Komparative Strafzumessung: Ein Beitrag zur Fortentwicklung des Sanktionenrechts [1 ed.] 9783428518036, 9783428118038

Ungleichmäßigkeiten in der Strafzumessungspraxis werden bis heute als nicht befriedigend gelöstes Problem angesehen. Auc

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German Pages 245 Year 2005

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Komparative Strafzumessung: Ein Beitrag zur Fortentwicklung des Sanktionenrechts [1 ed.]
 9783428518036, 9783428118038

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Schriften zum Strafrecht Heft 164

Komparative Strafzumessung Ein Beitrag zur Fortentwicklung des Sanktionenrechts

Von

Matthias Maurer

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MATTHIAS MAURER

Komparative Strafzumessung

Schriften zum Strafrecht Heft 164

Komparative Strafzumessung Ein Beitrag zur Fortentwicklung des Sanktionenrechts

Von

Matthias Maurer

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 3-428-11803-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit hat der Juristischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. im Wintersemester 2003/2004 als Dissertation vorgelegen. Sie ist während meiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Angestellter am dortigen Institut für Strafrecht und Rechtstheorie in den Jahren 1998–2002 entstanden und wurde für die Veröffentlichung nochmals überarbeitet. Dem Direktor des Instituts, Herrn Professor Dr. Wolfgang Frisch, der die Bearbeitung des Themas angeregt und begleitet hat, gilt mein tief empfundener Dank über die Betreuungsleistung hinaus in besonderem Maße für die Gewährung idealer Arbeitsbedingungen in einer offenen, freundlichen und von fruchtbaren Diskussionen geprägten Atmosphäre. Dank gebührt auch Herrn Professor Dr. Hans-Jörg Albrecht, der nicht nur das Zweitgutachten erstellt hat, sondern neben Frisch dem kleinen Kreis derjenigen angehört, die sich eingehend der Strafzumessung gewidmet und damit das Fundament für weitere Arbeiten auf diesem Gebiet gelegt haben. Den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen habe ich in fachlicher Hinsicht für vielerlei weiterführende Gespräche zu danken, in persönlicher Hinsicht für eine unvergeßliche gemeinsame Zeit am Freiburger Institut und die fortbestehenden freundschaftlichen Verbindungen. Stellvertretend seien an dieser Stelle Gerd Rackwitz, PD Dr. Uwe Murmann und Margot Nostadt genannt. Schließlich darf auch die Unterstützung, welche mir durch meine Frau Sabine, meine Eltern und meine Geschwister zuteil wurde, nicht unerwähnt bleiben. Deren positive Wirkung auf die Entstehung dieser Arbeit ist nicht zu unterschätzen. Ulm, im Dezember 2004

Matthias Maurer

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

§1

I.

Methoden und Ergebnisse empirischer Untersuchungen zu Ungleichmäßigkeiten in der Strafzumessungspraxis

13

Methoden empirischer Strafzumessungsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dokumentenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14 15 16 22

II. Entwicklungslinien und Befunde empirischer Forschung zu Strafmaßdivergenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Anfänge der Strafzumessungsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Untersuchungen aus den sechziger und siebziger Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Neuere Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Albrecht I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Streng . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Albrecht II u. a. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Untersuchungen des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e. V. (KFN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Pfeiffer/Savelsberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Langer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Oswald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Hupfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 25 26 29 30 31 31 37 37 38 40 42 43

III. Ursachen für Strafmaßdivergenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Empirisch überprüfbare Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regionale und individuelle Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Diskrepanzursachen als Teil eines allgemeinen Strafzumessungsmodells 4. Veranlagung und Umwelt des Richters als umfassende Ursachenbereiche 5. Empirische Befunde zu Diskrepanzursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 45 46 46 47 52 61

IV. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

8

Inhaltsverzeichnis §2 Kategorisierung und Operationalisierung als Mittel zur Vereinheitlichung der Strafzumessungspraxis

64

Konkretisierung des geltenden Strafzumessungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Absolute Strafdrohungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Obligatorische oder fakultative Strafmilderungen und Strafschärfungen . . 3. Strafzumessungsrichtlinien nach amerikanischem Vorbild . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „determinate sentencing“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Richtlinienmodelle Minnesotas und des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65 66 66 71 71 73 74 79

II. Einführung mathematischer Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die wesentlichen Vorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bruckmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) von Linstow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kohlschütter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80 80 80 82 84 86 88

III. Ausblick; Entwicklung sog. juristischer Expertensysteme und neuronaler Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

I.

§3 Komparative Elemente in Strafzumessungsrecht und -praxis

94

Gesetzliche Wertungen als komparative Vorentscheidungen . . . . . . . . . . . . .

94

II. Komparative Elemente der tatrichterlichen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . 1. Der generell komparative Charakter der (Straf-)rechtsanwendung . . . . . . . . 2. Komparative Elemente der Strafrahmenwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Komparative Elemente der Strafhöhenbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fallvergleiche auf Strafrahmenbasis: Regel- und Durchschnittsfall . . . . aa) Durchschnittsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Regelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis: Bloße Schwereverteilung als Substrat beider Fallbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fallvergleich auf Tatbestandsbasis: Normalfall und Regeltatbild . . . . . . aa) Einordnung und Bedeutung dieser Fallbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96 96 98 100 100 102 104

I.

108 110 110 117 120

III. Der Strafmaßvergleich als Element revisionsgerichtlicher Prüfung . . . . . . 120 1. Rechtsprechung des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

Inhaltsverzeichnis 2. Rechtsprechung der Übergangsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsprechung seit Gründung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Fortentwicklung der allgemeinen Strafhöhenrevision . . . . . . . . . . . . b) Gegenwärtiger Stand – „Vertretbarkeit“ als entscheidendes Kriterium aa) Maßstab der Strafrahmensystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Maßstab der Üblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besondere Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zusätzliche Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gegenstände häufiger Beanstandung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unterschiede zwischen den Senaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Mehrere Delikte desselben Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Faktische Eingriffsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Exkurs: Strafhöhe und Rechtsbeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 123 126 126 130 137 139 143 143 147 152 154 161 164 165 172 173

IV. Der Strafmaßvergleich in der tatrichterlichen Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 V.

Die Bewertung komparativer Strafzumessungspraxis im Schrifttum . . . . . 178 §4 Gegenstand und rechtlicher Rahmen komparativer Strafzumessung

180

Komparative Methode und Strafzumessungsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Struktur komparativer Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Praktische Grenzen komparativen Vorgehens in der Strafzumessung . . . . . 3. Die Vereinbarkeit komparativer Strafzumessung mit der Strafzumessungsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Straftheorien und Strafzweckantinomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Strafzumessungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Strafzweckorientierung: Spielraumtheorie, Stellenwerttheorie, Theorie tatproportionaler Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Orientierung am Entscheidungsträger: Theorie des sozialen Gestaltungsakts, Theorie des richterlichen Ermessens . . . . . . . . . . . . . cc) Orientierung an formalen Aspekten der Entscheidung . . . . . . . . . . (1) Kontinuierliche Schwereskala; Fünf-Phasen-Modell . . . . . . . . . (2) Zwei-Stufen-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die acht Phasen komparativer Strafzumessung . . . . . . . . . . . . .

180 180 181

188 190 190 193 195

II. Rechtfertigung komparativer Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Richterrecht, Gewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungsrecht: Gleichheitsgrundsatz, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . 3. „Richtigere“ Strafe durch komparative Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Relative Gerechtigkeit als Argument für absolute Gerechtigkeit . . . . . .

196 196 199 201 201

I.

183 183 185 185

10

Inhaltsverzeichnis b) Üblichkeit als Argument für absolute Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Historische Vernünftigkeit bei Hegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konsenstheoretische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Diskursethik nach Habermas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Juristischer Diskurs nach Alexy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Strafrechtliche Begründung eines konsensuellen Geltungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

203 203 204 204 205

III. Ausgestaltung und Kontrolle komparativer Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . 1. Einzelfragen der Umsetzung auf tatrichterlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Methode zur Feststellung üblicher Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die vergleichsrelevanten Strafzumessungstatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Auswahl des Vergleichsmaterials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausführlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Entscheidende Instanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Entstehungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Inhaltliche Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Weite des Rahmens üblicher Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Grenzen der Ausbildung richterlicher Strafrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Revisionsgerichtliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Üblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entwicklungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grenzen möglicher Vereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

209 209 209 210 212 212 212 212 213 214 215 216 216 217 219 220

206 208

§5 Zusammenfassung und Ausblick

222

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

Einleitung Gewisse Ungleichmäßigkeiten in der staatlichen Sanktionspraxis sind auch in einem System relativ bestimmter Strafdrohungen kaum zu vermeiden. Bei der Sichtung der zur Entwicklung des Strafzumessungsrechts erschienenen Literatur gewinnt man jedoch schnell den Eindruck, daß sich derartige Divergenzen bis in die Gegenwart hinein in noch ganz erheblichem Umfang finden könnten. Von schrankenloser Willkür, wie sie in Ermangelung gesetzlicher Vorschriften und wissenschaftlicher Grundsätze den unter der Geltung des gemeinen Rechts verhängten Strafen anhaftete1, kann heute zwar nicht mehr gesprochen werden, mit Kritik nahezu vergleichbarer Schärfe hielten sich Wissenschaft und Praxis aber auch nach Einführung unseres Strafrahmensystems in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht zurück.2 Für diesbezügliche Äußerungen charakteristisch ist die auf Franz v. Liszt zurückgehende und seither immer wieder zitierte Bezeichnung der Strafzumessung als „Griff ins Dunkle“3, die aber, interpretiert man das „Dunkle“ im Sinne eines völligen Fehlens erkennbarer Strukturen, als längst überholt gelten kann, hat doch die deutsche Strafzumessungslehre spätestens mit der 1. Auflage des Strafzumessungsrechts von HansJürgen Bruns im Jahre 1967 ihr Schattendasein endgültig aufgegeben und mittlerweile auch in der Rechtsprechung die verdiente Beachtung gefunden. Berechtigter, wenngleich freilich ebenfalls deutlich überspitzt, erscheinen dagegen auch noch aus heutiger Sicht Bezeichnungen wie „Chaos“4 oder „Wirrwarr“5, denn zum einen hat das Bemühen um Systematisierung die Komplexität der Materie selbstverständlich nicht beseitigt, sondern erst in vollem Umfang zutage gefördert, zum anderen bezieht sich die inzwischen im Vordergrund stehende Auseinandersetzung mit inhaltlichen Problemen der Strafzumessung nach wie vor, angefangen bei den Strafzwecken, auch auf wesentliche Grundsatzfragen. So verwundert es auch nicht weiter, daß das Problem der Ungleichmäßigkeit bis heute als nicht befriedigend gelöst angesehen wird.6

1

s. dazu v. Liszt/Schmidt, S. 404; Kalsbach, D 3, 5. Zu den immer wieder zitierten Äußerungen vgl. Streng (1984), S. 1 ff.; ders., Kultureller Pluralismus, S. 279 f.; Seebald (1974), S. 193. 3 v. Liszt, S. 393. 4 v. Weber, S. 19; s. auch Tiedemann, S. 361; Bruns, Strafzumessungsrecht (1974), S. 15. 5 Middendorff (1970), S. 286. 6 Vgl. nur Lackner/Kühl, § 46 Rn. 49. 2

12

Einleitung

Und selbst unter Berücksichtigung derartiger dogmatischer Unschärfen, jedenfalls soweit diese in der Praxis ebenfalls keiner einheitlichen Beurteilung unterliegen müssen, wirken Rechtsfolgenaussprüche in ihrer Höhe bisweilen auch dann noch wenig überzeugend, wenn die in der jeweiligen Entscheidung nicht mitgeteilten und auch nicht auf andere Weise in Erfahrung gebrachten Tatumstände gedanklich durch die dem Täter im übrigen günstigste bzw. ungünstigste Situation ersetzt werden. Vor allem der Vergleich zweifelhafter Entscheidungen mit Urteilen, die zuvor in ähnlichen Fällen gesprochen wurden, führt regelmäßig zu zumindest individuellen Einschätzungen dieser Art. Die Forderung, auch der Richter möge sich bei der Entscheidung über das Strafmaß deutlicher von der gängigen Zumessungspraxis leiten lassen, liegt deshalb nicht sonderlich fern. Zugleich läßt sich vermuten, daß ein derartiges Vorgehen, sollten sich die in der Strafzumessungslehre entwickelten Grundsätze insoweit als unbrauchbar erweisen, jedenfalls in Ansätzen auch bereits gegenwärtiger Praxis entspricht. Die folgenden Überlegungen beschäftigen sich in erster Linie mit der Frage, inwieweit die im Sinne eines empirischen Strafmaßvergleichs verstandene komparative Strafzumessung der Förderung von Gleichmäßigkeit staatlichen Strafens tatsächlich dienen kann, ob die Praxis diese Methode überhaupt anwenden darf oder ob sie zu einem derartigen Vorgehen möglicherweise sogar verpflichtet ist. Neben einer Betrachtung zumindest vordergründig konkurrierender Vorschläge zur Vereinheitlichung der Strafzumessungspraxis ist hierfür insbesondere die bestehende Strafzumessungsdogmatik zu beleuchten und dies in zweierlei Hinsicht: Etwa bereits vorhandene komparative Elemente lassen sich als Ausgangspunkt für eine entsprechende Fortentwicklung heranziehen und bedürfen selbst kaum weiterer Begründung, während deren Ausbau zum empirischen Strafmaßvergleich auf seine Vereinbarkeit mit den bestehenden Grundsätzen hin zu untersuchen ist. Parallel dazu sind in der gegenwärtigen Zumessungspraxis bereits verwirklichte komparative Vorgänge von Interesse, insbesondere die Entwicklung der Strafhöhenrevision, welche sich jedenfalls nicht alleine am Strafzumessungsvorgang herkömmlicher Prägung zu orientieren scheint. Vor diesem Hintergrund werden schließlich Fragen der Rechtfertigung und Möglichkeiten sinnvoller Ausgestaltung des vergleichenden Vorgehens erörtert. Einen ersten Schwerpunkt bildet aber zunächst die Auseinandersetzung mit der empirischen Strafzumessungsforschung, die nicht nur in ihren Ergebnissen eine bessere Einschätzung eines tatsächlich bestehenden Bedarfs an entsprechender Vereinheitlichung ermöglichen, sondern auch in der angewandten Methode wertvolle Anhaltspunkte für die Umsetzung von Angleichungsbemühungen liefern kann.

§1 Methoden und Ergebnisse empirischer Untersuchungen zu Ungleichmäßigkeiten in der Strafzumessungspraxis Ziel oder zumindest Folge empirischer Strafzumessungsforschung ist in aller Regel auch die Diskussion der gewonnenen Ergebnisse unter dem Gesichtspunkt der Förderung von Gleichmäßigkeit in der Strafzumessungspraxis1, denn letztlich dienen Untersuchungen, die sich mit einzelnen Kriterien oder Zusammenhängen der Strafzumessung beschäftigen, immer auch dem Aufdecken oder der Absicherung von Strukturen, welche zugleich eine Einschätzung hinsichtlich der Frage der Gleichbehandlung zulassen. Von besonderem Interesse sind im vorliegenden Zusammenhang aber vor allem diejenigen Arbeiten, deren Augenmerk unmittelbar auf die Feststellung möglicher Ungleichmäßigkeiten gerichtet ist. Das zentrale Problemfeld dürfte dabei im Bereich unbegründeter Divergenzen in der Strafhöhe liegen, deren Zumessung gegenüber der lediglich qualitativen Entscheidung zur Strafart oder zur Frage der Strafaussetzung die besonders schwierige Umwertung von „Tat“-Quantitäten in Strafquantitäten erforderlich macht2. Als Gegenstand der Untersuchung von Strafmaßunterschieden kommen, je nach Untersuchungsmethode, im Sinne einer kleinsten Einheit entweder einzelne Entscheidungen oder das Entscheidungsverhalten des einzelnen Richters in Betracht. Abhängig von der Zielrichtung der jeweiligen Untersuchung ist dann eine jeweils beliebige Bündelung dieser zu untersuchenden Einheiten entsprechend vermuteter Ungleichmäßigkeiten denkbar. Die Auswertung einzelner Entscheidungen würde theoretisch auch bereits eine Untersuchung von Diskrepanzen in der Strafzumessungspraxis eines bestimmten Richters erlauben. Dies erscheint aber wenig zweckmäßig, denn zum einen wären dabei die in erheblichem Maße denkbaren mit der Richterpersönlichkeit in Zusammenhang stehenden Ursachen für Strafmaßunterschiede nicht zu erfassen; der einzelne Richter wird ja nach Möglichkeit auch gerade um Konsistenz in der eigenen Entscheidungspraxis bemüht sein. Zum anderen würde ein derartiges Untersuchungsde1 Die Gleichmäßigkeit hat sich, wie schon Jung (1992), S. 193, zutreffend bemerkt, bei sämtlichen parallel und bisweilen seltsam unverbunden nebeneinander herlaufenden Bemühungen um die Strafzumessung unabhängig von deren Ausgangspunkt und eigentlicher Zielsetzung zunehmend als die zentrale Fragestellung herauskristallisiert. 2 Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 23.

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§ 1 Methoden und Ergebnisse empirischer Untersuchungen

sign auch zumindest dann, wenn es sich nicht auf Massendelikte bezieht, schon an mangelnder Materialfülle3 scheitern, womit neben dem Problem tatsächlicher Vergleichbarkeit schon der Regelcharakter auf diese Weise festgestellter Ungleichmäßigkeiten fraglich wäre. Ähnlichen Bedenken würde auch eine entsprechend denkbare Betrachtung verschiedener Entscheidungen eines einzelnen Kollegialgerichts zu schwererer Kriminalität begegnen. Zwar könnten hier unterschiedliche Richtercharakteristika einen Einfluß haben, diese würden aber, jedenfalls soweit sich die Betrachtung nur auf das schriftlich abgefaßte Urteil und die zugehörigen Akten beschränkt, durch das Abstimmungsverfahren nach § 196 GVG zumindest teilweise wieder ausgeglichen. Für Untersuchungen von Sanktionsentscheidungen oder entsprechendem Entscheidungsverhalten der Justiz auf Ungleichmäßigkeiten bietet sich deshalb im Ergebnis eher ein unter räumlichen bzw. örtlichen Gesichtspunkten vergleichendes, also nach Spruchkörper, Gerichtsort oder Region differenzierendes Vorgehen oder aber eine Gegenüberstellung entsprechend bestimmter Eigenschaften der entscheidenden Personen an.

I. Methoden empirischer Strafzumessungsforschung Ein näheres Eingehen auf die dabei anwendbaren bzw. angewandten Methoden soll im vorliegenden Zusammenhang zwar zunächst einmal der besseren Bewertung der im Anschluß genannten Einzeluntersuchungen dienen. Wie bereits einleitend erwähnt, wird im folgenden aber auch die Übertragbarkeit dieser Methoden auf die Strafzumessung selbst von Interesse sein, denn auch dem Richter können neben den in ihrem strukturellen Aussagegehalt zumindest zweifelhaften normativen Vorgaben insoweit eben auch nur von ihm selbst oder von Dritten auf empirischer Basis gewonnene Erkenntnisse zur Verfügung stehen.4 Die Untersuchungen zur Strafzumessung bedienen sich regelmäßig der allgemein gängigen Erhebungs- und Auswertungstechniken empirisch-kriminologischer Forschung5, der Dokumentenanalyse, der Befragung und der Beobachtung6. Kombinationen dieser Methoden können die Erträge solcher Untersuchungen steigern, sie sind aber angesichts des finanziellen und zeitlichen Aufwands und der zu erwartenden Zunahme von Problemen bei der Datenbeschaffung die Ausnahme geblieben7. 3

Zu diesem Problem vgl. Streng (1984), S. 63. Schon Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 10, hat darauf hingewiesen, daß die Ähnlichkeit der massenbeobachtenden Untersuchungen mit der Methode zur Vereinheitlichung der Strafzumessungspraxis auf der Hand liegt. 5 Vgl. Kaiser (1996), S. 52. 6 s. auch Albrecht (1994), S. 167. 4

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1. Beobachtung Schon der einfachen Beobachtung ist es zuzuschreiben, daß das Problem der Ungleichmäßigkeit in das Bewußtsein der an der Strafzumessung Beteiligten und Interessierten trat8 und sich dort seither auch hartnäckig hält. Soweit solche Beobachtungen unsystematischer Natur sind, können ihnen freilich keine verallgemeinerungsfähigen Aussagen entnommen werden. Sie liefern zwar gegebenenfalls den Beweis für die Existenz punktueller Ungleichmäßigkeit, können im übrigen aber allenfalls Impulse zu Analysen auf der Grundlage gründlicherer Forschungstechniken geben. Weiterreichende Ergebnisse sind dagegen grundsätzlich durch teilnehmende systematische Beobachtung zu gewinnen. Jedoch bietet sich auch diese Methode zur Untersuchung von Fragen der Strafzumessung nur in sehr eingeschränktem Umfang an. Einem derartigen Verfahren sind zum einen hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen richterlicher Strafzumessungsentscheidung gewisse prozeßrechtliche Grenzen gesetzt, da die Anwesenheitsregelung für die Urteilsberatung zur problematischen Beschränkung eines solchen Ansatzes auf ein einzelnes Gericht führt und sich das Beratungsgeheimnis zudem negativ auf die Mitteilbarkeit der erhobenen Daten auswirkt9; gerade der überaus interessante Bereich der „ungeschriebenen“ Strafzumessungsgründe10 läßt sich damit kaum erfassen. Zum anderen steht eine gegenüber einer bloßen Aktenanalyse möglicherweise differenzierender beobachtende Erhebung von Daten zu Tat und Täter in der Hauptverhandlung in keinem Verhältnis zu dem dafür erforderlichen zeitlichen Aufwand. Die Beobachtung bietet sich in der Regel folglich allenfalls zur Erfassung solcher Elemente des Hauptverhandlungsgeschehens an, welche den Akten nicht ohne weiteres entnommen werden können, wie beispielsweise Inhalt und zeitlicher Anteil der Behandlung von Strafzumessungsfragen in der mündlichen Urteilsbegründung oder in der gesamten Hauptverhandlung11. Neben den Schwierigkeiten genauer Erfassung und richtiger Gewichtung mündlich verhandelter oder vorgetragener Strafzumessungskriterien in der dafür zur Verfügung stehenden begrenzten Zeit sind dann ergänzend auch noch die allgemeinen Gefahren beobachtenden Vorgehens einzustellen, insbesondere das Problem des eigenen Erfahrungshorizonts des Beob7

Göppinger, S. 73; eine kombinierte Untersuchung findet sich etwa bei Hogarth. Sarstedt, D 29, 39, berichtet etwa aus seiner revisionsrichterlichen Tätigkeit in den Jahren 1947/48 von zwei benachbarten Strafkammern, deren eine im allgemeinen das Vierfache von dem verhängt haben soll, was bei der anderen zu erwarten gewesen wäre. Entsprechende Kritik wurde aber zumeist nicht empirisch belegt und beruht daher zunächst nur auf persönlicher Evidenz; s. auch Streng (1984), S. 5. 9 Vgl. §§ 193 GVG, 43, 45 Abs. 1 Satz 2 DRiG; siehe dazu auch Albrecht (1994), S. 167. Im jugendgerichtlichen Verfahren ist die Beobachtung aufgrund der in § 48 JGG normierten Nichtöffentlichkeit der Hauptverhandlung weiter erschwert. 10 s. dazu Garbe, S. 45 ff. m. w. N. 11 Erhoben wurden solche Daten z. B. in den Untersuchungen zum Tatinterlokut von Dölling (1978) und Schunck. 8

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achters, der hier schon unbewußt Einfluß auf die erhobenen Daten selbst nehmen kann. Allerdings dürfte sich dieses Problem bei der Beobachtung des klar strukturierten Strafverfahrens durch Fachleute in gewissen Grenzen halten. Außerdem ermöglicht dieses Vorgehen gegenüber der Analyse von Dritten zu sonstigen Zwecken erhobener Daten eine wissenschaftlich abgesicherte Konzeption, Durchführung und Kontrolle schon der Datenerhebung. Für eine Betrachtung der Strafzumessungsrealität scheint dennoch die alternativ zur Verfügung stehende Methode der Dokumentenanalyse generell besser geeignet zu sein. 2. Dokumentenanalyse Als Gegenstand der sich ebenfalls auf die Strafzumessungsrealität stützenden Dokumentenanalyse kommen insbesondere Strafakten in Betracht, aber auch amtliche Datensammlungen, wie das Bundeszentralregister (BZR) oder die Kriminalstatistiken. Letztere haben vor allem den Vorteil des problemlosen Zugriffs für sich. Darüber hinaus spricht für eine Untersuchung anhand der Kriminalstatistik wie auch für eine Registerauswertung die umfassende Verarbeitung der insoweit bedeutsamen Entscheidungen. Als Kehrseite dieses Umfangs bleibt eine solche Untersuchung jedoch an die durch den Zweck und durch wirtschaftliche Zwänge bedingte eingeschränkte sachliche Differenzierung12 der jeweiligen Erhebung gebunden, so daß hier im Ergebnis nur allgemeinere Aussagen zu erwarten sind, beispielsweise aber immerhin die Feststellung etwa bestehender regionaler Strafhöhenunterschiede. Da eine diesbezügliche Analyse die nicht mitgeteilten Tatmerkmale ausblenden muß, könnten als denkbare Erklärung solcher regionaler Abweichungen aber auch regionale Diskrepanzen in der Kriminalitätssstruktur oder in der Verfolgungspraxis, etwa auch in Form unterschiedlicher Einstellungsbräuche13, in Betracht kommen, die, auch wenn insoweit ergänzende Untersuchungen vorgenommen werden, immer eine zusätzliche Unsicherheit in der Ergebnisinterpretation zur Folge haben. Außerdem muß die Validität und Reliabilität der jeweiligen Daten im Auge behalten werden, schleichen sich doch sehr leicht erhebliche Fehler ein, wie dies etwa für die bei den Staatsanwaltschaften geführte Strafverfolgungsstatistik festgestellt wurde14. Für die Strafzumessungsforschung von Bedeutung ist deshalb in erster Linie das Bundeszentralregister, welches insbesondere auch zur Auswahl und Überprüfung der Repräsentativität von Fällen herangezogen wird.

12 So enthalten beispielsweise die Zählkarten der Strafverfolgungsstatistik unabhängig von Tateinheit oder Tatmehrheit nur den Straftatbestand, der mit der schwersten Strafe bedroht ist. Vgl. zu diesem Problemkreis Pfeiffer/Savelsberg, S. 22. 13 Zu den Problemen bei unterschiedlicher staatsanwaltschaftlicher Einstellungspraxis vgl. Pfeiffer/Savelsberg, S. 23 f. 14 s. dazu unten II. 3. d) aa).

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Zu differenzierteren Ergebnissen kann dagegen das die Strafzumessungsforschung dominierende Verfahren15 der Aktenanalyse führen. Zwar sind die in Strafakten enthaltenen Daten in ihrem Aussagegehalt ebenfalls beschränkt, denn es bleiben jedenfalls diejenigen Aspekte der Hauptverhandlung unberücksichtigt, welche nur durch Beobachtung erfaßt werden können. Aus den bereits oben genannten Gründen muß auf einen Großteil derartiger Umstände aber generell verzichtet werden. Dasselbe gilt für Faktoren, die sich selbst durch Beobachtung kaum mehr objektivierbar erfassen lassen, wie der persönliche Eindruck vom Angeklagten, der aber aufgrund der bereits anhand der Akten feststellbaren täterbezogenen Faktoren, wie Alter, soziale Bindungen und Vorstrafen in seiner Bedeutung für begründete Differenzierungen in der Strafzumessung ohnehin nicht überschätzt werden sollte16. Freilich ist der Aussagegehalt von Akten auch in Abhängigkeit von ihren Entstehungsbedingungen und Funktionen zu sehen. Orientiert an der Registrierungs-, der Kommunikations- und insbesondere der Kontroll- und Legitimationsfunktion, die sie für andere Instanzen erfüllen sollen, enthalten sie eine „Realität eigener Art“17, die die Tat- und Täterwirklichkeit weder vollständig noch unbedingt kongruent abbildet18. Jedenfalls kann es nach Möglichkeit sinnvoll sein, eine entsprechende Analyse nicht auf Urteile zu beschränken, sondern die Relevanz der dort enthaltenen Strafzumessungstatsachen zumindest anhand der insgesamt aktenkundigen Strafzumessungstatsachen zu überprüfen19. In der Vorgehensweise sind bei einem unmittelbar auf Feststellung von Ungleichmäßigkeiten gerichteten Vergleich von Fällen mittels Aktenanalyse grundsätzlich zwei Alternativen denkbar. Naheliegend ist die Untersuchung für vergleichbar erachteter Fälle auf Differenzen im Strafmaß. In Betracht könnte aber auch eine Gegenüberstellung von Fällen zu ziehen sein, die mit demselben Strafmaß geahndet wurden, in ihrer Strafwürdigkeit20 möglicherweise jedoch deutliche Unterschiede aufweisen. Beide Wege sind vor allem aus unsystematischer Beobachtung geläufig, bei der sich der Beobachter im Zusammenhang mit einem für zu hoch oder zu niedrig empfundenen Strafmaß zumeist sowohl ähnliche Fälle vor Augen führt, in denen eine abweichende Strafe verhängt wurde, als auch sonstige Fälle, die üblicherweise mit dem beanstandeten Strafmaß be15 In der Kriminologie dürfte die Aktenanalyse generell die am häufigsten verwendete quantitative Forschungsmethode sein; vgl. Hermann, S. 863 m. w. N. 16 Streng (1984), S. 69. 17 Blankenburg, S. 195; Dölling (1984), S. 270 ff. 18 Zu den Konsequenzen derartiger Inkongruenz s. unten III. 4., 5. 19 Zur Unterscheidung zwischen wahren, geschriebenen und verkündeten Strafzumessungstatsachen s. schon Eb. Schmidt, § 267 Rn. 10. 20 Statt der gängigen Formulierung „Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit“ (s. dazu Lackner/Kühl, Vor § 13, Rn. 3) wird auch im folgenden nur der Begriff der Strafwürdigkeit gebraucht.

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legt werden. Geht man von demselben Strafmaß aus, so erscheinen Aussagen zu den Bedingungen für eine etwaige Ungleichmäßigkeit greifbarer. Man könnte etwa versuchen, anstatt des Strafmaßes ein bestimmtes Zumessungskriterium als Ergebnisvariable anzunehmen und sonstige strafzumessungsrelevante Bedingungen möglichst konstant zu halten, um so gegebenenfalls eine mangelnde oder unbegründete Korrelation dieser Variablen mit der Strafhöhe in den untersuchten Fällen oder Fallgruppen aufdecken zu können. In der Regel dürfte dies aber wiederum am Erfordernis zureichender Datenmenge scheitern, welche sich allenfalls dadurch erreichen ließe, daß man alleine das Strafmaß konstant wählt und sich dann an die Interpretation der Ausprägungen der Zumessungskriterien wagt. Solchem Vorgehen ist die dem Zumessungsvorgang entsprechende Zuordnung des Strafmaßes zur Folgenseite aber eindeutig überlegen. Der Möglichkeit, Zumessungsdiskrepanzen anhand des Strafmaßes wesentlich übersichtlicher darstellen und in ihrem Ausmaß besser erfassen zu können, ist zwar entgegenzuhalten, daß dabei das Problem der Interpretation der Fallunterschiede in umgekehrter Form als Problem der Vergleichbarkeit der Fälle zunächst nur etwas aus dem Blickfeld rückt, denn entsprechende Unsicherheiten sind dann schon auf der Seite der Vergleichsvoraussetzungen einzustellen. Durch eine Auswahl möglichst ähnlich gelagerter Fälle anhand objektiver Kriterien ist aber das Vergleichbarkeitsproblem wesentlich besser in den Griff zu bekommen als bei der Untersuchung von Fällen gleicher Strafhöhe, die, wenn sämtliche Zumessungskriterien variabel bleiben, gegenüber der allgemeinen Interpretation von Strafzumessung kaum noch Vorteile bieten kann. Eine größere Aussagekraft unmittelbar auf Feststellung von Ungleichmäßigkeiten gerichteter Aktenanalyse ist deshalb bei einem Vergleich der Strafhöhen für gleich oder ähnlich strafwürdig empfundener Fälle bzw. Fallgruppen anzunehmen. Auch bei dieser Vorgehensweise entsteht aber das bereits angedeutete Problem, ob und gegebenenfalls wie sich subjektiv vergleichbar empfundene Strafwürdigkeit anhand objektiver Kriterien begründen läßt. Zunächst verwundert es kaum, daß sich die zentrale Frage nach dem richtigen Bewertungsmaßstab für die Einordnung von Fällen in den Strafrahmen nicht nur in der Zielsetzung der Strafzumessungsforschung findet, sondern, da die Überprüfung von Strafmaßgerechtigkeit Parallelen zu deren Herstellung aufweist, auch als Voraussetzung entsprechender Untersuchungen stellen kann21. Es zeigt sich dabei aber eine freilich nicht auf die wissenschaftliche Betrachtung der Strafzumessungsrealität beschränkte erhebliche Gefahr komparativen Vorgehens: Legt man an verschiedene Fälle einen bestimmten Maßstab an, so können sich Ungleichmäßigkeiten immer auch noch durch Defizite oder jedenfalls Eigenschaften dieses angelegten Maßstabs erklären lassen. Die Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses von dem an die untersuchten Fälle angelegten Maßstab kann deshalb nicht nur eine 21

Streng (1984), S. 4.

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lediglich subjektive Evidenz hinsichtlich der Frage der Gleichheit bedeuten, wie dies auch bei unsystematischer Beobachtung konzediert werden muß22, es besteht sogar die Gefahr einer von dem analysierten Datenmaterial unabhängigen Konstruktion des Ergebnisses durch die der Untersuchung zugrundegelegten Prämissen. Wohlgemerkt soll an dieser Stelle noch nicht das generelle Problem der Gleichmäßigkeit des den jeweiligen Entscheidungen zugrundeliegenden Maßstabs angesprochen werden. Solche Maßstabsdiskrepanzen, ob sie legale oder extralegale Faktoren betreffen, bilden neben den auf bloßen Unsicherheiten bei der Umwertung des Maßes an Strafwürdigkeit in Strafe beruhenden Ursachen für tatsächlich bestehende Unterschiede im Strafmaß ja gerade den Gegenstand entsprechender Untersuchungen. Es soll vielmehr auf die Gefahr hingewiesen werden, daß sich etwa festgestellte Ungleichmäßigkeiten (teilweise) dadurch erklären lassen könnten, daß der Untersuchungsmaßstab grundlos von den vielleicht sogar einheitlicheren Entscheidungsmaßstäben abweicht. Derartige Einflüsse auf das Vergleichsergebnis können dann nicht entstehen, wenn es auf den Untersuchungsmaßstab generell nicht ankommt und sich im Umkehrschluß die Frage der Vergleichbarkeit gar nicht stellt. Außer bei dem noch gesondert zu behandelnden mittelbaren Weg der Bestimmung eines möglichst einheitlichen Maßstabs auf der Grundlage der Untersuchungsdaten mittels statistischer Verfahren und der anschließenden Betrachtung diesbezüglicher Varianz ist dies nur bei der Untersuchung von Strafzumessungsverhalten in identischen Fällen denkbar. Da sich aber jede Tat von anderen Taten unterscheidet23, kommen dafür nur solche Fälle in Betracht, in denen unter Zugrundelegung derselben Tatsachen ein weiteres Urteil mit erneuter Strafzumessung gefällt wird24. Dies ist in der Regel nur in Rechtsmittelverfahren zu erwarten, entweder nach Berufungseinlegung oder nach Zurückverweisung durch ein Revisionsgericht, wenn sich der Aufhebungsgrund nicht auf Strafzumessungstatsachen bezieht. Die Repräsentativität einer entsprechenden Untersuchung wäre allerdings zu bezweifeln, denn die zugrundeliegenden Sachverhalte geben ja nicht nur einen möglicherweise gerade auch in der Strafhöhe begründeten Anlaß zur Einlegung eines Rechtsmittels sondern führen auch zu einer entsprechender Kenntnis zufolge von der Vorentscheidung nicht unbedingt unbeeinflußten Zweitentscheidung, wobei letzteres freilich auch eine Annäherung in der Höhe der verhängten Strafen bewirken und damit bei begründetem Rechtsmittel größer zu vermutende Abweichungen teilweise wieder ausgleichen könnte. Einer Zufallsstichprobe eher entsprechen dürften jedenfalls die gegenüber den regulären Rechtsmittelentscheidungen deutlich selteneren Fälle irregulärer Mehrfachentscheidungen, wenngleich auch hier die Ursachen für eine solche Konstellation 22

s. oben Anm. 8. Näher dazu unten § 4 I. 1. 24 Zu den Fällen mehrfacher Aburteilung vgl. auch Streng (1984), S. 3, 61 f. Zu den entsprechenden Untersuchungen von Peters und Haddenhorst s. unten II. 2. 23

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Rückschlüsse auf die Bedeutung des abgeurteilten Falles oder den Einfluß besonderer Beteiligteneigenschaften im einen oder anderen Verfahren zulassen könnten. Und für eine aussagekräftige Analyse wird sich die Quantität dieses nur ausnahmsweise entstehenden Fallmaterials ohnehin kaum eignen. Bleibt man deshalb in der Regel auf die Untersuchung unterschiedlicher Fälle angewiesen, so stellt sich die Frage, inwieweit die Risiken eines unbegründet vom Entscheidungsmaßstab abweichenden Untersuchungsmaßstabs wenn schon nicht auszuschließen, so doch zumindest zu begrenzen sind. Am wirkungsvollsten ließen sich Einflüsse des Untersuchungsmaßstabs natürlich reduzieren, wenn man diesen Maßstab selbst näher eingrenzen könnte. Zumindest bei Untersuchungen zur Konsistenz innerhalb der Rechtsprechung ist dies durchaus möglich, nämlich dadurch, daß man den Untersuchungsmaßstab auf diejenigen der aus der wissenschaftlichen Diskussion bekannten Kriterien konzentriert, die auch in der Rechtsprechung generell anerkannt sind. Wenn einerseits keines dieser spezifizierten Kriterien ausgeschlossen wird und andererseits sonstige Kriterien in den Bewertungsmaßstab nicht einfließen, müßte sich der Einfluß des Untersuchungsmaßstabs, abgesehen von einem etwaigen Wandel des Rechtsprechungsmaßstabs während des Zeitraums der Datenentstehung, auf die Frage der relativen Gewichtung der jeweiligen Ausprägungen dieser Kriterien, also des Verhältnisses dieser Ausprägungen zueinander beschränken. Eine weitere Abnahme des Einflusses des Untersuchungsmaßstabs könnte auch durch Beschränkungen auf der Seite des Vergleichsmaterials zu erreichen sein. Zunächst nimmt dieser Einfluß ab, je größer die Übereinstimmungen der verglichenen Fälle sind, denn diejenigen Zumessungskriterien, die sich in ihrer Ausprägung bei den untersuchten Fällen entsprechen, können, auch wenn der zugrundeliegende Aspekt im Vergleichsmaßstab zu unrecht eingestellt oder unzutreffend gewichtet wäre, zu keiner Verzerrung des Vergleichsergebnisses mehr führen, so etwa bei der Beschränkung einer entsprechenden Untersuchung auf nicht vorbestrafte Täter. Aber auch bei solchen Umständen, die im untersuchten Datenmaterial nicht übereinstimmen und daher maßstabserheblich bleiben, sinkt mit der Abnahme der Diskrepanzen zugleich der dann nur noch in dem engeren Rahmen zur Geltung kommende Einfluß des Maßstabs, woran etwa bei einer Betrachtung von Fällen innerhalb eines begrenzten Schadensrahmens zu denken wäre. Die mit dem auf diese Weise abnehmenden Einfluß des Maßstabs sinkenden Fallzahlen könnten aber wiederum die Verallgemeinerungsfähigkeit der Ergebnisse einer solchen Untersuchung schwächen, weshalb eine gerade mit Blick auf die Unsicherheiten in der Frage des Maßstabs kaum durchführbare Bilanzierung der verschiedenen Auswirkungen auf die Aussagekraft für jede einzelne Untersuchung nötig wäre. Umgehen ließe sich diese Folge vielleicht teilweise dadurch, daß man die zu vergleichenden Daten anhand einheitlicher objektiver Merkmalsausprägungen in Fallgruppen aufteilt und dann die Gruppen dieses mehrdimensionalen Gesamtrasters den jeweiligen nach denselben Kriterien zusammengestellten

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Gruppen des Vergleichsmaterials gegenüberstellt. Auch bei solchem Vorgehen ist aber wiederum ein kleinerer äußerer Einfluß zu besorgen, der sich schon durch den Zuschnitt der einzelnen Merkmalsausprägungen ergeben kann. Schließlich lassen auch etwa als Vergleichsergebnis festgestellte deutliche Unterschiede im Strafmaß der verglichenen Fälle darauf schließen, daß dafür nicht alleine der Untersuchungsmaßstab verantwortlich sein kann. Solche größeren Abweichungen würden dann nämlich zumindest teilweise auch einer Variation des Maßstabs standhalten. Es kann somit festgehalten werden, daß, von den genannten Ausnahmen vollständiger Vermeidung subjektiver Einflüsse des Untersuchenden auf das Untersuchungsergebnis abgesehen, zumindest deren Reduktion auf seiten des Fallmaterials und des Bewertungsmaßstabs möglich ist. Daß über die Anwendung der von der Rechtsprechung anerkannten Maßstabskriterien und die inhaltliche Auswahl bzw. Aufteilung der dann in Gruppen gegenübergestellten Fälle hinaus die Ausschöpfung der jeweils zur Verfügung stehenden Fallzahlen gegenüber bloßen Stichproben Vorteile bringt, ist mit Blick auf die Aussagekraft von Untersuchungen bereits mehrfach angeklungen. Neben einer Steigerung der Repräsentativität des Ergebnisses können größere Fallzahlen zusätzlich auch noch eine inhaltliche Annäherung zwischen verschiedenen Gruppen des zu vergleichenden Fallmaterials bewirken, da zufallsbedingte Unterschiede dann an Bedeutung verlieren25. Dem vielleicht naheliegenden Gedanken, durch weitere Steigerung der Fallzahlen um den Preis der Ausdehnung des inhaltlichen Spektrums möglicherweise im inhaltlichen Querschnitt vergleichbare Fallgruppen erhalten zu können, muß aber die mit Blick auf die umfassenderen Registerauswertungen erwähnte Möglichkeit nicht zufallsbedingter und deshalb bestehen bleibender tatsächlicher Unterschiede zwischen den zu untersuchenden Fallgruppen entgegengehalten werden. Wie auch im Falle eines nicht dem Zufallsprinzip folgenden Geschäftsverteilungsplans, könnten im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeiten Kriminalitätsunterschiede oder Unterschiede in der Verfolgungs- und Einstellungspraxis zum Tragen kommen, denen sich allenfalls bis zu einer gewissen Grenze dadurch begegnen ließe, daß bei der Auswahl der Vergleichsfallgruppen auf eine vergleichbare soziale Struktur in den diesen zugrundeliegenden Zuständigkeitsbereichen geachtet würde – etwa auf Basis der in den vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Sammlungen erfaßten Kriterien. Ergebnisse von Aktenuntersuchungen bleiben in der Strafzumessungsforschung somit, auch wenn es für die Erfassung der Strafzumessungsrealität keine ernstzunehmende Alternative zu dieser Methode gibt, jedenfalls nicht frei von Zweifeln. Es sind aber doch genügend Möglichkeiten zur Optimierung entsprechender Untersuchungen denkbar, so daß auch ein zu großes Mißtrauen gegen25

Streng (1984), S. 62 m. w. N.

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über deren Ergebnissen verfehlt wäre. Letztlich ist immer die richtige insbesondere auch zahlenmäßige Auswahl der zu untersuchenden Fälle entscheidend, die zwar in erster Linie an die faktisch begrenzten Ressourcen gebunden ist, die dann aber, soweit in diesem Rahmen möglich, nach dem kleinsten Gesamtumfang der aus den genannten Richtungen lauernden unvermeidlichen Gefahren methodisch bedingter Einflüsse erfolgen sollte. 3. Befragung In bezug auf den Umfang erfaßbarer Daten ist die auch verhältnismäßig ökonomische Methode der Befragung der Dokumentenanalyse weit überlegen, denn sie ist nicht auf die Untersuchung des Strafzumessungsverhaltens beschränkt. Ihr großer Vorteil liegt in der Möglichkeit, daneben auch Daten zu möglichen Ursachen etwaiger Strafzumessungsdiskrepanzen in Erfahrung bringen zu können26. Insbesondere subjektive Umstände, wie persönliche Empfindungen und Meinungen der befragten Entscheidungspersonen, sowie deren objektive persönliche Daten ließen sich auf andere Weise kaum ermitteln. Was die Betrachtung des Strafzumessungsverhaltens selbst angeht, unterscheidet sich die Methode der Befragung von den zuvor betrachteten in erster Linie dadurch, daß sie nicht unmittelbar an die Strafzumessungsrealität anknüpfen kann. Auch eine Kombination der Befragung mit einer der anderen Methoden dürfte angesichts des dafür erforderlichen Aufwands und des schon als Problem im Hinblick auf die Beobachtung erörterten Beratungsgeheimnisses27 ausscheiden28. Fälle aus der Praxis des jeweiligen Richters können deshalb einer Befragung in der Regel nur in der Weise zugrundegelegt werden, daß dieser selbst eine Fallauswahl trifft und nur dessen anonymisierte Charakterisierung mit zugehöriger Stellungnahme in die Untersuchung einfließt, während das Fallmaterial selbst im Verborgenen bleibt. Damit würde eine solche Untersuchung aber die für die Betrachtung der Strafzumessungsrealität aufgezeigten Probleme mit den im folgenden noch zu behandelnden allgemeinen Schwächen der Befragung verbinden. Als Alternative zur Erfassung der Praxis des Befragten bietet diese Methode aber auch die auf den ersten Blick schon näherliegende Möglichkeit der Betrachtung von Strafzumessungsunterschieden anhand von richterlichen Stellungnahmen zu fiktiven Fällen. Mit dieser Vorgehensweise sind zunächst auch weitere Vorteile verbunden. Nicht nur, daß man auf diese Weise umfangreicheres Datenmaterial zu in der Praxis selteneren Fragestellungen erheben kann, es entfällt damit bei der Befragung zumindest vordergründig auch das Problem der 26 Dies gilt insbesondere für die Erfassung der in Kollegialgerichten Urteilenden; Streng (1983), S. 1290. 27 s. oben 1. 28 Streng (1984), S. 74 Anm. 112.

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Vergleichbarkeit der zugrundegelegten Fälle, womit aber schon angedeutet ist, daß der die Fallidentität ermöglichende mangelnde Realitätsbezug auch erhebliche Gefahren für die Aussagekraft solcher Untersuchungen birgt. Die Einheitlichkeit der zu beurteilenden Fälle bezieht sich nur auf deren notwendig begrenzten Umfang mitgeteilter Einzelheiten. Durch unterschiedliche Vorstellungsbilder der Richter oder Assoziationen mit Fällen aus der jeweiligen eigenen Praxis kann es zu inhaltlich divergierenden Ergänzungen oder Interpretationen des Fallmaterials kommen29. Ausführlichere Falldarstellungen, etwa in Form einer vollständigen Strafakte, würden aber wohl die Teilnahmebereitschaft an einer solchen Untersuchung beeinträchtigen und möglicherweise auch gar nicht in vollem Umfang zur Kenntnis genommen werden. Eine gewisse Varianz in der Wahrnehmung fiktiver Fälle ist daher unvermeidlich. Sie ist aber auch unschädlich, soweit sie nicht zu methodisch bedingten Unterschieden gegenüber der Strafzumessungspraxis führen würde, so, wenn entsprechende Wahrnehmungsunterschiede entweder auch in der Strafzumessungspraxis unvermeidbar sind30 oder aber auf diese ohnehin keinen Einfluß hätten. In letzterem Zusammenhang kann vor allem auf die Untersuchungsergebnisse zur begrenzten Anzahl tatsächlich strafzumessungsrelevanter Faktoren hingewiesen werden31. Ob aber in dem damit abgesteckten Rahmen im wesentlichen eine nur zufallsbedingte Streuung zu erwarten ist, scheint fraglich32. Es könnten durchaus auch gewisse einheitliche Interpretationsneigungen einzelner Richtergruppen bestehen, die bei einer vergleichenden Betrachtung des Strafzumessungsverhaltens solcher Gruppen zu einer Ergebnisverschiebung führen würden33. Neben diesen inhaltlichen Bedenken läßt auch die Form der Wahrnehmung Zweifel an einer der Realität entsprechenden Abbildung der Strafzumessung durch Befragung zu fiktiven Fällen aufkommen. Die Methode dürfte sich zwar ohne weiteres zur Untersuchung der Strafzumessung in den ebenfalls relativ inhalts- und vor allem kommunikationsarmen Strafbefehlsverfahren eignen34, bei schwererer Kriminalität könnte aber das Fehlen der Verhandlungssituation zu Verzerrungen führen. Dabei ist zunächst an den Interaktionsprozeß zwischen den an der Hauptverhandlung Beteiligten zu denken und an den persönlichen Eindruck von der Person und dem Verhalten des Angeklagten vor Gericht35. Aber auch dieser Einwand ist natürlich nur insoweit stichhaltig, als entsprechende zusätzliche Informationen in der Strafzumessungsrealität tatsächlich von angleichendem Einfluß wären36. In bezug auf die Annahme etwa, daß der feh29 30 31 32 33 34 35

Schöch (1973), S. 49 f.; Garbe, S. 42. Schöch (1973), S. 50; Streng (1984), S. 67 m. w. N. Streng (1984), S. 64 ff. So aber Streng (1984), S. 68. Brusten/Peters, S. 39. Albrecht (1994), S. 168; Streng (1984), S. 68 f. Streng (1984), S. 68 m. w. N.

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lende persönliche Eindruck im Durchschnitt zu gegenüber der Praxis etwas härteren Strafen führe37, stellt sich die Frage, ob eine solche Verschiebung nicht möglicherweise in umgekehrter Richtung mit Persönlichkeitsfaktoren der befragten Richter korreliert, es also abhängig von den eigenen Eigenschaften oder Überzeugungen unter dem Eindruck der Hauptverhandlung insoweit nur zu einer zusätzlichen unbegründeten Varianz käme. Weiter ist ein gewisser Einfluß der in der Situation der Befragung nicht gegebenen normativen Bindung des Richters bei dessen zudem nicht rechtsmittelfähiger Entscheidung zu besorgen38. Allerdings muß die Bedeutung dieser rechtlichen Aspekte vor dem Hintergrund der insoweit auch in der gegenwärtigen Strafzumessungspraxis bestehenden relativ großen Freiheit des Richters gesehen werden. Jedenfalls innerhalb des durch den Gesetzgeber und die Rechtsmittelgerichte gesteckten weiten Rahmens, der wohl auch den größten Teil einer Befragung zu entnehmender Strafhöhen ermöglichen würde, dürften sich derartige Einflüsse auf ein Minimum beschränken. Gewichtige Bedenken richten sich aber noch gegen die Methode der Befragung an sich. Es ist nicht nur ganz allgemein zu befürchten, daß die Rolle des Probanden einer wissenschaftlichen Untersuchung die Befragten bewußt oder unbewußt anders reagieren läßt als sie dies in der Praxis täten39. Hinzu kommt vor allem, daß der nicht zu verhindernde eingeschränkte Rücklauf der Fragebögen die Repräsentativität solcher Untersuchungen erheblich beeinträchtigt40, könnte doch gerade auch die Bereitschaft zur Teilnahme an derartigen Untersuchungen mit dem jeweiligen Strafzumessungsverhalten in Zusammenhang stehen41. Zusammenfassend läßt sich aber festhalten, daß auch die Methode der Befragung in der Strafzumessungsforschung durchaus ihre Berechtigung hat. Zur Un36 Streng (1984), S. 68, stützt den seines Erachtens geringen Einfluß des Interaktionsprozesses in der Strafzumessung auf die Ergebnisse einer Untersuchung von Boy/ Lautmann, S. 41, 59, die aber lediglich die diesbezügliche Selbsteinschätzung der Richter berücksichtigt. 37 Peters, Literaturbericht, S. 436 f.; nach Streng (1984), S. 69, sollen dies Untersuchungsergebnisse zu Straßenverkehrsdelikten widerlegen. Gerade bei der besonderen bzw. wohl gerade unspezifischen Täterstruktur dieser Deliktsgruppe könnte aber der persönliche Eindruck vom Täter generell von verhältnismäßig geringer Bedeutung sein. 38 Auch nach Albrecht (1994), S. 168 f., kann dies zu einer größeren Bedeutung persönlicher Überzeugungen führen. 39 Brusten/Peters, S. 37. 40 Die Ausfallquote postalischer Befragungen liegt erfahrungsgemäß bei mindestens einem Drittel; vgl. Streng (1984), S. 83 m. w. N. 41 Soweit allerdings das Bestehen von quantitativen Unterschieden im Strafzumessungsverhalten untersucht werden soll, wäre es nicht unwahrscheinlich, wenn die Gemeinsamkeit der Teilnahme an einer solchen Untersuchung als Indiz für eine gewisse Übereinstimmung auch zu ähnlicheren Strafmaßangaben führen würde, im Ergebnis also insofern Strafmaßunterschiede lediglich nicht voll zur Geltung kämen.

II. Entwicklungslinien und Befunde zu Strafmaßdivergenzen

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tersuchung von richterspezifischen Zusammenhängen ist sie hier genauso unentbehrlich wie für die Betrachtung der Strafzumessung bei selteneren Delikten, welche sich anhand der Strafzumessungsrealität kaum analysieren lassen42. Allerdings ist bei der Interpretation mittels Befragung gewonnener Untersuchungsergebnisse Vorsicht geboten. Selbst wenn auf diesem Wege eine repräsentative Stichprobe zu ziehen wäre, würde dabei weder ein genaues Abbild realer Strafhöhenstreuung entstehen, noch könnten den erfragten Daten wegen der zu befürchtenden Tendenz zu durchschnittlich härteren Strafen Aussagen zu absoluten Strafhöhen entnommen werden. Auch im Hinblick auf bloße analytische Fragestellungen ist diese Methode nur eingeschränkt aussagekräftig. Allerdings liegt in den zu Inhalt und Form der Wahrnehmung fiktiver Fälle erörterten Verzerrungsgefahren im Rahmen eines Strafzumessungsvergleichs nach Persönlichkeitsfaktoren der befragten Richter kein spezifisch methodischer Nachteil, wo eine Betrachtung der Strafzumessungsrealität die dafür erforderlichen persönlichen Daten der Richter in der Regel gar nicht erschließen kann. Im Ergebnis läßt sich damit die Frage nach der geeignetsten Methode der Strafzumessungsforschung nicht generell sondern nur in Abhängigkeit von der Zielsetzung der jeweiligen Untersuchung beantworten. Soweit es auf absolute Strafhöhen und -verteilungen in der Strafrechtswirklichkeit ankommt, ist die Aktenanalyse vorzuziehen. Die Befragung kann stattdessen zumindest Grobaussagen zu in der Person des Richters begründeten Ursachen etwaiger Strafmaßunterschiede liefern.

II. Entwicklungslinien und Befunde empirischer Forschung zu Strafmaßdivergenzen43 1. Die Anfänge der Strafzumessungsforschung Bereits die ersten größeren Arbeiten der in Deutschland Anfang des letzten Jahrhunderts begonnenen empirischen Strafzumessungsforschung waren, wie angesichts der einleitend genannten heftigen Kritik zu erwarten, dem Problem der Ungleichmäßigkeit gewidmet. Sie basierten, methodisch ebenfalls naheliegend, weil ökonomisch, auf einer Auswertung der Reichskriminalstatistik. Auf diesem Wege hatte zunächst Woerner44 erhebliche regionale Unterschiede zwischen Ar42 Zurecht weist Streng (1984), S. 71, 74, aber darauf hin, daß auch bei der Befragung zu seltenen Delikten Realitätsferne aufgrund mangelnder Erfahrung der Richter zu befürchten ist. 43 Ausländischen Untersuchungen, die besonders zahlreich im anglo-amerikanischen Rechtskreis durchgeführt wurden, könnte für den Zustand der deutschen Strafzumessungspraxis allenfalls eine indizielle Bedeutung beigemessen werden, die aber angesichts abweichender normativer Vorgaben weiter eingeschränkt wäre. Zu den dortigen Befunden vgl. die ausführliche tabellarische Darstellung bei Albrecht (1994) S. 170 ff.; s. auch Streng (1984), S. 11 ff., 53 ff., sowie Langer, S. 36 ff.

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ten und Höhen von Strafen festgestellt, die er auf ein Fortwirken unterschiedlicher vor Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuchs landesrechtlich begründeter Gerichtstraditionen zurückführte45. In den von Exner im Jahre 1931 veröffentlichten Studien über die Strafzumessungspraxis wurde dieses Ergebnis bestätigt46. Allerdings stützte sich Exner dabei für den regionalen Vergleich ebenfalls auf vor dem 1. Weltkrieg in den einzelnen Oberlandesgerichtsbezirken erfolgte Verurteilungen. Und auch in der Interpretation der Unterschiede schloß sich Exner im wesentlichen den Ausführungen Woerners an47, erwartete aber eine Angleichung nach Überwindung der Umstellungsschwierigkeiten48. Ein Vergleich der von Woerner festgestellten Abweichungen mit den nach dem 1. Weltkrieg erstmalig für 1928 in der Reichskriminalistik ausgewiesenen Zahlen zur Strafverfolgung in den einzelnen Ländern kam insoweit allerdings zu uneinheitlichen Ergebnissen49. Eine gewisse Angleichung konnte zumindest in bezug auf die Wahl zwischen Freiheits- und Geldstrafe festgestellt werden. 2. Untersuchungen aus den sechziger und siebziger Jahren50 Nachdem in der Zwischenzeit überwiegend deskriptive Analysen der Strafzumessung vorgenommen worden waren, erschienen Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre vermehrt Arbeiten, die wieder unmittelbar der Frage der Gleichmäßigkeit des Strafens nachgingen. Dabei sollte sich zunächst zeigen, daß sich die Erwartungen Exners jedenfalls nicht in entsprechendem Maße erfüllt hatten. Schiel stellte anhand einer Analyse von Akten der Landgerichtsbezirke Koblenz, Frankfurt und München I aus den Jahren 1962 und 1963 wiederum erhebliche regionale Unterschiede sowohl hinsichtlich der Sanktionsart als auch der Sanktionshöhe fest51. Damit scheinen sich hier doch eigene Gerichtsbräuche fortgesetzt oder auch erst herausgebildet zu haben, die sich kaum mehr unmittelbar mit der weit zurückliegenden Gesetzgebung begründen lassen 44

Woerner (1907). Zu diesem Ergebnis kam Woerner nach umfassender Auswertung der für die Jahre 1890 bis 1903 dokumentierten Zahlen, vgl. S. 69. 46 Exner, S. 46 ff. Die große Beachtung, die diese Studien bis heute gefunden haben, ist auch dem Vergleich der Strafzumessung im Längsschnitt sowie dem erstmalig angestellten Vergleich der Zumessungspraxis mit in den Strafrahmen zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Intentionen zuzuschreiben. Auf diese Aspekte wird in späterem Zusammenhang noch zurückzukommen sein. 47 Exner, S. 53 ff. 48 Exner, S. 56. 49 Jendricke, S. 28 ff. 50 Dazu ausführlich Schöch (1973), S. 35 ff.; vgl. auch die Darstellungen bei Streng (1984), S. 6 ff., sowie bei Albrecht (1980), S. 27 ff. 51 Beispielsweise lag der in München für Vergehen verhängte Anteil von Geldstrafen unter einem Drittel des Vergleichswertes der anderen Landgerichtsbezirke; Schiel, S. 27. Eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse findet sich auf S. 56. 45

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dürften52. Auch in bezug auf die Person des Richters ermittelte Schiel Abweichungen, indem er Urteile einzelner Richter desselben Bezirks grob in Gruppen zusammenfaßte und die verhängten Strafen einander gegenüberstellte53. Allerdings können diese Ergebnisse aufgrund der relativ geringen Anzahl zur Verfügung stehender Entscheidungen kaum als gesichert gelten54. Auch eine Aktenanalyse Schöchs, der aus einem Ausschnitt der im Jahre 1966 wegen Straßenverkehrsdelikten erfolgten Verurteilungen eine Zufallsstichprobe gezogen55 und diese unter anderem auf regionale Ungleichmäßigkeiten sowohl in der Frage der Aussetzung verhängter Freiheitsstrafe als auch in der Strafhöhe untersucht hat, ergab deutliche und in bezug auf die ausgesprochenen Strafhöhen auch hochsignifikante Unterschiede56. Eine im gleichen Jahr durchgeführte Befragung von Verkehrsrichtern bestätigte dieses Ergebnis für den Bereich folgenloser Trunkenheitsfahrten57. Ebenfalls im Hinblick auf Straßenverkehrsdelikte, die zur Frage gleichmäßiger Strafzumessung damals in besonderem Maße in der Diskussion standen, hatte zuvor bereits eine Untersuchung des Justizministeriums Baden-Württemberg für Aufsehen gesorgt, nach der in den Jahren 1959 bis 1962 gravierende Unterschiede in der Aussetzungspraxis schon innerhalb dieses Bundeslandes bestanden58. Zumindest indizielle Bedeutung kann auch den Anfang der 70er Jahre veröffentlichten Ergebnissen der erstmals zu fiktiven Fällen durchgeführten umfangreicheren Befragungen von soziologischer Seite beigemessen werden59. Dabei wurden zu zwei von Opp und Peuckert in verschiedenen Abwandlungen an 500 bayerische Strafrichter versandten Fällen des Diebstahls und des Totschlags

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Schiel, S. 65 f.; s. dazu auch Streng (2002), Rn. 391. Schiel, S. 48 ff. u. Tabellen 52a ff. 54 Zu den methodischen Schwächen dieses Teils der Untersuchung vgl. auch Streng (1984), S. 9 f. 55 Die Untersuchung bezog sich auf 600 Fälle männlicher Kraftfahrer, denen im Zusammenhang mit einer Verurteilung nach §§ 315c, 316 StGB die Fahrerlaubnis entzogen oder bei denen eine Sperre angeordnet wurde; vgl. Schöch (1973), S. 98 ff. 56 Zur Aussetzungspraxis vgl. S. 111 f.: Der Anteil der nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafen variierte zwischen 100 und 23,1%. Die Irrtumswahrscheinlichkeit bezüglich der Strafmaßunterschiede lag unter 1; vgl. dazu S. 125 ff. 57 Vgl. Lewrenz u. a., S. 82 ff. 800 Verkehrsrichter hatten dabei je 10 Erhebungsbögen mit Daten aus der eigenen Praxis ausgefüllt. 58 Vgl. dazu Kaiser (1970), S. 401 ff.; Streng (1984), S. 7 f.; ders. (2002), Rn. 389; Albrecht (1980), S. 85. Daß solche Unterschiede auch vorerst fortbestanden, belegten Schöch (1973), S. 112, anhand der Verurteiltenstatistik des Jahres 1966 und Kaiser, S. 405 Anm. 219, mit den entsprechenden Angaben des Justizministeriums BadenWürttemberg. Mit der weitgehenden Verdrängung der kurzen Freiheitsstrafe durch das 1. StrRG von 1969 hat die Aussetzungsfrage aber insoweit an Bedeutung verloren. 59 In geringerem Umfang wurden auch bereits zuvor Befragungen zu fiktiven Fällen durchgeführt; wiederum zu Verkehrsstraftaten z. B. von Middendorf (1969), S. 18 ff., der ebenfalls deutlich unterschiedliche Strafmaßangaben erhielt. 53

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deutlich divergierende Strafmaße mitgeteilt 60. Ein vergleichbares Resultat wurde auch bei einer Befragung von 89 nordrheinwestfälischen Richtern zu zwei inhaltlich verwandten Diebstahlsfällen erzielt61. Zur selben Zeit hat Karl Peters die Ergebnisse seiner Tübinger Untersuchungen zum Wiederaufnahmeverfahren veröffentlicht62, in deren Material sich annähernd 50 Fälle63 irregulärer tatsächlicher64 Doppelverurteilungen fanden. In zwei dieser Fälle wurden sowohl sechs Monate Gefängnis zugemessen als auch nur ein Monat bzw. an dessen Stelle 120,– DM Geldstrafe65. In einem weiteren Fall hatte gar derselbe Richter für einen Diebstahl zunächst 70 DM Geldstrafe und später 2 Monate Gefängnis ohne Bewährung verhängt66. Zwischen für dieselbe Tat verhängten Geldstrafen gab es ebenfalls deutliche Unterschiede67. Im Hinblick auf Mehrfachentscheidungen hervorzuheben ist auch eine von Peters betreute Dissertation, die zu dem Ergebnis kam, daß es in nahezu 20% der Verfahren, die der BGH im Jahr 1964 wegen eines Verfahrensverstoßes aufgehoben hatte, zu teilweise deutlichen Strafmilderungen kam, ohne daß diese in einer günstigeren Tatsachenfeststellung begründet waren68. 60 Vgl. Opp/Peuckert, S. 41. So kam es bei den 267 für die vier verschiedenen Abwandlungen des Totschlagsfalls angegebenen Strafhöhen zu einer relativ breiten Streuung besonders im Bereich zwischen sechsmonatiger Bewährungsstrafe und fünfjähriger Freiheitsstrafe ohne Bewährung. 61 Vgl. D. Peters, S. 131. 62 Peters, Fehlerquellen, Band 1–3. 63 In der Frage der Anzahl dieser Fälle, die Peters mit 44 (Band 1, S. 6) bzw. 47 (Praxis der Strafzumessung, S. 59) angab (offen gelassen von Streng (1984), S. 10 Anm. 65), geben die Fallverzeichnisse Aufschluß. Im 1. Band sind 46 solcher Fälle verzeichnet, im 2. Band ein weiterer. Hinzu kommt ein mit Nr. 280 bezeichneter Fall (vgl. Band 1, S. 369 und Praxis der Strafzumessung, S. 60), der sich zwar keinem anderen Sachverhalt zuordnen läßt, aber möglicherweise mit dem im Verzeichnis aufgeführten Fall Nr. 407 verwechselt wurde. Außerdem wurde ein Fall mit Nr. 367 bezeichnet (Praxis der Strafzumessung, S. 60), bei dem es sich aber angesichts lediglich geringer Abweichung in der Beschreibung vermutlich um den unter Nr. 267 verzeichneten Fall handelt. Insgesamt dürften es demnach 47 oder 48 Fälle sein. 64 Weitere 3 Fälle betrafen Doppelverurteilungen aus rechtlichen Gründen wegen wiederholter sog. „Totalverweigerung“ durch Zeugen Jehovas. Aufgrund der bereits erfolgten Verurteilung ist dabei zwar der Anstieg des Strafmaßes von der ersten zur zweiten Entscheidung (um 100–400%) an sich jedenfalls nachvollziehbar; bemerkenswert ist aber, daß die Strafen für die drei verschiedenen inhaltlich doch weitestgehend übereinstimmenden Fälle untereinander nicht minder divergieren. Bei der jeweils ersten Verurteilung wurden Freiheitsstrafen von einem Monat bis zu sechs Monaten verhängt. Vgl. zu den von Geldstrafe (anstelle einer Freiheitsstrafe) bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe streuenden Strafmaßen in den insgesamt über 700 derartigen Fällen Peters, Praxis der Strafzumessung, S. 59. 65 Es handelte sich dabei um eine Unterschlagung und eine falsche eidesstattliche Versicherung; vgl. Peters, Fehlerquellen, Band 1, S. 7, 425. 66 Peters, Fehlerquellen, Band 1, S. 7. 67 So z. B. 30,– und 140,– DM Geldstrafe für dasselbe Verkehrsdelikt; vgl. Peters, Fehlerquellen, Band 1, S. 474.

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Schließlich kann in diesem Kontext auch eine Untersuchung Rolinskis angeführt werden, die die richterliche Bevorzugung bestimmter Strafquantitäten zum Gegenstand hatte69. Die dabei festgestellte und als „Prägnanztendenz“ bezeichnete signifikant häufige Verhängung von Freiheitsstrafe in Vierteljahresstufen70 spricht zwar nicht, und insofern unterscheidet sich diese Untersuchung deutlich von den zuvor genannten, für eine unterschiedliche Beurteilung vergleichbarer Fälle. Es könnte darin aber eine unter Gleichmäßigkeitsgesichtspunkten ebenso bedeutsame umgekehrte Tendenz zu normativ nicht begründbarer Gleichbehandlung unterschiedlicher Fälle liegen. Erscheint nämlich eine dieser Strafmaßverteilung vergleichbar gestufte Strafwürdigkeit der zugrundeliegenden Fälle sehr unwahrscheinlich, so dürfte ein Teil der Taten, die in ihrer Strafwürdigkeit zwischen diesen imaginären Stufen liegen, dennoch mit den entsprechend höheren oder niedrigeren „prägnanten“ Strafen sanktioniert werden. Daß in den 60er Jahren, auf die sich die genannten Untersuchungen überwiegend beziehen, zumindest erhebliche regionale Unterschiede in bezug auf Strafart und Strafhöhe an deutschen Gerichten bestanden, ist somit kaum zu bestreiten. Dabei lassen Abweichungen in der Art der Strafe auch Verschiebungen in den jeweiligen Strafhöhenspektren vermuten. Die Frage individueller Strafmaßunterschiede läßt sich dagegen vor allem hinsichtlich ihres Ausmaßes für diesen Zeitraum weniger eindeutig beantworten, da die niedrigen Fallzahlen einen zwingenden Schluß regelmäßig nicht zulassen. Für eine verbreitete Existenz solcher individueller Unterschiede sprechen jedoch die lediglich von Schiel unter diesem Gesichtspunkt ausgewerteten Daten genauso, wie die von Peters ermittelten Abweichungen bei Doppelverurteilungen und die durchgeführten Richterbefragungen. 3. Neuere Entwicklungen Noch schwerer fällt eine Beurteilung der Frage der Gleichmäßigkeit in der Strafzumessungspraxis der Gegenwart. Aus den Untersuchungen der jüngeren Vergangenheit sind zunächst die Arbeiten von Streng71 und Albrecht zu nennen. Die Habilitationsschrift Albrechts zur schweren Kriminalität72 unterscheidet sich dabei allerdings, wie schon die bereits genannte Untersuchung Rolinskis, im Ansatz insofern von den anderen bisher thematisierten Untersuchungen, als sie nicht unmittelbar auf Feststellung von Ungleichmäßigkeiten gerichtet ist. In68

Haddenhorst, S. 82 ff., 86. Rolinski, S. 14, wertete 350 in den Jahren 1959 und 1960 im Landgerichtsbezirk Wiesbaden ergangene Urteile aus, denen Vermögensdelikte zugrunde lagen. 70 Rolinski, S. 15 ff., 21. 71 Streng (1984). 72 Albrecht (1994). 69

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teressant ist sie im vorliegenden Zusammenhang aber vor allem deshalb, weil Albrecht darin mittels einer Analyse der die Strafzumessungspraxis faktisch bestimmenden Faktoren Schlüsse auf Fragen der Gleichmäßigkeit zieht. a) Albrecht I Zuvor hatte Albrecht bereits eine Studie zur Strafzumessung und Vollstrekkung bei Geldstrafen veröffentlicht73, für die er Strafverfahrensakten sämtlicher Landgerichtsbezirke Baden-Württembergs aus den Jahren 1972 und 1975 auswertete74. Diese vorwiegend auf Erklärung und Beschreibung der Struktur entsprechender Strafzumessungsentscheidungen und deren Vollstreckbarkeit75 gerichtete Untersuchung förderte neben anderem auch einige interessante Ergebnisse zur Frage der Gleichmäßigkeit dieser Sanktionen unter regionalen Gesichtspunkten zutage. So zeigte sich für das Jahr 1972, daß im Norden dieses Bundeslandes signifikant höhere Geldstrafen wiederum für Straßenverkehrsaber auch für Eigentums- und Vermögensdelikte verhängt wurden als im Süden76. Im Süden wurden mehr als dreimal so häufig niedrige Geldstrafen unter 100,– DM ausgesprochen als im Norden, während umgekehrt hohe Geldstrafen über 2.000,– DM im Norden fünfmal so häufig verhängt wurden als im Süden77. Die Diskrepanz ließ sich dabei weder mit Unterschieden in der Kriminalitäts-78 noch mit solchen in der Einkommensstruktur79 in den jeweiligen Landgerichtsbezirken erklären. Ein entsprechendes Nord/Süd-Gefälle war auch für das Jahr 1975 hinsichtlich der jeweiligen Anzahl verhängter Tagessätze zu erkennen80. Und in bezug auf die absolute Höhe der ausgesprochenen Geldsummen konnte lediglich im unteren Bereich eine Annäherung festgestellt werden, bei Geldstrafen in Höhe von 1.500,– DM und mehr waren die Unterschiede sogar noch größer geworden81. 73

Albrecht (1980). Albrecht zog Zufallsstichproben aus den Verurteilungen männlicher erwachsener Straftäter, die wegen eines Straßenverkehrs-, Körperverletzungs-, Eigentums- oder Vermögensdelikts oder eines Delikts des Nebenstrafrechts mit Ausnahme von Wehrstrafsachen erfolgten. Dabei konnten von den 2000 aus dem Jahr 1972 erhobenen Akten über 90%, von den 623 aus dem Jahr 1975 erhobenen Akten dagegen wegen der kurzen Zeitspanne zwischen Rechtskraft und Untersuchungszeitpunkt nur 72,4% analysiert werden. Die anhand verschiedener Kriterien überprüften Abweichungen der Stichproben gegenüber der Verurteiltenstatistik hielten sich aber in vertretbarem Rahmen; vgl. S. 58 ff. 75 Insbesondere wurden auch die Auswirkungen des zum 1.1.1975 eingeführten Tagessatzsystems berücksichtigt. 76 Albrecht (1980), S. 91. 77 Albrecht (1980), S. 88. 78 Albrecht (1980), S. 91. 79 Albrecht (1980), S. 88. 80 Albrecht (1980), S. 207, Schaubild 6. 74

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b) Streng Streng wählte für seine 1984 veröffentlichte Untersuchung zu rechtlichen, psychologischen und soziologischen Aspekten ungleicher Strafzumessung die schon von Opp und Peuckert eingeführte Methode der fiktiven Fälle, zu denen er 1979 die Richter und Staatsanwälte des Landes Niedersachsen befragte82. Die von den Teilnehmern angegebenen Strafmaße differierten dabei erheblich. Für einen Ladendiebstahl mit einer Schadenssumme von 240,– DM wurden in der Regel Geldstrafen von 10, 15, 20 oder 30 Tagessätzen genannt, immerhin von fast 6% derer, die in diesem Fall Angaben zur Strafhöhe machten, aber auch 60 Tagessätze und mehr83. Im Falle eines Betrugs durch einen einschlägig vorbestraften Gebrauchtwagenhändler, der ein Kfz mit zurückgedrehtem Kilometerzähler verkauft, hielten über 16% der insoweit Antwortenden eine Geldstrafe für angemessen, während sich 27,6% gar für eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung aussprachen84. Und auch bei schwererer Kriminalität bot sich ein uneinheitliches Bild. Einem Vergewaltigungsfall wurden zumeist Freiheitsstrafen von 2 bis 6 Jahren zugeordnet, die innerhalb dieses Rahmens relativ breit in Halbjahresschritten streuten. Außerdem lagen über 17% der Strafen außerhalb dieses Rahmens. Ähnliches gilt für die regelmäßig in ganzen Jahren angegebenen Freiheitsstrafen von 2 bis 10 Jahren im Falle einer Tötung im Affekt. Zwar kann diesen Zahlen in bezug auf die Strafzumessungswirklichkeit lediglich Indizwirkung beigemessen werden85, sie scheinen allerdings schon auch für eine deutlich unterschiedliche Praxis der Teilnehmer zu sprechen. c) Albrecht II u. a. Eine gegenläufige Tendenz konstatierte dagegen Albrecht in seiner 1994 veröffentlichten Habilitationsschrift zur Strafzumessung bei schwerer Kriminalität. Für den inländischen Teil der Untersuchung86 wurden wiederum Strafverfah81

Albrecht (1980), S. 206. Streng (1984), S. 78 ff. Die Rücklaufquote betrug 63,6%. Anhand von Altersstruktur, Geschlechtszugehörigkeit und Tätigkeitsmerkmalen der Teilnehmer sowie eines später versandten kurzen zweiten Fragebogens, der sich insbesondere an die Verweigerer der ersten Befragung richtete, ergab sich aber, daß die Teilnehmer nicht repräsentativ für die gesamte Untersuchungspopulation waren. Die älteren, die eher konservativen und die weiblichen Adressaten sowie die Richter an Amts- und Oberlandesgerichten zeigten eine deutlich unterdurchschnittliche Teilnahmebereitschaft. 83 Streng (1984), S. 95, 407 f. 84 Streng (1984), S. 96. 85 Zur Methodenkritik vgl. oben I. 3. und die Bespr. von Bruns (1985), S. 63 ff. 86 Zusätzlich wurden auch Akten aus Österreich einbezogen. Die international vergleichende Anlage dieser Untersuchung wie auch die zahlreichen Erträge der einzelnen Analysen sollen an dieser Stelle aber nicht weiter interessieren. 82

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rensakten, diesmal aus nur 5 Landgerichtsbezirken87 Baden-Württembergs, analysiert, welche Verurteilungen wegen Raubes, wegen Vergewaltigung und wegen Einbruchdiebstahls aus den Jahren 1979 bis 1981 enthielten88. Für diese Delikte wurde versucht, die relevanten Strafzumessungsfaktoren sowie deren Gewicht zu bestimmen. Es ging hier also nicht darum, Unterschiede im Strafmaß festzustellen, sondern Gemeinsamkeiten von Strafzumessungsentscheidungen aufzuzeigen. Dafür wurden, freilich nicht erstmalig89, statistische Verfahren verwendet, die es erlauben, eine Vielzahl von Variablen gleichzeitig miteinander in Beziehung zu setzen. So kann z. B. im Falle der im vorliegenden Zusammenhang vor allem bedeutsamen sogenannten multiplen Regressionsanalyse die relative Bedeutung einer größeren Anzahl unabhängiger Variablen90 – hier der vermutet strafzumessungsrelevanten Faktoren – für die Verteilung einer abhängigen Variablen – hier der verhängten Strafe – ermittelt werden. Bei diesem Verfahren, das auf dem sog. Prinzip der kleinsten Quadrate basiert, werden Zusammenhänge zwischen den einzelnen für relevant erachteten Strafzumessungsfaktoren und dem Strafmaß berechnet, welche gemeinsam die Funktion bilden, deren Funktionswerte die geringste Abweichung von den tatsächlichen Strafhöhen zeigen. Diese Funktion ist dann ermittelt, wenn die Summe der Differenzen zwischen den Werten dieser Vergleichspaare am niedrigsten ist, wobei negative und positive Differenzen dadurch gleichermaßen erfaßt werden, daß sie vor der Addition quadriert werden. Aus dieser Vorgehensweise ergeben sich im einzelnen bestimmte mathematische Prämissen, deren Nichtbeachtung die Validität der Ergebnisse nachteilig beeinflussen kann91. Zur Überprüfung der Einhaltung sol87 Stuttgart, Mannheim, Heilbronn, Karlsruhe und Freiburg; vgl. Albrecht (1994), S. 238. 88 In den Bereichen Raub und Vergewaltigung wurden alle Verurteilungen der genannten Landgerichtsbezirke erfaßt, im Bereich Einbruchsdiebstahl eine 25%-Zufallsstichprobe. Die Ausfallquote betrug 15,6%. Die österreichische Untersuchung umfaßte trotz abweichender Terminologien dieselben Delikte, jedoch teilweise andere Untersuchungszeiträume. Vgl. Albrecht (1994), S. 238, 245 ff. 89 Diese der Statistik als einer Teildisziplin der Mathematik entstammenden Verfahren werden insbesondere zur soziologischen Forschung herangezogen. In der empirischen Strafzumessungsforschung wurden entsprechende Methoden z. B. schon 1968 von Lewrenz u.a (vgl. oben Anm. 57) genutzt. Zur computergestützten Durchführung der Analysen wurde vielfach das Programmpaket SPSS (Superior Performing Software Systems; ursprünglich stand die Bezeichnung für Statistical Package for the Social Sciences) verwendet, das heute beispielsweise auch für Windows erhältlich ist. 90 Die unabhängigen Variablen brauchen nicht metrisch skaliert zu sein. Auch lediglich kategoriale Zumessungsfaktoren können als sog. Dummy-Variablen (z. B. 0 = ja; 1 = nein) einbezogen werden; vgl. Fahrmeir u. a., S. 93 f.; Backhaus u. a., S. 2. Zu den verschiedenen Skalenarten vgl. Backhaus u. a., S. 8 f. 91 So setzt die regelmäßig angewandte lineare Regression eine lineare Beziehung zwischen den einzelnen Strafzumessungsfaktoren und dem Strafmaß voraus. Zur Näherung können die Daten freilich transformiert werden, etwa durch zwischengeschalte-

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cher Bedingungen existieren aber wiederum bestimmte Testverfahren92. Ist nun eine derartige Funktion ermittelt worden, so kann deren Aussagekraft anhand des sog. Bestimmtheitsmaßes (r 2) dargestellt werden, das den Quotienten aus erklärter Varianz und Gesamtvarianz im Strafmaß angibt93. Albrecht ist es nun gelungen, mit diesem Verfahren einen erstaunlich hohen Anteil der Strafmaßvariation in den seiner Untersuchung zur Strafzumessung bei schwerer Kriminalität zugrundegelegten Daten durch eine geringe Anzahl im wesentlichen auf die Unrechts- und Schulddimension bezug nehmender Variablen zu erklären94. So ließ sich für die Fälle des Einbruchsdiebstahls alleine mit den Variablen „Schadenshöhe“, „Anzahl der Diebstähle“ und „Vorstrafenbelastung“ ein Bestimmtheitsmaß (r 2) von 52% erreichen95. Bei den Raubdelikten reichte das Erklärungspotential bestimmter Faktoren in verschiedenen Fallgruppen sogar bis zu 68%, während sich bei den Vergewaltigungsdelikten wiederum um die 50% der Strafmaßvarianz erklären ließ96. Die zuvor bei umfangreicheren Untersuchungen üblicherweise erzielten Bestimmtheitsmaße lagen demgegenüber in der Regel deutlich unter solchen Werten, jedenfalls dann, wenn ein interpretationsfähiges Signifikanzniveau gefordert wurde97. Vor dem tes Logarithmieren, was vor allem in Randbereichen eines Strafenspektrums durchaus sinnvoll sein kann; vgl. etwa Meine (1982), S. 342, 349 f. Für die darüber hinaus gehende Möglichkeit nichtlinearer Regression dürften Strafzumessungsdaten kaum Anlaß bieten. 92 Vgl. dazu Backhaus u. a., S. 31 ff. 93 Die Gesamtvarianz ist dabei vorliegend die Summe der quadrierten Abweichungen der tatsächlichen Strafhöhen von deren arithmetischem Mittel, die erklärte Varianz die Summe der quadrierten Abweichungen der entsprechend aus der Regressionsgleichung zu ermittelnden Strafhöhen von dem arithmetischen Mittel der tatsächlichen Strafhöhen. Siehe dazu Fahrmeir u. a., S. 108. Auch lassen sich aus den Koeffizienten der Regressionsgleichung standardisierte Regressionskoeffizienten (BETA) ermitteln, die den Einfluß der unabhängigen Variablen – also hier die Strafzumessungsfaktoren – untereinander vergleichbar machen; vgl. Backhaus u. a., S. 19. Mittels sog. Signifikanztests (F-Test; t-Test) kann zudem die Wahrscheinlichkeit berechnet werden, daß diese Ergebnisse nur auf Zufall beruhen – das sog. Signifikanzniveau (p); vgl. dazu Backhaus u. a., S. 25 ff. 94 Dabei konnte für jede in die Regression eingeführte Variable eine eindeutige Signifikanz (p < 1%) nachgewiesen werden. Vgl. Albrecht (1994), S. 333 ff. 95 Dieses Ergebnis wurde unabhängig davon erzielt, ob die Geldstrafen (Anzahl der Tagessätze), die Freiheitsstrafen mit Bewährung und diejenigen ohne Bewährung in gleichem Verhältnis oder im Verhältnis 1:2:3 gewichtet wurden, was für eine klare Abgrenzung auch der verschiedenen Strafarten nach diesen Variablen spricht. Vgl. Albrecht (1994), S. 333, 336 f. 96 Albrecht (1994), S. 338 ff. 97 So hatte Streng (1984), S. 265, bei der Ermittlung des anhand der Daten seiner Befragung zu fiktiven Fällen maximal erreichbaren Bestimmtheitsmaßes zwar einen Wert von über 50% erzielt, dies war ihm aber nur bei Einführung einer Unmenge unabhängiger Variablen und unter Verzicht auch auf die Signifikanz des gesamten Erklärungsmodells möglich. Bei einer Reduzierung der unabhängigen Variablen auf 37, die dann zumindest insgesamt zu hoher Signifikanz führten, konnte noch ein Bestimmt-

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Hintergrund dieser Ergebnisse kam Albrecht nun zu dem Schluß, daß in der Strafzumessungspraxis, jedenfalls soweit man von den Nahtstellen zwischen den einzelnen Strafarten und den Strafmodifikationen absehe, ganz überwiegend Gleichmäßigkeit herrschen dürfte98. Nicht nur die Tatsache, daß dieser Befund dem aus den zuvor genannten Untersuchungen gewonnenen Eindruck auf den ersten Blick zu widersprechen scheint, sondern auch die Allgemeingültigkeit, in der hier der Strafzumessungspraxis erstmalig Gleichmäßigkeit bescheinigt wurde, macht jedoch zumindest eine genauere Betrachtung der von Albrecht dafür gelieferten Begründung wie auch der diese Begründung tragenden empirischen Vorgehensweise erforderlich. Zunächst kann dem Befund freilich insofern zugestimmt werden, als auf die Tatsache verwiesen wird, daß die Praxis regelmäßig nur von einem kleinen Ausschnitt des Strafrahmens – im wesentlichen dem unteren Drittel – Gebrauch macht und daß sie darüber hinaus auch zu einer weitgehenden Annahme minder schwerer Fälle neigt99. Auch die ebenfalls als Argument für Gleichmäßigkeit angeführte weitere Verengung des Differenzierungspotentials durch eine generelle Präferenz für „glatte Strafmaße“100 spricht zwar für die von Albrecht ausdrücklich im Sinne einer reduzierten Variation im Strafmaß verstandene Gleichmäßigkeit. Wie er jedoch anschließend auch selbst andeutet101, kann in vordergründig erkennbarer Gleichmäßigkeit auch mangelnde Differenzierung zum Ausdruck kommen. Speziell im Fall der sogenannten Prägnanztendenz bezieht sich diese Form von Gleichmäßigkeit nämlich lediglich auf die richterliche Vorgehensweise. Die dem Verfahren zugrundeliegenden Taten und Täter werden dabei völlig ausgeblendet. Eine derartige über gesetzliche Vorgaben hinausgehende fallunabhängige Schematisierung der Strafzumessung verfehlt deshalb den eigentlichen Kern des aufgeworfenen Problems gleichmäßigen Strafens im Sinne einer Gleichbehandlung der Täter. Vielmehr dürften jedenfalls insoweit gerade Beispiele für Ungleichmäßigkeit in Gestalt mangelnder Differenzierung vorliegen102, was insbesondere dann deutlich wird, wenn man sich das von Albrecht zur Untersuchung der Gleichmäßigkeit verwendete Verfahren linearer Regression vor Augen führt, bei dem derartige Einflüsse gerade zu einer durch Strafzumessungsfaktoren nicht erklärbaren „prägnanzbedingten“ Varianz führen müßten103. Freilich ist dieser Einwand heitsmaß von 39,2% erreicht werden. Auch Albrecht selbst konnte in seiner Analyse der Strafzumessung bei Geldstrafen nur für die Verkehrsunfallflucht einen Erklärungsanteil von über 50% ermitteln; vgl. Albrecht (1980), S. 187 ff., 190. 98 Albrecht (1994), S. 492 f. 99 Albrecht (1994), S. 492. 100 Albrecht (1994), S. 492. 101 Albrecht (1994), S. 492. 102 Vgl. zu diesem Problem der Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte schon oben 2. 103 Man stelle sich dabei eine idealerweise „treppenförmige“ Strafmaßverteilung vor, deren Stufenanzahl statt der Anzahl möglicher nur der Anzahl prägnanter Straf-

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nicht geeignet, die Grundthese Albrechts zu erschüttern, denn dieser Anteil nicht erklärter Varianz ist in dem von ihm jeweils ermittelten Bestimmtheitsmaß ja bereits negativ berücksichtigt. Mißt man nun, um wieder auf die generelle Fragestellung zurückzukommen, die Strafzumessungspraxis nur an den schon dem Gesetzeswortlaut zu entnehmenden theoretischen Möglichkeiten, so ist die Feststellung überwiegender Gleichmäßigkeit auf jeden Fall berechtigt, jedoch zugleich auch wenig überraschend. Eine solche vorwiegend durch Ausdehnung der Bewertungsgrundlage bedingte lediglich vordergründig vom Bisherigen abweichende Würdigung wäre wenig sinnvoll und war in dieser Form auch wohl kaum beabsichtigt. In diesem Zusammenhang stellt sich vielmehr die weitaus bedeutsamere Frage, ob eine solche überwiegende Gleichmäßigkeit auch innerhalb der von der Praxis genutzten Strafrahmenanteile besteht. Auch eine derartige Feststellung scheint die Arbeit Albrechts aufgrund der ermittelten hohen erklärbaren Anteile an der Strafmaßvarianz klar zu stützen. Allerdings ist auch dabei Vorsicht geboten. Die Aussagekraft dieser Zahlen muß in Abhängigkeit vom inhaltlichen Umfang des zugrundegelegten Datenmaterials und den sich aus diesem Material ergebenden Erklärungsvariablen gesehen werden, denn auch insoweit kann die Vorgehensweise die statistische Qualität des Ergebnisses positiv beeinflussen. Die in den einzelnen Analysen erfolgte Einbeziehung von Fällen, deren Strafen aus verschiedenen Strafrahmen entnommen sein müssen oder zumindest entnommen sein können, läßt bereits eine gegenüber sonstigen unabhängigen Variablen erhöhte Erklärungskraft der strafrahmenspezifischen Variablen104 erwarten, die dann auch insgesamt ein höheres Bestimmtheitsmaß zur Folge haben könnte, als ein auf Strafen eines bestimmten Deliktsstrafrahmens beschränktes Untersuchungsdesign. Vor allem aber ist die Einführung des „minder schweren Falls“ als unabhängige Variable nicht unbedenklich, da die entsprechende Einstufung schon selbst eine Strafzumessungsentscheidung darstellt105. Andererseits hätten sicher auch andere wirklich unabhängige Variablen, die mit der Einstufung als minder schwerer Fall korrelieren, zumindest einen Teil der durch diese Einstufung erklärten Varianz erklärt106. Außerdem ist es Albrecht auch innerhalb der normal schweren Fälle des schweren Raubes – allerdings unter Einbeziehung des Versuchs und der verminderten Schuldfähigkeit – gelungen, einen Erklärungsanteil von 62% zu ermitteln. Es kann deshalb, selbst wenn man auch die Übertragbarkeit dieser Resultate auf sonstige Delikte oder auf die Strafzumessung anderer Bundesländer noch in Zweifel zie-

maße entspricht, was zwangsläufig auch zu einer größeren Streuung um eine lineare Regressionsfunktion führen muß. 104 Versuch, verminderte Schuldfähigkeit, minder schwerer Fall. 105 Zu diesem empirischen Zirkelschluß vgl. auch Streng (1997), S. 183, 193 f., Dölling (1999), S. 177, 191. 106 So etwa Verletzungsfolgen, Gewaltintensität und Deliktsplanung; vgl. Albrecht (1994), S. 338, 381 f., 481.

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hen mag, aufgrund dieser Untersuchung schon an dieser Stelle zweierlei festgehalten werden: Zum einen scheint offenbar relativ gleichmäßiges Strafen auch ohne zusätzliche offizielle Maßnahmen möglich, jedenfalls soweit man dabei zunächst die Frage des richtigen Zumessungsmaßstabs ausblendet, und zum anderen dürfte, gemessen an den Ergebnissen der oben genannten Untersuchungen der 60er und 70er Jahre, auch zumindest eine Tendenz hin zu gleichmäßigeren Strafen bestehen. In diese Richtung weisen auch andere weniger umfangreiche Untersuchungen, die sich mit der Strafzumessung bei einzelnen Delikten beschäftigen. Beispielsweise konnte Hoppenworth, die, wie Albrecht, Ende der 70er bzw. Anfang der 80er Jahre erfolgte Verurteilungen wegen Raubes untersuchte107, im regionalen Vergleich weder signifikante Strafhöhenunterschiede noch Abweichungen in der Verteilung der einzelnen Strafarten feststellen108. Auch die von ihr ermittelten Bestimmtheitsmaße waren mit den von Albrecht genannten vergleichbar109. Noch weitaus größere Erklärungsanteile lassen sich offenbar durch Beschränkung einer Untersuchung auf einen sehr speziellen Deliktsbereich sowie in der regionalen Ausdehnung erzielen. Meine, der zunächst Ende der 70er Jahre im OLG-Bezirk Hamburg erfolgte Verurteilungen wegen Steuerhinterziehung auf den Zusammenhang zwischen dem hinterzogenen Betrag und der verhängten Strafe hin analysierte110, kam zu Bestimmtheitsmaßen von über 99%111. Auch eine Erweiterung der Untersuchung auf Fälle des Jahres 1980 führte immer noch zu Bestimmtheitsmaßen von bis zu 63%112.

107 Hoppenworth, S. 23 ff. Es wurden 385 Strafakten der Jahre 1977–1982 aus den Landgerichtsbezirken Hannover, Kassel und Verden analysiert. 108 Hoppenworth, S. 54 ff., 266. 109 Der Anteil erklärter Varianz lag für Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht bei 61%, für Verurteilungen nach dem JGG sogar bei 79%. S. Hoppenworth, S. 258 ff. 110 Meine (1980), S. 129 ff. Letztlich wurden insgesamt 119 Verurteilungen aus den Jahren 1977/78 und 180 Strafbefehlsverfahren aus dem Jahre 1977 ausgewertet. 111 Bei hohem Signifikanzniveau (p < 0,1%) lag das Bestimmtheitsmaß r 2 in den gebildeten Fallgruppen immer über 40% und überwiegend bei 60% oder darüber. In der Fallgruppe mit dem höchsten Bestimmtheitsmaß von 99,74% (S. 138) waren 16 Strafbefehlsverfahren zusammengefaßt, die offensichtlich für eine bedenklich schematische Vorgehensweise der beantragenden gemeinsamen Strafsachenstelle der Hauptzollämter im Jahre 1977 sprechen. 112 Meine (1982), S. 342 ff., 351. Allerdings war in der Fallgruppe, in der sich für 1977 die Strafmaßvarianz beinahe vollständig durch die hinterzogenen Beträge erklären ließ, für 1980 keine annähernd vergleichbare Korrelation zwischen Strafmaß und Steuerbetrag mehr festzustellen.

II. Entwicklungslinien und Befunde zu Strafmaßdivergenzen

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d) Untersuchungen des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e. V. (KFN) aa) Pfeiffer/Savelsberg Demgegenüber sprachen die 1989 von Pfeiffer und Savelsberg veröffentlichten ersten Ergebnisse einer am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen begonnenen umfangreichen Untersuchung regionaler Unterschiede der Strafzumessung im Jugend- und Erwachsenenbereich113 eher für weiterhin bestehende deutliche Strafmaßdiskrepanzen. Um die Praxis sämtlicher 93 Landgerichtsbezirke der westdeutschen Bundesländer erfassen zu können, wurden die Daten der Strafverfolgungsstatistiken herangezogen, insbesondere für die Jahre 1985 und 1986114. Auf dieser Grundlage konnten schon zu Anfang erhebliche Divergenzen festgestellt werden. Beispielhaft seien hier nur die für die Landgerichtsbezirke Hessens und Niedersachsens für den genannten Zeitraum ermittelten Anteile verhängter Freiheitsstrafe ohne Bewährung an den Verurteilungen wegen Schweren Diebstahls bei Tätern mit 1–4 Vorverurteilungen genannt, die von unter 10% für Bückeburg, Stade und Hanau bis zum Höchstwert von 56,1% für Limburg variierten115. Darüber hinaus soll im Laufe der Untersuchung auch die Gewichtung der Strafzumessungsmerkmale bei der Sanktionsentscheidung mittels multivariater Analyse bestimmt worden sein116. Unabhängig von den bereits gegenüber der Analyse amtlicher Statistiken geäußerten generellen Bedenken117, zeichnete sich jedoch im nachhinein noch ein weiterer Mangel der gewählten Datenquelle ab. Eine Validitätsstudie, die den Angaben der Strafverfolgungsstatistik die entsprechenden Daten der Bundeszentralregistermitteilungen gegenüberstellte, fiel dermaßen enttäuschend aus, daß eine inhaltliche Interpretation der Untersuchungsergebnisse insgesamt nicht in Frage kam118. Angesichts der justizinternen Bedeutung des Bundeszentralregisters und des damit verbundenen großen Interesses an dessen Richtigkeit dürften diese Abweichungen zwischen den amtlichen Datensammlungen auf mangelhaftes Ausfüllen der für die Strafverfolgungsstatistik ausschlaggebenden Zählblätter zurückzuführen sein119.

113 114 115 116 117 118 119

Pfeiffer/Savelsberg (1989). Pfeiffer/Savelsberg, S. 21 f. Pfeiffer/Savelsberg, S. 39, Tabelle 5. Dies berichtet Langer, S. 35. s. oben I. 2. So Langer in seiner ebenfalls am KFN entstandenen Dissertation, S. 35 f. Langer, S. 36.

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bb) Langer Die jüngsten Arbeiten zur empirischen Erforschung von Strafzumessungsdisparitäten von Langer120, Oswald121 und Hupfeld122 sind ebenfalls am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen entstanden. Die Autoren werteten dabei u. a. einzelrichterliche Entscheidungen zu Delikten des einfachen Diebstahls123 anhand von Bundeszentralregisterdaten aus. Bereits die Anwendung dieser inhaltlich eingeschränkten Methode deutet darauf hin, daß der Schwerpunkt dieser Arbeiten wiederum auf der Untersuchung von soziologischen und psychologischen Ursachen für Unterschiede im Strafmaß liegt, während die Einzelheiten der zugrundeliegenden Straftaten im Dunkeln bleiben müssen. Die soziologisch orientierte Arbeit Langers stellte die in den Jahren 1987 und 1988 für einfachen Diebstahl verhängten Strafmaße dreier anonymisierter großstädtischer Amtsgerichte gegenüber, welche nach dem unterschiedlichen Handlungsstil der zuständigen Staatsanwaltschaften ausgewählt wurden124. Die Darstellung der Strafmaßunterschiede erfolgte zunächst nach dem Anteil der verschiedenen verhängten Sanktionen und dem Median der jeweiligen Sanktionshöhe125. Dabei variierte z. B. der Anteil der Freiheitsstrafen an den verhängten Sanktionen insgesamt zwischen 34,9% und 59,7%126, der Median der nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafen lag zwischen 120 und 180 Tagen. Nach einer Transformation der verschiedenen Höhen verschiedener Sanktionen in einheitliche Strafhärtewerte wurden für die drei Städte dann mittlere Strafhärtewerte zwischen 12,95 und 17,34 berechnet127. Bei der Beurteilung dieser Zahlen sind allerdings etwaige Unterschiede im zugrundeliegenden Fallmaterial in Rechnung zu stellen. Zwar wurden „klien120

Langer (1994). Oswald (1994). 122 Hupfeld (1996); ders. (1999). 123 Langer, S. 20 f., 179 ff.; Oswald, S. 15; Hupfeld (1999). 124 Dafür wurden die Geschäftsstatistiken (1985/86) von 17 Staatsanwaltschaften in Landgerichtsbezirken, die mindestens eine Stadt mit über 250.000 Einwohnern umfassen, auf Abweichungen vom Stichprobendurchschnitt im Erledigungsanteil durch Anklage zum Schöffengericht bzw. durch Einstellung untersucht. Hieraus ergaben sich verschiedene Typen, von denen drei – „punitiv“, „liberal“ und „legalistisch“ (letzteres als Bezeichnung für Staatsanwaltschaften, die in beiden Ausprägungen unter dem Durchschnitt lagen) – zur Bestimmung jeweils eines Erhebungsorts führten. Vgl. Langer, S. 220 ff. 125 Langer, S. 238 ff. 126 Bei den von Langer, S. 239, genannten 57,9% handelt es sich um einen Schreibfehler, da die Anteile der zugehörigen mit bzw. ohne Bewährung verhängten Freiheitsstrafen mit 45,3% und 14,4% angegeben werden. Vgl. auch die S. 242 genannten Zahlen. 127 Langer, S. 242. Zu der am KFN mittels Richterbefragung entwickelten Strafhärteskala vgl. S. 187 ff.; s. dazu auch Oswald, S. 103 ff. 121

II. Entwicklungslinien und Befunde zu Strafmaßdivergenzen

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tenspezifische“ Unterschiede der Erhebungsorte für rechtskräftige Strafbefehle und Einzelrichterurteile gemeinsam statistisch überprüft128. Und der Erklärungsgewinn der im Rahmen der Möglichkeiten, die das Bundeszentralregister bietet, überprüfbaren Strafzumessungsfaktoren129 für eine Zuordnung der Fälle zu den verschiedenen Amtsgerichten lag auch bei „nur“ 2,5% gegenüber dem Nullmodell. Jedoch wurden die Erhebungsorte ja gerade nach unterschiedlichen Handlungsstilen der Staatsanwaltschaften ausgewählt, die sich bei der gemeinsamen Überprüfung der zugrundeliegenden Anklagesachverhalte mit den Sachverhalten, die zu einem Strafbefehl führten, nicht mehr in der Weise auswirken dürften, wie es bei einer isolierten Betrachtung der Anklagesachverhalte zu vermuten wäre. Bei der gesonderten Gegenüberstellung der allerdings deliktsunabhängig der staatsanwaltschaftlichen Erledigungsstatistik zu entnehmenden Handlungsstile der betroffenen Staatsanwaltschaften ist zu erkennen, daß im Bezirk des „punitivsten“ Gerichts nur 25% aller Verfahren angeklagt wurden, während dies beim Gericht mit dem niedrigsten Strafhärtewert immerhin 42,1% waren130. An der Rangfolge dieser Anklagequoten ändert sich auch dann nichts, wenn – nunmehr wieder auf der Basis der Registerauszüge – lediglich die Anklagen wegen Diebstahls zur Summe aus diesen und den Strafbefehlen wegen Diebstahls in Beziehung gesetzt werden131. Diese Unterschiede im staatsanwaltschaftlichen Verhalten lassen sich auch kaum durch ein abweichendes Anzeigeverhalten der Einwohner erklären. Jedenfalls war die Zahl der bei der Polizei registrierten Strafanzeigen pro Einwohner in den Jahren 1985 bis 1989 im Bezirk der Staatsanwaltschaft mit der höchsten Abschöpfungsquote unter den für die drei Erhebungsorte angegebenen Werten immer der niedrigste132. Wenn man aber naheliegend vermutet, daß eher weniger schwer wiegende Sachverhalte mit Strafbefehlen geahndet werden, so dürfte sich anhand der verschiedenen Anklagequoten zumindest ein Teil der Unterschiede in den Strafhärtewerten erklären lassen. Auch die von Langer durchgeführte statistische Überprüfung des Einflusses staatsanwaltschaftlicher Selektion auf die richterliche Sanktionspraxis133 kann diese Bedenken nicht gänzlich ausräumen, denn zum einen konnten auch hier nur diejenigen Faktoren überprüft werden, welche sich anhand des Bundeszentralregisters feststellen lassen134, also beispielsweise nicht die Scha128 Dies unter der Überschrift „Überprüfung der Gleichverteilung der Klientelen der drei Staatsanwaltschaften“; Langer, S. 248 ff. 129 Bei diesen inhaltlich nur eingeschränkt aussagekräftigen Faktoren handelt es sich um Vorliegen und Art von Vorstrafen, Rückfallgeschwindigkeit, Anteil von Fällen in denen ein Konkurrenzverhältnis vorliegt, Anteil von Versuchsfällen, Anteil von Fällen des § 248a, Frauen- und Ausländeranteil unter den Tätern. 130 Langer, S. 256 ff. 131 Langer, S. 268. 132 Die Daten wurden der polizeilichen Kriminalstatistik entnommen; Langer, S. 245 ff. 133 Langer, S. 313 ff.

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denshöhe. Zum anderen muß die getroffene Feststellung, daß Unterschiede im richterlichen Strafzumessungsverhalten in den verschiedenen Erhebungsorten auch dann bestehen bleiben, wenn man die unterschiedliche Anklagepraxis der Staatsanwaltschaften statistisch kontrolliert135, auch nicht zu dem Schluß führen, daß damit gerade die Strafhärteunterschiede zuzuordnen seien, denn die verschiedenen richterlichen Verhaltensweisen können sich durchaus auch unabhängig von einer mittleren Sanktionshöhe ausgewirkt haben. Wenn aber nicht mit hinreichender Gewißheit feststeht, daß die angeklagten Verfahren in den verschiedenen Erhebungsorten insgesamt inhaltlich vergleichbar sind, so schlägt dies auf die Aussagekraft der präsentierten Strafhärteunterschiede durch. Eine ergänzende Analyse der Daten daraufhin, ob sich nicht der Erklärungsgewinn der überprüfbaren Strafzumessungsfaktoren für die Zuordnung zu den verschiedenen Amtsgerichten gegenüber dem Nullmodell bei isolierter Betrachtung der Anklagesachverhalte erhöhen würde, hätte in dieser Frage möglicherweise weiteren Aufschluß gebracht. Auch dabei hätte allerdings auf entscheidende Strafzumessungsfaktoren verzichtet werden müssen. Freilich richten sich die geäußerten Bedenken ausschließlich gegen die Aussagekraft der zahlenmäßig in erheblichem Ausmaß festgestellten gerichtlichen Strafart- und Strafhöhenunterschiede und nicht gegen die Untersuchung insgesamt. Die erzielten Ergebnisse sprechen im übrigen natürlich schon für gewisse Strafzumessungsdiskrepanzen, welche anhand der verschiedenen richterlichen Entscheidungsprogramme, also in gegenüber der von Albrecht angestrebten Feststellung eines möglichst einheitlichen Maßstabes136 umgekehrter Vorgehensweise dargestellt werden und sich im Strafmaßdurchschnitt ja auch gar nicht auswirken müssen. cc) Oswald Die von Oswald für ihre Untersuchung zur Psychologie richterlichen Strafens herangezogenen Bundeszentralregisterdaten unterscheiden sich von den von Langer verwendeten in erster Linie im Entstehungszeitpunkt137. Um eine zeitliche Übereinstimmung mit der ebenfalls durchgeführten Befragung der Richter, deren Strafzumessungsentscheidungen zu den Befragungsergebnissen dann in Beziehung gesetzt werden sollten, zu erreichen, wurde vorwiegend der Datensatz der Jahre 1989/90 analysiert138. Im Laufe dieser Untersuchung mußte Os134

Zu den Faktoren vgl. oben Anm. 129. Langer, S. 322, 326. 136 Dazu oben c). 137 Auch Oswald untersuchte die Strafzumessung beim einfachen Diebstahl an Einzelrichterabteilungen dreier großstädtischer Amtsgerichte; s. S. 159 ff. 138 Oswald, S. 109. 135

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wald feststellen, daß sich ihr ursprüngliches Anliegen, Strafzumessungsdisparität zu erklären, in die Frage zu verkehren schien, wie es zur Homogenität der strafrichterlichen Entscheidungen kommt139. Der durch multiple Regressionsanalyse ermittelte Anteil der Strafmaßvarianz, der sich innerhalb des jeweiligen Gerichts durch Zuordnung zu den einzelnen Richtern erklären ließ, lag lediglich bei 0,6– 1,3%140. Die Analyse der Strafzumessungsunterschiede zwischen den Gerichten brachte gar einen noch geringeren Erklärungsanteil des Merkmals „Erhebungsort“ hervor141, was nicht nur deshalb verwundert, weil in der Arbeit Langers deutliche Strafhärteunterschiede zum identischen Deliktsbereich festgestellt und interpretiert wurden142, sondern vor allem, weil, wie bei Hupfeld zu lesen ist143, die drei von Oswald einbezogenen Amtsgerichte tatsächlich mit denen der Arbeit Langers übereinstimmen sollen144, und Oswald, die ja in erster Linie die Bundeszentralregisterdaten der Jahre 1989/90 verwendete, Unterschiede gegenüber den Zahlen der vorangegangenen zwei Jahre, die wiederum Grundlage der Arbeit Langers bildeten, explizit nennen wollte145. Damit werden die oben genannten Zweifel am tatsächlichen Bestehen der von Langer bezifferten Strafhärteunterschiede weiter unterstrichen. Auch nach Auffassung Oswalds können jedenfalls bezüglich einzelner Richter Rückschlüsse auf die Strafhärte aus den zugrundeliegenden Daten angesichts denkbarer Unterschiede im Fallmaterial nicht gezogen werden146. Die Ergebnisse der Befragung zur üblichen Strafoberbzw. -untergrenze im Falle des Diebstahls geringwertiger Sachen bzw. des einfachen Diebstahls bei einem Schaden von 2.000,– DM zeigen ebenfalls einen weitestgehenden Konsens zwischen den Richtern der verschiedenen Gerichte147. Allerdings konnten zwischen den anhand der Befragung festgestellten Unterschieden in der Strafhärteeinstellung der Richter und deren tatsächlichem Strafzumessungsverhalten deutliche Zusammenhänge festgestellt werden148, was das 139

Oswald, S. 169. Vgl. Oswald, S. 169 ff. und Tabelle 24. Der Maximalwert, der diesbezüglich durch Beschränkung der Analyse auf Wiederholungstäter bzw. durch Ausschluß der Geringfügigkeitsfälle erzielt werden konnte, lag bei 3,7%. 141 Der Varianzanteil, der durch Erhebungsort oder Gericht erklärt wurde, lag bei nur 0,6% bzw. für Wiederholungstäter bei 1,2% (Oswald, S. 174 f.), und selbst diese Ergebnisse könnten noch durch unterschiedliche Fallzahlen beeinflußt worden sein. 142 s. oben bb). 143 Hupfeld (1999), S. 347, erwähnt, daß drei der seiner Untersuchung zugrundegelegten vier Amtsgerichte mit denjenigen der Untersuchungen von Langer und Oswald identisch seien. 144 Darauf weist auch Löschper, S. 212, hin, die eine Erklärung für diese divergierenden Ergebnisse aus „zwei Studien“ u. a. in verschiedenen Maßen für die Strafzumessungshärte und unterschiedlicher Art und Anzahl analysierter Variablen vermutet. 145 Oswald, S. 109. 146 Oswald, S. 165 ff. 147 Oswald, S. 137 ff. 148 Oswald, S. 176 ff. 140

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Bestehen gewisser Strafzumessungsunterschiede, wenn auch in geringerem Umfang als von der Verfasserin ursprünglich erwartet, untermauert. dd) Hupfeld Hupfeld schließlich beschäftigte sich mit den Unterschieden im jugendrichterlichen Handeln, wofür auch er zunächst eine Befragung durchführte.149 Im Jahre 1992 versandte er an 499 Jugendrichter150 einen Fragebogen, der u. a. einen fiktiven in der Anzahl der Vorstrafen variierten Diebstahlsfall enthielt. In den zurückgesandten und verwertbaren151 Fragebögen differierten die vorgeschlagenen Sanktionsbereiche zwar, sie wurden jedoch nicht nach Vorstrafenanzahl getrennt ausgewiesen, so daß auch insoweit lediglich auf die festgestellten hochsignifikanten Korrelationen zwischen Sanktionshärte und den zugleich erfragten richterlichen Einstellungen verwiesen werden kann152. In einer weiteren Studie zu den richter- und gerichtsbezogenen Sanktionsdisparitäten in der deutschen Jugendstrafrechtspraxis hat auch Hupfeld auf Bundeszentralregisterdaten, in diesem Fall solche des Erziehungsregisters der Jahre 1987–1990 zum einfachen Diebstahl zurückgegriffen, wobei er im Vergleich zu Langer und Oswald noch ein weiteres großstädtisches Amtsgericht mit einbezog153. Um auch für diesen Sanktionsbereich Unterschiede in der Gewichtung der feststellbaren Strafzumessungsfaktoren durch die verschiedenen Gerichte bzw. Richter herausarbeiten zu können, wurden die jugendrichterlichen Reaktionsmöglichkeiten nach Eingriffsintensität in fünf Stufen skaliert154. Insgesamt 32% dieser Sanktionsvarianz konnten auf diese Weise bei hohem Signifikanzniveau erklärt werden. Dabei war das Kriterium „Erhebungsort“ mit 9% mit am aussagekräftigsten und konnte, wie auch der mit bis zu 8% feststellbare Erklärungsanteil des Faktors „Abteilung“ an der Gesamtvarianz innerhalb der einzelnen Gerichte tatsächlich zu Gewichtungsunterschieden in Beziehung gesetzt werden155.

149

Hupfeld (1996), S. 118 ff. Zur Auswahl der Stichprobe und zu deren Repräsentativität vgl. Hupfeld (1996), S. 132 ff. 151 Die Rücklaufquote lag zwar deutlich unter der beispielsweise von Streng (oben Anm. 75) erzielten, betrug aber immernoch ordentliche 56,3%, verwertbar waren schließlich 272 Fragebögen (54,5%); Hupfeld (1996), S. 134. 152 Hupfeld (1996), S. 151 ff. 153 Hupfeld (1999), S. 347. 154 Verfahrenseinstellung, ambulante Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel, Jugendarrest, Jugendstrafe m. B., Jugendstrafe o. B.; vgl. Hupfeld (1999), S. 346 f. 155 Hupfeld (1999), S. 350 ff. 150

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4. Fazit Nach alldem scheinen abschließende Aussagen zum Ausmaß von Ungleichmäßigkeit in der gegenwärtigen Strafzumessungspraxis nur schwer möglich zu sein. Daß sich die bisherigen Arbeiten in erster Linie auf Unterschiede und nicht auf Gemeinsamkeiten in der Strafzumessung beziehen, wie Albrecht beklagt156, mag zunächst daran liegen, daß auch die Beobachtung von oder die Klagen über Diskrepanzen eher den Anlaß für entsprechende Untersuchungen bildeten als die Vermutung von Gleichmäßigkeit. Hinzu kommt, daß Untersuchungen zur Gleichmäßigkeit, welche eine derer zur Ungleichmäßigkeit vergleichbare Beachtung finden wollen, grundsätzlich umfassender sein müssen. Aussagen zu Gemeinsamkeiten im Strafzumessungsverhalten verlangen, da deren Existenz ja nicht grundsätzlich bestritten wird, eher nach Allgemeingültigkeit als solche zur Ungleichmäßigkeit, welche ja auch schon im Einzelfall zumindest problematisch ist. Auch was die Bedingungen von Gleichmäßigkeit bzw. Ungleichmäßigkeit, also insbesondere die Art und das Gewicht legaler und extralegaler Strafzumessungsfaktoren angeht, ist die Erforschung von Gleichmäßigkeit insofern im Nachteil, als die Untersuchung der Existenz etwaiger extralegaler Kriterien schon für sich genommen ertragreich sein kann, während die Frage des grundsätzlichen Einflusses eines Legalfaktors auf die Strafzumessungsentscheidung isoliert betrachtet verhältnismäßig uninteressant bleibt157 und deshalb weitere Aussagen etwa zum Gewicht dieses Faktors oder zu dessen Bedeutung im Verhältnis zu anderen Faktoren gelingen müssen. Die Erforschung von Gleichmäßigkeit dürfte demnach nicht nur grundsätzlich höhere wirtschaftliche und technische Anforderungen stellen, sie ist auch mit einem größeren Risiko unzureichender Erträge behaftet. Es verwundert deshalb insbesondere auch unter Berücksichtung der benötigten statistischen und technischen Möglichkeiten nicht, daß Gemeinsamkeiten in der Strafzumessung auch erst relativ spät als Ausgangspunkt empirischer Strafzumessungsforschung in Betracht gezogen wurden. Hinzu kommt, daß das Ausmaß der von Albrecht u. a. ermittelten Erklärungsanteile an der Strafmaßvarianz jedenfalls unter den derzeitigen Bedingungen kaum zu überbieten sein dürfte. Es bleibt damit festzuhalten, daß jedenfalls bei gängigen Deliktsverwirklichungen offenbar eine deutlich erkennbare Angleichung der Strafhöhen in der Weise stattgefunden hat, daß ein gemeinsamer und relativ aussagekräftiger Maßstab feststellbar ist. Insofern darf man zusätzlich daran zweifeln, ob frühere Untersuchungen zur Gleichmäßigkeit überhaupt brauchbare Ergebnisse geliefert hätten. Weitere Arbeiten in dieser Richtung würden zwar wohl zur Verallgemeinerungsfähigkeit der Feststellungen zur Gleichmäßigkeit beitragen. Daß dies jedoch ausreichender Anreiz für 156

Albrecht (1983), S. 1301; ders. (1994), S. 157. Z. B. die Schadenshöhe beim Diebstahl. Anders ist dies freilich, wenn sich ein Legalfaktor als in der Praxis irrelevant erweisen sollte. 157

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entsprechend aufwendige Forschungsvorhaben sein könnte, erscheint zumindest dann zweifelhaft, wenn sich das Forschungsziel auf die Erfassung des Zustands inländischer Strafzumesssung beschränkt158. Insoweit dürfte die Frage der Gleichmäßigkeit eher ergänzend behandelt werden, wenn, und damit wäre wieder die Erforschung von Ungleichmäßigkeit in den Mittelpunkt gerückt, außerhalb der Grenzen der durch einen gemeinsamen Maßstab erklärbaren Strafmaßvarianzanteile geforscht wird. Daß hier durchaus noch ein gewisser Raum für signifikante Ungleichmäßigkeiten verbleibt, belegen zum Teil die dargestellten Untersuchungen. Wie das Problem der Gleichmäßigkeit im Strafmaß dagegen für solche Delikte, die insgesamt oder in bestimmten Sachverhaltsgestaltungen weniger häufig auftreten, zu beurteilen ist, läßt sich angesichts mangelnder Datenfülle mit statistischen Methoden kaum verläßlich nachweisen.159 Dies gilt in besonderem Maße auch für neu geschaffene Tatbestände und neuartige Formen der Deliktsverwirklichung, man denke etwa an Umweltdelikte oder auch an die verschiedenen Formen der Wirtschafts- und dabei insbesondere der Computerkriminalität. Dafür, daß hier größere Diskrepanzen bestehen könnten, eine Angleichung also noch bevorsteht bzw. langsamer erfolgt als bei Massendelikten, sprechen beispielsweise die in den Fällen der „Totalverweigerung“ von Zeugen Jehovas anfänglich deutlich unterschiedlich verhängten Strafen160. Neben den für eine Vielzahl von Sachverhalten geltenden Befunden dürfen aber auch die eingangs angesprochenen Einzelfälle nicht übersehen werden, die dem Beobachter einen bestehenden Bedarf an Vereinheitlichung oftmals geradezu aufdrängen. Die Existenz solcher Einzelfälle wird besonders plastisch durch die von Peters untersuchten Doppelverurteilungen161 belegt, aber auch bei forensischer Tätigkeit oder auch bloßer Zeitschriftenlektüre fallen derartige Fälle immer wieder auf – nicht zuletzt natürlich dann, wenn ein verhängtes Strafmaß auch der Revision nicht standhält162. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß sich das Problem der Gleichmäßigkeit in der Strafzumessung heute wohl nicht mehr in dem Umfang stellt, wie dies noch die Untersuchungen der 60er Jahre vermuten ließen. Auch die verallgemeinerungsfähigen Strafzumessungsunterschiede halten sich trotz stark verfeinerter Analysemethoden in quantitativ deutlich eingrenzbarem Rahmen. Dennoch besteht angesichts der genannten Ausnahmefallgruppen und Einzelfälle kein Anlaß, in der Frage der Ungleichmäßigkeit staatlichen Strafens Entwarnung zu geben163. Außerdem werfen die neueren Befunde ja 158 Anders wäre dies möglicherweise zu beurteilen, wenn die Strafzumessungsforschung selbst der Förderung von Gleichmäßigkeit dienen sollte. 159 So auch Oswald, S. 192. 160 Vgl. Peters, Praxis der Strafzumessung, S. 59, und oben Anm. 64. 161 s. dazu oben 2. 162 Vgl. zu diesen Fällen ausführlich unten § 3 III. 163 So bezogen auf regionale Strafzumessungsunterschiede auch Hörnle, S. 67, Detter (2000), S. 698 und Zieschang (2001), S. 268.

III. Ursachen für Strafzumessungsunterschiede

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auch die Frage auf, woher diese Entwicklung hin zu mehr Gleichmäßigkeit rührt. Die plausibelste Erklärung für eine derartige Angleichung ist freilich die bereits einleitend geäußerte Annahme, daß auch die Entscheidungsträger die gesteigerten empirischen Möglichkeiten nutzen und sich schon teilweise an der bisherigen Praxis orientieren164. Inwieweit ein solches Vorgehen billigenswert, im einzelnen konturierbar und möglicherweise auch ausbaufähig ist, bleibt auch dann noch zu klären.

III. Ursachen für Strafzumessungsunterschiede Zunächst ist aber der Frage nachzugehen, welche Umstände das Entstehen von Ungleichmäßigkeit bedingen können, denn nur an diesen Umständen kann die Qualität denkbarer oder auch bereits genutzter Abhilfestrategien gemessen werden. Die im Bisherigen in Abgrenzung zu begründeten Strafmaßdifferenzierungen verwandte Umschreibung der Ursachen für unbegründete Strafzumessungsunterschiede als extralegale Faktoren muß folglich näher aufgelöst werden. Abgesehen vom genannten Abgrenzungsproblem stellt sich dabei insbesondere die Frage, worin solche extralegale Bedingungen sinnvollerweise zu sehen sind, wie diese strukturiert werden können und welche Verbindungslinien zwischen diesen selbst und in Beziehung zu den Legalfaktoren berücksichtigt werden müssen. 1. Empirisch überprüfbare Ursachen Die Erforschung einzelner extralegaler Faktoren war mehr noch als die pauschale Feststellbarkeit von Ungleichmäßigkeit vom statistischen und technischen Fortschritt abhängig. International fand dabei zunächst das Problem möglicher Unterdrückung ethnischer Minderheiten und sozialer Schichten große Beachtung165. Auch nach Erweiterung dieses sehr stark am jeweiligen Verhandlungsgegenstand orientierten Blickwinkels auf Einstellungen und Charakteristika der Richter im allgemeinen oder auch auf Einflüsse durch andere Prozeßbeteiligte bleibt die Strafzumessungsforschung naturgemäß an empirisch überprüfbare Merkmale gebunden, die dann zu weitergehenden modellhaften Annahmen führen können. Mit Blick auf die dieser Arbeit zugrundeliegende reaktionsbezogene Fragestellung erscheint der umgekehrte Versuch einer möglichst umfangreichen modellhaften Erfassung denkbarer Ursachen für Strafmaßunterschiede und die anschließende partielle Anreicherung der Grundannahmen mit empirischen Befunden jedoch sinnvoller, denn für die Förderung von Gleichmäßigkeit können

164 165

s. zu den Ergebnissen entsprechender Umfragen unten § 3 IV. Vgl. die Nachweise bei Albrecht (1994), S. 162 f.

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mögliche Wurzeln von Ungleichmäßigkeit auch dann noch von Interesse sein, wenn man sie nur theoretisch in die Überlegungen einbeziehen kann. Eine bloße Betrachtung empirisch überprüfbarer Merkmale, die möglicherweise selbst eher Symptomcharakter haben, würde deshalb im vorliegenden Zusammenhang zu kurz greifen. 2. Regionale und individuelle Ursachen Daß Strafzumessungsdiskrepanzen nicht nur in ihrer Wirkung sondern zumeist auch hinsichtlich ihrer Ursachen nach regionaler und individueller Ausprägung unterschieden werden, hat zum einen natürlich methodische Gründe – die zumindest aufgrund größerer Datenmengen besser zu erfassenden regionalen Unterschiede standen dabei zunächst auch im Vordergrund. Zum anderen deuten sich in der regionalen Ausprägung schon bestimmte weitergehende Zusammenhänge an. Ausgangspunkt von Überlegungen zu Ursachen von Strafmaßunterschieden muß aber immer die Person des einzelnen Richters sein, denn letztlich bleibt die Strafzumessung immer dessen Individualentscheidung166, auch wenn sie im Falle von Kollegialentscheidungen noch mit den möglicherweise abweichenden Voten der Richterkollegen in Einklang zu bringen ist oder auch bereits von den von diesen zu erwartenden Voten beeinflußt sein mag. Begründungen für regionale Phänomene können sich deshalb erst aus individuellen Einflüssen ergeben, müssen aber in dieser Form in einem umfassenden Modell unterzubringen sein. 3. Diskrepanzursachen als Teil eines allgemeinen Strafzumessungsmodells Zur abstrakten Veranschaulichung von Ungleichmäßigkeiten in der Strafzumessung stellte McFatter ein allgemeines Strafzumessungsmodell in Gestalt einer schrittweisen mathematischen Näherungsformel vor167, welches der Strafzumessungsrealität zwar nicht entspricht und auch gar nicht entsprechen soll, an dem sich aber verschiedene Probleme der Ursachenbestimmung für Ungleichmäßigkeiten gut darstellen lassen. Ausgehend von einem Gesamtmittelwert der unabhängig von der Person des Entscheiders und dem Entscheidungsgegenstand verhängten Strafen wird hier zunächst mittels Addition der Differenzgröße zum Durchschnitt der Strafen übergegangen, welche sämtliche Richter für einen konkreten Fall verhängen würden. Von diesem Mittelwert werden dann in drei weiteren Schritten individuelle Abweichungen addiert; zunächst die Abweichung 166 Allgemein zum Einfallstor der Individualität des Urteilenden in der Strafzumessung Streng (1984), S. 23 f. und Anm. 29 m. w. N. 167 McFatter, S. 187 ff.

III. Ursachen für Strafzumessungsunterschiede

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der durchschnittlichen Strafe von dem oben genannten Gesamtmittelwert, die der einzelne Richter für die Gesamtheit aller Straftaten verhängt168, sodann die Differenz, die sich vom so ermittelten Wert zu der Strafe ergibt, die dieser Richter in einem Fall wie dem konkret zu beurteilenden zu verhängen pflegt und schließlich noch die Inkonsistenz, die sich bei der individuell-konkreten Strafzumessung gegenüber dem vorherigen Wert ergeben kann. Ungeachtet der Frage, ob Ungleichmäßigkeiten durch Abweichungen von einer hypothetischen konkret-generellen Durchschnittsstrafe zutreffend erfaßt werden169, wird bei dieser theoretischen Aufspaltung der Einzelfallstrafe neben dem qualitativen Unterschied zwischen systematischen Abweichungen und bloßen Inkonsistenzen deutlich, daß eine enge Verzahnung zwischen den Ursachen begründeter und unbegründeter Differenzierung in der Strafzumessung besteht. Wenn nämlich die systematischen Abweichungen auf grundsätzlichen Meinungsunterschieden zwischen Richtern beruhen170, so lassen sich diese kaum von den Meinungsübereinstimmungen trennen, die zur gleichmäßigen Strafe führen könnten. Daß die Aufspaltung der systematischen Abweichungen in individuelles Strafniveau und individuelle Gewichtungspräferenzen im Hinblick auf die diesen Abweichungen zugrundeliegenden Ursachen nicht weiterführt, ergibt sich damit von selbst. Jedenfalls muß aber eine modellhafte Darstellung von Diskrepanzursachen demnach auch sämtliche Legalfaktoren enthalten, unterscheidet sich aber aufgrund der abweichenden Schwerpunktsetzung von üblichen allgemeinen Strafzumessungsmodellen, die vor allem das Zusammenspiel der einzelnen Legalfaktoren erfassen sollen. 4. Veranlagung und Umwelt des Richters als umfassende Ursachenbereiche Um nun die individuellen Einflüsse, denen richterliches Verhalten unterliegen kann, näher einschätzen zu können, bietet sich zunächst eine generelle Betrachtung möglicher Einflußfaktoren für menschliches Verhalten an. Es stellt sich hier auf Richterseite die allgemeine Frage nach Verhaltensdeterminanten, welche auf kriminologischem Gebiet in erster Linie aus den Untersuchungen zur wissenschaftlichen Erfassung des Täters und dessen sozialer Bezüge geläufig ist171. Ganz grundsätzlich läßt sich dabei zwischen Veranlagung und Umwelt der betrachteten Personen unterscheiden172. Allerdings dürften die Bedeutung 168 Zwar bezeichnet McFatter, S. 188, hier den die richterliche Durchschnittsstrafe ausdrückenden Wert als Additionsgröße, gemeint ist aber diese Abweichung. 169 Nicht nur im Einzelfall sondern auch in der Summe sind die individuellen Abweichungen von einer Durchschnittsstrafe und diejenigen von einer angemessenen Strafe dann, wenn die Durchschnittsstrafe der angemessenen nicht entspricht, verschieden. 170 McFatter, S. 189. 171 Vgl. Kaiser (1996), S. 471 ff.; Göppinger, S. 209 ff.

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dieser beiden Aspekte und deren Verhältnis zueinander in bezug auf unterschiedliche Verhaltensweisen innerhalb der Richterschaft noch deutlich schwieriger zu beurteilen sein, als im Rahmen eines Vergleiches schon durch begangene Straftaten klar einzugrenzender Personengruppen mit der Allgemeinheit, und selbst dort ist die Bedeutung etwa des sich hinsichtlich der Veranlagung auf genetische, biochemische oder neurophysiologische Befunde stützenden Wissens nicht allzu hoch zu veranschlagen173. In ihren Auswirkungen können einzelne Veranlagungen oder Umwelteinflüsse letztlich ohnehin nicht isoliert betrachtet werden, sondern nur im wechselseitigen Zusammenspiel, da jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Wirkung jeder einzelnen Anlage- oder Umweltbedingung vom Gesamtbild sämtlicher sonstiger Bedingungen abhängt. Außerdem erfaßt eine derartige Ausgangsbasis zunächst das gesamte Strafzumessungsverhalten und damit auch die normativ begründeten Differenzierungen, womit sich das Problem der Abgrenzung legaler von extralegalen Entscheidungskriterien, die Frage des „richtigen“ Zumessungsmaßstabs, bereits auf der Ebene denkbarer Verhaltenssteuerung stellt. Dort steht es aufgrund der unübersehbaren Anzahl im Ergebnis weniger bedeutsamer und zugleich wohl überwiegend extralegaler Einflüsse zwar nicht so sehr im Vordergrund, auch die normativen Vorgaben können aber, genauso wie die vom Richter im Einzelfall wahrgenommenen Fallcharakteristika, als Umwelteinflüsse auf das richterliche Verhalten angesehen werden. Nur liegt es für die Betrachtung von Diskrepanzursachen in der Strafzumessung wohl näher, das zu untersuchende Verhalten auf die richterliche Sanktionsbestimmung im Einzelfall zu konkretisieren, in der Anwendung strafrechtlicher Normen auf den konkreten Sachverhalt also den Verhaltensgegenstand zu erblicken, der durch Anlage und Umwelt des Richters (mit-)bedingt sein kann. Unabhängig davon, ob die Normanwendung in diesem Zusammenhang der Ursachen- oder der Wirkungsebene zugeschlagen wird, bleiben diskrepanzverursachende von normativ gebotenen Einflüssen aber jedenfalls eigentlich schon auf dieser Ursachenebene abzugrenzen. Bei der abstrakten Betrachtung von Diskrepanzursachen zur Beurteilung denkbarer Abwehrstrategien stößt die genaue Abgrenzung zwischen legalen und extralegalen Faktoren in Anlagen und Umwelt des Richters aber ohnehin an gewisse Grenzen, denn erst eine Antwort auf die zentrale Frage nach der Begründung eines Strafzumessungsmaßstabs könnte sowohl Angleichungsstrategien stützen als auch extralegale von Legalfaktoren scheiden. Und dabei ist es ja gerade auch denkbar, daß die Begründbarkeit von Angleichungsmaßnahmen den Strafzumessungsmaßstab mit konstituiert, damit zur Ausfüllung des Begriffs der Gleichmäßigkeit in der Strafzumessung erst beiträgt und auf die Ab172 173

Vgl. auch Peters, Praxis der Strafzumessung, S. 64 f.; Seib, S. 19 f. Göppinger, S. 209.

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grenzbarkeit extralegaler Faktoren zurückwirkt. Müssen deshalb Grenzfragen an dieser Stelle sowieso unbeantwortet bleiben, so bietet es sich an, den Kreis der in diesem Zusammenhang interessierenden Faktoren zunächst weit zu fassen und alle denkbaren Einflüsse einzubeziehen, die sich nicht unmittelbar dem Wortlaut des § 46 StGB entnehmen lassen und die deshalb zumindest in den Verdacht geraten, Strafzumessungsdiskrepanzen zu verursachen. Während eine weitere Untergliederung veranlagungsbedingter Faktoren abgesehen vom generellen Problem ihrer Feststellbarkeit hier kaum weiterführen dürfte, lassen sich die Umweltbedingungen ihrer inhaltlichen Nähe zur konkreten Strafzumessungsentscheidung entsprechend mit dem Bild dreier konzentrischer Kreise veranschaulichen. Den äußersten Rahmen bilden dabei diejenigen Einflüsse, denen der Richter wie jedermann unterliegt, angefangen bei solchen der Erziehung über diejenigen des sonstigen privaten Umfelds bis hin zu allgemeinen Lebenserfahrungen und ganz allgemeinen Umweltbedingungen wie etwa gar dem Wetter zum Entscheidungszeitpunkt. Zu den schon enger mit dem Strafzumessungsverhalten in Zusammenhang stehenden Faktoren gehören die allgemeinen berufsbedingten Einflüsse, Praxiserfahrungen und organisationsspezifische Einwirkungen wie auch Erfahrungen der Aus- und Fortbildung. Insbesondere diesem Bereich sind auch die Ursachen für regionale Strafzumessungsunterschiede zuzuordnen; ein identisches berufliches Umfeld wie auch bestimmte instanzgerichtliche Erwartungen stellen nicht nur einfache gleichläufige Einflüsse dar, sondern können auch gerade Hilfestellung geben in Fällen eigener Unsicherheit des zur Entscheidung berufenen Richters. Darüber hinaus dürften sich derartige Effekte mit jeder neuen Anpassung einzelner Entscheidungen an den beruflichen Kontext verstärken und auf diese Weise zu bestimmten informellen Zumessungsregeln führen174. Natürlich sind solche regional gleichläufigen Einflüsse auch in den anderen Ursachenbereichen, etwa in den eine bestimmte Mentalität prägenden allgemeinen anlage- und umweltbedingten Einflüssen auf die auffällig seßhaften175 deutschen Richter zu vermuten, wie auch möglicherweise in regional unterschiedlichen prozessualen Üblichkeiten, die den schließlich als zentrale Gruppe verbleibenden unmittelbar der Prozeßsituation und ihrer Vorbereitung entstammenden Einflüssen auf die Strafzumessungsentscheidung zuzuordnen sind. Vor allem in den beiden berufsbezogenen Einflußgruppen finden sich auch im wesentlichen die Abgrenzungsprobleme zwischen extralegalen und Legalfaktoren wieder. Aus diesen untereinander verflochtenen Ursachenbereichen muß sich jeder individuelle Strafzumessungsmaßstab im Sinne eines Systems positiver Kriterien konstituieren mit all den möglichen Abweichungen gegenüber Maßstäben 174 Zu den vielfältigen Ansatzpunkten gleichlaufender beruflicher Sozialisation vgl. Pfeiffer/Savelsberg, S. 40; Langer, S. 62 ff. m. w. N. 175 Vgl. Streng (1984), S. 160 m. w. N.

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Dritter. Weitere Aspekte können auf einen solchen positiven Maßstab selbst keinen Einfluß haben. Eine andere Frage ist aber, ob mit dieser Ursachenbasis auch schon das gesamte individuelle Strafzumessungsverhalten erfaßt ist und damit insbesondere auch die sich daraus ergebenden Diskrepanzen. Das Bestehen eines Systems positiver Kriterien sagt zunächst noch nichts über die Genauigkeit der Ergebnisse seiner Anwendung aus. Vielmehr ist es zum einen angesichts der komplexen Materie nicht unwahrscheinlich, daß sich Unsicherheiten des einzelnen Richters bei der Anwendung des eigenen Maßstabs ergeben176. Diese Unsicherheiten ließen sich allerdings ebenfalls noch auf Veranlagung und Umwelt des Richters zurückführen und könnten damit auch als Teil des jeweiligen Maßstabs angesehen werden. Zum anderen besteht aber auch die Möglichkeit, daß solche individuelle Maßstäbe gar nicht vollständig ausgeformt sind, sondern gewisse Freiräume lassen. Darüber hinaus wäre es zumindest theoretisch auch denkbar, daß ein Richter bewußt und ohne konkreten Anlaß vom eigenen Maßstab abweicht. Die Frage, ob eine solche Offenheit individueller Maßstäbe tatsächlich besteht oder in Wahrheit ebenfalls vollständig auf Veranlagung und Umwelt des Richters zurückzuführen und die Strafzumessungsentscheidung damit vollständig determiniert ist177, entfaltet hier lediglich insoweit Bedeutung, als Veranlagung und Umwelt des Richters dann nicht in dessen Entscheidungsfreiheit eingebettet wären, er sich also nicht entscheiden könnte, inwieweit er sich im Einzelfall den genannten Einflüssen unterwerfen will. Angesichts der sich im Hinblick auf Diskrepanzursachen schon in ihrer bloßen Feststellung erschöpfenden Bedeutung dieser Abweichungsfreiheit und ihrer wohl nur marginalen Auswirkungen in der Strafzumessungspraxis kann diese ohnehin weder erkenntnistheoretisch noch naturwissenschaftlich zu beantwortende Frage aber auch hier offen bleiben. Richtet sich das Augenmerk hinsichtlich der Ursachen für Diskrepanzen damit wieder alleine auf die anlage- und umweltbedingten Einflüsse, so darf aber

176 Damit ist wohlgemerkt nicht eine auf den Maßstab selbst bezogene Inkonsistenz über einen gewissen Zeitraum gemeint. Eine grundsätzlich auch nicht extralegale Dynamik im Maßstab wird ja im Modell gerade durch Veränderungen in den anlage- und umweltbedingten Wirkungen erfaßt und macht in richterunabhängigen empirischen Untersuchungen gegenüber unterschiedlichen Maßstäben verschiedener Richter auch keinen Unterschied. S. zu den möglichen Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Maßstabs auch Albrecht (1994), S. 213. 177 Zu der im Strafrecht in erster Linie zum Schuldprinzip geführten Diskussion um Determinismus und Indeterminismus vgl. Jescheck/Weigend, § 37 I m. w. N. Für die Erhebung des strafrechtlichen Schuldvorwurfs muß die Erkenntnis ausreichen, daß jedermann von der Freiheit als Voraussetzung eigenen und fremden Handelns ausgeht und verschiedene Personen in gleichliegenden Fällen empirisch überprüfbar unterschiedlich handeln. Die darauf gegründete normative Erwartung eines abweichenden Täterverhaltens als Grundlage der Schuld beinhaltet damit keine zwingende Entscheidung für den Indeterminismus. Vgl. zu den verschiedenen Positionen auch Spilgies, S. 525 ff.

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nicht übersehen werden, daß sich deren Wirkung nicht unmittelbar auf den eigentlichen Strafzumessungsvorgang beschränkt. Zwar kommt es für die Ursachenfrage generell nicht so sehr auf die kausale Verknüpfung der Einflüsse an; daß solche Einflüsse durch weiteres Verhalten des Beeinflußten vermittelt zu neuen Einflüssen führen können, muß aber vor allem dann im Auge behalten werden, wenn sich dieser Vorgang innerhalb der Prozeßumwelt abspielt. Hier können sich Diskrepanzursachen auch schon im Vorfeld der eigentlichen Strafzumessung bemerkbar machen, etwa durch Einfluß auf die Kommunikation im Prozeß und die Aufnahme des Sachverhalts durch den Richter. Erstreckt sich damit ihre Wirkung auch auf den Inhalt der tatsächlichen Feststellungen, so wird erkennbar, daß Unterschiede, die sich erst beim eigentlichen Strafzumessungsvorgang ergeben, die tatsächlich bestehenden allgemeinen Strafunterschiede nur näherungsweise abbilden und mit letzteren untrennbar verbunden sind. Wenn also nur die diskrepanzverursachenden Einflüsse auf die eigentliche Strafzumessung, die Anwendung der Sanktionsnormen auf den festgestellten Sachverhalt betrachtet wird, so muß man sich darüber im Klaren sein, daß dies eigentlich zu kurz greift. Mit dieser Darstellung dürften nun sämtliche mögliche Ursachen für Strafungleichheit theoretisch erfaßt sein. Davon, daß der jeweilige soziale Hintergrund, die unterschiedlichen emotionalen und intellektuellen Charakteristika der Urteilenden sowie deren differierende berufliche Erfahrungen und Einbindungen als Ursachen der in Strafungleichheit offenbar werdenden Wertungsdifferenzen in Frage kommen, wird freilich auch sonst durchweg ausgegangen178. Die ausführliche Behandlung dieser Aspekte und vor allem die Hervorhebung sämtlicher denkbarer und noch so entfernt scheinender Einzeleinflüsse soll aber neben einem etwaigen abstrakten Nutzen zur Beurteilung von Angleichungsmaßnahmen auch noch ein weiteres verdeutlichen: Hinter den empirisch überprüfbaren und begrifflich verhältnismäßig klar abgrenzbaren Faktoren, die in der Literatur regelmäßig als Ursachen für Strafungleichheit diskutiert werden, steht vielfach ein nicht auflösbares Zusammenspiel der genannten Einzeleinflüsse. So liegen beispielsweise dem Faktor „Alter des Richters“ regelmäßig qualitative und quantitative Abweichungen in allgemeinen und beruflichen Erfahrungen zugrunde, sowie möglicherweise auch biologische Einflüsse, die mit dem Alter in Zusammenhang stehen.179 Im Extremfall kann eine solche Aufgliederung eines sogenannten Faktors in ein Gesamtbild von Einzeleinflüssen sogar zu dem Ergebnis führen, daß dieser Faktor mit den Einzeleinflüssen in gar keinem nennenswerten Zusammenhang steht, ihm damit selbst also gar keine Relevanz für die Strafzumessung zukommt, sondern lediglich eine Korrelation mit anderen faktisch zumessungsrelevanten Bedingungen vorliegt. Dieses entsprechend dem 178 179

Vgl. dazu auch Streng (1984), S. 53. Vgl. Streng (1984), S. 139; Kerner, S. 335 f.

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bisher gesagten natürlich auch die Legalfaktoren betreffende Problem der Schematisierung fällt in der Strafzumessungspraxis insbesondere wieder bei der Abgrenzung zwischen begründeter und unbegründeter Differenzierung auf. Albrecht weist zutreffend darauf hin, daß sich auch bei unterstellter Möglichkeit der Trennung von sog. legalen und extralegalen Faktoren hinter bestimmten Ausprägungen legaler Faktoren durch extralegale Faktoren bedingte Prozesse verbergen können und umgekehrt180. Nach dem bisher gesagten wird deutlich, daß dieses Phänomen zunächst die Konsequenz der Verwendung des Begriffs des Strafzumessungsfaktors ist und damit bei unterstellter Möglichkeit der Isolierung der Einzeleinflüsse auf die richterliche Entscheidung der größte Teil der Probleme unklarer Faktorenzuordnung doch wieder dem Problem der entsprechenden Trennung dieser Einflüsse zuzuschlagen wäre. Wenn sich etwa hinter einem feststellbaren und an sich extralegalen Einfluß des Faktors „Geschlecht des Täters“181 im Einzelfall eine zu berücksichtigende geschlechtsbedingt erhöhte Strafempfindlichkeit verbergen kann182, so wäre dieser Aspekt bei einer Zusammenschau der möglichen die Reaktion des Richters auf das Geschlecht des Täters beeinflussenden Bedingungen sicher auch an einzelnen etwa beruflichen (insbesondere normativen) oder auch privaten Einwirkungen auf den Richter festzumachen. Freilich ist zuzugeben, daß es sich zwar bei diesen die Grenzen realer Zerlegbarkeit erreichenden aber praktisch ohnehin nicht zu isolierenden Einzeleinflüssen ebenfalls noch nicht um eindeutig legale oder eindeutig extralegale Einflüsse handeln muß. Jedenfalls wären aber die Konturen der Abgrenzung bei einer solchen hypothetischen Zerlegung deutlich schärfer, was auch bereits auf dieser theoretischen Ebene den Strafzumessungshintergrund erhellt. 5. Empirische Befunde zu Diskrepanzursachen Vor diesem Hintergrund sind nun die Aussagen zu sehen, die in der empirischen Strafzumessungsforschung zu verschiedenen Strafzumessungsfaktoren und deren Verbindungslinien getroffen wurden. Die allgemein zu Unterschieden in der Strafhöhe erzielten Ergebnisse lassen zwar auch im Bereich einzelner Ursachen keine gesicherten Erkenntnisse erwarten, eine genauere Betrachtung der verschiedenen Befunde kann aber immerhin zumindest Anhaltspunkte dafür liefern, ob möglicherweise einzelnen Ursachenbereichen ein besonderes Gewicht zukommt. Angesichts gegenwärtig unmöglicher Identifizierung von Anlagebedingungen und mangelnder Isolierbarkeit einzelner Umwelteinflüsse können diese Befunde auf der Basis der oben angestellten Überlegungen nur nach dem vermuteten Schwerpunkt ihrer inhaltlichen Nähebeziehung zur konkreten Straf180 181 182

Albrecht (1994), S. 165 f. Anm. 34. Vgl. Art. 3 Abs. 3 GG. So OLG Hamm JR 1965, 234.

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zumessungsentscheidung systematisiert werden, was freilich noch keine Aussage über deren quantitative Bedeutung für die Strafzumessungsentscheidung impliziert. Unter den möglichen Ursachenbereichen, denen sich der Richter außerhalb seines beruflichen Werdegangs ausgesetzt sieht, ist vor allem dessen gesellschaftlicher und familiärer Sozialisationshintergrund zu nennen. Streng hat die in seiner Befragung zu fiktiven Fällen erzielten Ergebnisse zum Strafmaß auf ihren Zusammenhang mit verschiedenen Sozialisationsaspekten der Befragten hin untersucht und dabei einige signifikante Zusammenhänge festgestellt183, die angesichts fehlender echter methodischer Alternative trotz der lediglich indiziellen Bedeutung auf diese Weise gewonnener Ergebnisse Beachtung verdienen. Von den befragten Richtern und Staatsanwälten gaben diejenigen mildere Strafen an, deren Väter Beamte bzw. ebenfalls Juristen waren184, im übrigen ließ sich aber kein wesentlicher Zusammenhang zwischen sozialer Stellung des Vaters und dem Strafzumessungsverhalten herstellen185. Die Berücksichtigung des Bildungsniveaus beider Elternteile führte zwar zu etwas deutlicheren Zusammenhängen, diese blieben aber in ihrer Richtung insgesamt uneinheitlich186. Jüngere Frauen urteilten etwas weniger hart als ihre männlichen Kollegen187. Auch hinsichtlich der Religionszugehörigkeit konnte eine etwas geringere Punitivität von Katholiken gegenüber Bekenntnislosen festgestellt werden188. Der anhand der Anzahl der Studienorte gemessene Mobilitätsgrad der Befragten, der als Indiz für Flexibilität und Distanz zu den im Elternhaus vermittelten Werten und Normen interpretiert werden kann, stand in der Regel ebenfalls, wenn auch schwach ausgeprägt, in negativem Zusammenhang zum Grad der angegebenen Strafhärte189. Schließlich konnten auch in Abhängigkeit zur Größe des Herkunftsorts der Befragten signifikante deliktsspezifische Strafmaßunterschiede festgestellt werden190. Daß hier insgesamt für den Bereich der Primärsozialisation keine deutlicheren Befunde zu ermitteln waren, sich vielmehr lediglich 3,6% der Strafmaßvarianz durch derartige Faktoren erklären ließen191, steht im 183

Vgl. Streng (1984), S. 138 ff. Streng (1984), S. 149. 185 Auch bei der Milde von „Juristenkindern“ handelte es sich um kein schichtspezifisches Phänomen, da diese gegenüber sonstigen Akademikern noch deutlicher ausgeprägt war; vgl. Streng (1984), S. 151 ff. 186 Streng (1984), S. 156. 187 Streng (1984), S. 144. 188 Streng (1984), S. 146. 189 Streng (1984), S. 160. 190 Die aus kleineren Ortschaften stammenden Befragten erwiesen sich beim Betrugsfall als milder, beim Fall des Totschlags als härter; vgl. Streng (1984), S. 147. 191 Im diesem Varianzanteil zugrundeliegenden Modell war das Alter der Befragten mitberücksichtigt. Dafür wurde der Mobilitätsgrad als Ausbildungsmerkmal eingestuft und blieb hier deshalb außen vor; vgl. Streng (1984), S. 157 f. 184

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Einklang mit den Ergebnissen sonstiger insbesondere ausländischer Untersuchungen192 und verwundert angesichts des doch sehr weitläufigen Zusammenhangs solcher Faktoren mit den konkreten Strafmaßangaben auch nicht. Es ist im umgekehrten Sinne eher erstaunlich, daß sich eine gewisse Bedeutung derartiger Einflüsse trotz später hinzukommender und deutlicher strafzumessungsbezogener Prägungen offensichtlich erhält. Jedenfalls kann aber eine gewisse Relevanz der Primärsozialisation des Richters für die Strafzumessung nicht ausgeschlossen werden193. Neben diesen weitestgehend dem privaten Hintergrund der Richter zuzuordnenden Faktoren waren auch solche Faktoren Gegenstand empirischer Überprüfung, die sowohl Indikatoren für allgemeine Sozialisationseinflüsse als auch für berufsbezogene Prägungen sein dürften. Hier sind zunächst die den bereits erwähnten Diskriminierungsansätzen zugrundeliegenden Umstände, wie das Geschlecht und der soziale Status – nun des Täters – zu nennen, sowie dessen Nationalität bzw. ethnische Abstammung. Besonders in diesem Bereich zeigen sich aber auch die Gefahren bivariater Überprüfung einzelner Faktoren, da sich hinter solchen vermuteten Diskriminanten häufig mit diesen korrelierende Legalfaktoren verbergen194. So scheint sich eine zunächst beobachtbare deutlich mildere Behandlung weiblicher Straftäter weitestgehend zu verlieren, wenn andere Merkmale wie Vorstrafenbelastung und Straftatschwere195 statistisch kontrolliert werden196. Ähnliches gilt für einen niedrigen sozialen Status des Täters, der ebenfalls insbesondere mit einer höheren Vorstrafenbelastung zusammentrifft197. Auch die in verschiedenen Ländern durchgeführten Untersuchungen zur Strafverfolgung von Ausländern legen im allgemeinen eine allenfalls schwach ausgeprägte Diskriminierung nahe198. Spezifisch ausländische Diskriminierungskon192 Vgl. die zahlreichen Nachweise bei Albrecht (1994), S. 202; Streng (1984), S. 53 ff. 193 In diese Richtung argumentiert aber Albrecht (1994), S. 202 f.; vgl. auch Langer, S. 62, der von Studien zur Berufswahl von Juristen und zum Entscheidungsverhalten von Arbeitsrichtern auf die Inadäquanz eines auf Unterschiede der primären Sozialisation gestützten Ansatzes zur Erklärung jedenfalls regionaler Strafmaßunterschiede schließt. 194 Diese Gefahr empirischen Vorgehens kommt zu dem oben genannten tatsächlichen Problem des Faktorenzuschnitts noch hinzu. 195 Insbesondere die nach der Untersuchungskonzeption nicht berücksichtigungsfähige Straftatschwere könnte hinter der „Privilegierung“ von Frauen stehen, die Langer, S. 305, 307, 310, an den drei von ihm untersuchten Amtsgerichten festgestellt hat. 196 Vgl. Albrecht (1994), S. 200 m. w. N. Zur Erklärung der in Albrechts eigener Untersuchung festgestellten geschlechtsspezifisch deutlich divergierenden Durchschnittsstrafen durch abweichende Tatmerkmale siehe S. 345 f. 197 Vgl. Albrecht (1994), S. 201 f. m. w. N. Hier sind aber auch prozessuale Benachteiligungen denkbar, etwa aufgrund von Kommunikationsproblemen, die sich durch Aktenanalyse oder Befragung nicht feststellen lassen. 198 Vgl. die ausführliche Darstellung des Forschungsstands bei Albrecht (1994), S. 200 f. m. w. N., in dessen eigener Untersuchung sich entsprechende Strafmaßunter-

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stellationen wie etwa Fälle der Vergewaltigung weißer Opfer durch schwarze Täter in den USA sind auf die inländische Strafzumessungspraxis ohnehin nicht übertragbar. Im Verhältnis zwischen Strafmaß und dem ebenfalls in diesen Ursachenzusammenhang einzuordnenden Alter des Richters, das in der empirischen Strafzumessungsforschung immer wieder eine bedeutsame Rolle spielte, war zwar bisher keine einheitliche Tendenz zu erkennen199. Hinter der von Streng im Einklang mit den Ergebnissen der Untersuchung von Opp und Peuckert200 im Durchschnitt ermittelten Milde bei Richtern mittleren Alters standen deliktsspezifisch unterschiedliche Zusammenhänge, wie sie auch bereits älteren Untersuchungen zu entnehmen waren201. Dies ändert jedoch nichts daran, daß innerhalb der einzelnen Delikte bestimmte Zusammenhänge zu existieren scheinen202, die auch aufgrund der vielschichtigen dem Faktor „Alter des Richters“ zugrundeliegenden Einflüsse nicht unbedingt inkonsistent erscheinen müssen203. Unter den vielfältigen von Streng erfragten und auf ihren Zusammenhang mit den angegebenen Strafen untersuchten subjektiven Einstellungen, Ansichten, Wertungen und Befindlichkeiten der Befragten204 waren vor allem hinsichtlich der jeweiligen Strafzweckpräferenzen eindeutige Korrelationen zu erkennen205. Größere Resozialisierungsneigung führte dabei zu milderen, ausgeprägtes Sicherungsdenken zu höheren Strafmaßangaben. Auch im Hinblick auf generalpräventive Zwecke wurden bei Betonung der negativen Ausprägung, der Abschrekkung, härtere Strafen angegeben, während bei positiver Einschätzung der Normbekräftigung leichten Delikten eher harte und schweren Delikten eher milde Strafen zugeordnet wurden. Eine stärkere Orientierung an Vergeltung und

schiede wiederum mit Korrelationen zwischen Ausländereigenschaft und Straftatmerkmalen erklären lassen (S. 346 f.). 199 Vgl. Streng (1984), S. 139 ff. m. w. N.; Albrecht (1994), S. 202. 200 Vgl. Opp/Peuckert, S. 63 f. S. zu dieser Untersuchung auch schon oben II. 2. 201 Vgl. Streng (1984), S. 140 f. m. w. N. 202 So war der von Streng (1984), S. 139, ermittelte positive Zusammenhang zwischen zunehmendem Alter des Richters und angegebener Strafschwere für ein Verkehrsdelikt hochsignifikant (p < 0,001). 203 In diesem Sinne aber Albrecht (1994), S. 202, für sämtliche feststellbaren Zusammenhänge zwischen Richtermerkmalen und Strafzumessung. 204 Anhand verschiedener Tätigkeitsumstände, die die Befragten selbst beurteilten, konnte ein Zusammenhang zwischen milderen Strafen auf der einen Seite und der Einbeziehung kriminologischer Erkenntnisse, dem Gefühl allgemeiner und persönlicher Bedrohtheit, Belastungsgefühlen, Reformbereitschaft, negativem Bild der Justiz in der Bevölkerung und Ablehnung von Laienbeteiligung auf der anderen Seite festgestellt werden; vgl. Streng (1984), S. 168 ff., 186. Mit der Betonung des Gerechtigkeitsgefühls, der Unabhängigkeit und des Einfühlungsvermögens als erforderliche Eigenschaften für die eigene Tätigkeit nahm die von den Richtern angegebene Strafschwere zu (S. 191 f., 198 f.). Ebenfalls zu härteren Strafen tendierten Richter, die die Verantwortung für Straftaten in erster Linie dem Täter zuschrieben (S. 200 ff., 207) wie auch Befürworter der Verschärfung von Sanktionsnormen (S. 250 ff., 258). 205 Streng (1984), S. 209 ff., 225 f.

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Sühne führte bei den befragten Richtern ebenfalls zur Angabe härterer Strafen. Insgesamt konnten mit den Strafzweckvariablen immerhin 9,7% der Varianz in der angegebenen Strafschwere erklärt werden206. Auch Aus- und Fortbildungsdaten, die bei erstem Hinsehen eindeutig der beruflichen Sphäre zugeordnet werden dürften, hängen mit allgemeinen Einflüssen zusammen, oder sind durch solche (mit-)verursacht. Zwar wirken sie erst im beruflichen Umfeld, sie kommen aber selbst – wie etwa die Examensnote oder die Teilnahme an Fortbildungen – erst durch bestimmte Bedingungen zustande. Allerdings zeigt die Examensnote, jedenfalls bei statistischer Kontrolle der Tätigkeit als Richter am Amts- oder Landgericht, kaum Auswirkungen auf erfragte Strafen207. Dagegen wurden aber umso mildere Strafen befürwortet, je mehr kriminologische Fortbildungsveranstaltungen der Befragte besucht hatte208. Zwischen beruflichem Status der befragten Richter und den angegebenen Strafen war ebenfalls ein Zusammenhang dergestalt erkennbar, daß Assessoren, die ja zumindest teilweise unabhängig von eigenen Tätigkeitspräferenzen in Strafsachen tätig sind, mildere Strafen angaben, als ihre in Alter und Berufserfahrung vergleichbaren Kollegen, die bereits auf Lebenszeit ernannt waren209. Darüber hinaus sind aber auch noch solche objektive richterliche Tätigkeitsmerkmale denkbar, die sich weitestgehend der beruflichen Einflußsphäre zurechnen lassen. So war zum einen festzustellen, daß die befragten Richter bei einer Berufspraxis von 6 bis 10 Jahren mildere Strafen nannten als ihre Kollegen und dies unabhängig vom jeweiligen Lebensalter210. Außerdem zeigte sich insbesondere in größeren Städten eine deutlich härtere Strafeinstellung der Richter am Landgericht gegenüber den Richtern an den Amtsgerichten211, was bei zweifelhafter Zuständigkeit ebenfalls zu entsprechenden Ungleichmäßigkeiten führen kann. Unter den sich unmittelbar aus dem Strafverfahren ergebenden Einflüssen auf das Strafmaß fand wiederholt die Untersuchungshaftdauer Beachtung212. Schwierigkeiten bereitet aber die Interpretation des dabei mittels Aktenuntersuchung jedenfalls vordergründig erkennbaren positiven Zusammenhangs, der zwar auch dann – freilich in reduzierter Form – bestehen bleibt, wenn sonstige Merkmale nach Möglichkeit statistisch kontrolliert werden, jedoch angesichts weiterer denkbarer und nicht kontrollierbarer Merkmale nicht hinreichend sicher 206

Streng (1984), S. 226. Streng (1984), S. 162 f. 208 Streng (1984), S. 165. 209 Streng (1984), S. 107 ff. 210 Streng (1984), S. 112 ff. Daß dieser Zusammenhang nicht auf das Lebensalter zuzurückzuführen ist, kann neben der statistischen Überprüfung auch aus den bei den befragten Staatsanwälten erkennbaren umgekehrten Tendenzen geschlossen werden. 211 Streng (1984), S. 118 ff. 212 Albrecht (1994), S. 204 m. w. N., 358 ff. 207

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als Ausfluß unbegründeter Differenzierung gegenüber Verfahren ohne entsprechende Anordnung identifiziert werden kann213. Die zentrale Stellung unter den Einflußfaktoren innerhalb des Verfahrenszusammenhangs nehmen schließlich die Elemente der Interaktion zwischen den Prozeßbeteiligten in der Hauptverhandlung ein214, die ja bis hin zu den in jüngerer Zeit zunehmend thematisierten informellen Absprachen gehen können215. Soweit solche Faktoren aber nicht bereits in ihrer Erfassung problematisch sind, da methodisch in diesem Bereich weitgehend nur Beobachtung in Frage kommt, lassen sich auch hier insbesondere hinsichtlich der von Seiten der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung beantragten Strafen kaum Aussagen über deren Wirkung treffen. Abgesehen davon, daß der Zusammenhang zur verhängten Strafe auch ein umgekehrter sein könnte, wenn etwa die Staatsanwaltschaft in ihrem Antrag die richterliche Strafmaßbestimmung antizipieren würde216, kann auch das Bestehen „lokaler Justizkulturen“ im Sinne einer ortsbezogenen Übereinstimmung der Anwendungsregeln von Staatsanwaltschaft und Gericht genauso gut für gleichläufige Einflüsse auf die Beteiligten sprechen wie für einen Einfluß der Staatsanwaltschaft auf die richterliche Strafzumessungsentscheidung217 oder umgekehrt. Die nur in Ausnahmefällen erfolgende Überschreitung des staatsanwaltschaftlichen Strafantrags durch den Richter218 mag zwar für eine Verschiebung der staatsanwaltschaftlichen Verfahrensrolle gegenüber dem normativen Programm sprechen219, 213 Vgl. Albrecht (1994), S. 360 f. Auf der anderen Seite kann auch die Feststellung Langers, S. 377 ff., 386, daß sich die Untersuchungshaftpraxis trotz regional unterschiedlicher Anwendungsregeln für die Strafzumessungsentscheidung nicht bedeutsam unterscheidet, einen generellen Zusammenhang zwischen Untersuchungshaft und Strafmaß nicht ausschließen. 214 Freilich ist auch an Einflüsse der anderen Prozeßbeteiligten zu denken, deren Einwirkung auf den Richter zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bereits abgeschlossen ist, etwa bei verfahrensbezogenen Kontakten im Vorfeld. Im übrigen kann die Staatsanwaltschaft auch schon mittelbar „Einfluß auf die Einflüsse“ nehmen, wenn sie bei mehreren örtlichen Zuständigkeiten die Auswahl des Gerichts der Anklageerhebung trifft; s. dazu Heghmanns, S. 277 ff. m. w. N. 215 Vgl. nur BGHSt 43, 195 m. Anm. Weigend, NStZ 1999, S. 57 ff. m. w. N.; Meyer-Goßner, Einl Rn. 119 ff. m. w. N.; zu der in diesem Zusammenhang immer wieder angeführten Verständigung über die Anklage im ausländischen und insbesondere im amerikanischen Strafprozeß vgl. Weigend (1982), S. 200 ff.; ders. (1990). 216 Für eine entsprechende Überprüfung von Veränderungen wäre zumindest eine Studie über einen längeren Zeitraum erforderlich; vgl. dazu Albrecht (1994), S. 362. 217 Eindeutig im Sinne einer Orientierung des Richters am Antrag der Staatsanwaltschaft Schünemann (1988), S. 267 ff., 276 f.; vgl. zu den unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten auch Albrecht (1994), S. 362; im Sinne eines normativen Konsenses zwischen Staatsanwaltschaft und Richter Langer, S. 365 ff., 375 f. 218 Erwartungsgemäß ergaben dies auch die Aktenuntersuchungen von Albrecht (1994), S. 364, und Schünemann (1988), S. 271. 219 Daß sich auch die Staatsanwaltschaft allein am Recht zu orientieren hat, ergibt sich unabhängig von ihrer Rechtsstellung aus der für Exekutive und Judikative gleichermaßen geltenden Bindungsvorschrift des Art. 20 Abs. 3 2. Halbsatz GG und aus ihrer Verpflichtung zur Objektivität gemäß § 160 Abs. 2 StPO; vgl. Eb. Schmidt

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für eine Aussage über eine Kausalität und vor allem über eine quantitative Bedeutung dieses Antrags für die verhängte Strafe kann die bloße Existenz einer Differenz aber nicht ausreichen220, denn die Abweichung könnte auch lediglich ein rollenbedingter Aufschlag auf ein antizipiertes richterliches oder möglicherweise unabhängig von richterlicher Vorgehensweise nach gleichen Regeln bestimmtes Strafmaß sein. Daß dieser letztgenannte Zusammenhang jedenfalls neben einem staatsanwaltschaftlichen Einfluß in der konkreten Prozeßsituation bestehen dürfte, belegen auch die Ergebnisse der Befragung Strengs, wonach Richter bei fiktiven Fällen auch unabhängig von einem staatsanwaltschaftlichen Strafantrag mildere Strafen angaben als die zu denselben Fällen befragten Staatsanwälte221. Die Überlegungen zum Einfluß der von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafen auf die richterliche Strafzumessung können selbstverständlich auch auf die von Verteidigerseite gestellten Anträge übertragen werden, die sich regelmäßig unterhalb der verhängten Strafe bewegen222. Dabei drängt sich freilich auch die Frage auf, ob die Hinzuziehung eines Verteidigers generell Auswirkungen auf das Strafmaß hat. Für Fälle des Einbruchsdiebstahls konnte Albrecht bei statistischer Kontrolle der ermittelbaren Tat- und Tätervariablen jedenfalls keinen interpretierbaren Einfluß der Verteidigerbeteiligung auf die richterliche Strafzumessung feststellen223. Und auch die von Schünemann ermittelte größere Abweichung des Richters von der staatsanwaltschaftlich beantragten Strafe bei konkreten gegenüber unspezifizierten Strafmaßanträgen der Verteidigung224 spricht nicht zwingend für eine wirkliche Reaktion des Richters auf das Verteidigerverhalten. Zwar können unspezifische Strafmaßanträge der Verteidigung Indiz für deren geringere Neigung zur Rechtsmitteleinlegung sein, nur eine mögliche Erklärung der Abweichung in den daraufhin ergehenden Zumessungsentscheidungen ist allerdings das Interesse des Richters an der Vermeidung von Rechtsmitteln – etwa zur Arbeitsersparnis225. Statt in der richterlichen (1964), S. 713; Roxin, Rechtsstellung der Staatsanwaltschaft, S. 109, 114. Über möglicherweise zwischen den Organen der Rechtspflege divergierende Qualitäten dieser Bindung ist damit freilich noch nichts gesagt. Außerdem stellt sich auch hier die noch zu behandelnde Frage, wie weit die rechtliche Bindung in Strafzumessungsfragen generell gehen kann. 220 So aber Schünemann (1988), S. 276 f., der den realen Einfluß der Staatsanwaltschaft auf das richterliche Urteil in der Hauptverhandlung aufgrund dieser „Obergrenze“ als „ungeheuer groß“ bezeichnet. 221 Streng (1984), S. 110 ff. 222 Vgl. Albrecht (1994), S. 369. 223 Zwar erklärte die Verteidigervariable noch 4% der verbleibenden Strafmaßvarianz, es kann aber wie schon bei der Bedeutung der Untersuchungshaft auch hier nicht ausgeschlossen werden, daß sich hinter dieser Zahl noch ein Rest durch die ausgeschlossenen Variablen nicht erfaßbarer Tatschwereunterschiede verbirgt; Albrecht (1994), S. 369 f. 224 Vgl. Schünemann (1988), S. 275 f. 225 So Schünemann (1988), S. 277 f. mit Hinweis auf die Möglichkeit der Abkürzung der Urteilsgründe bei Rechtsmittelverzicht gemäß § 267 Abs. 4 StPO.

III. Ursachen für Strafzumessungsunterschiede

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Reaktion könnte die Erklärung auch hier bereits in der Ursache des vorangegangenen Verhaltens zu suchen sein. Unspezifische Verteidigeranträge dürften vor allem dann zu erwarten sein, wenn bereits die Staatsanwaltschaft eine verhältnismäßig milde Strafe beantragt hat und die Verteidigung einerseits mit Blick auf die eigene Reputation keine unrealistisch niedrige Strafe beantragen und andererseits, um nicht beim Mandanten den Eindruck eigener Schwäche hervorzurufen, auch nicht der Staatsanwaltschaft das Wort reden will. Daß sich in diesen Fällen das richterliche Strafmaß dem (milden) Antrag der Staatsanwaltschaft nähert, ließe sich dann wieder mit der Anwendung gemeinsamer Regeln erklären. Für eine relativ unabhängige Stellung des Gerichts spricht an sich auch, daß sich dieses jedenfalls weder eindeutig an den Anträgen der anderen Prozeßbeteiligten orientiert, noch eindeutig den Ausgleich zwischen diesen Anträgen sucht226. Inwieweit es bei der Strafzumessung zu einem „Schulterschlußeffekt“227 zwischen den Beteiligten kommt, läßt sich einer Aktenanalyse deshalb kaum entnehmen. Eine auf Interwiews basierende „Erkundungsstudie“228 Albrechts aus dem Jahre 1983 ergab aber, daß über 70% der 93 befragten baden-württembergischen Richter der staatsanwaltschaftlichen Strafantragspraxis einen großen Einfluß auf die Strafzumessung zuschrieben, während nur etwa 40% der 50 befragten Staatsanwälte umgekehrt von einem großen Einfluß der richterlichen Strafzumessung auf die staatsanwaltschaftliche Strafantragspraxis ausgingen229. Neben diesem Übergewicht bei der Beurteilung der generellen Wechselwirkungen zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht in dieser Frage war der Strafantrag der Staatsanwaltschaft auch meistgenanntes Kriterium auf die den Richtern gestellte Frage nach Orientierungspunkten bei eigener Unsicherheit hinsichtlich der Strafzumessung. Insgesamt wird man deshalb wohl schon von einer gewissen Wirkung der Anträge, jedenfalls desjenigen der Staatsanwaltschaft auf die richterliche Strafzumessung auszugehen haben. Daß innerhalb des Verfahrens auch Ursachen für Strafunterschiede gesetzt werden können, deren Wirkungen sich zumindest nicht unmittelbar im eigentlichen Strafzumessungsvorgang entfalten müssen, wurde in bezug auf die Person des Richters bereits kurz erwähnt230. Selbstverständlich ist bei allen Prozeßbeteiligten insbesondere innerhalb der Hauptverhandlung die Möglichkeit eines Einflusses bereits auf die tatsächlichen Feststellungen gegeben. Derartige Wirkungen liegen aber eigentlich außerhalb des hier gesteckten thematischen Rahmens. Ein etwaiger Einfluß von Unterschieden in Umfang und Richtung der den Verfahrensakten zugrundeliegenden staatsanwaltschaftlichen bzw. polizeili226

Vgl. die entsprechenden Untersuchungsergebnisse bei Albrecht (1994), S. 371 f. So die mehrfach von Schünemann gebrauchte Bezeichnung; zuletzt (2000), S. 159. 228 Albrecht (1983), S. 1297 ff., 1313. 229 Albrecht (1983), S. 1322 f. 230 s. oben 4. 227

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§ 1 Methoden und Ergebnisse empirischer Untersuchungen

chen Ermittlungen auf das Strafzumessungsergebnis ist grundsätzlich dem prozeßrechtlichen Kontext zuzuordnen und kann im Rahmen der Strafzumessung freilich auch nicht mehr ausgeglichen werden231. Gleichwohl sind solche Verfahrensunterschiede für die vorliegenden Betrachtungen von Interesse, nämlich dann, wenn sie nicht bereits zu qualitativen Mängeln in Form von lückenhaften oder unzutreffenden Feststellungen führen, sondern wenn es im Vorfeld eigentlicher Strafzumessung, etwa im Rahmen von Beweisaufnahme und Beweiswürdigung, zu persönlichen Bewertungsunterschieden kommt, deren Wirkung sich dann (auch) mittelbar über unterschiedlich „gefärbte“ tatsächliche Feststellungen in die Strafzumessung fortsetzen kann. Hier können sich deshalb auch größere Auswirkungen einzelner Einflüsse verbergen, die sich im bloßen Strafzumessungsverhalten dann allenfalls teilweise analysieren lassen232. Aussagen über den Umfang derartiger Einflüsse lassen sich kaum treffen. Man kann auf der Basis von Untersuchungen zum richterlichen Verhalten nur mutmaßen, daß es solche Wirkungen gibt. Schünemann befaßte sich im Hinblick auf Position und Funktion des deutschen Richters ausführlich mit der in diese Richtung weisenden sozialpsychologischen Theorie kognitiver Dissonanz233, wonach jeder Mensch widerspruchsfreie Beziehungen zwischen seinem Wissen und seinen Meinungen erstrebt, und deshalb Informationen, die für richtig gehaltene Hypothesen bestätigen, überschätzt und bevorzugt auch nach solchen Informationen sucht. Die von Schünemann dazu durchgeführten Untersuchungen scheinen diese Theorie auch zu bestätigen234. Sie haben allerdings „nur“ Verfahrensexperimente zum Gegenstand, beziehen sich beispielsweise auf die generelle Entscheidung für oder gegen eine Verurteilung in Abhängigkeit von Inhalt und Kenntnis der Verfahrensakten und können deshalb zum einen nicht ohne weiteres auf Abweichungen innerhalb des gesetzlichen Verfahrens übertragen werden und zum anderen schon gar keine quantitativen Aufschlüsse bringen. Unterstrichen wird damit aber die Möglichkeit, daß sich Strafzumessungseinflüsse auch schon im Vorfeld der Strafzumessung auswirken und einzelne Zusammenhänge zwischen diesen Einflüssen und der verhängten Strafe deshalb stärker ausgeprägt sein können, als dies der auf die Strafzumessung beschränkten empirischen Forschung zu entnehmen ist. Abschließend sei noch erwähnt, daß sich Unsicherheiten des Richters bei der Anwendung des eigenen Maßstabs jedenfalls in isolierter Form empirisch ebenfalls kaum erfassen lassen, müßten dafür doch bezogen auf die Strafzumes231

Vgl. zu diesem Problemkreis auch Peters, Praxis der Strafzumessung, S. 63. Man könnte hier beispielsweise daran denken, daß etwa im Falle einer Körperverletzung einer gemessen an den tatsächlichen Feststellungen verhältnismäßig hohen Strafe auch noch eine Wahrnehmung der zugrundeliegenden Verletzungshandlung vorgelagert wäre, die an Überschätzung grenzt. 233 Schünemann (1995), S. 217 f. und (2000), S. 160; ders. (1983), S. 1117 ff. 234 Schünemann (1983), S. 1143; ders. (2000), S. 163. 232

III. Ursachen für Strafzumessungsunterschiede

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sungsrealität dieselben Untersuchungen an den begrenzten Fallzahlen einzelner Richter vorgenommen werden, die schon bei den überregionalen Untersuchungen nur eingeschränkt aussagekräftige Ergebnisse produzieren, und selbst dann wäre, da dies zumindest einen längeren Erhebungszeitraum erfordert, auch noch ein etwaiger individueller oder auch allgemeiner Maßstabswandel in den Ergebnissen enthalten. Und auch wiederholte Befragungen derselben Personen wären in diesem Zusammenhang aufgrund des Erinnerungseffekts wenig aussagekräftig. Als Beispiel für einen lediglich beobachteten Einzelfall richterlicher Unsicherheit kann hier allerdings der bei Peters genannte Fall einer erheblich divergierenden Doppelverurteilung durch den selben Richter gelten235, auch wenn hier wiederum Unterschiede in den zugrundeliegenden Verfahren denkbar sind. 6. Fazit Das Feld möglicher Diskrepanzursachen in der Strafzumessung ist nicht nur umfangreich sondern auch und vor allem vielschichtig. Vollständig erfassen läßt es sich wohl nur durch eine umfassende Betrachtung der Person des Richters, seiner Anlagen und der Umwelteinflüsse, denen er bis zur Entscheidung unterlag. Damit ist aber auch das gesamte zweifelsfrei gesetzeskonforme Strafzumessungsverhalten in die Betrachtung eingeschlossen. Der Nutzen solcher weit ausgreifenden Überlegungen, die sich selbst freilich nicht zu empirischer Überprüfung eignen und schon gar nicht unmittelbare Ansatzpunkte für etwaige Angleichungsmaßnahmen bilden können, ist jedoch für eine Beurteilung der Strafzumessungspraxis auf die allerdings wichtige Erkenntnis beschränkt, daß die bloße Feststellung von Korrelationen zwischen den sogenannten Strafzumessungsfaktoren und dem Strafmaß alleine noch keine abschließenden Aussagen über etwaige Kausalzusammenhänge zuläßt. Man hat für die Strafzumessungspraxis vielmehr zunächst von einem komplexen Geflecht unzähliger Einzeleinflüsse auszugehen, welche nicht nur zur verhängten Strafe führen, sondern zugleich auch den Hintergrund der greifbaren und überprüfbaren Strafzumessungsfaktoren bilden. Diese Faktorenebene bereitet aber nicht nur in der Aufspaltung nach gesetzeskonformen und diskrepanzverursachenden Elementen Probleme, sie ist bezogen auf diskrepanzverursachende Faktoren auch kaum sinnvoll zu systematisieren. Unter der dennoch auch für die empirisch gewonnenen Aussagen oben vorgenommenen Gliederung nach der inhaltlichen Nähe zur Entscheidung zeigt sich dann auch ein wenig aussagekräftiges Bild: Vor dem Hintergrund freilich nicht unanfechtbarer Analysemöglichkeiten und -methoden lassen sich bezüglich einzelner Faktoren weder extreme Strafmaßabweichungen erkennen – lediglich zur jeweiligen Einstellung zu den für die Strafzumessung gerade 235

Dazu oben II. 2. und Anm. 66.

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§ 1 Methoden und Ergebnisse empirischer Untersuchungen

richtungsweisenden236 Strafzwecken scheinen etwas stärkere Zusammenhänge zu bestehen –, noch kann einer der drei Bereiche – privat, beruflich und verfahrensspezifisch bedingte Ursachen – als Quelle für Diskrepanzursachen ausgeschlossen werden. Selbst Unterschiede in der gegenüber anderen Strafzumessungsfaktoren zeitlich weit zurückliegenden Primärsozialisation scheinen sich im Strafmaß noch auszuwirken.

IV. Zusammenfassung und Ausblick Sowohl hinsichtlich des Ausmaßes von Diskrepanzen im Strafzumessungsergebnis als auch in der Frage nach deren Ursachen sind in der neueren Literatur keine alarmierenden Ergebnisse mehr zu finden. Von extremen und zugleich weit verbreiteten Unterschieden kann demzufolge heute im Regelfall wohl nicht mehr ausgegangen werden. Zugleich scheint sich die empirische Forschung zur Ungleichmäßigkeit in der Strafzumessung jedenfalls unter den gegenwärtigen Bedingungen gewissen Grenzen zu nähern. Die unbestreitbar existierenden Einzelfälle ungleicher Strafzumessung fallen bei statistischer Untersuchung schon gar nicht ins Gewicht und müssen daher der eher vagen Methode der Beobachtung vorbehalten bleiben. Sie stellen aber ein nicht zu vernachlässigendes Problem dar und sind auch auf der Ursachenebene nicht unbedingt nur dem Bereich der Unsicherheit im jeweiligen Maßstab oder bei dessen Anwendung zuzuordnen. Eine weitere Erklärung für solche „Ausreißer“ könnte das Zusammentreffen verschiedener für sich genommen weniger bedeutsamer Einzeleinflüsse sein, die bei einer gewissen Kumulation zu eindeutigen Diskrepanzen im Strafzumessungsergebnis führen können. Im übrigen sind größere Strafmaßdiskrepanzen gerade in den Bereichen anzunehmen, deren statistische Untersuchung sich besonders schwierig gestaltet – bei den seltener vorkommenden Delikten. Hierfür sprechen nicht nur einzelne Beobachtungen innerhalb dieser Bereiche sondern auch die erkennbare Entwicklung der Strafzumessung bei Massendelikten. Auch die dort erfolgte Angleichung ging mit zunehmender Verbreitung dieser Delikte bzw. zunehmendem Informationsfluß bezüglich ihrer Bestrafung einher. Aus diesem Zusammenhang läßt sich weiter folgern, daß sich wohl auch die Strafzumessungspraxis zunehmend empirischer Methoden bedient. Dann wäre auch die Feststellung einer Angleichung schon auf methodischer Ebene durch die wachsenden Parallelen bei der Entstehung und der Untersuchung der Strafzumessung zu erklären. Auf der Ebene der Diskrepanzursachen läßt sich in den genannten Randbereichen, in denen jedenfalls die Rechtsprechung über keine ausreichende Erfahrungsbasis verfügt, wiederum nicht nur Unsicherheit sondern auch ein verstärkter Einfluß 236

Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 81.

IV. Zusammenfassung und Ausblick

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extralegaler Kriterien vermuten, die sich gerade dann durchsetzen dürften, wenn es dem Richter an sonstigen Anhaltspunkten fehlt237. Die aufgezeigten Grenzen, denen sich die Strafzumessungsforschung zur Ungleichmäßigkeit inzwischen nähert, scheinen demnach in erster Linie auf eine Reduzierung des durch den Untersuchungsgegenstand repräsentierten Problems zurückzuführen zu sein. Dies läßt zunächst eine Abnahme der Bedeutung entsprechender Untersuchungen erwarten. Auf der anderen Seite könnte aber durch diese Annäherung ein neues Anwendungsfeld ins Auge gefaßt werden. Wie auch mit der Vermutung, daß die Entwicklung hin zu mehr Gleichmäßigkeit in der Strafzumessung mit empirischer Vorgehensweise der Richter zu tun habe, angedeutet, können Ergebnisse empirischer Strafzumessungsforschung über die Beschreibung des status quo im Sinne einer Problemdarstellung hinaus auch selbst möglicherweise als Mittel zur Problembewältigung in Betracht kommen. Bei Massendelikten lassen sich die Strafzumessungsmaßstäbe der Praxis in ihren Grundlinien offensichtlich identifizieren. Außerdem bliebe auch bei im Ansatz vergleichbarer Vorgehensweise grundsätzlich ein Vorsprung der Forschung gegenüber der Praxis aufgrund umfassenderer und verfeinerter Methodik bestehen, so daß auch in den Randbereichen jedenfalls unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht zu erwarten ist, daß die Praxis die Forschung in der Maßstabsbestimmung einholen könnte. Deshalb wäre es grundsätzlich vorstellbar, daß die Praxis den Ergebnissen der Forschung immerhin grobe Anhaltspunkte zur Angleichung der Strafzumessung entnehmen und damit eine Angleichung möglicherweise beschleunigen könnte. Allerdings dürfte an dieser Stelle die Verhältnismäßigkeit eines entsprechenden Forschungsaufwands zum entscheidenden Faktor werden. Jedenfalls zeigt sich damit zugleich die absolute Grenze empirischen Vorgehens in der Strafzumessungspraxis – die maximal erreichbare Gleichmäßigkeit bewegt sich hier im Rahmen nicht mehr sinnvoll nachzuweisender Ungleichmäßigkeit.

237

So zu Diskrimminierungskonstellationen Albrecht (1994), S. 201.

§2 Kategorisierung und Operationalisierung als Mittel zur Vereinheitlichung der Strafzumessungspraxis Die zur Förderung relativer Gerechtigkeit in der Strafzumessung bisher unterbreiteten Vorschläge sind vielfältiger Natur. Sie reichen von der gesetzlichen Festlegung des Strafzweckeinsatzes, der Begrenzung der Entscheidungsspielräume des Richters und der Erweiterung revisionsgerichtlicher Überprüfung über die Förderung von Kommunikation und Information bis hin zur Fortbildung der Richter in Strafzumessungspsychologie.1 Bevor der Blick nun ganz den insbesondere im diskutierten Erfahrungsaustausch zum Ausdruck kommenden aber auch etwa in der revisionsgerichtlichen Überprüfung umsetzbaren lediglich an der bisherigen Praxis orientierten Möglichkeiten zur Gewährleistung gleichmäßigen Strafens zugewandt wird, bleibt deshalb zunächst noch zu erwägen, ob zur Erreichung dieses Ziels nicht andere, vielleicht gar bessere Mittel zur Verfügung stünden. Voraussetzung oder auch unmittelbarer Gegenstand der genannten Vorschläge ist unabhängig von dem zugrundeliegenden Maßstab in aller Regel die weitere Systematisierung relevanter Strafzumessungsumstände, welche dann als Grundlage für die Normierung, die Überprüfung, die Kommunikation oder auch für Fortbildungsmaßnahmen dienen könnte. Diese Systematisierung kann auf zweierlei Weise erfolgen, entweder durch Fallgruppenbildung (Kategorisierung) oder durch formelhafte Verknüpfung von Strafzumessungskriterien (Operationalisierung). Da sich die Frage nach der weiteren Umsetzung entsprechender Strukturen erst im Anschluß an deren Feststellung stellt, kann die Betrachtung von Alternativen zunächst auf diese beiden systematischen Aspekte beschränkt werden. Anzumerken ist allerdings, daß die bloße Kommunikation oder Fortbildung kaum zu einem umfassenden Erfolg bei der Umsetzung von Strafzumessungsmaßstäben führen kann. Auch der gegenwärtigen Zumessungspraxis lassen sich nicht wenige Fälle entnehmen, in denen dem Richter bewußt sein mußte, daß seine Entscheidung von den Maßstäben jedenfalls der Mehrheit abweicht. Und denkbare Aus- und Fortbildungsmaßnahmen dürften mangels Erkennbarkeit der vielfältigen Ursachen von Strafungleichheit kaum unmittelbar an diese anknüpfen und sie schon gar nicht überwinden können. Letzteres würde auch wohl geradezu eine sicher unerwünschte psychologische Behandlung der Richter erfordern. 1

Ausführlich dazu Streng (1984), S. 281 ff.

I. Konkretisierung des geltenden Strafzumessungsrechts

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I. Konkretisierung des geltenden Strafzumessungsrechts Auf der Grundlage des geltenden Strafzumessungsrechts wäre zunächst daran zu denken, auf legislatorischem Wege – entweder in bereits bestehenden oder in neuartigen Formen – die im Einzelfall für angemessen gehaltene Strafe näher vorherzubestimmen2. Ob entsprechende Maßnahmen dabei zumindest mittelbar durch den Gesetzgeber zu erfolgen hätten oder ob dies auch durch Expertenkommissionen oder die Richterschaft selbst denkbar wäre, dürfte für die Frage ihrer Eignung zur Angleichung der Strafzumessung kaum einen Unterschied machen. Aufgrund der Ergebnisse der empirischen Strafzumessungsuntersuchungen steht aber jedenfalls schon von vornherein fest, daß gegenüber dem Strafzumessungsrecht in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung eine ganz gravierende Präzisierung vorgenommen werden müßte, um die wohl noch bestehenden Ungleichmäßigkeiten eindämmen zu können. Eine einseitige Verengung von Strafrahmen, wie sie zumindest als ergänzende Maßnahme seit vielen Jahrzehnten immer wieder gefordert wird3, würde ohne entsprechende Untergliederung der Strafbarkeitsvoraussetzungen kaum zu einer weiteren Angleichung verhelfen. Eher wäre eine derartige Maßnahme zur Einflußnahme des Gesetzgebers auf das generelle Strafniveau bzw. auf längerfristige Entwicklungen in der Zumessungspraxis geeignet4, und selbst eine solche Folge bliebe wohl weitestgehend aus, wenn die Strafrahmen gleichermaßen lediglich um die Anteile beschnitten würden, welche von der Praxis ohnehin kaum genutzt werden5. Im übrigen könnte auch schon ein Fehlen entsprechender Regelungen dahingehend interpretiert werden, daß sich ein Ausbau der Gesamtsystematik des gegenwärtigen Strafzumessungsrechts zur Förderung gleichmäßigeren Strafens kaum eigne. 2 Wie bereits obiger Fragestellung zu entnehmen ist, soll dabei die Festschreibung empirischen Vorgehens, die etwa im skandinavischen Recht anklingt, zunächst ausgeklammert werden; vgl. Kapitel 29 § 1 schwedisches Kriminalgesetzbuch: (1) Die Strafe ist, unter Berücksichtigung des Interesses an einer einheitlichen Rechtsanwendung, innerhalb des jeweiligen Strafrahmens nach dem Strafwert der Straftat oder einer Gesamtheit von Straftaten festzusetzen (zit. nach Cornils/Jareborg). 3 Diese Frage war insbesondere auch Gegenstand der Erörterungen auf dem Berliner Juristentag 1955; vgl. Sarstedt, D 29 ff.; Für eine Verengung der Strafrahmen spricht sich auch Streng aus; vgl. (1984), S. 293 ff. m. w. N. 4 Albrecht (1994), S. 500. Damit ist auch die an dieser Stelle nicht zu beantwortende Frage angesprochen, bis zu welcher Grenze die Strafzumessung durch den Gesetzgeber geregelt sein muß oder sollte. 5 So auch Albrecht (1994), S. 494 f. Betroffen wäre insbesondere das obere Drittel der Strafrahmen, dessen intensivere Nutzung durch die Praxis angesichts der bisherigen Entwicklung hin zu milderen Strafen derzeit kaum zu erwarten ist. Zweifel an einer entscheidenden Auswirkung engerer Strafrahmen auf die Strafzumessungspraxis lassen auch die von Albrecht durchgeführten vergleichenden Untersuchungen zur Strafzumessung nach deutschem und dem präziseren und differenzierteren österreichischen Strafzumessungsrecht aufkommen, die insoweit keinen Einfluß erkennen ließen; vgl. Albrecht (1994), S. 407; ders. (1990), S. 625; ders., Strafzumessung im Vergleich, S. 69. Siehe dazu auch Streng (2002), Rn. 604.

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§ 2 Mittel zur Vereinheitlichung der Strafzumessungspraxis

1. Absolute Strafdrohungen Die naheliegende Überlegung, bestehende Strafrahmen durch absolute Strafdrohungen zu ersetzen, um damit bei der Einordnung in den jeweiligen Strafrahmen entstehende Probleme zu vermeiden, kann selbstverständlich nicht darüber hinwegtäuschen, daß dies, unabhängig von generellen Bedenken gegen ein derartiges Sanktionensystem und dem daraus resultierenden beschränkten Anwendungsfeld absoluter Strafdrohungen6, im Hinblick auf die Gleichmäßigkeit des Strafens nur zur Verlagerung des Problems von einer etwaigen Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte durch den Richter hin zur Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte durch den Gesetzgeber führen würde7. Ziel gesetzgeberischer Maßnahmen könnte daher im vorliegenden Zusammenhang allenfalls die Untergliederung der weiten Strafrahmen sein8. 2. Obligatorische oder fakultative Strafmilderungen und Strafschärfungen Die vielfach bestehende Ausgestaltung der Deliktstypen in ihrer einfachsten Form als Grunddelikte hindert zwar eine Aufspaltung des zugehörigen Strafrahmens durch zusätzliche Qualifikationen oder Privilegierungen grundsätzlich noch nicht, da eine umfassende Ausgliederung durch zusätzliche Merkmale ausgewiesener Fallkonstellationen jedenfalls theoretisch auch zur Verengung des Strafrahmens des Grundtatbestandes führen könnte. Allerdings bleiben für die Strafzumessung schon heute kaum noch straferschwerende Umstände übrig, die nicht bereits tatbestandlich erfaßt sind9. Und eine Quantifizierung bzw. Kategorisierung bereits vom Grundtatbestand erfaßter Merkmale durch unselbständige Abwandlungen würde dem Charakter des Grundtatbestands widersprechen, weshalb aufgrund der ihrer Form entsprechend weit gefaßten Grundtatbestände auch verhältnismäßig weite Strafrahmen erhalten bleiben müßten. Somit scheiden unselbständige Abwandlungen zu einer entscheidend näheren Bestimmung der im Einzelfall zu verhängenden Strafe letztlich aus. 6 In Betracht kommen „fixed penalties“ wohl nur an der Ober- und der Untergrenze der Kriminalität. In Deutschland wird die Obergrenze bereits durch die absolute Strafdrohung des § 211 Abs. 1 StGB markiert, die Untergrenze ist in wesentlichen Teilen durch das Ordnungswidrigkeitenrecht abgedeckt; vgl. dazu auch Jung (1992), S. 209. 7 Streng (1984), S. 20; vgl. auch die entsprechende Kritik an den absoluten Strafdrohungen im Strafzumessungsrecht Kaliforniens [dazu näher unten 3. b)] bei Weigend (1988), S. 590 m. w. N.; zum Beispiel Australiens kritisch auch Welke, S. 207 ff. 8 Freilich würde die Steigerung des Differenzierungsgrades im theoretischen Maximum ebenfalls zu absoluten Strafdrohungen führen, bzw. in einem realistischeren Rahmen zu einer Situation, in der absolute Strafdrohungen in weiteren Bereichen so fern nicht mehr liegen würden. 9 Dieser Umstand führt insbesondere auch immer wieder zu Verstößen gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB.

I. Konkretisierung des geltenden Strafzumessungsrechts

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Aber auch eine weitere Normierung von Regelbeispielen würde, wie auch ein verstärkter Einsatz von obligatorischen oder fakultativen Strafmilderungen entsprechend den bestehenden Regelungen des allgemeinen Teils, an faktische Grenzen stoßen. Denn auch auf diese Weise könnten – jedenfalls auf der Basis gegenwärtiger Strafrechtssystematik – nur einzelne Merkmale genauer erfaßt werden, was ebenfalls nur beschränkten Einfluß auf die Weite der Strafrahmen haben würde10. Hinzu kommt, daß diese in der Regel eindimensionale11 Form der Verrechtlichung der Strafzumessung, die durch das 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26.01.1998 ihren vorläufigen Höhepunkt gefunden hat12, auch nicht unbegrenzt möglich ist. Noch weniger Anhaltspunkte für die Einordnung von Straftaten in die jeweiligen Strafrahmen bieten die damit als Mittel zur Vereinheitlichung der Strafzumessung ebenfalls ausscheidenden unbenannten Strafänderungsgründe13. Eine weitere Untergliederung des Strafzumessungsrechts entsprechend der herkömmlichen Systematik dürfte deshalb insgesamt mit Blick auf eine Angleichung richterlichen Strafens nicht zu entscheidenden Strafrahmenverengungen führen. Freilich liegt das eigentliche Problem legislatorischer Maßnahmen zur Gewährleistung gleichmäßigen Strafens nicht in der gegenwärtig bestehenden Gesetzessystematik begründet. Grundsätzlich wäre es auch denkbar, durch eine neuartige Gesetzgebungstechnik Aufspaltungen der Strafrahmen herbeizuführen. Statt oder im Rahmen der geltenden Strafzumessungsnormen müßte dafür ein umfassendes Strafzumessungssystem geschaffen werden, dessen Ausgestaltung dann wiederum entweder in einem Allgemeinen Teil oder für jeden Deliktstyp einzeln vorzunehmen wäre. Gegen ein derartig ausdifferenziertes Strafzumessungssystem bestehen aber erhebliche Bedenken. 10 Dies gilt bezüglich der Regelbeispielsfälle jedenfalls dann, wenn sich, wie im gegenwärtigen Strafrecht zumeist, deren Strafrahmen mit denen der zugehörigen Tatbestände überschneiden. Vor dem Hintergrund der möglichen Kompensation der Indizwirkung des Regelbeispiels durch andere Strafzumessungsfaktoren (vgl. dazu BGHSt 23, 257; 24, 249) stellt sich allerdings hier wie bei unbenannten Strafänderungsgründen die Frage nach dem Sinn solcher Überschneidungen; kritisch dazu auch Maiwald (1973), S. 159 ff.; ders. (1984), S. 435 f., 438; Dreher (1978), S. 150 ff.; Hettinger (1982), S. 219 f. Allerdings würde eine klare Abgrenzung der Sanktionen ebenfalls Probleme aufwerfen, wie etwa die Gefahr der Erstarrung. 11 Gemeint ist damit, daß gerade bei Regelbeispielen und Qualifikationen kein umfassendes System an möglichen Merkmalskombinationen besteht, sondern zum Grundtatbestand regelmäßig nur einzelne weitere Merkmale hinzutreten, die, wenn überhaupt, so nur in bestimmter Rangfolge aufeinander aufbauen. 12 Neben zahlreichen zusätzlichen Strafschärfungen und Strafmilderungen wurde insbesondere auch das noch junge Institut der qualifizierten Qualifikationen und der qualifizierten Regelbeispiele stark ausgebaut; vgl. nur §§ 250 Abs. 2 Nr. 2, 263 Abs. 5, 267 Abs. 4 StGB. Kritisch dazu F. C. Schroeder (1999), S. 3613 f.; Zieschang (1999), S. 561 ff. 13 Hier fehlt die Führung des Gesetzgebers völlig; vgl. Maurach/Gössel/Zipf, § 62 Rn. 45; s. zu der „konturlosen Unbestimmtheit“ unbenannter Strafschärfungsgründe auch Wessels, S. 296.

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§ 2 Mittel zur Vereinheitlichung der Strafzumessungspraxis

Würde man obligatorische Regelungen treffen, so wäre wohl in bezug auf die Frage der Gleichmäßigkeit schnell ein Stadium erreicht, welches an seinen Grenzen mehr Ungleichmäßigkeit hervorrufen würde als es Gleichmäßigkeit schaffen könnte. Denn ein höherer Konkretisierungsgrad des Gesetzes steigert, wenn dem Richter die Möglichkeit der Analogie verschlossen ist, mit der Anzahl von Grenzziehungen nicht nur die Gefahr der Entstehung von echten Strafbarkeitslücken14. Da sich insbesondere nicht jeder Sachverhalt bis ins einzelne vorherbestimmen läßt15, wären auch innerhalb eines solchen Systems Fehleinstufungen zu erwarten16. Im übrigen wären derartige Regelungen auch zu starr, um dem Wandel der Verhältnisse längerfristig gerecht werden zu können17. Konsequenz einer obligatorischen Struktur innerhalb der gegenwärtig bestehenden Strafrahmen wäre vielmehr, daß auch eine Anpassung dieser Struktur an Veränderungen in der Lebenswirklichkeit oder auch nur in der Strafwürdigkeit der bereits geregelten Sachverhalte erfolgen müßte. Vom Gesetzgeber dürfte eine deutlich gesteigerte Übernahme von Verantwortung für die Vermeidung strafzweckwidriger Erstarrung der Strafzumessung aber jedenfalls noch weniger zu erwarten sein, als die Schaffung adäquater Ausgangsstrukturen18. Eine flexiblere Handhabung, wie sie bei abstrakteren Regelungen möglich ist, würde dagegen positivrechtlich grundsätzlich nur durch ein System gewährleistet, welches weder zwingende Rechtsfolgen vorschreibt, noch Analogien ausschließt, in seiner Bindungswirkung also allenfalls den Regelbeispielen vergleichbar wäre und damit möglicherweise zu einem sinnvollen Ausgleich im Spannungsfeld zwischen Rechtssicherheit und Gerechtigkeit beitragen könnte. Ein solches System müßte sich dann aber derselben Kritik stellen, wie sie teilweise schon an der Regelbeispielstechnik im allgemeinen und an deren derzeit bereits erreichter Verbreitung im besonderen geübt wird. Zwar könnte einer Etablierung fakultativer Strukturen innerhalb der Strafrahmen jedenfalls im Ver14 Vgl. Jescheck/Weigend, S. 129. Auch im Rahmen des bestehenden und jedenfalls im wesentlichen wohl durch das Bestimmtheitsgebot begrenzten Abstraktionsgrades des Strafgesetzes sind derartige Gerechtigkeitsdefizite nicht auszuschließen; s. dazu Roxin, AT I, § 5 Rn. 2; Maiwald (1973), S. 139 f. Jedoch kann dies selbstverständlich nicht Argument für darüber hinausgehende Ungleichmäßigkeiten sein, welche nicht durch Erfordernisse des Rechtsstaatsprinzips zu rechtfertigen sind. 15 Maiwald (1973), S. 144 unter Hinweis auf die schon von Feuerbach getroffene entsprechende Feststellung, vgl. S. 116. 16 Vgl. Maiwald (1973), S. 139; Wessels, S. 295 zu den Diebstahlsqualifikationen des § 243 StGB a. F. 17 So auch BVerfGE 14, 245, 251; 45, 363, 371. 18 Vgl. dazu Weigend (1988), S. 600 f. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund begrenzter Legislaturperioden. Freilich kann, wie bereits erwähnt, auch daran gedacht werden, solche Regelungen nicht unmittelbar durch den Gesetzgeber schaffen zu lassen. Expertenkommissionen dürften aber ungeachtet der Frage der Verfassungsmäßigkeit ihrer Einsetzung ebenfalls eine gewisse Schwerfälligkeit anhaften. Zu den entsprechenden Problemen im Zusammenhang mit amerikanischen Strafzumessungsrichtlinien vgl. Savelsberg (1988), S. 288 und unten 3. c).

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gleich zur gegenwärtigen Rechtslage kaum der gegenüber der gängigen Regelbeispielstechnik erhobene gegenläufige Vorwurf gemacht werden, sie verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG19, denn eine entsprechend dem hier verfolgten Ziel lediglich der Ausfüllung und nicht der Ausdehnung bestehender Strafrahmen dienende Regelung würde ja nur den vorliegend gerade erstrebten umgekehrten Effekt besserer Bestimmbarkeit der Einzelfallstrafe hervorrufen. Auch wären Unsicherheiten, die sich bei der Bestimmung von Ausnahmen trotz Vorliegens der eben nicht zwingenden Voraussetzungen fakultativer Regeln und von zusätzlichen Anwendungsfällen trotz Nichtvorliegens der nicht abschließenden Voraussetzungen solcher Regeln ergeben20, kein spezifisches Problem eines derartigen Systems, da die richtige Einordnung solcher Sonderfälle in einen umfassenderen Strafrahmen ohne entsprechende Konturen zumindest im Ergebnis nicht unproblematischer ist. Fakultative Regelungen können aber durchaus ebenfalls zu Erstarrung führen. Selbst wenn eine Leitfähigkeit dadurch hergestellt würde, daß man solche Normen lediglich als sog. Soll-Vorschrift im Regelfall eingreifen ließe, hätten diese bei freilich nicht immer durchgehaltener aber sinnvoller Auslegung in der Mehrzahl der von den Voraussetzungen her erfaßten Fälle zu gelten. Bei entsprechend eindeutiger Untergliederung der Rechtsfolgen käme es dann in der Regel ebenfalls zu relativ exakt vorgegebenen Sanktionen. Und die Unverbindlichkeit eines innerhalb des durch den Bestimmtheitsgrundsatz vorgegebenen Rahmens völlig offenen aus sog. „Kann-Vorschriften“ bestehenden Regelungssystems könnte eine einheitlichere Strafzumessung kaum gewährleisten. Letztlich bedeutet eine Steigerung der Verbindlichkeit von Normen eben zugleich immer eine Minderung ihrer Flexibilität sowohl in gegenständlicher als auch in zeitlicher Hinsicht. Die gegen ein entsprechend ausdifferenziertes Strafzumessungssystem angeführten Argumente sind auch nur Bestandteil der generell gegen Steigerungen des Konkretisierungsgrades in der Gesetzgebung bestehenden Bedenken. Eine höhere Regelungsdichte würde sich nämlich nicht nur über das Strafzumessungsrecht hinaus in einen gewissen Widerspruch zum gesamten gegenwärtigen Strafrechtssystem21 setzen, mit einer zunehmend kasuistischen Verrechtlichung der Strafzumessung würde man sich möglicherweise auch vom Boden allgemeiner Gesetzgebungslehre22 lösen. Zu den generellen und geradezu banalen Re19 Dieser betrifft natürlich wiederum insbesondere auch die unbenannten Strafänderungen, die als reine Strafrahmenerweiterungen kritisiert werden (dazu noch unten § 3 II 2. und Streng (2002), Rn. 412 m. w. N.); vgl. zur Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzgebungstechniken Maiwald (1973), S. 158 f.; ders. (1984), S. 433 ff.; Roxin, AT I, § 10 Rn. 133 und aus der die Regelbeispielstechnik jedenfalls in einzelnen Regelungen für zulässig erachtenden verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung BVerfGE 45, 363; BVerfG JR 1979, 28 mit krit. Anm. Bruns. 20 Vgl. zu dieser Frage in bezug auf Regelbeispiele Wessels, S. 301 ff. 21 Zu den auf der anderen Seite bestehenden Gefahren des Systemdenkens insbesondere bei Verwendung zu abstrakter Begriffe Roxin, AT I, § 7 insb. Rn 37 ff., 45 ff.

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geln der Gesetzgebungstechnik gehört insbesondere das ökonomische Prinzip, wonach die zu treffende Regelung zu Gunsten ihrer Verständlichkeit, Überschaubarkeit wie auch der bereits im Zusammenhang mit dem Verbindlichkeitsgrad genannten Flexibilität mit möglichst wenigen Regeln herbeizuführen ist23. Dies führt in der weiteren Konkretisierung unter anderem zum Prinzip der Generalisierung. Eine strenge Kasuistik ist deshalb nach Möglichkeit zu vermeiden. Klagen über Verstöße gegen diese Prinzipien begleiten die Gesetzgebung schon immer, in neuerer Zeit seien sie aber berechtigter denn je24. Erfaßt werden von dieser Kritik auch bereits die Regelbeispiele gegenwärtigen Zuschnitts, die zu einer erheblichen Aufblähung und zu wachsender Unübersichtlichkeit des Strafgesetzbuchs geführt haben sollen25. Auf der anderen Seite sind aber Detailregelungen – gerade im Interesse der vorliegend in Rede stehenden Gleichbehandlung – oftmals eben nicht zu vermeiden26. Angesichts abschreckender Beispiele über Regelungsperfektionismus scheint in der Auseinandersetzung, wie in diesem Spannungsfeld zwischen Abstraktion und Konkretisierung zu entscheiden sei, gegenwärtig tendenziell eher wieder offenen Normen der Vorzug gegeben zu werden27. Letztlich ist aber die Entscheidung über die optimale Regelungsdichte immer speziell für die jeweilige Regelungsart unter dem Blickwinkel des Leitziels der Funktionsgerechtigkeit zu treffen28. Auch um eine hinreichende Anwendungseignung zu gewährleisten, bietet sich dabei in vielen Fällen eine Regelung auf mittlerer Abstraktionshöhe an29. Kasuistische Regelungen sollten lediglich dann gewählt werden, wenn nur wenige Fallgruppen existieren und diese deutlich abgrenzbar sind30. Ob deshalb ein Hinausgehen über die bestehende und auf mittlerem Abstraktionsniveau liegende Regelbeispielstechnik sinnvoll wäre, erscheint auch vor diesem erweiterten Hintergrund jedenfalls schon sehr fraglich. 22 Zur Entwicklung der Gesetzgebungslehre vgl. die Nachweise bei Hill (1986), S. 57. Angesichts der sich überschneidenden Problemfelder verwundert es nicht, daß es entsprechend der Entwicklung der Strafzumessungslehre auch erst verhältnismäßig spät zu umfassenden Arbeiten zur Gesetzgebungslehre kam. 23 Hill (1982), S. 109; Ent, S. 69. Ein kurzer Überblick zur Gesetzestechnik findet sich auch bei Bydlinsky (1991), S. 625 ff. 24 Vgl. Hill (1986), S. 58 m. w. N.; für Österreich: Bydlinski (1991), S. 626 m. w. N. Der Abbau der auch am wachsenden Umfang des Bundesgesetzblatts erkennbaren „Gesetzesflut“ wurde gar politisches Ziel: auf Bundesebene kam es zur Einrichtung einer Kommission für Rechts- und Verwaltungsvereinfachung; vgl. Unabhängige Kommission für Rechts- und Verwaltungsvereinfachung des Bundes: 1983–1987; eine Zwischenbilanz. 25 Vgl. F. C. Schroeder (1999), S. 3614. 26 So auch ein Beschluß des Bundeskabinetts, Leitgedanken zur Verbesserung der Gesetzgebung, BMI-Mitteilungen 1984, S. 15. 27 Nachweise bei Hill (1986), S. 65. 28 Hill (1982), S. 109. 29 Hill (1982), S. 109. 30 Hill (1982), S. 112.

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3. Strafzumessungsrichtlinien nach amerikanischem Vorbild31 a) Allgemeines Zur Beurteilung des angemessenen Abstraktionsniveaus von Strafzumessungsnormen läßt sich auch auf Erfahrungen zurückgreifen, die in den USA mit der Einführung sogenannter „Sentencing Guidelines“ gemacht wurden. Solche Richtlinien für die Strafzumessung, deren Übertragbarkeit auf das deutsche Strafzumessungsrecht in jüngster Zeit auch wiederholt Gegenstand von Dissertationen war32, existieren mittlerweile in nahezu einem Drittel der 50 amerikanischen Bundesstaaten33, sowie seit 1.01.1987 im dortigen Bundesstrafrecht34. Die zunehmende Verbreitung dieser Richtlinien spricht allerdings noch nicht für einen Fortschritt gegenüber dem gegenwärtigen Zustand des deutschen Strafzumessungsrechts; die Ausgangssituation in den USA war nämlich eine völlig andere. Bis in die siebziger Jahre hinein waren dort Systeme unbestimmten Strafens („indeterminate sentencing“) vorherrschend, welche in einem Großteil der Einzelstaaten auch nach wie vor noch bestehen35. Freiheitsstrafen werden in diesen Systemen häufig nur in Form von Strafrahmen oder Mindeststrafen verhängt36; die tatsächliche Straflänge ergibt sich erst aus dem durch Exekutivorgane (meist sog. „parole boards“) während der Haft bestimmten Entlassungszeitpunkt. Erst in den siebziger Jahren setzten dann verbreitet Anstrengungen ein, die unbestimmten Strafen abzulösen und stattdessen Richtlinien oder Regeln für Strafzumessungsentscheidungen aufzustellen37. Bei dieser verhältnismäßig neuen Entwicklung handelt es sich somit eher um die Konstitution einer amerikanischen Alternative zum deutschen Strafzumessungsrecht als um die 31 Eine Zusammenstellung zu den ansonsten im Ausland bestehenden in der Regel weniger ausdifferenzierten gesetzlichen Vorgaben zur Strafhöhenbestimmung findet sich bei Albrecht, Pallin-FS, S. 23 ff.; ders. (1994), S. 141 ff. 32 Reichert (1999); Fischer (1999); Uphoff (1998). S. aber auch die schon weit vorher entstandenen Beiträge von Weigend (1988) und Savelsberg (1988). 33 Nach einer von der National Association of Sentencing Commissions (NASC) veröffentlichten Zusammenstellung „American Sentencing Guidelines Systems as of June 1999“ (unter der Homepage der United States Sentencing Commission veröffentlicht: http://www.ussc.gov/states/asgs.pdf) handelt es sich um 15 Bundesstaaten); siehe im einzelnen unten Anm. 47, 48. In weiteren sechs Bundesstaaten und Washington D.C. sind teilweise schon Richtlinien vorgeschlagen oder zumindest Reformkommissionen geplant. 34 Zur diesbezüglichen Gesetzgebungsgeschichte auf Bundesebene s. Fischer, S. 119 ff. Obwohl die Gesetzgebungskompetenz für das Strafrecht in den USA im Grundsatz bei den einzelnen Bundesstaaten liegt, hat der Kongreß, gestützt auf sonstige Kompetenzen, etwa für die Regelung des Handels zwischenden Bundesstaaten, eine nahezu unbegrenzte nationale Polizeigewalt geschaffen; s. dazu Darby, S. 556 f. 35 Vgl. die Aufstellung bei Reichert, S. 150 Anm. 61. 36 Reichert, S. 138 m. w. N.; Uphoff, S. 82 f. 37 v. Hirsch (1982), S. 1075.

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Fortentwicklung eines diesem vergleichbaren Zustands. Hintergrund der rechtspolitischen Umsetzung dieser Reformbestrebungen war denn auch nicht nur die Unzufriedenheit mit den als ungleich empfundenen38 Strafen39, sondern neben der den Gefangenen kaum zumutbaren Unsicherheit über die tatsächliche Straflänge und dem vielfach festzustellenden Übermaß von Sanktionen gegenüber den Taten40 auch die Abkehr des konservativen und des liberalen Lagers von der den unbestimmten Strafen zugrundeliegenden Behandlungsideologie41. Auch in der Zielsetzung unterscheiden sich deshalb die auf Verwirklichung einer „neuen“ strafrechtsdogmatischen Konzeption gerichteten Sentencing Guidelines von Maßnahmen, die in erster Linie der Angleichung der Strafzumessung unabhängig von der den zugehörigen Vergleichsmaßstab betreffenden Strafzweckfrage dienen sollen42. Erarbeitet werden diese Richtlinien in der Regel durch vom Gesetzgeber zu diesem Zweck eingesetzte Kommissionen43, die sich überwiegend aus Praktikern, aber teilweise auch aus Wissenschaftlern und Zivilisten zusammensetzen44. Die Sentencing Guidelines beziehen sich fast ausschließlich auf die Dauer der Freiheitsstrafe45. Typisch ist dabei die Festschreibung einer Bandbreite verschiedener Strafhöhen nach Tatschwere und Vorbelastung für die jeweiligen Delikte in Form von Matrizen46. In der genaueren Ausgestaltung und in der Bindungswirkung unterscheiden sich die Richtlinien aber beträchtlich 38 Die Feststellung objektiver Ungleichmäßigkeit wäre wiederum eine Frage des Maßstabs; vgl. Reichert, S. 138 f.; Weigend (1988), S. 586. 39 Auf der anderen Seite kam es durch die für größere regionale Einheiten zuständigen parole boards oft auch zu einer gewissen Angleichung der Strafmaße unterschiedlicher Richter; vgl. Weigend (1988), S. 589. 40 Weigend (1988), S. 586. 41 Dieser politischen Entwicklung gingen kriminologische Studien voraus, die zu der unter dem Stichwort „nothing works“ bekannt gewordenen Erkenntnis von der Unwirksamkeit staatlicher Besserungs- und Erziehungsversuche mit Hilfe des Strafvollzuges führten. Eine Zusammenfassung der Entwicklung findet sich bei v. Hirsch (1982), S. 1047, der die „ideologische“ Basis für das dieser Entwicklung zugrundeliegende sog. „just-deserts“-Modell der Strafzumessung lieferte; s. dazu Reichert, S. 140 ff.; Weigend (1988), S. 584 ff. jeweils m. w. N. Vgl. ferner Uphoff, S. 84 ff. m. w. N.; Damaška, S. 701, 704 ff.; zu dem für die Gegententenz verwendeten Schlagwort „Neoklassizismus“ s. Weigend (1982). 42 Savelsberg (1988), S. 282. 43 Vgl. die von der NASC veröffentlichte State Sentencing Commissions List (http:// www.ussc.gov/states/nascaddr.htm). 44 Zur Besetzung der auf Bundesebene gebildeten Guideline Comission vgl. Savelsberg (1988), S. 283; Reichert, S. 200. Zur Besetzung der Minnesota Sentencing Guidelines Commission vgl. Weigend (1988), S. 592; Reichert, S. 177. Die Mitglieder der Kommissionen sind auch jeweils im Internet veröffentlicht (http://www.ussc.gov; http://www.msgc.state.mn.us). 45 Albrecht, Pallin-FS, S. 23; ders. (1994), S. 141. 46 Vgl. z. B. das Sentencing Table der 2003 Federal Sentencing Guidelines, Chapter Five, Part A (veröffentlicht unter http://www.ussc.gov/2003guid/5a.htm), oder das 2003

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voneinander. Während sie in einigen Bundesstaaten lediglich als Empfehlungen an die Richter formuliert sind47, stellen sie doch überwiegend eine widerlegbare Vermutung für die Richtigkeit der vorgesehenen Strafen auf und erlauben begründungspflichtige Abweichungen nur unter bestimmten Voraussetzungen48. b) „determinate sentencing“ Teilweise führten die Reformbestrebungen aber auch zur Eingrenzung der Strafhöhe unmittelbar durch den Gesetzgeber (sog. „determinate sentencing“)49. Dabei kam es in verschiedenen Bundesstaaten zu Strafrahmenregelungen, die in ihrer Weite den deutschen vergleichbar sind50. Einen besonders scharfen Bruch51 zu seinem bis dahin völlig unbestimmten System der Strafzumessung hat Kalifornien vollzogen, dessen Gesetzgeber die meisten Deliktstatbestände selbst mit jeweils drei Strafmaßen – einem normalen, einem gemilderten und einem verschärften – ausgestattet hat52. Wenn mildernde oder erschwerende Umstände nicht festzustellen sind, haben die Gerichte das mittlere Strafmaß zu verhängen; und für einzelne Qualifikationsmerkmale kommen genau fixierte Zuschläge hinzu53. Allerdings haben diese gesetzlichen Vorgaben nicht im zunächst zu erwartenden Ausmaß zu den bereits angesprochenen Folgen absoluter Strafdrohungen geführt, da der Praxis verschiedene Möglichkeiten verblieben, extreme Ungleichmäßigkeiten zu verhindern. So ist nicht nur die Entscheidung, ob überhaupt die Sanktionsart der Freiheitsstrafe verhängt wird, nahezu uneingeschränkt dem Richter überlassen, auch in der Berücksichtigung strafschärfenSentencing Guidelines Grid von Minnesota (veröffentlicht unter http://www.msgc. state.mn.us/Guidelines/grid03aug.pdf). 47 Sog. „voluntary guidelines“ bestehen nach Angaben der NASC (oben Anm. 33) in Arkansas, Delaware, Maryland, Missouri, Utah und Virginia. 48 Sog. „presumptive guidelines“ bestehen nach Angaben der NASC (oben Anm. 33) in Kansas, Michigan, Minnesota, North Carolina, Ohio, Oregon, Pennsylvania, Tennessee, Washington und auf Bundesebene. 49 So in Arizona, Illinois, Indiana, Kalifornien und Maine; vgl. Reichert, S. 150 f. Auch hier kann man – entgegen der amerikanischen Terminologie – durchaus von „Richtlinien“ sprechen; vgl. etwa Damaška, S. 718. 50 So in Illinois und Indiana; vgl. Reichert, S. 165. 51 Vgl. Reichert, S. 166 m. w. N. 52 So z. B. California Penal Code § 213 (a) (2), der für einfachen Raub (Robbery of the second degree) zwei, drei bzw. fünf Jahre Freiheitsstrafe vorschreibt. Der California Penal Code ist in seiner aktuellen Fassung auch im Internet zu finden über http:// leginfo.ca.gov/calaw.html. Ausführlich zum kalifornischen Strafzumessungsrecht Reichert, S. 166 ff., mit einer tabellarischen Aufbereitung von weiteren Strafmaßbeispielen (S. 168). Vgl. auch Weigend (1988), S. 589 f.; Albrecht, Pallin-FS, S. 23 f.; Damaška, S. 715; Herrmann, S. 607. 53 So erhöht sich z. B. das für einfachen Raub angedrohte Strafmaß um ein Jahr, wenn die Tat begangen wird, während das Opfer Geld am Automaten abhebt (Robbery of the first degree); California Penal Code § 212.5 (b) i. V. m. § 213 (a) (1) (B).

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der oder strafmildernder Umstände bestehen gewisse Freiheiten und bei mehreren verwirkten Freiheitsstrafen kann entweder zeitgleiche oder sukzessive Verbüßung angeordnet werden, wobei bei letzterer die leichteren Strafen nur zu einem Drittel54 in Ansatz kommen55. Auf diese Weise lassen sich entgegen dem ersten Anschein unbillige Härten im Einzelfall vermeiden. Es zeigt sich aber zugleich, daß ein solch determiniertes Strafzumessungssystem Gleichmäßigkeit eher behindert als ihr dient und die Praxis zur Herstellung von Gleichmäßigkeit doch wieder auf Schlupflöcher angewiesen ist. Im Ergebnis handelt es sich eben doch um kein wirkliches System absoluter Strafen, welches in dieser Hinsicht besonders bedenklich wäre. c) Die Richtlinienmodelle Minnesotas und des Bundes Es scheint sich somit auch am amerikanischen Beispiel zu bestätigen, daß die Strafzumessung jedenfalls unter Gleichheitsaspekten eher einer flexiblen Regelung bedarf. Ein gewisses Maß an Flexibilität bei zugleich wirksamer Bindung des Richters bieten sog. „presumptive guidelines“ – verbindliche Richtlinien, wie sie in den reformierten Systemen überwiegend Anwendung finden56. Auch insoweit bestehen aber noch beträchtliche Unterschiede: In Minnesota etwa, dem ersten Staat der USA, der diesen Mittelweg zwischen Verbindlichkeit und Flexibilität gewählt hat57, wurde eine Matrix aus 11 Deliktsgraden und 7 Vorstrafenstufen gebildet, aus der sich für jede Kombination von Tat und Vorbelastung ein in Monaten Freiheitsstrafe ausgedrücktes Regelstrafmaß bzw. ein sehr enger Regelstrafrahmen ergibt58. Eine Trennlinie innerhalb der Matrix gibt die Entscheidung zwischen der Vollstreckung der Strafe und ihrer Aussetzung59 vor. Von den Regelstrafen kann zwar in nicht näher festgelegtem Umfang abgewichen werden, wenn bestimmte aber immerhin nicht abschließend aufgezählte Gründe vorliegen60. Unbenannte Abweichungen sind aber nur zulässig, wenn 54

California Penal Code §§ 669, 1170.1. Vgl. zu diesen Möglichkeiten auch Reichert, S. 170 f. und Weigend (1988), S. 590 f., jeweils m. w. N.; ferner Herrmann, S. 607. 56 s. oben Anm. 48. 57 Die Minnesota Sentencing Guidelines bestehen seit dem 1.05.1980. In der Fassung vom 8.08.2003 sind sie auch im Internet veröffentlicht unter http://www. msgc.state.mn.us/Guidelines/guide03aug.pdf. S. zur Rechtslage in Minnesota auch Reichert, S. 175 ff.; ferner Weigend (1988), S. 592 f.; Albrecht, Pallin-FS, S. 24. 58 2003 Minnesota Sentencing Guidlines Grid (Anm. 46). Der Regelstrafrahmen umfaßt je nach Tatschweregrad zwischen 2 (bis zu einem Strafrahmen von 29–31) Monaten und 14 (bei Strafrahmen ab 299–313) Monaten. 59 Bzw. der Aussetzung ihrer Verhängung; Minnesota Sentencing Guidelines III.A.1. 60 Vgl. Minnesota Sentencing Guidelines II.D.2.a für Strafmilderungen (im wesentlichen Tatprovokation, verminderte Schuldfähigkeit, geringe Tatbeteiligung und sonstige schuldmindernde Umstände); II.D.2.b für Strafschärfungen (z. B. Grausamkeit, hoher wirtschaftlicher Schaden, Auftragstat, Bandenkriminalität). Innerhalb der Guide55

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dafür im Einzelfall erhebliche und zwingende Umstände vorliegen und der Richter diese schriftlich darlegt61. Zusätzlich findet sich auch eine Aufzählung von Umständen, die keine Abweichung zu rechtfertigen vermögen62. Noch sehr viel ausdifferenzierter sind die Federal Sentencing Guidelines63, welche 6 Vorstrafenkategorien und 43 Tatschwerestufen unterscheiden64. Die aus der entsprechenden Matrix ablesbaren Regelstrafrahmen sind gegenüber den Strafrahmen des Minnesota Guideline Grid dagegen wesentlich weiter65. Und auch die Entscheidung zur Frage der Strafaussetzung ist gegenüber der in Minnesota gesetzlich vorgegebenen scharfen Trennlinie fließender. Zwischen weitgehend unbeschränkter Aussetzungsmöglichkeit (Zone A) und zwingender Vollstreckung (Zone D) liegen in der Matrix zwei weitere Zonen, welche in der Regel eine Aussetzung (Zone B: Strafrahmen, die zwischen 1 und 12 Monaten liegen) bzw. eine Reststrafenaussetzung nach Verbüßung der Hälfte der ausgesprochenen Freiheitsstrafe (Zone C: Strafrahmen, die zwischen 8 und 16 Monaten liegen) unter bestimmten Bedingungen erlauben66. Gründe für Abweichungen von den vorgegebenen Strafrahmen sind auch hier zum Teil ausdrücklich erwähnt67, Gründe welche keine68 oder gewöhnlich keine69 Abweichung rechtfertigen, sind ebenfalls genannt. Im übrigen sind Abweichungen möglich, sofern Faktoren vorliegen, welche von der Sentencing Commission nicht berücksichlines werden aber auch noch unabhängig von der Deliktseinteilung gewisse (materiell dem deutschen AT vergleichbare) Differenzierungen vorgenommen. So wird beispielsweise im Versuchsfall die aus dem Sentencing Grid zu entnehmende Strafe regelmäßig halbiert (Minnesota Sentencing Guidelines II.G). Dagegen werden Täter und Teilnehmer abgesehen von der oben genannten eng begrenzten Milderungsmöglichkeit grundsätzlich „gleich“behandelt. 61 Vgl. Minnesota Sentencing Guidelines II.D. 62 So z. B. Abstammung, Geschlecht, soziale und berufliche Umstände; vgl. Minnesota Sentencing Guidelines § II.D.1. 63 Die Federal Sentencing Guidelines (U.S.S.G.) vom 1.11.2003 sind ebenfalls im Internet veröffentlicht unter http://www.ussc.gov/2003guid/TABCON03.htm. S. zum Strafzumessungsrecht auf Bundesebene auch Fischer, S. 128 ff., Reichert, S. 175 ff.; ferner Weigend (1988), S. 593 ff.; Albrecht, Pallin-FS, S. 24. 64 Sentencing Table der 2003 Federal Sentencing Guidelines (Anm. 46). Zu den einzelnen Tatschwerestufen führt dabei ein sehr komplexes Punktesystem. 65 Sie umfassen, soweit sie nicht nach oben durch lebenslange Freiheitsstrafe begrenzt sind, je nach Tatschweregrad und Vorbelastung zwischen 6 (bis zu einem Strafrahmen von 27–33) Monaten und 81 (bei einem Strafrahmen von 324–405) Monaten. 66 USSG § 5C1.1. 67 USSG § 5K1.1 (Kronzeugenregelung) und 2.1–2.18 (Tatbezogene Faktoren: Todesfolge, erhebliche Verletzung, Verwendung von gefährlichen Werkzeugen, wirtschaftlicher Schaden, Tatprovokation, Pflichtenkollision, verminderte Schuldfähigkeit, etc.); teilweise sind diese Umstände in typischerweise vorkommendem Ausmaß aber schon bei der Tatschwerefeststellung berücksichtigt. 68 USSG § 5H1.10; vergleichbar der Regelung Minnesotas (Anm. 62). 69 USSG § 5H1.1 ff. u. 1.11 (Täterbezogene Umstände: Alter, Erziehung, mentaler, emotionaler und physischer Zustand, etc.).

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tigt wurden70. Insofern handelt es sich hier um eine weitergehende Ausnahmeregelung als in den Richtlinien Minnesotas. Allerdings hält sich ihr Anwendungsbereich schon wegen der vielfach vorgezeichneten Strafzumessungsumstände in Grenzen71. Insgesamt bietet das Bundesstrafrecht damit eine inhaltlich differenziertere aber zugleich aufgrund der weiteren Strafrahmen im Ergebnis flexiblere Regelung als die demgegenüber eine einheitlichere Strafzumessung versprechenden Richtlinien Minnesotas. Auch an den beiden exemplarisch dargestellten amerikanischen Richtliniensystemen, deren inhaltliche Bewertung bei dieser rein strukturellen Analyse freilich nicht erfolgen kann, zeigen sich damit die bereits allgemein erörterten rechtstechnischen Schwierigkeiten ausdifferenzierter Strafzumessungsnormen. Der Ausgleich zwischen Verbindlichkeit und Flexibilität scheint bezogen auf das jeweilige Abstraktionsniveau in den Bundesrichtlinien besser gelungen zu sein. Allerdings wird dies eben wieder mit unbestimmteren Strafen erkauft. Und in bezug auf die Forderung nach Gleichmäßigkeit läßt sich der Erfolg in Richtliniensystemen nicht besser messen, als in jedem anderweitig ausgestalteten Strafzumessungsrecht. Statistiken, welche die Anteile der von den Richtlinien abweichenden Entscheidungen mitteilen72, können zu der Frage tatsächlicher Gleichmäßigkeit nicht Stellung nehmen, sondern nur zur Frage der Einheitlichkeit, da hier Maßstab für die „Gleichmäßigkeit“ eben „nur“ die schon in bezug auf ihre interne Gleichmäßigkeit zweifelhaften Richtlinien sind. Darüber hinaus stützen die unterschiedlichen Strafzumessungssysteme ja auch noch Ungleichmäßigkeiten zwischen den verschiedenen Bundesstaaten73. Und so zeigt sich auch, daß unter den Richtlinien nach einer bestimmten Zeit wieder eine Annäherung an die frühere Praxis erfolgt74, was einen von diesen abweichenden Ge70 USSG § 5K2.0. Dies wird auch schon durch das Strafgesetz so vorgegeben: 18 U.S.Code § 3553 (b) (Bundesgesetze werden vom U.S. House of Representatives veröffentlicht unter http://uscode.house.gov/usc.htm). 71 So gibt es beispielsweise in USSG § 2X1.1 eine differenzierende Versuchsregelung (bei der Tatschwerestufe sind im Falle des unbeendeten Versuchs 3 Zähler abzuziehen) und in USSG § 3B1.1 u. 1.2 eine Differenzierung nach der Tatbeteiligung (Anhebung oder Absenkung der Tatschwerestufe je nach Beteiligungsintensität um 2–4 Zähler). 72 Vgl. die von Savelsberg (1988), S. 289 f. und Tabelle 2, für Minnesota mitgeteilten Zahlen: Die Abweichungen von den durch die Kommission gesetzten Werten haben sich von usprünglich 17–18% vor Einführung der Sentencing Guidelines zunächst um mehr als die Hälfte reduziert. Eine Aufschlüsselung der Abweichungen getrennt nach Strafart und Straflänge findet sich für die Jahre 1981–2002 in den von der Minnesota Sentencing Guidelines Commission im Januar 2004 veröffentlichten Statistiken „Sentencing Practices: Annual Summary Statistics for Felony Offenders Sentenced in 2002“, S. 30, 32 (zu finden auch im Internet unter http://www.msgc.state.mn.us/ Data%20Reports/datasum2002.DOC). 73 Weigend (1988), S. 598. 74 Vgl. die den Statistiken der Minnesota Sentencing Guidelines Commission (Anm. 72) für das Jahr 2002 zu entnehmenden Werte: abweichende Strafart: 14,3%;

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rechtigkeitsmaßstab jedenfalls der Richter erkennen läßt. Eine zeitgleiche Reduktion von Strafzumessungsfaktoren75 und Strafrahmen setzt sich offensichtlich nicht ohne weiteres durch, und dies wohl gerade deshalb, weil die amerikanische Praxis hier die Gefahr der Ungleichmäßigkeit sieht. Dabei wird gerade für die USA vermutet, daß die mit den Richtlinien jedenfalls gegenüber der Darstellung der Strafzumessung in der deutschen Praxis76 zwangsläufig einhergehende Vereinfachung der Strafzumessung durch ein dort typisches Klima begünstigt werde, in dem aufgrund zunehmender Hinterfragung von Werten und Autoritäten und einem besonders ausgeprägten Hang zum Pragmatismus und zur Mystifizierung der exakten Wissenschaften weniger die Bewertung des konkreten Täterverhaltens als mehr die Schaffung von Ordnung und Gleichförmigkeit bei der Beurteilung angemessenen Strafens im Vordergrund stehe77. Innerhalb des amerikanischen Strafrechtssystems werden darüber hinaus auch noch die Folgen eines durchnormierten Strafzumessungsrechts vor dem Hintergrund des weit verbreiteten Aushandelns der Anklagepunkte zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung gegen Geständnisleistung („plea bargainig“)78 kritisiert79, dessen fortdauernde Praktizierung ebenfalls die praktische Bedeutung abweichende Straflänge: 15,4%. Ähnliche Zahlen werden auch für Abweichungen von den Federal Sentencing Guidelines im Zeitraum 1.10.2000–30.09.2001 angegeben: Abweichungen aufgrund der Kronzeugenregelung („Substantial Assistance“): 17,1%; sonstige Abweichungen nach unten und zu einem geringen Teil auch nach oben: insg. 18,9%; vgl. die Statistik 1997–2001 im 2001 Sourcebook of Federal Sentencing Statistics, Figure G (veröffentlicht auch im Internet unter http://www.ussc.gov/ANNRPT/ 2001/fig-g.pdf). Eine vergleichbare Entwicklung war in Minnesota sogar hinsichtlich der beabsichtigten Änderung deliktischer Gewichtsverhältnisse in der Strafzumessungspraxis zu erkennen. Die vor Einführung der Sentencing Guidelines geübte Praxis, Eigentumsdelikte gegenüber Gewaltdelikten häufiger mit Gefängnis zu bestrafen, konnte zwar zunächst entsprechend ihrer umgekehrten Einordnung in die Tatschwereskala gewendet werden, das ursprüngliche Verhältnis war aber bereits 1983 wieder hergestellt; vgl. Savelsberg (1988), S. 289 f. und Tabelle 2. Zur Annäherung an die frühere Praxis s. auch Albrecht, Pallin-FS, S. 30 m. w. N. Auch in Kalifornien gingen die Strafmaßunterschiede trotz der gesetzgeberischen „Gleichmacherei“ nicht zurück; Weigend (1988), S. 598. 75 s. dazu auch Albrecht, Pallin-FS, S. 30; Damaška, S. 724 f. 76 In der Herstellung des Strafmaßes sollen ja nach den empirisch ermittelten Ergebnissen Albrechts (1994), S. 497 [dazu oben § 1 II. 3. c)], ebenfalls nur wenige Faktoren den wesentlichen Ausschlag geben. 77 So Damaška, S. 725 f. 78 s. dazu auch schon oben § 1 Anm. 215. 79 Neben der ohnehin mit dem plae bargainig einhergehenden Ungleichmäßigkeiten provozierenden Verzerrung der Strafzumessung (dazu Weigend (1990), S. 58 f.; vgl. auch die Regelungen zu plea agreements in USSG § 6B) ist die Konsequenz eines durchnormierten Strafzumessungsrechts auch eine weitere faktische Kompetenzverlagerung von der Judikativen auf die Exekutive, wenn letztere die Anklagepunkte aushandelt, für die der Richter dann ein in engen Grenzen vorgegebenes Strafmaß zu verhängen hat (sog. „charge bargaining“ im Gegensatz zum sog. „sentence bargaining“, dem Aushandeln von Strafmaßobergrenzen, welches im Rahmen von Strafzumessungsrichtlinien nur noch sehr eingeschränkt möglich ist); vgl. dazu Uphoff, S. 146; Wei-

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und damit den Erfolg von Strafzumessungsrichtlinien schmälert80. Daß unter einem Richtliniensystem die Funktion der Strafrechtsnormen als an die Bevölkerung adressierte Verbotsnormen leiden würde81, erscheint jedoch zumindest gegenüber dem gegenwärtig in Deutschland bestehenden, bereits wegen Unübersichtlichkeit kritisierten82 Rechtszustand wenig wahrscheinlich. Die in der Bevölkerung vorhandenen strafrechtlichen Grundkenntnisse dürften durch in erster Linie differenzierende systematische Veränderungen innerhalb des geltenden Strafrechts kaum beeinflußt werden. Am Beispiel amerikanischer Strafzumessungsrichtlinien hat sich aber auch noch eine besonders bedenkliche Folge ausdifferenzierter Strafzumessungssysteme gezeigt. Die Rigidität entsprechender Regelungen, die schon zu dem bereits erwähnten Anpassungsbedarf führt, kann auch umgekehrt zur Entfernung der Strafzumessung von objektiver Strafwürdigkeit genutzt werden. Politischer Druck ist hier kurzfristig und ohne ernsthafte Reflexion umsetzbar, vorausgesetzt das System ist nicht soweit durchlöchert, daß es entgegen seinem Zweck immer auch noch die Beibehaltung der bisherigen Praxis ermöglicht. Insbesondere ein Anstieg des allgemeinen Strafniveaus wurde in diesem Zusammenhang immer wieder beklagt83. Die Gefahr schnellerer und widerstandsloser Verwirklichung strafzweckfremder Ziele erstreckt sich darüber hinaus auch auf ökonomische Parameter. Bei der Erstellung der amerikanischen Richtlinien etwa ist man vielfach dem allerdings auch in den meisten Strafgesetzen festgeschriebenen84 gesetzgeberische Willen gefolgt, die Gefängniskapazitäten bei der Bestimmung von Strafart und Strafhöhe zu berücksichtigen85. Auch wenn diese ökonomische gend (1982), S. 215; Reichert, S. 186, 210 f., 242 ff. Dies ist freilich eigentlich kein Problem der Richtlinien. Auch unabhängig von solchen wäre es nicht hinnehmbar, wenn eine der tatsächlich begangenen Tat unangemessene Anklage durch unangemessene Bestrafung der angeklagten Tat ausgeglichen würde. 80 Im Rahmen eines „plea agreements“ hat der Minnesota Supreme Court gar einen Verzicht des Angeklagten auf die Anwendung der Richtlinien für möglich gehalten; eingehend zu dieser Entscheidung (State v. Givens, 544 N.W.2d 774, 776 [Minn. 1996]) Reichert, S. 191 ff. 81 So Hörnle, S. 364. 82 Vgl. oben 2. 83 Ausführlich dazu Uphoff, S. 144 f. m. w. N. Eine möglicherweise darüber hinausgehende durch das Richtliniensystem selbst verursachte Verschärfung der Strafen, welche sich entsprechend dem oben (§ 1 I. 3.) erwähnten gegenüber der empirischen Methode der Befragung zu fiktiven Fällen erhobenen Vorwurf, das Fehlen der Verhandlungssituation würde bei den Befragten zu höheren Strafmaßangaben führen, vermuten ließe, könnte dagegen grundsätzlich durch entsprechende Korrekturen der Richtlinien wieder neutralisiert werden. 84 Savelsberg (1988), S. 284; s. z. B. 28 U.S. Code § 994 (g) (Anm. 70); Minnesota Statue 244.09 Subd. 5(2) (in aktueller Fassung veröffentlicht durch den Minnesota Legislative Information Service unter http://www.revisor.leg.state.mn.us/stats/244/ 09.html). 85 Albrecht, Pallin-FS, S. 23; Reichert, S. 150.

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Komponente als im Ergebnis begrüßenswerte limitierende Reaktion auf die eben kritisierte Tendenz zur Steigerung des Strafniveaus begriffen werden kann, und es auf der anderen Seite in der amerikanischen Praxis auch insoweit nach anfänglicher Zielerreichung wieder zu Abweichungen kam86, wird daran deutlich, welche Gefahren in solchen Systemen lauern. Und diese Gefahren lassen sich, unabhängig von zusätzlichen kompetenzrechtlichen Bedenken, auch kaum durch Einsetzung sog. „unabhängiger“ Kommissionen lösen, die letztlich doch aus von politischer Seite ernannten Repräsentanten der verschieden politischen Fraktionen bestehen dürften87. d) Fazit Es erscheint zweifelhaft, ob Strafzumessungsrichtlinien, insbesondere nach amerikanischem Vorbild ausgestaltet, verglichen mit dem gegenwärtigen Zustand des deutschen Strafzumessungsrechts hinsichtlich der Förderung von Gleichmäßigkeit einen entscheidenden Fortschritt herbeiführen könnten. Bis ins einzelne läßt sich die Strafzumessungsentscheidung schon aus rechtstechnischen Gründen nicht vorherbestimmen. Der Gesetzgeber ist, wie auch sonstige Personen, die er zur Konkretisierung strafzumessungsrechtlicher Vorgaben einschaltet, immer auf eine gewisse Systematisierung angewiesen, die jedoch, je differenzierter und verbindlicher sie ausgestaltet ist, sogar zur Festschreibung von Ungleichmäßigkeit führen kann. Und auch in bezug auf den in einer entsprechenden Normierung zum Ausdruck kommenden Strafzumessungsmaßstab ist sehr fraglich, ob die Legislative zu angemesseneren Ergebnissen käme als die überkommene Praxis. Wenn solche Richtlinien hingegen inhaltlich an der bisherigen Praxis ausgerichtet wären, und diese Praxis lediglich festschrieben, wie etwa von den Federal Sentencing Guidelines berichtet wird88, würde es sich ohnehin nur noch um eine denkbare Art der Umsetzung komparativer Strafzumessung handeln, welche in entsprechender Intensität angesichts der verbleibenden strukturellen Bedenken aber abzulehnen wäre. Auch in den USA fällt trotz der erheblichen Unterschiede zur deutschen Vorgeschichte die Bilanz der praktischen Auswirkungen der Reformen deshalb eher ernüchternd aus89. Mit diesem Resümee ist freilich weder eine generell ablehnende Haltung gegenüber gewissen Reformen im deutschen Strafzumessungsrecht verbunden, noch eine abschließende Stellungnahme zu der Frage, ob der Gesetzgeber einen größeren Einfluß auf die Strafzumessung nehmen müßte. Es genügt an dieser 86

Für Minnesota: Savelsberg (1988), S. 291 f. So zur Federal Sentencing Guidelines Commission Savelsberg (1988), S. 286 f. 88 Nach Savelsberg (1988), S. 288, sollen hier Regressionsanalysen durchgeführt worden sein [siehe zu diesem statistischen Verfahren oben § 1 II. 3. c)]. 89 Weigend (1988), S. 599. 87

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Stelle festzuhalten, daß eine vergleichbare Reform in Deutschland nicht in Sicht ist und jedenfalls zur Förderung von Gleichmäßigkeit auch nicht unbedingt notwendig erscheint und dies noch weniger, wenn sich auch auf der Basis gegenwärtiger Regelungsdichte alternative Möglichkeiten zur Angleichung der Strafzumessung bieten.

II. Einführung mathematischer Methoden In eine ähnliche Richtung wie die amerikanischen Strafzumessungsrichtlinien weisen die verschiedentlich insbesondere zu Beginn der siebziger Jahre90 unterbreiteten und neuerdings wieder in der Diskussion stehenden Vorschläge, die Strafzumessung mit Hilfe mathematischer Formeln zu strukturieren. Der Schwerpunkt dieser Form der Systematisierung von Strafzumessungsentscheidungen liegt jedoch weniger auf der Ausdifferenzierung der möglichen strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen, als vielmehr auf der Operationalisierung einzelner Strafzumessungsgründe. Die Auseinandersetzung mit den wesentlichen Vorschlägen soll sich deshalb auch in erster Linie den Besonderheiten dieser Operationalisierung widmen. 1. Die wesentlichen Vorschläge a) Bruckmann Ein verhältnismäßig unkompliziertes derartiges Verfahren findet sich bei Bruckmann91, der die tatschuldangemessene Einzelfallstrafe nach der folgenden aus drei Faktoren zusammengesetzten Formel berechnen will: Endstrafe = Grundfaktor (Gefährlichkeit des Täters)  Multiplikator (Sozialwidrigkeit der Tat) ± Opferfaktor (Beziehung zwischen Täter und Opfer)92. Die Umsetzung 90 Auch bereits zur Zeit der frühen empirischen Untersuchungen der Strafzumessungspraxis wurden Vorschläge zur Mathematisierung der Strafzumessung unterbreitet, so beispielsweise von Graßberger, S. 78 ff., der von dem von ihm als „Normalstrafe“ bezeichneten geometrischen Mittel des Strafrahmens (Quadratwurzel des Produkts aus Unter- und Obergrenze) zur Endstrafe kommt, indem er abweichende Strafzumessungsumstände mittels Division und Multiplikation berücksichtigt, und Dubs, S. 9 ff., der bereits von einem der konkreten Tatschwere entsprechenden ebenfalls als „Normalstrafe“ bezeichneten Strafmaß ausgeht, welches mit einem Faktor multipliziert wird, der sich aus der Summe einzelner tatunabhängigen Umständen zugeordneter positiver oder negativer Werte ergibt. In der Methodik überschneiden sich diese Modelle im wesentlichen mit den nachfolgend behandelten späteren Operationalisierungsvorschlägen, weshalb sich ein näheres Eingehen auf die frühen Arbeiten hier erübrigt. Zusammenfassend zu diesen frühen Vorschlägen auch Bruns (1967), S. 93 ff.; Spendel (1954), S. 41 ff.; Hassemer (1978), S. 65 f. 91 Bruckmann (1973). 92 Bruckmann, S. 33.

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dieser Formel würde zunächst aber nicht nur die lediglich beispielhaft vorgenommene Ausfüllung des zentralen Begriffs der Sozialwidrigkeit der Tat erfordern, auch die anderen beiden Faktoren sind inhaltlich so vage, daß sie keine entscheidende Angleichung der Strafzumessung bewirken dürften93. Und noch wesentlich schwerer wiegt die an der propagierten Verknüpfung zu übende Kritik. Zwar ist Bruckmann in seinem System wohl kein Rechenfehler unterlaufen94, der seine grundsätzliche Vorgehensweise auch kaum in Frage stellen könnte, das Verhältnis der einzelnen Faktoren zueinander wirft aber gewisse Fragen auf. Die Aussagekraft des Opferfaktors als zu addierende positive oder negative Größe geht zunächst über die Feststellung eines irgendwie gearteten Einflusses nicht hinaus: Allerdings soll der Opferfaktor bis zu 20% des Ergebnisses der Multiplikation betragen, was zwar zunächst als bloße Deckelung, jedoch aufgrund der Formulierung „Zuschlag bis zu 20%“95 auch dahingehend verstanden werden könnte, daß auch insoweit eigentlich ein multiplikativer Zusammenhang bestehen soll. Unabhängig von dieser weitergehenden Interpretation erschöpft sich der Gehalt des Modells im wesentlichen in der Festlegung eines allenfalls prozentualen aber im übrigen tatunabhängigen Einflusses der Gefährlichkeit des Täters einerseits und seiner Beziehung zum Opfer andererseits auf die Endstrafe96. Für einen derartigen Zusammenhang zwischen Strafzumessungsfaktoren(-bündeln) und der zu verhängenden Strafe läßt sich aber eine Begründung schwerlich finden97. Vielmehr handelt es sich hier offensichtlich um eine willkürlich festgelegte Verknüpfungsmodalität, deren Anbindung an konkrete Rechtsfolgen sich im weiteren auf Vorschläge bezüglich des Diebstahls beschränkt.

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So auch von Linstow, S. 33. So aber Mittelstein, S. 256, und von Linstow, S. 33, die auf einen solchen aus der zugegebenermaßen unglücklichen Bezeichnung von Summanden als „Multiplikator 0“ schließen, welche aber erst in der Summe den zwingend positiven Multiplikator ergeben sollen. 95 Bruckmann, S. 34. 96 Anders wäre dies nur, wenn man unter Aufgabe des Zwecks der Formel deliktsspezifische Unterschiede in der Bedeutung der Gefährlichkeit des Täters oder der Beziehung zwischen Täter und Opfer auch bei der Tatschwerebewertung berücksichtigen würde. Dann aber wäre durch die Formel überhaupt nichts mehr gewonnen, wenn doch wieder sämtliche Strafzumessungstatsachen zur Bestimmung dieses Multiplikators herangezogen werden müßten. 97 In diesem Modell ist es beispielsweise nicht denkbar, daß sich der prozentuale Einfluß der Gefährlichkeit des Täters auf die Strafe verändert, je nach dem, wie sich ein bestimmter Wert des Sozialwidrigkeitsmultiplikators zusammensetzt. Demgegenüber weist schon Zipf, S. 93, darauf hin, daß die einzelnen Faktoren je nach der betreffenden Fallgestaltung eine ganz verschiedene Schwere und ein ganz unterschiedliches Gewicht für die Gesamtschuldabwägung erlangen können; s. dazu sogleich noch unter c). 94

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b) Haag Bereits zuvor war ein sehr viel ausdifferenzierterer Versuch von Haag98 unternommen worden, die Strafzumessung mittels in den Wirtschaftswissenschaften entwickelter Modelle der Operations Research zu rationalisieren 99. Haag will zunächst die der Tatschuld entsprechende Strafe bestimmen, welche aber lediglich die Obergrenze für die zuzumessende Strafe bilde100. Verschiedene Fälle mit den zugehörigen schuldangemessenen Strafen sollen dieser Feststellung als Ankerpunkte dienen. Die durchschnittlich schuldangemessene Strafe und der zugehörige Fall seien der Strafzumessungspraxis zu entnehmen, indem man das arithmetische Mittel aus den Strafen einer Stichprobe bilde, aus der Fälle, bei denen generalpräventive Aspekte eine Rolle spielten, bereits ausgeschieden wurden101. Weitere „Ankerwerte“ sollen innerhalb des von der Zumessungspraxis ganz überwiegend genutzten Strafrahmens102 dadurch gewonnen werden, daß man Standardfälle einer intersubjektiven Bewertung unterzieht, an der sich jeder beteiligen dürfe, der überhaupt vernünftig mitdiskutieren könne103. Für die Ausfüllung der zwischen diesen Ankerwerten verbleibenden Lücken soll schließlich die Tatschuld einer zu beurteilenden Tat zur Tatschuld der Ankerfälle oder unter Annahme von Additivität des Merkmals „Tatschuld“ auch zu Summen der Tatschuld in Kombinationen von Ankerfällen in Beziehung gesetzt werden104. Die ausgewählte Personengruppe soll darüber hinaus eine entsprechende Skalierung für die einzelnen Komponenten der Tatschuld vornehmen, um die Verknüpfungsfunktion zwischen den einzelnen Komponenten und der (Gesamt-)Tatschuld ermitteln zu können. Zur Bestimmung der konkret schuldangemessenen Strafe zwischen den Ankerwerten müßte dann noch die mathematische Beziehung zwischen Tatschuld und Strafhöhe (empirisch) festgestellt werden105.

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Haag (1970). Kritisch dazu insb. die Besprechungen von Dreher (1971), S. 119 f., und Spendel (1971), S. 231 ff. 100 Haag, S. 59 ff. 101 Spezialpräventive und sonstige Einflußgrößen sollen sich dagegen schon mit der Durchschnittsbildung eliminieren; vgl. Haag, S. 80. 102 Vorgeschlagen wird der kleinste Strafrahmen, der 95% oder 99% der verhängten Strafen umfaßt; vgl. Haag, S. 82. 103 Vorläufig soll auch die Bewertung durch eine repräsentativ ausgewählte Gruppe ausreichen; s. im einzelnen Haag, S. 82 ff. 104 Haag, S. 92 ff. 105 Diskutiert wird hier die schon von Graßberger (oben Anm. 90) vorgeschlagene logarithmische Beziehung, bei der sich die Strafhöhe im arithmetischen Mittel der Tatschuld zweier Ankerwerte aus dem geometrischen Mittel (Quadratwurzel des Produkts) der zugehörigen Strafhöhen ergibt und damit unter dem Wert des arithmetischen Mittels liegt; vgl. Haag, S. 62 ff., 93 f. 99

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Von der auf diese Weise ermittelten Strafobergrenze ausgehend will Haag die zu verhängende Strafe dadurch bestimmen, daß insgesamt ein Optimum hinsichtlich der verschiedenen bei der Strafzumessung anzustrebenden Ziele106 erreicht wird. Dafür sollen zunächst die Wirkungen von verschiedenen Strafhöhen in bezug auf diese Ziele festgestellt werden. Zur Ermittlung der Beziehung zwischen Strafhöhe und Gefahr des Rückfalls schlägt Haag eine empirische Vorgehensweise mittels sozialwissenschaftlicher Experimente für verschiedene Täterkategorien vor107. Den Sättigungswert der nach Haag ebenfalls strafbestimmenden Genugtuungswirkung für den Verletzten will er, wie schon die Tatschuld, mittels Bewertung von Ankerfällen unter zusätzlicher Berücksichtigung von Zeitablauf, Verzicht oder Verwirkung bestimmen, wobei die Befriedigungswirkung beim Opfer bei zunehmender Strafe erst rascher und zum Sättigungswert hin dann langsamer steigen soll. Die einzelnen Zielfunktionen dieser und weiterer108 Strafziele fließen dann – gewichtet durch Multiplikatoren – als Summe in eine Formel109 ein, deren maximaler Wert unterhalb der Tatschuldobergrenze die zuzumessende Strafe markiere. Die Gewichtung der Zielfunktionen soll dabei wiederum einer Skalierung auf der Basis intersubjektiver Bewertung entnommen werden110. Für den – sehr wahrscheinlichen – Fall der Ungewißheit von Zusammenhängen zwischen der Strafe und deren Zielen will Haag mit entsprechenden Wahrscheinlichkeitsverteilungen rechnen111. An dieser Vorgehensweise ist in mehrfacher Hinsicht Kritik zu üben. Zunächst unterstellt die vorgeschlagene Formel einen linearen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Strafzielmaßeinheiten, auf den auch Haag nur „hoffen“112 kann. Darüber hinaus erscheint die getrennte Betrachtung der Strafwirkungen mit Blick auf die verschiedenen verfolgten Ziele jedenfalls nicht unbedingt von Vorteil, denn diese Wirkungen dürften doch im wesentlichen jeweils wieder vom Einzelfall abhängen und damit von identischen Kriterien. Es fragt sich daher, ob die Formel die Strafzumessung tatsächlich voranbringen kann, oder ob sie zu einer Aufspaltung des Vorgangs in verschiedene in Wahrheit nicht weniger umfangreiche Einzelbewertungen führt. Eine nur grobe Kategorisierung der Taten und Täter in den Einzelbewertungen mag hier zwar zur Vereinfachung beitragen, sie bringt aber auf der anderen Seite wiederum die Gefahr von Ungenauig106 Generalpräventive Strafzumessungserwägungen dürfen dabei nach Haag schon mangels Meßbarkeit nicht zuungunsten des Täters verwendet werden; S. 158. 107 Haag, S. 176. 108 Vermeidung übermäßiger Belastung des Täters, sozialen Drittschadens und von Verfahrens- und Vollstreckungskosten; Haag, S. 190 ff. 109 Haag, S. 197. 110 Haag, S. 201 f. 111 Haag, S. 203 ff. 112 Haag, S. 197. Wäre dem nicht so, so könnten die von Haag lediglich durch einen jeweiligen Faktor ins Verhältnis gesetzten Strafzielfunktionen nicht einfach zur Gesamtfunktion addiert werden.

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keiten mit sich, die sich mit der Anzahl der – vorliegend fünf – Einzelkriterien auch gegenseitig noch verstärken können113. Ein weiterer entscheidender Kritikpunkt ist die nach Haag lediglich eines sich lohnenden finanziellen Aufwandes bedürfende Messung spezialpräventiver Erfolge114. Bereits die empirische Erfassung der Beziehung zwischen relativ klar umrissenen Sachverhalten und verhängten Sanktionen bereitet ja enorme Probleme. Dies muß dann aber erst recht für die Ausdehnung entsprechender Untersuchungen auf vielfältig denkbare Sanktionswirkungen gelten. Und in bezug auf die bei Bestimmbarkeit und Validität der dafür erforderlichen theoretischen Variablen sowie hinsichtlich der meßtheoretischen Voraussetzungen zur Verarbeitung dieser Variablen stellen sich vergleichbare Probleme wie bei der empirischen Erfassung von Strafmaßunterschieden115. Weiter fällt auf, daß der Vorschlag Haags auch keine Anpassung an Veränderungen vorsieht, obwohl er doch selbst auf intersubjektiven Wertungen basiert, die sich im Fluß befinden dürften116. Angesichts dieser mehrfach einbezogenen intersubjektiven Wertungen und der Unschärfe der übrigen Strafzielbestimmungsverfahren fragt sich auch auf methodischer Ebene, warum der geforderte Konsens nicht unmittelbar zu den Sachverhaltskonstellationen unter Einbeziehung der gegebenenfalls zu berücksichtigenden Strafziele herbeigeführt wird. Ohnehin soll ja die für sich genommen schon den wesentlichen Teil strafzumessungsrechtlicher Probleme umfassende Ermittlung der hier nur die Strafobergrenze bildenden schuldangemessenen Strafe zunächst gar nicht durch mathematische Verknüpfung einzelner Komponenten erfolgen, sondern in erster Linie durch Analyse bisheriger Praxis und intersubjektive Bewertung. Die vorgeschlagene mathematische Modellierung scheint deshalb weniger auf eine verbesserte Strukturierung bisheriger Strafzumessung als mehr auf eine – jedenfalls derzeit aufgrund der Uneinigkeit in der Strafzweckfrage wenig Erfolg versprechende – gesteigerte Besinnung der Praxis auf bestimmte Strafzwecke und deren möglichst weitgehende Erfüllung gerichtet zu sein. c) von Linstow Das Verfahren, welches von Linstow117 vorschlägt, baut dagegen eher wieder auf den für den mathematischen Laien leichter verständlichen Prämissen auf,

113 Auch Spendel S. 241, kritisiert die Vorspiegelung nicht bestehender Exaktheit und dies trotz der ebenfalls bemängelten Komplexität: „Was nützt noch eine Lafette, die schwerer ist als das Geschütz?!“. Vgl. zu der von Haag nicht berücksichtigten Abhängigkeit der Gewichtung der Strafziele vom Einzelfall auch Hassemer (1972), S. 108. 114 Dreher (1971), S. 119; Albrecht (1994), S. 121; näher zum Mangel an entsprechenden Erkenntnissen unten § 4 I. 3. a) mit Anm. 21. 115 Ausführlich zu diesem Einwand Köberer, Iudex non calculat, S. 81 ff. 116 Dreher (1971), S. 119. 117 von Linstow (1974).

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die schon von Bruckmann zugrundegelegt wurden. Auch hierbei handelt es sich um eine Merkmalsverknüpfung mittels Addition und Multiplikation. Die Stärke einzelner Merkmale soll nach ihrem tatbestandsabhängigen Gewicht in eine sogenannte „Strafrohzahl“ einfließen, die ebenfalls nach tatbestandsbezogenen Verknüpfungsregeln ermittelt wird118. Aus dieser Strafrohzahl wird dann über weitere tatbestandsunabhängige allgemeine Entscheidungsregeln die konkrete Strafe bestimmt. Damit steckt in diesem im weiteren dann für die Verkehrsdelikte gründlicher ausgearbeiteten Verfahren wiederum das mit Verknüpfungen verbundene Problem der Einschränkung von Gewichtungsmöglichkeiten119. Zwar hat von Linstow die dagegen bestehenden Bedenken nicht übersehen; sein Schema sei einfach falsch, wenn es den Grundsatz wechselnden Gewichts von Strafzumessungstatsachen gebe120. Dieser Grundsatz widerspreche aber elementaren Erfordernissen der Gerechtigkeit121. Zur Begründung stellt er die Frage, warum man etwa den Erfolg einer Straftat – den Beinbruch des Unfallopfers – schwerer bewerten solle, wenn der Täter grob fahrlässig gehandelt habe, als bei nur leicht fahrlässigem Handeln122. Genausogut läßt sich aber eine umgekehrte Frage formulieren, etwa danach, warum, um innerhalb der Verknüpfungsregeln von Linstows zu bleiben, sich der Einfluß des Eigenschadens, der bei von Linstow einen einfachen Multiplikator bildet123, nicht ändern könnte, wenn sich ein angenommen gleichbleibender Wert des übrigen Terms entweder aus einem höheren Verschuldensgrad des Täters oder aus einer größeren Vorstrafenbelastung ergibt. Ist es wirklich völlig ausgeschlossen, daß der Einfluß des Eigenschadens auf die zu verhängende Strafe eher davon abhinge, mit welchem Verschuldensgrad dieser herbeigeführt wurde, als von der Vorstrafenbelastung? Dem könnte entgegnet werden, daß, falls es derartige Fälle von Ungereimtheiten gebe, die Verknüpfungsregeln eben verfeinert werden müßten, aber genau darin liegt der entscheidende Punkt: Schon die Verknüpfungsregeln von Linstows, der ja ausdrücklich vom gleichbleibenden Gewicht der Strafzumessungstatsachen ausgeht, halten diese Prämisse nicht ein. Die Tatsache, daß er in diesen Verknüpfungsregeln sowohl multiplikative als auch additive Zusammenhänge aufstellt, zeigt doch schon, daß im Ergebnis auch bei ihm den einzelnen Strafzumessungstatsachen je nach sonstiger Sachverhaltskonstellation ein unterschiedliches Gewicht für das Ergebnis zukommt. Denn die Bedeutung eines Merkmalswertes für das Ergebnis hängt eben in anderer Weise von den Größen ab, mit denen dieser 118

von Linstow, S. 10 f. Vgl. oben a) mit Anm. 97. 120 von Linstow, S. 28. 121 von Linstow, S. 29. 122 von Linstow, S. 29. 123 Tatsächlich ist dieser Muliplikator in den Verknüpfungsregeln von Linstows, S. 143 ff., ein Produkt aus den beiden Faktoren „38“ (Eigenpersonenschaden) und „39“ (Eigensachschaden), die mit dem übrigen Term multipliziert werden. 119

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Merkmalswert ein Produkt bildet, als von etwaigen weiteren Summanden. Wäre der Einfluß einzelner Strafzumessungstatsachen tatsächlich von der Zusammensetzung der übrigen „unabhängig“, so müßte doch eine einheitliche und damit einfachere Verknüpfung, etwa ein bloßes Produkt aus den Merkmalswerten, zur Berechnung der Strafe ausreichen. Wenn man nun eine kompliziertere Verknüpfung annimmt, die sämtliche Zusammenhänge zwischen den einzelnen Strafzumessungstatsachen berücksichtigt, so bietet es sich zunächst an, von einem ganz allgemeinen Modell auszugehen, welches jeden Zusammenhang ermöglicht, bei dem also gerade ein wechselndes Gewicht jeder Strafzumessungstatsache im Verhältnis zur Konstellation im übrigen möglich ist. Innerhalb eines solchen freilich praktisch unbrauchbaren Modells können nun additive oder multiplikative Verknüpfungen bestehen, sie stellen aber Einschränkungen bzw. Vereinfachungen gegenüber dem allgemeinen Modell dar, die, wenn man sie zur Regel erhebt, begründungspflichtig sind. Es handelt sich bei dem Grundsatz der wechselnden Gewichte also um keine Abweichung gegenüber bestimmten Verknüpfungsregeln sondern um das allgemeinere Prinzip. Demzufolge ist es auch bedenklich, wenn von Linstow die Tatschuldfunktion nur dann verkomplizieren will, „wenn man sicher ist, daß es erforderlich ist“124. Vielmehr sollte man umgekehrt das allgemeine Verknüpfungsmodell zunächst nur dann vereinfachen, wenn man sicher ist, daß eine Begründung diese Vereinfachung tragen kann. d) Kohlschütter Kohlschütter schließlich hält in seinem erst in jüngerer Zeit veröffentlichten Vorschlag zur mathematischen Modellierung der Strafzumessung ein „System Straftat“ nach dem Vorbild des aus der Chemie bekannten Periodensystems der Elemente (PSE) für modellierbar125, in welches zunächst sämtliche Delikte nach zehn „Rechtsgutsklassen“ und dem arithmetischen Mittel des ihnen zugeordneten Strafrahmens tabellarisch eingeordnet werden126. Auf der Grundlage dieser Einteilung soll aus der jeweiligen Zeile, der zugehörigen Strafe und der sich unter Berücksichtigung auch der Spalten ergebenden Ordnungszahl des jeweiligen Delikts dessen relativer Unwert anderen Delikten gegenüber zu errechnen sein127. Die zugehörige Formel wurde dabei aus den entsprechenden Daten der Nötigung entwickelt, die sich dafür deshalb eigne, weil die Wirkung sowohl jeder strafgesetzlichen Strafdrohung als auch jeder Zuwiderhandlung in Form der Straftatbegehung einerseits und schließlich jeden Strafausspruchs sowie aller Einschränkungen im Strafvollzug andererseits nötigungsähnlich und deshalb 124 125 126 127

So von Linstow, S. 35. Kohlschütter (1998), S. 17, 81 ff. Kohlschütter (1998), S. 40 ff. Kohlschütter (1998), S. 44 f.

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der Unwert der Nötigung allen Straftaten gemein sei128. Ausgehend von dem daraus resultierenden in Relation zur Nötigung bestimmten Gewicht des verwirklichten Delikts sollte nach einem zunächst unterbreiteten Vorschlag die Bewertung innerhalb der einzelnen Delikte durch Einzelbetrachtung des Erfolgs-, des Handlungs- und des Gesinnungsunwerts erfolgen, die jeweils wieder aus drei Unwertunterarten zusammengesetzt waren129. Für die Verknüpfung von Erfolgs-, Handlungs- und Gesinnungsunwert (E, H und G) zum strafrahmenausfüllenden Unwert wurde zunächst der Term „(E + H – 2G)  4“ als „vereinbar“130 angesehen, der noch entsprechend der sich aus dem System für das jeweilige Delikt ergebenden Ordnungszahl angepaßt werden sollte131. Inzwischen hat Kohlschütter diesen Teil seiner Formel modifiziert132. Für den intradeliktischen Unwert soll nunmehr der Term „E + H + Gefährlichkeitsunwert – Gesinnungsunwert“ maßgeblich sein, wobei noch eine prozentuale Gewichtsverteilung für die einzelnen Unwertarten und -unterarten vorgenommen wird.133 Damit stellen sich auch hier wieder die bereits genannten Probleme derartiger Formeln. Durchaus diskutabel erscheint zwar das Heranziehen der mittleren Strafdrohung für die Nötigung als grundsätzliche Bezugsgröße zur Feststellung des inter- wie des intradeliktischen Unwerts. Die darüber hinausgehende Formel zur Berechnung des relativen Gewichts der einzelnen Delikte mittels Ordnungszahl, Zeilenzahl, Strafrahmenmittelquotient und Subtraktion einer natürlichen Zahl134 erscheint dagegen eher willkürlich und wird auch über die Tatsache hinaus, daß sie für die Nötigung rechnerisch zum gewünschten Ergebnis führt, nicht erklärt, obwohl dieses Ergebnis mathematisch freilich auch durch andere Variablenverknüpfungen zu erzielen wäre. Bedenklich erscheint aber vor allem, 128

Kohlschütter (1998), S. 37 f., 110. Erfolgsunwert = Erfolgsunrecht + außertatbestandsmäßige Folgen – Mitverschulden des Opfers; Handlungsunwert = Obj. Handlungsunrecht + Subj. Handlungsunrecht – Strafempfindlichkeit; Gesinnungsunwert = Nachtatverhalten – Vortatverhalten – rechtsfeindliche Gesinnung; vgl. Kohlschütter (1998), S. 46 ff., 119 ff. 130 Kohlschütter (1998), S. 49 f., 134 f. 131 Kohlschütter (1998), S. 51. Das formelhafte „Gerüst“ Kohlschütters für ein Strafwertkalkül im Einzelfall lautet ausformuliert insgesamt wie folgt: (3 Monate  [Systemordnungszahl des verwirklichten Delikts + Verhältnis des Strafrahmenmittels des verwirklichten Delikts zu dem der Nötigung – Systemzeile des verwirklichten Delikts – 2]  [Erfolgsunwertvariable + Handlungsunwertvariable – 2  Gesinnungsunwertvariable]  Systemordnungszahl des verwirklichten Delikts)  76.000; vgl. die Formel auf S. 52, und die einzelnen Definitionen auf S. 40 ff. 132 Kohlschütter (2000), S. 48 ff. 133 Hinsichtlich der Unwertunterarten (oben Anm. 129) kam es ebenfalls zu Veränderungen. Innerhalb des Handlungsunwerts wurde die Strafempfindlichkeit durch den Schuldunwert ersetzt; Gefährlichkeitsunwert = Rückfallgefahr + Vorstrafenhäufigkeit – Prozeßverhalten; Gesinnungsunwert = Nachtatverhalten + Opferausgleichsbemühung – Strafunempfindlichkeit; vgl. Kohlschütter (2000), S. 50 f. S. zum Ganzen auch ders. (2002), S. 78 ff. 134 Vgl. dazu die erste eckige Klammer in Anm. 131. 129

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daß auf der zentralen Ebene der Bewertung der konkreten Tat einfach ein additiver Zusammenhang zwischen den Einzelbewertungen von neun bzw. zwölf Unwertunterarten hergestellt wird, wobei die Gesinnungsunwertunterarten zunächst auch noch doppelt in Ansatz gebracht wurden. Auch dies führt unabhängig von der dabei nicht geklärten Frage nach den Kriterien für die Einzelbewertungen wiederum zu begründungspflichtigen Restriktionen135. Daß es grundsätzlich denkbar ist, die Strafrahmen durch ein wie auch immer geartetes System auszufüllen, wird kaum jemand bestreiten. Ob ein solches System tatsächlich vereinbart werden dürfte, ist dagegen jedenfalls schon unabhängig von der Frage, warum überhaupt und durch wen ein solches System vereinbart werden sollte, äußerst zweifelhaft. 2. Fazit Eine Berechnung des Strafzumessungsergebnisses entsprechend der genannten Vorschläge stößt ebenfalls bereits an methodische Grenzen. Auch eine derartige Systematisierung würde zwar zu einer Einheitlichkeit in bezug auf das System, deshalb aber nicht zwingend zu mehr Gleichmäßigkeit führen. Der mit einer Berechnung aus Zumessungstatsachen verbundene Anschein exakt bestimmbarer Strafmaße erscheint umgekehrt eher bedenklich. Dies gilt nicht nur für die sozialwissenschaftliche Vorgehensweise, wie sie etwa Haag vorgeschlagen hat. Schon eine bloß formelhafte arithmetische Verknüpfung von Strafzumessungstatsachen(-bündeln) würde bereits Restriktionen beinhalten, derer man sich auf den ersten Blick vielleicht gar nicht bewußt ist136. Die in diesen Restriktionen liegenden materiellen Strafzumessungsregelungen dürfen aber nicht rein zufälliger Natur sein. Sie müssen sich vielmehr begründen lassen. Die begründungslose Einführung auch eines mathematischen Systems würde lediglich zu einem zweifelhaften Strafzumessungsmaßstab führen, der Richtigkeit und Gleichmäßigkeit der an ihm ermittelten Strafen nicht gewährleisten und insgesamt gegenüber der gegenwärtigen Strafzumessungsdogmatik sogar größere Unrichtigkeit und Ungleichmäßigkeit bewirken könnte. Eine solche Begründung für strafzumessungsrechtliche Restriktionen ließe sich möglicherweise dem Straftatsystem entnehmen, wenn man versuchte, dessen Strukturen formelhaft abzubilden, indem man etwa eine Multiplikation eines Unrechts- und eines Schuldfaktors vornähme und diese mit einem für die übrigen Strafzumessungstatsachen stehenden weiteren Faktor multiplizierte.

135

s. oben c). Der Vorwurf rechnerischer Schein-Exaktheit (vgl. Tröndle/Fischer, § 46 Rn. 109 m. w. N.) ist daher nicht nur auf die Möglichkeit der Berechnung exakter Ergebnisse aus ungenauen Daten zu beziehen sondern auch auf die Ungenauigkeit der Berechnung selbst. 136

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Auch damit käme man aber nur zu einer gewissen Grobgliederung der Strafzumessungstatsachen. Bei einer solchen Formel handelt es sich auch nicht um mathematische Strafzumessung im eigentlichen Sinne sondern lediglich um die formelhafte Umschreibung des ja bereits in der Diskussion stehenden137 entsprechend den Kategorien des Straftatsystems schrittweisen Vorgehens in der Strafzumessung, welches im übrigen zunächst ebenfalls „nur“ der Einordnung im Verhältnis zu anderen Taten dienen könnte, nicht aber schon der Bestimmung einer konkreten Strafe. Über diese Aufspaltung in der Einbeziehung von Strafzumessungstatsachen hinaus würde man mit einer weiteren Berechnung der genannten Faktoren – insbesondere des wohl besonders komplizierten Unrechtsfaktors und des „Auffangfaktors“ – aber wiederum wohl rasch an derzeit unüberwindliche argumentative Grenzen stoßen138. Als Anleitung zur abschließenden Berechnung konkreter Strafen eignet sich die Verlängerung des Straftatsystems in die Strafzumessung deshalb kaum.139 Wohl auch aufgrund der genannten Bedenken haben mathematische Methoden in Strafzumessungssysteme bisher kaum Einzug gehalten. Zwar sind zum Beispiel im Italienischen Strafgesetzbuch teilweise Umstände benannt, die zu einer anteilig begrenzten Veränderung der ohne diese Umstände zu verhängenden Strafe führen (z. B. Erhöhung der Strafe bei Vorliegen [nur] eines erschwerenden Umstands um bis zu ein Drittel, art. 64 c.p.140). Diese Strafänderungsgründe stehen jedoch, abgesehen von der jeweiligen Ober- oder Untergrenze des Ausgangsstrafrahmens, nicht zwingend in einem isolierten linearen Zusammenhang zu den übrigen Strafzumessungsumständen, wie dies bei den Verknüpfungen der Vorschläge von Bruckmann, von Linstow und Kohlschütter oben kritisiert wurde. Der Sache nach handelt es sich hier vielmehr nur um eine gegenüber dem System qualifizierter Strafrahmen umgekehrte Vorgehensweise, bei der die Strafe zunächst im übrigen zugemessen und erst dann verschoben wird, anstatt zunächst den Strafrahmen zu verschieben und die Strafe erst innerhalb dieses verschobenen Strafrahmens zuzumessen.

137

Grundlegend Frisch (1993). Weitere allerdings nicht zur Strafmaßberechnung geeignete Konturen des Maßstabs der Strafzumessung können dem Straftatsystem durchaus noch entnommen werden, wie Frisch, Maßstäbe, S. 174 f., herausgearbeitet hat. 139 Zum schrittweisen Vorgehen und dessen Tauglichkeit auch im Rahmen eines Vergleichsverfahrens s. erst unten § 4 I. 3. b) cc) (1) und III. 3. 140 Diese allgemeine Regel greift etwa bei den 1990 in das Italienische Strafgesetzbuch eingefügten erschwerenden Umständen der Bestechung (art. 319 bis c.p. [in der Übersetzung von Riz/Bosch]: „Die Strafe wird erhöht, wenn die [. . .] Tat die Verschaffung einer öffentlichen Anstellung, einer Besoldung, eines Ruhegehalts oder den Abschluß eines Vertrages zum Gegenstand hat, bei denen die Verwaltung, der die Amtsperson angehört, beteiligt ist“). 138

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III. Ausblick; Entwicklung sog. juristischer Expertensysteme und neuronaler Netze Eine langfristige Prognose läßt sich aber trotz der geübten Kritik insbesondere in bezug auf mathematische Vorgehensweisen in der Strafzumessung kaum stellen. Vor allem ist hier an die Entwicklung sog. „Expertensysteme“ zu denken, die in der Informatik als Anwendungsgebiet der „künstlichen Intelligenz“ vor zwei Jahrzehnten aufkamen und seitdem auch verschiedentlich für juristische Materien entwickelt wurden141. Allgemein lassen sich Expertensysteme als Programme charakterisieren, mit denen zum einen das Spezialwissen und zum anderen die Schlußfolgerungsfähigkeit qualifizierter Fachleute auf eng begrenzten Aufgabengebieten nachgebildet werden soll142. Damit wird aber auch schon klar, daß mit solchen Programmen zunächst nicht die Optimierung von Expertenentscheidungen erreicht, sondern erst einmal „nur“ eine Unterstützung oder nach Möglichkeit auch die Ersetzung von Experten ermöglicht werden soll. Ähnliches gilt für die ebenfalls dem Gebiet der künstlichen Intelligenz zugehörige Entwicklung sog. neuronaler Netze143, die im Gegensatz zu Expertensystemen nicht auf umfangreich programmierten Regel- und Wissensdaten basieren, sondern den Gehirnaufbau durch kleinste und einfache Recheneinheiten simulieren sollen, welche allesamt durch die Eingabe zusätzlicher Kombinationen aus Eingangs- und Ausgangsdaten beeinflußt werden können, was, anders ausgedrückt, einen Trainingseffekt für das gesamte Netzwerk darstellt144. Neuronale Netze sind damit in bezug auf juristische Inhalte schon deshalb besonders bedenklich, weil sich das jeweilige Ergebnis bei den gerade interessanten nicht antrainierten Daten hier aus einem komplizierten mathematischen Rechenwerk ergibt, deshalb kaum zu interpretieren ist und schon gar nicht auf zugrundeliegende Umstände wie etwa Strafzumessungstatsachen zurückgeführt werden 141 Zur Förderung und Entwicklung künstlicher Intelligenz auf juristischem Gebiet wurde auch eine internationale Vereinigung (International Association for Artificial Intelligence and Law, IAAIL, homepage: http://www.iaail.org) gegründet, die alle zwei Jahre eine Konferenz abhält (International confenrence on Artificial Intelligence and Law, ICAIL) und eine Zeitschrift (Artificial Intelligence and Law) herausgibt. Über 100 juristische Expertensysteme finden sich in einer tabellarischen Übersicht bei Jandach, S. 229 ff.; zu den größeren deutschen Projekten KOKON und LEX vgl. auch Ring, S. 68 ff.; s. ferner Haman (1998). 142 Puppe, S. 2. Eine einheitliche Definition gibt es nicht; zu verschiedenen Definitionsvorschlägen vgl. nur Jandach, S. 6 f. Aus programmiertechnischer Sicht bestehen Expertensysteme aus vier Basiskomponenten: einer Datenbank, die Fakten und Methoden enthält, einer Programmprozedur zum automatischen Ausführen logischer Ableitungen („Inferenzmaschine“) und schließlich noch einer interaktiven Benutzerschnittstelle zur Entwicklung und Benutzung des Systems („Dialogkomponente“) sowie eines Programmteils zur Wissensaquisition um neue Informationen zur Problemlösung in das System einzuarbeiten; vgl. dazu Coy/Bonsiepen, S. 29, 51 ff. 143 Zum Einsatz neuronaler Netze in der Jurisprudenz vgl. Haman, S. 85 ff. 144 Vgl. dazu Ring, S. 109 ff.

III. Ausblick; Entwicklung sog. juristischer Expertensysteme

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kann145. Auch kommen die computergestützten Systeme selbstverständlich nicht ohne Grundinformationen aus, die zunächst verarbeitet werden müssen, um dann auf neue Daten reagieren zu können. Es handelt sich damit, soweit, wie in der Strafzumessung, im wesentlichen nur empirische Daten existieren, auch bei der Zuhilfenahme solcher Systeme nicht um Alternativen zu an empirischen Ergebnissen orientierter Strafzumessung, sondern lediglich um empirische Alternativen, bei denen sich neben den speziellen systembedingten Anforderungen und Unwägbarkeiten auch sämtliche Probleme empirischer Vorgehensweise stellen. Im übrigen fehlen für eine Unterstützung juristischer Tätigkeiten durch Expertensysteme in weiten Teilen die rechtsmethodischen und rechtsinformatischen Grundlagen146. Gerade für juristische Zwecke kann eben nicht auf die Forderung nach Richtigkeit der zu treffenden Entscheidungen verzichtet werden, die hier über die ohnehin begrenzten menschlichen Fähigkeiten hinaus auch noch durch Unzulänglichkeiten der Maschine wie etwa durch die Unvollständigkeit der Wissensbasis beeinträchtigt werden kann147. Noch deutlicher wird dieser Umstand dann, wenn, etwa zur Vereinfachung der rechnerischen Prozesse, nicht, wie in der Rechtswissenschaft gewohnt, formale Logik zugrundegelegt wird, sondern zur Verarbeitung von unscharfem Wissen z. B. sog. „fuzzy logic“ zum Einsatz kommt148. Vorstellbar wäre aus heutiger Sicht aber jedenfalls, daß derartige computergestützte Systeme in Zukunft einer gewissen Orientierung der Beteiligten dienen könnten. Dabei konkurrieren sie freilich mit den Methoden empirischer Strafzumessungsforschung, die sich ja ebenfalls großteils mathematischer Verfahren bedient und die deshalb, insbesondere im Bereich der Statistik, unabhängig von ihrem eigentlichen Zweck auch dem Kontext mathematischer Strafzumessung zugeordnet werden kann. Aussagekräftige Zahlen, wie sie etwa Albrecht zur Strafzumessung bei schwerer Kriminalität ermittelt hat149, werfen auch die grundsätzliche Frage ihrer Verwendbarkeit in der künftigen Strafzumessungspraxis auf. Die in solchen Untersuchungen zur Erklärung der Strafzumessungsvarianz ermittelten Gleichungen (Regressionsgleichungen) könnten auch umgekehrt als Näherungsformel für zu bestimmende Strafen in Betracht gezogen werden150. Allerdings sind derartige Formeln für eine sinnvolle Nutzung durch die Strafzumessungspraxis in der Regel (noch) zu ungenau. 145

Jandach, S. 61 f.; Ring, S. 123. Jandach, S. 214. 147 Ring, S. 171; Köberer, Iudex non calculat, S. 170. 148 Vgl. dazu und zur Bedeutung der fuzzy logic für juristische Materien Krimphove (1999). Die fuzzy logic soll menschliche Entscheidungsfindung nachbilden, indem sie mit unscharfen (linguistischen) Begriffen oder Begriffsmengen arbeitet und so zu gewissen Wahrscheinlichkeitsaussagen kommt. 149 Vgl. zu Albrecht (1994) ausführlich oben § 1 II. 3. c). 150 Auch Meine (1980), S. 139 f., hat in seiner Untersuchung zum Zusammenhang zwischen hinterzogenem Betrag und verhängter Strafe bei der Steuerhinterziehung [s. dazu oben § 1 II. 3. c) a. E.] die entsprechende Funktion für die Fallgruppe mit dem 146

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§ 2 Mittel zur Vereinheitlichung der Strafzumessungspraxis

Auch mathematische Methoden dürften folglich – jedenfalls in näherer Zukunft – „nur“ als Mittel zur Eingrenzung des zu verhängenden Strafmaßes auf der Grundlage erfahrungswissenschaftlicher Untersuchung bisheriger Strafzumessungspraxis in Betracht kommen. Eine anderweitige Berechnung der Strafe, etwa anhand von aus Messungen der Strafwirkung gewonnenen Daten, erscheint aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich. Außerdem ließen sich Strafzumessungsgründe mit derartigen meßbaren Daten unabhängig von deren Qualität wohl auch allenfalls teilweise erfassen. Inwieweit sich die Attraktivität der demnach auch aus mathematisch-technischer Sicht wohl erfolgversprechenderen komparativen Vorgehensweisen durch technischen oder erkenntnistheoretischen Fortschritt steigern wird, läßt sich aus heutiger Sicht aber ebenfalls kaum beurteilen. Anfänge computergestützter Rechtsfindung sind jedenfalls auch in der Strafzumessung bereits gemacht. Nachdem zunächst einfachere Systeme, etwa das die Kriterien der federal sentencing guidelines151 abfragende Programm ASSYST oder Datenbanken, die dem Auffinden von Entscheidungen anhand einiger strafzumessungsrelevanter Kriterien dienen, entwickelt wurden152, ist inzwischen auch bereits der Versuch unternommen worden, ein intelligentes System zu konstruieren, welches nicht lediglich Übereinstimmungen überprüft, sondern auch in der Lage ist, ähnliche Fälle nach einer sich aus von einem Praktiker systematisierten entschiedenen Fällen ergebenden Gewichtung aufzufinden153. Auch werden Computersysteme bereits in der Strafzumessungspraxis angewandt. In Israel etwa entnehmen die Bewährungshelfer in Jugendsachen ihre von der Rechtsprechung überwiegend befolgten Strafmaßempfehlungen einem computergestützten Regelsystem; Abweichungen hiervon müssen sie begründen.154 Die Niederlande haben erst kürzlich eine große Anzahl von Richtlinien zur Bestimmung des Strafantrags durch die Staatsanwaltschaft eingeführt, deren Anwendung durch ein Computerprogramm (BOS) unterstützt wird.155 Auch wurden in verschiedenen Ländern sogenannte „Sentencing Information Systems“ entwickelt, die statistische Informationen und Fallzusammenfassungen zur Strafzumessung enthalten.156 Die Absolutheit des Titels der Arbeit Köbe-

Bestimmtheitsmaß von nahezu 100% ausdrücklich genannt und die Möglichkeit einer Strafmaßprognose nach der Regressionsgleichung diskutiert. 151 Vgl. dazu oben I. 3. c). 152 Ein Überblick findet sich bei Schild, S. 229 ff. 153 Dieses von Schild, S. 232, vorgestellte eigene System bezieht sich auf die Delikte Raub und Vergewaltigung. 154 Schild, S. 231. 155 Vgl. dazu Duker/Lodder, S. 103. 156 Am weitesten ausgearbeitet ist das System von New South Wales, Australien, welches bei kostenpflichtiger Einschreibung sogar online verfügbar ist. S. dazu die entsprechende Internetseite der Judicial Commission of New South Wales unter http:// www.judcom.nsw.gov.au/sisbrochure/sis.htm. Weitere derartige Systeme existieren in Schottland und in den Niederlanden (NOSTRA); vgl. Duker/Lodder, S. 103 f.

III. Ausblick; Entwicklung sog. juristischer Expertensysteme

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rers, „Iudex non calculat: über die Unmöglichkeit, Strafzumessung sozialwissenschaftlich-mathematisch zu rationalisieren“, erscheint vor diesem Hintergrund zumindest bedenklich.157 Im Ergebnis dürften die im wesentlichen noch offenen Fragen mathematischer und vor allem computergestützter Strafzumessung kaum mit den der komparativen Strafzumessung zugrundeliegenden Überlegungen konkurrieren. Vielmehr stellen sie im wesentlichen eine grundsätzlich denkbare Form der Ausgestaltung und damit erst einen den grundlegenden Fragen vergleichenden Vorgehens nachgeordneten Aspekt dar. Zudem muß die Strafzumessung der Gegenwart mangels Verfügbarkeit entsprechender Computersysteme andere Wege einschlagen.

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Vgl. auch die diesbezügliche Kritik in der Besprechung von Philipps, S. 263 ff.

§3 Komparative Elemente in Strafzumessungsrecht und -praxis Scheidet eine weitere Systematisierung von Strafzumessungskriterien sowohl aufgrund zumindest gegenwärtig noch bestehender methodischer Probleme als auch mangels tragfähiger Begründung aus, so kann eine Angleichung der Strafzumessung im Sinne gleichmäßiger Verhängung richtiger Strafe wohl tatsächlich allenfalls dadurch erfolgen, daß sich die Rechtsprechung selbst an der bisher geübten Praxis orientiert1. Den geeigneten Ausgangspunkt für weitere Überlegungen zu dieser Methode des Fallvergleichs bildet die Analyse im Strafzumessungsrecht oder auch nur in der Strafzumessungspraxis bereits bestehender entsprechender Vorgehensweisen. Dabei empfiehlt sich eine Differenzierung zwischen dem lediglich in der Tatsacheninstanz stattfindenden Strafzumessungsvorgang, insbesondere mit Blick auf dessen dogmatische Grundlagen, und, jedenfalls soweit die Revisionsgerichte im Bereich der Strafzumessung Wertungen vornehmen, die auf untergerichtlicher Ebene in entsprechender Weise gar nicht durchführbar sind, dessen revisionsgerichlicher Überprüfung.

I. Gesetzliche Wertungen als komparative Vorentscheidungen Ein Fallvergleich ist selbstverständlich nicht nur im Rahmen der Berücksichtigung bisheriger Praxis denkbar. Auch unabhängig von der Bemessung konkreter Strafen sind schon dem normierten Strafrecht entsprechende komparative Elemente zu entnehmen, die in der Strafzumessung fortwirken. Das dem Sanktionenrecht vorgelagerte Straftatsystem, welches zunächst einmal die grundsätzliche Abgrenzung strafbarer von nicht strafbaren Verhaltensweisen leistet, trifft allein schon mit der Fassung der einzelnen Tatbestände erste wertende und damit komparative Aussagen in bezug auf den Umfang des generellen Schutzes verschiedener Rechtsgüter gegen entsprechende Verhaltensweisen. Durch das Strafzumessungsrecht werden diese komparativen Systemaussagen weiter konkretisiert und ausdifferenziert. Dies betrifft zum einen wiederum die Tatbe1 So auch Streng (1986), S. 517: „Tatsächlich bietet sich neben dem vergleichenden Vorgehen [. . .] keine Möglichkeit an, Strafzumessungsmaßstäbe abzusichern“; s. auch dens. (2002), Rn. 514 und Meier, S. 198: „Eine wirkliche Hilfestellung kann [. . .] nur vom Vergleich mit der Strafzumessungspraxis in anderen Fällen ausgehen.“

I. Gesetzliche Wertungen als komparative Vorentscheidungen

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standsseite, für die sich ergänzende Maßstäbe in § 46 StGB wie auch in den Wertungen des Allgemeinen Teils finden lassen. Zum anderen sind dem Gesetz aber auch bereits komparative Wertungen auf der Rechtsfolgenseite in Form der sich aus den Strafrahmen2 ergebenden Determinanten zu entnehmen. Über die Strafrahmen nimmt der Gesetzgeber nicht nur zur Rangordnung der strafrechtlich geschützten Rechtsgüter Stellung3, er ordnet dabei – freilich in äußerst grob schematischer Weise – verschiedenen Verhaltensgruppen unterschiedliche, sich überschneidende oder auch identische Strafmaßgruppen zu. Das positivierte Strafrecht scheint demnach nicht etwa nur ein vorgegebenes Raster zu sein, für dessen Ausfüllung komparative Vorgehensweisen in Betracht zu ziehen wären. Das Konkretisierungsniveau des zugrundeliegenden Systems kann vielmehr selbst schon als komparatives (Zwischen-)Stadium angesehen werden, welches sowohl bezogen auf die Tatbestands- als auch auf die Rechtsfolgenseite gewisse (Vor-)Wertungen enthält4. Jedenfalls kommt dieser komparative Charakter im Ergebnis des jeweiligen Gesetzgebungsvorgangs zum Ausdruck. Er dürfte aber auch bereits Teil dieses Vorgangs selbst sein, dessen technische Seite ja auch als „umgekehrte Subsumtion“ oder umgekehrte Rechtsanwendung bezeichnet wird5. Auch gesetzliche Maßstäbe, welche qualitativ übereinstimmende Rechtsfolgen für verschiedenste Sachverhalte vorsehen, dürften, soweit Gleichmäßigkeit als (straf-)rechtliche Kategorie anerkannt wird, um nicht zu willkürlich erscheinenden Differenzierungen zu führen, zumindest in denjenigen Bereichen auf komparativen Vorwertungen basieren, für die sich andere leitfähige Maßstäbe nicht finden lassen. Die Tatsache schließlich, daß der Gesetzgeber hier mit der abstrakt-generellen Erfassung und Abgrenzung von Sachverhaltsgruppen an insbesondere auf quantitativer Rechtsfolgenebene in Erscheinung tretende Grenzen stößt6, ermöglicht es der Rechtsprechung überhaupt erst, weitere Wertungen vorzunehmen. Das Strafrecht bildet also nicht nur in Form gewisser Maßstäbe die Grundlage für einen Fallvergleich durch den Richter, sondern nimmt diesen damit schon teilweise auf abstrakter Ebene vorweg. Bei den Deliktsnormen handelt es sich folglich um eine demokratisch legitimierte komparative Vorstufe zur konkreten Strafzumessung.

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Vgl. §§ 38 ff. StGB i. V. m. den Strafdrohungen des Besonderen Teils. Vgl. Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 43; Frisch, Maßstäbe, S. 158 f. Man vergleiche etwa die Strafrahmenobergrenze der Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 1 StGB – zwei Jahre Freiheitsstrafe – mit der entsprechenden Grenze bei der Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB – fünf Jahre Freiheitsstrafe. 4 Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 43. 5 Bydlinski, S. 639 ff. m. w. N.; Vogel, S. 203. 6 s. dazu oben § 2 I. 3

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§ 3 Komparative Elemente in Strafzumessungsrecht und -praxis

II. Komparative Elemente der tatrichterlichen Entscheidung 1. Der generell komparative Charakter der (Straf-)rechtsanwendung Mit der Gesetzesanwendung kommt der Rechtsprechung grundsätzlich schon in Form einfacher Subsumtion eine komparative Aufgabe zu7. Eigenständige materiell-rechtliche Bedeutung hat diese Tätigkeit freilich erst dann, wenn das Gesetz richterliche Wertungen verlangt, die Subsumtion also nicht auf bloße Überprüfung begrifflicher Identität deskriptiver Merkmale gerichtet ist. Neben dem Erfordernis der Auslegung und Fortbildung entscheidungserheblicher Normen kommen insoweit auch unmittelbar durch die gesetzliche Grundlage verlangte Wertungen des Richters in Betracht. Und für entsprechend unausweichliche komparative Vorgänge lassen sich auch zahlreiche Beispiele finden. Bei den im Sanktionenrecht vielfach anzutreffenden Individualprognoseentscheidungen etwa, die im Gegensatz zur Entscheidung über das Strafmaß auf empirische Feststellungen zu Wirkungszusammenhängen zugreifen können und auch müssen, sind für die Übertragung dieser Erfahrungswerte auf den konkret zu entscheidenden Sachverhalt prinzipiell Vergleiche mit den diesen Erfahrungen zugrundeliegenden Ausgangssituationen erforderlich8. Gelegentlich gebietet es das Gesetz auch, vergleichende gegenwartsbezogene Individualentscheidungen zu treffen, wie etwa die Beurteilung der Verantwortlichkeit eines Jugendlichen nach § 3 JGG, die nur durch Vergleich zwischen dem individuellen Entwicklungsstand des Täters und dem erfahrungsmäßig durchschnittlichen Entwicklungsstand von Jugendlichen der gleichen Altersgruppe erfolgen kann9. Außerdem können unbestimmte Rechtsbegriffe, derer sich der Gesetzgeber auch im Strafrecht bei der Verwendung normativer Tatbestandsmerkmale bedient, wie etwa mit der „Verwerflichkeit“ in § 240 Abs. 2 StGB oder dem in § 228 StGB normierten Verstoß „gegen die guten Sitten“, um das Erfordernis der Bindung des Richters an das Gesetz zu wahren, kaum anders als unter Zugrundelegung übereinstimmender Wertbegriffe der Allgemeinheit10 konkretisiert werden11 und machen damit einen Vergleich mit anerkannten Wertmaßstäben notwendig. Ne7 Arthur Kaufmann (1999), S. 1 ff., 73, fordert deshalb nicht zu unrecht, die juristische Methodenlehre müsse mit der Erkenntnis ernst machen, daß der Kern der juristischen Methode nicht in einem logischen Schluß besteht, sondern in einem Fallvergleich. 8 Eingehend Frisch (1983); Frisch/Vogt (1994); Streng (2002), Rn. 608 ff. Gegenüber der Entscheidung über die Strafhöhe sind Prognoseentscheidungen zumeist jedoch insofern weniger komplex, als die zu entscheidende Rechtsfolge hier regelmäßig keine Quantifizierung erfordert. In der Praxis werden dabei auch „nur“ einzelne Faktoren des Prognosesachverhalts intuitiv dem jeweiligen empirisch-kriminologischen Kenntnisstand entsprechend bewertet; zu den hierfür entwickelten statistischen Methoden s. Göppinger, S. 197 ff.; Kaiser (1996), S. 962 ff. 9 Vgl. dazu Diemer, in: Diemer/Schoreit/Sonnen, § 3 Rn. 14.

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ben diesen unumgänglichen Vergleichen mit Erfahrungswerten oder mit allgemeinen Wertbegriffen als Maßstäben der Subsumtion kann auch der gefestigten Subsumtion verschiedenartiger Sachverhalte unter einen bestimmten Ober- oder Sammelbegriff eine komparative Dimension unter gewissen Umständen insoweit entnommen werden, als eine solche Praxis einen in dem Postulat der Vergleichbarkeit der subsumierten Sachverhalte liegenden Maßstab erkennen läßt. Dies ist jedenfalls bei durch verschiedene Quantitäten auszufüllenden Tatbestandsmerkmalen der Fall, welche in der Praxis zu festen Relationen führen müssen, wie die ebenfalls unbestimmten Mengenbegriffe im Betäubungsmittelstrafrecht. Der dabei bedeutsamste Begriff der „nicht geringen Menge“, der für die Tatbestandserfüllung der §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 4 und 30a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BtMG eine bestimmte Quantität an Betäubungsmitteln verlangt, geht in seiner komparativen Bedeutung über die bereits aufgrund des bestimmbaren Wirkstoffgehalts eindeutige Quantifizierbarkeit und damit unproblematische Vergleichbarkeit nach bestimmten Einheiten, wie dies etwa auch bei in der jeweiligen Währung bezifferbaren wirtschaftlichen Schäden der Fall ist, weit hinaus. Die Normierung dieses Begriffs als Tatbestandsmerkmal hat die Rechtsprechung mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz auch gezwungen12, die verschiedenen Betäubungsmittel an dieser Untergrenze der Tatbestandserfüllung im Ergebnis in ein bestimmtes Verhältnis zu setzen, welches auch Ausstrahlungswirkung auf die Vergleichbarkeit größerer Mengen hat13. Die vom BGH zur Ermittlung der relevanten Wirkstoffmengen14 der einzelnen Stoffe jeweils angestellte Gesamtbetrachtung15 ist zwar der Sache nach nichts anderes als eine schematisierte Teilzumessung und geht insofern insbesondere an der dann durch Einzelfallumstände nicht mehr beeinflußbaren Frage des „Ob“ der Tatbestandserfüllung16 unter Gleichmäßigkeitsaspekten eher schon wieder bedenklich in Richtung mathematischer Strafzumessung oder starrer Strafzumessungsrichtlinien17, sie zeigt aber, daß zumindest in einem gewissen Rahmen die 10 Zur Bedeutung derartiger intersubjektiver Maßstäbe für die Begründung komparativer Strafzumessung s. erst unten § 4 II. 3. b) bb) (3). 11 Vgl. dazu Jescheck/Weigend, S. 130. 12 BVerfGE 57, 250, 262; BGHSt 32, 162; BGH StV 1994, 486. 13 Ein lineares Verhältnis liegt hier jedenfalls nahe. 14 Ausführlich dazu Körner, BtMG, § 29a Rn. 46 ff. 15 Zu den Umständen, die dafür als Vergleichsmaßstab herangezogen wurden und werden, gehören die zum Erreichen des Rauschzustands erforderliche Wirkstoffmenge, die üblichen Konsumgewohnheiten und die Gefährlichkeit des Betäubungsmittels; vgl. nur BGHSt 32, 8 (Heroin); 33, 8 (Cannabis); 33, 133 (Kokain); 35, 179 (Morphin) und 42, 255 (Ecstasy), sowie Körner, § 29a Rn. 42. 16 Innerhalb des Strafrahmens lassen sich Besonderheiten des Einzelfalles in Form weiterer Strafzumessungstatsachen ohne weiteres berücksichtigen. 17 s. dazu allgemein oben § 2 und die insbesondere von Kreuzer (1991), S. 173 ff.; ders. (1998), § 4 Rn. 247 ff. wiederholt diesbezüglich geäußerte Kritik an den Mengenbegriffen des Betäubungsmittelstrafrechts; vgl. auch dens./Hoffmann, S. 84 ff.

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§ 3 Komparative Elemente in Strafzumessungsrecht und -praxis

Vergleichbarkeit unterschiedlicher Sachverhalte durchaus gegeben ist und von der Rechtsprechung in zwingenden Fällen auch umgesetzt wird. Damit wird auch und gerade am Richterrecht als Grenzbereich zwischen Rechtssetzung durch den Gesetzgeber und Rechtsanwendung durch den Richter der durchgängig komparative Weg der Rechtsfindung bis hin zu dessen Anwendung auf den Einzelfall deutlich. 2. Komparative Elemente der Strafrahmenwahl Daß komparative Wertungen auch für die Subsumtion unter fakultative strafrahmenbildende Vorschriften und unter unbenannte Strafmilderungen erforderlich werden, kann deshalb nicht verwundern. Als Besonderheit kommt dabei aber noch hinzu, daß hier entweder der Gesetzeswortlaut die Entscheidung über deren Anwendung offenläßt, wie bei den fakultativen Rahmenmilderungen des Allgemeinen Teils, oder daß der Gesetzgeber selbst schon Relationsbegriffe verwendet, wie bei den Strafrahmenänderungen des Besonderen Teils für „minder schwere“ und „besonders schwere“ Fälle. Die nach gefestigter Rechtsprechung zur Ausfüllung dieser Vorschriften vorzunehmende Gesamtbetrachtung18 bedeutet aber in der Regel qualitativ nichts anderes, als einen Zwischenschritt zur Entscheidung über die Einordnung der Tat in den Strafrahmen unter denselben Prämissen. Es ist daher nicht unbegründet, nach dem Sinn eines solchen Vorgehens zu fragen. Kommt man nach einer Gesamtabwägung zu dem Ergebnis, daß die Straftat in einen bestimmten Schwerebereich einzuordnen sei und nach einer weiteren aber im übrigen identischen Gesamtabwägung zur Feststellung der genaueren Schwere, so käme dem Zwischenschritt, wenn für diesen keine besonderen Kriterien bestünden, allenfalls dann ein eigenständiger Gehalt zu, wenn es zwischen den Strafrahmenabweichungen deliktsspezifische Unterschiede gäbe und man daran Abweichungen in einer Sollstrafmaßverteilung knüpfen könnte. Dies ist aber jedenfalls bei der Anwendung der einheitlichen Maßstäbe des § 46 18 Vgl. zu den fakultativen Rahmenmilderungen des Allgemeinen Teils BGHSt 7, 28, 31 (verminderte Schuldfähigkeit); 16, 351; 17, 266 (Versuch); NJW 1998, 3068 (Unterlassen); zu den Strafrahmenänderungen des Besonderen Teils s. BGHSt 23, 257; 28, 318, 319; NStZ-RR 1998, 298. S. ergänzend LK-Gribbohm, Vor § 46 ff. Rn. 14, 18 m. w. N. Daß die Rechtsprechung etwa den auf einen Milderungsgrund des Allgemeinen Teils bezogenen Umständen inzwischen teilweise „besonderes“ Gewicht beimessen will (vgl. BGHSt 35, 347, 355 und dies im Sinne eines Schritts in die richtige Richtung anerkennend Lackner/Kühl, § 49 Rn. 4 m. w. N. aus der Rspr.), erscheint eher befremdlich. Entweder bleibt dann offen, nach welchen Kriterien ein vom im Verhältnis zu sonstigen Umständen bestehenden „normalen“ Gewicht dieser Umstände abweichendes „Kunst“-gewicht zu bestimmen sein soll, oder es handelt sich bei dieser Rspr. lediglich um einen Hinweis auf die generell erhebliche Bedeutung dieser Umstände, welcher dann aber auch wieder für die Einordnung in den Strafrahmen gelten muß. Zu den aus der Rspr. teilweise hergeleiteten Einschränkungen der Tatsachenbasis für die Bestimmung besonders schwerer Fälle vgl. Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 50 und Schäfer (2001), Rn. 598.

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StGB nicht der Fall und auch die Sonderstrafrahmen des Besonderen Teils dürften eine derartige Interpretation nicht stützen. Abgesehen von der auch verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit solcher faktischer Gesamtstrafrahmen19, wenn die Aufspaltung in zwei Akte der Einhaltung des Bestimmtheitsgebots nicht mehr dienen könnte20, und der Unvereinbarkeit einer solchen Interpretation nicht nur mit den zumeist erheblichen Überschneidungsbereichen21 zwischen den gesetzlichen Normal- und Sonderstrafrahmen22 sondern insbesondere auch mit der ausdrücklichen Normierung von Strafrahmenänderungen bzgl. beider Rahmengrenzen23 stellten sich in bezug auf komparative Bezugspunkte bei Vornahme einer solchen Gesamtbetrachtung eben schon an dieser Stelle zumindest24 dieselben25 Probleme, wie sie bei der im Anschluß zu behandelnden zentralen Frage der Einordnung der Straftat in den (gewählten) Strafrahmen auftreten. Auch kommt entsprechendes in Betracht, wenn man mit einer in der Literatur verbreiteten Auffassung26 die Gesamtbetrachtung insbesondere im Be19 Zur Lehre vom Gesamtstrafrahmen vgl. Zipf, S. 28 ff.; Maurach/Gössel/Zipf, § 62 Rn. 39 f.; Maiwald (1973), S. 161; Streng, NStZ 1989, S. 398; Schäfer (2001), Rn. 573. 20 s. dazu Frisch (1992), S. 387; dens./Bergmann, S. 946. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit unbenannter Strafänderungsgründe vgl. auch die Nachw. oben § 2 Anm. 19. 21 Vgl. dazu die Nachw. oben § 2 Anm. 10. 22 Frisch (1992), S. 388 f.; ders./Bergmann, S. 948; vgl. zur Unvereinbarkeit der Rechtsprechung zur Strafrahmenwahl mit diesen Überschneidungsbereichen auch Warda, S. 109 f.; Maiwald (1984), 435 f. 23 So wäre die Milderung auch der Strafrahmenobergrenze (z. B. im minder schweren Fall des § 224 Abs. 1 StGB) oder die Schärfung auch der Strafrahmenuntergrenze (z. B. § 243 Abs. 1 StGB) zur Bildung eines Gesamtstrafrahmens eigentlich sinnlos; Frisch (1992), S. 383 f. Ihre Funktion könnte lediglich darin liegen, der Neigung der Gerichte zur Milde zu begegnen; vgl. dazu Maiwald (1973), S. 161. Andererseits käme es ohne diese dann eigentlich überflüssigen Grenzen zu einem gewissen Spannungsverhältnis zwischen den Strafrahmenverschiebungen bei obligatorischen Strafmilderungen und den durch fakultative Strafmilderungen erzeugten nur nach einer Richtung wesentlich weiteren Gesamtstrafrahmen, wenn die nach diesen verschiedenen Strafrahmen zu behandelnden Fälle gleich milderungswürdig sind; s. dazu Frisch/ Bergmann, S. 952 und zu weiteren derartigen Ungereimtheiten Timpe, S. 83 ff. 24 Zusätzlich wäre die Einordnung einer Straftat in den Gesamtstrafrahmen mit dem Problem behaftet, daß derartige Gesamtstrafrahmen dem Gesetz als solche nicht zu entnehmen sind und deshalb eine normativ orientierte Ausfüllung zumindest beeinträchtigt wäre; vgl. die Kritik von Frisch/Bergmann, S. 947, wonach die Gesamtbetrachtungslehre mit der Funktion der Strafrahmen unvereinbar ist. 25 So greift die Rspr. bereits hier auf den zu dem entsprechenden Vorgang der Einordnung einer Straftat in den (gewählten) Strafrahmen diskutierten „Regelfall“ [s. zu diesem Begriff und zur Rechtsprechung bzgl des Einordnungsmaßstabs erst unten 3. a) bb) und b) bb)] als Vergleichsmaßstab zurück; vgl. nur BGHSt 26, 319, 322 (bes. schwerer Fall) und NStZ 1998, 298 (minder schwerer Fall): „Durchschnitt der (erfahrungsgemäß) gewöhnlich vorkommenden Fälle“. S. auch m. w. N. aus der Rspr. Detter, NStZ 1990, S. 483; 1991, S. 178; 1992, S. 169; 1993, S. 176 und 1996, S. 425. 26 Vgl. allgemein Dreher (1956), S. 683; dens. (1957), S. 156; dens. (1968), S. 213; Lackner/Kühl, § 49 Rn. 4 und beispielhaft zur Versuchsstrafbarkeit Rudolphi, SK-

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reich der fakultativen Milderungsgründe des Allgemeinen Teils auf eine nur eingeschränkte Tatsachenbasis stützt, nur dann eben in diesem abweichenden Rahmen. Angesichts der sich aus dem Allgemeinen Teil jeweils eindeutig ergebenden und auch hinter den minder schweren und besonders schweren Fällen in Form von ungeschriebenen Kriterien erkennbaren Regelungszwecke27, die einer Gesamtbetrachtung klar widersprechen, ist mit Frisch/Bergmann28 allerdings richtigerweise durchgängig von einer an normativen Kriterien zu orientierenden Entscheidung über den Strafrahmen auszugehen. Sofern sich hier eindeutige „subsumtionsfähige“ Kriterien finden oder Fallgruppen29 bilden lassen, ergeben sich nunmehr allerdings gegenüber der insoweit bereits angesprochenen allgemeinen Rechtsfindung und -anwendung in bezug auf komparative Elemente keine Besonderheiten. 3. Komparative Elemente der Strafhöhenbemessung a) Fallvergleiche auf Strafrahmenbasis: Regel- und Durchschnittsfall Auch in bezug auf die Bemessung der Strafhöhe enden die gesetzgeberischen komparativen Wertungen selbstverständlich nicht am Gesetzeswortlaut. Die Bedeutung der Strafrahmen etwa soll sich nicht in der Markierung einer Ober- und einer Untergrenze für das zu verhängende Strafmaß erschöpfen. Nach überwiegender Auffassung in der Literatur30 wie auch nach der Rechtsprechung31 enthalten die Strafrahmen darüberhinaus eine Schwereskala, welche alle möglichen den jeweiligen Tatbestand erfüllenden Fälle nach leicht und schwer abschichten und die Richter über die vorgegebenen eigentlichen Rahmen hinaus binden soll. StGB, § 23 Rn. 3; Schönke/Schröder-Eser, § 23 Rn. 7; Jescheck/Weigend, S. 522 f. jeweils m. w. N. Eingehend zum Ganzen Frisch (1992), S. 391 ff. m. w. N.; zu Einschränkungen im Rahmen des § 49 Abs. 2 ausführlich Bergmann, S. 63 ff.; zur beschränkten Tatsachenbasis bei minder schweren und besonders schweren Fällen vgl. Horn, SK-StGB, § 46 Rn. 59a, 65. 27 s. dazu eingehend Frisch/Bergmann, S. 949 ff., 952 ff. m. w. N.; in bezug auf die Gesetzestechnik sehr weitgehend Montenbruck (1983), S. 67 ff., der im Rahmen seiner Strafrahmensystematik Sonderstrafrahmen auf Delikte mit identischen Normalstrafrahmen übertragen will. 28 S. 952 ff. 29 So zu den minder schweren und besonders schweren Fällen Montenbruck (1983), S. 95 ff.; zu § 49 Timpe, S. 322. 30 So schon Dreher, Über die gerechte Strafe, S. 61 ff.; S. jeweils m. w. N. Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 60 ff.; Frisch, Maßstäbe, S. 159 ff.; Schönke/SchröderStree, Vorbem. §§ 38 ff. Rn. 42; Tröndle/Fischer, § 46 Rn. 17; Lackner/Kühl, § 46 Rn. 48; krit. Streng (2002), Rn. 492 ff.; Montenbruck (1983), S. 31 ff. jeweils m. w. N. 31 Übernommen wurde diese Theorie zunächst vom OLG Stuttgart, MDR 1961, 343 m. Anm. Dreher. Seit BGHSt 27, 2 entspricht sie ständiger Rechtsprechung; vgl. auch die weiteren Nachweise bei Schäfer (2001), Rn. 622 ff. und Horn, sLSK, § 46 Rn. 1c.

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Dies hat zum einen Auswirkungen wiederum an der Ober- und Untergrenze der Strafrahmen, wo dementsprechend die denkbar leichtesten und die denkbar schwersten Fälle32 anzusiedeln sind. Allerdings dürften diese Fälle für den einzelnen Richter abstrakt kaum auffindbar sein33. Auch nach der Rechtsprechung handelt es sich bei diesen leichtesten und schwersten Fällen lediglich um theoretische Hypothesen, die sich praktischer Faßbarkeit entziehen und damit als Anwendungskriterium für die Rechtspraxis ausscheiden.34 Zum Vergleich können diese Fälle daher nicht ohne weiteres herangezogen werden. Daneben sollen aber auch Fälle, die vom Gesamtgewicht des verschuldeten Unrechts her den denkbar leichtesten und schwersten nahe kommen, ebenfalls mit den Strafen der Rahmengrenzen belegt werden.35 Abgesehen von der Frage, ob die existierenden Strafrahmen – insbesondere deren Obergrenzen – für eine derartige Interpretation wirklich geeignet sind36, bestehen somit auch bereits für leichteste und schwerste Deliktsverwirklichungen aufgrund dieser unscharfen Nähebeziehung dieselben Einordnungsprobleme, wie sie sich – freilich in verschärfter Form – bei deshalb in diesem Zusammenhang auch wesentlich bedeutsameren Straftaten mittlerer Schwere stellen. Inhaltlich läßt sich folglich ein Vergleichsfall jedenfalls an den Strafrahmengrenzen alleine aufgrund des Gesetzes nicht präzisieren. Die Rechtsprechung zur ausgedehnten Bedeutung der Strafrahmengrenzen dürfte auch weniger auf Schaffung klarer Anhaltspunkte für die Strafzumessung sondern eher auf das Gegenteil, die Hinderung des Revisionsvorbringens, eine Tat, die mit einer Strafe der Rahmengrenze belegt wurde, befinde sich nicht an der entsprechenden Schweregrenze, gerichtet sein. 32

BGHSt 27, 2, 3. Streng (2002), Rn. 493. 34 BGH NStZ 1984, 359. 35 Zur praktisch bedeutsameren Untergrenze vgl. BGH NStZ 1984, 117; NStZ 1984, 359 m. Anm. Zipf; NStZ 1988, 497; StV 1992, 570; zur Obergrenze vgl. BGH NStZ 1992, 297; BGH StV 1993, 62 m. Anm. Hanack. Eine derartige Gleichbehandlung von verschieden schweren Fällen an den Strafrahmengrenzen scheint auf den ersten Blick zur Ungleichmäßigkeit der Strafzumessung zu führen. Zunächst muß aber ohnehin aufgrund der gesetzlich bestimmten Strafstufen eine gewisse Kategorisierung erfolgen. Außerdem käme es insoweit lediglich dann zu Inkonsistenzen, wenn sich die tatsächlich vorkommenden Fälle, auf deren Erfassung sich die Strafrahmen eigentlich auch beschränken können, in ihrer Schwere den hypothetischen Extremen weiter nähern würden. Erst dann wäre eine Anpassung erforderlich. Diese müßte dann aber durch Abänderung der von der Rechtsprechung gemäß Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu umgehenden Strafrahmen erfolgen, soweit nicht ohnehin mit einer derartigen Realitätsentwicklung zugleich ein diese in bezug auf die Schwereskala ausgleichender Bewertungswandel einherginge. 36 Vgl. etwa das anschauliche Beispiel von Frisch (1987), S. 790 f., der die wohl vergebliche Frage nach einem Fall des Diebstahls aufwirft, für den, ohne die Voraussetzungen des § 243 StGB zu erfüllen, die Höchststrafe von fünf Jahren realistisch sei. Auch weist Frisch (1987), S. 789 f., auf die schwierige und noch ungeklärte Abgrenzung zu Einstellungssachverhalten an der Untergrenze hin. S. zur Adäquität der bestehenden Strafrahmen auch noch unten bb). 33

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Zum anderen werden aus dieser Schwereskala auch komparative Aussagen zur Einordnung innerhalb der Rahmengrenzen liegender Fälle abgeleitet. In diesem Zusammenhang stehen deliktsübergreifend verschiedene Fallbegriffe in der Diskussion, insbesondere der sogenannte Durchschnittsfall und der Regelfall. Nach der grundlegenden Entscheidung BGHSt 27, 2 ff. handelt es sich bei dem Regelfall eines Delikts um eine Tat, deren Schwere im mittleren Bereich der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle liegt, während der gedankliche37 Durchschnittsfall im mittleren Bereich denkbarer Fälle anzusiedeln ist. Auf der Rechtsfolgenseite sei dem Durchschnittsfall eine Strafe aus der Mitte des Strafrahmens zuzuordnen, dem Regelfall aber angesichts der durch die große Mehrzahl der Straftaten schon wegen der weiten Fassung der gesetzlichen Tatbestände nur verhältnismäßig geringen erreichten Schweregrade lediglich eine Strafe unter diesem mittleren Bereich.38 In der Literatur wurde diese Entscheidung teilweise als Konkretisierung der kontinuierlichen Schwereskala begrüßt.39 Man hat darüber hinaus versucht, die Strafhöhe für den Regelfall genauer anzugeben; dieser sei – jedenfalls üblicherweise – im unteren Drittel des Strafrahmens anzusiedeln.40 Der Nutzen dieser beiden Fallbegriffe wird im Schrifttum aber auch stark bezweifelt. aa) Durchschnittsfall Beim Durchschnittsfall scheint es sich denn auch eher um eine von der Rechtsfolgenseite, von der Mitte41 des Strafrahmens her konstruierte Fiktion zu 37 Die Auslegung des Begriffs des Durchschnittsfalls war gerade Gegenstand dieser Entscheidung, da auch der Regelfall der Sache nach eigentlich ein – freilich vom gedanklichen (synonym auch als „denkmäßig“ oder „theoretisch“ bezeichneten) Durchschnittsfall abweichender – Durchschnittsfall ist. Im folgenden ist der Begriff des Durchschnittsfalls nur im gedanklichen Sinne zu verstehen. 38 BGHSt 27, 2, 4; nach BGHSt 34, 355 soll dies allerdings nur für den Normalstrafrahmen gelten. 39 Vgl. die Anm. von Bruns (1977), S. 164 ff. und Mayer, LM 1975 § 46 Nr. 5; Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 62; ders., Neues Strafzumessungsrecht, S. 64, 68 f.; vgl. für den Regelfall auch Günther (1989), S. 1029; Horn, SK-StGB, § 46 Rn. 87 ff. 40 Bruns, Neues Strafzumessungsrecht, S. 64, 69; Götting (1997), S. 61; ohne diese Einschränkung Horn, SK-StGB, § 46 Rn. 87; ders. (1986), S. 169. 41 Nach a. A. (vgl. die Anm. von Frank (1977), S. 686; s. auch Montenbruck (1983), S. 32 m. w. N.; Horn, SK-StGB, § 46 Rn. 86), soll auch der gedankliche Durchschnittsfall aufgrund gegenüber der Strafhöhe überproportional ansteigender Strafwirkung (dazu ausführlich Köberer, Iudex non calculat, S. 139 ff.) unterhalb der Mitte des Strafrahmens einzuordnen sein. Dabei wird offensichtlich versucht, auf der Tatbestandsseite eine isolierte Schwerebewertung vorzunehmen. Die Kriterien dafür bleiben aber im Dunkeln. Erkennbar wird an dieser Auffassung deshalb auch weniger eine wirkliche Zuordnungsdiskrepanz sondern eher schon die Möglichkeit zur Abweichung in der Interpretation des Begriffs „mittlerer Schwere“ auf Tatbestandsseite. Augenscheinlich führt dieser doch erhebliche Unterschied in der Einordnung des Durchschnittsfalls ja auch kaum zu weiteren Diskrepanzen in der konkreten Strafzumes-

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handeln als um einen seiner Qualität nach zu ermittelnden Fall42. Über das rein objektive Kriterium „mittlere Schwere“ läßt er sich jedenfalls nicht fassen, denn wo soll die Mitte zwischen den zunächst ebenfalls nicht unproblematisch aufzufindenden43 denkbaren Extremfällen liegen? Weder auf phänomenologischer Basis noch aus dem Gesetz ist ein solcher Wert zu ermitteln; selbst dann nicht, wenn man den Durchschnittsfall mit einem Normalfall gleichsetzte44. Daß der Durchschnittsfall als Orientierungsmarke für die Einordnung in den Strafrahmen gänzlich ausscheide, ist damit zwar noch nicht gesagt. Jedoch wäre dieser Begriff, da es auf eine subjektive Bewertung durch den einzelnen Richter für eine allgemeine Systematisierung der Strafzumessung nicht ankommen kann, allenfalls durch Vornahme oder Übernahme einer intersubjektiven Wertung zu „retten“. Unterstellt, man könnte sich auch auf einen solchen Durchschnittsfall einigen, bestünde aber einerseits eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß mangels hinreichender objektiver Kriterien die Schwerebewertung in Wahrheit doch eher wieder auf einer Angemessenheitsbetrachtung einer Sanktion aus der Mitte des Strafrahmens und damit einer Wertung von der Rechtsfolgenseite her beruhen würde45. Andererseits hätte, wenn sich die intersubjektive Bewertung nicht auf diese Sanktion erstrecken sollte und es auch nicht zu der dann sehr unwahrscheinlichen Situation käme, daß solchermaßen bestimmte mittelschwere Deliktsverwirklichungen von der Praxis zufällig mit Sanktionen aus der Mitte des Strafrahmens belegt würden, die Identifizierung eines bisher abweichend bestraften Durchschnittsfalles eine Änderung des Sanktionsniveaus zur Folge, was zusätzlich eben auch noch dem von den Rechtsanwendern und wohl auch von der Allgemeinheit für angemessen gehaltenen Niveau widersprechen würde46. Dies dürfte weder mit der Entscheidung des BGH noch von den diese Entscheidung befürwortenden Literaturstimmen ernsthaft beabsichtigt sein. Noch bedenklicher erschiene im übrigen ein solches Verständnis des Durchschnittsfalles, wenn die gesetzlichen Strafrahmen für eine derartige Berechnung tatsächlich gar nicht geeignet sein sollten.47 Kommt man deshalb zu dem Ergebnis, daß der Durchschnittsfall sich sinnvoll nur über ein bestimmtes oder zumindest im Zusammenhang mit einem bestimmten Strafmaß definiert und die entspresungsdiskussion. Dies unterstreicht gerade die „Blässe des Konstrukts“; so Frisch (1989), S. 350; vgl. auch Neumann, S. 446: „geisterhafte Blässe“ und Horn, SK-StGB, § 46 Rn. 94: „blutleer“. 42 Vgl. auch Neumann, S. 444 f. 43 Streng (2002), Rn. 493; ders. (1986), S. 510. 44 Zu den Grenzen der Präzisierbarkeit eines Normalfalles vgl. unten b). Tatsächlich sollten sich ursprünglich beim Durchschnittsfall die Erschwerungs- und Milderungsgründe das Gleichgewicht halten; vgl dazu eingehend Hettinger (1982), S. 139 m. w. N. 45 Streng (2002), Rn. 493. 46 s. zu diesem Problem auch Streng (2002), Rn. 494 m. w. N. 47 Vgl. dazu unten bb).

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chende Bewertung sich auf darüber hinaus noch zu klärende Weise intersubjektiv vollziehen muß, so ginge dessen Bedeutung, obwohl man auch weiterhin noch unterstellen müßte, daß sich ein Durchschnittsfall überhaupt zwischen den vielen denkbaren Fallgestaltungen und Fallgruppen eindeutig bestimmen ließe, nicht über einen einzelnen phänomenologisch bestimmten Vergleichsfall hinaus. Zweifelhaft erscheint dann aber, ob es für die strafzumessungsrechtliche Bewertung eines konkreten Einzelfalles anhand ohnehin intersubjektiver Kriterien einer Mittlung gerade über diesen in seinem konkreten Tatbild schwierig zu bestimmenden Durchschnittsfall wirklich bedarf. Ansonsten bliebe als Konsequenz der Rechtsprechung zum Durchschnittsfall lediglich die Revisibilität dieser Begrifflichkeit und dem zugehörigen Strafmaß ausdrücklich widersprechender Strafzumessungserwägungen, welche den Begriff als solchen selbstverständlich nicht zu tragen vermag. bb) Regelfall Demgegenüber wird für den Regelfall, der sich nach dem in den Strafrahmen einzuspiegelnden Gesamtfallaufkommen bemessen soll, auf dessen statistische Feststellbarkeit verwiesen.48 Dieser erfasse die typische Alltagskriminalität, die dem Richter aus eigener Praxis qualitativ bekannt sei49. Als Konsequenz der Verankerung auf Tatbestandsseite müßten sich dann im Gegensatz zur Situation beim Durchschnittsfall Unsicherheiten in bezug auf die Ermittlung des Regelfalles auf die Rechtsfolgenseite verschieben. Aber auch schon auf der beim Durchschnittsfall kaum zu konturierenden Tatbestandsseite bereitet der Regelfall Schwierigkeiten50. Es ist nämlich kaum zu begründen, warum es bei den zum Teil sehr weit gefaßten Tatbeständen einen einheitlichen Regelfall oder eine homogene Gruppe von Regelfällen geben soll und sich nicht stattdessen verschiedene Fallgruppen mit jeweils eigenem qualitativen Regelfallniveau finden sollten51. Die normativ einheitliche Deliktsstruktur muß eben nicht den phänomenologischen Gegebenheiten entsprechen52 und selbst im Zusammenhang mit einzelnen gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zeichnen sich doch auch innerhalb der Delikte bereits verschiedene Fallgruppen oder -typen ab53. 48 Vgl. insb. Horn (1986), S. 169. Nach Bruns, Neues Strafzumessungsrecht, S. 64, hat dieser Fall dagegen „mit Mittelwerten statistischer Prägung oder ähnlichen empirischen Feststellungen [. . .] wenig zu tun“. 49 Daß sich diese etwa von Horn, SK-StGB, § 46 Rn. 90, zugrunde gelegte Erfahrung aber auch artikulieren lassen müßte, bemerkt zu Recht Frisch (1989), S. 352 f. 50 Vgl. Frisch (1989), S. 352 m. w. N. 51 Frisch (1987), S. 791 52 Vgl. das von Frisch (1987), S. 791, in diesem Zusammenhang genannte Beispiel: Es dürfte schwer fallen, einen gemeinsamen Regelfall für Ladendiebstahl, Kfz-Diebstahl und sämtliche weiteren phänomenologisch häufig vorkommenden Diebstahlsformen zu finden.

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Die Verankerung des Regelfalles auf der Rechtsfolgenseite stößt erwartungsgemäß ebenfalls auf erhebliche Probleme. Daß es sich bei dieser Konstruktion um eine empirisch-dynamische handelt, könnte gegenüber dem Durchschnittsfall, der von der Rechtsprechung starr der Strafrahmenmitte zugeordnet wird, und deshalb, um einem etwaigen Bewertungswandel Rechnung tragen zu können, wohl qualitativ auf Tatbestandsseite oder durch Veränderung der Strafrahmen angepaßt werden müßte, möglicherweise als Vorteil aufgefasst werden. Allerdings würde sich eine derartige Dynamik eben nicht aus einer Bewertungsänderung ergeben sondern lediglich aus der Zusammensetzung des Fallaufkommens. Folge eines solchen Zusammenhangs wäre deshalb eine zumindest denkbare und im Ergebnis jedenfalls Präventionszwecken zuwiderlaufende54 Beeinflussung der Strafzumessung durch die Gesamtheit aller und damit auch durch die einzelnen vorherigen Täter. Die Berücksichtigung eines etwaigen Bewertungswandels sowie eine demnach gegebenenfalls erforderliche Anpassung an verändertes Täterverhalten zur Erhaltung des bestehenden Strafniveaus könnte folglich auch beim Regelfall nur noch durch den Gesetzgeber erfolgen. Damit fällt auch wiederum das bereits genannte generelle Problem von Ableitungen aus dem Zusammenhang zwischen tatsächlichem oder denkbarem Fallaufkommen auf der einen Seite und den Strafrahmen auf der anderen Seite ins Auge. Für eine dauerhafte Eignung dieser legislatorischen Vorgaben zur Spezifizierung der Verbindung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge bedarf es zunächst einmal grundsätzlich deren entsprechender Ausgestaltung und Bestimmung55. Eine insoweit taugliche mathematisch einheitliche Struktur aller Strafrahmen würde dabei nicht nur voraussetzen, daß sich an den jeweiligen Strafrahmengrenzen auch tatsächlich das richtige Strafmaß für Grenzfälle findet, es müßte auch die Schwereverteilung der Deliktsverwirklichungen innerhalb der jeweiligen Strafrahmengrenzen identisch sein. Beim Durchschnittsfall tritt die Frage der Schwerestruktur nur deshalb in den Hintergrund, weil dieser unabhängig von der Strafmaßzuordnung ohnehin kaum faßbar ist. Was jedenfalls den Regelfall betrifft, müßte aber feststehen, daß die Regelfallschwere immer im selben Verhältnis zu der Schwere der Grenzfälle steht56. Umgekehrt könnte man auch fragen, warum nicht in Relation zum jeweiligen Regelfall deliktsspezifisch unterschiedliche Höchst- oder Mindestmaße denkbar sein sollten.

53 So kann etwa, um bei dem Beispiel des § 242 StGB zu bleiben, die unter dem Gesichtspunkt der Wegnahme sehr spezielle Fallgruppe des Automatendiebstahls deutlich von den Fällen des Gebrauchsdiebstahls als Problemfälle hinsichtlich der Zueignungsabsicht abgegrenzt werden. 54 Man stelle sich etwa vor, beim Raub würde generell zunehmende Gewalt automatisch zur Absenkung des Strafniveaus führen. 55 Streng (2002), Rn. 494. 56 Vgl. zum Durchschnittsfall Hettinger (1982), S. 145.

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Zunächst spricht gegen eine entsprechende Interpretation der Strafrahmen deren gegenwärtiges Verhältnis zueinander. Die mit dem 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts57 intendierte Harmonisierung der Strafrahmen kann kaum als vollendet angesehen werden.58 Trotz der Anhebung der Strafrahmen bei Delikten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter bestehen auch gegenüber diesem Deliktskreis weiterhin offensichtliche Inkonsistenzen, die allerdings eher auf der Seite der anderen Tatbestände zu beseitigen wären. Wenn man etwa den reformierten Strafrahmen der schweren Körperverletzung – Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, § 226 Abs. 1 StGB – zu dem Strafrahmen des einfachen Raubes – von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren, §§ 249 Abs. 1, 38 Abs. 2 StGB – in Beziehung setzt oder mit der Strafrahmenobergrenze des Diebstahls in besonders schwerem Fall – zehn Jahre, § 243 Abs. 1 StGB – vergleicht, so fallen immer noch kaum nachvollziehbare Gemeinsamkeiten und hinsichtlich des einfachen Raubes sogar eine bedenkliche Überschreitung der Strafrahmenobergrenze der schweren Körperverletzung auf.59 Und auch die bisherige Praxis läßt – freilich schon aufgrund der mangelhaften Strafrahmenabstimmung konsequent – keine entsprechend einheitliche Strafrahmenstruktur erkennen. Albrecht kam bei der von ihm untersuchten schweren Kriminalität60 zu dem Befund, daß die Breite des praktisch genutzten Strafrahmens keine einfache Funktion des tatsächlich durch den Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Strafrahmens sei, sondern die Praxis sich im Gegenteil sogar, wie der internationale Vergleich mit Österreich belege, über Strafrahmenunterschiede beim selben Delikt hinwegsetze und einheitlicher strafe61.62 In einer neueren massenstatistischen Untersuchung zum Zusammenhang zwischen gesetzlichen Strafrahmen und Strafzumessung hat sich auch Götting unter anderem mit der Frage der Identifizierbarkeit von Regelstrafen befaßt.63 Dabei ist es ihm auf Basis der Strafverfolgungsstatistik der Jahre 1987 bis 199164 zwar für eine ganze Reihe von Delikten gelungen, eine entsprechende Strafmaß57

s. dazu auch schon oben § 2 I. 2. Vgl. Nr. 1 der Stellungnahme des Arbeitskreises der Strafrechtslehrer, abgedruckt bei Freund (1997), S. 470. S. auch Hörnle, S. 185 ff.; Freund (1999), S. 513; Götting (1998), S. 542. 59 Dazu ausführlich und mit weiteren Beispielen Hörnle, S. 185 ff.; vgl. auch die Beispiele bei Freund (1999), S. 513 Anm. 14. 60 Vgl. zu dieser Untersuchung oben § 1 II. 3. c). 61 Der Unterschied zwischen den Strafrahmen verschiedener Länder ist, soweit sich dieser nicht entsprechend begründen läßt, freilich selbst schon ein Argument gegen deren gegenwärtige Eignung zu einer bestimmten Skalierung. 62 Albrecht (1994), S. 277 ff., 284 f. 63 Götting (1997), insb. S. 213 ff. 64 Zur Zuverlässigkeit dieser Form der Dokumentenanalyse vgl. Götting (1997), S. 77 ff., sowie oben § 1 I. 2. Bedenklich ist hier insbesondere die Nichterfassung von Strafmilderungen nach § 46 StGB sowie der mit verurteilten leichteren Tatbestände. 58

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konzentration nachzuweisen65. Allerdings spricht dieses Ergebnis nur dann für die Existenz auch eines Regelfalles, wenn man die Einschränkungen des Regelfallbegriffs akzeptiert, die Götting seiner entsprechenden Interpretation zugrundelegt: Er definiert den Regelfall als Bereich von Fallkonstellationen, die den regelmäßig vorkommenden Schweregrad der Tatbegehung darstellen und die daher vergleichbar seien; ein einheitliches Tatbild müsse damit nicht verbunden sein.66 Qualitativ zu ermitteln seien die Regelfälle ohnehin erst durch empirische Analyseverfahren oder sie könnten, solange entsprechende Ergebnisse noch nicht vorliegen, zunächst der richterlichen Erfahrung entnommen werden.67 Damit ist der genaue Strafmaßbereich dieser Regelfallgruppen, wie die Untersuchung auch zeigt, in der Praxis nur deliktsbezogen zu bestimmen. Trotz gleicher Strafrahmen kommt es hier zu beträchtlichen Unterschieden.68,69 Daß sich trotz dieser Unterschiede bei entsprechender Interpretation des Regelfallbegriffs ein solcher Fall auffinden läßt, kann letztlich nicht verwundern. Zwar ist die Regelfallgruppe bei Ersetzung der eigentlich zu erwartenden Fallqualität durch eine Regelschwere nur dann tatsächlich, wie Götting meint70, zwingend in einem bestimmten Bereich des Strafrahmens anzutreffen, wenn man bei Vorliegen mehrerer Häufigkeitsschwerpunkte den Regelstrafenbereich über deren gemeinsame Außengrenzen spannt. Möglich wäre dies aber selbstverständlich ohne weiteres – im gedachten Falle gleichmäßiger Verteilung eben bis zur Grenze des Strafrahmens, wobei der Regelfallbegriff dadurch weiter an Konturenschärfe einbüßen könnte. Geht man mit Götting auch noch den weiteren Schritt, den Regelfall nicht nur anhand der Statistik zu überprüfen, sondern diesen gemeinsam mit der Regelstrafpraxis zur Grundlage weiterer Strafzumessung zu machen71, so stellt sich auch hier die schon zum Durchschnittsfall the65

Götting (1997), S. 221 ff. Götting (1997), S. 214. 67 Götting (1997), S. 213, 216. 68 Dieses freilich zu erwartende Ergebnis zeigen die von Götting (1997), S. 221 ff., ermittelten unterschiedlichen Strafmaßkonzentrationen. So lagen beispielsweise über zwei Drittel der in Fällen des Bankrotts nach § 283 StGB verhängten Strafen über 30 Tagessätzen, während über zwei Drittel der wegen Diebstahls verhängten Strafen nicht über 30 Tagessätze hinausgingen. Vgl. auch S. 96 ff. und Götting (1998), S. 542, zu den Unterschieden in der Strafartenverteilung bei übereinstimmenden Strafrahmen. 69 Eine weitere Differenenzierung nach Gerichtsbezirken, deren Nichtberücksichtigung Staechlin, S. 180, als für die praktische Argumentationshilfe nachteilig bedauert, dürfte dem Ziel der Regelstrafenbestimmung kaum dienen, denn der Begriff der Regelstrafe erfordert ja gerade als Argumentationshilfe eine möglichst umfassende Bewertungsgrundlage. Regionale Unterschiede wären dabei eher geeignet, den Regelcharakter insoweit zu negieren, es sei denn, man könnte belegen, daß diese, wie Götting (1997), S. 219, 233, vermutet, begründet wären. Stattdessen dürften sie aber nach der Zielsetzung der Untersuchung, einen Zusammenhang zwischen gesetzlichem Strafrahmen und Strafzumessungspraxis herzustellen, als Form der Unschärfe der Zusammenhänge akzeptiert werden müssen. 70 Götting (1997), S. 215. 66

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matisierte Frage, ob es zur Strukturierung des Strafrahmens dann überhaupt des so verstandenen Regelfallbegriffs bedarf. Insgesamt bliebe damit als Substrat des Regelfalles nur noch ein allgemeines von den zugrundeliegenden Tatbildern unabhängiges Strafmaßdatum übrig. Weiter konkretisieren ließe sich dieses Strafmaßdatum selbstverständlich durch Bildung einer deliktsspezifischen arithmetischen Durchschnittsstrafe anhand der Strafverfolgungsstatistik, doch damit würde die Tatbestandsseite nur noch weiter verdunkelt.72 Im Ergebnis bestätigen freilich beide Untersuchungen die schon auf allgemeiner praktischer Erfahrung beruhende Erwartung, daß die Einordnung der Mehrzahl der Fälle in das untere Strafrahmendrittel tatsächlicher Praxis entspricht73. cc) Zwischenergebnis: Bloße Schwereverteilung als Substrat beider Fallbegriffe Selbst wenn man dementsprechend, etwa auch mit Bruns74, dem Regelfall die lediglich vage Bedeutung beimißt, daß der Tatrichter seine eigenen Erfahrungen zu Rate ziehen und eine Straftat, die ihrem Unrechts- und Schuldgehalt nach zur Tatbestandsgruppe der üblichen bei ihm vorkommenden Fälle ohne besondere Erschwernisse gehört, etwa im unteren Drittel des Strafrahmens einstufen darf, stellt sich unabhängig von der wohl über die Unschärfe der Rechtsfolge auszugleichenden, ansonsten aber eher bedenklichen Subjektivität einer solchen insgesamt wenig konkreten Interpretation des Regelfallbegriffs die Frage, ob sich diese Rechtsfolge über die Faktizität hinaus begründen läßt. In noch verschärfter Form gilt dies dann, wenn man eine derartige Rechtsfolge mit der Rechtsprechung, die sich durchaus ebenfalls auf diese Bedeutung reduzieren läßt75, für zwingend hält. Das bereits genannte Argument der Rechtsprechung für ein Regelstrafmaß unterhalb der Mitte des Strafrahmens – die Mehrzahl der Straftaten erreiche schon wegen der weiten Fassung der gesetzlichen Tatbestände einen nur verhältnismäßig geringen Schweregrad – erscheint zwar auf den ersten Blick plausibel. Die Weite der Tatbestände sagt jedoch als solche noch nichts über die Verteilung der verschiedenen Tatbestandsverwirklichungen aus. Vielmehr wird hier, wie die Formulierung des verhältnismäßig geringen Schweregrades erkennen läßt, lediglich eine bestimmte Schwereverteilung festgestellt, die bei zusätzlicher Annahme entsprechender Eignung und Struktur des Strafrahmens in die Rechtsfolgenseite eingespiegelt wird76. Bei genauerer Be71

Götting (1997), S. 234. Frisch (1987), S. 791 f. 73 Götting (1997), S. 225; Albrecht (1994), S. 278. 74 Bruns, Neues Strafzumessungsrecht, S. 64, 68 ff.; s. auch dens., JZ 1988, S. 1053 ff. 75 In diesem Sinne Hettinger (1982), S. 144; Montenbruck (1983), S. 30 f., 37. 72

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trachtung stellt sich deshalb unabhängig von der bereits geäußerten Kritik an den letztgenannten Punkten die Frage nach einer Begründung dieser Schwereverteilung. Es scheint sich zumindest um einen Erfahrungswert zu handeln, daß weniger gewichtige Deliktsverwirklichungen häufiger sind als besonders gewichtige.77 Dieser Erfahrungswert beinhaltet jedoch bereits einen bestimmten Schweremaßstab, denn grundsätzlich wäre es ja auch denkbar, daß sich die selben Tatbestandsverwirklichungen anders, z. B. gleichmäßig in eine entsprechend definierte Schwereskala verteilten (mit der Folge, daß dann der Regelfall zugleich den gedanklichen Durchschnittsfall bildete). Die Plausibilität der Begründung des BGH und die auf den ersten Blick einleuchtende Identifizierung der Verteilung als Erfahrungswert zeigen aber schon, daß der zugrundegelegte Schweremaßstab auf einer zumindest intersubjektiv übereinstimmenden relationalen Schuldquantifizierung basiert. Speziell für die hier vorgenommene Grobeinteilung – der Regelfall sei weniger gewichtig als der Durchschnittsfall – könnten aber auch schon gewisse Schwerekriterien selbst sprechen, etwa eine niedrigere zu überwindende Hemmschwelle oder ein höheres Maß an Veranlassung oder Gelegenheit bezüglich der Mehrzahl der deshalb weniger gewichtigen Tatbestandsverwirklichungen. Bei dieser Schwereverteilung handelt es sich deshalb möglicherweise nicht um einen bloßen Erfahrungswert oder um eine für den Menschen typische Verhaltensverteilung78, vielmehr könnte sie in den Schwerekriterien selbst schon mit angelegt sein. Anhand des Schweremaßstabs ließe sich dann nicht nur eine bestimmte Verteilung ermitteln, sondern umgekehrt wäre dann die Verteilung, die Häufigkeit oder Seltenheit bestimmter Verhaltenschwere, auch schon teilweise Konsequenz der Ausfüllung der Strafrahmen durch eine „Schwere“-skala, welche sich gerade über die Häufigkeit definieren würde. Allein die Entscheidung für eine kontinuierliche Schwereskala hätte dann schon eine Verteilung nach unten zur Folge. Für die Plausibilität der Einordnung des Regelfalles im Ergebnis, also dessen Verankerung im unteren Strafrahmendrittel sprechen unabhängig von dessen Verhältnis zum sog. Durchschnittsfall freilich auch nicht zuletzt die Untersuchungen zur gegenüber der Strafhöhe überproportional ansteigenden Strafschwere79, welche auch bereits bei einer gleichmäßigen Tatschwereverteilung eine Regelstrafe unterhalb der Strafrahmenmitte zur Folge hätte. 76 Vgl. zu der umstrittenen Frage des Zusammenhangs zwischen Tatschwere und Strafhöhe schon oben Anm. 41 sowie Freund (1999), S. 519 und Bergmann, S. 29. Aufgrund der dabei ohnehin allenfalls angenommenen Verschiebung des Schwerpunkts in Richtung Rahmenuntergrenze würde dies aber einer ebenfalls nach unten verschobenen Häufigkeitsverteilung der Strafen jedenfalls nicht widersprechen. 77 Vgl. Frisch, Maßstäbe, Anm. 25. 78 Nach Lampe, S. 239, folgt diese Schwereverteilung aus genotypischen Zentrierungstendenzen des menschlichen Organismus, welche die Möglichkeit zur Abweichung vom Normalverhalten statistisch begrenzen. 79 Vgl. oben Anm. 76 und Hörnle, S. 176 ff. m. w. N.

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Über diese denkbaren Verbindungslinien zwischen Schwerebegriffen und Schwereverteilung hinaus dürfte aber wiederum lediglich eine intersubjektiv empfundene Angemessenheit der Ergebnisse als Argument verbleiben, um eine solche Interpretation des Regelfalles in seiner Minimalbedeutung einer bloßen Schwereverteilung zu stützen. Und auch der Tatschwerebegriff selbst basiert letztlich auf einer entsprechenden Grundlage. Genau genommen handelt es sich somit beim Regelfall und dem davon abgegrenzten Durchschnittsfall eben nicht um Fälle im eigentlichen Sinne und schon gar nicht um konkrete Vergleichsfälle. Ausgedrückt werden mit diesen Begriffen zunächst lediglich Aussagen über die Schwereverteilung von Deliktsverwirklichungen, für die möglicherweise bereits Kriterien der Delikts- und Strafschwere selbst sprechen. Die darüber hinausgehende Diskussion um die Konkretisierung dieser Fallbegriffe zeigt aber deutlich, daß diese Aussagen zur Schwereverteilung für eine Systematisierung und Angleichung der Strafzumessung nicht ausreichen können, da sie allenfalls einen ersten noch sehr vagen Anhalt zur Einordnung weiterer Fälle in den Strafrahmen geben. Deshalb werden präzisere Leitlinien vermißt und anhand dieser Fallbegriffe konstruiert, welche sich letztlich aber immer auf eine intersubjektiv nachvollziehbare Angemessenheitsbetrachtung stützen müssen. Immerhin demonstrieren diese Fallbegriffe aber den dringenden Bedarf an Fallvergleichen auf der Basis intersubjektiver Wertung, ohne die eine Systematisierung auf der Rechtsfolgenseite eben offensichtlich nicht möglich zu sein scheint. b) Fallvergleich auf Tatbestandsbasis: Normalfall und Regeltatbild aa) Einordnung und Bedeutung dieser Fallbegriffe Auf einer ganz anderen Ebene80 bewegt sich die Diskussion um Fallbegriffe, welche mit der Bewertungsrichtung einzelner Strafzumessungstatsachen in Zusammenhang stehen und teilweise auch als Anknüpfungspunkt für das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB herangezogen werden. Während die Überlegungen zum Durchschnitts- und zum Regelfall die Ausfüllung des jeweiligen Strafrahmens durch die Gesamtheit denkbarer oder tatsächlich vorkommender Fälle im Blick haben und anhand der dabei abstrakt ermittelten Streuung innerhalb des Strafrahmens eine Stufenfolge schaffen sollen, in die die konkrete Tat letztlich eingegliedert wird, muß bereits zuvor eine Feststellung und Bewertung von Kriterien erfolgen, anhand derer diese Eingliederung erst vorgenommen werden kann. Gegenüber der Einordnung in den Strafrahmen handelt es sich dabei folglich um eine Vorfrage innerhalb des Strafzumessungsvorgangs, der nach überwiegender Ansicht81 in fünf Schritten82 verlaufen soll: Nach der 80 Bruns, JZ 1988, S. 1055 f. Vgl. auch die deutliche räumliche Trennung der Problemkreise bei dems., Recht der Strafzumessung.

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Ausrichtung an den gesetzlichen Strafzwecken (1) folge die Ermittlung der relevanten Strafzumessungstatsachen (2), welche nach Feststellung ihrer Bewertungsrichtung (3) gegeneinander abgewogen (4) und schließlich als relative Gesamtgröße in eine Strafe aus dem Strafrahmen umgewertet werden (5). Von den an dieser Stelle bedeutsamen letzten drei Schritten, welche die nach der auf Spendel zurückgehenden Dreiteilung83 der Strafzumessungsgründe als logische Gründe bezeichneten Strafzumessungserwägungen verfahrensmäßig weiter untergliedern, verlangt schon der erste – die Feststellung der Bewertungsrichtung – dem Wortlaut nach einen Vergleich mit einem feststehenden Maßstab auf Tatbestandsseite. Als derartiger Bezugspunkt käme grundsätzlich jeder phänomenologisch klar umschriebene Fall in Betracht, auf den man sich zuvor freilich geeinigt haben müßte. Damit scheiden aber schon dynamische Fälle, die sich allenfalls rückwirkend und dann auch kaum exakt bestimmen lassen, insoweit aus – etwa der Regelfall84, dessen deliktseinheitlich qualitative Bestimmbarkeit im übrigen, wie bereits ausgeführt, sehr zweifelhaft erscheint. Als Bezugspunkt ebenfalls völlig ungeeignet sind qualitativ unbekannte Fälle, wie, jedenfalls derzeit noch, der Durchschnittsfall. Bei näherer Betrachtung zeigt sich auch sehr schnell, daß gar kein Anlaß besteht, hier einen vollständig gesetzesfremden Vergleichsfall einzuführen, vielmehr das Gesetz in Teilen schon Bezugspunkte vorsieht, die bei der Festlegung der Bewertungsrichtung beachtet werden sollten und durch die auch entsprechende Wertungen der Allgemeinheit zum Ausdruck kommen. Umgekehrt würde es sogar den gesetzlichen Wertungen widersprechen85 und ließe sich auch der Öffentlichkeit kaum verständlich machen, wenn etwa entgegen der Zielrichtung des § 21 StGB im seelischen Befinden des Täters liegende Umstände, welche die vollumfängliche oder gar die in geringem Maße verminderte Schuldfähigkeit des Täters belegen, deshalb strafschärfend wirken sollten, weil ein Bezugspunkt etwas deutlicher im Bereich verminderter Schuldfähigkeit 81 Vgl. nur Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 6; Tröndle/Fischer, § 46 Rn. 13 m. w. N. Ausführlich zu den verschiedenen Modellen des Strafzumessungsvorgangs Montenbruck (1989), S. 18 ff.; Fahl (1996), S. 100 ff.; kritisch gegenüber der Schematik und Abgrenzbarkeit insbesondere der letzten drei Schritte Frisch (1989), S. 374; ders., Maßstäbe, S. 169 ff.; Freund (1999), S. 524 ff. 82 Günther (1989) ergänzt den Strafzumessungsvorgang noch durch 3 weitere Schritte: die Strafrahmenwahl, Strafzumessungsfolgeentscheidungen und deren Rückwirkung auf die Strafzumessung im engeren Sinne. 83 Spendel (1954), S. 191 ff., unterscheidet zwischen finalen, realen und logischen Strafzumessungsgründen, wobei die finalen Gründe den im ersten Schritt des Strafzumessungsvorgangs zu berücksichtigenden Strafzwecken und die realen den im zweiten Schritt zu ermittelnden Strafzumessungstatsachen entsprechen. 84 Frisch (1989), S. 353; so aber etwa Horn (1986); LK-Gribbohm, § 46 Rn. 62: „tatsächlich vorkommender Durchschnittsfall“. Generell gegen einen irgendwie gearteten Durchschnittswert als Ausgangspunkt für die Bewertungsrichtung Foth (1985). 85 Vgl. Frisch (1989), S. 360 mit zahlreichen weiteren Beispielen auf S. 356 ff.

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gewählt wurde oder gar durchschnittliche bzw. regelmäßig vorkommende Ausprägungen der den Grad der Schuldfähigkeit begründenden Umstände des jeweiligen Delikts zur vergleichenden Bewertung herangezogen würden. Regelmäßig ist nämlich auch eine vor dem gesetzlichen Hintergrund nachvollziehbare Strafmaßbegründung Grundlage der Strafzweckerfüllung.86 Damit sind freilich auch die ebenfalls unscharfen schwersten oder leichtesten Deliktsverwirklichungen, die dann nur noch entweder Strafschärfungs- oder Strafmilderungsgründe kennen würden, als Bezugspunkt ungeeignet.87 Wendet man sich deshalb einem oder genauer gesagt bei den verschiedenen normativen Kategorien den verschiedenen Bezugspunkten zu, die sich als plausible Ausgangswerte dem Gesetz entnehmen lassen, so stellt sich die Frage, ob dennoch ein phänomenologisch konsistenter Vergleichsfall bzw. eine phänomenologisch konsistente Vergleichsfallgruppe als Ergebnis normativer Bewertungen existiert, ob das Gesetz also trotz der verschiedenen normativen Ebenen bezüglich einzelner Strafzumessungstatsachen einheitliche und damit insgesamt phänomenologisch reale Bezugspunkte annimmt, die bei den einzelnen Delikten zu einer theoretisch denkbaren Fallgruppe führen, in der weder Strafschärfungsnoch Strafmilderungsgründe gegeben sind. Für diese Überlegung ist zunächst deutlich zwischen der Frage der Bewertungsrichtung und dem phänomenologischen Bezugspunkt der Bewertung zu trennen. Zunächst ist kaum zu bestreiten, daß, wie Frisch ausführlich dargelegt hat88, die Bewertungsrichtung ein und derselben Strafzumessungstatsache je nach normativem Blickwinkel unterschiedlich ausfallen kann89. Dies ist die einzig mögliche Antwort auf den in den achtziger Jahren in Rechtsprechung und Literatur entbrannten Streit, ob das Nichtvorliegen von Strafschärfungsgründen strafmildernd bzw. das Nichtvorliegen von Strafmilderungsgründen strafschärfend wirken kann. Hinsichtlich der 86 Vgl. zur Normenstabilisierung in der Bevölkerung Frisch (1989), S. 348. Auch nach BGH StV 2001, 232 (zum freilich anders gelagerten Fall der Verhängung gleicher Strafe nach Urteilsaufhebung trotz niedrigeren Strafrahmens) darf bei einem verständigen Angeklagten nicht „der Eindruck entstehen, daß die Strafe nicht nach vom Gesetz vorgesehenen oder sonst allgemein gültigen objektiven Wertmaßstäben bestimmt wurde“. Andernfalls könne „die spezialpräventive Wirkung der Verurteilung in Frage gestellt sein“. 87 Frisch (1989), S. 348 f.; Streng, NStZ 1989, S. 396; LK-Gribbohm, § 46 Rn. 61; Albrecht (1994), S. 112; Fahl (1996), S. 119 ff.; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 21. 88 Vgl. auch zu den im folgenden genannten Beispielen eingehend Frisch (1989), S. 353 ff. 89 Ein Verbot widersprüchlicher Bewertung derselben Strafzumessungstatsache, so LK-Gribbohm, § 46 Rn. 64 und BGH bei Dallinger, MDR 1972, S. 750; bei Holtz, 1978, S. 459; StV 1986, 101; 1987, 62; NStZ 1987, 405, 406, kann daher nur bezogen auf denselben normativen Blickwinkel gelten. Auch die Rechtsprechung hat mittlerweile (wieder) erkannt, daß sich aus ein und demselben Umstand sowohl strafschärfende als auch strafmildernde Wirkungen ergeben können; vgl. BGH NJW 1995, 1038; dazu noch unten bb).

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damals dem Großen Senat für Strafsachen des BGH vorgelegten Frage, ob der Umstand, daß der Angeklagte nicht in Geldnot war oder daß er es bei seinen Verdienstmöglichkeiten (absolut) nicht nötig hatte zu stehlen, strafschärfend gewertet werden darf90, ist demnach zu differenzieren: Wirtschaftliche Not ist bei der Begehung von Vermögensdelikten zwar entsprechend der grundsätzlichen gesetzlichen Einstufung von Notlagen als Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe diesbezüglich als Milderungsgrund anzusehen und eine Strafschärfung bei deren Nichtvorliegen in diesem Zusammenhang aus dem Gesetz nicht zu begründen91. Neben einem derartigen deliktsübergreifenden Grundsatz, läßt sich bezüglich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters aber auch eine tatbestandsspezifische Aussage zur Bewertung treffen. Umstände, die bei oder im Falle der Deliktsverwirklichung so typisch und mitgegeben sind, daß sie adäquaterweise als stillschweigende Basisannahmen der Bewertung fungieren, können sinnvollerweise nicht mehr neben den wirklich individuellen Umständen als den Einzelfall charakterisierend und seine Bewertung erklärend herangezogen werden92. Zu diesen als Regeltatbild93 bezeichneten Umständen gehört im Falle des Diebstahls eine gewisse Spannungslage insofern, als sich der Täter typischerweise Gegenstände verschafft, die er sich legal entweder überhaupt nicht oder nur unter erheblichen Einschränkungen in anderen Bereichen verschaffen kann, welche er aber nicht hinnehmen will.94 In der von diesem tatbestandsspezifischen Ausgangspunkt abweichenden Situation, daß der Täter sich die gestohlenen Gegenstände jederzeit auch mit Hilfe seines eigenen Vermögens und ohne nennenswerte Einschränkungen verschaffen hätte können, ist dessen Motivation eindeutig weniger nachvollziehbar. Seine Tatvermeidemacht war gegenüber dem Regeltatbild deutlich weniger eingeschränkt, was die Rechtsverletzung sinnloser und damit verwerflicher und strafbedürftiger erscheinen läßt95. Insoweit kann das Vorliegen ordentlicher Vermögensverhältnisse durchaus auch strafschärfend gewertet werden. Derartige Doppelrelevanzen bestehen freilich 90

BGHSt 34, 345 ff., 347. Frisch (1989), S. 366. 92 Frisch (1989), S. 361 ff. 93 Dieser insbesondere und eigentlich nicht ganz zutreffend (vgl. unten Anm. 97 und den zugehörigen Text) im Zusammenhang mit dem Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB diskutierte Begriff wird bereits in BGH bei Holtz, MDR 1978, S. 985 ausdrücklich erwähnt. Die Heranziehung des Regeltatbildes als Anknüpfungspunkt für die Bewertungsrichtung von Strafzumessungstatsachen befürworten auch Albrecht (1994), S. 112 f.; Hettinger (1987), S. 147 ff.; Fahl (1996), S. 232 f.; ders. (1999), S. 169. Nach Bruns, JZ 1988, S. 1056, soll dagegen „das Denkmodell des sogenannten Regeltatbildes“ mit der Gewichtung von Strafzumessungsumständen nichts zu tun haben. Wenn man aber sogar dessen Relevanz für die Tragweite des Doppelverwertungsverbots bejaht (S. 1057 f.), liegt es sehr nahe, einen entsprechenden Zusammenhang über die Frage der Gewichtung der Abweichungen vom Regeltatbild herzustellen. 94 Frisch (1989), S. 367. 95 Frisch (1989), S. 367 f. 91

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unabhängig von der Frage negativer Formulierbarkeit. So kann etwa das durch Vorstrafen gekennzeichnete Vorleben des Täters einerseits im Sinne einer durch Wiederholung erwiesenen besonders negativen Einstellung des Täters gegenüber der Rechtsordnung insoweit strafschärfend, andererseits wiederum unter dem Aspekt der Tatvermeidemacht als Beleg für entsprechende Defizite strafmildernd zu berücksichtigen sein.96 Die Feststellung unterschiedlich möglicher Bewertungsrichtungen einzelner Strafzumessungstatsachen sagt aber noch nichts darüber aus, ob das Gesetz auch eine phänomenologisch konsistente Ausgangsfallgruppe kennt oder nicht. Bei solchen Doppel- oder gar Mehrfachrelevanzen muß sich aus jedem in Betracht kommenden normativen Blickwinkel neben der Bewertungsrichtung einer bestimmten Strafzumessungstatsache auch die Bestimmung einer vergleichbaren phänomenologischen Ausgangsausprägung des der zu bewertenden Strafzumessungstatsache zugrundeliegenden Merkmals ergeben, welche vor dem entsprechenden normativen Hintergrund als neutral anzusehen ist, also etwa die gedankliche Feststellung des Nichtvorliegens seelischer Störungen als in § 21 StGB erkennbarer phänomenologischer Ausgangspunkt des Gesetzes für die Bewertung auch geringfügiger seelischer Störungen mit Blick auf die Schuldfähigkeit des Täters. Diese unabhängig von der Bewertungsrichtung bestehenden Ausgangspunkte können je nach zugrundeliegendem Merkmal an unterschiedlicher Stelle zwischen den Extremwerten liegen. Um eine phänomenologisch denkbare Ausgangsfallgruppe bilden zu können, dürfen sie sich aber nicht gegenseitig widersprechen. Es dürfte also etwa eine gewisse Alkoholisierung des Täters nicht auf der Ebene des Handlungsunrechts als Neutralfall anzusehen sein und zugleich auf Schuldebene vollständige Nüchternheit als normative Ausgangslage angenommen werden. Als Argument für eine solche einheitliche Fallgruppe könnte man zunächst erwägen, daß ein divergierender phänomenologischer Ausgangspunkt des Gesetzes bezüglich ein und derselben Strafzumessungstatsache generell mit dem Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB unvereinbar sei, eine von einem normativen Ausgangspunkt abweichende Merkmalsausprägung also nicht zugleich auf anderer Ebene dem normativen Standpunkt entsprechen dürfe. Diese Überlegung würde aber verkennen, daß das normierte Doppelverwertungsverbot ausdrücklich lediglich Tatbestandsmerkmale erfaßt, zu denen bestimmte Ausprägungen von Aspekten des Regeltatbildes, bei deren Nichtvorliegen der Tatbestand dennoch erfüllt ist, eindeutig nicht gehören können97. Zu einem umfassenden Ausschluß divergierender normativer Ausgangspunkte zwingt demnach das Doppelverwertungsverbot

96

Frisch (1989), S. 359. So auch Timpe, S. 57 f.; Lackner/Kühl, § 46 Rn. 45; Fahl (1996), S. 96 ff. und die dort als 2. Samenergußurteil bezeichnete Entscheidung des 1. Senats des BGH (St 37, 153 ff.). Vgl. für die abweichende Ansicht, welche zumindest vor dieser Entscheidung auch überwog, Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 132 ff.; Hettinger (1982), S. 153 ff.; BGH StV 1994, 306; 1998, 656. 97

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alleine noch nicht. Es ist aber dennoch schwerlich vorstellbar, daß die normative Erwartung gegenüber einem Täter eine uneinheitliche sei. Zwar handelt es sich bereits bei jeder Deliktsverwirklichung um eine Abweichung von der grundsätzlichen normativen und selbstverständlich in phänomenologisch konsistente Verhaltensweisen umsetzbaren Erwartung gegenüber dem Täter, strafbare Handlungen zu unterlassen. Auch von dem Abweichenden kann das Gesetz als Ausgangspunkt aber kaum erwarten, etwa zugleich einerseits nüchtern und andererseits alkoholisiert oder sonst toxisch beeinträchtigt zu sein. Das Gesetz dürfte vielmehr bestimmte realistische von der Norm abweichende bzw. dem Wortlaut eigentlich entsprechende zentrale Verhaltensweisen im Blick haben, derentwegen bestraft werden soll, und nicht nur einzelne Verhaltensaspekte. Auch lassen sich bei den genannten Beispielen für Doppelrelevanz gemeinsame Nullstellen durchaus finden. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Diebes geht das Gesetz in beiderlei Hinsicht von einer Situation aus, die zwar keine Notlage darstellt, es dem Täter aber auch nicht ermöglicht, das Diebesgut ohne nennenswerte Einschränkungen legal zu erwerben. Was das Vorleben des Täters angeht, ist der gesetzliche Ausgangspunkt eben das Fehlen von Vorstrafen, auch wenn diese je nach normativer Sicht schärfend oder auch mildernd wirken könnten. Schwieriger zu begründen ist ein einheitlicher normativer Ausgangspunkt etwa in bezug auf die toxisch bedingten Defizite des Täters bei Trunkenheit im Verkehr. § 316 StGB geht für das Handlungsunrecht eindeutig von einer Intoxikation des Täters aus, während sich, wie oben bereits bemerkt, aus deliktsübergreifenden Grundsätzen die volle Schuldfähigkeit des Täters als normativer Ausgangspunkt ergibt. Insoweit ist aber zunächst festzustellen, daß es innerhalb der Tatbestandsmerkmale, wie Frisch eingehend dargelegt hat98, gar keine Bewertungsrichtung und damit auch keinen entsprechenden normativen Ausgangspunkt gibt, sondern auf dieser Ebene zunächst die Basis für die Einbeziehung der weiteren Umstände in die Strafzumessung gelegt werden muß. Dennoch könnte es zu einem Widerspruch kommen, der jedoch zugunsten der Tatbestandsebene aufzulösen ist. Wenn, wie hier, eine bestimmte Bandbreite von Merkmalsausprägungen schon für die Frage nach dem Ob der Strafbarkeit vorauszusetzen ist, dann kann dabei sinnvollerweise den Mindestvoraussetzungen keine Bewertungsrichtung mehr beigegeben werden, womit außerhalb dieser Bandbreite liegende Ausprägungen als normative Ausgangspunkte für die Bemessung der Strafe ausscheiden. Man stelle sich nur im Falle des § 316 vor, man würde bei denkbar schwächster Ausprägung der Tatbestandsmerkmale bei der Abwägung gegenüber einem Strafschärfungsgrund strafmildernd ins Feld führen, der Täter sei aber aufgrund der (tatbestandlichen Mindest-)Alkoholbelastung in seiner Schuldfähigkeit deutlich beeinträchtigt gewesen. Dieser Ausschluß einer doppelten Bedeutung von Tatbe98

Frisch (1989), S. 369 ff.

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standsmerkmalen hat auch im Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB seinen Niederschlag gefunden und ist nicht erst dessen Folge. Und auch für Elemente des Regeltatbildes dürfte kaum etwas anderes gelten. Diesen dürfte auf nachfolgender normativer Ebene ebenfalls keine Bewertungsrichtung beigegeben werden können, wenn sie bereits als Basisannahmen der Bewertung fungieren. Insgesamt dürfte deshalb wohl auf nachfolgender normativer Ebene der Ausgangspunkt der Bewertung einer bestimmten Merkmalsausprägung zumindest bis zur nächstliegenden bereits zuvor zugrundegelegten Grenze zu verschieben sein, also etwa für den Ausgangspunkt hinsichtlich der Intoxikation bei § 316 StGB auf der Ebene der Schuld nicht bei der vollständigen Nüchternheit sondern an der Untergrenze der Tatbestandserfüllung liegen. Es scheint also eine phänomenologisch bestimmbare Ausgangsfallgruppe zu geben, die auch den Ausgangspunkt der Bewertungsrichtung(en) einzelner Strafzumessungstatsachen bildet. Deren Bestimmung auf normativer Basis führt jedoch nicht zu einem Normalfall99 etwa im Sinne einer Fallkonstellation, in der die bei einem Delikt bedeutsamen Strafzumessungsumstände in weder nach der einen noch nach der anderen Seite als besonders auffällig empfundener Ausprägung vorkommen. Diese Ausgangsfallgruppe ist vielmehr, gerade was die nicht vorhandene Festlegung in bezug auf die Tatbestandsmerkmale angeht, dermaßen vielfältig, daß insbesondere eine Zuordnung einer bestimmten Strafgröße oder eines engen Strafrahmens auf der Rechtsfolgenseite schon deshalb ausscheiden muß100. Eine weitere Konkretisierung dieser Fallgruppe ist für diese Stufe des Strafzumessungsvorgangs auch gar nicht unbedingt erforderlich101. Derartige Präzision würde sich im Strafzumessungsergebnis ohnehin nur dann unmittelbar auswirken, wenn entweder nur Strafschärfungs- oder nur Strafmilderungsgründe vorlägen und auch in einem solchen Fall könnte zunächst eine endgültige Aussage nur über die Einordnung oberhalb oder unterhalb eines solchen Normalfalles in der Schwereskala getroffen werden. Alles weitere bliebe dennoch den weiteren Strafzumessungsschritten vorbehalten. Im übrigen kämen, 99 Einen normativen Normalfall gibt es auch nach der Rechtsprechung nicht; vgl. BGHSt 34, 351; 37, 156; zustimmend Bruns, JZ 1988, S. 1055; a. A. jedoch Theune (1985), S. 168, 205; ders., NStZ 1988, S. 174; Grasnick (1988), S. 157 ff.; ders. (1991), S. 933 ff.; Ahlers-Grzibek (2003). 100 Vgl. Fahl (1996), S. 235 f.; im übrigen würden die hinsichtlich der Rechtsfolgenseite gegenüber dem Regelfall geäußerten Bedenken freilich auch das Regeltatbild erfassen oder einen normativen Normalfall. 101 Schon die Frage, ob die Ausgangsausprägungen der Strafzumessungstatsachen einen phänomenologisch widerspruchsfreien oder einen eigentlich irrealen Fall ergeben, ist für den so konzipierten Strafzumessungsvorgang selbst ohne Bedeutung. Auch der Vergleich könnte ohne weiteres auf verschiedenen Ebenen mit unterschiedlichen Ausgangspunkten durchgeführt werden, soweit ein insofern uneinheitlicher Maßstab feststeht und einheitlich angewendet wird. Interessant sind diese Überlegungen nur im vorliegenden Zusammenhang für die Annahme, daß auch hinter dem Strafzumessungsvorgang ein Vergleich mit phänomenologisch klar umrissenen Fallgruppen steckt.

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wenn man eine weitere Konkretisierung vornehmen wollte, ergänzend nur wieder die Modelle des Durchschnitts- oder des Regelfalles in Betracht, welche auch in Form von subsidiären Kriterien denselben Bedenken begegnen würden wie als eigenständige Orientierungspunkte. Im Rückschluß liegt nun gerade bei einem phänomenologisch einheitlichen Ausgangspunkt hinsichtlich einzelner Strafzumessungstatsachen aber die Frage nahe, ob man nicht im Sinne einer Gesamtschau der normativen Bedeutung solcher phänomenologischer Umstände deren Bewertungsrichtung doch ebenfalls phänomenologisch bestimmen und damit jede Strafzumessungstatsache einzeln vergleichen könnte. Zwar muß sich selbstverständlich im Ergebnis bei jeder gedanklichen Abänderung eines Umstandes ein Strafmaß finden lassen und damit rückblickend auch eine Gesamtbewertung jeder einzelnen Strafzumessungstatsache im System enthalten sein, begründen läßt sich diese Bedeutung aber nur und gerade über die hinter ihr stehenden einzelnen normativen Wertungen. Eine solche isolierte und kaum aussagekräftige zusätzliche Gesamtbetrachtung der unterschiedlichen normativen Bedeutungen einzelner Strafzumessungstatsachen ließe aber nicht nur gegenüber der auch dafür zunächst erforderlichen normativ strukturierten Bewertung der Gesamtheit der Strafzumessungstatsachen weiteren Ertrag vermissen, es müßten in derartigen Feststellungen auch schon die unterschiedlichen Bedeutungen eines Strafzumessungsumstandes gegeneinander abgewogen werden, was eben der Sache nach nicht mehr bloße Feststellung der Bewertungsrichtung bedeutet, sondern als „Abwägung“ auch nach h. M. dem nächsten Schritt im Strafzumessungsvorgang vorbehalten ist. An dieser Stelle wäre es auch nicht mit einer vorgezogenen Teilabwägung getan. Es müßten hier bereits alle strafzumessungserheblichen Tatsachen einbezogen werden, da die Frage, ob ein auf der einen normativen Ebene strafschärfend und auf der anderen strafmildernd wirkender Umstand insgesamt strafschärfend oder strafmildernd wirkt, eine Aussage über den Umfang der verschiedenen Wirkungen voraussetzt, die sich wiederum nur unter Berücksichtigung sämtlicher in Betracht zu ziehender Umstände treffen läßt. bb) Rechtsprechung Die Rechtsprechung vertrat zur Bewertung von Strafzumessungstatsachen ursprünglich die klare Linie der auch überwiegenden Ansicht in der Literatur: Erst nach der in isolierter Betrachtung vorzunehmenden Bestimmung der Bewertungsrichtung aller relevanten phänomenologischen Umstände als entweder strafmildernd oder strafschärfend sollten diese gegeneinander abgewogen werden102.

102 Vgl. die Rechtsprechungsnachweise in Anm. 89; s. auch Tröndle/Fischer, § 49 Rn. 74.

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Die bereits angesprochene Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des BGH103, nach deren Leitsatz die Frage, ob der Umstand, daß der Angeklagte nicht in Geldnot war, strafschärfend gewertet werden darf, nur nach Lage des Einzelfalls beurteilt werden kann, scheint dies schon etwas relativiert zu haben. Zwar wird hier die nicht generell feststellbare Bewertungsrichtung eher auf das Fehlen einer Nullstelle im Sinne eines normativen Normalfalles und die Möglichkeit von Wechselwirkungen zu „anderen“ Umständen gestützt104, die vorgeschlagene Einzelfallbetrachtung allerdings kann hier keinesfalls das letzte Wort sein, denn als Bewertungsmaßstab kommt der zu bewertende Einzelfall zweifellos nicht in Betracht, da die Identität zwischen Maßstab und Meßobjekt eine „Bewertung“ oder, noch allgemeiner ausgedrückt, eine Strafzu„messung“ schlicht nicht ermöglicht105. Auch die vom BGH neben dem bereits oben genannten Zusammenhang mit der Motivation des Täters106 zur Stützung der Einzelfallbetrachtung genannten Beispiele107 für die unterschiedliche Bedeutung wirtschaftlicher Verhältnisse in der Strafzumessung überzeugen zwar nicht, da es sich dabei um anderweitige Umstände handelt, die nicht die Bewertungsrichtung betreffen108, sondern erst bei der Abwägung relevant werden109. Die Feststellung, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse „für die Strafzumessung in verschiedenster Hinsicht von Bedeutung“110 sein können, weist aber den richtigen Weg. Soll die propagierte Beurteilung der Strafzumessung nach Lage des Einzelfalles nicht eine generelle Absage an eine „Messung“ darstellen, so kann sie sinnvollerweise nur dahingehend verstanden werden, daß sich je nach Lage des Einzelfalls „unter dem Strich“ eine unterschiedliche Gesamtbewertungsrichtung einer einzelnen Strafzumessungstatsache ergeben kann, da sich das Ergebnis aus den verschiedenen Bedeutungen zusammensetzen muß. Allerdings würde es der hier vertretenen Ansicht, daß eine abschließende Bewertung von Strafzumessungstatsachen in dieser Phase des Strafzumessungsvorgangs gar nicht möglich sei, widersprechen, wenn der Vorgang der Feststellung einer so verstandenen Gesamtbewertungsrichtung nach Lage des Einzelfalles zu erfolgen hätte111. In den Urteilsgründen wird aber deutlich, daß der Leitsatz so nicht gemeint ist. Lediglich die Frage, „ob die Auffassung des Tatrichters, die von 103 BGHSt 34, 345 ff. m. Anm. Bruns (1987), S. 451 f. und Grasnick (1988), S. 157 ff.; s. auch oben aa). 104 BGHSt 34, 350 ff.; vgl. dazu die ausführliche Kritik von Frisch (1989), S. 340 ff. 105 Eingehend Frisch (1989), S. 342 ff. 106 BGHSt 34, 350, 351 f. 107 Wechselwirkungen mit den Verhältnissen des Opfers und dem vom Täter mit dem Vermögenserwerb verfolgten Zweck, die wirtschaftlichen Verhältnissen zur Zeit der Aburteilung und die Bedürfnisse Dritter, die auf den Täter angewiesen sind (BGHSt 34, 352). 108 Frisch (1989), S. 342 f. 109 Vgl. auch Grasnick (1988), S. 158. 110 BGHSt 34, 350.

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ihm im einzelnen Fall festgestellten wirtschaftlichen Verhältnisse seien zumessungserheblich und in bestimmter Weise zu bewerten, von Rechts wegen hinzunehmen oder zu beanstanden ist“, die revisionsgerichtliche Überprüfung also, soll sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles entscheiden.112 In einer neueren Entscheidung113 hat der 1. Senat des BGH die bisher vereinzelt gebliebene Rechtsprechung114 wieder aufgegriffen, wonach es nicht denkwidrig sei, „daß sich aus einem und demselben Umstand Strafmilderungs- und Strafschärfungsgründe ergeben“ und dies nicht nur bei der Bewertung desselben Umstands in verschiedenen Fällen oder vor dem Hintergrund verschiedener Strafzwecke. Im konkreten Fall ging es um die strafschärfende Berücksichtigung des Ausnützens der Naivität des Opfers einer sexuellen Nötigung und die gleichzeitige strafmildernde Berücksichtigung115, daß die Naivität des Opfers den Täter zu seinem strafbaren Tun bestimmt haben mag. Auch sei es nicht „geboten, zunächst die aus demselben Umstand ableitbaren strafmildernden und strafschärfenden Gesichtspunkte isoliert (also unabhängig von den übrigen Strafzumessungsgesichtspunkten) zu gewichten, um so zu bestimmen, ob sich dieser Umstand letztlich strafmildernd oder strafschärfend ausgewirkt hat“. Vielmehr seien „derartige Gesichtspunkte in die vom Tatrichter vorzunehmende Gesamtabwägung aller für die Strafzumessung wesentlicher Gesichtspunkte sowohl in ihrem strafschärfenden als auch in ihrem strafmildernden Gewicht ein-

111 So aber Tröndle/Fischer, § 46 Rn. 74, die aus dieser Entscheidung auch folgern, daß alles, was in die Abwägung als Zumessungsfaktor eingeht, vorher entweder als strafmildernd oder strafschärfend festgestellt sein muß. Ähnlich Bruns (1987), S. 452, der in seiner Urteilsanmerkung anführt, daß die Funktion der Waage erst dann sinnvoll praktiziert werden könne, wenn ihre beiden Schalen abschließend und richtig gefüllt seien und die Gewichtung und Abwägung i. S. des Fünf-Phasen-Modells nun mal verschiedene Stadien des gesamten Strafzumessungsvorgangs seien, dessen rechtssystematisch richtige Gliederung sich immer wieder als nützlich erweise. Dem ist entgegenzuhalten, daß sich die Gliederung gerade in dieser Entscheidung als wenig nützlich erweist, wenn vor der Abwägung keine abschließende Bewertung einzelner Strafzumessungstatsachen möglich ist, die strikte Aufspaltung (vgl. auch dens., Henkel-FS, S. 289: „deutlich trennbare Phasen“) des Strafzumessungvorgangs durch das 5-PhasenModell vielmehr möglicherweise die dadurch modellierte Realität verkennt. 112 BGHSt 34, 349. 113 BGH NJW 1995, 1038 m. Anm. Streng, StV 1995, und Joerden, der in der Entscheidung unzutreffend eine widersprüchliche Unterscheidung der Bewertungsrichtung danach sieht, ob der Täter erkannte, daß ihm die Tat leicht gemacht wurde, oder nicht. Tatsächlich geht es aber um die in diesem Sinne eindeutig widersprüchliche und auf anderer Ebene zu beantwortende Frage, ob das Erkennen der durch das Opfer erleichterten Tat ambivalent bewertet werden kann. 114 BGH VRS 56, 189 und das auch bei Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 245 zustimmend zitierte Urteil v. 5.9.1952 – 1 StR 418/52. Zu anders lautenden Entscheidungen vgl. die Nachw. oben Anm. 89. 115 Dazu kritisch Streng, StV 1995, S. 412 ff., der die Verwertung von Verführungseffekten bei Sexualdelikten zu Gunsten des Täters generell ablehnt, im Grundsatz aber der Möglichkeit ambivalenter Verwertung eines Tatumstandes zustimmt.

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zubeziehen“116. Dies entspricht im wesentlichen der hier vertretenen Auffassung, wonach nicht nur der Gesamteinfluß einer phänomenologisch bestimmten Strafzumessungstatsache auf das Strafmaß sondern auch bereits die abschließende Feststellung deren Bewertungsrichtung vor dem Abwägungsvorgang jedenfalls generell schon gar nicht möglich ist und es für die Feststellung der Bewertungsrichtung von Strafzumessungstatsachen in dieser Phase deshalb auf den jeweiligen – richtigerweise normativen – Blickwinkel ankommt. Erwartungsgemäß zeigen sich gerade in der Praxis die Probleme des im Sinne von Bruns streng unterteilt verstandenen Fünf-Phasen-Modells der Strafzumessung. c) Fazit Im Ergebnis kann also festgehalten werden, daß nicht nur der Strafzumessungsvorgang mit der Feststellung der Bewertungsrichtung von Strafzumessungstatsachen ein komparativ auszufüllendes Element enthält, sondern daß sich hinter der Bewertung der einzelnen Strafzumessungstatsachen auch phänomenologische Ausgangspunkte finden, welche zumindest eine in sich wohl konsistente Vergleichsfallgruppe bilden. Sollte die Behauptung eines phänomenologisch konsistenten normativen Ausgangspunkts nicht zutreffen, so würde es sich dabei eben um eine inkonsistente in sich widersprüchliche aber dennoch dem Vergleich zugängliche irreale Fallgruppe handeln. Damit läßt sich der Dogmatik, gemessen an den verschiedenen Auffassungen, die zu Bezugsfällen in der Strafzumessung vertreten werden, zwar nur ein Minimum an komparativer Vorgehensweise in bezug auf ganze Fälle entnehmen und insbesondere die Frage der Umwertung bleibt dabei offen, soweit sich nicht auch dafür normative Maßstäbe finden lassen. Erkennbar wird aber bereits hier, daß die allgemeine Kategorie des Fallvergleichs insbesondere auch im Strafzumessungsvorgang keinen Fremdkörper, sondern jedenfalls auf Tatbestandsseite die einzige Alternative zur Willkür darstellt.

III. Der Strafmaßvergleich als Element revisionsgerichtlicher Entscheidung Die Strafmaßrevision ist im vorliegenden Zusammenhang insbesondere insoweit von besonderer Bedeutung, als sie sich nicht zugleich auf die Zumessungsgründe sondern nur auf das Zumessungsergebnis bezieht. Da der Strafzumessungsdogmatik an sich nur sehr begrenzt Kriterien für den Vorgang der Umwertung von Tatschwere in Strafe entnommen werden können, ist eine erfolgreiche Revision hinsichtlich der Strafhöhe, abgesehen von Urteilen, die schon eindeu116

BGH NJW 1995, 1038.

III. Der Strafmaßvergleich

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tig den vagen Strafrahmenvorgaben widersprechen, nur bei Abweichung der zu überprüfenden Entscheidung von einem über die bereits diskutierten unmittelbar dem materiellen Strafrecht zu entnehmenden Strukturelemente hinausgehenden Maßstab denkbar117 und insofern zunächst auch nicht unbedenklich. 1. Rechtsprechung des Reichsgerichts Dennoch hatte schon das Reichsgericht, nachdem es, wie auch die überwiegende Lehre lange Zeit davon ausging, daß sich die Revision nicht auf die tatrichterliche Strafzumessung erstrecke118, während des 2. Weltkriegs begonnen, auch das Strafmaß – freilich meist zu Lasten des Angeklagten – ausdrücklich einer revisionsgerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen119. Auch wenn die entsprechenden Entscheidungen vor dem Hintergrund der politischen Verhältnisse zu sehen sind und deshalb nicht ohne weiteres verallgemeinert werden dürfen120, liegt hier der Beginn einer Entwicklung hin zur ausdrücklichen Einbeziehung fallübergreifender Vergleiche in die Strafzumessungspraxis. Neben der vielfach erkennbaren Motivation, die Strafen der rechtspolitischen Linie der Staatsführung anzupassen121, wird auch bei den zumindest in materiellrechtlicher Hinsicht weniger systemdominierten Entscheidungen122 ein Wandel in der Grundeinstellung zur Revisibilität der Strafzumessung und die methodische Umsetzung dieses Wandels deutlich. Die nunmehr in der Unangemessenheit der Strafe als solcher erkannten Rechtsfehler, welche außer in der Strafhöhe auch nicht in anderer Form zum Ausdruck zu kommen brauchten, wurden dabei zunächst meist mit Gerechtigkeits-123 oder Strafzweckerwägungen124 begründet. Zum eigentlichen Maßstab insbesondere für die Umwertung hielt man sich da117 Freilich kann ein solcher weitergehender Maßstab eigentlich kein revisionsspezifischer sein, wenn die nach § 337 StPO festzustellende Gesetzesverletzung bereits durch das angefochtene Urteil erfolgt sein muß. 118 Vgl. aus der Rspr. nur RGSt 8, 76 f.; 43, 297 f.; 70, 58, 62 und die weit. Nachw. bei Frisch (1971), S. 41 Anm. 193 und Detter (2000), S. 691 Anm. 111. Zusammenfassend Bruns, Strafzumessungsrecht (1974), S. 663 ff. 119 Vgl. RG HRR 1941 Nr. 527; St 76, 323; DR 1943, 754; 1944, 329 f.; s. dazu auch eingehend Frisch (1971), S. 41 ff. und Pauli (1992), S. 82 ff.; dens. (1993), S. 233. 120 Vgl. die eingehende Darstellung bei Pauli (1992), S. 82 ff. S. auch Detter (2000), S. 691 und die Ausführungen des Großen Senats des OLG Hessen HESt 2, 115, 116. 121 Die Mehrzahl der Fälle betraf die Nichtanwendung des § 1 des Gesetzes zur Änderung des RStGB vom 4.09.1941 (RGBl. I, 549), wonach gefährliche Gewohnheits- und Sittlichkeitsverbrecher zum Tode zu verurteilen waren, wenn der Schutz der Volksgemeinschaft oder das Bedürfnis nach gerechter Sühne es geboten; so z. B. RGSt 76, 91; 76, 313; 76, 323; RG DR 1942, 429; 43, 759. 122 Z. B. RG HRR 1941 Nr. 527; RG DR 1943, 754; 1944, 329 f. 123 RG DR 1944, 329, 330: „Bei der Nachprüfung des Strafausspruchs durch das RevG. muß der oberste Leitgedanke durch die Frage gegeben sein, ob die Strafe, die

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gegen regelmäßig eher bedeckt – wohl weil kein allgemeingültiger Maßstab wirklich zur Verfügung stand und man eben regelmäßig schlicht die Strafen verschärfen wollte. Teilweise hat das Reichsgericht jedoch auch nähere Angaben zur Frage nach diesem Maßstab gemacht – etwa mit dem freilich nicht unbedenklichen Hinweis auf das „Sittlichkeitsempfinden und das Gerechtigkeitsgefühl der ihres Volkstums bewußten Volksgemeinschaft im ganzen“125 oder auf das sogenannte „gesunde Volksempfinden“126 oder mit der in bezug auf den Zweck der Revision völlig unbefriedigenden aber mit Blick auf den tatsächlichen Maßstab wohl zumindest ehrlichen Erwägung, daß dem Revisionsgericht nicht zugemutet werden könne, „eine Strafzumessung unbeanstandet zu lassen, die nach seiner Überzeugung nicht in Einklang steht mit dem Zweck, den der Gesetzgeber mit der Strafandrohung verfolgt.“127 Der tatrichterliche Maßstab wurde hier schlicht durch den abweichenden subjektiven Maßstab des Senats ersetzt. In eine grundlegend andere Richtung weist aber bereits jene Entscheidung, welche 1940 den Ausgangspunkt dieses Wandels in der Rechtsprechung zur Strafzumessung bildete128. In dieser Entscheidung, die den Fall eines Eisenbahnbeamten, der fahrlässig ein Zugunglück mit 2 Toten und 82 Verletzten verursacht hatte und vom LG nur zu einer geringen Geldstrafe verurteilt worden war, zum Gegenstand hatte, führte das Reichsgericht als Argument für die Unangemessenheit der Strafe, die „sich nur mit einer Verkennung des Strafzwecks [der Sühne] erklären“ ließe, ergänzend die Diskrepanz zu anderen Verurteilungen in folgender Weise an: „Die gegen den Angekl. verhängte Strafe weicht auch, gemessen an den Besonderheiten des Falles, von den sonst bei fahrlässigen Transportgefährdungen mit ähnlichen Folgen verhängten Strafen völlig ab.“

Ein solcher hier sehr stark tatorientierter Strafhöhenvergleich konnte bei den politisch motivierten Entscheidungen, die die Anhebung des Strafniveaus bezweckten, und damit gerade nicht auf Anpassung an die bisherige Praxis gerichtet sein konnten, jedenfalls vorerst nicht zur Anwendung kommen. Daß diese Entscheidung dennoch, wenn auch nur beiläufig, bereits in den Anfängen dieses Rechtsprechungswandels auf einen solchen Maßstab eingeht, hebt sie von den auch inhaltlich vor dem politischen Hintergrund zu sehenden Strafmaßrevisionen eindeutig ab und läßt wohl die unbedenkliche Feststellung zu, daß der Strafmaßvergleich als Revisionsaspekt seine Wurzeln unzweifelhaft und ausdrücklich bereits in der Rechtsprechung des Reichsgerichts hat. Meines Erachder Tatrichter gefunden hat, in Anbetracht des von ihm festgestellten Sachverhalts gerecht ist.“ 124 RG DR 1943, 754: „völlig ungenügende Sühne“. 125 RG DR 1942, S. 429; RGSt 76, 91. 126 RG DR 1943, 754. 127 RGSt 76, 323, 325. 128 RG HRR 1941 Nr. 527.

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tens muß diese Rechtsprechung deshalb insoweit auch nicht aus den Entwicklungslinien hin zur heutigen Sichtweise ausgeblendet werden129. 2. Rechtsprechung in der Übergangsphase In der Rechtsprechung des OGH der Britischen Zone und der Oberlandesgerichte setzte sich die Praxis, auch die Angemessenheit der Strafe der Revisionskontrolle zu unterwerfen, nach 1945 fort. Allerdings wurde dies teilweise nur aufgrund des durch die Besatzungsmächte ergangenen Verbots der Verhängung grausamer oder übermäßig hoher Strafen130 für zulässig erachtet131 und war deshalb zunächst nur in der gegenüber der überwiegenden Rechtsprechung des Reichsgerichts umgekehrten Richtung, also hinsichtlich der Revisibilität des Strafübermaßes allgemein anerkannt132. Darüber, ob auch das Strafuntermaß hinsichtlich bloßer Angemessenheit der Strafhöhe revisibel sein sollte, herrschte Streit133. Im übrigen betonte die damalige Rechtsprechung regelmäßig, daß eine Strafe als solche nur dann rechtsfehlerhaft sei, wenn sie „ganz außergewöhnlich hoch und unter keinen Umständen mehr vertretbar“134 ist, oder „wenn sie unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des staatlichen Strafens in einem groben und unerträglichen Mißverhältnis steht zu Schuld und Gefährlichkeit von Täter und Tat“135. Die Revision vermöge daher „nicht etwa schon dann durchzugrei129 Noch umfassender beziehen Bruns, Strafzumessungsrecht (1974), S. 663 ff. (Ein Überblick über die Stellungnahme der Rechtslehre nach 1945 findet sich in der 1. Aufl., S. 592 ff.) und Frisch (1971), S. 42 f., Eingriffe der Rechtsprechung in die Strafzumessung während des 2. Weltkrieges in die Gesamtentwicklung ein. Vgl. auch die Hinweise auf Reichsgerichtsentscheidungen in späteren Entscheidungen der OLG Freiburg HESt 2, 112, 113, Bremen HESt 3, 62, 63 oder auch des BGH in NJW 1978, 174 f. Generell gegen Verallgemeinerung dieser späten Entscheidungen des Reichsgerichts Detter (2000), S. 691; vgl. auch die entsprechende Kritik an Bruns und Frisch bei Pauli (1992), S. 90 f. 130 Art. IV Nr. 8 MRG 1; Ziff. II 4 KRProkl. 3; Zff. 8a AAR 1; insoweit abgedruckt in BayOblG HESt 3, 63, 64; vgl. dazu Frisch (1971), S. 43 und Anm. 202 und Storz, S. 115 und Anm. 270. 131 So etwa OLG Hessen (Großer Senat) HESt 2, 115; OLG Koblenz HESt 2, 120, 121; OLG Oldenburg, NdsRpfl 1948, 71; Wimmer (1947/48), S. 317, der seine Ansicht allerdings später geändert hat; vgl. dens. (1950), S. 269. 132 Vgl. OLG Celle HannRpfl 1946, 136; OLG Oldenburg JBlOld 1947, 79; OLG Frankfurt SJZ 47, 558; NJW 1947/48, 150; KG JR 1948 165; OLG Stuttgart SJZ 1948, 775; BayOBlG HESt 3, 63 und die Nachw. in der vorherigen und nachf. Anm. 133 Bejahend OLG Hessen (Kasseler Senat) HESt 1, 198; OLG Freiburg HESt 2, 112, 114; OLG Gera, NJW 1947/48, 317; OLG Bremen HESt 3, 62; Dreher, SJZ 1947, Sp. 564; 1949, Sp. 768 ff.; Cüppers (1947/48), S. 26 f.; ablehnend dagegen OLG Köln HESt 1, 200, sowie die in Anm. 131 genannten Entscheidungen. Zusammenfassend Storz, S. 115 f. Der Streit erstreckte sich damals auch auf die für die Grenzen der Revisibilität nicht unerhebliche Frage, inwieweit Urteile Strafzumessungserwägungen enthalten müssen; s. dazu Kern, S. 30 f. Anm. 1. 134 OLG Stuttgart SJZ 1948, 775.

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fen, wenn die verhängte Strafe dem Revisionsgericht, das nur nach den Urteilsfeststellungen zu urteilen vermag, abgesehen von grausamer und überhoher Strafe, unangebracht hoch oder niedrig erschiene“136. Auch bei dieser restriktiven Handhabung137 blieb ein wirklicher Maßstab in der Rechtsprechung aber weiterhin meist ungenannt. Die Beschränkung auf Extremfälle machte einen genaueren Maßstab freilich auch nicht so dringend erforderlich. In dieser Beziehung ausreichend war wohl das Abstellen auf die dann ganz eindeutige Abweichung von allgemeinen oder auch von eigenen Angemessenheitsvorstellungen, wie sie als Kriterium etwa in der geforderten Feststellung, daß „schon ein Vergleich der vom Tatrichter für erwiesen erachteten Tatsachen mit dem Strafmaß auf den ersten Blick ersehen läßt, daß die Strafe grausam, unmenschlich oder augenscheinlich ungerecht ist“138, enthalten sein muß. Auf eine Förderung von Gleichmäßigkeit kam es augenscheinlich kaum an, wenn es „über die primäre Aufgabe des Revisionsgerichts, nämlich der Erhaltung der Rechtseinheit, hinausgehen [würde], wenn auf dem Gebiet der Strafzumessung eine Normung erstrebt würde in einer Zeit, in der die kriminalpolitischen Zwecke der Strafe noch immer nicht geklärt sind“139. Auch nach Wimmer, der als Richter am OGH in vielen Veröffentlichungen für die Revisibilität der Strafzumessung eingetreten war, durfte es sich bei der Revision bezüglich der Untergrenze „nicht um ein Mittel handeln, [um] eine gewisse Gleichmäßigkeit des Strafens zu sichern“140. Dagegen hat das OLG Bremen in einer Entscheidung zur Revisibilität auch des Strafuntermaßes ausdrücklich nicht nur auf den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG hingewiesen, sondern die Revisibilität der Strafzumessung unmittelbar auf diesen gestützt:141 „Anerkannter, für die Strafzumessung wesentlicher Grundsatz ist ferner der Grundsatz der Gleichheit, der auch in Art. 3 GG seinen Niederschlag gefunden hat. Seine Anwendung führt dazu [. . .], daß bei gleicher Schuld und gleichem Strafzumessungssachverhalt gleiche Strafe verhängt werden muß. [. . .] Aber auch für das Revisionsgericht ergibt sich die Richtlinie, die es erlaubt, offensichtlich starke Abweichungen als Rechtsfehler zu erkennen. Das ist der Vergleich mit anderen Taten derselben oder ähnlichen Art, sei es in dem gleichen, sei es auch in anderen Verfahren. Wenn die Umstände bzw. die Feststellungen des Tatrichters in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennen lassen, daß im Verhältnis zu anderen gleichartigen Tatbeständen eine offen ins Auge springende, sehr erhebliche Abweichung vorliegt, und wenn der Tatrichter dem bei Einreihung in den Strafrahmen nicht Rechnung 135

OGHSt 1, 172, 174. OGHSt 2, 144, 145. 137 Vgl. auch OLG Dresden NJW 1947/48, 315, 316. 138 OLG Koblenz HESt 2, 120, 122. 139 OLG Hessen (Großer Senat) HESt 2, 115, 118. S. dazu auch Dreher (1949), Sp. 769. 140 DRZ 1950, S. 269. 141 HESt 3, 62; vgl. auch OLG Bremen DAR 1953, 219. 136

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getragen hat, ist ein Rechtsfehler gegeben. Das muß in gleicher Weise für das Übermaß wie für das Untermaß der Strafe gelten.“

Damit blieb es zwar auch in dieser Entscheidung bei der restriktiven Handhabung der Strafmaßrevision, ausdrücklich wurde hier aber der Vergleich mit anderen Taten zum wesentlichen Maßstab für die Strafmaßrevision erklärt. Zwar dürfte dies wohl über die Begründungsebene hinaus zunächst kaum zu einer Veränderung geführt haben, denn die offen ins Auge springende sehr erhebliche Abweichung wird eben typischerweise bei der für den Richter oder auch nach den wie auch immer erfaßten Maßstäben der Allgemeinheit augenscheinlich ungerechten Strafe vorliegen. In diesem Maßstab steckte aber zumindest ein höheres Vereinheitlichungspotential, denn anhand eindeutiger Daten lassen sich Abweichungen auch schon dann als offensichtlich erheblich einstufen, wenn diese etwa von einem diffuseren allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden noch nicht in entsprechender Weise entfernt sind. In der Rechtsprechung zeichnete sich im Rahmen dieses Maßstabs auch bereits vor Gründung des BGH eine besondere Fallgruppe ab. Das OLG Köln hatte in einem Fall der Entwendung einer großen Menge Lebensmittelkarten, Raucherkarten und Reisemarken durch mehrere Beteiligte nach allgemeiner Feststellung, daß die für die verschiedenen Beteiligten durch die Strafkammer verhängten Strafen nicht unmenschlich hoch seien, unter dem Topos der individual-schuldgerechten Strafe auch das Verhältnis dieser Strafen zueinander überprüft:142 „Unmenschlich hoch sind die erkannten Strafen keineswegs [. . .]. Auch das Höchstmaß der individual-schuldgerechten Strafe ist in keinem Falle überschritten. Heinrich B. ist zwar rechtlich nur Gehilfe, aber ohne seine Hilfe ist die Tat nicht denkbar, weil er den Plan erfunden [. . .] hat. Da er das in voller Kenntnis der furchtbaren Folgen getan hat, trifft ihn die gleiche Strafe wie die Täter nicht ungerecht [. . .]. Daß Z die gleiche Strafe wie die übrigen Mittäter trägt, übersteigt gleichfalls nicht das gerechte Maß [. . .]. Daß den Wilhelm B., obwohl an der Ausführung der Tat selbst wichtig beteiligt, ein wesentlich geringeres Strafübel trifft, sowohl hinsichtlich der Freiheits- wie der Geldstrafe, ist gegenüber den anderen Angeklagten nicht ungerecht [. . .]. Schließlich hat Sch. wegen Begünstigung eine bemerkenswert hohe Strafe erhalten, deren Unverhältnismäßigkeit bei Vergleichung der für die verschiedenen Angeklagten maßgeblichen Strafrahmen besonders auffällt: Er hat die Hälfte der gesetzlichen Höchststrafe bekommen, während der für die anderen Täter ausgeworfene Höchststrafenbruchteil wesentlich geringer ist. Seine Freiheitsstrafe ist sogar höher als die des Mittäters Wilhelm B. Das ist nicht ungerecht [. . .]. Auf die geringere Bestrafung der Angeklagten P. und W. kann er sich nicht berufen, da ihre Schuld wesentlich leichter ist.“

Auch bei Ausblendung der Frage, ob der Gehilfe gegenüber dem Täter milder bestraft werden muß, als fallunabhängig und generell zu stellende Rechts142

OLG Köln HESt 1, 200, 204 f.

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frage, läßt doch jedenfalls die durch das Gericht hier hinsichtlich der weiteren Strafen vorgenommene Bewertung eindeutig als Prüfungskriterium erkennen, daß diese Strafen in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen müssen, wenngleich dieses Kriterium im konkreten Fall letztlich nicht entscheidungserheblich war. Ebenfalls um Lebensmittelkarten ging es bei einer Verurteilung wegen Wirtschaftsverbrechen und Urkundenfälschung, die das OLG Oldenburg143 zwar bestätigte, auf die Rüge der Revision, die Strafe sei zu hoch und im Verhältnis zur Bestrafung der anderen Angeklagten nicht gerecht, aber folgendes ausdrücklich ausführte: „Trotz einer individuellen Bemessung sollen die verhängten Strafen zueinander ausgewogen sein und trotz Würdigung der einzelnen Persönlichkeiten nach dem Maß ihrer Schuld zueinander in einem vertretbaren Verhältnis stehen. Das Gefühl der Gerechtigkeit verlangt eine gewisse Ebenmäßigkeit des Strafens, die das pflichtgemäße Ermessen des Tatrichters einengt.“

3. Rechtsprechung seit Gründung des BGH a) Die Fortentwicklung der allgemeinen Strafhöhenrevision In der Rechtsprechung des BGH waren dann von Anfang an alleine in der Strafhöhe begründete Rechtsfehler grundsätzlich anerkannt. Allerdings ist man zunächst über das Ausmaß der unmittelbar nach 1945 praktizierten revisionsgerichtlichen Überprüfung des Strafmaßes nicht hinausgegangen144. Die Strafhöhe wurde allenfalls dann zum Gegenstand ernsthafter Prüfung gemacht, wenn schon Sinn und Zweck der angewandten Vorschriften einen Rechtsfehler nahe legten, etwa wenn Strafen nahe der Strafrahmengrenze verhängt wurden, ohne daß die zugrundliegenden Umstände dies stützten145, oder wenn sich eine Gesamtstrafe bei einer großen Anzahl nahezu einheitlicher Einzelstrafen der Einsatzstrafe näherte146, und selbst in diesen Fällen wurde kaum in die tatrichterliche Bewertung eingegriffen147. Im übrigen beschränkte man sich regelmäßig auf die formelhafte Feststellung, daß die Strafzumessung nicht in einem unerträglichen Mißverhältnis zu der Schwere der Tat oder der Schuld des Täters stehen dürfe148, das 143

NdsRpfl 1950, 25. Krit. gegenüber damaligen Forderungen im Schrifttum nach einer „Richtigkeitsprüfung“ Schmid (1973), S. 395 ff. 145 BGHSt 1, 131, 136; 3, 110, 119; vgl. auch OLG Stuttgart MDR 1961, 343 (dazu schon oben Anm. 31); OLG Saarbrücken NJW 1969, 1782 f. 146 BGHSt 5, 57, 59; vgl. auch BGHSt 8, 205, 210 f. 147 In BGHSt 5, 57 wurde etwa eine aus 64 Einzelstrafen von je vier oder fünf Monaten gebildete Gesamtstrafe von nur 6 Monaten dennoch nicht aufgehoben, da Willkür ausgeschlossen werden konnte; krit. dazu auch Spendel (1954), S. 69 f. 148 So BGHSt 4, 66, 69 f.; vgl. auch BGH GA 1958, 241: „Eine Strafe ist Unrecht, wenn sie den Unrechtsgehalt der Tat offensichtlich übersteigt“. 144

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Revisionsgericht aber nicht zu überprüfen habe, ob die Strafe im Einzelfall angemessen sei149. Nach wenigen Jahren derartiger Stagnation150 wurde in den revisionsgerichtlichen Entscheidungen aber schon bald wieder ein Interesse an intensiverer Überprüfung der Strafzumessung erkennbar151. Zwar hat der BGH gegenüber dieser Tendenz mit der Aufrechterhaltung des schon vom Reichsgericht regelmäßig angeführten Arguments, die Strafzumessung liege im nur in begrenztem Umfang überprüfbaren Ermessen des Tatrichters152, deutlich eine wenngleich unscharfe Grenze gezogen und auch die schon früh in der Rechtsprechung anerkannte und von dem genannten Ermessensspielraum zu unterscheidende153 Spielraumtheorie154 scheint auf den ersten Blick eher gegen eine Steigerungsfähigkeit der Kontrolldichte in diesem Bereich zu sprechen. Zur eingehenderen Kontrolle der Strafhöhe kam es aber dennoch, allerdings vorerst überwiegend auf Umwegen.155 Zum einen wurde den Revisionsgerichten in jener Zeit wohl nicht ganz zu unrecht unterstellt, sonstige geringfügige Rechtsfehler nur als Vorwand zu nehmen, um das für unangemessen aber eigentlich irrevisibel gehaltene Strafmaß aufheben zu können.156 Zum anderen ging man wie in der im folgenden zitierten Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1954157 dazu über, statt der Strafhöhe als solche die nicht ausreichende158 oder man149

BGHSt 5, 283. Frisch (1971), S. 45 f.; s. auch Bruns (1956), S. 246. 151 Bruns, Strafzumessungsrecht (1974), S. 669 f.; Niese, S. 709. 152 So schon RGSt 7, 180, 181; 8, 76, 77; aus der frühen Rspr. des BGH vgl. St 5, 57; 6, 298, 300; eingehend zum Ermessen in diesem Kontext Frisch, S. 75 ff. m. w. N.; s. auch unten § 4 I. 3. b) bb). 153 LK-Gribbohm, § 46 Rn. 19 m. w. N. 154 Seit BGHSt 7, 28 ff.; 7, 86 ff. ständige Rechtsprechung; ausführlich zur Entstehungsgeschichte Bruns, Strafzumessungsrecht (1974), S. 264 ff.; s. auch unten § 4 I. 3. b) aa). 155 Eingehend Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 301 ff.; Grünwald, S. 713 ff.; Frisch (1971), S. 56 f. 156 Sarstedt, D 37. Zahlreiche Beispiele aus der Rechtsprechung finden sich bei Bruns, Strafzumessungsrecht (1974), S. 678 f.; s. auch dens., Henkel-FS, S. 299. 157 BGH MDR 1954, 495, 496; ähnlich bereits die kurz zuvor ergangene Entscheidung des OLG Köln, NJW 1954, 1053, welches die Verurteilung eines Mannes, der eine seiner Geliebten um 100 DM als angebliche Anzahlung für einen Wohnungsmakler betrogen hatte, mit folgenden Erwägungen aufhob: „Gemessen an den Feststellungen des Ber-Urt. überschreitet die von der Strafkammer aufrecht erhaltene Strafe von 5 Monaten Gefängnis das für vergleichbare Straffälle übliche Strafmaß beträchtlich [. . .]. Je auffälliger das Strafmaß ist, um so strenger sind die rechtlichen Anforderungen an die Begründung der Strafzumessung. [. . .] Der andere Mangel, an dem das Verfahren leiden könnte, wäre eine Verkennung der Aufklärungspflicht hinsichtlich der Strafzumessungstatsachen durch die StrK.“; vgl. auch BGH bei Dallinger, MDR 1967, S. 898; BGH GA 1974, 78; BGH bei Holtz, MDR 1978, S. 623. 158 Vgl. hierzu die Entscheidung BGH VRS 36, 356, 358, in der der BGH bemängelt, daß das Mitverschulden gemessen an den tatsächlichen Feststellungen im Strafmaß nicht ausreichend Berücksichtigung gefunden habe. S. auch BGH bei Dallinger, MDR 1969, S. 18. 150

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gelnde Berücksichtigung von konkreten oder auch nicht näher bezeichneten Tatumständen im Strafmaß als Rechtsfehler zu rügen: „Die Sühne [1 Jahr und 6 Monate Gefängnis für den Täter, 9 Monate für den Gehilfen] überschreitet nach der Erfahrung des Senats bei weitem den Rahmen der üblichen Tatvergeltung für eine einfache Körperverletzung. Das Urteil sagt selbst, die Tat habe keine allzu großen Folgen gehabt [. . .]. Bei Strafsachen mit typischen Taten und Tätern braucht sich der Tatrichter keiner langen Ausführungen zu befleißigen, um eine Strafe verständlich zu machen, die sich im herkömmlichen Rahmen hält. Eine eingehendere Begründung ist hingegen da vonnöten, wo die Strafe wesentlich schärfer ausfällt, als man sie bei dem festgestellten Unrechtsgehalt der Tat erfahrungsgemäß erwarten sollte. Der Tatrichter muß dann die Abweichung an den Besonderheiten des Falles verständlich machen.“

Die in dieser Entscheidung erfolgte Anknüpfung an die „übliche Tatvergeltung“ und den „herkömmlichen Rahmen“ weist eindeutig auf die schon vom RG159 und nach 1945 vom OLG Bremen160 als Kriterium zugrundegelegte Abweichung von Entscheidungen vergleichbarer Fälle aus der Vergangenheit hin. Ob dabei die Abweichung vom herkömmlichen Rahmen selbst gerügt wird, oder das Fehlen einer diese Abweichung tragenden Begründung, die, wie der BGH für den konkreten Fall selbst zu vermuten scheint, in den betroffenen Fällen in der Regel tatsächlich wohl gar nicht existiert, kann freilich im Ergebnis keinen Unterschied machen, denn der Vergleich mit der bisherigen Praxis bleibt das entscheidende Kriterium, gleichgültig ob man auf der Folgenebene die übliche Strafe für entsprechende Fälle betrachtet oder schon auf der Voraussetzungsebene typische Fälle, die mit entsprechenden Sanktionen belegt wurden, heranzieht. Ungeachtet der dogmatischen Haltbarkeit dieser Entscheidung im übrigen, zeigt die darin vorgenommene Verknüpfung des Umfangs der Begründungs- oder auch der Aufklärungspflicht mit einer Abweichung von der üblichen Strafe jedenfalls die Anerkennung dieser Üblichkeit als Prüfungskriterium, welches, soweit man die Entscheidung dahingehend interpretiert, daß bei ausführlichster Begründung alleine wegen unangemessener Strafe keine Aufhebung in Betracht gekommen wäre, zumindest kumulativ zum konkreten Begründungs- oder auch Aufklärungsmangel hinzutreten kann. Allerdings ist eine derartige einschränkende Interpretation wegen der vom BGH hier statuierten Pflicht, gerade die Abweichung an den Besonderheiten des Falles verständlich zu machen, eher auszuschließen. Dennoch blieb der BGH bei Entscheidungen, die nicht mit einem solchen zusätzlichen Mangel behaftet waren, in bezug auf die Revisibilität des Strafüber- und -untermaßes weiterhin sehr zurückhaltend. Den vorläufigen Höhepunkt bildete dabei die Entscheidung BGHSt 17, 35 ff., in der die Feststellung, daß die Bewertung der Strafzwecke „dem Grade nach [. . .] nur in den Ausnahmefällen eines offenkundig groben Mißverhältnisses ei159 160

RG HRR 1941 Nr. 527; s. dazu oben 1. HESt 3, 62; s. dazu oben 2.

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nem Eingreifen des Revisionsgerichts zugänglich sein“ könne, eindrücklich mit dem Satz untermauert wurde: „Der Senat macht allerdings kein Hehl daraus, daß er an der Stelle des Tatrichters wahrscheinlich auf Freiheitsstrafen statt auf Geldstrafen erkannt hätte“161. Auch die Revisionsrechtsprechung in den Ländern hielt weiterhin an der auf Fälle des unerträglichen Mißverhältnisses oder in ähnlicher Weise ausdrücklich eingeschränkten Überprüfung fest.162 Allerdings wurden diese Formeln zunehmend relativiert163. Das BayOblG164 etwa hatte im Anschluß an einen entsprechenden Obersatz eine Geldstrafe wegen Trunkenheit im Verkehr mit der Begründung aufgehoben, es hätte eine Gefängnisstrafe verhängt werden müssen. Daß diese Geldstrafe wirklich unerträglich gewesen sein soll, läßt sich aber beim besten Willen nicht erklären. Erkennbar wird die tatsächliche Bedeutungslosigkeit des einschränkenden Obersatzes auch in einer ebenfalls zur Geldstrafe bei Trunkenheit im Verkehr ergangenen Entscheidung des OLG Koblenz165, welche insbesondere auch wieder auf das Verhältnis der Strafe zu dem für vergleichbare Fälle üblichen Strafmaß eingeht: „Im Rahmen der Sachbeschwerde obliegt dem Senat lediglich die Prüfung, ob der Tatrichter bei der Strafzumessung, die weitgehend der Revision unzugänglich ist, sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt hat [. . .]. Gemessen an den Feststellungen des angefochtenen Urteils unterschreitet die von der Strafk. ausgeworfene Geldstrafe das für vergleichbare Straffälle übliche Strafmaß beträchtlich [. . .]. Nach dem festgestellten Sachverhalt steht im vorliegenden Falle die Geldstrafe in einem nicht unerheblichen Mißverhältnis zur persönlichen Schuld des Angekl. und zur Schwere der Tat.“

Neben der hier innerhalb der Entscheidungsgründe erkennbar absinkenden Schwelle der Zulässigkeit eines Eingriffs von weitgehend unzugänglich über eine beträchtliche Abweichung bis hin schließlich zum lediglich nicht unerheblichen Mißverhältnis, wird an diesen beiden und vielen weiteren zu jener Zeit ebenfalls zur Strafzumessung bei Trunkenheit im Verkehr ergangenen Entscheidungen166 auch bereits ein weiterer wesentlicher Aspekt für die Herstellung und Überprüfung der Strafhöhe deutlich. Es zeichnet sich hier bereits eine Fallgruppe ab, deren Strafmaße wesentlich öfter Gegenstand der revisionsgerichtlichen Kontrolle zu sein scheinen, als andere Fallgruppen. Geht man davon aus, daß diese Häufung nicht nur dem tatsächlichen Fallaufkommen entspricht oder mit der 161

S. 36 f. Vgl. BayOblG NJW 1968, 1898; OLG Zweibrücken NJW 1968, 2070, 2071: „außerhalb jedes vernünftigen Strafens“; OLG Koblenz MDR 1968, 436: „weitgehend der Revision unzugänglich“. 163 Eingehend Stöckel, S. 1862 ff.; Frisch (1971), S. 57 f.; Bruns (1969), S. 714 f. 164 NJW 1968, 1898 f. 165 MDR 1968, 436. 166 Vgl. die zahlreichen Nachweise bei Stöckel, S. 1862 ff. insbes. Anm. 10. 162

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Veröffentlichungspraxis zusammenhängt, so kann die Erklärung dafür eigentlich nur darin liegen, daß sich diese Fälle zur Kritik und auch zur Überprüfung besonders gut eignen, weil eine abweichende übliche Praxis hier eher feststellbar und das Gerechtigkeitsempfinden der Beteiligten daher eher tangiert ist.167 b) Gegenwärtiger Stand – „Vertretbarkeit“ als entscheidendes Kriterium Zu einer deutlichen Steigerung von revisionsgerichtlichen Eingriffen in die Strafzumessung kam es dann in den siebziger Jahren.168 Der Anteil der beim BGH alleine im Rechtsfolgenausspruch aufgehobenen Entscheidungen an den erfolgreichen Revisionsverfahren liegt seither durchgehend bei ca. einem Drittel169. Im Anschluß an die Entscheidung BGHSt 17, 35 ff., welche immerhin die eingeschränkte Revisibilität auch auf prozessuale Gründe stützte und nicht nur auf ein tatrichterliches Ermessen170, blieb es aber in bezug auf die Strafhöhe selbst zunächst noch bei der restriktiven Haltung des BGH171. Allerdings ging man schon dazu über, das Strafmaß nicht mehr nur negativ auf den Aufhebungsgrund des krassen Mißverhältnisses zwischen Schuld und Strafe oder an einer vergleichbaren Formel zu prüfen, sondern positiv zu verlangen, daß sich Strafen „von ihrer Bestimmung als gerechter Schuldausgleich [. . .] weder nach oben noch nach unten inhaltlich lösen“172. Eine richtungsweisende Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung erfolgte schließlich 1976173 mit der Einführung einer gegenüber der bisherigen Rechtsprechung offeneren Terminologie für den Eingriff in die Strafhöhe174: „Die ausgesprochenen Einzelstrafen sind [. . .] unvertretbar milde. Sie stehen in keinem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt und zur Gefährlichkeit der Taten sowie zum Grad der persönlichen Schuld der Täter; sie unterschreiten somit den dem Tatrichter bei der Strafzumessung eingeräumten Spielraum. Die Strafe darf sich auch nach unten nicht von ihrer Bestimmung als gerechter Schuldausgleich lösen.“ 167

s. dazu ausführlicher unten c) bb). Detter (2000), S. 692; Otto, S. 10. 169 Vgl. für die Jahre 1976 bis 1979 die Untersuchung von Rieß (1981), S. 288, 324 Tabelle 36, für 1979 bis 1981 dens. (1982), S. 51 und für 1981 bis 1996 die Zählkartenstatistik bei Barton, S. 55 Tabelle 12; S. 64 Grafik 18 und 19. S. auch Nack, S. 153 ff. 170 S. 36: „Die Strafzumessung ist Sache des Tatrichters, der sich allein aufgrund der Hauptverhandlung ein umfassendes Bild von der Person des Angeklagten und seiner Tat zu bilden vermag“. 171 Vgl. die ausdrückliche Bezugnahme in BGH bei Dallinger, MDR 1974, S. 721. S. auch BGHSt 20, 264, 266 f.; 24, 132, 133 f. 172 So BGHSt 24, 132, 134; BGH bei Holtz, MDR 1978, S. 110. Vgl. auch BVerfG NStZ 2004, 273, 274. 173 BGH JZ 1976, 650 = NJW 1977, 1247 m. Anm. Bruns, JR 1977, S. 160. 174 Vgl. auch die sich z. T. mit der folgenden Passage deckenden Ausführungen in BGH NJW 1978, 174, 175. 168

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Mit diesen gegenüber den ohnehin in der Subsumtion kaum noch ernst genommenen nur Extremfälle ausschließenden Formeln eine wesentlich eingehendere Prüfung zulassenden Voraussetzungen der Vertretbarkeit175, des angemessenen Verhältnisses zu Tat und Tatschuld und des gerechten Schuldausgleichs, war der Weg für eine umfassende Strafmaßrevision endgültig geebnet. Ganz verdrängt haben die neuen Kriterien die alten Formeln allerdings auch später noch nicht. Zur Ausfüllung der neuen Terminologie taucht das „offenkundig grobe Mißverhältnis“ nach wie vor auf, sei es, daß alte und neue Formeln kombiniert werden, indem geprüft wird, ob sich die „Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit nach oben oder unten inhaltlich löst, daß ein grobes Mißverhältnis von Schuld und Strafe offenkundig ist“176 bzw. zumindest „besteht“177 oder daß sich die Prüfung erst bei der Subsumtion unter die neuen Formeln wie selbstverständlich auf das grobe Mißverhältnis beschränkt178. Auffallend ist aber, daß die genannten den Eingriff an die engeren Voraussetzungen knüpfenden Entscheidungen des BGH nicht zur Aufhebung im Strafausspruch geführt haben.179 Es ist daher zu vermuten, daß die auf Extremfälle beschränkte Formel insbesondere noch in solchen Fällen Verwendung findet, in denen man trotz eines Mißverhältnisses von Schuld und Strafe den Strafausspruch nicht aufheben will und diese Entscheidung besonders untermauert werden soll. Dafür spricht auch, daß es in vielen der genannten Entscheidungen um die einer kritischen Beurteilung eher zugängliche Verhängung der Oberoder Untergrenze des Strafrahmens ging180 und auch mehrfach ein gewisses Ungleichgewicht zwischen Tatschuld und Strafe ausdrücklich eingeräumt oder zumindest nicht ausgeschlossen wurde181.

175 Auch „einfache“ Mißverhältnisse können als unvertretbar angesehen werden. Zum Begriff der Vertretbarkeit als Bandbreite logisch und methodologisch korrekt gefundener Entscheidungen, an deren Richtigkeit man aufgrund eigener abweichender Abwägung dennoch zweifeln mag, eingehend Engisch, S. 31 ff. 176 BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 1. 177 BGH NStE Nr. 73 zu § 46 StGB; BayObLG OLGSt § 46 Nr. 15. Vgl. auch die zurückhaltende Formulierung von Mösl (1982), S. 148: „wirklich unvertretbar [. . .] nur in seltenen Ausnahmefällen“. 178 BGH NStZ 1984, 410; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 2; BGH StV 1988, 487; 2000, 553, 554; vgl. auch OLG Hamm NJW 1977, 2087; OLG Karlsruhe NJW 1980, 133, 134. Eher noch ganz auf der alten Linie BGH Urt. v. 4.4.1978 – 1 StR 48/78. 179 Allerdings wird in einer neueren Entscheidung des 5. Senats, NStZ-RR 2003, 52 f., eine entsprechende Formulierung für die Aufhebung einer sich dem oberen Rand des zur Verfügung stehenden Strafrahmens nähernden Strafe herangezogen. Anders ist dies teilweise auch auf Landesebene: So hat etwa das OLG Köln, NJW 2001, 3491, 3492, die Aufhebung im Strafmaß an das Vorliegen eines „offensichtlich groben Fehlgriffs“ geknüpft und diesen bejaht. S. auch BayObLG StV 2002, 427, wiederum zum offenkundig groben Mißverhältnis. 180 Höchststrafe: BGH Urt. v. 4.4.1978 – 1 StR 48/78; Mindeststrafe: BGH NStZ 1984, 410; StV 1988, 487; StV 2000, 553; OLG Karlsruhe NJW 1980, 133.

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Auch im Abstecken des als Spielraum des Richters bezeichneten irrevisiblen Bereichs, der möglicherweise eine einschränkende Auslegung des Begriffs der Vertretbarkeit implizieren könnte, blieb man eher zurückhaltend. Der immer wieder betonte Ausschluß einer exakten bzw. ins einzelne gehenden Richtigkeitskontrolle182 ist in bezug auf die Strafhöhe wenig aussagekräftig, da kaum ernsthaft behauptet werden kann, daß eine vollständige Richtigkeitskontrolle in diesem Bereich möglich sei. Und den Umfang einer weiteren Ausdehnung des ohnehin verbleibenden Spielraums in den Bereich überhaupt erst möglicher Kontrolle hinein läßt die Formulierung offen. Soll ihr aber irgendeine Bedeutung zukommen, so muß die Grenze der Revisibilität zumindest geringfügig über derjenigen ihrer Unmöglichkeit angesiedelt werden. Die vielfach ergänzend getroffene weitere Feststellung, daß die Strafzumessung des Tatrichters in Zweifelsfällen hingenommen werden müsse183, hängt in ihrer tatsächlichen Bedeutung in erster Linie davon ab, auf welche Qualität des Mißverhältnisses oder gar der Vertretbarkeit selbst der Zweifel sich zu beziehen hat. Daß etwa bei größtmöglicher Ausdehnung des Begriffs der Unvertretbarkeit auch auf marginalste Abweichungen ein etwaiger Zweifel mit Blick auf den Revisionszweck noch nicht als Rechtsfehler einzustufen ist, dürfte ebenfalls kaum zu bezweifeln sein. Nicht sehr viel höher ist die Schwelle zur Revisibilität gegenüber überhaupt bestehenden Kontrollmöglichkeiten dann, wenn man den Bezugspunkt des Zweifels im Begriff der Angemessenheit sieht, wofür nicht nur die etwa in Revisionsentscheidungen zur Strafaussetzung verbreitete Formel, daß das Revisionsgericht die tatrichterliche Entscheidung „im Zweifel bis zur Grenze des Vertretbaren“184 zu respektieren habe, spricht, wonach dort jedenfalls der Zweifelsfall zumindest auch im Bereich der Vertretbarkeit liegt und damit auch der Bezugspunkt dieses Zweifels innerhalb der Grenzen der Vertretbarkeit liegen muß, sondern auch die harmonische Auslegung der in den einschlägigen Entscheidungen verwendeten Termini. Wenn der Rechtsfehler darin bestehen soll, daß die Strafe unvertretbar ist und zugleich in keinem angemessenen Verhältnis zu Tat und Tatschuld steht185, so bedeutet dies im Umkehrschluß, daß nur sol181 BGH NStZ 1984, 410; StV 1988, 487: „zwar auf eine milde Strafe erkannt“; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 2: „daß die Strafe milde ist und an der unteren Grenze des Spielraums liegt, mag richtig sein“; BGH NStE Nr. 73 zu § 46 StGB: „Zu der – milden – Gesamtstrafe . . .“; BGH StV 2000, 553, 554: „Die hier festgesetzten Strafen sind zwar äußerst milde, bewegen sich aber noch in dem dem Tatrichter zustehenden Beurteilungsrahmen. [. . .] Das gilt auch für die zwar milde, aber noch nicht unvertretbar milde Gesamtstrafe.“ 182 BGHSt 27, 2, 3; 29, 319, 320; (GSSt) 34, 345, 349; wistra 1990, 98, 99; 2001, 304, 306. 183 BGHSt 29, 319, 320; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 5; BtMG § 29 Strafzumessung 37. 184 BGH NJW 1998, 3428, 3429; weit. Nachw. bei Tröndle/Fischer, § 56 Rn. 25. 185 BGH JZ 1976, 650; NJW 1978, 174, 175; NStZ 1994, 494, 495.

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che Strafen vertretbar sein können, die entweder angemessen sind oder deren Angemessenheit zweifelhaft ist186. Nun könnte freilich auch die Spanne zwischen der niedrigsten und der höchsten noch angemessenen Strafe unterschiedlich weit über die Grenzen möglicher Feststellung eines Maßstabs gedehnt werden. Insofern führen die in jüngeren Entscheidungen des 2., 3. und 4. Senats zu lesenden Wendungen weiter, das Revisionsgericht habe den Strafausspruch „hinzunehmen, auch wenn eine andere Entscheidung rechtlich möglich gewesen wäre oder gar näher gelegen hätte“187, oder sogar direkt auf den Zweifel bezogen: „In Zweifelsfällen muß das Revisionsgericht die Bewertung des Tatrichters hinnehmen, auch wenn eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre oder vielleicht sogar nahegelegen hätte“188. Wiederum angesichts der Unmöglichkeit vollständiger Kontrolle wird zwar eine andere Entscheidung ohnehin regelmäßig möglich sein, daß sie aber gar näher liegen darf, scheint auf den ersten Blick weit über einen etwa im Sinne von gleich naheliegenden Alternativen verstandenen Zweifel hinauszugehen. Allerdings bezieht sich der durch das nicht mehr nur Nahe- oder Näherliegen einer anderen Entscheidung qualifizierte Zweifel hier auf die Entscheidung selbst, damit unmittelbar auf einen Richtigkeitsmaßstab und nicht etwa nur auf die Frage, ob die Abweichung von einem solchen Maßstab unangemessen oder unvertretbar ist oder gar zu einem krassen Mißverhältnis führt. Zu einem Unterschied gegenüber dem Bezugspunkt der Angemessenheit führt dies selbstverständlich nur, wenn sich überhaupt ein exakterer Maßstab als derjenige der Angemessenheit finden läßt. Auch dann scheinen diese auf die Entscheidung selbst bezogenen Grenzen der Angemessenheit noch verhältnismäßig weit zu sein, was deutlich wird, wenn man versucht, die genannten Elemente der Vertretbarkeitskontrolle des BGH inhaltlich zu kombinieren. Die entsprechenden Formeln könnten etwa folgendermaßen lauten: Eine Strafe ist unvertretbar, wenn über Zweifel an der Angemessenheit hinaus eine andere Entscheidung mehr als nur näher liegt. Eine Strafe ist noch vertretbar, wenn nur Zweifel an der Angemessenheit bestehen, auch wenn eine andere Entscheidung sogar näher liegt.

186 Daß die Vertretbarkeit einer angemessenen Strafe zweifelhaft sein könnte, ist wohl schon durch die Hierarchie der Begriffe ausgeschlossen. 187 BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 12 (3. Senat). Der 4. Senat, wistra 2002, 137, formuliert: „wenn eine andere Entscheidung möglicherweise näher gelegen hätte“. 188 BGH wistra 1999, 417 (2. Senat).

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Der Zusammenhang der Begrifflichkeiten läßt sich auch graphisch darstellen: Strafrahmen

krasses Mißverhältnis unangemessen zweifelhaft angemessen richtig

UNVERTRETBAR

VERTRETBAR verhängte Strafe näherliegend

UNVERTRETBAR Strafhöhe

andere Strafe näherliegend

Abbildung: Vertretbarkeitsmaßstab des BGH bei der Strafhöhenrevision

Bei genauerer Betrachtung kann diese Kontrolle aber sehr nahe an die Grenze überhaupt denkbarer Revisibilität herankommen und eine derartige Interpretation liegt auch nicht fern. Im Falle, daß es – gegenüber der getroffenen Entscheidung (!) – nur eine gleich naheliegende Alternative gibt, kann mangels besserer Alternative schon begrifflich kein Fehler vorliegen. Wenn also schon die lediglich näherliegende Entscheidung zur Urteilsaufhebung führen würde, wäre das Maximum möglicher Revisionskontrolle erreicht. Daß der BGH den darüber hinausgehenden irrevisiblen Bereich des Nahe- oder Näherliegens einer anderen Entscheidung eindeutig nur in geringem Umfang der Vertretbarkeit zuschlagen will, kann den einschränkenden Ergänzungen „sogar“ und „vielleicht“ entnommen werden. Das Naheliegen einer abweichenden Entscheidung darf also dasjenige der getroffenen Entscheidung nicht wesentlich übersteigen. Im Einklang mit den genannten Formeln wäre es daher möglich, bereits eine Strafe aufzuheben, die nur um eine Maßeinheit von der gegenüber der verhängten Strafe näherliegenden Sanktion abweicht, was bei den insofern verhältnismäßig kurzen Abständen der vom Gesetz vorgegebenen Strafmaßeinheiten etwa für Freiheitsstrafen über einem Jahr nach § 39 StGB lediglich eine Abweichung von einem Monat von der Grenze denkbarer Revisibilität bedeuten würde. Freilich stehen und fallen diese Überlegungen zur Bestimmung der jeweils relevanten oder irrelevanten Differenz zur verhängten Strafe mit der Existenz eines zuverlässigen Maßstabs richtiger Strafe, mit dem der Maßstab zulässiger

III. Der Strafmaßvergleich

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Abweichung von dieser richtigen Strafe gekoppelt werden muß. Ohne diesen Richtigkeitsmaßstab hinge die Frage nach der Intensität der Kontrolle völlig in der Luft. Und mit der durch die neue Terminologie gesenkten Eingriffsschwelle kommt ihm angesichts der daraus folgenden eingehenderen Kontrolle sogar eine noch gewichtigere Bedeutung zu. Auch kann bzw. muß die Überprüfung der tatrichterlichen Entscheidung auf alleine in der Strafhöhe zum Ausdruck kommende Rechtsfehler nach dem Maßstab der Vertretbarkeit nur insoweit189 der Sachkunde und dem Verantwortungsgefühl der Revisionsgerichte anvertraut werden, als es um die Feststellung eines objektivierbaren Maßstabs und die Bestimmung der Grenzen zulässiger Abweichung von diesem Maßstab, also um die Rechtsfortbildung geht. Insbesondere wird das Tatgericht wohl kaum der bloßen Behauptung der Revisionsinstanz, das Gesetz sei verletzt, vertrauen müssen. Dennoch hält sich der BGH mit Ausführungen zu diesem Maßstab eher zurück. Bis heute werden Strafen immer wieder auch ohne nähere Ausführungen zum Inhalt der konkret vorgenommenen Angemessenheitsprüfung aufgehoben.190 Und wenn die Aufhebung eines Strafausspruchs lediglich mit Blick auf dessen Verhältnis zu den dem Urteil zugrundeliegenden Feststellungen erfolgt191, ist dies für sämtliche Beteiligte nicht weniger unbefriedigend. Nur wenn das Revisionsgericht die Unangemessenheit der Strafe lediglich ergänzend beanstandet, ohne daß es für die Entscheidung auf sie ankommt192, oder wenn die Strafhöhe 189 Ohne diese Einschränkung beschließt dieser Satz die Ausführungen von Bruns zur Revisibilität materiellrechtlicher Strafzumessungsfehler in: Recht der Strafzumessung, S. 311; vgl. auch dens., JR 1977, S. 160, 162; krit. dazu auch schon Frisch (1987), S. 802. 190 Vgl. auch Theune, NStZ 1988, 307: „Woraus sich im Einzelfall ergibt, daß das Gesetz in diesem Sinne verletzt wurde; woran abzulesen ist, ob die verhängte Strafe noch gerechter Schuldausgleich ist, wird allerdings [. . .] noch nicht ganz deutlich.“ 191 Vgl. zur Aufhebung des Strafausspruchs wegen zu hoher Strafe: BGH MDR 1992, 399 (Strafe steht zur Tat „nicht mehr in einem annehmbaren Verhältnis“); BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 5 („Doch ist die Strafe [. . .] unvertretbar hoch. Sie wird den Anforderungen eines gerechten Schuldausgleichs nicht mehr gerecht, weil sie zur Tat außer Verhältnis steht und damit den Rahmen des Schuldangemessenen überschreitet“); BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 29 („Freiheitsstrafen von sieben Jahren liegen [. . .] nicht innerhalb dieses Beurteilungsrahmens“); StV 2001, 453, 454 („ist die verhängte Freiheitsstrafe von 13 Jahren derart hoch, daß sie ihrer Aufgabe, gerechter Schuldausgleich zu sein, nicht mehr entspricht“); wegen zu niedriger Strafe: BGH NStZ 1994, 494, 495 („müssen die gegen den Angeklagten verhängten, unvertretbar milden Freiheitsstrafen aufgehoben werden [. . .]. Eine Freiheitsstrafe von nur 2 Jahren steht in keinem angemessenen Verhältnis zum Grad der persönlichen Schuld des Angekl., zum Unrechtsgehalt und zur Gefährlichkeit dieses Verhaltens.“). Freilich läßt sich auch argumentieren, daß ein in anderen Entscheidungen genannter Maßstab nicht ständig wiederholt zu werden brauche. 192 Auf eine hohe Strafe wird etwa in den Entscheidungen BGH NJW 1999, 800, 802 (Strafe erscheint hoch) und BGH StV 1999, 435 (Strafen wären selbst dann, wenn die Angeklagten überführt wären, ungewöhnlich [!] hart und nicht mehr gerechter Schuldausgleich) hingewiesen, auf eine milde Strafe in BGHR § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 13 („Eine Geldstrafe kommt nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Um-

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nach ihrer Überprüfung auf Angemessenheit bestätigt wird193, kann wohl viel mehr als eine entsprechende Feststellung nicht erwartet werden. Auf der anderen Seite kommt es inzwischen jedenfalls im Ansatz sogar zur Bestätigung für angemessen erachteter Strafen trotz möglicher Mängel in den zugrundeliegenden Feststellungen194 oder sonstiger im Strafmaß nicht berückstände, die nach den bisherigen Feststellungen nicht gegeben sind, in Betracht“); BGH StV 1999, 204, 205 (Sonderfall der Bezeichnung einer verhängten Freiheitsstrafe als sehr milde, um eine Strafe an der wegen Schuldspruchänderung noch darunterliegenden Strafrahmenobergrenze nahezulegen); s. aber andererseits BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 7 mit Ausführungen zum Maßstab. Teilweise ist es kaum möglich, ergänzende Strafmaßkritik von Beanstandungen abzugrenzen, welche sonstige Rechtsfehler stützen sollen [s. zu dieser Fallgruppe unten c) aa)]; vgl. etwa BGH bei Pfister, NStZ-RR 2001, S. 364 f. Nr. 63: „Der Senat kann nicht ausschließen, daß die – im Hinblick auf die festgestellten gewichtigen Strafmilderungsgründe schuldunangemessen hohe – Strafe auf den Strafzumessungsfehlern beruht.“ 193 Vgl. zur Bestätigung hoher Strafen BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 3 (verhältnismäßig hohe aber vertretbare Strafe); BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 26 (nicht unvertretbar hoch); zur Bestätigung milder Strafen: BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertung 1 (zwar sehr milde, jedoch noch vertretbar); BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 11 (außergewöhnlich, aber noch nicht unvertretbar milde); BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 14 (zwar milde, aber nicht unvertretbar); BGHR § 46 Abs. 1 Strafhöhe 12 (verhängte Strafen lösen sich noch nicht von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, auch wenn eine andere Entscheidung rechtlich möglich gewesen wäre oder gar näher gelegen hätte); BGH wistra 1999, 297, 298; wistra 1999, 300, 304 (nicht unvertretbar niedrig); BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 37 (zwar außergewöhnlich, aber noch nicht unvertretbar milde); BGH StV 2000, 613, 614 (im Bereich des revisionsrechtlich nicht mehr Überprüfbaren); NJW 2000, 2217, 2220 (die verhängte Strafe kann auch nicht als unvertretbar milde charakterisiert werden); NStZ-RR 2001, 41, 42 (fast unvertretbar milde); NStZ 2001, 365, 366 (Sowohl die Einzelstrafen als auch die Gesamtstrafe haben sich (noch) nicht nach unten von ihrer Bestimmung gelöst, gerechter Schuldausgleich zu sein); wistra 2001, 304, 306; NStZ 2002, 315, 317. Dagegen erfolgte die Bestätigung einer sehr milden aber nicht unvertretbar milden Strafe in BGH wistra 1999, 417, 418 mit Blick auf den Rahmen des für vergleichbare Fälle Üblichen. 194 In der Entscheidung NJW 1998, 1000 f. verwarf der BGH die auf das Fehlen eines rechtswidrigen Angriffs für den vom LG angenommenen Notwehrexzeß gestützte Revision der StA mit folgenden Worten: „Aufgrund der bisherigen Urteilsfeststellungen ist eine abschließende Bewertung aller hier bedeutsamen Fragen nicht möglich [. . .]. Eine weitere Aufklärung und Bewertung des Verhaltens der Beteiligten ist jedoch hier zur Bestimmung der Strafhöhe nicht veranlaßt [. . .]. Der Senat schließt aus, daß die weitere Klärung und rechtliche Einordnung der Vorgehensweisen zu einem anderen als dem hier in jeder Richtung angemessenen Strafausspruch geführt hätte“. In eine ähnliche Richtung geht es auch, wenn der BGH von der Strafe auf die Berücksichtigung bestimmter Umstände schließt, wie etwa in der Entscheidung wistra 2001, 218, 220 darauf, daß es sich in den verschiedenen Taten um denselben perpetuierten Schaden handelt: „Dieses Problem hat das Landgericht aber gesehen, denn nur so sind die, gemessen an der Höhe des Gefährdungsschadens, niedrigen und zudem gleich hohen Strafen zu erklären“; vgl. auch BGH NStZ 2001, 477, 478: „Sofern das SchwurG [. . .] nicht bedacht haben sollte, dass die Handlungsintensität auch durch die erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit bedingt war und damit nur eingeschränkt strafschärfend berücksichtigt werden durfte, ist auszuschließen, dass sich dies auf die Bemessung der bei dem gegebenen Tatbild sehr milden Strafe ausgewirkt hat“; LG

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sichtigter Umstände195. Dann aber, wenn die Prüfung eines Urteils auf Rechtsfehler durch eine bloße Angemessenheitsprüfung hinsichtlich des Ergebnisses ersetzt zu werden droht, bedarf der Maßstab dieser Angemessenheitsprüfung erst recht näherer Erläuterung, zumal dieser Maßstab, um eine abweichende Rechtsfolgeentscheidung eines Tatgerichts vor abweichendem Hintergrund ausschließen zu können, hier auch noch besonders präzise sein muß. aa) Maßstab der Strafrahmensystematik Freilich führt der BGH trotz der auch unabhängig von weiteren Begründungen angewandten deutlich gesenkten Schwelle für Eingriffe in das Strafmaß teilweise auch zusätzliche Argumente für eine entsprechende Beanstandung an; dies in erster Linie wohl deshalb, weil die Beanstandung einer Abweichung vom Vertretbaren für sich genommen nicht besonders gut fundiert zu sein scheint196, vielleicht aber auch, weil ein oder mehrere zusätzliche Begründungs-

Berlin NJW 1999, 3790, 3792: „Auch die Strafzumessung des AG kann eine Aufhebung nicht begründen. Zwar entsprechen die Ausführungen [. . .] nicht rechtsstaatlichen Anforderungen. Aber auch wenn diese Sätze hinweggedacht werden, sind die festgesetzten Einzelstrafen und die Gesamtstrafe nicht unangemessen“; BGH wistra 2000, 425: „Der Senat schließt angesichts der maßvollen Strafen aus, daß sich die Schuldspruchänderungen auf das Strafmaß auswirken könnten“; und mit vergleichbarer Formulierung BGH NStZ 2003, 268. Allerdings werden in der Regel auch ausdrücklich für nicht unangemessen erachtete Strafaussprüche dennoch aufgehoben; vgl. BGH wistra 2000, 261 für einen Fall, in dem die für das vollendete Delikt verhängte Strafe „auch innerhalb eines nach § 49 Abs. 1, § 23 Abs. 2 StGB herabgesetzten Strafrahmens nicht unangemessen hart“ gewesen wäre, oder auch BGH NJW 2001, 1661, 1662: „Obwohl die vom LG verhängte Geldstrafe in Anbetracht des auch subjektiv schwer wiegenden Pflichtverstoßes eher als verhalten anzusehen ist, vermochte der Senat nicht mit der notwendigen Sicherheit ausschließen, daß die StrK bei zureichenden Erwägungen eine mildere Strafe ausgesprochen hätte.“ 195 Insbesondere in Fällen der Verletzung des Beschleunigungsgebotes des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, in denen die Berücksichtigung entsprechender Verfahrensverzögerung durch Vergleich der an sich verwirkten mit der tatsächlich verhängten Strafe sogar ausdrücklich und konkret vorgenommen werden muß (umfassend dazu BGH NJW 1999, 1198; vgl. auch BGHSt 45, 321 zum insofern parallel liegenden Fall der Verleitung zur Tat durch einen polizeilichen Lockspitzel), wurde auf die Aufhebung des Strafausspruchs angesichts der Unvertretbarkeit einer noch milderen Strafe verzichtet; s. BGH NJW 1995, 1101, 1102; wistra 2000, 176; vgl. auch BGH wistra 1999, 298, 299: „Die gesondert verhängten Geldstrafen wären [. . .] allerdings nicht mehr schuldangemessen, wenn hier nicht – neben anderen Milderungsgründen – eine lange Verfahrensdauer und eine Verfahrensverzögerung hinzugekommen wären. Daher nimmt der Senat die Verhängung von Geldstrafen und die Gesamtsanktion noch hin.“ Diese Fälle bilden aber insofern eine Ausnahme, als der BGH hier statt aufzuheben in erster Linie deshalb durcherkennt, weil jede weitere Verzögerung den Verfahrensmangel intensivieren würde; vgl. z. B. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 10. 196 Vgl. zu diesem Zusammenhang auch Streng (2002), Rn. 513.

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aspekte Eingriffe in die Strafhöhe ermöglichen könnten, die sich alleine auf das Vertretbarkeitskriterium jeweiliger Interpretation nicht stützen ließen. Nach Möglichkeit begründet der BGH die Beanstandung der Strafhöhe bzw. die Feststellung der Unvertretbarkeit der Strafe mit deren Verhältnis zur Strafrahmensystematik und den daraus abgeleiteten aber insoweit kaum tragfähigen Prinzipien197. Hinsichtlich der Strafrahmengrenzen198 und der rechnerischen Grenzen der Gesamtstrafenbildung leuchtet dies am ehesten ein, wobei die Aufhebung auch hier vielfach nicht unmittelbar auf die Unangemessenheit der Strafe, sondern auf das Fehlen der in diesen Grenzbereichen geforderten Begründung gestützt wird199. An diese Begründung seien umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr sich die Strafe der oberen oder unteren Grenze des Zulässigen nähert.200 Umgekehrt hebt der BGH auch solche Strafen auf, die angesichts der zugrundeliegenden Tatschwere eigentlich einer Strafrahmengrenze nahekommen müßten, tatsächlich davon aber weit entfernt sind201. Innerhalb des Strafrahmens werden auf Basis der Strafrahmensystematik im übrigen vorwiegend Strafen beanstandet, die dem mittleren oder gar oberen Bereich des Strafrahmens entnommen sind, sei es im Anschluß an BGHSt 27, 2 ff. im Zusammenhang mit der Einordnung des Regelfalles202, bei Nichtvorliegen von 197 s. zu diesen zweifelhaften komparativen Elementen der Strafzumessungsdogmatik bereits oben II. 3. a). 198 Vgl. BGH NStZ 1984, 117 zur Aufhebung der Mindeststrafe in einem Fall mittlerer Schwere; BGH StV 1996, 427; NStZ 2000, 307 zur Aufhebung einer der Mindeststrafe nahekommenden Strafe. S. auch Mösl, NStZ 1984, S. 160 f. m. w. N. 199 Vgl. zur Strafrahmenobergrenze BGH NStZ 1983, 268, 269; zu einer der Obergrenze nahekommenden Strafe BGH StV 1983, 102; wistra 1984, 25, 27; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 11: Strafe „im Bereich der Obergrenze des angewendeten Strafrahmens“ und „immer noch deutlich über der Strafrahmenmitte des Regelstrafrahmens“ nicht verständlich gemacht; BGH NStZ-RR 2003, 52 f.; zur Gesamtstrafe allg. BGHSt 24, 268, 271 m. w. N.; ferner zur höchstmöglichen Gesamtstrafe BGH StV 1983, 237: „Eine so hohe, die Summe der Einzelstrafen fast erreichende Gesamtstrafe, die weit über das in der strafgerichtlichen Praxis übliche Maß hinausgeht, bedarf besonderer Begründung“; zu einer der Obergrenze der Gesamtstrafe nahekommenden Strafe BGH StV 1998, 480: „Eine (Gesamt-)freiheitsstrafe von 14 Jahren kommt regelmäßig nur für Fälle schwerster Kriminalität in Betracht. Eine Verhängung einer derart gewichtigen Sanktion gegen einen als unbestraft geltenden Angeklagten bedarf besonders sorgfältiger Begründung“; weit. Nachw. bei Theune (1985), S. 209 Anm. 54; Vgl. zur niedrigen Gesamtstrafe: BGH NJW 1995, 2234, 2235. 200 BGH StV 1984, 152; BGHR § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 7, Begründung 15; BGH NJW 1995, 2234, 2235; NStZ 2003, 138 f. 201 Vgl. BGH StV 1985, 367 zur Aufhebung einer Strafe aus der oberen Hälfte des Strafrahmens in einem Grenzfall zum minder schweren Fall; zur unvertretbar hohen Strafe bei die Erheblichkeitsschwelle gerade überschreitendem Tatgeschehen BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 11. S. auch BGH NStZ 2001, 595 zur deutlichen Überschreitung der Strafrahmenuntergrenze in einer dem untersten Bereich der tatbestandsmäßigen Handlungen zuzurechnenden Tat. 202 BGH StV 1983, 102: „Es ist rechtsfehlerhaft, eine Strafe aus der Mitte des Strafrahmens zu wählen, wenn die Schwere der Tat im mittleren Bereich der erfah-

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Strafschärfungsgründen203, bei Überwiegen von Strafmilderungsgründen204 oder auch unter Verzicht auf eine diesbezüglich nähere Begründung205.206 bb) Maßstab der Üblichkeit Bei der Überprüfung und dabei vor allem bei der Aufhebung207 von Strafen, auf die die typischen Argumente der Strafrahmensystematik nicht passen, greift der BGH nunmehr verbreitet auch auf die seit der entsprechenden Andeutung des Reichsgerichts immer wieder ausdrücklich herangezogene208 bisherige Praxis in vergleichbaren Fällen zurück209.210 Gefestigt hat sich dabei mittlerweile rungsgemäß immer wieder vorkommenden Fälle liegt“; in der Entscheidung BGH VRS 65, 359, 361 war zweifelhaft, ob das LG bei der Verhängung der dem arithmetischen Mittel des Strafrahmens entsprechenden Strafe „die zur Strafzumessung bei Fällen mittlerer Schwere zu beachtenden Grundsätze bedacht hat“; BGH NStZ 1984, 20: „Wenn das Schwurgericht diesen Durchschnittsfall gemeint hat, wäre das Abstellen auf die rechnerische Mitte des Strafrahmens nicht gerechtfertigt“; BGH StV 1984, 114: Das Vorliegen des Regelfalls [. . .] rechtfertigt es nicht, die Strafe ohne weiteres dem mittleren Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens zu entnehmen“; BGH StV 1994, 182: „Wird eine Straftat von dem erkennenden Gericht „noch als im Durchschnitt der gewöhnlicherweise vorkommenden Fälle, wenn auch in deren oberen Bereich“ liegend bewertet, ist dies mit einer die Mitte des Normalstrafrahmens um mehrere Monate überschreitenden Freiheitsstrafe nicht zu vereinbaren“. 203 BGH StV 1988, 202 (s. dazu Theune, NStZ 1988, S. 172, 307): „Liegt die verhängte Freiheitsstrafe wenn auch nur geringfügig über der Mitte des zur Verfügung stehenden Strafrahmens, kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben, wenn das Urteil bei der Strafzumessung ausschließlich Milderungsgründe anführt und sich Schärfungsgründe auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang ergeben“; in der Entscheidung BGHR § 46 Strafhöhe 15 war „nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen das Landgericht eine Strafe in der Mitte des Strafrahmens für angemessen erachtet, obwohl es meint, keine Straferschwerungsgründe feststellen zu können“. 204 StV 2002, 190: „die Wertung des LG [läßt] jedenfalls nicht erkennen, warum es angesichts der erheblich überwiegenden strafmildernden Umstände [. . .] eine Strafe in der Mitte des Strafrahmens des § 212 StGB für angemessen erachtet hat.“ 205 StV 1987, 530: „Die oberhalb des arithmetischen Mittels verhängte Strafe löst sich weit von den vom Senat in ähnlich schweren Fällen des sexuellen Mißbrauchs von Kindern bestätigten Strafen nach oben; sie wird von den Feststellungen nicht getragen“; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 12: „Warum diese – im oberen Bereich des Strafrahmens liegende – Strafe verhängt wurde, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht“; vgl. auch BayObLGSt 88, 43: „Unter diesen Umständen ist eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 100 DM in Anbetracht des bis zu 5 Jahren reichenden Strafrahmens unvertretbar milde“. 206 Vgl. zum Sonderfall hoher Gesamtstrafen, die besorgen lassen, daß sich das Tatgericht in unzulässiger Weise an der Summe der Einzelstrafen orientiert hat bzw. nicht gesehen hat, daß die Aufgabe der Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung in Fällen sogenannter Serienstraftaten nicht zu einer Erhöhung des allgemeinen Strafniveaus führen sollte, BGH wistra 1999, 99 und bei Tolksdorf, DAR 1999, 196. 207 s. aber BGH wistra 1999, 417, 418. 208 Vgl. RG HRR 1941 Nr. 527 (dazu oben 1.); OLG Bremen HESt 3, 62 (dazu oben 2.) und die in Anm. 157 genannten Entscheidungen.

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die Formulierung, daß die verhängte Strafe das für vergleichbare Fälle übliche Maß erheblich über-211 oder unterschreite212. Zur Feststellung des Üblichen ist das Revisionsgericht auf die eigene Erfahrung und Beobachtung angewiesen213.214 Auch erscheint eine Beschränkung auf die in der Funktion als Revisionsgericht gesammelte Erfahrung215 und das damit verbundene Risiko eines 209 Selbstverständlich bleibt der Revisionsgrund bestehen, wenn der Tatrichter nach Aufhebung und Zurückverweisung die dementsprechend beanstandete Strafe ohne die Abweichung stützende Erwägungen erneut verhängt; vgl. BGH StV 1993, 26: „Hat das Revisionsgericht den Strafausspruch aufgehoben, weil dieser aus dem Rahmen der dem Revisionsgericht bekannten Strafzumessungspraxis herausfällt und die Urteilsgründe des Tatrichters nicht die Schuldangemessenheit der Tat [Strafe!] belegten, kann der neue Tatrichter dieser Aufhebungsansicht des Revisionsgerichts bei erneuter Verhängung der gleichen Strafe wie im aufgehobenen Urteil nur dadurch entsprechen, wenn er die Strafe mit rechtlich vertretbaren strafschärfenden [bzw. strafmildernden!] Erwägungen begründet, die in dem aufgehobenen Urteil nicht enthalten sind.“ Eine aus anderen Gründen aufgehobene Strafe kann der neu entscheidende Tatrichter dagegen freilich auch nach Wegfall eines belastenden Strafzumessungsgrundes erneut verhängen; allerdings „sollte er diese Entscheidung eingehend begründen“ (BGH NJW 1983, 54 m. Anm. Terhorst, JR 1983, S. 376 f.); vgl. zu dem dabei gelegentlich erweckten unguten Anschein der „Rechthaberei“ auch Mösl, NStZ 1982, 453. 210 Derselbe Maßstab muß im übrigen auch für Absprachen im Strafprozeß gelten; vgl. BGH NStZ 1998, 31, 34; NJW 2000, 965 mit der Folge der Befangenheit der Richter. 211 BGH StV 1990, 494; 1992, 271; NStZ 1992, 381; StV 1993, 71; 1996, 661; BGH bei Holtz, MDR 1997, S. 22; wistra 2001, 177; SchlHOLG StV 1992, 380; s. auch BGHR § 46 Abs. 1 Strafhöhe 2; BGH StV 1995, 173, 174; ferner BGH StV 1983, 102, 237 (Strafe, die weit über das in der strafgerichtlichen Praxis übliche Maß hinausgeht); BGH bei Winkler, NStZ 1999, 232, 235 („unter Berücksichtigung der in vergleichbaren Fällen bisher verhängten Strafen“); ähnlich auch bereits die Nachw. oben Anm. 157, insb. OLG Köln NJW 1954, 1053. 212 BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 9; BtMG § 30 Strafzumessung 1; s. auch BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 7; BGH wistra 1999, 417, 418. 213 So schon BGH MDR 1954, 495, 496: „überschreitet nach der Erfahrung des Senats bei weitem den Rahmen der üblichen Tatvergeltung“. S. auch BGH StV 1985, 366: „Insgesamt bewegt sich die verhängte Strafe von 8 J. 6 M. an der obersten Grenze dessen, was nach den Beobachtungen des Senats für den Handel mit Haschisch in dieser Größenordnung ohne das Vorliegen besonderer Milderungsgründe von den Gerichten als angemessen angesehen wird“; BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 10: „Im übrigen fällt die nach den Umständen sehr hohe Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Rahmen der dem Senat bekannten Strafzumessungspraxis deutlich heraus“ (ähnlich auch das von Foth, NStZ 1992, S. 445 mitgeteilte Urt. v. 11.2.1992 – 5 StR 607/91); StV 1995, 173, 174: „das nach den Erkenntnissen des Senats in vergleichbaren Fällen übliche Maß“; vgl. auch die älteren Nachw. bei Mösl (1979), S. 167. 214 Das BayOblG, StV 2002, 427, stützt sich dagegen ausführlichst auf die bayerische Strafverfolgungsstatistik und stellt angesichts der im konkreten Fall nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von 1 J. und 6 M. fest, daß für das zugrunde liegende Delikt in den Jahren 1990 bis 1999 im Freistaat Bayern lediglich in 4% der Fälle Vollzugsstrafen von einem Jahr oder mehr verhängt wurden. 215 BGH bei Tolksdorf, DAR 1999, 195: [Gleichwohl hat das Landgericht . . .] „eine im Vergleich zu ähnlich liegenden Sachverhalten, die dem Senat als Revisionsgericht bekannt geworden sind, sehr hohe Strafe verhängt.“

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Maßstabs, der möglicherweise von dem der gesamten tatsächlichen Praxis zugrundeliegenden abweicht und deshalb nur mit Vorsicht anzuwenden ist, insofern nicht nachteilig, als der Preis für eine umfassendere Vergleichsgrundlage bei Einbeziehung von Fällen, zu denen dem Revisionsgericht keine näheren Informationen zur Verfügung stehen, mit einer größeren Unschärfe des Maßstabs bezahlt werden müßte, die dann auch keine genauere Aussage zur Üblichkeit zuließe. Deshalb ist es zunächst auch noch unbedenklich, wenn sich der BGH, wie in mehreren Entscheidungen, auf die von ihm selbst in ähnlich schweren Fällen bestätigten Strafen bezieht216. Die dabei vorgenommene Vermengung der Kategorie der Üblichkeit in der tatrichterlichen Praxis mit den Richtigkeitsvorstellungen des jeweiligen Senats mag auf den ersten Blick zwar merkwürdig217 erscheinen, der Sache nach bleibt dem Revisionsgericht aber in der Regel wohl jedenfalls derzeit gar nichts anderes übrig, als sich auf diese ihm genauer bekannte Praxis zu beziehen. Daß es durch das zusätzliche Kriterium eigener Akzeptanz zu einer erheblichen Beeinflussung des Strafniveaus kommen könnte, erscheint unwahrscheinlich, da sowohl die aufgehobenen hohen als auch die aufgehobenen niedrigen Strafen außer Betracht bleiben und dadurch zumindest ein gewisser Ausgleich gewährleistet ist. Eine bedenkliche Folge der Beschränkung auf bestätigte Strafen könnte also wohl nur darin liegen, daß durch die Bestätigung auch der Grad tolerierter Abweichung von der in den dem konkreten Fall vergleichbaren Fällen am meisten verhängten, der üblichsten Strafe begrenzt würde. Insoweit ist die Formulierung des BGH aber ohnehin zirkulär und damit für sich genommen ohne eigene Bedeutung, wenn der jeweilige Senat lediglich Strafen nicht bestätigt, die außerhalb dessen liegen, was der Senat (ansonsten) bestätigt. Entscheidend bleiben auch hier die davon unabhängigen generellen Grenzen der Abweichungstoleranz. Deutlich wird aber anhand dieser Überlegungen, daß der jeweilige Senat bei einem aus eigener Praxis gewonnenen Maßstab der Üblichkeit das Risiko einer Abweichung von der tatsächlichen 216 Vgl. zur Aufhebung wegen zu hoher Strafe BGH StV 1987, 530: „Die Strafzumessung ist fehlerhaft, wenn das Urteil Feststellungen vermissen läßt, die es rechtfertigen könnten, daß sich die verhängte Strafe weit von den vom Senat in ähnlich schweren Fällen der vorgeworfenen Straftat bestätigten Strafen nach oben löst“; wegen zu niedriger Strafe BGH NJW 1990, 846: „Bei dieser Menge [32,5 kg Haschisch] löst sich die Freiheitsstrafe von nur zwei Jahren auch unter Berücksichtigung der hier vorliegenden einfachen Milderungsgründe im Vergleich mit den vom Senat in ähnlich schweren Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln bestätigten Strafen so weit nach unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, daß sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Beurteilungsrahmens liegt“; BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 25: „Denn die verhängte Strafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe hebt sich gerade nicht [wie vom LG angekündigt] deutlich von den sonst gegen Rauschgiftkurriere verhängten Strafen ab und weicht im Vergleich mit den vom Senat in ähnlich schweren Fällen der Einfuhr von Betäubungsmitteln bestätigten Strafen auch unter Berücksichtigung der strafmildernden Gesichtspunkte so weit nach unten ab, daß sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Beurteilungsrahmens liegt.“ 217 So Streng (2002), Rn. 512.

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Üblichkeit berücksichtigen muß und deshalb die Einschränkung der Praxis, nicht jeden Strafausspruch aufzuheben, dem lediglich gemessen an der eigenen Erfahrung eine andere Strafe vorzuziehen wäre, richtig ist. Im übrigen ist den Entscheidungen wenig Genaues darüber zu entnehmen, welche Strafe der jeweilige Senat bezogen auf den jeweils zugrundeliegenden Fall tatsächlich als die nach seiner Erfahrung übliche erkennt. Hinweise auf konkrete Entscheidungen oder Strafen finden sich aber durchaus, in der Rspr. des BGH jedoch bisher nur, wenn dies keine Auswirkungen auf das Ergebnis der Revisionsentscheidung selbst hat218. Insbesondere die verhängte Strafart war wiederholt Anlaß für ausdrückliche Hinweise auf andere Urteile219. Aber auch zur Strafhöhe innerhalb einer Strafart wurde der BGH schon konkreter:220 „Für die neue Hauptverhandlung wird darauf hingewiesen, daß der Ausgangspunkt der Strafkammer bei ihrer Strafzumessung, eine Freiheitsstrafe von vier Jahren sei unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände an sich gerechtfertigt gewesen, rechtlich nicht unbedenklich ist. Bei Handeltreiben mit Heroin in der hier festgestellten Größenordnung von über 1000 g [. . .] ist der vom Gesetz vorgesehene gerechte Schuldausgleich in der Regel durch eine derart milde Freiheitsstrafe nicht zu erzielen. Nach den Erfahrungen des Senats werden in den zu seiner Zuständigkeit gehörenden Oberlandesgerichtsbezirken für unerlaubtes Handeltreiben in dem hier festgestellten Umfang (Zeitraum und Menge) Strafen bis zu acht Jahren Freiheitsstrafe verhängt.“

Bei einer dem § 30 BtMG („Freiheitsstrafe nicht unter 2 Jahren“) zu entnehmenden Strafe, die vom Landgericht „zu Recht“ nach § 31 Nr. 1 BtMG, 49 Abs. 2 StGB gemildert wurde, erscheint eine alleine auf die quantifizierten Tatbestandsmerkmale „Handeltreiben“ und „Menge“ gestützte Eingrenzung der üblichen Strafe durch das Revisionsgericht auf ca. vier bis acht Jahre doch schon verhältnismäßig exakt, wenn man bedenkt, daß die Einbeziehung weiterer Strafzumessungsumstände auch noch zu weiteren Eingrenzungen führen muß.221 218 Vgl. aber BayOblG, StV 2002, 427, 428: „Eine Zusammenschau dieser Strafzumessungstatsachen läßt daher eine Freiheitsstrafe in der vom LG ausgesprochenen Höhe von 1 J. und 6 M. jedenfalls auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht mehr als schuldangemessen erscheinen. Deutlich wird dies auch in einem Vergleich etwa mit der Fallgestaltung, wie sie bspw. einer Entscheidung des BGH v. 11.2.1999 (BGHSt 44, 355 [= StV 2000, 356]) zugrunde lag.“ 219 Vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 13: „Eine Geldstrafe kommt nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die nach den bisherigen Feststellungen nicht gegeben sind, in Betracht (Vgl. BGHSt 36, 320, 322; BGH wistra 1991, 177; BGHR § 263 Abs. 1 Gesamtvorsatz 1 mit Freiheitsstrafen von jeweils zwei und drei Jahren)“; BGH NJW 2000, 3010, 3013: „Bei der gegebenen Sachlage ist die unterbliebene Verhängung von Freiheitsstrafen nicht zu beanstanden; dies läge insbesondere bei gravierenden Fällen durchaus nahe (Vgl. LG Bochum, NJW 2000, 1430). Angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falls erscheinen auch die vom LG gefundenen sehr milden Einzelgeldstrafen sowie die Gesamtgeldstrafe gerade noch vertretbar.“ 220 BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 13.

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c) Besondere Fallgruppen aa) Zusätzliche Mängel Einen wesentlichen Teil erfolgreicher Strafmaßrevisionen machen nach wie vor Fälle aus, in denen von einer hohen oder niedrigen Strafe auf einen Rechtsfehler oder die Auswirkung eines festgestellten Rechtsfehlers auf das verhängte Strafmaß geschlossen wird und dies erst insgesamt zur Aufhebung des Strafausspruchs führt. Schon früher hatte sich abgezeichnet, daß dabei nach konkreten Fehlern in einzelnen Aspekten des Strafzumessungvorgangs und insgesamt zum Ausdruck kommender mangelnder Ausführlichkeit der Strafzumessungsentscheidung differenziert werden muß222, wobei der Übergang zwischen diesen Fehleralternativen freilich fließend ist. Zur Aufhebung im Strafmaß wegen Annahme eines konkreten Fehlers führte etwa die noch verhältnismäßig unspezifische Feststellung angesichts einer hohen Strafe, daß nicht ausgeschlossen werden könne, daß das Landgericht dem Gesichtspunkt der Generalprävention ein zu hohes Gewicht beigemessen habe.223 In einem Fall durch das Tatgericht in die Strafzumessungserwägungen nicht einbezogener besonderer Haftempfindlichkeit des Angeklagten ließ sich ein Einfluß dieses Rechtsfehlers auf den Strafausspruch „um so weniger ausschließen, als das Gericht hier beträchtliche Einzelfreiheitsstrafen [. . .] verhängt und auf eine hohe Gesamtfreiheitsstrafe erkannt“ hatte.224 In einer weiteren Entscheidung ließ die Begründung der Strafrahmenwahl „– auch im Hinblick auf die Höhe der erkannten Strafe – besorgen, daß die StrK eine Verwertung wesentlicher strafmildernder Gesichtspunkte bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu Unrecht abgelehnt hat“225. Auch ergab sich die Aufhebung eines Strafausspruchs wegen unvollständiger Erfassung des Unrechtsgehalts der Tat aufgrund Ablehnung strafschärfender Wirkung eines idealkonkurrierenden Delikts aus der ungewöhnlich milden Strafe.226 Die vom 221 s. zu den Besonderheiten der Strafzumessung im Betäubungsmittelrecht erst unten c) bb). 222 Vgl. oben a). 223 BGH StV 1981, 235; in der Entscheidung NStZ 1995, 77, 78 konnte der BGH angesichts einer außerordentlich milden Strafe ebenfalls „nicht ausschließen, daß der Strafausspruch auf den fehlerhaften Erwägungen des LG zur Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte beruht“; s. auch BGH bei Pfister, NStZ-RR 2001, S. 365 Nr. 64 mit nahezu identischer Formulierung zu einer als hoch bezeichneten Strafe. 224 BGH StV 1984, 151. 225 BGH StV 1984, 151 f.; in der Entscheidung BGHR § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 7 konnten die verhängten Strafen bei Berücksichtigung verschiedener vom Landgericht mißverständlich oder unzutreffend bewerteter straferhöhender Umstände „nicht mehr als schuldangemessen gelten“; vgl. auch die Entscheidung BGH NStZ-RR 1999, 298, 299, in der Einzelstrafen aufgehoben wurden, die so hoch bemessen waren, daß sich die jedenfalls nicht erkennbar berücksichtigten strafmildernden Umstände nicht widerspiegelten. 226 BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 20.

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Tatgericht unzutreffend „als wesentlichen Leitgedanken der Strafzumessung ins Auge gefaßte Möglichkeit einer Strafaussetzung“ begründete „die Besorgnis, daß die äußerst milde Strafe unter Vernachlässigung ihrer Schuldangemessenheit gebildet worden ist“.227 Eher ergänzend stellte der BGH im Rahmen der Beanstandung einer Strafzumessungsentscheidung, bei der sich der Tatrichter trotz Vorliegens einer Vielzahl festgestellter Strafmilderungsgründe an der Höchststrafe orientiert hatte, fest, daß nicht auszuschließen sei, daß sich dieser Rechtsfehler im Strafmaß ausgewirkt habe, „zumal die verhängte Strafe [. . .] das nach den Erkenntnissen des Senats in vergleichbaren Fällen übliche Maß bei weitem übersteigt“228. In einer neueren Entscheidung konnte der BGH nicht ausschließen, „daß das Landgericht, auf Grund der rechtsfehlerhaften Annahme, eine zulässige Verteidigung hätte sich auf ein pauschales Bestreiten oder die Berufung auf das Schweigerecht beschränken müssen, bei der Festsetzung der ungewöhnlich hohen Freiheitsstrafe von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist“229. Zu den wiederum weniger spezifizierten Rechtsfehlern, die der BGH im Zusammenhang mit der Strafhöhe beanstandet, gehört die zu einer „ungewöhnlich hohen Gesamtstrafe“ getroffene und anschließend durch einzelne Beispiele ausgefüllte Feststellung, die Darlegungen ließen besorgen, daß die Strafkammer „wesentliche von ihr festgestellte Tatsachen, die für den Angeklagten sprechen, außer acht gelassen“ habe230. Erwartungsgemäß fällt bei diesen Entscheidungen ins Auge, daß die Strafe hier nicht unvertretbar sondern ausdrücklich lediglich „ungewöhnlich“231 sein muß. Deshalb könnte bei neuer Entscheidung wohl auch wieder dasselbe Strafmaß verhängt werden. Ganz allgemein führt weiterhin auch das schon von BGH MDR 1954, 495 f.232 beanstandete Fehlen einer eingehenderen Begründung bei vom Üblichen abweichenden Entscheidungen zur Aufhebung des Strafausspruchs233. So227

BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 29. BGH StV 1995, 173, 174. 229 BGH StV 2001, 456. 230 BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 16. 231 BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 20, Abs. 1 Begründung 16; BGH StV 2001, 456. 232 s. dazu oben a); vgl. auch BGH bei Holtz, MDR 1977, S. 106 m. w. N. 233 BGH StV 1983, 102 m. w. N.: „Indessen bedürfen ungewöhnlich hohe Strafen einer Rechtfertigung in den Urteilsgründen, welche die Abweichung vom Üblichen an den Besonderheiten des Falles verständlich macht“; BGH NStZ 1983, 268, 269 (Hier soll der Strafausspruch diesen Anforderungen gerecht geworden sein) m. w. N.; BGH StV 1986, 57 m.w.N; StV 1987, 530; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 2: „Die verhängte Strafe von fünf Jahren überschreitet das für vergleichbare Fälle der Vergewaltigung übliche Maß nicht unerheblich. Bei dieser Sachlage war das Landgericht gehalten, die für die Bemessung der Strafe maßgeblichen Erwägungen besonders eingehend darzustellen“; BGH NStE Nr. 87 zu § 46; OLG Karlsruhe NJW 1980, 133, 134; SchlHOLG SchlHA 1985, 97; vgl. auch BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 13: „die knappen Ausführungen des Landgerichts machen nicht deutlich, aus welchen 228

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weit dabei gerade eine nähere Begründung der Abweichung vermißt wird234, dürfte eigentlich gegenüber der bloßen Beanstandung der Abweichung als solcher in der Abweichungstoleranz kaum ein Unterschied bestehen. Jedoch ist auch in diesen Fällen, wie schon bei der Kombination mit nicht alleine im Strafmaß zum Ausdruck kommenden Fehlern, von lediglich „ungewöhnlich“235 hohen oder das für vergleichbare Fälle übliche Maß lediglich „nicht unerheblich“236 überschreitenden Strafen die Rede. Damit scheint die bereits oben237 aufgeworfene Frage, ob das Hinzutreten des durch die Strafhöhe veranlaßten besonderen Begründungsmangels eine schärfere Kontrolle dieser Strafhöhe ermöglicht, eher bejaht werden zu müssen. Eine lediglich ungewöhnliche aber noch nicht unvertretbare Strafe, die zwar sehr eingehend, aber nicht in bezug auf die konkrete Abweichung vom Üblichen begründet ist, wäre demnach zu bestätigen, während die nicht eingehender begründete, aber ebenso ungewöhnliche Strafe wegen unterbliebener Begründung gerade dieser Abweichung aufgehoben würde. Daß aber das Fehlen einer hinsichtlich der Abweichung verlangten eingehenden Begründung zugleich einen weitergehenden Einfluß des Revisionsgerichts auf die Strafhöhe ermöglichen sollte, ließe sich allenfalls – freilich wenig überzeugend – damit begründen, daß schon der Umfang des sogenannten tatrichterlichen Ermessensspielraums davon abhinge, wie gründlich bei der Ermessensausübung vorgegangen wird, der Tatrichter bei oberflächlicher Begründung die dann engeren Grenzen dieses Ermessens also eher überschreiten würde und in diesem Fall auch gerade diese Überschreitung begründen müßte. Eine andere Interpretation liegt hier freilich näher: Der Grad der beanstandeten Abweichung vom Üblichen ist in diesen Fällen möglicherweise deshalb geringer, weil das Fehlen einer eingehenderen Begründung keine genauere Aussage über den im einzelnen zugrundeliegenden Fall und deshalb auch über die Gründen bei dem bisher unbestraften Angeklagten eine Erhöhung der Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf das mehr als Fünffache angemessen war“; vgl. auch OLG Karlsruhe Die Justiz 1981, 321: „Je weiter – gleich in welche Richtung – von vergleichbaren Strafbemessungen abgewichen wird, desto eher bedarf dies einer ausführlichen, die Abweichung an den Besonderheiten des Falles verständlich machenden Darlegung in den Urteilsgründen“. Im Jugendstrafrecht soll dies in noch besonderem Maße gelten; vgl. BGH StV 2001, 176, 177: „§ 54 JGG, der nach allgemeiner Meinung eine Ergänzung des § 267 Abs. 3 S. 1 StPO darstellt, erfordert eine besonders sorgfältige Begründung der festgesetzten Sanktion. Dem wird die Begründung des JugSchöG nicht gerecht. Seine Begründung des AG ist vielmehr formelhaft und so knapp, daß sich ihr in keiner Weise entnehmen läßt, ob und warum die Verhängung der als Erstjugendstrafe verhältnismäßig hohen Jugendstrafe von 1 J. gerechtfertigt ist“. S. auch die bei Theune (1985), S. 209 u. Anm. 46 mitgeteilten weiteren Entscheidungen. 234 BGH StV 1983, 102; OLG Karlsruhe Die Justiz 1981, 321. 235 BGH StV 1983, 102. 236 BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 2. 237 s. oben a).

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tatsächliche Diskrepanz zur üblichen Strafe zuläßt. Ist die Strafe nach der aufgrund der Begründung denkbaren Bandbreite vielleicht sogar unvertretbar aber jedenfalls zumindest ungewöhnlich, so könnte die nähere Begründung der Abweichung vom Üblichen zu dem Ergebnis führen, daß die Strafe lediglich ungewöhnlich und deshalb ansonsten zu bestätigen wäre. Versteht man die Rechtsprechung des BGH in diesem Sinne, so wäre ein vermeintlicher Widerspruch zum allgemeinen Kriterium der Vertretbarkeit aufgelöst. Dagegen wäre es wenig überzeugend, einem derartigen Widerspruch dadurch begegnen zu wollen, daß man das Fehlen der anläßlich abweichender Strafe geforderten besonders eingehenden Begründung wie jeden anderen zusätzlichen Mangel behandelt, und für den Eingriff in das Strafmaß auch in diesen Fällen generell die niedrigere Schwelle zugrunde legt. Zwar ist es konsequent, bei einem „gewöhnlichen“ Begründungsmangel entsprechend vorzugehen. Dies belegt auch eine neuere Entscheidung des BGH, nach der eine im Vergleich zu anderen Fällen, die dem Senat als Revisionsgericht bekannt geworden sind, sehr hohe Strafe möglicherweise dann hinnehmbar sein könnte, „wenn das Landgericht sämtliche wesentlichen für eine mildere Strafe sprechenden Gesichtspunkte erwogen hätte“238. Ein solcher Verzicht auf den unmittelbaren239 inhaltlichen Zusammenhang zwischen der geforderten Begründung und der Abweichung der Strafe vom Üblichen läßt sich auf die gesteigerten Begründungsanforderungen bei ungewöhnlichen Strafen ungeachtet des in den zugrundeliegenden Entscheidungen auch abweichenden Wortlauts aber kaum übertragen. Wenn die angesichts der Strafhöhe verlangte eingehendere Begründung diese Strafhöhe nämlich gar nicht zu rechtfertigen brauchte, es für den zusätzlichen Begründungsaufwand inhaltlich also gar nicht auf dessen Grund ankäme240, würde die Steigerung der Begründungsanforderungen alleine zum formellen Instrument, um dem Richter die Verhängung einer unüblichen Strafe zu erschweren241. Dann aber wäre es konsequenter, den weiteren Schritt zu gehen und den „unerwünschten“ Strafausspruch direkt aufzuheben. Eine niedrigere Schwelle des Eingriffs in den Strafausspruch bei zusätzlichem Vorliegen eines Begründungsmangels kann aber jedenfalls dann nicht in Betracht kommen, wenn das Urteil lediglich „Feststellungen vermissen läßt, die

238 Vgl. BGH bei Tolksdorf, DAR 1999, 195, allerdings mit der Einschränkung „allenfalls“. 239 Bei dem vorliegenden „gewöhnlichen“ Begründungsmangel könnte sich dagegen gerade dieser Verstoß im ungewöhnlichen Strafmaß niedergeschlagen haben. 240 Anders BGH MDR 1954, 495, 496 [dazu oben a)] und die in Anm. 199 aufgeführten Entscheidungen, welche eine Begründung gerade der Abweichung fordern. 241 Man könnte vielleicht noch daran denken, daß mit dem gesteigerten Begründungsaufwand eine gesteigerte Selbstkontrolle des Tatrichters bezweckt sei. Bei Abfassung des Urteils nach Verkündung dürfte es zu einer solchen Wirkung jedoch kaum kommen.

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es rechtfertigen könnten, daß sich die verhängte Strafe weit von den vom Senat in ähnlich schweren Fällen der vorgeworfenen Straftat bestätigten Strafen nach oben löst“242. Hierbei kann es sich nur noch um die üblicherweise aus der Straftatperspektive vorgenommene Vertretbarkeitsprüfung nun aus der Rechtsfolgenperspektive handeln. bb) Gegenstände häufiger Beanstandung In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte war bereits Ende der sechziger Jahre in bezug auf Verkehrsdelikte erkennbar, daß sich die Strafhöhenrevision auf bestimmte Deliktsfallgruppen besonders zu konzentrieren schien. Auch der BGH scheint sich bestimmter Delikte in dieser Hinsicht in besonderer Weise anzunehmen. Auffällig sind in dessen veröffentlichter Rechtsprechung insofern insbesondere die Bereiche des Betäubungsmittel- und des Sexualstrafrechts. Bei lediglich ergänzender Behandlung von Strafzumessungsfragen oder bei Erfolglosigkeit der Strafmaßrüge mag eine solche Häufung zwar anderen Ursachen zuzuschreiben sein, die Vielzahl tatsächlicher Aufhebungen im Rechtsfolgenausspruch aufgrund zu hoher oder zu niedriger Strafen oder auch ausdrücklich als unvertretbar bezeichneter Strafen bei Aufhebung des Rechtsfolgeausspruchs aus anderen Gründen lassen sich aber außer durch eher unwahrscheinliche Zufälligkeiten in der Veröffentlichungspraxis wohl nur durch strafzumessungsspezifische Besonderheiten dieser Delikte erklären243. Die bereits oben geäußerte Vermutung, daß sich in diesen Bereichen Abweichungen von der üblichen Praxis eher feststellen lassen als in anderen, müßte sich also entweder in den dem Fallmaterial zugrundeliegenden Tatsachen selbst oder in deren Behandlung durch die Untergerichte manifestieren. Hinsichtlich des Tatsachenmaterials könnte zunächst davon ausgegangen werden, daß sich die Fülle von Fällen in einzelnen Deliktsgruppen nicht nur proportional in der Überprüfung der Strafzumessung niederschlägt, sondern daß Massendelikte aufgrund der reichhaltigeren Ausgangsbasis zur Bestimmung des Vergleichsmaßstabs überdurchschnittlich oft Anlaß zu Beanstandungen geben. 242

Rechtsfehler nach BGH StV 1987, 530. Zu Sexualdelikten vgl. BGH NStZ 1984, 117; StV 1987, 530; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 6; Strafhöhe 2; BGH MDR 1992, 399; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 5; BGH NStZ 1992, 381; 1993, 584; BGH StV 1998, 480; BGH bei Tolksdorf, DAR 1999, 195 (Deliktsnatur [sexueller Mißbrauch eines Kindes] geht hier aber aus der abgedruckten Passage nicht hervor); BGH NStZ-RR 1999, 298; StV 2001, 453; zu BtM-Delikten vgl. BGH StV 1981, 235; NStZ 1983, 268; StV 1985, 366; NJW 1990, 846; StV 1990, 494; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 15; Strafhöhe 7; BtMG § 29 Strafzumessung 25; StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 9; BGH NStZ 1994, 494, 495; BGHR BtMG § 30 Strafzumessung 1; NStZ 1995, 77; BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 29; BGH StV 1996, 661; BGH bei Winkler, NStZ 1999, 235; BGH StV 1999, 435; NJW 2000, 965. 243

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Ähnliche Effekte könnten sich auch aus der Art der Strafzumessungstatsachen ergeben, etwa wenn in bezug auf bestimmte Delikte die Anzahl der bedeutsamen Strafzumessungstatsachen verhältnismäßig gering ist, sich die Merkmale gegenüber denen anderer Delikte einfacher quantifizieren lassen, oder auch wenn die Einzelmerkmale in ihren realen Ausprägungen regelmäßig nur in geringem Umfang voneinander abweichen244. Allerdings können derartige die Genauigkeit eines Üblichkeitsmaßstabs in gewissen Bereichen stützende Umstände selbstverständlich nur insoweit im Umfang der Revisionsrechtsprechung Ausdruck finden, als nicht bereits von den Tatgerichten derselbe Maßstab angewendet wird. Eine Diskrepanz zwischen den verschiedenen Instanzen in der Genauigkeit des Strafzumessungsmaßstabs wird aber zumindest befristet in jedem Deliktsbereich entstehen müssen, nicht nur aufgrund des generell größeren Überblicks der Revisionsgerichte, sondern auch, weil bei Einführung einheitlicher aber lediglich in beispielhaften Judikaten zum Ausdruck kommender Maßstäbe durch die Revisionsgerichte regelmäßig auch eine gewisse zeitliche Latenz bis zur Erkennbarkeit klarer Konturen für und deren Berücksichtigung durch die Untergerichte auftritt. Nicht unbedingt ein nur vorübergehendes Phänomen dürften dagegen solche Diskrepanzen im Strafzumessungsergebnis sein, die sich erst aus einem besonderen Ausmaß unterschiedlicher Bewertung von Strafzumessungstatsachen durch die verschiedenen Tatgerichte in bestimmten Deliktsbereichen ergeben. Hier dürfte es zu vermehrten „Ausreißern“ in umstritteneren oder sensibleren Deliktsgruppen kommen, deren Bewertung auch auf Seiten der Tatgerichte je nach individueller Veranlagung und Sozialisation der Richter245 sehr unterschiedlich ausfallen kann. Stark von persönlichen Emotionen und Moralvorstellungen beeinflußt dürfte insbesondere die Behandlung von Sexualdelikten sein, aber auch in der tatrichterlichen Strafpraxis im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts kann wohl ein gewisser Niederschlag der zur Drogenpolitik generell bestehenden Kontroversen vermutet werden246. In bezug auf die vorliegend interessierenden Besonderheiten der revisionsgerichtlichen Behandlung sind jedoch vor allem jene Deliktsgruppen von Bedeutung, deren vermehrte Beanstandung im Strafmaß auf die bereits genannte geringere Komplexität in den wesentlichen Strafzumessungstatsachen und einen deshalb besonders präzisen Maßstab der Revisionsrechtsprechung schließen läßt. Ein wichtiges Beispiel hierfür scheinen wiederum die Betäubungsmitteldelikte zu sein mit ihrem quantitativ angesichts der Mengenbegriffe auch stoff244 Vgl. zu diesen Erleichterungen in der Feststellung von Ungleichmäßigkeit bei bestimmten Deliktsgruppen schon oben a) a. E. 245 Zu Anlagen und Umwelt des Richters als umfassende Diskrepanzursache in der Strafzumessung vgl. schon oben § 1 III. 4. 246 So auch Kreuzer (1991), S. 175 mit Beispielen von Richterbefragungen zur Bewertung der Droge Cannabis.

III. Der Strafmaßvergleich

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übergreifend247 ohne weiteres vergleichbaren Tatgegenstand, den immer wiederkehrenden Begehensweisen und den vielfach vergleichbaren Täterbiographien. Läßt sich der Maßstab der Üblichkeit demnach im Betäubungsmittelstrafrecht verhältnismäßig präzise bestimmen, so erweckt dieser Maßstab hier zugegebenermaßen mehr als bei sonstigen Delikten auch den Eindruck einer Mathematisierung der Strafzumessung248. Tatsächlich ist diese Form der Mathematisierung aber zunächst eine Konsequenz aus der jeweiligen Tatbestandsfassung und dem jedenfalls unter Akzeptanz eines Bedürfnisses nach Gleichmäßigkeit eben erforderlichen Kriterium der Üblichkeit. Insoweit handelt es sich auch hier nur um eine Teilmathematisierung, um die Herstellung einer im Ergebnis dann freilich auch mathematisch formulierbaren Relation zwischen BtM-Menge und einem zugehörigen Strafrahmen, der unübliche Strafen ausgrenzt. Eine derartige Relation ließe sich – je nach Merkmal präziser oder weniger präzise – theoretisch zu jeder Strafzumessungstatsache erstellen, nur daß der so zu ermittelnde Rahmen, je unwesentlicher oder in der Varianz beschränkter eine Strafzumessungstatsache ist, sehr schnell dem gesetzlichen Strafrahmen nahekommen würde oder jedenfalls aufgrund seiner Weite praktisch bedeutungslos wäre. Umgekehrt kann die Bedeutung eines solch wesentlichen Merkmals noch gewichtiger werden, wenn das Fallmaterial ausreicht, um für bestimmte Tattypen feinere Untermaßstäbe zu bilden. Ein in diesem Zusammenhang gerade im Betäubungsmittelstrafrecht in Erscheinung getretener Falltyp ist die „inkorporierte“ Einfuhr von Kokain durch südamerikanische Kuriere auf dem Luftwege. Der 2. Senat des BGH hat zwischen August 1994 und Dezember 1995 fünf entsprechende Urteile des LG Frankfurt a. M. aufgehoben, die sich auf Wirkstoffmengen zwischen 412,9 und 730,2 g bezogen und allesamt zu Freiheitsstrafen von 2 Jahren und 3 Monaten bzw. 2 Jahren und 6 Monaten führen sollten249. Während für die erste dieser Entscheidungen noch eine unzulässige Einengung des Strafzwecks der Generalprävention angeführt wurde, deren Auswirkung auf den Strafausspruch „angesichts der außerordentlich milden Strafe“ nicht ausgeschlossen werden könne250, wurden die vier weiteren Aufhebungsentscheidungen jeweils ausdrücklich auf unvertretbare Milde gestützt, im einzelnen mit folgender Begründung251: „Daß diese Strafe erheblich unterhalb des schuldangemessenen Strafmaßes liegt, ist hier gerade deshalb feststellbar, weil diejenigen Fälle, in denen Rauschgiftkuriere 247

s. dazu oben II. 1. So die Kritik von Kreuzer (1991), S. 173, 174, der in der Sache aber eher die Ausfüllung der Mengenbegriffe und damit gar nicht unmittelbar die Strafzumessung angreift. S. dazu schon oben Anm. 17 m. w. N. 249 BGH NStZ 1995, 77; BGHR BtMG § 30 Strafzumessung 1; BGH StV 1997, 427 mit knapper Darstellung zweier weiterer Entscheidungen. 250 BGH NStZ 1995, 77 f.; diese Entscheidung bezog sich auch auf die kleinste Wirkstoffmenge. 251 BGH StV 1996, 427; krit. LR-Hanack § 337 Rn. 203. 248

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aus südamerikanischen Ländern gegen Belohnung ,inkorporiertes‘ Kokain auf dem Luftwege ins Inland bringen, sich in den sie kennzeichnenden, typischen Grundzügen weitgehend gleichen; daher muß sich bei ihrer Beurteilung die Differenzierung der Strafen mehr als sonst – wenn auch keinesfalls ausschließlich – an der Menge und dem Wirkstoffanteil des transportierten Rauschgifts orientieren.“

Damit erteilt auch der BGH der denkbaren aber kaum konsequenten Möglichkeit, Unterschiede in der Bestimmbarkeit des Revisionsmaßstabs im Ergebnis dadurch zu nivellieren, daß man unabhängig von der präziseren Feststellbarkeit von Üblichkeiten dennoch nur einen einheitlichen Revisionsmaßstab hinreichender Schärfe anwendet, jedenfalls in der Theorie252 eine Absage. Zwar wird die Auswirkung von geringerer Komplexität hinsichtlich der Strafzumessungstatsachen derartiger Fallgruppen ausdrücklich nur auf die Feststellbarkeit von Abweichungen und nicht auf die Abweichungstoleranz selbst bezogen. Wenn aber auch in diesen Fällen lediglich auf eine allgemeingültige, etwa prozentuale Abweichung von einem Mittelwert üblicher Strafe geprüft würde, bedürfte es einer derartigen Begründung durch den BGH nicht. Die erhebliche Abweichung von der schuldangemessenen Strafe wäre hier dann auch nicht „gerade deshalb“ feststellbar, weil sich die Fälle weitgehend gleichen. Die Ausführungen des BGH lassen sich vielmehr nur dahingehend interpretieren, daß sich bei diesen BtM-Delikten ein engerer Rahmen üblicher Bestrafung feststellen läßt, womit auch eine betragsmäßig gleich bleibende Abweichung von diesem engeren Rahmen eine geringere Abweichung von dessen Mittelwert darstellt. Die konsequenterweise einheitlich zu beurteilende Erheblichkeit der Abweichung vom Üblichen ist somit auch tatsächlich deliktsunabhängig, während sich gegenüber einem Mittelwert üblicher Strafe ein in Abhängigkeit vom Rahmen üblicher Strafe fallgruppenspezifischer Rahmen der tolerierten Abweichungen ergibt. Wenn also in derartigen weniger komplexen Fallgruppen einzelne Strafzumessungstatsachen ohnehin schon eine verhältnismäßig große Bedeutung haben können, und zusätzlich noch der Rahmen tolerierter Sanktionen generell enger ist, kann sich eben eine Korrelation zwischen Ausprägungen einzelner Strafzumessungstatsachen und verhältnismäßig engen Strafgrenzen ergeben, welche dann, sofern im übrigen keine Besonderheiten gegeben sind, auch eine eindeutige Aussage zur Unvertretbarkeit einer Strafe außerhalb dieser Grenzen alleine aufgrund dieser Ausprägung zulassen können253. 252 Anhand der Aufhebungsentscheidungen läßt sich ein faktisch strengerer Maßstab aber kaum nachweisen; vgl. dazu unten d). 253 Völlig fehl geht die Kritik in der abl. Anm. von Köberer, StV 1996, S. 429, der dem BGH unzutreffend die Behauptung unterstellt, „wegen der Gleichartigkeit der sich häufenden Fallkonstellationen hänge die Strafe mehr als sonst von der Menge des eingeführten Rauschgifts ab“, um dieser Behauptung dann die freilich richtige Feststellung entgegenzuhalten, daß sich aus der Menge selbst unmittelbar keine Strafe ergibt. Der 2. Senat hat aber diesen engeren Zusammenhang ja nur zwischen der Wirkstoffmenge und der „Differenzierung“ im Strafmaß hergestellt. Köberer scheint hier, wie auch im folgenden, die konkrete Strafhöhenrelation mit der absoluten Strafhöhe zu

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Beschränkt ist das Phänomen je nach Tatbestands- oder Fallkonstellation unterdurchschnittlicher Abweichungstoleranz von einem Mittelwert üblicher Strafe verwechseln. Gegen die weitere Vermutung nämlich, der BGH habe möglicherweise „ausdrücken wollen, daß das bestimmende Strafzumessungsmerkmal – auch hinsichtlich der Gesamtgruppe der Einfuhr-Fälle – nur die eingeführte Rauschgiftmenge sein kann“, bringt Köberer vor, daß eine solche Hierarchie der Strafzumessungsgründe sich dem Gesetz nicht entnehmen ließe, „man könnte im Gegenteil sogar in Anlehnung an das Doppelverwertungsverbot des § 46 II StGB argumentieren, daß die strafzumessungsrelevanten Tatumstände, die zum Kern der Tatbestandserfüllung gehören, gerade wegen ihrer den Strafrahmen bestimmenden Funktion bei der Strafzumessung im engeren Sinne zurücktreten müssen“. Auch dieses Argument paßt nicht auf die vom BGH behandelte Vergleichskonstellation, denn hinter welchen Umständen soll die Wirkstoffmenge in ihrer Bedeutung zurücktreten, wenn in den konkreten Fällen offensichtlich gerade kein weiteres Differenzierungskriterium entsprechender Bedeutung auszumachen ist. Und dementsprechend gehen auch die weiteren Vorwürfe, wie etwa „daß dies nichts anderes bedeute, als daß ein strafmildernder Umstand dann sein Gewicht verliert, wenn er nur oft genug vorkommt“ (S. 430), ins Leere. Ganz abgesehen von dieser Fehlinterpretation stellt sich auch in bezug auf das von Köberer zur geringeren Relevanz der BtM-Menge für die absolute Strafhöhe vorgebrachte Argument die Frage, ob es ernsthaft möglich sein kann, daß die quantitative Ausprägung von Tatbestandsmerkmalen hinter den übrigen Strafzumessungstatsachen generell zurücktreten muß – man stelle sich vor, die Varianz im Strafmaß würde etwa beim Betrug in erster Linie von Geständigkeit und Vorleben des Täters u. ä. abhängen, während die Frage, ob der Schaden in die Millionen geht oder knapp die Geringfügigkeitsschwelle überschreitet, und die Begehungsweise dahinter zurückzutreten hätten. Das Gesetz selbst knüpft ja gerade die sehr unterschiedlichen Strafrahmen an den Tatbestand, und es wäre schlicht nicht nachvollziehbar, wenn schon eine bestimmte Ausprägung eines Tatbestandsmerkmals alleine zu einer gravierenden gesetzlichen Strafrahmenverschiebung führen könnte, aber die Frage, ob ein Vielfaches dieser Ausprägung vorliegt, generell hinter anderen Umständen zurücktreten müßte. Rätselhaft bleibt deshalb auch, warum das angeführte Argument von Köberer „zumindest dann“ in Betracht gezogen wird, „wenn ein solcher tatbestandsnaher Umstand wie die (nicht geringe) Menge des eingeführten Rauschgifts auch noch zu einer gravierenden Strafrahmenverschiebung führt“. Die schließlich von Köberer ausgemachte „deutliche Argumentationslücke“ – die offen bleibende Frage, „welche Menge eines eingeführten Betäubungsmittels denn eigentlich mit welchem regelmäßig zu verhängenden Strafmaß verknüpft werden kann“, stellt sich bei der Strafhöhenrevision generell, gerade im Betäubungsmittelstrafrecht gab der BGH aber insofern auch schon konkretere Hinweise (BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 13; s. dazu eingehender schon oben b) bb) a. E.). Im übrigen „drängt sich“ ja auch nach Köberer ohne entsprechenden ausdrücklichen Hinweis schon „der Eindruck auf, daß allenfalls Strafen deutlich über 3 Jahren vertretbar sein sollten“. Daß der BGH die generell praktizierte Ausfüllung des Begriffs der Vertretbarkeit durch die Üblichkeit hier nicht ausdrücklich erwähnt hat, bedeutet jedenfalls nicht, wie Köberer meint, daß er diesen hier nicht selbstverständlich ebenfalls zugrundegelegt hätte, denn anders ließe sich diese Entscheidung, wie aber auch die Revision hinsichtlich der Strafhöhe generell, kaum begründen. Bedenken speziell gegen diese Entscheidung bestehen meines Erachtens allenfalls insofern, als gerade in den Fällen „inkorporierter“ Einfuhr von Kokain, deren Beurteilung der BGH hier mehr als sonst an Menge und Wirkstoffanteil orientiert sieht, auch hinsichtlich dieser Tatbestandsmerkmale keine große Varianz bestehen wird, da dessen Quantität hier von unten regelmäßig durch ökonomische „Vernunft“ der Hintermänner und von oben durch die physiologische Kapazität der Kuriere eingegrenzt sein dürfte, was auch an den in den genannten Fällen eingeführten Mengen, deren höchste unter

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selbstverständlich nicht auf Betäubungsmittel- oder Verkehrsstrafsachen. In anderen Bereichen, etwa im Steuerstrafrecht, werden sich derartige Vereinfachungen ebenfalls finden. Auch Unterfallgruppen von Massendelikten wie etwa Diebstahl oder Betrug können zu exakteren Untermaßstäben führen, die sich dann allerdings ihrerseits, genauso wie in den besprochenen Fällen der BtMEinfuhr, zusätzlich an sonstigen Üblichkeiten im jeweiligen Tatbestand messen lassen müssen. Deutlich zu trennen ist diese Konsequenz aus Maßstab und Tatbestand bzw. Fallgruppe von möglichen Folgen solcher Konstellationen. Es besteht, und insofern sind die Befürchtungen hinsichtlich einer Mathematisierung wohl nicht ganz unberechtigt, eine gewisse Gefahr der Überbewertung derartiger gut meßbarer und deshalb einfach handhabbarer Kriterien aus Praktikabilitätsgründen mit der möglichen Folge, daß sich dadurch langfristig auch der Üblichkeitsmaßstab nur noch auf entsprechende Kriterien bezieht. Auch dies bezeichnet aber kein spezifisches Problem der Strafzumessung bei derartigen Delikten, das Problem von Reduktionen in der Strafzumessung fällt hier gegebenenfalls nur zuerst ins Auge. Erkennbar wird dabei aber insbesondere, daß der Maßstab der Üblichkeit nicht isoliert anzuwenden ist, sondern dessen Anwendung selbstverständlich nur in einem noch näher zu beleuchtenden254 Zusammenspiel mit der bestehenden Strafzumessungsdogmatik erfolgen kann. cc) Beteiligung Der durch die OLG Köln und Oldenburg255 schon vor Gründung des BGH aufgestellte Grundsatz, daß die Strafen mehrerer Beteiligter in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen müssen, wurde Anfang der 50er Jahre vom BayObLG dahingehend präzisiert, daß eine grundlos unterschiedliche Strafzumessung gegenüber mehreren Angeklagten einen Rechtsverstoß beinhalte256. Gegenüber der damals im allgemeinen wie auch in dieser Entscheidung im übrigen angenommenen Beschränkung der allgemeinen Revisibilität der Strafhöhe auf Fälle eines unerträglichen Mißverhältnisses wurde hier für den Vergleich von gegen Mitangeklagte ausgesprochenen Strafen ein deutlich schärferer Maßstab zumindest für den Fall angelegt, daß sich eine Abweichung derartiger Strafen überhaupt nicht begründen läßt, denn auch ein „erträgliches Mißverhältnis“ zwischen Schuld und Strafe würde unter diesen Voraussetzunder doppelten niedrigsten liegt, deutlich wird. Bei weiter eingeschränkter Differenzierbarkeit gilt aber die Kernaussage, daß sich die Unvertretbarkeit von Strafen aufgrund von weitgehenden Gemeinsamkeiten hier besonders gut feststellen läßt, erst recht. 254 s. dazu erst unten § 4 I. 3. 255 OLG Köln HESt 1, 200, 204 f.; OLG Oldenburg NdsRpfl 1950, 25; s. dazu oben 2. 256 NJW 1951, 574.

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gen zur Aufhebung des Strafausspruchs führen. Es wäre dann aber auch systematisch inkonsequent, würde man darüber hinaus die Beanstandung der Strafhöhe bei lediglich geringfügigen Gründen für eine Abweichung zwischen Mitangeklagten wieder nur auf Extremfälle beschränken. Jedenfalls handelt es sich bei der Frage der Abstimmung von Strafen verschiedener Beteiligter entgegen den Urteilsgründen dieser Entscheidung nicht um einen Unterfall des unerträglichen Mißverhältnisses zwischen Tat und Strafe257, sondern um einen besonderen Fall offensichtlicher Ungleichmäßigkeit, welche auch nicht in einer bestimmten Strafe sondern nur im Verhältnis verschiedener Strafen zueinander zum Ausdruck kommt. Genau daraus erwächst auch ein Problem dieser strengeren Kontrolle. Insbesondere dann nämlich, wenn lediglich eine der unzutreffend differierenden Strafen angefochten wird, käme für die Überprüfung der neuen Entscheidung nach Zurückverweisung zunächst wieder nur der allgemeine Revisionsmaßstab in Betracht, womit sich die Aufhebungsentscheidung als folgenlos erweisen könnte, wenn das Tatgericht wiederum die Strafe der Ausgangsentscheidung verhängt und sich die Abweichung mit einer unangemessenen Bestrafung des Mitangeklagten erklärt258. Wenige Monate nachdem die Entscheidung des BayObLG ergangen war, hat der 4. Senat des BGH den Grundsatz gleicher Bestrafung bei gleicher Tatbeteiligung jedenfalls für den Fall der Verurteilung durch verschiedene Gerichte abgelehnt, wobei sich die Begründung alleine auf die mangelnde Vergleichbarkeit von Feststellungen in verschiedenen Verfahren stützte.259 Nach einer Entscheidung des OLG Hamburg260 sollte der Grundsatz allerdings auch dann nicht gelten, „wenn die Strafen von demselben Gericht im selben Verfahren verhängt werden“, jedoch unter Ausblendung der Persönlichkeit aus dem Begriff der Tatbeteiligung, weshalb die Frage, ob „bei gleicher Schuld und gleichem Strafzumessungssachverhalt gleiche Strafe verhängt werden muß“, ausdrücklich offengelassen wurde. Andererseits wurde dem Tatrichter selbst für den eher hypothetischen Fall völlig gleichliegender Strafzumessungstatsachen dennoch der hinsichtlich der Strafhöhe allgemein angenommene weitere Ermessenspielraum zugebilligt.261

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Vgl. die zutreffende Kritik in der Anm. von Dreher, NJW 1951, S. 575. s. dazu noch unten (2). 259 BGH NJW 1951, 532: „Ein Grundsatz, daß Mittäter, wenngleich von verschiedenen Gerichten, bei vermeintlich gleicher Tatbeteiligung gleich hoch zu bestrafen seien, besteht nicht und kann in dieser Form auch nicht bestehen, weil die Vergleichsmöglichkeiten zwischen den in verschiedenen Verfahren gewonnenen Ergebnissen zu gering sind, ganz besonders zur inneren Tatseite und zum Maße der Schuld“; s. erg. die Entscheidung des 3. Senats des BGH bei Holtz, MDR 1979, S. 986, die auch eine abgestufte Bestrafung in Fällen entsprechend abgestufter Beteiligung mit einschließt. 260 NJW 1954, 1737. 261 „Selbst bei völlig gleichliegenden Strafzumessungstatsachen würde ein in der RevInstanz beachtlicher Rechtsfehler nur vorliegen, wenn Mittäter unverhältnismäßig unterschiedlich behandelt werden (Hans. OLG – Ss 4/50). Der Ermessensspielraum 258

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Noch bis Anfang der achtziger Jahre wies der BGH auf die Strafzumessung gegenüber anderen Beteiligten gestütztes Revisionsvorbringen mit der Begründung zurück, der Beschwerdeführer könne sich schlicht auf das Verhältnis der gegen verschiedene Angeklagte verhängten Strafen nicht berufen. Entsprechende Entscheidungen lassen sich der Rechtsprechung des 3. und wiederum des 4. Senats entnehmen.262 Zur Überprüfung dieses Verhältnisses wurde dabei allenfalls der alte zur Aufhebung von extremen Mißverhältnissen zwischen Schuld und Strafe angewandte Maßstab der Unerträglichkeit in Betracht gezogen.263 Erst Ende der siebziger Jahre kam in diese Rechtsprechung wieder Bewegung. Im Gegensatz zur allgemeinen Strafhöhenrevision264 sind insoweit auch Unterschiede in der Rechtsprechung der einzelnen Senate auszumachen. (1) Unterschiede zwischen den Senaten Ende 1980 hob der 1. Senat265 einen Strafausspruch unter anderem mit der bis heute gängigen Erwägung auf, daß der Gesichtspunkt, daß gegen Mittäter erweitert sich zu einem größeren revisionssicheren Raum (vgl. Dreher, NJW 51, 575); das muß auch für die Nachprüfung des Grundsatzes ebenmäßigen Strafens gelten.“ 262 Vgl. aus der Rechtsprechung des 3. Senats BGH bei Holtz, MDR 1977, S. 808 zu sieben Jahren Freiheitsstrafe bzw. einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung für Ehegatten wegen desselben besonders schweren Falles eines Betäubungsmittelvergehens: „Das Verhältnis der gegen die beiden Angeklagten verhängten Strafen zueinander kann einen Revisionsangriff nicht rechtfertigen. Dieses Verhältnis unterliegt der tatrichterlichen Beurteilung. Aus der Höhe der Strafe des Mitangeklagten ergibt sich kein Rechtsfehler bei der Zumessung der Strafe gegen die Angeklagte (vgl. BGH Urt. 4 StR 787/52 v. 21.5.1953)“; aus der Rechtsprechung des 4. Senats s. auch BGH bei Spiegel, DAR 1981, 191: „Auf die Höhe der gegen Mitangeklagte verhängten Strafen kann ein Beschwerdeführer sich nicht berufen.“ 263 BGH bei Holtz, MDR 1977, S. 808: „Daß der Unterschied [. . .] unerträglich sei, wie die Revision der StA meint, kann bei Würdigung der von der Strafkammer hierfür angeführten Gründe nicht eingeräumt werden“. 264 Hier lassen sich angesichts der generell unbestimmten Formulierungen allenfalls statistische Unterschiede ausmachen. Daß etwa der 5. Strafsenat in den 80er Jahren insgesamt vergleichsweise wenige mit Gründen versehene Entscheidungen zur Frage der Strafzumessung getroffen haben soll (Theune, Grundfragen, S. 147), deckt sich im übrigen mit dessen im folgenden dargestellten Zurückhaltung auch in der Frage der Strafzumessung im Verhältnis verschiedener Beteiligter. 265 BGH StV 1981, 122, 123: „Die verhängten Strafen übersteigen erheblich die von der Strafkammer in einem schon früher abgeschlossenen Verfahren gegen den Mittäter M. ausgesprochenen Strafen. Im Falle III C der Urteilsgründe ist die Diskrepanz besonders groß (M. erhielt 3 Jahre und 6 Monate, der Angeklagte 8 Jahre). Da nach den Feststellungen nichts dafür zu ersehen ist, daß die mittäterschaftlichen Beiträge M.’s wesentlich hinter denen des Angeklagten zurückblieben, liegt – insbesondere im Falle III C – die Annahme nahe, daß das Leugnen des Angeklagten und seine Verteidigungsstrategie, auch soweit sie ungünstige Schlüsse auf seine Persönlichkeit und auf seine Einstellung zu seinen Taten zulassen, unangemessen überbewertet worden sind. Zwar muß in jedem Verfahren die den Zumessungsgrundsätzen des Gesetzes entsprechende Strafe unter Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände aus der

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verhängte Strafen in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollten, nicht völlig außer Betracht bleiben könne.266 Auffallend an dieser Entscheidung ist insbesondere, daß bei einem lediglich nicht ausreichend begründeten Verhältnis von etwas mehr als dem Doppelten gegenüber einer in einem schon früher abgeschlossenen Verfahren verhängten Strafe wohl kaum schon von einem unerträglichen Mißverhältnis gesprochen werden kann. Auch wenn sich die Strafaussprüche der genannten Entscheidungen wegen der nicht mitgeteilten Gründe kaum gegenüberstellen lassen, kann doch festgehalten werden, daß der 3. Senat wenige Jahre zuvor ein Verhältnis von 1:7 bei zusätzlicher Aussetzung der niedrigeren Strafe zur Bewährung als nicht unerträgliche Bestrafung von desselben Delikts Angeklagten angesehen hat267. Noch deutlicher wird dieser Wandel in der Rechtsprechung durch eine weitere Entscheidung des 1. Senats, in der nach Wiederholung der o. g. Formel eine Begründung für die unterschiedliche Bestrafung von Mittätern gefordert wurde268. Im konkreten Fall ging es um einen wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 7 J. und 6 M. verurteilten Angeklagten R., der den Tatort ausgekundschaftet hatte und „Schmiere stand“. Der Strafausspruch wurde mit Blick auf die gegen den Mittäter K verhängte Freiheitsstrafe von 6 J. aufgehoben. Dieser hatte den Überfall zwar zusammen mit einem Dritten selbst ausgeführt, war dafür aber im Gegensatz zu R., der die Tat leugnete, überwiegend geständig und hatte auch Schuldeinsicht gezeigt. Nach Ansicht des Senats wurde aus den „Strafzumessungserwägungen auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß das LG Geständnis und Schuldeinsicht zugunsten des Angekl. K. bewertet hat, nicht hinreichend deutlich, warum der Angekl. R. nicht unerheblich strenger bestraft worden ist, so daß die gegen ihn verhängte Strafe aufgehoben werden mußte.“269 In einem weiteren nach den Urteilsgründen schon verhältnismäßig eindeutigen Fall ungleichmäßiger Bestrafung hat der 1. Senat die Aufhebung des Strafausspruchs allerdings über die Vermutung begründet,

Sache selbst gefunden werden. Der Gesichtspunkt daß gegen Mittäter verhängte Strafen in ,einem gerechten Verhältnis zueinander‘ stehen sollten, kann aber nicht völlig außer Betracht bleiben.“ 266 Zitiert wird dafür auch eine frühere Senatsentscheidung (BGH, Urt. vom 14. März 1978 – 1 StR 8/78). 267 s. oben Anm. 262. 268 BGH StV 1987, 435 f. (s. dazu auch Theune, NStZ 1987, S. 497): „Unterschiede der Bestrafung müssen daher jedenfalls dann erläutert werden, wenn sie sich nicht aus der Sache selbst ergeben.“ Vgl. auch OLG Karlsruhe StV 1998, 375, 376: „Auch hätte es [. . .] zumindest der näheren Darlegung einer noch vertretbaren Relation der gegen den Angekl. verhängten wesentlich höheren Strafe bedurft. Der bloße Hinweis auf die zugunsten des Mittäters sehr großzügige Anwendung des § 31 BtMG und die Erwägung, daß die Tatbeiträge der übrigen Beteiligten und die gegen sie verhängten Strafen nicht ganz außer Betracht gelassen wurden, genügten bei dieser Sachlage nicht.“ 269 BGH StV 1987, 436.

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die Strafkammer sei in der Begründung von einer falschen Menge Rauschgift ausgegangen.270 Auch in jüngeren Entscheidungen zeigt sich der 1. Senat eher wieder zurückhaltend, etwa mit der Feststellung, daß im Höhenverhältnis gegen Mittäter verhängter Strafen nur in seltenen Ausnahmefällen ein Rechtsfehler liegen könne271, der Erwägung, daß sich die Annahme einer linearen Abstufung von (Gesamt-)Strafen für verschiedene Beteiligte bei unterschiedlicher Zahl von Einzeltaten ohnehin verbiete272, oder gar, wie neuerdings, mit der freilich im Zusammenhang mit dem anschließenden Einräumen von Ausnahmen zu sehenden verallgemeinerten Auffassung, daß der Vortrag, der Angekl. sei im Verhältnis zu anderen Beteiligten zu milde bestraft worden, die Revision nicht rechtfertigen könne273. Daß aber jedenfalls eine Begründung des Verhältnisses der gegen Mitangeklagte verhängten Strafen zueinander nicht sinnlos ist, ergibt sich auch aus drei zwischen 1987 und 1990 ergangenen Entscheidungen des 2. Senats, die allesamt die strafschärfende Berücksichtigung des an der Beteiligung Dritter gemessenen Tatanteils beanstandeten274 und diesen Gesichtspunkt der Begründung der Strafhöhenrelation zuwiesen.275 In späteren Entscheidungen des 2. Senats findet sich auch die vom 1. Senat gebrauchte Formel zu diesem Verhältnis276. 270 BGH StV 1992, 270, 271: „Gesichtspunkte, die insoweit auf einen unterschiedlichen Unrechtsgehalt hindeuten könnten, enthalten die Urteilsgründe nicht. Nach der Tat hat erst das Geständnis des Angekl. auch K. zu einem Geständnis veranlaßt. Wenn unter diesen Umständen die StrK gegen K. eine Freiheitsstrafe von 5 J. und 6 M., gegen den Angekl. aber eine Freiheitsstrafe von 11 J. verhängt hat, ist dies ein weiterer Grund, der besorgen läßt daß die StrK bei dem Angekl. entgegen den Feststellungen – anders als bei K. – von einer ihm anzulastenden Menge von 4 kg Heroin ausgegangen ist.“ 271 BGH wistra 1994, 94, 95. 272 BGH wistra 1997, 61, 62. 273 Vgl. BGH NJW 1999, 2129, 2130: „Zu der von der Revision aufgeworfenen Frage des Vergleichs der Strafzumessung im vorliegenden Fall mit derjenigen in dem bereits abgeschlossenen Verfahren gegen einen Mittäter weist der Senat auf die Rechtsprechung des BGH hin. Danach ist die Strafe für jeden Beteiligten grundsätzlich nur nach dem Maß seiner individuellen Schuld zu verhängen. Der Vortrag, der Angekl. sei im Verhältnis zu anderen Beteiligten zu milde bestraft worden, kann deshalb die Revision nicht rechtfertigen. Umstände, die eine andere Beurteilung erfordern würden, sind weder von der Revision vorgetragen noch sonst ersichtlich.“ 274 Zugleich ist diesen Entscheidungen auch eine Absage an eine Bewertungsrichtung des Tatanteils zu entnehmen, was wiederum der Auffassung Frischs zur ohnehin fehlenden Bewertungsrichtung von Tatbestandsmerkmalen [s. dazu oben II. 3. b) aa) mit Anm. 98] entspricht. 275 BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 6 (s. dazu auch Theune, NStZ 1987, S. 493): „Die im Vergleich zum Mitangeklagten größeren Aktivitäten des Angeklagten P. zu Beginn der Tat können zwar zur Begründung angeführt werden, warum letztlich – nach Abwägung sämtlicher Umstände – gegen ihn eine höhere Strafe zu verhängen ist als gegen den Mitangeklagten“; BGHR StGB § 46 Abs. 3 Mittäter 1: „Daß ein Angeklagter die Tat selbst ausgeführt hat, während ein Mittäter an ihr in anderer Weise beteiligt war, kann zwar als Begründung dafür angeführt werden, warum letzt-

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Beide, der 1. wie der 2. Senat machen schließlich die Grenzen eines Vergleichs mit gegen Mittäter verhängten Strafen deutlich. Zunächst kann selbstverständlich die Gefahr eines aufgrund von unpopulären Unterschieden in den Zumessungsgründen lediglich vermeintlich entstehenden Mißverhältnisses zwischen gegen Mittäter verhängten Strafen nicht zu einer Annäherung im Strafmaß führen277. Sonst würden die Strafen im Ergebnis ja gerade in einem ungerechten Verhältnis zueinander stehen. Aber auch unabhängig von tatsächlich bestehenden Unterschieden soll die gegen einen Mittäter in einem anderen Verfahren verhängte Strafe für sich genommen keinen Einfluß auf die Strafzumessung haben278, wofür auch spricht, daß ja gerade diese andere Strafe zu niedrig oder zu hoch sein kann. Zwar kann das Tatgericht die im selben Tatkomplex verhängten Strafen in die eigene Bewertung einbeziehen, es darf sich aber nicht an das entsprechende Strafniveau gebunden fühlen. Geprüft wird die Einbeziehung der Strafzumessung bei Mittätern in den entsprechenden Entscheilich – nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände – gegen ihn eine höhere Strafe zu verhängen ist als gegen den Mittäter“; BGH StV 1990, 403: „Die vergleichsweise größeren Aktivitäten können somit nur als Begründung dafür angeführt werden, warum er eine höhere Strafe erhält als der Mittäter“. 276 BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertung 4; BGH NJW 2001, 83, 85. 277 So der 1. Senat in BGH StV 1993, 638: „Aus der Erwägung, daß die gegen Mittäter verhängten Strafen in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollten, leitet die StrK die Befürchtung ab, man gelange zu einem von der Allgemeinheit als ungerecht empfundenen Mißverhältnis, wenn ,einerseits die bereits abgeurteilten Mittäter ihre Strafen zu einem großen Teil bereits verbüßen mußten, gegen den Angekl. andererseits als Hauptinitiator und Hauptnutznießer der Taten aber eine wesentlich niedrigere Strafe verhängt würde, obwohl gegen ihn bei sofortiger Aburteilung der Taten eine wesentlich höhere Strafe als gegen die Mitbeteiligten . . . zu verhängen gewesen wäre‘. Dabei wird übersehen, daß ein Zumessungsgrund, der nur bei einem der Beteiligten vorliegt, nur bei diesem wirksam werden kann, mag das auch zu Unterschieden in der Strafzumessung führen, die schwer verständlich sein können, wenn nur die Umstände der Tat als solcher betrachtet werden.“ 278 Vgl. für den 1. Senat BGH NStZ-RR 1997, 196: „Eine Verschärfung der Strafe allein im Hinblick auf die Rechtsfolgen, die eine andere Kammer desselben Landgerichts im gleichen Tatkomplex verhängt hat, stellt einen ermessensrechtlich beachtlichen Wertungsfehler dar. Hat das Landgericht hingegen eine eigene Entscheidung über die Strafhöhe getroffen und hierbei lediglich die in den Parallelsachen erkannte Strafhöhe in die Gesamtabwägung mit einbezogen, ist die Strafzumessung rechtsfehlerfrei.“; für den 2. Senat BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertung 4: „Zwar wäre es bedenklich, wenn das Landgericht eine nach eigener Wertung angemessene (höhere) Strafe allein im Hinblick auf die von der Jugendkammer gegen Mittäter verhängten Strafen gemildert [. . .] hätte. [. . .] So sind die Ausführungen des Landgerichts aber nicht zu verstehen. Die Urteilsgründe ergeben vielmehr, daß das Landgericht die Umstände, die für und gegen den Angeklagten sprechen, gegeneinander abgewogen (§ 46 Abs. 2 StGB) und die nach seiner Auffassung angemessene Strafe aus der Sache selbst gefunden hat. [. . .] Im übrigen braucht der Gesichtspunkt, daß gegen Mittäter verhängte Strafen auch in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollten, nicht völlig außer Betracht zu bleiben.“ Nach BGH NStZ-RR 2002, S. 105 f. sollen diese Grundsätze „uneingeschränkt auch für die Strafzumessung im Rahmen der Bildung nachträglicher Gesamtstrafen“ gelten.

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dungen regelmäßig darauf, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, daß das Tatgericht eine aus seiner Sicht unangemessene Strafe verhängt hat279. Die Rechtsprechung des 3. Senats zur Überprüfung des Verhältnisses der gegen verschiedene Beteiligte verhängten Strafen erscheint weiterhin zurückhaltend. Dies mag allerdings auch daran liegen, daß sich die beiden wesentlichen veröffentlichten Entscheidungen auf den komplexeren Fall der Verurteilung verschiedener Beteiligter in verschiedenen Verfahren beziehen. Die tatrichterliche Bezugnahme auf Strafen anderer Beteiligter beanstandet der Senat jedenfalls nicht280, er prüft nach wie vor lediglich das Vorliegen eines schlechthin unvertretbaren Mißverhältnisses281 und unterstreicht im übrigen – freilich unter ausdrücklicher Übernahme der den Prüfungsumfang offen lassenden Formulierung, der Gesichtspunkt, daß gegen Mittäter verhängte Strafen auch in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollen, könne bei der Strafzumessung nicht völlig außer Betracht bleiben – insbesondere die formellen Anforderungen an eine entsprechende Rüge282. Den nach 1990 durch den 4. Senat ergangenen Entscheidungen läßt sich ebenfalls die von den anderen Senaten gebrauchte Formulierung entnehmen283. Diese soll im übrigen auch dann greifen, wenn ein Täter nach Jugend-, der an279 Vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertung 4, sowie BGH Urt. v. 19. Juli 1994 – 1 StR 362/94 (s. dazu Detter, NStZ 1995, S. 171): „Insbesondere war das Landgericht nicht gehindert, die gegen den Mittäter verhängte Strafe in seine Erwägungen mit einzubeziehen; dafür, daß die Strafkammer deshalb eine aus ihrer Sicht zu milde Strafe verhängte, weil es sich an jene Strafe gebunden fühlte, ergeben sich keine Anhaltspunkte“. S. auch aus der Rspr. des 5. Senats BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 23: „Die Erwägung des Tatrichters, er sei ,gehalten, die bereits von anderen Kammern im selben Komplex verhängten Strafen bei etwa gleicher Fallgestaltung zu berücksichtigen‘, ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil die Gleichmäßigkeit des Strafens als Gebot der Gerechtigkeit in die Strafzumessungserwägungen einbezogen werden kann. Dem ist nicht zu entnehmen, daß das Landgericht eine aus seiner Sicht unangemessene Strafe verhängt hat“. 280 BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 22: „Das bedeutet allerdings nicht, daß das Landgericht bei der Strafzumessung nicht zwischen dem Angeklagten und seinem Mittäter abstufen und das Verhalten des Mittäters nicht als strafwürdiger ansehen kann.“ 281 BGH NStZ-RR 2000, 278, 279: „Ein Verstoß gegen den Grundsatz schuldangemessenen Strafens liegt nicht vor. Auch stehen die Strafen des Angekl. und die des C nicht in einem schlechthin unvertretbaren Verhältnis zueinander“ 282 BGH wistra 2001, 57, 58: „Will ein Angeklagter geltend machen, es liege ein Verstoß gegen das Gebot der Gleichmäßigkeit des Strafens liege vor, weil seine Strafe im Vergleich zu derjenigen von Mittätern zu hoch sei, und sind die Mittäter nicht in dem angefochtenen Urteil selbst mit abgeurteilt, so muß er eine Verfahrensrüge etwa in Form einer Aufklärungsrüge erheben. Zu deren Begründung muß er die Tatsachen so umfassend vortragen, daß das Revisionsgericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Rechtsfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Revision zutrifft. Damit wird in diesen Fällen regelmäßig zumindest das gegen den Mittäter ergangene Urteil einschließlich der maßgeblichen Urteilsgründe zur Kenntnis zu bringen sein. Eine diesen Anforderungen genügende Verfahrensrüge haben die Revisionen nicht erhoben.“

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dere dagegen nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt wird284. Insbesondere verlangt der 4. Senat wie schon zuvor der 1. Senat285 auch eine Erläuterung von Unterschieden in der Bestrafung von Mittätern, wenn sich diese Unterschiede nicht von selbst verstehen286, sowie umgekehrt eine differenziertere Begründung, wenn zwei Angeklagte trotz unterschiedlicher Tatbeiträge zu gleichen Strafen verurteilt wurden287. Der 5. Senat hat die Frage der Einbeziehung von gegen andere Beteiligte verhängten Strafen in die Strafzumessung lange offen gelassen288. Zunächst hat er ebenfalls zumindest die Bezugnahme des Tatrichters auf im selben Tatkomplex verhängte Strafen als rechtlich unbedenklich eingestuft289, später dann aber auch von Strafmaßdifferenzen bei Mitangeklagten auf einen Begründungsmangel geschlossen290 bzw. eine gleich hohe Bestrafung von Mitangeklagten bei unterschiedlichen Strafzumessungsgründen als nicht ohne weiteres gerechtfertigt angesehen291. 283 BGH StV 1991, 557; 1994, 375, 376; 1998, 481. In der Entscheidung BGH StV 2003, 555 hat der 4. Senat hingegen auf einen entsprechenden Obersatz ganz verzichtet. 284 BGH StV 1991, 557. Vgl. auch die später liegende Entscheidung des 5. Senats, StV 1993, 71; dazu unten Anm. 290. 285 s. dazu oben Anm. 268. 286 BGH StV 1998, 481; vgl. zur Revision gegen die nach Zurückverweisung in dieser Sache getroffene Entscheidung unten Anm. 298. 287 BGH StV 1993, 241; 1994, 375, 376; vgl. auch die Entscheidung BGH StV 1999, 631, welche die Aufhebung eines Strafausspruchs sowohl auf die gleiche Strafe für den einen Mitangeklagten, als auch auf die nur um sechs Monate höhere Strafe für den anderen Mitangeklagten stützte: „Zwar hat die StrK damit sowohl die tatprovozierende Einwirkung der Vertrauensperson ,José‘ auf den Angekl. [. . .] als auch den maßgeblichen Einfluß von ,Dario‘ auf die Menge des Rauschgifts berücksichtigt. Es ist aber zu befürchten, daß sie diesen Strafmilderungsgründen nicht genügend Gewicht beigemessen hat. Sie hat nämlich einen der beiden Mittäter des Angekl., den ebenfalls nicht vorbestraften und geständigen früheren Mitangekl. D., der nicht selbst von einer Vertrauensperson zur abgeurteilten Tat verleitet worden war, zu derselben Strafe verurteilt; gegen den anderen – vom Angekl. zugezogenen – Mittäter, den mehrfach, auch einschlägig vorbestraften früheren Mitangekl. C. [. . .] hat sie auf eine nur sechs Monate höhere Freiheitsstrafe erkannt.“ 288 BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 11: „Der Senat läßt indessen offen, ob und unter welchen Voraussetzungen das Verhältnis der gegen Mittäter verhängten Strafen revisionsgerichtlicher Nachprüfung unterliegt“; BGH NStZ 1991, 581: „Das Verhältnis der gegen Mitangeklagte verhängten Strafen zueinander kann grundsätzlich die Revision nicht rechtfertigen. Ob und inwieweit dieser Grundsatz in besonders gelagerten Fällen Ausnahmen erleidet, kann dahingestellt bleiben.“ 289 BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 23 (s. oben Anm. 279). 290 BGH StV 1993, 71: „Ist die gegen einen erwachsenen Angeklagten verhängte Strafe (hier: 6 Jahre) im Vergleich zu den nach Jugendrecht zu Bewährungsstrafen verurteilten Mitangeklagten auffallend streng, ohne daß die Feststellungen zur Rolle des erwachsenen Angeklagten getroffen worden sind, läßt dies besorgen, daß der Tatrichter von einer dominiernenden Rolle des erwachsenen Angeklagten ausgegangen ist, ohne entsprechende Feststellungen getroffen zu haben.“

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Zu der durch den 1. und den 2. Senat eindeutig verneinten Frage, ob alleine die gegen andere Beteiligte in anderen Verfahren verhängte Strafe schon zwingenden Einfluß auf die Strafzumessung haben sollte, können auch drei Entscheidungen des 4. und 5. Senats herangezogen werden, die sich allerdings nicht mit der Bestrafung sondern mit der (bisherigen) Unbestraftheit anderer Beteiligter als Strafzumessungsgrund befassen. Wenn etwa der 4. Senat im Falle betrügerischer Abrechnung von kassenärztlichen Leistungen die strafmildernde Berücksichtung der Verfahrenseinstellung wegen Verhandlungsunfähigkeit gegenüber Mitangeklagten fordert292, so läge es nahe, eine Strafmilderung in geringerem Umfang auch für den Fall zu verlangen, daß der Mitangeklagte zu einer sehr milden Strafe verurteilt wurde. Der 5. Senat hat im ersten Mauerschützenurteil293 und in einer Entscheidung wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Abteilung Koko des DDR-Ministeriums für Außenhandel und innerdeutschen Handel294 die (noch) nicht erfolgte Verurteilung von wesentlich Beteiligten ebenfalls als Strafmilderungsgrund angesehen. In diesen Sonderfällen einem untergegangenen politischen System zuzuordnender Taten könnte die Strafmilderung allerdings auch darauf zu stützen sein, daß es hier typischerweise nur zu einer teilweisen strafrechtlichen Aufarbeitung kommt und deshalb das Strafbedürfnis hinsichtlich der nicht federführend Beteiligten, die oftmals auch selbst Opfer des Systems sind, geringer erscheint. Damit läßt sich jedoch die in einer jüngeren Entscheidung des 5. Senats unter anderem aufgrund verhältnismäßig milder Bestrafung der Mitangeklagten erfolgte Anre291 BGH wistra 2001, 106, 107: „Die einzige – mit einem Jahr und sechs Monaten nicht etwa auffallend hohe – Vorstrafe des Angeklagten S lag fast 15 Jahre zurück; allein aus dieser rechtfertigte sich das Ergebnis einer gleich hohen Bestrafung wie gegen die zwar unbestraften, aber ungleich tiefer in die Tatbegehung verstrickten Mitangeklagten nicht ohne weiteres.“ 292 BGH StV 1993, 520 f.: „Ist ein von mehreren Personen zu verantwortendes strafbares Verhalten nur noch gegen eine von ihnen zu verfolgen, weil das Verfahren gegen Mitangeklagte wegen Verhandlungsunfähigkeit eingestellt werden mußte, darf bei der Strafzumessung nicht unberücksichtigt bleiben, daß der verbleibende Angeklagte im wesentlichen allein die strafrechtlichen Konsequenzen zu tragen hat, zumal wenn die strafbaren Handlungen vorrangig von den früheren Mitangeklagten zu verantworten waren.“ 293 BGHSt 39, 1, 36: „Wie die Verteidigung zutreffend ausgeführt hat, haben Umstände, die die Angeklagten nicht zu vertreten haben, dazu geführt, daß sie vor Funktionsträgern, die über einen größeren Überblick und eine differenziertere Ausbildung verfügten, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden sind. Dies alles drängte zu milden Strafen. Dem hat die Jugendkammer Rechnung getragen.“ 294 BGHSt 39, 146, 158 f.: „Der neue Tatrichter wird bei der Strafzumessung zu bedenken haben, daß eine Reihe von Personen, die [. . .] die Hauptverantwortung für die gesamten Abläufe getragen haben, bisher strafrechtlich nicht belangt worden sind. Dies kann sich zwar nicht dahin auswirken, den Angekl. straffrei zu stellen, da es Gleichheit im Unrecht nicht gibt. Wegen des Prinzips des gerechten Strafens, das auch die gleichmäßige Bestrafung aller Tatbeteiligten mitumfaßt, wird der Tatrichter jedoch bei der Strafzumessung zu erwägen haben, daß es bisher [. . .] ersichtlich nicht gelungen ist, [. . .] Funktionsträger [. . .] strafrechtlich zu Verantwortung zu ziehen.“

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gung, die Möglichkeit einer Einstellung des Verfahrens zu prüfen295, nicht erklären. Hier soll nun auch ausdrücklich das „Wie“ der Bestrafung von anderen Beteiligten Einfluß auf die Rechtsfolgenentscheidung haben, während sich die anderen Entscheidungen lediglich auf das „Ob“ der Bestrafung anderer Beteiligter bezogen. (2) Stellungnahme Die Besonderheit der Strafzumessung bei mehreren Beteiligten liegt darin, daß hier ein um die Gemeinsamkeiten reduzierter und damit vereinfachter Vergleich in Form einer Abwägung nur der Unterschiede in den Strafzumessungsgründen stattfinden kann. Auch hier bedarf es aber selbstverständlich ebenfalls eines Maßstabs zur Bewertung der vorhandenen oder nicht vorhandenen Strafmaßdifferenz. Die Aussagen, die sich dabei treffen lassen, können zwar aufgrund der reduzierten Abwägungsbasis exakter sein, sie beziehen sich aber dann auch nicht auf die Maßstabstreue der Entscheidung insgesamt, sondern lediglich auf die Richtigkeit im Verhältnis der Strafen dieser Beteiligten zueinander. Zieht man insoweit ebenfalls die Üblichkeit als Maßstab heran, so beschränkt sich diese exaktere Bewertbarkeit auf die Üblichkeit lediglich der Strafmaßdifferenz im Verhältnis zu den verhängten Strafen. Da sich die allgemeine Richtigkeit der einen oder der anderen Entscheidung auf diesem höheren Niveau möglicherweise aber gar nicht feststellen läßt, kann der einzelnen Entscheidung insoweit noch kein Rechtsfehler entnommen werden. Will man hier entsprechend der gegebenen Möglichkeiten auch tatsächlich eine exaktere revisionsgerichtliche Prüfung vornehmen, so kann sich diese zunächst auch nur auf die verschiedenen Strafen gemeinsam beziehen mit der Feststellung, daß zumindest eine der Strafen fehlerhaft ist; welche Strafe dies ist, muß dann aber offen bleiben. Dies macht eine Unterscheidung danach notwendig, ob die Verurteilung mehrerer Beteiligter in demselben oder in verschiedenen Verfahren und dabei insbesondere auch durch unterschiedliche Personen erfolgt ist. Mit dieser prozessualen Differenzierung dürften sich auch die bei erster Betrachtung anzunehmenden Abweichungen in der revisionsgerichtlichen Prüfungsintensität überwiegend erklären. Handelt es sich um dasselbe Verfahren, so liegt bei von der Üblichkeit abweichender Strafmaßdifferenz ein Rechtsfehler jedenfalls darin, daß das Tatgericht unterschiedliche Maßstäbe an die verschiedenen Beteiligten angelegt hat. Deshalb ist es auch richtig, die Strafzumessung hier aufgrund einer schon aus 295 BGH wistra 1999, 459, 463: „Unter Berücksichtigung der bereits im angefochtenen Verfahren festgestellten überlangen Verfahrensdauer und des nunmehr eingetretenen weiteren beachtlichen Zeitablaufs sowie im Blick auf die verhältnismäßig milde Bestrafung der Mitangeklagten [. . .] wird die Möglichkeit einer Verfahrenserledigung nach § 153a Abs. 2 StPO zu prüfen sein.“

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Sicht des Tatgerichts296 fehlerhaften Strafzumessung zu beanstanden. Das Urteil insgesamt enthält dann einen lediglich in der Rechtsfolgenrelation zu erkennenden Rechtsfehler, dessen Einfluß auf sämtliche Ergebnisse der Strafzumessung jedenfalls möglich ist.297 Kann es unabhängig von der Frage gemeinsamer oder getrennter Verurteilung aus prozessualen Gründen nicht zur Veränderung der vom neu entscheidenden Gericht im Ergebnis als unzutreffend angesehenen anderen Entscheidung kommen, so ist es jedenfalls nicht zulässig, wenn der neue Tatrichter einfach die nicht zu bewertende Entscheidung für fehlerhaft erklärt und die aufgehobene Strafe deshalb aufrechterhält.298 Schwieriger ist es, die Revisibilität bei der Verurteilung in getrennten Verfahren zu beurteilen. Abgesehen von der Möglichkeit unterschiedlicher tatsächlicher Feststellungen auch hinsichtlich der faktischen Gemeinsamkeiten299, kann in diesem Fall ein Mangel innerhalb der Grenzen der Vertretbarkeit nach den allgemeinen Grundsätzen weder in der einen noch in der anderen Entscheidung ausgemacht werden. Möglicherweise könnte man im Falle von durch getrennte Verfahren entstandenen Diskrepanzen angesichts des klaren Indizes für zumindest eine unzutreffende Entscheidung eine strengere Angemessenheitsprüfung fordern als für die allgemeine Strafmaßrevision. Jedoch befindet sich die allgemeine Strafmaßrevision nach dem oben Gesagten, jedenfalls was die abstrakt zugrundegelegten Kriterien angeht, bereits an der Grenze des Feststellbaren. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit das nach der Rspr. generell und damit auch bei getrennten Verfahren nicht völlig außer Betracht zu lassende gerechte Verhältnis gegen Mittäter verhängter Strafen überhaupt eine gegenüber der allgemeinen Vertretbarkeitskontrolle hinsichtlich der einzelnen Strafen eigenstän296

s. oben Anm. 279. Terhorst, S. 273 f. 298 BGH StV 1999, 418: „Zwar muß der Tatrichter gegen jeden Angekl. die angemessene Strafe ,aus der Sache selbst‘ finden; dies setzt der revisionsgerichtlichen Nachprüfung des Verhältnisses der gegen mehrere Angekl. wegen derselben Tat verhängten Strafen Grenzen. Hier liegt es indes anders, denn der Senat hat das erste Urteil im den Angekl. betreffenden Strafausspruch aufgehoben, ,weil das Landgericht seine gegenüber . . . B. wesentlich strengere Bestrafung nicht nachvollziehbar begründet hat‘. [. . .] Dem ist die StrK jedoch mit der Erwägung begegnet, ,dieses Mißverhältnis (habe sie) in einer zu geringen Strafe für den ehemals Mitangekl. B. begründet (gesehen), während sie eine Freiheitsstrafe von 3 1/2 Jahren für den Angekl. F. durchaus als tatangemessen erachtete‘. Das wäre für sich unbedenklich, soweit das LG damit zum Ausdruck gebracht hat, daß die Strafzumessung in der aufgehobenen Entscheidung grundsätzlich kein Maßstab für die neue Bemessung der Strafe ist. Darin erschöpft sich die Erwägung indes nicht: Indem das LG eine eigene, von der (rechtskräftigen) Bewertung des ersten Tatrichters abweichende Gewichtung des Schuldgehalts der Tat des Mitangekl. B vorgenommen hat, hat es vielmehr der Sache nach ein Beruhen des den Angekl. betreffenden Strafausspruchs auf dem vom Senat beanstandeten Begründungsmangel (§ 337 Abs. 1 StPO) verneint. Das entspricht nicht der rechtlichen Beurteilung, wie sie das LG seiner Entscheidung zugrundezulegen hatte.“ 299 Terhorst, S. 274. 297

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dige Bedeutung haben kann. Für einen derartigen Einfluß, also eine relative Anpassung trotz fehlender Indizien für einen Rechtsfehler hinsichtlich der absoluten Strafhöhe mag das allgemein gegen Ungleichmäßigkeit in der Strafzumessung gerichtete Argument sprechen, daß Strafen in ihrer präventiven Wirkung beeinträchtigt sein können, wenn sie zufällig erscheinen300. Allerdings kommt dieses Argument genauso gegenüber der Strafzumessungspraxis im übrigen zum Tragen. Eine unvertretbare Strafe wird man zur Herstellung eines gerechten Verhältnisses deshalb jedenfalls kaum verhängen können. Allenfalls kann es im Rahmen der nach allgemeinen Grundsätzen vertretbaren Strafe in eindeutigen Fällen sinnvoll sein, die Strafe an bereits im selben Tatkomplex rechtskräftig verhängte Strafen anzupassen, wenn sonst ein auffälliges Mißverhältnis entstehen würde, etwa wenn der unzweifelhaft weniger strafwürdige zweier Mittäter sonst härter bestraft würde als der andere. Vor diesem Hintergrund könnte auch die letztgenannte Entscheidung des 5. Senats, die in milden Strafen für Mitangeklagte ein Einstellungsargument sieht301, verständlicher werden. Dagegen sind die entsprechenden Entscheidungen des 1. und des 2. Senats302 kaum mit einer derartigen Anpassung zu vereinbaren. Entgegen der ursprünglich gerade vom 1. Senat im Falle getrennter Verurteilung aufgestellten303 und von den anderen Senaten unabhängig von der Verfahrenskonstellation übernommenen Verbindlichkeit des Grundsatzes, daß das gerechte Verhältnis der Beteiligtenstrafen zueinander nicht völlig außer Betracht bleiben könne, ist in diesen begrenzenden Entscheidungen insofern nur noch von „braucht“304 und „sollten“305 die Rede. Es scheint deshalb so, als würden der 1. und der 2. Senat bei in verschiedenen Verfahren abgeurteilten Beteiligten an der Verbindlichkeit dieses Grundsatzes nicht mehr festhalten. Jedenfalls überzeugt es aber nicht, wenn der 4. Senat in entgegengesetzter Richtung noch weiter geht und in einem alltäglichen Fall die Strafe anderer Beteiligter aufgrund der Straflosigkeit eines Beteiligten mildern will306. Das Argument, „daß der verbleibende Angeklagte im wesentlichen allein die strafrechtlichen Konsequenzen zu tragen“ habe, wendet sich bei unbefangener Betrachtung zunächst lediglich gegen die Gefahr, diesen nun auch noch mit den 300

s. dazu noch unten § 4 II. 3. a). s. oben Anm. 295. 302 s. oben Anm. 278. 303 s. oben Anm. 265. 304 So der 2. Senat in BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertung 4; vgl. auch die Entscheidung des 1. Senats BGH NStZ-RR 1997, 196, 197: „In diesem Zusammenhang durften die von einer anderen StrK des LG bei etwa gleicher Fallgestaltung verhängten Strafen mitberücksichtigt werden, weil die Gleichmäßigkeit des Strafens als Gebot der Gerechtigkeit in die Strafzumessungserwägungen einbezogen werden kann.“ 305 So der 1. Senat in BGH StV 1993, 638 und der 2. Senat in BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertung 4. 306 s. oben Anm. 292. So auch Terhorst, S. 273. 301

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Rechtsfolgen zu belasten, die eigentlich andere Beteiligte träfen. Auch lassen sich für eine derartige Milderung Strafzweckargumente kaum aufbieten. Man könnte allenfalls etwa eine höhere psychische Belastung des zu verurteilenden Beteiligten durch Verfahren und Strafe in Rechnung stellen, wenn andere Beteiligte straflos bleiben. Bei Verhandlungsunfähigkeit eines anderen Beteiligten, wie im entschiedenen Fall, wird aber auch dies kaum in Betracht kommen. Im übrigen leuchtet es auch nicht ein, wenn gerade zur Herstellung von Gleichmäßigkeit des Strafens vergleichbare Täter vergleichbarer Taten unterschiedlich bestraft würden, je nach dem ob oder wie ihre Mittäter bestraft wurden, denn dies hat auf deren eigene Schuld keinerlei Einfluß. dd) Mehrere Delikte desselben Täters Genauso, wie im Falle mehrerer Täter eines Delikts, lassen sich natürlich auch im Falle mehrerer Delikte desselben Täters aufgrund der ebenfalls reduzierten Vergleichsbasis nun hinsichtlich der den Täter betreffenden Umstände genauere Aussagen zur Konsistenz der angewandten Maßstäbe treffen. Auch hier muß danach unterschieden werden, ob die verschiedenen Entscheidungen im selben Verfahren ergehen oder in getrennten Verfahren und dabei insbesondere auch durch unterschiedliche Gerichte. Allerdings sind Revisionsentscheidungen zu dieser Fallgruppe selten, was sich im Falle eines einheitlichen Verfahrens gegenüber den Fällen der Beteiligung mehrerer an nur einem Delikt dadurch erklären mag, daß ein Tatgericht grundsätzlich weniger dazu neigen wird, einen inkonsistenten Maßstab an verschiedene Taten anzulegen als bei der Beurteilung verschiedener Täter in ihrer unmittelbaren Wirkung auf das Tatgericht. Und in Fällen erneuter Verurteilung in einem weiteren Verfahren wird die in den Gemeinsamkeiten liegende Vereinfachung regelmäßig durch den in einer Vortat liegenden zusätzlichen Strafzumessungsaspekt überlagert. Im übrigen sinkt die Vergleichbarkeit der verschiedenen Taten desselben Täters auch mit zunehmendem zeitlichen Abstand zwischen den Taten und zwischen den Verurteilungen nicht nur im Hinblick auf einen Wandel in der generellen oder individuellen Bewertung sondern auch aufgrund denkbarer tatsächlicher Veränderungen in der Person des Täters. Praktische Bedeutung scheint der Vergleich verschiedener Taten eines Täters deshalb auch nur bei Verurteilung in einem Verfahren zu erlangen. Der BGH nimmt hier neben der Kontrolle der absoluten Strafhöhe eine eigenständige Prüfung der Strafenrelation vor, wobei wiederum nur indirekt das Fehlen einer entsprechenden Begründung beanstandet wird.307 307 s. BGH NStZ 1992, 381. Im konkreten Fall kam es zwar auf diese Relation wegen ohnehin als unvertretbar hoch angesehener Strafe nicht mehr an, das Gericht hat die Strafe aber dennoch auch unter diesem relativen Gesichtspunkt geprüft: „Die Strafbemessung in diesen Fällen hält auch im Vergleich zu der im Fall II 1. der Urteilsgründe [. . .] verhängten Einsatzstrafe der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

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d) Faktische Eingriffsintensitäten Nachdem nun neben dem Faktum eines Eingriffs des BGH im Rahmen der Strafhöhenrevision der dabei zugrundegelegte Maßstab der Üblichkeit und die für Abweichungen von diesem Maßstab im allgemeinen und in den verschiedenen besonderen Fallgruppen gezogene Eingriffsschwelle in begrifflicher Hinsicht beleuchtet wurden, stellt sich selbstverständlich auch die Frage, in welchem Umfang sich die theoretischen Vorgaben auch in der gegenwärtigen Praxis widerspiegeln. Schon die Gesamtschau der zur Strafhöhenrevision veröffentlichten Entscheidungen läßt ein statistisches Datum ins Auge fallen, welches im bisherigen noch keine Erwähnung fand: In der Mehrzahl der entsprechenden Fälle werden Strafen als zu hoch empfunden, während milde Strafen deutlich seltener Gegenstand revisionsgerichtlicher Beanstandung sind308. Für diese Diskrepanz könnte eine von der Eingriffsintensität unabhängige Erklärung möglicherweise hinter der Nr. 147 Abs. 1 Satz 2 RiStBV vermutet werden, wonach ein Rechtsmittel zur Nachprüfung des Strafmaßes von der Staatsanwaltschaft nur dann einzulegen ist, wenn die Strafe in einem offensichtlichen Mißverhältnis zu der Schwere der Tat steht. Jedoch würde sich eine gegenüber der regelmäßig zu Gunsten des Angeklagten agierenden Verteidigung restriktivere Praxis der Staatsanwaltschaft nur in einer geringeren Anzahl von Aufhebungen zu Lasten des Täters niederschlagen, nicht erklären könnte sie hingegen das ebenfalls anhand der Anzahl veröffentlichter Entscheidungen auszumachende Phänomen, daß die vom BGH trotz festgestellter Milde bestätigten Strafen die trotz festgestellter ungewöhnlicher Höhe bestätigten Strafen deutlich übersteigen309. Es ist deshalb anzunehmen, daß der BGH tatsächlich bei Abweichungen der Strafe nach oben strenger ist als bei Abweichungen nach unten, wofür auch angeführt werden kann, daß nur die zu hohe Strafe einen ungerechtfertigten Eingriff in die Freiheit des Täters darstellt. Dieser Zusammenhang zwischen Eingriffsrichtung und -tiefe müßte sich folglich auch an den Entscheidungsinhalten zeigen. Wenn die StrK in diesem Fall [. . .] eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet hat, so hätte es einer nachvollziehbaren Begründung bedurft, weshalb in den Fällen II 2., 4. und 5. [. . .] trotz des erheblich geringeren Unrechtsgehalts nur um 6 Monate niedrigere Freiheitsstrafen festgesetzt worden sind. Daran fehlt es.“ Vgl. auch OLG Zweibrücken StV 2000, 298: „Zwar muß sich die geringere Differenz des Wertes der entwendeten Sachen nicht unbedingt in einer Differenzierung der Einzelstrafen niederschlagen. Trifft jedoch der Tatrichter eine solche Abstufung in der Weise, daß der geringeren Beute die höhere Strafe zugeordnet wird, so erfordert dies, um eine willkürliche Bemessung auszuschließen, eine Darlegung der entscheidenden Bemessungskriterien.“ Zur Aufhebung von für verschieden schwere Taten verhängten gleichen Strafen s. den bei Theune, StV 1985, S. 209 Anm. 52 mitgeteilten Beschl. des BGH v. 10.6.1975 – 5 StR 256/75. 308 Vgl. nur die Anzahl der Entscheidungen oben in Anm. 191 und 211 f. 309 s. die Anzahl der jeweiligen Entscheidungen oben in Anm. 193.

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Die Feststellung der faktischen Eingriffsintensität in den jeweiligen Entscheidungsinhalten scheint allerdings mit nahezu unüberbrückbaren Schwierigkeiten verbunden, worauf ja auch schon die Problematik der Maßstabsfindung selbst schließen läßt. Je weniger ein solcher Maßstab konturierbar ist, desto schwerer fällt die Beurteilung seiner Anwendung. Da der BGH selbst insoweit kaum nähere Angaben macht310, bedürfte es eigentlich des geschulten Auges eines erfahrenen Praktikers, um die entsprechende revisionsgerichtliche Praxis möglichst eingehend bewerten zu können, und auch der Praktiker könnte sich lediglich auf die jeweils mitgeteilten Urteilsgründe stützen. Im vorliegenden Rahmen kann daher allenfalls eine grobe Einschätzung der revisionsrichterlichen Abweichungstoleranz erfolgen. Jedoch treten derartige Abstriche in der Präzision umso weiter in den Hintergrund, je größer der festzustellende Wert tatsächlich ausfällt. Schon aus Sicht des weniger mit der Praxis Vertrauten erscheint nämlich die Mehrzahl der vom BGH aufgehobenen Strafaussprüche verhältnismäßig hoch311 bzw. milde312. Dies alleine dürfte bereits für eine relativ zurückhaltende revi310

s. dazu schon oben b) bb) a. E. BGH StV 1986, 57: 12 Jahre Freiheitsstrafe wegen schwerer räuberischer Erpressung bei einem Banküberfall mit einer Beute von 39.500,– DM (Aufhebung wegen nicht ausreichender Begründung); BGH StV 1988, 103 f.: Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren wegen Vergewaltigung in 6 Fällen, wobei Opfer die ehemalige Freundin war, die während der ersten beiden Taten mit dem Täter noch in der selben Wohngemeinschaft lebte und diesen dort später wiederholt aufsuchte; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 5: 9 Jahre Freiheitsstrafe wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen bzgl. der 15jährigen Stieftochter und Körperverletzung an deren Mutter; BGH StV 1993, 71: 8 Jahre Freiheitsstrafe wegen mittäterschaftlich begangenen schweren Raubes in Tateinheit mit unerlaubtem Verschaffen von BtM bei mit Scheinwaffen im Drogenmilieu erbeuteten 1.700,– DM und 1 kg Haschisch; BGH StV 1994, 494: 6 Jahre Freiheitsstrafe wegen Einfuhr und teilweiser Veräußerung von insgesamt etwa 1740 g Amphetamingemisch welches „lediglich“ die 45-fache nicht geringe Wirkstoffmenge enthielt; BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 29: 7 Jahre Freiheitsstrafe wegen Einfuhr von 1 kg Kokain; BGH bei Winkler, NStZ 1999, 232, 235: 3 Jahre und 6 Monate Freiheitsstrafe wegen Aufbewahrens von 12 g eines Heroingemischs (HHC 2 g) und 1,65 g Kokain zum Zwecke der Veräußerung durch einen nicht einschlägig Vorbestraften; BGH StV 1999, 435: 8 Jahre Freiheitsstrafe wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit 659 g Rauschgiftgemisch, welches Wirkstoffanteile von ca. 390 g KHC und ca. 20 g HHC aufwies; BGH StV 2001, 453 f.: 13 Jahre Freiheitsstrafe wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung an einer Prostituierten, welche gegen Entgelt zum Geschlechtsverkehr bereit gewesen war; BGH wistra 2001, 177 f.: Einzelstrafen von z. T. über 2 Jahren (z. B. 2 Jahre und 3 Monate bei einem Warenwert von 2.052,– DM) wegen Betrugs zum Nachteil von Lieferanten von elektronischen Geräten und Büromaterialien durch einen nicht ausschließbar vermindert Schuldfähigen. Eine entsprechende Darstellung älterer Entscheidungen findet sich bei Theune, Grundfragen, S. 150. 312 BGH NJW 1990, 846: Freiheitsstrafe von 2 Jahren wegen Handeltreibens mit und Erwerb von 32,5 kg Haschisch bei 315facher nicht geringer Wirkstoffmenge; BGH NStZ 1994, 494 f.: 2 Jahre Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, wegen Handeltreibens mit über 2,7 kg reinem KHC in Tateinheit 311

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sionsgerichtliche Kontrolle sprechen, denn an sich ließe sich ja vermuten, daß größere Abweichungen von der üblichen Strafe eher seltener seien, womit ein strenger Maßstab dazu führen müßte, daß die Aufhebungsentscheidungen mehrheitlich nur noch durch Fachleute nachvollziehbar wären. Und auch die wenigen Entscheidungen, denen der Außenstehende hinsichtlich der Frage, wie streng der BGH bei der Strafhöhenrevision nun tatsächlich vorgeht, entnehmen könnte, dies gehe im Einzelfall so weit, daß sich die festgestellte Unvertretbarkeit der Strafe der Allgemeinheit nicht mehr ohne weiteres erschließe, scheinen kaum repräsentativ zu sein. Dies dürfte jedenfalls für die beiden folgenden Entscheidungen gelten, in denen der BGH den Strafausspruch jeweils für zu hoch befand: Die eine Entscheidung betraf eine Freiheitsstrafe von 8 Jahren wegen Vergewaltigung durch einen Täter, der 5 1/2 Jahre zuvor bereits wegen zweier Vergewaltigungen zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden war.313 In der anderen Entscheidung wurden unter anderem Einzelstrafen von jeweils 2 Jahren aufgehoben, welche man in 11 Fällen des sexuellen Mißbrauchs gegen einen 55jährigen verhängt hatte, der sexuelle Handlungen von seiner 11 bzw. 12 Jahre alten Stiefenkeltochter an sich vornehmen ließ und an dieser vornahm.314 Daß man auch bei der Überprüfung der Eingriffsintensität in erster Linie auf Betäubungsmittel- und Sexualdelikte stößt, ergibt sich zwar schon aus der bereits festgestellten häufigen Beanstandung der für diese Taten verhängten Sanktionen. Erstaunlich ist es dennoch, wenn sich gerade denjenigen Entscheidungen, welche – freilich nur nach Durchsicht der veröffentlichten Praxis und unter dem Vorbehalt der Subjektivität einer solchen Einschätzung – anscheinend die strengste Prüfung erfahren haben, auf Sexualdelikte beziehen315. Dies scheint entsprechend der oben aufgestellten These, daß bei der Behandlung von Sexualdelikten persönliche Vorstellungen besonders stark zum tragen kommen316, dann mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 9: Freiheitsstrafen von 3 Jahren bzw. 3 Jahren und 10 Monaten wegen Einfuhr in Tateinheit mit Handeltreiben mit 183 bzw. 290 kg Haschisch (5,46 bzw. 7,6 kg THC). 313 BGH MDR 1992, 399; vgl. auch die deshalb abl. Anm. des Praktikers H. Schäfer, MDR 1992, S. 399 f. 314 BGH NStZ 1992, 381; er forderte sie auf, „sein nacktes Glied anzufassen und daran zu reiben“, wobei es in mindestens einem Fall zum Samenerguß kam, und führte „seinen Finger in die Scheide des Kindes ein und bewegte ihn hin und her“. 315 Zwei weitere Entscheidungen, in denen der BGH für die ebenfalls als ungewöhnlich hoch empfundene Strafe eine eingehendere Begründung forderte, und denen möglicherweise auch eine etwas strengere Prüfung vorausgegangen sein könnte, betreffen ebenfalls Sexualdelikte: BGH StV 1987, 530: Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten wegen sexuellen Mißbrauchs eines fünfjährigen Kindes durch einen vermindert Schuldfähigen, der die Geschlechtsteile des Opfers betastete und sein entblößtes Glied auf dessen Scheide gedrückt auf und ab bewegte, ohne aber in die Scheide einzudringen; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 2: Freiheitsstrafe von 5 Jahren wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung. 316 s. oben c) bb).

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auch eher dafür zu sprechen, daß auch in der Revisionsrechtsprechung des BGH abweichende Auffassungen der jeweiligen Senate zum Ausdruck kommen, als daß es sich dabei um repräsentative Grenzfälle der Strafhöhenrevision handelte. Für die Frage der Eingriffsintensität wird man daher zu dem Ergebnis kommen müssen, daß der BGH bei der Strafhöhenrevision im allgemeinen weniger streng zu sein scheint, als aufgrund seiner theoretischen Ausführungen vermutet werden könnte. Versucht man, die faktische Eingriffsintensität in Zahlen zu fassen, so kann man anhand der tatsächlich aufgehobenen Sanktionen wohl eine Größenordnung von ca. 50% annehmen, die der BGH im allgemeinen als oberste Grenze der Abweichungstoleranz von der üblichen Strafe nach unten wie nach oben ansetzt317; einen Spielraum also, dessen Ausdehnung der mittleren angemessenen Strafe entspricht. Aufgehoben würden damit zumindest Strafen, die unter der Hälfte oder über dem Eineinhalbfachen der für angemessen gehaltenen Sanktion liegen. Mit diesem Wert wäre auch die obige Feststellung berücksichtigt, daß der BGH hinsichtlich der milden Strafen großzügiger verfährt, da die betragsmäßig identische Abweichung gegenüber zu hohen Strafen weniger ins Gewicht fällt als gegenüber niedrigen und wohl auch anzunehmen ist, daß der Fall der Verhängung lediglich der Hälfte der angemessenen Strafe tatsächlich seltener sein dürfte als der Fall, daß die angemessene Strafe bei zwei Dritteln der verhängten Strafe liegt. Erstaunlicherweise scheint dabei für Betäubungsmitteldelikte entgegen den theoretischen Ausführungen des BGH318 faktisch keine geringere Abweichungstoleranz zu gelten als für Sexual- oder sonstige Delikte; der Unterschied dürfte sich hier also nur in der Konkretisierbarkeit des Üblichen aber nicht in der Abweichung von einem Mittelwert üblicher Strafe ausdrücken. 317 Auf die Beispiele in Anm. 311 und 312 bezogen dürfte unter Zugrundelegung dieses Wertes zu grob angemessenen Ergebnissen zu kommen sein. Vgl. auch die Entscheidung BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 27, die eine Verurteilung wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung erneut aufhebt, weil die ursprünglich verhängte Freiheitsstrafe von 5 Jahren lediglich um 6 Monate reduziert wurde, aufgrund der Bereitschaft des Opfers zum Geschlechtsverkehr gegen ein Entgelt von 50,– DM das Schwergewicht des Tatunrechts aber nicht in der Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts des Tatopfers liege, sondern in der (versuchten) Nötigung und der Körperverletzung, welche im Grundtatbestand damals lediglich einen Strafrahmen bis zu drei Jahren eröffneten. Versteht man dies als Hinweis auf die höchste angemessene Strafe, so wären es auch hier genau 50%, um die die verhängte Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten die angemessene Strafe mindestens übersteigt. Vgl. auch Meine, NStZ 1989, S. 354, der anläßlich der dort besprochenen Aufhebungsentscheidung des BayObLG (St 1988, 43) diskutiert, ob jedenfalls eine Strafe, die eine den Schuldrahmen einhaltende Strafe um mehr als die Hälfte unterschreitet, außerhalb des Schuldrahmens liege. Gegenüber der vorliegend festgestellten Abweichungstoleranz von 50% vom Mittelwert (die Untergrenze läge damit bei einem Drittel der Obergrenze) wäre ein derartiger die Untergrenze durch die Hälfte der Obergrenze markierender Schuldrahmen allerdings wesentlich enger. 318 s. dazu oben c) bb).

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Dagegen geben dem BGH konsequenterweise schon geringere Abweichungen genügend Anlaß, um lediglich ergänzend auf eine abweichende Sanktion hinzuweisen319. Dafür spricht insbesondere auch die bereits erwähnte einzige ausdrückliche, aber lediglich ergänzend getroffene konkrete Aussage des BGH zur Üblichkeit einer Strafe von bis zu 8 Jahren bei als nicht unbedenklich eingestuften 4 Jahren320, welche bei Zugrundelegung des arithmetischen Mittels als angemessenem Ausgangspunkt eine Abweichung von jeweils einem Drittel umschließt. Von einem vergleichbaren Wert kann man wohl auch ausgehen, wenn der BGH von der „ungewöhnlichen“ Strafe auf einen verdeckten aber naheliegenden anderweitigen Fehler schließt321. Hinsichtlich der praktischen Umsetzung der für die Bestrafung von mehreren Beteiligten geltenden Besonderheiten könnte man ebenfalls an eine konstant tolerierte Relation zwischen tatsächlichem und üblichem Abstand der Strafen denken. Anhand der bisherigen Rechtsprechung läßt sich ein solcher Wert jedoch noch nicht beziffern. In den gewonnenen Eindruck fügt sich auch das – nach dem bereits Gesagten freilich noch unschärfere – Bild, welches sich bei einer Annäherung an die Abweichungstoleranz des BGH von der anderen Seite anhand der Fälle ergibt, in denen die Strafe trotz ausdrücklich festgestellter Abweichung bestätigt wurde, eine Abweichung von der üblichen Strafe aber teilweise auch schon für den außenstehenden Betrachter relativ deutlich zu Tage tritt322. Und schließlich las319 BGH NJW 1999, 800, 802: Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren und 6 Monaten wegen Erpressung in drei Fällen, wegen Untreue in 3 Fällen und wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen, wobei die Gesamthöhe der hinterzogenen Steuern über 2 Mio. DM betrug. 320 BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 13; s. dazu oben b) bb) a. E. 321 So in BGHR § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 20: Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer bei einer Beute im Wert von etwa 3,2 Mio. DM „ungewöhnlich milde“; eindeutiger dagegen die Abweichung in BGH StV 1981, 235: hohe Freiheitsstrafe von 8 Jahren im wesentlichen wegen Verkaufs von 53 g Heroin und Zusage von weiteren 100 g an einen verdeckten Ermittler; BGHR § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 29: Freiheitsstrafe von 2 Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, wegen Beischlafs zwischen Verwandten in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen, sexuellem Mißbrauch von Kindern, Vergewaltigung und sexueller Nötigung, bei insgesamt mindestens 17 Fällen und einem Opferalter zwischen 13 und 15 Jahren. 322 BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 26: verhältnismäßig hohe Freiheitsstrafe von 8 Jahren wegen Handeltreibens mit BtM, wobei ca. 2,8 (HHC 114 g) von vereinbarten 5 kg Heroingemisch zum Preis von 45.000,– DM/kg an einen V-Mann geliefert wurden; BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 11: Verhältnismäßig milde zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren wegen Untreue eines nicht vorbestraften Notars, der seinem Vermögen in 5 Fällen durch Entnahme vom Anderkonto und in einem weiteren Fall durch Einreichung eines für einen Mandanten empfangenen Schecks Geldbeträge in Höhe von insgesamt über 500.000,– DM zuführte; BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 37: Verhältnismäßig milde zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren wegen Handeltreibens mit BtM in 26 Fällen, davon in 18 Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr, wobei Gegenstand dieser Taten

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sen sich zur generellen Einschätzung des Umgangs mit Abweichungen im Rahmen der Strafzumessung auch noch solche Fälle heranziehen, in denen das Revisionsgericht den Rechtsfolgenausspruch trotz abweichender Feststellungen zur Schuldfrage aufrechterhält. Schwierig zu beurteilen ist das Ausmaß der gegenüber auf unzutreffender Ausgangsbasis beruhenden Strafaussprüchen geübten Toleranz in Ermangelung konkreter Angaben dabei aber insbesondere, wenn das Revisionsgericht den Strafausspruch in Abweichung vom Wortlaut des § 354 StPO aufrechterhält, obwohl es in der rechtlichen Bewertung teilweise von der des Untergerichts abweicht323.324 Etwas leichter fällt eine entsprezwar insgesamt mindestens 23 kg Haschisch und 19,4 kg Marihuana in jeweils zumindest mittlerer Qualität waren, der Angeklagte aber schon zu Beginn der Ermittlungen ein umfassendes und weit über die Ermittlungsansätze der Polizei weisendes Geständnis ablegte, das zur Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG führte; BGH wistra 1999, 417 f.: Verhältnismäßig milde zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten wegen Vorteilsannahme in drei Fällen bei der trotz einer Gesamtsumme von über einer Mio. DM an Zuwendungen mildernd wirkte, daß sich der Angeklagte über die von ihm geforderte Pflichterfüllung hinaus für die Belange seines Aufgabengebiets eingesetzt hat und es schwer für ihn war, der mit dem Angebot üblicher Honorierung solchen besonderen Engagements verbundenen Versuchung zu widerstehen; BGH StV 2000, 613 f.: Nach Ansicht der Revisionsführerin zu milde Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren und 6 Monaten wegen Handeltreibens mit insgesamt ca. 75 kg Heroin (über 35 kg HHC), davon in 4 Fällen bandenmäßig und in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr; BGH wistra 2001, 304 ff.: Verhältnismäßig milde Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten wegen Subventionsbetruges in 3 Fällen, wobei der Angeklagte die ungerechtfertigt ausbezahlten Fördergelder in Höhe von insgesamt über 4 Mio. DM uneigennützig einsetzte. 323 Beispiele lassen sich dafür in reicher Zahl finden; vgl. zum Wegfall von Einzelstrafen wegen Teilverjährung BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 11; zur Verjährung eines tateinheitlich begangenen Delikts BGH NJW 1999, 1123; zum Fehlen eines Strafantrags bzgl. eines tateinheitlich begangenen Delikts BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 9, 12; zum Wegfall irrtümlich verhängter Einzelstrafen BGH wistra 1998, 307 = wistra 1999, 28; zur Aufhebung unzulässiger Einzelstrafen BGH NStZ 1999, 82; zu abweichenden Konkurrenzverhältnissen BGH JR 1998, 516 ff.; NStZ-RR 1999, 119, 120; wistra 2000, 270; NJW 2001, 2186, 2187; zum Wegfall eines Qualifikationsmerkmals BGH wistra 2001, 431; zur fehlenden Vollendung BGH wistra 1999, 385, 386; wistra 2000, 425; zur unzutreffenden Annahme eines tateinheitlich begangenen Delikts BGH StV 1996, 266; NJW 2002, 626; zur Herabsetzung einer Einzelstrafe BGH JR 1999, 295, 297; zu unzutreffenden Strafrahmen BGH NStZ 1998, 628, 629; NStZ-RR 1999, 102, 103; NStZ 2000, 49, 50; zum Wegfall von Einzelstrafen bei Teileinstellung wistra 2000, 466; 2001, 465 f.; zur Fehlerhaftigkeit der Einbeziehung einer Strafe BGHR § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 9. Gegenüber Entscheidungen, die unter denselben Voraussetzungen zur Aufhebung im Strafmaß führen, mag dies widersprüchlich wirken. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß die Frage einer Auswirkung auf das Strafmaß nur für den jeweiligen Einzelfall beantwortet werden kann; vgl. Theune, NStZ 1989, S. 173 f. Allerdings stellte Barton, S. 229 f., bei der Auswertung der Jahrgänge 1995/96 fest, daß nahezu 45% der durch den BGH in diesem Zeitraum vorgenommenen Schuldspruchänderungen keine Auswirkung auf den Rechtsfolgeausspruch hatten, während der BGH früher die Strafe in derartigen Fällen öfter eigenständig verändert habe. Angesichts derartiger Zahlen kann freilich bezweifelt werden, ob wirklich in all diesen Fällen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, daß das Tatgericht unter dem geänderten Schuldspruch keine andere Strafe verhängt

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chende Einschätzung dagegen, soweit sich die Abweichungen auf tatsächliche Feststellungen beziehen. In zwei jüngeren Entscheidungen ist der 5. Senat des BGH sogar ausdrücklich und in mathematischer Form auf derartige im Verhältnis zu den Feststellungen des Untergerichts folgenlose Abweichungen eingegangen. In einer dieser Entscheidungen scheint sich die konkretisierte Abweichung sogar auf den Schuldumfang insgesamt zu beziehen:325 „Bezüglich der Steuerhinterziehungen weist die Revision zwar zurecht auf die Widersprüche bei der Höhe der Zinseinkünfte hin. Die Auswirkungen auf den Schuldumfang sind indes marginal (etwa 3%) und haben sich bei der Strafzumessung nicht ausgewirkt.“

Selbst wenn sich dieser Wert von 3% hier entgegen dem Wortlaut lediglich auf den Hinterziehungsbetrag beziehen sollte, dürfte er dennoch auch ungefähr den Grenzwert für den Schuldumfang insgesamt treffen, was an der anderen Entscheidung des 5. Senats deutlich wird, in der dieser zu mehreren Fällen des Betrugs folgendes festgestellt hat:326 „Der Senat kann hingegen nicht ausschließen, daß das Landgericht in den unten genannten Fällen niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte, wenn es die Sicherheiten richtigerweise schon beim tatbestandsmäßigen Schaden saldiert hätte. Ein Beruhen nimmt der Senat in den Fällen an, in denen der vom Senat errechnete Schaden weniger als 90% des vom Landgericht errechneten Schadens beträgt.“

Die demnach für unerheblich erachtete Abweichung von 10% hinsichtlich des beim Betrug recht bedeutsamen Strafzumessungsmerkmals Schadenshöhe dürfte wohl auch für den Schuldumfang insgesamt eine Abweichungstoleranz von mindestens 3% realistisch erscheinen lassen, die dann sogar dazu führt, daß erkannte Fehler keine Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch zur Folge haben. Auch aus diesen Werten, die ja übertragen auf die Rechtsfolgenseite bei einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren immerhin 2 Monate ausmachen würden, läßt sich schließen, daß die Schärfe eines Maßstabs für die Rechtsfolgenseite, deren Beurteilung ja mit wesentlich größeren Schwierigkeiten verbunden ist, noch deutlich geringer ausfallen müßte. Bei der hier angenommenen allgemeinen Abweichungstoleranz des BGH von 50% kann es sich also nur um einen groben Richtwert handeln, der nicht nur in seiner Bestimmbarkeit durch Außenstehende um einige Prozentpunkte nach oben oder unten schwankt. hätte; krit. gegenüber dieser Praxis auch Foth (1992), S. 445. Zur Verletzung des Art. 102 Abs. 1 Satz 2 GG durch das Revisionsgericht in Einzelfällen vgl. BVerfG NStZ 2004, 273 f. m. w. N. 324 Jedenfalls bestehen aber Bedenken gegen die Begründung, die Strafe könne in derartigen Fällen auch deshalb bestehen bleiben, weil sich die Tatschuld durch die abweichende rechtliche Bewertung nicht geändert habe. Denn die Tatschuld ist nicht losgelöst von der rechtlichen Einordnung der Tat unter eine bestimmte Norm und deren Strafrahmen bestimmbar; vgl. Theune, NStZ 1989, S. 174. 325 BGH wistra 1999, 418. 326 BGH wistra 1999, 263, 267.

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e) Exkurs: Strafhöhe und Rechtsbeugung Welche Folgen diese Rechtsprechung zur Unvertretbarkeit von Sanktionen haben kann, zeigt auch die in jüngerer Zeit327 im Zusammenhang mit in der ehemaligen DDR verhängten Unrechtsurteilen vermehrt erfolgte Verurteilung von an derartigen Entscheidungen Beteiligten wegen Rechtsbeugung. Wenn Strafen dabei etwa auch „unter Berücksichtigung der Vorstellungen eines DDRJuristen zur Tatzeit“ als evident willkürlich und unerträglich überhöht bezeichnet werden328, läßt sich dieser Rekurs auf systemimmanente Gerechtigkeitsvorstellungen zwar nicht unmittelbar im Sinne eines Strafmaßvergleiches zur Feststellung einer Abweichung von üblicher Strafe begreifen; es war vielmehr gerade „ohne entscheidende Bedeutung [. . .], ob etwa andere Gerichte der DDR in vergleichbaren Fällen ähnlich hohe Strafen verhängt hatten“329, womit auch wieder die Gefahren rein komparativer Strafzumessung aufgewiesen wären. Zur Grundlage der Feststellung von Abweichungen wird hier aber gewissermaßen die hypothetische Entscheidung einer indoktrinierten, aber im übrigen unabhängigen Justiz nach deren Gerechtigkeitsempfinden gemacht, weshalb dennoch kein Zweifel daran bestehen kann, daß die lediglich in der Strafhöhe zu manifestierende Rechtsbeugung auch im Sinne eines zusätzlichen Rahmens im Bereich der Unvertretbarkeit Gemeinsamkeiten mit der komparativen Rechtsprechung zur Strafhöhenrevision aufweist. Die schwerwiegende Mißachtung von Menschenrechten330, die der BGH in den entsprechenden Fällen der DDR-Justiz festzustellen hatte, kann insoweit als noch weiterer Rahmen im Bereich der Unvertretbarkeit angesehen werden331. Eine entsprechende Verfolgung an strafrechtlichen Sanktionsentscheidungen Beteiligter dürfte allerdings vor dem Hin327 Auch zuvor kam es in seltenen Fällen zu Verurteilungen wegen in der Strafhöhe zum Ausdruck kommender Rechtsbeugung, insbesondere in bezug auf Verfahren während des Dritten Reichs; vgl. BGHSt 10, 294, 300 f.; BGH GA 1958, 241; s. auch BGH NJW 1960, 974, 975 wiederum zu einer in der DDR erfolgten Verurteilung. 328 BGH NStZ-RR 1999, 42 f. m. w. N.; vgl. auch BGH NStZ-RR 1999, 43, 44 m. w. N.: „wenn sich die Bemessung der Strafe von dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz so deutlich entfernt, daß die Bestrafung in einer sich selbst einem politisch indoktrinierten Richter aufdrängenden Weise als Willkür und damit für das Gerechtigkeitsempfinden unerträglich erscheint“. Vgl. auch den durch das BVerfG zu einer Verfassungsbeschwerde wegen entsprechender Entscheidungen ergangenen Nichtannahmebeschluß, NJW 1998, 2585 ff. 329 BGHR StGB § 336 DDR-Richter 2 m. w. N. 330 Das Recht auf persönliche Freiheit und der Schutz vor grausamer und unmenschlicher Bestrafung, Art. 7 S. 1 und Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte; Art. 3 und Art. 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10.12.1948 beschlossenen Fassung; s. BVerfG NJW 1998, 2585. 331 Nach Bruns (1969), S. 713 erschien es vor dem Hintergrund der Aufhebung von Urteilen des Volksgerichtshofs nicht richtig, die Frage der Kontrolle unangemessen strenger Strafen allzu sehr an den besonders gelagerten Fällen der Rechtsbeugung im Strafmaß auszurichten. Tatsächlich dürfte sich diese Frage auch allenfalls umgekehrt

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tergrund der bisherigen faktischen Eingriffsintensität von Revisionsentscheidungen und der schon aufgrund der nachzuweisenden subjektiven Seite wohl noch deutlich größeren Abweichungstoleranz unter den gegenwärtigen Bedingungen kaum praktisch relevant werden. f) Fazit Mit dem Maßstab der Üblichkeit, den der BGH in ständiger Rechtsprechung zur Überprüfung von Strafaussprüchen auf alleine in der Strafhöhe zum Ausdruck kommende Rechtsfehler anwendet, scheint bei oberflächlicher Betrachtung der zugehörigen theoretischen Erwägungen eine sehr weitgehende revisionsgerichtliche Kontrolle verbunden zu sein. Jedenfalls lassen die zur Ausfüllung des Begriffs der Unvertretbarkeit gebrauchten Formulierungen, wonach ein Strafausspruch bereits dann aufzuheben sein könnte, wenn über Zweifel an der Angemessenheit hinaus eine andere Entscheidung lediglich mehr als nur näher liegt, eine derartige Deutung zu. Allerdings bleibt die praktische Umsetzung dieser Formulierungen bei der Anwendung des Maßstabs der Üblichkeit bisher deutlich hinter möglichen Erwartungen zurück. Als Erheblichkeitsschwelle hinsichtlich der Überschreitung des für vergleichbare Fälle üblichen Maßes, die rein begrifflich ebenfalls verhältnismäßig eng aufzufassen sein könnte, kann man den Aufhebungsentscheidungen eine recht große Abweichung von ca. 50% von der vom Revisionsgericht als Mittelwert üblicher Bestrafung angesehenen Sanktion entnehmen. Lediglich ein ergänzender Hinweis auf eine ungewöhnliche Strafe oder eine Aufhebung der Rechtsfolgenentscheidung bei Naheliegen eines sonstigen Rechtsfehlers, der sich in einem ungewöhnlichen Strafmaß ausgewirkt haben könnte, scheint – freilich konsequent – schon bei geringeren Abweichungen von der üblichen Strafe zu erfolgen, die auf ca. ein Drittel geschätzt werden können. Dagegen läßt sich nicht belegen, daß der BGH bei Delikten, die eine geringere Komplexität in den wesentlichen Strafzumessungstatsachen aufweisen, aufgrund der dadurch präziser bestimmbaren Üblichkeiten einen engeren Rahmen tolerierter Sanktionen zugrunde legt als in sonstigen Fällen. Schließlich verlangt die Rspr., daß bei der Bestrafung mehrerer Beteiligter in gewissem, aber freilich anhand der Entscheidungen nicht näher bezifferbarem Maß auf das gerechte Verhältnis der Strafen zueinander Rücksicht genommen wird. Auch wenn die komparative Strafmaßrevision in der Rechtsprechung angesichts der relativ großzügigen Abweichungstoleranzen somit gegenwärtig zahlenmäßig nur von verhältnismäßig geringer Bedeutung ist332, kann ihr dennoch stellen, nämlich ob und in welchen Grenzen die Verhängung einer unangemessenen Strafe eine Rechtsbeugung im Strafmaß darstellen kann. 332 Vgl. auch Detter (2001), S. 55: „selten“; Goydke, S. 544: „verhältnismäßig selten“; Streng (2002), Rn. 512: „relativ zurückhaltend“.

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§ 3 Komparative Elemente in Strafzumessungsrecht und -praxis

eine gewisse Relevanz angesichts der doch regelmäßig ergehenden Entscheidungen nicht abgesprochen werden333. Die Einschätzung Paulis334, daß es sich bei dieser Rechtsprechung um rechtspolitische Zeichen der Revisionsinstanzen in Krisenzeiten handle und die Rechtsprechung in stabilen Zeiten zu einer restriktiven Handhabung zurückkehre, kann jedenfalls angesichts der Entwicklung in der theoretischen Behandlung der Strafhöhenrevision und der Ende der siebziger Jahre angestiegenen entsprechenden Entscheidungszahlen genausowenig geteilt werden, wie dessen These, daß der BGH hier, wie in anderen Fällen, nur an einmal gewonnenen Beurteilungsspielräumen und Eingriffsmöglichkeiten festhalte. Daß diese Rechtsprechung Bedenken weckt, war freilich zu erwarten, aber auch die Feststellung, daß sie eine hinreichend klare Linie vermissen lasse335, kann hier nicht bestätigt werden. Die dabei geäußerte Besorgnis, der Revisionsrichter könnte sich vorschnell vom eigenen Rechtsgefühl leiten lassen336, kann wohl jedenfalls dann zurückgestellt werden, wenn nur solche Strafen aufgehoben werden, die nach Ansicht eines ganzen Senats mindestens dem Eineinhalbfachen oder allenfalls der Hälfte des nach eigener Erfahrung Üblichen entspricht. Lehnt man eine Überprüfung der Strafhöhe nicht schon grundsätzlich ab, so kann – auch mangels Alternative – mehr als eine mathematisch bestimmbare Toleranz um einen Erfahrungsmaßstab derzeit grundsätzlich nicht verlangt werden. Allerdings muß diese Toleranz hinreichend groß bemessen sein, um eine bloße Durchsetzung von aufgrund der begrenzten Grundlage der Revisionsentscheidung möglichen Abweichungen und von Individualerfahrungen auszuschließen. Aus diesen Umständen folgende Ungleichmäßigkeiten bei der Überprüfung der Strafhöhe an den Grenzen der Abweichungserheblichkeit müssen vor dem Hintergrund einer insgesamt gleichmäßigeren Strafzumessung zurücktreten. Sie bilden im wesentlichen auch nur die Varianz der beim Tatrichter genauso gegebenen Unsicherheiten an weniger bedeutsamer Stelle ab. Bei der Grenzziehung zwischen zu bestätigender und aufzuhebender Strafe ist aufgrund der instanziellen Kompetenzverteilung im deutschen Strafprozeß weiter zu beachten, daß es dem Tatrichter möglich sein muß, den dann ihm zugeschriebenen Rechtsfehler, der in der Verhängung einer Strafe außerhalb der Abweichungstoleranz komparativer Strafzumessung liegt, zu vermeiden. Angesichts der durch den BGH weit gesteckten Grenzen dürfte die demnach bestehende und im weiteren noch näher auszuführende Folge dieser Revisionsrechtsprechung für den Strafzumessungsvorgang im Ergebnis jedenfalls unbedenklich praktisch umsetzbar sein. Man würde die Praxis wohl stark unterschätzen, wollte 333 Immerhin ist etwa auch Nack, S. 153, 156 Grafik 9 bei der Auswertung der Revisionsentscheidungen des BGH alleine für die Jahre 1992 bis 1995 auf 45 Fälle gestoßen, in denen sich der Rechtsfehler auf die Strafhöhe als solche bezog. 334 (1992), S. 91. 335 So LK-Gribbohm, § 46 Rn. 279. 336 LK-Gribbohm, § 46 Rn. 279.

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man behaupten, daß der Tatrichter derart unübliche Strafen nicht als solche erkennen könnte337. Eher werden ihm sogar deutlich geringere Unterschiede, die zwischen Üblichkeiten bei verschiedenen Kammern oder in verschiedenen Bezirken bestehen, bekannt sein. Wahrscheinlich stellt sich in Wirklichkeit nicht einmal die Frage, ob der Tatrichter in der Lage ist, die Konsequenzen dieser Revisionsrechtsprechung umzusetzen, denn tatsächlich dürfte diese Rechtsprechung eher eine Folge gerade auch auf Vergleichen beruhender und deshalb in gewissem Maße einheitlicher tatrichterlicher Rechtsprechung sein.

IV. Der Strafmaßvergleich in der tatrichterlichen Praxis Daß sich der Praktiker jedenfalls bei häufiger vorkommenden Delikten regelmäßig am Strafmaß mehr oder weniger vergleichbarer Fälle orientiert, wird nicht nur allgemein angenommen338, sondern ist auch durch die Untersuchung Strengs339 eindrücklich bestätigt worden. Von den 277 als Strafrichter an den Amts- und Landgerichten Niedersachsens tätigen Befragten hielten lediglich 1,8% „die Orientierung an dem, was in vergleichbaren Fällen üblich ist“ für gar nicht wichtig.340 Auch gab es den vom BGH gerügten Versuch des Oberlandesgerichts Düsseldorf, bei der Strafzumessung ausdrücklich die „in letzter Zeit in ähnlichen Fällen von den Oberlandesgerichten verhängten Strafen“ zu berücksichtigen.341 Zumeist vollzieht sich diese Orientierung an vergleichbaren Fällen allerdings nicht unmittelbar in der konkreten Strafzumessungsentscheidung selbst, sondern mittels Ausbildung sog. richterlicher Strafrahmen342 für einzelne Fallgruppen, welche den gegenüber den gesetzlichen Strafrahmen schon wesentlich begrenzteren Rahmen der auf sämtliche Verwirklichungen eines Delikts tatsächlich angewandten Strafen343 weiter einengen. Dies kann in der Praxis bis hin zu sog. Straftaxen gehen, die für typische Deliktsbegehungen ein von vornherein festste337 Damit erscheint die Kritik von Meine (1989), S. 353, 354, der Tatrichter könne sich kaum auf diese Rechtsprechung einstellen, jedenfalls überholt. 338 Vgl. Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 10; Horn, SK-StGB, § 46 Rn. 94; Streng, NStZ 1989, S. 393 mit zahlr. weit. Nachw. 339 (1984), S. 239 ff., 384. S. zu dieser Untersuchung auch oben § 1 II. 3. b). 340 So die aus der Befragung auch von Richtern am OLG und Staatsanwälten herausgelösten und von Streng gesondert in NStZ 1989, S. 393 veröffentlichten Ergebnisse bei fehlenden Angaben von 1,1% der Befragten. 341 BGHSt 25, 318, 323 f. 342 Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 10 f.; Streng (2002), Rn. 496; Meier, S. 199 f. 343 So kommt Albrecht (1994), S. 277 ff., 479 zu dem Ergebnis, daß für die von ihm untersuchten Delikte die oberen Strafrahmenbereiche, mindestens jedoch das obere Drittel ohne weiteres als redundant bezeichnet werden können. S. zu dieser Untersuchung oben § 1 II. 3. c).

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§ 3 Komparative Elemente in Strafzumessungsrecht und -praxis

hendes Strafmaß ausweisen. Die erhebliche faktische Bedeutung eines solchen durch die Justiz selbst auferlegten „determinate sentencing“344 ließ sich ebenfalls in den Untersuchungen von Streng und Albrecht belegen. 94,4% der von Streng befragten Richter gaben an, daß zumindest bei leichten Delikten, die auch häufig vorkommen, Straftaxen als wichtiger Anhaltspunkt für die Strafzumessung im Einzelfall dienen.345 Schon zuvor hatten etwa 90% der 93 von Albrecht befragten baden-württembergischen Richter angegeben, daß für nahezu alle an Amtsgerichten verhandelten Deliktsbereiche Straftaxen existierten.346 Und als Referendar ist man dankbar, wenn, wie in vielen Landgerichtsbezirken, bei der Staatsanwaltschaft ein informeller Strafmaßkatalog347 erhältlich ist, der einen ersten Anhaltspunkt bei der Vorbereitung von Sitzungsvertretungen bietet. Für Verkehrsdelikte gingen derartige Strafzumessungsempfehlungen in Form von unverbindlichen Absprachen Mitte der sechziger bis Anfang der siebziger Jahre sogar zentral vom Verkehrsgerichtstag aus.348 Daß das Strafzumessungsverhalten der Richter auch tatsächlich mit den von diesen angegebenen informellen Strafnormen übereinstimmt, belegt schließlich die Untersuchung Oswalds349 zum Diebstahl. Im Gegensatz zu den meisten amerikanischen Richtlinienmodellen handelt es sich bei diesen Taxen regelmäßig um inoffizielle Maßstäbe, in denen sich unmittelbar Erfahrung und Tradition alleine desjenigen Personenkreises widerspiegeln, der die entsprechenden Entscheidungen auch zu treffen hat. Das in vergleichbaren Fällen Übliche kommt in diesen Empfehlungen auf verschiedene Weise zum Ausdruck; vorwiegend dadurch, daß die Beteiligten ihre eigene bisherige Praxis und Beobachtung einbringen und darüber hinaus gegebenenfalls auch durch Einbeziehung derjenigen Strafen, die die Beteiligten in Abweichung von ihrer Erfahrung aktuell verhängen würden, wenn sie sich im konkreten Strafzumessungsvorgang befänden. Der für typische Fallkonstellationen auf diese Weise erreichte Konsens dürfte demnach das Übliche weitestgehend abbilden350. Allerdings kann sich diese Üblichkeit nur soweit erstrecken, wie der 344 Vgl. zu den entsprechenden Erscheinungsformen im amerikanischen Strafzumessungsrecht oben § 2 I. 3. 345 Streng, NStZ 1989, S. 393 f.; vgl. zu diesem Aspekt der Gesamtuntersuchung auch dens. (1984), S. 305, 450. 346 Albrecht (1983), S. 1324. S. zu dieser Studie oben § 1 III. 5. mit Anm. 228. 347 Ein Beispiel zu Verkehrsdelikten ist bei Schäfer (2001), Rn. 941 ff. abgedruckt. 348 Mit Nachw. zur damals lebhaft geführten Diskussion zusammenfassend Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 293 f.; Tröndle, S. 73 ff. 349 S. 172 ff. S. zu dieser Untersuchung oben § 1 II. 3 d) cc). Der Vergleich der Angaben der befragten Richter dreier Amtsgerichte mit den entsprechenden Bundeszentralregisterdaten zeigte bei bis zu drei Vorverurteilungen eine überraschend hohe Übereinstimmung zwischen tatsächlichen und als üblich bezeichneten Strafbereichen. 350 Vgl. auch den Vorschlag des Praktikers Seebald (1975), S. 4 ff., Strafmaßempfehlungen nach der typologischen Häufigkeit verhängter Strafen zu erstellen.

IV. Der Strafmaßvergleich in der tatrichterlichen Praxis

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Konsens reicht, mit der möglichen Folge unterschiedlicher regionaler Straftaxen. Trotz derartiger Gefahren gerade mit Blick auf die Strafgerechtigkeit scheint sich das offensichtlich große Bedürfnis351 der Praxis nach einheitlicher Bestrafung auf dieser intersubjektiven Grundlage jedenfalls bei weniger schwerwiegenden und häufig vorkommenden Delikten durchgesetzt zu haben. Die speziell an diesen Straftaxen geübte materielle Kritik bezieht sich in erster Linie darauf, daß das innere Tatbild bei einer derartigen Klassifizierung keine ausreichende Berücksichtigung finde352. Und in der Tat knüpfen Straftaxen – dem hinter den Tatbeständen stehenden Gedanken einer ersten Klassifizierung typischen Unrechts folgend – im Sinne weiterer Präzisierung an die typischen Verwirklichungsformen der verschiedenen vom Tatbestand erfaßten Fallgruppen an. Damit soll freilich nicht die gesetzliche Grundlage für die Zumessung der Strafe – nach § 46 Abs. 1 S. 1 StGB die Schuld des Täters – untergraben werden. Zum einen ist eben, wie bereits an der revisionsgerichtlichen Rechtsprechung gezeigt, das äußere Tatbild bei verschiedenen Delikten schon verhältnismäßig aussagekräftig, zum anderen sind auch die kundgegebenen richterlichen Strafrahmen in keinster Weise verbindlich, so daß eine Individualisierung der Strafe möglich bleibt. Umgekehrt läßt sich sogar argumentieren, daß eine sachgerechte Individualisierung erst dann sinnvoll möglich sei, wenn für unproblematisch generalisierbare Kriterien einheitliche Maßstäbe angewendet werden353. Die Gefahr einer unzulässigen Bindung der Strafe an den äußeren Tatbestand bestünde also genauso wie die Gefahr der Erstarrung des Systems im Längsschnitt nur insoweit, als diese informellen Maßstäbe über ihre eigentliche Bedeutung hinaus fixiert würden und sich die Praxis überobligatorisch an ihnen orientieren würde. Bei diesen Gefahren handelt es sich aber lediglich um die bei jeder Form der Umsetzung des Maßstabs der Üblichkeit zu beachtende Risiken354, welche sich nicht unmittelbar gegen die Umsetzung der Idee komparativer Strafzumessung durch richterliche Rahmen und Taxen richten. Daß diese Taxen insbesondere zu den weniger schwerwiegenden Delikten entwickelt wurden, deutet freilich auch noch auf ein Weiteres hin: Generell stellt sich bei der Rechtsanwendung die Frage, inwieweit der mit der Präzision in der Bestimmung der Entscheidungsgrundlage verbundene Aufwand überhaupt noch in angemessenem Verhältnis zu der daraus resultierenden Varianz in der Rechtsfolge und den ebenfalls mit einzustellenden möglichen Auswirkungen mangelnder Einheitlichkeit steht. An der Untergrenze der Strafbarkeit scheint 351 Kunz, S. 35, spricht hier von einer zur Nachahmung anhaltenden Sogwirkung zuverlässiger und eine Angleichung ermöglichender Maßstäbe der Praxis. 352 s. insb. Jagusch, NJW 1970, 401 ff., 1865 ff. 353 So bezweifelt etwa auch Schöch (1972), S. 136, daß es zu einer adäquaten Berücksichtigung spezialpräventiver Aspekte kommen könne, wenn die schuldangemessene Strafe keine klareren Konturen gewinnt. 354 Vgl. schon oben III. 3. c) bb) a. E. und den Hinweis bei Schäfer (2001), Rn. 478.

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§ 3 Komparative Elemente in Strafzumessungsrecht und -praxis

eine umfassend individualisierende Strafzumessung offensichtlich als unverhältnismäßig empfunden zu werden und bei rein quantitativer Betrachtung dieser Strafwürdigkeitsgrenze handelt es sich ja auch um den fließenden Übergang zur bloßen Ordnungswidrigkeit, deren Rechtsfolge, die Geldbuße, nach § 17 Abs. 3 OWiG im Unterschied zu § 46 Abs. 1 S. 1 StGB in erster Linie mit Blick auf die „Bedeutung der Ordnungswidrigkeit“ zugemessen wird355. Daß es auf dieser Basis naheliegt, Taxen zu entwickeln, zeigen die im Ordnungswidrigkeitenrecht geschaffenen Bußgeldkataloge. Diese Befunde zum Strafzumessungsverhalten in der Praxis passen auch in das durch die jüngeren empirischen Untersuchungen zu Ungleichmäßigkeiten in der Strafzumessung vorgezeichnete Bild. Das komparative Vorgehen scheint sich – unabhängig von einer theoretischen Absicherung – in der tatrichterlichen Praxis schon überwiegend durchgesetzt zu haben, bereits eine gewisse Einheitlichkeit zu bewirken, und damit möglicherweise auch selbst schon Maßstäbe zu präzisieren. Deshalb kann es auch nicht mehr weiter verwundern, daß die auf dasselbe Kriterium gestützte reine Strafhöhenrevision in der Praxis keine allzu große Bedeutung hat. Auch bei Verbesserungen in der Feststellbarkeit des Üblichen wäre wohl kaum mit einem großen Vorsprung der Revisionsgerichte gegenüber der von ihnen zu überprüfenden tatrichterlichen Praxis zu rechnen. Und selbst bei – unterstellt überzeugender – Absenkung der Abweichungstoleranz durch die Revisionsgerichte wäre zu erwarten, daß sich die Tatrichter ohne große zeitliche Latenz noch näher an den ihnen durchaus bekannten Üblichkeiten orientieren würden. Ein Zusammenhang zwischen der tatsächlichen Bedeutung komparativer Strafzumessung und ihrer Relevanz in der revisionsgerichtlichen Rechtsprechung dürfte demnach kaum hergestellt werden können.

V. Die Bewertung komparativer Strafzumessungspraxis im Schrifttum Die Orientierung am in vergleichbaren Fällen Üblichen, wie sie der Rechtsprechung im Sanktionenrecht generell zugrunde liegt, wird im Schrifttum ganz überwiegend positiv aufgenommen356. Insbesondere auch die revisionsgericht355

KKOWiG-Steindorf, § 17 Rn. 33. Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 10; Lackner/Kühl, § 46 Rn. 49; Jescheck/ Weigend, S. 876; v. Weber, S. 21 ff.; Henkel, S. 38; Dreher (1977), S. 46, der früher allerdings befürchtete, daß die Praxis dabei gesetzliche Maßstäbe übergehen könnte (s. dens. [1961], S. 343 f.); Frisch (1971), S. 202; ders. (1998), S. 782; Zippelius (1969), S. 234; Seib, S. 18 ff.; Tröndle, S. 78 f.; Schöch (1972), S. 128 f.; Seebald (1974), S. 193 ff.; Albrecht (1983), S. 1311; Kunz, S. 35; Theune (1985), S. 207 f.; Montenbruck (1989), S. 21 f.; Meier, S. 188 ff.; Uphoff, S. 247; m. w. N. Streng (1984), S. 305, Anm. 118 und ders., NStZ 1989, S. 393, Anm. 3; krit. demgegenüber Arzt, S. 57; ablehnend Giehring, S. 115 f.; Terhorst, S. 275. 356

V. Die Bewertung komparativer Strafzumessungspraxis

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liche Rechtsprechung zur Vertretbarkeit des Strafmaßes ist auf Zustimmung357 nicht nur bei denjenigen gestoßen, welche schon lange eine umfassende Revisibilität des Strafmaßes fordern358. Obwohl sich der BGH nicht genötigt sah, diese Rechtsprechung näher zu begründen, blieb substantielle Kritik an dem hierbei zugrundegelegten Maßstab der Üblichkeit weitestgehend aus359. Und die in der Tatsacheninstanz praktizierte komparative Strafzumessung wird selbst in ihrer extremsten Form, der Ausbildung und Anwendung sogenannter Straftaxen für weniger gravierende Taten, nicht vollständig abgelehnt; vielmehr empfindet man ein derartiges schematisches Vorgehen jedenfalls für den Einstieg in den Strafrahmen gerade als sinnvoll360. Allerdings wird diese komparative Vorgehensweise auch in der Literatur vorwiegend als akzeptierte Ergänzung denn als begründeter Teil der Strafzumessungsdogmatik behandelt, was ihrer tatsächlichen Bedeutung nicht gerecht wird und darüber hinaus den ohnehin bestehenden Vorwurf nährt, bei der gegenwärtigen Strafzumessungslehre handle es sich um eine reine Begründungswissenschaft361. Spätestens dann aber, wenn die Aufhebung von tatrichterlichen Entscheidungen ausschließlich mit dem Maßstab der Üblichkeit begründet wird oder die Bestätigung einer üblichen Sanktion trotz Begründungsmangels erfolgt362, bedarf es einer systemimmanenten Rechtfertigung dieses Maßstabs, welche dann in umgekehrter Richtung auch die Frage nach einer Umsetzung über die bestehende Praxis hinaus aufwerfen kann. Entscheidend ist letztlich, ob sich eine Pflicht des Tatrichters zur Orientierung an Üblichkeiten begründen läßt und wie weit diese Pflicht gegebenenfalls reicht.

357 Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 307 ff.; Streng (2002), Rn. 516; ders., NStZ 1989, S. 393 ff.; Horstkotte, S. 286 ff.; krit. aber etwa LK-Gribbohm, § 46 Rn. 279 und Horn, SK-StGB, § 46 Rn. 95. 358 s. insb. Frisch (1971), m. w. N. auf S. 50. 359 Streng (1986), S. 517. 360 Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 293 f.; Meier, S. 200 f.; Streng (2002), Rn. 516. 361 Das Problem der Abweichung zwischen Rechtsfindung und ihrer Rechtfertigung wird im Strafzumessungsrecht in der Regel mit Blick auf Wertungsunterschiede zwischen Herstellung und Darstellung der Rechtsfolgenentscheidung durch den Tatrichter diskutiert; vgl. Hassemer (1978), S. 90 ff.; Kunz, S. 29 ff. und die Untersuchung von R. Hassemer (1983); insoweit könnte man mit Jescheck/Weigend, S. 883 aber auch in umgekehrter Richtung argumentieren, daß die „revisionssichere“ Begründung des Strafmaßes bei auch durch Vergleich erfolgender strengerer revisionsgerichtlicher Kontrolle die tatsächlichen tatrichterlichen Überlegungen weniger zutreffend wiedergeben könnte. 362 s. die Beispiele oben III. 3. b) vor aa).

§4 Gegenstand und rechtlicher Rahmen komparativer Strafzumessung I. Komparative Methode und Strafzumessungsdogmatik 1. Die Struktur komparativer Argumentation Bei der Gegenüberstellung verschiedener Sachverhalte handelt es sich um ein gewohntes und mit völliger Selbstverständlichkeit verwendetes Argumentationsmuster. Die Bewertung der dabei zunächst festzustellenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede soll typischerweise eine gleiche oder unterschiedliche Behandlung dieser Sachverhalte stützen. Wenn ein derartiger (erster) Vergleich im Idealfall nur Gemeinsamkeiten zu Tage förderte, bestünden an der Schlüssigkeit der daraus gefolgerten Forderung nach Gleichbehandlung kaum Zweifel. Auch zwischen strafbaren Sachverhalten sind aber immer Unterschiede gegeben und sei es alleine hinsichtlich Tatort oder Tatzeit.1 Eine generelle Ablehnung komparativer Argumentation vermögen diese insbesondere auch in der Persönlichkeit des Täters bestehenden Unterschiede aber selbstverständlich nicht zu rechtfertigen.2 Vielmehr gilt es, sie im Wege weiterer Vergleiche zu bewerten und den Gemeinsamkeiten gegenüberzustellen, um so festzustellen, ob dennoch eine Gleichbehandlung der Sachverhalte gerechtfertigt ist. Bei dieser Bewertung können zunächst solche Unterschiede ausgeschieden werden, auf die es mit Blick auf den Zweck des Vergleichs, die weitere Behandlung des fraglichen Sachverhalts, nicht ankommen kann. Bleiben nach dieser Abstraktion von irrelevanten Umständen Unterschiede bestehen, sind diese vor dem Hintergrund der Gemeinsamkeiten und mit Blick auf die bestehenden Alternativen möglicher Behandlung der Sachverhalte auf ihre Erheblichkeit zu überprüfen. Erscheint eine Gleichbehandlung nicht gerechtfertigt, so kommt möglicherweise eine ähnliche Behandlung in Betracht. Dabei handelt es sich aber lediglich um eine weitere Abstraktion nunmehr von strafzumessungsrelevanten Umständen, welche dann auch auf der Folgenseite nur zu einer groben komparativen Aussage im Sinne eines Rahmens von Behandlungsalternativen führen kann.

1 2

Kein Fall ist mit einem anderen identisch; Kriele, S. 269; Alexy, S. 336. Theune (1985), S. 207; Jung (1992), S. 204.

I. Komparative Methode und Strafzumessungsdogmatik

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2. Praktische Grenzen komparativen Vorgehens in der Strafzumessung Dabei ist schon unabhängig vom Inhalt des Vergleichs zu beachten, daß dessen Qualität von der Wahrnehmbarkeit der zugrundeliegenden Sachverhalte abhängt. Bei schriftlich gefaßten oder mündlich mitgeteilten Sachverhalten sinkt die zunächst durch das Maximum sprachlicher Präzision gezogene Obergrenze möglicher Genauigkeit mit abnehmendem Grad der Ausführlichkeit jeweiliger Darstellung. Und auch bei der dadurch bedingten Ungenauigkeit vergleichender Aussagen, dem immer einzustellenden „Toleranzbereich wegen begrenzt mitteilbarer Feinheiten“3, bleibt es nicht. Denn die Bewertung von Sachverhalten mittels vergleichendem Vorgehen birgt ohne Berücksichtigung gewisser Rahmenbedingungen die Gefahr der Erstarrung in sich, wenn man das bei kurzen Vergleichsintervallen kaum ins Gewicht fallende Zeitablaufkriterium vollends vernachlässigt. Auch soweit es gelingt, Aussagen zur unterschiedlichen Behandlung sich im übrigen entsprechender Sachverhalte im Längsschnitt zu treffen4, könnten diese rückwirkenden Aussagen nicht ohne weiteres in die Zukunft projiziert werden, sondern allenfalls zu einer gewissen Prognose führen. Der daher grundsätzlich als Unsicherheitsfaktor zu berücksichtigende Wandel der Lebenswirklichkeit, der sich im vorliegenden Zusammenhang bei der Beurteilung einzelner Strafzumessungstatsachen, von Delikten und Deliktsgruppen oder auch des Strafniveaus insgesamt niederschlagen kann, dehnt die durch die mangelnde Exaktheit der Darstellung gezogenen Grenzen der Vergleichbarkeit weiter aus. Die Gewährleistung einer gewissen Dynamik ist auf lange Sicht besonders dann im Auge zu behalten, wenn die Gefahr besteht, daß die Vergleichenden bei allgemeiner Anerkennung der Vergleichsmaßstäbe im übrigen an diesen gesicherten Erkenntnissen trotz erkannter Grenzen der Vergleichbarkeit im Längsschnitt festhalten würden, und damit bei allgemein relevanten und weit verbreiteten Vergleichsgegenständen möglicherweise auch durch die ständig erneuerte Faktizität ihrer Entscheidungen die allgemeine Anschauung selbst beeinflussen könnten. Daß die komparative Argumentation auch zum selbstverständlichen Grundbestand juristischer Methodenlehre gehört, zeigt sich schon an den genannten komparativen Elementen in Strafzumessungsrecht und -praxis5. Die Methode des Fallvergleichs wird etwa dann angewandt, wenn das Gesetz als Ausgangs3 So Frisch (1971), S. 284, zu dem dem Revisionsgericht zur Verfügung stehenden Sachverhalt. 4 Vgl. etwa die von Frisch, Maßstäbe, S. 179 ff., neben generellen Milderungstendenzen auch in bezug auf Veränderungen komparativer Strafzumessungsentscheidungen dargestellten Bereiche, in denen es aufgrund Bewertungswandels hinsichtlich des Ranges gewisser strafrechtlich geschützter Güter, aufgrund normativer Umakzentuierungen oder auch durch neue empirische Erkenntnisse sowohl zu Absenkungen als auch zu Anhebungen des Sanktionsniveaus kam. 5 s. oben § 3.

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§ 4 Gegenstand und rechtlicher Rahmen komparativer Strafzumessung

punkt einen für die Entscheidung nicht ausreichenden Konkretisierungsgrad aufweist, wie insbesondere bei den ausfüllungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln, oder, wenn das Gesetz lückenhaft ist, im Rahmen von Analogieschlüssen6. Freilich gilt dies nicht nur für die richterliche Rechtsfortbildung und -anwendung. Als Methode der induktiven Normbildung weist der Fallvergleich im Zweifelsfall auch für die Gesetzgebung einen gangbaren Weg7. Hier liegt im übrigen eine wesentliche methodische Parallele zum common law, dessen Methodenlehre das dort zentrale fallvergleichende Vorgehen als „distinguishing“ bezeichnet8. Die Methode selbst dürfte demnach nicht gegen eine Anwendung auch im Bereich der Strafzumessung sprechen. Sie stößt lediglich an die aufgezeigten praktischen Grenzen, welche im jeweiligen Anwendungsbereich in spezifischer Weise zu beachten sind. Auch in bezug auf die komparative Sanktionierung kommt es zunächst auf die Auswahl des Vergleichsmaterials an, für die aber neben dem Problem der Ausführlichkeit insbesondere die Adäquität der darin vorgenommenen Sachverhaltsbehandlung ausschlaggebend ist, und die im übrigen dem Aufwand nach in einem noch vertretbaren Verhältnis zum Zweck der komparativen Behandlung stehen muß. Unter Abwägung dieser Parameter können die am weitesten reichenden praktisch umsetzbaren komparativen Aussagen getroffen werden. Bei Zunahme des Vergleichsmaterials wäre auch noch mit einer gesteigerten Präzisierbarkeit dieser Aussagen zu rechnen. Allerdings ist insofern zu berücksichtigen, daß die Heranziehung älteren Materials die Gefahr der Erstarrung erhöht und damit auf der anderen Seite wieder zu Beschränkungen in der Vergleichbarkeit führen muß. Darüber hinaus kann es für die Strafzumessung kaum ausreichen, die der Vermeidung von Erstarrung dienenden Grenzen der Vergleichbarkeit lediglich anhand des denkbaren Wandels der Lebenswirklichkeit zu bestimmen. Vielmehr ist grundsätzlich über diese Grenzen hinaus der Strafmaßvergleich zur Gewährleistung einer gewissen Dynamik jedenfalls soweit einzuschränken, daß dem Tatrichter mehrere erkennbar gleich revisionsfeste Sanktionsalternativen verbleiben. Denn nur so könnte einer nicht völlig fern liegenden auf Vermeidung revisionsgerichtlicher Aufhebung gerichteten Tendenz zur dauerhaften Verhängung der in vergleichbaren Fällen bisher verhängten und deshalb kaum angreifbaren Strafen vorgebeugt werden. Praktisch wird diese zusätzliche Grenze aber kaum ins Gewicht fallen, wenn schon der im Rahmen der übrigen genannten Bedingungen gefundene optimale Ausgleich zwischen der Verbindlichkeit des Vergleichsmaterials und dem mit dem Vergleich verbundenen Aufwand die komparative Aussagekraft soweit be6 s. dazu und zu Fragen des „Typus“, mit dem hier verglichen wird, Bydlinski (1991), S. 475 f., 543 ff.; Zippelius, Methodenlehre, § 12; Vogel, S. 143 ff. 7 s. Zippelius, Methodenlehre, S. 76. Vgl. auch die Nachw. oben § 3 Anm. 5 zur „umgekehrten Subsumtion“ durch den Gesetzgeber. 8 s. dazu Zippelius, Methodenlehre, S. 74; Vogel, S. 165 f. jew. m. w. N.

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schränkt, daß schon dadurch ein größeres Sanktionenspektrum verbleibt. Solange sich aber überhaupt eine gewisse komparative Aussage feststellen läßt, erscheint die Methode auch für die Strafzumessung grundsätzlich sinnvoll. Die Frage tatsächlich möglicher Umsetzung eines komparativen Strafkonzepts stellt sich deshalb in erster Linie in bezug auf faktische Gegebenheiten und etwa bestehende Inkompatibilitäten mit den dogmatischen Grundlagen der Strafzumessungsentscheidung. 3. Die Vereinbarkeit komparativer Strafzumessung mit der Strafzumessungsdogmatik a) Straftheorien und Strafzweckantinomie Schon mit Blick auf die ganz grundsätzliche Frage nach den in der Strafzumessung zu berücksichtigenden Strafzwecken, den sogenannten finalen Strafzumessungsgründen9, scheint man mit dem Versuch einer Vereinheitlichung der Strafzumessungspraxis unabhängig von der gewählten Methode auf erhebliche Schwierigkeiten zu stoßen. Denn wie ließe sich, so könnte man fragen, eine einheitliche Strafe fordern, wenn schon in der allgemeinen Auseinandersetzung10 um deren Sinn und Zweck kein Ende abzusehen ist11, und auch innerhalb der in Deutschland überwiegend vertretenen sogenannten Vereinigungstheorien12 von unausweichlichen Antinomien ausgegangen wird, die den Vorrang des einen oder des anderen Prinzips fordern13. Auch läßt sich weder dem Gesetz, noch der höchstrichterlichen Rechtsprechung, auf deren Ausrichtung man sich, da es an dieser Stelle primär um deren Vereinheitlichung geht, noch beschränken könnte, in dieser nach h. M. restlos auch gar nicht auflösbaren Frage14 eine abschließende Stellungnahme entnehmen. Der BGH zieht sich stattdessen in erster Linie hinter den in § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB normierten Maßstab der Schuld zurück15, deren Ausgleich selbst aber nicht Strafzweck sein soll16. Umso erstaunlicher ist es deshalb, daß auf der Grundlage dieses lediglich

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s. dazu oben § 3 Anm. 83. Lackner/Kühl, § 46 Rn. 3; Frisch (2000), S. 270. 11 s. zu diesem Zusammenhang auch Müller-Dietz, S. 58; Jung (1992), S. 195; Günther (1990), S. 456. 12 Jescheck/Weigend, S. 77 m. w. N.; Tröndle/Fischer, § 46 Rn. 2; Meier, S. 33. 13 Jescheck/Weigend, S. 75 f.; Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 81 ff.; Schäfer (2001), Rn. 451; Lackner/Kühl, § 46 Rn. 3 m. w. N. 14 Nachw. bei Lackner/Kühl, § 46 Rn. 3. 15 Frisch (2000), S. 269, 272 ff.; Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 89 ff. Vgl. auch den in der gegenwärtigen Rechtsprechung zur Strafhöhe regelmäßig verwendeten Begriff des gerechten Schuldausgleichs [s. nur oben § 3 III. 3. b)]. 16 BGHSt 24, 40, 42. 10

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einen Sachverhalt beschreibenden Maßstabs hinsichtlich der Bestimmung und Bewertung der im Einzelfall bedeutsamen Strafzumessungstatsachen trotz der weiterhin ungeklärten Vorfragen dann doch keine allzu wesentlichen Meinungsverschiedenheiten bestehen17, und es sich bei den dennoch bestehenden Abweichungen anerkanntermaßen um unterschiedliche rechtliche Wertungen handelt, welche als Rechtsfrage jedenfalls von der Rechtsprechung einheitlich aufzulösen sind18. Für den Strafmaßvergleich, der an die Stelle dieser auf die Ausrichtung an den Strafzwecken folgenden zweiten und dritten Phase des fünfstufig verstandenen Strafzumessungsvorgangs19, der Ermittlung der relevanten Strafzumessungstatsachen und der Festlegung ihrer nach dem auch hier vertretenen Konzept jeweils unterschiedlichen normativen Bewertungsrichtungen20, ohnehin nicht treten kann, sondern, wie noch zu zeigen sein wird, erst für die beiden abschließenden Phasen dieses Strafzumessungsvorgangs in Betracht zu ziehen ist, kann schon deshalb von einer nahezu einheitlich bewerteten Ausgangskonstellation ausgegangen werden. Daß die im Ergebnis dann ja auch zu verhältnismäßig einheitlichen Sanktionen greifende Praxis ohne größere Differenzen von einer einheitlich bewerteten Tatsachengrundlage ausgeht, verwundert aber bei näherer Betrachtung auch vor dem Hintergrund augenscheinlich widerstreitender Strafzwecke nicht: Zunächst ist kaum zu bestreiten, daß verwertbare Erkenntnisse bezüglich der präventiven und dabei insbesondere der generalpräventiven Wirkung von Strafe bisher kaum vorliegen21, womit sich eine Berücksichtigung derartiger Umstände vielfach ohnehin verbietet. Bei näherer Betrachtung reduziert sich schon deshalb das Problem erheblich widerstreitender Strafzwecke auf eng begrenzte Fälle. Und auch deren Entscheidung erscheint nicht gänzlich unmöglich.22 Insgesamt lassen sich, wie Frisch jüngst dargelegt hat, die von der Rechtsprechung auf unterschiedliche Strafzwecke gestützten Ergebnisse im wesentlichen auch mit einem einheitlich auf Wiederherstellung des Rechts gerichteten Strafkonzept erzielen23, wes17 Zu den Mißverständnissen im Zusammenhang mit der Bewertungsrichtung der Strafzumessungstatsachen s. schon oben § 3 II. 3 b) aa). 18 Tatsächlich dürfte hier freilich eher von Ausblendung auszugehen sein; vgl. Müller-Dietz, S. 51. 19 s. dazu schon oben § 3 II. 3. b) aa). 20 s. oben § 3 II. 3. b) aa). 21 Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 10; Frisch (1987), S. 364 f.; ders. (1998), S. 782 ff.; ders. (2000), S. 282 f. m. w. N. in Anm. 46; Albrecht (1983), S. 1311; Schünemann (1977), S. 75 f.; Hörnle, S. 110 ff. Eine Intensivierung diesbezüglicher Forschung wäre hier sicher wünschenswert; Müller-Dietz, S. 59 ff.; Kunz, S. 36 ff.; sehr optimistisch in bezug auf die Erstellung empirischer Strafwirkungsprognosen Giehring, S. 95 ff., der sich alleine davon eine Angleichung der Strafzumessungspraxis verspricht; Einen Überblick über entsprechende empirische Befunde geben Streng (2002), Rn. 53 ff. und Meier, S. 27 ff. 22 Eingehend Frisch (1987), S. 366 ff. 23 Frisch (2000), S. 306 ff.

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halb sich hinter dieser Rechtsprechung, selbst wenn man diesen die durch den BGH präventiv etikettierten Orientierungen ebenfalls erfassenden zentralen Strafzweck ablehnt, auch mit Blick auf die Strafzweckfrage zumindest intuitiv ein wie auch immer im einzelnen interpretiertes einheitliches Konzept verbirgt. b) Strafzumessungstheorien Auch hinsichtlich der sogenannten Strafzumessungstheorien, bei denen es sich, im weitesten Sinne verstanden, um sämtliche Versuche einer deskriptiven Erfassung des Strafzumessungsvorgangs oder von Ausschnitten aus diesem handelt24, sind zunächst gewisse Vereinbarkeitsprobleme mit vergleichendem Vorgehen denkbar. Die im wesentlichen vertretenen Theorien lassen sich grob danach unterscheiden, ob sie sich schwerpunktmäßig auf den Zweck, die Form oder den Träger der Entscheidung beziehen. aa) Strafzweckorientierung: Spielraumtheorie, Stellenwerttheorie, Theorie tatproportionaler Strafzumessung Hinsichtlich der Bewertung der auf die jeweils vertretenen Strafzwecke gestützten Strafzumessungstheorien sind die Weichen mit einer als einheitlich auf die Wiederherstellung des Rechts gerichtet begriffenen Strafe bereits gestellt. Aus diesem umfassenden Strafzweck selbst läßt sich dann freilich weder eine besondere Struktur des Strafzumessungsvorgangs ableiten, welche komparativer Strafzumessung entgegenstehen könnte, noch eine für die Umsetzung von Strafmaßvergleichen günstige, gegenüber der im Ergebnis ja gerade erfaßten h. M. zu Relevanz und Bewertung von Strafzumessungstatsachen begrenzende Funktion. Aber auch auf der Grundlage der abweichend ausgerichteten Strafzumessungstheorien sind keine Kollisionen zu besorgen. Zwar scheint die insbesondere in der Rechtsprechung vertretene sogenannte Spielraum- oder Schuldrahmentheorie25 begrifflich für eine Grenze der Vergleichbarkeit innerhalb des Spielraums oder Rahmens zu sprechen. Auch diese Theorie soll jedoch immer zu einer konkreten Strafe führen. Nur sei der Strafzumessungsvorgang in zwei Schritten zu vollziehen, der Bestimmung der Schuldstrafe, welche keine feste Strafgröße darstelle, sondern einen Rahmen gleich schuldangemessener Strafhöhen umfasse26, und der Berücksichtigung 24

Streng (2002), Rn. 479 ff. St. Rspr. seit BGHSt 7, 28, 32; weit. Nachw. bei Lackner/Kühl, § 46 Rn. 24; Tröndle/Fischer, § 46 Rn. 20; Schäfer (2001), Rn. 461 ff.; zur Dominanz der Spielraumtheorie auch im Schrifttum vgl. Streng (2001), S. 875; ders. (2002), Rn. 480 jew. m. w. N. 26 Freilich läßt sich gegen einen solchen Schuldrahmen, mit dem insbesondere das Problem der Legitimierbarkeit schuldunter- oder -überschreitender Strafen zu umgehen 25

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präventiver Strafzwecke innerhalb dieses Rahmens27. Eine von diesem zweckgebundenen Zweischritt zu unterscheidende und primär die Aufgabe des Entscheidungsträgers betreffende Frage ist es, ob jede innerhalb des Schuldrahmens liegende Strafe als richtig oder zumindest als irrevisibel anzusehen ist28. Darüber hinaus stellen sich bis auf die formale Anbindung an diese verschiedenen Schritte, bei einer ernsthaft auf einen Rahmen der Schuld und nicht nur auf einen Rahmen der Erkenntnis29 bezogenen Spielraumtheorie mit Blick auf komparative Erwägungen ebensowenig Probleme, wie bei der auf der Gegenposition, der Theorie der Punktstrafe basierenden Stellenwerttheorie, deren Vertreter – ebenfalls begründungspflichtig – präventive Wertungen erst im Rahmen der Entscheidung über Art und Vollstreckung der in der Höhe alleine am Gewicht des verschuldeten Unrechts zuzumessenden Strafe vornehmen wollen30. Bezieht man dagegen den Spielraum lediglich auf die in ihrer grundsätzlichen Existenz freilich kaum zu bezweifelnden Grenzen der Erkenntnis, so ist zu beachten, daß aus der vor dem gesetzlichen Hintergrund augenscheinlich eleganten Verknüpfung der Erkenntnis- mit der Strafzweckfrage eine Zweckbeschränkung im Falle verbesserter Erkenntnismöglichkeiten folgt. Bei Ernstnahme der Orientierung schuldangemessener Strafe am in vergleichbaren Fällen Üblichen würden entsprechend gesteigerte Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich des üblichen Schuldausgleichs die Berücksichtigung präventiver Strafzwecke dann zurückdrängen. Freilich können aber die Erkenntnisgrenzen nicht durch daran angeknüpfte Folgen bestimmt werden, weshalb ein begründeter Strafmaßvergleich allenfalls gegen ein derartiges Verständnis der Spielraumtheorie sprechen würde, nicht aber umgekehrt die Spielraumtheorie insofern gegen einen Strafmaßvergleich. Eine besondere Eignung zu komparativem Vorgehen weist die Mitte der siebziger Jahre im Rahmen der grundlegenden Reformbestrebungen in den USA aufgekommene31 Theorie der Tatproportionalität auf, die inzwischen auch in wäre, schon das einfache Argument anführen, daß man auch dann zu einer konkreten Strafe kommen muß, wenn gar keine präventiv zu berücksichtigende Umstände vorliegen; Frisch (1987), S. 362 f. 27 Die Spielraumtheorie führt somit nach Abwägung und Umwertung der Schuldgesichtspunkte lediglich zu einem hinsichtlich der Grenzen ebenfalls kaum präzise bestimmbaren Zwischenergebnis, welches eine weitere Abwägung und Umwertung hinsichtlich der präventiv relevanten Umstände erforderlich macht. Eine entsprechende Umsetzung in der Praxis darf deshalb mit Recht bezweifelt werden; so z. B. Jescheck/ Weigend, S. 881; Albrecht (1994), S. 494; Streng (1993), S. 921; a. A. Schäfer (2001), Rn. 463. 28 Vgl. dazu die eingehende Ablehnung der These von den mehreren rechtlich richtigen Strafen bei Frisch (1971), 3. Teil, 1. Kapitel. Zur Frage richterlichen Ermessens s. erst unten bb). 29 Nach Horn, SK-StGB § 46 Rn. 8 m. w. N. soll es sich bei dieser Unterscheidung um eine eher akademische Streitfrage handeln. 30 Eingehend Horn, SK-StGB § 46 Rn. 33 ff. m. w. N.

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die deutsche Strafzumessungsdiskussion Eingang gefunden hat32. Bei in den Einzelheiten nicht unumstrittener und in Deutschland auch allenfalls de lege ferenda33 umsetzbarer Ausblendung der Täterpersönlichkeit und Konzentration der Strafzumessung auf Art und Ausmaß der Rechtsgutsverletzung und die subjektive Angriffsintensität fiele der insoweit reduzierte Vergleich verschiedener Fälle dann freilich wesentlich leichter34. Die Verhängung vergleichbarer Sanktionen in vergleichbaren Fällen wird dabei als ordinale Proportionalität bezeichnet35, sagt für sich genommen aber noch nichts über die Verknüpfung einer Strafskala mit diesen Fällen aus. Für den Maßstab der Umwertung sollen sich lediglich in Extremfällen Grenzen aus dem sogenannten Prinzip kardinaler Proportionalität36 ergeben, wenn geringfügigste Delikte mit Freiheitsstrafe oder auch wenn schwerste Verbrechen mit nur geringfügigen Eingriffen geahndet werden sollten. Im übrigen handle es sich bei dem Strafniveau aber um eine Konvention37, deren Festlegung sich aus dem Proportionalitätsprinzip zwar freilich nicht ergebe38, die sich aber wohl gerade in der üblichen Strafe manifestiert. Auch wenn die Argumente der Tatproportionalitätslehre der im deutschsprachigen Raum bereits unter dem Stichwort der Schuldstrafe geführten Diskussion nicht völlig fremd waren39 und sich die herkömmlichen Meinungsunterschiede auch im Rahmen der Bezugnahme auf eine tatschwereorientierte Verhältnismäßigkeit fortsetzen40, ist es das Verdienst dieser Theorie, zumindest den Blick wieder verstärkt auf die der Strafzumessungswertung zentral zugrunde zu legenden griffigeren Tatumstände gelenkt41 und damit auch der Förderung von Strafgleichheit durch die Möglichkeit zu entsprechend präziserem komparativem Vorgehen den Weg bereitet zu haben42.

31 s. insb. v. Hirsch (1976); zur Entwicklung der Strafzumessung in den USA s. oben § 2 I. 3. a). 32 s. Schünemann (1987), S. 225 ff.; grundlegend Hörnle (1999). Vgl. auch den zu diesem Thema von Frisch u. a. herausgegebenen Tagungsband zum Buchenbach-Symposium 1999 und den Tagungsbericht von Kilchling. Ein Überblick findet sich bei Streng (2002), Rn. 489 ff. 33 Unvereinbarkeit besteht auch nach den Vertretern dieser Theorie jedenfalls mit der Aussetzungsvorschrift des § 56 StGB; s. zu weiteren Problemen der Umsetzung de lege lata v. Hirsch/Jareborg, S. 66 f.; Hörnle, S. 191 ff. und S. 324 ff. 34 Hörnle, S. 147 m. w. N. 35 v. Hirsch/Jareborg, S. 25. 36 v. Hirsch/Jareborg, S. 25 f.; Hörnle, S. 361. 37 v. Hirsch/Jareborg, S. 25 f. 38 Hörnle, S. 361. 39 Frisch, Einleitung, S. 3, 18 ff. 40 Streng (2002), Rn. 490 m. w. N. 41 Frisch, Einleitung, S. 20. 42 Streng (2002), Rn. 491.

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bb) Orientierung am Entscheidungsträger: Theorie des sozialen Gestaltungsakts, Theorie des richterlichen Ermessens Schwieriger ist es dagegen, komparative Strafzumessung mit denjenigen Theorien in Einklang zu bringen, die einen wesentlichen Aspekt der Strafzumessung in der individuellen Komponente dieser richterlichen Aufgabe sehen. Die insbesondere von Dreher43 vertretene Theorie des sozialen Gestaltungsakts, nach der die gerechte Strafe das Resultat eines schöpferischen sozialen Aktes des Richters sein soll, kann innerhalb der Grenzen objektiv angemessener Strafe sicher Gültigkeit beanspruchen. Problematisch ist es aber, aus dieser Theorie eine Begrenzung der Revisibilität abzuleiten44, der subjektiven Entscheidung des Richters also – wenn auch als „bedauerliche Konsequenz“ – in gewissem Umfang einen pauschalen Vorrang gegenüber sonstigen Erwägungen einzuräumen. Sieht man das konkrete Strafmaß dabei erst als Produkt von Zuschreibungen durch den Richter innerhalb der forensischen Kommunikation45 an, und nicht schon als vorgegebenes und nur aufzufindendes Datum, ist damit noch nicht gesagt, daß sich eine derartige Attribution nicht ebenfalls auf komparative Elemente stützen könnte oder sollte. Und eine darüber hinausgehend angenommene einmalige und neuartige Gestaltung entspricht weder der faktischen Entscheidungssituation, wie sie der Richter auch selbst beurteilt, noch paßt sie in ein Strafrechtssystem, welches ja, wie bereits oben dargelegt, gerade einen komparativen Zwischenschritt zur Auffindung des Strafmaßes darstellt46. Da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daß es sich bei der Strafzumessung nicht auch insoweit strukturell um die Anwendung von Recht handelt, wäre eine mit dem in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG verfassungsrechtlich verankerten Gewaltenteilungsgrundsatz verbundene Assoziation von Freiraum ohnehin schon im Ansatz verfehlt47. Auch stellt sich für die Legitimation eines strafenden Eingriffs in die Freiheit des Täters nicht zuerst die Frage, inwieweit richterliche Gestaltung begrenzt werden darf, sondern umgekehrt bedürfte der über die Grenzen objektiver Erkenntnis hinausgehende individuelle richterliche Akt einer besonderen Rechtfertigung, da er sich dann nicht mehr als bloßes notwendiges „Übel“ darstellt. Daß sich die ebenfalls verfassungsrechtlich garantierte richterliche Unabhängigkeit48 im Zweifel gerade auf der Ebene des Tatrichters bewähren müsse49, dürfte kein Argument für einen auch in anderen Rechtsgebieten 43 (1967), S. 43 f.; (1968), S. 211; s. dazu auch Tröndle/Fischer, § 46 Rn. 22; Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 24, 299; Streng (2002), Rn. 502 jew. m. w. N. 44 So Bruns, Neues Strafzumessungsrecht, S. 66. 45 s. dazu Boy/Lautmann, S. 42 ff. 46 Auch Dreher (1977), S. 46 sieht in der lebendigen Rechtsprechungstradition des Rechtskreises einen Grobumriß für die richterliche Gestaltung der Strafe. 47 Jung (1992), S. 213. 48 Art. 97 GG. 49 So Jung (1992), S. 214.

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nicht bestehenden tatrichterlichen Spielraum sein und auch in bezug auf die instanzielle Hierarchie greift dieses Argument jedenfalls dann nicht, wenn das Revisionsgericht keinen eigenen Maßstab anwendet, sondern lediglich eine komparative Überprüfung tatrichterlicher Maßstäbe vornimmt. Nichts anderes als für die Theorie des richterlichen Gestaltungsakts kann für das insbesondere früher50 in verschiedenen Schattierungen bei der Strafzumessungsentscheidung angenommene tatrichterliche Ermessen51 gelten, welches vielfach der Forderung nach uneingeschränkter Revisibilität entgegengesetzt wurde. Wird eine Ermessensausübung bereits aber auch lediglich dann angenommen, wenn innerhalb eines gewissen Spielraums notwendigerweise eine persönliche Willensentscheidung des Richters zum Tragen kommt52, so liegt darin lediglich eine abweichende und untechnische Bezeichnung des auch schon in einer eng verstandenen Theorie des richterlichen Gestaltungsakts oder einer auf die Erkenntnisgrenzen gestützten Spielraumtheorie zum Ausdruck kommenden zweifellos keine Begrenzung der Erkenntnis rechtfertigenden Phänomens begrenzter Erkenntnis selbst. Ein darüber hinausgehendes etwa dem verwaltungsrechtlichen Modell53 entsprechendes Ermessen entspricht wiederum weder der faktischen Entscheidungssituation54, noch läßt der gesetzgeberische Konkretisierungsauftrag für den Eingriff in die Rechte des Täters ein Bedürfnis für eine besondere am Konkretisierungszweck ausgerichtete Wahlmöglichkeit des Richters erkennen. Und ein unantastbarer Beurteilungsspielraum schließlich, wie er im Verwaltungsrecht in engen Grenzen anerkannt ist, kommt auch dort nur insoweit in Betracht, als das Gesetz den zur Entscheidung Berufenen zugleich zur abschließenden Beurteilung der Sachlage ermächtigt55. Dies wird zwar gegenüber richterlichen Eingriffen etwa in Prüfungsentscheidungen, dienstlichen Beurteilungen oder Entscheidungen durch Sachverständigengremien angenommen.56 Die in diesen Fällen für einen Beurteilungsspielraum sprechenden Anhaltspunkte57, wie Qualifikation oder besondere Zusammensetzung der Entscheidungspersonen oder die mangelnde Wiederholbarkeit der Ent50 Eigentlich sollte der Begriff des Ermessens schon gar nicht mehr verwendet werden; zusammenfassend insoweit Grasnick (1992), S. 260. Zur Veränderung der Terminologie in der Rspr. s. Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 296 f. 51 Vgl. zum folgenden die eingehende Kritik bei Frisch (1971), S. 75 ff. m. w. N.; s. auch dens. (1973), S. 1345 und (1987), S. 802 f. 52 Engisch, S. 36. 53 Zu Begriff und Wesen verwaltungsrechtlichen Ermessens s. Kopp/Ramsauer, § 40 Rn. 11 ff., 41 ff.; Maurer, § 7 Rn. 7, 13 ff. jew. m. w. N. 54 Der Richter begründet die Strafe auch nicht etwa als persönliche Ansicht sondern er unterlegt sie dem Gesetz; Frisch (1973), S. 1347. 55 Vgl. die Nachw. bei Kopp/Ramsauer, § 40 Rn. 14. 56 s. zu diesen und weiteren Beispielen aus der Rechtsprechung Maurer, § 7 Rn. 37 ff. 57 Eingehend m. w. N. Kopp/Ramsauer, § 40 Rn. 72 ff.

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scheidungssituation, können aber gegenüber Gerichten höherer Instanz oder auch gegenüber vergleichbaren Entscheidungen von Gerichten derselben Instanz nur ganz eingeschränkt greifen. Wenn gerade auch ein Mangel an Vergleichsdaten58 als Anhaltspunkt für einen Beurteilungsspielraum angesehen wird, dann muß umgekehrt die Möglichkeit vergleichenden Vorgehens einem derartigen Beurteilungsspielraum gerade widersprechen. Für einen gewissen tatrichterlichen Beurteilungsspielraum könnten allenfalls gewisse Feinheiten, wie etwa persönliche Eindrücke aus der Hauptverhandlung angeführt werden59. Allerdings ergibt sich auch dieser letzte Rest an Unantastbarkeit nicht etwa aus einer gesetzlichen Ermächtigung des Tatrichters sondern alleine aus den auch nicht durchgehend bestehenden praktischen und prozessualen Grenzen der Revision60. Ein komparatives Vorgehen hat derartige Feinheiten ohnehin zu berücksichtigen und dabei zu gewährleisten, daß es insgesamt nicht zu einer Überbewertung abstrakter Gesichtspunkte kommt61. cc) Orientierung an formalen Aspekten der Entscheidung: (1) Kontinuierliche Schwereskala; Fünf-Phasen-Modell Bei Ablehnung der These, daß es mehrere gleichermaßen richtige Strafen für dieselbe Tat gebe, ist wohl kaum zu bestreiten, daß der Strafrahmen eine Schwereskala62 enthält, welche alle möglichen den jeweiligen Tatbestand erfüllenden Fälle nach leicht und schwer abschichtet. Wie bereits gesehen63, eignen sich jedoch die zur genaueren Bestimmung der auch mit dem Begriff der Proportionalität umschriebenen Verknüpfung von Schwereskala und Strafenskala herangezogenen komparativen Fallbegriffe des Durchschnitts- und des Regelfalles als solche nicht dazu, diesen Zusammenhang oder auch die Bedeutung des dabei verwendeten Begriffs der Kontinuität zu erhellen. Selbst wenn man von einer feststehenden Fallabschichtung ausgehen könnte, stünde man mit der Frage nach der Art der Verknüpfung (linear, exponentiell, etc.), nicht vor einem nur generellen Problem, es erscheint auch kaum plausibel, warum es nicht zu tatbestandsspezifisch unterschiedlichen Streuungen kommen sollte. Gewisse Indizien für die Verteilung innerhalb der Tatbestände dürften sich zwar etwa aus 58

Maurer, § 7 Rn. 43. So im Sinne einer letztlich verbleibenden tatsächlichen Grenze für die Revisibilität richterlichen Ermessens schon Warda, S. 178 f.; s. auch Jung (1992), S. 214. 60 Deutlich wird dies an solchen unbestimmten Begriffen, bei denen derartige Feinheiten gar nicht zum Tragen kommen; Frisch (1973), S. 1348. S. auch Bruns, HenkelFS, S. 293 ff. 61 Jung (1992), S. 694, begründet seine Präferenz für einen Spielraum des Tatrichters u. a. mit einer derartigen Gefahr. 62 s. zu dieser herrschenden Auffassung schon oben § 3 II. 3. a). 63 s. dazu oben § 3 II. 3. a). 59

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der Strafrahmensystematik ableiten lassen64. Dennoch führt die Schwereskala insoweit allenfalls zu in der Praxis kaum umsetzbaren Grobaussagen.65 Eine wirkliche Bedeutung insbesondere für die große Mehrheit der in den mittleren Bereichen des Strafrahmens anzusiedelnden Fälle kann sie erst durch eine intersubjektive Verankerung im Strafrahmen erlangen. Eine nach individuellen tatrichterlichen Maßstäben im Einzelfall vorgenommene Verankerung würde auch im dann uneinheitlichen Gesamtbild den skaliert zu verstehenden Strafrahmen in Frage stellen. Daß die Schwereskala auf einen intersubjektiven Maßstab angewiesen ist, kann aber freilich nicht umgekehrt bedeuten, daß es für dessen Anwendung auf die normativen Kriterien nicht mehr ankäme. Insofern kann es sich als bedenklich erweisen, wenn das verbreitet befürwortete vergleichende Vorgehen gedanklich nicht hinreichend innerhalb des formalen Gesamtvorgangs der Strafzumessung verortet wird66. Unzweifelhaft soll der Strafmaßvergleich die nach der bereits mehrfach genannten auf Bruns zurückgehenden Lehre von den fünf Phasen des Strafzumessungsvorgangs67 letzte Phase – die Umwertung erleichtern. Allerdings läßt sich ein solches Vorgehen keinesfalls auf diese letzte Phase beschränken68 und eine solche Beschränkung wäre auch gar nicht sinnvoll, denn für eine vergleichende Heranziehung eines Tatschwerewertes fehlt es an entsprechenden Daten zum Vergleichsfall. Und selbst wenn solche Daten existierten, würde damit eben lediglich eine Teilangleichung in bezug auf die Umwertung vorgenommen, die bei individueller Tatschwerebestimmung gar nicht zu gleicher Strafe in gleichen Fällen führen muß69. Mit einer Orientierung an der Strafhöhe von Vergleichsfällen wird vielmehr über die Umwertung hinaus auch schon die in den Vergleichsentscheidungen zum Ausdruck kommende aber inhaltlich kaum erkennbare Abwägung des dortigen Tatrichters mit in das zu verhängende Strafmaß einbezogen und selbst hinsichtlich deren Vorfragen kann es zu entsprechenden Orientierungen kommen. Denn der Fallvergleich setzt typischerweise unmittelbar bei den phänomenologischen Aspekten der Vergleichsfälle an und führt an sich ohne weitere Zwischenschritte zu einer gewissen Aussage über die Sanktion. In der hypothetischen Idealkonstellation etwa, in der man es mit zwei identischen Fällen zu tun hätte, ließe sich auf diese Weise wegen des Vorliegens ausnahmslos gleicher Tatsachen die gleiche Strafe begründen, ohne daß auch nur irgendeine rechtliche 64

Frisch, Maßstäbe, S. 174 f. s. oben § 3 II. 3. 66 Daß es an einer entsprechenden Verknüpfung bisher fehlt, bemängeln auch Streng (2002), Rn. 503 und Montenbruck (1989), S. 21. 67 s. oben § 3 II. 3. b) aa). 68 So aber etwa die Darstellung des Strafzumessungsvorgangs bei Meier, S. 198 ff. 69 Wenn die Tatrichter vergleichbaren Fällen aufgrund individueller Abwägung eine unterschiedliche Schwere beimessen, würde dies bei lediglich vergleichender Umwertung auch weiterhin zu unterschiedlichen Strafen führen. 65

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Fallbewertung vorgenommen werden müßte. Der Strafzumessungsvorgang bestünde dann nur noch aus diesem Tatsachenvergleich, der die nach h. M. bestehende Struktur der Strafzumessung dann vollständig überlagerte. Im Ergebnis nicht viel anders ist dies, wenn aufgrund von Vergleichsfällen, in deren Rahmen sich die Ausprägungen des zu entscheidenden Falles halten, ein Strafrahmen gebildet wird, aus dem dann die Strafe entnommen werden soll, mit dem Unterschied nur, daß hier die übernommenen Fremdwertungen eben bereits an diesem Rahmen enden. Wenn aber die Strafe ganz oder teilweise nur anhand von rein tatsächlichen Umständen bestimmt wird, besteht eine gewisse Gefahr, daß sich die Üblichkeiten auf längere Sicht von den normativen Vorgaben lösen70. Begegnet werden muß dieser Gefahr jedoch freilich nur hinsichtlich derjenigen der sämtlich überlagerten Phasen des Strafzumessungsvorgangs, in denen es in der Praxis zu inhaltlich nicht erkennbaren und deshalb als solche auch nicht überprüfbaren Wertungen des Tatrichters kommen kann. Dies dürfte jedenfalls bis zu der doch im wesentlichen einheitlich71 erfolgenden Bestimmung der relevanten Strafzumessungstatsachen weitestgehend auszuschließen sein. Und auch die Beigabe der jeweiligen normativen Bewertungsrichtungen der verschiedenen Strafzumessungstatsachen, über die sich der Tatrichter in den dogmatischen Feinheiten regelmäßig gar keine Gedanken machen wird, dürften intuitiv zumindest so einheitlich interpretiert werden, daß etwaige Abweichungen nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Auch ist es unwahrscheinlich, daß sich ein komparatives System, welches der Einordnung in einen Strafrahmen dient, von dessen klaren Vorgaben löst. Schwerpunktmäßig ist deshalb darauf zu achten, daß ein komparatives System insbesondere hinsichtlich der überlagerten Abwägung nicht von normativen Wertungen, wie etwa der auf andere Tatbestände übertragbaren Bedeutung qualifizierender oder privilegierender Merkmale72, abweicht. Der komparative Strafzumessungsvorgang würde demnach – bezogen auf einen Einzelfallvergleich – insgesamt folgendermaßen aussehen73: 1. Die am Zweck der Strafe orientierte Feststellung der relevanten Strafzumessungstatsachen hinsichtlich des zu entscheidenden und auch hinsichtlich des Vergleichsfalles. 2. Die Feststellung der jeweiligen Bewertungsrichtung(en) dieser Umstände. 3. Die fallinterne Abwägung dieser Umstände. 4. Die Überprüfung der für den Vergleichsfall verhängten Strafhöhe auf widersprechende normative Wertungen (Abbruch des Vorgangs bei Widerspruch). 70

s. auch Frisch, Maßstäbe, S. 163 f. s. oben a). 72 Frisch, Maßstäbe, S. 174 f.; ders. (1989), S. 355 ff; s. auch Streng (2002), Rn. 598. 73 Abweichungen in der Reihenfolge sind durchaus denkbar; für eine Wiederholung mit weiteren Vergleichsfällen erscheint aber diese Reihenfolge sinnvoll. 71

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5. Die Umwertung der Abwägungsdifferenz zwischen beiden Fällen in einen Zuoder Abschlag zur für den Vergleichsfall verhängten Strafhöhe. 6. Die Eingliederung des zu entscheidenden Falles in einen Toleranzbereich um die unter Berücksichtung des Zu- oder Abschlags ermittelte Strafhöhe.

Da es faktisch aber an in sämtlichen bedeutsamen Umständen bekannten und zugleich im Ergebnis das Übliche exakt abbildenden Vergleichsfällen fehlt, bedarf es, um zumindest einen Näherungswert für das tatsächlich Übliche aufzufinden, einer mehrfachen Wiederholung der Schritte (1) bis (5) mit unterschiedlichen Vergleichsfällen. Dabei wäre es – freilich nur bei Vorliegen entsprechenden Vergleichsmaterials – auch möglich, in den Phasen (3) bis (6) dem Straftatsystem entsprechend schrittweise vorzugehen74. Zumindest in bezug auf Massendelikte kristallisieren sich durch mehrfaches Vergleichen auch sehr schnell relativ exakte Falltypen75 heraus, die jedenfalls in materieller Hinsicht mit den sogenannten Straftaxenfällen76 vergleichbar sind und Aussagen zu den Gewichtungen auf den verschiedenen normativen Ebenen in ihrem Rahmen dann schon enthalten. Ein derartiger komparativer Maßstab ist freilich ebenfalls in den Strafzumessungsvorgang zu integrieren und darf keinesfalls vorbehaltlos angewendet werden. Zwar führt dieser Maßstab dazu, daß anhand der phänomenologischen Ausprägungen der für relevant erachteten Strafzumessungstatsachen unmittelbar zur Umwertung übergegangen werden könnte, da die Feststellung der Bewertungsrichtung und die Abwägung der Strafzumessungsumstände für die Anwendung des Vergleichsmaßstabs selbst gar nicht mehr benötigt werden. Überflüssig werden diese beiden Vorgänge in einem selbst durch relativ präzise komparative Anhaltspunkte geprägten Strafzumessungsvorgang deshalb aber keineswegs. Denn zum einen muß auch hier gewährleistet bleiben, daß sich die übliche Strafhöhe noch im Rahmen der normativen Bewertungs- und Abwägungsmaßstäbe hält und darüber hinaus, um Fehlentwicklungen vorzubeugen, daß auch ihre Stellung innerhalb des Maßstabs entsprechend unbedenklich ist. Zum anderen bedarf der Schritt von dem übernommenen und auch nicht präzise anzuwendenden Vergleichsmaßstab zur im Ergebnis exakten Eigenbewertung, ungeachtet seiner Überprüfbarkeit im Ergebnis, einer Grundlage, für die die allgemein anerkannten Vorgaben selbstverständlich ebenfalls Gültigkeit behalten. (2) Zwei-Stufen-Modell Realistisch dürfte dabei angesichts der Grenzen komparativer Präzision die insbesondere von Streng77 beschriebene nach Strafzumessungstatsachen ge74

s. dazu unten III. 3. s. auch schon v. Weber, S. 23 ff. und eingehend Frisch (1971), S. 191 ff. m. w. N.; ferner Schöch (1972), S. 135; Zippelius, Methodenlehre, S. 78 f.; allgemein zum typisierenden Fallvergleich Bydlinski (1991), S. 543 ff. 76 Zur entsprechenden Praxis s. oben § 3 IV. 75

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trennte zweistufige Vorgehensweise sein. Danach beschränkt sich der Fallvergleich auf den Einstieg in den Strafrahmen anhand von typischen Leitmerkmalen78, auf den dann die Feinabstimmung anhand von nicht typusmäßig festgelegten Merkmalen folgt. Tatsächlich wird der Tatrichter die übliche Strafhöhe nicht zunächst exakt bestimmen und seine Entscheidung dann auf diese Vergleichsstrafe stützen. Dies wäre wohl auch nur über die mathematische Bestimmung eines Mittelwertes denkbar. In den meisten Fällen wird er anhand von bestimmten Merkmalen und früher entsprechend durchgeführten Einzelfallvergleichen einen Rahmen der bei Vorliegen dieser Merkmale üblichen Strafen zugrundelegen und den zu entscheidenden Fall dann innerhalb dieses gegebenenfalls noch modifizierten Rahmens der Schwere nach einordnen. Die durch den ersten Schritt erfolgende Isolierung der Besonderheiten des Sachverhaltes kann dabei auch gerade zur Individualisierung der Strafe anregen79. Außerdem muß das zweistufige Vorgehen gegenüber einem einstufigen auch nicht zu abweichenden Ergebnissen führen. Denn wenn die Feinabstimmung unter Einbeziehung der vorherigen Abwägung der Leitmerkmale erfolgt80, kommt es nicht zu dem am Beispiel mathematischer Strafzumessung dargestellten Problem begründungspflichtiger Aufspaltung und Verknüpfung81 von Merkmalsgruppen. Vergleicht der Tatrichter aber nun lediglich anhand dieser sogenannten Leitmerkmale, so stellt sich noch die weitere Frage, ob sich aus deren Auswahl nicht eine Beschränkung des vergleichenden Vorgehens ergibt, die in der konkreten Zäsur dann freilich ebenfalls begründungspflichtig wäre. Die Qualität des Leitmerkmals dürfte tatsächlich aber zumindest mit der Vergleichbarkeit korrelieren, denn der Tatrichter wird gerade diejenigen Merkmale als typisch empfinden, die vielfach vorkommen, die sich unproblematisch vergleichen lassen und für die deshalb auch entsprechendes Material zur Verfügung steht. Die Leitmerkmale, anhand derer er vergleicht, werden also im wesentlichen die optimalen Vergleichsmerkmale sein, von denen er sich dann leiten läßt. Im übrigen bietet die in der ersten Stufe des zweistufigen Vorgehens erfolgende grobe Feststellung des Üblichen selbst auch noch keinen umittelbar tauglichen Anknüpfungspunkt für die Feinabstimmung. Zunächst muß auch insoweit aufgrund eigener Bewertung und Abwägung zunächst noch ein tauglicher Punkt oder Rahmen gefunden werden82. In der Relevanz eigener Wertungen unterscheiden 77 Streng (2002), Rn. 594 ff.; ders., NStZ 1989, S. 398 f.; ders. (1993), S. 926; Meier, S. 198 f.; s. ferner Jescheck/Weigend, S. 875 m. w. N.; Montenbruck (1989), S. 27 f.; ablehnend Albrecht (1994), S. 111 f. 78 s. zur Bestimmung dieser Leitmerkmale noch unten III. 1. b). 79 Hassemer (1972), S. 117. 80 Auf diesen Zusammenhang weist auch Streng (1993), S. 926 hin. Nicht eindeutig insoweit Meier, S. 198 f. 81 s. insb. oben § 2 II. 1. c) zur entsprechenden Kritik am Vorschlag von Linstows. 82 Etwas mißverständlich wirkt insoweit die Darstellung bei Meier, S. 198, der an dieser Stelle auf die eigentliche Entscheidungsgrundlage der Abwägung gar nicht

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sich die beiden Stufen folglich nicht. Es zeigt sich vielmehr, daß eigentliches Kriterium für die Aufspaltung des vergleichenden Vorgangs in zwei Stufen nicht eine Qualität von Strafzumessungstatsachen ist, sondern daß sich hinter dieser Zweistufigkeit wohl lediglich die Grenze der Vergleichbarkeit mit den hinter den jeweiligen Umständen stehenden Entscheidungsträgern verbirgt. Auf der ersten Stufe gilt es, die auch drittbestimmte Üblichkeit für den zu entscheidenden Fall fruchtbar zu machen und auf der zweiten Stufe erfolgt die Feinarbeit, für die sich vergleichende Aussagen nicht mehr treffen lassen. (3) Die acht Phasen komparativer Strafzumessung Aus der Kombination der hinter dem Fünf-Phasen-Modell stehenden Differenzierungen und der zweistufigen Vorgehensweise ergeben sich damit für den auf einen Üblichkeitsmaßstab zurückgreifenden komparativen Strafzumessungsvorgang folgende acht Phasen83: 1. Die am Zweck der Strafe orientierte Feststellung der relevanten Strafzumessungstatsachen. 2. Die Feststellung des für diese und ähnliche Konstellationen von Strafzumessungstatsachen üblichen engen Strafrahmens. 3. Die Feststellung der jeweiligen Bewertungsrichtung(en) der relevanten Strafzumessungstatsachen. 4. Die Abwägung lediglich der vergleichbaren Umstände. 5. Die Überprüfung des üblichen Strafrahmens auf und ggf. dessen Anpassung an widersprechende normative Wertungen. 6. Die Bestimmung eines eigenen Strafrahmens innerhalb eines Toleranzbereichs um den ggf. angepaßten üblichen Rahmen. 7. Die Abwägung der nicht vergleichsrelevanten vor dem Hintergrund der vergleichsrahmenbildenden Umstände. 8. Die Eingliederung des zu entscheidenden Falles in die Schwereskala des eigenen Strafrahmens.

mehr ausdrücklich eingeht. Allerdings wäre die auch von ihm zuvor dargestellte Abwägung der Leitmerkmale bei einer insoweit lediglich vergleichenden Einordnung in den Strafrahmen ansonsten völlig überflüssig. 83 Auch in den jüngst von Streng (2002), Rn. 504 Schaubild 4 beschriebenen 11 Phasen der Strafzumessungsentscheidung ist die „Einordnung des Falles in den gesetzlichen Strafrahmen anhand der durch die Zentralmerkmale definierten Tatschwere ggf. mittels typusorientierten Vergleichens“ als Phase 3 zu finden, an die sich entsprechend dem 2-Stufen-Modell die „Präzisierung das Strafmaßes oder Schuldrahmens anhand weiterer Merkmale des Falles“ als Phase 4 anschließt. Im übrigen bezieht sich diese verfeinerte Beschreibung des Strafzumessungsvorgangs aber vor dem Hintergrund der Spielraumtheorie schwerpunktmäßig auf Strafzweckerfordernisse.

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Deutlich erkennbar wird an diesem Modell, daß die Phasen (3) bis (6), ohne die sich die komparative Strafmaßbestimmung in wesentlichen Teilen von der Strafzumessungsdogmatik lösen könnte, zur komparativen Bestimmung einer konkreten Strafe an sich nicht unbedingt erforderlich wären. Bei Durchlaufen auch dieser deshalb gerade sehr wichtigen Phasen ließe sich das komparative Vorgehen aber ohne weiteres mit dem gegenwärtigen Stand der Strafzumessungsdogmatik vereinbaren.

II. Rechtfertigung komparativer Strafzumessung Angesichts auch der Vereinbarkeit mit den dogmatischen Grundlagen, handelt es sich bei dem vielfach praktizierten komparativen Vorgehen sicher um eine im Rahmen der Strafzumessung zulässige und zur Gewährleistung einer gewissen Gleichmäßigkeit auch sinnvoll erscheinende Methode. Damit ist aber noch nicht gesagt, ob entsprechende Erwägungen lediglich Ausdruck des sogenannten tatrichterlichen Ermessens sind, oder ob vom Tatrichter eine Orientierung an der üblichen Strafe auch verlangt werden kann. Obwohl die Rechtsprechung zur Revisibilität des Strafüber- und -untermaßes im Schrifttum und wohl auch in der Öffentlichkeit breite Zustimmung findet, ist dennoch bisher nicht hinreichend geklärt, worin in diesen Fällen der Rechtsfehler zu sehen ist. Unmittelbar aus dem Gesetz läßt sich ein solcher Rechtsfehler zugegebenermaßen weder herleiten84, noch kann schon alleine die Abweichung vom Üblichen als solche zu dessen Begründung ausreichen85. Hinzukommen muß zumindest noch eine gewisse rechtliche Qualität dieser Üblichkeiten. 1. Richterrecht, Gewohnheitsrecht Daß eine gefestigte Rechtsprechung für die weitere Rechtspraxis erhebliche Bedeutung haben kann, ist selbstverständlich kein Spezifikum der Strafzumessung. Ganze Rechtsinstitute werden auf diese Weise geformt und präjudiziell verwertet. Allerdings handelt es sich dabei typischerweise um sich aus Einzelentscheidungen ergebende ausformulierte Rechtssätze, unter die in der Folge unmittelbar subsumiert werden kann und auch subsumiert wird, während sich die Üblichkeit als solche in der Strafzumessung aus einer Gesamtschau von Entscheidungen ergibt und als Maßstab erst dort in Betracht kommt, wo sich Rechtssätze eben kaum mehr sinnvoll formulieren lassen. Versteht man dement84 Auch wurde diese Rechtsprechung „extra legem“ entwickelt; vgl. die Kritik von H. Schäfer, S. 400. Das bedeutet aber nicht, daß sie sich nicht normativ begründen ließe. 85 Insoweit ist auch die Kritik von Foth (1992), S. 444 an dieser Rechtsprechung berechtigt.

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sprechend unter dem als Richterrecht bezeichneten Gerichtsgebrauch lediglich die von der Rechtsprechung angewandten aber nicht bereits dem positiven Gesetzes- oder Gewohnheitsrecht zu entnehmenden generell-abstrakten rechtlichen Regeln, so erstreckt sich deren etwaige Verbindlichkeit nicht unmittelbar auf die Üblichkeiten in der Strafzumessungspraxis selbst, sondern allenfalls auf die allgemeine Regel, daß sich die Strafe im Rahmen des Üblichen halten müsse. Ohnehin handelt es sich aber auch bei derartigem Richterrecht nach überwiegender Auffassung nicht um eine Rechts- sondern um eine bloße Rechtserkenntnisquelle86. Zwar kann eine ständige Rechtsprechung gesetzesgleiche Verbindlichkeit dadurch erlangen, daß sie zur Grundlage von Gewohnheitsrecht wird87, bei Gewohnheitsrecht handelt es sich aber um allgemeine Überzeugungen, die sich in einer konstanten Übung im Rechtsverkehr manifestieren88, was für die Anwendung eines Strafzumessungsmaßstabs schon gar nicht möglich ist89. Vielfach wird allerdings eine zumindest subsidiäre Verbindlichkeit des Richterrechts angenommen90. Und auch speziell dem Maßstab der Üblichkeit in der Strafzumessung wurde im Schrifttum schon eine derartige präjudizielle Indizwirkung zuerkannt91. Die für die subsidiäre Verbindlichkeit generell auch zurecht vorgebrachten Argumente dürften aber jedenfalls mit Blick auf einen Maßstab üblicher Strafhöhe alleine nicht durchgreifen. Die über die faktische Stellung hinausgehende Kompetenz der Obergerichte, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beantworten und hierdurch das Recht fortzubilden92, bezieht sich lediglich auf formulierbare Rechtssätze. Eine Antwort auf eine grundsätzliche Rechtsfrage kann aber jedenfalls der bloßen Akzeptanz eines untergerichtlichen Strafmaßes kaum entnommen werden und auch die Aufhebung einer unüblichen Strafe dürfte selbst das Revisionsgericht nicht als über den Einzelfall hinausgehend ansehen93. Dagegen handelt es sich bei der freilich abstrakt formulierbaren Anerkennung des Maßstabs der Üblichkeit durch die Obergerichte zwar um eine Fortbildung des Strafzumessungsrechts. Generell ist aber auch hinsichtlich einer kompetenzrechtlichen Verbindlichkeit des Maßstabs der Üblichkeit schon zu bedenken, daß diese formale Entscheidungshierarchie alleine letztlich nur ein schwaches Argument darstellt. Die eigentlich erforderliche inhaltliche Begründung des Üblichkeitsmaßstabs kann damit nicht geleistet werden. Und vor allem der zentrale die subsidiäre Verbindlichkeit von Richterrecht tragende mate86

Bydlinski (1991), S. 504 m. w. N.; Larenz/Canaris, S. 253 f.; Vogel, S. 83. Larenz/Canaris, S. 258; Vogel, S. 84. 88 Larenz/Canaris, S. 258; Vogel, S. 39. 89 Eingehend zur Widerlegung der Lehre vom Richterrecht als vollwertige Rechtsquelle von Gewohnheitsrecht Bydlinski (1985), S. 150 f. 90 Bydlinski (1991), S. 501 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 82 f.; Vogel, S. 84 ff. 91 Schöch (1973), S. 76; Seebald (1974), S. 205 f. 92 Vogel, S. 85. 93 Eine Verwertung wäre bei bloßen Bemessungsfragen auch allenfalls als „ähnliches Präjudiz“ ohne endgültige Wirkung denkbar; Bydlinski (1991), S. 513. 87

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rielle Gedanke – die Wahrung der Rechtssicherheit94 – ist für die übliche Strafhöhe nicht in dem für das Richterrecht typischen Maße einschlägig. Hinter dem Gedanken der Rechtssicherheit steht in erster Linie das in allen Rechtsbereichen sinnvollerweise zu befriedigende dringende Bedürfnis der Rechtsgemeinschaft, sich auf einen gewissen Bestand an Regeln verlassen zu können, auch wenn sich diese nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Im Strafrecht kommt diesem Vertrauen über die Regelung des unvermeidbaren Verbotsirrtums in § 17 noch besondere Bedeutung zu. Jedoch muß sich die Rechtsgemeinschaft zur Gewährleistung eines reibungslosen Verkehrs in bezug auf das Strafrecht in erster Linie auf die Straflosigkeit bestimmter Verhaltensweisen einstellen können, nicht dagegen auf bestimmte Strafhöhen, denn mit der strafbaren Handlung ist das Vertrauen des Rechtsverkehrs ja bereits gebrochen. In bezug auf das Strafmaß dürfte dem Gedanken der Rechtssicherheit daher kaum eine über das Bestimmtheitsgebot95 hinausgehende Bedeutung zukommen. Die Konzeption der subsidiären Verbindlichkeit als solche, die Umkehrung der Argumentationslast in der Weise, daß die Abweichung von Präjudizien begründungspflichtig sein soll96, um die rational aus dem gesamten geltenden Recht nicht begründbaren persönlichen Werthaltungen der jeweils entscheidenden Personen so weit als möglich zurücktreten zu lassen97, kann aber freilich auch ein Modell für den Üblichkeitsmaßstab in der Strafzumessung sein98, und zwar dann, wenn sich zwar eine positive Begründung für dessen Richtigkeit nicht finden läßt, für die Anwendung dieses Maßstabs aber dennoch gute Gründe sprechen. Da das Bedürfnis nach Rechtssicherheit insoweit kaum Bedeutung hat, müßte der Üblichkeitsmaßstab dafür aber anderweitig begründbar sein. Für die subsidiäre Verbindlichkeit von Richterrecht wird ergänzend zwar auch noch der Grundsatz relativer Gerechtigkeit angeführt99. Dieser Grundsatz müßte aber, wenn er ohnehin als nur noch allein tragfähige Begründung richterliche Rechtsfortbildung stützen soll, auch schon unabhängig von dieser Rechtsprechungspraxis selbständig bzw. gemeinsam mit weiteren Erwägungen den jeweiligen Inhalt stützen. Die Begründung und Ausgestaltung des Maßstabs der Üblichkeit ist also unabhängig von einem etwaigen Rechtsquellencharakter des Richterrechts zu suchen.

94

Larenz/Canaris, S. 254; Bydlinski (1991), S. 506; ders. (1985), S. 154. s. zu dessen Anforderungen an die gesetzlichen Strafdrohungen die jüngst zur Vermögensstrafe ergangene Entscheidung des BVerfG, StV 2002, 247 ff. 96 Larenz/Canaris, S. 257. S. zur von Kriele, S. 243 ff. entwickelten präsumtiven Verbindlichkeit von Präjudizien noch unten 3. b) bb) (2) a. E. 97 Bydlinski (1991), S. 507. 98 Theune (1985), S. 209. 99 Bydlinski (1991), S. 506; Zippelius, Methodenlehre, S. 82 f. 95

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2. Verfassungsrecht: Gleichheitsgrundsatz, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Naheliegend erscheint es, für eine Angleichung der Strafzumessung den in Art. 3 GG normierten Gleichheitsgrundsatz heranzuziehen.100 Die Rechtsprechung hält sich mit dessen Anwendung im Bereich der Strafzumessung jedoch sehr zurück101. Zwar hatte das OLG Bremen die Revisibilität des Strafüber- und -untermaßes vor Gründung der obersten Bundesgerichte noch unmittelbar auf den Gleichheitsgrundsatz gestützt102, schon früh entschied aber der BGH, daß die Rechtspflege durch dieses Grundrecht lediglich gehalten sei, das Recht ohne Ansehen der Person anzuwenden103. Der Gleichheitsgrundsatz gebe im Rahmen der Strafzumessung lediglich einen Anspruch auf die Anwendung des gesetzlichen Strafrahmens104. Und auch das BVerfG bestätigte bereits kurze Zeit später, daß Art. 3 GG auch bei der Zumessung der Strafe lediglich zur Vermeidung willkürlicher Unterscheidungen anhalte.105 In der Tat kann der Gleichheitsgrundsatz jedenfalls nicht alleiniges Argument zur Rechtfertigung eines Eingriffs sein106. Dies wird umso deutlicher, je weiter der Entscheidungsschwerpunkt im Materiellen liegt und je schwieriger es ist, Gleichmäßigkeit überhaupt herzustellen. In einigen Rechtsbereichen stehen Probleme austeilender Gerechtigkeit wohl nur deshalb im Vordergrund, weil die Gesamtdimension der Lasten (oder gegebenenfalls der Privilegien) unumstritten oder Ergebnis politischer Entscheidungen ist. Im Steuer- und Abgabenbereich etwa wird sich der Pflichtige allenfalls am Rande fragen, ob die absolute Höhe der abzuführenden Beträge in rechtlicher Hinsicht begründet ist. Eher wird er in bezug auf die Steuergerechtigkeit bei Art und Anwendung des entsprechenden – auch unproblematischer zu handhabenden – mathematischen Maßstabs Zweifel hegen. Im Strafrecht hingegen ist die Frage der Gerechtigkeit in erster Linie eine absolute, nämlich diejenige nach dem Zweck der Strafe, wenngleich auch hier der Täter Vergleiche anstellen wird. Hier darf der hinter Art. 3 GG stehende Gerechtig100 Schöch (1973), S. 17; ders. (1989), S. 132; Weigend (1988), S. 580. S. dazu auch Tiedemann, S. 360 ff.; Bielefeldt, S. 119 f.; nach Jescheck/Weigend, S. 875 sind verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot jedenfalls in Extremfällen durchaus angebracht; weit. Nachw. bei Engisch, S. 36 Anm. 64. 101 s. dazu auch Appel, S. 196. 102 HESt 3, 62; s. dazu oben § 3 III. 2. 103 BGHSt 1, 183, 184. 104 Gestützt wurde diese Rechtsprechung freilich auch auf die angeblich mangelnde Vergleichbarkeit selbst bei äußerlich ziemlich gleich gearteten Sachverhalten; BGH VRS 21, 54, 57. 105 E 1, 332, 345 f.; s. dazu Leibholz/Rinck/Hesselberger, Art. 3 Rn. 1216; Stree, S. 61 ff.; übereinstimmend BayVerfGH GA 1964, 151, 153. 106 Zu dem generellen Erfordernis der Orientierung eines formal verstandenen Gleichheitsgrundsatzes an Würdigkeitskriterien, wie etwa der Strafwürdigkeit, eingehend Bydlinski (1991), S. 339 ff. m. w. N.

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keitsmaßstab relativer Gleichheit erst recht nicht im Sinne einer Grundnorm mißverstanden werden oder zu einem Fehlschluß von der Faktizität auf die Normativität führen. Auch hier ist eine formale Gleichbehandlung grundsätzlich nur insoweit gerechtfertigt, als die in Rede stehende Belastung oder Privilegierung selbst gerechtfertigt ist107. In den Worten Dürigs ausgedrückt108: „Die Häufigkeit und Üblichkeit eines vorgefundenen Zustands besagt zunächst noch gar nichts; und ein Abweichen von ihm involviert per se noch längst nicht eine Verletzung des Gleichheitssatzes. Zuvor muß festgestellt werden, ob das, was da gang und gäbe ist, überhaupt rechtmäßig ist.“ Eine eigenständige Bedeutung kommt dem Gleichheitssatz demzufolge in erster Linie dann zu, wenn eine Einzelentscheidung nicht bereits durch feststehende absolute Gerechtigkeit konkretisiert ist, wenn etwa eine Belastung der Allgemeinheit eben zunächst nur insgesamt gerechtfertigt ist oder wenn mehrere rechtmäßige Entscheidungsalternativen bestehen. Damit steht man mit Blick auf die Strafzumessung wiederum vor der oben bereits abgelehnten These der mehreren gleichermaßen richtigen Strafen für dieselbe Tat. Jedenfalls kann aber eine Strafhöhe kaum alleine deshalb zum generellen Maßstab erhoben werden, weil sich ihre Rechtswidrigkeit in absoluter Hinsicht nicht begründen läßt. Diese Auffassung teilt auch der BGH109, indem er im Anschluß an Warda110 formuliert, „das Gleichheitsgebot als formales Prinzip sage nichts darüber aus, welches von mehreren Gerichten seine Zumessungsgrundsätze denen des anderen anzupassen habe: Die Entscheidung hierüber ist keine Frage der Rechtsgleichheit, sondern der Rechtsrichtigkeit“. Im übrigen soll eine relevante Ungleichbehandlung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts generell schon gar nicht vorliegen, wenn es sich, wie für abweichende Strafmaße gerade typisch, um Entscheidungen verschiedener Träger öffentlicher Gewalt handelt.111 Daß die formalen Ausprägungen des Gerechtigkeitsgedankens für sich betrachtet hier generell an ihre Grenzen stoßen, zeigt sich auch in bezug auf den aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Wesen der Grundrechte abgeleiteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dessen Teilgebote Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit sich allesamt nicht isoliert sondern nur bezogen auf den verfolgten Eingriffszweck anwenden lassen. Die Präzision in der Prüfung der Verhältnismäßigkeit hängt eben auch gerade von der Präzisierbarkeit dieses Zwecks und der zugehörigen Wirkungszusammenhänge ab. Für die Ebene der 107 s. Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 199; ders. (1979), S. 355; v. Linstow, S. 46. Zum Ausdruck kommt dies etwa auch in dem Grundsatz „keine Gleichheit im Unrecht“; s. dazu nur BVerfGE 50, 142, 166; Jarass/Pieroth, Art. 3 Rn. 36 m. w. N. 108 Maunz/Dürig, Art. 3 Abs. 1 Rn. 183. 109 St 28, 318, 324. 110 Warda, S. 157; s. auch Schiel, S. 14; Krauss, S. 134. 111 Vgl. zur unterschiedlichen Praxis verschiedener Gerichte BVerfGE 75, 329, 347; 87, 273, 278; Jarass/Pieroth, Art. 3 Rn. 10.

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Rechtsanwendung beschränkt sich deshalb auch das BVerfG auf eine sehr allgemein gehaltene Angemessenheitsprüfung und verlangt lediglich, daß die Schwere der Sanktion dem Maß der Schuld des Täters entsprechen muß und die Belastung für den Betroffenen nicht außer Verhältnis zu dem Nutzen der Sanktionierung für den Rechtsgüterschutz stehen darf112.113 Die Rechtfertigung vergleichender Strafzumessung ergibt sich also weder aus der formalen Qualität ihrer Anwendung als solche, noch unmittelbar aus formalen Gerechtigkeitsprinzipien, da diese der Anbindung an einen materiellen Maßstab bedürfen, dessen Defizite die hier gestellten Probleme gerade erst aufwerfen. 3. „Richtigere“ Strafe durch komparative Strafzumessung Damit ist aber eine Rechtfertigung vergleichenden Vorgehens noch nicht generell ausgeschlossen. Als Möglichkeit der Begründung verbleibt noch die Kombination der jeweils alleine nicht tragfähigen formalen und faktischen mit der materiellen Begründungsebene in der Weise, daß mit der Beachtung formaler Gerechtigkeitsprinzipien und der Anerkennung der Faktizität als Maßstab der richtigen Strafe jedenfalls näher zu kommen sei, als mit einem bis an die Grenzen des übrigen materiellen Strafzumessungsrechts ausgedehnten Spielraum richterlichen Ermessens. Und in der Tat lassen sich trotz Fehlens eines exakten materiell begründeten Strafwürdigkeitsmaßstabs dieser eigentlich entscheidenden Frage nach der richtigen Strafe immerhin Aussagen in bezug auf ihre formale und faktische Umsetzung entnehmen. Beide zuvor behandelten Aspekte, das in Art. 3 GG normierte fundamentale Gerechtigkeitsprinzip der Gleichheit und die durch den Topos des Richterrechts repräsentierte faktische Seite sind in diesem Sinne von Bedeutung. a) Relative Gerechtigkeit als Argument für absolute Gerechtigkeit Unabhängig davon, welcher Zweck mit der Strafe verfolgt werden soll, kommt es für dessen Erreichung in einer Rechtsgemeinschaft zunächst darauf an, daß für den Täter bzw. für Dritte ein möglichst enger Zusammenhang zwischen Tat und Strafe erkennbar wird. Besonders deutlich wird dies an den präventiven Wirkungen von Strafe114. Wenn der Eindruck entstünde, eine nachgewiesene Straftat verpflichte den Täter lediglich zur Teilnahme an einer Art 112

BVerfGE 90, 145, 188. Eingehend und mit weit. Nachw. aus der Rspr. des BVerfG Weigend, Hirsch-FS, S. 924. 114 Und dabei insbesondere an deren positiven Ausprägungen; Streng, Kultureller Pluralismus, S. 287 f.; Albrecht (1983), S. 1300; Seebald (1975), S. 10; Schäfer (2001), Rn. 477. 113

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„Strafmaßlotterie“, und das gezogene Los, die Strafhöhe, hinge innerhalb des weiten Rahmens der im übrigen nicht als unrichtig widerlegbaren Strafen vom Zufall ab, würde zumindest die einen Mittelwert übersteigende Strafhöhe allgemein kaum als Reaktion auf die Tat angesehen und der Täter selbst würde seine Strafe dann wohl eher insgesamt als in erster Linie ungerecht empfinden, während beim unterdurchschnittlich bestraften Täter dieser für ihn glückliche Umstand im Vordergrund stehen könnte. Und auch der Strafzweck der Wiederherstellung des durch die Straftat verletzten Rechts bedarf in seiner personalen Anbindung einer entsprechenden Herstellungswirkung nicht nur beim Täter oder bei dem in seiner normativen Erwartung enttäuschten Opfer, sondern auch gegenüber der Rechtsgemeinschaft insgesamt ist der dort entstandene Schaden zu beheben115. Unter dem Eindruck einer zumindest teilweise von der konkreten Normverletzung unabhängigen Strafhöhe würde aber schon die für eine derartige Wirkung erforderliche Akzeptanz der Strafe durch die Rechtsgemeinschaft als adäquate Reaktion auf die konkrete Normverletzung leiden. Die gegenüber der These besserer Zweckerfüllung durch gleichmäßige Strafen geäußerten Zweifel greifen dagegen nicht wirklich durch. Zwar mag die Abschreckung bei niedrigem Straflevel nur funktionieren, wenn das Strafrecht ein Moment der Unsicherheit institutionalisiert116. Eine solche Argumentation verwischt aber den Unterschied zwischen dem Problem der Gleichmäßigkeit und der Festlegung des generellen Strafniveaus. Tatsächlich werden sich, wenn überhaupt, die Abschreckungswirkung der überdurchschnittlichen Strafen und die entgegengesetzte Wirkung der Möglichkeit, auch mit einer besonders milden Strafe davon kommen zu können, eher die Waage halten. Insofern unterstützen ungleichmäßige Strafen die negative Spezialprävention nicht über das durchschnittliche Strafniveau hinaus. Die Überlegung, daß in Wahrheit die Ungleichheit der Strafzumessung stabilisierend wirken könnte, weil damit Problembewußtsein und Dynamik signalisiert werde117, kann ebenfalls nicht überzeugen, wenn, wie bereits mehrfach betont, auch die Gleichmäßigkeit überhaupt nur insoweit betrieben werden darf, wie entsprechende Entwicklungsprozesse nicht behindert werden. Kann Gleichmäßigkeit demnach dem Zweck der Strafe jedenfalls besser dienen als willkürlich erscheinende Ungleichmäßigkeit, ist damit allerdings ein Strafniveau noch nicht definiert. Für die gleichmäßige Verhängung der üblichen Strafe spricht

115 So auch Freund (1999), S. 536; ähnlich vor dem Hintergrund der funktionalen Schuldlehre etwa Jakobs, 1. Abschn. Rn. 14 f.: „Der Widerspruch gegen den Normbruch durch Strafe erfolgt nicht um seiner selbst willen [. . .]. Die Strafe hat also eine Aufgabe, die sich letztlich auf genau dem Niveau auswirken soll, auf dem gesellschaftliche Interaktion stattfindet.“ 116 So die Kritik von Krauss, S. 136. 117 Krauss, S. 136 f.; Jung (1992), S. 204 ff. m. w. N.; krit. demgegenüber auch Arzt, S. 55 ff.

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dann aber zumindest, daß es für die auch in der Methode problematische Umsetzung eines neuen Strafniveaus freilich ebenfalls an einer Begründung fehlte und mit der Beibehaltung des Üblichen gerade vor dem Hintergrund intendierter Gleichbehandlung ein Bruch gegenüber der bisherigen Praxis vermieden würde. Umgekehrt könnte das Argument der Gleichmäßigkeit sogar in präzisierender Weise in einen Rahmen üblicher Strafen für einen konkreten Fall hinein verlängert werden, denn noch mehr als die Orientierung an diesem Rahmen würde eine Orientierung an der Mitte eines solchen Rahmens Gleichmäßigkeit fördern. b) Üblichkeit als Argument für absolute Gerechtigkeit Aber auch unmittelbar aus der Tatsache der Üblichkeit und deren rechtlicher Qualität lassen sich unabhängig vom Topos des Richterrechts Argumente für eine gewisse Verbindlichkeit entwickeln. aa) Historische Vernünftigkeit bei Hegel Als Ausgangspunkt für den Versuch einer tiefergehenden Begründung des Maßstabs der Üblichkeit läßt sich zunächst schon die Rechts- und Staatslehre Hegels heranziehen. Zwar darf dessen berühmter Satz „Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig“118 selbstverständlich nicht im Sinne eines einfachen Schlusses vom Sein auf ein Sollen, als undifferenzierte Rechtfertigung des Bestehenden mißverstanden werden119; mit der geschichtlichen Dimension des bei Hegel im Gegensatz zu einer rein metaphysischen Rechtsbegründung gerade in seiner Wirklichkeit begriffenen Rechts kann aber der Rechtsentwicklung selbst schon rechtfertigende Bedeutung beigemessen werden, Sein und Sollen sind dabei untrennbar miteinander verbunden120. Freilich kann das Verständnis von Recht als sich auf vollständige Gerechtigkeit zubewegende Rechtswirklichkeit nicht ohne Vorbehalt für jede rechtliche (Fehl-)Entwicklung in Anspruch genommen werden. Und mit Blick auf Üblichkeiten in der Strafzumessung kommen diesbezüglich ohnehin sofort Zweifel auf, wenn die bestehenden regionalen Unterschiede und vor allem die zum Teil völlig verschiedenen internationalen Traditionen in Rechnung gestellt werden. Eine entsprechende Richtigkeit könnte jedoch bei aller Vorsicht zumindest in den groben und über lange Zeiträume erkennbaren Grundlinien der Rechtsentwicklung erkannt werden, zu denen wohl auch grundsätzlich erkennbare Annäherungs- und 118

Hegel, S. 24. Smid, S. 180. 120 s. dazu Hösle, S. 417 ff., 421; Zippelius, Rechtsphilosophie, S. 99 f.; Naucke, Rn. 165 ff. 119

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Vereinheitlichungstendenzen bezüglich der Strafhöhe zu rechnen sind. Eine Abkehr von derartigen Tendenzen würde damit jedenfalls rechtfertigungsbedürftig. bb) Konsenstheoretische Begründung (1) Diskursethik nach Habermas Angesichts der auch bei Hegel in Gestalt der Abgrenzung zwischen wahrhaft Wirklichem, in dem sich Vernunft realisiert, und bloß zufälliger Existenz empirisch vorhandenen Rechts121 begegnenden grundsätzlich problematischen Begründbarkeit inhaltlicher Richtigkeitskriterien lag es generell nahe, nach formaleren und stärker subjektiven Kriterien Ausschau zu halten. Vor dem Hintergrund der ohnehin verbreiteten Annahme, daß in der Übereinstimmung unter den Betroffenen ein derartiges Richtigkeitskriterium gesehen werden könne122, haben sich dabei sogenannte Konsenstheorien herausgebildet. Insbesondere die durch Habermas vertretene Variante der Diskursethik lohnt hier näherer Betrachtung, da sie den Inhalt des erreichten Konsenses alleine durch bestimmte prozedurale Anforderungen, den „rationalen“ Diskurs rechtfertigen will123. Auf die komparative Strafzumessung läßt sich dieser Weg der Normbegründung allerdings nicht unmittelbar übertragen. Der rationale Diskurs erfordert eine „ideale Sprechsituation“124: Alle potentiellen Teilnehmer müssen die gleiche Chance haben, Diskurse zu eröffnen und weiterzuführen und dabei Wortbeiträge abzugeben, zu problematisieren und zu kritisieren125. Darüber hinaus sind nur solche Sprecher zugelassen, die auch die gleiche Chance haben, repräsentative und regulative Sprechakte zu verwenden126, die also neben der gleichberechtigten Teilnahme über die selbe innere Offenheit und äußere Handlungsfreiheit verfügen127. Der allgemeine Diskurs bildet damit lediglich den Ausgangspunkt für die hier anzustellenden Konsenserwägungen.

121

Zippelius, Rechtsphilosophie, S. 102 f. Seelmann, S. 165 m. w. N. 123 s. Habermas (1994), S. 138: „Gültig sind genau die Handlungsnormen, denen alle möglicherweise Betroffenen als Teilnehmer an rationalen Diskursen zustimmen könnten.“ 124 Habermas (1973), S. 252, 255 ff. 125 Habermas (1973), S. 255. 126 Habermas (1973), S. 256. 127 Vgl. die zusammenfassende Kennzeichnung bei Habermas (1992), S. 132: „Öffentlichkeit des Zugangs, gleichberechtigte Teilnahme, Wahrhaftigkeit der Teilnehmer, Zwanglosigkeit der Stellungnahme usw.“ 122

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(2) Juristischer Diskurs nach Alexy Gegenüber dem allgemeinen Diskurs ist der juristische Diskurs in verschiedenerlei Hinsicht beschränkt.128 Vielfach findet er innerhalb institutioneller Arrangements statt und richtet sich auf die zwingende Herbeiführung verbindlicher Entscheidungen. Dafür wird auf der anderen Seite auch nicht unbedingt beansprucht, daß die etwa als Urteil verkündete Aussage schlechthin vernünftig oder gar wahr ist, sondern nur, daß sie im Rahmen der geltenden Rechtsordnung vernünftig begründet werden kann129, was auch für die vorliegende Frage ausreichen würde. Dennoch hält Alexy den juristischen Diskurs für einen Sonderfall des praktischen Diskurses und geht damit auch hier von einem echten Diskurscharakter aus130. Im Verhältnis zwischen typischerweise derselben Instanz angehörenden Spruchkörpern, deren Judikate verglichen werden sollen, dürften jedenfalls hinsichtlich einer Beschränkung des zum allgemeinen Diskurs zuletztgenannten Aspekts der Freiheit von innerem und äußerem Zwang auch aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit die noch geringsten Bedenken bestehen. Dagegen fehlt es über die Typizitäten des juristischen Diskurses hinaus bei der komparativen Strafzumessung am zentralen Element des Diskurses, an der Diskussion aller Betroffenen. Stattdessen beschränkt sich hier die Kommunikation auf eine wechselseitige Berücksichtigung vergleichbarer Entscheidungen unter den zur Entscheidung Berufenen. Dennoch könnte diese eingeschränkte Kommunikation an einem Geltungsanspruch des in idealer Sprechsituation erzielten Konsenses teilhaben, da Gründe für diese Beschränkungen auf der Hand liegen: Die für den juristischen Diskurs wiederum typische Beschränkung der Teilnehmer hier auf die zur Entscheidung berufenen Richter ergibt sich aus deren zwangsläufig größerer Sachnähe131, das Fehlen einer eingehenden Diskussion folgt nahezu zwingend aus der Unverhältnismäßigkeit des dafür erforderlichen und insgesamt an Unmöglichkeit grenzenden Aufwands, mit dem sich sonst ja auch alternativ ein Gesetzgebungsverfahren zur Bestimmung und weiteren Bearbeitung von strafrahmenausfüllenden Strafhöhenrichtlinien begründen ließe. Um mit der Berücksichtigung vergleichbarer Judikate eine der auf Konsens gerichteten unmittelbaren Kommunikation entsprechende Wirkung zu erzielen, müßte eben ein Rahmen um die übliche Strafe gezogen werden, der einerseits so eng ist, daß er den in der Üblichkeit zum Ausdruck kommenden Entscheidungen Dritter ausreichend Geltung verschafft und andererseits so weit ist, daß er auch dem Einbringen einer abweichenden Auffassung durch den aktuell Entscheidenden genügend 128

Alexy, S. 261 ff. Alexy, S. 264, 272, 351. 130 Alexy, S. 261 ff.; ihm folgend dann auch Habermas (1981), S. 62 f. Anm. 63; s. auch Zimmermann, S. 311 ff.; ablehnend Arthur Kaufmann (1989) S. 21 ff.; ablehnend zur diskursethischen Begründung von Sanktionsnormen auch Koriath, S. 199. 131 Seebald (1974), S. 205 f.; Streng, NStZ 1989, S. 394 Anm. 8; ders., ZStW 101 (1989), S 290 f.; vgl. auch Theune, Pfeiffer-FS, S. 459. 129

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Raum läßt. In Diskursen, die Entscheidungen innerhalb begrenzter Zeit ermöglichen müssen, sollen im übrigen auch Mehrheitsprinzipien zulässig sein132, womit auch mit Blick auf die Üblichkeit eine Orientierung an Mittelwerten in Betracht käme. Unabhängig davon, ob man die zusätzlichen Einschränkungen für zulässig hält, stellt sich aber nach wie vor noch die grundsätzliche Frage, ob der in einem bestimmten Verfahren gewonnene Konsens tatsächlich einen Geltungsanspruch begründen kann. In derartiger Allgemeingültigkeit muß diese Frage hier jedoch nicht beantwortet werden, geht es doch für die komparative Strafzumessung zunächst lediglich darum, ob Konsenserwägungen dort, wo eine Ausarbeitung von Normen faktisch schon gar nicht mehr sinnvoll, wenn nicht gar unmöglich ist, eine rechtfertigende Wirkung haben können. In diesem engen Bereich scheint ein auf Konsens gerichtetes herrschaftsfreies Verfahren, wie es sich ja auch bisher schon teilweise von selbst ausbildet, jedenfalls besser begründet zu sein als ein entsprechender Spielraum des Tatrichters. Eine Rechtfertigung des Maßstabs der Üblichkeit in der Strafzumessung läßt sich im übrigen auch noch in anderer Weise auf den juristischen Diskurs stützen. Statt der Berücksichtigung der in den Beiträgen anderer Teilnehmer liegenden Üblichkeit durch bestimmte Grenzen für den in der aktuellen Entscheidung liegenden Beitrag kann eine Begrenzung der Abweichung vom Üblichen auch anhand der Argumentationsregeln, die es für die Herbeiführung des Konsenses geben muß, begründet werden. Rechtfertigt sich die konsentierte Aussage nämlich durch die Annahme, daß sich im formalen Rahmen des Diskurses das bessere Argument durchsetzt133, so liegt es nahe, demjenigen, der von den bisher getroffenen Aussagen abweichen will, dafür die Argumentationslast aufzubürden134. Gegenüber den Begründungen einer subsidiären135 bzw. der von Kriele vertretenen präsumtiven Verbindlichkeit136 von Präjudizen läßt sich diese diskursiv begründete Argumentationslastregel auch ohne weiteres auf die übliche Strafhöhe erstrecken. (3) Strafrechtliche Begründung eines konsensuellen Geltungsanspruchs Schließlich kann der Konsens als Kriterium für die Zumessung der Strafe auch noch mit strafrechtlichen Argumenten untermauert werden, wie sie insbesondere schon von Streng in die Diskussion eingebracht wurden. 132

Zimmermann, S. 321. Habermas (1973), S. 240. 134 Alexy, S. 335 f. 135 s. oben 1. 136 Kriele, S. 243 ff., 247, 248 ff. stützt diese Argumentationslastregel zur Verwertung von Präjudizien auf die Anerkennung deren präsumtiver Verbindlichkeit in der juristischen Praxis sowie verschiedene Regelungen zur Wahrung der Rechtseinheit. Diese Argumente dürften aber kaum die übliche Strafhöhe einschließen. 133

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Zunächst läßt sich die grundsätzliche Relevanz der Wertungen von Kollegen für die richterliche Entscheidung schon der Einsetzung von Kollegialgerichten entnehmen, welche nach den Regeln des § 196 GVG zu einer einheitlichen Entscheidung auch über die Straffrage kommen müssen. Daran ist nicht nur zu erkennen, daß die Berücksichtigung des Strafzumessungsverhaltens Dritter als Kriterium für die Strafzumessung systemkonform ist137, aus dem Zusammenhang zwischen Zusammensetzung und Zuständigkeit der Gerichte kann auch geschlossen werden, daß der Gesetzgeber den richterlichen Konsens generell als geeignetes Mittel zur Bestimmung der gerechten Strafe ansieht, welches lediglich durch praktische Grenzen der Verhältnismäßigkeit beschränkt ist. Innerhalb dieser Grenzen müßte es deshalb auch in dessen Sinne sein, die weiteren Möglichkeiten konsensueller Strafmaßfindung auszuschöpfen. Darüber hinaus zeigt sich auch in anderen Bereichen des materiellen Rechts, in denen eine gesetzgeberische Regelung nicht mehr sinnvoll oder gar nicht mehr möglich erscheint, daß der (unterstellte) Konsens ein geeignetes Mittel zur Rechtsfortbildung sein kann. So ist etwa, um ein von Streng in diesem Zusammenhang angeführtes zivilrechtliches Beispiel aufzugreifen138, für die Ausfüllung des Rechtsbegriffs der „guten Sitten“ im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB nach allgemeiner Auffassung auf „das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden139“ abzustellen. Entsprechendes gilt auch für die im Strafrecht normierten unbestimmten Rechtsbegriffe.140 Und auch bereits bei der grundsätzlichen Bestimmung des tatbestandsmäßigen Verhaltens im Strafrecht bleibt dem Rechtsanwender in vielen Fällen gar nichts anderes übrig, als sich zur Abschichtung noch tolerierter von nicht mehr tolerierten Risikoschaffungen an vorrechtlichen Verhaltensprogrammen zu orientieren, welche sich zwar in erster Linie auf Erfahrungswissen stützen, sich durch dieses Erfahrungswissen aber alleine noch nicht erklären, sondern in ihrer Rechtfertigung darüber hinaus auf die Beteiligung von Ausschüssen oder Institutionen an ihrer Aufstellung und die faktische Akzeptanz unter den Betroffenen angewiesen sind141. Wie bereits mit Blick auf die Gleichmäßigkeit des Strafens, dürfte aber auch das für den Maßstab der Üblichkeit entscheidende Argument im Zweck der Strafe liegen. Deren generalpräventive Wirkung ist bei Fehlen anderweitiger Anhaltspunkte wohl noch am besten durch dasjenige Maß zu erzielen, welches von der Rechtsgemeinschaft selbst zur Stabilisierung des allgemeinen Wertebewußtseins für ausreichend gehalten wird. Noch deutlicher wird dieser Zusammenhang auf der Grundlage der funktionalen Schuldlehre142, wenn Schuld ge137 138 139 140 141

Streng (2002), Rn. 499; ders. (1986), S. 516. Streng (1986), S. 501, 516, Anm. 72. Palandt-Heinrichs, § 138 Anm. 2 m. w. N. Jescheck/Weigend, S. 130; s. dazu schon oben § 3 II. 1. Eingehend Frisch (1988), S. 106 f.

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rade als Zuschreibung durch die Rechtsgemeinschaft zur Stabilisierung von Normkonformität begriffen wird. Nach Streng143, der die funktionale Schuldlehre in die Diskussion um die Strafhöhe eingeführt hat, soll nicht nur die verhängte Strafe die verinnerlichten Normen bestätigen und stärken; da auch die Vorstellungen von schuldadäquater Strafe durch die internalisierte Werteordnung determiniert seien, müsse es für die staatliche Strafe auf die überindividuellen, gesellschaftlichen Stabilisierungserfordernisse ankommen, welche nur den intersubjektiven Strafmaßvorstellungen entnommen werden könnten. Und auch dem hier vertretenen Strafzweck der Wiederherstellung des Rechts ist der Zusammenhang zwischen üblicher und richtiger Strafe nicht fremd. Denn auch bei dieser Wiederherstellung handelt es sich nicht um die Verfolgung eines Selbstzwecks. Sie kommt erst und nur dort in Betracht wo das Recht tatsächlich wirkt und Schaden genommen hat, in der gesellschaftlichen Interaktion. Und in seiner interpersonalen Wirkung ist das Recht im Zweifel gerade dann wieder hergestellt, wenn die strafrechtliche Reaktion von der Rechtsgemeinschaft als insoweit ausreichend akzeptiert wird144. 4. Fazit Insbesondere vor dem Hintergrund der überwiegend vertretenen Strafzwecke läßt sich die komparative Strafzumessung durchaus rechtfertigen. Ob auf diesem Wege zur richtigen Strafe im absoluten Sinne zu kommen ist145, braucht hier genausowenig entschieden zu werden, wie die Frage, ob ein intersubjektiver Geltungsanspruch das Strafrecht insgesamt erfassen könnte. Zumindest jenseits der Grenzen sinnvollerweise ausfomulierten Strafrechts bietet der Konsens unter bestimmten formalen Bedingungen generell ein brauchbares und auch tatsächlich genütztes Kriterium, um dem bestehenden Bedarf an einheitlicher Entscheidung gerecht zu werden. In bezug auf die Strafhöhe kann dies mit dem Zweckargument noch zusätzlich und entscheidend begründet werden. Einer Folgenorientierung kommt in diesem Bereich nicht nur die durch den Konsens in der Rechtsgemeinschaft ermöglichte Gleichbehandlung, sondern auch die konsensuelle Rechtsfindung selbst jedenfalls deutlich mehr entgegen, als eine willkürlich erscheinende Ausübung sogenannten tatrichterlichen Ermessens. Dies gilt 142

s. dazu insb. Jakobs, 17. Abschn. Rn. 18 ff. Vgl. Streng (1984), S. 301 f.; ders. (1986), S. 501, 518 f.; ders., ZStW 101 (1989), S. 273, 330 f.; ders., NStZ 1989, S. 394; ders. (1995), S. 288 f.; s. auch Uphoff, S. 255 ff. 144 Auch nach Freund (1999), S. 509, 536, hat sich der Rechtsanwender vor dem Hintergrund des Strafzwecks der Wiederherstellung des Rechts „an dem zu orientieren, was in der Gemeinschaft [. . .] am ehesten Aussicht darauf hat, als angemessene Reaktion aufgefaßt und akzeptiert zu werden“. 145 Horn, SK-StGB, § 46 Rn. 94, verneint dies hinsichtlich jeglicher theoretischen Strukturierung des Strafhöhenfestsetzungsprozesses. 143

III. Ausgestaltung und Kontrolle komparativer Strafzumessung

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in ganz besonderer Weise für den hier vertretenen Strafzweck der Wiederherstellung des Rechts, denn in seiner interpersonalen Dimension kann gerade dieser Zweck kaum besser erreicht werden, als durch ein gleichmäßig angewandtes konsentiertes Strafniveau.

III. Ausgestaltung und Kontrolle komparativer Strafzumessung Da selbst unter denjenigen, die einer theoretischen Strukturierung der Strafhöhenfestsetzung eher skeptisch gegenüberstehen, anerkannt ist, daß über die abstrakte Vorbewertung durch die Strafrahmen hinaus auch die Rechtsprechungstradition gewisse Zumessungsmaßstäbe für ähnliche Taten bietet, innerhalb derer dann erst die durch den Richter allein zu leistende Feinarbeit zu erfolgen habe146, scheinen die faktisch zum komparativen Vorgehen in der Strafzumessung und zu dessen komparativer Kontrolle bestehenden Fragen ohnehin weniger deren Zulässigkeit zu betreffen als vielmehr die konkrete Umsetzung und Kontrolle selbst. Die theoretische Begründbarkeit und Begründung vergleichender Strafzumessung hat aber auch für die dennoch verbleibende abstrakte Frage adäquater Grenzziehung zwischen intersubjektiver und nicht mehr revisionsgerichtlicher Kontrolle unterliegender tatrichterlicher Wertung Bedeutung. Sie beinhaltet eine klare Präferenz für möglichst exakte komparative Maßstäbe und auch für deren möglichst weitreichende Kontrolle. Der Forderung nach einer gegenüber der gegenwärtigen Praxis verstärkten Orientierung der Strafzumessung an Üblichkeiten147, kann man sich deshalb nur anschließen. Bei ihrer Umsetzung ist allerdings, wie bereits mehrfach angesprochen, nicht nur den Grenzen der Erkenntnis sondern auch der Gewährleistung von Entwicklungsmöglichkeiten und den Erfordernissen einer funktionsfähigen Rechtspflege besondere Beachtung zu schenken. 1. Einzelfragen der Umsetzung auf tatrichterlicher Ebene a) Die Methode zur Feststellung üblicher Strafe In den methodischen Grundlagen unterscheidet sich die Bestimmung der in vergleichbaren Fällen üblichen Strafe nicht von der Bestimmung des Gegenteils, der eingangs dargestellten Untersuchung von Ungleichmäßigkeiten in der Strafzumessung. Angesichts der schon in letzterem Zusammenhang festgestellten Grenzen der Aussagekraft solcher Untersuchungen und der praktischen Schranken, welche der komparativen Strafzumessung gesetzt sind und dieser schon einen Teil vielleicht zunächst erwarteter Präzision nehmen, erscheint aber 146 147

So etwa Dreher (1977), S. 46. So insbesondere Streng (1984), S. 316.

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auch zur Strukturierung des Strafzumessungsvorgangs ein auf ein Maximum an Exaktheit ausgelegtes Vergleichsverfahren unangemessen. Der auch kaum zu bewältigende Aufwand für groß angelegte Untersuchungen, welche die Praxis ständig begleiten müßten, stünde nicht nur in keinem Verhältnis zu den letzten Feinheiten, die sich aus solchen Untersuchungen noch ergeben könnten und sicher auch dann noch umstritten wären. Wenn ohnehin erhebliche Toleranzbereiche einzustellen sind, fragt sich auch, ob ins einzelne gehende Feststellungen hier nicht eine Pseudoexaktheit vorspiegeln würden, wie sie den Versuchen mathematischer Strukturierung der Strafzumessung vorgehalten wird. Es dürfte daher für ein ohnehin unscharfes Ergebnis unschädlich sein, wenn sich die Praxis der üblichen Strafe nicht methodisch einwandfrei, sondern eben nur mit den dem einzelnen Richter zur Verfügung stehenden Mitteln nähert. In Betracht kommen dafür die Beobachtung von Verfahren, an denen der zur Entscheidung berufene Richter selbst beteiligt war, die Analyse fremder Verfahren anhand von Akten, Urteilen oder auch lediglich deren veröffentlichter Teile, sowie insbesondere bei Assessoren auch die Befragung von erfahreneren Kollegen. Solchermaßen generierte Daten lassen sich problemlos in den bereits zur Vereinbarkeit mit dem Stand der Dogmatik dargestellten komparativen Strafzumessungsvorgang einfügen. Anhaltspunkte zur Positionierung des für die zur Entscheidung anstehende Konstellation von vergleichbaren Strafzumessungstatsachen üblichen Strafrahmens (Phase 2 des komparativen Strafzumessungsvorgangs) ergeben sich aus der Vornahme des ebenfalls oben dargestellten sechsstufigen Einzelfallvergleichs mit den aus eigener oder fremder Praxis bekannten Vergleichsdaten, während etwaige Einschätzungen von Kollegen zum konkreten Fall bereits unmittelbar Eingang in die Ausbildung dieses engen Rahmens finden können. Daten, die offensichtlich selbst eine Ausnahmeerscheinung darstellen, haben bei der Bestimmung des Rahmens üblicher Strafe selbstverständlich außer Betracht zu bleiben. b) Die vergleichsrelevanten Strafzumessungstatsachen Für die Bestimmung der strafzumessungserheblichen Umstände ergeben sich im komparativen Strafzumessungsvorgang148 zunächst keine Besonderheiten. Ausgehend von § 46 StGB bedarf es in dessen erster Phase einer umfassenden Feststellung der im Einzelfall vorzufindenen Strafzumessungsfaktoren unabhängig von deren spezifisch komparativer Bedeutung. Eine Beschränkung oder Änderung der gegenwärtigen Praxis149 ist insoweit durch die Integration komparativer Elemente in den Strafzumessungsvorgang weder veranlasst noch gerecht-

148

s. oben I. 3. b) cc) (3). Vgl. hierzu Bruns, Recht der Strafzumessung, 4. Hauptteil; Schäfer (2001), Teil 3 und 8; Tröndle/Fischer, § 46 Rn. 25 ff. 149

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fertigt. Hinsichtlich der Frage, welche Umstände in den vergleichenden Teil des Strafzumessungsvorgangs einzubeziehen sind, welches also die sogenannten Leitmerkmale im Sinne des Zwei-Stufen-Modells sind, wurde bisher darauf verwiesen, dass es sich hierbei gerade um diejenigen Merkmale handeln dürfte, welche sich zum Vergleich besonders eignen.150 Hieraus ergibt sich auch bereits, dass es insoweit nicht um eine statische Abgrenzung vergleichsrelevanter von nicht vergleichsrelevanten Tatsachen gehen kann, denn die Frage nach der Vergleichbarkeit stellt sich immer in bezug auf den konkret zu entscheidenden Einzelfall und das zum Zeitpunkt des Vergleichs zugängliche entsprechende Material. Ein erster Hinweis auf eindeutig vergleichsrelevante Merkmale ergibt sich bereits aus der Betrachtung der Rechtsprechung zu bestimmten Delikten sowie aus den den empirischen Untersuchungen üblicherweise zugrunde gelegten Kriterien. Ohne weiteres vergleichen lassen sich quantifizierbare Rechtsgutsverletzungen, wie etwa im Falle von Körperverletzungsdelikten Art und Umfang der Verletzungen, bei Eigentums- und Vermögensdelikten der Wert der Beute bzw. die Höhe des Schadens oder bei Betäubungsmitteldelikten Art und Menge des jeweiligen Stoffes. Zentrale Bedeutung insbesondere bei Delikten, deren Rechtsgut einer derartigen Quantifizierung regelmäßig nicht zugänglich ist, dürfte weiter der Art der Tatausführung zukommen – etwa bei Tötungs- oder Sexualdelikten. Von erheblichem Gewicht und in aller Regel zumindest einem groben Vergleich zugänglich ist gegebenenfalls auch das strafrechtlich relevante Vorleben des Täters. Eine ins Einzelne gehende Auseinandersetzung mit den strafzumessungserheblichen Umständen, verbunden mit einer nach Deliktskreisen systematisierten Einschätzung ihrer Vergleichsrelevanz, wäre nicht nur reizvoll sondern könnte die praktische Umsetzung komparativer Strafzumessung auch deutlich erleichtern. Den hier gesteckten Rahmen würden derartige Ausführungen jedoch bei weitem sprengen. Im Einzelfall scheint allerdings der Schritt von den anerkannten Strafzumessungsumständen, welche ja auch bereits entsprechend systematisiert wurden151, zur Einschätzung ihrer Vergleichbarkeit durch die Praxis so weit nicht, nachdem auch bereits bisher eine komparative Strafzumessung praktiziert wurde. Letztlich muss hier der Hinweis genügen, dass dem Tatrichter vor dem Hintergrund einer gewissen Erfahrung die zum Vergleich besonders geeigneten Umstände geradezu ins Auge springen dürften und eine weitergehende Erkenntnis eher eine Frage der Vorgehensweise und darüber hinaus in erster Linie ein Problem des Zugangs zu geeigneten Daten zu sein scheint.

150

s. oben I. 3. b) cc) (2). Dies war insbesondere das Verdienst von Bruns. Eine ausführliche und aktuelle nach Delikten systematisierte Darstellung der Praxis findet sich bei Schäfer (2001) in Teil 8. 151

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c) Die Auswahl des Vergleichsmaterials aa) Ausführlichkeit In qualitativer Hinsicht unterscheiden sich die grundsätzlich in Betracht kommenden Daten freilich erheblich. Bei der Einbeziehung von Entscheidungen Dritter hängt deren Aussagekraft insbesondere von der Ausführlichkeit der jeweiligen Quelle ab. Dennoch erscheint eine Beschränkung des Vergleichsmaterials nach Ausführlichkeit – etwa auf vollständige Urteile – nicht sinnvoll. Eine derartige Beschränkung würde aufgrund mangelnder Verfügbarkeit entsprechender Daten aus anderen Gerichtsbezirken faktisch zugleich die geographische Ausdehnung des komparativen Vorgehens begrenzen. Auch wenn der zur Entscheidung berufene Richter seinem unmittelbaren Umfeld mehr und genauere Informationen zur üblichen Strafe entnehmen könnte, läßt sich nur durch die Berücksichtigung auch etwa in Zeitschriften veröffentlichter oder durch auswärtige Kollegen mitgeteilter Entscheidungen ein erhebliches Auseinanderdriften regionaler Usancen verhindern, bzw. eine überregionale Angleichung anregen. Im übrigen bildet die umfassende Einbeziehung verschiedenen Vergleichsmaterials auch ein breiteres Fundament für die zu treffende komparative Aussage. bb) Entscheidende Instanz Die Art der Beendigung des jeweiligen Verfahrens dürfte für die Aussagekraft keine große Rolle spielen. Zwar kann bei einem Strafmaß, welches der revisionsgerichtlichen Überprüfung standgehalten hat, sicher davon ausgegangen werden, daß es noch innerhalb des Maßstabs liegt, den die Revisionsgerichte an die Strafhöhe anlegen. Auf der anderen Seite ist aber zu besorgen, daß gerade das angefochtene Strafmaß weniger repräsentativ ist als das unangefochtene, denn zur Anfechtung dürfte in vielen Fällen die eher unübliche Strafe führen. Ohnehin müßte bei einer gewissen Gründlichkeit der tatrichterlichen Vorgehensweise ein Strafmaß, welches der Revision nicht standhalten würde, auffallen, denn der Üblichkeitsmaßstab der Revisionsgerichte kann keinesfalls strenger sein, als die dem Tatrichter mögliche entsprechende Erkenntnis. cc) Entstehungszeitpunkt Dagegen darf nicht vernachlässigt werden, daß die vorhandenen Daten mit der Zeit an Aussagekraft zur Feststellung von Üblichkeiten verlieren. Sanktionen, die weit vor der anstehenden Entscheidung verhängt wurden, sollten deshalb bei Vorliegen einer aktuelleren Datenbasis wohl eher außer Betracht bleiben, im übrigen aber jedenfalls nur nachrangig berücksichtigt werden. Innerhalb einer derartigen Grenze von beispielsweise fünf Jahren152 dürften in der Regel noch keine allzu gravierenden Veränderungen des Strafniveaus eintreten. Und hinter

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kurzfristigeren wesentlichen Veränderungen, zu denen es in Ausnahmefällen kommen mag, werden konkrete Gründe stehen, die sich im Vergleichsvorgang als Sachverhaltsabweichung begründen lassen. Eine Zäsur bilden selbstverständlich auch einschlägige Gesetzesänderungen, durch die die komparative Aussagekraft zuvor entschiedener Fälle zumindest eingeschränkt wird. Bei einer Erhöhung von Strafrahmen etwa können vorangegangene Üblichkeiten dann nur noch insoweit herangezogen werden, als die zu verhängende Strafe jedenfalls nicht niedriger sein sollte als bei ansonsten vergleichbaren früheren Entscheidungen. Bei den sich auf der Grundlage von Einzelfallvergleichen ausbildenden Typologien, die mit den zugehörigen Strafrahmen im komparativen Strafzumessungsvorgang regelmäßig das Übliche verkörpern, ist ebenfalls auf eine ständige Anpassung an etwaigen Rechtsprechungswandel zu achten. Dies gilt auch für richterliche Strafrahmen, wenn deren richtigerweise aus den üblichen Strafrahmen erfolgende Ableitung (Phase 6 des komparativen Strafzumessungsvorgangs) nicht isoliert vorgenommen wird, sondern der Richter seine möglicherweise etwas abweichende Auffassung zu vergleichbaren Einzelfällen unmittelbar in die eigene Grobeinschätzung aufnimmt. Hier wird auch die Aktualisierung und Erneuerung freilich eher intuitiv erfolgen. dd) Inhaltliche Vergleichbarkeit Die Grenzen, die dem Vergleichsmaterial inhaltlich gesetzt sind, wurden bisher nur insofern angesprochen, als Vergleichsfälle in bezug auf den zu entscheidenden Fall möglichst „ähnlich“ sein sollten. Eine rein phänomenologische Näherung könnte aber dann bedenklich sein, wenn dabei die durch die gesetzlichen Deliktstatbestände gezogenen Grenzen überschritten werden, was etwa bei Eigentums- und Vermögensdelikten durchaus in Betracht käme. Zwar sind die komparativen Aussagen generell einer normativen Überprüfung zu unterziehen (Phase 5 des komparativen Strafzumessungsvorgangs). Auch wenn dabei im Einzelfall keine Widersprüche erkennbar sind, bleiben jedoch Vorbehalte gegenüber einer Übertragung von Wertungen, die vor einem abweichenden gesetzlichen Hintergrund vorgenommenen wurden.153 Dies muß zunächst dann gelten, wenn der Strafrahmen, dem die zu verhängende Strafe zu entnehmen ist, von denjenigen für einen Vergleich zunächst in Betracht kommender Fälle abweicht. Der in 152 Diese Grenze wurde auch in dem von Schild, S. 233 vorgestellten computergestützten Strafzumessungssystem (näher dazu oben § 2 III.) gezogen. 153 Grobaussagen sind aber auch hier sicher unbedenklich. So erschien dem BayObLG StV 2002, 427, 428 die nach § 235 StGB verhängte Strafe unter anderem aufgrund folgender Erwägung nicht mehr schuldangemessen: „Deutlich wird dies auch in einem Vergleich [. . .] mit der Strafzumessungspraxis etwa bei Körperverletzungsdelikten nach § 223 StGB, bei denen es – bei gleichem Strafrahmen – selbst bei einschlägig und wiederholt vorbestraften Schlägern nach den Erfahrungen des Senats nur selten (wenn überhaupt) zu vergleichbaren Strafen kommt.“

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den unterschiedlichen Rahmen zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers würde übergangen, wenn man deren Funktion lediglich in der äußeren Begrenzung eines im übrigen auf Üblichkeit beruhenden tatbestandsübergreifenden Rechtsfolgensystems sähe. Selbstverständlich kann es trotz einer derartigen inhaltlichen Beschränkung im Ergebnis zum selben Verhältnis der Üblichkeiten in unterschiedlich strafbewehrten Tatbeständen kommen, was gegebenenfalls auch eine Änderung eines Strafrahmens nahelegen könnte. Unzulässig wäre es aber, die gesetzlichen Wertungen durch das lediglich subsidiäre komparative Verfahren von vornherein zu mißachten. Und auch bei identischen Strafrahmen ist vor diesem Hintergrund eine inhaltliche Beschränkung zu fordern. Insofern ließen sich die zur Wahlfeststellung vertretenen Grundsätze154 normativer Vergleichbarkeit alternativer Sachverhalte auf das komparative Vorgehen in der Strafzumessung übertragen. Allerdings fallen derartige Kriterien hier wohl kaum ins Gewicht, da sie durch die komparative Praxis angesichts der Komplexität und der geringen Aussagekraft über die Grenzen möglicher Wahlfeststellung hinausgehender Vergleiche ohnehin kaum hintergangen werden dürften. Unbedenklich lassen sich Strafmaßvergleiche schließlich zwischen Sachverhalten jeweils tateinheitlich begangener Delikte ziehen, wenn dasselbe Gesetz jeweils die schwerste Strafe androht. Hier sind Umstände, die weitere Tatbestände verwirklichen, als Abweichung in den Strafmaßvergleich einzustellen. d) Die Weite des Rahmens üblicher Strafe In der Struktur des hier vorgestellten komparativen Strafzumessungsvorgangs ausgedrückt, zeigt sich die Unschärfe möglicher Feststellungen zur üblichen Strafe dann zunächst in der Weite des entsprechenden Rahmens (Phase 2). Je weniger eindeutige Üblichkeiten bestehen oder erkennbar sind, desto weiter dürften auch die verschiedenen durch den Tatrichter im Einzelfallvergleich oder durch Befragung ermittelten üblichen Strafen für einen vergleichbaren Fall auseinander liegen. Ein wesentlicher Indikator für die Weite dieser Rahmen bildet selbstverständlich schon die Aussagefähigkeit des jeweils vorhandenen Vergleichsmaterials. Läßt dieses nur eine ganz grobe Einschätzung üblicher Strafe zu, so sind zunächst sämtliche Interpretationsmöglichkeiten in den Rahmen üblicher Strafe einzubeziehen. Umgekehrt dürften Massendelikte, die eine größere Basis für vergleichendes Vorgehen bieten, bereits zu einem größeren Fortschritt im von der Praxis ja tatsächlich gewünschten Strafhöhenkonsens geführt haben als seltener zu verurteilende Taten. Weitere Kriterien für Unterschiede in der Ausdehnung des Rahmens üblicher Strafe lassen sich in Besonderheiten auf der Ebene der relevanten Strafzumessungstatsachen vermuten, die bereits anhand der Gegenstände häufiger Be154

s. nur Schönke/Schröder-Eser, § 1 Rn. 58 ff.

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anstandung in der Revisionsrechtsprechung herausgearbeitet wurden155. Deren verhältnismäßig geringe Anzahl, ihre verhältnismäßig unproblematische Quantifizierbarkeit und auch eine verhältnismäßig geringe Varianz in ihren realen Ausprägungen dürften eine entsprechende Wirkung auf die Strafzumessung etwa im Betäubungsmittel-, Verkehrs- und auch im Steuerstrafrecht haben. Und schließlich dürfte die Weite dieses Rahmens auch davon abhängen, in welchen Höhenregionen sich die übliche Strafe bewegt. Auch wenn man von einer fallübergreifend gleichmäßigen Qualität des Vergleichsmaterials in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausgehen könnte, erschiene die Annahme einer generell bestehenden deliktsunabhängigen Linearität zwischen Weite und beispielsweise der Mitte des Rahmens üblicher Strafe nicht überzeugend. Schon bei unbefangener Betrachtung wirkt etwa die Varianz zwischen Geldstrafen von 40 und 80 Tagessätzen oder auch zwischen 4 und 8 Monaten zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsentzugs wesentlich weniger gravierend, als dies bei zu verbüßender Freiheitsstrafe zwischen 4 und 8 Jahren der Fall ist. Die Erklärung dafür liefert wiederum die verbreitete Auffassung, daß das Strafübel mit einer linear ansteigenden Strafgröße exponentiell wächst156. Nimmt damit auch das Intervall des Strafübels überproportional zu, so wird eine entsprechende Diskrepanz bei höheren Strafen auf geringere Akzeptanz stoßen und eher ein Bedürfnis nach Vereinheitlichung wecken, als im Bereich niedrigerer Strafen, in dem Üblichkeiten dann einen weiteren Rahmen einnehmen können. Die unterschiedlichen Strafarten dürften dagegen nicht zu Feststellungsproblemen führen. Das komparative Verfahren führt vielmehr umgekehrt nebenbei auch zu Aussagen über deren Verhältnis zueinander. e) Grenzen der Ausbildung richterlicher Strafrahmen Über diese Rahmen üblicher Strafe hinaus muß dem Tatrichter insbesondere mit Blick auf die Gewährleistung einer Fortentwicklung der Strafzumessung die Möglichkeit verbleiben, eine zumindest geringfügig abweichende Strafe zu verhängen. Angesichts der ohnehin relativ weiten Rahmen üblicher Strafe dürfte es aber ausreichen, wenn der Toleranzbereich diese Rahmen auf beiden Seiten um etwa 10% ihres Mittelwertes ausdehnt. Bei der Bestimmung des üblichen Rahmens könnte man im Gegenzug einen entsprechenden Prozentsatz am Rande liegender Sanktionen außer Betracht lassen. Damit soll freilich kein schematisches Vorgehen propagiert, sondern lediglich eine Größenordnung angegeben werden, in der sich die komparative Strafzumessung sinnvollerweise bewegen könnte. An einem konkreten Beispiel verdeutlicht, wäre etwa bei Feststellung einer in entsprechenden Fällen üblichen Sanktion von 4 bis 5 Jahren Freiheits155 156

s. oben § 3 III. 3 c) bb). s. oben § 3 II. 3 a) cc) und Hörnle, S. 176 ff. m. w. N.

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entzug, wenn normative Wertungen nicht widersprechen, der engere Strafrahmen für die Eingliederung des konkreten Falles anhand der nicht vergleichsrelevanten Umstände in den Grenzen von etwa 3 1/2 und 5 1/2 Jahren anzusiedeln. Benötigt der Tatrichter für die Feinabstimmung hinsichtlich der nicht vergleichsrelevanten Umstände seines Falles einen „Spielraum“ von beispielsweise einem halben Jahr, so könnte er diesen dann zwischen 3 1/2 und 4 Jahren, aber auch genausogut zwischen 5 und 5 1/2 Jahren eröffnen, je nach dem, welchen Rahmen er für angemessen hält. Nun ist zwar die Annahme einer zwischen 4 und 5 Jahren liegenden üblichen Sanktion schon verhältnismäßig präzise, diese Präzision erscheint aber bei bestimmten Deliktskonstellationen, etwa im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität nicht unrealistisch und bei Rahmengrenzen hier von 3 1/2 und 5 1/2 Jahren könnten dann wohl auch sämtliche Bedenken gegen die Feststellbarkeit und Anwendung des Maßstabs der Üblichkeit zurückstehen. 2. Revisionsgerichtliche Kontrolle a) Üblichkeit Für die revisionsgerichtliche Kontrolle komparativer Strafzumessung können, wie bereits erwähnt, selbstverständlich keine engeren Grenzen gelten, als für den Tatrichter erkennbar, denn der zu beanstandende Rechtsfehler kann nur in der erheblichen Über- oder Unterschreitung des Rahmens bisher üblicher Strafe durch den Tatrichter selbst liegen157. Andererseits kann, wovon der BGH ja auch selbst ausgeht158, insoweit auch keine einheitliche Abweichungstoleranz angegeben werden. Eine effektive Kontrolle muß sich vielmehr so weit wie möglich an der dem Tatrichter zur Verfügung stehenden einzelfallabhängigen Erkenntnisschärfe ausrichten. Da die Revisionsinstanz jedoch nicht über dieselben Erkenntnismittel verfügt, wie der Tatrichter, muß diese den Rahmen üblicher Strafe anhand eigener Erkenntnisse bestimmen. Mögliche Abweichungen in den Ergebnissen des auf tat- und revisionsgerichtlicher Ebene im übrigen methodisch parallel verlaufenden Feststellungsvorgangs hat das Revisionsgericht durch Ausdehnung des Prüfrahmens über den gefundenen Rahmen und die Abweichungstoleranz hinaus zu berücksichtigen. In dem genannten Beispiel einer zwischen 4 und 5 Jahren liegenden üblichen Freiheitsstrafe wären dann jedenfalls Freiheitsstrafen von 3 oder von 6 Jahren als den Rahmen des Üblichen über- bzw. unterschreitend zu beanstanden. Bei schwerer Kriminalität und hinreichend klaren Üblichkeiten könnte die revisionsgerichtliche Kontrolle auf diese Weise unter den gegenwärtigen Bedingungen bis zu einem Rahmen von ca. ± 25% um einen Mittelwert üblicher Strafe vordringen159. 157 s. zum entsprechenden Rechtsfehler nach bisherigem Maßstab LR-Hanack, § 337 Rn. 180 ff., 200 ff.; KK-Kuckein, § 337 Rn. 32; Meyer-Goßner, § 337 Rn. 34. 158 s. oben § 3 III. 3. c) bb).

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b) Sonderfälle160 Mit einer bereits generell bis zur Grenze des Möglichen ausgedehnten allgemeinen Üblichkeitskontrolle können gegen mehrere Beteiligte verhängte Strafen bzw. mehrere gegen dieselbe Person verhängte Strafen gegenüber sonstigen Fällen selbstverständlich nicht mehr eingehender erfaßt werden. Maßstab für eine gesonderte Prüfung muß hier ein anderer sein. Der Rechtsfehler ist in diesen Fällen, sofern die Entscheidung in einem einheitlichen Verfahren erfolgt, in der uneinheitlichen Zumessung durch den Tatrichter zu finden, der Strafen verhängt, die isoliert betrachtet zwar objektiv noch im Rahmen des Üblichen liegen, in ihrem Verhältnis zueinander den Rahmen des Üblichen aber sprengen. Angesichts der geringeren Unterschiede im Tatsächlichen und vor allem der Unbeachtlichkeit von auf den gesamten Sachverhalt bezogenen Abweichungstoleranzen können für die Feststellung dieser subjektiven Ungleichmäßigkeiten engere Grenzen gelten als für die generelle Frage objektiver Üblichkeit. Der Prüfungsablauf entspricht dabei im Groben dem oben dargestellten sechsstufigen Einzelfallvergleich. Jedoch kommt es für die Feststellung uneinheitlicher tatrichterlicher Wertung entscheidend auf die Umwertung der sich aus den Vergleichsfällen ergebenden Abwägungsdifferenz an. Die Strafdifferenz zwischen den Beteiligten bzw. zwischen den für denselben Täter verhängten Sanktionen muß sich hier im Rahmen des für die Abwägungsdifferenz Üblichen halten. Diese übliche Differenz ergibt sich wiederum aus der Differenz der Rahmen für die jeweiligen Sachverhalte üblicher Strafe. In Zahlen verdeutlicht läge bei üblichen Strafen zwischen 4 und 5 Jahren für einen und zwischen 5 und 6 Jahren für einen anderen Beteiligten die übliche Differenz bei einem Jahr. Auch wenn bei zwei vergleichbaren aber unabhängig voneinander eingetretenen Sachverhalten Freiheitsstrafen von 3 1/2 Jahren im weniger gravierenden und von 6 1/2 Jahren im gravierenderen Fall kaum zu beanstanden wären, erschiene die gegenüber dem üblichen Abstand von einem Jahr verhängte Differenz von drei Jahren im selben Verfahren aus den genannten Gründen nicht mehr vertretbar. Die über die übliche Differenz, die freilich nicht ganz exakt festzustellen und daher großzügig zu bemessen ist, hinaus erforderliche Prüfungstoleranz dürfte sich dabei in erster Linie nach dem Betrag dieser Differenz selbst bemessen, wobei angesichts der sich für diese Prüfung lediglich eignenden geringen Sachverhaltsdifferenzen im Verhältnis zur üblichen Differenz erhebliche Abweichungen noch 159 Ein in entsprechender Größenordnung oder an der einfachen Standardabweichung ausgerichteter Rahmen wurde auch von Schöch (1972), S. 135, in bezug auf die Abweichung von gewissen Grundtypen vorgeschlagen. Eine Parallele bestünde insoweit auch zu den Federal Sentencing Guidelines [s. dazu oben § 2 I. 3. c)], denen der Gesetzgeber einen Spielraum von ebenfalls 25% um den Guideline-Wert zugrunde legte; vgl. Savelsberg (1989), S. 291. 160 Zu den folgenden Fallgruppen vgl. auch schon die nähere Betrachtung der entsprechenden Judikatur in § 3 III. 3. c).

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zu bestätigen sind. Auch wenn daneben die jeweiligen Spannen üblicher Strafe und die Höhenregion, in der diese angesiedelt sind, einen gewissen Einfluß haben müßten, dürften aber jedenfalls Abstände, die über das Doppelte des Üblichen betragen, in der Regel nicht mehr hinzunehmen sein. Im genannten Beispiel einer feststellbar üblichen Differenz von einem Jahr wären damit Strafhöhen, die mehr als 2 Jahre auseinander liegen, aufzuheben161. Der umgekehrte Fall, daß die Strafen zu dicht beieinander liegen, dürfte dagegen nur ganz selten, etwa bei gleicher Strafe trotz erheblicher Unterschiede, die Revision begründen. Und daß derselbe Tatrichter gar für den weniger strafwürdigen Sachverhalt die höhere Strafe verhängt, wird kaum praktisch vorkommen. Bei Aburteilung mehrerer Beteiligter oder mehrerer Taten eines Täters in verschiedenen Verfahren dürfte auch eine begrenzte und deshalb intensivere Üblichkeitskontrolle kaum mehr möglich sein. In bezug auf das komparative Vorgehen könnten hier allenfalls die faktischen Gemeinsamkeiten der verschiedenen Fälle erleichternd wirken, die aber unter prozessualen Bedingungen nicht einmal zu identischen tatsächlichen Feststellungen führen müssen. Scheidet die Üblichkeit alleine somit auch zur Rechtfertigung weitergehender Eingriffe im wesentlichen aus, so kann insoweit nur noch das Gleichheitsargument herangezogen werden, dem in derartigen in besonderem Maße zu vergleichender Betrachtung führenden Konstellationen durchaus ein höherer Stellenwert einzuräumen ist. Im Rahmen grundsätzlich üblicher Strafe wäre daher zu erwägen, ob der später entscheidende Richter seine Entscheidung an die Entscheidung des früher entscheidenden Richters anpassen sollte. Angesichts der für sich genommen geringen Tragkraft des Arguments relativer Gerechtigkeit darf allerdings nicht Gleichheit um jeden Preis verlangt werden. Außerdem bereitet eine derartige Anpassung auch unter prozessualen Gesichtspunkten Probleme. Nicht nur, daß es bei zeitgleicher Verhandlung auf tatrichterlicher Ebene gewissermaßen zu einem Wettlauf käme und die Tatrichter sämtliche Parallelverfahren zu beobachten hätten, auch in der Revision stünde bei Zuständigkeit für zugleich angefochtene verwandte Entscheidungen nur das Kriterium des Zeitpunkts der tatrichterlichen Entscheidung zur Verfügung. Eine derartige Anpassung sollte deshalb allenfalls in eng begrenzten Ausnahmefällen verlangt und kontrolliert werden, etwa wenn der später entscheidende Tatrichter sehenden Auges eine Sanktion verhängt, die den bei Verhängung durch denselben Tatrichter üblichen Abstand zu einer für eine weniger gewichtige verwandte Tat verhängten Sanktion um mehr als das Dreifache übersteigt oder über der für eine gewichtigere verwandte Tat verhängten Sanktion liegt. Eine entsprechende Regel auch zu Lasten eines Angeklagten anzuwenden, erscheint jedoch kaum vertretbar.

161

s. zu den prozessualen Einzelheiten schon oben § 3 III. 3 c) cc) (2).

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3. Entwicklungsmöglichkeiten Daß kategorisierende oder operationalisierende Strafzumessungssysteme auf komparative Daten angewiesen wären und im Umkehrschluß damit eine Möglichkeit der Ausgestaltung komparativer Strafzumessung bilden, wurde bereits im Rahmen der Betrachtung entsprechender Vorschläge erwähnt. Ob es aber sinnvoll ist, die Wertungen der Praxis als Richtlinien zu formulieren162 oder mathematische Zusammenhänge auf der Basis dieser Wertungen herauszuarbeiten, erscheint jedenfalls dann zweifelhaft, wenn die Anwendung solcher Maßstäbe in der flexibleren ungeschriebenen Form reibungslos vonstatten ginge, wie dies in begrenztem Maße auch in der gegenwärtigen Praxis den Anschein hat. Für eine Fixierung derartiger Maßstäbe, die sich ohnehin erst im Anschluß an deren Feststellung vornehmen ließe, fehlt es aber jedenfalls derzeit an einer hinreichenden Datengrundlage. Dagegen würde umgekehrt eine sachlich begründete Strukturierung des Strafzumessungsvorgangs, wie das von Frisch vorgeschlagene schrittweise Vorgehen in den Kategorien des Straftatsystems163 die Präzision zukünftiger Vergleichsdaten sicher steigern. Ein erster Fortschritt in dieser Richtung wäre jedenfalls die gesonderte Ausweisung der den außerhalb der Straftat liegenden Umständen entsprechenden Sanktionsdifferenz164, wie sie sich inzwischen bei Verstößen gegen Art. 6 MRK in der Rechtsprechung durchgesetzt hat165. Auf der Grundlage gegenwärtiger Strafzumessungspraxis stellt sich für die Verfeinerung des vergleichenden Vorgehens primär die Frage nach einer qualitativen und quantitativen Verbesserung der Datenbasis. Ein computergestütztes Informationssystem, wie es etwa Streng vorschlägt166, könnte für den Tatrichter hier sicher hilfreich sein. Zu bedenken ist allerdings, daß die Validität amtlicher Datensammlungen bisher nicht durchweg zufriedenstellend war167. Und auch bezogen auf den Maßstab der Üblichkeit würde sich die präzisierende Wirkung eines solchen Systems angesichts der ohnehin einzustellenden erheblichen Toleranzbereiche jedenfalls bei Massendelikten wohl in Grenzen halten, denn Üblichkeiten entstehen ja in der Regel nicht zufällig, sondern gerade durch Anpassung der eigenen Entscheidung an die gerade bekannten Entscheidungen Dritter. 162

So etwa Jescheck/Weigend, S. 876 m. w. N. Vgl. auch schon oben § 4 I. 3. b) cc) (1). 164 Auch dafür spricht sich bereits Frisch (2002), S. 234 f., mit Blick auf die entsprechende Rechtslage in Schweden aus. 165 Vgl. die oben in § 3 Anm. 195 genannten Entscheidungen. Zu deren Bewertung in der Lit. s. Streng (2001), S. 900 ff. m. w. N. 166 Streng (1984), S. 309 ff.; s. auch schon das von Hassemer (1972), S. 117 vorgeschlagene auf eine automatisierte Strafzumessungsdokumentation zugeschnittene Dialogverfahren; zustimmend auch Theune (1986), S. 152; zu entsprechenden Ansätzen im Ausland s. schon oben § 2 III. 167 s. das Beispiel zur Rechtspflegestatistik oben § 1 II. 3. d) aa). 163

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Auch unübliche Sanktionen dürften selten auf tatrichterlicher Unkenntnis beruhen. Generell „gnädige“ oder „strenge“ Richter sind doch als solche unter Kollegen regelmäßig bekannt und auch in bezug auf einzelne Entscheidungen würde die Richterschaft wohl unterschätzt, wenn man davon ausginge, daß sie sich ihrer relativen Milde oder Schärfe nicht bewußt wäre. Die entscheidende Aufgabe eines Informationssystems läge deshalb auch nicht in der Vermittlung bestehender Üblichkeiten, sondern in der Schaffung einer Grundlage für die Ausbildung von Üblichkeiten in Bereichen, in denen es bisher an entsprechenden Entwicklungen fehlt. Zu befürworten wären entsprechende Datenbanken oder auch weitergehende Untersuchungen daher insbesondere für selten verwirklichte oder neu geschaffene Delikte. Auch wäre möglicherweise noch an eine Steigerung der Transparenz des Strafzumessungsvorgangs im Verfahren selbst zu denken, etwa in Form von benannten Vergleichsentscheidungen oder durch Mitteilung des nach Überzeugung des Gerichts üblichen Strafrahmens. Doch insoweit ist Vorsicht geboten. Mit der Einbeziehung derartiger, die Üblichkeiten nicht einmal unmittelbar widerspiegelnder Umstände würde letztlich in jedem Einzelfall die gesamte Strafzumessungspraxis zum Verfahrensgegenstand gemacht und das Interesse der Beteiligten vom konkret zu entscheidenden Fall auf Fragen der Üblichkeit in sonstigen Fällen und möglicherweise darüber hinaus auf die Angemessenheit der dort verhängten Sanktionen gelenkt. Zurecht hat deshalb der BGH auch entsprechende Beweiserhebungen für unzulässig erklärt168. Es muß insoweit ausreichen, daß der Tatrichter die erforderliche Berücksichtigung von Üblichkeiten durch die von ihm innerhalb eines entsprechenden Rahmens verhängte Sanktion selbst zum Ausdruck bringt. Weniger verwirrend wäre hingegen die Nennung eines Rahmens üblicher Strafe bei Aufhebung unüblicher Strafhöhen durch die Revisionsgerichte. Auf dieser Ebene könnte eine entsprechende Spruchpraxis zum einen die wissenschaftliche Diskussion und verifizierende Forschungsarbeiten anregen und zum anderen wäre dadurch auch eine veränderte Schwerpunktsetzung in der Veröffentlichungspraxis zu erwarten, welche die Aufgaben eines zusätzlichen Informationssystems möglicherweise schon in großen Teilen übernehmen könnte. 4. Grenzen möglicher Vereinheitlichung Als Rezept zur Lösung des eingangs dargestellten Problems uneinheitlicher Strafzumessung reicht komparatives Vorgehen alleine freilich nicht aus. Der Strafmaßvergleich kann ohne weitere legislatorische Maßnahmen lediglich vor168 Neben der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege wurden dafür allerdings auch die Besonderheiten des Einzelfalles angeführt; vgl. BGHSt 25, 207 f. mit krit. Anm. zur prozeßrechtlichen Seite von F. C. Schroeder (1974), S. 340 ff.; zust. Bruns, Recht der Strafzumessung, S. 278; Streng (2002), Rn. 512.

III. Ausgestaltung und Kontrolle komparativer Strafzumessung

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handene Konsensbestrebungen durch den Ausschluß deutlicher Abweichungen stärken. Erforderlich ist in erster Linie ein entsprechender Wille der zur Einzelentscheidung berufenen Tatrichter, wie er sich in der gegenwärtigen Praxis ja auch grundsätzlich belegen läßt. Kommt dieser Wille aber in bestimmten Fällen von alleine nicht zustande – etwa im Falle gefestigter aber unbegründeter Strafzumessungsgeographie – könnte Gleichmäßigkeit ohne weitere Maßnahmen wohl nur über die Orientierung eines engeren Strafrahmens an einem wie auch immer aus dem dann weiten Feld üblicher Strafe bestimmten Mittelwert erreicht werden. Für ein derartiges Vorgehen spräche zwar weiterhin das zur Gleichmäßigkeit in der Strafzumessung angeführte Argument besserer Strafzweckerfüllung. Dieses für sich genommen ohnehin relativ schwache Argument dürfte aber bei größeren Entfernungen und gegebenenfalls auch noch fließenden regionalen Übergängen weiter an Bedeutung verlieren. Und daß einem weitgehend bestehenden Konsens ein gewisser Stellenwert einzuräumen ist, bedeutet nicht, daß ein konsensähnliches Ergebnis ohne weiteres erzwungen werden dürfte. Denn in der Strafzumessungspraxis insgesamt besteht eben nicht die absolute Notwendigkeit zur Einigung, wie sie etwa bei der Einzelfallstrafzumessung durch eine Kammer gegeben ist. Eine Vereinheitlichung wäre in derartigen Konstellationen wohl allenfalls über den Erlaß einer allgemeinen Strafzumessungsregel durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber zu erreichen, die eine Orientierung am Mittelwert üblicher Strafe verlangt. Sollten aber bereits die mit diesen Fragen betrauten Praktiker eine faktische Annäherung nicht für wünschenswert halten, dürfte auch eine entsprechende Strafzumessungsregel kaum durchsetzbar und möglicherweise auch schon gar nicht erstrebenswert sein. Damit wäre es letztlich auch unschädlich, daß für weniger gewichtige Taten keine einheitliche Revisionsinstanz sondern lediglich eine im Bereich der Strafhöhe kaum praktikable Vorlagepflicht nach § 121 Abs. 2 GVG besteht. Aber auch dann, wenn sich übliche Strafhöhen klar ausmachen lassen, bestünde immer noch die Möglichkeit für den einzelnen Tatrichter, durch „Färbung“ der Strafzumessungstatsachen die Aufhebung der von ihm verhängten unüblichen Sanktion durch das Revisionsgericht zu verhindern. Eine solche Grenze der Überprüfbarkeit besteht aber selbstverständlich bei jeder tatsachengebundenen Entscheidung. Im Vergleich zur bloßen Ausübung sogenannten Ermessens dürfte dabei auch immer eine zusätzliche psychologische Hürde zu überwinden sein. Außerdem sind derartigen „Manipulationen“ durch die zugehörigen Akten auch deutliche Grenzen gesetzt. Ein entsprechender Einwand ist daher jedenfalls nicht geeignet, die komparative Strafzumessung generell in Frage zu stellen.

§5 Zusammenfassung und Ausblick Der Strafmaßvergleich scheint die einzig praktikable Möglichkeit zur Herbeiführung einer gewissen Gleichmäßigkeit in der Strafzumessung zu sein. Und dieser Weg dürfte, wie nicht nur Befragungen von Tatrichtern ergeben haben, auch bereits verbreiteter Praxis entsprechen. Wohl auch deshalb lassen sich empirische Aussagen zum Ausmaß von Ungleichmäßigkeiten in der Strafzumessung kaum mehr treffen. Und an gegenläufig orientierten Untersuchungen zur Gleichmäßigkeit fehlt es weitestgehend, was jedoch zumindest für die Praxis selbst insofern nicht besonders problematisch ist, als Üblichkeiten regelmäßig bekannt sein dürften und in Fallgruppen, die Üblichkeiten bisher vermissen lassen, keine entsprechenden Feststellungen zu erwarten sind. In diesen Bereichen ist zunächst vorrangig auf eine gewisse Publizität der Strafzumessungspraxis hinzuwirken, um den Tatrichtern die Möglichkeit zu geben, Üblichkeiten überhaupt erst auszubilden. Einer Vereinheitlichung der Strafzumessungspraxis dienende Alternativen zur komparativen Strafhöhenbestimmung sind nicht zu erkennen. Der Versuch, unmittelbar bei den in Veranlagung und Sozialisation des Richters begründeten Strafzumessungsdiskrepanzen anzusetzen, würde letztlich auf eine persönliche Gleichschaltung der Richterschaft zielen und wäre deshalb gegenüber einer sachlichen Beschränkung richterlichen Ermessens keinesfalls vorzugswürdig. Eine Steigerung der sanktionenrechtlichen Regelungsdichte, etwa nach dem Vorbild US-amerikanischer Strafzumessungsrichtlinien, würde bezogen auf den deutschen Rechtszustand sogar die Gefahr der Zementierung von Ungleichmäßigkeiten bergen und erscheint jedenfalls dann überflüssig, wenn lediglich Üblichkeiten festgeschrieben würden, die auch auf andere Weise Orientierung für die Praxis bieten könnten. Ähnliches gilt für die verschiedentlich unternommenen Versuche, die Strafzumessung in mathematische Formeln zu gießen. Auch wenn sich auf diesem Wege begründbare Strukturen abbilden lassen, trägt dies alleine noch nichts zum Problem der Verankerung entsprechender Strukturen auf der Rechtsfolgenseite bei. Allerdings besteht deshalb noch kein Grund, mathematische Vorgehensweisen generell aus der Strafzumessung zu verbannen. Die Bestimmung von Üblichkeiten und der Grad der Orientierung an einem entsprechenden Maßstab tragen deutlich mathematische Züge und begrüßenswerte Strukturierungen des Strafzumessungsvorgangs ließen sich immer auch formelhaft ausdrücken. Angesichts auch der im Ausland bereits gemachten An-

§ 5 Zusammenfassung und Ausblick

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fänge computergestützter Strafzumessung dürfen hier weitere Entwicklungen mit Spannung erwartet werden. Komparatives Vorgehen stellt freilich auch keine Besonderheit des Strafzumessungsvorgangs dar. Die gesamte Rechtsanwendung ist verbreitet auf Fallvergleiche angewiesen und auch der allgemeinen Gesetzgebungslehre ist diese Methode nicht fremd. Speziell in der Strafzumessungsdogmatik haben sich sogar verschiedene komparative Fallbegriffe herausgebildet, die allerdings – mit Ausnahme des Gesamtbildes der zur Bewertung von Strafzumessungstatsachen erforderlichen phänomenologischen Bezugspunkte – kaum wirklich der Orientierung des Tatrichters dienen können. Auch dabei bezieht sich der Vergleich im übrigen schwerpunktmäßig auf die Tatbestandsseite. Hinsichtlich der Rechtsfolgen werden lediglich vage und deshalb kaum weiterführende Angaben gemacht. In dieser Hinsicht geht die revisionsgerichtliche Rechtsprechung zur Unvertretbarkeit von Strafen schon wesentlich weiter. Alleine mit Blick auf die in vergleichbaren Fällen übliche Strafe werden hier abweichende Sanktionen aufgehoben. Und die dabei verwendeten theoretischen Formulierungen lassen eine sehr weitreichende Kontrolle erwarten. Allerdings ist die faktische Eingriffintensität dabei bisher eher gering geblieben. Derzeit dürfte die allgemeine Schwelle zur entsprechenden Aufhebung des Strafausspruchs bei einer mindestens fünfzigprozentigen Über- oder Unterschreitung der mittleren für üblich gehaltenen Strafe liegen. Hier besteht meines Erachtens ein beträchtliches Steigerungspotential. Auch unter den gegenwärtigen Bedingungen müßte es in Einzelfällen grundsätzlich möglich sein, diese Grenze auf ca. 25% zu senken. Mit dem gegenwärtigen Stand der Strafzumessungsdogmatik, in die der auch im Schrifttum ganz überwiegend befürwortete Maßstab der Üblichkeit bisher noch nicht wirklich Eingang gefunden hat, läßt sich die komparative Strafhöhenbemessung problemlos vereinbaren. Dies gilt nicht nur für die verschiedenen Strafzumessungstheorien, soweit sie bei näherer Betrachtung Anerkennung verdienen, sondern auch für die Frage der allgemein für relevant erachteten Strafzwecke, die insbesondere auch in ihrer Behandlung durch die Rechtsprechung mit einer einheitlichen Strafzweckkonzeption der Wiederherstellung des Rechts weitestgehend erfaßt werden können. Auf dieser Grundlage läßt sich der komparative Strafzumessungsvorgang durch insgesamt acht Phasen beschreiben, bei denen insbesondere auf die zur Einhaltung normativer Vorgaben erforderlichen Teile zu achten ist. Alleine auf die nahezu einhellige Anerkennung muß der Fallvergleich als Methode der Strafzumessung aber nicht gestützt werden. Wenn auch mit guten Gründen bezweifelt werden darf, daß auf diese Weise eine letzte Richtigkeit der Strafhöhe erreicht werden könne, läßt sich die komparativ ermittelte Strafhöhe auf der Grundlage des Zwecks der Strafe jedenfalls als die der richtigen Strafe am nächsten kommende Alternative begründen. Der auch schon für ganz grund-

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§ 5 Zusammenfassung und Ausblick

legende Fragen der Rechtsverletzung im Rahmen der Zurechnungslehre bedeutsame gewachsene Konsens bildet durchaus auch einen adäquaten Maßstab für die Kehrseite, für die Wiederherstellung des verletzten Rechts. Und auch vor dem Hintergrund abweichend vertretener Zwecke weist der Strafhöhenvergleich den besten Weg zu einer gerechten Strafe. Allerdings steht und fällt der flexible Strafmaßvergleich als konsequente Fortführung des bestehenden Strafzumessungsrechts mit dem – freilich überwiegend vorhandenen – Willen der Beteiligten zur Vereinheitlichung des Strafniveaus. Es geht hier deshalb zunächst auch in keinster Weise darum, die Praxis zu gängeln, denn diese bildet derartige Üblichkeiten ja gerade erst aus. Vielmehr sollen Ausreißer verhindert werden, die die Strafe als Folge von Glück oder Pech erscheinen lassen und damit die überwiegend vertretenen Strafzwecke verfehlen. Diesen Prozeß mit Hilfe entsprechender Veröffentlichungen und einer strengeren Revisionskontrolle voranzubringen, dürfte die Aufgabe zukünftiger Strafzumessungspraxis sein. Vermutlich werden sich dabei mittelfristig auch die räumlichen Horizonte erweitern. Den nächsten Schritt aus deutscher Sicht wird hier, so ist jedenfalls zu hoffen, die Annäherung der Sanktionen auf europäischer Ebene1 bilden.

1 s. dazu Streng, Kultureller Pluralismus, S. 294 ff. Allgemeine Fragen der Strafzumessung sind freilich schon lange auch Diskussionsgegenstand auf europäischer Ebene; vgl. etwa die Empfehlung No. R (92) 17 des Europarates (concerning Consistency in Sentencing; http://cm.coe.int/ta/rec/1992/92r17.htm) und deren bei Jung (1995), S. 437 ff. dargestellte Entstehungsgeschichte.

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Sachregister Absolute Strafdrohungen 66 Abwägung von Strafzumessungstatsachen 117 Abweichungstoleranz 150, 216 Aktenanalyse 16 Alter des Richters 55 Analogien 182 Angemessenheit der Strafe 132 Annäherung auf europäischer Ebene 224 Aufspaltung von Strafrahmen 67 Aus- und Fortbildung 49, 56, 64 Ausweisung von Sanktionsdifferenzen im Urteil 219 Befragung 22, 42, 59 Begründungswissenschaft 179 Behandlungsideologie 72 Beobachtung 15 Beratungsgeheimnis 15, 22 Berufspraxis 56 Besonders schwere Fälle 98 Bestimmtheitsgrundsatz 69, 97 Betäubungsmittelstrafrecht 97, 142, 147, 152, 211, 215, 216 Beteiligung 152, 217 Betrug 31 Beurteilungsspielraum 189 Beweiswürdigung 60 Bewertungsrichtung von Strafzumessungstatsachen 112 Bundesgerichtshof 126 Bundeszentralregister 16, 37, 38 Common Law 182 Computergestützte Strafzumessung 92 Computergestütztes Informationssystem 219

DDR 160, 172 Determinate Sentencing 73, 176 Determinismus 50 Diebstahl 28, 32, 37, 38, 41, 42 Diskriminierung 54 Diskurs, juristischer 205 Diskursethik 204 Distinguishing 182 Dokumentenanalyse 16 Doppelverurteilungen 28 Durchschnittsfall 100, 102 Eigentums- und Vermögensdelikte 30, 211 Eingriffsintensität der Revision 165 Empirie des Richters 45, 63 Empirisch überprüfbare Diskrepanzursachen 45 Empirische Befunde zu Diskrepanzursachen 52 EmpirischeStrafzumessungsforschung 13, 63 Entstehungszeitpunkt von Vergleichsdaten 212 Ermessen des Tatrichters 127, 189 Erstarrung, Gefahr der 182 Erziehung 49 Ethnische Abstammung 54 Ethnische Minderheiten 45 Expertensysteme 90 Extralegale Faktoren 45 Falltypen 193 Fiktive Fälle 22, 31, 42 Fünf-Phasen-Modell 110, 191 Funktionale Schuldlehre 207 Fuzzy Logic 91

Sachregister Generalklauseln 182 Gerichtstradition 26 Geschlecht des Richters 53 Geschlecht des Täters 52, 54 Gesetzgebungslehre 69 Gesetzgebungstechnik 67 Gewaltenteilung 188 Gewohnheitsrecht 196 Gleichheitsgrundsatz 124, 199 Harmonisierung der Strafrahmen 106 Hauptverhandlung 57 Historische Vernünftigkeit 203 Indeterminate Sentencing 71 Instanz 212 Interview 22, 59 Kasuistik 70 Kategorisierung 64 Kognitive Dissonanz 60 Kommunikation 64 Komparative Argumentation 180 Konkretisierung des Strafzumessungsrechts 65 Konsenstheorie 204 Körperverletzungsdelikte 211 Kriminalstatistik 16 Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e. V. (KFN) 37 Künstliche Intelligenz 90 Lebenserfahrung 49 Leitmerkmale 194, 211 Manipulation bei der Darstellung von Strafzumessungstatsachen 221 Massendelikte 152, 193, 214 Mathematische Strafzumessung 80 Mentalität 49 Methodenlehre 181 Mißverhältnis, grobes 128 Mißverhältnis, nicht unerhebliches 129

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Mißverhältnis, unerträgliches 123, 126 Minder schwere Fälle 98 Neuronale Netze 90 Normalfall 110 Normbildung, induktive 182 Ökonomischer Einfluß 78 Operationalisierung 64 Ordnungswidrigkeiten, Recht der 178 Organisationsspezifische Einwirkungen 49 Persönlichkeitsfaktoren der Richter 24 Politischer Einfluß 78 Prägnanztendenz 29, 34 Präzisierung des Strafzumessungsrechts 65 Privilegierungen 66 Prognoseentscheidungen 96 Prozeßsituation 49, 58 Qualifikationen 66 Raub 32, 36 Rechtsbeugung 172 Rechtsfortbildung, richterliche 182 Regelbeispiele 67 Regelfall 100, 104 Regeltatbild 110 Regionale Strafmaßunterschiede 46 Regressionsanalyse 32, 41 Regressionsgleichung 91 Reichsgericht 121 Reichskriminalstatistik 25 Reichsstrafgesetzbuch 26 Relative Gerechtigkeit 201 Religionszugehörigkeit des Richters 53 Revision 120, 216 Richterrecht 196 Schrifttum 178 Schuldausgleich, gerechter 130

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Sachregister

Schuldrahmentheorie 185 Schulterschlußeffekt 59 Schwereskala 100, 190 Seßhaftigkeit des Richters 49, 53 Sentencing Guidelines 71 Sentencing Information Systems 92 Sexualstrafrecht 147, 211 Soziale Herkunft des Richters 53 Sozialer Status des Täters 54 Spielraumtheorie 127, 185 Staatsanwaltschaft 58 Stellenwerttheorie 185 Steuerhinterziehung 36 Steuerstrafrecht 152, 215 Strafänderungsgründe, unbenannte 67 Straßenverkehrsdelikte 27, 30, 152, 176, 215 Strafbarkeitslücken 68 Strafbefehlsverfahren 23 Strafmaßantrag 58 Strafmaßkatalog, informeller 176 Strafmaßrevision 120 Strafniveau 65, 103, 122, 202 Strafrahmen 65, 95 Strafrahmen, richterlicher 175, 215 Strafrahmensystematik 137 Strafrahmenunterschiede, internationale 106 Strafrahmenwahl 98 Straftatsystem 94, 193, 219 Straftaxen 175, 193 Straftheorien 183 Strafübel 215 Strafverfolgungspraxis 16 Strafverfolgungsstatistik 16, 37 Strafzumessungsdogmatik 183 Strafzumessungsempfehlungen 176 Strafzumessungsmaßstab 18 Strafzumessungsmaßstab, idividueller 49 Strafzumessungspsychologie 64 Strafzumessungsrichtlinien 71, 219 Strafzumessungstatsachen, vergleichsrelevante 210

Strafzumessungstheorien 185 Strafzumessungsvorgang 110, 184, 191 Strafzumessungsvorgang, komparativer 195 Strafzweck 201, 207 Strafzweckantinomie 183 Strafzweckerfüllung 112 Strafzweckpräferenzen 55, 61 Subsidiäre Verbindlichkeit 197 Subsumtion 96 Subsumtion, umgekehrte 95 Tatproportionalität, Theorie der 186 Theorie des sozialen Gestaltungsakts 188 Totschlag 31, 211 Üblichkeit der Strafe 128, 139, 203, 216 Umweltbedingungen des Richters 47 Umwertung 120 Unbestimmter Rechtsbegriff 96, 182, 207 Ungewöhnliche Strafe 143 Untersuchungshaft 56 Untersuchungsmaßstab 19 Veranlagung des Richters 47 Vereinigungstheorien 183 Verfassungsrecht 199 Vergewaltigung 31, 32, 54 Vergleichsmaterial 212 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 200 Verkehrsgerichtstag 176 Veröffentlichungspraxis 220 Verteidiger 58 Vertretbarkeit der Strafe 123, 130 Vorlagepflicht 221 Wahlfeststellung 214 Wiederaufnahmeverfahren 28 Wiederherstellung des Rechts 184, 202, 208 Zwei-Stufen-Modell 193, 211