 Die lokalen Streitigkeiten um den Zurzacher Kirchenraum 251 StAZH A. 238. 2, Schreiben von Hans Heinrich Wirz an den Obervogt Johann Franz Zweyer in Klingnau, 21./31. Mai 1640. 252 Ebenda. 253 Ebenda. 254 StAZH A. 238. 2, Hans Heinrich Wirz an den Obervogt Johann Franz Zweyer in Kaiserstuhl, 13./23. Januar 1641. 255 Ebenda.

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sollten rasch aus dem Weg geräumt werden, damit sich die Eidgenossen ohne Ressentiments in anderen Fragen beraten konnten. In seiner Antwort beteuerte der Obervogt, es liege weder an dem Bischof von Konstanz noch an seinem mangelnden Fleiß, dass der Altar weiterhin in der Pfarrkirche stehe. Gestärkt durch den Befehl des Bischofs von Konstanz, einen „güttlichen verglich“ zu finden, setzte auch Zweyer weiterhin auf eine friedliche Lösung.256 Das nächste Treffen für einen „friedliebente[n] ausschütz“ versprach er für den 10/20. Februar 1641.257 Zweyer hielt sein Versprechen. Im Februar 1641 setzte er ein ausführliches Schriftstück auf, das den Verlauf der Unterredung zwischen den katholischen und den evangelischen Zurzachern dokumentierte, die im Beisein des Bischofs von Konstanz stattgefunden hatte. In seiner Funktion als Vermittler verfasste Zweyer keinen synthetisierenden Text, der eine Zusammenfassung mit Argumenten und Ausgang der Verhandlung bot, sondern strukturierte das Schriftstück nach den konfessionellen Redebeiträgen der evangelischen und katholischen Zurzacher. Bei seinen Lesern erzeugte er damit den Anschein höchster Objektivität und Authentizität. Die Struktur des Textes erlaubt es zudem, die Ausdifferenzierungsprozesse der evangelischen und katholischen Konfessionsangehörigen in diesem konfessionellen Streitfall zu rekonstruieren. Die Klage der evangelischen Gemeindemitglieder, mit der dieses Schriftstück beginnt, kontextualisiert den Streit um den außerhalb des Chors stehenden Altar mit der liturgischen Raumnutzung der Zurzacher Pfarrkirche. Denn nicht nur sei ihnen versprochen worden, der Altar solle im Kirchenraum nur so lange verweilen, bis ein anderer Ort für den Gegenstand gefunden worden sei. Auch widerspreche die Aufstellung des Altars im Kirchenraum einer vor Jahren getroffenen Absprache. Denn „alß man aber vor der Zeitt wegen des Chors in streittigkheit khommen, das der sëlbig vergitteret worden, habe man Innen gesagt, sie sollent ussenthalb verbleiben, se wöllent ihre sachen im Chor versehen, und Inen von vssen kheinen Zutrag thun“.258 Damit wurde nach der Vergitterung des Chores im Jahr 1600 bzw. 1618 die bikonfessionelle Nutzung

256 Baltenschwyler scheint misstrauisch geworden zu sein, denn er erwähnte die Visitation des Chorherrenstifts und ein Banquet, an dem auch der „Visitatori“ teilnahm; Zweyer habe zwar bislang ein vaterländisches und friedliebendes Gemüt gezeigt, allerdings wisse man um die Falschheit der Menschen, die in religiöser Koexistenz leben („Guots under augen sagen, darnebend gift und gallen im herzen tragen, ist im Landtsfriden nüt neüwes“). StAZH A. 238.2, Schreiben des Pfarrers Baltenschwyler an Johann Heinrich Wirz, 4. Januar 1641. 257 StAZH A. 238.2, Obervogt Zweyer an Hans Heinrich Wirz, 29. Januar 1641. 258 StAZH A. 238.1, Pfarrer Ludwig Baltenschwyler an den Statthalter und Beisitzer am Ehegericht, Herrn Rhaan von Zürich, 12. August 1639.

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des Kirchenraumes in eine katholische und eine evangelische Sphäre getrennt – eine räumliche Aufteilung, die den konfessionsspezifischen Sphären des Sakralen ohnehin entsprach.259 Die katholische Partei bezog sich daraufhin auf einen „Spruchbrief“, der zwischen den Kirchengenossen und den Stiftsherren aufgesetzt worden sei. In diesem wurde augenscheinlich die Nutzung des Chores und der Kirche geregelt.260 Bei der Verhandlung begehrten die Katholiken zu wissen, ob die evangelischen Mitbürger diesen Spruchbrief verwerfen würden – eine Frage, die von ihnen verneint wurde. Doch sie wiesen darauf hin, dass der Brief in der vorreformatorischen Zeit aufgesetzt worden sei, „alß man noch einer religion gseÿ“.261 Seitdem, so wird impliziert, hatte die Reformation auch die Ausdifferenzierung der Konfessionskulturen und der konfessionellen Interessen gefördert. Zudem sei seit einhundert Jahren kein Altar und keine Tafel außerhalb des Chores gestellt worden, womit ein landfriedliches Argument formuliert wurde, nämlich die rhetorisch zu verhandelnde Argumentationsfigur von Neuerungen im Kirchenraum. Auf dieses Argument reagierte die katholische Partei mit der Versicherung, dass die Aufstellung des Altars außerhalb des Chores keineswegs eine Provokation habe darstellen sollen und die Reformierten nicht annehmen sollten, der Altar sei „Innen zu Trotz also gesetzt worden“.262 Dieser Beteuerung, die andere Religion zu respektieren und nicht zu schmähen, folgte eine Argumentation, die den Landfrieden explizit als Argumentations- und Handlungsgrundlage benannte. Somit gibt dieses Schriftstück auch Einblick in die sozialen Wissensformen und die Aneignung herrschaftlicher Rechtsnormen durch die Untertanen, die auf den landfriedlichen Vertrag als den rechtlichen Rahmen ihrer konfessionellen Koexistenz verwiesen. Denn der Landfrieden, so wurde vorgebracht, erlaube das Wiederaufstellen und Restaurieren von zerstörten Altären und Kirchen. Mit diesem verbrieften Recht begründeten die Katholiken von Zurzach ihr Begehren, den Chor wieder wie in der Vorreformationszeit zu schmücken, und behaupteten offenbar, dass ein Altar im Kirchenschiff im Einklang mit diesen rechtlichen Modalitäten stehe.263 259 Vgl. die Ausführungen zu Beginn des Kapitels. 260 Dieses Dokument liegt mir nicht vor. 261 StAZH 238. 2, Gütliche Underhandlung wegen der altar thafeln in der Pfarrkirchen zu Zurzach, 20. Februar 1641. 262 Ebenda. 263 Ebenda. Zum Umfang der Zerstörung nach dem Ersten Kappelerkrieg und der Entschädigung nach dem Zweiten Kappelerkrieg, vgl. Höchle, Geschichte, 1907, 107 und 174. Die Messe wurde in Zurzach allerdings schon kurz nach dem Zweiten Kappelerkrieg wiedereingeführt, vgl. Ebenda, 173.

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Diesen Argumenten begegneten die evangelischen Vertreter Zurzachs ebenfalls mit einem landfriedlichen Argument. Denn die Handlungen der katholischen Gemeinde waren ihrem Verständnis nach „wider ihr Religion“, weshalb die Bitte formuliert wurde, „man wölle es auch alßo ohne dieser nüwerung […] verbleiben lassen“. Den Vorwurf der Neuerung beantworteten die katholischen Vertreter der Zurzacher Gemeinde, indem sie ihre reformierten Gesprächspartner an die Neuerungen erinnerten, die diese in den letzten Jahren eingeführt hätten.264 Dieser verfahrenen Gesprächssituation zum Trotz zeichnete sich eine Annäherung der konfessionellen Positionen ab. Dem Dokument zufolge war es der Vermittler Zweyer, der alle Anwesenden seinem Befehl gemäß mehrmals „zum guttlichen vergleich“ ermahnt hatte, damit die eidgenössischen Regenten von der Aufgabe verschont blieben, sich ein weiteres Mal mit dem Konflikt zu beschäftigen. Zweyer erwies sich offenbar als ein geschickter Verhandlungspartner, denn er bot den Vertretern der katholischen Gemeinde mit dem Angebot, den strittigen Altar den „catholischen zu Bochnang“ zu überlassen, eine Möglichkeit, ihr Gesicht zu wahren und dennoch dem Drängen des Obervogts nachzukommen und den schon lange währenden Streit mit der reformierten Gemeinde Zurzachs endlich zu beenden.265 Damit schien eine Konfliktlösung in greifbare Nähe gerückt. Die Zürcher Visitatoren berichteten jedoch noch im April 1641, die Altartafel stehe weiterhin in dem Kirchenschiff der Zurzacher Pfarrkirche 266 – ein Zustand, der sich auch bis zum Jahresende nicht ändern sollte. Trotzdem brachte der Zürcher Ratsherr Hans Heinrich Wirz in einer Missive an den Obervogt Zweyer vom 25. November/5. Dezember 1641 seine Hoffnung zum Ausdruck, dass „dis geschefft ohn fernere müÿ und wÿterung werde mögen verglichen werden“.267 Eine gütliche Einigung entsprach den politischen Interessen der Zürcher Obrigkeit, damit 264 StAZH 238. 2, Gütliche Underhandlung wegen der altar thafeln in der Pfarrkirchen zu Zurzach, 20. Februar 1641. In diesem Kontext wird der in die Kirche gesetzte Taufstein, das neue Haus für den Prädikanten, die Errichtung einer Schule für die reformierten Kinder sowie das Singen von Psalmen im reformierten Gottesdienst genannt, eine Liste an „Veränderungen“, die im bisherigen kommunikativen Geschehen schon bekannt sind, da der reformierte Pfarrer Baltenschwyler sie in einem Schreiben an Hans Heinrich Wirz kommuniziert hatte, vgl. StAZH A. 238. 2, 18. Mai 1640. 265 In diesem Schriftstück wird nicht explizit erwähnt, dass der Altar den Katholiken von Bochnag überlassen wird, sondern nur, dass diese von dem Einlenken der katholischen Gemeinde Zurzachs profitieren könnten. An dieser Stelle eile ich dem kommunikativen Geschehen voraus. 266 StAZH E II 113, Aprilvisitation 1641 in Zurzach. 2 67 StAZH A. 238.2, Schreiben von Hans Heinrich Wirz des Rats der Stadt Zürich an den Obervogt Johann Franz Zweyer in Klingnau, 25. November 1641.

Das Simultaneum reale

„die sach nit wiederumb wie zuvor mit feindtseligkeit publice tractiert werden müsste“268 – hier setzte Zürich auf lokale und eidgenössische Friedenssicherung. Zwar seien die reformierten Stände Bern und Zürich schon mehrmals kurz davor gewesen, sich des Geschäfts wieder anzunehmen, doch die im eidgenössischen Abschied festgehaltene Äußerung, den Konflikt mit einem freundlichen Vergleich zwischen den katholischen und reformierten Zurzachern zu beenden, habe sie davon abgehalten.269 Damit bedeuteten die Zürcher dem katholischen Vermittler Zweyer, dass sie jederzeit zum Handeln bereit seien, falls es zu keinem Vergleich komme. Zweyer wurde daher mit allen diplomatischen Ehren gebeten, er möge sich weiterhin und mit Fleiß für die „begehrte verenderung diser Tafel“ bei den katholischen Zurzachern einsetzen, was er auch nach Kräften tat.270 Dennoch dauerte es fast weitere zwei Jahre, bis dieser konfessionelle Streitprozess zu einem Ende geführt wurde. Nachdem bei der Visitation im April 1643 die Visitatoren noch nach Zürich berichteten, die Altartafeln stünden weiterhin in der Pfarrkirche von Zurzach,271 vermeldete der reformierte Pfarrer Hans Ludwig Baltenschwyler im Mai 1644 endlich nach Zürich, die umstrittene Altartafel sei aus der Pfarrkirche von Zurzach entfernt und nach Baldingen im Amt Ehrendingen der Grafschaft Baden transportiert worden.272 Nachdem die Antagonismen der Konfessionalisierungsprozesse sich im Sommer 1639 in der Gestaltung der Pfarrkirche von Zurzach materialisierten, fanden sie nach intensiven politischen Verhandlungen auf diversen Ebenen fünf Jahre später, im Mai 1644, ihren Abschluss.

6.6 Das Simultaneum reale: Die Kapelle von Spreitenbach (1639 – 1654) Im Unterschied zu den bislang diskutierten konfessionellen Streitprozessen um simultan genutzte Kirchenräume, bei denen katholische Kirchengebäude durch die Bestimmungen des Zweiten Landfriedens nach 1531 einem simultanen Gebrauch zugeführt worden waren, war der hier zur Diskussion stehende Spreitenbacher Neubau von Beginn an als ein Kirchengebäude geplant, das beiden Konfessionsangehörigen als Gotteshaus dienen sollte. Dies war insofern ungewöhnlich, da eine Nutzung des Kirchengebäudes durch beide Konfessionen in 268 Ebenda. 269 Ebenda. 270 Ebenda. 271 StAZH E II 131, 5. April 1643, fol. 218. 272 StAZH E II 406, Schreiben von Hans Ludwig Baltenschwyler, 27. April 1644.

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den Gemeinen Herrschaften der Eidgenossenschaft immer nur dort entstand, wo eine katholische Minderheit die Geltendmachung ihres Minoritätenrechts einforderte. In Spreitenbach befanden sich die katholischen Dorfbewohner zum Zeitpunkt des Neubaus der Kirche in der Mehrzahl, eine Majorität, die wohl über die Jahre gewachsen war.273 Die Konditionen der simultanen Kirchennutzung wurden in dem Zeitraum von 1639 bis 1654, der durch den ersten und letzten Vertrag zur Nutzung der Kirche begrenzt wurde, wiederholt virulent. Neben Missiven, Verträgen und Tagsatzungsabschieden stützt sich die folgende Schilderung maßgeblich auf die von dem reformierten Pfarrer Jakob Redinger angefertigten Berichte zu den konfessionellen Auseinandersetzungen um die Kirche und rekonstruiert die Vorgänge aus der Perspektive des reformierten Geistlichen. Nicht allein der konfessionelle Standpunkt des reformierten Gottesmannes wird durch dieses Vorgehen ersichtlich. Diese Betrachtungsweise erlaubt es zudem, seinen Schriftgebrauch und seine Argumentationslinien zu verdeutlichen und damit den Standpunkt eines Zeitgenossen einzunehmen. Als Jakob Redinger am 5. Mai 1650 in der Kapelle von Spreitenbach den Katechismus halten wollte, fand er die Kirche verschlossen. Den Schlüssel hatte der katholische Untervogt Balthasar Wiederkehr an sich genommen, der sich weigerte, dem reformierten Prediger Zugang zur Dorfkirche zu gewähren; auch in dieser Kirche war die Zugänglichkeit konfessionsspezifisch markiert.274 Auf Anfrage beim „papistischen“ Kirchendiener, warum er den Schlüssel aus der Hand gegeben habe, erhielten Redinger und die ihn begleitenden Ältesten des Dorfes die Antwort, der Untervogt Wiederkehr habe den Schüssel auf Befehl der Obrigkeit in Besitz genommen.275 Als daraufhin die reformierten Gläubigen voller Zorn die Kirche gewaltsam aufbrechen wollten, hielt Redinger sie davon ab, um „schweres Unheil“ zu vermeiden.276 Allerdings berichtete er dem Landvogt am 14. Mai 1650 von diesem Vorfall und forderte die Bestrafung des Untervogtes Wiederkehr. Dieser solle lieber das „spilen frësen sauffen fluchen 273 Insofern bedeutete die simultane Kirchennutzung in Spreitenbach die Fortschreibung einer (gewohnheitsrechtlichen) Tradition. Leider erlauben die archivalischen Dokumente keine Erkenntnisse bezüglich der demographischen Entwicklung der Dorfbevölkerung in Spreitenbach. 274 StAZH E I. 30. 27, Schreiben des Pfarrers Jakob Redinger an den Landvogt in Baden, 14. Mai 1650. 275 In diesem Schreiben wird der Vogt Baltz genannt; vgl. StAZH E I 30. 27, 8. Mai 1650. Dies scheint allerdings ein Fehler zu sein, da in den anderen Schreiben der Untervogt Wiederkehr als verantwortlicher genannt wird, vgl. etwa StAZH E I 30. 27, 26. Juni 1650. Die Zugänglichkeit zur Kirche scheint generell konfessionsspezifisch markiert gewesen zu sein, da der katholische Sigrist offensichtlich den Schlüssel verwahrte. 276 StAZH E I 30. 27, 8. Mai 1650.

Das Simultaneum reale

schweren [und] alle lÿchtfertigkeit“ bekämpfen, aber nicht der evangelischen Gemeinde den Zutritt zum Kirchengebäude verwehren.277 Was war passiert? Weshalb versagte der katholische Amtmann dem reformierten Gottesmann den Zutritt zur gemeinsamen Pfarrkirche? Die Antworten auf diese Fragen sind im größeren Kontext der Baugeschichte der Kirche von Spreitenbach zu suchen. Dieses bikonfessionelle Dorf, das einer Zählung von 1637 zufolge 23 evangelische Haushaltungen mit 125 Bewohnern umfasste,278 gehörte zur Pfarrei Dietikon. Spreitenbach verfügte zwar über eine bescheidene Kapelle, die St.-Cosmas-­und-­Damians-­Kapelle. Diese wurde allerdings 1638 abgerissen, weil sie alt, schlecht bestuhlt, unansehnlich, „gar sehr baufällig gewesen“ und nur „vier fensterlin gehabt“.279 Ohnehin fanden in dieser Kapelle nur wenige Gottesdienste statt. Dies wusste Jakob Redinger zu berichten, der sich – nachdem ihm der Zutritt zur Kirche verwehrt worden war – bei den „Hausvätern“ des Dorfes über die „beschaffenheit“ und die „erbauwung“ der Kirche erkundigte und der die Ergebnisse seiner Befragung in zwei schrift­ lichen Berichten festhielt.280 Auf diese Ergebnisse seiner mündlichen Befragung im Dorf stützte sich Redinger bei seiner Meinungsbildung. Sie bildeten die Grundlage seines konfessionellen Selbstbildes. In seinem „Bericht was es mit dem kilchli zu spreitenbach für ein beschaffenheit habe“, versäumte er daher nicht zu berichten, dass die Priester von Dietikon vor 40 oder 50 Jahren nicht öfter als sechsmal im Jahr in dieser Kapelle ihre Messe hielten, die Kinderlehre für die reformierten Gläubigen fand sogar nur einmal im Jahr nach dem Osterfest in dieser Kapelle statt – die Nutzung der Kapelle durch die katholische und reformierte Gemeinde war vergleichsweise selten.281 Damit schien Redinger andeuten zu wollen, dass ein Neubau keine einschneidenden Veränderungen mit 277 Ebenda, 14. Mai 1650. Gut einen Monat später verfasste der umtriebige Pfarrer Redinger ein weiteres Schreiben, in dem die Beschwerden und Forderungen der evangelischen Gemeinde Dietikons über und an der Kirche und dem Kirchengut in Spreitenbach systematisch aufgelistet wurden, vgl. StAZH E I 30. 27, 26. Juni 1650. 278 Vgl. StAZH E II 700, 112: Urdorf/Dietikon, Zählung des Pfarrers Hans Wilpert Tobler im Jahr 1637. Für die katholische Seite liegen vergleichbare Dokumente nicht vor. Einer Schätzung zufolge, die die Gerichtskarte des Klosters Wettingen von 1653 als Grundlage hat, lebten in der Mitte des 17. Jahrhunderts rund 190 bis 210 katholische und evangelische Bewohner in Spreitenbach, wobei die Katholiken in der Mehrzahl waren; vgl. Brüschweiler/Kottmann/Steigmeier, Spreitenbach, 2000, 72. 279 Brüschweiler/Kottmann/Steigmeier, Spreitenbach, 2000, 60 – 61; StAZH E I 30. 27, 8. Mai 1650. 280 StAZH E I 30. 2, 8. Mai 1650 sowie StAZH E I. 30. 27, Schreiben des Pfarrers Jakob Redinger an den Landvogt in Baden, 14. Mai 1650. 281 StAZH E I 30. 27, 8. Mai 1650.

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sich bringe. Die übrigen Gottesdienste wurden ohnehin in der Pfarrkirche von Dietikon gehalten, ein Dorf, das zu Fuß in einer Dreiviertelstunde zu erreichen war. Dort schlossen die Spreitenbacher Dorfbewohner auch ihre Ehen, ließen ihre Kinder taufen und trugen ihre Toten zu Grabe. Doch Redinger hatte nicht nur die Informationen über die ehemalige Nutzung, sondern, viel entscheidender, auch über die Baugeschichte und die konfessionsspezifischen Konditionen der Nutzung der Kirche zusammengetragen – der reformierte Gottesmann hatte gut recherchiert. Als ihm 1650 der Zugang zur Kirche vom katholischen Untervogt verweigert wurde, erinnerte er in seinem Bericht daran, dass es 1638 die katholischen und reformierten Dorfbewohner gleichermaßen gewesen seien, die beim Pfarrer in Dietikon und beim Abt von Wettingen um einen Neubau der kleinen Kirche angehalten hätten. Den damaligen Abt Christoph Bachmann habe es „gefrüwt, dass sich beide parÿten zu disen bauw verglichen“ hätten.282 Als Kollator und Gerichtsherr erteilte er die Genehmigung zum Neubau.283 Die Kapelle wurde abgerissen und zwischen Pfingsten und Ende September 1638 „von neuem Fundament“ erbaut.284 Bau, Planung und Leitung wurden wohl vom Kloster Wettingen ausgeführt und überwacht. Als Maurermeister wurde Hans Klotz aus dem oberen Lechtal in Tirol berufen, die Zimmermannsarbeiten führte Meister Hans Schüepp aus dem Schönenberg aus.285 Unterstützt wurden die Handwerkersleute von den Dorfbewohnern „beyder Confessionen“, die ihnen „willig und ernsthaft“ zur Seite standen und auch das Baumaterial lieferten.286 Die Kapelle wurde nicht nur erneuert, sondern auch erweitert, da der Raum die katholischen Gläubigen nicht mehr fasste.287 Die Erweiterung betrug genau genommen 1,20 Meter in Länge und Breite. Dachstock, Turm und Türen wurden von dem Zimmermann erneuert. Insgesamt kostete der Bau 654 Gulden.288 Die Kosten für den Chorbau übernahmen Abt und Konvent. Der restliche Betrag wurde auf Geheiß des Abtes aus dem Kirchenfonds bezahlt.289 Der Innenraum der neu erbauten Dorfkirche wurde mit den alten, wahrscheinlich noch vor 282 Ebenda. 283 StAZH EI 30.27, Schreiben von Jacob Redinger, Bericht des kilchlins zu Spreitenbach halber, 20. August 1651. 284 Brüschweiler/Kottmann/Steigmeier, Spreitenbach, 2000, 70. 285 Ebenda. 286 Ebenda. 287 StAZH EI 30.27, Schreiben von Jacob Redinger, 20. August 1651, Bericht des kilchlins zu Spreitenbach halber. 288 Brüschweiler/Kottmann/Steigmeier, Spreitenbach, 2000, 70. 289 Ebenda sowie StAZH EI 30.27, Schreiben von Jacob Redinger, Bericht des kilchlins zu Spreitenbach halber, 20. August 1651.

Das Simultaneum reale

reformatorischen liturgischen Objekten Altar, Kanzel, Taufstein und Bänken bestückt.290 In den Turmkopf ließ der Abt einige Dokumente legen, wie unter anderem den Baubericht, die Aufzeichnungen über die Zeitverhältnisse, die Wettinger Konventualen und die Spreitenbacher Gerichtsherren, aber auch einige besondere Marien- und Heiligenbilder.291 War der Neubau der Kapelle den Berichten Redingers zufolge ohne nennenswerte Konflikte erfolgt, so manifestierten sich die konfessionellen Differenzen der katholischen und reformierten Dorfbewohner bei der liturgischen Gestaltung des sakralen Innenraums. Denn zusätzlich zum Hauptaltar begehrten die katholischen Gläubigen nun, einen Seitenaltar im erweiterten Kirchenraum aufzustellen. Der katholische Untervogt Balthasar Wiederkehr bat den Landvogt in Baden um Erlaubnis, der ihn mit Verweis auf seine beschränkten Kompetenzen im Kirchenraum daran erinnerte, dass es „nit In gewalt eines Landvogts [steht] altar In die kilchen zu setzen, sondern ghöre der hohen Oberkeit Insonders aber meinen Gnedigen Herren von Zürich als theil des Landfriedens zu“.292 Zudem sollte der Chor vergittert werden. In Kirchenräumen, die Katholiken und Reformierten gleichermaßen zur Verfügung standen, sollte das Errichten eines Chorgitters verhindern, dass der Hauptaltar durch reformierte Dorfbewohner entsakralisiert werde, ein Argument, das bereits zu Beginn des Kapitels diskutiert wurde. Eine veränderte Raumgliederung bedeute zusätzlich zu den neuen Nutzungsmodalitäten auch neue Streitpunkte, denn im Falle der Realisierung eines Chorgitters würde der reformierten Gemeinde der Chorraum nicht weiter zur Verfügung stehen. Ohnehin zeichnete sich der reformatorische Kirchenraum durch einen unvergitterten Chorraum und durch nur einen im Chorraum oder – seltener – vor dem Lettner aufgestellten Hauptaltar aus. Seitenaltäre, wie sie in posttridentinischen Kirchenräumen trotz der baulichen Maßnahmen zur Konzentration auf den Hauptaltar üblich waren, hatten in reformierten Gottesdiensten ihren liturgischen Zweck verloren.293 290 Der Zimmermann wurde den Rechnungen zufolge nur für seine Arbeiten am Kirchengebäude bezahlt, nicht aber für die Anfertigung neuer liturgischer Objekte, vgl. Brüschweiler/Kottmann/Steigmeier, Spreitenbach, 2000, 70. 291 Ebenda. 292 Ich zitiere aus einem Schreiben des Landvogts an den Seckelmeister Schneeberger in Zürich vom 27. April 1650, StAZH E I 30. 27, 27. April 1650. Der Altar war demzufolge nicht nur kurz nach dem Neubau strittig, sondern auch noch Jahre später. Ein gemeinsamer Abschied der regierenden Orte hielt fest, dass Altareinsetzungen nicht in der Befugnis des Landvogts lagen, sondern nur der Kompetenz der regierenden Orte unterstanden, vgl. Brüschweiler, Simultanverhältnisse, 1932, 82. 293 Harasimowicz, Kirchenräume, in: Rau/Schwerhoff (Hg.), Gotteshaus, 2004, 413 – 445, hier 418.

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Demnach waren es zwei verschiedene Faktoren, die 1639 zum Streit zwischen den katholischen und protestantischen Dorfbewohnern führten: zum einen die im Gotteshaus eingelagerten vorstrukturierenden Faktoren von Räumen, die dazu führten, dass sich Räume – waren sie einmal konzipiert – nicht beliebig erschaffen ließen; zum anderen die divergierenden theologischen Konzepte, Lehrmeinungen und Dogmen von Katholiken und Reformierten, die unterschiedliche liturgische Handlungen der Geistlichen erforderten und dementsprechend eine unterschiedliche liturgische Gestaltung des Kirchenraumes bedingten. Die reformierten Gemeindemitglieder beschwerten sich über die geplanten liturgischen Gestaltungsmaßnahmen beim damaligen Pfarrer Johann Wilpert Tobler.294 Tobler informierte daraufhin die Obervögte von Urdorf, die, um „allen unbill“ zuvorzukommen, die Kirche in Spreitenbach in Augenschein nahmen und anschließend den Abt von Wettingen, Christoph Bachmann, unterrichteten.295 Am 9. August 1639 wurde ein Vertrag zwischen dem Abt von Wettingen und den Zürcher Ratsherren Johann Ludwig Schneeberger und Johann Jacob Schmidt aufgesetzt.296 Dieser Vertrag, ein in der Konfliktlandschaft der Grafschaft Baden einzigartiger Vorgang, sah vor, dass beide Religionsparteien in der Kirche ungehindert und „krafft landfriedens“ ihren Gottesdienst verrichten dürften 297 – dieses simultaneum reale entstand somit nicht dadurch, dass eine katholische Minorität ihren Anspruch auf Nutzung einer im evangelischen Besitz befindlichen Kirche geltend machte. In Spreitenbach präsentierte sich der Anspruch beider Konfessionen auf die Nutzung des Sakralraums als Ergebnis kommunikativer Prozesse, nämlich den politischen Verhandlungen zwischen dem Abt von Wettingen und den Zürcher Ratsherren. Die Verhandlungen trugen die deutliche Handschrift der evangelischen Parteien, sowohl hinsichtlich der liturgischen Ausstattung als auch hinsichtlich der Handlungsoptionen der reformierten Geistlichen und ihrer Gemeinden. 294 Christoph Bachmann versah die Pfarrei Dietikon in den Jahren 1634 bis 1646, vgl. Anhang 2: Geistliche in der Grafschaft Baden. Für das Jahr 1639 wird allerdings Rudolf Frei als Pfarrer in Dietikon genannt vgl. StAZH E II 9, fol. 120 und 122. 295 StAZH E I 30. 27, 8. Mai 1650. 296 Nikolaus von Flüe (1598 – 1649) wird als einer der Vertragspartner genannt, obwohl er erst 1641 sein Amt als Abt von Wettingen antrat. Zu von Flüe, vgl. Wohler, Nikolaus von Flüe, HLS online, http://www.hls-­dhs-­dss.ch/textes/d/D19646.php (Zugriff 21. 01. 2016). 297 So lautete der dritte Artikel des Vertrags; das Original befindet sich in: StAZH, CI, Nr. 425, Urkunden Stadt und Landschaft. Verschiedene Abschriften sind zu finden in: StAZH E II 15b, fol. 995 – 996; StAZH A. 366.1, 9. August 1639; StAZH BI 269, fol. 1055 – 1061; StAZH E I 30. 27, Nr. 40, Nr. 41 und Nr. 42. Vgl. auch EA 5/2, 3, 1692 – 1693, Art. 188: Konferenz von Zürich mit dem Gotteshaus Wettingen, 19. August 1639.

Das Simultaneum reale

Im ersten Artikel des Vertrags wurde den katholischen Gläubigen zwar ein in der Kirche stehender „äusserer“ Altar, also ein Seitenaltar, zugestanden, doch nur unter der Bedingung, dass der im Chor platzierte Hauptaltar kleiner und der Chor nicht mit einem Gitterwerk verschlossen werde. Ein unvergitterter Chorraum sei, so wird im Vertrag explizit festgehalten, weiterhin und „Iederzÿt“ für die Nutzung der katholischen und evangelischen Gemeinde offenzuhalten. Eine Kanzel solle dem zweiten Artikel zufolge an der einen Säule („Stuel“) des Chors aufgestellt werden. Der Prediger blickte bei dieser Positionierung im Kirchenraum in Richtung des Chorbogens und der Tür und überblickte damit bei der Verkündigung des Gotteswortes prominent die Glaubensgemeinde, die wiederum freie Sicht auf den handelnden Prediger genoss. Im Gegenzug wurde den Katholiken gestattet, unter Schonung des Kirchenguts auch in der neuen Kirche einen Opferstock zu errichten und „den Passion“ malerisch in Szene zu setzen. Im Vertrag wurde der dafür vorgesehene Ort nicht benannt, aber wahrscheinlich war dafür der Chorraum vorgesehen, denn auch die schon erwähnten „Instructiones fabricae“ Karl Borromäus’ empfahlen, die Wölbung des Chorraums mit einem „würdigen Gemälde“ zu verzieren – und die Passion Jesu Christi stellte in der Tat ein würdiges Sujet dar.298 Die katholische und die reformierte Gemeinde, so der fünfte Artikel, sollten gleichermaßen Gewalt über das Kirchengebäude und das Kirchengut besitzen und an seiner Verwaltung zu gleichen Stücken beteiligt sein. Dieser fünfte Artikel des Vertrags stützte sich auf eine wesentliche Klausel des Landfriedens, die nicht in allen bikonfessionellen Gemeinden der Grafschaft Baden realisiert worden war, denn das Kirchengut wurde vielfach von den Katholiken verwaltet und benutzt, auch wenn diese nicht – wie der Landfrieden es vorsah – in der Mehrzahl waren. Die daraus entstandenen Klagen sind Legion. Als Ergebnis der Verhandlungen zwischen den reformierten Ratsherren und dem katholischen Abt war der Vertrag von 1639 zur Nutzung der Kirche in Spreitenbach als ein Mittel gedacht, um eine friedliche religiöse Koexistenz und eine gemeinsame Nutzung des Kirchenraumes durch die reformierten und katholischen Dorfbewohner zu gewährleisten. Der weitere Verlauf der Ereignisse verdeutlicht, dass die im Vertrag schriftlich fixierten Nutzungsund Gestaltungsrechte des Kirchenraumes selbst zum Gegenstand des kommunikativen Geschehens avancierten, und offenbaren eine Geschichte seiner 298 Vgl. Mayer-­Himmelheber, Kunstpolitik, 1984, 110. In Dietikon kommt der Abt von Wettingen dem Rat von Zürich entgegen und verspricht, bei der Renovierung der Kirche außerhalb des Chores keine figürlichen Darstellungen in Szene zu setzen, vgl. StAZH A. 366.1, 24. Juni 1606 sowie Hacke, Kirchenraum in: Wegmann/Wimböck (Hg.), Konfessionen, 2007, 137 – 157.

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Auslegung. Als kurz nach der Aufrichtung des Vertrags der evangelische Pfarrer Tobler die in dem Vertrag erwähnte Kanzel anfertigen und aufstellen lassen wollte, wurde ihm dies von den fünf katholischen Orten verboten.299 Wie der Pfarrer Redinger in der historischen Rückschau urteilte, war 1639 keine Unterstützung aus Baden zu erwarten gewesen, da der Landvogt in diesem Jahr katholischen Glaubens war.300 Zudem war Redinger der Ansicht, dass der Befehl der katholischen Regenten dem unterzeichneten Schriftstück widerspreche, denn der damalige evangelische Gottesmann Tobler wollte lediglich den Vertrag „ins werck“ setzen.301 Die katholischen Regenten hingegen legten eine „protestation“ gegen den Vertrag ein, der zwischen dem Abt von Wettingen und Zürich geschlossen worden war. Auf der eidgenössischen Jahrrechnung wurde darüber am 25. September 1639 verhandelt. Die Motive für den Protest der katholischen Regenten wurden nicht im Einzelnen erläutert. Wahrscheinlich war den katholischen Orten die Raumaufteilung der neu erstellten Kirche mit der zentralen Kanzelaufstellung zu sehr auf die liturgischen Bedürfnisse der reformierten Gemeinde ausgerichtet. Eine solche Interpretation wird dadurch gestützt, dass die katholischen Orte anordneten, der Abt von Wettingen möge mit der Aufrichtung der Kanzel in der Dorfkirche von Spreitenbach innehalten. Der Wettinger Ordensmann folgte dem Befehl der katholischen Orte, woraufhin die reformierten Gläubigen in den 1640er-und 1650er-Jahren wiederholt die Verzögerung der Aufstellung der Kanzel beklagten.302 Am 31. Juli 1654 wurde die Kanzel ein weiteres Mal vom Abt Bernhard Keller von Wettingen (1649 – 1659) bewilligt, aber erst am 4. Juli 1656 wurde der endgültige Vertrag geschlossen und die Aufrichtung der Kanzel, aber auch die Vergitterung des 299 StAZH E I 30. 27, Schreiben von Pfarrer Jacob Redinger an den Landvogt in Baden, 14. Mai 1650. Unklar ist allerdings, warum es der Aufstellung einer neuen Kanzel bedurfte. Bislang war davon ausgegangen worden, dass der Innenraum mit den vorreformatorischen liturgischen Objekten Altar, Kanzel und Taufstein gestaltet wurde, vgl. Brüschweiler/Kottmann/Steigmeier, Spreitenbach, 2000, 70. 300 StAZH E I 30. 27, Schreiben von Pfarrer Jacob Redinger an den Landvogt in Baden, 14. Mai 1650. Erst als ein protestantischer Landvogt in Baden amtete, habe sein Vorgänger, der Pfarrer Hans Heinrich Ulrich erneut die Aufstellung der Kanzel begehrt und dieses Anliegen dem Abt von Wettingen und den „Herren und Oberen“ in Zürich vorgetragen; letzte rieten zur Geduld, der Abt aber „wölle es nit wehren und auch nit heißen“; ebenda. 301 StAZH E I 30. 27, Bericht, was es mit dem kilchli zu Spreitenbach für ein Beschaffenheit habe, 8. Mai 1650. 302 Zudem monierten sie, dass die Kosten einzig von den Reformierten getragen werden sollten, vgl. StAZH E I 30, 27, Missiven vom 10. April 1647, 26. Juni 1647, 8. August 1650, 20. Juli 1653, 3. Juni 1653 und 4. August 1653.

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Chores als Ergebnis der mündlichen Verhandlungen zwischen den Zürcher Ratsherren und dem Abt von Wettingen festgehalten.303 Im Mai 1650 flammten die Streitigkeiten um die Dorfkirche erneut auf, als dem Pfarrer Jakob Redinger auf Anordnung des katholischen Untervogts der Zugang zur Kirche versperrt wurde. Bei diesem Konflikt war die Frage der Zugangsberechtigung, aber auch der Umfang der Nutzung der Dorfkirche durch die reformierte Gemeinde zentral. Die mündliche Unterredung, die der katholische Landvogt Jost am Rhein mit dem reformierten Prediger Jakob Redinger im August 1650 führte, wurde von diesem in einer erneut als „Bericht des kilchlins zue Spreitenbach halber“ titulierten Schrift geschildert. Sein Bericht hat den Charakter einer Dokumentation der interkonfessionellen Kommunikation, denn Redinger war sehr darum bemüht, den Eindruck der Authentizität und Glaubwürdigkeit zu erzeugen, indem er den Bericht formal nach Rede und Gegenrede bzw. in Antwort und Fragepassagen strukturierte und zudem die indirekte Rede verwendete. Redinger schilderte, wie ihn der katholische Landvogt Jost am Rhein nach seiner Huldigung im Amt Dietikon zur Seite genommen und ihm im Beisein des Landschreibers von Baden „folgenden fürtrag gethan“ habe: Der Landvogt äußerte ihm gegenüber, er habe vernommen, dass die Vorfahren von Redinger vor einigen Jahren die Kinderlehre (Katechisation) in Spreitenbach „wider alten herkommen“ als eine Neuerung eingeführt hätten. Jost am Rhein wies Redinger darauf hin, dass der Landfrieden den evangelischen Glaubensgenossen die Veränderung ihrer religiösen Praktiken untersage, zu denen die katholischen Parteien auch die Kinderlehre zählte. Im weiteren Verlauf des Gesprächs warnte der Landvogt den Pfarrer Redinger im Namen der katholischen Regenten, er möge die Kinderlehre einstellen und alles beim Alten belassen, denn „seine gnädige herren von den 5 orten“ würden diese Neuerung „ungern sëhend“.304 Redinger hingegen konnte in der Unterweisung der Spreitenbacher Kinder in der christlichen Lebensführung und in der Glaubenslehre nichts erkennen, was dem Landfrieden und den abgeschlossenen Verträgen zuwiderlaufe. Daher berichtete er zunächst ausführlich über den Neubau der Kirche und den zwischen Zürich und dem Prälaten von Wettigen aufgesetzten Vertrag, dem zufolge Kirche und Kirchengut beiden Konfessionen zu gleichen Teilen 303 Namentlich sind dies Johann Heinrich Waser, Bürgermeister, Salomon Hirzel, Statthalter und Ratsmitglied, Johann Kaspar Hirzel, Stadtschreiber sowie der Abt Bernhard Keller, vgl. StAZH CI, Nr. 426, Urkunden Stadt und Landschaft; StAZH E II 308, fol. 336 – 339, beidseitig nummeriert sowie StAZH A. 366.1. Die Spreitenbacher Kapelle ist nur ein Verhandlungspunkt unter anderen. 304 StAZH E I 30. 27, 20. August 1651.

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unterstünden. Damit berief sich Redinger auf die eidgenössische Praxis der Rechtsfortschreibung, denn die politische Kommunikation über die im Landfrieden aufgestellten Klauseln zur Bikonfessionalität war rechtsfortbildend – sie machte zusammen mit den Abschieden und den Verträgen die landfriedliche Gesetzgebung aus.305 Redingers Konzeption des Landfriedens zufolge lag hier keine Neuerung vor, da die Nutzungsmodalitäten in dem Vertrag zwischen der reformierten und der katholischen Partei niedergelegt worden waren. Der katholische Landschreiber gestand daraufhin ihm gegenüber zwar ein, von dem Vertrag erfahren zu haben, gab aber spitzfindig zu bedenken, dass dieses Schriftstück nie von dem Gotteshaus Wettingen besiegelt und bekräftigt worden sei. Eine Modifizierung bzw. eine Rechtsfortbildung des Landfriedens durch den Vertrag lag dem Landschreiber zufolge nicht vor. Daher hatte der Landvogt auch, wie Redinger weiter schilderte, von dem Protest der „herren von den 5 Orten wider solche verträg“ berichtet, da dieser zwischen einem Gerichtsherrn – dem Abt von Wettingen – und der reformierten Stadt Zürich allein geschlossen worden war.306 Der Kirchenraum, durch den Landfrieden in einen politischen Handlungsraum der eidgenössischen Orte transformiert, unterstand hingegen der Gewalt der „hohen Obrigkeit“.307 Die konfessionellen Differenzen wurden nicht nur durch die differierende Auslegungspraxis des Landfriedens offenbar, sondern ebenfalls durch den entscheidenden Hinweis, dass die grundlegenden Herrschafts- und Rechtsstrukturen der Verwaltung der Gemeinen Herrschaften nicht befolgt worden waren und der Vertrag somit „null und nichtig“ sei.308 Redinger ließ zudem nicht unerwähnt, dass der Landvogt vernommen hatte, die Kirche in Spreitenbach sei „ein eignes kilchlin“ und gehöre nicht zur Pfarrgemeinde Dietikon. Daraus ergaben sich Konsequenzen für die Kinderlehre, von der der Landvogt meine, sie solle in Dietikon und nicht in Spreitenbach stattfinden.309 Redinger hingegen hielt nichts von diesen Spitzfindigkeiten, die, wie er befürchtete, „vil mehr streitigkeit und uneinigkeit“ nach sich ziehen würden, „alls aller seits seigind“. Außerdem sei ihm, wie er betonte, die „kinderlehre […] so hoch angelegen, als ihren pfarrer das ambt des meß“.310 305 Brüschweiler, Simultanverhältnisse, 1932, 71. 306 StAZH E I 30. 27, 20. August 1651. 307 Ebenda, 27. April 1650. 308 Ebenda, 20. August 1651. Zudem habe der Landvogt angemahnt, die Kirche sei einzig und allein mit dem Geld aus dem katholischen Kirchengut erbaut worden. 309 Auch sei es angemessener, wenn „die kinder dem pfarrer, und nit der pfarrer den kindern nach ginge“, StAZH E I 30. 27, 20. August 1651. 310 StAZH E I 30. 27, 20. August 1651.

Das Simultaneum reale

Diese konträren konfessionellen Positionen wurden auf einer Konferenz der eidgenössischen Orte im November 1651 weiterverhandelt. Die Ehrengesandten der Stadt Zürich gaben der Beschwerde des reformierten Ortes Ausdruck, dass der Landvogt der Grafschaft Baden dem reformierten Prädikanten die Haltung des Gottesdienstes und der Kinderlehre auf Befehl der katholischen Orte in der Spreitenbacher Kapelle untersage, obwohl in dem vor „etlichen Jahren“ aufgesetzten Vertrag hinsichtlich der Nutzung des Sakralraums vereinbart worden sei, dass die Kapelle beiden Konfessionen zur „religions Vebung“ zur Verfügung stünde.311 Die Gesandten der katholischen Orte legten die Frage der Nutzungsrechte an diesem Kirchenraum zugunsten ihrer Glaubensangehörigen aus. Zum einen gehöre die Kapelle nicht zur Pfarrei und stehe den reformierten Gläubigen somit nicht zu, da sie allein von den katholischen Dorfbewohnern erbaut und aus dem Kirchengut finanziert worden sei. Zudem sei der mit dem Abt von Wettingen und Zürich aufgesetzte Vertrag ohne Wissen der katholischen Orte entstanden und von diesen nie genehmigt worden.312 Die Ehrengesandten der Stadt Zürich beharrten hingegen darauf, dass die Kapelle beiden Konfessionen gleichermaßen gehöre und der Vertrag „mit allerseits Consens“ geschlossen worden sei. Im Abschied wurde daher festgehalten, dass die Amtleute und der Landvogt der Grafschaft Baden in dieser Sache Erkundigungen einholen und die eidgenössischen Regenten anschließend informieren sollten.313 Auf den folgenden Tagsatzungen war allerdings keine Rede mehr von den Nutzungs- und Gestaltungsmodalitäten der Spreitenbacher Kapelle. Der Streit ruhte und wurde erst wieder nach dem Zweiten Villmergerkrieg zum Gegenstand politischer Verhandlungen. In dem nach Abschluss dieses Krieges aufgesetzten Vertrag vom 4. Juli 1656 wurde neben der Frage der liturgischen Gestaltung der Dorfkirche auch die Frage der Nutzungsbefugnisse der reformierten Gemeinde geklärt. Der Vertrag hielt nun ausdrücklich fest, dass „kein Sperrung weiter nit beschechen“ solle, mithin der Sakralraum beiden Geistlichen und Gemeindemitgliedern zur Nutzung offenstehe. Wäre Jakob Redinger 1656 noch der reformierte Pfarrer der Gemeinde von Dietikon und Spreitenbach 311 StAZH BVIII 130, Abschied 3: Kilchen zu Spreitenbach, fol. 288r–v sowie EA 6/1, 3, 1323, Art. 304, Konferenz der den Thurgau regierenden Orte, 12. November 1615. Weshalb dieses Geschäft nicht in Baden, sondern im Thurgau verhandelt wurde, wird nicht weiter erwähnt. 312 In der Tat hatte der Abt von Wettingen allein gehandelt, vgl. StAZH BVIII 130, Abschied 3: Kilchen zu Spreitenbach, fol. 288r–v sowie EA 6/1, 3, 1323, Art. 304. 313 StAZH BVIII 130, Abschied 3: Kilchen zu Spreitenbach, fol. 288v–289r sowie EA 6/1, 3, 1323, Art. 304.

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Kommunikation über Räume

gewesen, hätte er bei konfessionellen Auseinandersetzungen um die Nutzung des Sakralraums ebenfalls auf die in dem Vertrag neu formulierten Rechtsnormen verweisen können.

6.7 Fazit: Der Kirchenraum als politischer Handlungsraum Dieses Kapitel hat gezeigt, das im Zuge der „Institutionalisierung der Kon­ fessionalisierung“314 eidgenössische Kirchenräume zu politischen Handlungsräumen der lokalen und territorialen Funktionselite (der Geistlichen, des Landvogts) sowie der eidgenössischen Regenten wurden. In Abwesenheit von Formen ­kirchengebundener Konfessionalisierung (Institutionen wie Kirchenbehörden, Kirchenzucht) wurden diese Prozesse in der Grafschaft Baden von der politischen Elite der Eidgenossenschaft entscheidend im Medium der Kommunikation mitgetragen, um die visuelle und materielle Kultur in den simultan genutzten Kirchenräumen der Grafschaft Baden nach konfessionellen Gesichtspunkten zu gestalten. Im Kirchenraum lässt sich somit der Zwang zur Konfessionalisierung als Zwang zur liturgischen Eindeutigkeit beschreiben, was unter anderem in der Frage zum Ausdruck kommt, ob und an welchem Ort im Kirchenraum ein Taufbecken oder ein Altar aufgestellt und welche Bilder an welchem Ort im Kirchenraum aufgehängt werden sollten. Die Auseinandersetzungen um die liturgische Gestaltung der Kirchenräume resultierten zum einen daraus, dass in den ländlichen Dorfkirchen, die Katholiken und Reformierte gleichermaßen für ihren Gottesdienst nutzten, der Antagonismus der katholischen und der reformierten Konfessionalisierung buchstäblich auf engstem Raum aufeinandertraf. Hier, im Innenraum des simultan genutzten Kirchengebäudes, nahmen die divergierenden konfessionskulturellen Gestaltungskonzepte konkret Form an: Wurde ein neues Bild gestiftet, der Chorraum vergittert oder aber ein Taufbecken im sakralen Raum installiert, dann war dies nicht nur eine Folge der Konfessionalisierung, sondern ihr eigentlicher Akt.315 Eine liturgische Neu- bzw. Umgestaltung der meist bescheidenen Dorfkirchen bedeutet auch eine Veränderung der Nutzungs- und Handlungsbedingungen der Geistlichkeit und der Gemeinde, wie insbesondere die Diskussion der liturgischen Objekte (Taufstein, Altar) verdeutlicht hat. Das vielfach vorgebrachte Platzargument thematisierte den Kirchenraum als religiösen Handlungsraum und als Versammlungsort der Gemeinde. Zudem weist es auf die in Räumen

314 Rau/Schwerhoff, Räume, in: dies. (Hg.), Gotteshaus, 2004, 11 – 52, hier 26. 315 Harasimowicz, Kunst, 1996, unpaginiertes Geleitwort.

Fazit

eingelagerten materiellen Beschränkungen und Strukturen hin. Damit wurde gezeigt, wie in der Frühen Neuzeit die durch religiöse Koexistenz und den Raum vorstrukturierte Handlungssituationen durch die Geistlichen beider Konfes­ sionen genutzt wurden, wie also deren Handeln auf die Materialität des Raumes und die Objekte bezogen war, aber auch der Raum durch Handlung neu konstituiert wurde, ein Raum im Raum also erst erschaffen wurde.316 Diese Sensibilisierung für die unterschiedlichen Sphären der Sakralität verweist auf die symbolischen Komponenten von konfessionellen Streitprozessen. Denn der jeweils konfessionsspezifische Raum im Raum, den es zu besetzen und zu nutzen galt, war in der protestantischen und katholischen Theologie mit unterschiedlicher Bedeutung besetzt.317 Da es sich um öffentliche Räume handelte, gefährdeten die Auseinandersetzungen um die liturgische Ausstattung der Dorfkirchen die konfessionellen und sozialen Ordnungsgefüge der Dorfgesellschaften. Insofern stellte die sich unter strukturell ungleichen Bedingungen formierende Konfessionalisierung des von beiden Konfessionen genutzten Kirchenraumes einen Prozess dar, der in den bikonfessionellen Dorf- und Stadtgemeinschaften die konfessionellen Antagonismen intensivierte. Die materielle Ausstattung der eidgenössischen Dorfkirchen der Grafschaft Baden avancierte in den schriftlichen und mündlichen politischen Verhandlungen insofern zu einem wichtigen Kommunikationsfeld, auf dem sich die normativen Deutungspraktiken der regierenden Orte vollzogen. Diese kommunika­ tiven Praktiken konnten deshalb Erfolg haben, weil die landfriedliche Gesetzgebung einen Deutungsspielraum zuließ, der konfessionsspezifisch genutzt werden konnte: Insofern entsprach die Offenheit des Rechtstextes der Offenheit der politischen Kommunikation. Obwohl sich das semantische Begriffsfeld der „Neuerungen“ über die Jahre nicht veränderte, divergierten die Ereignisse oder Handlungen, auf die damit verwiesen wurde (Einsetzung von reformierten Taufsteinen und katholischen Altären, Einführung des Katechismus etc.). Anlässlich der Zurzacher Altareinsetzung wurde gezeigt, dass es den reformierten Ständen Zürich und Bern durch langandauernde und zähe politische Verhandlungen gelang, katholische Kultobjekte als „Neuerungen“ zu titulieren, obwohl die katholischen Regenten nicht nur die Mehrheit bildeten, sondern außerdem das Landfriedensrecht auf ihrer Seite wussten. In der Auseinandersetzung um die liturgische Gestaltung des Kirchenraumes wurden konfessionelle Differenz und konfessionelle Ordnungssysteme durch und in den konfessionsspezifischen 316 Zu diesem Konzept von Raum vgl. Löw, Raumsoziologie, 2001 sowie Dürr, Kultur, 2006. 317 Zu den theologischen Konzeptionen des Kirchenraumes im Katholizismus und Luthertum, vgl. Dürr, Kultur, 2006, 87 – 118.

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Kommunikation über Räume

Auslegungs- und Deutungspraktiken des Landfriedens reproduziert. Hier wurde durch die politischen Verhandlungen die Herstellung von konfessioneller Differenz permanent gefördert und inszeniert. In verdichteter Form wurden diese konfessionellen Ausdifferenzierungsprozesse in der materiellen Kultur und der politischen Kommunikation am Beispiel der Dorfkirche von Spreitenbach vorgeführt. Die kommunikativen Akte des reformierten Ortes Zürich artikulierten als obrigkeitliche Anweisungen konfessionsspezifische Raumvorstellungen zur liturgischen Gestaltung der Dorfkirchen – Veränderungen des Kirchenraumes, die die katholischen Regenten gern verhindert hätten. Der Kirchenraum war in der Frühen Neuzeit „Austragungsort religiöser Wertsysteme und Handlungskonzepte“,318 die sich in der erfolgreichen Durchsetzung von Herrschaftsansprüchen am bzw. im Raum konkretisierten. Die Fragilität der Entstehung der Konfessionskulturen wurde in der Kommunikation über diese Räume ersichtlich. Die Kommunikationsprozesse waren emergent und ihr Ausgang unsicher; ein Faktor, der die kirchlichen Raum­ arrange­ments erheblich beeinflussen konnte. Die Kommunikation der eidgenössischen Regenten über eidgenössische Kirchenräume galt insofern der Inbesitznahme der simultan genutzten Dorfkirchen in symbolischer, rechtlicher, politischer und sozialer Hinsicht. Katholische Glaubensgemeinschaften und regierende Orte konnten ihren Nutzungsanspruch durch die Wiedereinführung der Messe und des katholischen Kultes in Kirchen geltend machen, die sich im evangelischen Besitz befanden. Reformierte Geistliche, Gläubige und regierende Orte besaßen diese Möglichkeit nicht. Ihre Bestrebungen konzentrierten sich darauf, den sakralen Raum den religiösen Bedürfnissen der protestantischen Dorfbewohner gemäß zu gestalten und der reformierten Glaubensgemeinschaft die Platz- und Handlungsoptionen zu verschaffen, die das reformierte Wertesystem und Handlungskonzept vorsah. Der Landfrieden erwies sich bei der Kommunikation über Kirchenräume ein weiteres Mal als ein enges politisches Korsett, das durch die negativen Strukturbedingungen auch die Handlungsoptionen und Argumentationsmodi der reformierten Regenten stärker limitierte als diejenigen der katholischen Regenten – die Machtverhältnisse zwischen den Konfessionen waren „in Raumkonstruktio­ nen […] eingelagert“.319 Die Taufsteineinsetzungen in Zurzach, Dietikon und Würenlos sowie die Diskussion um den katholischen Altar im Kirchenschiff von Zurzach haben verdeutlicht, dass sich die landfriedlichen Beschränkungen in der Praxis durch Hartnäckigkeit und eine gewisse politische Dreistigkeit durchaus

318 Holzem, Hauptkirchen, in: Zeitsprünge 9, 2005, 459 – 496, hier 460. 319 Löw, Epilog, in: Rau/Schwerhoff (Hg.), Gotteshaus, 2004, 463 – 468, hier 463.

Fazit

dehnen ließen. Das Mehrheitsprinzip ließ sich durch kommunikative Abkürzungen umgehen, indem die reformierten Regenten die Tagsatzung mieden und auf lokale kommunikative Netzwerke setzten. Dies führte nicht nur zu einer Beschleunigung des Kommunikationsprozesses durch den Ausschluss der katholischen Regenten, sondern schaffte zudem die lokalen Voraussetzungen, um die Kirchenräume, die von Katholiken und Reformierten in der Grafschaft Baden gemeinsam genutzt wurden, dem liturgischen Handlungskonzept und religiösen Wertesystem gemäß zu gestalten. Insofern gelang es den reformierten Regenten bzw. ihren Geistlichen, sich in den bikonfessionellen Dorfgemeinschaften erfolgreich über die Beschränkung ihrer Rechte hinsichtlich der Ausgestaltung und Nutzung von Simultankirchen in der Eidgenossenschaft hinwegzusetzen. Damit wurde der Landfrieden als eidgenössisches Recht durch Präzedenzfälle weiter ausdifferenziert. Die kommunikative Exklusion der katholischen Regenten hingegen betrieb eine Unterminierung der gemeinsamen Regentschaft in den Gemeinen Herrschaften. Kommunikation bedeutete Partizipation an Herrschaft und konkret Partizipation am Kirchenraum, seiner Aneignung und liturgischen Gestaltung. Dementsprechend eröffnete dieses Kapitel nicht allein einen weiteren differenzierten Einblick in politischen Kommunikations- und Argumentationsformen, die auf verschiedenen Ebenen prägend für die Funktionsweise des Herrschaftskonstrukts „Gemeine Herrschaft“ waren. Material- und handlungsorientiert konnte ebenfalls gezeigt werden, dass die Auseinandersetzung um die Herstellung konfessionalisierter Kirchenräume in der Alten Eidgenossenschaft in der Frühen Neuzeit im Medium der politischen Kommunikation geführt wurde.

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Leben in der Differenz: Religiöse Koexistenz und politische Kommunikation – Schlussbetrachtung und Ausblick

Am Anfang dieser Studie stand die Frage, wie in der Alten Eidgenossenschaft in einem politischen Handlungszusammenhang mit konfessioneller Differenz umgegangen, wie sie „hergestellt“ und „produziert“ wurde und welche kommunikativen Auswirkungen konfessionelle Differenz für die Verwaltung der Grafschaft Baden in einem Zeitalter beanspruchte, das durch konfessionelle Spannungen und Auseinandersetzungen gekennzeichnet war. Die eingenommene Perspektive galt aufgrund der fragmentarischen Quellenlage weniger dem bikonfessionellen Zusammenleben der katholischen und reformierten Untertanen der Grafschaft Baden, sondern fokussierte auf die Geistlichen der Grafschaft Baden und die regierenden eidgenössischen Orte. Erkenntnisleitend war die Beobachtung, dass die bikonfessionelle Regierungsstruktur der Grafschaft Baden die vertikale und horizontale politische Kommunikation intensivierte. Konfession und Kommunikation bildeten hier ebenso zentrale Zusammenhänge wie die Faktoren Kommunikation und Macht, die für die Logiken des kommunikativen Verlaufs prägend waren. Des Weiteren wurde untersucht, welchen Einfluss die konfessionelle Zugehörigkeit auf die Regierungspraxis der eidgenössischen Elite hatte. Auf einer übergeordneten Ebene stand somit die bikonfessionelle Regierungsform der „Gemeinen Herrschaft“ zur Analyse und dementsprechend eine Herrschaftspraxis eidgenössischer Regenten, die durch konfessionsspezifische Macht- und Herrschaftsinteressen charakterisiert war. Als Erkenntnisziel wurde in diesem Zusammenhang die Frage formuliert, ob – und wenn ja, in welcher Form – den reformierten Orten Zürich und Bern trotz der ungünstigen Strukturbedingungen (Mehrheitsgrundsatz, Landfrieden) die Durchsetzung eigener Herrschaftsinteressen gegen eine katholische Majorität in der Grafschaft Baden gelang. Als wesentlicher Integrationsfaktor der Arbeit fungierte in diesem unübersichtlichen und durch Distanzherrschaft charakterisierten politischen System die politische Kommunikation, durch die es auch konzeptionell möglich war, die unterschiedlichen analytischen Ebenen (Kommunikation im Dorf, Kommunikation mit den Geistlichen und Amtmännern der Grafschaft Baden sowie das kommunikative Geschehen auf und um die eidgenössischen Tagsatzung herum) inhaltlich aufeinander zu beziehen, den Gang der kommunikativen Logiken zu rekonstruieren und insofern Einblick in das politische Herrschaftssystem zu nehmen, welches das Zusammenleben von Katholiken und Reformierten in der Grafschaft Baden nachhaltig prägte.

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Leben in der Differenz

Die vorliegende Schlussbetrachtung resümiert die in der Untersuchung erlangten Ergebnisse unter drei wesentlichen Aspekten: erstens den beobachteten Ausdifferenzierungsprozessen und Interaktionsformen auf lokaler und eidgenössischer Ebene; zweitens dem Zusammenhang von Konfessionskonflikt und Konfessionalisierung sowie drittens hinsichtlich des methodischen Nutzens des in dieser Arbeit operationalisierten differenztheoretischen Kommunika­ tionsbegriffs für die Analyse der politischen Kommunikationszusammenhänge in der Alten Eidgenossenschaft.

7.1 Ausdifferenzierungen und Interaktionsformen Der Prozess der rechtlichen Ausdifferenzierung wurde in der politischen Kommunikation als Interpretation der Landfriedensverträge im gesamten Untersuchungszeitraum anhand der einschlägigen politisch-­konfessionellen Konfliktfelder nachvollzogen. Das Ergebnis dieser Hinwendung zur Auslegung des Landfriedens in der politischen Praxis verdeutlichte den Gebrauch eines Textes, der ursprünglich als Vertrag aufgesetzt und zunehmend zu einem verbindlichen rechtlichen und politischen Referenzwerk in der frühneuzeitlichen Konfes­sionspolitik der Eidgenossen avancierte. Bei diesem Prozess der Rechtsauslegung waren es maßgeblich die Konfessionskonflikte, die den Landfriedensvertrag weiterentwickelten. Die frühen Jahre (1530er und 1540er) waren bezüglich der Auslegung des Vertragswerks entscheidend, da dem vagen Rechtstext konkrete Bedeutung in der politischen Praxis zugewiesen wurde. Am Konfliktfeld der Konversionen konnte nachdrücklich gezeigt werden, dass auf einer semantischen Ebene schon das Textverständnis zwischen den regierenden Eidgenossen differierte. Zürich favorisierte seit der Mitte des 16. Jahrhunderts (60er-Jahre) ein Textverständnis des Zweiten Landfriedens, das wesentlich auf Textauslegung und demzufolge auf hermeneutischen Lesarten basierte. Die katholischen Orte hingegen propagierten ein sehr wortgetreues und enges Verständnis des landfriedlichen Vertrags. Diese unterschiedlichen Konzeptionen des Landfriedens führten zwangsläufig zu unterschiedlichen und – auf lange Sicht – zu konfessionsspezifischen Auslegungspraktiken, die überwiegend im späten 16. und im gesamten 17. Jahrhundert zu beobachten sind. Zürich erkannte bereits im Zweiten Landfrieden von 1531 paritätische Rechtsverhältnisse und weigerte sich, dem Mehrheitsgrundsatz Geltung für konfessionelle Angelegenheiten zuzusprechen. Die katholischen Orte beharrten auf einem engen Verständnis des Landfriedenstextes, das kaum Raum für interpretatorische Auslegung erlaubte. Grundsätzlich änderten sich diese konfessionsspezifischen Deutungspraktiken auch im 17. Jahrhundert nicht, da keine transkonfessionelle Verbindlichkeit über die Interpretationen

Ausdifferenzierungen und Interaktionsformen

der Landfriedenstexte – wohl aber über die Landfrieden als politisch-­rechtliche Referenzrahmen – erzielt werden konnte. Allerdings kreisten jetzt die konfessionellen Konflikte im Medium des eidgenössischen Rechts um neue Themen. Mit dem Dritten Landfrieden von 1656 wurde der politische Diskurs um die Argumentationsfigur „Gleichheit/Ungleichheit“ und somit der „Parität“ erweitert. Die Landfriedensauslegung blieb allerdings umstritten, da sich die katholischen Orte weiterhin auf den Zweiten Landfrieden beriefen und die reformierten Orte eine Rechtsauslegung praktizierten, die sie bereits seit dem Zweiten Landfrieden vertraten: Insofern stellte der Dritte Landfrieden keineswegs die wesentliche Zäsur dar, die ihm von der Forschung gerne attestiert worden ist. Dieser permanente Gebrauch eines Textes bei konfessionellen Auseinandersetzungen und die Tatsache, dass die Landfriedensauslegung rechtsfortbildend war, führte auf lange Sicht dazu, dass sich die landfriedlichen Verträge weiterentwickelten, ausdifferenzierten und somit komplexer wurden. Da die Rechtsauslegung ein umfängliches kommunikatives Verhalten der eidgenössischen Regenten voraussetzte, intensivierte die Textinterpretation auf einer faktischen Ebene die Interaktionen und Berührungspunkte zwischen den katholischen und reformierten Eidgenossen. Auf einer systemischen Ebene wirkten die Ausdifferenzierungsprozesse der landfriedlichen Verträge stabilisierend, da durch die Anpassung rechtlicher Normen an die konfessionellen Bedürfnisse und politischen Notwendigkeiten eine hohe Flexibilität des politischen Systems „Gemeine Herrschaft“ gewährleistet wurde. Das konfessionsspezifische Verständnis der Landfriedensverträge generierte damit eine konfessionsspezifische politische Praxis und bildete den Hintergrund für die politische Interaktionskommunikation der regierenden Orte. Diese blieben über die Konfessionskonflikte auf der lokalen und der eidgenössischen Ebene trotz der in der Alten Eidgenossenschaft schwach ausgebildeten Kommunikationsstrukturen in kommunikative Austauschprozesse involviert. Die eidgenössischen Debatten um die Auslegung der Landfriedensverträge durch die regierenden Orte hatten zudem Auswirkungen auf die lokalen Strukturen der Bikonfessionalität und auf deren materielle Manifestationen im Dorfverband, und dort insbesondere im Kirchenraum. Kulturelle Differenzierungsprozesse fanden in den simultan genutzten Kirchenräumen der eidgenössischen Dorfkirchen statt und hatten Einfluss auf die Beurteilung und Interpretation der verbalen Sprechhandlungen Geistlicher. Insofern folgte die Frage nach den Formen der Herstellung konfessioneller Differenz den politischen Aushandlungsprozessen der bikonfessionellen politischen Elite und den politischen Funktionsträgern der Grafschaft Baden. Für die epistemologische Perspektive war der Gang der politischen Kommunikation ein wichtiges heuristisches Instrumentarium, um die Frage zu beantworten, welche sozialen Handlungen auf

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der lokalen Ebene mit der Konfessionszugehörigkeit assoziiert und welche Bedeutung dem Faktor der „Konfession“ in den bikonfessionellen Dorfgemeinschaften der Grafschaft Baden zugeschrieben wurde. Für die Dorfgeistlichen und ihre Glaubensgemeinschaften boten Sprechhandlungen, die in gesellschaftlichen Zuschreibungsprozessen zu schmähenden Wortbotschaften wurden, die Möglichkeit, konfessionelle Differenzen zu markieren und insofern konfessionelle Eindeutigkeit durch verbale Sprechakte zu produzieren – und damit ist nur eine der diskutierten Funktionen verbaler Sprechhandlungen benannt. Diese Wortbotschaften wurden vor dem Hintergrund kultureller Differenzierungsprozesse der Frühen Neuzeit interpretiert, wobei anhand einzelner Szenarien die wechselseitige Bezogenheit der handelnden Personen samt ihres Glaubenssystems in den Mittelpunkt der Analyse gestellt wurde. Bei der Diskussion wurde der den Ausdifferenzierungsprozessen inhärente Zusammenhang zwischen Annäherung und Abgrenzung, zwischen Differenz und Interaktion besonders eindrücklich, denn die Geistlichen (und ihre Kirchengemeinde) sprachen (und handelten), indem sie sich auf ein anwesendes, aber auch abwesendes konfessionelles Gegenüber bezogen. Zudem ließen sie sich – wenn auch mit pejorativem Unterton – auf eine andere religiöse Wissenskultur und auf ein fremdes theologisches Glaubenssystem ein. Nur wer sich besonders gut in der jeweils anderen Theologie auskannte, konnte markant formulieren. Konfessionelle Abgrenzung und Interaktion fand auf der Ebene der Sprechhandlungen demnach durch verbale Interaktion und geistige Bezogenheit statt. Während die analysierten Sprechakte reformierter Geistlicher sich an den theologischen Differenzen entzündeten und theologische Standpunkte und religiöse Frömmigkeitspraktiken der katholischen Kirche aufs Korn nahmen (materielles Eucharistieverständnis, Ablasshandel, Bilderkult, Prozessionen), galt der Spott katholischer Geistlicher neben einem Themenspektrum, das die Unterschiede theologischer Lehrmeinungen betonte (Schriftprinzip, Verständnis von Offenbarung), darüber hinaus den Persönlichkeiten der Reformation (insbesondere Zwingli), historischen Praktiken der evangelikalen Bewegung (Bildersturm) und historischen Ereignissen, die mit der konfessionellen Spaltung und Fragmentierung der Eidgenossenschaft assoziiert wurden (Kappelerkriege, Villmergerkriege). Der konfessionelle Spott katholischer Geistlicher thematisierte dementsprechend nicht ausschließlich die theologischen Unterschiede zwischen den Konfessionen. Er wurde als eine ekklesiologisch bestimmte Differenz in der Konfessionsmentalität gedeutet. Im Unterschied dazu betonten die kulturellen Praktiken im Kirchenraum ausschließlich die konfessionelle Andersartigkeit und somit die liturgischen Differenzen in den materiellen religiösen Kulturen von Katholiken und Reformierten,

Ausdifferenzierungen und Interaktionsformen

die sich vor dem Hintergrund der zeitlich variierenden, aber doch gemeinsamen Kirchennutzung besonders eklatant stellten. Die Berührungszone bildete mithin das Simultaneum selbst; ein Raum, der durch die widerläufigen Ansprüche und Erwartungen von den Geistlichen und ihren Glaubensgemeinschaften in seiner liturgischen Ausgestaltung differierenden Glaubenssystemen als Versammlungsort und damit als realer Ausdruck der Gemeinde und der kommunalen Öffentlichkeit zu dienen hatte. Rechtlich gesehen unterlag der Kirchenraum zudem den Bestimmungen des Landfriedens und somit den politischen Aushandlungsprozessen der katholischen und reformierten Eidgenossen. Konnte Zürich eine Rekatholisierung der Grafschaft Baden vor dem Hintergrund des einseitigen Konversionsrechts im 16. Jahrhundert nicht verhindern, war die Limmatstadt trotz der nachteiligen Herrschaftsstrukturen der gemeinsamen Regentschaft in der Lage, ihre Herrschaftsinteressen am Kirchenraum im 17. Jahrhundert in dem untersuchten Territorium durchzusetzen. Auf unterschiedlichen kommunikativen Wegen gelang es Zürich, in den simultan genutzten Kirchenräumen der Grafschaft Baden reformierte Taufbecken einzusetzen, und dies zudem an den Orten im Kirchenraum, die einem reformierten Sakralitätskonzept und dem Handlungskonzept reformierter Geistlicher entsprachen. Gegen eine katholische Mehrheit hatte die Limmatstadt außerdem die Entfernung einer katholischen Altartafel aus dem Kirchenraum durchgesetzt, die dem Zweiten Landfrieden zufolge rechtmäßig an diesen Ort gesetzt worden war. Zürich operationalisierte in diesem Zusammenhang erstmalig in der politischen Kommunikation der aus der Grafschaft Baden resultierenden Konfliktfälle die rhetorische Argumentationsfigur der „Neuerung“, um einen katholischen liturgischen Gegenstand als ein Objekt zu bezeichnen, das widerrechtlich im Kirchenraum eingesetzt worden war. In der Kapelle Spreitenbach verdichteten sich die kulturellen Ausdifferenzierungsprozesse an und in einem konkreten religiösen Raum, der das Ergebnis reformierter Herrschaftsintensivierung und politischer Kommunikation gewesen war. Die konfessionelle Grenzthematik wurde in Abgrenzung zur Forschungslite­ ratur besonders intensiv anhand der reformierten und katholischen Konver­ sionspraxis und Konversionspolitik in der Grafschaft Baden als einer Gemeinen Herrschaft diskutiert. Hier wurde gänzlich auf eine Motivsuche verzichtet und Konversionen stattdessen als eine kulturelle Praxis beschrieben, die einer kontextbezogenen Konversionsforschung Raum gab. Insofern stand die Rekonstruktion der Erfahrungen, Umstände, Hintergründe und Etappen eines Glaubenswechsels im Mittelpunkt der Analyse. Trotz des einseitigen Konversionsrechts (und der mit aller Vorsicht konstatierten niedrigen Konversionsrate) wurden in der Grafschaft Baden ebenfalls Konversionen zum Protestantismus aktenkundig. Dieses Konversionsverhalten führte erstens zu einer

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Kriminalisierung katholischer Untertanen und zweitens, eng damit verbunden, zu politischen Aushandlungsprozessen, die für Landfriedensbrüche typisch waren. In ihrer politischen Praxis betrieben die Eidgenossen engagiert die konfessionelle Abgrenzung, die nicht nur die rechtlichen Unterschiede immer wieder betonte, sondern die konfessionellen Differenzen durch politische Inszenierung sichtbar machte. Bei Konversionen zum Protestantismus bedeutete das Überschreiten der konfessionellen Grenze zugleich das Überschreiten der geographischen Grenze, denn in allen untersuchten Fällen verließ der betreffende geistliche Konvertit die Grafschaft Baden. Die Erfahrungen, die Konvertiten zum Protestantismus und Konvertiten zum Katholizismus sammelten, differierten demnach gewaltig. Konversion setzte immer auch eine Form der Berührung, der Interaktion mit der anderen Glaubensgemeinschaft und den theologischen Inhalten voraus. Dies konnte in Form der Auseinandersetzung mit theologischen Schriften, aber auch im persönlichen Gespräch geschehen. Hatte die betreffende Person ihre Konversionsabsicht verkündet, aber noch nicht vollzogen, befand sie sich in einer Situation des Übergangs, die von den Mitgliedern der „ehemaligen“ Glaubensgemeinschaft intensiv genutzt wurde, um die betreffende Person vor dem Glaubenswechsel zu bewahren. In der Auseinandersetzung mit dem konfessio­ nellen Gegenüber wurden die unterschiedlichen Glaubensinhalte der beiden christlichen Religionen verhandelt, was zu einem intensivierten konfessionellen Selbstbild des Konvertiten führte, aber auch die konfessionelle Fremdwahrnehmung der katholischen und reformierten Glaubensgemeinschaften veränderte. Die Auseinandersetzung über die divergierenden theologischen Lehrinhalte der beiden Konfessionen und die Wahrnehmungsintensivierung der konfessionellen Gesprächspartner waren das Resultat einer kommunikativen Praxis, nämlich dem Reden über das Phänomen „Konversion“. Erst die Rekonstruktion der kommunikativen Modi und der emotionalen Strategien erlaubte eine Interpretation des Konversionsgeschehens nicht (nur) als „Bruch“ mit der Familie, sondern als intensive Auseinandersetzung und – wenn auch zeitlich limitiert – der Fortführung bestehender emotionaler Beziehungsgefüge. Die Bedeutung von Religion als gelebter Erfahrung wurde insbesondere in der Diskussion konfessionsübergreifender Ehen ersichtlich. Diese Verbindungen zwischen Eheleuten waren keineswegs von konfessioneller Indifferenz geprägt, sondern zeichneten sich vielmehr durch erhebliches Konfliktpotential aus. Hier, innerhalb des frühneuzeitlichen Haushaltes, waren die Berührungspunkte zwischen Interaktion und Abgrenzung besonders intensiv. Die Begegnung mit dem konfessionell Anderen, die Erfahrung von religiöser Pluralität führte in den diskutierten Beispielen zu intensivierten Abgrenzungstendenzen. Insofern argumentierte die Untersuchung dort, wo es das Quellenmaterial erlaubte, auch

Konfessionskonflikt und Konfessionalisierung

aus der Perspektive der Erfahrung von religiöser Pluralität und erweiterte die Konfessionalisierungsforschung um eine kulturelle und wahrnehmungshistorische Dimension. In einer makrohistorischen Perspektive wurde in diesem Zusammenhang der Gedanke entwickelt, dass die relativ starren Grenzen der Konversionspraxis in der Grafschaft Baden eng mit der Konfessionspolitik der regierenden Orte und den Herrschaftsstrukturen der Gemeinen Herrschaft als solcher zu erklären sind. Die eidgenössischen Regenten stritten verbittert und über Jahrhunderte um die Deutungshoheit des Konversionsrechts in den Gemeinen Herrschaften. Die reformierten Orte konnten keinen Verhandlungserfolg in dieser Sache verbuchen und mussten sich den katholischen Mitregenten geschlagen geben. Dies war für die reformierten Orte deswegen besonders bitter, da ihnen der quantitative Erhalt reformierter Gläubiger in den Gemeinen Herrschaften ein wichtiges politisches Anliegen war. In der Grafschaft Baden wurden die konfessionellen Grenzen permanent von den eidgenössischen Funktionsträgern vor Ort, den Amtmännern und Geistlichen und den reformierten und katholischen Regenten betont, neu gezogen und inszeniert, um einer legalen Konversion zum Katholizismus vorzubeugen. Diese Inszenierung der konfessionellen Differenzen geschah durch und im Medium der Kommunikation.

7.2 Konfessionskonflikt und Konfessionalisierung In diesem Abschnitt sollen einige weiterführende Gedanken bezüglich des Zu­­ sammenhangs zwischen Konfessionskonflikt und Konfessionalisierung formuliert werden. Diesen Gedanken werden drei grundsätzliche Erkenntnisse hinsichtlich der Konfliktdichte und der Konfliktart konfessioneller Auseinandersetzungen vorangestellt. Erstens gab es Phasen verdichteter Konflikthaftigkeit, historisch spezifische Zeiten, in denen vermehrt konfessionelle Auseinandersetzungen aus den Gemeinen Herrschaften zum politischen Verhandlungsgegenstand auf den Tagsatzungen avancierten. Nach den ersten politischen Entscheidungen, die in den 1530er- und 1540er-Jahren überwiegend qua Mehrheitsgrundsatz auf den eidgenössischen Tagsatzungen getroffen wurden, lässt sich erst im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts eine Intensivierung der Konfliktfelder beobachten. Jetzt wurden deutlich andere Streitfälle als in der ersten Phase der Landfriedensauslegung verhandelt. Allerdings nahmen die Konfessionskonflikte seit den 1580er-Jahren nicht gradlinig zu, wie es das Modell der Konfessionalisierung nahelegt. Erst wieder in den Jahren 1644 bis 1664 ist eine Zunahme konfessioneller Konflikte auf der eidgenössischen Tagsatzung zu konstatieren, die ihren Ursprung in der gemeinsamen Verwaltung der Grafschaft Baden

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hatte. Der zuletzt benannte Untersuchungszeitraum verzeichnet die größte Konfliktdichte, da vermehrt von der lokalen Ebene, aus den bikonfessionellen Dorfgemeinschaften heraus an die eidgenössischen Obrigkeiten über Benachteiligungen, Beschwerden und Klagen der reformierten Untertanen berichtet wurde. Dies mag zum einen daran liegen, dass aus diesem Untersuchungszeitraum weniger Quellenmaterial verloren ging, zum anderen könnte die Erklärung darin liegen, dass Geistliche zunehmend zum Sprachrohr der Obrigkeit auf dem Land wurden. Das Luthertum und das Reformiertentum waren stark städtisch geprägte Konfessionen. Die reformierten Pfarrer stammten, wie gezeigt wurde, ausnahmslos aus dem städtischen Umfeld – aus Zürich – und waren dementsprechend „nicht nur Vertreter der Obrigkeit auf dem Land, sondern gleichzeitig auch Botschafter einer spezifisch städtischen Kultur“; eine Beobachtung, die sich nicht auf katholische Geistliche übertragen lässt.1 Hinsichtlich der politischen Verfahrensformen mit den konfessionellen Konflikten lässt sich zweitens nicht auf eine Zunahme von Toleranz vom 16. (Erster Landfrieden 1529) bis zum 18. Jahrhundert (Vierter Landfrieden 1712) schließen. Die politischen Verhandlungen lokaler konfessioneller Auseinandersetzungen, die selbst Formen der Konfessionskonflikte im Medium des eidgenössischen Rechts darstellten, bezeugen keinesfalls, dass die regierenden reformierten oder katholischen Orte dem jeweils konfessionell anderen Mitregenten gegenüber einen größeren Auslegungsspielraum des Landfriedens zumaßen und dementsprechend die Durchsetzung anderskonfessioneller Herrschaftsinteressen billigten. Zwar gibt es Verhandlungsgegenstände, wie der zu Beginn der Arbeit geschilderte Fall der Desakralisierung eines katholischen Altars im Birmensdorfer Kirchenraum, dessen politische Konfliktlösung darin bestand, dass die katholischen und reformierten Regenten der Grafschaft Baden die jeweils anderen Sakralitätskonzepte und Handlungsanforderungen an den Kirchenraum bei ihren politischen Verhandlungen mitberücksichtigten – allerdings waren solche paritätischen Konfliktlösungen zwischen den regierenden Orten die Ausnahme im hier diskutierten Repertoire an Konfessionskonflikten. Die rechtlichen Bedingungen des bikonfessionellen Zusammenlebens der reformierten und katholischen Untertanen unterstanden in den Gemeinen Herrschaften einer eidgenössischen Obrigkeit, die als Antwort auf die anhaltenden konfessionellen Antagonismen keine zukunftsweisende gemeinsame Politik in den Gemeinen Herrschaften entwickelte, sondern im gesamten Untersuchungszeitraum eigene Herrschaftsansprüche gegen den konfessionell anderen Mitregenten zu sichern und durchzusetzen versuchte. Dafür spricht, dass die 1 Von Greyerz, Religion, 2000, 70.

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konfessionellen Konflikte – bis auf die erwähnten Anfangsjahre – im gesamten Untersuchungszeitraum mit der gleichen Intensität geführt wurden, aber auch, dass keine signifikante Zunahme von konfessionsübergreifenden Ehen im Verlauf des Untersuchungszeitraums zu beobachten war. Insbesondere Zürich gab bei seinen Landfriedensdeutungen keinen Millimeter politischen Parketts nach und versuchte, die Interessen der reformierten Untertanen – und damit eigene Herrschaftsinteressen – in der Grafschaft Baden zu realisieren. Allerdings veränderte sich vom 16. bis zum 18. Jahrhundert der politische Diskurs, da andere Inhalte bzw. andere Konfessionskonflikte Gegenstand der politischen Kommunikation wurden. Toleranz und Parität waren in der Alten Eidgenossenschaft keine Errungenschaften, die aus der Praxis des politischen Diskurses der regierenden Elite erwuchsen, sondern sie waren das Ergebnis militärischer Erfolge. Damit waren drittens die politischen Eliten der Alten Eidgenossenschaft im gesamten Untersuchungszeitraum durch ihre Bereitschaft zur Konfliktaustragung charakterisiert. Eine Einschränkung muss mit Blick auf die Partizipation an der gemeinsamen Regentschaft erfolgen, denn Evangelisch Glarus und selbst Bern nahmen ihre Herrschaftsrechte an der Verwaltung der Grafschaft Baden nicht in dem Umfang wahr, wie es die gemeinsame Regentschaft vorsah, sondern überließen dem reformierten Vorort Zürich das Kommunikationsgeschehen und die politischen Geschäfte. Gleiches gilt für die katholischen Eidgenossen, denn hier trat vor allem der Vorort Luzern als kommunikativer Gegenpart Zürichs in Erscheinung. Dieser Befund kontrastiert mit der Einschätzung in der Geschichtswissenschaft und der politischen Publizistik, der die (frühneuzeit­ liche) Schweiz als „das Land des Konsenses par excellence“ gilt.2 Die angeblich ausgeprägte „Konsens- und Kompromisskultur“ der frühneuzeitlichen Schweiz war Kernelement des Mythos einer „einmütigen Eidgenossenschaft“ und lieferte über Jahrhunderte die wesentliche Erklärung, wie das komplexe, heterogene politische Gebilde und Bündnissystem nach innen und außen zusammengehalten wurde.3 Der älteren schweizerischen Geschichtsschreibung zufolge wurde eine drohende Gefahr des Auseinanderbrechens, die unter anderem wegen der notwendigen Einstimmigkeit zu beschließender Geschäfte permanent über der Eidgenossenschaft schwebte, durch die „eidgenössische Vernunft“ und den „bon sens“ der eidgenössischen Elite gebannt – ein Wadtländer Historiker spricht gar von der „force mystèrieuse“, der die Alte Eidgenossenschaft bis 1798 ihren politischen Zusammenhalt zu verdanken habe.4 Selbst dem im 20. Jahrhundert

2 Guex/Schnyder Burghartz, Schweiz, in: Traverse 8, 2001, 7 – 24, hier 17. 3 Ebenda. 4 Zit. nach: Elsener, Majoritätsprinzip, in: ZRG KA 55, 1969, 238 – 281, hier 278.

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geprägten Begriff einer „Willensnation“ haften noch Konnotationen einer auf Integration und Friedfertigkeit ausgerichteten Nation an.5 Dieses Bild einer friedfertigen und konsensbereiten Eidgenossenschaft wird aktuell in der schweizerischen Historiographie revidiert.6 Zu dieser Forschungsdiskussion kann auch die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten, da sie ein differenziertes Bild der konfliktbereiten Eidgenossen gezeichnet hat, indem sowohl die Verfahrensformen im Umgang mit Konfessionskonflikten, die aus der Grafschaft Baden resultierten analysiert, wie auch die kommunikativen Auswirkungen von Konfessionskonflikten und somit die politische Kommunikationsbereitschaft der Eid­ genossen im wissenschaftlichen Narrativ verfolgt worden sind. Gleichwohl waren die katholischen und reformierten Eidgenossen in Krisenzeiten des ­Heiligen römischen Reichs deutscher Nation durchaus bereit, Partikularinteressen bei der Verwaltung der Grafschaft Baden zugunsten eidgenössischer Gesamtinteressen vorübergehend zurückzustellen. Dazu zählte auch die Deintensivierung der politischen Kommunikation. Die bikonfessionelle Regierungsform erwies sich in einem Untersuchungszeitraum, der durch die Reformation, die katholische Erneuerung und die Konfessionalisierungsprozesse gekennzeichnet war, in der politischen Praxis als reine Illusion. Die Herrschafts- und Verwaltungspraxis der regierenden katholischen und reformierten Orte orientierte sich zu keinem Zeitpunkt an den Maximen einer gemeinsamen Regentschaft, sondern folgte im gesamten Untersuchungszeitraum konfessionspolitischen Erwägungen. Insofern war „Konfession“ ein wesentlicher Faktor, über den Differenz in den kommunikativen Verfahren der Herrschaftsausübung hergestellt wurde. Anhand ausgewählter liturgischer Objekte (Taufsteine, Altäre, Chorschranken) konnte rekonstruiert werden, wie die konfessionellen Kulturen im Kirchenraum entstanden. Dadurch wurde die Konfessionalisierung als „Akt“, auch als momentanes – und vielfach umkämpftes – Geschehen in seinem Kommunikationszusammenhang betont, da die reformierten eidgenössischen Orte sich gegen die Dominanz des katholischen

5 Altermatt/Bosshart-­Pfluger/Tanner (Hg.), Konstruktion, 1998. 6 Trotz der Pionierstudie von Pierre Felder über eine „Typologie der politischen Unruhen“ und Hans Conrad Peyers Verfassungsgeschichte, die mit einem Überblick über die „Proteste, Konflikte und Unruhen in der Eidgenossenschaft vom 15. bis 18. Jahrhundert“ endete, hat Rudolf Braun noch 1984 festgehalten, dass „theoriegeleitete Konfliktforschung“ weiterhin ein Desiderat der Forschung darstelle, ders., Ancien Régime, 1984, hier 256 f.; Felder, Ansätze, in: SZG 26, 1976, 324 – 389 und Peyer, Verfassungsgeschichte, 1978, 134 – 141. Neuere Arbeiten sind Würgler, Aushandeln, in: Traverse 3, 2001, 25 – 38; Maissen, Disputatio, in: Traverse 3, 2001, 39 – 55; Lau, Stiefbrüder, 2008; Suter, Bauernkrieg, 1997; ders., Troublen, 1985 sowie Hacke, Konflikt, in: ZHF 32, 2005, 575 – 604.

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Kirchenrechts in den Gemeinen Herrschaften und den wesentlichen Strukturnachteil sträubten, den der Zweite Landfrieden für sie bedeutete. Die Prozesshaftigkeit der politischen Vorgänge zeigt exem­pla­risch, dass es sich auch bei der Konfessionalisierung in den Gemeinen Herrschaften insgesamt um einen kontingenten Vorgang handelt, der auf politischen Aushandlungsprozessen beruhte. Insofern wurde in dieser Studie die Offenheit historischer Prozesse betont und zugleich die „Nicht-­Notwendigkeit“ historischer Entwicklungen aufgezeigt.7 Die modernisierungstheoretische Prämisse des Konfessionalisierungsansatzes hält einer Analyse der einzelnen Konfliktvorgänge und Kommunikationssituationen nicht stand, womit gleichzeitig jeder Form der Teleologie einer historischen Entwicklung widersprochen wurde. Hinsichtlich der von der Konfessionalisierungsforschung konstatierten funktional gleich verlaufenden Konfessionalisierungsvorgänge war Zürich strukturell benachteiligt, wie anhand der Analyse der reformierten Kirchenreformen in Ansätzen gezeigt werden konnte. Die Instrumente zur Disziplinierung und Christianisierung der Untertanen waren auf der Grundlage des Zweiten Landfriedens gänzlich untersagt, vereinzelt waren Formen der Selbstkonfessionalisierung zu erkennen. Dies führt zu dem von der Konfessionalisierungsforschung für die Territorien des Alten Reichs intensiv und kontrovers diskutierten Zusammenhang von Konfessionalisierung und Staatsbildung.8 Für ausgesuchte bikonfessionelle Gebiete der Alten Eidgenossenschaft kann der amerikanische Historiker Randolph C. Head zeigen, dass hier Konfessionalisierungsvorgänge trotz eines fehlenden bzw. schwachen Staates zu beobachten seien, die – wie etwa in der Grafschaft Baden – zu einer Intensivierung der rechtlichen und fiskalischen Kontrolle über die Bevölkerung geführt hätten.9 Zudem verdeutlichen seine Forschungen sowie ein wichtiger Sammelband zur Konfessionali 7 Landwehr, Kulturgeschichte, 2009, 14. 8 Vgl. Holzem und Stolleis mit durchaus unterschiedlichen Positionen zur Bedeutung des Staates in Konfessionalisierungsvorgängen; vgl. Holzem, Konfessionsgesellschaft, in: ZKiG 110, 1999, 53 – 85 sowie Stolleis, Konfessionalisierung, IC 20, 1993, 1 – 32. Für Becher, Herrschaft, 2006, 12 konstituiert der Staat nur „eine Variable im Konfessionalisierungsprozess“, die zudem nicht die entscheidende gewesen sein muss. Zugleich verwendet er den Begriff der rituellen Konfessionalisierung, um Vorgänge der „Konfessionsbildung ohne Staat und ohne organisierte Disziplinierung über Kirchenzucht“ zu bezeichnen. Ebenda, 189. Einen Überblick über die Forschungspositionen vermitteln die jüngsten Bände zur Staatsbildung als einem kulturellen Prozess bzw. als einem Vorgang, der „von unten“ stattfand, Asch/Freist (Hg.), Staatsbildung, 2005 sowie Blockmans/Holenstein/ Mathieu (Hg.), Interactions, 2009. 9 Vgl. etwa Head, Lordship, in: CEH 30, 1997, 489 – 512 sowie ders., Catholics, in: GH 17, 1999, 321 – 345.

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sierung und zum Konfessionskonflikt,10 dass die Konfessionalisierungsvorgänge in der frühneuzeitlichen Schweiz einer eigenen Logik folgten. Für Graubünden etwa spricht Head von einer „popular confessionalization“, da der Prozess der Konfessionalisierung weder von der Tagsatzung noch der reformierten Synode noch dem Bischof von Chur in die Dörfer getragen worden sei.11 In den Drei Bünden waren die Konfessionskirchen organisatorisch schwach und förderten eine Konfessionalisierung kaum, wie Ulrich Pfister argumentiert, andererseits fand hier durch die Konfliktualität des Alltags eine Stärkung „konfessioneller Milieus“ statt, was zu einer „langen Persistenz konfessionskirchlicher Glaubensnormen“ führte. Graubünden ist damit insgesamt ein interessanter Testfall für ein weiterentwickeltes Konfessionalisierungsparadigma, das die Verzahnung von „kirchengeschichtlichen Vorgängen und Staatsbildung aufgibt“.12 Insofern ist generell zu überlegen, ob – und wenn ja, mit welchen Modifikationen – das Konfessionalisierungskonzept auf die frühneuzeitliche Schweiz zu übertragen ist.13 In der Grafschaft Baden als einer Gemeinen Herrschaft käme der Gesamtheit der eidgenössischen Regenten dieses Territoriums eigentlich die Funktion zu, Staatsbildungsprozesse zu betreiben. Aufgrund ihrer unterschiedlichen konfessio­nellen Zugehörigkeit konnten sich die katholischen und reformierten Regenten jedoch zu keiner transkonfessionellen Herrschaftspraxis in der Grafschaft Baden von 1531 bis 1712 durchringen. Dies lässt sich bereits daran 10 Jäger/Pfister (Hg.), Konfessionalisierung, 2006. 11 Head, Catholics, in: GH 17, 1999, 321 – 345 sowie ders., Frontiers, in: Jäger/Pfister (Hg.), Konfessionalisierung, 2006, 163 – 179. 12 Vgl. Pfister/Jäger (Hg.), Konfessionalisierung, 2007, 34 sowie Pfister, Konfessionskirchen, 2012, 32. 13 Benedict, Religion, in: SZRKG 101, 2007, 247 – 256, hier 250. Wolfgang Reinhardt wendet ein, dass es auch in der frühneuzeitlichen Schweiz „Betreiber“ von Staatsbildung gegeben habe, nämlich die regierenden Orte sowie, auf der lokalen Ebene, Teile der Geistlichkeit, die geholfen hätten, die Konfessionalisierungsvorgänge voranzutreiben, vgl. ders., Zusammenfassung, in: Asch/Freist (Hg.), Staatsbildung, 2005, 429 – 438; ders., Statebuilding, in: Blockmans/Holenstein/Mathieu (Hg.), Interactions, 2009, 299 – 304. Blickle, Concepts, in: Blockmans/Holenstein/Mathieu (Hg.), Interactions, 293 – 297, hier 295 betont in Anlehnung an seine Kommunalismusforschungen den Zusammenhang zwischen Staatsbildung und Kommunalismus, da die Gemeinden die langlebigsten Formen einer nicht staatlichen Vergesellschaftung darstellen und die Grundlage stabiler Demokratien bildeten. Eventuell ließe sich überlegen, ob das Konzept einer „starken“ bzw. einer „schwachen“ Konfessionalisierung, wie es in der angelsächsischen Forschung diskutiert wird, auf die Alte Eidgenossenschaft übertragbar ist, vgl. Benedict, Confessionalization, in: Mentzer/Spicer (Hg.), Society, 2002, 44 – 61; ders., Religion, in: von Greyerz/Siebenhüner, 2006, 155 – 173, hier 158 – 159 sowie Head, Frontiers, in: Jäger/ Pfister (Hg.), Konfessionalisierung, 2006, 163 – 179.

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erkennen, dass die Verbindlichkeit der Regierungsprinzipien, wie Mehrheitsgrundsatz und Landfrieden, unter den eidgenössischen Regenten permanent zur Disposition standen. Damit wurde der Machtkonflikt zwischen den reformierten Orten Zürich, Bern und Evangelisch Glarus einerseits und den katholischen Orten Uri, Zug, Luzern, Schwyz und Unterwalden andererseits zwar auf der Ebene der Entwicklung der konfessionellen Parität als einem politischen Verfahren geführt, gleichzeitig wurden die Verfahrensregeln permanent von Zürich unterwandert und konfessionspolitisch den eigenen Herrschaftsinteressen gemäß ausgelegt. Konfession und Kommunikation erhielten in diesem bikonfessionellen Herrschaftszusammenhang eine gesteigerte Bedeutung als epistemologische Kategorien, da sie Relevanz für die Frage beanspruchten, wie trotz divergierender Herrschaftsinteressen das politische Gebilde der „Gemeinen Herrschaft“ dennoch bis 1712 in dieser gemischtkonfessionellen Zusammensetzung Bestand haben konnte. Insgesamt scheint die frühneuzeitliche Herrschaftsform, wie sie in der Grafschaft Baden als einer Gemeinen Herrschaft der Alten Eidgenossenschaft untersucht wurde, kaum Teil eines zielgerichteten Prozesses gewesen zu sein, der auf den modernen Staat hinführte.14 Hier wurden hingegen die historisch-­ spezifischen Eigenheiten der katholischen und der reformierten Herrschafts­ praxis in der ältesten Gemeinen Herrschaft der Alten Eidgenossenschaft dargestellt und die Prozesshaftigkeit der Verfahrenspraktiken betont, die – durchaus vergleichbar mit neueren Forschungen zur Durchsetzung von Herrschaft auf der lokalen Ebene 15 – wesentlich durch Kontingenz und die Bereitschaft zur politischen Verhandlung geprägt waren. Eine Zentralisierung von Macht als Ergebnis des Prozesses von frühmoderner Staatsbildung fand in dem untersuchten Territorium mithin nicht statt, ebenso wenig eine Rationalisierung oder Institutionalisierung von Herrschaft. Der Faktor der Konfessionszugehörigkeit führte vielmehr zu einer „Verflüssigung“ bzw. permanenten Unterwanderung von Staatsbildungsprozessen.

14 Anregend in diesem Zusammenhang Landwehr, Normdurchsetzung, in: ZfG 48, 2000, 146 – 162 sowie Schlumbohm, Gesetze, in: GG 23, 1997, 647 – 663. 15 Jüngere Forschungen zur Durchsetzung von Herrschaft auf der lokalen Ebene haben betont, dass „politische Herrschaft in der Frühen Neuzeit weniger als institutionelle Struktur oder als Ereignis, sondern eher als ein kontinuierlicher Prozess zu verstehen ist, in dem die Bedingungen der Ausübung von Autorität stets neu zwischen Herrscher und Untertanen, zwischen Zentrum und Peripherie oder zwischen Hof und Provinz ausgehandelt wurden“, Freist, Einleitung: in: Asch/Freist (Hg.), Staatsbildung, 1 – 48, hier 13. Zur lokalen Herrschaftspraxis vgl. Sabean, Schwert, 1990; Hindle, State, 2000; Braddick, State, 2000.

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Zudem verhinderte die differierende Konfessionszugehörigkeit der regierenden Orte eine Institutionalisierung des Rechts. Dieser Prozess war für die Frühe Neuzeit insgesamt prägend, da nun an die Stelle „verkörperter Herrschaftspraxis eine zunehmend institutionalisierte Form der Herrschaft [trat], deren Legitimation nicht mehr durch den Herrscher verkörpert und demonstriert wurde, sondern deren Grundlage das Recht bildete“.16 In der Alten Eidgenossenschaft bildeten die landfriedlichen Verträge, die zum Teil zum eidgenössischen Recht avancierten, zwar während des gesamten Untersuchungszeitraumes (1531 – 1712) die argumentativen Referenzwerke der katholischen und reformierten Stände bei konfessionellen Konflikten, allerdings konnte keine Verbindlichkeit hinsichtlich ihrer Interpretation erzielt werden. Damit wurden lokale Konfessionskonflikte von der eidgenössischen politischen Elite verfahrenstechnisch zwar im Medium der konfessionellen Parität geführt, doch es waren vielmehr militärische Auseinandersetzungen und nicht politischen Debatten, die die Entwicklungslinien der konfessionellen Parität bestimmten. Frühmoderne Staatlichkeit präsentierte sich in der Grafschaft Baden in der politischen Praxis als ein komplexes Geflecht divergierender konfessioneller Herrschaftsansprüche, die weniger durch eine feste Struktur, sondern in einem diplomatischen und kommunikativen Prozess Form annahmen. Insofern präsentiert die vorliegende Untersuchung einzelne Ergebnisse zum Prozess der frühmodernen Staatsbildung, der auf diesen Seiten als ein kultureller Prozess, nicht als ein verfassungsgeschichtlicher und politischer Vorgang konturiert wurde.17

7.3 Politische Kommunikation in der Alten Eidgenossenschaft Dass eine derartige Beobachtung möglich war – hier ist die Verflüssigung der Herrschaftsstrukturen gemeint – ist dem verwendeten differenztheoretischen Kommunikationsbegriff Luhmanns zu verdanken. An dieser Stelle sollen nicht die bereits in der Einleitung postulierten Vorzüge eines systemtheoretischen 16 Freist, Einleitung: in: Asch/Freist (Hg.), Staatsbildung, 1 – 48, hier 2. 17 Asch/Freist (Hg.), Staatsbildung, 2005. Der Band versammelt überwiegend Beiträge zur lokalen Herrschaftspraxis, Herrschaftsvermittlung und Normdurchsetzung. Kommunikation als leitende Analysekategorie fehlt in diesem Band vollkommen, einzig André Holenstein analysiert das kommunikative Handeln anhand der Policey-­Ordnungen der Markgrafschaft Baden im 18. Jahrhundert. Vgl. ders., Handeln, in: Asch/Freist (Hg.), Staatsbildung, 2005, 191 – 208. Zum Staatsbildungsprozess als einem Vorgang, der sich „von unten“ vollzogen habe, Blockmans/Holenstein/Mathieu (Hg.), Interactions, 2009.

Politische Kommunikation

Kommunikationsbegriffs rekapituliert werden, sondern die grundlegende Kategorie der „Kommunikation“ auf ihren Nutzen für die Arbeit hin befragt und in diesem Kontext auch der kommunikationstheoretische Mehrgewinn benannt werden. Welche Funktionen kamen der politischen Kommunikation bei der Regierung der Gemeinen Herrschaften zu? Erstens sorgte sie dafür, dass die sichtbare Ungleichverteilung politischen Einflusses nicht permanent in Krisen eskalierte. Im politischen Alltag ignorierte Zürich die strukturelle Benachteiligung vielfach im Interesse der reformierten Untertanen, intensivierte aber zur Wahrung des eidgenössischen Friedens und des eidgenössischen Zusammenhalts gleichzeitig den vertikalen und horizontalen Schriftverkehr. Der Versuch Zürichs, in der politischen Praxis eine Verflüssigung der Herrschaftsstrukturen bei gleichzeitiger Intensivierung der politischen Kommunikation zu bewirken, führte zweitens zu einer stärkeren Formung und Fixierung von divergierenden konfessionellen Herrschaftsansprüchen im und durch das Medium der Schrift. An die Stelle von festen Kategorien ist in dieser Arbeit damit die Beobachtung und Beschreibung einer historischen Praxis der politischen Kommunikation getreten, durch die die Intensivierung diskursiver Praktiken bei der gemeinsamen Verwaltung der Untertanengebiete und damit die spezifische politische Kultur der frühneuzeitlichen Schweiz aufgezeigt werden konnte. Durch die Beschreibung von abstrakten Institutionen (Verwaltung der Gemeinen Herrschaften) in Form konkreter kommunikativer Praktiken ist auch der relationale Charakter von Staatsbildung verdeutlicht worden, indem das Beziehungsgeflecht von Herrschaft als einem kommunikativen Prozess nachgezeichnet worden ist. Politische Macht erscheint dabei als ein Faktor, der den Kommunikationsprozessen eingelagert war.18 Drittens wird durch einen kommunikationstheoretischen Zugriff die mediale Dimension historischer Prozesse betont. Da die regierenden Orte aufgrund der komplexen Struktur der Gemeinen Herrschaft zwar einerseits eine enorme Präsenz vermittels eines intensiven diplomatischen Schriftverkehrs bei der Lösung kommunaler Konfessionskonflikte markierten, andererseits aber als Obrigkeit sowohl vertikal als auch horizontal repräsentiert wurden – durch den Landvogt von Baden als Obrigkeit der Untertanen (vertikal) und auf der Tagsatzung gegenüber dem mitregierenden Orten (horizontal) –, war die Abwesenheit der Kommunikationspartner eine Strukturbedingung von Herrschaft in den Gemeinen Herrschaften. Allein Gesandtschaften in die 18 Vgl. die Argumentation bei Stollberg-­Rilinger, Impact, in: Blockmans/Holenstein/ Mathieu (Hg.), Interactions, 2009, 313 – 31, hier 314 – 315. André Holenstein hat in diesem Zusammenhang von „constitution in actu“ gesprochen, ders., Introduction, in: Blockmans/Holenstein/Mathieu (Hg.), Interactions, 2009, 1 – 31.

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Gemeinden der Grafschaft Baden oder vor den Rat der mitregierenden Orte auf den Tagsatzungen durchbrachen das Prinzip der Kommunikation unter Abwesenden. Somit war die politische Kultur der Eidgenossenschaft mit Blick auf die Verwaltung der Gemeinen Herrschaften in der Frühen Neuzeit überwiegend durch schriftliche Kommunikationsprozesse geprägt, die sich in Distanz­ medien verstetigten. Angesichts des unübersichtlichen Herrschaftssystems war das Gelingen von Kommunikationsprozessen keine Selbstverständlichkeit.19 Hier wirkte die gleiche konfessionelle Zugehörigkeit der Kommunikanten als komplexitätreduzierender Faktor, da sie eine gewisse Übersichtlichkeit des kommunikativen Geschehens begünstigte und sich die Erwartbarkeit der Wege, die sie nahm, erhöhte. Viertens lässt sich aus kommunikationstheoretischer Perspektive festhalten, dass die politische Kommunikation in der Eidgenossenschaft eine konfessionelle Systembildung bei gleichzeitiger Intensivierung ihrer kommunikativen Kontaktzonen verstärkte.20 Die Kommunikationsstrukturen in der Alten Eidgenossenschaft waren insgesamt schwach ausgebildet, eine Beobachtung, die insbesondere mit Blick auf die Verwaltungs- und Herrschaftsstrukturen der Gemeinen Herrschaften Gültigkeit beansprucht. Noch im 17. Jahrhundert existierten in der Alten Eidgenossenschaft keine institutionalisierten Kommunikationswege. Einzig auf der eidgenössischen Tagsatzung wurde der konfessionsübergreifende politische Austausch unter den katholischen und reformierten Eidgenossen verstetigt.21 Dieses politische Kommunikationsforum erlangte allerdings bei der Verwaltung der Gemeinen Herrschaft nicht die Verbindlichkeit, die es aufgrund seiner Verstetigung bei der Entstehung der gemeinsamen Regierung hätte beanspruchen können. Diese beiden Faktoren führten zu einer unübersichtlichen, konfessionsspezifischen und somit ausgesprochen komplexen Kommunikationssituation im Kommunikationsraum „Grafschaft Baden“. Strukturierende Faktoren in diesem Kommunikationsgeschehen waren die konfessionelle Zugehörigkeit der Untertanen sowie deren politische Loyalitäten ihren jeweiligen eidgenössischen Regenten gegenüber. Da die Kommunikationssituationen und der diplomatische Schriftverkehr über konfessionellen Dissens in den Gemeinen Herrschaften stark durch die Konfessionszugehörigkeit der regierenden Orte, nicht aber durch die politische Auffassung einzelner Personen strukturiert wurde (und diese in dem frühneuzeitlichen Quellenmaterial auch nicht abgebildet ist, wie in Kapitel 2 gezeigt worden 19 Vgl. den klugen Band von Hass/Hengerer (Hg.), Schatten, 2008. 20 Zur Kommunikation als einem Prozess, der Systembildung in Gang setzt, vgl. Luhmann, Systeme, 1984, 238 – 239. 21 Lau, Eidgenossenschaft, in: SZRKG 103, 2009, 27 – 39.

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ist), wurde darauf verzichtet, einzelne historische Akteure (Bürgermeister der regierenden Orte, Seckelmeister, Ratsmitglieder etc.) als Kommunikanten auszuweisen. Zudem agierte der reformierte Vorort Zürich im Namen der reformierten regierenden Orte, der katholische Vorort Luzern formulierte die Argumentationsweise und Herrschaftsansprüche der katholischen regierenden Orte. Es waren also weniger einzelne historische Akteure, die auf der eidgenössischen Ebene kommunikationshistorisch meinungsbildend wirkten, sondern konfessionelle Argumentationsweisen und politische Entscheidungsprozesse wurden durch konfessionsspezifische Interessen in einem Konfliktfall geprägt. In diesem Zusammenhang kann die weitere Forschung über die Bedeutung von Schrift als einem „selbstgemachten Gedächtnis“ reflektieren, also über die Formen, in denen Schrift konfessionelle Differenz nicht nur herstellte, sondern auch – selektiv – abbildete.22 Schon diese Arbeit hat gezeigt, dass der Selek­ tionsprozess von schriftlicher Kommunikation ebenfalls zur Klärung der Frage beiträgt, warum das Kommunikationssystem unter den regierenden Orten dazu tendierte, die Differenzen unter den eidgenössischen Regenten unterschiedlicher Konfession zu betonen. Fünftens erlaubte die kommunikationstheoretische Perspektive die Historisierung der politischen Kommunikation und die genaue Beobachtung von kommunikativen Vorgehensweisen und Verfahren im historischen Wandel. Eine historische Tiefendimension von Kommunikationsprozessen konnte in diesem Zusammenhang immer dann nachgewiesen werden, wenn Kommunikationssituationen bewusst offen gestaltet wurden, so dass es allen Kommunikanten möglich war, eine politische Situation ohne Gesichtsverlust zu verlassen. Zu diesen Situationen zählen insbesondere die Konfliktfälle, die nach einem heutigen Verständnis im Sande verliefen und keine eindeutige „Lösung“ erfuhren. Die Unmengen an kommunikativen Akten, die in einem Konfliktfall produziert wurden, sind in dieser Perspektive nicht allein als Beharrungsvermögen oder gar als misslungene Konfliktlösung zu deuten, bei denen nur selten ein aktiver Konsens hergestellt werden konnte. In einem zeitgenössischen Verständnis lassen sich diese verlangsamten und verhalten geführten Konfliktverläufe als eine spezifische Form der politischen Kommunikation in der frühneuzeitlichen Schweiz lesen, die den Logiken der frühneuzeitlichen Ehrsemantik Rechnung trugen. Sie bedeuteten einen kommunikativen Berührungspunkt, da sie an der Grenze der katholischen und reformierten Kommunikationssysteme stattfanden und den Diskurs von Inklusion und Exklusion regelten.

22 „Aufschreiben ist immer auch Nichtaufschreiben von Anderem. Schrift ist selbstgemachtes Gedächtnis“, Luhmann, Gesellschaft, Bd. 1, 1997, 271.

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Sechstens und abschließend wirkte die permanente Kommunikation vertrauensbildend – und dies wiederum aus drei Gründen: Bei aller Betonung von konfessioneller Differenz entwickelten die eidgenössischen Orte über die konfessionellen Streitfälle hinaus eine permanente Bereitschaft zum kommunikativen Austausch, der sich zwar nicht institutionell verfestigte, aber dennoch dafür sorgte, dass die katholischen und reformierten Eidgenossen über Konfliktfälle im Gespräch blieben. Dieses Argument beansprucht auch in einer historischen Tiefendimension Relevanz. In einem Konflikt um die Nutzung eines Kirchenraumes, der sich 1629 in Dietikon entzündete und in dieser Arbeit nicht geschildert wurde, stellte Zürich in aller Stille ein Heer zusammen und ordnete an, dass sich dieses nach Dietikon begeben solle. Die katholischen Regenten kritisierten das Vorgehen Zürichs auf einer katholischen Sondertagsatzung scharf und wiesen die Option, den Konflikt militärisch beizulegen, entschieden zurück. Politische Kommunikation und nicht militärische Intervention waren die Mittel, mit denen dem Konflikt begegnet wurde und die zur Deeskalation der angespannten Situation im bikonfessionellen Dorf und in der Alten Eidgenossenschaft beitrugen.23 Eine weitere Deeskalationsstrategie war die Bereitschaft der reformierten und katholischen eidgenössischen Regenten, langwierige politische Verhandlungen über konfessionelle Auseinandersetzungen aus den Gemeinen Herrschaften in angespannten innenpolitischen Situationen zu vermeiden. Aufrufe zum besonnenen politischen Handeln fanden sich vermehrt in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges und demnach in innenpolitischen und außenpolitischen Krisensituationen.24 Des Weiteren wurde durch die wiederkehrenden politischen Verhandlungen das Kommunikationssystem „regierende Orte“ als solches geformt und auf lange Sicht auch stabilisiert. Diese permanente Kommunikationsbereitschaft ist deswegen zentral, weil es in der Eidgenossenschaft keine übergeordnete Appella­ tionsinstanz zur Lösung konfessioneller Konflikte gab, wie etwa das Reichskammergericht im Deutschen Reich, und Schiedsverfahren in der politischen Praxis kaum zur Anwendung kamen. Eine Destabilisierung der politischen Lage fand mit Abbruch der kommunikativen Prozesse statt, oder anders formuliert wurde eine militärische Eskalation von Konflikten durch politische Verhandlungen über „Neuerungen“ in der Grafschaft Baden verhindert.25 Über ihre Bedeutung für den 23 Hacke, Konflikt, in: ZHF 32, 2005, 575 – 604, hier 595 – 602. 24 Zur Politik der Eidgenossen während des Dreißigjährigen Krieges immer noch grundlegend: Gallati, Politik, in: JSG 43, 1918, 1 – 149 sowie 44, 1919, 4 – 258. Zum „Vertrauen“ als einer Kategorie der Geschichtswissenschaft vgl. Frevert (Hg.), Vertrauen, 2003. 25 Die zentrale Funktion der Kommunikationsprozesse für die Stabilität der Eidgenossenschaft betont Christ, Konflikte, in: Hoffmann/Kießling (Hg.), Kommunikation, 2001,

Politische Kommunikation

Frieden und die soziale Ordnung in den bikonfessionellen Dorfgemeinschaften der Grafschaft Baden hinaus kam den Konfessionskonflikten damit eine gewisse Kohäsionswirkung innerhalb des eidgenössischen Bündnissystems zu. Selbst wenn eine Konfliktlösung nicht erreicht wurde, der Streitfall im Sande verlief oder erst Jahre später verhandelt wurde, trug die Kommunikation über die konfessionellen Konflikte in den Gemeinen Herrschaften unter den regierenden Orten zur Verfestigung kommunikativer Verfahren und mithin auch zur Stabilisierung der Eidgenossenschaft bei. Konfessionelle Konflikte können daher auch als „stabilisierende Konflikte“ bezeichnet werden, da das kommunikative Geschehen nicht nur die konfessionellen Differenzen zuzuweisen half, sondern auch gewährleistete, dass konfessionelle Streitfälle weiterhin verhandelbar blieben und durch die Beständigkeit des Verhandelns vertrauensbildend wirkten.26 Politische Vertrauensbildung war darüberhinaus strukturell immer auch für ihr Gegenteil, das Misstrauen, anfällig. Vertrauen verstetigte sich in Verfahren, war aber kein permanent zu erwartendes Ergebnis, wie die konfessionellen Bürgerkriege mit aller Nachhaltigkeit verdeutlichen. Vertrauen musste demnach in der politischen Kommunikation von den Alten Eidgenossen permanent rhetorisch inszeniert, affirmiert und insofern „hergestellt“ werden. Dies geschah mit der Wiederholung der gleichen freundlichen Anredeformen und der Versicherung, mit der „guten Correspondentz“ die Ruhe, die Freundschaft und den Frieden in der Eidgenossenschaft nicht gefährden zu wollen, da nun das Gemeinwohl der Eidgenossenschaft als rhetorische Inszenierung über die Partikularinteressen der regierenden Orte gestellt und bei jedem diplomatischen Akt erneut beschworen wurde. Wenngleich diese Anredeformen keine verbindlichen Absprachen bedeuteten und keine konfessionellen Gräben zu überwinden vermochten, so warben sie doch für eine Atmosphäre des Vertrauens und nicht des Misstrauens. Diese verstetigten Korrespondenzformen betonten damit bei allen konfessionellen Unterschieden das eidgenössische Bündnissystem als wesentlichen politischen Zusammenhalt, der aus singulären eidgenössischen Orten die Alte Eidgenossenschaft formte. Der Preis für eine Stabilisierung des Vertrauens war die Bereitschaft der katholischen und reformierten Eidgenossen, konfessionelle Differenzen in langatmigen und zeitraubenden politischen Kommunikationsakten zu verhandeln. Auf diese Weise verstetigte sich die Kommunikation und verfestigten sich die eidgenössischen Kommunikationsräume, womit auch den der Kommunikation inhärenten Variablen des Missverstehens und den kommunikativen

139 – 161, hier 153. Für die Gemeinen Herrschaften formuliert dieses Argument Hacke, Konsens, in: ZHF 32, 2005, 575 – 604 sowie dies., Church, in: GH 25, 2007, 285 – 312. 26 Christ, Konflikte, in: Hoffmann/Kießling (Hg.), Kommunikation, 2001, 139 – 161.

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Leben in der Differenz

Auslegungs- und Deutungsprozessen produktiv begegnet werden konnte. Auf diesen Zusammenhang – Konfession und Kommunikation – wird bereits im Titel der Untersuchung hingewiesen und dementsprechend angedeutet, dass das Leben in der religiösen Koexistenz nicht allein von Konflikt und Konsens oder von Pluralisierungseffekten und konfessioneller Ambiguität geprägt war. Konfessionelle Differenzen zwischen den eidgenössischen Regenten, den lokalen Funktionsträgern sowie den katholischen und reformierten Untertanen hatten in der Alten Eidgenossenschaft darüberhinaus kommunikative Auswirkungen auf unterschiedlichen Ebenen. Von diesen war in dieser Studie die Rede.

8 Anhänge 8.1 Reformierte Untertanen in der Grafschaft Baden

1634

Haushalte Personen Haushalte Personen Haushalte Personen Haushalte Personen Haushalte

Dietikon/ Urdorf 154 925 154 899 155 971 155 990 171

Schlieren

Tegerfelden

Würenlos

46 74 57 237 395 362 1637 44 105 56 227 482 351 1640 49 – 59 242 – 354 1643 45 129 57 250 561 406 1650 (1646): 44 (1646): 117 (1646): 62 (1649): 45 (1650): 142 (1651): 64 Personen 1063 (1646): 255 (1646): 601 (1646): 394 (1649): 284 (1650): 659 (1651): 391 1654 Haushalte 165 34 141 – Personen 1093 304 665 – 1656 Haushalte 165 45 151 39 Personen 1095 313 706 458 1671 Haushalte 145 (1670): 41 (1670): 141 73 Personen 1091 365 851 476 1678 Haushalte 152 46 142 77 Personen 1364 419 857 452 1683 Haushalte 155 42 (1684): 167 76 Personen 1401 415 863 469 1689 Haushalte 44 169 79 Personen 1430 419 796 489 1694 Haushalte 218 43 (1695): 158 79 Personen 1312 420 789 444 1699 Haushalte 213 – (1701): 162 (1701): 79 Personen 1249 – 831 (1701): 467 1708 Haushalte 274 (1710): 43 – (1709): 85 Personen 1361 (1710): 487 – (1709): 500 (1727): 42 (1762): 161 (1727): 511 (1762): 778 Aus: StAZH E II 700, 112; E II 700, 93; E II 700, 171; E II 700, 78; E II 700, 172.

Zurzach – – 131 559 127 567 131 623 (1646): 122 (1650): 128 (1646): 649 (1650): 682 (1655): 134 (1655): 845 (1658): 157 (1658): 840 (1670): 172 (1670): 1008 (1677): 183 (1677): 961 (1684): 217 (1684): 991 263 1074 250 1087 – –

(1730): 278 (1730): 1154

508

Anhänge

8.2 Reformierte und katholische Geistliche in der Grafschaft Baden Birmenstorf   1 Katholische Geistliche 1526 Johannes Schlieninger, 1529 – 1531 Hans Bullinger (Bremgarten), ref. 1531 Heinrich Buchmann lehnt Berufung nach Birmenstorf ab, ref. 1531 Unbekannter Prädikant im Sommer misshandelt, im Winter ertränkt, ref. 1532 Unbekannter Priester, abgesetzt 1536 Unbekannter Priester, abgesetzt 1553 – 1557 Niclaus, Priester 1585 – 1591 Johannes Schmid (Schneisingen) 1592 – 1600 Heinrich Brun (Baden) 1614 Hieronimus Wyli 1620 Johannes Pfeffinger 1621 – 1622 Heinrich Strub (Mellingen) 1635 – 1639 Jacob Geßner (Luzern) 1639 – 1642 Johannes Rüttimann (Luzern) 1642 – 1644 Kaspar Mock (Beromünster) 1644 – 1650 Rochus Mock (Beromünster) 1651 Heinrich Strößler (Baden) 1657 Joh. Caspar Bodmer (Baden) 1657 – 1659 Johann Udalricus Schriber (Bremgarten) 1658 Franciscus Kumli (Solothurn) 1659 – 1662 Johann Heinrich Kydt (Bremgarten) 1662 – 1681 Johannes Hannauer (Mellingen, Baden) 1681 – 1693 Ignatius Nöttinger (Baden) 1693 – 1695 Franciskus Sinesius Wiederkehr (Bremgarten) 1695 – 1732 Johann Christoph Lehe (Mellingen) Reformierte Geistliche 2 1649 – 1666 Wilpert Tobler 1668 – 1684 Johann Heinrich Schwyzer 1685 – 1690 Heinrich Bullinger 16903 Hans Caspar Huber 1691 Heinrich Bullinger 16914–1712 Hans Balthasar Bullinger



1 Rudolf, Birmenstorf, 1991, 578 – 581. 2 StAZH E II 113 – 130. 3 StAZH E II 123, fol. 532. 4 StAZH E II 124, fol. 148.

Reformierte und katholische Geistliche

Gebenstorf  5 Reformierte Geistliche um 1526 Abrahamus von Jmer, genannt Mauß 1531 – 1533 Bonaventura Liebi (oder Venus) 1533 – 1534 Michel ? 1534 – 1541 Jacob Appenzeller 1541 – 1542 Johannes Miltenberger bis 1544 Johannes Balthasar 1544 – 1549 Abraham Steinegger 1549 – 1550 Sebastian Hauswirth 1550 – 1558 Thomas Hofmann 1558 – 1570 Israel Lüthard (Basel) 1570 – 1578 Niklaus Stamm 1578 – 1593 Johann Konrad Klauser 1593 – 1596 Jakob Brönner 1596 – 1602 Johannes Meyer (Aarau) 1602 – 1605 Johann Konrad Klauser 1605 – 1606 Benedict Fürstein (Bern) 1606 – 1608 Abraham Steinhüslin (Brugg) 1608 – 1618 Johannes Lauffer (Zofingen) 1618 – 1634 Johannes Friedrich Füchslin (Brugg) 1634 – 1641 Konrad Keyserysen (Bern) 1641 – 1642 Johann Jakob Langhans (Bern) 1642 – 1651 Samuel Seelmatter (Zofingen) 1651 – 1663 Benedicht Steinegger (Zofingen) 1663 – 1675 Johann Freidrich Nüschiker (Aarau) 1675 – 1686 Jacob Ruchenstein (Brugg) 1686 – 1697 Daniel Stapfer (Brugg) 1697 – 1709 Johannes Altmann (Zofingen) 1709 – 1732 Johann Ulrich Stäblin (Brugg) Dietikon/Urdorf   6 Reformierte Geistliche 7 ?–1615 Müller  1615 – 1617? Rudolf Frei 8 1617–? Wilpert Tobler 9 1623 Hans Rudolf Stucki 10 5 Pfister, Pfarrer, 1985, 112 – 114 sowie Rudolf, Birmenstorf, 1991, 578 – 581. 6 StAZH E II 700, 112. 7 StAZH E II 8, fol. 118. 8 StAZH E II 8, fol. 118. 9 StAZH E II 8, fol. 169. 10 StAZH E I 30. 27, 13. September 1623.

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510

Anhänge

1634 – 164611 Johann Wilpert Tobler 1646 – 165612 Johann Jakob Redinger 1656 – 1670 Johannes Waser 1671 – 168213 Hans Heinrich Wirz 1682 – 168314 Heinrich Bürklin 1684 – 1712 Hans Jacob Huber 15 Urdorf 1682

Hans Heinrich Wirz 16

Katholische Pfarrer Dietikon 17 1581 – 1584 P. Damasus Lienamer 1590 – 1597 P. Arbogast Bachmann 1597 – 1605 P. Georg Stoll 1607 – 1618 P. Benedikt Hoppler von Langenhast ? 1629 – 1632 P. Jakob Winterberg 1633 – 1635 P. Benedikt Hoppler 1635 – 1639 P. Jakob Winterberg ? 1646 – 1648 P. Benedikt Staub (späterer Abt) 1648 – 1651 P. Marian Ryser 1651 – 1652 P. Gabriel Moser 1652 – 1654 P. Nicolaus Göldlin 1655 – 1657 P. Ludwig Mittler 1657 – 1660 P. Nicolaus Göldlin 1660 – 1667 P. Ludwig Mittler 1667 – 1676 P. Johann Breni 1674 – 1676 P. Ignaz Niderist (vermutlich als zweiter Priester) 1676 – 1684 P. Leodegar Gilli 1684 – 1689 P. Gregor Omlin 1688 P. Hiernonimus 1689 – 1691 P. Leodegar Gilli

11 Für das Jahr 1639 wird Rudolf Frei als Pfarrer in Dietikon genannt, vgl. StAZH E II 9, fol. 120 und 122. 12 StAZH A 24.1. 13 StAZH E II 119, fol. 201. In den Bevölkerungsverzeichnissen wird für das Jahr 1678 allerdings ein Pfarrer Namens Johann Jacob Wirz genannt, vgl. StAZH E II 700, fol. 122. 14 StAZH E II 122, fol. 661. 15 StAZH E II 122, E II 126, E II 127a/b, E II 128a–c, E II 129, E II 130. 16 StAZH E II 122, fol. 760. 17 Müller, Rechtsverhältnisse, 1963.

Reformierte und katholische Geistliche

1691 – 1695 1695 – 1700 1700 – 1706 1706 – 1708 1708 – 1709 1709 – 1716

P. Nivard Lusser P. Joachim Kuhn P. Robert Dorer P. Ulrich Wäber P. Heinrich Hegner P. Coelestin Schwaller

Schlieren 18 Reformierte Pfarrer 1588–? Hans Stumpf 19 1589–? Melchior Knopfli 20 1610–? Hans Schädler 21 1622–? Friedrich Bibel 22 23 1634?–1663 Friedrich Bibel 166424/1666 – 169325 Marcus Huber 169426–1712 Wilhelm Simmler Tegerfelden 27 Reformierte Geistliche 1604 Hans Schädler 28 1605 Hans Lux Wydler 29 ? 1632 Felix Murer 30 1637–? Konrad Reutlinger 1650 – 1657 Caspar Brunner 1659 – 1672 Balthasar Diebold 167231–169132 Felix Breisacher

18 StAZH E II 700, fol. 93. 19 StAZH E I 30. 107, Nr. 38. 20 StAZH E I 30. 107, Nr. 38. 21 StAZH E I 30. 107, Nr. 38. 22 StAZH E I 30. 107, Nr. 38. 23 StAZH E II 117, fol. 897. 24 StAZH E I 30. 107, Nr. 38. 25 StAZH E II 118, fol. 42 sowie E II 125, fol. 6. 26 StAZH E II 125, fol. 268. 27 StAZH E II 700, 171. 28 StAZH A. 309, 8. April 1604. 29 StAZH A. 238.1, 21. März 1605. 30 StAZH E II 8, fol. 554 und fol. 677. 31 StAZH E II 119, fol. 483. 32 StAZH E II 124, fol. 96.

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512

Anhänge

169133–1708 Gerold Freitag 1709 – 1712 Hans Jakob Baltischwyler Würenlos 34 Katholische Geistliche 1532?–1551 Johann Hug 1563?–1590 Melchior Lerch von Wasserburg 1590 – 1618 P. Damasus Lienamer (Kaiserstuhl) 1618 – 1633 P. Benedict Hoppler (Langenhart) 1633 – 1648 P. Bernhard Keller (Luzern) 1649 Jakob Kniebiehler (Willisau) 1649 – 1651 P. Thomas Hauser (Salem) 1652 – 1655 Wilhelm Tannemann 1655 Johann Walter Rudminger 1656 – 1659 P. Marian Ryser (Bremgarten) 1659 – 1663 P. Franz Bluntschli (Zug) 1663 – 1664 P. Malachias von Roll zu Bernau 1664 – 1666 P. Alberich Rassmann (Luzern) 1666 – 1682 P. Leodegar Meglinger (Luzern) 1682 – 1688 P. Nicolaus Mändlin (Fribourg) 1688 – 1691 P. Benedict Brandenberg (Zug) 1691 – 1692 P. Osswald Weissenbach (Zug) 1692 – 1702 P. Ursus Schütz (Tirano, Veltlin) 1702 P. Heinrich Hegner (Lachen, Schwyz) 1702 – 1708 P. Ludwig Zurlauben (Zug) 1708 – 1716 P. Ursus Schütz (Tirano, Veltlin) Reformierte Geistliche 1529 – 1533 Marx Brunner 1533 Jakob Stöckli 1533 – 1541 Stephan Rosenheimer 1541 – 1546 Nikolaus Knubli 1546 – 1548 Erhard Wolf 1548 – 1549 Gregor Roggenmann 1549 – 1554 Gregor Lewerer 1554 – 1556 Johann Benedikt Finsler 1556 – 1562 Hans Rudolf Landenberger 1566 – 1567 Josua Wäckerling 1567 – 1585 Konrad Waser 1585 – 1598 Elias Fischer

33 StAZH EII 124, fol. 211. 34 StAZH EII 700, 78 sowie Witschi, Ortsgeschichte, 1984, 666 – 668.

Reformierte und katholische Geistliche

1598 – 1611 1611 – 1620 1620 – 1631 1631 – 1649 1649 – 1656 1656 – 1672 1672 – 1701 1702 – 1710 1710 – 1720

Johannes Lindinner Hans Jakob Werndli Kaspar Erni Felix Tobler Hans Konrad Keller Hans Heinrich Trüb Hans Balthasar Diebold Hans Konrad Meister Johann Wilpert Tobler

Zurzach Reformierte Pfarrer 35 1529 – 1530 Franz Zingg 1530 – 1531 Heinrich Buchter 1531 – 1532 Balthasar Stoll 1532 – 1537 Fridolin Keller 1537 – 1546 Severus Falb 1546 – 1551 Hans Römer 1551 – 1552 Marx Wüst 1552 – 1558 Jakob Bindschädler 1558 – 1563 Bernhard Bertschi 1563 – 1572 Nikolaus Zundel 1572 – 1587 Johannes Schlatter 1587 – 1594 Rudolf Kilchsperger 1594 – 1600 Hans Rudolf Fäsi 1601 – 1609 Hans Heinrich Brennwald 1609 – 1616 Hans Rudolf Sälbler 1616 – 1624 Hans Heinrich Ochsner 1624 – 1632 Christoph Taubenmann 1632 – 1636 Hans Jakob Engeler 1636 – 1668 Hans Ludwig Baltenschwyler 1668 – 1677 Hans Kaspar Huber 1677 – 1679 Ulrich Müller 1679 – 1682 Hans Heinrich Thomann 1682 – 1699 Hans Konrad Teuscher 1699 – 1709 Johann Heinrich Burkhardt 1709 – 1724 Johann Rudolf Burkhart

35 Sennhauser, Ämter, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 604 – 610, hier 607 – 609 sowie Welti, Pfarrer, in: Jahresmappe des Bezirks Zurzach, 1957.

513

514

Anhänge

Pröpste des St. Verena Stiftes 36 1532 – 1546 Jakob Edlibach 1547 – 1553 Georg Manz 1553 – 1562 Heinrich Raner 1563 – 1589 Ludwig Pellegrin (Bilgerin) Edlibach 1589 – 1601 Nikolaus Holdermeyer 1601 – 1611 Paul Schaufelbühl 1611 – 1625 Jakob Müller 1625 – 1642 Dr. theol. Johann(es) Theoderich (Theodoricus) Hermann 1643 – 1657 Gotthard Schmid 1657 – 1662 Johann(es) Honegger 1662 – 1667 Georg Christophorus Schiess 1667 – 1702 Ludwig Heinrich Franz Reding (Biberegg) 1702 – 1767 Karl Joseph Ludwig Bessler (Wattingen) Die katholischen Pfarrer (Dekane) und Pfarrleiter 37 ?–1532 Rudolf von Tobel ?–1542 Peter Paul von Tobler 1542/1543 Wolfgang Prys 1543 – 1553 Heinrich Raner 1553 – 1568 Christophorus Leuchlin 1568 Jakob Ihmenhaber 1572 – 1575 Jakob Forster 1576 – 1586 Kaspar Harter 1586 – 1590 Kaspar Schwerter 1590 – 1591 Johannes Feurer 1591 – 1610? Johannes Schmid 1610?–1616? Mauritius Adler 1617 – 1624 Jakob Waller 1624 – 1635? Johannes Jang 1624?–1634? Kaspar Huwyler ? Johann Melchior Imhof 1635?–1645 Augustinus Dinglikofer 1645 – 1662 Franz Karl Brandenberg 1662 – 1664 Johann Rudolf Schmid 1664 – 1675 Johann Jakob Schmid 1675 – 1678 Joachim Merz von Zug 1678 – 1697 Sebastian Borner 1697 – 1724 Josef Fridolin Bodmer 36 Fischer/Sennhauser, Verenastift, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 165 – 222, hier 209 – 211. 37 Sennhauser, Ämter, in: Sennhauser/Sennhauser/Hidber (Hg.), Geschichte, 2004, 604 – 610.

9 Quellen- und Literaturverzeichnis Die Schweizer Staatsarchive werden in den Anmerkungen wie üblich als StA abgekürzt und mit dem jeweiligen Kantonskürzel versehen (also etwa StAZH für das Staatsarchiv Zürich). Bei sehr umfangreichen bearbeiteten Beständen wie etwa den Ratsmissiven, Abschieden und Ratsprotokollen im Zürcher Staatsarchiv werden nicht die einzelnen Bände aufgelistet, sondern lediglich der erste und der letzte bearbeitete Band. Diese und andere Abkürzungen (etwa ZBZ für die Zentralbibliothek Zürich) sind im Folgenden mit Klammern angegeben. Im Übrigen werden kaum Abkürzungen verwendet, außer EA für die Amtliche Sammlung älterer eidgenössischer Abschiede sowie die verwendeten Zeitschriftensiglen.

9.1 Verwendete Zeitschriften- und Lexikasiglen Annali dell’Istituto storico italo-­germanico in Trento = AnnTrento Archiv für Kulturgeschichte = AKG Archiv für Reformationsgeschichte = ARG Bündner Monatsblatt = BM Central European History = CEH Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde = ELThG German History = GH Geschichte und Gesellschaft = GG Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach = BC Historische Anthropologie = HA History and Theory = H&T Historische Zeitschrift = HZ Historisches Jahrbuch = HJ Ius Commune = IC Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Familienforschung = JbSGF Jahrbuch des Historischen Vereins des Kanton Glarus = JbGL Jahrbuch für Liturgiewissenschaft = JLW Jahrbuch für schweizerische Geschichte = JSG Jahrbuch für Solothurner Geschichte = JbSolG Journal for Modern History = JMH Lexikon für Theologie und Kirche = LThK Mitteilungen des Historischen Vereins des Kantons Schwyz = MHVS Past and Present = P&P Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte = RJKG Sixteenth Century Journal = SCJ Schaffhauser Beiträge zur Geschichte = SchBeitr. Schweizerische Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte = SGWSG Schweizerische Zeitschrift für Geschichte = SZG Schweizerische Zeitschrift für Kirchengeschichte = SZRKG

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte = SZRKG Theologische Literaturzeitung = THLZ Theologische Realenzyklopädie = TRE The Seventeenth Century = SC Tijdschrift voor sociale geschiedenis = TvsG Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit = WZGN Zeitschrift der Savigny-­Stiftung für Rechtsgeschichte (Kanonistische Abt.) = ZRG KA Zeitschrift für Historische Forschung = ZHF Zeitschrift für Kirchengeschichte = ZKiG Zeitschrift für Rechtsgeschichte = ZRG Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte = ZSK

9.2 Internetressourcen Bächtold, Hans Ulrich: Landfriedensbünde, in HLS online, www.hls-­dhs-­dss.ch/ textes/d/D9807.php (Zugriff 07. 01. 2016). Bischof, Franz Xaver: Konstanzer Synoden, in: HLS online, http://www.hls-­dhs-­dss.ch/ textes/d/D27054.php (Zugriff 21. 01. 2016). Brant, Sebastian: Das Narrenschiff, www.ub.unibas.ch/cmsdata/spezialkataloge/poeba/ poeba-002759099.html (Zugriff 21. 01. 2016). Carl, Gesine: Katholik – Lutheraner – Katholik, Rechtfertigungsstrategien und Selbstentwürfe in den Konversionserzählungen von Johannes Ferdinand Franz Weinberger (1687 – 1690) in: Digitale Quellenedition Konversionserzählungen, 2009, www.geschkult.fu-­berlin.de/e/konversionen/einfuehrungen_quellen/einfuehrung_ weinberger/index.html (Zugriff 21. 01. 2016). Dubler, Anne-­Marie: Twing und Bann, in: HLS online, http://www.hls-­dhs.ch/textes/d/ D13697.php (Zugriff 10. 01. 2016). Evangelische Kirchengemeinde Gachnang: Pfarrer Johann Heinrich Lavater, http:// www.ref-­gachnang.ch/D/g_persoenlichkeiten.php (Zugriff 10. 01. 2016). Gutzwiller, Hellmut: Kalender, in: HLS online, http://www.hls-­dhs-­dss.ch/textes/d/ D12812.php (Zugriff 10. 01. 2016). Historisches Lexikon der Schweiz online, http://www.hls-­dhs-­dss.ch/index.php (Zugriff 10. 08. 2011). Holenstein, André: Gemeine Herrschaften, in: HLS online, http://hls-­dhs-­dss.ch/ textes/d/D9817.php (Zugriff 21. 01. 2016). Holenstein, André: Corpus Helveticum, in: HLS online, http://www.hls-­dhs-­dss.ch/ textes/d/D9824.php (Zugriff 30. 01. 2016). Kleinmann, Yvonne: Tagungsbericht. Conversionas Confessional Interaction in Early ­Modern Europe [02. 04. 2009 – 04. 04. 2009, Leipzig], in: H-Soz-­Kult, www.hsozkult.de/ conferencereport/id/tagungsberichte-2721 (Zugriff 21. 01. 2016). Kulturwissenschaftliches Forschungskolleg „Norm und Symbol“ (SFB 485), http:// hsozkult.geschichte.hu-­berlin.de/termin/id=12639 (Zugriff 21. 01. 2016).

Archivalische Quellen

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9.3 Archivalische Quellen Staatsarchiv Aarau, Älteres Archiv (StAAG AA) 683.II Kirchenrechnungen 1659 2407a Tagsatzungsakten, Konfessionelles Villmergerkrieg 2411 Religion Grafschaft Baden 1564 2420 Abscheidts Acta und Beilagen (Kapuziner Baden, 1596) 2509 Abschiede der kathol. Orte, Acta und Beilagen (Diverses) 2815.1.3 Pasquill gegen den Landvogt Grieffenried, 1616 2816.3 Scheltung der Mutter Gottes, 1638 2816.3 Schmähung der katholischen Religion 1592 2824 Kirchensachen 1563 – 1779 2826 Kirchensachen Stift Zurzach 2828 Kloster Wettingen 2829. 1 Birmenstorf Sigristenstreit 2829. 10 Weiningen 2829. 11 Würenlos Beschwerden Kontroversia 1647 2829. 11 Würenlos Sigristenstreit 2829. 11 Würenlos Taufstein 2829. 12 Zurzach 2829. 12 Zurzach Evang. Altar 2829. 12 Zurzach Glochengeläut 2829. 12 Zurzach Priester 2829. 12 Zurzach Taufstein 2829. 2 Dietikon Altar

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Quellen- und Literaturverzeichnis

2829. 2 Dietikon Glockengeläute 2829. 2 Dietikon Nachpredigt 2829. 2 Dietikon Schule 2829. 2 Dietikon Taufstein 2829.3 Pfarrer zu Ehrendingen 2829. 4 Klingnau 2829. 5 Lengnau 2829. 6 Niderwil 2829. 7 Schneisingen 2829. 8 Steinmaur 2829. 9 Endingen Seelsorge 2829. Tegerfelden Kirchenbau Oberamt Königsfelden 449 A Kirchenrechnungen Birmenstorf 683. II (1659) Stadtarchiv Baden A. 11. 11 Kundschaften A.12. 7 Mandate, Taufe A.12. 16 Mandate, Sitten A.12. 18 Mandate, Wirtschaftsleben A.12. 21 Mandate, Juden A. 12. 23 Contagionsmandate A.12. 24 Sitten- und Herbergsordnung A.12. 28 Satzungen und Freiheiten A. 38. 17 Kundschaften A 54. 1 Bruderschaften A 54. 9 Bruderschaftsordnung A 55. 11 Kirchenstühle A 88 Predigt Kapuziner Pfarrarchiv Baden A 01. 4 Pfarrchronik Staatsarchiv Bern (StABE) Missiven und Bücher A III 38 (1583 – 1586) A III 62 (1640 – 1642) A III 67 (1650 – 1652) A III 75 (1671 – 1675) Abschiede, eidgenössische Bücher A IV 30 (FF) Badenbücher 842 Bd. B–857 Bd. R

Archivalische Quellen

Unnütze Papiere Bd. 83 (1560 – 1615) Erzbischöfliches Archiv Freiburg

HA 61 Visitationen aller Landeskapitel, 1581 – 1596

Reformiertes Pfarrarchiv Gebensdorf (RPG) II 6 1 Historica Parrochia Gebistroffensis Pfarrer Johann Altmann II 6 2 Chronik Gebenstorf Pfarrer Meyer 1 II 6 3 Chronik Gebenstorf Pfarrer Meyer 2 II 6 4 Chronik Gebenstorf Pfarrer Meyer 3 Generallandesarchiv Karlsruhe (GLK) 61/7321 Kirchenvisitation in der Diözese Konstanz (1571 – 1586) 82/1806 Einsetzung eines Prädikanten in Baden im Argau (1725 – 1726) 82a/383 Amtsberichte der Obervögte zu Kaiserstuhl und Klingnau an die Regierung zu Meersburg (1533 – 1587). 82a/393 Amtskorrespondenz des Bischofs von Konstanz mit dem Kanzler auf der Reichenau um den Obervogt (1545 – 1587) Staatsarchiv Luzern (StALU) 13. 3362, 13.3363, 13.3364: Taufstein Zurzach, 1605 Bischöfliches Archiv Solothurn (BSO) A 2110 Baden Kirchengesang Konflikt (1760/61) Staatsarchiv des Kantons Zürich (StAZH) Eidgenössisches, Zweiter Kappelerkrieg A. 230. 3 (1531 – 1537) Landfrieden A. 238. 1 Landfrieden (1531 – 1639) – A. 238. 6 Landfrieden (1705 – 1712) Gemeine Herrschaften A. 263.1 Religionsbeschwerden in den Gemeinen Herrschaften (1531 – 1643) A. 263.2 Religionsbeschwerden in den Gemeinen Herrschaften (1644 – 1709) A. 309. Gemeine Herrschaften. Kirchliches: Ev. Gemeinden der Grafschaft Baden (1517 – 1802) A. 313. Gemeine Herrschaften. Kirchliches. Kirchen- und Schuldienst (1551 – 1794) A. 315.1 Gemeine Herrschaften. Politisches. Grafschaft Baden (1373 – 1643) A. 315. 2 Gemeine Herrschaften. Politisches. Grafschaft Baden (1644 – 1664) A. 315. 3 Gemeine Herrschaften. Politisches. Grafschaft Baden (1665 – 1695) A. 315. 4 Gemeine Herrschaften. Politisches. Grafschaft Baden (1696 – 1715) A. 319. 1 Gemeine Herrschaften. Politisches. Klingnau (1408 – 1798) A. 321. 1 Gemeine Herrschaften. Politisches. Zurzach und Kadelburg (1265 – 1737)

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Bistümer und Klöster A. 366.1 Kloster Wettingen (1293 – 1677) A. 366.2 Kloster Wettingen (1678 – 1790) Bücher B I 284 Hans Heinrich Waser Religionsbeschwerden (1643) Ratsmissiven BIV 22 (1560) – BIV 223 (1711) Ratsprotokolle BII 59 (1545) – B II 716 (1712) Instruktionen BVIII 5 (1555 – 1564) – BVIII 22 (1689 – 1693) Abschiede B VIII 101 (1560) – BVIII 172/173 (1712) B VIII 301a: Sammlung von Verträgen, Mandaten, Abschieden B VIII 284 Beschwerden der evangelischen Orte Synodalakten (= Synodalia) E I. 2. 1a (1530 – 1597) E I. 2. 1b (1598 – 1658) E I. 2.2 (1663 – 1720) Pfrundakten E I. 30. 6 Altstetten (mit Tegerfelden) E I 30. 27 Dietikon (1532 – 1700) E I 30. 90 Oetelfingen (auch Würenlos) (1480 – 1791) E I 30. 128 Urdorf (1627 – 1790) E I 30. 107 Schlieren (1498 – 1796) E I 30. 22 Kappel (auch Schlieren) E I 30. 53 Henggart (auch Schlieren) Examinatorenkonvent: E II 8 (1550 – 1634) – E II 40 (1705 – 1718) Fürträge und Bedenken der Geistlichkeit E II 99 (1534 – 1692) – E II 101 (1603 – 1692) sowie E II 107 (1535 – 1754)

Ungedruckte Quellen

Pfrundsachen E II 293: Bericht über die Gemeinden des Rheintals und der Grafschaft Baden (1695) E II 297: Beschreibung der evangelischen Pfrunden in dem Landfrieden E II 304: Umbständliche Beschreibung aller evangelischen Pfrunden in dem Landfrieden (1727) Kirchenpolitische Streitigkeiten E II 308: Vorträge und Abschiede (1370 – 1690) E II 311: Religionsbeschwerden in den Gemeinen Herrschaften (1531 – 1686) E II 312: Landfriedliche Sachen Visitationsakten E II 113 (1640 – 1644) – E II 130 (1710 – 1712) sowie E II 5 (1686 – 1687), Bevölkerungsverzeichnisse E II 700. 78 Oetelfingen/Würenlos (1634 – 1709) E II 700. 93 Schlieren (1634 – 1727 E II 700. 171 Tegerfelden (1634 – 1701/1762) E II 700. 112 Urdorf Dietikon (1634 – 1708) E II 700. 172 Zurzach (1634 – 1730) Druckschriften: I AAb 1: 1 – 2 Mandate Grafschaft Baden (1636 – 1767)

9.4 Ungedruckte Quellen Zentralbibliothek Zürich (ZBZ) A 124b Borromeo, Schmähpredigt B 183 Esel zu Baden B 285 Kirchenangelegenheiten in den Gemeinen Herrschaften A 134 Kalenderreform, Abschiede A 71 Kalenderreform A 90 Kalenderreform B 250 Abschiede zur Kalenderreform Konvertiten zum katholischen Glauben A 124b (Familie Rüegg) A 64 Katholische Bekenntnisformel für Konvertiten B 198 Heinrich Rüegg B 307 Familie Rüegg H 27 Familie Rüegg

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Konvertiten zum reformierten Glauben B 190 Johann Heinrich Friess Kollektaneenband zur Geschichte der Konvertiten B 276 Kopienband zur Zürcher Kirchengeschichte besonders des 16. und 17. Jahrhunderts J 303 Collectanea ecclesiastica et politica Tigurina J 304 Collectanea ecclesiastica et poltica Tigurina J 305 Collectanea ecclesiastica et politica Tigurina J 420 Landfriedliche Sachen Gal. XVII 42 29 bzw. B 190, fols. 451 – 456: Wahrhafte Erzellung […] des in Wien erschallenen Geschreys/betreffend […] Claudius Schobinger […] 1692.

9.5 Gedruckte Quellen Büeler, Franz Michael: Compendium des gemeinen eidgenössischen Rechts (fertig gestellt 1696), in: Zeitschrift für Schweizerisches Recht XVI (1869). Bullinger, Heinrich: Das zweite Helvetische Bekenntnis. Zürich 1966 [orig. 1566]. Bullinger, Heinrich: Der christlich Eestand. Zürich 1548. Bullinger, Heinrich: Reformationsgeschichte, hrsg. von J. J. Hottinger und H. H. Vögeli, 3 Bde. Zürich 1838 u. 1840. Controvers- oder Glaubens-­Streit-­predig/In dem berühmten Schweizerischen Flecken Zurzach / […] Getruckt zu Constanz / Bey Leonhard Parens / hochfürstl. Bischöffl. Hof= Buchtrucker 1721. Cysat, Renward: Collectanea chronica und denkwürdige Sachen pro Lucernensi et Helvetiae /2, 2:1 Abt. Stadt und Kanton Luzern; 2. Bd.; 2. Teil, Collectanea chronica und denkwürdige Sachen zur Kirchengeschichte und zur kirchlichen Reform der Stadt Luzern. Luzern 1977. Forer, Laurentius: Colloquium oder Gespräch zwischen einem Catholischen Bidermann und eine, genannt Reformierten Haechlenmann, 5 Bde. Luzern 1650. Heidegger, Johann Heinrich: Tumulus Tridentini concilii. Zürich 1690. Küssenberg, Heinrich von: Chronik der Reformation in der Grafschaft Baden, im Klettgau und auf dem Schwarzenwalde, in: Archiv für Reformationsgeschichte 3 (1875), 418 – 475. Leemann, Burkhard: Bedenken über den Nüwen Gregorianischen Kalender. Zürich 1584. Montaigne, Michel de: Tagebuch der Reise nach Italien über die Schweiz und Deutschland [geschr. 1581]. Frankfurt/Main 2002. Rotermund, Heinrich Wilhelm: Leben des Magister Ulrich Zwingli. Mit einem Abrisse der Schweizer Reformationsgeschichte und kurzen Nachrichten von den Männern, welche dieselben befördern halfen. Bremen 1818. Schobinger, Claudius: Der Schlimme Alchymist. Zürich 1699. Schobinger, Claudius: Schriftmaeßige Waag-­Schaale. Zürich 1695. Simler, Josias: Regiment loblicher Eydtgnoschafft. Beschriben und in zwey Bucher gestellt von Josias Simler, Christoffel Froschauer. Zürich 1576. Strickler, Johannes (Hg.): Actensammlung zur Schweizerischen Reformationsgeschichte in den Jahren 1521 – 1532, 5. Bde. Zürich 1878 ff.

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10 Sach-, Orts- und Personenregister Soweit Stichworte über Kapitelüberschriften auffindbar sind, wurde auf entsprechende Einträge im Register überwiegend verzichtet.

A Aadorf 388 Aarau  58, 76, 97, 123, 292, 509 Aargau  70, 119 – 121 Abendmahl  135, 239f., 242 – 244, 246 – 249, 252, 264, 319, 342, 344, 408f. Ablass, Ablasshandel, Ablasspredigen  252 – 257, 293 Abraham Dünz I. (1630 – 1688), Werkmeister 78 Abt von Wettingen (s. Wettingen, Abt von) Abtei St. Gallen (s. St. Gallen, Abt von, Abtei) Ad referendum nehmen (s. heimbringen) Agnes (um  1281 – 1364), ungarische Königin 131 Altar  14f., 18, 44, 158, 170 – 172, 192, 242, 252, 256, 312, 397 – 402, 405, 407 – 411, 415f., 418f., 421, 433f., 437f., 440, 448 – 471, 475, 477f., 482 – 84, 491, 494, 496 Altes Reich  17, 31, 40, 50, 102, 104, 110f., 117, 119f., 144, 151, 157, 178, 200, 210, 216, 231, 233, 291, 295, 298, 383, 387f., 395, 496f. Altmann, Johannes, ref. Pfarrer  136, 509 Altstätten 379 Anathem  310, 329 Andreas von Österreich (1558 – 1600), Konstanzer Kardinal und Bischof  317 Apostat  303, 306, 317, 330f., 365, 385, 391 Apostel  342, 401, 407, 273 Appellation  71f., 80, 106, 125, 127, 504 Appenzell, eidgenössischer Ort  59, 72f., 89, 94, 103f., 110, 113f., 116, 156, 190, 196f., 239 – 252, 278, 423 Appenzeller, Jakob, ref. Pfarrer  239, 243 – 247, 278 Artherhandel  195, 199 Au 379 Augsburg  17, 31, 185, 297 – 299, 372, 391 Augsburger Religionsfrieden  32, 151, 161, 165, 321 Ausdifferenzierung, Differenzierungsprozesse  14f., 17 – 19, 39, 191, 210, 214, 338, 392f.,

403, 457, 468, 484, 488 – 491 (s. a. Grenze, konfessionelle) B Bachmann, Christoph, Abt des Klosters Wettingen  175, 258, 474, 476 Baden, Kleinstadt  125, 127, 169, 260, 292, 297f., 323 Badener Landvogt (s. Landvogt, Badener) Badener Landvogteischloss (s. Landvogteischloss, Badener) Badener Disputation  76, 159 Badener Vertrag  107, 116 – 118., 198f. Baltenschwyler, Ludwig, ref. Pfarrer  262f., 448, 450f., 453f., 456, 464 – 466, 468, 470f., 513 Basel, eidgenössischer Ort  72, 103 – 105, 107, 133, 156, 160, 187, 190, 196f., 199, 251, 267, 314, 319, 369, 386 Bekehrungspredigt 237 Bergdietikon  129, 285 Bern, Abschiedsbuch  245, 407 Bern, eidgenössischer Ort  13, 24, 42, 58f., 65 – 67, 71f., 78f., 88., 92, 103 – 106, 119 – 121, 123, 131, 134, 136 – 138, 145, 155f., 158 – 160, 165, 169, 171, 175, 179, 182, 187, 189f., 195 – 198, 204f., 226, 234, 240, 250f., 277, 280 – 284, 313, 318, 322, 415, 446, 449 – 452, 454 – 457, 463, 471, 483, 487, 495, 499 Bern, Chorgericht  134 Bern, Kirchenzucht  37 Bern, Kollator  461 Bern, Schriftlichkeit  75 Bernerhaus 78 Beroldingen, Franz Sebastian von, Guardian des Kapuzinerklosters Baden  333f., 346f. Bibel, Friedrich, ref. Pfarrer  135f., 511 Bibel, Bibelstellen (s. Heilige Schrift) Biel  73, 105, 156 Bikonfessionalität  20, 59, 161, 206f., 269, 286, 421, 480, 489

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Sach-, Orts- und Personenregister

Bild, Bildtafeln  44, 158, 235, 255 – 257, 261f., 272, 398, 400f., 407, 434, 482 (s. a. Gemälde) Bilderkult  261, 276, 293, 490 Bildersturm, Bilderstürmer  105, 157, 257, 261f., 293, 400, 404, 407, 409, 490 Bildgötzen  257, 400 Bischof von Chur (s. Chur, Bischof von) Bischof von Konstanz (s. Konstanz, Bischof von) Bittschrift  71, 74, 125 Blasphemie  216, 219f., 224 Blasphemieverbot 224 Blum, Hans, Zeuge im Prozess gegen den Pfarrer Jakob Appenzeller  243 Bodin, Jean (1529/1530 – 1596), Staatstheoretiker  99f., 103 Bonhomini, Giovanni Francesco (1536 – 1587), apostolischer Nuntius  307, 314f. Boppelsen  170, 424 Borromäus, Karl (1538 – 1584), Kardinal und Erzbischof von Mailand  178, 307, 312, 420, 433, 477 Brandt, Sebastian (1457 – 1521), Autor des Narrenschiffs  307 Brehm, Heinrich, Bürgermeister von Zürich  419 Breitinger, Johann Jakob, Antistes der Zürcher Kirche  142, 356, 365, 377, 450f., 453, 456 Bremgarten  122f., 156, 198 Brennwald, Hans Heinrich, Zürcher Diakon  339 Buchelius, Arnoldus, Anwalt und Tagebuchschreiber aus Utrecht  26 Bulle Benedictus Deus  311 Bulle Inter gravissimas  185 Bullinger, Heinrich (1504 – 1575), Reformator und Antistes der Zürcher Kirche  42f., 57, 154, 184, 266, 271, 291, 373, 374 – 376, 379, 281 Bündnisgeflecht, eidgenössisches  70, 72, 94 Burgrecht  73, 155 Bußsakrament (s. a. Ehesakrament, Sakrament, Taufsakrament)  253 C Calvin, Johannes (1509 – 1564), Theologe und Reformer  254f., 260f., 328, 418 Chorgericht  117, 134, 136f., 207

Chorraum  397 – 402, 407 – 409, 420, 441, 448 – 452, 475, 477, 482 Chorschranken  401, 496 Chur, Bischof von  498 Christliche Vereinigung  156 Clemens VIII. (1536 – 1605), Papst  347f. Collegio Romano  348 Cuius regio, eius religio  160, 323, 395 D Dättlikon 308 Defensionale 106 Dekrete, Reformdekret, Konzilsdekrete  309 – 315, 328 – 331 Desakralisierung  14, 213, 426, 494 Devianz, religiöse  391 Diebolt, Balthasar, ref. Pfarrer  286 – 289 Dietlikon 308 Differenz, konfessionelle  14 – 16, 18f., 25f., 29f., 32, 42, 44, 47, 49, 55, 61 – 63, 109, 146, 163, 185, 187, 192, 211 – 213, 221, 231, 234 252, 254 – 256, 258, 273, 295, 299, 338, 341, 376, 378f., 385, 392 – 394, 399, 412 – 414, 422, 436, 457, 468f., 475, 480, 483f., 487, 489f., 492f., 503 – 506 Differenzherstellung, kommunikative  51, 178, 210, 212, 221, 226 Dinkelsbühl 31 Dispensation 134 Dissens, religiöser  100, 161, 189, 212f., 265, 274, 283f., 290, 295, 371, 502 Dissimulation 44 Distanzmedien  47, 98, 145, 278, 281f., 288, 449, 502 Distinktion, räumliche  400 Disziplinierung (s. Sozialdisziplinierung) Dogma, dogmatisch  36f., 178, 226, 229f., 233, 240, 244, 148, 251 – 253, 256, 309, 339, 476 Dorfverband  274 – 276, 294f., 361, 363, 489 Drei Bünde  73, 157, 390, 498 E Edikt von Nantes  32, 161 Eggenwyl 156 Ehe, gemischtkonfessionelle  40, 299, 372, 375 – 377, 390 Ehesakrament  310 (s. a. Bußsakrament, Sakrament, Taufsakrament) Ehre, politische  113, 276, 295 Ehre, Wiederherstellung der  269, 276, 288

Sach-, Orts- und Personenregister

Ehrsemantik  113, 503 Ehrverletzung  66, 276, 286 Einsiedeln  272, 388 Elsener, Hans Heinrich, kath. Landvogt  382f. Emotionen  301f., 345 – 352, 355, 393f., 492 Epistel Petri  247 Erlach, Johann Ludwig, von (1595 – 1650), Söldnerführer und General  197 Ernst, Matthias, Sigrist  363f. Escher, Hansen, Seckelmeister und Gesandter Zürichs  412, 414 – 416 Escher, Heinrich, Gesandter und Bürgermeister  88, 90 Escher, Salomon, ref. Landschreiber  54 Escher, Johannes, ref. Landvogt  398 Eucharistieverständnis  252, 293, 490 Examinatoren, Examintorenkonvent  57f., 139, 176, 184, 318f., 324 – 326, 341 – 344, 358 – 361, 424f. F Farnese, apostolischer Nuntius  370 Fasten  155, 323, 336, 381 Feier- und Festtage, katholische  56, 186f., 191, 197, 229, 340, 451 Ferdinand I. (1503 – 1564), Erzherzog von Österreich 156 Fleckenstein, Heinrich Landvogt  157, 306, 466 Flüe, Melchior von, kath. Landvogt  317, 321 Flüe, Nikolaus von, Abt von Wettingen  476 Frankreich  105, 116, 151, 198, 297, 299, 387 Frauenfeld  76, 123, 323f., 444 Freiburg, eidgenössischer Ort  72, 113, 190, 196, 199, 324 Freitag, Gerold, ref. Pfarrer  136, 512 Freitag, Jacob, ref. Pfarrer  377 – 381 Fresken 407 Frey, Hans, Zeuge im Prozess gegen den Pfarrer Jakob Appenzeller  243f. Frey, Johann Caspar, Chorherr  307, 315 Frey, Johannes, Konvertit  319, 321, 323 – 338, 345 Fronleichnam, Fronleichnamsfest, Fronleichnamsprozession  71, 191f., 347 Füssli, Heinrich, Zuckerbäcker  344 G Gelächter  211, 214, 264, 266, 292f. Gemälde  18, 256, 398, 400f., 403, 477 (s. a. Bild)

Gemeindemehr  106, 139, 157f., 163, 461 Gemeindereformation 159 Gerhard von Wettingen, Abt  398 Gerichtsbarkeit  122, 125, 127 – 131, 133, 135, 139, 199, 207, 388 (s. a. Niedergerichtsherr) Gesandtschaft  82f., 105, 417 – 423, 450, 452, 501 Geschlechteranthropologie  317, 320 Geschlechterdiskurs 378 Geschlechterhierarchie  375, 379, 382, 387 Geschlechterordnung  299, 305, 373, 375f., 379, 382, 386f., 394 Gestaltungsrecht  193, 405, 407, 477 Gesten, Gebärden  83, 115, 236f., 261, 266 Gewissen  110, 181, 186, 272, 318, 325, 333 – 335, 338 – 352, 342f., 346, 352, 357, 375, 379, 381, 383, 385, 387, 389, 394, 396, 423 Glarnerhandel  34, 292 Glarus, eidgenössischer Ort  13, 59, 67, 71, 88f., 94, 97, 116f., 120, 123, 134, 138, 145, 156, 179, 187 – 189, 196, 205, 234, 277, 283, 285, 313, 322, 437, 446, 463, 495, 499 Glaubensbekenntnis  36, 43, 132, 161, 251, 256, 260, 273, 285, 291, 319, 323, 327, 343 – 345, 364, 381, 383, 385, 389f., 395 Glaubensdifferenzen  27, 29f., 386 Glaubensgenossen  123, 422, 451, 479 Glaubensnorm  15, 498 Glaubensspaltung  31, 95, 406 Gleichnis  242 – 244, 248f., 270 Glocken, Glockengeläut  174, 197, 363, 365, 367, 408, 454 Gotteslästerung (s. Blasphemie) Graffenried, Kaspar von, ref. Landvogt  65f., 432 Grasthalter, Zeuge im Prozess gegen den Pfarrer Jakob Appenzeller  243 Gravamina  58, 141, 145, 354 Grebel, Hans Georg, Junker  425 – 427, 432 Gregor XIII. (1502 – 1585), Papst  185 Gregoriansischer Kalender (s. Kalender, gregorianisch) Grenze, konfessionelle  15 – 17, 39, 43, 61, 98, 260, 302, 306, 335, 338, 352, 373, 376, 391f., 395, 422, 435, 465, 492f. Großmann, Konrad, Gesandter Zürichs  412 Gustav II. Adolf (1594 – 1632), König von Schweden 117

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Sach-, Orts- und Personenregister

H Habit  329, 334 Habsburg  119 – 121, 127f., 130 – 132 Häresie, Häretiker  23, 307, 376 Heilige Schrift, Bibel  231, 243, 245 – 248, 255, 258, 263f., 342, 344 Heiliges römisches Reich deutscher Nation (s. Altes Reich) Heimbringen, ad referendum nehmen  84, 86, 92f., 188 Helvetisches Bekenntnis, Zweites  291, 293 Herkommen  104, 118, 149, 166, 283, 368, 411, 456, 460, 479 Herrschaftsintensivierung, Intensivierung der Landeshoheit  52, 69, 128 – 130, 132 154, 168, 491, 497 Herrschaftspraxis  19, 47, 54, 65, 67 – 69, 205, 290, 412, 487, 498, 499f. Herrschaftsrechte  60, 69, 124, 128, 131f., 138, 147, 366, 434, 495 Herrschaftsstrukturen  68, 128, 144, 163, 168, 410, 422, 429, 436, 438, 451, 457f., 487, 491, 493, 500 – 502 Hirte (Metapher)  246, 253, 258f., 310, 361f., 377f. Hirzel, Salomon, Zürcher Gesandter  201, 346, 479 Hohenems, Mark Sittich von (1533 – 1595), Fürstbischof und Kardinal  313 Holzhalb, Leonhard, Zürcher Ratsmitglied  416, 419 Hoppler, Benedikt, kath. Priester  424, 428f., 510, 512 Hostie  239, 252, 347, 402, 433, 441, 445, 448 Hottinger, Johann Heinrich, ref. Theologe  234, 339 Huber, Hans Kaspar (Caspar), ref. Pfarrer  265 – 269, 508 Hugenotten  27, 30 Huldigung  126, 479 Huldigungseid 126 Hus, Jan, Theologe, Prediger und Reformer (um  1369 – 1415)  254 I Immer, Abraham von, Geistlicher  159 Inklusion, Exklusion  41, 97f., 301, 327, 427, 429, 434, 449, 485, 503

Institutionalisierung  60, 70, 166, 233, 318, 354, 482, 499, 500 Ius reformandi  151, 161, 395 J Jahrrechnungen  75, 92, 124 Jost am Rhein, kath. Landvogt  479 Jud, Leo, Reformator (1482 – 1542)  164 K Kadelburg  122, 158, 390 Kaiser, Jakob, Pfarrer  156 Kaiserstuhl  121, 159, 169, 460, 467 Kalenderreform  185 – 192 Kalender, gregorianisch  13, 57, 185 – 191, 200 Kalender, julianisch  13, 185, 188f. Kanzlei  55, 126, 166 Kapelle  404f., 408, 420, 471 – 482, 491 Kappeler Milchsuppe  42 Kappelerkrieg, Erster  23, 42, 156, 293, 469, 490 Kappelerkrieg, Zweiter  23f., 60, 160, 168, 202, 231, 250, 265f., 293, 469, 490 Kapuzinerkloster  78, 197, 260, 324, 331, 337, 340f., 351, 364 Karlstadt, eigentlich Andreas Rudolf Bodenstein (um  1486 – 1541), Reformator 261 Katechismus  144, 164, 472, 483 Keller, Bernhard (1649 – 1659), Abt von Wettingen 478f. Keller, Bernhard, Pfarrvikar  252f., 255, 257f., 363 – 367, 438 – 343, 512 Keller, Christoph, kath. Untervogt der Grafschaft Baden  416, 428 Kellerin, Eeßbethen, Ehemann Martin Rhym  384 – 87 Kesselring, Johan Christoph, ref. Pfarrer  385f. Kesselring, Kilian, Schreiber im Zürcher Ehegericht 385 Killwangen  129, 285 Kirchen- und Kultusordnung  408 Kirchennutzung  14, 57, 193, 202, 404, 461, 472, 491 Kirchenrechnung  174, 257f., 369, 404, 424, 426 Kirchenschlüssel  368, 406, 441, 445, 450, 453 Kirchenstühle 192 Kirchenzierden 172 Kirchenzucht  37f., 136, 302, 482, 497

Sach-, Orts- und Personenregister

Klerus  309, 311, 313f. Klingnau  121f., 126f., 130, 157 – 159, 169f., 179, 182, 277f., 304, 452, 460, 464 – 467, 470 Kloster Wettingen  128, 173, 175, 178, 285, 426, 429, 436, 474 Kloster Tänikon  388 Klosteraustritt  328f., 333 Klostereintritt  329f., 341, 349 (s. a. vim et metum) Klotz, Hans, Maurermeister  474 Kohler, Lambert, Goldschmied  398 Kollator  18, 56, 117, 129, 153, 164, 173, 175, 424f., 461,474 Konfessionelle Ambiguität  26, 41, 44, 222, 312, 506 Konfessionelle Eindeutigkeit  19, 42 – 44, 68, 87, 146, 187, 212, 221f., 232f., 256, 490 Konfessionsbildung  34 – 36, 178, 393, 497 Konfessionskirchen  36, 44, 311, 340, 498 Konfessionspolitik  16, 27, 34, 41, 47, 61, 63, 152, 194, 210, 231, 296, 299, 304f., 313, 321, 355, 373, 376, 382, 387, 394, 488, 493 Konfliktforschung  33, 496 Konfliktlösung  19, 34, 112f., 118f., 457, 461, 463, 466f., 470, 494, 503, 505 Königsfelden, Kloster  128, 131, 138, 280f. Konkubinat  309 – 311, 314 – 317 Konkubine  307f., 311, 314 – 317, 320 Konsens  30, 33f., 42, 45, 49, 82, 86, 91, 102, 110, 188f., 330, 412, 416, 451, 457, 495f., 503, 506 Konsistorium, Konsistorien  36, 44, 132f., 135 Konstanz, Bischof von  117, 121, 128, 130, 133f., 163, 171, 317, 384, 460, 464f., 467f. Konstanz, Bistum  127f., 130, 133, 139, 157, 163, 311 – 313, 465 Kontingenz, kontingent  50 – 52, 69, 168, 209f., 327, 338, 393, 497, 499 Kontroverspredigten  214, 233f., 295 Konversionsnarrativ  330, 340 – 342, 351 Konversionspolitik  63, 294, 299, 304, 323, 334, 336, 353, 356, 491 Konversionspraxis  63, 139, 271, 299f., 304f., 318, 323f., 332, 354, 360f., 363, 373, 376, 381, 383f., 392f., 395, 491, 493 Konversionsrecht  139, 161 – 163, 169, 176, 180f., 287, 299, 305, 352f., 355, 359f., 381 – 383, 391, 395, 491, 493

Konzil von Trient (1545 – 1563)  69f., 178, 186, 234, 239, 254, 309 – 314, 328 – 330, 354, 397, 401, 409, 415 Kreuzigung  229, 407 L Landeshoheit  69, 121, 129f., 132 Landesobrigkeit  106, 124, 129, 458 Landvogt, Badener  54, 62, 66f., 70f., 76, 78, 80, 88, 109, 120f., 123 – 128, 131, 135, 146, 157, 163, 179f., 185, 187 – 190, 193, 202, 216, 220, 224 – 229, 241, 245, 250, 255f., 281 – 284, 296, 304, 306f., 315f., 320 – 322, 367, 398, 406, 415f., 432, 438, 440, 442 – 447, 450, 452 – 454, 456, 458 – 461, 463, 465f., 472f., 475, 478f., 481f., 501 Landvogteischloss, Badener  11, 53, 78, 125 Lavater, Heinrich, Zürcher Stadtschreiber  136 Lavater, Ludwig (1531 – 1586), Zürcher Stadtpfarrer  137, 191 Leemann, Burkhard (1531 – 1613), Autor  186f. Lehrmeinungen, theologische  231, 233, 238 – 241, 244, 246, 248 – 251, 254, 256, 259f., 266, 268, 293, 306, 328, 337, 341, 357, 476, 490 Leichenpredigt 286 Lengnau  128, 169, 304, 404 Lermann, Hans Jakob  390 Lermann, Martin  390 Leuggern  121f., 127f., 133, 169 Limmatstadt (s. Zürich) Luther, Martin (1583 – 1546), Theologie­ professor und Reformator  239f., 254f., 260f., 264, 328, 352 Luzern, eidgenössischer Ort  13, 42, 54f., 67, 71, 76f., 79, 92, 96f., 102, 105, 110, 113 – 116, 119f., 123, 138, 145f., 156, 178, 189f., 210, 228, 258, 260, 280, 287, 300, 312, 315, 318, 322, 324, 346, 369, 381f., 388, 391, 413, 416 – 418, 421f., 428 – 432, 443f., 446f., 451 – 456, 459 – 463, 466, 495, 499, 503 M Machtmissbrauch 65 Matrimonial- und Ehesachen  117, 134 Medien  29, 49f., 85, 98, 145, 256f., 333, 346, 400 Mehrebenenkonflikt  19, 21, 63, 413 Meinungsbildung  73, 81, 83, 86 – 88, 90, 96, 98f., 114f., 145, 449, 473

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Sach-, Orts- und Personenregister

Mellingen  122f., 198, 251 Messe  105, 157, 162, 169 – 171, 179, 229, 239, 266, 314, 379, 384, 390, 394, 409, 443, 448, 452, 467, 469, 473, 484 Messe, Wiedereinführung der  162f., 169 – 171, 384, 484 Militärallianz, militärische Zusammenarbeit  74, 196, 198, 292 Miller, Jakob, Konstanzer Domprediger  316 Minderheitenschutz  162, 171, 207 Misstrauen  97, 505 (s. a. Vertrauen) Mönchsgelübde  327f., 337, 344 Montaigne, Michel de (1533 – 1592), Politiker und Jurist  297f., 391 Mülhausen  73, 105, 156 Mühlheim 384 Müller, Georg, Abt des Klosters Wettingen 158 Müller, Heinrich, ref. Gläubiger  424f., 432 Müller, Sebastian, kath. Landvogt  440, 443 – 445 Mundtwyl, Hans von, Zeuge im Prozess gegen den Pfarrer Jakob Appenzeller  242f. Myconius, Oswald (um  1488 – 1552), Reformator 267 N Narrativ, emotionales  346f., 349, 351, 355, 394 Narrativ, politisches  43f., 47f., 61, 64, 153, 392 Neuenhof  129, 285 Neuerung  18, 88, 136, 164, 186, 194, 201, 204, 370f., 405, 411f., 430, 433, 436, 439, 448f., 453 – 455, 466, 469f., 479f., 483, 491, 504 Niedergerichtsbarkeit  127, 130 (s. a. Gerichtsbarkeit) Niedergerichtsherr  69, 88, 121, 128f., 132, 285, 304 Normdurchsetzung 500 Novize 330 Nuntiatur, päpstliche  138, 178, 311f. Nuntius  133, 175, 307, 314f., 370f. O Ob- und Nidwalden  71, 91, 187 Oberriet  377, 379 Oekolampad, Johannes (1482 – 1531), Humanist, Theologe und Reformator 260f. Oetelfingen  170, 174, 258

Offenbarung  263f., 293, 490 Opferstock  440, 443, 477 Ordnungsgefüge  20, 48, 60, 421, 427, 453, 483 Ostern, Ostermontag  186, 191, 202, 224, 234, 239f., 244 – 247, 249f., 255, 262, 271, 369, 380, 439, 473 P Pasquill  65 – 67, 432 Pater Adam (s. Frey, Johannes) Pater familias  305, 373, 382 Patria potestas (s. Verfügungsgewalt) Pension, Pensionswesen  102f. Performanz  14, 47, 238 Petrus Martinez von Osma  254 Pfarramt  136, 288 Pfarrhaus  130, 169, 175 – 177, 266, 314f., 340, 359 – 361, 424 Pfrund  57, 130, 163, 169, 172 – 175, 194, 227, 250, 257, 289, 306, 316, 321, 345, 464 Pfrundinhaber (s. Kollator) Pfyffer, Leodegar, kath. Landvogt  381f., 386, 413 – 415 Pius IV. (1499 – 1565), Papst  292 Platter, Thomas (1499 – 1582), Humanist  266 Pluralität  18, 20, 23f., 29 – 32, 34, 39f., 61, 146, 293, 304, 338, 340, 372, 382, 393, 492f. Praxis pietatis  213, 272 Präzedenzfall  150, 166, 183, 485 Predigerwürde 236 Predigtamt  158, 246, 252, 266, 319, 344 Predigtinhalt  228, 230, 241, 246 Predigtlehre 237 Predigtstil 236f. Predigtstörung 238 Predigtrezeption  221, 239, 245 Presbyterien 133 Priesterseminar 313 Profanisierung 429 Profess  323, 327 – 390 Prolongationsprinzip 181 Proselyten  57, 317 – 319, 325 – 27, 340f., 354 Proselytenkammer  318, 354 Protestantismus  180, 197, 240, 299, 304, 322, 339f., 345, 351, 355, 360, 372, 383, 391, 395, 491f. Prozession  174, 191, 230, 255f., 293, 347, 490 Posttridentinisch  254, 310f., 330, 401f, 475

Sach-, Orts- und Personenregister

R Rahn, Johann Heinrich, Bürgermeister in Zürich, Ehrengesandter  203, 275, 450 Rapperswil  122, 139 Ravensburg  31, 170 Rechtsfortbildung  164, 166, 480 Rechtsprechung  125, 138, 215 Redinger, Jakob, ref. Pfarrer  143, 201, 274, 408, 472 – 475, 478 – 481, 510 Referenzwerk  194, 205, 286, 436, 488, 500 Reform, katholische  35, 60, 187, 287, 292, 311 – 314, 324, 410 Reichsstadt  17, 31, 71, 297 – 299 Rekatholisierung  13, 35, 129, 161, 169, 172, 323, 353, 392, 491 Religionskriege, französische  27f., 297 Religionsvertrag 429 Respekt  25, 42, 108, 115, 221, 225, 258, 276f., 294, 412, 420, 422, 445f. Revokationspredigten 332 Rhätien 73 Rheintal  114, 116f., 121, 134, 149, 198, 377, 380, 384 Rhym, Martin, Ehemann von Eeßbethen Kellnerin  384 – 386 Rhynerin/Rhyner, Verena  377 – 384 Ricci, Bartolomeo, Jesuit  348 Rigert, Hans Martin, kath. Landvogt  454 – 459, 462f. Rohrdorf  122, 125, 127, 156, 169 Rossmann, Alberie, Konventuale des Klosters Wettingen 270f. Röteln, Schloss  130, 460 Rott, Rudolf, Konvertit  363 – 367, 370 Rottweil 73 Ruchrath, Johannes  254 S Sakralitätskonzept  491, 494 Sakralraum  32, 113, 400, 404 – 407, 410, 416f., 419, 426, 429f., 436f., 439, 447, 476, 481f. Sakrament  14, 226, 239f., 245, 272, 328, 342, 352, 414, 422 (s. a. Bußsakrament, Ehesakrament, Taufsakrament) Säkularisierung  14, 226, 239f., 245, 253, 272, 310, 328, 342, 344, 352, 414, 418, 420, 422, 441 Sargans  121, 149, 184 Schaffhausen, eidgenössischer Ort  72, 103f., 107, 156, 160, 187, 190, 196f.

Schleuninger, Jakob, Konvertit  179, 181, 292 Schlieren  127, 129, 135, 143, 156, 169, 171, 285, 507, 511 Schlininger, Johannes, kath. Priester  182 Schmid, Hans, Zeuge im Prozess gegen den Pfarrer Jakob Appenzeller  243 Schmid, Dekan  265, 267, 269 Schmied von Baar, Peter (1594 – 1633), Abt des Klosters Wettingen  424, 432 Schmid, Conrad, Geistlicher  261 Schmidt, Johann Jacob, Zürcher Ratsherr 476 Schneeberger, kath. Landvogt von Baden  255, 460, 467 Schneeberger, Ludwig, Zürcher Gesandter  463, 476 Schobinger, Claudius, Konvertit  233, 319, 338 – 352, 394 Schobinger, Wilhelm, Vater des Konvertiten Claudius Schobinger  349f. Schreiber, Gerichtsschreiber  53f., 77, 89 – 92, 104, 126f., 136, 146, 149f., 166, 182, 272, 275, 292, 307, 315, 385, 406, 428 – 432, 435, 460, 479f. Schriber, Hans, Zeuge im Prozess gegen den Pfarrer Jakob Appenzeller  242 Schriftlichkeit  75, 81f., 84, 145, 235 Schriftprinzip  263, 293, 490 Schüepp, Hans, Zimmermann  474 Schufelbühl, kath. Statthalter und Untervogt  450, 459, 461 Schweizerischer Bauernkrieg  34, 195f., 199 Schwerter, Caspar, Konvertit  306 – 323, 325 Schwyz, eidgenössischer Ort  13, 42, 59, 67, 71, 73, 89, 91, 95, 105, 120, 123, 166, 189, 288, 322f., 430, 444, 457, 499 Sebastian, Heiliger  407 Selbstverständnis, politisches  108, 205, 280, 284, 443 Selbstverständnis, konfessionelles  15, 305, 319f., 339, 342, 349, 351f., 355, 423 Siggenthal, Amt  121f., 127 Sigismund von Luxemburg (1386 – 1437), König und Kasier  120f., 123 Sigrist  174, 251, 286, 340, 363 – 371, 441, 445, 452, 472 Sigristenamt  99, 172, 174, 362 – 371 Simler (od. Simmler), Josias, ref. Theologe und Zürcher Gelehrter  72, 76, 79, 81, 95

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Sach-, Orts- und Personenregister

Simultaneum, Simultankirche, Simultaneum reale  57, 151, 162, 169 – 171, 194, 214, 401, 404, 409, 471 – 482, 491 Simultankirchenbildung  171, 178, 208 Sittengerichte 134f. Sittenzucht  37, 60, 69, 132 – 137 Sitzordnung 79 Sola scriptura  238, 246, 263, 342 Solothurn, eidgenössischer Ort  72, 113, 190, 196, 199 Souveränität  92, 100, 103, 151, 160f., 166, 196 Sozialdisziplinierung  36 – 38, 134, 137, 139, 259, 354, 497 Sprechakt, Sprechakttheorie  216 – 223, 227, 232, 239, 244, 252, 255, 259f., 273f., 276, 292 – 295, 490 Spreitenbach  127, 129, 139, 169, 285, 404f., 408, 424, 471 – 82, 484, 491 St. Blasien  128, 130, 452 St. Gallen, Abt, Abtei  73, 110, 113 – 117, 133f., 421, 423 St. Gallen, Stadt  73, 105, 156, 377 St. Lorenzo da Brindisi (1559 – 1619), Kapuziner 347 Staatsbildung, Staatsbildungsprozess  28f., 35, 37, 41, 69, 125, 132, 497 – 501 Stanser Verkommnis  72, 94 Staretswil  129, 285 Statthalter  78, 83, 127, 259, 388, 450, 453f., 456, 458 – 61, 467f., 479 Steinegger, Benedict, ref. Pfarrer  279 – 281, 284, 509 Steinfels, Esther, Ehefrau Schobingers  344 Stift, Chorherrenstift  128, 130, 161, 170, 173, 307, 315f., 322, 406f., 410, 414, 451f., 454, 460f., 468 Stiftsherren  418, 420 – 422, 469 Stillstand, Stillstandsgericht  117, 134 – 137, 466 Strafmaß  224, 227, 284f., 314 Stucki, Hans Rudolf, ref. Pfarrer  356 – 359, 361, 509 Stumpf, Johannes, Chronist  154, 158, 511 Sui ipsius interpres  246 Synode, Kirchensynode  58, 133, 139, 141, 207, 253, 313, 329, 354, 356, 377, 384, 407, 498 T Tagsatzungsgeschäft  74, 84, 289, 292 Tänikon, Kloster  388

Tannemann, Wilhelm, Zurzacher Chorherr  202f., 262 – 265, 512 Taufsakrament (s. a. Bußsakrament, Ehesakrament, Sakrament)  418, 420, 422 Temporisieren  63, 181 Tetzel, Johann (um  1460 – 1519), Dominikanermönch und Ablassprediger 254 Thomas von Aquin (um  1225 – 1274), Dominikaner, Theologe und Philosoph  236, 328 Thurgau, Gemeine Herrschaft der Alten Eidgenossenschaft  14, 104, 108f., 114 – 117, 121, 133f., 136 – 138, 149, 155f., 173, 178, 183f., 188, 190, 193, 198, 200, 213, 230, 300, 323, 354, 381 – 384, 386, 388f., 409, 411, 424f., 435, 481 Tobler, Felix, ref. Pfarrer  252 – 259, 365f., 438 – 42, 445f., 513 Tobler, Johann Wilpert, ref. Pfarrer  473, 476, 478, 510 Tolerare 21f. Tränen 347f. Transsubstantiationslehre  226, 242, 252, 276 Tridentinum (s. Konzil von Trient) Trüb, Hans Heinrich, ref. Pfarrer  256, 270f., 273, 397 – 400, 447, 513 Tscharner, David, Berner Landvogt  188, 190 Tschudi, Aegidius (1505 – 1572), Historiker und Politiker  172 U Unterwalden, eidgenössischer Ort  13, 42, 67, 105, 120, 123, 187 – 190, 321, 430, 444, 499 Urban VIII. (1568 – 1644), Papst  370 Urdorf  122, 130, 135, 139, 142, 144, 176, 229, 340, 356, 360, 424 – 426, 428, 432, 473, 476, 507, 509f. Uri, eidgenössischer Ort  13, 42, 67, 71, 89, 91, 105, 120, 123, 128, 189f., 382, 417, 430, 444, 460f., 499 V Verbalinjurien  66, 224 Verenakult 406 Verenastift  322, 406, 410, 414, 454 Verfügungsgewalt  305, 373, 379, 381, 383f., 387, 394 Verrechtlichung  19, 35, 37, 119, 210 Verschriftlichung 90f.

Sach-, Orts- und Personenregister

Vertrauen  93, 131, 147, 263, 267, 279, 285, 417, 432, 443, 450, 462, 504f. (s. a. Misstrauen) Vetorecht  101, 109 Villmergerkriege  202, 265, 293, 490 Vim et metum  329f. (s. a. Klostereintritt) Visitation  36, 44, 58, 129, 132, 135, 139 – 144, 306f., 314 – 316, 354f., 468, 471 Vorort  55, 57, 75 – 79, 145, 277, 410, 413, 422, 430, 432, 436, 443f., 446, 457, 495, 503 W Wäckerlin, Jakob, ref. Pfarrer  251f., 512 Wagner, Agatha, Konkubine  308 Wallfahrt  255, 272f. Wallis  73, 270 Waser, Hans Heinrich, Zürcher Stadt­ schreiber  149 – 152, 154, 210, 406 Waser, Johann Caspar, Zürcher Antistes  286 Waser, Johann Heinrich, Zürcher Bürger­ meister  196f., 479 Waser, Johann Jacob, Zürcher Gesandter  88 Wegmann, Maria Anastasia, Vorsteherin des Frauenkloster Mariae Krönung in Baden  348f. Wehrli, Max, Thurgauer Landweibel  156 Weiberstühle 399 Westfälischer Friede  32, 151, 216 Wettingen, Abt, Abtei  129, 174 – 176, 252, 257f., 274, 287f., 357 – 60, 364, 366 – 371, 398, 425, 427, 429, 432, 436f., 440, 474, 476 – 481 Wettingen, Kloster  56, 99, 122, 127f., 143, 158, 173 – 176, 178, 194, 228, 252, 258, 270, 285f., 289, 357f., 369f., 424, 426, 429, 436f., 473f. Widmer, Hans, Untervogt der Grafschaft Baden  240 – 242, 244 Wiederkehr, Kaspar, Untervogt im Amt Dietikon 428 Wiederkehr, Balthasar, kath. Untervogt  472, 475 Wigoltingen 384f. Willensnation 496 Werd, Abraham von, Gesandter  450 Wirtshaus  88, 220, 231, 278, 294, 326, 357, 361, 426 Wirtz, Hans Heinrich, ref. Pfarrer  231f., 450 Wissen, religiöses  15, 29, 69, 141, 143, 211, 228, 250, 259, 318, 341f., 358, 388f., 490

Wolfgang von Bar, Kapuziner  203 Wurstemberger, Simon, Berner Landvogt  277 Wycliff, John (um  1330 – 1384), Kirchen­ reformer, Theologe und Philosoph  254 Z Zander, Hans, Zeuge im Prozess gegen den Pfarrer Jakob Appenzeller  242 Zingg, Franz  138, 158, 407, 513 Zölibat  309f., 317, 336, 344 Zucht  336 (s. a. Kirchenzucht und Sittenzucht) Zug, eidgenössischer Ort  13, 42, 67, 71, 89, 95, 105, 120, 123, 170, 189f., 280, 319, 430, 444, 499 Zürich, Limmatstadt  13, 24, 54, 76, 129f., 134f., 139, 149f., 186, 228, 237, 258, 270f., 297, 303, 308, 316 – 19, 323 – 327, 331 – 349, 356, 359 – 362, 377, 384 – 386, 393, 404, 406 – 408, 427 – 429, 436, 442f., 459, 494 Zürich, Rat  104, 108, 120, 130, 202, 256, 258, 262, 278, 281, 285, 288, 307, 318, 327, 333, 339f., 358, 360f., 366 – 368, 371, 397 – 399, 404, 408, 414f., 416 – 419, 424f., 425, 427 – 429, 435, 446f., 450, 452, 457f., 460f. Zürich, eidgenössischer Ort  42, 49, 55 – 59, 67 – 69, 71 – 73, 75, 77 – 79, 83, 87 – 89, 92, 94, 97, 103 – 111, 113 – 117, 119 – 123, 138, 143 – 146, 153, 155f., 158 – 160, 165, 167, 170f., 175 – 177, 179 – 175, 187 – 190, 192 – 199, 201 – 205, 208, 210, 229 – 234, 262, 266f., 274f., 277 – 290, 300, 307, 313, 321 – 323, 355, 358, 368 – 371, 388, 391, 397 – 399, 405, 410 – 414, 416, 417 – 424, 431, 434f., 437f., 446 – 459, 461 – 464, 466 – 468, 470f., 475 – 481, 483f., 487f., 491, 495, 497, 499, 501, 503f. Zusammenhalt, politischer, eidgenössischer  98, 107, 221, 296, 413, 417f., 495, 501, 505 Zweyer, Johann Franz, konstanzischbischöflicher Obervogt  143, 452, 460, 464 – 468, 470f. Zwingli, Huldrych (1484 – 1531), Reformator und Theologe  24, 102, 105, 155f., 158, 168, 195, 224, 230, 239f., 246, 254f., 257 – 259, 260 – 270, 273, 275, 293, 336, 342, 362, 374, 400, 408f., 415, 418, 490

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Benjamin Hitz

Kämpfen um Sold EINE ALLTAGS- UND SOZIALGESCHICHTE SCHWEIZERISCHER SÖLDNER IN DER FRÜHEN NEUZEIT

Der Solddienst war ein gewichtiger wirtschaftlicher und politischer Faktor in der Eidgenossenschaft der Frühen Neuzeit. Über die an diesem Geschäft beteiligten Söldner aber, welche die Strapazen und Gefahren in der Fremde auf sich nahmen, ist bisher nur sehr wenig bekannt. Diese Arbeit begibt sich auf die Spuren von Söldnern in Luzerner Kompanien des 16. Jahrhunderts. Sie beschreibt ihren soldatischen Alltag und ihre wirtschaftlichen Nöte sowohl im Feldzug selbst als auch in der Zeit danach, als viele von ihnen noch ausstehende Soldguthaben bei Ihren Hauptleuten einklagen mussten. Das Buch macht den Solddienst als ein an sich unbestrittenes, aber dennoch heftig umstrittenes Geschäft mit eigener ökonomischen Logik fassbar. 2015. 385 S. GB. 155 X 230 mm | iSBn 978-3-412-22494-3

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