Kollektive Koalitionsfreiheit und Betriebsverfassung [1 ed.] 9783428500994, 9783428100996

Zur näheren Bestimmung der Stellung der Arbeitnehmer- und Arbeitgebervereinigungen im BetrVG wird auffällig schnell und

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German Pages 545 Year 2000

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Kollektive Koalitionsfreiheit und Betriebsverfassung [1 ed.]
 9783428500994, 9783428100996

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BIRGIT FRIESE

Kollektive Koalitionsfreiheit und Betriebsverfassung

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 180

Kollektive Koalitionsfreiheit und Betriebsverfassung Von

Birgit Friese

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Friese, Birgit:

Kollektive Koalitionsfreiheit und Betriebsverfassung / von Birgit Friese. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht; Bd. 180) Zug!.: Jena, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10099-9

Alle Rechte vorbehalten

© 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-10099-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Wintersemester 1999/2000 als Dissertation angenommen. Dem Manuskript liegt die Rechtsprechung und Literatur bis Oktober 1999 zugrunde. Danken möchte ich an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Hartmut Oetker. Er regte die Arbeit an und ermöglichte mir durch die Beschäftigung an seinem Lehrstuhl die Anfertigung derselben. Durch seine bereitwillige Betreuung hat er maßgeblich zum Gelingen der Dissertation beigetragen und darüber hinaus meine weitere wissenschaftliche Betätigung gefördert. Mein Dank gilt weiterhin Frau Prof. Dr. Monika Schlachter für die sehr zügige Anfertigung des Zweitgutachtens. Auch danke ich Herrn Prof. Dr. Norbert Simon für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe "Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht" sowie der Friedrich-Schiller-Universität Jena für die teilweise Übernahme der Druckkosten. Besonderen Dank schulde ich aber meinen Kollegen und Kolleginnen, die mir viel Verständnis und Geduld entgegenbrachten und stets zu kritischen Gesprächen bereit waren. Jena, im Frühjahr 2000

Birgit Friese

Inhaltsübersicht Einleitung .............................................. . .............

29

Teil 1: Kollektive Koalitionsfreiheit ....................................

37

§ 1 Die personelle Reichweite von Art. 9 III GG .... . ............ , 37

Teil 2: Die Stellung der Koalitionen im Betriebsverfassungsgesetz ........

59

§ 2 Die Koalitionen als Garanten einer effizienten Betriebsverfassung .....................................................

59

§ 3 Normsetzung der Koalitionen und Betriebsverfassung ......... . 119

Teil 3: Grundrechtliche Betätigungsgarantie der Koalitionen und Betriebsverfassung ..................................................... 176 § 4 Die Methode der Grundrechtsinterpretation und die Bedeutung

von Grundrechtstheorien für die Grundrechtsauslegung ........ . 176 § 5 Die Garantie koalitionsspezifischer Betätigung als Gegenstand des Schutzbereiches des Art. 9 III 1 GG .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 § 6 Die Betriebsverfassung als Gegenstand koalitionsspezifischer

Betätigung ............................................... . 232 Teil 4: Die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der Koalitionen als Ausgleich für die gesetzliche SchalTung eines konkurrierenden Arbeitnehmerrepräsentanten auf der Betriebsebene .................... 313 § 7 Konkurrenzschutz als Garantiegehalt des Grundrechts der kollek-

tiven Koalitionsfreiheit ..................................... 313 § 8 Keine funktionsgefahrdende Beeinträchtigung der kollektiven

Koalitionsfreiheit durch das bestehende Betriebsverfassungssystem ..................................................... 328 § 9 Eingriffsverhindemde Rechte des Betriebsverfassungsgesetzes .. 370

Teil 5: Die betriebliche Flexibilisierung des Tarifvertrags mittels tarifvertraglicher ÖlTnungsklauseln im Lichte des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit ......................................... 426 § 10 Grenzen tarifvertraglicher Öffnungsklauseln aus dem Grundrecht der kollektiven Koalitionsfreiheit des Art. 9 III 1 GG .......... 426

8

Inhaltsübersicht

Teil 6: Die Stellung der Koalitionen im Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten sowie im Gesetz über Europäische Betriebsräte unter Berücksichtigung des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 § 11 Das Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten im Lichte des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit .... 464 § 12 Das Gesetz über Europäische Betriebsräte im Lichte des Grund-

rechts der kollektiven Koalitionsfreiheit ...................... 482

Teil 7: Zusammenfassung ............................................. 499 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 Sachwortverzeichnis .................................................... 540

Inhaltsverzeichnis Einleitung ............................................................ 29

Teil 1 Kollektive Koalitionsfreiheit § 1 Die personelle Reichweite von Art. 9 III GG ......................... A. Die Koalitionen als Träger des Grundrechts der Koalitionsfreiheit ...

37 37 37

B. Die durch Art. 9 III GG geschützte personelle Repräsentationskompetenz der Koalitionen ......................................... 41 I. Gewährleistung einer abgeleiteten Repräsentationskompetenz auch in bezug auf die nicht koalierten Arbeitnehmer. . . . . . . . .. 41 11. Gewährleistung einer umfassenden originären Repräsentationsfunktion aufgrund der Ordnungsfunktion der Koalitionsfreiheit . 45 C. Der verfassungsrechtliche Koalitionsbegriff .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

53

D. Zusammenfassung.............................................

58

Teil 2

§2

Die Stellung der Koalitionen im Betriebsverfassungsgesetz

59

Die Koalitionen als Garanten einer effizienten Betriebsverfassung ......

59

A. Die Rechte der Gewerkschaften ................................. I. Grundlegendes Verhältnis von Gewerkschaft und Betriebsrat in der Betriebsverfassung, § 2 I BetrVG ....................... 11. Mitwirkung bei der Bildung von Betriebsräten, Gesamtbetriebsräten, Konzernbetriebsräten sowie der Jugend- und Auszubildendenvertretung ......................................... 1. Mitwirkung bei der Bildung von Betriebsräten ............ a) Mitwirkung bei der Bildung des Wahlvorstands ....... b) Mitwirkung an der Wahlvorbereitung und Überwachung des Wahlvorstandes ................................ c) Wahlvorschlagsrecht ............................... d) Wahlüberwachung und Wahl schutz .................. 2. Mitwirkung bei der Bildung des Gesamtbetriebsrats, des Konzernbetriebsrats sowie der Jugend- und Auszubildendenvertretung ............................................

59 59

63 63 64 66 66 69

70

10

Inhaltsverzeichnis III.

Unterstützung des Betriebsrats bei der Geschäftsführung

71

1. Teilnahme von Gewerkschaftsmitgliedern an Betriebsratsund Ausschußsitzungen sowie sonstigen Besprechungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat .... . . . . . . . . . . . . . . .. 71 a) Teilnahmerecht an den Sitzungen des Betriebsrats nach § 31 BetrVG ...................................... 71 b) Teilnahmerecht an den Sitzungen der Betriebsratsausschüsse entsprechend § 31 BetrVG ... . . . . . . . . . . . . . . ..

73

c) Sonstige Teilnahmerechte an Betriebsrats- und Ausschuß sitzungen sowie Besprechungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 75

IV.

(1) Teilnahmerecht an Betriebsrats- und Ausschußsitzungen kraft Geschäftsordnung des Betriebsrats oder durch Betriebsratsbesch1ußI Ausschußbeschluß

75

(2) Teilnahmerecht an sonstigen Beratungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber .....................

76

2. Verständigung bei der Aussetzung von Betriebsratsbeschlüssen ..................................................

77

3. Schutz der unbeeinflußten Geschäftsführung des Betriebsrats ..................................................

77

4. Schulungs- und Bildungsveranstaltungen der Gewerkschaften ..................................................

77

Überwachungs- und Kontrollfunktion der Gewerkschaften .....

79

1. Antragsrecht bei Pflichtverletzungen des Betriebsrats oder einzelner Betriebsratsmitglieder, §§ 23 I, 48, 56 BetrVG ... 79

V.

VI.

2. Antragsrecht bei Pflichtverletzungen des Arbeitgebers, §§ 23 III, 48, 56 BetrVG ...............................

80

3. Strafantragsrecht nach § 119 II BetrVG ..................

81

Weitere Rechte der Gewerkschaften für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

81

1. Antrag auf Einberufung und Teilnahme an der Betriebsversammlung ............................................

81

2. Zutrittsrechte der Gewerkschaften zum Betrieb zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben ...............................

83

a) Anwendungsbereich des § 2 II BetrVG ...............

83

b) Die Zutrittsrechte im Einzelnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

85

(1) Akzessorische Zutrittsrechte .....................

85

(2) Selbständige Zutrittsrechte ......................

86

Die Vorschläge des DGB für eine Modernisierung der Betriebsverfassung ............... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

88

VII. Zusammenfassung und verfassungsrechtliche Fragestellungen ..

90

Inhaltsverzeichnis

11

B. Die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Vertretensein im Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. H. Der Gewerkschaftsbegriff in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ............................................. III. Einheitlicher Gewerkschaftsbegriff kontra betriebsverfassungsspezifischer Begriffsbestimmung ........................... IV. Erkenntnisse einer grammatikalischen Auslegung des Begriffes der Gewerkschaft im Betriebsverfassungsgesetz ..............

90 90

V. VI.

Erkenntnisse einer systematischen Auslegung des Begriffes der Gewerkschaft im Betriebsverfassungsgesetz ................. Erkenntnisse einer teleologischen Auslegung des Begriffes der Gewerkschaften im Betriebsverfassungsgesetz ............... 1. Maßgeblichkeit des betriebsverfassungsgesetzlichen Integrationszweckes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Arbeitnehmervereinigungen leitender Angestellter als Gewerkschaften im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes .

3. Ablehnung der Merkmale "überbetriebliche Organisation" und "Tariffähigkeit" ................................... 4. Konkretisierung des betriebsverfassungsrechtlichen Gewerkschaftsbegriffes ....................................... VII. Erkenntnisse einer historischen Auslegung des Begriffes der Gewerkschaften im Betriebsverfassungsgesetz ............... VIII. Vorläufiges Ergebnis der Bestimmung des betriebsverfassungsrechtlichen Gewerkschaftsbegriffes .........................

91 93 97 98 102 102 103 104 108 109 113

C. Die Rechte der Arbeitgeberverbände sowie der Begriff der im

Betrieb vertretenen Arbeitgebervereinigungen ..................... 114

D. Zusammenfassung ............................................. 118 §3

Normsetzung der Koalitionen und Betriebsverfassung ................. 119 A. Die Betriebsverfassung nach dem Betriebsverfassungsgesetz als Gegenstand tariflicher Normsetzung ............................. 120

I. H. III.

Die betriebsverfassungsrechtliche Norm als eigenständiger Typus tarifvertraglicher Normen ........................... Bestand einer allgemeinen Befugnis der Tarifvertragsparteien zur Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen .......... Zulässigkeit der tarifvertraglichen Einflußnahme auf die Organisation der gesetzlichen Betriebsverfassung ................ . 1. Betriebsverfassungsgesetzliche Zulassungsklauseln im organisatorischen Bereich .................................. a) §§ 3 I, 117 H BetrVG .............................. b) §§ 47 IV, 55 IV, 72 IV BetrVG ..................... c) § 38 I 2 BetrVG ................................... d) §§ 76 VIII, 76a V, 86 BetrVG .......................

120 124 130 130 130 134 134 134

12

Inhaltsverzeichnis

IV.

V. VI.

2. Zulässigkeit der tarifvertraglichen Abweichung von der durch das Betriebsverfassungsgesetz vorgegebenen Organisation der Betriebsverfassung ........................... Beteiligungsrechte des Betriebsrats und tarifliche Nonnsetzung 1. Beteiligungsrechte des Betriebsrats ...................... a) Mitwirkung und Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten ............................................ b) Mitwirkung in arbeitsplatztechnischen Angelegenheiten. c) Mitwirkung und Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten ......................................... d) Mitwirkung und Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten ................................... 2. Beschränkung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats ..... 3. Erweiterung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats ....... Die Vorschläge des DGB für eine Modernisierung der Betriebsverfassung ............................................... Zusammenfassung und verfassungsrechtliche Fragestellungen ..

B. Betriebliche Nonnsetzung und Tarifvertrag ....................... I. Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung ...................... 1. Der gesetzlich nonnierte Vorrang des Tarifvertrags vor Betriebsvereinbarungen ................................ a) Der Vorbehalt tariflicher Regelungsbefugnis ........... b) Tarifvorbehalt bei fehlender Tarifbindung des Arbeitgebers .............................................. c) Einbeziehung von Regelungsabreden in die Tarifsperre des § 77 III 1 BetrVG .............................. d) Das Nonnverhältnis der §§ 77 III 1 und 87 I Eingangssatz BetrVG ....................................... 2. Gesetzliche und tarifvertragliche Öffnungsklauseln ........ a) Gesetzliche Tariföffnungsklauseln .................... b) Tarifvertragliche Tariföffnungsklauseln ............... 3. Verfassungsrechtliche Fragestellungen ................... 11. Der Schutz tariflicher Nonnsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Sicherung und Geflihrdung tariflicher Regelungen durch den Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Schutz tariflicher Nonnsetzung ................................ a) Unterlassungs anspruch und Antragsbefugnis im arbeitsgerichtlichen Urteils- und Beschlußverfahren .......... b) Unterlassungsanspruch und Antragsbefugnis unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 20.4.1999 - 1 ABR 72/98 - .............. 3. Stellungnahmen in der arbeitsrechtlichen Literatur ......... 4. Verfassungsrechtliche Fragestellungen ...................

135 137 137 137 138 139 140 141 142 148 149 149 150 150 150 152 153 154 156 156 157 162 162 162 163 163

168 169 173

Inhaltsverzeichnis III.

13

Die Vorschläge des DGB für eine Modemisierung der Betriebsverfassung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 173

C. Zusammenfassung ............................................. 174 Teil 3

Grundrechtliche Betätigungsgarantie der Koalitionen und Betriebsverfassung

176

§4

Die Methode der Grundrechtsinterpretation und die Bedeutung von Grundrechtstheorien für die Grundrechtsauslegung .................... 176

§5

Die Garantie koalitionsspezifischer Betätigung als Gegenstand des Schutzbereiches des Art. 9 III 1 GG . . . . .. .. . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . .. A. Der verfassungsrechtliche Garantieumfang der kollektiven Koalitionsbetätigungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ...................................................... I. BVerfGE 93, 352ff. - Rechtsprechungswende oder KlarsteIlung? ................................................... 11. Die Kembereichsterminologie des Bundesverfassungsgerichts .. 1. Kembereich eines Tarifvertragssystems .................. 2. Kembereich der Koalitionsbetätigung .................... 3. Kembereich der Koalitionsfreiheit ...................... . 4. Distanzierung von der Kembereichsterminologie .......... III. BVerfGE 93, 352 ff. als Änderung der Rechtsprechung zum Schutz der kollektiven Koalitionsfreiheit .................... IV. Zusammenfassung.......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. B. Die verfassungsrechtliche Garantie der kollektiven Betätigungsfreiheit in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Die grundrechtlich geschützte Betätigungsfreiheit der Koalitionen bei einem beschränkt-funktionalen Verständnis der kollektiven Koalitionsfreiheit .................................... . 11. Die grundrechtlich geschützte Betätigungsfreiheit der Koalitionen bei einem Verständnis der Koalitionsfreiheit als kommunikative Ausübung der Grundrechte aus den Art. 12, 14 GG .... III. Die grundrechtlich geschützte Betätigungsfreiheit der Koalitionen bei einer Differenzierung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schutzbereich des Art. 9 III I GG ................. IV. Die grundrechtlich geschützte Betätigungsfreiheit der Koalitionen bei Begründung eines einfachen oder qualifizierten Gesetzesvorbehalts ............................................ C. Entwurf einer allgemeinen Struktur des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit aus Art. 9 III 1 GG in bezug auf den Schutz der Koalitionsbetätigung .......................................... . I. Umfassender abwehrrechtlicher Koalitionsbetätigungsschutz durch Art. 9 III I GG für natürliche Koalitionsbetätigungen ...

181

181 181 182 182 185 190 194 196 199 199

200

202

205

206

208 209

Inhaltsverzeichnis

14

11.

1. Die umfassende Garantie der natürlichen Betätigung zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ............................................... 2. Bedürfnis nach einfach-gesetzlichen Regelungen im Bereich natürlicher Koalitionsbetätigung ......................... Beschränkter Koalitionsbetätigungsschutz durch Art. 9 III I GG für auf normative Ausgestaltung angewiesene Handlungsformen .................................................... 1. Die Notwendigkeit einer die Grundrechtswahrnehmung ermöglichenden Ausgestaltung durch den Gesetzgeber ..... 2. Ableitung der Ausgestaltungsaufgabe des Gesetzgebers aus dem objektiven Gehalt der Grundrechte .................. 3. Ausgestaltungsanspruch der Grundrechtsträger und Teilhabe der ausgestaltenden Gesetze an der grundrechtlichen Gewährleistung ....................................... 4. Die Notwendigkeit der Betätigungsform als Anknüpfungspunkt für die Einbeziehung gesetzlicher Regelungen in den Schutzbereich von Art. 9 III I GG ...................... 5. Grenzen gesetzgeberischer Grundrechtsausgestaltung und Abgrenzung zum Grundrechtseingriff ................... .

209 213

214 214 218

220

223 227

D. Zusammenfassung ............................................. 231 §6

Die Betriebsverfassung als Gegenstand koalitionsspezifischer Betätigung . 232 A. Die Betriebsverfassung als "Arbeits- und Wirtschaftsbedingung" ... . I. Die Einordnung der Betriebsverfassung als "Arbeits- und Wirtschaftsbedingung" in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ............................................ 11. Die Einordnung der Betriebsverfassung als "Arbeits- und Wirtschaftsbedingung" in der arbeitsrechtlichen Literatur. . . . . . . . . . I. Die Betriebsverfassung als "Arbeits- und Wirtschaftsbedingung" unter Berücksichtigung des personellen Umfangs der Interessenvertretung durch die Koalitionen ............... 2. Die Mitwirkung an unternehmerischen Entscheidungen des Arbeitgebers als Gegenstand der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingung "Betriebsverfassung" .......................................... '...... III. Stellungnahme........................................... I. Zuordnung der Betriebsverfassung zu den Arbeitsbedingungen des Art. 9 III I GG ............................... . 2. Die Mitwirkung an unternehmerischen Entscheidungen des Arbeitgebers als Gegenstand der Wahrung und Förderung der "Arbeits- und Wirtschaftsbedingung" Betriebsverfassung ................................................. IV. Zusammenfassung ........................................

232

233 234

235

236 239 239

242 245

B. Betriebsverfassungsrechtliche Fragen als Gegenstand tariflicher Normsetzung ...................................................... 245

Inhaltsverzeichnis I.

11. III.

Die Garantie eines Tarifvertragssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die grundrechtliche Gewährleistung eines Kollektivvertragssystems .............................................. 2. Die Garantie normativer Regelungsbefugnis .............. a) Ausgangsdaten der Garantie normativer Regelungsbefugnis ............................................... b) Garantie einer Normsetzungsbefugnis in instrumenteller Hinsicht .......................................... c) Garantie einer Normsetzungsbefugnis in gegenständlicher Hinsicht ..................................... . d) Nähere Bestimmung des funktionellen Schutzbereiches der Tarifautonomie .................... ;........... . Keine Garantie einer Normsetzungsbefugnis in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen durch Art. 9 III 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . Der Umfang zulässigen tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts im Verhältnis zu den Normen des Betriebsverfassungsgesetzes ................................................... 1. Allgemeine Befugnis der Tarifvertragsparteien zur Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen nach den §§ 1 I, 3 11 TVG ................................................. 2. Die Regelungsbefugnis in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen und ihr Verhältnis zum Grundrecht der Koalitionsfreiheit der anders und nichtorganisierten Arbeitnehmer .. . . a) Eingriff in das Grundrecht der Koalitionsfreiheit der anders und nichtorganisierten Arbeitnehmer bei tariflicher Einflußnahme auf die gesetzliche Betriebsverfassung .............................................. b) Grenzen tariflicher Einflußnahme auf die gesetzliche Betriebsverfassung bei Berücksichtigung der Koalitionsfreiheit der anders und nichtorganisierten Arbeitnehmer . (1) Das Grundrecht der kollektiven Koalitionsfreiheit als kollidierendes Verfassungsrecht .............. . (2) Die Betriebsverfassung als kollidierendes Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verfassungskonforme Bestimmung der tarifvertraglichen Einflußnahmebefugnis auf die gesetzliche Betriebsverfassung unter Berücksichtigung der Koalitionsfreiheit der anders und nichtorganisierten Arbeitnehmer .................................. 3. Tarifvertraglicher Einfluß auf die Organisation der Betriebsverfassung ........................................... . 4. Verringerung oder Erweiterung der Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats durch die Tarifvertragsparteien . . 5. Grenzen der Mitbestimmungserweiterung bei tarifvertraglichen Rahmenvorgaben für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts durch den Betriebsrat ......................

15 245 245 246 246 248 249 255 258

264

264

265

265

266 266 267

274 279 281

289

16

Inhaltsverzeichnis IV. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Betriebsverfassung als Gegenstand sonstiger Koalitionsbetätigung .......................................................... 1. Die Beteiligung der Koalitionen an der gesetzlichen Betriebsverfassung als unmittelbarer Gewährleistungsgegenstand des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit aus Art. 9 III 1 GG ..................................................... 1. Die Beteiligung der Koalitionen an der gesetzlichen Betriebsverfassung als eine auf normative Ausgestaltung angewiesene Betätigungsform ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notwendigkeit der Beteiligung der Arbeitnehmervereinigungen an der gesetzlichen Betriebsverfassung .............. . 3. Notwendigkeit der Beteiligung der Arbeitgebervereinigungen an der gesetzlichen Betriebsverfassung .............. . II. Die Gewährleistung natürlicher Betätigungsformen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingung "Betriebsverfassung" durch Art. 9 III 1 GG ................. 1. Koalitive Werbung und Propaganda vor Betriebsratswahlen . 2. Durchführung von Schulungs- und Bildungsveranstaltungen für Betriebsräte ....................................... 3. Beratung und Unterstützung des Arbeitgebers durch den Arbeitgeberverband ................................... . III. Zusammenfassung........................................

291 293

294

294 296 304

304 305 309 311 312

Teil 4

Die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der Koalitionen als Ausgleich für die gesetzliche Schaffung eines konkurrierenden Arbeitnehmerrepräsentanten auf der Betriebsebene §7

313

Konkurrenzschutz als Garantiegehalt des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit ................................................. 313 A. Keine Garantie alleiniger Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Art. 9 III 1 GG außerhalb staatlicher Gesetzgebung ................................................ . 1. Legislative Schaffung eines Betriebsverfassungssystems und Art. 9 III 1 GG .......................................... II. Grammatikalische Auslegung des Art. 9 III 1 GG ............ III. Systematische Auslegung des Art. 9 III 1 GG ................ IV. Teleologische Auslegung des Art. 9 III 1 GG ................ V. Historische Auslegung des Art. 9 III I GG .................. B. Keine Garantie eines Monopols oder absoluten Vorrangs der normativen Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Tarifvertrag außerhalb eines Konkurrenzschutzes durch Art. 9 III 1 GG .. I. Grammatikalische Auslegung des Art. 9 III I GG ............

313 313 314 315 315 317

318 319

Inhaltsverzeichnis 11. III. IV.

17

Systematische Auslegung des Art. 9 III 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Teleologische Auslegung des Art. 9 III 1 GG ............... . 320 Historische Auslegung des Art. 9 III 1 GG .................. 323

C. Grundrechtliche Grenzen der legislativen Schaffung konkurrierender

Strukturen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen aus Art. 9 III 1 GG ............................... . 325 §8

Keine funktionsgefährdende Beeinträchtigung der kollektiven Koalitionsfreiheit durch das bestehende Betriebsverfassungssystem .. . . . . . . . . . . . . . 328 A. Funktionsgefährdende Aspekte der bestehenden Betriebsverfassung . . 328

B. Keine funktionsgefährdende Konkurrenz aufgrund hinreichender Ausgleichsmechanismen ........................................... I. Die konkurrenzausgleichende Wirkung des Tarifvorbehalts .... 1. Die Verhinderung konkurrierender Regelungskompetenzen durch § 77 III 1 BetrVG ............................... 2. Die Beschränkung des Tarifvorbehalts auf Materien, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden ............................................... 3. Beschränkung des Tarifvorbehalts auf Betriebsvereinbarungen .................................................. 4. Der Tarifvorbehalt bei fehlender Tarifbindung des Arbeitgebers .................................................. a) Ausgangssituation I: Arbeitgeber nicht Verbandsmitglied, Verbandstarifvertrag existent, Arbeitnehmer teilweise Verbandsmitglied ............................ . (1) Keine funktionsgefahrdende Beeinträchtigung durch die Möglichkeit betrieblicher Regelung der Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine funktionsgefährdende Beeinträchtigung durch die Möglichkeit der Ausdehnung der tariflichen Regelung auf Arbeitnehmer-Außenseiter ......... . b) Ausgangssituation 11: Arbeitgeber nicht Verbandsmitglied, Verbandstarifvertrag im Nachwirkungszeitraum (§ 4 V TVG), Regelung tarifüblich, Arbeitnehmer teilweise Verbandsmitglied ............................ . 5. Der Tarifvorbehalt bei fehlendem geltenden Tarifvertrag trotz grundsätzlicher Tarifbindung des Arbeitgebers - Ausgangssituation III: Arbeitgeber und Arbeitnehmer (teilweise) Verbandsmitglied, Tarifvertrag im Nachwirkungszeitraum (§ 4 V TVG) ......................................... 11. III.

2 Friese

330 330 330

331 332 333

333

333

336

339

339

Konkurrenzausgleichende Wirkung des Tarifvorrangs ......... 341 Keine funktionsgefahrdende Beeinträchtigung trotz der Gefahr tarifwidriger betrieblicher Regelungen ...................... 343 1. Lückenhafter Rechtsschutz tariflicher Regelungen vor tarifwidrigen betrieblichen Regelungen ...................... 343

Inhaltsverzeichnis

18

IV.

2. Keine funktionsgefährdende Beeinträchtigung durch tarifwidrige betriebliche Regelungen ........................ a) Beeinflussung der Tarifvertragsverhandlungen ......... b) Beeinflussung der Geltung des Tarifvertrags .......... 3. Kein Unterlassungsanspruch unter Rückgriff auf Art. 9 III I GG als Schutz vor funktionsgefährdender Konkurrenz ..... 4. Exkurs: Ableitung eines Unterlassungsanspruches unter Rückgriff auf Art. 9 III GG zur Geltungssicherung des Tarifvertrags .......................................... Keine funktionsgefahrdende Beeinträchtigung durch Funktionsablenkung ...............................................

C. Beschränkung der Beteiligung der Koalitionen auf im Betrieb vertretene Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der betriebsverfassungsrechtliche Gewerkschaftsbegriff und die Konkurrenzschutzfunktion des Art. 9 III I GG ........ 2. Die Beschränkung der betriebsverfassungsrechtlichen Integration auf die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften .. . . . 3. Überprüfung des betriebsverfassungsrechtlichen Gewerkschaftsbegriffes ....................................... 11. Die im Betrieb vertretene Vereinigung der Arbeitgeber . . . . . . . .

345 345 345 352

353 362 365 365 365 366 366 368

D. Zusammenfassung ............................................ . 368 §9

Eingriffsverhindernde Rechte des Betriebsverfassungsgesetzes .......... 370 A. Beteiligungs-, Initiativ- und Kontrollrechte ....................... I. Mitwirkungs- und Beteiligungsbefugnisse der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die grundrechtliche Gebotenheit des Grundsatzes des Zusammenwirkens zwischen Betriebsräten und den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften, § 2 I BetrVG ........ 2. Einflußnahme der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften auf die Wahl und die Zusammensetzung des Betriebsrats .. a) Garantie eines selbständigen gewerkschaftlichen Wahlvorschlagsrechtes .................................. b) Sonstige wahlbezogene Gewerkschaftsbefugnisse ...... 3. Einflußnahme der Gewerkschaften auf die Geschäftsführung des Betriebsrats ....................................... a) Teilnahme der Gewerkschaften an den Betriebsratssitzungen sowie der Ausschußarbeit .................... b) Inanspruchnahme der Gewerkschaften bei Verständigungsversuchen nach § 35 I BetrVG ................. c) Geschäftsführungsbezogene Überwachungs-, Kontrollund Schutzbefugnisse der Gewerkschaften ............ 4. Garantie einer Kontroll-, Überwachungs- und Schutzfunktion der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften .......... .

370 370

370 372 372 377 378 378 380 381 382

Inhaltsverzeichnis

II.

a) Keine Garantie einer allgemeinen Kontroll-, Überwachungs- und Schutzfunktion ......................... b) Garantie einzelner Kontroll-, Überwachungs- und Schutzbefugnisse der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die gerichtliche Überprüfung betriebsverfassungsrechtlicher Streitigkeiten auf Antrag der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften über die durch Art. 9 III 1 GO garantierten Antragsrechte hinaus ......................... 5. Das Recht auf Teilnahme an den Betriebs- und Abteilungsversammlungen nach § 46 I BetrVG .................... . 6. Garantie tarifvertraglicher RegeIungskompetenzen in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen als Ausgleich für die Schaffung einer gesetzlichen Betriebsverfassung .......... 7. Zugangsrechte zum Betrieb ............................. a) Allgemeines ...................................... . b) Garantie einzelner Zutrittsrechte ..................... Mitwirkungs- und Beteiligungsbefugnisse der Arbeitgebervereinigungen ................................................

19 382

383

386 387

390 391 391 393 396

B. Verfassungsrechtliche Gewährleistung von Tarifvorbehalt, Tarifvorrang und Arbeitskampfverbot ................................... 1. Verfassungsrechtliche Gewährleistung von Tarifvorbehalt und Tarifvorrang ............................................. 1. Unzulänglichkeit einer pauschalen Einordnung des § 77 III 1 BetrVG als durch Art. 9 III 1 GG gewährleistete Norm .. 2. Keine Gewährleistung der Tarifüblichkeitssperre durch Art. 9 III 1 GG ............................................. 3. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der Sperrwirkung bestehender Tarifverträge ............................... 4. Der nach Art. 9 III 1 GG erforderliche Umfang des Vorrangs des Tarifvertrags im Verhältnis zu Betriebsvereinbarungen ............................................... a) Keine verfassungsrechtliche Gewährleistung des Verbots, geltende Tarifbestimmungen durch Betriebsvereinbarungen zu übernehmen ................................ b) Verfassungsrechtliche Gewährleistung eines generellen Geltungsvorrangs zugunsten des Tarifvertrags ......... (1) Zulässigkeit eines Geltungsvorrangs für vom Tarifvertrag zu Lasten der Arbeitnehmer abweichende oder neutrale Betriebsvereinbarungen ............ . (a) Verbot eines generellen Geltungsvorrangs von Betriebsvereinbarungen ..................... (b) Zu lässigkeit eines beschränkten Geltungsvorrangs von Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . (2) Zulässigkeit des Günstigkeitsprinzips im Verhältnis von Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung ........

397 397 397 398 402

403

403 405

405 405 408 410

20

Inhaltsverzeichnis (3) Verfassungsrechtliche Gebotenheit des Günstigkeitsprinzips im Verhältnis von Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung ........................... c) Zusammenfassung.................................. 5. Fehlen ausreichender Vorrangregelungen ................. a) Tarifvertragsvorrang aufgrund allgemeiner Rechtsgrundsätze ............................................. b) Betriebsverfassungsrechtliche Vorrangregelungen ...... c) Tarifrechtliche Vorrangrege1ungen ................... 6. Zusammenfassung ..................................... 11. Verfassungsrechtliche Gewährleistung des Arbeitskampfverbots III. Zulässigkeit eines Betriebsvereinbarungsvorbehalts im Verhältnis von Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung .............. . C. Zusammenfassung ............................................ .

414 415 415 416 417 417 419 420 422 423

Teil 5

Die betriebliche Flexibilisierung des Tarifvertrags mittels tarifvertraglicher ÖtTnungsklauseln im Lichte des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit

426

§ 10 Grenzen tarifvertraglicher Öffnungsklauseln aus dem Grundrecht der kollektiven Koalitionsfreiheit des Art. 9 III I GG ........................ 426 A. Tarifvertragliche Öffnungsklause1n als Grundrechtsproblem des Art. 9 IH GG ....................................................... B. Die Pflicht der Koalitionen zum Grundrechtsgebrauch ............. 1. Die Pflicht zum Grundrechtsgebrauch . in der Grundrechtsdogmatik ................................................... H. Keine Pflicht zum Grundrechtsgebrauch aus Art. 9 III GG .... C. Tarifvertragliehe Öffnungsklause1n als Grundrechtsverzicht . . . . . . . . . 1. Der Grundrechtsverzicht als Gegenstand der Grundrechtsdogmatik ................................................... I. Der Grundrechtsverzicht im Verhältnis zur öffentlichen Gewalt ............................................... 2. Der Grundrechtsverzicht im Verhältnis zu Privaten ........ H. Die Öffnung des Tarifvertrags zugunsten des Betriebsrats als Verzicht auf grundrechtlich geschützte Freiheit ............... III. Zulässigkeit und Grenzen des Verzichts der Koalitionen auf den grundrechtlichen Schutz ihrer Betätigung durch Art. 9 III GG im Verhältnis zum Betriebsrat .............................. I. Art. 9 III 2 GG als Grenze zulässigen Grundrechtsverzichts . 2. Der Wesensgehalt des Art. 9 III I GG als Grenze zulässigen Grundrechtsverzichts ................................... 3. Öffentliche und Drittinteressen als Grenze zulässigen Grundrechtsverzichts ...................................

426 427 427 430 435 436 436 437 439

441 441 443 446

Inhaltsverzeichnis a) Ordnungsfunktion des Tarifvertrags .................. b) Pflicht zum eigenverantwortlichen Handeln von Autonomieträgem als Ausdruck des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips ...................................... c) Die individuelle Koalitionsfreiheit als Grenze zulässigen Grundrechtsverzichts ............................... (l) Die Bindung der tarifvertragsschließenden Koalitionen an die Grundrechte ......................... (2) Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer als Grenze zulässiger Tariföffnungsklauseln .......................................... (3) Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit des Arbeitgebers als Grenze zulässiger Tariföffnungsklauseln . . .

21

447

448 454 454

457 462

D. Zusammenfassung ............................................. 462 Teil 6

Die Stellung der Koalitionen im Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten sowie im Gesetz über Europäische Betriebsräte unter Berücksichtigung des Grundrechts der kollektiven Koalitionsrreiheit

464

§ 11 Das Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten im Lichte des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit .............. 464

A. Die Stellung der Koalitionen im Sprecherausschußgesetz ........... 464 1. Die fehlende Beteiligung der Koalitionen an der betrieblichen Repräsentation der leitenden Angestellten durch Sprecherausschüsse ................................................. 464 11. Die fehlende Normierung eines Tarifvorbehalts bzw. -vorrangs 465 B. Die Zulässigkeit tarifvertraglicher Einflußnahme auf das gesetzliche System der Repräsentation der leitenden Angestellten durch Sprecherausschüsse ............................................... . 467 1. Keine Garantie der Regelungsbefugnis in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen durch Art. 9 III GG für die Vereinigungen leitender Angestellter ..................................... 467 11. Der Umfang zulässiger tarifvertraglicher Einflußnahme auf die Regelungen des Sprecherausschußgesetzes ................... 471 C. Die Vereinbarkeit der Nichtberücksichtigung der Koalitionen im

Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten mit Art. 9 111 1 GG ..................................................... 473 1. Die Zulässigkeit der fehlenden Beteiligung der Koalitionen an der Repräsentation der leitenden Angestellten durch Sprecherausschüsse ............................................... 473 I. Keine unmittelbare oder eingriffsausgleichende Gewährleistung der Beteiligung der Koalitionen an der Sprecherausschußverfassung durch Art. 9 III I GG ................... 473

22

Inhaltsverzeichnis 2. Der Schutz der natürlichen sprecherausschußbezogenen Koalitionsbetätigungen ................................. 3. Keine Erforderlichkeit konkurrenzausgleichender Koalitionsberücksichtigung ...................................... 11. Die Zulässigkeit der fehlenden Normierung eines Tarifvorbehalts und -vorrangs ....................................... D. Zusammenfassung .............................................

§ 12 Das Gesetz über Europäische Betriebsräte im Lichte des Grundrechts der

kollektiven Koalitionsfreiheit ....................................... A. Die Richtlinie 94/45/EG vom 22.9.1994 ......................... 1. Die Richtlinie 94/45/EG - europäisches Betriebsverfassungsrecht .................................................... . H. Die Berücksichtigung der Vereinigungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Stellung der Koalitionen im Gesetz über Europäische Betriebsräte .......................................................... 1. Die Berücksichtigung der Koalitionen bei der Umsetzung der Richtlinie 94/45/EG ...................................... H. Die Kritik am Gesetz über Europäische Betriebsräte wegen fehlender Berücksichtigung des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit ......................................... C. Die Vereinbarkeit des Gesetzes über Europäische Betriebsräte mit dem Grundrecht der kollektiven Koalitionsfreiheit ................ . 1. Die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers bei der Umsetzung sekundären Gemeinschaftsrechts ........................... H. Der Schutz der natürlichen Koalitionsbetätigung in bezug auf das System Europäischer Betriebsräte .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Keine Erforderlichkeit einer konkurrenzausgleichenden Koalitionsberücksichtigung .................................... . D. Die Vorschläge des DGB für eine Revision der Richtlinie 94/45/EG E. Die Möglichkeit tariflicher Einflußnahme auf das Gesetz über Europäische Betriebsräte ........................................... F. Zusammenfassung.............................................

474 477 480 481 482 482 482 484 485 485 488 489 489 491 492 494 495 498

Teil 7

Zusammenfassung

499

Literaturverzeichnis ................ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 Sachwortverzeichnis .................................................... 540

Abkürzungsverzeichnis a.A.

andere(r) Ansicht

a.E.

am Ende

ABI. EG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

AcP

Archiv für civilistische Praxis (Zeitschrift)

AG

Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)

AGBG

Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom 9.12.1976, BGBI. I S. 3317 ff.

AiB

Arbeitsrecht im Betrieb (Zeitschrift)

AktG

Aktiengesetz vom 6.9.1965, BGBI. I S. 1089ff.

amtl.

amtlicher

Anm.

Anmerkung

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift)

AP

Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts)

AR

Arbeitsrecht, Zeitschrift für das gesamte Dienstrecht der Arbeiter, Angestellten und Beamten

AR-Blattei

Arbeitsrechts-B1attei

ArbG

Arbeitsgericht

ArbGG

Arbeitsgerichtsgesetz vom 3.9.1953 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.4.1980, BGBI. I S. 425ff.

ArbRdGgw.

Das Arbeitsrecht der Gegenwart. Jahrbuch für das gesamte Arbeitsrecht und der Arbeitsgerichtsbarkeit

ArbuR

Arbeit und Arbeitsrecht. Zeitschrift für Arbeitsrechtspraxis (Zeitschrift)

ArbZG

Arbeitszeitgesetz vom 6.6.1994, BGBI. I S. 1170 ff.

Art.

Artikel

AuA

Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift)

Aufl.

Auflage

BABI.

Bundesarbeitsblatt, hrsg. vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung

BAG

Bundesarbeitsgericht

Abkürzungsverzeichnis

24 BayGB!.

Bayerisches Gesetzblatt

BayPVGBP

Gesetz über die Personal vertretungen der Bayerischen Bereitschaftspolizei vom 26.1.1961, BayGVB!. S. 37ff.

BB

Betriebs-Berater. Zeitschrift für Recht und Wirtschaft

Bd.

Band

BDA

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

Bei!.

Beilage

BenshSamml

Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte, verlegt bei Bensheimer

BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz vom 15.1.1972, BGB!. I S. 13 ff.

BetrVG 1952

Betriebsverfassungsgesetz vom 11.10.1952, BGB!. I S. 681ff.

BGB!.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen

BICB

Bund der Ingenieure in Anwendungs- und Verfahrenstechnik der deutschen Farbenfabriken

B!.

Blatt

BlStSozArbR

Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht (Zeitschrift)

BonnerKomm

Bonner Kommentar zum Grundgesetz (siehe im Literaturverzeichnis bei: Bonner Kommentar ... )

BPersVG

Bundespersonalvertretungsgesetz S. 693ff.

BRG

Betriebsrätegesetz vom 4.2.1920, RGB!. S. 147ff.

BT-Drucks.

Bundestags-Drucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

vom

15.3.1974,

BGB!.

bzw.

beziehungsweise

d.V.

die Verfasserin

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

DBGrG

Gesetz über die Gründung einer Deutschen Bahn Aktiengesellschaft vom 21.12.1993, BGB!. I S. 2386ff.

dens.

denselben

Abkürzungsverzeichnis

25

ders.

derselbe

DGB

Deutscher Gewerkschaftsbund

dies.

dieselbe(n)

Diss.

Dissertation

DJT

Deutscher Iuristentag

DLA

Der Leitende Angestellte (Zeitschrift)

DÖV

Die öffentliche Verwaltung. Zeitschrift für öffentliches Recht und VerwaItungswissenschaft

DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

E-BetrVG DGB

Entwurf des DGß zur Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes vom 3.2.1998, erhältlich über den Deutschen Gewerkschaftsbund, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit

EBRG

Gesetz über Europäische Betriebsräte vom 28.10.1996, BGBl. I S. 1548, berichtigt S. 2022

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.3.1957 in der Fassung des Vertrages über die Europäische Union vom 7.2.1992, BGBl. H, 1253ff.

Einf.

Einführung

Einl.

Einleitung

ENeuOG

Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27.12.1993, BGBl. I S. 2378ff.

ErfK

Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht (siehe im Literaturverzeichnis bei: Erfurter Kommentar ... )

EuGrZ

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

EuroAS

Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (Zeitschrift)

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

EzA

Entscheidungen zum Arbeitsrecht

f.

folgende

ff.

fortfolgende

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

GBl.

Gesetzblatt

GewO

Gewerbeordnung

GewO 1869

Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund vom 21.6.1869, RGBl. S. 245 ff.

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik 23.5.1949, BGBl. I S. Hf.

Deutschland

vom

Abkürzungsverzeichnis

26 GK

Betriebsverfassungsgesetz, Gemeinschaftskommentar (siehe im Literaturverzeichnis bei: Fabricius, Fritz, ... )

GKÖD

Gesamtkommentar Öffentlicher Dienstrecht (siehe im Literaturverzeichnis bei: Fürst, Alfred)

Grundl.

Grundlagen

GS

Gedächtnisschrift, Großer Senat

h.L.

herrschende Lehre

h.M.

herrschende Meinung

Hbd.

Halbband

hrsg.

herausgegeben

I:IStR

Handbuch des Staatsrechts (siehe im Literaturverzeichnis bei: Handbuch des Staatsrechts ... )

i.E.

im Ergebnis

IAO

Internationale Arbeitsordnung

JArbSchG

Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend, Jugendarbeitsschutzgesetz vom 12.4.1976, BGBL I S. 965ff.

JuS

Juristische Schulung. Zeitschrift für Studium und Ausbildung

JZ

Juristen-Zeitung

LAG

Landesarbeitsgericht

lit.

litera

LPVG NW

Landespersonalvertretungsgesetz

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

MitbestG

Gesetz über die Mitbestimmung 4.5.1976, BGBL I S. 1153ff.

MünchArbR

Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht (siehe im Literaturverzeichnis bei: Münchener Handbuch ... )

MünchKomm

Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch ... (siehe im Literaturverzeichnis bei: Münchener Kommentar ... )

n.F.

neue Fassung

NJ

Neue Justiz (Zeitschrift)

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nr.

Nummer

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (bis 1993: Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht)

ÖTV

Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr

der Arbeitnehmer vom

27

Abkürzungsverzeichnis PersVG

Bundespersonalvertretungsgesetz S.693ff.

vom

15.3.1974,

BGBl.

PostPersRG

Gesetz zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost vom 14.9.1994, BGBl. I, S. 2353 ff.

PostumwG

Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Form der Aktiengesellschaft vom 14.9.1994, BGBl. I S. 2339ff.

RAG

Reichsarbeitsgericht

RAGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts

RArbBl.

Reichsarbeitsblatt, hrsg. vom Reichsministerium und vom Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz

RdA

Recht der Arbeit. Zeitschrift für die Wissenschaft und Praxis des gesamten Arbeitsrechts

RegE

Regierungsentwurf

RG

Reichsgericht

RGBl.

Reichsgesetzblatt, hrsg. vom Reichsminister des Inneren

RGZ

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

S.

Seite

SAE

Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen

SchwbG

Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft vom 16.6.1953, BGBl. I S. 389ff.

SGB

Sozialgesetzbuch

SGB III

Sozialgesetzbuch III vom 24.3.1997, BGBl. I S. 594 ff.

SGBIV

Sozialgesetzbuch IV vom 23.12.1976, BGBl. I S. 3845 ff.

SGG

Sozialgerichtsgesetz vom 3.9.1953 in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.9.1975, BGBl. I S. 2535ff.

sog.

sogenannte(n)

SozSich

Soziale Sicherheit (Zeitschrift)

SprAuG

Sprecherausschußgesetz vom 20.12.1988, BGBl. I S. 2312ff.

TVVO

Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten vom 23.12.1918, RGBl. S. 1456ff.

u.a.

unter anderem

ULA

Union der Leitenden Angestellten

VAA

Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter der chemischen Industrie e. V.

Abkürzungsverzeichnis

28 Vela

Vereinigung leitender Angestellter in Handel und Industrie

VereinsG

Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 5.8.1964, BGBI. I S. 593 ff.

VFE

Verband der Führungskräfte der Eisen- und Stahlerzeugung und -verarbeitung

vgl.

vergleiche

VOE

Verbandes der oberen Angestellen der Eisen- und Stahlindustrie e.V.

Vorb.

Vorbemerkung

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung vom 21.1.1960 in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.3.1991, BGBI. I S. 686ff.

WRV

Verfassung des Deutschen Reiches vom 11.8.1919, RGBI. S. 1383ff.

WSI-Mitteilungen Monatszeitschrift des Wirtschafts- und Sozial wissenschaftlichen Instituts des Deutschen Gewerkschaftsbundes z.B.

zum Beispiel

ZfA

Zeitschrift für Arbeitsrecht

ZG

Zeitschrift für Gesetzgebung

ZHR

Zeitschrift für das gesamt Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

ZIAS

Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht

Ziff.

Ziffer

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (und Insolvenzpraxis)

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZTR

Zeitschrift für Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Dienstes

zust.

zustimmend(er)

Einleitung Das kollektive Arbeitsrecht ist durch ein Nebeneinander von koalitiver Vertretung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber und der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerrepräsentation geprägt. Dieses Novum des deutschen Arbeitsrechts kann auf eine fast lOOjährige Entwicklung zurückblikken. Und dennoch ist das Verhältnis der Koalitionen und ihrer Betätigung zu den betrieblichen Arbeitnehmerrepräsentanten und deren Aufgabenwahrnehmung noch immer Anknüpfungspunkt zahlreicher Auseinandersetzungen. Nach einem vorübergehenden Abflauen der wissenschaftlichen Sprengkraft der Thematik "Koalitionen und Betriebsverfassung" führte die wirtschaftliche Entwicklung des letzten Jahrzehnts zu einer Renaissance der Problematik. Die Europäisierung und Globalisierung der Wirtschaftsmärkte und die damit einher gehende Verschärfung des Wettbewerbs, aber auch die andauernde Beschäftigungskrise in Deutschland führten zu vehementen Forderungen nach einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. In diesem Zusammenhang wurde die "Krise des Flächentarifvertrages" nahezu beschworen und die Verlagerung der Regelung der Arbeitsbedingungen auf die Betriebsebene als Allheilmittel hervorgehoben. I Gefordert wurde sowohl die Aufhebung des Tarifvorbehalts (§ 77 III BetrVG) als auch die legislative Schaffung von Öffnungsklauseln, um eine betriebsvereinbarungsdispositive Gestaltung des Tarifvertrags vollständig oder partiell herbeizuführen. 2 Die Vorschläge für eine Stärkung der Betriebsparteien zu Lasten der Tarifvertragsparteien sind dabei sowohl auf Ablehnung als auch Zustimmung gestoßen. 3 Neben den Vorschlägen für eine Neuordnung der Regelungsbefugnisse zwischen den Tarifvertrags- und Betriebsparteien de lege ferenda wurden aber auch Versuche unternommen, die angestrebten Ziele durch eine Neuinterpretation des geltenden Rechts herbeizuführen. 4 Diese Tendenz wurde Siehe beispielhaft Kronberger Kreis S. 21 f. Siehe beispielhaft Kronberger Kreis S. 16; Monopolkommission, 10. Hauptgutachten 1992/93 BT-Drucks. 12/8323, Ziff. 936ff. 3 Siehe u. a. die Rede- und Diskussionsbeiträge anläßlich eines Gesprächs auf Einladung der Otto-Brenner-Stiftung zum Thema: "Betriebsverfassung und Tarifvertrag", RdA 1994, 140ff. sowie die Referate von Wendeling-Schröder und Reuter anläßlich des 61. DJT Bd. 11/1, K 9 ff., K 35 ff. zu dem Thema "Empfiehlt es sich, die Regelungsbefugnisse der Tarifparteien im Verhältnis zu den Betriebsparteien neu zu ordnen?". I

2

30

Einleitung

nicht zuletzt durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterstützt. Meilenstein war der Beschluß des Bundesarbeitsgerichts zum LeberRüthers-Kompromiß in der Metallindustrie aus dem Jahre 1987, mit dem der 1. Senat die sog. Vorrangtheorie im Verhältnis der §§ 77 III 1, 87 I Eingangssatz BetrVG anerkannte. 5 Aber auch die restriktive Haltung des Bundesarbeitsgerichts zu einer Befugnis der Gewerkschaften, die Tarifwidrigkeit von Betriebsvereinbarungen gerichtlich feststellen zu lassen oder die Unterlassung des Vollzugs dieser Betriebsvereinbarungen zu erzwingen,6 ließen eine Zurückdrängung der koalitiven Arbeitnehmerinteressenvertretung befürchten. Eine Abkehr von dieser Rechtsprechung ist zwar mit dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 20.4.1999 angedeutet, in dem der 1. Senat nunmehr einen Anspruch der Gewerkschaften gegenüber dem Arbeitgeber auf Unterlassung der Anwendung betrieblich vereinbarter untertariflicher Arbeitsbedingungen anerkannt hat. 7 Die untertariflichen Arbeitsbedingungen beruhten aber auf keiner Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, sondern auf einer Regelungsabrede zwischen den Betriebsparteien, die in die Einzelarbeitsverhältnisse mit Zustimmung der Arbeitnehmer übernommen wurde. Trotz dieses richtungsweisenden Beschlusses ist damit der Umfang der Klagemöglichkeiten der Gewerkschaften gegen tarifwidrige Betriebsvereinbarungen bisher nicht abschließend geklärt. Aufgrund der "gewerkschaftsfeindlichen" Tendenzen wurde vor allem von gewerkschaftlicher Seite stets darauf hingewiesen, daß eine Schwächung der Tarifautonomie und sonstiger koalitiver Betätigungsmöglichkeiten unweigerlich in Widerspruch zur grundrechtlichen Gewährleistung der kollektiven Koalitionsfreiheit durch Art. 9 III 1 GG trete. Der Gesetzgeber sei kraft Verfassungsgebotes dazu aufgefordert, jede Einmischung zu unterlassen und insbesondere die Handlungs- und Betätigungsmöglichkeiten nicht einzuschränken. 8 Den von den Deregulierungsforderungen ausgehenden "Gefahren" für die Tarifautonomie wird damit unweigerlich der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit entgegengehalten. Art. 9 III GG fungiert im Rahmen der Diskussion aber nicht nur als schnell erhobener Zeigefinger gegenüber möglichen Neu- und Umgestaltungsvorschlägen. Die Grundrechtsnorm wird gleichzeitig zur Austarierung 4 So etwa Ehmann ZRP 1996, 314ff.; Ehmann/Benedikt NZA 1995, 193ff.; Ehmann/Lambrich NZA 1996, 346ff. 5 BAG 24.2.1987 AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 6 Vgl. BAG 18.8.1987 AP Nr. 6 zu § 81 ArbGG 1979; BAG 23.2.1988 AP Nr. 9 zu § 81 ArbGG 1979; BAG 20.8.1991 AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt; BAG 22.6.1993 AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972. 7 BAG 20.4.1999 NZA 1999,887, 890ff. 8 Vgl. Engelen-Kefer ArbuR 1996,329, 330.

Einleitung

31

des Verhältnisses der Koalitionen zu den Betriebsparteien herangezogen. Das vom Betriebsverfassungsgesetz vorgegebene System der Arbeitnehmerrepräsentation integriert die Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber zwar durch eine Vielzahl von Antrags-, Initiativ-, Beteiligungs-, und Kontrollbefugnissen. Dennoch bleiben zahlreiche Einzelfragen offen. Das betrifft zum einen den Umfang der einzelnen Rechte, zum anderen die Frage nach der Befugnis der Tarifvertragsparteien, auf das gesetzliche Betriebsverfassungssystem gestaltend Einfluß zu nehmen. Ausgangsthese ist dabei vielfach, daß Art. 9 III I GG auch einen Kembereich der Betätigung der Koalitionen im System der gesetzlichen Betriebsverfassung gewährleiste,9 so daß sich die Auslegung der Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes sowie die Ermittlung des zulässigen Umfangs der tarifvertraglichen Regelungsbefugnis in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen am Grundrecht der kollektiven Koalitionsfreiheit zu orientieren habe. Diese These wird auch durch den jüngsten Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 9 III GG bestärkt, wo es lautet: ,,Auch im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung fördern die Gewerkschaften die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder und nehmen damit eine verfassungsrechtlich geschützte Funktion war.,,10

Die Sicherheit, mit der zur Lösung der vielfältigen Probleme auf den Garantiegehalt des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit aus Art. 9 III I GG zurückgegriffen wird, verwundert jedoch. Die dogmatische Struktur des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit ist trotz zahlreicher monographischer Abhandlungen bis heute nicht abschließend geklärt. 11 Und auch die Rechtsprechung der Bundesverfassungsgerichts läßt keine "Grundstruktur" des Grundrechts aus Art. 9 III I GG erkennen. Das höchste deutsche Gericht sah· sich in einer seiner letzten Entscheidungen zu Art. 9 III GG vielmehr dazu veranlaßt, die Bedeutung der bisherigen Rechtsprechung "klarzustellen".12 Ursache war die in verschiedenen Entscheidungen in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendete Formel, daß Art. 9 III GG die Koalitionsfreiheit und damit auch die Betätigung der Koalitionen nur in einem Kembereich schütze, nämlich in dem Umfang, in dem die BVerfG 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 372. BVerfG 24.2.1999 NZA 1999, 713, 714. 11 Siehe u.a. Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 1968; Säcker, Grundprobleme der kollektiven Koalitionsfreiheit, 1969; Scheuner, Der Inhalt der Koalitionsfreiheit, 1961; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971 sowie aus der jüngeren Vergangenheit Kemper, Die Bestimmung des Schutzbereichs der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG), 1989; Meik, Der Kernbereich der Tarifautonomie, 1987; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, 1992. 12 BVerfG 14.11.1995 BVerfGE 93, 352, 360; ebenso BVerfG 24.2.1999 NZA 1999, 713, 714. 9

10

32

Einleitung

gewerkschaftliche Betätigung für die Erhaltung und Sicherung der Koalitionen als unerläßlich betrachtet werden müsse. 13 Daß bei dieser Formulierung der Eindruck erweckt wurde, Art. 9 III GG garantiert jedenfalls die Betätigung der Koalitionen von Anfang an nur in einem inhaltlich eng begrenzten Umfang, liegt auf der Hand. Gerade so wollte sich das Bundesverfassungsgericht aber nicht verstanden wissen. Durch Art. 9 III GG geschützt sei vielmehr jede Verhaltensweise, die koalitionsspezifisch ist. 14 Doch auch mit dieser Aussage ist kein Schlußstrich unter die Diskussion um die verfassungsrechtliche Struktur des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit gezogen, denn offen blieb in dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, unter welchen Voraussetzungen die Betätigungsfreiheit der Koalitionen beschränkt werden kann. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit zählt zu ~en vorbehaltlos garantierten Grundrechten. Anerkannt ist zwar, daß diese Grundrechte bei einer Kollision mit anderen Grundrechten oder sonstigen mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtsgütem zur Herstellung praktischer Konkordanz Einschränkungen unterworfen werden können. 15 Ob eine Beschränkung der Koalitionsfreiheit darüber hinaus auch auf Grundlage sonstiger Rechte möglich ist, hat das Bundesverfassungsgericht jedoch ausdrücklich dahingestellt gelassen. 16 Aufgrund der insoweit fortbestehenden Unsicherheiten bei der Bestimmung der von Art. 9 III GG geschützten Freiheit können die pauschalen Verweise auf Art. 9 III GG zur Konkretisierung 13 Siehe BVerfG 14.4.1964 BVerfGE 17,319,333; BVerfG 30.11.1965 BVerfGE 19,303,321; BVerfG 26.5.1970 BVerfGE 28,295,303; BVerfG 26.5.1970 BVerfGE 28, 310, 3l3; BVerfG 18.12.1974 BVerfGE 38, 281, 305; BVerfG 19.2.1975 BVerfGE 38, 386, 393; BVerfG 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 372; BVerfG 17.2.1981 BVerfGE 57, 220, 246; BVerfG 20.10.1981 BVerfGE 58, 233, 247; BVerfG 1.10.1987 BVerfGE 77, 1,63. 14 BVerfG 14.11.1995 BVerfGE 93, 352, 358; bestätigt durch BVerfG 24.4.1996 BVerfGE 94, 268, 283; BVerfG 24.2.1999 NZA 1999, 7l3. IS Ständige Rechtsprechung seit BVerfG 26.5.1970 BVerfGE 28, 243, 261; aus der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts siehe u. a. BVerfG 7.3.1990 BVerfGE 81, 278, 292ff.; BVerfG 27.11.1990 BVerfGE 83, l30, l39; BVerfG 26.6.1991 BVerfGE 84, 212, 228; BVerfG 10.1.1995 BVerfGE 92, 26,41; BVerfG 24.4.1996 BVerfGE 94, 268, 284; BVerfG 24.2.1999 NZA 1999, 713, 714 sowie Dreier in: Dreier, Vorb. GG Rn. 88f.; Badura Rn. C 25; Hesse Rn. 312; JarasslPieroth vor Art. 1 GG Rn. 37 f.; Kannengießer in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, vor Art. 1 GG Rn. 19; Lerche, P. in: HStR, Bd. V, § 122 Rn. 14, 23ff. (dagegen kritisch ders., FS für Mahrenholz, S. 515, 525ff.); von MangoldtlKleinlStarck Art. 1 GG Rn. 176ff.; von Münch in: von Münch/Kunig, Vorb. Art. 1 GG Rn. 56f.; Sachs in: Sachs, vor Art. 1 GG Rn. 120ff.; Stern in: HStR, Bd. V, § 109 Rn. 82; skeptisch hingegen aufgrund der Unsicherheiten bei der Bestimmung kollidierenden Verfassungsrechts Bleckmann, Staatsrecht II, § 12 Rn. 87ff.; lsensee in: HStR, Bd. I, § l3 Rn. 142, Bd. I1I, § 57 Rn. 125ff.; PierothlSchlink Rn. 260, 325ff.; ablehnend Kriele in: HStR, Bd. V, § 110 Rn. 69ff. 16 BVerfG 24.4.1996 BVerfGE 94, 268, 284; offen auch BVerfG 24.2.1999 NZA 1999,7l3f.

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des Verhältnisses der Koalitionen zum System der gesetzlichen Betriebsverfassung sowie zur Klärung der einzelnen Auslegungsprobleme nicht kritiklos hingenommen werden. Das gilt auch trotz der Einordnung der Betätigung der Koalitionen in der Betriebsverfassung als von Art. 9 III GG geschützte Handlungsform im Beschluß vom 24.2.1999. 17 Aus dem Umstand, daß die Koalitionen mit der Wahrnehmung ihrer betriebsverfassungsgesetzlichen Befugnisse auch die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder wahren und fördern,18 kann nicht ohne weiteres gefolgert werden, daß sämtliche Initiativ-, Antrags-, Beteiligungs- und Kontrollbefugnisse der Gewerkschaften im System der Betriebsverfassung durch Art. 9 III GG verfassungsrechtlich garantiert sind. Die Beantwortung der zahlreichen Einzelfragen im Bereich des einfachen Rechts setzt deshalb zunächst eine Analyse des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit voraus. Erst wenn feststeht, in welchem Umfang Art. 9 III GG die betriebsverfassungsbezogene Betätigung der Vereinigungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber schützt, können der Grundrechtsnorm auch Aussagen zur Interpretation und Bewertung der einfach-rechtlichen Kodifikationen entnommen werden. Dieser Aufgabe widmet sich die vorliegende Arbeit. Die Begrenzung auf das Verhältnis der Koalitionen und ihres grundrechtlichen Schutzes zum gesetzlichen Betriebsverfassungssystem erfaßt dabei nur einen Teilbereich der Problematik. Diese Beschränkung ist aufgrund der Vielzahl der offenen Teilfragen und der kaum überschaubaren Literatur jedoch unumgänglich. Aus diesem Grunde sei bereits hier darauf hingewiesen, daß der grundrechtliche Schutz der individuellen Koalitionsfreiheit, aber auch die grundrechtlichen Positionen des Arbeitgebers nur punktuell angesprochen werden können, eine abschließende Gesamtabwägung sämtlicher betroffener Rechtspositionen im Bereich der koalitiven und betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretung von der vorliegenden Untersuchung somit nicht angeboten wird. Im I. Teil wendet sich die Untersuchung dem Grundrecht der kollektiven Koalitionsfreiheit zu. Dabei soll zunächst geklärt werden, ob und in welchem personellen Umfang die Koalitionen durch das Grundrecht der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 III GG geschützt sind. Das betrifft zum einen die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Vereinigung von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern Träger des Grundrechts der Koalitionsfreiheit ist. Zum anderen geht es darum, ob die von Art. 9 III I GG geschützte Betätigung der Koalitionen sich auf die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Verbandsmitglieder beschränkt BVerfG 24.2.1999 NZA 1999,713,714. Ähnlich bereits BVerfG 30.11.1965 BVerfGE 19,303, 320für den Bereich der Personal vertretung. 17

18

3 Friese

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oder ob vom Schutzbereich des Art. 9 III 1 GG auch die Repräsentation anders und nichtorganisierter Arbeitnehmer und Arbeitgeber erfaßt ist. Letzteres Problem steht deshalb in einem besonderen Bezug zu der Frage nach dem grundrechtlichen Schutz der betriebsverfassungsbezogenen Koalitionsbetätigung, weil sich das System der betrieblichen Repräsentation der Arbeitnehmer durch gewählte Repräsentanten auf die gesamte Belegschaft bezieht, ohne daß eine Differenzierung nach der Verbandszugehörigkeit vorgenommen wird. Die Beschäftigung mit betriebsverfassungsrechtlichen Themen seitens der Koalitionen - soll sie vom Schutzbereich des Art. 9 III I GG erfaßt werden - setzt somit voraus, daß durch das Grundrecht der Koalitionsfreiheit solche Betätigungsgegenstände erfaßt werden, die in ihrer personellen Bedeutung nicht auf die Koalitionsmitglieder beschränkt sind. Der 2. Teil der Bearbeitung ist der Stellung der Koalitionen im Betriebsverfassungsgesetz gewidmet. Ziel der Anknüpfung an die einfach-gesetzliche Ausgestaltung des Verhältnisses der Koalitionen zum Betriebsverfassungssystem ist es, dem Leser einen Überblick über die Vielschichtigkeit der Probleme zu vermitteln, zu deren Lösung in Rechtsprechung und Literatur argumentativ auf das Grundrecht der kollektiven Koalitionsfreiheit zurückgegriffen wird. Näher betrachtet wird zunächst die durch das Betriebsverfassungsgesetz begründete Stellung der Koalitionen als Garanten einer effizienten Betriebsverfassung, die sich durch die Normierung einer Vielzahl von Antrags-, Initiativ-, Beteiligungs- und Kontrollbefugnissen der Gewerkschaften und der Vereinigungen der Arbeitgeber auszeichnet (§ 2). Da im Betriebsverfassungsgesetz jedoch nicht auf den Begriff der Koalitionen zurückgegriffen wurde, sondern die Begriffe Gewerkschaft und Vereinigung der Arbeitgeber Verwendung fanden, ist auch insoweit eine Begriffsklärung geboten. Anlaß zur Kritik besteht dabei insbesondere aufgrund der Prämisse der Rechtsprechung und überwiegenden Ansicht von der Existenz eines einheitlichen arbeitsrechtlichen Gewerkschaftsbegriffes, dessen Bestimmung stark an die Stellung der Gewerkschaften als Tarifvertragsparteien (§ 2 I TVG) angelehnt ist. Im Anschluß wird die Normsetzung durch die Koalitionen im Verhältnis zu dem gesetzlichen Betriebsverfassungssystem näher betrachtet (§ 3). Das gilt zum einen für die Frage, inwieweit Gegenstand tariflicher Normsetzung auch das gesetzliche Betriebsverfassungssystem sein kann, und zum anderen für das Verhältnis betrieblicher Normsetzung zum Tarifvertrag. Nach dieser Bestandsanalyse des einfachen Rechts erfolgt mit Teil 3 der Bearbeitung eine umfassende Untersuchung des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit aus Art. 9 III I GG und insbesondere des Schutzes der Betätigung der Koalitionen. Nach der Herausarbeitung einer allgemeinen Struktur der Garantie koalitionsspezifischer Betätigung durch dieses Grundrecht (§ 5) werden die so gewonnenen Erkenntnisse auf den Bereich

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betriebsverfassungs bezogener Betätigung übertragen. Das erfordert nicht nur die Einordnung der Betriebsverfassung als Arbeits- und Wirtschaftsbedingung im Sinne des Art. 9 III I GG (§ 6 A), sondern auch die Beantwortung der Frage, ob den Vereinigungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch Art. 9 III I GG die Normsetzung in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen unmittelbar garantiert ist (§ 6 B). In diesem Fall würde die gesetzliche Schaffung eines Betriebsverfassungssystems zu einem Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit führen, so daß den zahlreichen Antrags-, Initiativ-, Beteiligungs- und Kontrollbefugnissen der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber ein eingriffsausgleichender Charakter zugesprochen werden muß. Demgegenüber ist aber auch denkbar, daß die Integration der Sozialpartner in das gesetzliche Betriebsverfassungssystem zum unmittelbaren Garantiegehalt des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit zählt, der bei der legislativen Ausgestaltung der betrieblichen Repräsentation der Arbeitnehmer lediglich näher konkretisiert wurde (§ 6 C). Einem dritten Ansatz, der für die Bestimmung des Verhältnisses der kollektiven Koalitionsfreiheit zur Betriebsverfassung in Betracht kommt, wird in Teil 4 der Bearbeitung nachgegangen. Die der Untersuchung dabei zugrunde liegende These besteht darin, daß Art. 9 III GG aufgrund seiner Offenheit keine unmittelbare Garantie betriebsverfassungsbezogener koalitionsspezifischer Betätigung entnommen werden kann. Art. 9 III I GG verbietet dem Gesetzgeber lediglich die Schaffung konkurrierender Systeme zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die zu einer funktionsgefährdenden Konkurrenz für die Koalitionen werden können (§ 7, 8). Auf der Grundlage des Konkurrenzschutzgedankens wird gezeigt werden, daß sowohl bezüglich der Antrags-, Initiativ-, Beteiligungs- und Kontrollbefugnisse als auch des einfach-gesetzlichen Schutzes tariflicher Normsetzung nur in einem engen Bereich und auch nur ein mittelbarer Schutz durch Art. 9 III I GG besteht, die koalitions bezogenen Normen des Betriebsverfassungsgesetzes damit nur partiell "verfassungsfest" sind (§ 9). Einem besonderen Problem im Verhältnis koalitiver Betätigung und Betriebsverfassung ist der 6. Teil der Bearbeitung gewidmet. Im Rahmen der Diskussion um eine Flexibilisierung des Tarifvertrags wurden die Tarifvertragsparteien wiederholt dazu aufgefordert, mittels tarifvertraglicher Öffnungsklauseln (§ 77 III 2 BetrVG) die Betriebsparteien in die Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen einzubeziehen und dadurch betriebsnahe Entscheidungen zu ermöglichen. Diese Vorschläge stießen jedoch insoweit auf Widerspruch, als mit einer weitgehenden Öffnung des Tarifvertrags für die Betriebsparteien eine Gefährdung der Tarifautonomie und damit der Koalitionsfreiheit verbunden ist. Zur Begrenzung der Öffnung

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des Tarifvertrags durch die Tarifvertragsparteien wird deshalb aus Art. 9 III GG vielfach gefolgert, daß die Koalitionen die Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zumindest in einen "Kernbereich" selbst wahrzunehmen haben. 19 Ob aus Art. 9 III GG tatsächlich eine Pflicht zum eigenverantwortlichen Handeln oder weitere Grenzen tariflicher Öffnungsklauseln folgen, wird im 6. Teil näher untersucht. Mit dem letzten Teil der Bearbeitung sollen die für das Betriebsverfassungsgesetz ennittelten Erkenntnisse hinsichtlich ihrer Geltungskraft für das Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (§ 11) und das Gesetz über Europäische Betriebsräte (§ 12) überprüft werden. Beide Kodifikationen sind dem Betriebsverfassungsrecht zuzuordnen, so daß sich auch diesbezüglich die Frage des Verhältnisses von kollektiver Koalitionsfreiheit und Betriebsverfassung stellt.

19 Vg!. von Hoyningen-Huene/Meier-Krenz ZfA 1988,293,306; Kempen/Zachert Grund!. TVG Rn. 266; Linnenkohl Anm. zu BAG 18.8.1987 in: BB 1988, 1459; Rieble RdA 1996, 151, 154; Wank NJW 1996,2273,2280; Zachert RdA 1996, 140, 142; ähnlich auch Kissel NZA 1986,73, 79 sowie Heinze NZA 1995,5,7.

Teil]

Kollektive Koalitionsfreiheit § 1 Die personelle Reichweite von Art. 9 III GG A. Die Koalitionen als Träger des Grundrechts der Koalitionsfreiheit Art. 9 III 1 GG gewährleistet das Recht, Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu bilden, für jedermann und alle Berufe. Damit ist die Entscheidung des Einzelnen, ob und in welcher Form Koalitionen gebildet werden, grundrechtlich geschützt. Der Grundrechtsschutz erfaßt nicht nur die Gründung, den Beitritt, die Wahl zwischen verschiedenen Koalition und die Betätigung innerhalb dieser (positive Koalitionsfreiheit) I, sondern auch die negative Koalitionsfreiheit, das heißt das Recht des Fernbleibens sowie des Austrittes 2 . Der Schutz des Einzelnen wäre jedoch unvollkommen, wenn nicht auch die Koalitionen, ihr Bestand und ihre Betätigung der Grundrechtsgewährleistung unterfielen. 3 Die Rechtsprechung und vorherrschende Lehre zieht daraus den BVerfG 30.l1.1965 BVerfGE 19, 303, 312. BVerfG 1.3.1979 BVerfGE 50,290,367; BVerfG 15.7.l980 BVerfGE 55, 7, 21; BVerfG 14.6.1983 BVerfGE 64, 208, 213ff.; BVerfG 23.4.l986 BVerfGE 73, 261, 270; BAG GS 29.11.1967 AP Nr. 13 zu Art. 9 GG; Badura Rn. C 98; Bauer in: Dreier, Art. 9 GG Rn. 76; Bötticher S. 46; Gragen S. 20; Höfling in: Sachs, Art. 9 GG Rn. 65; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 381; Kissel in: ErfK, Art. 9 GG Rn. 17; Mayer-Maly in: Däubler/Mayer-Maly, S. 19ff.; von Münch in: BonnerKomm, Art. 9 GG Rn. 140; Neumann DB 1967, 1545, 1546; ders. RdA 1989, 243ff.; Nikisch Bd. 11, S. 28ff.; Scholz S. 4lff.; ders. in: HStR, Bd. VI, § 151 Rn. 82ff.; Richardi in: Staudinger, vor § 611 BGB Rn. 526ff.; Wiedemann, H. RdA 1969, 321, 330; Zöllner RdA 1962, 453, 458; a.A., die den Schutz der negativen Koalitionsfreiheit aus Art. 2 I oder Art. 9 I GG herleiten u. a. Biedenkopf S. 93 Fn. 127; Däubler in: Däubler/Mayer-Maly, S. 34ff.; Gamillscheg, Grundrechte, S. 101 f.; HuecklNipperdey Bd. II/l, S. 156; Säcker, Grundprobleme, S. 36f., der aufgrund einer rein funktionalen Sicht des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit das Recht zum Austritt aus Arbeitnehmer- bzw. Arbeitgeberverband der positiven Koalitionsfreiheit zuordnet und zwischen dem schlichten Fernbleiben im Sinne einer undifferenzierten Haltung zur Verbandsmitgliedschaft (Art. 2 I GG) und der begründeten Entscheidung im Sinne einer koalitionsbezogenen Stellungnahme (Art. 9 III GG) unterscheidet. I

2

Teil 1: Kollektive Koalitionsfreiheit

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Schluß, daß das Grundrecht der Koalitionsfreiheit sowohl dem einzelnen als auch den Koalitionen zusteht und somit den Charakter eines "Doppelgrundrechts" hat. 4 So führt das Bundesverfassungsgericht aus: "Die Vorschrift schützt jedoch nicht nur das Recht des einzelnen Bürgers, sich zu Koalitionen zusammenzuschließen, sondern auch die Koalition als solche. Die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Koalitionsfreiheit ist nur dann sinnvoll, wenn die Rechtsordnung den Koalitionen die Möglichkeit gibt, durch spezifisch koalitionsmäßige Betätigung die in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke zu verfolgen, nämlich die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern."s

Zur Auslegung des Grundrechts der Koalitionsfreiheit auch als Grundrecht der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände stützte sich das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 18.11.1954 vorrangig auf die historische Entwicklung und die Verankerung des Sozialstaatsprinzips im Grundgesetz. 6 Vor allem der Aspekt, daß die Grundrechtsträgerschaft der Koalitionen schon unter der Geltung der Art. 159, 165 WRV Anerkennung fand,7 spricht dafür, daß Art. 9 III 1 GG trotz des Fehlens einer dem Art. 165 WRVentsprechenden Vorschrift nicht nur den Schutz des Individuums geWährleistet und damit hinter dem Garantieumfang vor Geltung des Grundgesetzes zurückbleibt. 8 Säcker, Grundprobleme, S. 37 f. BVerfG 18.11.1954 BVerfGE 4, 96, 101ff.; BVerfG 14.4.l964 BVerfGE 17, 319, 333; BVerfG 6.5.l964 BVerfGE 18, 18, 26; BVerfG 30.l1.1965 BVerfGE 19, 303, 312; BVerfG 19.10.1966 BVerfGE 20, 312, 317; BVerfG 26.5.1970 BVerfGE 28, 295, 304 und 310, 313; BVerfG 18.12.1974 BVerfGE 38, 281, 305; BVerfG 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 367; BVerfG 17.2.l981 BVerfGE 57, 220, 245; BVerfG 23.4.1986 BVerfGE 73, 261, 270; BVerfG 26.6.l991 BVerfGE 84, 212, 224; BVerfG 2.3.1993 BVerfGE 88, 103, 114; BVerfG 10.1.1995 BVerfGE 92, 26, 38; BVerfGE 4.7.1995 BVerfGE 92, 365, 393; BVerfG 14.11.1995 BVerfGE 93, 352, 357; BVerfG 24.4.1996 BVerfGE 94, 268, 282; BVerfG 24.2.l999 NZA 1999, 713; BVerfG 27.4.1999 NJW 1999, 3033, 3034; BAG 14.2.l967 AP Nr. 10 zu Art. 9 GG; BAG 8.l2.l978 AP Nr. 28 zu Art. 9 GG; BAG 14.2.l978 AP Nr. 26 zu Art. 9 GG; BAG 23.2.1979 AP Nr. 29 zu Art. 9 GG; BAG 23.9.1986 AP Nr. 45 zu Art. 9 GG; BAG 13.11.1991 AP Nr. 7 zu § 611 BGB, Abmahnung; Badura ArbRdGgw. 15 (1978), S. 17,20; Bauer in: Dreier, Art. 9 GG Rn. 64ff.; Däubler/Hege Rn. 100; Diet;. in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, S. 459; ders. JuS 1968, 1, 3; Galperin, Stellung der Gewerkschaften, S. 9; Gola MDR 1987, 362; Gröbing ArbuR 1986, 297; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 381; Hueck/Nipperdey Bd. 1111, S. 134; Neumann OB 1967, 1445, 1447; Nikisch Bd. 11, S. 72ff.; Rüfner AöR 89 (1964), S. 261, 304; Säcker, Grundprobleme, S. 33ff.; ders. ArbRdGgw. 12 (1975), S. 17ff.; Scheuner S. 12ff.; Schnorr, FS für E. Molitor, S. 230; Schwarze S. 62ff.; Weber, W. DVBI. 1969,411,417; ders. in: Weber/Scheuner/Dietz, S. 18. s BVerfG 14.5.l964 BVerfGE 17,319,333. 6 BVerfG 18.11.1954 BVerfGE 4, 96. 101 ff. 7 Nipperdey in: Nipperdey Bd. 3. S. 428 ff. B BVerfG 18.l1.1954 BVerfGE 4, 96, 101 f. 3

4

§ 1 Die personelle Reichweite von Art. 9 III GG

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Gegen die Einstufung der Koalitionsfreiheit als Individual- und Verbands grundrecht wird hingegen eingewendet, daß sie zur Ablösung des kollektiven Koalitionsrechtes von der individualrechtlichen Grundlage 9 und damit zu unlösbaren Konflikten zwischen dem Grundrecht des Einzelnen und dem Bestandsrecht der Koalitionen führe JO • Der Schutz der Koalitionen definiere sich vielmehr als Schutz der individualen Koalitionsfreiheit in ihrer kollektiven Ausübung. 11 Geschützt sei zum einen das Individuum bei der Gründung von Koalitionen und dem Beitritt zu bereits bestehenden. Der Schutz von Art. 9 III I GG gebühre aber zum anderen auch den Individuen als Gruppe im Sinne einer summierten Wahrnehmung der Koalitionsfreiheit. 12 Art. 9 III 1 GG sei danach (nur) individuelles Grundrecht mit einer kollektiven Funktion. I3 Ein Grundrechtsschutz der Koalitionen im Sinne eigener Grundrechtsträgerschaft besteht nach dieser Auffassung über Art. 19 III GG hinaus nicht. 14 Das bedeutet letztlich, daß eine Verletzung der Koalitionsfreiheit unmittelbar aus Art. 9 III I GG nur der Einzelne geltend machen kann. 15 Steht das Grundrecht der Koalitionsfreiheit in bezug auf Bestand und Betätigung der Koalition der Gesamtheit der in ihr vereinigten Personen zu, und eben nur dieser Gesamtheit, da dem Einzelnen die isolierte Wahrnehmung koalitionsspezifischer Maßnahmen (Arbeitskampf, Tarifvertragsabschluß) versagt ist,I6 erscheint es aber umgekehrt gerade widersprüchlich, daß nur der Einzelne sich auf die Verletzung des Grundrechts aus Art. 9 III I GG soll berufen können. Die Notwendigkeit, den Koalitionen bei der Scholz S. 53. Bruhn, Tarifeinheit, S. 59ff.; ders., Tariffähigkeit, S. 83; Scholz S. 63; ders. in: HStR, Bd. VI, § 151 Rn. 75; Picker ZfA 1986, 199, 205f.; Wiedemann, A. S. 49ff.; Zöllner AöR 98 (1973), S. 71, 80. Kritisch auch Rupp JZ 1998,919,921 f. 11 Bruhn, Tarifeinheit, S. 60; ders., Tariffähigkeit, S. 84; Picker ZfA 1986, 199, 203f.; Richardi in: Staudinger, vor § 611 BGB Rn. 541; ders. § 2 BetrVG Rn. 76; ders. AöR 93 (1968), S. 243; Scholz S. 137; Schwerdtner Anm. zu BAG 26.6.1973 in: JZ 1974,455,460; Trappehl/Lambrich NJW 1999,3217, 3218f.; Zöllner/Loritz S.119f. 12 Bruhn, Tarifeinheit, S. 60; ders., Tariffähigkeit, S. 84; Germelmann S. 31; Scholz S. 137; Richardi in: Staudinger, vor § 611 BGB Rn. 541; Wiedemann, A. S. 49; Zöllner AöR 98 (1973), S. 71, 115. 13 Scholz S. 138. 14 Scholz S. 135ff.; ders. in: HStR, Bd. VI, § 151 Rn. 73ff.; vgl. auch Ehmann, FS für Zöllner, S. 715, 725 f.; Höfling, FS für Friauf, S. 377, 380; ders. in: Sachs, Art. 9 GG Rn. 70; Wiedemann, A. S. 49 ff. 15 Bruhn, Tariffähigkeit. S. 84; Scho/z S. 136. 16 Badura ArbRdGgw. 15 (1978), S. 17,20; kritisch zu einer Ableitung des kollektiven Schutzes über Art. 19 III GG insoweit auch Rupp JZ 1998, 919, 922; kritisch auch Nikisch Bd. 11, S. 73; Scheuner S. 14; Schnorr, FS für E. Molitor, S. 229, 236; Weber, W. DVBl. 1969, 413, 417; ders. in: Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen, S. 146; Wiedemann, H. in: Wiedemann, Einl. TVG Rn. 90. 9

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Teil 1: Kollektive Koalitionsfreiheit

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Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen den Schutz des Art. 9 III 1 GG zur Seite zu stellen, soll nicht der Individualschutz wirkungslos werden, übersehen auch die Vertreter, die eine Grundrechtsträgerschaft ablehnen, nicht. 17 Deutlich wird der Konflikt insoweit vor allem bei der Ansicht von Bruhn, wonach die Koalitionen zwar nicht Träger des Grundrechts aus Art. 9 III 1 GG sind, sich eine Grundrechtsberechtigung der Koalitionen als solche aber dennoch aus Art. 9 III I GG ergeben kann l8 und die Koalitionen selbst aus Art. 2 I GG ohne Rückgriff auf Art. 19 III GG einen grundrechtlichen Betätigungsschutz erfahren 19. Abweichend davon schlägt vielmehr "der Zweck der Koalitionsfreiheit nach dem Entstehen der Gewerkschaft um in eine Bestands- und Betätigungsgarantie für die Gewerkschaft selbst, denn die Arbeitnehmer können nur durch die kollektiv organisierte Interessenwahrnehmung befriedigende Arbeitsbedingungen erreichen.,,2o Denn im Unterschied zu anderen Freiheitsrechten, die der Einzelne singulär, aber auch im status collectivus verwirklichen kann, ist die Wahrnehmung des Grundrechts aus Art. 9 III GG auf die Bildung des Verbandes gerade angewiesen. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit hat gemeinschaftsbegründenden Charakter. 21 Erst durch den Zusammenschluß zu Koalitionen erwächst dem Einzelnen neben der Bildungs- auch die koalitionsspezifische kollektive Betätigungsfreiheit. 22 Das Recht, Maßnahmen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu ergreifen, setzt den Bestand von Koalitionen voraus. 23 Auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird der Zusammenhang zwischen der Betätigung des Verbandes und des Einzelnen zur Verwirklichung der Koalitionszwecke in dem Sinne deutlich, daß die koalitive Betätigung über die Verbandsbildung hinaus Betätigung des Verbandes ist und nicht lediglich Bündelung der Individualbetätigung?4 So heißt es im Beschluß vom 30.11.1965: "Art. 9 Abs. 3 GG schützt nicht nur für jedermann und alle Berufe, also auch für die Beamten, das Recht, sich zu Koalitionen zusammenzuschließen, sondern auch die Koalitionen als solche und ihr Recht, durch spezifisch koalitionsgemäße Betä17

79.

Bruhn, Tariffähigkeit, S. 85; Scholz S. 138ff.; Zöllner AöR 98 (1973), S. 71,

18 Bruhn, TarifHihigkeit, S. 83 ff.; konsequent insoweit Scholz S. 138 ff., der die Grundrechtssubjektivität der Koalitionen aus Art. 19 III GG ableitet; ebenso Höfling in: Sachs, Art. 9 GG Rn; 70; offen Zöllner AöR 98 (1973), S. 71, 79. 19 Bruhn, Tarifeinheit, S. 61; ders., Tariffähigkeit. S. 83ff. 20 Caspar S. 73. 21 So auch Richardi S. 78; Scholz S. 43. 22 Siehe insoweit Fn. 25. 23 Knebel S. 51; siehe auch Badura ArbRdGgw. 15 (1978), S. 17, 19f. 24 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. l84f.

§ 1 Die personelle Reichweite von Art. 9 III GG

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tigung die in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke zu verfolgen, nämlich die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern. Art. 9 Abs. 3 GG sichert aber auch dem Einzelnen das Recht, an der spezifischen Tätigkeit der Koalitionen in dem Bereich teilzunehmen, der für die Koalition verfassungsrechtlich geschützt ist. ..25

B. Die durch Art. 9 III GG geschützte personelle Repräsentationskompetenz der Koalitionen I. Gewährleistung einer abgeleiteten Repräsentationskompetenz auch in bezug auf die nicht koalierten Arbeitnehmer Unmittelbare Auswirkung einer Reduzierung des Grundrechts aus Art. 9 III 1 GG auf eine nur individualistische Grundrechtsgewährleistung ist die Beschränkung der Repräsentationsfunktion der Koalitionen allein auf die Interessen ihrer Mitglieder. Eine solche Beschränkung ist für die vorliegende Thematik - kollektive Koalitionsfreiheit und Betriebsverfassung deshalb von Bedeutung, da die betriebliche Repräsentation der Arbeitnehmer durch ihre gewählten Repräsentanten die gesamte Belegschaft ohne Differenzierung nach der Gewerkschaftszugehörigkeit erfaßt (vgl. § 75 I BetrVG). Erstreckt sich aber die Betriebsverfassung zwingend auf sämtliche Arbeitnehmer des Betriebs, so gilt dies auch für eine betriebsverfassungsbezogene Betätigung der Koalitionen. Diese Betätigung kann deshalb nur dann von Art. 9 III 1 GG geschützt sein, wenn sich der Schutzbereich des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit nicht ausschließlich auf die Vertretung der Mitgliederinteressen bezieht. Einer Beschränkung des grundrechtlichen Schutzumfangs des Art. 9 III 1 GG im letzteren Sinne wird insbesondere entgegengehalten, daß damit die gesamtwirtschaftliche Zweckbestimmung der Arbeitnehmer- und Arbeitgebervereinigungen nicht hinreichend berücksichtigt wird.2 6 Bereits in der Vereinbarung zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden vom 15.11.1918 wurden die Gewerkschaften in ihrer Funktion als "berufene Ver25 BVerfG 30.11.1965 BVerfGE 19, 303, 312. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zwingen nicht zu der Aussage, daß die durch Art. 9 III GG gewährleistete Betätigungsfreiheit des Einzelnen sich aus der kollektiven Betätigungsfreiheit ableitet (so auch Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 185). Das Recht zur Beteiligung an der Betätigung der Koalitionen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen folgt vielmehr unmittelbar aus dem Grundrecht der individuellen Koalitionsfreiheit. Gleiches gilt für Maßnahmen der Verbandsunterstützung und -förderung, die letztlich Maßnahmen fortgesetzter Koalitionsbildung sind. Die unmittelbare Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist hingegen Gegenstand der Koalitionsbetätigung. 26 May S. 45, 90f.

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Teil I: Kollektive Koalitionsfreiheit

tretung der Arbeiterschaft" und nicht nur ihrer Mitglieder anerkannt?7 Dieser umfassende Repräsentationsanspruch ist bei der Einstufung der Koalitionen als bloße Vertreter der Mitgliederinteressen nicht zu rechtfertigen und wird - als zwingende Konsequenz - von den Vertretern eines rein individualistischen Verständnisses des Grundrechts der Koalitionsfreiheit auch abgelehnt. 28 Die Kritik ist dabei vor allem gegen den Versuch der Ableitung einer Normsetzungsbefugnis der Koalitionen aus Art. 9 III 1 GG auch gegenüber den Außenseitern gerichtet. 29 Die Anerkennung der Repräsentationsfunktion der Arbeitnehmervereinigungen für die gesamte Arbeitnehmerschaft integriert jedoch nicht notwendig eine personell umfassende Normsetzungsbefugnis. 3o Zu unterscheiden ist vielmehr zwischen der Frage, ob die Arbeitnehmer- und Arbeitgebervereinigungen im Rahmen der ihnen ~ur Verfügung stehenden natürlichen oder normativ geschaffenen Betätigungsformen auch zur Wahrnehmung der Interessen der nichtorganisierten Arbeitnehmer berufen sind und der Frage, ob den Koalitionen durch Art. 9 III 1 GG eine Normsetzungsbefugnis auch gegenüber Außenseitern garantiert ist. Für die Annahme einer umfassenden Repräsentationsfunktion der Koalitionen spricht die historische Entwicklung. Zwar wurde bereits in der TVVO vom 23.12.1918 31 keine uneingeschränkte Normsetzungszuständigkeit bezüglich aller Arbeitnehmer verankert. Dennoch zählte zu den von den Gewerkschaften von Anfang an wahrgenommenen Aufgaben die Regelung der betrieblichen Organisation - wenn auch auf schuldvertraglicher und nicht normativer Basis. 32 Die rechtliche Wirkung der Vereinbarungen erstreckte sich nur auf die Mitglieder der Koalitionen. Inhalt dieser Vereinbarungen waren aber kollektive Tatbestände mit Bezug auf die Interessen "der Arbeitnehmerschaft als solcher gegenüber dem Arbeitgeber". 33 Die eingeschränkte Bindungswirkung schloß die Wahrnehmung der Interessen nichtorganisierter Arbeitnehmer somit nicht aus, sondern wurde durch die Belegschaftsbezogenheit der Regelungsgegenstände gerade vorausgesetzt. Die Betriebsorganisation als Gegenstand gewerkschaftlicher Betätigung knüpft ihrem Inhalt nach an eine von der Koalitionsmitgliedschaft unabhängige Bezugsgröße, den Betrieb mit der darin beschäftigten Belegschaft, an. RArbBI. 1918, S. 874. So v.a. Scho/z S. 175ff.; trotz Befürwortung der Anerkennung des Grundrechts der Koalitionsfreiheit als Doppelgrundrecht i. E. ebenso Koller ZfA 1978, 45, 59; Schwane S. 149ff. 29 So Koller ZfA 1978, 45, 58 f.; Nipperdey/Säcker AR-Blattei [Dl, Berufsverbände I, BI. 18; Schwarze S. 15lf. 30 Vgl. Zöllner S. 51; so aber wohl Bergner S. 122ff. 31 RGBI. 1918, S. 1456. 32 Siehe Spilger S. 69f. 33 Spilger S. 67. 27 28

§ 1 Die personelle Reichweite von Art. 9 III GG

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Gerade die Betriebsverfassung erweist sich also als historisch überlieferter Bereich koalitiver Betätigung mit Repräsentationswirkung auch für die nichtorganisierten Arbeitnehmer. Die Einordnung der Vereinigungen der Arbeitnehmer als Repräsentanten der gesamten Arbeitnehmerschaft wurde auch in der der TVVO folgenden Gesetzesentwicklung des kollektiven Arbeitsrechts nicht ausdrücklich vollzogen. Dennoch wird die Bedeutung der Koalitionen als Interessenvertreter nicht nur ihrer Mitglieder in den zahlreichen ihnen kraft Gesetzes im Rahmen des Arbeits- und Sozialrechtes übertragenen Aufgaben deutlich. 34 Neben der Anerkennung der Repräsentationsfunktion durch den Rückgriff des Gesetzgebers auf die Koalitionen als mit der Materie - das heißt den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen in ihrer Gesamtheit - vertraute Vereinigungen hat die Repräsentationsfunktion auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ihren Niederschlag gefunden, wenn es ausführt: "Die Gewerkschaften sind in den letzten Jahrzehnten über ihre ursprüngliche Zielsetzung - Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Arbeitnehmer - weit hinausgewachsen; sie beanspruchen die Repräsentation der Arbeitnehmerinteressen in Staat und Gesellschaft in umfassender Weise und bilden heute einen bestimmenden Faktor im Wirtschafts- und Sozialleben. Es läßt sich nicht leicht eine die Arbeitnehmerinteressen auch nur mittelbar berührende Maßnahme denken, bei der ihnen nicht ein Mitspracherecht eingeräumt wird. Soweit sie Aufgaben in diesem Bereich nicht selbst an sich ziehen, besitzt ihr Votum in der Öffentlichkeit und auch bei staatlichen Stellen, bei Legislative und Exekutive erhebliches Gewicht. ..35

Zwar ist es möglich, die Repräsentationsfunktion in ihrem Umfang auf die kraft Gesetzes übertragenen Bereiche zu beschränken. Das würde jedoch bedeuten, daß der Gesetzgeber den Koalitionen Funktionsbereiche eröffnen wollte, die ihnen als solche in personeller Hinsicht fremd sind. Einer so weitreichenden Kompetenzerweiterung für Vereinigungen, deren Aufgabe allein die Vertretung der Mitgliederinteressen ist, steht das Selbstverständnis des Rückgriffs auf die Koalitionen als kompetente Funktionsträger entgegen. Die Anerkennung der repräsentativen Betätigung der Koalitionen für alle Arbeitnehmer durch den Gesetzgeber legt ihre verfassungsrechtliche Legitimation vielmehr nahe. 36 Darüber hinaus ist auch die 34 Beispielhaft seien an dieser Stelle die ehrenamtlichen Richter in der Arbeitsund Sozialgerichtsbarkeit (§ 20 ArbGG, § 14 11 SGG) sowie in den Fachkammern (-senaten) für Personalvertretungssachen der Verwaltungsgerichte (§ 84 11 1 BPersVG) und die Integration in die Arbeitsverwaltung im Interesse aller Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber (§§ 380 I, 392 I SGB III) und ihre Berücksichtigung bei der Besetzung der Selbstverwaltungsorgane der Sozialversicherungsträger (§ 44 I, 48 I SGB IV) genannt. 35 BVerfG 18.12.1974 BVerfGE 38, 281, 305. 36 Vgl. auch Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 474ff.; zurückhaltender SäckerlOetker S. 68; kritisch Picker ZfA 1998, 573, 611 f.; Schwarze S. 151 f.

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Teil 1: Kollektive Koalitionsfreiheit

Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Tarifvertrag entgegen dem Wortlaut des § 3 I TVG faktisch nicht ausschließlich auf die Koalitionsmitglieder beschränkt. Durch die flächendeckende Einflußnahme auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen strahlt die Betätigung der Tarifvertragsparteien auch auf die Arbeitsverhältnisse der Außenseiter aus?7 Die Grenzen zwischen verbandsbezogener Interessenvertretung und Gesamtrepräsentation sind somit fließend. Bereits die Ausstrahlungswirkung der Wahrung und Förderung der Interessen der Mitglieder auf die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der nicht koalierten Arbeitnehmer, aber auch die Abhängigkeit einer sinnvollen Koalitionszweckverfolgung im Interesse der Mitglieder von der Thematisierung von Fragen, die in ihrer Auswirkung nicht auf die gewerkschaftlich gebundenen Arbeitnehmer beschränkt werden können, schließt eine Reduzierung der Betätigung der Koalitionen auf eine ausschließliche Mitgliederrepräsentation aus. Maßgeblicher Ansatzpunkt für die Bestimmung des Umfangs der Koalitionsfreiheit ist jedoch der Koalitionszweck, der von der grundrechtlichen Gewährleistung des Art. 9 III 1 GG vorgegeben wird. Soweit die Koalitionen zur Verwirklichung dieses Zweckes berufen sind, muß ihnen auch das Recht zugestanden werden, sich in diesem Zusammenhang unmittelbar auf den Freiheitsschutz durch Art. 9 III I GG zu stützen. Das um so mehr, als die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände auf das wirtschaftliche und sozialpolitische Geschehen mit der Gewährleistung der Koalitionsfreiheit durch die Verfassung einen weitreichenden Einfluß haben, der über die Freiheit des Einzelnen, Koalitionen beizutreten und sich innerhalb dieser zu betätigen, entscheidend hinausgeht. 38 Als durch Art. 9 III I GG geschützter Zweck des Grundrechts der Koalitionsfreiheit ist unmittelbar jedoch nur die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der koalierten Arbeitnehmer und Arbeitgeber ableitbar. Ohne den Vereinigungen der Arbeitnehmer ein umfassendes Mandat zur Repräsentation auch der Interessen der Außenseiter zuzusprechen, müssen sie sich jedenfalls dann auf die grundrechtliche Sicherung ihrer Betätigung stützen können, wenn eine Wahrnehmung der verfassungsrechtlichen Betätigungsgarantie nicht sinnvoll möglich ist, ohne zugleich die Rechtsstellung der tariflichen Außenseiter zu beeinflussen. 39 Das gilt nicht nur für Themen, die aus sich selbst heraus nicht auf die Koalitionsmitglieder beschränkt werden können, sondern auch unter dem Aspekt, daß eine sinnvolle Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen notwendig eine zukunftsbezogene, vorausschauende Verbandspolitik erfordert, die sich nicht auf die 37 Vgl. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 362; Leventis S. 77; Säcker, Grundprobleme, S. 43; Schwarze S. 150. 38 Weber, W. DVBI. 1969,413,417. 39 Vgl. SäckerlOetker S. 69 f.

§ 1 Die personelle Reichweite von Art. 9 III GG

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Durchsetzung der aktuellen Interessen der Mitglieder beschränken kann, sondern die gesamtwirtschaftliche Entwicklung berücksichtigen muß. In diesem Sinne umfaßt die durch Art. 9 III I GG geschützte Koalitionszweckverfolgung auch die Repräsentation der nicht koalierten Arbeitnehmer, wobei die Repräsentationsbefugnis aus dem Schutz der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Koalitionsmitglieder folgt. 11. Gewährleistung einer umfassenden originären Repräsentationsfunktion aufgrund der Ordnungsfunktion der Koalitionsfreiheit

Soweit durch Art. 9 III GG ein über die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Mitglieder hinausgehender Koalitionszweck verfassungsrechtlich geschützt ist, wäre die nur abgeleitete Repräsentationsbefugnis der Koalitionen in bezug auf die Außenseiter aber zu eng bestimmt. Ein solcher Koalitionszweck kann insbesondere in einer allgemeinen Ordnungsfunktion der Koalitionen gesehen werden, in der Funktion, die Gestaltung und Sicherung einer autonomen Ordnung des Arbeitslebens herzustellen. 4o Auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann zur Ableitung einer solchen Ordnungsfunktion der Koalitionen aus Art. 9 III GG nicht zurückgegriffen werden. 41 Zwar wird der Begriff des "Ordnungszweckes" sowie der "sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens" bereits in der Entscheidung vom 18.11.1954 verwendet. 42 Diese vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Zweckbestimmung bezieht sich aber nicht auf die durch Art. 9 III GG gewährleistete Koalitionsfreiheit, sondern auf das Tarifvertragssystem. Eine Gleichsetzung der Gewährleistung des Tarifvertragssystems mit der Gewährleistung der Koalitionsfreiheit kann der Entscheidung dabei nicht entnommen werden. Die Ermittlung des Ordnungszweckes des Tarifvertragssystems diente der Rechtfertigung weiterer einschränkender Merkmale der tariffahigen Vereinigung von Arbeitgebern, die über die am Zweck des Grundrechts der Koalitionsfreiheit zu ermittelnden Voraussetzungen der Eigenschaft als Koalition hinausgehen. Im selben Zusammenhang wurde der Begriff der "Aufgabe der Ordnung und Befriedung des

40 Badura ArbRdGgw. 15 (1978), S. 17, 19ff.; Müller, Gerhard ArbRdGgw. 17 (1980), S. 19, 23 ff.; Wagenitz S. 45 f.; Wiedemann, H. in: Wiedemann, Ein!. TVG Rn. 96. 41 So auch Reuter RdA 1994, 152, 163; anders Wiedemann, H. in: Wiedemann, Ein!. TVG Rn. 16f., 97. 42 BVerfG 18.11.1954 BVerfGE 4,96, 107.

Teil I: Kollektive Koalitionsfreiheit

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Arbeitslebens" in der Entscheidung vom 6.5.1964 und im Beschluß vom 20.10.1981 verwendet. 43

In Modifizierung der Aussagen in den Entscheidungen vom 18.11.1954 und 6.5.1964, aber mit Bezug auf diese, wies der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts im Beschluß vom 19.10.1966 den Koalitionen die Funktion zu, "in dem von der staatlichen Rechtsetzung frei gelassenen Raum das Arbeitsleben im einzelnen durch Tarifverträge zu ordnen ...44 Um diese Funktion sinnvoll erfüllen zu können, gewährleiste Art. 9 III GG mit der Koalitionsfreiheit auch die sog. Tarifautonomie. 45 Damit hatte der Senat die Ausführungen der vorangegangenen Entscheidungen in ihr Gegenteil verkehrt. War die sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens zunächst noch Ordnungszweck des Tarifvertragssystems, so war sie nunmehr Funktion der Koalitionsfreiheit selbst. Der Ordnungszweck des Tarifvertragssystems, der ursprünglich die strengeren, vom Koalitionsbegriff abweichenden Anforderungen an die tariffähigen Vereinigungen rechtfertigen sollte, wurde damit zum Koalitionszweck erhoben. Die sich daraus ergebenden Widersprüche zur, in demselben Beschluß vorgenommenen Zweckbestimmung der Koalitionsfreiheit im Sinne der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder,46 ließ der Senat unaufgeklärt. Im Beschluß vom 24.5.1977 hat der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts den Gewährleistungsgehalt des Art. 9 III GG dahin konkretisiert, daß eine Ordnung des Arbeits- und Wirtschaftslebens geWährleistet sei, "bei der der Staat seine Zuständigkeit weit zurückgenommen hat und die Bestimmung über die regelungsbedürftigen Einzelheiten des Arbeitsvertrags grundsätzlich den Koalitionen überlasse", denen die im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe zugewiesen und in einem Kembereich garantiert sei, die "materiellen Arbeitsbedingungen in einem von staatlicher Rechtsetzung frei gelassenen Raum in eigener Verantwortung und im wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme durch unabdingbare Gesamtvereinbarungen sinnvoll zu ordnen".47 Aus dieser Aussage des Bundesverfassungsgericht kann die Zuordnung eines allgemeinen Ordnungszweckes im Sinne einer öffentlichen Aufgabe zum Schutzbereich des Grundrechts der Koalitionsfreiheit herausgelesen werden. Ob der Senat seine Ausführungen aber tatsächlich in diesem Sinne verstanden wissen wollte, bleibt offen, da die zur Stützung 43

248.

BVerfG 6.5.1964 BVerfGE 18, 18, 27f.; BVerfG 20.10.1981 BVerfGE 58, 233,

BVerfG 19.10.1966 BVerfGE 20, 312, 317. BVerfG 19.10.1966 BVerfGE 20, 312, 317. 46 BVerfG 19.10.1966 BVerfGE 20,312, 319f. 47 BVerfG 24.5.1977 BVerfGE 44, 322, 340f.; ähnlich bereits BVerfG 26.5.1970 BVerfGE 28, 205, 304, jedoch ohne ausdrückliche Benennung der Ordnungsfunktion. 44

45

§ 1 Die personelle Reichweite von Art. 9 III GG

47

der Aussage herangezogenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Ausführungen des Senats nur schwerlich tragen, ihr teilweise geradezu entgegenstehen. Das gilt besonders für die Bezugnahme auf den Beschluß vom 27.2.1973. 48 In den Beschlußgründen dieser Entscheidung führte der 2. Senat gerade nicht aus, daß Art. 9 III GG eine Ordnung des Arbeits- und Wirtschaftslebens gewährleiste. Das Zurücktreten des Staates zugunsten der Tarifvertragsparteien gewinne seinen Sinn vielmehr "ebensosehr aus dem Gesichtspunkt, daß die unmittelbar Betroffenen besser wissen und besser aushandeln können, was ihren beiderseitigen Interessen und dem gemeinsamen Interesse entspricht, als der demokratische Gesetzgeber, wie aus dem Zusammenhang mit dem für die Gestaltung nicht öffentlich-rechtlicher Beziehungen charakteristischen Prinzip der ,Privatautonomie " im Grunde also der Entscheidung des GG zugunsten des freiheitlieh-demokratischen Rechtsstaates.,,49 Die Bezugnahme auf die Privatautonomie steht der Bestimmung des Koalitionsbetätigungszweckes als der Erfüllung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe der Ordnung des Arbeitslebens aber entgegen. Zurückhaltender äußerte sich daher das Bundesverfassungsgerichts bereits in der Mitbestimmungsentscheidung, aus der eine Konkretisierung des Koalitionszweckes hin zu einer allgemeinen Ordnungsfunktion nicht mehr abgeleitet werden kann. Der 1. Senat führte lediglich aus: "Wie der Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 GG und die geschichtliche Entwicklung zeigen, ist die Koalitionsfreiheit in erster Linie ein Freiheitsrecht. Sie gewährleistet die Freiheit des Zusammenschlusses zu Vereinigungen zur Förderung der Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen und die Freiheit der gemeinsamen Verfolgung dieses Zwecks; über beides sollen die Beteiligten selbst und eigenverantwortlich, grund:;ätzlich frei von staatlicher Einflußnahme, bestimmen. Elemente der Gewährleistung smd die Gründungsfreiheit und Beitrittsfreiheit, die Freiheit des Austritts und des Fernbleibens sowie der Schutz der Koalition als solcher und ihr Recht, durch spezifisch koalitionsgemäße Betätigung die in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke zu verfolgen. Hierzu gehört der Abschluß von Tarifverträgen, durch die die Koalitionen einen Bereich, in dem der Staat seine Regelungszuständigkeit weit zurückgenommen hat, in eigener Verantwortung und im wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme regeln; insofern dient die Koalitionsfreiheit einer sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens."so

Daß der Abschluß von Tarifverträgen als von Art. 9 III GG erfaßte Betätigung und damit auch die Koalitionsfreiheit der sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens dient, ist nicht abzustreiten. Nicht gerechtfertigt ist jedoch, BVerfG BVerfG 50 BVerfG BVerfGE 58, 48 49

27.2.1973 BVerfGE 34, 307ff. 27.2.1973 BVerfGE 34,307,317. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 367; dem folgend BVerfG 20.10.1981 233, 246f.

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Teil 1: Kollektive Koalitionsfreiheit

von der Wirkung des Tarifvertrags im gesamtwirtschaftlichen Gefüge auf die Zweckbestimmung der durch Art. 9 III GG geschützten Freiheit zu schließen. Eine Rückkehr zur ursprünglichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht vollzog daher im Anschluß an die Mitbestimmungsentscheidung der 1. Senat im Beschluß vom 20.10.1981 mit der Aussage: ..Es ist mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit vereinbar, nur solche Koalitionen an der Tarifautonomie teilnehmen zu lassen, die in der Lage sind, den von der staatlichen Rechtsordnung freigelassenen Raum des Arbeitslebens durch Tarifverträge sinnvoll zu gestalten, um so die Gemeinschaft sozial zu befrieden."sl

Auch in den sich anschließenden Beschlüssen hat des Bundesverfassungsgericht nicht mehr auf einen vermeintlichen Ordnungszweck der Koalitionsfreiheit zurückgegriffen, sondern die Zweckbestimmung bezüglich des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit dahin konkretisiert, daß es verfassungsrechtlich anerkannter Zweck sei, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern. 52 Bei der Zuordnung einer allgemeinen Ordnungsfunktion zum Gewährleistungsgehalt des Art. 9 III GG wird der Zweck der Koalitionsfreiheit in der Aufgabe gesehen, "in einem freiheitlichen, den Staat entlastenden und die Einseitigkeit des Arbeitsvertrags vermeidenden Verfahren für einen fairen Ausgleich der Interessen, eine angemessene Verteilung des gemeinsam erwirtschafteten Gewinns zu sorgen ...53 Die soziale Selbstverwaltung ist danach nicht Verwirklichung individueller Freiheit im Staatsgefüge, sondern zweckgebundene Freiheit als Voraussetzung für die Erfüllung einer "öffentlichen" Aufgabe s4 . Gewährleistungsgehalt des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit ist damit aber nicht mehr die freiheitliche Entfaltung des Individuums im Gesellschaftsganzen,55 sondern die Gewährleistung der Kollektivbildung und -betätigung im Interesse der Tarifautonomie, der staatsfreien kollektiven Regelung der Arbeitsbedingungen. s6 Die durch Art. 9 III GG geschützte Koalitionsfreiheit wäre nicht abwehrende, sondern "dienende Freiheit"s7. Mit einer so verstandenen staatsentlastenden BVerfG 20.10.1981 BVerfGE 58, 233, 248. Siehe v.a. BVerfG 4.7.1995 BVerfGE 92, 365, 395. 53 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 308; siehe auch Badura ArbRdGgw. 15 (1978), S. 17,23. 54 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 383; siehe auch Säcker ArbRdGgw. 12 (1975), S. 17,36. 55 Richardi S. 1. 56 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 308. 57 Der Begriff der ..dienenden Freiheit" ist der Terminologie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht unbekannt und findet sich v. a. in den Entscheidungen zur Rundfunkfreiheit (BVerfG 16.6.1981 BVerfGE 57, 295, 320; BVerfG 24.3.1987 BVerfGE 74, 297, 323). Anders als bei einer Zweckbestimmung des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit zur Herstellung einer allgemeinen 5\

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§ 1 Die personelle Reichweite von Art. 9 III GG

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Ordnungsfunktion der Koalitionen zur Verwirklichung einer autonomen Ordnung des Arbeitslebens mittels der Tarifautonomie ist eine Beschränkung der Repräsentationsfunktion auf die koalierten Arbeitnehmer und Arbeitgeber unvereinbar. 58 Die Einstufung der Ordnungsfunktion als maßgeblichen Koalitionszweck bedeutet aber gleichzeitig die Einstufung des Grundrechts der Koalitionsfreiheit nicht als Sicherung der Menschenwürde und Selbstbestimmung des einzelnen, abhängige Arbeit leistenden Rechtssubjekts,59 sondern als "Grundrecht" des Gesellschaftsganzen auf tarifautonome und nur subsidiär staatliche Ordnung des Arbeitslebens. Der grundrechtliche Schutz der Freiheit des Einzelnen zur zweckgerichteten Kollektivbildung verlöre damit seine freiheitsschützende Funktion in bezug auf das Individuum zugunsten eines Schutzes des für die Gemeinschaft Wertvollen: 60 der Tarifautonomie. Eine solche Funktionsabweichung des Grundrechts der Koalitionsfreiheit im System der Grundrechte läßt sich weder mit dem Wortlaut des Art. 9 III GG noch mit seiner Stellung im Grundrechtskatalog des Grundgesetzes vereinbaren. 61 Durch Art. 9 III GG unmittelbar garantiert ist die Freiheit, Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu bilden. Aus dieser Freiheit und zu ihrer Verwirklichung leitet sich die Tarifautonomie ab. Durch diesen Zusammenhang ist es notwendig, den Inhalt der Tarifautonomie ausgehend vom Grundrecht der Koalitionsfreiheit zu bestimmen und nicht die Koalitionsfreiheit in den Dienst der Ordnung des Arbeitslebens und damit einem Dienst der Koalitionsfreiheit am Gemeinwohl bzw. dem Dienst am Staatsganzen, richtet sich der "Dienst" der Rundfunkfreiheit auf die Verwirklichung der Meinungsfreiheit. Das Medium Rundfunk ist Mittel zur Wahrnehmung der ebenso individuell garantierten Meinungsfreiheit und insoweit dienend. Einer Beschränkung der Meinungsfreiheit und Rundfunkfreiheit auf die Vennittlung politischer, für das Staatsganze wertvolle Meinungen nimmt das Gericht nicht vor (BVerfG 16.6.1981 BVerfGE 57, 295, 319ff.; BVerfG 24.3.1987 BVerfGE 74, 297, 323 ff.). Aufgrund dieser unterschiedlichen Struktur des Verhältnisses der (individuellen) Grundrechte der Meinungs- und Rundfunkfreiheit und dem Verhältnis von kollektiver Koalitionsfreiheit und der Zweckbestimmung im Sinne eines allgemeinen Ordnungszweckes ist eine Bezugnahme auf die Tenninologie des Bundesverfassungsgerichts zur Begründung der Ordnungsfunktion der Koalitionsfreiheit nicht möglich (so aber Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S.293). 58 Vgl. Müller, Gerhard ArbRdGgw. 17 (1980), S. 19,25. 59 Säcker, Grundprobleme, S. 70; ders. ArbuR 1994, 1,6. 60 Vgl. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 383. 61 Kritisch insoweit auch Däubler ArbuR 1981, 257, 258; Kemper S. 1 12ff.; Pikker ZfA 1998, 573, 588ff. sowie Rieble RdA 1993, 140, 142, der die Annahme eines Gestaltungsauftrags der Tarifvertragsparteien für die sinnvolle Ordnung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen auch für Außenseiter für verfassungsrechtlich unhaltbar hält; siehe auch dens. Rn. 1II 8 ff., 1307 sowie Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, Rn. 554; LöwischlRieble § 3 TVG Rn. 3; Wiedemann, A. S. 59. 4 Friese

Teil 1: Kollektive Koalitionsfreiheit

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Tarifautonomie zu stellen. 62 Das gegenteilige Ergebnis drängt sich nur auf, wenn von der Existenz einer ungeschriebenen Verfassungsnorm ausgegangen wird, die da lautet: "Die Tarifautonomie soll sein.,,63 Eine solche Verfassungs norm läßt sich aber nur behaupten, aus der Verfassung ableiten läßt sie sich nicht. Allein der Umstand, daß den Vereinigungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch die Rechtsordnung weitreichende Möglichkeiten zur Schaffung einer sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens eingeräumt sind und in der Vergangenheit vielfach eingeräumt waren, sowie das Selbstverständnis der großen, repräsentativen Verbände, sich als Repräsentanten der Arbeitnehmer und Arbeitgeber in ihrer Gesamtheit zu sehen,64 rechtfertigt es nicht, die Schaffung einer autonomen Ordnung des Arbeitslebens zum ausschließlichen Zweck des Schutzes der Koalitionsfreiheit zu erheben. 65 Dem Gesetzgeber ist es dagegen nicht verwehrt, unterhalb der Stufe des Verfassungsrechts den Koalitionen unter Beachtung des freiheitsrechtlichen Gewährleistungsgehalts des Art. 9 III GG ordnungspolitische Funktionen zu übertragen und die Koalitionen in den freiwilligen Dienst der Schaffung einer allgemeinen Ordnung des Arbeitslebens zu stellen. 66 Das gilt vor allem, da die Zielsetzung des Freiheitsschutzes und das Interesse an einer allgemeinen Ordnung des Arbeitslebens vielfach parallel laufen. 67 Eine Erhebung der Ordnungsfunktion zum verfassungsrechtlichen Schutzzweck des Art. 9 III GG ist damit nicht verbunden. 68 Aber auch eine Verknüpfung der freiheitsrechtlichen Funktion des Grundrechts der individuellen und kollektiven Koalitionsfreiheit und der Ordnungsfunktion ist nicht möglich, da sie für die Schutzbereichs bestimmung zu zahlreichen Widersprüchen führt. Ist die Tarifautonomie, also die staatsfreie kollektive Regelung der Arbeitsbedingungen zur Schaffung einer allgemeinen Ordnung des Arbeitslebens und nicht die Anerkennung der individuellen Freiheit die causa des grundrechtlichen Schutzes der KoalitionsVgl.ReuterRdA 1994, 152, 162. So aber ausdrücklich Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 307 f. 64 Vgl. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 474f. 65 In diesem Sinne auch SäckerlOetker S. 94, nach denen die den Koalitionen eingeräumte Möglichkeit, eine "sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens" bzw. eine "Befriedung des Arbeitslebens" herbeizuführen, allein die Annahme rechtfertigt, daß Art. 9 III 1 GG eine "autonome Ordnung des Arbeitslebens" als verfassungsgewünschten Idealzustand erstrebt. 66 Vgl. Säcker, Grundprobleme, S. 42; Scholz S. 218; siehe auch Wiedemann, H. RdA 1997, 297, 301 ff. sowie dens. RdA 1969, 321, 328ff. unter Hinweis auf den ständigen Zielkonflikt, dem die Gewerkschaften ausgesetzt sind, wenn sie als Mitgliederverband die Interessen der Verbandsangehörigen und zugleich als Repräsentanten des Berufsstandes die Interessen der Berufsangehörigen berücksichtigen sollen. 67 So auch Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 312. 68 Vgl. Picker ZfA 1998, 573, 612. 62 63

§ 1 Die personelle Reichweite von Art. 9 III GG

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freiheit, so ist der Staat an diesen Schutzzweck nach Art. 1 III GG gebunden. Art. 9 III GG stünde damit nicht nur Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Tarifautonomie entgegen. Die Bindung an die Verfassung hätte sich auch bei der Ausgestaltung neuer und bei der Auslegung bestehender Normen niederzuschlagen. Die Ordnungsfunktion im obigen Sinne können jedoch nur große, mitgliederstarke Verbände mittels Abschluß von Verbandstarifverträgen verwirklichen. Folge daraus wäre nicht nur, daß dem Verbandstarifvertrag der generelle Vorrang vor Firmentarifverträgen eingeräumt werden müßte,69 sondern daß die Zu lässigkeit von Firmentarifverträgen generell in Zweifel zu stellen wäre. Die Rechtfertigung der Anerkennung von Firmentarifverträgen kann jedenfalls nicht in der Betätigungsfreiheit der beteiligten Koalitionen gern. Art. 9 III GG, die Ebene des Tarifvertrags zu wählen, gesehen werden. 7o Denn auch das Betätigungsrecht der Koalitionen ist in seiner näheren Konkretisierung vom Gewährleistungszweck der Koalitionsfreiheit abhängig. Steht diesem Gewährleistungszweck der Abschluß von Firmentarifverträgen aber entgegen, so kann diese Betätigungsform nicht gleichzeitig von Art. 9 III GG geschützt sein. Auch eine Selbstbeschränkung der Koalitionen auf die Vertretung der Interessen der Mitglieder oder auf den Abschluß von Firmentarifverträgen sowie die Gewährleistung des Koalitionspluralismus würde mit der Ordnungsaufgabe der Koalitionen und damit mit dem grundrechtlichen Schutzzweck in Konflikt treten. Ebenso widersprüchlich ist die als Gewährleistungszweck der Koalitionsfreiheit deklarierte Zuweisung der Aufgabe an die Koalitionen, eine allgemeine Ordnung des Arbeitslebens herzustellen, gleichzeitig aber die Geltung des Günstigkeitsprinzips im Verhältnis von Tarifvertrag und individualvertraglicher Abrede uneingeschränkt anzuerkennen (§ 4 III TVG). Ist der Zweck des Grundrechts die Sicherung und Herstellung einer sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens, ist dieser Zweckbestimmung auch die Konkretisierung des Grundrechts der individuellen Koalitionsfreiheit unterworfen. Ein Vorrang des Individualschutzes im Verhältnis zum Kollektivschutz wäre damit ausgeschlossen. 71 Das widerspricht dem grundsätzli69 Eine bisher nicht gezogene Konsequenz, vielmehr geht der Firmentarifvertrag dem Verbandstarifvertrag nach dem sog. Spezialitätsgrundsatz aufgrund größerer Sachnähe vor, siehe u.a. BAG 20.3.1991 AP Nr. 20 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; BAG 24.11.1993 AP Nr. 116 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; BAG 13.4.1994 AP Nr. 119 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 1490; KempenlZachert § 4 TVG Rn. 131; LöwischlRieble § 4 TVG Rn. 306. Auch bei Gamillscheg (Kollektives Arbeitsrecht, S. 407) findet sich lediglich die Feststellung, daß Firmentarifverträge keine "Unterstützung der ,Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens'" sind bzw. der weiträumigen Ordnungsaufgabe der Tarifautonomie damit jedenfalls nicht gedient ist (Kollektives Arbeitsrecht, S.756). 70 So aber dennoch Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 504. 71 Vgl. auch Reuter RdA 1994, 152, 155f.

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Teil 1: Kollektive Koalitionsfreiheit

ehen Ausgangspunkt der Garantie der Freiheit in der Konzeption des Grundgesetzes nicht als Mittel zur Verwirklichung staatlicher Ziele, sondern zum Selbstzweck. 72 Die Bestimmung des Schutzzweckes eines Grundrechts dahin, daß der grundrechtliche Gewährleistungsgehalt selbst - nicht sein Verhältnis zu anderen Grundrechten - nicht widerspruchsfrei ennittelt werden kann, ist aber nicht zulässig, weil es den Grundrechtsschutz in seiner Sinnhaftigkeit sowie die Einheit der Verfassung 73 in Frage stellt. Auch die Anerkennung eines eigenständigen Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit kann die Widersprüche nicht ausräumen, da sich das Grundrecht der kollektiven Koalitionsfreiheit aus dem Grundrecht der individuellen Koalitionsfreiheit ableitet und ihren freiheitsrechtlichen Charakter teilt. 74 Ebenso wie die Freiheit des Einzelnen zur Bildung von Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschafts bedingungen dem Schutz seiner freiheitlichen Entfaltung im Gesellschaftsganzen dient, dient der Schutz des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit der freiheitlichen Entfaltung der Koalitionsmitglieder. Ein darüber hinausgehender Schutzzweck in bezug auf alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber unabhängig von der Wahrnehmung ihrer individuellen Freiheit kann dem Grundrecht der kollektiven Koalitionsfreiheit nicht zugeordnet werden, ohne daß das Grundrecht der kollektiven Koalitionsfreiheit in Widerspruch zum Grundrecht der individuellen Koalitionsfreiheit tritt, in der es seinen Ursprung hat. 75 Das Bestandsrecht der Koalitionen ist ohne die individuelle Freiheit zur Koalitionsbildung nicht denkbar. 76 Dieser Widerspruch ist von dem Konflikt zu unterscheiden, der bei einer Anerkennung eines eigenständigen Schutzes der kollektiven Koalitionsfreiheit durch Art. 9 III GG im Verhältnis zum Grundrecht der individuellen Koalitionsfreiheit auftreten kann und im Wege der Herstellung praktischer Konkordanz zu lösen ist. 77 Aufgrund der vorausschauenden und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung berücksichtigenden Koalitionsbetätigung kann das kollektive Interesse, das mehr als nur die gebündelte Ausübung der individuellen Interessenwahrnehmung darstellt, in Widerspruch zu den individuellen Interessen des einzelnen Koalitionsmitglieds treten. Dem Ausgleich der geschützten Positionen muß die Bestimmung des Umfangs des Grundrechtsschutzes vorausgehen. Die Bestimmung des Gewährleistungsgehalts des Grundrechts wird aber unmöglich, wenn bereits die mit der Garantie der Koalitionsfreiheit angestrebten Zwecke in einen inneren Konflikt treten. 72 73 74 75

76 77

Vgl. Böckenförde NJW 1974, 1529, 1537f.; Kemper S. 113. Siehe dazu näher Hesse Rn. 71. Vgl. BVerfG 24.4.1996 BVerfGE 94, 268, 282. Vgl. auch Kemper S. 113ff.; Wiedemann, A. S. 59. Säcker, Grundprobleme, S. 68 ff. Schwarze S. 64.

§ I Die personelle Reichweite von Art. 9 III GG

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Zweck des Grundrechts der (kollektiven) Koalitionsfreiheit ist daher nicht die Sicherung der Tarifautonomie im Sinne einer allgemeinen Ordnungsfunktion der Koalitionen. Ein umfassender originärer Repräsentationsanspruch der Koalitionen auch in bezug auf die nicht koalitiv gebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber kann aus Art. 9 III 1 GG damit nicht abgleitet werden. 7s Zweck der Koalitionsfreiheit ist es vielmehr, die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der koalierten Arbeitnehmer und Arbeitgeber sicherzustellen. Insoweit ist sie zugleich Voraussetzung für eine individuelle Austauschgerechtigkeit am Arbeitsmarkt und damit für die Sicherung von Menschenwürde und persönlicher Entfaltungsfreiheit der abhängige Arbeit leistenden Arbeitnehmer. 79 Die Ordnungsfunktion des Tarifvertrags ist hingegen faktische und gewünschte Folge der Tarifpraxis, nicht aber ein von der Verfassung vorgeschriebener Zustand. so

c. Der verfassungsrechtliche Koalitionsbegriff Mit der Feststellung, daß durch das Grundrecht der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 III GG nicht nur der Einzelne verfassungsrechtlichen Schutz erfährt, sondern auch die Koalition selbst, ist noch nicht näher bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Koalition im verfassungsrechtlichen Sinne, das heißt, eine Vereinigung zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen besteht. Wegen der begrifflichen Verknüpfung des Art. 9 III GG mit Art. 9 I und 11 GG durch das Wort "Vereinigung" folgt zunächst, daß die Koalitionen dieselben Voraussetzungen erfüllen müssen, wie die nach Art. 9 I GG anzuerkennenden Vereinigungen. SI Neben der konkreten ZweckbindungS2 - der Wahrung und Förderung der Arbeits- und I. E. ebenso Picker ZfA 1998, 573, 599. Säcker ArbuR 1994, I, 6ff. 80 Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 18, 109; ebenso Kempen/Zachen Grund!. TVG Rn. 91; Rieble Rn. 1307f.; Wiedemann, A. S. 59; Zöllner DB 1989, 2121, 2122. Zur ordnenden Wirkung des Tarifvertrags siehe auch Wiedemann, H. in: Wiedemann, Ein!. TVG Rn. 13ff. sowie dens. RdA 1997,297, 298ff. 81 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 393; Jarass/Pieroth Art. 9 GG Rn. 23; Kissel in: ErfK, Art. 9 GG Rn. 5; von Münch in: BonnerKomm, Art. 9 GG Rn. 120; Oetker in: Wiedemann, § 2 TVG Rn. 172; Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 9 GG Rn. 196. Siehe im Einzelnen zu den vereinsrechtlichen Anforderungen § 2 VereinsG, wobei die Norm nur als systematische Hilfestellung und nicht als verbindliche Interpretationsgrundlage herangezogen werden kann. Denn nicht die Verfassung ist im Lichte des einfachen Rechts, sondern letzteres im Lichte der Verfassung zu interpretieren (vg!. auch Oetker in: Wiedemann, § 2 TVG Rn. 174). 82 Die Zweckbindung ist nach unbezweifeIter Ansicht konstitutive Voraussetzung für die KoaIitionseigenschaft, so u. a. Höfling in: Sachs, Art. 9 GG Rn. 54; Kissel in: ErfK, Art. 9 GG Rn. 6. 78

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Teil I: Kollektive Koalitionsfreiheit

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Wirtschafts bedingungen - haben sie darüber hinaus eine Reihe weiterer Eigenschaften aufzuweisen, denn Koalition im verfassungsrechtlichen Sinne ist nur "diejenige Vereinigung des Arbeitslebens, die berufen und imstande ist, die innergesellschaftlichen, das heißt privatrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Interessenkonflikte zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in kollektiver, freiheitlicher und sozial gerechter Autonomie auszutragen sowie zu überwinden ... 83 Durch den unmittelbaren Bezug des Grundrechts der Koalitionsfreiheit zum Arbeitsleben, werden allein solche Vereinigungen vom Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 9 III GG erfaßt, die Zusammenschlüsse von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern 84 sind. 85 Aufgrund des Spannungsverhältnisses zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in bezug auf die Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist eine Vereinigung zur funktionsgerechten Wahrnehmung ihrer Aufgaben nur dann in der Lage, wenn sie vom sozialen Gegenspieler unabhängig ist. 86 Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit bezweckt den Ausgleich im Kräfteverhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Dadurch ist es gleichsam notwendig, daß sich die Gruppen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern aufgrund ihrer tendenziell gegenläufigen Interessen gegenüberstehen, was sich insbesondere in Fonn finanzieller und organisatorischer Unabhängigkeit von der jeweiligen Gegenseite widerspiegeln muß. Eine absolute Gegnerfreiheit kann aber bereits praktisch aufgrund der zahlreichen Funktionsverknüpfungen nach den mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften, aber auch aufgrund der Möglichkeit der Vereinigung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberstellung in ein und derselben Person sowie der Interessendifferenzen von Arbeitnehmern auf gehobener Betriebs- und Unternehmensebene (leitende Angestellte) zur übrigen Belegschaft nicht gefordert werden. 87 Schah in: HStR, Bd. VI, § 151 Rn. 54. Einschränkend zur Einbeziehung der Arbeitgeberverbände in Art. 9 III GG diejenigen Vertreter, die Art. 9 III I GG vorrangig als Arbeitnehmergrundrecht verstehen, so Radke, FS für Brenner, S. 113, 132ff.; Ramm JuS 1966, 223, 227f.; anders aber ders. RdA 1968, 412ff.; Wahlgemuth S. 72ff.; a.A. hingegen die h.M., so u.a. BVerfG 26.6.1991 BVerfGE 84, 212, 224; Friauj RdA 1986, 188, 189f.; Henssler ZfA 1998, 1, 19 f.; Hess ZfA 1976, 45, 67 f.; Isensee in: Zukunft der sozialen Partnerschaft, S. 180f.; Richardi in: Staudinger, vor § 611 BGB Rn. 519; ders. § 2 BetrVG Rn. 75; Säcker, Grundprobleme, S. 29ff.; Schah ZfA 1980, 357, 359f.; Wiedemann, A. S. 65 f. 85 BVerfG 26.6.1991 BVerfGE 84, 212, 224. 86 Bauer in: Dreier, Art. 9 GG Rn. 72; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 415ff.; Höfling in: Sachs, Art. 9 GG Rn. 56; Jarass/Pierath Art. 9 GG Rn. 24; Kittner in: AK, Art. 9 11 GG Rn. 50; Löwer in: von Münch/Kunig, Art. 9 GG Rn. 65 f.; Löwisch in: MünchArbR, § 236 Rn. 46; van Münch in: BonnerKomm, Art. 9 GG Rn. 125, 127; Schaub S. 1585f.; Schah in: HStR, Bd. VI, § 151 Rn. 56, 64; ders. S. 47 f. Zuletzt ausführlich Jung S. 49ff. 83 84

§ 1 Die personelle Reichweite von Art. 9 III GG

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In unmittelbarem Zusammenhang mit dem Merkmal der Gegnerunabhängigkeit steht die Frage, ob eine Vereinigung von Arbeitnehmern zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nur dann den Schutz des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit genießt, wenn sie überbetrieblich organisiert ist, das heißt, nicht nur Arbeitnehmer eines Betriebs oder Unternehmens in sich vereint. 88 Das Merkmal der überbetrieblichen Organisation hat seinen historischen Ursprung in der Arbeitsrechtswissenschaft am Anfang des 20. Jahrhunderts. Als Reaktion auf das Erstarken der Arbeitnehmerverbände zu großen Organisationen kam es vielfach auf Initiative und mit Unterstützung der Unternehmer zur Bildung sog. Werkvereine. 89 Charakteristisch für diese war, daß sich ihre Mitglieder auf die Arbeitnehmer eines bestimmten Betriebs beschränkten. Die Werkvereine waren in zahlreichen Fällen aufgrund ihres Zusammenwirkens mit dem Unternehmer, ob ihrer wirtschaftsfriedlichen Einstellung und der Auswirkung der weitgehenden Kündigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers in bezug auf die Arbeitnehmer auf den Mitgliederbestand der Werkvereine, vom Arbeitgeber abhängig. Aus diesem Grunde wendeten sich die Gewerkschaften, die Mitglied der Zentralarbeitsgemeinschaft, dem Zusammenschluß der Spitzenverbände der Unternehmerschaft mit den großen Gewerkschaften, waren, gegen jene Werkvereine. Deutlich wird das durch die in der Vereinbarung zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden vom 15.11.1918 enthaltene Verpflichtung der Arbeitgeberseite, in Zukunft Werkvereine nicht mehr zu fördern und zu unterstützen. 90 In diesem Zusammenhang wurde vereinzelt in der arbeitsrechtlichen Literatur für das Bestehen einer "Wirtschaftlichen Vereinigung von Arbeitnehmern" das eigenständige Merkmal der überbetrieblichen Organisation verlangt. 91 Eine vorherrschende Meinung bildete sich insoweit jedoch nicht heraus. 92 Und 87 Vgl. Martens S. 400; Richardi § 2 BetrVG Rn. 44f.; Scholz in: HStR, Bd. VI, § 151 Rn. 64. 88 So v. a. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 406ff.; Kissel in: ErfK, Art. 9 G Rn. 8; Hueck/Nipperdey Bd. II/l, S. 98ff.; Rehbinder DVBI. 1982, 135, 137ff.; Schaub S. 1586; Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 9 GG Rn. 212; ders., HStR, Bd. VI, § 151 Rn. 63; Zöllner/Lorit'l. S. 113f. 89 Vgl. Weber, A. S. 324ff. 90 Siehe RArbBI. 1918, S. 874. 91 Hueck/Nipperdey Bd. H, 1. und 2. Aufl., S. 147ff.; i.E. auch Sinzheimer S. 70f.; Flatow/Joachim § 10 ArbGG Anm. 3 B, S. 102, die für Werkvereine stets eine Abhängigkeit vom Arbeitgeber bejahten. Die Überbetrieblichkeit war auch nach § 4 des Entwurfes eines Arbeitstarifgesetzes Voraussetzung für die Tariffahigkeit (RArbBI. 1921 Amtl. Teil, S. 491, 497). 92 Im Einzelfall prüfend, ob aufgrund der Beschränkung der Mitgliedschaft auf einen bestimmten Betrieb die Unabhängigkeit der Arbeitnehmervereinigung vom Arbeitgeber fehlt RAG 10.9.1928 RAGE 2, 299,303; RAG 9.2.1929 RAGE 3, 170, 172; RAG 10.4.1929 RAGE 3, 357, 359; Flatow § 8 BRG Anm. 5, S. 48; Kaskel

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Teil 1: Kollektive Koalitionsfreiheit

dennoch berief sich das Bundesverfassungsgericht in seiner ersten Entscheidung zu Art. 9 III GG auf eine entsprechende Rechtsprechung und Rechtslehre unter Geltung der Reichsverfassung von 1919.93 Bereits die zahlreichen Änderungen auf dem Sektor des Kündigungsschutzrechtes lassen jedoch die pauschale Aussage, die betriebliche Organisation der Arbeitnehmervereinigung ziehe ihre Abhängigkeit von der Arbeitgeberseite nach sich, zweifelhaft erscheinen. 94 Auch der Wortlaut des Art. 9 III I GG, wonach die Koalitionsfreiheit "für alle Berufe" gewährleistet ist, kann dem Merkmal der überbetrieblichen Organisation nicht dienlich gemacht werden. 95 Eine Beschränkung des grundrechtlichen Schutzbereiches auf berufliche und damit notwendig überbetrieblich organisierte Vereinigungen war mit dieser Fonnulierung nicht bezweckt, sondern die Klarstellung, daß auch nichtgewerbliche Vereinigungen in den Genuß des Grundrechtsschutzes durch Art. 9 III GG kommen sollen. 96 Insoweit treten die Begründungen, die die Überbetrieblichkeit auf das Erfordernis der Unabhängigkeit von der Arbeitgeberseite zurückführen, hinter Äußerungen zurück, die die Voraussetzung der Überbetrieblichkeit als maßgebend für eine bessere Gewähr eines gesamtwirtschaftlich und gesamtgesellschaftlich sinnvollen Verhaltens der Koalitionen einstufen. 97 Da der Zweck des Grundrechts der Koalitionsfreiheit nicht auf die Herstellung einer allgemeinen Ordnung des Arbeitslebens gerichtet ist,98 kann die Ordnungs funktion aber auch nicht maßgebend für die Bestimmung des Koalitionsbegriffes sein. 99 Das Merkmal der Überbetrieblichkeit läßt sich funktional nur aus dem Gebot der Unabhängigkeit erklären.!OO Die Verneinung der Koalitionseigenschaft einer Arbeitnehmervereinigungen mangels überbetrieblicher Organisation ist deshalb dann nicht gerechtfertigt, wenn die organisatorische Beschränkung der Vereinigung auf einen Betrieb oder ein Unternehmen nicht mit einer BeeinträchtiAR 1927,905, 913f.; Mansfeld § 8 BRG Anm. 2 d, S. 61; Peters S. 31 f.; Nipperdey S. 120; Tatarin-Tamheyden S. 30f. 93 BVerfG 18.11.1954 BVerfG 4,96, 106f.; kritisch Rehbinder DVBI. 1982, 135, 138. 94 So aber noch HesslSchlochauerlGlaubitz § 2 BetrVG Rn. 66; Kempenl'hJchert § 2 TVG Rn. 45; kritisch Löwisch in: MünchArbR, § 236 Rn. 52; Löwischl Rieble § 2 TVG Rn. 38f.; Müller, F. S. 56ff. 9S SO aber HuecklNipperdey Bd. 11/1, S. 101; im hiesigen Sinn Stelling NZA 1998, 920, 922. 96 Müller, F. S. 61 f.; Rehbinder DVBI. 1982, 135, 138; Stelling NZA 1998, 920, 922. 97 Kissel in: ErfK, Art. 9 GG Rn. 8; vgl. auch Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 407; Rehbinder DVBI. 1982, 135, 137ff.; Veit S. 166; ZöllnerlLoritz S. 113 f.; kritisch Oetker in: Wiedemann, § 2 TVG Rn. 277. 98 Vgl. oben unter B 11, S. 45 ff. 99 So aber Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 393. 100 Kittner in: AK, Art. 9 III GG Rn. 51; Richardi § 2 BetrVG Rn. 45.

§ 1 Die personelle Reichweite von Art. 9 III GG

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gung der Unabhängigkeit verbunden ist. Die fehlende Überbetrieblichkeit kann daher allein als Indiz für eine mögliche Abhängigkeit der Vereinigung vom sozialen Gegenspieler fungieren; die Überbetrieblichkeit ist hingegen kein konstitutives Merkmal einer Koalition im verfassungsrechtlichen Sinn. 101 Auch die Merkmale der Tariffähigkeit und damit der Durchsetzungsfähigkeit sowie der Arbeitskampfbereitschaft sind keine zwingenden Voraussetzungen der Koalitionseigenschaft. 102 Diese Merkmale knüpfen an die Funktion der Vereinigungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Tarifvertragsparteien im Sinne des Tarifvertragsgesetzes an. Die Voraussetzungen der Koalitionseigenschaft sind jedoch allein aus dem Begriff. der Vereinigung im Sinne von Art. 9 I GG und dem besonderen Vereinigungszweck des Art. 9 III GG abzuleiten. 103 Der Vereinigungszweck des Art. 9 III 1 GG besteht aber nicht im Abschluß von Tarifverträgen, sondern in der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Koalitionsmitglieder. Der Abschluß von Tarifverträgen ist insoweit nur ein Mittel zur Koalitionszweckverfolgung. Darüber hinaus kann die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen auch auf andere Weise als durch den Abschluß von Tarifverträgen verfolgt werden. 104 Eine Reduktion des Kreises der von Art. 9 III 1 GG geschützten Vereinigungen auf tariffähige Vereinigungen ist deshalb aus Art. 9 III 1 GG nicht ableitbar. 101 So auch Bauer in: Dreier, Art. 9 GG Rn. 73; Bleckmann, Staatsrecht II, § 30 Rn. 81; Brox/Rüthers, Arbeitsrecht, Rn. 236; Bruhn, Tariffahigkeit, S. 177f.; Däubler/Hege Rn. 118; Höfling in: Sachs, Art. 9 GG Rn. 57; Kittner in: AK, Art. 9 III GG Rn. 51; Löwisch in: MünchArbR, § 236 Rn. 52; Löwisch/Rieble § 2 TVG Rn. 38; von Münch in: BonnerKomm, Art. 9 GG Rn. 129; Nipperdey/Säcker ARBlattei [D], Berufsverbände I, BI. 10, 11; Richardi in: Staudinger, vor § 611 BGB Rn. 576; Rieble Rn. 1862; Säcker, Grundprobleme, S. 62; Sodan JZ 1998,421,428. Wie hier für den Gewerkschaftsbegriff Müller, F. S. 56ff.; Ste/ling NZA 1998,920, 924f.; Wahl S. 159; zweifelnd auch Däubler Anm. zu BAG 15.3.1977 in: ArbuR 1977,286,287; Löwisch ZfA 1970,295,314. 102 Zur Tariffähigkeit ebenso BVerfG 20.10.1981 BVerfGE 58, 233, 250; BVerfG 24.2.1999 NZA 1999, 713, 714; Badura ArbRdGgw. 15 (1978), S. 17, 25; Bauer in: Dreier, Art. 9 GG Rn. 74; Bleckmann, Staatsrecht II, § 30 Rn. 82; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 392ff.; Höfling in: Sachs, Art. 9 GG Rn. 58; Jarass/ Pieroth Art. 9 GG Rn. 24; Löwer in: von Münch/Kunig, Art. 9 GG Rn. 67; von Münch in: BonnerKomm, Art. 9 GG Rn. 130; Rieble Rn. 1862; abweichend Grunsky Anm. zu BAG 15.3.1977 in: JZ 1977, 473, 474, nach dem die Tariffahigkeit aber nicht Voraussetzung der Koalitionseigenschaft, sondern Folge derselben ist; ähnlich Bruhn, Tariffahigkeit, S. 196ff.; zur Arbeitskampfbereitschaft siehe Bauer in: Dreier, Art. 9 GG Rn. 75; Bleckmann, Staatsrecht II, § 30 Rn. 82; Höfling in: Sachs, Art. 9 GG Rn. 58; Jarass/Pieroth Art. 9 GG Rn. 24; Kittner in: AK, Art. 9 III GG Rn. 52; von Münch in: BonnerKomm, Art. 9 GG Rn. 131; Scholz in: HStR, Bd. VI, § 151 Rn. 65. 103 Rieble Rn. 1862. 104 Dazu näher unten unter Teil 3 § 5 C, S. 208 ff.

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Teil 1: Kollektive Koalitionsfreiheit

D. Zusammenfassung Art. 9 III 1 GG schützt nicht nur den einzelnen, sondern auch die Koalitionen als solche in ihrem Bestand und ihrer koalitionsspezifischen Betätigung, wobei Individual- und Kollektivgrundrecht miteinander verknüpft sind, da der Bestand der Koalitionen ohne den Vereinigungswillen der Einzelnen nicht denkbar ist. Die auftretenden Konflikte zwischen dem Individualgrundrecht und dem Grundrecht des Verbandes stehen dem nicht entgegen. Sie sind im Wege des Ausgleichs kollidierenden Verfassungsrechtes nach den allgemeinen Grundsätzen aufzulösen. Dabei gebührt weder dem Schutzinteresse des Einzelnen noch dem der Koalitionen ohne weiteres der Vorrang. 105 Der grundrechtliche Schutz der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch die Koalitionen ist auf die Verwirklichung der Mitgliederinteressen beschränkt, gleichzeitig sind die Koalitionen aber zur R~präsentation der nicht koalierten Arbeitnehmer und Arbeitgeber berechtigt, soweit die Wahrnehmung der verfassungsrechtlichen Betätigungsgarantie für die Koalitionen nicht sinnvoll möglich ist, ohne zugleich die Rechtsstellung der Außenseiter zu beeinflussen. Träger des Grundrechts der kollektiven Koalitionsfreiheit ist jede Vereinigung von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern, die frei gebildet, unabhängig und relativ gegnerfrei ist.

lOS Vgl. Neumann DB 1967, 1445, 1447, der jedoch bei adäquaten Betätigungen der Koalitionen den Schutz des Einzelnen zurücktreten lassen will.

Teil 2

Die Stellung der Koalitionen im Betriebsverfassungsgesetz § 2 Die Koalitionen als Garanten

einer effizienten Betriebsverfassung A. Die Rechte der Gewerkschaften I. Grundlegendes Verhältnis von Gewerkschaft und Betriebsrat in der Betriebsverfassung, § 2 I BetrVG Ausgangspunkt für die Bestimmung des grundlegenden Verhältnisses von Gewerkschaften und Betriebsrat in der Betriebsverfassung ist die Frage nach ihrer organisatorischen und funktionalen Verknüpfung, so wie sie durch das Betriebsverfassungsgesetz vorgegeben ist. Von der Wahrnehmung der Mitgliederinteressen durch die Gewerkschaften unterscheidet sich die Arbeit des Betriebsrats dadurch, daß letzterer bei der Repräsentation der Interessen der Gesamtheit der Arbeitnehmer des Betriebs, des Unternehmens oder des Konzerns gegenüber dem Arbeitgeber nach § 2 I BetrVG auch an das Betriebswohl gebunden ist. Dem Betriebsverfassungsgesetz liegt der Gedanke der vertrauensvollen Zusammenarbeit von Betriebsrat und Arbeitgeber und nicht die streitige Überwindung von Interessengegensätzen zugrunde, §§ 2 I, 74 11 BetrVG. 1 Ein rein interessenegoistisches Verhalten des Betriebsrats zugunsten der Belegschaft ist damit von vornherein untersagt. 2 Die Gewerkschaften vertreten hingegen die Interessen ihrer Mitglieder, eine Bindung an betriebliche Ziele und Belange entsprechend § 2 I BetrVG besteht nicht. § 2 III BetrVG stellt zudem klar, daß die Aufgaben der Gewerkschaften, insbesondere die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder, durch die Normen des Betriebsverfassungsgesetzes nicht berührt werden. Und nach § 74 III BetrVG sind Arbeitnehmer dadurch, daß sie Aufgaben im Rahmen der Betriebsverfassung übernehmen, nicht in ihrer Betätigung für ihre Gewerkschaft beschränkt. Dies verdeutlicht, daß die Betriebsräte die Repräsentation der Belegschaft im Betrieb weder ausI 2

Müller, Gerhard ZfA 1972,213, 237. Berg in: Däubler/Kittner/Kle~, § 2 BetrVG Rn. 7.

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Teil 2: Die Stellung der Koalitionen im Betriebsverfassungsgesetz

schließlich noch als verlängerter Arm der Gewerkschaften wahrnehmen können und sollen. Es besteht vielmehr ein Dualismus von Betriebsräten und Gewerkschaften bei der Repräsentation der Arbeitnehmer des Betriebs, Unternehmens und Konzerns zum einen und der Vertretung der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer zum anderen. 3 Damit unterscheidet sich auch die Funktion der Betriebsverfassung von der der Vertretung der Interessen der organisierten Arbeitnehmer durch die Verbände. Die Koalierung der Arbeitnehmer dient dem Ausgleich ihrer strukturellen Unterlegenheit bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses im Verhältnis zum Arbeitgeber durch Kollektivbildung. Ziel ist das freie Aushandeln der die Arbeitsverhältnisse der Koalitionsmitglieder prägenden Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Demonstration und Ausübung kollektiver Macht. Die Koalitionsbetätigung zielt insoweit auf eine Durchsetzung der Interessen der Koalitionsmitglieder in (streitiger) Auseinandersetzung mit dem sozialen Gegenspieler ab. Dieser funktionelle Unterschied zwischen der koalitiven Interessenvertretung und der Belegschaftsrepräsentation durch die Betriebsräte spiegelt sich auch darin wider, daß die Aufgabe des Betriebsrats nicht in erster Linie die Vertretung der Individualinteressen der Arbeitnehmer des Betriebs und das Aushandeln der betrieblichen Arbeitsbedingungen in streitiger Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber ist. Letzteres ist ihnen bereits durch das Arbeitskampfverbot gemäß § 74 11 BetrVG und der Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebs nach § 2 I BetrVG versagt. Ziel der Betriebsverfassung ist vielmehr die Aufhebung bzw. Milderung der sich aus der Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zu einem Arbeitnehmerverband (Belegschaft) ergebenden tatsächlichen und rechtlichen Abhängigkeit im Verhältnis zum Arbeitgeber und der daraus resultierenden Objektstellung des einzelnen Arbeitnehmers. Sie dient damit der Achtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Menschenwürde. 4 Zur Verwirklichung dieses Zieles wurde nicht der Weg der unmittelbaren Beteiligung der einzelnen Arbeitnehmer an den Entscheidungen des Arbeitgebers gewählt, sondern das betriebsverfassungsrechtliche Organ Betriebsrat geschaffen. Der Betriebsrat ist bei der Erfüllung seiner Aufgaben zwar auch auf die Berücksichtigung der Interessen der einzelnen Arbeitnehmer verpflichtet. 5 Dennoch unterscheidet ihn von einer reinen Interessenvertretung, daß der Zweck der Betriebsverfassung an die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb als Teil 3 Begründung des RegE BT-Drucks. VI1l786, S. 33; Däubler, Gewerkschaftsrechte, Rn. 71; FittinglKaiserlHeitherlEngels § 2 BetrVG Rn. 28a; Müller, Gerhard ZfA 1972,213,228; Schön/eld BB 1989, 1818, 1820. 4 Jahnke S. 128 ff.; Wiese in: GK, Einl. BetrVG Rn. 43 ff. 5 Kraft in: GK, § 1 BetrVG Rn. 50ff.

§ 2 Die Koalitionen als Garanten einer effizienten Betriebsverfassung

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der Belegschaft anknüpft und der Idee der Betriebsverfassung insoweit nicht die Durchsetzung von Individualinteressen zugrunde liegt, sondern die Durchsetzung des kollektiven Interesses der Belegschaft im Verhältnis zum Arbeitgeber im Wege kooperativen Zusammenwirkens. 6 Durch den Grundsatz vertrauensvollen Zusammenwirkens mit dem Arbeitgeber zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs kommt dem Betriebsrat aber nicht die Funktion eines neutralen Vermittlers zwischen Belegschaft und Arbeitgeber zu. Er ist entsprechend seiner Funktion vorrangig Repräsentant der Interessen der Belegschaft, von deren Weisungen er aber nicht abhängig ist und von der er während seiner Amtszeit nicht abgewählt werden kann.? Aus der mit der Betriebsverfassung verbundenen Zielsetzung folgt zugleich, daß eine Differenzierung der Belegschaft nach gewerkschaftlich organisierten und nichtorganisierten Arbeitnehmern ausgeschlossen ist. Anknüpfungspunkt für die betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmerrepräsentation ist allein die Zugehörigkeit zur Belegschaft. So hat nach § 75 I BetrVG der Betriebsrat auch darüber zu wachen hat, daß keine Arbeitnehmer des Betriebs aufgrund ihrer gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung diskriminiert werden. Die Betriebsräte sind Repräsentanten der gesamten Belegschaft und gerade aus diesem Grunde zu gewerkschaftspolitischer Neutralität verpflichtet. Eine Charakterisierung des Betriebsrats als "verlängerter Arm der Gewerkschaft" ist auch insoweit ausgeschlossen. 8 Der dem Verhältnis von Betriebsrat und Arbeitgeber zugrunde liegende Kooperationsgedanke steht im deutlichen Gegensatz zur Interessenkonfrontation zwischen den Koalitionen. Aber auch organisatorisch hat das Betriebsverfassungssystem eine Ausgestaltung erfahren, die die Trennung zwischen betriebsverfassungsrechtlicher Belegschaftsrepräsentation und koalitiver Mitgliedervertretung im Sinne eines dualistischen Nebeneinanders deutlich erkennen läßt. So ist die Wahl des Betriebsrats Aufgabe der gesamten Belegschaft, § 7 BetrVG. Eine Differenzierung zwischen gewerkschaftlich organisierten und nichtorganisierten Arbeitnehmern findet nicht statt. Lediglich über das Wahlvorschlagsrecht nach § 14 V BetrVG steht den Gewerkschaften ein mittelbarer Einfluß auf die Zusammensetzung des Betriebsrats zu. 9 Auch bei der Beschlußfassung ist der Betriebsrat unabhängig, insbesondere nicht an Weisungen der Gewerkschaften gebunden, son6 Kraft in: GK, § I BetrVG Rn. 51; Richardi RdA 1972, 8, 10; Wiese in: GK, Ein!. BetrVG Rn. 45 ff. 7 Germelmann ArbRdGgw. 14 (1977), S. 47, 53; Konzen ZfA 1985, 469, 482, 484; Kraft in: GK, § I BetrVG Rn. 51; Richardi RdA 1972,8, 10. 8 So auch Müller, Gerhard S. 101 f.; ders. ZfA 1972, 213, 228; Reuter ZfA 1976, 107, 135. 9 Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Mehrzahl der Betriebsräte gewerkschaftlich organisiert ist (vg!. Kittner S. 402; Kotthoff S. 43 f.).

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Teil 2: Die Stellung der Koalitionen im Betriebsverfassungsgesetz

dem gerade zu gewerkschaftspolitischer Neutralität verpflichtet (§ 75 I BetrVG).lo Dem gegenüber ist den Gewerkschaften ein Ansichziehen und damit die unmittelbare Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben nicht möglich. I I Und dennoch beeinflussen sich die Gewerkschaften und Betriebsräte gegenseitig. Die Gewerkschaften sind in verschiedenster Weise in die Aufgabenwahrnehmung der Betriebsräte integriert. Ihre Befugnisse sind jedoch im wesentlichen auf Unterstützungs-, Überwachungs-, Antrags- und Teilhaberechte ohne eigene Entscheidungsbefugnis in bezug auf betriebsverfassungsrechtliche Fragen beschränkt. 12 Grundlegend bestimmt § 2 I BetrVG, daß der Betriebsrat mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften l3 zusammenwirkt. Zweifelhaft ist aber, ob aus § 2 I BetrVG eine Pflicht der Betriebsräte zur Hinzuziehung der Gewerkschaften abgeleitet werden kann, oder ob die Betriebsräte frei oder nach pflichtgemäßem Ermessen über die Hinzuziehung der Gewerkschaften entscheiden können. 14 Durch tarifvertragliche Ausgestaltungsrechte haben die Gewerkschaften die Möglichkeit, auf die Betriebsverfassung Einfluß zu nehmen. 15 Sie können die Bildung von Betriebsräten anregen und mittelbar erzwingen. 16 Durch die Aufstellung eigener Wahlvorschläge (§ 14 V BetrVG), die Teilnahme an Betriebsrats- und Ausschußsitzungen sowie an Betriebsversammlungen (§§ 31, 46 BetrVG) und die Durchführung von Betriebsratsschulungen (§ 37 VI BetrVG) können sie gewerkschaftspolitische Interessen in die Betriebsratsarbeit einfließen lassen. Auch stehen ihnen zahlreiche Kontroll- und Überwachungsbefugnisse in bezug auf die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben durch den Betriebsrat,17 aber auch hinsichtlich einer von der Arbeitgeberseite unbeeinträchtigten Betriebsratstätigkeit zu 18. Dabei handelt es sich überwiegend um Unterstützungs- und Hilfsfunktionen. 19 Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 2 BetrVG Rn. 28. Galperin BB 1972, 272. 12 Wlotzke § 2 BetrVG Anm. 11. 1. a. 13 Zum Begriff vgl. unten unter B, S. 90ff. sowie unter Teil 4 § 8 C I 3, S. 366f. 14 Dazu unter Berücksichtigung von Art. 9 III GG unten unter Teil 4 § 9 A I I, S. 370ff. Für eine Pflicht zur Zusammenarbeit Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 2 BetrVG Rn. 31; für eine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen Buchner DB 1972, 1236ff.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 238; Gennelmann ArbRdGgw. 14 (1977), S. 47, 57; Jacobs S. 423ff.; Kraft in: GK, § 2 BetrVG Rn. 24; Kreutz BIStSozArbR 1972,44, 47; wohl auch Müller, Gerhard ZfA 1972, 213, 231; für eine freie Entscheidung Richardi § 2 BetrVG Rn. 72f.; ders. RdA 1984, 88, 95; Weiss/Weyand § 2 BetrVG Rn. 5 (nachdrückliche Empfehlung). 15 Siehe u. a. die §§ 3, 38 I, 47 IV, 55 IV, 76 VIII, 76a V, 77 III, 86 I BetrVG. 16 Siehe u. a. §§ 16 11, 17 III, 18 I BetrVG. 17 Siehe u. a. §§ 23 I, 48, 56 BetrVG. 18 Siehe u. a. § 23 III, 119 BetrVG. 19 Vgl. Gennelmann ArbRdGgw. 14 (1977), S. 48ff.; Müller, Gerhard S. 68f.; Schönfeld ArbuR 1989, 1818, 1819. 10 11

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Dem entspricht auch die Begründung der Bundesregierung zur Stellung der Gewerkschaften in der Betriebsverfassung: "Die Praxis hat allerdings erwiesen, daß auch bei Wahrung des Grundsatzes der Aufgabenteilung und der gegenseitigen Unabhängigkeit eine innerbetriebliche Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Betriebsräten im Interesse der Arbeitnehmer des Betriebs nützlich und sinnvoll ist. Aus diesem Grund räumt der Entwurf dem Betriebsrat ausdrücklich das Recht ein, seine Aufgaben in Zusammenarbeit mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und mit ihrer Unterstützung durchzuführen ...20 Ob der Zweck der im Betriebsverfassungsgesetz nonnierten Gewerkschaftsrechte darauf beschränkt ist, steht in engem Zusammenhang mit der Frage, ob diese einfach-gesetzlichen Rechte durch Art. 9 III 1 GG zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen verfassungsrechtlich geboten sind. Letzteres würde einer allein im Interesse einer effektiven Betriebsverfassung bestehenden Hi1fs- und Unterstützungsfunktion entgegenstehen. Die Beantwortung dieser Frage hat dabei nicht nur für die Auslegung betriebsverfassungsrechtlicher Nonnen maßgebliche Bedeutung, sondern auch für die Beurteilung, in welchem Umfang der Gesetzgeber durch eine Gesetzesänderung auf das Verhältnis von Betriebsrat und Gewerkschaften Einfluß nehmen kann. Aus diesem Grunde sollen im folgenden zunächst die den Gewerkschaften im Einzelnen durch das Betriebsverfassungsgesetz eingeräumten Befugnisse dargestellt werden, um anschließend im 3. und 4. Teil der Bearbeitung deren verfassungsrechtliche Fundierung durch Art. 9 III 1 GG zu untersuchen.

11. Mitwirkung bei der Bildung von Betriebsräten, Gesamtbetriebsräten, Konzernbetriebsräten sowie der Jugend- und Auszubildendenvertretung

1. Mitwirkung bei der Bildung von Betriebsräten Die Betriebsratswahl erfolgt im Verfahren nach den §§ 14ff. BetrVG. Sie wird von einem nach den §§ 16ff. BetrVG zu bildenden Wahlvorstand vorbereitet und durchgeführt. Die Gewerkschaften sind weder bei der Wahl bzw. Bestellung des Wahlvorstandes noch bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl des Betriebsrats selbst zwingend zu beteiligen. Ihnen stehen lediglich verschiedene Initiativ-, Unterstützungs- und Kontrollrechte zu, die zwar eigenständige Rechte der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften sind, ihnen aber keinen unmittelbaren Einfluß auf die Bildung des Betriebsrats geben. 21 Zweck der Beteiligung der Gewerkschaften ist es, die Bildung von Betriebsräten in starkem Ausmaß sicherzustellen?2 20

Begründung des RegE BT-Drucks. VII 1786, S. 34.

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a) Mitwirkung bei der Bildung des Wahlvorstands Die Vorbereitung der Wahl des Betriebsrats obliegt dem Wahlvorstand. Dieser wird in Betrieben, in denen noch kein Betriebsrat besteht, durch die nach § 17 I BetrVG einzuberufende Betriebsversammlung gewählt. Besteht bereits ein Betriebsrat, so hat dieser spätestens 10 Wochen vor Ablauf der Amtszeit den Wahlvorstand zu bestellen (§ 16 I BetrVG). Zu der Betriebsversammlung nach § 17 I BetrVG ist jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft ladungsberechtigt (§ 17 11 BetrVG), und zwar auch dann, wenn bereits drei wahlberechtigte Arbeitnehmer nach § 17 11 BetrVG zur selben Betriebsversammlung geladen haben. 23 Findet die Betriebsversammlung trotz Einladung nicht statt oder wird kein Wahlvorstand gewählt oder ist die Bestellung des Wahlvorstandes in Betrieben, in denen bereits ein Betriebsrat besteht, acht Wochen vor Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats noch nicht erfolgt, kann der Wahlvorstand auf Antrag durch das Arbeitsgericht bestellt werden (§§ 16 11 I, 17 III 1 BetrVG). Antragsberechtigt sind unter anderem die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften. Sowohl bei der Einladung zur Betriebsversammlung als auch bei der Beantragung der gerichtlichen Bestellung des Wahl vorstandes können von der antragsstellenden Gewerkschaft nach den §§ 1611 2, 1711 BetrVG Vorschläge für die Zusammensetzung des Wahlvorstandes unterbreitet werden. Diese binden aber weder die Betriebsversammlung noch das Arbeitsgericht. 24 Das Arbeitsgericht kann nach § 16 11 2 BetrVG (§ 17 III 2 BetrVG) in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 Arbeitnehmern auch ein nicht betriebsangehöriges Mitglied einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft zum Mitglied des Wahlvorstandes bestellen, wenn die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl dies erfordert. Damit soll die Wahl des Betriebsrats in den Betrieben gefördert werden, in denen die Arbeitnehmer Vorbehalte gegen die Betriebsratswahl haben und aus diesem Grunde nicht genügend Arbeitnehmer zur Übernahme des Wahlvorstandsamtes bereit sind. 25 Ob darüber hinaus Gewerkschaftsmitglieder das Amt des Wahl vorstandes bekleiden können, hing ursprünglich allein von der Bestellung durch den bisherigen Betriebsrat bzw. der Wahlentscheidung der Betriebsversammlung ab. Erst durch das Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Richardi RdA 1972, 8, 13. Müller, Gerhard ZfA 1972,213,224. 23 LAG Köln 6.10.1989 BB 1990, 998. 24 Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 16 BetrVG Rn. 44, § 17 BetrVG Rn. 8, 21; Schneider, W. in: Däubler/Kittner/Klebe, § 16 BetrVG Rn. 25. 2S LAG Düsseldorf7.11.1974 DB 1975,260; Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 16 BetrVG Rn. 48, 53; Schneider, W. in: Däubler/Kittner/Klebe, § 16 BetrVG Rn. 28. 21

22

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Montan-Mitbestimmung vom 20.12.1988 (Änderungs gesetz 1989)26 wurde auf Vorschlag der Fraktionen von CDU/CSU und FDP mit § 16 I 7 BetrVG (§ 17 I 2 BetrVG) ein Recht jeder im Betrieb vertretenen Gewerkschaft auf Beteiligung am Wahlvorstand geschaffen. 27 Danach kann jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft, sofern sie nicht bereits durch ein ordentliches Mitglied im Wahlvorstand repräsentiert ist, einen betriebsangehörigen Beauftragten in den Wahlvorstand entsenden. 28 Die Gewerkschaftsbeauftragten sind als Mitglieder des Wahlvorstandes an dessen Sitzungen und Beratungen zu beteiligen, sie haben dabei jedoch kein Stimmrecht. 29 Ihnen können aber Befugnisse bei der Durchführung der Betriebsratswahl übertragen werden, die kein Stimmrecht voraussetzen. 30 Ihre Aufgabe ist vor allem die Beobachtung der Arbeit des Wahlvorstandes und damit die Herbeiführung stärkerer Transparenz seiner Tätigkeit und größeren Vertrauens in diese. 3l Bestehen an der Rechtmäßigkeit der Bestellung des Wahlvorstandes und seiner Mitglieder Zweifel, so entscheidet auf Antrag das Arbeitsgericht im Beschlußverfahren (§§ 2a, 80ff. ArbGG). Antragsberechtigt sind entsprechend § 19 11 BetrVG auch die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften, da die Fehlerhaftigkeit der Bestellung des Wahlvorstandes auch eine Anfechtung der Betriebsratswahl rechtfertigen kann. 32

BGBI. I 1988, S. 2312. Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP BT-Drucks. 11/2503, S. 4. 28 Für den nach § 16 II 6 BetrVG entsandten Gewerkschaftsbeauftragten können mangels planwidriger Regelungslücke keine Ersatzmitglieder analog § 16 I 4 BetrVG bestellt werden (Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 16 BetrVG Rn. 37; Kreutz in: GK, § 16 BetrVG Rn. 47; Schneider, W. in: Däubler/Kittner/Klebe, § 16 BetrVG Rn. 22). Die Gewerkschaften haben jedoch aufgrund der nur beobachtenden Funktion des Beauftragten im Wahlvorstand jederzeit die Möglichkeit der Abberufung und Neubestellung (Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 16 BetrVG Rn. 37). 29 Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 16 BetrVG Rn. 38f.; Kreutz in: GK, § 16 BetrVG Rn. 49. 30 Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 16 BetrVG Rn. 38. 31 Vgl. den Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP BT-Drucks. 11/ 2503, S. 23; den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung BT-Drucks. 11/3618, S. 5ff.; so auch Engels/Natter BB 1989 Beil. 8, S. 20; Wlotzke DB 1989, 111,113. Ablehnend zum Bedürfnis nach stimrnrechtslosen Mitgliedern des Wahlvorstands äußerte sich die SPD-Fraktion (Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung BT-Drucks. 11 /3618, S. 6; so auch Klaus AiB 1988, 327, 328). 32 BAG 14.12.1965 AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG 1952. 26

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S Friese

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b) Mitwirkung an der Wahlvorbereitung und Überwachung des Wahlvorstandes Ist der Wahlvorstand gebildet, hat er die Wahl des Betriebsrats unverzüglich einzuleiten und durchzuführen (§ 18 I BetrVG). Eine unmittelbare Beteiligung der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ist über das Entsenderecht des § 16 I 7 BetrVG hinaus nicht vorgesehen. Auf Verlangen des Wahlvorstandes sind sie jedoch zur Erteilung fachkundigen Rats bezüglich der Abwicklung des Wahl verfahrens sowie zur Teilnahme an den Sitzungen des Wahlvorstandes zwecks Erörterung konkreter Zweifelsfragen berechtigt. 33 Bestehen Zweifel über die Zuordnung eines Nebenbetriebs oder Betriebsteils zum Hauptbetrieb, so kann eine gerichtliche Entscheidung nach § 18 11 BetrVG auch durch die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften beantragt werden. Ebenso können die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften nach § 18 I 2 BetrVG die Ersetzung des Wahl vorstandes durch das Arbeitsgericht beantragen, wenn der Wahl vorstand untätig bleibt oder er die Vorbereitung und Durchführung der Wahl des Betriebsrats verzögert. c) Wahlvorschlagsrecht Das Recht, Vorschläge für die Betriebsratswahl zu machen, oblag nach § 13 IV BetrVG 1952 allein den Arbeitnehmern des Betriebs. Erst durch die Gesetzesnovellierung vom 10.11.1971 34 wurde mit § 14 VII 1 BetrVG

a. F. ein eigenständiges Wahlvorschlagsrecht der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften eingeführt. Dieses bestand, wenn im Betrieb noch kein Betriebsrat existierte, und diente der Erleichterung der erstmaligen Wahl eines Betriebsrats. 35 Die Einführung des Wahlvorschlagsrechtes erfolgte unter ausdrücklicher Beibehaltung der grundsätzlichen Funktionstrennung und gegenseitigen Unabhängigkeit von Gewerkschaften und Betriebsrat in der Betriebsverfassung. 36 Die Befugnis der Gewerkschaften, Vorschläge für die Betriebsratswahl zu machen, hatte damit allein unterstützende Funktion im Hinblick auf die Betriebsratsbildung. Auf Vorschlag der Fraktionen der CDU /CSU und FDp37 wurde durch das Änderungsgesetz 198938 den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften mit § 14 V BetrVG sodann ein eigenes 33 LAG Düsseldorf 15.8.1980 BB 1980, 1424; LAG Hamm 13.8.1980 DB 1981, 848, 849; Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 18 BetrVG Rn. 7, 7a; Schneider, W. in: Däubler/Kiuner/Klebe, § 18 BetrVG Rn. 2. 34 BGBl.! 1972,S. 13ff. 35 Begründung des RegE BT-Drucks. VIIl786, S. 38. 36 Begründung des RegE BT-Drucks. VI1l786, S. 34. 37 Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP BT-Drucks. 11/2503, S. 3. 38 BGBl. I S. 2312ff.

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allgemeines Wahlvorschlagsrecht eingeräumt. Die Wahlvorschläge bedürfen dabei nicht der Unterstützung durch ein Mindestquorum der Arbeitnehmer des Betriebs, sondern lediglich der Unterzeichnung durch zwei Beauftragte der Gewerkschaft (§ 14 VIII BetrVG),39 die nicht zwingend Betriebsangehörige sein müssen 40 . Auf diesem Wege sollen die Minderheitsrechte im Betrieb und damit die Demokratie im betrieblichen Alltag verstärkt werden, indem besonders kleineren Gewerkschaften ein leichterer Zugang zu den Betriebsratswahlen eröffnet wird. 41 Die Normierung des eigenständigen Wahlvorschlagsrechtes der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften war jedoch heftiger Kritik vor allem von Seiten der SPD und den Gewerkschaftsdachverbänden ausgesetzt, die darin eine Abkehr vom "Prinzip der Einheitsgewerkschaft" sahen. 42 Dieses Prinzip, das schon allein aufgrund der Garantie des Koalitionspluralismus durch Art. 9 III 1 GG nicht den Charakter eines Rechtsprinzips, sondern vielmehr den eines sozialpolitischen Konsenses hat,43 beinhaltet im Rahmen des nach Art. 9 III 1 GG Zulässigen das Ziel der Förderung eines weitestgehend einheitlichen Gewerkschaftswesens im Interesse eines wirksamen Arbeitnehmerschutzes. Die Kritiker wiesen vor allem auf die Gefahr hin, daß durch das Wahlvorschlagsrecht jeder im Betrieb vertretenen Gewerkschaft insbesondere die Wahlvorschläge von Splittergruppen und "gelben" Gewerkschaften gefördert würden. 44 Die dadurch angeregte VerlaDie Wahlvorschläge der Arbeitnehmer des Betriebs bedürfen dagegen gern. 1/20 bzw. 50 wahlberechtigten Gruppenangehörigen. Dem erleichterten Wahlvorschlagsrecht der Gewerkschaften wurde von der Fraktion der SPD in der Gesetzgebungsdiskussion im Hinblick auf Art. 3 I GG verfassungsrechtliche Bedenken entgegengehalten (Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung BT-Drucks. 1l/3618, S. 5). Der Verzicht auf Stützunterschriften der Arbeitnehmer für Wahlvorschläge der Gewerkschaften ist jedoch sachlich gerechtfertigt. Zweck der Unterschriftenquoren bei den Wahlvorschlägen der Arbeitnehmer ist es, diese auf ernsthafte Vorschläge zu beschränken. Die Ernsthaftigkeit ist bei Vorschlägen der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften schon allein aufgrund der Unterstützung des Wahlvorschlags durch die Gewerkschaften gegeben (Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 14 BetrVG Rn. 67; Heither NZA 1990 Beil. I, S. 13; Kreutz in: GK, § 14 BetrVG Rn. 132). 40 Dänzer-Vanotti ArbuR 1989,204,205. 41 Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP BT-Drucks. 1l/2503, S. 23. 42 Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung BT-Drucks. 11/3618, S. 5; siehe auch Buchner NZA 1989 Beil. I, S. 2; Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 14 BetrVG Rn. 62; Hanau, P. ArbuR 1988, 261, 264; Plander AiB 1988, 272, 273; Schneider, W. in: Däubler/Kiuner/Klebe, § 14 BetrVG Rn. 61; Schuhmann AiB 1988,205. 43 Hanau, P. ArbuR 1988, 261, 264; Kreutz in: GK, § 14 BetrVG Rn. 116; Plander AiB 1988,272, 273. 44 Däubler AiB 1986 S. 99ff.; ders., Gewerkschaftsrechte, Rn. 95; Klaus AiB 1988,327,328; Schneider, W. SozSich 1990, 160ff.; Schuhmann AiB 1988,205. 39

§ 14 VI BetrVG der Unterzeichnung von

5"

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gerung gewerkschaftlicher Auseinandersetzungen auf die Betriebsebene würde zu Lasten der Funktionsfähigkeit der Betriebsräte gehen. 45 Ein eigenes Vorschlagsrecht zur Intensivierung des Minderheitenschutzes in der Betriebsverfassung hätte es neben der Absenkung der Arbeitnehmerquoren in § 14 VI BetrVG nicht bedurft. 46 Diese Kritikpunkte sind von Seiten der Fraktionen der CSU/CDU und FDP insoweit relativiert worden, als darauf verwiesen wurde, daß das generelle Wahlvorschlagsrecht nur solchen Arbeitnehmervereinigungen zukommt, die dem durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und Bundesarbeitsgerichts geprägten allgemeinen Gewerkschaftsbegriff entsprechen, welcher von betrieblichen Splittergruppen nicht erfüllt wird. 47 Danach gelten nur solche Arbeitnehmervereinigungen als Gewerkschaften, die frei gebildet, gegnerfrei, unabhängig, auf überbetrieblicher Grundlage organisiert und zum Abschluß von Tarifverträgen willens sind sowie Durchsetzungskraft gegenüber dem Arbeitgeber und ausreichende organisatorische Leistungsfahigkeit haben. 48 Die aufgrund von Wahlvorschlägen der Gewerkschaften gewählten Betriebsratsmitglieder üben jedoch kein imperatives Mandat aus, sondern sind in ihrer Amtsausübung frei und ebenso wie die übrigen Amtsinhaber nach § 2 I BetrVG auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs verpflichtet. Wesentliche Bedeutung kommt der Einführung des generellen Wahlvorschlagsrechts der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften für alle Betriebsratswahlen nach § 14 V BetrVG aber deshalb zu, da nach der Entwurfsbegründung nicht die Unterstützungsfunktion der Gewerkschaften für die Betriebsratswahl maßgebliches Ziel war. Vielmehr soll mit dem Wahl vorschlagsrecht "die Ausübung des in Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes verankerten Rechts der Koalitionen, sich im Bereich der Betriebsverfassung zu betätigen und Einfluß auf die Wahl des Betriebsrats zu nehmen, erleichtert werden".49 Das bedeutet, daß neben die allgemeine Unterstützungsfunktion ein Tätigwerden im eigenen Interesse der Gewerkschaften im Rahmen der Betriebsverfassung tritt. 50

Plander AiB 1988, 272, 274. Hanau, P. ArbuR 1988, 261, 264; Richardi ArbuR 1986, 33, 34; Wlotzke, FS für K. Molitor, S. 401 ff. 47 Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung BT-Drucks. 11/3618, S. 5; vgl. auch Engels/Natter BB 1989 Beil. 8, S. 19. 48 BAG 25.11.1986 AP Nr. 36 zu § 2 TVG; näher zum Gewerkschaftsbegriff unten unter B, S. 90ff. sowie Teil 4 § 8 C I 3, S. 366f. 49 Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP BT-Drucks. 11/2503, S. 23. so Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 14 BetrVG Rn. 62; Kreutz in: GK, § 14 BetrVG Rn. 114. 4S

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d) Wahlüberwachung und Wahlschutz Ist eine Betriebsratswahl rechtsfehlerhaft, kann sie nach § 19 I BetrVG auch durch die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften angefochten werden (§ 19 11 BetrVG). Ist die Wahl des Betriebsrats aufgrund eines groben und offensichtlichen Verstoßes gegen wesentliche gesetzliche Wahlregeln nichtig,51 so kann sich jeder, der ein berechtigtes Interesse daran hat, darauf berufen, daß der Betriebsrat von vornherein rechtlich nicht besteht. 52 Ein berechtigtes Interesse haben grundsätzlich die nach § 19 11 1 BetrVG Anfechtungsberechtigten, also auch die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften. 53 Die Behinderung und Beeinflussung der Betriebsratswahlen ist zum Schutz der unbeeinflußten Wahl unter den Voraussetzungen in § 119 I Nr. 1 BetrVG unter Strafe gestellt. Dabei handelt es sich um ein Antragsdelikt (§ 119 11 BetrVG). Antragsberechtigt sind auch die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften, wodurch ein wirksamerer Schutz der Organe der Betriebsverfassung sichergestellt werden soll, da die Gewerkschaften von persönlichen Rücksichten frei handeln können. 54

Vgl. BAG 24.1.1964 AP Nr. 6 zu § 3 BetrVG 1952. Eisenumn in: ErfK, § 19 BetrVG Rn. 15f.; Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 19 BetrVG Rn. 6f.; Schneider, W. in: Däubler/Kittner/Klebe, § 19 BetrVG Rn. 41. Die Fehlerhaftigkeit der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters (§ 26 BetrVG) sowie der Wahl der Betriebsratsausschußmitglieder (§§ 27, 28 BetrVG) führt nicht zwingend zu ihrer Nichtigkeit. Bei weniger schwerwiegenden Verstößen kommt eine gerichtliche Überprüfung im Beschlußverfahrens nach den §§ 2a, 80ff. ArbGG in Betracht. Eine unmittelbare Anwendung des § 19 BetrVG scheidet jedoch aus, da es sich bei den Wahlen nicht um Akte der Betriebsratswahl, sondern um betriebsratsinterne Vorgänge handelt (BAG 13.11.1991 AP Nr. 9 zu § 26 BetrVG 1972; BAG 13.11.1991 AP Nr. 3 zu § 27 BetrVG 1972). Das Bundesarbeitsgericht greift auf eine analoge Anwendung des § 19 BetrVG zurück (BAG 13.11.1991 AP Nr. 9 zu § 26 BetrVG 1972; BAG 13.11.1991 AP Nr. 3 zu § 27 BetrVG 1972; BAG 20.10.1993 AP Nr. 5 zu § 28 BetrVG 1972; ebenso Däubler, Gewerkschaftsrechte, Rn. 193; Eisemann in: ErfK, § 26 BetrVG Rn. 8). Umstritten ist aber, ob die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften entsprechend § 19 11 1 BetrVG anfechtungsberechtigt sind (so Däubler, Gewerkschaftsrechte, Rn. 193; Eisemann in: ErfK, § 26 BetrVG Rn. 8; offengelassen bereits BAG 12.10.1976 AP Nr. 2 zu § 26 BetrVG 1972 sowie BAG 13.11.1991 AP Nr. 3 zu § 27 BetrVG 1972) oder ob ihre Antragsbefugnis im Beschlußverfahren nach den allgemeinen Anforderungen (vgl. dazu Matthießen DB 1988, 285 ff.) zu bestimmen ist (Laux S. 100; Matthießen DB 1988,285,287; Richardi § 26 BetrVG Rn. 30f.). Zum Einfluß von Art. 9 III 1 GG auf diese Frage siehe unten unter Teil 4 § 9 A I 4 c, S. 386f. 53 Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 19 BetrVG Rn. 6. 54 Begründung des RegE BT-Drucks. VI11786, S. 58. 51

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2. Mitwirkung bei der Bildung des Gesamtbetriebsrats, des Konzernbetriebsrats sowie der Jugend- und Auszubildendenvertretung

Sind verschiedene Betriebe unternehmenszugehörig und bestehen mehrere Betriebsräte, so haben diese nach § 47 I BetrVG zwingend einen Gesamtbetriebsrat zu bilden. Die Mitglieder des Gesamtbetriebsrats werden jedoch nicht durch die Unternehmensbelegschaft gewählt, sondern von den einzelnen Betriebsräten nach § 47 11 BetrVG durch Beschluß entsandt. Eine Beteiligung der in einem Betrieb des Unternehmens vertretenen Gewerkschaften ist nicht vorgesehen. Da die einzelnen Betriebsräte unter den Voraussetzungen des § 47 I BetrVG zur Bildung des Gesamtbetriebsrats verpflichtet sind, stellt ein Unterlassen regelmäßig eine grobe Pflichtverletzung im Sinne von § 23 I BetrVG dar. 55 Die Antragsrechte nach § 23 I BetrVG stehen auch den in einem Betrieb des Unternehmens vertretenen Gewerkschaften zu. Eine Entscheidung des Arbeitsgerichts im Beschlußverfahren (§§ 2a, 80ff. ArbGG) wegen sonstiger Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Errichtung und Zusammensetzung des Gesamtbetriebsrats können die in einem Betrieb des Unternehmens vertretenen Gewerkschaften dagegen nicht beantragen. 56 Ebensowenig haben sie ein Anfechtungsrecht entsprechend § 19 BetrVG. 57 Innerhalb eines Konzerns (§§ 15-18 AktG) können die einzelnen Gesamtbetriebsräte nach § 54 I BetrVG die Bildung eines Konzernbetriebsrats beschließen. Auch die Mitglieder des Konzernbetriebsrats werden nicht in unmittelbarer Wahl durch die Konzernbelegschaft bestimmt, sondern von den Gesamtbetriebsräten, im Falle des § 54 11 BetrVG von den Betriebsräten, nach § 55 I BetrVG entsandt. Eine Beteiligung der in einem Betrieb des Konzerns vertretenen Gewerkschaften erfolgt nicht. Da die Bildung des Konzernbetriebsrats für die Gesamtbetriebsräte nicht zwingend ist, kommt bei Nichtbildung keine grobe Pflichtverletzung im Sinne von § 23 I BetrVG in Betracht. Auch die Berechtigung zur Anfechtung entsprechend

SS FittinglKaiserlHeitherlEngels § 47 BetrVG Rn. 6; GalperinlLöwisch § 47 BetrVG Rn. 10; HesslSchlochauerlGlaubitz § 47 BetrVG Rn. 17; Richardi § 47 BetrVG Rn. 44; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 47 BetrVG Rn. 4. S6 BAG 29.8.1985 AP Nr. 13 zu § 83 ArbGG 1979 unter Aufgabe der entgegenstehenden Auffassung in BAG 15.8.1978 AP Nr. 3 zu § 47 BetrVG 1972; BAG 30.10.1986 AP Nr. 6 zu § 47 BetrVG 1972; HesslSchlochauerlGlaubitz § 47 BetrVG Rn. 69; Kreutz in: GK, § 47 BetrVG Rn. 104; Richardi § 47 BetrVG Rn. 88; a.A. DietziRichardi § 47 BetrVG Rn. 74; FittinglKaiserlHeither/Engels § 47 BetrVG Rn. 74; GalperinlLöwisch § 47 BetrVG Rn. 29; Trittin in: Däublerl Kittner/Klebe, § 47 BetrVG Rn. 79. S7 BAG 30.10.1986 AP Nr. 6 zu § 47 BetrVG 1972.

§ 2 Die Koalitionen als Garanten einer effizienten Betriebsverfassung

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§ 19 BetrVG sowie ein Antragsrecht im Beschlußverfahren nach den §§ 2a, 80 ff. ArbGG nach den allgemeinen Grundsätzen fehlt. 58

Auf die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung finden die §§ 14 V, VIII, 16 I 7, 18 III, 19 BetrVG entsprechend Anwendung (§ 63 II

BetrVG). Auch können die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften die gerichtliche Bestellung des Wahlvorstandes bzw. die gerichtliche Ersetzung desselben nach den §§ 63 III, 16 II, 18 12 BetrVG beantragen. 111. Unterstützung des Betriebsrats bei der Geschäftsführung 1. Teilnahme von Gewerkschaftsmitgliedern an Betriebsrats- und Ausschußsitzungen sowie sonstigen Besprechungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat

a) Teilnahmerecht an den Sitzungen des Betriebsrats nach § 31 BetrVG Seine Geschäfte hat der Betriebsrat in eigener Verantwortung zu führen. Selbständige Rechte der Gewerkschaften zur Einflußnahme auf die Geschäftsführung existieren nicht. Trotz der funktionellen Eigenständigkeit des Betriebsrats sind die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften von der Teilnahme an den Betriebsratssitzungen nicht völlig ausgeschlossen. Vielmehr regelt § 31 BetrVG das Teilnahmerecht der Gewerkschaften an den Sitzungen des Betriebsrats. Dieses Teilnahmerecht besteht entsprechend § 31 BetrVG auch an den Sitzungen des Gesamt- und Konzembetriebsrat (§§ 51 I, 59 I BetrVG) sowie an den Sitzungen der Jugend- und Auszubildendenvertretung und Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung (§§ 65 I, 73 II BetrVG). § 31 BetrVG ist zum einen Konkretisierung des in § 2 I BetrVG enthaltenen Gebots der Zusammenarbeit von Betriebsrat und GewerkschaftenS9 zum anderen dient die Vorschrift dadurch dem Minderheitenschutz, daß bereits 1/4 der Betriebsratsmitglieder bzw. die Mehrheit einer Gruppe des Betriebsrats die Hinzuziehung eines Gewerkschaftsbeauftragten beantragen können. Wesentlicher Zweck des Teilnahmerechtes ist es, daß für die gewerkschaftlich organisierten Betriebsräte die Möglichkeit besteht, sich in 58

BAG 29.8.1985 AP Nr. 13 zu § 83 ArbGG 1979; HesslSchlochauerlGlaubitz

§ 55 BetrVG Rn. 22; Kreutz in: GK, § 55 BetrVG Rn. 37; Richardi § 55 BetrVG Rn. 34; a. A. DietzlRichardi § 55 BetrVG Rn. 30; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 55 BetrVG Rn. 24. 59 BAG 28.2.1990 AP Nr. 1 zu § 31 BetrVG 1972; BlankelWedde in: Däublerl Kittner/Klebe, § 31 BetrVG Rn. 1; FittinglKaiser/HeitherlEngels § 31 BetrVG Rn. 1; Eisemann in: ErfK, § 31 BetrVG Rn. 1; HesslSchlochauerlGlaubitz § 31 BetrVG Rn. 1; Richardi § 31 BetrVG Rn. 1.

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Teil 2: Die Stellung der Koalitionen im Betriebsverfassungsgesetz

ihrer Betriebsratstätigkeit durch Beauftragte ihrer Gewerkschaft unterstützen zu lassen. 6o Das Teilnahmerecht ist daher auf Vertreter solcher Gewerkschaften beschränkt, die im Betriebsrat mit mindestens einem Mitglied vertreten sind. 61 Aber auch dann steht das Teilnahmerecht den Gewerkschaften nur zu, sofern mindestens 1/ 4 der Mitglieder des Betriebsrats oder die Mehrheit einer Betriebsratsgruppe dies beantragt. 62 Die Gewerkschaften haben unter den Voraussetzungen von § 31 BetrVG ein Recht, aber keine Pflicht zur Entsendung eines Beauftragten zur Betriebsratssitzung. 63 Als Beauftragter kommt jedes Mitglied einer im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaft in Betracht, selbst wenn dieses Arbeitnehmer des Betriebs ist. 64 Stehen besonders schwierige Themen auf der Tagesordnung, kann die Gewerkschaft, einen entsprechenden Willen der Antragsteller vorausgesetzt, auch mehrere Beauftragte entsenden,65 da nur so die mit § 31 BetrVG bezweckte Beratung der Betriebsratsmitglieder durch ihre Gewerkschaft erreichbar ist. Damit die Gewerkschaft ihr Recht rechtzeitig wahrnehmen kann, ist ihr nach § 31 2. Hs. BetrVG der Zeitpunkt der Sitzung und die Tagesordnung rechtzeitig mitzuteilen. Vgl. BAG 28.2.1990 AP Nr. 1 zu § 31 BetrVG 1972. BAG 28.2.1990 AP Nr. I zu § 31 BetrVG 1972. 62 Streitig ist, ob sich das Antragsrecht jeweils auf eine oder mehrere bestimmte Betriebsratssitzungen beschränkt (so Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 31 BetrVG Rn. 9; Galperin/Löwisch § 31 BetrVG Rn. 5, 7; Hess/Schlochauer/Glaubitz § 31 BetrVG Rn. 7a; Müller, Gerhard ZfA 1972, 213, 227f.; Richardi § 31 BetrVG Rn. 14), oder ob der Antrag der Minderheit auch ein generelles Teilnahmerecht der im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaft bewirken kann (so BAG 28.2.1990 AP Nr. 1 zu § 31 BetrVG 1972; Däubler, Gewerkschaftsrechte, Rn. 142; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke/Klebe § 31 BetrVG Rn. 3). Zum generellen Teilnahmerecht von Gewerkschaftsbeauftragten vgl. auch unten unter c (l), S. 75 f. 63 Blanke/Wedde in: Däubler/Kittner/Klebe, § 31 BetrVG Rn. 14; Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 31 BetrVG Rn. 18; Wiese in: GK, § 31 BetrVG Rn. 16. 64 Blanke/Wedde in: Däubler/Kittner/Klebe, § 31 BetrVG Rn. 14; Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 31 BetrVG Rn. 19; Wiese in: GK, § 31 BetrVG Rn. 16. Einschränkungen gelten nur für solche Arbeitnehmer, die in einem Konkurrenzbetrieb tätig sind, soweit schützenswerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Aufgrund der Geheimhaltungspflicht nach § 79 11 BetrVG in Verbindung mit § 120 I Nr. 2 BetrVG genügt die Zugehörigkeit zu einem Konkurrenzunternehmen als solche jedoch nicht (so LAG Hamburg 28.11.1986 DB 1987, 1595; Blanke/Wedde in: Däubler/Kittner/Klebe, § 31 BetrVG Rn. 14; Hess/Schlochauer/Glaubitz § 31 BetrVG Rn. 13; Weiss/Weyand § 31 BetrVG Rn. 6; zweifelnd Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 31 BetrVG Rn. 19; a.A. Galperin/Löwisch § 31 BetrVG Rn. 14; Richardi § 31 BetrVG Rn. 15; Stege/Weinspach § 31 BetrVG Rn. 2; Wiese in: GK, § 31 BetrVG Rn. 16). 6S Vgl. Blanke/Wedde in: Däubler/Kittner/Klebe, § 31 BetrVG Rn. 19; Däubler, Gewerkschaftsrechte, Rn. 135; Eisemann in: ErfK, § 31 BetrVG Rn. 2; Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 31 BetrVG Rn. 16; Galperin/Löwisch § 31 BetrVG Rn. 15; a.A. Hess/Schlochauer/Glaubitz § 31 BetrVG Rn. 14; Richardi § 31 BetrVG Rn. 18; Wiese in: GK, § 31 BetrVG Rn. 16. 60

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§ 2 Die Koalitionen als Garanten einer effizienten Betriebsverfassung

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Der Beauftragte der Gewerkschaft hat im Rahmen der Betriebsratssitzung beratende Funktion. Er kann sich zur Sache äußern und auf die Willensbildung des Betriebsrats Einfluß nehmen. 66 Die Teilnahme an Abstimmungen ist ihm jedoch versagt, mangels entsprechendem gesetzlichen Verbot aber nicht die bloße Anwesenheit. 67 Über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die vom Arbeitgeber als geheimhaltungs bedürftig bezeichnet worden sind, hat der Gewerkschaftsbeauftragte nach § 79 11 BetrVG auch gegenüber seiner Gewerkschaft Stillschweigen zu wahren. 68 Sofern ein Beauftragter der Gewerkschaft an der Betriebsratssitzung nach § 31 BetrVG teilgenommen hat, ist ihm nach § 34 11 BetrVG eine Abschrift des Teils der Sitzungsniederschrift auszuhändigen, auf den sich seine Teilnahme bezog. 69 Ein Unterlassen der Anfertigung der Niederschrift bzw. ihrer Aushändigung hat jedoch nicht die Unwirksamkeit der Betriebsratsbeschlüsse zur Folge. 7o b) Teilnahmerecht an den Sitzungen der Betriebsratsausschüsse entsprechend § 31 BetrVG Ein dem § 31 BetrVG entsprechendes Recht zur Teilnahme an den Sitzungen der nach den §§ 27, 28 BetrVG obligatorisch oder fakultativ gebildeten Betriebsratsausschüsse besteht nicht. Dennoch können Beauftragte der im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaften nach überwiegender Ansicht entsprechend § 31 BetrVG auch zu den Sitzungen der Betriebsratsausschüsse hinzugezogen werden. 7l Die mit § 31 BetrVG bezweckte Beratung der Betriebsratsmitglieder durch ihre Gewerkschaft würde ansonsten weitestge66

218.

FittinglKaiserlHeitherlEngels § 31 Rn. 21; Müller, Gerhard ZfA 1972, 213,

67 BlankelWedde in: Däubler/Kittner/Klebe, § 31 BetrVG Rn. 16; Eisemann in: ErfK, § 31 BetrVG Rn. 3; FittinglKaiserlHeitherlEngels § 31 BetrVG Rn. 21; GalperinlLöwisch § 31 BetrVG Rn. 17; HesslSchlochauerlGlaubitz § 31 BetrVG Rn. 19; Richardi § 31 BetrVG Rn. 22; Wiese in: GK, § 31 BetrVG Rn. 22. 68 FittinglKaiserlHeitherlEngels § 31 BetrVG Rn. 26; GalperinlLöwisch § 31 BetrVG Rn. 19; Richardi § 31 BetrVG Rn. 23. 69 FittinglKaiserlHeitherlEngels § 34 BetrVG Rn. 18. 70 FittinglKaiserlHeitherlEngels § 34 BetrVG Rn. 21. 71 BAG 18.11.1980 AP Nr. 2 zu § 108 BetrVG 1972; BAG 25.6.1987 AP Nr. 6 zu § 108 BetrVG 1972; Blanke/Wedde in: Däubler/Kittner/Klebe, § 31 BetrVG Rn. 19; Däubler, Gewerkschaftsrechte, Rn. 143ff.; Eisemann in: ErfK, § 31 BetrVG Rn. 4; FittinglKaiserlHeitherlEngels § 31 BetrVG Rn. 25; HesslSchlochauerl Glaubitz § 31 BetrVG Rn. 21; Klinkhammer DB 1977, 1139, 1141; Klosterkemper S. 17; Richardi § 31 BetrVG Rn. 25; WeisslWeyand § 31 BetrVG Rn. 9; Wiese in: GK, § 31 BetrVG Rn. 3; a.A. GalperinlLöwisch § 31 BetrVG Rn. 20; StegelWeinspach § 31 BetrVG Rn. 4. Zur Möglichkeit der Begründung eines generellen Teilnahmerechtes der Gewerkschaftsbeauftragten aufgrund des Minderheitsbeschlusses vgl. oben S. 72 Fn. 62.

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hend leerlaufen, da den Betriebsratsausschüssen zahlreiche Aufgaben des Betriebsrats zur Entscheidung übertragen werden können. 72 Zudem würde die mit der Möglichkeit der Entscheidungsübertragung auf die Ausschüsse angestrebte Entlastung des Betriebsrats vereitelt, sofern nur eine entsprechende Anzahl der Betriebsratsmitglieder die Beratung durch Gewerkschaftsbeauftragte für erforderlich hält, da sie die Beratung des Gegenstandes in der Betriebsratssitzung veranlassen kann (§ 29 III BetrVG).73 Die entsprechende Anwendung von § 31 BetrVG ist auch nicht auf Ausschüsse beschränkt, denen Aufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen sind. Sie gilt auch für vorbereitende Ausschüsse,74 da deren Aufgabe gerade die Klärung von schwierigen Sach- und Rechtsfragen zur Entlastung des Betriebsrats ist. Würde das Beratungsrecht für diese Fälle auf die Betriebsratssitzung beschränkt, brächte das mit sich, daß die Hinzuziehung der Gewerkschaftsbeauftragten eine erneute Erörterung der im Ausschuß vorbereiteten Fragen erforderlich macht und somit eine Entlastung des Betriebsrats nicht erreichbar wäre. Auch an den Sitzungen des nach § 107 BetrVG gebildeten Wirtschaftsausschusses können Beauftragte der im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaften entsprechend § 31 BetrVG beratend teilnehmen. 75 Eine von den nach den §§ 26, 27 BetrVG gebildeten Ausschüssen abweichende Behandlung des Wirtschaftsausschusses ist nicht gerechtfertigt. Der Wirtschaftsausschuß ist seit der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 kein von Betriebsrat und Unternehmer zu bestellendes eigenständiges Organ der Belegschaft, sondern ein in seiner Organisation und Funktion dem Betriebsrat zugeordneter Ausschuß zur Information des Betriebsrats. 76 Er ist ein Hilfsorgan desselben, seine Tätigkeit dient der Erfüllung der Betriebsrats72 Däubler, Gewerkschaftsrechte, Rn. 143; Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 31 BetrVG Rn. 25. 73 Däubler, Gewerkschaftsrechte, Rn. 143. 74 Blanke/Wedde in: Däubler/Kittner/Klebe, § 31 BetrVG Rn. 19; Eisemann in: ErfK, § 31 BetrVG Rn. 4; Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 31 BetrVG Rn. 25; a. A. Klosterkemper S. 17; Wiese in: GK, § 31 BetrVG Rn. 3. 75 BAG 18.11.1980 AP Nr. 2 zu § 108 BetrVG 1972; BAG 25.6.1987 AP Nr. 6 zu § 108 BetrVG 1972; Däubler, Gewerkschaftsrechte, Rn. 145ff.; ders. in: Däubler/Kittner/Klebe, § 108 BetrVG Rn. 15 ff.; Eisemann in: ErfK, § 108 BetrVG Rn. 9; Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 108 BetrVG Rn. 22; Joost in: MünchArbR, § 311 Rn. 90; Klinkhammer DB 1977, 1139ff.; Klosterkemper S. 17; Richardi § 108 BetrVG Rn. 22; ders. ArbuR 1983, 33, 38ff.; RumpjJ/Boewer S. 229; differenzierend Fabricius in: GK, § 108 BetrVG Rn. 30ff.; a.A. Hess/Schlochauer/ Glaubitz § 108 BetrVG Rn. 11; Zeuner DB 1976, 2474ff. Zur Antragsbefugnis sowie zur Möglichkeit der Begründung eines generellen Teilnahmerechtes vgl. oben S. 72 Fn. 62. 76 BAG 18.11.1980 AP Nr. 2 zu § 108 BetrVG 1972; BAG 4.6.1987 AP Nr. 2 zu § 22 SchwbG; BAG 25.6.1987 AP Nr. 6 zu § 108 BetrVG 1972.

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aUfgaben. 77 Dem entgegen hat der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 25.6.1987 jedoch ausgeführt, daß nach dem Sinn des § 107 I 3 BetrVG, wonach die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses die fachliche und persönliche Eignung für die Aufgabenwahrnehmung haben sollen, Gewerkschaftsbeauftragte nur dann beratend hinzuzuziehen sind, wenn die fachliche Eignung der dem Unternehmen angehörenden Ausschußmitglieder im Einzelfall nicht ausreicht, um eine sachgerechte Beratung in wirtschaftlichen Angelegenheiten sicherzustellen. 78 c) Sonstige Teilnahmerechte an Betriebsrats- und Ausschußsitzungen sowie Besprechungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ( 1) Teilnahmerecht an Betriebsrats- und Ausschußsitzungen kraft Geschäftsordnung des Betriebsrats oder durch BetriebsratsbeschlußIAusschußbeschluß

Beauftragte der im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaften können nicht nur durch Minderheitsanträge nach § 31 BetrVG zu den Sitzungen des Betriebsrats oder seiner Ausschüsse hinzugezogen werden, sondern argumentum a minore ad maius auch aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses (§ 33 I BetrVG) des Betriebsrats. 79 § 31 BetrVG enthält insoweit keine abschließende Regelung für die Teilnahme von Gewerkschaftsbeauftragten an Sitzungen des Betriebsrats, sondern lediglich ein im Interesse des Minderheitenschutzes im Betriebsrat ergangenes Sonderrecht. 8o Daß nur den in § 31 BetrVG angeführten Minderheiten ein entsprechendes Antragsrecht zustehen soll, kann weder dem Normzweck noch der Gesetzessystematik entnommen werden. 81 Soweit die Teilnahme von Beauftragten der Gewerkschaften an Sitzungen der Betriebsratsausschüsse in Frage steht, sind neben dem Betriebsrat auch die Ausschüsse berechtigt, über die Teilnahme mit entsprechender Mehrheit zu beschließen. 82

BAG 25.6.1987 AP Nr. 6 zu § 108 BetrVG 1972. BAG 25.6.1987 AP Nr. 6 zu § 108 BetrVG 1972; kritisch Däubler, Gewerkschaftsrechte, Rn. 147a; ders. Anm. zu BAG 25.6.1987 in: AP Nr. 6 zu § 108 BetrVG 1972; ders. in: Däubler/Kittner/Kiebe, § 108 BetrVG Rn. 18, der die gewerkschaftlichen Beratungsaufgaben durch Art. 9 III GG abgedeckt sieht und nach dem daher keinerlei Sachgesichtspunkte ersichtlich sind, die eine Einschränkung rechtfertigen könnten (näher dazu unten unter Teil 4 § 9 A I 3, S. 378 ff.). 79 BAG 28.2.1990 AP Nr. 1 zu § 31 BetrVG 1972; Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 31 BetrVG Rn. 6; Galperin/Löwisch § 31 BetrVG Rn. 5; Hess/Schlochauer/ Glaubitz § 31 BetrVG Rn. 4; Richardi § 31 BetrVG Rn. 12. 80 BAG 28.2.1990 AP Nr. 1 zu § 31 BetrVG 1972. 81 BAG 28.2.1990 AP Nr. 1 zu § 31 BetrVG 1972. 77

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Streitig ist jedoch, ob sowohl der Betriebsrat durch einfachen Mehrheitsbeschluß nach § 33 I BetrVG oder durch eine Bestimmung in der Geschäftsordnung des Betriebsrats als auch die Betriebsratsausschüsse ein generelles Teilnahmerecht der Gewerkschaftsbeauftragten begründen können, oder ob die Befugnis auf die Hinzuziehung von Beauftragten der im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaften zu bestimmten Sitzungen beschränkt ist. 83 Der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat ersteres in seinem Beschluß vom 28.2.1990 für eine entsprechende Geschäftsordnungsregelung des Betriebsrats in bezug auf Betriebsratssitzungen bejaht. 84 Ablehnend äußerte sich dagegen der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts im Beschluß vom 25.6.1987 zur Frage, ob durch Betriebsratsbeschluß ein generelles Teilnahmerecht an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses begründet werden kann; wobei sich die Begründung vor allem auf § 107 I BetrVG stützt. Danach sollen die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses die zur Aufgabenerfüllung erforderliche sachliche und persönliche Eignung besitzen. Die Hinzuziehung von Gewerkschaftsbeauftragten kommt daher nur für die Fälle in Betracht, in denen die fachliche Eignung der Ausschußmitglieder nicht ausreicht. Das könne aber nur für jede Aufsichtsratssitzung einzeln festgestellt werden. 85 (2) Teilnahmerecht an sonstigen Beratungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber

Das Teilnahmerecht von Gewerkschaftsbeauftragten an Betriebsratssitzungen nach § 31 BetrVG gilt nur für förmliche Sitzungen des Betriebsrats. 86 An Besprechungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber (§ 74 I 1 82 BlankelWedde in: Däubler/Kiuner/Klebe, § 31 BetrVG Rn. 20; Eisemann in: ErfK, § 31 BetrVG Rn. 4; HesslSchlochauer/Glaubitz § 31 BetrVG Rn. 23; Richardi § 31 BetrVG Rn. 26; Wiese in: GK, § 31 BetrVG Rn. 4; WlotzJ