Komorbidität Psychose und Sucht - Grundlagen und Praxis: Mit Manualen für die Psychoedukation und Verhaltenstherapie [2 ed.] 3798517681, 9783798517684

Die vorliegende 2. Auflage bietet einen Überblick über die Thematik und berücksichtigt die umfangreiche neuerschienene L

105 84 1MB

German Pages 288 [280] Year 2007

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Komorbidität Psychose und Sucht - Grundlagen und Praxis: Mit Manualen für die Psychoedukation und Verhaltenstherapie [2 ed.]
 3798517681, 9783798517684

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E. Gouzoulis-Mayfrank

Komorbidität Psychose und Sucht

E. Gouzoulis-Mayfrank

Komorbidität Psychose und Sucht Grundlagen und Praxis Mit Manualen für die Psychoedukation und Verhaltenstherapie unter Mitarbeit von T. Schnell Zweite, erweiterte Auflage

Univ.-Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität zu Köln Kerpener Straße 62 50924 Köln Dipl.-Psych. Thomas Schnell „Psychologischer Psychotherapeut“ Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität zu Köln Kerpener Straße 62 50924 Köln

ISBN 978-3-7985-1768-4 Steinkopff Verlag Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Steinkopff Verlag ein Unternehmen von Springer Science+Business Media www.steinkopff.springer.de © Steinkopff Verlag 2003, 2007 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg Redaktion: Dr. Maria Magdalene Nabbe, Jutta Salzmann Herstellung: Klemens Schwind Satz: K+V Fotosatz GmbH, Beerfelden Druck und Bindung: Stürtz GmbH, Würzburg SPIN 11980650

80/7231-5 4 3 2 1 – Gedruckt auf säurefreiem Papier

Vorwort zur 2. Auflage

Das vorliegende Buch erschien in erster Auflage im Jahr 2003. Das vorrangige Ziel war gewesen, Psychiater, Psychologen und therapeutisch tätiges Personal im Umgang mit komorbiden Patienten mit Psychose und Sucht zu unterstützen und zu einer effizienteren Behandlung dieser schwer betroffenen Patientengruppe beizutragen. Nach meinem Eindruck hat das Buch seine Zielgruppe erreicht. Der Erstdruck und ein unveränderter zweiter Druck sind vergriffen. Entsprechend der Aktualität und Relevanz des Themas entstanden in den letzten Jahren in mehreren psychiatrischen Kliniken Spezialstationen für komorbide Patienten. Ich wurde zu vielen Vorträgen in Symposien und Fortbildungsveranstaltungen eingeladen und erhielt überwiegend positives Feedback von Kollegen, die mit dem Psychoedukativen Training arbeiteten. Folglich habe ich mich gefreut, als seitens des Verlages der Vorschlag kam, eine zweite Auflage zu veröffentlichen. Die Grundstruktur des Buches wurde in der zweiten Auflage im Wesentlichen beibehalten. Der Grundlagenteil wurde aktualisiert und berücksichtigt nunmehr relevante neue Publikationen bis Anfang 2007. Vor allem die Abschnitte über das Modell der Psychoseinduktion durch Drogen, insbesondere Cannabis, und über die Pharmakotherapie der komorbiden Patienten wurden wesentlich erweitert, da in den letzten Jahren mehrere wichtige Arbeiten zu diesen Bereichen erschienen sind. Der Praxisabschnitt wurde stark überarbeitet und spiegelt unsere zwischenzeitlichen Erfahrungen mit der Implementierung des Therapieprogramms für komorbide Patienten in ein ambulantes Setting wider (Institutsambulanz der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik Köln). Das Psychoedukative Training wurde um das Thema Opiate ergänzt und wird hier als Gruppentherapie unter dem Namen KomPAkt (Psychoedukatives Training für Patienten mit der Komorbidität Psychose und Missbrauch/Abhängigkeit) und im Sinne einer Flexibilisierung des Behandlungsangebotes

VI

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Vorwort

erstmalig auch als Einzeltherapie angeboten. Neu ist in der zweiten Auflage die ausführliche manualisierte Beschreibung eines verhaltenstherapeutischen Gruppentrainings über 21 Sitzungen unter dem Namen KomPASs (Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Ein Skills-Training für Gruppen). Somit geht die vorliegende zweite Auflage insbesondere im Praxisteil inhaltlich deutlich über die erste hinaus. Dieses Buch spiegelt die Arbeit vieler Menschen wider. Bedanken möchte ich mich bei allen, die seit 2003 an der Etablierung des Behandlungsprogramms für komorbide Patienten in der Institutsambulanz der Universitätsklinik Köln beteiligt waren und seitdem an der Optimierung und Weiterentwicklung des Programms aktiv mitwirken. Mein besonderer Dank gilt Herrn Dipl.-Psych. Thomas Schnell, der das verhaltenstherapeutische KomPASs-Training in der vorliegenden Form entwickelte, und Herrn Dr. Karsten Heekeren, der mit hoher Kompetenz, Engagement und langem Atem viele schwierige Patienten in unserer Ambulanz betreut. Ohne das Engagement dieser und weiterer KollegInnen und MitarbeiterInnen wäre die Etablierung des Behandlungsprogramms in Köln nicht geglückt und die vorliegende zweite Auflage des Buches wäre nicht entstanden. Ich hoffe sehr, dass auch sie ihr Ziel erreicht, den Therapeuten von komorbiden Patienten eine Hilfe bei ihrer Arbeit zu sein. Köln, im Mai 2007 Univ.-Professor Dr. med. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank

Vorwort zur 1. Auflage

Dem Thema der psychiatrischen Komorbidität oder Doppeldiagnosen kann man sich über verschiedene Wege nähern. Mein persönlicher Weg war zweigleisig: Meine Perspektive ist in erster Linie diejenige einer klinisch tätigen Psychiaterin und Psychotherapeutin, deren Schwerpunkt auf der Behandlung schizophrener Patienten liegt. Darüber hinaus war ich durch langjährige Forschungsarbeiten über halluzinogeninduzierte experimentelle Psychosen dafür sensibilisiert bzw. prädestiniert, mich auch im klinischen Kontext mit den Auswirkungen des Drogenkonsums bei psychotischen Patienten zu beschäftigen. An dieser Stelle möchte ich erläutern, dass das vorliegende Buch in erster Linie aus der klinischen Perspektive bzw. aus einer drängenden klinischen Notwendigkeit heraus entstand und nicht primär aus einen wissenschaftlichem Interesse oder gar einem konkreten Forschungsprojekt. Patienten mit der Doppeldiagnose Psychose und Sucht (DDPatienten) sind längst keine Randgruppe mehr in unserem Versorgungssystem. Mehr als die Hälfte aller stationären Patienten mit Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis weisen zumindest einen Substanzmissbrauch auf, wobei Alkohol und Cannabis an erster Stelle stehen. DD-Patienten sind somit eine große Kerngruppe innerhalb der schizophrenen Patienten, mit überwiegend schlechter Compliance und ungünstigem Verlauf der Psychose, mit häufigen Rezidiven und stationären Aufnahmen. Sie verlangen ein hohes Maß an therapeutischer Zuwendung, gleichzeitig frustrieren und „verschleißen“ aber diese Patienten gerade durch die Non-Compliance und die überwiegend fehlende Abstinenzmotivation ihre Behandler. Die Gefahr ist, dass sie von therapeutischer Seite „aufgegeben“ werden und in der Folge erst recht Fälle einer „Drehtürpsychiatrie“ werden. Die allgemeine Frustration und Ratlosigkeit der Therapeuten im Umgang mit DD-Patienten könnten aber auch damit zusammenhängen, dass bisher zumindest im deutschsprachi-

VIII

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Vorwort zur 1. Auflage

gen Raum keine allgemein zugänglichen konkreten Behandlungsrichtlinien existierten. Im Sinne einer effizienten Behandlung der DD-Patienten ist es erforderlich, Ansätze aus psychiatrischer Krankenversorgung und Suchttherapie zu integrieren und aufeinander abzustimmen. Diese Integration ist ein Spagat und sie ist alles andere als einfach. Die vielen konkreten Umsetzungsprobleme im klinischen Alltag tragen zweifelsohne zur Ratlosigkeit und zum therapeutischen Nihilismus bei. Dieses Buch hat das Ziel, gerade diese Lücke zu schließen und in erster Linie den Klinikern, die tagtäglich mit den schwierigen DD-Patienten zu tun haben, konkrete Richtlinien für die praktisch-klinische Arbeit in die Hand zu geben. Nach zusammenfassender Darstellung der Grundlagen der Komorbidität werden die Bedingungen und einzelnen Elemente einer sinnvollen integrierten Behandlung von DD-Patienten erläutert. Es werden internationale Studien zur Effektivität langfristiger, überwiegend ambulanter integrierter Behandlungskonzepte referiert, die auf lange Sicht eine deutliche Besserung der Compliance und der sozialen Anpassung und die Reduktion des Konsums belegen. Diese Ergebnisse lassen einerseits den verbreiteten therapeutischen Nihilismus ungerechtfertigt erscheinen, auf der anderen Seite unterstreichen sie aber die Notwendigkeit realistischer Zielsetzungen im Sinne eines „harm reduction“-Ansatzes, um Überforderungen von Patienten und Therapeuten und Therapieabbrüche zu vermeiden. Im Weiteren wird das am Universitätsklinikum Aachen entwickelte integrative Behandlungsprogramm detailliert dargestellt. Hierbei war es mir wichtig, auf Details der Umsetzung im klinischen Alltag wie z. B. Behandlungsverträge, Umgang mit Konsum im klinischen und ambulanten Setting, Drogenscreening u. ä. einzugehen und somit das beschriebene Behandlungskonzept praktisch greifbar zu machen. Schließlich enthält das Buch ein eigens für DD-Patienten entwickeltes Psychoedukatives Training (PTDD) mit Manual und Materialien sowie einen übersichtlichen, zum Nachschlagen geeigneten Tabellenteil mit den Wirkungen und Komplikationen der wichtigsten Suchtstoffe. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die an der Entwicklung und Durchführung des Behandlungsprogramms für DD-Patienten am Universitätsklinikum Aachen beteiligt waren. Ohne die Bereitschaft der Teams der Schwerpunktstation F und der Institutsambulanz, eingeschliffene, zur Gewohnheit gewordene teaminterne „Standards“ kritisch zu reflektieren und in Frage zu stellen, wären dieses Behand-

Vorwort zur 1. Auflage

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lungskonzept und das vorliegende Buch nie entstanden. Das starke Engagement beider Teams für die Patienten, ihre hohe Professionalität und ihre Offenheit für Neues haben unsere gemeinsame Arbeit außerordentlich befruchtet. Insbesondere möchte ich Frau Dipl.-Psych. Menze, Frau Dr. med. Frinke, Frau Dipl.-Sozialarb. Ebert, Frau Dipl.-Sozialarb. Wohlhüter sowie Frau Sutor und Herrn Maier danken. Schließlich möchte ich meinem früheren langjährigen Chef, Herrn Professor Saß, danken, dass er mich ermuntert hat, dieses Buch zu schreiben. Die klinische Erfahrung und die nationalen und internationalen Daten zur Prävalenz der Komorbidität Psychose und Sucht machen klar, dass sich kein psychiatrisches Krankenhaus und keine Ambulanz mehr aussuchen kann, ob sie DDPatienten selbst behandeln oder weiter vermitteln. Es geht also lediglich darum, wie diese große Kerngruppe behandelt wird. Ich hoffe sehr, dass das vorliegende Buch sein Ziel erreicht, nämlich eine Hilfe für Psychiater, Psychologen und therapeutisch tätiges Personal im Umgang mit DD-Patienten zu sein und zu einer effizienteren Behandlung dieser Patientengruppe beizutragen. Köln, im Mai 2003

Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank

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Inhaltsverzeichnis

Grundlagen 1 n 2 n

Prävalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

Erklärungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

2.1 2.2 2.3 2.4

Modell der sekundären Suchtentwicklung . . . . . . . Modell der Psychoseinduktion . . . . . . . . . . . . . . . . Modell der gemeinsamen ätiologischen Faktoren . . Versuch einer Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 11 16 20

3 n 4 n

Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4

Allgemeine Therapieprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . Sequenziell, parallel oder integriert? . . . . . . . . . . . Wie lang? Wie intensiv? Welches Setting? . . . . . . . . Abstinenzfordernd oder abstinenzorientiert? . . . . . Multiprofessionelle aufsuchende Arbeit, Soziotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Für welche Patienten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elemente der integrierten Behandlung . . . . . . . . . . Pharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stärkung der Abstinenzmotivation, stadiengerechte Interventionen . . . . . . . . . . . . . . . . Psychoedukation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhaltenstherapeutische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . Familieninterventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbsthilfegruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Effektivität der integrierten Behandlung . . . . . . . .

29 30 31 33

4.1.5 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.3

34 35 35 36 44 51 53 56 57 59

XII

z

Inhaltsverzeichnis

Praxis 5 n

Behandlungskonzept, Rahmenbedingungen und Abschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

5.1 5.2 5.3

Ursprünge des Behandlungskonzeptes . . . . . . . . . . Langfristige ambulante Behandlung . . . . . . . . . . . . Stationäre Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65 67 70

6 n

KomPAkt: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Psychoedukatives Training . . . . . . . . . . . . . .

75

6.1 6.2 6.2.1 6.2.2

Allgemeine Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Manual das Gruppentraining . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Erste Sitzung: Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Zweite Sitzung: Dämpfende Substanzen (Alkohol und Beruhigungsmittel, ggf. auch Opiate) 83 6.2.3 Dritte Sitzung: Cannabis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 6.2.4 Vierte Sitzung: Antriebssteigernde und bewusstseinsverändernde Substanzen (Amphetamine, Kokain, Ecstasy, Halluzinogene) . . 95 6.2.5 Fünfte Sitzung: Feedback durch Gruppenteilnehmer – Diskussion einzelner Punkte nach Wunsch der Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 6.3 KomPAkt: Variation als Einzeltherapie . . . . . . . . . . 102

7 n 7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.3 7.3.1 7.3.2

KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 T. Schnell, E. Gouzoulis-Mayfrank Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele und Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung des KomPASs-Trainings gegenüber VT-Gruppentherapien für Suchtpatienten ohne Komorbidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formale Struktur des Trainings . . . . . . . . . . . . . . . Setting: Offene oder geschlossene Gruppe? . . . . . . Umfang und Frequenz der Sitzungen, Gruppengröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau und Zeitstruktur der Therapiestunden . . . . Räumliche Voraussetzungen und Ausstattung . . . . Therapeutische Haltung und Interaktion . . . . . . . . Therapeutische Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interaktionsstil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

105 105 106 107 108 108 108 109 110 111 111 112

Inhaltsverzeichnis

7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4 7.4.5 7.4.6 7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3 7.5.4 7.5.5 7.6 7.6.1 7.6.2 7.6.3 7.6.4

Inhalte des Trainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modul 1: Psychoedukation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modul 2: Konsum, Psychose und Ich . . . . . . . . . . . Modul 3: Anti-Craving/-Stress Skills . . . . . . . . . . . Modul 4: Training sozialer Kompetenzen . . . . . . . . Modul 5: Umgang mit bevorstehenden Krisen und Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das freie Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung des Trainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modul 1: Psychoedukation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modul 2: Konsum, Psychose und Ich . . . . . . . . . . . Modul 3: Anti-Craving/-Stress Skills . . . . . . . . . . . Modul 4: Training sozialer Kompetenzen . . . . . . . . Modul 5: Umgang mit Krisen und Prävention . . . . Therapeuten- und Patientenverhalten . . . . . . . . . . . Gruppenregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben der Therapeuten und Patienten sowie Verhalten während des Rollenspiels . . . . . . . Günstiges vs. ungünstiges Therapeutenverhalten . . Umgang mit beispielhaften kritischen Situationen .

z

115 115 117 119 121 123 124 124 124 130 145 157 163 166 166 167 169 170

Anhang

n

Anhang 1: Materialien für KomPAkt und KomPASs 175

A1.1 Hilfreiche Metaphern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 A1.2 Stundenprotokolle für Patienten und Stundenplaner für Therapeuten . . . . . . . . . . . 177 A1.3 Info- und Arbeitsblätter für Patienten . . . . . . . . . . 180

n

Anhang 2: Synopsis Suchtstoffe . . . . . . . . . . . . . . 227

A2.1 Neurobiologische und psychotrope Akutwirkungen, Abhängigkeitspotenzial, Entzugssymptome . . . . . . A2.2 Psychiatrische Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . A2.3 Allgemeinmedizinische/neurologische Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A2.4 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

227 232 244 246

n

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

n

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

XIII

Grundlagen

1 Prävalenz

Suchterkrankungen stellen durch ihre Häufigkeit und ihre medizinischen und sozialen Komplikationen ein gesundheitspolitisches Problem erster Ordnung dar. Die größte epidemiologische Studie des amerikanischen National Institute of Mental Health (NIMH epidemiologic catchment area (ECA) Study, Regier et al. 1990) mit einer Stichprobe von über 20 000 Personen ergab Lifetime-Prävalenzen in der Allgemeinbevölkerung von 13,5% für Alkoholmissbrauch/-abhängigkeit und 6,1% für Missbrauch/ Abhängigkeit von einer anderen Substanz. Die Lifetime-Prävalenz von schizophrenen Psychosen in der Allgemeinbevölkerung lag bei 1 bis 1,5%. Somit dürfen die Schizophrenien auch als relativ häufige Erkrankungen betrachtet werden. Darüber hinaus ist aber das Zusammentreffen von Psychose und Sucht bei demselben Individuum als deutlich überzufällig zu bewerten: Die ECA-Studie ergab unter schizophrenen Patienten eine Lifetime-Prävalenz von 47% für Missbrauch/Abhängigkeit, darunter 33,7% für Alkoholmissbrauch/-abhängigkeit und 27,5% für Missbrauch/ Abhängigkeit von einer anderen Substanz. Unter Patienten mit den Diagnosen Missbrauch/Abhängigkeit ist die Lifetime-Prävalenz für eine schizophrene Psychose ebenfalls deutlich erhöht im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung: Bei Patienten mit Alkoholmissbrauch/-abhängigkeit lag sie in der ECA-Studie bei 3,8% und bei Patienten mit Missbrauch/Abhängigkeit von einer anderen Substanz bei 6,8% (Regier et al. 1990). Zunächst muss man sich natürlich fragen: Ist diese hohe Komorbidität von schizophrenen Psychosen mit Suchterkrankungen in irgendeiner Weise spezifisch für die Schizophrenien? Oder haben nicht vielmehr Menschen mit den verschiedensten psychischen Störungen ein höheres Risiko ein Suchtverhalten zu entwickeln? Eine hohe Komorbidität mit Suchterkrankungen findet man zweifelsohne auch bei Patienten mit anderen psychiatrischen Erkrankungen, wie z. B. affektive und Angststörungen. Im Vergleich zu der Schizophrenie sind jedoch die Komorbiditätsraten bei den meisten anderen psychischen Störungen geringer: Die ECA-Studie ergab z. B. unter Patienten mit einer Major Depression eine Lifetime-Prävalenz von 27%, und unter Angstpatienten eine Lifetime-Prävalenz von 23,7% für Missbrauch/Abhängigkeit, während die Komorbiditätsrate unter schizophrenen Patienten bei 47% lag. Insgesamt wurden im Vergleich zu

4

z

1 Prävalenz

der Schizophrenie lediglich bei der bipolaren affektiven Störung und bei der antisozialen Persönlichkeitsstörung höhere Komorbiditätsraten mit Suchterkrankungen berichtet (jeweils 56,1% und 83,6%) (Regier et al. 1990). Hierbei muss bedacht werden, dass die genannten Komorbiditätsraten Durchschnittswerten in unselektierten Stichproben entsprachen. In speziellen Settings, wie z. B. in psychiatrischen Kliniken, komplementären Einrichtungen oder Gefängnissen liegen diese Werte wesentlich höher. Dementsprechend kamen bereits Regier und Mitarbeiter (1990) zu dem Schluss, dass in diesen Settings Komorbidität die Regel und nicht die Ausnahme darstelle. Auch in anderen Studien aus den 1980er und frühen 1990er Jahren wurden bei stationär behandelten schizophrenen Patienten hohe Komorbiditätsraten mit Suchterkrankungen von bis zu 55%, vereinzelt sogar bis 70%, berichtet (Miller et al. 1994). In neueren Übersichten der amerikanischen Literatur wurden die Lifetime-Prävalenzen für Missbrauch oder Abhängigkeit unter schizophrenen Patienten mit bis zu 60% ermittelt (Chambers et al. 2001, Hubbard u. Martin 2001, Lee u. Meltzer 2001, Cantor-Graae et al. 2001). Eine Zusammenfassung dieser Daten findet sich in der Tabelle 1.1. Bemerkenswert ist, dass bereits Patienten mit einer psychotischen Erstepisode eine hohe Komorbidität mit Substanzmissbrauch/-abhängigkeit von 23% bis 44% aufweisen (Hambrecht u. Häfner 1996, Cantwell et al. 1999, Addington u. Addington 2001, Sevy et al. 2001, Van Mastrigt et al. 2004). In einer umfangreichen Übersichtsarbeit folgerten Drake u. Mueser (2000), dass unter Patienten mit schizophrenen (und affektiven) Psychosen die Lifetime-Prävalenz für Missbrauch/Abhängigkeit ca. 50% und die Prävalenz für aktuellen Missbrauch/Abhängigkeit (letzte sechs Monate) 25% bis 30% betragen. Nach klinischem Eindruck scheint sich das Ausmaß des Komorbiditätsproblems während der letzten Jahre immer weiter zu verschärfen. Obwohl bislang große epidemiologische Studien an repräsentativen StichproTabelle 1.1. Aktuelle Daten aus dem angloamerikanischen Raum zu Lifetime-Prävalenzen für Substanzmissbrauch/-abhängigkeit unter Patienten mit Schizophrenie (aus: Chambers et al. 2001) Lifetime-Prävalenz für Missbrauch/ Abhängigkeit von

Anteil unter Patienten mit Schizophrenie

z z z z z

15–50% 2–25% 20–60% 12–42% 70–90%

Kokain Amphetamin Alkohol Cannabis Nikotin

1 Prävalenz

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ben aus den europäischen Ländern fehlen, dürfte die Situation in Europa bezüglich der Gesamtprävalenzzahlen inzwischen vergleichbar der Situation in Amerika sein. Allerdings gibt es durchaus Unterschiede bezüglich der Verbreitung des Konsums einzelner Substanzgruppen. Diese spiegeln am ehesten die Unterschiede in der Verfügbarkeit der verschiedenen illegalen Drogen in den verschiedenen Ländern wider. Studien aus Schweden, England und Frankreich ergaben Prävalenzraten für den Kokainmissbrauch unter schizophrenen Patienten von 0% bis 8,7% (CantorGraae et al. 2001, Duke et al. 2001, Dervaux et al. 2001), im Vergleich zu 15% bis 50% in amerikanischen Studien. Das Ausmaß des Amphetaminmissbrauchs ist in Europa ebenfalls geringer im Vergleich zu der Situation in den USA. Hingegen ist hier Cannabis insbesondere bei jüngeren Patienten die verbreitetste illegale Droge. In einer relativ großen englischen Studie mit 352 ambulanten, an Schizophrenie erkrankten Patienten wurde die Gesamtprävalenz des Drogenmissbrauchs bei den über 35-jährigen Patienten mit lediglich 9%, aber bei den unter 35-jährigen Patienten mit 57% ermittelt, wobei es sich hierbei überwiegend um einen Cannabismissbrauch handelte (Duke et al. 2001). Dieses Muster dürfte nach klinischem Eindruck und nach den vorliegenden Daten auch für Deutschland gelten (Lambert et al. 1997, Lammertink et al. 2001, Häfner et al. 2002, Löhrer et al. 2002). Neben dem jüngeren Alter sind bei schizophrenen Patienten auch männliches Geschlecht, niedrigeres Bildungsniveau und Ledigsein mit einer höheren Komorbidität mit Suchtstörungen assoziiert (z. B. Mueser et al. 1992, 2000, Dixon 1999, Cantor-Graae et al. 2001, Duke et al. 2001). Hierbei handelt es sich um dieselben soziodemographischen Merkmale, die auch in der Allgemeinpopulation die stärkste prädiktive Kraft für das Auftreten einer Suchtstörung haben. In der Zusammenschau kann man davon ausgehen, dass unter schizophrenen Patienten der Alkoholismus mindestens 3-mal häufiger und andere Suchtstörungen mindestens 6-mal häufiger im Vergleich zu einer Durchschnittspopulation vorkommen (Chambers et al. 2001). Unter den illegalen Drogen steht Cannabis an erster Stelle, gefolgt von Stimulanzien und weniger häufig von Halluzinogenen. Zudem werden gelegentlich legale, verschriebene Substanzen, wie z. B. Benzodiazepine und Anticholinergika, aufgrund ihrer psychotropen Eigenschaften missbräuchlich eingesetzt. Diese Zahlen machen deutlich, dass die komorbiden Patienten keinesfalls mehr eine kleine Randgruppe darstellen. Vielmehr haben sie sich zu einer großen Kerngruppe unter den schizophrenen Patienten entwickelt, um die sich unser Versorgungssystem kümmern muss. Welche Faktoren könnten für die steigende Häufigkeit des Zusammentreffens von Psychosen und Sucht verantwortlich sein? Es ist durchaus denkbar, dass die tiefgreifenden Veränderungen in den Versorgungsstrukturen für psychisch Kranke mit erfolgreicher Desinstitutionalisierung und Bemühungen um eine möglichst umfassende, gemeindenahe soziale Inte-

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6

z

1 Prävalenz

gration der Betroffenen neben ihren zweifelsohne positiven Auswirkungen gerade in diesem Bereich auch neue Gefahren mit sich bringen (Mueser et al. 1998). Durch die Desinstitutionalisierung und soziale Integration sind schizophrene Patienten eben stärker als in vergangenen Jahrzehnten sowohl den positiven als auch den negativen Einflüssen eines „normalen“ sozialen Umfelds ausgesetzt. In einer Gesellschaft, in der zumindest Alkohol und Cannabis zum Alltag eines beträchtlichen Teils von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gehören, und dies zunehmend als „normal“ angesehen und akzeptiert wird, werden auch vulnerable oder bereits psychisch erkrankte junge Menschen, die in dieser Gesellschaft verbleiben (und nicht über längere Zeiträume in geschützten Einrichtungen untergebracht werden), leichter als früher den Zugang zum Konsum von Alkohol und Drogen finden. Trotz der Plausibilität dieser Hypothese bleibt aber die Frage nach möglichen grundsätzlichen Erklärungen für die hohe Komorbidität zwischen Psychosen und Sucht offen. Dieser Frage wird im folgenden Kapitel nachgegangen.

2 Erklärungsmodelle

Grundsätzlich sind drei Modelle zur Erklärung der hohen Komorbidität zwischen Psychosen und Suchterkrankungen denkbar. Nach dem ersten Modell wird durch die schizophrene Störung das Risiko für süchtiges Verhalten erhöht. Bei dem zweiten Modell ist die Kausalitätskette umgekehrt: Eine primäre Abhängigkeitsproblematik trägt zur Manifestation einer sekundären psychotischen Störung bei, oder sie vermag sogar die Psychose zu induzieren. Das dritte Modell sieht schließlich einen oder mehrere gemeinsame ätiologische Faktoren als Prädisposition sowohl für die Psychose als auch für die Suchtentwicklung vor. Jedes der drei Modelle kann wiederum mehrere Variationen bzw. Facetten aufweisen.

2.1 Modell der sekundären Suchtentwicklung Nach diesem ersten Grundmodell wird angenommen, dass das Suchtverhalten eine Reaktion bzw. einen ungünstigen Copingversuch auf direkte Symptome oder Auswirkungen der schizophrenen Psychose darstellt. Zudem beeinflusst die schizophrene Psychose den Verlauf und die Prognose der Suchterkrankung. Diese sog. Selbstmedikationshypothese der Sucht bei psychotischen Patienten hat über lange Zeit die Vorstellungen zu den Grundlagen der Komorbidität dominiert (Khantzian 1985, 1997). Sie impliziert, dass bestimmte Substanzen mit ihrem besonderen psychotropen Profil bei bzw. gegen bestimmte Krankheitssymptome bzw. Beschwerden oder gegen Nebenwirkungen der neuroleptischen Medikation konsumiert werden. So dürfte man erwarten, dass Patienten, die unter Unruhe, Schlafstörungen, Anspannung, Ängsten und/oder eindeutigen Positivsymptomen der Schizophrenie (z. B. Halluzinationen) leiden, eher beruhigende, entspannende und dämpfende Substanzen, wie z. B. Alkohol, Benzodiazepine und Cannabis konsumieren. Auf der anderen Seite dürften Patienten mit stärkeren Negativsymptomen, Langeweile, Anhedonie und Kontaktproblemen eher stimulierende, antriebsteigernde Drogen bevorzugen. Die Selbstmedikationshypothese wird schematisch in der Abbildung 2.1 dargestellt.

8

z

2 Erklärungsmodelle

schizophrene Psychose

Anspannung, Ängste, Schlafstörungen, Halluzinationen

Anhedonie, Antriebsarmut

Missbrauch dämpfender Substanzen z. B. Cannabis, Alkohol

Medikation mit klassischen Neuroleptika

Unruhe

Anhedonie

Missbrauch aktivierender Substanzen

Missbrauch dämpfender Substanzen

Missbrauch aktivierender Substanzen

z. B. Amphetamine

z. B. Cannabis, Alkohol

z. B. Amphetamine

Abb. 2.1. Selbstmedikationshypothese der Sucht bei Patienten mit Psychose (mod. n. Khantzian 1985, 1987)

Bei den meisten neueren Untersuchungen konnten jedoch keine Zusammenhänge zwischen bestimmten schizophrenietypischen Symptomen oder Beschwerden und der Bevorzugung einer Substanzgruppe eruiert werden (z. B. Addington u. Duchak 1997, Brunette et al. 1997). Obwohl vereinzelt eine Präferenz psychotischer Patienten für Substanzen mit psychotomimetischen Eigenschaften (Schneier u. Siris 1987, Mueser et al. 1990), ein Zusammenhang zwischen der Ausprägung des neuroleptikainduzierten Parkinsonoids und dem globalen Ausmaß des Drogenkonsums (Duke et al. 2001) und ein Zusammenhang zwischen psychotischen und/ oder depressiven Symptomen und Cannabiskonsum (Schofield et al. 2006) berichtet wurde, scheinen die Konsummuster überwiegend mit der nach Ort und Zeit fluktuierenden Verfügbarkeit der Substanzen zusammenzuhängen (Mueser et al. 1992). Dies wurde in letzter Zeit vielfach als Indiz gegen die Gültigkeit der Selbstmedikationshypothese gewertet (Brunette et al. 1997, Lambert et al. 1997, Cantor-Graae et al. 2001, Chambers et al. 2001). Zudem wurde bei schizophrenen Patienten ein Zusammenhang zwischen globalem Ausmaß des Substanzmissbrauchs und bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen wie hohe Impulsivität und sensation seeking beschrieben (Dervaux et al. 2001). Da der gleiche Zusammenhang in Durchschnittspopulationen seit langem bekannt (und intuitiv zu erwarten) ist, wurde der Schluss gezogen, dass psychotische Patienten aus ähnlichen Gründen und Motivationen wie andere Menschen konsumieren und keine „Selbstbehandlung“ ihrer psychotischen Symptome durch den Konsum betreiben (Übersichten in: Mueser et al. 1998, Lee u. Meltzer 2001). Ebenfalls gegen die Gültigkeit der Selbstmedikationshypothese werden Befunde gewertet, wonach der Substanzmissbrauch bei den meisten ko-

2.1 Modell der sekundären Suchtentwicklung

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morbiden Patienten dem Ausbruch der Psychose mit Positivsymptomatik vorausgeht (z. B. Allebeck et al. 1993, Hambrecht u. Häfner 1996). Auf der anderen Seite zeigen aber mehrere Studien, dass der Entwicklung des Substanzmissbrauchs oft uncharakteristische Beschwerden und Probleme vorausgehen, die im Nachhinein als Prodromalsymptome der Psychose gewertet werden können (Hambrecht u. Häfner 1996, Gut-Fayand et al. 2001). Der Substanzmissbrauch könnte dann auch als ungerichteter Selbstbehandlungsversuch bei diffusem, unspezifischen Unwohlsein verstanden werden (Mueser et al. 1998). Da die Prodromalsymptome sich typischerweise in einem jungen Alter entwickeln und mit den alterstypischen Reifungsprozessen und der Festigung der personalen Identität interagieren, kann die soziale Komponente des Substanzmissbrauchs auch als unbeholfener Versuch der Identitätsentwicklung bei vulnerablen, von psychotischer Fragmentierung bedrohten Persönlichkeiten verstanden werden. Dass gerade diejenigen „präpsychotischen“ Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die impulsiver sind und neue Erfahrungen suchen, diesen „Lösungsversuch“ einschlagen, braucht nicht zu verwundern (Dervaux et al. 2001). Diese kürzlich formulierte Sicht vermag Forschungsbefunde zu integrieren, die auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen (Gut-Fayand et al. 2001). Mit dieser Sicht verwandt ist ein neueres Affektregulationsmodell des Substanzmissbrauchs bei schizophrenen Patienten, das als Alternative zur ursprünglichen Selbstmedikationshypothese formuliert wurde, aber u. E. auch als Variante oder Erweiterung dieser Hypothese verstanden werden kann (Blanchard et al. 1999, 2000). Nach dem Affektregulationsmodell sind es die gleichen oder ähnlichen überdauernden Persönlichkeitsdimensionen und -eigenschaften, die bei primär gesunden und bei schizophrenen bzw. präschizophrenen Menschen zur Entwicklung eines Substanzmissbrauchs prädisponieren: Neigung zu negativen Affekten und Neurotizismus, sowie starke Impulsivität und Disinhibition. Diese Eigenschaften interagieren mit psychosozialem Stress und begünstigen insbesondere bei maladaptiven Copingstrategien und Problemlösedefiziten die Entwicklung eines Substanzmissbrauchs als Coping gegen den negativen affektiven Zustand oder auch um eine positive Stimmung zu induzieren. In Zusammenhang mit Befunden, die bei schizophrenen Patienten bereits vor Ausbruch der Erkrankung vermehrt Tendenzen zu negativer Affektivität, Neurotizismus und Impulsivität, sowie Stressintoleranz und defizitärem Coping zeigen, vermag dieses Modell die hohe Komorbidität zwischen Psychosen und Sucht zu erklären. Ferner erklärt es, warum der Substanzmissbrauch in den meisten Fällen sich bereits vor dem Ausbruch der Psychose manifestiert, und warum er sich in vielen Fällen über lange Zeiträume quasi als Trait aufrechterhält, obwohl die schizophrene Symptomatik Änderungen und Fluktuationen unterworfen ist. Schließlich kommt dieses Modell ohne den Zusammenhang zwischen einzelnen Symptomen

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2 Erklärungsmodelle

und bestimmten, präferierten Substanzgruppen aus, der in den meisten Untersuchungen nicht nachgewiesen werden konnte. Unabhängig von den Aspekten der Selbstbehandlung und/oder Affektregulation könnte die Entwicklung eines Substanzmissbrauchs bei schizophrenen Patienten auch durch soziale Faktoren begünstigt werden. Trotz der intensiven Bemühungen der letzten Jahrzehnte in Richtung Resozialisierung und Integration bedeutet die schizophrene Erkrankung für die meisten Patienten leider immer noch einen sozioökonomischen Abstieg. Im Sinne des social drift befindet sich somit der Lebensraum der Patienten häufig in sozialen Brennpunkten, wo deviantes Verhalten einschl. Alkohol- und Drogenkonsum ohnehin verbreiteter ist als in anderen Wohngebieten. Soziale Randgruppen mit normabweichendem Verhalten könnten sich auch gegenüber Menschen mit anderen Auffälligkeiten toleranter zeigen, sodass schizophrene Patienten innerhalb solcher Gruppen sich möglicherweise eher angenommen und wohler fühlen (Übersicht in: Müller-Thomsen et al. 1994, Mueser et al. 1998). Diese Zusammenhänge werden durch keine Daten direkt gestützt, sie leuchten allerdings intuitiv ein. Zu den Modellen der sekundären Suchtentwicklung wird schließlich auch das Supersensitivitätsmodell gezählt, das seinerseits auf dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell der Schizophrenie basiert (Zubin u. Spring 1977) und den Suchtstoffen die Rolle eines Stressors zuschreibt (Übersicht in Mueser et al. 1998). Ausgangspunkt für dieses Modell sind Beobachtungen, wonach schizophrene Patienten häufig relativ geringe Mengen von Suchtstoffen konsumieren (z. B. Lehman et al. 1994), seltener eine körperliche Abhängigkeit und andere organische Nachfolgeschäden durch die Suchtstoffe entwickeln (Drake et al. 1990, Mueser et al. 1999), und dennoch häufig unangenehme Akuteffekte bzw. Akutkomplikationen erleben und insbesondere bei geringen Dosen von Stimulanzien und Halluzinogenen psychotische Symptome entwickeln bzw. einen psychotischen Rückfall erleben (Lieberman et al. 1987, Knudsen u. Vilmar 1984, Drake et al. 1989, Swofford et al. 1996, Gupta et al. 1996). Daraus resultiert, dass der negative Einfluss des Konsums auf den Verlauf der Psychose sich auch bei relativ geringen Konsummengen zeigt, die ansonsten nicht den Kriterien eines Missbrauchs entsprochen hätten (Drake et al. 1989). Das Supersensitivitätsmodell wird derzeit unter anderen Modellen zur Erklärung der Komorbidität Psychose und Sucht favorisiert. Unseres Erachtens nimmt es eine Zwischenposition zwischen den beiden Grundmodellen der sekundären Suchtentwicklung und der sekundären Psychoseentwicklung oder -induktion ein: Es setzt zwar eine primäre Vulnerabilität für eine Psychose voraus, andererseits impliziert es aber auch negative Einflüsse des Konsums auf den Verlauf der Psychose. Somit könnte das Supersensitivitätsmodell auch als bidirektionales Modell verstanden werden.

2.2 Modell der Psychoseinduktion

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2.2 Modell der Psychoseinduktion Das zweite Modell der Psychoseinduktion durch den Konsum bezieht sich insbesondere auf die Wirkungen von Cannabis, Halluzinogenen (z. B. LSD und Psilocybin-Pilze) und Stimulanzien. Alkohol, Opiate und Sedativa werden kaum als ätiologische Faktoren von schizophrenen Psychosen diskutiert. Hierzu passen Befunde großer epidemiologischer Studien aus verschiedenen Ländern. Dalmau et al. (1999) untersuchten ca. 1250 schwedische Patienten mit Amphetamin-, Cannabis- oder Opiatabhängigkeit, und fanden, dass ca. 30% der Patienten mit Amphetamin- oder Cannabisabhängigkeit, aber weniger als 6% der opiatabhängigen Patienten die Kriterien einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis erfüllten. Farrell et al. (2002) untersuchten eine Population von 3142 Gefängnisinsassen in England und berichteten, dass ein früher Beginn des Stimulanzienkonsums und eine starke Kokain- oder Cannabisabhängigkeit mit einem höheren, aber eine Opiatabhängigkeit mit einem niedrigeren Psychoserisiko assoziiert war. Bei Cannabis und Halluzinogenen weist bereits der „normale“ Rauschzustand mehr oder weniger deutliche Ähnlichkeiten zu der Symptomatik florider schizophrener Psychosen auf (Bowers 1987). Zudem können als Komplikationen des Konsums von Cannabis, Halluzinogenen und Stimulanzien sog. drogeninduzierte schizophreniforme Psychosen mit einer Dauer von mehreren Tagen bis Wochen auftreten (Übersichten in: Poole und Brabbins 1996, Johns 2001). Das zweite Modell der Komorbidität sieht jedoch darüber hinaus vor, dass durch den Konsum dieser Substanzen Psychosen de novo induziert oder „ausgeklinkt“ werden, die im Folgenden auch ohne Fortsetzung des Konsums den weiteren Verlauf einer schizophrenen Psychose nehmen. Als Wirkmechanismus für diese Psychoseinduktion wurden die aus dem tierexperimentellen Bereich bekannten Phänomene der sog. behavioralen Sensitisation oder des „kindling“ vorgeschlagen: Hierbei kommt es bei wiederholter gleichdosierter Applikation eines Stimulans oder bei wiederholter elektrischer Stimulation zu einer Verstärkung der behavioralen oder elektrophysiologischen Antwort (Lieberman et al. 1990, Übersicht in: Mueser et al. 1998). Das Modell der Psychoseinduktion durch den Drogenkonsum wird durch die klinische Erfahrung bzw. Befunde gestützt, wonach Drogenund insbesondere Cannabiskonsum dem Ausbruch von akuten Psychosen häufig vorausgeht (Cleghorn et al. 1991, Kovasznay et al. 1993, Linszen et al. 1994, Hambrecht u. Häfner 1996, Holtmann et al. 2002). Allerdings wurde dieser Befund nicht immer bestätigt (z. B. Soyka et al. 1993), und darüber hinaus konnten Hambrecht u. Häfner (1996) mit einer methodisch aufwendigen, differenzierten Zeitverlaufsanalyse nachweisen, dass uncharakteristische Prodromalsymptome der Psychose der Suchtentwicklung häufig vorausgehen (Hambrecht u. Häfner 1996, Häfner et al. 2002).

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2 Erklärungsmodelle

Seit Ende der 1980er Jahre wird als starkes Argument für die Gültigkeit des Modells der Psychoseinduktion die bekannte prospektive schwedische Rekrutenstudie zitiert (Andreasson et al. 1987). Bei dieser Studie wurde in den Jahren 1969/1970 eine große unselektierte Kohorte von ca. 45 000 jungen Wehrdienstsoldaten untersucht und anschließend bis 1983 weiterverfolgt. Diejenigen Soldaten, die in der Eingangsuntersuchung Erfahrungen mit Cannabis angegeben hatten, hatten ein 2,4faches Risiko bis zum zweiten Untersuchungszeitpunkt an Schizophrenie zu erkranken. Bei Soldaten mit regelmäßigem Cannabiskonsum (mindestens 50-mal) war das Risiko sogar auf das 6-Fache erhöht. Allerdings erfüllten 60% der Cannabiskonsumenten bei der Eingangsuntersuchung die Kriterien für mindestens eine andere psychiatrische Störung. Dieses Vorliegen einer weiteren psychiatrischen Störung bei der Eingangsuntersuchung, sowie auch weitere Faktoren, wie z. B. ein problematischer familiärer Hintergrund, waren ebenfalls mit einem erhöhten Risiko assoziiert später an Schizophrenie zu erkranken. Schließlich wiesen über 90% derjenigen 274 Personen, die zum zweiten Untersuchungszeitpunkt die Kriterien für eine Schizophrenie erfüllten, keinen regelmäßigen Cannabiskonsum in der Vorgeschichte auf. Die Autoren selbst waren zurückhaltend mit ihren Interpretationen und äußerten, dass ihre Daten letztlich keine Unterscheidung zwischen Ursachen und Folgewirkungen erlaubten (Andreasson et al. 1987). Tatsächlich könnten die Ergebnisse der genannten schwedischen Studie auch im Sinne der Selbstmedikations- oder Affektregulationshypothese interpretiert werden (s. oben). Andreasson et al. (1987) führten das Vulnerabilitätsmodell von Zubin und Spring (1977) auf, und schlugen vor, dass der Cannabiskonsum als Stressor angesehen werden könnte, der bei einer entsprechenden biologischen Vulnerabilität den Ausbruch der Erkrankung triggern bzw. beschleunigen könnte. Diese Annahme ist kompatibel mit dem mehrfach replizierten Befund, dass komorbide Patienten mit der Doppeldiagnose Psychose und Drogen-, vor allem Cannabismissbrauch, beim Ausbruch der Schizophrenie durchschnittlich jünger sind als schizophrene Patienten ohne die Komorbidität (Breakey et al. 1974, Tsuang et al. 1982, Kovasznay et al. 1997, Addington u. Addington 1998, Dixon 1999, Green et al. 2004, Veen et al. 2004, Van Mastrigt et al. 2004, Barnes et al. 2006). Zu einer ähnlichen Einschätzung kamen Vardy und Kay (1983) hinsichtlich der Rolle von LSD als Trigger von Psychosen. Die Autoren verfolgten ersterkrankte psychotische Patienten mit aktuellem LSD-Konsum, die zunächst als LSD-induzierte Psychosen diagnostiziert worden waren, über drei bis fünf Jahre, und verglichen sie mit einer Gruppe ersterkrankter schizophrener Patienten ohne Drogenkonsum: Beide Gruppen wiesen vergleichbare psychopathologische Merkmale und ähnlich hohe Inzidenzen von Psychosen in der Familienanamnese, sowie einen vergleichbaren Verlauf bzw. Rückfallfrequenz im Follow-up-Zeitraum auf (Vardy u. Kay

2.2 Modell der Psychoseinduktion

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1983). Die Schlussfolgerungen von Andreasson et al. (1987) und Vardy und Kay (1983) implizieren, dass die schizophrene Erkrankung zumindest bei den meisten Patienten zu einem späteren Zeitpunkt nach anderen stressreichen Ereignissen auch ohne Drogenkonsum ausgebrochen wäre. Die letztere Annahme wäre kompatibel mit der bis vor kurzem allgemein akzeptierten Lehrmeinung einer stabilen Prävalenz und Inzidenz der Schizophrenie in den verschiedenen Ländern und über verschiedene Zeiträume bei variablen Gesamtprävalenzen und Mustern des Substanzmissbrauchs (Übersicht in Blanchard et al. 2000). Dennoch sind die Anteile der Drogeneffekte und der biologischen Prädisposition bzw. Vulnerabilität an der Genese der Schizophrenie im Einzelfall schwer abschätzbar (Satel u. Edell 1991). Letztlich erscheint es durchaus möglich, dass bei manchen Patienten mit der Doppeldiagnose die Psychose ohne einen relevanten Drogenkonsum nie ausgebrochen bzw. „ausgeklinkt“ worden wäre. Neuere Untersuchungen scheinen die zuletzt genannte Möglichkeit zu unterstützen und unterstreichen die Rolle des Cannabiskonsums als Risikofaktor für den Ausbruch einer Psychose. Im Rahmen einer zweiten Follow-up-Erhebung der schwedischen Rekrutenkohorte von Andreasson et al. (1987) wurden nach 27 Jahren die ursprünglichen Ergebnisse bestätigt und erweitert (Zammit et al. 2002). Der dosisabhängige Effekt von Cannabis blieb signifikant auch nach Adjustierung für verschiedene möglicherweise konfundierende soziodemographische Faktoren, für den IQ, die Persönlichkeitsvariablen, für die Auffälligkeiten in der kindlichen Entwicklung und für den Konsum anderer Drogen, auch nach Ausschluss der Fälle mit Manifestation der Psychose innerhalb von fünf Jahren nach der Musterung. Somit wurden mit großer Wahrscheinlichkeit die Fälle ausgeschlossen, bei denen der Cannabiskonsum in die Prodromalphase der Psychose fiel. Zusätzlich wurde eine Spezifizität gezeigt, der Cannabiskonsum hing zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung mit dem Nachweis einer schizophrenen, aber nicht mit einer anderen psychotischen Störung (affektiv oder wahnhaft) im Katamnesezeitpunkt zusammen. Die aussagekräftigste Studie ist u. E. die Dunedin-Studie aus Neuseeland, bei der eine repräsentative Population von über 1000 Personen prospektiv im Alter von 11, 15, 18 und 26 Jahren untersucht wurde (Arseneault et al. 2002). Cannabiskonsum im Alter von 15 und/oder 18 Jahren lässt ein höheres Maß an subklinischen psychotischen Symptomen im Alter von 26 voraussagen, dieser Effekt blieb signifikant nach Adjustierung für subklinische psychotische Symptome im Alter von 11 Jahren. Cannabiskonsum im Alter von 15 Jahren lässt auch die Diagnose einer schizophreniformen Störung, aber nicht einer depressiven Störung, im Alter von 26 Jahren voraussagen. Dieser Effekt war allerdings nach Adjustierung für subklinische psychotische Symptome im Alter von 11 Jahren nicht mehr signifikant, dieser Befund passt zu der Annahme einer Interaktion zwischen neurobiologischer Vulnerabilität und Cannabiskonsum.

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Ein Zehntel der Personen mit Cannabiskonsum im Alter von 15 Jahren, aber nur 3% der Personen ohne Cannabiskonsum hatten im Alter von 26 Jahren eine schizophreniforme Störung (Arseneault et al. 2002). In Einklang mit der Dunedin-Studie stehen auch die Ergebnisse der Christchurch-Studie, einer weiteren prospektiven Studie aus Neuseeland (Fergusson et al. 2003, 2005). Diese verfolgte 1265 Kinder von Geburt an bis zum Alter von 21 Jahren und zeigte eine Assoziation von Cannabisabhängigkeit mit subklinischer psychotischer Symptomatik im Alter von 18, 21 und 25 Jahren. Diese Assoziation blieb nach Adjustierung für verschiedene soziodemographische Parameter und für eine vorbestehende subklinische psychotische Symptomatik im Alter von 16 Jahren signifikant. Auch die Ergebnisse einer griechischen Querschnittstudie mit einem repräsentativen Sample von 3500 Personen im Alter von 19 Jahren passen hierzu: Cannabiskonsum hing hier generell mit psychopathologischen Dimensionen aus dem Bereich von Positiv- und Negativsymptomen, aber nicht aus dem depressiven Symptombereich, zusammen. Personen, die bereits mit 15 Jahren oder früher mit dem Cannabiskonsum begonnen hatten, zeigten ein stärkeres Ausmaß an subklinischer psychotischer Symptomatik als Personen mit späterem Einstiegsalter in den Cannabiskonsum. Auch in der niederländischen NEMESIS-Studie (Netherlands Mental Health Survey and Incidence Study) mit über 4000 Erwachsenen und einer Follow-up-Zeit von drei Jahren, in der süddeutschen EDSP-Studie (Early Developmental Stages of Psychopathology) mit knapp 2500 Adoleszenzen und jungen Erwachsenen und einer Follow-up-Zeit von vier Jahren und in der niederländischen Zuid-Holland-Studie mit über 1500 Kindern und Adoleszenten und einer Follow-up-Zeit von 14 Jahren ließ der Cannabiskonsum eine Aussage über das Ausmaß späterer subklinischer psychotischer Symptome zu (Van Os et al. 2002, Henquet et al. 2005 a, Ferdinand et al. 2005 a, b). In der EDSP-Studie war dieser Effekt viel stärker, wenn bereits bei der Baseline subklinische psychotische Symptome im Sinne einer vermuteten Prädisposition bestanden; auf der anderen Seite hatte die gleiche Prädisposition keinen Voraussagewert hinsichtlich einer späteren Entwicklung eines Cannabiskonsums (Henquet et al. 2005 a). Allerdings zeigte sich bei der Zuid-Holland-Studie zusätzlich dieser zweite Effekt, weswegen die Autoren eher ein anderes Modell gemeinsamer Vulnerabilitätsfaktoren oder eines bidirektionalen kausalen Zusammenhanges favorisierten (Ferdinand et al. 2005 a, b, vgl. auch Abschnitte 2.3 und 2.4). Zusammenfassend sprechen neuere, methodisch anspruchsvolle epidemiologische Studien für eine Rolle des Drogen- und insbesondere des Cannabiskonsums als eine Komponente bei der Ätiologie der Schizophenie. Dabei werden sowohl ein Dosiseffekt als auch ein Effekt des Einstiegsalters in den Cannabiskonsum deutlich (Übersichten in Arseneault

2.2 Modell der Psychoseinduktion

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et al. 2004, Henquet et al. 2005 b, Fergusson et al. 2006). Für die vermutete komplexe Interaktion zwischen neurobiologischer Vulnerabilität für eine Psychose und Cannabiseffekten sprechen neuere Ergebnisse aus der neuseeländischen Dunedin-Studie, wonach ein funktioneller Polymorphismus des an der Verstoffwechselung von Dopamin beteiligten COMTGens mit den Cannabiseffekten interagiert. Unter den Personen mit Cannabiskonsum seit der Adoleszenz hatten nur die Träger eines oder beider Val-Allele des COMT-Gens eine höhere Wahrscheinlichkeit im Verlauf psychotische Symptome und eine schizophreniforme Störung zu entwickeln (Caspi et al. 2005). Auch experimentell wurde in einer doppelblind-, placebokontrollierten Studie bestätigt, dass der funktionelle COMT-Polymorphismus die psychopathologischen und kognitiven Akuteffekte von D-9-THC moduliert (Henquet et al. 2006). Selbstverständlich ist der Cannabiskonsum weder ausreichend, noch obligat bzw. zwingend erforderlich für die Manifestation einer Psychose, dennoch könnte er nach aktuellen Kalkulationen auf der Basis der Literatur für ca. 10% der Schizophreniefälle maßgeblich sein (Van Os et al. 2002, Arseneault et al. 2004, Fergusson et al. 2006, Hickman et al. 2007, Linszen u. van Amelsvoort 2007). Schließlich ist es hochinteressant, dass die ehemals allgemein akzeptierte Lehrmeinung einer stabilen Prävalenz und Inzidenz der Schizophrenie neuerdings in Zweifel gezogen wird. Zahlreiche Faktoren wie Urbanität, ethnische Zugehörigkeit, Migrationsstatus und frühe Traumata haben einen Einfluss auf die Häufigkeit der Erkrankung und scheinen für Inzidenzunterschiede von bis zu 100% verantwortlich zu sein (Boydell et al. 2001, Kirkbride et al. 2006, Morgan et al. 2007). In diesem Zusammenhang ist eine britische Studie erwähnenswert, die die Inzidenz der Schizophrenie in Camberwell, einem Gebiet im Südosten von London mit hohem Anteil von Bewohnern mit Migrationshintergrund, in den drei Jahrzehnten von 1965 bis 1997 untersuchte. Es wurden eine Verdoppelung der Inzidenz, vor allem bei der jüngeren Untergruppe unter 35 Jahren, sowie eine Vorverschiebung des Erstmanifestationsalters bei Zunahme des Cannabiskonsums im Jahr vor der Erstmanifestation gezeigt (Boydell et al. 2003, 2006). Parallel hierzu verglich die britische AESOP-Studie eine stark urbanisierte Region von Südlondon, die mäßig urbane Region von Bristol und die halb urbane, halb ländliche Region von Nottingham und man stellte fest, dass die Inzidenz der Schizophrenie in Südlondon aktuell doppelt so hoch ist wie in den zwei anderen Regionen (Kirkbride et al. 2006). Ein allgemeiner Anstieg des Cannabiskonsums in den letzten 10–15 Jahren und eine Vorverlagerung des Einstiegsalters in den Konsum gelten als gesichert. Zudem wird angenommen, dass dieser Anstieg des Konsums in Südlondon stärker ausgeprägt war als in den Gebieten von Bristol und Nottingham. Letztlich wird spekuliert, dass die Zunahme des Cannabiskonsums die erhöhte Inzidenz der Schizophrenie in Südlondon

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zumindest teilweise erklären könnte (Boydell et al. 2006, Murray et al. 2006, Hickman et al. 2007). Wenn es in der nächsten Zukunft tatsächlich gelingen sollte diesen Nachweis zu führen und zu zeigen, dass Cannabiskonsum mit einer Steigerung der Inzidenzrate für die Schizophrenie assoziiert ist, dann wäre dies ein sehr starkes Argument für das zweite Modell der Psychoseinduktion durch den Drogenkonsum. In diesem Rahmen ist es auch bedeutsam, dass in den letzten Jahren stärker wirksame Cannabisprodukte aus Züchtungen mit hohem D9-THC-Gehalt im Umlauf sind.

2.3 Modell der gemeinsamen ätiologischen Faktoren Das dritte Grundmodell sieht vor, dass sowohl die schizophrene Psychose als auch die Sucht eine gemeinsame neurobiologische Grundlage bzw. einen gemeinsamen prädisponierenden Faktor aufweisen. Da sowohl schizophrene Psychosen als auch Suchtstörungen jeweils starke genetische Komponenten aufweisen, liegt es nahe auch für die Komorbidität eine genetische Grundlage anzunehmen. Allerdings haben die bisherigen Daten aus Familienstudien und einer Zwillingsstudie in ihrer Gesamtschau die genetische Hypothese nicht stützen können (Kendler 1985, Kendler u. Gardner 1997, Mueser et al. 1998, Blanchard et al. 2000). Dennoch werden einige präklinische und klinische Befunde dahingehend interpretiert, dass die neurobiologischen Grundlagen der Schizophrenie gleichzeitig diejenigen neuronalen Mechanismen begünstigen, die die positiven Verstärkungseffekte psychotroper Substanzen (reward) vermitteln und somit die Vulnerabilität für eine Suchtentwicklung erhöhen (Chambers et al. 2001). Konkret handelt es sich hierbei um die Annahme einer Dysfunktion des zentralen dopaminergen Systems im gleichen zerebralen Netzwerk bei der Schizophrenie und der Sucht. Als klinisches Argument für eine gemeinsame biologische Prädisposition wird herangeführt, dass schizophrene Patienten regelmäßig ihren Konsum weiterführen, obwohl sie negative Auswirkungen und insbesondere eine Exazerbation ihrer psychotischen Symptome unter den Drogen erleben (Seibyl et al. 1993, DeQuardo et al. 1994, Addington u. Duchak 1997, Dixon 1999, Gerding et al. 1999, Chambers et al. 2001). Weitere Argumente für diese sog. primary addiction hypothesis der Komorbidität wurden von Chambers et al. (2001) ausführlich dargelegt. Sie werden hier im Folgenden kurz zusammengefasst und durch die Abbildungen 2.2 und 2.3 illustriert. Der gemeinsame biologische Mechanismus aller psychotropen Substanzen mit Abhängigkeitspotenzial ist bekanntermaßen die Verstärkung der Freisetzung von Dopamin (DA) von Projektionen aus dem ventralen Tegmentum in den Nucleus accumbens (NclAcc) (mesolimbisches dopami-

2.3 Modell der gemeinsamen ätiologischen Faktoren

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biologische Grundlagen der Schizophrenie

schizophrene Symptomatik

Vulnerabilität für Sucht

Abb. 2.2. Schematische Darstellung der primary addiction hypothesis der Komorbidität Psychose und Sucht (mod. n. Chambers et al. 2001)

nerges Belohnungssystem, reward system). Verlangen nach dem Suchtstoff (Craving) wird durch Stimuli induziert oder verstärkt, die die dopaminerge Aktivität im mesolimbischen reward system verstärken. Hierzu gehören Stress und behaviorale Verstärker wie z. B. das Betreten der Stammkneipe, kleine Mengen des Suchtstoffes und Substanzen mit DA-agonistischen Eigenschaften. Chronischer Konsum führt zu neuroadaptiven Prozessen im NclAcc (veränderte DA-Rezeptor-Signaltransduktion, Abnahme inhibitorischer G-Proteine), die ihrerseits die präfrontale Kontrolle über den NclAcc beeinträchtigen und zu einer Disinhibition des Konsumverhaltens beitragen könnten. Im Rahmen der DA-Hypothese der Schizophrenie wird angenommen, dass bei schizophrenen Patienten die dopaminergen Neurone, die in den NclAcc projizieren, hyperaktiv sind (mesolimbisches System), während die dopaminergen Neurone, die in den präfrontalen Kortex (PFC) projizieren (mesokortikales System), eine verminderte Aktivität aufweisen. Im Rahmen der aktuellen Glutamat-DA-Hypothese der Schizophrenie wird ferner angenommen, dass primär defiziente glutamaterge Projektionen vom PFC zum NclAcc eine verstärkte DA-Aktivität im NclAcc zur Folge haben. Ein Vergleich dieser Dysfunktionen bei der Schizophrenie mit den bereits genannten Auswirkungen des Substanzmissbrauchs lässt den Schluss zu, dass die krankheitsbedingte funktionelle Störung des Netzwerkes in der Schizophrenie sich wie die Veränderungen durch den Konsum auswirken müsste. So führt z. B. eine Dysbalance dopaminerger Systeme zugunsten der subkortikalen (gegenüber den kortikalen) Strukturen tierexperimentell zu einer Verstärkung der Ansprechbarkeit für behaviorale Effekte von Stimulanzien. Stress führt vermutlich über eine gesteigerte DA-Freisetzung sowohl zu Craving und Suchtverhalten im Tierexperiment als auch zu einer Exazerbation psychotischer Symptome bei schizophrenen Patienten. Bei der Schizophrenie sind Dysfunktionen nicht nur im PFC, sondern auch im Hippocampus bekannt. Diese Dysfunktionen könnten Beeinträchtigungen sowohl der kortikalen, als auch der hippocampalen Kontrolle der Aktivität des NclAcc mit sich bringen und zu einer Disinhibiti-

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2 Erklärungsmodelle

normal

Schizophrenie / Sucht

präfrontaler Kortex

präfrontaler Kortex

Thalamus

Thalamus Nac

Nac CA1 VTA (Dopamin)

Subiculum

Fimbria/Fornix

Hippocampus

CA1 VTA (Dopamin)

Subiculum

Fimbria/Fornix

Hippocampus

Abb. 2.3. Neurobiologische Grundlagen einer gemeinsamen Ätiologie von Psychose und Sucht („primary addiction hypothesis“) (mod. n. Chambers et al. 2001); VTA ventrales Tegmentum, Nac Nucleus accumbens, CA1 Region 1 des Ammonshorns

on des mesolimbischen DA-Systems beitragen. Auf der anderen Seite führen Läsionen des Hippocampus tierexperimentell zu einer Hypersensitivität auf dopaminerge Stimulationen, die stärker ist als diejenige nach Läsionen des PFC und der Amygdala. Auch diese Ergebnisse legen nahe, dass die hippocampale Dysfunktion bei der Schizophrenie zu einer Verstärkung der dopaminergen Responsivität auf der Ebene des NclAcc (wie beim Substanzmissbrauch) und somit zu einer erhöhten Vulnerabilität für eine Suchtentwicklung und -aufrechterhaltung führen könnte. Eine Verstärkung der dopaminergen Aktivität im mesolimbischen System führt experimentell zu einer Zunahme der Rewardeffekte durch neue Reize, aber auch zu einer Abnahme normaler Extinktionseffekte bei wiederholter Darbietung gleicher Reize und zu einer Abnahme des konditionierten Vermeidungsverhaltens bei Kopplung mit aversiven Reizen. Dieser Effekt könnte erklären, warum schizophrene Patienten trotz negativ erlebter Exazerbation ihrer psychotischen Symptome ihren Konsum weiterführen. Die neurobiologischen Grundlagen der primary addiction hypothesis nach Chambers et al. (2001) sind in der Abbildung 2.3 schematisch dargestellt. Die „primary addiction hypothesis“ wird neuerdings auch durch Untersuchungen mit einem tierexperimentellen Entwicklungsmodell der Schizophrenie gestützt: es handelt sich um das etablierte Modell der neonatalen ventralen Hippocampusläsion (NVHL) von Lipska und Weinberger (1993). Hierbei wird Ratten kurz nach der Geburt eine mesiotemporale Läsion gesetzt, die insbesondere den Bereich des Hippocampus und Parahippocampus erfasst. Bei solchen Läsionen finden sich in der Folge bio-

2.3 Modell der gemeinsamen ätiologischen Faktoren

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chemische und zelluläre Adaptationen in den Projektionsgebieten des ventralen Hippocampus einschließlich des präfrontalen Cortex und Ncl. accumbens. Bei den NVHL-Ratten zeigen sich im Erwachsenenalter behaviorale Auffälligkeiten, die ihre Analogie in Verhaltensmerkmalen und kognitiven Defiziten bei Patienten mit Schizophrenie haben. So zeigen die NVHL-Tiere lokomotorische Überreaktionen auf Stress, Umgebungswechsel und dopaminerge Stimulation, die sich nach Einnahme von Antipsychotika (teil)reversibel zeigen, ferner Defizite von „sensory gating“ (PPI), „latent inhibition“ und Arbeitsgedächtnis, sowie abnorme soziale Interaktionen. Interessanterweise zeigen dieselben NVHL-Ratten im Erwachsenenalter bei Verfügbarkeit von Kokain ein ausgeprägteres Selbstinjektionsverhalten, das als stärkere Suchtanfälligkeit interpretiert werden kann. Ferner zeigen die NVHL-Ratten nach 2-wöchiger Abstinenz und dann erneuter Verfügbarkeit von Kokain wiederum ein rasch eskalierendes Selbstinjektionsverhalten, das als stärkeres Drug seeking und stärkere Rückfallgefährdung interpretiert werden kann (Chambers u. Self 2002). Schließlich zeigen die NVHL-Ratten stärkere lokomotorische Reaktionen nach einmaliger Gabe und stärkere lokomotorische Sensitisation nach wiederholter Gabe von Kokain (Chambers u. Taylor 2004). Chambers und Mitarbeiter (2001) folgern in ihrer „primary addiction hypothesis“, dass eine primär erhöhte Vulnerabilität für die Entwicklung und Aufrechterhaltung eines Substanzmissbrauchs als Merkmal der Schizophrenie angesehen werden soll. Dieses Modell hat den Vorteil, dass es mit variablen Reihenfolgen in der Manifestation der verschiedenen Symptome vereinbar ist (d. h. ein Missbrauch kann sich vor, gleichzeitig oder nach dem Auftreten psychotischer Symptome entwickeln). Schließlich impliziert es, dass spezielle Behandlungs- und vielleicht sogar spezielle Präventionsmaßnahmen gegen eine Suchtentwicklung frühzeitig in die Planung der Behandlung von Patienten mit Schizophrenie integriert werden sollten (Chambers et al. 2001). Als ein weiterer Faktor, der die Häufigkeit der Komorbidität Psychose und Sucht erklären könnte, wurde von Mueser und Mitarbeitern (1997, 1998, 1999) das Vorliegen einer antisozialen Persönlichkeitsstörung (APS) diskutiert. Hintergrund dieser Hypothese ist, dass die APS eine sehr hohe Komorbiditätsrate mit Suchterkrankungen, und nach den Ergebnissen einiger Studien, u. a. der Epidemiologic Catchment Area Study (ECA), auch eine erhöhte Komorbidität mit schizophrenen Psychosen aufweist (Mueser et al. 1998, Moran u. Hodgins 2004). Des weiteren fanden Mueser und Mitarbeiter (1997) bei DD-Patienten mit APS (eigentlich sollten diese Patienten Tripeldiagnose-Patienten heißen) einen schwereren Verlauf der Psychose, einen früheren Beginn und ein stärkeres Ausmaß des Konsumverhaltens, eine stärkere familiäre Belastung mit Suchtstörungen sowie ausgeprägtere soziale Beeinträchtigungen und aggressive Verhaltensweisen. Mueser und Mitarbeiter (1998) mutmaßen, dass die „Tri-

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2 Erklärungsmodelle

peldiagnose-Patienten“ mit einer APS eine besonders schwer betroffene Untergruppe unter den DD-Patienten darstellen, für die möglicherweise andere therapeutische Maßnahmen sinnvoll wären.

2.4 Versuch einer Integration In den vorangegangenen Kapiteln wurden die drei Grundmodelle der Komorbidität als sich gegenseitig ausschließend dargestellt. Von den jeweiligen Verfechtern der Modelle wird auch tatsächlich häufig so argumentiert, wie wenn nur ein Modell richtig sein könnte. Letztlich weist jedoch jedes Modell seine Stärken und Schwächen auf. Aus der klinischen Erfahrung heraus würde man meinen, dass bei einzelnen Patienten der Selbstmedikations- oder Affektregulationsaspekt im Vordergrund steht, während bei anderen aus der Vorgeschichte die Induktion der Psychose durch den Drogenkonsum sehr wahrscheinlich erscheint. Wie so oft, könnte auch hier die Wahrheit in der Integration nur scheinbar gegensätzlicher Positionen liegen. Unseres Erachtens ist es vorstellbar, dass das eine Modell besser auf eine Patientengruppe und das andere Modell besser auf eine andere Untergruppe passt. Widersprüchliche Studienbefunde könnten durch die vermutete Heterogenität innerhalb der Gruppe der komorbiden Patienten erklärt werden. Schließlich ist es vorstellbar und sogar sehr plausibel, dass selbst bei einem einzelnen Patienten eine Kombination aus Mechanismen der verschiedenen Modelle vorliegen kann (Mueser et al. 1998). So wäre in einem bidirektionalen Modell möglich, dass sich ein Substanzmissbrauch primär als ungünstiger Copingversuch bei vulnerablen Jugendlichen oder jungen Erwachsenen mit uncharakteristischen Prodromalsymptomen der Schizophrenie, emotionalen Problemen und defizitären Problemlöseressourcen entwickelt, dass aber in der Folge der Konsum den Ausbruch der Psychose weiter begünstigt bzw. beschleunigt, sofern es sich um Drogen wie Cannabis, Halluzinogene und Stimulanzien handelt (Kombination aus dem ersten und dem zweiten Modell). In Einklang mit diesem bidirektionalen Modell fanden Hides und Mitarbeiter (2006) in einer longitudinalen Studie mit 84 ersterkrankten Psychosepatienten über sechs Monate, dass Cannabiskonsum ein Prädiktor für einen späteren psychotischen Rückfall war; zugleich war aber eine Zunahme psychotischer Symptome auch ein Prädiktor für einen späteren Rückfall in den Cannabiskonsum. Auch in der niederländischen Zuid-Holland-Studie mit über 1500 Kindern und Adoleszenten und einer Follow-up-Zeit von 14 Jahren sagte ein Cannabiskonsum in der Adoleszenz das spätere Auftreten subklinischer psychotischer Symptome voraus, und zugleich wiesen subklinische psychotische Symptome in der Baseline auf eine spä-

2.4 Versuch einer Integration

Konsum (primär)

gemeinsame biologische Vulnerabilität für Schizophrenie und Missbrauch /Abhängigkeit

Psychose

prodromale Symptome

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sozialer Drift

Positivsymptome

Negativsymptome

NL

NW

Konsum (Selbstmedikation)

Konsum (sozial determiniert)

Abb. 2.4. Integratives Modell der Komorbidität Psychose und Sucht; NL Neuroleptika, NW Nebenwirkung

tere Entwicklung eines Cannabiskonsums hin (Van Os et al. 2002, Henquet et al. 2005 a, Ferdinand et al. 2005 a, b). Da schließlich anzunehmen ist, dass zumindest Teilaspekte aus allen drei Grundmodellen Gültigkeit besitzen, können im Einzelfall Aspekte aus einem, zwei oder sogar allen drei Modellen wirksam werden. Das resultierende komplexe integrative Modell wird schematisch in der Abbildung 2.4 dargestellt. Aus der bidirektionalen Pfeilrichtung an verschiedenen Stellen dieses Modells wird deutlich, dass auf mehreren Ebenen „Teufelskreise“ möglich sind, indem die direkten Symptome und/oder die indirekten Auswirkungen der Psychose einerseits durch die Drogenwirkungen verstärkt werden und andererseits den Konsum dieser Substanzen begünstigen. Aus diesem Teufelskreis können Patienten ohne intensive spezielle therapeutische Hilfen nur sehr schwer herauskommen. Natürlich trifft dieses Modell in seiner Gesamtkomplexität nicht auf jeden Patienten zu. Im Einzelfall wird die Gewichtung der verschiedenen Pfade oder „Pfeilrichtungen“ unterschiedlich sein, einzelne Pfade mögen

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2 Erklärungsmodelle

überhaupt nicht wirksam sein. Durch detaillierte Anamneseerhebung und nach längerer Beobachtung eines Patienten wird es manchmal möglich sein, die Gewichtung zumindest einzelner Pfade abzuschätzen. Dies könnte für die Aufklärung dieses individuellen Patienten und für die Planung der sinnvollen Interventionen bedeutsam sein. Letztlich kann aber diese Gewichtung aus wissenschaftlicher Sicht nie zuverlässig sein. Aus diesem Grund ist es verständlich, dass sich in der Literatur der letzten Jahre die neutralen Begriffe Komorbidität und Doppeldiagnose (Dual Diagnosis) zunehmend durchgesetzt haben (z. B. Kranzler u. Rounsaville 1998). Diese bedeuten lediglich das gleichzeitige Auftreten der zwei Störungen und verzichten vollständig auf die Implikation eines ätiologischen Zusammenhangs. Es sollte beachtet werden, dass der Begriff Doppeldiagnose in der Literatur nicht nur zur Beschreibung der Komorbidität Schizophrenie und Sucht verwendet wird, sondern auch für die Beschreibung anderer psychiatrischer Komorbiditäten wie z. B. Angststörung und Depression, oder Depressive Störung und Persönlichkeitsstörung, oder Persönlichkeitsstörung und Sucht. Im vorliegenden Buch wird der Begriff Doppeldiagnose (und die Abkürzung DD) ausschließlich zur Beschreibung der Komorbidität Schizophrenie und Sucht verwendet.

3 Verlauf

Über den Verlauf der Sucht bei Patienten mit schizophrenen Psychosen existieren relativ wenig Daten. Eine Studie mit ca. 150 Patienten mit der Doppeldiagnose Schizophrenie und Sucht (DD-Patienten) und einer Follow-up-Dauer von sieben Jahren fand vergleichbare Remissionsraten von der Sucht wie in anderen Populationen von Patienten mit Missbrauch und/oder Abhängigkeit von psychotropen Substanzen (Bartels et al. 1995). Westermeyer und Schneekloth (1999) untersuchten 29 DD-Patienten und 296 Patienten mit reiner Suchtstörung und kamen auch zu dem Schluss, dass die Komorbidität mit der schizophrenen Psychose den Verlauf der Sucht wenig modifiziert. Hingegen spricht eine Fülle von Studienergebnissen dafür, dass die komorbide Suchtstörung den Verlauf der Psychose deutlich beeinflusst. Im Folgenden werden Übersichtsarbeiten und einige größere Studien aus den letzten Jahren referiert. Hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen Suchtentwicklung und bestimmten klinischen Syndromen oder Symptomen der Schizophrenie lässt sich aus der Literatur kein klares Bild ableiten. Schizophrene Patienten berichten durchaus über subjektiv positive Effekte durch den Konsum von Suchtstoffen, wie z. B. Stimmungsaufhellung, Abnahme von Anspannung und Ängstlichkeit und Besserung der Kontaktfähigkeit (z. B. Dixon et al. 1991). Vereinzelt wurde von einer stärkeren depressiven Symptomatik bei DD-Patienten berichtet (Strakowski et al. 1994, Margolese et al. 2004), auf der anderen Seite wurde aber auch gezeigt, dass depressive Symptome in der Abstinenz sich nicht verschlechtern und sich manchmal sogar bessern können (Sevy et al. 1990, Brady et al. 1993). Viele Patienten schildern, dass ihre Positivsymptome, wie z. B. Wahrnehmungsveränderungen und paranoide Gedanken, nach dem Konsum von bestimmten Substanzen, wie z. B. Cannabis und Kokain, stärker werden (Dixon et al. 1991, Johns 2001). Einige Autoren berichteten, dass DD-Patienten generell mehr Positiv- und/oder weniger Negativsymptome und ein geringer ausgeprägtes Defizitsyndrom aufweisen (Allebeck et al. 1993, Soyka 1994, Serper et al. 1995, Kirkpatrick et al. 1996, Häfner et al. 2002, Buhler et al. 2002, Bersani et al. 2002 a, b, Green et al. 2004, Margolese et al. 2004, Potvin et al. 2006), andere konnten jedoch diese Zusammenhänge nicht bestätigen (Gearon et al. 2001). Schließlich wurde vereinzelt von Assoziatio-

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3 Verlauf

nen zwischen dem Konsum bestimmter Substanzen und Positiv- oder Negativsymptomen berichtet, diese Daten sind jedoch ebenfalls inkonsistent (z. B. Mueser et al. 1991, Soni et al. 1991, Krausz et al. 1996, Brunette et al. 1997, Verdoux et al. 2003, Grech et al. 2005). Ein Teil dieser negativen und widersprüchlichen Befunde könnte auf methodische Aspekte zurückgeführt werden. So wird in vielen Studien nicht zwischen den verschiedenen Substanzgruppen oder zwischen aktuellem und früheren Konsum unterschieden (Übersicht in Blanchard et al. 2000). Darüber hinaus wird seit langem vermutet, dass die DD-Patienten keine in sich homogene Gruppe darstellen (Tsuang et al. 1982, Mueser et al. 1998). Letztlich können aber in der Quintessenz keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen dem Substanzkonsum und bestimmten Symptomen der Schizophrenie erhärtet werden (Miller et al. 1994, Duke et al. 2001). Hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen Sucht und Langzeitverlauf der Psychose ist das Bild deutlich einheitlicher. Fast alle Untersuchungen, darunter einige mit großen Fallzahlen, zeigen mehr psychotische Rückfälle, häufigere notfallmäßige Vorstellungen und stationäre Aufnahmen und einen insgesamt chronischeren Krankheitsverlauf bei DD-Patienten im Vergleich zu schizophrenen Patienten ohne komorbide Suchtstörung (Drake et al. 1989, Bartels et al. 1993, Linszen et al. 1994, 1997, Haywood et al. 1995, Kozaric-Kovacic 1995, Shaner et al. 1995, Gupta et al. 1996, Swofford et al. 1996, Gerding et al. 1999, Swofford et al. 2000, CantorGraae 2001, Jackson et al. 2001, Hunt et al. 2002, Dervaux et al. 2003, Grech et al. 2005, Hides et al. 2006). Insbesondere der Cannabiskonsum steht hier im Fokus der Betrachtung und hat sich in einigen Studien als ein sehr starker oder sogar als der stärkste Prädiktor für psychotische Rückfälle erwiesen (Linszen et al. 1994, 1997, Hides et al. 2006). Diese hohe Rückfallfrequenz kann eine Folge direkter Effekte psychotomimetischer Substanzen wie Cannabis und Stimulanzien sein (Miller et al. 1994), sie kann aber auch mit der schlechteren Compliance von DD-Patienten zusammenhängen. Mehrere Studien bestätigen die klinische Erfahrung, dass DD-Patienten häufiger die Behandlung unterbrechen und insbesondere gegenüber der neuroleptischen Medikation ambivalent oder negativ eingestellt sind (Owen et al. 1996, Dixon 1999, Häfner et al. 2002, Margolese et al. 2004). Besonders wichtig erscheint, dass der negative Einfluss des Konsums auf die Behandlungscompliance und den Verlauf der Psychose sich auch bei relativ geringen Konsummengen zeigt, die ansonsten nicht den Kriterien eines Missbrauches entsprochen hätten (Drake et al. 1989). Ferner legen die Studien nahe, dass DD-Patienten durch ihre häufigeren Exazerbationen und stationären Aufnahmen immer wieder intermittierend höhere Neuroleptikadosen erhalten, sodass insgesamt über längere Zeiträume gesehen mehr Schwankungen in der Medikation und nicht unbedingt geringere Gesamtdosen resultieren (D’Mello et al. 1995,

3 Verlauf

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Swofford et al. 2000). Möglicherweise hängt es auch damit zusammen, dass bei DD-Patienten mehr extrapyramidale Nebenwirkungen beschrieben wurden (Duke et al. 2001) und offenbar unabhängig von der konsumierten Substanz im Verlauf häufiger tardive Dyskinesien auftreten (Dixon et al. 1992, Zaretsky et al. 1993, Bailey et al. 1997, Lopez u. Jeste 1997, Buckley 1998, Swoford et al. 2000). Es ist ebenfalls denkbar und plausibel, dass die oft schlechteren soziorehabilitativen Ergebnisse bei DD-Patienten mit der geringeren Compliance und den wiederholten Unterbrechungen der neuroleptischen Langzeitbehandlung zusammenhängen. Mehrfach wurde gezeigt, dass DD-Patienten durchschnittlich mehr alltagspraktische Schwierigkeiten haben, unter stärkeren finanziellen und familiären Problemen leiden und in schlechteren Wohnverhältnissen leben bzw. häufiger obdachlos sind (Drake et al. 1989, Osher et al. 1994, Dixon et al. 1995, Shaner et al. 1995, Kozaric-Kovacic 1995, Caton et al. 1995, Greig et al. 2006). Nur sehr wenige Studien konnten keine Assoziationen des komorbiden Substanzgebrauchs mit der Rückfallfrequenz und dem sozioökonomischen Status von schizophrenen Patienten nachweisen (Mueser et al. 1991, Dixon et al. 1991, Duke et al. 2001). Darüber hinaus wurde wiederholt von Assoziationen der Komorbidität Psychose und Sucht mit aggressivem und gewalttätigem Verhalten sowie mit Inhaftierungen berichtet (Abram u. Teplin 1991, Cuffel et al. 1994, Caton et al. 1994, Hodgins et al. 1996, Räsänen et al. 1998, Soyka 2000 a, b, Soyka et al. 2001, Cantor-Graae 2001, Swanson et al. 2002, Serper et al. 2005). Dies steht im Einklang mit den Ergebnissen der großen epidemiologischen ECAStudie, die bei Gefängnisinsassen mit der Diagnose Schizophrenie Komorbiditätsraten mit Sucht von über 90% feststellte (Regier et al. 1990). Schließlich ist die Doppeldiagnose Schizophrenie und Sucht mit einer höheren Frequenz von Suizidversuchen und Suiziden und mit einer höheren Mortalität im Vergleich zu nicht komorbiden Patienten mit Schizophrenie assoziiert (Krausz et al. 1996, Heilä et al. 1999, Gut-Fayand 2001, Soyka et al. 2001, Dervaux et al. 2003, Greig et al. 2006). In der Zusammenschau erscheint es gesichert, dass Missbrauch/Abhängigkeit den Verlauf und die Behandlung der Schizophrenie komplizieren: DD-Patienten haben einen schlechteren Behandlungsverlauf, werden vielfach Fälle einer „Drehtürpsychiatrie“ und neigen zur Chronifizierung. Die überwiegend jungen, männlichen DD-Patienten wurden bereits als die Gruppe der neuen Chronischen identifiziert; eine große Kerngruppe unter den schizophrenen Patienten, die zunehmend eine therapeutische Herausforderung darstellt (Dixon 1999, Lee u. Meltzer 2001, Hunt et al. 2002). Sehen jedoch alle prognostisch relevanten Befunde bei DD-Patienten negativ aus? Könnte es sein, dass die Komorbidität mit Sucht lediglich eine Untergruppe der schizophrenen Patienten charakterisiert, die bereits primär eine schlechte Prognose hat und/oder schlecht auf die Behandlungsmaßnahmen anspricht? Diese Frage ist schwer zu beantworten, aller-

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3 Verlauf

dings sprechen die verfügbaren Daten eher nicht für die letztere Hypothese. So wurde z. T. berichtet, dass DD-Patienten häufiger Neuroleptika (NL)-Nonresponder seien (Knudsen u. Vilmar 1984, Bowers et al. 1990, Green et al. 2004), andere Studien zeigten aber bei DD-Patienten eine gute oder sogar bessere Symptomreduktion unter Medikation im Vergleich zu anderen Patienten mit Schizophrenie (Dixon et al. 1991, Sevy et al. 2001). Ebenfalls ergeben sich aus der Literatur Hinweise, dass DD-Patienten im psychosozialen Bereich primär, d. h. prämorbid weniger beeinträchtigt sein könnten als andere Patienten mit Schizophrenie. In einer frühen Studie mit 46 schizophrenen Patienten berichteten Breakey et al. (1974), dass DD-Patienten, die vor dem Ausbruch der Psychose Konsumenten von Cannabis, Halluzinogenen oder Stimulanzien waren, ein besseres prämorbides soziales Anpassungsniveau hatten als schizophrene Patienten ohne nennenswertes Konsumverhalten. Sie wiesen unauffälligere soziale Kontakte, freundschaftliche und gegengeschlechtliche Beziehungen auf, sowohl in der Adoleszenz als auch in der Zeit unmittelbar vor der Erstmanifestation der Psychose, und dies, obwohl sie zum Zeitpunkt der Erstmanifestation durchschnittlich vier Jahre jünger waren als die Patienten, die keinen Drogenkonsum hatten. Auch Tsuang et al. (1982) berichteten, dass chronische DD-Patienten gesündere prämorbide Persönlichkeitsmerkmale aufwiesen als schizophrene Patienten ohne komorbiden Substanzmissbrauch. Ähnlich waren schließlich auch die Ergebnisse von Dixon und Mitarbeitern (1991), Arndt und Mitarbeitern (1992) und Larsen und Mitarbeitern (2006) an Stichproben von 83 bzw. 131 und 130 schizophrenen Patienten, worunter jeweils ca. 40–50% der Fälle die Kriterien von Missbrauch oder Abhängigkeit von mindestens einer psychotropen Substanz erfüllten (überwiegend Cannabis, Alkohol und Kokain). Die DDPatienten hatten prämorbid schlechtere schulische Leistungen, aber eine durchschnittlich unauffälligere psychosexuelle Entwicklung und/oder ein allgemein besseres prämorbides soziales Anpassungsniveau mit mehr Kontakten und sozialen Aktivitäten. Auch andere Studien ergaben scheinbar widersprüchliche Befunde. So wurden DD-Patienten einerseits als besonders impulsiv, fremdaggressiv und/oder selbstgefährdend und in schlechteren finanziellen und Wohnverhältnissen lebend beschrieben, zugleich aber auch als weniger bizarr und sozial zurückgezogen, weniger defizitär bzw. besser sozial adaptiert und kompetenter (Schwarz u. Goldfinger 1981, Kay et al. 1989, Drake u. Wallach 1989, Kirkpatrick et al. 1996, Penk et al. 2000). Dieses Paradoxon wurde so interpretiert, dass DD-Patienten im Vergleich zu anderen Patienten mit Schizophrenie „eigentlich“ eine relativ gute Prognose haben könnten, weil sie primär weniger defizitär, weniger anhedon und weniger antriebsarm sind. Zu dieser Interpretation passen die Ergebnisse einer neueren fMRT-Studie, bei der DD-Patienten eine relativ unauffällige Reaktion auf emotional negative Bilder und ein unauffälliges Aktivierungs-

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muster in medial präfrontalen Regionen und der Amygdala aufwiesen, während die nicht komorbiden Patienten eine geringere subjektive Reaktion und keine Aktivierung in den relevanten Hirnregionen zeigten (Mancini-Marie et al. 2006). Das eher geringe Ausmaß der primären Defizite könnte theoretisch den DD-Patienten erlauben, sich in einer Weise so zu sozialisieren, dass sie überhaupt in Kontakt mit Drogen kommen, ein Interesse daran entwickeln und in der Lage sind, sich diese zu beschaffen. Der Konsum würde sekundär den Verlauf der Psychose ungünstig beeinflussen, sodass die DD-Patienten ohne eine adäquate Behandlung letztlich eine chronische Psychose entwickeln. Grundsätzlich könnten sie aber von strukturierten, geeigneten Behandlungssettings profitieren und dann eine bessere Prognose haben (Dixon et al. 1991, Penk et al. 2000). Diese Interpretation leuchtet u. E. aus der klinischen Erfahrung heraus zumindest für manche Patienten ein. In Einklang mit dieser auf den ersten Blick kontraintuitiven Sicht sind auch die Ergebnisse einer sorgfältigen Studie von Sevy und Mitarbeitern (2001) bei 118 Erstepisodenpatienten mit Schizophrenie, darunter 23% DD-Patienten. Alle Patienten wurden nach ca. 6-monatiger Behandlung und Stabilisierung mit einer ausführlichen neurokognitiven Testbatterie untersucht. Zwischen DD- und Nicht-DD-Patienten wurden keine Gruppenunterschiede in den Tests zur exekutiven Kontrolle, zur Aufmerksamkeit, zum Gedächtnis und zu visuospatialen Fertigkeiten gefunden, allerdings hatten die DD-Patienten höhere, d. h. bessere Scores in den Tests, die am ehesten das prämorbide kognitive Niveau widerspiegeln (Allgemeinwissen, Wortschatz, Lesefertigkeiten) sowie beim Gesamt-IQ, VerbalIQ und tendenziell auch beim Handlungs-IQ. Weitere Studien berichteten zwar von schlechteren kognitiven Leistungen bei DD-Patienten mit Alkoholismus (Bowie et al. 2005), ansonsten jedoch von sehr uneinheitlichen Ergebnissen und z. T. auch besseren Leistungen der DD-Patienten im Vergleich zu Patienten mit reiner Schizophrenie bei frontal exekutiven Funktionen, Aufmerksamkeit und Gedächtnis (Sevy et al. 1990, Serper et al. 2000, Liraud u. Verdoux 2002, Smelson et al. 2002 a, 2003, Carey et al. 2003, Joyal et al. 2003, Pencer u. Addington 2003, Herman et al. 2004, Potvin et al. 2005, Stirling et al. 2005, McCleery et al. 2006, Wobrock et al. 2007, Jockers-Scherübl et al. 2007). Eine Studie verglich 25 cannabiskonsumierende mit 25 nicht cannabiskonsumierenden Patienten mit Schizophrenie und fand mehr neurologische „soft signs“ bei der zweiten Gruppe (Bersani et al. 2002 a). Schließlich wurden auch bei hirnmorphometrischen Untersuchungen mittels Schädel-MR entweder keine Unterschiede in der Hirnmorphologie zwischen DD- und Nicht-DD-Patienten oder sogar tendenziell geringere Auffälligkeiten bei den DD-Patienten im Sinne von weniger hyperintensen Marklagerläsionen, Atrophien und Ventrikelasymmetrien gefunden (Scheller-Gilkey et al. 1999, Cahn et al. 2004). Lediglich bei DD-Patienten mit Alkoholismus wurden stärkere Volumen-

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minderungen in kortikalen und subkortikalen Strukturen im Vergleich zu Nicht-DD-Patienten festgestellt (Mathalon et al. 2003, Sullivan et al. 2003). In der Zusammenschau sprechen diese Befunde gegen die Annahme einer zwangsläufig schlechten Prognose für die DD-Patienten unabhängig von ihrem Konsumverhalten. Sie unterstreichen den Sinn und die Notwendigkeit einer Intensivierung der therapeutischen Bemühungen um diese schwierige Patientengruppe der neuen Chronischen, und sie lassen therapeutischen Nihilismus ungerechtfertigt erscheinen. Im folgenden Kapitel werden die Konsequenzen der Komorbidität für die Behandlung von Patienten mit schizophrener Psychose diskutiert.

4 Therapie

4.1 Allgemeine Therapieprinzipien Die Behandlung von Patienten mit der Doppeldiagnose Psychose und Sucht (DD-Patienten) ist eine besondere therapeutische Herausforderung, erfordert sie doch die Verzahnung von Vorgehensweisen, die in gewisser Weise konträr erscheinen. Gemeint sind hiermit Konzepte aus der psychiatrischen Krankenversorgung und aus der Suchttherapie. Die beiden Versorgungssysteme haben sich in den vergangenen Jahrzehnten unabhängig und getrennt voneinander entwickelt: die psychiatrische Krankenversorgung mit stützend-fürsorglichem Charakter und die Suchttherapie mit Betonung bzw. Konfrontation mit der Eigenverantwortlichkeit des Patienten (Loneck u. Way 1997). Diese unterschiedlichen Behandlungsphilosophien basieren auf traditionellen – aber aus heutiger Sicht nicht umfassend korrekten – ätiologischen Vorstellungen, die den schweren psychiatrischen Störungen den Charakter einer Krankheit, der Sucht aber eher den Charakter einer Verhaltensauffälligkeit bzw. Fehlhaltung zuweisen (Übersicht in Osher u. Drake 1996). Als logische Konsequenz dieser Vorstellungen wurde die Suchtbehandlung traditionell größtenteils von nichtärztlichen Therapeuten durchgeführt, die wenig Erfahrung mit der Behandlung anderer psychiatrischer Patienten haben. Auch heute noch besteht bei traditionellen Suchttherapeuten und bei einigen Selbsthilfegruppen eine große Skepsis gegenüber psychotropen Medikamenten, da der Weg aus der Sucht und die Gesundung „aus eigener Kraft“ erfolgen sollten. In traditionellen suchttherapeutischen Einrichtungen sind einerseits die Therapeuten mit der Behandlung von psychotischen Patienten, andererseits aber auch die psychotischen Patienten mit dem häufig konfrontativen Stil der Behandlung und den Mitpatienten überfordert. Bei vielen suchttherapeutischen Einrichtungen stellt somit die Diagnose einer Psychose ein Ausschlusskriterium für eine stationäre Aufnahme dar. Auf der anderen Seite bereitet aber die Behandlung von DD-Patienten auf allgemeinpsychiatrischen Stationen durch das erforderliche Maß an Kontrollen und Konsequenz ebenfalls große Probleme und Belastungen sowohl für die Mitpatienten als auch für das Personal.

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4 Therapie

Im Folgenden wollen wir uns der Frage nähern, wie ein effektives Behandlungsprogramm für DD-Patienten angesichts dieser Schwierigkeiten aussehen könnte.

4.1.1 Sequenziell, parallel oder integriert? Sequenzielle und parallele Behandlung sind die beiden traditionellen Therapiemodelle für DD-Patienten (Übersichten in: Ridgely et al. 1990, Drake u. Mueser 2000). In der Vergangenheit wurde fast immer das sequenzielle Modell praktiziert, d. h. die beiden Störungen wurden nacheinander behandelt (z. B. erst Erreichen einer stabilen Abstinenz vom Suchtstoff, dann intensive psychiatrische Behandlung/Rehabilitation oder zunächst Stabilisierung der Psychose in einer psychiatrischen Klinik, dann Entwöhnung in einer suchttherapeutischen Einrichtung). Die Forderung einer weitgehenden Remission der einen Störung als Voraussetzung für die Inanspruchnahme qualifizierter Behandlung für die andere führte dazu, dass viele Patienten „durch die Maschen“ der beiden Behandlungs- und Versorgungssysteme fielen, da sie die jeweiligen Eingangsvoraussetzungen nicht erfüllen konnten. Im Gegensatz hierzu werden beim verbreiteten parallelen Vorgehen beide Störungen gleichzeitig, jedoch in getrennten Institutionen behandelt (z. B. Hellerstein u. Meehan 1987). DD-Patienten können beispielsweise ihre psychiatrische Therapie as usual (teil)stationär oder ambulant erhalten und parallel Termine bei einer Suchtberatungsstelle und Selbsthilfegruppen wahrnehmen. Dieses parallele Modell hat zweifelsohne Vorteile gegenüber dem sequenziellen Modell. Dennoch ist seine Umsetzung in die Praxis häufig problematisch und durch die divergenten traditionellen Philosophien der zwei Versorgungssysteme erschwert: Die Patienten werden mit unterschiedlichen Interaktionsstilen, Bewertungen und Ratschlägen zu ihren Problemen konfrontiert und müssten selbst die Gewichtung und Integration leisten, was freilich oft misslingt. Diese Probleme führen zu einer Verunsicherung der Patienten und machen letztlich den parallelen Behandlungsansatz nahezu ähnlich ineffizient wie den sequenziellen (Minkoff et al. 1989, Ridgely et al. 1990, Ridgely u. Jerrell 1996, Drake u. Mueser 2000). Mittlerweile herrscht Einigkeit darüber, dass die Behandlung von DDPatienten als integrierte Behandlung beider Störungen durch einen Therapeuten bzw. ein Therapeutenteam durchgeführt werden soll, das über Erfahrung und Kompetenz in der Behandlung beider Störungen verfügt (Minkoff 1989, Ziedonis u. Fisher 1994, Osher 1996, Drake et al. 1996, 1997, 1998, Drake u. Mueser 2000, Brunette et al. 2004, Brunette u. Mueser 2006, Green et al. 2007). Hierbei sollen stützend-fürsorgliche Konzepte aus der psychiatrischen Krankenversorgung und klassische suchtthera-

4.1 Allgemeine Therapieprinzipien

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peutische Ansätze in einer Gratwanderung aufeinander angepasst werden. Die Behandlung der psychiatrischen Behinderungen und die Förderung der eigenen Verantwortlichkeit für die Genesung sollen in Abhängigkeit vom aktuellen Befinden bzw. von der Erkrankungsphase des jeweiligen Patienten flexibel gewichtet werden. Die Integration von Psychose- und Suchtbehandlung aus einer Hand wird heute als entscheidend für den Behandlungserfolg angesehen (s. auch Abschnitt 4.3). Auch im Bereich der rehabilitativen Behandlung und der komplementären Einrichtungen werden integrierte Modelle favorisiert: Hierfür liegt sogar eine randomisierte, kontrollierte Studie mit 121 DD-Patienten und einem Katamnesezeitraum von 18 Monaten vor, die die Vorteile eines höheren Integrationsgrades des Betreuungsangebotes hinsichtlich Haltequote, Zufriedenheit und psychiatrischer Symptomatik nachweist (McHigo et al. 2004).

4.1.2 Wie lang? Wie intensiv? Welches Setting? Die Tatsache, dass DD-Patienten unter multiplen Beeinträchtigungen leiden, ließ in den 1990er Jahren vielerorts intensive Behandlungsprogramme mit mehreren Therapiestunden pro Tag und einer Dauer von Wochen bis zu einem halben Jahr erfolgsversprechend erscheinen. Manche Studien wurden in therapeutischen Heimeinrichtungen durchgeführt (Bartels u. Drake 1996, Blankertz u. Cnaan 1994, Rahav et al. 1995, Burnam et al. 1995), andere hatten ein stationäres oder teilstationäres Setting (Hanson et al. 1990, Bachman et al. 1997, Mowbray et al. 1995, Moggi et al. 1999 a). Parallel zu der klassischen psychiatrischen Behandlung und Rehabilitationsmaßnahmen wurden Psychoedukations- und verhaltenstherapeutische (VT)-Gruppen sowie Familieninterventionen angeboten. Moggi et al. (1999 a) konnten keine Veränderungen hinsichtlich des Konsumverhaltens nachweisen, immerhin fanden sie aber eine Besserung der Wohnund sozioökonomischen Situation sowie der Psychopathologie bei den DD-Patienten vor, die ein viermonatiges stationäres Behandlungsprogramm absolvierten. Gemessen an dem hohen therapeutischen Aufwand waren jedoch die Ergebnisse dieser Studien insgesamt ernüchternd. Vereinzelt wurden Teilerfolge verzeichnet, überwiegend wurden jedoch hohe bis sehr hohe Drop-out-Raten von 45–85% berichtet. Diejenigen Patienten, die die Behandlung nicht abbrachen, hatten kurzfristig einen positiven Verlauf hinsichtlich Konsum und psychotischer Symptomatik. Nach Beendigung der intensiven Therapiephase konnten jedoch nur sehr wenige von diesen Patienten die Erfolge halten: Innerhalb weniger Monate wiesen sie Rückfallraten von bis zu 90–95% auf (Übersicht und Analyse in: Drake et al. 1998). Somit ist die Effektivität und erst recht die Effizienz kurz- bis mittelfristiger, intensiver Programme ohne anschließende längere ambulante

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Behandlung als begrenzt zu bewerten. Die hohen Drop-out-Raten könnten bedeuten, dass die meisten DD-Patienten nicht in der Lage sind die Dichte an therapeutischen Interventionen dieser Programme zu tolerieren. Andere Studien deuten darauf hin, dass ein größerer Anteil von DD-Patienten von niederschwelligen, schwerpunktmäßig ambulanten integrierten Therapiemaßnahmen profitieren können, insbesondere wenn die Behandlung langfristig angelegt ist. Einzelne Studien zeigten bereits Erfolge nach einer Behandlungsdauer von sechs Monaten (Granholm et al. 2003), eine größere Zahl von Studien berichteten noch längere Behandlungsdauern von einem bis zu vier Jahren (z. B. Drake et al. 1993 b, 1997, Godley et al. 1994, Bartels et al. 1995). Neben niedrigen Drop-out-Raten von 0 bis 25% wurden Stabilisierungen der Psychose mit Abnahmen der Hospitalisierungsfrequenz, Besserungen der sozialen Anpassung und/oder Reduktionen der Konsummengen berichtet. Auch wenn das hohe Ziel der Abstinenz häufig nicht erreicht wird, sind diese Teilerfolge beachtlich und sollten in ihrer Alltagsrelevanz nicht unterschätzt werden (Drake u. Mueser 2000, Drake et al. 2001). Gemäß dieser Ergebnisse sollte die Schwerpunktsetzung der Behandlung von DD-Patienten in den ambulanten Sektor angesiedelt werden und sich hauptsächlich auf langfristig angelegte, niederschwellige Programme konzentrieren, die dem häufig chronisch-rezidivierenden Verlauf von Psychose und Sucht Rechnung tragen. Zu dieser Schlussfolgerung kommt auch eine neuere Analyse von 26 kontrollierten Studien aus den Jahren 1994 bis 2003, darunter 16 Studien im ambulanten und 10 Studien im stationären Setting bzw. Heimsetting (Drake et al. 2004). Unabhängig davon müssen natürlich stationäre Behandlungen zeitlich begrenzt erfolgen, wenn eine Entgiftung ambulant nicht durchführbar erscheint und/oder eine psychotische Exazerbation stabilisiert bzw. eine Lebenskrise abgefangen werden muss (Drake u. Noordsy 1995, Greenfield et al. 1995). Zweifelsohne wird es aber immer auch die schwerst gestörten DD-Patienten geben, die bspw. aufgrund ausgeprägter Desorganisation, Impulsivität oder antisozialen Tendenzen von der ambulanten Behandlung auch langfristig nicht profitieren können. Für diese Patienten sollten geeignete, integrierte Angebote im rehabilitativ-stationären Setting bzw. in komplementären Einrichtungen vorgehalten werden und diese sollten nach den Analysen von Drake und Mitarbeitern (2004) und Brunette und Mitarbeitern (2004) idealerweise – ähnlich wie die ambulanten Programme – langfristig angelegt sein.

4.1 Allgemeine Therapieprinzipien

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4.1.3 Abstinenzfordernd oder abstinenzorientiert? Traditionelle suchttherapeutische Einrichtungen stellen üblicherweise hohe Anforderungen an die Abstinenzmotivation ihrer Klienten. Wer einen Therapieplatz für eine Entwöhnungsbehandlung erhalten will, muss in der Regel durch starke Entschlossenheit für diesen Weg überzeugen und einen hohen Grad an Einschränkungen und externalen Kontrollen akzeptieren. Rückfälle bedeuten immer noch häufig das Ende der stationären Behandlung. Wer diesen harten Weg geht, muss klar vor Augen haben, wofür sich die Anstrengung lohnt, und er muss auch eine Hoffnung bzw. Zuversicht haben, dass er mit entsprechender Hilfe sein Ziel erreichen kann. Viele Patienten werden jedoch von diesen abstinenzfordernden Therapieangeboten nicht erreicht, entweder, weil sie die Notwendigkeit bzw. den Sinn einer absoluten Abstinenz nicht einsehen oder weil sie keine Hoffnung (mehr) haben, dass sie sich von ihrer Sucht befreien könnten. Patienten mit der Doppeldiagnose Psychose und Sucht (DD-Patienten) erscheinen häufig wenig motiviert ihre Konsumgewohnheiten zu ändern. Bei einer großen Studie mit 224 DD-Patienten sahen mehr als 50% keine Notwendigkeit bzw. keinen Sinn darin ihren Konsum – überwiegend Alkohol, Cannabis und Kokain – zu reduzieren (Ziedonis u. Trudeau 1997). Auf der einen Seite fällt es vielen Patienten schwer nachzuvollziehen, dass ihr Konsum tatsächlich gesundheitsschädigend sein und mit ihrer Psychose interferieren soll. Dies trifft insbesondere für Cannabis zu, dessen Gebrauch stark verbreitet ist und in weiten Kreisen als harmlos gilt. Auf der anderen Seite entfallen bei vielen Psychosepatienten mit ungünstigem Verlauf die ansonsten für eine Abstinenzmotivation entscheidenden Ziele: Wenn man z. B. langzeitarbeitslos oder erwerbsunfähig ist, dann spielt es keine Rolle, ob man morgens in der Lage ist pünktlich aufzustehen. Und wenn man keinen Partner hat und zurückgezogen lebt, gibt es auch keinen, der sich durch den Konsum gestört fühlt, sodass eine Trennung oder Distanzierung zu befürchten wäre. Folglich entfällt auch in diesem Fall die Grundlage der Abstinenzmotivation, die für viele Suchtpatienten einen entscheidenden Motor darstellt. Viele DD-Patienten sind durch ihre Lebensumstände frustriert und sie haben so wenig Zuversicht und Vertrauen in ihre Fähigkeiten, dass sie nicht in der Lage sind, auf eine kurzfristige Entlastung oder Dämpfung durch den Konsum zu verzichten (Levy 1993). Aus den genannten Gründen erscheint es nicht sinnvoll, die Abstinenz oder eine langfristige Abstinenzmotivation als Voraussetzung für die Behandlung von DD-Patienten zu definieren. Vielmehr könnte die Stärkung der Abstinenzmotivation und der Abstinenzzuversicht ein wichtiges mittelfristiges Behandlungsziel für die Mehrzahl der DD-Patienten sein (Levy 1993). Ambulante, integrierte Behandlungsprogramme mit einem Schwerpunkt auf motivationalen Interventionen gehören zu den erfolgreichsten

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Programmen (Drake et al. 1993, Mercer-McFadden et al. 1997, Ziedonis u. Trudeau 1997); solche, die die Abstinenzmotivation voraussetzen und keine motivationale Interventionen enthalten, weisen hohe Drop-out-Raten und unzureichende Langzeiteffekte auf (z. B. Kofoed et al. 1986, Lehman et al. 1993, Hellerstein et al. 1995, Übersichten in Drake et al. 1993 a, 1998, 2001). Bei zwischenzeitlichen stationären Aufenthalten und tagesklinischen Behandlungen kommt man u. E. nicht umhin, strengere Grenzen zu setzen und eine zeitlich begrenzte Abstinenz bzw. Abstinenzmotivation für die Dauer des Aufenthaltes zu fordern. Ansonsten erscheint es jedoch legitim das Verbleiben bzw. Halten des Patienten in der Therapie im Sinne der „harm reduction“ als das erste Behandlungsziel anzusehen, um mittelfristig an dem Abstinenzziel zu arbeiten und den Patienten dafür zu stärken (Drake u. Mueser 2000, Drake et al. 2001).

4.1.4 Multiprofessionelle aufsuchende Arbeit, Soziotherapie Den supportiven, fürsorglichen sozialpsychiatrischen Maßnahmen wird eine wichtige Rolle bei der Behandlung der DD-Patienten zugeschrieben. Dies leuchtet unschwer ein, wenn man sich das Ausmaß der Einschränkungen bzw. Defizite dieser Patienten vor Augen führt. DD-Patienten werden in den meisten erfolgreichen Programmen interdisziplinär in multiprofessionellen Teams betreut, die ärztliche und psychologische Beratung und Behandlung mit psychiatrischer Pflege und Unterstützung in verschiedenen sozialen Bereichen verbinden, wie z. B. beim selbständigen Wohnen, der Alltagsstrukturierung und Freizeitgestaltung, bei Behördengängen, finanziellen Angelegenheiten und in Richtung einer beruflichen Integration (Ziedonis u. D’Avanzo 1998, Drake et al. 1998, Wingerson u. Ries 1999, Drake et al. 2001). Sozialarbeiter und/oder psychiatrisches Pflegepersonal suchen die Patienten regelmäßig zu Beginn der Behandlung in ihrer häuslichen Umgebung auf, um sich ein besseres Bild von ihrer Lebenssituation zu machen. Diese aufsuchende Arbeit hat nach den Erfahrungen mehrerer Autoren auch einen starken motivationsfördernden Effekt bei den Patienten, die ansonsten häufig wenig Interesse und Anteilnahme anderer Menschen an ihrem Leben erfahren. Erst nach solchen motivationsfördernden Maßnahmen lassen sich manche Patienten enger an das Behandlungsprogramm anbinden (Drake u. Noordsy 1994, Mercer-McFadden et al. 1997, Ho et al. 1999). Auch im weiteren Verlauf der Behandlung erfolgen Hausbesuche in größeren Abständen. Schließlich eröffnet die Arbeit in multiprofessionellen Teams die Möglichkeit einen Patienten fürsorgend in seinem häuslichen Umfeld aufzusuchen, wenn er zu vereinbarten Terminen nicht erscheint und Anlass zur Sorge besteht.

4.2 Elemente der integrierten Behandlung

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4.1.5 Für welche Patienten? Angesichts der Komplexität der integrierten DD-Behandlung ist es wichtig zu überlegen welche Patienten diese aufwändige Behandlung benötigen und welche davon am ehesten profitieren. Patienten mit einem Abhängigkeitssyndrom sollte auf jeden Fall das Angebot einer integrierten Behandlung gemacht werden, da sie durch die Suchtstörung am schwersten beeinträchtigt sind. Dennoch werden sich Patienten mit schweren Abhängigkeitssyndromen auch schwerer in Therapieprogramme einbinden lassen. Patienten mit einem Substanzmissbrauch sollten ebenfalls das Angebot einer integrierten Behandlung erhalten: Erwartungsgemäß lassen sich diese Patienten eher in ambulante Therapieprogramme einbinden, und sie zeigen höhere Remissionsraten als Patienten mit Abhängigkeit (Bartels et al. 1995). Somit erscheinen die Erfolgschancen bei Patienten mit Missbrauch besser, eine Progression in Richtung Abhängigkeit könnte so möglicherweise verhindert werden. Darüber hinaus sollten die vermutete biologische Vulnerabilität schizophrener Patienten für eine Suchtentwicklung (vgl. Abschnitt 2.3) und die erhöhte Vulnerabilität dieser Patienten für das Auftreten psychotischer Symptome unter entsprechenden Substanzen berücksichtigt werden. Unter diesen Aspekten könnte es sinnvoll sein einzelne Elemente der DD-Behandlung in die Therapie von Patienten mit schizophrenen Psychosen zu integrieren, deren Konsum zwar riskant erscheint, aber (noch) nicht die Kriterien eines Missbrauchs erfüllt. So könnte es u. U. im Sinne einer Sekundärprävention wirksam sein, wenn ein Psychosepatient im Psychoedukativen Training von Therapeuten und Mitpatienten über die Gefahren der Induktion oder Verstärkung von psychotischen Symptomen durch bestimmte Drogen bei gegebener Veranlagung erfährt. Schließlich ist es denkbar, dass selbst Psychosepatienten, die keinen Substanzkonsum betreiben, die jedoch aufgrund ihrer sozialen Situation und der vermuteten biologischen Vulnerabilität gefährdet erscheinen, von entsprechenden psychoedukativen Maßnahmen profitieren könnten (vgl. auch Ziedonis u. D’Avanzo 1998, Chambers et al. 2001). Dieser präventive Aspekt psychoedukativer Maßnahmen erscheint aus der klinischen Erfahrung naheliegend, ist jedoch bisher nicht empirisch untersucht worden.

4.2 Elemente der integrierten Behandlung Bis hier können wir resümieren, dass wir die höchste Effektivität in der Behandlung von DD-Patienten von Programmen erwarten dürfen, die langfristig angelegt sind, überwiegend offen bzw. ambulant durchgeführt

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werden, abstinenzorientiert sind, aber nicht starr die Abstinenz voraussetzen, und Aspekte der traditionellen psychiatrischen Krankenversorgung und der Suchttherapie in einem Setting integrieren (Minkoff 1989, Ziedonis u. Fisher 1994, Ziedonis u. Trudeau 1997, Drake et al. 1998, 2004, Drake u. Mueser 2000). Solche Programme können idealerweise in spezialisierten, multidisziplinären Einheiten, wie z. B. Institutsambulanzen, realisiert werden, die gleichzeitig soziale und berufliche Rehabilitationsarbeit bieten und aufsuchende Arbeit leisten können, und von denen aus auch kurzfristig erforderliche stationäre Interventionen leichter zu organisieren sind (Ziedonis u. Trudeau 1997, Drake et al. 1998, Ho et al. 1999). Welche sind jedoch die wirksamen Einzelelemente einer erfolgreichen Behandlung von DD-Patienten? Drake et al. (1998) analysierten 36 bis dahin publizierte Therapiestudien und fanden, dass die erfolgreichsten Programme auf einer individuell auf das Motivationsstadium des jeweiligen Patienten ausgerichteten Motivationsarbeit basierten. Die seither publizierten Einzelstudien (Bennett et al. 2001, Barrowclough et al. 2001, Haddock et al. 2003, Baker et al. 2006, Bellack et al. 2006) und die neueren Metaanalysen (Drake et al. 2004, Brunette et al. 2004, Green et al. 2007) entsprechen in ihren Kernaussagen dieser wichtigen Übersichtsarbeit von Drake und Mitarbeitern (1998). Die meisten international erprobten Programme entsprechen eklektischen Behandlungsmodellen mit Pharmakotherapie, Elementen aus der Motivationsbehandlung abhängiger Patienten, Psychoedukation, Verhaltenstherapie und ggf. noch einer Verschränkung mit Selbsthilfegruppen. In den folgenden Abschnitten werden die einzelnen Elemente wirksamer Behandlungsprogramme für DD-Patienten näher beschrieben.

4.2.1 Pharmakotherapie Die Grundlage der Behandlung von DD-Patienten ist eine gute und möglichst nebenwirkungsarme Pharmakotherapie. Im Sinne der langfristigen Compliance ist es wichtig, soweit wie möglich auf Vorstellungen und Wünsche der Patienten einzugehen und Klagen oder Ängste über objektiv feststellbare oder auch „nur“ subjektiv wahrgenommene Nebenwirkungen zu berücksichtigen. z Antipsychotika. Die antipsychotische Medikation nimmt die zentrale Stellung in der Pharmakotherapie von Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis ein. Sie dient sowohl der Symptomsuppression und Remission psychotischer Episoden als auch der Rezidivprophylaxe. Klassische Neuroleptika (NL) (z. B. Haloperidol, Fluphenazin u. a.) wirken vornehmlich als Antagonisten am Dopamin-D2-Rezeptor. Sie haben eine gute anti-

4.2 Elemente der integrierten Behandlung

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psychotische Wirksamkeit bezüglich der Positivsymptomatik (Wahn, Halluzinationen, Ich-Störungen u. a.), sind jedoch oft wenig effektiv gegen Negativsymptome (Antriebstörung, Rückzugstendenzen, Anhedonie) und kognitive Störungen (Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefizite, Ablenkbarkeit, Kurzzeitgedächtnisstörungen). Vielmehr können klassische NL selbst dysphorische Befindlichkeitsstörungen hervorrufen sowie Aspekte der Negativsymptomatik, insbesondere die Anhedonie, und möglicherweise auch kognitive Defizite verstärken (Gauldi 1983, Arnt u. Skarsfeldt 1998, Voruganti u. Awad 2004). Ferner sind klassische NL mit einer hohen Rate an extrapyramidalmotorischen Nebenwirkungen behaftet, die für die Patienten subjektiv sehr belastend sind. Wie bereits erwähnt (s. Kapitel 3), respondiert die psychotische Symptomatik von DD-Patienten grundsätzlich gleich gut auf die antipsychotische Medikation wie die Symptomatik von Psychosepatienten ohne Komorbidität. Allerdings gibt es keine überzeugenden Hinweise, dass klassische NL das Konsumverhalten von DD-Patienten günstig beeinflussen. Die Summe der oben erwähnten ungünstigen Effekte der klassischen NL könnten sogar bei manchen DD-Patienten die Tendenz zum Substanzmissbrauch verstärken (Lee u. Meltzer 2001, Voruganti u. Awad 2004). Vereinbar mit dieser Annahme ist der Befund einer höheren Cue-Reaktivität bei kokainabhängigen Patienten mit Schizophrenie und neuroleptischer Medikation im Vergleich zu kokainabhängigen Patienten ohne Schizophrenie (Smelson et al. 2002 c). Gestützt wird diese Annahme auch durch eine experimentelle Studie mit 24 ambulanten DD-Patienten, die hinsichtlich der psychotischen Symptomatik stabil auf ein typisches NL eingestellt waren, aber einen Kokain- oder Amphetaminmissbrauch betrieben (Brown et al. 2003). Bei diesen Patienten wurde nach randomisierter Zuordnung das NL weitergeführt oder abgesetzt. Daraufhin berichteten die Patienten in der Absetzgruppe einen Rückgang ihres Suchtdruckes. Allerdings erlitten acht von den 12 Patienten innerhalb von wenigen Wochen eine Exazerbation der psychotischen Symptomatik und wurden mit einem atypischen Antipsychotikum mediziert (Brown et al. 2003). Neben diesem Ergebnis und dem klinischen Eindruck sprechen auch einzelne tierexperimentelle Befunde dafür, dass klassische NL die neurobiologischen Grundlagen einer Suchtentwicklung verstärken könnten. Beispielsweise wurde berichtet, dass Ratten, die chronisch Haloperidol erhielten, eine verstärkte Sensitivierung bzgl. der psychomotorischen Effekte von Kokain entwickelten (LeDuc u. Mittleman 1993). Im Gegensatz hierzu scheint das atypische Antipsychotikum Clozapin die positiven Effekte von Kokain bei Ratten abzuschwächen (Kosten u. Nestler 1994). Im Vergleich zu den klassischen haben atypische Antipsychotika ein anderes Rezeptor- und Wirkungs-/Nebenwirkungsprofil (Collaborative Working Group on Clinical Trial Evaluations 1998 a, b, Arnt u. Skarsfeldt 1998). Das Rezeptorprofil der meisten atypischen Antipsychotika ist brei-

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ter und umfasst als vermutlich wichtigsten Elemente eine deutliche Blockade der Dopamin-D1- und/oder der Serotonin-5HT2-Rezeptoren sowie eine differenzielle Blockade der mesolimbischen im Vergleich zu den mesostriatalen Dopamin-D2-Rezeptoren. Atypische Antipsychotika sind effektiver in der Behandlung der Negativsymptomatik und der depressiven Befindlichkeitsstörungen von schizophrenen Patienten. Mehrere Studien konnten zeigen, dass unter Clozapin, dem Prototyp der atypischen Antipsychotika, die Suizidalität schizophrener Patienten deutlich abnimmt (Meltzer u. Okayli 1995). Neueste Untersuchungen sprechen dafür, dass atypische Antipsychotika die kognitiven Defizite und Störungen der basalen Informationsverarbeitung bei schizophrenen Patienten günstig beeinflussen (Harvey u. Keefe 2001). Schließlich sind atypische im Vergleich zu den klassischen Antipsychotika mit deutlich weniger extrapyramidalmotorischen Nebenwirkungen behaftet. Sind jedoch atypische den klassischen Antipsychotika auch hinsichtlich der Suchtkomponente bei DD-Patienten überlegen? In der Tat ergaben mehrere Berichte, dass DD-Patienten, die auf atypische Antipsychotika, insbesondere Clozapin, eingestellt wurden, in der Folge ihre Konsummengen reduzieren konnten (Übersichten in Buckley 1998, Green et al. 1999, Lee u. Meltzer 2001). Dieser Effekt könnte theoretisch indirekt bzw. sekundär aus dem günstigeren Wirkungs-/Nebenwirkungsprofil der atypischen Antipsychotika hinsichtlich der psychotischen Symptomatik resultieren, aber er könnte auch eine direkte pharmakologische Beeinflussung von biologischen Grundmechanismen der Suchtentstehung und -aufrechterhaltung widerspiegeln. Die Ergebnisse einer neueren, methodisch differenzierten Untersuchung mit Erfassung von Medikation, Psychopathologie, extrapyramidalmotorischen Nebenwirkungen und Konsummustern bei 122 Patienten sprechen eher für die zweite Möglichkeit (Scheller-Gilkey et al. 2003). Erste Hinweise auf die Effektivität atypischer Antipsychotika bei DDPatienten stammten aus Fallberichten und kleinen retrospektiven Untersuchungen, die eine deutliche Reduktion des Konsums und eine Abnahme des süchtigen Verlangens (craving) nach Alkohol, Stimulanzien oder Cannabis nach Einstellung auf Clozapin beschrieben (Albanese et al. 1994, Yovell u. Opler 1994, Buckley et al. 1994, Marcus u. Snyder 1995, Übersichten in: Buckley 1998, Krystal et al. 1999, Lee u. Meltzer 2001, Potvin et al. 2003, Green et al. 2005). Lee et al. (1998) berichteten anekdotisch, dass DD-Patienten unter Clozapin eine stärkere Reduktion ihres Konsums erreichten im Vergleich zu DD-Patienten unter anderen Antipsychotika. In der Folge untersuchten zwei größere Studien retrospektiv (Zimmet et al. 2000) bzw. prospektiv (Drake et al. 2000) den klinischen Verlauf von DD-Patienten unter Clozapin-Medikation und anderen Antipsychotika und konnten in der Clozapingruppe ebenfalls eine deutliche Reduktion der Konsummengen und eine Besserung der Psychopathologie, insbeson-

4.2 Elemente der integrierten Behandlung

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dere der Negativsymptomatik, feststellen. Zuletzt untersuchten Brunette und Mitarbeiter (2006) prospektiv 115 DD-Patienten, die unter stabiler NL-Medikation über mindestens sechs Monate abstinent waren und berichteten, dass in den Follow-up-Zeiträumen von einem und zwei Jahren die Patienten unter Clozapin-Medikation seltener rückfällig wurden als die Patienten, die mit klassischen Neuroleptika behandelt wurden. Interessanterweise wird auch berichtet, dass Patienten mit schizophrenen Psychosen nach Ein- oder Umstellung auf Clozapin ihren Nikotinkonsum einschränken, während unter Haloperidol-Gabe der Zigarettenkonsum zunehmen kann (McEvoy et al. 1995 a, b, Marcus u. Snyder 1995, George et al. 1996). So gilt Clozapin als ein sehr gutes Mittel zur Behandlung von DD-Patienten (Noordsy u. Green 2003, Potvin et al. 2003, Green 2005, 2006, Brunette et al. 2006). Allerdings ist nach allgemeiner Erfahrung die Gabe von Clozapin bei DD-Patienten aufgrund ihrer schwankenden Compliance häufig problematisch. Es darf auch nicht übersehen werden, dass die Wahl des Antipsychotikums bei allen bisherigen Studien mit Clozapin nach klinischen Gesichtspunkten und nicht nach einem randomisierten Design erfolgte, sodass die Ergebnisse durch diesen Faktor potenziell erheblich konfundiert sein können. Prospektive Studien mit randomisierter Zuordnung zu der Medikation liegen bisher nicht vor, sind jedoch bereits im Gange (eigene laufende Studie). Aus den bekannten Gründen der Compliance und des Nebenwirkungsprofils wäre es jedenfalls wünschenswert, wenn in der Behandlung von DD-Patienten neben Clozapin auch auf andere atypische Antipsychotika zurückgegriffen werden könnte. Eine gute Wirksamkeit hinsichtlich Craving und/oder Konsum wurde im Rahmen von Fallberichten, Fallserien oder offenen kleinen Pilotstudien auch für Risperidon (Smelson et al. 1997, 2002 b, Misra u. Kofoed 1997, Albanese 2001), Olanzapin (Conley et al. 1997, Littrell et al. 2001, Tsuang et al. 2002, Sattar u. Bhatia 2003), Quetiapin (Brown et al. 2002, Potvin et al. 2004, 2006), Ziprasidon (Vartian et al. 2004) und Aripiprazol (Beresford et al. 2005, Brown et al. 2005, Warsi et al. 2005) berichtet. Insgesamt ist jedoch die Datenlage für die neueren atypischen Antipsychotika unsicherer im Vergleich zu Clozapin (Übersichten in: Noordsy u. Green 2003, Green et al. 2005, Stuyt et al. 2006). In einer großen retrospektiven Aktenauswertung von knapp 250 DD-Patienten zeigte sich nur tendenziell eine Überlegenheit neuerer atypischer (überwiegend Olanzapin und Risperidon) im Vergleich zu klassischen Antipsychotika hinsichtlich des Ausmaßes des Konsums (Petrakis et al. 2006). In der bisher einzigen randomisierten Studie mit 24 ambulanten DD-Patienten mit Kokainabusus konnte keine Überlegenheit von Olanzapin gegenüber Haloperidol hinsichtlich des Drogenkonsums über sechs Monate nachgewiesen werden (Sayers et al. 2005). Ob eine bestimmte Substanz unter den atypischen Antipsychotika deutlichere Vorteile bietet im Vergleich zu anderen typischen oder atypi-

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schen Präparaten, lässt sich beim aktuellen Stand der Literatur nicht sagen. Green et al. (2003) werteten retrospektiv die Akten von DD-Patienten aus, die über ein Jahr Clozapin oder Risperidon erhalten hatten (n = 33 vs. n = 8), und fanden eine Überlegenheit von Clozapin hinsichtlich der Abstinenz. Allerdings ist die Interpretierbarkeit dieser Arbeit durch die fehlende Randomisierung und die ungleichen n-Zahlen deutlich eingeschränkt. Auch Stuyt et al. (2006) werteten retrospektiv die Daten von 55 DD-Patienten aus, die ein stationäres Programm über 90 Tage durchliefen und dabei nach klinischen Gesichtspunkten Risperidon, Ziprasidon, Olanzapin oder ein Typikum in Depotform erhalten hatten. Bei dieser Arbeit waren Risperidon und Ziprasidon dem Olanzapin und dem Typikum hinsichtlich des Konsumverhaltens überlegen. Unseres Wissens liegen bisher vorläufige Ergebnisse aus lediglich einer randomisierten, prospektiven Doppelblindstudie mit Olanzapin vs. Risperidon vor: Hierbei wurde eine ähnlich gute Reduktion des Cannabiskonsums über sechs Wochen unter Medikation mit beiden Atypika berichtet (n = 131, Nimwegen et al. 2006). Bei grundsätzlich vorhandener Behandlungsbereitschaft sollte auch die wertvolle zusätzliche Sicherheit berücksichtigt werden, die eine Depotmedikation bei Patienten mit schwankender Compliance bietet. Dem Risperidon kommt aus diesem Grund eine besondere Bedeutung bei der Behandlung von DD-Patienten zu, da es als bislang einziges atypisches Antipsychotikum in Depotform erhältlich ist. In einer neueren Studie wurden 115 DD-Patienten randomisiert auf Risperidon- oder Zuclopenthixol-Depot eingestellt und es wurde der klinische Verlauf über sechs Monate verfolgt. Hierbei zeigte sich in der Risperidon-Gruppe eine stärkere Reduktion der psychotischen Symptome, ein geringeres Ausmaß des Konsums (weniger positive Urindrogenscreenings) und eine bessere Inanspruchnahme der psychosozialen Behandlungsangebote (Rubio et al. 2006). Als Alternative sollte an dieser Stelle Flupenthixol genannt werden. Unter den als Depotpräparation erhältlichen typischen Antipsychotika ist Flupenthixol nach klinischer Erfahrung relativ gut verträglich, hat ein relativ breites Rezeptorprofil, wird z. T. als „partiell atypisch“ angesehen und wurde bereits in Studien als Anti-Craving-Mittel getestet. Soyka und Mitarbeiter (2003) stellten in einer offenen Pilotstudie 27 Patienten mit Schizophrenie und Alkoholismus auf Flupenthixol-Depot ein und berichteten von einer Reduktion der Trinkmengen über die Studiendauer von sechs Monaten. Resümierend ist die Datenlage zu der Neurolepsie für DD-Patienten noch spärlich. Grundsätzlich sollte den atypischen der Vorzug gegenüber klassischen NL gegeben werden. Die konkrete Entscheidung für ein bestimmtes atypisches Antipsychotikum muss (noch) nach den allgemein gültigen Gesichtspunkten des Wirkungs- und Nebenwirkungsprofils der verschiedenen Substanzen und der Akzeptanz durch die Patienten getroffen werden.

4.2 Elemente der integrierten Behandlung

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z Antidepressiva. Psychotische Patienten erscheinen oft ängstlich oder sozial rückzügig, und sie leiden an depressiven Verstimmungen. Diese affektiven Symptome können während akuter Krankheitsepisoden neben der typischen psychotischen Positivsymptomatik existieren oder nach Remission der floriden Symptome vorübergehend im Vordergrund stehen oder aber in chronischen Erkrankungsstadien unter neuroleptischer Medikation die einzigen Symptome sein. Wenn die Ein- bzw. Umstellung auf ein modernes atypisches Antipsychotikum zur Besserung der depressiven Symptomatik nicht ausreicht, sollte die neuroleptische Medikation um ein Antidepressivum ergänzt werden. Die verbreitete Sorge, dadurch könne die Psychose wieder ausbrechen, ist empirisch nicht ausreichend belegt. Unter gleichzeitiger suffizienter Neurolepsie und bei Vermeidung besonders hoher Antidepressivadosen oder besonders antriebsteigernder Präparate erscheint die Zweizügeltherapie sicher und effektiv in der Behandlung depressiver Symptome schizophrener Patienten. Dieser Aspekt erscheint bei DD-Patienten besonders wichtig, zumal depressive Symptome die Suchtproblematik dieser Patienten verstärken und zum ausgeprägteren Konsum von Alkohol, Cannabis oder multiplen Substanzen führen können. Zwar ist die empirische Evidenz für diesen Zusammenhang bei teils widersprüchlichen Studienergebnissen nicht eindeutig (Cuffel et al. 1993, Brunette et al. 1997, Übersicht in Krystal et al. 1999), aus der klinischen Erfahrung heraus erscheint er jedoch naheliegend. Bei manchen DD-Patienten wird eine deutlichere depressive Symptomatik erst in der Abstinenz sichtbar bzw. „demaskiert“ (Covey et al. 1997, Siris et al. 1988). Einzelne ältere Studien sprechen für die Wirksamkeit trizyklischer Antidepressiva bei DD-Patienten mit Kokain- und Cannabisabusus (Siris et al. 1991, Ziedonis et al. 1992). Vergleichbare Studien mit neueren SSRIs liegen unseres Wissens nicht vor, allerdings dürften sie wahrscheinlich ähnlich wirksam sein wie die älteren trizyklischen Präparate. Die Wahl eines bestimmten Antidepressivums sollte daher am ehesten anhand der üblichen, syndromal gerichteten Kriterien erfolgen. z Mood stabilizers. Bei DD-Patienten mit schizoaffektiven Psychosen und/ oder Impulsdurchbrüchen und hohem selbst- oder fremdaggressivem Potenzial sollte eine medikamentöse Prophylaxe bzw. Stimmungsstabilisierung nach den klinisch üblichen Kriterien erwogen werden. Studien mit mood stabilizers bei DD-Patienten mit Schizophrenie liegen bisher nicht vor. Als Orientierung können Studien bei bipolaren Patienten mit komorbider Sucht dienen. Komorbider Substanzmissbrauch ist bei bipolaren Patienten mit dem Auftreten von „mixed states“ und „rapid cycling“ assoziiert. Bei diesen sollen Antikonvulsiva generell effektiver als Lithium sein. So werden auch bei bipolarer Störung mit komorbider Suchterkrankung generell eher Antikonvulsiva als Lithium empfohlen, obwohl es hierzu keine direkt ver-

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gleichenden, randomisierten Studien gibt (Übersichten in Levin u. Hennessy 2004, Kosten u. Kosten 2004, Albanese u. Pies 2004, Brady u. Verduin 2005, Verduin et al. 2005). Die meisten Studien liegen zu Valproat vor, darunter auch eine randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudie mit 59 Patienten (Salloum et al. 2005), einige kleinere Studien liegen auch zu Carbamazepin und Lamotrigin vor. Ausgehend von diesen Ergebnissen können als „mood stabilizers“ bei DD-Patienten in erster Linie Carbamazepin und Valproinsäure empfohlen werden. Bei Kontraindikationen oder unzureichender Wirksamkeit können grundsätzlich auch andere „mood stabilizers“ gegeben werden. z Abstinenzunterstützende und Anti-Craving-Substanzen, Substitution. Grundsätzlich spricht nichts gegen die gezielte medikamentöse Behandlung der Suchtkomponente von DD-Patienten nach den gleichen Prinzipien wie bei „reinen“ Suchtpatienten. Am sichersten ist die Datenlage zu Naltrexon. Dieser l-Opiatrezeptorantagonist wird seit mehreren Jahren als abstinenzunterstützende Medikation bei motivierten Patienten mit Opiatabhängigkeit in der Erhaltungsphase angewandt. Durch die Besetzung der körpereigenen Opiatrezeptoren werden im Falle eines „Ausrutschers“ (lapse) die subjektiv angenehmen Substanzeffekte deutlich abgeschwächt erlebt. Das erneute Verlangen nach der Droge (craving) bleibt begrenzt und der „Ausrutscher“ weitet sich nicht zum schweren Rückfall (relapse) aus. Seit einigen Jahren wird Naltrexon zusätzlich auch in der Erhaltungstherapie alkoholabhängiger Patienten eingesetzt. Für diese zweite Indikation ist Naltrexon in einigen Ländern bereits zugelassen, in Deutschland jedoch noch nicht. In einer ersten Studie mit schizophrenen Patienten wurde gezeigt, dass Naltrexon zusammen mit NL gut vertragen wird (Sernyak et al. 1998). Es folgte eine Studie mit 72 Patienten mit schizophrener oder affektiver Psychose und Alkoholabusus. Diese zeigte, dass die Medikation bei etwa 10% der Patienten wegen Übelkeit abgesetzt werden musste, dass aber über 80% der Patienten ihre Trinkmengen unter Naltrexon um mindestens 75% reduzieren konnten (Maxwell u. Shindermann 2000). Schließlich wurde eine randomisierte Doppelblindstudie mit 31 DD-Patienten publiziert, bei der ambulant über 12 Wochen Naltrexon oder Placebo als add-on zur neuroleptischen Medikation gegeben wurde. Bei dieser Untersuchung hatten die Patienten der Naltrexon-Gruppe im Verlauf weniger Trinktage, weniger schwere Trinktage und weniger Suchtdruck und es wurden keine Gruppenunterschiede hinsichtlich psychotischer Symptome und Nebenwirkungen der Medikation berichtet (Petrakis et al. 2004). Die gleiche Arbeitsgruppe führte eine zweite, mehrarmige randomisierte Studie mit 244 ambulanten Patienten mit Alkoholismus und einer weiteren Achse-I-Störung (u. a. auch Schizophrenie und schizoaffektive Störungen) durch und konnte den Befund von weniger Trinktagen und weniger Suchtdruck un-

4.2 Elemente der integrierten Behandlung

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ter Naltrexon im Vergleich zu Placebo bestätigen (Petrakis et al. 2005, 2006). Die Patienten mit Psychose hatten insgesamt schlechtere Ergebnisse als diejenigen mit anderen Achse-I-Störungen, jedoch war der positive Effekt der Naltrexon-Medikation grundsätzlich auch bei den Patienten mit schizophrenen und affektiven Psychosen nachweisbar (Petrakis et al. 2006). Disulfiram wird ebenfalls als abstinenzunterstützende Medikation bei motivierten Patienten mit Alkoholabhängigkeit in der Erhaltungsphase angewandt. Das Wirkprinzip entspricht jedoch, anders als bei Naltrexon, einer „Aversionstherapie“. Disulfiram hemmt das Enzym Aldehyddehydrogenase, das normalerweise das Alkoholabbauprodukt Azetaldehyd metabolisiert. Im Falle eines „Ausrutschers“ mit Alkohol kommt es zu einer Kumulation von Azetaldehyd und dadurch bedingt zu äußerst unangenehmen, vegetativen Unverträglichkeitserscheinungen (Erbrechen, Übelkeit, Schwitzen, Kopfschmerzen, Blutdruckabfall, Tachykardie). Zunächst wurde in einer kleinen offenen Studie gezeigt, dass Disulfiram bei der Behandlung von DD-Patienten unterstützend sinnvoll sein kann (Kofoed et al. 1986). Eine kasuistische Arbeit schilderte eine erfolgreiche Behandlung eines alkoholabhängigen, schizophrenen Patienten mit einer Kombination aus Clozapin und Disulfiram (Brenner et al. 1994). Bei einer retrospektiven Aktenauswertung bei 33 Patienten wurden auch günstige Verläufe unter Disulfiram berichtet (Mueser et al. 2003). Bei der oben erwähnten mehrarmigen randomisierten Studie von Petrakis und Mitarbeitern (2005) mit 244 ambulanten Patienten mit Alkoholismus und einer weiteren Achse-I-Störung wurden über den Verlauf von 12 Wochen nicht nur unter Naltrexon, sondern auch unter Disulfiram weniger Trinktage und weniger Suchtdruck im Vergleich zu Placebo berichtet (Petrakis et al. 2005, 2006). Obwohl Disulfiram nach älteren Arbeiten psychosebegünstigende Eigenschaften haben soll, wurde bei den oben genannten neueren Studien keine Verschlechterung der psychotischen Symptomatik unter Disulfiram bei neuroleptischem Schutz berichtet. Allerdings erfordert Disulfiram eine sehr gute Compliance vom Patienten und ist mit dem Risiko einer schweren Unverträglichkeitsreaktion bei Konsum von hohen Alkoholmengen behaftet. So sollte eine Medikation mit Disulfiram bei DD-Patienten u. E. sehr sorgfältig erwogen werden. Hingegen könnte Acamprosat, eine im Allgemeinen gut verträgliche Anti-Craving-Substanz, zukünftig eine größere Bedeutung in der Behandlung von DD-Patienten mit Alkoholmissbrauch/-abhängigkeit erlangen. Hierzu existieren jedoch noch keine Studien. Ebenfalls fehlen Studien oder Erfahrungsberichte zur Substitution mit Methadon oder anderen neueren Präparaten bei opiatabhängigen DD-Patienten. Generell gilt jedoch auch hier, dass die Psychose grundsätzlich keine Kontraindikation für eine Substitution darstellt, sodass sie im Einzelfall nach klinischen Gesichtspunkten in Betracht gezogen werden sollte. Schließlich wurde

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4 Therapie

auch eine kleine Studie mit acht amphetaminabhängigen schizophrenen Patienten publiziert, bei denen eine Substitution mit D-Amphetamin zum großen Teil günstige Effekte auf die psychiatrische Symptomatik, das Ausmaß des illegalen Drogenkonsums und die Compliance mit der neuroleptischen Medikation hatte und in keinem Fall zur Exazerbation der Psychose führte (Carnwath et al. 2002). Dieser Ansatz muss jedoch vorläufig als experimentell betrachtet werden und er sollte u. E. aufgrund der möglichen Risiken zunächst in größeren Studien überprüft werden. Schließlich liegen für Topiramat erste Hinweise auf eine Anti-Craving-Wirkung beim Alkoholismus vor. In einem Fallbericht wurde eine günstige Wirkung von Topiramat auf das Trinkverhalten von zwei alkoholkranken DDPatienten mit Schizophrenie und mit bipolarer Störung berichtet (Huguelet u. Morand-Collomb 2005). z Weitere Medikamente. Benzodiazepine können auch bei DD-Patienten zeitlich begrenzt sinnvoll eingesetzt werden. Im Allgemeinen ist jedoch gegenüber Benzodiazepinen aufgrund ihres Missbrauchspotenzials Zurückhaltung geboten.

4.2.2 Stärkung der Abstinenzmotivation, stadiengerechte Interventionen Die Stärkung der Abstinenzmotivation wird heute als ein zentraler Bestandteil jeder Behandlung von Suchtpatienten angesehen. Hinsichtlich der Grundlagen und Prinzipien der motivierenden Gesprächsführung (Motivational Enhancement Therapy, MET) wird hier auf die ausführlichen Beschreibungen von Miller u. Rollnick (1991, 2004) und Miller et al. (1992) verwiesen. Zusammenfassend basiert die MET auf der Erkenntnis, dass die Abstinenzmotivation keine statische Größe darstellt, dass es also weder den grundsätzlich motivierten noch den grundsätzlich unmotivierten Patienten gibt. Vielmehr durchlaufen Menschen mit Suchtproblemen regelmäßig verschiedene Stadien oder Stufen ihrer Motivationslage zur Abstinenz. Das 5-stufige Motivationsmodell von Prochaska u. DiClemente (1986) ist ein Kreismodell und sieht die Stadien der Absichtslosigkeit, der Absichtsbildung, der Vorbereitung, der Handlung und der Aufrechterhaltung vor (s. Abb. 4.1). Die ersten zwei Stadien werden als Stadien niedriger Motivation angesehen (Ziedonis u. Trudeau 1997). Im Stadium der Absichtslosigkeit ist dem Betroffenen seine Suchtproblematik nicht bewusst bzw. sie wird geleugnet. Folglich zieht er keine Änderung in Richtung Konsumreduktion oder Abstinenz in Betracht. Im Stadium der Absichtsbildung entwickelt der Betroffene Einsicht in seine Suchtproblematik. Er akzeptiert, dass der Konsum negative Folgen für ihn hat und beginnt über eine Einschränkung seines Konsums oder gar über Abstinenz nachzudenken. Er hat je-

4.2 Elemente der integrierten Behandlung

»relapse« Rückfall

z

1. »precontemplation« Absichtslosigkeit

»permanent exit«

5. »maintenance« Aufrechterhaltung

4. »action« Handlung

2. »contemplation« Absichtsbildung

3. »preparation« »determination« Vorbereitung

Abb. 4.1. Kreisförmiges Modell der Abstinenzmotivation (nach Prochaska u. Di Clemente 1986)

doch noch keine Entscheidung getroffen, weil der Konsum auch unmittelbar subjektive positive Effekte hat, auf die er noch nicht bereit ist zu verzichten. In anderen Fällen kann dem Betroffenen die Suchtproblematik durchaus bewusst sein, es fehlt jedoch die Zuversicht und das Vertrauen in die eigene Fähigkeit etwas daran zu ändern bzw. es fehlen die Ziele, wofür der Versuch etwas zu verändern sich lohnen würde. Im günstigen Fall folgen die drei Stadien höherer Motivation: Im Stadium der Vorbereitung neigt sich die „Entscheidungswaage“ bereits deutlich in Richtung Veränderung: Der Betroffene hat akzeptiert, dass er seinen Konsum reduzieren oder einstellen muss und er bereitet sich aktiv darauf vor. Im Handlungsstadium werden die erforderlichen Schritte der Veränderung unternommen: Der Betroffene übt sich allein oder mit professioneller Hilfe (ambulante oder stationäre Entgiftung/Entwöhnung) in Abstinenz. Nachdem das Handlungsstadium innerhalb von ca. zwei bis sechs Monaten erfolgreich durchlaufen wurde, tritt der Patient in das Stadium der Aufrechterhaltung ein. In diesem entscheidenden Stadium, das durchaus mehrere Jahre andauern kann, werden die erzielten Veränderungen gefestigt und das Befinden stabilisiert. Wesentliches Ziel in diesem Stadium ist die Vorbeugung eines Rückfalls. Aus dem Stadium der Aufrechterhaltung heraus kann es den anhaltenden Ausstieg aus der Sucht oder aber einen Rückfall geben. Im weiteren Verlauf können nach einem Rückfall die Stadien der Abstinenzmotivation

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4 Therapie

erneut durchlaufen werden, wobei die meisten Patienten den Zyklus im Stadium der Absichtsbildung wiederbetreten. Dennoch ist es wichtig auch den Rückfall als ein normales und zu erwartendes Ereignis innerhalb des skizzierten Veränderungszyklus zu betrachten. In diesem Stadium geht es darum, die Zuversicht nicht zu verlieren und möglichst rasch in das Stadium der Absichtsbildung zurückzutreten. Viele Patienten durchlaufen mehrmals diese Motivationsstadien, wobei auch Rückschritte – im Sinne einer Bewegung gegen den Uhrzeigersinn (vgl. Abb. 4.1) – möglich sind, und sie können erst nach mehreren Rückschlägen oder Rückfällen dauerhaft die Abstinenz aufrechterhalten. Die einzelnen Motivationsstadien lassen sich mehr oder weniger scharf voneinander abgrenzen und sie können unterschiedlich lange dauern. Ein wichtiges Prinzip der MET ist, dass die Abstinenzmotivation nicht von außen diktiert oder „verschrieben“ werden kann, sondern vom Betroffenen selbst intrinsisch generiert werden muss. Die Entscheidung und Verantwortung für oder gegen die Abstinenz liegt beim Patienten. Je nach aktuellem Motivationsstadium sind die Betroffenen für verschiedene Maßnahmen bzw. Hilfsangebote zugänglich. Ein zentrales Prinzip der MET ist somit die Anpassung der therapeutischen Interventionen an das aktuelle Motivationsstadium des Betroffenen. Nur durch stadiengerechte Interventionen kann der Therapeut den Patienten bei seiner Vorwärtsbewegung im Motivationszyklus effektiv unterstützen. Zugleich werden somit aufwändige, aber unnötige bzw. primär zum Scheitern verurteilte Bemühungen vermieden: So ist es eigentlich selbstverständlich, dass ein Patient in einem niedrigen Motivationsstadium nicht bereit sein wird, bei einer Verhaltenstherapie mit dem Fokus auf Rückfallprävention mitzuarbeiten bzw. er wird davon wenig profitieren (Ziedonis u. D’Avanzo 1998, Drake u. Mueser 2000). Die niedrigen Motivationsstadien und das Stadium der Vorbereitung sind die Domänen der MET. Der Therapeut akzeptiert und respektiert den Patienten mit seinem Konsum und gibt erstmal keine direkten Ratschläge oder gar Aufträge hinsichtlich einer Abstinenz. Wesentliches Ziel des Therapeuten ist zunächst vom Patienten akzeptiert zu werden und eine positive, vertrauensvolle therapeutische Beziehung aufzubauen, in der es möglich sein wird das Suchtproblem behutsam anzusprechen. Im Weiteren wird die Bereitschaft des Patienten für eine offenere Auseinandersetzung mit dem Suchtproblem gefördert. Der Therapeut nimmt Einfluss auf die „Entscheidungswaage“ (Argumente für und wider die Fortsetzung des Konsums), indem er den Patienten auf die kurzfristige Natur der Pros und auf die Kontras stößt und den Patienten dazu bringt selbst Motivationsäußerungen zu machen. Ferner unterstützt er ihn dabei Wege zur Abstinenz und Hilfsmöglichkeiten bzw. Ressourcen zu erkennen, ohne ihm vorschnell fertige Lösungen anzubieten, für die er noch nicht reif wäre. Informationsvermittlung bzw. Aufklärung über die gesundheitlichen Aus-

4.2 Elemente der integrierten Behandlung

z

wirkungen des Konsums generell (Psychoedukation, s. auch Abschnitt 4.2.3) und bei dem Patienten selbst (z. B. anhand von Laborwerten) sind äußerst wichtig. Im Stadium der Vorbereitung geht es darum den Patienten bei der Entwicklung eines effektiven und realistischen Änderungsplans zu unterstützen, Hilfsmöglichkeiten und Verhaltensalternativen zu erarbeiten, Techniken und Bewältigungsstrategien zu vermitteln, das gesunde Selbstvertrauen zu stärken, aber auch vor überstarken Erfolgserwartungen und nachfolgenden Enttäuschungen zu schützen. Miller u. Rollnick (1991) beschrieben ursprünglich fünf Prinzipien der therapeutischen Haltung, die hinsichtlich Förderung der intrinsischen Abstinenzmotivation entscheidend sind. Diese wurden bei der Weiterentwicklung der MET verfeinert und auf vier Grundprinzipien kondensiert bzw. zusammengefasst (Miller u. Rollnick 2004): 1. Empathie ausdrücken: Der Therapeut drückt Verständnis aus. Er ist empathisch, akzeptiert den Patienten, wie er ist, respektiert seinen Willen und Entscheidungen und unterstützt ihn dennoch in seinen Bemühungen um Veränderung. Er hört zu und vermeidet offene Kritik. 2. Diskrepanz entwickeln: Der Therapeut hilft dem Patienten die Diskrepanz bzw. den Abstand zwischen seinem aktuellen Zustand und seinen Wunschzielen sowie den Beitrag der Suchtproblematik zu diesem Abstand zu erkennen (Wo bin ich? Wo würde ich gerne sein? Pros und Kontras vermitteln). 3. Widerstand umlenken: Der Therapeut erkennt, aber benennt nicht den Widerstand des Patienten. Er lässt den Inhalt von Widerstandsäußerungen zunächst gelten und versucht ihn zu „umschiffen“, indem er den Blick auf alternative Sichtweisen lenkt. Er versucht den Patienten nicht durch Argumentieren zu überzeugen, dass er ein Suchtproblem hat, da dies den Patienten in die Defensive treiben und ein verteidigendes, oppositionelles Verhalten bei ihm hervorrufen könnte. Der Therapeut unterstützt vielmehr den Patienten sein Suchtproblem selbst zu erkennen. 4. Selbstwirksamkeit fördern: Der Therapeut unterstützt und stärkt den realistischen Optimismus des Patienten, sein Selbstvertrauen bzw. die Zuversicht in seine Fähigkeit zur Veränderung. Ohne diese Selbstwirksamkeit bzw. Hoffnung etwas verändern zu können, würde das Problembewusstsein allein nicht ausreichen. Im Gegenteil, ohne Hoffnung würde das Erleben der Ausweglosigkeit eher noch stärkere defensive Mechanismen wie Verleugnung und Rationalisierung mobilisieren, um die Situation erträglicher zu machen. Im Handlungs- und Aufrechterhaltungsstadium verschiebt sich der Schwerpunkt der Psychotherapie von der MET auf verhaltenstherapeutische Techniken des Aufbaus sozialer Kompetenzen im Allgemeinen und speziell in Bezug auf den Konsumkontext sowie der Rückfallprävention

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4 Therapie

und des Rückfallmanagements (vgl. Abschnitt 4.2.4). Motivationale Interventionen mit dem Fokus auf die Anerkennung des bereits Geleisteten und die weitere Stärkung der Abstinenzmotivation sind jedoch weiterhin sinnvoll. Die motivierende Gesprächsführung ist eine überaus wirksame psychotherapeutische Technik, die zudem mit vergleichsweise wenigen Therapiestunden auskommt. Im Projekt MATCH (Vergleich dreier Psychotherapieverfahren bei alkoholkranken Männern) waren vier MET-Sitzungen genauso effektiv wie eine kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung oder ein 12-Stufen-Programm über je 12 Sitzungen (Miller et al. 1992). Selbst Kurzinterventionen von nur einer Sitzung nach den Prinzipien der motivierenden Gesprächsführung scheinen effektiv zu sein (Martino et al. 2000, BzgA 2001). Die MET kann als hochstrukturierte, manualisierte Therapie durchgeführt werden. Darüber hinaus können aber (und sollten) Elemente bzw. die Grundprinzipien der MET generell in die therapeutische Haltung und den Kommunikationsstil von Suchttherapeuten inkorporiert werden. Selbstverständlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die MET primär für Suchtpopulationen ohne schwerwiegende psychiatrische Komorbidität entwickelt wurde. Bei der Durchführung der MET bei DDPatienten müssen zwei Besonderheiten berücksichtigt werden: Zunächst müssen die Interventionen an die häufig eingeschränkte kognitive Leistungsfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit schizophrener Patienten angepasst werden. Des Weiteren darf die häufig sehr schlechte soziale Situation der DD-Patienten nicht außer Acht gelassen werden, zumal diese oft den Schlüssel zum Verständnis der niedrigen Abstinenzmotivation dieses Klientels bietet (Carey et al. 2001, Martino et al. 2002). So entfällt z. B. bei vielen DD-Patienten die Motivation trocken zu bleiben, um den Job zu behalten oder die Scheidung zu vermeiden, weil sie ohnehin keinen Job und keine eigene Familie haben. Auf der anderen Seite kann aber ein(e) DD-Patient(in) den Wunsch haben, das Sorgerecht für die Kinder zurückzuerlangen, oder er (sie) kann befürchten, wieder obdachlos zu werden. Die Aufgabe des Therapeuten ist, diese legitimen Bestrebungen/ Befürchtungen des Patienten zu erkennen, sie ihm zu spiegeln und ihn zu unterstützen, auf deren Boden eine Abstinenzmotivation zu entwickeln (Bellack u. Gearon 1998). Bei Berücksichtigung der oben umrissenen Besonderheiten werden die Grundprinzipien der MET als die Basis der Behandlung von DD-Patienten angesehen (Ziedonis u. Trudeau 1997, Bellack u. Gearon 1998, Ziedonis u. D’Avanzo 1998, Bellack u. DiClemente 1999, Bennett et al. 2001, Drake et al. 2001, 2004). Auch bei der Behandlung von DD-Patienten ist es entscheidend die verschiedenen therapeutischen Interventionen dem jeweiligen Motivationsstadium des Patienten anzupassen. Dieses Prinzip wird im motivation based dual diagnosis treatment (MBDDT) (Ziedonis u.

4.2 Elemente der integrierten Behandlung

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Fisher 1996; Ziedonis u. Trudeau 1997) explizit genannt. Im Sinne der stadiengerechten Interventionen bedeutet es, dass bei wenig motivierten Patienten der Schwerpunkt der Behandlung zunächst in motivationalen Interventionen und Psychoedukation liegen muss, und die suchtbezogenen verhaltenstherapeutischen Maßnahmen erst in fortgeschritteneren Behandlungsstadien zum Einsatz kommen (Drake u. Mueser 2000, Barrowclough et al. 2001). Auch im Setting von Akutaufnahmestationen sind motivationale Interventionen durchführbar bzw. sinnvoll einsetzbar: Als Beispiel wurde eine 4-stündige strukturierte Gruppentherapie für DD-Patienten nach den Prinzipien der MET und mit zusätzlichen Psychodramaelementen beschrieben, die auf einer Akutstation den Schwerpunkt in der Stärkung der „Entscheidungswaage“ (decisional balance) hatte (VanHorn u. Bux 2001). Ausnahmslos alle erfolgreichen Therapieprogramme für DD-Patienten enthalten Elemente der MET (Übersichten in: Drake et al. 1998, 2001, 2004). Inzwischen sprechen fünf von sechs randomisierten Studien zumindest tendenziell dafür, dass selbst motivationale Kurzinterventionen effektiv bei DD-Patienten sein können (s. Tabelle 4.1). Eine Studie mit 93 DD-Patienten ergab, dass diejenigen Patienten, die ein 15-minütiges Feedback über die gesundheitlichen Auswirkungen des Konsums und ein einstündiges motivierendes Gespräch vor der Entlassung aus der stationären Behandlung hatten, signifikant häufiger zu ihrem ersten ambulanten Termin erschienen (Swanson et al. 1999). Eine kleine Studie mit 23 tagesklinisch (TK) behandelten Patienten zeigte, dass ein einziges Gespräch nach den Prinzipien des motivational interviewing (MI) vor der Aufnahme mit besseren Ergebnissen hinsichtlich der Regelmäßigkeit des TK-Besuches, der Länge der Behandlung und der Konsummengen assoziiert war (Martino et al. 2000). Eine weitere kleine randomisierte Studie mit 25 akut psychotisch dekompensierten, stationär behandelten DD-Patienten führte bei der Experimentalgruppe eine MI-Einzeltherapie von insgesamt drei Stunden verteilt auf 6–9 kurze Sitzungen innerhalb von 7–10 Tagen der stationären Akuttherapie durch und verglich diese Intervention mit der „Standardtherapie“: Bei den katamnestischen Untersuchungen nach 6 und nach 12 Monaten hatte die MI-Gruppe den Konsum deutlicher reduziert als die Kontrollgruppe (Kavanagh et al. 2004). Eine weitere Studie mit 30 ambulant und/oder stationär behandelten DD-Patienten ergab sogar eine Überlegenheit des MI gegenüber Psychoedukation hinsichtlich der Konsummengen über einen Zeitraum von sechs Monaten (Graeber et al. 2003). Bemerkenswert ist schließlich eine größere Studie mit 120 stationären Patienten mit Alkoholmissbrauch und einer weiteren Achse-I-Störung (d. h. nicht nur Schizophrenie), die nach Stabilisierung ihrer psychiatrischen Grunderkrankung und vor Entlassung randomisiert entweder ein einziges Gespräch nach den MI-Prinzipien (n = 62) oder ein Informationspaket über die Alkoholwirkungen (n = 58) erhielten: Bei der Nachunter-

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3 Monate

3 Monate

6 Monate

6 Wochen, 3, 6 4% nach 6 Mound 12 Monate naten; 32% nach nach Interventi- 12 Monaten on

Intervention ST + 15 min Feedback und 1 ´ MI vor Entlassung 1-mal MI

ST + 1-mal MI

ST + 3 Stunden Psychoedukation verteilt auf 6–9 Sitzungen in 7–10 Tagen + 30 min Telefonate in den 4 Wochen nach Entlassung

„Standard“ stationäre Therapie (ST)

1-mal „Standard“ Interview

„Standard“ stationäre Therapie (ST)

1-mal Informationspaket 1-mal MI 3-mal MI

Kontrollbedingung

3-mal Psychoedukation

„Standard“ stationäre Akuttherapie (ST)

Studie, N-Zahl

Swanson et al. 1999 N = 121

Martino et al. 2000 N = 23

Baker et al. 2002 N = 160

Hulse u. Tait 2002 N = 120

Graeber et al. 2003 N = 30

Kavanagh et al. 2004 N = 25

6 Monate

? (wenige Wochen)

7%

31%

30%

74%

0%

kein Unterschied nach 6 Wochen und 3 Monaten, aber weniger Konsum nach 6 und 12 Monaten; cave: möglicher konfundierender Faktor: die Patienten der Interventionsgruppe lebten signifikant häufiger mit Partner oder Familie, hatten somit mehr soziale Unterstützung!

weniger Konsum (stationäre und ambulante Patienten)

geringere Trinkmengen

kein Unterschied in der Inanspruchnahme des weiterführenden ambulanten Therapieangebotes

bessere Inanspruchnahme des weiterführenden tagesklinischen Therapieangebotes (Tage anwesend), tendenziell weniger Konsum

bessere Inanspruchnahme des weiterführenden ambulanten Therapieangebotes

Lost-to-follow- Outcome-Intervention vs. Kontrollbedingung up

4 Therapie

Follow-up-Zeit

z

Tabelle 4.1. Randomisierte Studien zur motivierenden Gesprächsführung bei Patienten mit der Doppeldiagnose Psychose und Sucht

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4.2 Elemente der integrierten Behandlung

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suchung sechs Monate später hatten die MI-Patienten ihre Trinkmengen signifikant stärker reduziert als die Patienten der Informationsgruppe (Hulse u. Tait 2002). Nur eine Studie mit 160 Patienten mit Missbrauch/ Abhängigkeit und einer weiteren Achse-I-Störung (auch hier nicht nur Schizophrenie) und einem ähnlichen Design wie bei Hulse und Tait (2002) konnte keine Überlegenheit einer motivationalen Sitzung im Vergleich zu einem kurzen Informationsgespräch hinsichtlich der Inanspruchnahme des poststationären Suchtbehandlungsangebots nachweisen (Baker et al. 2002 a, b). In der Zusammenschau darf festgehalten werden, dass die meisten Studien für eine Überlegenheit z. T. sehr umschriebener motivationaler Interventionen gegenüber einer Standardbehandlung bei DD-Patienten sprechen. Die Studien sind z. T. sehr klein und sie weisen trotz Randomisierung einige methodische Schwächen auf, sodass die Effektivität des Verfahrens bei DD-Patienten (noch) nicht als gesichert gelten kann (Bechdolf et al. 2005). Dennoch spricht u. E. Vieles dafür, dass die motivierende Gesprächsführung auch bei DD-Patienten effektiv und ökonomisch eingesetzt werden kann.

4.2.3 Psychoedukation Psychoedukative Maßnahmen sind heutzutage fester Bestandteil der Behandlung schizophrener Patienten in ambulanten und stationären Settings. Unter Psychoedukation versteht man in erster Linie die Wissensvermittlung bzw. Aufklärung über Ursachen, Frühwarnzeichen, Akutsymptome, Langzeitauswirkungen und Behandlung der Psychose. Die Vermittlung von Informationen macht den Patienten zu einem Partner im therapeutischen Prozess und wirkt sich günstig auf die Behandlungsbereitschaft aus. Darüber hinaus erhebt die Psychoedukation schizophrener Patienten den Anspruch dem Patienten zum adäquateren Umgang mit Krankheitssymptomen und einer effektiveren Bewältigung von Alltagsund zwischenmenschlichen Problemen zu verhelfen. Demnach muss die Psychoedukation als eine wichtige psychotherapeutische Methode mit deutlicher Nähe zur kognitiven Verhaltenstherapie betrachtet werden. Bei zusätzlicher Einbeziehung der Angehörigen lassen sich durchaus messbare Effekte der Psychoedukation auf den Krankheitsverlauf erzielen. Diese wichtige Intervention wird im stationären Rahmen überwiegend manualisiert und in Form einer Gruppentherapie durchgeführt. Darüber hinaus spielt die Psychoedukation in weniger systematisierter Form eine wichtige Rolle sowohl in den Einzelgesprächen mit schizophrenen Patienten als auch bei Familiengesprächen. Psychoedukative Maßnahmen haben ihren Stellenwert auch in der Suchttherapie, wobei es hier klassischerweise um die Akut- und Langzeit-

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4 Therapie

wirkungen von Suchtstoffen und um Folgekrankheiten (z. B. AIDS, Hepatitis) und deren Vorbeugung geht. Über die bereits erwähnten Inhalte hinaus steht bei DD-Patienten die Aufklärung über die reziproken Zusammenhänge zwischen Psychose und Sucht im Vordergrund. Die Aufklärung über den ungünstigen Einfluss des Konsums bestimmter Substanzen auf den Verlauf der Psychose kann als Grundlage für die Steigerung der Abstinenzmotivation dienen. Folglich stellen Patienten in niedrigen Motivationsstadien die vorrangige Zielgruppe für psychoedukative Maßnahmen dar. Hierzu sind spezielle, differenzierte Darstellungen erforderlich, zumal bestimmte relevante Substanzen, insbesondere Cannabis, weit verbreitet sind und im Allgemeinen als harmlos gelten. Ohne die Erläuterungen über die Interaktion zwischen vorbestehender individueller Vulnerabilität für eine Psychose und Drogenwirkung ist es für einen Patienten beispielsweise schwer zu erkennen wieso der Verlauf seiner Psychose in Zusammenhang mit seinem Cannabiskonsum stehen soll, zumal mehrere Personen aus seinem Bekanntenkreis, die ebenfalls Cannabis konsumierten, keine Psychose entwickelt haben (s. Abschnitt 6.2.3). Entsprechende pauschale und evtl. apodiktisch formulierte Äußerungen von Seiten des Therapeuten würden somit unglaubwürdig und dämonisierend wirken und sie würden der therapeutischen Vertrauensbeziehung und Compliance eher schaden als dienlich sein. Obwohl DD-Patienten oft chronifiziert und kognitiv beeinträchtigt erscheinen, können sie, wie andere Patienten mit schizophrenen Psychosen auch, die Inhalte psychoedukativer Sitzungen verstehen und behalten, sofern sie in geeigneter Form angeboten werden (Crump u. Milling 1996). Auch nach unserer Erfahrung sind die wichtigen Zusammenhänge zwischen psychotischen Symptomen und Drogenkonsum den Patienten vermittelbar, sofern langatmige Ausführungen in Art des Frontalunterrichts vermieden werden und ein lebendiger, interaktioneller Stil in kleineren Gruppen gewährleistet ist. Psychoedukative Gruppen gehören zu den Elementen verschiedener Behandlungsprogramme für DD-Patienten, angefangen von den früheren, nichtintegrierten, den intensiven voll- oder teilstationären und den konservativen, abstinenzfordernden Programmen (Kofoed et al. 1986, Ries u. Ellingson 1990, Hanson et al. 1990, Nigam et al. 1992, Hoffman et al. 1993, Blankertz u. Cnaan 1994, Mowbray et al. 1995, Bachman et al. 1997, Ahrens 1998) bis hin zu den erfolgreicheren, integrierten, längerfristig angelegten, abstinenzorientierten und motivationsadaptierten Programmen (Detrick u. Stiepock 1992, Durell et al. 1993, Bellack u. Gearon 1998, Übersichten in Drake et al. 1998, 2004 und Drake u. Mueser 2000). Ein deutschsprachiges Manual zur Psychoedukation von DD-Patienten wurde durch uns erstmalig im Jahr 2003 vorgelegt (Gouzoulis-Mayfrank 2003). Es handelt sich hierbei um eine gruppentherapeutische Intervention über fünf wöchentliche Einzelsitzungen, die als add-on zu der Psycho-

4.2 Elemente der integrierten Behandlung

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edukation für Patienten mit Psychose angeboten wird. In der vorliegenden 2. Auflage des Buches wird das Psychoedukative Training um Ausführungen zu Opiaten ergänzt und es wird zusätzlich eine Variation des Programms im Format einer Einzeltherapie beschrieben (s. Kapitel 6: KomPAkt: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit – Psychoedukatives Training). Diese ist im Sinne der Flexibilisierung der Therapie als Alternative für Patienten gedacht, die (noch) keine ausreichende Compliance für die Einhaltung regelmäßiger ambulanter Termine mitbringen. Ein weiteres deutschsprachiges Manual beschreibt eine dichtere Intervention mit 2-mal wöchentlichen psychoedukativen Gruppensitzungen über fünf Wochen, eingebettet in einem umfassenden Programm mit verhaltens-, kreativund sporttherapeutischen Elementen (D’Amelio et al. 2007).

4.2.4 Verhaltenstherapeutische Ansätze Verhaltenstherapeutische Ansätze spielen in der Behandlung schizophrener Patienten eine wichtige Rolle. Rein kognitive Trainingsprogramme sind sehr verbreitet. Sie zielen auf die Verbesserung kognitiver Funktionen im engeren Sinne, wie Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit und Umstellfähigkeit, und sie lassen sich zum Teil in computergestützter Form anwenden. Die Dauer und Generalisierbarkeit der Trainingseffekte auf Alltagssituationen wird jedoch mittlerweile eher kritisch bewertet. Trainingsprogramme zur Verbesserung sozialer Fertigkeiten und der Problemlösekompetenz stellen Modifikationen entsprechender Programme für andere Patientengruppen dar. Hierbei wird den kognitiven Einschränkungen schizophrener Patienten durch besonders klare Vorstrukturierung der Inhalte und Verwendung von Hilfsmitteln Rechnung getragen. Umfangreiche Studienergebnisse belegen die Effektivität des Trainings sozialer Kompetenzen für schizophrene Patienten als additive Maßnahme zur neuroleptischen Medikation. Allerdings gilt auch hier, dass die Behandlungsprogramme entsprechend der häufig chronisch-rezidivierenden Natur der Erkrankung langfristig angelegt sein müssen. Schließlich existieren symptom-, krankheits- und belastungs- bzw. bewältigungsorientierte Ansätze, die als Einzel- oder Gruppentherapie formuliert sind. Hierbei werden die Identifizierung und der Umgang mit Früh- oder chronischen Symptomen bzw. mit begünstigenden Faktoren für die Symptomentstehung trainiert, ein Krankheitskonzept nach dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell vermittelt und Stressbewältigung sowie Aufbau positiver Ressourcen gefördert. Auch im Bereich der Suchtbehandlung gehört die Verhaltenstherapie (VT) zu den anerkannten Behandlungsmethoden. Sie umfasst sowohl übende als auch kognitive Techniken und wird in der Regel im Gruppensetting durchgeführt. Voraussetzung für einen sinnvollen Einsatz der VT ist der Wille bzw. die Motivation zur Abstinenz von Seiten des Patienten.

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4 Therapie

In der verhaltenstherapeutischen Suchtbehandlung lernen die Patienten Situationen und Verhaltensweisen erkennen, die das Verlangen (craving) nach Alkohol oder Drogen triggern (z. B. allein sein, ohne Pläne ins Wochenende gehen, sich in der Kneipe mit Freunden treffen, die ebenfalls trinken, Alkohol oder Drogen zu Hause haben u. a.). Sie lernen solche Gefahren, sofern dies möglich ist, zu vermeiden und sich mit anderen Aktivitäten abzulenken (z. B. ins Kino gehen, Sport, Musik hören u. a.). Ferner lernen sie mit starkem Verlangen nach Alkohol oder Drogen effektiv umzugehen. Sie erfahren, dass die „Spitze“ des craving meistens nur 15 bis 30 Minuten anhält, und sie lernen mit Hilfe kognitiver und Selbstentspannungstechniken diese Spitze auszuhalten, bis das craving von selbst nachlässt. Zu diesen Techniken gehört das gezielte Abrufen eigener negativer früherer Erfahrungen in Zusammenhang mit dem Konsum und die Konzentration auf die physiologischen Komponenten des craving. Die Patienten üben in Rollenspielen die Fähigkeit Konsumangebote in freundlichem, aber bestimmtem Ton abzulehnen, sich dem sozialen Druck des Bekanntenkreises zu widersetzen und sich Hilfe und Unterstützung von geeigneten Personen aus ihrem sozialen Umfeld zu erbitten. Ferner lernen sie, dass ein einzelner Rückschritt (lapse) noch längst kein voller Rückfall (relapse) zu sein braucht, und dass sie Rückschritte zu erwarten haben, und sich deswegen nicht schämen, sondern Hilfe suchen sollen. Schließlich erkennt die VT, dass das Suchtproblem nicht isoliert von anderen Problemen betrachtet werden kann, sondern vielmehr mit unzureichenden allgemeinen sozialen und Problemlösefertigkeiten vergesellschaftet ist. Folglich wird in die VT-Programme für Suchtpatienten auch das Training allgemeiner Fertigkeiten inkorporiert (häufige Themen: Kontakte knüpfen, selbstsicheres Auftreten, Wünsche und Kritik äußern, sich abgrenzen, Kritik annehmen, sich für einen Job bewerben u. ä.). Bei der verhaltenstherapeutischen Behandlung von DD-Patienten müssen, ähnlich wie bei der MET, die besonderen Probleme dieses Klientels berücksichtigt werden. Insbesondere muss bedacht werden, dass DD-Patienten aufgrund ihrer eingeschränkten Konzentrations- und Abstraktionsfähigkeit durch viele kognitive Techniken überfordert wären. Der Schwerpunkt der VT bei DD-Patienten liegt eher in den behavioralen bzw. übenden und weniger in den komplexeren kognitiven Verfahren (Ziedonis u. Fisher 1994, Ziedonis u. D’Avanzo 1998, Roberts et al. 1999). Verhaltenstherapeutische Strategien waren Bestandteil fast jedes erfolgreichen Behandlungsprogramms für DD-Patienten (Drake et al. 1998, Bellack u. Gearon 1998, Bennett et al. 2001, Barrowclough et al. 2001, Bellack et al. 2006). In der Regel wird eine Kombination aus speziellen abstinenzbezogenen „skills“ (z. B. Erkennen und Vermeiden von Risikosituationen, resistance skills) und allgemeinen sozialen Fertigkeiten, wie z. B. Kommunikationsfertigkeiten und selbstsicheres Auftreten vermittelt, so z. B. in der Dual Diagnosis Relapse Prevention Therapy (DDRP) (Ziedonis u. Tru-

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deau 1997, Ziedonis u. D’Avanzo 1998) und im Cognitive-Behavioural Integrated Treatment (C-BIT) (Graham 2003). Insbesondere werden die Techniken des Modellspiels, Rollenspiels und „coaching“ angewandt. Auch bei den DD-Patienten gilt, dass die Abstinenzmotivation vorliegen muss, damit die spezifischeren, abstinenzbezogenen VT-Interventionen sinnvoll eingesetzt werden können. Im Sinne der stadiengerechten Interventionen bedeutet dies, dass bei wenig motivierten Patienten der Schwerpunkt der Behandlung zunächst in motivationalen Interventionen und Psychoedukation liegen sollte und die suchtbezogenen VT-Maßnahman erst in fortgeschritteneren Behandlungsstadien zum Einsatz kommen (Drake u. Mueser 2000, vgl. auch Kapitel 5). Als Beispiel sei die Studie von Barrowclough et al. (2001) genannt, bei der in einem ambulanten Gesamtprogramm über 9 Monate zunächst Motivationsinterviews durchgeführt wurden und die 24 wöchentlichen VTSitzungen erst ab der sechsten Woche hinzukamen. Bei einer neueren großen Studie mit 130 DD-Patienten und 10 wöchentlichen Sitzungen wurden ebenfalls zunächst die Motivationsinterviews und anschließend die VT-Sitzungen durchgeführt (Baker et al. 2006). Auch innerhalb der VT-Interventionen ist eine Hierarchisierung und Reihenfolge sinnvoll. So werden in dem in der Gruppe um Bellack entwickelten Programm BTSAS (Behavioral Treatment of Substance Abuse in Schizophrenia, Bellack u. Gearon 1998, Bennett et al. 2001) zunächst die allgemeinen sozialen „skills“ und anschließend die konsumbezogenen „skills“ und die Problemlösefähigkeit trainiert. Schließlich zählen auch systematische Anreiz- und Belohnungssysteme in Form von Geld, Gutscheinen o. ä. zu den verhaltenstherapeutischen Interventionen: Damit wird erwünschtes Verhalten, in diesem Fall Abstinenz (operationalisiert z. B. in Form von negativen Drogenscreenings), gezielt verstärkt. Anreizsysteme sind in den USA als Behandlungselemente im Sinne des sog. Kontinenzmanagements relativ verbreitet (s. z. B. die aktuelle Studie von Bellack et al. 2006). In Europa und speziell in Deutschland beginnt allerdings das Kontingenzmanagement erst jetzt langsam an Akzeptanz zu gewinnen. Das deutschsprachige Behandlungsprogramm GOAL (Gesund und Ohne Abhängigkeit Leben; D’Amelio et al. 2006) enthält im Psychoedukationsmanual implizit auch viele kognitiv-verhaltenstherapeutische Anteile. Im vorliegenden Buch findet sich das Manual eines umfassenderen verhaltenstherapeutischen Gruppentrainings mit übenden und kognitiven Elementen über 21 Sitzungen (s. Kapitel 7: KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training für Gruppen).

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4.2.5 Familieninterventionen Die Bedeutung eines guten, unterstützenden familiären Klimas für den Verlauf psychiatrischer Erkrankungen ist unumstritten. Die optimale Umgebung für Patienten mit Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis ist fürsorglich, akzeptierend und stützend, aber keinesfalls überinvolviert und übermäßig Emotionen zum Ausdruck bringend (low expressed emotion), da diese den Patienten oft überfordern und eine Exazerbation der psychotischen Symptomatik triggern können. Der Besuch von Selbsthilfegruppen und Psychoedukationsgruppen für Angehörige entlastet durch das bessere Verständnis pathologischer Phänomene und Interaktionsmuster, hilft uneingestandene Schuldgefühle oder Aggressionen abbauen und wirkt der Tendenz entgegen übermäßig und in kontraproduktiver Weise Verantwortung für den kranken Angehörigen zu übernehmen. Die emotionale, aber auch die praktische, u. U. auch finanzielle Unterstützung durch Familienangehörige oder enge Freunde ist bei den häufig schwer beeinträchtigten DD-Patienten besonders wertvoll und kann den Verlauf der Störung deutlich beeinflussen. Diese intuitive Einschätzung wurde in einer großen Studie bestätigt, bei der 203 DD-Patienten über drei Jahre behandelt wurden: Hierbei war die erreichte Reduktion des Konsums mit dem Ausmaß der Unterstützung durch Angehörige assoziiert (Clark et al. 2001). Viele DD-Patienten haben im Laufe ihrer Erkrankung(en) die Kontakte und die Bindung zu ihrer Familie eingebüßt. Dabei zeigt sich immer wieder, dass Angehörige die schizophrene Erkrankung noch akzeptieren können, weil sie nach entsprechender Aufklärung erkennen, dass sie dem Willen des Patienten nicht unterliegt, dass sie aber die Sucht moralisch verurteilen, für den „fehlenden Willen“ des Patienten abstinent zu leben kein Verständnis aufbringen und sich folglich von ihm distanzieren. Es ist auf jeden Fall als großer Vorteil bzw. Potenzial zu werten, wenn Familienmitglieder oder enge Freunde von DD-Patienten „greifbar“ und bereit sind im therapeutischen Prozess zu partizipieren. Um die Unterstützung und Compliance der Angehörigen zu sichern bzw. zu steigern, sollten die Therapeuten aktiv und von sich aus versuchen die Familie, sofern verfügbar, in den therapeutischen Prozess einzubinden. Die Familientherapie psychotischer Patienten bedient sich im Wesentlichen psychoedukativer und verhaltenstherapeutischer Methoden, die entsprechend für Familienformate modifiziert werden. Zumeist wird der Fokus initial auf die Informationsvermittlung über die Erkrankung und ihre Frühwarnzeichen sowie über die Wirkungen und Nebenwirkungen der medikamentösen Behandlung gelegt. Die psychoedukativen Familiensitzungen haben als Ziel die Compliance des gesamten Familiensystems zu verbessern. In den nachfolgenden Familiensitzungen steht im Allgemeinen das Kommunikationstraining im Vordergrund: Zuhören, Ausdrücken

4.2 Elemente der integrierten Behandlung

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eigener positiver und negativer Gefühle, Mitteilen von Wünschen und Umgang mit Kritik. Schließlich wird die Problemlösekompetenz der Familie mittels der Techniken des Problemlösetrainings gestärkt. Der additive Wert dieser Maßnahmen zur Neuroleptikatherapie gilt als gesichert. Familientherapeutische Interventionen haben ihren Stellenwert auch in der Behandlung von Suchtpatienten, hier werden jedoch neben psychoedukativen auch systemische und interaktionelle Aspekte verfolgt. Die familientherapeutischen Behandlungsprinzipien von DD-Patienten entsprechen im Wesentlichen denjenigen der Familientherapie schizophrener Patienten (s. Hahlweg et al. 1995, Hahlweg u. Dose 1998). Insbesondere ist es hier in den psychoedukativen Familiensitzungen wichtig auf die reziproken Zusammenhänge zwischen Psychose und Sucht einzugehen und das Krankheitsmodell der schizophrenen Psychose auf die Suchtstörung zu erweitern (vgl. Abschnitt 4.2.3). Unlängst wurde ein manualisiertes Familieninterventionsprogramm für DD-Patienten vorgelegt, das sowohl Ein- als auch Mehrfamilieninterventionen vorsieht (Mueser u. Fox 1998, 2002, family intervention for dual disorders, FIDD). Die Autoren beschreiben, dass durch das FIDD die Zusammenarbeit zwischen den Behandlern und dem Familiensystem verbessert werden kann und kündigen kontrollierte Studien zur Effektivität des FIDD an (Mueser u. Fox 2002). Familieninterventionen waren Bestandteil der Therapie von DD-Patienten in mehreren Studien, die günstige Ergebnisse berichteten (Drake et al. 1998, Drake u. Mueser 2000). In der Studie von Barrowclough und Mitarbeitern (2001) wurden die Familiensitzungen im letzten Drittel der 9-monatigen Behandlungsphase durchgeführt. Nach unserer Erfahrung ist es jedoch sinnvoll die Angehörigen von DD-Patienten bereits frühzeitig bzw. möglichst von Beginn an in die Therapie einzubeziehen. Dieses Prinzip wird auch im Programm GOAL (Gesund und Ohne Abhängigkeit Leben, D’Amelio et al. 2006) durch psychoedukative Angehörigengruppen verwirklicht.

4.2.6 Selbsthilfegruppen Selbsthilfegruppen wird seit Jahrzehnten eine Schlüsselrolle in der Behandlung von Suchtkrankheiten zugeschrieben. Hoch motivierte Patienten, die regelmäßig an den Treffen der Selbsthilfegruppen teilnehmen, können nachweislich hohe Abstinenzraten erreichen und aufrechterhalten. Allerdings sind die wenigsten abhängigen Patienten Mitglieder von Selbsthilfegruppen. Die Philosophie der verbreitetsten Gruppen, wie z. B. der Anonymen Alkoholiker (AAs) und der Anonymen Drogenabhängigen (Narcotics Anonymous, NAs) ist traditionell spirituell geprägt. Der Einzelne muss akzeptieren, dass er allein ohne die Hilfe einer „höheren Macht“ und der Gruppe dem Suchtstoff ohnmächtig ausgeliefert ist. Dem-

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nach muss er sich sehr langfristig bzw. lebenslang den Halt und Schutz bietenden, aber strengen Gruppenritualen unterwerfen. Der regelmäßige, möglichst tägliche Besuch der Gruppe wird als Indikator für die Veränderungsbereitschaft aufgefasst und Fehlstunden werden oft konfrontativ als Widerstand gedeutet. Traditionell stehen viele Leiter und Mitglieder von AA- oder NA-Gruppen auch ärztlich verschriebenen Psychopharmaka kritisch bis ablehnend gegenüber, weil sie darin die Gefahr einer Verschiebung der Abhängigkeit sehen (Minkoff 1989). Eine vergleichbare Tradition von Selbsthilfegruppen für psychotische Patienten existiert nicht, obwohl die Bedeutung der Organisationen von Betroffenen bzw. Psychiatrieerfahrenen in den letzten zwei Jahrzehnten stetig wächst. Die praktische Frage, die sich in der Behandlung von DD-Patienten meistens ergibt, ist, ob die Patienten sich an eine traditionelle Selbsthilfegruppe für ihr Suchtproblem wenden sollen. Auch hier gilt, dass diejenigen, die regelmäßig an Gruppen teilnehmen, gute Abstinenzergebnisse aufweisen, dass aber die wenigsten dies tun (Kofoed et al. 1986, Noordsy et al. 1996). Nach unserer Erfahrung sind DD-Patienten vom Setting und dem spirituellen Hintergrund vieler Selbsthilfegruppen überfordert, sie erleben sich oft als „anders“, fühlen sich ausgegrenzt und erfahren auch heute noch nicht selten Ablehnung wegen ihrer psychiatrischen Medikation. Ähnliche Erfahrungen werden auch von anderen Autoren berichtet und sie führen zu einer überwiegend skeptischen Einstellung gegenüber den Selbsthilfegruppen bei DD-Patienten (Minkoff 1989, Noordsy et al. 1996, Ziedonis u. Trudeau 1997). In Studien zu der Effektivität klassischer 12-Stufen-Programme mit starkem Selbsthilfeanteil schnitten diese im Vergleich zu anderen psychotherapeutischen/psychosozialen Maßnahmen bei DD-Patienten schlechter ab (Jerrell u. Ridgely 1995, Drake et al. 1997). Allerdings wurde bereits früh berichtet, dass gezielte Gespräche zwischen dem die DD-Patienten behandelnden professionellen Team und den Selbsthilfegruppen zu einer fruchtbaren Auseinandersetzung von beiden Seiten führen und dadurch Diskrepanzen und Konflikte geebnet werden können (Minkoff 1989). Noch günstiger könnte die Implementierung spezieller Selbsthilfegruppen für DD-Patienten sein (im englischsprachigen Raum Double Trouble Groups genannt), eventuell mit Begleitung durch ein Mitglied des professionellen Teams (Noordsy et al. 1996, Ziedonis u. D’Avanzo 1998, Laudet et al. 2000). Magura et al. (2002) berichteten, dass unter 240 Mitgliedern einer Double-Trouble-Gruppe diejenigen, die regelmäßig an der Gruppe teilnahmen, eine bessere Compliance hinsichtlich ihrer psychiatrischen Medikation zeigten als diejenigen, die nur sporadisch in der Gruppe erschienen. Allerdings fehlen unseres Wissens bis dato vergleichende Untersuchungen zu den Effekten von Double Trouble- vs. klassischen Selbsthilfegruppen bei DD-Patienten. Letztlich ist der Stellenwert von Selbsthilfegruppen im Rahmen der integrierten Behandlung von DD-Patienten unsi-

4.3 Effektivität der integrierten Behandlung

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cher. Spezielle Selbsthilfegruppen für DD-Patienten im Rahmen der behandelnden Institutionen sollten möglichst gefördert und evaluiert werden. Bis dahin sollten die Patienten u. E. über die existierenden Selbsthilfegruppen neutral informiert, aber nicht zur Teilnahme gedrängt werden.

4.3 Effektivität der integrierten Behandlung DD-Patienten gelten als eine besonders schwer behandelbare, notorisch nicht compliante Klientel. Ist jedoch der weit verbreitete therapeutische Nihilismus tatsächlich gerechtfertigt? Inzwischen zeigen mehrere Studien, dass die Erfolge integrierter Behandlungsprogramme mit Koordinierung verschiedenener therapeutischer Interventionen und aufsuchender Arbeit in interdisziplinären Teams durchaus beachtlich sind, sofern die Behandlungsziele realistisch gesetzt und der Behandlungsplan langfristig angelegt ist. Einige positive Berichte über die Effektivität der ambulanten integrierten Psychose- und Suchtbehandlung stammen aus offenen, nicht kontrollierten Studien. So verzeichneten Detrick u. Stiepock (1992) bei einer kleinen Gruppe von 17 DD-Patienten und einer Drop-out-Rate von 0% (!) einen Rückgang in der Frequenz von Notfallvorstellungen und Akutaufnahmen und eine Abnahme der Konsummengen über einen Zeitraum von 18 Monaten. Drake et al. (1993) behandelten 18 DD-Patienten mit Alkoholabhängigkeit über vier Jahre und erhielten bei einer Drop-out-Rate von 0% eine stabile Abstinenz bei 61% der Patienten. Auch Durell et al. (1993) stellten bei einer mittelgroßen Gruppe von 43 DD-Patienten eine Abnahme der Konsummengen über 18 Monate fest. Godley et al. (1994) berichteten eine Abnahme der Komplikationen durch den Konsum, Rückgänge in der Frequenz der stationären Akutaufnahmen und in der Dauer der stationären Aufenthalte, Besserungen des medizinischen Gesamtzustandes und Fortschritte in der sozialen Anpassung über eine Behandlungsdauer von 24 Monaten. Granholm et al. (2003) behandelten 44 DDPatienten über sechs Monate und konnten im darauffolgenden Jahr eine Reduktion der stationären Aufenthalte um 74% im Vergleich zum Jahr vor der Therapie verzeichnen. Interessant sind auch die Ergebnisse einer großen Studie mit 148 DD-Patienten und einer langen Follow-up-Dauer von sieben Jahren (Bartels et al. 1995). Die Drop-out-Rate war mit nur 21% als gering zu bewerten und die Remissionsraten vom Missbrauch und/oder Abhängigkeit von psychotropen Substanzen lagen mit 44% für Alkohol und 41% für Drogen in der gleichen Größenordnung wie bei „reinen“ Suchtpatienten (Bartels et al. 1995). Drake und Mitarbeiter (1997) führten die erste große kontrollierte Studie mit sozial stark beeinträchtigten, obdachlosen DD-Patienten durch.

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Ein Teil der 217 Patienten wurde einem integrierten Therapieprogramm über 18 Monate mit Behandlung der Psychose und der Sucht „aus einer Hand“, zentraler Koordinierung der Interventionen, verhaltenstherapeutischen Suchtgruppen und Bereitstellung betreuter Wohnräume zugeführt. Bei der Kontrollgruppe wurden Psychose und Sucht über den gleichen Zeitraum parallel, aber nicht integriert, d. h. in getrennten Settings, behandelt. In beiden Gruppen wurden Fortschritte hinsichtlich der sozialen und Wohnsituation, der Lebensqualität, der psychiatrischen Symptomatik und des Ausmaßes des Drogenkonsums verzeichnet. In der Gruppe mit integrierter Behandlung waren jedoch die Drop-out-Raten deutlich geringer, die Dauer der stationären psychiatrischen Behandlungen kürzer und die Abnahme der Alkoholkonsummengen deutlicher (Drake et al. 1997). Eine weitere große kontrollierte Studie mit 342 obdachlosen DD-Patienten (De Leon et al. 2000) ergab ebenfalls deutliche Vorteile eines niederschwelligen integrierten Therapieprogrammes gegenüber der Standardbehandlung hinsichtlich der Reduktion von Konsummengen, der beruflichen Wiedereingliederung, der Einschränkung illegaler Aktivitäten und der Abnahme HIV-riskanten Verhaltens. Zwischenzeitlich wurden mehr als 30 kontrollierte Studien publiziert, die in der Zusammenschau die Überlegenheit integrierter Therapieprogramme für DD-Patienten im Vergleich zu Standardbehandlungen unterstützen (neuere Übersichten: Drake et al. 2004, Green et al. 2007). Schließlich wurden auch wenige methodisch sehr anspruchsvolle randomisierte kontrollierte Studien publiziert. In der Studie von Barrowclough et al. (2001) mit 36 DD-Patienten erfolgte die Zuordnung der Patienten zu der Experimental- oder Kontrollgruppe randomisiert und die Therapieerfolge wurden durch Personen beurteilt, die ansonsten nicht an der Studie beteiligt waren und nicht wussten welcher Patient zu welcher Gruppe gehörte. Die Kontrollgruppe erhielt eine „Standardtherapie“ (Medikation, ambulante psychiatrische Behandlung und Soziotherapie), während die Experimentalgruppe zusätzlich Motivationsbehandlung, Verhaltenstherapie und Familieninterventionen erhielt. Die Patienten wurden vor Beginn der Behandlung, am Ende der 9-monatigen Behandlungsperiode und drei Monate später, d. h. 12 Monate nach Beginn der Behandlung, untersucht. Die Experimentalgruppe hatte am Ende der Behandlung und drei Monate später ein höheres Funktionsniveau erreicht, wies weniger Positivsymptome auf, hatte im Zeitraum dieser 12 Monate seltener psychotische Exazerbationen erlitten und hatte den Konsum im Vergleich zu der Kontrollgruppe stärker reduziert. Bei einer weiteren Follow-upUntersuchung des Kollektivs neun Monate nach Beendigung der Behandlung zeigten sich weiterhin ein höheres Funktionsniveau und weniger Negativsymptome der Psychose sowie tendenziell eine geringere Rückfallrate hinsichtlich der Psychose und ein geringeres Ausmaß des Konsums (Haddock et al. 2003). Interessanterweise unterschieden sich die Behandlungs-

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kosten zwischen den zwei Gruppen nicht, da die Kontrollgruppe in höherem Maß andere Behandlungselemente in Anspruch nahm (notfallmäßige Vorstellungen!) und vor allem mehr Tage in stationärer Behandlung aufwies (Haddock et al. 2003). Baker und Mitarbeiter (2006) führten eine große randomisierte Studie mit 130 DD-Patienten und einer deutlich umschriebeneren Intervention von 10 wöchentlichen Sitzungen vs. einer Standardtherapie durch. Die Intervention bestand aus vier Motivationsinterviews und sechs kognitiv-behavioralen Sitzungen. Die Patienten wurden vor Beginn der Behandlung sowie nach 15 Wochen, sechs Monaten und 12 Monaten untersucht. Die Experimentalgruppe zeigte fünf Wochen nach Beendigung der Behandlung eine tendenziell stärkere Konsumreduktion und geringere Depressionswerte und nach 12 Monaten ein höheres Funktionsniveau und eine tendenziell stärkere Reduktion des Stimulanzienkonsums. Diese Studie zeigt, dass selbst relativ umschriebene Interventionen messbare mittelfristige Effekte haben können. Schließlich verglichen Bellack et al. (2006) das BTSAS (Behavioral Treatment of Substance Abuse in Schizophrenia, bestehend aus Motivationsinterviews, einem abgestuften finanziellen Belohnungssystem bei negativen Urindrogenscreenings, Social-skills- und Rückfallpräventionstraining) mit einem ebenfalls manualisierten supportiven Suchttherapieprogramm: 129 ambulante DD-Patienten wurden randomisiert einem der beiden Therapiearme zugeordnet und erhielten über sechs Monate 2-mal wöchentlich Sitzungen in kleinen Gruppen. Die BTSAS-Gruppe zeigte über die gesamte Dauer der Behandlung eine niedrigere Drop-out-Rate und eine stärkere Reduktion des Konsums im Vergleich zur Kontrollgruppe. Diese Ergebnisse zeigen, dass die integrierte Behandlung von DD-Patienten durchaus sinnvoll und erfolgreich sein kann, in dem Sinne, dass alltagsrelevante Besserungen der sozialen Anpassung und Reduktionen des Konsums erreicht werden können. Auch wenn das hohe Ziel der Abstinenz häufig nicht erreicht wird, sollte die Bedeutung dieser Teilerfolge nicht unterschätzt werden. Die langfristigen Verläufe nach integrierter Therapie scheinen nach neuesten Daten sogar günstiger als die mittelfristigen zu sein: Eine 3-Jahres- und eine 10-Jahres-Katamnese von 152 bzw. 130 ehemals ambulant integriert behandelten DD-Patienten ergab wesentliche Besserungen hinsichtlich beider Störungen sowie in allen wesentlichen Funktionsbereichen wie Wohnen, Beschäftigung, soziale Kontakte und Lebenszufriedenheit (Xie et al. 2005, Drake et al. 2006). Die differenzielle Effektivität der einzelnen Behandlungselemente der DD-Programme wurde bisher nicht untersucht, sodass eine Aussage hierzu schwierig erscheint. Dies könnte das Ziel zukünftiger Therapiestudien sein, um die Effektivität und Ökonomie der Behandlungsprogramme zu optimieren.

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Praxis

5 Behandlungskonzept, Rahmenbedingungen und Abschnitte 5.1 Ursprünge des Behandlungskonzeptes Unser Vorsatz, ein spezialisiertes Behandlungsprogramm für DD-Patienten zu etablieren, entstand zunächst im Jahr 2000 auf einer offenen Station des Universitätsklinikums Aachen. Es handelte sich um eine relativ kleine Einheit von 14 Betten, die ursprünglich mit dem Schwerpunkt auf die Frührehabilitation junger, postakuter bzw. (teil)remittierter Patienten mit Schizophrenie eröffnet worden war. Die Aufenthaltsdauer betrug in der Regel drei bis sechs Wochen. In dieser Zeit wurde die Pharmakotherapie optimiert und die Patienten wurden auf den Wiedereinstieg in den Beruf oder weitere berufliche/soziale rehabilitative Maßnahmen in tagesklinischen oder komplementären Einrichtungen vorbereitet. Zu den speziellen Therapieangeboten der Station gehörten Psychoedukation in der Gruppe, Training kognitiver Leistungen, verhaltenstherapeutisches Gruppentraining sozialer Kompetenzen und Training alltagspraktischer Fertigkeiten. Seit Ende der 1990er Jahre fiel auf, dass immer mehr Patienten der Station einen komorbiden Substanzmissbrauch aufwiesen. Hierbei muss offen bleiben, ob die steigende Prävalenz der Komorbidität in der Klientel dieser Station auf eine tatsächliche Häufigkeitszunahme innerhalb der Population zurückzuführen war, oder ob sich hier die zunehmende Sensibilisierung des Stationspersonals auf die Problematik der Doppeldiagnosen auswirkte. Jedenfalls war bei der jüngeren Patientenklientel im Altersspektrum von 18 bis 30 Jahren Cannabiskonsum die Regel, an zweiter Stelle stand Alkohol, und weniger häufig wurden Stimulanzien, Halluzinogene und Ecstasy konsumiert. Bei älteren Patienten hingegen stand zumeist der Alkoholkonsum im Vordergrund. Nachdem bisweilen über die Hälfte der Station mit DD-Patienten belegt war, sahen wir aufgrund der negativen Konsequenzen für den Verlauf und die Behandlung die klinische Notwendigkeit, ein spezielles Therapiekonzept für diese Patienten zu entwickeln, zumal eine langfristig erfolgreiche Behandlung ohne Berücksichtigung der Suchtproblematik nicht mehr möglich erschien. Das ursprüngliche Behandlungskonzept wurde in den Jahren 2000/2001 entwickelt und nach den praktischen Erfahrungen bis 2003 laufend modi-

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5 Behandlungskonzept, Rahmenbedingungen und Abschnitte

fiziert. Neben einer Anpassung des Stationssettings und der Entwicklung und Implementierung einer speziellen stationären Psychoedukationsgruppe für die DD-Patienten wurde zunehmend auch das komplementäre ambulante Behandlungsangebot in der Institutsambulanz (IA) des Klinikums ausgebaut. So wurde auch im Rahmen der IA ein spezielles ambulantes verhaltenstherapeutisches Gruppentraining für diese Patientengruppe entwickelt und erprobt (Gouzoulis 2003). Zuletzt sah das Konzept den Schwerpunkt der Behandlung in einem stationären Abschnitt von drei bis acht Wochen vor, verbunden mit dem Angebot einer anschließenden längerfristigen ambulanten Behandlung in der IA. Die Erfahrungen mit der Akzeptanz des Behandlungsangebots waren gut, allerdings wurde rasch deutlich, dass ein erheblicher Teil der Patienten nach der Entlassung rückfällig wurde bzw. in alte Verhaltensmuster zurückfiel und der mittelfristige Verlauf sehr stark von der ambulanten Nachbehandlung abhing. Diese Erfahrung ist durchaus in Einklang mit der Literatur bzw. der Studienlage, die für die Behandlung von DD-Patienten in erster Linie langfristig angelegte, ambulante Behandlungsprogramme favorisiert (s. Abschnitt 4.1.2). So wurde nach dem Wechsel der Arbeitsgruppe an die Universität Köln entschieden, das integrierte Behandlungsprogramm in der IA anzusiedeln und den Schwerpunkt der Therapie nach einem langfristig angelegten, abstinenzorientierten Ansatz auszurichten. Bei dem aktuellen Behandlungskonzept an der Universität Köln liegt somit der Schwerpunkt der Behandlung von DD-Patienten im ambulanten Sektor. Stationäre Aufenthalte erfolgen nach üblichen klinischen Indikationen, z. B. wenn eine Verschlechterung/Exazerbation der psychotischen Symptomatik oder eine Zuspitzung des Konsumverhaltens oder eine andere Krise ambulant nicht mehr abzufangen ist. Diese Aufenthalte werden jedoch eher kurz gehalten, sodass die Patienten möglichst rasch wieder in das ambulante Behandlungsprogramm integriert werden. Nach den gemachten Erfahrungen und nach der Studienlage halten wir es für sinnvoll, diesem abstinenzorientierten, schwerpunktmäßig ambulanten Behandlungskonzept generell den Vorrang zu geben. Erst bei Scheitern dieses Ansatzes ist es u. E. sinnvoll, ein intensiveres stationäres oder teilstationäres Programm mit medizinisch rehabilitativem Ansatz anzubieten, das aber in diesem Fall auch auf mehrere Monate angesetzt sein müsste. Im Folgenden wird zunächst das von uns favorisierte und derzeit praktizierte schwerpunktmäßig ambulante Behandlungskonzept beschrieben. Anschließend folgt eine Schilderung alternativer stationärer Behandlungsprinzipien.

5.2 Langfristige ambulante Behandlung

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5.2 Langfristige ambulante Behandlung Die Ziele der Behandlung sind: z Remission und Stabilisierung der psychiatrischen Symptomatik z Förderung der Abstinenzmotivation ohne Forderung der Abstinenz z Förderung sozialer, krankheitsspezifischer und Alltagsfertigkeiten, die den weiteren Verlauf der psychotischen Störung und der Sucht und die soziale Rehabilitation günstig beeinflussen, und z Vorbereitung auf den Wiedereinstieg in das alte soziale/berufliche Umfeld oder auf weiterführende soziale/berufliche rehabilitative Maßnahmen in tagesklinischen oder komplementären Einrichtungen. Die Behandlung von DD-Patienten in der Institutsambulanz (IA) wird vor einem soziotherapeutischen Hintergrund im interdisziplinären Team von Ärzten, Psychologen, Pflegekräften und Sozialarbeitern durchgeführt. Sie richtet sich nach den Prinzipien der Abstinenzorientierung und „harm reduction“. Von den Patienten wird erwartet, dass sie bezüglich ihrer Medikation und ihres Konsums ehrlich sind, d. h. die Behandler sollen wissen, ob bzw. wieviel von der empfohlenen Neuroleptikadosis die Patienten tatsächlich einnehmen und was sie sonst konsumieren. Es wird jedoch nicht von ihnen erwartet, dass sie die ärztlichen Empfehlungen hinsichtlich Medikation und Abstinenz strikt befolgen, d. h. die Abstinenz ist keine Voraussetzung für die Behandlung in der IA, sondern vielmehr oft ein wichtiges Behandlungsziel. Im Sinne der „harm reduction“ werden auch partielle Abstinenzziele der Patienten durchaus akzeptiert, z. B. wird der Patient in seinem Bemühen um Alkoholabstinenz unterstützt, selbst wenn er (noch?) keinen Grund sieht, warum er seinen regelmäßigen Cannabiskonsum einstellen soll. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Haltung des therapeutischen Teams für den Patienten nicht erkennbar sein soll oder zu sein braucht. Vielmehr soll von Seiten des Teams immer wieder klargestellt werden, dass eine (weitgehende) Abstinenz für wichtig erachtet und dass langfristig an diesem Ziel festgehalten wird. Auch gelten bestimmte Regeln und Grenzen für die aktuelle Behandlungssituation. So muss klar vereinbart werden, dass ein Wahrnehmen von Therapieterminen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss nicht sinnvoll und möglich ist. In diesem Fall sollen die Patienten zu Hause bleiben und sich abmelden bzw. sie sollen wieder nach Hause geschickt werden, was allerdings in der Praxis nach unserer Erfahrung kaum vorkommt. Darüber hinaus darf Handeln mit Drogen und/oder dissoziales Verhalten im Umfeld der Klinik nicht toleriert werden bzw. es wäre zumindest bei wiederholten Verstößen ein Grund zur Aufkündigung des Behandlungsangebotes. Grundsätzlich ist die therapeutische Haltung den DD-Patienten gegenüber fürsorglich und stützend. Entsprechend bemühen wir uns im Rahmen

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5 Behandlungskonzept, Rahmenbedingungen und Abschnitte

der personellen Ressourcen der IA, die Patienten auch in ihrem sozialen Umfeld aufzusuchen, wenn es sinnvoll erscheint, z. B. um sich ein Bild von der häuslichen Situation zu machen oder wenn der Patient zu vereinbarten Terminen nicht erschienen ist, auf Anrufe und Anschreiben nicht reagiert und Anlass zur Sorge besteht. Diese Form der aufsuchenden Arbeit wird als entscheidend für den Erfolg der DD-Behandlung angesehen (s. Abschnitt 4.1.4) und sie wirkt sich nach unserer Erfahrung außerordentlich positiv auf die Behandlungsmotivation der Patienten aus. In der ambulanten Behandlung wird von Seiten des Sozialdienstes Unterstützung in Wohn- und Finanzangelegenheiten sowie bei Bemühungen in Richtung einer beruflichen Rehabilitation gewährt. Als unspezifisches Angebot haben die Patienten die Möglichkeit, an einer offenen Kontakt- und Freizeitgruppe (runder Tisch) teilzunehmen. Ferner besteht für die DDPatienten die Möglichkeit, psychoedukative und verhaltenstherapeutische Angebote (mit) zu nutzen, die in der Klinik fest etabliert sind und sich an Psychosepatienten richten (Psychoedukation, kognitives Training und soziales Kompetenztraining). Jeder Patient wird psychiatrisch/psychotherapeutisch durch einen erfahrenen Arzt behandelt, der auch die Pharmakotherapie durchführt. Bei den regelmäßigen ärztlichen Gesprächen werden die Prinzipien der motivierenden Gesprächsführung berücksichtigt (s. Abschnitt 4.2.2). Der Patient wird trotz bzw. mit seinem Konsum akzeptiert und respektiert, und es wird vermittelt, dass grundsätzlich Verständnis für seine Situation da ist. Dennoch wird das Suchtproblem thematisiert und es wird versucht, den Patienten für eine offene Auseinandersetzung damit zu gewinnen und ihm zu helfen, Wege zur Einschränkung des Konsums zu erkennen. Psychoedukative Aspekte werden in die ärztlichen Gespräche integriert, insbesondere wenn der Patient (noch) nicht bereit oder nicht in der Lage ist, am psychoedukativen Gruppentraining teilzunehmen (s. Kapitel 6). Sofern möglich, werden Familienmitglieder und/oder Partner aktiv in die Therapie einbezogen und in sinnvollen Abständen zu gemeinsamen Gesprächen mit dem Patienten eingeladen. Der Ansatz bei den Familiengesprächen ist in erster Linie psychoedukativ, wobei insbesondere die Zusammenhänge zwischen Psychose und Konsumverhalten erläutert und das Konzept des Suchtverhaltens als „zweite Krankheit“ vermittelt wird. Zusätzlich wird den Angehörigen und Partnern das Angebot gemacht, an einer in der Klinik fest etablierten psychoedukativen Angehörigengruppe für Angehörige von Patienten mit Schizophrenie teilzunehmen. In den Familiengesprächen können in Einzelfällen auch Kommunikationsprobleme und ungünstige Interaktionen unter den Familienmitgliedern zumindest ansatzweise bearbeitet werden. Die ambulante Behandlung der DD-Patienten ist grundsätzlich als Langzeitbehandlung konzipiert. Innerhalb der Behandlungszeit wird je nach Motivationsstadium in der Regel einmalig die Teilnahme an einem

5.2 Langfristige ambulante Behandlung

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speziellen psychoedukativen Gruppentraining über fünf wöchentliche Stunden (KomPAkt) angeboten. Dieses Angebot wird in einer geschlossenen Gruppe von 6 bis 8 DD-Patienten durchgeführt. Es ersetzt nicht die Psychoedukation über Psychosen und deren Behandlung; vielmehr baut es darauf auf und vermittelt Wissen über die Wirkungen von Suchtstoffen und die Zusammenhänge zwischen Konsum und psychotischen Symptomen. Beim KomPAkt handelt sich um eine leicht modifizierte Version des Psychoedukativen Trainings, das bereits in der ersten Auflage des vorliegenden Buches mit ausführlichem Manual veröffentlicht wurde (Gouzoulis-Mayfrank 2003; Abschnitt 6 des vorliegenden Buches). Bei bestimmten DD-Patienten erweist es sich als sinnvoll, die Teilnahme am KomPAktTraining nach einigen Monaten zu wiederholen. Patienten, die (noch) nicht bereit oder nicht in der Lage sind am Gruppentraining teilzunehmen, wird in der Regel eine modifizierte und verkürzte Version als Einzeltherapie angeboten (s. Abschnitt 6.3). Aufbauend auf dem KomPAkt-Training wurde für DD-Patienten in fortgeschrittenen Motivationsstadien eine kognitiv-verhaltenstherapeutische Gruppe über 21 wöchentliche Sitzungen (KomPASs) entwickelt und inzwischen fest in der IA etabliert. KomPASs setzt somit inhaltlich am „Ausblick“ des KomPAkt-Trainings an und bietet den DD-Patienten konkrete Hilfe beim Umsetzen ihres Abstinenzentschlusses. KomPASs wird als halbgeschlossene Gruppe mit 6 bis 8 DD-Patienten durchgeführt, die die psychoedukative KomPAkt-Gruppe bereits besucht haben. Es setzt den Fokus auf Themen, die sowohl für die Suchtproblematik als auch für den Umgang mit der psychotischen Vulnerabilität relevant sind. Als Nukleus für die Entwicklung des KomPASs-Trainings diente ein umschriebenes Skills-Training von 10 Stunden, das ursprünglich am Universitätsklinikum Aachen entwickelt und bereits in der ersten Auflage des vorliegenden Buches kurz umrissen wurde (Gouzoulis-Mayfrank 2003). Das KomPASsTraining ist jedoch wesentlich umfangreicher als das ursprüngliche SkillsTraining, und es setzt neben den behavioral-übenden auch mehr kognitive Elemente ein. Neben allgemeinen und speziellen konsumbezogenen Fertigkeiten werden die Identifikation und Vermeidung von Gefahrensituationen und der Umgang mit Stress, Krisen, Suchtdruck und Rückfällen geübt. Das KomPASs-Training wird hier als ausführliches Manual beschrieben (s. Kapitel 7). Wie bei der KomPAkt-Psychoedukation wird auch die Teilnahme am KomPASs-Training in der Regel einmal innerhalb der Behandlungszeit angeboten, manchmal kann es jedoch sinnvoll sein, im Behandlungsverlauf das Angebot zu wiederholen. Dem Besuch von externen Selbsthilfegruppen stehen wir neutral gegenüber. Unsere Erfahrungen damit sind gemischt, sodass wir die Bedenken, die in der Literatur geäußert werden, grundsätzlich teilen (vgl. Abschnitt 4.2.6). Als weiteren Schritt in der Ausdifferenzierung des Behandlungsangebotes planen wir derzeit, unsere DD-Patienten bei der Etablie-

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rung einer eigenen Selbsthilfegruppe nach dem Vorbild der Double-Trouble-Gruppen zu unterstützen. Den Nukleus für eine solche Selbsthilfegruppe könnten ehemalige Absolventen des KomPASs-Trainings bilden. Geplant ist auch das Angebot einer Teilnahme des KomPASs-Therapeuten in größeren Abständen an den Selbsthilfetreffen. Wenn die DD-Patienten im Rahmen von Krisen in der eigenen Klinik stationär behandelt werden, können sie, sobald ihr Zustand es erlaubt, von der Station aus die therapeutischen Angebote der IA wahrnehmen. Damit wird der erneute Übergang in die ambulante Behandlung gefördert.

5.3 Stationäre Behandlung Bei Scheitern des oben beschriebenen ambulanten Behandlungsansatzes bemühen wir uns, die DD-Patienten für eine mehrmonatige stationäre Behandlung mit psychiatrisch-rehabilitativem Ansatz oder für eine Unterbringung in einer geeigneten komplementären Einrichtung zu motivieren. Nach der Literatur und auch nach unserem Eindruck können manche bis dahin behandlungsresistente DD-Patienten nach einer solchen Behandlung doch eine günstigere Entwicklung nehmen. Allerdings sollte in diesen Fällen die Behandlung länger als ein halbes Jahr dauern. In einer aktuellen Übersichtsarbeit wird sogar von einer Behandlungsdauer von einem Dreiviertel- bis zu einem ganzen Jahr ausgegangen (Brunette et al. 2004, Drake et al. 2004). Während es bis vor wenigen Jahren kaum spezialisierte Angebote dieser Art gab, existieren zwischenzeitlich mehrere Kliniken, Rehabilitations- und Übergangseinrichtungen, die sich entweder vollständig auf Doppeldiagnosepatienten spezialisiert oder ihr Konzept dahingehend modifiziert haben, dass sie auch Doppeldiagnosepatienten behandeln können. Grundsätzlich ist der Ansatz auch hier abstinenzorientiert und motivationsfördernd, allerdings unterscheiden sich die Behandlungskonzepte und deren konkrete Umsetzung unter den verschiedenen Institutionen z. T. erheblich. Auf der Basis der Literatur und unserer früheren Erfahrungen mit der Schwerpunktstation für DD-Patienten am Universitätsklinikum Aachen (s. Abschnitt 5.1) halten wir es nicht für sinnvoll, einen klaren Entschluss zur langfristigen Abstinenz als Eingangsvoraussetzung für die stationäre Behandlung zu formulieren. Vielmehr kann die Förderung der langfristigen Abstinenzmotivation auch hier ein vorrangiges Ziel der Behandlung sein. Voraussetzung muss jedoch die grundsätzliche Bereitschaft von Seiten des Patienten sein, zumindest während der stationären bzw. rehabilitativen Behandlung auf den Konsum nicht verschriebener psychotroper Substanzen zu verzichten bzw. sich ernsthaft darum zu bemühen,

5.3 Stationäre Behandlung

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z da ansonsten die Behandlung der schizophrenen Psychose bzw. die medikamentöse Einstellung nicht optimal erfolgen kann, z da durch Intoxikationen die Behandlungsangebote nicht optimal genutzt werden können, und z da Rücksicht auf andere gegenwärtig abstinente Patienten genommen werden muss. Das therapeutische Team sollte den Patienten in seiner Bemühung um Abstinenz unterstützen. Prinzipiell sollte auf der Station bzw. in der Einrichtung ein Abstinenzklima herrschen, und dies sollte auch in der allgemeinen Stationsordnung Ausdruck finden. Darin sollte u. E. auch festgehalten werden, dass auf der Station nicht nur der Genuss alkoholhaltiger Getränke und Drogen, sondern auch der Genuss von alkoholfreiem Bier und so genannter „energy drinks“ nicht erwünscht ist. Diese auf den ersten Blick womöglich übertrieben erscheinenden Einschränkungen sollen verhindern, dass die Atmosphäre auf der Station durch konsumassoziierte Reize (cues) bestimmt wird. Ferner soll das Abstinenzklima u. E. durch zumindest gelegentliche Screeninguntersuchungen gestützt werden. Zwischenzeitlicher Konsum bzw. Rückfälle sollen offen thematisiert und analysiert werden, um daraus zu lernen. Dabei sollte Moralisieren vermieden, aber dennoch klar Position bezogen werden. Nach Absprache mit dem Patienten sollen nach einem Rückfall zuvor festgelegte Konsequenzen gezogen werden, wie z. B. die zeitlich begrenzte Einschränkung von Ausgang oder Besuchen oder eine Ermahnung oder eine Verwarnung. Als grundsätzliches Prinzip soll jedoch die Verhältnismäßigkeit der therapeutischen Reaktionen auf Rückfälle gelten. Das Behandlungsprogramm sollte spezifische Verfahren wie Psychoedukation und Verhaltenstherapie enthalten. Allerdings wird auch den weniger spezifischen Elementen wie Tagesstrukturierung, Training alltagspraktischer Kompetenzen, Ergotherapie, Sport und vorbereitenden Schritten für die soziale und berufliche Reintegration eine große Bedeutung für den Therapieerfolg zukommen. Im Sinne der Transparenz sollte u. E. nach einer Probezeit von ca. zwei Wochen ein schriftlicher Therapievertrag zwischen Team und Patient abgeschlossen werden, worin Behandlungsziele, vorgesehener Behandlungszeitraum, ggf. Zwischenziele, Erfolgs- und Misserfolgskriterien, Kontrollinstrumente (z. B. Drogenscreening) und Konsequenzen bei therapiegefährdendem Verhalten formuliert werden. Bei aufkommenden Problemen in der Therapie (z. B. Nichtwahrnehmen von Therapieterminen, aggressiver oder respektloser Umgang mit Personal und/oder Mitpatienten, Verschweigen von Konsum im Ausgang u. a.) werden zunächst die Gründe für das problematische Verhalten und Problemlösungen gesucht. Bei Persistenz des problematischen Verhaltens sollte aber eine Ermahnung und im zweiten Schritt eine offizielle Verwarnung ausgesprochen werden. Diese Maßnahmen sollen signalisieren, dass

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5 Behandlungskonzept, Rahmenbedingungen und Abschnitte

die Therapie gefährdet erscheint. Bei unserer früheren Schwerpunktstation für DD-Patienten am Universitätsklinikum Aachen hatten wir über die Erteilung einer Verwarnung in einer multiprofessionellen Teambesprechung abgestimmt. Die Gründe für die Erteilung der Verwarnung wurden daraufhin mit dem Patienten im Einzelgespräch erörtert. Schließlich wurde die Verwarnung im Sinne der Transparenz auf der Station auch in einer Gruppenvisite bzw. Stationsversammlung mitgeteilt. Der wiederholte Erhalt von Verwarnungen muss dahingehend gewertet werden, dass eine Weiterführung der Therapie unter den gleichen Bedingungen nicht möglich oder sinnvoll erscheint. Nach Rücksprache mit dem Patienten und in Abhängigkeit von dessen Zustand und Gesamtsituation muss dann letztlich eine Entlassung oder Verlegung auf eine andere Station oder Einrichtung erfolgen. Die Forderung, während der stationären rehabilitativen Behandlung auf den Konsum nicht verschriebener psychotroper Substanzen zu verzichten, könnte auf den ersten Blick unverständlich oder gar paradox erscheinen: Man mag sich fragen, wieso man vom Patienten erwarten kann, dass er auf einer offenen Station die Abstinenzregel einhält („Wenn er das schon kann, braucht er ja die ganze Behandlung nicht mehr“). Auf der anderen Seite darf nicht übersehen werden, dass die Patienten während des Aufenthaltes auf der Station oder in der Einrichtung ein Ausmaß an Unterstützung erhalten, das sie in ihrem normalen Alltag meistens nicht haben: Sie leben in einer Gemeinschaft, haben Kontakte und erfahren Solidarität durch Mitpatienten, sie erhalten stützende Gespräche und Hilfe bei der Realisierung von Krisenplänen durch das Personal, und sie können schließlich als Ultima ratio auf beruhigende Bedarfsmedikamente zurückgreifen. Daraus folgt, dass die Einhaltung der Abstinenz während des stationären Aufenthaltes leichter fallen dürfte als nach der Entlassung. Aus diesem Grund halten wir es für gerechtfertigt und realistisch, die Bereitschaft zur Abstinenz während der stationären Behandlung zu verlangen, zumal ein Verzicht auf die Abstinenzforderung hier mit Hinblick auf die Führbarkeit der Institution kaum vorstellbar erscheint. Im Folgenden findet sich ein Beispiel für den Aufbau eines Therapievertrages für den stationären Rahmen. Es soll als Leitfaden verstanden werden, der nach den Besonderheiten jedes klinischen Falles individuell modifiziert wird. Nach unserer Erfahrung ist für die Akzeptanz des Therapievertrages und die nachfolgende Compliance des Patienten entscheidend, dass der Vertrag vom behandelnden Therapeuten und dem Patienten gemeinsam aufgesetzt bzw. entwickelt wird.

5.3 Stationäre Behandlung

Behandlungsvertrag zwischen Herrn/Frau . . . . . . und dem Team der . . . . . . . . . Datum: . . . . . . . . . . Ziel(e) der stationären Behandlung/des Aufenthaltes im . . . ist (sind) z. B. . . . z die Besserung und Stabilisierung der Krankheitssymptome, insbesondere Unruhe, Anspannung, Schlafstörungen . . . . z das Erlernen und Üben von adäquaten Fertigkeiten im Umgang mit . . . . z. B. Unruhezuständen u. ä., bei Verzicht auf den Konsum von ..... z das Üben von Fertigkeiten, die für einen Alltag in Selbstständigkeit wichtig sind (z. B. Tagesablauf planen und einhalten, . . . . .). Das Team wird Herrn/Frau . . . . . bei der Verfolgung dieser Ziele helfen und ihn/sie stets unterstützen. Damit wir an den Behandlungszielen effektiv zusammenarbeiten können, werden folgende Vereinbarungen getroffen: z Der Therapie-/Aktivitätenplan von Herrn/Frau . . . . wird zu Beginn der Behandlung (und/oder alle 4 Wochen . . . . oder . . .) im Gespräch zwischen ihr/ihm und dem behandelnden Arzt oder einem Teammitglied festgelegt. Er ist dann verbindlich. Herr/Frau . . . . verpflichtet sich von sich aus regelmäßig, pünktlich und aktiv an den Therapien teilzunehmen. Ausnahmen müssen zuvor mit einem Teammitglied abgesprochen werden. z Herr/Frau . . . . ist grundsätzlich bereit, während der stationären Behandlung auf der Station selbst und im Ausgang vom Alkoholkonsum Abstand zu nehmen (oder Cannabis oder Drogen . . . . .). z Im Gespräch zwischen Herrn/Frau . . . . . und dem behandelnden Arzt wird ein Krisenplan erarbeitet, der bei Verlangen nach . . . . (oder bei Unruhe, Spannungszuständen u. ä.) eingesetzt werden soll. Der Krisenplan wird im Gespräch mit dem Patienten vorbereitet und getrennt zur Unterschrift vorgelegt. Es ist jedoch auch möglich, den Krisenplan direkt in den Behandlungsvertrag zu integrieren. Mögliche Stufen im Krisenplan wären z. B.: z Entspannungsübungen z Musik hören z Gesellschaftsspiele

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5 Behandlungskonzept, Rahmenbedingungen und Abschnitte

z Gespräch mit Personal z Nähe einer vertrauten Person suchen z Bedarfsmedikation Bei einem Rückfall mit . . . . konsum verpflichtet sich Herr/Frau . . . . ., dies dem Team mitzuteilen. Im gemeinsamen Gespräch wird dann versucht herauszufinden, warum der Krisenplan in diesem Fall versagte und was in der Zukunft anders oder besser gemacht werden könnte. Wir wissen, dass es sehr schwer sein kann, die Abstinenz durchzuhalten! Zur Unterstützung unserer Vereinbarungen werden in unregelmäßigen Abständen Kontrollen im Sinne von Drogen-Alkohol- . . . screeninguntersuchungen durchgeführt. Bei konkretem Verdacht auf Konsum kann es auch einmal erforderlich sein, dass die privaten Sachen von Herrn/Frau . . . . . in seinem Beisein seitens des Teams hinsichtlich Alkoholika (Drogen . . . . .) durchsucht werden. Bei Verstößen gegen die Vereinbarungen in diesem Therapievertrag (z. B. wiederholtes Zuspätkommen oder Nichtwahrnehmen von Therapieterminen, andere Hinweise auf geringe Therapiemotivation, wiederholter Konsum, Verschweigen des Konsums) wird Herr/Frau . . . . vom Stationsteam verwarnt als Hinweis darauf, dass der Therapieerfolg gefährdet erscheint. Die Verwarnung wird nach vorheriger ausführlicher Besprechung zwischen Herrn/Frau . . . . und dem behandelnden Arzt zusätzlich in der Gruppenvisite mitgeteilt. Bei . . . . (drei? fünf?) Verwarnungen gehen wir davon aus, dass eine Fortsetzung der Behandlung auf dieser Station derzeit nicht sinnvoll ist. Nach Absprache wird zeitnah in Abhängigkeit von der Situation eine Entlassung oder Verlegung auf eine andere Station oder Einrichtung erfolgen. Name und Unterschrift des Patienten Unterschrift des behandelnden Arztes, für das Team

6 KomPAkt: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit – Psychoedukatives Training 6.1 Allgemeine Prinzipien Das psychoedukative Training für Patienten mit der Komorbidität Psychose und Missbrauch/Abhängigkeit (KomPAkt) wurde ursprünglich ab 2001 an einer Schwerpunktstation der Psychiatrischen Klinik der RWTH Aachen entwickelt und fand dort Anwendung. Seit 2003 wird es im Rahmen eines Schwerpunktprogrammes für DD-Patienten an der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) der Universitätsklinik Köln angeboten, es steht jedoch dort auch stationären und teilstationären Patienten der Einrichtung zur Verfügung. Die Ziele des KomPAkt sind: 1. Informationsvermittlung über Wirkungen und gesundheitliche Risiken durch Alkohol, Beruhigungsmittel und illegale Drogen 2. Informationsvermittlung über die Zusammenhänge zwischen Psychose und Suchterkrankungen 3. Steigerung der Abstinenzmotivation 4. erste Schritte in Richtung Vermittlung von Verhaltensalternativen zum Konsum und Hilfsmöglichkeiten Das KomPAkt baut auf die Psychoedukation von Patienten mit schizophrenen Psychosen auf, d. h. das Basiswissen über die Symptome einer Psychose, über das Vulnerabilitätskonzept und über die Behandlung von Psychosen wird nicht im KomPAkt vermittelt. Dieses Basiswissen wird für die Teilnahme am KomPAkt vorausgesetzt bzw. es wird in der Regel in einer vorgeschalteten psychoedukativen Gruppe über Psychosen vermittelt. Somit versteht sich das KomPAkt als Ergänzung und nicht als Ersatz der allgemeinen Psychoedukation für Patienten mit schizophrenen Psychosen. Die Durchführung des KomPAkt erfolgt in einer geschlossenen Gruppe von sechs bis acht Patienten mit fünf wöchentlichen Sitzungen à 60 Minuten. Patienten, die zwischenzeitlich aus der stationären Behandlung entlassen wurden, erhalten das Angebot, die Gruppe bis zum Abschluss des Trainings weiter von zu Hause aus zu besuchen.

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6 KomPAkt: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit – Psychoedukatives Training

Für die Durchführung des KomPAkt ist Folgendes zu beachten: z Für die ersten beiden Sitzungen ist es sinnvoll, wenn ein(e) Therapeut(in) und ein(e) Kotherapeut(in) die Gruppe leiten. Ab der dritten Sitzung ist ein(e) Therapeut(in) ausreichend. z Der (die) Therapeut(in) sollte über ausreichende Kenntnisse über die Wirkungen und Komplikationen durch Suchtstoffe verfügen (s. Anhang II: Synopsis Suchtstoffe). Darüber hinaus sollte er (sie) erfahren in der Psychotherapie und in der Gruppenleitung sein. z Der Kommunikationsstil im KomPAkt ist interaktionell, Frontalunterricht wird vermieden. Die Patienten haben eine aktive Rolle, womit die Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit bei den Patienten gefördert wird. Für die Vermittlung der Inhalte wird ein Flipchart verwendet, das zunächst vom Kotherapeuten/von der Kotherapeutin, später von den Patienten „bedient“ wird. Am Ende jeder Sitzung werden Arbeitsblätter mit den wichtigsten Inhalten der Stunde als Handouts verteilt (s. Anhang A1.3). Für die Aufbewahrung der Arbeitsblätter sollten Schnellhefter für jeden Patienten zur Verfügung stehen. z Die zweite, dritte und vierte Sitzung sind ähnlich aufgebaut. Ein Teil der Informationen wiederholt sich, damit wird der Lerneffekt gesichert. z Die Rolle des Therapeuten ist diejenige eines Experten, der Informationen vermittelt, aufklärt und Möglichkeiten aufzeigt. Das Wissen und die Erfahrungen bzw. die Kompetenz des Patienten werden jedoch grundsätzlich akzeptiert und respektiert. Therapeut(in) und Patient sind Partner in der Behandlung, wobei der Patient letztlich entscheidet, was für ihn das Richtige ist. z In Übereinstimmung mit den Prinzipien der motivierenden Gesprächsführung (s. Abschnitt 4.2.2) werden Moralisieren und Argumentieren mit bzw. gegen den Patienten vermieden. Es wird nicht versucht, den Patienten von der „Falschheit“ seiner Einschätzung zu überzeugen. Vielmehr wird versucht, aus vermeintlichen Gegensätzen ein Kontinuum herzuleiten. Das Resultat könnte beim Patienten z. B. so aussehen: „Drogen tun mir tatsächlich kurzfristig immer wieder gut, und sonst hat mir bisher nichts besser geholfen, aber langfristig bekomme ich wegen der Drogen Probleme. Vielleicht sollte ich wegen dieser langfristigen Probleme nach Alternativen suchen und doch den Drogenkonsum einschränken“. Die Themen des KomPAkt sind in Tabelle 6.1 aufgeführt. Nach unserer Erfahrung ist im deutschsprachigen Raum die Komorbidität einer Psychose mit Missbrauch oder Abhängigkeit von Opiaten eher selten. Zumindest sind DD-Patienten mit einer Opiatsucht selten in unserer Klientel vertreten. Ebenfalls sehen wir bei psychotischen Patienten selten den Konsum pflanzlicher atypischer Halluzinogene (sog. biogene Dro-

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Tabelle 6.1. Inhalte des psychoedukativen Trainings KomPAkt z 1. Sitzung Allgemeines, Überblick über Suchtstoffe und deren Wirkqualitäten z 2. Sitzung Alkohol und Benzodiazepine, ggf. auch Opiate: Konsummotivationen, Wirkungen und Gefahren, Alternativen zum Konsum z 3. Sitzung Cannabis: Konsummotivationen, Wirkungen, Gefahren, Alternativen z 4. Sitzung Speed, Kokain, Ecstasy, Halluzinogene: Konsummotivationen, Wirkungen, Gefahren, Alternativen. Je nach Ausmaß der Erfahrungen der Gruppenteilnehmer mit diesen Substanzen kann es sinnvoll sein, diesen Bereich auf zwei Sitzungen auszudehnen z 5. Sitzung Wiederholung einzelner Themen nach Patientenvorschlägen, insbes. Alternativen zum Konsum

gen, z. B. Nachtschattengewächse). Aus diesem Grund werden die Wirkungen von Opiaten und atypischen Halluzinogenen im KomPAkt nicht ausführlich besprochen. Falls jedoch Patienten mit entsprechenden Erfahrungen in einer Gruppe anwesend sein sollten, kann es sinnvoll sein, diese Inhalte zu erweitern. Eine Synopsis des für das KomPAkt relevanten medizinischen Wissens über Wirkungen und Gefahren durch Suchtstoffe findet sich im Anhang. Im folgenden Manual finden sich Formulierungshilfen bzw. -vorschläge für wichtige Inhalte des KomPAkt. Diese sollen als Grundlage bzw. Hilfe verstanden und können selbstverständlich modifiziert werden.

6.2 Manual des Gruppentrainings 6.2.1 Erste Sitzung: Einführung Zu Beginn der ersten Sitzung stellen sich die beiden Therapeuten vor und begrüßen die Gruppe. Der erste Therapeut erklärt, worum es im psychoedukativen Training geht: Ich möchte Ihnen zunächst erklären, worum es in unserer Gruppe heute und in den nächsten Wochen gehen wird. Wir wollen mit Ihnen über die Wirkungen von Alkohol und verschiedenen Drogen und Medikamenten sprechen. Erfahrungen hat fast jeder, z. B. mit Alkohol, und ein Experimentieren in Grenzen auch mit illegalen Drogen wie z. B. Cannabis ist bei jungen Menschen sehr verbreitet und wird von vielen als normal angesehen. Aber Menschen mit psychischen Problemen und insbesondere mit Psychosen neigen oft mehr als andere Menschen dazu, Alkohol, Beruhigungsmittel oder illegale Drogen zu sich zu neh-

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6 KomPAkt: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit – Psychoedukatives Training

men, z. B. um sich selbst zu beruhigen, oder um etwas Angenehmes zu erleben. Das gelingt auch oft kurzfristig, aber langfristig kommt es meistens zu Problemen, und wir machen dann oft die Erfahrung, dass der Konsum sich ungünstig auf die Psychose auswirkt. Deswegen wollen wir über dieses Thema ausführlich sprechen und Erfahrungen mit Ihnen austauschen. Haben Sie dazu Fragen? Nachfolgend gibt der Therapeut einen kurzen Überblick über die Themen des Trainings und spricht die Schweigepflicht an: Heute werden wir allgemein über die Wirkungen verschiedener Substanzen sprechen. In den darauffolgenden Stunden werden wir uns der Reihe nach mit Alkohol und Beruhigungsmitteln, mit Cannabis und mit Amphetaminen, Ecstasy und ähnlichen Drogen beschäftigen. Ich hoffe, dass Sie sich hier in der Gruppe ausreichend sicher fühlen, um von Ihren Erfahrungen zu erzählen. Es gibt natürlich keinen Zwang, aber Sie werden am meisten von der Gruppe profitieren, wenn wir gemeinsam über Ihre persönlichen Erfahrungen sprechen. Deswegen gilt die Regel, dass alle persönlichen Dinge, die hier zur Sprache kommen, auch unter den Teilnehmern dieser Gruppe bleiben. Haben Sie dazu Fragen? Dann stellen sich die Gruppenmitglieder kurz vor. Der Therapeut erläutert das Prinzip des Blitzlichts und kündigt an, dass jede Sitzung damit beginnen und aufhören wird. Es folgt das Anfangsblitzlicht. Jetzt beginnt das zunächst unsystematische Sammeln von Informationen bei den Gruppenmitgliedern. Wer hat Erfahrungen mit Alkohol, Beruhigungsmitteln oder Drogen und möchte darüber sprechen? Gegebenenfalls muss der Therapeut an dieser Stelle etwas insistieren, bis die Gruppenmitglieder ihre ersten Hemmungen überwunden haben. Nach unserer Erfahrung sind aber die meisten Patienten sehr offen und das Gespräch kommt leicht in Gang. Ideal ist es, wenn jeder Gruppenteilnehmer sich zumindest kurz zu Wort meldet. Die Therapeuten lassen die Patienten zunächst erzählen und stellen ggf. ergänzende Fragen. Hierbei finden folgende Punkte Beachtung: z Um welche Substanz(en) ging es? z Warum hat der Patient konsumiert? Welche Motivation lag vor? Zum Beispiel, um etwas Angenehmes zu erleben, um sich zu beruhigen, um

6.2 Manual des Gruppentrainings

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schlafen zu können, um Nebenwirkungen von Neuroleptika zu verringern? Wie war der interpersonelle Kontext? Hat er/sie allein oder in Gesellschaft konsumiert? z Wie waren die Wirkungen? Was wurde unter der Substanz erlebt? (angenehme und unangenehme Effekte). z Wurden Komplikationen erlebt? Kam es evtl. zu psychotischen Symptomen? Kam es zu einer Gewöhnung mit Entzugssymptomen bei Abstinenz? Anschließend werden die scheinbar unsystematisch gesammelten Informationen geordnet. Der Kotherapeut benützt hierzu ein Flipchart und schreibt auf, was die Patienten diktieren. Wir haben schon einiges gesammelt. Sie haben über Ihre Erfahrungen gesprochen, mit welchen Erwartungen Sie etwas genommen haben, und welche angenehmen oder unangenehmen Effekte Sie hatten. Wir könnten nun versuchen, das alles zu ordnen. Der Kotherapeut entwirft auf dem Flipchart eine Tabelle mit den Spalten: Motivation, Erfolg (angenehme Effekte) und unangenehme Effekte/Komplikationen. Die Patienten diktieren, indem sie die bereits genannten Punkte in die Spalten einordnen. Beide Therapeuten helfen, bis alle Punkte mit kurzen, griffigen Beschreibungen eingeordnet wurden. Für diese erste Sitzung reicht es, wenn in jeder Spalte ca. zwei bis vier Statements stehen. Eine Differenzierung nach verschiedenen Substanzen braucht noch nicht vorgenommen zu werden. Die Tabelle 6.2 ist ein Beispiel dafür, wie die erstellte Tabelle in der ersten Sitzung des KomPAkt aussehen könnte. Tabelle 6.2. Beispiel für eine erstellte Tabelle in der ersten Sitzung des KomPAkt Motivation/Erwartung

Erfolg gemessen an Erwar- Probleme/Gefahren tung (angenehme Effekte)

Langeweile bekämpfen Gemeinschaftsgefühl mit Freunden erleben

++ ++

„Bewusstseinserweiterung“ erleben Unruhe, Anspannung bekämpfen

+/– am Anfang ++, später –

„Kater“ am nächsten Tag Ärger mit Familie, langfristig Konzentrationsstörungen, Lustlosigkeit Halluzinationen, Paranoia, Horrortrip Entzug mit Unruhe

++ sehr gute Wirkung, + gute Wirkung, +/– Wirkung wechselhaft oder nicht ausreichend, – keine Wirkung

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6 KomPAkt: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit – Psychoedukatives Training

Wir werden uns in den nächsten Wochen diese Punkte im Detail für die verschiedenen Substanzen anschauen. Heute wollen wir uns aber noch einen Überblick verschaffen über Substanzen, die oft genommen werden, und über die üblichen Wirkungen. Der Therapeut malt auf dem Flipchart ein Dreieck und versieht dessen drei Ecken mit Symbolen für dämpfende (;), aktivierende (:) und bewusstseinsverändernde/halluzinogene Wirkungen («). Diese werden als die drei Hauptpole der Wirkungen von Suchtstoffen erläutert. Nun werden die Patienten gebeten, die ihnen bekannten Substanzen einzuordnen. Schließlich werden auch die Substanzen ergänzt, die zwischen den Hauptpolen einzuordnen sind. Grundsätzlich sollen die Patienten die Informationen so weit wie möglich beisteuern. Die Therapeuten ergänzen und ge-

dämpfend angstlösend entspannend abschirmend

Alkohol Beruhigungs- u. Schlafmittel (z. B. Valium, Tavor)

Opiate (z. B. Heroin)

Aktivität Antrieb

Glücksgefühle

Cannabis

Amphetamine (»Speed«)

Blütenpflanzen Fliegenpilze

Kokain stimulierend

Aktivität Antrieb Stimmung

Ecstasy (MDMA)

LSD Psilocybinpilze bewusstseinsverändernd (-erweiternd) halluzinogen

Abb. 6.1. Psychische Wirkungen von Suchtstoffen; MDMA Methylendioxymethamphetamin

6.2 Manual des Gruppentrainings

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ben weiterführende Erläuterungen. Das erstellte Schema entspricht der Abbildung 6.1. Die psychischen Wirkungen der Suchtstoffe können etwa wie folgt erläutert werden: Nach ihren psychischen Effekten können wir die Suchtstoffe in drei Hauptgruppen einteilen: Die erste Gruppe umfasst die dämpfenden Stoffe, die beruhigen, Ängste lösen, aber auch müde und schläfrig machen können. Deswegen markieren wir diese Gruppe mit den nach unten gerichteten Pfeilen. Dazu gehören der Alkohol und bestimmte Beruhigungs- oder Schlafmittel, wie z. B. Valium und Tavor: sie sind bei richtiger Anwendung wichtige und nützliche Medikamente, aber wenn man zu lange und zu viel davon nimmt, kann man sich daran gewöhnen und abhängig werden. Zu derselben Gruppe gehören auch die harten Drogen Heroin, Morphin und andere Opiate. Auch sie wirken entspannend und dämpfend, sie sind starke Schmerzmittel, zusätzlich lösen sie aber auch starke Glücksgefühle aus, die oft zur schnellen Entwicklung einer starken Abhängigkeit führen. Die zweite Hauptgruppe ist in gewisser Weise das Gegenstück zu den dämpfenden Stoffen: Diese Stoffe wirken aufputschend und antriebssteigernd: Man ist nicht müde, braucht viel weniger Schlaf, man fühlt sich wach und will aktiv sein, sich bewegen und mit Leuten sprechen. Man ist also „stimuliert“. Deswegen nennt man diese Stoffe Stimulanzien, und deswegen markieren wir diese Gruppe mit den nach oben gerichteten Pfeilen. Zu den Stimulanzien gehören die Amphetamine (Straßennamen: Speed, Meth, Ice, Pep) und Kokain (Straßennamen: Koks, Crack). Unter Stimulanzien ist die Stimmung gehoben, nicht selten aber auch gereizt. Kokain wirkt deutlich stärker, aber auch kürzer als die Amphetamine. Die dritte Hauptgruppe sind die Halluzinogene. Sie sind eine große Gruppe von sehr verschiedenen Substanzen, die es teilweise in der Natur (in Pflanzen) gibt, und teilweise von Menschen chemisch herstellt werden. Zu den bekanntesten gehören z. B. LSD und die Psilocybin-Pilze. Unter Halluzinogenen kommt es zu einem schwer beschreibbaren veränderten Bewusstseinszustand, der oft als „Bewusstseinserweiterung“ bezeichnet wird. Man ist aber normalerweise, zumindest bei üblichen Dosen, weder überaktiv noch gedämpft, deswegen markieren wir diese Gruppe mit den waagerechten Pfeilen. Die Effekte der verschiedenen Halluzinogene sind prinzipiell ähnlich, sie können aber von Mensch zu Mensch und von Mal zu Mal sehr unterschiedlich ausfallen. Die Zeit vergeht schneller oder langsamer; man erlebt alles um einen herum anders, wie in einem Traum; man sieht Dinge, die nicht da sind

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6 KomPAkt: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit – Psychoedukatives Training

(daraus leitet sich die Bezeichnung „Halluzinogene“ ab); der Körper fühlt sich anders an, mal leichter, mal schwerer, oder man hat z. B. das Gefühl, der Körper würde sich ausdehnen oder schrumpfen; Geräusche klingen anders; viele an sich bedeutungslose Dinge oder Gegenstände werden auf einmal besonders wichtig; man kann sich plötzlich überglücklich und mit Gott verbunden fühlen, oder aber auch mal tieftraurig, ohne dass es einen Grund dafür gibt. Normalerweise erlebt man das alles, aber man weiß, dass das Drogeneffekte sind und nach ein paar Stunden vorbei sein werden. Aber es kann auch mal passieren, dass man die Kontrolle verliert und meint, dass das, was man erlebt, die Realität sei. Es gibt auch Stoffe, die von ihren Wirkungen her eine Zwischenstellung zwischen den Hauptgruppen einnehmen. Die verbreitetste Substanz dieser Art ist Cannabis. Cannabis wirkt dämpfend, entspannend, lösend, aber es hat auch leichtere halluzinogene bzw. „bewusstseinsverändernde“ Effekte, z. B. klingt die Musik angenehmer, Farben sind schöner, die Zeit vergeht langsamer u. ä. Diese Effekte können auch mal stärker sein, und das ist z. B. oft der Fall, wenn man Cannabis nicht raucht, sondern in Form von „Haschisch-Plätzchen“ oder „-Kuchen“ isst, weil dann die Dosis höher ist. Zwischen dämpfenden Stoffen und Halluzinogenen steht auch eine große Gruppe der so genannten atypischen Halluzinogene. Diese Stoffe sind weniger bekannt und verbreitet als die Hauptgruppe der Halluzinogene. Gelegentlich werden Zubereitungen aus Pflanzen eingenommen, wie z. B. Fliegenpilze oder bestimmte Blütenpflanzen (z. B. Stechapfel, Engelstrompete u. a.). Die Inhaltsstoffe dieser Pflanzen wirken halluzinogen, aber es kommt zusätzlich zu einer Dämpfung, und man fühlt sich dadurch wie betrunken. Überdosierungen können bei den „Naturprodukten“ leicht passieren und es kann dabei zu Bewusstseinstrübungen und gefährlichen körperlichen Reaktionen kommen. Eine andere, sehr verbreitete Substanzgruppe ist Ecstasy. Sie steht zwischen Stimulanzien und Halluzinogenen. Unter Ecstasy versteht man die Substanz Methylendioxymethamphetamin oder MDMA und ein paar weitere sehr ähnliche Substanzen. Ecstasy hat meistens angenehme emotionale Effekte, man fühlt sich glücklich, friedlich, entspannt und hat weniger Hemmungen im Kontakt zu anderen Menschen. Ecstasy hat aber auch deutliche amphetamin- und halluzinogenähnliche Effekte. In Clubs und Discos wird Ecstasy aufgrund seiner stimulierenden, antriebssteigernden Eigenschaften konsumiert, weil man dadurch das lange Tanzen und Feiern besser durchhält.

6.2 Manual des Gruppentrainings

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Das Schema „Psychische Wirkungen von Suchtstoffen“ wird den Patienten am Ende der Sitzung mitgegeben (Arbeitsblatt Nr. 1). Der Therapeut erläutert, dass in den darauffolgenden Stunden die wichtigsten Stoffgruppen und die Zusammenhänge zwischen Drogenwirkungen und Psychosen besprochen werden. Die Sitzung endet mit dem Abschlussblitzlicht.

6.2.2 Zweite Sitzung: Dämpfende Substanzen (Alkohol und Beruhigungsmittel, ggf. auch Opiate) Die Sitzung beginnt mit dem Blitzlicht. Danach rekapituliert der Therapeut kurz die letzte Stunde und zeigt noch einmal das erarbeitete Schema der Wirkungen von Suchtstoffen (s. Abb. 6.1, Abschnitt 6.2.1). Wir haben in der letzten Stunde besprochen, dass es viele verschiedene Suchtstoffe gibt. Die psychischen Wirkungen dieser Stoffe sind sehr unterschiedlich, und unterschiedlich sind nach unserer Erfahrung und nach medizinischem Wissen auch die Gefahren, die von diesen Stoffen ausgehen. Deswegen ist es wichtig, zwischen den verschiedenen Substanzen zu unterscheiden. Droge ist nicht gleich Droge! In dieser Stunde geht es uns vor allem um die Zusammenhänge zwischen Drogenwirkungen und psychotischen Symptomen. Deswegen wollen wir systematisch die verschiedenen Substanzen durchgehen, die nach unserer Erfahrung oft von Menschen mit Psychosen genommen werden. Heute fangen wir mit den dämpfenden Substanzen an und wollen vor allem Alkohol und Beruhigungs- bzw. Schlafmittel besprechen. Zunächst wird geklärt, welche Medikamente unter die Rubrik „Beruhigungsmittel“ fallen. Es werden Handelsnamen gebräuchlicher Tranquilizer „gesammelt“ (z. B. Valium®, Tavor®, Noctamid® u. ä.). Dann beginnt das Sammeln von Informationen bei den Gruppenmitgliedern. Wer hat Erfahrungen mit Alkohol oder Beruhigungsmitteln und möchte darüber sprechen? Hat jemand mal Heroin genommen? Wir wollen ab heute gleich versuchen, das Wichtigste auf der Tafel festzuhalten. Der Kotherapeut benutzt hierzu das Flipchart. Er entwirft eine Tabelle mit getrennten Spalten für Alkohol (A) und Beruhigungsmittel (B) (ggf. auch für Opiate (O), falls unter den Teilnehmern auch Patienten mit Opiaterfahrungen sein sollten) und mehreren Zeilen für Motivation, Er-

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6 KomPAkt: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit – Psychoedukatives Training

folg kurzfristig/langfristig, unangenehme Wirkungen psychisch/körperlich/ kurzfristig/langfristig. Die Therapeuten lassen möglichst jeden Patienten zunächst erzählen und stellen ggf. ergänzende Fragen. Hierbei finden die oben genannten Punkte Beachtung bzw. die Punkte, die bereits bei der ersten Sitzung zur Sprache kamen. Wenn ein Patient seine Schilderung beendet hat, fasst der Kotherapeut die Aussagen zusammen und trägt sie in kurzen, prägnanten Stichworten in die entsprechenden Felder der Tabelle ein. Die Stichworte sollen möglichst auch von den Patienten genannt werden, evtl. mit Hilfe der Therapeuten. Je nach Zusammensetzung der Gruppe werden manche Felder offen oder inkomplett bleiben. Jetzt ist der Therapeut an der Reihe, als Experte diese Lücken zu schließen und neue Informationen zu vermitteln. Der Therapeut sollte aber hier den Stil eines ermüdenden Frontalunterrichts möglichst vermeiden. Er kann z. B., um seine Schilderungen aufzulockern, die Informationen teilweise in der Form kurzer kasuistischer Schilderungen aus der Erfahrung mit früheren Patienten der Abteilung präsentieren. Oder er kann zwischendurch fragen, ob einzelne Gruppenteilnehmer über diese Komplikation etwas aus ihrem Bekanntenkreis gehört haben. Der Therapeut soll auch Informationen zur Häufigkeit und zum Schweregrad verschiedener Komplikationen geben (z. B. leichtere Entzugssymptome sind sehr häufig, eine Wernicke-Enzephalopathie ist sehr schwerwiegend, aber selten). Grundsätzlich soll die Informationsvermittlung ausgewogen und glaubwürdig sein. Die Patienten sollen nicht den Eindruck erhalten, dass die Therapeuten sie abschrecken wollen und möglicherweise übertreiben könnten. Der Therapeut kann z. B. sagen, dass ein gelegentlicher oder mäßiger Alkoholkonsum von den meisten Menschen ohne Probleme vertragen wird, dass aber Menschen mit psychischen Problemen dazu neigen, mehr zu konsumieren und dementsprechend ein höheres Risiko für Komplikationen haben. Fachausdrücke sollen primär vermieden werden. Stattdessen sollen die Syndrome in allgemein verständlichen Worten umschrieben werden. Falls jedoch die Patienten danach fragen, können die entsprechenden Fachausdrücke genannt und in die Tabelle in Klammern eingefügt werden (z. B. epileptische Anfälle, Polyneuropathie, Korsakow-Syndrom u. ä.). Im Folgenden werden die Aspekte genannt, die Erwähnung finden sollen. z Häufige Gründe für Konsum/Motivation: Etwas Angenehmes erleben, lockerer im Kontakt mit anderen sein, sich trauen mit Leuten in Kontakt zu treten, Gemeinsamkeit mit Freunden erleben, Langeweile bekämpfen u. ä. Auch Menschen, die keine Psychose haben, trinken oft aus diesen Gründen. Bei schizophrenen Patienten können aber die genannten Probleme mit krankheitstypischen Defiziten zusammenhängen. In diesem Fall kann der Konsum einen Selbstmedikationsversuch bei Negativsymptomen darstellen.

6.2 Manual des Gruppentrainings

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Abnahme von Angst, Unruhe und Anspannung, schlafen können. Auch hier gilt, dass Menschen, die keine Psychose haben, oft aus diesen Gründen trinken oder Beruhigungsmittel nehmen. Diese Probleme können aber bei schizophrenen Patienten Krankheitssymptome sein. In diesem Fall kann der Konsum einem Selbstmedikationsversuch bei Positivsymptomen entsprechen. Manche Patienten mit Psychosen trinken oder nehmen Beruhigungsmittel, um mit eindeutig psychotischer Angst fertig zu werden oder um quälende Halluzinationen abzuschwächen oder besser zu ertragen. In diesem Fall ist der Konsum eindeutig als Selbstmedikationsversuch bei Positivsymptomen zu verstehen. z Erfolg: kurzfristig gut, aber langfristig oft Teufelskreis. z Gefahren: (jeweils mit Hinweis auf Schwere und Häufigkeit/Seltenheit) 1. Psychische Komplikationen z Bei Alkohol- und bei Benzodiazepinmissbrauch: langfristig Gewöhnung, d. h. die anfängliche Dosis reicht nicht aus und eine Dosissteigerung wird erforderlich, um die erwünschten Effekte aufrechtzuerhalten. Bei Nichteinnahme können dann psychotische Krankheitssymptome von Entzugssymptomen (Angst und Anspannung) kaum auseinandergehalten werden, die Symptome „schaukeln sich hoch“. Letztlich nehmen die Beschwerden, wogegen die Mittel oft genommen werden, langfristig eher zu. z Bei Alkoholmissbrauch, selten auch bei Benzodiazepinmissbrauch: Bei Nichteinnahme manchmal darüber hinaus über Tage Entzugssymptome, die den stärkeren psychotischen Symptomen ähneln (Delir mit Halluzinationen, Wahnvorstellungen, „Durcheinandersein“, d. h. die Realität wird nicht richtig wahrgenommen). z Bei Alkoholmissbrauch: In manchen Fällen auch langfristig Hervorrufen von psychotischen Symptomen: akustische Halluzinationen (Stimmen) über Monate möglich (Halluzinose) und Wahnvorstellungen, dass Partner einen betrügt (Eifersuchtswahn). 2. Körperliche Komplikationen z Bei Alkoholmissbrauch schwere körperliche Komplikationen möglich. – Gehirn: bei Delirien epileptische Anfälle; bei schweren, nicht rechtzeitig behandelten Delirien Entgleisung der vegetativen Funktionen mit tödlichem Ausgang möglich; nach einem überstandenem schweren Delir bleibende schwere Gedächtnisstörungen (Korsakow-Syndrom); Hirnschädigung mit Augenbewegungsstörungen, Gangstörung und Bewusstseinstrübung (Wernicke-Enzephalopathie); zunehmende Hirnatrophie mit Einschränkung der intellektuellen Leistungen.

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6 KomPAkt: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit – Psychoedukatives Training

– Körper: schwere Leberschädigung (Zirrhose); Magenschleimhautentzündungen und -geschwüre; Blutungen durch Blutstau in großen Gefäßen (Ösophagusvarizen); Schädigung der Nerven an Armen und Beinen mit Gefühls-, Gangstörungen u. ä. (Polyneuropathie); tödliche Komplikationen. z Bei Benzodiazepinmissbrauch im Entzug epileptische Krampfanfälle. Die oben aufgeführten körperlichen Folgekrankheiten von Alkohol brauchen nicht bis ins kleinste Detail besprochen zu werden. Das Ziel ist, den Patienten zu vermitteln, dass es viele verschiedene Komplikationen gibt – häufige und seltenere –, die z. T. schwerwiegend sind. Bei Nachfragen seitens der Patienten sollten jedoch die Therapeuten in der Lage sein, detailliertere Informationen zu geben. Die Wirkungen und Komplikationen des Opiatkonsums sollten u. E. nur dann eingehend besprochen werden, wenn sich unter den Teilnehmern Patienten mit Opiaterfahrungen befinden sollten. Dies kommt nach unserer Erfahrung nur vereinzelt vor. In diesem Fall sollten das ausgeprägte Abhängigkeitspotenzial der Opiate mit rascher Dosissteigerung und schweren körperlichen Entzugssymptomen bei Abstinenz sowie die indirekten Folgen wie Fehl-/Mangelernährung, Infektionen (Abszesse, Hepatitis, HIV), Illegalität, Beschaffungskriminalität und Verelendung genannt werden. Bei Nachfragen seitens der Patienten sollten die Therapeuten auch hier in der Lage sein, detaillierte Informationen zu geben (s. Anhang: Synopsis Suchtstoffe und weiterführende Literatur). Anschließend spricht der Therapeut mögliche Verhaltensalternativen zum Konsum an: Nun haben wir einige Probleme besprochen, die durch regelmäßiges Trinken und durch eine Gewöhnung an Beruhigungsmittel entstehen können. Oft ist es sogar so, dass unangenehme Gefühle, weswegen viele Menschen in einer Art Selbstbehandlung trinken oder Beruhigungsmittel nehmen, langfristig dadurch stärker werden. Auf der anderen Seite helfen aber Alkohol und Beruhigungsmittel kurzfristig oft gut, z. B. gegen Unruhe und Anspannung oder Angstgefühle. Die wichtige Frage ist also: Was gibt es für Alternativen, die auch langfristig weniger oder gar nicht schädlich sind? Jeder sollte sich fragen: Was könnte mir kurzfristig und langfristig helfen bzw. gut tun, sodass ich auf den Alkohol oder die Beruhigungsmittel verzichten kann? Wie kann ich mit unangenehmen Gefühlen, mit Unruhe, mit Langeweile, mit Kontaktproblemen anders umgehen? Und wie kann ich dafür sorgen, dass ich weniger in die Versuchung komme z. B. zu trinken? Sie haben bestimmt jeder für sich schon einmal etwas ausprobiert. Lassen Sie uns diese Alternativen und Hilfsmöglichkeiten sammeln.

6.2 Manual des Gruppentrainings

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Der Kotherapeut fügt der Tabelle eine weitere Zeile für Alternativen zu. Die Therapeuten lassen auch jetzt die Patienten erzählen und stellen ggf. ergänzende und klärende Fragen. Wenn ein Patient seine Schilderung beendet hat, fasst der Kotherapeut die Aussagen zusammen und trägt sie in kurzen, prägnanten Stichworten in die entsprechenden Felder der Tabelle ein. Nach unserer Erfahrung wird von den Patienten eine Reihe von Coping-Mechanismen mit kurzfristigem Erfolg genannt, wie z. B. Musik hören oder joggen. Der Therapeut sollte zunächst die Kompetenz und Erfahrung der Patienten loben. In der Folge spricht der Therapeut weitere Möglichkeiten und insbesondere auch potenziell langfristig wirksame Verhaltensweisen an. Er belehrt jedoch die Patienten nicht. Er zeigt lediglich aus seiner Erfahrung mit anderen Patienten potenzielle Möglichkeiten auf, die von den Gruppenteilnehmern individuell auf ihre Wirksamkeit geprüft werden können. Er vermittelt, dass es große interindividuelle Unterschiede in der Wirksamkeit einzelner Verhaltensweisen gibt, sodass jeder Patient aus einer großen „Karte“ mit mehreren Möglichkeiten durch Ausprobieren sein persönliches „Menü“ zusammenstellen muss. Der Therapeut kann seine Vorschläge einer Stichwortliste entnehmen, die er auf einem Bogen Papier als Erinnerungshilfe bei sich hat, und er kann erläutern, dass es sich hierbei um seine Notizen über Vorschläge anderer Patienten aus früheren Gruppen handelt. Dieses Vorgehen vermittelt, dass der Therapeut Respekt vor der Kompetenz der Patienten hat. Im Folgenden werden die Aspekte genannt, die Erwähnung finden sollen. z Alternativen/Hilfsmöglichkeiten: z Gegen potenzielle oder sichere Positivsymptome (Angst, Unruhe, Anspannung, Schlafstörungen, Halluzinationen): – kurzfristig: Entspannungsübungen; warmes Bad; ruhige Musik; malen; laute Musik; sich im Haushalt o. ä. beschäftigen; spazieren gehen; joggen; Trimmrad; Anwesenheit von Vertrauenspersonen suchen; Gespräch mit Vertrauenspersonen suchen. – langfristig: Medikation zusammen mit behandelndem Arzt überprüfen und evtl. verändern; Lebens- und Wohnsituation überprüfen (z. B. Schwierigkeiten oder Überforderung am Arbeitsplatz? Konflikte und Spannungen im privaten Umfeld?) und ggf. nach Lösungsmöglichkeiten suchen. z Gegen potenzielle Negativsymptome (Rückzug, Schwierigkeiten sich mitzuteilen, keine Freude an Aktivitäten, Initiativemangel, Langeweile, Depressivität, nicht wissen wie mit Freizeit umgehen u. ä.): Lebens- und Wohnsituation überprüfen (könnten z. B. die Aufnahme einer regelmäßigen Beschäftigung oder der Umzug in eine Wohngemeinschaft hilfreich sein?); sozialtherapeutische Angebote in Anspruch nehmen; ein neues Hobby suchen oder versuchen ein altes Hobby zu reaktivieren; Tagesplanung und -struktur stärker beachten; evtl. Medi-

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6 KomPAkt: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit – Psychoedukatives Training

Tabelle 6.3. Beispiel für eine erstellte Tabelle in der zweiten Sitzung des KomPAkt

z Motivation/ Erwartung

z Erfolg kurzfristig langfristig z Probleme/Gefahren psychisch langfristig

körperlich langfristig

Alkohol

Beruhigungsmittel

gegen Schlafprobleme gegen Unruhe bei Langeweile um sich lockerer im Kontakt zu fühlen aus Gewohnheit

gegen Angst, Anspannung gegen Halluzinationen

++ (bei Langeweile +/–) +/–

++ ++ bis +

Gewöhnung, Entzugssymptome (Zittern, Schwitzen, :Unruhe, :Schlafprobleme) im Entzug Delir (Halluzinationen, Bewusstseinstrübung, „Durcheinandersein“) Stimmenhören (Halluzinose) krankhafte Eifersucht (Wahn) im Entzug Krampfanfälle, Kreislaufprobleme, gelegentlich Todesfälle Hirnschäden ?; Gedächtnis, ;Intellekt Leberschäden (Zirrhose) Magengeschwüre, Blutungen Nervenschäden (Polyneuropathie) tödliche Komplikationen

Gewöhnung, Dosissteigerung, Entzugssymptome, Unruhe; im Entzug gelegentlich Delir

im Entzug Krampfanfälle

z Alternativen/Hilfen allgemein

kein Vorrat zu Hause keine Tabletten zu Hause Versuchungssituationen meiden Freundeskreis überprüfen bei Positiv-Symptomen kurzfristig: Entspannungsübungen, warmes Bad, Musik, Haushaltsarbeit, Trimmrad, joggen, Kontakt zu Vertrauenspersonen langfristig: Medikation überprüfen, Problem-, Spannungsquellen überprüfen (z. B. am Arbeitsplatz, in Familie), nach Lösungen suchen, mit Vertrauenspersonen beraten bei Negativ-Symptomen Lebens-/Wohnsituation überprüfen (z. B. regelmäßige Beschäftigung, Wohngemeinschaft?), sozialtherapeutische Angebote, Hobbies, Tagesplanung und -struktur, Medikation überprüfen

++ sehr gute Wirkung, + gute Wirkung, +/– Wirkung wechselhaft oder nicht ausreichend, – keine Wirkung

6.2 Manual des Gruppentrainings

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kation zusammen mit behandelndem Arzt überprüfen (z. B. könnten die Umstellung auf ein anderes Neuroleptikum oder die zusätzliche Einstellung auf ein Antidepressivum sinnvoll sein). z Allgemein: möglichst keinen Alkohol und keine Beruhigungsmittel im Hause haben; Situationen vermeiden, die eine große Versuchung bedeuten wie z. B. in Kneipen gehen; im Falle von Alkoholmissbrauch Freundeskreis überprüfen, falls oft in Gesellschaft getrunken wird. Der Therapeut äußert aber einschränkend, dass der Einsatz von Beruhigungsmitteln bei Patienten mit Psychosen manchmal, z. B. in Phasen mit starken Ängsten, unumgänglich ist. Er soll in diesen Fällen möglichst zeitlich begrenzt erfolgen. Diesbezüglich sollen engmaschige Absprachen mit dem behandelnden Arzt erfolgen. Die Tabelle 6.3 ist ein Beispiel dafür, wie die erstellte Tabelle in der zweiten Sitzung des KomPAkt aussehen könnte. Zwei Arbeitsblätter mit den wichtigsten gesundheitlichen Gefahren durch Alkohol und Benzodiazepine und ggf. noch ein weiteres Arbeitsblatt zu den Gefahren durch Opiate werden den Patienten am Ende der Sitzung mitgegeben (Arbeitsblätter Nr. 2, 3 und ggf. 4). Die Sitzung endet mit dem Abschlussblitzlicht.

6.2.3 Dritte Sitzung: Cannabis Analog zur zweiten Sitzung beginnt auch die dritte Sitzung mit dem Blitzlicht. Der Therapeut rekapituliert kurz die letzte Stunde, zeigt wieder das Schema der Wirkungen von Suchtstoffen (s. Abb. 6.1, Abschnitt 6.2.1) und beginnt dann mit dem Sammeln von Informationen bei den Gruppenmitgliedern. Wir haben in der letzten Stunden besprochen, dass es viele Stoffe mit verschiedenen psychischen Effekten gibt. Auch die Gefahren, die von diesen Stoffen ausgehen, sind unterschiedlich. Deswegen ist es wichtig, zwischen den verschiedenen Substanzen zu unterscheiden. Wir gehen systematisch verschiedene Substanzen durch. In der letzten Stunde haben wir über Alkohol und Beruhigungsmittel gesprochen, über psychische und körperliche Gefahren, und wir haben Hilfsmöglichkeiten und Alternativen zum Konsum erarbeitet. Heute wollen wir über Cannabis sprechen, das teilweise ähnlich dämpfend und entspannend wie Alkohol wirkt, aber auch Wahrnehmungsveränderungen und psychoseähnliche Symptome hervorrufen kann. Wer hat Erfahrungen mit Cannabis und möchte darüber sprechen? Wir wollen auch heute gleich versuchen, das Wichtigste auf der Tafel festzuhalten.

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6 KomPAkt: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit – Psychoedukatives Training

Der Kotherapeut geht an das Flipchart und entwirft eine Tabelle mit mehreren Zeilen für Motivation/Erwartung, Erfolg kurzfristig/langfristig, Probleme/Komplikationen kurzfristig/langfristig, und Alternativen/Hilfen. Ab dieser Sitzung ist es günstig, wenn Gruppenmitglieder statt des Kotherapeuten die Funktion des Schriftführers an der Tafel übernehmen. In diesem Fall geben die Therapeuten dem Schriftführer nach Bedarf Hilfestellung und fragen ggf. nach einiger Zeit, ob er abgelöst werden möchte. Es ist möglich, dass innerhalb einer Sitzung zwei oder drei Gruppenmitglieder sich die Schriftführerfunktion teilen. Dieses Vorgehen fördert die aktive Mitarbeit der Patienten. Ansonsten ist das Vorgehen wie bei der zweiten Sitzung (Patienten zunächst erzählen lassen, ergänzende Fragen stellen, eintragen in die Tabelle in Stichworten, Ergänzungen fehlender wichtiger Informationen durch den Therapeuten, der die Rolle des Experten hat, aber Vermeidung von Frontalunterricht, ausgewogene Informationsvermittlung). Die häufig genannten Gründe bzw. Motivationen für den Konsum sind überwiegend ähnlich wie bei Alkohol und Benzodiazepinen und können auch hier z. T. als Selbstmedikationsversuch bei unspezifischeren Negativoder Positivsymptomen der psychotischen Erkrankung verstanden werden. Diese Punkte werden demnach in ähnlicher Form wie in der zweiten Sitzung wiederholt, mit Ausnahme des Selbstmedikationsaspektes bei typischen Positivsymptomen wie Halluzinationen oder Verfolgungsängsten, der nach unserer Erfahrung bei Cannabis kaum vorkommt (s. Abschnitt 6.2.2). Auch der Erfolg wird ähnlich dargestellt (kurzfristig gut, aber langfristig oft Teufelskreis). z Gefahren z Körperliche Verträglichkeit: in der Regel unproblematisch z Psychische Komplikationen: Halluzinationen, Angst, Verwirrtheit im Rausch (psychotischer Rauschverlauf); Zunahme evtl. bereits bestehender psychotischer Symptome; bei entsprechender Veranlagung Auslösung einer Psychose, die über Wochen und Monate andauern kann (drogeninduzierte Psychose); bei starkem, länger dauerndem Konsum Antriebsarmut, Einengung von Interessen, Apathie und Einschränkung von sozialen Kontakten (amotivationales Syndrom). Es muss bedacht werden, dass der Konsum von Cannabis sehr verbreitet ist und bei breiten Bevölkerungsschichten als harmlos und normal gilt. Der Therapeut muss damit rechnen, dass zumindest die jüngeren Patienten sehr viele Menschen kennen, die mehr oder weniger regelmäßig Cannabis rauchen, ohne Probleme bzw. Komplikationen zu entwickeln. Deswegen und wegen der kurzfristig beruhigenden Effekte von Cannabis ist es für Patienten oft schwer, den Zusammenhang zwischen ihrem eigenen Cannabiskonsum und psychotischen Manifestationen zu erkennen. Aus

6.2 Manual des Gruppentrainings

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diesen Gründen würde nach unserer Erfahrung eine Darstellung von Cannabis als grundsätzlich sehr schädliche Droge bei nur wenigen Patienten glaubwürdig erscheinen und auf Akzeptanz stoßen. Der Therapeut kann aber durchaus die Meinung vertreten, dass ein gelegentlicher oder mäßiger Cannabiskonsum von vielen Menschen ohne große Probleme vertragen wird, dass aber Menschen mit einer Anfälligkeit oder Vulnerabilität für Psychosen oft besonders empfindlich reagieren. Die wichtigsten Punkte können etwa wie folgt formuliert werden: Eine Gewöhnung mit Dosissteigerung und körperlichem Entzug ist im Fall von Cannabis eher die Ausnahme. Im Gegensatz zu Alkohol und Beruhigungsmitteln erleben nur wenige Cannabiskonsumenten Entzugssymptome, wenn sie nicht rauchen, und körperliche Komplikationen treten auch nicht auf. Deswegen gilt im Allgemeinen Cannabis als harmlos. Bei gelegentlichem und mäßigem Konsum scheint Cannabis tatsächlich für viele Menschen relativ harmlos zu sein. Trotzdem werden manche Menschen, die regelmäßig und viel Cannabis rauchen, davon psychisch abhängig. Bei Cannabis gibt es aber auch andere Probleme, die besonders bei empfindlichen, zu Psychosen neigenden, „vulnerablen“ Menschen relevant sind: Wir haben schon in der ersten Stunde gesagt, dass das, was beim Rauchen von Cannabis üblicherweise passiert, häufig über die einfache Entspannung hinausgeht. Oft verändert sich die Wahrnehmung und meistens ist das angenehm: Die Musik klingt schöner, die Farben sind intensiver, die Zeit fließt oft langsamer, manchmal auch schneller. Das sind also Effekte, die man auch hat, wenn man Halluzinogene, z. B. LSD oder Pilze, nimmt, nur schwächer. An dieser Stelle kann der Therapeut das erarbeitete Schema der Wirkungen von Suchtstoffen aus der ersten Sitzung noch einmal zeigen und daran erinnern, dass Cannabis eine Zwischenposition zwischen dämpfenden und halluzinogenen Substanzen innehat. Manchmal sind aber auch im Cannabisrausch die Effekte intensiver und es können eindeutige psychotische Erlebnisweisen auftreten, wie Halluzinationen, Verwirrtheit und Wahngedanken, die dann auch oft mit Angst verbunden sind. In diesem Fall sprechen wir von einem psychotischen Rauschverlauf, und solche Rauschverläufe sind bei Menschen mit entsprechender Vulnerabilität bzw. bei Menschen, die schon einmal eine Psychose hatten, häufiger. Wenn psychotische Symptome von vornherein da sind und ein Patient raucht, z. B. gegen seine Unruhe, dann mag das eine Zeit lang gut

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klappen, aber häufig kommt es irgendwann zu einer Zunahme der bereits bestehenden psychotischen Symptome. Außerdem wird manchmal eine psychotische Episode durch Cannabis angestoßen, die dann über Wochen und Monate andauern kann. Dann sprechen wir von einer drogeninduzierten Psychose. In diesem Fall muss man davon ausgehen, dass dieser Mensch eine besondere Empfindlichkeit oder Veranlagung, eine sog. „Vulnerabilität“, für Psychosen hat, auch wenn der Betreffende bis dahin nie eine Psychose hatte. Ansonsten müssten ja viel mehr Menschen, die regelmäßig Cannabis konsumieren, eine Psychose entwickeln. Menschen, die schon einmal eine Psychose hatten, ob mit oder ohne Cannabis oder andere Drogen, sind auf jeden Fall besonders empfindlich hinsichtlich der Auslösung von drogeninduzierten Psychosen, denn sie haben auf jeden Fall eine höhere Vulnerabilität, d. h. Veranlagung. Bei diesen Menschen wird durch das Cannabis-Rauchen oft ein Rückfall getriggert, der im Weiteren wie eine „normale“ psychotische Episode verläuft. An dieser Stelle geht der Therapeut an das Flipchart und zeichnet ein Modell, mit dessen Hilfe er die Zusammenhänge zwischen Vulnerabilität und Drogenwirkungen erläutert. Dieses Modell findet sich in der Abb. 6.2. Der Therapeut zeichnet zunächst die V-Säulen (Vulnerabilität) und ergänzt die „On-top-Säulen“ parallel zu seinen Ausführungen.

Psychose

S

D

V

V

5

6

S

D

V

V

7

8

Schwelle

D

S

D

S

V

V

V

V

1

2

3

4

normaler psychischer Zustand

Abb. 6.2. Drogenwirkungen und Vulnerabilität für Psychosen; V biologische Vulnerabilität, S Stressoren, verschiedene Belastungen, D Drogen (Cannabis, Amphetamine, Kokain, Halluzinogene, Ecstasy)

6.2 Manual des Gruppentrainings

Diese Säulen stellen Menschen mit ihrer individuellen Vulnerabilität für die Entwicklung einer Psychose dar. Die ersten vier Menschen links sind am günstigen Ende des Spektrums: Sie sind von Natur aus psychisch „robust“, d. h. sie haben eine niedrige Vulnerabilität, sie sind relativ weit entfernt von der Schwelle für eine Psychose. Auch in Zeiten starker psychischer Belastungen, oder wenn sie Cannabis oder andere Drogen konsumieren, werden sie normalerweise nicht psychotisch werden. Wenn einmal z. B. starker Stress und ein starker Cannabiskonsum zusammenkommen sollte, kann es passieren, dass ein solcher Mensch auch mal eine kurze psychotische Episode entwickelt. Das ist dann eine drogeninduzierte Psychose, die sich schnell wieder gibt und nicht mehr wiederkommt, wenn diese Person nicht mehr raucht. Die beiden letzten Personen rechts sind am anderen Ende des Spektrums: Sie haben eine sehr hohe Vulnerabilität. Bei ihnen reichen schon mäßige Belastungen oder ein sehr mäßiger Cannabiskonsum zum Ausbruch einer Psychose aus. Diese Menschen müssen sich wahrscheinlich über längere Zeiträume mit Medikamenten schützen und generell auch mit ihrer Lebensführung sehr auf sich achten. Die beiden Menschen in der Mitte haben auch eine erhöhte, wenn auch nicht ganz so hohe Vulnerabilität. Auch sie werden aber in Zeiten stärkerer psychischer Belastungen oder bei Drogenkonsum mit einiger Wahrscheinlichkeit eine Psychose entwickeln. Kein Mensch weiß von Anfang an, d. h. vor der ersten Psychose, ob er eine hohe oder eine niedrige Vulnerabilität hat. Und im jungen Alter, wenn viele Menschen mehr oder weniger intensiv mit Cannabis und anderen Drogen experimentieren, also mit 17 bis 25 Jahren, werden nach diesem Modell die wenigen Vulnerablen eine Psychose entwickeln, während die vielen Nichtvulnerablen diese Phase ohne solche Komplikationen hinter sich bringen werden. Die Vulnerablen hätten die Psychose zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich nicht entwickelt, wenn sie nicht Cannabis konsumiert hätten. Es kann natürlich sein, dass sie später, z. B. unter psychischen Belastungen, doch psychotisch geworden wären. Große Studien zeigen, dass Patienten mit Psychosen, die auch Cannabis oder einige andere Drogen konsumieren (Halluzinogene, Amphetamine), im Durchschnitt jünger sind, wenn sie ihre erste Psychose bekommen; d. h. Drogenkonsum im jungen Alter kann den Ausbruch einer Psychose bei vulnerablen Menschen beschleunigen. Es ist aber theoretisch auch möglich, dass ein vulnerabler Mensch nie eine Psychose entwickelt hätte, wenn er nicht konsumiert hätte. Das kann letztlich niemand sicher sagen. Wenn aber jemand nach der ersten psychotischen Phase weiter oder wieder konsumiert, dann erhöht er auf jeden Fall sein Risiko, einen

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Rückfall zu bekommen. Dazu passen die Ergebnisse von großen Studien, die zeigen, dass schizophrene Patienten, die häufig Cannabis oder andere stärkere halluzinogene Drogen konsumieren, durchschnittlich häufiger ins Krankenhaus müssen, mehr Medikamente nehmen müssen und insgesamt einen schlechteren Verlauf der Psychose haben. Schließlich kann täglicher, regelmäßiger Haschischkonsum zumindest bei manchen Menschen auch zu einer zunehmenden Antriebsarmut, Einengung von Interessen, und Einschränkung von sozialen Kontakten und Aktivitäten beitragen (sog. amotivationales Syndrom), d. h. das, wogegen oft geraucht wird, nimmt langfristig durch das Rauchen zu. Das heißt: insgesamt und langfristig überwiegen die Nachteile durch das Rauchen von Cannabis, obwohl es einem damit erst einmal besser geht. Anschließend spricht der Therapeut mögliche Verhaltensalternativen zum Konsum an: Nun haben wir die Probleme besprochen, die langfristig durch Cannabis entstehen können. Auf der anderen Seite tut aber Cannabis kurzfristig oft gut, z. B. wenn man sich lustlos oder angespannt fühlt. Die wichtige Frage ist also: Was gibt es für Alternativen, die langfristig weniger risikoreich sind? Was kann ich ansonsten tun, und was kann mir helfen, damit ich nicht rauchen muss? Vieles haben wir schon in der letzten Stunde gesammelt, das auch hier gilt. Lassen Sie uns das in Erinnerung rufen und vielleicht fällt uns noch etwas zusätzlich ein. Das Vorgehen beim Besprechen der Alternativen entspricht im Wesentlichen dem Vorgehen in der zweiten Sitzung des KomPAkt. Anders als bei der zweiten Sitzung soll jedoch möglichst ein Patient und nicht der Kotherapeut die Rolle des Schriftführers übernehmen. Ferner haben die Patienten zunächst die Aufgabe, sich an die Ideen aus der letzten Sitzung zu erinnern und wiederzugeben. Dieser Abschnitt der Sitzung kann dazu genutzt werden, um die einzelnen Vorschläge aus der zweiten Sitzung detaillierter bzw. konkreter zu besprechen (s. Abschnitt 6.2.3). Die Tabelle 6.4 ist ein Beispiel dafür, wie die erstellte Tabelle in der dritten Sitzung des KomPAkt aussehen könnte. Arbeitsblätter mit einer Liste der wichtigsten Gefahren durch Cannabis und dem Schema „Drogenwirkungen und Vulnerabilität für Psychosen“ (Abb. 6.2) werden den Patienten am Ende der Sitzung mitgegeben (Arbeitsblätter Nr. 5 und 6). Die Sitzung endet mit dem Abschlussblitzlicht.

6.2 Manual des Gruppentrainings

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Tabelle 6.4. Beispiel für eine erstellte Tabelle in der dritten Sitzung des KomPAkt Cannabis (C) z Motivation/Erwartung z Erfolg kurzfristig langfristig z Probleme/Gefahren psychisch kurzfristig psychisch langfristig

z Alternativen/Hilfen allgemein bei Positiv-Symptomen

bei Negativ-Symptomen

Neugier, weil Freunde auch rauchen, bei Langeweile, um sich lockerer im Kontakt zu fühlen, gegen Schlafprobleme, gegen Unruhe, Anspannung +++ +/– Halluzinationen, Verwirrtheit (psychotischer Rauschverlauf) Auslösung von Psychosen Verstärkung psychotischer Positivsymptome (z. B. Halluzinationen, Wahnvorstellungen, körperliche Missempfindungen, Realitätsverkennung) Verstärkung psychotischer Negativ-Symptome (;Aktivität, ;Interessen, Lustlosigkeit) Versuchungssituationen meiden, Freundeskreis überprüfen kurzfristig: Entspannungsübungen, warmes Bad, Haushaltsarbeit, Musik, Trimmrad, joggen, Kontakt zu Vertrauenspersonen langfristig: Medikation überprüfen Problem-, Spannungsquellen überprüfen (z. B. am Arbeitsplatz, in Familie), nach Lösungen suchen, mit Vertrauenspersonen beraten Lebens-/Wohnsituation überprüfen (z. B. regelmäßige Beschäftigung, Wohngemeinschaft?) sozialtherapeutische Angebote, Hobbies, Tagesplanung und -struktur Medikation überprüfen

++ sehr gute Wirkung, + gute Wirkung, +/– Wirkung wechselhaft oder nicht ausreichend, – keine Wirkung

6.2.4 Vierte Sitzung: Antriebssteigernde und bewusstseinsverändernde Substanzen (Amphetamine, Kokain, Ecstasy, Halluzinogene) z Vorbemerkung. Je nach Zusammensetzung bzw. Ausmaß der Erfahrungen der Gruppenmitglieder mit diesen Substanzen kann es sein, dass eine Sitzung nicht ausreicht, um alle wichtigen Aspekte zu diesen Substanzen zu besprechen. Es ist auf jeden Fall sinnvoll, „erfahrenen“ Patienten die Möglichkeit zu geben, ausführlich über ihre Erlebnisse zu sprechen und ihr Wissen an andere Mitglieder weiterzugeben. Auf der anderen Seite erscheint es nicht sinnvoll, von vornherein starr zwei Sitzungen zu planen:

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Falls die Gruppenmitglieder keine oder nur sehr wenig eigene Erfahrungen haben, könnte die Sitzung allzu leicht in ein Dozieren der Therapeuten ausarten, was nach aller Erfahrung wenig wirksam ist. In diesem Fall sollten die Therapeuten sich mit ihren Ausführungen kürzer fassen und sich innerhalb einer Sitzung auf das Wesentliche konzentrieren. Nach dem Blitzlicht rekapituliert der Therapeut kurz die letzten Stunden, zeigt erneut das Schema der Wirkungen von Suchtstoffen (s. Abb. 6.1, Abschnitt 6.2.1) und beginnt mit dem Sammeln von Informationen bei den Gruppenmitgliedern. Wir haben seit Beginn unserer Gruppe besprochen, dass es viele Stoffe mit verschiedenen psychischen Effekten gibt. Auch die Gefahren, die von diesen Stoffen ausgehen, sind unterschiedlich gelagert. Wir haben zunächst über Alkohol und Beruhigungsmittel gesprochen. In der letzten Stunde ging es um Cannabis, das teilweise ähnlich dämpfend und entspannend wie Alkohol wirkt, aber auch leichtere halluzinogene Effekte hat und Psychosen triggern kann. Heute wollen wir über aktivierende und halluzinogene Drogen sprechen, wie z. B. Speed, Ecstasy und LSD. Wer hat Erfahrungen mit diesen Stoffen und möchte darüber sprechen? Wir halten auch heute das Wichtigste auf der Tafel fest. Ein Schriftführer wird unter den Patienten gewählt. Er entwirft (evtl. mit Hilfe) am Flipchart eine Tabelle mit mehreren Zeilen für Motivation, Erfolg, Komplikationen und Alternativen sowie drei Spalten für Stimulanzien, Ecstasy und Halluzinogene. Das Vorgehen beim Sammeln ist identisch mit dem Vorgehen in der zweiten und dritten Sitzung. Zwei oder drei Gruppenmitglieder können sich im Verlauf der Sitzung bei der Schriftführerfunktion abwechseln. z Häufige Gründe für Konsum/Motivation z Bei Stimulanzien: Aktiver sein, sich besser fühlen, sich im Kontakt mit anderen selbstsicherer und lockerer fühlen, Trägheit überwinden, Langeweile, Lustlosigkeit und traurige, besorgte Stimmung bekämpfen. z Bei Halluzinogenen: „Bewusstseinserweiterung“ erleben, mit „Grenzen“ experimentieren, ästhetisches Erleben. z Bei Ecstasy: Etwas Angenehmes erleben, sich wohl und entspannt fühlen in der Gesellschaft anderer, etwas gemeinsam mit Freunden erleben, Langeweile, Lustlosigkeit und traurige, besorgte Stimmung bekämpfen. Auch Menschen, die keine Psychose haben, nehmen Stimulanzien und Ecstasy oft aus den gleichen Gründen. Bei schizophrenen Patienten können aber die genannten Motivationen ihre Wurzeln zumindest zum Teil in krankheitstypischen Defiziten haben. In diesem Fall kann der Konsum einen Selbstmedikationsversuch bei Negativsymptomen darstellen.

6.2 Manual des Gruppentrainings

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z Erfolg z bei Stimulanzien und Ecstasy zunächst gut z bei Halluzinogenen unterschiedlich, Rauschverlauf auch intraindividuell sehr variabel z bei häufigerem Konsum lassen die angenehmen Effekte von Ecstasy oft nach z langfristig durch unangenehme Neben-/Nacheffekte von Stimulanzien und Ecstasy Teufelskreis mit Verstärkung der Probleme/Beschwerden z Gefahren Psychische Komplikationen z Bei Speed und stärker noch bei Kokain: im Rausch manchmal nicht angenehme Stimmungsaufhellung, sondern gereizte Stimmung, Aggressivität und Enthemmung ? leichtere Verwicklung z. B. in Schlägereien; bei Gewöhnung im Entzug (auch im relativen Entzug, wenn die Drogenwirkung nachlässt) „Rebound-Effekt“ mit trauriger Verstimmung, Rückzug, Erschöpfung und Energiearmut (cave: Suizidalität), d. h. Verstärkung der Probleme, gegen die die Stimulanzieneinnahme erfolgt. z Bei Speed: rasche Gewöhnung, d. h. die Dosis reicht nicht aus, eine Dosissteigerung ist erforderlich, um die erwünschten Effekte aufrechtzuerhalten. z Bei Ecstasy: im Rausch meistens angenehme Entspannung, aber manchmal Unruhe, Angstzustände; in der Regel keine Gewöhnung mit Dosissteigerung (Ausnahmen möglich); regelmäßig in den Tagen nach dem Konsum „Rebound-Effekt“ mit Verstimmung, Mattigkeit, Kopfschmerzen, Ängstlichkeit, Irritierbarkeit, d. h. auch hier Verstärkung der Probleme, wogegen Ecstasy oft genommen wird. z Bei Psilocybin-Pilzen, LSD und anderen Halluzinogenen: keine Gewöhnung, keine Entzugserscheinungen; Flashbacks (nicht häufig). z Bei allen drei Substanzgruppen (ähnlich wie auch bei Cannabis): Gefahren der psychotischen Rauschverläufe und drogeninduzierten Psychosen. Die wichtigsten Punkte bezüglich der psychotischen Rauschverläufe und der drogeninduzierten Psychosen können etwa wie folgt formuliert werden: Was beim Konsum akut üblicherweise passiert, umfasst bei Ecstasy und deutlicher noch bei LSD und anderen Halluzinogenen Veränderungen der Wahrnehmung, Veränderungen des Zeiterlebens, Veränderungen des Erlebens der eigenen Grenzen u. ä. (sog. Bewusstseinserweiterung). Bei Speed und Kokain treten solche Phänomene normalerweise nicht auf.

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Allerdings können bei allen drei Substanzgruppen über die „üblichen“ Phänomene hinaus auch eindeutige psychotische Symptome auftreten: Halluzinationen, Situationsverkennungen und Wahngedanken, die dann oft Angst machen. Für Amphetamine sind unangenehme körperliche Missempfindungen und Verfolgungsängste typisch (SpeedParanoia). Unter LSD oder anderen Halluzinogenen können extrem ängstigende Halluzinationen mit Todesängsten auftreten (Horrortrip). In diesen Fällen sprechen wir wieder von psychotischen Rauschverläufen, und solche Rauschverläufe sind, wie wir bereits in der letzten Sitzung über Cannabis besprochen hatten, bei Menschen mit entsprechender Vulnerabilität bzw. bei Menschen, die schon mal eine Psychose hatten, häufiger. Außerdem können durch den Konsum aller dieser Substanzen Psychosen angestoßen werden, die dann über Tage bis hin zu Wochen und Monate andauern können, sog. drogeninduzierte Psychosen. Auch hier gelten die gleichen Zusammenhänge mit der individuellen Vulnerabilität für die Entwicklung von Psychosen, die wir in der letzten Sitzung über Cannabis besprochen hatten. Können Sie sich erinnern? Will jemand versuchen zusammenzufassen, was wir besprochen hatten? An dieser Stelle zeigt der Therapeut erneut das in der dritten Sitzung erarbeitete Schema der Zusammenhänge zwischen Drogenwirkungen und Vulnerabilität für Psychosen (s. Abb. 6.2, Abschnitt 6.2.3) und lässt die Patienten die besprochenen Zusammenhänge entwickeln, wobei er nach Bedarf ergänzt oder behutsam korrigiert. Grundsätzlich sollen die wichtigsten Punkte aus der dritten Sitzung wiederholt werden: Bei einer hohen Vulnerabilität reicht auch wenig Drogenkonsum für die Auslösung einer Psychose aus; Menschen, die schon einmal eine Psychose hatten, haben in der Regel von Natur aus eine hohe Vulnerabilität für Psychosen. Sie sind bei Drogenkonsum besonders rückfallgefährdet; schizophrene Patienten, die häufig Cannabis oder andere stärkere halluzinogene Drogen und Stimulanzien konsumieren, müssen durchschnittlich häufiger ins Krankenhaus, müssen durchschnittlich mehr Medikamente nehmen und haben insgesamt einen schlechteren Verlauf ihrer Psychose.

z Körperliche Komplikationen Über die psychischen Komplikationen hinaus drohen bei Stimulanzien und Ecstasy auch körperliche Folgeschäden: z Bei Speed und Ecstasy sind akut im Rausch schwere körperliche Komplikationen möglich: Wegen Blutdrucksteigerung und Wirkungen auf die Herzfunktion können Herzinfarkte, Hirn- und andere Blutungen

6.2 Manual des Gruppentrainings

z z z z z

z

z

auftreten, insbesondere bei älteren Menschen oder Menschen mit Vorschädigungen ist das relevant. Bei Ecstasy und gleichzeitiger körperlicher Anstrengung (cave: stundenlanges Tanzen auf Parties) ist akute Überhitzung des Körpers mit Auslösung schwerer Organschäden und tödlichem Ausgang möglich. Bei stärkerem Ecstasykonsum wurden Leberschädigungen beschrieben (subakut). Bei stärkerem Ecstasykonsum sind toxische Effekte am Gehirn mit Gedächtnis- und Lerndefiziten nach heutigem Stand des Wissens wahrscheinlich. Bei Ecstasy sind noch viele andere seltenere Organkomplikationen möglich. Bei Ecstasy gibt es schwer einschätzbare Gefahren dadurch, dass die Pillen häufig auch andere Substanzen und Kombinationen enthalten (häufig Amphetamine, manchmal Koffein und Schmerzmittel, vereinzelt auch sehr gefährliche „atypische“ halluzinogene Wirkstoffe (z. B. Atropin)). LSD und andere Halluzinogene wie z. B. Psilocybin-Pilze sind im Kontrast hierzu körperlich besser verträglich, keine schwerwiegenden körperlichen Komplikationen bei Erwachsenen.

Wie in der zweiten Sitzung des KomPAkt müssen die oben aufgeführten körperlichen Folgeschäden durch Amphetamine und Ecstasy nicht bis ins kleinste Detail besprochen werden. Das Ziel ist, den Patienten zu vermitteln, dass es viele verschiedene Komplikationen gibt – häufige und seltenere –, die z. T. schwerwiegend sind. Bei Nachfragen seitens der Patienten sollten jedoch die Therapeuten in der Lage sein, detailliertere Informationen zu geben. Schließlich sollten die Therapeuten kurz das Problem des Mischkonsums ansprechen: Wenn verschiedene Stoffe (z. B. Ecstasy, Benzodiazepine, Alkohol) kurz hintereinander konsumiert werden, mischen sich die Effekte, und die möglichen Wechselwirkungen können unübersichtlich und besonders gefährlich sein. Anschließend spricht der Therapeut, wie in den vorausgegangenen Sitzungen, die möglichen Hilfen und Verhaltensalternativen zum Konsum an. Er bittet die Patienten, sich an die bereits erarbeiteten Ideen zu erinnern und wiederzugeben. Das Vorgehen entspricht demjenigen in der zweiten und dritten Sitzung (s. Abschnitt 6.2.2). Relevant sind hier jedoch nur die Alternativen/Hilfsmöglichkeiten gegen potenzielle Negativsymptome und die allgemeinen Strategien. Tabelle 6.5 ist ein Beispiel dafür, wie die erstellte Tabelle in der vierten Sitzung des KomPAkt aussehen könnte. Nun erläutert der Therapeut, dass alle vorgesehenen Themen des psychoedukativen Trainings besprochen worden seien. Er kündigt an, dass die darauffolgende, letzte Sitzung zur Klärung evtl. noch offener Fragen

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Tabelle 6.5. Beispiel für eine erstellte Tabelle in der vierten Sitzung des KomPAkt

z Motivation/ Erwartung

z Erfolg kurzfristig/ langfristig z Probleme/Gefahren psychisch kurzfristig

psychisch langfristig

körperlich kurzfristig körperlich langfristig

Amphetamine (speed), Kokain

Ecstasy

Halluzinogene (LSD, Pilze)

Neugierde um sich energievoller, selbstsicherer, unternehmungslustiger zu fühlen

Neugierde weil Freunde auch konsumieren um sich lockerer im Kontakt zu fühlen

Neugierde Experimentieren mit „Bewusstseinserweiterung“

++ +/–

++ +/–

+/– +/–

Gereiztheit, Aggressivität psychotischer Rauschverlauf (Paranoia) Gewöhnung, bei Amphetaminen Dosissteigerung im Entzug : lustlos, energielos, matt Auslösung von Psychosen : Blutdruck ? Blutungen, Infarkte

Unruhe, Angst psychotischer Rauschverlauf

psychotischer Rauschverlauf (Horrortrip)

nach Konsum „Kater“: Auslösung von energielos, matt, depri- Psychosen Flashbacks miert, irritierbar Auslösung von Psychosen

: Blutdruck ? Blutungen, Infarkte Überhitzung ? Tod Herzrhythmusstörungen, Leberschäden toxische Hirnschäden Herzmuskelschwäche, (; Gedächtnis) Herzinfarkte Bei Kokain Lungenschä- chemische Zusammensetzung unsicher digung

z Alternativen/Hilfen allgemein Versuchungssituationen meiden, Freundeskreis überprüfen bei NegativLebens-/Wohnsituation überprüfen (z. B. regelmäßige Beschäftigung, Symptomen Wohngemeinschaft?) sozialtherapeutische Angebote Hobbies Tagesplanung und -struktur ++ sehr gute Wirkung, + gute Wirkung, +/– Wirkung wechselhaft oder nicht ausreichend, – keine Wirkung

6.2 Manual des Gruppentrainings

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oder zum Vertiefen einzelner Themenbereiche gedacht ist. Er bittet die Gruppenmitglieder, sich bis dahin zu überlegen, welche Themen sie besprechen wollen. Nach unserer Erfahrung nimmt die Gruppe das Angebot gerne an, selbst die Themen der Abschlusssitzung zu bestimmen. Häufig wird von den Gruppenteilnehmern spontan gewünscht, noch einmal ausführlich über die Alternativen zum Konsum und die Hilfsmöglichkeiten zu sprechen. Am Ende der Sitzung werden den Patienten die Arbeitsblätter Nr. 7 und 8 mitgegeben. Es handelt sich um eine Liste mit den wichtigsten Gefahren durch Halluzinogene, Stimulanzien und Ecstasy und eine Aufstellung der in den vorausgegangenen drei Sitzungen erarbeiteten Alternativen zum Konsum bzw. Verhaltensstrategien. Die Patienten werden ermuntert, sich bis zur folgenden Sitzung darüber Gedanken zu machen, ggf. Verhaltensstrategien auszuprobieren und diejenigen Verhaltensmaßnahmen auf dem Arbeitsblatt zu unterstreichen, die bei ihnen am erfolgversprechendsten sind oder sein könnten. Die Sitzung endet mit dem Abschlussblitzlicht.

6.2.5 Fünfte Sitzung: Feedback durch Gruppenteilnehmer – Diskussion einzelner Punkte nach Wunsch der Teilnehmer Die Sitzung beginnt und endet mit dem Blitzlicht. Zunächst bittet der Therapeut die Gruppenmitglieder um ihr Feedback bzgl. des psychoedukativen Trainings. Er notiert sich Wünsche und Verbesserungsvorschläge, um sie evtl. bei späteren Gruppen zu berücksichtigen. Aus diesem Feedback ergeben sich meistens auch die Wünsche für eine Diskussion einzelner Themen in der letzten Sitzung. Der Therapeut sollte hier möglichst auf die Wünsche der Gruppenmitglieder eingehen. Häufig wird gewünscht, ausführlich über die Alternativen zum Konsum und die Hilfsmöglichkeiten zu sprechen. Dies ist nach unserer Erfahrung ein sehr geeignetes Thema für die Abschlusssitzung. In diesem Fall sollte am Ende der Sitzung jedes Mitglied die für ihn passendsten Verhaltensalternativen und Strategien nennen und auf dem Arbeitsblatt unterstreichen oder ergänzen. Am Ende der Sitzung verweist der Therapeut auf die verhaltenstherapeutische Gruppe KomPASs und stellt die Inhalte von KomPASs als sinnvolle Fortsetzung der Psychoedukation mit dem Fokus auf dem Umgang mit Suchtdruck und Aufbau alternativer Verhaltensweisen auf. Den Patienten wird angeboten, zum nächst möglichen Zeitpunkt an einem KomPASs-Training teilzunehmen.

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6 KomPAkt: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit – Psychoedukatives Training

6.3 KomPAkt: Version als Einzeltherapie Nach unserer Erfahrung ist die Interaktion zwischen den Teilnehmern ein wesentlicher Faktor für die Wirksamkeit des psychoedukativen Trainings. Die Patienten lernen zum großen Teil voneinander, und die Erfahrungen von Mitpatienten sind glaubwürdiger als Ermahnungen durch Therapeuten. Allerdings machen wir im ambulanten Setting immer wieder die Erfahrung, dass einige Patienten nicht ausreichend motiviert sind, um die Gruppe zu besuchen, oder dass sie zwar eine gewissen Grad an Motivation mitbringen, aber es nicht schaffen, pünktlich und regelmäßig zu den ambulanten Terminen zu erscheinen. Andere Patienten wiederum mögen akzeptieren, dass sie z. B. ein Problem mit Alkohol haben, finden aber, dass alles andere, was im KomPAkt besprochen wird, sie nichts angehe, und sie grenzen sich eher von den anderen Patienten ab. Im Sinne der Flexibilisierung und Patientenorientierung ist es sinnvoll, solchen Patienten eine modifizierte und ggf. gekürzte Version des KomPAkt als Einzeltherapie anzubieten. Manchmal sind die Patienten zu einem späteren Zeitpunkt in der Lage bzw. bereit, am KomPAkt-Gruppentraining teilzunehmen. Die KomPAkt-Einzeltherapie arbeitet somit zugeschnitten auf den einzelnen Patienten, indem sie Elemente bzw. Themen aus dem KomPAktTraining auswählt, die den Patienten direkt betreffen bzw. von ihm akzeptiert werden. Je nach Umfang dieser Themen, kognitiven Ressourcen und Vorwissen des Patienten kann die KomPAkt-Einzeltherapie in einer oder mehreren Sitzungen von 30 bis 60 Minuten abgehalten werden. Nach unserer Erfahrung sind in der Regel eine bis zwei Sitzungen sinnvoll, was auch in Hinblick auf die therapeutischen Ressourcen im Rahmen der Praktikabilität bleibt. In der KomPAkt-Einzeltherapie sitzen Patient und Therapeut an einem Arbeitstisch. Als Utensilien werden Stifte, leere DIN-A4- und DIN-A3-Blätter, die Arbeitsblätter (Handouts) des KomPAkt-Trainings und ggf. Kopien relevanter Untersuchungsbefunde des Patienten (z. B. erhöhte Leberwerte bei Alkoholmissbrauch) benötigt, ferner ein Schnellhefter für den Patienten zur Aufbewahrung der Unterlagen. Da die KomPAkt-Einzeltherapie auf den Patienten zugeschnitten ist, gestaltet sie sich nach unserer Erfahrung vor allem dann effektiv, wenn der Therapeut den Fall des Patienten gut kennt und somit in der Lage ist, den Verlauf der Therapie sinnvoll zu steuern. Somit sollte der KomPAkt-Therapeut idealerweise den Patienten durch frühere eigene Behandlung kennen oder er sollte vom behandelnden Arzt/Psychologen detaillierte Informationen erhalten und Einsicht in die Behandlungsakte nehmen. Zu Beginn erläutert der Therapeut den Sinn und Inhalt der KomPAktEinzeltherapie, angelehnt an die Erläuterung in der ersten Sitzung des Gruppentrainings (s. Abschnitt 6.2.1). Anschließend wird analog zum Vorgehen des Sammelns im Gruppentraining nach den Erfahrungen des

6.3 KomPAkt: Version als Einzeltherapie

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Patienten gefragt, wobei auch hier die Aspekte Motivation, Wirkungen, Erfolg und Komplikationen angesprochen werden. Im Anschluss an das Sammeln entwirft der Therapeut eine Tabelle mit Spalten für die verschiedenen Substanzen und Zeilen für Motivation/Erwartung, Erfolg und Probleme/Gefahren. Je nach Umfang der Erfahrungen des Patienten wird hierfür ein DIN-A4- oder DIN-A3-Blatt benötigt. Therapeut und Patient ordnen gemeinsam die angesprochenen Punkte in die Tabelle ein. Falls es sich anbietet, erscheint es sinnvoll, an dieser Stelle relevante Untersuchungsbefunde des Patienten zu besprechen und in das Tabellenschema einzuordnen. Falls der Patient über Erfahrungen mit verschiedenen Substanzen verfügt und die Tabelle entsprechend umfangreich wird, kann es sinnvoll sein, das Schema der Wirkungen von Suchtstoffen zu zeigen, zu erläutern und dem Patienten als Arbeitsblatt mitzugeben (Arbeitsblatt Nr. 1). Wichtige, vor allem für den individuellen Patienten relevante Punkte, die durch ihn nicht angesprochen wurden, werden durch den Therapeuten ergänzt. Dabei kann der Therapeut gleichermaßen auf Berichte anderer Patienten und auf medizinisch/psychologisches Wissen verweisen. Hinsichtlich der motivationalen Faktoren für den Konsum wäre die Erarbeitung potenzieller Selbstmedikationsaspekte wichtig. Die erstellte Tabelle verbleibt beim Patienten, nachdem der Therapeut eine Kopie für die Akte angefertigt hat, und auch die Untersuchungsbefunde des Patienten verbleiben bei ihm. Unter den Arbeitsblättern Nr. 2–7 werden diejenigen ausgewählt und dem Patienten mitgegeben, die für ihn relevant sind. Anschließend spricht der Therapeut in Anlehnung an die Ausführungen im Gruppentraining mögliche Verhaltensalternativen zum Konsum an (s. Abschnitt 6.2.2). Die Ideen und/oder Erfahrungen des Patienten werden auf einem DIN-A4-Blatt niedergeschrieben. Zusätzliche Möglichkeiten werden ggf. anhand des Arbeitsblatts Nr. 8 besprochen, das beim Patienten verbleibt. Zum Abschluss der KomPAkt-Einzeltherapie ermuntert der Therapeut den Patienten, die besprochenen Verhaltensalternativen zu erproben, und bietet ihm einen Termin zur Besprechung seiner Erfahrungen nach 4 bis 6 Wochen an. Schließlich weist der Therapeut auch auf die KomPAkt- und ggf. auch die KomPASs-Gruppe hin und bietet dem Patienten die Teilnahme an diesen Gruppen zum späteren Zeitpunkt an.

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training T. Schnell, E. Gouzoulis-Mayfrank

7.1 Allgemeines 7.1.1 Einführung Mit dem Therapieprogramm KomPASs (Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Ein Skills-Training für Gruppen) sollen den DD-Patienten neue und funktionale Wege im Umgang mit beiden Störungsbildern aufgezeigt werden. Es handelt sich nicht um ein reines Suchttherapiekonzept für schizophren vulnerable Menschen, sondern es wird versucht, gemeinsame problematische Aspekte beider Störungen zu identifizieren und integriert zu behandeln. Inhaltlich unterteilt sich das Training in fünf Module mit unterschiedlichen Schwerpunkten: Ein kurzer psychoedukativer Themenblock vertieft und erweitert die Inhalte des KomPAkt-Trainings. Im zweiten Modul werden die Patienten hinsichtlich individueller Gefahrensituationen, dysfunktionaler Gedankenmuster und kritischer affektiver Zustände in Bezug auf beide Störungen sensibilisiert sowie dazu angehalten, neue gesunde Aktivitäten aufzubauen. Anschließend werden im dritten Modul Skills trainiert, welche in Stress- und speziell in Craving-Situationen zur Affektregulation eingesetzt werden können. Im vierten Themenblock werden allgemeine soziale Kompetenzen sowie Kompetenzen für einen funktionalen Umgang mit der psychotischen Erkrankung und dem Konsumproblem im sozialen Kontext trainiert. Schließlich erlernen die Patienten konkrete Handlungsstrategien für sich anbahnende Krisensituationen sowie allgemeine präventive Maßnahmen in Bezug auf ihre Erkrankungen. Während der Entwicklung des Manuals trat häufig die Frage auf, ob die angewandten Interventionen teilweise ein zu hohes kognitives Funktionsniveau bei den Patienten voraussetzten. Bei der praktischen Erprobung des KomPASs zeigte sich, dass es innerhalb der heterogenen Patientenklientel sehr wohl kognitiv leistungsstarke Patienten gibt, mit denen auf relativ hohem Niveau gearbeitet werden kann und die davon sehr profitieren. Andere Patienten, die schwerer oder chronisch erkrankt sind, wären aber mit einem Teil der hier vorgestellten Interventionen streckenweise überfordert. Es empfiehlt sich daher, die Gruppen hinsichtlich ihrer kognitiven Fähigkei-

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

ten möglichst homogen zu gestalten, sodass die leistungsfähigeren Patienten adäquat behandelt und eingeschränktere Patienten nicht überfordert werden. Hier ist es die Aufgabe der Therapeuten zu entscheiden, welche Interventionen für die jeweilige Gruppe geeignet sind. So werden an mehreren Stellen des Manuals Vorschläge für alternative Interventionen in Abhängigkeit vom Leistungsniveau der Gruppe beschrieben. Beispiele für Interventionen auf hohem Niveau in diesem Manual z Es wird vorgeschlagen, einige Sachverhalte mittels Metaphern zu verdeutlichen, wie es bspw. in klassischen Psychosegruppen zur Verdeutlichung des Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungsmodells geschieht. Bei der Auswahl der entsprechenden Metaphern (Beispiele sind in Anhang A1.1 aufgeführt) sollte das Abstraktionsvermögen der Patienten bedacht werden. z Modul 2 enthält Interventionen, die in die Nähe von klassischen kognitiven Umstrukturierungstechniken angesiedelt werden können. Die Patienten sollen hinsichtlich des Zusammenhangs von bestimmten dysfunktionalen Kognitionen mit ihrem Problemverhalten sensibilisiert werden. Dazu müssen sie sich in kritische Situationen hineinversetzen (imaginativ oder mittels Rollenspiel), um kognitive und emotionale Schemata zu aktivieren und anschließend identifizieren zu können. Anschließend werden spezifische kritische kognitive Muster wie die Tendenz zur Bagatellisierung von Problemverhalten oder die Vernachlässigung langfristiger zugunsten kurzfristiger Konsequenzen in Entscheidungssituationen erörtert. Da vielen Psychosepatienten die Schilderung ihrer Emotionen schwer fällt, wird hier eine vorsichtige emotionale Aktivierung der Patienten vorgeschlagen (Warnhinweise hierzu finden sich im Abschnitt 7.4.2).

7.1.2 Ziele und Voraussetzungen Das KomPASs-Training hat folgende Ziele: z Erreichen eines Expertenstatus der Teilnehmer in Bezug auf die Störungen, d. h. Kenntnis über die Dynamik von Abhängigkeitsstörungen und Psychosen z Identifikation und Modifikation kritischer Situationen, Gedanken und Emotionen in Bezug auf beide Störungen. Insbesondere die Gemeinsamkeiten beider Störungen sowie deren Interaktionen sollen verdeutlicht werden z Aktivierung von gesunden Alternativhandlungen zum Drogenkonsum z Entwicklung von Fertigkeiten, die Suchtdruck und Stress reduzieren können, um den Konsum einschränken bzw. aufgeben und um StressSituationen funktional kompensieren zu können

7.1 Allgemeines

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z Aufbau von allgemeiner sowie konsumspezifischer sozialer Kompetenz z Erkennen von Warnsignalen für Krisensituationen, in denen ein Risiko für konsum- und psychosebezogene Rückfälle besteht, und Entwicklung von geeigneten Handlungsstrategien z Etablierung eines Lebensstils, der zur Vermeidung von Rückfällen hinsichtlich beider Störungsbilder beitragen soll. Die Voraussetzungen seitens der Patienten für eine Teilnahme am KomPASs-Training sind relativ niederschwellig definiert: Die Patienten sollten über Grundwissen über Psychosen und Substanzwirkungen verfügen (idealerweise durch vorangegangene Teilnahme am KomPASs-Training), sie sollten zumindest ansatzweise Einsicht in die negativen Auswirkungen des Substanzkonsums auf den Verlauf psychotischer Erkrankungen haben (diesbezügliche Zusammenhänge sollten zumindest nicht kategorisch verleugnet werden), und sie sollten motiviert sein, den Drogenkonsum aufzugeben oder zumindest einzuschränken.

7.1.3 Abgrenzung des KomPASs-Trainings gegenüber VT-Gruppentherapien für Suchtpatienten ohne Komorbidität Das KomPASs-Training unterscheidet sich in folgenden Aspekten von suchttherapeutischen Programmen für Patienten ohne Komorbidität: z Therapeutische Haltung: Weniger fordernd und mehr Flexibilität hinsichtlich Verhaltensregeln in der Gruppe, aber dennoch eindeutig in der Kommunikation (Wünsche anstatt Regeln formulieren): „Die Gruppe würde am meisten profitieren wenn . . .“ (vgl. Abschnitt 7.6.1). z Psychoedukation bezüglich der Interaktion zwischen Konsumverhalten und psychotischen Symptomen (Modul 1): Es werden nicht nur beide Störungsbilder separat behandelt, sondern insbesondere deren negative Interaktionen fokussiert. z Identifikation von das Risikoverhalten fördernden Sowohl-als-auch-Situationen und Kognitionen (gleichzeitig riskant hinsichtlich Psychose und Konsum, s. Modul 2). z Umgang mit Situationen und Kognitionen, die eine Rückfallgefährdung hinsichtlich Psychose und/oder Konsum bedeuten (Modul 2). z Vermittlung von Skills, die für den Umgang mit psychose- und suchtrelevanten Aspekten und deren Interaktionen erforderlich sind (Module 3 und 4). z Definition von Krisen als Gefahrensituationen für Psychose- und/oder Suchtrückfall (Modul 5).

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

7.2 Formale Struktur des Trainings 7.2.1 Setting: Offene oder geschlossene Gruppe? Geschlossene Gruppenkonzepte haben den Vorteil einer sich häufig entwickelnden starken Kohäsion. Die Teilnehmer erleben gemeinsam die Verunsicherung am Beginn und die dynamische Entwicklung des Verlaufs und sie nehmen gemeinsam voneinander Abschied. Allerdings ist es unökonomisch, durch Abbruch frei gewordene Plätze nicht neu zu besetzen. Insbesondere die Adressaten des KomPASs-Trainings leiden häufig unter starken Strukturproblemen, die eine gewisse Unzuverlässigkeit hinsichtlich der kontinuierlichen Teilnahme an der Gruppe mit sich bringen. Um zu verhindern, dass gegen Ende des Trainings nur noch wenige Teilnehmer die Gruppe besuchen, wird das Konzept einer halboffenen Gruppe vorgeschlagen. Dies bedeutet, dass der Platz eines ausscheidenden Gruppenteilnehmers zu Beginn eines neuen Themenblocks mit einem neu in die Gruppe hinzukommenden Patienten besetzt werden kann. Dadurch haben neue Teilnehmer den Vorteil, die Arbeitsweise in der Gruppe durch die bereits erfahrenen Teilnehmer schneller zu erlernen. Gruppenthemen wie Abschied nehmen und Neuaufnahmen wiederholen sich, wodurch die einzelnen Teilnehmer diese Prozesse aus verschiedenen Perspektiven erleben können. Sie kommen als Neuer in die Gruppe, erleben Abschiede aus der Perspektive des Neuen und später aus der Perspektive desjenigen, der selbst gehen wird. Die einzelnen Teilnehmer machen zudem Erfahrungen als Mitglieder unterschiedlicher Gruppen, da sich durch jeden Wechsel die Gruppenatmosphäre potenziell verändert. Kritisch zu bedenken ist beim Quereinstieg eines Patienten in die Gruppe, dass die inhaltliche Abfolge des Trainings das Ziel verfolgt, über eine allmähliche Steigerung der Einsicht in die Problematik die Motivation der Patienten zu einer Verhaltensänderung zu erhöhen. Von daher muss im Falle eines eventuellen Quereinstiegs eines Patienten dessen motivationale Ausgangssituation überprüft werden. Ein Quereinstieg ist nur dann ratsam, wenn der betreffende Patient in seiner Krankheitseinsicht und Änderungsmotivation nicht weit vom Gruppenniveau abweicht.

7.2.2 Umfang und Frequenz der Sitzungen, Gruppengröße Dem KomPASs-Training wurden die formalen Rahmenbedingungen für ein kognitiv-behaviorales Gruppentherapiemanual nach Fiedler (1999) zugrunde gelegt. Hier wird ausgeführt, dass die meisten Gruppentherapien (u. a. aus Gründen der Praktikabilität) auf 10–15 Stunden begrenzt sind, während Wirksamkeitsanalysen eine maximale Effektivität bei 30–50 Stunden ergeben. Es wird empfohlen, mit zeitlichen Vorgaben in beste-

7.2 Formale Struktur des Trainings

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henden Therapiemanualen flexibel umzugehen, indem sie den Voraussetzungen der Patienten entsprechend adaptiert werden. Als Maßstab für die Praxis wird eine Stundenzahl von ca. 25 Stunden angesehen, die sowohl Praktikabilität als auch inhaltliche Effektivität berücksichtigt. Dies gilt für die Behandlung der Schizophrenie ebenso wie für andere Störungsbilder. Der Umfang des KomPASs-Trainings beträgt 21 Sitzungen von jeweils 90 Minuten Dauer. Aufgrund der eingeschränkten Informationsverarbeitungsfähigkeit schizophren vulnerabler Menschen beträgt allerdings die vorgesehene inhaltliche Arbeit nur 50 Minuten. Die Teilnahme an den letzten 15 Minuten jeder Stunde ist freiwillig und für Teilnehmer gedacht, die Aspekte besprechen möchten, welche im Rahmen der Stunde keinen Platz gefunden haben (vgl. Abschnitt 7.4.6). Die Einführung in die jeweilige Stunde sollte derart gestaltet werden, dass sich die Teilnehmer in einer angenehmen und entspannten Atmosphäre sicher fühlen. Pro Woche sollte eine Sitzung angeboten werden. Häufigere Termine sind u. E. zum einen aus Überlastungsgründen nicht ratsam, zum anderen wird die Zeit zwischen den Sitzungen benötigt, um Hausaufgaben zu erledigen und die besprochenen Inhalte praktisch zu erproben. Niederfrequentere Termine sind wiederum aus Gründen der Kontinuität ungünstig. Manche Patienten äußern am Ende des Trainings den Wunsch, bestimmte Module zu wiederholen, da sie entweder relevante Stunden verpasst haben oder bestimmte Inhalte als besonders sinnvoll für sich erachten. Für diese Patienten bietet es sich an, einzelne Module weiterer KomPASs-Trainings selektiv zu wiederholen. Nach unserer Erfahrung ist eine Teilnehmeranzahl von 5–8 Patienten angemessen. Es empfiehlt sich, bei der Leitung der Gruppe den Therapeuten durch einen Kotherapeuten zu unterstützen.

7.2.3 Aufbau und Zeitstruktur der Therapiestunden Nachfolgende Struktur gilt für die Themenblöcke 2–5. Die ersten beiden psychoedukativen Stunden sowie die letzte Stunde sind formal leicht modifiziert (vgl. Abschnitt 7.5). (1) Beginn (ca. 15 Minuten): z Jeder Teilnehmer benennt kurz – die aktuelle Stimmungslage – eventuell aufgetretene Craving- oder Stress-Situationen seit der letzten Therapiestunde und wie er damit umgegangen ist (ob erlernte oder neue Skills angewendet wurden). z Fragen zur letzten Stunde können geklärt werden. z Vorstellung des Themas der aktuellen Stunde und Verteilen hierfür benötigter Arbeitsblätter. (2) Bearbeitung des aktuellen Themas (ca. 50 Minuten).

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

(3) Benennen von Hausaufgaben sowie Gruppenabschluss und Feedback durch die Gruppe: Was war hilfreich? Hat etwas gestört? (ca. 5 Minuten). (4) Pause (ca. 5 Minuten). (5) Freiwillige Teilnahme an „freiem Thema“: Hier können bspw. Fragen geklärt werden, die während der Sitzung aufgekommen sind, deren Bearbeitung aber den Rahmen gesprengt hätte (ca. 15 Minuten). Cave: Die angegebene zeitliche Struktur für die einzelnen Sitzungen ist als Orientierungsrahmen gedacht. Je nach Vorwissen und Interesse der Teilnehmer können einzelne Aspekte vertieft oder verkürzt behandelt werden. Es ist wichtig, produktive Gruppenprozesse nicht durch vorschnelle Themenwechsel zu unterbinden oder die Teilnehmer mit bereits bekannten Inhalten zu langweilen. Auf der anderen Seite ist darauf zu achten, dass alle Inhalte des Trainings behandelt werden können. Von den Therapeuten ist also ein Gewichten hinsichtlich eines angemessenen Verhältnisses zwischen den Polen Struktur und Flexibilität gefordert.

7.2.4 Räumliche Voraussetzungen und Ausstattung Generell gilt, dass der Raum, in dem das Training stattfinden soll, freundlich und bequem gestaltet sein sollte. Störungen bspw. durch klingelnde Telefone oder intervenierende andere Personen sollten weitgehend ausgeschlossen sein. Es sollte ein Tisch für jeden Teilnehmer zur Verfügung stehen, um bei Bedarf schriftliche Arbeiten erledigen zu können. Weiterhin ist darauf zu achten, dass ausreichend Platz zur Verfügung steht, damit ggf. Distanzierungsbedürfnissen der Teilnehmer nachgegeben werden kann. Die Trainer sollten nicht frontal zur Gruppe sitzen, sondern möglichst integriert positioniert sein. Empfehlenswert ist eine quadratische oder runde Anordnung der Tische. Dadurch wird eine Arbeitsatmosphäre hergestellt, die die gemeinschaftliche Arbeit gegenüber dem Frontalunterricht betont. Es sollten schließlich ein Flipchart inkl. Schreibmaterial in verschiedenen Farben und, wenn möglich, ergänzende Visualisierungshilfen wie bspw. Pinnwände zur Verfügung stehen. Für jeden Patienten sollte eine Arbeitsmappe für die Unterlagen des Trainings vorbereitet sein. Die Arbeitsmappen werden zu Beginn des Trainings verteilt, die Arbeitsblätter für die einzelnen Stunden werden jeweils zu Beginn ausgehändigt. Ansprechend strukturierte Arbeitsmappen sollen die Verbindlichkeit einer regelmäßigen Teilnahme an den Gruppentherapiestunden erhöhen, die Übersichtlichkeit der behandelten Inhalte gewährleisten sowie langfristig als Nachschlagewerk für die Patienten dienen.

7.3 Therapeutische Haltung und Interaktion

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7.3 Therapeutische Haltung und Interaktion 7.3.1 Therapeutische Beziehung Generell sollte eine Orientierung an den Strategien allgemeiner Beziehungsgestaltung im Sinne von Sachse (2006) erfolgen. Der Therapeut vermittelt den Patienten dahingehend Verständnis, dass er nachvollziehen kann, was die Patienten denken und fühlen und warum sie in bestimmten Situationen bestimmtes Verhalten zeigen. Eine Ausnahme stellen wahnhafte Denkinhalte dar. Hier ist inhaltliches Verstehen durch den Therapeuten nicht möglich oder angemessen. Der Therapeut kann dem Patienten aber versichern, dass er dessen Reaktionen (beispielsweise Angst) auf das wahnhafte Erleben nachvollziehen kann. Akute Positivsymptomatik der Patienten ist zwar ein Ausschlusskriterium für die Teilnahme am KomPASs-Training, aber wahnhafte Denkinhalte der Patienten sind oft relativ therapieresistent, sodass auch hier vereinzelt mit Resten wahnhafter Symptomatik zu rechnen ist. Weiterhin sollte der Therapeut den Patienten Akzeptanz entgegenbringen. Dies bedeutet nicht, dass problematisches Verhalten der Patienten positiv bewertet werden sollte. Gemeint ist damit eine allgemein nicht wertende Grundhaltung der Therapeuten. Dies ist wichtig, um eine vertrauensvolle und angstfreie Atmosphäre innerhalb der Gruppe herzustellen, in der die Patienten den Mut haben, auch über negative Ereignisse wie Konsumausrutscher oder gar Rückfälle zu berichten. Dementsprechend können Ausrutscher von vornherein validiert werden, indem vermittelt wird, dass ein einmal entwickeltes Suchtverhalten sehr feste Strukturen aufweist, die nur mit viel Zeit und Training aufgelöst werden können. So ist im Verlauf des Trainings mit vereinzelten Ausrutschern zu rechnen. Wichtig ist hierbei, immer wieder zu betonen, dass ein Ausrutscher keinen Rückfall darstellt. Ausrutscher sollten vielmehr als Ereignisse definiert werden, aus denen Neues gelernt werden kann, indem überlegt wird, wie mit einer ähnlichen Situation zukünftig funktionaler umgegangen werden kann. Zu beachten ist jedoch, dass auch therapeutische Dimensionen wie Verständnis und Akzeptanz an Grenzen stoßen können und dass eine verständnisvolle therapeutische Haltung nur dann positiv ist, wenn sie echt und glaubwürdig wirkt. Als weitere Grundregeln der therapeutischen Beziehung sind die Aspekte emotionale Wärme, Respekt und Loyalität zu nennen. Hiermit ist gemeint, dass der Therapeut durch seine Sprache, Mimik, Gestik etc. eine Atmosphäre entwickelt, in der sich die Patienten sicher, behütet und angenommen fühlen, da ihnen der Therapeut positiv und wertschätzend entgegentritt. Dem Aspekt der Loyalität ist dahingehend Beachtung zu schenken, dass der Therapeut Außenseiter innerhalb der Gruppe mög-

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

lichst integriert und wertschätzt. Dadurch kann erreicht werden, dass Patienten den Mut aufbringen, auch gruppenabweichende Ansichten zu äußern, die die Gefahr einer Außenseiterposition mit sich bringen. Schließlich sollten sich die Teilnehmer als Experten für Substanzen bzw. Substanzwirkungen und psychotischem Erleben ernst genommen fühlen und umgekehrt die Trainer als Experten für Methoden zur Veränderung problematischen Verhaltens akzeptieren. Auf dieser Grundlage kann die therapeutische Beziehung im Sinne einer Allianz gestaltet werden. Dies kann auf folgende Art kommuniziert werden: „Sie sind Experten darin, wie es sich anfühlt, Drogen zu konsumieren, Suchtdruck zu spüren und wie man einen psychotischen Zustand wahrnimmt. Wir sind Experten darin, was die Wissenschaft dazu sagt und wie sich Menschen verändern können, wenn sie das möchten. Wenn wir mit diesem Wissen ein Expertenteam bilden, haben Sie gute Chancen, dieses Training erfolgreich zu absolvieren bzw. davon zu profitieren“. Bei dieser insgesamt annehmenden, nicht kritisierenden Haltung des Therapeuten darf natürlich nicht übersehen werden, dass das Gruppenziel in der Veränderung von problematischem Verhalten liegt. Die genannten Aspekte der Beziehungsgestaltung bilden also lediglich einen atmosphärischen Rahmen, innerhalb dessen gemeinsam getragene Ziele bearbeitet werden. Die Veränderung des Verhaltens setzt nun aber voraus, dass das bisherige Verhalten durch den Patienten als problematisch bewertet wird, ansonsten bestünde ja kein Handlungsbedarf. Diese Art der Bewertung widerspricht nicht der benannten nicht wertenden Grundhaltung des Therapeuten, solange Therapeut und Gruppe gemeinsam eine Verhaltensänderung anstreben, also gemeinsame Bewertungsmaßstäbe haben. Ist dies gegeben, kann vor diesem Hintergrund durch die Technik des geleiteten Entdeckens initiiert werden, dass die Gruppenteilnehmer gemeinsam bestimmte Verhaltensweisen analysieren und funktional bewerten. Zusammenfassend ist es also wichtig, zwischen dem Aufbau einer positiven Atmosphäre zwischen Gruppenteilnehmern und Therapeuten und der Arbeit an den Therapiezielen zu unterscheiden. Für die praktische Gestaltung des KomPASs-Trainings bedeutet dies, dass zu Beginn insbesondere atmosphärische Aspekte fokussiert werden. Im weiteren Verlauf wird zunehmend veränderungsorientiert gearbeitet.

7.3.2 Interaktionsstil Der Interaktionsstil zwischen Therapeuten und Patienten stellt ein wesentliches Element zur Etablierung einer positiven therapeutischen Beziehung dar. Darüber hinaus ist die Art und Weise der Wissensvermittlung ein bedeutender Faktor bei der Akzeptanz neuer Lerninhalte seitens der Patienten. Folgende interaktionelle Aspekte sollten KomPASs-Therapeuten beachten:

7.3 Therapeutische Haltung und Interaktion

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z Frontalunterricht vermeiden: Die Interaktion innerhalb der Gruppe sollte gefördert werden, indem möglichst vermieden wird, Inhalte nach dem Schulprinzip frontal zu vermitteln. So kann eine kooperative Arbeitsatmosphäre entstehen, in der die Patienten eigene Erfahrungen mit Substanzkonsum und psychotischem Erleben in den Lernprozess integrieren. Zudem fühlen sich die Patienten dadurch als Experten ihrer Störungen ernst genommen. Ein weiterer erwünschter Effekt ist, dass der Ermüdungsfaktor der Patienten durch deren aktive Mitarbeit an den Stunden reduziert wird (ebenso bei den Therapeuten, die durch die Mitarbeit der Patienten entlastet und inspiriert werden). z Empathie: Die Therapeuten sollten durch aktives Zuhören Interesse für die Belange der Patienten vermitteln. Indem weiterhin versucht wird, sich in das Erleben der Patienten hineinzudenken, kann Verständnis für deren Schwierigkeiten bei der Veränderung problematischen Verhaltens erreicht und den Patienten signalisiert werden. Dies ist insbesondere dann hilfreich, wenn es darum geht, gemeinsam Ideen und Vorschläge für alternative und funktionale Handlungen und Gedanken zu entwickeln. z Dissonanzerleben fördern: Durch sensibles Herausarbeiten von Dissonanzen zwischen aktuellem Verhalten und längerfristigen Wünschen und Zielen der Teilnehmer kann Einsicht und Motivation hinsichtlich einer Veränderung problematischen Verhaltens entwickelt werden. z Vermeiden von Konfrontation und „ja, aber“-Diskussionen: Das Beharren auf dem eigenen und vom Interaktionspartner abweichenden Standpunkt führt erfahrungsgemäß eher zu Reaktanz und einer Verhärtung der konträren Fronten als zu einem Prozess, in dem die Interaktionspartner aufeinander zugehen. Entsprechend sollten die Patienten „dort abgeholt werden, wo sie sind“, indem deren zu Beginn des Trainings vielfach ambivalente Haltung hinsichtlich des Drogenkonsums in dessen Funktionalität aufgegriffen und eine gemeinsame Suche nach Alternativen initiiert wird, welche eine ähnliche Funktion erfüllen. Praktischer Tipp: Eine Möglichkeit, das Wort aber zu umgehen und dennoch einen gegensätzlichen Aspekt zu betonen, ist die alternative Verwendung des Wortes gleichzeitig: „Sie sagen, Ihre Erfahrungen mit Drogenkonsum waren hauptsächlich positiv. Aber bedenken Sie, dass Sie nun eine Psychose entwickelt haben“. Alternativ: „Sie sagen, Ihre Erfahrungen mit Drogenkonsum waren hauptsächlich positiv. Gleichzeitig sollten Sie bedenken, dass Sie nun eine Psychose entwickelt haben“. Das Wort „aber“ entwertet den vorangegangenen Inhalt eines Satzes, den der Patient u. U. verteidigen möchte. Das Wort „gleichzeitig“ nimmt den vorangegangenen Inhalt wertfrei auf und erweitert diesen um eine zusätzliche Sichtweise. Dadurch besteht für den Patienten nicht die Notwendigkeit, seine Haltung zu verteidigen. Vielmehr wird er darin

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

unterstützt, seine eigene Sichtweise durch zusätzliche Aspekte zu ergänzen und gegebenenfalls zu überdenken. Förderung von Selbstwirksamkeitserleben: Die Patienten sollten im Rahmen des Trainings Erfahrungen machen, die sie durch das Erleben von Selbstwirksamkeit darin bestärken, dysfunktionales Verhalten aktiv zu verändern. Unterstützt werden kann dies bspw. durch die Wertschätzung selbst kleinster Erfolge, auch wenn sich der Erfolg lediglich in einem Versuch manifestiert, alternatives Verhalten zu problematischem Verhalten zu realisieren. Das Erledigen von Hausaufgaben zwischen den Therapiestunden dient ebenfalls der Förderung von Selbstwirksamkeitserleben, da die Patienten konkrete und kurzfristig erreichbare Veränderungsschritte initiieren sollen. Humor: Der dezente Einsatz von Humor kann dazu beitragen, eine angstfreie Atmosphäre herzustellen. Humoristische Elemente auf Kosten eines Teilnehmers sind tabu, wenn sich dieser dadurch bloßgestellt oder nicht ernst genommen fühlen könnte. Am individuellen Erleben der Patienten ansetzen: Bsp.: „Wie erleben Sie es, wenn Sie gestresst sind?“ anstatt „Wenn man gestresst ist, dann verhält man sich . . .“. Sprache der Patienten sprechen: Wenn möglich, sollte auf Fachbegriffe verzichtet werden. Besser ist es, mit dem Vokabular der Patienten zu kommunizieren, solange dies glaubwürdig und nicht unecht wirkt. Patienten verbal für Beiträge/Bemühungen bestärken: So oft wie möglich loben, allerdings ohne inflationären Verschleiß: „Genau, das ist ein sehr gutes Beispiel für. . .“; „gut, dass Sie diese schwierige Rolle übernommen haben . . .“. Persönliche Atmosphäre herstellen: Teilnehmer mit Namen ansprechen. Ressourcenaktivierung und Lösungsorientierung: Jeder Patient hat sicherlich bereits Situationen erlebt, in denen er dem Suchtdruck widerstanden hat, insbesondere in der Zeit, als die Abhängigkeit noch nicht stark ausgeprägt war. Auch in Bezug auf die Psychose kann nach Verhaltensweisen gefragt werden, die dazu führten, dass die Patienten bestimmtem Erleben nicht verstärkend, sondern funktional begegnet sind. Hier kann die einfache Frage „Wie haben Sie das damals gemacht?“ dazu führen, dass sich Patienten ihrer Stärken (Ressourcen) widmen, anstatt in passives Verharren in der Hoffnungslosigkeit ihrer Situation zu verfallen. Sobald aktuell etwas funktioniert hat, sollte das „Mehr-davon-Motto“ eingesetzt werden. Es sollte also darauf geachtet werden, nicht nur die kranken und gestörten Anteile der Teilnehmer zu thematisieren, sondern auch deren Kompetenzen, bisherige Erfolge sowie potenzielle Lösungen, die beim nächsten Auftreten einer Risikosituation hilfreich sein könnten („Was könnten Sie das nächste Mal besser machen?“ und nicht nur „Warum hat es nicht geklappt?“).

7.4 Inhalte des Trainings

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Tabelle 7.1. Die fünf Module des KomPASs-Trainings Modul

Sitzung

Inhalt

1 Psychoedukation

1–2

z Vorstellung Trainer und Teilnehmer z Ziele und Inhalte des Trainings z Psychoedukation

2 Konsum, Psychose und Ich

3–8

z Identifikation potenzieller Gefahrensituationen hinsichtlich Sucht- und Psychoserückfällen z Identifikation dysfunktionaler Kognitionen und Emotionen z Ressourcenaktivierung hinsichtlich positiver Tätigkeiten z Hinterfragen kritischer Gedankenmuster/Entwicklung von alternativen Kognitionen

3 Anti-Craving-/Stress Skills

9–12

z Strategien zur Reduktion von Suchtdruck und Stresserleben

4 Training sozialer Kompetenzen

13–18

z Allgemeine sowie diagnosespezifische soziale Kompetenz durch „2 in 1 Kommunikation“

5 Umgang mit bevorstehenden Krisen und Prävention

19–21

z Identifikation persönlicher Warnsignale für bevorstehende Krisen als Risikofaktoren für Konsum- und Psychoserückfälle z Entwicklung von handlungsleitenden Krisenplänen z Entwicklung präventiver Maßnahmen zum Schutz vor substanzbezogenen und psychotischen Rückfällen

7.4 Inhalte des Trainings Nach einer tabellarischen Darstellung der Inhalte des KomPASs-Trainings (Tabelle 7.1) und deren Verteilung auf die 21 Therapiestunden folgt eine detaillierte Beschreibung von Zielsetzungen, Inhalten und Methoden der einzelnen Module. Abschließend wird die Trainingseinheit „freies Thema“ erläutert.

7.4.1 Modul 1: Psychoedukation z Zielsetzung. Die Teilnehmer sollen Experten für ihre Störungen werden, d. h. Kenntnis erlangen über Abhängigkeitsstörungen und Psychosen sowie die Interaktionen beider Erkrankungen. Neben dem reinen Wissenserwerb soll die Veränderungsmotivation der Patienten hinsichtlich des bisherigen Konsumverhaltens gefördert werden.

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

z Inhalt. Die Patienten haben bereits einige Themen des ersten Moduls erarbeitet, wenn sie zuvor das KomPAkt-Training besucht haben (s. Kapitel 6). Von daher hat das psychoedukative Modul des KomPASs-Trainings einen Überblickscharakter und das Ziel, besonders relevante Inhalte aufzufrischen und durch Wiederholung zu festigen. Patienten, die sich im Rahmen des KomPASs-Trainings erstmals mit dieser Thematik auseinandersetzen, wird dennoch ausreichend viel Wissen vermittelt, um die weiteren Themen bearbeiten zu können. Da das Vorwissen der Teilnehmer unterschiedlich sein kann, sollten die inhaltlichen Schwerpunkte der ersten beiden Stunden dem Vorwissen der Teilnehmer entsprechend angepasst werden. Es kann also entweder ein eher allgemeiner psychoedukativer Überblick vermittelt werden oder es werden weiterführende bzw. vertiefende Fragestellungen besprochen. Nach einer Vorstellungsrunde für Teilnehmer und Trainer wird ein Überblick über Inhalte des bevorstehenden KomPAkt-Trainings gegeben. Anschließend wird psychoedukativ Wissen vermittelt bezüglich der Themen Substanzarten, Wirkung verschiedener Substanzen, Missbrauch, Abhängigkeit, Craving sowie mögliche Komplikationen bei Substanzkonsum, wie bspw. die Interaktion mit der psychotischen Erkrankung. Ein weiterer Bestandteil des ersten Moduls ist die Betonung des Unterschieds zwischen Ausrutscher und Rückfall. Schließlich werden die Teilnehmer angehalten, einen Wochenplan (siehe Anhang A1.3, Arbeitsblätter KomPASs, AB 5) zu führen, in den bestimmte Tätigkeiten sowie die Intensität des dabei erlebten Stressniveaus und Cravinggefühls eingetragen werden. Wenn Craving aufgetreten ist, soll zusätzlich angegeben werden, ob konsumiert worden ist bzw. was eventuell stattdessen getan wurde. Dadurch wird die Arbeit der nachfolgenden Module vorbereitet. Die Wochenplandokumentation wird während des gesamten Trainings fortgesetzt. Durch die Diskussion der hier behandelten Themen können die Therapeuten zudem Hinweise auf die Abstinenzmotivation der Teilnehmer erhalten, die für die Detailgestaltung des weiteren Trainingsverlaufs relevant sein können. z Methoden. Zentrale therapeutische Intervention ist die Psychoedukation. Den Patienten wird Wissen vermittelt, das als Voraussetzung für eine konstruktive Arbeit in den weiteren Modulen erforderlich ist. Weiterhin wird die Methode der Selbstbeobachtung eingeführt (Wochenpläne). Dadurch werden die Teilnehmer für die Zusammenhänge zwischen bestimmten situativen Gegebenheiten und ihrem Problemverhalten sensibilisiert und auf die weitere Arbeit im Rahmen des Trainings vorbereitet. Zudem hat die verhaltenstherapeutische Arbeit mit anderen Störungsbildern gezeigt, dass allein schon die Aufgabe, das eigene Verhalten zu beobachten, einen Effekt auf das Verhalten hat.

7.4 Inhalte des Trainings

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7.4.2 Modul 2: Konsum, Psychose und Ich z Zielsetzung z Sensibilisierung für die Bedürfnisse, die dem Konsum zugrunde liegen, Initiierung funktionaler Alternativhandlungen im Sinne einer Bedürfnisbefriedigung und weitergehende Ausformung dieser Handlungen im gesamten weiteren Verlauf des Trainings z Sensibilisierung hinsichtlich gemeinsamer dysfunktionaler Kognitionen in Bezug auf beide Störungen und Entwicklung alternativer Kognitionen. z Inhalt. Alltagssituationen sowie kognitive Prozesse treten gekoppelt an spezifische emotionale Zustände und Bedürfnisse auf, die wiederum verhaltenssteuernd wirken. Entsprechend wird in diesem Modul analysiert, inwieweit bestimmte Situationen, Kognitionen, Emotionen und Bedürfnisse in Bezug auf beide Diagnosen kritisch zu betrachten sind. Der Fokus liegt entsprechend auf Emotionen, die ein erhöhtes Stresserleben verursachen, wie Verzweiflung, Resignation, Einsamkeit, Leeregefühle etc., und auf resultierenden Bedürfnissen wie Ablenkung oder emotionale Stimulation. Hier stellt der Faktor Stress also einen direkten Trigger konsumbezogener und auch psychotischer Rückfälle dar (Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungsmodell). Zudem interagieren die Diagnosen Psychose und Abhängigkeit im Sinne eines Teufelskreises: Psychotische Symptome führen bei vielen Patienten zu erhöhtem Substanzkonsum und Substanzkonsum erzeugt wiederum „Stress im Gehirn“, da je nach Substanz verschiedene Aspekte des Hirnstoffwechsels massiv beeinflusst werden. Allen Substanzen gemeinsam sind Auswirkungen auf den Dopaminstoffwechsel im Gehirn, der mit psychotischem Erleben assoziiert ist. Zusammengefasst werden im zweiten Modul die Zusammenhänge zwischen Psychose und Substanzkonsum aus dem ersten Modul, um individuelle Faktoren erweitert. Es handelt sich hierbei um spezifische Gefahrensituationen, affektive Zustände und Bedürfnisse in diesen Situationen und um den Einfluss dysfunktionaler Kognitionen. Fokussiert werden hierbei individuelle Faktoren, welche hinsichtlich beider Diagnosen als kritisch zu betrachten sind. Das Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungsmodell dient als Begründung für die Identifikation von affektiv stark besetzten Situationen, die durch erhöhtes Stresserleben der Patienten als Auslösesituationen für Craving und u. U. für psychotische Symptome definiert werden. Konkret sollen die Teilnehmer potenzielle Gefahrensituationen identifizieren, die ihr Konsumverhalten begünstigen und/oder psychotische Rückfälle provozieren. Dabei wird analysiert, welche Bedürfnisse der Teilnehmer in den kritischen Situationen vorherrschen. In Hinblick auf die Aktivierung von Ressourcen werden schließlich für jeden Teilnehmer al-

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

ternative und möglichst ähnlich bedürfnisbefriedigende Handlungen zum Substanzkonsum gesucht und im Rahmen von Hausaufgaben implementiert. Kriterium ist dabei das Fehlen von Risikoeffekten hinsichtlich psychotischer Symptome. Um von anfänglichen Misserfolgen nicht demotiviert zu werden, sollten sich Therapeuten und Teilnehmer dessen bewusst sein, dass Alternativhandlungen zum Drogenkonsum oft mit mehr Anstrengung verbunden sind als der Aufwand, der nötig ist, um Cannabis oder Amphetamine zu konsumieren. Unter Umständen muss wiederholt auf die potenziell negativen langfristigen Auswirkungen des Substanzkonsums hingewiesen werden. Weiterhin werden dysfunktionale kognitive Muster identifiziert. Insbesondere nach psychotischen Rückfällen oder substanzbezogenen Ausrutschern besteht die Gefahr von reaktiv verstärktem Substanzkonsum und fehlendem Gesundheitsverhalten in Hinblick auf den weiteren Verlauf der psychotischen Erkrankung. Im Rahmen des Trainings werden dysfunktionale Gedankenmuster diskutiert, um die Patienten hinsichtlich deren negativer Auswirkungen in Bezug auf ihre Erkrankungen zu sensibilisieren. Beispiele typischer kognitiver Verzerrungen von DD-Patienten, die dysfunktional hinsichtlich beider Störungen wirksam werden, sind: z Bagatellisieren: „Ein Joint kann nicht so schlimm sein, die anderen rauchen auch . . .“. z Hilflosigkeitsgedanken: „Das hat ja alles keinen Sinn, ich schaffe das nie“. z Fokussierung negativer Aspekte bzw. Tunnelblick hinsichtlich Krankheit, eigenem Versagen, Ohnmacht und Hilflosigkeit: „Ich habe es noch nie geschafft, mich anderen gegenüber durchzusetzen“. z Absolutisieren nach Rückfällen, wodurch positiv kompensierende Verhaltensweisen verhindert werden: „Jetzt ist sowieso alles egal . . .“. z Übergeneralisierung/Katastrophisierung im Sinne einer globalen Misserfolgserwartung und fehlendem Glauben an die eigenen Selbstwirksamkeitskompetenzen: „Ich werde sowieso versagen, krank bleiben und nie ein schönes Leben haben. Warum sollte ich mich also bemühen?“. z Ausblenden langfristiger Konsequenzen und Orientierung an kurzfristigen Zielen: „Heute Abend will ich einfach nur Spaß mit meinen Freunden. Was morgen ist, interessiert mich dann morgen“. z Negative Bilanzierung: „Bisher ist immer alles schief gelaufen. Auch wenn ich mich angestrengt habe, haben die negativen Aspekte überwogen. Warum sollte ich also etwas verändern?“. z Methoden. Modul 2 fokussiert auf zielgruppenkompatible und daher inhaltlich abgeschwächte Verhaltensanalysen („Verhalten in Situationen“ nach Kanfer und Mitarbeitern (1996)). Hierbei wird das klassische formale Vorgehen im Sinne einer problemorientierten stringenten Analyse von Situationen, interner Verarbeitung und Wahrnehmung, Verhaltens-

7.4 Inhalte des Trainings

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modalitäten (Emotion/Kognition/Motorik/Physiologie) und Konsequenzen aufgelockert: Der Identifikation kritischer Situationen folgt die Identifikation zugrunde liegender Bedürfnisse. Da schizophrene Patienten oft Probleme hinsichtlich der Wahrnehmung und Schilderung ihrer Bedürfnisse haben, werden leicht emotionsaktivierende Methoden eingesetzt. Cave: Aktivierung emotionaler Schemata. Die hier beschriebenen Interventionen sind abzugrenzen von emotional intensiv aktivierenden Therapiemethoden, wie sie bspw. in der „prozess- und erlebensorientierten Therapie“ nach Greenberg und Mitarbeitern (2003) beschrieben werden (intensives Focusing; Beachtung somatischer Marker etc.). Ein derartiges Vorgehen ist bei der Arbeit mit Psychosepatienten in Gruppen kontraindiziert. Voraussetzung für derartige therapeutische Experimente sollte eine stabile therapeutische Beziehung zwischen Patient und Therapeut sein, um außer Kontrolle geratende Prozesse abfangen zu können. Dies ist im Gruppensetting nicht ausreichend gegeben, und entsprechend wäre die Gefahr emotionaler Dekompensationen oder eines Abgleitens in wahnhafte Verarbeitungen emotionaler Zustände unberechenbar. Insbesondere bei Patienten mit einer Vulnerabilität hinsichtlich körperbezogener Halluzinationen sind handlungsleitende Interpretationen somatischer Marker nicht angebracht. Die Aktivierung emotionaler Schemata in diesem Training geschieht somit auf niedrigem Niveau. Ressourcenorientiert wird der Aufbau positiver (gesunder) Aktivitäten initiiert. Im Sinne der operanten Konditionierung sollen die Aktivitäten positiv verstärkend wirken, indem sie in ihrer Funktionalität dem Substanzkonsum möglichst nahekommen (beispielsweise entspricht der amphetaminbeeinflusste Besuch einer Technoparty in seiner Funktion eher einer nächtlichen „Querfeldeintour“ mit dem Fahrrad und Freunden als einer „Mensch-ärgere-Dich-nicht-Runde“ mit den Großeltern). Anschließend werden kritische Gedankenmuster identifiziert, die mit ebenso kritischen emotionalen Zuständen im Hinblick auf psychotische Symptome und Substanzkonsum einhergehen. Eine abgeschwächte Form kognitiver Umstrukturierung (Hinterfragen der kognitiven Schemata; Förderung von Zweifeln an bisherigen Einstellungen; Suchen von alternativen Gedankenmustern) soll die Patienten für die Dysfunktionalität bisheriger kognitiver Schemata sensibilisieren und daran zweifeln lassen. Tiefergehende kognitive Interventionen erscheinen uns im Gruppensetting nicht durchführbar.

7.4.3 Modul 3: Anti-Craving/-Stress Skills z Zielsetzung. Ziel ist die Entwicklung individueller Skillslisten, differenziert nach: z Situation: Sowohl allein beim Fernsehen oder beim Durchblättern von Zeitschriften als auch im Rahmen gemeinsamer Abende mit Freunden

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kann Craving und Stress erlebt werden. Entsprechend werden kritische Situationen differenziert nach folgenden Kriterien: – „allein daheim“ – in Gesellschaft z Intensität des Craving: Die erlebte Intensität des Craving ist zwischen einem Craving in sehr leichter Ausprägung und einem schwer kontrollierbaren Drang einzuordnen. Ziel ist es, das Craving durch spezifische Methoden frühzeitig zu reduzieren, um den Zustand des Kontrollverlusts (in welchem konsumiert wird) zu verhindern. Abhängig vom Ausmaß des Craving sind verschiedene Methoden zur Regulation hilfreich. Aus praktischen Gründen werden bei der Intensität des Cravings zwei Kategorien unterschieden: – leichtes Craving – starkes Craving z Intensität des Stresserlebens: Analog zum Craving kann die Intensität des Stresserlebens auf einer Dimension zwischen leichten Anspannungsgefühlen bis hin zum Kontrollverlust eingeordnet werden. Im KomPASs-Training wird Stress unterteilt in: – leichten Stress – starken Stress z Inhalt. Modul 3 stellt sich der Tatsache, dass der Aufbau alternativer Tätigkeiten und der Erwerb substanzspezifischer sozialer Kompetenzen (? Modul 4) keine „nie wieder Lust auf Drogen“- und keine „für immer gesundheitsbewusst“-Verwandlung der Patienten bewirken kann. Somit ist es unerlässlich, den Patienten Fertigkeiten (Anti-Craving/-Stress Skills) zur Regulation von Craving- und Stresszuständen zu vermitteln. Die so genannten Anti-Craving/-Stress Skills werden unterteilt in Fertigkeiten, die auf eine Regulation von Craving und Stress in sozialen Situationen abzielen und in Fertigkeiten, die den Patienten helfen sollen, Craving und Stress „allein zu Hause“ zu widerstehen. Ein Anti-Craving Skill für den sozialen Kontext lautet beispielsweise „Thema wechseln“: Die Patienten üben im Rollenspiel, bestimmte Gespräche mit Freunden thematisch dahingehend zu lenken, dass die Gesprächsinhalte (z. B. positive Drogenerfahrungen) kein Craving auslösen bzw. es reduzieren. Viele Methoden zur Regulation von Stress wirken auch als Anti-Craving Skills und umgekehrt. Auf der anderen Seite gibt es spezifische Skills, die lediglich hinsichtlich eines Aspekts (Stress oder Craving) hilfreich sind. Die Überprüfung der Anti-Craving/-Stress Skills hinsichtlich ihrer Effektivität stellt eine Hausaufgabe für die Patienten dar, die für den weiteren Verlauf des Trainings fortbesteht. z Methoden. Die Regulierung von Craving und Stress wird durch ein spezifisches Fertigkeitentraining vermittelt. Therapeutisches Prinzip ist also wiederum der Verhaltensaufbau (Skills erlernen) durch operante Verstär-

7.4 Inhalte des Trainings

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kung, hier jedoch basierend auf dem negativ verstärkenden Wirkprinzip, da die Fertigkeiten außer dem Wegfall eines unangenehmen Zustands (Craving/Stressgefühl) zumeist keine eigenen positiven Erlebnisweisen beinhalten. Dafür können sie aber kurzfristig und situationsübergreifend eingesetzt werden. Mögliche Methoden sind Selbstbeobachtung, Stimuluskontrolle, Selbstinstruktionen, In-vivo-Übungen, körperliche Betätigung, Gedankenstopp, Durchlesen einer zuvor erstellten Entscheidungsmatrix (Pro-und-kontra-Liste), Ablenkung etc.

7.4.4 Modul 4: Training sozialer Kompetenzen z Zielsetzung. Ziel des sozialen Kompetenztrainings ist es, neben der Vermittlung allgemeiner social skills, die Patienten dahingehend zu befähigen, Drogenangebote differenziert abzulehnen. Unterschieden wird hierbei, ob der Anbieter eine fremde Person oder ein Freund ist. Im Freundeskreis muss neben dem Ablehnen von Drogen erreicht werden, dass wichtige und „nicht schädliche“ soziale Bezüge trotz eines veränderten Verhaltens der Patienten gegenüber dem Konsum erhalten bleiben. Hierzu ist es nötig zu erlernen, wie die psychotische Erkrankung und deren Interaktion mit dem Konsum adäquat kommuniziert werden kann, damit bei den Anderen Verständnis erwachsen kann. z Inhalt. Großen Einfluss auf das Konsummuster abhängiger Patienten hat deren Freundes- und Bekanntenkreis. Vielen Patienten fällt es schwer, die gewohnten Konsumangebote ihres Umfelds abzulehnen. Klassische suchttherapeutische Konzepte sehen vor, die Betroffenen durch den Aufbau eines neuen und drogenfreien Bekanntenkreises möglichst von den „reizvollen Angeboten aus dem alten Leben“ abzuschirmen. Bei Psychosepatienten gestaltet sich dieses Vorhaben aufgrund eines oft eingeschränkten sozialen Funktionsniveaus weitaus schwieriger als bei reinen Suchtpatienten. Daher ist das Training sozialer Fertigkeiten für schizophren Erkrankte wesentlicher Bestandteil vieler Therapiekonzepte. Ziel ist dabei u. a. die Aktivierung sozialer Kontakte zur Verhinderung sozialer Isolation. Es erscheint naheliegend, dabei auf bereits vorhandene Bekanntschaften zurückzugreifen. Bei DD-Patienten mit primär konsumierenden Bekannten besteht also ein Konflikt zwischen der suchttherapeutisch erwünschten Abkehr vom bisherigen Bekanntenkreis und der psychosetherapeutisch sinnvollen Pflege bestehender Kontakte. Ein weiterer Konflikt in der Behandlung von DD-Patienten ist die Gefahr, auf soziale Isolation mit vermehrtem Substanzkonsum zu reagieren. Hinzu kommt, dass es nur selten gelingt, DD-Patienten aus ihrem gewohnten Umfeld herauszuhelfen, falls sich nicht das Umfeld seinerseits aufgrund der Krankheit der Patienten von diesen distanziert.

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

Als Konsequenz aus den dargestellten Konflikten wird im KomPASs-Training eine Kompromisslösung versucht. Vermittelt werden sowohl allgemeine soziale Kompetenzen (z. B. neue Kontakte knüpfen) als auch DD-spezifische Skills. Letztere beinhalten die Bearbeitung zwischenmenschlicher Konflikte, die in Zusammenhang mit der Drogenproblematik stehen. Für Begegnungen mit fremden Personen, die Drogen verkaufen wollen, wird bspw. ein bestimmt ablehnendes und kurz angebundenes Auftreten ohne Rechtfertigungen trainiert. Kontakte zu Freunden hingegen, die gelegentlich Drogen konsumieren, bedürfen anderer Strategien. Falls diese Freunde die einzigen aktuellen sozialen Bezüge der Patienten darstellen und die Patienten zudem erhebliche Schwierigkeiten im Aufbau neuer Beziehungen haben, sollten diese alten Kontakte mit neuen Regeln versehen und dadurch risikoärmer werden. Da die angestrebten Verhaltensänderungen der Patienten hinsichtlich ihres Konsumverhaltens zu Irritationen im Kontakt mit dem Bekanntenkreis führen können (z. B. Unverständnis der Freunde, Abwertung der Patienten als langweilig), sind den Patienten insbesondere dahingehend Strategien zu vermitteln, wie Verständnis für die Krankheit in den Bekanntenkreis transportiert werden kann. Cave: Eindeutig vermeiden sollten die Patienten den Kontakt zu Bekannten, die massiv substanzabhängig sind oder mit Drogen aggressiv handeln, da in diesem Fall die Versuchung durch die Nähe und Verfügbarkeit der Substanzen übergroß wäre. Im Training werden zunächst allgemeine soziale Kompetenzen behandelt, welche die globalen Defizite schizophren vulnerabler Menschen hinsichtlich des sozialen Funktionsniveaus kompensieren sollen. Es geht hierbei um das Knüpfen von Kontakten, das Mitteilen eigener Bedürfnisse/Wünsche und den Umgang mit Kritik. Anschließend werden spezifische soziale Kompetenzen im Rahmen der Doppeldiagnose thematisiert: Kompetenzen hinsichtlich gemeinsamer Themen beider Diagnosen sowie speziell die Konsumproblematik. Folgende Inhalte werden behandelt: z Nein sagen zu Drogenangeboten von Fremden. z Nein sagen zu Drogenangeboten von Freunden, dabei in positivem Kontakt bleiben (z. B. kurz erläutern, dass der Konsum wegen der psychotischen Erkrankung gesundheitsschädigend ist; Alternativen vorschlagen; Thema wechseln; akzeptieren, dass der Freund Drogen konsumiert, d. h. nicht moralisieren („ich überrede dich nicht und du mich auch nicht!“)). z Verständnis für die psychotische Erkrankung bei Freunden vermitteln. z Methoden. Methode der Wahl ist das Rollenspiel, um über eine Konfrontation mit bislang vermiedenen Handlungsweisen neues und erwünschtes Verhalten aufzubauen. Dies erfolgt hierbei sowohl durch Lernen aus eigener Erfahrung im Rollenspiel als auch durch Modell-Lernen, indem andere Patienten im Rollenspiel beobachtet werden. Ziel der Methode Rollenspiel ist es, die Sichtweisen über die in der Realität ablaufenden sozialen Prozesse zu

7.4 Inhalte des Trainings

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beleuchten, zu erweitern oder zu verändern, indem Handlungsmöglichkeiten erprobt und neue Erfahrungen gemacht werden. Trainiert werden im Rollenspiel interaktionelle und kommunikative Fähigkeiten, Empathievermögen durch Einfühlen in die Sichtweise anderer Menschen sowie Rollendistanz, indem die eigene Rolle differenziert betrachtet und an bestimmten Gegebenheiten relativiert werden kann. Mögliche Variationen der Methode Rollenspiel: z Im direkten Rollenspiel wird eine Situation so dargestellt, wie sie sich tatsächlich ereignet hat oder ereignen könnte. z Als Variante des sog. Doppelns souffliert ein Hilfsspieler oder der Therapeut/Kotherapeut dem Protagonisten konkrete Formulierungshilfen während des Spiels. z Bei der Rollenumkehr tauschen Spieler und Gegenspieler die Rollen. z Hinsichtlich der Kommunikation vorgefertigte Skripts können dargestellt werden (bietet sich bei stark beeinträchtigten Patienten an). z Beim Reihum-Rollenspiel wird vom Trainer eine Aussage vorgegeben, z. B. „komm schon, einmal rauchen schadet nicht“. Die Gruppenteilnehmer sollen darauf in maximal drei Sätzen der Reihe nach antworten. Wenn Teilnehmer 1 geantwortet hat, hat der nächste Teilnehmer eine bestimmte Zeit (z. B. 10 Sekunden) zum Überlegen zur Verfügung, bis er antwortet, ansonsten ist Teilnehmer 3 an der Reihe usw. Diese Intervention trainiert die Schlagfertigkeit der Patienten und die Fähigkeit, sich kurz und klar auszudrücken. Cave: Das Reihum-Rollenspiel kann für kognitiv schwächere und stressanfällige Patienten zu fordernd sein!

7.4.5 Modul 5: Umgang mit bevorstehenden Krisen und Prävention z Zielsetzung. Es bleibt zu bedenken, dass ein erfolgreiches Absolvieren des KomPASs-Trainings keinen absoluten Schutz vor Rückfällen hinsichtlich Drogenkonsum und psychotischen Exazerbationen in psychischen Krisen bieten kann. Daher endet das Training mit der Entwicklung individueller Handlungspläne für Krisensituationen, nachdem jeder Teilnehmer seine persönlichen Warnsignale für bevorstehende Krisen identifiziert hat. Weiterhin sollen die Teilnehmer eine Tagesstruktur leben, die präventiv hinsichtlich potenzieller Rückfälle wirkt. z Inhalt. Modul 5 thematisiert potenzielle Krisensituationen als Gefahr für einen Rückfall in Bezug auf die Psychose und das Konsumverhalten. Die Interaktion beider Störungsbilder im Sinne eines Teufelskreises (vgl. Modul 2) wird noch einmal in Erinnerung gerufen. Weiterhin werden präventive Methoden zum Schutz vor zukünftigen Rückfällen vermittelt. Folgende Fragen werden bearbeitet:

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

z Was sind meine persönlichen Warnsignale für eine nahende Krise? z Welche Vertrauensperson informiere ich hinsichtlich meiner Warnsignale? z Was tue ich, wenn von mir oder meiner Vertrauensperson Warnsignale wahrgenommen werden? (Entwicklung eines individuellen Krisenplans) z Methoden. In Modul 5 des Trainings werden die Patienten zu einer retrospektiven Selbstbeobachtung angehalten, um persönliche Warnsignale aus vergangenen Erfahrungen mit Krisensituationen zu identifizieren und daraus individuelle Krisenpläne abzuleiten. Als Präventionsmaßnahme wird eine Tagesstruktur entwickelt, die der Entstehung von Stress entgegenwirkt und ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen zu bewältigenden Pflichten und angenehmen Tätigkeiten aufweist.

7.4.6 Das freie Thema Das Training sieht 21 Einheiten je 90 Minuten vor. Da die Aufmerksamkeitsspanne einiger Teilnehmer damit überfordert wäre, wird das Training für die gesamte Gruppe nach ca. 70 Minuten beendet. Die restlichen 20 Minuten verteilen sich auf eine kurze Pause und ein „freies Thema“. Die Teilnahme am freien Thema ist freiwillig. Inhaltlich besteht Raum für Themen, die z. B. während des Trainings aufkamen, den inhaltlichen Rahmen jedoch gesprengt hätten, oder für thematische Vertiefungen von bereits Besprochenem. Falls es die Ermüdung der Teilnehmer erlaubt, kann nach einer kurzen Pause anstelle der freien Themenrunde inhaltlich am aktuellen Thema des KomPASs weitergearbeitet werden. Für die Durchführung des gesamten Manuals ist große Flexibilität seitens der Therapeuten notwendig: Auch wenn die einzelnen Therapiestunden zeitlich relativ klar strukturiert sind, wird davon abgeraten, sich allzu starr daran zu halten. Vielmehr sollte die zeitliche Struktur des Trainings dem Leistungsniveau der Teilnehmer angepasst werden.

7.5 Durchführung des Trainings 7.5.1 Modul 1: Psychoedukation 1. Stunde: Vorstellung und Psychoedukation z Thema: Vorstellung der Trainer und Teilnehmer; Zielklärung; Inhaltsübersicht; Themenwünsche der Teilnehmer; Beginn Psychoedukation

7.5 Durchführung des Trainings

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(Klassifizierung verschiedener Substanzen; Klärung der Begriffe Abhängigkeit, Missbrauch, Sucht, Craving; Unterscheidung psychischer und physischer Abhängigkeit) z Material: Flipchart; Stundenprotokolle für Patienten (Anhang A1.2), Arbeitsblätter KomPASs 1–5 (Anhang A1.3) z Vorbereitung: Leere Tabelle am Flipchart 1. Einführung (15 Minuten) z Vorstellung der Trainer mit Namen und beruflichem Tätigkeitsfeld. z Vorstellung der Teilnehmer: Name; aktuelle Stimmungslage; Grund für ihre Teilnahme am Skillstraining (vom Arzt überwiesen oder/und eigenmotiviert anwesend?); Erwartung an das Training; Themenwünsche. z Die Trainer stellen kurz die Ziele und Inhalte des Trainings vor. Hinweis darauf, dass ab Sitzung 3 die Einheiten nach ca. 70 Minuten enden und nach einer Pause in den verbleibenden Minuten die Möglichkeit zur freiwilligen Teilnahme an einem freien, d. h. von den Teilnehmern gewünschten Thema besteht; Erläuterung der Gruppenregeln (Abschnitt 7.6.1). z Überblick über Inhalte der aktuellen Stunde. z Verteilen der Teilnehmerunterlagen (Stundenprotokolle und Arbeitsblätter). 2. Inhaltliche Arbeit (65 Minuten einschließlich Pause) Es folgt eine differenzierte Darstellung der Inhalte: 10 Minuten z Substanzen: In der Gruppe wird zusammengetragen, welche Suchtstoffe unterschieden werden können. Der Trainer oder Kotrainer ordnet die Tabelle 7.2. Beispiel für eine Tabelle zur Darstellung des Abhängigkeitspotenzials verschiedener Substanzen Substanz

Psychische Abhängigkeit

Körperliche Abhängigkeit

Entzugserscheinungen

Morphine (Opium, Morphin, Heroin, Kodein . . .)

+

+

+

Alkohol, Beruhigungs- und Schlafmittel

+

+

+

Kokain, Crack . . .

+



(–)

Cannabis (Haschisch, Marihuana . . .)

+

(+)

(+)

Amphetamine (Psychostimulanzien, Amphetamine, Ephedrin . . .)

+

+

+

Halluzinogene (LSD, Psilocybin-Pilze), Ecstasy

(–)





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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

Aussagen auf einem Flipchart nach dem Prinzip von Tabelle 7.2, wobei zunächst nur die linke Spalte ausgefüllt wird. 25 Minuten z Abhängigkeit und Missbrauch (AB 1, 2): Die Teilnehmer sollen als Stillarbeit die Arbeitsblätter 1 und 2 ausfüllen, indem sie ihr Konsumverhalten anhand der DSM-IV-Kriterien für Missbrauch und Abhängigkeit beurteilen. Anschließend werden die Ergebnisse gemeinsam besprochen. Dabei wird der Schwerpunkt auf Kriterium 7 für Abhängigkeit gelegt, welches bei psychisch erkrankten Personen schon bei relativ geringem Konsum aufgrund der Gefahr einer psychiatrischen Dekompensation gegeben ist. 5 Minuten Pause 10 Minuten z Begriff Sucht (AB 3): Zunächst werden die Teilnehmer gefragt, was sie mit dem Begriff Sucht verbinden. Anschließend wird der Begriff anhand AB 3 definiert. Es sollte herausgestellt werden, dass der Begriff Sucht nicht von Suche kommt (da häufig die Suche nach anderen Erfahrungen, Entspannung usw. zum Drogenkonsum führt), sondern von Siechen im Sinne von krank sein. Grund für diese Differenzierung ist, dass sich manche Patienten ein Stück weit mit einem „romantisch verklärten Bild des Suchenden“ identifizieren, als Rechtfertigung für ihren Substanzkonsum. Folglich soll hier diese ansatzweise positive Konnotation mit Substanzkonsum aufgelöst werden, um vermehrte Abgrenzung zum Konsum und Abstinenzmotivation zu fördern. 15 Minuten z Unterscheidung körperlicher und psychischer Abhängigkeit (AB 4): Hier wird der Begriff „Craving“ eingeführt (starkes Verlangen; Suchtdruck). Die Teilnehmer sollen eigene Erfahrungen mit dieser Thematik schildern. Der Kotrainer trägt die Inhalte am Flipchart in obige Tabelle 7.2 ein, wobei anstelle der +/– Zeichen die jeweiligen Symptome notiert werden sollen. Anschließend wird diskutiert, ob körperliche oder psychische Abhängigkeit leichter zu bewältigen ist. Ziel ist es dabei, die psychische Abhängigkeit in den Vordergrund zu stellen, etwa so: Körperliche Abhängigkeit kann mittlerweile medizinisch so gut behandelt werden, dass selbst der Entzug von harten Drogen wie bspw. Heroin hinsichtlich der Schmerzen erträglich ist. Nach einigen Tagen ist der körperliche Entzug vollzogen. Dann beginnt das eigentliche Problem: Unsere Psyche will abhängigen Menschen in verschiedensten Situationen (Stress, Trauer, Freude etc.) klar machen, dass jetzt unbe-

7.5 Durchführung des Trainings

z

dingt etwas konsumiert werden muss. Die Gedanken abhängiger Menschen sind dann massiv eingeengt auf den Konsum trotz des eigentlichen Ziels, abstinent zu bleiben. Schwierig ist vor allem, dass unsere Psyche nicht so schnell vergisst wie unser Körper, d. h. selbst nach Jahren der Abstinenz kann in Auslösesituationen ein gewisser Suchtdruck auftreten. Von daher ist es wichtig, Fertigkeiten (Skills) zu trainieren, die dabei helfen, selbst in so genannten „Gefahrensituationen“ abstinent zu bleiben. Zur Verdeutlichung der Notwendigkeit, dass die Inhalte dieser Gruppentherapie zwischen den einzelnen Sitzungen trainiert werden müssen, kann die Autobahnmetapher eingeführt werden (siehe Anhang A1.1). 3. Hausaufgabe und Abschluss (10 Minuten) Den Teilnehmern wird ein Wochenplan (AB 5) ausgehändigt. Sie sollen täglich eintragen, was sie getan haben, wie hoch ihr Stressniveau und Craving war und ob sie konsumiert haben. Die Hausaufgabe selbst sollte keinen eigenen Stressfaktor darstellen, d. h. es reicht, täglich 1–2 Tätigkeiten anzugeben (z. B. Basketball spielen, sich abends mit Freunden treffen). Als Begründung für diese Intervention sollte erläutert werden: Im Verlauf dieses Trainings werden wir die Zusammenhänge zwischen bestimmten Situationen, die Sie erleben, und Ihrem Stresserleben sowie Ihrem Konsumverhalten näher betrachten, denn möglicherweise sind es ganz bestimmte Situationen, die bei Ihnen dazu führen, dass Sie sich angespannt fühlen oder dass Sie das Bedürfnis haben, Drogen zu nehmen. Um dies herauszufinden, ist es wichtig, dass Sie sich dahingehend genau kennen lernen. Zu Beginn der kommenden Stunden werden wir jeweils kurz darauf eingehen, ob Sie diesbezüglich kritische Situationen erlebt haben und wie Sie damit umgegangen sind. Um die Hausaufgabe adäquat durchführen zu können, muss der Begriff Stress klar definiert werden, als aversiver (negativer, unangenehmer) emotionaler Zustand, einhergehend mit Anspannungsgefühlen, Wut, Ärger, Angst, großer Unsicherheit, Trauer, Langeweile etc. (auf positiven Stress wird hier noch nicht eingegangen, es sei denn, ein Teilnehmer benennt dies von sich aus). Zum Schluss geben die Teilnehmer ein kurzes Blitzlicht ab in Bezug auf die aktuelle Befindlichkeit. Die Trainer sollten hierbei die Frage stellen, ob eventuell Craving hervorgerufen wurde durch die thematische Fokussierung auf Drogen. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass dies auch in den folgenden Stunden möglich sein wird, dies jedoch nicht negativ bewertet werden muss. Vielmehr können Craving-Situationen als Übungsfeld für erlernte Kompensationsstrategien definiert werden. Abschließend werden die Teilnehmer gebeten, den Trainern eine Rückmeldung dahingehend zu geben, was gut und was weniger gut an dieser Stunde war.

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

2. Stunde: Psychoedukation z Thema: Psychoedukation (Differenzierung Ausrutscher vs. Rückfall in Bezug auf Konsumverhalten; Gründe für Substanzkonsum (erwünschte Substanzwirkungen); psychische und physische Komplikationen von Substanzkonsum z Material: Flipchart; Arbeitsblätter 1–5 und 7 des Manuals KomPAkt (Anhang A1.3) z Vorbereitung: Leere Tabelle am Flipchart 1. Einführung (15 Minuten) z Jeder Teilnehmer benennt kurz: – Die aktuelle Stimmungslage. – Eventuell aufgetretene Craving- oder Stress-Situationen seit der letzten Therapiestunde (anhand des Wochenplans) und wie er damit umgegangen ist (hat konsumiert oder nicht). Jedes Mal, wenn ein Teilnehmer von einer „Gefahrensituation“ berichtet, in der er nicht konsumiert hat oder zumindest versucht hat, abstinent zu bleiben, sollte dies wertschätzend beachtet werden. Der Teilnehmer wird dann gefragt, was er stattdessen getan hat. Diese Ersatztätigkeit (selbst wenn sie „schlafen“ lautet) wird als Skill definiert und vom Therapeuten schriftlich in der Liste der Anti-Craving/-Stress Skills (Modul 3) mit dem Namen des Patienten festgehalten, um bei der Arbeit an den Anti-Craving/-Stress Skills (Modul 3) darauf zurückzukommen. Dies gilt für das gesamte Training. z Fragen zur letzten Stunde können geklärt werden. z Vorstellung des heutigen Themas und Verteilen der benötigten Arbeitsblätter (hier werden die AB 1–5 und 7 des psychoedukativen Trainings KomPAkt verwendet). 2. Inhaltliche Arbeit: Psychoedukation (ca. 70 Minuten inkl. Pause) Es folgt eine differenzierte Darstellung der Inhalte: 15 Minuten z Ausrutscher vs. Rückfall: Zur Veranschaulichung der Thematik wird zunächst die Bergsteiger-Metapher eingeführt (siehe Anhang A1.1). Ziel ist es, zu verdeutlichen, dass ein einmaliger Ausrutscher keinen Rückfall bedeutet. Vielmehr soll die Aufmerksamkeit nach einem Ausrutscher darauf gelenkt werden, was in letzter Zeit gut gelungen ist hinsichtlich des Konsumverhaltens und der Blick dann wieder nach vorne gerichtet werden.

7.5 Durchführung des Trainings

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25 Minuten z Substanzwirkungen: In der Gruppe wird gesammelt, welche Effekte sich die Teilnehmer von Alkohol und Drogen erhoffen (Gründe für den Konsum). Falls lediglich sehr pauschale Antworten kommen (z. B. Spaß haben), sollten von den Trainern konkrete Aspekte abgefragt werden, z. B.: „Wer von Ihnen kennt Gefühle von Leere oder Langeweile und daraufhin den Wunsch, diese Gefühle mit Drogen zu bekämpfen?“ Die Antworten der Teilnehmer werden am Flipchart in eine Tabelle mit den Spalten „Substanz“ und „kurz- und langfristige Wirkungen“ eingetragen. Zu unterscheiden ist, ob die erwünschte Wirkung der Substanz kurz- oder langfristig besteht. Ziel ist letztendlich zu verdeutlichen, dass die erwünschte Drogenwirkung lediglich kurzfristig Bestand hat. Anschließend wird zusammenfassend die Grafik auf AB 1 des KomPAkt („Psychische Wirkungen von Suchtstoffen“) besprochen, die die verschiedenen Substanzen hinsichtlich ihrer psychischen Effekte klassifiziert: „Es gibt also Substanzen, die beruhigend und Angst lösend wirken, andere Substanzen haben eher eine stimulierende Wirkung, und schließlich gibt es halluzinogen wirkende Drogen.“ Cannabis und Ecstasy hingegen sind eher Mischformen in Bezug auf ihre Wirkung.“ 5 Minuten Pause 25 Minuten z Psychische und physische Komplikationen von Substanzkonsum: Zunächst werden die Teilnehmer zu ihren eigenen negativen Erfahrungen in Bezug auf Substanzkonsum befragt. Mittels der Arbeitsbögen 2–5 und 7 (KomPAkt) werden fehlende Aspekte ergänzt. Die Inhalte werden wieder in die Tabelle auf dem Flipchart eingetragen, um schließlich zu verdeutlichen, dass die negativen Auswirkungen des Konsums zunächst weniger direkt ins Auge fallen, da sie eher langfristig betrachtet relevant werden. Zum Erreichen langfristiger persönlicher Ziele und Wünsche ist der Konsum kontraproduktiv, da er den Krankheitsverlauf der Psychose negativ beeinflusst. Zu betonen ist weiterhin, dass die eigentlichen Gründe des Konsums (Anspannung, zu wenig Spaß etc.) durch dessen negative Effekte eher verstärkt als vermindert werden. Zur Verdeutlichung kann die „Konto-Metapher“ (siehe Anhang A1.1) angebracht werden: „Wenn das Konto am Limit ist, wir aber am Wochenende Geld zum Ausgehen benötigen, können wir das Konto überziehen. Kurzfristig haben wir dann vielleicht Spaß, die Woche darauf müssen wir uns aber darum kümmern das Konto wieder auszugleichen und werden sogar mit der zusätzlichen Belastung durch Zinsen bestraft. Das

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

heißt, als Konsequenz sind wir von unserem eigentlichen Ziel (Geld haben) weiter entfernt als vor dem Wochenende“. 3. Abschluss und Hausaufgabe (5 Minuten) Es folgt ein kurzes Blitzlicht in Bezug auf die aktuelle Befindlichkeit und eine Rückmeldung der Teilnehmer über die positiven und die negativen Aspekte der heutigen Stunde. Die Trainer bedanken sich für die Mitarbeit und betonen, dass sie sich über die Anwesenheit der Teilnehmer in der nächsten Woche freuen. Hausaufgabe ist wiederum das Ausfüllen des Wochenplans.

7.5.2 Modul 2: Konsum, Psychose und Ich 3. und 4. Stunde: Konsum, Psychose und Ich z Thema: Sammlung kritischer Situationen hinsichtlich Stresserleben und Drogenkonsum sowie Wünsche und Bedürfnisse in diesen Situationen, die dem Drogenkonsum zugrunde liegen. z Material: Flipchart; Arbeitsblätter KomPASs 6–9 z Vorbereitung: Leere Tabelle am Flipchart (vgl. Tabelle 7.3) Da die aufzubringende Zeit für die Bearbeitung der einzelnen inhaltlichen Aspekte recht unterschiedlich ausfallen kann, werden (wie teilweise auch bei den weiteren Trainingseinheiten) zwei Stunden zusammengefasst dargestellt. „Einführung“ und „Gruppenabschluss“ gelten für beide Stunden in vorliegender Form. Die „Bearbeitung des aktuellen Themas“ sollte von den Therapeuten zeitlich derart organisiert werden, dass die genannten Themenpunkte in zwei Lerneinheiten Platz finden. 1. Einführung (15 Minuten) z Jeder Teilnehmer benennt kurz: – Die aktuelle Stimmungslage. – Eventuell aufgetretene Craving- oder Stress-Situationen seit der letzten Therapiestunde und wie er damit umgegangen ist (hat konsumiert oder nicht). z Fragen zur letzten Stunde können geklärt werden. z Verteilen der Arbeitsblätter, in Stunde 3 zudem Vorstellung des Themas der aktuellen Stunde: „In diesem Modul werden wir zunächst näher darauf eingehen, was Sie in den letzten zwei Wochen in Ihren Wochenplan eingetragen haben. Wir fragen uns also, welche Situationen bei Ihnen dazu führen,

7.5 Durchführung des Trainings

z

dass Sie Stress erleben und welche Situationen Sie für Drogenkonsum anfällig machen“. 2. Bearbeitung des aktuellen Themas (2 ´ 50 Minuten) Zunächst wird in der Gruppe gesammelt, welche Situationen bei den Teilnehmern Stressgefühle auslösen und in welchen Situationen die Gefahr, Drogen zu konsumieren, besonders hoch ist. Dabei können die bislang geführten Wochenpläne hilfreich sein. Ergänzend sollen die Teilnehmer von entsprechenden Erfahrungen aus ihrer Vergangenheit berichten. Wenn die Gruppe wenig Initiative zeigt, kann es hilfreich sein, die Aufgabe in einer kurzen Stillarbeit (5 Minuten) bearbeiten zu lassen, indem jeder Teilnehmer auf AB 6 seine kritischen Situationen in die linke Spalte einträgt (vgl. Tabelle 7.3). Schließlich werden die identifizierten Situationen am Flipchart gesammelt und anhand einer 10-stufigen Skala (0 = kein Stresserleben/kein Konsumrisiko; 10 = maximales Stresserleben/maximales Konsumrisiko) hinsichtlich Stresserleben und Konsumrisiko eingestuft (siehe Tabelle 7.3, Spalten 1, 4, 5). Hierbei geht es nicht darum, dass sich die Teilnehmer darauf einigen, wie hoch das Stressniveau und das Konsumrisiko in einer bestimmten Situation generell ist, sondern jeder Teilnehmer hat die Möglichkeit, für sich individuell Situationen zu benennen und zu bewerten (wichtig ist der Hinweis an die Teilnehmer: Jeder Mensch empfindet anders in einer bestimmten Situation!). Die Therapeuten fokussieren dabei auf Zusammenhänge zwischen Stresserleben und Cravingzuständen Tabelle 7.3. Beispiel für eine Darstellung kritischer Situationen Situation

Gefühl

Wunsch/ Bedürfnis

Konsum- Stressrisiko erleben

Ich treffe meine Freunde zum Videos gucken. Einer dreht einen Joint und dieser wird im Kreis herumgereicht

Zerrissenheit, Gefühl nicht dazu zu gehören

dabeisein, dazugehören

7

7

Ich sitze am Abend alleine zu Hause und weiß nicht, was ich tun soll

Langeweile, Gesellschaft, Leere, Einsamkeit, positive EmoAnspannung tionen erleben, mehr Emotion

8

3

Ich hatte heute Streit mit Frustration, vergessen, was meinem Chef und meine Ärger, Gekränktwar; abschalten Kollegen haben mich nicht heit, Enttäuschung verteidigt. Jetzt bin ich gerade zu Hause angekommen

7

8

Ich gucke Videos mit Freunden Freude

8

1

„mehr davon“

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

der Patienten. In der Regel wird jeder Patient mindestens eine Situation benennen können, in der Stress zu Drogenkonsum führte. Diese Situationen werden als kritische Situationen definiert. Fazit 1: „Es gibt also bestimmte kritische Situationen, in denen Sie ein hohes Stressniveau erleben und dann das Bedürfnis haben, diesen Stress mit Drogen zu reduzieren oder zu vergessen. Offensichtlich können Stressgefühle mit Hilfe von Drogen zunächst reduziert werden“. Im Folgenden wird zusammengefasst, welche Stress auslösenden (negativen) Gefühle es sind, die zu Drogenkonsum führen können, und wie das durch die Droge zu erfüllende Bedürfnis (bzw. der Wunsch an die Droge) genau aussieht. Die Antworten der Teilnehmer werden in die Spalten 2 und 3 der Tabelle (vgl. Tabelle 7.3) eingetragen. Fazit 2: „Herr x hat also das Gefühl, nicht dazuzugehören, wenn er mit seinen Freunden zusammen ist und alle Cannabis rauchen. Dies führt bei ihm zu Anspannungszuständen, und er hat das Bedürfnis bzw. den Wunsch, „dabeizusein“. Die Gefahr ist groß, dann Cannabis zu rauchen. Herr y fühlt sich oft einsam und leer, wenn er allein zu Hause ist, und ist dann angestrengt und unruhig. Dann hat er das Bedürfnis bzw. den Wunsch nach angenehmen Gefühlen. Dabei hilft es ihm, Cannabis zu rauchen“. Wenn bislang kein Teilnehmer von sich aus darauf hingewiesen hat, dass auch in vielen positiv erlebten Situationen oft Drogen konsumiert werden, wird jetzt die Frage nach solchen Situationen gestellt. Solche Situationen und damit einhergehende Bedürfnisse/Wünsche können sein: z Belohnung nach einer gemeisterten schwierigen Situation (Bewerbungsgespräch, erster Arbeitstag etc.). z Gesteigerter Spaß an einem angenehmen Videoabend mit Freunden. Fazit 3: „Auch positiv erlebte Situationen können das Bedürfnis/den Wunsch auslösen, Drogen zu konsumieren, um die Situation noch angenehmer zu erleben“. Anschließend wird an Inhalte von Modul 1 erinnert: Drogen verursachen physiologischen Stress im Gehirn und stellen daher eine Gefahrenquelle für psychotische Symptome dar. Fazit 4: „Auch wenn unangenehme Gefühle durch Drogen zunächst beendet werden oder angenehme Emotionen durch Drogen gesteigert werden können, stellen sie eine Gefahr für Menschen dar, die durch Drogen psychotische Symptome entwickeln können“. Falls Probleme beim Benennen von Emotionen auftauchen: Vielen Patienten fällt es schwer, Emotionen und Bedürfnisse zu benennen, die in bestimmten Situationen ihren Drogenkonsum verursachen. Hier ist es hilfreich, emotionsaktivierende Interventionen einzusetzen (Cave: vgl. Ab-

7.5 Durchführung des Trainings

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schnitt 7.4.2): Es wird eine Situation ausgewählt, die die meisten Patienten hinsichtlich des Substanzkonsums als risikoreich bewerten und in der das Stressniveau als hoch eingestuft wird (Werte ab 7 auf einer 10-stufigen Skala mit einem Maximum von 10). Vorgehen im Falle einer sozialen Situation: Die Situation wird im Rollenspiel nachgestellt. Dazu werden zunächst die generellen Rollenspielregeln eingeführt (vgl. Abschnitt 7.6.2). Folgendes Vorgehen wird empfohlen: 1. Die Rahmenbedingungen der Spielsituation werden geklärt (wie viele Personen sind in der Spielsituation anwesend), wodurch zeichnen sich die Rollen aus (typisches Verhalten)? 2. Die Rollen werden verteilt 3. Beobachtungskriterien für die Zuschauer werden festgelegt. Was ist auffallend an – Mimik und Gestik – Wie wirken die Äußerungen des Protagonisten hinsichtlich bestimmter Emotionen? Hörte er sich wütend, traurig, belustigt etc. an? 4. Durchführung 5. Fragen der Trainer nach dem Rollenspiel: – An den Protagonisten: „Wie haben Sie die Situation erlebt?“ – An die Gruppe: „Wie haben Sie Herrn x wahrgenommen? Wie hätten Sie sich in dieser Situation gefühlt?“ Aufgabe der Trainer bei der Besprechung des Rollenspiels ist eine Fokussierung der Patienten auf wahrgenommene affektive Zustände. Diese werden am Flipchart festgehalten. 6. Anschließend wird gemeinsam überlegt, welche Bedürfnisse bzw. Wünsche ein Mensch vermutlich hat, wenn er die im Rollenspiel präsentierten Emotionen zeigt. Vorgehen im Falle einer „Single“-Situation Emotionale Aktivierung erfolgt durch Imagination, also durch das gedankliche Hineinversetzen in die Situation. Der Patient soll sich einen Moment lang Zeit nehmen und die gewählte Situation verinnerlichen. Wenn der Patient bereit ist, bittet ihn der Therapeut, die Situation möglichst konkret zu beschreiben. Zunächst interessieren äußere Gegebenheiten der Situation (wo bin ich, wann bin ich, was mache ich?). Anschließend wird auf emotionale Aspekte der Situation und die Bedürfnisse fokussiert, die hinter dem resultierenden Substanzkonsum stehen. Therapeutenverhalten: Strukturiertes und sensibles Heran-, Durch- und Herausführen an, durch und aus emotionale(n) Zustände(n) unter sorgfältiger Beobachtung der Patientenreaktionen in Hinblick auf eine poten-

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ziell dysfunktionale Verarbeitung affektiver Zustände! Wenn es in einer wenig stabilen Gruppe zu riskant erscheint, die Patienten emotional zu aktivieren, kann auch mit geeigneten Fragen versucht werden, die emotionalen Hintergründe des Konsumverhaltens in bestimmten Situationen zu beleuchten: Beispiele für Fragen zur Identifikation von Emotionen/Bedürfnissen: „Wie haben Sie sich da gefühlt? Beschreiben Sie das etwas näher. Was meinen Sie mit aufgewühlt (o. ä.)?“ „Warum möchten Sie in dieser Situation Drogen nehmen?“ „Was erhoffen Sie sich in dieser Situation vom Drogenkonsum?“ „Was sollen Drogen in dieser Situation verändern?“ „Was bewirkt die Droge normalerweise bei Ihnen? Sie möchten also xy (Entspannung, Abwechslung etc.) erleben durch die Droge?“ „Angenommen, es gäbe überhaupt keine Drogen, was würden Sie denn dann machen?“ „Angenommen, Sie könnten sich in dieser Situation alles wünschen oder tun was Sie wollten, egal was es kostete, egal wie weit weg es stattfände oder wie absurd es Ihnen jetzt vorkommt . . . – was wäre das?“ Es folgt ein Dialogbeispiel aus einer Therapiestunde. Ein Patient hat als kritische Beispielsituation benannt, am Wochenende allein zu Hause zu sein. In einer solchen Situation habe er vor wenigen Wochen Ecstasy genommen. Der Therapeut versucht, über die typische Wirkung der Substanz beim Patienten herauszufinden, welches Bedürfnis vorherrschend war bzw. wie der „Wunsch an die Droge“ zu formulieren wäre: Th: Was haben Sie denn empfunden, als Sie allein zu Hause waren? P: Wie . . . was soll ich denn empfunden haben? Th: Wie war denn Ihre Stimmung in dieser Situation? P: Ganz normal halt . . . Th: Hm . . . und ist das eher gut oder schlecht für Sie? P: Ich weiß nicht. Nicht besonders gut, glaube ich. Th: Und dann kamen Sie auf die Idee, Sie könnten Ecstasy nehmen? P: Ja, genau Th: Wie wirkt denn Ecstasy normalerweise bei Ihnen?

7.5 Durchführung des Trainings

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P: Das macht halt einen angenehmen Zustand, warmen Bauch und Kopf, kreative Gedanken . . . Th: Es passiert also etwas Angenehmes mit Ihnen, was vorher nicht da war. P: Kann man so sagen . . . ist ja irgendwie auch öde sonst ohne Abwechslung. Auf Pille kann man sich dann mit jedem Unsinn beschäftigen und die Zeit vergeht total schnell! Th: Das klingt jetzt so, als hätten Sie sich etwas gelangweilt und die Situation als eintönig empfunden. P: Das war auch so, ist halt nichts passiert. Th: Und wenn Sie Ecstasy nehmen, dann passiert schließlich etwas Angenehmes . . .!? P: Genau! Anschließend wurden Langeweile und Leeregefühle als konsumrelevante Emotionen definiert, die bei dem Patienten häufig in Situationen auftreten, in denen er allein ist und nicht genau weiß, wie er sich beschäftigen soll. Als Bedürfnisse in dieser Situation wurden Abwechslung und soziale Kontakte herausgearbeitet. Das Konsumrisiko schätzte der Patient in diesen Situationen als sehr hoch ein (Wert 8 auf der Skala). Das Stresserleben, das bedeutsam sein kann für das Psychoserisiko, wertete er als eher gering (Wert 3), den Drogenkonsum als seine Bewältigungsreaktion sah er aber unter diesem Aspekt als Gefahr. Zur Beendigung der inhaltlichen Arbeit wird zusammengefasst, dass es immer bestimmte Bedürfnisse und Wünsche sind, die zum Drogenkonsum führen, und dass diese Bedürfnisse zumeist kurzfristig durch den Konsum befriedigt werden. Es wird jedoch betont, dass die Mitglieder der Gruppe aufgrund ihrer psychotischen Vulnerabilität negative Effekte durch StressSituationen erleben können und dass Drogenkonsum selbst in angenehmen Situationen einen Stressfaktor darstellt (auch wenn es sich anders anfühlt). Von daher muss nach alternativen Lösungen bzw. Situationen gesucht werden, in denen die dem Drogenkonsum zugrunde liegenden Bedürfnisse und Wünsche ohne Drogen befriedigt werden können. 1. Hausaufgabe und Gruppenabschluss (5 Minuten) Die Teilnehmer sollen als Hausaufgabe weiterhin ihren Wochenplan führen. Nach Stunde 4 sollen die Teilnehmer zudem folgende Fragen beantworten: Was tue ich gerne ohne damit einhergehenden Drogenkonsum? Was wollte ich schon immer mal tun, bin aber noch nicht dazu gekommen?

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

Begründet wird dies, indem darauf hingewiesen wird, dass ab der nächsten Stunde der Fokus auf so genannte gesunde Tätigkeiten gelegt wird, d. h. auf Tätigkeiten, die nicht zum Drogenkonsum motivieren, aber dennoch mit positiven Emotionen (bzw. Befriedigung von bislang drogenassoziierten Bedürfnissen/Wünschen nach Zugehörigkeit, Verminderung von Langeweile, Ablenkung etc.) einhergehen. Diese Tätigkeiten können eventuell als Ersatzhandlungen für das Aufsuchen so genannter kritischer Situationen dienlich werden. Für die Hausaufgabe sind die AB 7–9 hilfreich. Schließlich wird erfragt, was positiv und negativ an der heutigen Stunde wahrgenommen wurde und wie die aktuelle Befindlichkeit der einzelnen Teilnehmer ist. Die Patienten, die keine weiteren Fragen haben, können die Stunde beenden. Für spezielle Fragen, die in der Stunde nicht beantwortet werden konnten, steht für die Teilnehmer nach einer 5-minütigen Pause das freie Thema über 15 Minuten zur Verfügung. 2. Pause (5 Minuten) 3. Freies Thema (15 Minuten)

5. und 6. Stunde: Konsum, Psychose und Ich z Thema: Identifikation positiver Aktivitäten, die in ihrer Funktionalität dem Drogenkonsum möglichst nahe kommen und konsumassoziierte Bedürfnisse/Wünsche potenziell befriedigen können z Material: Flipchart; Arbeitsblätter KomPASs 6–9 z Vorbereitung: Leere Tabelle am Flipchart (vgl. Tabelle 7.4) 1. Einführung (15 Minuten) Das Vorgehen bei der Einführung in die Stunden 5 und 6 entspricht dem der Stunden 3 und 4. Die Stunden 5 und 6 behandeln die Frage, ob sich Situationen herstellen bzw. Aktivitäten finden lassen, durch welche die Bedürfnisse bzw. Wünsche befriedigt werden können, die bisher oft in den sog. kritischen Situationen zum Drogenkonsum führten. Zusätzlich sollen diese Aktivitäten ein geringes Maß an Stresserleben und Konsumrisiko aufweisen. Wenn dies gelingt, erhöht sich die Chance, dass kritische Situationen zukünftig weniger oft vorkommen, entsprechend weniger Drogen konsumiert werden und weniger Stress erlebt wird. Diesen gesunden Aktivitäten werden also die Kriterien Bedürfnisbefriedigung, geringes Konsumrisiko und wenig Stresserleben (= geringeres Psychoserisiko) zugewiesen.

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2. Bearbeitung des aktuellen Themas (2 ´ 50 Minuten) Zunächst werden die Aufzeichnungen der Stunden 3 und 4 (AB 6; vgl. auch Tabelle 7.3) zu Hilfe genommen, um Drogenkonsum auslösende Situationen sowie zugrunde liegende Bedürfnisse in die Spalten 1 und 2 einer erweiterten Tabelle (vgl. Tabelle 7.4) einzutragen. Anschließend werden die Hausaufgaben der letzten Stunde besprochen (AB 7–9), indem jeder Patient Tätigkeiten benennt, in denen er keinen oder wenig Drang verspürt hat, Drogen zu konsumieren. Dabei wird überlegt, ob diese Tätigkeiten die Bedürfnisse ähnlich befriedigen wie der Drogenkonsum in den kritischen Situationen aus Spalte 1. Ist dies der Fall, werden diese gesunden Tätigkeiten in Spalte 3 eingetragen und ihr Ausmaß an Bedürfnisbefriedigung eingeschätzt (10-stufige Skala). Schließlich werden Konsumrisiko und Stresserleben bei der gesunden Tätigkeit angegeben (10-stufige Skala für die Spalten 4 und 5). Es folgen einige Beispiele für gesunde und bedürfnisbefriedigende Aktivitäten, die von Patienten genannt wurden: z Modezeitschriften lesen z mit Freunden Fußball spielen z eine Tee-Sammlung anlegen anstatt zu kiffen (ritueller Aspekt) z am Computer spielen z sich mit Kurzfilmen beschäftigen z im Internet zu einem interessanten Thema recherchieren z in einen Sportverein gehen z eine Band gründen z einen Basketball kaufen und Körbe werfen

Tabelle 7.4. Beispiele für Alternativhandlungen bzw. gesunde Tätigkeiten Situation, in der ich öfters Drogen konsumiere

Welches Bedürfnis wird befriedigt

Gesunde Tätigkeit (Effektivität hinsichtlich Bedürfnisbefriedigung)

Mit Freunden treffen (nach Maastricht in einen Coffeeshop fahren)

Wunsch nach Gesellschaft, Gruppengefühl

Mit Freunden Fußball 0 spielen (8)

4 (wenn ich das Spiel verliere)

Ein bestimmtes Lied 3–4 hören, welches ich mir am Abend vorher aussuche (6)

0

Nach stressigem Ablenkung, Abschalten Arbeitstag zu Hause nach der Arbeit, Feier„erst mal ankommen“ abendritual (gemütlich hinsetzen und kiffen)

Konsum- Stressrisiko erleben

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Falls die genannten Tätigkeiten sich nicht als adäquater Ersatz für Drogenkonsum in kritischen Situationen eignen oder wenn die Teilnehmer keine Hausaufgaben gemacht haben, wird gemeinsam nach alternativen und gesunden Tätigkeiten gesucht. Hier können folgende Beispielfragen hilfreich sein: z „Was hat Ihnen früher Spaß gemacht?“ z „Was wollten Sie schon immer mal machen, sind aber bisher noch nicht dazu gekommen?“ z „Was könnten Sie tun, wenn Drogen ab heute keine Effekte mehr bei Ihnen auslösen würden, Sie aber noch die gleichen Bedürfnisse hätten wie gestern?“ z „Wenn Sie alles tun könnten, was Sie wollten (außer Drogen nehmen), was wäre das?“ Jeder Patient sollte letztendlich Tätigkeiten identifiziert haben, die eine annähernd ähnliche Funktionalität wie Drogenkonsum in bestimmten kritischen Situationen aufweisen und dabei ein geringes Konsum- und Stressrisiko beinhalten. Diese Tätigkeiten könnten als Ersatz für den Drogenkonsum in kritischen Situationen dienen. Um den Patienten das darin liegende Potenzial zu verdeutlichen (Handlungen, die zur Verfügung stehen, aber bislang vermutlich vernachlässigt wurden), kann es sinnvoll sein, dass die Patienten ihre potenziellen Ersatztätigkeiten in AB 9 eintragen und angeben, wie gerne sie dies tun würden und wie oft sie dies aktuell tun. In der Diskrepanz zwischen Wunsch und Realität liegt das Potenzial, das genutzt werden kann. Schließlich werden die Patienten aufgefordert, sich für eine Tätigkeit zu entscheiden, die in den kommenden Wochen fest in den Alltag integriert wird. Gemeinsam wird in der Gruppe überlegt, wie die ersten konkreten Schritte zur Realisierung aussehen könnten (z. B. bei dem Plan, einem Sportverein beizutreten: 1. Überlegen: Welche Sportart gefällt mir; 2. Information einholen, wo dies möglich ist und welche Rahmenbedingungen herrschen, z. B. Kostenfrage, Möglichkeit eines Probetrainings etc.). Schließlich soll jeder Patient einen Zeitpunkt in der nächsten Woche wählen, zu dem er den ersten Schritt wagt und diesen Zeitpunkt in seinen Wochenplan eintragen. 3. Hausaufgaben und Gruppenabschluss (5 Minuten) Die Patienten sollen die gesunden Tätigkeiten allmählich in ihren Alltag integrieren (s. o.). In den folgenden Stunden wird dies kontinuierlich die Hausaufgabe darstellen, und zu Beginn jeder Stunde wird nach dem diesbezüglichen Entwicklungsstand gefragt. Zudem werden die Patienten angehalten, weiterhin kreativ nach neuen gesunden Tätigkeiten zu suchen und darüber in der Gruppe zu berichten (hier kann sich eine effektive Gruppendynamik entwickeln: Motivation, möglichst kreative Ersatztätig-

7.5 Durchführung des Trainings

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keiten zum Drogenkonsum zu entdecken). Der Wochenplan soll weiterhin geführt werden. Der Umgang mit der Lerneinheit „Freies Thema“ und der vorherigen Pause erfolgt entsprechend dem Vorgehen der Stunden 3 und 4, und wird auch in den nachfolgenden Stunden beibehalten (abgesehen von Stunde 21).

7. und 8. Stunde: Konsum, Psychose und Ich z Thema: Identifikation und Modifikation dysfunktionaler kognitiver Schemata beim Umgang mit der psychotischen und der Abhängigkeitserkrankung z Material: Flipchart; Arbeitsblätter KomPASs 10–12 z Vorbereitung: Tabelle am Flipchart entsprechend AB 10 1. Einführung (15 Minuten) Das Vorgehen bei der Einführung in die Stunden 7 und 8 entspricht dem der vorangegangenen Stunden. Zusätzlich werden die Entwicklungen positiver Tätigkeiten erfragt. In die Stunde 7 kann wie folgt eingeleitet werden: „In den letzten Stunden haben wir uns u. a. mit kritischen Situationen befasst, die die Konsumwahrscheinlichkeit erhöhen bzw. von erhöhtem Stresserleben begleitet sind. Die nächsten beiden Stunden werden wir uns bestimmten Gedankenmustern widmen, die in kritischen Situationen immer wieder auftauchen und die ungünstiges Verhalten hinsichtlich Ihrer Erkrankungen fördern.“ 2. Bearbeitung des aktuellen Themas (2 ´ 50 Minuten) 2.1 Vorstellung des Rationals der kognitiven Intervention Folgende Imaginationsübung soll den Patienten das Verständnis für die kognitiven Interventionen erleichtern: Was Gedanken mit Gefühlen anstellen können: Der Trainer schildert folgende Ausgangssituation: „Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich allein in Ihrer Wohnung. Es ist schon recht spät und Sie versuchen gerade einzuschlafen. Plötzlich hören Sie, wie in der Küche irgendetwas (vielleicht ein Glas) auf den Boden fällt. Was empfinden Sie und wie handeln Sie, wenn Sie daran denken . . .“ Nun wird zunächst der Gedanke 1 vorgestellt: 1) „. . . ob das ein Einbrecher ist?“

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Die Patienten sollen beschreiben, welche Gefühle in ihnen aufsteigen, wenn ihnen dieser Gedanke in den Sinn kommt und wie sie sich voraussichtlich verhalten würden. Anschließend wird ebenso mit den Gedankenbeispielen 2 und 3 verfahren: 2) „. . . ob meine Freundin schon zurückgekommen ist?“ 3) „ . . . ob das der Wind durch das offene Fenster war?“ Vermutlich werden die Patienten zum Gedanken 1 Angst und Furcht als Gefühle benennen und als resultierendes Verhalten schildern, dass sie sich unter der Bettdecke verstecken, mit einem Stuhl bewaffnet in Richtung Küche gehen würden oder Ähnliches. Zum Gedanken 2 wird vermutlich (falls die Patienten ein positives Verhältnis zu ihrer Freundin assoziieren) ein positives Gefühl wie Freude benannt. Als Verhalten könnte resultieren, „im Bett liegen bleiben und warten, bis die Freundin ins Zimmer kommt“ oder „aufstehen und sie begrüßen“. Zum Gedanken 3 wird die emotionale Befindlichkeit eher neutral ausfallen, vielleicht schildert ein Patient Ärger darüber, dass etwas in der Küche heruntergefallen ist. Auf Verhaltensebene könnte genannt werden „weiterhin versuchen, einzuschlafen“, oder „in die Küche gehen und nachsehen, ob etwas kaputt gegangen ist“. Anschließend fasst der Therapeut zusammen: „Die Art und Weise, wie Menschen in spezifischen Situationen empfinden und welche Verhaltensweisen resultieren, wird neben der Situation an sich anscheinend von bestimmten Gedanken beeinflusst“. 2.2 Identifikation typischer kognitiver Verzerrungen innerhalb der Gruppe Nun fokussiert der Therapeut auf auftretende Gedankenmuster der Patienten in kritischen Situationen: „Im Folgenden werden wir uns mit typischen Gedanken von Ihnen befassen, die Sie in der Vergangenheit darin bestärkt haben, Drogen zu konsumieren“. Insbesondere nach Rückfällen in Bezug auf beide Erkrankungen, nach denen sofortiges funktionales Handeln von Nöten wäre, zeigen sich oft dysfunktionale kognitive Schemata (z. B. Hilflosigkeitsgedanken wie „Ich schaffe das nie, ich werde nie gesund, also ist es egal was ich mache, dementsprechend kann ich auch weiter Drogen nehmen und brauche auch nicht zu anstrengenden Therapien zu gehen“. Aber auch in anderen kritischen Situationen (hier kann auf die genannten kritischen Situationen der letzten Stunden eingegangen werden) treten unangemessene Gedankenmuster auf, wie z. B. Bagatellisieren: „Ich ziehe nur mal kurz am Joint, das schadet schon nicht“. Weitere Beispiele für dysfunktionale Kognitionen bzw. kognitive Verzerrungen sind in Abschnitt 7.4.2 aufgeführt. AB 10 dient der Dokumentation dysfunktionaler Kognitionen. Die Art und Weise, wie dysfunktionale Kognitionen der Patienten identifiziert werden können, hängt stark vom Niveau der Gruppenteilnehmer

7.5 Durchführung des Trainings

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ab. Es folgt die Darstellung einiger Methoden, die bei der Identifikation kognitiver Verzerrungen hilfreich sind. Aufgabe der Therapeuten ist es, dem Leistungsniveau der Gruppe entsprechend geeignete Methoden auszuwählen. Methoden zur Identifikation dysfunktionaler Kognitionen z Retrospektion „Was haben Sie nach Ihrem letzten psychotischen (oder Konsum-) Rückfall gedacht“? „Was haben Sie gedacht, bevor es zu dem Rückfall kam?“ z Imagination (vgl. diesbezügliches Vorgehen in den Stunden 3 und 4) – „Stellen Sie sich vor, Sie haben nach einer abstinenten Phase von mehreren Wochen (darauf waren Sie auch sehr stolz) mit Freunden wieder gekifft. Was denken Sie nun, wenn Sie am nächsten Tag aufwachen?“ – „Obwohl Sie seit längerer Zeit keine Drogen mehr nehmen, hören Sie nach einem länger andauernden Konflikt mit Ihrem Vorgesetzten plötzlich wieder Stimmen. Was denken Sie darüber?“ z Aktivierung automatischer Gedanken/kognitiver Schemata im Rollenspiel (vgl. Vorgehen in Stunden 3 und 4 bezüglich des formalen Ablaufs) Folgende Situationen können nachgestellt werden: – „Sie sitzen mit Freunden gemütlich in Ihrem Zimmer und fühlen sich sehr wohl. Die Atmosphäre ist entspannt und harmonisch. Ganz selbstverständlich rollt jemand einen Joint und zündet ihn an. Gleich sind Sie an der Reihe und Sie verspüren große Lust, zu rauchen. Ihre Freunde fordern Sie auch dazu auf. Wie geht die Situation weiter?“ – „Sie hatten Streit mit einem Kollegen und sind emotional äußerst angespannt. Zur Entspannung besuchen Sie eine Bekannte, die Sie schon länger nicht mehr gesehen haben und sie zeigt Ihnen stolz ihre selbst gezüchtete kleine Cannabis-Plantage. Sie sagt „Toll, dass Du gerade jetzt kommst, die erste Pflanze habe ich schon getrocknet und wollte sie gleich testen“. Sie merken, dass Sie nicht „Nein“ sagen können, müssen aber an die mahnenden Worte Ihres Arztes denken. Wie geht die Situation weiter?“ z Beispiele für Fragen zur Identifikation dysfunktionaler Kognitionen – „Was ging Ihnen in dieser Situation durch den Kopf?“ – „Was haben Sie zu sich selbst gesagt?“ – „Was geht Ihnen jetzt durch den Kopf, wenn Sie daran denken?“ – „Was denken Sie generell über solche Situationen?“ – „Welcher Satz wäre in dieser Situation typisch für Sie?“ – „Wer kennt Sie richtig gut? Was würde er wohl sagen, welche Gedanken typisch für Sie sind?“

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– „Wie haben Sie darüber gedacht, als Sie noch nicht so abstinenzmotiviert waren?“ Beachte: Falls die Patienten zum Zeitpunkt dieser Interventionen schon eine große Distanz zum Drogenkonsum eingenommen haben, sollen sie sich gedanklich in die Zeit versetzen, in der sie diesbezüglich noch eine ambivalentere Haltung hatten. Falls Rollenspiele durchgeführt werden, wird ein Vorgehen entsprechend der Stunden 3 und 4 empfohlen, nun allerdings mit dem Fokus auf auftretende Kognitionen. z Nach dem Rollenspiel wird der Protagonist gefragt: „Wie ging es Ihnen in Ihrer Rolle, was ging Ihnen durch den Kopf?“ z Die Gruppe wird gefragt: „Wie haben Sie Herrn x gerade erlebt, welche Gedanken wären Ihnen in dieser Rolle durch den Kopf gegangen?“ Nachdem einige kritische Kognitionen aufgedeckt und am Flipchart notiert worden sind, kann in Gruppen mit relativ hohem Funktionsniveau versucht werden, prägnante Bezeichnungen für die Kognitionen zu finden (wie Bagatellisieren, Ausblenden langfristiger Konsequenzen etc.). Die Tabelle von AB 10 kann hier als Systematisierungshilfe genutzt werden. In kognitiv eingeschränkteren Gruppen empfiehlt es sich, die möglichen Bezeichnungen für Kognitionen am Flipchart zu präsentieren und diesen die identifizierten Gedanken nachfolgend unterzuordnen. AB 10 kann auch hier als weitere Systematisierungshilfe genutzt werden. Cave: In kognitiv eingeschränkten Gruppen kann sich das vorgeschlagene Vorgehen zur Identifikation dysfunktionaler Kognitionen als ineffektiv bzw. zu fordernd herausstellen. Hier kann es sinnvoll sein, von vornherein die verschiedenen Typen kognitiver Verzerrungen mit konkreten typischen Beispielen am Flipchart zu präsentieren. Bei jedem Beispiel wird dann in die Gruppe gefragt, ob jemand dieses Gedankenmuster aus eigener Erfahrung kennt. 2.3 Modifikation typischer kognitiver Verzerrungen innerhalb der Gruppe Eine Modifikation im Sinne klassischer kognitiver Umstrukturierung erscheint im Gruppensetting mit dieser Zielgruppe nicht angemessen. Vielmehr geht es im Folgenden darum, die Teilnehmer hinsichtlich der ungünstigen Auswirkungen dieser Gedankenmuster auf den Verlauf ihrer psychotischen Erkrankung sowie des Konsumverhaltens zu sensibilisieren und eine gewisse Einsicht zu erreichen, damit in einer entsprechenden Realsituation „Aha- und Wiedererkennungs-Effekte“ wirksam werden. Ziel ist es also, die Patienten in einen möglichst kritischen Diskurs hinsichtlich relevanter kognitiver Verzerrungen zu bringen. Dazu wird als Vorgehen vorgeschlagen: z Am Flipchart werden die identifizierten kognitiven Verzerrungen nach ihrer Relevanz für die Gruppenmitglieder in eine Rangreihe gestellt. Dazu kann

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jeder Patient insgesamt 10 „persönliche Relevanzpunkte“ (= 10 Klebezettelchen), die ihm ausgehändigt werden, auf die am Flipchart notierten Verzerrungen verteilen. Er darf maximal 3 Punkte pro Verzerrung ankleben. Anschließend werden die Punkte ausgezählt und die Rangreihe gebildet. z Der Reihe nach werden die einzelnen Verzerrungen hinsichtlich ihrer Angemessenheit diskutiert, wobei der Fokus auf eine Diskussion zwischen den Teilnehmern gelenkt werden sollte. Die Therapeuten greifen lediglich steuernd ein und fördern den Prozess durch gezielte Fragen und den Einsatz geeigneter Metaphern (Anhang A1.1). z Falls die Zeit nicht ausreicht, alle relevanten Punkte zu besprechen, sollte eine weitere Stunde darauf verwendet werden. In leistungsstärkeren Gruppen kann mittels der Arbeitsblätter 11 und 12 versucht werden, alternative und gesundheitsförderliche Kognitionen (Gegenargumente) zu den dysfunktionalen Kognitionen zu entwickeln. Methodisch umgesetzt wird dies, indem die Teilnehmer entweder die Arbeitsblätter 11 und 12 in Stillarbeit bearbeiten oder indem die gesamte Gruppe mit einem zuvor als dysfunktional identifizierten Gedanken konfrontiert wird und nach Gegenargumenten suchen soll. Der Kotherapeut notiert die benannten Gegenargumente am Flipchart. Es folgen Fragen und Metaphern, die der Therapeut einsetzen kann, um dysfunktionale Kognitionen in Frage zu stellen: Bagatellisieren von Substanzkonsum und der Gefahr psychotischer Rückfälle z „Wenn Sie Ihre bisherigen Erfahrungen hinsichtlich der Psychose und Drogenkonsum betrachten: Konnten Sie in Konsumsituationen jedes Mal einschätzen, wann ein Ausbruch der Psychose droht, oder war es eine Art Russisches Roulette? Falls ja, möchten Sie dieses Spiel tatsächlich mit Ihrer Gesundheit spielen, oder möchten Sie Ihr Krankheitsrisiko so weit es geht selbst kontrollieren?“ z „Wenn Sie in der Zeit, in der Sie Drogen genommen haben, bisher schon zwei psychotische Ausbrüche hatten, was garantiert Ihnen, dass es nicht die Drogen waren, die einen entscheidenden Anteil Schuld daran tragen? Wenn Sie nicht zu 100% sicher sein können, dass die Drogen nichts mit Ihrer Psychose zu tun haben, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass Sie durch Drogen einen dritten Ausbruch erleiden? Wenn Sie die Wahrscheinlichkeit nicht exakt einschätzen können, möchten Sie das unbestimmbare Risiko eingehen? Wie sehen Sie die Relation zwischen wenigen Stunden auf Drogen und mehreren Wochen in der Klinik?“ z „Sie nehmen an, dass Ihnen Drogen diesmal nicht schaden werden. Aber was ist, wenn Sie sich irren? Können Sie das ausschließen?“ z „Metapher Russisches Roulette: Anzahl der möglichen Schüsse als Drogeneinnahmen und Kugel als Bild für Psychose“.

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

Hilflosigkeitsgedanken nach Rückfällen z „Gibt es wirklich nichts, was Sie an Ihrem Leben ändern könnten, um die Wahrscheinlichkeit weiterer Rückfälle zu verhindern? Was schadet es Ihnen, wenn Sie es zumindest mal versuchen?“ z „Auch wenn Sie jetzt denken, Ihren Zustand nicht bewusst beeinflussen zu können: Was ist, wenn Sie sich täuschen?“ Fokussierung negativer Effekte z „Wenn Sie Ihren besten Freund fragen würden, könnte er vielleicht etwas Positives an dieser Situation feststellen?“ Absolutisieren nach Rückfällen Bezüglich der Bergsteiger-Metapher: „Was würden Sie einem Bergsteiger raten, der bei 3/4 der Wegstrecke abrutscht und 15 Meter bis zur letzten Sicherung fällt? Sollte er sich nicht aufrappeln und das gefallene Stück wieder hochgehen (vielleicht geht es beim zweiten Mal sogar leichter als zuerst . . .) um schließlich doch den Berg zu erklimmen? Oder sollte er sich besser gleich den ganzen Berg hinunterrollen lassen?“ Übergeneralisierung/Katastrophisierung z „Angenommen, Sie haben Recht und werden es nicht schaffen, Ihr Ziel xy zu erreichen. Dann war es im Nachhinein kein Fehler, es jetzt nicht versucht zu haben. Aber was ist, wenn Sie es nun doch schaffen könnten und es nicht versuchen?“ z „Wie können Sie so sicher sein, dass zukünftig auf jeden Fall xy eintreten wird?“ z „Warum sollte es im Leben immer so weitergehen? Kennen Sie keine Beispiele von Menschen, die ihr Leben zu einem bestimmten Zeitpunkt verändert haben?“ z „Auch wenn es hinsichtlich Ihrer Erkrankung Aspekte gibt, die Sie nicht aktiv beeinflussen können, heißt das doch nicht, dass es überhaupt keine Aspekte gibt, auf die Sie Einfluss nehmen können . . .“ Ausblenden mittel- und langfristiger Konsequenzen z „Wenn Sie dann xy machen, weil Sie plötzlich Lust darauf haben, würden Sie dann drei Tage später noch genauso darüber denken wie jetzt?“ z „Wenn Sie auf dem Treffen mit Ihren Freunden konsumieren, wie fühlen Sie sich dann am nächsten Morgen, wenn Sie daran denken, was Sie sich hier in der Therapie vorgenommen haben?“ z „Sie haben berichtet, sehr stolz darauf zu sein, dass Sie mittlerweile 7 Wochen kein Cannabis mehr geraucht haben. In welches Gefühl wird sich Ihr Stolz voraussichtlich verwandeln, wenn Sie dieser 7-wöchigen Erfolgsphase morgen ein Ende setzen? Meinen Sie, das ist Ihnen dann ganz egal? Oder sind Sie vielleicht enttäuscht, wütend, ärgerlich? Möchten Sie das wirklich riskieren?“

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Negative Bilanzierung z „Lässt sich wirklich so klar abschätzen, wie groß die Anstrengung und wie groß der Erfolg einer Verhaltensänderung sein werden?“ z „Angenommen, es wäre wirklich äußerst anstrengend für Sie, Ihr xyVerhalten zu verändern, es gelänge Ihnen aber und Sie könnten einige Ihrer Ziele verwirklichen. Überlegen Sie mal, wie Sie dann 2–3 Jahre später voraussichtlich über die jetzige Situation denken würden. Glauben Sie, Sie würden Ihren Versuch bereuen?“ Es folgen Beispiele für Fragen hinsichtlich Lösungsorientierung und Veränderungsmotivation: z „Wenn Ihr bester Freund mit diesem Problem zu Ihnen käme, was würden Sie ihm raten? Warum gilt das nicht für Sie?“ z „Wenn Sie tun könnten, was Sie wollen (außer Drogen nehmen), wie sähe die Lösung aus?“ „Was hält Sie davon ab? Äußere Umstände oder Sie selbst?“ z „Wie haben Sie sich nach Ihrem letzten „Ausrutscher“ gefühlt? Wie möchten Sie sich nach der nächsten Stress-Situation fühlen? Was müssten Sie dafür tun?“ z „Wann haben Sie es das letzte Mal geschafft, in so einer Situation xy (nicht) zu tun? Wie haben Sie das gemacht? Tun Sie mehr davon!“ z „Kennen Sie jemanden, der in dieser Situation xy tut/denkt? Wie macht er das? Wirkt er dann unglücklich?“ z „Was wäre ein nächster kleiner Schritt zum Ziel? Wann könnten Sie damit anfangen?“ z „Wenn Sie an die Zeit denken, bevor Sie sich wegen xy Hilfe gesucht haben . . . Hat sich bereits irgendetwas verbessert? Was haben Sie zu der Verbesserung beigetragen? Wie könnten Sie für den nächsten kleinen Schritt „mehr davon“ tun?“ 3. Hausaufgaben und Gruppenabschluss (5 Minuten) Die Integration gesunder Tätigkeiten in den Alltag wird fortgesetzt. Ein konkreter Tag sowie Zeitpunkt wird für den nächsten kleinen Handlungsschritt ausgewählt und in den Wochenplan eingetragen.

7.5.3 Modul 3: Anti-Craving/-Stress Skills 9. Stunde: Anti-Craving/-Stress Skills z Thema: Erläuterung der Rationale dieses Moduls; Erklärung des AntiCraving-/-Stress-Plans z Material: Flipchart; Arbeitsblätter KomPASs 13–22

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Tabelle 7.5. Beispiel für einen Anti-Craving-/-Stress-Plan

z Leicht Craving

Stress

z Stark Craving

Stress

„allein daheim“

soziale Situation

1: Contra-Liste durchlesen 2: Joggen gehen 3: Selbstverbalisation

1: Thema wechseln 2: Nach Hause gehen 3: Mit nicht konsumierenden Freunden reden

1: Entspannungsübung 2: Joggen gehen 3: Schöne Musik hören

1: Einmal um den Block laufen 2: „Auszeit“ nehmen und Gedanken sortieren 3: . . .

1: Wechselduschen 2: Jemanden anrufen 3: Gegen Boxsack schlagen

1: Freunde über meinen Zustand informieren 2: Schnell die Situation verändern (gehen) 3: . . .

1: Wechselduschen 2: Gegen Boxsack schlagen 3: . . .

1: Freunde über meinen Zustand informieren 2: Schnell die Situation verändern (gehen) 3: . . .

z Vorbereitung: Beispiel eines Anti-Craving-/-Stress-Plans auf Flipchart zeichnen (vgl. Tabelle 7.5) 1. Einführung (15 Minuten) Das Vorgehen bei der Einführung in die Stunde 9 entspricht dem der Stunden 7 und 8. Das Modul 3 kann wie folgt eingeleitet werden: „In diesem Themenblock stellen wir uns der Tatsache, dass es immer wieder Situationen in Ihrem Leben geben kann, in denen Sie Craving und/oder Stressgefühle erleben werden. Mit den bisherigen Ansätzen kann es Ihnen zwar gelingen, dies stark zu reduzieren, aber es ist sicherlich sinnvoll, für den Ernstfall gewappnet zu sein. Von daher suchen und entwickeln wir im Folgenden Fertigkeiten, die Ihnen helfen, sowohl Craving- als auch Stressgefühle wirksam herunterzuregulieren“. Hinsichtlich der zu verteilenden Arbeitsblätter gilt: Die AB 13–22 dienen der Identifikation, Bewertung und Dokumentation von Skills auf unterschiedlich hohem Niveau. Es ist nicht nötig, in einer Gruppe alle der genannten Arbeitsblätter zu verwenden. Die Auswahl relevanter Arbeitsblätter wird in Abhängigkeit vom Leistungsniveau der Gruppe von den Therapeuten getroffen.

7.5 Durchführung des Trainings

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2. Bearbeitung des aktuellen Themas (50 Minuten) 2.1 Vermittlung des Rationals Um die Akzeptanz der Thematik „Veränderung von Suchtverhalten“ bei den Teilnehmern zu erhöhen, kann es sinnvoll sein, das (Reiz-)Thema Drogen zunächst zu umgehen und die Problematik stattdessen auf eine allgemeine menschliche Schwäche herunterzubrechen: die Veränderung von lästigen Gewohnheiten. Zunächst wird dementsprechend die Frage in die Gruppe gegeben, warum es Menschen so schwer fällt, von Gewohnheiten Abstand zu nehmen, auch wenn auf rationaler Ebene diesbezüglich Einsicht besteht. Frau F. und ihre guten Vorsätze zu Silvester könnten hier als Fallbeispiel dienen: „. . . Wie sollen wir uns dieses weit verbreitete Silvesterritual mit den guten Vorsätzen erklären . . . Wenn jemand mit gewissen ungeliebten Gewohnheiten in seinem Leben unzufrieden ist bzw. diese ändern will, warum ist das so schwierig? Der Gedanke, dass etwas geändert werden sollte, taucht sicherlich nicht spontan an Silvester auf, sondern oft schon lange vorher. Aber es klappt nur schwer, von der Gewohnheit zu lassen, und daher muss Silvester als „Jetzt-wird-alles-anders-Ereignis“ herhalten. So ging es auch Frau F., die mittlerweile 95 kg wiegt, aber nicht aufhören kann, alle Spätnachmittags-Serien im Fernsehen zu gucken und dabei eine Tüte Chips oder wahlweise 200 g Schokolade zu essen. Vor dem Schlafengehen ärgert sie sich wieder einmal darüber, dass sie nicht Salat gegessen hat. Dann an Silvester heißt es: Aber jetzt ist Schluss! Nur noch eine Serie am Tag, keine Chips und Schokolade mehr, sondern täglich Salat, dann klappt’s auch mit dem Abnehmen. Zwei Wochen später diskutiert Frau F. mit ihren Freundinnen über Marienhof, verbotene Liebe und Co. und ärgert sich vor dem Schlafengehen, mal wieder keinen Salat gegessen zu haben . . .“ Ziel ist es, mit den Patienten mehrere mögliche Erklärungen für die Inkonsequenz von Frau F. am Flipchart zu sammeln: z Soziale Aspekte: Ihre Freundinnen gucken die Serien auch und es macht Spaß darüber zu reden („wie ist das bezogen auf Drogenkonsum?“). z Individuelle Aspekte: Frau F. schmeckt Schokolade besser als Salat („wie ist das bezogen auf Drogenkonsum?“). z Aspekte von Gewohnheiten an sich (was leicht auf Suchtverhalten übertragen werden kann). Hier kann auf nachfolgende Alltagsweisheiten eingegangen werden, die verdeutlichen, dass es nicht die Unfähigkeit der Patienten im Gruppentraining ist, die eine Verhaltensänderung behindert, sondern dass Menschen generell Probleme damit haben, von alltäglichen Gewohnheiten (selbst mit weitaus weniger Suchtpotenzial

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als Drogen) abzulassen. Manche Patienten haben eine gewisse Abneigung gegen die „Psychologisierung“ der Welt, möglicherweise weil sie bereits oft damit konfrontiert wurden. Somit können einfache Alltagsweisheiten u. U. eine sinnvolle Ergänzung zu psychologischen Theorien darstellen, zumal Alltagsweisheiten oft unhinterfragt hingenommen werden und somit die Suche nach Erklärungen und Begründungen entfällt. – „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“, „Die Macht der Gewohnheit“ – Ein englischer Dichter: „Erst formen wir unsere Gewohnheiten, dann formen unsere Gewohnheiten uns“ – Aristoteles: „Wir sind, was wir ständig wiederholen“ Hinsichtlich der Gewohnheiten kann nun abgeleitet werden, dass wir trotz aller Schwierigkeiten, von Gewohnheiten abzulassen, diesen nicht hilflos ausgeliefert sind. Dies sagt auch ein Aspekt des vorletzten Spruchs: Wir „formen“ unsere Gewohnheiten. Hier kann das lerntheoretische Rational der klassischen VT herangezogen werden, das diesem Aspekt zustimmen würde, dann aber darauf aufbaut, indem es fortsetzt: Wenn wir Gewohnheiten selbst formen, also erlernen, dann können wir sie auch wieder verlernen. Die Frage, wie das Verlernen geschieht, beantwortet die VT ebenso wie Aristoteles (s. o.): indem wir ständig wiederholen! – d. h., üben, üben, üben, um neues Verhalten zu lernen und altes Verhalten zu verlernen. Hilfreich kann hier auch die Autobahnmetapher (siehe Anhang A1.1) sein, um zu verdeutlichen, dass es naheliegend ist, bekannte Wege zu befahren, also Gewohnheiten zu entsprechen, und dass erst viel Übung und Wiederholung dazu führt, dass sich neue Wege in einem Maße etablieren können, in dem schließlich von neuen Gewohnheiten gesprochen werden kann, sich also neue Verhaltensweisen aufgebaut und gefestigt haben. Die Autobahnmetapher hilft auch neurobiologisch interessierten Patienten beim Verständnis der Faustregel „use it or lose it“: Hintergrund ist, dass jedes Verhalten mit bestimmter neuronaler Aktivierung im Gehirn einhergeht. Aktivierungen von Nervenzellen können (stark vereinfacht!) mit Aktivierungen von Muskeln verglichen werden: Regelmäßige Aktivierungen von Muskeln oder Nervenzellen führen dazu, dass Muskeln oder Nervenzellen sich aufbauen und stärker werden. Oft gezeigtes Verhalten führt entsprechend zu gut trainierten neuronalen Bahnen im Gehirn. Diese „gut befahrenen“ Bahnen oder Netzwerke werden entsprechend leicht aktiviert, d. h. oft gezeigtes Verhalten hat eine hohe Wahrscheinlichkeit, wieder aufzutreten. Entsprechend selten gezeigtes Verhalten führt dazu, dass bereits gebahnte neuronale Verbindungen schwächer werden (wie auch nicht beanspruchte Muskeln sich zurückbilden). Neues Verhalten verfügt noch nicht über gut „ausgefahrene“ neuronale Bahnungen und muss also erst trainiert werden, bevor es vom Gehirn in bestimmten Situationen als das Verhalten der Wahl zur Verfügung gestellt wird (Bsp.: „Stellen Sie sich

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vor, Sie sind Rechtshänder, haben eine Verletzung an der rechten Hand und wissen rational, dass Sie diese schonen sollten. Jetzt werden Sie von jemandem angegriffen und müssen sich blitzschnell verteidigen. Mit welcher Hand werden Sie sich wahrscheinlich schützen? Wahrscheinlich rechts, da sie es gewohnt sind mit der rechten Hand wichtige Handlungen auszuführen. Nach vielen Wochen Verhaltenstraining mit der linken Hand hat sich Ihre linksarmige Muskulatur verstärkt und Reaktionen mit links sind fast zur Gewohnheit geworden“). Durch das Training neuen Verhaltens und das Unterlassen alten Verhaltens bauen sich Nervenzellen und neuronale Netzwerke für das neue Verhalten auf und Nervenzellen und neuronale Netzwerke des alten Verhaltens verkümmern nach und nach („ . . . lose it“). Cave: Selbstverständlich soll Suchtverhalten nicht als Gewohnheit „verniedlicht“ werden! Es kann aber definiert werden, dass Suchtverhalten einem ähnlichen Prinzip entspringt, allerdings wesentlich stärker den Verhaltensspielraum von Menschen beschränkt, da Craving zusätzlich verhaltenssteuernd wirkt. Auch von Seiten der Biologie heißt es also: Neues Verhalten üben, üben, üben, damit die „Wege und Bahnen“ der Sucht verkümmern und sich alternative Wege aufbauen können (vgl. Grawe 2004, Neuropsychotherapie). Zusammengefasst: Jedes einmal ausgeübte Alternativverhalten zum Substanzkonsum in Craving-Situationen erhöht die Chance, dass in der nächsten Gefahrensituation das Craving schwächer ausfällt! Es ist sehr wichtig, dass die Patienten das o. g. Rational verstehen und einsehen. Denn die Einsicht erleichtert ihnen den anstrengenden Weg, den sie gehen müssen: In voraussichtlich vielen zukünftigen Situationen, in denen sie Stress o. ä. erleben, wird der Drang zu konsumieren auftreten und sie sollen sich entgegengesetzt verhalten. Das Ergebnis wird anfänglich zumeist weniger befriedigend sein als der Drogenkonsum und dennoch sollen die Patienten das neue Verhalten beim nächsten Mal erneut zeigen. Dies erscheint nur dann aussichtsreich, wenn o. g. Ausführungen verinnerlicht worden sind. 2.2 Erklärung des Anti-Craving-/-Stress-Plans Es wird erläutert, dass die Teilnehmer in den folgenden Stunden jeweils eine individuelle Liste mit Fertigkeiten erstellen werden, die ihnen dabei helfen, Craving- und/oder Stresszustände herunterzuregulieren. Es werden zwei Situationstypen unterschieden: z „allein daheim“ z in Gesellschaft Die Intensität des Craving und des Stress werden unterteilt in: z leichte Intensität des Craving/Stress z starke Intensität des Craving/Stress

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Die Skills, die sich auf die Kategorie „in Gesellschaft“ beziehen, sind nicht mit den sozialen Kompetenzen zu verwechseln, die im nächsten Modul besprochen werden, wie bspw. „nein-sagen“ (soziale Kompetenzen sollen eher präventiv wirken, d. h. dann einsetzen, bevor das Craving entsteht). Anti-Craving/-Stress Skills „in Gesellschaft“ setzen also zeitlich betrachtet etwas später an, indem sie in Gruppensituationen bereits entstandenes Craving-Gefühl herunterregulieren, wie bspw. durch den Einsatz des Elements „Thema wechseln“ oder „die Situation verlassen“. Wie zuvor erwähnt, sind Fertigkeiten zur Regulierung von Craving und Stress oft redundant. Beispielsweise kann „Joggen gehen“ sowohl Craving- als auch Stresserleben reduzieren. Zum Abschluss dieser Stunde wird den Patienten eine mögliche Form eines Anti-Craving/-Stress-Plans vorgestellt, damit sie einen plastischeren Eindruck davon bekommen, was das Ziel dieses Moduls ist (vgl. Tabelle 7.5). Es wird auf das Arbeitsblatt 22 verwiesen, auf dem sich die Vorlage eines individuellen Skills-Plans für die Patienten nach dem Format von Tabelle 7.5 befindet. Zudem werden je nach Bedarf die Arbeitsblätter 13–21 erläutert. Diese dienen der Sammlung und Bewertung verschiedener Skills in Abhängigkeit von der Situation und der Intensität des Gefühls (Craving oder Stress). In den nächsten Wochen wird jeder Patient seine Erfahrungen mit verschiedenen Skills auf den Arbeitsblättern vermerken. Am Ende des Moduls werden die effektivsten Skills in den Anti-Craving/Stress-Plan (AB 22) übertragen. 3. Hausaufgaben und Gruppenabschluss (5 Minuten) Die Integration gesunder Tätigkeiten in den Alltag wird fortgesetzt. Ein konkreter Tag sowie Zeitpunkt wird für den nächsten kleinen Handlungsschritt ausgewählt und in den Wochenplan eingetragen. Falls Cravingoder Stress-Situationen auftreten, sollen die Patienten versuchen, diesen Zustand herunterzuregulieren und dies inkl. des Ergebnisses im Wochenplan vermerken. Bei Erfolg (= nicht konsumiert/weniger Stressgefühl) soll der Skill in die AB 19–22 eingetragen werden. Anhand der bisherigen geführten Wochenpläne sowie durch andere Erfahrungen aus der Vergangenheit sollen die Patienten zudem Methoden auflisten, die ihnen schon einmal geholfen haben, Craving oder Stress auf gesunde Art zu bewältigen. „Als Hausaufgabe sollen Sie sich überlegen, ob es in Ihrem Leben schon einmal Situationen gab, in denen Sie dem Craving-Gefühl nicht nachgegeben haben, sondern stattdessen etwas anderes getan haben. Wahrscheinlich wird jeder von Ihnen, wenn er genau überlegt, eine oder zwei solche Situationen benennen können. Vielleicht sind es ja auch Situationen, in denen Sie gar keine andere Wahl hatten, da es nicht möglich war, zu konsumieren – beispielsweise auf einer geschützten Station in einer Klinik“.

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10. Stunde: Anti-Craving/-Stress Skills z Thema: Identifikation von Anti-Craving/-Stress Skills z Material: Flipchart; Arbeitsblätter KomPASs 13–22 1. Einführung (15 Minuten) Das Vorgehen bei der Einführung in die Stunde 10 entspricht dem der Stunde 9. 2. Bearbeitung des aktuellen Themas (50 Minuten) 2.1 Was kennen Sie bereits „Als Hausaufgabe zu dieser Stunde sollten Sie sich überlegen, ob es in Ihrem Leben schon einmal Situationen gab, in denen Sie dem Craving-Gefühl nicht nachgegeben haben, sondern stattdessen etwas anderes getan haben. Wenn es solche Situationen gab, bedeutet das, dass Sie die nötigen Kompetenzen, Alternativhandlungen auszuführen, bereits besitzen. Diese Kompetenzen werden wir im Folgenden weiter ausformen und systematischer einsetzen“. Hinsichtlich der Unterscheidung von Anti-Craving Skills und AntiStress Skills sollte noch einmal wiederholt werden: „Die Fertigkeiten, die der Regulierung von Craving-Zuständen dienen, können zu einem großen Teil auch als Anti-Stress Skills eingesetzt werden. Die Praxis wird schließlich zeigen, was Ihnen in den jeweiligen Situationen, seien es nun Craving- oder Stress-Situationen, behilflich ist“. Bei der Besprechung der Hausaufgaben bzw. deren Ergänzung sind folgende Fragen hilfreich: z „Haben Sie in einer ähnlichen Situation schon einmal etwas anderes gemacht als Drogen zu nehmen? Was war das? War es effektiv?“ z „Wie haben Sie es geschafft, in Situation xy nicht zu konsumieren?“ z „Wie haben Sie sich das letzte Mal verhalten, als Sie sich sehr gestresst gefühlt haben? Wie ging es Ihnen, nachdem Sie xy getan haben?“ z „Kennen Sie jemanden, der keine Drogen konsumiert? Wie geht diese Person mit Stress-Situationen um?“ z „Was würden Sie Ihrem besten Freund raten, wenn er Sie bezüglich dieser Problematik um Rat fragen würde?“ Während die Patienten Skills benennen, werden diese vom Kotherapeuten am Flipchart festgehalten. Sobald den Patienten keine weiteren Skills mehr einfallen, kann die Beispielliste für Anti-Craving/-Stress Skills (AB 13–16) zu Rate gezogen werden, um den Teilnehmern weitere Möglichkeiten zur Emotionsregulation zu präsentieren. Anschließend wählt jeder Teilnehmer jeweils drei Skills für leichtes und starkes Craving bzw. leich-

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ten und starken Stress aus und trägt diese als potenziell wirksame Methoden in die AB 18–21 ein. Entscheidend für die Wahl des Skills ist, ob ein Teilnehmer schon damit Erfahrung gesammelt hat oder sich vorstellen kann, dass ein Skill für die jeweilige Intensität des emotionalen Zustands hilfreich sein kann, oder dass er einen bestimmten Skill besonders interessant/originell findet. Für Teilnehmer, die gerne sehr strukturiert arbeiten, kann der (hinsichtlich seiner Anwendung sich selbst erklärende) Skills-Bewertungsbogen (vgl. AB 17) eingeführt werden. Dies könnte, aus zeitlichen Gründen und da voraussichtlich nicht alle Patienten damit arbeiten möchten, im freien Thema vorgestellt werden. 3. Hausaufgaben und Gruppenabschluss (5 Minuten) Die Integration gesunder Tätigkeiten in den Alltag wird fortgesetzt. Ein konkreter Tag sowie Zeitpunkt für den nächsten kleinen Handlungsschritt wird ausgewählt und in den Wochenplan eingetragen. Falls Craving- oder Stress-Situationen auftreten, sollen die Patienten versuchen, diesen Zustand mit Hilfe Ihrer gewählten Skills herunterzuregulieren und dies inkl. des Ergebnisses im Wochenplan vermerken.

11. und 12. Stunde: Anti-Craving/-Stress Skills z Thema: Praktische Vermittlung spezifischer Skills (Kontra-Liste; Thema wechseln; Selbstverbalisation) z Material: Flipchart, Arbeitsblätter KomPASs AB 23–25 In den beiden letzten Stunden dieses Moduls werden spezifisch ausgewählte Skills vermittelt. Diese Arbeit kann zeitlich sehr variieren. Von daher werden beide Stunden im Folgenden zusammengefasst, um den Trainern Raum für eine zeitlich flexible Gestaltung der Stunden zu geben. Unter Umständen ist es schwierig, alle drei nachfolgend vorgestellten Skills in zwei Stunden zu vermitteln. Es liegt im Ermessen der Therapeuten, darüber zu entscheiden, ob es sinnvoll ist, alle drei Skills zu bearbeiten und u. U. eine dritte Stunde dafür zu investieren, oder ob sie sich lediglich auf einen oder zwei Skills beschränken möchten. 1. Einführung (15 Minuten) Das Vorgehen bei der Einführung in die Stunden 10 und 11 entspricht dem der Stunden 9 und 10. In die Stunde 11 kann wie folgt eingeleitet werden: „In den nächsten beiden Stunden werden wir bestimmte Skills entwickeln, die sich für viele Patienten bislang als sehr effektiv herausgestellt haben“.

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2. Bearbeitung des aktuellen Themas (2 ´ 50 Minuten) Zunächst werden die Ergebnisse der Hausaufgaben zur 11. Stunde besprochen. Die Teilnehmer werden aufgefordert, weiterhin potenziell wirksame Skills einzusetzen und insbesondere den Lerneffekt durch Wiederholung nicht zu vernachlässigen (also nicht resignieren, wenn ein Skill beim ersten Mal nicht den erhofften Effekt zeigte). Anschließend werden bis zu drei spezielle Skills vermittelt. 2.1 Skill „persönliche Kontra-Liste“ Viele Patienten sind sich darüber bewusst, dass es ihnen schadet, wenn sie Drogen konsumieren. Allerdings geraten sie häufig in Situationen, in denen sie die potenziellen negativen mittel- und langfristigen Auswirkungen des Konsums zu Gunsten des kurzfristigen Spaßes (Konsum) verleugnen, bagatellisieren oder verdrängen. Die Kontra-Liste stellt eine Auflistung von bis zu fünf individuellen Argumenten dar, die gegen den Substanzkonsum sprechen (z. B. „Wenn ich weiterhin konsumiere, riskiere ich es, mein Studium zu Gunsten diverser Krankenhausaufenthalte abbrechen zu müssen“). Zunächst ist den Patienten der Zweck der Kontra-Liste zu erläutern: Zweck dieser Liste ist es, sich in kritischen Situationen seine Gründe gegen den Substanzkonsum, die ansonsten oft beiseite geschoben werden, bewusst zu machen. Dazu soll jeder Patient die für ihn relevantesten Argumente gegen weiteren Substanzkonsum auf einer spielkartengroßen Karte notieren und diese bei sich tragen (im Geldbeutel oder in der Hosentasche). Wenn er in eine Risikosituation für potenziellen Substanzkonsum gerät, soll er sich für einige Minuten zurückziehen und sich anhand der Kontra-Liste seiner langfristigen (Abstinenz-)Ziele besinnen. Es kann dabei hilfreich sein, sich selbst die Argumente langsam und laut vorzulesen. Zudem sollen die Patienten dahingehend instruiert werden, ihre Argumente mit „inneren Bildern“ zu versehen, da dies zu einer tieferen Verinnerlichung der Argumente und folglich zu einer vermehrten Resistenz gegenüber lockenden Drogenangeboten führen kann. Beispielsweise sollte ein Patient mit der Kontra-Argumentation „Ich muss gesund bleiben, damit ich meine Ausbildung als Geigenbauer beenden kann“ ein inneres Bild (innere Szene) davon entwickeln, wie er in zwei Jahren in einer Werkstatt steht, umgeben von vielen Instrumenten, die er alle repariert hat. Er soll sich vorstellen, wie stolz und zufrieden er dann sein wird, wie er eventuell an einem ganz besonders schönen und wertvollen Instrument arbeiten wird etc. Eine weitere Methode, um eine möglichst tiefe innere Verankerung der Argumente zu erreichen, ist das Rollenspiel: Nachdem die Patienten ihre Argumente aktiv hergeleitet haben (vs. passive Rezeption) sollen sie diese im Rahmen einer praktischen Übung (s.u.) im Dialog mit einer konträr eingestellten Person inhaltlich vertreten.

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Entwicklung individueller Kontra-Listen: Die Entwicklung der individuellen Kontra-Listen im KomPASs-Training erfolgt über einen Zwischenschritt, nämlich die Entwicklung von Pro-und-Kontra-Listen. Dies geschieht aus folgenden Gründen: z Skills werden nur eingesetzt, wenn eine ausreichende Motivation dazu vorhanden ist. Die Entwicklung von Pro-und-Kontra-Listen kann die Abstinenzmotivation der Patienten erhöhen, wenn sie feststellen, dass ihre Pro-Argumente von Kontra-Argumenten überlagert werden. Dies erfolgt aufgrund der Annahme, dass die Kontra-Argumente durch deren langfristig positive Bedeutung für die Gesundheit den kurzfristigen Argumentationen der Pro-Seite überlegen sind. Zudem wird erwartet, dass Kontra-Argumente durch das Erleben von Konsonanz zwischen aktuellem Verhalten (Gruppenteilnahme) und Kognition (Ziel weitgehender Substanzfreiheit) bevorzugt angenommen und verinnerlicht werden. Somit hat diese Intervention neben ihrem eigentlichen Sinn (als Anti-Craving Skill zu fungieren) zusätzlich einen motivationalen und dadurch präventiv wirksamen Nutzen. z Falls im Rahmen des Trainings lediglich Kontra-Argumente formuliert würden, bestünde die Gefahr der Reaktanz bei den Patienten, die sich in einem wesentlichen Aspekt ihres Erlebens (positive Effekte von Drogen) übergangen fühlen könnten. Ablauf der Übung „TV-Show-Experten unter sich“ zur Entwicklung und Verinnerlichung von Kontra-Argumenten hinsichtlich des Substanzkonsums: Jeder Patient entwickelt in Stillarbeit schriftlich jeweils 3–5 Pro- und Kontra-Argumente. 1. Aufteilung der Patienten in 2 Gruppen. In jeder Gruppe übernimmt ein Patient die Rolle des Vertreters von Pro-Argumenten und ein Patient übernimmt die Rolle des Vertreters von Kontra-Argumenten. Der Therapeut fungiert in der einen Gruppe, der Kotherapeut in der anderen Gruppe als TV-Moderator. 2. Jede Gruppe sucht sich einen ungestörten Platz, an dem der TV-Moderator die beiden Protagonisten (Vertreter der Pro- und der Kontra-Argumente) „auf die Bühne“ bittet. Etwa 5 Minuten lang sollen die Patienten die Thematik „Vor- und Nachteile von Drogenkonsum bei Menschen mit psychotischer Vulnerabilität“ diskutieren. Aufgabe des Moderators ist es zu intervenieren, wenn das Gespräch dysfunktional entgleist (Streit etc.). 3. Nach der Übung erfragen die Therapeuten in ihrer jeweiligen Gruppe die Einschätzung der Patienten hinsichtlich der Überzeugungskraft ihrer Argumente und wie sie sich in der Rolle gefühlt haben. Anschließend geben sie ihrerseits den Patienten Feedback. 4. Insgesamt werden zwei bis drei Durchgänge gespielt.

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5. Zusammenkommen in der Gesamtgruppe: Es werden alle Argumente auf dem Flipchart gesammelt. Jeder Patient soll dabei die für ihn am plausibelsten erscheinenden Argumente mitschreiben, um als Hausaufgabe eine persönliche Kontra-Liste zu entwickeln, die derart dimensioniert ist, dass sie leicht bei sich getragen werden kann. 6. Hinsichtlich der äußeren Gestaltung der Kontra-Liste kann dazu angeregt werden, die Argumente auf einer spielkartengroßen Karte zu notieren bzw. am Computer zu tippen. Die Karte kann dann mit einer Folie eingeschweißt werden. Eine ansprechende äußere Form der KontraListe erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie zum Einsatz kommt. 2.2 Skill „Thema wechseln“ Im Rahmen von Rollenspielen üben die Patienten, ein Gespräch inhaltlich in ihrem Sinne zu lenken. Die Gruppe unterhält sich darüber, wie toll es jetzt wäre, Drogen zu konsumieren. Patient x hat die Aufgabe, einen Themenwechsel einzuleiten und die Gruppe zwei Minuten bei diesem Thema zu halten. Anschließend werden Patient x und die Gruppe um Rückmeldung hinsichtlich positiver und zu verbessernder Aspekte gebeten. 2.3 Skill „Selbstverbalisation“ So genannte Selbstverbalisationstechniken wie beispielsweise das Stressimpfungsprogramm nach Meichenbaum (1991) dienen der Verhaltenssteuerung und dem Erleben positiverer Emotionen durch das Einüben funktionaler Kognitionen. Der Therapeut erläutert: „Bei der Selbstverbalisation geht es darum, sich in schwierigen Situationen Mut zu machen, sich zu beruhigen oder sich darin zu bestärken, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen (z. B. keine Drogen zu konsumieren). Dies geschieht, indem man je nach Situation laut oder leise mit sich spricht, z. B. „Ich zähle jetzt bis drei, danach springe ich vom 10-m-Brett. Ich weiß, dass ich das kann“. Kennt jemand von Ihnen so etwas? Machen Sie sich auch manchmal selbst Mut, indem Sie bestimmte Dinge zu sich sagen?“ Nachdem die Patienten Situationen benannt haben, in denen sie sich selbst schon einmal verbal unterstützt haben, wird das genaue Vorgehen bei dieser Methode anhand eines Beispiels erläutert. Das Beispiel befindet sich auch auf AB 24, damit es die Patienten bei der anschließenden Arbeit an einer eigenen kritischen Situation zur Orientierung neben sich legen können. Wenn sich kein Patient dazu bereit erklärt, liest der Therapeut die Beispielsituation vor: „Sie hatten eine sehr anstrengende Woche und kommen völlig gestresst nach Hause. Auf der Arbeit hatten Sie gerade noch einen Streit mit Ihrem Chef und Ihre Freundin hat sich zu einem „Krisengespräch“ für heute Abend angekündigt. Sie merken, dass Sie dringend Ruhe benötigen, als

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das Telefon klingelt. Ihre Mutter kündigt ihren morgigen Besuch bei Ihnen an und Sie trauen sich nicht, ihr abzusagen. Nach dem Telefonat wird Ihnen klar, dass Sie Ihre Mutter zurückrufen und ihren Besuch absagen müssen. Bei dem Gedanken an das bevorstehende Gespräch fühlen Sie sich sehr unwohl, weil Sie befürchten, dass Ihre Mutter Ihnen Vorwürfe machen wird und Ihnen dann die richtigen Worte fehlten.“ Aufgabe ist es nun, geeignete Kognitionen zu entwickeln zu folgenden drei Punkten: 1. Vorbereitung auf die Situation mit der Frage „was ist zu tun?“: Ich sage z. B. zu mir: „Ich gehe zum Telefon und wähle die Nummer. Dann schildere ich kurz meine Situation, verabschiede mich und lege auf “ 2. Während der Situation (beim Aufstehen, Wählen, Hören des Freizeichens): Ich sage z. B. zu mir: „Ich schaffe das, ich brauche mir keine Sorgen machen, nur die Ruhe bewahren“ 3. Selbstbestärkung nach der Situation: Ich sage z. B. zu mir: „Das war gut, ich hab’ es geschafft. Na also, ich kann es doch“ Je nach Gruppenniveau kann der Therapeut die kursiv gedruckten Kognitionen vorlesen, oder die Patienten bitten, sich zu überlegen, wie geeignete Selbstverbalisierungen formuliert werden könnten. Wichtig ist insbesondere der Aspekt, sich selbst nach erfolgreichem Einsatz einer Fertigkeit zu loben! Anschließend soll jeder Patient nach gelerntem Schema einen Selbstverbalisationsprozess für eine bestimmte kritische Situation formulieren (AB 25). Dazu dient folgendes Vorgehen: 1. Die Patienten bilden Gruppen mit jeweils zwei Personen. 2. Jede Gruppe entwickelt in Teamarbeit zwei positive Selbstverbalisationen für je eine kritische Situation (Stress oder Craving) mit Hilfe des AB 25. 3. Jeder Patient übt das praktische Vorgehen unter der Beobachtung des anderen Patienten ein. 4. Die Erfahrungen werden in der Gesamtgruppe besprochen. 3. Hausaufgaben und Gruppenabschluss (5 Minuten) Die Integration gesunder Tätigkeiten in den Alltag wird fortgesetzt. Ein konkreter Tag sowie Zeitpunkt wird für den nächsten kleinen Handlungsschritt ausgewählt und in den Wochenplan eingetragen. Falls Cravingoder Stress-Situationen auftreten, sollen die Patienten versuchen, diesen Zustand mit den bisher kennengelernten Skills herunterzuregulieren und dies inklusive des Ergebnisses im Wochenplan vermerken. Bei Erfolg soll

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der Skill in den Anti-Craving-/-Stress-Plan eingetragen werden. Wichtige Argumente für die Kontra-Liste sollen ausgewählt werden. Aufforderung, die Kontra-Listen optisch ansprechend zu gestalten.

7.5.4 Modul 4: Training sozialer Kompetenzen 13. und 14. Stunde: Training sozialer Kompetenzen z Thema: Allgemeine soziale Kompetenz z Material: Flipchart; Arbeitsblatt KomPASs 26 1. Einführung (15 Minuten) z Jeder Teilnehmer benennt ca. 1–3 Minuten: – die aktuelle Stimmungslage – Entwicklung des Anti-Craving-/-Stress-Plans – Entwicklungen hinsichtlich positiver Tätigkeiten – ab Stunde 14 werden zusätzlich Erlebnisse hinsichtlich der Thematik „soziale Kompetenz“ reflektiert (je nach Gruppengröße und Mitteilungsbereitschaft der Patienten sind 15 Min. für die Einführung nicht mehr ausreichend) z Fragen zur letzten Stunde können geklärt werden z Vorstellung des Themas der aktuellen Stunde und Hinweis auf das hierfür benötigte Arbeitsblatt. Das Erlernen allgemeiner sozialer Kompetenzen, wie z. B. fremde Menschen anzusprechen und kennenzulernen oder ein Gespräch aufrechtzuerhalten, ist für DD-Patienten sehr wichtig. Dadurch erhöht sich bspw. die Chance, dass sie neue und drogenabstinente Freundschaften entwickeln. Die Therapeuten können die Stunde 13 wie folgt einleiten: „Oft sind es soziale Situationen, z. B. Abende, die Sie mit Ihren Freunden verbringen, in denen es schwierig ist, Konsumangebote abzulehnen. In diesem Themenblock werden wir uns z. B. damit beschäftigen, wie Sie auf angemessene Weise Ihren Freunden mitteilen können, dass Sie aus gesundheitlichen Gründen abstinent leben möchten. Zunächst werden wir uns jedoch mit allgemeinen sozialen Fertigkeiten auseinandersetzen, die hilfreich sind, um bspw. neue Menschen kennen zu lernen oder ähnliches“. 2. Bearbeitung des aktuellen Themas (2 ´ 50 Minuten) Die Technik der Methode Rollenspiel wurde im Rahmen der vorangegangenen Stunden bereits vermittelt (siehe zum Verhalten von Trainern und

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Patienten Abschnitt 7.6.2; zum praktischen Ablauf eines Rollenspiels Stunden 3 und 4). Abschnitt 7.4.4 stellt verschiedene Möglichkeiten vor, wie Rollenspiele gestaltet werden können. In diesem Modul dient die Durchführung der Rollenspiele weniger der Aktivierung von Emotionen, wie es zuvor der Fall war. Fokus ist der Aufbau selbstsicheren Verhaltens der Teilnehmer. Die Tabelle auf AB 26 fasst in Anlehnung an Hingsch und Pfingsten (1998) diesbezüglich wichtige Kriterien zusammen. Zu Beginn der Rollenspiele sollte dieses Arbeitsblatt kurz erläutert werden. Es kann sinnvoll sein, jeweils vor einem Rollenspiel festzulegen, welcher Beobachter welche Kriterien beobachtet. Z. B. kann sich ein Patient der Gestik und Mimik der Protagonisten widmen, ein anderer Patient achtet auf die Stimmlage etc. Es ist die Aufgabe der Trainer zu entscheiden, welche Rollenspielart für die jeweilige Gruppe als geeignet erscheint. In manchen Gruppen kann viel vorgegebene Struktur vorteilhaft sein, wie es bspw. gegeben ist, wenn ein Trainer die Patienten „doppelt“, oder wenn Texte als Skripte vorgegeben werden. Andere Gruppen profitieren mehr davon, wenn die Patienten in ihren Rollen frei agieren können. Von daher wird im Folgenden für die Stunden 13–17 lediglich vorgestellt, welche Themen wichtig sein können. Die Art und Weise der Vermittlung wird in die flexiblen Hände der Trainer gelegt. Generell gilt: Wenn Patienten eigene Vorschläge für Rollenspielsituationen haben (z. B. aufgrund der Hausaufgabe dieser Stunden (s. u.)), hat dies Vorrang vor Vorschlägen der Therapeuten! Beispiele für Fragen der Trainer zur Ermunterung der Patienten bezüglich eigener Ideen: „Gab es in letzter Zeit Situationen mit anderen Menschen, in denen Sie im Nachhinein gedacht haben: Hätte ich mich doch bloß anders verhalten?“ „Haben Sie in letzter Zeit eine Situation mit anderen Menschen erlebt, in der Sie nicht genau gewusst haben, wie Sie sich verhalten sollen?“ „Erinnern Sie sich an eine Situation mit anderen Menschen, in der Sie aufgrund Ihres Verhaltens Ihr eigentliches Ziel nicht erreicht haben? Z. B. einen Kontakt knüpfen, einen Wunsch äußern, o. ä.?“ „Steht Ihnen in naher Zukunft eine Situation bevor, bei der Sie unsicher sind, wie Sie sich verhalten sollen“? Als relevante Themen bezüglich allgemeiner sozialer Kompetenzen bieten sich an: z Kontakte knüpfen z eigene Bedürfnisse/Wünsche mitteilen z Umgang mit Kritik

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Beispielsituationen hierfür sind: z Herr x steht an einer Bushaltestelle und sieht die Frau, die ihm schon des Öfteren an dieser Haltestelle aufgefallen ist. Sie scheint ihn ebenfalls wiederzuerkennen, denn als er zu ihr hinsieht, begegnen sich ihre Blicke und sie lächelt. Im Rollenspiel wird Herr x die Frau ansprechen und 2–3 Minuten mit ihr im Gespräch bleiben. z Sie sind mit Bekannten auf einer Veranstaltung und merken, dass Sie die Situation sehr anstrengt. Sie möchten gerne nach Hause fahren, allerdings befinden Sie sich recht weit außerhalb der Stadt und sind mit nur einem Auto hergefahren. Teilen Sie im Rollenspiel Ihren Bekannten mit, wie Sie sich fühlen und bitten Sie sie, bald nach Hause zu fahren oder Sie zumindest an die nächste Bahnhaltestelle zu fahren. z Sie sagen eine Verabredung mit einem Freund ab, weil Sie müde sind und früh schlafen gehen möchten. Dies ist in den letzten Wochen schon zweimal vorgekommen und Ihr Freund reagiert nun sehr verärgert auf die Absage. Er wirft Ihnen vor, Sie seien unzuverlässig und auf diese Weise könne er sich keine gute Freundschaft vorstellen. Im Rollenspiel soll versucht werden, eine Klärung des Konflikts herbeizuführen. 3. Hausaufgaben und Gruppenabschluss (5 Minuten) Jeder Patient soll eine Situation auswählen, die für ihn hinsichtlich der Thematik sozialer Kompetenz bedeutsam ist, und ein Verhaltensziel für sich in dieser Situation benennen. Bis zur nächsten Stunde soll die definierte Situation aufgesucht und das Verhalten in der Situation dokumentiert werden. Weiterhin wird die Integration gesunder Tätigkeiten in den Alltag fortgesetzt. Ein konkreter Tag sowie Zeitpunkt wird für den nächsten kleinen Handlungsschritt ausgewählt und in den Wochenplan eingetragen. Falls Craving- oder Stress-Situationen auftreten, sollen die Patienten versuchen, diesen Zustand mit den bisher kennengelernten Skills herunterzuregulieren und dies inclusive des Ergebnisses im Wochenplan vermerken. Bei Erfolg soll der Skill in den Anti-Craving-/-Stress-Plan eingetragen werden.

15–18. Stunde: Training sozialer Kompetenzen z Thema: 2-in-1-Kommunikation; spezifische soziale Kompetenz z Material: Flipchart; Arbeitsblätter KomPASs 26–33 1. Einführung (15 Minuten) Das Vorgehen bei der Einführung in die Stunden 15–18 entspricht dem der Stunden 13 und 14. Die Stunde 15 kann wie folgt eingeleitet werden:

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

„Der Konsum von Drogen (Marihuana, Speed, Halluzinogene etc.) gehört bei manchen Personen in bestimmten Situationen schon fast zum normalen Verhalten. So können Sie immer wieder leicht in Situationen geraten, in denen Ihnen Bekannte oder Freunde Drogen anbieten. Dabei werden einige vielleicht nichts von Ihrer Erkrankung wissen. Die Einladung, Drogen zu nehmen, kann aus einem einmaligen Angebot bestehen oder aus hartnäckigem Drängen. Entsprechend wichtig ist es, sich bereits im Vorfeld hilfreiche Reaktionen für solche Situationen vorzustellen und einzuüben. Die Form einer passenden selbstsicheren Reaktion ist unterschiedlich: Manchmal reicht ein „Nein danke“ aus, in anderen Fällen sind zusätzliche Techniken nötig. In manchen Fällen ist es sinnvoll, über die Zusammenhänge mit der Erkrankung zu sprechen, in anderen Fällen ist diese Offenheit unnötig oder kann sogar schädlich sein. Heute und in den nächsten drei Stunden werden wir uns mit sozialen Situationen beschäftigen, die in Zusammenhang mit Ihrer Drogenproblematik stehen. Wie auch in den letzten Stunden wäre es gut, wenn Sie selbst Situationen benennen können, die Sie in diesem (geschützten) Rahmen durchspielen bzw. trainieren möchten“. 2. Bearbeitung des aktuellen Themas (4 ´ 50 Minuten) 2.1 Nein sagen zu Drogenangeboten von Fremden Beispielsituation für das Rollenspiel: „Sie sind auf einer Party und stehen neben einem Menschen, den Sie nicht kennen. Er wendet sich Ihnen zu und fragt, ob Sie Lust haben, mit ihm Speed (oder etwas anderes) zu nehmen.“ Verhaltensziele: z Bestimmt ablehnendes „Nein“ z Keine Erklärungen, keine Rechtfertigungen z Situation verlassen 2.2 Nein sagen zu Drogenangeboten von Freunden, dabei in positivem Kontakt bleiben Hintergrund der 2-in-1-Kommunikation für Therapeuten: Das Problem bei Drogenangeboten von Freunden ist, dass diese, sofern sie nicht über die Hintergründe der psychotischen Erkrankung und deren Interaktion mit Substanzkonsum informiert sind, teilweise wenig Verständnis dafür aufbringen, dass die Patienten in Bezug auf den Drogenkonsum neue Umgangsformen praktizieren möchten bzw. müssen. Um den Kontakt zu wichtigen Freunden nicht zu gefährden, ist es nötig, die unter Punkt 2.1 dieser Trainingseinheit benannten Verhaltensziele um den Aspekt des Erhaltens wichtiger sozialer Beziehungen zu erweitern. Im Folgenden wird

7.5 Durchführung des Trainings

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Kommunikation dementsprechend auf zwei Ebenen betrachtet: auf der Inhaltsebene (Ablehnen des Angebots) und auf der Beziehungsebene (Erhaltung des Kontakts). Um dies möglichst eingängig zu formulieren wurde der Begriff der 2-in-1-Kommunikation gewählt, was soviel bedeutet wie das Beachten von zwei Perspektiven in einer sozialen Situation. Vermittlung der 2-in-1-Kommunikation im Training: Damit die Patienten einige der nachfolgenden Informationen und Beispiele zu Hause nachschlagen können, befinden sich unter den Arbeitsblättern auch Seiten, die lediglich Informationen vermitteln (z. B. AB 27 und 28). Die (selbsterklärenden) AB 32 und 33 zum Thema 2-in-1-Kommunikation können optional bei Patienten eingesetzt werden, die gerne sehr strukturiert arbeiten. Diese Arbeitsblätter stellen eine Unterstützung bei der Vorbereitung auf kritische soziale Situationen im Alltag und zur anschließenden Bewertung des Verhaltens in diesen Situationen dar. Es folgen relevante Inhalte zum Thema 2-in-1-Kommunikation, die den Patienten vermittelt werden sollten: Im Gespräch sollte auf die beiden Ebenen geachtet werden: Etwas strikt ablehnen (Inhaltsebene), aber dennoch die Beziehung nicht gefährden (Beziehungsebene). z Inhaltsebene (worüber ich informiere) – Es werden reine Fakten vermittelt, sachliche Inhalte, Informationen etc. – Man könnte nun annehmen, dass das ja das Wesentliche an der zwischenmenschlichen Kommunikation sei – eben eine Sachinformation zu vermitteln. Dann wäre die Sache eher unproblematisch. Aber da wäre noch die Beziehungsebene . . . z Beziehungsebene (was ich von dir halte und wie wir zueinander stehen) – Aus der Nachricht geht ferner hervor, wie der Sender zum Empfänger steht, was er von ihm hält. Oft zeigt sich dies in der gewählten Formulierung, im Tonfall und anderen nichtsprachlichen Ausdrucksweisen. Für diese Seite der Nachricht hat der Empfänger ein besonders empfindliches Ohr, denn hier fühlt er sich als Person in bestimmter Weise behandelt (gut oder schlecht). Der Trainer stellt den Patienten folgende Situation vor: Auf einer Party sagen Sie zu Ihrem Freund: „Jetzt habe ich schon zum dritten Mal gesagt, dass ich nicht rauchen möchte.“ Die Patienten sollen gemeinsam überlegen, was hier auf den beiden Ebenen der Kommunikation vermittelt wird. Der Trainer notiert die Antworten auf dem Flipchart. Mögliche Interpretationen sind: z Sachinhalt: Der Freund erfährt inhaltlich, dass Sie nicht rauchen möchten.

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

z Beziehungsebene: Je nach Tonfall, Körperhaltung etc. könnte Ihr Freund in Ihren Worten verstehen, „Du nervst, lass mich endlich in Ruhe“. Das heißt, die Beziehung erschiene hier etwas angespannt. Frage an die Gruppe: „Was könnte er noch verstehen?“ Übung: „Gespräche unter Freunden“: Drogen konsumierende Bekannte wehren sich teilweise gegen Versuche einzelner, den Konsum aufzugeben. Dabei bedienen sie sich oft typischer Argumente, wie z. B.: „Allein macht es mir aber keinen Spaß, zu rauchen“ Im Folgenden sollen die Patienten Formulierungen kennen lernen, die knapp und konkret ablehnend hinsichtlich Konsumangeboten und Überredungsversuchen von Freunden sind, die aber dennoch keine „Beziehungskiller“ darstellen. Der Therapeut kann dies wie folgt einleiten: „Freunden sollte sicherlich erklärt werden, warum Sie versuchen, keine Drogen mehr zu nehmen, damit sie Ihr Verhalten verstehen können. GUTE Freunde sollten Sie dann eigentlich dabei unterstützen. Wenn Sie Ihre Freunde über Ihre Erkrankung informiert haben, brauchen Sie sich danach auf keine langen Diskussionen oder Rechtfertigungen mehr einzulassen“. Auf den Arbeitsblättern 29 und 30 sind potenzielle Argumente von Bekannten der Patienten inkl. Antwortvorschläge aufgeführt (Vorschläge für das oben genannte Argument sind beispielsweise die Antworten: „Dann lass es doch“ oder „mir macht es jetzt zu zweit keinen Spaß“). Aufgabe ist es, zu den dort genannten Argumenten mittels Brainstorming in der Gruppe adäquate Antworten zu formulieren. Wie immer ist es wünschenswert, dass die Patienten selbst Vorschläge für so genannte Argumente und Antworten liefern. Erst wenn dies nicht der Fall ist, geben die Therapeuten Hilfestellungen durch Vorschläge. Beispielsituationen für das Rollenspiel: z Sie sind mit Ihrer Clique bei einem Freund, um einen netten Abend zu verbringen. Plötzlich macht ein Joint die Runde und nun sind Sie an der Reihe. Als Sie zögern, hören Sie: „Hallo schläfst Du, Du bist dran“, „Soll der ganz allein abbrennen?“, „Andere warten auch schon . . .“ z Sie wurden vor kurzer Zeit aus der Klinik entlassen und besuchen einen Freund. Er sagt zu Ihnen: „Komm, wir setzen uns erst mal hin und rauchen Cannabis“. Als Sie „Ich will nicht“ sagen, guckt er Sie verständnislos an und fährt fort: „Komm schon, wir haben uns schließlich seit Wochen nicht mehr gesehen“. Hinsichtlich der Durchführung von Rollenspielen zur Konsumproblematik dient den Protagonisten neben AB 26 eine Auflistung spezifischer Verhal-

7.5 Durchführung des Trainings

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tenskriterien auf AB 31 als Orientierungshilfe. Bei der Rückmeldung an die Rollenspieler ist auf die Differenzierung beider oben genannter Ebenen der Kommunikation zu achten. 2.3 Verständnis für die psychotische Erkrankung bei Freunden vermitteln Die Kommunikation der psychotischen Erkrankung im Freundeskreis sollte thematisiert werden. Im günstigsten Fall wäre zu hoffen, dass Verständnis der Freunde bezüglich der gesundheitlichen Situation der Patienten zu vermehrter Unterstützung der Patienten hinsichtlich ihrer Abstinenzziele führt. Beispielsituation für das Rollenspiel: Nach einem längeren Klinikaufenthalt werden Sie von Ihren zwei besten Freunden besucht. Beide sind zwar einige Male bei Ihnen in der Klinik gewesen, das Thema „Psychose“ wurde jedoch bislang eher vermieden. Es ist Ihnen wichtig, den Freunden zu vermitteln, was geschehen ist, um in Zukunft Verständnis für gewisse veränderte (gesundheitsbewusste) Verhaltensweisen von Ihnen seitens Ihrer Freunde zu erfahren. 3. Hausaufgaben und Gruppenabschluss (5 Minuten) Siehe Stunden 13 und 14.

7.5.5 Modul 5: Umgang mit Krisen und Prävention 19. Stunde: Umgang mit Krisen und Prävention z Thema: Warnsignale für eine bevorstehende Krise z Material: Flipchart; Arbeitsblätter KomPASs 34 und 35 1. Einführung (15 Minuten) Das Vorgehen bei der Einführung in die Stunde 19 entspricht dem der Stunden 15 bis 18. In das Modul 5 kann wie folgt eingeleitet werden: „In den letzten drei Stunden werden wir uns mit Situationen befassen, die auf bevorstehende Krisen hinweisen, d. h. auf mögliche Rückfallsituationen hinsichtlich der Psychose und/oder des Drogenkonsums“. 2. Bearbeitung des aktuellen Themas (50 Minuten) Meine persönlichen Warnsignale: „Krisen entstehen selten gänzlich unerwartet und abrupt. Zumeist kündigen sie sich durch subtile Veränderungen im Erleben und Verhal-

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

ten von Menschen an. Wenn es gelingt, Warnsignale für bevorstehende Krisen zu identifizieren, können frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden, die hilfreich sind, um das Schlimmste zu verhindern. Jeder Mensch reagiert mit individuellen Warnsignalen auf nahende Krisen. Das bedeutet, dass jeder von Ihnen nach seinen persönlichen Warnsignalen suchen und seine persönlichen Schutzmaßnahmen entwickeln muss“. Folgende Fragen sollen den Patienten helfen, ihre persönlichen Warnsignale zu identifizieren: „Gab es vor bisherigen Konsum-Rückfällen und Psychoseausbrüchen als Folge einer Krisensituation Veränderungen in meinem Verhalten/Erleben?“ „Haben mich andere Menschen auf Veränderungen an mir angesprochen? Auf welche?“ Die Liste potenzieller Warnsignale (AB 34) soll die Angaben der Patienten ergänzen. Die Patienten kreuzen hierbei diejenigen Punkte an, die auf ihn zutreffen. Anschließend erstellt jeder Patient eine Liste seiner persönlichen Warnsignale (AB 35). Dabei wird zwischen frühen und späten Warnsignalen unterschieden. 3. Hausaufgaben und Gruppenabschluss (5 Minuten) Die Patienten sollen sich überlegen, welchen Personen sie in Bezug auf ihre Erkrankungen vertrauen.

20. Stunde: Umgang mit Krisen und Prävention z Thema: Vertrauenspersonen als Ansprechpartner bei Verdacht auf eine nahende Krise; Handlungsschritte zur Kompensation nahender Krisen z Material: Flipchart; Arbeitsblätter KomPASs 36–38 1. Einführung (15 Minuten) Das Vorgehen bei der Einführung in Stunde 20 entspricht dem der Stunde 19. 2. Bearbeitung des aktuellen Themas (50 Minuten) Vertrauenspersonen: Jeder Patient soll aus den Bereichen Familie, Freundeskreis und Arbeit je eine Vertrauensperson für sich benennen (falls vorhanden) und in AB 36 eintragen. Eine der Vertrauenspersonen soll vom Patienten bei Verdacht auf eine nahende Krise, d. h. beim Auftreten von Warnsignalen, angesprochen werden, damit sie gemeinsam mit dem

7.5 Durchführung des Trainings

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Patienten notwendige Handlungsschritte initiiert. Die Vertrauensperson sollte folgenden Kriterien entsprechen: Sie sollte mit dem Wissen über die Krankheit des Patienten vertrauensvoll umgehen und der Patient sollte ihr vertrauen und sie daher ernst nehmen, wenn sie ihn auf Veränderungen an ihm anspricht, die er möglicherweise selbst gar nicht wahrnimmt. Was ist zu tun, wenn eine Krise naht? (AB 37): Anschließend werden konkrete Handlungsschritte identifiziert, um eine nahende Krise zu verhindern. Die Handlungsschritte werden jeweils auf die frühen und die späten Warnsignale bezogen. Handlungsschritte können sein: z Mit einer Vertrauensperson sprechen und gemeinsam prüfen, ob die Warnsignale durch äußere Gegebenheiten (z. B. suboptimale Medikation, aktueller Konflikt etc.) erklärbar sind oder aus „heiterem Himmel“ kommen. z Identifizierte Belastungen reduzieren, z. B.: – Urlaub nehmen, evtl. Krankschreibung – Ruhezeiten erhöhen – Vorübergehend die sozialen Aktivitäten reduzieren – Konflikte entschärfen (u. U. mit Unterstützung) – Erholsame Aktivitäten einplanen – Regelmäßig Entspannungsübungen machen Krisenplan: Abschließend wird ein Krisenplan erstellt, indem die erarbeiteten Inhalte von Stunde 19 und 20 auf AB 38 eingetragen werden. 3. Hausaufgaben und Gruppenabschluss (5 Minuten) Keine Hausaufgaben!

21. Stunde: Umgang mit Krisen und Prävention z Thema: Prävention und Abschluss z Material: Flipchart 1. Einführung (15 Minuten) Das Vorgehen bei der Einführung in Stunde 21 entspricht dem bei Stunde 20. In diese letzte Stunde kann wie folgt eingeleitet werden: „Abschließend werden wir überlegen, welche alltäglichen Maßnahmen vorbeugend gegen Rückfälle wirken können“

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

2. Bearbeitung des aktuellen Themas (30 Minuten) Die Teilnehmer sollen lebenspraktische Maßnahmen benennen, die einen präventiven Schutz vor Rückfällen darstellen. Die Trainer ergänzen ggf. folgende Punkte: z Strukturierung des Alltags (Wochenpläne führen) z Regelmäßigen Tätigkeiten nachgehen z Ausgewogenes Verhältnis von Pflichten und angenehmen Tätigkeiten z Immer wieder Überprüfen des „Stressomats“ (im grünen Bereich?) 3. Gruppenabschluss (45 Minuten) Das Gruppentraining sollte beendet werden, indem zunächst offene inhaltliche Fragen der Patienten geklärt werden. Falls einzelne Teilnehmer an bestimmten Modulen bspw. aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen konnten, kann ihnen das Angebot gemacht werden, im nächsten KomPASs-Training die verpassten Stunden nachzuholen. Anschließend geben sich Trainer und Patienten Feedback hinsichtlich des Trainings. Die Trainer sollten hier keinesfalls sparsam mit Komplimenten umgehen! Beim Feedback ist zudem darauf zu achten, dass nicht einzelne Patienten gesondert erwähnt werden, sondern es sollte die Gruppe als eine Einheit betrachtet werden. Falls die Trainer einzelnen Patienten zum Abschluss etwas Bestimmtes mitteilen möchten, sollte dies unter vier Augen geschehen. Letztendlich darf nicht unterschätzt werden, dass das KomPASs-Training in den letzten Monaten ein fester Bestandteil im Leben der Patienten gewesen ist. Neben inhaltlichen Aspekten können die wöchentlichen Zusammenkünfte auch emotional bedeutend gewesen sein sowie formal betrachtet eine gewisse Struktur und Stabilität hergestellt haben. Gruppen, die eine starke Kohärenz erlebt haben, sollte von daher die Angst vor dem Ende genommen werden, indem vorgeschlagen wird, dass sich die Patienten auch weiterhin in gewissen zeitlichen Abständen als Selbsthilfegruppe treffen. Die Therapeuten können anbieten, diesen Treffen in bestimmten Abständen (z. B. alle zwei Monate) beizuwohnen.

7.6 Therapeuten- und Patientenverhalten 7.6.1 Gruppenregeln Da DD-Patienten störungsbedingt Schwierigkeiten damit haben, Regeln und Formalitäten einzuhalten, werden Gruppenregeln nur begrenzt in den Fällen expliziert, in denen sie der Angstreduktion sowie einer koope-

7.6 Therapeuten- und Patientenverhalten

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rativen und offenen Arbeitsatmosphäre dienen. Explizit werden folgende Regeln zu Beginn der Therapie formuliert: z Gesprochenes verbleibt im Raum (Schweigepflicht gegenüber Dritten) z Jeder kann und muss sich nur so weit einbringen, wie er es für richtig hält z Bei großer Unruhe und Überlastungsgefühlen darf der Raum verlassen werden, ohne dass dies näher begründet werden muss. In diesem Fall ist es ratsam, dass der Kotherapeut den betreffenden Patienten begleitet, um dessen Befindlichkeit zu überprüfen Von explizierten Konsequenzen bei Fehlverhalten wie „zu spät kommen“, „Unterlagen vergessen“, „keine Hausaufgaben machen“ wird abgesehen. Es ist zu erwarten, dass die Teilnehmer teilweise zu spät und ohne Unterlagen zur Therapie kommen. In vielen Fällen werden die Teilnehmer im Moment des Zuspätkommens beschämt sein, sie sollten nicht zusätzlich sanktioniert werden. Vielmehr sollte eine Atmosphäre herrschen, in der sich die Patienten trauen, den Raum auch verspätet zu betreten. Sie sollten mit wertschätzenden Worten (z. B. „Hallo Herr X, schön dass Sie es noch geschafft haben, zu kommen. Wir wollen gerade mit dem Thema y beginnen“) aufgenommen werden. Selbstverständlich darf keine Atmosphäre der Beliebigkeit entstehen, in der jeder kommt und geht, wann er will. Daher sollte mit den entsprechenden Patienten in einem Vier-AugenGespräch über die Hintergründe von „Fehlverhalten“ gesprochen werden und Verständnis für Strukturprobleme von Patienten aufgebracht werden, solange eine grundlegende Motivation zu formal adäquatem Verhalten erkennbar ist.

7.6.2 Aufgaben der Therapeuten und Patienten sowie Verhalten während des Rollenspiels Aufgaben des Therapeuten: z Eröffnung und Beendigung der Gruppe z Führung der Moderation z Zuteilung von Aufgaben an den Kotherapeuten sowie an Patienten (z. B. Verteilung von Arbeitsblättern, Vorlesen von Beispielen, Schreiben am Flipchart) Aufgaben des Kotherapeuten: z Beobachtung der aktuellen Befindlichkeit der Teilnehmer z Hinweis an Gruppenleiter, wenn Störungen auftreten z Begleitung, wenn ein Teilnehmer den Raum verlassen muss z Unterstützung des Leiters bei der inhaltlichen Arbeit z Ergänzungen, Korrekturen und Erklärungen

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

Vorgaben für Therapeuten bei Rollenspielen: z Beachtung der Basisvariablen Empathie, Wertschätzung, Echtheit z Strukturierung von Prozessen und Kommunikation z Eingreifen, falls Verhaltensregeln von Patienten nicht eingehalten werden z Beachten der Rollenspielzeit (max. 3 Minuten, da sonst zu viel „Material“ zu analysieren ist) z Beobachtung verbaler und nonverbaler Interaktion der Rollenspieler z Falls der Therapeut eine Rollenspielrolle übernimmt: nicht zu perfekt spielen, die Diskrepanz zum Patientenverhalten kann sonst einschüchternd wirken z Verdecktes Modell-Lernen: Gezielte Fragen stellen, beiläufig Vorschläge machen, aus denen die Patienten Aspekte übernehmen können. Dieses Vorgehen ist ggf. selbstwertschätzender als direktes Modell-Lernen (Formulierung „wie wäre es z. B., in Situation xy zunächst zu schweigen, anstatt . . .?“ anstelle von „ich zeige Ihnen das mal . . .“) z Wertschätzendes Feedback z Kritik auf Verhaltensebene und nicht an Personenvariablen (Verhalten ist leichter veränderbar als die Persönlichkeit und Kritik an der eigenen Person wirkt verletzend) z Kontinuierliche Vorschläge und Hilfestellungen (Prompting) z Hilfen zur Verhaltensdifferenzierung (Shaping), insbesondere wenn Patienten selbst unzufrieden mit sich sind (z. B.: „Probieren Sie es gleich noch mal, und zwar. . .“) Vorgaben für Patienten bei Rollenspielen: Folgende Vorgaben sollten den Patienten vor Beginn des ersten Rollenspiels vermittelt werden: z Neben verbalen Faktoren auf nonverbales Verhalten achten z Kooperatives Verhalten: nicht zu schwer spielen, der Protagonist im Rollenspiel sollte seine „Aufgabe“ lösen können z Generell wertschätzender Umgang miteinander z Niemanden bewusst in eine Außenseiterrolle oder eine peinliche Situation bringen z Regeln für Feedback (gilt auch für Therapeuten): – Zuerst positive, dann negative Rückmeldung – Zur negativen Rückmeldung: Vermeidung verletzender und harter Kritik („zu verbessern wäre noch . . .“, „xy hätte noch etwas deutlicher sein können“ anstatt „nicht gefallen hat mir“, „schlecht fand ich“). Kritik wenn möglich als Wunsch oder Anregung formulieren – Lobenswert sind auch generelle Bemühungen der Rollenspieler (nicht die perfekte Leistung) sowie die Bereitschaft, eine Rolle zu übernehmen – Verhaltensbezogene anstatt personenbezogene Kritik äußern

7.6 Therapeuten- und Patientenverhalten

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7.6.3 Günstiges vs. ungünstiges Therapeutenverhalten Nachfolgende Ausführungen fassen beispielhaft Verhaltensweisen von Therapeuten zusammen, die im Rahmen des KomPASs-Trainings als günstig bzw. ungünstig betrachtet werden (in Anlehnung an definierte Kriterien von Liebermann, Yalom und Miles 1973 sowie Fiedler 1996). Die Interaktion zwischen Therapeuten und Patienten sollte im Sinne eines kooperativen Arbeitsbündnisses eine frontal-dozierende Unterrichtsstruktur ersetzen. Der Aspekt der Kooperation schließt transparentes Vorgehen der Therapeuten ein und widerspricht direkter oder unterschwelliger Feindseligkeit gegenüber einzelnen Gruppenteilnehmern, einer kritisierenden Haltung sowie forderndem und sehr direktivem Verhalten. Insbesondere hinsichtlich „Konsum-Ausrutschern“ sollten die Therapeuten die Patienten dahingehend validieren, dass ein Ausrutscher nicht gleichbedeutend mit einem Rückfall ist (Bergsteiger-Metapher) und dass in einer solchen Situation lösungsorientiert „nach vorne gedacht“ werden muss. Weiterhin sollten den Patienten ihre eventuell dysfunktionalen Annahmen über die Interaktion zwischen Konsum und Psychose nicht ausgeredet werden, was bedeutet, dass die „richtigen Ansichten der Therapeuten“ von den Patienten nicht geteilt werden müssen. Vielmehr sollten im erkennenden Dialog (= geleitetes Entdecken) die kritischen Aspekte dysfunktionaler Ansichten und Verhaltensweisen aufgedeckt werden. Hierbei kann der dezente Einsatz von Humor als therapeutisches Element ebenso hilfreich sein wie die therapeutische Haltung, möglichst nicht „zu perfekt“ aufzutreten. Ab und zu kann es sinnvoll sein, Verständnis für die Schwierigkeiten bei der Reduktion von Suchtverhalten zu zeigen, indem beispielhaft (und sparsam eingesetzt) eigene diesbezügliche Schwierigkeiten benannt werden (z. B. in Bezug auf Essen oder Fernsehen, also vergleichsweise „harmlose Alltagssüchte“). Hier darf jedoch keinesfalls eine Atmosphäre entstehen, in der sich die Patienten dahingehend bestärkt fühlen, weiterhin Drogen zu konsumieren, da die Therapeuten „schließlich auch ihre Probleme haben“. Diese Intervention darf also lediglich in Hinblick auf eine Lösungsorientierung eingesetzt werden. Jeder Versuch einer Verhaltensänderung (auch bei Misserfolg) sollte wertschätzend bedacht werden. Außenseiter in der Gruppe sollten möglichst integriert werden, Aggressionen der Patienten untereinander sollten vom Therapeuten unterbunden werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass Interaktionsprobleme einzelner Patienten ohne vorherige Absprache mit den Betroffenen nicht vor der gesamten Gruppe vertieft werden sollten.

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

7.6.4 Umgang mit beispielhaften kritischen Situationen z Cravinginduktion durch das Training. Vereinzelt berichten Patienten, nach Teilnahme an einer Gruppensitzung erhöhten Suchtdruck als Folge der thematischen Fokussierung zu verspüren. Der Umgang mit therapieinduzierten Craving-Situationen sollte mit den Teilnehmern zu Beginn der Gruppentherapie (Stunde 1) und im Rahmen eines multimodalen Behandlungskonzepts mit dem weiteren Behandlungsteam (Ärzte, Psychologen, Ergotherapeuten, Pflegepersonal etc.) besprochen und nicht negativ bewertet werden. Vielmehr stellen Craving-Situationen eine Trainingsmöglichkeit für erlernte Skills dar, und dahingehend sollten die Patienten ermutigt werden. z Inhomogene Voraussetzungen der Patienten. Wenn Patienten mit unterschiedlichen Voraussetzungen hinsichtlich Einsicht, Vorerfahrung, aktuellem gesundheitlichem Zustand, Chronifizierungsgrad etc. in die Gruppe integriert werden, sind leistungsstärkere Patienten schnell genervt oder gelangweilt, die beeinträchtigteren Patienten fühlen sich schnell unverstanden oder verstehen ihrerseits die Inhalte der Therapie nicht ausreichend. Falls eine solch inhomogene Gruppenzusammensetzung aufgrund äußerer Umstände (zu wenig DD-Patienten, zu wenig Personal für das Angebot von zwei Gruppen) nicht umgangen werden kann, sollte die Therapie in einer Räumlichkeit stattfinden, die eine Splittung der Gruppe ermöglicht, damit ein Kotrainer mit den leistungsstärkeren Patienten zeitweilig intensivere Einheiten einlegen kann. Die Möglichkeit des „freien Themas“ am Ende der jeweiligen Stunden kann zudem genutzt werden, um Fragen der leistungsstärkeren Patienten gesondert zu behandeln. z Überlastung eines Teilnehmers. Falls ein Teilnehmer im Rahmen der Therapie kognitive Überlastung oder extremen Suchtdruck erlebt, kann es sinnvoll sein, dass ein Kotrainer gemeinsam mit dem Patienten den Raum verlässt. Zu verhindern ist es, den Patienten in dieser Situation allein gehen zu lassen oder darauf zu drängen, dass der Patient versucht, die verbleibende Therapiezeit anwesend zu bleiben. z Mangelnde Einsicht eines Teilnehmers. Ein Patient äußert, er kenne „das schon alles“ und fragt, ob er die Gruppe nun verlassen darf. Hier erscheint es uns sinnvoll, den Patienten zu bitten, zumindest diese Stunde anwesend zu bleiben und bis zur nächsten Stunde gemeinsam mit ihm und dem behandelnden Arzt das weitere Vorgehen zu besprechen (prüfen, ob der Patient Recht hat; Motivation und Einsicht des Patienten klären etc.). z Überaktivität eines Teilnehmers. Ein Patient beteiligt sich inhaltlich sehr aktiv mit vielen eigenen Beispielen, Ideen etc. Wenn andere Teilnehmer Beiträge leisten, unterbricht er diese zumeist und verfällt wieder in Mo-

7.6 Therapeuten- und Patientenverhalten

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nologe. Die ersten Mitpatienten werden bereits unruhig und beginnen, die Augen zu verdrehen. In Hinblick auf die Gruppenatmosphäre sollte ein solcher Prozess frühzeitig und sensibel unterbunden werden. Dem Patienten kann Anerkennung vermittelt werden, indem man seine Beteiligung lobt und wertschätzt, ihn aber bittet, auch die anderen Teilnehmer zu Wort kommen zu lassen. Wenn sich das Verhalten danach nicht ändert, sollte der Therapeut den Patienten vorsichtig unterbrechen, falls er seinerseits Mitpatienten das Wort abschneidet. Bei langen Monologen kann der Therapeut eingreifen, indem er bspw. äußert: „Ich unterbreche Sie jetzt kurz, vielen Dank für Ihren Beitrag, ich würde nun aber auch gerne hören, was die anderen dazu zu sagen haben“. Zur Gruppe: „Wie ist Ihre Sichtweise zu dem Thema?“ z Massive formalgedankliche Beeinträchtigungen eines Patienten. Ein Patient beteiligt sich sehr aktiv am Geschehen. Er ist formalgedanklich jedoch zerfahren, sodass er inhaltlich nicht zu verstehen ist. Als er merkt, dass er sich nicht verständlich machen kann, verstummt er plötzlich und wirkt äußerst verunsichert und ängstlich. Der Therapeut sollte dies nicht übergehen. Der Patient kann derart angesprochen werden: „Ich habe den Eindruck, Sie sind gerade etwas durcheinander gekommen, so etwas kennen hier sicherlich die meisten, das braucht Sie also nicht zu beunruhigen“. Falls irgendein Inhalt des Patienten verstanden wurde, kann dies aufgegriffen werden: „Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollten Sie darauf hinaus, dass . . .“. Falls der Eindruck besteht, der Patient könne danach nur noch schwer den Inhalten folgen, kann es sinnvoll sein, wenn ihm angeboten wird, den Raum in Begleitung des Kotherapeuten zu verlassen. z Außenseiterrolle eines Teilnehmers. Ein Patient gerät durch die Äußerung, er werde sowieso weiterhin Drogen konsumieren, denn Drogen hätten nichts mit seiner Psychose zu tun, in eine Außenseiterrolle innerhalb der Gruppe. Es entsteht ihm gegenüber eine aggressive Stimmung. Damit kein Patient den Mut verliert, auch ungewöhnliche Inhalte zu äußern, sollte sich der Therapeut unbedingt mit Außenseitern in der Gruppe solidarisieren und sie, wenn möglich, wieder integrieren. Eine mögliche Therapeutenreaktion ist: „Es ist allzu verständlich, was Sie denken. Oft ist es tatsächlich sehr schwer, die Zusammenhänge zwischen Drogen und einer Psychose zu sehen, insbesondere wenn man jahrelang Drogen konsumiert hat, ohne dass etwas passiert ist. Wenn aber einmal eine Psychose ausgebrochen ist, das ist von wissenschaftlicher Seite her unumstritten, ist der weitere Drogenkonsum äußerst gefährlich“. Zur nächsten Stunde sollte geprüft werden, ob der Patient tatsächlich schon für die Gruppe geeignet ist. z Inhaltlich dysfunktionale Gruppendynamik. Patienten bestärken sich gegenseitig hinsichtlich toller Erlebnisse mit Drogen, was den Zielen des

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7 KomPASs: Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Skills-Training

Trainings in keinster Weise entspricht. Der Therapeut könnte folgendermaßen handeln: „Ich möchte hier bitte eingreifen! Wir sind uns alle einig, dass jeder von Ihnen in der Vergangenheit positive Erlebnisse mit Cannabis hatte. Gleichzeitig ist genau das ja das Problem . . . Obwohl es sich zum Teil sehr gut anfühlt, Cannabis zu rauchen, besteht gleichzeitig die Gefahr, dass dadurch bei Ihnen eine Psychose ausgelöst wird, was sich weniger gut anfühlt! Das bedeutet, eine kurzfristig positive Konsequenz kann langfristig sehr negative Folgen haben. Um das Gruppenziel zu erreichen, sollten wir versuchen, die langfristigen Folgen von Verhaltensweisen in den Mittelpunkt zu stellen“. z Niemand möchte eine Rolle im Rollenspiel übernehmen. Auf die Frage „wer möchte die Rolle x im Rollenspiel übernehmen?“ blicken alle Patienten (wie auch der Kotherapeut) auf ihre Hände, ansonsten tut sich nichts. Eine angespannte Atmosphäre entsteht im Raum. Hinsichtlich dieser viel bekannten Situation wird häufig vorgeschlagen, abzuwarten. Es werde sich schließlich jemand zur Verfügung stellen. Unserer Auffassung nach ist es in diesem Setting aber eher ratsam (um das Stresserleben der Patienten nicht unnötig zu steigern), dass die Therapeuten zunächst zwei Rollen übernehmen, im Spiel bewusst kleine Ungeschicklichkeiten zeigen, dies dann auch äußern und humorvoll darauf eingehen. Dies kann den Patienten helfen, ihre Angst vor dem Spielen zu überwinden.

Anhang

Anhang 1: Materialien für KomPAkt und KomPASs A1.1 Hilfreiche Metaphern Viele schizophren vulnerable Menschen haben Schwierigkeiten mit abstrakten Denkweisen. Dennoch sind Bilder und Metaphern für einige Patienten geeignet, um komplexe Inhalte anschaulich darzustellen, wie es bspw. in klassischen Psychosegruppen bei der Vermittlung des VulnerabilitätsStress-Bewältigungsmodells der Fall ist (Brücken-, Schiffs-, etc. -Metaphern). Es folgt eine Auflistung von Metaphern zur Veranschaulichung einiger Inhalte des KomPASs-Trainings. Die KomPASs-Therapeuten sind nach einer Einschätzung der kognitiven Abstraktionsfähigkeit ihrer Gruppenteilnehmer aufgefordert, selbst zu entscheiden, ob die vorgestellten Metaphern für ihr Patientenkollektiv geeignete Verständnishilfen darstellen. Regenspaziergang („Warum können meine Freunde kiffen und ich nicht?“) Menschliche Veranlagungen sind äußerst unterschiedlich. Wenn fünf Freunde gemeinsam durch eine Regennacht spazieren, kann es sein, dass vier Freunde unbeschadet bleiben. Der Fünfte bekommt aufgrund schwacher Abwehrkräfte eine schwere Lungenentzündung und muss ärztlich behandelt werden. Zukünftig sollte sich diese Person vor Regen und Kälte schützen (entspricht Stress vermeiden bei Psychosen), oder sich eine Regenjacke zulegen (entspricht regelmäßiger Medikamenteneinnahme bei Psychosen). Genauso verhält es sich mit Drogen. Vier Freunde bleiben u. U. durch Substanzkonsum relativ unbeschadet, der Fünfte entwickelt eine Psychose. Autobahn-Metapher (Verhaltensänderung durch Übung erlernen) Symbolisierung alter und automatisierter Verhaltensmuster durch das Bild einer Autobahn. Diese ist schnell und problemlos befahrbar und stellt somit den einfachsten Weg zum Ziel (z. B. Spannungsabbau) dar. In einigen (Craving-)Situationen taucht dementsprechend der Wegweiser „Autobahn“ (= Substanzkonsum) als einfachste Lösung auf. Bei problematischem Verhalten (wie z. B. Suchtverhalten) mündet die Autobahn jedoch in einer Sackgasse. Der Wunsch nach Verhaltensänderung impliziert nun, dass ein neuer Weg gesucht werden muss. Auf dieser Suche werden sich eventuell einige gewählte Wege als ineffektiv erweisen, andere jedoch als

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Anhang 1: Materialien für KomPAkt und KomPASs

zielführend. Ist ein zielführender Weg gefunden (z. B. gegen einen Boxsack schlagen zum Abreagieren), ist dieser noch nicht leicht befahrbar, da er viele Krümmungen enthält und vielleicht sogar wild bewachsen ist. Von daher wird sich nach wie vor zunächst die Autobahn als scheinbar beste Lösung anbieten. Je öfter der neue Weg aber befahren wird, desto leichter lässt er sich bewältigen, das Gestrüpp wird geglättet, die Krümmungen begradigt (dies kann zudem durch die Vorstellung neuronaler Bahnung veranschaulicht werden). Nach und nach verkümmert und verwildert die ungenutzte Autobahn, der neue Weg nimmt ihren Platz ein und wird fortan an Kreuzungen bevorzugt ausgeschildert. Wellen-Metapher (Intensitätsschwankungen des Craving wahrnehmen) Craving ist kein Zustand, der stetig intensiver wird, sondern der wie eine Welle Höhen und Tiefen hat. Die Teilnehmer sollen lernen, ihr Craving zu beobachten und in seinen Schwankungen zu erfahren. Lerninhalte sind, „wo auf der Welle befinde ich mich gerade; wie lange dauert es, bis das Wasser wieder abläuft; ich handle nicht auf dem Höhepunkt der Welle, sonst ergreift sie mich und ich gehe unter; ich lasse Zeit vergehen und treffe Handlungsentscheidungen immer in der Talsohle der Welle“. Bergsteiger-Metapher (ein Konsum-Ausrutscher bedeutet nicht, dass die zuvor geleistete Arbeit umsonst war oder „alles keinen Sinn hat“) Ein Bergsteiger unterteilt seinen Aufstieg in einzelne Etappen und setzt an verschiedenen Punkten Sicherungen. Wenn er abstürzt, fällt er nicht den ganzen Berg hinunter, sondern lediglich bis zur letzten Sicherung und ist schnell wieder auf dem Weg nach oben. Genauso verhält es sich mit Ausrutschern in Bezug auf Substanzkonsum. Ein Ausrutscher bedeutet nicht, dass alles zuvor Gelernte umsonst war und wieder ganz von vorne angefangen werden muss. Im Gegenteil kann daraus gelernt und die gefallene Wegstrecke im zweiten Versuch umso sicherer gegangen werden. Haus in Erdbebengebiet (Konsum einschränken, um Verlauf der Psychose positiv zu beeinflussen) Ein Haus in erdbebenbedrohter Gegend dient als Bild für den Lebenswandel von Menschen mit Veranlagung zur Psychose: „Wenn ich in unsicherem Gebiet lebe, muss ich dafür sorgen, dass mein Haus ein festes Fundament hat. Dann kann es Erdbeben (= Stress) unbeschadet überstehen. Durch Aufgabe des Substanzkonsums kann ich mein Fundament stärken und Stress- und Bebensituationen besser bewältigen, als wenn ich meine Gesundheit (Fundament des Hauses) durch den Konsum schwäche“. Konto-Metapher (Substanz-Konsum ist „Spaß auf Kredit“) Wer sein Konto überzieht bzw. Kredit aufnimmt, zahlt mit Zinsen zurück (negative Nachwirkungen des Drogenkonsums).

A1.2 Stundenprotokolle für Patienten und Stundenplaner für Therapeuten

A1.2 Stundenprotokolle für Patienten und Stundenplaner für Therapeuten KomPAkt-Stundenprotokoll für Patienten Teilnehmer: Gruppenleiter:

und

Stunde

Thema

Datum

1

Einführung

2

Dämpfende Substanzen (Alkohol und Beruhigungsmittel, ggf. auch Opiate)

3

Cannabis

4

Antriebssteigernde und bewusstseinsverändernde Substanzen (Amphetamine, Kokain, Ecstasy, Halluzinogene)

5

Feedback durch Teilnehmer – Diskussion einzelner Punkte nach Wunsch der Teilnehmer

Anwesenheit (Unterschrift Gruppenleiter)

z

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178

z

Anhang 1: Materialien für KomPAkt und KomPASs

KomPASs-Stundenprotokoll für Patienten Teilnehmer: Gruppenleiter: Stunde

und Thema

Datum

1

Psychoedukation

2

Psychoedukation

3

Konsum, Psychose und Ich

4

Konsum, Psychose und Ich

5

Konsum, Psychose und Ich

6

Konsum, Psychose und Ich

7

Konsum, Psychose und Ich

8

Konsum, Psychose und Ich

9

Anti-Craving/-Stress Skills

10

Anti-Craving/-Stress Skills

11

Anti-Craving/-Stress Skills

12

Anti-Craving/-Stress Skills

13

Soziale Kompetenz

14

Soziale Kompetenz

15

Soziale Kompetenz

16

Soziale Kompetenz

17

Soziale Kompetenz

18

Soziale Kompetenz

19

Umgang mit Krisen und Prävention

20

Umgang mit Krisen und Prävention

21

Umgang mit Krisen und Prävention

Anwesenheit (Unterschrift Gruppenleiter)

A1.2 Stundenprotokolle für Patienten und Stundenplaner für Therapeuten

Stundenplaner für Therapeuten KomPAkt */KomPASs * Sitzung Nr.: __________ __________ Datum: Ziele für die Stunde: 1. _________________________________________________________ 2. _________________________________________________________ 3. _________________________________________________________ 4. _________________________________________________________ 5. _________________________________________________________ Geplantes Vorgehen: 1. _________________________________________________________ 2. _________________________________________________________ 3. _________________________________________________________ 4. _________________________________________________________ 5. _________________________________________________________ Zielerreichung (vollständig, teilweise, gar nicht): 1. _________________________________________________________ 2. _________________________________________________________ 3. _________________________________________________________ 4. _________________________________________________________ 5. _________________________________________________________ Hausaufgaben für Patienten: 1. _________________________________________________________ 2. _________________________________________________________ 3. _________________________________________________________ Sonstiges/Bemerkungen: 1. _________________________________________________________ 2. _________________________________________________________ 3. _________________________________________________________

z

179

180

z

KomPAkt-Training z AB 1: 1. Sitzung, Einleitung

A1.3 Info- und Arbeitsblätter für Patienten Psychische Wirkungen von Suchtstoffen

dämpfend angstlösend entspannend abschirmend

Alkohol Beruhigungs- u. Schlafmittel (z. B. Valium, Tavor)

Opiate (z. B. Heroin)

Aktivität Antrieb

Glücksgefühle

Cannabis

Amphetamine (»Speed«)

Blütenpflanzen Fliegenpilze

Kokain stimulierend

Aktivität Antrieb Stimmung

Ecstasy (MDMA)

LSD Psilocybinpilze bewusstseinsverändernd (-erweiternd) halluzinogen

KomPAkt-Training

z AB 2: 2. Sitzung, dämpfende Mittel

z

Gefahren durch Alkohol Psychische Komplikationen z häufig: Gewöhnung, Abhängigkeit, Dosissteigerung, Wirkungsverlust z häufig: Bei Nichteinnahme Entzugssymptome: Unruhe, Zittern, Schwitzen z manchmal: Schwere Entzugssymptome: Bewusstseinstrübung, Wahnvorstellungen, Verwirrtheit (Delir)

Halluzinationen,

z manchmal: 1. akustische Halluzinationen (Stimmen) über Monate möglich (Halluzinose) 2. Wahnvorstellungen, dass Partner einen betrügt (Eifersuchtswahn) Körperliche Komplikationen Bei starkem Konsum schwere körperliche und bleibende Komplikationen möglich: z Gehirn: Krampfanfälle im Entzug, Gedächtnisstörungen (KorsakowSyndrom), Hirnschädigung mit Augenbewegungsstörungen und Gangstörung (Wernicke-Enzephalopathie), zunehmende Einschränkung von intellektuellen Leistungen durch Hirnschwund z Körper: Schwere Leberschädigung, Magengeschwüre, Blutungen, Schädigung der Nerven an Armen und Beinen mit Gefühls- und Gangstörungen (Polyneuropathie) u. a., Verwahrlosung, Todesfälle durch verschiedene Komplikationen

181

182

z

KomPAkt-Training z

AB 3: 2. Sitzung, dämpfende Mittel

Gefahren durch Beruhigungsmittel (Valium, Tavor u. ä.) Psychische Komplikationen z häufig: Gewöhnung, Abhängigkeit, Dosissteigerung, Wirkungsverlust z häufig: Bei Nichteinnahme Entzugssymptome: Unruhe, Zittern, Schlafstörungen, Ängstlichkeit z manchmal: Bei Nichteinnahme stärkere Entzugssymptome (ähnlich wie beim Alkoholentzug): Delir mit Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Verwirrtheit

KomPAkt-Training z AB 4: 2. Sitzung, dämpfende Mittel

z

Gefahren durch Opiate (Heroin, Morphin, Codein, Methadon) Psychische Komplikationen z fast immer: rasche Gewöhnung, rasche Dosissteigerung wegen Abschwächung der Wirkung bei gleicher Dosis („Toleranz“), starke Abhängigkeit z fast immer: Bei Nichteinnahme starke Entzugssymptome: – psychisch: starkes Unwohlsein, Verlangen nach der Droge (Craving), Unruhe, Schlafstörungen – körperlich: Übelkeit, Erbrechen, Gliederschmerzen, Bauchkrämpfe, Durchfälle, Tränenfluss, Schwitzen, Pupillenerweiterung, Gänsehaut, Pulsbeschleunigung, Blutdruckerhöhung Körperliche Komplikationen z Heroin, Morphin: ausgeprägte körperliche Abhängigkeit, sexuelle Funktionsstörungen, Organschäden durch verunreinigtes Heroin z Codein, Methadon: geringere bis fehlende Euphorisierung, daher wird Methadon als Substitutionsmittel eingesetzt, jedoch Abhängigkeitspotenzial: bei Nichteinnahme körperlicher Entzug z Bei Überdosis: Koma, Lähmung der Atmung, Tod z Indirekte Folgen: Fehl-/Mangelernährung, Kachexie, Verwahrlosung, Infektionen: Spritzenabszesse, Hepatitis, HIV-Infektion (AIDS), Todesfälle durch verschiedene Organkomplikationen

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184

z

KomPAkt-Training z AB 5: 3. Sitzung, Cannabis

Gefahren durch Cannabis Psychische Komplikationen z häufig: Psychotischer Rauschverlauf (neue psychotische Symptome) oder Zunahme der bereits bestehenden psychotischen Symptome (psychotische Symptome durch Joints angestoßen, können aber über Wochen und Monate andauern) Wichtig: Vulnerabilität! z häufig: Bei Vorgeschichte einer Psychose ? Triggern einer neuen psychotischen Episode durch das Rauchen von Cannabis z Schizophrene Patienten, die nebenbei auch Cannabis oder andere stärkere halluzinogene Drogen konsumieren: – müssen durchschnittlich häufiger ins Krankenhaus – müssen insgesamt mehr Medikamente nehmen – haben insgesamt einen schlechteren Verlauf z häufig: bei starkem, täglichem Haschischkonsum: Antriebsarmut, Einengung von Interessen, Einschränkungen von Aktivitäten und sozialen Kontakten (amotivationales Syndrom)

KomPAkt-Training z AB 6: 3. Sitzung, Cannabis

z

Drogenwirkungen und Vulnerabilität für Psychosen

Psychose

S

D

V

V

5

6

S

D

V

V

7

8

Schwelle

D

S

D

S

V

V

V

V

1

2

3

4

normaler psychischer Zustand

V = biologische Vulnerabilität S = Stressoren, verschiedene psychische Belastungen D = Drogen (Cannabis, Amphetamine, Kokain, Halluzinogene, Ecstasy)

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KomPAkt-Training z AB 7: 4. Sitzung, Stimulanzien, Ecstasy, Halluzinogene

Gefahren durch Amphetamine, Kokain, Ecstasy, Halluzinogene Psychische Komplikationen Bei Amphetaminen (Speed) und Kokain z häufig: Im Rausch Gereiztheit, Aggressivität, Enthemmung z häufig: Bei Gewöhnung und anschließender Nichteinnahme, d. h. im Entzug stärkere traurige Verstimmung, Rückzug und Energiearmut z häufig: Psychotische Rauschverläufe (Speedparanoia) Bei Amphetaminen (Speed) z häufig: Rasche Gewöhnung, Dosissteigerung z häufig: Drogeninduzierte Psychosen Bei Ecstasy z manchmal: Im Rausch Unruhe, Angstzustände z häufig: In den Tagen nach Konsum traurige Verstimmung, Mattigkeit, Kopfschmerzen, Ängstlichkeit, Unruhe z manchmal: Psychotische Rauschverläufe z manchmal: Drogeninduzierte Psychosen Bei Pilzen, LSD und anderen Halluzinogenen z häufig: Psychotische Rauschverläufe (Horrortrips) z häufig: Drogeninduzierte Psychosen z manchmal: Flashbacks Körperliche Komplikationen z Bei Speed und Ecstasy akut im Rausch Blutdrucksteigerung, Herzinfarkte, Hirn- und andere Blutungen möglich z Bei Ecstasy akut auch Überhitzung des Körpers mit Ausfall mehrerer Körperfunktionen und tödlichem Ausgang möglich z Bei Ecstasy Tage nach dem Konsum Leberentzündungen z Bei Ecstasy Vorsicht: Du weißt nie, was in den Pillen drin ist!

KomPAkt-Training z AB 8: 4. Sitzung, Stimulanzien, Ecstasy, Halluzinogene

z

Alternativen zum Konsum von Alkohol, Beruhigungsmitteln, Cannabis oder anderen Drogen Beruhigungsmittel nur für kürzere Zeit in Absprache mit dem Arzt! Was kann ich ansonsten tun, um nicht zu konsumieren? z gegen Angst, Unruhe, Anspannung, Schlafstörungen, Halluzinationen – Medikation zusammen mit dem behandelnden Arzt überprüfen, evtl. verändern – Entspannungsübungen – Warmes Bad – Spazierengehen – Joggen – Trimmrad – Kontakt mit Vertrauensperson – Gespräch suchen – Lebens- und Wohnsituation überprüfen __________________________________________________________ __________________________________________________________ __________________________________________________________ z Rückzug, Schwierigkeiten sich mitzuteilen, keine Freude an Aktivitäten, Langeweile, nicht wissen wie mit der Freizeit umgehen u. ä. – Lebens- und Wohnsituation überprüfen – Sozialtherapeutische Angebote in Anspruch nehmen – Tagesplanung und -struktur stärker beachten – Evtl. Medikation zusammen mit dem behandelnden Arzt überprüfen – Umstellung auf ein anderes Neuroleptikum oder zusätzliche Einstellung auf Antidepressivum erwägen __________________________________________________________ __________________________________________________________ __________________________________________________________

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188

z

KomPASs-Training z AB 1: Psychoedukation

Kriterien für Substanzmissbrauch nach DSM IV 1. Ein unangepasstes Muster von Substanzgebrauch führt in klinisch bedeutsamer Weise zu Beeinträchtigungen oder Leiden, wobei sich mindestens eines der unten genannten Kriterien innerhalb desselben 12Monats-Zeitraums manifestiert 2. Die Symptome haben niemals die Kriterien für Substanzabhängigkeit der jeweiligen Substanzklasse erfüllt Welche Kriterien waren bei Ihnen irgendwann während des letzten Jahres vorhanden? Ja 1. Wiederholter Substanzgebrauch, der zu einem Versagen bei der Erfüllung wichtiger Verpflichtungen bei der Arbeit, in der Schule oder zu Hause führt (z. B. wiederholtes Fernbleiben von der Arbeit und schlechte Arbeitsleistungen in Zusammenhang mit dem Substanzgebrauch, Schulschwänzen, Einstellen des Schulbesuchs oder Ausschluss von der Schule in Zusammenhang mit Substanzgebrauch, Vernachlässigung von Kindern und Haushalt). 2. Wiederholter Substanzgebrauch in Situationen, in denen es aufgrund des Konsums zu einer körperlichen Gefährdung kommen kann (z. B. Alkohol am Steuer oder das Bedienen von Maschinen unter Substanzeinfluss). 3. Wiederkehrende Probleme mit dem Gesetz in Zusammenhang mit dem Substanzgebrauch (Verhaftungen aufgrund ungebührlichen Betragens in Zusammenhang mit dem Substanzgebrauch). 4. Fortgesetzter Substanzgebrauch trotz ständiger oder wiederholter sozialer oder zwischenmenschlicher Probleme, die durch die Auswirkungen des Substanzgebrauchs verursacht oder verstärkt werden (z. B. Streit mit dem Ehegatten über die Folgen der Intoxikation, körperliche Auseinandersetzungen).

Nein

KomPASs-Training z AB 2: Psychoedukation

z

Kriterien für Substanzabhängigkeit nach DSM IV Ein unangepasstes Muster von Substanzgebrauch führt in klinisch bedeutsamer Weise zu Beeinträchtigungen oder Leiden, wobei sich mindestens drei der unten genannten Kriterien manifestieren, die zu irgendeiner Zeit in demselben 12-Monats-Zeitraums auftreten. Welche Kriterien waren bei Ihnen irgendwann während des letzten Jahres vorhanden? Ja 1. Toleranzentwicklung, definiert durch eines der folgenden Kriterien: a) Verlangen nach ausgeprägter Dosissteigerung, um einen Intoxikationszustand oder erwünschten Effekt herbeizuführen, b) deutlich verminderte Wirkung bei fortgesetzter Einnahme derselben Dosis. 2. Entzugssymptome, die sich durch eines der folgenden Kriterien äußern: a) charakteristisches Entzugssyndrom der jeweiligen Substanz, b) dieselbe (oder eine sehr ähnliche) Substanz wird eingenommen, um Entzugssymptome zu lindern oder zu vermeiden. 3. Die Substanz wird häufig in größeren Mengen oder länger als beabsichtigt eingenommen. 4. Anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche, den Substanzgebrauch zu verringern oder zu kontrollieren. 5. Viel Zeit für Aktivitäten, um die Substanz zu beschaffen (z. B. Besuch verschiedener Ärzte oder Fahrt langer Strecken), sie zu sich zu nehmen (z. B. Kettenrauchen) oder sich von ihren Wirkungen zu erholen. 6. Wichtige soziale, berufliche oder Freizeitaktivitäten werden aufgrund des Substanzmissbrauchs aufgegeben oder eingeschränkt. 7. Fortgesetzter Substanzmissbrauch trotz Kenntnis eines anhaltenden oder wiederkehrenden körperlichen oder psychischen Problems, das wahrscheinlich durch den Substanzmissbrauch verursacht oder verstärkt wurde (z. B. fortgesetzter Kokainmissbrauch trotz des Erkennens kokaininduzierter Depressionen oder trotz des Erkennens, dass sich ein Ulkus durch Alkoholkonsum verschlechtert).

Nein

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z

KomPASs-Training z AB 3: Psychoedukation

Der Begriff Sucht: Wovon reden wir eigentlich? Ein nie sauber definierter Begriff z 1965 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durch die klar definierten Begriffe „Abhängigkeit“ und „schädlichen Gebrauch“ ersetzt z 1968 wurde Alkoholabhängigkeit in Deutschland gesetzlich als Krankheit definiert (Reichsversicherungsordnung). Dies ermöglichte die Finanzierung von Alkoholtherapien durch die Krankenkassen Der Ursprung des Wortes Sucht Das Wort „Sucht“ (germanisch suhti-, althochdeutsch suht, suft, mittelhochdeutsch suht) ist nicht verwandt mit „suchen“, sondern mit „siechen“ (althochdeutsch siuchen, mittelhochdeutsch siuchan) in der Bedeutung von Krankheit. 1888 definierte Meyers Konversationslexikon den Begriff „Sucht“ als ein in der Medizin veraltetes Wort, welches früher ganz allgemein Krankheit bedeutete. Andere, vor allem veraltete Krankheitsbezeichnungen wie Fallsucht, Magersucht, Mondsucht, Schwindsucht, Wassersucht, aber auch das Wort Eifersucht, enthalten den Begriff „Sucht“ in dieser Bedeutung. Die Redewendung „Sucht nach etwas“ beruht jedoch auf der volkstümlichen Verbindung mit „suchen“: Sucht nach Liebe, Abwechslung, Zerstreuung u. dgl.

KomPASs-Training z AB 4: Psychoedukation

z

Abhängigkeiten z Körperliche Abhängigkeit: Entwicklung von – Toleranz und Dosissteigerung – Entzugssymptomen – Eigene Erfahrungen: __________________________________________________________ __________________________________________________________ __________________________________________________________ __________________________________________________________ __________________________________________________________ z Psychische Abhängigkeit: Entwicklung von – Kontrollverlust – gesteigertem Verlangen nach Substanz (Craving) – Eigene Erfahrungen: __________________________________________________________ __________________________________________________________ __________________________________________________________ __________________________________________________________ __________________________________________________________

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192

z

KomPASs-Training z AB 5: Kopiervorlage für den Wochenplan Zeit

Mo

Di

Mi

Do

Fr

Sa

8–10

10–12

12–14

14–16

16–18

18–20

20–22

22–24

Jeweils angeben: 1. Stärke des Craving: ++ (stark) + (leicht) 0 (nicht vorhanden)

2. Konsumiert: J (Ja) N (Nein)

So

KomPASs-Training z AB 6: Konsum, Psychose und Ich

z

Meine persönlichen kritischen Situationen Situation

Gefühl

Bedürfnis

Risiko f. Konsum

Stresserleben

1. Überlegen Sie, welches Gefühl für Sie typisch ist in der jeweiligen Situation und welches Bedürfnis Sie dann haben. Stellen Sie sich folgende Fragen: – „Warum möchte ich in dieser Situation Drogen nehmen?“ – „Was erhoffe ich mir in dieser Situation vom Drogenkonsum?“ – „Was sollen Drogen in dieser Situation verändern?“ 2. Schätzen Sie ein, wie hoch das Risiko ist, dass Sie in dieser Situation Drogen konsumieren und wie hoch Ihr Stresserleben in solchen Situationen typischerweise ist. Dabei bedeutet: 0 = kein Risiko/kein Stress

10 = maximales Risiko/maximaler Stress

193

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z

KomPASs-Training z AB 7: Konsum, Psychose und Ich

Positive Aktivitäten Um kritische Situationen besser vermeiden zu können ist es wichtig herauszufinden, was Sie anstelle des Konsums von Drogen tun könnten. Stellen Sie sich folgende Fragen: „Welche Tätigkeiten erfüllen ähnliche Bedürfnisse wie mein Drogenkonsum?“, „Was macht mir Spaß?“, „Was hat mir früher Spaß gemacht?“, „Was wollte ich schon immer mal machen, bin aber bisher noch nicht dazu gekommen?“, „Was könnte mir sonst noch Spaß machen, ich bin bisher nur noch nicht auf die Idee gekommen?“. Geben Sie auch an, wie gerne Sie die Aktivität ausüben würden und wie oft Sie dies aktuell tun (Skala: 0 = überhaupt nicht gerne bzw. nie/ 10 = sehr gerne bzw. sehr oft). Es folgen zunächst einige Beispiele von Aktivitäten, Sie haben aber auch die Möglichkeit, eigene Ideen in Arbeitsblatt 14 einzutragen. Aktivität * Klettern gehen * Zeitschriften lesen * Computer spielen * Musik hören/machen * Leute treffen und Kaffee trinken * In eine fremde Stadt reisen * Mit Freunden in einen Park gehen

Wie gerne tue ich das?

Wie oft tue ich das aktuell?

KomPASs-Training z AB 8: Konsum, Psychose und Ich

Positive Situationen/Handlungen (Fortsetzung 1) Aktivität * Videos ausleihen * Im Wald joggen * Ein Baumhaus suchen und daraufklettern * Ein Witze-Buch ausleihen und lesen * Eine Geschichte schreiben * Alte Platten hören * Fotos ins Album kleben * Krafttraining * Kampfsport * Auf Flohmärkte gehen * Wohnung umräumen * In die Sauna gehen

Wie gerne tue ich das?

Wie oft tue ich das aktuell?

z

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KomPASs-Training z AB 9: Konsum, Psychose und Ich

Positive Situationen/Handlungen (Fortsetzung 2) z Weitere Ideen Aktivität * * * * * * * * *

Wie gerne tue ich das?

Wie oft tue ich das aktuell?

KomPASs-Training z AB 10: Konsum, Psychose und Ich

Ungünstige Gedanken Kognitive Verzerrung Bagatellisieren

Hilflosigkeitsgedanken

Fokussieren negativer Aspekte

Absolutisieren nach Rückfällen

Übergeneralisierung/ Katastrophisierung

Ausblenden langfristiger Konsequenzen

Negative Bilanzierung

Typische Gedanken

z

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z

KomPASs-Training z AB 11: Konsum, Psychose und Ich

Argumente gegen ungünstige Gedanken z Wenn ich einen Drogen-Ausrutscher hatte, kann ich auch gleich richtig konsumieren Dagegen spricht: ____________________________________________________________ z Wenn ich einen Psychose-Rückfall hatte bedeutet das, dass ich nie richtig gesund werden kann Dagegen spricht: ____________________________________________________________ z Krisensituationen überfordern mich und dann helfen mir nur noch Drogen Dagegen spricht: ____________________________________________________________ z Wenn mir Drogen kurzfristig helfen, ist das Grund genug, zu konsumieren. Langfristig bekomme ich sowieso wieder eine Psychose, auch ohne Drogen Dagegen spricht: ____________________________________________________________ z Wenn ich Drogen nehme, fühle ich mich so gut, das kann ja nicht schlecht sein Dagegen spricht: ____________________________________________________________

KomPASs-Training z AB 12: Konsum, Psychose und Ich

z

Argumente gegen ungünstige Gedanken (Fortsetzung) z Sonstige ungünstige Gedanken, die ich von mir kenne: * Dagegen spricht: ____________________________________________________________ * Dagegen spricht: ____________________________________________________________ * Dagegen spricht: ____________________________________________________________ * Dagegen spricht: ____________________________________________________________ * Dagegen spricht: ____________________________________________________________

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KomPASs-Training z AB 13: Anti-Craving/-Stress Skills

Anti-Craving Skills: Craving allein daheim *

„Positive Aktivitäten-Liste“ durchsehen und etwas heraussuchen

*

Mich meiner „Contra-Argumente“ vergegenwärtigen (nach Erarbeitung der individuellen Pro-und-Contra-Liste in Stunde 11 des KomPASs-Trainings)

*

Craving als Welle wahrnehmen und Position eines Beobachters einnehmen (ich beobachte, wie die Welle kommt und wieder geht bzw. wie sie größer wird, bricht und wieder ausläuft)

*

Zeit gewinnen („. . . noch 10 Minuten warten . . .“, danach ist oft der Drang zum Konsum geringer)

*

Negative Erlebnisse mit der Droge in Erinnerung rufen

*

Mir vorstellen, dass ich später stolz auf mich sein werde, wenn ich dem Craving jetzt nicht nachgebe

*

Beiseiteschieben: Innerlich eine Mauer bauen zwischen mir und der Situation; die Situation innerlich eine Weile verlassen

*

Positive Erlebnisse mit Droge kritisch hinterfragen

*

Sport, z. B. gegen Boxsack schlagen

*

Stimulus-Kontrolle (welche Auslöser lassen sich entfernen bzw. vermeiden)

*

Selbstinstruktionen: „Ich zeige mir/den anderen, dass ich zu meinem Entschluss stehe“; „Morgen freue ich mich, wenn ich jetzt nein sage“

*

„Distanzierter Beobachter“ des Craving: 1. Craving einstufen (Skala von 0–10); 2. Zeit bis zur halben Intensitätsstufe und bis zum Nullpunkt stoppen

*

Wechselduschen

*

Jemanden anrufen

*

Computer spielen

*

Leute treffen, die nicht konsumieren

*

Vertrag mit mir selbst

* * * * * * *

KomPASs-Training z AB 14: Anti-Craving/-Stress Skills

Anti-Craving Skills: Craving in Gesellschaft *

Die kritische Situation verlassen (nach Hause gehen oder 10 Minuten spazieren)

*

Mit Leuten solidarisieren, die nicht konsumieren und sich gegenseitig unterstützen/ bestärken

*

Eine Runde um den Block laufen und sich seiner Konsumziele bewusst werden

*

Mit anderen über das akute Craving sprechen

*

Thema wechseln

*

Einen Freund darum bitten, dass dieser energisch versucht, mich vom Konsumieren abzuhalten

*

Freunde darum bitten, möglichst wenig Drogenreize vor meinen Augen zu präsentieren (Drogen auf den Tisch legen; vor meinen Augen konsumieren; viel darüber reden)

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * *

z

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202

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KomPASs-Training z AB 15: Anti-Craving/-Stress Skills

Anti-Stress Skills, wenn ich alleine bin Folgende Anti-Craving Skills reduzieren neben dem Suchtdruck auch mein Stresserleben: * Bsp.: Eine Runde um den Block laufen * * * * * * * * * * Weitere Skills gegen Stress: * * * * * * * * * * *

KomPASs-Training z AB 16: Anti-Craving/-Stress Skills

Anti-Stress Skills, wenn ich in Gesellschaft bin Folgende Anti-Craving Skills reduzieren neben Suchtdruck auch mein Stresserleben: * * * * * * * * * * * Weitere Skills gegen Stress: * Die kritische Situation verlassen * Eine Runde um den Block laufen * * * * * * * * *

Thema wechseln

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z

KomPASs-Training z AB 17: Anti-Craving/-Stress Skills

Skills-Bewertungsbogen 1. Situation: * Alleine ______________________________________________________ ______________________________________________________ * Soziale Situation ______________________________________________________ ______________________________________________________

2. Stärke des Craving:

++ ( stark)

+ (leicht)

0 (nicht vorhanden)

3. Stresspegel:

++ ( stark)

+ (leicht)

0 (nicht vorhanden)

4. Angewendeter Skill: ______________________________________________________ ______________________________________________________ 5. Ergebnis: Nein *

z Stressgefühl reduziert:

Ja * Ja *

z Konsumiert:

Ja *

Nein *

z Craving reduziert:

6. Bewertung des Skills: Effektiv * Uneffektiv *

Nein * Unsicher (noch einmal testen) *

KomPASs-Training z AB 18: Anti-Craving/-Stress Skills

Skills, allein daheim Leichtes Craving: ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ Starkes Craving: ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________

z

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KomPASs-Training z AB 19: Anti-Craving/-Stress Skills

Skills, wenn ich in Gesellschaft bin Leichtes Craving: ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ Starkes Craving: ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________

KomPASs-Training z AB 20: Anti-Craving/-Stress Skills

Skills, wenn ich gestresst und alleine zu Hause bin Leichter Stress: ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ Starker Stress: ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________

z

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KomPASs-Training z AB 21: Anti-Craving/-Stress Skills

Skills, wenn ich gestresst und in Gesellschaft bin Leichter Stress: ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ Starker Stress: ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________________________________________

KomPASs-Training z AB 22: Anti-Craving/-Stress Skills

Anti-Craving-/-Stress-Plan Skills (allein daheim)

Skills (soziale Situation)

Leicht ausgeprägt: z Craving

z Stress

1:

1:

2:

2:

3:

3:

1:

1:

2:

2:

3:

3:

1:

1:

2:

2:

3:

3:

Stark ausgeprägt: z Craving

z Stress

1:

1:

2:

2:

3:

3:

z

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KomPASs-Training z AB 23: Anti-Craving/-Stress Skills

Was spricht dagegen (kontra) und was spricht dafür (pro), dass ich Drogen konsumiere? Kontra Drogenkonsum

Pro Drogenkonsum

Jedes Argument bitte hinsichtlich seiner Wichtigkeit/Bedeutung für Sie auf einer 10-stufigen Skala bewerten: Von 0 = unwichtig bis 10 = sehr wichtig

KomPASs-Training z AB 24: Anti-Craving/-Stress Skills

z

Selbstverbalisation in kritischen Situationen (Beispiel) Bei der Selbstverbalisation sollen Sie lernen, sich in Stress- oder in Cravingsituationen besser kontrollieren zu können, indem Sie sich selbst positive Anweisungen geben. Beispielsituation: Sie hatten eine sehr anstrengende Woche und kommen völlig gestresst nach Hause. Auf der Arbeit hatten Sie gerade noch einen Streit mit Ihrem Chef und Ihre Freundin hat sich zu einem „Krisengespräch“ für heute Abend angekündigt. Sie merken, dass Sie dringend Ruhe benötigen, als das Telefon klingelt. Ihre Mutter kündigt ihren morgigen Besuch bei Ihnen an und Sie trauen sich nicht, Ihr abzusagen. Nach dem Telefonat wird Ihnen klar, dass Sie Ihre Mutter zurückrufen und ihren Besuch absagen müssen. Bei dem Gedanken an das bevorstehende Gespräch fühlen Sie sich sehr unwohl, weil Sie befürchten, dass Ihre Mutter Ihnen Vorwürfe machen werde und Ihnen dann die richtigen Worte fehlten. Vorgehen bei der Selbstverbalisation: 1. Vorbereitung auf die Situation mit der Frage „Was ist zu tun?“: „Ich gehe zum Telefon und wähle die Nummer. Dann schildere ich kurz meine Situation, verabschiede mich und lege auf “ 2. Während der Situation (beim Aufstehen, Wählen, Hören des Freizeichens): „Ich schaffe das, ich brauche mir keine Sorgen machen, nur die Ruhe bewahren“ 3. Selbstbestärkung nach der Situation: „Das war gut, ich hab’ es geschafft. Na also, ich kann es doch“

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KomPASs-Training z AB 25: Anti-Craving/-Stress Skills

Selbstverbalisation in kritischen Situationen Beschreibung der Situation:

Vorgehen bei der Selbstverbalisation: 1. Vorbereitung auf die Situation mit der Frage „Was ist zu tun?“: a) _______________________________________________________ b) _______________________________________________________ c) _______________________________________________________ 2. Während der Situation: a) _______________________________________________________ b) _______________________________________________________ c) _______________________________________________________ 3. Selbstbestärkung nach der Situation: a) _______________________________________________________ b) _______________________________________________________ c) _______________________________________________________

KomPASs-Training z AB 26: Soziale Kompetenz

z

Selbstsicheres Verhalten: Beobachterkriterien für Rollenspiele (modifiziert nach Hinsch u. Pfingsten 1998) Verhalten

Selbstsicher

Schüchtern/Unsicher

z Inhalt

Klare Begründungen

Unnötige Begründungen Keine Begründungen

Benennen eigener Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse

Verleugnung eigener Wünsche und Bedürfnisse

Drohungen, Beleidigungen

Formulierung in „ich“-Form

Formulierung in „man“-Form

Rechte anderer werden ignoriert

z Stimme

Klar und deutlich zu verstehen

Leise und zaghaft, zitternd

Unangemessen laut, bis hin zum Brüllen und Schreien

z Gestik, Körperhaltung

Unterstreichend

Wenig oder verkrampfte Unkontrollierte, drohende, Gestik ausufernde Gestik

Lebendig Entspannte Körperhaltung Angemessene körperliche Nähe zum Gesprächspartner

z Mimik

Unkontrolliert/Aggressiv

Starre oder sehr häufig wechselnde Körperhaltung

Unangenehm wenig räumliche Distanz zum Gesprächspartner (beengend, Große räumliche Distanz bedrängend) zum Gesprächspartner

Entspannte Mimik

Unruhige Mimik

„Bebende“ Mimik

Blickkontakt

Kein Blickkontakt oder schnell ausweichende Blicke

Kein Blickkontakt oder „Anstarren“

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z

KomPASs-Training z AB 27: Soziale Kompetenz

2-in-1-Kommunikation – Theorie . . . die Sache mit der Beziehung . . . Ziel ist es, im Gespräch auf zwei Ebenen zu achten: Etwas strikt ablehnen (Sachinhalt), aber dennoch die Beziehung nicht gefährden (Beziehungsebene). 2 Ebenen der Kommunikation z Sachinhalt oder „worüber ich informiere“ – hier werden reine Fakten vermittelt, sachliche Inhalte, Informationen etc. – Man könnte nun annehmen, dass das ja das Wesentliche an der zwischenmenschlichen Kommunikation sei – eben eine Sachinformation zu vermitteln. Dann wäre die Sache eher unproblematisch. Aber da wäre noch die Beziehungsebene . . . z Beziehungsebene oder „was ich von Dir halte und wie wir zueinander stehen“ – Aus der Mitteilung geht ferner hervor, wie der Sprecher zum Gesprächspartner steht, was er von ihm hält. Oft zeigt sich dies in der gewählten Formulierung, im Tonfall und anderen nicht sprachlichen Begleitsignalen. Für diese Seite der Mitteilung hat der Gesprächspartner ein besonders empfindliches Ohr, denn hier fühlt er sich als Person in bestimmter Weise behandelt (gut oder schlecht).

KomPASs-Training z AB 28: Soziale Kompetenz

z

2-in-1-Kommunikation – Beispiele z Beispiel 1: Der Mann sagt zu seiner am Steuer sitzenden Frau: „Vorsicht, da vorne ist ein Zebrastreifen!“ Was steckt alles in dieser Mitteilung, was hat der Mann (bewusst oder unbewusst) hineingesteckt, und was kann der Empfänger ihr entnehmen? Sachinhalt: Zunächst enthält die Nachricht eine Sachinformation. Wir erfahren etwas über den Zustand der Straßenlage – es kommt ein Zebrastreifen. Beziehungsebene: Der Mann gibt durch seinen Hinweis vielleicht zu erkennen, dass er seiner Frau nicht recht zutraut, ohne seine Hilfe den Wagen optimal zu fahren. Möglicherweise wehrt sich die Frau gegen diese Bevormundung und antwortet schnippisch: „Fährst du oder fahre ich?“ Beachte: Ihre Ablehnung richtet sich in diesem Fall nicht gegen den Sachinhalt (dem wird sie zustimmen!), sondern ihre Ablehnung richtet sich gegen die empfangene Nachricht auf der Beziehungsebene. Allgemein gesprochen: Eine Nachricht senden heißt auch immer, zu dem Angesprochenen eine bestimmte Art von Beziehung auszudrücken. z Beispiel 2: Auf einer Party sagen Sie zu Ihrem Freund: „Jetzt habe ich schon zum dritten Mal gesagt, dass ich nicht rauchen möchte“. Sachinhalt: Der Freund erfährt inhaltlich, dass Sie ihm offensichtlich schon dreimal gesagt haben, Sie möchten nicht rauchen. Beziehungsebene: Je nach Tonfall, Körperhaltung etc. kann Ihr Freund in Ihren Worten verstehen: „Du nervst, lass mich endlich in Ruhe“. Das heißt, die Beziehung erschiene hier etwas angespannt. Was könnte noch auf der Beziehungsebene verstanden werden?

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z

KomPASs-Training z AB 29: Soziale Kompetenz

Gespräche unter Freunden . . . Drogenkonsumierende Bekannte wehren sich oft gegen Versuche einzelner, den Konsum aufzugeben. Dabei bedienen sie sich oft typischer Argumente. Es folgen einige solcher Argumente sowie Antwortbeispiele. z Kennen Sie weitere Argumente von „uneinsichtigen“ Bekannten neben den unten Aufgeführten? z Was könnten Sie sonst noch antworten neben den unten genannten Antwortbeispielen? Generell gilt: Freunden sollte sicherlich erklärt werden, warum Sie versuchen, keine Drogen mehr zu nehmen, damit sie Ihr Verhalten verstehen können. GUTE Freunde sollten Sie dann eigentlich dabei unterstützen. Wenn Sie Ihre Freunde über Ihre Erkrankung informiert haben, brauchen Sie sich danach auf keine langen Diskussionen oder Rechtfertigungen mehr einzulassen“. z Allein macht es aber keinen Spaß . . . * Antwort 1: Dann lass es doch * Antwort 2: Mir macht es jetzt zu zweit auch keinen Spaß * Antwort 3: _______________________________________________ * Antwort 4: _______________________________________________ * Antwort 5: _______________________________________________ z Komm schon, das war doch immer so lustig . . . * Antwort 1: Während der Krankheit war es dann für mich nicht lustig * Antwort 2: Ich finde es nicht lustig, zu etwas überredet zu werden, das ich nicht vertrage * Antwort 3: _______________________________________________ * Antwort 4: _______________________________________________ * Antwort 5: _______________________________________________

KomPASs-Training z B 30: Soziale Kompetenz

z

Gespräche unter Freunden . . . (Fortsetzung) z Stell dich nicht so an, wir feiern heute . . . * Antwort 1: Gerne, ich werde allerdings ohne Drogen feiern * Antwort 2: Würdest Du etwa riskieren, wieder ins Krankenhaus zu müssen? * Antwort 3: _______________________________________________ * Antwort 4: _______________________________________________ * Antwort 5: _______________________________________________ z Ein Joint schadet doch nicht, los, zieh halt mal, ist sehr gutes Gras. * Antwort 1: Leider kann mir das sogar sehr schaden * Antwort 2: Dann will ich Dir nichts wegrauchen * Antwort 3: _______________________________________________ * Antwort 4: _______________________________________________ * Antwort 5: _______________________________________________ Weitere Ideen: z ____________________________________________________________ * Antwort 1: _______________________________________________ * Antwort 2: _______________________________________________ * Antwort 3: _______________________________________________ z ____________________________________________________________ * Antwort 1: _______________________________________________ * Antwort 2: _______________________________________________ * Antwort 3: _______________________________________________ z ____________________________________________________________ * Antwort 1: _______________________________________________ * Antwort 2: _______________________________________________ * Antwort 3: _______________________________________________

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z

KomPASs-Training

z AB 31: Soziale Kompetenz

Selbstsicheres Verhalten: Verhaltenstipps für Situationen mit hohem Konsumrisiko und für Rollenspiele im KomPASs-Training Sprache:

Sprechen Sie laut, deutlich und klar.

Formulierung: Freundlich, nicht drohend, evtl. Humor. Blick:

Halten Sie direkten Augenkontakt.

Haltung:

Wenden Sie sich auch körperlich ab, wenn Sie das Gespräch beenden wollen und man Ihnen weitere Diskussionen über Drogen „aufzwingt“.

Fühlen:

Falls Sie sich schuldig fühlen, machen Sie sich klar: Sie schaden niemandem, wenn Sie keine Drogen nehmen. Sie haben ein Recht, dies zu tun. Machen Sie Gebrauch davon.

Denken:

Erinnern Sie sich an die Vorteile, wenn Sie jetzt ablehnen und an die Nachteile, wenn Sie sich überreden lassen (hier können Merkkärtchen oder die „Contra-Liste“ (aus der Therapiestunde 11) hilfreich sein.

Was sage ich? Nein:

Sagen Sie sofort „Nein“. Vermeiden Sie Entschuldigungen und vage Ausflüchte. Freunden gegenüber reicht eine kurze sachliche Erklärung Ihrer gesundheitlichen Situation.

Alternative suchen: Wählen Sie möglichst eine Alternative zur Droge. Schlagen Sie diese (direkt) vor (etwas zu Trinken, Essen, etc.). Thema:

Wechseln Sie das Thema.

Verstärken:

Verstärken (Loben, Zustimmen) Sie eine Person, wenn sie so reagiert, wie Sie es möchten.

Wiederholung:

Bleiben Sie bei Ihrer Meinung, wiederholen Sie diese ggf. immer wieder.

Nicht moralisieren: Lassen Sie Ihren Gesprächspartner ruhig Drogen nehmen. Das ist seine Sache. Dafür können Sie von ihm auch erwarten, dass er Ihre Entscheidung zur Abstinenz akzeptiert. Betonen Sie dies gegebenenfalls.

KomPASs-Training z AB 32: Soziale Kompetenz

2-in-1-Kommunikation – Leitfaden Situation (wer, wo, was . . .)

Ebenen der Kommunikation z Orientierung auf den Sachinhalt * – Etwas ablehnen * – Etwas fordern * – Kontakt knüpfen * – Beziehung beenden * – Konflikt klären – ________________ * – ________________ * z Leitfragen: Was will ich in dieser Situation/bei diesem Gespräch inhaltlich erreichen?

Was muss ich tun, um meine Ziele zu erreichen?

z Orientierung auf die Beziehung z Leitfragen: Was soll die Person von mir halten?

Wie sollen wir nach dem Gespräch zueinander stehen?

Was muss ich tun, um meine Ziele zu erreichen?

z

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z

KomPASs-Training z AB 33: Soziale Kompetenz

„2-in-1-Kommunikation“ – Skill-Bewertungsbogen 1. Situation (wer, wo, was . . .)

2. Sachinhalt z Was ist das Sachziel?

z Welche Skills habe ich eingesetzt (z. B. klare Sprache)?

z Wie effektiv war das (0 = minimal effektiv, 10 = maximal effektiv)? 1

2

3

4

5

6

* Ziel erreicht

– Ergebnis:

7 8 9 10 (Zutreffendes bitte ankreuzen) * Ziel nicht erreicht

3. Beziehungsebene z Was ist das Beziehungsziel? z Welche Skills habe ich eingesetzt (z. B. freundlich geblieben, nicht aggressiv, Humor?)

z Wie effektiv war das (0 = minimal effektiv, 10 = maximal effektiv)? 1

2

– Ergebnis:

3

4

5

6

* Ziel erreicht

7 8 9 10 (Zutreffendes bitte ankreuzen) * Ziel nicht erreicht

KomPASs-Training z AB 34: Umgang mit Krisen und Prävention

z

Potenzielle Warnsignale Warnsignale sind Stresssymptome, die dann auftreten können, wenn man sich überlastet fühlt. Sie können den Beginn einer ernsthaften Krise ankündigen, die zum Rückfall in die Psychose oder den Drogenkonsum führen kann. Daher ist es wichtig, schnell darauf zu reagieren. Warnsignale können von Person zu Person unterschiedlich sein. Von daher muss jeder Mensch seine persönlichen Warnsignale identifizieren. Typische Warnsignale sind: (1) Konzentrationsschwierigkeiten (2) Schlafstörungen (3) schlechte Träume (4) zunehmende Geräusch- und Lärmempfindlichkeit (5) körperliche Beschwerden (6) Leistungsabfall in Beruf, Ausbildung oder Haushalt (7) Angstgefühle (8) Anspannung, Nervosität (9) Gereiztheit, sich über Kleinigkeiten aufregen (10) innere Unruhe (11) Schwierigkeiten, sich zu entscheiden (12) grundloses Unwohlsein (13) Stimmungsschwankungen (14) traurige Stimmung (15) Wut/Aggressivität (16) Antriebs- oder Motivationsverlust (17) Lustlosigkeit (18) Interessenverlust (19) Rückzugstendenzen und/oder Verlust des Interesses an sozialen Aktivitäten (20) rasende oder verlangsamte Gedanken (21) gesteigertes Misstrauen gegenüber anderen Menschen

221

222

z

KomPASs-Training z AB 35: Umgang mit Krisen und Prävention

Persönliche Warnsignale Folgende Warnsignale habe ich in vergangenen Krisenzeiten selbst erlebt: Frühe Warnsignale: (1) __________________________________________________________ (2) __________________________________________________________ (3) __________________________________________________________ (4) __________________________________________________________ (5) __________________________________________________________ Späte Warnsignale: (1) __________________________________________________________ (2) __________________________________________________________ (3) __________________________________________________________ (4) __________________________________________________________ (5) __________________________________________________________

KomPASs-Training z AB 36: Umgang mit Krisen und Prävention

z

Meine Vertrauenspersonen Folgende Bedingungen sollten meine Vertrauenspersonen erfüllen: 1. Sie gehen mit dem Wissen über meine Krankheit vertrauensvoll um 2. Ich vertraue ihnen und nehme sie daher ernst, wenn sie mich auf Veränderungen an mir ansprechen, die ich möglicherweise selbst gar nicht wahrnehme Ich wähle als Vertrauenspersonen: z aus meiner Familie: z aus meinem Freundeskreis: z auf der Arbeit:

223

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z

KomPASs-Training z AB 37: Umgang mit Krisen und Prävention

Handeln, wenn die Krise naht z So schnell wie möglich mit einer Vertrauensperson Kontakt aufnehmen – Gemeinsam prüfen, ob die Warnsignale durch äußere Gegebenheiten, wie z. B. schlechte Medikation, aktueller Konflikt etc. erklärbar sein könnten z Aktuelle Belastungen identifizieren z Gegebenenfalls die Belastung reduzieren: – Urlaub nehmen, evtl. Krankschreibung – Ruhezeiten erhöhen – vorübergehend die sozialen Aktivitäten reduzieren – Konflikte entaktualisieren (eventuell mit Unterstützung einer Vertrauensperson) – erholsame Aktivitäten einplanen – regelmäßig Entspannungsübungen machen z Was könnte ich zudem noch tun? – __________________________________________________________ – __________________________________________________________ – __________________________________________________________

KomPASs-Training z AB 38: Umgang mit Krisen und Prävention

z

Mein Krisenplan z Eine beginnende Krise kann sich bei mir durch folgende Warnsignale (Ws) ankündigen: 1. Frühe Ws: 2. Späte Ws: z Wie kann ich bei einer beginnenden Krise für Entlastung sorgen? ____________________________________________________________ ____________________________________________________________ z An wen wende ich mich, wenn ich Warnsignale einer beginnenden Krise an mir wahrnehme? – Familie:

Telefonnummer:

/

– Freund:

Telefonnummer:

/

– Arbeit:

Telefonnummer:

/

z Eine Kopie meines persönlichen Krisenplans erhält:

225

Anhang 2: Synopsis Suchtstoffe

Nachfolgend werden die wichtigsten Informationen zu den Akutwirkungen und Komplikationen von Suchtstoffen zusammengefasst. Die Therapeuten, die das Psychoedukative Training KomPAkt durchführen, sollten über dieses Basiswissen verfügen, um etwaige Fragen seitens der Patienten adäquat beantworten zu können. Im Sinne der Übersichtlichkeit werden die Informationen in Form von Tabellen präsentiert. Hinweise zu weiterführender Literatur finden sich am Ende des Anhanges (Abschnitt A2.4). Der Schwerpunkt der Synopsis liegt in der Darstellung der Wirkungen von Substanzen mit psychotomimetischem bzw. psychoseauslösendem Potenzial. Alkohol, Benzodiazepine und Opiate werden vergleichsweise kurz behandelt.

A2.1 Neurobiologische und psychotrope Akutwirkungen, Abhängigkeitspotenzial, Entzugssymptome Tabelle A.1. Kokain/Crack: Akutwirkungen und Entzug z Vorkommen, Präparationen aus Pflanze gewonnen, intranasal, inhalativ, i.v. z neurobiologische Akutwirkungen

indirekt dopaminerg, adrenerg

z psychotrope Akuteffekte

stimulierend ? starke Euphorie, Unruhe, Bewegungs- und Explorationsdrang

z Wirkdauer

kurz: Minuten bis < 1 Stunde

z Abhängigkeitspotenzial

keine ausgeprägte körperliche, aber sehr starke psychische Abhängigkeit

z Symptome im Entzug

Suchtverlangen, Abgeschlagenheit, depressive Verstimmung

z Entzugsdauer

Stunden

228

z

Anhang 2: Synopsis Suchtstoffe

Tabelle A.2. Stimulanzien (Amphetamine): Akutwirkungen und Entzug z Vorkommen, Präparationen synthetisch, oral, i.v., intranasal z Substanzen

Amphetamin, Methamphetamin (Speed)

z neurobiologische Akutwirkungen

indirekt dopaminerg, adrenerg

z psychotrope Akuteffekte

– Euphorie, Selbstsicherheit/Reizbarkeit, Aggressivität – Antriebssteigerung, kurzfristige Leistungssteigerung, Bewegungs- und Explorationsdrang – Überwindung von Müdigkeit, Überwachheit

z Wirkdauer

lang: mehrere Stunden

z Abhängigkeitspotenzial

deutliche körperliche und psychische Abhängigkeit, Toleranzentwicklung ? Dosissteigerung

z Symptome im Entzug

Müdigkeit, Leistungsminderung, depressive Verstimmung, cave: Suizidalität keine ausgeprägten physischen Entzugssymptome

z Entzugsdauer

7–14 Tage

Tabelle A.3. Klassische Halluzinogene: Akutwirkungen und Entzug z Vorkommen, Präparationen – synthetisch, oral (z. B. LSD) – Pilze, oral (z. B. Psilocybin) – Kakteen oder synthetisch, oral (z. B. Meskalin) z chemische Gruppen/ Substanzen Indolderivate: Phenethylaminderivate:

Lysergsäurediethylamid (LSD-25), Dimethyltryptamin (DMT, in Ayahuascatee), Psilocybin (in Psilocybinpilzen) u. a. 3,4,5-Trimethoxyphenethylamin (Meskalin), 4-Brom-2,5-Dimethoxyphenethylamin (2-CB), 2,5-Dimethoxy-4-Methylamphetamin (DOM), 2,5-Dimethoxy-4-Bromamphetamin (DOB) u. a.

z neurobiologische Akutwirkungen

direkt serotonerg: (partielle) Agonisten am 5-HT2A-Rezeptor

z psychotrope Akuteffekte

qualitative Bewusstseinsveränderungen: Wahrnehmungsveränderungen, Synästhesien, Depersonalisation, Derealisation, affektive Veränderungen, Störungen des formalen Gedankenganges und der Realitätserkennung, Veränderungen der Zeitwahrnehmung

z Wirkdauer

sehr unterschiedlich (z. B. Psilocybin: 3–4 Stunden, LSD bis 24 Stunden)

z Abhängigkeitspotenzial

körperlich fehlend, psychisch im Vergleich zu anderen Drogen gering

z Symptome im Entzug

keine typische Entzugssymptomatik

A2.1 Neurobiologische und psychotrope Akutwirkungen, Abhängigkeitspotenzial

z

Tabelle A.4. Atypische Halluzinogene: Akutwirkungen und Entzug z Vorkommen, Präparationen

Pilze, oral (z. B. Fliegenpilz) Blütenpflanzen, oral (z. B. Engelstrompeten) synthetisch, oral (z. B. PCP, Phencyclidin, Biperiden)

z chemische Gruppen/Substanzen: – pflanzliche Halluzinogene mit Scopolamin, Hyoscyamin, Atropin in Atropa belladonna anticholinerger Wirkung und Nachtschattengewächsen (Engelstrompeten, Bilsenkraut u. ä.) – pflanzliche Halluzinogene mit Ibotensäure und Muscimol in Amanita muscaria GABAerger Wirkung (Fliegenpilz) – synthetische Anticholinergika Antiparkinsonmittel: Trihexyphenidyl (Artane®), Biperiden (Akineton®) – „dissoziative Anästhetika“ Phencyclidine (z. B. PCP „angel dust“), Ketamin (NMDA-Antagonisten) (Ketanest®) z j-Opioid-Rezeptor-Agonist

Salvinorin A in Salvia Divinoum (Magic mit Wahrsagesalbei)

z neurobiologische Akutwirkungen verschieden, s. o. z psychotrope Akuteffekte

qualitative Bewusstseinsveränderungen wie bei klassischen Halluzinogenen, zusätzlich bereits bei üblicher Dosierung leichtere Bewusstseinstrübung, bei Überdosierung schnell stärkere Bewusstseinstrübung bzw. delirante Symptome

z Wirkdauer

sehr unterschiedlich

z Abhängigkeitspotenzial

körperlich fehlend, psychisch im Vergleich zu anderen Drogen gering

z Symptome im Entzug

keine typische Entzugssymptomatik

NMDA N-methyl-D-Aspartat

Tabelle A.5. Cannabis (Tetrahydrocannabinol (Delta-THC)): Akutwirkungen und Entzug z Vorkommen, Präparationen aus Pflanze gewonnen, Rauchen, oral (Haschisch, Marihuana) z neurobiologische Akutwirkungen

Agonist an körpereigenen THC-Rezeptoren

z psychotrope Akuteffekte

entspannend, leicht „bewusstseinserweiternd“, Derealisation, ästhetische Erlebnisse, in höheren Dosen halluzinogene Eigenschaften

z Wirkdauer

wenige Stunden

z Abhängigkeitspotenzial

körperlich fehlend, psychisch im Vergleich zu anderen Drogen in der Regel gering (aber: Untergruppe süchtiger Cannabiskonsumenten!)

z Symptome im Entzug

bei süchtigen Cannabiskonsumenten: Unruhe, Suchtverlangen, seltener auch Appetitstörung, Schwitzen, Schlafstörung, erhöhte Schmerzempfindlichkeit

z Entzugsdauer

mehrere Tage

229

230

z

Anhang 2: Synopsis Suchtstoffe

Tabelle A.6. Ecstasy: Akutwirkungen und Entzug z Vorkommen, Präparationen synthetisch, überwiegend Pillen z Einzelsubstanzen

– – – –

z neurobiologische Akutwirkungen

indirekt serotonerg und dopaminerg: : Ausschüttung und : Reuptake-Hemmung der endogenen Aminneurotransmitter, bes. Serotonin, aber auch Dopamin und Noradrenalin ? deutliche sympathomimetische Begleiteffekte

z psychotrope Akuteffekte

– Anxiolyse, Entspannung, Glücksgefühle, Gefühl der Nähe zu anderen Menschen, : Bereitschaft zur Kommunikation, Selbstakzeptanz, : Sympathiegefühle – : Antrieb (amphetaminähnlich), aber subjektiv Entspannung („psychovegetative Entkopplung“) – in der Regel relativ diskrete Wahrnehmungsveränderungen, Veränderungen des Zeitgefühls – cave: seltener Panikzustände, stärkere halluzinogene Effekte

z Wirkdauer

3–5 Stunden

z Abhängigkeitspotenzial

– körperlich gering, psychisch zumeist gering – aber: bei einer Untergruppe von Konsumenten (ca. 10–20%) Hinweise auf Entwicklung einer psychischen und körperlichen Abhängigkeit

z Symptome im Entzug

fakultativ: Abgeschlagenheit, Schlafstörungen, depressive Verstimmung, Ängstlichkeit, Kopfschmerzen, Appetitminderung, Frösteln

z Entzugsdauer

3–7 Tage

3,4-Methylenedioxymethylamphetamin (MDMA) 3,4-Methylenedioxyethylamphetamin (MDE) 3,4-Methylenedioxyamphetamin (MDA) N-Methyl-1,1,3-Benzodioxol-5-yl-2-Butanamin (MBDB)

Tabelle A.7. Alkohol: Akutwirkungen und Entzug z neurobiologische Akutwirkungen

komplex, noch nicht ausreichend verstanden, u. a.: – agonistisch an GABAA-Rezeptoren – antagonistisch an Glutamat-NMDA-Rezeptoren

z psychotrope Akuteffekte

unterschiedlich: zumeist Entspannung, Abschirmung, Dämpfung, Euphorie

z Wirkdauer

Stunden

z Abhängigkeitspotenzial

körperlich und psychisch hoch

z Symptome im Entzug

Unruhe, Schlafstörungen, Anspannung, Agitiertheit, Irritabilität, Zittern, Schwitzen, Tachykardie, hypertone Kreislaufentgleisung, Krampfanfälle bei schwerer Abhängigkeit Entzugsdelir (s. Tabelle A.14)

z Entzugsdauer

3–10 Tage

A2.1 Neurobiologische und psychotrope Akutwirkungen, Abhängigkeitspotenzial

z

Tabelle A.8. Benzodiazepine: Akutwirkungen und Entzug z Vorkommen, Präparationen synthetisch, Tabletten, Tropfen z Substanzen

verschiedene Benzodiazepinderivate, s. u.

z neurobiologische Akutwirkungen

agonistisch am GABAA-Rezeptorkomplex ? Verstärkung der hemmenden Funktion GABAerger Neurone

z psychotrope Akuteffekte

Entspannung, Abschirmung, Anxiolyse, Müdigkeit

z Wirkdauer

je nach Präparat sehr unterschiedlich – kurz bis mittel, ca. eine halbe bis wenige Stunden: Alprazolam (z. B. Tafil®), Lorazepam (z. B. Tavor®), Oxazepam (z. B. Adumbran®), Bromazepam (z. B. Lexotanil®), Clonazepam (z. B. Rivotril®) – mittel bis lang, ca. 4–10 Stunden: Clobazam (Frisium®), Diazepam (z. B. Valium®) – sehr lang, ca. 12–24 Stunden: Dikaliumclorazepat (Tranxilium®)

z Abhängigkeitspotenzial

psychisch deutlich, oft auch körperlich

z Symptome im Entzug

Unruhe, Schlafstörungen, Ängstlichkeit, Irritabilität, depressivdysphorische Verstimmung, Zittern, Schwitzen, Tachykardie seltener Delir

z Entzugsdauer

je nach Halbwertszeit des Präparates, Dosis und Dauer des vorangegangenen Missbrauchs: Tage bis mehrere Wochen, seltener Monate

231

natürlich aus Schlafmohnpräparationen synthetisch – Pulver zur Inhalation oder Herstellung von Lösung zur i.v.-Injektion – Arzneimittel zur oralen oder i.v.-Medikation (potente Analgetika)

Heroin, Morphin, Codein, Methadon

agionistisch an körpereigenen l-, j-Opioidrezeptoren; Affinität zum l-Rezeptor korreliert mit psychotroper Wirkstärke und Abhängigkeitspotenzial

– psychisch: Entspannung, Euphorie, Anxiolyse, Apathie, Verlangsamung, Benommenheit – körperlich: Pupillenverengung, verwaschene Sprache – Komplikationen über Überdosis: Koma, Atemdepression, Exitus

je nach Substanz und Präparation unterschiedlich: Heroin, insbes. bei i.v.-Konsum, nur wenige Stunden, Methadon 24 Stunden

– Heroin, Morphin: ausgeprägt psychisch und körperlich – Codein, Methadon: geringere bis fehlende Euphorisierung, daher Methadon geeignet als Substitutionsmittel, jedoch Abhängigkeitspotenzial mit körperlichem Entzug bei Abstinenz gegeben

– psychische Effekte: durch Toleranz Tendenz zur Abschwächung der akuten Euphorisierung, Konsum immer mehr zur Vermeidung von Entzugssymtomen, Müdigkeit – körperliche Begleitwirkungen: Pupillenverengung, niedriger Blutdruck, niedrige Herzfrequenz, Obstipation, sexuelle Funktionsstörungen – indirekte Folgen: Fehl-/Mangelernährung, Infektionen (Abszesse, Hepatitis, HIV), Illegalität, Beschaffungskriminalität, Verelendung

– psychisch: starkes Unwohlsein (Depression/Dysphorie), Verlangen nach der Droge (Craving), Unruhe, Schlafstörungen – körperlich: Übelkeit, Erbrechen, Gliederschmerzen, Bauchkrämpfe, Durchfälle, Tränenfluss, Schwitzen, Pupillenerweiterung, Gänsehaut, Tachykardie oder Hypertonie

– bei Heroin (kurz wirksam): Beginn: 12–24 Stunden nach letzter Dosis, Dauer: 5–7 Tage – bei Methadon (lang wirksam): Beginn: 2–3 Tage nach letzter Dosis, Dauer: ca. 2 Wochen

z Vorkommen, Präparationen

z Substanzen

z neurobiologische Akutwirkungen

z Akuteffekte

z Wirkdauer

z Abhängigkeitspotenzial

z chronische Intoxikation

z Symptome im Entzug

z Entzugsdauer

z

Tabelle A.9. Opiate: Akutwirkungen und Entzug

A2.2 Psychiatrische Komplikationen

232 Anhang 2: Synopsis Suchtstoffe

keine gesonderte ICD-10Nummer Kodierung als F16.8 möglich (sonstige psychische und Verhaltensstörungen)

F14.50/F14.51/F14.52/F14.53/ schizophreniformes Bild F14.55 (psychotische Störung schizophreniform/vorwiegend wahnhaft/vorwiegend halluzinatorisch/vorwiegend polymorph/ vorwiegend manisch)

z prolongierter psychotischer Rausch

z induzierte Psychosen (selten!) Tage

Stunden meistens Abklingen in Abstinenz nach Stunden bis seltener Tagen

Minuten bis unter einer Stunde, entsprechend der kurzen Dauer der pharmakologischen Wirkung von Kokain

Dauer

vorübergehend NL, wenn Diagnose eindeutig bei Abstinenz keine Indikation für längerfristig NL

akut Benzodiazepine und/oder NL, wenn Diagnose eindeutig

akut Benzodiazepine und/oder NL, wenn Diagnose eindeutig

Behandlung

NL Neuroleptika; DD Doppeldiagnose Psychose und Sucht a Kausalkette unklar: Provokation? Manifestation? DD: Drogenabusus sekundär bei vorbestehender (oft blander) Psychose? s. Ausführungen in Kapitel 2, in den modernen Klassifikationssystemen nicht vorgesehen, wird eher als differenzialdiagnostisches Kriterium gegenüber der Schizophrenie erachtet!

z ???? Anstoßen/Aus- durch Substanzmissbrauch ausgelöste Psychose, die trotz nachfolgender Abstinenz einen rezidivierenden oder chronischen Verklinken einer schizo- lauf, wie eine Schizophrenie, nimmt ??? phrenen Psychose a ? Behandlung wie bei einer schizophrenen Psychose

amentiell-delirante oder paranoid-halluzinatorische Prägung (optische, akustische und Körperhalluzinationen)

psychotischer Rauschverlauf mit Wahn und Halluzinationen (bes. taktil und optisch); seltener delirante Prägung

F14.03/F14.04 (akute Intoxikation mit Delir/mit Wahrnehmungsstörungen)

z toxische Psychose

Beschreibung

Kodierung nach ICD-10

Komplikation

Tabelle A.10. Kokain/Crack: Psychiatrische Komplikationen

A2.2 Psychiatrische Komplikationen z

233

F15.03/F15.04 (akute Intoxikation mit Delir/mit Wahrnehmungsstörungen)

F15.50/F15.51/F15.52/F15. 53/F15.55 (psychotische Störung schizophreniform/ vorwiegend wahnhaft/ vorwiegend halluzinatorisch/ vorwiegend polymorph/ vorwiegend manisch)

z toxische Psychose

z induzierte Psychosen (in der Regel bei chronischem Missbrauch und i.v.-Konsum) meistens Abklingen in Abstinenz nach Tagen bis Wochen (seltener Monate)

vorübergehend NL, wenn Diagnose eindeutig bei Abstinenz keine Indikation für längerfristig NL

akut Benzodiazepine und/oder NL, wenn Diagnose eindeutig

NL Neuroleptika; DD Doppeldiagnose Psychose und Sucht a Kausalkette unklar: Provokation? Manifestation? DD: Drogenabusus sekundär bei vorbestehender (oft blander) Psychose? s. Ausführungen in Kapitel 2, in den modernen Klassifikationssystemen nicht vorgesehen, wird eher als differenzialdiagnostisches Kriterium gegenüber der Schizophrenie erachtet!

z ???? Anstoßen/Aus- durch Substanzmissbrauch ausgelöste Psychose, die trotz nachfolgender Abstinenz einen rezidivierenden oder chronischen Verklinken einer schizo- lauf, wie eine Schizophrenie, nimmt ??? phrenen Psychose a ? Behandlung wie bei einer schizophrenen Psychose

amentiell-delirante oder paranoid-halluzinatorische Prägung (optische, akustische und Körperhalluzinationen)

psychotischer Rauschverlauf mehrere Stunden mit Wahn und Halluzinationen typisch: „Amphetaminparanoia“ (Verfolgungswahn)

Behandlung

Kodierung nach ICD-10

Komplikation Dauer

Anhang 2: Synopsis Suchtstoffe

Beschreibung

z

Tabelle A.11. Amphetamine: Psychiatrische Komplikationen

234

Tage bis wenige Wochen, fraglich selten auch Monate

F16.50/F16.51/F16.52/F16.53 (psychotische Störung schizophreniform/vorwiegend wahnhaft/vorwiegend halluzinatorisch/vorwiegend polymorph)

z induzierte Psychosen (in der Regel bei chronischem Konsum) oft paranoid-halluzinatorisch, oft deutliche affektive Anteile (schizoaffektive Prägung), Vulnerabilität ursächlich vermutet

für den Halluzinogenrausch Tage, selten Wochen, typische psychopathologische fluktuierender Verlauf Merkmale selten, Vulnerabilität ursächlich vermutet

keine gesonderte ICD-10Nummer Kodierung als F16.8 möglich (sonstige psychische und Verhaltensstörungen)

sehr unterschiedlich (z. B. Psilocybin: 3–4 Stunden, LSD bis 24 Stunden)

Dauer

z verlängerter Rausch („psychedelic afterglow“) (auch bei vereinzeltem oder gar einmaligem Halluzinogenkonsum möglich)

Beschreibung psychotischer Rauschverlauf mit Verlust der Ich-Kontrolle, evtl. mit Halluzinationen und Wahn (entscheidend: Dosis, Set, Setting) Unterform: Panikreaktion: Horror-, oder Badtrip

Kodierung nach ICD-10

z toxische Psychose (auch F16.03/F16.04 bei vereinzeltem oder gar (akute Intoxikation mit Delir/ einmaligem Halluzinogen- mit Wahrnehmungsstörungen) konsum möglich)

Komplikation

Tabelle A.12. Halluzinogene: Psychiatrische Komplikationen

Benzodiazepine zeitlich limitiert erwägen Lithium und EKT erwägen (gute Erfolge wiederholt beschrieben)

NL vorsichtig einsetzen, Mitteilungen über Effektivität widersprüchlich, wahrscheinlich durch biologische Inhomogenität bedingt; NL oft unwirksam

„Talking down“ keine NL, nicht effektiv, bzw. durch NW Verstärkung unangenehmer und angsterregender Erlebnisse evtl. Benzodiazepine

„Talking down“ keine NL, nicht effektiv bzw. durch NW Verstärkung unangenehmer und angsterregender Erlebnisse evtl. Benzodiazepine

Behandlung

A2.2 Psychiatrische Komplikationen z

235

Depersonalisation, Derealisation, verändertes Körpererleben, elementare optische und akustische Wahrnehmungsstörungen

keine gesonderte ICD-10Nummer Kodierung als F16.8 möglich (sonstige psychische und Verhaltensstörungen)

durch Substanzmissbrauch ausgelöste Psychose, die trotz nachfolgender Abstinenz einen rezidivierenden oder chronischen Verlauf, wie eine Schizophrenie, nimmt ??? ? Behandlung wie bei einer schizophrenen Psychose

z ???? Anstoßen/ Ausklinken einer schizophrenen Psychose a (nach längerdauerndem regelmäßigem Konsum)

evidenzbasierte Empfehlung nicht möglich am ehesten analog zur Behandlung von Flash-backs

a

NL Neuroleptika, NW Nebenwirkungen, EKT Elektrokrampftherapie, SSRI Serotoninwiederaufnahmehemmer, DD Doppeldiagnose Psychose und Sucht Kausalkette unklar: Provokation? Manifestation? DD: Drogenabusus sekundär bei vorbestehender (oft blander) Psychose? s. Ausführungen in Kapitel 2, in den modernen Klassifikationssystemen nicht vorgesehen, wird eher als differenzialdiagnostisches Kriterium gegenüber der Schizophrenie erachtet!

chronisch, sehr therapieresistent

einzelne „case reports“ über Erfolge mit SSRIs (z. B. Sertralin) und Opiatantagonisten (Naloxon) – Wirkungsmechanismus unklar

keine NL!, Exazerbation der Symptomatik bei typischen und atypischen NL wiederholt beschrieben Benzodiazepine oft wirksam

Drogenabstinenz

z chronische Störungen mit psychosenahen Zügen (selten, nach längerdauerndem regelmäßigen Konsum)

Auftreten Wochen bis Monate (selten noch Jahre) nach letztem Konsum

jeweils Sekunden bis Minuten

Phänomene wie im Halluzinogenrausch (komplett oder partiell) Vulnerabilität ursächlich vermutet

Behandlung

z Flash-back (Echopsychose) F16.70 (Nachhallzustände) (zeitlich limitiert und mit mittlerer Frequenz und Intensität: häufig, auch bei verreinzeltem oder gar einmaligem Halluzinogenkonsum möglich; lang andauernd und deutlich behindernd: selten, in der Regel bei chronischem Konsum)

Dauer

Komplikation Beschreibung

Anhang 2: Synopsis Suchtstoffe

Kodierung nach ICD-10

z

Tabelle A.12 (Fortsetzung)

236

oft paranoid-halluzinatorisch, Tage bis wenige Wochen, oft deutliche affektive Anteile fraglich selten auch Monate (schizoaffektive Prägung), Vulnerabilität ursächlich vermutet

Stunden bis ein Tag

Dauer

NL vorsichtig einsetzen, Mitteilungen über Effektivität widersprüchlich, wahrscheinlich durch biologische Inhomogenität bedingt; NL oft unwirksam

„Talking down“ evtl. Benzodiazepine

Behandlung

z chronische Persön- F12.71 (Persönlichkeits- oder lichkeitsveränderung Verhaltensstörung) (nach längerdauerndem regelmäßigem Konsum)

„amotivationales Syndrom“ Einengung von Interessen, fehlende Motivation für soziale und leistungsbezogene Aktivitäten, Passivität, Affektverflachung

chronisch bei starken Konsumenten bes. bei frühem Beginn des Konsums, meist Besserung nach mehrwöchiger Abstinenz

außer Cannabisabstinenz keine Empfehlung hinsichtlich einer spezifischen Pharmakotherapie möglich

durch Cannabismissbrauch ausgelöste Psychose, die trotz nachfolgender Abstinenz einen rezidivierenden oder chronischen Verz ???? Anstoßen/ lauf, wie eine Schizophrenie, nimmt ??? Ausklinken einer ? Behandlung wie bei einer schizophrenen Psychose schizophrenen Psychose a (nach längerdauerndem regelmäßigem Konsum)

z induzierte Psychose F12.50/F12.51/F12.52/ (zumeist bei chro- F12.53 (psychotische Störung nischem Konsum) schizophreniform/vorwiegend wahnhaft/vorwiegend halluzinatorisch/vorwiegend polymorph)

F12.03/F12.04 psychotischer Rauschverlauf (akute Intoxikation mit Delir/ mit Verlust der Ich-Kontrolle, mit Wahrnehmungsstörungen) evtl. mit Halluzinationen und Wahn (entscheidend: Dosis, Set, Setting)

z toxische Psychose (seltener als bei Halluzinogenen)

Beschreibung

Kodierung nach ICD-10

Komplikation

Tabelle A.13. Cannabis: Psychiatrische Komplikationen

A2.2 Psychiatrische Komplikationen z

237

häufig in Verbindung mit amotivationalem Syndrom, möglicherweise auch Ausdruck eines chronischen Intoxikationszustandes

Beeinträchtigungen von Konzentration, Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit weit über die akute Intoxikation hinaus

chronisch bei starken Konsumenten bes. bei frühem Beginn des Konsums, meist Besserung nach mehrwöchiger Abstinenz

außer Cannabisabstinenz keine Empfehlung hinsichtlich einer spezifischen Pharmakotherapie möglich

Behandlung

a

NL Neuroleptika, DD Doppeldiagnose Psychose und Sucht Kausalkette unklar: Provokation? Manifestation? DD: Cannabisabusus sekundär bei vorbestehender (oft blander) Psychose? s. Ausführungen in Kapitel 2, in den modernen Klassifikationssystemen nicht vorgesehen, wird eher als differenzialdiagnostisches Kriterium gegenüber der Schizophrenie erachtet!

z kognitive Störungen F12.74 (sonstige anhaltende (zumeist bei chro- kognitive Beeinträchtigung) nischem Konsum)

Dauer

Komplikation Beschreibung

Anhang 2: Synopsis Suchtstoffe

Kodierung nach ICD-10

z

Tabelle A.13 (Fortsetzung)

238

Kodierung nach ICD-10 a

keine gesonderte ICD-10Nummer Kodierung als F16.8 möglich (sonstige psychische und Verhaltensstörungen)

F16.03/F16.04 (akute Intoxikation mit Delir/mit Wahrnehmungsstörungen)

keine gesonderte ICD-10Nummer Kodierung als F16.8 möglich (sonstige psychische und Verhaltensstörungen)

F16.54 (psychotische Störung, vorwiegend depressive Symptome)

Komplikation

z atypischer Rauschverlauf mit Unruhe-/ Panikzustand (auch bei vereinzeltem oder gar einmaligem Ecstasykonsum möglich)

z toxische Psychose (auch bei vereinzeltem oder gar einmaligem Ecstasykonsum möglich)

z „Nacheffekte“

z induzierte depressive und Angststörungen (zumeist nach wiederholtem Konsum)

Tabelle A.14. Ecstasy: Psychiatrische Komplikationen

depressive Auslenkung, Antriebsarmut, Angstzustände, Schlafstörungen, Irritabilität, cave: Suizidalität

Angstzustände, Schlafstörungen, Irritabilität und depressive Auslenkungen

psychotischer Rauschverlauf mit Verlust der Ich-Kontrolle, evtl. mit Halluzinationen und Wahn (entscheidend: Dosis, Set, Setting) Unterform: Panikreaktion: Horror-, oder Badtrip

Agitierheit, Ängstlichkeit, motorische und innere Unruhe

Beschreibung

Wochen bis Monate, schwer behandelbar

1–7 Tage nach Ecstasykonsum

wenige Stunden (pharmakologische Wirkdauer der Substanz)

wenige Stunden (pharmakologische Wirkdauer der Substanz)

Dauer

Drogenabstinenz Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRIs)

Drogenabstinenz je nach Schweregrad Spontanverlauf abwarten oder vorübergehend Benzodiazepine

analog zu halluzinogeninduzierten Störungen

„talking down“ evtl. Benzodiazepine

Behandlung

A2.2 Psychiatrische Komplikationen z

239

durch Substanzmissbrauch ausgelöste Psychose, die trotz nachfolgender Abstinenz einen rezidivierenden oder chronischen Verlauf, wie eine Schizophrenie, nimmt??? ? Behandlung wie bei einer schizophrenen Psychose

analog zu halluzinogeninduzierten Störungen

a

SSRI Serotoninwiederaufnahmehemmer, DD Doppeldiagnose Psychose und Sucht Die Substanzgruppe Ecstasy wird in der ICD-10 nicht gesondert aufgeführt. Die Störungen durch Ecstasy sollen als halluzinogeninduzierte Störungen kodiert werden b Kausalkette unklar: Provokation? Manifestation? DD: Drogenabusus sekundär bei vorbestehender (oft blander) Psychose? s. Ausführungen in Kapitel 2, in den modernen Klassifikationssystemen nicht vorgesehen, wird eher als differenzialdiagnostisches Kriterium gegenüber der Schizophrenie erachtet!

z ???? Anstoßen/ Ausklinken einer schizophrenen Psychose b (nach länger dauerndem regelmäßige Konsum)

z chronische Störungen keine gesonderte ICD-10mit psychosenahen Nummer Kodierung als F16.8 möglich Zügen (selten, nach länger (sonstige psychische und Verhaltensstörungen) dauerndem regelmäßigen Konsum)

analog zu halluzinogeninduzierten Störungen

Behandlung

jeweils Sekunden bis Minuten analog zu halluzinogenAuftreten Wochen bis Monate induzierten Störungen nach letztem Konsum

Tage bis wenige Wochen, fraglich selten auch Monate

Dauer

Depersonalisation, Derealisa- chronisch, therapieresistent tion, verändertes Körpererleben, elementare optische und akustische Wahrnehmungsstörungen

Phänomene wie im Ecstasyrausch (komplett oder partiell), Vulnerabilität ursächlich vermutet

z Flash-back (Echopsychose) (Einzelfälle beschrieben)

F16.70

oft schizoaffektive Prägung Vulnerabilität ursächlich vermutet

Beschreibung

z induzierte Psychosen F16.50/F16.51/F16.52/F16.53 (zumeist nach wie- (psychotische Störung derholtem Konsum) schizophreniform/vorwiegend wahnhaft/vorwiegend halluzinatorisch/vorwiegend polymorph)

Kodierung nach ICD-10 a

z

Komplikation

Tabelle A.14 (Fortsetzung)

240 Anhang 2: Synopsis Suchtstoffe

wie bei Entzugsdelir

F10.03 z Kontinuitätsdelir (selten, bei schwerer Abhängigkeit und Fortsetzung des Trinkverhaltens)

bis 8 Tage

Beginn Stunden bis 2 Tage nach letztem Konsum, Dauer bis 8 Tage bei Überleben manchmal Übergang in Korsakow-Syndrom

stark ausgeprägte typische psychische und physische Entzugssymptome (s. Tabelle A.7), vegetative Entgleisung Desorientiertheit, Bewusstseinstrübung, optische Halluzinationen, Suggestibilität, Agitiertheit

Dauer

z Entzugssyndrom mit F10.40 Delir (bei schwerer Abhängigkeit in Abstinenz oder nach Reduktion der Trinkmengen) (potenziell lebensgefährlich)

Beschreibung „Dämmerzustand“: Erregung, Minuten bis Stunden, terminaler Wut, Halluzinationen, aggressive/ Schlaf, anschließend Amnesie gewalttätige Durchbrüche

Kodierung nach ICD-10

z pathologischer Rausch F10.07 (sehr selten, fast nur forensisch relevant)

Komplikation

Tabelle A.15. Alkohol: Psychiatrische Komplikationen

wie oben

1. Wahl: Clomethiazol (Distraneurin®) 2. Wahl: Benzodiazepine, evtl. kombiniert mit Neuroleptika (Butyrophenone) bei schweren Verläufen evtl. zusätzlich Clonidin ergänzend: Elektrolytausgleich, Vitamin-B-Komplexe, evtl. intensivmedizinische Behandlung

(zumeist klinisch irrelevant, da Patienten im Rausch selten einem Arzt vorgestellt werden) möglichst auf Psychopharmaka verzichten nur bei zwingender Notwendigkeit einer Sedierung Butyrophenone oder Benzodiazepine

Behandlung

A2.2 Psychiatrische Komplikationen z

241

SSRI Serotoninwiederaufnahmehemmer, NL Neuroleptika

z Alkoholhalluzinose F10.52 (Differenzialdiagnostisch (psychotische z. T. schwer von Schizo- Störung/vorwiegend phrenie abzugrenzen) halluzinatorisch)

zumeist akustische Halluzinationen (beschimpfende, beleidigende Stimmen), Ängstlichkeit, paranoide Ideen

NL versuchen, allerdings oft schlechtes Ansprechen

in Einzelfällen Besserungen mit Clonidin und SSRIs beschrieben

Vitamin-B1 (Thiamin), initial i.v. (Notfallindikation!)

Behandlung

bei Fortsetzung des Konsums NL chronisch; bei Abstinenz meistens Remission innerhalb von Monaten

Patienten sind wahnhaft von neigt zur Chronifizierung der Untreue der Ehefrau/Partnerin überzeugt (nur bei Männern!)

z Eifersuchtswahn

F10.51 (psychotische Störung/ vorwiegend wahnhaft)

starke Einschränkung von Merk- chronisch fähigkeit und Lernen ? neue Inhalte können nicht gespeichert werden ? anterograde Amnesie, sekundär Desorientiertheit, Konfabulationen Konzentration, Arbeitsgedächtnis, autobiographisches Langzeitgedächtnis erhalten

Beginn akut innerhalb weniger Stunden, ohne Behandlung oft letaler Ausgang, bei Überleben oft Übergang in Korsakow-Syndrom

Dauer

z Korsakow-Syndrom F10.6 (entwickelt sich oft (amnestisches nach Entzugsdelir oder Syndrom) nach Wernicke-Enzephalopathie, aber auch primär möglich) (toxische diencephale und hippocampale Läsionen)

Beschreibung Bewusstseinstrübung, Desorientiertheit, Ataxie, Augenmuskellähmungen, vegetative Dysregulation

Kodierung nach ICD-10

z

z Wernicke-Enzephalo- E51.2 pathie (Ätiologie: Vitamin-B1-Mangel, wahrscheinlich nutritiv bedingt, genetische Prädisposition vermutet) (neuropathologisch typische hämorrhagische Hirnläsionen)

Komplikation

Tabelle A.15 (Fortsetzung)

242 Anhang 2: Synopsis Suchtstoffe

Beginn Stunden bis mehrere wie oben, zusätzlich: Desorientiertheit, Halluzinationen, Tage nach letzter Dosis oder Dosisreduktion, delirante SympWahnvorstellungen tomatik unter Behandlung innerhalb ca. 7 Tage rückläufig, ansonsten Verlauf wie oben

Beginn Stunden bis mehrere Tage nach letzter Dosis oder Dosisreduktion, Dauer bis zu mehreren Wochen (selten Monate)

Dauer

F13.4 z Entzugssyndrom mit Delir (bei langer Abhängigkeit in Abstinenz oder nach Dosisreduktion)

Beschreibung starke innere und motorische Unruhe, depressive Verstimmung, Schlafstörungen, Zittern, Schwitzen

Kodierung nach ICD-10

z schweres, protrahiertes F13.3 Entzugssyndrom (bei langer Abhängigkeit in Abstinenz oder nach Dosisreduktion)

Komplikation

Tabelle A.16. Benzodiazepine: Psychiatrische Komplikationen

Benzodiazepin erneut geben, dann langsam, fraktioniert ausschleichen evtl. zusätzlich Haloperidol oder Carbamazepin cave: bei Haloperidol weitere Senkung der Krampfschwelle

Benzodiazepin langsam, fraktioniert ausschleichen (je nach Ausgangsdosis Entzug evtl. über mehrere Wochen)

Behandlung

A2.2 Psychiatrische Komplikationen z

243

244

z

Anhang 2: Synopsis Suchtstoffe

A2.3 Allgemeinmedizinisch/neurologische Komplikationen Tabelle A.17. Suchtstoffe: Die wichtigsten allgemeinmedizinisch/neurologischen Komplikationen Substanz

Komplikationen neurologisch

allgemeinmedizinisch

z Kokain/ Crack

zerebrale Krampfanfälle, : Blutdruck und ;Herzfunktion ? zerebrale Insulte und Blutungen

Arrhythmie, Kardiomyopathie, Myokarditis, kardiale Insuffizienz : Blutdruck, ; Herzfunktion, Koronarspasmen, : Atherosklerose der Koronaren, Gerinnungsstörungen ? Herzinfarkte thorakale Schmerzen, Dyspnoe bei intranasalem Konsum Schädigung der Nasenschleimhaut bis hin zu Nekrose des Nasenseptums selten, potenziell lebensbedrohlich: Hyperpyrexie, Rhabdomyolyse, DIC, akutes Nieren- und Leberversagen chronisch: Insomnie, Anorexie, Kachexie, Erschöpfung

z Amphetamine

: Blutdruck und Schäden an kleinen Hirngefäßen ? zerebrale Insulte und Blutungen, langfristige neurotoxische Hirnschäden des zentralen dopaminergen und/oder serotonergen Systems nach heutigem Forschungsstand denkbar

: Blutdruck und kardiale Arrhytmien ? Herzinfarkte selten, potenziell lebensbedrohlich: Hyperpyrexie, Rhabdomyolyse, DIC, akutes Nierenund Leberversagen

z klassische Halluzinogene

körperlich relativ gut verträglich: akut Pupillenerweiterung, Hyperreflexie, mäßige : Blutdruck und : Körpertemperatur, Nausea; keine schwerwiegenden organischen Komplikationen oder Langzeitschäden

z atypische Halluzinogene (akzidentelle Überdosierung leicht möglich)

bei Überdosierung anticholinerg wirksamer Substanzen akut: Intoxikationsdelirien, Ataxie, : MER Akkommodationslähmung, Pupillenerweiterung, Mundtrockenheit bei schwerer Überdosierung: potenziell lebensbedrohliche vege- Darm- und Blasenatonie, akuter Harnvertative Entgleisung, Koma, epilepti- halt sche Anfälle, zentrale Atemdepres- Schweißsekretion, Vasodilatation ? trockene, warme, gerötete Haut sion, Herz-Kreislauf-Stillstand Anstieg der Körpertemperatur Tachykardie, Kammerflimmern möglich

A2.3 Allgemeinmedizinisch/neurologische Komplikationen

z

Tabelle A.17 (Fortsetzung) Substanz

Komplikationen neurologisch

allgemeinmedizinisch

z Cannabis

körperlich in der Regel gut verträglich: akut Nausea möglich; keine schwerwiegenden organischen Komplikationen oder Langzeitschäden

z Ecstasy (cave: chemische Zusammensetzung der Pillen unsicher)

zerebrale Krampfanfälle, : Blutdruck ? zerebrale Insulte und Blutungen denkbar langfristige neurotoxische Hirnschäden des zentralen serotonergen Systems mit resultierenden Gedächtnisstörungen nach heutigem Forschungsstand wahrscheinlich

relativ selten, aber: mehrere Todesfälle beschrieben: Hyperthermie, Rhabdomyolyse, DIC, Multiorganversagen : Blutdruck ? Herzinfarkte subakute Hepatitiden viele weitere seltenere Organkomplikationen

z Alkohol (sehr toxisch, hohe Letalität durch viele Organkomplikationen)

zerebrale Krampfanfälle (bes. im Entzug) kortikale/Kleinhirnatrophie ? kognitive Defizite bis hin zu Demenz, Koordinationsstörungen Korsakow-Syndrom (s. Tabelle A.14) Wernicke-Enzephalopathie (s. Tabelle A.14) Polyneuropathie

Lebertoxizität (Fettleber, Zirrhose) Ösophagusvarizen, gastrointestinale Blutungen Gastritis, Magenulzera Kardiomyopathie Malabsorption/Kachexie

z Benzodiazepine

zerebrale Krampfanfälle im Entzug

in der Regel gut verträglich; bei Überdosierung Kreislauf- und respiratorische Insuffizienz möglich (cave: in Kombination mit NL respiratorische und Kreislaufkomplikationen häufiger, Todesfälle!)

z Opiate

indirekte Folgen: zerebrale Beteiligung bei HIV- und anderen opportunistischen Infektionen (Abszesse, kognitive Defizite bis hin zur Demenz)

indirekte Folgen: Fehl-/Mangelernährung, Kachexie, Infektionen (Spritzenabszesse, Hepatitis, HIV-Infektion ? AIDS, opportunistische Infektionen)

DIC disseminierte intravasale Gerinnung, MER Muskeleigenreflexe, NL Neuroleptika

245

246

z

Anhang 2: Synopsis Suchtstoffe

A2.4 Weiterführende Literatur Abraham HD, Aldridge AM, Gogia P (1996) The psychopharmacology of hallucinogens. Neuropsychopharmacology 14:285–298 Ashton CH (2001) Pharmacology and effects of cannabis: a brief review. Br J Psych 178:101–106 Bonnet U, Harries-Hedder K, Leweke FM, Schneider U, Tossmann P (2004) AWMF-Leitlinie: Cannabis-bezogene Störungen. Fortschr Neurol Psychiatr 72:318–329 Gold MS, Jacobs WS (2004) Cocaine and Crack: Clinical aspects. In: Lowinson JH, Ruiz P, Millman RB, Langrod JG (eds) Substance abuse. A comprehensive textbook, 4th edn. Lippincott Williams & Wilkins, Baltimore, MD, pp 218–251 Gouzoulis-Mayfrank E, Daumann J (2006) Neurotoxicity of methylenedioxyamphetamines (MDMA; Ecstasy) in humans: how strong is the evidence? Addiction 101:348–361 Grob CS, Poland RE (2004) MDMA. In: Lowinson JH, Ruiz P, Millman RB, Langrod JG (eds) Substance abuse. A comprehensive textbook, 4th edn. Lippincott Williams & Wilkins, Baltimore, MD, pp 374–386 Johns A (2001) Psychiatric effects of cannabis. Br J Psychiatry 178:116–122 King GR, Ellinwood EH (2004) Amphetamines and other stimulants. In: Lowinson JH, Ruiz P, Millman RB, Langrod JG (eds) Substance abuse. A comprehensive textbook, 4th edn. Lippincott Williams & Wilkins, Baltimore, MD, pp 277–301 Kraus L, Augustin R, Orth, B (2005) Illegale Drogen, Einstiegsalter und Trends. Ergebnisse des Epidemiologischen Suchtsurvey 2003. Sucht 51, S1:S19–S28 Mann K, Diehl A, Hein J, Heinz A (2006) Alkoholabhängigkeit. In: Voderholzer U, Hohagen F (Hrsg) Therapie psychischer Erkrankungen – State of the Art, 2. Aufl. Elsevier, Urban & Fischer, S 23–38 Müller J, Wanke K (1998) Intoxikationspsychosen durch Atropin und Skopolamin. Fortschr Neurol Psychiatr 66:289–295 Pechnick RN, Ungerleider JT (2004) Hallucinogens. In: Lowinson JH, Ruiz P, Millman RB, Langrod JG (eds) Substance abuse. A comprehensive textbook, 4th edn. Lippincott Williams & Wilkins, Baltimore, MD, pp 313–323 Pope HG Jr, Gruber AJ, Hudson JI, Cohane G, Huestis MA, Yurgelun-Todd D (2003) Early-onset cannabis use and cognitive deficits: what is the nature of the association? Drug Alcohol Depend 69:303–10 Pope HG jr, Gruber AJ, Hudson JI, Huestis MA, Yurgelun-Todd D (2001) Neuropsychological performance in long-term cannabis users. Arch Gen Psychiatry 56:909–915 Poser W, Poser S (1996) Benzodiazepine und analoge Substanzen. In: Poser W, Poser S (Hrsg) Medikamente – Missbrauch und Abhängigkeit. Thieme, Stuttgart New York, S 104–141 Repetto M, Gold MS (2004) Cocaine and crack: Neurobiology. In: Lowinson JH, Ruiz P, Millman RB, Langrod JG (eds) Substance abuse. A comprehensive textbook, 4th edn. Lippincott Williams & Wilkins, Baltimore, MD, pp 195–218 Reymann G, Gastpar M, Tretter F, Hähnchen A, Köhler W, Poehlke T, Wolstein J (2002) AWMF-Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von substanzbezogenen Störungen, Kapitel 3.2. „Akutbehandlung bei Störungen durch Opioide“. Sucht 48:245–264

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A Abhängigkeit 58, 116, 126 – körperlich, psychisch 126 – Verschiebung 58 – von Substanzen 116 Absichtsbildung, Motivationsstadium der 44 ff Absichtslosigkeit, Motivationsstadium der 44 ff Abstinenzforderung 72 Abstinenzmotivation 33 ff, 44 ff, 47, 52, 67, 70 Abstinenzorientierung 66, 67 Abstinenzregel 72 Abstinenzunterstützende Medikation 42 Abszesse, durch Opiatkonsum 86 Acamprosat 43 affektive Störung 3, 4 – bipolar 4 Affektregulationsmodell 9 Akkomodationslähmung, durch atypische Halluzinogene 244 aktives Zuhören 113 Aktivierung, emotional 106 Akutaufnahmen 59 Akutaufnahmestation 49 Akzeptanz, therapeutisch 111 Aldehyddehydrogenase 43 Alkohol 80 ff, 230, 241 Alkoholhalluzinose 85 Alkoholmissbrauch 49 Alltagsstrukturierung 166 Amanita muscaria 229 ambulante oder stationäre Entgiftung/ Entwöhnung 45 amotivationales Syndrom 90 ff, 237 Amphetamine 80 ff, 95 ff, 228, 234

Amphetaminparanoia 234 Angehörigengruppe, psychoedukativ 68 angel dust 229 Angststörung 3 Anpassungsniveau, prämorbid 26 Anti-craving-Substanzen 42 ff Antidepressiva 41 ff antisoziale Persönlichkeitsstörung 4, 19 Arrhythmie, durch Kokain/Crack 244 Ataxie, durch atypische Halluzinogene 244 Atemdepression, zentral, durch atypische Halluzinogene 244 Atropa Belladonna 229 Atrophie, kortikal/Kleinhirn, durch Alkohol 245 Atropin 229 Aufrechterhaltung, Motivationsstadium der 45 ff aufsuchende Arbeit 68 Ausrutscher, konsumbezogen 128 automatische Gedanken 141 Aversionstherapie 43 Ayahuascatee 228 Azetaldehyd 43 B Badtrip 235 Bedarfsmedikation 72, 74 Behandlung, integriert 35 ff Behandlung, stationär, rehabilitativ 72 Behandlungskonzept, multimodal 170 Behandlungsmodell 30, 33 ff, 36 – abstinenzfordernd 33 ff – abstinenzorientiert 33 ff

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– eklektisch 36 – integriert 30 ff – parallel 30 – sequentiell 30 Behandlungsprogramm, langfristig angelegt, ambulante 66 Behandlungsvertrag 73 ff Benzodiazepine 44, 231, 243 – in der Behandlung von Komplikationen durch Alkohol 241 – in der Behandlung von Komplikationen durch Amphetamin 234 – in der Behandlung von Komplikationen durch Cannabis 237 – in der Behandlung von Komplikationen durch Ecstasy 239 – in der Behandlung von Komplikationen durch Halluzinogen 235 ff – in der Behandlung von Komplikationen durch Kokain/Crack 233 Bewusstseinserweiterung 80 ff Beziehungsgestaltung, therapeutisch 111 bidirektionales Modell 10 Bilsenkraut 229 Biperiden 229 Blütenpflanzen 80 ff Blutung 244 ff – gastrointestinal, durch Alkohol 245 – zerebral durch Ecstasy 245 – zerebral, durch Kokain/Crack, Amphetamine 244 Brainstorming 162 BTSAS (Behavioral Treatment of Substance Abuse in Schizophrenia) 55, 61 Butyrophenone, in der Behandlung von Komplikationen durch Alkohol 241 C Cannabis 52, 80 ff, 89 ff, 229, 237 Cannabiskonsum 13 ff, 65 Cannabisprodukte, THC-Gehalt 16 Carbamazepin 42 – in der Behandlung von Komplikationen durch Benzodiazepine 243 2-CB 228 Chronifizierung 25

Clomethiazol, in der Behandlung von Komplikationen durch Alkohol 241 Clonidin, in der Behandlung von Komplikationen durch Alkohol 241 Codein 232 Cognitive-Behavioural-Integrated Treatment (C-BIT) 55 Compliance 24 Copingstrategien 9 craving 17, 42, 54, 109, 116, 120, 126 – Induktion durch das Training 170 – unter Clozapin 38 D Dämmerzustand 241 D-Amphetamin, Substitution mit 44 Deinstitutionalisierung 5, 6 Delir 85, 241, 243 – bei Alkohol- und Benzodiazepinmissbrauch 85 – bei Alkoholabhängigkeit 241 – bei Benzodiazepinabhängigkeit 243 Delta-THC 229 Demenz, durch Alkohol 245 Depotmedikation 40 Depressive- und Angststörung, induziert, durch Ecstasy 239 Depressivität, Demaskierung in Abstinenz 41 Dimethyltryptamin (DMT) 228 Disinhibition 9 Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) 244, 245 – durch Kokain/Crack, Amphetamine 244 – durch Ecstasy 245 Dissonanzerleben 113 Disulfiram 43 DOB 228 DOM 228 dopaminerges System, Dysfunktion des 16 Doppeldiagnose (Dual Diagnosis) 22 Double Trouble Groups 58, 70 Drogenscreening 55 Drop-out-Rate 31 ff Dual Diagnosis Relapse Prevention Therapy (DDRP) 54

Sachverzeichnis E ECA, Studie, s. epidemiologic catchment area Studie 3, 25 Echopsychose 236 – durch Ecstasy 240 Echtheit 168 Ecstasy 80 ff, 95 ff,230, 238 Eifersuchtswahn 85 Einzeltherapie, KomPAkt 102 ff Elektrokrampftherapie, in der Behandlung von Komplikationen durch Halluzinogen 235 emotionale Wärme, therapeutisch 111 emotionsaktivierendeIntervention 132 Emotionsregulation 151 ff Empathie 113, 168 energy drink 71 Engelstrompete 82, 229 Entgiftung 32 Entscheidungswaage (decisional balance) 46 ff, 49 Entwöhnung 33 Entzugssymptome, bei Alkohol- und Benzodiazepinmissbrauch 85 Entzugssyndrom 241, 243 – bei Alkoholabhängigkeit 241 – bei Benzodiazepinabhängigkeit 243 epidemiologic catchment area 3 epileptischer Anfall 86, 244, 245 – durch Ecstasy, Alkohol, Benzodiazepine 245 – durch Kokain/Crack, atypische Halluzinogene 244 – im Entzug 86 Erhaltungsphase 43 Erstepisode, psychotisch 4 Erstmanifestationsalter, Psychose, bei Zunahme des Cannabiskonsums 15 Exazerbation, psychotisch 32, 66 expressed emotion 56 extrapyramidale Nebenwirkungen 25, 37 ff F Familieninterventionen 56 ff Fettleber, durch Alkohol 245 FIDD (Family intervention for dual disorders) 57

Flashback 97, 236 – durch Ecstasy 240 Fliegenpilz 80 ff, 229 Frühwarnzeichen 51 G GABAA-Rezeptor 230 Gastritis, durch Alkohol 245 Gedächtnisstörungen, durch Ecstasy 245 Gedankenstopp 121 Gesprächsführung, motivierend 68 GOAL (Gesund und Ohne Abhängigkeit Leben) 55, 57 Gruppendynamik, dysfunktional 171 ff Gruppenkonzept, halboffen 108 Gruppenregeln 166 ff Gruppentherapie, manualisiert, psychoedukativ 51 ff Gruppentraining, verhaltenstherapeutisch 66 H Halluzinogene 95 ff, 235 – atypisch 77, 229 – klassisch 228 Haloperidol, in der Behandlung von Komplikationen durch Benzodiazepine 243 Handlung, Motivationsstadium der 45 ff harm reduction 34, 67 Haschisch 229 Hausbesuche 34 Hepatitis, durch Opiatkonsum 86 Heroin 232 Herzinfarkt, durch Kokain/Crack, Amphetamine 244 Herz-Kreislauf-Stillstand, durch atypische Halluzinogene 244 Hippocampus 18 Hirnmorphologie 27 HIV, durch Opiatkonsum 86 Horrortrip 98, 235 Hospitalisierungsfrequenz 32 Humor 114, 169 Hyoscyamin 229

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Hyperpyrexie, 244, 245 – durch Ecstasy 245 – durch Kokain/Crack, Amphetamine 244 I Ibotensäure 229 Imaginationsübung 139 ff Impulsivität 8, 9 2-in-1-Kommunikation 159 ff Informationsverarbeitungsfähigkeit 109 Institutsambulanz 36 Insuffizienz, kardial, durch Kokain/ Crack 244 Insult, zerebral 244, 245 – durch Ecstasy 245 – durch Kokain/Crack, Amphetamine 244 Interaktion, von Psychose und Abhängigkeit 117 Interaktionsstil 112 Intervention 34, 46 – motivational 34 – stadiengerecht 46 Intoxikation 71 – akut, durch Amphetamin 234 – akut, durch Cannabis 237 – akut, durch Ecstasy 239 – akut, durch Halluzinogen 235 – akut, durch Kokain/Crack 233 Intoxikationsdelir, durch atypische Halluzinogene 244 Inzidenz 15

– dysfunktional, Identifikation 140 ff – dysfunktional, Identifikation, Modifikation 139 ff kognitive Umstrukturierung 106, 119, 142 ff kognitive Verhaltenstherapie 51 kognitive Verzerrung 140 ff kognitives Funktionsniveau 105 Kohärenz 166 Kohäsion 108 Kokain 80 ff Kokain/Crack 95 ff, 227, 233 Koma, durch atypische Halluzinogene 244 Kommunikation, Inhaltsebene, Beziehungsebene 161 ff Kommunikationstraining 56 Komorbidität 22 KomPASs (Komorbidität Psychose und Abhängigkeit: Ein Skills-Training für Gruppen) 105 ff Komplikationen, durch Substanzkonsum 116 konsumassoziierter Reiz (cue) 71 Konsumreduktion, unter Neuroleptika 38 ff Kontinuitätsdelir, bei Alkoholabhängigkeit 241 Korsakow-Syndrom 85 – durch Alkohol 245 Kotherapeut 109 Krisenplan 73, 124, 165 Kurzintervention, motivational 48 L

K Kammerflimmern, durch atypische Halluzinogene 244 Kardiomyopathie 244, 245 – durch Alkohol 245 – durch Kokain/Crack 244 Ketamin 229 kindling 11 Kognitionen, dysfunktional, alternativ 117 ff kognitive Defizite, unter Neuroleptika 37 kognitive Schemata 106

Lamotrigin 42 lapse 42 Leberversagen, akut, durch Kokain/ Crack, Amphetamine 244 Leistungsniveau, kognitiv 27 Lifetime-Prävalenz 3 – für Schizophrenie 3 – für Missbrauch/Abhängigkeit 3 Lithium 41 – in der Behandlung von Komplikationen durch Halluzinogen 235 Lösungsorientierung 114 Loyalität, therapeutisch 111

Sachverzeichnis LSD, s. Lysergsäurediethylamid 12, 80 ff, 96 ff Lysergsäurediethylamid (LSD, LSD-25) 228 M Magenulkus, durch Alkohol 245 Major-Depression 3 Malabsorption, durch Alkohol 245 Marihuana 229 MATCH-Projekt 48 Meskalin 228 Methadon 232 – Substitution mit 43 Methylendioxymethamphetamin (MDMA), s. Ecstasy 80 ff 3,4-Methylenedioxyamphetamin (MDA), s. Ecstasy 230 3,4-Methylenedioxymethylamphetamin (MDMA), s. Ecstasy 230 Missbrauch 126 – von Substanzen 116 Modell der Komorbidität 20, 21 – bidirektional 20 – integrativ 21 Modell der Psychoseinduktion 11 Modelllernen, verdeckt 168 Mood stabilizer 41 Morphin 232 motivation based dual diagnosis treatment (MBDDT) 48 motivation enhancement therapy (MET) 44, 48 motivational interviewing (MI) 49 Motivationsarbeit 36 Motivationsinterview 61 Motivationsmodell, 5-stufig 44 ff Motivationsstadien 36, 46, 52 Motivationszyklus 46 motivierende Gesprächsführung 48 Multiorganversagen, durch Ecstasy 245 Muscimol 229 Myokarditis, durch Kokain/Crack 244 N Nacheffekte, durch Ecstasy 239 Nachtschattengewächse 77, 229

Naltrexon 42 ff – in der Behandlung von Komplikationen durch Halluzinogen 236 Nasenseptumnekrose, durch Kokain/ Crack 244 Neuroleptika 24 – atypisch 37 ff – atypisch, Rezeptorprofil 37 – in der Behandlung von Komplikationen durch Alkohol 241 – in der Behandlung von Komplikationen durch Amphetamin 234 – in der Behandlung von Komplikationen durch Cannabis 237 – in der Behandlung von Komplikationen durch Halluzinogen 235 – in der Behandlung von Komplikationen durch Halluzinogen 236 – in der Behandlung von Komplikationen durch Kokain/Crack 233 – klassisch 36 ff Neuroleptika-Nonresponse 26 neuronale Netzwerke 148 ff Neurotizismus 9 Neurotoxizität 244, 245 – durch Amphetamine 244 – durch Ecstasy 245 Nierenversagen, akut, durch Kokain/ Crack, Amphetamine 244 N-Methyl-1, 1, 3-Benzodioxol-5-yl-Butanamin (MBDB), s. Ecstasy 230 Notfallvorstellungen 59 O Opiate 76, 77, 80 ff, 232 Opiatkonsum 86 l-Opiatrezeptor-Antagonisten 42 Ösophagusvarizen 86 – durch Alkohol 245 P Panikzustand, durch Ecstasy 239 Parkinsonoid 8 Persönlichkeit, prämorbid 26 Pharmakotherapie 36 ff Phencyclidin (PCP) 229 Polyneuropathie 86 – durch Alkohol 245

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Prävalenz für Missbrauch/Abhängigkeit, aktuell 4 Prävalenz 15 Prävention 19, 163 ff primary addiction hypothesis 16, 19 Pro- und Contra-Liste 154 Prodromalsymptome 9 Prompting 168 Psilocybin 228 Psilocybinpilze 80 ff psychedelic afterglow 235 Psychoedukation 35, 47, 49, 51 ff, 115 ff, 124 ff Psychoedukationsgruppe, stationär 66 Psychoedukative Gruppen 52 Psychoedukatives Training für Patienten mit der Komorbidität Psychose und Missbrauch/Abhängigkeit (KomPAkt) 75 ff Psychose, drogeninduziert schizophrenieform 11 Psychose, induziert – durch Amphetamin 234 – durch Amphetamin/ Kokain/Ecstasy/ Halluzinogen 97 ff – durch Cannabis 90 ff, 237 – durch Ecstasy 239 – durch Halluzinogen 235 – durch Kokain/Crack 233 Psychose, toxisch – durch Amphetamin 234 – durch Cannabis 237 – durch Ecstasy 239 – durch Halluzinogen 235 – durch Kokain/Crack 233 Psychoseinduktion, durch Cannabis 11 psychosexuelle Entwicklung, prämorbid 26 R Rausch – pathologisch 241 – prolongiert, psychotisch, durch Kokain/Crack 233 – verlängert, durch Halluzinogen 235 Rauschverlauf. – atypisch, durch Ecstasy 239 – psychotisch 91

– psychotisch, durch Amphetamin/ Kokain / Ecstasy/ Halluzinogen 97 ff – psychotisch, durch Cannabis 90 ff Rehabilitation, sozial 67 Rehabilitations- und Übergangseinrichtung 70 relapse 42 Respekt, therapeutisch 111 Ressourcenaktivierung 114 reward system 16 Rhabdomyolyse 244, 245 – durch Ecstasy 245 – durch Kokain/Crack, Amphetamine 244 Rollenspiel 122 ff, 133, 141, 157 ff, 160, 162, 168, 172, Rückfall 45 ff, 128 Rückfall, relapse 54 Rückfallfrequenz 25 Rückfallmanagement 48 Rückfallprävention 47 ff Rückfallrate 31 ff Rückfallrate 60 Rückschritt, lapse 54

S Schemata, emotional, kognitiv 106, 119 Schlafmittel 80 ff Schweigepflicht 78 Scopolamin 229 Screeninguntersuchung 71, 74 Sekundärprävention 35 Selbstbeobachtung 121 Selbsthilfegruppe 57 ff, 69, 166 Selbstinstruktion 121 Selbstmedikationshypothese 7 Selbstmedikationsversuch 90 – bei Negativsymptomen 96 ff – bei Positivsymptomen 85 Selbstverbalisation 152 Selbstverbalisationstechnik 155 ff Selbstwirksamkeit 47 Selbstwirksamkeitserleben 114 Sensation seeking 8 Sensitisation 11 Setting 31 ff Shaping 168

Sachverzeichnis Skills, anti-Craving, anti-Stress 145, 151 ff Skills, für Craving-Situationen 105 social Drift 10 social Skills 121 soziale Kompetenz 105 – allgemein 157 ff – allgemein, konsumspezifisch 107, 122, 159 ff – Aufbau von 47 soziales Kompetenztraining 121 Soziorehabilitation 25 Speed 80 ff 96 ff Speedparanoia 98 SSRIs (Serotoninwiederaufnahmehemmer), in der Behandlung von Komplikationen durch Halluzinogen 236 SSRIs, in der Behandlung von Komplikationen durch Alkohol 242 Standardtherapie 60 Stechapfel 82 Stimulanzien 228 Stimulanzienkonsum, Reduktion 61 Stimuluskontrolle 121 Störung, psychotisch – durch Amphetamin 234 – durch Cannabis 237 – durch Ecstasy 239 – durch Halluzinogen 235 – durch Kokain/Crack 233 Stressintoleranz 9 Studie, Dunedin, Christchurch, NEMESIS, EDSP 13 ff Substanzkonsum, Komplikationen durch 129 Substitution 42, 43 Sucht 126 Suchtbehandlung, poststationär 51 Suchtentwicklung, sekundäre 7 Suizidalität 25 – im Speed- und Kokainentzug 97 – unter Neuroleptika 38 Supersensitvitätsmodell 10

T Talking down 235, 237, 239 tardive Dyskinesie 25 Tetrahydrocannabinol 229 Teufelskreis 117 THC-Rezeptor 229 Therapeutenverhalten 133 Therapievertrag 71 Topiramat 44 Trihexyphenidyl 229 V Validierung 169 Valproinsäure 42 Verfolgungswahn 234 Verhaltensanalyse 118 ff verhaltenstherapeutische Ansätze 53 ff Verhaltenstherapie 47 Vertrauensperson 164 ff Vorbereitung, Motivationsstadium der 45 ff Vulnerabilität 69, 91 ff Vulnerabilitätsmodell 12 Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungsmodell 175 Vulnerabilitätsstressmodell 10 Warnsignale 123, 163 ff – für Krisensituationen 107 W Wernicke-Enzephalopathie Wertschätzung 168

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Z Zirrhose, durch Alkohol 86, 245 Zweizügeltherapie 41

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