Karl der Kühne, Herzog von Burgund: Ein Drama in fünf Akten [Reprint 2022 ed.] 9783112629383


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Karl der Kühne, Herzog von Burgund: Ein Drama in fünf Akten [Reprint 2022 ed.]
 9783112629383

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Karl - e r Kühne, Herzog von Burgund.

Ein Drama in fünf Akten

von

$♦ M e r e l l u s.

Berlin, 1828. Gedruckt und verlegt bei G. Reimer.

^)hr stillen Wörter scheint nichts zu enthalten. Doch sah ich einen Zaub'rer euch verbinde», Und ordnen, und mit mächt'gcm Hauch entzünden. Daß Flammen die Verschlingungen durchwallten.

Und drinnen sah ich herrliche Gestalten, Die ließen durch ihr göttliches Verkünden Den Inhalt hoher Ahnungen mich finden: Ach, läßt so Ew'ges sich aus euch entfalten! Verschling' ich euch, von gleicher Glut getrieben, Und hauch' euch an, daß Feuer sich entschwinge, So brennt ihr zwar, doch sind's nicht jene Flammen. Und dennoch muß ich euch, ihr Spröden, lieben, Stets wieder, daß cs besser mir gelinge, Zu neuer Gunstbewcrbung euch verdammen.

Karl der Kühne, Herzog von Burgund.

Personen. Karl der Kühne, Herzog von Burgund.

Margaretha von England, seine Gemahlin. Prinz Friedrich

von

Tarent,

Sohn

des

Königs

von

Herr der Waad^ __ .... ~ / Burgundrsche FeldCampobasso, * l Hauptleute. Graf Gommerset, • Graf Romont,

Anton, Bastard von Burgund

\

Balduin, sein Bruder, ein Minne- \ sänger )

Söhne Herzog Philipps des Guten.

Wilhelm von Vsselstein, ein niederländischer Ritter. Rene II., vertriebener Herzog von Lothringen.

Niclas von Scharnachthal, Schultheiß zu Bern. Hans Waldmann von Zürich.

Hadrian von Bubenberg. Rudolph Reding,

Landammann zu Schwyz.

Hans in der Höhe aus Uri. Landhauptmann Lanner aus Appenzell.

HaSli, im Dienst des Bubenberg. Ein Arzt.

Frauen der Herzogin.

Burgundische Ritter und Krieger

Hauptleute und Landvolk aus der Schweiz.

Bürger von Bern.

Erster

Erste

21 t t

Scene.

Nancy. Prächtiger Saal im herzoglichen Pallast.

Graf Sommerset. Wilhelm von Psselr stein. Balduin. Balduin iu Vffelftetn.

Der Herzog wird sich freun, euch, seinen Lehrer In ritterlichen Künsten, hier zu sehn. Ysselstein. Wofern vor Festlichkeit und Schmeichelei Er Muße hat, der Zeit unmünd'gen Glücks Sich zu erinnern. Ist dies wohl ein Hof Für-'einen Herzog? Grafen, Fürsten selbst 1 *

4 Und Städte, die sich keinem Herrn gebeugt,

Wetteifern, seinen Beifall zu gewinnen. Balduin.

Nun, nun, man müht sich in des Kaisers Pfalz Um eine Kron' für uns.

Es könnte wohl

Ans unserm Herzog, wenn sein Töchterlein Dazu gegeben wird, ein neuer König

Gegossen werden.

Ysselstein. Dieses Glanzes Pracht,

Der Reichthum und der Stolz in jedem Antlitz Thut meinen Augen weh.

Balduin. Dann blickt auf sie,

Die alle überglänzt, und doch so mild

Wie Blüthenschnee im Mai — ich mein' Margrcthe, Des Hofes Fürstin — saht ihr, kennt ihr sic? Nicht wahr, Mylord? das ist ein köstlich Kleinod? Sommerset.

Sie ist die Schwester Englands. Psselstein. Ein Iuweel

Ist diese Fürstin; als sie just vermählt,

Sah ich zu Gent sie.

Damals dachte ich.

Sie würde seines Triebs verweg'ne Rosse Mit sanfter Hand durch ebne Bahnen lenken;

Doch wer vermögt« das!

Ich muß erleben,

Daß er, nachdem er — ja ich möchte sagen —

5 Fast die Unmöglichkeit beim Schopf gefaßt. Sein Heer zusammenruft, damit sogar

Helvetiens starre Felsen sich ihm beugen. B a ld u i n. Die eisigen Häupter jammern wohl den Greis, Der her gekommen, ein getreues Wort

Für die Verwandtschaft einzulegen? Psselstein.

Ja, Versucht sei's, ihn vom unbedachten Werk

Zurückzuhalten. Balduin.

Sparet eure Müh; Es wird die Schweiz, sich schüttelnd, auf Burgund

Lawinen stürzen, daß sein Heldenfeuer Ihm in die Sohlen fährt.

Som merset. Seid still, er kommt.

Herzog Karl,

Prinz von Tarent,

Anton,

Campobasso, Gefolge und Abgeordnete der burgundischen Länder treten auf.

Herzog Karl den Printen von La renk hereinführend.

Noch mal willkommen! Euch zu Liebe, Prinz, Wird sich an meinem Hof die Freude putzen,

Und froh schon grüßt die Eurigen mein Heer.

Achttausend sind's? Ihr wißt, ich ehr« sehr

6 Die tapfern Welschen; doch warum, mein Prinz, So große Schaar? wie? glaubtet ihr vielleicht. Mit Wenigen mir wen'ger zu gefallen?

Prinz von Tarent. Schon lange, edler Herzog, wars mein Wunsch,

An eurem Hofe — über dessen Ruhm

Und Adel das geschwätzige Gerücht Jedwede andre Neuigkeit vergaß —

Vor euch, mein Fürst, ob ich ein Ritter sei.

Die Probe abzulegen.

Da erscholl's,

Den trotz'gen Schweizern drohe euer Zorn, Und schleunigst sitz ich auf mit meinem Troß.

Euch zu beweisen, wie ich mit den Meinen Zu euren Diensten bin.

Herzog. Ich dank' euch sehr. Zu den Abgeordneten, nachdem er sich auf den reich geschmück, ren herzoglichen Stuhl gesetzt.

Ihr Boten unsrer sehr getreuen Lande, Uns hat gefallen, was von ihrer Lieb' Zu dem butgundschen Stammhaus ihr gesprochen.

Ja, wie von nah und fern her Abgesandte

Nach Nancy kamen, uns Gefälliges Zu sagen: eure Rede klang dem Ohr Am süßesten , die Stimme unsrer Völker,

Die alle unsre gleiche Sorg' vereinigt. Und deren Liebe unser Streben nie Entbehren kann.

Lothringens Stände auch

7 Beeilten sich, vor uns, dem neuen Herrn, Das Glück zu preisen, sich geschützt zu sehn

Don unsrer Macht.

Sie sollens nicht beklagen.

Daß uns das Kriegsglück über den Renö,

Der wider uns sich mit arglist'gen Feinden

Geheim verbunden, jüngst den Sieg verlieh». — Ein neuer Krieg hat plötzlich unsrer Ehr' Den Handschuh hingeworfen: die Helvetier,

Die alle Nachbarn schon durch Hohn gekränkt Und kecken Trotz, mißkannten unsern Werth

Und ihren so, daß sie auch unsre Hoheit Durch mannigfachen Ucbermuth beleidigt.

Wir wollen sie bestrafen, und deshalb

Beriefen wir das Heer, das hier bei Nancy

Die Luft mit lautem Freudenruf erfüllt.

Was wir an Glanz und Ruhm mit ihm erkämpfen, Das theilen wir getreu mit unserm Volk.

Ihr, dessen Sprecher, saget nun zu Haus',

Wie sehr wir jede Leistung anerkennen. Die fähig uns gemacht, den Schweizerkrieg

So ernstlich zu beginnen.

)a, fürwahr

Wir frcu'n uns dieser Stimmung, dieser Treue. Alle.

Heil unserm Herzog! lange leb' Burgund! Die Abgeordneten ab.

Ein Ritter

trittanf.

Des Kaisers Abgesandte, die von Frankreich, Don Mailand und Savoyen wünschen sehr.

8 Eh sie den Hof verlassen, deiner Hoheit

Noch einmal aufzuwarten. Herzog. Laßt sie kommen. Die Gesandten treten auf.

Herzog.

Ihr lieben Herren grüßt uns unsre Lettern, Verbunden seien wir für so viel Gunst

Und treuen Antheil.

Euerm Kaiser sagt,

Ihr wackern Deutschen, daß uns unser Glück Erst werth geworden, seit sein Glückwunsch unS

Deshalb geehrt. — Ihr Herrn, wir wünschen nie. Daß Schicksals Tücke unsern Willen zwingt. Mit lieben Nachbarn sonst als um den Preis

Gescll'ger Künste wettzueifern; ja. Der Kranz, den nur durch unsers Armes Kraft Wir ihnen abgcwönnen, würde uns — Wir sagens frei — in tiefer Seele schmerzen.

Darum — zum Zeugniß unsrer milden Art Befahlen wir, Geschenke euch zu geben

Für eure Fürsten.

Der Flammländcr Fleiß,

Die Kunst der Belgier, würzige Produkte Der Grafschaft, reiche Stoffe aus Burgund

Und was uns das verwandte Welschland sandte Don griech'scher Schöpfung soll an eure Herrn Gefälligen Tribut entrichten.

Und Gott befohlen!



Geht,

Man geleite sie.

(Besänne mit einigen Rittern de« (Befolge« ad.

9 Graf Romont tritt auf. Jetzt Herr besitzest du Lothringen ganz: Der letzte Pfeiler des bestraften Hauses,

Burg Charmes, hat sich ergeben.

Dein Geschütz

Und wilder Hunger brach den langen Trotz Der Mannschaft endlich.

Welche Strafe, sprich,

Soll Widerstand empfangen? Herzog.

Brav, beim Himmel, War die Besatzung; selten fand ich noch

Bei so geringer Hoffnung solchen Muth Und solche Keckheit gegen meine Macht. Ich habe Lust, in Freiheit sie zu setzen.

Nicht wahr, mein Anton? A n t o n.

Ja, beim edlen Feinde

Muß solcher Heldenmuth Verehrung finden. Herzog.

So seis, ihr Will' ist frei, sie können zieh»,' Doch wirds mich freun, wenn sie so treu mir dienen.

Wie dem Rens. Psselstein.

Ja, das ist Philipps Sohn! Herzog auf ihn weilen».

Wie? seh ich recht?

bei Gott, mein Freund, Meister!

Welch guter Stern hat dich hierher geführt. Damit Erinnerung die Gegenwart

mein

10 Noch reicher schmücke? Wie erging es dir? Freund, sage mir, hast du von mir gehört

Am Strand der Schelde? und nicht wahr? du hast Des Schülers dich gefreut.

0 leb noch lange,

Und andre Thaten sollst du von mir hören.

Mein Aristoteles, fast bin ich stolz. Daß, Beifall suchend, ich mich spiegeln darf In deinem lieben Antlitz.

Ysselstein. Theurer Fürst.

Herzog.

Doch alt bist du geworden, seit zuerst Bei Montthery ich Frankreich warm gemacht.

Er war mein erster Strauß — der Buben berg. Mein Waffenfreund, wetteiferte mit mir — Ha weißt du noch, wie du uns beide lobtest?

Ysselstein.

Die schöne Narbe holtest du dir dort.

Herzog. Ja, welche Kronen auch der Ruhm mir flocht

Seit dieser Zeit: als ich den Trotz von Gent, Als Lüttig ich gebrochen, ja sogar,

Als Nancy jüngst mir seine Schlüssel brachte, Dies Alles hat mein Herz nicht so entzückt. Als das Victoria von jenem Tag.

Ysselstein.

Es war ein schöner, hoffnungsvoller Tag.

11 Herzog. Nicht wahr? doch öfters sollst du das noch sagen — Hör', bleibe bei mir, folg mir in das Land, Das seine Fclsenhörner nur zum Thron

Für kühne Adler aufgerichtet hat.

Wenn ich dort niste, vor mir aufgcrollt Die große Länderkarte: Frankreich hier Zu meinen Füßen, rechts die bunten Lander,

Durch die der Strom wie durch ein Labyrinth Den Silberfadcn zieht zum blauen Osten,

Wo an dem Raub der Minotaurus zehrt: Ich seh's — der Adler sieht's von seinem Horst, Er fühlt Begierde, kennt der Schwingen Kraft,

Erhebt sich — Alter, folge mir, gewiß Du wirst noch manche Schlacht mich schlagen sehn.

Vsselstein. Mein Herzog, als an meine stille Pforte

Die Nachricht klopfte, mit dem Schweizerwolk Bereite, Krieg zu führen, deine Kraft: Befiel mich Angst, und schnell macht' ich mich auf,

Um jetzt wie sonst, wenn du mir's zugestündcst, Den allzuheißen Trieb in deiner Brust Dir zn bcschwicht'gen, der Nachgiebigkeit

Mißbrauchend, gegen dich im Aufruhr ist.

Ihm willst du folgen, und der du mit Ernst Ob Recht und Satzung wachst in deinen Landen,

Willst, mächtig wie du bist, mit starkem Heer,

Mit Freunden und Vasallen, gleich gerüstet,

12 Ein ruh'ges Volk der Arbeit überfallen.

Das keine Rüstung hat als nur sein Recht? Herzog.

Ihr Ritter sprecht, hat Bern in Red' und Handlung, Daß ruhig, daß es wehrlos sei, gezeigt? R o m o n t. Fragt Hochburgund und fragt die Waad, mein Grb--

land.

Wie Schweizer Brand

und Schwerdt zu brauchen wissen.

Campobasso.

Bern saß zu Breisach über Hagenbach Mit zu Gericht.

Balduin. Ihr seid mir schlechte Schützen, Die Scheibe trefft ihr, aber nicht das Schwarze, Es hat uns Bern ja, und die ganze Schweiz, Weil sie nicht trocknes Brod verdauen können.

Den Frieden aufgekündigt. Herzog. Hörst du's, Alter! Sic haben mir, dem mächtigen Burgund,

Zuerst den Krieg erklärt, was noch bis jetzt Kein Fürst gewagt.

Doch ich will sie bestrafen. Campobasso.

Jst's nicht bekannt, daß sie mit dem Rens Und Frankreichs König',

der

dir Freundschaft heu/ chclt,

13 Geheimes Bündniß wider dich geschlossen?

Wer ist so thörigt, für das Volk zu bitten? Som merset.

lind war das Alles nicht; genug, sie sind Wie unser einer nicht.

Was Toleranz?

Vertilgt sic. P rinz von Tarent.

Ja die Bauern sind zu stolz, Gut ist es, ihnen Ucberlegenheit Der Macht zu zeigen. Mehrere Ritter. Krieg , Krieg mit der Schweiz.

Ande re. Kein Wort von Schonung; sie hat uns gefordert,

Ysselstein. Fragt eitern Stolz, ob ers für möglich hält,

Daß Bern mit der Burgund'schen Macht aus Trotz

Und Uebermuth nur in die Schranken trete. — Mein Fürst, dein hoher Stamm und deine Lande

Verdanken nur der Freiheit, was sie sind,

Und sic, die Ahnfrau aller Nationen Ward nach und nach von jedem Zweig zuerst

Mit kalter Sorg' beherbergt; dann gekrankt Durch Reden sonder Scheu, zuletzt verstoßen,

Bis jene Thäler ihrem greisen Haupt

Das letzte Lager gönnten.

Und du willst

Sie auch von dort verscheuchen? Nein, mein Fürst, Verdränge du sic nicht: sprich, gicbts ein Volk

14 Noch auf der Erde, das so rein nnd heiß Für Freiheit glüht wie diese Eidgenossen ? Sie schonungslos vertilgen aus der Welt,

Wär' ein Verbrechen, und es könnten leicht Einst deine Enkel — wenn von außenher

Gefahr sie unbesieglich drangt — dir fluchen, Daß du das Einz'ge auf dem Erdenrund, Wodurch noch Heil und Rettung wär zu hoffen,

Vernichtet hast.

O thu es nicht, mein Fürst,

Und meide so, daß sie darob dir fluchen. A n t o n.

Ich führte deine Kürassiere auch Viel lieber gegen Frankreichs schlaue List.

Herzog. Es geht nicht, Alter, was du da auch sprichst — Es geht beim Himmel nicht.

Sie haben freilich

Mich schwer beleidigt, doch nicht darum bloß Entsend' ich Heeresmacht; ich könnte, sieh, Die Unbill selbst verzeih».

Yssclstein. O thu's, o thu's.

Herzog.

Umschmelzen mußt du mich, soll jenen Geist, Der mich bisher geleitet, ich verrathen,

Unwiderstehlich winkt er nach der Schweiz, vertraulich

Betracht' die Lage nur: sie öffnet mir

Den Weg zum Mittelmeer, und denke nur. Die Schweiz, die Niederlande und den Rhein —

15 Bei St. Georg, auf solchen festen Grund

Kann meiner Träume stolz'ste Pyramide Ich sicher bauen.

Will ich denn Tyrann,

Blutgierig feilt? sie sollen's wahrlich gut.

So gut wie meine Niederländer haben. Vsselstein. Den Kaiser wird's, wenn du beharrst, verdrießen;

Die Schweizer sind ein Theil des deutschen Reichs, Erwäge: das Geschäft, was deine Boten

An seinem Hof betreiben, wird mißlingen.

Campobasso. Da müßte nicht so reich des Herzogs Tochter, Der Kaiser ohne Geiz und Söhne sein.

Anton. Was Große- steht bevor, es zeigten sich

Am Himmel Seltsamkeiten, die noch nie Vereint sich zeigten: ein geschwänzter Stern, Verfinsterung des Mondes, Feuerhaufcn, Vom Himmel niedersinkend. — Ja, aus Genf

Berichtet man, nach einem heft'gcn Sturm

Sei blutig roth die Rhone hingeströmt. Herzog.

Wie? Wunderzeichcn wie bei Cäsars Tod?

Vsselstein. Herr, laß vom Zuge ab, laß dich beschwören; Jsts möglich nicht, daß du umsonst gezogen,

Und Großmuth nicht mehr dein ist?

Fürst bedenk',

Was von der Schweiz uns die Geschichten sagen;

16 Das Volk wird aufstehn, so gewaltiglich

Wie seine Felsenwände. — Herzog.

Wollte Gott, Du sprächest wahr, daß prangender der Sieg.

Mehrere. Ja, höher würde Tapferkeit belohnt.

Ysselstein.

Du bist verblendet, o cs ist dein Fall!

Selbst König Ludwig, hör' ich, den du hassest, Hat dir von diesem Zuge abgerathen. Herzog.

Ha, das vergaß ich fast: er rieth mir ab — Ja, ja, und hätt' ich wirklich noch geschwankt;

Weil mir der Neid vom Zuge abgcrathcn.

Muß er mein Glück sein.

Auf, cs bleibt dabei.

Diele Stimmen. Es lebe unser Herzog, Karl der Kühne!

Herzog. Schon morgen geht es fort nach Franchecomtö,

Um durch des Jura lange Defileen Ins Eingeweide unserm Feind zu rücken.

Ordnet die Schaaren; du Ysselstein,

Durchblick' die tapfern Reihn; auch ihr, mein Prinz. — Ich komme nach, noch einmal sie zu mustern. Alle ad.

Zweite

17

Zweite Scene. Herzog

Karl.

Balduin.

Herzog. Jetzt stimm die Saiten, heitrer Troubadour,

Was sich an Dichtern, Kehlen, Instrumenten An meinem Hofe findet, bring' zusammen.

Daß heute Nacht mit lindem Flügelschlag

Musik die Sorge vom Gesicht uns fächle. Balduin.

Was giebst du mir, wenn die Genügsamkeit Ich bei dem Fest besinge? Herzog.

Nun ich will Eins deiner luftgen Schlösser ausmöbliren. Balduin.

Damit du einige von deinen Planen

Drin einquartiren könntest?

Setz mir lieber

Won all den Kronen, die im Kopf du trägst. Die kleinste auf den Kopf; mach' mich zum König.

Herzog.

Des Paradieses, ja; kannst durch Gesang Die wilden Thiere dort bezähmen. Balduin.

Wohl;

Und al» Tribut will ich alljährlich dir Vom Baume der Erkenntniß Früchte zollen.

2

18 Herzog. Das thue nicht, ich würde ja alsdann

Die Blößen deines Witzes sehn.

Balduin. Was schadt's.

Ich brauchte nur auf dich ein Lied zu machen. Um sie damit zu decken. KriegSmusik.

Herzog. Meine Reihn Sind aufmarschirt, ich muß hinaus.

Und wirklich ?

Du willst nicht mit mir zieh»?

Balduin. Ich habe dort,

Wohin du deine Feuerbüchsen richtest,

Ein Liebchen, das mir meine Kunst geschenkt.

Herzogin Margarethe tritt auf.

Balduin. Ha, meine Königin! — Komm, schelt ihn doch. Daß er auch mich, da er von hinnen zieht.

Dir rauben will. Herzogin.

Ist's wahr? ist's fest beschlossen?

Schon morgen willst du wieder mich verlassen? Unbändiger, wann wird Genügsamkeit Das Blut dir rnh'gcr durch die Adern leiten?

Als sich Lothringen deinem Glück ergab.

19 Und Nancy, deiner wcitgcstreckten Länder Erkämpfte Hauptstadt, festlich mich empfing, Da dacht' ich: endlich habe uns der Friede

Die lang ersehnten Kränze ausgethcilt Zum Segen unsrer Völker.

Aber schon

Nach wen'gcn Wochen, die des Abends Künste,

Die Pracht des Orients zu Gast geladen. Erhebt der Krieg sich wieder, und durchschreitet

Erschreckend des Palastes stolzen Bau. Herzog. Ist Karl's Gemahlinn denn so nervenschwach?

Ha, was Lothringen? Können meine Länder,

Was sic auch bieten, wohl aus eignem Schoos Der Schwester Englands Wünsche gnügend krönen?

Durch Geldverträge, durch langweil'ge Künste Aus fremden Zonen muß ich Huldigung

Für dich erkaufen.

Nimmer bleib' cs so —

Jetzt geh ich, Porphyr aus dem Thal der Reuß

Für dich zu seltnen Bädern zu erwerben, Von Alpenhörnern reinen Frühlingsschnee.

Herzogin. Du Spötter, geh! Balduin.

Ach — darum hat die Schweiz

Dir Krieg erklärt. Herzog. Und dann verschaff' ich dir -> *

20 Zu Nancy goldnen Reif, der königlich

Die hohe Stirn dir schmückt. Balduin.

Das ist was Rechtes; Ich, nur ein Sanger, hab' sie tausendmal Zur Königin gemacht. Herzogin. Und dann, du Loser?

Herzog. So wahr ich bin, dann sollen Deutschlands Fürsten

Dich, Theure, mit dem Kaiscrmantel schmücken.

Herzogin. Und dann? und dann?

Herzog. O Gott, dann will ich dir, Der ganzen Christenheit ein Alexander,

Den reichsten Demant aus des Sultans Schatz

Mit meinem Blut erkämpfen. Herz ogin. Ucbermuth,

Du führtest, früg' ich öfters noch „und dann"? Wohl bis zum Sternenhimmel dein Versprechen.

Herzog. Ich muß ins Lager.

Tritt auf den Balkon,

Daß meine Krieger ihre Herzogin Noch einmal sehn. Herzogin.

So brichst du wirklich auf?

21 Mein Karl, ich will nicht trauern, weiß ich doch,

Das Glück ist mit dir, und dein tapfrer Arm

Ward nie besiegt.

Ich traue deinem Stern,

Und will mich, steigst du auf, fest an dich klammern. Bist du mit mir zufrieden? Doch, mein Karl,

Nur nicht zu schwindelnd hoch, zu schwindelnd nicht.

Herzog. Lieb' Margarethe! Königin!

Balduin.

Burgund, Du schämst dich nicht, die Ueberzeugung dir

Erst in der Schweiz zu holen, daß zu Hause Du mehr besitzest, als die ganze Welt Dir geben kann?

Herzogin.

Verbiet' ihm, Karl — Herzog. Noch eins:

Empfange huldvoll gütig mir beim Fest Den von Neapel, s'ist ein wackrer Prinz, Achttausend Reuter bracht er mir.

Ich glaube.

Daß er auf unser Tochter Erbe hofft.

Ich wünsche vor de» Fürsten meines Hof's Ihn hochgeehrt zu sehn. — Nun Balduin,

Gehst du nicht mit, so unterhalte mir Die Herzogin.

Balduin. Ja, Proelamationen,

22 Die du zum voraus in der Tasche hast

Für die besiegte Schweiz, les' ich ihr vor. Sie gehen ab.

Dritte Scene. Gebirgsgegend in der Schweiz, in einem Scitenthale ein Landhaus.

Landammann Tanner.

Eidgenossen von Ap­

penzell und Thurgau lagern sich am Fuß der Höhen.

Hasli.

Tanner.

Den Rest, ihr Leut', erzähl' ich euch im Marsch; Wir müssen fort, der Abend überrascht

Bei Winterszeit; ihr wißt, der Frittenbach Hat seine Tücken. Erster Schweizer. S'ist so sonnig hier,

Geschichten hören sich hier besser an. Tanner.

Und woll'n wir denn die Letzten sein in Bern? Hasli. Herr, deshalb keine Furcht; die Einz'gen fast.

Die vor euch hier durchs Emmenthal gezogen.

Das sind die Unterwaldner, deren Weiber

23 An Häßlichkeit unheilbar niederlicgcn.

Ich bin ringsum bekannt hier wie ein Maulwurf,

Und will euch schon durch Schnee und Dunkelheit Zur großen Straße führen, drum erzählt Nur die Historie aus. Alle.

Ja, ja erzählt.

Tanner. Nun, seit Burgund von Oesterreich den Elsaß

In Pfand genommen, kam es an die Sonne, Wie er's gemeint mit jener Lieb' und Gunst, Wovon er uns gesprochen.

Hagenbach,

Sein Voigt daselbst, beleidigte die Schweiz Durch schwere ungerechte Handlungen:

Durch seine Zöllner schor er unsern Handel Verweigerte uns Recht vor seinem Stuhl —

Zweiter Schweizer.

So »vars zu der Zeit wohl, als die von Bern Und Solothurn und Zug geplündert wurden? Mehrere.

Ja, jene Krämer, die zur Messe zogen. Tanner.

Er warf sie nieder, setzte sie gefangen. Doch das ist noch das Schlimmste nicht, nein seht,

Er pflanzte in der Herrschaft Schcnkenberg Bern's Eigenthum, burgund'sche Farben auf.

H a s l i.

Das weiß ich, denn mein Herr war noch zu Bern

24 Als daS geschah.

Die Stadt beschwerte sich

Beim Herzog als er in den Elsaß kam;

Doch kahl und dürftig wie der Wcihnachtsbaum Der armen Leute fiel die Antwort aus. Erster Schweizer. Er tadelte den Voigt nicht? er, ein Fürst, Bestrafte Ungerechtigkeiten nicht?

Ihm war es recht.

Tanner. Durch solcherlei Gewaltthat

Gedacht er unsre Freiheit zu beschleichen, Eh wir es uns versah«.

Doch kannte Bern

Das alte Streben des burgund'schen Hauses, Das feind ist jedem hergebrachten Recht.

Denn schlimmer als mit uns verfuhr sein Voigt

Im Elsaß mit den Städten : keine Achtung Dor ihren Briefen; jegliche Gewaltthat

Ward ausgeübt, und Unfug aller Art Beging er gegen Zucht und gute Sitte,

Wie's nur die Schweiz zu Geßlers Zeit erlebt. Mehrere. Und trugen's denn die Städte so gelassen?

Tanner. Sie sahen auf die Schweiz, der gleiches Loos Die argen Drohungen des Voigts verhießen.

Doch unsre Tagessatzung schwankte sehr, Obs rathsam sei, Durgund's gewalt'ge Macht

Auf unser Land durch Gegenwehr zu zieh«.

25 Alle.

Was? sind wir etwa nicht der Waffen kundig?

Tanner. Ein Tag entschied.

Bei einem neuen Frevel

Erhob zu Breisach plötzlich sich das Volk, Und nahm den Voigt gefangen.

Oesterreich

Berief nun ein Gericht, wozu von Bern Und Solothurn auch Abgesandte kamen, Und diese Herren, adlichcn Geschlechts,

Verdammten alle den von Hagenbach

Zum Tode, und die Strafe ward vollzogen.

H a s l i. Wohl mir und jedem, daß wir zu der Zeit

Nicht eine Gnad von ihm erbitten mußten.

Tanner. Sehr zornig war er freilich, doch zu meist, Weils ihm gelegen war, auf unsre Schweiz. Wenn er die Cöllner Händel beigelegt,

Gedacht er uns zu strafen; aber Bern,

Nicht zweifelhaft mehr über seine Rüstung Und seine Absicht, kündigte ihm Krieg

Im Namen aller Eidgenossen an. Erster Schwcizer. So recht; ansfechtcn wollen wir es schon Durch Bern's und Zürich's Kopf und unsre Fauste.

Alle.

Ja, ja, ausfechtcn wollen wirs mit Gott.

26 Tanner.

Doch jetzt zum Aufbruch! hin nach Langenau. Alle ab.

Ueber das Gebirge her ertönen Hörner, die allmahlig näher kommen.

Herzog Rens nnd Hadrian von Bubcnberg.

treten aus dem Landhaus. Bubenberg.

Ihr seid Ren« ?

O Laune des Geschicks!

Ein Prinz geboren für so hohen Sitz, Muß hülflos, ohne Freund, in dürftgcr Kleidung

Dem Wetter Preis gegeben, durch Geklüft

Und eis'ge Felder flieh'«. Ren e.

Beklagt ihr mich?

Wie freundlich thut mir's, Mitleid noch zu finden. Nachdem nur Härte meine Jugend fand.

Mein Lebensretter, seht ich wußte nicht,

Ob ich euch danken könnte, als ihr mich,

Den Frostcrstarrtcn, aus dem Schnee gezogen. So war von Gram und tausend Ungemach

Auf oben Pfaden auch die Lust des Lebens In mir erstarret.

Wißt, ein Hcrzogthum,

So jung ich bin, hab ich verloren, und ich wollte Mein Volk so glücklich machen — ach, ein Traum!

Kaum, daß den goldnen Sessel ich bestiegen, Und noch in Frankreich weile, kommt Burgund,

Und raubt im Fluge mir mein theures Erbe.





27

Büben berg.

So ist er; den Entschluß, kaum erst erzeugt. Erzieht sein Ungestüm zur raschen That. —

Wie durftet ihr auch wagen, seinem Feind

Zur Seit' zu stehn, ohn' seinen Zorn zu fürchten,

diene. Und dieser Ludwig hat für mich jetzt nichts Als leere Worte, kalte Höflichkeiten,

Daß ich, schntzflehend, ein mir fremdes Volk,

Von dem es heißt, daß es in Thaten redet. In seinem Hochgebirg aufsuchen muß. Bubenberg sgr m. O Karl, bin ich dein Kampfgenoß gewesen?

Den größten Gegner hab' ich dir erhalten.

Und seine leichte Schaale schwer gemacht Durch aller Eidgenossen rüst'ge Kraft.

Ren e.

Ihr sollt umsonst mich nicht gerettet haben:

Ich will zu eurem Heer, dort gegen ihn Als niedrer Krieger kämpfen.

Bubenberg. Wißt, Burgund

War einst mein Freund, er rettete mir einst In einer Schlacht das Leben.

Ren«. Euer Freund? Mißtraut ihm, ich beschwöre euch, seid weiser

Als ich der brieflichen Versicherungen

28 „Ich sei sein lieber Vetter", arglos glaubte. Er euer Freund? ich sah ihn nie, doch schwör' ich,

Nichts kann der lieben auf der weiten Welt Als seinen Ruhm. Bub en berg.

Beruhigt euch, ich kenn' ihn.

Hab' oft in einem Zelt mit ihm geschlafen.

Und seinen wilden Traumen dort gelauscht. Ach, hätt' ich nicht gewußt, was für Gefahr

Sein feur'gcr Geist, sein Einfluß, seine Künste Nicht nur der Schweiz, nein allen Deutschen droht: Mir wär's ersparet worden, gegen ihn,

Den Jugendfreund, in Bern auf Krieg zu dringen. Rene.

Ha, liebet mich statt seiner, seht mich reißt Von eurem Herzen kein ehrgciz'ger Trieb,

Und Schmeichler buhlen nicht mit euch zugleich

Um meine Liebe.

Nein, nichts als ein Herz

Voll Jugendglut besitz' ich, welche ihr.

Mein Lebensretter, wieder angcfacht.

So daß es nur für euch in Liebe brennt.

Bubenberg. Mein wackrer junger Herr, wie schön beleben

Die hcrz'gen Töne meine Einsamkeit.

Bewahret diese Lieb', daß euer Volk, Wenn euch die Zukunft einst auf hohen Platz

Zurückgeführt, sich gleicher Neigung freue.

29 Ren«.

Nicht wahr? ich zieh mit euch zum Schweizerhccr, Daß würdig ich an eurer Seite fechte?

Bubenberg.

Das geht nicht, lieber Jüngling: Bern's Gemeinden Erriethen meinen Wunsch, die Möglichkeit

Mir zu benehmen, meinem Waffenbruder Im Treffen zu begegnen.

Fern von Hause,

In diesem Thal beklag' ich mein Geschick,

Das mir zum Gram mein Herz so streng getheilt.

Doch hindre das euch nicht.

Fast stündlich ziehn

Landlcute hier vorbei, um an den Pforten

Des Jura Ruhm zu crndten; schließt euch an — Hört, näher kommt der lust'ge Hörnerklang. Ren».

Schon seh ich Manner von den Bergen steigen.

O diese derben Schultern sind's vielleicht, Die mich aufs neu dem herzoglichen Stuhl Entgegentragen.

Rudolph Reding und Hans in derHöhc mit Männern aus Schwyz und Uri steigen von ver­

schiedenen Seiten von den Bergen herab. Reding. Willkommen! dacht' ich's doch, als Hinterm Firn

Wir's blasen hörten, cs sei Uri's Stier, Der Klagspicl diesen müß'gen Thälern schenke.

30 HanS in d er Höhe. Gcsegn' cnch Gott, biederbe Nachbarn, Freunde!

Die Hände her. — Was gicbt's auf euren Bergen. Re ding. Viel Schnee, viel Schnee.

Es wird dem lieben Vieh

Schon bang im dumpfen Stall, das Futter knapp.

Und auch der Hirte sehnt sich nach der Alp. Hans i. d. H. Deß freut wohl Bern sich und die niedern Orte;

Denn tanzten auf den grünen, duft'gen Matten

Die Heerden schon zu fröhlichen Schalmein: Uns wärs in Uri nicht gemüthlich eben

Der Mahnung Bern's ein folgsam Kind zu fein. Reding.

Wir zichn zusammen, Freunde.

Aber sprecht,

Weß Kehlen waren das, die heute früh Auf der Luzerner Straß' ein geistlich Lied

Zum Himmel sendeten? Hans in d. H.

Die von St. Gallen. Und weiter abwärts über'n Schcllenberg

Vernahmen wir den Feldgesang von Glarus. R e d i n g.

Viel Noth muß sein in Bern, denn Brief auf Brief

Ermahnte uns zur Eil, und wie ich seh, Nicht uns allein, denn alle Höh'n und Gründ'

Sind ja lebendig worden.

31 Hans i. d. H. Ist Burgund

Gewaltiger als Oestreich? Reding.

Weiß cs nicht.

Doch wenn auch, werden's, denk' ich, doch recht bald Zu Ende bringen. Hans i. d. H.

Ja, und noch so früh. Daß wir der Futterblum', wenn sie das Haupt

Nach langem Schlaf neugierig aus dem Schnee Hervorstreckt, unsern Sieg erzählen können.

Reding. Das walte Gott! doch tragt die Banner vorwärts. Zu Budenberg.

Landsleute sagt uns, ist das Jlfisthül

Noch unwegsam von Schnee? Bubenberg. Schon Manche sind

Seit heut und gestern diesen Weg gezogen, Und haben Bahn gemacht; doch führ' ich euch;

Denn traulich ist's dem Mann der vorder» Lande,

Mit Gästen von so selt'ner Art zu plaudern. Red ing.

Ihr, mein ich recht, seid Bubcnberg aus Bern, Den man mir dorten als burgundisch nannte. Bubenberg. Die frühste Jngcndzeit schloß unsern Bund;

32 Und Iugendtreu pflegt fest zu sein.

— Doch hört.

Nehmt diesen Jüngling mit; ich hab dem Frost

Ihn abgenommen, daß er meine Glut

Für Herzog Karl entschuld'ge.

Reding.

Kommt, mein Knab', Könnt euch den Bart verdienen.

Bubenberg. Folgt mir jetzt.

All« ab.

Vierte Burgundisches Lager

Scene.

bei Granson.

Aus der Ferne

heitre Musik.

Sommcrset, Campob asso von der einen, Ro­ ms nt von der andern Seite.

Campobasso.

Schon wieder da, Romont? Ihr seid bedeckt Mit

Schweiß und

Blut.

Wie

gab

es schon ein

Sträußchen? Romont. Ein Handgemeng mit deutscher Reuterei. —

Die Schweizer wollten auch; so gut wie wir.

Die Gegend sich besehn; unweit Vaumarcus Bc.-

33 Begrüßten cin'ge Fähnlein mich aus Straßburg

Mit grobem Anprall: undressirtcs Volk,

Das von der Stelle die Fanfare bläß't. Und kein Gesetz erkennt als Ungestüm. Wir haben uns gejagt; ich war viel starker

Und stets in guter Ordnung. Campobasso. Aber sagt,

Ist euch kein Heer begegnet?

Romont. Bern und Zürich

Bemühn sich in der Ebne bei Bondri,

So was herbeizuschaffcn wie ein Heer. Doch fragt mich nicht, ich habe schon dem Herzog Rapport gemacht, bin müde von dem Ritt, Und will mich laben.

Kommt zu jenem Zelt,

Wo unterm Scharlachdach die Ritter zechen. Sommcrset.

Will in den Schatten einer Ulm' mich legen. Und tränmen dort, ich säß im Parlament, Und hörte einer Red' des Kanzlers zu.

Campobasso. Ich hasse auch dies Schwelgen, diese Pracht;

Jst's wohl ein Lager für ein kriegrisch Heer?

Romont.

Wie? euch gefallt es nicht? nicht diese Front,

Unnahbar durch des Arnou sumpf'ge Ufer, Die beiden Flanken, deren Sicherheit

34 Der Neufchateller See mit Wellcnbrans, Der Jura mit Lawinensturz verkündet?

Ha, gebt der Nachwelt eine Zeichnung nur

Von diesem Lager, und sie wird Burgund

Den größten Feldherrn aller Zeiten nennen.

Camp ob asso. Ich tadle nicht die staunenswcrthen Linien,

Die Karl der alten Roma abgclernt.

Doch warum überhaupt wird Halt gemacht Hier an der Schwelle, und so lange Zeit,

Daß der Soldat am End' znm Tänzer wird? Fast sollt' man glauben, daß auch ihn der Vorfall,

Den Viele schon ein böses Zeichen nannten. Vorsichtiger gemacht. Sommerset.

Wie war's damit? Romo n t.

Bei meinem Sporn, die ritterlichste That! Wir ritten durch des Jura enge Pässe,

Dem Fclsenhorn vorbei, das wie ein König

Die andern überschaut.

Auf seiner Stirn

Vertheidigte ein wundgcschoss'ner Adler

Mit matter Kraft sich gegen eine Schaar

Rachgier'gcr Vögel niedrigen Geschlechts, Die den gewalt'gen Fürsten lang gehaßt. Burgund gewahrt' cs — rasch vom Pferd herab — Den Fels hinauf, in voller, schwerer Wehr;

Wie steil sein Weg auch war, wie mancher Zacken

35 Ihm die erstarrten Klau'n entgegcnstrccktc. Er übcrwand's, verjagte mit dem Schwcrdt

Das kreischende Geflügel, nnd bevor Wir Zlndern, die zn folgen ihm versuchten,

Die halbe Höh' erreicht, stieg er herab. Den Aar, den sterbenden, in seinem Arm.

Sommcrset. Der erste Wilhelm, der Eroberer,

Hat Aehnlichcs gethan; doch war der Felsen,

Den der erklomm, viel höher und viel steiler.

Prinz von Tarent, Anton und andere Rit, ter kommen. Prinz von Tarent.

Sieh, sich, auch hier giebt's gute, lust'ge Freunde.

Ihr Herren, warum im Freien, wo der Nord Mißtönende Musik mit rauhen Griffen Aus diesen schneebczog'ncn Feldern lockt.

Wie? giebt's nicht prächt'ge Dächer hier und Feste

Und Jubel unter ihnen?

R o m o n t.

Ihr habt recht, Wir wollen unter Dach.

Doch sagt uns, Prinz,

Wo man die heiterste Gesellschaft findet.

Prinz von Tarent. Wir sind daS ganze Lager schon durchstrichen,

Bald hier, bald da ansprechend: dort am See, Wo ihr die großen Fenster seht, ist Bgll,

3 *

36 Und Küsse sind dort billig zu gewinnen;

Im blauen Zelt dort zeigen Gaukler sich; Dort in dem langen, wo die Flaggen wehn.

Wird frisch gewürfelt; aber wo die Knöpfe, Die gold'ncn, aus dem nackten Buschwerk schimmern Dort ist der größte Spaß: beim Ungarwcin In allen Zungen zanken sich die Ritter,

Welch Land die meisten Köpfe dem Burgund Zu diesem Zug geliefert.

Anton.

Ja, sie werden Der Köpfe wegen sich die Halse brechen.

Campobasso. Die Welschen sind die Mecrzahl in dem Heer.

Prinz von Tarent. Das sag' ich auch; doch die burgund'schen Ritter, Die aus der Waad und die Picardcn meinen. Französischer Abkunft sei der Kern des Heeres.

Anton. Und die Lothringer, und die Niederländer?

Sommerset.

Und wir, die wir der Schwester Englands wegen Dem Herzog helfen wollen?

Romont.

Edle Herrn,

Mag unter unsers Heers verschiednen Farben Auch eine häuf'ger sein: daS ist gewiß,

Der Herzog schätzt mit gleicher Lieb' sie alle.

37 Drnin in bcm gleichen Schutz und gleichen Schmuck, Den insgesammt wir ihm, dem Herrn, gewähren, Laßt uns einander brüderlich erkennen.

Prinz von Tarent. Der reiche Glanz, den er um sich verbreitet, Umgüldet, einigt die Verschiedenheit.

An ton. Der Ruhm verknüpft sie Alle; jeder dient

Mit Stolz, und mit Vertrau'n dem Unbesiegten, Der Frankreich züchtigte, und Lüttich zwang. Campobasso.

Wenn sich das Glück Burgunds beständig zeigt.

Trägt Deutschland bald und Frankreich, hoffentlich —

Für immer eine und dieselbe Farbe. Doch vorwärts müssen wir, nicht so wie hier

In üpp'ger Ruhe schwelgen. Sommerset.

Pah, wir schliefen

Schon längst in Bern, hätt' nur der Alte nicht Dem Herzog was von Edelmuth gesprochen. Ysselstein kommr.

Ihr Herrn zum Zelt des Herzogs; er beruft

Die Führer zu sich, um der Schweiz im Kriegsrath Ihr Schicksal abzuwagcn.

38 Prinz von Tarent. Bin dabei.

So strenge sei ihr Loos, daß sie's vergißt, Einst in Europa mitgestimmt zu haben

Bei wicht'gen Sachen.

Sommerset. Nein, kein Stimmrecht mehr,

Streng unterdrückt, Jrländ'schen Bettlern gleich.

R o m o n t. Nur Schwerdt und Feuer.

Kommt ihr Herrn zum Rath —

Ich stimm' für Schwerdt und Feuer. Campobasso.

Mir ist's recht. Wird von den Höhen nur Besitz genommen. Mit den Uebrigen ab.

Ysselstein.

Bei solcher strengen Meinung bau ich nur Auf Karls hochherz'gen Sinn und eure Stimme. Fürwahr, das Haupt der ernsten Kürassiere Wiegt schwerer als ein Dutzend dieser Helden.

Anton. Ich bin gleich Euch für Mäßigung gestimmt. Beide ab.

39

Fünfte Scene. Lager der Eidgenossen

bei Boudri.

(Man sieht im Hintergründe Schweizer unter Baracken

und im Freien beim Feuer mit Waffen und kriegeri­ schen Rüstungen beschäftigt)

Niklas von Scharnachthal.

Hans Wald­

mann und andere Ritter treten auf.

S ch a r n a ch t h a l. Jetzt, denk' ich, können wir getrost es wagen: Wir sind nach grad' beisammen, und ich seh,

Wohin mein Blick sich wendet, derbe Glieder

lind Mnth in jedem Antlitz und Vertraun Zum lieben Gott und zur gerechten Sache.

Waldmann. Wir sind bereit. —

g» den umstellenden Tragt das Gebot durchs Lager,

Daß sich mit Speis' und Trank ein jeder stärke

Zur nahen Schlacht, und inniges Gebet Erhebe die Gemüther zu dem Ernst

Der blutigen Entscheidung. S ch a r n a ch t h a l.

Dann beruft Zu diesem Platz die edlen Herrn des Heers,

40 Den Ammann jedes Orts und die Hauptleute, Daß wir des Angriffs Art und Weis' berathen. Mehrere Männer ab.

Scharnachth a L Hast du's gesehn, wie sich mit Herzlichkeit

Die lang getrennten Brüder hier begrüßten,

Und Allen solch Zusammentreffen hier Ein Fest des Wiedersehens war?

Waldmann.

Noch mehr; Ich sah um alle Feuer Gruppen lagern.

Wo bärt'ge Männer, mit beredter Zung',

Von unsrer Väter hochgepries'nen Thaten

Dem Kreis erzählten, daß jedwede Brust Dor Glut und Kampfbegierde mächtig schwoll.

S ch a r n a ch t h a l. Gelobt sei Gott, daß wir so gute Kraft Der Kraft Burgunds entgegensetzen können,

Die stolz und vornehm groß gezogen ist,

Und die, wenn ich recht ihren Umfang messe, Und wenn des Kampfes Frage ich bedenke,

Mich fast beklemmt.

Waldmann. Ei, was man immer spricht

Don Karls gewalt'gcm Geist, von seinem Heer

Und seiner Kriegskunst: alles das zergeht. Wie vor der Frühlingssonn' der Schnee der Thäler, Sobald gesunder Sinn und feste Treu

41 Und tapfre Arme mit geprüftem Schwerdt

Dagegen ernsthaft in die Schranken treten.

Scharnachthal. Und doch hat Bern cs lange nicht gewagt, Die Probe zu bestehn, hat dem Burgund

Oft Kränkungen vergeben, wenn von Lieb' Und treuem Bündniß hinterher er sprach.

Nur da erst, als der Bubcnberg, der wackre,

Uns überzeugte, daß der Herzog strebe

Zu tilgen jede Freiheit, daß er uns Als Grundstein ausieht für den höchsten Dau: Erst da entschloß der Vorort sich, getrost

Die Uebermacht sogar heraus zu fordern, Im festen Glauben, daß in diesem Kampf

Die Schweiz die welsche Ueberschwemmung dämme. Waldmann.

Ja, unser ist das Recht: es ist bekannt Daß der burgundschen Herrschaft ihre Grenzen Zu eng sind, um die riesenhaften Glieder Drin auszustreckcn.

Wie sie den Ren«,

Der arm zu uns ins Lager kommen ist, Durch List betrog, so wollt' sie uns betrügen. Rudolf Reding, Hans in der Höhe,

Land,

Hauptmann Tanner und schweizerische Haupt, l c u t e und Krieger treten auf. Scharnachthal.

Genossen seid gegrüßt, und habet Dank,

42 Daß ihr so schnell gefolgt seid unsrer Mahnung. Fürwahr, wir niedern Orte wissen wohl.

Wie Armuth unser» Brüdern vom Gcbirg' Die Rüstung schwierig macht und die Verpflegung,

Und wie Abgründe, Schnee und Felsenwände Den Marsch erschweren.

Und doch seid ihr Alle

Zur rechten Zeit gekominen, um dem Feind,

Der unserm Stamm ein höfisches Geschlecht Aufpfropfen will, von eurer Thür zu weisen. Drum sollt ihr auch nur möglichst kurze Frist

Des Heerdes stillem Kreis entzogen werden;

Denn eure Obern haben Frankreichs Boten, Die Zögerung anriethen, abgewiesen.

Und die Entscheidung festgesetzt auf heut. Alle.

So ist es recht! ja heute noch zur Schlacht. Re di n g.

Langweilig ist solch zweifelhafter Zustand Und brütet Sorg' und Mißtraun. Tanner.

Immerhin

Mag Frankreich Pläne schmieden, und die Zeit Anrufen, die burgundsche Macht zu brechen;

Wir woll'n mit Gott auf unsern Arm vertrau'«. Mehrere.

Und woll'n mit Frankreich nicht Gemeinschaft haben.

43 Hans i. d. H.

Wir wissen alle, daß das Lager dort Dem Feind gehört, drum laßt es frisch uns stürmen.

S ch a r n a ch t h a l. Doch seine Front ist fest durch Wall und Graben,

Und stärker ist als wir, Burgund an Anzahl;

Drum ist mein Rath, daß wir den See umgehn. Und dann im Rücken des getäuschten Feindes

Den kräfl'gen Angriff machen. Hans i. d. H.

Zwar es pflegt

Der Stier von Uri bei den Hörnern nur Den Feind zu packen; doch bedünkt es Bern,

Wo anders anzufallen, nun wohlan!

So laßt des Jura Felsen uns erklimmen. Die jenes Lagers linke Rippen sind. Mehrere.

Ja, auf den Bergen ist viel besser fechten.

Waldmann.

Hört Eidgenossen, was ich mir ersonnen. Burgund ist feurig und er schätzt gering

Die Kraft der Schweizer: wenn Baumarcus wir, Die Burg, die vorwärts seiner Stellung liegt, Spotts halber stürmen, wird sein Stolz gereizt —

Gewiß, ich kenn' ihn, zornig wird er schnell Hcrvorgehn aus den Schanzen, und wir haben

Auf freier Erde ihn, und können frisch

Die nerv'gen Fäuste ungehindert brauchen.

44 Alle.

So ist's am besten! ja, so laßt uns thun.

Herzog

Rene

komme.

Mehrere. Lothringens Fürst!

Nene.

Ihr Wackern ja, ich bin's. Seit ich in eurer Mitte mich befinde, Trau' ich der Hoffnung die mir leis' verspricht.

Daß ich mein Erb' dem Räuber einst entreiße. Und niemals klang so schön mir dieser Gruß Als jetzt- da mir Treuherzigkeit ihn bietet.

Und in der deutschen Sprach' geliebten Tönen. Nichts kann ich euch dafür entgegen bringen.

Als die verwandte Sprache und ein Herz Von deutscher Art, doch wär' ich reif genug.

So wacker, wie sich's ziemt, vor euch zu reden.

Erkennen würdet ihr, daß dieses Herz Ein Recht hat, euch um Hülfe anzuflehn. S ch a r n a ch t h a l.

Ihr seid im Unglück, Herr, das ist genug Willkommen euch zu heißen.

Alle. Ja, willkommen!

Rene. Ach hätt' ich früher mich mit euch verbunden! Der junge Falk mißkannte sich, und hing

45 Sein Nest an Frankreichs trügerischen Ast; Doch ans den Felsen eurer Biederkeit

Gehört cs hin, und lüg' cs dort geborgen, Ich wär' so arm nicht, brauchte nicht, ein Fürst, Umhcrzuirren ohne eignen Hecrd,

Und Lagerstätte, deren unter euch

Der Dürftigste sogar sich rühmen darf.

Mehrere. Ja, er hat recht, sein Loos ist zu beklagen.

Waldmann. Wenn Gott will, daß wir heute unsern Feind,

Der auch der eure ist, zu Schanden machen:

Vielleicht, daß dann des Glückes Rad sich wendet

Zu euren Gunsten. Trompeten.

Mehrere. Was sind das für Zeichen? Wilhelm von Ysselstein komme.

Mich sendet, Eidgenossen, Herzog Karl, Mit Friedensbotschaft.

Wenn ihr nun erwägt.

Wie er von euch beleidigt; wenn sein Heer,

Sein Lager, das des Arnou Silberwcllen Nur athmcnlos durchlaufen, ihr gesehn;

Und wenn ihr wißt, wie der Umgebung Ehrgeiz Und seine eigne Lust an Kampf und Sieg

Ihn emsig spornen: müßt ihrs anerkennen.

46 Daß, Sühne zeigend, seiner Uebermacht

Er sich bcgiebt. Hans i. d. H.

Wir wissen nichts von allem, Als daß der Herzog denkt, mit seinen Welschen Bei unsrer Armuth sich zu Gast zu laden.

Tanner.

Er hat wohl cifersücht'gc Bundsgenosscn,

Daß er so plötzlich sich zum Frieden neigt. Ysselstein.

Nein, alle Edlen seines Heers beseelt Sein Wille nur, und doch hat er den Einz'gen, Der seiner Neigung widerrieth, vor Allen Mich, erwählt, mit euch zu unterhandeln.

S ch a r n a ch t h a l. Ein edler Fürst, wir wissen es gar wohl.

Ist euer Herr.

Waldmann. Doch sagt uns kurz und gut

Den Inhalt eurer Sendung. V s s e l st e i n.

Sprecht, wo ist Der Bnbcnberg? ihn seh ich nicht. S ch a r n a ch t h a l.

Wir haben Bis größre Noth jedweden Schweizerarm Uns wichtig macht, des Dienstes ihn entbunden.

47 V sse l stc i n. Das lahmt mir fast die Zunge. — Eidgenossen, Mein Fürst begehrt von euch, um hcimzuführen

Von euren Grenzen die kostbare Rüstung,

Zn der ihn eure Foderung vermocht. Daß ihr ein ewges Bündniß mit ihm schließt —

Doch nur mit ihm allein.

Wenn eine Schaar

Von Schweizern sein sicgknnd'ges Heer verstärkt. Und feste Schlösser — fünfe oder viere —

Das Land ihm gönnt, um unter einem Volk, Das hoch er ehrt, zu wohnen, wann'S ihm gntdünkt: So bietet er als treuster Freund Euch Schutz

Für euren Frcihcitsbund, und keine Macht — Sci's Frankreich, Oestreich, sei's die ganze Welt —

Soll je euch fährden. Tan ner.

2a, das hoffen wir;

Durch Gott und eigner Kraft Zusammenhalt. Mehrere.

Kein Zwingherr soll in unsern Bergen wohnen.

R edi n g. Und unsre Freundschaft sollten wir nicht mehr Nach eigner Lieb' und Wahl verschenken dürfen? Viele Stimmen rnecheinander.

Ihm Mannschaft stellen? — Das wär ja Tribut! —

Y sselstein. Helvetier, nicht der heißen Regung folgt —

0 wärt ihr jetzt wie eure Gletscher kalt,

48 Ergreifen würdet ihr des Herzogs Hand,

Die über dem Geschütz zum Lärmschutz.schwebt.

Wenn ihr's versäumt, wenn's blitzt, so ist's zu spät, Die ch'rnc Zung' zu fesseln, deren Donner Das Echo weithin trägt, und beide Heere

Urplötzlich wach ruft, die zween Ringern, gleich Zum Kampf auf Tod und Leben sich umstricken.

O sprecht ein ruh'ges Wort, daß nicht ein Strom

Von Mcnschenblut die schöne Freiheit euch. Die ihr bewahren könnt, spurlos verschlinge. Hans i. d. H.

Ich glaube, «eich will uns der Graukopf machen.

Tanner.

Wir sind zur Brüderschaft mit großen Herrn Nicht vornehm g'nug. Mehrere.

Auf, laßt die Waffen sprechen.

Scharnachthal. Sagt eurem Herrn: als seiner Vögte Hohn

Und häufige Gewaltthat gegen uns, Beschwerden weckten, die sein Ohr erreichten,

Sei's Zeit gewesen. Lieb' »ins zu erweisen.

Doch weil er säumig war in jener Zeit, Ist das Vertrau»» vernichtet auch für immer.

Drin»

49 Drum mag er nun, was er von uns begehrt, Im offnen Kampf zu holen sich bereiten.

Psselstein.

Ich seh, es ist umsonst, und Karl wird zürnen,

Daß ihm mein Herz den Auftrag abgewann. O, zwei lebend'ge Geister rüsten sich

Zur heißen Arbeit, und nur Gram und Thränen Entspringen auß dem traur'gen Tagewerk.

ad. Tanner.

Schnell ruft zur Schlacht, daß das gestärkte Heer

Ihm auf den Fersen folge. Waldmann.

Unser Plan Ist schon gemacht; ein Jeder kämpft im Viereck

Bei seinem Banner; der von Freiburg wallt Und der von Zug voran, ans Schloß zu rennen,

Die andern folgen dann mit sicherm Schritt. Scharnachthal. Wohl auf, mit Gott! Nicht will ich euch ermahnen,

Der Väter werth zu sein: der Tapfre braucht

Der Worte nicht; wer feig ist, würd' es bleiben, Wär' auch der Rede Kraft dem Rheinfall gleich. Doch das bedenkt noch, daß ihr hier nicht steht

Bloß für die Schweiz; nein, daß ihr Manern seid

Der festen Burg, die deutsche Art und Weise Für ew'ge Zeit gebaut.

Bei Granson, wißt,

4



50



Steht heut auf ihrem Flug, dem eilenden, Die Weltgeschichte still, voll Sorg', gespannt. Ob sie verkünden muß, daß diese Burg Geworden sei die Wohnung welscher Sitte. 0, legt ihr andre Zeitung in den Mundl Ha, da so Großes und so Freudiges In eurer Rechten liegt, so fühle sich Ein König jeder in der Rettungsschlacht. Alle. Fort, fort, wir stehn für uns und deutsche Sache! Alle ab.

Schlachtmullk.

51

Zweiter Akt.

Erste Scene. Vesoul.

Zimmer im

Schlosse.

Balduin finge.

Des Waldes Sänger, dem der Gott der Güte Der Töne Zauber in die Kehle legte. Begrüßte, wenn der junge Tag sich regte. Ihn fröhlich, bis in Westen er verglühte.

Da hört er fernher leise Melodien, lind glüh'ndcr dringt das Lied ihm aus der Kehle, Ein süßes Weh faßt plötzlich seine Seele, Ihn drängts, hin zu dem fernen Sang zu ziehen. 4 *

52 Doch wie er sucht, die leisen Klang' entweichen Stets mehr und mehr ins Dunkel der Gebüsche, I» Klagen wandelt er des Sanges Frische,

Und kann das Ferne dennoch nicht erreichen. Es will nicht klingen, und gerade heut —

Jst's wahr, daß Schwcrmukh bis zum tiefsten Grund

Des Melodicnmecr'S hinunterzicht — Müßt' ich der Perlen allerbeste finden.

Ich glaube fast, daß dieser Schwcizerzng,

So wie er meine Phantasie gewonnen. Auch meine Brust erfüllt und sie beengt.

Wie? sollte Karl nicht bloß, wie ich geglaubt.

Dort eine Lehr' bekommen? Ha, mir deucht. Als hört' ich dumpfes Rollen aus der Fern',

Wie wenn das Hochgcbirg, das wankend dröhnt,

Und donnert und sich wehrt, dies mächt'gc Beben Gleich unsichtbaren Strömen in Burgunds

Nachbarliche Gefilde nicdcrschickt — Ein ungeheures Etwas wogt heran

Mit unterirdischem Getös', allein

Wenn's sich bis unter unsern Hcerd gewühlt. Durchbricht es plötzlich die bewohnte Decke Mit dem gcwaltgcn Rücken, und es stürzt

So Schuld wie Unschuld in den Schlund hinab. Herzogin Margarethe e»mmr.

Ist noch kein neuer Bote hier vom Heer?

53 Balduin. Bist du cs, meine Göttin? Dein Erscheinen

Entreißt der Grübelei mich; habe Dank.

Herzogin. Hör Balduin, erdenke mir doch was. Womit wir des Gemahles Ankunft feiern.

Versprach er nicht, nach seiner ersten Schlacht Mich hier zu finden? laß drum schöne Kunst Und reiche Pracht recht sinnig sich umschlingen.

Daß sie dem Sieger Ehrenpforten baun. Du weißt, so was erfreut ihn; wenn sein Arm

Erfolge aus des Kriegs blutreicher Taufe Herausgehoben, will er hinterher,

Daß Festlichkeit mit tausend hellen Zungen Die Thaten nenne.

Baldu in. Willst du ihn erfreun, Nun so empfang' ihn nur als Margarethe,

Mit jenem Antlitz, daß dem Unmuth selbst Ja lächle hold,

Die Runzeln glätten kann.

Und streichle ihm die dunkeln Brau'n, und laß

Sein Aug' in deinem jenem Blick begegnen.

Der unaussprechlich ist: Das Haupt geneigt,

Die Wimper aufwärts — so — sieh mich einmal an, Und deine Seele nun, die Sonne ist

An dem Azur der Augen — Herzogin.

Träumer du.

54 Das klingt ja wie ein schlechter Sontagsvers Auf eine Sängerin, die Montags drauf

Die Augen braucht, um Ohren zu bestechen. Soll ich dich loben, zieh an deinem Witz

Die Sehne wieder straff, daß seine Pfeile, Wie ehmals, meinen Beifall besser treffen Bist du derselbe noch, mein wackrer Dichter?

Balduin. Ja, bin ich das? ha, so vertausch' ich nicht

Um alle Titel dieser Welt den einen! Ein Dichter bin ich? und nicht bloß die Menge,

Bloß meine Freunde, nein, die Weisheit selbst Hat einen wacker» Dichter mich genannt ? Ja, das entzündet meine Laune schnell,

Und ihre Funken sollen, gieb nun Acht,

Die Glutrubinen deiner Lippen wieder Zum Blitz des Lächelns zwingen.

Wisse jetzt,

Du trägst die Züge, die dem Bilderhändler

Apoll ich abgebettelt, Schwärmer nennen's

Ihr Ideal. Herzogin.

Nun wohl, wenn ich es bin. So glühe auch dafür, daß nur sein Wille Der deine ist: ersinne würd'ge Feier. Balduin.

Nein, jetzt muß ich durch meine Weigerung Dich noch bcleid'gen, daß als wahrer Sänger

Ich für das brenne, was im Ernst mir zürnt.

55 Beim Muscngott! ich bin dir noch zu lieb; Ein bischen Haß, und ich — wärs möglich — würde

Dich mehr verehren, ja ich möchte selbst Für diesen Preis ein schlechter Sänger sein.

Herzogin.

Die Laune halte fest, sie macht mir Spaß, Und lehrt mich obendrein, dir gut zu werden. Auf daß du weniger mich liebst. Balduin.

Nein, nein. Das wär' gefährlich; sieh, dann würd' ich nur

Zuerst voll blasser Achtung für dich sein,

Dann voll plattirtcr Freundschaft, und zuletzt Dich lieben, wie ein jeder Andre liebt. Zumal du Fürstin bist, werth einer Krone.

Ja, eine Fürstin könnt' sogar ich frei'n. Die nehme sicher mich nicht bloß, um unter

Die Haub' zu kommen.

Herzogin. Schweig, du kecker Bursch, Sonst widerruf' ich, was ich dir gesagt. Tumult hinter der Scene.

Was giebts? — Burgund'sche Farben! —. Auf dem Hof Ist ein Gedräng' von Reutern aus dem Heer.

Er naht, er naht, und noch nichts Festliches — 0 schnell, mein Balduin, ersinne was.

56 Doch schnell, denn wie der Donner folgt dem Blitz — Ich kenn' ihn — fliegt er seinen Boten nach.

Balduin. Laßt diese Boten mich zu Rathe ziehn.

Herzogin. Naht keiner denn, der mir Ersehntes bringt? An ton tritt auf.

Ha, Anton, lieber Vetter, dein Gesicht Soll mir der Demant fein, den eine Braut

Am Finger tragt, des schönsten Tag's zu denken. Was bringst du mir vom Herzog? sprich: Er kommt.

A n t o n. Ich denke bald, denn Sorg' und Rache führen Gar scharfe Sporrn; doch ließ er in der Schweiz

Den Sieg zurück.

Herzogin.' Verwünscht sei deine Eil', Macht sie so athemlos dich, daß die Zunge

Verkehrt berichtet. A n t o n. Ach, cs ist gewiß. Geschlagen ist Burgund!

Herzogin. Hilf Gott! Balduin zugleich.

Nicht wahr?

A n t o n. Bei Granson ward mit Blut von unsrer Schmach

57 Ein Buch geschrieben, und des Heeres Trümmer

Auf allen Straßen kündigen es an. Herzogin. 0 wär' bei der Geburt mir das Organ

Des Hörens doch versagt! Und hatt' mich gleich Der Melodien Zauber nie berauscht.

Ja hatt' ich selbst das Lallen meines Kindes Vernommen nie: dann flucht' ich jetzo nicht Dem offnen Ohr, das deine Post gehört.

Doch ach, was hüls' cs mir, schon dein Gesicht Würd' ja das Unglück deutlich mir verrathen;

O, ich will blind — will taub sein, Alles, Alles, Um nicht zu wissen, daß mein Karl besiegt,

gebt ab. Bald« in.

Herzogin — fasse dich! Herbei, herbei,

Helft eurer Fürstin. Frauen eilen über die Vühne.

An to n. Muß ich es erleben! Selbst meine Kürassier', so fest geschlossen Trotz Gräben und Verhau! Die Stachelwand

Von Hellebarden wich dem Ungestüm,

Wir waren drin im Haufen, und, o Bruder, Wirst du cs glauben, jetzt, jetzt — während sonst Bei solchem Anfall alles war gewonnen,

Sobald wir erst ins Viereck eingedrungen — Mit diesem Fußvolk ging der Kampf erst an.

58 Balduin für «».

Nun, warum kann ich mich denn jetzt nicht freun?

A n t o n.

Die Kürassiere staunten, doch sie fochten. Da sahn wir unsern linken Flügel fliehn.

Es waren die Dragoner des Romont. Balduin.

Das folgt nun, weil er den Parademarsch Zu oft geübt.

An ton. Weiß Gott, ich hielt es redlich

Mit dem Angriff, doch ich mußte mit, Als seine Reuter floh».

Herzogin lutficftommen». Ist Karl geschlagen, Der Unbesiegte, so sinkt auch der Stern,

Der unveränderlich im Norden steht.

So lügt das Meer, das tobend oft geprahlt,

Nichts könne es erschöpfen, und der Fels, Der Hohn gesprochen jeder Zeit. — Weh mir.

Daß ich die Stirn, die ich mit Lorbeer nur Seither geschmückt sah, jetzt zierlos muß sehen!

Wirst, theures Bild, du auch dasselbe sein

Ohn' diesen Rahmen? noch die offnen Züge, Der heitre Blick?

A n t o n. Kaum wirst du ihn erkennen.

So gänzlich hat das Unglück ihn entstellt.

59 Herzogin. Wo nehm' ich Fassung her, daß sein Gemüth

Nicht trüber wird bei meinem offnen Schmerz. O Himmel, wär ich jetzt wie jener Schwimmer,

Der zaghaft stand am Rand der kalten Flut, Dis er, ein Herz sich fassend, niedcrtaucht.

Und heimisch ist im nassen Element — Wie beb' ich vor dem ersten Wiedersehn. An ton. Ich bin vorausgeeilt dir anzusagen. — Herzogin.

Geschäfte fesselt ihn, Ermüdung hemme Zu große Eil', daß sich sein Aug' gewöhnt hat,

An dieses Unglück, wenn er mir erscheint. 0 süßer Schlaf, des Kummers höchste Labe, Erschein' ihm, träufle deinen Segen

Ihm auf die Wimper, daß er spät erwache.

Anton.

Du sollst gen Nancy, Herrin, will der Fürst —

Herzogin. Ich höre Tritte — still, ja, ja, er ist's! Nomon« »ritt auf.

Seid Jhr's, Romontl sagt schnell, wo ist mein Herr?

Romont.

Ich glaubt' ihn hier, denn als ich von ihm schied.

In Hochburgund zu werben, nannt' er mir, Bericht ihm abzustatten, dieses Schloß.

60 Anton. Der nächste Augenblick bringt ihn vielleicht.

Nach Nancy soll ich dich geleiten, Fürstin, Schnell rüste dich, damit sein Unmnth nicht

Durch Unterlassung neue Nahrung finde.

Herzogin. Wie? ist Gefahr so nah? dann will ich bleiben.

Damit er sehe, wie ein fester Wille Das Aergste auch besiegt. Anton.

Es will der Fürst

Nur deinem Gruß begegnen, wenn er erst Die Schmach der Niederlage ausgetilgt. Balduin.

Es ist zu spat, ich höre schon den Fürsten.

Zweite Scene. Vorige.

Herzog Karl.

Wilhe lm v on Ysselstein.

Sommerset.

Gefolge.

Herzog.

Bestraft die Thürmcr, und nach aller Streng';

Wer lehrt' sie, in Bestürzung sich ersaufen. Daß sic die Pflicht versäuincn, wenn ich komm'.

Bi» ich ein Marder, der verstolcn schleicht?

61 Trompeten will ich.

Sorgt, daß jeder Trage,

Zu künft'gcr Warnung, seine Strafe finde. Ein Rittet ab. Balduin

>ur Herrogin.

Bemüh dich, seinen Blick noch zu vermeiden.

Herzog.

Versteck' in schwarze Ungewitter dich Du heller Tag, und brüll' mit Donnerstimme,

Daß die Natur, die langst gezähmte, sich Empöre gegen ihren mächt'gcn Herrn,

Und schreiend des Gesetzes Band' zerreiße.

0 Himmel, Erde und ihr Elemente Erwacht aus der Erstarrung — Ha, ich glaub's,

Es hat der Schlag euch überrascht

wie mich

Und alle Völker; doch jetzt wüthet laut, Und zeigt der Zeit durch Schrecken, daß der Strom Der ew'gcn Weltcnordnung rückwärts woge. Campobasso

komme.

Noch immer fehlt vom Prinzen von Tarent Und seiner Reuterschaar uns jede Nachricht.

Herzog.

Du Sonne, die den Unglückstag beschienen, Hier schau mir jetzt in die zcrriß'ne Brust,

Und Fluch dir, wenn du dann es noch vermagst.

Je wieder einem andern Tag zu leuchten; Und Fluch dir, Erde, wenn du nicht die Stellen,

Die jetzt mein flüchtger Fuß berührt, brandmarkest

Mit ewiger Derdorrtheit —

62 Herzogin. Mein Gemahl! Herzog.

Ha flüchtig, flüchtig! kann ichs nicht vergessen! — Ist schon Bescheid hier, ob durch alle Lande

Die Ordre umlief, die von jedem Haus' Den sechsten Mann begehrt? nicht wahr, der sechste?

Mich ärgerl's, daß ich so genügsam war In dem Befehl; es müßte jeder Vater

Von zweien Söhnen mir den einen stellen. Daß wie die Pest, die hungrige, Soldaten

Dies Land der Bauern überzieh'n — o wartet

Ihr Fliegen, die ihr meinen Ruhm beschmitzt,

Ich will euch klatschen.

Wuth erstick' mich nicht.

Daß ich mich rächen kann. — Aus mancher Stadt

Ist, hoff' ich, schon die Mannschaft cingetroffen? Campobasso. Hätt' auch Gehorsam der Begierde Eil',

Doch könnte vom Ersatz des Heer's noch nichts

Im Marsch begriffen sein.

Allein cs sammeln

Die Flücht'gcn sich allmälig, und weit mehr. Als wir »erhofften, hat das Schwerdt verschont. Herzog.

Schweig, das ist Mißton meinem Ohr; ich wollte, Sie fänden sich nur wieder in dem Magen

Der Geier vom Gcbirg', so hätt' der Tod

Doch wider mich geholfen.

Aber pfui!

Dies Schaumbild, das aus eines alten Weibs

63 Verwelktem Hirn der Teufel distillirte, Um Spaß zu haben, dies Gespenst von Furcht, DaS Wechselbälge heckt in feigen Herzen, Die immer schrein, und immer wieder schrei» „Laust, Alles ist verloren" — o es ist

Zum Rasendwerden! — Jedes tücht'ge Pferd — Fast hätte ich es vergessen, — soll sogleich Mir abgeliefert werden; der Befehl Ergeh' durchs Land (Einige auS lern Gefolge ab.

Will meiner Reuterei Fortan die Zügel nehmen; besser wär's, Die linke Faust dem Reuter abzuhau'n. Denn Pferde grübeln nicht. Schafft zu Soldaten Maschiencn, jede Regung ausgepumpt,

Nur vorwärts stürmen im sechsachtel Takt, Die erzbcwehrtcn Arme nur bewegt, Und dieser Puppen Federkraft mein Muth — Wer schafft mir solchen Künstler, ich verspreche Die halbe Schweiz ihm. — Sind aus allen Kirchen Die Glocken in die Gießerei beordert? Schafft Munition an, aller Art, so reichlich. Daß, was ich sonst auch an Geschütz besessen, Es kaum der Rede werth sei, im Vergleich. Ca m pobass o. Es fehlt an Geld, denn alle Schätze auch Verlorst du, Herr, bei Granson.

64 Herzog.

Nenne mir Den bittern Namen nicht, bei meinem Zorn!

Ich haß ihn wie das rcingewöhnte Aug'

Den garst'gen Flecken haßt.

All' meine Schätze

Verloren? das ist Kleines; auf der Erde

Giebt's solcher Armuth viel, doch keinen Karl Der unbezwungcn ist.

0, einen Schatz

Verloren wir, weit köstlicher als Alles.

Herzogin. Mein Herr und mein Gemahl —

Herzog.

Herzogin, wie?

Ihr seit nicht auf dem Weg nach Nancy?

Anton —

Wo ist er? — hab ich das befohlen?

Herzogin.

Karl — Verzeihung mir, nur ich bin Schuld allein.

Herzog. Hernach, hernach. — Der zehnte Pfennig soll

Don jeglichem Besltzthum an den Schatz

Gesteuert werden:

ungestüme Rüstung,

Ich seh cs ein, muß goldne Flügel haben.

Y sselstein. Mein theurer Fürst die Völker fühlen sehr Der Neuerungen ungewohnte Last. Schon murren sie, auf jeder Lippe wohnt —

Dir's zu verschweigen wäre gegen Pflicht —

65 Die stille Frage, ob so große Lasten

Ja ihren Briefen stehn.

Romont. Was ich dir, Herr,

Verhehlen möchte, muß ich jetzt berichten:

In Hochburgund beschwerten sich die Stände Bei meinem Antrag.

Dsselstein.

Ja, Lothringens Städte

Verweigern gradezu, was du verlangst. Herzog.

Das fehlte noch! Es hat der Vater wohl

Die Kinderchen verwöhnt, daß ungezogen Sic sich verstecken, jetzt, da er sie ruft?

Die Strenge liegt so nah mir als die Milde, Wenn meiner Stimmung sie zu niedrig stehn. So schraub' ich sie herauf. — Romont,

Die Flücht'gcn sammle mir, und stelle jeden

Schnell unter seine Fahnen.

Hör', den Kriegern,

Die kühn mir in so manche Schlacht gefolgt, Sprich Muth zn: nur ein neidisches Geschick

Sei unser Feind gewesen. — Hör', sag' ihnen.

Daß ich voll Hoffnung sei und guten Muths; Ich wäre ruhig, hörst du, wünsche nur, Recht bald zur Schlacht, zur Rache sie zu führen. Romont ab.

Was ich befohlen, Wilhelm, Campobasso,

Der zehnte Pfennig — macht es schnell bekannt 5

66 In meinen Staaten, und die Anstalt trefft,

Daß er gehoben werde.

gu Wilhelm

Alter Graubart,

Warum so traurig? weißt du es denn nicht.

Daß ich ost Launen hab', und solche Mienen Nicht leiden kann. Vssclstein.

O, laß mich traurig sein. — Herzog.

Nein, sprich mir nicht; ich weiß, daß deine Zunge Mein Ohr bcthört mit den gewohnten Lauten,

Und daß sie den Entschluß mir oft halbirt.

Doch Fluch von nun an jeder Halbheit! Geh, Besorg was ich geboten.

Meine Völker,

Sie thun es gern, sag' nur, daß ichs verlangte.

O hörten alle meine Stimme nur. Die Rede eine- Fürsten', ihres Herrn: Sie setzten gern, ich weiß cs, Gut und Blut

Auf meinen Stern. — Noch eins, ich fürchte fast,

Daß alle Kirchcnglocken zum Geschütz Ausreichen nicht; dann soll ein jeder Wirth Aus seinem Hausgeräth Metall mir zollen. Yffelltein, Campobasso ah.

Entfernt euch Alle, jeder einen Zweig

Der viclgestalt'gen Rüstung zu ergreifen. Seid klug und feurig, euer Handeln sei

67 Des Sturmwinds Zwillingsbrudcr; wer von euch

Den andern überfliegt, sei mir der liebste. Sommerset und daS Gefolge ab.

Herzog sich in einen Sessel werfend.

Fast bin ich matt; fünf Tag' und lange Nächte Nicht Ruh noch Rast! 0 diese Paar Minuten, Die das Geschäft mit seinen Runzeln mir

Verjagten, würden ausgewogen nicht Durch Asiens Schätze, fänden sie mich jetzt Dem Landmann gleich, der Abends aus dem Feld

Der sauren Erndte kommt, und gute Nacht Zu seinen Lieben sagt. Herzogin über ihm ljinneüeugt.

Mein theurer Herr, -

Sag gute Nacht zu mir, ans daß ich sage:

Schlaf süß.

Und wär dann dieser Wunsch für dich

Wie für die heiße Flnr ein frischer Regen,

Der niedcrfällt um Wachsthum zu verbreiten. Du darfst jetzt schlafen; größres Tagewerk

Vollbrachte noch kein Mann, da dein Erscheinen Mich ja so reich gemacht. Herzog. Du irrst, du irrst.

Daß ich's gestehen muß, nichts bracht' ich mit Von dem, was ich versprochen.

O mein Glück

War eine Metze von so seltner Art,

Daß es mit Bauern diesen einen Tag Viel lieber buhlte als mit einem Fürsten.

5 *

68 Doch sei getrost, ich löse dir mein Wort; Bei meiner Kraft! du sollst als Königin,. Auf ihren Gotthard stehend, einst mich flehn.

Daß meine Huld die Brandstatt dir zu Füßen Auf's neue segne.

)a, es sollen Sklaven

Aus diesen trotz'gcn Bergbewohnern dir

Die Nachricht bringen, daß von unserm Erdthcii Den Türken ich verjagt, und Gold und Perlen Und köstliche Demanten sollen sie

Zu deinen Füßen legen.

Herzogin. Still, o still!

Nicht halb so lieb sind all' die Steine mir

Als ein Paar Körner Schlafs für deine Augen. Du bist so bleich, dein Aug' ist matt und leuchtet

Nicht mehr so fürstlich.

Herzog.

Wirklich? glaub' cs dir. Sieh mit die Jungfrau, die ihr Köstlichstes

So lang bewahrte, und ein Räuber kommt. Und raubt cs ihr, ob nicht die Wange hohl

Das Auge trüb von salz'gen Thränen wird. Nicht daß ich eine Schlacht verlor, auch nicht Daß ein Paar Tage später meine Pläne

Zur Reife kommen, hat des Frohsinns Farben

Mir vom Gesicht gewischt; nein jener Stolz, Der süße, daß ich unbesiegbar, ist

So jäh vernichtet.

Ach, das schmerzt, das schmerzt!

69 Die hcil'ge Reinheit! ist sie doch verwandt Der cw'gen Sonne, und es wirkt ihr Glanz

So mächtig auf das Ange aller Zeiten, Daß sie vor ihr sich wie vor Majestät

Anbetend nicdcrwcrfen. — Margarethe, Nein, gkanb' cs nicht, daß ich's durch Läßigkeit, Durch Unbesonnenheit verdient.

Komm, Anton,

Erzähl' es ihr, wie ich die Schlacht regiert. A n t o n. Mein Herzog, niemals sah ich dich so klug

Das Lager wählen.

Als du vorwärts gingst,

Vaumarkus zu beschirmen, stelltest du

Dein Heer mit solcher Weisheit auf zur Schlacht,

Und stritt'st dann im Gewühl, daß Hgnnibal, Ja selbst dein Alexander schwanken müßte,

Ob du mehr Feldherr, ob mehr Krieger seist. Herzogin.

Ja, ja, der Zufall nur, der wie ein Jrwisch Umher springt, neckend jegliches Verdienst

Und jeden Muth, hat dir den Sieg entrissen. Balduin.

Gewiß, der Krieg selbst, trat er vor dich hin. Obgleich du seine jüngste Tochter nicht

Gewonnen hast, doch müßt' er dir betheuern. Daß du sein größter Meister sci'st.

Herzog. Bist du's,

Mein Balduin? Gieb mir die Hand, mein Sänger.

70 Ich weiß, gefällig fließt's von deinen Lippen,

Du hast mich oft erfreut.

Nur lieb' ich nicht,

Wenn beißendes Geschoß du, aus dem Köcher

Des leichtes Spottes, auf die Zunge legst. — Ich bin dir gut, und habe manchen Wunsch Dir gern gewährt.

Besinn' dich.

Wäre doch

So spitz wie deine Zunge dein Gedächtniß,

Daß es nicht Raum für Neuigkeiten hätte. Balduin.

Könnt' ich mit ihm aus dem fruchtbaren Schooß Der Weltgeschichte alles Herrliche,

Was dich nur je entzücken kann, erheben, Und es vernehmbar machen durch den Ton: Nichts sollte dann als diese Arzenei Mir von den Lippen fließen.

Herzogin.

Schlumm're nun. So lange will ich bitten, bis es dich

Ermüdet und du einschläfst.

Herzog »alb schlummernd. Will's versuchen — Nur einige Minuten, dann auf's Pferd. Anto n.

Nun endlich, scheint es, wird nach langer Zeit Der Schlummer seines Bluts empörte Wellen Besänftigend beschissen.

71 Herzog wie Oben.

Floh zuerst Der linke Flügel nicht? mich dünkt es, Anton. Anton. Ja Fürst, des Bodens Schwierigkeit War dort am größten. Herzog. Wohl, ja, ja. Herzogin.

O Traum, Entroll ihm seiner Kindheit Paradies, Du Friedensbote, in der Phantasie, Und wie ein Cherub stelle dich davor. Des Kampfes grausige Bilder abzuhalten. Balduin tu Anton.

Erzähl', indeß er schläft, den Lauf der Schlacht; Ich fühle mich gestimmt es jetzt zu hören. Herzog wie oben. Ich hab's doch schon befohlen, daß die Schaar Der Büchsenträger dreifach sich vermehre?

Anton. Es ist im Werk.

Bald u in. Laß uns bei Seite treten. An ton. Wir waren gen Vaumarkus aufgebrochen. Als unser Vortrab plötzlich mit Geschrei

72

UnS von dem Höhcnzng entgegen floh. Der unweit Lance die beiden Heere schied. Schnell winkte Karl, die Ordnung stand, ein Garten, Dem Schlachtengott zur Freude, der verjüngt In Mitten kunstreich abgcstcckter Beete

Zu spielen schien.

Kaum waren wir gestellt,

So schob der Feind sich langsam auf die Höhe; Ein langes Viereck faßte die Gestalt Des kampfgerechten Marsches wie ein Rahmen,

Der Zuversicht und selbstbewußte Kraft,

So deutlich in sich schloß, wie hingemalt In Farben für das Aug. — Die Schlacht begann,

Dem Wetter gleich,

vor dem die Erde bebt,

Das Felsenhöxner packt und mit Gekrach Hinunterwirft, daß sie auf ihrer Bahn

Zum Thale alles mit sich Niederreißen —

So furchtbar stürzte unser rechter Flügel Auf seinen Gegner.

Und vor dein Erlös'

Des Kampfs entfloh» des nahen Sees Wellen,

So schicn's, erschreckt vom hohen Uferrand. Hier würgten Schwerdter, dort erprobte man

Der Piken Schärfe, von der Axt gefällt

Fiel manches edlen Hauses letzter Stamm,

Und ans der Fern' warf spielend das Geschütz Dem Bravsten wie dem Feigsten für den Tod

Die schwarze Kugel zu,

Hier wich der Feind,

Dort wir, daun abgcwcchsclt, Halt gemacht,

Auf«. neue angegriffen — und vorauf

73 Vor allen Karl, den Banner von Burgund In seiner Hand, ermunternd, kämpfend.

Herzog träumen». Heiß — Der Tag ist lang — dort in die Flanken.

A n t o n. Da links bei Bon-Villars, du kennst die Gegend,

Brach unsre Rcuterci, den Augenblick Bei'm Flügel fassend, auf den nahen Feind.

Nicht war's ein Häufchen und dann wieder eins,

Nach Art unsicherer Geschwaderführer, Die an des Gegners Stellung bleich sich rechnen; Nein, siebentausend Pferde — hör' es Bruder —

An siebentausend, und in einem Keil! — Fanfaro ward geblasen: ungestüm

Entrasselte die Schaar.

Den Vordersten,

Voll Hast, gedrängt von hinten, war das Zepter

Entrissen, das der Rosse Lauf regiert; Und der gewalt'ge Troß schlug mit den Hufen

So donnernd das Gestein, daß vom Gebirg Lawinen stürzten.

Ha, es hätte jetzt

Kein Ruf, kein Halt gegolten, kein Signal

Der brüllenden Kanonen, vorwärts gings. Und hätte jedes Herz in diesem Knaul

Auch nicht hochklopsend an den Feind gedrängt — Nur keine Schlucht, o Himmel, keine Tiefen — Doch wehe mir, daß ich's erzählen muß!

Auf einen Hohlweg stürzte diese Schaar

74 Berauschter: jäh hinein, was vorne war — Die nächsten dann — »nd die, bis dann ein Pflaster

Gcdämmet war von Waffen, Pferd' und Menschen,

DaS uns hinübertrug — Romonts Dragoner Und meine Kürassiere — an den Feind, Mit Ungestüm, weiß Gott! «rotz jener Schlucht Mit altem Ungestüm. Herzog wie oben.

Noch mehr Geschütz! Anion.

Allein der Schweizer Viereck glich dem Schild, Mit dem der Bergmann im unsicher» Schacbt

Dem Einbruch wehrt, «nd den er vorwärts schiebt Im Sauf der Arbeit.

Ach, daß sie das Erz

Auf unsrer Brust trotz Widerstand gewannen! Wir hatten alle Treffen im Gefecht,

Da hörten wir Geschrei vom Jura her, Wir sahn hinauf — Herz og wie oben.

Wer sind die Männer dort?

A n t o n. So grade rief Burgund an diesem Tag, Als links auf allen Höhn er neue Schaarcn In unsrer Flanke sah: es waren Schweizer.

Herzogin.

0 höre auf; cs wiederholt sich ja.

Wie fern du ihm auch stehst, dein Schlachtbericht In seinem wilden Schlaf.

75 Herzog

aufspringend.

Will keiner stehn! — Wo ist, ich sah ihn nicht, Prinz von Tarent?

anton ab.

Fort, nist ihn mir.

Als ich vom Schlachtfeld wich,

War er noch bei mir — ja; hab ich seit dem

Doch vor Geschäften seiner nicht gedacht. Sehr Vieles hoff' ich, ist seit ich entschlafen, Gefördert.

Wo ist mein Gefolg? Herbei,

Ich will Soldaten sehn, will prüfen, Ob man beim Rachewerk so eilig war

Als aus der Flucht.

An ton, Romont, Campobasso, Sommerset, Wilhelm von Psselstein und Ritter treten wieder auf. A n t o n.

Der Prinz, erfahr' ich eben,

Hat sich von Joigne gleich mit seinen Reutern Nach Haus begeben. Herzog.

Dacht ich's doch! er träumte Mein Glück sich auch als ewig blüh'nde Braut,

Und warb um sie, doch da ihr leichte Krankheit Den Jugendschmelz verwischt hat, sieht er Runzeln,

Und laßt sie sitzen.

Mög' der Schwachkopf nur

So lange leben bis der reichste Thron Die Mitgift ziert.

Das macht das Unglück hart.

Daß es uns widerfährt auf diesem Rund Boll bleicher Rechenmeister, die den Werth

76 Abzählen an den Fingern ihrer Hant. 0 eine Welt, schafft, wo das glüh'nde Herz

Doll Drang verstanden wird, und lag ich nieder

Um nimmer zu erstehn, ich wollte jauchzen,

Denn unter Geistern würd' ich schon bewundert Um meines Geistes willen. — Laßt nicht auch Der feige Ludwig jetzt die Maske fallen? Campobasso.

Noch hat uns kein Gerücht davon belehrt. Herzog.

Ha, und der Kaiser — sind schon Boten hier.

Die mir aus Deutschland Neuigkeiten bringen? An ton.

Nein, Herzog,

Diese hohle Nuß von einem Prinzen, Ein Kolibri, der unter das Gefieder

Des Adlers sich verstecken wollte! — Auf! Zu Roß, zu Roß, und schnell nach Bcsanyon,

Dann nach Lausanne.

Gebt mir meinen Helm — er wird ihm gereicht

Du schöner Schmuck, jetzt bist du lieber mir Als eine Krone.

Traun, ich habe Lust,

Dich auf den Gotthardbcrg für alle Zweifler, Wie Geßlers Hut zu pflanzen.

Herzogin.

Mein Gemahl, Nicht wahr? ich geh dock) mit nach Besannen?

77

Herzog.

Mißtraust du etwa auch schon meiner Kraft,

Daß du dich fürchtest mich allein zu lassen?

Ist es so weit gekommen! Balduin, Die Fürstin geht nach Nancy. — Frankreich weiß, Daß ich noch furchtbar bin, und rührt sich nicht;

Allein neugierig bin ich, was der Kaiser Beschließen wird.

O ein'gc Wochen nur,

Und die Philister sollen scheu erbeben.

Wenn ich, ein Simson, diese feste Schweiz Wie eine Säul' umspannend, niederreiße Der Dinge alte Ordnung. —

Margarethe, Du weinst? Beim Himmel, weinen soll der Hof

Nicht seine Fürstin sehn; du gehst mit mir; Nicht wahr, dann bist du wieder froh?

Herzogin.

Mein Karl.

Herzog. Brecht auf! des glühndsten Dichters Hippogryphen,

Jetzt vor den Wagen der gemeff'nen Zeit,

Ein Phaeton als Lenker: dann vielleicht

Ereilte unsre Rüstung meine Wünsche. All« ab,

Balduin allein.

Beim ew'gen Gott! er ist zu rauh mit ihr. Mag sein, daß diese felsenfeste Schweiz

Ausrüttelt seiner Träume wilden Stroin

78 In tiefster Tiefe; aber schäumt er auch

Bis an die Wolken, sic muß höher stehn. Und dennoch sanft! sie, eines Königs Schwester!

Ha, einmal ist das dürft'ge Leben doch Der Phantasie, so scheint es, nachgehinkt, Und hat ihr schönstes Bild ihr abgelauscht!

Wenn ich nicht Dichter wär', ich könnte doch

Empfindsam werden, und aus Redlichkeit

Von der besesi'ncn Kron' die Blicke wenden. Doch nein ich bin's, sie hat es ja gesagt.

Und darum lieh sein Feuer mir Apoll, Daß ich nur meine Welt, gleich ihm, erhelle Darüberschwebend, frei von dem Gesetz

Gewöhnlicher Naturen.

Also kühn!

Weil mich's erfreut, die Herzogin zu sehn:

So will ich's auch, so lange noch mein 2lug' Ein Thor ist zu dem Tempel meines Geistes.

«&.

Dritte Scene. Schwelzcrgegend wie in der dritten Scene des ersten Akts.

Ueber die Berge tönen Gesang und Schal­

meien herüber.

Hadriaü von Bubcnbcrg.

Leer stehn die Hütten, denn was Kehlen hat Zum Divatrnf begleitet ins Gebirg

79





Die heimwärts zieh'nden Sieger, und die Höhn

Und Thäler klingen laut, als hätten sie

Millionen Zungen heut.

Wohin das Auge

Sich trunken wendet, sieht cs neues Leben Im Wald, auf Feld und Matten auferstehn,

Und den Gesängen lauschen; ja sogar

Die eisigen Kulm' enthüllen vor dem Jubel Der Nebelkappen sich, und dröhnen dumpf.

Der laute Sieg bei Granson hat den Frühling,

So scheint es, diesmal früher aus dem Süden Herbeigelockt, und beide lehren nun

Der treuen Schweiz dieselbe frohe Sprache,

Die nur am Tag von Sempach sie vernahm.

Ihr Sterne, die ihr mit wolthät'ger Hand In das Getriebe menschlicher Begierden

Hineingreift, bändigt jetzt das Herz Burgund's

Daß er die Grenzen seiner Macht erkenne, Und ruhig wohne neben deutschen Gau'n! —

Wer sprengt denn dort die Berner Straß' herab? Jetzt hält er am Gehäg' — er setzt hinüber —

Verliert den Helm — so wahr, es ist Rene. ab.

Der Gesang ist näher gekommen;BernerLandleute, Män­

ner und Weiber, festlich geputzt und grüne Zweige tragend

erscheinen auf den Höhen und steigen singend herab. ihnen H a 6 l i.

H a s l i.

Das waren nun die Letzten, die vom Schlachtfeld

Unter

80 Nach Hause ziehen, und ich freu mich drob. Denn heiser bin ich fast von Jubilircn.

Doch wißt ihr, daß wir diese Schaar am wcit'stcn Begleitet haben?

Erster Land mann. Dafür waren's auch Die lieben Zürchncr, die bei Granson treulich In unsrer Nahe fochten.

Mehrere.

Wackre Brüder! Andre.

Und so viel Mannschaft hat kein Ort gesendet. Zweiter Landmann.

Wo ist der Waldmann nur, an dessen Kopf

Bei Granson Karl den seinen sich zerstoßen?

Mehrere. Ja, ja, er war nicht bei den Haufen hier.

H a s l i. Ich kann's euch melden.

Er verblieb in Bern,

Um bei der Theilung der gemachten Beule Zürch zu vertreten und den alten Bund.

Denn diese Gemsen vom Gebirg verließen Gleichglütig alles Gold, um etwas früher

Auf ihren Felsenhöhn zu sein.

Zweiter Land mann. Was Gold!

Sie wurden dafür mn so früher auch Mit Dank und Jubel aller Ort empfangen. Erster

81 Erster Landmann. Ja, wären wir wie Krieger des Burgund,

Da möchte man Schaustücke für uns schlagen,

Doch freie Lenk' sind bess'rcr Münze werth: Des Beifalls unsrer Vater, die am Heerd

Zurück wir ließen.

Mehrere.

Unsrer Weiber Gruß. Einige Weiber.

Und eurer lieben Kinder Anblick auch. Hasli. Das ist recht gut, Landsleute, aber seht,

Ich war jenseits der Berge,

Gold bleibt doch Gold.

Da wird man, glaubt mir, an Erfahrung alt.

Drum denkt an mich: noch ein Paar hundert Jahre

Und unsre Schweiz läßt ihre Höhn und Thäler Für Gold nur sehn, als wären's Schildcrcien.

Landmann.

Erster

Wir wollen sorgen, daß die Herrn der Ebne

Nicht zu uns kommen. Gehn wir nun nach Haus' —

Beiseit' die Feierkleider! fröhlich dann Ans alte Tagwerk wieder.

Zweiter Land in an n.

Ja wer weiß. Wie bald wir wiederum im Felde stehn; Doch wird der alte Gott uns nicht verlassen.

6

82 Alle.

Wir trau'» auf ihn.

Herzog

Rene,

Er wird uns nicht verlassen. All« ad.

Hadrian von

Bubcnbcrg

treten auf. Bubcnbcrg.

Ihr seid der Erste, der mir von der Schlacht Ausführlichen Bescheid gewähren konnte. Nehmt meinen Dank dafür.

0 wüßtet ihr.

Wie mir vor eurer Schilderung von Karls

Geschicklichkeit und hoher Tapferkeit Das Herz im Busen klopft.

Erzählet weiter.

Und jeden Zug berührt, den ihr erkundet

Von meinem Jugendfreund; den ganzen Tag

Würd' ich von ihm zu hören nicht ermüden. Ren«.

Ja, ja, den blauen Helm mit goldnem Greif

Gewahrt ich allenthalben wo Gefahr Sich Kopf und Arm' zu Hülfe rief; allein Was Höheres als seine Feldhcrrnkunst Hab' achten ich gelernt in dieser Schlacht. Wiß't, die Begeisterung hab' ich gesehn In ihrer Allgewalt! Wen die Geburt

Auf kalte Höhe rief, hört nur von ihr Zweideutig sprechen, und er wird gewohnt,

Sie zu verleugnen oder sie zu hassen. Bei Granson hab' ich kennen sic gelernt,

83 Ein brennender Rubin, der würdig war, Selbst eines Königs Krone reich zu schmücken.

Bubenberg.

Don diesem edlen Stein besitzt Burgund Nur eine Konterfei; doch hatte er Den echten, wahren: ha, so würde bald

Sein üpp'ger Stamm die Länder rings beschatten,

Und keine Blüthen je gedeih« als welsche. Doch sagt mir nun, vernahm man nichts zn Bern, Was Karl jetzt treibt, wie seine Stimmung ist? Rens.

Krieg denkt er, nichts als Krieg.

In allen Landen

Hat er gewalt'ge Rüstungen befohlen. Ich hört' cs, als ich mit der Reuterei

Von Freiburg in des Feindes Marken einbrach. B u bcnber g.

Ich hab's gefürchtet, doch nicht glauben mögen.

Ren«. Schnell eilte ich nach Bern, dies anzusagen.

Und alsobald versammelte sich dort Der würd'ge Rath; doch hab' ich seinen Schluß

Nicht abgewartet; denn mich zog's zu euch. Bubenberg. Die größte Eil ist nöthig! Warum hat

Der Vorort auch die Schaaren schon entlassen.

0 diese Sehnsucht nach dem heim'schen Heerd,

6 *

84 Die Scheu des Landmanns, lang im Feld zu stehn, Kann jetzt gefährlich werden.

Ist Burgund

Nicht wie der Sturmwind? hat er nicht gezeigt, Daß jenen Fluch der Erde, Möglichkeit Und Schwierigkeit, er zu entkräften weiß ?

Rene. Doch hat sein Ansehn mächtig sich verringert Seit Granson; daß er zu besiegen ist.

Erfuhren seine Völker hier zuerst.

Ja, meine Lothringer, da sie hörten, Ich sei im Schwcizerhecr, und so gereift,

Daß auf der Wahlstatt mir der Scharnachthal Den Ritterschlag gegeben, folgen nur Dem fremden Herrn gezwungen; viele auch. Als ich mich zeigte, sind mir zugcströmt.

Niklas

von Scharnachthal,

Hans Wald­

mann und Männer aus Bern kommen. S ch a r n a ch t h a l.

Dem wackern Bürger Gruß von Bern und uns.

Bubenbcrg^ Wie Scharnachthal!

Waldmann.

Glück auf dem tapfern Mann. Bn bcnberg.

Und Waldmann ihr? Die Führer unsres Heers Nicht an der Grenze, nicht vollauf beschäftigt,

85 Mit Rüstung, mit Beschwörung aller Kräfte? Und keiner dachte dran, die Eidgenossen

Zurückznhalten, bis es sich gezeigt

Was Karl beschlösse?

0 ich zürne mir,

Daß ich sogar Bcsorgniß nicht gehegt Als sie nach Hause kehrten, denn ich kannte

Doch seines Feucrgeists entschloßne Eil. Waldmann.

Es braucht Burgund zur Heilung seiner Wunden

Nicht wen'ger Zeit als wir; und seine Heere

Hat er sie auch versammelt, muß er erst Den Kampf nach Regeln lehren, während wir,

Was uns bei Granson half, zu jeder Zeit

Im Busen tragen. Bubenberg. Ständen wir nur erst Mit allen Bannern wieder bei einander.

Waldmann.

Die schnellsten Boten sind umhergeschickt.

Sogleich nach Bern sie wieder zu berufen, Allein der Landmann und der Hirte haben

So Manches doch zu Hause zu besorgen, Und spät wird's freilich werden, fürcht' ich sehr.

Eh' wir versammelt. Buben berg.

So vertheidigt nur

86 Bis dahin alle Burgen unsrer Grenze Mit starker Mannschaft.

Scharnachthai. Und vor allen Murten,

Der niedern Orte festgcbaute Wehr. — Uns sendet zu dir Bcrn's ehrwürd'ger Rath,

Daß in der größern Noth jetzt, die uns zwingt, Den Landsturm aller Orte aufzubieten. Auch du dem Vaterlande helfen mögest

Nicht bloß mit Rath, nein, auch mit deinem Arm. Du sollst als Kommandant die Murtncr Burg

Zur Schutzwehr machen, die die welschen Schaaren

So lang aufhalte, bis wir hinter ihr In Bern zu einer Schlacht uns mündig fühlen.

Bubenberg. Ha, ist's noch nicht genug — doch still, ja still. —

Ich bin bereit; und schnell an unsern Platz,

Denn jeder Tag kann jetzt das Trauerspiel, Wie ich die Spieler kenne, neu beginnen.

Ich hörte oftmals Dichter sich beklagen. Man fände schwer zum Drama würd'gen Stoff;

Beim ew'gen Gott, sie mögen zu uns kommen.

Um selbst ihn zu erleben. Ren«. Das ist sicher,

Daß diesmal Karl mit größrer Macht als je Die Schweizer überzieht.

87 Scharnachthal. Und größer ist, Schon weil er wcn'ger uns gerüstet findet,

Auch die Gefahr. Bub en berg.

So hat denn Granson nicht Gesehen die Entscheidung, wie ich hoffte?

War blnt'ge Saat nur, in den Schooß gestreut Der dunkeln Zukunft, um zu wuchern dort?

Waldmann. Herr, steht ihr auf der Wacht, bis wir getrost Ein rüst'gcs Heer bei Bern versammeln können,

So soll die nächste Erndt' ihn selbst vernichten. Der solche Saat auf unsern Boden streut.

B u benberg. O leid'ger Trost! Burgund, dieselbe Brust

Für die du dir, sic schützend, in der Schlacht

Die Wunden holtest, tritt dir jetzt entgegen. O Freund, versuch' cs nicht — weil du's gewohnt,

An ihr zu ruhn und in sic auszuströmen

All' deine Träume — liebend sie auch jetzt

Noch zu umschlingen.

Ach, nun bleibt sie kalt,

Und wenn sie auf die Lippe einen Laut

Jetzt sendet, einst so lieblich dir: so brüllen Gehorsam die Kanonen auf, und ach!

Es kann geschehn, daß eine Kugel dich,

Wie Brüder sich im Bürgerkriege würgen,



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Dahinstreckt. — Nachsicht habt mit meinem Herzen, Das doppelköpf'ge Furcht jetzt angcfallen. Doch kommt. Ist gleich mein Weg sehr steil: ich will Wie einer, der mondwandclnd leicht und sicher Selbst über hochgcbaute Dächer geht, Von meiner Pflicht nur träumend, vorwärts schreiten, Dis im Gefecht des Todes laute Stimme Mich aufschrcckt aus dem ringsumdrohten Schlaf. «Ile