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German Pages 421 Year 1971
ERNST ECKELT
Kapital als wirtschaftliche Energie und Geld als ihr Maßstab
Volkswirtschaftliche Schriften Herausgegeben von Dr. J. Broermann, Berlin
Heft 162
Kapital als wirtschaftliche Energie und Geld als ihr Maßstab
Von
Dr. Ernst Eckelt
DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN
Alle Rechte vorbehalten
@ 1971 Duncker & Humblot, Berlln 41
Gedruckt 1971 bei Alb. Sayffaerth, Berlln 61 Prtnted in Germany ISBN 3428 02439 7
"Der Charakter der Zusammenhänge, mit denen die Relativitätstheorie Einsteins und die Quantentheorie Plancks die ersten entscheidenden Schritte aus dem Gebiet der anschaulichen Begriffe in ein abstraktes Neuland darstellen, läßt keinen Zweifel darüber zu, daß diese Schritte nie wieder zurückgenommen werden können." "Es mag dem Naturforscher nicht als Hochmut ausgelegt werden, wenn er es für möglich hält, daß die lebendige Umgestaltung, die seine Wissenschaft durch die Erweiterung auf die Welt der Atome erfahren hat, auch übergreüt auf andere Arbeitsgebiete des Geistes." Werner Heisenberg
Inhaltsverzeichnis Einführung
13
§ 1 Das Problem und die Grundzüge einer Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
13
r. Die energetische Natur des wirtschaftlichen Geschehens . . .. . .. .
13
1. Die doppelte Existenzform der Güter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
14
2. Sach- und Geldkapital - Abwandlung der Marx'schen Formeln W-G-W und G-W-G ...... .. . . .. . .. . ..... . . . . . .. . . 16 a) Der Geldbegriff als Satellit des Kapitalbegriffs S. 17 b) Die Verwandlung von "Geld" in "Ware" als wirtschaftliche Arbeitsleistung S. 19 - c) Die energetische Natur der wirtschaftlichen Leistungen S. 20 - d) Kapital als wirtschaftliche Energie - Potentielles und kinetisches Kapital - Geld als Maßstab des Kapitals - Die Kapital-Arbeit-Gleichung S. 21 3. Objektive und subjektive Seite der wirtschaftlichen Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Die objektive Seite - Identität eines Potentials von Arbeitskraft und eines Volumens potentiellen Kapitals; kinetisches Kapital als bedingt-potentielles; erspartes und geschöpftes Kapital S. 23 - b) Die subjektive Seite - Die drei Arten wirtschaftlicher Einzelleistungen: die abstrakten, konkreten und gebündelten S. 25
23
4. Der Erwerbsvorgang als reziproker Gewinn- und Verlustvorgang im Schnittpunkt von zwei Feldern wirtschaftlicher Energie .. .... .. .. . ...... . .. . ... . . . ... .. . . . . ... ... ... .. .. . .. 27 5. Die Entstehung des "Mehrwerts" .. ... . ............ .. . . . . . . 32 a) Die Kreislauf theorie als Wirtschaftsrechnungsmethode zur Ermittlung des "Mehrwerts" S. 32 - b) Die Wachstumstheorie als materiale Theorie vom "Mehrwert" S. 35 6. Wirtschaftliche Einzelleistungen und volkswirtschaftliche Ge:" samtleistung - "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile" - Spannung zwischen Einzelleistungen und Gesamtleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 38 Ir. Meßwerte der wirtschaftlichen Einzelleistungen: Lohn, Zins und Preis, und der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung: Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts (der Wachstumsrate) .... . .... . . . 40 1. Meßwerte der Spannung zwischen beiden: Spannungs- und überschußrate - Geldmeßwertdifferenz ("Geldwertschwund")
40
8
Inhaltsverzeichnis 2. Vorausberechnung der erstrebten Wachstumsrate - Der Diskontsatz (die Bankrate) als Meßwert - Die optimale Wachstumsrate - Die Wirtschaftsenergiekonstante . . . . . . . . .. 46 IH. Die leistungsgerechten Meßwerte ..... . .... . .. .. .. . . . . . . . . .....
48
1. Der leistungsgerechte Zins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Der leistungsgerechte Lohn ....... . ...... . ......... . .... . .. 3. Der leistungsgerechte Preis . ............... . . . .... . . .. . . . ..
49 49 51
IV. Meßwerte und Messung der außenwirtschaftlichen Leistungen . .
55
1. Währung, Parität, Wechselkurs - Devisen und Gold als Indi-
vidual- und Globalzahlungsmittel .. . ................... . ... 55 2. Die Entwicklung von der Goldwährung zur abstrakten Währung - Ziehungsrechte und Sonderziehungsrechte als Globalzahlungsmittel ................... . ........................ 57 3. Individualzahlungs- und -zahlungs erwartungs titel, Globalzahlungs- und -zahlungserwartungstitel .. . .............. . ..
58
V. Permanenz der Erwerbsvorgänge als Gegenstand der gebündelten Einzelleistung des Unternehmers ..... . .... . ...................
60
1. Fähigkeit und Möglichkeit zu unternehmerischer Wirtschafts-
rechtsmacht (Kapitalgewalt) . .... .. ....... .. ................
60
2. Unmittelbare und mittelbare Kapitalgewalt - Kapitalgewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
61
3. Autonomer und heteronomer Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . ..
62
4. Kapitalanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 63 a) Kapitalanteilsrecht als Disziplin des Wirtschaftsrechts S. 64 - b) Gesellschaftsrecht als bürgerlich-rechtlich ausgeprägtes Wirtschaftsrecht S. 65 - c) Möglichkeit der Ausbildung von Kapitalanteilen im "Neuen ökonomischen System" - Zwang zur Kapitalisation des Eigentums an den Produktionsmitteln S.66 VI. Kapitalismus als Lehre vom Kapital - Definition eines neuen Kapital- und eines neuen Geldbegriffs - Einheitliche Kapitalund Geldtheorie ........................... .... .. . . ... .... . ... 69 § 2 Die Methode
I. Der Kraftbegriff in der herrschenden Wirtschaftslehre (Kaufkraft, Produktionskraft, Wirtschaftskraft) ..... . ..... .. .........
71
72
H. Der Kraftbegriff in Beziehung zum Begriff der wirtschaftlichen Energie (Kapitalbegriff) ...................................... 80 1. Die Wirtschaftswissenschaft als Disziplin der Naturwissen-
wissenschaften ... . .. . ... .. ........ . ... . .............. . .... 81 2. Die Abwandlung des Begriffs der Kausalität in der modernen Physik - Die energetische Denkweise ... . ............. . .. .. 82
Inhaltsverzeichnis 3. Deren übertragung auf die Wirtschaftswissenschaft . . . . . . . . . .
4. Das Gesetz von der Erhaltung und Mehrung wirtschaftlicher
Energie .. .... . . .. ... . . .... ... ... .... .. .. . ... .. ... . . . .... . . .
§ 3 Bisherige Versuche einer begrifflichen Verbindung von Kapital und
Kraft
. .... . .... . .............. . .. .. .... . .... . .... . .... . ..........
9 83
85 86
ERSTER HAUPTTEIL Das Kapital
97
Erster Abschnitt
Entwicklung eines neuen Kapitalbegriffs § 4 Die Wirtschaft als Kraftfeld
.................. . .......... . . . .. .. ..
97 97
§ 5 Kapital als wirtschaftliche Energie ..... . . ... .. .. .. . .. . ..... . .. . ... 104 A. Der Energiebegriff der klassischen Physik und seine Geltung in
der Wirtschaftswissenschaft .. . .. ..... .. .. .. . ... .... . .. . ... . . . 104
1. Der Energiebegriff im Lehrbereich der Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
Ir. Der Energiebegriff außerhalb des Lehrbereichs der Physik -
Technisches und wirtschaftliches Arbeitsvermögen - Technische und wirtschaftliche Energie ... . ................. .. ... ... .. .. . 109
B. Der atomphysikalische Energiebegriff und seine Geltung in der Wirtschaftswissenschaft . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Grundzüge der Atomphysik . .... .. ... . .. . ..... ... .. .. . . . . . . . . 122
H . Der Mensch und die Sachgüter im atomphysikalischen Geschehen - Das wirtschaftliche Geschehen als energetisches Geschehen Kapital als wirtschaftliche Energie .... . ........... .. ... . .... . . 133
Zweiter Abschnitt
Erläuterung des neuen Kapitalbegriffs
138
§ 6 Energialität des Kapitals ... . . . ...... . .......... . ........ . . . .... . .. 138 § 7 Sozialität des Kapitals ........ . ... .. ........ . ........ ... . . . .. ..... 141 § 8 Trans- und Retransmaterialisation des Kapitals ...... . .. .. ... . . . . . . 147
10
Inhaltsverzeichnis A. Die Konzentration der wirtschaftlichen Energie in den Sach-
gütern
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149
B. Der Rückgewinn der in den Sachgütern konzentrierten wirtschaftlichen Energie . 166 0
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§ 9 Permanenz der Trans- und Retransmaterialisation des Kapitals
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171
I. Das Unternehmen
172
II. Der Unternehmer
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ZWEITER HAUPTTEIL
Das Geld
191
Erster Abschnitt Der Maßstab des Kapitals (Kapitalistische Geldtheorie) § 10 Geld als ein System von Zahlen
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§ 11 Der "Geldwert" und seine Faktoren
I. Kritik der Geldwerttheorien
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193 194
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196 196
Ho Der "Wert" des Geldes als Recheneinheit und als Zahlungsmittel 207 § 12 Die Zahlung - ihre technische, rechtliche und wirtschaftliche Seite
212
§ 13 Die Zahlung als Vorgang der Wirtschaftsrechnung
234
§ 14 Kapitalistische Bilanztheorie
252
§ 15 Kapitalistische Geldtheorie
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Zweiter Abschnitt Meßwerte und Messung des Kapitals (Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie)
263
Erstes Kapitel: Volkswirtschaftliche Gesamtleistung und wirtschaftliche Einzelleistungen 263 0
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§ 16 Das Spannungsverhältnis zwischen der volkswirtschaftlichen Gesamt-
leistung und den wirtschaftlichen Einzelleistungen
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263
Inhaltsverzeichnis
11
§ 17 Die wirtschaftlichen Einzelleistungen und ihre Meßwerte : Lohn, Zins
und Preis .. .. .. .. .. .... . ......... . .............. . .... .. ... . ... .. . 270
§ 18 Das Verhältnis zwischen den konkreten und abstrakten Einzelleistun-
gen (die Kapital-Arbeit-Gleichung) .. ...... . . . . . ....... .. .......... 273
Zweites Kapitel: Der Zins als Produkt der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 § 19 Wesen, Normierung und Faktoren des Zinses .. . ....... . ... . . . . . ... 279 § 20 Der Diskontsatz (normierte Zins) im System der Maßnahmen zur
Steuerung der Konjunktur ... . ..... .. . ... . .. . . ...... . . . ... . . . . . .. . 287
§ 21 Das Instrumentarium der Konjunktursteuerung . . ... . . . . . . . . . . . . . . . 290 § 22 Der optimale Diskontsatz (die optimale Bankrate) im Verhältnis zur
optimalen Wachstumsrate und deren Teilen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296
§ 23 Die Wirtschaftsenergiekonstante von 3,6 %
der optimalen Bank-, Spannungs- und überschußrate ... ... . . .. .... ... .. . . . . . . .. 299
§ 24 Idee der Einrichtung einer Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle . .
306
Drittes Kapitel: Der Lohn als Produkt der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 § 25 Der Lohn als Meßwert der konkreten Einzelleistung am Individual-
produkt und Mitleistung am Sozialprodukt ... . ... . ... . ............ 314
§ 26 Die Bemessung der Lohnzuwachsrate
320
§ 27 Die optimale Lohnzuwachsrate . .. . . .... .. . . ...... . . . ..... . ..... . . . 324
Viertes Kapitel: Der Preis als Produkt der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 328
§28 Der Preis als Meßwert der in den Erwerbsvorgängen gebündelten Einzelleistungen .. . ... .. . . . . . ... . . .... . . .. .... .. .... ... ..... ...... 329 A. Die herrschende Lehre von der Preis-Kapital-Beziehung (Kostengesetz, Gesetz von Angebot und Nachfrage) . . .... .. .. ... . .... .. 329 B. Preis im Gefüge der kapitalistischen Theorie (Gesetz vom kostenund nachfragebedingten Gewinn) .. . .... . .... . .... .. ... . ....... 331 § 29 Die preisbildende Funktion der Unternehmensgewinnplanung .... . . 337
§ 30 Die preisbildende Funktion der Gesamtwirtschaftsplanung . . . . . . . . .. 340
12
Inhaltsverzeichnis Dritter Abschnitt
Das Geld als Recheneinheit für die Messung wirtschaftlicher Energie im außenwirtschaftlichen (zwischenstaatlichen) Verkehr (Kapitalistische Währungstheorie)
346
Erstes Kapitel: Die Rolle des Goldes im zwischenstaatlichen Zahlungsverkehr .......................................................... 346 § 31 Die Zahlung als Vorgang der zwischenstaatlichen Wirtschaftsrech-
nung - Subsidiarität von Zahlungsarten, insbesondere der Zahlung in Gold ..... .. ..................................................... 346
§ 32 Die Entwicklung von der Goldwährung zur abstrakten Währung . . .. 348
Zweites Kapitel: Die geldtheoretische Bedeutung der WeltwährungsInstitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 353 § 33 Der Internationale Währungsfonds (IWF) .......................... 353 § 34 Die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Welt-
bank) - Deren und des IWF Schwesterinstitutionen .... . . . . . . . . . . .. 362
§ 35 Der Charakter des Weltwährungssystems . ... .. ............. . ...... 365 § 36 Grundzüge einer kapitalistischen (wirtschaftsenergetischen) Welt-
währungstheorie ....................... . .......................... 374
§ 37 Die Begriffe Währung, Parität, Wechselkurs und Devisen in einem
System abstrakter Währungen .................................... 380
Schluß § 38 Kapital und Gesellschaftsordnung
395
...... . .. .... ..... . . . ...... ..... 395
§ 39 Kapitalismus - Einheitliche Kapital- und Geldtheorie .. . . . . . . . . . . .. 403
Literaturverzeichnis
407
Namensregister
411
Sachregister
413
Einführung § 1 Das Problem und die Grundzüge einer Lösung
I. Die energetische Natur des wirtschaftlichen Geschehens Von allen Begriffen, deren die Wirtschaftswissenschaft sich bedient, ist der des Kapitals am wenigsten erforscht. Gerade er verlangt aber nach einer Analyse, die ihm einen exakten Erkenntniswert verleiht; denn von ihm leitet sich ein anderer Begriff ab, der schicksalhafte Bedeutung erlangt hat, der des Kapitalismus. So wenig man nun aber eine Aussage über den Nationalismus machen kann, ohne zu wissen, was eine Nation ist, kann man sich über den Kapitalismus äußern, ohne sich darüber klar zu sein, was Kapital ist, und hier klafft eine Lücke; denn es gibt keine allgemein anerkannte Definition des Kapitals. Die herrschende Volkswirtschaftslehre erblickt in ihm einen von drei "Produktionsfaktoren", d. h . einen Faktor, auf dessen Zusammenwirken mit zwei anderen, dem "Boden" und der "Arbeit", die Produktion der Güter für die menschliche Bedarfsdeckung beruht!. Darüber aber, was jener erste Faktor ist, besteht Unklarheit. Meist begnügt man sich mit Umschreibungen wie der, Kapital seien "die sachlichen Hilfsmittel in der Gestalt von Werkzeugen, Geräten und maschinellen Einrichtungen"2, oder: die "produzierten" Güter im Gegensatz zu den "nicht-produzierten"3, die "produzierten Produktionsmittel" im Gegensatz zu den "natürlichen". Aber schon hier setzen Zweifel ein. Schneider 4 wendet sich gegen jene Unterscheidungen mit der Begründung, es sei "nicht zutreffend ... , Arbeit und Boden heute generell den produzierten Gütern als nichtproduzierte gegenüberzustellen"; das sei "nur für die völlig ungelernte Arbeit und den völlig jungfräulichen Boden" berechtigt gewesen, "jede gelernte Arbeitskraft und jedes Stück Boden, das ... für menschliche Zwecke verwendbar geworden ist, müssen dagegen ebenso als Ergebnis 1 Muhs, Karl: Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Wiesbaden 1948 - 52, S. 234, spricht von "Natur und Boden" als dem einen der drei Produktionsfaktoren, meint damit aber dasselbe, was andere z. B. eareH, Erich: Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 10. Aufl., Heidelberg 1963, S. 83, mit "Boden" bezeichnen. t Muhs, a.a.O. 3 Schneider, Erich: Einführung in die Wirtschaftstheorie, 1 .Teil, 13. Aufl., Tübingen 1967, S. 4. 4 a.a.O., S. 3.
14
Einführung
eines Produktionsprozesses betrachtet werden wie Maschinen und Geräte". In bezug auf den "Boden" bedeutet das, daß er einen Produktionsfaktor nur in der Gestalt von Acker, Weide, Garten, Weinberg, Wald usw. liefert, in dieser Gestalt aber bereits zum Kapital zählt. Wir gehen noch einen Schritt weiter und rechnen den Boden ausnahmslos dem Kapital zu; denn in dem, was wir heute unter "Wirtschaft" verstehen, gibt es nichts, was nicht "produziert" wäre. "Produktion" ist bereits der Plan, nach dem "jungfräulicher" Boden, beispielsweise die Wüste Negev, genutzt werden soll. Es verhält sich mit dem Begriff der Wirtschaft ähnlich wie mit dem des Geldes: von dem Zeitpunkt an, in dem das Geld den Naturaltausch ablöste, wurde es zu einer vom Staat geschaffenen Recheneinheit5 und trat damit als eine selbständige Größe in das Bewußtsein der Menschen. Das Ende des Naturaltausches leitete aber auch eine Entwicklung ein bis zu einem Punkt, von dem ab die Wirtschaft als ein eigener Lebensbereich und jeder ihm zugehörige Gegenstand als ein "Gut" empfunden wurde; dieser Punkt war erreicht, als die Menschen sich der Bindung durch Leibeigenschaft und Zünfte entledigt hatten und sich frei, aber isoliert in vollkommener Arbeitsteilung gegenüberstanden. Jetzt, etwa in c..er Mitte des vorigen Jahrhunderts, etablierte sich die Wirtschaftswissenschaft als eine eigene Disziplin und später, C'twa seit der Jahrhundertwende, bildete sich ein allgemeines Wirtschaftsbewußtsein heraus, gab es "Wirtschafts"experten, "Wirtschafts"zeitungen und -zeitschriften, "Wirtschafts"prüfer und "Wirtschafts"ministerien, und von da ab war auch der Boden ein "Wirtschafts"gut, ein "produziertes" wie alle anderen. 1. Die doppelte Existenzform der Güter
Man kann nun aber nicht einfach sagen, Kapital sei alles, was es an Gütern für die menschliche Bedarfsdeckung gibt. Vielmehr haben die Güter eine doppelte Existenzform, einmal als "konkrete", die sich "zusammenzählen" lassen 6 , d. h. in ihrer materiellen Substanz (ihrer Körperhaftigkeit) und quantitativen Aneinanderreihung, zum anderen als "Kapital". In dieser zweiten Form existieren sie losgelöst von ihrer Körperhaftigkeit und bedürfen daher einer qualifizierenden Erfassung. "Die relative Wertform einer Ware" ist, so drückt Marx es aus, "etwas von ihrem Körper und seinen Eigenschaften durchaus Unterschiedliches"7. Ähnlich wie Marx zwischen dem "Gebrauchswert" und dem "Tauschwert" einer Ware, unterscheidet earell zwischen dem Tauschwert eines 5 Keynes, John Maynard: Vom Gelde (A Treatise on Money). Aus dem Englischen übersetzt von C. Krämer unter Mitwirkung von L. Krämer, 2. Aufl., Berlin 1955, S. 3 f. in Anknüpfung an den Begriff des "Chartalismus" bei Knapp, Georg Friedrich: Staatliche Theorie des Geldes, 4. Aufl., München und Leipzig 1929. 6 CareH, a.a.O., S. 239. 7 Marx, Karl: Das Kapital, Band 1 Buch I, 10. Auf!., Hamburg 1922, S. 24.
§ 1 Das Problem und die Grundzüge einer Lösung
15
Kapitalguts und dem Tauschwert seines Ertrages, den ersteren bezeichnet er als die "in den Kapitalgütern gebundenen Tauschwertsummen" und entwickelt daraus eine Definition des Kapitalbegriffs: "Tauschwertsummen, die nicht konsumtiv verwendet werden, sondern der Erzeugung und Bereitstellung von Gütern dienen, nennen wir Kapitals." Aber damit ist Kapital noch nicht in seinem Wesen erfaßt. a) Eine" Tauschwertsumme" ist eine Zahl, und eine Zahl kann nur der Berechnung eines Gegenstandes dienen, niemals der Gegenstand selbst sein. Tauschwertsummen Kapital "nennen" heißt aber sie mit ihm identifizieren. Sie haben jedoch bloße Meßfunktion. Man kann mit ihnen "die Realkapitalausstattung einer Volkswirtschaft messen", genauer: "die Größe der Realkapitalausstattung einer Volkswirtschaft nur mit Hilfe der in den Kapitalgütern gebundenen Tauschwertsummen messen"9. Richtig müßte Carell's Definition daher lauten: "Kapital sind Güter, die nicht konsumtiv verwendet, sondern für den Konsum erzeugt und bereitgestellt werden (Kapitalgüter); deren Tauschwertsumme ist sein Meßwert." Eine Zahl läßt sich für eine Messung nur verwenden, wenn sie einem Rechnungssystem angehört; so ist die Zahl, die eine Länge ausdrückt, Teil des "metrischen Systems". Die Zahl, die eine Tauschwertsumme liefert, gehört einem Rechnungssystem an, das wir Geldsystem nennen, sie ist also eine Geldzahl. Damit ist das Verhältnis bestimmt, in dem das Geld zum Kapital steht: es hat wie die in ihm ausgedrückte Tauschwertsumme bloße Meßfunktion; es liefert eine Recheneinheit, die als Maßstab für Meßwerte zur Messung des Kapitals dient. Letzteres dagegen ist keine Rechnungsgröße 10 , sondern Gegenstand der Berechnung durch das Geld. Die Frage, was es ist, ist damit, daß es eine in Geld ausgedrückte Tauschwertsumme liefert, nicht beantwortet. b) Sie ist es um so weniger, als nach der Carell'schen Definition nicht alle Güter durch die Tauschwertsumme gemessen werden, der Gegenstand ihrer Messung vielmehr begrenzt ist: es sind nur die Güter, "die nicht konsumtiv verwendet werden", die "Kapitalgüter", in ihrer Zusammenfassung zum "Realkapital" oder "Sachkapital"ll. Zu ihnen zählen somit der bewirtschaftete Boden, die Produktionsstätten, die Produktionsmittel (Maschinen, Werkzeuge und Geräte), dara.a.O., S. 238. a.a.O., S. 239. 10 Als bloße "Rechnungsziffer" sieht die herrschende Rechtslehre den Kapitalanteil, folglich auch das Kapital an (Hueck, Alfred: Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 3. Aufl., Berlin 1964, S. 168). 11 eareH, a.a.O., S. 239; Muhs, a.a.O., S. 291. 8
9
16
Einführung
über hinaus aber auch die aus ihnen gefertigten Produkte bis zu dem Punkt, an dem sie dem Verbrauch zugeführt werden, so das Brot im Laden des Bäckers, aber nicht mehr das in der Einkaufstasche der Hausfrau. Dem entspricht die Unterscheidung, die Keynes 12 vornimmt zwischen dem "fixen Kapital", dem "Betriebskapital" und dem "liquiden Kapital", als den drei Arten des Realkapitals; unter dem ersteren versteht er die "Güter in Nutzung", unter dem zweiten die "Güter im Produktionsprozeß", unter dem dritten die "Güter auf Lager". Aber das sagt uns noch nicht, was das in diesen Gütern gebundene Kapital ist. 2. Sach- und Geldkapital Abwandlung der Marx'schen Formeln W-G-Wund G-W-G Diese Frage bleibt auch deshalb offen, weil Kapital in einer Beziehung nicht bloß zu den Gütern, sondern auch zum Geld, nicht bloß als "Sachoder Realkapital", sondern auch als "Geldkapital"13 existiert. Daran knüpft sich eine Kette weiterer Fragen, in erster Linie die, ob das "Geld" in der Verbindung, in der es hier mit "Kapital" steht, etwas anderes ist als das, was es in der "Tauschwertsumme" ist, d. h. nicht bloß wie dort eine Zahl in einem Rechnungssystem: keine bloße Recheneinheit, sondern etwas den "Kapitalgütern " Entgegengesetzes, das aber die gleiche Substanz wie jene hat, so daß man es folgerichtiger nicht "Geldkapital", sondern "Kapitalgeld" nennen müßte. In diesen Gedanken bewegt sich Marx. Für ihn ist Geld eine "Ware", und zwar die Ware "Gold", die lediglich die Besonderheit hat, in einer nur ihr eigenen "Äquivalentform" den "relativen Wertformen" aller anderen Waren gegenüberzustehen 14 und in einem "Zahlung" genannten Vorgang (als "Zahlungsmittel") gegen die anderen Waren "ausgetauscht" zu werden. Die letzteren werden in einem sich ständig wiederholenden Prozeß in Geld "verwandelt" und aus Geld in Ware wieder "zurückverwandelt"; dieser Prozeß vollzieht sich in zwei "Metamorphosen", deren erste ein Verkauf und deren zweite ein Kauf von Ware ist und der seinen Ausdruck in einer Formel findet: W-G-W15
Neben dieser unmittelbaren Form der Warencirculation gibt es aber eine zweite, bei der nicht die Ware, sondern das Geld an erster und letzter Stelle steht: G-W-G, also eine "Verwandlung von Geld in Ware und Rückverwandlung von Ware in Geld" stattfindet, und hier liegt für Marx "der Ausgangspunkt a.a.O., S. 105. 13 earen, a.a.O.; Muhs, a.a.O., u. a. U Marx, a.a.O., S. 36, 59. 15 a.a.O., S. 70 ff. 12
§ 1 Das Problem und die Grundzüge einer Lösung
17
des Kapitals"; denn "Geld, das in seiner Bewegung die letzte Circulation beschreibt, verwandelt sich in Kapital"16. Aber dabei bleibt es nicht, die Verwandlung geht weiter: aus dem Kapitalgeld werden Produktionsmittel und Arbeitskraft, aus den Produktionsmitteln wird "Ware, deren Wert den Wert ihrer Bestandteile übersteigt, also das ursprünglich vorgeschossene Kapital plus eines Mehrwerts enthält" und diese neue Ware eröffnet abermals einen Circulationsprozeß, die "Akkumulation"17 des Kapitals ermöglicht die Wiederholung des Produktionsprozesses, die "Reproduktion", die einfache sowohl wie die "Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter"18. Im Laufe dieses Circulationsprozesses wird also aus dem "Geldkapital" , wie wir es jetzt wieder nennen wollen, in Gestalt der Produktionsmittel "Warenkapital"19. Das ist aber nur eine andere Bezeichnung für "Sachoder Realkapital", so daß wir an den Anfang zurückgeworfen werden und abermals vor der nur etwas abgewandelten Frage stehen: was ist dieses Kapital, das sich uns einmal als Geldkapital, ein andermal als Sach-, Real- oder Warenkapital darbietet? Dazu tritt jetzt noch eine zweite: was ist dieses Geld, das uns einmal als bloße Recheneinheit, ein andermal als ein zur Zahlung verwendetes Gut (als Zahlungsmittel) begegnet?
a) Der Geldbegrifj als Satellit des Kapitalbegrifjs Diese beiden Hauptfragen schließen eine Reihe von Teilfragen ein, denen wir in der von Marx entwickelten Gedankenfolge nachgehen wollen. An den Anfang stellen wir daher die Frage: ist Geld als Zahlungsmittel, weil mit Gold gleichzusetzen, wirklich eine "Ware"? Zu Marx's Zeiten schien es so; denn das gemünzte Gold war das gesetzliche Zahlungsmittel, mit dem man zahlen oder das man gegen Banknoten eintauschen konnte; der Nennbetrag der Münzen entsprach dem Preis, den man für die Gewinnung und Aufbereitung des Materials und die Prägung der Stücke aufzuwenden hatte; Währungsgold war Warengold20 • Es gab indessen daneben schon damals neben dem "Stoffgeld", d. h. neben den Gold-, Silber- und Kupfermünzen (dem Metallgeld) und den Banknoten (dem Papiergeld) das "Giralgeld" als ein Mittel, Zahlung durch bloße Verbuchung zu leisten; bei dieser Zahlungs art besteht kein a.a.O., S. 107 f. a.a.O., S. 527 und 542 ("Anwendung von Mehrwert als Kapital oder Rückverwandlung von Mehrwert in Kapital heißt Akkumulation des Kapitals"). 18 a.a.O., S. 544 und 2. Band, 7. Aufl., Hamburg 1922, S. 51 ff., siehe auch Text zu Anm. 38 und 39. 19 a.a.O., 2. Band S. 59 und 324. 20 Siehe hierzu und zu den nachfolgenden Ausführungen auch den Abschnitt VI. 16 17
2 Eckelt
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Zusammenhang mit der Goldproduktion mehr, vielmehr tritt bei ihr die Eigenschaft des Geldes als Recheneinheit hervor. Sie verdrängt mehr und mehr die anderen Zahlungsarten. Heute bildet die Zahlung mit Giralgeld die Regel, die Zahlung mit Stoffgeld die Ausnahme. Nicht nur das: Geld hat überhaupt aufgehört, als Gold eine "Ware" zu sein, die jedermann gegen andere Waren tauschen könnte; denn seit dem Ende des ersten Weltkrieges findet es nicht mehr in der gemünzten Form als individuelles (privates) Zahlungsmittel, sondern nur noch in Barrenform im zwischenstaatlichen Zahlungsverkehr, insbesondere für den Zahlungsbilanzausgleich Verwendung; ihm gleichgestellt wurden Devisen; immerhin blieb es das Rückgrat der Währungen und behielt seinen aus Gewinnung, Aufbereitung und Prägung gebildeten Preis. Aber die Entwicklung vom Gold weg ging und geht weiter. Zum Gold und zu den Devisen traten seit der Währungskonferenz von Bretton-Woods im Jahre 1944 "Ziehungsrechte", dazu seit den Beschlüssen der Währungskonferenz von Rio de Janeiro im Jahre 1968 "Sonderziehungsrechte", die eine sich vom Gold lösende Geldart liefern. Im Jahre 1968 trat indessen noch ein weiteres Ereignis ein, das die Gleichung Geld = Gold vollends aufhob: der bis dahin auf 34 US-Dollar fixierte Preis einer Unze Feingold wurde für den Goldhandel freigegeben, seine Geltung auf den Verkehr zwischen den Zentralbankinstituten der im Weltwährungssystem zusammengeschlossenen Staaten beschränkt; seitdem ist Währungsgold nicht mehr Warengold, hat das Geld aufgehört eine "Ware" zu sein 21 . Der Gedanke liegt nahe, daß die Staaten ihre Bestände an Währungsgold abstoßen, und an die Stelle der Goldwährungen ein System abstrakter Währungen setzen. Schon jetzt ist es nach der Aufspaltung des Goldpreises unmöglich geworden, dem Geld einen durch eine materielle Substanz (das Gold) gegebenen Wert beizulegen; denn, wenngleich das "Wertmaß", das es lieferte, bloß "vorgestellte Goldquanta"22 gewesen sein mochten, so erwuchs sein Wert doch aus der "Ware" Gold. Entfällt aber die Gleichung Gold = Geld, dann bezieht das Geld sein "Wertmaß" nicht mehr aus dem Gold und dann kommt ihm überhaupt kein Wert im Sinne einer Qualität mehr zu, sondern nur noch ein Meßwert für einen mit ihm nicht identischen Gegenstand. Damit entfällt dann aber auch der "Ausgangspunkt des Kapitals", d. h. die Annahme, Geld könne sich in Kapital "verwandeln"; denn dieses ist, wie wir sahen, nicht identisch mit der "Tauschwertsumme", die ihm als Meßwert dient, das "Geldkapital" noch weniger als das "Sachkapital"; denn auch das "Geldkapital" (Kapital in seiner "Geldform") als "Tauschwertsumme" 21 Mit dem 24. Juni 1968 hat auch das Silber aufgehört, ein Währungsmetall zu sein; denn von diesem Tage ab werden in den USA Silberzertifikate nicht mehr zum festen Preis von 1,29 US $ je Unze, sondern zum höheren WeItmarktpreis eingetauscht. 22 Marx, a.a.O., 1. Band S. 62.
§ 1 Das Problem und die Grundzüge einer Lösung
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verstehen, wie Care1l23 es möchte, heißt Geld als Geld, also idem per idem definieren. Es kann sich daher nur fragen, ob das Geld auch als Zahlungsmittel nichts als die Recheneinheit ist, die den Maßstab für die Meßwerte zur Messung des Kapitals liefert, und die Zahlung nur eine besondere Art, sich dieser Recheneinheit zu bedienen24 • Könnten wir das bejahen, so würde das logische Verhältnis der Begriffe Geld und Zahlung sich umkehren: Geld wäre nicht eines von vielen Mitteln, Zahlung zu leisten, sondern auch als Zahlungsmittel nur Recheneinheit, Zahlung demzufolge nicht der Oberbegriff von Geld, sondern Geld der Oberbegriff von Zahlung und der Geldbegriff ein Satellit des Kapitalbegriffs. Sicher ist soviel, daß nach dem Fortfall der Gleichung Gold = Geld der Kapitalbegriff nicht mehr aus dem Geldbegriff ableitbar ist; denn er bietet sich uns seitdem als eine durch sich selbst gegebene Größe dar. Das ist nicht so zu verstehen, als habe das Kapital erst jetzt eine vom Geld gelöste Gestalt angenommen, vielmehr war Kapital schon immer Kapital und Geld schon immer Geld. Die Aufspaltung des Goldpreises hat uns aber die Augen dafür geöffnet, daß das Kapital sich vom Geld als eine selbständige Größe abhebt. Marx stellt es letzten Endes selber in Frage, ob Kapital das Produkt einer "Verwandlung" von Geld ist. Er fügt nämlich dem Satz "Geld, das in seiner Bewegung diese letzte Circulation beschreibt, verwandelt sich in Kapital" zwei Halbsätze an: "wird Kapital, ist schon seiner Bestimmung nach Kapital"25; der erste faßt lediglich die Aussage des vorangehenden Satzes zusammen, der zweite hingegen bringt eine völlig andere Aussage; denn er spricht Kapital als etwas bereits Existentes an; was "ist", das "wird" nicht erst, sondern ist bereits; nach diesem zweiten Halbsatz ist Kapital "seiner Bestimmung nach" - und das will heißen: seinem Wesen nach - "schon" vorhanden, bevor das Geld die "letzte Circulation beschreibt", und das bedeutet, daß es unabhängig vom Geld vorhanden ist. Marx hat jedes seiner Worte genau gewogen; indem er hier dem "wird" ein "ist" entgegensetzt, läßt er die Möglichkeit offen, das Kapital ohne den Umweg über das Geld aus sich selbst heraus zu bestimmen und in ihm, nicht im Geld, das zu sehen, was sich "verwandelt". b) Die Verwandlung von "Geld"
in" Ware" als wirtschaftliche Arbeitsleistung
Das leitet zu einer zweiten Teilfrage über: was soll es heißen, daß Geld "sich" in Ware und diese wiederum "sich" in Geld "verwandelt"? Diese Teilfrage hat eine objektive und eine subjektive Seite. Daß objektiv Geld 23 24 25
a.a.O., S. 238. Siehe hierzu Anm. 36. Siehe Anm. 16.
Einführung
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und Waren "Metamorphosen" durchmachen, kann von Marx unmöglich wörtlich gemeint sein; denn bei dem durch seine Formel G-W -G ausgedrückten Vorgängen bleiben Geld und Ware, ohne ihre physikalische Gestalt zu verändern, das, was sie sind, eben Geld und Ware. Marx gebraucht hier vielmehr ein Gleichnis, mit dem er sagen will, daß wir es mit Vorgängen zu tun haben, die so wirken, als ob Geld sich in Ware und diese wieder in Geld verwandelte. In einem wissenschaftlichen System kann aber ein Gleichnis immer nur der Erläuterung eines Lehrsatzes dienen, diesen aber nicht ersetzen. Das von Marx gewählte Gleichnis läßt somit die Frage, auf die es ankommt, offen: Was ist es, das sich so verwandelt, als würde aus Geld Ware und aus dieser wieder Geld? Es kann nicht die wirkliche oder bloß vorgestellte physische Gestalt des Geldes und der Ware sein, sondern etwas, das sich in ihnen verbirgt, aber durch sie in Erscheinung tritt, und das kann nur das Kapital sein als etwas, das "ist" und die Fähigkeit besitzt, sowohl Ware als auch Geld zu "werden". Auch jenes Gleichnis läßt also die Frage, was Kapital ist, unbeantwortet. Die subjektive Seite der zweiten Teilfrage liegt in dem Reflexivum "sich". Es scheint auszudrücken, daß jene Verwandlung selbsttätig (automatisch) vor sich geht. Aber auch das darf nicht wörtlich genommen werden, vielmehr ist mit dem "sich" die Frage nach dem oder den Menschen gestellt, der oder die die Verwandlung zuwege bringt oder bringen, und das ist gleichbedeutend mit der Frage nach seiner oder ihrer wirtschaftlichen Leistung. Für Marx ist dies der "Kapitalist", nicht der "Arbeiter"; dieser "verkauft" vielmehr jenem seine "Arbeitskraft" als eine "Ware"26, so daß sie und mit ihr er selbst zum Objekt des Verwandlungsprozesses wird. Indessen ist das, was der "Kapitalist" mit der "Verwandlung" von Geld in Ware und Ware in Geld vollführt, ebenfalls "Arbeit", nur ist sie von anderer Art als die des "Arbeiters". Hat man aber auch in ihm einen Arbeiter zu sehen, dann kann seine Arbeitskraft keine "Ware" sein; denn das würde bedeuten, daß er sich an sich selbst" verkauft". Ist sie es aber bei ihm nicht, dann ist sie es überhaupt nicht; denn was seine Arbeit von der des "Arbeiters" unterscheidet, ist nur ihre Art, aber nicht ihr Gegenstand, und der ist bei bei den das durch sie verwandelte Kapital. Folglich ist auch der "Arbeiter" nicht Objekt, sondern Subjekt des Kapital-Verwandlungsprozesses und auch seine wirtschaftliche Leistung eine "kapitalistische" . c) Die energetische Natur der wirtschaftlichen Leistungen
Das führt zu einer weiteren Teilfrage: was ist überhaupt im wirtschaftlichen Sinne "Arbeit"? Wir kommen damit auf die von Schneider ge26
a.a.O., 2. Band S. 129 ff.
§ 1 Das Problem und die Grundzüge einer Lösung
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stellte Frage zurück, ob die Arbeit (neben dem Boden) überhaupt einen eigenen "Produktionsfaktor" liefert. Auch diese Teilfrage hat eine objektive und eine subjektive Seite. Objektiv ist Arbeit die Arbeitskraft der arbeitsteilig tätigen Menschen, subjektiv ist sie die mit dieser Kraft vollbrachte Leistung der Menschen, und zugleich hat die Arbeitsteilung zwei Seiten: die Teilarbeit des Einzelnen und die Gesamtarbeit aller. Demgemäß haben wir zu unterscheiden: im objektiven Sinne zwischen der Arbeitskraft des Einzelnen und der Arbeitskraft der Gesamtheit, im subjektiven Sinne zwischen den Einzelleistungen und der volks- und weltwirtschaftlichen Gesamtleistung. Jede Leistung ist eine Äußerung der Kraft, der sie entspringt, jede Arbeitsleistung die Anwendung eines Quantums von Arbeitskraft. Kraft ist nur an ihrer Wirkung erkennbar; sie besteht in einer Veränderung des Gegenstandes ihrer Wirkung; das gilt für jede Art von Arbeit, auch die von Menschen geleistete. Bei der wirtschaftlichen Arbeit äußert sich die angewandte Kraft in der Veränderung, die mit den für die menschliche Bedarfsdeckung bestimmten Gütern vor sich geht, in deren Produktion und Verteilung. Die Fähigkeit einer Kraft, Arbeit zu leisten (ihr Arbeitsvermögen) nennt man, Meßbarkeit vorausgesetzt, Energie. Da die Fähigkeit zu wirtschaftlichen Arbeitsleistungen durch das Geld meßbar ist und um der Arbeitsteilung willen meßbar sein muß, ist es erlaubt und geboten, die wirtschaftliche Arbeitskraft der Menschen als wirtschaftliche Energie zu bezeichnen und alle wirtschaftlichen Leistungen als die Bewegung von Quanten wirtschaftlicher Energie zu begreifen. Als eine solche Bewegung erscheint uns jetzt auch die "Verwandlung" von "Geld" in "Ware" und von "Ware" in "Geld", und zwar als Verwandlung wirtschaftlicher Energie aus einer Erscheinungsform ("Geld") in eine andere ("Ware") und die abermalige Verwandlung in die ursprüngliche ("Geld"). d) Kapital als wirtschaftliche Energie
Potentielles und kinetisches Kapital - Geld als Maßstab des Kapitals - Die Kapital-Arbeit-Gleichung
Damit erhebt sich eine letzte und entscheidende Teilfrage: ist Kapital diese wirtschaftliche Energie? Auch sie klingt bereits bei Marx an. In dem Abschnitt über die "Akkumulation und Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter" handelt er von dem Mehrwert, der nicht sofort, sondern erst nach Wiederholung einer Vielzahl von Kreisläufen realisiert werden kann und daher "zum Schatz erstarrt" und in dieser Form "latentes Geldkapital" bildet 27 • In einem später redigierten Abschnitt wählt er dafür den Ausdruck "potentielles Geldkapital", und zwar, worauf Engels in einer 27
a.a.O., Buch I S. 51.
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Einführung
Anmerkung hinweist, unter dem Einfluß der "Theorie von der Verwandlung der Energie". Ihm muß vorgeschwebt haben, daß diese Theorie etwas mit der "Verwandlung" von Geld in Ware und Ware in Geld zu tun hat, aber er konnte diesen Gedanken nicht zu Ende führen, weil er nur mit dem Wissen ausgestattet war, das die klassische Physik ihm vermittelte. Sie aber kannte nur die Verwandlung einer Energieart in eine andere, z. B. von Wärmeenergie in Bewegungsenergie, noch nicht dagegen die Verwandlung von Energie in Masse (von Kraft in Stoff) und die Rückverwandlung von Masse in Energie; diese Erkenntnis hat erst die Atomphysik gewonnen. Kapital läßt sich aber als Energie nur begreifen, wenn es die Fähigkeit besitzt, sich in Masse (Stoff) und das heißt: in Güter, besser: in Sachgüter, zu verwandeln und aus diesen in Energie (Kraft) zurückzuverwandeln. Wir werden daher zu untersuchen haben, ob sich aus der Atomphysik Aspekte für die Bestimmung des Kapitalbegriffs ergeben. Könnten wir das bejahen, dann hätten wir wirklich im Kapital Energie zu erblicken, die dem Arbeitsvermögen der Menschen entspringt und sich durch sie nicht bloß bildlich gesprochen, sondern durchaus realiter - in Sachgüter ("Ware") verwandeln und aus ihnen in Energie wieder zurückverwandeln läßt; in der Sachgüter-Erscheinungsform (der "Warenform") wäre es kinetische, in der anderen Erscheinungsform (der "Geldform") potentielle wirtschaftliche Energie; wir würden dann richtiger nicht vom "Sachkapital" und "Geldkapital", sondern vom kinetischen und potentiellen Kapital sprechen und im Geld lediglich den Maßstab für beides sehen. Die Formel G-W -G hätten wir durch die Formel Kp-Kk-Kp
zu ersetzen. Sie würde zum Unterschied von der Marx'schen 28 die Arbeit einschließen und als einzigen Produktionsfaktor ausweisen; denn sie wäre es, die als Kapital in den Sachgütern Gestalt gewinnt. Daß "die drei Produktionselemente zu einer untrennbaren Einheit verbunden sind", nimmt auch Adolf Weber 29 an, jedoch unter Beschränkung auf das Realkapital; dieses - wir sagen wieder richtiger: das kinetische Kapital - wird jedoch seinerseits durch die Arbeit zu einer untrennbaren Einheit mit dem potentiellen gebracht; denn die Sachgüter, aus denen es besteht, nehmen durch die Arbeit die potentielle wirtschaftliche Energie der Menschen auf und geben sie wieder an sie ab, so daß die energetische Verbindung zwischen Sachgütern und Menschen niemals abreißt. Kapital und Arbeit werden dadurch zu zwei Seiten einer Gleichung, der Kapital-Arbeit-Gleichung. 28 Für ihn ist sie nur ein Teil der "Ware", in die "Geld" sich umsetzt; der andere Teil sind die Produktionsmittel. Demnach zerfällt im ersten Stadium der Circulation des "Geldkapitals" G- W die Warensumme W in A + Pm (2. Bd. S. 2). 29 Kurzgefaßte Volkswirtschaftslehre, 8. Aufl., Berlin 1966, S. 65.
§ 1 Das Problem und die Grundzüge einer Lösung
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3. Objektive und subjektive Seite der wirtschaftlichen Arbeitsleistung Ist Kapital wirtschaftliche Energie, dann umfaßt die Formel Kp-Kk-K" sowohl die objektive als auch die subjektive Seite der Arbeit.
a) Die objektive Seite - Identität eines Potentials von Arbeitskraft und eines Volumens potentiellen Kapitals; kinetisches Kapital als bedingt-potentielles; erspartes und geschöpftes Kapital Objektiv bedeutet sie, daß genutzte Arbeitskraft als kinetisches Kapital in den Sachgütern gebunden ist, und nutzbare Arbeitskraft als potentielles Kapital die Fähigkeit zu dieser Bindung besitzt, so daß ein Potential von Arbeitskraft gleich einem Volumen potentiellen Kapitals ist3°. Es ist dies nicht bloß die Arbeitskraft der gegenwärtig, sondern auch die der in der Vergangenheit und der künftig tätigen Menschen. Das bedeutet, daß in ihre räumliche Dimension die zeitliche einbezogen wird, so daß gleichsam ihr Feld eine Ausdehnung nicht bloß in der Horizontalen, sondern auch in der Vertikalen hat, und zwar so, daß seine horizontale Achse zwei Teilfelder bildet, von denen das eine der Vergangenheit, das andere der Zukunft angehört. Von der Vergangenheit her erwächst ein Potential von Arbeitskraft aus den "produzierten Produktionsmitteln", den Rohstoffen, Hilfsstoffen wie überhaupt aus allen Sachgütern, die in irgend einer Weise in den Produktionsprozeß eingehen. Sie sind das Ergebnis einer vorangegangenen Verwandlung potentiellen Kapitals in kinetisches, die sich damit vollzog, daß der jetzige Produzent sie erwarb; er muß sie in potentielles Kapital zurückverwandeln, das "Kapital", das er in ihnen "investiert", wieder "heraus"-wirtschaften. Diese Rückverwandlung setzt nun aber bereits mit ihrem Erwerb ein, so daß man sagen kann: alles kinetische Kapital ist zugleich bedingt - potentielles. Das kann es aber nur sein, weil jene Sachgüter sich mit der Arbeitskraft der gegenwärtig tätigen Menschen verbinden, so daß in deren Arbeit sich die Arbeit derer fortsetzt, die sie herstellten. Sie existieren wirtschaftlich nur als ein Teil des Potentials gegenwärtiger Arbeitskraft, und umgekehrt umfaßt das Potential gegenwärtiger Arbeitskraft auch Kraft, die aus früher geleisteter Arbeit herrührt. Es ist dies aber nicht bloß die Kraft, die sich in den Sachgütern, insbesondere den "produzierten Produktionsmitteln" niedergeschlagen hat, 30 Daß das richtig ist, zeigt das Beispiel der Währungsreform v. 20.6.1948; die damals geschaffene DM-Währung hatte als Grundlage nur die nutzbare Arbeitskraft der Bundesdeutsrhen Bevölkerung; deren Maß bestimmte das Volumen potentiellen Kapitals, mit dem die bundesdeutsche Wirtschaft ausgestattet wurde, und damit das Verhältnis, in dem diese Arbeitskraft zu der anderer Volkswirtschaften stand, die "Parität" der neuen Währung.
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und in ihnen kinetisches Kapital geworden und geblieben ist, sondern auch ein Überschuß von Kraft aus den vorangegangenen Produktionsprozessen, der sich aus den vorproduzierten Sachgütern gelöst hat und sofort unbedingt-potentielles Kapital geworden ist; in Erscheinung tritt es durch die "flüssigen Mittel", insbesondere die Bankguthaben, die den Vorproduzenten aus der Veräußerung der produzierten Sachgüter verblieben sind; es ist dies das ersparte ("akkumulierte") potentielle Kapital. Zu Teilen des Potentials gegenwärtiger Arbeitskraft werden die vorproduzierten Sachgüter und der Vorproduktionsüberschuß dadurch, daß sie die Fähigkeit besitzen, erneut Arbeit zu leisten, d. h. in kinetisches Kapital verwandelt zu werden. Damit bilden sie zugleich Teile des Potentials künftiger Arbeitskraft. Streng genommen gibt es überhaupt keine Gegenwart, sondern nur einen ständigen Übergang aus der Vergangenheit in die Zukunft und "Gegenwart" lediglich als Zeitpunkt dieses Übergangs; denn Kapital ist wirtschaftliche Bewegungsenergie und kennt als solche keinen Zustand der Beharrung. Von der Zukunft her erwächst ein Potential gegenwärtiger Arbeitskraft aus Arbeit, die über das Maß der früher geleisteten hinaus künftig geleistet werden kann; wir nennen es - im Gegensatz zum ersparten das geschöpfte potentielle Kapital; es tritt in der Form der "Geldschöpfung", d. h. dadurch in Erscheinung, daß Banken Kredite bewilligen, indem sie dem Kreditnehmer ein Konto eröffnen, über das er bis zu einem bestimmten Betrag, der "Kreditlinie", verfügen kann. Das ist volkswirtschaftlich nur möglich, wenn das geschöpfte Kapital die Fähigkeit besitzt, künftig in kinetisches verwandelt zu werden, z. B. durch Ausführung eines Bauvorhabens. Ist das der Fall, dann haben wir es auch hier mit einem Potential gegenwärtiger Arbeitskraft zu tun; denn das ist ja gerade jene Fähigkeit. Die ersparte Arbeitskraft spielt mit der geschöpften in der Weise zusammen, daß sie über die Gegenwart hinaus in die Zukunft und von dieser auf die Gegenwart zurück wirkt, so daß etwas, das ohne sie erst künftig getan werden könnte, schon gegenwärtig getan werden kann. Diese Vor- und Rückwirkungsfunktion ist es, die der Finanzierung innewohnt. Finanzieren heißt ein Potential künftiger Arbeitskraft vergegenwärtigen. Die Finanzierung wirkt als Zeitraffer und führt zur Beschleunigung des Wirtschaftsablaufs. Als Teil der wirtschaftlichen Planung ist sie nicht nur die Frage nach dem, was künftig geleistet werden kann, sondern auch nach dem, was gegenwärtig geleistet werden kann, um künftig geleistet werden zu können. Indessen kann weder das ersparte noch das geschöpfte Kapital, kann insbesondere kein Bankkredit anders als durch gegenwärtig geleistete Arbeit zu wirtschaftlicher Wirkung gelangen. Ohne den Mann auf dem
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Acker, an der Maschine und am Steuer ist alles Kapital "tot", nur durch die Kraft seiner Arbeit lebt es. Umgekehrt ist aber auch die Arbeitskraft des Einzelnen ohne jenes Kapital nicht wirtschaftswirksam; denn sie erlischt mit seinem Tode, und der kann mitten in der Arbeit eintreten; für sich allein bedeutet sie daher wirtschaftlich nichts. Das ist der Grund, weshalb sie nicht meßbar ist und weshalb es keinen Bilanzposten "Arbeitskraft" gibt, aber man spricht von ihr, als handle es sich um "Kapital", und darin liegt etwas Wahres; denn wirtschaftlich existiert die Arbeitskraft des Einzelnen nur als Teil des Potentials der Arbeitskraft aller, das Potential der Arbeitskraft aller aber ist das Volumen potentiellen Kapitals und als solches meßbar. Erst seine Meßbarkeit gestattet es, auch die Arbeitskraft des Einzelnen zu messen, aber nur mit den Leistungen, die dazu beitragen, das Volumen potentiellen Kapitals in ein Volumen kinetischen Kapitals zu verwandeln. b) Die subjektive Seite - Die drei Arten wirtschaftHcher
Einzelleistungen: die abstrakten, konkreten und gebündelten
Damit sprechen wir die subjektive Seite der Arbeit an. Sie liegt in diesen Leistungen. Aus dem Verhältnis, in dem das Volumen potentiellen Kapitals zur Arbeitskraft des Einzelnen steht, ergibt sich, daß es drei Arten wirtschaftlicher Einzelleistungen gibt. Zu allererst muß dieses Volumen ersparter und geschöpfter wirtschaftlicher Energie, um in Teilen (Quanten) an Sachgüter gewendet werden zu können, als Ganzes gespeichert werden. Die darauf gerichteten Einzelleistungen gehen somit denen der unmittelbaren oder mittelbaren Bearbeitung der Sachgüter voraus. Diese werden mit der physischen Arbeitskraft der Menschen vollbracht und sind darum sinnlich wahrnehmbar. Jene hingegen um- und erfassen das Potential meßbarer Arbeitskraft, das sich erst künftig in den Sachgütern und den sie bearbeitenden Menschen konkretisiert; sie werden daher losgelöst von den Sachgütern vollbracht und sind sinnlicher Wahrnehmung entzogen. Wir nennen sie daher die abstrakten und die anderen die konkreten. Gemessen werden die ersteren durch den Zins, die letzteren durch den Lohn. aa) Grundform einer abstrakten Einzelleistung ist die Bereitstellung potentiellen Kapitals für eine Produktion. Im Zeitpunkt der Bereitstellung ist zwar die Produktion schon geplant, aber noch nicht begonnen. Daher sind die für sie vorgesehenen Menschen als Produzierende noch nicht individuell bestimmt; sie existieren zunächst nur als ein Abstraktum, als "Belegschaft", oft nur als bloße Möglichkeit zur Bildung einer solchen. Gleichwohl ist das potentielle Kapital, mag es ein unbedingtes in Gestalt eines eigenen oder kreditierten Bankguthabens oder ein bedingtes in Gestalt der produzierten Produktionsmittel oder beides sein,
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nichts als das Potential der Arbeitskraft, mit der die geplanten Sachgüter hergestellt werden sollen; bestünde diese Identität nicht, dann wäre das Bankguthaben nur ein Stück beschriebenen Papiers und wären die produzierten Produktionsmittel nur eine Anhäufung stofflicher Substanz. Das Kapitalvolumen wird zwar von den abstrakt Leistenden (den Unternehmern, den Banken, dazu auch von Lieferanten noch nicht bezahlter Produktionsmittel) getragen, aber hinter ihnen stehen als künftige Träger schon die konkret Leistenden; so ist ein für Löhne und Gehälter bereitgestelltes Bankguthaben schon im Zeitpunkt der Bereitstellung anonymes Kapital der künftig konkret Leistenden (der Arbeiter und Angestellten); denn es ist identisch mit dem in Geld (dem Betrag der künftigen Löhne und Gehälter) meßbaren Potential ihrer Arbeitskraft. bb) Mit dem Beginn der Produktion treten sie aus ihrer Anonymität heraus und werden im Ausmaß des Potentials ihrer persönlichen Arbeitskraft zu Mitträgern des Kapitalvolumens, und zwar dadurch, daß dieses durch ihre konkrete Leistung eine doppelte Veränderung erfährt: mit der Bearbeitung der Sachgüter verwandelt es sich in kinetisches Kapital und zugleich aus diesem wieder zurück in potentielles, so daß es jetzt auch mit den Teilen (Quanten) des Volumens meßbar wird, die der Einzelne durch seine konkrete Leistung bewegt; das Ergebnis dieser Messung ist der Lohn. Er bewegt aber nicht nur Teile (Quanten) des Potentials seiner eigenen Arbeitskraft, sondern auch andere Teile (Quanten) des gespeicherten Kapitalvolumens; denn jeder Handgriff, den er mit einem Werkzeug oder einer Maschine vollführt, ist ein Arbeiten mit fremder Arbeitskraft; aber auch schon die bloße mit der Kapitalspeicherung gegebene Möglichkeit, gegenwärtig konkret leisten zu können, ist es. Jede konkrete Leistung ist also ein Arbeiten mit Eigen- und Fremdpotential an Arbeitskraft, so daß in jedem Lohn ein Element des Zinses steckt. Es vergrößert sich in dem Maße, in dem der Anteil der persönlichen körperlichen Arbeit an der konkreten Leistung abnimmt, d. h. in dem Maße, in dem die Technik fortschreitet. Der konkret Leistende nimmt aber die abstrakte Leistung nur zu einem Teil in die seine auf; zu einem anderen bleibt sie als eine eigene bestehen und äußert jetzt ihre beschleunigende Wirkung: sie ermöglicht es, daß der konkret Leistende gegenwärtig leistet. Die beiden Leistungen greifen also ineinander und gelangen dadurch erst zu wirtschaftlicher Wirkung. cc) Indessen bedarf es noch einer dritten Leistung, durch die die in den beiden anderen bewegten Teilen (Quanten) eines Kapitalvolumens (Potentials von Arbeitskraft) in einem Sachgut oder einer Mehrheit bestimmter Sachgüter konzentriert werden. Wir nennen sie, weil sie die in jenen anderen bewegten Teile (Quanten) zu gezieltem Einsatz zusammenfaßt, die gebündelte.
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Es ist die Leistung des Unternehmers. Sie ist eine konkrete und wird als solche durch eine besondere Art des Lohnes, den Unternehmerlohn, gemessen. Sie kann sich mit einer abstrakten Leistung verbinden, wenn der Unternehmer sie mit Teilen (Quanten) eines von ihm selbst gespeicherten Volumens potentiellen Kapitals mit "Eigenkapital", vollführt; der abstrakte Teil seiner Leistung wird mit einer besonderen Art des Zinses, dem "Eigenkapitalzins", gemessen. Die Konzentration vollzieht sich in zwei Stufen. Die erste, vorbereitende, fällt mit dem technischen Geschehen zusammen. Ihre wirtschaftliche Wirkung bleibt auf den Bereich der durch Zins und Lohn gemessenen abstrakten und konkreten Leistungen beschränkt. Dieser Bereich ist das Unternehmen; es bildet ein Feld, dem alle in ihm bewegte wirtschaftliche Energie zugehört. Wir nennen daher die vorbereitende Stufe die feldinterne Konzentration. In der ausführenden Stufe trifft die intern gebündelte wirtschaftliche Energie in dem gleichen Gegenstand (Sachgut) mit wirtschaftlicher Energie zusammen, die auf einem Feld (Unternehmen) in umgekehrter Stufenfolge bewegt wird, und das hat zur Folge, daß in einem einheitlichen Vorgang mit dem Sachgut als Medium auf dem einen Feld kinetisches Kapital in potentielles, auf dem anderen potentielles in kinetisches verwandelt wird. Es ist dies der Erwerbsvorgang; in ihm kulminiert das wirtschaftliche Geschehen. Da seine Wirkung über jedes der bei den Felder hinausgreift, bezeichnen wir die ausführende Stufe als die feldexterne Konzentration. In ihr findet die gebündelte Leistung des Unternehmers ihren Abschluß. Gemessen wird sie durch den Preis; er schließt den Unternehmerlohn und den Eigenkapitalzins ein. 4. Der Erwerbsvorgang als reziproker Gewinn- und Verlustvorgang im Schnittpunkt von zwei Feldern wirtschaftlicher Energie Wenn wir sagen, daß bei der feldexternen Konzentration zwei Energiebewegungen in entgegengesetzter Stufenfolge ablaufen, so führt uns das zu den Formeln zurück, mit denen Marx die "Austauschprozesse" symbolisiert: W-G- Wund G-W-G! Bei ihm sind das aber zwei isolierte "Kreisläufe" mit verschiedenen "Extremen"31. Am Anfang und Ende steht bei dem einen (W-G-W), dem "Kreislauf des Warenkapitals"32, die Ware, bei dem anderen (G-W-G), dem "Kreislauf des Geldkapitals"33, das Geld. Der erste geht aus von 31
32 33
1. Band Buch I S. 113. 2. Band Buch 11 S. 59 ff. Ebenda S. 1 ff.
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dem Extrem einer Ware, z. B. Korn, und schließt ab mit dem Extrem einer anderen Ware, z. B. Kleidung, der zweite "Kreislauf" geht vom Geld aus und kehrt wieder zum Geld zurück. In unserer Sicht hingegen stehen die beiden "Kreisläufe" nicht isoliert nebeneinander, sondern greifen wie Zahnräder ineinander, so daß wir ihre Formeln nicht neben-, sondern untereinandersetzen und als eine Doppelformel nicht bloß in der Horizontalen, sondern auch in der Vertikalen lesen müssen: W-G-W G-W-G
Mit den von uns verwendeten Symbolen ergibt das die beiden Reihen
In der Horizontalen symbolisieren sie die entgegengesetzten Energieabläufe, in der eingerahmten Vertikalen den Erwerbsvorgang. Aber in dieser Gestalt ist die Doppelformel noch nicht vollständig. Der durch sie darzustellende Erwerbsvorgang ist ja nur einer von vielen, in dem zwei Unternehmer wirtschaftliche Energie zu reziproker Verwandlung ihrer Erscheinungsform bringen; denn die Leistung des Unternehmers vollzieht sich in einer permanenten Aufeinanderfolge von Erwerbsvorgängen, und jeder einzelne von ihnen bezeichnet nur einen Punkt, in dem Teile (Quanten) der wirtschaftlichen Energie zweier Unternehmer sich treffen und die ihr zugehörigen Felder sich überschneiden. Demgemäß ist die Doppelformel, wie folgt, anzuordnen:
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Der Erwerbsvorgang offenbart sich hier als etwas anderes als das, was Marx und gleich ihm bis auf den heutigen Tag die herrschende Lehre in ihm sieht: er ist kein Vorgang, bei dem ein Gegenstand (Ware) gegen einen anderen (Geld) "getauscht" wird, bei dem vielmehr die wirtschaftliche Energie zweier Träger (Unternehmer) reziprok verwandelt wird und Geld nur den Maßstab, Zins, Lohn und Preis nur die Meßwerte dafür liefern. Geld konnte man als ein Tauschmittel allenfalls solange ansehen, als es Gold, also selber Ware, war. Spätestens seitdem es diese Eigenschaft verlor, ist die Vorstellung, es ließe sich gegen Sachgüter (Waren) tauschen, zu einer Fiktion geworden. Im Grunde war sie das schon seit dem Zeitpunkt, in dem das Geld an die Stelle des Naturaltauschs trat. Noch heute aber behandelt die Wirtschaftstheorie den Erwerbsvorgang so, als werde ein Gut gegen ein anderes Gut getauscht und als diene das Geld nur als ein "Zwischengut"34, das es gestattet, die Auswahl des im Tausch begehrten Gutes auf einen künftigen Zeitpunkt zu verlegen. Indessen fehlt es oft schon auf der Seite des Tauschbegehrenden an einem Gut, das er zum Tausch anbieten könnte, so wenn er zu den Dienstleistenden gehört, es sei denn, man behandle im Sinne von Marx seine Arbeitskraft als "Ware". Vor allem aber dient das Geld vielfach gar nicht zum "Tausch" gegen ein Gut oder einen den Gütern gleichen Gegenstand, sondern ganz anderen Zwecken, beispielsweise zur Entrichtung von Steuern. Geld kann allenfalls insoweit als "Zwischentauschmittel" angesehen werden, als es aus der Produktion eines Sachguts erlöst und zum alsbaldigen Erwerb von Konsumgütern verwendet wird, also dort, wo "aus der Hand in den Mund" gelebt wird. Das wirtschaftliche Denken darf sich aber nicht an der "Konsumtion", sondern muß sich an der "Reproduktion", d. h . daran orientieren, daß die Produktion in einer Kette von Erwerbsvorgängen verläuft und das Geld dazu dient, diese Kette nicht abreißen zu lassen und demgemäß für die ständige Erneuerung der Produktion, die Investition, verwendet zu werden. Dem Konsum kann es nur insoweit zugeführt werden, als die Investition dies gestattet. Das Reproduktionsdenken umfaßt daher die "Konsumtion" mit. Marx drückt das mit den Worten aus: "Der gesamte Reproduktionsprozeß schließt den durch die Circulation vermittelten Konsumtionsprozeß, ... ein 35 ." Wenn, wie wir annehmen, Geld nur der Maßstab des Kapitals, Kapital wirtschaftliche Energie, Geldbewegung daher Messung einer Bewegung von Quanten wirtschaftlicher Energie ist, dann ist der Erwerbsvorgang "als Einzelvorgang der Reproduktion Verwandlung von Kapital aus einer Erscheinungsform in die andere, für den Unternehmer somit kein " Tausch " , sondern ein Umsatz. Mit dem Begriff des Umsatzes verbindet 34 35
Weber, Adolf: Kurzgefaßte Volkswirtschaftslehre, S. 164. 2. Band S. 367.
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sich eine Vorstellung, die von der des Tausches grundverschieden ist. Der Umsatz hat es nur mit einem Gegenstand zu tun, der Tausch mit zweien. Im engeren Sinne bedeutet "umsetzen" die Verlegung eines Körpers, etwa einer Pflanze, von einer Stelle an eine andere, im weiteren Sinne die Verwandlung eines Körpers in eine andere Form seiner Existenz, wie sich das bei der (echten) Metamorphose abspielt. Im wirtschaftlichen Sinne ist Umsatz die Verwandlung von Kapital aus der einen seiner beiden Erscheinungsformen in die andere (aus "Sachkapital" - wir sagen: kinetischem Kapital - in "Geldkapital" - wir sagen: potentielles Kapital - und umgekehrt); es bleibt aber auch nach dem Erwerbsvorgang das, was es vor ihm war: Kapital, d. h. wirtschaftliche Energie. Diese Verwandlung vollzieht sich reziprok auf den beiden Feldern, deren wirtschaftliche Energie durch den Erwerbsvorgang in einem Sachgut zur Konzentration gelangt. Streng genommen gilt das freilich nur für Erwerbsvorgänge, bei denen auf beiden Seiten Unternehmer beteiligt sind und die wir deshalb die reproduktiven nennen könnten im Gegensatz zu den konsumtiven, bei denen einem Unternehmer ein Letztverbraucher gegenübersteht. Indessen endet, wie wir bereits sagten, der Bereich der Wirtschaft erst beim Verbrauch, also dort, wo ein Sachgut die Fähigkeit einbüßt, überhaupt Gegenstand eines Energieumsatzes zu sein. Da nun der Fortbestand der Wirtschaft von der reziproken Reproduktion und demnach vom Energieumsatz zwischen Unternehmern abhängt, bildet der konsumtive Erwerbsvorgang nur einen Reflex des reproduktiven, so daß wir auf dieses Beiwort verzichten und schlechthin nur vom Erwerbsvorgang sprechen können. "Erwerb" ist dabei nicht im engeren juristischen Sinne der Erlangung einer Rechtsrnacht über einen Gegenstand, insbesondere über ein Sachgut zu verstehen, sondern im weiteren wirtschaftlichen Sinne der Erarbeitung einer in Geld ausgedrückten Größe; diese Größe kann auch das Geld selbst als Zahlungsmittel sein; sie meint man, wenn man sagt, man gehe einem Erwerb nach. Jeder Erwerb in diesem wirtschaftlichen Sinne wird mit einem Aufwand wirtschaftlicher Energie erkauft, birgt also zugleich einen Gewinn und einen Verlust in sich. Demnach ist der Erwerbsvorgang ein reziproker Gewinn- und Verlustvorgang: das eine Feld verliert potentielles Kapital und gewinnt kinetisches, das andere verliert kinetisches Kapital und gewinnt potentielles36 • 36 Als solches ist es sinnlich nicht wahrnehmbar; daher bedarf diese Seite des Erwerbsvorganges eines Mittels, das ihn erkennbar macht. Dieses Mittel ist die Zahlung; sie dient dazu, die Verwandlung eines Quantums wirtschaftlicher Energie aus der kinetischen in die potentielle Erscheinungsform durch eine Geldzahl als Recheneinheit zu markieren und den Verwandelnden als Träger dieses Energiequants zu legitimieren.
§ 1 Das Problem und die Grundzüge einer Lösung
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Dabei hat man zu unterscheiden zwischen dem durch den Erwerbsvorgang vermittelten (vertikalen) Verhältnis der beiden Felder zueinander und dem (horizontalen) Verhältnis, in dem auf jedem der beiden Felder der jeweilige Erwerbsvorgang zu dem ihm vorausgegangenen und dem ihm nachfolgenden steht. Im vertikalen Verhältnis ist das Quantum des verlorenen Kapitals gleich dem des gewonnenen. Der Händler, der eine Maschine für DM 10 000, - erwirbt, verliert ein mit der Geldzahl 10000 gemessenes Quantum potentiellen Kapitals und gewinnt ein gleich großes Quantum kinetischen; für den Produzenten gilt umgekehrt dasselbe. Im horizontalen Verhältnis grenzt der Erwerbsvorgang zwei Abschnitte einer Periode des Energieablaufs ab. Jede von ihnen beginnt mit der einen Erscheinungsform wirtschaftlicher Energie, verwandelt sie in die andere und endet mit der ursprünglichen, aber das Anfangsquantum ist nicht gleich dem Endquantum, sondern erfährt einen Zuwachs von Energie. In der Sprache von Marx ist dies der "Mehrwert", den der "Kapitalist" "produziert", und "in Profit verwandelt"37, zunächst bei der "einfachen Reproduktion" (ein Teil des Produkts wird nicht der "privaten", sondern der "produktiven Konsumtion" - wir würden sagen: der Investition - zugeführt und dient als Produktionsmittel bei der Wiederholung des gleichen Produktionsprozesses38), sodann bei der "Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter" (der aus dem Produkt für die "produktive Konsumtion" abgezweigte Teil dient nicht bloß als Element der Neuproduktion, sondern liefert einen zusätzlichen Mehrwert, der sich in neues Kapital verwandeIt39). Die Entstehung des "Mehrwerts" nötigt zu einer Abwandlung der beiden Circulations-Formeln: aus W -G- W wird W' -G' - W ... P ... W"40 und aus G- W -G wird G- W ... P ... W' _G'41. Da unsere Formeln "P" (die Produktionsmittel) einschließen, können wir den "Mehrwert" einfacher durch
darstellen. Die erste Stelle der ersten Reihe bezeichnet ein produziertes Sachgut, z. B. eine Maschine, die zweite Stelle die Veräußerung dieses Sachguts durch den Produzenten zu einem den "Mehrwert" einschließenden Erlös, ausgedrückt in einer die Produktionskosten übersteigenden a.a.O., 1. Band S. 149 ff.; Band III 1. Teil S. 15 ff. a.a.O., 1. Band S. 528 ff. 39 a.a.O., 1. Band S. 542 ff. 40 a.a.O., Band 2 S. 59 ("Findet Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter statt, so ist das Schluß-W' größer als das Ausgangs W' und soll deshalb hier mit W" bezeichnet werden"). 41 a.a.O., Band 2 S. 1. 37
38
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Einführung
Geldsumme. Die zweite Reihe beginnt mit einer gleich großen Geld~ summe, zeigt an der zweiten Stelle den Erwerb des Sachguts, im Beispielsfall den Erwerb der Maschine durch einen Händler, und an der dritten den Erlös, der einschließlich eines erneuten "Mehrwerts" bei der Weiterveräußerung erzielt wird. 5. Die Entstehung des "Mehrwerts" Aber wie kommt es überhaupt zu einem "Mehrwert"? Ist er lediglich das Produkt einer "Ausbeutung" der "Arbeiter" durch die "Kapitalisten", würde es ihn also nicht geben, gäbe es nicht die "Kapitalisten", die ihn "produzieren" und "in Profit verwandeln"? Oder entsteht er ohne Ansehen der "Wirtschaftsverfassung" und "Gesellschaftsordnung" einfach als ein Produkt des wirtschaftlichen Geschehens, und fragt es sich nur, wie er unter den "Kapitalisten" und "Arbeitern" zu verteilen ist? Die Antwort darauf ist mit der von Marx selbst vorgenommenen Unterscheidung zwischen "privater" und "produktiver Konsumtion", besser: zwischen Konsum und Investition, d. h. damit gegeben, daß ein Teil des Produkts weder dem "Kapitalisten" noch dem "Arbeiter" zufließt, also nicht verteilt, sondern für die Wiederholung der Produktion verwendet wird. Dieser Teil ist aber ebenso wie der zur Verteilung gelangende ein Produkt der von den "Arbeitern" vollbrachten Leistung, so daß der Preis in jedem Falle einen den Arbeitslohn übersteigenden "Mehrwert" einschließt, gleichviel ob er von einem "Kapitalisten" oder von einem Organ staatlicher Wirtschaftslenkung festgesetzt wird. Es gibt den Mehrwert also in jeder "Wirtschaftsverfassung" und jeder "Gesellschaftsordnung". Damit ist zugleich gesagt, daß der "Kapitalist" unter einem der Wirtschaft innewohnenden Zwang handelt, wenn er ihn "produziert". Er strebt nach ihm nicht, weil er es will, sondern weil er es wollen muß. Es trifft den Kern der Sache besser, wenn man sagt: der "Kapitalist" empfängt ihn, um ihn zu reproduzieren. Tatsächlich entspringt ja auch der "Mehrwert" nicht schon der "Circulation" , sondern erst der "Reproduktion".
a) Die Kreislaujtheorie als Wirtschajtsrechnungsmethode zur Ermittlung des "Mehrwerts" Weil das so ist und überhaupt weil es den Mehrwert gibt, kann es nicht richtig sein, daß das, was sich in den beiden Reihen horizontal abspielt, "Kreisläufe" nach der Art des Blutkreislaufs wären. Das aber gilt seit Quesnay als ein Axiom, ist jedoch ebenso eine Fiktion wie die vom Tausch; denn die Bewegung, die die Sachgüter (die Waren) und das Geld vollführen, haben weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinne etwas mit dem Blutkreislauf zu tun. Dieser kann nicht einmal als Gleich-
§ 1 Das Problem und die Grundzüge einer Lösung
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nis für die Erkenntnis des wirtschaftlichen Geschehens dienen; denn weder kehrt im "Kreislauf des Warenkapitals" die Ware noch im "Kreislauf des Geldkapitals" das Geld an den Ausgangspunkt zurück. Vor allem aber verträgt die Vorstellung, daß Sachgüter und Geld der Bahn des Blutes vergleichbare "Kreisläufe" beschrieben, sich nicht mit dem Faktum, daß aus der Wiederholung der Circulation (der Reproduktion) ein "Mehrwert" entspringt. Will man den Lauf, den die Waren und das Geld in der Reproduktion nehmen, bildlich darstellen, so nicht mit einer von Punkt 1 über Punkt 2 zu Punkt 1 zurück in einem Kreis42 , sondern von Punkt 1 über Punkt 2 zu Punkt 3 in einer Spirale verlaufende Linie, also:
nicht:
sondern:
Obwohl dieser Sachverhalt offen zu Tage liegt, hält die herrschende Lehre an ihrer "Kreislauf theorie" fest. So Erich Schneider, der den ganzen 1. Teil seiner "Einführung in die Wirtschaftstheorie" der "Theorie des Wirtschaftskreislaufs" widmet, und - in mehrfach hervorgehobener übereinstimmung mit ihm - Krelle 43 . Indessen zeigt sich bei näherer Prüfung, daß diese bei den Autoren gar nicht den "Wirtschaftskreislauf" im Quesnay'schen Sinne, nämlich "in Analogie zum gerade entdeckten Blutkreislauf des Menschen"44, sondern die Methode der Wirtschaftsrechnung im Auge haben. Krelle spricht das selber aus: die Kreislauftheorie sei "keine materiale Theorie" (des wirtschaftlichen Geschehens, wie man hinzufügen muß), sondern ein "Rahmen, in den alle wirtschaftlichen Zusammenhänge hineingestellt werden müssen", ein "Denkscherna", das dafür sorgt, daß in dem vielfältigen Geflecht von Wirkung und Gegenwirkung bei der Abschätzung des Gesamtergebnisses kein Faden verloren geht 45 . Dieses "Denkscherna" ist aber keine "Theorie", sondern eine Methode, und zwar die Methode des wirtschaftlichen Rechnens, die bei der doppelten Buchführung zur Anwendung gelangt. Der gleichen Methode bedient man sich für die kontenmäßige und die aus dieser weiterentwickelte tabellarische Darstellung der Vorgänge, die den Stoff für die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung liefern. Was dort die Konten sind, sind hier 42
So KreZle, Wilhelm: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, 2. Aufl., Berlin
1967, S. 17. 43
44 45
a.a.O., S. 17 ff. a.a.O., S. 43. a.a.O., S. 188 ff.
3 EckeIt
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Einführung
die "Pole". Eine besondere Rolle spielt dabei der "Saldenpol" . Ihm mißt, da er "die Salden zwischen hinein- und herausfließenden Strömen aller Pole" aufnimmt, Krelle 46 "eine klare und wichtige Bedeutung" bei; denn der "Saldenpol" bezeichnet die "Geld-Vermögensveränderung innerhalb der Wirtschaftssubjekte" , die die eigentlichen "Pole" des Wirtschaftskreislaufs bilden, z. B. die Produzenten, ihre Abnehmer auf der einen und ihre Lieferanten und Arbeiter auf der anderen Seite. Nur durch diesen "Saldenpol" schließt sich der Kreis, in dem "die Güter und Leistungen zwischen den Wirtschaftseinheiten" sich wertäquivalent gegenüberstehen. Aber die "Pole" sind in ihrem Verhältnis zum "Saldenpol" nichts anderes als die Konten der doppelten Buchführung in ihrer Beziehung zum Gewinn- und Verlustkonto und damit zum Posten Kapital in der aus der Gewinn- und Verlustrechnung entwickelten Bilanz. Das bedeutet, daß es für die Wirtschaftsrechnung mit dem bloßen "Austausch" der Güter und Leistungen und ihrer "Wertäquivalenz" nicht getan ist, es vielmehr, und zwar entscheidend, auf den bei dem "Austausch" eingetretenen Gewinn oder Verlust ankommt. Das gilt in gleicher Weise für die mikroökonomische wie für die makroökonomische Darstellung. Was bei jener der Gewinn oder Verlust mit der sich daraus ergebenden Veränderung des Kapitals ist, ist bei dieser die Wachstumsrate mit der sich daraus ergebenden Veränderung des Kapitalstocks 47 • Auch Krelle verkennt das nicht; er hebt sogar die Bedeutung hervor, die der Wachstumstheorie für die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zukommt48 , aber das will doch besagen, daß das "Kreislaufaxiom" ("Die Summe der hineinfließenden Ströme ist bei jedem Pol gleich der Summe der herausfließenden Ströme") nur in Verbindung mit dem Wachstumsaxiom Geltung haben kann, die "Kreislauftheorie" als "Denkschema" für die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung somit nicht ausreicht. Es ist ja auch nicht so, daß sie erst die doppelte Buchführung hervorgebracht hätte; die hatte es vielmehr längst gegeben, ehe Quesnay das Gleichnis vom Kreislauf des wirtschaftlichen Geschehens - mehr als ein Gleichnis ist es nicht - zu einer "Analyse du Tableau Ecconomique" ausgestaltete; ihre Übertragung auf die makro ökonomische Darstellung wäre möglich gewesen und bleibt möglich, ohne daß es eine Kreislauf theorie gegeben hätte und gibt. Auch nach Schneider ist die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung eine "Nationale Buchführung"49 mit dem "Sektor" "Vermögensrechnung" "oder besser" "Vermögensänderungsrechnung", d. h. einem "Sammelkonto für jene Größen, die eine Änderung des 48
47 48
49
a.a.O., S. 23. Schneider, a.a.O., 3. Teil, 10. Aufl., Tübingen 1967, S. 235, 253 ff. a.a.O., S. 48. a.a.O., 1. Teil VI Kapitel, S. 121 ff.
§ 1 Das Problem und die Grundzüge einer Lösung
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Volksvermögens darstellen". Auch er überträgt also - anders kann es ja auch gar nicht sein - die Methode der doppelten Buchführung auf die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Erst später hat man in die - längst bekannte - doppelte Buchführung den Gedanken des "Kreislaufs" hineingetragen und danach auch auf die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung übertragen, indem man dozierte, am Ende einer jeden Periode müßten alle Konten (Pole, Sektoren) abgeschlossen werden; das geschehe durch übertragung der Salden auf das Gewinn- und Verlustkonto (den Saldenpol, das Konto Vermögensänderung); dadurch würden die Konten (Pole, Sektoren) auf den Punkt Null gebracht, und jetzt sei "die Summe der Werte aller einem Sektor zufließenden Ströme gleich der Summe der Werte aller aus dem Sektor abfließenden Ströme"50, der Kreis geschlossen. Aber zu diesem Nullpunkt gelangt man doch, um in dem Gleichnis zu bleiben, nur dadurch, daß man die Konten (Pole, Sektoren), "die den Zu- und Abfluß der Ströme erfassen", um einen Posten ergänzt, der nicht den Zu- und Abfluß der Ströme, sondern deren Wirkung anzeigt, den Posten "Saldo". Die Wirkung eines Kreislaufs, auch des Blutkreislaufs, ist aber etwas anderes als der Kreislauf selbst. Man könnte uns entgegenhalten, das sei nicht wörtlich zu nehmen, die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung solle ebenso wie die Bilanz gerade die Wirkung (das Ergebnis) der wirtschaftlichen Tätigkeit zur Darstellung bringen, und es sei allenfalls eine unschädliche "falsa demonstratio", wenn man "Kreislauf" sage, aber "wirtschaftliche Wirkung der Güter- und Geldströme" meine. Indessen kann man diese sprachliche Ungenauigkeit dann nicht hinnehmen, wenn es sich nicht bloß darum handelt, ein "Denkscherna" für die Wirtschaftsrechnung zu finden, sondern eine "materiale Theorie" des wirtschaftlichen Geschehens zu entwickeln, d. h. die Frage zu beantworten, was jene "Ströme" sind. Ist die Bewegung, die sie vollführen, nicht die eines Kreises, dann ist es auch nicht erlaubt, im materialen Sinne von einem "Kreislauf" zu sprechen. b) Die Wachstumstheorie als materiale Theorie vom "Mehrwert"
Eine materiale Theorie des Mehrwerts kann vielmehr nur eine Wachstumstheorie sein, und das ist sie nur, wenn sie uns erkennen läßt, was das wirtschaftliche Wachstum der Sache nach ist 51 . Zwar äußert es sich Schneider, a.a.O., 1. Teil S. 125. Das lassen die bisher unternommenen Versuche zur Ausbildung einer Wachstumstheorie vermissen. Sie erschöpfen sich darin, das Wachstum einer "Viel-Sektoren-Wirtschaft ... mit mathematischen Hilfsmitteln" darzustellen (Krelle, a.a.O., S. 48), aber sie geben keinen Aufschluß darüber, wie es überhaupt zum Wachstum der Wirtschaft kommt; es fehlt noch das wirtschaftstheoretische Fundament, auf das die Wachstumsberechnung sich gründen kann und muß. Diese Kernfrage bleibt auch bei Krelle offen; er bedient sich des Marxschen Schemas der erweiterten Reproduktion für den Aufbau einer 50 61
S·
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in den Zahlen, die die betriebswirtschaftliche Rechnung als Gewinn, die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung als Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts (Wachstumsrate) ausweist, aber es ist mit diesen Zahlen nicht identisch. Es sind Geldzahlen, und wenn Geld der Maßstab des Kapitals und dieses wirtschaftliche Energie ist, dann ist das wirtschaftliche Wachstum (der "Mehrwert") jener Zuwachs an wirtschaftlicher Energie, der in der horizontalen Kette der Erwerbsvorgänge (in der "Reproduktion") entsteht. Das ist etwas anderes als das, was wir sonst unter Wachstum verstehen. Gewöhnlich verbinden wir damit die Vorstellung von einer räumlich und zeitlich begrenzten Zunahme der stofflichen Substanz eines Körpers, z. B. eines Kindes und jungen Menschen bis zum völligen Erwachsensein. Hier dagegen besteht das Wachstum nicht in einer Zunahme stofflicher Substanz, d. h. nicht in einer Vermehrung der Anzahl von Sachgütern, sondern in einer Steigerung der in Geld ausgedrückten Wirkung ihrer Verwendung; sie werden ja nicht angesammelt, sondern je nach ihrer Bestimmung für den Konsum oder die Investition entweder sofort oder nach und nach vernichtet; gerade daraus aber resultiert das wirtschaftliche Wachstum; es ist also etwas von ihrer stofflichen Substanz Verschiedenes, und das kann nur die wirtschaftliche Energie sein, die in ihnen eine ihrer Erscheinungsformen findet. Außerdem bezeichnet es hier nicht wie das stoffliche Wachstum, z. B. eines Menschen, einen räumlich und zeitlich begrenzten Abschnitt der Entwicklung, sondern einen Vorgang, der in einem Raum-Zeit-Kontinuum verläuft, und das kann wiederum nur ein energetischer sein. Der Ausdruck "Wachstum" gibt ihn nur unvollkommen wieder. Genau müßte man ihn permanente Zunahme wirtschaftlicher Energie nennen. Diese erwächst aus der ständigen Beschleunigung, die die Energiequanten bei ihrer Konzentration in den Sachgütern und dem Rückgewinn aus ihnen erfahren. Das will uns durchaus natürlich erscheinen, seitdem Einstein mit seiner Formel E=mxc2 die Masse-Energie-Gleichung gefunden und Planck durch seine Formel
E= hxv die Wirkungsweise der Energiequanten aufgezeigt hat; denn aus diesen beiden Formeln können wir ableiten, daß steigende Frequenz v (Ny) - und das ist die Beschleunigung von Energiequanten - zur Vergrößerung von Masse und vergrößerte Masse zu vermehrter Energie führt. Wachstumstheorie, die aber ebenfalls nur die Daten für die Berechnung des Wachstums und seiner "Gesetzmäßigkeiten" liefert (a.a.O., S. 49 ff.), über sein Wesen aber nichts aussagt. Bemerkenswert ist der Hinweis (S. 56), daß man für die Aufteilung des Unternehmensgewinns in die Investitions- und die Sparrate auf "zusätzliche Annahmen, die nicht aus dem Kreislaufzusammenhang folgen", angewiesen ist. Solche "zusätzlichen Annahmen" können sich nur auf die Natur des wirtschaftlichen Wachstums gründen.
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Die Zunahme wirtschaftlicher Energie hat nUn aber zwei Besonderheiten. Einmal die, daß wir es bei den Sachgütern mit einer Vielzahl von "Massen" zu tun haben und der Energiezuwachs sich bei ihnen zwar gleichzeitig, aber nicht gleichmäßig vollzieht, der jeweilige "Mehrwert" demzufolge verschieden groß ist, und zwar sowohl der Individual- als auch der Sozial-Mehrwert, d. h. sowohl der bei den Einzelleistenden (in den Unternehmungen) als auch der bei den Gesamtleistenden (in den Volkswirtschaften) entstehende. Darauf beruht es, daß die Menschen an keinem Ort und zu keiner Zeit die Sachgüter erhalten, deren sie bedürfen oder die sie begehren, daß vielmehr eine ständige Inkongruenz der Bedarjsdeckung herrscht 52 , und zwar wiederum sowohl im Verhältnis zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft, der er zugehört, als auch im Verhältnis der Gesellschaften untereinander. Damit hängt eng die zweite Besonderheit zusammen: die Zunahme wirtschaftlicher Energie kann nur in diesen Relationen eintreten; insbesondere kann die wirtschaftliche Energie des Einzelnen nur als Folge der Zunahme des Volumens der wirtschaftlichen Energie der Gesellschaft "wachsen". Tatsächlich erfährt denn auch nur ein kleiner Teil der konkreten Einzelleistungen unmittelbar, z. B. durch den Einsatz neuer Produktionsmittel in einem Unternehmen, eine Beschleunigung und damit einen Energiezuwachs durch abstrakte Einzelleistungen. Der bei weitem größte von ihnen verändert sich nach Art und Umfang nicht oder nur wenig. Dennoch nehmen alle konkret Leistenden am Wachstum der Wirtschaft teil, erhöht aller Einkommen sich auch bei stets gleichbleibender und sogar verringerter Leistung, das der Lohnempfänger ebenso wie das der Unternehmer; nicht nur diese erzielen einen sich ständig vergrößernden "Differentialgewinn", einen ständig wachsenden überschuß über die Produktionskosten, ein gesteigertes "Residualeinkommen"53, sondern auch die Lohnempfänger; denn wenn der Lohn eines Arbeiters trotz verringerter körperlicher Leistung und trotz verkürzter Arbeitszeit sich erhöht, so ist das ein Gewinn, den er nicht der konketen eigenen, sondern der abstrakten Leistung anderer verdankt. Darin zeigt sich, daß auch er "personifiziertes Kapital", also "Kapitalist" ist54 ; denn das ist jeder, der wirtschaftlich leistet, da jede wirtschaftliche Leistung Bewegung wirtschaftlicher Energie (Kapitalbewegung) ist. 5! Ähnlich Schneider, a.a.O., 1. Teil S. 13, der von einer "Spanuung zwischen Bedürfnissen und Mitteln zu ihrer Befriedigung" spricht; diese ist aber nicht, wie er meint, das, was die herrschende Lehre die "Knappheit der Güter" nennt (so CareU, a.a.O., S. 13 und andere); vielmehr ist es die unterschiedliche Fähigkeit der Menschen, das an Gütern zu produzieren, was sie zur Deckung ihres Bedarfs produzieren müßten, und, daraus resultierend, eine permanente Bedarfslücke. 53 Carell, a.a.O., S. 287 f. Marx, a.a.O., Buch I S. 116. 5(
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6. Wirtschaftliche Einzelleistungen und volkswirtschaftliche Gesamtleistung - "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile" - Spannung zwischen Einzelleistungen und Gesamtleistung
Alle kommen also in den Genuß eines "Mehrwerts" aus Einzelleistungen, die nicht in ihrem, sondern in anderen Unternehmungen vollführt werden. Das ist nur möglich, wenn man sich alle Einzelunternehmungen als "zu einer einzigen Riesenunternehmung zusammengeschlossen"55 vorstellen und annehmen darf, daß sie in diesem Zusammenschluß eine Gesamtleistung vollbringen, von der die ihre jeweils nur einen Teil bildet. Schneider zeichnet das Bild eines solchen Zusammenschlusses, ohne ihm jedoch einen Wirklichkeitswert beizumessen, sondern lediglich als einen Denkbehelf zum besseren Verständnis des Satzes, daß in der stationären Wirtschaft, d. h. dann, wenn keine Neuinvestition stattfindet, "der Unternehmergewinn ... dem Unternehmerkonsum gleich ist" und zur Erläuterung der Marx'schen These, daß "die Kapitalistenklasse selbst ... das Geld in Zirkulation (wirft), das zur Realisierung des in den Waren stekkenden Mehrwerts dient ... (und) als Kaufmittel für ihre individuelle Konsumtion" verausgabt wird 56 . Der Zusammenschluß der Einzelunternehmungen zu einer einzigen "Riesenunternehmung" ist aber eine Realität, weil die Gesamtleistung es ist, die in den zusammengeschlossenen Unternehmungen vollbracht wird und hier erst liegt der Schlüssel für die Antwort auf die Frage nach der Entstehung des Energiezuwachses ("Mehrwerts"); denn die Gesamtleistung ist nicht identisch mit der Summe der Einzelleistungen, weil "das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile". Wir wenden damit einen Kernsatz der sozialwissenschaftlichen Feldtheorie in der wirtschaftswissenschaftlichen Disziplin der Sozialwissenschaften an. Er geht auf Untersuchungen zurück, die von Ehrenfels57 über "Gestaltsqualitäten" angestellt hat und die ihrerseits an eine Arbeit von Mach über "Beiträge zur Analyse der Empfindungen" anknüpfen. Unter "Gestaltsqualitäten" versteht von Ehrenfels "positive Vorstellungsinhalte, welche an das Vorhandensein von Vorstellungskomplexen im Bewußtsein gebunden sind, die ihrerseits aus voneinander trennbaren (d. h. ohne einander vorstellbaren) Elementen bestehen"58. Er erläutert das an Hand des schon von Mach gewählten Beispiels der Melodie: diese vermittelt einen von der Summe der einzelnen Töne verschiedenen Vorstellungsinhalt, eine eigene Gestaltsqualität, ohne damit die Qualität der einzelnen
Schneider, a.a.O., I Teil S. 70. a.a.O., Buch II S. 323. 57 von Ehrenfels, Christian: über Gestaltsqualitäten in Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie, XIV. Jahrgang, Leipzig 1890. 58 a.a.O., S. 262. 55
M
Marx,
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Töne aufzuheben. von Ehrenfels' Untersuchungen beschränkten sich auf das Gebiet der Psychologie, er lehnte es daher - insoweit im Gegensatz zu Mach - ab, physikalische Gesetze in die Gestaltsqualitäten hineinzuziehen 59 • Das unternahm nach ihm aber Köhler 60 , genauer: dieser wies nach, daß es "Gestalten" nicht bloß im psychischen, sondern auch im physischen Bereich gibt, und zwar bei der Wirkungsweise der elektromotorischen Kräfte, die zwischen zwei Elektrolyten von verschiedenen Materialwerten bestehen; von ihnen hat jede einen eigenen Potentialwert, aber die sogenannte "Potentialdifferenz" ist nicht die algebraische Resultante zwischen den beiden Einzel-Potentialwerten, sondern ein dritter Wert, der sich erst in dem Augenblick bildet, in dem die beiden anderen in physischen Zusammenhang gelangen und der immer der gleiche bleibt, auch wenn die Einzel-Potentialwerte sich ändern; die "Differenz", die im Grunde gar keine ist und die Köhler deshalb durch den Ausdruck "Potentialsprung" ersetzt, ist sogar die "primäre Eigenschaft des Gesamtsystems", und ihr gemäß erst "bilden sich die absoluten Potentialwerte der Teile ... aus"61. Köhler gibt dem Begriff der "Gestalten" eine Fassung, die um ihrer Einfachheit willen dem von Ehrenfels'schen Begriff der "Gestaltsqualitäten" vorzuziehen ist: Gestalten sind "Zustände und Vorgänge, deren charakteristische Eigenschaften und Wirkungen aus artgleichen Eigenschaften und Wirkungen ihrer sogenannten Teile nicht zusammensetzbar sind"82. Von ihm stammt auch der oben zitierte Satz: "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile 63 ." Ihn hat ein dritter in dieser Reihe, Mey, in die Sozialwissenschaften übertragen und unter Verwendung Einstein'scher Gedanken zu einer sozial wissenschaftlichen Feldtheorie ausgestaltet 84 . Wir zögern nicht, diesen Satz auch für die Wirtschaftswissenschaft in Anspruch zu nehmen, und zwar als ein Axiom, das dem Verhältnis zwischen der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung und den wirtschaftlichen Einzelleistungen zugrunde liegt. Dieses Verhältnis läßt sich mit dem vergleichen, das zwischen der Wirkung eines einzelnen Sprengkörpers und der einer geballten Ladung besteht; die energetische Wirkung der letzteren ist nicht schon mit der Summe der Kräfte gegeben, die den einzelnen Sprengkörpern innewohnt, sondern erst damit, daß die verbundenen Sprengkörper zu einheitlicher Entladung gebracht werden. a.a.O., S. 254. Köhler, Wolfgang: Die physischen Gestalten in Ruhe und im stationären Zustand, Braunschweig und Erlangen 1924. 81 a.a.O., S. 30. 82 a.a.O., S. IX. 83 a.a.O., S. XI. 84 Mey, Harald: Studien zur Anwendung des Feldbegriffs in den Sozialwissenschaften (in der Reihe "Studien zur Soziologie", herausgegeben von Ralf Dahrendorf), München 1965, S. 30. 59 80
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So gelangen auch die Leistungen jedes einzelnen Unternehmens nur dadurch zu wirtschaftlicher Wirkung, daß sie mit den Leistungen aller anderen Unternehmen eines geschlossenen Wirtschaftsgebietes (Staates) zu einer Gesamtleistung verschmelzen. Jede wirtschaftliche Leistung hat daher einen Doppelcharakter : sie ist Einzelleistung und zugleich Teil der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung. Einzelleistende sind alle jeweils in einem Unternehmen arbeitsteilig tätigen Menschen. Gesamtleistender ist die Gesamtheit aller dieser arbeitsteilig tätigen Menschen des Wirtschaftsgebiets; sie wird - als Zweig der Gesellschaft - vom Staat repräsentiert. Durch ihren Zusammenschluß in der vom Staat repräsentierten "Riesen unternehmung " büßen aber die Einzelunternehmen ihren Charakter nicht ein. Vielmehr besteht zwischen ihnen und der "Riesenunternehmung", genauer: zwischen den in ihnen vollbrachten Einzelleistungen und der Gesamtleistung eine Spannung; erst aus ihr erwächst der wirtschaftsenergetische (kapitalistische) Effekt und damit auch der Pluseffekt, den Marx den "Mehrwert" nennt. Den Impuls zu ihm liefern vom Pol der Einzelleistungen her der Zwang zum Gewinnstreben, vom Pol der Gesamtleistung her alle auf die Erzielung einer Wachstumsrate gerichteten wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen des Staates und der mit ihm verbundenen Institutionen, insbesondere der Zentralbanken. Der Bogen dieser Maßnahmen ist weit gespannt. Er reicht von der Bemessung des Diskontsatzes bis zur totalen Planung. Indessen gibt es keine Gesamtleistung ohne die Einzelleistungen; diese lassen sich daher durch keine wie immer geartete Maßnahme des Staates ersetzen. Umgekehrt ist aber auch das Energieplus (der Gewinn, der Einzelleistungs-Mehrwert), den sie erbringen, nur als Teil der Wachstumsrate (des Gesamtleistungs-Mehrwerts) denkbar. II. Meßwerte der wirtschaftlichen Einzelleistungen: Lohn, Zins und Preis und der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung: Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts (Wachstumsrate)
1. Meßwerte der Spannung zwischen beiden: Spannungs- und überschußrate - Geldmeßwertdifferenz ("Geldwertschwund")
Ihrem Doppelcharakter gemäß erfordern die wirtschaftlichen Leistungen und ihre Mehrwerte eine doppelte Art der Berechnung. Als - abstrakte, konkrete und gebündelte - Einzelleistungen werden sie mit dem Zins, dem Lohn und dem Preis gemessen. Um sie wirtschaftsrechnerisch auch als Teil der Gesamtleistung zu erfassen, bedarf es der Berechnung einmal der Gesamtleistung selber und so dann der zwischen dieser und der Summe der Einzelleistungen bestehenden Spannung. Rechnungs-
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größe der Gesamtleistung ist die Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts (Wachstumsrate). Rechnungsgröße der Spannung (Spannungsrate) ist eine Verhältniszahl, bezogen auf eine Rechnungsperiode, meist ein Jahr; sie liefert einen Meßwert, der eine Korrektur der Werte gestattet und erfordert, mit denen die Einzelleistungen durch Zins, Lohn und Preis gemessen wurden. Das kann auf zweierlei Weise erfolgen, entweder so, daß die Spannungsrate vorausberechnet und im voraus in den Meßwert einer gegenwärtigen Einzelleistung eingerechnet wird, oder so, daß der Meßwert einer gegenwärtigen Einzelleistung unverändert bleibt, der künftiger Einzelleistungen aber eine Erhöhung im Verhältnis der Spannungsrate erfährt. Von der Art der Einzelleistung hängt es ab, welche der beiden Methoden zur Anwendung gelangt. Für die abstrakten Einzelleistungen eignet sich die erste; daher bildet die Spannungsrate einen der Faktoren, aus denen sich der Zins, insbesondere für einen mittel- und langfristigen Kredit zusammensetzt. Die konkreten und die gebündelten Einzelleistungen hingegen erfordern die andere Rechnungsmethode; bei ihnen tritt die Spannungsrate durch eine Erhöhung der Meßwerte künftiger Einzelleistungen, also durch erhöhte Löhne und Preise, in Erscheinung. Bei ihnen wird somit der auf die gemessenen Einzelleistungen entfallende Gesamtleistungs-Mehrwert (der "Anteil am Bruttosozialprodukt") den Meßwerten künftiger Einzelleistungen zugeschlagen. Auf diese Weise wird hier die in der horizontalen Kette der Erwerbsvorgänge auftretende Spannung zwischen Gesamtleistung und Einzelleistungen periodisch ausgeglichen. In einem Schaubild bietet sich das, wie folgt, dar: Wirtschafl3periode:
-----
O~amrleistung
Summe der Einzelleistungen
Da sowohl die Summe der Einzelleistungen als auch die Gesamtleistung in Geld gemessen wird, bedeuten die Spannung und ihr Ausgleich, daß die Einzelleistungen am Ende jeder Wirtschaftsrechnungsperiode einen anderen als den ursprünglichen Geldmeßwert erhalten, und weiter, daß zwischen beiden Meßwerten eine durch die Spannung bedingte Differenz besteht, so daß der Ausgleich der Spannung ein Operieren mit zwei Geldmeßwerten ist. Hier stoßen wir abermals auf das Problem des "Geldwerts", d. h. auf die Frage, ob Geld einen in sich selbst begründeten Wert hat oder nur einen Maßstab für das Kapital liefert, jetzt mit der Alternative: wenn Geld einen Wert im Sinne einer Qualität besitzt, dann ist die periodisch auftretende Differenz die Minderung eines solchen Wertes,
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ein "Geldwertschwund"; ist es hingegen nur Maßstab des Kapitals, sein Wert nur ein Meßwert, dann ist auch jene Differenz eine bloße Rechnungsgröße, eine Geldmeßwertdijjerenz. Die herrschende Lehre nimmt das erstere an; sie behandelt den "Geldwertschwund" als eine rein monetäre Erscheinung, und zwar als eine besondere Art von Inflation, die "schleichende" oder "schreitende". Es liegt aber eine Paradoxie darin, von einem "Wertschwund" zu sprechen, obwohl ein Wertzuwachs stattfindet, und das sagt uns, daß hinter der monetären Erscheinung etwas anderes steckt. Das aber kann nur das Spannungsverhältnis zwischen den wirtschaftlichen Einzelleistungen und der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung sein. Aber wie kommt es überhaupt zu einer solchen Spannung? Um das zu wissen, muß man sich zunächst Klarheit darüber verschaffen, wie die von der "einzigen Riesenunternehmung" vollführte Gesamtleistung beschaffen ist und weshalb sie, einer geballten Ladung gleich, mehr ist als die Summe der Einzelleistungen. Gesamtleistungen gibt es auch im einzelwirtschaftlichen Bereich, und es bringt uns der Lösung näher, wenn wir uns durch ein Beispiel vergegenwärtigen, was sie dort bedeuten. Nehmen wir an, daß 10 Produzenten das gleiche Produkt herstellen, ihre Kapazität aber nur zur Produktion je eines Stücks innerhalb eines bestimmten Zeitraum ausreicht, jedes dieser Stücke DM 1000, - kostet und einen Reingewinn von je 10 % = DM 100, - abwirft; nehmen wir weiter an, daß dieses Produkt aber stets nur in einer geschlossenen Partie von 10 Stück nachgefragt ist und in dieser Partie DM 12000,- kostet. Wenn wir nun einmal unterstellen, daß die 10 Produzenten, um diesen Absatz zu ermöglichen, sich zu einer Gesellschaft zusammenschließen, dann erbringen sie außer ihren Einzelleistungen auch noch als Gesellschafter eine Gesamtleistung, und dann sind sie an dem zusätzlichen Gewinn aus der Differenz von DM 2000,- zwischen Verkaufspreis und Fertigungspreis im Verhältnis ihrer Einzelleistungen beteiligt. Kommt es nicht zu einem solchen Zusammenschluß, dann entgeht ihnen zwar der zusätzliche Gewinn, bestehen bleibt aber die Tatsache, daß ihre Produkte sich nur in einer geschlossenen Partie von 10 Stück absetzen lassen und dabei einen zusätzlichen Gewinn erbringen, nur ist es dann ein anderer (ein Händler), der das besorgt und den zusätzlichen Gewinn erzielt. Es geschieht aber nichts weiter, als daß die 10 Einzelleistungen sich mit den ihnen innewohnenden "Mehrwerten" in der Einzelleistung des anderen fortsetzen; dessen Einzelleistung wiederum greift in die Einzelleistungen derer über, die sich der abgesetzten Partie bedienen und dabei neuerlich einen "Mehrwert" erlösen. Letztendlich verbinden sich die Einzelleistungen der zehn mit der Einzelleistung des anderen und den Einzelleistungen aller im Wirtschaftsgebiet (Staat) arbeitsteilig tätigen Menschen zu einer Gesamtleistung, nur ist die "Gesellschaft", die sie vollführt, hier eine andere, nämlich die Gesamtheit aller arbeitsteilig tätigen Menschen,
§ 1 Das Problem und die Grundzüge einer Lösung
repräsentiert durch den Staat. Das macht sie zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung und den "Mehrwert", den sie erbringt, zum volkswirtschaftlichen Gesamtgewinn. Sie steht dann mit diesem der Summe aller Einzelleistungen mit deren Gewinnen gegenüber, so daß jede Einzelleistung zu einem Teil der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung, jeder Einzelgewinn zu einem Anteil am volkswirtschaftlichen Gesamtgewinn wird. Daß dieser die Summe der Einzelleistungen übersteigt, erklärt sich ebenso wie die Pluswirkung der geballten Ladung aus der energetischen Natur des wirtschaftlichen Geschehens, und zwar daraus, daß die Einzelgewinne in ihrer Zusammenfassung zum volkswirtschaftlichen Gesamtgewinn ein eigenes zusätzliches Volumen potentiellen Kapitals bilden, das sich quanteln und in neuen Einzelleistungen zu erweiterter Konzentration in neuen Sachgütern (zur "Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter") bringen läßt. Indessen bedarf es dazu einer eigenen Leistung durch eine eigene Art von Unternehmen, die Banken. Bei ihnen werden die Einzelgewinne in Gestalt von Einlagen zu Teilen des volkswirtschaftlichen Gesamtgewinns akkumuliert und bilden in dieser Akkumulation Teile eines Volumens potentiellen Kapitals, das dann eine Quantelung in Gestalt von Krediten erfährt. Die Passivseite der Bankbilanzen weist das durch die Einzelleistungen akkumulierte Teilvolumen potentiellen Kapitals aus, auf der Aktivseite erscheint das gleiche, nunmehr gequantelte und in neuen Einzelleistungen bewegte Teilvolumen. Das Passivvolumen läßt sich aber ebenfalls quanteln; das geschieht durch Verfügungen der Einleger über die Guthaben, aus denen es sich zusammensetzt. Wir sehen uns hier vor ein merkwürdiges Phänomen gestellt, das uns auch noch in anderem Zusammenhang, bei der Aktie, begegnen wird: ein und dasselbe Volumen potentiellen Kapitals löst eine wirtschaftliche Wirkung nach zwei Richtungen aus, erzeugt einen volkswirtschaftlichen Doppeleffekt. Grob gesprochen ist es so, daß eine Summe Geldes zweimal ausgegeben wird, das eine Mal vom Einleger, das andere Mal vom Kreditnehmer. Würde der Einleger das Geld in seiner Kassette aufbewahren (horten), so könnte nur er allein es ausgeben, nicht aber gleichzeitig ein anderer. Mit der Einlage bei der Bank aber tritt der Doppeleffekt ein. Wie ist das möglich? Auch hier muß man wieder das aufhellen, was sich hinter der Erscheinung, hier: der "Einlage", verbirgt. Diese vollzieht sich nicht so, daß jemand einen von ihm gesammelten Bestand von Münzen in ein Gefäß schüttete, dem dann ein anderer einen Teil der Münzen entnähme. Vielmehr bildet die Einlage den Gegenstand eines Buchungsvorgangs: dem Einleger wird der eingelegte Betrag auf seinem Konto gutgeschrieben; dieses Konto aber ist nur ein Teil des Rechenwerks der Bank; deren Rechenwerk wiederum ist mit denen aller Banken, die es
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gibt, zu einem Weltwirtschaftsrechnungssystem verbunden. Alle Zahlen, die dieses System liefert, sind der rechnerische Ausdruck der wirtschaftlichen Leistung, die die Gesamtheit aller arbeitsteilig tätigen Menschen auf dieser Welt vollbringen, also der weltwirtschaft lichen Gesamtleistung. Davon gibt es so viele Teile als es geschlossene Wirtschaftsgebiete gibt; es sind dies die volkswirtschaftlichen Gesamtleistungen. Daraus folgt, daß jeder Buchungsvorgang im Rechenwerk einer Bank Ausdruck eines Teils der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung ist. Die Verbuchung einer aus Einzelgewinnen geschöpften Einlage ist demzufolge der wirtschaftsrechnerische Ausdruck dafür, daß die Einzelgewinne zugleich Teile des Gesamtgewinns sind und mit ihrer Akkumulation zum Gesamtgewinn ein zusätzlicher Energiezuwachs eintritt. Die Banken stellen mit ihren Rechenwerken die Verbindung zwischen Gesamtgewinn und Einzelgewinnen, zwischen volkswirtschaftlicher Gesamtleistung und wirtsc."'aftlichen Einzelleistungen, zwischen der durch den Staat repräsentierten Gesellschaft und dem Einzelnen her; sie spielen auf diese Weise "die Rolle der wichtigsten volkswirtschaftlichen Schaltstelle"65 für den Umsatz der wirtschaftlichen Energie, das heißt der durch das Geld als Kapital meßbaren Wirtschaftskraft der Gesellschaft; denn ihr entspringen die zum volkswirtschaftlichen Gesamtgewinn akkumulierten Einzelgewinne. Die Wirtschaftskraft der Gesellschaft erschöpft sich aber nicht in dem, was sie jeweils gegenwärtig produziert, sondern umfaßt auch das, was sie künftig zu produzieren vermag. Als Kapital meßbar ist die sich erst künftig entfaltende Wirtschaftskraft aber nur dadurch, daß sie Gegenstand der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung ist; denn sie ist ja Arbeitskraft und als solche, wie wir sahen, beim Einzelnen nicht meßbar. Das Objekt dieser Messung ist ein zusätzliches Volumen potentiellen Kapitals. Dieses entspringt nun aber ebenso den bereits vollbrachten wirtschaftlichen Einzelleistungen wie das aus der Akkumulation der Einzelgewinne gebildete, und das führt zur Spannung zwischen der Gesamtleistung und den Einzeleistungen; denn deren Maß deckt sich nicht mit dem Maß, das ihnen als Teilen der Gesamtleistung zukommt. Der Einzelne trägt ja durch seine Leistung zum Volumen zusätzlichen potentiellen Kapitals bei, aber sein Beitrag wird ihm vorerst nicht zugemessen, vielmehr beschränkt das Maß seiner Leistung sich zunächst auf den Teil des Einzelgewinns, der zur Akkumulation gelangt. Dieses Maß bedarf daher der Korrektur, wenn es auch den auf die zusätzliche Gesamtleistung entfallenden Einzelgewinn umfassen soll. Der für eine Einzelleistung angesetzte Zins oder Lohn oder Preis ist gleichsam das Ergebnis einer Vor65
Schiller, Karl: Vortrag auf dem Bankiertag in Düsseldorf am 21. 10. 1968.
§ 1 Das Problem und die Grundzüge einer Lösung
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kalkulation, der noch eine überprüfung und Berichtigung durch eine Nachkalkulation folgen muß; diese aber ist erst möglich, wenn das Ergebnis der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung feststeht. Das ist nicht wörtlich zu nehmen; denn das wirtschaftliche Geschehen ist, weil energetisch, dynamisch; es vollzieht sich in einem ständigen Wechsel von Energiezuständen. Um es darzustellen, müssen wir uns aber der Zeitlupe bedienen, indem wir unterstellen, daß in einem Zeitpunkt x die Summe aller Einzelgewinne zwar zum volkswirtschaftlichen Gesamtgewinn akkumuliert, aber noch nicht in neuen Einzelleistungen gequantelt, praktisch also bei den Banken zwar eingelegt, von diesen aber noch nicht in Krediten ausgereicht ist. Das Ausmaß, in dem das möglich ist, das künftige Kreditvolumen, läßt sich jedoch bereits vorausberechnen, und zwar mit den Daten, die die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung liefert. Vorausberechenbar ist damit auch der Meßwert des Energiezuwachses aus der Produktion neuer Sachgüter (des zusätzlichen Volumens potentiellen Kapitals), demzufolge auch des Anteils, den die bereits erbrachten Einzelleistungen daran haben und der den Leistenden zugemessen werden muß, wenn sie künftig nicht nur die alten, abermals hergestellten, sondern auch die neuen Sachgüter sollen erwerben können, m. a. W. wenn sie nicht nur an der "einfachen Reproduktion" (des alten "Warenkorbs"), sondern auch an der "Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter" (eines erweiterten "Warenkorbs") teilhaben sollen. Solange ihnen dieser Anteil nicht zugemessen ist, besteht eine Diskrepanz zwischen den Meßwerten der von ihnen vollbrachten Einzelleistungen und dem Meßwert der durch sie erweiterten Gesamtleistung. Sie wird in der Weise beseitigt, daß die in einem künftigen Zeitpunkt y abermals vollbrachten Einzelleistungen, selbst wenn sie unverändert bleiben, einen um den Anteil am zusätzlichen Volumen potentiellen Kapitals erhöhten Meßwert erhalten. In den Zins wird, wie wir sagten, dieser Anteil im voraus eingerechnet, Löhne und Preise hingegen werden "angehoben"; sie steigen aber nicht insgesamt auf einmal, sondern einzeln oder in Gruppen. Dabei liefert das Maß des Anstiegs eines Preises oder einer Gruppe von Preisen das Maß für den Anstieg sowohl aller anderen Preise als auch der Löhne. Um dafür einen brauchbaren Berechnungsmodus zu erhalten, wird die Veränderung, die die Preise innerhalb eines Jahres erfahren haben, ermittelt; die so gefundene Größe ergibt ihren Geldmeßwert zum Stichtag der Berechnung und damit die Differenz zwischen diesem und ihrem Geldmeßwert zum vorangegangenen Stichtag, die Geldmeßwertdifferenz. Man operiert dabei mit den Indices der Preise, die für verschiedene Sachgüter oder Gruppen von Sachgütern von verschiedenen Gruppen der Erwerber zu verschiedenen Zeitpunkten aufgewendet werden müssen. Insgesamt kennt die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 25 solcher
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Indices 66 • Für unseren Untersuchungszweck kommt nur der Preisindex des Sozialprodukts in Betracht; denn die volkswirtschaftliche Gesamtleistung hat ihren Meßwert im Sozialprodukt. Die Geldmeßwertdifferenz erfaßt die Spannung aber nur insofern, als sie zwischen den Einzelleistungen und der mit der "einfachen Reproduktion" vollbrachten Gesamtleistung besteht. Die Spannung erwächst jedoch gerade aus der "Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter"; es gäbe sie überhaupt nicht, wenn die Reproduktion sich auf die alten Sachgüter (den alten "Warenkorb") beschränkte. Daraus folgt, daß die Löhne und die Preise nicht bloß um den Hundertsatz steigen, den der Preisindex des Sozialprodukts anzeigt, sondern auch und erst recht um einen Hundertsatz, den der Energiezuwachs aus der Produktion der neuen Sachgüter liefert. Ihr Anstieg ist die natürliche Folge gerade dieses Wachstums. Man gibt sich daher einer "Geldwertillusion"61 hin, wenn man ein Wachstum bei gleichzeitiger Stabilität von Löhnen und Preisen für möglich hält. Die jeweilige Wachstumsrate hat somit zwei Bestandteile: die mit der "einfachen Reproduktion" gegebene einfache Spannungsrate und die mit der "Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter" gegebene erweiterte Spannungsrate. Als aus der Spannung herrührend tritt jedoch nur die erstere durch die Geldmeßwertdifferenz in Erscheinung; wir wollen daher den Ausdruck "Spannungsrate" auf sie beschränken und die andere "Vberschußrate" nennen. Es fragt sich nun, ob sich für die Wachstumsrate und ihre beiden Bestandteile ein optimaler Satz finden läßt. Er könnte sich nur aus dem Maß der Beschleunigung ergeben, den der Energieumsatz als Folge des Doppeleffekts erfährt; denn die Akkumulation der Einzelgewinne zum Gesamtgewinn gestattet es, die Reproduktion, die einfache sowohl wie die auf erweiterter Stufenleiter, vorzuverlegen, und das bedeutet, daß die auf sie gerichteten konkreten Leistungen eine Beschleunigung durch die abstrakten erfahren, mit denen die Quanten des akkumulierten potentiellen Kapitals bewegt werden, in praxi: durch die Kredite, mit denen die Reproduktion finanmert wird. 2. Vorausberechnung der erstrebten Wachstumsrate Der Diskontsatz (die Bankrate) als Meßwert - Die optimale Wachstumsrate - Die Wirtschaftsenergiekonstante Das Maß dieser Beschleunigung, praktisch: das Maß der künftigen Kapitalausstattung, läßt sich vorausberechnen, und das muß geschehen; denn davon hängt das Maß der erstrebten Wachstumsrate ab. Voraus66 61
Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, März 1968, S. 17. ifo-Schnelldienst 1965, Nr. 37 S. 8.
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berechenbar sind nun aber nicht die Meßwerte aller künftigen abstrakten Einzelleistungen (die Zinssätze aller künftigen Kredite), sondern ist nur der Meßwert, den das aus den Einzelgewinnen zum Gesamtgewinn akkumulierte Volumen potentiellen Kapitals liefert, bevor es gequantelt wird, also im gedachten Zeitpunkt x. Es kann daher nur der Meßwert der Gesamtleistung sein, zu der die künftigen Einzelleistungen verschmelzen. Dieser Meßwert ist der Diskontsatz der Zentralbanken, auch Bankrate genannt. Er zeigt die künftige abstrakte Gesamtleistung der Gesellschaft an, Leistung hier im subjektiven Sinne ihres Vollbringens. Ist diese optimal, dann muß ihrem Meßwert der Meßwert der Gesamtleistung im objektiven Sinne des Vollbrachtseins, des Ergebnisses der gesamtwirtschaftlichen Betätigung entsprechen; er muß dann in einer Gleichung zu den Bestandteilen der Wachstumsrate und damit zu dieser selbst stehen; denn das Maß des optimal Leistenden ist gleich dem Maß des optimal Geleisteten. So erzielt ein Sportler das Optimum seiner Leistung, etwa die bestimmte Höhe oder Weite eines Sprunges, wenn er sie in optimaler Kondition vollbringt. Mit der durch die Bankrate gemessenen Leistung wird jener volkswirtschaftliche Doppelejfekt erzielt, von dem wir sprachen: die einfache Reproduktion und die Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter. Optimal ist die Bankrate daher dann, wenn sie gleich der optimalen Spannungsrate und diese, damit auch die Bankrate selber, gleich der optimalen Vberschußrate ist. Auf die Wachstumsrate bezogen heißt das, daß diese optimal ist, wenn sie gleich der doppelten optimalen Bankrate ist. Das Produkt des rechnerischen Verhältnisses dieser Raten ist eine Zahl, die wir die Wirtschaftsenergiekonstante nennen wollen, weil sie die einzige feste Größe für die Vorausberechnung des optimalen Energiezuwachses (des optimalen Mehrwerts) aller wirtschaftlichen Leistungen abgibt. Es ist dies ein Satz von 3,6 °10 p. a. = 0,1 °100 p. d. Die Werte, die er bei den Raten liefert, unterscheiden sich aber in ihrer Bedeutung: für die Bankrate ist er ein Mittelwert, für die Spannungsrate ein oberer und für die überschußrate, demzufolge auch für die Wachstumsrate ein unterer Grenzwert. Optimal ist demnach eine konjunkturelle Lage, bei der die Bankrate im Durchschnitt68 , die Spannungsrate höchstens 69 , die überschußrate mindestens 3,6 0 10 p. a., die Wachstumsrate demzufolge mindestens 7,2 Ofo p. a. 70 beträgt. Optimal ist nicht gleichbedeutend mit 68 Das war der durchschnittliche Diskontsatz der Deutschen Bundesbank in den Jahren 1958 - 1967 (Monatsbericht 1969 Nr. 1 stat. Teil S. 48). 69 Das war der Preisindex des Bruttosozialprodukts in den Jahren 1950 - 65 (Monatsbericht der Dt. Bund.Bk. 1968 Nr. 3 S. 17; Jahresgutachten des Sachverständigenrats 1967, Tab. 33, S. 179). 70 In den Jahren 1951 - 53 und dann nochmals im Jahre 1961 sank die Wachstumsrate bis nahe an diesen Satz ab, ohne daß Störungen eingetreten waren. (Stucken, Rudolf: Deutsche Geld- und Kreditpolitik 1914 - 1963, 3. Auf!., Tübingen 1964, S. 268; Statistische Beihefte zu den Monatsberichten der Dt. Bundes-
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maximal und minimal. Die tatsächlichen Raten können von der Wirtschaftsenergiekonstante abweichen. Insbesondere können innerhalb der Wachstumsrate die Spannungs- und die Überschußrate variieren. Das bedeutet: der optimale Satz von 7,2 % der Wachstumsrate schließt die Möglichkeit ein, daß die Spannungsrate niedriger, die Überschußrate höher ist als 3,6 0/0. Die Überschußrate ist der primäre, die Spannungsrate der sekundäre Bestandteil der Wachstumsrate. Daher ist keine Wachstumsrate gegeben, wenn es an einer Überschußrate fehlt. Steigen Löhne und Preise, ohne daß das Sozialprodukt wächst, dann zeigt die Geldmeßwertdifferenz keine Spannungsrate, sondern eine Inflationsrate an; diese verhält sich zur Spannungsrate wie das gleiche Symptom zu verschiedenen Krankheiten; man hat sie also je nach Lage des Falles entweder als Spannungsoder als Inflationsrate zu diagnostizieren; dagegen geht es nicht an, jede Änderung des Preisniveaus pauschal als "Inflation" ("Geldwertschwund") zu behandeln. Spannungsrate ist die Geldmeßwertdifferenz demnach stets dann, wenn zwischen ihr und einer gegebenen Wachstumsrate eine Differenz als Überschußrate besteht. Diese Differenz ist der Sachverhalt, der sich hinter der Unterscheidung zwischen "nominaler" und "realer" Zuwachsrate verbirgt. Die NominalReal-Rechnung bringt ihn jedoch nur unvollkommen zum Ausdruck; denn sie verschleiert das, was zu erkennen gerade entscheidend ist: daß auch die "nominale" Zuwachsrate eine echte Wachstumsrate ist, die zu einer Korrektur der vorkalkulierten Meßwerte (zum "Anheben"- der Löhne und Preise) nötigt. Der Nominal-Real-Rechnung haftet denn auch etwas Gekünsteltes dadurch an, daß sie gezwungen ist, mit einem willkürlich herausgegriffenen Zeitpunkt, z. B. dem 1. Januar 1950, zu operieren, von dem aus sie das jeweilige Ausmaß des "Geldwertschwundes" berechnet. Das fällt bei der hier angewandten Optimalrechnung fort; sie nimmt auch die "nominale" Zuwachsrate für das, was sie ist, d. h. für eine Rate des Zuwachses wirtschaftlicher Energie, sie operiert mit einem Erfahrungssatz dieses Wachstums, der Wirtschaftsenergiekonstante von 3,6 % der optimalen Bank-, Spannungs- und Überschußrate.
III. Die leistungsgerechten Meßwerte Diese Raten sind Rechnungsgrößen der voklswirtschaftlichen Gesamtleistung. Die Relation, die die Wirtschaftsenergiekonstante zwischen ihnen herstellt, muß aber auch den Meßwerten der Einzelleistungen zugrunde gelegt werden, wenn sie sie als Teile der Gesamtleistung widerBank Sept., Okt. 1968 und fortlaufend S. 1.) Erst als in den Jahren 1966 und 1967 der Satz auf 4,5 Ofo und 5 Ofo absank, war eine .. Rezession" der Wirtschaft eingetreten.
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spiegeln sollen; denn nur dann sind sie leistungsgerecht. Daher muß man, um auf den leistungsgerechten Zins, den leistungsgerechten Lohn und den leistungsgerechten Preis zu kommen, die Wirtschaftsenergiekonstante in die Meßwerte der Einzelleistungen umrechnen. Man kann sie aber nicht einfach den Meßwerten der Einzelleistungen zuschlagen, also beispielsweise den Lohn um die jeweilige Spannungsrate (die Geldmeßwertdifferenz) erhöhen. Vielmehr erfordert jede der drei EinzelleistungsMeßwerte eine eigene Art der Umrechnung. 1. Der leistungsgerechte Zins Der leistungsgerechte Zins ist aus der Wirtschaftsenergiekonstante unmittelbar abzuleiten, da der Diskontsatz eine Norm für alle Zinssätze abgibt dergestalt, daß sie sich an ihm orientieren71 • Die Leistungsgerechtigkeit von Lohn und Preis hingegen lassen sich durch die Wirtschaftsenergiekonstante nur mittelbar bestimmen, und zwar durch Zwischenschaltung eines Meßwerts, der die durch sie gemessenen Einzelleistungen so zusammenfaßt, daß sie sich zum Meßwert der Gesamtleistung in Beziehung setzen lassen. 2. Der leistungsgerechte Lohn
Beim Lohn ist dieser zwischengeschaltete Meßwert das Einkommen, d. h. die Summe der Löhne als das Ergebnis der von einem konkret Leistenden (einem Lohnempfänger) in einer Rechnungsperiode vollbrachten Leistung. Aus der Summe aller Lohneinkommen läßt sich durch "Aggregierung" der Anteil aller konkret Leistenden (der "Unselbständigen") am "Volkseinkommen" errechnen und in eine Relation zur Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts bringen; denn das Volkseinkommen ist identisch mit dem "Nettosozialprodukt zu Faktorkosten", und dieses ein Teil des "Bruttosozialprodukts zu Marktpreisen"72. Die Lohnzuwachsrate errechnet sich somit aus dem Anteil der "Unselbständigen" an der Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts; er belief sich im Durchschnitt der Jahre 1954 bis 1967 auf 82,6%. Demzufolge ist die optimale Lohnzuwachsrate mit rund 6 Ofo jährlich anzusetzen. Dieser Satz verteilt sich gleichmäßig auf die Spannungs- und die überschußrate. Daß die "Unselbständigen" an beiden teilhaben, folgt 71
S.6). 72
Das gilt zumindest für die Sollzinssätze (Mon.Ber. Dt. Bund.Bk. 1969 Nr. I, Das ergibt sich aus der Differenzreihe : Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen ./. Abschreibungen Nettosozialprodukt zu Marktpreisen ./. indirekte Steuern abzgl. Subventionen Nettosozialprodukt zu Faktorkosten
4 Eckelt
=
Volkseinkommen.
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aus dem volkswirtschaftlichen Doppeleffekt, den die Akkumulierung der Einzelgewinne zum Gesamtgewinn auslöst; denn er führt dazu, daß der Kreis der Sachgüter des Lebensbedarfs der "Unselbständigen" sich erweitert; sie nehmen mit Teilen der Gesamtleistung nicht nur an der "einfachen Reproduktion" der bisher schon von ihnen benötigten (alten) Sachgüter, sondern auch an der "Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter" zusätzlicher (neuer) Bedarfsgüter teil. Das wirkt sich wirtschaftsrechnerisch dahin aus, daß die beiden Grenzwerte der Wirtschaftsenergiekonstante, die Spannungsrate und die Überschußrate, zwei eigene Werte für die Berechnung der Lohnzuwachsrate liefern. Die Lohnspannungs rate erfaßt das Verhältnis zwischen dem Lohn und den alten Sachgütern; sie gleicht lediglich die Geldmeßwertdifferenz aus, die durch die Verteuerung des "Warenkorbs" entsteht, und ist daher mit deren optimalem Grenzwert, also mit 82,6 % von 3,6 % = 3 % anzusetzen. Aber darin erschöpft die Lohnzuwachsrate sich nicht; man kann sie daher nicht einfach mit dem jeweiligen Preisindex des "Warenkorbs" dynamisieren. Vielmehr überschreitet sie die optimale Lohnspannungsrate, insoweit das Bruttosozialprodukt aus neuen Sachgütern besteht. An der dadurch entstehenden Überschußrate nehmen die "Unselbständigen" ebenfalls mit ihrem Anteil am Bruttosozialprodukt teil. Im Durchschnitt der Jahre 1954 bis 1967 ergab auch das 3 0/0, für die gesamte Lohnzuwachsrate somit 6 0/0. Auf den gleichen Satz einer "Lohnleitlinie" ist der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten 1966 gelangt, jedoch mit einer Begründung, der wir nicht zu folgen vermögen und mit der wir uns auseinandersetzen werden. Immerhin sehen wir darin das Ergebnis unserer Untersuchungen bestätigt. Auch hier kann freilich und wird in der Regel die tatsächliche Lohnspannungsrate unter der optimalen liegen; ist das der Fall, dann bildet die Differenz zwischen tatsächlicher Lohnspannungs- und tatsächlicher Lohnzuwachsrate eine tatsächliche Lohnüberschußrate. So betrug im Durchschnitt der Jahre 1964 bis 1967 bei einem Bruttosozialprodukt von 6,5 Ofo die Lohnzuwachsrate 8,6 %; sie verteilte sich mit 2,5 Ofo auf die Lohnspannungsrate und 6,10f0 auf die Lohnüberschußrate; die erstere ergab sich (als Geldmeßwertdifferenz) aus dem Preisindex für die Lebenshaltung, den wir hier in Übereinstimmung mit der Praxis an die Stelle des Sozialprodukt-Index' setzen können, da das Einkommen der "Unselbständigen" fast ausschließlich für den Konsum Verwendung findet und unsere Optimalrechnung dadurch nicht beeinträchtigt wird; denn worauf es bei dieser ankommt, ist, eine feste Größe für die Vorausberechnung des optimalen Mehrwerts und dessen Verteilung auf die wirtschaftlichen Einzelleistungen zu gewinnen. Der optimale Satz von 6 Ofo dient als das Ziel, auf das die lohnpolitischen Maßnahmen des Staates gerichtet sein
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müssen, wenn sie die Kontinuität des Wachstums gewährleisten sollen. Indessen werden sie damit ihres politischen Charakters entkleidet; denn das Operieren mit einer Rechnungsgröße ist keine Politik mehr.
3. Der leistungsgerechte Preis Keine wirtschaftspolitische Frage, sondern eine Frage der richtigen Messung ist auch die Frage nach dem leistungsgerechten Preis. Auch zu ihm gelangt man durch Zwischenschaltung des Einkommens, hier des der Unternehmer. Dieses ist das Produkt der einen von zwei Wirtschaftsrechnungen, die wir kennen, der einzelwirtschaftlichen Bilanz mit ihrem Satelliten, der Gewinn- und Verlustrechnung; die andere ist die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für die Verwendung und Verteilung des Sozialprodukts. Im Gefüge der Einzelwirtschaftsrechnung liefert der Preis den Stoff für den Posten "Ertrag", und zwar so, daß jede Preisbildung (Preiskalkulation) eine Gewinn- und Verlustrechnung im kleinen, das Produkt einer Unternehmensgewinnplanung als Teil einer sie umfassenden Unternehmensplanung ist. Deren Gegenstück ist die Gesamtwirtschaftsplanung mit der ihr dienenden volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und deren Produkt, der Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts. Die beiden Rechenwerke stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern bedingen sich gegenseitig. Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung bringt die "Ströme" zur Darstellung, die zwischen den Polen fließen 73, sie dient dadurch rückblickend als "Kontrollinstrument für die Wirksamkeit der staatlichen Wirtschaftspolitik" und vorausschauend als "Nationalbudget", d. h. als "antizipierte volkswirtschaftliche Gesamtrechnung"74. Die Form, deren man sich für sie bedient, läßt den Zusammenhang mit dem Wirtschaftsrechnungswerk der einzelnen Unternehmen deutlich erkennen. Wie diese schlägt auch die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung sich in einem System von Konten nieder, die jeden Vorgang doppelt, nur auf entgegengesetzten Seiten, zur Erscheinung bringen. Was die volkswirtschaftliche - von der einzelwirtschaftlichen Rechnung unterscheidet, ist lediglich die Zusammenfassung der Einzelvorgänge zu Posten, die ihren Hin- und Herfluß zwischen den Wirtschaftsgruppen aufzeigt, ihre Aggregierung, wie man das nennt. Durch sie gelangt man von der mikro ökonomischen zur makroökonomischen Darstellung des wirtschaftlichen Geschehens. In ihrer Grundgestalt weist die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung drei Wirtschaftsgruppen, die Unternehmungen, die Haushalte und den Staat, auf, die aber, um den "Kreis" zu schließen, durch eine vierte ergänzt werden muß, obwohl sie in Wahrheit gar keine "Wirtschaftsgruppe" ist, die Vermögensrechnung. 73 Siehe den Text zu Anm. 43 bis 46 des Abschnitts I. 74 Schneider, a.a.O., 1. Teil S. 146.
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Die mit Abstand wichtigste ist die Wirtschaftsgruppe "Unternehmungen", denn in ihr spielen sich die eigentlichen wirtschaftlichen Vorgänge, die Erwerbsvorgänge, ab. Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung läßt sich denn auch unmittelbar aus den Recheriwerken der Unternehmungen durch Aggregierung der Einzelbuchungen ableiten75 , "unmittelbar" freilich nicht in dem Sinne, daß jeder Posten jeder einzelwirtschaftlichen Bilanz auf das Gesamtwirtschaftsrechenwerk übertragen würde, aber doch so, daß sich darin die Beziehungen, in die die Wirtschaftsgruppen durch die einzelnen Vorgänge gebracht werden, niederschlagen. So lassen sich beispielsweise die Steuerzahlungen, die die Unternehmungen an den Staat leisten, zu einer Zahl aggregieren, die bei jenen auf der Sollseite, bei diesem auf der Habenseite erscheint. In einem von KreHe, a.a.O., S. 18 verwendeten, von uns etwas modifizierten Modell nimmt sich das so aus: Konto 1
Konto 2 S
H
Konto 3
~
Konto 4 S
H
Es bedeuten: Konto 1 Unternehmungen Konto 2 Haushalte Konto 3 Staat Konto 4 Vermögensrechnung aggregierte Steuerzahlungen. X Diese kontenmäßige Darstellung entspricht jedoch noch nicht den Anforderungen, die an die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zu stellen sind; als Kontrollinstrument für die Wirtschaftspolitik eignet sie sich vie Imehr erst, wenn sie die Ströme und Gegenströme in allen Verästelungen erfaßt; dazu bedürfte es einer Aufteilung in eine Fülle von Unterkonten, vor allem für die Bewegungen innerhalb der einzelnen Wirtschaftsgruppen, aber das würde die übersicht erschweren, wenn nicht unmöglich machen. Man hat daher eine andere Form der Darstellung entwickelt: die Matrix. Sie besteht in einem rechteckigen Schema75 , bei dem die Soll- und Habenseite der Konten zu Zeilen und Spalten werden, so daß die aggregierte Zahl nur einmal erscheint. Das ergibt folgendes Modell77 : Dieses Modell läßt Abwandlungen in der Weise zu, daß sowohl die Zeilen als auch die Spalten nach Gesichtspunkten aufgegliedert werden, die durch den jeweiligen statistischen Zweck gegeben sind. Die Wirtschaftsgruppen (Pole, Sektoren) können aber auch unter sich aufgespaltet werden, namentlich die Wirtschaftsgruppe "Unternehmungen", bei ihr gelangen dann die Liefer- und Empfangsbeziehungen, die zwischen den aggregierten Unternehmensgruppen bestehen, d. h. die "Käufe" einer Unternehmensgruppe (der Lieferanten) von einer anderen (den Vorlieferanten) und ihre "Verkäufe" an eine andere Gruppe zur Darstellung. Das ist der Grundgedanke der von Leontief entwickelten 75 76 77
Krelle, a.a.O., S. 29 mit Hinweis auf Schneider, 1. Teil S. 121 ff. Schneider, a.a.O., S.142 Anm.1. Krelle, a.a.O., S. 30.
§ 1 Das Problem und die Grundzüge einer Lösung
~ Wi.-Gr.
leistende Wi.-Gr. 1
1
2
3
4
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Summe
X
2
3 4
Summe Input-Output-Analysen78 • Der "Output" - und dasselbe gilt für den "Input" ist nicht identisch mit dem wirtschaftlichen Umsatz, also nicht eine Zahl, die einfach den Umsatzsteuererklärungen der Unternehmungen entnommen werden könnte; vielmehr ist sie die Aggregierung aller Angebots- und Nachfragefaktoren der einzelnen Unternehmensgruppen, ihrer Lieferungs- und Kostenstruktion, man kann auch sagen: ihrer Fähigkeit, Lieferungen innerhalb ihrer Gruppe auszuführen und zu empfangen; die Lieferungen werden daher, auch wenn der Handel zwischengeschaltet ist, den beteiligten Industrien unmittelbar erkannt und belastet. Erst die Einfügung der Input-Output-Rechnung in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ermöglicht eine zuverlässige Berechnung des Bruttosozialprodukts und damit auch des Volkseinkommens. Wir sehen im Bruttosozialprodukt den Meßwert der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung, und da dieser Meßwert das Ergebnis einer Aggrcgierung der Einzelleistungswerte ist, hat man in ihm den rechnerischen Ausdruck für die Akkumulation der Einzelgewinne zum Gesamtgewinn, für die Zusammenballung der wirtschaftlichen Einzelleistungen zur Gesamtleistung zu sehen.
Auf den Preis bezogen bedeutet das, daß dieser einerseits die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung mitgestaltet, andererseits aber auch von ihr mitgestaltet wird, und zwar in der Weise, daß dem von der Einzelwirtschaftsrechnung gelieferten effektiven Preis ein von der Gesamtwirtschaftsrechnung her als gegeben gedachter entspricht und Leistungsgerechtigkeit besteht, wenn der effektive Preis mit dem gedachten kongruent ist. Das setzt voraus, daß die Daten, die die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für die Gesamtwirtschaftsplanung liefert, als Daten der Unternehmens(gewinn)planung in die Einzelwirtschaftsberechnung eingehen. Das können sie nur, wenn die Gesamtwirtschaftsplanung sich in preisbildende Maßnahmen umsetzt, und von dieser Art sind alle konjunkturpolitischen Maßnahmen der Organe des Staates und der ihm 78 Vgl. hierzu wie überhaupt zu den weiteren Ausführungen Krelle, a.a.O., S. 31 H. und 142 H.; Schneider, a.a.O., S.144 f.
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nahestehenden Institutionen. Im Vordergrund stehen jene, die der Ausstattung der Unternehmen mit den für die Produktion und Reproduktion benötigten Krediten, der "Geldversorgung" dienen, die monetären und quasimonetären Maßnahmen der Zentralbanken, wie: Festsetzung des Diskontsatzes, Bemessung von Mindestreserven und Kreditkontingenten. Dazu tritt ein Instrumentarium von außermonetären Maßnahmen des Staates, das, beispielsweise in Gestalt von Steuern und Zöllen, allgemein ("global") oder, etwa in der Form von Bürgschaften, von Fall zu Fall ("spezial") zur Anwendung gelangt, insbesondere Maßnahmen, bei denen der Staat die Konjunktur und damit den Preis unmittelbar beeinfiußt, z. B. als Auftraggeber von Bauvorhaben. Aber nicht nur in diesem Fall, sondern überhaupt ist der Preis ein Produkt nicht bloß einzelwirtschaftlichen Denkens und HandeIns, sondern zugleich auch der Gesamtwirtschaftsrechnung und -planung. Die herrschende Volkswirtschaftslehre sieht meist nur sein einzelwirtschaftliches Element; er ist für sie eine Frucht des Spiels von Angebot und Nachfrage, dem die Unternehmer in mehr oder minder freiem Wettbewerb unterworfen sind. Aber schon bei der Frage, was es mit dem (der Nachfrage entsprechenden) Angebot auf sich hat, stoßen wir auf das gesamtwirtschaftliche Element des Preises. Wir müssen nämlich hier wie auch sonst zwischen der technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Seite der Sache unterscheiden. Im wirtschaftlichen Sinne ist Angebot der individuelle Impuls zur Bewegung eines Quantums wirtschaftlicher Energie in einem Erwerbsvorgang - eines Quantums, also nur des Teiles eines Ganzen, und dieses Ganze ist das Volumen aller in einem geschlossenen Wirtschaftsgebiet (Staat) bewegten wirtschaftlichen Energie, so daß sich in jedem Angebot mit dem individuellen Impuls der auf das Volumen gerichtete soziale Impuls trifft. In dem Maße, in dem Gesamtwirtschaftsrechnung und -planung sich vervollkommnen, hört der Preis auf, ein Produkt des bloßen (Zufall)spiels von Angebot und Nachfrage zu sein, wird er zu einem verläßlichen Meßwert der gebündelten Leistung. Es gibt bereits zahlreiche, namentlich größere Unternehmen, die ihre Gewinnplanung und damit auch ihre Preisgestaltung bewußt an der Gesamtwirtschaftsplanung orientieren. Im Grunde tun das aber alle; denn jedes Unternehmen bildet nur einen Teil des Gesamtfeldes, dem die in einem geschlossenen Wirtschaftsgebiet (Staat) wirkende wirtschaftliche Energie zugehört, so daß jede Einzelwirtschaftsplanung nur als Teil der Gesamtwirtschaftsplanung denkbar ist. Das bedeutet indessen nicht, daß jeder Unternehmensplan sich in den Gesamtwirtschaftsplan einfügen müßte, der Preis demzufolge ein Produkt staatlicher Wirtschaftsplanung zu sein hätte. Die Gesamtwirtschaftsplanung ist nicht "Dirigismus", sondern Dirigometrik, d. h. eine
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der Wirkungsweise eines Thermostaten vergleichbare steuernde Messung; sie zwingt dem Einzelnen keine bestimmte wirtschaftliche Leistung auf, sondern liefert ihm lediglich Meßwerte für deren Planung und Ausführung. So schlagen sich beispielsweise Maßnahmen des Staates zur Förderung des Wohnungsbaus in den Preisen der erstellten Wohnungseinheiten nieder; diese bleiben aber auch dann, was sie sind: Meßwerte wirtschaftlicher Einzelleistungen; denn jede wie immer geartete Maßnahme des Staates läßt das Spannungsverhältnis unberührt, das zwischen den wirtschaftlichen Einzelleistungen und der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung besteht und bestehen muß. Es findet auch beim Preis seinen rechnerischen Ausdruck in einer Spannungsrate, die bei der Messung einer künftigen Leistung gleicher Art in Erscheinung tritt (der Preis für ein in Serien hergestelltes Sachgut, beispielsweise einen Markenartikel, ein serieller Preis, wird "angehoben"). Auch hier bemißt die Spannungsrate sich nach dem Anteil am Volkseinkommen, und da der der Unternehmer (der "Selbständigen") niedriger ist als der der "Unselbständigen", ist auch die Spannungsrate des Preises niedriger als die des Lohnes. Keine Ausnahme von der Regel, daß die Spannungsrate sich nur auf künftige Leistungen auswirkt, bildet die "Anhebung" des verrenteten Kaufpreises für ein Grundstück oder ein Unternehmen oder des Mietzinses für die langjährige überlassung eines Gegenstandes oder für ähnliche Dauerleistungen; denn hier wirkt die Leistung ihrer Natur nach in die Zukunft, so daß eine mit der Geldmeßwertdifferenz ausgedrückte Spannung zwischen Gesamtleistung und Einzelleistung entsteht, die des Ausgleichs bedarf. Es entspricht dieser Sachlage, wenn man eine Vertragsbestimmung, die den Spannungsausgleich gewährleisten soll, "Spannungsklausel" nennt.
IV. Meßwerte und Messung der außenwirtschaftlichen Leistungen 1. Währung, Parität, Wechselkurs - Devisen und Gold
als Individual- und Globalzahlungsmittel
Das wirtschaftliche Geschehen (der "Austausch von Gütern und Leistungen") bleibt nicht auf das Gebiet eines Staates beschränkt, sondern greift auch darüber hinaus. Soweit das geschieht, treten die Einzelleistungen in ein Spannungsverhältnis nicht nur zur Gesamtleistung der eigenen Gesellschaft, sondern auch zu der einer anderen, und zwar so, daß sich eine zwischen den beiden Gesamtleistungen bestehende Spannung auf deren Verhältnis zu den Einzelleistungen überträgt. Daher werden deren Meßwerte durch das Spannungsverhältnis mitbestimmt, in dem die Gesamtleistungen der beiden Gesellschaften (Wirtschaftsgebiete, Staaten) zueinander stehen. Zwar sind, wie wir aufzeigten, auch im
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binnenwirtschaftlichen Verkehr die Einzelleistungen zugleich Teile der Gesamtleistung, aber das kommt in ihren Meßwerten, dem Zins, dem Lohn und dem Preis, nicht zum Ausdruck. Im außenwirtschaftlichen Bereich dagegen können sie überhaupt nur als Teile der Gesamtleistung zu wirtschaftlicher Wirkung gelangen. Das liegt dann offen zu Tage, wenn die Außenwirtschaft unmittelbar vom Staat gelenkt wird, gleichviel ob durch Kontingentierung der für die Ein- und Ausfuhr bestimmten Sachgüter oder nur durch Kontingentierung der für die Einfuhr benötigten Zahlungsmittel, also in der Form der Devisenzwangswirtschaft. Aber auch wenn der Staat sich auf dirigometrische Maßnahmen beschränkt, ja sogar bei völlig "freier" Wirtschaft treten alle Einzelleistungen wahrnehmbar als Teile der Gesamtleistung in Erscheinung, und zwar dadurch, daß sie einen Meßwert erhalten, der das Spannungsverhältnis zwischen der Gesamtleistung des eigenen Landes und der des beteiligten anderen Landes widerspiegelt; sie werden in der "Währung" ("Valuta") des einen oder des anderen der beteiligten Staaten berechnet. Für sich allein bedeutet "Währung" indessen nur, daß jedes Land eine eigene Wirtschaftsrecheneinheit besitzt, die Bundesrepublik Deutschland die D-Mark, die USA den Dollar usw. Was sie zu Meßwerten der außenwirtschaftlichen Einzelleistungen macht, ist erst das Verhältnis, in dem die beiden Währungen zueinander stehen; in dieser Relation nennt man sie "Paritäten" und mißt man ihnen "Wechselkurse" bei, die es ermöglichen, Zahlungen in einer fremden Währung zu leisten, d. h. die Verwandlung von Quanten kinetischen Kapitals in potentielles durch die Recheneinheit eines anderen Landes als wirtschaftliche Einzelleistung zu markieren; denn das ist die wirtschaftliche Seite der Zahlung 79 • Spezifizierendes Mittel der Markierung einer außenwirtschaftlichen Einzelleistung (fremdvalutarisches Zahlungsmittel) sind die "Devisen". Im außenwirtschaftlichen Bereich gibt es aber Zahlungen zur Markierung nicht bloß von Einzelleistungen, sondern auch von Teil-Gesamtleistungen eines Landes an ein anderes; wir nennen sie - im Gegensatz zu den auf die Einzelleistungen bezogenen Individualzahlungen - die Globalzahlungen. Ihr spezifizierendes Mittel (fremdvalutarisches Globalzahlungsmittel) ist entweder die simultane Verbuchung in den Rechenwerken der beteiligten Zentralbanken oder die Abgabe von Goldbarren aus dem Bestande der "Währungsreserven" des zahlenden Landes. Das ist jedoch nur ein erster überblick über die Grundbegriffe, mit denen wir bei der Behandlung der außenwirtschaftlichen Probleme zu operieren haben. Er genügt aber zur Erkenntnis dessen, worauf es zunächst ankommt: Währung, Parität, Wechselkurs, Devisen und Gold sind Komponenten für die Bewertung außenwirtschaftlicher Leistungen; was sie von der Bewertung der binnen wirtschaftlichen Leistungen unter79
Siehe hierzu Abschnitt I Anm. 36.
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scheidet, ist die Einbeziehung der Gesamtleistung der beiden beteiligten Länder; von deren "Parität" hängt der Wert einer außenwirtschaftlichen Leistung ab. Er wird - und das haben nun wieder die außenwirtschaftlichen Leistungen mit den binnenwirtschaftlichen gemeinsam in einer Geldzahl ausgedrückt. 2. Die Entwicklung von der Goldwährung zur abstrakten Währung - Ziehungsrechte und Sonderziehungsrechte als Globalzahlungsmittel Damit stoßen wir auch hier wieder auf die Frage nach dem Geldwert. Wenn Geld, wie wir annehmen, nur der Maßstab des Kapitals, d. h. nur eine Recheneinheit zur Messung wirtschaftlicher Energie, ist, dann gilt das auch für die außenwirtschaftlichen Leistungen, dann ist auch die Zahlung in fremder Währung nur eine besondere Art, sich der Recheneinheit eines anderen Staates zu bedienen, und dann kommt auch den außenwirtschaftlichen Zahlungsmitteln nur diese Bedeutung zu. Das gilt dann uneingeschränkt für alle Zahlungsmittel, demnach auch für das Gold; denn es ist ja nur eines von ihnen. Damit wird erneut die Frage nach der Rolle des Goldes angesprochen. Diese Frage stellt sich jetzt dahin, ob wir das Gold als ein Weltzahlungsmittel und in dieser Eigenschaft als Basis des Weltwährungssystems noch gelten lassen können, wenn wir erkennen müssen, daß es als Geld nur Recheneinheit sein und daher als Zahlungsmittel keine andere Bedeutung haben kann als ein überweisungsträger. Wirtschaftsgeschichtlich abgewandelt ist dies die Frage, ob die Entwicklung von der Goldwährung weg zu einer abstrakten Währung hin verläuft und die Verträge von Bretton-Woods und die Beschlüsse von Rio de Janeiro Etappen auf diesem Wege bezeichnen. Wir bejahen sie, weil für uns Kapital wirtschaftliche Energie und Geld nur ihr Maßstab ist. Wir sehen daher im Weltwährungssystem ein Weltwirtschaftsrechnungssystem und in den von ihm hervorgebrachten Ziehungsrechten und Sonderziehungsrechten Zahlungsmittel, die das Gold entbehrlich machen. Die letzteren sind ein internationales, die ersteren, unter ihnen insbesondere die quasi-automatischen, ein nationales Zahlungsmittel; denn sie sind Reflexe der Quoten, mit denen die angeschlossenen Staaten am Internationalen Währungsfonds beteiligt sind. Allen Arten von Ziehungsrechten liegt eine Berechnung der gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Mitgliedstaaten zugrunde. Sie, die durch das Geld als wirtschaftliche Energie (Kapital) meßbare Arbeitskraft (Wirtschaftskraft) der arbeitsteilig tätigen Menschen, bildet die Basis des Weltwährungssystems, nicht das Gold, das ohnehin nur noch einen sich ständig verkleinernden Teil der "Währungsreserven" ausmacht. Die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Länder ist denn auch das tra-
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gende Element der drei Begriffe, um die alle außenwirtschaftlichen Probleme sich ranken: die Begriffe der Währung (Valuta), der Parität und des Wechselkurses. Wir definieren jetzt Währung (Valuta) als die Recheneinheit für den Meßwert der gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit jedes Landes, Parität als das Verhältnis, in dem die Recheneinheiten für die Meßwerte der gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aller Länder (ihre Währungen, Valuten) zueinander stehen, und Wechselkurs als die jeweilige Parität zwischen zwei Ländern, d. h. als das Verhältnis, in dem zu einem bestimmten Zeitpunkt (an einem bestimmten Tag) die _gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes zu der eines anderen steht. Der Wechselkurs kann innerhalb einer bestimmten "Bandbreite" schwanken, die Parität kann es nicht; denn sie ist das Ergebnis einer Vorausberechnung der künftigen gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die auch die Möglichkeit einer Währungshilfe für den Fall einschließt, daß die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Mitgliedstaates sich vermindern sollte. Sinn und Zweck des Weltwährungssystems ist es gerade, Wechselkursschwankungen um der Parität willen aufzufangen. Als Mittel dafür dienen nicht nur die dem Internationalen Währungsfonds zur Verfügung stehenden Währungsreserven, sondern auch Maßnahmen anderer Weltwährungs-Institutionen, insbesondere Kredite, die die" Weltbank" oder ihre Schwesterinstitutionen, die "IFC" und die "IDA" oder die dem Internationalen Währungsfonds nahestehenden Institutionen, der "Zehnerclub", die "OEEC" und die "BIZ", gewähren. 3. Individualzahlungs- und -zahlungserwartungstitel Globalzahlungs- und -zahlungserwartungstitel Das Weltwährungssystem wird dadurch zu einem Weltwirtschaftskreditsystem und einem Weltwirtschajtssteuerungssystem, von dem Impulse für ein ständiges Wachstum der Wirtschaft aller Mitgliedstaaten, d. h. für die Zunahme der als Energie (Kapital) durch das Geld meßbaren Arbeitskraft ihrer Bevölkerung, ausgehen. Das führt zu einem weltkapitalistischen Automatismus, der von anderer Art ist als der "Goldautomatismus" und der "Preisautomatismus" im Sinne der von David Hume80 begründeten und von Cassel81 ausgebauten "Kaufkraftparitätstheorie", der aber dieselbe Wirkung hat wie diese: er gleicht die Spannung aus, die zwischen den Gesamtleistungen der Länder besteht, und das hat zur Folge, daß die Paritäten unverändert bleiben, solange sich nicht die gesamtwirtschaftliche Leistung eines Landes wesentlich verändert; die "Flexibilität" der Wechselkurse, die in Wahrheit eine solche der Paritäten wäre, verträgt sich nicht mit ihm. 80 81
Hume, David: Political Discourses, deutsche Übersetzung 1877, S. 42 - 44. Cassel, Gustav: Das Geldwesen, Leipzig 1925, S. 104.
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Die Paritäten bleiben auch von der Spannung unberührt, die zwischen der Gesamtleistung und den Einzelleistungen der Mitgliedsländer bestehen; der sog. Geldwertschwund ist paritätsneutral. Droht einem Land von einem anderen her der "Import" einer "Inflation", so nötigt das nicht zur Änderung ("Aufwertung") seiner Parität, vielmehr begegnen die Organe des Weltwirtschaftssteuerungssystems einer solchen Gefahr mit Maßnahmen der Währungs hilfe für das andere Land 82 • Flexibel ist nicht die Parität, sondern sind die Währungsreserven, die ihnen dafür zur Verfügung stehen. Wir unterscheiden zwischen nationalen und internationalen, zwischen offenen und stillen sowie zwischen fern-, nah- und nächstwirkenden Währungsreserven; von der Lage des einzelnen Falles hängt es ab, welche von ihnen zum Einsatz gelangen. Die Währungshilfe besteht in der Verschaffung einer fremden Währung gegen Hergabe der eigenen oder gegen Abgabe von Goldbarren; sie ist stets eine Globalzahlung. Gewährt wird sie für den Ausgleich einer defizitären Zahlungsbilanz. Sie kann auch Währungsselbsthilfe sein; dann besteht sie darin, daß das Defizitland auf Währungsreserven zurückgreift, die sich "quasi-automatisch" für eine Globalzahlung verwenden lassen. Wir nennen diese Art von Währungsreserven "Globalzahlungserwartungstitel"; dazu zählen das "quasi-automatische Ziehungsrecht", die sog. "MobiIisierungstitel" und die verschiedenen Arten von Geldmarkttiteln, vor allem aber die Bestände an fremdvalutarischen Wechseln; sie verschaffen der Zentral bank des Defizitlandes eine "Devisenposition"; denn Wechsel werden, obwohl sie nur eine Forderung verbriefen, den Devisen zugerechnet, somit den fremdvalutarischen überweisungs trägern und Schecks sowie den "Sorten", d . h . dem fremdvalutarischen Metallund Papiergeld, gleichgestellt; sie können daher wie diese im "Clearing" gegen Devisen eines überschußIandes aufgerechnet werden. Bevor die Zentralbank sie zu diesem Zweck ankauft, sind sie in der Hand einer Geschäftsbank Individualzahlungserwartungstitel; mit dem Ankauf durch die Zentralbank verwandeln sie sich in Globalzahlungstitel. Demgemäß definieren wir "Devisen" jetzt als fremdvalutarische Individualzahlungs- und -zahlungserwartungstitel, die sich in fremdvalutarische Globalzahlungs- und Globalzahlungserwartungstitel verwandeln lassen. Diese Verwandlungsfähigkeit macht die Devisen zu Nahtstellen von Weltwirtschaft, Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft, demzufolge auch von welt- und volkswirtschaftlicher Gesamtleistung und Einzelleistung. Nirgends wird es so wie hier sinnfällig deutlich, daß jede wirtschaftliche Einzelleistung zugleich Teil der welt- und volkswirtschaftlichen Gesamtleistung ist. Andererseits zeigt uns aber gerade die Verwandlungsfähigkeit der Devisen, daß die Einzelleistungen sich als selbständige Größen 82 Ein Beispiel dafür liefern die Maßnahmen zur Stützung des französischen Francs und des englischen Pfundes im Jahre 1968.
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von der Gesamtleistung abheben und zu dieser in einem Spannungsverhältnis stehen; dies gilt insbesondere für die gebündelte Einzelleistung des Unternehmers.
V. Permanenz der Erwerbsvorgänge als Gegenstand der gebündelten Einzelleistung des Unternehmers 1. Fähigkeit und Möglichkeit zu unternehmerischer
Wirtschaftsrech tsmach t (Ka pi talgewal t)
Sowohl im binnen- als auch im außenwirtschaftlichen Bereich ist, wie wir sagten, der Preis ein Produkt der Unternehmensgewinnplanung als Teil einer sie umfassenden Unternehmensplanung. Das bedeutet, daß die Leistung des Unternehmers sich nicht auf die Bündelung abstrakter und konkreter Leistungen in einem einzelnen Erwerbsvorgang oder der Summe einzelner Erwerbsvorgänge beschränkt, sondern darauf gerichtet ist, in ständiger Folge Kapital umzusetzen, genauer: in einer nicht abreißenden Kette von Erwerbsvorgängen die seinem Feld (seinem Unternehmen) zugehörige wirtschaftliche Energie aus der potentiellen in die kinetische und wieder zurück in die potentielle Erscheinungsform zu verwandeln. Unternehmer ist jeder, der die Fähigkeit und Möglichkeit hierfür besitzt. Die Fähigkeit muß ihm angeboren und anerzogen sein; auch die "Mitbestimmung" würde unternehmerische Fähigkeiten voraussetzen und könnte daher nur Arbeitnehmern zugestanden werden, die die Kenntnisse und Erfahrungen geborener und geschulter Unternehmer besitzen. Die Möglichkeit zu unternehmerischer Leistung ist gegeben, wenn jemand mit der Kapitalgewalt ausgestattet ist, deren es zum permanenten Umsatz wirtschaftlicher Energie bedarf. Die Kapitalgewalt ist nicht mit der Rechtsrnacht identisch, die das Eigentum verschafft. Es kann daher jemand Unternehmer sein, ohne daß ihm die "Produktionsmittel" gehören. So liegen die Dinge beim "Leasing" und bei der "Gebrauchsüberlassung" nach Maßgabe des "Vertragsgesetzes" der DDR vom 25. Februar 1965 83 ; hier wie in den ähnlich gelagerten Fällen der Teilzahlungs- und Investitionsfinanzierung kommt es lediglich darauf an, daß der Unternehmer mit der für die Unternehmensführung erforderlichen Wirtschaftsrechtsmacht ausgestattet, d. h. berechtigt ist, die dazu nötigen Markt- und Investitionsentscheidungen zu treffen, beispielsweise darüber zu befinden, ob und in welcher Rechtsform dem Unternehmen Produktionsmittel zuzuführen sind.
83 Siehe hierzu und zu den nachfolgenden Ausführungen Raiser, Thomas: Das Vertragsgesetz der "DDR" vom 25. Februar 1965, in: Juristenzeitung 1967, S. 338 ff.
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2. Unmittelbare und mittelbare Kapitalgewalt Ka pi talgewal ten teilung Diese Wirtschaftsrechtsmacht ist dem Besitz vergleichbar, der ja seinem Inhaber ebenfalls eine vom Eigentum verschiedene Rechtsposition verschafft, und wie bei diesem unterscheiden wir zwischen unmittelbarer und mittelbarer Kapitalgewalt. Die unmittelbare Kapitalgewalt hat inne, wer die permanente Konzentration wirtschaftlicher Energie durch seine eigene konkrete Leistung vollzieht, die mittelbare, wer dazu nur durch Vermittlung eines Inhabers unmittelbarer Kapitalgewalt befähigt ist. Es gibt zwei Kategorien unmittelbarer Kapitalgewalt. In der ersten hat sie jeder inne, der ein Unternehmen allein oder in Gemeinschaft mit einem anderen als tätiger Gesellschafter persönlich betreibt, in der zweiten jeder gesetzliche Vertreter (Vorstand, Geschäftsführer) einer Kapitalgesellschaft, Genossenschaft oder Stiftung und jeder Leiter eines volkseigenen Betriebes oder einer sonstigen planwirtschaftlichen Einheit. In der ersten Kategorie hängt es von der Größe des Unternehmens ab, ob es zur Kapitalgewaltenteilung, d. h. dazu kommt, daß die unmittelbare Konzentration in die Hände von leitenden Angestellten, z. B. Prokuristen, gelegt wird und der Inhaber des Unternehmens nur mittelbare Kapitalgewalt ausübt, indem er sich die letzten Entscheidungen vorbehält. In der zweiten Kategorie kommt es zwangsläufig zur Kapitalgewaltenteilung; die mittelbare Kapitalgewalt liegt hier, wenn es sich um eine private Kapitalgesellschaft oder eine Genossenschaft handelt, bei deren Gesellschaftern oder Genossen oder einem von ihnen gewählten Aufsichtsoder Verwaltungsrat; bei den planwirtschaftlichen Gebilden treten an deren Stelle die Funktionäre der höheren Stufen in der Hierarchie der wirtschaftlichen Organisationen, z. B. der Vereinigungen volkseigener Betriebe (VVB) oder der Industrieministerien der DDR. Die Kapitalgewaltenteilung beraubt die Leistung, die der Inhaber der unmittelbaren Kapitalgewalt vollführt, nicht ihres unternehmerischen Charakters; er gestaltet und handhabt einen Teil des Unternehmensplanes als pars pro toto, und zwar an seiner entscheidenden Stelle: bei der effektiven Konzentration der wirtschaftlichen Energie in den produzierten Sachgütern, bei der Verwandlung potentiellen Kapitals in kinetisches und der Rückverwandlung in potentielles, bei der Produktion und Reproduktion. Ein klassischer Fall möglicher oder notwendiger Kapitalgewaltenteilung ist der Konzern; er erwächst als ein komplexer wirtschaftlicher Tatbestand aus einer Markt- und Investitionsentscheidung eines Unternehmers, die zu einer Mehrfeld-Konzentration wirtschaftlicher Energie und einer ihr entsprechenden Verteilung der Kapitalgewalt auf mehrere Stufen führt; deren höchste (die "KonzernspitzeU) nimmt der Konzern-Unternehmer ein.
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Eine Abstufung der Kapitalgewalt kann es aber auch bei nicht konzernverbundenen Unternehmen geben. Den Modellfall dafür liefert eine Kapitalgesellschaft, bei der der (alleinige) Gesellschafter, ohne Organ zu sein, sich die letzten Markt- und Investitionsentscheidungen vorbehält; wir begegnen einer solchen Abstufung aber auch bei anderen Gesellschaftsformen, ja sogar bei Einzelunternehmen. 3. Autonomer und heteronomer Unternehmer Das führt zu einer weiteren Unterscheidung: der zwischen dem autonomen und dem heteronomen Unternehmer. Sie deckt sich nicht mit der zwischen unmittelbarer und mittelbarer Kapitalgewalt. Ein autonomer Unternehmer kann, muß aber nicht zugleich Inhaber unmittelbarer Kapitalgewalt sein; hat er nur die mittelbare Kapitalgewalt inne, dann ist der Inhaber der unmittelbaren Kapitalgewalt, z. B. ein Prokurist, heteronomer Unternehmer. Wir ziehen diese Bezeichnung der Bezeichnung "Manager" vor, weil auch der heteronome Unternehmer echter Unternehmerist. Wie der autonome, so hat nämlich auch er Markt- und Investitionsentscheidungen zu treffen. Die Grenze zwischen beiden ist fließend. Es gibt heteronome Unternehmer, die durch ihr Zusammenspiel wie ein autonomer wirken, so in dem Fall, daß zwei Aktiengesellschaften gegenseitig die Aktien halten und ihre Vorstandsmitglieder als Aufsichtsratsmitglieder austauschen. Bei der Mehrzahl nicht konzernverbundener Aktiengesellschaften liegen die letzten Marktentscheidungen beim Vorstand, die letzten Investitionsentscheidungen bei dem meist durch Banken repräsentierten Aufsichtsrat; deren Mitglieder üben dann eine beschränkte Autonomie aus. Es kommt überhaupt weniger auf die Person der Unternehmer als auf das Unternehmen an. Auf dieses bezogen bedeutet "Autonomie" nicht die Abschirmung der Wirtschaft gegen den Staat, sondern nur, daß die wirtschaftlichen Einzelleistungen sich als solche von der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung abheben, d. h. unabhängig von ihr als selbständige wirtschaftliche Leistungen gewollt und vollbracht werden müssen - um der Spannung willen, die ihrer energetischen Natur gemäß zwischen ihnen und der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung bestehen muß. Daher ist autonomer Unternehmer jeder, der allein oder in Verbindung mit einem anderen selbständig letzte Markt- und Investitionsentscheidungen trifft. Deren Kehrseite ist das mit ihnen verbundene Risiko, aber aus ihm ergibt sich kein Unterschied; denn es trifft den heteronomen Unternehmer ebenso wie den autonomen; bricht das von ihm geleitete oder mitgeleitete Unternehmen zusammen, so büßt auch er seine wirtschaftliche Existenz und mit ihm die Chance ein, jemals wieder ein Unternehmen zu leiten.
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Was ihn vom autonomen Unternehmer unterscheidet, ist lediglich ein schwächerer Grad der Bindung an das Unternehmen; er kann sich ohne weiteres von ihm lösen, der autonome Unternehmer kann es nicht; der heteronome Unternehmer ist Unternehmer auf Zeit, der autonome Unternehmer ist Unternehmer auf Dauer. Dem entspricht eine verschiedene Art der Messung ihrer Leistungen; die des heteronomen wird, obwohl eine unternehmerische, wie die eines Lohnempfängers gemessen; den Meßwert der Leistung des autonomen Unternehmers hingegen liefert der gedachte Gesamtgewinn, den er während der gesamten Dauer seiner Zugehörigkeit zum Unternehmen erzielt84 ; denn seine Leistung verläuft in einer Kette von Arbeitsvorgängen, die erst in einem gedachten Endzeitpunkt des Unternehmens abreißt. Das schließt periodische Gewinnentnahmen nicht aus; sie sind vorwegegnommene Teilmessungen des Gesamtgewinns; die nicht entnommenen Teile aber stecken in dem Bilanzposten "Kapital", und er ist nach der Kapital-Arbeit-Gleichung der wirtschaftsrechnerische Ausdruck für die im Unternehmen gespeicherte und als wirtschaftliche Energie meßbare Arbeitskraft des autonomen Unternehmers. Von der Größe seines Unternehmens hängt es ab, ob er die Kapitalgewalt allein oder mit anderen zusammen und ob er sie unmittelbar oder nur mittelbar ausübt. Die Leistung des mit unmittelbarer Kapitalgewalt ausgestatteten autonomen Einzelunternehmers bildet die Grundform des permanenten Umsatzes wirtschaftlicher Energie auf dem ihr zugehörigen Feld eines Unternehmens und damit auch die Grundform des Unternehmens; jede andere ist nur eine Analogie des mit unmittelbarer Kapitalgewalt autonom geleiteten Einzelunternehmens, bis herauf zu den Großunternehmen mit einer Vielzahl autonomer Unternehmer. Auch bei ihnen hat der Posten "Kapital" keine andere Bedeutung als er sie hat, wenn nur ein einzelner mit unmittelbarer Kapitalgewalt ausgestatteter Unternehmer vorhanden ist; auch dann ist er der wirtschaftsrechnerische Ausdruck der im Unternehmen gespeicherten wirtschaftlichen Energie, nur spaltet er sich dann in so viele Teile auf, als es Träger wirtschaftlicher Energie, d. h. Menschen gibt, deren Arbeitskraft im Unternehmen als Energie gespeichert ist und bis zu dessen gedachtem Endzeitpunkt gespeichert bleibt. 4. Kapitalanteile Es sind dies die Kapitalanteile. Sie sind scharf von Vermögensanteilen zu unterscheiden 85 ; diese vermitteln ein Miteigentumsrecht an einer Sachgesamtheit; der Vermögensbegriff ist ein Sachbegriff, der Kapital-
Schmalenbach, Eugen: Dynamische Bilanz, 10. Aufl., Bremen 1946, S. 25 ff. Vgl. hierzu meinen Aufsatz "Vermögensanteil und Kapitalanteil", in: Neue Juristische Wochenschrift 1954, S. 1905 ff. 84
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begriff hingegen ein Leistungsbegriff; er bezeichnet die gedachte Gesamtleistung, die die Träger wirtschaftlicher Energie in einem Unternehmen vollführen, und der Kapitalanteil einen Teil davon. Wie jede energetische Leistung, so kann auch die wirtschaftsenergetische nicht anders als durch Zahlen dargestellt werden; es sind die der Wirtschaftsrechnung und der aus ihr entwickelten Bilanz. Da nun die wirtschaftliche Energie sich im sozialen Gefüge der Menschen entfaltet, bedarf ihre rechnerische Darstellung einer rechtlichen Ordnung; daher wird die Wirtschaftsrechnung zu einer Wirtschaftsrechtsordnung (Bilanzrechtsordnung). Daraus folgt, daß der Kapitalanteil ein Institut des Wirtschaftsrechnungsrechts (Bilanzrechts) ist.
a) Kapitalanteilsrecht als Disziplin des Wirtschaftsrechts Was das bedeutet, erweist der Unterschied, der rechtlich zwischen der Gewährung eines Darlehens und der Leistung einer Kapitaleinlage besteht. Wenn Adern B einen Kredit von 10 000, - DM einräumt, so erwächst ihm daraus unmittelbar eine Geldforderung in gleicher Höhe; es entsteht ein rein bürgerliches Rechtsverhältnis. Leistet er hingegen eine Kapitaleinlage von 10000, - DM, so schaltet sich ein Vorgang anderer Art ein: er erwirbt hier primär keine Geldforderung, d. h. keinen dem bürgerlichen Recht angehörenden Anspruch, sondern ein Recht, das sich aus der Wirtschaftsrechnung (Bilanz) ableitet; denn es ist nur als Teil des Betrages denkbar, den die Wirtschaftsrechnung (Bilanz) als "Kapital" ausweist. Es ist nun aber nicht so, daß zuerst die Einlage hergegeben und erst danach eine Bilanz errichtet würde, in der das "Kapital" erscheint, vielmehr existiert der Bilanzposten "Kapital" als Teil einer rechtlich geordneten Wirtschaftsrechnung unabhängig davon, ob die Zahlen, aus denen sie besteht, bereits auf Kontoblättern, Lochkarten oder in Computern erschienen sind; denn er liefert nur den rechnerischen Ausdruck für das, was das Kapital ist : wirtschaftliche Energie, und die ist in Gestalt der Arbeitskraft dessen, der die Einlage leistet, schon vorhanden. Daher existiert das Recht, das er erwirbt, unabhängig davon, ob das Kapital, dessen Teil der hergegebene Betrag bildet, durch eine bereits errichtete Bilanz ausgewiesen wird. Dieses Recht gehört daher nicht einem System von Rechtsnormen an, das lediglich die äußere Gestaltung der Wirtschaftsrechnung und Bilanz zum Gegenstand hat, dem formellen Wirtschaftsrechnungs(Bilanz)recht, sondern einer Rechtsordnung, die die Bewegung wirtschaftlicher Energie, die Kapitalbewegung, selber erfaßt, einem materiellen Wirtschaftsrechnungs(Bilanz)recht; wir können es auch Wirtschaftsenergierecht oder Kapitalrecht und demgemäß das aus dem Kapitalanteil erwachsene Recht Kapitalanteilsrecht nennen. Ist der Kapitalanteil als ein dem materiellen Wirtschaftsrechnungs(Bilanz)recht zugehöriges Institut existent geworden, so entwickelt er sich
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zu einem subjektiv-bürgerlichen Recht fort, ein Vorgang, der sich mit der Ausprägung von Gold zu Münzen vergleichen läßt; das materielle Wirtschaftsrechnungsrecht (Wirtschaftsenergierecht) liefert das Material für die Ausgestaltung des Kapitalanteils zu mannigfaltigen Rechtsformen des bürgerlichen Rechts. Die einfachste ist die, bei der der Kapitalanteil selbst ein solches Recht wird; das ist der Fall, wenn der Träger eines Kapitals, ohne daß sonst etwas geschieht, Teile davon auf andere Personen überträgt; das vollzieht sich durch bloße Umbuchung. Hier fallen der materiell- und der formell-wirtschaftsrechnungsrechtliche Vorgang mit dem bürgerlich-rechtlichen einer Schenkung zusammen. Daß schon der Kapitalanteil für sich ein Recht ist, wurde früher bezweifelt, wird jetzt aber zunehmend anerkannt88 • b) Gesellschaftsrecht als bürgerlich-rechtlich
ausgeprägtes Wirtschaftsrecht
Eine höhere Rechtsform des Kapitalanteils entsteht, wenn er sich zu einem Gesellschaftsrecht entfaltet, beispielsweise einem Kapitalanteil einer offenen Handelsgesellschaft oder einem Kommanditanteil oder einem Geschäftsanteil einer GmbH oder einer Genossenschaft. Bereits diese Gruppe von Kapitalanteilen kann eine Eigenschaft haben, die ihnen erst ihre eigentliche Bedeutung gibt: die Veräußerungsfähigkeit; denn aus ihr erwächst ein kapitalistisches Potential, das mitentscheidend für die Qualität einer Wirtschaft ist. Sie ist daher auch das entscheidende Kriterium der höchsten Rechtsform, die ein Kapitalanteil annehmen kann: der Aktie, und zwar dank ihrer Doppelnatur als "Teilchen" der in einer Sachgütergesamtheit (den "Produktionsmitteln") gebundenen kinetischen Energie und als "Welle" der daraus freisetzbaren bedingt-potentiellen Energie; denn die Veräußerung gestattet es, die freigesetzte wirtschaftliche Energie auf anderen Feldern (in anderen Unternehmen) wirken zu lassen; ein Aktionär, der seine Aktie veräußert, realisiert vorweg den auf ihn entfallenden und durch den Kurswert ausgedrückten Teil des gedachten Gesamtgewinns; er trifft damit eine Entscheidung, die sich zwar auf das Unternehmen bezieht, sich aber abseits von ihm auf einem eigens dafür geschaffenen Markt, der Börse, vollzieht. Eine vorweggenommene Gewinnrealisierung tritt auch ein, wenn ein "Aktienpaket" außerhalb der Börse seinen Besitzer wechselt. Damit wird ein volkswirtschaftlicher Doppeleffekt erzielt; denn das Kapital im ganzen bleibt dem Unternehmen erhalten und dient unver86 Siehe hierzu meinen in Anm. 85 zitierten Aufsatz; meiner dort entwickelten Ansicht hat sich insbesondere Schlegelberger in der 4. Aufl. seines Kommentars zum HGB Anm. 10 zu § 120 unter Aufgabe seiner früheren Ansicht angeschlossen.
5 Eckelt
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ändert der in ihm betriebenen Produktion, die freigesetzten Kapitalteile aber gestatten die Produktion zusätzlicher Sachgüter, insbesondere ermöglichen sie die Gleichzeitigkeit der Investitions- und Konsumgüterproduktion. Diese Eigenschaften der Aktie machen den Aktionär zum Quasi-Unternehmer: dadurch daß seine Leistung nach dem gedachten Gesamtgewinn des Unternehmens bemessen wird, ist er mit ihm in der gleichen Weise verbunden wie der autonome Unternehmer der Grundform mit dem seinen; was ihn von diesem aber unterscheidet, ist die Möglichkeit, sich von dem Unternehmen durch Veräußerung seiner Aktie zu lösen. Zum echten autonomen Unternehmer wird er nur dann, wenn er - durch den Besitz eines Aktienpakets - die mittelbare Kapitalgewalt ausübt; in der Regel liegt die Unternehmerschaft nicht bei den Aktionären, sondern - als heteronome - beim Vorstand und - als beschränkt-autonome - beim Aufsichtsrat. Das in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft heteronom betriebene Großunternehmen läßt also gleichsam einen Türspalt zum autonom betriebenen hin offen, wie es sich ja auch umgekehrt aus diesem entwickeln kann. Daher steckt in jedem Großunternehmen als Kern die Unternehmens-Grundform und muß jedes Großunternehmen grundformgemäß betrieben werden. Wie jede wirtschaftliche Leistung, so ist auch die des Kapitalanteilträgers eine, die der Mensch mit seiner Arbeitskraft vollführt, allerdings nicht wie die konkrete mit seiner Physis, sondern losgelöst von dieser, daher "abstrakt". Er braucht darum auch nicht selber in Erscheinung zu treten, sondern kann sich hinter einem anderen verbergen, der nach außen als Leistender auftritt. Dieser andere kann auch eine juristische Person sein. Wirtschaftlich repräsentiert aber eine solche, z. B. eine GmbH als Aktionär, die Menschen, die sich ihrer als Rechtsform für die abstrakte Leistung bedienen, beispielsweise die Gesellschafter einer Aktionär-GmbH. c) Möglichkeit der Ausbildung von Kapitalanteilen im "Neuen ökonomischen System" - Zwang zur Kapitalisation des Eigentums an den Produktionsmitteln
Eine juristische Person ist auch der planwirtschaftende Staat; auch er repräsentiert Menschen, deren Arbeitskraft als wirtschaftliche Energie in den der Produktion gewidmeten Sachgütern (den "ProduktionsmitteIn") gespeichert wird; es ist das die Gesamtheit seiner Einwohner, und daraus ergibt sich hier eine andere Lage. Diese Gesamtheit ist wirtschaftlich nicht der Summe der einzelnen Einwohner gleichzusetzen dergestalt, daß jeder von ihnen durch den Staat als Repräsentanten an den planwirtschaftlichen Unternehmen mit einem Anteil beteiligt wäre, über den er wie über eine Aktie verfügen könnte, vielmehr bildet die Gesamtheit
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der Einwohner als "Gesellschaft" eine von der Summe der Einzelnen verschiedene Größe; sie vollführt die durch das Sozialprodukt gemessene Gesamtleistung, und die ist mit der Summe der Einzelleistungen nicht identisch. Einem planwirtschaftenden Staat ist es daher versagt, wie ein Aktionär Teile des von ihm getragenen Kapitals zu veräußern; er kann ja nicht Verkäufer und Käufer in einem sein. Dieses Kapital kann daher nur in der kinetischen Erscheinungsform wirken, ihm fehlt die Eigenschaft, durch Spaltung in Anteile als "Welle" in der bedingt-potentiellen Erscheinungsform Gegenstand einer Veräußerung zu sein, der Doppeleffekt bleibt aus. Wir erblicken darin einen der Gründe dafür, daß in den kommunistischen Staaten die Produktion der Konsumgüter hinter der der Investitionsgüter zurückbleibt. Hierin kann das "Neue ökonomische System" aber einen Wandel schaffen. Indem es nämlich die Markt- und Investitionsentscheidungen auf die Wirtschaftsgebilde der unteren Stufe verlagert87 , vollzieht es die Trennung zwischen Einzelleistung und Gesamtleistung, zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Eingriffen in sie, zwischen Unternehmen und Staat. Für die planwirtschaftlichen Betriebe bedeutet das, daß sie des verwaltungsrechtlichen Charakters, den sie bisher hatten, entkleidet und als nunmehrige Unternehmen zu Gebilden des Wirtschaftsrechts werden. Daß das Wirtschaftsrecht eine eigenständige Materie neben dem bürgerlichen und dem öffentlichen Recht ist, wird auch in der kommunistischen Rech tsli te ra tur aner kann t 88 • Die bedeutendsten Disziplinen des Wirtschaftsrechts aber sind das materielle Wirtschaftsrecht (Kapitalrecht) und das formelle Wirtschaftsrecht (Bilanzrecht). Deren Normen unterliegen auch die planwirtschaftlichen Unternehmen ; denn sie gelten überall, wo gewirtschaftet wird; insbesondere haben auch die des materiellen Kapitalrechts räumlich und zeitlich unbegrenzt Geltung; Kapitalrecht ist Weltrecht. Es wäre daher durchaus möglich, daß auch das "Neue ökonomische System" der staatlichen Planwirtschaft veräußerungsfähige Kapitalanteile hervorbringt. Einen weiteren Ansatzpunkt könnte das mit ihm eingeführte Prämienwesen liefern; es besteht darin, daß den Betriebsangehörigen ein Anteil am Bilanzgewinn zugeteilt wird. Nach der bisherigen Handhabung wird er ausgeschüttet, aber das kann zu einer Verknappung der für neue Investitionen benötigten Mittel führen, und es ließe sich denken, daß er nicht ausgeschüttet, sondern den Betriebsangehörigen gutgeschrieben würde; diese würden dadurch einen Anteil am Kapital des Unternehmens erlangen, aber der wäre für sie wertlos, wenn er sich nicht veräußern ließe; es würde sich daher aufdrängen, ihn durch eine Einrichtung nach Art der Börse veräußerungsfähig zu machen. Vor die gleiche Frage könnten sich die chinesischen Volkskommunen gestellt sehen; denn von den Gewinnen, die auch sie bilanzmäßig, also durchaus kapi87 Raiser, Thomas: Das Vertragsgesetz der DDR vom 25. Februar 1965, in: Juristenzeitung 1967, S. 338. 88 Raiser, a.a.O.
5·
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Einführung
talistisch, errechnen, fließen 7 Ofo an den Staat, 5 Ofo in einen Akkumulationsfonds, 40 Ofo in einen Investitionsfonds, und 40 Ofo werden an die Mitglieder der Kommunen (das sind je nach ihrer Größe zwischen 10000 und 30 000 Menschen) verteilt 89 ; hier könnte das Bedürfnis nach verstärkter Investition zur Ausbildung veräußerungsfähiger Kapitalanteile führen. Denkbar wäre indessen auch, daß das planwirtschaftliche Prämiensystem durch ein anderes ersetzt wird; es wirkt sich nämlich als Privilegierung derer aus, die der Zufall in ein rentabel wirtschaftendes Unternehmen führt. Diese überlegung könnte es sinnvoller erscheinen lassen, alle Werktätigen ohne Rücksicht auf ihre Betriebsangehörigkeit ihrer Leistung entsprechend einheitlich zu entlohnen, ihnen aber die Möglichkeit zum Erwerb von veräußerungsfähigen Kapitalanteilen an aUen planwirtschaftlichen Großunternehmen zu eröffnen; das würde auf ein System nach Art der Volksaktien, d. h. auf eine TeilprivatisiertLng eines vom Staat betriebenen Großunternehmens, hinauslaufen. Weitere Gründe für die Ausbildung von Kapitalanteilen könnten das Bedürfnis nach konzernmäßiger Verflechtung und der Einsatz ausländischen Kapitals beim Aufbau neuer Industrien (Beispiel: das russisch-japanische Gemeinschaftsunternehmen zur Erschließung von Erdgas in Sibirien) liefern. Aber gleichviel, ob es zur Ausbildung von Kapitalanteilen kommt oder nicht, auf jeden Fall verlagert sich damit, daß der Staat sich aus der Wirtschaft zurückzieht, um nur noch steuernd in sie einzugreifen, das Kapital von ihm auf die zu Unternehmen gewordenen Betriebe. Die Verlagerung findet auch dann statt, wenn das Eigentum an den "Produktionsmitteln" beim Staat verbleibt; denn Kapital ist nur dort, wo gewirtschaftet, d. h. wirtschaftliche Energie bewegt wird, beim Unternehmen. Ist der Staat beispielsweise durch Eintragung im Grundbuch als Eigentümer eines Fabrikgrundstücks oder durch Anbringung eines Schildes als Eigentümer einer Maschine ausgewiesen, so macht ihn das noch nicht zum Träger eines Kapitals; um das zu sein, müßte er das Unternehmen, dem diese Gegenstände gewidmet sind, durch seine Organe betreiben. Betreibt ein vom Staat losgelöstes Rechtsgebilde sie, so ist dieses der Träger des Kapitals und bedient sich der Gegenstände in einer Rechtsform, die zwar kein Eigentum ist, ihm aber in der wirtschaftlichen Wirkung gleichkommt, zum Beispiel in der des Leasing. Wirtschaftlich kommt es nicht darauf an, wem die "Produktionsmittel" gehören, sondern wer sie kapitalistisch nutzt. Das Eigentum knüpft sich an ihre körperhafte Existenz, ist ein bloßes Vermögens-, kein Wirtschaftsrecht; werden sie kapitalistisch nicht genutzt, dann sind sie "totes Kapital". Die Gesellschaft hat aber einen Anspruch darauf, daß sie kapitalistisch genutzt werden, als Kapital "arbeiten". Nach der KapitalArbeit-Gleichung heißt das, daß die Menschen sie in wirtschaftliche Arbeit umsetzen und das wiederum heißt, daß sie ihre als wirtschaftliche 89
von Eicke, Ernst: "Die Familie - Rückgrat der Kommune", in: "Welt" vom
26. IX. 1967.
§ 1 Das Problem und die Grundzüge einer Lösung
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Energie meßbare Arbeitskraft in ihnen konzentrieren, sie zu einer Erscheinungsform dieser Energie machen und in einer anderen Erscheinungsform aus ihnen wieder zurückgewinnen. Der Anspruch der Gesellschaft auf kapitalistische Nutzung der "Produktionsmittel" richtet sich gegen jeden ihrer Eigentümer, auch gegen den Staat. Hat dieser die früheren Eigentümer " expropriiert" , so muß er, wenn aus Eigentum Kapital werden soll, seinerseits "expropriiert" werden; das braucht nicht durch Weiterübertragung des Eigentums ("Privatisierung"), sondern kann auch in einer eigentums ähnlichen Rechtsform geschehen; aber es muß geschehen. Daraus folgt, daß sich aus dem "Eigentum an den Produktionsmitteln" kein "Wirtschaftssystem" gestalten läßt, das als "sozialistisches" dem " kapitalistischen " entgegengesetzt werden könnte, daß vielmehr das "Eigentum an den Produktionsmitteln" der Kapitalisation bedarf, um wirtschaftlich wirken zu können. Daraus erklärt es sich, daß auch die Unternehmen des "Neuen ökonomischen Systems" sich durchaus "kapitalistisch" geben.
VI. Kapitalismus als Lehre vom Kapital Definition eines neuen Kapital- und eines neuen Geldbegrifjs Einheitliche Kapital- und Geldtheorie In unserer Sicht bezeichnen die Worte "kapitalistisch" und "sozialistisch" Eigenschaften, die jeder Wirtschaft anhaften. Jede Wirtschaft ist kapitalistisch; denn jede beruht auf der Bewegung wirtschaftlicher Energie, und jede Wirtschaft ist sozialistisch; denn auf jedem ihrer Felder begegnen sich die individuellen Impulse des Unternehmers mit den sozialen des Staates, vollzieht sich die von den Einzelleistungen getragene gesamtwirtschaftliche Entwicklung mit den in sie eingreifenden und sie steuernden Maßnahmen des Staates. "Kapitalismus" und "Sozialismus" bezeichnen nicht zwei durch verschiedene "Systeme" gekennzeichnete Abschnitte der Wirtschaftsgeschichte; es ist nicht so, daß auf den "Früh"und den " Spätkapitalismus " mit dem für sie typischen Privateigentum an den Produktionsmitteln der "Sozialismus" mit deren Vergesellschaftung folgen müsse. Daß das Eigentum an ihnen kein die "Systeme" unterscheidendes Merkmal liefert, haben wir aufgezeigt. In Wahrheit sind "Kapitalismus" und "Sozialismus" nur zwei verschiedene Bezeichnungen für den gleichen Gegenstand: beide charakterisieren sie die Wirtschaft, aber unter verschiedenen Gesichtspunkten; sie gehören der Terminologie von zwei Wissensgebieten an: den Wirtschaftswissenschaften auf der einen, den Sozialwissenschaften auf der anderen Seite. Für den Wirtschaftswissenschaftler ist die Wirtschaft "kapitalistisch", weil sie ohne Kapital undenkbar ist, für den Soziologen
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"sozialistisch", weil sie eine, die wirtschaftliche Seite des Zusammenlebens der Menschen bezeichnet. Darin liegt der Punkt, in dem die beiden Wissensgebiete sich berühren, aber das darf nicht dazu führen, die Grenze zwischen ihnen zu verwischen und mit der Terminologie auch die Methode von dem einen auf das andere Gebiet zu übertragen. Falsch ist es daher, aus der soziologischen Struktur einer Bevölkerung, ihrer "Gesellschaftsordnung", ein "Wirtschaftssystem" abzuleiten. Gesellschaftsordnung ist der Inbegriff aller Normen für das Zusammenleben der Menschen; es sind dies in erster Linie, aber nicht ausschließlich die Rechtsnormen und unter ihnen die Verfassungsnormen. So wenig man nun aber durch die Verfassung der Staaten Geburt und Tod der Menschen normieren kann - es sind und bleiben dies reine Lebensvorgänge -, läßt sich durch sie die Art und Weise regeln, in der die Menschen wirtschaften; denn auch Wirtschaften ist ein Lebensvorgang und als solcher den Naturgesetzen unterworfen; zum Gegenstand einer Gesellschaftsordnung wird er nur als ein Vorgang des Zusammenlebens der Menschen. Im Stadium der vollkommenen Arbeitsteilung ist das die Gesamtheit aller in einem geschlossenen Wirtschaftsgebiet (Staat) tätigen Menschen und ist demzufolge jeder von ihnen mit seiner Einzelleistung Träger der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Dem müssen alle Staaten bei der Gestaltung ihrer Gesellschaftsordnung in der Weise Rechnung tragen, daß sie jedem ihrer Einwohner die Möglichkeit zu jeder der drei Arten wirtschaftlicher Leistungen, der konkreten, der abstrakten und der gebündelten, eröffnen. In jeder Gesellschaftsordnung muß sich daher das Naturgesetz, nach dem die Wirtschaft abläuft, in der Weise niederschlagen, daß sie die Gleichheit zum Prinzip erhebt 90 ; sie ist das Korrelat der Isolierung, in die die vollkommene Arbeitsteilung den Einzelnen führt; denn sie bietet ihm die Chance, ihr zu entgehen, indem er wirtschaftlich das leistet, was er zu leisten vermag. Eine Gesellschaftsordnung, die im Stadium vollkommener Arbeitsteilung das Prinzip der Gleichheit nicht verwirklicht, ist fehlerhaft. Alle wirtschaftlichen Revolutionen und Reformen des 19. Jahrhunderts, so die Bauernbefreiung, die Einführung der Gewerbefreiheit und die Zulassung der Gewerkschaften, erwuchsen aus diesem der vollkommenen Arbeitsteilung innewohnenden Zwang zur Gleichheit. Sie haben nichts zu tun mit den politischen Revolutionen, die sich im 19. und 20. Jahrhundert vollzogen; bei ihnen ging es nicht um die wirtschaftliche Gleichheit, sondern um die politische Freiheit, d. h. um Fragen der Regierungsform, um Monarchie, Republik, Demokratie, Mehr- und Einparteiensystem, Diktatur. Da, wo eine politische Revolution sich mit einer wirtschaftlichen verwebt und die Wirtschaft einem politischen 9D von Beckerath, Herbert: Großindustrie und Gesellschaftsordnung, Tübingen 1954, S. 245.
§ 2 Die Methode
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System eingefügt wird, setzt früher oder später eine Absonderung der wirtschaftlichen Fragen von den politischen, eine Entpolitisierung der Wirtschaft, ein, und zurück bleibt nur die Frage nach der Freiheit. Diese kann gewährt und entzogen und wieder gewährt und wieder entzogen werden. Die wirtschaftliche Gleichheit aber ist unentziehbar; hat einmal die Arbeitsteilung den Grad der Vollkommenheit erlangt, dann muß sie und mit ihr die wirtschaftliche Gleichheit bestehen bleiben.
Als Gleicher unter Gleichen nimmt auch der Unternehmer in jeder Gesellschaftsordnung seinen naturgegebenen Platz ein. Wirtschaftliche Gleichheit bedeutet, daß jede wirtschaftliche Einzelleistung nach einem objektiven Maßstab in eine Relation zur wirtschaftlichen Gesamtleistung gebracht und als deren Teil gewertet wird. Sie läßt sich daher nur verwirklichen, wenn der Staat als Repräsentant der Gesellschaft mit seinen Maßnahmen die Relation zwischen Einzelleistungen und Gesamtleistung gestaltet. Das Wissen von der Rolle, die der Staat im Stadium der vollkommenen Arbeitsteilung spielt, unterscheidet den "Spätkapitalismus" vom "Frühkapitalismus"; der erstere bezeichnet "das Ende des Laissez-Faire" (Keynes) und den Beginn der vollkommenen Wirtschaft. Er ist nur die zweite Stufe in der Entwicklung einer wissenschaftlichen Lehre vom Kapital und "Kapitalismus" nichts als diese Lehre. Sie vermittelt uns die Erkenntnis, daß wir im Kapital den zentralen Begriff der Wirtschaftswissenschaft zu erblicken haben, und sie liefert uns für ihn und zugleich für seinen Satelliten, den Geldbegriff, diese Definition: Kapital ist die wirtschaftliche Energie der Menschen, d. h. die von ihnen in der vollkommen arbeitsteiligen Gesellschaft entfaltete, mit dem Geld als Recheneinheit meßbare Kraft, die sie permanent in Sachgütern konzentrieren und daraus zurückgewinnen müssen. Wenn Kapital diese wirtschaftliche Energie ist, dann kann es in allen Zweigen der Wirtschaftswissenschaft und in den ihr benachbarten Disziplinen der Rechtswissenschaft nur diesen einen Kapitalbegriff und diesen einen Geldbegriff auf dem Boden einer einheitlichen Kapital- und Geldtheorie geben.
§ 2 Die Methode
Die Prägung eines einheitlichen Kapitalbegriffs setzt eine ihr gemäße Methode voraus. Das kann nur eine Methode sein, die uns Kapital eben als Energie, und das will sagen: als arbeitsleistende Kraft erkennen läßt. Um zum Kapitalbegriff zu gelangen, müssen wir also vom Kraftbegriff ausgehen.
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I. Der Kraftbegriff in der herrschenden Wirtschaftslehre (Kaufkraft, Produktionskraft, Wirtschaftskraft) 1. Auch die herrschende Lehre bedient sich seiner, aber nicht in Verbindung mit dem des Kapitals, sondern mit dem des Geldes, indem sie diesem "Kaufkraft" beimißt. Sie befaßt sich aber nicht mit der Frage, ob das, was sie "Kaufkraft" nennt, wirklich eine Art von Kraft ist, sondern verwendet den Begriff nur als Synonym für einen anderen, den des "Tauschwerts"91. Daß zwei Gegenstände sich gegeneinander tauschen lassen, will aber nicht besagen, daß dabei eine Kraft im Spiel ist und daß diese Kraft einem der getauschten Gegenstände innewohnt.
Wenn Geld wirklich etwas mit Kraft zu tun hat, dann muß man, will man methodisch richtig verfahren, untersuchen, ob es die Quelle einer Kraft und welcher Art diese ist. Daran läßt die herrschende Lehre es fehlen. Sie definiert die von ihr mit dem "Tauschwert" identifizierte "Kaufkraft" des Geldes als das "Verhältnis einer bestimmten Menge Geld zu der dafür erhältlichen Menge an Waren und Diensten"92 oder, was dasselbe ist, als die "Fähigkeit (des Geldes), im Tausch eine bestimmte Menge von Waren und Leistungen erhalten zu können"93. Damit ist indessen nur der Wirkungsgrad der Kraft angesprochen, die vom Geld ausgehen soll, aber noch nichts für ihre Wirkungsweise und nichts dafür gewonnen, was überhaupt das Geld zur Quelle dieser Kraft macht. Der Grad der Beschleunigung, mit der ein Körper zur Erde fällt, sagt uns noch nicht, daß es eine Kraft ist, die ihn zur Erde hin bewegt und daß diese Kraft von der Erde ausgeht.Daß eine bestimmte "Menge" von Geld als "Kaufkraft" für eine bestimmte "Menge" von Waren und Leistungen wirkt, läßt uns noch nicht erkennen, wie es zu dieser Wirkung kommt und ob die Quelle dieser Kraft im Geld selbst oder wie beim fallenden Körper außerhalb des Geldes liegt. Seine Substanz kann es nicht sein; denn sie bietet nichts, was eine bestimmte Art von Kraft äußern könnte, weder die Goldbarren noch die geprägten Münzen und erst recht nicht die Schecks und überweisungsträger (Formulare). Wenn "Kaufkraft" überhaupt nicht bloß eine bildhafte Umschreibung für etwas völlig anderes, sondern dem Wortsinn gemäß eine bestimmte Art von Kraft ist, dann hat man sie außerhalb des Geldes und in diesem nur ihren sinnlich wahrnehmbaren Ausdruck zu erblicken. 2. Auf die richtige Fährte gelangt man, wenn man mit Adolf Weber die "Fähigkeit" zum Tausch nicht im Geld selbst sucht, sondern in der "volkswirtschaftlichen Produktivität der Arbeit"94. Damit erscheint als 81
92 93 94
Veit, Otto: Reale Theorie des Geldes, Tübingen 1966, S. 73 Anm. 25. a.a.O., S. 74. Carell, a.a.O., S. 305. Weber, Adolf: Kurzgefaßte Volkswirtschaftslehre, S. 114.
§ 2 Die Methode
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Quelle der Kaufkraft der Mensch mit seiner Arbeitsleistung und das Geld nur als der sinnlich wahrnehmbare Ausdruck des Ergebnisses dieser Leistung; denn "Produktivität" heißt nichts anderes als Ergiebigkeit. In der Tat denkt, wie Adolf Weber es ausdrückt, der Volkswirt bei "Kaufkraft ... an das Realeinkommen, das ein Ergebnis produktiver Arbeitsleistung ist 95 . Damit ist aber noch nichts über die Wirkungsweise der Kraft gesagt, deren Quelle der Mensch ist; denn das "Realeinkommen" ist eine bloße Rechnungsgröße, einer der Meßwerte zur Ermittlung der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung, und als solcher mit dem Gegenstand der Messung, dem "Ergebnis der produktiven Arbeitsleistung" nicht identisch. überdies deckt das "Realeinkommen" sich nicht mit der "bestimmten Menge Geld", in der die "Kaufkraft" sich ausdrücken soll; denn das sind die Zahlungsmittel, aus denen diese Menge sich zusammensetzt, und die können nur das Nominaleinkommen ergeben. Mit der Unterscheidung zwischen diesem und dem Realeinkommen wird auch gar nicht das Problem der "Kaufkraft", sondern das des "Geldwerts" angesprochen. Beides ist scharf zu trennen. Das verkennt die herrschende Lehre; sie behandelt, da sie "Kaufkraft" und "Tauschwert" identifiziert, das Problem der "Kaufkraft" als ein Problem des "Geldwerts"98. Worum es dabei in Wahrheit geht, sei an einem Modell erläutert. Bezieht ein Angestellter ein Monatsgehalt von 1000, - DM, so kann er damit 10 Stück einer Ware zu einem Preis von 100, - DM pro Stück erwerben. Wenn nun in einem bestimmten Zeitraum der Preis dieser Ware um 10 Ofo steigt, nicht aber das Gehalt des Angestellten, dann ist dessen Einkommen "nominal" unverändert geblieben, "real" aber um annähernd 10 Ofo gesunken; denn er kann sich mit den 1000, - DM nur noch 9 Stück der Ware anschaffen. Das wirkt sich auf den "Geldwert" aus; denn es bedeutet, daß der "Tauschwert" der Geldzahl 1000, mit der die empfangenen Geldzeichen, Schecks oder überweisungsträger beschriftet sind, sich gegenüber dem Stand am Anfang der Periode verändert hat, so daß zwischen dem früheren und dem jetzigen "Geldwert" eine Differenz, die Geldmeßwertdifferenz, besteht. Eine ganz andere Frage ist es, ob auch die "Kaufkraft", d. h. die "produktive Arbeitsleistung" des Angestellten sich verändert hat. Von der Bejahung oder Verneinung dieser Frage hängt es ab, ob sein Einkommen so "angehoben" werden muß, daß er wie vordem, 10 Stück der Ware erwerben kann oder ob es nicht nur "nominal", sondern auch "real" unverändert bleiben muß, weil seine "produktive Arbeitsleistung" sich um annähernd 10 Ofo vermindert hat. Das beurteilt sich indessen nicht allein nach dem, was der Angestellte, für sich allein betrachtet, leistet; denn seine produktive Arbeitsleistung ist wie jede wirtschaftliche Lei95 88
a.a.O., S. 113. So CareZl, a.a.O., S. 305 ff.; Weber, Adolf, a.a.O., S. 169 ff.
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stung nicht bloß eine Einzelleistung, sondern zugleich Teil der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung und kann als solche zunehmen, ohne daß sie sich als Einzelleistung verändert. Es kommt dadurch, wie wir aufzeigten, zu einer Spannung, die des Ausgleichs bedarf, und dann erst taucht die Frage des "Geldwerts" auf; denn die Geldmeßwertdifferenz ist lediglich der wirtschaftsrechnerische Ausdruck dieser Spannung, der Voltzahl vergleichbar, mit der man die elektrische Spannung mißt. Wirtschaftsrechnerisch vollzieht in dem Modellfall der Spannungsausgleich sich durch ein dem Preisanstieg entsprechendes "Anheben" des Gehalts. Dieser Vorgang ist ein Ergebnis der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, somit einer Berechnung, für die das Geld nicht als Zahlungsmittel, sondern als bloße Rechnungseinheit dient. Daraus folgt, daß "Geldwert" nicht bloß der "Tauschwert" ist, den die für den Erwerb von "Waren und Diensten" hergegebenen Zahlungsmittel haben, sondern ganz allgemein der wirtschaftsrechnerische Meßwert aller "produktiven Arbeitsleistungen" . "Kaufkraft" bietet sich daher nicht erst in den Zahlungsmitteln dar, sondern schon in den Forderungen, mit denen der Anspruch auf Bezahlung der "Waren und Dienste" buchführungs- und bilanzmäßig ausgewiesen wird, insbesondere in den dafür hergegebenen Wechseln; sie gehören ebenso zum "Realeinkommen" wie die "flüssigen Mittel". Darüber hinaus geht "Kaufkraft" nicht bloß von den bereits erbrachten, sondern auch von den erst künftig zu erbringenden "produktiven Arbeitsleistungen" aus. Deren "Geldwert" sind die Bankkredite, die als eine Erscheinung des volkswirtschaftlichen Doppeleffekts - den künftigen Erwerb von "Waren und Diensten" ermöglichen; bereits ihre Gewährung in einem "Krediteinräumungsschreiben" stellt einen "Kaufkraft" dokumentierenden "Geldwert" dar. Andererseits wohnt auch den bereits produzierten Waren und geleisteten Diensten selber "Kaufkraft" inne. Das zeigt sich an der Rolle, die sie bei Krediten spielen. So entspringt einem Grundstück durch Aufnahme einer Hypothek oder einem Bestand von Maschinen durch Sicherungsübereignung oder einer Forderung durch Abtretung "Kaufkraft" für den Erwerb anderer "Waren und Dienste". Aus alledem folgt, daß das Problem des "Geldwerts" ein Problem der richtigen Messung der "Kaufkraft" ist, der "Geldwert" aber nichts über deren Wesen aussagt. Was sie ist und wie sie wirkt, muß vielmehr durch eine ihr gemäße Methode ermittelt werden. 3. Dazu bedarf es zunächst einer terminologischen Korrektur. Es ist bei der Suche nach dem begrifflichen Standort der "Kaufkraft" irreführend, von "Waren und Diensten" oder "Waren und Leistungen" zu sprechen. "Waren" sind ebenfalls "Leistungen", die vollbrachten, und um-
§
2 Die Methode
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gekehrt sind alle wirtschaftlichen "Leistungen" unmittelbar oder mittelbar97 auf "Waren" bezogen, so daß die "Fähigkeit" der im Geld ausgedrückten "Kaufkraft" sich darin erschöpft, "Waren" erhalten zu können, und umgekehrt nur "Waren" das sind, was, ebenfalls in Geld ausgedrückt, "Kaufkraft" äußert; nur sie, nicht auch die "Leistungen" treten denn ja auch in die Relation zum "Geld", die Marx in die Formeln G- W -G und W -G- Weingefangen hat. "Kaufkraft" kann daher nur eine Kraft sein, die in einer Beziehung zu den "Waren", wir sagen besser: zu den Sachgütern als den Produkten der "produktiven Arbeitsleistung" steht, demzufolge eine Art der körperlichen und geistigen Kraft, die der Mensch an die Produktion der für seinen Lebensbedarf benötigten Sachgüter wendet, um sie aus ihnen für die abermalige Produktion von Sachgütern (die Reproduktion) zurückzugewinnen, eine Kraft also, die wir um dieser Wirkungsweise willen die wirtschaftliche und um ihrer Meßbarkeit willen wirtschaftliche Energie nennen. Wir haben sie deren potentieller Erscheinungsform zuzurechnen; denn sie besteht ja in der bloßen "Fähigkeit"98 zum "Tausch" eines Quantums "Geld" gegen ein Quantum "Ware", und das bedeutet: zur Verwandlung eines Quantums potentieller wirtschaftlicher Energie in kinetische. Diese Verwandlung vollzieht sich nun aber auf zwei verschiedene Arten, die der Unterscheidung zwischen den bei den Stufen der feldinternen und feldexternen Konzentration entsprechen, und zwar einmal mit der Produktion der Sachgüter, zum anderen mit deren Erwerb. Der Produzent verwandelt das "Geld", das er für Material und Löhne aufwendet, in das damit produzierte Sachgut, dessen Erwerber sein "Geld" in das gleiche Sachgut. Nur die zweite Verwendungs art ist Anwendung von "Kaufkraft", bei der ersten hingegen haben wir es mit Produktionskraft zu tun. Im makroökonomischen Bereich haben wir darunter die Leistungsfähigkeit der einzelnen Volkswirtschaften zu verstehen; sie beruht auf Faktoren wie dem Arbeitseifer, dem Erfindungsgeist und dem Sparwillen der Bevölkerung99 . Im Verhältnis zur Kaufkraft ist sie die primäre, aber nicht im kausal-zeitlichen Sinne, d. h. nicht so, daß Kaufkraft als Wirkung erst entstünde, nachdem Produktionskraft sich als Ursache gebildet hätte. Vielmehr entstehen beide gleichzeitig, aber die Produktionskraft als die ursprüngliche und die Kaufkraft als eine von ihr abgeleitete, etwa so wie der Schatten gleich97 So hat beispielsweise die Leistung eines Arztes wirtschaftlichen Charakter nur durch die Beziehung, in der sie zur Produktion der Bedarfsgüter (der "Waren") steht; für sich allein bedeutet sie wirtschaftlich nichts. 98 earell, a.a.O. 99 Limmer, Hans: Die Währungssituation Ende 1968, in: Betriebsberater 1969,
S.l.
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zeitig mit dem Licht entsteht, das auf einen Gegenstand fällt. Wir können daher sagen: Kaufkraft ist reflektierte Produktionskraft. 4. Sie ist daher durch den Geldwert nur dann richtig gemessen, wenn dieser die Produktionskraft widerspiegelt. Damit ist zugleich gesagt, wie Geldwert, Kaufkraft und Produktionskraft sich zueinander verhalten: ihr Verhältnis wird weder vom Geldwert noch von der Kaufkraft, sondern allein von der Produktionskraft her bestimmt; denn der Geldwert ist nur bei der Maß und die Kaufkraft nur der Reflex der Produktionskraft. Bei ihr ist daher anzusetzen, wenn der Geldwert Kaufkraft widerspiegeln soll. Verfährt man anders, dann kommt es zu einem Mißverhältnis zwischen Geldwert und Kaufkraft. Das zeigen die Fälle einer extremen Veränderung des Geldwerts, die Inflation und die Deflation. a) Erstere ist dadurch gekennzeichnet, daß die Menge der Zahlungsmittel, also der Münzen, Banknoten und Bankguthaben, in ein Mißverhältnis zur Menge der produzierten Sachgüter gerät, das "Geldvolumen" sich aufbläht, die zur Deckung des Lebensbedarfs notwendigen Waren verschwinden10o • Dieser Sachverhalt bedarf, will man ihm methodisch richtig beikommen, einer genauen Analyse an Hand eines Modells. Angenommen, daß in einem Währungsgebiet zu einem Zeitpunkt x der in Geld ausgedrückte Wert aller produzierten Sachgüter p beträgt und ihm ein aus deren Produktion bezogenes und für deren Erwerb erforderliches und ausreichendes Einkommen e gegenübersteht 10t, dann drückt p die Produktionskraft, e die von ihr reflektierte Kaufkraft der Bürger des Wirtschaftsgebiets aus, und dann entspricht der Geldwert der letzteren dem der ersteren, und dann ist die Kaufkraft durch den Geldwert der Produktionskraft richtig bemessen. Das gilt aber nur mit einer wichtigen Einschränkung. Wir gingen davon aus, daß die wirtschaftliche Kraft sich in dem Zwang äußert, die an die Produktion der Sachgüter gewendete Kraft aus diesen für die abermalige Produktion zurückzugewinnen. Erst die Reproduktion macht die Produktion zur wirtschaftlichen Kraft. Als solche ist sie daher verloren, wenn sie die Fähigkeit zur Reproduktion einbüßt; mit ihr schwindet dann auch die Kaufkraft, so daß wir, genauer sagen müssen: Kaufkraft ist reflektierte Reproduktionskraft. Ihr Maß, der "Geldwert", hängt daher von dem Maß ab, in dem die Produktion zur Reproduktion führt, und somit die Kaufkraft als wirtschaftliche Kraft erhalten bleibt. Das ist nur insoweit möglich, als die 100
101
Gaettens, Richard: Inflationen, 2. Auf!., München 1955, S. 20, 300.
P umfaßt das gesamte Inlandsprodukt ohne Abzug der Vorleistungen, ist
daher nicht identisch mit dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen, dementsprechend ist auch e nicht identisch mit dem Nettosozialprodukt zu Faktorkosten (dem Volkseinkommen), sondern die Summe aller in einem Zeitpunkt bezogenen Einkommen.
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produzierten Sachgüter dem Konsum oder der Investition zugeführt werden. Soweit das nicht geschehen kann, hören sie auf, wirtschaftliche Güter zu sein. Dieser Fall tritt stets ein, wenn ein Sachgut für den menschlichen Lebensbedarf verloren geht, so bei jeder Zerstörung durch ein Naturereignis oder einen Unfall. Gewöhnlich wirkt sich das jedoch auf die volkswirtschaftliche Gesamtleistung und damit auf den "Geldwert" nicht aus. Anders aber, wenn die Zerstörung große Ausmaße annimmt, insbesondere in einem Krieg. Die an die Produktion von Geschützen und Munition gewendete Kraft ist als wirtschaftliche verloren, da die verschossene Munition weder dem Konsum noch der Investition dient. Ihre Produktion führt somit nicht zur Reproduktion; folglich kann die an sie gewendete Kraft auch keine Kaufkraft reflektieren. Damit verschiebt sich dann das Verhältnis der Produktionskraft zur Kaufkraft und zu ihrem Geldwert; denn obwohl die Produktion der Nicht-Konsumgüter und Nicht-Investitionsgüter reproduktionsunfähig und damit kaufkraftlos ist, bleibt sie doch Produktion; die Geschütze und die Munition müssen ja bis zum Ende des Krieges hergestellt und ihre Herstellung muß bezahlt werden. Daraus folgt, daß das Einkommen trotz verminderter Produktionskraft sich nicht vermindert. Nehmen wir an, daß in unserem Modell die Produktionskraft wegen ihrer Reproduktionsunfähigkeit im Zeitpunkt y um die Hälfte abgesunken ist, also nur noch p-l/2p = 1/2p beträgt, dann ist auch die Kaufkraft um die Hälfte geschwunden. Konsequenterweise müßte das seinen Ausdruck im Geldwert finden; da aber e wegen der Produktion auch der nicht reproduktionsfähigen Sachgüter unverändert bleibt, wird der Geldwert sowohl der Produktions- als auch der Kaufkraft unrichtig, es entsteht ein "Geldüberhang", d. h. ein Zuviel an Zahlungsmitteln, eine Geldmenge, die dem Volumen der Produktionskraft und der sie reflektierenden Kaufkraft nicht mehr entspricht. Falsch ist es, hier von einem "Kaufkraftüberhang" zu sprechen; ein solcher liegt nur vor, wenn wir es nicht mit einer nicht genutzten und nicht nutzbaren Geldmenge zu tun haben, sondern wenn ein echter Überschuß nicht genutzter, aber nutzbarer Produktionskraft, d. h. ein Potential von Reproduktionskraft, gegeben ist, das sich zwar nicht gegenwärtig in neue Sachgüter verwandeln läßt, dem aber die Fähigkeit dazu erhalten bleibt, ein Sachverhalt, wie er insbesondere bei der "Kapitalflucht" aus einem wirtschaftlich unstabilen in ein wirtschaftlich stabiles Land vorliegt. Seltsam ist es, daß sich auch dafür eine Bezeichnung von genau entgegengesetzter Bedeutung eingebürgert hat; man spricht von "importierter Inflation", obwohl hier die vermehrte Geldmenge in einem durchaus richtigen Verhältnis zur Reproduktionskraft steht, so daß der Geldwert erhalten bleibt. Bei der Inflation hingegen, die diesen Namen wirklich verdient, ist dieses Verhältnis gestört, und bei ihr erlangt die Kaufkraft erst dann wie-
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der ihr richtiges Maß, wenn es dem der Reproduktionskraft entspricht. Das kann auf zweierlei Weise geschehen: entweder werden die Preise der reproduktionsfähigen Sachgüter so erhöht, daß sie die überhängende Geldmenge aufwiegen, oder die Preise bleiben unverändert und die überhängende Geldmenge wird vernichtet. Im ersten Fall verwandelt sich die Gleichung p = e in die Gleichung 1/2P = e; das bedeutet, daß mit dem unverändert gebliebenen Einkommen nur noch die Hälfte der reproduktionsfähigen Sachgüter erworben werden kann, so daß es verdoppelt werden muß, wenn es der wiederhergestellten Produktionskraft entsprechen soll, und das heißt, daß die Gleichung p = e durch die Gleichung p = 2 e abgelöst wird. Im zweiten Fall steht der wiederhergestellten Produktionskraft ein neu bemessenes Einkommen gegenüber, so daß an die Stelle von p = e eine völlig neue Gleichung p = e' tritt. Die letztere Art der Beendigung einer Inflation ist die sinnfälligere: eine Periode ständig steigender Preise findet ihren Abschluß in einer "Währungsreform". So trat in Deutschland nach der durch den ersten Weltkrieg ausgelösten Inflation die Reichsmark an die Stelle der Mark, nach der Inflation im Gefolge des zweiten Weltkrieges die Deutsche Mark an die Stelle der Reichsmark. Inflationen können aber durchaus auch bei gleichbleibender Währung ihr Ende finden; beispielhaft dafür ist der Verlauf der Inflation in Italien; die Lira wurde als Währung beibehalten, aber sie hat nur noch etwas das Zehntausendstel ihres ursprünglichen Geldwerts. Gerade dieses Beispiel zeigt, daß das Verhältnis von Geldwert, Kaufkraft und Produktionskraft ausschließlich von der letzteren her bestimmt wird; denn die Stabilisierung der Lira war die Folge des Wiedergewinns verlorener Produktionskraft, nicht wurde umgekehrt durch bloße Manipulierung der Lira verlorene Reproduktionskraft wiedergewonnen. b) Ebenso liegen die Dinge beim anderen Extrem, der Deflation. Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß nutzbare Produktionskraft nicht genutzt wird, so daß es aus diesem Grunde nicht zur Reproduktion kommt. Die Deflation hat also mit der Inflation gemeinsam, daß es an Reproduktionskraft und damit auch an der von ihr reflektierten Kaufkraft mangelt. Was sie von ihr unterscheidet, ist, daß es bei ihr nicht erst an Reproduktionskraft, sondern schon an Produktionskraft fehlt. In Erscheinung tritt dieser Mangel durch ein Übermaß von Arbeitslosigkeit und einen dem entsprechenden Verfall der Kaufkraft. Auch hier verringert sich also p um 1/2 p auf 1/2 p, gleichzeitig aber auch e um 1/2 e auf 1/2 e, so daß hier kein "Geldüberhang", sondern das Gegenteil davon, eine Geldverknappung, entsteht. Wie im Falle der Inflation kann auch hier das gestörte Verhältnis von Geldwert, Kaufkraft und Produktionskraft nur von der letzteren her in
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Ordnung gebracht werden. Das verkannte die Regierung des Reichskanzlers Dr. Brüning in der großen deflatorischen Krise der 30er Jahre und beging gleich zwei elementare Fehler: anstatt die Produktionskraft der 4 Millionen Menschen, die im Sommer 1931 bereits arbeitslos waren, nach Art des Rooseveltschen New Deal durch Erschließung neuer Arbeitsplätze auszuschöpfen, setzte sie bei dem Geldwert und der Kaufkraft an, obendrein beides in der verkehrten Richtung: sie ließ es geschehen, daß die Reichsbank den Diskontsatz am 16. Juli 1931 auf 10 % und am 1. August 1931 sogar auf 15 Ufo erhöhte 102 und so die Möglichkeit für die Produktion neuer Konsum- und Investitionsgüter von der Geldseite her unterband, und sie tat ein übriges, indem sie durch die Notverordnung vom 8. Dezember 1931 die Löhne und Gehälter zwangsweise senkte und so den Rest von Kaufkraft, den das Einkommen der noch im Arbeitsprozeß verbliebenen Menschen repräsentierte, zerstörte - mit der Folge, daß die Zahl der Arbeitslosen im Winter 1931/32 bis auf 6,13 Millionen anstieg 103 • 5. Daß die Maßnahmen des Staates sich nicht auf den Geldwert und die Kaufkraft, sondern auf die Produktionskraft zu richten haben, bedeutet freilich nicht, daß sie den Geldwert unberührt lassen könnten. Auch er wird von ihnen ergriffen, und oft konzentrieren sie sich ausschließlich auf ihn, insbesondere im außenwirtschaftlichen Bereich (durch Aufoder Abwertung einer Währung), vorausgesetzt aber, daß mit der Manipulation des Geldwerts zugleich die Produktionskraft gestaltet wird, und das ist nur selten der Fall; denn alle rein monetären Maßnahmen verändern im Geldwert nur das Maß der Produktions kraft und der von ihr reflektierten Kaufkraft, nicht aber diese selbst. Wirtschaftliche Wirkung vermöge sie nur zu äußern, wenn sie allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen auf den Gegenstand der Messung, die Produktionskraft selbst, gerichtet sind. Der Geldwert kann stets nur der wirtschaftsrechnerische Ausdruck reproduktionsfähiger Produktionskraft (Wirtschaftskraft) der in einem Staatsverband lebenden Menschen sein. Den Grad dieser Kraft spiegelt die "Geldmenge" wider. Sie richtig bemessen heißt daher die Wirtschaftskraft richtig messen, und dabei zeigt sich, daß Geld als Zahlungsmittel nur eine besondere Art ist, sich seiner als Recheneinheit zu bedienen; denn die Bemessung der "Geldmenge" ist das Ergebnis einer mit dem Geld als Recheneinheit angestellten Berechnung der Wirtschaftskraft. Diese Berechnung kann ergeben, daß es genügt, Maßnahmen zu ergreifen, die nur die "Geldmenge" beeinflussen, indem sie sie vermehren Kraus, Otto: Geld-Kredit-Währung, Berlin 1958, S. 142. Kraus, a.a.O., S. 94 f.; Stucken, Rudolf: Deutsche Geld- und Kreditpolitik 1914 - 1963, S. 89. 102 103
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oder verändern; nur dann können wir von monetären Maßnahmen sprechen. Aber schon hier zeigt sich, daß es im Grunde gar nicht um die "Geldmenge", sondern um die Produktionskraft geht; denn "Geldmenge" ist nicht bloß der Bestand an Münzen und Banknoten, sondern auch das Volumen des auf den Bankkonten angesammelten Giralgeldes, vor allem aber auch das Volumen des erst künftig durch Bankkredite zu schöpfenden Geldes; die Bemessung dieses Volumens beruht auf einer Vorausberechnung der künftigen Wirkung gegenwärtiger Produktionskraft und äußert sich in Maßnahmen, die nur noch quasimonetären Charakter haben. - Monetärer Natur sind die Festsetzung des Diskontsatzes (der Bankrate) und das Offenmarktgeschäft; denn durch Beleihung oder Nichtbeleihung von Wechseln und durch Kauf oder Verkauf von Wertpapieren am "offenen Markt" kann das Zentralnoteninstitut die Geldmenge unmittelbar vermehren oder vermindern. Quasi-monetären Charakter haben die Bemessung der Mindestreserven und der Kreditkontingente; denn sie vermögen die "Geldmenge" nur noch mittelbar zu beeinflussen. Beiden Arten monetärer Maßnahmen der Zentralnoteninstitute gemeinsam ist, daß sie darüber entscheiden, ob je nach der konjunkturellen Lage Produktionskraft zu speichern oder einzusetzen ist. Schließlich gibt es Maßnahmen, die zwar ebenfalls die "Geldmenge" mittelbar beeinflussen, aber nicht von den Zentralnoteninstituten, sondern von den Organen der Staatsgewalt ausgehen und die wir daher als die außermonetären bezeichnen; es ist dies der große Kreis aller haushalts-, fiskal-, sozial- und steuerpolitischen Maßnahmen. Ihren Zweck, die Konjunktur zu steuern, erfüllen alle diese Maßnahmen nur, wenn sie die Geldmenge nur als Grad und den Geldwert nur als Maß der reproduktionsfähigen Produktionskraft (Wirtschaftskraft) und diese als ihren eigentlichen Gegenstand nehmen. Dazu bedarf es eines Instrumentariums, das mit dem Geld als Maß den Grad der Wirtschaftkraft bestimmt; es ist dies die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung; sie ermöglicht eine registrierend-statistische Berechnung der gegenwärtigen und eine operativ-statistische Vorausberechnung der künftigen Wirtschaftskraft des Staates. Voraussetzung dafür aber ist das Wissen um diesen Gegenstand der Messung, die Wirtschaftskraft.
11. Der Kraftbegriff in Beziehung zum Begriff der wirtschaftlichen Energie (Kapitalbegriff) Damit finden wir bestätigt, was wir einleitend sagten: wenn Kapital wirtschaftliche Energie, und das heißt: meßbare Wirtschafts kraft ist, dann müssen wir, um den Kapitalbegriff zu bestimmen, beim Begriff der Kraft ansetzen. Der aber ist den Naturwissenschaften zugehörig, so daß unsere Untersuchung auf deren Gebiet übergreift.
§ 2 Die Methode
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1. Das ist methodisch dann ohne weiteres vertretbar, wenn wir in der Wirtschaftswissenschaft eine Disziplin der Naturwissenschaften sehen dürfen 104 • Aber auch wenn wir sie den Geisteswissenschaften zuzurechnen hätten, würde das die Möglichkeit nicht ausschließen, die naturwissenschaftliche Kategorie der Kraft in den Bereich der Wirtschaftswissenschaft zu übertragen. Es ist nichts Außergewöhnliches, daß eine geisteswissenschaftliche Kategorie einer naturwissenschaftlichen entlehnt wird; diese erfährt dabei allerdings eine durch das System der Geisteswissenschaft bedingte Abwandlung. So bedient sich die Rechtswissenschaft des naturwissenschaftlichen Kausalbegriffs, jedoch nicht unverändert, sondern indem sie ihn umprägt: Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinne ist jede conditio sine qua non, die als Ursache eines Geschehens wirkt, jedes Glied einer Kette, die in ein bestimmtes Ereignis einmündet; so ist in naturwissenschaftlichem Sinne ursächlich für den Zusammenstoß zweier Kraftfahrzeuge nicht bloß deren (falsche) Lenkung durch die beiden Fahrer, sondern schlechthin alles, was dazu geführt hat, daß diese beiden Fahrzeuge an einer bestimmten Stelle in einem bestimmten Zeitpunkt aufeinandergestoßen sind, angefangen von der Gewinnung der Rohstoffe für die Fertigung der Fahrzeuge bis zur letzten Bedienungshandlung der beteiligten Fahrer. Für die Rechtswissenschaft ist der Kausalbegriff in dieser Ausgestaltung nicht verwendbar. Sie hat es mit den Handlungen der Menschen zu tun und kann daher als kausal nur gelten lassen, was in Beziehung zu diesen Handlungen steht. Für sie ist nicht jede, sondern nur die Bedingung kausal, die dem Erfolg adäquat ist, d. h. ihn nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit herbeigeführt hat. Andererseits spricht sie etwas als kausal an, was nach naturwissenschaftlicher Vorstellung niemals kausal sein könnte: die Unterlassung. Der Schrankenwärter, der es versäumt, die Schranke zu schließen, setzt nach juristischer Vorstellung ebenso eine Bedingung für den Zusammenstoß eines Zuges mit einem Kraftwagen wie in dem anderen Beispiel die beiden Fahrer durch ihre (falsche) Fahrweise. Was nicht geschieht, kann nach naturwissenschaftlicher Gesetzlichkeit niemals Ursache einer Wirkung sein. Nach juristischer Gesetzlichkeit aber ist das möglich. Die unterlassene Handlung (Nichtschließen der Schranke) wird als eine Bedingung des Ereignisses (Zusammenstoß) hinzugedacht; sie tritt für die juristische Kausalität an die Stelle der vollzogenen Handlung (Schließen 104 Darüber sind die Ansichten geteilt. Meist rechnet man die Volkswirtschaftslehre den Geisteswissenschaften zu; so WebeT, Adolf: Kurzgefaßte Volkswirtschaftslehre, S. 8. - PTeiseT, Erich: Nationalökonomie heute, München 1961, S. 24 meint hingegen, ihrer Methode nach sei die Volkswirtschaftslehre eine naturwissenschaftliche Disziplin.
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der Schranke). Das ist ein Denkvorgang, durch den als kausal wirkend etwas gesetzt wird, was außerhalb der naturgesetzlichen Kausalität liegt. Das rechtswissenschaftliche Denken hebt sich hier noch auffälliger vom naturwissenschaftlichen ab. Aber gerade dadurch wird deutlich, daß der juristische Kausalbegriff den naturwissenschaftliehen voraussetzt. Es gäbe keine juristische Kausalität, wenn das naturwissenschaftliche Kausalitätsgesetz nicht existierte. Der juristische Kausalbegriff geht also auf den naturwissenschaftlichen zurück, und dieser hat lediglich eine Abwandlung erfahren, die daher rührt, daß in einen bestimmten Geschehensablauf der Mensch mit seinen Handlungen oder ihrem Gegenstück, den Unterlassungen einbezogen ist. Es ist methodisch unbedenklich, in gleicher Weise den naturwissenschaftlichen Begriff der Kraft in einen wirtschaftswissenschaftlichen zu transponieren, und zwar in seiner Relation zum ebenfalls naturwissenschaftlichen Begriff des Stoffes; denn die wirtschaftliche Kraft ist nur an der Wirkung erkennbar, die sie beim Umsatz der stofflichen Sachgüter im Erwerbsvorgang äußert. Zum Gegenstand der Untersuchung wird damit die Frage, welcher Art das naturwissenschaftliche Gesetz ist, dem die Relation von Kraft und Stoff unterliegt, und ob und mit welcher Abwandlung es Geltung im Bereich der Wirtschaftswissenschaft beanspruchen kann. 2. Dazu muß man zunächst wissen, was im naturwissenschaftlichen Sinne ein "Gesetz" ist. Wir verstehen darunter die Bedingungen, unter denen das Geschehen in der Natur mit einem ihm innewohnenden Zwang abläuft; ihn meinen wir, wenn wir von der "Naturnotwendigkeit" eines Vorgangs sprechen. In der klassischen Physik wurde dieser dem Naturgeschehen immanente Zwang mit der Kausalität gleichgesetzt; genauer: mit der "kausalen Entwicklung" , die dadurch gekennzeichnet ist, daß sich das zukünftige Schicksal eines Objekts (seine Verwandlung aus einem früheren in einen späteren Zustand) mit mathematischer Sicherheit vorhersagen läßt105 , beispielsweise das Schicksal des Wassers im Vorgang des Gefrierens, bei dem es aus dem Zustand einer Flüssigkeit in den eines festen Körpers verwandelt wird. Kausalität in diesem engen Sinne setzt aber eine scharfe Unterscheidung zwischen der Außenwelt und ihrem Betrachter voraus; nur dadurch, daß man diesen ausschaltet, gelangt man zu dem Bild einer Außenwelt, bei der die Geschehnisse "in absolut kausaler, durch strenge raumzeitliche Gesetze beschriebener Weise" ablaufen 106 • Bezieht man aber den 105 Heitler, Walter: Die Abkehr von der klassischen Denkweise in der modernen Physik, in: "Albert Einstein als Philosoph und Naturforscher", herausgegeben von Paul Arthur Schilpp, Stuttgart 1951, S. 98. 108 Heitler, a.a.O.
§ 2 Die Methode
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Betrachter in den Geschehensablauf ein, dann ändert sich dieses Bild, dann gibt es soviel "kausale Entwicklungen", als es Betrachter gibt, dann "kann keine scharfe Grenzlinie gezogen werden zwischen der Außenwelt und dem mit Bewußtseins begabten Beobachter"107, dann bestimmt die "kausale Entwicklung" sich nach dem Bezugssystem des Beobachters, dem sie zugehört, dann wird durch seine Beobachtung (seine Messung) "die Kette der kausalen Entwicklung" unterbrochen 108 , dann läßt sich das künftige Schicksal eines Objekts nicht mehr mit mathematischer Sicherheit, sondern nur noch mit Wahrscheinlichkeit voraussagen 109 , und dann ist man zum "Verzicht auf die kausale Beschreibungsmethode"l1O genötigt. Das soll nicht heißen, daß man sie gänzlich aufgeben müßte, wohl aber, daß sie nur noch beschränkte Geltung hat, es nur noch eine begrenzte Kausalität gibt dergestalt, daß "die kausale Entwicklung des Anfangszustandes im engeren Sinne sich nur bis zur nächsten Beobachtung" fortsetzt ll1 . Diese neue Denkweise verdanken wir den Erkenntnissen, die die Atomphysik von der Wirkungsweise der vom Licht ausgestrahlten Energie gewann, nämlich, daß diese Energie nicht gleichmäßig, sondern diskontinuierlich ausgestrahlt wird, in spontanen "Sprüngen", deren Größe von der Intensität des sie auslösenden Impulses abhängt 11 2 • Man kann diese Denkweise, da sie den wahrscheinlichen Verlauf der energialen Sprünge zum Gegenstand hat, im Gegensatz zur kausalen die energiale nennen. 3. Sie liegt auch dem wirtschaftlichen Geschehen zugrunde. Dieses entspricht genau dem Bild des atomphysikalischen Geschehens ; denn hier ist notwendig der Mensch als "Beobachter" einbezogen, so daß die klassische Unterscheidung zwischen Außenwelt und Betrachter gar nicht möglich ist. Zugleich ist er der, von dem eine Energiebewegung nach Art der atomphysikalischen ausgeht; seine Handlungen sind Impulse, die Sprünge von Quanten wirtschaftlicher Energie auslösen. Deren Intensität ist, ihrer Diskontinuität entsprechend, unterschiedlich. Daraus folgt, daß die wirtschaftliche Entwicklung nicht Gegenstand einer exakt-mathematischen, sondern nur einer Wahrscheinlichkeitsrechnung sein und nur begrenzt kausal verlaufen kann. Die Begrenzung ist mit dem Bezugssystem gegeben, dem der "Beobachtende" ("Messende") - das ist hier der wirtschaftende Mensch - angehört. Bezugssysteme sind die einzelnen Unternehmungen mit ihren Teilfeldern und die Wirtschaftsgebiete a.a.O., S. 111. a.a.O., S. 109. 109 a.a.O., S. 105. 110 Bohr, Niels : Erkenntnistheoretische Probleme in der Atomphysik, in: Albert Einstein als Philosoph und Naturforscher, S. 117. 111 Heitler, a.a.O., S. 109. 112 a.a.O., S. 99 f. 107
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(Staaten) mit ihrem Gesamtfeld. Kausal verläuft die wirtschaftliche Entwicklung in diesen Bezugssystemen jeweils immer nur in der Spanne zwischen zwei "Beobachtungen", und deren gibt es so viele, als es wirtschaftliche Handlungen (Impulse) gibt. So ist beispielsweise eine Erhöhung des Diskontsatzes kausal nur für die Wechselkredite, die das Zentralbankinstitut zu dem von ihm neu festgesetzten Satz künftig gewährt, aber schon nicht mehr für die an dem erhöhten Satz orientierten Wechselkredite der Geschäftsbanken, erst recht nicht für die sonstigen Kredite und schon gar nicht für entferntere Wirkungsbereiche, etwa das Preisniveau. Wir machen daher immer wieder die Erfahrung, daß Maßnahmen des Staates und der mit ihm verbundenen Institutionen das mit ihnen erstrebte wirtschaftspolitische Ziel nicht erreichen, weil sie durch entgegengesetzte "Impulse" aufgewogen werden. Um der begrenzten Kausalität des wirtschaftlichen Geschehens willen kann daher das wirtschaftliche Denken nur ein energiales sein. Bis auf den heutigen Tag ist aber die Wirtschaftslehre im klassischkausalen Denken befangen, insbesondere da, wo sie ideologisch gebunden ist, im Bereich staatlicher Planwirtschaft. Da die Wirtschaft dort als ein Ganzes gesehen wird, das mit seinen Teilen, den Betrieben, nur als ein Ganzes funktioniert, muß zwischen dem Ganzen und den Teilen eine streng kausale Verbindung hergestellt werden; das geschieht durch den "Plan", der jedem Betrieb das "Soll" auferlegt, das er zu erfüllen hat. Die Pläne werden - nur unter dieser Voraussetzung kann man überhaupt von Planwirtschaft sprechen - mittel- und langfristig fixiert 113 ; sie sind daher für alle Veränderungen anfällig, die sich während einer Planperiode, insbesondere aus dem technischen Fortschritt, ergeben. Darin zeigt sich, daß die kausale Denkweise dem wirtschaftlichen Geschehen nicht gerecht wird. - Das gleiche Schicksal wie die Pläne der staatlich gelenkten Wirtschaft erfahren aber auch in der Marktwirtschaft vielfach die konjunktursteuernden Maßnahmen, denn auch ihnen liegt eine kausale Denkweise zugrunde, die die "Sprünge" außer acht läßt, denen das wirtschaftliche Geschehens ausgesetzt ist. Wirtschaftliches Denken ist vielmehr nur dann richtig, wenn es von der Relativität des wirtschaftlichen Geschehens, d. h. davon ausgeht, daß in das Schicksal seiner "Objekte", also in die Produktion und Reproduktion der Sachgüter der Mensch als "Beobachter" einbezogen ist und diskontinuierlich Impulse liefert, die das Schicksal der "Objekte" wechselhaft gestalten, daß demzufolge die Wirtschaft kein geschlossenes Ganzes, sondern eine Vielzahl von Bezugssystemen ist, die sich in Relationen einmal zwischen ihrem Gesamtfeld (dem Staat) und ihren Teilfeldern (den Unternehmungen), zum anderen zwischen den letzteren darstellen. Das 113 Gleitze, Bruno: Planwirtschaft ohne Perspektivplan in "Wirtschaft und Gesellschaft in Mitteldeutschland", Band 6, Berlin 1967, S. 21.
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wirtschaftliche Denken muß daher "unter Verzicht auf die kausale Beschreibungsweise" bei der Frage ansetzen, wie der arbeitsteilig tätige Mensch sich in diese Bezugssysteme und ihre Relationen einfügt. Er ist in sie hineingeboren und muß das Geschehen, das sich in ihnen abspielt, annehmen und zu seinem eigenen machen, indem er auf dem Teilfeld, dem er zugehört, Impulse liefert für "Sprünge" von Quanten seiner in den Sachgütern konzentrierten Energie nach einem Plan, der nur ein "Soll" kennt: diese Energie aus den Sachgütern mit einem Plus zurückzugewinnen. 4. Er folgt dabei - und damit ist die Antwort auf die von uns gestellte Frage gegeben - einem den Naturwissenschaften entlehnten Gesetz, dem Energieerhaltungsgesetz, das sich hier in ein Gesetz der Erhaltung und Mehrung wirtschaftlicher Energie abwandelt.
Ein Gesetz nicht nur der Erhaltung, sondern auch der Mehrung wirtschaftlicher Energie ist es, weil Konzentration und Rückgewinn mit einem Pluseffekt betrieben werden müssen. Im Sinne der Physik gibt es zwar keinen Gewinn und Verlust von Energie, sondern nur Umwandlungen von einer Energieart in eine andere. Wenn man aber die Betrachtung auf eine Energieart beschränkt, dann läßt sich sehr wohl von Gewinn und Verlust sprechen, wie in der Technik 114 so auch in der Wirtschaft. Es ist das Grundgesetz der Wirtschaft, weil sich erst in ihm als dem obersten aller wirtschaftlichen Gesetze das "wirtschaftliche" Prinzip ausprägt. Dieses erschöpft sich nämlich nicht, wie die herrschende Lehre meint, in dem Satz, daß "mit gegebenem Aufwand der größtmögliche Nutzen erreicht wird"115 oder daß der Mensch bemüht ist, "mit gegebenen Mitteln möglichst viel zu erreichen"116. Dieser Satz ist eine abstrakte Aussage über eine bestimmte, von der Vernunft diktierte Art des Handelns, ein rationales Prinzip, das auch außer halb der Wirtschaft gilt und schon gegolten hat, ehe der Mensch überhaupt wirtschaftlich zu denken und zu handeln vermochte 1l7 . Einen konkreten Inhalt erlangt diese Aussage erst vom Gegenstand des Handeins her; dadurch wird dann das rationale Prinzip zu einem Gesetz des jeweiligen Handeins. So liefert es auf dem Gebiet der Physik den Stoff für die Gesetze vom Mechanismus des Flaschenzugs und des Hebels, auf militärischem Gebiet für das Gebot, mit einem Minimum von Menschen und Material ein Maximum von strategischem und taktischem Erfolg zu erzielen. 114
Hahn, Karl: Lehrbuch der Physik, Teil I, 9. Auf!., Braunschweig 1959,
S.207.
earell, a.a.O., S. 15. Weber, a.a.O., S. 1. 117 Das "Rationalprinzip" ist daher nicht, wie Weber, a.a.O., meint, mit dem "Wirtschaftsprinzip" identisch. 115
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Auf dem Gebiet der Wirtschaft erwächst dem rationalen Prinzip ein konkreter Inhalt erst aus dem Gesetz von der Erhaltung und Mehrung wirtschaftlicher Energie; denn dieses Gesetz sagt uns, daß es die arbeitsleistende Kraft der arbeitsteilig tätigen Menschen ist, die "mit gegebenen Mitteln möglichst viel zu erreichen" vermag. Kraft und Energie sind als wissenschaftliche Begriffe verhältnismäßig jung118 • Der Volks- und Betriebswirtschaftslehre haben sie sich noch nicht erschlossen. Dessen bedarf es aber, wenn wir eine Definition des Kapitalbegriffs finden wollen. Wir entgehen daher nicht der Notwendigkeit, dessen Wurzel, den Begriff der Kraft da aufzuspüren, wo er angesiedelt ist: in den Naturwissenschaften, gleichviel ob wir die Wirtschaftswissenschaft selber als eine ihrer Disziplinen, den Begriff der Kraft demzufolge als ihr ohnehin zugehörig ansehen, oder ob wir ihn in die Wirtschaftswissenschaft transponieren, wenn wir diese den Geisteswissenschaften zuzurechnen haben.
§ 3 Bisherige Versuche einer begrifflichen
Verbindung von Kapital und Kraft
Der Gedanke, daß Kapital etwas mit Kraft zu tun hat, ist nicht neu. Er lieferte den Stoff für eine Theorie, die dem Kapital keine Seins-, sondern eine Geschehensform beim ißt, d. h. die "produzierten Produktionsmittel" (wenn wir überhaupt in ihnen das "Kapital" zu erblicken hätten) nicht in ihrer Statik, sondern in ihrer Dynamik erfaßt. Dem "statischen" Kapitalbegriff wird so ein "dynamischer" entgegengesetzt. Ihm liegt die Überlegung zugrunde, daß die der Produktion gewidmeten Sachgüter sich nicht in einem Zustand der Beharrung befinden, sondern eingespannt sind in eine Funktion, eben die Produktion. In dieser Funktion, ihrem dynamischen Geschehen, erscheinen sie uns anders als in ihrem statischen Sein. So wie wir einen fahrenden Kraftwagen technisch anders zu beurteilen haben als den Kraftwagen in der Garage, sind wir genötigt, das Produziertwerden der Güter wirtschaftlich anders zu werten als die produzierten Güter. Es tritt somit ein anderer Aspekt, der dynamische, an die Seite des statischen. Dieser dynamische Aspekt muß notwendig den Menschen als den Träger des Produktionsgeschehens einbeziehen. Man kann sich die Sachgüter, insbesondere die ursprüngliche (Grund und Boden), in ihrem statischen Sein losgelöst vom Menschen vorstellen, in ihrer wirtschaftlichen Dynamik aber sind sie von ihm nicht zu trennen. Er ist es, der durch sein Produzieren, Verteilen und Verbrauchen, kurzum durch seine Ver118 Zu ihrer Geschichte vgl. von Laue, Max: Trägheit und Energie, in: Albert Einstein als Philosoph und Naturforscher, S. 370.
§ 3 Bisherige Versuche begrifflicher Verbindung von Kapital u. Kraft
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fügungsmacht über die Sachgüter diese in Bewegung versetzt. Dieses vom Menschen ausgehende Agens gehört daher ebenso zur Produktion wie die Sachgüter selber. Wie jede Dynamik, so ist auch die im Produktions agens des Menschen zu Tage tretende Ausdruck einer Kraft. Als Produktions kraft wirkt sie in den Bereichen, in denen der Mensch die Sachgüter seiner Verfügungsrnacht unterwirft, in den von ihm zu diesem Zweck geschaffenen Gebilden: den Unternehmungen und dem Staat.
I. Diese überlegungen haben den Dynamikern unter den Wirtschaftswissenschaftlern den Stoff für die Ausprägung eines anderen Kapitalbegriffs geliefert. In einigen Varianten kehren sie immer wieder. Nach Schumpeter ll9 tritt das Kapital "als ein drittes zur Produktion ... nötiges Agens" zwischen den Unternehmer und die Güterwelt. Es ist "ein Begriff der Entwicklung", der einen "Aspekt der wirtschaftlichen Vorgänge" liefert. Wir denken bei ihm "nicht an Dinge, sondern an Vorgänge, ... an die Möglichkeit der Unternehmertätigkeit, an die Möglichkeit der Herrschaft über Produktionsmittel". Ergebnis der unternehmerischen Herrschaft des Menschen über die Produktionsmittel ist die Bildung eines "Fonds von Kaufkraft". Schumpeter weiß sich hierbei in übereinstimmung einer Reihe anderer Dynamiker, so mit Clark l20 , für den Kapital ein "bleibender Fond von Pl'Oduktionskraft" ist, und mit Brentano l21 , der in ihm die "Macht über Produktionsmittel" sieht. Schumpeter macht die Probe aufs Exempel, indem er sich die Frage vorlegt, ob sein Kapitalbegriff sich mit dem in der Praxis, insbesondere in der Buchhaltung verwendeten deckt. Er bejaht sie: das Kapital im Sinne der Bilanz ist auch nichts anderes als "die Summe von Kaufkraft, von Macht über die Produktionsmittel, deren die Unternehmung bedarf", seine Größe ist "ein Symptom der Kraft der Unternehmung", auf jeden Fall etwas von den Gütern, demnach auch vom Begriff des "Vermögens", Verschiedenes, kurzum etwas, das "bis zu einem gewissen Grade eine Sonderexistenz führt". Wenngleich Schumpeter dabei die Gegebenheiten der "Verkehrswirtschaft" im Auge hat, das Kapital daher als ein für sie nötiges Agens anspricht, so läßt er doch auch den Gedanken anklingen, daß die zentral geleitete Volkswirtschaft unter dem gleichen Gesetz steht; denn auch sie müsse "eine Art volkswirtschaftlicher Buchhaltungszentrale" haben, in der Erfolg und Mißerfolg gemessen und durch das Kapital zum Ausdruck gebracht werden. Als "Verfügungsmacht" über einen "Vorrat an früher produzierten Gütern" definiert Eucken 122 das Kapital. Zwar schwingt hier noch der alte Gedanke mit, daß man es beim Kapital mit den "produzierten Produktionsmitteln" zu tun habe, es wird diesen aber nicht schlechthin gleichgesetzt, sondern nur in Beziehung zu ihnen gebracht und zwar als eine Aussage über das Wirtschaftsge119 Schumpeter, Josef: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 5. Aufl., Berlin 1952, S. 167, 170, 173, 175 ff. 120 Schumpeter, a.a.O., S. 190. 121 Schumpeter, a.a.O., S. 192. 122 Eucken, Walter: Grundlagen der Nationalökonomie, 5. Aufl., Godesberg
1947, S. 203 f.
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schehen, nämlich die Planung der Produktion. Kapital wird so zu einem "Plandatum" für den wirtschaftenden Menschen. In dieser Sicht spielt es daher keine Rolle, ob eine Wirtschaft zentral oder individuell geleitet wird: "Verfügungsrnacht" ist Kapital sowohl "in Händen der Leitung der zentralgeleiteten Wirtschaft" als auch "in der Verkehrswirtschaft in Händen der Betriebsleiter". "Verfügungsrnacht über Güter", "Güterdisposition" ist Kapital auch nach der Anschauung des profiliertesten unter den Dynamikern, Schmalenbachs 123 • Er führt diesen Gedanken fort, indem er zwischen der konkreten Natur der Güter und ihrem abstrakten Verhältnis zum Eigentümer, zwischen der "konkreten Güterrnasse" und der "Vorrätigkeit an sich", zwischen "Gutswert" und "Vorrätigkeitswert" unterscheidet. An einem Beispiel erläutert er das: Eine neue Maschine kostet 100000 DM und wird mit 5 % jährlich, also in 20 Jahren abgeschrieben; der sich so jeweils errechnende Betrag bezeichnet den Gutswert der Maschine; daneben wird ein Kapital von 100 000 DM genutzt; der Betrag dieser Nutzung bildet den Vorrätigkeitswert der Maschine. Auch Schmalenbach gelangt dazu, daß dem Kapital "notwendigerweise produktive Kraft" innewohnen muß, und auch er mißt ihm diese Eigenschaft unabhängig von der sozialen Ordnung der Güterproduktion zu. "Die jeweilige soziale Ordnung kann bestimmen, wem das Kapital gehört oder wer in sonstiger Weise die Verfügungsgewalt über das Kapital besitzt, aber sie kann nicht die ehernen Wirtschaftsgesetze verändern, denen das Kapital seine Kraft verdankt".
Adolf Weber 124 schließlich sieht im Kapital "vorgetane Arbeit", die als drittes Produktionselement zu den beiden anderen, Arbeitskraft und Boden, hinzutritt, und zwar als ein "sich immer erneuernder Fonds von Gütern", bei dem es sich um "Kraftreserven" handelt, genauer: "nur um eine zusätzliche dritte elementare Kraft, die als solche eine rein ökonomische Funktion darstellt"; während nämlich Arbeitskraft und Boden außerhalb des Bereichs der Wirtschaft entstehen, wird das Produktionselement "Kapital - vorgetane Arbeit" innerhalb der Wirtschaft geboren, und zwar durch Verzicht "auf ermöglichten Gegenwartskonsum". Kapital ist daher, so folgert Weber, "erspartes Realeinkommen, das bereit ist, der Produktion zu dienen", d. h. wiederum produktiv angelegt ("investiert") zu werden und das dadurch zu einem "dynamischen Faktor" der Wirtschaft wird. Für die Erkenntnis des Kapitals ist indessen durch alle diese Formulierungen nichts gewonnen. Es fehlt ihnen das Letzte, Entscheidende: sie haben sich nicht zu einem Begriff mit einem ganz bestimmten, fest umgrenzten Vorstellungsinhalt verdichten können. In den drei Kriterien, aus denen der Kapitalbegriff zu formen versucht wird - "Aspekt" der Sachgüter, "Agens" der Produktion und "Produktionskraft" drücken sich nämlich Vorstellungsinhalte aus, die sich zwar beschreibend verbinden lassen, die man aber denkgesetzlich nicht einem Begriff, eben dem Kapitalbegriff, zuordnen kann. Ein "Aspekt" ist die Art, einen bestimmenden Gegenstand, sei es ein körperlicher, sei es ein geistiger, zu sehen. Der Ausdruck "Aspekt" kennzeichnet also lediglich eine Methode der Betrachtung. Den Gegenstand selbst, dem die Be123
Schmalenbach, Eugen: Kapital, Kredit und Zins, 2. Auf!., Köln 1949,
S.l1 ff.
124 Weber, Adolf: Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 6. Auf!., Berlin 1953, S. 11 ff.; ders.: Kurzgefaßte Volkswirtschaftslehre, 8. Auf!., S. 61 ff.
§ 3 Bisherige Versuche begrifflicher Verbindung von Kapital u. Kraft
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trachtung gilt, läßt diese unberührt. Der "Aspekt" einer Sache mag sich ändern, die Sache selbst bleibt die gleiche. So ist auch die Sache, die man unter einem dynamischen Aspekt betrachtet, keine andere als die, die sich uns bei statischer Betrachtung darbietet. Der statische Aspekt eines Kraftwagens zeigt uns diesen im ruhenden Zustand (z. B. seine Länge, Breite und Höhe), der dynamische Aspekt läßt uns seine Fahreigenschaften erkennen (Geschwindigkeit, Straßenlage); es ist aber doch der eine und derselbe Kraftwagen. Nicht anders ist es im wirtschaftlichen Bereich: Sachgüter bleiben Sachgüter, gleichviel ob man sie in statische oder in dynamische Sicht stellt. Anders ausgedrückt: auch der dynamische Aspekt der Wirtschaft (der wirtschaftlichen Vorgänge) hat die Sachgüter zum Gegenstand. Setzt man nun Kapital gleich diesem dynamischen Aspekt, so bedeutet dies, daß der Kapitalbegriff lediglich auf den Sachgüterbegriff zu beziehen ist. Kapital wäre danach nichts als eine bestimmte Aussage über die Sachgüter, und zwar über die Funktion, denen sie im Ablauf der Wirtschaft unterworfen sind. Dabei bleibt ungelöst, was es denn nun eigentlich mit der wirtschaftlichen Funktion der Sachgüter auf sich hat. Ein "Agens" hingegen bezeichnet etwas völlig anderes, und zwar ein Bewegen im Gegensatz zum bloßen Betrachten; also ein Handeln. Im technischen wie im wirtschaftlichen Bereich gehört dazu notwendig der Mensch als der Bewegende, Handelnde. Setzt man Kapital gleich solchem (wirtschaftlichen) Agens, so tritt es in eine Beziehung zum Menschen, wäre also keine Aussage über die Sachgüter selber, sondern über das Handeln des Menschen, das ihnen gilt. Dabei bleibt aber die Frage offen, welcher Art dieses Handeln, dieses Agens, ist. Die "Produktionskraft" schließlich, die sich in den Wirtschaftsgebilden kristallisiert, ist ihrerseits eine Größe eigener Art. Daß sie sich von der bloßen Betrachtung der Wirtschaft und ihrer Gebilde unterscheidet, bedarf keines Wortes. Sie hebt sich aber auch von dem ab, was wir als das Produktionsagens bezeichnet haben, und zwar steht dieses zu ihr im Verhältnis von Ursache und Wirkung: das Produktionsagens des Menschen bringt die Produktionskraft seiner Gebilde, der Unternehmungen und des Staates, hervor. Bezieht man also den Kapitalbegriff auf diese "Produktionskraft", so erlangt er wiederum einen völlig anderen Inhalt, und zwar bilden seine Kriterien jetzt sowohl die Sachgüter als auch den über diese verfügenden Menschen, darüber hinaus aber auch die Bereiche, auf denen die Verfügungsmacht des Menschen mit den Sachgütern zusammentrifft. Welches sind nun wirklich seine unterscheidenden Merkmale? Lassen diese sich überhaupt zuverlässig und allgemein verbindlich bestimmen oder müssen wir uns damit bescheiden, eine Reihe von Symptomen herauszustellen, wenn wir in der wirtschaftlichen Wissenschaft und Praxis, nicht zuletzt aber auch in der Politik, vom "Kapital" sprechen? Mit anderen Worten: drückt sich in diesem Wort lediglich ein Komplex von Erscheinungen aus, die sich zwar beschreibend aneinanderreihen, aber nicht zu einem definierbaren Begriff formen lassen? Liegen etwa die Dinge beim Phänomen des Kapitals ähnlich wie bei dem der Seele, deren Existenz wir ja ebenfalls nur aus gewissen Erscheinungen ablesen können, für die wir aber eine allgemein verbindliche Definition nicht zur Hand haben? Ist also alles Bemühen um eine Definition des Kapitalbegriffs eitel? Müssen wir resignieren - selbst auf die Gefahr hin, daß das Wort "Kapital", weil ihm
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eine aus der Sache abgeleitete Sinngebung mangelt, willkürlicher Deutung preisgegeben wird, im wissenschaftlichen wie im politischen Bereich? Wir kommen, wenn wir die Frage so stellen, zu dem Werk des Mannes, der wie kein anderer mit ihr gerungen, auf sie letztendlich aber keine Antwort gefunden hat: Werner Sombart125 • 11. Es geht Sombart nicht um den Begriff und das Wesen des Kapitals, sondern darum, den Weg aufzuzeigen, der zur Heranbildung der Wirtschaftsform geführt hat, die er die "kapitalistische" nennt, d. h. den Ort zu bestimmen, den die "kapitalistische Unternehmung" in der Wirtschaftsgeschichte einnimmt. "Kapitalistisch" wird so zu einem bloßen "Beiwort" (3. Band Seite 130), das die mit ihm gekennzeichnete Wirtschaftsform von anderen Wirtschaftsformen unterscheidet und das ebenso gut durch ein anderes ersetzt werden könnte. Das unterscheidende Merkmal der kapitalistischen Wirtschaftsform sieht Sombart in dem Zweck der wirtschaftlichen Betätigung. Diese dient nach seiner Lehre in der kapitalistischen Epoche nicht mehr der Deckung des eigenen oder eines fremden Bedarfs, sondern ist aufs "Geldverdienen" gerichtet (1. Aufl. 1. Band Seite 50), sie ist nicht mehr selber Zweck, sondern sie wird als Mittel zum Zweck des Erwerbes angesehen (1. Aufl. 1. Band Seite 391). Im weiteren Ablauf des kapitalistischen Abschnitts der Wirtschaftsgeschichte vollzieht sich jedoch eine Wandlung von Zweck und Mittel, und zwar dergestalt, daß die wirtschaftliche Tätigkeit wieder als Zweck erscheint, aber in anderer Gestalt: "als Kalkulation, Spekulation, als Geschäft" (1. Aufl. 1. Band Seite 396). Der neue Selbstzweck des Wirtschaftens zeichnet sich durch seine Abstraktheit aus: er "löst sich von der leiblich-individuellen Persönlichkeit des Wirtschaftssubjekts" und heftet sich "an ein Abstraktum": das Sachvermögen. Dieses rückt, verseZbständigt, in den Mittelpunkt der Betrachtung (1. Aufl. 1. Band Seite 195). Richtungsgebend für die wirtschaftliche Betätigung ist nicht mehr der quantitativ oder qualitativ umschriebene Bedarf einer Person oder einer Mehrheit von Menschen, sondern die Verwertung des - verselbständigten - Sachvermögens (a.a.O., S. 196). Nur am Rande dieser geschichtlichen Betrachtung läßt Sombart den Kapitalbegriff aufleuchten. Allerdings verschließt er sich nicht der Notwendigkeit, und er entzieht sich auch nicht dem Versuch, ihn zu analysieren. Dabei begegnen wir nun aber einer auffälligen Diskrepanz zwischen einzelnen Teilen des Werkes; denn wir finden in ihm zwei voneinander deutlich unterschiedene Fassungen des Kapitalbegriffs. Die eine hat ihren Platz in dem "Begriff und Wesen des Kapitalismus" überschriebenen 8. Kapitel der im Jahre 1902 erschienenen 1. Auflage des ersten Bandes, die andere im 10. Kapitel des 25 Jahre später (1927) herausgebrachten 1. Halbbandes des dritten Bandes. Dieses Kapitel erst trägt die überschrift "Begriff und Wesen des Kapitals". In ihm dürfen wir daher den Niederschlag der Erkenntnis sehen, den Sombart in 25jähriger Forschung von Begriff und Wesen des Kapitals gewonnen hat. Wir müssen aber, wollen wir diese Fassung, die Sombart hier dem Kapitalbegriff gegeben hat, recht verstehen, die Gegensätzlichkeit beider Prägungen scharf herausarbeiten. Im ersten Band der 1. Auflage (S. 195) lesen wir: "Kapitalistische Unternehmung nenne ich diejenige Wirtschaftsform, deren Zweck es ist, durch eine Summe von Vertragsabschlüssen über geldwerte Lei125 In der folgenden Untersuchung befassen wir uns mit seinem Hauptwerk: "Der moderne Kapitalismus", und zwar mit 1. Band, 1. Aufl., Leipzig 1902, 2. Aufl., München - Leipzig 1919, 2. und 3. Band, München - Leipzig 1919.
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stungen und Gegenleistungen ein Sachvermögen zu verwerten, d. h. mit einem Aufschlag (Profit) dem Eigentümer zu reproduzieren. Ein Sachvermögen, das solcher Art genutzt wird, heißt Kapital." Danach setzt der Kapitalbegriff sich aus folgenden Elementen zusammen: a) b) c) d) e)
Kapital ist ein Vermögen, und zwar ein Sachvermögen, das verwertet (genutzt) wird, durch eine Summe von Vertragsabschlüssen, deren Gegenstand geldwerte Leistungen und Gegenleistungen sind zu d und e: Mittel der Verwertung (Nutzung) -, f) dies zu dem Zweck, das Sachvermögen mit einem Aufschlag (Profit) zu reproduzieren, und zwar g) zugunsten des Eigentümers des Sachvermögens. Der Kapitalbegriff, wie Sombart ihn hier geprägt hat, leitet sich somit aus dem Vermögensbegriff als Oberbegriff und dem Sachvermögensbegriff als Unterbegriff ab. Das bringt eindeutig der letzte Satz der Definition: "Ein Sachvermögen ... heißt Kapital" zum Ausdruck. Es folgt auch aus der Verbindung des Sachvermögens- mit dem Eigentumsbegriff; denn Gegenstand des Eigentums können nur Sachen sein; spricht man den Eigentümer eines Sachvermögens als dessen Nutznießer an und faßt man ihn in dieser Verbindung als Subjekt des Kapitals (als den "Kapitalisten") auf, so wird notwendig der Kapitalbegriff zu einem Unterbegriff des Sachvermögensbegriffes. Daran ändert sich auch nichts durch die Rolle, die der kapitalistische Unternehmer dem Sachvermögen zuweist. Er löst es nach der Sombartschen Anschauung aus seiner Bindung an die Person, macht aus ihm ein gleichsam eigenständiges Gebilde und sich selbst zu dessen "Repräsentanten" (1. Band S. 196). Dennoch bleibt es, was es ist: eben ein Sachvermögen. So wenig sonst dessen Naturs ich durch die Art seiner Verwendung wandelt, büßt es sie durch die kapitalistische Nutzungsweise ein. Ist hiernach aber Kapital nichts als ein auf bestimmte Art genutztes Sachvermögen, so ist zu fragen: a) Was ist ein "Vermögen" und was ein "Sachvermögen"? b) Erlaubt die von Sombart als "kapitalistisch" angesprochene Art der Nutzung wirklich die Herausbildung eines Unterbegriffs "Kapital"? Zu a): Eine Definition des Vermögensbegriffs gibt Sombart nicht; überhaupt verwendet er meist nicht diesen Begriff, sondern die Unterbegriffe "Sachvermögen" und "Geldvermögen" (letzteren z. B. im 1. Band der 1. Aufl. S. 235). Man darf aber davon ausgehen, daß er unter "Vermögen" das verstanden wissen will, was die Rechtswissenschaft damit bezeichnet: einen Inbegriff von Sachen und Rechten. Sachvermögen ist somit der Teil des Vermögens einer Person oder einer Personengemeinschaft, der, rechtswissenschaftlich gesprochen, aus beweglichen und unbeweglichen Sachen, wirtschaftswissenschaftlich gesprochen, aus Sachgütern besteht (so auch Sombart, 3. Band S. 230) . Zu b): Ein solches Sachvermögen kann man "verwerten", d. h. in Geld umwandeln: Dabei ist in Bezug auf Mittel und Zweck der Verwertung zu unterscheiden.
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Die Verwertung geschieht stets durch Abschluß eines gegenseitigen Vertrages oder durch eine Rechtshandlung, die in ihrer Wirkung einem Vertragsschluß gleichsteht. Will man also ein Sachvermögen in allen seinen Teilen verwerten, so ist dazu - soweit kann man Sombart folgen - "eine Summe von Vertragsabschlüssen über geldwerte Leistungen und Gegenleistungen" erforderlich. Das gilt nun aber ausnahmslos für alle Arten von Vermögen, gleichviel ob sie einem Unternehmen dienen oder nicht. Auch ein Privatvermögen, etwa ein Nachlaß, kann nur durch "eine Summe von Vertragsabschlüssen" verwertet werden. Das Mittel der Verwertung kann somit kein Spezificum einer kapitalistischen Unternehmung sein. Zweck der Verwertung eines kapitalistisch genutzten Sachvermögens soll es sein, dem Eigentümer dieses Sachvermögens "mit einem Aufschlag (Profit) zu reproduzieren". Das erste dieser beiden Merkmale, der "Aufschlag (Profit)" ist ebenfalls nicht auf "kapitalistische Unternehmungen" beschränkt. Das Bestreben, durch Verwertung eines Sachvermögens ein Plus zu erzielen, hat auch der Privatmann, wenn er Teile seines Vermögens oder sein gesamtes Vermögen in Geld umsetzen will, etwa der Rentner oder der Angestellte, der Kunstgegenstände veräußert. Man darf diese Fälle von der Subsumierung unter den Kapitalbegriff nicht um deswillen ausnehmen, weil es sich bei ihnen nur um Refiexe kapitalistischer Wirtschaftsweise handle, weil m. a. W. jene Privatleute, vom kapitalistischen Geist angesteckt, das tun, was von Hause aus nur dem kapitalistischen Unternehmer vorbehalten sein sollte. Wenn die geschichtliche Entwicklung dazu geführt hat, daß die kapitalistische Wirtschaftsweise sich nicht mehr auf den ihr eigenen Bereich, die Unternehmung, beschränkt, sondern wenn sie auch auf die private Sphäre übergreift, dann erstreckt sich auf diese auch der Kapitalbegriff. Es bleibt somit zu prüfen, was unter der "Reproduktion" des Sachvermögens zu verstehen ist und ob sich hierin das für den Kapitalbegriff entscheidende Merkmal ausdrückt, nach dem wir ein anderes bisher nicht haben entdecken können. "Reproduktion" soll nach der von Sombart gegebenen Bestimmung eine besondere, eben die kapitalistische Art der Verwertung eines Sachvermögens bezeichnen. Ein Sachvermögen reproduzieren, heißt demnach, es so verwerten, daß es wieder Sachvermögen wird. Wird also ein ihm angehörendes Sachgut in Geld umgesetzt, so soll der gewonnene Geldbetrag zur Anschaffung eines anderen Sachguts gleicher Art dienen. Das ist zunächst nur die grundlegende (einfache) Art der Reproduktion. Neben ihr nennt Sombart (im 3. Band Seite 135) auch noch die "erweiterte Reproduktion" und die "Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter"126, die hier nicht interessieren, wo es lediglich um die Frage geht, ob die Reproduktion des Sachvermögens schlechthin, gleichviel welcher Art sie sei, nur bei der kapitalistischen Unternehmung anzutreffen ist. Auch das muß man verneinen; denn "reproduziert" wird auch in der staatlich gelenkten ("sozialistischen") wie überhaupt in jeder nur denkbaren Form der Wirtschaft, weil keine das Geld als Mittel des "Umsatzes" entbehren kann. 126 Er übernimmt hier die Marx'schen Kategorien, mit denen wir uns bereits befaßt haben.
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Zusammenfassend dürfen wir daher feststellen: der Versuch, den Kapitalbegriff aus dem Vermögensbegriff abzuleiten, ist zum Scheitern verurteilt. Seine Elemente müssen außerhalb des letzteren gesucht werden. Das hat auch Sombart erkannt und bereits in der 1919 erschienenen 2. und 3. Auflage des 1. Bandes (Seite 324) dem Kapitalbegriff eine andere Fassung gegeben und diese seinen Untersuchungen im 3. Band (Seite 129) zugrundegelegt. Jetzt definiert er Kapital als "diejenige Tauschwertsumme, die einer kapitalistischen Unternehmung als sachliche Unterlage dient". Was diese Fassung von der früheren unterscheidet, ist der Begriff "Tauschwertsumme". Er, nicht "Vermögen" ("Sachvermögen") bildet hier den Oberbegriff des Kapitalbegriffs. Damit wird für dessen Bestimmung ein völlig anderer Ansatzpunkt gewonnen. Die frühere Fassung ging von Sachgütern, juristisch gesprochen: von den unbeweglichen und beweglichen Sachen, aus, die zu einem Vermögen vereint sind, die jetzige stellt es auf einen Wert ab. Das ist zweierlei; denn Wert hat von Hause aus mit Vermögen nichts zu tun. Vermögen bezeichnet das reine Da-Sein einer Vielzahl von Sachen in der Hand einer Person, des Eigentümers, aber es sagt noch nichts über den Wert dieser Sachen aus. Das Besitzen der Sachen und deren Bewertung sind zwei selbständige Formen des Denkens und Handeins. Man kann ein Vermögen besitzen, ohne sich darüber Rechenschaft abzulegen, was es wert ist. Es gibt sogar Vermögensteile, die sich überhaupt nicht bewerten lassen oder die gar keinen Wert haben. Ein baufälliges Haus, dessen Abriß mehr kostet als es einbringt, bleibt doch ein Haus, d. h. Bestandteil eines Grundstücks und damit eines Sachvermögens. Man muß also zwischen bewertbarem und unbewertbarem, zwischen bewertetem und unbewertetem Vermögen unterscheiden. Nach der früheren Fassung sollte Kapital ein bewertbares und bewertetes Sachvermögen sein. Die Bewertbarkeit und Bewertung dieses Sachvermögens sollte sich aus einer Summe von Vertragsabschlüssen ergeben, die der Eigentümer vornahm, um sein Sachvermögen mit einem Aufschlag zu reproduzieren. Wenn nun die spätere Fassung Kapital als eine "Tauschwertsumme" definiert, so scheint prima facie damit dasselbe gesagt zu werden, was die frühere zum Ausdruck brachte. Der "Tauschwert", so könnte man nämlich meinen, ist nichts als das Ergebnis jener Vertragsabschlüsse, deren "Summe" die Quelle der "Summe" von Tauschwerten. Die "sachliche Unterlage" will, so möchte man vermuten, das "Sachvermögen" bezeichnen, das dessen Eigentümer in der früher bereits beschriebenen Weise "zu verwerten" unternimmt. So gesehen, würde die neue Definition die Elemente der alten nur in einer anderen Denkfolge liefern: statt von der Sache geht man vom Wert aus, gelangt aber zum gleichen Ziel, dem Kapital. So hat es aber Sombart nicht gemeint. Die Analyse, die er im 3. Band durchführt, stellt vielmehr den Kapitalbegriff in einen entscheidenden Gegensatz zum Vermögensbegriff. Er ist - so lehrt Sombart nunmehr - kein "Dingbegriff", sondern ein "Funktionsbegriff" ; er bezeichnet nicht "irgendwelche Sachgüter", sondern "er drückt die Beziehung einer Tauschwertsumme in einem bestimmten Zweckzusammenhang aus". Damit ist freilich mehr angedeutet als ausgesagt. Sicher ist zunächst nur soviel, daß man sich unter Kapital nicht mehr etwas sinnlich
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Wahrnehmbares, nämlich eine Summe bewertbarer und bewerteter Sachgüter vorzustellen hat, sondern etwas nur gedanklich Ausdrückbares, nämlich eine Wirkung (Funktion). Allerdings knüpft diese Wirkung sich an die zu einem Vermögen zusammengefaßten Sachgüter. Diese erscheinen nunmehr aber nur noch als "Symbole", in die die Kapital genannte Wirkung (Funktion) sich "einkleidet" ("investiert"). Es gibt - wir zitieren wörtlich - "so viele Symbole als es Sachgüter gibt, die beim Aufbau einer kapitalistischen Unternehmung mitwirken" (Seite 129). Sonach wird zwar der Kapitalbegriff vom Vermögensbegriff unterschieden, aber doch nicht völlig von ihm gelöst. Kapital ist zwar nicht mehr (bewertbares und bewertetes) Sachvermögen, aber die Funktion, die sich in ihm ausdrückt, ist nur durch ein Sachvermögen darstellbar. An die Stelle eines statischen ist nunmehr ein dynamischer Begriff getreten. So denken wir, wenn wir von Maschinen sprechen, nicht mehr an ihre Körperhaftigkeit, sondern an das, was sie leisten. In ihrer Statik bilden sie ein Vermögen, in ihrer Dynamik ein Kapital. Damit ist zwar ein Ansatzpunkt für die weitere Behandlung des Problems gewonnen, es bleibt aber die Frage offen, welcher Art die "Funktion" ist, die "Kapital" genannt werden soll; denn es gibt ja keine Funktion an sich, vielmehr ist Funktion wiederum nur eine Denkform für etwas, das es erst zu bestimmen gilt. Wenn wir von der Funktion eines Menschen sprechen, so können wir das nicht, ohne eine Aussage darüber zu machen, was dieser Mensch betreibt. Wir müssen also, wenn die Wurzel des Kapitalbegriff außerhalb des sinnlich Wahrnehmbaren liegen soll, zu ergründen suchen, was das Etwas ist, das sich in die Sachgüter "einkleidet" und sie bewegt. Klar ist soviel, daß es kein technisches, sondern ein wirtschaftliches Agens sein muß; denn es steht nicht die technische, sondern die wirtschaftliche Funktion der Sachgüter zur Erörterung. Es wäre also zu fragen, welcher Art das Agens ist, das die Sachgüter in wirtschaftliche Funktion versetzt. Auf diese, im vorigen Abschnitt gestellte Frage gibt uns auch Sombart keine Antwort; denn für ihn ist der Kapitalbegriff kein wirtschaftstheoretischer, sondern ein "historisch-ökonomischer (3. Band Seite 129). Er verzichtet daher auf die Erforschung seiner theoretischen Wurzel, sondern stellt ihn lediglich in den wirtschaftsgeschichtlichen Zusammenhang, wie er ihn sieht. Für ihn hat der Begriff Kapital sich "aus dem Zusammenhang eines bestimmten Wirtschaftssystems - des kapitalistischen - herausgebildet", und er ist nur für dieses Wirtschaftssystem verwendbar; er soll - als ein Beiwort - lediglich das Etwas bezeichnen, das der Unternehmung anhaftet, die wir die "kapitalistische" nennen. Der Begriff der kapitalistischen Unternehmung - darin gipfeln Sombart's überlegungen (3. Band Seite 130) ist also "ganz ohne Zuhilfenahme des Begriffs des Kapitals völlig selbständig" zu bestimmen. Eine verblüffende Formulierung! Sie besagt im Grunde lediglich, daß "Kapital" eine Ausdrucksform des "Kapitalistischen" ist. Damit spricht sie dem Kapitalbegriff einen eigenen Aussagewert ab; es gibt nach ihr kein "Kapital" an sich, sondern nur eine "kapitalistische Unternehmung". Sombart selbst bekennt, daß sein Kapitalbegriff "unvollkommen" ist, dennoch weist er den Vorwurf zurück, er wolle "idem per idem" definieren; das treffe vielleicht rein formal zu, sachlich aber sei sein "Verfahren einwandfrei". Der Mangel, der der Sombart'schen Begriffsbildung innewohnt, berührt indessen nicht bloß die Form des Denkens, sondern die Sache selbst, um die es geht.
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Der formale Fehler liegt in dem Versuch, den Begriff des Kapitals mit anderen Begriffen in Verbindung zu bringen, ohne jeden von ihnen mit einem bestimmten Denkgehalt auszufüllen. Wenn man von einer "kapitalistischen Unternehmung" oder einem "kapitalistischen Wirtschaftssystem" spricht, so stellt man jeweils eine Verbindung zwischen zwei Begriffen her, dort zwischen "Kapital" und "Unternehmung", hier zwischen "Kapital" und "Wirtschaftssystem". Beidemal soll "Kapital" eine Eigenschaft der anderen Größe bezeichnen. Diese als solche zu erkennen, ist aber nur möglich, wenn man den Begriff, der sie ausdrücken soll, mit einem eigenen Denkgehalt erfüllt. Die Eigenschaft "warm" läßt sich zu der Größe "Wasser" nur in Beziehung setzen, wenn man beide Begriffe, "Wasser" und "Wärme", und zwar jeden für sich gesondert, festlegt. Wenn ich nicht weiß, was "Wärme" ist, kann ich auch nicht begreifen, was "warmes Wasser" ist. Formal ist es also falsch, von "kapitalistischer Unternehmung" und "kapitalistischem Wirtschaftssystem" zu sprechen, ohne "Kapital" seinem Wesen nach zu bestimmen. Man könnte diesen Fehler hinnehmen, wenn es sich bei dem Adjektiv "kapitalistisch" wirklich nur um ein Beiwort handelte, mit dem lediglich ein bestimmter Stil des Wirtschaftens ausgedrückt werden soll, den Stil nämlich, in dem - nach Sombart - der "kapitalistische Unternehmer" im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem Handwerker und seinem Nachfolger, der sozialistischen Gemeinschaft, dieselbe Sache, das Wirtschaften, betreibt. Wäre es gestattet, dem Begriff "Kapital" lediglich einen wirtschafts-ästhetischen Aussagewert beizulegen, dann brauchte man ihn allerdings nicht zu definieren, sondern dann könnte man sich damit begnügen, das Charakteristische des Wirtschaftsstils der letzten fünf Jahrhunderte herauszuarbeiten, und dann wäre es gleichgültig, ob man diesen Stil als den "kapitalistischen" oder ob man ihn irgendwie anders bezeichnet; der Begrüf "Kapital" als Ausdruck des Wirtschaftsstils einer bestimmten Epoche wäre ebenso willkürlich gewählt und hätte keine andere als nur eine beschreibende Bedeutung wie etwa der Begriff "Empire" für die Kunstgesinnung, die um die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts herrschte. Hätte Napoleon nicht gelebt, so hätte es dennoch den Kunststil gegeben, den wir nach seinem Imperium benennen; man hätte dann nur ein anderes "Beiwort" finden müssen. Es fragt sich aber, ob der Begriff "Kapital" nicht doch einen eigenen Aussagewert hat, d. h. ob er nicht bloß den Stil einer bestimmten Wirtschaftsepoche, sondern ein Essential wirtschaftlicher Betätigung schlechthin bezeichnet. Sombart selbst sprengt den Rahmen, in den er den Kapitalbegriff stellen möchte, indem er die Möglichkeit einräumt, ihn per analogiam "auszudehnen auf Wirtschaftsverhältnisse, die nach dem Vorbild des Kapitalismus organisiert sind" (3. Band Seite 129). Man muß aber noch einen Schritt weitergehen und die Frage stellen, ob "Kapital" nicht zu jeder Art des Wirtschaftens gehört. Wäre man genötigt, diese Frage zu bejahen, dann wäre der Kapitalbegriff nicht der Wirtschaftsgeschichte, sondern der Wirtschaftstheorie zuzuordnen, und dann müßte man seine Elemente, losgelöst von jeder historischen Betrachtung, aus ihrem Wesen heraus bestimmen. Erst diese theoretische Leistung würde es gestatten, dem Begriff des "Kapitalismus" die richtige Deutung zu geben.
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Bei dieser Methode des Erkennens könnte es sich herausstellen, daß die "kapitalistische" Wirtschaftsepoche sich von anderen lediglich dadurch unterscheidet, daß in ihr das Kapital als ein Essential des Wirtschaftens in das Bewußtsein der Menschen getreten ist. Die Begriffe "Kapital" und "Kapitalismus" würden sich, so gesehen, ähnlich zueinander verhalten wie "Nation" und "Nationalismus". Es hat Nationen schon gegeben, noch bevor der Nationalismus als ein Element des politischen Geschehens in die Erscheinung trat. Der Nationalismus hat aber die Nation als eine Form der politischen Lebensgemeinschaft bewußt werden lassen. Er ist jene politische Strömung, die die Vollendung der Nation in der Bildung und Behauptung eines nur ihr zugehörigen Staates sah und die daher alles, was sich an den Begriff der Nation knüpft, das "Nationale", zum beherrschenden Prinzip des Staates erhob. Es wird aber Nationen auch noch geben, wenn dieses Prinzip den Rang, den der Nationalismus ihm zugewiesen hat, eingebüßt haben wird, kurz: wenn es keinen Nationalismus mehr geben wird. Methodisch bedeutet dies, daß der Begriff des Nationalismus aus dem der Nation, nicht umgekehrt dieser aus jenem abzuleiten ist. Wenn die gleiche Methode auch für den Kapitalbegriff angewendet werden müßte, so würde das heißen, daß der Kapitalismus das Kapital als ein Essential des Wirtschaftens zwar in das Bewußtsein der Menschen gerufen hat, daß Kapital mit dem sogenannten "Kapitalismus" aber nicht steht und fällt, daß es vielmehr Kapital geben wird, solange Menschen überhaupt wirtschaften. Eine solche Sicht der Dinge könnte dazu führen, dem "Kapitalismus" den Rang, den Wissenschaft und Politik ihm beigelegt haben oder beilegen möchten, zu nehmen, nämlich den Rang eines Wirtschaftsprinzips. "Kapitalistisch" wäre dann lediglich die adjektive Form des Substantivs "Kapital" und würde nichts weiter ausdrücken, als daß das Phänomen des Kapitals den Menschen zu einer bestimmten Art des Denkens und Handeins, der kapitalistischen, nötigt, und "Kapitalismus" wäre nichts weiter als eine wissenschaftliche Lehre, die Lehre vom Kapital. Eine solche Entthronung des "Kapitalismus" müßte notwendig auch den als sein Gegenstück angesprochenen "Kommunismus" seines messianischen Charakters berauben: denn wenn es zutreffen sollte, daß Kapital zu jeder Art des Wirtschaftens gehört, Kapital schlechthin, dann wäre das ein Faktum, das man hinzunehmen hätte, aus dem man aber kein Prinzip machen und dem man kein anderes entgegensetzen kann. Die von jeder historischen Betrachtung und jeder politischen Sinngebung befreite, auf die Sache selbst gerichtete Frage lautet also einfach: Was ist Kapital?
ERSTER HAUPTTEIL
Das Kapital Erster Abschnitt
Entwicklung eines neuen Kapitalbegriffs § 4 Die Wirtschaft als Kraftfeld
Will man den Teil eines Ganzen erkennen, so muß man sich zunächst mit dem Ganzen vertraut machen. Kapital ist ein Teil dessen, was wir die Wirtschaft nennen. Also müssen wir, um den Kapitalbegriff zu entschlüsseln, beim Begriff der Wirtschaft ansetzen. Unter "Wirtschaft" versteht man gemeinhin den Bereich, in dem der Mensch sich betätigt, um die Voraussetzungen für seine materielle Existenz zu schaffen, und zwar indem er die für seine Existenz erforderlichen Sachgüter herstellt und verteilt. Als Gegenstand der wirtschaftlichen Betätigung des Menschen wird also die Produktion und Verteilung der Sachgüter angesprochen, der Wirtschaftsbegriff somit unmittelbar und ausschließlich mit dem Sachgüterbegriff verbunden. Mit dieser herkömmlichen Aussage ist jedoch für den Begriff des Kapitals nichts gewonnen. Dessen Problematik liegt ja gerade in der Frage, in welcher Beziehung er zum Begriff der "Sachgüter" steht. Haben wir es beim Kapital mit diesen Sachgütern oder mit etwas von ihnen Verschiedenes zu tun? Wäre man genötigt, im Kapital etwas zu sehen, was außerhalb der Sachgüter liegt, sich jedenfalls mit ihnen nicht deckt, so hätte der Kapitalbegriff keinen Platz in dem uns überlieferten Begriff der Wirtschaft. Ihn aus diesem ableiten wollen, hieße ein Gebäude auf einen Grund setzen, der nicht trägt. Wir müssen also der Frage nach Begriff und Wesen des Kapitals die andere voranstellen: "Was ist die Wirtschaft?" Und wir müssen dabei völlig von vorn beginnen, indem wir folgende Grundtatsachen ins Auge fassen: Der menschliche Körper existiert nicht wie ein Gegenstand der leblosen Natur, etwa ein Stein, aus sich selbst heraus oder wie ein Geschöpf 7 Eckelt
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1. 1. Abschn.: Entwicklung eines neuen Kapitalbegriffs
der anorganischen Natur, etwa ein Baum, aus seiner unmittelbaren Verwurzelung mit der Erde, sondern er kann nur dadurch bestehen, daß sein Träger, der Mensch, ihm Stoffe zuführt, die außerhalb seiner und ohne unmittelbare Verbindung mit ihm vorhanden sind. Die Stoffe, die der Mensch seinem Körper zuführt, verschaffen ihm die Kraft, die seinen Organismus und dessen Teile (Herz, Gehirn, Gliedmaßen usw.) in Gang hält und die es ermöglicht, daß der Mensch überhaupt als ein Geschöpf der organischen Natur bestehen kann. Aber bereits das Zuführen der Stoffe ist eine Funktion, die Kraft voraussetzt. Die Hand, die einen kraftspendenden Nährstoff ergreift, wird von einer Kraft getrieben, die schon vorhanden ist. Das organische Leben vollzieht sich in einem ständigen Umsatz von vorgegebener Kraft in Stoff und dessen Rückbildung in Kraft. Diese Kette reicht zurück bis auf einen Anfang, in dem nichts war als reine Kraft. Das permanente Wechselspiel von Kraft und Stoff ist das Grundgesetz des organischen Lebens. Dieses Gesetz gilt ausnahmslos für die gesamte organische Natur, also auch für den Menschen. Indessen nimmt dieser innerhalb der organischen Natur eine Sonderstellung ein, und das führt dazu, daß jenes Gesetz sich bei ihm anders auswirkt als bei den übrigen Geschöpfen. Was den Menschen von diesen unterscheidet, das ist einmal der Gegenstand seiner Lebensbedürfnisse, und das ist zum anderen die Art, in der er diese Bedürfnisse befriedigt. Die Lebensbedürfnisse des Menschen sind wesentlich vielschichtiger als die der übrigen Geschöpfe, und zwar bedingt a) durch seine Physis: damit allein, daß er sich nährt, ist es nicht getan, er muß sich auch kleiden und er muß auch wohnen, b) durch seinen Geist: Religionen, Wissenschaften und Künste gehören ebenso zu seiner Existenz wie das tägliche Brot. Diese Vielfältigkeit der Lebensbedürfnisse hat zur Folge, daß der Mensch sie nicht unmittelbar befriedigen kann. Er vermag seine Existenz nicht durch einen einheitlichen Bedarfsdeckungsvorgang (Aufnahme von Nahrung) zu erhalten, sondern ist genötigt, diesen Vorgang in eine unbegrenzte Zahl von Teil-Bedarfsdeckungsvorgängen aufzuspalten, und zwar in objektiver und subjektiver Hinsicht, indem er a) die Stoffe, die die Natur ihm liefert, in einer für seinen Bedarf erforderlichen Weise bereitet (produziert), insbesondere indem er in unbegrenzter Zahl Werkzeuge verfertigt und Verfahren entwickelt, mit deren Hilfe er die naturgegebenen Stoffe verändert oder mit anderen Stoffen verbindet oder die natürlichen Stoffe durch künstliche ersetzt, und die auf diese Weise produzierten Stoffe zur Verteilung an die einzelnen Bedarfsträger bringt, und indem er
§ 4 Die Wirtschaft als Kraftfeld
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b) die Arbeit, die er auf diese Stoffbereitung verwenden muß, auf eine unbegrenzte Zahl von Menschen verteilt. Das war indessen nicht immer so, sondern ist das Ergebnis einer Entwicklung, die bis zu einem Anfang zurückreicht, in dem der Mensch nicht viel anders lebte als das Tier, und die zahlreiche Zwischenstufen durchlief, ehe sie den heutigen Stand einer Aufspaltung des Bedarfsdeckungsvorgangs in eine unbegrenzte Zahl von Teil-Bedarfsdeckungsvorgängen erreichte. Erst die Unbegrenztheit der Teil-Bedarfsdeckungsvorgänge, wie sie sich in der Unbegrenztheit der Arbeitsteilung manifestiert, liefert das entscheidende Merkmal für den Begriff der Wirtschaft; denn erst bei einem Entwicklungsstand, der durch die vollkommene Arbeitsteilung gekennzeichnet ist, tritt die "Wirtschaft" als ein besonderer Lebensbereich in das Bewußtsein der Menschen. In den vorgelagerten Entwicklungsstufen nährt sich, wohnt und kleidet sich der Mensch, ohne diese Vorgänge als einen Lebensbereich eigener Art zu empfinden. Produktion und Verbrauch der für den Lebensbedarf erforderlichen Stoffe ordnen sich hier unbewußt, d. h. mit einer Selbstverständlichkeit, die keines Ausdrucks bedarf, dem Ganzen des Lebens ein. Es ist daher irreführend, von "Naturalwirtschaft", geschlossener Hauswirtschaft", "Natural-Tauschwirtschaft" usw. zu sprechen. In keiner dieser sogenannten "Wirtschaften" hat der Mensch wirklich "gewirtschaftet", d. h. mehr getan als er gerade tun mußte, um die für seinen Lebensbedarf erforderlichen Stoffe zu produzieren und zu verbrauchen. Eigenbedarfsdeckung ist noch keine Wirtschaft. Mehr zu produzieren als das, was zum Lebensunterhalt benötigt wird, gilt in buddhistischen Ländern sogar als sündhaft, mindestens unschicklich. Eine solche Gesinnung ist das Gegenteil dessen, was eine wirtschaftliche Betätigung an Gesinnung voraussetzt, nämlich den Willen, ohne Rücksicht auf den eigenen Lebensbedarf zu produzieren. Freilich gibt es eine Arbeitsteilung auch in den durch jene Ausdrücke gekennzeichneten Entwicklungsstufen, aber jeder Einzelne trägt unmittelbar einen Teil zur Erzeugung der Lebensbedarfsstoffe bei, die er selber mit seinen Arbeitsgenossen zusammen verbraucht; es ist ein übersehbarer Kreis von Menschen, die in einer Haus- oder Dorfgemeinschaft oder in einer nomadisierenden Gruppen zusammengefaßt, in zwar geteilter, aber doch gemeinsamer Arbeit das erzeugen, was sie für ihren Lebensbedarf benötigen. Selbst das römische Reich blieb trotz seiner räumlichen Weite in seinem Kern ein Stadtstaat, und das Leben seiner Bürger eingespannt in den Rahmen, den die Familie mit seinem Oberhaupt, dem paterfamilias, bot. 7'
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1. 1. Abschn.: Entwicklung eines neuen Kapitalbegriffs
Gewiß gab es einen Waren- und Geldverkehr sowohl innerhalb des römischen Reichs als auch im Austausch mit fremden Staaten. Das änderte aber nichts an der Zuordnung der Einzelnen zu abgeschlossenen Lebenskreisen und an der entscheidenden Bedeutung, die diesen Lebenskreisen zukam. In sie wurde der einzelne hineingeboren, sei es als Freier, sei es als Sklave, und mit ihnen blieb er zeitlebens verbunden. Er hatte gar keine Möglichkeit, etwas zu "werden", d. h. einen bestimmten Beruf zu erwählen und durch die Ausübung dieses Berufs eine eigene Existenz zu begründen, sondern er konnte seine Fähigkeiten nur in seiner Lebensgemeinschaft zur Geltung bringen: Von "Wirtschaft" im heutigen Sinne kann man daher nicht reden; denn darunter haben wir einen Lebensbereich zu verstehen, der als ein besonderer, seinen eigenen Gesetzen unterworfener empfunden wird. Das kann man von der "Wirtschaft" der Antike nicht sagen. Es war vielmehr, weil es ihr an dem letzten, entscheidenden Kriterium, der vollkommenen Arbeitsteilung, fehlte, noch eine unvollkommene Wirtschaft!. Es gab zwar schon eine Arbeitsteilung, aber sie war noch unvollkommen, weil sie die Geschlossenheit der einzelnen Lebensgemeinschaften nicht aufhob. Im Gegensatz dazu fügt bei der vollkommenen Arbeitsteilung die Arbeit, die der Einzelne verrichtet, sich nicht mehr mit der der Mitmenschen seines Lebenskreises zu einem in sich geschlossenen Ganzen zusammen, sondern sie wird völlig isoliert von der der Anderen getan; der Einzelne vermag den Kreis, in dem Erzeugung und Verbrauch sich vollziehen, nicht mehr zu überblicken; er kann von dem, was er selber erarbeitet, nicht leben, sondern ist darauf angewiesen, daß ihm unbekannte Menschen an ihm unbekannten Plätzen ihm unbekannte Teilarbeiten leisten, die auf eine ihm unbekannte Weise zu einem Ganzen gefügt werden. In dem Gegensatz von unvollkommener und vollkommener Arbeitsteilung spiegelt sich der Gegensatz von Primitivität und Zivilisation wider. Der primitive Mensch leistet seine Teilarbeit in dem positiven Wissen davon, daß sie ihm selber unmittelbar zugute kommt, der zivilisierte Mensch hat dieses Wissen nicht. Es gibt kein hilfloseres Geschöpf als ihn. Seine Existenz steht und fällt mit der Leistung von Menschen, die er nicht kennt und auf deren Leistung er keinen Einfluß hat. Erst aus der Isoliertheit des Einzelnen hat sich das geformt, was wir Wirtschaft nennen, erst die vollkommene Arbeitsteilung, und das heißt wiederum die Aufspaltung des Bedarfsdeckungsvorgangs in eine unbegrenzte Zahl von Teilbedarfsdeckungsvorgängen, gibt diesem Begriff die entscheidende Note. 1 Mommsen, Theodor: Römische Geschichte, Wien - Leipzig 1932, weist S. 169 darauf hin, daß es wegen der Sklavenwirtschaft in Rom nie zu einer unabhängigen Handwerker- und Kaufmannschaft gekommen ist.
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Erst im Stadium der vollkommenen Arbeitsteilung wird die "Wirtschaft" als ein in sich abgegrenzter Lebensbereich und wird die wirtschaftliche Betätigung der Menschen als eine Lebensäußerung eigener Art empfunden, und zwar als eine Funktion, die es bewirkt, daß aus der Vielheit der Teil-Bedarfsdeckungsvorgänge eine Einheit wird und daß der Einzelne Anteil an dieser Einheit hat und so der Isolierung, in die die Aufspaltung des Bedarfsdeckungsvorgangs ihn geführt hat, entgeht. Die Frage ist nun, wie das Grundgesetz des Lebens sich auf diese durch die Eigenart des Menschen gegebene Situation auswirkt. Sicher ist soviel, daß dieses Gesetz nicht aufgehoben ist; denn seine Aufhebung würde das Ende des Lebens bedeuten. Es ändert sich also nichts daran, daß der Mensch, um leben zu können, die ihm vorgegebene Kraft in Stoff umsetzen und aus dem Stoff Kraft zurückgewinnen muß. Was sich aber ändert, ist die Wirkungsweise dieses Gesetzes. Einmal ist die Kraft, die der auf der Entwicklungsstufe der vollkommenen Arbeitsteilung angelangte Mensch an vorgegebener Kraft einzusetzen hat, von anderer Art als die vorgegebene Kraft des primitiven Menschen. Diese ist im wesentlichen physischer Art: er bearbeitet den Boden, der ihn nährt, erlegt die Tiere, deren Fell ihn kleidet, und fällt die Bäume, deren Holz ihm als Hütte dient, mit seiner Hände Kraft. Im Gegensatz dazu ist der Kräfteeinsatz des zivilisierten Menschen überwiegend geistiger Art; denn die Tätigkeit, die er ausübt, um seinen Lebensbedarf zu decken, erfordert ein hohes Maß von Wissen; sie ist auf ein Teilgebiet beschränkt, zu einem Beruf geworden, den er erlernen und für den er sich ständig weiterbilden muß. Das gilt auch für die sogenannten Handarbeiter; auch sie müssen "mit Kopf" arbeiten. Weiterhin ist das, was der zivilisierte Mensch an geistiger Kraft einzusetzen hat, ihm nicht ursprünglich vorgegeben, sondern überkommen, ihm gleichsam von anderen in die Wiege gelegt. Er schöpft aus einem Fundus, den andere gebildet haben und ständig weiterbilden. Er ist in Zeit und Raum mit diesen Anderen verbunden, als existent nicht denkbar ohne die geistige Kraft dieser Anderen. Der Bauarbeiter, der eine Betonmischmaschine bedient, wendet geistige Kraft an, die er von denen überkommen hat, die diese Maschine konstruiert haben, die Konstrukteure wiederum schöpfen ihre geistige Kraft aus der Fülle des Lehrstoffes, den Wissenschaftler und Techniker in Jahrhunderten und Jahrtausenden zusammengetragen haben. Anders als Art und Ursprung der Kraft, die dem zivilisierten Menschen vorgegeben ist, ist auch das Feld, auf dem er sie zur Wirkung bringt. Der Einzelne wendet sie ja im Rahmen eines Teil-Bedarfsdeckungsvorgangs an einen Gegenstand, der - in aller Regel wenigstens - für seinen
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1. 1. Abschn.: Entwicklung eines neuen Kapitalbegriffs
eigenen Lebensbedarf nicht bestimmt ist. Der Bauarbeiter verläßt, nachdem er seine Arbeit geleistet hat, die Baustelle, ebenso die anderen, die an diesem Werk tätig waren, der Architekt, der Polier und die übrigen Bauarbeiter. Erst recht schalten sich die nur mittelbar am Werk Tätigen, die Beamten der Baubehörde, die Sachbearbeiter der Finanzierungsinstitute, die Rechtsberater, aus diesem Tätigkeitsbereich aus, sobald sie ihren Beitrag zur Vollendung des Werkes geleistet haben. Obwohl aber der Einzelne sich der ihm vorgegebenen Kraft entäußert, ohne dafür einen für seine Existenz benötigten Stoff einzutauschen, ist sie für ihn nicht verloren. Er erlangt sie vielmehr auf eine besondere Art zurück. So wie er nämlich die von ihm eingesetzte Kraft von Anderen empfängt und daher existenznotwendig mit diesen Anderen verbunden ist, besteht eine existenznotwendige Verbindung zwischen der Gesamtheit der arbeitsteilig tätigen Menschen und der Gesamtheit der von ihnen bearbeiteten Stoffe, und dieser doppelten Verbindung verdankt es der Einzelne, daß er die Kraft, die er zum Einsatz bringt, wieder zurückerlangt.
Zwischen der Gesamtheit der arbeitsteilig tätigen Menschen und der Gesamtheit der von ihnen bearbeiteten Stoffe breitet sich ein Feld, auf dem die Kraft wirkt, die der Einzelne für die von ihm eingesetzte zurückerlangt. Unter einem Feld verstehen wir eine Gesamtheit gleichzeitig bestehender Tatsachen, die als gegenseitig voneinander abhängig begriffen werden 2 • Die einzelne Tatsache kann also nur durch ihre Verbindung mit anderen einzelnen Tatsachen als Teil der Gesamtheit aller Tatsachen wirken, und diese Gesamtheit ist als Ganzheit qualitativ mehr als die Summe der einzelnen Tatsachen3 • Der Feldbegriff ist nicht auf die Physik beschränkt, sondern gilt auch in den Sozialwissenschaften4 , somit auch in der Wirtschaftswissenschaft. Hier bedeutet er, daß die Kraft, die der Einzelne im Rahmen eines Teilbedarfsdeckungsvorgangs zum Einsatz bringt und wieder zurückerlangt, auf einem Feld wirkt, das von der Gesamtheit der arbeitsteilig tätigen Menschen und der Gesamtheit der von ihnen bearbeiteten Stoffe gebildet wird, und das sich in soviel Teilfelder aufgliedert, als es Gruppen arbeitender Menschen (Völker, Gesellschaften, Genossenschaften, Kombinate, Kolchosen, Khibuzze, Unternehmen) gibt. Wir haben daher festzuhalten: Bei jedem Teil-Bedarfsdeckungsvorgang gelangt nicht nur die eigene Kraft des Handelnden, sondern auch fremde Kraft zum Einsatz. Insbe2 Mey, Harald: Studien zur Anwendung des Feldbegriffs in den Sozialwissenschaften, S. 13 und 35, unter Berufung auf Albert Einstein. 3 a.a.O., S. 30 unter Berufung auf Christian von Ehrenfels. 4 Mey, a.a.O.
§ 4 Die Wirtschaft als Kraftfeld
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sondere steckt fremde Kraft in den Werkzeugen, deren der Handelnde sich bedient. Er empfängt diese fremde Kraft aber nicht unmittelbar von deren ursprünglichen Trägern; denn die Werkzeuge setzten sich aus vielen Einzelteilen zusammen; durch ein Werkzeug repräsentieren sich daher soviel ursprüngliche Träger von Kraft, als es Hersteller von Einzelteilen gibt. Nicht nur das: zu den Herstellern der Einzelteile muß man jeden rechnen, der, sei es auch nur mittelbar, bei ihrer Anfertigung mitwirkt; das ist der unübersehbare Kreis von Menschen, die reine Dienstleistungen verrichten, d. h. in Berufen tätig sind, die nicht unmittelbar dem Produktionsgeschehen gewidmet, für dieses aber dennoch unentbehrlich sind; so die Rechtsanwälte, Ärzte, Architekten, Beamten und Richter; auch ihre Kraft steckt in dem zum Einsatz gelangenden Werkzeug. Alle diese ursprünglichen Träger der Kraft, die sich in dem einen Werkzeug konzentriert, bedienen überdies unzählige Werkzeuge, in denen wiederum die Kraft unzähliger anderer Träger zusammengeballt ist. Es gibt dafür keine andere Erklärung als die, daß die bei einem TeilBedarfsdeckungsvorgang zum Einsatz gelangende Kraft nur ein Teil der Kraft ist, die auf dem GesamtfeId wirkt. Und zwar geht die vom Tätigen bei einem Teil-Bedarfsdeckungsvorgang angewendete Kraft - die eigene sowohl wie die fremde - in das Gesamtfeld ein, und er erlangt die von ihm hingegebene, für seine Existenz aber unentbehrliche Kraft, ebenfalls aus dem Gesamtfeld zurück. Das liegt bei den nur dienstleistend Tätigen offen zu Tage; denn sie wenden ihre Kraft ja nicht unmittelbar an einen Stoff, sie bewegen sich vielmehr ausschließlich in der Sphäre der Kraft. Aber auch soweit Kraft an einen Stoff (an ein "Gut") gewendet wird, kann sich die Rückgewinnung der hingegebenen Kraft nur über das GesamtfeId vollziehen, das sich zwischen der Gesamtheit der arbeitenden Menschen und der Gesamtheit der von ihnen bearbeiteten Stoffe breitet; denn die durch den bearbeiteten Stoff repräsentierte Kraft geht als eine Teilkraft in das Gesamtfeld ein und kann nur als eine Teilkraft aus diesem zurückgewonnen werden. Die Vorstellung von der Existenz eines Gesamtfeldes der Kraft gehört daher notwendig zum Begriff der Wirtschaft. Diese hat es nicht bloß mit den "Gütern", d. h. den für den Lebensbedarf der Menschen bestimmten Stoffen, ihrer Herstellung und Verteilung und der dabei anzuwendenden Methode (staatlicher Planung oder freiem Austausch), kurzum nicht bloß
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I. 1. Abschn.: Entwicklung eines neuen Kapitalbegriffs
mit alle dem zu tun, was sich an die körperhafte Existenz der Stoffe und ihrer Verwendbarkeit für den menschlichen Lebensbedarf knüpft, von "Wirtschaft" kann man vielmehr erst dann reden, wenn man die Güter in Beziehung bringt zu der Kraft, die sie bewegt. Der "Güterumlauf" ist nur die technische Seite der Teil-Bedarfsvorgänge: die Veränderung der Stoffe und ihres Standortes durch die darauf gerichteten Vorkehrungen der Menschen. Ihren wirtschaftlichen Charakter erlangen diese Vorgänge erst dadurch, daß sich in ihnen und durch sie das Grundgesetz des Lebens, also das Wechselspiel von Kraft und Stoff, vollzieht. Daß eine Beziehung zwischen "Wirtschaft" und "Kraft" besteht, ist an der Wortverbindung "Wirtschaftskraft" abzulesen. Man denkt dabei jedoch meist nicht an eine Voraussetzung des Wirtschaftens, sondern an dessen Ergebnis. Das ist aber falsch. Kraft ist vielmehr ebenso eine Wesensbedingung (ein Essential) des Wirtschaftens, wie es die Stoffe (Güter) sind. Von der Intensität der Kraft hängt die Qualität der Wirtschaft ab. Darauf beruht es, daß trotz gleicher stofflicher Bedingungen (z. B. trotz gleicher Beschaffenheit des Bodens) zwei benachbarte Volkswirtschaften ganz unterschiedlich gedeihen können: die eine blüht, weil die sie bewegende Kraft stark ist, die andere verkümmert aus Mangel an Kraft. Der Faktor "Kraft" bildet die Dominante des Wirtschaftsbegriffs; denn sie, nicht der Stoff, steht im Grundgesetz des Lebens an erster Stelle. Wir gelangen daher dazu, Wirtschaft zu definieren als
das Kraftfeld, das sich zwischen der Gesamtheit der arbeitsteilig tätigen Menschen und der Gesamtheit der von ihnen bearbeiteten Stoffe breitet.
§ 5 Kapital als wirtschaftliche Energie A. Der Energiebegriff der klassischen Physik und seine Geltung in der Wirtschaftswissenschaft
I. Der Energiebegrifj im Lehrbereich der Physik Jeder Teil-Bedarfsdeckungsvorgang erscheint jetzt als ein Geschehen, bei dem Kraft, die der Einzelne vom Gesamtfeld her empfängt, durch den von ihm bearbeiteten Stoff hindurchgeleitet wird. Der Stoff spielt also in der Hand des Einzelnen lediglich die Rolle eines Mediums, das von der Kraft durchströmt wird, die dem Gesamtfeld entspringt und auf das Gesamtfeld zurückgleitet. Das wirtschaftliche Geschehen, das sich damit vollzieht, hat eine objektive und eine subjektive Seite: die objektive ist der Umsatz von Kraft
§ 5 Kapital als wirtschaftliche Energie
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durch das Medium des Stoffs, die subjektive die Bewirkung dieses Umsatzes durch eine, die wirtschaftliche Leistung des Menschen. Will man sich mit dem Ablauf dieses Geschehens vertraut machen, so muß man mit seiner objektiven Seite beginnen. Das entspricht bewährter juristischer Methode, zunächst den objektiven und danach erst den subjektiven Tatbestand herauszuschälen. Damit rückt als erstes die Frage in den Vordergrund, was man sich unter einem Umsatz von Kraft durch das Medium des Stoffs vorzustellen hat. Wenn diese Vorstellung richtig ist, so bedeutet das, daß ein Verhältnis zwischen Kraft und Stoff bestehen muß und daß es gilt, dieses Verhältnis exakt zu bestimmen. Dabei können wir, wie wir in § 2 darlegten, methodisch nur so verfahren, daß wir die Begriffe Kraft und Stoff so erfassen, wie die Naturwissenschaften sie uns darbieten, und uns die Frage vorlegen, ob sie und ihr Verhältnis zueinander auch für den Bereich der Wirtschaftswissenschaft Geltung haben. Der Weg der naturwissenschaftlichen Erkenntnis führte vom Sichtbaren zum Unsichtbaren, genauer: vom sinnlich Wahrnehmbaren zum nur geistig Vorstellbaren. Sie knüpfte sich daher in erster Linie an den Stoff und versuchte, von ihm aus das Verhältnis zu bestimmen, das zwischen ihm und Kraft besteht. Indessen bietet der Begriff "Stoff" selber noch keine Handhabe für die Bestimmung dieses Verhältnisses. Er ist ebenso wie der Begriff der Kraft ein Abstraktum, d. h. eine von gegenständlichen Größen gelöste Aussage. "Stoff" ist eine generalisierende Bezeichnung für alles, was als feste, flüssige oder gasförmige Materie sinnlich wahrnehmbar ist. In ein Verhältnis zur Kraft kann Stoff aber nur treten, wenn er eine konkrete Erscheinungsform annimmt, d. h. sich als ein Körper spezifiziert und als solcher wahrnehmbar wird. Diese überlegungen haben zur Ausprägung des Begriffs der "Masse" geführt. Unter Masse versteht man stoffliche Körper, die sich als solche von dem sie umgebenden Raum abheben und durch ihre körperhaft stoffliche Existenz sinnlicher Wahrnehmung zugänglich sind 5 • Dadurch, daß sie mit den Sinnen wahrgenommen werden können, erschließen sie sich auch dem Intellekt. Dieser ordnet sie in das Ganze des Seins ein, indem er Maße ermittelt, die ihre Abgrenzung gegen den Raum bezeichnen. Mit der Wahrnehmbarkeit ist so zugleich ein weiteres für die wissenschaftliche Erkenntnis wesentliches Kriterium gegeben: ihre Meßbarkeit. Man kann daher kurz sagen: Stoff ist als Masse wahrnehmbar und meßbar. Mit der Wahrnehmbarkeit und der Meßbarkeit sind die Voraussetzungen für die Herstellung einer Relation zur Kraft gegeben: als Masse spricht Stoff auf Kraft in einer sowohl mit den Sinnen als auch mit dem Intellekt erfaßbaren Weise an; Stoff kann der Wirkung von Kraft ausgesetzt und diese Wirkung kann gemessen werden. Solange ein stofflicher Körper keiner Kraft ausgesetzt ist, verharrt er in seiner Lage; er bildet, wie man sagt, eine "träge Masse". Aus diesem "Trägheitssatz" folgt, daß jede Änderung der Lage des stofflichen Körpers auf die Wirkung einer Kraft zurückgehen muß. 5
Zum folgenden Hahn, Karl: Lehrbuch der Physik, Teil I Unterstufe.
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1. 1. Abschn.: Entwicklung eines neuen Kapitalbegriffs
Für die Geltung des Trägheitssatzes ist es gleichgültig, ob der Körper sich im Zustand der Ruhe oder dem der Bewegung befindet. Auch die Masse des bewegten Körpers ist "träge", und auch die Änderung dieses Bewegungszustandes erfordert die Einwirkung einer Kraft. Von der Stärke dieser Einwirkung hängt die Stärke der Bewegung, seine Beschleunigung, ab. Es treten also Masse, Kraft und Beschleunigung in ein bestimmtes Verhältnis. Dieses Verhältnis läßt sich messen, und zwar durch die Formel P = m X b (P = Größe der Kraft, m = Masse, b = Beschleunigung). Das sich in dieser Formel ausdrückende Krajtwirkungsgesetz bietet eine erste Handhabe für die Bestimmung der Relation zwischen Stoff und Kraft. Man kann aus ihr ablesen, daß die Größe der Kraft sich auf zwei verschiedene \Veisen auswirken kann: entweder kann sie eine entsprechend größere Masse mit der gleichen Beschleunigung bewegen oder sie kann die Beschleunigung der gleich bleibenden Masse vermehren. Man kann der Formel aber umgekehrt auch entnehmen, daß die Größe der Beschleunigung zwei verschiedene Wirkungen haben kann: entweder verstärkt sie die Kraft, mit der innerhalb eines bestimmten Zeitraums diese die Masse bewegt oder sie ermöglicht es, daß innerhalb des gleichen Zeitraums mit gleicher Kraft eine entsprechend größere Masse bewegt wird. Im wirtschaftlichen Bereich stehen an der Stelle der Masse die Sachgüter und an der Stelle der physikalischen, genauer: der mechanischen Kraft die physische und geistige Kraft des Menschen. Ob und wie aber diese auf die Sachgüter einwirken kann, ob und wie sie sich die Sachgüter vermehrend oder deren Bewegung beschleunigend auswirken kann oder ob und wie umgekehrt eine Beschleunigung des Wirtschaftsablaufs zu einer Vermehrung der Sachgüter oder der Kraft des Menschen führen, das sind Fragen, die sich durch die Formel des Kraftwirkungsgesetzes nicht beantworten lassen. Es hieße aber voreilig urteilen, wollte man meinen, daß das Kraftwirkungsgesetz ohne jede Bedeutung für die wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnis ist. Dieses Gesetz besteht ja auch ohne die Formel, mit der seine physikalische Wirkung gemessen wird, es ist ein aller Natur immanentes Gesetz, das gilt, wo immer stoffliche Körper zu irgend einer Kraft in Beziehung treten. Man kann daher seine Anwendbarkeit auf den Lebensbereich der Wirtschaft nicht schlechthin ausschließen. Daß es auch in diesem Bereich Geltung haben kann und muß, läßt sich nicht bezweifeln; denn das Tempo, in dem ein wirtschaftlicher Vorgang sich vollzieht, bildet einen wesentlichen Faktor seiner Wirkung. Wenn die Mittel, die einem jung verheirateten Paar zur Verfügung stehen, nur für die Einrichtung einer Küche und eines Schlafzimmers ausreichen, so steht es vor der Wahl, mit der Einrichtung des Wohnzimmers zu warten, bis es genug eigene Mittel angesammelt hat, oder aber mit Hilfe eines Kredits die fehlende Einrichtung sofort anzuschaffen. Entscheidet es sich für das letztere, so ist damit ein Sachverhalt gegeben, wie er dem Kraftwirkungsgesetz zugrundeliegt: es tritt durch den Kredit eine Beschleunigung des Wirtschaftsablaufs, und zwar eine Vermehrung der Sachgüter innerhalb eines bestimmten Zeitraumes ein. Damit ist indessen für die wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnis noch nicht viel gewonnen; denn der Teil-Bedarfsdeckungsvorgang ist, wie wir erkannten, ein Umsatz von Kraft in Stoff. Das Kraftwirkungsgesetz hat es jedoch nicht mit dem Umsatz (der Umwandlung) von Kraft in Stoff, sondern lediglich mit der äußeren Einwirkung von Kraft auf einen stofflichen Körper zu tun.
§ 5 Kapital als wirtschaftliche Energie
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In der Vorstellung, die diesem Gesetz zugrunde liegt, bleibt der stoffliche Körper, seine Masse, unverändert, und auch die auf ihn einwirkende Kraft bleibt, was sie ist, eben Kraft. Will man aber ergründen, ob und wie Kraft sich in Stoff umsetzen kann, so kann man nicht von der Seite des Stoffes (der Masse), sondern man muß von der Seite der Kraft her ansetzen. Was aber ist Kraft? Die Frage, welcher Art das Verhältnis ist, in das sie zum Stoff treten kann, läßt sich nicht beantworten, ohne daß der Vorstellungs inhalt auch dieses Begriffs klar umrissen wird. Damit stößt man in den Bereich des Unsichtbaren, des nur noch gedanklich Vorstellbaren vor; denn Kraft ist etwas absolut Ungegenständliches. Ihre Existenz ist nur an ihrer Wirkung ablesbar. Auch hier erhob sich für die naturwissenschaftliche Forschung die Frage nach der Wahrnehmbarkeit und der Meßbarkeit, und auch hier formte sich daraus ein besonderer Begriff, der der Energie. So wie wir sagen konnten, daß Stoff als "Masse" wahrnehmbar und meßbar ist, können wir "Energie" als durch ihre Wirkung wahrnehmbare und meßbare Kraft bezeichnen, und so wie Wahrnehmbarkeit und Meßbarkeit des Stoffs als Masse die Voraussetzungen für die Herstellung einer Relation zur Kraft bildeten, sind sie es für die Bestimmung des Verhältnisses der Kraft als Energie zum Stoff als Masse. Weil nun aber Kraft nur durch ihre Wirkung wahrnehmbar und meßbar ist und den Gegenstand dieser Wirkung nur Masse sein kann, gelangt man zu dem Schluß: anders als durch die Relation von Kraft und Stoff ist Energie nicht wahrnehmbar und meßbar, und zwar gleichviel in welcher Erscheinungsform sie auftritt. Hier erhebt sich die Frage: gibt es im wirtschaftlichen Lebensbereich Energie, die nur eine ihrer Erscheinungsformen und daher den gleichen Gesetzen wie alle anderen unterworfen ist? Ist vor allem auch sie nichts anderes als Kraft, die lediglich durch ihr Verhältnis zum Stoff wahrnehmbar und meßbar wird? Wir können diese Frage aber nicht beantworten, ohne uns zuvor über die Erscheinungsformen zu unterrichten, in denen Energie uns im physikalischen Bereich begegnet. Hier unterscheidet man herkömmlich die mechanische und die elektro-magnetische Energie. 1. Die Wahrnehmbarkeit der mechanischen Energie ist durch die Beobachtung gegeben, daß ein stofflicher Körper seine Lage im Raum verändern kann: ein Dachziegel fällt zum Erdboden, das Wasser eines Bergsees ergießt sich in eine tiefer gelegene Turbine. Man sagt, dieser stoffliche Körper (Dachziegel, Bergsee) leiste, indem er, durch eine Kraft getrieben, eine Strecke Weges zurücklegt, Arbeit und umschreibt daher Energie als "Arbeitsvermögen". Das ist gewiß richtig, nur muß man sich dabei über folgendes klar sein:
Dieses "Arbeitsvermögen" haftet dem Körper nicht von Hause aus an. Energie ist keine Eigenschaft des Körpers, d. h. keine durch ihn selbst bestimmte Gegebenheit, wie es etwa die Verdampfung des Wassers bei
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I. 1. Abschn.: Entwicklung eines neuen Kapitalbegriffs
Hitze oder dessen Gefrieren bei Kälte ist. Energie ist vielmehr etwas außerhalb des Körpers Gegebenes, das aber durch sein Verhältnis zu ihm wahrnehmbar wird. Dieses Etwas ist nichts anderes als die Kraft, sie tritt, indem sie "Arbeit" leistet, in ein Verhältnis zum Stoff, und dieses Verhältnis wird durch dafür vom Menschen erdachte Maße bestimmt. Der Kilopondmeter (kpm) bezeichnet die Arbeit, die die Kraft kp auf dem Wege 1 m verrichtet, und die Kilopondmetersekunde (kpmfsec) die "Leistung", d. h. die Zeit, in der die Arbeit verrichtet wird. Der Energiebegriff wurzelt also im Kraftbegriff. Man kann und muß daher Energie genauer beschreiben als Kraft, die durch ihr Arbeitsvermögen in ein meßbares Verhältnis zum Stoff tritt.
Wenn vom Arbeitsvermögen die Rede ist, so drückt sich darin der Gedanke aus, daß Energie nicht notwendig, die Anwendung der ihr eigenen Kraft voraussetzt, sondern daß sie bereits mit der bloßen Möglichkeit der Anwendung von Kraft gegeben ist. Man spricht dann von der potentiellen im Gegensatz zur kinetischen Energie. Dem Dachziegel, der festgefügt auf dem Dache ruht, wohnt ebenso wie dem See, dessen Wasser durch einen vorgelagerten Berg am Herabströmen gehindert wird, bereits Energie, potentielle Energie, inne; zur kinetischen entfaltet sie sich, wenn der Dachziegel herunterfällt oder das Wasser des Bergsees herabströmt. Daß wir es bei alledem mit dem VerhäLtnis von Kraft zum Stoff zu tun haben, tritt in den Formeln, die die Physik für die hier geltenden Gesetze gefunden hat, in Erscheinung. So bedeuten in der Formel für die mechanisch-potentielle Energie A = G X h : A = Arbeit, G = Gewicht eines Körpers (von der Masse m), h = Höhe (Lage). 2. Die elektrische und die ihr verwandte magnetische Energie erscheinen uns zwar in ganz anderen Formen, aber auch sie nehmen wir nur durch das Verhältnis wahr, in das sie zur stofflichen Materie treten. So erfahren wir Elektrizität durch den Feuerstrahl, der aus den Wolken fährt, oder durch den in eine Glasbirne eingebetteten, zum Erglühen gebrachten Draht, also wiederum durch Veränderungen, die bei stofflichen Körpern (Wolke, Draht) eintreten. Dieses Verhältnis zum Stoff spiegelt sich auch in den Formeln wider, mit denen die Physik die elektrische Energie mißt. So erwächst die Einheit "Volt" als Maß der Spannung aus einer stofflichen Einheit, dem Weston-Normalelement: es ist der 1,0186. Teil der Spannung dieses Elements. Die Einheit "Ampere" als Maß der Stromstärke ist die Stärke des Stromes, der in einer Sekunde eine bestimmte Menge Silber (1,118 mg) aus einer Silbernitratlösung ausscheidet. Da sich die Größe der elektrischen Leistung, also das Ausmaß ihres Arbeitsvermögens, aus dem Produkt von Spannung und Stromstärke errechnet, geht ihre Einheit, das "Watt", ebenfalls auf die Relation von Kraft und Stoff zurück. Das gleiche gilt von der Einheit "Ohm" als Maß des aus dem Produkt von Spannung und Stromstärke gemessenen Widerstandes. Auch Magnetismus wird nur durch die Wirkung wahrnehmbar, die er auf stoffliche Körper ausübt, und auch hier drückt diese Relation sich in den physikalischen Formeln aus. Das Maß der magnetischen Spannung ist die "Amperewindung": H
=
w·]
I
(H
= magnetische Feldstärke
im Innern einer
§ 5 Kapital als wirtschaftliche Energie
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Spule, w = Windungszahl, J = der in Ampere gemessene Strom, I = in cm gemessene Länge der Spule). Der Satz, daß jede Erscheinungsform von Energie nur durch die Kraft-StoffRelation wahrnehmbar und meßbar wird, findet seine letzte und entscheidende Bestätigung in der Umwandelbarkeit aller Energieformen; denn man kann (1) magnetische Energie in elektrische Energie und (2) elektrische Energie in mechanische Energie umwandeln. Das Umwandlungsverhältnis drückt sich in der Formel aus: 1 VoItamperesekunde = 1 Wattsekunde = 0,1 kpm. Das heißt: die Arbeit, die elektrischer Strom von der Größe eines Amperes in einer Wattsekunde leistet, entspricht der Arbeit, die mechanische Kraft (1 kp) auf dem Weg 1 m vollbringt. Da nun mechanische Energie unabdingbar nur als die Einwirkung einer Kraft auf einen stofflichen Körper (eine Masse) verstanden werden kann und da sie sich in andere Energieformen umwandeln läßt, müssen die begrifflichen Merkmale der mechanischen Energie auch für alle anderen Erscheinungsformen zutreffen. Die Umwandelbarkeit aller Energieformen bedeutet zugleich, daß Energie, einmal vorhanden, nicht verloren gehen kann. Sie bleibt ja nach ihrer Umwandlung in der anderen Erscheinungsform erhalten. Das ist das Gesetz von der Erhaltung der Energie. Aus ihm ist letzten Endes abzuleiten, daß der Satz:
"Energie ist Kraft, die durch ihr Arbeitsvermögen in ein meßbares Verhältnis zum Stoff tritt." Geltung hat für alle physikalischen Ernergieformen.
1I. Der Energiebegrifj außerhalb des Lehrbereichs der Physik - Technisches und wirtschaftliches Arbeitsvermögen Technische und wirtschaftliche Energie Legt man sich nun die Frage vor, ob es Erscheinungsformen von Energie auch außerhalb des Lehrbereichs der Physik gibt, so muß man mit einer Feststellung beginnen, die scheinbar Selbstverständliches ausdrückt. Aber gerade das scheinbar Selbstverständliche ist oft im besonderen Maße des Nachdenkens wert. Es ist die Feststellung, daß die Umwandlung von Energien sich nicht immer von selbst vollzieht, sondern daß es dazu vielfach einer Handlung des Menschen bedarf. So verwandelt der Bergsee die ihm innewohnende potentielle Energie der Lage nicht von selbst in kinetische, sondern es ist der Mensch, der die Wasser des Sees anzapft und in eine von ihm gebaute tiefer gelegene Turbine leitet. Elektrische Energie verwandelt sich nicht allemal von selbst in mechanische, sondern es ist wiederum erst der Mensch, der es bewirkt, daß elektrischer Strom Maschinen in Gang setzt.
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1. 1. Abschn.: Entwicklung eines neuen Kapitalbegriffs
Er vollbringt das mit seiner eigenen (physischen und geistigen) Kraft. Diese Kraft setzt er ein, um bei einem stofflichen Körper (Bergseewasser, Maschine) eine Veränderung herbeizuführen. Also leistet er im physikalischen Sinne Arbeit. Er besitzt in gleicher Weise wie die mechanische und die elektrische Energie ein Arbeitsvermögen, durch das seine (persönliche) Kraft in ein Verhältnis zum Stoff gebracht wird. Dem physikalischen Geschehen schaltet sich ein vom Menschen geprägtes vor, und zwar ein Vorgang, der durch das Arbeitsvermögen des Menschen ausgelöst wird und der erst mittelbar durch den ihm nachfolgenden physikalischen Vorgang zu einer Veränderung des stofflichen Zustandes führt. Dabei müssen jedoch scharf zwei Arten des menschlichen Arbeitsvermögens unterschieden werden: a) seine Fähigkeit, einen physikalischen Geschehensablauf auszulösen, b) seine Fähigkeit, den von ihm ausgelösten physikalischen Geschehensablauf in das Ganze seines Lebens einzubeziehen. Die erstere dieser beiden Fähigkeiten bezeichnet das technische, die letztere das wirtschaftliche Arbeitsvermögen. Wenn wir von der Technik sprechen, steht vor unseren Augen die Fülle von Bauwerken, Maschinen, Geräten und sonstigen Gegenständen, deren wir uns im Beruf und in der Häuslichkeit bedienen, ohne die wir uns unser Leben gar nicht mehr vorstellen können und die wir in immer neuer Gestalt und mit sich ständig steigernder, mitunter beängstigender Mächtigkeit hervorbringen. Im Grunde sind es aber gar nicht die Gegenstände, die uns so beeindrucken, sondern ist es die Leistung des Menschen, der sie herstellt und handhabt. Was bedeuten denn schon Steine und Metalle ohne die sie gestaltende Leistung des Menschen? Auf ihre stoffliche Substanz hin betrachtet, ist ein Haus nur eine Zusammenballung gehärteter Erde, eine Maschine nur ein Konglomerat von Metallteilen. Was die Steine zu einem Haus, die Metallteile zu einer Maschine werden läßt, das ist ausschließlich die Leistung des Menschen, und diese Leistung ist die Betätigung seines Arbeitsvermögens, also die Anwendung seiner Kraft zur Herbeiführung einer Veränderung des stofflichen Zustandes. Es läßt sich nicht verkennen, daß hier eine Kraft durch ihr Arbeitsvermögen ebenso in ein Verhältnis zum Stoff tritt wie das bei der mechanischen und elektrischen Energie der Fall ist. Wir stoßen also auch hier auf die Elemente des physikalischen Energiebegriffs, und es kann sich eigentlich nur noch fragen, ob dieses Verhältnis ebenso meßbar, wie es die bekannten Erscheinungsformen der physikalischen Energie sind.
§ 5 Kapital als wirtschaftliche Energie
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Auch das muß man bejahen. Die Meßbarkeit des technischen Arbeitsvermögens des Menschen ergibt sich mittelbar aus der Relation, die zwischen der physikalischen Maßeinheit für Leistung: kpm/sec und der technischen Maßeinheit für Leistung: "Pferdestärke" (PS) besteht: 1 PS = 75 kpm/sec und 1 PS = 736 Watt. Der Mensch bedient sich der Kraft des Pferdes als eines Mittels zur Anwendung seiner eigenen Kraft. In der für diese Kraft geprägten Formel drückt sich daher die Kraft des Menschen aus, und zwar die geistige Kraft, die ihn dazu befähigt, seine physische Kraft durch die physische Kraft des Pferdes zu ersetzen und zu vervielfältigen. Dadurch, daß die Kraft des Pferdes einen Maßstab für die technische Leistung des Menschen abgibt, dient sie zugleich als ein Maß, mit dem wir dessen persönliche Kraft, und zwar seine technische, messen können. Wenn wir von der Stärke eines Motors oder der Sprengkraft einer H-Bombe sprechen, so ist das eine ungenaue Ausdrucksweise. Wir meinen gar nicht den Motor oder die Bombe, sondern den Menschen, der es zuwege bringt, daß der Motor durch seinen Lauf, die Bombe durch ihre Explosion eine von ihm berechnete Wirkung erzielt. In den technischen Maßen spiegelt sich also das technische Arbeitsvermögen des Menschen wider. Damit schließt sich der Kreis: durch ihr technisches Arbeitsvermögen tritt die persönliche Kraft des Menschen ebenso in ein meßbares Verhältnis zum Stoff wie das Arbeitsvermögen der mechanischen und der elektrischen Kraft. Es gibt also eine technische Energie des Menschen, so wie es mechanische und elektrische Energie gibt. Das technische Arbeitsvermögen des Menschen ist, wie wir sagten, seine Fähigkeit, einen physikalischen Geschehensablauf auszulösen. Mit der Ingangsetzung dieses Ablaufs erschöpft sich die technische Energie des Menschen, und zwar gleichviel, ob es sich um die Herstellung eines Sachgutes durch Zusammenfügung seiner natürlichen Bestandteile oder um die Handhabung des fertigen Produkts handelt. So ist nach der Herstellung eines Hauses oder einer Maschine die darauf gerichtete technische Leistung des Menschen abgeschlossen. Diese hat zwar die Art des durch sie ausgelösten physikalischen Geschehensablaufs geprägt, indem sie das Haus und die Maschine physikalischen Gesetzen unterworfen hat, die andere sind als die, unter denen die natürlichen Bestandteile vor ihrer Verbindung zu einem Ganzen standen. Die vom Menschen angewandte technische Energie hat sich aber in physikalische (mechanische oder elektrische) Energie umgewandelt. Sie wirkt nach dieser Umwandlung als eine vom Menschen gelöste, nur noch
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Abschn.: Entwicklung eines neuen Kapitalbegriffs
an das Produkt seiner Leistung, also einen bestimmten stofflichen Körper (Haus, Maschine), gebundene Energie. Ebenso verhält es sich bei der Handhabung des fertigen Produkts. Auch diese ist ein Vorgang, bei dem die Anwendung der persönlichen Kraft des Menschen mittelbar zu einer Veränderung des stofflichen Zustandes führt, aber auch hier wird durch die technische Leistung des Menschen dessen persönliche Energie in physikalische umgewandelt und nach der Umwandlung an das Produkt gebunden. Betätigt man den Gashebel, so unterwirft man den Kraftwagen den physikalischen Gesetzen, die seine Fortbewegung ermöglichen. Diese ist dann nicht mehr eine Leistung der persönlichen (technischen) Energie des Menschen, sondern der mechanischen und elektrischen Energien, die den verschiedenen Aggregaten des Kraftwagens zugehören. Da die persönliche Energie des Menschen in ihrer Erscheinungsform als technische Energie nach ihrer Umwandlung in physikalische Energie an den stofflichen Körper ihrer Wirkung gebunden bleibt, kann sie sich nicht in persönliche Energie zurückverwandeln. Deren bedarf aber der Mensch, um leben zu können; denn das Grundgesetz, dem sein Leben unterworfen ist, hat zum Inhalt, daß er die ihm vorgegebene persönliche Kraft in Stoff und diesen wiederum in persönliche Kraft verwandelt. Es fragt sich daher, ob es nicht noch eine andere Erscheinungsform der persönlichen Energie gibt, die sich zwar ebenfalls an die stofflichen Körper, deren der Mensch bedarf, bindet, ihm zugleich aber als persönliche Energie erhalten bleibt, eine Energie also, die Mensch und Stoff zu einer Einheit zusammenfügt. Durch seine technische Leistung vermag der Mensch eine solche Einheit nicht herzustellen. Die technische Leistung schlägt sich in einer unbegrenzten Zahl stofflicher Körper nieder, die aber weder im einzelnen noch in ihrer Gesamtheit zu einer Einheit mit den sie herstellenden und handhabenden Menschen gelangen. Selbst wenn man sich alle Sachgüter, die die arbeitsteilig tätige Menschheit in einem bestimmten Zeitpunkt hervorbringt und handhabt, als einen einzigen, nach einem einheitlichen technischen Plan geschaffenen Gesamt-Körper vorstellen wollte, so würde dieser doch der Menschheit noch nicht das geben, was sie zum Leben braucht. Es wäre ein Körper, der außerhalb ihrer selbst stünde, ein bloßes Objekt ihrer technischen Leistung, aber kein Teil ihrer selbst. Um diesem Gesamt-Körper und um jedem einzelnen arbeitsteilig hergestellten oder gehandhabten stofflichen Körper (Sachgut) das Fremde, das Außer-Persönliche zu nehmen, um ihn mit der Menschheit innerlich zu verbinden, muß noch etwas dazutreten, was zu den Sachgütern in einem ähnlichen Verhältnis steht wie die Seele zum Körper. Wie diese
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sich an den Körper bindet, ohne selbst Körper, also Stoff, zu sein, und wie erst aus ihrem Zusammenspiel mit dem Körper die eine, Sichtbares und Unsichtbares umfassende Gestalt des Menschen erwächst, so gibt es auch ein Etwas, das sich mit den Sachgütern verknüpft und diese zu einer Einheit mit den Menschen, die sie hervorbringen, führt. Daß es eine solche Einheit und ein Etwas, das sie hervorbringt, gibt, läßt sich an einem Begriff ablesen, der dem des Gesamt-Körpers ähnelt, aber doch etwas entscheidend Anderes aussagt als dieser, dem Begriff des "Sozialprodukts"6. Darunter wird die wirtschaftliche Leistung einer Nation in einem bestimmten Zeitraum (Jahr) verstanden. Diese Leistung wird nun aber nicht durch eine Zahl ausgedrückt, in der sich die Summe der innerhalb eines Jahres hergestellten (umgesetzten) Sachgüter widerspiegelt, eine Zahl also, die das Ergebnis einer Aneinanderreihung aller Sachgüter in ihrer Körperhaftigkeit, ihrer Zusammenfassung zu einem Gesamtkörper, wäre, eine Zahl, die nichts weiter als die Komponente der technischen Daten wäre, mit denen wir die stofflichen Körper in ihrer Körperhaftigkeit messen, der Längenmaße, Raummaße, Gewichte usw., sondern durch eine Zahl, die etwas absolut Unkörperhaftes ausdrückt: einen Wert, den Geldwert. Es ist hier nicht der Ort, eine Antwort zu geben auf die Frage, was Geld ist. Soviel aber kann, soviel muß hier gesagt werden: Geld ist kein technisches Datum. Wenn es dennoch als Ausdruck für die in einem Zeitabschnitt hergestellten (umgesetzten) Sachgüter dient, so setzt das voraus, daß die Sachgüter nicht nur körperhaft aneinandergereiht, sondern daß sie darüber hinaus zu einer unkörperhaften Einheit verbunden werden, und dann folgt daraus, daß der Vorgang des Produzierens neben der technischen noch eine andere Seite hat und daß sich in der Produktion der Güter und ihrer Handhabung außer technischer Energie noch eine andere Form der Energie auswirkt, eine Energie, die die Vielheit der arbeitsteilig hergestellten und gehandhabten Sachgüter zu einer Einheit formt, einer Einheit, die den Einzelnen aus der Isolierung, in die er durch die Arbeitsteilung geraten ist, herausführt, einer Einheit, in der die Menschen und die von ihnen arbeitsteilig hergestellten Sachgüter ein Ganzes bilden, ein Ganzes, in dem jeder Einzelne wurzelt und an dem jeder Einzelne teilhat. Als dieses Ganze haben wir das Gesamtfeld erkannt, das die Gesamtheit der arbeitsteilig tätigen Menschen mit der Gesamtheit der von ihnen bearbeiteten Stoffe verbindet, und daran die Überlegung geknüpft, daß, um das Grundgesetz des Lebens wirksam werden zu lassen, Kraft von dem Gesamtfeld durch die von den Menschen bearbeiteten Stoffe hin8 Mit ihm befassen wir uns noch näher im Zweiten Hauptteil; hier können wir uns mit einer pauschalen Umschreibung begnügen.
8 Eekelt
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durch auf das Gesamtfeld zurückgeleitet werden muß. In diesem Geschehen haben wir das Wesen der Teilbedarfsdeckungsvorgänge erblickt. In sie muß demnach der Mensch, um leben zu können, die technischen Vorgänge einmünden lassen, und sie geben den Rahmen ab für die Erscheinungsform persönlicher Energie, die Menschen und Sachgüter zu einer Einheit zusammenführt. Das bedeutet, daß beim Teilbedarfsdeckungsvorgang an den Menschen gebundene Kraft ebenso Arbeit zu leisten vermag, wie das beim technischen Vorgang der Fall ist, und daß diese, die wirtschaftliche Kraft, durch ihr Arbeitsvermögen ebenso wahrnehmbar ist, wie es die technische ist. Daß sie auch meßbar ist, steht apriori fest; denn die unbegrenzt verästelten Teilbedarfsdeckungsvorgänge lassen sich nur dann zu einer Einheit bringen, wenn die jedem von ihnen innewohnende Kraft ein Maß erhält, das ihre Einordnung in ein Ganzes ermöglicht. Wir müssen es uns an dieser Stelle versagen, dieses Maß - es ist, wie wir bereits sagten, das Geld - näher zu untersuchen. Hier genügt es, klarzustellen, daß die dem Menschen zugehörige wirtschaftliche Kraft, weil sie durch ihr Arbeitsvermögen wahrnehmbar und meßbar ist, ebenso wie die technische eine Energie ist, so daß wir sagen können:
Die auf dem Gesamtfeld der Wirtschaft wirkende Kraft gelangt durch das Arbeitsvermögen des Menschen in jedem Teilbedarfsdeckungsvorgang als Energie zur Entfaltung. Was diese, die wirtschaftliche Energie von der technischen unterscheidet, ist das ihr zugehörige Feld ihrer Wirkung. Es ist dies das Gesamtfeld, das die Gesamtheit der arbeitsteilig tätigen Menschen und die Gesamtheit der von ihnen bearbeiteten Stoffe umschließt. Wenn wir früher sagten, daß Menschen und Stoffe die Grenzen dieses Feldes bezeichnen, so bedarf das jetzt der Ergänzung dahin, daß das Feld Menschen und Stoffe zu einer Einheit zusammenschweißt. Diese Einheit prägt auch jeden Teilbedarfsdeckungsvorgang und die in ihm entfaltete Energie: auch die an einem Teilbedarfsdeckungsvorgang beteiligten Menschen bilden mit den von ihnen bearbeiteten Stoffen eine Einheit, so daß die persönliche Energie des Menschen, die hier zur Wirkung kommt, sich den Stoffen in anderer Weise mitteilt, als das bei der technischen Energie der Fall ist. Es findet hier nicht wie dort eine Umwandlung in eine andere Energieform (von persönlicher Energie in mechanische oder elektrische) statt, sondern die Einbeziehung eines stofflichen Körpers (Sachgutes) in das Feld ihrer Wirkung. Es ist die persönliche Energie selber, die in ihrer Erscheinungsform als wirtschaftliche Energie in dem stofflichen Körper wirksam wird. Man kann sagen:
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die technische Energie des Menschen wird auf stoffliche Körper konzentriert - mit der Folge, daß sie sich in mechanische oder elektrische Energie umwandelt; die wirtschaftliche Energie des Menschen wird in stofflichen Körpern konzentriert - mit der Folge, daß das Feld ihrer Wirkung sich durch sie erweitert. Dieses Geschehen ist nicht ohne Parallele. Etwas ähnliches spielt sich bei einer anderen Form der Energie, der Wärmeenergie, ab. Bringt man zwei Körper von verschiedenen Temperaturen in eine enge Berührung von gewisser Dauer, so findet ein "Wärmeaustausch" statt, d. h. es geht Wärme von dem einen auf den anderen Körper über. Seitdem wir wissen, daß Wärme kein Stoff, sondern Energie ist, bedeutet das, daß das Wirkungsfeld der an den einen (wärmeren) Körper gebundenen Energie sich auf den anderen (kälteren) Körper ausdehnt, so daß das diesem Körper zugehörige Feld von dem ersteren absorbiert wird. Es findet also keine Umwandlung von Energie statt, sondern die Einbeziehung eines stofflichen Körpers in das Wirkungsfeld einer Energie, ohne daß deren Erscheinungsform sich änderte. Bei der wirtschaftlichen Energie liegen nun aber die Dinge insofern anders, als hier nicht zwei Körper (Mensch und Sachgut) Träger wären von Energien, die zum Austausch kämen dadurch, daß die beiden Körper sich berührten, vielmehr ist die wirtschaftliche Energie nur an den Menschen gebunden. Es findet daher keine gegenseitige, sondern eine einseitige Einbeziehung eines Körpers (Sachgutes) in das Wirkungsfeld der an einen anderen Körper (Mensch) gebundenen Energie statt. Der in das Wirkungsfeld der persönlichen Energie des Menschen einbezogene Körper (Sachgut) wird dadurch mit dem Menschen zusammen zum Träger von Energie. Mensch und Sachgut treten nicht bloß in eine äußere Berührung, sondern sie werden zu einer Einheit zusammengefügt. Sie sind hier nicht zwei selbständige Körper, die jeder für sich Energie tragen und nur dadurch, daß sie sich äußerlich berühren, zu gemeinsamen Trägern der gleichen Energie werden würden, sondern hier geben zwei Körper, Mensch und Sachgut, in ihrer Zusammenfassung einen Träger für eine Energie ab, die anders als in dieser Zusammenfassung gar nicht wirksam werden kann, und das heißt eben: Mensch und Sachgut bilden eine durch Energie vermittelte Einheit. Dreierlei zeichnet diese Einheit aus.
Erstens: Es ist eine energetische, keine stoffliche Einheit.
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Zu stofflicher Einheit gelangen zwei Körper entweder dadurch, daß ihre materiellen Substanzen sich vereinen, so beim Verschmelzen, oder dadurch, daß sie zwar substantiell selbständig bleiben, aber zu einer Funktion gebracht werden, deren sie nur in ihrer Vereinigung befähigt sind, so bei der Verkoppelung zweier Fahrzeuge. In jedem Falle setzt die Herstellung einer stofflichen Einheit eine unmittelbare stoffliche Verbindung der beiden Körper voraus, und in jedem Falle währt diese stoffliche Einheit nur so lange, als die unmittelbare stoffliche Verbindung besteht. Das ist auch im Verhältnis zwischen den Menschen und den von ihnen hergestellten und gehandhabten Sachgütern so. Die Kleider, die wir tragen, sind mit unserem Körper unmittelbar verbunden, aber auch nur so lange, als wir mit ihnen behaftet ("angekleidet") sind. Die Maschinen, die wir betreiben, stehen dadurch, daß wir sie betreiben, in unmittelbarer Verbindung mit unserem Körper, aber sobald wir sie zum Stillstand bringen, ist diese Verbindung gelöst. Was im Gegensatz hierzu unter einer energetischen Einheit zu verstehen ist, machen wir uns am besten klar, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß es eine Fülle von Erscheinungen gibt, die auf eine nicht stoffliche Verbindung zwischen Menschen und stofflichen Körpern schließen lassen. Sie begegnet uns überall da, wo ein Mensch seine stoffliche Umwelt nach seinem Geist gestaltet. So formt der Künstler den Stoff nach seinem Geist, dieser Geist stellt sich im Stoff dar und strahlt von ihm in den Raum und in die Zeit zurück auf alle, die sich ihm irgendwo und irgendwann erschließen. Ein "Rembrandt" ist der Geist des Künstlers Rembrandt, der in Farbe und Leinwand Stoff geworden ist und der von diesem Stoff zurückstrahlt auf alle, die ihn in der Betrachtung des Stoffes erfahren. Diese durch den Geist geschaffene Einheit bleibt auch dann noch erhalten, wenn eine körperliche Verbindung nicht mehr besteht. Das "geistige Auge" sieht den "Rembrandt" auch außerhalb des Museums, in dem er hängt, und außerhalb des Buches, das ihn reproduziert. Nicht anders ist das auch da, wo es um die täglichen Dinge des Lebens geht. Jedes Produkt der Arbeit, die ein Mensch verrichtet, um seinen Lebensbedarf zu decken, ist ein Ausdruck seines Geistes. Im Zustand der vollkommenen Arbeitsteilung steckt darüber hinaus in jedem Teilprodukt der Geist einer unbegrenzten Zahl von Menschen, die unmittelbar und mittelbar bei seiner Herstellung mitwirken, und wie vom Kunstwerk so strahlt auch vom arbeitsteilig gestalteten Wirtschaftsprodukt der Geist dieser Ungezählten zurück auf alle, die ihn erfahren, indem sie das Produkt empfangen. So atmet der Typ eines Kraftwagens den Geist des Unternehmers, der ihn auf den Markt bringt, und den Geist aller, die sonst zu seiner Gestaltung und Verbreitung unmittelbar oder mittelbar beitragen. Er wird durch das Wirken dieses Geistes zu einem von seiner körperlichen Substanz gelösten "Begriff" und geht als solcher in das Bewußtsein aller ein, die mit ihm irgendwie in Berührung kommen.
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Aber auch hier überdauert die aus dem Geist erwachsene Einheit den körperhaften Zusammenschluß. Der Schöpfer des Produkts bleibt geistig mit ihm verbunden, auch wenn er es aus der Hand gibt. Er trägt das Bild dieses Produktes in sich, auch wenn es ihm körperlich entrückt ist. Es läßt ihn geistig oft nicht mehr los und verfolgt ihn bis in seine Träume. Wenn wir von einem Menschen sagen, er sei von seiner Arbeit "besessen", so gehen wir damit der Einheit Ausdruck, die geistig zwischen diesem Menschen und dem Produkt seiner Arbeit besteht, und wenn dieses Produkt ein Sachgut ist, so ist dieses, also ein stofflicher Körper, es, der sich mit dem Menschen zu einer geistigen, also nicht stofflichen Einheit verbindet. Die Vereinigung des schöpferischen Geistes mit dem Stoff und des zurückgestrahlten Geistes mit dem ihn Empfangenden sind Äußerungen einer bewegenden Kraft. Es ist dies jedoch eine Kraft, der nicht, jedenfalls nicht notwendig, ein Arbeitsvermögen, d. h. die Fähigkeit der Herbeiführung einer Änderung des stofflichen Zustandes, beikommt; denn sie kann sich in der rein passiven Aufnahme des Geschaffenen, z. B. der bloßen Betrachtung eines Bildes, erschöpfen. Diese Kraft ist auch nicht meßbar; denn "der Geist weht, wo er will". Wir können daher die Äußerungen der Kraft unseres Geistes nicht als "Energien" ansprechen. Sie geben uns aber die Gewißheit, daß der Mensch durch das Wirken einer Kraft mit einem Sachgut eine nicht stoffliche Verbindung eingehen kann. Wenn sich nun in dieser Verbindung eine Kraft äußert, die Arbeit leistet und die wahrnehmbar und meßbar ist, so ist es eine Energie, die die nicht körperliche Einheit zwischen Mensch und Sachgut herstellt. So aber liegen die Dinge beim Teilbedarfsdeckungsvorgang; denn in ihm entfaltet sich die auf dem Gesamtfeld der Wirtschaft wirkende Kraft durch ihr Arbeitsvermögen als Energie. Daher ist die Einheit, die hier zwischen Mensch und Sachgut zustandekommt, energetischer Art. Wenn wir erfahren wollen, wie diese energetische Einheit sich in einem Teilbedarfsdeckungsvorgang ausnimmt, so müssen wir uns an dessen Urbild orientieren, d. h. den Vorgang der unmittelbaren Bedarfsdeckung ins Auge fassen. Dieser Vorgang vollzieht sich in der Weise, daß der Mensch seinem Körper Stoffe zuführt, die ihm die Kraft verschaffen, deren er bedarf, um existieren zu können. Dabei haben wir herausgestellt, daß sich bereits in dem Zuführen der Stoffe eine Kraft, die dem Menschen vorgegebene Kraft, äußert. Diese tritt nun uno actu in ein Verhältnis sowohl zum zugeführten Stoff als auch zu dem ihn sich zuführenden Menschen; denn der Vorgang des Zuführens umfaßt in einem zwei körperhafte Gegenstände: den zuzuführenden Stoff und den ihn sich zuführenden Menschen. Wenn jemand einen Apfel verzehren will, so muß er zunächst Besitz von ihm ergreifen, sei es, daß er ihn vom Baume pflückt, sei es, daß er ihn einem Behälter entnimmt. Dem Verzehr geht daher ein Stadium voraus, in dem ein Körper (Apfel) zwar noch seine körperliche Individualität bewahrt (es ist ja noch ein Apfel), in dem er aber bereits in eine körperliche Beziehung zu einem anderen Körper (dem mit seiner Hand ergreifenden Menschen) tritt. Mit beiden Körpern geht dabei eine Veränderung vor sich: die Hand des Menschen voll-
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führt durch Betätigung von Nerven und Muskeln eine greifende Bewegung, und der Apfel wird durch diese Bewegung aus seiner bisherigen Lage gebracht. Dieser Vorgang ist physikalisch auf zweifache Weise zu deuten: einmal als ein rein mechanischer, nur dem Kausalitätsgesetz unterworfener: die Bewegung der Hand setzt die Ursache für die Ergreifung des Apfels. Neben diese mechanische Betrachtung tritt aber jene andere, die davon ausgeht, daß es eine Kraft ist, die sowohl die Bewegung der Hand als auch die Ergreifung des Apfels herbeiführt. Daß in diesem Vorgang außer dem mechanistischem Kausalitätsgesetz auch noch ein anderes zur Geltung kommt, wird deutlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß es mit dem mechanistischen Ablauf allein nicht getan ist. Wir können unsere Hand nur solange bewegen, als sie von der Kraft getrieben wird, die uns das Leben spendet. Diese Kraft "sitzt" nicht in irgend einem Nerv oder irgend einem Muskel, sondern sie ist etwas durchaus Unstoffliches, außerhalb unseres stofflichen Körpers Gegebenes, das sich aber an diesen Körper als seinen Träger bindet und sich durch ihn äußert, und zwar in der Weise, daß sie die Lage unseres stofflichen Körpers verändert (die Hand in eine greifende Bewegung versetzt) . Der andere Körper (Apfel) wird gleichfalls von dieser Kraftäußerung betroffen. Er könnte auch der Wirkung einer anderen Kraft ausgesetzt sein, etwa durch einen Sturm vom Ast gerissen werden. Wenn er aber in den Wirkungsbereich der gleichen Kraft gerät, die die Hand bewegt, so bedeutet das, daß er ebenfalls zum Träger dieser Kraft wird, und zwar dadurch, daß die an den Menschen gebundene Kraft sich ihm mitteilt.
Wir sehen uns also vor die Tatsache gestellt, daß eine Kraft sich in der Veränderung der Lage zweier Körper äußert, und zwar ist es eine an den Menschen gebundene (ihm vorgegebene) Kraft, die das bewirkt, eine Kraft aber, die auf keine andere Weise als dadurch in Erscheinung treten kann, daß sie sich dem anderen Körper (Apfel) mitteilt. Die beiden Körper (Mensch und Apfel) begegnen uns in einer durch die Äußerung einer Kraft vermittelten Einheit: beide treten sie in ein Verhältnis zu einer und derselben Kraft. Diese Kraft leistet, indem sie die Lage zugleich beider Körper verändert, Arbeit. Damit stoßen wir auf ein Element des Energiebegriffs. Wenn es möglich wäre, den Vorgang des Zuführens der Stoffe im Vorstadium des Verzehrs nicht nur wahrzunehmen, sondern auch zu messen, so könnten wir ihn als eine energetische Leistung ansprechen und sagen: Der Mensch wendet persönlich Energie an, indem er seinem eigenen Körper einen anderen, beispielsweise einen Apfel zuführt. Träger dieser bei der Zuführung entfalteten Energie ist zunächst der Mensch selber. Dadurch aber, daß er seinen eigenen Körper und den anderen in einem Akt in ein Verhältnis zu der von ihm angewendeten Kraft bringt, macht er den anderen Körper zum Mitträger der Energie, die sich in dem Vorgang des Zuführens entfaltet.
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Auf diese Weise entsteht zwischen den beiden Körpern (Mensch und Apfel) eine energetische Einheit. Sie ist gegeben, obwohl die beiden Körper in diesem Vorstadium des Verzehrs ihre stoffliche Selbständigkeit noch bewahren; denn zur stofflichen Einheit verschmelzen sie erst im Verzehr selbst. Anders als in der nicht stofflichen Einheit zwischen dem zugeführten Stoff und dem ihn sich zuführenden Menschen kann die im Vorstadium des Verzehrs entfaltete Energie des Menschen sich nicht entfallen. Die nicht stoffliche Einheit von Mensch und Stoff ist die Erscheinungsform dieser Energie. Sie fügt Mensch und Stoff zu einer nicht stofflichen, demnach energetischen Einheit. Diesem Urbild der unmittelbaren Bedarfsdeckung entspricht das Bild, das jeder Teilbedarfsdeckungsvorgang bietet. Hier begibt sich im Großen, was sich dort im Kleinen abspielt. Auch die Teilbedarfsdeckungsvorgänge gehören dem Vorstadium des Verzehrs an. Deren räumlicher und zeitlicher Bereich erstreckt sich von dem Punkt, in dem der arbeitsteilig tätige Mensch zu den von ihm bearbeiteten Stoffen in Berührung kommt, bis zu dem Punkt, in dem diese Stoffe (die fertigen Produkte) sich mit seinem Körper vereinigen. Dieser Bereich entspricht dem, was wir beim Vorgang der unmittelbaren Bedarfsdeckung das Zuführen der Stoffe nannten. Im Zustand der vollkommenen Arbeitsteilung hat die Bedarfsdeckung sich in eine unbegrenzte Zahl von Teilvorgängen aufgespalten. Aber auch in jedem dieser Teilvorgänge geschieht nichts anderes als im Vorgang der unmittelbaren Bedarfsdeckung, d. h. auch hier leistet eine Kraft in der Weise Arbeit, daß sie uno actu die Lage sowohl des arbeitsteilig tätigen Menschen als auch die Lage des von ihm bearbeiteten Stoffs verändert. Jeder Mensch löst, wenn er arbeitet, seinen Körper aus dem ruhenden Zustand und versetzt ihn in eine gezielte Bewegung, und er verändert damit zugleich den Zustand, in dem sich der von ihm bearbeitete Stoff befindet; das kann unmittelbar (durch die Arbeit der eigenen Hände) oder mittelbar (durch Erteilung von Befehlen an andere Menschen oder an Maschinen) geschehen. Auch hier wird also die ursprünglich an den Menschen gebundene Kraft auf keine andere Weise als dadurch wahrnehmbar, daß sie sich einem stofflichen Körper mitteilt. Auch hier wären wir berechtigt, von einer Energie zu sprechen, wenn diese Kraft nicht nur wahrnehmbar, sondern auch meßbar wäre. Das aber kann sie nicht bloß, sondern muß sie hier, beim Teilbedarfsdeckungsvorgang, sein; denn erst die Meßbarkeit der in jedem Teilbedarfsdekkungsvorgang wirkenden Kraft qualifiziert den einzelnen Vorgang als
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einen Teilvorgang der Bedarfsdeckung aller arbeitsteilig tätigen Menschen. An der Meßbarkeit der sich in jedem Teilbedarfsdeckungsvorgang entfaltenden Kraft hängt nachgerade das Schicksal der zur Arbeitsteilung verurteilten Menschheit. Wir haben es also bei der im Teilbedarfsdeckungsvorgang wirkenden Kraft wahrhaftig mit einer Energie zu tun, und zwar einer persönlichen Energie des Menschen, die dadurch in Erscheinung tritt, daß sie sich einem von ihm arbeitsteilig bearbeiteten Stoff (Sachgut) mitteilt und von diesem Stoff (Sachgut) mitgetragen wird. Mensch und Sachgut werden also im Teilbedarfsdeckungsvorgang zu einer energetischen Einheit zusammengeführt.
Zweitens: Jeder Teilbedarfsdeckungsvorgang setzt sich aus einer Vielzahl von Einzelverrichtungen zusammen, die sich in ununterbrochener Folge aneinanderreihen. In einen Teilbedarfsdeckungsvorgang ist jede Verrichtung eingeschlossen, die der Bedarfsdeckung dient, also nicht bloß die Herstellung und Verteilung eines fertigen Sachgutes, beispielsweise eines Strom aggregats, sondern jede körperliche und geistige Leistung, die unmittelbar oder mittelbar der Herstellung und Verteilung eines Sachgutes gewidmet ist. Die energetische Einheit, die aus einer Teilverrichtung zwischen Mensch und Sachgut erwächst, setzt sich in jeder ihr nachfolgenden Verrichtung fort. Sie ist daher zugleich eine dynamische Einheit, denn unter Dynamik haben wir die ständige Änderung eines Bewegungszustandes zu verstehen. Die Dynamik des wirtschafts-energetischen Geschehens erklärt es, daß die technischen Vorgänge in Teilbedarfsdeckungsvorgänge einmünden. Die Verbindung, die der Mensch durch sein technisches Arbeitsvermögen zu den Sachgütern herstellt, ist stofflicher und statischer Art; sie besteht stets nur in räumlicher und zeitlicher Begrenzung, d. h. jeweils nur dort, wo, und nur solange, als der Mensch ein bestimmtes Sachgut technisch bearbeitet. Zwar tritt die energetisch-dynamische Einheit, die zwischen dem wirtschaftenden Menschen und dem von ihm bewirtschafteten Sachgut besteht, durch den technischen Vorgang der Bearbeitung in Erscheinung, sie greift aber über ihn hinaus. Ursprünglich an den Menschen gebunden, teilt sie sich dem Sachgut mit, noch bevor der Mensch dieses in technische Bearbeitung nimmt, und sie bleibt, an ihn gebunden, wirksam, auch nachdem die technische Bearbeitung vollendet ist. Wir können somit bei der Entfaltung der wirtschaftlichen Energie drei Wirkungsbereiche unterscheiden: die Haupt-, die Vor- und die Nachwirkung.
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Die Hauptwirkung deckt sich mit dem technischen Vorgang und ist daher durch ihn sinnlich wahrnehmbar (ein Sachgut wird hergestellt oder verteilt). Die Vorwirkung dagegen besteht lediglich in der zwar schon vorhandenen, aber noch nicht ausgenutzten Fähigkeit des Menschen, das Sachgut herzustellen oder zu verteilen. Die Nachwirkung andererseits ist die ebenfalls schon vorhandene, aber noch nicht ausgenutzte Fähigkeit, abermals ein Sachgut herzustellen oder zu verteilen, die Kette also fortzusetzen. Damit gelangen wir zu einer weiteren, äußerst wichtigen Unterscheidung: die wirtschaftliche Energie entfaltet sich im technischen, also sinnlich wahrnehmbaren Vorgang zur kinetischen Energie. Sie ist aber schon vor und noch nach dem technischen Vorgang als potentielle Energie vorhanden. Während aber bei anderen Energien, z. B. der mechanischen, die potentielle Form nicht notwendig in die kinetische übergeht (die Energie des Ziegels, der nie vom Dach fällt, ist stets nur eine potentielle), findet hier notwendig ein ständiger übergang von der einen in die andere Form statt, und daraus erwächst das, was wir eine energetisch-dynamische Einheit nennen dürfen.
Drittens: Diese Einheit besteht aber nicht nur in der Kette, die sich innerhalb eines Teilbedarfsdeckungsvorgangs von einer Teilverrichtung zur anderen spannt, sondern sie umfaßt die Gesamtheit aller Teilbedarfsdeckungsvorgänge, an denen die Gesamtheit der arbeitsteilig tätigen Menschen jeweils beteiligt ist. Jeder Teilbedarfsdeckungsvorgang und jede Teilverrichtung innerhalb eines Teilbedarfsdeckungsvorganges repräsentiert nur einen Teil der energetisch-dynamischen Einheit, zu der die arbeitsteilig tätige Menschheit mit den von ihr bearbeiteten Sachgütern verbunden ist. In jeder Teilverrichtung gelangt somit jeweils nur ein Quant der wirtschaftlichen Energie zur Wirkung, die an die Gesamtheit der arbeitsteilig tätigen Menschen gebunden ist und sich den von ihnen bearbeiteten Sachgütern mitteilt. Die Summe dieser Energiequanten füllt das Gesamtfeld aus, das sich zwischen den arbeitsteilig tätigen Menschen und den von ihnen bearbeiteten Stoffen breitet, und in dem wir das erkannt haben, was wir die Wirtschaft nennen.
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B. Der atomphysikalische Energiebegriff und seine Geltung in der Wirtschaftswissenschaft
I. Grundzüge der Atomphysik 7 Bei den Betrachtungen über die energetisch-dynamische, aus Wirkungsquanten gestaltete Einheit zwischen Mensch und Sachgut haben wir indessen etwas vorausgesetzt, was es erst noch zu erweisen gilt. Wir hatten gesagt, daß die Kraft, der die energetische Einheit ihre Entstehung verdankt, etwas durchaus Unstoffliches, außerhalb unseres stofflichen Körpers Gegebenes ist, daß sie sich aber uno actu an diesen Körper bindet und einem anderen stofflichen Körper, dem Sachgut, mitteilt. Es bedarf der Klärung, wie dieses Sich-Binden der Kraft an den Menschen und das Sich-Mitteilen der gebundenen Kraft an das Sachgut vor sich gehen. Diese Vorgänge sind der Ausdruck der Relation, in dem die Kraft zum Menschen und zum Sachgut zueinander steht. Es fragt sich daher, wie diese Relation, also das meßbare Verhältnis, in das hier die Kraft durch ihr Arbeitsvermögen zu den bei den stofflichen Körpern tritt, beschaffen ist. In den bisherigen Untersuchungen über den Energiebegriff erschienen uns die Komponenten dieser Relation, Kraft und Stoff, als zwei selbständige Größen: die Kraft als eine Größe, die von außen an eine andere Größe, einen stofflichen Körper, herantritt und es bewirkt, daß dessen Lage im Raum oder dessen physikalische Beschaffenheit sich verändert, ohne jedoch dem Körper seine Eigenheit als eine von der Kraft geschiedene, selbständige Größe zu nehmen. Der Ziegel, der, durch die Schwerkraft getrieben, vom Dach fällt, bleibt (von der Möglichkeit seiner Zerstörung beim Aufprall auf harten Boden abgesehen) ein Ziegel auch nach seinem Fall, und der Draht, den der elektrische Strom zum Glühen bringt, bleibt der Draht, der es war, bevor der Strom ihn durchfuhr. Alle bisher besprochenen Formen der Energie einschließlich der technischen sind also der Ausdruck einer äußeren Relation von Kraft und Stoff. Bei der wirtschaftlichen Energie ist das anders. Hier wird der äußere (technische) Geschehensablauf in das Ganze des Lebens einbezogen, und das kann nur in der Weise vor sich gehen, daß Kraft und Stoff in eine innere Relation zueinander gebracht werden; denn das Leben beruht auf dem ständigen Umsatz von Kraft in Stoff und Stoff in Kraft. 7 Zum folgenden Hahn, Karl: Lehrbuch der Physik, Teil H, Braunschweig und Berlin 1950; von Weizäcker, earl Friedrich: Atomenergie und Atomzeitalter, Frankfurt/Main 1957; Der Große Herder, Band 10: Der Mensch in seiner Welt, Freiburg 1955 und Ergänzungsbände, Freiburg 1962; Haber, Heinz: Der Stoff der Schöpfung, Stuttgart 1966, S. 105 ff.
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Das Sich-Binden der Kraft an den Menschen bedeutet somit, daß Kraft sich im Stoff (einem Organ - Nerv, Muskel) konzentriert und dadurch den Stoff (das Organ) zu einem Wirkungsquant der in ihm konzentrierten Energie macht. Das Sich-Mitteilen der Kraft bedeutet, daß die in dem stofflichen Körper des Menschen (einem Organ) konzentrierte Energie sich gleichzeitig in einem anderen stofflichen Körper (Sachgut) konzentriert und dadurch auch diesen zu einem Wirkungsquant der Energie macht. Das Sich-Binden und das Sich-Mitteilen sind zwei Erscheinungen einer einzigen Kraftäußerung. Aus der Koinzidenz der beiden Vorgänge folgt, daß es eine, und zwar eine persönliche Energie des Menschen ist, die hier zur Entfaltung gelangt. Diese geht ihm somit dadurch, daß er sie in einem Sachgut konzentriert, nicht verloren, sondern sie bleibt auch in ihrer nunmehrigen Bindung an das Sachgut seine, des Menschen, persönliche Energie. Er lebt im Vorstadium des Verzehrs durch die Wirkung dieser persönlichen Energie nicht nur in den Gliedern und Organen seines naturgegebenen Körpers, sondern auch in den Sachgütern. In sie verlagert sich ein Teil seines Lebens, und umgekehrt werden sie in das Ganze seines Lebens einbezogen.
Das heißt nichts anderes, als daß im Zustand der vollkommenen Arbeitsteilung die Sachgüter zu Wirkungsquanten der persönlichen Energie des Menschen werden. Sachgüter sind stoffliche Körper. Als solche haben und sind sie Masse; denn sie werden durch ihr Verhältnis zu einer auf sie einwirkenden Kraft wahrnehmbar und meßbar. Wenn wir daher sagen, daß sie zu Wirkungsquanten der persönlichen Energie des Menschen werden, so stellen wir eine Gleichung zwischen Masse und Energie her. Damit erfährt der Begriff der Masse eine bedeutsame Wandlung. In einem früheren Abschnitt unserer Untersuchungen mußten wir uns von ihm trennen, da er uns keine Aussage zu liefern schien für den Umsatz von Kraft in Stoff, der sich beim Teilbedarfsdeckungsvorgang vollzieht. Jetzt ist das anders, jetzt erscheint uns Masse selbst als Energie. Wir können daher und müssen sogar auf dem Wege zur Erkenntnis des Kapitalbegriffs den Massebegriff in unsere Untersuchungen wieder einbeziehen, indem wir uns die Fragen vorlegen: (1) Ist Masse gleich Energie zu setzen? (2) Was folgt daraus für den Begriff der wirtschaftlichen Energie? Wir stoßen damit in den jüngsten Bereich der Naturwissenschaften, die Atomphysik, vor, und wir werden ihre Gesetze zu erforschen und danach wiederum zu prüfen haben, ob diese Gesetze auch außerhalb des Lehrbereichs der Physik gelten.
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Wir können uns dem nicht mit der Begründung entziehen, daß nur der Fachkundige sie verstehe, es für einen Laien aber ein aussichtsloses Unterfangen sei, sie enträtseln zu wollen; es sind Gesetze, die nicht nur einzelne Menschen in einzelnen Lebensbereichen, sondern die alle Menschen in ihrer ganzen Existenz berühren. Mit ihrer Erkenntnis hat der menschliche Geist überkommene Vorstellungen überwunden und ein gänzlich neues Weltbild geformt, dem sich die Menschheit in ihrer Gesamtheit aufschließen muß. Ähnliches hat sich schon einmal vollzogen: Kopernikus überwand in seiner 1540 veröffentlichten Schrift "über die Umwälzung des Himmelskreises" endgültig die vereinzelt zwar schon angegriffene, im ganzen aber bis auf ihn noch immer herrschende Vorstellung, daß die Erde, einer Scheibe gleich, von den Gestirnen umkreist, als ein begrenzter Körper im Mittelpunkt des sich in der Unendlichkeit verlierenden Weltmeers schwimme. An die Stelle dieses von der Antike überkommenen Systems setzte er das andere, das heliozentrische, das die Sonne in den Mittelpunkt rückt und der Erde nur noch die Rolle einer der Planeten, die sich um ihre eigene Achse und um die Sonne drehen, zuweist. Die endgültig gewonnene Erkenntnis, daß die Erde eine Kugel sei, legte das geistige Fundament für die Erschließung des nunmehr in seiner gesamten Unbegrenztheit offenbarten Erdkörpers. Diese Erschließung hatte sich zwar schon mit der Entdeckung des westlichen Seeweges nach Indien durch Vasco da Gama im Jahre 1498, also rund 40 Jahre vor dem Erscheinen des Kopernikussehen Werkes angebahnt, sie hätte sich aber schwerlich vollenden können, wenn nicht die Menschheit in ihrer Gesamtheit das neue Weltbild in ihr Bewußtsein aufgenommen hätte, d. h. wenn nicht alle Menschen, gleichviel ob Fachkundige oder Laien, sich die Gesetze des heliozentrischen Systems zu eigen gemacht hättenB. Die alte Vorstellung, die die Erde zum Mittelpunkt der Weltbetrachtung wählte, war damit keineswegs gänzlich beiseitegeschoben. Sie behielt, und zwar sogar bis in unsere Tage, ihre Bedeutung. Noch heute sprechen wir, wenn wir den Tag von der Nacht unterscheiden wollen, vom "Sonnenaufgang" und "Sonnenuntergang", tun also noch immer so, als wenn nicht die Erde um die Sonne, sondern umgekehrt diese um jene kreiste. Da aber, wo es nötig ist, bedienen wir uns der neuen Denkweise. Noch um vieles größer ist der Zwang, da, wo es angebracht ist, atomphysikalisch zu denken; denn die Gesetze der Atomphysik greifen unmittelbar in die Existenz der Menschheit ein, weil ihren Gegenstand die Struktur der Materie bildet, Materie aber auch der Mensch ist mit seinem stofflichen Körper und Materie auch die stofflichen Körper sind, deren der Mensch bedarf, um existieren zu können.
Die Gesetze der Atomphysik berühren daher auch den Lebensbereich der Wirtschaft. Man kann sich, will man deren Wesen erfassen, der Beschäftigung mit den Gesetzen der Atomphysik nicht entziehen. Wer sich B Gleiches gilt für den Einfluß der klassischen Physik auf das Bewußtsein der Menschen; darüber läßt Heitler, a.a.O., S. 111 sich mit den Worten aus: "Als die klassische Physik ihre Triumphe feierte, wurde ihre logische Struktur bewußt oder unbewußt auf alle Gebiete des menschlichen Daseins übertragen."
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keine Rechenschaft darüber ablegt, was diese Gesetze für seine Existenz, insbesondere auch für seine wirtschaftliche Existenz, bedeuten, lebt an diesem Jahrhundert vorbei 9 • Bei dem Versuch, das Verhältnis zu bestimmen, in dem Kraft und Stoff beim Teilbedarfsdeckungsvorgang zueinander stehen, gingen wir vom Begriff des Stoffes aus. Wir meinten aber, daß dieser Begriff selber noch keine Handhabe hierfür bietet, da er ebenso wie der Begriff der Kraft ein Abstraktum, d. h. eine von gegenständlichen Größen gelöste Aussage ist, daß vielmehr der Stoff sich erst in der konkreten Erscheinungsform eines Körpers als Masse in eine Beziehung zur Kraft bringen läßt. Dabei ließen wir die Frage, was denn nun eigentlich der Stoff ist, aus dem die Körper bestehen, unerörtert. Jetzt aber können wir dieser Frage nicht ausweichen, denn jetzt müssen wir uns mit der stofflichen Substanz befassen, die allen Körpern eigen ist. Diese stoffliche Substanz nennen wir "Materie". Seit eh und je suchten die Menschen nach einer Antwort auf die Frage, was denn nun diese stoffliche Substanz des Körpers, diese Materie, ist. Als geistiges Rüstzeug bot sich dafür, solange es noch keine Naturwissenschaften gab, nur die Philosophie als eine Leistung des reinen Denkens zur Erforschung der Ordnung alles Seienden. Durch reines Denken formten griechische Naturphilosophen, Leukipp und Demokrit, im 5. Jahrhundert v. ehr., ein Bild vom Bau der Materie: sie er-
schien ihnen als ein aus kleinsten Teilchen zusammengesetztes Ganzes, jeder stoffliche Körper somit als eine in diese kleinsten Teilchen aufteilbare Substanz, die Teilchen, selber aber sahen sie als unteilbar = atom an. Sie, die Atome, geben nach dieser Vorstellung also den Baustoff her für alles, was Materie, d. h. stoffliche Substanz hat; von ihrer Größe und Gestalt hängen Größe und Gestalt der Körper, von der Ansammlung zu "Molekülen" hängt der Aggregatzustand der Körper ab: je enger die Ansammlung der Atome ist, desto festere Form haben die Moleküle, je loser sie ist, desto gelockerter ist die Form (Beispiel: Eis, Wasser, Dampf). Eine geniale geistige Leistung! Genial deshalb, weil sie mit seherischer Sicherheit in die Richtung der späteren naturwissenschaftlichen Forschung wies. Aber eben eine reine Denkleistung, eine von vielen philosophischen Lehren, die atomistische, die als solche ihre Anhänger und ihre Widersacher fand. Ihre Rechtfertigung erfuhr sie erst rund 2000 Jahre später durch die nicht minder genialen Leistungen der Naturwissenschaftler. Auch sie sind freilich Leistungen des Denkens, aber doch nicht mehr eines reinen Denkens, sondern eines Denkens, das in der Erfahrung wurzelt und durch sie zu einer ganz bestimmten Methode gebracht wird. Ihren Niederschlag findet dieses aus der Erfahrung gespeiste methodische Denken in Formeln. Mit den mathematischen 9 Dazu Heitler, a.a.O., S. 113: "Klar ist, daß die neue Situation, welcher wir in der Quantenmechanik gegenüberstehen, Raum für einen Zugang zum Lebensproblem (und anderen Gebieten des menschlichen Denkens) geschaffen hat ... "
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Fonneln haben die naturwissenschaftlichen gemeinsam, daß sie ein bestimmtes Ordnungsgesetz ausdrücken. Was sie von jenen unterscheidet, ist, daß sich hinter ihnen nicht bloß ein abstraktes Ordnungsgesetz, sondern ein konkreter Sachverhalt, und zwar ein Geschehen verbirgt. Das naturwissenschaftliche Mittel zur Feststellung dieses Sachverhalts ist das Experiment. Der Zweig der Naturwissenschaften, der sich mit den stofflichen Eigenschaften der Körper, kurz also: mit der Materie, befaßt, ist die Chemie. Ihr Anliegen mußte es daher sein, den Gedanken von der atomaren Zusammensetzung der Körper aufzugreifen und in exakten Formeln auszudrücken. Auf dem Wege zu diesem Ziel gewann sie die Erkenntnis, daß alle stofflichen Körper aus bestimmten Grundstoffen, den Elementen, zusammengesetzt sind und daß es 105 solcher Elemente gibt. Jede stoffliche Substanz ist eine Verbindung dieser 105 Elemente. Daher besteht jede chemische Formel stets aus mehreren Buchstaben mit und ohne Zahlen; in ihnen spiegeln sich die in einer bestimmten stofflichen Substanz vereinigten Elemente wider. So bedeutet H 20, daß Wasser aus zwei Elemeten, Wasser und Sauerstoff im Verhältnis 2:1 zusammengesetzt ist. Was aber sind die Elemente? Die Antwort auf diese Frage blieb die klassische Chemie schuldig. Nur soviel lehrte sie, daß jedes der 105 Elemente aus einer bestimmten Sorte letzter unteilbarer Teilchen, also aus Atomen, bestehen muß. Diesen Schluß zog Dalton im Jahre 1808. Es war zugleich ein Anschluß an die Lehre Leukipps und Demokrits, denn auch sie beruhte ja auf der Annahme der Unteilbarkeit der letzten Grundstoffe. Auch Daltons Schluß war somit ein Akt reinen Denkens. Seine These wurzelt daher nur zu einem Teil in der Naturwissenschaft; zu einem anderen Teil ist auch sie ebenso wie die Atomlehre Leukipps und Demokrits in der Naturphilosophie begründet. Es blieb auch hier ein ungeklärter Rest: die Frage, was es mit den Atomen auf sich hat, wie sie beschaffen sind und wie sie wirken, vor allem: ob sie unteilbar sind. Von Hause aus ging diese Frage die Chemie an; denn sie bezog sich auf die stofflichen Eigenschaften der Körper. Sie griff aber auch in das Gebiet der Physik über; denn wenn die Atome nicht, wie man annahm, unteilbar waren, dann mußten sie ihrerseits aus Kleinstkörpern zusammengesetzt und diese Kleinstkörper mußten durch Energien zusammengehalten sein. Das Verhältnis der Körper zu den auf sie wirkenden Energien gehört aber zum Lehrbereich der Physik. Die naturwissenschaftliche Atomlehre ist somit sowohl der Chemie als auch der Physik zuzuordnen, so daß es ungenau ist, nur von der Atomphysik zu sprechen. Es waren denn auch nicht ausschließlich Physiker, sondern auch Chemiker, denen der Durchbruch durch die Grenzen gelang, die der klassischen Physik und der klassischen Chemie gezogen waren. Wir stehen noch mitten in der Entwicklung, die dieser Durchbruch - um die Jahrhundertwende - ausgelöst hat. Bestimmte Daten stehen aber schon heute fest. Wir wollen hier diejenigen von ihnen aufzeigen, die entscheidend sind für die Beantwortung der von uns aufgeworfenen Frage, ob Masse gleich Energie zu setzen ist. Es sind dies die folgenden: Im Jahre 1896 stellte der französische Physiker Henri Becqueret fest, daß das chemische Element Uran Strahlen aussendet. Aus den lateinischen Bezeichnungen für Strahl = radius und Tätigkeit = activitas formte er einen
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neuen Begriff, den der "Radioaktivität", mit dem er diese Eigenschaft des Urans umschrieb. Zwei Jahre später entdeckten Marie und Pierre Curie in einem uranhaltigen Metall, der Pechblende, zwei neue Elemente, von denen das eine noch weit stärker strahlte als das Uran und dem die Curies daher den Namen Radium gaben. Das andere, nicht ganz so stark, aber dennoch gleichfalls intensiv strahlende nannten sie Polonium. Die Entdeckung, daß diese Elemente "strahlten", war eine Sensation ersten Ranges; denn sie mußte die Vorstellung von der Unteilbarkeit der Atome ins Wanken bringen. "Strahlen" bedeutet, daß aus dem Element Teile ausscheiden. Da nun aber jedes Element aus einer bestimmten Atomsorte besteht, blieb kein anderer Schluß übrig als der, daß es Teile des Atoms sind, die bei der radioaktiven Strahlung eines jener Elemente - Uran, Polonium oder Radium - verlassen. Die These von der Unteilbarkeit der Atome war damit widerlegt! Das war aber erst ein Anfang; denn jetzt war die Frage nach der Struktur der Atome gestellt. Die Atome müssen ja, da teilbar, aus einer Mehrzahl von
Kleinstkörpern zusammengesetzt sein, so daß an die Stelle der gelösten Frage die andere trat, ob denn nun diese Kleinstkörper die letzten unteilbaren Bausteine der Materie sind.
Dabei ergab sich zunächst eine sprachliche Schwierigkeit. Der Ausdruck "Atom" war für etwas, das durchaus nicht unteilbar war, verbraucht. Für das, was sich nun wirklich nicht mehr teilen ließ, mußte daher ein neuer Ausdruck gefunden werden. Man einigte sich auf "Elementarteilchen" oder "Korpuskeln". Diese Ausdrücke bezeichnen also die letzten unteilbaren Bausteine der Materie - vorausgesetzt, daß es überhaupt noch Materie ist, was sich in ihnen verbirgt. Zunächst nahm man an, daß sich im Atom drei solcher Elementarteilchen (Korpuskeln) vereinen und daß diese Teilchen durch ein Feld elektromagnetischer Energie zusammengehalten werden. Zwei dieser Korpuskeln, das Proton und das Neutron, bilden den Kern des Atoms, das dritte, das Elektron, sitzt in einer um den Kern gebreiteten Hülle. Elektrisch geladen sind aber nur das Proton und das Elektron, das erstere positiv, das letztere negativ. Darauf beruht es, daß in einem Atom die Anzahl der Elektronen stets der der Protonen entsprechen muß. Das Neutron hingegen ist, wie sein Name sagt, elektrisch neutral. Es ist den Protonen zugeordnet und hält sie zusammen. Ihre Zahl kann bis zu einem gewissen Ausmaß schwanken, ohne daß dadurch das Element, dem das Atom angehört, im ganzen seine chemischen Eigenschaften einbüßt. Immerhin bestimmt sich nach der Zahl der Neutronen jeweils die Atomsorte, und die Abweichungen, die zwischen den einzelnen Atomsorten bestehen, bleiben nicht ohne Einfluß auf die chemischen Eigenschaften des Elements. Wo das so ist, wo es also, bedingt durch die Anzahl der Neutronen, mehrere Atomsorten gibt, spricht man von Isotopen. Der bekannteste Fall von Isotopen ist der des Wasserstoffs. Dieser hat vier Isotopen: sein Kern kann aus einem Proton ohne Neutron oder aus einem Proton mit einem Neutron oder aus einem Proton mit zwei Neutronen oder aus einem Proton mit drei Neutronen bestehen; im ersten Fall haben wir den normalen Wasserstoff, der, mit Sauerstoff verbunden, das normale Wasser (H20) ergibt, das bei 0° gefriert und bei 100° siedet; im zweiten Fall haben wir das Deuterium, das ein schon bei 4° gefrierendes, aber erst bei 101° siedendes, das sog. schwere Wasser (D20) liefert; die dritte Atomsorte des Wasserstoffs nennt man Tritium, die vierte, erst unlängst entdeckte hat noch keine besondere Bezeichnung erhalten. Die den Kern bil-
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I. 1. Abschn.: Entwicklung eines neuen Kapitalbegriffs
denden Korpuskel, also das Proton und das Neutron, faßt man unter dem Ausdruck Nukleon zusammen. Die Funktionen der drei Atomsorten kann man sich in einem Bild anschaulich machen: die Protonen sind wie die Mauersteine der tragenden Wand eines Hauses, die Neutronen wie der Mörtel, der die Steine der Wand fugt, und die Elektronen, wie die Decke, deren Kraft auf die Wand drückt und der diese ihre eigene Kraft entgegenstemmt. Anders als durch ein Bild läßt sich das Atom ohnehin nicht beschreiben; denn es ist als stofflicher Körper nicht mehr wahrnehmbar, sondern nur noch durch seine Funktionen zu deuten. Die Erkenntnis dieser Funktionen gibt lediglich ein Denkmodell für die Struktur des Atoms ab. Die Umrisse dieses Modells haben sich im Laufe der Forschung gewandelt. Zunächst herrschte die Vorstellung, daß ein Atom das mikrokosmische Gegenstück des planetarischen Systems sei; man verglich das Nukleon (Proton und Neutron) mit der im Mittelpunkt stehenden Sonne und die Elektronen mit den um sie kreisenden Planeten. Die Schöpfer dieses ersten Atommodells waren Rutherford (1911) und Niels Bohr (1913). Später wich diese Konzeption einer anderen, wonach die Elektronen in einer Wolke um den Kern gelagert sind (so Heisenberg und Schrödinger). Im weiteren Verlauf entwickelte sich daraus das sog. Schalenmodell; ihm liegt die experimentell erhärtete Beobachtung zugrunde, daß die Elektronen in sieben, mit den Buchstaben K, L, M, N, 0, P, Q bezeichneten Schalen um den Kern gelagert sind, von denen jede eine bestimmte Höchstzahl von Elektronen (2, 8, 20, 28, 50, 82, 126) zu tragen vermag. Außerdem gibt es noch das sog. Tröpfchenmodell, das FERMI-Gas-Modell, das Kollektivmodell und das Compound- oder optische Modell. Alle diese Modelle spiegeln jedoch die Struktur des Atoms nur unvollkommen wider, und zwar schon deshalb, weil es außer Protonen, Neutronen und Elektronen noch andere Elementarteilchen gibt. So kann das (negativ geladene) Elektron ein (positiv geladenes) Gegenstück, das Positron, und - in drei Spielarten - eine um das ca. 200- bis 1000fache seiner Masse vergrößerte Erscheinungsform, das Meson, haben. Auch von den Nukleonen gibt es Abwandlungen: die 6 Hyperonen, schließlich noch zwei elektrisch neutrale Teilchen besonderer Art: das Neutrino und das Photon. Vor allem aber geben die Atommodelle keinen Aufschluß über ein hervorst.echendes Phänomen: die Atome sind wandelbar10• Es ist daher ungenau, von ihrer "Struktur" zu sprechen. Sie haben gar keine Struktur im landläufigen Sinne, wie etwa ein Haus oder ein Gebirgszug sie hat. Alles ist bei ihnen im Fluß. Eine Bewegung innerhalb des Atoms muß ja schon die radioaktive Strahlung sein, von der die atomphysikalische Forschung ausging. Sie verändert das von ihr betroffene Atom, und zwar ergreift sie es in seiner Gesamtheit, d. h. sie geht sowohl von seinen beiden Korpuskeln, also dem aus Proton und Neutron bestehenden Kern und den in der Hülle gelagerten Elektronen, aus, als auch von dem zwischen den Korpuskeln gebreiteten elektromagnetischen Feld. Danach unterscheidet man drei Arten der radioaktiven Strahlung. Bei der ersten verlassen zwei Protonen und zwei Neutronen einen schweren Atomkern, d. h. den Kern eines Atoms, das eine große Zahl von Protonen aufweist, z. B. den Kern des Urans mit seinen 92 Protonen und seinen durch 10
Hahn, a.a.O., Band H, S. 307.
§ 5 Kapital als wirtschaftliche Energie
129
die Anzahl der Neutronen (Isotopen) bestimmten Sorten, deren schwerste 146 Neutronen umfaßt und die als U 238 (der Summe von 92 + 146) das gewöhnliche Uran ist. Die durch die Strahlung herausgeschleuderten zwei Protonen und zwei Neutronen bilden den Kern des gasförmigen Elements Helium. Diese Strahlung trägt die Bezeichnung Alphastrahlung. Bei der zweiten Art der Strahlung wird ein Neutron in ein Proton verwandelt; dabei entsteht ein neues Elektron; dieses verläßt das Atom als sogenannter Beta-Strahl. Die dritte Art, die Gamma-Strahlung, besteht aus sehr kurzen elektromagnetischen Wellen, die den Wellen des Lichts und der Röntgenstrahlen gleich, aus dem Atom heraustreten. Mit den Atommodellen lassen sich nur die Alpha- und die Beta-Strahlen erklären, wenn man sich diese beiden Arten als den Austritt von Kleinstkörpern (Korpuskeln) aus einem Verband von Korpuskeln vorstellt. Bei den Gamma-Strahlen ist das unmöglich; denn sie sind fraglos energetischer Art. Dennoch tragen sie zur Veränderung von Atomen bei; so macht die Atomsorte (das Element) Uran Wandlungen durch, die die Folge sowohl der C(- und ß- als auch der )I-Strahlung sind und an deren Ende die Atomsorte (das Element) Blei steht. Bei der )I-Strahlung nimmt die in einem Atom gebundene Energie um da~ Energiequant der Strahlung ab, und das trägt mit dazu bei, daß die Atomsorte sich verändert, daß z. B. aus dem Element Radium das Element Radon wird. Ist das aber so, dann erhebt sich die Frage, ob wir es denn bei den Korpuskeln überhaupt noch mit Kleinstkörpern, also stofflicher Substanz (Masse), zu tun haben oder ob nicht auch sie bereits bloße Energiezustände und die von ihnen ausgehenden Strahlen keine Teilchen, sondern WeHen sind. Umgekehrt wäre zu fragen, ob nicht etwa auch die )I-Strahlen trotz ihres energetischen Zustandes Masse, also stoffliche Substanz, haben. Den Schlüssel zur Beantwortung dieser Alternativfrage bieten zwei experimentell nachweisbare Fakten: Das ist einmal das Faktum, daß das aus dem Atom als ß-Strahlen herausschießende Elektron im Verhältnis zur Schnelligkeit seiner Bewegung an Masse zunimmt. Es erreicht eine Geschwindigkeit, die nur wenig hinter der Lichtgeschwindigkeit zurückbleibt, und zwar etwa 280000 km/sec. Aber bereits bei einer Geschwindigkeit von nur 28 000 km/sec. verdreifacht sich die Elektronenmasse. Da nichts geschieht, als daß an das Elektron gebundene Kraft Arbeit leistet, indem es das Elektron aus dem Atom herausschleudert, sich also ein rein energetischer Vorgang abspielt, bleibt nur der Schluß übrig, daß die zusätzlich gewonnene Masse Energie ist, und umgekehrt: daß Energie Masse hat. Gammastrahlen - das ist das zweite Faktum - besitzen die Fähigkeit, sich in zwei Korpuskeln, und zwar ein negatives Elektron und sein positives Gegenstück, ein Positron, zu verwandeln. Beide verschwinden aber wieder als Korpuskeln, und an ihre Stelle treten abermals zwei Gammastrahlen. Wir gelangen also zu der verblüffenden Feststellung, daß sich Energie in Masse und Masse in Energie verwandeln kann. Das bedeutet,
daß Masse nur ein Konzentrat von Energie, daß die Materie nur eine Erscheinungsform Arbeit leistender Kraft ist. 9 Eekelt
130
1. 1. Abschn.: Entwicklung eines neuen Kapitalbegriffs
Diese Feststellung liegt den bei den Lehrsätzen zugrunde, die die Eckpfeiler der Atomphysik bilden, der speziellen Relativitätstheorie und der Quantentheorie. In seiner speziellen Relativitätstheorie hat Albert Einstein 1907 Energie und Masse in Beziehung zur Lichtgeschwindigkeit gebracht. Ihren mathematischen Ausdruck findet diese Relation in der Formel: E= mXc!
oder umgekehrt:
Es bedeuten: Energie Masse c = Lichtgeschwindigkeit.
E = m=
Energie ist hiernach ein Faktor aus Masse und dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit. Umgekehrt ist Masse gleich der Energie dividiert durch das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit. Da die Lichtgeschwindigkeit 300000 km/sec. beträgt, entspricht 1 g Masse einem Energiebetrag von 300 000 X 300 000 km/sec. Masse ist also eine Zusammenballung ungeheurer Energiemengen. Aus der Einsteinschen Formel ist aber weiterhin abzulesen, daß Energie nicht immer Masse wird, sondern eben nur dann, wenn sie sich ganz stark konzentriert. Tritt sie in schwächerer Form auf, so bleibt sie Welle, d. h. die reine Bewegungsform, in der das ihr zugehörige elektromagnetische Feld im materiefreien, leeren Raum schwingt. Es fragt sich also immer, ob sie so gedrängt auftritt, daß sie ihre Wellennatur einbüßt und zur Masse wird, es hängt m. a. W. von ihrem Quantum ab, ob sie sich zur Masse verdichtet oder nicht. Man hat sich daher jede Masse als ein bestimmtes Quantum Energie vorzustellen. Nur unter dieser Voraussetzung ist es überhaupt möglich, eine Gleichung zwischen Energie und Masse herzustellen. Daß Energie in Quanten auftritt, war aber keineswegs von Hause aus bekannt, sondern mußte erst erkannt werden. Das ist 1900 Max Planck gelungen. Seine Quantentheorie bildet daher eine Vorstufe der Relativitätstheorie. Diese ist ohne jene nicht denkbar, aber Einstein hat ihr - als der primus inter pares in der Zunft der Atomphysiker - erst durch die Verbindung mit seiner speziellen Relativitätstheorie die beherrschende Rolle verschafft, die sie in der Atomphysik spielt.
§ 5 Kapital als wirtschaftliche Energie
131
Sie besagt, daß Energie nicht in einem gleichmäßigen Strom, sondern in Quanten auftritt, so daß die Stärke der Energie von der Größe ihrer Quanten abhängt. Diese Energiequanten lassen sich genau berechnen, und zwar nach der Formel: E=hXv
E h
Es bedeuten: = Energiequant
= 6,62428 X 10-27
v(Ny ) =
Frequenz (= Zahl der Wellenschwingungen pro Sekunde).
Danach ist das Energiequant das Produkt aus einer Wellenschwingung des elektromagnetischen Feldes und einer unwahrscheinlich kleinen Zahl, der sogenannten "Naturkonstanten". Daraus ist abzuleiten, daß die Energiequanten in dem Maße zunehmen, in dem die Zahl der Wellenschwingungen (Frequenz) sich vergrößert, und da das in dem Verhältnis geschieht, in dem die elektromagnetischen Wellen sich verkürzen, kann man sagen: je kürzer die Welle, desto größer das Quant. Werden Wellen so kurz, daß sie die Flugbahn des Quants nicht mehr ablenken, dann wird das Quant zur Masse. Energiequanten, die diese Fähigkeit besitzen, nennt man Photonen. Sie sind die Träger des gesamten energetischen Geschehens im Atom. So führen sie ihm neue Energie zu, indem sie auf ein Elektron treffen, dieses auf eine andere Umlaufbahn versetzen, aber aus dem Atom wieder austreten, also Energie abgeben, sobald das Elektron auf seine frühere Umlaufbahn zurückgefallen ist. Photonen sind es auch, die bei Verlagerungen im Kern das Atom als Gammastrahlen verlassen. Ihr Energiereichtum ist so groß, daß sie durch die Bewegung, die sie ausführen, Masse erhalten. In ihnen verwandelt sich also Energie in Masse. Sie bezeichnen den Punkt, bei dem Energie und Masse, Kraft und Stoff ineinander übergehen. Sie verhalten sich einmal als elektromagnetische Wellen, ein andermal als stoffliche Körper. Diese Doppelnatur der Photonen nötigt zu einer dualistischen Betrachtungsweise: je nachdem, ob ein Photon als Korpuskel oder als Welle auftritt, bekommt man von ihrer Wirkung ein anderes Bild. Die beiden möglichen Bilder sind aber aufeinander abgestimmt. Die Komplementärität der Bilder, die das Photon als Korpuskel und als Welle bietet, beherrscht seit Niels Bohr das gesamte physikalische Denken. Es führt zu der Annahme einer doppelten physikalischen Realität: der stofflichen und der energetischen. Die stoffliche Realität ist alles, was als materielle Substanz wahrnehmbar und meßbar ist; sie deckt sich mit dem Bereich der klassischen Physik, 9'
132
1. 1. Abschn.: Entwicklung eines neuen Kapitalbegriffs
schließt also auch die elektromagnetischen Kräfte in ihrem äußeren Verhältnis zur stofflichen Materie ein. Die energetische Realität dagegen, das sind die elektromagnetischen Kräfte in ihrem inneren Verhältnis zur stofflichen Materie. Diese erscheint hier nur als ein Sonderzustand von Energie; das gesamte Geschehen im Atom ist nichts anderes als ein Wechsel von Energiezuständen, angefangen von der (natürlichen oder künstlichen) Gestaltung einer bestimmten Atomsorte (eines Elements) bis zu dessen Verfall und einschließlich aller Verlagerungen im Kern und in der Hülle. Diese Verlagerungen sind lediglich der übergang von einem Energiezustand in einen anderen. Vermittelt wird dieser übergang durch das Spiel der Quanten. Man kommt der Wahrheit am nächsten, wenn man sagt: die Quanten wandern von einem Energiekonzentrat zu einem anderen. Darauf beruht es, daß aus einem Proton ein Neutron oder ein Elektron wird. Es ist daher ungenau, wenn man sich bei der Darstellung dieser Vorgänge des Reflexivums "sich" bedient, indem man sagt, ein Elementarteilchen verwandle "sich" in ein anderes. Aus sich selbst heraus kann kein Korpuskel eine andere Gestalt annehmen. Es verwandelt nicht "sich", sondern es wird verwandelt, indem Quanten der in ihm konzentrierten Energie die Einheit, die sie mit anderen Quanten bilden, das Konzentrat von Energie, verlassen und auf eine andere Einheit, ein anderes Konzentrat, überwechseln. Will man sich also korrekt ausdrücken, so muß man sagen: Energie verwandelt sich. Das führt zu einer letzten und entscheidenden Erkenntnis: es gibt im Grunde nur eine Energie, die sich in den verschiedenen Formen der Materie niederschlägt. Heisenberg hat das mit den Worten umschrieben: "Die Energie wird dadurch zur Materie, daß sie sich in die Form von Elementarteilchen begibt, gewissermaßen in sie hineinschlüpft l1 ." Sie wollen besagen, daß jedes Elementarteilchen nur einen Zustand bezeichnet, in den es aus einem früheren Zustand übergegangen ist und aus dem es in einen anderen Zustand übergeht, und daß diese übergänge durch Sprünge von Quanten der dabei wirkenden Energie vermittelt werden. Heisenberg hat dieses ständige Wechselspiel der Verwandlung von Energie und Materie mathematisch durch eine von ihm gefundene "WeltFormel" dargestellt und eine "Einheitliche Feldtheorie" entwickelt, mit der die "Quelle aller Naturgesetzlichkeit" freigelegt und ein "Grundgesetz der Welt" statuiert wird 12 • 11 1962 auf der Lindauer Tagung der Nobelpreisträger (Augsburger Allgemeine Zeitung vom 3. VII. 1962). 12 "Welt" Nr. 152 vom 3. VII. 1962.
§ 5 Kapital als wirtschaftliche Energie
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II. Der Mensch und die Sachgüter im atomphysikalischen Geschehen - Das wirtschaftliche Geschehen als energetisches Geschehen - Kapital als wirtschaftliche Energie Dem Grundgesetz der Welt ist alles unterworfen, was Materie ist. Materie aber ist auch der Mensch, und Materie sind auch von ihm hergestellte Sachgüter. Der menschliche Körper erscheint uns in atom physikalischer Sicht ebenso wie jeder andere Körper als eine Ansammlung von Elementarteilchen, in die Energie hineingeschlüpft ist, so daß man sagen kann: der Mensch ist mit allen Gliedern und Organen seines Körpers ein Konzentrat von Energie. Diese Energie wandert ständig. Jede Veränderung des Körpers ist ein überwechseln von einem Energiezustand in einen anderen. Das gilt insbesondere auch für die wichtigste der Veränderungen, denen der menschliche Körper unterworfen ist: das Wachstum. Vor seiner Geburt ist der Raum, den ein Mensch nach ihr einnimmt, leer; an die Stelle des leeren Raumes treten die Glieder und Organe des Neugeborenen, indem dieser wächst, wird der leere Raum mehr und mehr ausgefüllt; die Glieder und Organe werden dem Körper aber nicht von außen angeheftet; auch aus sich selbst heraus können sie nicht entstehen; denn da, wo sie sich nach ihrer Entstehung befinden, war ja vordem nichts; der Satz aber, daß aus dem Nichts ein Etwas entstehen könne, drückt Unwirkliches aus. Es gibt daher nur eine Erklärung: Entstehen und Wachsen der Glieder und Organe sind Vorgänge, bei denen in ununterbrochener Folge Energie die Erscheinungsform von Materie annimmt; in seiner jeweiligen Gestalt ist der menschliche Körper ein sich ständig verändertes Konzentrat von Energie, ein immerwährendes Hinübergleiten von einem Energiezustand in einen anderen, ein ununterbrochenes Wandern von Energiequanten. Das ist experimentell erhärtet durch Untersuchungen, die Aebersold mit Hilfe radioaktiver Isotope durchgeführt hat 13 • Sie haben das biologische Bild vom Menschen grundlegend geändert. Danach ist der Mensch nicht, wie man bisher annahm, ein fester stofflicher Körper, der, um leben zu können, einer Maschine gleich mit anderen Stoffen versehen wird, sondern er ist ein Verband von Atomen, die ständig kommen und gehen, dem steten Zu- und Abgang vergleichbar, der sich in einem militärischen Verband vollzieht. Durch dieses Spiel der Atome erneuert sich der Mensch, stofflich gesehen, innerhalb 12 Monaten vollkommen in allen seinen Gliedern und Organen. Beim Wasser, das mit 70 Ofo den Hauptbestandteil des menschlichen Körpers bildet, geschieht das sogar in jeder Woche! In einem ständigen Fluß wird der menschliche Körper von Ato13
Augsburger Allgemeine Zeitung vom 16. VI. 1962.
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I. 1.
Abschn.: Entwicklung eines neuen Kapitalbegriffs
men durchströmt, die - und das ist das kaum Faßliche, aber Wahre vordem anderen Körpern zugeordnet waren. Aebersold drückt das sehr originell aus: "In weiterem Sinne", sagt er, "waren die Atome, aus denen jeder menschliche Körper besteht, einst Teile von anderen Lebewesen Hunden, Walfischen oder Vögeln. Die Atome, aus denen sich Plato oder Heinrich VIII. zusammensetzte, sind noch immer unterwegs als Teile von Menschen, die heute leben." Hier berührt die Naturwissenschaft sich in erstaunlicher Weise mit religiösen Vorstellungen: der christlichen und der buddhistischen Lehre vom ewigen Leben. Was in diesen Religionen als Glaube offenbart wird, bietet sich in der atom-physikalischen Biologie als ein exakt nachweisbares Faktum an. Nirgends wird der revolutionäre Zug, der durch das 20. Jahrhundert geht, so deutlich spürbar wie hier. Wenn es nun aber Atome sind, die in ununterbrochener Folge den menschlichen Körper durchströmen, so finden wir damit nur bestätigt, daß alle Materie ein sich ständig veränderndes Konzentrat von Energie ist; denn als solches hatten wir ja das Atom erkannt. Das gilt demnach nicht bloß für den menschlichen, sondern auch für jeden anderen Körper, somit auch für die Sachgüter. Auch sie sind Konzentrate von Energie, die sich in dem Maße verändern, in dem die in ihnen zusammengeballte Energie ihren Zustand verändert, d. h. in dem sie wandert. Energie kann selbstätig wandern, sie kann aber auch vom Menschen gesteuert werden. Dann fällt das energetische Geschehen, das sich in dem Akt der Steuerung beim Menschen vollzieht, mit dem energetischen Geschehen zusammen, das beim Sachgut stattfindet. Wir hatten die Koinzidenz dieser beiden Vorgänge als das Sich-Binden von Kraft an den Menschen und das Sich-Mitteilen der Kraft an ein Sachgut umschrieben, und wir hatten darin Vorgänge erblickt, bei denen der Mensch mit dem von ihm betätigten Organ und das von ihm bearbeitete Sachgut gleichzeitig zu Wirkungsquanten der in ihnen konzentrierten Energie werden. Die Frage, wie das vor sich geht, hatten wir offen gelassen. Jetzt können wir sie beantworten: Indem der Mensch ein Sachgut bearbeitet, verändert sich der Energiezustand, den er mit seinen Organen und Gliedern bildete, bevor er mit der Arbeit begann, und zugleich verändert sich der Energiezustand, als der das Sachgut sich darstellte, bevor der Mensch es in Bearbeitung nahm. Koinzidenz bedeutet aber nicht bloß Gleichzeitigkeit, sondern auch Relativität, und zwar innere Relativität: Der Veränderung des Energiezustandes, die beim Menschen vor sich geht, entspricht eine Veränderung des Energiezustandes beim Sachgut und umgekehrt.
§ 5 Kapital als wirtschaftliche Energie
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Um uns das klarzumachen, wollen wir an das Beispiel anknüpfen, mit dem wir das physikalische Geschehen, das sich beim Vorgang der unmittelbaren Bedarfsdeckung vollzieht, gekennzeichnet haben : unsere Hand nimmt einen Apfel in Besitz. Wir wollen dieses Beispiel dahin abwandeln, daß es nicht ein Apfel, sondern ein elastischer Gegenstand, etwa ein Gummiball, ist, den wir ergreifen; dessen Fläche gibt unter dem Druck unserer Hand nach; zugleich drückt aber auch der Gegenstand auf die Fläche der Hand. In der Vorstellung der klassischen Physik ist das ein nach dem Kausalgesetz in der Außenwelt ablaufender Vorgang (der Druck der Hand auf die Fläche des Balles als Ursache und das Nachgeben der Fläche als Wirkung); das bedeutet, daß zwischen der Hand und dem Gummiball eine äußere Relation besteht. Atomphysikalisch hingegen ist dieser Vorgang so zu erklären, daß das als unsere Hand in Erscheinung tretende Energie-Konzentrat sich in demselben Verhältnis verändert, wie das als Gummiball erscheinende, indem Energiequanten zwischen den beiden Konzentraten hin- und herwandern, so daß Hand und Gummiball in eine innere Relation, d. h. zu einer energetischen Einheit gebracht werden. Bei diesem Geschehen bleibt die Frage nach Ursache und Wirkung beiseite; es erschöpft sich in der Bahn, die die Energiequanten beschreiben; deren Bewegung verläuft diskontinuierlich, da sie von den Impulsen abhängt, die der Mensch sendet; dieser kann daher als "Beobachter" nur den wahrscheinlichen Verlauf bestimmen (vorausberechnen), den die Energiequanten auf der Bahn zwischen Hand und Gummiball nehmen14 • Nicht anders liegen die Dinge beim Teilbedarfsdeckungsvorgang, der ja in allem sein Urbild in den Vorgängen hat, die den Menschen in eine unmittelbare Beziehung zu seiner stofflichen Umwelt bringen. Auch beim Teilbedarfsdeckungsvorgang wandern Energiequanten vom Menschen zu dem von ihm bearbeiteten Sachgut hinüber und von diesem zurück zum Menschen. Aus dieser Wanderung erwächst das, was wir die energetische Einheit zwischen Mensch und Sachgut nannten. Was aber den Teilbedarfsdeckungsvorgang von seinem Urbild unterscheidet, ist, wie wir sahen, einmal die Dynamik des energetischen Geschehens und zum andern die Verkettung jedes Teilbedarfsdeckungsvorgangs und jeder Teilverrichtung innerhalb eines Teilbedarfsdeckungsvorgangs mit der Gesamtheit aller Teilbedarfsdeckungsvorgänge, die sich zwischen der Gesamtheit aller arbeitsteilig tätigen Menschen und der Gesamtheit der vor ihnen bearbeiteten Stoffe abspielen und die die einzelne Teilverrichtung als die Wirkung von Quanten der das Gesamtfeld der Wirtschaft erfüllenden Energie erscheinen lassen. 14
Siehe Einführung § 2, Text zu Anm. 15 bis 21.
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1. 1. Abschn.: Entwicklung eines neuen Kapitalbegriffs
Das gilt auch für die Teilverrichtungen, die zwar nicht der Produktion und Verteilung im (technischen) Sinne dienen, für sie gleichwohl aber unentbehrlich sind. Solche Teilverrichtungen repräsentieren sich vor allem in den Berufen, die wir - ganz zu Unrecht - als nicht zur Wirtschaft gehörig rechnen, z. B. denen der Beamten, Richter, Ärzte, Rechtsanwälte, Künstler. Auch diese Teilverrichtungen sind in atomphysikalischer Sicht nichts anderes als Veränderungen bestehender Energiezustände; denn jede Arbeit, sei sie körperlicher, sei sie geistiger Art, verändert den energetischen Zustand des arbeitenden Menschen. So gehen denn auch hier Energiequanten auf die Wanderung, die sie zu den Sachgütern hin- und von diesen zurückführt. Nur gelangen sie - anders als bei der Produktion und der Verteilung im technischen Sinne - nicht unmittelbar an ihr Ziel, sondern auf dem Umweg über eine unbegrenzte, über das ganze Feld der Wirtschaft verteilte Zahl von Zwischenträgern. Das ist ja gerade das Geheimnisvolle, Faszinierende des wirtschaftlichen Geschehens, daß der Einzelne nicht weiß, wo seine Arbeitsleistung, also die Ausstrahlung seiner Energie, sich auswirkt, d. h. wo sie in ein Sachgut eingeht und von diesem zurückstrahlt. Will man sich das in einem vielleicht etwas skurrilen aber anschaulichen Bild verdeutlichen, so wäre an den Verlauf eines Fußballspiels zu denken: dessen Sinn ist es, den Ball ins Tor zu schießen; um das zu erreichen, muß aber die über das Feld verteilte Mannschaft sich zunächst den Ball abseits des Tores von Mann zu Mann zuspielen, bis er an einen gelangt, der ihn durch das Tor schießt; dieser Torschuß kommt aber mittelbar der gesamten Mannschaft zugute. So spielt auch das wirtschaftliche Geschehen sich zu einem großen Teil abseits der Produktion und der Verteilung im technischen Sinne ab, aber dennoch gelangt die persönliche Energie auch der Menschen, die mit der Produktion und der Verteilung nicht unmittelbar zu tun haben, in die Sachgüter und von diesen an sie zurück. Das wirtschaftliche Geschehen vollzieht sich also in einer unbegrenzten Zahl von Vorgängen, bei denen Quanten der das Gesamtfeld erfüllenden Energie zwischen den arbeitsteilig tätigen Menschen und den von ihnen bearbeiteten Sachgütern hin- und herwandern. Die dadurch zwischen den Menschen und Sachgütern hergestellte energetisch-dynamische Einheit ist aber den Menschen und den Sachgütern nicht von Hause aus eigen. Sie gelangen zu dieser Einheit nur dadurch, daß der Mensch sie nach seinem Willen gestaltet. Fehlt es an diesem Willen oder der Möglichkeit, ihn zu verwirklichen, dann bleibt die energetische Wirkung aus. Der Mensch sieht sich daher vor die Aufgabe gestellt, die vom Gesamtfeld abgeleitete Energie so in einem Sachgut zur Wirkung zu bringen, daß er sie aus dem Sachgut zurückgewinnt.
§ 5 Kapital als wirtschaftliche Energie
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Damit haben wir das letzte der Elemente gefunden, die den Kapitalbegriff formen; denn wir sehen im Kapital die Energie, die von der Gesamtheit der arbeitsteilig tätigen Menschen und der Gesamtheit der von ihnen bearbeiteten Sachgüter getragen und vom Einzelnen in Quanten so zur Wirkung gebracht wird, daß sie der Gesamtheit der arbeitsteilig tätigen Menschen erhalten bleibt.
Zweiter Abschnitt
Erläuterung des neuen Kapitalbegriffs Wir finden bestätigt, daß Kapital das ist, als was wir es am Ende der Einführung definiert haben: die wirtschaftliche Energie der Menschen, d. h. die von ihnen in der vollkommen arbeitsteiligen Gesellschaft entfaltete Kraft, die sie permanent in Sachgütern konzentrieren und daraus zurückgewinnen müssen. Diese Begriffsmerkmale wollen wir nunmehr kommentieren und dabei zunächst außer Betracht lassen, daß die menschliche Arbeitskraft, um als Energie gelten zu können, meßbar sein muß und wir ihren Maßstab im Geld zu suchen haben. Ihm wenden wir uns im zweiten Hauptteil zu. § 6 Energialität des Kapitals
Kapital ist Energie. Der Oberbegriff des Energiebegriffs ist der Begriff der Kraft. Als solche ist Kapital etwas Unkörperhaftes, nur durch seine Wirkung Wahrnehmbares. Fehl gehen daher alle Versuche, die Kapital mit körperhaften Gegenständen identifizieren wollen, gleichviel ob man sich diese Gegenstände, insbesondere die Produktionsmittel, im Zustand der Ruhe (statisch) oder in ihrer wirtschaftlichen Funktion (dynamisch) vorstellt. Kapital ist daher nicht bloß ein anderer "Aspekt" der Sachgüter oder ein "Agens", d. h. eine Handlung des Menschen, die die Sachgüter in Bewegung versetzt; wenn sie nichts anderes als eine besondere Art der Betrachtung körperlicher Gegenstände oder ihrer Bewegung durch die Menschen wären, würde "Kapital" nur einen anderen Ausdruck für sie abgeben. Den Denkansatzpunkt des Kapitalbegriffs liefern aber nicht die (körperhaften) Sachgüter, sondern liefert Kraft, die zwar durch die Verbindung, die zwischen den Menschen und ihnen besteht, wahrnehmbar wird, die ihrem Wesen nach aber unkörperhaft ist. Der Begriff der Kraft ist aber auch nicht mehr als der Oberbegriff des Energiebegriffs und damit des Kapitalbegriffs. Man kann diesen daher
§ 6 Energialität des Kapitals
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nicht einfach mit jenem identifizieren, im Kapital also nichts als "Kraft" oder, was dann dasselbe bedeuten würde, "Macht" sehen, d. h. lediglich ein Mittel, das es dem Menschen erlaubt, die Sachgüter zu beherrschen und über sie mehr oder weniger willkürlich zu verfügen. Alle bisher (von Schumpeter, Brentano, Schmalenbach u. a.) unternommenen Versuche, den Kapitalbegriff aus dem Kraftbegriff abzuleiten, sind daran gescheitert, daß sie den Kraftbegriff nicht zum Energiebegriff fortzuentwickeln vermochten. Als Energie ist vielmehr Kapital eine Kraft, die ein Arbeitsvermögen besitzt. Darunter verstehen wir die meßbare Fähigkeit einer Kraft, den physikalischen Zustand eines stofflichen Körpers zu verändern. Der Kapitalbegriff ist daher ein Unterbegriff nicht nur des Kraftbegriffs, sondern auch des Arbeitsbegriffs. Daraus folgt, daß Kapital und Arbeit keine Gegensätze sind, sondern daß sie begrifflich zusammengehören. Kapital ist Arbeit, und zwar Arbeit einer ursprünglich an den Menschen gebundenen Kraft, also eine Arbeitsleistung des Menschen. Daß der Kapitalbegriff außer auf den Kraftbegriff auch auf den Begriff der Arbeit zurückgeht, gehört zum elementaren Wissen der Menschheit und findet wie alles elementare Wissen seinen beredten Ausdruck in einem geflügelten Wort. Man sagt: "Geld arbeitet", nicht etwa: "Der Mensch arbeitet mit Geld", sondern einfach: "Geld arbeitet"; man mißt also ihm, dem Geld, ein Arbeitsvermögen bei. Geld aber ist nur der Maßstab des Kapitals; also kann man ebensogut sagen - und auch das geschieht oft - "Kapital arbeitet". Freilich ist es im Grunde der Mensch, der arbeitet, Kapital und Geld erscheinen aber nicht als Objekte, sondern als Form seiner Arbeitsleistung. Im Kapital entfaltet sich die wirtschaftliche Arbeitskraft des Menschen. Sie ist scharf zu scheiden von der technischen. Diese meint man, wenn man dem Kapital eine der Arbeit entgegengesetzte Rolle beimißt. Ein gefährlicher Denkfehler! Denn Produktion und Verteilung haben eine technische und eine wirtschaftliche Seite. Zur Technik rechnet alles, was der Bearbeitung eines einzelnen Sachgutes durch einen einzelnen Menschen dient, also die Gewinnung der Rohstoffe, deren Verarbeitung zu einem neuen Sachgut (Haus, Maschine, Nahrungsmittel) und die Verteilung der hergestellten Sachgüter (ihre Lagerung, Beförderung, Auslieferung). Die technische Leistung erschöpft sich darin, einen physikalischen Geschehensablauf auszulösen. Sie unterliegt dem Kausalgesetz, d. h. sie setzt eine Ursache und erzielt eine Wirkung. Sie ist stets ein in sich abgeschlossener, sich von anderen streng abhebender Vorgang: einer bäckt Brot, ein anderer schlägt einen Nagel in die Wand, ein dritter repariert ein Auto. Ihr Gegenstand ist allemal ein einzelner stofflicher Körper. Die technischen Vorgänge münden nun aber in die wirtschaftlichen Vorgänge ein, sie werden von diesen überdeckt und absorbiert.
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1. 2. Abschn.: Erläuterung des neuen Kapitalbegriffs
Die Wirtschaft hat es nicht mit isolierten Leistungen einzelner Menschen zu tun. Wirtschaft ist auch nicht die bloße Summierung aller technischen Leistungen, die die einem Unternehmen oder einem Staat angehörigen Menschen vollbringen. Wirtschaft ist vielmehr die Einbeziehung der technischen Leistungen in das Ganze des Lebens aller arbeitsteilig tätigen Menschen. Da Leben aber Umsatz von Kraft in Stoff und Rückwandlung von Stoff in Kraft ist, bleibt die wirtschaftliche Leistung des Menschen nicht auf einen einzelnen stofflichen Körper, ein einzelnes Sachgut, auch nicht die Summe der einzelnen Sachgüter innerhalb eines Unternehmens oder innerhalb eines Staates beschränkt, sondern sie ist die Äußerung der Kraft, die sich in die Gesamtheit der Sachgüter umsetzt und von ihnen an die Gesamtheit der Menschen zurückgelangt. Diese Kraft aber ist das Kapital. Es stellt als drittes Essential des Wirtschaftens die energetische Verbindung zwischen den beiden anderen, den Menschen und den Sachgütern, her. Die "Arbeit" hat daneben als viertes keinen Platz. Sie ist implicite im Kapital enthalten; denn Kapital ist Energie, also eine Kraft, die ein Arbeitsvermögen, das wirtschaftliche Arbeitsvermögen, besizt. Arbeiten im wirtschaftlichen Sinne heißt Kapital bewegen, und umgekehrt bezeichnet Kapital eine bestimmte, die wirtschaftliche, Arbeitsleistung des Menschen.
Die Erscheinungsform des Kapitals als Energie, d. h. also als arbeitleistende Kraft, ist der Mensch nicht allein, er ist es vielmehr in seiner Verbindung mit den Sachgütern. Mit diesen bildet er eine durch das Arbeitsvermögen seiner Kraft vermittelte nicht - stoffliche Einheit. In dieser Einheit sind der Mensch und die Sachgüter gemeinsam die Träger der Energie. Soweit der Mensch sie trägt, ist es also seine, des Menschen, persönliche Energie. Von ihm her gesehen kann man daher sagen: Kapital ist der Mensch mit seiner von ihm und den Sachgütern gemeinsam getragenen Energie. Die Relation, in die der Mensch zu den Sachgütern tritt, ist eine innere, d. h. sie besteht zwischen den Energiezuständen, die der Mensch und die Sachgüter bilden, und sie wird dadurch hergestellt, daß Quanten der im Menschen konzentrierten Energie zu der in den Sachgütern konzentrierten hinüber- und von dieser wieder zurückwandern. Von den Sachgütern her gesehen ist Kapital persönliche Energie des Menschen, die in den Sachgütern ebenfalls als Energie zur Wirkung gelangt, und zwar in der Weise, daß die Sachgüter sie an den Menschen zurückgeben.
§ 7 Sozialität des Kapitals
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§ 7 Sozialität des Kapitals
Kapital ist die Energie der arbeitsteilig verbundenen Menschen. Der einzelne Mensch ist in dem durch sein Arbeitsvermögen zum einzelnen Sachgut hergestellten Verhältnis Träger von Kapital, aber er ist es nur als ein Glied der Gesamtheit aller arbeitsteilig tätigen Menschen in deren Verhältnis zur Gesamtheit der von ihnen bearbeiteten Sachgüter; denn im Zustand der vollkommenen Arbeitsteilung vollzieht die Bedarfsdeckung sich nicht unmittelbar, d. h. in einem einheitlichen, die Inbesitznahme und den Verzehr umfassenden Vorgang, sondern in der Weise, daß dem Verzehr eine unbegrenzte Zahl von Teilbedarfsdeckungsvorgängen vorgelagert ist, die sich ihrerseits in eine unbegrenzte Zahl von Teilverrichtungen aufgliedern. Die in diesen Teilbedarfsdeckungsvorgängen und Teilverrichtungen bewegte wirtschaftliche Energie äußert ihre Wirkung auf dem ihr zugehörigen Feld. Jedes dieser Felder existiert aber nur als ein Teil des Gesamtfeldes der Wirtschaft. Folglich ist das, was in jedem Teilbedarfsdeckungsvorgang und in jeder Teilverrichtung an Energie bewegt wird, jeweils nur ein Teil (Quant) des auf dem Gesamtfeld wirkenden Kapitals. Zu den Teilbedarfsdeckungsvorgängen und den Teilverrichtungen rechnet alles, was unmittelbar oder mittelbar der Produktion und der Verteilung der Sachgüter dient. Träger des Kapitals sind daher alle arbeitsteilig tätigen Menschen. Somit ist jede wirtschaftliche Betätigung Kapitalbewegung.
Es gibt keine Wirtschaft ohne Kapital. Man würde dessen Wesen völlig verkennen, wenn man in ihm eine Einrichtung erblicken wollte, die sich bei entsprechender Gestaltung der Gesellschaftsordnung entbehren ließe. Kapital ist vielmehr ein Essential des Wirtschaftens, weil Wirtschaften Energie bewegen heißt und die Energie, die beim Wirtschaften bewegt wird, eben das Kapital ist. Es ist daher falsch, dem Kapital Bedeutung nur für einen bestimmten Stil des Wirtschaftens beizumessen. Kapital ist vielmehr Essential jeden Stils des Wirtschaftens. Abwegig ist es auch, Kapital nur auf einzelne Gruppen (Klassen) wirtschaftender Menschen oder einen die Wirtschaft seiner Bürger lenkenden Staat zu beziehen. Es gibt kein "Privat"kapital und kein "Staats"kapital, sondern es gibt nur Kapital schlechthin als die auf dem Gesamtfeld wirkende wirtschaftliche Energie aller arbeitsteilig tätigen Menschen. Jeder von ihnen ist Träger des Kapitals, aber er ist es nur durch die Gemeinschaft, zu der er mit allen Menschen verbunden ist. Daher kann Kapital weder "privat", d. h. als eine an das Individuum geknüpfte Größe, etwa wie ein Glied eines einzelnen menschlichen Körpers, existieren, noch
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I. 2. Abschn.: Erläuterung des neuen Kapitalbegriffs
kann es auf den "Staat" bezogen werden; denn der gibt lediglich eine der Rechtsformen für die Gesellschaft ab, in der die Menschen leben. Kapital ist vielmehr nur in und mit der Gesellschaft gegeben, also ein soziales Phänomen, und zwar eines, das aus keiner wie immer gearteten Gesellschaftsordnung weggedacht werden kann. Auch die wirtschaftliche Betätigung, die sich abseits der Produktion und der Verteilung im technischen Sinne vollzieht, ist Kapitalbewegung, so die Betätigung kaufmännischer Angestellten, der Handelsvertreter, Vermittler, Beamten, Gelehrten, Künstler, Ärzte, Rechtsanwälte usw. Auch alle diese Menschen sind durch die Ausübung ihres Berufs Kapitalträger. Ihr Kreis ist weit größer als der der im engeren Sinne (technisch) Produzierenden und Verteilenden. Sie geben, indem sie Arbeit leisten, Quanten der in ihnen konzentrierten Energie über eine unbegrenzte Zahl von Zwischenträgern an die Sachgüter ab und empfangen sie ebenfalls über eine unbegrenzte Zahl von Zwischenträgern zurück; denn jede Arbeitsleistung, auch die rein geistige, verändert die Energiezustände, in denen der die Arbeit Leistende auf der einen und der das Arbeitsprodukt Empfangende auf der anderen Seite sich befindet. Demnach wandern auch hier Energiequanten hin und her. Jede wirtschaftliche Betätigung ist nur in Beziehung zu den Sachgütern denkbar. Da, wo sie nicht in unmittelbarer Berührung mit den Sachgütern ausgeübt wird, besteht auf jeden Fall ein gedachter Zusammenhang mit ihnen. Das ist nicht so unrealistisch, wie es scheinen möchte. Der Anblick eines öffentlichen Gebäudes läßt uns daran denken, daß es mit unseren Steuergeldern, also mit unserer Arbeitskraft, errichtet wurde. An gedachten Sachgütern arbeitet jeder, der, ohne unmittelbar ein Sachgut herzustellen oder zu handhaben, Arbeit leistet und dafür Geld empfängt, so auch jeder Beamte, jeder Künstler, jeder Gelehrte, wie überhaupt jeder rein geistig Tätige. Die energetische Verbindung zu den Sachgütern wird abseits der technischen Produktion und Verteilung, also auf dem Umweg über dieses Heer von Zwischenträgern hergestellt. Kapital ist als soziales Phänomen somit auch da gegeben, wo eine unmittelbare Beziehung zwischen den arbeitsteilig tätigen Menschen und den Sachgütern nicht besteht. Da im Zustand der vollkommenen Arbeitsteilung dem Verzehr eine unbegrenzte Zahl von Teilbedarfsdeckungsvorgängen vorgelagert ist, müssen die Quanten der wirtschaftlichen Energie, um über ihre Träger und Zwischenträger in die Sachgüter zu gelangen, eine Bewegung im Raum vollziehen, und dafür benötigen sie eine bestimmte Spanne Zeit. Mit dem Faktor Raum ist hier der Faktor Zeit notwendig, d. h. so gegeben, daß jener ohne diesen nicht vorstellbar ist.
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Das Verhältnis zwischen Raum und Zeit kann nämlich verschieden sein, je nachdem, ob Zeit ein für den Raum notwendiger Faktor ist oder nicht. Er ist es beispielsweise dann nicht, wenn es sich lediglich darum handelt, die Entfernung von dem festen Punkt X zum festen Punkt Y auf der Erdoberfläche zu bestimmen; denn das kann rein räumlich, d. h. so geschehen, daß zwischen den beiden Punkten eine Linie gezogen und gemessen wird, ohne daß dabei die Frage gestellt zu werden braucht, welche Zeit benötigt wird, um die Entfernung zwischen X und Y zu Fuß oder mit einem Zug oder einem Kraftwagen oder einem Flugzeug zu überbrücken. Erst wenn wir von dem einen zum andern Punkt gelangen wollen, taucht unabhängig davon die Frage nach der Zeit auf. Raum und Zeit werden hier also als selbständige Größen gedacht. In einem anderen Licht erscheint uns das Raum-Zeit-Verhältnis schon dann, wenn wir unsere überlegungen nicht bei den festen Punkten X und Y, sondern bei der Bewegung eines Punktes Zl ansetzen, nämlich dann, wenn wir uns mit diesem Punkt, etwa in einem Kraftwagen, fortbewegen und ihn auf einen anderen beweglichen Punkt Z2, etwa ein Flugzeug, beziehen. Hier entgehen wir nicht der Notwendigkeit, die Zeit in ein Verhältnis zum Raum zu bringen. Dieser Zwang wohnt aber nicht den Dingen selbst (den Punkten X, Y, Zl und Z2) inne, sondern tritt von außen an sie heran, so daß auch hier Raum und Zeit selbständige Größen bleiben. Gänzlich anders gestaltet sich aber das Raum-Zeit-Verhältnis in atomphysikalischer Sicht, also dann, wenn wir von der Masse-Energie-Gleichung ausgehen. Dann ist stoffliche Materie kein Sein, sondern ein Geschehen. Demzufolge ist jeder der Korpuskeln, aus denen ein Körper sich zusammensetzt, ein in kontinuierlicher Folge sich vollziehender Wechsel von Energiezuständen. Die Korpuskeln sind als geballte Energie in dem Körper, den sie bilden, sowohl räumlich - nebeneinander als auch zeitlich - hintereinander angeordnet. Man kann sie daher nicht bloß nach den herkömmlichen räumlichen Maßen - Länge, Breite, Höhe - bestimmen, sondern ist genötigt, als viertes Maß die Zeit hinzuzunehmen; denn die rein räumlichen Maße bezeichnen nur den Energiezustand, der in einem bestimmten Zeitpunkt besteht; sie grenzen lediglich den gegenwärtigen von den vergangenen und dem künftigen ab. Das, was uns als die räumliche Ausdehnung der Korpuskeln erscheint, ist atomphysikalisch nur ein Querschnitt des energetischen Geschehens, das sich in ihnen vollzieht. Die Zeit bildet daher einen Faktor des Raumes, sie tritt als vierte Dimension zu den herkömmlichen drei Dimensionen (Länge, Breite, Höhe) hinzu. Anders ausgedrückt: der Raum ist mit den drei Dimensionen Länge, Breite und Höhe in die Zeit als vierte hinein-
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1. 2. Abschn.: Erläuterung des neuen Kapitalbegriffs
gestellt, jede räumliche Größe bezeichnet nur einen Punkt in der ständigen Folge des Übergangs von einem Energiezustand in einen anderen. Das ist das, was man seit Einstein das Raum-Zeit-Kontinuum nennt. Man gelangt zu diesem Begriff schon, wenn man den Gedanken der speziellen Relativitätstheorie logisch fortentwickelt, also ohne den Umweg über die allgemeine Relativitätstheorie. Für den Kapitalbegriff ergibt sich daraus folgendes: Kapital ist zu Masse geballte Energie und als solche eine sich in Quanten durch den Raum über eine Vielzahl von Trägern hinweg bewegende Kraft. Sie tritt daher notwendig nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich in Erscheinung, auch hier bildet also die Zeit eine Dimension des Raumes, d. h. die Kapitalbewegung vollzieht sich in einem Raum-Zeit-Kontinuum. Die Sachgüter und die sie bearbeitenden Menschen sind in ihrer Körperhaftigkeit lediglich die räumliche Erschienungsform des Kapitals. Insbesondere darf man dieses nicht einfach mit den Sachgütern identifizieren, auch so nicht, wie Sombart das versucht hat, d. h. indem man sie als "Symbole" auffaßt, in die das lediglich durch seine Funktion bestimmbare Kapital sich einkleidet (investiert). Auch diese Vorstellung haftet an der stofflich-räumlichen Erscheinung der Sachgüter. Außerdem läßt sie den Menschen außer Betracht als denjenigen, der erst durch seine Arbeitsleistung stoffliche Körper zu "Sachgütern" gestaltet. Man darf, will man den Kapitalbegriff richtig verstehen, überhaupt nicht bei den Sachgütern, sondern man muß bei den Menschen ansetzen, d. h. nicht bei ihrer Körperhaftigkeit, sondern bei der Kraft, die sich an sie bindet und die sich den Sachgütern mitteilt. Was darunter zu verstehen ist, haben wir aufgezeigt: Zwischen den Menschen und den Sachgütern wird eine innere Relation hergestellt, und zwar dadurch, daß Energiequanten zwischen ihnen hin- und herwandern. Das ist ein Geschehen, das wie jedes Geschehen sich nicht nur im Raum, sondern auch in der Zeit vollzieht und das zu der räumlichen Erscheinungsform des Kapitals die zeitliche fügt. Die Träger des Kapitals, also die Menschen, in ihrer energetischen Verbindung mit den Sachgüte_rn sind daher nicht nur räumlich-nebeneinander, sondern zugleich auen zeitlich-hintereinander angeordnet. Das bedeutet, daß in jeder Kapitalbewegung Vergangenes und Zukünftiges zusammentreffen. Das Vergangene ist die Arbeit, die geleistet wurde, ehe das Kapital an seinen gegenwärtigen Träger gelangte; dieser leistet mit seiner eigenen Arbeit zugleich die Arbeit, die ungezählte Andere vor ihm geleistet haben. Das Zukünfige in der Bewegung des Kapitals ist die Arbeit, die ungezählte Andere nach dem gegenwärtigen Träger leisten werden und für die er durch seine Arbeit die Voraussetzung schafft. Auch in der Kapitalbewegung bezeichnet der einzelne Träger oder Zwischenträger in seiner unmittelbaren oder mittelbaren Verbindung mit den Sachgütern nur einen
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Punkt im ständigen Wechsel von Energiezuständen, also eine Größe, die in ein Raum-Zeit-Kontinuum eingeordnet ist. Das wirkt sich nach zwei Seiten hin aus. Im Raum-Zeit-Kontinuum erschenien uns die Sachgüter in ihrem jeweiligen Zustand nur als ein Punkt auf der Bahn, die die Quanten der wirtschaftlichen Energie zu durchlaufen haben. Zwar ist Kapital nur in der Verbindung mit ihnen denkbar, aber es greift doch räumlich über sie hinaus, weil es als Energie zeitlich schon gegeben ist, bevor, und noch gegeben ist, nachdem eine unmittelbare (technische) Verbindung mit ihnen hergestellt ist. In diesem Vor- und Nachstadium seiner Bewegung sprechen wir vom potentiellen Kapital im Gegensatz zum kinetischen, das den Punkt bezeichnet, in dem die Verbindung zwischen den Menschen und den Sachgütern technisch vollzogen ist. Allerdings sind diese Bezeichnungen ungenau; denn im Wortsinn bedeutet nur "kine" Bewegung, und bewegt wird ja auch das potentielle Kapital. Wir müssen diesen Schönheitsfehler aber hinnehmen; denn die Ausdrücke haben sich eingebürgert, und der Vorstellungsinhalt, der sich mit ihnen verbindet, entspricht durchaus dem hier gegebenen Sachverhalt: Kapital ist als Energie bereits als die bloße Möglichkeit, sich in einem Sachgut zu konzentrieren, gegeben (Potentialität), erst recht in seiner Fähigkeit, diese Konzentration zu verwirklichen (Kinetik). Das Volumen des potentiellen Kapitals innerhalb eines Teilfeldes der Wirtschaft muß in einem bestimmten Verhältnis zum Volumen des kinetischen Kapitals stehen. Davon hängt neben anderen Faktoren die Qualität der Wirtschaft auf diesem Teilfeld ab. Je größer das potentielle Kapital eines Teilfeldes ist, desto stärker ist die auf ihm erzielbare wirtschaftliche Wirkung. Jede wirtschaftliche Betätigung muß daher darauf gerichtet sein, das Volumen des potentiellen Kapitals zu vergrößern. Jeder Teilbedarfsdeckungsvorgang muß demzufolge, um wirtschaftlich wirksam zu sein, einen Oberschuß an potentiellem Kapital erbringen, d. h. es müssen Quanten der in einem Teilbedarfsdeckungsvorgang bewegten Energie gespeichert werden, um in einem späteren Teilbedarfsdeckungsvorgang eingesetzt zu werden. Mit dem Begriff des Kapitals ist somit auch der des Sparens gegeben, und zwar als die eine der beiden Seiten der Dimension-Zeit; denn die Ansammlung (Speicherung) potentiellen Kapitals ist die Frucht einer Wirtschaftsweise, die den Faktor Zeit einbezieht. "Sparen" ist also nicht, jedenfalls nicht ausschließlich, wie die herrschende Lehre annimmt, "Verzicht auf Konsum", sondern in erster Linie Verzicht auf sofortige Investition. Daß die Zeit in diesem Sinne einen Faktor für das Wirtschaften liefert, gehört dem elementaren Wissen der Menschheit an, und wiederum findet 10 Eckelt
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1. 2. Abschn.: Erläuterung des neuen Kapitalbegriffs
dieses Wissen seinen Ausdruck in einem geflügelten Wort: "Spare in der Zeit, so hast Du in der Not." Das will besagen, daß es ein Gebot qualifizierten Wirtschaftens ist, potentielles Kapital zu bilden, oder kürzer, wenn auch ungenau, aber in übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch: Kapital zu bilden. Der Faktor Zeit des Kapitals hat aber noch eine zweite Seite. Es ist dies das Tempo, in dem die Kapitalbewegung sich vollzieht. Auch von ihm hängt die Qualität der Wirtschaft ab. Je schneller das Kapital auf einem Teilfeld seine Träger durchläuft, desto stärker ist die mit ihm auf diesem Teilfeld erzielte wirtschaftliche Wirkung. Qualifiziertes Wirtschaften äußert sich daher auch in beschleunigter Kapitalbewegung; denn Beschleunigung der Kapitalbewegung bedeutet Beschleunigung der Bedarfsdeckung. Auch das gehört zum elementaren Wissen der Menschen und auch hier prägt dieses Wissen sich in einem geflügelten Wort aus: "Zeit ist Geld" - das will besagen, daß Kapital, gemessen an Geld, sich als Energie, die es ist, in dem Maße verstärkt, als es bewegt wird. Eine Beschleunigung der Kapitalbewegung, also eine Verstärkung der wirtschaftlichen Energie und damit eine Beschleunigung der Bedarfsdeckung beobachten wir daher überall da, wo Kapital eingesetzt wird, um Sachgüter früher herzustellen, als es ohne diesen Einsatz möglich wäre. Das kann sich auf zweifache Art äußern: entweder in einer Verkürzung des Zeitraums, innerhalb dessen eine bestimmte Kapitalmenge die bearbeiteten Sachgüter durchläuft, dem Kapitalumschlagt, oder in einer Vorverlegung des Zeitpunktes, in dem einem Teilfeld Kapital zugeführt wird, und das geschieht durch den Kapitalkredit. Insbesondere findet daher das Kreditwesen seine Erklärung in der Beschleunigung der Kapitalbewegung. Sie wirkt sich hier im kleinen - bei der Teilzahlungsfinanzierung - wie im großen - bei der Entwicklungshilfe für unterentwickelte Völker - aus. Qualifiziert ist die wirtschaftliche Betätigung erst dann, wenn sie den Menschen das, was sie zum Leben brauchen, zur richtigen Zeit zuführt, und das setzt ein bestimmtes Tempo der Kapitalbewegung voraus. Damit ist jetzt auch eine Frage beantwortet, die wir bei der Erörterung des Kraftwirkungsgesetzes bereits angeschnitten hatten, die Frage nach dem Tempo wirtschaftlicher Vorgänge. Wir haben jetzt erkannt, daß das Tempo des Wirtschaftsablaufs vom Tempo der Kapitalbewegung, d. h. von dem Grad der Schnelligkeit abhängt, mit der die Quanten der wirtschaftlichen Energie die Kette der Kapitalträger durchlaufen, um in die Sachgüter und wieder zurück zu den Menschen zu gelangen. 1
Kapitalumschlag ist der Vorgang, der sich in der Marx'schen Formel
G-W-G ausdrückt (Kraus, otto: Geld und Kredit, S. 129; siehe auch § 1
unserer Einführung, Text zu Anm. 31 - 33).
§8
Trans- und Retransmaterialisation des Kapitals
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Fassen wir zusammen: Wir sagten vorhin: es gibt keine Wirtschaft ohne Kapital. Jetzt müssen wir hinzufügen: es gibt keine qualifizierte Wirtschaft ohne Kapitalbildung und ohne Kapitalbeschleunigung. Wie das Kapital selbst, so sind auch Kapitalbildung und Kapitalbeschleunigung soziale Phänomene, d. h. nur erklärbar aus der Raum und Zeit umspannenden Gemeinschaft aller arbeitsteilig tätigen Menschen. Kapital bilden (sparen) und Kapital beschleunigen (durch Umschlag und Kreditgewährung) heißt stets Energie speichern und spenden, die von der Gesamtheit aller arbeitsteilig tätigen Menschen getragen wird, gleichviel ob es ein einzelner Mensch oder ein Staat ist, der durch Sparen, durch Kapitalumschlagen und Kreditgewährung die Bildung und Beschleunigung von Kapital praktiziert.
§ 8 Trans- und Retransmaterialisation des Kapitals
Kapital ist Energie, die in Sachgütern konzentriert und aus ihnen zurückgewonnen werden muß. Sachgüter sind in der Vorstellung der herkömmlichen (klassischen) Nationalökonomie das, was in der herkömmlichen (klassischen) Physik die Körper sind, d. h. eine gegen den sie umgebenden Raum abgegrenzte, sinnlicher Wahrnehmung zugängliche Ansammlung stofflicher Materie. Die Atomphysik hat uns aber die Augen dafür geöffnet, daß es außer der stofflichen Realität auch noch eine andere, die energetische, gibt. In ihr sind alle Körper Konzentrate von Energie, d. h. ein ständiger Wechsel von Energiezuständen. Das gilt auch für die Sachgüter. In seiner stofflichen Realität existiert jedes Sachgut als eine selbständige Größe; es tritt zu einer anderen selbständigen Größe, dem Menschen, in ein rein äußeres Verhältnis, und zwar als ein dem Willen des Menschen unterworfenes Stück der leblosen Natur; diese gestaltet der Mensch mit seiner durch die Technik ersetzten und vervielfältigten Kraft nach einem Plan, den er allein oder mit anderen Menschen zusammen oder den andere Menschen für ihn entwerfen; als das Produkt dieser Gestaltung verteilt er die Sachgüter unter seinesgleichen und deckt mit ihnen seinen und der Anderen Lebensbedarf. Also sind, nimmt man die Sachgüter in ihrer stofflichen Realität, Produktion und Verteilung rein technische Vorgänge; ist die Bedarfsdeckung lediglich der Zweck dieses technischen Geschehens. Wenn es sich nur darum handelte, jedem das Seine an Nahrung, Kleidung und Wohnung dadurch zu geben, daß die Natur nach dem Willen der 10"
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1. 2. Abschn.: Erläuterung des neuen Kapitalbegriffs
Menschen gestaltet wird, so ließe sich das allerdings durch ein bis ins Letzte entwickeltes System rein technischer Funktionen machen, etwa in der Art, in der die Soldaten eines Heeres oder die von einer Flutkatastrophe heimgesuchten Menschen mit dem versorgt werden, was sie zur Erhaltung ihres Lebens benötigen. In einem solchen System würden die Sachgüter einen Platz einnehmen, der ausschließlich durch ihre stoffliche Realität bestimmt ist. Die Wirtschaft hat aber ein ganz anderes Gesicht. Es tritt bei ihr etwas hinzu, was sich mit der Stofflichkeit der Sachgüter nicht erklären läßt: In die Produktion und die Verteilung schiebt sich ein Vorgang ein, der durch den Begriff "Erwerb" gekennzeichnet ist. Er ist damit allein, daß die Sachgüter hergestellt und verteilt werden, noch nicht gedeutet. Folglich ist er ein außer-technischer Vorgang. Er vollzieht sich in der Weise, daß das einzelne Sachgut zu einer "Ware" wird, für die man etwas anderes, "Geld" genannt, hergeben muß, um es zu "erwerben"; das Geld muß man wiederum "erwerben", indem man dafür Arbeit leistet. Diese Aneinanderreihung von Erwerbsvorgängen verbindet sich mit dem Ablauf der Produktion und der Verteilung, und erst aus dieser Verbindung erwächst das, was wir die "Wirtschaft" nennen. Die Erwerbsvorgänge sind also nicht, wie man häufig meint, nur das Charakteristikum einer besonderen Art von Wirtschaft, der "Erwerbswirtschaft" , der man die "Bedarfsdeckungswirtschaft" als eine andere Art von Wirtschaft, die ohne Erwerbsvorgänge auskäme, entgegenstellen könnte. Diese Unterscheidung verwechselt Technik mit Wirtschaft, und das rührt daher, daß es bis auf den heutigen Tag noch nicht gelungen ist, das Phänomen der Wirtschaft in seinem Kern zu erfassen, insbesondere den Sachverhalt aufzuhellen, der mit der Erscheinung des Geldes gegeben ist. Auch an dieser Stelle müssen wir es uns versagen, der Frage nach dem Wesen des Geldes nachzugehen. Das eine aber können und müssen wir hier feststellen: es führt keine gedankliche Brücke von der stofflichen Realität der Sachgüter zu den Erwerbsvorgängen und deren Symbol, dem Geld. Dieses nimmt sich in dem System der technischen Funktionen von Produktion und Verteilung als ein Fremdkörper aus. Von der Stofflichkeit der Sachgüter her gesehen, brauchte es, um den Lebensbedarf der Menschen zu decken, kein Geld zu geben. Gäbe es aber kein Geld, so gäbe es keine Wirtschaft; denn Wirtschaft ist ohne Kapital und Kapital ist ohne seinen Maßstab, das Geld, nicht denkbar. Da es aber Geld gibt, gibt es außer der Technik auch die Wirtschaft. Folglich muß es außer der stofflichen Realität der Sachgüter auch noch eine andere geben. Diese andere Realität ist die energetische. In ihr hat man sich die Sachgüter nicht in ihrer Körperhaftigkeit, sondern als Konzentrate von
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Energie vorzustellen, und zwar einer persönlichen, der wirtschaftlichen Energie des Menschen. Quanten dieser Energie verbinden sich mit Quanten von Energie, die bereits in stofflichen Körpern (in Rohstoffen, Halbfabrikaten, Maschinen, Werkzeugen usw.) konzentriert ist; aus dieser Verbindung erwächst als ein neues Konzentrat von Energie ein neues Sachgut. In ihm begegnet der Mensch mit seiner wirtschaftlichen Energie sich selbst; das Sachgut wird in energetischer Verbindung mit ihm zu einem Teil seiner selbst. Auf diese Weise ergreift er Besitz von ihm, "erwirbt" er es. Ein Sachgut erwerben heißt, sich mit ihm persönlichenergetisch verbinden. Hier ist die gedankliche Brücke, die von den technischen Vorgängen der Produktion und der Verteilung zum wirtschaftlichen Vorgang des Erwerbs führt. Es ist ein Strom von Quanten persönlicher Energie, der die Sachgüter gestaltend durchzieht, sie in kontinuierlicher Folge aus einem Energiezustand in einen anderen versetzt, und umgekehrt: die Sachgüter sind in ihrer jeweiligen Gestalt Erscheinungsformen einer ursprünglich vom Menschen allein getragenen Energie, durch den Erwerbsvorgang aber mit einbezogen in die Bahn, die die Quanten dieser Energie durchlaufen. Im Erwerbsvorgang vollzieht sich also das, was Heisenberg das "Hineinschlüpfen" von Energie in Elementarteilchen nennt. Das und nichts anderes meinen wir auch, wenn wir davon sprechen, daß Kapital in Sachgütern "investiert" wird. Was dabei vor sich geht, ahnte Sombart, wenn er davon sprach, daß Kapital sich in Sachgüter "einkleide" und daß diese seine "Symbole" seien. Er mußte aber offen lassen, was das "Kapital", das eine solche Wandlung durchmacht, denn nun selber eigentlich sei. Die Atomphysik hat uns den Schlüssel zur Beantwortung dieser letzten und entscheidenFrage an die Hand gegeben. Jetzt wissen wir: Kapital ist Energie, und die Sachgüter sind Konzentrate dieser Energie. A. Die Konzentration der wirtschaftlichen Energie in den Sachgütern
In der Einführung haben wir bereits dargelegt, daß die Konzentration wirtschaftlicher Energie sich in zwei Stufen, der feld internen und der feldexternen, vollzieht und daß die letztere durch den Erwerbsvorgang bezeichnet wird und in ihm das wirtschaftliche Geschehen kulminiert. Dabei haben wir aufgezeigt, daß der Erwerbsvorgang und das wirtschaftliche Geschehen nicht das sind, was die herrschende Volkswirtschaftslehre in ihnen sieht: ein "Tausch" von Gütern in einem sich ständig erneuernden "Kreislauf". Wir müssen uns jetzt noch etwas eingehender mit diesem Fragenkomplex befassen.
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I.
2. Abschn.: Erläuterung des neuen Kapitalbegriffs
1. In der auf Quesnay zurückgehenden Vorstellung der klassischen und der neoklassischen Nationalökonomie fügen alle wirtschaftlichen Handlungen der Menschen sich zu einem Kreislauf zusammen: es werden Güter produziert, die produzierten Güter werden gegen Geld eingetauscht, mit dem eingetauschten Geld werden neue Güter produziert. Dem Geld wird dabei selber der Charakter eines Gutes (Zwischengutes) beigelegt; nur diese Fiktion ermöglicht es überhaupt, das wirtschaftliche Geschehen von der Stofflichkeit der Sachgüter her zu erfassen und als einen Kreislauf von stofflichen Körpern auszugeben. Als ein Gut muß bei einem solchen Denken zwangsläufig auch die Arbeitskraft des Menschen angesprochen werden; denn sie bildet den Gegenstand wirtschaftlicher Handlungen da, wo nicht die Bearbeitung eines Sachgutes, sondern eine reine "Dienstleistung" in Rede steht. Die Behandlung, die auf diese Weise das Geld und die Arbeitskraft des Menschen in den Systemen der klassischen und der neoklassischen Nationalökonomie erfahren haben, ist ein gedanklicher Notbehelf, der eine Schwäche dieser Systeme offenbart. Das empfindet Adolj Weber, wenn er bekennt, daß der Austausch von Leistungen der Produktionselemente gegen Fertigprodukte durch die Einführung des Geldes zwar" technisch vereinfacht, aber für die wissenschaftliche Betrachtung kompliziert" werde; er versucht dieser Schwierigkeit dadurch Herr zu werden, daß er das Geld als "ein bloßes technisches Hilfsmittel für den Güteraustausch" ausgibt2 . Das ist es nun bestimmt nicht. Technische Hilfsmittel für den Güteraustausch sind Straßen, Schienen, Flüsse, Kanäle und Meere mit den auf ihnen betriebenen Fahrzeugen und Schiffen, aber niemals kann Geld technisch dazu dienen, den Güteraustausch zu vollziehen. Der Fehler liegt schon im Ansatzpunkt. Es stimmt nämlich gar nicht, daß die Güter und das Geld einen Kreislauf beschrieben - etwa so wie Figuren auf einer rotierenden Scheibe durch deren Drehung in ständiger Folge ihre Plätze vertauschen, auch nicht so, daß jeder von ihnen, also die Güter für sich und das Geld für sich, je einen Kreislauf in entgegengesetzten Richtungen vollführten3 • Die Güter kehren, in der Regel wenigstens, nicht an ihren Ausgangspunkt, d. h. zum Produzenten, zurück, sondern sie durchlaufen eine Kette von Menschen (anderen Produzenten und Verteilern), bis sie an den Verbraucher gelangen, um hier verzehrt oder sonst vernichtet zu werden. Auch das Geld kehrt in der Regel nicht an den zurück, der es als erster " ausgibt" , eine Notenbank oder einen Staat, sondern es durchmißt in einer nie abreißenden Kette eine unbegrenzte Zahl von Menschen ("Taler, Taler, du mußt wandern"); auch der 2 Weber, Adolf: Kurzgefaßte Volkswirtschaftslehre, S. 63; ders.: Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 445. 3 Wir haben uns mit der Kreislauf theorie eingehend in der Einführung (§ 1) befaßt.
§ 8 Trans- und Retransmaterialisation des Kapitals
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Einzelne erhält, wenn wir einmal von der Kreditgewährung absehen, das Geld, das er ausgegeben hat, in der Regel nicht zurück, sondern er muß neues Geld erwerben, um abermals Geld ausgeben zu können. Vor allem aber verträgt die Kreislauf theorie sich nicht mit einem Phänomen, das die heutige Nationalökonomie in besonderem Maße beschäftigt: dem Wachstum. Wäre die Wirtschaft nichts als ein ständiges Kreisen von Gütern und Geld, so könnte sie nicht wachsen; denn aus sich selbst heraus kann, wie wir an anderer Stelle bereits aufzeigten, kein stofflicher Körper wachsen; Wachstum ist stets die Wirkung einer Kraft, demnach ein außerstoffliches Geschehen, und da die Wirtschaft die Fähigkeit besitzt zu wachsen, kann ihr Wesen sich nicht in einem Kreislauf stofflicher Körper erschöpfen. Der Fehler der klassischen und neoklassischen Nationalökonomie erklärt sich daraus, daß deren Systeme den energetischen Zusammenhang nicht kannten, der zwischen den Größen Mensch, Sachgut, Geld und Arbeitskraft besteht. Faßt man ihn ins Auge, so lösen die Widersprüche sich auf; denn alle Größen werden auf die eine zurückgeführt: das Kapital, das als wirtschaftliche Energie ihnen allen innewohnt, und zwar so, daß diese Energie dem Menschen als seinem ursprünglichen Träger zugehört, ihn durch ihr Arbeitsvermögen mit den Sachgütern verbindet und in Geld meßbar wird. In diesem System wird nicht die Arbeitskraft zu einem Gut, sondern werden umgekehrt die Sachgüter ebenso zu Arbeitsleistungen, wie es die reinen Dienstleistungen sind, und auch das Geld wird nicht zu einem Gut, sondern es ist nichts als der Maßstab des Kapitals. Da vom Kapital her Sachgüter, Menschen und Geld nicht als stoffliche Körper existieren, kann man sie sich auch nicht als einen Kreislauf vollführend vorstellen und in ihm das wirtschaftliche Geschehen vermuten, vielmehr erscheinen im Kapital Sachgüter und Menschen als ein in ständiger Koinzidenz sich vollziehender Wechsel von Energiezuständen und das wirtschaftliche Geschehen als ein Geschehen auf einer Bahn, die geradlinig im Raum-Zeit-Kontinuum verläuft: indem Güter produziert werden, schlüpfen Quanten persönlicher Energie des Produzenten in die Sachgüter ein; indem die produzierten Güter vom Produzenten an einen Verteiler veräußert werden, wiederholt sich lediglich der Vorgang des Einschlüpfens von Energiequanten; nur sind es jetzt die Quanten der Energie des Erwerbers (Verteilers), die in die Sachgüter gelangen, während die des Veräußerers (Produzenten) aus ihrer Bindung an das veräußerte Sachgut frei werden und lediglich ihre Erscheinungsform verändern. Das Geld zeigt dabei nur an, daß eine solche Veränderung stattgefunden hat und wie sie zu bemessen ist. Dabei ist es gleichgültig, in welcher Rechtsform sich der Erwerbsvorgang abspielt; es kann ein Vertrag zwi-
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1. 2. Abschn.: Erläuterung des neuen Kapitalbegriffs
schen Privatpersonen mit einem ausgehandelten Preis sein oder ein Verwaltungsakt, bei dem der Preis lediglich als Verrechnungsmodus dient. Im Erwerbsvorgang treffen also die Quanten der Energie zweier Träger auf ihren Bahnen zusammen; beide setzen sie den Lauf auf ihnen, wenn auch in veränderten Erscheinungsformen, fort: die bisher potentieHe des Erwerbers als kinetische, die bisher kinetische des Veräußerers als potentieHe 4 • In der energetischen Realität ist daher der Erwerbsvorgang kein "Austausch" von Leistungen (von Gut gegen Geld), sondern die Zusammen führung der wirtschaftlichen Energie zweier Träger in einem Punkt, also eine Konzentration; denn darunter versteht man die Zusammenfassung von Kräften zu gezieltem Einsatz (siehe das Schaubild). Schaubild der Wirkungsweise wirtschaftlicher Energie
(Die Krümmung des Raumbildes deutet das Wachstum der Wirtschaft an)
/
P K
Tl T2 ----~ 4
/
/
potentielles Kapital kinetisches Kapital Teilfeld (Unternehmen) des Produzenten Teilfeld (Unternehmen) des Verteilers feldinterne Konzentration feldexterne Konzentration
Siehe hierzu und zum folgenden das Schaubild.
§
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Dazu ein Beispiel: Der Produzent P liefert dem Verteiler (Händler) V einen von ihm hergestellten Kraftwagen zu einem Preise von 10000 RE (= Rechnungseinheiten z. B. DM oder ffrcs oder fl). Er erhält von V eine Gutschrift über diesen Betrag; das mag, wenn es sich um selbständige Unternehmer handelt, durch Überweisung von Bank zu Bank, wenn es sich um unselbständige Betriebe, sei es eines Konzerns, sei es eines planwirtschaftlich gelenkten Staates handelt, lediglich durch korrespondierend-gleichlautende Verbuchung geschehen. Hier gibt P mit dem Kraftwagen ein Sachgut aus der Hand, ohne dafür ein anderes Sachgut zu empfangen. Die Sprache des täglichen Lebens würde daher einen solchen Vorgang niemals als "Tausch" bezeichnen; denn an diesen Ausdruck knüpft sich die Vorstellung, daß ein Sachgut gegen ein anderes hergegeben wird; man tauschte in den Zeiten der Geldentwertung so gut wie alles gegen alles; es gab dafür eigens eingerichtete "Zentralen"; niemand wäre aber auf den Gedanken verfallen, ein Sachgut gegen Geld zu "tauschen". In unlöslichem Widerspruch zu diesem der Natur der Sache gemäßen Sprachgebrauch und mit unl;>egreiflicher Hartnäckigkeit hält aber die herrschende Volkswirtschaftslehre an der Fiktion fest, daß auch der Verkauf oder die sonstige Abgabe eines Sachgutes gegen effektive oder bloß symbolisierte Zahlung eines Geldbetrages ein "Tausch" sei, und zwar indem sie dem Geld die Rolle eines "Zwischentauschmittels" beimißt. Sie sieht es so an, als suche P einen Partner, der ihm im Tausch gegen den Kraftwagen ein ganz bestimmtes, von ihm begehrtes Sachgut, etwa eine Möbelgarnitur, verschaffen könnte und als habe er sich, da er in V einen solchen Partner nicht fand, nolcns volens mit dem "Zwischengut", genannt "Geld", zufrieden gegeben. In Wahrheit ist es aber doch so, daß P, der vielleicht jeden Tag einen Kraftwagen für 10 000 RE verkauft, sich im Augenblick des Verkaufs gar keine Gedanken darüber macht, was er jeweils für die 10000 RE "eintauschen" könnte. Sein Bestreben ist vielmehr lediglich darauf gerichtet, die Kraftwagen umzusetzen. Mit dem Begriff des Umsatzes verbindet sich eine Vorstellung, die von der des Tausches grundverschieden ist. Sie hat es nur mit einem Gegenstand, der Tausch hingegen mit zwei Gegenständen zu tun. Im engeren Sinn bedeutet "umsetzen" die Verlagerung eines Gegenstandes, etwa einer Pflanze, von einer Stelle an eine andere. In übertragener Bedeutung ist "Umsatz" die Verwandlung eines Gegenstandes in einen anderen, wie sie sich etwa bei der Metamorphose eines Tieres vollzieht. Im wirtschaftlichen Sinne ist "Umsatz" die Verwandlung eines Sachguts in Geld. Wenn also P seine Kraftwagen "umsetzt", so heißt das, daß er sie in Geld verwandelt. Was er mit dem jeweils erlösten Betrag anfängt, behält er einer späteren Entschließung vor. Nur ganz selten wird er statt des Geldes ein Sachgut als Gegenwert
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1. 2. Abschn.: Erläuterung des neuen Kapitalbegriffs
annehmen, aber nicht einmal dann spricht man vOn einem "Tausch", sondern von einer "Kompensation", d. h. von zwei durch gegenseitige Aufrechnung geleisteten Zahlungen. Obwohl also der Verkauf oder die sonstige Abgabe gegen Geld die fast ausnahmslose Regel, der "Tausch" hingegen eine kaum nennenswerte Ausnahme bildet, orientiert die herrschende Volkswirtschaftslehre sich beharrlich immer nur an ihm. So wählt Adolt Weber, um den Unterschied zwischen Wirtschaft und Technik zu verdeutlichen, als Beispiel den Fall, daß jemand "Kartoffeln für sein überflüssiges Getreide eintauschen will "5. W ohlgemer kt: damit soll kein singulärer Vorgang geschildert, sondern ein Modell für das wirtschaftliche Geschehen in seinem Gegensatz zum technischen geliefert werden! Wann aber wird denn schon wirklich in dieser Weise "gewirtschaftet"? Das Modell des wirtschaftlichen Geschehens sieht ganz anders aus: es ist die Hergabe eines in Geld bemessenen Sachguts auf der einen und die Hergabe der gemessenen Summe Geldes auf der anderen Seite, also die Gleichzeitigkeit zweier Vorgänge, die durch das Geld miteinander in Verbindung gebracht werden. Seitdem wir wissen, daß Geld der Maßstab des Kapitals, Kapial aber Energie des Menschen ist, die - als potentielle die Fähigkeit besitzt, sich in Sachgütern niederzuschlagen und - als kinetische - diese Fähigkeit zu realisieren, können und müssen wir feststellen, daß hier nur ein reziproker Wechsel in der Erscheinungsform der Energie zweier Träger stattfindet; denn in beiden Vorgängen wird Kapital bewegt, und zwar in gleich großen Quanten, und dar an ändert sich auch nach dem Verkauf nichts. Bis zum Verkauf war P Träger der in einem Sachgut, dem Kraftwagen, konzentrierten Energie, also eines kinetischen Kapitals von 10000 RE, nach dem Verkauf ist er Träger eines potentiellen Kapitals von ebenfalls 10000 RE. Umgekehrt war V bis zum Verkauf Träger eines potentiellen Kapitals von 10000 RE und er wurde durch den Verkauf Träger eines kinetischen Kapitals von unverändert 10 000 RE. Die einzige Veränderung besteht in dem auf bei den Seiten eingetretenen Wechsel der Erscheinungsformen des Kapitals; aus dem kinetischen wurde potentielles und umgekehrt. Herbeigeführt hat diesen Wechsel die übergabe des Kraftwagens auf der einen und die überweisung der 10000 RE auf der anderen Seite. Da nUn aber sowohl der Kraftwagen als auch die 10000 RE gleich große Kapitalquanten bilden, ist, vom Kapital her gesehen, Gleiches gegen Gleiches ausgewechselt worden. Daran ändert sich auch dadurch nichts, daß es sich auf der einen Seite um kinetisches, auf der anderen um potentielles Kapital handelt; denn potentielles Kapital kann sich - das macht ja gerade sein Wesen aus - jeder5
Weber, Adolf: Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 5.
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zeit in kinetisches verwandeln, wie auch umgekehrt kinetisches Kapital jederzeit zu potentiellem werden kann. P kann die empfangenen 10000 RE jederzeit in einem Kraftwagen anlegen und V kann den gekauften Kraftwagen jederzeit wieder veräußern. Man kann daher auch nicht sagen, daß nur V auf P mit der überweisung der 10000 RE, nicht aber umgekehrt P auf V "Kaufkraft" übertragen habe; denn Kaufkraft birgt wie jedes Sachgut auch der von P verkaufte Kraftwagen in sich. Sie tritt allerdings nicht ohne weiteres, sondern nur dann in Erscheinung, wenn ein Sachgut zum Gegenstand einer Kreditgewährung wird. Wenn V kein Eigenkapital besaß, sondern den Ankauf durch eine Bank finanzieren ließ, so wurde die im Kraftwagen steckende Kaufkraft realisiert; er erwarb dann also sichtbar den Kraftwagen mit dessen eigener Kaufkraft. Aber auch wenn er den Erwerb ohne Inanspruchnahme eines Kredits durchführte, ist es doch ebenfalls Kaufkraft, die er mit dem Kraftwagen erlangt, also nichts anderes als das, was er mit den 10 000 RE hingibt. Die Erscheinungsform dieser Kaufkraft :;;teht lediglich in einem umgekehrten Verhältnis zur Erscheinungsform des bewegten Kapitals:
Kinetisches Kapital hat potentielle Kaufkraft, und umgekehrt:
Potentielles Kapital hat kinetische Kaufkraft. Aber Kapital ist Kapital, und Kaufkraft ist Kaufkraft. Es bleibt also dabei, daß beim Erwerbsvorgang Gleiches gegen Gleiches ausgewechselt wird. Ist das aber so, dann kann man ihn nicht als einen "Tausch" behandeln. Das ist er schon im Rechtssinne nicht. Noch weniger ist das bei wirtschaftlicher Betrachtung möglich, denn in der energetischen Realität, der die Wirtschaft zuzurechnen ist, sind Sachgüter und das, was sich hinter dem Geld verbirgt, ein und dasselbe, nämlich Kapital. Hier werden daher nicht zwei verschiedene Dinge, sondern es wird auf beiden Seiten in geradlinigen Bahnen ein und dasselbe, nämlich Kapital, bewegt, und der Erwerbsvorgang bezeichnet lediglich den Schnittpunkt der Bahnen, in dem die Quanten des Kapitals von zwei Trägern sich treffen. Auf diesen Schnittpunkt konzentriert sich die als Kapital gekennzeichnete Energie der beiden Träger, die des P und die des V. Aus dieser Konzentration erwächst die Veränderung der Erscheinungsform der beiden Energien, also die Verwandlung des kinetischen Kapitals in potentielles bei P und des potentiellen Kapitals in kinetisches bei V. Den im Erwerbsvorgang zusammentreffenden Energien gehören zwei verschiedene Teilfelder an; das des Veräußerers und das des Erwerbers. Diese beiden Teilfelder überschneiden sich im Erwerbsvorgang, ohne ineinander aufzugehen. Sie bleiben auch nach dem Erwerbsvorgang als ge-
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1. 2. Abschn.: Erläuterung des neuen Kapitalbegriffs
trennte Teilfelder bestehen, und auf ihnen verfolgen die Quanten der Energie der beiden Träger ihre Bahnen weiter, die des Erwerbers bleiben als Quanten kinetischer Energie an das Sachgut gebunden, die des Veräußerers streben als Quanten potentieller Energie der Bindung an ein anderes Sachgut zu. Hier verwandelt sich abermals potentielle Energie in kinetische, und dieser Vorgang wiederholt sich so lange, als der Träger dieser Energie dazu befähigt ist. Das wirtschaftliche Geschehen ist also ein ständiger Umsatz von potentieller in kinetische und von kinetischer in potentielle Energie auf einer Bahn, die in dem Teilfeld eines Trägers verläuft. Dieses Geschehen kulminiert jeweils im Erwerbsvorgang, d. h. in der Überschneidung mit der Bahn der Energie, die in dem Teilfeld eines anderen Trägers verläuft. Bei der Überschneidung wird die Energie der beiden Träger in einem Sachgut konzentriert. Was den Erwerbsvorgang und damit das wirtschaftliche Geschehen entscheidend charakterisiert, ist also nicht, daß zwei stoffliche Körper, Sachgut und Geld, ihre Standorte vertauschen, sondern daß eine Konzentration von Energie stattfindet. Das, was beim Erwerbsvorgang von den Teilfeldern des Veräußerers und des Erwerbers her in dem veräußerten Sachgut an Energie konzentriert wird, ist seinerseits das Ergebnis einer Konzentration von Energie, und zwar sowohl auf der Veräußerer- als auch auf der Erwerberseite. Der Kraftwagen, den P dem V für 10000 RE liefert, ist die Frucht der Arbeit einer Vielzahl von Menschen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen (1) den Menschen, die unmittelbar mit ihrer Arbeitskraft bei der Herstellung des Kraftwagens mitgewirkt haben, (2) den Menschen, die mittelbar durch ihre Arbeitskraft zu der Herstellung beigetragen haben. Zum Kreis der Letzteren gehören insbesondere alle, die die Produktionsmittel verfertigt haben, deren sich die unmittelbar bei der Herstellung Tätigen bedienen. Gäbe es keine Arbeitsteilung, so müßten die Arbeiter des P, bevor sie mit der Produktion des Kraftwagens beginnen, zunächst die Werkhallen errichten und die Maschinen konstruieren, in und mit denen sie die Fertigung betreiben. Diese Arbeit nehmen ihnen andere Menschen ab; sie arbeiten in Gestalt der Werkhallen, die sie errichtet und in Gestalt der Maschinen, die sie konstruiert haben, bei der Herstellung der Kraftwagen mit. Es verbindet sich also das Arbeitsvermögen der mittelbar an der Produktion Beteiligten mit dem Arbeitsvermögen der unmittelbar Tätigen zu einheitlicher Wirkung. Das bedeutet, daß die Energie zweier Gruppen von Trägern zu gezieltem Einsatz
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Trans- und Retransmaterialisation des Kapitals
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zusammengefaßt, also konzentriert wird. Erst mit dieser Konzentration ist Kapital gegeben. Das bedarf jedoch einer sehr sorgfältigen Analyse. Kapital ist, wie wir aufzeigten, persönliche Energie von Menschen, die arbeitsteilig ein wirkliches oder ein nur gedachtes Sachgut bearbeiten. Vorausgesetzt wird also stets, daß mindestens ein Mensch da ist, der ein Sachgut wirklich oder nur gedacht bearbeitet. Er ist der ursprüngliche Träger des zur Entfaltung gelangenden Kapitals. Ist eine Mehrheit von Menschen zu einer Werksgemeinschaft (Betrieb) zusammengeschlossen, so sind diese Menschen in ihrer Verbundenheit die ursprünglichen Träger des Kapitals. Also kann dieses, ohne daß Menschen ein Sachgut wirklich oder gedacht in Bearbeitung nehmen, nicht entstehen. In dem gewählten Beispiel ist das P mit seinen Angestellten und Arbeitern. Die Produktionsmittel (Maschinen usw.), deren diese Menschen sich bei der Bearbeitung des Sachguts (Kraftwagens) bedienen, sind ihrerseits das Ergebnis einer Arbeitsleistung, demzufolge einer Entfaltung persönlicher Energie, also sind auch sie Kapital. Das bleiben sie nach ihrer Herstellung aber nur dann, wenn die Menschen, für die sie hergestellt wurden, sich ihrer bedienen, d. h. mit ihnen und durch sie Arbeit leisten; denn nur dann gelangt mit der persönlichen Energie der ein Sachgut (Kraftwagen) bearbeitenden Menschen auch die persönliche Energie der Hersteller der Produktionsmittel (Maschinen) in das Sachgut (den Kraftwagen). 2. Wie verhält es sich nun mit dem Geld, für das die Produktionsmittel angeschafft wurden? Hier stellt sich wiederum die Frage nach dessen Wesen, diesmal aber in einer neuen Variante, nämlich nicht bloß dahin, ob die "Geldzeichen" (Banknoten, Münzen, Schecks usw.), die für die Produktionsmittel hingegeben wurden, lediglich als Mittel des Austauschs von Sachgütern, als "Zwischengüter" , dienen, oder ob sich hinter ihnen noch etwas anderes verbirgt und ob dieses Andere Energie ist, so daß auch sie als "Kapital" anzusprechen sind, sondern jetzt auch noch dahin, ob die Geldzeichen Kapital nur sein können, wenn sie an Menschen gelangen, die sie in Sachgüter umsetzen. Das mag spitzfindig erscheinen. Hier steckt aber ein Problem, das sowohl wissenschaftlich als auch praktisch-politisch von außerordentlicher Bedeutung ist. Adolf Weber hat sich mit ihm auseinandergesetz. Er neigt dazu, den "Geldzeichen" Kapitaleigenschaft nur dann beizumessen, wenn sie sich in Sachgüter umsetzen. Er meint, daß "der bloße Konsumverzicht in Verbindung mit der Anhäufung von Kaufkraft in Form von Geldzeichen" noch kein Kapital bilde, daß dazu vielmehr "noch das Investieren, d. h. das produktive Anlegen in der Wirtschaft"6 treten 6
Kurzgefaßte Volkswirtschaftslehre, S. 62, 65.
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müsse, und zwar durch "Kombination der drei Produktionselemente in Kapitalgüter", d. h. durch die Verbindung der "Geldzeichen" mit der Arbeitskraft der Produzierenden und den von ihnen bearbeiteten Sachgütern. Das bezieht sich jedoch nur auf das kinetische Kapital, d. h. auf das Kapital, das sich bildet, wenn die Sachgüter wirklich in Bearbeitung genommen werden, also auf die Energie, die sich in ihnen niederschlägt. Bevor das geschieht, kann aber bereits potentielles Kapital gegeben sein, und zwar in Gestalt der "Geldzeichen". Auch Adolf Weber spricht davon, daß in einem ersten Stadium der Kapitalbildung bereits "Geldkapital" vorhanden sei. Wir vermeiden diesen Ausdruck. Er ist irreführend, da er das Geld als eine Art des Kapitals ausgibt. Das ist es aber nicht, sondern es ist sein Maßstab, und zwar auch für das, was Weber und mit ihm die herrschende Lehre als das Gegenstück des "Geldkapitals" bezeichnet, das sogenannte "Sachkapital". Der Natur der Sache entspricht es besser, zwischen kinetischem und potentiellem Kapital zu unterscheiden und dabei in den Begriff des potentiellen Kapitals alles einzubeziehen, was an wirtschaftlicher Energie noch nicht oder nicht mehr in Sachgütern gebunden ist. Der Begriff des potentiellen Kapitals ist also weiter als der des sogenannten "Geldkapitals"; er umfaßt außer den "Geldzeichen", auch die Werte, die keine Sachgüter sind, dennoch aber Geldwert haben, insbesondere die Effekten, Wechsel und Schuldscheine. Daß auch und gerade das potentielle Kapital echtes Kapital ist, kommt in dem allgemeinen Sprachgebrauch zum Ausdruck. Eröffnet jemand ein Unternehmen, so gilt als "Kapital" namentlich das, was er an "Geldzeichen" einbringt, unabhängig davon, ob schon Menschen vorhanden sind, die mit den dafür anzuschaffenden Produktionsmitteln Arbeit leisten. Allerdings muß die Möglichkeit, daß das geschieht, gegeben sein. Ist das nicht der Fall, kann sich also das Geld nicht zu kinetischem Kapital entfalten, so kann man auch nicht von potentiellem Kapital sprechen, jedenfalls nicht in bezug auf das Unternehmen, für das es bestimmt war. Es ist dann - auch hier trifft der Sprachgebrauch das Richtige - "totes", d. h. nicht existentes Kapital. Wie jedes Kapital, so ist auch das potentielle Kapital Energie, also etwas durchaus Unkörperhaftes. Man muß sich daher von der Vorstellung lösen, daß es sich bei dem sog. "Geldkapital" um einen "Fonds von Gütern"7 handle, die man wie einen Vorrat an Lebensmitteln ansammeln und bis zu dem Zeitpunkt, in dem man sie braucht, ungenutzt aufbewahren könnte. Als Energie ist das potentielle Kapital vielmehr ein Arbeitsvermögen, d. h. eine Kraft, die die Fähigkeit besitzt, den physikalischen Zustand eines stofflichen Körpers zu verändern. 7
Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 5.191.
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Daß das potentielle Kapital (das sog. "Geldkapital") mit dem Begriff der Arbeit zusammenhängt, verkennt auch die herrschende Volkswirtschaftslehre nicht. Nur macht sie eine Einschränkung, die der Sache nicht gerecht wird. "Geldkapital" soll - nach der Formulierung Adolf Webers - "vorgetane Arbeit"8, also ein Vorgang sein, der in der Vergangenheit liegt. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. In der Vergangenheit liegt nämlich lediglich die Quelle der im potentiellen Kapital wirkenden Energie. Von ihr strahlt diese aber in die Gegenwart aus. Ihre Quanten durchmessen das Raum-Zeit-Kontinuum so, daß sie aus der Vergangenheit in die Gegenwart wirken. Es liegt hier der gleiche Sachverhalt vor, wie er bei der Strahlung des Lichts der Sterne gegeben ist: wir empfangen in der Gegenwart Quanten des Lichts, die die Sterne in der Vergangenheit ausgestrahlt haben. Die Arbeit, die hier geleistet wird, besteht darin, daß Quanten der dabei entfalteten Energie durch die bearbeiteten Sachgüter hindurch in andere Sachgüter gelangen. Sie sind ein tJberschuß der in den ersteren konzentrierten Energie, ganz wörtlich genommen: sie schießen über jene Sachgüter hinaus, um sich in anderen Sachgütern zu konzentrieren. Das "Vortun" der Arbeit bezeichnet die Raum-Zeit-Spanne, in der der Durchgang der Energiequanten durch jene ersten Sachgüter stattfindet. Indem potentielles Kapital zur Entfaltung gelangt, leisten also die gleichen Menschen, aus deren Arbeit es erwachsen ist, abermals Arbeit. Das tritt sinnfällig in Erscheinung, wenn es ein Einzelner ist, der mit den Erträgen früher geleisteter Arbeit erneut Arbeit leistet. Der Handwerksmeister, der mit 1000 RE, die er erspart und in seiner Kassette aufbewahrt hat, ein neues Gerät anschafft, setzt mit diesem die früher geleistete Arbeit fort; diese steckt jetzt in dem neuen Gerät. Ist es nicht ein Einzelner, sondern eine unbegrenzte Zahl von Menschen, die Arbeit "vorgetan" haben, z. B. die Arbeiter und Angestellten eines von P betriebenen Reifenwerkes, mit dessen Gewinnen er seine Kraftwagenfabrik ausstattet, so ändert sich im Grunde nichts: Diese Menschen leisten mit der von ihnen "vorgetanen Arbeit", dem daraus erwachsenden potentiellen Kapital, nochmals Arbeit; nur treten sie bei dieser abermaligen Arbeitsleistung nicht mehr in Erscheinung. Hier greift aber noch ein Vorgang ein, der für die Erkenntnis des potentiellen Kapitals von größter Bedeutung ist, ja der erst eigentlich sein Wesen ausmacht. Er ist dadurch charakterisiert, daß es "Geldzeichen" sind, in denen sich der Regel nach das potentielle Kapital ausdrückt. Das bedeutet, daß in 8
Kurzgefaßte Volkswirtschaftslehre, S. 61.
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1. 2. Abschn.: Erläuterung des neuen Kapitalbegriffs
die Strahlung des potentiellen Kapitals die Institute einbezogen werden, die die "Geldzeichen" schaffen und die dadurch erst die Strahlung ermöglichen: die Banken. Ohne deren Funktion läßt sich das Phänomen des potentiellen Kapitals überhaupt nicht denken. P hat ja, um bei unserem Beispiel zu bleiben, die von ihm im Reifenwerk erzielten Gewinne nicht wie der Handwerker in einer Kassette aufbewahrt, sondern in einem Konto bei seiner Bank angelegt. Dadurch wird die Bank zum Mitträger des in dem Konto steckenden Kapitals, und es bedarf ihrer, wenn auch nur passiven Mitwirkung, wenn P über dieses Konto verfügen will, um seine Autofabrik einzurichten. Aber nicht nur das. Solange P über das Konto noch nicht verfügt hat, "arbeitet" die Bank mit dem in ihm gebundenen Kapital. Das bedeutet, daß sie bereits die von P und seinen Leuten "vorgetane" Arbeit zu gegenwärtiger Wirkung bringt, noch bevor P das tut. Es bedeutet weiter, daß es jetzt nicht mehr bloß die Arbeit des P und seiner Leute ist, die sich in erneuter Arbeit fortsetzt, sondern auch die aller Menschen, die irgendwie in den Strahlungsbereich des von ihm und der Bank gemeinsam getragenen potentiellen Kapitals gelangt sind, und das sind alle im Zeitraum der Strahlung auf der Erde arbeitsteilig tätigen Menschen; denn die Banken und die von ihnen geschaffenen "Geldzeichen" sind zu einem geschlossenen, die ganze Erde umfassenden System vereint, so daß jede Verfügung über ein einzelnes Konto eine Verfügung über einen Teil des gesamten in diesem System gebundenen potentiellen Kapitals ist.
3. Die Banken bilden innerhalb des Gesamtfeldes der Wirtschaft ein System von Teilfeldern, auf denen alles in der Wirtschaft der Welt vorhandene potentielle Kapital wirkt, und damit wird es jetzt völlig klar: Das potentielle Kapital ist kein "Fonds von Gütern", sondern eine Zusammenballung, eine "Akkumulation" ungeheurer Energiemengen in einem die ganze Welt umfassenden System von Teilfeldern; dieses System gleicht einem Spiegel, in dem das gesamte wirtschaftliche Weltgeschehen sichtbar wird; denn "wirtschaftliches Geschehen" heißt, daß sich in ununterbrochener Folge potentielles Kapital in kinetisches verwandelt und kinetisches in potentielles zurückverwandelt, daß jeder Einheit potentiellen Kapitals eine Einheit kinetischen Kapitals, der Gesamtheit aller "Geldzeichen" somit die Gesamtheit aller Sachgüter der Welt entspricht, so daß jede Veränderung, denen die Sachgüter unterworfen werden, sich in diesem, alles potentielle Kapital umfassenden System von Teilfeldern niederschlägt. Die bloße Existenz dieses Systems von Teilfeldern hat noch eine weitere bemerkenswerte Wirkung: sie ermöglicht es, potentielles Kapital zu bilden, ohne daß Arbeit "vorgetan" worden wäre. Das geschieht im Wege der
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sog. "Geldschöpjung", d. h. Einräumung eines Kredits durch eine Bank. Praktisch spielt sich das in der Weise ab, daß die Bank ihrem Kunden ein Konto einrichtet, über das dieser bis zu einer bestimmten Höhe durch Übertragung auf Konten anderer Personen verfügen kann. Hier sind also, anders als in dem bisher angenommenen Fall, der Bank von ihren Kunden keine Mittel zugeflossen, die aus dessen "vorgetaner Arbeit" herrührten. Man kann auch nicht sagen, daß es Mittel seien, die der "vorgetanen Arbeit" anderer Kunden der Bank entstammten; denn das Kreditvolumen einer Bank ist in der Regel höher als ihr Depositenvolumen, so daß sie mit der Gewährung jedes Kredits stets "Geld schöpft"9. Reichen ihre eigenen Mittel nicht aus, so "refinanziert" sie den nachgesuchten Kredit bei anderen Banken oder bei der Zentralnotenbank ihres Staates, die ihrerseits mit den Zentralbanken und Geschäftsbanken aller anderen Staaten unseres Planeten verknüpft ist, so daß letztendlich jede "Geldschöpfung" als ein monetärer Vorgang die Gesamtheit aller wirtschaftenden Menschen berührt. Wir werden uns mit diesen Zusammenhängen in dem Abschnitt über die außenwirtschaftlichen Leistungen noch näher befassen und dabei erfahren, daß das heutige Weltwährungssystem sich nicht mehr ausschließlich auf die "ersparten" Reserven stützt, die das Gold repräsentiert, sondern auch und in steigendem Maße auf die "geschöpften", die in der vorausberechneten Leistungsfähigkeit der Länder und ihrer Einwohner liegen. Für das hier behandelte Thema folgt daraus, daß die bankkreditäre "Geldschöpfung" ein Schöpfen aus der meßbaren Arbeitskraft der Gesamtheit aller arbeitsteilig tätigen Menschen, also wirtschaftliche Energie, also Kapital, und zwar potentielles Kapital, ist. Vom "ersparten" Kapital unterscheidet das "geschöpfte" sich lediglich dadurch, daß es in seinem "Schöpfer" seinen ersten Träger hat, erst mit ihm und durch ihn seine Erscheinungsform erhält, während das "ersparte" schon vorhanden ist und nur seinen Träger wechselt. Wir können daher zwischen und unterscheiden.
ursprünglich-potentiellem Kapital abgeleitet-potentiellem Kapital
Allerdings gehen beide Formen so ineinander über wie Tag und Nacht in den Gebieten der Mitternachtssonne. Innerhalb des von einer Bank gewährten Kredits läßt die Grenze zwischen "geschöpftem" und "erspartem" Kapital sich nicht ausmachen. Das nimmt der von uns vorgenommenen Unterscheidung aber nicht ihre Bedeutung. Sie liegt in der Rolle, die 9 Bis zu welchem Grade dies geschehen kann, richtet sich nach dem "Geldschöpfungskoeffizienten" (Stucken, Rudolf: Deutsche Geld- und Kreditpolitik
1914 - 1963, S. 311 ff.). 11 Eckelt
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I. 2. Abschn.: Erläuterung des neuen Kapitalbegriffs
das ursprünglich-potentielle Kapital (die "Geldschöpfung") als ein Volumen wirtschaftlicher Energie spielt, das insoweit zur Entfaltung gebracht wird, als das Volumen abgeleitet-potentiellen Kapitals (das "Sparkapital") nicht ausreicht, um das Wirtschaftsleben in Gang zu halten, d. h. allen Menschen eine arbeitsteilige Betätigung zu bieten. "Vollbeschäftigung" ist daher nur durch "Geldschöpfung" , also durch Bildung ursprünglich-potentiellen Kapitals, zu erreichen. Das potentielle Kapital, das ursprüngliche sowohl wie das abgeleitete, existiert aber lediglich als eine Vorstufe des kinetischen. In diese muß es sich, um endgültig Kapital zu werden, umwandeln. Dieser Umwandlungsprozeß steht im Mittelpunkt des wirtschaftlichen Geschehens. Er vollzieht sich überall, wo gewirtschaftet wird, gleichviel, ob es wirkliche oder nur gedachte Sachgüter sind, die vom arbeitsteilig tätigen Menschen bearbeitet werden. Wahrnehmbar wird der Umwandlungsprozeß dann, wenn mit "Geldzeichen", gesparten sowohl wie geschöpften, Sachgüter erworben werden, sei es - als Rohstoffe - zum Zwecke weiterer Bearbeitung, sei es - als Fertigwaren - zum Zwecke der Verteilung, sei es - als Produktionsmittel - zum Zwecke der Herstellung oder Verteilung anderer Sachgüter. Jede dieser Umwandlungen potentiellen Kapitals in kinetisches geschieht durch eine Arbeitleistung der jeweils tätigen Menschen. Deren persönliche Energie verbindet sich dabei mit der persönlichen Energie, die im potentiellen Kapital steckt, zu einheitlicher Wirkung; erst aus dieser Verbindung erwächst das kinetische Kapital, und da Kapital sich erst im Zustand der Kinetik vollendet, kann man sagen, daß sich im Kapital zwei Ströme von Energie bewegen, der eine in einem unbegrenzten Kreis unbekannter Menschen, der andere in einem begrenzten Kreis bekannter Menschen; letzteres sind die Menschen, die sichtbar mit ihrer physischen und geistigen Kraft ein bestimmtes oder ein nur gedachtes Sachgut bearbeiten, ersteres die Menschen, die mit ihrer Kraft in Gestalt von "Geldzeichen" oder dafür angeschafften "Produktionsmitteln" unsichtbar mitarbeiten. Es ist der große und verhängnisvolle Irrtum des vorigen und dieses Jahrhunderts, "Kapital" und "Arbeit" als zwei wesensverschiedene Produktionselemente anzusprechen. Kapital ist als Energie Arbeit, und Arbeit ist als Energie Kapital. Im Begriff der Energie gehen die beiden scheinbar gegensätzlichen Begriffe auf. Es sind zwei Ströme der gleichen Energie, die im Kapital fließen. Sie unterscheiden sich lediglich hinsichtlich ihrer Warhnehmbarkeit; die Unsichtbarkeit des einen hat dazu geführt, dem Kapital im ganzen Anonymität beizulegen; das trifft aber nur für den einen der beiden Ströme zu.
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Allerdings ist er der bei weitem stärkste; denn das, was bei der Bearbeitung der Sachgüter an physischer oder geistiger Kraft zum Einsatz gelangt, ist ein Schatten, gemessen an dem, was an Energie in den "Geldzeichen" und "Produktionsmitteln" steckt. Der Arbeiter, der dazu angelernt wird, einen Trecker zu fahren oder einen Kran zu bedienen, und der Angestellte, der eine elektronische Buchungsmaschine handhabt, sie alle leisten nur einen winzigen Bruchteil der Arbeit, die Andere "vorgetan" haben und in Gestalt dieser Maschinen noch gegenwärtig tun. Dennoch aber kann aus der Arbeit dieser Anonymen Kapital nicht erwachsen, ohne daß mit ihrem Namen bekannte Menschen ein bestimmtes Sachgut in concreto bearbeiten, ohne daß also diese bei den Ströme von Energie in einem Punkt, dem Sachgut, zusammentreffen. Es bestätigt sich daher, daß Kapital eine Konzentration von Energie ist, die von zwei Gruppen von Trägern herrührt: die Energie der einen Gruppe wird als "potentielles Kapital" mit der Energie der anderen, der Leistung der jeweils konkret tätigen Menschen, zu gezielt em Einsatz in einem Sachgut gebracht. Erst diese Konzentration von Energie erlaubt es, überhaupt von "Kapital" zu sprechen. Ohne sie ist weder das kinetische noch dessen Vorstufe, das potentielle Kapital, denkbar. 4. Der raum-zeitliche Rahmen, in dem die Konzentration der wirtschaftlichen Energie sich vollzieht und als "Kapital" wirksam wird, ist das Teilfeld. Es ist unabhängig von jeder Organisationsform der Wirtschaft überall gegeben, wo wirtschaftliche Energie konzentriert wird. In der Regel nimmt es die Gestalt eines Unternehmens an. Es kann aber auch mehrere Wirtschaftsorganisationen durchschneiden. Das ist z. B. der Fall, wenn selbständige Unternehmen sich auf einem wirtschaftlichen Teilgebiet zusammenschließen, sei es für eine zeitlich begrenzte Aufgabe, etwa ein Bauvorhaben (hier spricht man von "Arbeitsgemeinschaften"), sei es für die Dauer, etwa für den gemeinschaftlichen Export. Innerhalb einer Wirtschaftsorganisation können mehrere Teilfelder bestehen, so wenn ein komplexes Unternehmen (Konzern) in einzelne Teil-(Tochter-)unternehmen aufgegliedert wird. Auch ein planwirtschaftender Staat muß Organisationen schaffen, die Teilfelder sind. Ob ein Teilfeld gegeben ist, hängt ausschließlich davon ab, ob es möglich ist, die wirtschaftliche Energie einer Mehrzahl von Trägern zu einheitlichem Einsatz zu bringen. Jede wirtschaftliche Überlegung hat daher nicht bei der Frage nach der Rechtsform der Wirtschaftsorganisation, sondern bei der Frage nach der Bestimmung des Teilfeldes anzusetzen. Von deren richtiger Beantwortung hängt die Qualität des Wirtschaftens ab. Ein Gebot qualifizierten Wirtschaftens ist es daher, optimale Teilfelder zu bilden.
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1. 2. Abschn.: Erläuterung des neuen Kapitalbegriffs
Optimal ist ein Teilfeld, wenn es so gestaltet ist, daß die auf ihm zum Einsatz gelangende Energie optimal bewegt wird, und das hängt von den Eigenschaften der Menschen und der Sachgüter, die dem Teilfeld zugehören, sowie von dessen räumlicher und zeitlicher Gestaltung ab, also einerseits von der Eignung der Menschen für die Bearbeitung der Sachgüter, andererseits von der Eignung der Sachgüter für die Bedarfsdeckung und schließlich von der Art, in der Menschen und Sachgüter räumlich und zeitlich angeordnet werden. Es kommt darauf an, die richtigen Menschen mit den richtigen Sachgütern im richtigen Raum und zur richtigen Zeit zusammenzubringen. Der hier entwickelte Begriff der Konzentration weicht von dem sonst gebräuchlichen ab. Man versteht darunter herkömmlich die Zusammenfassung mehrerer Betriebe oder Unternehmungen zu einem Großbetrieb oder einem Großunternehmen und die dadurch bedingte Anhäufung von Kapital in der Hand weniger Träger. Diese Betrachtungsweise stellt es auf die Rechtsform der Wirtschaftsorganisationen ab. Geht man aber nicht von den rechtlichen Organisationsformen aus, in denen sich das Wirtschaftsleben abspielt, sondern faßt man das wirtschaftliche Geschehen, also nicht die Form, sondern die Sache selbst ins Auge, d. h. erkennt man Kapital als Energie, die Wirtschaft als das dieser Energie zugehörige Feld, die Menschen und die Sachgüter als ihre Träger, dann ist Konzentration jede Verbindung mehrerer Träger zu einheitlichem Einsatz, gleichviel in welcher Organisationsform sie sich abspielt. Ein Teilfeld kann optimal sein, wenn es für sich allein, etwa als ein Einzelunternehmen der Industrie, des Handwerks oder des Handels oder als ein selbstverantwortlich wirtschaftender Betrieb des Staates besteht. Ein anderes Teilfeld kann erst dadurch zu einem optimalen werden, daß es mit anderen in einer sie umfassenden Wirtschaftsorganisation, einem Konzern oder einem Kartell oder einem Kombinat, verbunden wird; seinen Charakter als Teilfeld berührt das aber nicht. Man darf, wenn man von "Konzentration" spricht, nicht an die organisatorische Verflechtung von Unternehmen denken und den Blick auf deren Spitze (die "Konzernspitze") richten, sondern muß gerade umgekehrt nach unten blicken. Was sich auf der Unterstufe aller Wirtschaftsorganisitionen, im engen Bereich des Teilfeldes, abspielt, ist das wirtschaftlich Entscheidende. Hier findet die Konzentration wirtschaftlicher Energie statt. Wird ein Teilfeld, um es zu optimaler wirtschaftlicher Wirkung zu bringen, mit anderen Teilfeldern verbunden, so verstärkt sich lediglich die Konzentration des Kapitals, dem jedes der einzelnen Teilfelder zugehört, d. h. sein wirtschaftliches Arbeitsvermögen. Wird beispielsweise ein bis-
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her selbständiges Unternehmen in einen Konzern eingegliedert, so erfährt es durch die Eingliederung einen Zuwachs an wirtschaftlicher Energie und ist befähigt, diese zusätzliche Energie in Sachgütern zu konzentrieren. Das, was man gewöhnlich "Konzentration" nennt, ist also in Wahrheit nur eine Abart des Vorgangs, dem diese Bezeichnung seiner Natur nach zukommt. Man meint, wenn man von "Konzentration" spricht, eine feldverbindende Konzentration, man kann auch sagen: Mehrfeld-Konzentration. Das ist klarzustellen; denn die Kritik, die an der sogenannten "Konzentration" geübt wird, kann leicht dazu verführen, über der Form die Sache zu vergessen. Die Form, das sind die rechtlichen Wirtschaftsorganisationsformen, die Großunternehmen, Konzerne, Kombinate. Die Sache ist das in ihnen wirkende Kapital. Auf diese Wirkung aber kommt es an, und sie knüpft sich nicht an die komplexen Gebilde, sondern an deren Glieder. Diese Glieder sind die Teilfelder, in denen die Konzentration der wirtschaftlichen Energie stattfindet; ihre Eingliederung in die komplexen Gebilde verstärkt lediglich diese ihrer Natur nach notwendige Konzentration. Fassen wir zusammen:
Kapital ist in Sachgütern konzentrierte persönliche Energie des Menschen. Es ist als potentielles Kapital schon vor der Konzentration gegeben, und zwar entweder als Nachwirkung einer früher vollzogenen und zugleich als Vorwirkung der gegenwärtig zu vollziehenden Konzentration (als abgeleitet-potentielles Kapital, als vorgetane Arbeit) oder als bloße Vorwirkung der zu vollziehenden Konzentration (als ursprünglichpotentielles Kapital), in den meisten Fällen als Vorstufe des kinetischen Kapitals. Potentielles Kapital ist die mögliche, kinetisches die vollzogene Konzentration. Zu unterscheiden ist zwischen der Konzentration innerhalb eines Teilfeldes, der feldinternen Konzentration, und der Konzentration durch überschneidung zweiter Teilfelder, der feldexternen Konzentration, bei der die auf dem einen Teilfeld wirkende Energie eines Trägers mit der auf dem anderen Teilfeld wirkenden des anderen Trägers zum reziproken Einsatz in einem (wirklichen oder gedachten) Sachgut gebracht wird. Das ist das wirtschaftliche Geschehen, das sich beim Erwerbsvorgang abspielt. Hier wird potentielles in kinetisches und kinetisches in potentielles Kapital umgewandelt, hier kulminiert das wirtschaftliche Geschehen. In Verbindung mit dem soeben Gesagten bedeutet das, daß es der Sinn aller wirtschaftlichen Betätigung ist, die Umwandlung von der einen in die andere Erscheinungsform des Kapitals zu bewerkstelligen. Das bedeutet weiter, daß die wirtschaftliche Betätigung sich nicht darin erschöpft, persönliche Energie in Sachgütern zu konzentrieren (kinetisches Kapital zu bilden), sondern daß sie zugleich darauf gerichtet ist, die in den Sach-
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I. 2. Abschn.: Erläuterung des neuen Kapitalbegriffs
gütern konzentrierte Energie wieder zurückzugewinnen (potentielles Kapital zu bilden). Damit ist ein weiteres Merkmal des Kapitalbegriffs angesprochen. B. Der Rückgewinn der in den Sachgütern konzentrierten wirtschaftlichen Energie
Wir werden zu untersuchen haben, wie der Rückgewinn der in den Sachgütern konzentrierten Energie sich vollzieht. Es erleichtert uns die Erkenntnis, wenn wir uns experimentell an einem Modell der unvollkommenen Arbeitsteilung orientieren. Stellen wir uns eine aus 50 Köpfen bestehende Großfamilie vor, die auf einem autark abgeschlossenen Hof zusammenlebt; ein Teil von ihnen sei landwirtschaftlich, ein anderer handwerklich tätig. Nehmen wir weiter an, daß einer der Handwerker einen Wagen, ein anderer einen Stall, ein dritter einen Mantel verfertigt. Alle diese Verrichtungen erfordern ebenso wie die landwirtschaftlichen, z. B. die Bestellung der Äckber und die Versorgung des Viehs, einen Aufwand von Kraft, die, Meßbarkeit einmal unterstellt, als persönliche Energie anzusprechen ist. Die Quanten dieser Energie wandern in den Wagen, in den Stall, in den Mantel, in das Getreide und in das Vieh. Das hat zur Folge, daß die Sachgüter als Mitträger der in ihnen konzentrierten Energie jetzt ihrerseits Arbeit leisten: der Wagen befördert das Getreide von den Feldern, im Stall findet das Vieh seinen Platz, der Mantel wärmt seinen Besitzer. Durch ihre energetischen Leistungen übernehmen die Sachgüter Funktionen, die die Menschen ohne sie mit ihren Organen und Gliedern verrichten müßten, zumindest fördern sie diese Funktionen. So übernimmt der Wagen die Funktionen der Fortbewegung und des Tragens, er tritt in der Art eines Roboters an die Stelle der Füße und Arme, mit denen allein die Menschen, besäßen sie den Wagen nicht, das Getreide von den Feldern holen müßten. Der Stall fördert die Funktionen, mit denen die Menschen das Vieh nutzen, der Mantel die Funktion des Kreislaufs, den das Blut zu vollführen hat, um den Körper zu erwärmen und damit arbeitsfähig zu erhalten. Diese energetischen Leistungen der Sachgüter wirken sich auf alle in der Hofgemeinschaft zusammengeschlossenen Menschen aus. Dabei ist zwischen einer unmittelbaren und einer mittelbaren Wirkung zu unterscheiden. Die unmittelbare Wirkung erstreckt sich auf die die Sachgüter handhabenden Menschen. Sie besteht darin, daß diese Menschen persönliche Energie ersparen. So erspart der, der die Ernte mit dem Wagen einfährt, die Energie, die er sonst an den Transport des Getreides wenden müßte. Das hat eine bedeutsame Kehrseite: Die Sachgüter wirken als eine
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zusätzliche Arbeitskraft; denn sie leisten ja, gemessen an dem, was diese Menschen ohne sie zu leisten hätten, ein Plus an Arbeit. Dieses Plus kann ihnen auf zweifache Art zugute kommen: entweder begnügen sie sich mit der Ersparnis von Energie, dann erzielen sie trotz Verringerung ihrer eigenen persönlichen Leistung den gleichen Erfolg. Oder sie wenden die ersparte Energie an andere Sachgüter; dann dehnt das Feld ihrer persönlichen Energie sich aus, deren Leistung wächst. Die mit den Sachgütern zusätzlich gegebene Arbeitskraft wirkt sich aber auch für alle anderen in der Hofgemeinschaft zusammengeschlossenen Menschen aus; denn von der Ernte, die mit dem Wagen eingefahren wird, und von dem Vieh, das den Stall bevölkert, leben alle, ebenso von den Hackfrüchten, die der Träger des neuen Mantels in der kalten Jahreszeit ausgräbt. Die neu entstandenen Sachgüter - der Wagen, der Stall, der Mantel - werden so in das Ganze des Lebens der Hofgemeinschaft einbezogen. Alle gewinnen auf unmittelbare und mittelbare Weise die persönliche Energie zurück, die sie in den Sachgütern konzentriert haben, und können darüber hinaus Energie dazugewinnen. Quanten ihrer Energie gelangen durch die Sachgüter hindurch auf dem Umweg über das von der gesamten Hofgemeinschaft gebildete Kraftfeld zu ihnen zurück und können eine Bereicherung um die dazugewonnenen erfahren. Es hat daher einen doppelten Sinn, wenn wir sagen, daß die zu arbeitsteiliger Gemeinschaft verbundenen Menschen die in den Sachgütern konzentrierte Energie "zurückgewinnen müssen". Einmal heißt das, daß die Energie, die die Menschen aus den Sachgütern zurückempfangen, die gleiche Erscheinungsform hat, wie die von ihnen in den Sachgütern konzentrierte. Zum anderen bedeutet es, daß die Konzentration eines Quantums Energie in den Sachgütern die Möglichkeit eines Zugewinns von Energie einschließt. Daraus folgt, daß jeder wirtschaftlichen Leistung ein energetischer Pluseffekt innewohnt. Das ist ein ihr immanenter Zwang, der aber auch noch genährt wird von der Furcht, die vor der Konzentration vorhandene Energie könnte infolge falscher Konzentration ("Fehlinvestition") verloren gehen; diese Sorge läßt den Produzenten über die Grenze des bloßen Rückgewinns der Energie hinausschießen, so wie ein Läufer, um die Bestzeit zu erreichen, seinen Lauf nicht schon an der Ziellinie beendet, sondern über sie hinaus weiter verfolgt und dadurch ein Plus an Boden gewinnt. überprüft man an Hand dieses Modells der unvollkommenen Arbeitsteilung das Geschehen, das sich in der voll entwickelten Wirtschaft abspielt, so gelangt man zu folgenden Feststellungen: Auch und erst recht im Stadium der vollkommenen Arbeitsteilung übernehmen die Sachgüter Funktionen, die ohne sie die Menschen mit
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ihren Organen und Gliedern verrichten müßten. In diesen Funktionen leisten sie zusätzliche Arbeit und ersparen dadurch die persönliche Energie, die die Menschen ohne sie anwenden müßten. Auch und erst im Stadium der vollkommenen Arbeitsteilung strahlt die in den Sachgütern konzentrierte Energie zu den Menschen zurück, und zwar gelangen Quanten dieser Energie durch die Sachgüter hindurch und auf dem Umweg über das Feld, das sich zwischen Sachgütern und Menschen breitet, d. h. über das Gesamtfeld der Wirtschaft, zu ihnen zurück. Die Sachgüter spielen, wie wir an anderer Stelle sagten, im wirtschaftlichen Geschehen nur die Rolle von Medien, die die Quanten der persönlichen Energie aus dem Feld aufnehmen und an das Feld wieder abgeben. Auch und erst recht im Stadium der vollkommenen Arbeitsteilung schließt der Rückgewinn der in den Sachgütern konzentrierten Energie die Möglichkeit eines Zugewinns ein. Der energetische Pluseffekt, der jeder wirtschaftlichen Leistung innewohnt, ist das, was man als "das wirtschaftliche Prinzip" anzusprechen hat, nicht ist es, wie wir in der Einführung bereits dargelegt haben, der Satz, daß es gelte, mit möglichst geringem Aufwand einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen. Daß jeder wirtschaftlichen Leistung ein energetischer Pluseffekt innewohnt, ist eine sachliche Aussage über die wirtschaftlichen Leistungen und damit über eines der Merkmale des Kapitalbegriffs, nämlich über den Rückgewinn der in den Sachgütern konzentrierten Energie. Sie liefert den Stoff für ein wirtschaftliches Gesetz, das wir als das Grundgesetz der Wirtschaft erkannt haben, das Gesetz von der Erhaltung und Mehrung wirtschaftlicher Energie. Wenn wir sagen, daß der energetische Pluseffekt jeder wirtschaftlichen Leistung innewohnt, so stellen wir damit klar, daß der wirtschaftende Mensch dem aus ihm abgeleiteten Gesetz unterworfen ist, er also wirtschaftlich gar nicht anders als mit energetischem Pluseffekt handeln kann. Wir erwähnten bereits, daß dieses Plus ihm ohne sein Zutun zugutekommen kann; aber auch wenn er es für neue Leistungen und damit zur Ausdehnung des Feldes seiner Energie verwendet, folgt er nur dem Zwang, dem er unterliegt. Es entstellt diesen Sachverhalt, wenn man ihn einem Erwerbstrieb des Menschen zuschreibt und abfällig urteilt, daß es "Profitgier" sei, was den Menschen dazu treibe, sich wirtschaftlich zu betätigen. Das kann schon deshalb nicht richtig sein, weil der energetische Pluseffekt nicht bloß den wirtschaftlichen Einzelleistungen, sondern auch den wirtschaftlichen Gesamtleistungen innewohnt; denn auch die Sozialprodukte haben die Fähigkeit und die Tendenz, zu wachsen; ihre Wachstumsrate entspringt aber nicht der "Profitgier" von Wirtschaftsministern und Zentralbankpräsidenten, sondern entsteht, weil sie aus
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einem der Wirtschaft immanenten Zwang entstehen muß. Darüber und über die Spannung zwischen der wirtschaftlichen Gesamtleistung und den wirtschaftlichen Einzelleistungen und deren Ausgleich durch einen "Anteil am Sozialprodukt" wird noch zu sprechen sein. An dieser Stelle ist nur zu sagen, daß das energetische Plus sich stets in einer Höherbemessung der wirtschaftlichen Einzelleistungen, insbesondere also in einer Steigerung der Löhne und Preise, äußert, daß dies demnach nur die Folge des energetischen Pluseffekts und somit eine Erscheinung ist, die schon mit der unvollkommenen Arbeitsteilung gegeben war und erst recht aus der vollkommenen Arbeitsteilung nicht wegzudenken ist. Was die letztere nun aber von der ersteren abhebt, ist die Art, in der der Rückgewinn der Energie sich bestimmen läßt. Im Stadium der unvollkommenen Arbeitsteilung ist es ein übersehbarer Kreis von Menschen, der eine übersehbare Menge von Sachgütern herstellt. Jeder der 50 Hofgemeinschafter kennt die Felder, die zu bestellen sind und das Vieh, das zu versorgen ist, jeder vermag zu erkennen, ob und inwieweit der Wagen, der Stall und der Mantel zur Deckung des Lebensbedarfs aller und damit auch zur Deckung seines eigenen Lebensbedarfs beiträgt, ob er, weil mit Hilfe der neuen Produktionsmittel der Ertrag des Hofes sich gesteigert hat, besser lebt als vorher oder, weil die Produktion mißglückt ist, schlechter. Er erfährt das an sich selbst aus seiner unmittelbaren Verbundenheit mit den Menschen und den Sachgütern seines Lebenskreises. Das "Besserleben" wirkt sich auf zweierlei Weise aus, einmal in einer Vermehrung der für seine Existenz (für Nahrung, Kleidung und Wohnung) erforderlichen Stoffe, der "Verbrauchsgüter", dann aber auch in der Ersparung von Kraft für die Herstellung neuer existenznotwendiger Stoffe und dem Einsatz der ersparten Kraft für die Herstellung neuer Produktionsmittel, der "Investitionsgüter". Diese Wirkungen nimmt jeder der Hofgemeinschafter unmittelbar wahr. Eine bekannte Größe bildet daher auch die persönliche Kraft, die bei der Produktion in die Sachgüter gelangt und beim Verbrauch und der Reproduktion an die Produzenten zurückgelangt. Im Stadium der unvollkommenen Wirtschaft bestand für die Menschen kein Bedürfnis, diese Kraft zu messen; das besagt aber nicht, daß sie sich nicht hätte messen lassen, nur hätte sich die Art ihrer Messung von der Messungsweise unterschieden, die im Stadium der vollkommenen Wirtschaft angewendet wird. Ihr Maß hätten nämlich die Sachgüter selber abgegeben, da sie mit den Menschen der Hofgemeinschaft zu einem einzigen ungeteilten Feld der energetischen Wirkung verbunden waren, so daß Produktion, Verbrauch und Reproduktion sich ohne das Dazwischentreten anderer Energieträger unmittelbar unter den Menschen der Hofgemeinschaft vollzogen. Das bedeutet, daß die Anzahl der Quanten, die in den Sachgütern konzentriert und aus ihnen zurückgewonnen wird, an der Menge der
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produzierten und der Menge der verbrauchten oder der reproduzierten Sachgüter abgelesen worden wäre. Das bedeutet weiter, daß sich der Rückgewinn der in den Sachgütern konzentrierten Energie durch die Sachgüter als Maß konkret hätte bestimmen lassen. Im Stadium der vollkommenen Arbeitsteilung hingegen ist der Rückgewinn der persönlichen Energie nur abstrakt bestimmbar. Ob und in welchem Ausmaß er entsteht, das kann nur den Gegenstand einer abstrakten Berechnung bilden, weil sich zwischen Produktion, Verbrauch und Reproduktion eine unbegrenzte Zahl von Zwischenträgern der Energie einschiebt, so daß der Einzelne nicht ermessen kann, ob, wann und wie die Energie, die er in einem Sachgut konzentriert, an ihn zurückgelangt. Er kann sich das nur spekulativ vorstellen, und er muß seine Produktion im Hinblick auf einen nur gedachten Rückgewinn seiner Energie betreiben. Wer nichts weiter als Schrauben herstellt, kann nicht wissen und er wird kaum je erfahren, für welche anderen Sachgüter diese Schrauben Verwendung finden und ob jene anderen Sachgüter zur Deckung seines Lebensbedarfs beitragen. Sinkt das mit Getreide beladene Schiff, für dessen Bau die Schrauben benötigt wurden, dann geht die in ihnen konzentrierte Energie für die Wirtschaft verloren, so daß sie auch nicht - über das Getreide und das daraus gebackene Brot - an ihren Produzenten zurückgelangen kann, die Geschlossenheit eines solchen "Kreislaufs" einmal unterstellt. Indessen wird im Stadium der vollkommenen Arbeitsteilung der Rückgewinn der Energie völlig losgelöst vom Schicksal des produzierten Sachguts ermittelt. Die Rückgewinn-Rechnung orientiert sich nicht an der konkreten Gestalt der Sachgüter in ihrer Körperhaftigkeit, sondern an ihrer bloß als möglich gedachten Fähigkeit, die in ihnen konzentrierte Energie zurückzustrahlen. Die Abstraktheit der Rückgewinn-Rechnung ist die klarste Widerlegung der Tausch-Fiktion: ob, wann und wo das produzierte Sachgut gegen ein anderes "getauscht" werden kann, das liegt völlig abseits des Denkweges, der in die Feststellung des Rückgewinns einmündet; dieser Denkweg führt selbst dann dahin, wenn, wie in dem gewählten Beispiel, ein "getauschtes" Sachgut (Getreide) verloren geht. Daß alles wirtschaftliche Handeln auf einem abstrakten Denkvorgang beruht, nämlich auf einen nur gedachten Gewinn gerichtet ist, hat Schmalenbach 10 in seinem glänzenden Werk über die "Dynamische Bilanz" herausgearbeitet. Er stellt den Gewinn, den ein Unternehmen vom Tage seiner Gründung bis zu seinem Erlöschen erzielt, den "Gesamtgewinn", dem nur periodisch ermittelten gegenüber. Obwohl der "Gesamtgewinn", 10
Schmalenbach, Eugen: Dynamische Bilanz.
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weil im voraus nicht berechenbar, nur als ein "gedachter" angesprochen werden kann, mißt Schmalenbach ihm Bedeutung auch für die Bestimmung des periodischen (Jahres-)Gewinns bei; für ihn ist dieser nur ein Teil des ersteren. Diese Ansicht hat Eingang in die Steuerrechtslehre und Steuerrechtsprechung gefunden. Sie wird kaum noch bestritten. Sie ist - auf dem Teilgebiet der Bilanzkunde - eine Bestätigung dafür, daß sich im Stadium der vollkommenen Arbeitsteilung der Rückgewinn der in den Sachgütern konzentrierten Energie nur abstrakt bestimmen läßt. Die Frage, wie das zu geschehen hat, berührt nicht mehr den Rückgewinn der wirtschaftlichen Energie selber, sondern deren Maßstab, das Geld, und ist daher im zweiten Hauptteil zu behandeln. Schmalenbachs Vorstellung vom gedachten Gesamtgewinn leitet aber zu dem letzten Element des Kapitalbegriffs und damit zu dem letzten Thema über, mit dem wir uns im ersten Hauptteil zu befassen haben: ein periodischer Gewinn ist nur dann als Teil eines Gesamtgewinnes denkbar, wenn es eine Einrichtung gibt, die einem solchen Gedanken entspricht, und eine Leistung, die diesen Gedanken verwirklicht. § 9 Permanenz der Trans- und Retransmaterialisation des Kapitals
Die Konzentration der Energie in den Sachgütern und der Rückgewinn aus ihnen müssen in ständiger Folge vollzogen werden. Ein einzelner Erwerbsvorgang oder eine Summe einzelner Erwerbsvorgänge ist noch keine Wirtschaft. Deren Grundgesetz besteht ebenso wie das des Lebens in der ständigen Verwandlung von Kraft in Stoff und Stoff in Kraft. Diese Permanenz des Umsatzes wirtschaftlicher Energie ist es, die einer dafür geeigneten Einrichtung und einer darauf gerichteten Leistung bedarf. Die Einrichtung ist das Unternehmen, die Leistung die des Unternehmers. Mit der letzteren haben wir uns bereits in der Einführung (§ 1) befaßt und sie als eine rein wirtschaftliche, d. h. als eine Leistung begriffen, die frei von Rechtselementen, insbesondere unabhängig von der Frage nach dem "Eigentum an den Produktionsmitteln", aus sich selbst heraus verstanden sein will. Das gilt aber auch für die Einrichtung, die die Permanenz des Energieumsatzes ermöglicht, das Unternehmen. Es ist daher grundfalsch, das Unternehmen als spezifisches Merkmal eines bestimmten Wirtschafts"systems" anzusprechen, d. h. einer Wirtschaftsweise, die einer bestimmten Staats- und Gesellschaftsordnung entspringt: der "Verkehrswirtschaft", ihm für die "Planwirtschaft" aber die Anerkennung zu versagen. In diesen Fehler verfällt die herrschende Lehre. So definiert Carell l1 die "Unternehmung" als "die Vereinigung der Wirtschaftsfaktoren zu 11
a .a.O., S. 84.
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einer Einheit in wirtschaftlicher Hinsicht" und meint, daß es "Unternehmungen im eigentlichen Sinne" nur in einer "Tauschwirtschaft ("Verkehrswirtschaft") gebe, da es nur in ihr den "Unternehmer" gebe, der "die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen seinem Unternehmen und allen anderen Wirtschaftseinheiten ... nach dem wirtschaftlichen Prinzip" leite und gestalte. Dabei wird übersehen, daß die Sache eine objektive und eine subjektive Seite hat und daß man nicht, wie es hier geschieht, bei der subjektiven, sondern bei der objektiven Seite ansetzen muß. Die objektive Seite ist das Unternehmen, die subjektive der Unternehmer. Ein Schiffer ist ein Schiffer, nur weil es Schiffe gibt, ein Unternehmer ein Unternehmer, nur weil es Unternehmen gibt.
I. Das Unternehmen Am Anfang steht daher die Frage: Was ist ein Unternehmen? Die Antwort darauf ist nicht schon mit der Feststellung gegeben, das Unternehmen sei "die Vereinigung der Wirtschaftsfaktoren zu einer Einheit in wirtschaftlicher Hinsicht", vielmehr ist zunächst zu fragen, welches die Wirtschaftsfaktoren sind und was dazu gehört, sie zu vereinigen. Mit den Wirtschaftsfaktoren (Produktionsfaktoren) haben wir uns in § 1 der Einführung befaßt und dabei die Erkenntnis gewonnen, daß es nur einen Wirtschafts-(Produktions-)faktor gibt: das Kapital als wirtschaftliche Energie, d. h. als die Kraft, die der Mensch arbeitsteilig in den Sachgütern konzentriert und aus ihnen wieder zurückgewinnt. Wie jede Energie, so bedarf auch die wirtschaftliche eines ihr zugehörigen Feldes; als solches betrachten wir die Wirtschaft im ganzen und das Unternehmen als einen Teil davon. Daß der Feldbegriff in der Wirtschaftswissenschaft verwendungsfähig und -bedürftig ist, haben wir in § 2 der Einführung dargelegt. Er liefert uns denn auch den Schlüssel für die Antwort auf die Frage, was wir unter der "Vereinigung" der Wirtschaftsfaktoren zu verstehen haben: da es nur die wirtschaftliche Energie als einzigen Wirtschaftsfaktor gibt, kann "Vereinigung" nur die Zusammenballung wirtschaftlicher Energie auf einem ihr zugehörigen Feld sein. Vom Boden der sozialwissenschaftlichen Feldtheorien 12 aus erscheinen uns daher alle Unternehmen eines Wirtschaftsgebietes (Staates) als Teile einer "Gesamtheit gleichzeitig bestehender Tatsachen, die als gegenseitig voneinander abhängig begriffen werden", so daß wir sowohl die Ganzheit als auch jeden ihrer Teile, demnach auch jedes Unternehmen, "Feld" nennen dürfen 13 • Daraus folgt dann aber, daß die Leitung und Gestaltung der "wirtschaftlichen Beziehungen zwischen einem Unternehmen und allen anderen Wirtschaftseinheiten" nichts ist, was nur 12 J3
Siehe zum folgenden Mey, Harald, a.a.O., S. 13 f., 16, 18,33. a.a.O., S. 35.
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der "Verkehrswirtschaft" eigen wäre, sondern etwas, das jeder Wirtschaft zukommt, denn in jeder Wirtschaft findet der Umsatz der wirtschaftlichen Energie am Ort ihrer Konzentration in den Sachgütern, also da statt, wo die Sachgüter produziert und verteilt werden; dieser Ort bezeichnet einen Punkt auf dem Gesamtfeld der Wirtschaft. Daher steht und fällt jede Wirtschaft mit den Unternehmen, aus denen sie sich zusammensetzt, und den Unternehmern, die diese Unternehmen leiten und gestalten. Die "Gesamtheit gleichzeitig bestehender Tatsachen, die als voneinander abhängig begriffen werden müssen", sind auf dem Gesamtfeld der Wirtschaft die Fakten, die die wirtschaftliche Gesamtleistung bilden und die Daten für die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (die makroökonomische Darstellung) liefern. Auf den Teilfeldern sind es die konkreten und abstrakten Leistungen, die der Unternehmer, indem er sie bündelt, zur teilfeldinternen und -externen Konzentration und zur mikroökonomischen Darstellung in der Bilanz bringt. Weil das so ist, bilden die einzelnen Unternehmen eines geschlossenen Wirtschaftsgebietes (Staates) nicht einfach unselbständige Glieder (Betriebe) einer das ganze Gebiet umfassenden "Riesenunternehmung"14, sondern eigene Größen, wie andererseits die "Riesenunternehmung" nicht identisch ist mit der Summe der Einzelunternehmen. Deren gibt es so viele, als es Teilfelder der Konzentration wirtschaftlicher Energie gibt. Das schließt nicht aus, mehrere Teilfelder zusammenzufassen, aber auch in ihrer Zusammenfassung zu "Konzernen" bewahren sie ihren Charakter als Einzelunternehmen; sie bilden dann ein komplexes Unternehmen. H. Der Unternehmer
Mit dieser objektiven Seite der Sache ist zugleich seine subjektive gegeben: jedes Unternehmen hat seinen Unternehmer; von der Größe und der Komplexität eines Unternehmens hängt es ab, ob es nur einen oder eine Mehrheit von Unternehmern hat. Diese unterscheiden sich, wie wir in der Einführung aufzeigten, einmal nach der Art, in der sie die von ihnen feldintern und -extern konzentrierte wirtschaftliche Energie bewegen; das kann unmittelbar oder mittelbar geschehen, und danach haben wir zwischen dem mit unmittelbarer und dem mit nur mittelbarer Kapitalgewalt ausgestatteten Unternehmer unterschieden. Zum anderen kommt es auf den Grad an, in dem ein Unternehmer letzte Markt- und Investitionsentscheidungen trifft, und insoweit haben wir dem autonomen den heteronomen Unternehmer gegenübergestellt. In der Leistung des mit unmittelbarer Kapitalgewalt ausgestatteten autonomen Einzelunternehmers haben wir die Grundform der unternehmerischen Leistung 14
Schneider, a.a.O., Teil I, S. 70.
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und in dem von ihm betriebenen Unternehmen die Grundform des Unternehmens und in jeder anderen Form nur deren Analogie erkannt. Dazu bedarf es jedoch noch einer Reihe weiterer Überlegungen. 1. Unternehmer ist jeder, der die Fähigkeit und die Möglichkeit zum permanenten Umsatz des KapitaLs in den Sachgütern besitzt.
a) Die Fähigkeit muß ihm angeboren und anerzogen sein. Er muß wie ein Künstler eine Gabe für seinen Beruf haben, sie aber kultivieren. Es gibt gewiß auch hier "Naturtalente"; das Gros der Unternehmer muß sich aber einer intensiven Aus- und Weiterbildung unterziehen, ehe und solange es sich an seine Leistung wagen kann. Das gilt vor allem für die Fähigkeit zum wirtschaftlichen Rechnen, genauer : zur Vorausberechnung der Wirkung des permanenten Umsatzes wirtschaftlicher Energie und damit für die Fähigkeit zur Berechnung der Rentabilität des Unternehmens. Sie bildet den Gegenstand der Unternehmensgewinnplanung, die ihrerseits jedoch nur Teil einer umfassenderen
Unternehmensplanung 15 ist und aus drei Elementen, den Informationen, den Verhaltensnormen und den Zielsetzungen mit den zu deren Erreichung festgelegten Maßnahmen besteht; die Gewinn- und Rentabilitätsplanung gehört zusammen mit der Wachstumsplanung zu dem letzten dieser Elemente. Erst die Fähigkeit zu einer solchen Planung macht den Unternehmer aus. Das soll nicht heißen, daß Intuition und Spontanität des HandeIns zu entbehren wären, es sind und bleiben Eigenschaften, die zur unternehmerischen Leistung ebenso gehören wie zur künstlerischen, aber sie bedürfen der Disziplinierung durch ein Denken und Handeln nach einer wirtschaftswissenschaftlichen Methode. b) Die Möglichkeit zu unternehmerischer Betätigung ist stets dann gegeben, wenn jemand die tatsächliche Gewalt besitzt, deren es zur internen und externen Konzentration wirtschaftlicher Energie auf einem ihr zugehörigen Feld, dem Unternehmen, bedarf, kurz: wenn jemand mit Kapitalgewalt ausgestattet ist. Diese ist nicht identisch mit der Rechtsrnacht, die das Eigentum verschafft. Die unternehmerische Leistung hängt nicht davon ab, daß der Unternehmer Eigentümer der zur Konzentration bestimmten Sachgüter (der "Produktionsmittel" und der Produkte) ist. Wird ein Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person, z. B. einer Aktiengesellschaft, GmbH, Genossenschaft, Stiftung oder eines Rechtsgebildes der staatlichen Planwirtschaft (eines volkseigenen Betriebes, einer Kolchose oder einer Volkskommune) betrieben, dann fallen Eigentum und Unternehmer15 Schmidt, Eberhard: Unternehmenspläne noch keine Planung, in: "Welt" vom 23. IX. 1967.
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schaft begriffsnotwendig auseinander; denn die juristische Person ist eine künstliche Rechtsschöpfung, die als solche kein Leben hat und daher auch kein Unternehmen betreiben kann. Unternehmer eines in der Rechtsform einer juristischen Person bestehenden Unternehmens sind vielmehr die zu seiner Führung berufenen physischen Personen; wir kommen darauf später zurück. Aber auch sonst kommt es häufig vor, daß EJigentum und Unternehmerschaft sich nicht decken, und es hat sich eine Entwicklung angebahnt, die dem Eigentum die Bedeutung nimmt, die es in den wissenschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen der letzten hundert Jahre hatte. Die "Produktionsmittel" bilden nämlich in steigendem Maße den Gegenstand eines "Leasing" : eigens dafür gegründete Gesellschaften überlassen einem Unternehmen, beispielsweise einer Textilfabrik, die für die Produktion benötigten Maschinen mit der Maßgabe, daß das Unternehmen an die Leasing-Gesellschaft laufend Beträge zahlt, durch die die Kosten der Herstellung verzinst und amortisiert werden, ohne daß das Unternehmen das Eigentum erlangt. Es gibt sogar schon ein "ImmobilienLeasing" ; hier verschafft eine von den Girozentralen, also Institutionen des öffentlichen Rechts, gehaltene Leasing-Gesellschaft dem Unternehmen ein seinen Bedürfnissen entsprechendes Grundstück und errichtet darauf nach seinen Wünschen die von ihm benötigten Werkanlagen; außer einer einmaligen Zahlung von 5 0J0 des Investitionsbetrages hat das Unternehmen eine jährliche Miete aufzubringen, mit der die Kosten der Refinanzierung abgedeckt werden; auch hier fallen Eigentum und Unternehmerschaft auseinander. Nichts anderes als ein "Leasing" ist auch der in der staatlichen Planwirtschaft entwickelte "Gebrauchsüberlassungsvertrag"; die DDR hat ihn durch ihr "Vertragsgesetz" vom 25. Februar 1965 eingeführt 16 • Er geht davon aus, daß die Produktionsmittel" im Volkseigentum stehen, eröffnet aber die Möglichkeit, sie den Produktionsstätten (den einzelnen Unternehmen) zum Gebrauch zu überlassen, und zwar - genau wie beim "Leasing" - gegen Zahlung eines Entgelts, durch das nicht bloß die effektiven Kosten und die Abschreibungen abgegolten werden, sondern das auch einen Gewinn (eine Verzinsung) einschließt. In der Sicht des Unternehmers, auf die es entscheidend ankommt, besteht somit kein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem "Leasing" der "freien" Wirtschaft und dem "Gebrauchsüberlassungsvertrag" der staatlichen Planwirtschaft. Die Diskrepanz zwischen Eigentum und Unternehmerschaft ist in der "freien" Wirtschaft größer als man meinen möchte, einmal durch das 16 Raiser, Thomas: Das Vertragsgesetz der "DDR" vom 25. Februar 1965, in: Juristenzeitung 1967, S. 341.
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bereits erwähnte Leasing, so dann durch die Ausbildung eines Teilzahlungssystems. Letzteres besteht darin, daß der Inhaber des Unternehmens die für dieses benötigten Gegenstände auf Abzahlung erwirbt und der Veräußerer sich an ihnen das Eigentum bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises vorbehält. Das können anders als beim Leasing nicht bloß "Produktionsmittel", d. h. Investitionsgüter wie Grundstücke, Maschinen, Werkzeuge sein, sondern auch Gegenstände des Umlaufvermögens wie Rohstoffe, Halbfertig- und Fertigwaren, und das greift dann auf die aus der Weiterveräußerung erwachsenden Forderungen über; an ihnen setzt der Eigentumsvorbehalt sich als verlängerter fort; der erweiterte bezieht diese Gegenstände sogar in die Haftung für alle Forderungen aus der Geschäftsverbindung mit dem Lieferanten ein. Die gleiche Lage entsteht, wenn der Inhaber eines Unternehmens seiner Hausbank zur Sicherung eines ihm gewährten Kredits Gegenstände des Anlageund Umlaufvermögens (Produktionsmittel oder Produkte) sicherungsweise übereignet und ihr die Außenstände "global" abtritt. Es kommt dann häufig zu überschneidungen mit den verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalten des Lieferanten. In Konkursverfahren tritt immer wieder zutage, daß fast alle Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens nicht dem Inhaber des Unternehmens, sondern seinen Lieferanten oder den Banken gehören; darin zeigt sich dann, daß der Unternehmer, solange er das Unternehmen, sei es im eigenen Namen, sei es als gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person, betrieb, die Kapitalgewalt an diesen Gegenständen innehatte, ohne ihr Eigentümer zu sein. So liegen aber die Dinge allgemeiil, d. h . auch in durchaus gesunden Unternehmen ist Eigentümer der Produktionsmittel und der Produkte meist ein anderer als der Inhaber; dennoch aber hat dieser die Kapitalgewalt inne, gleichviel ob er das Unternehmen mit Eigen- oder Fremdkapital betreibt. Erst recht fallen Kapitalgewalt und Eigentumsmacht in der staatlichen Planwirtschaft auseinander; denn sie kennt überhaupt kein Privateigentum an den "Produktionsmitteln", wohl aber gibt es auch in ihr Kapital, d. h. wirtschaftliche Energie, die nicht anders als in der "freien" Wirtschaft durch einen Unternehmer der Konzentration in den Sachgütern zugeführt werden muß. Daß dieser Unternehmer nicht "frei", sondern Funktionär des Staates ist, beraubt ihn seiner Eigenschaft nicht, denn Kapitalgewalt ist auch sonst nicht identisch mit "Selbständigkeit". Unternehmer im wirtschaftlichen Sinne kann vielmehr auch sein, wer im rechtlichen Sinne Angestellter ("Arbeitnehmer") ist. 2. Wohl aber muß der Unternehmer, um Kapitalgewalt zu besitzen, mit der Wirtschaftsrechtsmacht ausgestattet sein, die ihn zum Vollzug der feldinternen und feldexternen Konzentration befähigt. Sie ist dem
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Besitz vergleichbar, der ja seinen Inhaber ebenfalls eine vom Eigentum verschiedene Rechtsposition verschafft, und wie dieser kann sie verschieden stark sein, so daß man wie zwischen unmittelbarem und mittelbarem Besitz zwischen
unmittelbarer und mittelbarer Kapitalgewalt zu unterscheiden hat. a) Unmittelbare Kapitalgewalt hat inne, wer die Konzentration wirtschaftlicher Energie unmittelbar vollzieht. Ein Inhaber mittelbarer Kapitalgewalt hingegen ist dazu nur durch Vermittlung eines Inhabers unmittelbarer Kapitalgewalt befähigt. Innerhalb der Unternehmerschaft liegt daher das Schwergewicht beim Inhaber unmittelbarer Kapitalgewalt, bei ihm, nicht beim mittelbaren Inhaber, hat man somit in der Betrachtung des wirtschaftlichen Geschehens anzusetzen. Es ist dies in erster Linie jeder, der ein Unternehmen persönlich betreibt, sei es allein, sei es in Gemeinschaft mit einem anderen, z. B. einem Gesellschafter des bürgerlichen oder des Handelsrechts. Aber schon hier ist eine Einschränkung zu machen; ein als Einzelfirma oder als Personalgesellschaft geführtes Unternehmen kann einen Umfang erreichen, der die Kapitalgewalt seines Alleininhabers oder seiner Gesellschafter überschreitet; es kommt dann zu einer Teilung der Kapitalgewalt: die unmittelbare wird von leitenden Angestellten ausgeübt, dem Alleininhaber oder den Gesellschaftern verbleibt nur noch die mittelbare; jene äußert sich in den Entscheidungen, die der Geschäftsverkehr mit sich bringt, diese in den Entscheidungen, die den Rahmen für den Geschäftsverkehr abstecken. Fraglos steht der leitende Angestellte in einem arbeitsrechtlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Inhaber; das berührt aber seine unmittelbare Kapitalgewalt nicht; diese ist oft so stark ausgeprägt, daß hinter ihr die mittelbare an Bedeutung zurücktritt; sie kann so weit gehen, daß die mittelbare Kapitalgewalt völlig ruht. Inhaber unmittelbarer Kapitalgewalt und demnach Unternehmer sind auch die gesetzlichen Vertreter aller in der Rechtsform einer juristischen Person betriebenen Unternehmen, also die Vorstände einer Aktiengesellschaft, Geschäftsführer einer GmbH, Vorstände von Genossenschaften und Stiftungen, weiterhin die gesetzlichen oder statutarischen Organe aller Unternehmen der "öffentlichen Hand", z. B. der Bundesbahn und der Bundespost, schließlich aber auch die Repräsentanten aller Rechtsgebilde der staatlichen Planwirtschaft, z. B. der Volkseigenen Betriebe. Im Gegensatz zu den persönlich betriebenen Unternehmen ist hier nicht bloß ausnahmsweise, sondern regelmäßig ein Inhaber mittelbarer Kapitalgewalt vorhanden; das ändert aber nichts an der überragenden Bedeutung, der jenen Organen als Inhabern der unmittelbaren Kapitalgewalt zukommt, selbst dann nicht, wenn die Unternehmensplanung vorwiegend 12 EckeIt
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in den Händen der Inhaber mittelbarer Kapitalgewalt liegt; denn die unternehmerische Leistung, die der Inhaber unmittelbarer Kapitalgewalt zu vollführen hat, bleibt stets die gleiche: Gestaltung und Handhabung des Unternehmensplanes; er vollführt sie dann als Teil einer auf den gleichen Gegenstand gerichteten Vielzahl von Leistungen anderer Unternehmer; er gestaltet und handhabt einen Teil des Unternehmensplanes als pars pro toto; er vollbringt seine Leistung gleichsam mit vorgefertigten Teilen des Planes; das nimmt ihr aber nicht den unternehmerischen Charakter. Jeder Unternehmer muß in seinem Wirkungskreis die zur Gestaltung und Handhabung des Planes erforderlichen Informationen einholen, die Verhaltensnormen setzen und vor allem den Gewinn vorausberechnen und die zu seiner Erzielung geeigneten Maßnahmen treffen, indem er einerseits die Quellen des dafür benötigten Kapitals, andererseits die dafür geeigneten Märkte erschließt; soweit er sich dabei vorgesetzter Informationen, Verhaltensnormen und Vorausberechnungen bedient, muß er sie mit seiner eigenen Planung verschmelzen und als Teil einer Gemeinschaftsleistung zu wirtschaftlicher Wirkung bringen; die Unternehmensführung beruht hier notwendig auf einer Kapitalgewaltenteilung. Das geläufigste Modell liefert ein in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betriebenes Unternehmen. Indessen muß man sich davor hüten, die Inhaber der Kapitalgewalt mit den gesellschaftsrechtlichen Organen zu identifizieren; es kommt hier nicht auf die zivil(handels)rechtliche, sondern auf die wirtschaftsrechtliche Einordnung an, und die hängt von der jeweiligen Lage des wirtschaftlichen Tatbestandes ab. Sicher ist soviel, daß derjenige die unmittelbare Kapitalgewalt inne hat, der den Unternehmensplan effektiv gestaltet und handhabt; das ist in der Regel der Vorstand. Dagegen läßt sich keine allgemeine gültige Aussage darüber machen, wer als Inhaber mittelbarer Kapitalgewalt anzusehen ist. Das kann, muß aber nicht der Aufsichtsrat sein; an seiner Stelle oder außer ihm kommen auch die Aktionäre dafür in Betracht. Ein Aufsichtsrat, der sein Amt nur in der Weise ausübt, daß er alljährlich anläßlich der Gesellschafterversammlung den Bericht des Vorstandes und seine Vergütung entgegennimmt, hat allenfalls eine latente Kapitalgewalt inne. Ein Mehrheitsaktionär andererseits, der sich ständig in den Geschäftsablauf einschaltet, ist effektiver Inhaber mittelbarer Kapitalgewalt. b) Der klassische Fall von Kapitalgewaltenteilung ist der Konzern, d. h. der Fall, daß das Teilfeld eines Unternehmens mit dem eines anderen oder mit einer Mehrheit von Teilfeldern anderer Unternehmen verflochten wird, so daß es zu einer Mehrfeld-Konzentration wirtschaftlicher Energie kommt. Der Kapitalgewaltinhaber der "Konzernspitze" ist in der Regel Inhaber mittelbarer Kapitalgewalt; denn er übt sie durch
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Vermittlung der Kapitalgewalt aller Leiter der konzernverbundenen Unternehmen (meist der Vorstände von Aktiengesellschaften und Geschäftsführer von G'en mbR) aus. Die Unternehmerschaft dieser von der "Spitze" abhängigen Vorstände und Geschäftsführer bleibt unberührt davon, daß sie nur einen Teil des Unternehmensplanes gestalten und handhaben; sie sind auch dann noch Unternehmer, wenn die Unternehmerstrategie, z. B. die Gestaltung des Produktionsprogramms und dessen Finanzierung nicht bei ihnen, sondern bei der Konzernspitze liegt. Nicht anders ist es bei den Rechtsgebilden der staatlichen Planwirtschaft. Der von den Inhabern der Staatsgewalt verordnete "Plan" vermag die Leistung des Unternehmers als Inhaber der Kapitalgewalt nicht zu ersetzen. Diese Erkenntnis hat nach den Ideen von Libermann in den an Moskau orientierten Staaten des kommunistischen Machtbereichs zur Ausbildung eines "Neuen ökonomischen Systems" geführt17 • Es beruht auf der Anerkennung der Bedeutung, die den Marktfunktionen auch für die sozialistische Wirtschaft zukommt und will eine Synthese zwischen ihnen und der Planmäßigkeit herstellen. Der "Plan", der früher, aufgeschlüsselt in Tausende von Kennziffern, die gesamte Produktion nach Art, Menge und Preis festlegte, entsprang einem einseitig angebotsorientierten Wirtschaftsdenken und war dadurch mit zwei Mängeln behaftet: er führte zur Überproduktion nicht nachgefragter Sachgüter (zu "Ladenhütern") auf der einen und einem dauernden oder zeitweiligen Fehlen nachgefrachter Sachgüter (den "Engpässen") auf der anderen Seite. Im "Neuen ökonomischen System" schrumpft der "Plan" auf ein Minimum von Kennziffern zusammen; so ist er in der CSSR für das Jahr 1966 von 1200 auf 70 Direktaufgaben der Industrieplanung zurückgegangen 18 ; im wesentlichen beschränkt er sich darauf, Daten zu setzen, die heute zur Gesamtwirtschaftsplanung jedes Staates gehören; es sind das die uns vertrauten monetären, quasimonetären und außermonetären Maßnahmen zur konjunkturellen Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Diese ist jetzt durch das Geschehen am Markt, also durch Angebot und Nachfrage, gekennzeichnet, und das nötigt dazu, die Betriebe, die bisher nur als Vollzugsorgane der staatlichen Wirtschaftsplanung fungierten, in Unternehmen zu verwandeln, die, und zwar im Wettbewerb miteinander, selbständig
Marktentscheidungen treffen. Um das zu können, müssen sie die Möglichkeit haben, ane Produktionsfaktoren zu beeinflussen und optimal zu kombinieren; sie müssen daher sogar in die Lage versetzt werden,
Investitionsentscheidungen 17 18
Raiser, a.a.O., S. 338 ff. Kosta: "Plan + Markt", in: Augsburger Allgemeine Zeitung vom 10. XII.
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zu fällen; die "Investitionspolitik" wird auf diese Weise "dezentralisiert", und das heißt: entpolitisiert, sie wird zu einem Gegenstand reiner Unternehmensplanung in der Hand dessen, der die feld interne und feldexterne Konzentration wirtschaftlicher Energie auf dem ihr zugehörigen Teilfeld unmittelbar vollzieht, des mit unmittelbarer Kapitalgewalt ausgestatteten Unternehmers. Bei ihm liegt somit auch in dem "Neuen ökonomischen System" der staatlichen Planwirtschaft das Schwergewicht. Soweit der "Plan" überhaupt noch mehr ist als konjunkturelle Steuerung, sind die Funktionäre der staatlichen Planstellen Unternehmer mit mittelbarer Kapitalgewalt; denn der "Plan", den sie entwerfen, kann im "Neuen ökonomischen System" nur noch ein Unternehmensplan, ihre Leistung somit nur eine unternehmerische und als solche eine wirtschaftliche Einzelleistung sein. Dieser Strukturwandel vollzieht sich in den einzelnen Staaten des Ostblocks nicht nach einem einheitlichen Modell und auch nicht auf einen Schlag; vielmehr zeigen sich Varianten sowohl innerhalb der einzelnen Staaten als auch im Vergleich zwischen ihnen 19 • So hat die Entwicklung in der CSSR erst in einer zweiten Etappe einen Stand erreicht, bei dem die früheren Betriebe als Unternehmen "wirtschaftlich selbständige Organisationen mit geschlossenem Kreislauf der Einnahmen und Ausgaben" darstellen. Freilich erscheinen sie auch hier noch als Glieder einer die gesamte Wirtschaft umfassenden "Organisation"; der Zwang, in ihnen selbständig Markt- und Investitionsentscheidungen zu treffen, wird sich aber auch auf ihre "Organisation", d. h. auf ihre rechtliche Gestalt, auswirken; die muß so beschaffen sein, daß die Betriebsleiter als nunmehrige Unternehmer die ihnen abverlangten Markt- und Investitionsentscheidungen treffen können. Noch einen Schritt weiter ist Ungarn mit seiner am 1. Januar 1968 in Kraft getretenen "Wirtschaftsreform" gegangen. Dort verbleiben der Unternehmensleitung 40 Ofo der nach ihren Plänen für Produktion, Sortiment und Vertrieb erarbeiteten Gewinne zur Finanzierung der Investitionen; darüber hinaus ist ihnen die Befugnis eingeräumt, Bankkredite in Anspruch zu nehmen, wenn die erwirtschafteten Eigenmittel nicht ausreichen; an die Stelle der Betriebsfinanzierung aus den Mitteln des Staatshaushalts ist also die Unternehmensfinanzierung mit Eigen- und Fremdkapital getreten. Damit wird die Frage nach der Organisation des Unternehmens überspielt von der Frage nach der Wirtschaftsrechtsrnacht 19 Vgl. zum folgenden die Beurteilung der Entwicklung in "Wirtschaft und Gesellschaft in Mitteldeutschland", Band 6 ("Der Osten auf dem Wege zur Marktwirtschaft?") durch Gleitze, Bruno: Planwirtschaft ohne Perspektivplan; Thalheim, Karl C.: Liberalisierungstendenzen im Ostblock?; Hensel, Paul: Sind die Wirtschaftsordnungen der sowjetischen Länder auf dem Wege zur Marktwirtschaft?; Meimberg, Rudolf: Zur Frage einer Annäherung östlicher Wirtscbaftssysteme an diejenigen westlicher Industriestaaten.
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des Unternehmers, und die Antwort auf die letztere entscheidet zugleich über die erstere. Von diesem Ansatz aus hat man auch die Gestalt zu betrachten, die das "Neue ökonomische System" in der DDR angenommen hat. Nach dem. dortigen "Vertragsgesetz" vom 25. Februar 1965 20 stehen zwischen acht dem Ministerrat unmittelbar verantwortlichen "Industrieministerien" und den "Volkseigenen Betrieben" (VEB) die "Vereinigung volkseigener Betriebe" (VVB). Diese haben die von den Ministerien entworfenen "Hauptpläne" zu konkretisieren und koordinieren, den Produktionsprozeß zu leiten, für ihren Bereich die Wirtschafts rechnung zu führen und die Rentabilität zu kontrollieren; die VEB hingegen haben die Produktion selbst zu betreiben, und zwar so, daß sie den planmäßig vorgesehenen Gewinn abwirft; zwischen den VVB und den VEB werden zu diesem Zweck "Koordinierungsvereinbarungen" getroffen. Wir sehen hier eine Hierarchie vor uns, in der die acht "Industrieministerien" den Staat mit seinen konjunktursteuernden Maßnahmen repräsentieren, während wir - mit gewissen Vorbehalten - in den Organen der VVB Unternehmer mit mittelbarer Kapitalgewalt, in denen der VEB Unternehmer mit unmittelbarer Kapitalgewalt erblicken können. Zwar liegt auch hier das Schwergewicht bei den Organen der VEB, weil sie die sind, die die Konzentration des Kapitals in den Sachgütern unmittelbar herbeizuführen und die Entscheidungen zu treffen haben, die der Markt ihnen abnötigt; dazu gehört auch die Ausstattung ihres Unternehmens mit den Produktionsmitteln, deren es zur Behauptung und Erweiterung seines Marktanteils bedarf. Das greift nun aber in den Bereich der den VVB gestellten Aufgaben über, und das könnte dazu verführen, in den VVB "sozialistische Konzerne" zu sehen; diese Bezeichnung hat denn auch Ulbricht ihnen beigelegt21 • Konzerne sind aber keine etwa den Vereinen oder Kommunalverbänden vergleichbaren Körperschaften des privaten oder öffentlichen Rechts, sie können daher auch keine Rechtsgebilde einer sozialistischen Wirtschaftsverfassung sein. Sie sind vielmehr komplexe wirtschaftliche Tatbestände, die aus Markt- und Investitionsentscheidungen der Unternehmer erwachsen; so kann das Bestreben, den Marktanteil eines Unternehmens zu behaupten oder zu erweitern, die Angliederung eines anderen Unternehmens, z. B. die eines Rohstoffbetriebes an einen Fertigungsbetrieb, geboten erscheinen lassen. Ist ein Konzern existent geworden, dann sieht sein Leiter (die "Konzernspitze") sich vor Markt- und Investitionsentscheidungen gestellt, die nunmehr in der Komplexität dieses wirtschaftlichen Tatbestandes begründet liegen; sie können sich in der Angliederung, Zusammenlegung oder Abstoßung weiterer Unternehmen äußern. Ein Konzern ist daher keine feste 20 21
Raiser, a.a.O. Raiser, a.a.O., S. 340 Anm. 19; Thalheim, a.a.O., S. 49.
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Größe, bei ihm ist alles im Fluß, und er kann zergehen, ohne eine Lücke zu hinterlassen. Sein Anfang liegt jedoch stets bei der Markt- oder Investitionsentscheidung eines Unternehmers, dem Entschluß, die auf seinem Teilfeld (in seinem Unternehmen) wirkende Energie dadurch zu verstärken, daß sie sich mit der auf einem anderen Teilfeld (in einem anderen Unternehmen) wirkenden verbindet, nur so kommt es zur Mehrfeld-Konzentration, zu einem komplexen Unternehmen. Das sind die VVB in ihrer organisatorischen Verbindung mit den VEB deshalb nicht, weil sie nicht die unbeständige Rechtsform des Ergebnisses einer wandelbaren Markt- oder Investitionsentscheidung haben, sondern die beständige Rechtsform einer festen Wirtschaftsorganisation sind, und zwar die Zusammenfassung der VEB eines bestimmten Wirtschaftszweiges in einem bestimmten räumlichen Bereich. Um Konzerne zu sein, müßten sie die Möglichkeit haben, sich auch andere als die volkseigenen Betriebe anzugliedern oder einen einzelnen VEB abzustoßen, sie müßten auch noch andere als die ihnen gestellten Aufgaben der Leitung des Produktionsprozesses, der Wirtschaftsrechnungsführung und der Rentabilitätskontrolle übernehmen und sich mit Unternehmen verflechten können, die einem anderen Wirtschaftszweig angehören oder ihren Sitz außerhalb ihres örtlichen Bereichs, ja sogar außerhalb des Staatsbereichs haben; denn der Kreis der Aufgaben, die ein Konzern zu erfüllen hat, seine gegenständlichen und örtlichen Wirkungsbereiche, lassen sich nicht im voraus ein- für allemal festlegen, vielmehr erwachsen seine jeweiligen Aufgaben aus den jeweiligen Markt- und Investitionsentscheidungen; sie sind so vielfältiger Art, daß sie sich jeder Kasuistik entziehen. Auch die Rechtsform, die ein Konzern annimmt, bestimmt sich nach der ihm jeweils gestellten Aufgabe. Die VVB sind nicht mehr und sind nicht weniger, sondern sie sind etwas anderes als Konzerne. Das Andere liegt darin, daß die VVB ihre Entstehung nicht der Markt- und Investitionsentscheidung eines Unternehmers verdanken, sondern als ein Organ der staatlichen Planwirtschaft mit einem begrenzten Kreis von Aufgaben geschaffen wurden; diese Aufgaben gehen über die des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft nicht wesentlich hinaus; auch ein Aufsichtsrat kann sogar damit betraut werden oder es sich zur Pflicht machen, den Produktionsprozeß zu leiten, die Wirtschafts rechnung zu führen und die Rentabilität zu kontrollieren. Diese Funktionen machen also die VVB nicht zu "Konzernen". "Sozialistische Konzerne" könnten sich vielmehr nur auf der Stufe der VEB bilden. Es gibt sie noch nicht. Der Ausspruch Ulbrichts zeigt aber, daß ein Bedürfnis nach ihnen besteht. Sie sind auch in keiner Wirtschaft zu entbehren; denn in jeder Wirtschaft stellt sich die Frage nach der optimalen Gestaltung des Teilfeldes. Wenn die optimale wirtschaftliche Wirkung davon abhängt, daß die einem Teilfeld (Unternehmen) zugehörige Energie mit der eines anderen Teilfeldes (Unternehmens) verbunden wird, dann nötigt das dazu,
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beide Teilfelder zu einem komplexen Unternehmen zusammenzufassen, und das ist das, was wir einen Konzern nennen. Dessen Rechtsform kann stets nur aus der Sache selbst gewonnen werden. Sie muß so beschaffen sein, daß sie den Konzernleiter zur Konzentration wirtschaftlicher Energie auf den verbundenen Teilfeldern befähigt; es muß eine der energetischen Natur des wirtschaftlichen Geschehens angemessene, und das heißt: kapitalistische Rechtsform sein. Als solche bieten sich zwangsläufig die Kapitalgesellschaften an. Sie verschaffen dem Konzernleiter die mittelbare Kapitalgewalt, deren er zur Führung der verbundenen Unternehmen bedarf; er kann jedoch auch die unmittelbare Kapitalgewalt innehaben. Befinden sich beispielsweise alle Aktien eines industriellen Unternehmens und alle Aktien eines Unternehmens zur Aufbereitung der von jenem benötigten Rohstoffe in der Hand einer GmbH, so kann der Geschäftsführer einer solchen "Holding"-Gesellschaft sich selbst und von ihm abhängige Personen in die Aufsichtsräte der bei den Aktiengesellschaften delegieren und durch diese ihm genehme Personen zu Vorstandsmitgliedern bestellen. Er erlangt dadurch die mittelbare Kapitalgewalt in den beiden Aktiengesellschaften, während deren Vorstände die unmittelbare Kapitalgewalt ausüben; diese kann aber auch bei dem Geschäftsführer der GmbH liegen, wenn er zugleich dem Vorstand der beiden Aktiengesellschaften oder einer von ihnen angehört. Auch ein "sozialistischer Konzern" könnte eine kapitalistische Rechtsform haben, und er würde sie, der kapitalistischen Natur der Konzerne gemäß, haben müssen. Zwischen ihm und einem Konzern der "freien" Wirtschaft bestände nur scheinbar ein Unterschied insofern, als Gesellschafter der Konzernspitze (im Beispielsfalle der GmbH) beim "sozialistischen" Konzern nur der Staat wäre, während es beim Konzern der "freien" Wirtschaft jede physische oder juristische Person sein kann. Indessen berührt die Frage, wem die Anteile der Konzernspitze gehören, nicht den wirtschaftlichen Tatbestand, um den es geht: die Mehrfeld-Konzentration wirtschaftlicher Energie; sie ist eine unternehmerische Leistung, so daß es nur darauf abzustellen ist, wer in dem einen und dem anderen Falle die Unternehmer sind. Beim "sozialistischen" Konzern wären das der angestellte Konzernleiter und die angestellten Leiter der konzernverbundenen Unternehmen. Beim Konzern der "freien" Wirtschaft ist das ebenso, wenn die Anteile der Konzernspitze (der GmbH) sich in den Händen von Personen befinden, die sich selber im Konzern unternehmerisch nicht betätigen, z. B. die Witwe des Gründers; deren Leistung ist dann lediglich die der Speicherung des in den Anteilen ausgedrückten potentiellen Kapitals; die gleiche (abstrakte) Leistung vollbrächte beim "sozialistischen" Konzern der Staat; zu Unternehmern werden hier die Anteilsinhaber nicht schon dadurch, daß sie die Konzerngeschäftsführung überwachen oder überwachen lassen.
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Anders liegen die Dinge beim Konzern der "freien" Wirtschaft dann, wenn der Anteilsinhaber die Konzerngeschäftsführung nicht bloß überwacht, sondern mitbetreibt; das kann geschehen und geschieht meist, ohne daß er als Geschäftsführer im Rechtssinne (als gesetzlicher Vertreter) in Erscheinung tritt; dennoch wird dann auch er zum Inhaber mittelbarer Kapitalgewalt und damit zum Unternehmer, und es entsteht eine Abstufung von Inhabern der Kapitalgewalt, die ihrem Gegenstand nach eine Abstufung der im Konzern und in den konzernverbundenen Unternehmen zu treffenden Markt- und Investitionsentscheidungen ist. Auf der obersten Stufe steht der Anteilsinhaber als Konzern-Unternehmer; bei ihm liegen die letzten Markt- und Investitionsentscheidungen. 3. Die gleiche Abstufung kann aber auch bei nicht konzernverbundenen Unternehmen gegeben sein, insbesondere, wenn sie in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben werden und der alleinige Gesellschafter, ohne als Organ in Erscheinung zu treten, sich die letzten Markt- und Investitionsentscheidungen vorbehält; sogar bei Einzelfirmen ist sie anzutreffen. Wir gelangen so zu einer weiteren Unterscheidung, der zwischen dem autonomen und heteronomen Unternehmer. Sie deckt sich nicht mit der zwischen unmittelbarer und mittelbarer Kapitalgewalt. Der autonome Unternehmer ist nur dann mit dem Inhaber unmittelbarer Kapitalgewalt identisch, wenn er das Unternehmen persönlich betreibt, sei es allein, sei es in Gemeinschaft mit einem anderen autonomen Unternehmer, wie das bei den Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft der Fall ist. Er kann aber, wie wir soeben aufzeigten, auch Inhaber bloß mittelbarer Kapitalgewalt sein. Der heteronome Unternehmer kann ebenfalls sowohl Inhaber unmittelbarer als auch mittelbarer Kapitalgewalt sein, und zwar ebenfalls allein oder in Gemeinschaft mit einem anderen heteronomen Unternehmer. Denkbar ist, daß heteronome Unternehmer vorhanden sind, es aber an einem autonomen fehlt. So liegen die Dinge bei der Mehrzahl nicht konzernverbundener Aktiengesellschaften. Indessen müssen auch bei ihnen letzte Markt- und Investitionsentscheidungen getroffen werden, z. B. wenn es darum geht, der Gesellschaft Mittel für neue Investitionen zuzuführen; diese Entscheidungen liegen dann beim Aufsichtsrat, meist bei den in ihm vertretenen Banken. Deren Repräsentanten werden dadurch nicht zu autonomen Unternehmern, sie haben aber eine beschränkte Autonomie, indem sie einzelne Funktionen autonomer Unternehmer wahrnehmen. Möglich ist auch, daß mehrere heteronome Unternehmer in ihrem Zusammenspiel wie ein autonomer wirken; es gibt den, allerdings wohl singulären Fall, daß von zwei Aktiengesellschaften jede der alleinige Aktionär der anderen ist, so daß wechselseitig der Vorstand
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der einen in seiner Eigenschaft als Aufsichtsrat der anderen deren Vorstand bestellt. Worin unterscheidet sich nun überhaupt der autonome vom heteronomen Unternehmer? Klarzustellen ist zunächst, daß das nicht das mit der unternehmerischen Leistung verbundene Risiko ist. Man erblickt es meist in der Schuldenhaftung. Indessen erwächst es dem Unternehmer weniger aus der Gefahr, von Gläubigern haftbar gemacht zu werden, als aus der Beurteilung seiner Fähigkeit zur Ausübung der Kapitalgewalt, und dieses Risiko laufen der autonome und der heteronome Unternehmer in gleichem Maße. Seine Schulden kann der autonome Unternehmer loswerden, indem er einen Zwangsvergleich mit seinen Gläubigern schließt; was er aber fürchten muß, ist der Verlust des Vertrauens, das er bei ihnen genießt, und das kann ihn seine Existenz als autonomer Unternehmer kosten. Das gleiche Schicksal kann aber auch den heteronomen Unternehmer ereilen; der Vorstand einer Aktiengesellschaft, die durch Fehler, die er begeht, in Konkurs gerät, hat keine Chance mehr, ein Unternehmen zu leiten, ganz zu schweigen davon, daß dadurch auch er in eine persönliche Haftung geraten kann; ohne weiteres ist diese gegeben, wenn er persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft ist, deren Kommanditanteile sich in der Hand einer Konzerngesellschaft befindet, bei der er angestellt ist, so daß er auch als Komplementär (ohne Einlageverpflichtung und ohne Gewinnbeteiligung) nur Angestellter und somit heteronomer Unternehmer ist. Auch in der Art ihrer wirtschaftlichen Leistung besteht zwischen dem autonomen und dem heteronomen Unternehmer kein Unterschied. Sie ist bei beiden auf die permanente Bündelung der konkreten und abstrakten Leistungen gerichtet. Wie alle wirtschaftlichen Leistungen, so beruht auch die ihre auf der Anwendung der Kapital-Arbeit-Gleichung, die des autonomen Unternehmens ebenso wie die des heteronomen; denn auch er arbeitet, indem er seine Kapitalgewalt dazu gebraucht, die wirtschaftliche Energie in den Sachgütern zu konzentrieren und daraus zurückzugewinnen. Das Potential seiner Arbeitskraft ist, bevor er sie zum Einsatz bringt, ebensowenig meßbar, wie das des Lohnempfängers, meßbar wird sie aber mit den Quanten konzentrierter und zurückgewonnener wirtschaftlicher Energie, und hierbei zeigt sich ein Unterschied zwischen den beiden Arten unternehmerischer Leistung. Die wirtschaftliche Energie des autonomen Unternehmers ist nämlich notwendig an ihr Feld, das Unternehmen, gebunden, während die des heteronomen sich von ihm lösen läßt; dessen wirtschaftliche Leistung ist daher eine konkrete, die wie die jedes anderen Lohnempfängers mit dem Wert gemessen wird, den der einzelne Arbeitsvorgang oder eine Periode einzelner Arbeitsvorgängen liefert, dem Lohn. Die Leistung des autonomen Unternehmers hingegen vollzieht sich in einer Kette von Arbeitsvorgängen, die erst in
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einem gedachten Endzeitpunkt des Unternehmens abreißt. Sie erfordert daher eine andere Art der Messung. Zwar wird dem autonomen Unternehmer für das, was er in einzelnen Arbeitsvorgängen leistet, ein" Unternehmerlohn" zugemessen; dieser tritt aber als solcher nicht in Erscheinung, sondern ist im Preis versteckt, zudem erschöpft sich in dem, was er ausdrückt, die unternehmerische Leistung nicht; deren Meßwert muß vielmehr aus der Gesamtheit der Leistungen, die der autonome Unternehmer erbringt, abgeleitet werden, und das ist der gedachte Gesamtgewinn, den er in seinem Unternehmen erzielt. Es ist keine Simplifizierung, sondern dient dem besseren Verständnis, wenn wir zunächst einmal unterstellen, daß jemand ein Unternehmen mit nichts als seiner Arbeitskraft beginnt, es persönlich betreibt und den Gewinn, den er erzielt, nicht entnimmt, sondern erst durch Ver äußerung des ganzen Unternehmens realisiert. Der nicht entnommene Gewinn eines solchen mit unmittelbarer Kapitalgewalt ausgestatteten Unternehmers steckt dann in den Wirtschaftsgütern seines Anlage- und Umlaufvermögens, den Grundstücken, Gebäuden, Maschinen, Werkzeugen, Einrichtungen, Warenvorräten, Außenständen, Bankguthaben usw. Den Preis, den er für sein Unternehmen verlangt, errechnet er aber nicht einfach aus der Summe des Wertes dieser Wirtschaftsgüter, sondern er setzt ihn mit einem Betag an, der darüber liegt, indem er entweder dem "Substanzwert" einen "Goodwill" ("Firmenwert") zuschlägt oder den "Ertragswert" des Unternehmens ermittelt. Durch diese Art der Preisberechnung stellt er eine Relation zwischen seiner Leistung und den Wirtschaftsgütern her, und das ist die Relation zwischen Kapital und Arbeit, wie sie in der Kapital-Arbeit-Gleichung zum Ausdruck kommt; denn jene Wirtschaftsgüter existieren nicht bloß als körperhafte Teile des Betriebsvermögens, sondern bilden auch das kinetische und potentielle Kapital, das als wirtschaftliche Energie auf dem ihr zugehörigen Teilfeld des Unternehmens wirkt; sie liefern die Hülle für alle Quanten wirtschaftlicher Energie, die der autonome Unternehmer während der gesamten Dauer des Unternehmens durch sie hindurchjagt. Auf ihrer energetischen Natur beruht die Identität von Kapital und Arbeit, die die gleiche ist wie die von Energie und Masse. Daran ändert sich auch nichts, wenn wir diesen Modellfall variieren, zunächst dahin, daß der autonome Unternehmer einen Teil des laufenden Gewinns entnimmt und nur einen anderen für Investitionen verwendet, d. h. in Sachgütern anlegt, die dem Unternehmen als kinetisches Kapital dienen. Die Gewinnentnahme ist dann eine vorweggenommene Messung, in erster Linie, aber nicht ausschließlich der konkreten Leistung, die der Unternehmer mit seiner Physis vollführt. Mit der Investition ändert sich lediglich die Art seiner Leistung: sie löst sich von seiner Physis und setzt sich in den Investitionsgütern als eine Leistung fort, die zugleich eine
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solche kinetischen und bedingtpotentiellen Kapitals ist, also die abstrakte Leistung der Speicherung wirtschaftlicher Energie; diese veränderte Leistung wäre an sich mit dem Zins zu messen, aber auch der steckt als "Eigenkapitalzins" in den Preisen, die der autonome Unternehmer für seine einzelnen Leistungen und die Veräußerung des Unternehmens im ganzen erzielt, so daß beide Arten der unternehmerischen Leistung einen einheitlichen Meßwert durch die Summe aller Gewinne erhalten. Das entspricht ihrer energetischen Natur; denn der Unternehmer mit seiner Physis und das von ihm gespeicherte Kapital sind nur verschiedene Erscheinungsformen der einen wirtschaftlichen Energie, die auf dem Teilfeld des Unternehmens wirkt. Es kommt diesem Kern der Sache näher, er faßt ihn aber noch nicht völlig, wenn man sagt, das Kapital "arbeite". Was arbeitet, ist stets der Mensch, hier der autonome Unternehmer, einmal konkret durch seine physische Leistung, zum anderen abstrakt durch die Leistung des bedingt-potentiellen Kapitals, die ebenfalls die seine ist. Die durch die Kapital-Arbeit-Gleichung dargestellte Identität von Kapital und Arbeit bleibt stets erhalten. Sie bleibt es auch dann, wenn die konkrete oder abstrakte Leistung sich ganz oder teilweise nicht bloß von der Physis, sondern darüber hinaus von der Person des autonomen Unternehmers löst; das dem Unternehmen zugehörige Kapital hört nicht auf, Arbeit zu sein, wenn es eine andere Person zum Träger hat, und umgekehrt bewahrt auch die vom Unternehmer getrennte Leistung ihren kapitalistischen Charakter. In bezug auf den Lohnempfänger, der dem Unternehmer einzelne konkrete Leistungen abnimmt, heißt das: er wird, indem er den Lohn empfängt, als Träger abgespaltener Teile unbedingt-potentiellen Kapitals legitimiert22 . Die Kapital-Arbeit-Gleichung wird aber auch nicht durch die abstrakten Leistungen derer berührt, die dem Unternehmen wirtschaftliche Energie spenden, z. B. eines Gesellschafters, der sich mit einer Einlage beteiligt, oder einer Bank, die dem Unternehmer einen Kredit einräumt. Auch dieses - ebenfalls meist unbedingt potentielle - "Fremdkapital" ist ebenso wie das "Eigenkapital" des Unternehmers gespeicherte wirtschaftliche Energie, also meßbar gewordene Arbeitskraft, die die des Unternehmers verstärkt; er arbeitet dann mit eigener und fremder Kraft, nicht anders als das bei der Beschäftigung eines Lohnempfängers geschieht. Während dieser aber die von ihm gespendete wirtschaftliche Energie alsbald aus den Sachgütern wieder löst, bleibt die der abstrakt Leistenden längere Zeit an sie gebundenen; sie erscheint daher neben der des Unternehmers als ein Posten in der Bilanz. - In allen diesen Fällen findet lediglich eine Teilung der Arbeit und eine ihr entsprechende gesonderte Messung der auf die einzelnen Träger verteilten Leistungen statt, an der Geltung der Kapital-Arbeit-Gleichung ändert das nichts. 22
Siehe hierzu die Ausführungen auf S. 275.
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Jede dieser gesondert gemessenen wirtschaftlichen Leistungen beruht auf der Teilung der Arbeit des mit unmittelbarer Kapitalgewalt ausgestatteten autonomen Unternehmers. Dessen Leistung ist die Grundform der Konzentration und des Rückgewinns wirtschaftlicher Energie, die Form, in der das Grundgesetz des Lebens von der Verwandlung der Kraft in Stoff und der Rückverwandlung in Kraft sich als Grundgesetz der Wirtschaft darbietet. Diese Grundform liefert das Modell für alle anderen Formen unternehmerischer Leistung. Jede von ihnen ist auf sie bezogen; für den mit nur mittelbarer Kapitalgewalt ausgestatteten Unternehmer, insbesondere den Konzern-Unternehmer, versteht sich das von selbst. Aber auch die heteronome Unternehmerschaft ist nur im Verhältnis zur Grundform denkbar; der heteronome Unternehmer ist die Entsprechung des autonomen; er vollführt seine Leistung so, als sei er autonom, er kann sogar, wie wir zeigten, durch Zusammenwirken mit einem anderen den autonomen Unternehmer selbst verkörpern. 4. Mit der Grundform der unternehmerischen Leistung ist auch die des Unternehmens gegeben. Jede andere Unternehmensform ist nur eine Analogie der Grundform des mit unmittelbarer Kapitalgewalt autonom geleiteten Unternehmens, bis herauf zu den komplexen Großunternehmen. Diese Gegenüberstellung bezeichnet also nicht eine Entwicklung, an deren Anfang das kleine Unternehmen und an dessen Ende der Großkonzern stünde. Von dieser Vorstellung war das wirtschaftliche Denken in den Jahrzehnten nach dem ersten Weltkrieg beherrscht, aber die Tatsachen haben sie widerlegt; neben den großen Unternehmen halten sich die kleinen und mittleren; sie vergehen zwar meist schon mit ihrem Gründer, es entstehen aber immer wieder neue und bilden gerade in ihrer Mannigfaltigkeit ein Reservoir, aus dem sich ständig die größeren entfalten, nicht selten erfährt man, daß jemand ein Unternehmen allein aufzieht und im Laufe weniger Jahrzehnte zu einem Tausende von Mitarbeitern umfassenden Konzern ausbaut. Die Unterehmensgrundform und das Großunternehmen sind vielmehr zwei stets gegenwärtige Tatbestände, die der wirtschaftstheoretischen Einordnung bedürfen. Dazu wollen wir wiederum einen Umweg beschreiten. Angenommen, ein übermensch wäre fähig, ein Großunternehmen in der gleichen Weise persönlich zu betreiben wie ein autonomer Unternehmer mit unmittelbarer Kapitalgewalt das seine; der Posten "Kapital" in der Bilanz des Großunternehmens würde dann die Leistung widerspiegeln, die ein solcher Gigant mit dem meßbar gewordenen Potential seiner Arbeitskraft während der gesamten Dauer des Unternehmens erbringt. Setzen wir an die Stelle dieses Bildes die Wirklichkeit, so gelangen wir auch beim Großunternehmen zu jener Teilung der Arbeit und
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ihrer gesonderten Messung, die wir bereits kennen; auch hier bezeichnet dann der Bilanzposten "Kapital" den Teil des gedachten Gesamtgewinns, der erst bei Beendigung des Unternehmens realisiert wird, und das ist das Quantum wirtschaftlicher Energie, das bis zum Endzeitpunkt in der kinetischen und zugleich bedingt-potentiellen Erscheinungsform gespeichert wird, also der Gegenstand einer abstrakten Leistung, die wie die konkrete mit dem meßbar gewordenen Potential der Arbeitskraft der Leistenden erbracht wird. Der Posten "Kapital" hat somit auch hier keine andere Bedeutung als ihm in der Bilanz des autonomen Unternehmers mit unmittelbarer Kapitalgewalt zukommt, die eines Meßwerts jener Leistung. Das folgt aus der Kapital-Arbeit-Gleichung; ihr ist auch das Großunternehmen unterworfen, weil es nach dem Vorbild der Grundform gestaltet ist. Was das Großunternehmen von der Unternehmens-Grundform unterscheidet, ist lediglich die Spaltung des Kapitals in so viele Teile als es Unternehmer gibt. Mit ihnen, den Kapitalanteilen, haben wir uns in der Einführung bereits so eingehend befaßt, daß wir uns auf die Feststellung beschränken können: die Kapitalanteile, insbesondere die Aktien, sind - das lehrt uns die Kapital-Arbeit-Gleichung - das Ergebnis einer Teilung der unternehmerischen Leistung und wie diese selbst nicht zu entbehren. Wo es sie nicht gibt, fehlt es der Wirtschaft an einem Element, das wesentlich zu ihrem Wachstum beiträgt: dem Doppeleffekt. 5. Auf das Wachstum aber muß unter dem Zwang des Grundgesetzes der Wirtschaft alles wirtschaftliche Denken gerichtet sein, sowohl das volkswirtschaftliche des Staates als auch das einzelwirtschaftliche des Unternehmers. Es muß ein seinem Gegenstand gemäßes, und das will sagen: ein energiales Denken sein; denn alles wirtschaftliche Geschehen vollzieht sich in der Bewegung von Quanten wirtschaftlicher Energie. In § 2 der Einführung, der von der Methode handelt, haben wir bereits aufgezeigt, daß wir in der Wirtschaft mit der kausalen Denkform nicht auskommen. Sie erweist sich aber überhaupt als unbrauchbar, weil in der energetischen Realität, wie die Atomphysik sie uns erschlossen hat, die Wirkung nur eine andere Erscheinungsform der Ursache ist; denn die Energiequanten, die sich zu einem stofflichen Körper zusammenballen, bleiben auch in ihrer Zusammenballung Energiequanten; an der UrSache, daß sie Energiequanten sind, ändert sich durch ihr Hineinschlüpfen in die Materie nichts; diese Ur-Sache bleibt auch in der "Wirkung" die gleiche. Das wirtschaftliche Geschehen würde, wenn es sich in die kausale Denkform fassen ließe, einen mechanistischen Ablauf im Sinne der klassischen Physik voraussetzen. Das nimmt die herrschende Wirtschaftslehre an. Sie erblickt den Mechanismus in der Zwangsläufigkeit, mit der der Preis
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Angebot und Nachfrage ausgleicht und dadurch einen Gleichgewichtszustand herbeiführt. Dabei verkennt sie freilich nicht, daß es Faktoren gibt, die dieser Funktion des Preises entgegenwirken; aber das sieht sie lediglich als eine Störung der Gleichgewichtslage, also als eine exceptionelle Durchbrechung der Kausalität an. Indessen gibt es eine solche Zwangsläufigkeit gar nicht. Ob eine Produktion gelingt oder mißglückt, die konzentrierte Energie zurückgewonnen wird oder verloren geht, ist stets ungewiß, und die vermeintliche Störung der Gleichgewichtslage ist dem, Einfluß von Faktoren zuzuschreiben, die nicht nur ausnahmsweise, sondern ständig zu den Faktoren des Angebots und der Nachfrage treten und die erst in der Verbindung mit diesen das wirtschaftliche Geschehen ausmachen. Einer dieser Faktoren sind die Eingriffe des Staates in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung; sie erfolgen wie die "Quantensprünge" spontan, also ohne kausalen Zwang. Aber auch die finale Denkform versagt hier. Konzentration und Rückgewinn der Energie stehen nicht im Verhältnis von Mittel und Zweck zueinander, sondern bezeichnen lediglich zwei Stadien des wirtschaftlichen Geschehens. Dieses selbst läßt sich gleichfalls nicht in eine finale Kategorie einordnen. Das haben bereits Sombarts überlegungen erwiesen: ursprünglich sei es der Zweck der wirtschaftlichen Betätigung gewesen,. den Lebensbedarf der Menschen zu decken, später sei an die Stelle der Bedarfsdeckung das Geldverdienen als ihr Zweck getreten, schließlich sei die wirtschaftliche Betätigung zum Selbstzweck geworden. Damit scheidet aber Finalität als Form wirtschaftlichen Denkens aus; denn was Selbstzweck ist, entbehrt eines Zwecks, und in der Tat ist die wirtschaftliche Betätigung eine Betätigung um ihrer selbst, also um der Wirtschaft willen. Die Frage nach ihrem Zweck ist daher in Wahrheit die Frage nach der Sache selbst. Nur aus ihr kann die richtige Denkform für den Vorgang des Rückgewinns der Energie gewonnen werden. Die Sache selbst aber ist eben die Energie, die bei jeder wirtschaftlichen Betätigung bewegt wird. Das nötigt zu einer Form des Denkens, die sich sowohl von der kausalen als auch von der finalen abhebt und die wir daher die energiale nennen. Wir verstehen darunter ein Denken, das sich aus dem von der Atomphysik erarbeiteten Grundgesetz der Welt ableitet. Nach ihm beruht alles materielle Sein auf einem ständigen Wechsel von Energiezuständen und bezeichnet jeder stoffliche Körper in seiner jeweiligen Gestalt nur ein Stadium des Durchgangs von Energiequanten.
ZWEITER HAUPTTEIL
Das Geld Das Wesen des wirtschaftlichen Geschehens liegt darin, daß Quanten der vom Menschen in einem stofflichen Körper (Sachgut) konzentrierten Energie über das Sachgut hinausschießen, um entweder an einen anderen Menschen (zum Verbrauch) oder in ein anderes Sachgut (zur Reproduktion) zu gelangen. Das wirtschaftliche Denken hat dem Lauf dieser Quanten zu folgen, genauer: sich ihren wahrscheinlichen Lauf vorzustellen. Der wirtschaftende Mensch muß daher, will er wirtschaftlich richtig denken, die Sachgüter durchdenken, ganz wörtlich genommen: er muß durch sie hindurch denken. Das bedeutet freilich nicht, daß er ihre Körperhaftigkeit einfach wegdenken könnte. Er muß vielmehr ihr stoffliches Sein in sein wirtschaftliches Denken einbeziehen, und zwar so, daß er das stoffliche Sein der Sachgüter in deren energetisches Geschehen verwandelt. Damit erweist sich das wirtschaftliche Denken als ein Bewertungsvorgang; denn als energetische Größen besitzen die Sachgüter nicht Quantität (Fläche, Rauminhalt und Gewicht), sondern durch die ihnen wesenseigene Fähigkeit, persönliche Energie aufzunehmen und wieder abzugeben, d. h. durch das ihnen innewohnende Arbeitsvermögen, Qualität. Qualifizieren aber heißt bewerten. Die Bewertung eines wirtschaftlichen Vorganges erfordert ebenso wie die eines technischen dreierlei: Maßstab, Meßwert, Messung. Das Wesen des Maßstabes ist nicht in seiner äußeren Gestalt, etwa in der eines Metallbandes für ein Längenmaß oder einer Glasröhre für ein Thermometer, sondern darin zu suchen, daß Zahlen in einer ganz bestimmten Weise angeordnet werden. So werden in einem Thermometer zwei Zahlen so fixiert, daß die eine den Punkt bezeichnet, bei dem Wasser gefriert, die andere den Punkt, bei dem es kocht. Den Raum zwischen beiden Zahlen füllt eine Skala weiterer Zahlen aus, die es gestattet, die Temperaturen zwischen dem Gefrier- und dem Siedepunkt zu bestim-
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11. Das Geld
men. Diese bei den Punkte bezeichnen nun aber nicht etwa das Minimum und Maximum wärmeenergetischer Bewegungen, vielmehr ermöglichen sie die Messung auch von Wärmeenergiegraden, die unterhalb des Gefrierpunktes oder oberhalb des Siedepunktes von Wasser liegen. Man hat also aus der Fülle möglicher Wärmeenergiezustände den Gefrierund den Siedepunkt des Wassers herausgegriffen und daraus einen Maßstab für Wärmeenergie jeden Grades gewonnen. Dieser Maßstab liefert eine Recheneinheit der Wärmeenergie: 10 auf der Skala eines Thermometers spiegelt ein bestimmtes Quantum von Wärmeenergie wider. Wesentlich für die Begründung einer Recheneinheit war die Festlegung der beiden Grenzpunkte. Die Zahl der Marken innerhalb dieser Grenzen war nicht entscheidend. Daher war es möglich, drei Arten des Maßstabes "Thermometer" mit drei verschiedenen Recheneinheiten für die Messung von Temperaturen auszubilden, die Recheneinheiten Celsius, Reaumur und Fahrenheit; man kann aber ohne weiteres die eine in die andere umrechnen. Der Meßwert spiegelt den Zustand wider, über den der Maßstab Auskunft geben soll. So zeigt das Thermometer auf seiner Skala die Zahl an, die dem jeweiligen Wärmegrad des gemessenen Körpers entspricht. Diese "Grad" genannte Zahl ist der Meßwert. Die Messung ist ein Vorgang, dessen Ablauf sich nach der Natur des zu messenden Gegenstandes richtet. Sie kann entweder nur in einer bloßen Betrachtung (dem bloßen Ablesen der Meßzahl von Maßstab) oder auch noch in einer Handlung (etwa der Einführung eines Thermometers in den menschlichen Körpers) bestehen.
Erster Abschnitt
Der Maßstab des Kapitals (Kapitalistische Geldtheorie) Maßstab für die Bewertung der in einem Sachgut bewegten (von ihm aufgenommenen und wieder abgegebenen) wirtschaftlichen Energie kann ebenso wie der eines technisch-physikalischen Geschehens nur eine Skala von Zahlen sein. Eine solche bietet sich uns in der Einrichtung an, die wir das Geld nennen. Daß das Geld den Maßstab für das Kapital abgibt, haben wir an mehreren Stellen unserer Untersuchung bereits ausgesprochen, ohne jedoch der Sache auf den Grund zu gehen. Jetzt müssen wir uns mit ihm näher befassen. Dabei werden wir der Frage nachzugehen haben, ob das Kapital mit seinen beiden Erscheinungsformen, dem kinetischen und dem potentiellen, sich im Geld widerspiegelt. Nur wenn wir das bejahen könnten, wären wir berechtigt, das Geld als Maßstab des Kapitals anzusprechen. Der Geldbegrijf würde sich uns dann, weil nur mit jenem zusammen denkbar, als ein Satellit des Kapitalbegrijfs offenbaren. Das äußere Bild des Geldes scheint einer solchen Annahme zu widersprechen; denn es gibt sich uns als etwas den Sachgütern Entgegengestelltes aus, und zwar als etwas, das den Sachgütern gleichwertig ist und sich daher gegen sie "tauschen" läßt; den mit dem Geld als "Tauschmittel" vollzogenen "Tausch" nennt man "Zahlung" und definiert Geld schlechthin als "Zahlungsmittel". Indessen geht man mit Geld auch noch in einer anderen Weise um, und zwar indem man mit den Zahlen, in denen es sich ausdrückt, Berechnungen anstellt. Das geschieht in Bilanzen und Statistiken. Geld dient hier als eine bloße Recheneinheit. Die herrschende Wirtschaftslehre hat bis auf den heutigen Tag keine Antwort auf die Frage gefunden, wie diese beiden Funktionen des Geldes sich zueinander verhalten. So unterscheidet Veit l zwischen der "konkreten" Funktion, die das Geld als "Tauschmittel" ausübt, und der "abstrakten", die es als "Recheneinheit" hat, ohne eine Erklärung dafür zu liefern, wie es dazu kommen kann, daß ein "Gut", als welches er das I
Veit, Otto: Reale Theorie des Geldes, S. 5, 20, 22, 66 ff., 87.
13 Eekelt
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H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
Geld ansieht, seine "konkrete" Hülle abstreift, um "abstrakt" einer anderen Funktion zu dienen. Hier bleibt die Frage offen, ob es, wenn es ein "Gut" ist, das nur als "Tauschmittel", nicht aber als "Recheneinheit" ist, und tatsächlich spricht Veit ihm die Gutseigenschaft dann ab, wenn es "Kapitalcharakter" annimmt, d. h. wenn sein Besitz zum Vermögen wird, aber - und hier gerät er in einen unlöslichen Widerspruch zu seiner "realen Theorie des Geldes" - nur bei der Zuordnung des Geldes zum volkswirtschaftlichen Gesamtheitsvermögen, nicht dagegen zum betriebswirtschaftlichen Vermögen des Einzelnen; "makroökonomisch ist daher das Geld kein Gut". Eine solche Unterscheidung ist jedoch nicht möglich; denn da die makroökonomische Berechnung durch Aggregierung aus der mikroökonomischen abgeleitet wird, kann Geld bei jener nicht etwas anderes sein als bei dieser; es kann vielmehr nur entweder immer ein "Gut" oder immer kein "Gut" sein; damit aber erhebt sich die Frage, ob es nicht überhaupt bloß eine ("abstrakte") Funktion als "Recheneinheit" hat und die ("konkrete") als "Tauschmittel" nur eine besondere Art der ersteren ist. Die Antwort auf diese Frage kann nur aus dem gewonnen werden, was den beiden Funktionen gemeinsam ist, und das kann nur die Skala von Zahlen sein, die das Geld zum Maßstab des Kapitals und in dieser Eigenschaft als Recheneinheit und damit zugleich als Zahlungsmittel ("Tauschmittel") verwendbar macht. Die Untersuchung, die wir darüber anzustellen haben, schließt dann von selbst auch die Meßwerte und die Messung des Kapitals ein.
§ 10 Geld als ein System von Zahlen Wenn wir uns des Geldes zur Zahlung bedienen wollen, so kann das auf verschiedene Weise geschehen: entweder übergeben wir dem Empfänger Metallstücke, Münzen genannt, oder Papiers tücke, Banknoten genannt; der Betrag der Zahlung, die wir leisten, wird nun aber nicht durch die Anzahl der Stücke bestimmt, die wir übergeben, sondern durch Addition der Zahlen, die den Münzen eingeprägt und den Banknoten aufgedruckt sind. Von ihnen, nicht von der Anzahl der hingegebenen Stücke, hängt also der Zahlungserfolg ab. Diesen können wir sogar ohne Addition durch Fixierung einer einzigen Zahl erreichen, und zwar indem wir auf ein nach bestimmten Regeln gestaltetes Formular, Scheck genannt, eine Zahl setzen, die der Summe der Zahlen entspricht, die die Münzen und die Banknoten anzeigen, die wir sonst hergeben müßten, oder indem wir - mehr oder weniger formlos - unserer Bank den Auftrag erteilen, den wiederum in einer einzigen Zahl ausgedrückten Betrag auf ein Konto des Empfängers zu überweisen.
§ 10 Geld als ein System von Zahlen
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Das entscheidende Kriterium des Zahlungsvorgangs liegt also in der Art und Weise, in der wir eine Zahl fixieren, um mit ihr den Ablauf eines wirtschaftlichen Tatbestandes auszudrücken. Erst recht ist das so, wenn wir uns des Geldes nicht zur Zahlung, sondern zur bloßen Berechnung eines wirtschaftlichen Tatbestandes bedienen: jeder Posten einer Bilanz oder einer Statistik kann gar nicht anders als in einer Zahl ausgedrückt werden; Bilanzen und Statistiken sind ihrer Natur nach "Zahlenwerke". Daher muß jede Theorie des Geldes, soll sie zu richtigen Ergebnissen führen, davon ausgehen, daß die Existenz des Geldes sich in Zahlen offenbart und daß sich dar an nur eine einzige Frage knüpft: die Frage nach der Anordnung dieser Zahlen. In ihr liegt die gesamte Problematik des Geldes beschlossen. Bei ihr müssen alle Untersuchungen über Wesen, Funktionen und Arten des Geldes ansetzen. Die Antwort auf sie ist noch nicht mit der arithmetischen Struktur der Geldzahlen, d. h. damit gegeben, daß - bis auf wenige Ausnahmen - die Geldverfassungen aller Staaten nach dem Dezimalsystem ausgebildet sind. Vielmehr müssen die Geldzahlen, um als Maßstab für die Bewegung wirtschaftlicher Energie zu dienen, in ein bestimmtes System gebracht werden. Dazu bedarf es in gleicher Weise einer Skala, wie das Thermometer sie für die Messung der Bewegung von Wärmeenergie liefert, also der Bestimmung zweier Grenzpunkte und einer Recheneinheit für die Skala, die den Raum zwischen den beiden Grenzpunkten ausfüllt. Das kann aber nicht wie beim Thermometer in der Weise geschehen, daß der Energiezustand eines einzelnen Trägers (des Wassers) zum Modell für die Bemessung der Energiezustände anderer Träger genommen wird; denn die wirtschaftliche Energie hat es nur mit einem einzigen Träger, dem arbeitsteilig tätigen Menschen in seiner energetischen Verbindung mit den Sachgütern, zu tun. Aus dieser Verbindung sind die Grenzpunkte für die Recheneinheit, mit der die wirtschaftliche Energie gemessen wird, abzuleiten. Der eine von ihnen ist wie beim Thermometer die Zahl o. Die Zahl aber, die den oberen Grenzpunkt bezeichnet, kann nicht, wie man meinen möchte, durch das Volumen der wirtschaftlichen Energie bestimmt werden; denn dieses Volumen schwankt; es dehnt sich in dem Maße aus, in dem die Leistung der arbeitsteilig tätigen Menschen und damit der Wert der von ihnen bearbeiteten Sachgüter wächst. Es ist daher nicht möglich, eine Zahl festzulegen, in der sich die gesamte zwischen den arbeitsteilig tätigen Menschen und den Sachgütern bewegte wirtschaftliche Energie widerspiegelte, und den Raum zwischen dieser Zahl und der Zahl 0 mit einer Skala auszufüllen, an der die wirtschaftliche Energie der einzelnen Träger abzulesen wäre. 13·
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II. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
Der obere Grenzwert für die Bemessung der wirtschaftlichen Energie muß also auf andere Weise ermittelt werden, und zwar so, daß sich in ihm das jeweilige Volumen der wirtschaftlichen Energie, also die jeweilige Leistung der arbeitsteilig tätigen Menschen und der jeweilige Wert der von ihnen bearbeiteten Sachgüter widerspiegelt. Demzufolge ist die Skala des Maßstabes der wirtschaftlichen Energie nach oben nicht begrenzt, aber dennoch zeigt die Marke dieser Skala einen Grad der wirtschaftlichen Energie an, der zwischen dem Grenzpunkt 0 und dem durch das jeweilige Volumen der wirtschaftlichen Energie gegebenen oberen Grenzpunkt liegt, so daß man sagen kann: jede Marke der Geldskala trägt deren oberen Grenzpunkt in sich. Darauf beruht es, daß eine bestimmte Recheneinheit des Geldes stets ein gleiches Quantum wirtschaftlicher Energie ausdrückt, genauer: ausdrücken soll, obwohl es eine Meßzahl, die eine bestimmte wirtschaftliche Leistung, etwa die Herstellung eines Kraftwagen, widerspiegeln würde, nicht gibt. Für 100 DM erhält man stets oder soll man stets erhalten eine bestimmte Menge von Sachgütern, mit 100 DM bezeichnet man oder soll man in einem Rechenwerk (Statistik, Bilanz) bezeichnen können eine bestimmte Menge von Sachgütern, unabhängig von der Art dieser Sachgüter und unabhängig davon, wieviel Menschen an wievielen Sachgütern im Zeitpunkt der Messung auf der Erde arbeitsteilig tätig sind.
§ 11 Der "Geldwert" und seine Faktoren 2
Wenn wir einschränkend sagten, daß jede Marke der Geldskala stets ein gleiches Quantum wirtschaftlicher Energie ausdrücken soll, so sprechen wir damit ein Problem an, das im Mittelpunkt der Geldtheorie steht, das Problem des Geldwerts. Es scheint doch so zu sein, daß jede Marke der Geldskala, also jede Recheneinheit des Geldes, z. B. jeder Hundertmarkschein, um als Maßstab für die in den Sachgütern konzentrierte und aus diesen zurückgewonnene Energie dienen zu können, einen bestimmten, in sich selbst ruhenden Wert haben muß und daß es gilt, diesen Wert zu erhalten.
I. Kritik der Geldwerttheorien So sieht in der Tat die herrschende Geldtheorie das Problem, und zwar indem sie das Geld, wie wir schon sagten, den Sachgütern als eine eigene Größe entgegenstellt und ihr die Fähigkeit beimißt, gegen die Sachgüter ausgetauscht zu werden; diese Fähigkeit, "Kaufkraft" genannt, ist 2 Zum folgenden Muhs: Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 380 ff.; Lütge, Friedrich: Einführung in die Lehre vom Gelde, München 1946; Kraus, Otto: Geld, Kredit, Währung; eareZl, a.a.O., S. 306 ff.
§ 11 Der "Geldwert" und seine Faktoren
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das, was den "Geldwert" ausmachen soll. Es ist in dieser Vorstellung ein Wert im Sinne einer von verschiedenen Faktoren abhängigen Qualität, etwa dem Wert eines Gemäldes vergleichbar. Was bei diesem der Vorwurf, die Farben und die Komposition sind, das müssen in der herkömmlichen Sicht bestimmte Faktoren sein, die dem Geld "Kaufkraft" verleihen und es so zu einem "Zwischengut" machen. Die Geldtheorie hat denn auch in verschiedenen Varianten die Faktoren des "Geldwerts" darzustellen versucht. Wir werden diese Theorien vom Geldwert daraufhin zu untersuchen haben, was es mit jenen Faktoren auf sich hat, d. h. ob es sich dabei um Faktoren handelt, die das Geld als eine den Sachgütern entgegengestellte Größe qualifizieren. Müßten wir das verneinen, dann wäre Geld etwas anderes als das, was die herrschende Lehre in ihm sieht. 1. Die älteste der Geldwerttheorien, die Quantitätstheorie, beruht, wie der Name andeutet, auf der Vorstellung, daß der "Geldwert" (die "Kaufkraft") abhängt von dem Verhältnis, in dem die Menge des umlaufenden Geldes zur Menge der umgeschlagenen Sachgüter steht. Dabei wird unter Geldmenge der in einem bestimmten Zeitpunkt vorhandene Bestand von Geldzeichen verstanden. Deren Wert bemißt sich nun, so meinte man, danach, ob er größer oder kleiner ist als der entsprechende Bestand an Sachgütern: Vermehrt die Geldzeichenmenge sich, ohne daß die Gütermenge entsprechend zunimmt, so sinkt der Geldwert, im umgekehrten Fall steigt er. Diese sogenannte naive Spielart der Quantitätstheorie wurde im 16. Jahrhundert von Bodinus entwickelt. Man kam mit ihr jedoch nur solange aus, als Geldzeichenmenge und Gütermenge annähernd konstant blieben, und das war nur solange der Fall, als die Bevölkerung sich nicht wesentlich vermehrte und demzufolge auch das Feld der Wirtschaft sich nicht nennenswert ausweitete. Als aber gegen Ende des 17. Jahrhunderts (nach dem 30jährigen Krieg) die Bevölkerungszahl anschwoll und mit der von den merkantilistischen Landesherren geförderten Industrie sich der Wirtschaft neue Gebiete erschlossen, ließ der Geldwert sich aus dem rein statischen Verhältnis von Geldzeichenmenge und Gütermenge nicht mehr erklären. Man erkannte, daß er auch von einem dynamischen Element bestimmt wird, der Umlaufgeschwindigkeit der Geldzeichenmenge. Die so modifizierte Quantitätstheorie geht auf John Locke (1691) zurück. Sie beeinfiußt das geldtheoretische Denken bis in unsere Tage. Irving Fisher verlieh ihr 1916 einen mathematischen Ausdruck durch die sogenannte Verkehrsgleichung: GXU=PXH.
Hier ist G die Menge der in einem bestimmten Zeitraum umlaufenden, also der in der Wirtschaft bewegten (nicht gehorteten) Geldzeichen, und zwar sowohl _des Stoffgeldes (Münzen, Banknoten), als auch des Giralgeldes. Das Aufkommen des letzteren, also des Geldes, das in der Form von Bankguthaben neben die Münzen und die Banknoten getreten ist, mußte die Vorstellung, die im Geld einen den Gütern gleichen Sachwert sah, erschüttern. Dennoch und obwohl das Giralgeld etwa 80 Ofo alles umlaufenden Geldes ausmacht, konnte man sich bis auf den heutigen Tag von dieser Vorstellung noch nicht völlig lösen. U, die Umlaufgeschwindigkeit der Geldzeichen, ist die Anzahl der durch sie vermittelten Güterumsätze, also die Anzahl der mit ihnen geleisteten Zahlun-
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H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
gen. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: A kauft von B einen Posten Ware um 100 DM und verkauft an C einen anderen Posten ebenfalls um 100 DM; C zahlt sofort an A in 2 Fünfzigmarkscheinen. Wenn A sofort danach seine Kaufpreisschuld an B tilgt und sich dafür der beiden Fünfzigmarkscheine bedient, so sind diese beiden in einem Tage zweimal umgelaufen, d. h. sie haben zwei Güterumsätze vermittelt. Zahlt A dagegen erst später mit anderen Geldscheinen, so ist für die beiden Güterumsätze die doppelte Menge von Geldzeichen erforderlich. Mit der "Geschwindigkeit", d. h. dem Tempo, in dem der Geldumlauf sich vollzieht, hat das im Grunde nichts zu tun. Es wäre daher falsch, diesen Vorgang mit der Geschwindigkeit eines Fahrzeugs zu vergleichen. Den Geldzeichen wohnt nichts inne, was sie befähigen würde, schneller oder langsamer von Hand zu Hand zu gehen. Zutreffender ist es, von der Umsatzhäufigkeit der Geldmenge zu sprechen3• Gleichviel jedoch, welche Bezeichnung man wählt, sicher ist soviel, daß das, was sie ausdrücken soll, sich einer exakten Berechnung entzieht. Man kann die Zahl der Güterumsätze und der sie vermittelnden Zahlungen eines bestimmten Zeitraums auch nicht annähernd abschätzen. Dennoch läßt sich nicht verkennen, daß die Umsatzhäufigkeit als ein den "Geldwert" bestimmender Faktor neben die Geldzeichenmenge tritt, anders ausgedrückt: der "Geldwert" resultiert nicht bloß aus der absoluten Geldzeichenmenge, d. h. dem Gesamtbetrag aller in einem Zeitraum umlaufenden Geldzeichen, sondern auch aus der relativen Geldzeichenmenge, d. h. dem Gesamtbetrag der in einem Zeitraum mit diesen Geldzeichen geleisteten Zahlungen. Die Umsatzhäufigkeit wirkt, wie CarelZ das treffend formuliert, wie eine größere oder kleinere Geldmenge (Geldzeichenmenge). Aber das ist erst die eine Seite der Verkehrsgleichung, die der Geldzeichen. Der "Geldwert" resultiert indessen auch noch aus der anderen, der Güterseite. Hier bezeichnet H das Handelsvolnmen. Darunter ist der in Geld ausgedrückte Wert der in einem Zeitraum umlaufenden Menge an Sachgütern zu verstehen. Die Errechnung des Handelsvolumens begegnet den gleichen Schwierigkeiten, wie die der Umsatzhäufigkeit. Schlechthin unmöglich, wie Kraus meint, ist sie jedoch nicht. Auf jeden Fall ist nicht zu übersehen, daß das, was sich hinter dem Symbol H verbirgt, Einfluß hat auf Menge und Umsatzhäufigkeit der Geldzeichen. Mit der Bestimmung des Handelsvolumens ist aber die Frage nach dem "Geldwert" noch nicht beantwortet. Um zu wissen, ob man für eine Geldeinheit, beispielsweise für 100 DM, jeweils die gleiche Menge von Sachgütern erhält, ist es erforderlich, den Durchschnitt der Preise zu errechnen, zu denen man die in einem bestimmten Zeitpunkt ermittelte Gütermenge umsetzt. P = das Preisniveau bildet daher den letzten und wichtigsten Faktor der Verkehrsgleichung. Man gewinnt ihn, indem man die Sachgüter zu Gruppen ordnet, jede dieser Gruppen nach ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung abstuft (z. B. Nahrungsmittel, Mieten, Erholung, Schmuck), diesen Gruppen ein bestimmtes Gewicht zuerkennt, das man mit dem Gesamtbetrag der Preise jeder Gruppe multipliziert, die so gewonnenen Zahlen addiert und durch die Anzahl der "Gewichte" dividiert; auf diese Weise erhält man den gewogenen Preisindex. Dieser resultiert also aus den Indices der einzelnen Gruppen, dem Großhandels-, Einzelhandels-, Industrie- usw. -Index. Der gewogene Preisindex spiegelt aber nur den Stand der Preise wider, der in einem bestimmten Zeitpunkt (dem 3
Ebenso Kraus, a.a.O., S. 53.
§ 11 Der " Geldwert " und seine Faktoren
199
des "Wägens") besteht. Das Preisniveau erhält man erst dadurch, daß man eine Verbindung herstellt zwischen den gewogenen Preisindices, die zu versdliedenen Zeitpunkten bestehen. Das macht man in der Weise, daß man den Preisen, die an einem bestimmten Tage, etwa dem 1. Januar 1950, bestanden haben, den Wert 100 beilegt und die Erhöhung oder Senkung des Index durch eine entsprechende Zu- oder Abrechnung (z. B. 105,95) ausdrückt. Das Preisniveau ist also das Ergebnis einer Raum und Zeit umfassenden Rechnung. Auch dafür gibt es kein einwandfrei funktionierendes Verfahren, aber auch und gerade hier wird der Erkenntniswert der Verkehrsgleichung sichtbar. Versetzt man die Symbole der Verkehrsgleichung so, daß man P auf die eine Seite bringt, so erhält man die Gleichung: p= GX U
H
Das bedeutet: das Preisniveau ist abhängig von dem Verhältnis, in dem jeweils Menge und Umschlagshäufigkeit der Geldzeichen zum Handelsvolurnen stehen. Da nun die Geldzeichen den Sachgütern in den Preisen gegenübertreten, hängt der Wert jeder Geldeinheit vom Preisniveau ab, und zwar dergestalt, daß der "Geldwert" in dem Maße sinkt, in dem das Preisniveau steigt, und umgekehrt der "Geldwert" in dem Maße steigt, in dem das Preisniveau sinkt. Der "Geldwert" ist daher der reziproke Ausdruck des Preisniveaus. 2. Mit dieser Erkenntnis ist aber noch nicht viel gewonnen, denn die Verkehrsgleichung spiegelt lediglich das Verhältnis zwischen "Geldwert" und Preisniveau, wie es in einem bestimmten Zeitpunkt besteht, wider, aber sie entschlüsselt noch nicht die Faktoren, die dieses Verhältnis gestalten. "Geldzeichenmenge", "Umsatzhäufigkeit", "Handelsvolumen" und "Preisniveau" sind nicht von selbst gegebene Größen, sondern das Ergebnis noch anderer Faktoren. Diese anderen Faktoren werden nur sichtbar, wenn man den Weg aufzeigt, den die Güter und die Geldzeichen bei den arbeitsteilig tätigen Menschen durchlaufen. Das geschieht, wie wir aus der täglichen Erfahrung wissen, in der Weise, daß die Menschen Sachgüter herstellen und daraus ein in Geld ausgedrücktes Einkommen beziehen, das es ihnen gestattet, andere Sachgüter zu erwerben. Zu dem statischen Aspekt, den die vier Größen der verfeinerten Verkehrsgleichung gewähren, tritt ein dynamischer: die durch das Einkommen vermittelte Bewegung der Güter- und der Geldzeichenmenge. Man faßt daher die Lehrmeinungen, die sich an den Einkommensbegriff knüpfen, unter der Bezeichnung Einkommenstheorie zusammen. Deren Hauptvertreter sind v. Zwiedineck-Südenhorst, Wicksell, v. Wieser, Forstmann und Keynes. Im Mittelpunkt steht also der Einkommensbegriff. Wir werden uns mit ihm an anderer Stelle noch näher befassen. Klarzustellen ist lediglich, daß wir es hier nicht mit dem individuellen Einkommen (den Einkünften der einzelnen
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H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
Wirtschaftssubjekte), sondern dem Volkseinkommen zu tun haben und daß dieses sich in zeitlicher Sicht verschieden darbietet. Von der Vergangenheit her stellt sich uns die Frage nach seiner Entstehung, in die Zukunft weist die Frage nach seiner Verwendung. Das Einkommen entspringt, wie wir sagten, aus der Herstellung der Sachgüter. Das ist zunächst aber nur die nach Maß, Zahl und Gewicht, also nach rein physischen Merkmalen bestimmte Menge der in einem geschlossenen Wirtschaftsgebiet (Staat) innerhalb eines Zeitraums (Jahres) hergestellten und für die Verteilung (den Absatz) bestimmten Sachgüter; auszugehen ist also nicht von der tatsächlichen Verteilung (dem Umsatz), sondern von der Möglichkeit dazu (dem "Output"). Um die hergestellten Sachgüter zum "Volkseinkommen" werden zu lassen, ist es nötig, sie zu bewerten, und das geschieht durch die Geldeinheiten der einzelnen Wirtschaftsgebiete (Staaten). Das Ergebnis dieser Bewertung nennen wir das Sozialprodukt. Darunter haben wir also den Geldwert aller in einem geschlossenen Wirtschaftsgebiet, z. B. der Bundesrepublik Deutschland, innerhalb eines Zeitraums (Jahres) hergestellten und für den Absatz bestimmten Sachgüter zu verstehen. In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, auf die wir später noch eingehen werden, wird zwischen dem Bruttosozialprodukt und dem Nettosozialprodukt unterschieden. Letzteres entspricht dem Gesamtbetrag des Einkommens, das die zu arbeitsteiliger Gemeinschaft verbundenen Menschen eines Wirtschaftsgebietes (Staates) innerhalb eines Zeitraums (Jahres) aus ihrer wirtschaftlichen Betätigung beziehen, dem nominellen "Volkseinkommen".
Das "Beziehen" des Einkommens spielt sich nun aber nicht so ab, daß dem Einzelnen ein Anteil am Ergebnis der Produktion (am Sozialprodukt) zugeteilt würde, so daß er so etwas wie einen Kapitalanteil erhielte, vielmehr werden ihm Geldzeichen zugemessen, die dem Wert entsprechen, die seine Leistung im Zeitpunkt ihres Bewirkens hat. Dieser Einzelleistungs-Geldwert deckt sich nicht notwendig mit dem Geldwert seines Beitrages zum Sozialprodukt. Das ist der Sachverhalt, der sich in den Begriffen Nominal- und Realeinkommen ausdrückt. Unter Nominaleinkommen verstehen wir somit die Summe der den Produzierenden (im weitesten Sinne) zugemessenen Geldzeichen, unter Realeinkommen den Geldwert der Produktion. Geht man der Frage nach, wie es zu einer Diskrepanz zwischen beiden kommen kann, so muß man mit der Feststellung beginnen, daß hier der Faktor Zeit hineinspielt, und zwar so, daß im Augenblick der Zumessung die Produktion bereits ein größeres Volumen erreicht hat als dies in der Summe der zugemessenen Geldzeichen zum Ausdruck kommt (die Produktion läuft der Einzelleistungsbemessung gleichsam davon). Das führt dann dazu, daß das Nominaleinkommen für den Erwerb der produzierten Sachgüter nicht ausreicht, oder umgekehrt: daß im Zeitpunkt der Zumessung die produzierten Sachgüter mehr kosten als an Nominaleinkommen für ihren Erwerb vorhanden ist. Dadurch wird ihr Preis ebenfalls zu einem Faktor der Diskrepanz zwischen Nominal- und Realeinkommen, und zwar sowohl der Preis "neuer" Sachgüter als auch der (erhöhte) Preis der Sachgüter des "alten" Warenkorbs; deren Preisniveau wirkt sich somit auch hier - als Faktor des Einkommens - gestaltend auf den "Geldwert" aus. Es ist indessen eine bloße Rechnungsgröße, di.e noch nichts über den Grund sagt, der zu einer Diskrepanz zwischen Nominal- und Realeinkommen führen kann. Er liegt in der Verwendung des Nominaleinkommens.
§ 11 Der "Geldwert" und seine Faktoren
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Das Nominaleinkommen wird nämlich entweder zur unmittelbaren Befriedigung der materiellen Lebensbedürfnisse, d. h. zum Erwerb von Konsumgütern, ausgegeben oder es wird für die Ergänzung der erforderlichen Produktionsmittel, d. h. für den Erwerb von Investitionsgütern, gespart. Danach unterscheidet man zwischen Konsumrate und Sparrate. Von dem Verhältnis, in dem diese zueinander stehen, hängt es ab, ob das Nominaleinkommen sich mit dem Realeinkommen deckt, und das hat dann Einfluß auf den "Geldwert"; denn mit der gleichen Menge von Geldzeichen läßt sich in zwei verschiedenen Zeitpunkten die gleiche Menge von Sachgütern nur dann erwerben, wenn das Nominaleinkommen mit dem Realeinkommen im Gleichgewicht gehalten wird, aber das ist nicht immer der Fall. Drei Gewichtslagen sind denkbar: a) Gelangt die Sparrate in voller Höhe zu neuen Investitionen und werden umgekehrt alle neuen Investitionsgüter durch sie gedeckt, so hat das zur Folge, daß die Konsumrate in vollem Umfange zum Erwerb von Konsumgütern verwendet werden kann, und zur weiteren Folge, daß das Preisniveau der Konsumgüter und damit als sein reziproker Ausdruck der "Geldwert" stabil bleibt, das Gleichgewicht also gewahrt ist. b) Gelangt die Sparrate nicht in voller Höhe zu neuen Investitionen, so kann sich insoweit kein neues Einkommen bilden; dadurch schrumpft der Konsum, und das hat zur reziproken Folge, daß das Preisniveau der Konsumgüter absinkt und der "Geldwert" steigt. c) Reicht hingegen die Sparrate zur Deckung der neuen Investitionen nicht aus, müssen vielmehr andere Quellen (welche, werden wir sogleich sehen) erschlossen werden, so vermehrt sich dadurch das Einkommen, der Konsum steigt und mit ihm das Preisniveau, während der "Geldwert" sinkt. Diese drei durch die Verwendung des Einkommens bedingten Gewichtslagen nehmen die beherrschende Stellung in den von Keynes 4 entwickelten Grundgleichungen des Geldes ein. Mit der einen von ihnen drückt er das Preisniveau der Konsumgüter aus (P), und zwar indem er es aus zwei Größen ableitet: dem Gesamteinkommen (E), bezogen auf dessen Quelle, die Gesamtheit der in einem Zeitraum hergestellten Konsum- und Investitionsgüter (0), und den drei möglichen Gewichtslagen zwischen Spar- und Konsumrate, bezogen auf die Konsumgüter (R). Die Gewichtslagen werden durch die Buchstaben I und S = Investitionsvolumen und Sparvolumen symbolisiert und als Differenz I - S dargestellt, so daß die Formel lautet:
p=!+I-S o R Die Differenz I-S kann sein: gleich Null (Fall a) oder negativ (Fall b) oder positiv (Fall cl. Keynes sieht die größere Gefahr im Fall b, also in der Schrumpfung des Konsums; er nimmt daher die einer Schrumpfung des Geldwertes als die kleinere von beiden in Kauf, wenn dadurch der ersteren begegnet wird. Hier liegt die Wurzel des Gedankens der Vollbeschäftigung und ihrer Kettenreaktion : Investitionen steigern das Einkommen, erhöhtes Einkommen steigert den Konsum, erhöhter Konsum steigert den Lebensstandard, erhöhter Lebensstandard stabilisiert die politische Macht. Wir können die zweite Keynes'sche Grundgleichung des Geldes - sie drückt das Preisniveau der Gesamterzeugung aus - beiseite lassen. Worauf es hier 4
Keynes, a.a.O., S. 111.
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H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
ankommt ist folgendes: in beiden Grundgleichungen schlägt sich die Erkenntnis nieder, daß den Faktoren, die den "Geldwert" gestalten, der Geldzeichenmenge, deren Umsatzhäufigkeit, dem Handelsvolumen und dessen Preisniveau, als weitere Faktoren das Einkommen und dessen Verteilung hinzuzurechnen sind. Jene ersten beiden werden von den letzteren verdeckt; denn die Geldzeichenmenge und deren Umsatzhäufigkeit stellen sich im Einkommen, und zwar im Nominaleinkommen dar und sind daher als Größen durch die Größe Nominaleinkommen mitgegeben. Darauf beruht es, daß sie in den Keynes'schen Gleichungen keinen Platz gefunden haben. 3. Es gibt jedoch - und das erweisen gerade die Gleichungen - außer den eben genannten Faktoren des "Geldwertes" noch einen anderen: die bankkreditäre Geldschöpfung, auch "Geldschöpfung durch Kreditexpansion" genannt. Sie ersetzt die Sparrate dort, wo diese zur Deckung neuer Investitionen nicht ausreicht und bildet somit einen weiteren Faktor des "Geldwertes" . Sie vollzieht sich in der Weise, daß eine Bank einen Kredit einräumt. Die Erteilung der Kreditzusage befähigt den Kreditnehmer dazu, Zahlungen zu Lasten eines für ihn eröffneten Kontos zu leisten. Die Zahlen, die auf dem Konto erscheinen, sind die Zeichen des so geschöpften Geldes. Die Menge dieser Geldzeichen wird aber bereits mit der Kreditzusage vorausbestimmt. Diese liefert also einen Faktor für den Faktor "Geldzeichenmenge" und dadurch mittelbar für den "Geldwert". Sie bewirkt eine Vermehrung der Geldzeichenmenge, ohne daß zunächst und notwendig eine entsprechende Vermehrung der Sachgütermenge eintreten würde. Bleibt diese aus, so sinkt - als Folge der bankkreditären Geldschöpfung - der "Geldwert" ab. Die bankkreditäre Geldschöpfung gibt aber zugleich einen Faktor für den Faktor "Einkommen" und auch auf diese Weise mittelbar für den "Geldwert" ab. Soll dieser erhalten bleiben, so muß der Faktor "bankkreditäre Geldschöpfung" zum Faktor "Einkommen" in ein Verhältnis gebracht werden, bei dem der erstere wie die Initialzündung einer Kettenreaktion wirkt: das geschöpfte Geld (der Bankkredit) wird zur Anschaffung der für neue Investitionen benötigten Sachgüter, d. h. zur Bezahlung der Kaufpreise für ihren Erwerb oder der Arbeitslöhne für ihre Herstellung verwendet; damit schlägt es sich in den Einkommen der Verkäufer oder Arbeiter nieder; dort spaltet es sich in die Konsumrate und die Sparrate auf und gelangt über die letztere abermals zu neuen Investitionen. Keynes hat für diesen kumulativen Prozeß eine eigene Formel geprägt, die man "Multiplikator-Theorie" nennt, obwohl es sich gar nicht um eine "Theorie" handelt. Die Formel will besagen, daß die bankkreditäre Geldschöpfung, richtig gelenkt, zu einer Vermehrung des Einkommens, und zwar sowohl (zunächst) des
Nominaleinkommens als auch (danach) des Realeinkommens führt. Keynes hat in der bankkreditären Geldschöpfung und der durch sie ausgelösten Investition das Instrument erkannt, das die Vollbeschäftigung zum Mittel der Nachfragesteigerung (Konjunktur) und damit zum Mittel des Wachstums der Wirtschaft macht. Die bankkreditäre Geldschöpfung kann aber auch falsch gelenkt werden. Das ist sie dann, wenn das neu geschöpfte Geld zwar zu einer Vermehrung des Nominaleinkommens, nicht aber auch zu einer solchen des Realeinkommens führt, weil die mit den neuen Investitionen hergestellten Sachgüter weder für den Konsum noch für neue Investitionen geeignet sind.
§ 11 Der "Geldwert" und seine Faktoren
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Für den Konsum geeignet sind solche Sachgüter, die als Nahrung, Kleidung, Wohnung, Bildung, Erholung usw. dem Lebensunterhalt der Menschen dienen; sie werden zwar durch ihren Verbrauch vernichtet, der Mensch schöpft aber aus ihnen physische Kraft, die er wieder an erneute Produktion wenden kann. Man spricht daher auch von produktiven Konsumgütern, um sie von den unproduktiven, d. h. den Konsumgütern abzuheben, die ausschließlich dazu bestimmt sind, vernichtet zu werden. Dazu gehören in erster Linie Waffen und Munition. Im Frieden wird ihr Bestand in einem Rahmen gehalten, der das Gleichgewicht zwischen Nominalund Realeinkommen nicht stört. Im Kriege aber verschiebt sich dieses Gleichgewicht; denn aus der Kriegsproduktion fließt zwar zusätzliches Nominaleinkommen, diesem steht aber kein Warenangebot gegenüber, für das es verwendet werden könnte. Es bildet sich ein "Geldüberhang", genauer: ein Bestand von Geldzeichen, der sich nicht verwerten läßt mit der Folge, daß der "Geldwert" sinkt. Es kann aber auch in Friedenszeiten geschehen, daß unproduktive Konsumgüter ein übergewicht über produktive Konsum- oder Investitionsgüter erlangen. Man erlebt das bei Staaten, deren Regierungen aus Geltungsdrang einen verschwenderischen Aufwand treiben. Auch hier entsteht ein den "Geldwert" drückender "Geldüberhang", dem kein gleichwertiges Warenangebot gegenübersteht. Für die Investition geeignet sind Sachgüter, die sich für die Herstellung anderer Sachgüter verwenden lassen. Sind sie es nicht, so spricht man von "Fehlinvestition". Auch hierbei verschiebt sich das Gleichgewicht von Nominalund Realeinkommen; denn die Produktion der neuen Investitionsgüter vermehrt zwar das aus ihr bezogene Nominaleinkommen, sie führt aber wegen der mangelnden Eignung der Produkte nicht auch zu einer Vermehrung des Realeinkommens, so daß auch hier ein "Geldüberhang" entsteht, der den "Geldwert" herabdrückt. Der aus einer fehlgelenkten Geldschöpfung entstehende Geldüberhang kann su groß sein, daß er die Geldzeichen völlig oder nahezu völlig ihrer "Kaufkraft" beraubt. Das ist der Tatbestand der Inflation5 • Die Regierung des Staates, der von ihr betroffen wird, kann sich ihr gegenüber passiv oder aktiv verhalten. Verhält sie sich passiv, so wird die vermehrte Geldzeichenmenge durch eine Steigerung des Preisniveaus aufgewogen, die Geldzeichen werden also ebenso zu den aus Angebot und Nachfrage gebildeten Preisen für die Sachgüter hergegeben wie vor der Inflation, nur muß man jetzt für die gleiche Sachgütereinheit eine größere Geldeinheit aufwenden. Verhält der Staat sich aktiv, dann werden die Preise - meist in Verbindung mit einer Rationierung der Sachgüter - auf dem Stand fixiert, den sie vor der Inflation hatten. In diesem Falle wird die überhängende Geldzeichenmenge gestaut. Danach unterscheidet man zwischen der "offenen" und der "gestauten" Inflation. Die letztere bezeichnet indessen immer nur ein Zwischenstadium; denn irgendwann und irgendwie muß auch hier der Geldüberhang beseitigt werden. Die eine wie die andere dieser beiden Arten von Inflation ist dadurch gekennzeichnet, daß es zu einer Verknappung der angebotenen Sachgütermenge (des Warenangebots) kommt, sei es aus Furcht vor dem Schwund des "Geld5
Vgl. hierzu die Ausführungen in § 2 S. 76 ff.
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II. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
werts", sei es auf Grund behördlicher Maßnahmen (Rationierung). Das hat zur Folge, daß zwar der in einer bestimmten Einheit ausgedrückte Nennwert (absolute Wert) des Geldes erhalten bleibt, daß aber sein relativer Wert sich verändert. 100 DM oder 100 Francs sind in jeder Inflation, auch der gestauten, nicht mehr das wert, was sie vorher wert waren. Zusammenfassend ist zu sagen: richtig gelenkt, läßt die bankkreditäre Geldschöpfung den "Geldwert" unberührt, falsch gelenkt drückt sie ihn herab. Zwischen der Krediteinräumung und der mit ihr bewirkten Investition liegt eine Gefahrenzone des "Geldwerts". Daher überragt, seitdem man in der Investition das für das wirtschaftliche Wachstum entscheidende Element erkannt hat, die bankkreditäre Geldschöpfung als Faktor des "Geldwerts" an Bedeutung alle übrigen Faktoren - bis auf einen: das Preisniveau. 4. Dieses ist uns bisher nur in Verbindung mit anderen Faktoren des "Geldwerts" begegnet. In der Quantitätstheorie war dies das Handelsvolumen, in der Einkommenstheorie der Geldwert der hergestellten Konsum- und Investitionsgüter (das Nettosozialprodukt = nominelles Volkseinkommen). Das Preisniveau bildete in dieser Verbindung lediglich ein statistisches Hilfsmittel, das es gestattete, den "Geldwert" aus jenen anderen Faktoren zu bestimmen. Es spielt darüber hinaus aber auch eine Rolle als ein selbständiger Faktor des "Geldwerts"; denn es kann unabhängig von den anderen Faktoren mehr oder weniger willkürlich gehoben oder gesenkt werden, und das hat die reziproke Folge, daß der "Geldwert" fällt oder steigt. Das kann aus Anlaß einer bankkreditären Geldschöpfung, aber auch ohne eine solche geschehen. Die bankkreditäre Geldschöpfung führt, wie wir sahen, richtig gelenkt, zu einer Vermehrung sowohl des Nominal- als auch des Realeinkommens. Diese Vermehrung geht aber bildlich gesprochen nicht nur in die Breite, sondern auch in die Höhe, d. h. das geschöpfte Geld erweitert nicht bloß den Kreis der arbeitsteilig tätigen Menschen, sondern steigert auch das Einkommen derer, die bisher schon arbeitsteilig tätig waren. Das hat, wie wir bereits in der Einführung (§ 1) aufzeigten und in den nächsten Abschnitten noch näher untersuchen werden, seinen Grund in der Spannung, die zwischen der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung und den Einzelleistungen besteht und die zur Erhöhung des Nominaleinkommens (der Anhebung von Löhnen und Preisen) nötigt. Da nun in dem Maße, in dem das geschieht, der "Geldwert" absinkt, spricht man auch hier von "Inflation", und zwar, solange einem dieser Vorgang noch nicht bewußt ist, einer "schleichenden", wenn er aber erkannt ist und sich kontinuierlich fortsetzt, einer "schreitenden". Diese beiden Tatbestände unterscheiden sich indessen von dem der (echten)
§ 11 Der "Geldwert" und seine Faktoren
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Inflation dadurch, daß es nicht wie dort zu einer Verknappung des Sachgüterangebots kommt und daraus erst die Änderung des relativen "Geldwerts" resultiert, vielmehr ist es hier einzig und allein die Anhebung des Preisniveaus, die das bewirkt, so daß dieses als ein selbständiger Faktor des "Geldwerts" in Erscheinung tritt. Es kann aber auch ohne jeden Zusammenhang mit einer bankkreditären Geldschöpfung zu einer Anhebung des Preisniveaus kommen, so wenn neue Investitionen gemacht, aber nicht mit Hilfe von Bankkrediten, sondern "aus dem Preis" finanziert, genauer: durch Anhebung der Preise für die mit den neuen Produktionsmitteln hergestellten Sachgüter gedeckt werden. Aber auch ohne daß neue Investitionen den Anstoß dazu geben, kann es zu einem Preis auftrieb kommen, in erster Linie als Folge einer Steigerung der Nachfrage. In der Vorstellung der klassischen Wirtschaftslehre vollzieht sich das mit dem Zwang eines kausalen Gesetzes, und zwar so, daß der gleiche Zwang eine gegenteilige Entwicklung auslöst: die Erhöhung der Preise reizt zur Vermehrung der Produktion, die vermehrte Produktion erhöht das Angebot, und das erhöhte Angebot drückt den Preis, so daß am Ende die alte Gleichgewichtslage zwischen Preisniveau und "Geldwert" wiederhergestellt wird. Der Preisauftrieb kann aber auch außerhalb des "Gesetzes von Angebot und Nachfrage" einfach als Folge eines darauf gerichteten Willensaktes eintreten. Das ist möglich bei "manipulierten Preisen", d. h. Preisen, die nicht zwischen gleichberechtigten Partnern ausgehandelt, sondern in Ausnutzung einer Machtstellung einseitig diktiert werden. Der "Mächtige" kann der Staat oder ein von ihm geduldeter Träger wirtschaftlicher Macht sein, und zwar entweder ein einzelner Unternehmer oder eine Zusammenfassung von Unternehmern in der festen Form von Konzernen oder Kartellen oder in der losen Form von Preisabsprachen. Diese Unternehmer beherrschen den Markt der von ihnen hergestellten Produkte, sei es, daß es außer ihnen andere Hersteller überhaupt nicht gibt, sei es, daß nur ein begrenzter Kreis von Herstellern vorhanden ist, von denen jeder die Herstellung, insbesondere durch Entwicklung von Marken oder Typen, beschränkt und sich dadurch einen Marktanteil sichert; im ersten Fall spricht man von einem Monopol, im anderen von einem Oligopol. Der manipulierte Preis spielt im Wirtschaftsleben unserer Zeit eine hervorragende Rolle, insbesondere da, wo der Staat seine Hand im Spiel hat, entweder indem er selber monopolistisch wirtschaftet oder indem er das Preisniveau für einen bestimmten Kreis von Sachgütern, insbesondere die notwendigsten Lebensmittel, fixiert und den Unterschied zwischen den fixierten Preisen und den Herstellungkosten durch Subventionen ausgleicht (Fall der sog. "Subventionspreise").
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11. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
Erhöhte Bedeutung erlangt die Preismanipulierung im zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr. Hier dient sie dazu, den Export zu fördern oder den Import zu drosseln. Im ersten Fall übernimmt der Staat in der Form einer "Export-Subvention" einen Teil der Gestehungskosten; dadurch setzt er den Hersteller in die Lage, sein Produkt im Ausland zu einem konkurrenzfähigen Preis anzubieten. Die zwischenstaatliche Preismanipulierung kann sich auf einzelne Sachgüter ("Exportartikel") erstrecken oder alle aus- und eingeführten Sachgüter umfassen. Im letzteren Fall haben wir es aber nicht mehr mit dem Preisniveau, sondern mit einem anderen Faktor des "Geldwerts" zu tun. 5. Das im Gebiet eines Staates umlaufende Geld kann nämlich nicht ohne weiteres im Gebiet eines anderen Staates zur Zahlung verwendet werden; vielmehr muß - in der Regel wenigstens - das in dem fremden Staat umlaufende Geld in das Geld, die "Währung" des eigenen Staates umgetauscht werden, und erst mit ihm kann Zahlung geleistet werden. Der Zwang, das Geld eines anderen Staates zu erwerben, macht es - allerdings nur dem äußeren Anschein nach _6 zu einer "Ware", die man "kaufen" und "verkaufen" kann. Wie jeder Kauf hat auch dieser seinen "Preis"; man nennnt ihn den" Wechselkurs". Dieser gibt einen weiteren selbständigen Faktor für den "Geldwert" ab. Das tritt dann in Erscheinung, wenn ein Staat den "Preis" seiner Währung manipuliert. Das geschieht, wenn seine Währung in ein Mißverhältnis zur Währung der anderen Staaten gerät, d. h. wenn seine Zahlungsbilanz dauernd passiv wird, weil die Abflüsse an Geld und Devisen durch die Zuflüsse nicht mehr gedeckt werden. Um den Ausgleich wiederherzustellen, wertet er seine Währung ab, indem er die Parität, d. h. die Relation verändert, in der die Währung seines Gebiets zu den Währungen der anderen Staaten steht, und das hat dann zur Folge, daß die Bestände an abgewertetem Geld, über die die anderen Staaten verfügen (die Devisen) an Wert verlieren. Dadurch wird der "Geldwert" zum Faktor des "Geldwertes". Das ist die letzte unentrinnbare Konsequenz des Gedankens, daß das Geld einen in sich selbst begründeten Wert habe. Sie führt aber diesen Gedanken ad absurdum. 6. Daß das, was dem Geld seinen "Wert" geben soll, nicht in ihm selbst begründet ist, tritt in drei der Faktoren in Erscheinung: der bankkreditären Geldschöpfung, dem Preisniveau und dem zwischenstaatlichen Geldwert. Von diesen drei Faktoren liefert nämlich jeder für sich dem Geld einen Wertmaßstab, so daß der "Geldwert" sich verschieden ausnimmt, je nachdem er von dem einen oder dem anderen dieser Faktoren geformt wird. Es findet hier keine Akkumulation, sondern eine Konkur6
Worum es dabei in Wahrheit geht, legen wir im 3. Abschnitt dar.
§ 11 Der "Geldwert" und seine Faktoren
207
renz von Wertfaktoren statt, und jeder von ihnen hat seine Wurzel außerhalb des Geldes, und zwar in ganz verschiedenen Bereichen. Die bankkreditäre Geldschöpfung dient, wie wir sahen, als Mittel zur Erreichung und Erhaltung der Vollbeschäftigung. Sie ist somit ein sozialpolitischer Geldwertfaktor, das Preisniveau dagegen, seiner Natur gemäß, ein preispolitischer, der zwischenstaatliche Geldwert schließlich - als Hebel für den Ausgleich der Zahlungsbilanz - ein währungspolitischer. Von der Richtung, die die Wirtschaftspolitik eines Staates einschlägt, hängt die Gestaltung des "Geldwerts" ab. Dieser wird zum Spielball der Sozial-, Preis- und Währungspolitik und kann daher unmöglich eine eigene Größe abgeben. Er ist in ein "magisches Dreieck" eingespannt, das aus den drei Seiten "Vollbeschäftigung", "Preisniveau" und "Zahlungsbilanz" besteht7. Wenn dieses Dreieck, um im Bilde zu bleiben, ein gleichschenkliges ist, dann ist der "Geldwert" stabil. Um es gleichschenklig zu machen, bedarf es eines Zusammenspiels dieser drei politischen Kräfte durch das Wirken einer vierten.
11. Der "Wert" des Geldes als Recheneinheit und als Zahlungsmittel Damit ist der Ausgangspunkt für etwas gegeben, was alle bisher genannten Faktoren an Bedeutung überragt und was wir als den Faktor aller Faktoren des "Geldwerts" bezeichnen dürfen. Das Geld erlangt seinen "Wert" nicht aus sich selbst, aus seiner stofflichen Erscheinung heraus. Auch in der Zusammenfassung seiner stofflichen Bestandteile zur "Geldzeichenmenge" und deren Umsatzhäufigkeit bietet es noch nichts, was "Wert" hätte. Ebensowenig ist für den "Geldwert" schon damit etwas gewonnen, daß man für einen bestimmten Zeitraum das Handeisvolumen, das Nominal- und das Realeinkommen, das Preisniveau und den zwischenstaatlichen Wechselkurs ermittelt. Was alle diese Größen und durch sie erst mittelbar den "Geldwert" formt, das ist der Mensch mit seinen wirtschaftlichen Handlungen, und das will sagen: mit seinen Kräften. Diese sind also, wie Kraus 8 es formuliert hat, nicht in der Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit (wir sagen: Geldzeichenmenge und Umsatzhäufigkeit) zu suchen; Kräfte entfalten sich vielmehr "im marktwirtschaftlichen Geschehen" durch die "Taten und Handlungen" des Menschen. Das ist jedoch nicht mehr als ein Ahnen 7 Preiser, Erich: Nationalökonomie heute, S. 95. - Man spricht, indem man noch das Wachstum einbezieht, auch vom "magischen Viereck" (siehe hierzu § 24, S. 307). 8 a.a.O., S. 73.
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H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
dessen, was unsichtbar hinter den sichtbaren Faktoren des "Geldwerts" steht. Wenn auch dieses Unsichtbare in den Kreis unserer wissenschaftlichen Erkenntnis rücken soll, dann müssen wir die "Kräfte" als Energien begreifen und uns fragen, 1. ob die wirtschaftlichen Handlungen der Menschen als "Kräfte" wahr-
nehmbar sind,
2. ob die wahrgenommenen wirtschaftlichen Kräfte der Menschen meßbar sind, 3. ob das Geld einen für die Messung der wirtschaftlichen Kräfte geeigneten Maßstab abgibt, 4. ob darin sein" Wert" begründet liegt. Den Schlüssel für die Beantwortung dieser Fragen gibt uns die Analyse des Kapitalbegriffs an die Hand. Wir sehen im Kapital wahrnehmbare und meßbare Kraft, die der Mensch den Sachgütern mitteilt und aus ihnen zurückgewinnt, d. h. Energie, deren Erscheinungsform der Mensch in der durch sein Arbeitsvermögen hergestellten inneren Relation zu den Sachgütern ist. Wenn Geld der Maßstab dieser Energie ist, dann müssen, da jeder Maßstab die gleichen Eigenschaften aufweist, die der mit ihm gemessene Gegenstand hat, die Elemente des Kapitalbegriffs im Geldbegriff wiederkehren, und dann müssen die "Taten und Handlungen" der wirtschaftenden Menschen Äußerungen dieser wirtschaftlichen Kraft (Energie) sein und dann muß sie es sein, die als Faktor aller Faktoren den "Geldwert" formt und allen Faktoren innewohnt. Wenn das alles so ist, dann muß sich in jedem der Faktoren des "Geldwerts" ein allen gemeinsames Element feststellen lassen, und das ist der Fall. Dieses Element ist - so seltsam das klingen mag - das Geld selbst. Daß die Faktoren Geldzeichenmenge, Umsatzhäufigkeit, bankkreditäre Geldschöpfung und zwischenstaatlicher Geldwert "Geld" als gemeinsames Element enthalten, versteht sich von selbst. Aber auch für die anderen Faktoren trifft das zu. In der Fisher'schen Verkehrs gleichung bezeichnet H das Handelsvolumen, und das ist nicht lediglich die Menge der in einem Zeitraum umlaufenden Sachgüter, sondern deren Geldwert, genauer: es sind alle in Geld gemessenen Sachgüterumsätze und Dienstleistungen. Der andere Faktor der Verkehrsgleichung, das Preisniveau, kann ebenfalls nur in Geld dargestellt werden, weil der Preis eine in Geld ausgedrückte Größe ist. Nicht anders liegt es bei den von Keynes entwickelten Grundgleichungen. Deren eine Seite bildet wiederum das Preisniveau, und die andere,
§
11 Der "Geldwert" und seine Faktoren
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das Einkommen, ist in seinen nach Quelle und Verwendung unterschiedenen Arten, dem Nominal- und dem Realeinkommen, ebenfalls nur in Geld darstellbar. Das "Geld" steht also in mehreren Varianten als Faktor auf beiden Seiten aller Geldgleichungen. Im Grunde sind das auch gar keine Gleichungen; denn darunter verstehen wir Formeln, die das Verhältnis widerspiegeln, in dem mehrere selbständige Größen zueinander stehen. Hier aber haben wir es nur mit der einen Größe "Geld" zu tun. Die "Geldwert"-Gleichungen symbolisieren es als ein Element, das verschiedene Gestalt annimmt - als Geldzeichen, als Handelsvolumen, als Preis, als Einkommen - und das sich aus einer dieser Gestalten in eine andere verwandelt. Das wird in Keynes' dynamischen Grundgleichungen sichtbar: aus der in Geld ausgedrückten Menge der in einem Zeitraum produzierten Konsum- und Investitionsgüter (0) wird in Geld ausgedrücktes Einkommen (E), aus diesem entspringt unter Aufspaltung in die Konsum- und die Sparrate (J und S) und unter Verwendung der letzteren für neue Investitionen (J - S) die in Geld ausgedrückte Menge neuer Konsum- und Investitionsgüter (R und 0), ganz knapp formuliert: aus Geld wird Geld und abermals Geld. "Wert" kann sich nur an diesen Gestaltwandel knüpfen; er liegt beschlossen in der Fähigkeit des durch das Geld symbolisierten Elements, sich aus einer dieser Gestalten in eine zu verwandeln. Diese Verwandlung vollzieht sich nicht selbsttätig, sondern wird ausgelöst durch einen Impuls des wirtschaftenden Menschen, der sich auswirkt in einer Kette von "Taten und Handlungen", die erst dadurch zu Faktoren des "Geldwerts" werden. Es sind dies einmal die bankkreditäre Geldschöpfung, sodann die durch sie ermöglichte Produktion von Investitionsgütern mit dem dadurch gebildeten Einkommen und der aus ihm abgeleiteten Spar- und Investitionsrate und schließlich die mit dieser erneuerte Produktion von Investitionsgütern. Die zeitlich-kausale Aufeinanderfolge dieser Vorgänge und ihre Beziehung zum "Geldwert" bildet den Gegenstand der Sequenzanalyse 9 • Zu Ende gedacht führt sie zur 9 Kraus, Otto, a.a.O., S. 73 und 211 unterscheidet zwischen den "Anstoßwelle" der "autonomen", d. h. der durch technische Fortschritte ausgelösten und durch Bankkredite "vorfinanzierten" Investition und der "Verstärkerwelle" der "induzierten", d. h. der durch vermehrte Nachfrage nach Konsumgütern ausgelösten und durch erhöhtes Lohneinkommen "selbstfinanzierten" Investition. - Schneider, Erich, a.a.O., 11. Teil, S. 268 f., beschreibt an Hand des von J. Tinbergen entworfenen Pfeilschemas, "wie im Zeitablauf ein Zustand des ökonomischen Systems aus dem zeitlich vorhergehenden Zustand herauswächst". - Wir sagen richtiger: das Pfeilschema zeigt, wie ein wirtschaftsenergetischer Zustand sich in einen anderen verwandelt. Der "Geldwert" spielt im Rahmen der Sequenzanalyse nur noch insofern eine Rolle, als seine Ver-
14 Eckelt
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H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
Verneinung eines in sich selbst begründeten "Geldwerts"; denn es sind ja außermonetäre Vorgänge, die ihn formen, Vorgänge, die auf Willensentscheidungen der wirtschaftenden Menschen beruhen, mit der substantiellen Erscheinungsform des Geldes also nichts zu tun haben. Die herrschende Geldtheorie hat aber diese naheliegende Folgerung aus der Sequenzanalyse nicht gezogen, sondern hält an der Fiktion eines in sich selbst begründeten "Geldwerts" fest. Soviel aber ist auch vom Standpunkt der herrschenden Lehre aus sicher: Da Geld nicht bloß in der substantiellen Form von Münzen, sondern auch in der unsubstantiellen bloßer Rechnungsposten vorkommt, kann der sogenannte "Geldwert" kein Substanz-, sondern nur ein Funktionswert sein. Da nun nach der herkömmlichen Vorstellung Geld zwei Funktionen, einmal als Zahlungsmittel, zum anderen als bloße Recheneinheit, hat, so muß, wenn unsere Überlegung richtig ist, das Geld auch als bloße Recheneinheit "Wert" haben. Demzufolge muß es sich in den Geldwertgleichungen in seinen beiden Funktionen feststellen lassen. Das ist der Fall, und zwar treffen wir es entweder nur in seiner Funktion als Zahlungsmittel oder nur in seiner Funktion als bloße Recheneinheit oder in der Kombination beider Funktionen an. Ausschließlich als Zahlungsmittel erscheint es bei den Faktoren "Geldzeichenmenge" und "Umsatzhäufigkeit", ausschließlich als bloße Recheneinheit beim Faktor "Preisniveau". Alle anderen Faktoren stellen Kombinationen beider Funktionen dar; insbesondere gilt das für den Faktor Einkommen; denn dieses besteht nicht notwendig in dem Empfang von Geldzeichen (z. B. als Lohn oder Gehalt), sondern es kommt auch in einer Form vor, bei der das Geld lediglich als Recheneinheit dient. Es ist dies das Einkommen der wirtschaftlichen Unternehmungen, das auf Grund einer kaufmännischen Gewinn- und Verlustrechnung ermittelt wird. Diese spiegelt nämlich nicht einfach den Zu- und Abfluß von Geldzeichen (Zahlungsmitteln) wider, sondern sie ist eine qualifizierte Einnahme-Ausgabenrechnung, qualifiziert deshalb, weil sie den Strom der Geldzeichen in Beziehung setzt zu den Sachgütern, und zwar zu deren Veräußerung und Anschaffung, indem sie bereits gegenwärtig als "Ertrag" ausweist, was erst künftig "Einnahme" wird, und indem sie andererseits als "Aufwand" etwas behandelt, was in der Vergangenheit bereits Ausgabe war; zu den "Erträgen" rechnen so schon die Forderungen aus der Veräußerung von Sachgütern, zu deren "Aufwendungen" die Abschreibungen auf früher angeschaffte Sachgüter (Investitionsgüter, Anlagegüter). Beides sind reine Rechnungsposten. Dennoch beeinflussen sie den "Geldwert"; denn der aus ihnen ermittelte Gewinn bildet die
änderung die vollzogene Verwandlung widerspiegelt. Die Geldtheorie mündet damit in die Wachstumstheorie und die Theorie von der Konjunkturbewegung ein (PreiseT, a.a.O.).
§ 11 Der "Geldwert" und seine Faktoren
211
Grundlage für die Berechnung des Einkommens, das die Inhaber von Unternehmungen in Gestalt von Gewinnen und Gewinnanteilen (Dividenden) beziehen, und für die Berechnung der Steuern, die aus diesem Einkommen zu zahlen sind. Forderungen können sogar, obwohl bloße Rechnungsposten, als Zahlungsmittel fungieren, also beide Funktionen des Geldes in sich vereinen und dadurch den "Geldwert" unmittelbar beeinflussen, und zwar, indem sie verbrieft und wie Geldzeichen von Hand zu Hand gegeben werden. Die klassischen Beispiele hierfür sind Scheck und Wechsel. Sie verbriefen lediglich Forderungen, werden aber dennoch "in Zahlung gegeben": der Empfänger "erkennt" das Konto dessen, von dem er sie erhält, genauso wie er es "erkennt", wenn Zahlung in Münzen oder Banknoten geleistet wird. Beim "bestätigten" Scheck liegt das offen zu Tage; aber auch der normale Scheck fungiert als Zahlungsmittel, obwohl die Forderung, die er verbrieft, weiterbesteht und erst mit der Einlösung erlischt. Die Forderung aus einem Wechsel wird dadurch zu einem Zahlungsmittel, daß sein Inhaber, ohne seine Fälligkeit abzuwarten, ihn sofort "zu Geld machen" kann, indem er ihn einer Bank verkauft oder bei ihr diskontiert (beleiht). Zwar ist letzteres die Regel; wenn aber ein Wechsel auf eine "erste Adresse" gezogen ist, kann es vorkommen, daß die Bank ihn endgültig erwirbt und der bisherige Inhaber endgültig aus dem Wechselverband ausscheidet. Die Bank wiederum verkauft den Wechsel weiter oder rediskontiert ihn selber oder durch Vermittlung einer anderen Bank beim Zentralbankinstitut. Auch dieses kann ihn, statt ihn zu beleihen, ankaufen und an das Zentralbankinstitut eines anderen Staates verkaufen. Auf diese Weise wird die durch den Wechsel verbriefte Forderung monetisiert, d. h. aus einem bloßen Geldrechnungsposten in ein Geldzeichen verwandelt. Es läßt sich nicht verkennen, daß hier, insbesondere bei der Verwendung von Schecks und Wechseln als "Devisen" im zwischenstaatlichen Verkehr, der "Geldwert" sich an die Existenz einer bloßen Geldforderung und damit an das Geld in seiner Funktion als bloße Recheneinheit knüpft. Damit führt uns die Untersuchung über den sogenannten "Geldwert" auf die Frage zurück, die wir diesem Abschnitt vorausstellten, die Frage, wie die beiden Funktionen des Geldes sich zueinander verhalten. Wir haben jetzt gesehen, daß Geld sich auch als bloße Recheneinheit zur Zahllung verwenden läßt. Damit drängt sich die Frage auf, ob Geld als Zahlungsmittel nicht überhaupt dasselbe ist wie Geld als bloße Recheneinheit, anders ausgedrückt: ob die Zahlung selbst nicht ein bloßer Rechenvorgang ist. Wir können daher die Frage nach dem "Geldwert" zuverlässig nicht beantworten, ohne uns zuvor völlige Klarheit darüber zu verschaffen, was denn nun eigentlich "Zahlung" ist. 14"
212
II. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
Man bedient sich dieses Begriffs so, als handle es sich um einen keiner Definition bedürfenden elementaren Vorgang. Als "Grundbegriff des Geldumlaufs", und als einen "Effekt des Geldes" bezeichnet Kraus lO ihn, ohne jedoch aufzuzeigen, welches die Merkmale dieses "Grundbegriffs" sind und worin der mit der Zahlung erzielte "Effekt" besteht. Wir können uns damit nicht begnügen, werden vielmehr sehr genau zu untersuchen haben, was denn nun eigentlich "Zahlung" ist. Dann erst ist der Weg für die Antwort auf die Frage nach dem "Geldwert" und damit zugleich auf die Frage nach dem Wesen des Geldes frei.
§ 12 Die Zahlung - ihre technische rechtliche und wirtschaftliche Seite
Die Zahlung hat drei Seiten: eine technische, eine rechtliche und eine wirtschaftliche. 1. Der technische Ablauf der Zahlung hängt von der "Geldart" ab, in der sie geleistet wird. Es gibt deren drei: das Metallgeld (Münzgeld), das Notalgeld und das Giralgeld (Buchgeld) .. Die ersten beiden sind stoffliche Körper; man kann sie daher unter der Bezeichnung "Stoffgeld" zusammenfassen. Bei ihnen vollzieht sich die Zahlung technisch durch Übergabe im ersten Falle von Münzen, im zweiten von Banknoten; sie gelangen entweder unmittelbar oder unter Einschaltung eines Instituts (der Post) von einem Besitzer an einen anderen. Giralgeld hingegen hat keinen stofflichen Charakter. Bei ihm ist die Zahlung ein reiner Buchungsvorgang, und zwar besteht er in mindestens je zwei reziproken Buchungen bei zwei Bankinstituten. Wenn A, Kunde der Bank X, an B, Kunde der Bank Y, 1000 RE durch Überweisung von Konto zu Konto zahlt, so drückt sich das in mindestens je zwei Buchungssätzen bei den beiden Banken aus: die Bank X belastet das Konto des A und erkennt das Konto der Bank Y; in den Büchern der Bank Y erscheinen die gleichen Buchungen mit umgekehrten Vorzeichen. Stehen die beiden nicht in unmittelbarer Geschäftsverbindung, dann müssen sie andere Bankinstitute, die regionalen und überregionalen Geldinstitute des Staates, einschalten; alsdann vermehren die vorzunehmenden Buchungen sich im Quadrat der eingeschalteten Banken. Ausgelöst werden die reziproken Buchungen dadurch, daß A der Bank X ein vorgedrucktes Formular, und zwar entweder einen Verrechnungsscheck oder einen Oberweisungsauftrag übergibt. Zur Not kann jedoch 10
a.a.O., S. 52.
§ 12 Die Zahlung - technisch, rechtlich und wirtschaftlich
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auf_ diese Formulare verzichtet, der überweisungsauftrag also mündlich erteilt werden oder zwar schriftlich, aber mit der Maßgabe, daß er für eine Serie von überweisungen gelten solle (Dauerauftrag). Es kann auch vorkommen, daß eine Giroüberweisung ohne jeden Auftrag, sei es irrtümlich, sei es in der Erwartung eines noch zu erteilenden Auftrages, durchgeführt wird. Das entscheidende technische Kriterium der Giralgeldzahlung sind die reziproken Buchungen auf den Konten der beteiligtenBanken. Der Unterschied zwischen ihr und den Stoffgeldzahlungen liegt also einmal darin, daß sie nicht unmittelbar zwischen dem Leistenden und dem Empfänger vollzogen wird, sondern daß dritte Personen (die Bankangestellten) und Maschinen (die Buchungsmaschinen) in den Zahlungsvorgang eingeschaltet werden müssen, zum anderen darin, daß sie in der Form übereinstimmender Buchungen, d. h. dadurch verwirklicht wird, daß eine bestimmte Zahl (der zu überweisende Betrag) auf den Kontoblättern oder den Lochkarten der eingeschalteten Bankinstitute erscheint. Die Buchführung aber, insbesondere die doppelte, ist ein reines Rechenwerk, d. h. eine nach einem bestimmten Plan (Kontenplan) getroffene Anordnung von Zahlen. Mit der Verbuchung der Zahlen geht der verbuchte Betrag in das Rechenwerk der Banken ein, wird er dort zum Posten einer umfassenden Rechnung. Daraus folgt, daß die Giralgeldzahlung technisch ein Operieren mit Zahlen ist, bei dem das Geld nur als Recheneinheit dient. Da nun einmal das Giralgeld etwa 90 0J0 allen umlaufenden Geldes ausmacht, ist schon von der Technik her die Unterscheidung zwischen Geld als Zahlungsmittel und Geld als Recheneinheit nicht zu halten; denn die Giralgeldzahlung ist technisch lediglich eine besondere Art, sich des Geldes als einer Recheneinheit zu bedienen. II. Spricht man von der rechtlichen Seite der Zahlung, so meint man damit gewöhnlich das Verhältnis zwischen dem Leistenden und dem Empfangenden. Mehr als das scheint rechtlich insbesondere die Zahlung mit Stoffgeld nicht zu bedeuten; denn prima facie bietet sie sich uns als ein zwischen Leistendem und Empfangendem geschlossener, auf übertragung des Eigentums an den Stoffgeldstücken gerichteter Vertrag dar. Anders ist das aber schon von vornherein bei der Giralgeldzahlung; denn sie vollzieht sich nicht bloß in einem einzigen (dinglichen) Vertrag, sondern in einem System vielfach ineinandergreifender Rechtsverhältnisse, an denen außer dem Leistenden und dem Empfangenden mindestens eine Bank, meist jedoch mehrere Banken beteiligt sind. Ausgelöst wird die Giralgeldzahlung durch einen vom Leistenden seiner Bank erteilten Auftrag, von seinem Konto einen bestimmten Betrag auf ein Konto zu überweisen, das (in der Regel wenigstens) ein anderer
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H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
bei einer anderen Bank unterhält. Die andere Bank schreibt den ihr überwiesenen Betrag dem Konto des Empfängers gut. Man darf in ihr aber nicht einen Erfüllungsgehilfen der ersten sehen, vielmehr wird sie durch die Zahlung in ein eigenes Rechtsverhältnis, und zwar in einen Depositen(Verwahrungs-)vertrag, zum Empfänger gebracht, so daß für die Rechtsnatur der Giralgeldzahlung mit der Feststellung allein, daß sie durch einen Auftrag des Leistenden ausgelöst werde, nichts gewonnen ist. Um den rechtlichen Kern der Giralgeldzahlung herauszuschälen, muß man ihren technischen Ablauf in seinen einzelnen Phasen betrachten. Daß ein Geldbetrag "überwiesen" wird, bedeutet zunächst, daß auf einem von der beauftragten Bank manuell oder maschinell geführten Kontoblatt eine ihr vom Kunden angegebene Zahl eingetragen ("verbucht") wird, es bedeutet weiter, daß die gleiche Zahl auch auf einem anderen Kontoblatt der gleichen Bank eingetragen wird, das erste wird für den Kunden, das zweite - so nehmen wir an - für die Bank des Empfängers geführt. Vollendet ist die Überweisung aber erst, wenn bei der Bank des Empfängers Eintragungen (Buchungen) durchgeführt werden, die den beiden ersteren entsprechen (ihnen reziprok sind). Diese Buchungsvorgänge sind rechtlich nicht bloß aus dem vom Leistenden erteilten Auftrag zu erklären, vielmehr beruhen sie auf zwei weiteren Rechtsverhältnissen, einem, das zwischen dem Empfangenden und seiner Bank besteht, und einem, das zwischen den beteiligten Banken besteht. Diese müssen ja, um die reziproken Buchungen durchführen zu können, irgendwie rechtlich miteinander verbunden sein. Das sind sie einzig und allein durch die Konten, die den zur Zahlung aufgegebenen Betrag widerspiegeln. Die Konten indessen sind nichts als Teile je eines Rechenwerks, und zwar des Wirtschaftsrechenwerks der beiden Banken, d. h. ihrer Buchführung und ihrer aus diesen entwickelten Bilanz. Buchführung und Bilanz aber unterliegen Rechtsregeln, die sich von denen des bürgerlichen Rechts deutlich abheben. Es sind Normen für die Messung des wirtschaftlichen Geschehens (Erfolges) der einzelnen Wirtschaftseinheiten (Unternehmungen). Wir fassen sie unter der Bezeichnung "Bilanzrecht" zusammen. Das Bilanzrecht ist eine Disziplin des Wirtschaftsrechts, und darunter verstehen wir die rechtliche Ordnung des wirtschaftlichen Geschehens. Innerhalb des Bilanzrechts unterscheiden wir zwischen materiellem und formellem Recht. Unter materiellem Bilanzrecht verstehen wir Normen, in denen sich das wirtschaftliche Geschehen unmittelbar niederschlägt, unter formellem Bilanzrecht Normen, in denen es lediglich reflektiert wird. Der weitaus größte Teil der bilanzrechtlichen Normen ist formeller Natur; denn im allgemeinen folgen Buchführung und Bilanz dem wirt-
§ 12 Die Zahlung - technisch, rechtlich und wirtschaftlich
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schaftlichen Geschehen erst nach; das gilt insbesondere für den Zahlungsverkehr mit Stoffgeld. Die Giralgeldzahlung aber ist ein Tatbestand des materiellen Bilanzrechts; denn bei ihr fallen wirtschaftliches Geschehen und Verbuchung zusammen; diese äußert hier selbst und unmittelbar eine Rechtswirkung; sie reflektiert nicht bloß eine bereits geleistete Zahlung, sondern sie selber ist die Zahlung, und umgekehrt erscheint die Zahlung bei den beiden Banken als Posten ihrer Rechnungswerke, und zwar bei der leistenden Bank unter den Creditoren, bei der empfangenden Bank unter den Debitoren; wie alle Aktiven und Passiven werden diese Posten durch eine Geldzahl ausgedrückt. Daraus folgt, daß auch rechtlich gesehen das Geld bei der Giralgeldzahlung nur die Rolle einer Recheneinheit spielt, so daß wir jetzt sagen können; die Giralgeldzahlung ist eine besondere Art, sich in einem rechtlich geordneten Rechenwerk des Geldes als einer Recheneinheit zu bedienen. Indessen ist auch für das Stoffgeld mit dem, was wir einleitend sagten, noch nicht das letzte Wort gesprochen. Auch bei ihm erschöpft sich nämlich die rechtliche Natur des Zahlungsvorgangs nicht mit dem zivilrechtlichen (dinglichen) Vertrag, der zwischen dem Leistenden und dem Empfangenden zustandekommt. Vielmehr hat auch der Stoffgeld-Zahlungsvorgang noch eine andere rechtliche Seite. Sie ist dadurch gegeben, daß das Geld in der voll entwickelten Wirtschaft nur als eine Einrichtung des Staates, die Verfügung über Geld durch Zahlung daher nur als Inanspruchnahme einer staatlichen Einrichtung denkbar ist. Diese Einrichtung ist die in jedem Staat für sein Gebiet bestehende Zentralnotenbank. In der Bundesrepublik Deutschland ist das die durch Gesetz vom 26. Juli 1957 ins Leben gerufene "Deutsche Bundesbank". Ihr ist u. a. die Aufgabe zugewiesen, den "Geldumlauf" zu regeln (§ 3). Zur Erfüllung dieser Aufgabe ist ihr das ausschließliche Recht beigemessen, "Banknoten . .. auszugeben", die als "das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel" gelten (§ 14). Um Banknoten "ausgeben" zu können, muß die Zentralnotenbank sie sich zunächst selber beschaffen. Das geschieht ganz einfach in der Weise, daß sie ein Stück Papier mit einem bestimmten Muster und einer bestimmten Zahl (der Geldzahl) bedrucken und eine aus einer anderen Zahl (der laufenden Nummer) erkennbare Menge davon herstellen läßt. Damit erwirbt die Zentralnotenbank aber nicht mehr als eben einen Bestand gedruckten Papiers. Einen Wert repräsentiert dieser Bestand nicht. Er erscheint daher - im Gegensatz zum Metallgeld (den "Scheidemünzen") - auch nicht auf der Aktivseite der Bank; er steckt lediglich
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H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
in der Gewinn- und Verlustrechnung, und zwar unter den Aufwendungen mit den Kosten der Herstellung; im übrigen ist er bilanzneutral. Das ändert sich mit der "Ausgabe" der Noten. Diese vollzieht sich in der Weise, daß Kunden der Zentralnotenbank, vorwiegend Geschäftsbanken, Schecks, Effekten oder andere Gegenstände einreichen und dafür Banknoten in Höhe des Werts der eingereichten Gegenstände empfangen. Was sich hier abspielt, ist kein "Kauf"; denn die Banknoten, die die Kunden der Zentralnotenbank empfangen, sind ja, wie wir sahen, kein "Aktivum", wie es etwa ein Barren Gold wäre, sondern etwas, das bilanzmäßig - und das heißt wertmäßig - überhaupt nicht existent ist. Die Banknoten haben vielmehr zunächst lediglich den Charakter eines Ausweises dafür, daß ihr Besitzer Gegenstände von Wert hergegeben hat. Damit kann sich etwas anderes verbinden, und zwar kann die von einer Zentralnotenbank ausgegebene Banknote eine Anweisung auf einen bestimmten im Besitz der Bank befindlichen Wertgegenstand darstellen. Das setzt aber eine entsprechende Geldverfassung voraus. Anweisungscharakter haben die Banknoten nur in Staaten mit einer echten Goldwährung; hier verbrieft die Banknote einen Anspruch seines Besitzers auf "Einlösung", d. h. auf Verschaffung der durch die Note ausgewiesenen Menge gemünzten Goldes. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß bei einer solchen Geldverfassung die Menge der ausgegebenen Banknoten in der Bilanz der Zentralnotenbank einen Passivposten bildet; denn die Einlösungspflicht ist eine Verbindlichkeit wie alle anderen auch. Wie erklärt es sich aber und was bedeutet es, daß der "Banknotenumlauf" als Passiv posten in den Bilanzen auch der Zentralnotenbanken erscheint, denen eine Einlösungspflicht nicht obliegt, weil ihr Staat keine Goldwährung, sondern "abstraktes Geld" hat? Klar ist, daß im System der doppelten Buchführung jedem Posten auf der Aktivseite ein Posten auf der Passivseite entsprechen muß. Die von den Kunden der Zentralnotenbank hergegebenen Gegenstände müssen also irgendein Passivum als Gegengewicht erhalten. Wenn dieses Passivum keine Verbindlichkeit ist, dann kann es nur Kapital sein. Fließt einem Unternehmen ein Wert zu, für den es keinen Gegenwert herzugeben brauchte, dann erhöht dieser Wert sein Kapital. Die "umlaufenden Banknoten" sind also dem Kapital der Zentralnotenbank zuzurechnen. Konsequenterweise müßte sich um ihren Betrag der Nominalbetrag des Grundkapitals erhöhen. Er wird aber gesondert ausgewiesen. Das ist nichts Außergewöhnliches und geschieht auch sonst häufig; wir sprechen dann von "abgespaltenen Teilen" des Kapitals; ein Beispiel dieser Art sind die Rücklagen.
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Des gesonderten Ausweises der "umlaufenden Banknoten" bedarf es, weil es sich bei ihnen um ein fluktuierendes Kapital handelt; denn die ausgegebenen Banknoten können von den Zentralnotenbank wieder eingezogen werden, wenn dies zur Sicherung der Währung erforderlich ist. Das geschieht vornehmlich durch das "Ojfenmarktgeschäft", d. h . durch das Abstoßen von Effekten, die die Bank zuvor gegen Hergabe von Banknoten erworben hat (vgL §§ 3 und 15 des Gesetzes vom 26. 7. 1957). Auch dieses "Offenmarktgeschäft" ist kein "Kauf"; wäre es das, dann müßte es sich lediglich auf der Aktivseite der Zentralnotenbank-Bilanz niederschlagen, und zwar in der Verminderung des Aktivpostens "Wertpapiere" und der Erhöhung eines Aktivpostens "Kasse". Ein solcher existiert aber in dieser Bilanz nicht, eben weil die Banknoten für die Zentralnotenbank gar kein Aktivum bilden, sondern als abgespaltener Teil des Kapitals zu den Passiven gehören. Es ist demnach so, daß das Zentralnoteninstitut sich mit der Ausgabe der Banknoten von diesen nicht endgültig löst, sondern mit ihnen verbunden bleibt. Bei den Banknoten liegen die Dinge also anders als sie liegen, wenn sonst der Staat oder ein mit ihm verknüpftes Institut einen Gegenstand in die private Hand überführt; das Grundstück, das der Staat verkauft und aufläßt, scheidet aus seinem Vermögen endgültig aus. Hier dagegen bleibt das Zentralnoteninstitut an den von ihm ausgegebenen Banknoten beteiligt; ihm sind sie - unbeschadet des Eigentums, das der Einzelne an ihnen erlangt - auch nach der Ausgabe zuzuordnen, und zwar eben als ein abgespaltener Teil seines Kapitals. Getragen wird dieses Kapital aber nicht von ihm, sondern von den Besitzern der Banknoten. Es splittert sich in soviel Quanten auf, als sich Geldeinheiten in den Banknoten niederschlagen, und in soviel Träger, als es Besitzer von Banknoten gibt. Diese werden durch den Besitz der Banknoten in der gleichen Weise als Träger der von ihnen gehaltenen Kapitalquanten legitimiert, wie der Besitzer einer Aktienurkunde als Inhaber (Träger) eines Anteils am AktienkapitaL Wie dieser seine Beteiligung am Aktienkapital, so kann auch der Träger eines Quantums des Kapitals der Zentralnotenbank durch Übergabe der darüber ausgestellten Urkunde - dort der Aktie, hier der Banknote - dieses auf einen Anderen übertragen. Die Übertragung eines Kapitalquantums der Zentralnotenbank nennen wir "Zahlung". Das ist aber nur eine andere Bezeichnung für die im Grunde gleiche Sache. Damit, daß die umlaufenden Banknoten Kapital sind, ist zugleich gesagt, daß sie ihre Entstehung einer reinen Rechenoperation verdanken; denn sie beziffern sich nicht nach dem Bündel bedruckten Papiers, das bis zur Ausgabe - bilanzneutral - im Tresor der Zentralnotenbank liegt, sondern nach den in Geld ausgedrückten Werten der Gegenstände, die die Kunden hingeben. Auch insofern liegen die Dinge wie bei der
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Aktie: deren Wert liegt in den Gegenständen, die die Aktiengesellschaft von ihren Aktionären durch die Ausgabe der Aktien empfängt. Die Ausgabe der Banknoten erweist sich somit als ein Vorgang, bei dem das Geld als bloße Recheneinheit dient. Die gleiche Funktion hat es beim entgegengesetzten Vorgang, der Einziehung; denn auch dann beziffern die Banknoten sich nach dem Wert der Gegenstände, z. B. Effekten, die die Bank hergibt; die Noten selber wandern - bilanzneutral - wieder in den Tresor; auch hier dient somit das Geld als reine Recheneinheit. Ist das aber so, dann hat es auch bei der übertragung von Kapitalquanten, "Zahlung" genannt, keine andere Aufgabe als die, eine Recheneinheit zu sein; denn Ausgabe und Einziehung sind ebenfalls "Zahlungen"; das Geld kann aber bei allen "Zahlungen" nur eine Rolle, eben die als Recheneinheit, spielen. Damit rundet sich das Bild. Wir erkennen jetzt, daß auch die Zahlung mit Banknoten nur eine besondere Art ist, sich in einem rechtlich geordneten Rechenwert des Geldes als einer Recheneinheit zu bedienen. Dasselbe gilt von der Zahlung mit Metallgeld, den "Scheidemünzen; denn auch sie verdanken ihre rechtliche Existenz als Geld ausschließlich der Einordnung in das Rechenwerk der Zentralnotenbank. Wir haben drei Phasen der "Schöpfung" des "Münzgeldes" zu unterscheiden. Zunächst läßt der Staat die Münzen in von ihm konzessionierten Anstalten ausprägen; damit werden sie aber lediglich zu gestalteten Metallstücken nach Art etwa von metallenen Broschen und Spangen. Danach überführt der Staat sie in das Eigentum seiner Zentralnotenbank; auch damit geschieht noch nichts, was für die Entstehung von ,;Geld" entscheidend wäre; denn das Eigentum begründet lediglich eine rechtlich geschützte Herrschaft; die Münzen stehen insoweit in einer Reihe mit jedem anderen körperlichen Gegenstand, der in den Herrschaftsbereich der Zentralnotenbank gelangt. Mit ihrer "übernahme" durch die Zentralnotenbank geht aber ein anderer Vorgang einher, und der erst liefert das für die Geldschöpfung entscheidende Rechtselement; es ist das die "Gutschrift des Nennbetrages" auf einem bei der Zentralnotenbank für den Staat geführten Konto. Erst sie macht die Scheidemünzen zu "Geld". Sie ist ein Vorgang innerhalb eines rechtlich geordneten Rechenwerks, die übernahme demzufolge ein dem materiellen Bilanzrecht angehörender Rechtsakt. Das Rechenwerk der Zentralnotenbank ist für die Scheidemünzen existenzbedingend in dem Sinne, daß sie nur aus ihm heraus als "Geld" entwickelt werden können. Der "Nennbetrag", den die Bank dem Staat für die übernahme gutbringt, ist das Ergebnis einer Rechenoperation, die erst die Voraussetzung dafür schafft, daß die Münzen mit der übernahme "Geld" werden. Es ist also nicht so, daß die Scheidemünzen nach ihrem
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Metallgehalt bewertet werden würden und der "Nennbetrag" diesen Wert widerspiegelte; der ist vollkommen bedeutungslos; auch "unterwertige" Scheidemünzen sind Geld, allein aus dem Rechenwerk heraus, dem sie zugehören; sie werden "Geld" allein dadurch, daß mit den ihnen aufgeprägten Zahlen in einer bestimmten Weise rechnerisch operiert wird, und zwar dergestalt, daß sie in eine Gleichung gebracht werden zu einer ihrer Summe entsprechenden Zahl; die beiden Seiten dieser Gleichung werden im Rechenwerk der Bank durch zwei Konten dargestellt, ein Konto "Scheidemünzen" und ein Konto "Staat", und damit erst entsteht "Geld", und zwar auf beiden Seiten der Gleichung; denn sowohl die Münzen als auch ihr Nennbetrag werden in einer Recheneinheit, die wir "Geld" nennen, z. B. in "Deutscher Markt", dargestellt. Das Rechenwerk, dem die in eine Gleichung gebrachten beiden Konten angehören, besteht noch aus vielen anderen Konten, die ebenfalls zu Gleichungen verflochten und durch das "Geld" als Recheneinheit dargestellt werden, z. B. die Konten "Kassenkredite", "Wertpapiere", "Auslandswechsel". In ihrer Zusammenfassung liefern alle diese Konten die Bilanz der Zentralnotenbank; in ihr spiegelt sich die Wirtschaft des gesamten Währungsgebiets wider; sie ist gleichsam dessen konsolidierte Bilanz, und aus ihr werden die geprägten und in das Eigentum der Zentralnotenbank überführten Scheidemünzen als "Geld" geschöpft. Die Scheidemünzen werden in der Bilanz der Zentralnotenbank anders behandelt als die Banknoten. Diese erscheinen, wie wir sahen, in ihr erst, wenn sie ausgegeben werden, und zwar als ein Passivposten, den wir als abgespaltenes Kapital identifizierten. Bei den Scheidemünzen ist es umgekehrt: sie sind in der Bilanz nur so lange sichtbar, bis sie ausgegeben sind, und zwar als ein Aktivposten; das deshalb, weil die Zentralnotenbank dem Staat ihren Nennbetrag "gutbringt" und dadurch hier schon jetzt ein Passivposten entsteht, der sein Gegengewicht in den bei der Zentralnotenbank ruhenden Münzen haben muß. Werden diese ausgegeben, so verschwinden sie aus der Bilanz; an ihre Stelle treten als Aktivposten die Gegenstände, z. B. Effekten, die die Bank mit ihnen erwirbt. Aber wie von den Banknoten, so löst sich die Zentralnotenbank auch von den ausgegebenen Scheidemünzen nicht endgültig; sie behält die Möglichkeit im Auge, sie durch das Instrument des Offenmarktgeschäfts zurückzuerwerben und legt sie dementsprechend wirtschaftsrechnerisch als einen Posten "Münzenumlauj" offen. Daß ein Posten, der nicht mehr oder noch nicht zum Vermögen gehört, dennoch in oder mit der Bilanz als mit dem Vermögen verknüpft gekennzeichnet werden kann, ist nichts Außergewöhnliches. So werden die (bedingten) Verpflichtungen aus Bürgschaften und ähnliches Rechtsverhältnissen, die sog. "Avale" und die
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ihnen entsprechenden (bedingten) Rückgriffsforderungen in der Bilanz "vor dem Strich" vermerkt. Hier bildet der Posten "Münzumlauf" ein bedingtes Aktivum; denn die ausgegebenen Münzen nehmen, wenn sie an die Zentralnotenbank zurückgelangen, ihre frühere Stelle auf der Aktivseite der Bank wieder ein. Das ihm entsprechende bedingte Passivum aber ist keine bedingte Verpflichtung, denn diese bleibt gegenüber dem Staat in der vollen Höhe des ihm gutgeschriebenen "Nennbetrages" bestehen; sondern es ist ebenso wie der Bestand der umlaufenden Banknoten abgespaltenes Kapital. Dessen Träger sind auch hier die Inhaber (Eigentümer) der umlaufenden Scheidemünzen, und deren Verwendung zur Zahlung ist ebenfalls ein Wechsel von Trägern abgespaltenen Kapitals. Die Scheidemünzen sind also wirtschaftsrechtlich nicht anders zu behandeln als die Banknoten. Dazu nötigt auch deren Eigenschaft als "das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel" (§ 14 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank). Neben ihnen können die Scheidemünzen nicht als ein zweites "Zahlungsmittel" bestehen. Wenn dennoch das Gesetz vom 8. 7. 1950 über die Ausprägung von Scheidemünzen auch sie zu "gesetzlichen Zahlungsmitteln" erklärt, so kann das nur bedeuten, daß sie als ein Ersatz der Banknoten gelten, und das zwingt dazu, sie diesen rechtlich gleichzustellen. Dies um so mehr, als sie neben den Banknoten nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, namentlich dann, wenn bei inflationärer Entwicklung sich die Nennbeträge der Geldeinheiten aufblähen. Letztendlich sind sie entbehrlich, und die Art, in der sie geschöpft werden, ist ein überbleibsel aus der Zeit, in der Münzen einen wirklichen Metallwert hatten und dem Staat als dem Träger der Münzhoheit eine von ihm wirklich unahhängige Bank gegenüberstand. Die Zentralnotenbank aber ist ein vom Staat ins Leben gerufenes und ihm eingegliedertes Institut. Es könnte die Ausprägung der Münzen ebenso in Auftrag geben, wie es der Staat tut, und es könnte sie bis zu ihrer Ausgabe ebenso als Nonvaleurs behandeln wie die Banknoten; sie würden dann wie diese erst mit dem "Umlauf" in der Bilanz erscheinen, und zwar auf der Passivseite als abgespaltenes Kapital. Im Verhältnis zwischen den Banknoten und den Scheidemünzen liegt das Schwergewicht auf den ersteren. An ihnen muß sich die Antwort auf die Frage nach der rechtlichen Natur der Zahlung mit Stoffgeld orientieren. Das, was von ihnen gesagt ist, muß auch für ihren Ersatz, die Scheidemünzen, gelten. Wie jene, so sind daher auch diese rechtlich nur aus der Stellung zu erklären, die sie im Rechenwerk der Zentralnotenbank einnehmen, und die Zahlung mit ihnen ist wie die Zahlung mit Banknoten nur eine besondere Art, sich in diesem rechtlich geordneten Rechenwerk des Geldes als eine Recheneinheit zu bedienen.
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Unsere letzten Untersuchungen haben uns bewußt werden lassen, daß sich das rechtliche Wesen der Zahlung nur aus dem Wesen des Kapitals erklären läßt. Damit greift die rechtswissenschaftliche Betrachtung in die wirtschaftswissenschaftliche über und führt zu der letzten und entscheidenden Frage, was wir unter "Zahlung" im wirtschaftlichen Sinne zu verstehen haben. III. Wenn wir erfahren wollen, was im wirtschaftlichen Sinne Zahlung ist, so müssen wir den Platz bestimmen, den sie im wirtschaftlichen Geschehen einnimmt, und uns daran erinnern, daß das wirtschaftliche Geschehen im Erwerbsvorgang kulminiert, dem Vorgang also, bei dem nach herkömmlicher Vorstellung etwas getauscht wird: Geld gegen ein Sachgut (Ware). Hier meldet sich ein Zweifel an: Geld dient nicht ausschließlich zum "Tausch" gegen ein Sachgut, sondern findet Verwendung auch, wenn es nichts zu tauschen gibt, z. B. für Unterhaltsleistungen, Steuern und Spenden. Aber dieser Zweifel ist behoben, wenn wir uns klar machen, daß es Zahlungen außerhalb des Erwerbsvorgangs nur gibt, weil es den Erwerbsvorgang gibt, anders ausgedrückt, daß Geld als "Zahlungsmittel" nur existiert, weil Sachgüter hergestellt und vertrieben werden. Ein "Geld", das etwa nur dazu bestimmt wäre, Dienstleistungen oder Steuerschulden abzugelten, nicht aber, Sachgüter zu erwerben, ist undenkbar. Daher ist Zahlung wirtschaftlich nur zu deuten als eine Seite des Erwerbsvorgangs. Wenn auch sonst noch Zahlungen geleistet werden, so sind das Refl,exerscheinungen der Funktion, die die Zahlung beim Erwerbsvorgang hat. Vom Erwerbsvorgang reflektiert wird eine Zahlung selbst dort noch, wo eine auch nur mittelbare Beziehung zu den Sachgütern nicht mehr erkennbar ist, wie etwa bei der Unterhaltsgewährung und bei Spenden. Das auf solche Weise ausgegebene Geld muß ja irgendwie verdient sein; verdient aber wird es nur durch unmittelbare oder mittelbare Bearbeitung von Sachgütern. In den von diesen gelösten Zahlungen setzt sich lediglich die Bewegung fort, die das Geld beim Erwerbsvorgang, dem sie entspringt, vollführt, und diese Bewegung mündet letztlich wieder in einem Erwerbsvorgang; denn dafür ist das zum Unterhalt oder als Spende hingegebene Geld bestimmt. Der Kern der Sache liegt demnach in der Frage beschlossen, wie der Zahlungsvorgang sich in den Erwerbsvorgang einfügt. In ihm überschneiden und verwandeln sich, wie wir sahen, die Quanten der wirtschaftlichen Energie zweier Träger: die des Veräußerers wechseln aus der kinetischen in die potentielle, die des Erwerbers aus der potentiellen in die kinetische Erscheinungsform über. Im Erwerbsvorgang geraten also Quanten beider Erscheinungsformen der wirtschaftlichen Energie auf beiden Seiten, der des Veräußerers und
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11. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
der des Erwerbers, in Bewegung. Die Form, in der diese Quanten zum Erscheinen gebracht werden, ist bei der kinetischen Energie anders als bei potentiellen. Die Bewegung der Quanten der kinetischen Energie ist mit der Bewegung der Sachgüter gegeben und kann aus ihnen abgelesen, also physisch wahrgenommen werden. Die Bewegung der Quanten der potentiellen Energie dagegen ist physisch nicht wahrnehmbar; die potentielle wirtschaftliche Energie ist eine gänzlich abstrakte Größe, die nur durch ein eigens dafür entwickeltes Verfahren wahrnehmbar gemacht werden kann. Dieses Verfahren ist die Zahlung: Diese dient also dazu, die Quanten potentieller wirtschaftlicher Energie, die auf den beiden Seiten des Erwerbsvorgangs bewegt werden, erscheinen zu lassen, zu markieren. Ohne daß die potentielle wirtschaftliche Energie durch die Zahlung wahrnehmbar gemacht werden würde, könnte sie nicht gemessen werden, gemessen werden aber muß sie, wenn sie nicht rohe, sondern gebändigte Kraft sein soll. 1. Die Zahlung dient hiernach - das muß ganz klar erkannt werden nur der Markierung für etwas, das unsichtbar hinter ihr steht. Dieses Hintergründige ist die potentielle wirtschaftliche Energie, die auf beiden Seiten des Erwerbsvorgangs zur Entfaltung kommt. Demgemäß müssen wir bei der Tatsache ansetzen, daß sich im Erwerbsvorgang die Quanten der wirtschaftlichen Energie zweier Träger überschneiden, d. h. davon ausgehen, daß der Erwerbsvorgang ein zweigleisiger Vorgang ist, der die Bewegung der Quanten wirtschaftlicher Energie auf der Bahn des Veräußerers und der des Erwerbers in sich vereinigt.
Als ein zweigleisige?' Vorgang muß demzufolge auch die Zahlung angesprochen werden, in der die Bewegung der potentiellen Energie auf den beiden Seiten des Erwerbsvorgangs sichtbar wird. Darin liegt es begründet, daß sie sich verschieden ausnimmt, je nach dem sie vom Standpunkt des Veräußerers oder von dem des Erwerbers aus betrachtet wird: Für den Veräußerer ist sie das Mittel, Geld aus einem Sachgut zu erlösen, für den Erwerber das Mittel, Geld in einem Sachgut anzulegen, wobei "anlegen" hier im weitesten Sinne zu verstehen ist. Das Schwergewicht liegt auf der Seite des Veräußerers; denn wirtschaften heißt, etwas aus den Sachgütern heraus-wirtschaften. Das ist wortwörtlich zu nehmen: es muß etwas aus den Sachgütern gelöst werden, was im vorangegangenen Stadium der Konzentration an sie gebunden wurde. Dieses Etwas ist die potentielle wirtschaftliche Energie, die in den Sachgütern zur kinetischen wurde und die sich, indem sie sich in potentielle zurückverwandelt, von den Sachgütern löst. Die Zweigleisigkeit des Zahlungsvorgangs liefert im Recht den Stoff für eine finale Kategorie: Erlös und Anlage erscheinen als die "wirtschaftlichen Zwecke" der Zahlung. In der Wirtschaft aber ist das, was im Recht der Zweck ist, die Sache selbst. Zahlung im wirtschaftlichen
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Sinne ist Erlös und ist Anlage, und zwar beides zugleich; denn trotz seiner Zweigleisigkeit gelangt der Zahlungsvorgang zu einheitlicher Wirkung dadurch, daß auf der einen Bahn soviel an Quanten potentieller Energie in das Sachgut eingeht, wie auf der anderen Bahn aus ihm entweicht. Die Zahlung markiert also den koinzidierenden Zu- und Rückstrom zweier gleich großer Quanten potentieller wirtschaftlicher Energie zu einem Sachgut hin und von ihm weg. Zu dieser einheitlichen Wirkung muß es deshalb kommen, weil die beiden Träger mit ihren Quanten Felder wirtschaftlicher Energie bilden, die Teile des Gesamtfeldes der Wirtschaft sind, und diese das Volumen aller kinetischen und aller potentiellen Energie umfaßt. Letzteres erwächst aus den Quanten der Gesamtheit ihrer Träger. Daher muß, um das Volumen der potentiellen Energie zu erhalten, dann, wenn einer der Träger ausscheidet, ein anderer an seine Stelle treten. Folglich muß beim Erwerbsvorgang dem Gewinn an potentieller Energie auf einem Teilfeld ein Verlust auf einem anderen entsprechen, und die Zahlung muß beides, Gewinn und Verlust, markieren. Als Gewinnender erscheint der Veräußerer, als Verlierender der Erwerber. Dieses Gewinn- und Verlustverhältnis gibt der Zahlung erst die entscheidende Note, und zwar sowohl beim originären wie beim reflektierten Erwerbsvorgang. Zahlung ist also stets ein Vorgang, bei dem Quanten wirtschaftlicher Energie zweier Träger sich auf ihren Bahnen in der Weise treffen, daß bei dem einen Träger ein Gewinn, bei dem anderen ein Verlust an potentieller wirtschaftlicher Energie entsteht. Will man sich das in einem Bilde klar machen, so ist an die Wirkungsweise einer Bergbahn zu denken. Bei ihr bewegen sich zwei Wagen auf ihren Bahnen (Gleisen) so, daß sie durch bestimmte Vorrichtungen (Ausweichgleis, Zugseil) zu einheitlicher Wirkung gebracht werden: der eine Wagen gewinnt so viel an Höhe wie der andere verliert. Der Fahrt zweier Menschen mit diesen beiden Wagen entspricht der Zahlungsvorgang; dabei symbolisiert die Ebene, auf der die Bergstation liegt, das Volumen der potentiellen wirtschaftlichen Energie, die Ebene, der die Talstation zugehört, das Volumen der kinetischen wirtschaftlichen Energie; die Gleichzeitigkeit und Gegensätzlichkeit der Fahrwirkung versinnbildlicht die gleichzeitige und gegensätzliche Bewegung der Energiequanten des Erwerbers und des Veräußerers und deren Folge : den Gewinn der potentiellen Energie bei dem einen, den Verlust bei dem anderen. 2. Die Markierung der Bewegung potentieller wirtschaftlicher Energie durch die Zahlung hat eine objektive und eine subjektive Seite. Die objektive ist der technische Ablauf - dem Mechanismus der Bergbahn vergleichbar -, die subjektive sind - den beiden die Wagen benutzenden
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Menschen vergleichbar - die am Zahlungsvorgang beteiligten Energieträger. Als solche müssen sie, weil die Bewegung der potentiellen wirtschaftlichen Energie sich unsichtbar vollzieht, legitimiert werden. Im subjektiven Sinne heißt also markieren legitimieren und heißt demzufolge zahlen jemanden als Träger eines bewegten Quantums potentieller wirtschaftlicher Energie legitimieren. Jede Legitimation erfordert einen Titel. So dient der Paß als Titel für die Legitimation als Angehöriger eines Staates, das Sparbuch als Titel für die Legitimation als Inhaber eines Sparkontos. Bei der Zahlung besteht der Titel in einer Einheit der verschiedenen Zahlungsmittel (Geldarten), also in einer bestimmten Anzahl von Münzen oder Banknoten oder in einem auf einen bestimmten Betrag lautenden Scheck oder Überweisungsträger. Der Zahlungstitel ist ein in einer bestimmten Geldeinheit spezifiziertes Zahlungsmittel. Er legitimiert seinen Inhaber als Träger eines bestimmten Quantums potentieller wirtschaftlicher Energie. In diesem wirtschaftlichen Sinne ist der Zahlungstitel etwas anderes als der Zahlungstitel im Rechtssinne; dieser ist eine Urkunde zur Erzwingung einer wirtschaftlichen Leistung, jener ein Mittel zur Legitimation der wirtschaftlichen Leistung selbst. Wir stellten bereits heraus, daß die Zahlung mit dem Vorgang, den sie markiert, nicht identisch ist. Das bedeutet, daß sie zeitlich mit ihm nicht zusammenfällt, sondern ihm nachfolgt. "Legitimation" setzt in jedem Fall die Existenz dessen, was zu legitimieren ist, voraus. Beim Erwerbsvorgang ist das, vom Veräußerer her gesehen, die Verwandlung kinetischer in potentielle Energie. Sie vollzieht sich selbsttätig mit der Aufgabe der Verfügungsrnacht über ein Sachgut, mit seiner Entäußerung; die Zahlung dient lediglich dazu, den Veräußerer nachträglich als nunmehrigen Träger potentieller wirtschaftlicher Energie zu legitimieren. Daß sich bereits bei der Entäußerung des Sachgut die an dieses gebundene Energie aus der kinetischen in die potentielle Erscheinungsform verwandelt, ist sicher; denn andernfalls käme es gar nicht zur Entäußerung; die wirtschaftliche Existenz des Entäußernden steht und fällt im Stadium der vollkommenen Arbeitsteilung ja damit, daß er die Energie, die er als kinetische im veräußerten Sachgut konzentriert, als potentielle zurückgewinnt; die Entäußerung schließt deshalb notwendig die Lösung der wirtschaftlichen Energie aus ihrer Bindung an das Sachgut und ihre Verwandlung aus der kinetischen in die potentielle Erscheinungsform ein. 3. Diese Verwandlung vollzieht sich indessen nicht auf einmal, sondern in zwei Stufen. In der unteren beginnt die Energie zwar schon sich von dem Sachgut, in dem sie konzentriert ist, zu lösen, sie bleibt aber auf dieses Sachgut noch bezogen und behält sogar die Fähigkeit, sich wieder
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an es zu binden. Erst in der oberen Stufe ist die Lösung vom Sachgut vollständig, die Beziehung zu ihm beendet. Die Zahlung markiert die Bewegung der Quanten potentieller Energie nur in dieser Oberstufe. Man kann den alternativen Trend, den die potentielle Energie in der Unterstufe hat (Fort entwicklung zur Oberstufe oder Rückentwicklung zur kinetischen Energie), mit dem Verhalten einer in den Weltraum geschossenen Rakete vergleichen: ' solange diese sich noch im Schwerfeld der Erde befindet, kann sie zu ihr zurückkehren; überschreitet sie die Schweregrenze, dann ist sie endgültig von der Erde gelöst. Im Verhältnis der beiden Erscheinungsformen wirtschaftlicher Energie zueinander gibt die potentielle Energie der Oberstufe das Ziel ab, auf das alles wirtschaftliche Geschehen gerichtet ist. So gesehen ist die kinetische Energie stets zugleich bedingt-potentielle und bedeutet die potentielle Energie der Unterstufe einen durch diese Bedingung gegebenen Schwebezustand zwischen der kinetischen Energie und der potentiellen Energie der Oberstufe. Man kann daher die letztere auch als die unbedingt-potentielle im Gegensatz zur bedingt-potentiellen der Unterstufe bezeichnen und von drei Erscheinungsformen sprechen. Diesem konditionalen Verhältnis muß die Art entsprechen, in der die Bewegung der Quanten potentieller Energie in deren Schwebezustand markiert wird. Sie muß den Träger bedingt-potentieller Energie als denjenigen legitimieren, der seine Legitimation als Träger unbedingt-potentieller Energie erwartet. Der Zahlung als Markierung unbedingt-potentiellen Kapitals entspricht somit die Zahlungserwartung und dem Zahlungstitel als Mittel der Markierung unbedingt-potentiellen Kapitals der Zahlungserwartungstitel. Auch diese Begriffe sind scharf zu scheiden von den rechtswissenschaftlichen des Zahlungs anspruchs und des Zahlungstitels. Ersterer drückt ein Müssen aus, ohne etwas über das Können auszusagen; es bleibt bei ihm offen, ob dem Anspruch entsprochen wird, eine Zahlungserwartung sich also erfüllt. Auch ein Zahlungstitel im Rechtssinne (ein vollstreckbares Urteil oder eine vollstreckbare Schuldurkunde) besagt nichts über die Fähigkeit des Schuldners, die titulierte Forderung zu erfüllen. Der wirtschaftliche Begriff der Zahlungserwartung hingegen bezeichnet ein der Zahlung vorangehendes Stadium des wirtschaftlichen Geschehens, das den Keim der Zahlung bereits in sich trägt; ihm ist nicht das Müssen, sondern das Können wesenseigen. Titel der Zahlungserwartung ist jede wirtschaftliche Position, von der aus sich eine Zahlung quasi-automatisch herbeiführen läßt. Das sind alle originären und reflektierten Erwerbsvorgänge, bei denen bedingt-potentielles Kapital entstehen kann, insbesondere die Veräußerung von Sach15 Eckelt
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II. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
gütern, wenn deren Herstellung oder Verteilung und die Vollendung ihrer Entäußerung zeitlich auseinanderfallen. Hier markiert der Zahlungsanspruch des Veräußerers als Zahlungserwartungstitel bedingtpotentielles Kapital dann, wenn der Erwerber solvent ist. Ist er es nicht, dann ist ein Zahlungserwartungstitel nicht gegeben, vielmehr verwandelt sich dadurch, daß die Zahlung ausbleibt, das bedingt-potentielle Kapital in kinetisches zurück; seinen stärksten rechtlichen Ausdruck findet diese Rückverwandlung im Institut des Eigentumsvorbehalts. Zahlungserwartungstitel sind alle "Geldmarktpapiere", ferner die auf "erste Adressen" gezogenen Wechsel, insbesondere die den Währungsreserven zugehörigen Auslandswechsel (Devisen). Einen Zahlungserwartungstitel besonderer Art liefern die verschiedenen Formen einer Beteiligung an einem Unternehmen. Hier tritt die Doppelnatur kinetischen und bedingt-potentiellen Kapitals deutlich in Erscheinung, und hier erlangt sie außerordentliche Bedeutung. Eine Beteiligung ist einmal ein Bündel von Quanten wirtschaftlicher Energie, die in einer Sachgütergesamtheit konzentriert (investiert) sind, und damit eine Einheit kinetischen Kapitals, wie alles kinetische Kapital aber zugleich auch eine Einheit bedingt-potentiellen Kapitals. Als kinetisches Kapital bleibt sie an die Sachgütergesamtheit (die Grundstücke, Gebäude, Maschinen usw.) gebunden, als bedingt-potentielles Kapital löst sie sich von ihr. In dieser Doppelnatur ähnelt sie dem Photon. Wie dieses verhält sie sich einmal als "Teilchen", ein andermal als "Welle". In ihrer kinetischen Erscheinungsform läßt sie sich nur als eines ihrer "Teilchen" in unbedingtpotentielles Kapital verwandeln. Das ist nur durch Veräußerung der Sachgütergesamtheit im ganzen möglich; die Beteiligung besteht hier in einem Anteil an dem Erlös, den die Verfügung über die zu einem Ganzen zusammengefaßten Sachgüter in ihrer konkreten Gestalt erbringt; in dieser Zusammenfassung bilden sie ein "Vermögen"; als Einheit kinetischen Kapitals ist die Beteiligung somit ein Vermögensanteil. Einen Zahlungserwartungstitel kann dieser infolge seiner Bindung an die Sachgütergesamtheit nicht liefern. In ihrer bedingt-potentiellen Erscheinungsform hingegen erlangt die Beteiligung als eine von der Sachgütergesamtheit ausstrahlende "Welle" die Fähigkeit, sich in unbedingt-potentielles Kapital zu verwandeln. Dazu bedarf es nicht der Veräußerung der Sachgütergesamtheit, sondern das ist durch Veräußerung der Beteiligung selbst möglich. Durch ihre Veräußerungsfähigkeit wird die Beteiligung zum Kapitalanteil, und als solcher liefert sie einen Zahlungserwartungstitel. Zu den Kapitalanteilen zählen in erster Linie Aktien, GmbH-Anteile, Genossenschaftsanteile und Investment-Zertifikate, aber auch Kommanditanteile und die Kapitalanteile der offenen Handelsgesellschaft. Die
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Veräußerungsfähigkeit der letzteren ist zwar umstritten l l ; es ist jedoch nicht einzusehen, weshalb bei der Kommanditgesellschaft und der offenen Handelsgesellschaft nur das Vermögen, nicht aber der Kommanditanteil und der Kapitalanteil sollten veräußert werden können; denn die Veräußerungsfähigkeit eines Kapitalanteils ist nicht aus der Rechtsform der jeweiligen Gesellschaft, sondern aus seinem wirtschaftlichen Charakter zu begreifen, und das Recht hat nur eine dienende Funktion; es gibt lediglich eine Form ab für die Ordnung der menschlichen Beziehungen; die Ordnung selber erwächst aus der Natur des Menschen und seiner Geschöpfe. Die entscheidende Frage geht somit nicht dahin, wie ein Kapitalanteil rechtlich gestaltet werden kann, um veräußerungsfähig zu sein, sondern ob ein Kapitalanteil, soll er seiner wirtschaftlichen Natur entsprechen, veräußerungsfähig sein muß, und diese Frage ist für alle Arten von Kapitalanteilen zu bejahen. Durch ihre Veräußerungsfähigkeit erwächst aus den Kapitalanteilen ein Volumen bedingt-potentiellen Kapitals, das neben dem des kinetischen Kapitals eine eigene wirtschaftsenergetische Größe liefert; man kann dieses Volumen, indem man das Adjektiv "potentiell" zum Substantiv und das Substantiv "Kapital" zum Adjektiv macht, auch als kapitalistisches Potenial bezeichnen; diese Wortumstellung ist sowohl logisch als auch sprachlich unbedenklich - logisch deshalb, weil beide Formulierungen der gleichen Sache nur unter verschiedenen Aspekten Ausdruck geben, einmal vom Einzelnen her, das andere Mal von der Gesamtheit her, sprachlich deshalb, weil "kapitalistisch" weiter nichts als die adjektive Form von "Kapital" ist. In dem kapitalistischen Potential, das sie hervorbringen, liegt die außerordentliche wirtschaftliche Bedeutung der Kapitalanteile und damit der Zahlungserwartungstitel dieser Gattung. Insbesonder gilt das für die Aktie. Deren Wesen erschöpft sich nicht in den Mitgliedschaftsrechten, die sie vermittelt, dem Stimmrecht, dem Anfechtungsrecht, den Minderheitsrechten; von diesen Rechten macht der Durchschnittsaktionär ohnehin keinen persönlichen Gebrauch, ihn interessiert vielmehr ausschließlich, zumindest vorwiegend die wirtschaftliche Position, die er mit dem Besitz der Aktie erlangt, und das ist neben der Aussicht auf die Dividende der Kurs, zu dem er die Aktie veräußern kann, und damit die Zahlung, die er im Veräußerungsfall zu erwarten hat. Sie dient ihm als Mittel, sich "Geld zu machen", wenn er es beabsichtigt, und die Börse als Mittel, diese Absicht zu verwirklichen; mit der Zahlung, die er erlangt, indem er seine Aktie über die Börse verkauft, erlangt er das, was er mit dem Erwerb der Aktien investiert hat, zurück und kann es an anderer Stelle investieren. Das gilt im großen wie im kleinen: gleichviel, ob ganze 11 Vgl. hierzu meinen Aufsatz "Vermögensanteil und Kapitalanteil", in: Neue Juristische Wochenschrift 1954, S.1906.
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H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
"Aktienpakete" von Hand zu Hand gehen oder ob ein Kleinaktionär sich von seinen Aktien löst, um ein Einfamilienhaus zu bauen oder einen Kraftwagen anzuschaffen, in jedem Fall erfüllt hier die Aktie ihre Funktion 11ls Zahlungserwartungstitel. In dieser Funktion wirkt sie zusammen mit dem Instrument der Börse als Beschleuniger des wirtschaftlichenergetischen Geschehens und damit als ein Element des Wachstums der Wirtschaft. Um dieser Wirkung willen sind Aktie und Börse aus einer qualifizierten Wirtschaft nicht wegzudenken und man kann sagen:
Die Qualität einer Wirtschaft hängt wesentlich von dem kapitalistischen Potential ab, das durch die Aktie als Zahlungserwartungstitel gegeben ist. Was von der Aktie gesagt ist, gilt ebenso für jede andere Art VOn Kapitalanteilen. Wir haben dabei nicht bloß Beteiligungen an Personalgesellschaften (offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften), sondern sogar an Einzelunternehmen im Auge. Auch deren Kapitalbedarf läßt sich in der Weise decken, daß Zahlungserwartungstitel nach Art der Aktie geschaffen werden; sie werden für einen Kreis breit gestreuter Teilhaber durch Investment-Institute gehalten. Diese Art der Finanzierung verbindet das Kapitalbedürfnis mittlerer Unternehmen mit dem Anlagebedürfnis des kleinen Mannes. Die volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Entwicklung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wir können daher Unsere Aussage über die Aktie dahin erweitern:
Die Qualität einer Wirtschaft hängt wesentlich von dem kapitalistischen Potential ab, das durch den Kapitalanteil als Zahlungserwartungstitel gegeben ist. Der Ton liegt hier auf "Zahlungserwartungstitel", d. h. darauf, daß der Kapitalanteil Kapital markiert, das die Fähigkeit besitzt, sich aus der bedingt-potentiellen Erscheinungsform in die unbedingt-potentielle zu verwandeln. Das leitet zu der Frage über, wie diese Verwandlung vor sich geht, und wie demgemäß die Zahlungserwartung sich erfüllt, die Zahlung ausgelöst wird. Bei der Aktie geschieht das, wie wir bereits sagten, durch das Instrument der Börse. Ihrer Idee nach ist diese ein Markt, auf dem Veräußerer und Erwerber sich treffen, um durch einen "Schluß", d. h. durch den Abschluß eines Kaufvertrages, die Aktie als Ware gegen Geld auszutauschen; vermittelt wird dieser Schluß durch einen Makler. Indessen kontrastiert die Wirklichkeit sehr stark mit dieser Idee. Wer denkt schon, wenn er seiner Bank und wenn diese ihrem Börsenvertreter (Makler) eine "Order" zum Verkauf einer Aktie erteilt, daran, daß er mit der Ausführung dieser "Order" zum Partner eines Rechtsgeschäfts wird, das den Regeln des Kaufvertrages unterliegt? Was er wahrnimmt, ist nicht sein Kontrahent, sondern ist die Technik des Börsenbetriebs, die sich im
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Kurszettel manifestiert, und sind die Zahlen, die sich als Last- und Gutschrift auf seinem Effekten- und seinem Kontokorrentkonto niederschlagen. Hinter diesem technischen und wirtschaftlichen (materiell-bilanzrechtlichen) Bild des Börsengeschäfts verblaßt sein zivilrechtliches. Die Bedeutung der "Order" erschöpft sich darin, einen technischen und wirtschaftlichen Vorgang auszulösen, an dessen Ende eine Zahlung steht. 4. Diese Zahlungsauslösung ist ebenso wie die Zahlungserwartung ein der Wirtschajtswissenschaft zuzurechnender Begriff, der als solcher von dem rechtswissenschaftlichen der Zahlungs leistung scharf zu scheiden ist. Auch hier kommt es auf das Können, nicht auf das Müssen an. Das bedeutet, daß es nicht um die Frage geht, ob und wie eine Zahlung rechtlich erzwungen, sondern wie sie wirtschaftlich verwirklicht werden kann. Freilich tritt auch mit der - rechtlich erzwungenen - Leistung einer Zahlung deren Verwirklichung ein. Die Zahlungs auslösung erreicht aber den Zahlungserfolg ohne rechtlichen Zwang allein mit den Mitteln der Technik und der Wirtschaftsrechnung. Die Zahlungsleistung beruht auf einem Willensakt des Leistenden (Schuldners), die Zahlungsauslösung dagegen entspringt einem Willensakt (Impuls) des Empfängers (Gläubigers). Im Falle des Verkaufs einer Aktie ist das die "Order". Aber nicht nur beim Verkauf einer Aktie, sondern auch bei jedem anderen Erwerbsvorgang kann die Zahlungs auslösung an die Stelle der Zahlungsleistung treten. Interessiert an der Zahlung ist naturgemäß der, der sie zu erwarten hat. Damit drängt sich die Frage auf, ob und in welcher Weise der Zahlungsempfänger seine Zahlungserwartung verwirklichen, d. h. Einfluß auf den Zahlungsablauf nehmen, ja womöglich den Zahlungserfolg selber herbeiführen kann. Diese Frage mag verblüffen, aber sie liegt in der Luft, und wir wollen ihr von dem hier gewonnenen Standpunkt aus in mehreren Richtungen nachgehen. a) In erster Linie bedeutet das, daß wir zu prüfen haben, ob der Veräußerer als derjenige Partner des - originären oder reflektierten Erwerbsvorgangs, der die Zahlung, d. h. seine Legitimation als Träger unbedingt-potentiellen Kapitals zu erwarten hat, seine Legitimation selber herbeijühren kann, so daß eigentlich er, nicht der Erwerber es ist, der "zahlt". Wir können diese erste Teilfrage ohne weiteres bejahen; denn es gibt bereits eine Einrichtung, bei der das Schwergewicht des Zahlungsvorgangs sich auf den Empfänger (Veräußerer) verlagert. Es ist dies das "Lastschrijts-Einzugsverjahren" mit seinen beiden Spielarten, dem "Einzugsermächtigungsverjahren" und dem "Abbuchungsaujtragsverjahren". Es besteht darin, daß der Inhaber eines Bankkontos entweder einem
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II. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
Dritten, meist einer Behörde oder einem Versicherungs- oder ähnlichen Unternehmen, die Ermächtigung erteilt, zu Lasten seines Kontos wiederkehrende Leistungen zu erheben, oder daß er seiner Bank den Auftrag erteilt, zu Lasten seines Kontos Zahlungen zu leisten, die ein Dritter, meist ein Lieferant, mit dem er in ständiger Geschäftsverbindung steht, anfordert. Das Bemerkenswerte dieser Einrichtung ist, daß der Dritte - banktechnisch "Einreicher" genannt -, obwohl er Gläubiger der Geldforderung ist, durch die Art ihrer Begleichung in die Rechtsstellung eines Schuldners gelangt; denn der Schuldner der Geldforderung setzt ja diesen Gläubiger in die Lage, über sein Bankkonto zu verfügen. Damit räumt er ihm eine besondere Art von Kredit ein. Vor allem aber sticht hervor, daß es bei dem "Lastschrifts-Einzugsverfahren" nicht der Erwerber (Geldschuldner), sondern der Veräußerer (Geldgläubiger) ist, der den Zahlungsvorgang auslöst, also "zahlt", und das bedeutet, daß dieser sich selbst als Träger des Quantums wirtschaftlicher Energie legitimiert, die er durch die Entäußerung aus ihrer Bindung an das veräußerte Sachgut gelöst und damit aus der kinetischen in die potentielle Erscheinungsform verwandelt hat. Der Erwerber (Geldschuldner) hingegen "zahlt" nicht, sondern steckt, indem er entweder seinem Gläubiger eine Einzugsermächtigung oder seiner Bank einen Abbuchungsauftrag erteilt, lediglich den Rahmen ab, innerhalb dessen der Veräußerer (Geldgläubiger) "zahlen" kann; er marktiert damit das Volumen seines potentiellen Kapitals, aber nicht die Bewegung, die einzelne Teile dieses Volumens (Quanten der wirtschaftlichen Energie) vollführen; diese Markierung, also die eigentliche Zahlung, nimmt der Veräußerer (Geldgläubiger) vor. Immerhin fügt das Lastschrift-Einzugsverfahren sich noch dem System der herkömmlichen Zahlungsarten ein, und zwar als eine Abart der Giralgeldzahlung; denn es setzt die aktive Mitwirkung eines Bankinstituts und die Begründung eines darauf gerichteten Rechtsverhältnisses (Einziehungsermächtigung oder Abbuchungsauftrag) voraus. Es weist aber in eine Richtung, die der Zahlungsverkehr und mit ihm das Geldwesen nehmen und dessen Gesicht völlig verändern kann. Es läßt sich nämlich vorstellen, daß Zahlungen nur noch unter passiver Mitwirkung eines Bank- oder ähnlichen Instituts und ohne Begründung eines darauf gerichteten Rechtsverhältnisses mit rein technischen Mitteln ausgeführt werden. b) Wir glauben, daß dieser Gedanke sich durch eine Vollautomation des Zahlungsvorgangs verwirklichen ließe. Das würde bedeuten, daß er in einem System von Maschinen abrollt, die in der Art von Fernschreibern miteinander verbunden sind. Wie der Fernschreiber, so würde auch der "Fernzahler" eine Tastatur aufweisen, die mit der Wirkung bedient wird, daß sowohl beim sendenden wie beim empfangenden Gerät Zeichen
§ 12 Die Zahlung - technisch, rechtlich und wirtschaftlich
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erscheinen. Beim Fernschreiber sind das Buchstaben und Zahlen, beim Fernzahler wären es nur Zahlen. Vom Fernschreiber würde sich der Fernzahler aber auch noch dadurch unterscheiden, daß notwendig ein drittes Gerät zwischenzuschalten wäre, das die bei der Giralgeldzahlung zwischengeschaltete Geldinstitut zu ersetzen und die ferngezahlten Geldbeträge so auszuweisen hätte, wie dies bei der Giralgeldzahlung durch die bei den beteiligten Banken geführten Konten geschieht. Die Fernzahlungskonten wären auch echte Konten, d. h. Teile eines rechtlich geordneten Rechenwerkes, neben denen die herkömmlichen Konten bestehen blieben. Dazu wäre es allerdings erforderlich, das dritte Gerät zu einem alle Konten umfassenden Rechenwerk auszugestalten, so daß Übertragungen von den herkömmlichen Konten auf die Fernzahlungskonten möglich sind. Das dritte Gerät müßte sich in der Hand des Zentralbankinstituts befinden. Denkbar wäre es aber auch, die Geschäftsbanken mit je einem solchen Gerät auszustatten und diese durch das Gerät des Zentralbankinstituts untereinander zu verbinden, so daß die Zahlung über diese Geräte ebenso abliefe wie die Giralgeldzahlung. Von dieser unterschiede sich die vollautomatische Fernzahlung aber grundlegend dadurch, daß das privatrechtliche Element völlig eliminiert wäre; denn es bedürfte, um einen vollautomatischen Zahlungsvorgang auszulösen, weder eines Überweisungsauftrages noch einer Einziehungsermächtigung oder eines Abbuchungsauftrages. Das einzige, was hier rechtlich erforderlich wäre, ist der Anschluß an das Fernzahlungsnetz. Der Zahlungsvorgang selbst würde rein technisch durch Bedienung des "Fernzahlers" ablaufen. Der Fernzahler ließe sich so konstruieren, daß der einzelne Zahlungsvorgang von jedem der beiden Geräte her ausgelöst werden kann. Wir sprechen daher auch richtiger nicht vom "sendenden" und "empfangenden", sondern vom "gewinnenden" und vom "verlierenden" Gerät; diese Ausdrücke entsprechen der Zahlungswirkung: Gewinn auf der einen, Verlust auf der anderen Seite. Soll die Zahlung vom gewinnenden Gerät ausgelöst werden, so bedarf es einer Vorrichtung, die das verlierende Gerät ansprechbar macht; vom gewinnenden Gerät her kann ja die Zahlung nicht willkürlich ausgelöst werden, sondern nur, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, insbesondere Grund, Höhe und Zeitpunkt der Zahlung feststehen. Diese Voraussetzungen müssen dem verlierenden Gerät durch Relais aufgegeben werden, die es verhindern, daß das verlierende Gerät vom gewinnenden angesprochen wird, bevor nicht alle Voraussetzungen gegeben sind; außerdem müssen beide Geräte gegenseitig ansprechbar gemacht werden, und zwar durch Zahlsymbole nach der Art der Telexziffern.
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H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
Wir müssen es uns versagen, darüber zu streiten, ob die Idee eines "Fernzahlers" realisierbar ist oder nicht1 2 • Auf jeden Fall ist eine solche Einrichtung denkbar. Indem wir diese bloße Möglichkeit aufzeigen, vollführen wir ein Experiment, das wirtschaftswissenschaftlich von entscheidender Bedeutung ist; denn es führt zu einem Bruch mit der historisierenden Art des Denkens, von der die Geldtheorie bis auf den heutigen Tag beherrscht ist. Dieses Denken orientiert sich an dem Bild, das die Zahlung im Primitivzustand der Wirtschaft bietet: alle Sachgüter werden gegen ein bestimmtes Sachgut - das ist einmal ein Rind, ein anderes Mal sind es Perlen, schließlich war es Gold - getauscht; ein Tausch aber setzt stets ein gegenseitiges Nehmen und Geben zweier Güter und einen darauf gerichteten Vertrag voraus. Wenn später an die Stelle eines bestimmten Sachgutes (Rind, Perlen, Gold) ein Stück Papier (Banknote, Scheck, Überweisungsformular) getreten ist, so ist das bei geschichtlicher Betrachtung ein Symbol für jenes als Tauschmittel allgemein anerkannte Sachgut; die Übergabe dieses Papiers symbolisiert die Übergabe des mit Geldcharakter ausgestatteten Sachguts. Diese, wie gesagt, aus rein geschichtlicher Sicht entwickelte These läßt sich aber nur so lange halten, als wirklich eine Obergabe körperlicher Symbole aufgrund eines darauf gerichteten Vertrages stattfindet. Wo das nicht mehr der Fall ist, muß diese These einer anderen weichen; denn wenn nichts mehr da ist, was wie ein Sachgut vertragsgemäß übergeben werden kann, dann kann kein Sachgut mehr symbolisiert werden, und dann muß Zahlung etwas anderes sein als dies. Bei der vollautomatischen Fernzahlung geschieht nichts weiter, als daß auf den drei miteinander verbundenen Geräten gleichzeitig eine Zahl erscheint. Das deutsche Verbum "zahlen" erlangt hier eine überraschend aussage starke Bedeutung: Zahlen heißt eine Zahl erscheinen lassen das ist hier alles. Die Zahl erscheint indessen auf den drei Geräten nicht um ihrer selbst willen, sondern um damit etwas auszudrücken. Sie wird dadurch zu einem Symbol, und zwar symbolisiert sie dadurch, daß sie gleichzeitig auf dem gewinnenden, dem verlierenden und dem vermittelnden Gerät aufleuchtet, die Zweigleisigkeit des Zahlungsvorganges und die Einheitlichkeit seines Vollzugs, und das heißt: sie symbolisiert die Bahnen, auf denen die Quanten unbedingt-potentieller Energie beim gewinnenden und beim 12 Es gibt bereits einen "Touchtone Telephone Reader" ("Telefonleser"), der eine Zahlung durch bloße Verbuchung mit Hilfe der Elektronik ermöglicht: das Bankkonto eines Kunden wird gleichzeitig mit der entsprechenden Gutschrift seines Verkäufers belastet; die Zahlung durch eine Bankidentifizierungskarte ausgelöst ("Einkauf über den Elektronenrechner", in: Augsburger Allgemeine Zeitung vom 14. 4. 1969).
§ 12
Die Zahlung - technisch, rechtlich und wirtschaftlich
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verlierenden Träger verlaufen, und den Schnittpunkt, in dem der Gewinn und der Verlust der Quanten eintreten. Das ist nur dadurch möglich, daß die Zahl einem System von Zahlen angehört, von denen jede eine Einheit für die Messung wirtschaftlicher Energie (des Kapitals), der kinetischen wie der potentiellen, liefert, an denen sich daher auch die Bewegung von Quanten unbedingt-potentieller wirtschaftlicher Energie (unbedingt-potentiellen Kapitals) ablesen läßt. Dieses System von Zahlen ist das Geldsystem, diese Einheit für die Messung wirtschaftlicher Energie (die Recheneinheit des Kapitals) ist das Geld, dieses Mittel, die Bewegung eines Quantums unbedingt-potentiellen Kapitals zu markieren (zu symbolisieren), ist die Zahlung.
Hier werden die Begriffe "Geld" und "Zahlung" in eine logische Verbindung gebracht, die der herkömmlichen genau entgegengesetzt ist. In der überkommenen Vorstellung ist Geld "alles, womit man zahlen kann"13, es wird auch noch in der neu esten Literatur schlechthin als "Zahlungsmittel" definiert, und diese Definition wird als "vollständig und ausreichend"14 angesehen. Nach ihr ist der Zahlungsbegriff der Oberbegriff des Geldbegriffs. Abgesehen davon, daß sie - in der herkömmlichen Sicht - nur eine, die Zahlungsfunktion des Geldes, nicht aber die andere, die Funktion des Geldes als Recheneinheit, berücksichtigt, kann sie nach dem, was wir hier erarbeitet haben, nicht mehr genügen; denn von dem Standpunkt aus, den wir gewonnen haben, kehrt das logische Verhältnis sich um: der Zahlungsbegriff leitet sich vom Geldbegrifj und dieser vom Kapitalbegrifj ab. Wir können daher abschließend Zahlung definieren als
das Mittel, durch eine bestimmte Anordnung von Zahlen im System der Meßzahlen wirtschaftlicher Energie (dem Geldsystem) die Bewegung eines Quantums unbedingt-potentiellen Kapitals zu markieren. Indem wir den Zahlungsbegriff dem Geldbegriff unterordnen, stellen wir eine logische Verbindung zwischen den Funktionen des Geldes als "Zahlungsmitei" und als "Recheneinheit" her, bei der, wie wir wiederholt sagten, die Zahlung nur noch als eine bestimmte Art erscheint, sich des Geldes als Recheneinheit zu bedienen; denn das Geld gibt die Recheneinheit für die Messung wirtschaftlicher Energie ab und die Zahlung markiert eine bestimmte Bewegung von Quanten dieser Energie, so daß die Funktion des Geldes als "Zahlungsmittel" nur als eine Art zu begreifen ist, in der seine Funktion als "Recheneinheit" ausgeübt wird.
PreiseT, Erich: Nationalökonomie heute, S. 86. Sauermann, Heinz: Wodurch wird die Kaufkraft des Geldes bestimmt?, in: Vom Wert des Geldes, Stuttgart 1961, S. 12. 13 14
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H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie § 13 Die Zahlung als Vorgang der Wirtschaftsrechnung
Damit ist gesagt, daß das Geld überhaupt nur eine Funktion, besser: eine Eigenschaft hat, nämlich die, eine Recheneinheit zu sein. Um als solche dienen zu können, müssen die Zahlen, in denen es sich ausdrückt, in bestimmter Weise angeordnet werden. Es sind Zahlen, die zu Geldzahlen erst dadurch werden, daß sie zu einem System zusammengefügt werden, das es gestattet, mit ihnen rechnerisch zu operieren, und zwar so, daß daraus die Bewegung der Quanten wirtschaftlicher Energie abgelesen werden kann. Diese Art einer rechnerischen Operation mit Zahlen nennen wir die Wirtschaftsrechnung. Die Geldzahlen sind für die Wirtschaft das, was die Buchstaben im System der chemischen Formeln für die Chemie sind. So wie man aus den zu Formeln zusammengesetzten Buchstaben chemische Vorgänge ablesen kann, lassen die zum System der Wirtschaftsrechnung gestalteten Zahlen die Bewegung wirtschaftlicher Energie erkennen. Das Geldsystem ist also ein System der Wirtschaftsrechnung. Es ist nicht schon damit gegeben, daß ein Staat eine bestimmte Recheneinheit, z. B. die Deutsche Mark, zum "gesetzlichen Zahlungsmittel" erklärt, vielmehr wird eine solche Recheneinheit zum Geld erst dadurch, daß sie in ein System gebracht wird, mit dem sich wirtschaftlich rechnen läßt. Daß ein Päckchen Zigaretten 1 DM "kostet", besagt für sich allein noch nichts. Ihren Inhalt erhält diese Aussage erst, wenn wir mit ihr die wirtschaftliche Leistung bezeichnen, die sich in dem Päckchen Zigaretten darbietet; das aber ist die Leistung der Menschen, die sie arbeitsteilig hervorbringen, und die Recheneinheit ,,1 DM" das Ergebnis einer Berechnung dieser Leistung. Daß das Päckchen Zigaretten nicht 2 oder 10 oder 100 DM, sondern genau 1 DM kostet, hat seinen Grund ebenfalls in der Berechnung einer wirtschaftlichen Leistung, und zwar der wirtschaftlichen Leistung aller im Währungsgebiet der DM arbeitsteilig tätigen Menschen. Aus ihr wird die "Währung" berechnet; sie ist der Meßwert für alle wirtschaftlichen Leistungen eines Währungsgebiets im Verhältnis zu denen aller anderen Währungsgebiete. Aus ihm bestimmt sich demzufolge auch das Verhältnis des Wertes aller wirtschaftlichen Einzelleistungen zueinander. Die Recheneinheit jedes Währungsgebiets kann gar nicht anders als aus der wirtschaftlichen Leistung der in diesem Gebiet arbeitsteilig tätigen Menschen gewonnen werden. Die wirtschaftliche Leistung aber ist, wie wir erkannt haben, die Bewegung wirtschaftlicher Energie. Wirtschaftlich rechnen heißt daher, die Bewegung der Quanten wirtschaftlicher Energie rechnerisch erfassen. Dazu bedarf es einer bestimmten Methode des Rechnens und der Darstellung des rechnerischen Ergebnisses. Beides ist scharf zu scheiden. So
§ 13 Die Zahlung als Vorgang der Wirtschafts rechnung
235
ist beispielsweise bei der Zeitberechnung die Methode mit dem Tagesumlauf der Erde und der Auf teilung dieses Umlaufs in die Zeiteinheiten der Stunden, Minuten und Sekunden gegeben; dargestellt wird dieses rechnerische Ergebnis durch Uhren der verschiedensten Art. 1. Die Wirtschaftsrechnung wird uns gewöhnlich nicht von ihrer Methode, sondern von ihrer Darstellung her bewußt; es ist dies die doppelte Buchführung mit der aus ihr dynamisch entwickelten Bilanz. In der Form der Bilanz tritt uns, wie wir an anderer Stelle bereits ausführten, auch die vom Staat gesetzte (manipulierte) Geldmenge (richtiger: Geldzeichenmenge) entgegen.
1. Doppelt buchen heißt einen wirtschaftlichen Vorgang rechnerisch in einer Gleichung auf zweierlei Weise darstellen. Werden DM 10000,- für den Ankauf eines Pkw ausgegeben, so wird ein Sachkonto ("Kraftwagen") belastet, ein Finanzkonto ("Bank") erkannt. In dieser doppelten Buchung drückt sich rechnerisch das Zwiefache der Erscheinungsform wirtschaftlicher Energie, der kinetischen (Kraftwagen) und der potentiellen (Bankguthaben), und ihrer Verwandlung aus. Die doppelte Buchführung ist das getreue Spiegelbild der Bewegung, die die Quanten wirtschaftlicher Energie vollführen.
Indessen ist das, was uns als doppelte Buchführung in Gestalt von gebundenen Büchern, losen Kontoblättern oder Lochkarten der Buchungsmaschinen entgegentritt, eben nur die äußere (sichtbare) Darstellung der Wirtschaftsrechnung. Hinter ihr steht (unsichtbar) die Methode des wirtschaftlichen Rechnens, und auf die allein kommt es an. Faßt man sie ins Auge, so führt das zu einem Bruch mit der Vorstellung, die sich bisher mit der Buchführung verbindet. Nach ihr ist diese nämlich lediglich ein registrierend-statistisches Hilfsmittel, das dazu dient, Vorgänge, die sich in der Vergangenheit abgespielt haben, rechnerisch zu rekonstruieren; das gilt auch für die Zahlung; auch deren Verbuchung folgt der Leistung oder Auslösung zeitlich nach. Die Berechnung wirtschaftlicher Vorgänge ist aber methodisch mit diesen selbst gegeben. Wollte man die wirtschaftlichen Vorgänge methodisch richtig darstellen, so müßte man die Berechnung mit ihnen in der Weise koppeln, daß sie sie nicht bloß rechnerisch rekonstruiert, sondern mit ihnen zusammen rechnerisch zur Erscheinung bringt. Die Wirtschaftsrechnung müßte, wenn die Darstellung der Methode entsprechen soll, etwa in der Art eines Tachometers funktionieren, d. h. wie dieser mit den Gegenständen, in denen der Wirtschaftsablauf sich vollzieht, verknüpft werden und deren Bewegungen unmittelbar widerspiegeln. Die Darstellung der Wirtschaftsrechnung müßte ein Mittel sein, das die wirtschaftlichen Vorgänge nicht bloß registrierend-statistisch, sondern operativ-statistisch erfaßt.
236
H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
Das ist mit der herkömmlichen Darstellungsweise nicht möglich, wohl aber ließe es sich mit Hilfe der Elektronik erreichen. Durch sie würden sich die wirtschaftlichen Vorgänge (Fakten) als Daten verarbeiten lassen. So würde in einem industriellen Betrieb das Produkt in allen Phasen seiner Fertigung und seines Absatzes durch entsprechende technische Vorrichtungen unmittelbar wirtschaftsrechnerisch erfaßt werden. Das hätte dann zur Folge, daß alle die Wirtschaftsrechnung berührenden Fakten bereits im Zeitpunkt ihres Eintritts als Daten des Rechenwerks in Erscheinung treten, beispielsweise die aus der Veräußerung des Produkts erwachsende Forderung im Augenblick des Versands; dieser würde technisch so gestaltet werden, daß er eine elektronische Meldung an die Wirtschaftsrechnung macht und durch sie unmittelbar das dem Faktum entsprechende wirtschaftsrechnerische Datum auslöst. Für die nachfolgende Untersuchung wollen wir eine solche Technik als möglich unterstellen. 2. Als ein solches Datum tritt dann auch die Zahlung in Erscheinung; denn das vollautomatische Zahlungswerk (der Fernzahler) wird in das Rechenwerk technisch einbezogen. Um zu zahlen, betätigt man eine Vorrichtung des Rechenwerks. Dadurch erscheint zur gleichen Zeit eine Zahl sowohl in diesem als auch in einem mit ihm gekoppelten zweiten und einem diese bei den vermittelnden dritten Rechenwerk. "Zahlung" ist dann nichts weiter mehr als die Betätigung eines elektronisch gesteuerten Rechenwerks, durch die eine Zahlenkombination in diesem und in den mit ihm gekoppelten Rechenwerken ausgelöst wird. Diese Zahlenkombination entspricht der herkömmlichen Verbuchung. Mit Hilfe der Elektronik wird also die Zahlung zu einem Akt der "Verbuchung" und umgekehrt wirkt die bloße "Verbuchung" als Zahlung, so daß sie zum "Zahlungsmittel" wird. Wir sind dieser Erscheinung bereits bei der Betrachtung der Giralgeldzahlung begegnet, aber dort blieb sie auf die Rechenwerke der am Zahlungsvorgang beteiligten Banken beschränkt. Hier greift sie auf die der Partner des Zahlungsvorgangs sowohl auf der gewinnenden wie auf der verlierenden Seite über. Deren Rechenwerke werden untereinander und mit denen der beteiligten Banken so verbunden, daß die Zahlung sich in einem einzigen vervielfältigten "Buchungssatz" abspielt. a) In Buchungsbildern nimmt sich der Unterschied zwischen der herkömmlichen Giralgeldzahlung und der elektronischen Zahlung, wie folgt, aus:
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H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
Es bedeuten: B I die Bank des (durch die Zahlung verlierenden) Erwerbers P eines Sachguts zum Gegenwert von 60 000 RE, B II die Bank des (durch die Zahlung gewinnenden) Veräußerers N, Z B das Zentralbankinstitut des Währungsgebiets. Das Bild zeigt zunächst auf, daß die Zahlung zwischen den Banken abrollt und daß deren Verbuchung bei den Beteiligten völlig außerhalb dieses Vorgangs steht. Weiterhin läßt es erkennen, daß die Zahlung selbst sich zwar in reinen Buchungssätzen vollzieht, daß jeder dieser Buchungssätze aber unabhängig von den anderen durchgeführt wird. Diese Verbuchung hat bei den Banken operativstatistischen, bei den Beteiligten P und N lediglich registrierend-statistischen Charakter. Buchungsbild 2 (elektronische Zahlung) p
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Dieses Bild veranschaulicht die elektronische Verknüpfung aller Rechenwerke und den dadurch ermöglichten rein technischen Ablauf der Zahlung. Diese vollzieht sich in einem einzigen simultanen Buchungs-
§
13 Die Zahlung als Vorgang der Wirtschaftsrechnung
239
satz, der sowohl von P, dem verlierenden Zahler (Leistenden) als auch von N, dem gewinnenden Zahler (Empfänger) ausgelöst werden kann. Was hier mit Hilfe der Elektronik zuwege gebracht wird, ist keine neue "Geldart", die an die Seite der herkömmlichen "Geldarten", des Stoff- und des Giralgeldes treten würde und die man als "elektronisches Geld" zu bezeichnen hätte, sondern eine neue Art der Zahlung, d. h. der Markierung bewegter Quanten unbedingt-potentiellen Kapitals. Es ist überhaupt falsch, von verschiedenen "Geldarten" zu sprechen. Es gibt nur ein Geld mit einer Eigenschaft: der, eine Recheneinheit für die Messung wirtschaftlicher Energie (des Kapitals) zu sein. Unterschiedlich ist lediglich die Art, sich dieser Recheneinheit zur Zahlung zu bedienen; davon gibt es mehrere: die Stoffgeld-, die Giralgeld- und die elektronische Zahlung. Die Möglichkeit, elektronisch zu zahlen, läßt es zur Gewißheit werden, daß es Geld nur als Recheneinheit der Wirtschaftsrechnung und Zahlung nur als Teil der Wirtschaftsrechnung gibt. Bei deren Arten muß man zwischen der wirtschaftsgeschichtlichen und der wirtschaftstheoretischen Seite der Sache unterscheiden. Wirtschaftsgeschichtlich sind die Stoff- und Giralgeldzahlung die Vorläufer der elektronischen, wirtschaftstheoretisch aber ein Ersatz, mit dem man sich begnügen muß, solange die Wirtschaftsrechnung sich mit Hilfe der Elektronik nicht vervollkommnet hat; denn die Zahlung ist in jedem Fall ein Vorgang der Wirtschaftsrechnung. Die Giralgeldzahlung ist es schon ihrem Wesen nach, aber auch für die Stoffgeldzahlung trifft das zu. Wir zeigten auf, daß und in welcher Weise das Stoffgeld mit dem Rechenwerk des Zentralbankinstituts verknüpft und nur mit ihm gegeben ist. Jede Zahlung mit einer Banknote oder einer Münze ist ebenso ein Vorgang der Wirtschaftsrechnung, wie es die Giralgeldzahlung und die elektronische Zahlung sind. Der Unterschied liegt lediglich darin, daß bei den beiden letzteren die Verknüpfung des Rechenwerks der Zentralnotenbank mit den Rechenwerten der am Zahlungsvorgang Beteiligten sichtbar ist, während sie bei der Stoffgeldzahlung nur symbolisiert wird. Diese ist ein Notbehelf, zu dem man greifen muß, weil nicht jeder über ein Wirtschaftsrechnungswerk verfügt, das es durch seine Verknüpfung mit dem des Zentralbankinstituts gestatten würde, alle Zahlungen durch bloße Verbuchung zu vollziehen. Im Stadium der vollkommenen Arbeitsteilung kann das wirtschaftliche Geschehen, weil es Bewegung von Energie ist, nur abstrakt dargestellt werden. Das Mittel hierfür ist die Wirtschaftsrechnung. Diese wird aber nur von einem begrenzten Kreis dazu befähigter Wirtschaftssubjekte gehandhabt; deren Rechenwerke zeigen die Verwandlung der wirtschaftlichen Energie aus der kinetischen in die potentielle Erscheinungsform an, und wenn diese Rechenwerke elektronisch durch das der
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11. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
Zentralnotenbank untereinander verknüpft werden, dann ist auch die Zahlung ein von ihnen wirtschaftsrechnerisch dargestellter Vorgang. Fehlt es an solchen Rechenwerken, dann muß die Verwandlung der wirtschaftlichen Energie auf andere Weise dargestellt werden; das erfordert die Abstraktheit dieses Geschehens. Das Mittel hierfür sind die Geldzeichen (Banknoten, Scheidemünzen); ihr Umlauf markiert das Erscheinen der wirtschaftlichen Energie in ihrer unbedingt-potentiellen Form; sie übernehmen damit die Aufgabe, die in einem elektronisch gesteuerten Rechenwerk einem der "Konten" zufällt; sie fungieren also als Ersatz der Wirtschaftsrechnung. Zwischen der Zahlung durch elektronische Verbuchung und der Stoffgeldzahlung steht die Giralgeldzahlung; diese ist durch die Rolle, die die Banken bei ihr spielen, der ersteren nahegerückt. Ist eine Bank selber an einem Erwerbsvorgang beteiligt, so bildet dieser in allen seinen Teilen, die Zahlung eingeschlossen, den Gegenstand einer einzigen Verbuchung; der Kraftwagen, den sie anschafft, erscheint auf dem für ihn bestimmten Sachkonto und sein Gegenwert, sofortige Fälligkeit des Kaufpreises vorausgesetzt, auf dem Konto der Zentralbank, über das ihre Giroüberweisungen laufen; hier ist bereits die Zahlung nur noch die eine Seite eines Buchungsvorgangs, bei dem auf beiden Seiten Geld als Recheneinheit dient. Aber auch wenn nicht eine Bank selber an dem einer Zahlung zugrunde liegenden Erwerbsvorgang beteiligt ist, äußert zwar nicht die Verbuchung auf den Konten der am Erwerbsvorgang Beteiligten (der Bankkunden), wohl aber die Verbuchung auf den Konten der beteiligten Banken Zahlungswirkung (siehe das Buchungsbild 1); insoweit fungiert auch hier die Giralgeldzahlung als Ersatz für die elektronische. Zwischen den einzelnen Zahlungsarten besteht eine Stufenfolge der Subsidiarität: die Zahlung mit Scheidemünzen tritt ersatzweise an die Stelle der Zahlung mit Banknoten, beide Arten der Stoffgeldzahlung dienen als Ersatz für die Giralgeldzahlung, und diese ersetzt die durch bloße Verbuchung bewirkte elektronische Zahlung. In dieser Hierarchie steht das Münzgeld auf der untersten Stufe. Ihm reicht aber bis auf den heutigen Tage die Geldtheorie die Krone. Das Gelddenken muß jedoch bei der obersten Stufe ansetzen, d. h. davon ausgehen, daß jede Zahlung, gleichviel welcher Art sie ist, mit welchen " Mitteln " sie geleistet wird, ein Vorgang der Wirtschaftsrechnung ist, für den das Geld nur die Recheneinheit abgibt. b) Die Wirtschaftsrechnung ist der rechnerische Ausdruck des wirtschaftlichen Geschehens, insbesondere seiner Kulmination, des Erwerbsvorgangs. Wir zeigten auf, daß dessen eine Seite die Verwandlung kinetischer in potentielle Energie ist, und stellten heraus, daß diese Verwandlung im Zeitpunkt der Entäußerung selbsttätig vor sich geht und die
§ 13 Die Zahlung als Vorgang der Wirtschaftsrechnung
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Zahlung nur dazu dient, den Veräußerer nachträglich als nunmehrigen Träger potentieller Energie zu legitimieren. Entäußerung und Zahlung sind also von Hause aus zwei zeitlich getrennte und sachlich selbständige Vorgänge; juristisch gesprochen ist die letztere die Erfüllung der ersteren. Die elektronische Wirtschaftsrechnung bringt aber eine Änderung dieses Verhältnisses mit sich; denn in ihr bilden die Fakten. von denen die Zahlung abhängt, Daten, die ihrerseits einen selbsttätigen Ablauf auslösen und dadurch die rechnerische Darstellung des wirtschaftlichen Geschehens in Übereinstimmung mit diesem bringen. Entäußerung und Zahlung können hier nicht bloß sachlich verknüpft, sondern auch zeitlich überbrückt werden, und es kann da, wo ohne elektronische Wirtschaftsrechnung erst eine Zahlungserwartung besteht, bereits eine Zahlung ausgelöst, diese also vorverlegt werden. Mit Hilfe der elektronisch gesteuerten Wirtschaftsrechnung kann auf diese Weise die Unterstufe der bedingt-potentiellen Energie übersprungen und kinetische Energie unmittelbar in unbedingt-potentielle verwandelt werden. Die elektronische Wirtschaftsrechnung übernimmt damit die Aufgabe, die sonst der Kredit zu erfüllen hat, und sie führt wie dieser zu einer Beschleunigung des Wirtschafts ablaufs. Wir wollen uns das an einer weiteren Folge von Buchungsbildern klarmachen; sie sollen die Linie aufzeigen, die vom herkömmlichen Kredit zur elektronisch vorverlegten Zahlung führt. Als Beispiel wählen wir folgenden Fall: Ein Unternehmen des Groß- oder Einzelhandels kauft bei seinem Lieferanten einen Posten Ware zu einem Preis von 60000 RE ein; ihm fehlen die flüssigen Mittel, um den Kaufpreis unter Ausnutzung des Skontos sofort bezahlen zu können; ihm stehen aber aus dem Weiterkauf früher bezogener Waren gegen seine Kunden noch Forderungen in Höhe von 100000 RE zu; sie sollen ihm zur Finanzierung des erneuten Wareneinkaufs dienen. Das herkömmliche Mittel dafür ist der Bankkredit; er wird in der Weise gewährt, daß das Unternehmen die ihm aus den früheren Verkäufen erwachsenen Forderungen gegen seine Kunden an seine Hausbank abtritt; diese unterrichtet sich durch Einholung von Auskünften über die Solvenz der Kunden und beleiht demgemäß die Forderungen, insoweit diese "werthaltig" sind; wir wollen annehmen, daß der ermittelte Wert bei 70 % des Nennbetrages, die Beleihungsgrenze somit bei 70000 RE liegt, so daß das Unternehmen in der Lage ist, mit den Mitteln dieses Kredits den Kaufpreis von 60 000 RE unter Ausnutzung des Skontos sofort zu bezahlen. Buchhalterisch tritt eine solche Sicherungsabtretung normalerweise nicht in Erscheinung, insbesondere dann nicht, wenn sie nur "still" er16 Eekelt
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§ 13 Die Zahlung als Vorgang der Wirtschaftsrechnung
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folgt, die Kunden also von ihr keine Kenntnis erlangen; durch deren Zahlungen wird der Kredit einfach in der Weise zurückgeführt, daß sie dem Konto des Unternehmens bei seiner Hausbank gutgebracht werden. Ausreichung und Abdeckung des Kredits schlagen sich in den Rechenwerken des Unternehmens, der Hausbank und der Zentralnotenbank getrennt nieder. Dazu das nebenstehende Buchungsbild 3. Es bedeuten: 1 Ankauf der Waren für 60000 RE (Schuld an den Lieferanten) 2 Verkauf der Waren für 100 000 RE an mehrere Kunden (Forderungen gegen diese) 3 Bezahlung der Rechnung des Lieferanten, getrennter Niederschlag 31 im Rechenwerk des Unternehmens 32 im Rechenwerk der Hausbank, hier als Forderung gegen das Unternehmen aus dem ihm gewährten Kredit, und in dem der Zentralnotenbank 4 Bezahlung der Rechnungen des Unternehmens, getrennter Niederschlag 41 im Rechenwerk des Unternehmens 42 im Rechenwerk der Hausbank, hier als Tilgung des Kredits, und in dem der Zentralnotenbank Dieses Bild wollen wir jetzt so abwandeln, daß die Sicherungsabtretung erkennbar wird. Das ist zwar ungewöhnlich, aber nicht unmöglich. Es hätte durch die Einrichtung je eines Unterkontos sowohl beim Unternehmen wie bei der Hausbank zu geschehen. Dabei lassen wir, um die Darstellung nicht zu komplizieren, die Spesen des Kredits wie auch den Barzahlungsskonto außer Betracht, außerdem setzen wir die Forderung nur mit dem Betrag ihrer Beleihungsgrenze ein. Das ergibt folgendes Buchungsbild 4:
244
H, 1. Abschn,: Kapitalistische Geldtheorie
Buchungsbild 4 (Absicherung des Bankkredits)
Warenkonto
Lieferantenkonto
BankHauptkonto
Kundenkonto
Gl"·'f: ~ @"""I"""Gl",,',,:, ', '30000@ ,7?~
9@)7000060oo0@)
loOöOO ®
® iOoöOö
@)30 000 BankUnterkonto
Hauptkonto des Unternehmens
,
9
60 000
70000(3
'30000@
0lL
Unterkonto des Unternehmens
@
70
@
Konto der Hausbank
,
600009
@ 70000 @ 30000
§ 13 Die Zahlung als Vorgang der Wirtschaftsrechnung
245
Hier bedeuten: 310 Abtretung der Kundenforderungen an die Hausbank; die Forderungen scheiden aus dem Rechenwerk des Unternehmens in Höhe von 70 000 RE vollkommen aus. 320 Entgegennahme der Abtretung durch die Bank; die Forderungen werden dem Konto des Unternehmens in Höhe von 70 000 RE ebenso gutgebracht wie ein von der Hausbank angekaufter Wechsel; über dieses Guthaben kann das Unternehmen verfügen; es kann daher auch mit den Forderungen, die es an die Bank abgetreten hat, seine Schuld an seinen Lieferanten begleichen.
311 Im Rechenwerk des Unternehmens wird das Hauptkonto der Hausbank erkannt. 321 Im Rechenwerk der Hausbank wird das Hauptkonto des Unternehmens belastet. Die bei den Unterkonten lösen sich in dem Maße auf, in dem Zahlungen auf die abgetretenen Forderungen bei der Bank eingehen: 411 im Rechenwerk des Unternehmens wird das Unterkonto der Hausbank erkannt, das Hauptkonto belastet, 421 im Rechenwerk der Hausbank wird das Unterkonto des Unternehmens erkannt, ihr Konto bei der ZNB belastet. Die Buchungssätze 412 und 422 spiegeln den Eingang der nicht abgetretenen Kundenforderungen wider. Das Buchungsbild der Finanzierung eines Wareneinkaufs durch Bankkredit kann als Schema auch für einen elektronisch gesteuerten Wareneinkauf dienen. Wir unterstellen, daß das Unternehmen mit einem elektronischen Rechenwerk versehen ist, das den gesamten Warenumschlag erfaßt: die eingehenden Waren werden mit Symbolen versehen, die dem Rechenwerk den Lieferanten und die Einstandspreise anzeigen und es dazu befähigen, die entsprechenden "Verbuchungen" vorzunehmen; jede ausgehende Ware erhält beim Versand ebenfalls ein Symbol, das dem Rechenwerk den Kunden und den Verkaufspreis meldet. Wenn wir jetzt weiterhin annehmen, daß auch die Kriterien, von denen die Werthaltigkeit der Außenstände abhängt, insbesondere die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kunden als Daten in das Rechenwerk eingehen, dann bedarf es zur Finanzierung des Wareneinkaufs nicht mehr der Abtretung von Außenständen, vielmehr vollzieht sie sich rein technisch durch die elektronische Apparatur. Das wird dadurch ermöglicht, daß die beteiligten Rechenwerke - das des Unternehmens, das der Hausbank und das der Zentralnotenbank - als Fernzahler verkoppelt sind, so daß die Finanzierung in einer Kette simultaner Schaltungen abläuft. Wir erhalten so als letztes das nachfolgende Buchungsbild 5:
246
H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie Buchungs-(SchaItungs-)bild 5 (elektronisch gesteuerte Finanzierung)
Waren. konto
Lieferantenkonto
Kundenkonto
60'-1----+Io' 100' ~--- ---+--t-100'-+--
__
-.J
BankHauptkonto
70'
~70'
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_-+ ___ 1
I Konto der Hausbank des Kunden I---.--I
I
§ 13
Die Zahlung als Vorgang der Wirtschaftsrechnung
247
Das Bild läßt erkennen, daß die Finanzierung sich in zwei simultanen Schaltungen vollzieht. Die erste, durch eine gestrichelte Linie gekennzeichnete, löst aus den Kundenforderungen von insgesamt 100000 RE die werthaltigen heraus und überträgt diese mit zusammen 70 000 RE in einem Zuge auf die beiden dafür beim Unternehmen und der Hausbank geführten Unterkonten; bei der Hausbank erscheinen sie damit zugleich auf dem Hauptkonto als Gutschrift - neben den aus herkömmlichen Einlagen gebildeten Gutschriften. Mit dieser Schaltung entsteht ein Zahlungserwartungstitel, aus dem sich durch einen einseitigen Willensakt des Unternehmens jederzeit eine Zahlung entfalten kann. Das geschieht durch die zweite, in einer punktierten Linie ausgedrückte Schaltung; hier wird der Gegenwert der hinzuerworbenen Waren in einem Zuge in den durch Fernzahler verbundenen Rechenwerken des Unternehmens, der Hausbank und der Zentralnotenbank dargestellt. Die gestrichelt-punktierte Linie zeigt die Zahlungen auf, die die Schuldner der abgetretenen Forderungen (die Kunden) leisten. Wir wollen dabei unterstellen, daß das im Lastschrift-Einzugsverfahren geschieht, so daß es nicht der einzelne Kunde, sondern der Unternehmer ist, der "zahlt", indem er eine dritte, vierte usw. Schaltung auslöst. Dadurch wird erreicht, daß die auf die Außenstände eingehenden Zahlungen über die beiden Unterkonten laufen und diese zur Auflösung bringen, sobald sie 70000 RE erreicht haben, so daß nur noch die Hauptkonten bestehen bleiben, und zwar das Hauptkonto des Unternehmens bei der Hausbank und deren Konto bei der Zentralnotenbank mit Guthaben von je 10 000 RE. Selbstverständlich erhöhen diese Guthaben sich um die restlichen 30000 RE der Außenstände, falls und insoweit diese eingehen. Der wesentliche Unterschied zwischen der kreditären und der elektronisch gesteuerten Finanzierung liegt in der Rolle, die die Hausbank dabei spielt: an der kreditären Finanzierung ist sie aktiv beteiligt, bei der elektronisch gesteuerten nur noch passiv zwischengeschaltet. Dort entspringt das Guthaben, das zur Begleichung der Wareneinkaufsrechnung dient, einem darauf gerichteten selbständigen Willensakt der Hausbank - wir sprechen dann von "bankkreditärer Geldschöpfung" -, hier erwächst es aus einer Schaltung, die nicht sie, sondern ihr Kunde, das Unternehmen, vollführt. Es gibt Ansätze, die in diese Richtung weisen. Wir denken dabei an das Factoring-System des "Ankaufs" von Forderungen mit Hilfe einer Datenbank, die die Auswahl unter den anzukaufenden Forderungen trifft und die Gutschrift der ausgewählten Forderungen auslöst. Indessen können wir es dahingestellt lassen, ob eine elektronisch gesteuerte Finanzierung nur ein Wunschbild bleiben oder eine Realität sein wird; denn unsere
248
11. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
Ausführungen haben es nicht mit Wirklichkeit oder Unwirklichkeit zu tun, sondern sind wiederum nur als ein Experiment gedacht, das der Nachprüfung unserer theoretischen Untersuchung dient. Wir unterstellen lediglich, daß es möglich wäre, ein Wirtschaftsrechenwerk elektronisch zu steuern, und malen uns dessen Wirkungsweise aus. Die Auswertung dieses Experiments ergibt folgendes: 11. Nach der herrschenden Geldtheorie ist Geld in erster Linie ein "Zahlungsmittel"; gezahlt werden kann nach ihr nur mit dem, was herkömmlich unter "Geld" verstanden wird, mit den verschiedenen "Arten" des Geldes: dem Stoffgeld mit seinen beiden Unterarten, dem Münz- und dem Notengeld, und mit dem Giralgeld in seinen Spielarten, dem Scheck und der Guthabenübertragung von Bank zu Bank. Das, was als "Geld" bei einer Zahlung hergegeben wird - die Münzen, die Banknoten, der Scheck, das Guthaben - muß, um den Zahlungsvorgang auslösen zu können, zunächst als "Geld" beschafft werden; es müssen also die für die Zahlung bestimmten Münzen und Banknoten erworben und die für die Giralgeldzahlung beanspruchten Konten durch "Einlagen" aufgefüllt werden; dafür können wiederum die verschiedenen "Geldarten" dienen. Welcher Art - so muß man fragen - ist nun das "Geld", das für die elektronisch gesteuerte Finanzierung beschafft wird? Die Zahlung erwächst, wie wir sahen, aus dem Zahlungserwartungstitel, der mit der Herauslösung der werthaltigen Außenstände aus dem dafür bestehenden Konto und deren überführung auf ein Unterkonto entsteht. Das "Geld", das danach zur Zahlung verwendet wird, ist weder Stoffgeld noch Giralgeld; denn es gelangen weder Münzen oder Banknoten zur Einzahlung noch werden Schecks eingereicht oder Guthaben von einer Bank auf eine andere übertragen. Vielmehr entstammt hier das "Geld" einem Konto im Rechenwerk des Zahlenden, dem Konto "Außenstände"; als ein Posten dieses Kontos wird es innerhalb des gleichen Rechenwerks auf ein anderes Konto übertragen, und er ist es, der danach zur Zahlung verwendet wird; er ist hier "Zahlungsmittel". Er ist aber nur einer von vielen Posten des Rechenwerks und wird wie alle anderen durch eine Zahl ausgedrückt, die das Vielfache einer Einheit ist, und diese Einheit ist die Geldeinheit, die für ein bestimmtes Währungsgebiet Geltung hat; für das Konto "Außenstände" dient also das Geld ebenso als Recheneinheit wie für alle anderen Konten. Demnach wird hier mit der Recheneinheit Geld gezahlt, die Recheneinheit Geld ist das Zahlungsmittel Geld. Zwar ist auch die Giralgeldzahlung ein Vorgang im Rechenwerk einer Bank, d. h. die Bewegung eines Postens auf einem Konto, bei der das
§
13 Die Zahlung als Vorgang der Wirtschaftsrechnung
249
Geld als Recheneinheit dient. Aber entweder entstammt dieses "Geld" Einlagen mit herkömmlichen Zahlungsmitteln oder es wird durch einen von der Bank gewährten Kredit "geschöpft", d. h. gleichsam aus dem Nichts geschaffen. Bei der elektronisch gesteuerten Finanzierung hingegen erwächst es aus dem Rechenwerk dessen, der mit ihm zahlen will; hier ist es reine Recheneinheit. Zahlung kann demzufolge hier nur eine besondere Art sein, sich dieser Recheneinheit zu bedienen. Wir erkennen jetzt auch besser, worin das Besondere der Verwendung des Geldes als Recheneinheit liegt. Es ist dies die Simultanität des Buchungs- oder Schaltungsvorgangs. Die Grundform der Buchung oder Schaltung ist das gleichzeitige Erscheinen einer Zahl auf zwei Konten in einem Rechenwerk. So erscheint die Zahl 100 000 im Rechenwerk des Unternehmens auf dem Warenkonto (im Haben) und dem Kundenkonto (im Soll), um den Verkauf der Waren und die Entstehung der daraus erwachsenden Forderungen auszudrücken. Von dieser Grundform unterscheidet sich die Buchung oder Schaltung einer Zahlung nur dadurch, daß eine Zahl gleichzeitig auf je zwei Konten in mehreren Rechenwerken erscheint. Das ist im Buchungs-(Schaltungs-)bild 5 deutlich an dem Verlauf der drei verschiedenen Markierungen zu erkennen. Zahlung ist demnach eine Kette simultaner Buchungen oder Schaltungen, für die das Geld ebenso als Recheneinheit dient, wie für alle anderen Buchungen oder Schaltungen. Damit finden wir experimentell bestätigt, was wir theoretisch erarbeiteten: Geld hat nur eine Eigenschaft: die, eine Recheneinheit zu sein. Darüber hinaus erweist das Experiment die Richtigkeit dessen, was wir über das Verhältnis des Geldbegriffs zum Kapitalbegriff sagten. Das Geld gibt die Recheneinheit für die Wirtschaftsrechnung ab. Wir haben zwischen deren Methode und ihrer Darstellung unterschieden und erkannt, daß methodisch die Berechnung der wirtschaftlichen Vorgänge mit diesen selbst gegeben ist und es darauf ankommt, sie auch so darzustellen, daß sich in ihnen das wirtschaftliche Geschehen unmittelbar widerspiegelt. Unser Experiment zeigt uns, daß sich das durch ein elektronisch gesteuertes Rechenwerk erreichen ließe; an dessen Zahlen könnte das wirtschaftliche Geschehen unmittelbar abgelesen werden. Was sagen uns nun - so müssen wir fragen - diese Zahlen über das Wesen des wirtschaftlichen Geschehens und damit über den Kapitalbegriff und dessen Verhältnis zum Geldbegriff? Den Ansatzpunkt für die Beantwortung dieser Frage muß uns die Tatsache liefern, daß jeweils eine Zahl an zwei Stellen des Rechenwerks erscheint; in der herkömmlichen (manuellen) Buchführung sind das die zwei Konten, auf denen "doppelt" gebucht wird. Dieses doppelte Erscheinen, dieses doppelte Buchen einer Zahl kann nur bedeuten, daß mit einer Größe eine Veränderung vor sich geht.
250
II. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
Welches ist - so müssen wir weiter fragen - diese eine Größe und welcher Art deren Veränderung? Die Antwort auf diese Frage wollen wir durch eine Analyse des Buchungssatzes 2 zu gewinenen suchen. Er spiegelt die Veräußerung eines Warenpostens zum Preise von 100 000 RE wider. Mit diesem Betrag wird das Konto "Ware" erkannt und das "Kundenkonto" belastet. Damit scheint nichts weiter ausgedrückt zu sein, als daß an die Stelle der Ware eine Forderung getreten ist. Das ist gewiß richtig, aber um das rechnerisch darzustellen, bedürfte es keiner doppelten Verbuchung. Deren Wesenskern muß in etwas Anderem liegen. Zunächst ist klarzustellen, daß dem Buchungssatz 2 weder etwas für Art und Menge der veräußerten Waren noch für den Inhalt der daraus erwachsenen Forderungen, kurz: für die technischen und rechtlichen Elemente der Veräußerung zu entnehmen ist. Allerdings erfährt man darüber, wenn auch nicht alles, so doch einiges aus den Belegen, die zu jeder Buchung gehören. Belege werden aber nur eine gewisse Zeit aufbewahrt und dann vernichtet. Was dagegen erhalten bleibt, ist die Zahl 100000; sie geht mit ihrer Verbuchung als ein Posten in das Rechenwerk ein; das aber wird kontinuierlich fortgeführt, so daß mit ihm auch die Zahl 100000 als Posten der Wirtschaftsrechnung weiter existiert, gleichviel was aus den Waren und den Forderungen wird. Das, was diese Zahl, dieser Rechnungsposten, darstellt, muß somit etwas sein, das die Waren und die Forderungen durchläuft, während dieses Durchlaufens durch sie in Erscheinung tritt und nach ihrem Durchlaufen in irgend einer anderen Form erscheint; es muß zudem die Fähigkeit besitzen, sich aus einer dieser Erscheinungsformen in eine andere zu verwandeln. Dieses Entwas kann nur Arbeit leistende Kraft, d. h. Energie sein; denn sie besitzt solche Verwandlungsfähigkeit; sie bringt es zuwege, daß die "Waren" sich in "Forderungen" verwandeln; sie ist die eine Größe, die sich verändert, indem sie aus der Gestalt der "Waren" in die der "Forderungen" überwechselt, und für deren wirtschaftsrechnerische Darstellung es deshalb einer doppelten Verbuchung bedarf. Die beiden Konten "Ware" und "Forderungen", auf denen die Zahl 100 000 erscheint und verbleibt, sind nur Teile eines Rechenwerks, und das Rechenwerk, dem sie zugehören, ist in unserem Experiment mit anderen Rechenwerken, letztlich - über das der Zentralnotenbank - mit allen Rechenwerken des Währungsgebiets gekoppelt. Das Buchungsbild 4 veranschaulicht diese Verflechtung; hier sind die Grenzen zwischen den Rechenwerken des Unternehmens, der Hausbank und der Zentralnotenbank gefallen, und die gestrichelt-punktierte Linie, die den Weg der Zahlungen markiert, die die Kunden leisten, weist über das Rechenwerk der Zentralnotenbank hinaus auf das der Kunden hin, und wenn auch diese über ein elektronisch gesteuertes Rechnewerk verfügen, so steht vor
§ 13 Die Zahlung als Vorgang der Wirtschaftsrechnung
251
uns das Bild einer geschlossenen Wirtschaftsrechnung in einem geschlossenen Wirtschafts-(Währungs-)gebiet. Der herkömmlichen (manuellen) doppelten Buchführung liegt aber die gleiche Methode des wirtschaftlichen Rechnens zugrunde. Folglich ist auch hier der einzelne Buchungssatz nur Teil eines das Wirtschafts(Währungs-)gebiet umfassenden Ganzen. Darauf beruht es, daß die doppelte Buchführung nach bestimmten, allgemein anerkannten Regeln gehandhabt wird; so wird für jeden Wirtschaftszweig ein "Kontenrahmen" aufgestellt, und es werden Vorschriften über die "Bewertung" erlassen. Die doppelte Buchführung und die aus ihr entwickelte Bilanz werden so zu einer Sprache, die überall jeder, der wirtschaften kann, versteht und jeder, der wirtschaften will, beherrschen muß. Deren Gesetze beherrschen auch die elektronisch gesteuerte Wirtschaftsrechnung. An dieser können wir uns daher orientieren, wenn wir verstehen wollen, was der Buchungssatz vollends ausdrückt; mit der Verwandlung, die die Erscheinungsform der Energie erfährt, tritt auch eine Veränderung im Ganzen des Wirtschafts-(Währungsgebiets) ein. Wir erkennen jetzt, daß die Wirtschaftsrechnung durch die Verzahnung aller Rechenwerke eines Wirtschaftsgebiets der rechnerische Ausdruck der Wirkung wirtschaftlicher Energie ist; denn das ist, wie wir in einem früheren Abschnitt herausstellten, die Kraft, die die technischen Leistungen, durch die die arbeitsteilig tätigen Menschen die Sachgüter verändern, in das Ganze des Lebens einbezieht. Noch etwas anderes tritt damit jetzt deutlich hervor. Wir wiesen auf die Kontinuität der Wirtschaftsrechnung hin; das verstanden wir im rein zeitlichen Sinne: jeder Posten eines Rechenwerks bezeichnet einen "Vorgang" in einer nie abreißenden Kette von "Vorgängen". Zugleich aber fügt jeder Posten sich in das räumlich bestimmte Ganze eines Wirtschaftsgebiets ein. Somit ist die Wirtschaftsrechnung der rechnerische Ausdruck für das Raum-Zeit-Kontinuum, in dem die Bewegung wirtschaftlicher Energie verläuft. Es läßt sich kaum eine Einrichtung denken, an der dieser schwierige atomphysikalische Begriff anschaulicher demonstriert werden könnte, als die Wirtschaftsrechnung sie uns bietet. Diese ist also, unabhängig von der Art ihrer Darstellung, allein durch ihre Methode der rechnerische Ausdruck für die Wirkung wirtschaftlicher Energie. Da nun nach unserer Definition Kapital wirtschaftliche Energie ist, so heißt das, daß in der Wirtschaftsrechnung das Kapital in seinen drei Erscheinungsformen zu rechnerischer Darstellung gelangt und daß jeder Buchungssatz die Bewegung von Kapital in der Form einer Gleichung darstellt.
252
H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie § 14 Kapitalistische Bilanztheorie
Wenn das richtig ist, dann muß jedes Konto und jeder einzelne Posten der Konten kapitalbezogen sein, und das ist der Fall; denn alle Konten und mit ihnen alle Posten dieser Konten münden in das Bilanzkonto ein. Die aus diesem entwickelte Bilanz aber ist die wirtschaftsrechnerische Darstellung des einem Unternehmen gewidmeten Kapitals. Dieses bildet in ihr einen eigenen Posten, und zwar als Differenz zwischen den auf der rechten Seite verzeichneten "Aktiven" und den auf der linken Seite ausgewiesenen "Passiven". Überwiegen die ersteren, so ist das Kapital "positiv" und erscheint auf der Passivseite. Im umgekehrten Fall ist es "negativ" und wird auf der Aktivseite dargestellt. Auf den ersten Blick könnte es so scheinen, als seien die "Aktiva" nichts als die Summe aller Sachen und Rechte (Grundstücke, Gebäude, Maschinen, Waren, Forderungen, Barmittel), die dem Bilanzierenden gehören, kurz: sein Vermögen, die "Passiven", nichts als die Schulden, mit denen dieses Vermögen belastet ist, und das "Kapital" eine durch Subtraktion zwischen "Aktiven" und "Passiven" errechnete Zahl. Bei näherer Prüfung zeigt sich jedoch, daß die Begriffe "Aktiva" und "Passiva" sich mit den Begriffen "Vermögen" und "Schulden" nicht decken, sondern das sie etwas anderes aussagen 15 • Die Bilanz - wir haben hier immer nur die Erfolgsbilanz im Auge - weist nämlich eine Reihe von Posten auf, die sich nicht unter die Begriffe "Vermögen" und "Schulden" bringen lassen. Einmal ist das der Posten" Gewinn"; er wird wie alle anderen auch aus dem Rechenwerk entwickelt, und zwar in einer neben der Bilanz einherlaufenden "Gewinn- und Verlustrechnung". Zum anderen bemerken wir sowohl auf der Aktiv- wie auf der Passivseite sogenannte "transitorische Posten"; auch sie entstammen dem Rechenwerk und dienen dazu, Erträge und Aufwendungen dem Rechnungsabschnitt (Geschäftsjahr) zuzurechnen, das sie wirtschaftlich betreffen. Schließlich gibt es Posten, die in der Bilanz überhaupt nicht erscheinen, obwohl es sich um Vermögensgegenstände handelt; das sind Wirtschafts güter, die noch genutzt werden, aber bereits voll "abgeschrieben" sind. Die Existenz aller dieser dynamischen Posten läßt erkennen, daß sich in den "Aktiven" und "Passiven" kein Sein, sondern ein Geschehen ausdrückt und daß die Posten der Bilanz ebenso wie die Posten der Konten des Rechenwerks, aus denen sie erwachsen, die in einem Unternehmen bewegte wirtschaftliche Energie widerspiegeln. Demzufolge sind sie kapitalbezogen. Darüber kann nicht hinwegtäuschen, daß nur einer die15 Vgl. hierzu auch meinen Aufsatz "Vermögensanteil und Kapitalanteil", in: Neue Juristische Wochenschrift 1954, S. 1906, der den Anstoß zu diesem Buch gegeben hat.
§ 14 Kapitalistische Bilanztheorie
253
ser Posten als "Kapital" oder "Stammkapital" oder "Grundkapital" ausgewiesen wird. Damit wird - auf der Passivseite - lediglich der Unternehmer als der Träger eines Teiles des Kapitals (des "Eigenkapitals") gekennzeichnet - neben denen, die andere Teile (das "Fremdkapital") tragen. Kapital ist aber auch alles, was die Aktivseite aufzeigt, nur erscheint es hier in einer anderen Sicht, und zwar im Blick auf seine drei Erscheinungsformen, die kinetische, die bedingt-potentielle und die unbedingt-potentielle, man kann auch sagen: im Blick auf seine Quellen, und zwischen der objektiven und der subjektiven Seite des Kapitals unterscheiden. Das Grundschema der Bilanz nimmt sich daher so aus: linke (objektive) Seite I - - -16 Aktiva = Quellen des Kapitals
rechte (subjektive) Seite Passiva = Träger des Kapitals
In der Kapitalbezogenheit aller Posten der Bilanz erblicken wir deren entscheidendes Wesensmerkmal, und da Kapital wirtschaftliche Energie ist, so bedeutet das, daß alle Posten der Bilanz die Bewegung von Quanten wirtschaftlicher Energie zur Darstellung bringen. Das gilt insbesondere für die Posten der objektiven-, der Aktivseite. Auch deren Zahlen sind der rechnerische Ausdruck des wirtschaftsenergetischen Geschehens; sie machen die wirtschaftliche Energie in ihren Erscheinungsformen kenntlich: die kinetische in den Sachgütern des Anlage- und eines Teiles des Umlaufvermögens, die potentielle in einem anderen Teil des Umlaufvermögens und in Posten der Rechnungsabgrenzung. In ihrer Zusammenfassung spiegeln die Posten der Bilanz den wirtschaftsenergetischen Zustand wider, in dem das Unternehmen sich am Bilanzstichtag befindet; bei den Posten der Sachgüter ist dies das Stadium des Durchlaufs der Energiequanten. Darauf beruht es, daß alle Posten der Bilanz in Beziehung zu dem Posten stehen, der es durch seine Bezeichnung verdeutlicht, daß das wirtschaftliche Geschehen energetischer Natur ist, dem Posten "Kapital". Mit der hier entwickelten kapitalistischen (wirtschaftsenergetischen) Bilanztheorie lösen wir die Kontroverse auf, die zwischen der statischen und der dynamischen Bilanzauffassung besteht1 7 • Nach der Meinung der "Statiker" 16 Rößle, Karl: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2. Auf!., München 1951, S. 61, bezeichnet als "Quellen" nicht die Aktiva, sondern die Passiva, weil es aus ihnen (den Verbindlichkeiten) fließe. Gewiß ist dies ebenso nur ein Bild wie das von uns gewählte, aber das unsere will uns wirklichkeitsnäher erscheinen; denn zu "Quellen" wird das Kapital erst dadurch, daß es in Gegenständen, die Substanz haben, "gefaßt" wird. 17 Siehe zum folgenden Littmann, Eberhard: Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und dynamische Bilanzauffassung, in: Handels- und Steuerbilanz
254
II. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
liegt der Bilanz als "zentraler Begriff" der des Wirtschaftsgutes zugrunde; sie verstehen darunter alle Vermögensgegenstände wie Grundstücke, Gebäude, Maschinen, Rechte, Forderungen, aber auch - mit gewissen Einschränkungen - immaterielle Werte, z. B. Konzessionen; für sie dient die Bilanz der Darstellung aller dieser "Wirtschaftsgüter". Die "Dynamiker" hingegen gehen von den Begriffen des Ertrages und des Aufwandes aus; sie erblicken die Aufgabe der Bilanz in der richtigen Abgrenzung der Perioden, denen die Erträge und Aufwendungen zuzurechnen sind. Soweit es sich dabei um körperhafte Wirtschaftsgüter - wir sagen: Sachgüter -, etwa Maschinen, handelt, besteht zwischen der statischen und der dynamischen Betrachtungsweise kein Unterschied: die "Statiker" verteilen den im Kaufpreis ausgedrückten Wert des "Wirtschaftsgutes" auf die Jahre seiner Nutzung; die "Dynamiker" gelangen zum gleichen Ergebnis, indem sie die "Ausgabe" des Kaufpreises als "Aufwand" den einzelnen Jahren der Nutzung zurechnen. Konträr werden die beiden Bilanzauffassungen aber, wenn noch kein oder überhaupt kein "Wirtschaftsgut" da ist, dem die "Erträge" und "Aufwendungen" gelten; dann geht der Streit um das Recht und die Pflicht zur Aktivierung oder Passivierung "schwebender Geschäfte", d. h. der Geschäfte, deren Abwicklung sich in sachlichen und zeitlichen Teilabschnitten vollzieht. Beispiele sind: Anschaffungen im Rahmen eines langfristigen Bierlieferungsvertrages, Provisionen des Geschäftsherrn für die Vermittlung noch nicht ausgeführter Lieferungen, Umsatzsteuer auf Anzahlungen für künftige Bauvorhaben, Aufwendungen des Vermittlers zur Erlangung von Geschäftsabschlüssen. Für die "Dynamiker" sind das alles "Ausgaben, die noch nicht Aufwand geworden sind", und daher zu aktivieren. Die "Statiker" bestreiten das, wenn sich die Aufwendungen nicht einwandfrei einem bestimmten Wirtschaftsgut zurechnen lassen. Sie verlangen das aber nur für die Aktivseite. Bei der Passivierung verfahren auch sie nach dem Verursachungsprincip der "Dynamiker", d. h. sie orientieren sich an der Frage, ob ein "Aufwand, der noch nicht Ausgabe geworden ist" vorliegt, etwa in dem Fall, daß eine Rückstellung für eine am Bilanzstichtag noch nicht bestehende Unterstützungskasse gebildet wird. Sie gelangen so zu dem Komprorniß einer "imparitätisch statisch-dynamischen Bilanz": für die Aktivseite soll die Statik, für die Passivseite die Dynamik gelten. Diese Konzession an die Dynamik macht die statische Bilanzauffassung unglaubwürdig. Ihre Kompromißbereitschaft geht sogar soweit, in den Begriff des Wirtschaftsgutes Werte einzubeziehen, die keine "Vermögensgegenstände" mehr sind. So mißt sie dem Pächter das Recht und die Pflicht zur Aktivierung der Kosten für die Instandsetzung des Pachtgebäudes bei, obwohl dieses ihm nicht gehört. Sie gelangt so auf der Aktivseite zu einem "halbdynamischen vVirtschaftsgut-Begriff". Damit drängt sich die Frage auf, ob dieser Begriff überhaupt der "zentrale" ist, als den die "Statiker" ihn ansprechen oder ob das nicht ein anderer ist und wie sich der Begriff des Wirtschaftsgutes zu diesem anderen Begriff verhält. in Betriebs-Berater 1964, S. 651 ff.; Körner, W.: Vereinheitlichung des Bilanzsteuerrechts mit Hilfe der dynamischen Bilanzauffassung, in: Betriebs-Berater 1964, S. 798 ff. und 1966, S. 953.
§ 14 Kapitalistische Bilanztheorie
255
Nach der hier verfochtenen Ansicht gibt es ihn: es ist der des Kapitals. Er ist der zentrale, weil alle Posten der Bilanz auf ihn bezogen sind, d. h . weil sie alle die Bewegung wirtschaftlicher Energie darstellen. Wir haben den Verlauf dieser Bewegung aufgezeigt: die Konzentration der wirtschaftlichen Energie in Sachgütern und ihren Rückgewinn aus diesen, haben dabei zwischen der Vorwirkung, der Hauptwirkung und der Nachwirkung unterschieden und daraus die Erkenntnis gewonnen, daß es mehrere Erscheinungsformen der wirtschaftlichen Energie gibt. Nun kann der Prozeß der Verwandlung und Rückverwandlung von Energie langsam oder schnell ablaufen. Läuft er langsam ab, so tritt eine Akkumulation von Energiequanten ein, sei es, daß sie - in kinetischer Erscheinungsform - längere Zeit an ein Sachgut, z. B. eine Maschine, gebunden bleiben, sei es, daß sie - in potentieller Erscheinungsform ohne Bindung an ein Sachgut über eine größere Zeitspanne hinweg wirken, etwa in der Form eines Patentrechts. In allen diesen Fällen geht die Frage lediglich dahin, ob eine Akkumulation wirtschaftlicher Energie feststellbar ist. Auf deren Erscheinungsform kommt es nicht an und noch weniger auf die Rechtsform, in der sie sich niederschlägt. Akkumulierte wirtschaftliche Energie sind daher auch die Mittel, die der Pächter für die Instandsetzung des ihm nicht gehörenden Gebäudes aufwendet, und ebenso die Aufwendungen, die ein Vermittler (Versicherungsagent) macht, um zum Abschluß von Geschäften (Lebensversicherungsverträgen) zu gelangen; diese Aufwendungen sind in gleicher Weise aktivierungsfähig wie die Instandsetzungskosten des Pächters. Die "Statiker" begehen den Fehler, dem Begriff des Wirtschaftsgutes, indem sie ihn mit dem des "Vermögensgegenstandes" identifizieren, einen juristischen Gehalt zu geben. Er ist aber ein wirtschaftswissenschaftlicher. "Vermögen" ist eine rein rechtliche Größe, die als solche einen Gegenstand voraussetzt, an den sich ein Recht (Eigentum, Forderung usw.) knüpfen kann. Wirtschaftsgut hingegen ist, wie das Wort sagt, ein Gut, mit dem sich wirtschaften läßt und das allein deshalb eine Größe für die Wirtschaftsrechnung abgibt. Gewirtschaftet aber wird mit der Arbeit leistenden Kraft der arbeitsteilig tätigen Menschen, und das ist wirtschaftliche Energie. Also ist "Wirtschaftsgut" eine energetische Größe. Sie kann sich in dem niederschlagen, was im Rechtssinne ein "Vermögensgegenstand" ist, sie kann aber auch eine Erscheinungsform annehmen, die rechtlich nicht mehr erfaßbar ist. Ein" Wirtschaftsgut" ist somit überall da gegeben, wo - unabhängig von der Erscheinungs- und der Rechtsform - eine Akkumulation wirtschaftlicher Energie feststellbar ist. Diese Feststellung muß getroffen werden, gleichviel, ob die Bilanz statisch oder dynamisch aufgefaßt wird. Wird sie dynamisch gesehen, so
256
II. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
findet die Feststellung, daß eine Akkumulation vorliegt, ihren Ausdruck in der Gestaltung der Ertrags-Aufwands-Rechnung, und zwar in der Subsummierung unter eine der vier Grundkategorien der Periodenabgrenzung: Einnahme jetzt, Ertrag später, Einnahme später, Ertrag jetzt, Ausgabe jetzt, Aufwand später, Ausgabe später, Aufwand jetzt. Diese vier Grundkategorien sind aber nur die Denkformen für die Einordnung der Vorgänge (Geschäftsvorfälle) in die dynamische ErtragsAufwands-Rechnung. Um die Vorgänge richtig einzuordnen, muß man zuvor ihren wirtschafts energetischen Charakter ermitteln, d. h. feststellen, ob sie eine Akkumulation von Energie bilden. Wir wollen uns das an zwei gegensätzlichen Beispielen klarmachen. Das eine ist der schon erwähnte Fall der Kosten für die Instandsetzung des Pachtgebäudes; er ist wirtschaftsenergetisch (kapitalistisch) so zu deuten, daß der Pächter unbedingt - potentielle Energie, die durch die für die Instandsetzungen aufgewendeten Münzen, Banknoten, Schecks und Banküberweisungen markiert wird, an das Pachtgebäude bindet und damit in kinetische verwandelt; diese Bindung bleibt für die Dauer des Pachtverhältnisses bestehen; es wird also wirtschaftliche Energie (in kinetischer Erscheinungsform) akkumuliert, so daß der Vorgang in die Grundkategorie "Ausgabe jetzt, Aufwand später" einzuordnen und der Herstellungsaufwand zu aktivieren ist, obwohl das Gebäude nicht zum Vermögen des Pächters, sondern zu dem des Verpächters gehört. Das andere Beispiel ist ein Fall, über dessen bilanzmäßige Behandlung die "Statiker" und die "Dynamiker" sich heftig befehden: ein Gebäude wird abgebrochen und durch ein neues ersetzt. Die "Statiker" rechnen die Kosten des Abbruchs zu den Herstellungskosten des Neubaus und verlangen daher ihre Aktivierung; denn der Eigentümer habe durch den Abbruch einen wirtschaftlichen Wert für den Neubau geopfert. Die "Dynamiker" dagegen sehen in dem Abbruch die Zerstörung eines Wertes, die die Abschreibung des Restbuchwerts des abgerissenen Gebäudes nach sich zieht. Die wirtschaftsenergetische Betrachtung hat davon auszugehen, daß die in dem alten Gebäude konzentrierte kinetische Energie, um in einem anderen Gebäude konzentriert zu werden, zunächst die potentielle Erscheinungsform durchlaufen müßte; das könnte nur geschehen, wenn der Abbruch (durch Verwertung des Altmaterials) etwas erbringen würde; der Erlös in Gestalt von Stoff- oder Giralgeldzeichen würde aber nur deren Bestand, d. h. das Volumen unbedingt potentiellen Kapitals vermehren, das zur Bestreitung der Aufwendungen für die Herstellung des Neubaus dient. Wenn aber, wie im Beispielsfall, der Abbruch keinen Erlös erbringt, sondern Kosten verursacht, dann wird nicht die an das alte Gebäude gebundene kinetische Energie in potentielle umgewandelt, sondern umgekehrt potentielle Energie, markiert durch die für die Abbruchkosten aufgewendeten Geldzeichen, in dem alten Gebäude als kinetische Energie konzentriert; diese aber geht mit dem Abbruch des Gebäudes verloren. Demnach findet eine Akkumulation wirtschaftlicher Energie nicht statt, so daß die vier Grundkategorien der Ertrags-Aufwands-Rechnung außer Betracht bleiben und der Restbuchwert des abgerissenen Gebäudes abzuschreiben ist.
§ 14 Kapitalistische Bilanztheorie
257
Es ist auch nicht ersichtlich, wie hier ein "wirtschaftlicher Wert" aus dem abgerissenen in das neue Gebäude sollte überwechseln können. Einen wirtschaftlien Wert an sich gibt es nicht; man muß vielmehr fragen, welches das Faktum ist, das ihn liefern soll; das könnte doch nur ein das alte und das neue Gebäude verbindender Erwerbsvorgang, etwa die Verwendung des Abbruchmaterials für den Neubau oder der Tausch der beiden Grundstücke, sein, und daran fehlt es hier. Im Ergebnis stimmen wir also mit der dynamischen Bilanzauffassung überein. Was uns von dieser unterscheidet, ist der Gedanke, das Hintergründige der Ertrags-Aufwands-Rechnung hervortreten zu lassen. Die Begriffe "Ertrag" und "Aufwand" sagen doch noch nichts darüber aus, was erlöst und was aufgewendet wird. Ebenso läßt die Bezeichnung "dynamische Bilanz" die Frage offen, welcher Art die Dynamik ist, die in der Bilanz zum Ausdruck kommt. Ihren Gehalt erlangen diese Begriffe erst, wenn man das heraushebt, was hinter ihnen steckt, und das ist die Dynamik der wirtschaftlichen Energie (des Kapitals). Die wirtschafts energetische Bilanzauffassung geht von der Arbeitsleistung des Menschen und damit von seiner Physis aus; man kann sie daher auch als die wirtschaftsphysische bezeichnen. Sie gelangt zwangsläufig zu Ergebnissen, die der Natur des Menschen entsprechen und darum als vernünftig empfunden werden. Das kann man von der Ansicht, die die "Statiker" über die Behandlung der Abbruchkosten haben, nicht sagen. Dieser Ansicht haftet etwas Makabres an; man denkt dabei unwillkürlich an einen Witwer, der sich wiederverheiratet und seiner zweiten Frau als Morgengabe die Rechnungen über die Kosten der Bestattung seiner ersten überreicht. Indem wir die Theorie Schmalenbachs von der dynamischen Bilanz fortentwickeln zur Theorie von der kapitalistischen (wirtschafts-energetischen) Bilanz, schlagen wir die Brücke zum Begriff des Wirtschaftsgutes. Wenn wir diesen Begriff mit dem Inhalt ausfüllen, der ihm zukommt, d. h. seine wirtschafts-energetische Substanz erkennen, fällt die Schranke zwischen statischer und dynamischer Bilanzauffassung. In der hier gewonnenen Sicht ist die Bilanz nicht "imparitätisch statischdynamisch", sondern paritätisch energetisch; denn alle ihre Posten bringen wirtschaftliche Energie, also Kapital, zur Darstellung. Dieser - vom Menschen und seiner Arbeitsleistung her - geprägte Begriff ist der zentrale. Der Posten der Bilanz, dem er seinen Namen gegeben hat, faßt lediglich alles zusammen, was durch die übrigen Posten an bewegtem oder bewegbarem Kapital dargestellt wird. Steht er auf der Passivseite, so weist er denjenigen Träger des Kapitals aus, der das im Unternehmen gebundene Kapital bewegt (Fall des positiven Kapitals). Steht er auf der Aktivseite, so drückt sich in ihm ein Mangel an Quellen des Kapitals aus (Fall des negativen Kapitals). 17 Eckelt
258
H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
Wir können somit auch am Grundschema der Bilanz ablesen, was wirtschaftliches Geschehen ist: die Bewegung von Quanten der Energie arbeitsteilig tätiger Menschen, kurz: die Bewegung von Kapital, und wir erfahren damit, daß der bilanztheoretische Kapitalbegriff mit dem hier geprägten übereinstimmt. In diesen mündet somit unsere Untersuchung über den Geldbegriff wieder ein. Wir haben im Geldsystem ein System der Wirtschaftsrechnung und in der Wirtschaftsrechnung die rechnerische Darstellung der Bewegung des Kapitals erkannt, und wir haben den experimentellen Nachweis dafür erbracht, daß das Geld die Einheit für die rechnerische Darstellung des Kapitals liefert. Damit finden wir das bestätigt, was wir über das Verhältnis sagten, in dem der Geldbegriff zum Kapitalbegriff steht: er ist dessen Satellit. Falsch wäre es zu sagen, daß er ihm immanent ist; denn er ist ihm nicht begrifflich zugehörig, kein begrifflicher Teil von ihm. Er hat vielmehr eine durchaus eigene begriffliche Substanz, aber er ist mit dem Kapitalbegriff auf eine Weise verbunden, die man am besten als Inhärenz bezeichnet: der Geldbegriff hängt im Kapitalbegriff. Dieser ist der tragende, und deshalb kann man das Wesen des Geldes nur aus dem des Kapitals verstehen.
§ 15 Kapitalistische Geldtheorie Wir gelangen so zu einer
kapitalistischen (wirtschaftsenergetischen) Geldtheorie, die sich auf folgenden Leitsätzen aufbaut: 1. Die Bewegung von Kapital (wirtschaftlicher Energie) erfordert eine
bestimmte Methode der Berechnung; diese Methode ist die Wirtschaftsrechnung.
H. Dargestellt wird die Wirtschaftsrechnung durch die doppelte Buchführung und die aus ihr im Wege der Ertrags-Aufwands-Rechnung entwickelte Bilanz. IH. Grundform der doppelten Buchung ist das gleichzeitige Erscheinen einer Zahl auf zwei Konten (Kapitalbewegungs-Gleichung). IV. Recheneinheit der Wirtschaftsrechnung ist das Geld. V. Die Wirtschaftsrechnung erfaßt die Bewegung des Kapitals in seinen drei Erscheinungsformen, der kinetischen, der bedingt-potentiellen und der unbedingt-potentiellen.
§ 15 Kapitalistische Geldtheorie
259
VI. Die Bewegung unbedingt-potentiellen Kapitals wird durch simultane Buchung in einer Kette von Wirtschaftsrechnungswerken dargestellt (Zahlung). VII. Soweit Zahlung durch simultane Buchung nicht möglich ist, wird sie durch Buchung von Bank zu Bank (Giralgeldzahlung) und, soweit auch diese nicht möglich ist, durch Übergabe von Banknoten oder Münzen (Stoffgeldzahlung) ersetzt. Diese Leitsätze machen es deutlich, daß und in welcher Weise die Kapitaltheorie mit der Geldtheorie und der Bilanztheorie verzahnt ist; die letztere bildet (im Leitsatz II) einen Ausschnitt aus der Geldtheorie; beide werden von der Kapitaltheorie umklammert. Das Inhärenz-Verhältnis des Geldbegriffs zum Kapitalbegriff beherrscht als Prinzip alle Zweige der Geldtheorie. Das bedeutet, daß wir das Phänomen des Geldes, wo immer es uns entgegentritt, nur in seiner Beziehung zum Kapital zu sehen und nur aus diesem heraus zu deuten haben. Wir dürfen uns dabei nicht durch die Art irritieren lassen, in der die Worte "Kapital" und "Geld" im täglichen Umgang verwendet werden. Dieser Sprachgebrauch ist ungenau und daher für die wissenschaftliche Begriffsbildung nicht geeignet. So unterscheidet man zwischen dem "Geldmarkt" und dem "Kapitalmarkt". Unter dem ersteren versteht man den Markt der kurzfristigen Kredite, dem letzteren rechnet man die langfristigen Kredite und den Effektenhandel zu. Für den Unternehmer aber, der den "Geldmarkt" in Anspruch nimmt, etwa um mit einem Kontokorrentkredit den Einkauf von Waren zu finanzieren, bilden die ihm dadurch zufließenden Mittel "Betriebskapital". Umgekehrt ist das, was jemand durch Aufnahme einer Tilgungshypothek, etwa zur Finanzierung eines Neubaus, an Mitteln in die Hand bekommt, "Geld", mit dem er die Baukosten bestreitet. Man spricht auf der einen Seite von dem "Kapital", das hergegeben, auf der anderen Seite von dem "Geld", das beschafft wird. Es kann doch aber immer nur eine und dieselbe Sache sein, die von einer Hand in eine andere geht. Äpfel werden nicht dadurch zu Birnen, daß sie vom Verkäufer an den Käufer gelangen; sie bleiben Äpfel. Im Grunde meint man auch, obwohl man zwischen "Kapital" und "Geld" unterscheidet, nur eine Sache in verschiedener Gestalt, und zwar Kredit von verschiedener "Fristigkeit": langfristiger Kredit ist "Kapital", kurzfristiger "Geld". Es gibt aber auch noch den mittelfristigen Kredit, insbesondere in der heute sehr verbreiteten Form des Schuldscheinkredits, und der läßt sich eindeutig weder dem "Kapital" noch dem "Geld" zuordnen. In der Geldtheorie versucht man diesem begrifflichen Dilemma dadurch zu entgehen, daß man jede Art von Kredit zum "Kapital in Geldform", kurz "Geldkapital" erklärt und diesem das "Sachkapital", d. h. 17·
260
H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
das in Sachgütern angelegte (investierte) Kapital gegenüberstellt. Damit gerät man aber in neue Schwierigkeiten; denn wo fängt "Geldkapital" an und wo hört "Sachkapital" auf? Rechnet zum "Geldkapital" nur alles, was sich in Stoff- und Giralgeld niederschlägt oder gehören dazu auch an Sachgüter geknüpfte Rechte? Ist beispielsweise ein Pfandbrief oder ein Immobilien-Investment-Zertifikat Sach- oder Geldkapital? Noch eine andere Frage taucht auf: ist "Geld" stets "Geldkapital" oder gibt es auch "Geld", das kein "Kapital" ist? Rechnet beispielsweise das Zehnpfennigstück, das ich in die Parkuhr stecke, zum "Geldkapital", oder ist es nur "Geld", ohne "Kapital" zu sein? Nimmt man letzteres an, dann ist zu fragen: wo fängt überhaupt "Geld" an, "Kapital" zu werden? Man sieht: der Sprachgebrauch ist verwirrend und verschwimmend. Geldtheoretisch läßt sich mit ihm nichts anfangen. Das braucht uns aber nicht zu beunruhigen. Die wissenschaftliche Ausdrucksweise deckt sich häufig nicht mit dem Sprachgebrauch. So ist "Idealismus" in der Philosophie etwas anderes als das, was der gemeine Mann darunter versteht. Man muß nur wissen, wo man sich der wissenschaftlichen Ausdrucksweise zu bedienen hat und wo der gewöhnliche Sprachgebrauch hingenommen werden kann. Wenn es beispielsweise nur darum geht, die Funktion der Geschäftsbanken gegen die der Beleihungsinstitute (Hypothekenbanken, Versicherungsunternehmen, Pfandbriefanstalten usw.) abzugrenzen, so kann unbedenklich von "Geldmarkt" und "Kapitalmarkt" gesprochen werden. Steht aber ein Sachverhalt zur Erörterung, der sich nur aus dem Wesen des Geldes erklären läßt, dann entgeht man nicht der Notwendigkeit, das Wort Geld terminologisch so zu verstehen, daß es einen klar umrissenen Begriff liefert. Wir haben das Wesen des Geldes darin erblickt, daß es die Recheneinheit für die Berechnung der Bewegung von Kapital (wirtschaftlicher Energie) abgibt. Geldtheoretisch ist daher alles Geld Kapital, und zwar in dem Sinne, daß die Zahlen, mit denen es uns auf Kontoblättern, Münzen, Banknoten, Schecks bsw. entgegentritt, den sichtbaren Ausdruck liefern für das, was sich unsichtbar hinter ihnen abspielt: die Bewegung wirtschaftlicher Energie, Da, wo es auf das Wesen des Geldes ankommt, kann es daher weder "Geldkapital" im Gegensatz zum "Sachkapital" noch "Geldkapital" im Gegensatz zum bloßen "Geld", noch kann es einen "Geldmarkt" im Gegensatz zum "Kapitalmarkt", sondern kann es nur Geld im Inhärenzverhältnis zum Kapital geben. Auf das Wesen des Geldes kommt es an, wenn nicht weniger und nicht mehr in Rede steht, als die Eigenschaft des Geldes, eine Recheneinheit zu sein. Nicht weniger: das will besagen, daß das Wesen des Geldes sich nicht darin erschöpft, ein Zahlungsmittel zu sein und nur nebenher auch als
§ 15 Kapitalistische Geldtheorie
261
Recheneinheit zu dienen, daß es vielmehr umgekehrt eine Recheneinheit ist und die Zahlung nur eine besondere Art, sich ihrer zu bedienen. Nicht mehr: das will heißen, daß Geld als bloße Recheneinheit mit dem Gegenstand der Berechnung nicht identisch ist. Dieser Gegenstand aber ist die Bewegung wirtschaftlicher Energie (des Kapitals). Für sie liefert das Geld den Maßstab. Die Recheneinheit der Währung eines Staates, z. B. der Dollar, der Rubel, das englische Pfund, die Deutsche Mark, versieht für die Bewegung von Kapital die gleiche Aufgabe, die dem m für die Länge, dem kg für das Gewicht eines Körpers, dem PS für die Kraftleistung eines Motors zukommt.
Damit ist die Antwort auf die Frage nach dem "Geldwert" gegeben: so wenig wie die Längenmaße und die Gewichte und die Kraftleistungsmaße hat das Geld einen in sich selbst begründeten Wert im Sinne einer Qualität. Das, was wir seinen Wert nennen, ist lediglich seine Eigenschaft, als Maßstab des Kapitals zu dienen, seine Meßfunktion. Man kann beim Geld von "Wert" nur in dem gleichen Sinne reden wie von dem "Wert", den ein Thermometer anzeigt. Daß das Geld keinen eigenen Wert im Sinne einer Qualität besitzt, zeigt sich an seiner sogenannten Umlaufgeschwindigkeit. Die Münzen, die Banknoten, die Schecks und die Überweisungsformulare setzen sich nicht von selbst in Bewegung, sie haben keine Eigengeschwindigkeit. Was hier in Wahrheit bewegt, beschleunigt wird, das sind die Quanten der wirtschaftlichen Energie, die der Mensch durch die Sachgüter jagt. Das Geld markiert lediglich die Bahn dieser Quanten. Wenn man die Eigenschaft der Umlaufgeschwindigkeit nicht den (unsichtbaren) Energiequanten, sondern den (sichtbaren) Geldzeichen beilegt, so ist das eine Simplifizierung ähnlich der, die die Sonne "auf- und untergehen" läßt. Daß es einen Wert des Geldes im Sinne einer Qualität nicht gibt, folgt nicht zuletzt auch daraus, daß man ihn stets außerhalb des Geldes sucht. Man legt sein Geld "wertbeständig" an, indem man gerade etwas anderes als Geld, z. B. Grundstücke erwirbt, oder man setzt das Geld in Beziehung zu einer anderen Größe, wie das bei den sog. Spannungsklauseln geschieht. Man kann auch nicht sagen, daß das Geld zwar keinen ursprünglich eigenen, wohl aber einen von den Sachgütern abgeleiteten Wert habeis. Die Sachgüter können ihren Wert nicht abgeben; denn er ist durch ihre Eigenschaften gegeben und bleibt an sie gebunden. Das Geld kann, indem es die in den Sachgütern bewegte Energie bemißt, diesen Wert zwar widerspiegeln, ihn aber nicht von den Sachgütern übernehmen und als einen eigenen dem der Sachgüter entgegensetzten, Geld kann seiner 18
So in neuester Zeit noch Veit, Qtto: Reale Theorie des Geldes, S. 6.
262
H. 1. Abschn.: Kapitalistische Geldtheorie
Natur nach nichts anderes sein als die Recheneinheit für die Bewegung wirtschaftlicher Energie.
Diese ist es, die "Wert" im Sinne von Qualität hat, und der Bestimmung dieses Wertes dient das System von Zahlen, das wir "Geld" nennen. Es kann sich lediglich fragen, wie dieses System sich zu einem verläßlichen Maßstab der wirtschaftlichen Energie gestalten läßt.
Zweiter Abschnitt
Meßwerte und Messung des Kapitals (Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie) Erstes Kapitel
Volkswirtsmaftlime Gesamtleistung und wirtsmaftlime Einzelleistungen § 16 Das Spannungsverhältnis zwischen der volkswirtschaftlichen
Gesamtleistung und den wirtschaftlichen Einzelleistungen
Verläßlich ist ein Maßstab dann, wenn er dazu geeignet ist, gleiche Größen gleichmäßig zu bestimmen. Geld muß so beschaffen sein, daß es den Grad wirtschaftlicher Energie anzeigt, wo und wann immer Quanten von ihr bewegt werden, nicht anders wie ein Thermometer überall und jederzeit den Grad der Bewegung von Quanten der Wärmeenergie widerspiegelt. Beim Geld sind nun aber, wie wir aufzeigten, die Dinge insofern besonders gelagert, als hier der Maßstab aus dem Volumen der wirtschaftlichen Energie gewonnen werden muß, dieses Volumen aber schwankt. Im ersten Hauptteil befaßten wir uns mit einer Reihe von Maßen für die Berechnung physikalischer Energie; sie beruhen alle auf einer feststehenden Größe; so ist "Volt" der 1,0186. Teil der Spannung eines ZinkKuper-Elements. Für die Berechnung wirtschaftlicher Energie gibt es eine solche feste Größe nicht; es ist also nicht möglich, etwa die Arbeitsleistung, die an die Produktion von 1 kg Brot gewendet wird, zum Maßstab aller wirtschaftlichen Leistungen zu nehmen. Man entgeht aber nicht der Notwendigkeit, diese Leistungen zu messen; denn davon hängt das Gelingen der arbeitsteiligen Bedarfsdeckung ab. Deren entscheidendes Kriterium liegt ja darin, daß die in den Sachgütern konzentrierte Energie auf einem in Teilfeldern gegliederten Gesamtfeld bewegt wird, so daß Einzlleistungen zugleich Teile einer Gesamtleistung sind. Infolgedessen muß der Meßwert jeder wirtschaftsenergeti-
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H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
schen Einzelleistung in eine Relation zum Meßwert der wirtschaftsenergetischen Gesamtleistung gebracht werden. Die Gesamtleistung erwächst aus dem Volumen aller wirtschaftlichen Energie eines Währungsgebiets, der kinetischen wie der potentiellen. Dieses Volumen aber ist durch den ständigen Zu- und Abgang von Quanten wirtschaftlicher Energie Veränderungen unterworfen, und Zu- und Abgang vollziehen sich nicht in einem kontinuierlichen Strom, sondern in Sprüngen von unterschiedlicher Intensität. Es kommt auch vor, daß Quanten wirtschaftlicher Energie die ihnen vorgezeichnete Bahn verlassen, also aufhören, wirtschaftliche Energie zu sein (Beispiel: Untergang eines Schiffes samt Ladung). Daraus folgt, daß die Messung wirtschaftlicher Energie ein Operieren mit zwei Meßwerten ist. Der eine wird von der Einzelleistung her bestimmt; beim Erwerbsvorgang ist das der Kauf- oder Verrechnungspreis. Den anderen Meßwert lidert die Gesamtleistung. Letzterer ist die Korrektur des ersteren. Das bedeutet, daß der Einzelleistungs-Meßwert, wenn nötig, berichtigt werden muß. Rechnerisch geschi eh das mit Hilfe eines Faktors, der das Verhältnis zwischen den bewegten Quanten (der Einzelleistung) und dem Volumen der wirtschaftlichen Energie (der Gesamtleistung) anzeigt. Wir können das in der Gleichung EMXV=GM
darstellen, bei der bedeuten: EM = Einzelleistungs(Quanten)-Meßwert GM = Gesamtleistungs(Volumen)-Meßwert V = eine Zahl, die das Verhältnis zwischen Quanten und Volumen ausdrückt. Diese Geldmeßwertgleichung liefert den von uns gesuchten oberen Grenzpunkt der Geldskala, dessen es zur Messung wirtschaftlicher Energie bedarf. Das Besondere der Geldskala liegt, wie wir sagten, darin, daß jede ihrer Marken den oberen Grenzpunkt in sich trägt. Die Formel zeigt uns jetzt, wie das zu verstehen ist: hinter jeder Marke der Geldskala, das heißt hinter jeder in irgend einer Geldeinheit, z. B. DM, ausgedrückten Zahl, z. B. 100, steht gleichsam als ihr Schatten eine andere Zahl, die durch Vermittlung einer dritten Zahl ein rechnerisches Verhältnis zwischen Quanten und Volumen der wirtschaftlichen Energie herstellt. Es ist dies der rechnerische Ausdruck eines Spannungsverhältnisses, das auf der Polarität von wirtschaftlicher Einzelleistung (Kapitalquanten) und wirtschaftlicher Gesamtleistung (Kapitalvolumen) beruht. Wir haben daher auch für den die beiden Seiten der Meßwert-Gleichung verbindenden Faktor den Buchstaben V gewählt; er bezeichnet wie in der Elektrophysik die Spannung, zugleich weist er auf das Kapitalvolumen als einen der Pole dieser Spannung hin.
§ 16 Spannungs verhältnis zwischen Gesamt- und Einzelleistungen
265
Zweierlei werden wir jetzt zu untersuchen haben: a) Woher rührt die Spannung zwischen Einzel- und Gesamtleistung? b) Wie ist sie zu bemessen? Die wirtschaftliche Gesamtleistung erwächst aus den Einzelleistungen aller in einem Wirtschafts-(Währungs-)gebiet arbeitsteilig tätigen Menschen. Man kann sie aber nicht einfach der Summe dieser Einzelleistungen gleichsetzen, sie ist vielmehr eine von dieser verschiedene Größe. Daher ist auch das Volumen der wirtschaftlichen Energie eines Wirtschafts-(Währungs-)gebiets nicht identisch mit der Summe der in den Einzelleistungen bewegten Quanten t • Es kann daher zu einer Diskrepanz zwischen der Summe der Einzelleistungen und der Gesamtleistung kommen, insbesondere wenn das Verhältnis zwischen Investitions- und Konsumgüterproduktion sich verschiebt. Werden in einer Wirtschaftsperiode unverhältnismäßig mehr Konsum- als Investitionsgüter hergestellt als in früheren Zeitabschnitten, so steigert sich zwar die Summe der darauf entfallenden Einzelleistungen, aber die Gesamtleistung schrumpft, weil die zusätzlich hergestellten Konsumgüter ihrer Bestimmung gemäß verbraucht werden; das "Sozialprodukt" ist dann geringer als die Summe der Individualprodukte. Den Vergleichsmaßstab zwischen den summierten Einzelleistungen und der Gesamtleistung bilden somit die Sachgüter. Sie sind der Gegenstand, der beiden gemeinsam ist. Ihre Menge und Art werden durch den Lebensbedarf der Menschen bestimmt. Daraus folgt, daß eine Spannung zwischen wirtschaftlicher Einzel- und Gesamtleistung nur aus dem Verhältnis erwachsen kann, in dem die Gesamtheit der Sachgüter zum Lebensbedarf der Menschen steht. Dabei hat man zu unterscheiden: (1) den Fall, daß in zwei Zeitpunkten die glekhe Anzahl von Menschen die gleiche Menge von Sachgütern benötigt, (2) den Fall, daß in zwei Zeitpunkten die Anzahl der Menschen und die Gesamtheit der von ihnen benötigten Sachgüter sich in gleichem Maße verändern, (3) den Fall, daß in zwei Zeitpunkten, bei gleicher Anzahl von Menschen, die Gesamtheit der von ihnen benötigten Sachgüter sich verändert, (4) den Fall, daß in zwei Zeitpunkten die Anzahl der Menschen und die Gesamtheit der von ihnen benötigten Sachgüter sich in verschiedenem Maße verändern. 1 Wir haben das bereits in der Einführung (§ können auf die dortigen Ausführungen verweisen.
1)
eingehend dargelegt und
266
H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
Wir können die Fälle (1) und (2) als die der kongruenten Bedarfsdekkung, die Fälle (3) und (4) als die der inkongruenten Bedarfsdeckung bezeichnen, denn in den Fällen (1) und (2) decken sich Lebensbedarf und Sachgütergesamtheit, in den Fällen (3) und (4) decken sie sich nicht, und hier entsteht eine Spannung zwischen Einzel- und Gesamtleistung, da aus einer gesteigerten Gesamtleistung eine gesteigerte Sachgütergesamtheit erwächst, ohne daß deshalb die Einzelleistungen, für sich betrachtet, eine Steigerung erfahren müßten. Es gibt Berufe, in denen zu allen Zeiten die gleiche Arbeit verrichtet wird. Dennoch aber nimmt auch der sie Leistende an der gesteigerten Gesamtleistung teil, einfach deshalb, weil die Gesamtleistung sich nur mit der gleich gebliebenen Einzelleistung steigern läßt, so daß sich mit der Gesamtleistung auch die Einzelleistung steigert. Das hat dann zur Folge, daß die ursprünglich vorhandene Spannung sich ausgleicht, und das prägt sich darin aus, daß sich der Lebensstandard hebt, und zwar allgemein. Der "kleine Mann", der um die Jahrhundertwende seine Wohnung nur mit dem Nötigsten an Möbeln ausstattete, heute aber ohne Fernsehgerät und Kühlschrank nicht mehr leben möchte, verdankt diese Steigerung seines Lebensstandards nicht einem wirtschaftspolitischen Postulat nach der "Teilnahme am Sozialprodukt", sondern einem Geschehen, das sich mit innerem Zwang vollzieht: dem Ausgleich der Spannung, die zwischen seiner Einzelleistung und der Gesamtleistung besteht. Spannung und Spannungsausgleich lösen sich in ständiger Folge einander ab; denn es werden immer mehr Sachgüter produziert als die jeweils lebenden Menschen sie benötigen; das bringt der "technische Fortschritt" mit sich. Die zusätzlich produzierten Sachgüter müssen abgesetzt werden. Das ist, wenn die Anzahl der Menschen die gleiche bleibt, nur durch den Ausgleich der Spannung zu erreichen, die als die wirtschaftliche Seite des technischen Fortschritts zwischen gleich gebliebener Einzelleistung und gesteigerter Gesamtleistung besteht. Die Spannung wird solange andauern, als der "technische Fortschritt" anhält. Enden könnte sie erst, wenn der Lebensbedarf aller Bewohner unserer Planeten voll gedeckt ist; denn Produktion und Verteilung greifen auf vielfältige Weise - durch Im- und Export, durch freien Handel und Entwicklungshilfe - über die Grenzen jedes Wirtschaftsgebiets (Staates) hinaus, so daß auch der letzte Mensch mit allem, was er zum Leben braucht, versorgt sein müßte, ehe die Spannung zwischen wirtschaftlicher Einzel- und Gesamtleistung aufhörte. Dieses Ende ist nicht abzusehen. Wirtschaftsrechnerisch werden die Spannung und ihr Ausgleich durch die Geldmeßwertgleichung dargestellt. Auch sie wird es daher geben, solange es eine Inkongruenz der Bedarfsdeckung gibt. Wir können das an
§ 16 Spannungsverhältnis zwischen Gesamt- und Einzelleistungen
267
einem Modell ablesen, dem wir die ihm gemäße Bezeichnung "Spannungsmodell" geben.
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Wir wollen einmal annehmen, daß innerhalb eines bestimmten Zeitraums die Gesamtleistung (das Bruttosozialprodukt) durch die Produktion neuer Sachgüter sich von 300 Mrd. DM um 50 Ofo auf 450 Mrd. DM erhöht,
268
H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
ein Arbeiter am Anfang dieser Periode ein Bruttolohneinkommen von 500 DM monatlich bezieht, das dem Preis der für seinen Lebensunterhalt benötigten Sachgüter (des "Warenkorbs") entspricht, so daß er gerade sein Existenzminimum erhält; weiterhin wollen wir unterstellen, daß der in diesen Preis einkalkulierte, die Konsum- und Sparrate umfassende Gewinn 20 % = 100 DM ausmacht, und schließlich, daß der Arbeiter während des gesamten Zeitraumes die gleichen Leistungen verrichtet und die Gestehungskosten der Waren des Korbes sich nicht erhöhen oder eingetretene Erhöhungen sich durch rationellere Produktionsweise ausgleichen. Was sich hierbei verändert, ist zunächst nur die Gesamtleistung. Aber deren Steigerung wirkt sich auch auf die Einzelleistungen aus. Ließe man das Lohneinkommen und den Preis des Warenkorbes unverändert, so würden die zusätzlich produzierten Sachgüter keinen Absatz finden, ja die Zuwachsrate von 50 % würde überhaupt nicht entstehen. Die Spannung zwischen der Gesamtleistung und den Einzelleistungen muß also ausgeglichen werden; demzufolge müssen das Bruttolohneinkommen des Arbeiters und der Gewinn (Lohn) des Unternehmers um je 50 % "angehoben" werden, das Einkommen des Arbeiters darüber hinaus um weitere 10 %; denn um den gleichen Hundertsatz erhöhen sich ja die Preise der Waren des alten Korbes, die er auch weiterhin benötigt2 • Das "Anheben" des Lohnes und des Preises bedeutet, daß die in Geld ausgedrückten Meßwerte der Leistungen des Arbeiters und des Unternehmers dem Meßwert der gesteigerten Gesamtleistung angeglichen werden. Der Preis des "Warenkorbs" erhöht sich dadurch aber nur um 10 %. Daher ermöglicht die Erhöhung des Arbeitslohnes um 50 Ofo es dem Arbeiter, nicht bloß die früher schon angebotenen, jetzt um 10 Ofo teureren Waren, sondern auch die zusätzlich produzierten Sachgüter zu erwerben. Man wende nicht ein, daß diese Hundertsätze, insbesondere der letztere mit der Wirklichkeit kontrastierten, weil die Waren des "Korbs" und damit auch dessen Durchschnittspreis nicht unverändert blieben. Das ist gewiß richtig. Ebenso richtig aber ist es, daß außer den bereits vorhandenen Waren neue auf den Markt kommen, so daß die Veränderung des Warenkorbs und die dadurch bedingte Erhöhung seines Durchschnittspreises immer nur einen Teil der Erhöhung des Lohnes ausmachen kann. Worauf es entscheidend ankommt, ist dies: Bei dem durch dieses Modell dargestellten Geschehen ist die DM nicht die DM geblieben, die sie zu Anfang war; das deshalb, weil das Verhältnis zwischen Einzelleistungen und Gesamtleistung sich verschob. Vom 2 Die Zahlen unseres Beispiels sind nicht so willkürlich, wie es scheinen möchte, So erhöhte sich das Bruttosozialprodukt von 326,6 Mrd. DM im Jahre 1961 auf 486 Mrd. DM im Jahre 1967; im gleichen Zeitraum stieg das Bruttoeinkommen der Unselbständigen von 157,18 Mrd. DM um 55 % auf 243,37 Mrd. DM (Jahresgutachten 1969 des Sachverständigenrates, Tab. 30 und 31, S. 138 und
140).
§ 16 Spannungs verhältnis zwischen Gesamt- und Einzelleistungen
269
Einzelnen her gesehen, wurde alles "teuer", aber er "verdiente" mehr, weil das Bruttosozialprodukt zunahm, und konnte sich mit dem Mehrverdienst sogar mehr kaufen als zuvor. Es ist dies eine durch die energetische Natur des wirtschaftlichen Geschehens bedingte Erscheinung, und man sollte es sich abgewöhnen, sie als "schleichende" oder "schreitende Inflation" oder als "Geldwertschwund" zu bezeichnen. Es ist nichts anderes als die Art, in der der Ausgleich der Spannung zwischen Einzel- und Gesamtleistung in Geld gemessen wird. Er wird gemessen durch die Geldmeßwertdijferenz, die wir nach dem Gegenstand der Messung auch die Spannungsdijferenz nennen können. Sie hat mit "Inflation" nichts zu tun, ist aber, da sie die gleichen Symptome aufweist, von dieser ebenso schwer zu unterscheiden wie eine Allergie von einer organischen Krankheit. Es ist dies keineswegs bloß eine (vorübergehende) Erscheinung unserer Zeit. Wir können sie vielmehr bis über die Mitte des vorigen Jahrhunderts zurückverfolgen; denn wir wissen, daß die Schweiz, also ein von politischen Katastrophen verschont gebliebenes, technisch äußerst fortschrittliches Land, von 1840 bis 1914 eine "Teuerung" von 100 %, also von durchschnittlich 1,35 Ofo pro Jahr, erfahren hat, die bereits von 1900 bis 1914 auf durchschnittlich 3 Ofo angewachsen war!!. Mit dieser Erscheinung hängt eng etwas anderes zusammen. Wir erkennen an dem Schaubild, daß Lohn und Preis sich erhöhten, nicht weil der Lohn den Preis oder der Preis den Lohn trieb, sondern weil sie beide von der Zuwachsrate hochgetrieben wurden, ein Vorgang, der der Wirkung kommunizierender Röhren vergleichbar ist. Beim Spannungs ausgleich gibt es demnach keine "Lohn-Preis-Spirale", sondern nur ein Anheben, des Lohnes und des Preises auf das Niveau der Zuwachsrate. Das hat, wie wir soeben sagten, zur Folge, daß der Empfänger des Lohnes - und das gleiche gilt für den des Preises - für ihren Lohn und ihren Unternehmergewinn sich trotz gleichbleibender Einzelleistung mehr kaufen können als zuvor. Das ist indessen kein "unverdienter" Gewinn, kein "arbeitsloses" Einkommen, sondern der wirtschaftsrechnerische Ausdruck einer anderen, äußerlich nicht erkennbaren Leistung. Die Einzelleistungen des Lohn- und Preisempfängers sind nämlich nur unverändert geblieben, wenn man sie als physisch-technische Leistungen nimmt. Wir haben es hier aber mit ihrer wirtschaftlichen Natur zu tun, und als wirtschaftliche Leistung sind sie auch Teile der Gesamtleistung, der sie angehören. In jeder Einzelleistung stecken daher Elemente der Gesamtleistung. Darauf beruht es, daß sich wirtschaftlich mit der Gesamtleistung auch die Einzelleistung verändert, obwohl sie physisch-technisch die gleiche bleibt, die sie vorher war. Der Einzelne vollbringt, ohne sich dessen bewußt zu 3 Gawronski, Vital: Die Auswirkungen der Geldentwertung auf die soziale Struktur, Vortrag vor der Schweizerischen Vereinigung für Sozialpolitik in Zürich, berichtet, in: Neue Zürcher Zeitung vom 3.2.1966.
270
11.2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
sein, eine Mehrleistung, d. h. außer der (sichtbaren und unveränderten) konkreten Leistung eine (unsichtbare) abstrakte. Diese wird, wie wir noch ausführen werden, an sich durch den Zins gemessen. Als Meßwert dient er jedoch nur, wenn eine wirtschaftliche Leistung als eine rein abstrakte in Erscheinung tritt. Verschmilzt sie mit einer konkreten, dann geht der Zins in deren Meßwert, dem Lohn, auf, dann ist der auf sie entfallende Teil des Lohnes ein versteckter Zins. Von der richtigen Bemessung des Spannungsverhältnisses zwischen wirtschaftlicher Einzel- und Gesamtleistung hängt die richtige Verteilung der Sachgütergesamtheit ab, bestimmt sich der "Anteil am Sozialprodukt", der dem Einzelnen zukommt. Jeder Versuch, diesen Anteil auf eine andere Weise zu ermitteln, ist zum Scheitern verurteilt. Insbesondere führt es zu nichts, wenn man sich darum bemüht, die Menge der jeweils zu produzierenden Sachgüter, das "Gesamtangebot", in Übereinstimmung mit dem Bedarf der Einzelnen, der "Gesamtnachfrage", zu bringen, schon gar nicht durch eine den rein technischen Ablauf regelnde "Gesamtplanung". Man muß vielmehr die wirtschaftlichen Leistungen des Einzelnen und der Gesamtheit ins Auge fassen, d. h. bei der Frage ansetzen: was leistet der Einzelne wirtschaftlich und wie sind seine wirtschaftlichen Leistungen im Verhältnis zur wirtschaftlichen Gesamtleistung zu bemessen?
§ 17 Die wirtschaftlichen Einzelleistungen
und ihre Meßwerte: Lohn, Zins und Preis
Das, was der Einzelne wirtschaftlich zu leisten hat, wird je nach der Art seiner Leistung verschieden gemessen, und zwar entweder durch den Lohn oder durch den Zins oder durch den Preis. Unter ihnen nimmt der Preis die beherrschende Stellung ein als derjenige Meßwert, der den Erwerbsvorgang widerspiegelt, und zwar den originären, also die feldexterne Konzentration potentiellen Kapitals in wirklichen oder gedachten Sachgütern. Vom Preis (Kaufpreis, Verrechnungspreis) heben sich Lohn und Zins als Meßwerte für Leistungen ab, die sich außer halb des Erwerbsvorgangs bei der feldinternen Konzentration abspielen. Die herrschende Preistheorie orientiert sich aber nicht am Erwerksvorgang und macht daher keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Preis, Lohn und Zins. Nach ihr ist Preis nicht bloß der "in Geld ausgedrückte Tauschwert eines Gutes"4 (der Warenpreis), sondern sind auch der Lohn 5 und der Zins 6 "Preise"; denn auch sie sind, so meint man, "Entgelte", die
• Carell, a.a.O., S. 21.
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Ders., S. 199. Weber, Adolf: Kurzgefaßte Volkswirtschaftslehre, S.132.
§ 17 Lohn, Zins und Preis als Meßwerte wirtschaftl. Einzelleistungen
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"im Tauschverkehr hingegeben werden", der Lohn "für die überlassung der Arbei tskraft", der Zins für die" überlassung von Kapi tal" . Aber dieser Gleichsetzung von Preis, Lohn und Zins wohnt ein elementarer Fehler inne. Hier wird nämlich die Arbeitskraft als eine Ware behandelt, die der Mensch wie jede andere Ware "tauscht"; denn wenn man die Hergabe von Geld als eine der beiden Seiten eines "Tausches" ansieht, dann ist sie es unabhängig davon, was gegen Geld "getauscht" wird; dann kann das nicht bloß ein Sachgut sein, sondern auch der Mensch mit seiner Arbeitskraft. Aber gerade hier zeigt sich die Unlogik der Tauschfiktion; denn der Tausch eines Gutes gegen ein anderes ist gar kein Operieren mit Zahlen, wie es der Umgang mit Geld ist, sondern das bloße Geben und Nehmen zweier Güter; zwar mißt man ihnen einen Wert bei, aber der braucht sich nicht in Zahlen auszudrücken; wenn jemand ein Klavier gegen einen Fernsehapparat tauscht, dann ist ihm das Klavier so viel wert wie der Fernsehapparat, ohne daß er diese Wertvorstellung mit einer Geldzahl verbinden müßte. Es ist daher von Hause aus falsch, den Preis begriff auf den Tauschbegriff zu beziehen, vielmehr liegt der Ansatzpunkt in der Leistung, die den Gegenstand der Preisbemessung bildet; nur durch sie kann eine Verbindung zwischen Preis, Lohn und Zins hergestellt werden. Zum Leistungsbegriff gelangt, wenngleich auf einem Umweg und mehr unterbewußt, auch die herrschende Lehre. Nach ihr soll der Lohn ein "Preis eigener Art" sein und sich von diesem dadurch unterscheiden, daß das, wofür er gezahlt wird, die Arbeit, nicht "nach Kosten", sondern "nach Leistung" bewertet werden muß7. Aber was sind denn die "Kosten" beispielsweise für die Herstellung eines Kraftwagens? Zu einem Teil sind es die Löhne, die der Produzent an die bei ihm beschäftigten Arbeiter für ihre Leistungen zahlt, zu einem anderen Teil die Zinsen für einen ihm gewährten Kredit, und auch der stellt eine Leistung dar, zu einem weiteren Teil bilden sie den Gegenwert für das verarbeitete Material; insoweit sind sie "Preise anderer Güter"; deren Produktion aber erfordert gleichfalls "Kosten", in denen abermals Löhne und Zinsen, also Leistungsentgelte, stecken, und so setzt diese Kette sich fort, so daß der Preis als der rechnerische Ausdruck einer Vielzahl ineinandergreifender Leistungen erscheint. Man kann daher nicht sagen, daß Lohn und Zins "Preise eigener Art" sind; sie dienen vielmehr als Meßwert für Leistungen, die erst durch eine dritte Leistung zu einheitlicher Wirkung gebracht und in dieser Einheit durch den Preis gemessen werden. Der Preis gibt somit den Meßwert ab für ein Bündel 7
eareH, a.a.O., S. 199 f.
2i2
H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
von Quanten wirtschaftlicher Energie, dem als Teile Quanten angehören, die durch Lohn und Zins gemessen werden. Andere Teile sind in sich abgeschlossene Quantenbündel, z. B. die Rohstoffe und die Halbfabrikate. Zwischen deren Preisen und dem Preis des Fertigprodukts besteht ein Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit (Interdependenz), über das nicht mehr zu sagen ist, als daß es eben besteht. Der Klärung bedarf hingegen das Verhältnis, in dem der Preis zum Lohn und zum Zins steht. Es gleicht dem einer Zwiebel zu ihren Schalen. So wie diese für sich allein nicht denkbar sind ohne die sie verbindende Zwiebel, sind Lohn und Zins ohne den Preis undenkbar. In der Bündelung der durch Lohn und Zins gemessenen Leistungen erkennen wir das wieder, was wir die Konzentration des potentiellen Kapitals in den Sachgütern nannten. Wir unterschieden dabei zwischen der feldinternen und der feldexternen Konzentration. Der Preis dient als Meßzahl der letzteren; zwar wird er schon bei der feldinternen Konzentration berechnet, aber das geschieht eben nur intern ("kalkulatorisch"); bei der feldexternen Konzentration, dem Erwerbsvorgang, hingegen tritt er als Rechnungsgröße auch nach außen in Erscheinung; er wird jetzt "in Rechnung gestellt" und "bezahlt". Das Verhältnis, in dem Lohn, Zins und Preis zueinander stehen, kann nur aus der Analyse des Kapitalbegriffs und einer daraus abgeleiteten
kapitalistischen (wirtschaftsenergetischen) Lohn-, Zins- und Preistheorie gewonnen werden, für die folgende Leitsätze gelten: 1. Arbeit im wirtschaftlichen Sinne ist eine Leistung des potentiellen
Kapitals, d. h. der potentiellen wirtschaftlichen Energie der arbeitsteilig tätigen Menschen.
H. Diese Leistung wird durch Lohn, Zins und Preis gemessen. IH. Lohn ist der Meßwert für die konkrete Leistung der Bewegung potentiellen Kapitals durch die physische Arbeitskraft der Menschen. IV. Zins ist der Meßwert für die abstrakte Leistung der Speicherung potentiellen Kapitals und der Beschleunigung seiner Bewegung in den konkreten Leistungen. V. Preis ist der Meßwert der zu feldexterner Konzentration gebündelten konkreten und abstrakten Leistung. Wir können an diesen Leitsätzen ablesen, daß die Begriffe des Lohnes, des Zinses und des Preises ebenso auf den Kapitalbegriff zurückgehen wie der Geldbegriff. Sie sind wie dieser Satelliten des Kapitalbegriffs. Außerdem lassen die Leitsätze erkennen, daß der durch den Preis gemessenen, der gebündelten Leistung die konkrete und die abstrakte
§
18 Die Kapital-Arbeit-Gleichung
273
innewohnen, so daß deren Meßwerte, der Lohn und der Zins, Komponenten des Preises sind und wir demzufolge unsere Untersuchung bei ihnen anzusetzen haben.
§ 18 Das Verhältnis zwischen den konkreten und abstrakten Einzelleistungen (die Kapital-Arbeit-Gleichung) 1. Was Lohn und Zins gemeinsam haben, ist die menschliche Arbeitsleistung. Nicht nur der "Arbeitslohn", sondern auch der "Kapitalzins" wird für eine Arbeitsleistung gegeben und genommen; denn in energialer Sicht ist Kapital Arbeit und Arbeit Kapital. Was Lohn und Zins voneinander unterscheidet, ist lediglich die Art der durch sie gemessenen Leistungen. Beim Lohn ist das die konkrete Leistung, die der arbeitsteilig tätige Mensch mit seiner individuellen physischen Arbeitskraft vollbringt. Sie tritt durch die körperlichen Verrichtungen, deren sie bedarf, sichtbar in Erscheinung, ob das nun die Bearbeitung von Sachgütern oder eine bloße "Dienstleistung" ist. Das ist aber nur eine Seite der konkreten Leistung, die besonders hervorstechende technische. Wie die Zahlung, so hat jedoch die konkrete Leistung auch eine rechtliche und eine wirtschaftliche Seite; hier kommt es auf die letztere an. Sie ist mit der Arbeitsteiligkeit, d. h. damit gegeben, daß die konkrete Leistung einen Teil der Leistungen bildet, die die Gesamtheit der Menschen mit ihrer Arbeitskraft vollbringt. Sie ist Anwendung des Potentials der Kraft aller arbeitsteilig tätigen Menschen; denn um eine wirtschaftliche Wirkung zu erzielen, ist es mit der physischen Kraft des Einzelnen nicht getan, es bedarf dazu vielmehr der Kraft aller mit ihm in Raum und Zeit verbundenen Menschen. Zwar besitzt auch er ein Potential von Arbeitskraft; dieses läßt sich aber nicht bemessen; denn er ist zu Arbeitsleistungen nur solange befähigt, als er lebt; mit seinem Tode - und der kann mitten in der Arbeit eintreten - erlischt das Potential seiner Arbeitskraft. Es gibt daher in der Wirtschaftsrechnung (Bilanz) keinen Posten "Arbeitskraft".
Das Potential der Gesamtheit aller arbeitsteilig tätigen Menschen hingegen ist an der Wirkung meßbar, die es bei der Konzentration in Sachgütern äußert; deren Wert - im Sinne von Meßwert - entspricht dem Wert des Potentials der an sie gewendeten Arbeitskraft, so daß wir diese Arbeitskraft potentielle wirtschaftliche Energie, potentielles Kapital, nennen können. Quanten dieser Energie sind es, also potentielles Kapital ist es, was an Kraft bei der konkreten Leistung zur Entfaltung gelangt. Mit der rein physischen Kraft allein läßt sich noch keine wirtschaftliche Wirkung erzielen: wer Bäume fällt oder Steine zertrümmert, vollbringt damit noch 18 Eckelt
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H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preis theorie
keine wirtschaftliche Tat. Wenn sich sein Tun aber in Geld "umsetzen" läßt, dann tritt zu der angewendeten physischen Kraft etwas hinzu, was sie zur wirtschaftlichen Wirkung bringt. Andererseits ist es mit dem Geld allein nicht getan. Wir haben aufgezeigt, daß es einen "Wert" im Sinne einer Qualität nicht besitzt. Ein Bestand von Münzen ist von der Substanz her nichts als eine Anhäufung von Metallstücken, ein Bestand von Banknoten nichts als eine Ansammlung bedruckten Papiers. Einen Wert - im Sinne von Meßwert - erlangen sie nur, wenn Menschen da sind, die Arbeit leisten, d. h. physische Kraft an Sachgüter wenden, und diese (konkrete) Leistung ist es, die mit dem Geld als Maßstab gemessen wird. Meßbare Kraft aber ist Energie, in Geld meßbare menschliche Arbeitskraft wirtschaftliche Energie = Kapital. Daraus folgt, daß die individuelle physische Arbeitskraft, die bei der konkreten Leistung zur Entfaltung gelangt, Bewegung von Quanten potentiellen Kapitals ist. Arbeit und Kapital sind zwei Seiten einer Gleichung, der Kapital-Arbeit-Gleichung Das Verhältnis, in dem die individuelle physische Kraftleistung zum potentiellen Kapital und dessen Maßstab, dem Geld, steht, läßt sich mit dem Verhältnis zwischen einem unartikulierten Laut und der Sprache vergleichen; ein vom Volksganzen isolierter Mensch (ein Kaspar Hauser) kann mit der rohen Kraft seiner Stimmbänder zwar Laute von sich geben, aber nicht sprechen; das kann er vielmehr nur mit einem Potential phonetischer Ausdrucksmittel, die wir Sprache, "Sprachschatz", nennen. Demnach ist jede mit der physischen Arbeitskraft vollbrachte konkrete Leistung eine kapitalistische Leistung, nicht nur die des "Selbständigen", sondern auch die des "Unselbständigen" (des "Lohnempfängers"); auch sie ist Bewegung von Quanten potentiellen Kapitals. Wie so häufig weist auch hier eine volkstümliche Redeweise den Weg vom elementaren Wissen zur wissenschaftlichen Erkenntnis. Man spricht von der physischen Arbeitskraft als dem "Kapital", das auch der "Unselbständige" besitzt, und das er in den Gegenstand seiner Arbeit "steckt", um daraus etwas für sich "herauszuholen". So ist es in der Tat; denn ein Vorgang "unselbständiger" Arbeit, etwa die eines Zentralheizungsmonteurs, spielt sich wirtschaftlich in der Weise ab, daß er ein Quantum potentieller wirtschaftlicher Energie zur Anwendung bringt, um aus bereits vorhandenen Sachgütern ein neues Sachgut, beispielsweise aus Röhren, Heizkörpern und sonstigen Bauteilen eine Heizungsanlage herzustellen; in diesem neuen Sachgut wird das Quantum der potentiellen wirtschaftlichen Energie des "Unselbständigen" konzentriert. Nur ist es vor dem Beginn des Arbeitsvorgangs
§ 18 Die Kapital-Arbeit-Gleichung
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nicht meßbar, weil das individuelle Arbeitspotential der Menschen sich nicht messen läßt. Meßbar wird es aber mit der Vollendung des Arbeitsvorgangs, im Beispielsfalle mit der Fertigstellung der Heizungsanlage; denn damit verwandelt es sich in ein Quantum kinetischen Kapitals; es steckt jetzt in dem neuen Sachgut (der fertigen Heizungsanlage), beim "Unselbständigen" durchläuft es das neue Sachgut aber nur, um sich sofort in ein Quantum potentiellen Kapitals zurückzuverwandeln, das nunmehr mit dem Wert, der dem Quantum des kinetischen Kapitals (z. B. dem Anteil am Wert der fertigen Heizungsanlage) entspricht, meßbar ist. Mit der Vollendung der konkreten Leistung des "Unselbständigen" ist nämlich die feldinterne Konzentration vollzogen, so daß seine wirtschaftliche Energie sich von dem neuen Sachgut löst und als potentielle wirksam wird; die des "Selbständigen" hingegen, die ebenfalls zur Konzentration gelangte, bleibt als kinetische an das neue Sachgut gebunden und kann sich erst bei der feld externen Konzentration (durch den Erwerbsvorgang) in potentielle verwandeln. Der "Unselbständige" muß als Träger des aus dem neuen Sachgut gelösten Quantums potentiellen Kapitals legitimiert werden. Das geschieht durch den Lohn, den der "Selbständige" an ihn zahlt. Durch ihn wird der "Unselbständige" gleichsam rückwirkend als Träger des individuellen Energiepotentials, das er in seiner konkreten Leistung zur Entfaltung brachte, und damit als Träger eines Quantums potentiellen Kapitals legitimiert. Die Existenz dieses Kapitals drückt sich in den Münzen, Banknoten und Bankguthaben aus, die dem "Selbständigen" für die Zahlung des Lohnes zur Verfügung stehen. Damit greift in die konkrete Leistung des "Unselbständigen" eine andere ein, die abstrakte. Das bedeutet, daß die konkrete wirtschaftliche Einzelleistung die Bewegung von Quanten potentiellen Kapitals ist. Das macht umgekehrt jede konkrete Leistung, auch die des "Unselbständigen", zu einer kapitalistischen. II. Das ist die eine Seite der Kapital-Arbeit-Gleichung. Die andere ist damit gegeben, daß das Kapitalvolumen nur in den konkreten wirtschaftlichen Leistungen existent werden kann. Das Verhältnis zwischen "Kapital" und "Arbeit" stellt sich uns daher anders dar als die herrschende Lehre es sieht. Nach ihr sind "Kapital" und "Arbeit" Komponenten der Wirtschaft, die wie die Ingredienzien eines Produkts, etwa wie Mehl und Butter als Bestandteile eines Kuchens, ein Eigendasein führen. So ist es aber nicht. Zwar läßt "Arbeit" sich auch ohne "Kapital", z. B. als wissenschaftliche, künstlerische oder sportliche, denken, nicht aber umgekehrt "Kapital" ohne "Arbeit". Ein von der Arbeit losgelöstes Kapital gibt es nicht. Angenommen, die Menschheit hörte auf, für ihren Lebensbedarf zu arbeiten, dann gäbe es kein Kapital mehr. Mehl und Butter gibt es, jedes für sich, auch wenn man sie nicht zu einem Kuchen verrührt. Kapital hingegen steht in einer begriffsnotwendigen Verbin18'
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II. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preis theorie
dung zur Arbeit, es ist Arbeit, und zwar die wirtschaftliche Art des Arbeitens. An diesem Kern der Sache führt es vorbei, wenn man "Kapital" und "Arbeit" konfrontiert.. Nicht sie sind es, die sich einander gegenüberstehen, sondern verschiedene Arten der wirtschaftlichen Arbeit, und da jede wirtschaftliche Arbeit ihrer energetischen Natur nach eine kapitalistische Leistung ist, so heißt das, daß man nicht zwischen "Kapital" und "Arbeit", sondern zwischen den Arten der kapitalistischen Leistungen zu unterscheiden hat. Diese Unterscheidung nötigt sich auf, weil die Bewegung von Quanten des potentiellen Kapitalvolumens, als welche jede konkrete wirtschaftliche Leistung nur denkbar ist, die Existenz eines solchen Volumens voraussetzt. Dieses Volumen ist als ein Arbeitspotential schon vorhanden, bevor der Einzelne konkret leistet, und es ist noch vorhanden, nachdem er konkret geleistet hat. Der Einzelne bewegt mit seiner konkreten Leistung nur einen Teil des Volumens, und seine eigene physische Leistung ist nur ein Teil dieses Teiles; denn sie entspringt nicht bloß seinem eigenen Arbeitspotential, sondern auch dem anderer arbeitsteilig tätiger Menschen. Der Einzelne muß, um wirtschaftlich arbeiten zu können, gleichsam seine Arbeitskraft in das Potential der Arbeitskraft aller einbringen, und aus dem Potential als einen Teil davon, d. h. als Teil eines potentiellen Kapitalvolumens, zurückerhalten; erst den auf diese Weise kapitalisierten Teil der eigenen Arbeitskraft bringt er zur Anwendung, und zwar zusammen mit dem kapitalisierten Teil der Arbeitskraft anderer; dieser Teil steckt insbesondere in den Geräten, Werkzeugen und Maschinen, deren er sich bedient. Der Fortschritt der Technik bringt es mit sich, daß das Verhältnis dieser beiden Teile zueinander sich in steigendem Maße zugunsten des Anteils der fremden Leistungen verschiebt, der eigene Leistungsteil also mehr und mehr in den Hintergrund rückt. Es kommt der Sache näher, trifft aber noch nicht ihren Kern, wenn Albert HahnS sagt, Arbeit könne durch Kapital ersetzt werden. Sie wird nicht bloß von Fall zu Fall durch Kapital ersetzt, sondern in jedem Fall in Kapital verwandelt und als Kapital zur Anwendung gebracht; wirtschaftliche Arbeit ist kapitalistische Arbeit. Ersetzbar ist nicht die Arbeit schlechthin, sondern lediglich die kapitalistische Eigenleistung durch die kapitalistische Fremdleistung. überhaupt erlangt die Eigenleistung Bedeutung nur dadurch, daß sie in Raum und Zeit mit der Leistung aller verbunden ist. Der Einzelne ist ersetzbar. Was sich nicht ersetzen läßt, sondern vorhanden sein muß, ist das Potential der Arbeitskraft aller, das potentielle Kapitalvolumen. 8 Hahn, Albert: Stabilisierung ohne Krise, in: Süddeutsche Zeitung vom 27./28.8. 1966.
§ 18 Die Kapital-Arbeit-Gleichung
277
Dieses Kapitalvolumen muß, um in konkreten Einzelleistungen angewendet werden zu können, gespeichert werden. Dazu bedarf es einer besonderen Leistung, die wir, da sie nicht sichtbar hervortritt, die abstrakte nennen. Speicherung bedeutet nicht bloß, daß ein bereits vorhandenes Kapitalvolumen in seiner Existenz erhalten wird, sondern auch, daß es zur Existenz gebracht wird, und das kann es überall und jederzeit, wo ein Potential von Arbeitskraft vorhanden ist; solange dieses Potential wirtschaftlich ungenutzt bleibt, ist es eine bloße Ansammlung menschlicher Kraft und als solche nicht meßbar; mit der wirtschaftlichen Nutzung wird es als Energie meßbar und somit als Kapitalvolumen existent. Auch das folgern wir aus der Kapital-Arbeit-Gleichung, und entgehen so dem Irrtum, daß Kapital, um investiert zu werden, stets "erspart" sein müsse. Gewisse Unternehmungen, z. B. die Kultivierung der 'Wüste Negev oder der Bau von Hotelstädten an der Riviera und der Adda, lassen sich nur dadurch ermöglichen, daß "Geld geschöpft" wird. Das aber heißt nichts anderes, als daß ein Kapitalvolumen zur Existenz gebracht wird; zur Existenz gebracht werden kann es, wenn ein Potential von Arbeitskraft vorhanden ist, das sich in konkreten Leistungen anwenden läßt, im Falle der Wüste Negev ist das die Arbeitskraft der Siedler, im Fall der Hotelstädte die der Bauunternehmer und -arbeiter und der Hotelbesitzer und -angestellten; deren eigene physische Arbeitskraft ist identisch mit dem Volumen potentiellen Kapitals, das in der Gestalt von Staatszuschüssen zur Existenz gebracht wird. Da jedoch die eigene Leistung, wie wir sahen, stets nur einen Teil des Teiles an Kapital ausmacht, das in einer konkreten Leistung bewegt wird, kann nicht alles Kapital "geschöpft" werden. Es muß vielmehr insoweit "erspartes" sein, als die konkrete Leistung nicht die eigene, sondern die anderer Menschen, deren" vorgeleistete" Arbeit, ist. Eigenteil und Fremdteil der konkreten Leistung sind nicht mi dem zu verwechseln, was wir "Eigenkapital" und "Fremdkapital" nennen. Die erste dieser beiden Unterscheidungen ergibt sich aus dem Standort, den die konkrete Leistung im raum-zeitlichen Kontinuum des wirtschaftlichen Geschehens einnimmt, bei der zweiten geht es um den Träger des potentiellen Kapitals, das in den konkreten Leistungen zur Anwendung gelangt, und damit um die Persönlichkeit des abstrakt Leistenden. Dieser kann mit dem konkret Leistenden identisch oder von ihm verschieden sein. Im letzteren Falle kann es der Unternehmer sein, der eine abstrakte Leistung vollführt, indem er unbedingt-potentielles Kapital speichert und für die sich in den einzelnen konkreten Arbeitsgängen vollziehende Umwandlung in kinetisches Kapital bereit hält. Gespeichertes unbedingtpotentielles Kapital ist in der Praxis das Bankkonto, das er unterhält und zu dessen Lasten er die konkreten Leistungen entlohnt.
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11. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
Der Unternehmer ist es aber nicht allein, der unbedingt-potentielles Kapital speichert. Beteiligt daran ist die Bank des Unternehmers, mit dieser zusammen aber das ganze System der Banken des Wirtschaftsgebietes, so daß hier eine abstrakte Leistung in die andere greift, insbesondere dann, wenn der Unternehmer den Kredit seiner Bank in Anspruch nimmt. Das unbedingt-potentielle Kapital kann dann "eigenes" oder "fremdes" sein. Wenn eine konkrete Arbeitsleistung den Einsatz von Sachgütern in Gestalt von Grund und Boden, Gebäuden, von Roh- und Hilfsstoffen, Geräten, Maschinen usw. kurz: von "Werkzeugen im weitesten Sinne"9, erfordert, dann bedeutet das, daß für die Bewegung von Quanten potentiellen Kapitals in einer konkreten Leistung auch bedingt-potentielles Kapital gespeichert werden muß; denn alle diese "Produktionsfaktoren" sind nicht bloß kinetisches Kapital, sondern zugleich bedingt-potentielles. So ist ein Fabrikgebäude als Bauwerk kinetisches Kapital (bilanzrechtlich ein der Abschreibung unterliegendes Wirtschaftsgut des Anlagevermögens), als Gegenstand eigener oder fremder Nutzung dagegen bedingtpotentielles Kapital. Auch die anderen "Werkzeuge", sowie die Roh- und Hilfsstoffe sind es mit dem auf sie entfallenden Teil des Ertrages, den das fertige Produkt abwirft. Träger des bedingt-potentiellen Kapitals, das in allen diesen "Produktionsfaktoren" steckt, kann der Unternehmer selber, kann aber auch ein Dritter sein, dessen Kredit er in Anspruch nimmt, sei es als W aren-, sei es als Bankkredit. Auch das bedingt-potentielle Kapital kann somit "eigenes" oder "fremdes" sein. III. Wenn wir sagen, daß jede konkrete Leistung Anwendung eines Potentials von Arbeitskraft und dieses mit dem Volumen allen potentiellen Kapitals, das in einem geschlossenen Wirtschaftsgebiet (Staat) bewegt wird, identisch ist, so bringen wir damit zugleich zum Ausdruck, daß jede wirtschaftliche Einzelleistung nur in ihrer Beziehung zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung gesehen werden kann. Daher muß in die Untersuchung über die wirtschaftlichen Einzelleistungen und deren Meßwerte, den Lohn, den Zins und den Preis, die über die volkswirtschaftliche Gesamtleistung und deren Meßwert, das Bruttosozialprodukt, einbezogen werden. Damit ist die Reihenfolge bestimmt, in der wir unsere Untersuchungen zu führen haben. An der ersten Stelle steht nicht der Lohn, sondern der Zins; denn die durch ihn gemessene abstrakte Leistung der Speicherung potentiellen Kapitals geht der konkreten voran. Außerdem bildet sie die Brücke zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung; denn da ihr Gegenstand die Speicherung eines Teilvolumens potentiellen Kapitals ist, läßt sie sich nur als Teil der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung verstehen. 9
Rössle, Karl: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 61.
§
19 Wesen, Normierung und Faktoren des Zinses
2i9
Zweites Kapitel
Der Zins als Produkt der volkswirtsmaftlimen Gesamtremnung § 19 Wesen, Normierung und Faktoren des Zinses
I. Zins ist der Meßwert für jede abstrakte Leistung potentiellen Kapitals. 1. Da die abstrakte wirtschaftliche Leistung in erster Linie der Speicherung potentiellen Kapitals dient, ist Empfänger des Zinses jeder, der Kapital (wirtschaftliche Energie) speichert, und da potentielles Kapital in den zwei Erscheinungsformen des unbedingten und bedingten vorkommt, ist Zins der Meßwert sowohl für die eine wie für die andere.
Die abstrakte Leistung tritt als solche allerdings nur beim unbedingtpotentiellen Kapital, insbesondere bei der Gewährung eines Kredits (in der "Geldform"), hervor; der Zins drückt sich hier in dem Hundertsatz einer Summe von Recheneinheiten (einer Geldsumme) aus. Die abstrakte Leistung kann sich aber mit einer konkreten in einer Weise verbinden, die zu einer anderen Art ihres rechnerischen Ausdrucks nötigt, ohne daß dadurch der Zins seinen Charakter als Meßwert einbüßen würde. So liegen die Dinge beispielsweise bei der Vermietung. Diese ist eine konkrete Leistung insofern, als die Übergabe der vermieteten Sache an den Mieter eine darauf gerichtete körperliche Handlung erfordert. Zugleich ist sie aber eine abstrakte Leistung; denn das vermietete Sachgut, etwa ein Gebäude, ist kinetisches Kapital, zugleich aber auch bedingt-potentielles, das der Vermieter speichert. Wir haben es hier mit einem der volkswirtschaftlichen Doppeleffekte zu tun: die im Mietgegenstand (Gebäude) in der kinetischen Form gebundene wirtschaftliche Energie des Vermieters läßt sich aus ihm in der bedingt-potentiellen Form lösen. Wer ein Sachgut vermietet, leiht ebenso gespeichertes Kapital aus wie der Geber einer Geldsumme. Daher ist auch der Mietzins der Meßwert einer abstrakten Leistung, also ein Zins. Um ihrer Verbindung mit einer konkreten Leistung willen wollen wir diese Gruppe abstrakter Leistungen die halb abstrakten nennen. Eine halb abstrakte Leistung ist auch die Nutzung des Bodens; denn auch dieser wird dadurch, daß der Mensch ihn arbeitsteilig bearbeitet, zu einem Sachgut, also zu kinetischem und zugleich bedingt-potentiellem Kapital; Meßwert der Bodennutzung ist die Grundrente, im Falle der Verpachtung der Pachtzins. Halbabstrakten Charakter hat ferner die Leistung, die sich mit der Zeichnung einer Aktie vollzieht; der Betrag, den der Aktionär für ihren Erwerb hingibt, wird in Gestalt der mit ihm angeschafften Produktionsmittel kinetisches Kapital und macht den
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H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
Aktionär zu seinem Mitträger, zum Quasi-Unternehmer, zugleich aber zum Träger eines aus der Bindung an die Produktionsmittel gelösten Quantums bedingt-potentiellen Kapitals; die Dividende, die er daraus bezieht, ist ebenfalls eine Abart des Zinses. Vollabstrakt hingegen sind die Leistungen, die in keiner körperhaften Beziehung zu den "Produktionsmitteln" (Gebäuden, Maschinen, Werkzeugen) mehr stehen. Das sind einmal die in unbedingt-potentieller Form ("Geldform") gewährten Kredite, insbesondere die Bankkredite, aber auch bedingt-potentielle Kapitalformen, insbesondere alle Arten von Beteiligungen, die auf den laufenden Gewinn beschränkt bleiben. Eine halbabstrakte oder vollabstrakte Leistung vollbringt jeder, Empfänger des Zinses ist somit jeder, der in irgend einer Weise potentielles Kapital für konkrete Leistungen speichert. Das ist einmal der "Sparer", d. h. derjenige, der aus einer früheren wirtschaftlichen Tätigkeit einen Überschuß potentiellen Kapitals angesammelt hat, der Träger abgeleitetpotentiellen Kapitals, zum anderen aber auch derjenige, der "Geld schöpft", d. h. der Träger ursprünglich-potentiellen Kapitals. Der Zins dient als Meßwert sowohl dann, wenn er als Fremdzins gezahlt, als auch dann, wenn er als Eigenzins lediglich kalkulatorisch errechnet wird; auch das "Eigenkapital", das im Boden, in Produktionsmitteln und in Bankgut haben steckt, muß sich "verzinsen". Der hier entwickelte Zinsbegriff will uns in seiner Weite wirklichkeitsnäher erscheinen als die bisher gebräuchlichen. So definiert earell als Empfänger des Zinses den, der "das Produzieren mit Hilfe von wertproduktiven Kapitalgütern ermöglicht" 10; Kapitalgüter aber sind nach ihm lediglich "Werkzeuge und Maschinen"l1. Er muß jedoch einräumen, daß Zins nicht bloß für die überlassung von Werkzeugen und Maschinen, sondern, und zwar sogar überwiegend, auch für die überlassung von "Kaufkraft in Geldform"12, d. h. dafür bezahlt wird, daß der Produzent mit Hilfe dieser "Kaufkraft" Werkzeuge und Maschinen anschaffen kann. Dem Widerspruch, in den er dadurch gerät, sucht er dadurch zu entgehen, daß er als Zinsgeber nicht den Kapitalnehmer, den Produzenten, sondern dessen Nachfolger in der Kette des Wirtschaftsablaufs, den "Käufer der Konsumgüter" anspricht; dieser, so meint er, "zahlt dem Sparer ... für die Benutzung (d. h. für die Verwendung) der Kapitalgüter bei der Produktion den Zins" und "der Produzent ... führt den vom Konsumenten bezahlten Zins an den Sparer ab"13. Aber welcher Käufer, etwa eines Paares Schuhe, denkt daran oder hat gar die Absicht, mit dem Kaufpreis 10 a.a.O., S. 229. 11 a.a.O., S. 73. 12 a.a.O., S. 235, 237. 13 a.a.O., S. 229.
§ 19
Wesen, Normierung und Faktoren des Zinses
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den Zins für einen Kredit zu bezahlen, den der Produzent, z. B. der Schuhfabrikant, aufnehmen mußte, um seine Fabrik mit den nötigen Maschinen auszustatten? "Kapital" sind eben nicht bloß "Maschinen und Werkzeuge", ist überhaupt nichts Körperhaftes, sondern ist wirtschaftliche Energie, die sich in zwei Erscheinungsformen, der potentiellen und der kinetischen äußert, und der Bankkredit ist potentielles Kapital, das als solches Arbeit leistet, und der Zins der Meßwert für diese Leistung. Ihn muß in unserem Beispiel nicht der Käufer, sondern der Produzent zahlen, gleichviel, ob er mit Hilfe des Bankkredits Maschinen anschafft oder nicht und ob er damit Schuhe produziert und verkauft oder nicht; daß er, wenn er sie produziert und verkauft, den Zins in den Preis einkalkuliert, ändert nichts daran, daß er ihn zu entrichten hat, nicht aber gleichsam durch seine Vermittlung - der Käufer. Mit Carell stimmen wir allerdings insofern überein, als auch er den Zins auf eine Leistung der Kapitalgüter bezieht; diese "schaffen" nach der von ihm entwickelten "Wertproduktivitätstheorie"14 mehr Wert als sie selber besitzen: der Tauschwert des "Ertrages der Kapitalgüter" ist größer als ihr (substantieller) Tauschwert. Er erläutert das an dem Beispiel der Leistung einer Schuhmaschine; angenommen, daß deren (substantieller) Tauschwert dem Tauschwert von 50 Paar Schuhen entspricht, daß sie aber 70 Paar "schafft", dann ist der Überschuß von 20 Paaren (die "Wertdijjerenz zwischen Kapitalgut und Ertrag des Kapitalgutes") der Zins. Carell setzt seine Lehre von der Wertproduktivität der Kapitalgüter der von Böhm-Bawerk entwickelten "Agiotheorie" des Zinses entgegen, d. h. der Auffassung, daß der Zins ein "Aufgeld für Gegenwartsgüter" sei, also auf der "Minderschätzung der Zukunftsgüter" beruhe; er meint, die Kritik Böhm-Bawerks an den "Produktivitätstheorien" berühre seine Wertproduktivitätstheorie nicht. Indessen läßt auch sie die entscheidende Frage nach dem Wesen des Zinses unbeantwortet, die Frage nämlich, was die Kapitalgüter denn dazu befähigt, zu "schaffen", einen "Wert" zu "produzieren". Der kann doch nicht aus ihnen selber erwachsen, sondern nur aus den Leistungen, mit denen die Menschen sie bearbeiten. Ganz zu schweigen davon, daß die "Wertdifferenz zwischen Kapitalgut und Ertrag des Kapitalguts" ja nicht ohne weiteres, sondern nur dann gegeben ist, wenn das Kapitalgut einen Ertrag erbringt, und zwar dadurch, daß seine Kapazität ausgenutzt ist. Wenn das nicht der Fall ist, die Schuhmaschine beispielsweise statt der 70 Paar, die sie "schaffen" könnte, wegen einer Absatzkrise nur 30 Paar "schafft", dann sinkt der Ertrag des Kapitalguts unter seinen Substanzwert ab. Einen Negativ-Zins aber gibt es nicht, und deshalb liefert auch die Wertproduktivitätstheorie keine Erklärung für das Wesen des Zinses. 14
a.a.O., S. 224 ff., 236 f., 264 ff.
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H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
Auch mit der weit verbreiteten Meinung, der Zins sei "der Preis für die Vertagung des Konsums", genauer: die Gegenleistung dafür, daß bestimmte Einkommensteile nicht für den Verbrauch ausgegeben, sondern zur Verwendung für neue Investitionen gespart werden 15 , ist nichts gewonnen; denn diese Meinung geht daran vorbei, daß der Zins nicht bloß für erspartes, sondern auch für geschöpftes Kapital gezahlt wird. Immerhin kommt sie dem Kern der Sache, nämlich der Tatsache näher, daß der Zins aus einer "objektiven Leistung" zu erklären ist1 6 • Die Frage aber, welcher Art diese Leistung ist, vermag auch diese auf Senior, MarshalI, Th. N. Carver und G. Cassel zurückgehende Lehre nicht zu beantworten. Die Ursache des "Wirrwarrs der Meinungen" erblickt Adolf Weber darin, "daß es nicht leicht ist, die Eigenart des Produktionselements Kapital zu erfassen" 17. Der "Wirrwarr" hört auf, sobald man erkannt hat, daß Kapital die wirtschaftliche Energie der Menschen und der Zins der Meßwert für eine der mit ihr erbrachten "objektiven Leistungen", die abstrakte, ist. Das führt dann zu folgenden Ergebnissen: Auch die abstrakte Leistung ist Arbeit, die von arbeitsteilig tätigen Menschen geleistet wird. Wenn in dem von Carell gewählten Beispiel die Schuster 50 Paar Schuhe ohne Zuhilfenahme einer Maschine herstellen, so sind sie allein es, die konkrete Arbeit leisten und dafür Lohn erhalten. Bedienen sie sich dagegen einer Maschine, so leisten sie insoweit Arbeit mit den Leistungen anderer; das sind in erster Linie die Menschen, die die Maschine hergestellt haben, in zweiter Linie die, die sie vom Hersteller erworben haben, in dritter Linie die, die dem Hersteller oder Erwerber die Herstellung oder den Erwerb der Maschine kreditiert haben. Die "vorgetane" Arbeit dieser Menschen setzt sich unsichtbar durch die sichtbare konkrete Leistung fort; es sind um ihrer Unsichtbarkeit willen abstrakte Leistungen, die durch den Zins gemessen werden. Was "schafft", sind also weder die "Kapitalgüter" (im Beispielsfall die Schuhmaschine) noch sind es die Bankkonten der "Geldgeber"; sondern es ist allein die Arbeit leistende Kraft der Menschen, deren wirtschaftliche Energie in ihren zwei Erscheinungsformen, der kinetischen und der potentiellen. Das, was Carell den "Tauschwert" der Schuhmaschine nennt, ist die kinetische Form der in ihr konzentrierten wirtschaftlichen Energie. kinetisches Kapital, das mit dem Anschaffungspreis gemessen wird und an sie gebunden bleibt, bis sie abgestoßen oder verschrottet wird. Das, was er als den "Tauschwert des Ertrages" der Schuhmaschine bezeichnet, ist potentielles Kapital, das die Schuster durch ihre konkrete Leistung aus 15 Weber, Adolf: Kurzgefaßte Volkswirtschaftslehre, S. 132 ff.; Lütge, Friedrich: Einführung in die Lehre vom Geld, S. 175 f. 16 Weber, a.a.O., S. 132. 17 a.a.O., S. 131.
§ 19
Wesen, Normierung und Faktoren des Zinses
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der Bindung an die Maschine lösen und für die abstrakt Leistenden mittragen. Die Art, in der das geschieht und das Verhältnis, in das dadurch die konkrete (sichtbare) Leistung zur abstrakten (unsichtbaren) tritt, läßt sich mit dem Verhältnis vergleichen, in dem der sichtbare Teil eines Eisbergs zum unsichtbaren steht. Es ist ein gegenseitiges Adhärenzverhältnis, so daß es sinnlos ist, darüber zu streiten, ob der sichtbare Teil den unsichtbaren mitzuschleppen hat oder ob dem unsichtbaren der sichtbare aufgebürdet ist. Daher sind die 20 Paar Schuhe, die die Maschine zusätzlich "schafft" - das hebt auch Carell hervor -, kein "Mehrwert"18, auf den die Schuster Anspruch hätten, vielmehr beruhen sie auf einer von anderen Menschen vollführten anderen Leistung, die eine andere Art der Bewertung im Sinne von Bemessung erfordert: die Bemessung durch den Zins. 2. Mit der Speicherung erschöpft sich indessen noch nicht das Wesen der abstrakten Leistung. Sie dient vielmehr auch dazu, daß die konkret Leistenden nicht erst künftig, sondern schon gegenwärtig arbeiten können. Die Frage nach "Gegenwart" und "Zukunft" stellt sich also anders als Böhm-Bawerk sie sieht; nicht darauf kommt es an, ein Produktionsmittel, z. B. eine Maschine, als "Gegenwartsgut"19 zu besitzen, sondern darauf, daß gegenwärtig Arbeit geleistet werden kann, der Zeitpunkt der Arbeit also vorverlegt, der Wirtschaftsablauf beschleunigt wird. Die Beschleunigung ist ein weiteres Wesensmerkmal der abstrakten Leistung. Wir wissen von der Atomphysik her, daß sich durch Beschleunigung der Bewegung von Energie Masse gewinnen läßt. Beschleunigung der Bewegung wirtschaftlicher Energie ist es auch, was zum Wachstum der Wirtschaft führt, und als Mittel dafür dient die abstrakte Leistung dessen, der es ermöglicht, daß gegenwärtig konkret geleistet wird.
Das gilt in erster Linie für die vollabstrakten Leistungen, also die Bewegung von Quanten unbedingt-potentiellen Kapitals, wie sie sich in der Gewährung von Krediten äußert. Beschleunigende Wirkung haben aber auch die halbabstrakten Leistungen, insbesondere die verschiedenen Formen der Beteiligung an einem Unternehmen, allen voran die Zeichnung einer Aktie. 3. Wir können daher Zins abschließend definieren als den Meßwert der abstrakten Leistung, die der Speicherung potentiellen Kapitals und der Beschleunigung seiner Bewegung in konkreten Leistungen dient.
Diese Definition bringt alles, was über den Zins zu sagen ist, auf einen Nenner. Die herrschende Lehre dagegen definiert ihn einmal als "Wert18 a.a.O., S. 228. 19 Böhm-Bawerk, Eugen: Kapital und Kapitalzins, 4. Auf!., Zweite Abteilung, Erster Band, Jena 1921, S. 318 ff.
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H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
differenz zwischen Kapitalgut und Ertrag des Kapitalguts"2o, zum anderen als "Marktpreis", und zwar als Preis "für die überlassung von Kapital"21. Als solcher müßte er aber ohne Rücksicht darauf, ob er der Wert differenz zwischen dem Kapitalgut und dessen Ertrag entspricht, allein aus dem Spiel von Angebot und Nachfrage erwachsen. Man stellt für seine Bemessung aber Regeln auf, die ihn diesem freien Spiel der Kräfte entziehen; er bestimmt sich - so wird gelehrt - seiner Höhe nach durch die "Wertproduktivität der Kapitalgüter", und zwar durch die "Grenzproduktivität des Kapitals"; Care1l 22 gestaltet diese Regeln zu 16 Gleichungen aus. Damit hört der Zins aber auf, ein Preis 23 zu sein; eine auf solche Weise errechnete Größe ist nichts als ein Wert, so daß nur die erste der beiden Definitionen der Wirklichkeit näher kommt. H. Diese Wirklichkeit sieht so aus, daß der Zins normiert wird. In der Bundesrepublik Deutschland geschieht das durch den Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank; er setzt den Zins für die Wechsel fest, die die Kreditinstitute (Banken) bei der Bundesbank einreichen, um dafür Zahlungsmittel zu erlangen, den Diskontsatz. An ihm orientieren sich die Zinssätze, die die Banken ihren Kunden für die Gewährung von Krediten und die Entgegennahme von Einlagen berechnen, die Sollzinsen und die Habenzinsen. Unter der Herrschaft der Zinsverordnung vom 20. 2. 1965 wurden sie den Banken vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen sogar vorgeschrieben, wenn auch nur als Höchstsätze. Die am 21. 3. 1967 erfolgte Aufhebung dieser Verordnung nimmt den Soll- und Habenzinssätzen aber nicht den normativen Charakter, den sie vom Diskontsatz her empfangen; durch ihn sind sie nur in beschränktem Umfang "frei". Darüber hinaus läßt sich sagen:
Der Dinskontsatz liefert die Norm für alle Zinssätze. An ihm wird nämlich gemessen, ob ein Kredit "billig" oder "teuer" ist. Insbesondere stehen die Zinssätze der langfristigen Kredite (die Kapi tal markts ätze) in einer Relation zu den am Diskontsatz orientierten Zinssätzen der kurz- und mittelfristigen Kredite (den Geldmarktsätzen)24; ziehen die ersteren an und strömen demzufolge Zahlungsmittel vom Geldmarkt weg zum Kapitalmarkt hinüber, so wird diese Bewegung alsbald durch ein Heraufsetzen des Diskontsatzes ausgeglichen, und um-
earen, a.a.O., S. 227. Ders., S. 237 ff. 22 a.a.O., S. 223 ff., 242, 245 ff. 23 Die Meinung, daß der Zins ein "Preis" sei, wird mit verschiedenen Abwandlungen auch von anderen vertreten, so von Weber, Adolf ("Der Zins ist der Preis für das volkswirtschaftlich relevante Warten", Kurzgefaßte Volkswirtschaftslehre, S. 133) von Röpke, Wilhelm ("Preis des Kapitals", in: Neue Zürcher Zeitung vom 27. XI. 1965). Einen Preis zahlt man jedoch nur für etwas, das man behalten kann, entliehenes Kapital aber muß man zurückgewähren. 24 "Welt" Nr. 249 vom 26. X. 1965. 20
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§ 19 Wesen, Normierung und Faktoren des Zinses
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gekehrt geschieht das gleiche. Der Diskontsatz gestaltet also durch den an ihm orientierten Geldmarktsatz mittelbar auch den Kapitalmarktsatz 25 • Die "freien" Zinssätze des Kapitalmarktes zeigen nur den Grad der Abweichung vom Diskontsatz als dem Normzinssatz an. Sie gleichen den Strichen auf dem Kompaß, die die Deklination von der Magnetpollinie bezeichnen. Indessen kann der Kapitalmarktzins sogar unmittelbar normiert werden; das geschieht bei der Emission von Wertpapieren; denn wenn der Staat eine Emission genehmigt, dann normiert er damit deren Zins. Dazu kommt. daß der Staat häufig um der Erreichung eines bestimmten wirtschaftlichen Zieles, beispielsweise um der Stützung der Landwirtschaft willen, selber Kapital zu einem billigen Zinssatz ausleiht oder Zuschüsse zur Verzinsung von Fremdkapital gewährt. Im Jahre 1964 wurde in der Bundesrepublik Deutschland rund ein Drittel allen Fremdkapitals zu einem auf solche Weise normierten Zins aufgebracht. Es ist völlig abwegig, das als "marktwidrig" und als "Zinsverfälschung" zu verdammen. weil es zu einer entsprechenden Erhöhung des von staatlichem Einfluß freien Kapitalzinses führte. Der Zins ist eben kein Preis, sondern ein Wert. Die Frage ist nicht, ob er "marktgerecht", sondern ob er leistungsgerecht ist, und das ist die Frage nach der richtigen Bestimmung seiner Faktoren, d. h. nach der richtigen Messung der mit der Speicherung und Beschleunigung potentiellen Kapitals vollbrachten Leistung. III. Der Zins ist eine Zahl, die in einem rechnerischen Verhältnis zu einer anderen steht. Das, was diese andere Zahl ausdrückt, wird in der Umgangssprache "Kapital" genannt. Es ist auch Kapital, und zwar eine Einheit potentiellen Kapitals in seinen beiden Erscheinungsformen, dem unbedingten und dem bedingten. Das rechnerische Verhältnis, in dem die Zinszahl zu einer solchen Kapitaleinheit steht, wird unterschiedlich bestimmt, je nachdem, ob es sich um eine Einheit unbedingt-potentiellen Kapitals oder bedingt-potentiellen Kapitals handelt. Bei dem letzteren wird die Beziehung zwischen Zins und Kapitaleinheit durch eine Kalkulation hergestellt; so wird der Mietzins eines Hauses aus den Kosten seiner Herstellung, eine Dividende aus dem Jahresgewinn eines Unternehmens, eine Rente durch die Vervielfältigung ihrer Einzelbeträge, ihre "Kapitalisierung", errechI'.et. Beim unbedingt-potentiellen Kapital (dem sog. "Geldkapital") hingegen wird das rechnerische Verhältnis zwischen Einheit und Zinszahl durch Umrechnung über 100 Teile dieser Einheit, bezogen auf einen bestimmten Zeitraum, in der Regel ein Jahr, hergestellt, ohne daß dem eine Kalkulation nach Art der eben genannten zugrunde liegen würde. Vielmehr wird hier die Zinszahl aus Faktoren errechnet, die nicht schon mit 25 Das wirkt sich auch auf den Satz aus, mit dem Bauvorhaben finanziert werden, und dieser Satz wiederum beeinflußt die Höhe des Mietzinses, der für die erstellten Räume zu zahlen ist.
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11. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preis theorie
der bloßen Kapitaleinheit gegeben sind, sondern erst mit den Leistungen, die sie vollbringt. Dabei ist zwischen der Speicherung und der Beschleunigung zu unterscheiden. 1. Die Leistung der Speicherung besteht darin, daß Teile eines Arbeitspotentials als Quanten ursprünglich- und abgeleitet-potentiellen Kapitals (als "geschöpftes" und "ersparten" Kapital) die Fähigkeit erlangen und behalten, sich durch konkrete Leistungen in kinetisches Kapital zu verwandeln und in potentielles Kapital zurückzuverwandeln. Sie ist zunächst ein Akt der Verwaltung; deren Kosten lassen sich kalkulatorisch ermitteln; oft werden sie, insbesondere bei langfristigen Hypothekenkrediten, neben dem eigentlichen Zinssatz gesondert berechnet. In der Hauptsache aber dient die Speicherung dazu, einem Quantum potentiellen Kapitals seine wirtschaftliche Wirksamkeit zu verschaffen und zu erhalten; diese Funktion läßt sich mit der Speicherung elektrischer Energie in einer Batterie vergleichen, und so wie diese einem Energieschwund unterliegt und zu dessen Ausgleich von Zeit zu Zeit aufgeladen werden muß, unterliegt auch das potentielle Kapital einem Schwund, der des Ausgleichs bedarf. Dieser Vorgang findet seinen rechnerischen Ausdruck in einem Hundertsatz, der dem jeweiligen "Geldwertschwund", d. h. dem jeweiligen Preisindex für die Lebenshaltung, entspricht. Auch er wird vereinzelt, so in Israel, gesondert ausgewiesen. In der Regel bildet aber auch er einen kalkulatorischen Teil des Zinssatzes. So entfallen beispielsweise von den 61/2 %, mit denen heute eine erste Hypothek zu verzinsen ist, etwa 31/2 % auf den kalkulierten "Geldwertschwund". Der Speicherungsfaktor (Rückgewinnfaktor) gilt also der Bemessung der abstrakten Leistung, soweit sie der Kapitalverwaltung und -erhaltung gewidmet ist.
2. Ganz anders der Beschleunigungsfaktor (Zugewinnjaktor). Mit ihm wird die abstrakte Leistung bemessen, soweit sie auf die Erzielung eines Zugewinns potentiellen Kapitals gerichtet ist. Daraus folgt, daß der Zins, auch soweit er sich auf eine Einheit unbedingt-potentiellen Kaptals (eine Einheit von "Geldkapital") bezieht, vom Gewinn nicht zu trennen, vielmehr von ihm abzuleiten ist; ein Zins, der ohne Rücksicht auf den Zugewinn an wirtschaftlicher Energie, den die durch ihn gemessene Leistung erbringen soll, gebildet würde, wäre nicht leistungsgerecht. Damit, daß dieser Zugewinn aus der Beschleunigung erwächst, den die abstrakte Leistung herbeiführt, ist gesagt, daß für die Errechnung des leistungsgerechten Zinses dem Faktor Zeit eine maßgebliche Rolle zukommt. Auch Böhm-Bawerk 26 erblickt in ihm "das Element, das ... die volle Wahrheit zu vermitteln scheint", aber er bezieht ihn lediglich "auf die menschliche Wertschätzung der Güter", und das ist noch nicht alles. 26
a.a.O., Erste Abteilung, S. 450.
§ 20 Der Diskontsatz als Maßnahme zur Steuerung der Konjunktur
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Wie wirklich die Rolle ist, die der Faktor Zeit für den Zins spielt, mag durch ein Bild veranschaulicht werden. Augsburg ist von München rund 60 km entfernt; begibt man sich von dem einen dieser beiden Orte zum anderen, so gewinnt man einen Raum in einer Ausdehnung von 60 km. Geht man zu Fuß, so erzielt man diesen Gewinn bestenfalls in 2 Tagen; benutzt man einen Kraftwagen, so macht man ihn schon in einer Stunde. Auf diese Weise wird der Faktor Zeit in die Raum-Gewinnberechnung einbezogen; er bildet einen Teil von ihr; abstrakt, d. h. ohne Beziehung auf den Raum Augsburg - München, ist er nicht denkbar. Er steht aber auch nicht bloß in einer Relation zu den beiden Orten Augsburg und München; deren Wert wird durch ihn weder erhöht noch vermindert; vielmehr ist es der Raum zwischen den bei den Orten, der eine Bewertung durch den Faktor Zeit erfährt. Dem Raumgewinn in diesem Bild entspricht der Gewinn, den ein wirtschaftlicher Vorgang, etwa die Produktion von Schuhen, abwirft. Wird diese Produktion durch den Einsatz neuer Maschinen gesteigert und dadurch der Gewinn erhöht, so bildet die Differenz zwischen den Gewinnen vor und nach der Investition den mit dem Zins gemessenen Beschleunigungsgewinn. Dabei ist die Berechnung nicht bloß auf den Zeitraum zu beschränken, für den der Zins zu zahlen ist, z. B. die Laufzeit eines Kredits, sondern sie hat den gesamten Zeitraum zu umfassen, in dem Gewinne erzielt werden, die auf die abstrakte Leistung (den Kredit) zurückgehen, z. B. die Lebensdauer einer mit dem Kredit angeschaffen Maschine.
§ 20 Der Diskontsatz (normierte Zins) im System der Maßnahmen zur Steuerung der Konjunktur
Vom Gewinn ist auch bei der Bemessung des Diskontsatzes auszugehen. Nur ist es hier nicht der Gewinn eines einzelnen Unternehmens, sondern der eines ganzen Währungsgebiets (Staates), der gesamtwirtschaftliche Gewinn, der zur Grundlage der Zinsbildung genommen wird; denn die Festsetzung des Diskontsatzes ist eine der kreditpolitischen Maßnahmen, die die Bundesbank im Interesse der "gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" zu treffen hat. Diese Wendung findet sich in § 23 des Gesetzes über das Kreditwesen; zwar handelt diese Vorschrift nicht unmittelbar vom Diskontsatz, sondern von den Sol1- und Habenzinsen; da die letzteren aber am Diskontsatz orientiert sind, kann das, was über sie gesagt wird, nur Geltung haben, wenn es auch für die Festsetzung des Diskontsatzes gilt. Wenn daher § 23 RWG dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen die Pflicht auferlegt, "Bedacht darauf zu nehmen", daß eine der "gesamt-
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II. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
wirtschaftlichen Entwicklung angemessene Kreditversorgung gesichert ... wird", so ist das nur ein Reflex der Pflicht, die der Bundesbank obliegt. Die Kreditversorgung soll der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung "angemessen" sein. Das ist wortwörtlich zu verstehen, nämlich dahin, daß diese Entwicklung zu bemessen, d. h. vorauszuberechnen ist. Die Vorausberechnung der wirtschaftlichen Entwicklung aber ist gleichbedeutend mit der Vorausberechnung des Gewinns, den sie erbringen soll. Daher muß der Diskontsatz aus Fakten abgeleitet werden, in denen sich die Gewinnchancen der kreditversorgten Unternehmungen des Währungsgebiets widerspiegeln; es sind dies die Fakten des Verlaufs der Konjunktur. Deren Auf- und Abschwung bestimmt die Maßnahmen der Bundesbank, in erster Linie die Festsetzung des Diskontsatzes27 • Aber was ist Konjunktur? Man verbindet mit diesem Wort die Vorstellung einer sich ständig ablösenden Aufwärts- und Abwärtsentwicklung der Wirtschaft eines geschlossenen Währungsgebiets. Das ist jedoch lediglich eine jeweils für zwei Zeitpunkte getroffene statistische Feststellung, mit der für unserer Untersuchungszweck nichts getan ist. Uns ist auch nicht damit gedient, die Ursachen der jeweiligen Aufwärts- und Abwärtsentwicklung aufzuzeigen, sondern wir müssen das Sich-Entwickeln selbst erfassen, d. h. fragen, was dieses "Sich" der Entwicklung ist. Wir erkennen in ihm das, was allem wirtschaftlichen Geschehen innewohnt: die Arbeit leistende Kraft der arbeitsteilig tätigen Menschen, also die wirtschaftliche Energie, das Kapital. Die Frage nach dem Wesen der Konjunktur ist daher die Frage nach der Wirkungsweise dieser Energie. Sie beantwortet sich dahin, daß sich in dem Aufwärts und Abwärts der wirtschaftlichen Entwicklung Unterschiede des Grades ausprägen, in dem das Volumen der wirtschaftlichen Energie eines Währungsgebietes in einem bestimmten Zeit-Raum bewegt wird. Da nun jede Bewegung von Energie eine Bewegung ihrer Quanten ist, so erwächst aus der Unterschiedlichkeit ihrer Bewegung eine Spannung zwischen Quanten und Volumen. Deren Grad hängt von dem Grad ab, in dem Teile des Volumens als Quanten in Bewegung geraten. Die Größe der Spannung steht im umgekehrten Verhältnis zur Größe des Volumens. Je weniger Quanten eines Volumens bewegt werden, desto größer ist die Spannung. Diese aber wirkt sich auf das Tempo der Quantenbewegung aus. Jede Verstärkung der Spannung bedeutet eine Beschleunigung der Quantenbewegung. Es ist dies die gleiche Erscheinung, die beim Stau eines Flußlaufs auftritt; dadurch, daß ein Teil der Wassermassen durch ein Wehr gestaut wird, fließt ein anderer beschleunigt ab. Damit gelangen wir zu einer wichtigen Erkenntnis: 27
Kraus, a.a.O., S. 136 ff.; CareH, a.a.O., S. 325 ff.
§
20 Der Diskontsatz als Maßnahme zur Steuerung der Konjunktur
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Die konjunkturelle Entwicklung steht unter dem Denkgesetz der Relativität; denn sie beruht auf dem Verhältnis zwischen dem Tempo der Bewegung von Quanten eines Volumens wirtschaftlicher Energie und dem Tempo der Bewegung anderer Quanten des gleichen Volumens. Werden in einem Zeitpunkt alle Quanten eines Volumens in gleichem Tempo bewegt, behält aber in einem späteren Zeitpunkt nur ein Teil von ihnen dieses Tempo bei, so erfahren diese Quanten im Verhältnis zu den anderen eine Beschleunigung, obwohl ihr absolutes Tempo das gleiche bleibt. Es tritt eine relative Beschleunigung des wirtschaftlichen Ablaufs ein. Die Träger der relativ beschleunigten Energiequanten erzielen im Verhältnis zu anderen Energieträgern früher Gewinne als diese. Die abstrakte Leistung, die das von ihnen getragene potentielle Kapital vollführt, erfährt eine Steigerung, aber nicht absolut, sondern in der Relation zur Leistung anderer Teile des Kapitalvolumens. Auch in der Zinstheorie kommt man also ohne die Relativitätstheorie nicht aus. Den Meßwert für die relative Beschleunigung der Quanten eines Volumens wirtschaftlicher Energie liefert der jeweilige Diskontsatz. Ein hoher Diskontsatz zeigt an, daß eine starke Spannung zwischen Quanten und Volumen besteht, so daß ein Teil der Quanten relativ beschleunigt wird. Umgekehrt läßt ein niedriger Diskontsatz erkennen, daß alle Quanten gleichmäßig bewegt werden. Im ersteren Falle ist das potentielle Kapital knapp, es herrscht konjunkturelle Depression; im anderen Falle ist potentielles Kapital im Überfluß vorhanden, es herrscht Hochkonjunktur28 • Wenn wir sagen, daß der Diskontsatz das eine oder das andere Tempo "anzeigt", so heißt das: zu gestalten vermag er die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nicht. Diese bleibt von seiner Festsetzung vielfach unberührt oder wird durch andere Fakten in die alte oder eine neue Richtung gedrängt. Der Diskontsatz ist wie jeder Zins nur ein Meßwert und seine Festsetzung eine Messung, die allerdings mit einer Steuerung gekoppelt ist. Sie läßt sich mit der steuernden Messung vergleichen, die ein Thermostat ermöglicht. Stellt man diesen auf die gewünschte Zimmertemperatur ein, so vollzieht man damit in erster Linie einen Meßvorgang: der Strich auf dem Thermostat zeigt den Grad der erstrebten Wärmeenergie an; zugleich löst man aber die technischen Funktionen aus, die den Wärmegrad herbeiführen sollen. Mehr als diese steuernde Messung leistet jedoch der Thermostat nicht; die von ihm gemessene Wärmeenergie und der Brennstoff, der diese Energie erzeugt, sind etwas von ihm Verschiedenes, und sie sind etwas, das die steuernde Messung wirkungslos machen kann; wenn bei einer Außentemperatur von minus 10 Grad die Fenster geöffnet 28
Stucken, Rudolf: Deutsche Geld- und Kreditpolitik 1914 - 1963, S. 266.
19 Eckelt
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Ir. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preis theorie
bleiben, dann kann die durch den Thermostat gesteuerte Wärmeenergie den von ihm angezeigten Grad nicht erreichen. Seine Wirksamkeit setzt Bedingungen voraus, die den gemessenen und angesteuerten Wärmegrad erreichbar machen. Nicht anders liegen die Dinge bei der Festsetzung des Diskontsatzes. Für sich allein vermag sie das Tempo der Bewegung potentiellen Kapitals nicht zu beeinflussen, vielmehr bedarf es dazu noch anderer Maßnahmen, die entweder ebenfalls vom Zentralnoteninstitut oder von den konjunkturpolitischen Willensträgern des Staates getroffen werden. Danach können wir unterscheiden zwischen: monetären, quasimonetären und außermonetären Maßnahmen. In ihrer Zusammenfassung liefern sie das Instrumentarium der Konjunkturpolitik.
§ 21 Das Instrumentarium der Konjunktursteuerung 1. An monetären Maßnahmen gibt es im binnenwirtschaftlichen Bereich 29 zwei: die Festsetzung des Diskontsatzes und das Offenmarktgeschäft. Monetär nennen wir diese Maßnahmen deshalb, weil sie dazu bestimmt und geeignet sind, das sich in der Geldmenge ausdrückende Volumen des unbedingt potentiellen Kapitals unmittelbar zu beeinflussen. Das gilt in erster Linie für den Diskontsatz; denn von dessen Höhe hängt die Nachfrage nach den Zahlungsmitteln ab, die das Zentralnoteninstitut gegen die bei ihm eingereichten Wechsel hergibt. Das Offenmarktgeschäft, d. h. der An- und Verkauf von Wertpapieren, den das Zentralnoteninstitut vornimmt, um die Geldmenge zu verringern oder zu vergrößern, dient lediglich der Unterstützung des Diskontgeschäftes30 .
2. Als quasimonetär bezeichnen wir Maßnahmen, die die Geldmenge, wir sagen besser: das Volumen des unbedingt-potentiellen Kapitals nur mittelbar beeinflussen. In der Bundesrepublik Deutschland sind das die der Bundesbank eingeräumten Befugnisse, den Banken die Unterhaltung von Mindestreserven aufzuerlegen, ferner die Verpflichtung des Bundes und anderer Hoheitsträger, bei der Bundesbank Einlagen zu unterhalten, schließlich die Festsetzung von Kredit-(Rediskont-)kontingenten. Insbesondere entzieht der Zwang, Mindestreserven bei der Bundesbank zu unterhalten, den Banken Teile unbedingt-potentiellen Kapitals, die sie 29 Die Festsetzung und Änderung der Währungsparität behandeln wir in dem Abschnitt über die außenwirtschaftlichen Leistungen. 30 eaTelZ, a.a.O., S. 330.
§ 21 Das Instrumentarium der Konjunktursteuerung
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sonst als Kredite den Unternehmungen der Wirtschaft zuführen würden, die Rediskontkontingente beschneiden ebenfalls die Möglichkeit der Kredi tgewährung. An dem Beispiel der von der Deutschen Bundesbank am 12. 8. 1965 beschlossenen Erhöhung des Diskontsatzes von 31/2 auf 4 Ofo mag das erläutert werden. Diese Diskonterhöhung sollte "der wachsenden Liquiditätsverknappung der Banken" Rechnung tragen, die durch den Devisenabftuß und den saisonbedingten Anstieg des Bargeldumlaufs eingetreten war31 • Daß die Liquidität sich verknappte, bedeutete, daß die Bewegung der Quanten des von den Banken getragenen potentiellen Kapitals sich verlangsamte, und das mußte sich ungünstig auf die Ertragslage von Unternehmungen auswirken, die kurzfristigen Kredit nachsuchten, ihn aber, eben wegen der eingetretenen Liquiditätsverknappung, nicht erhielten. Die Erhöhung des Diskontsatzes sollte die ins Stocken geratene Bewegung der Kapitalquanten wieder in Gang bringen. Für sich allein hätte sie das aber nicht vermocht; denn sie hatte zunächst nur eine kreditneutrale Doppelwirkung: zwar hielt sie "zinsempfindliche" Unternehmungen vom Kreditmarkt fern und öffnete diesen den "zinsunempfindlichen", das nützte denen aber nur dann, wenn sie auch die - höher verzinslichen - Kredite erhielten. Dazu bedurfte es neben der monetären einer quasimonetären Maßnahme: die Deutsche Bundesbank verband die Heraufsetzung des Diskontsatzes mit einer Erweiterung der Rediskontkontingente (die beschlossene Kürzung wurde zur Hälfte ausgesetzt); erst dadurch erhielten die zinsunempfindlichen Unternehmungen die Kredite, die sie benötigten; erst dadurch erlangten sie einen zeitlichen Vorsprung vor den zinsempfindlichen Unternehmungen, und das heißt: sie verbanden sich mit Trägern relativ beschleunigter Quanten potentiellen Kapitals; die abstrakte Leistung, die dieses damit vollführte, fand ihren Ausdruck in dem heraufgesetzten Diskontsatz. Aber auch die quasimonetären Maßnahmen dürfen nicht mit dem verwechselt werden, was die gesamtwirtschaftliche Entwicklung gestaltet; auch sie sind nicht das, was "sich" so entwickelt, daß es den gesamtwirtschaftlichen Gewinn erhöht oder vermindert, die Konjunktur belebt oder dämpft. Das sind vielmehr alle Fakten, von denen der Pluseffekt abhängt, mit dem das in den Sachgütern konzentrierte potentielle Kapital, bezogen auf einen bestimmten Zeit-Raum und ein bestimmtes Währungsgebiet, zurückgewonnen werden kann. Sie alle aufzählen, hieße sich in einer uferlosen Kasuistik verlieren. Insbesondere, aber keinesfalls ausschließlich sind es die Fakten, die den Investitions- und Konsumbedarf der Menschen und deren Deckung durch Angebot und Nachfrage bestimmen, die sog. Marktfaktoren. 31
19'
Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, August 1965, S. 3.
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H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
Auch dafür kann die am 12. 8. 1965 durchgeführte Diskonterhöhung als Beispiel dienen. Im Bericht der Deutschen Bundesbank für den Monat August wird die "Liquiditätsverknappung", der sie Rechnung tragen will, auf die "Marktspannungen" und die dadurch ausgelösten "Preiserhöhungen ", die "Überforderung des inländischen Produktionsapparates", der Rückgang der Ausfuhr im Verhältnis zur Einfuhr und das dadurch bedingte "Defizit der Zahlungsbilanz" zurückgeführt. Das sind jedoch nur Sammelbezeichnungen, hinter denen sich ein ganzes Mosaik einzelner Fakten verbirgt. Erst aus ihnen formt sich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die den Stoff für die Bemessung des Diskontsatzes liefert. Ihre Erfassung ist - in Ermangelung anderer Methoden bis zur Gegenwart die Aufgabe einer registrierenden Statistik. Diese bringt es mit sich, daß ihr die gesamtwirtschaftliche Entwicklung häufig enteilt, oder umgekehrt: daß die Herauf- oder Herabsetzung des Diskontsatzes der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung nachhinkt. Daraus ergibt sich dann eine Diskrepanz zwischen dem Diskontsatz und den an ihm orientierten Zinssätzen auf der einen und den sogenannten freien Zinssätzen auf der anderen Seite; denn diese gehen mit der jeweiligen Entwicklung mit. So war es auch bei der Diskontsatzerhöhung vom 12. 8. 1965; ihr war, wie der Monatsberich tder Deutschen Bundesbank feststellt, eine Zinssteigerung an dem freien, nicht durch Verordnung gebungenen Kreditmärkten vorausgegangen. Hinter dieser Diskrepanz verbirgt sich ein Wechselspiel zwischen gesamtwirtschaftlicher Entwicklung und Eingriffen in sie. Schon die Normierung des Diskontsatzes selber ist ein solcher Eingriff, für sich allein indessen nur insofern, als er den Diskontsatz der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung anpaßt, die Korrektur eines früher normierten Satzes als Ergebnis einer die Fakten der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung registrierenden Statistik, dem Nachstellen des Zeigers einer Uhr vergleichbar. Wird aber die Festsetzung des Diskontsatzes mit quasimonetären Maßnahmen gekoppelt, dann ist sie mehr als das, dann wird sie zu einem die gesamtwirtschaftliche Entwicklung gestaltenden Eingriff - als Ergebnis einer die Fakten operativ verarbeitenden Statistik32 • So wird durch Erhöhung oder Ermäßigung der Mindestreservesätze und durch Schrumpfung oder Ausdehnung der Rediskontkontingente der Rahmen verengt oder erweitert, der den Banken für die Kreditschöpfung offen steht. Jede dieser Maßnahmen hemmt oder fördert die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Die mit ihnen verbundene Normierung des Diskontsatzes ist dann kein bloßes Nachrücken des Zeigers mehr, sondern eine Schaltung, 32 KeHerer, Hans: Statistik im modernen Wirtschafts- und Sozialleben, Hamburg 1960, S. 7.
§ 21 Das Instrumentarium der Konjunktursteuerung
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die im Verein mit den anderen eine neue Phase der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung einleitet. 3. Die monetären und quasimonetären Maßnahmen, d. h. die Währungs- und Kreditpolitik des Zentralnoteninstituts, sind indessen nicht das einzige Mittel, in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung konjunkturwirksam einzugreifen, vielmehr dienen dazu auch die außermonetären Maßnahmen des Staates, insbesondere seine Haushalts-, Fiskal-, Sozialund Steuerpolitik. Es kann dann zu Überschneidungen mit den monetären und quasimonetären Maßnahmen des Zentralnoteninstituts kommen. Ein klassisches Beispiel dafür liefert die im Dezember 1965 von der Amerikanischen Zentralbankbehörde (Federal Reserve System) beschlossene Erhöhung des Diskonts von 4 auf 4 1/2 Ofo. Sie wurde mit der Notwendigkeit begründet, die stark wachsende Nachfrage nach Krediten und den dadurch bedingten Preisanstieg abzudämmen. Der US-Präsident hingegen kritisierte diese Maßnahme, weil das Zentralnoteninstitut mit ihr den wirtschaftlichen Entscheidungen der Regierung vorgegriffen und dabei nicht bedacht habe, daß die "Zinssätze Bestandteile einer ausgewogenen Finanzpolitik" seien33 • 4. Damit schneiden wir eine wichtige Frage an: kann überhaupt eine monetäre oder quasimonetäre Maßnahme unabhängig von einer die wirtschaftliche Entwicklung in ihrer Gesamtheit gestaltenden Politik getroffen werden? Da man sie verneinen muß, erhebt sich eine andere Frage, und zwar die, ob dem Zentralbankinstitut Einfluß auf alle die gesamtwirtschaftliche Entwicklung berührenden politischen Entscheidungen eingeräumt werden muß. Daß in dieser Frage die Problematik der monetären und quasimonetären Maßnahmen beschlossen liegt, zeigt sich in Versuchen, die unternommen wurden, das Zentralnoteninstitut in die wirtschaftspolitische Willensentscheidung unmittelbar einzuschalten. Einer dieser Versuche ist die Verankerung der Bundesbank in der "Deutschen Gesellschaft für Öffentliche Aufgaben (Öffa)"34. Deren Aufgabe ist die Vorfinanzierung öffentlicher Bauvorhaben mit Mitteln des Kapitalmarkts; ein Kreditausschuß beschließt darüber, ob, in welchem Umfang und zu welchen Bedingungen Kredite, etwa für die Vorfinanzierung des Autobahnbaues, aufgenommen werden dürfen; diesem Kreditausschuß nun gehört neben einem Vertreter der Bundesregierung auch die Deutsche Bundesbank an. Die Beschlüsse, die er unter ihrer Mitwirkung faßt, sind konjunkturgezielt; sie beeinflussen daher die Höhe des Diskontsatzes. So war ein im November 1965 gefaßter Beschluß, der für aufzunehmende Kredite eine Effektivverzinsung von höchstens 7,6 Ofo vorschrieb, darauf gerichtet, die Kreditaufnahme und damit die Durchführung ge33 34
"Welt" Nr. 284 vom 7. XII. 1965. "Welt" Nr. 265 vom 13. XI. 1965.
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H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
planter Bauvorhaben zu unterbinden; denn der freie Zins lag höher, so daß der Kapitalmarkt als Vorfinanzierungsquelle ausfiel; das sollte sich konjunkturbremsend auswirken und damit ein Faktum für die Diskontsatzbemessung liefern. Der Erfolg einer solchen Maßnahme ist jedoch nicht gewährleistet, da er durch andere Maßnahmen aufgewogen werden kann; die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wird hier nur in einem, wenn auch bedeutenden Teilabschnitt erfaßt. überdies liegt die Entscheidung nicht bei der Bundesbank allein; sie gehört ja dem Ausschuß nur als eines seiner Mitglieder an und kann von den anderen überstimmt werden. Einen anderen Versuch, ihr Einfluß auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung einzuräumen, hat der "Sachverständigenrat" in seinem Gutachten für das Jahr 1965 unternommen. In der Ziffer 197 dieses Gutachtens empfiehlt er eine Vervollständigung des "Instrumentariums" der Bundesbank dahingehend, "daß sie in der Lage wäre, die Zuwachsrate des Kreditvolumens der Banken unmittelbar zu begrenzen". Das wäre, wenn es geschähe, ein gestaltender Eingriff in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, den seiner Natur nach nicht das Zentralnoteninstitut, sondern der Staat zu vollziehen hätte. Aber auch damit wäre wiederum nur ein Teilabschnitt der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung eingefangen. Der Vorschlag des Sachverständigenrats erweist nur die Unzulänglichkeit aller monetären und quasimonetären Maßnahmen. Um wirklich einen Einfluß auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu gewinnen, müßte die Bundesbank überall entscheidend da mitwirken können, wo konjunkturwirksame Eingriffe stattfinden. Damit würde man sie aber zum Träger aller Zweige der Wirtschaftspolitik, also nicht nur der Währungs- und Kreditpolitik, sondern insbesondere auch der Haushalts- und Fiskal- und Steuerpolitik machen. Dieser Weg ist nicht gangbar. 5. Bleibt ihr Einfluß aber auf den Kreis von monetären und quasimonetären Maßnahmen, wie sie diese bisher handhabt, beschränkt, so wird das immer wieder zu Kontroversen mit Maßnahmen führen, die der Staat oder andere mit ihm verbundene Institutionen ergreifen, um die Konjunktur so oder so zu beeinflussen. Immer wieder wird sich der Zweifel einstellen, welche dieser widersprüchlichen Maßnahmen "konjunkturgerecht" ist. Das führt zu einer Frage, deren Beantwortung von schicksalhafter Bedeutung ist, der Frage, ob Eingriffe in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, um konjunkturwirksam zu sein, schlechthin den Gegenstand einer darauf gerichteten Politik, d. h. einer subjektiven Willensentscheidung sein dürfen oder ob dazu nicht etwas gehört, was den Willen versachlicht und erst in der versachlichten Form zu konjunktureller Wirkung bringt. Dazu müßten die von den einzelnen wirtschaftspolitischen Willensträgern vorgenommenen Eingriffe aufeinander
§ 21 Das Instrumentarium der Konjunktursteuerung
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abgestimmt ("koordiniert") werden. Das würde einen Plan erfordern, in den sie sich einfügen und nach dem sie abrollen. Ein solcher Plan müßte auf einer Vorausberechnung ihrer konjunkturellen Wirkung beruhen, und diese Vorausberechnung müßte alle Fakten erfassen, aus denen diese Wirkung entspringt. 6. Vorausberechnung der konjunkturellen Wirkung eines Eingriffs in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung bedeutet Vorausberechnung des Gewinns, den die Gesamtwirtschaft erbringen soll. Wir befinden uns damit im Gegensatz zur herrschenden Lehre, die nur den Gewinn aus der individuellen wirtschaftlichen Betätigung, die Rentabilität, nicht aber den volkswirtschaftlichen Gewinn, die Produktivität, für vorausberechenbar hält; der kann, so meint man, nur geschätzt, nicht aber gemessen werden 35 • Es gibt indessen keinen wirtschaftlichen Vorgang, der nicht vorausberechnet werden könnte und müßte. Der Verzicht auf Vorausberechnung (Messung) eines Vorgangs ist gleichbedeutend mit dem Verzicht, ihn überhaupt als wirtschaftlichen Vorgang zu werten. Es kann sich immer nur darum handeln, die richtige Methode der Vorausberechnung zu finden. Wenn bisher die Produktivität im Gegensatz zur Rentabilität nur geschätzt wurde, so deshalb, weil es noch keine geeignete Methode für die exakte Vorausberechnung gab. Das hat sich aber geändert, seitdem es möglich geworden ist, den künftigen Verlauf eines Geschehens aus den Fakten seiner Vergangenheit vorauszubestimmen. Diese Möglichkeit eröffnet die Kybernetik, und zwar durch die Ausbildung von "Optimierungssystemen", die es gestatten, widersprüchliche Willensbildungen durch Versachlichung zu optimaler Wirkung zu bringen 36 • Ihr Anwendungsbereich sind vorerst einzelne Unternehmen; hier werden konträre Willensäußerungen der technischen und der kaufmännischen Leiter durch einen Computer so "koordiniert", d. h. versachlicht, daß sie ein optimales Produktionsprogramm ergeben. Wir wollen uns vorzustellen versuchen, daß es möglich wäre, in der gleichen Weise die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu programmieren. Wie dort der Widerstreit zwischen technischer und kaufmännischer Leitung, wird dann hier die gegensätzliche Willensbildung der verschiedenen politischen Willensträger durch einen Gesamtwirtschafts-Computer versachlicht. Ihm wird die Aufgabe gestellt, alle wirtschaftspolitischen Ziele so zu koordinieren (zu versachlichen), daß sie eine optimale gesamtwirtschaftliche Wirkung ergeben. Auf diese Weise wird die Wirtschaftspolitik durch die Wirtschaftskybernetik ersetzt. Der Computer verarbeitet alle Fakten der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der Eingriffe in sie als Daten für deren Vorausberechnung. Damit ist gesagt, daß das künftige wirtschaftliche Geschehen ebenso in einern System von Zahlen dargestellt 35 38
CareZl, a.a.O., S. 302.
Beilage "Betrieb und Beruf" der "Welt" Nr. 209 vom 24.125.12. 1965.
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wird, wie das abgelaufene. Was für dieses die Bilanz, ist für jenes ein Zahlenwerk, das die Wirkung der Fakten der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung anzeigt. Über alles, was diese beeinflußt, wird der Computer informiert, z. B. über technische Neuerungen, Erschließung neuer Absatzmärkte, außen- und innenpolitische Ziele des Staates, dessen städte- und straßenbauliche Vorhaben. Dieses Material setzt er in Zahlen um, und deren Entschlüsselung gibt Antwort auf die Frage, wie die gesamtwirtschaftliche Entwicklung verlaufen wird und was an Eingriffen in sie erforderlich ist, um ihr ein optimales Ergebnis zu sichern.
§ 22 Der optimale Diskontsatz (die optimale Bankrate) im Verhältnis zur optimalen Wachstumsrate und deren Teilen
Das optimale Ergebnis der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung kann nur eine Zahl sein, in der sich das Grundgesetz des wirtschaftlichen Geschehens ausdrückt: das Gesetz von der Erhaltung und Mehrung wirtschaftlicher Energie. Sie muß sich daher aus zwei Faktoren errechnen, einmal dem Volumen des Kapitals, das zur Umwandlung aus der potentiellen - in die kinetische - und zur Rückverwandlung in die potentielle Erscheinungsform bestimmt ist, zum anderen aus dem Pluseffekt, mit dem diese Um- und Rückverwandlung vor sich geht, bezogen auf ein bestimmtes Wirtschaftsgebiet (Staat) und einen bestimmten Zeitraum. Zum Volumen des potentiellen Kapitals zählt alles, was sich durch originäre oder reflektierte Erwerbsvorgänge in wirklichen oder gedachten Sachgütern an wirtschaftlicher Energie konzentrieren läßt, das gesamte unbedingt-potentielle und bedingt-potentielle Kapital. Aus der KapitalArbeit-Gleichung folgt, daß es mit dem Potential der Arbeitskraft aller arbeitsteilig tätigen Menschen identisch ist. Um es exakt darzustellen, müßte man alle originären und reflektierten Erwerbsvorgänge, in denen es bewegt wird, rechnerisch erfassen, aber das ist unmöglich. Es liefert aber eine rechnerische Größe durch die Leistung, die es vollbringt; diese Rechnungsgröße ist das Sozialprodukt. Man erhält sie, indem man - zur Vermeidung einer Doppelzählung - vom "Output", d. h. vom Bruttoproduktionswert des Umsatzes aller wirklichen und gedachten Sachgüter (aller "Güter" und "Dienstleistungen"), den Wert der "Vorleistungen", d. h. der von anderen Unternehmen bezogenen "Güter" und "Dienstleistungen" abzieht, ihm andererseits den Wert der Halb- und Fertigfabrikate und der selbsterstellten Anlagen hinzurechnet; man gelangt so zum Gesamtwert aller zur eigenen oder fremden Verwendung bereitgestellten Güter und Leistungen, dem Bruttoinlandsprodukt und, wenn man dieses um den Saldo der aus dem Ausland und der vom Ausland bezogenen Einkommen vermehrt oder vermindert, zum Brutto-
§ 22 Der optimale Diskontsatz i. Verhältnis z. optimalen Wachstumsrate 297
sozialprodukt37 • Es liefert die Größe für die Berechnung der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung und dient uns daher auch für die Berechnung der mit dem Volumen des potentiellen Kapitals erbrachten Leistung; denn das ist die wirtschaftliche Gesamtleistung. Um mit ihm ein optimales gesamtwirtschaftliches Ergebnis zu erzielen, muß es selber optimal sein, und das ist es dann, wenn es auf dem voll ausgeschöpften Potential aller arbeitsteilig tätigen Menschen, auf deren voll ausgeschöpften konkreten und abstrakten Leistungen beruht; denn nach der Kapital-Arbeit-Gleichung ist das optimale Volumen potentiellen Kapitals identisch mit dem Potential der Arbeitskraft aller vollbeschäftigten Menschen. Die "Vollbeschäftigung" bedarf keiner politischen Rechtfertigung und keiner anderen wirtschaftstheoretischen Begründung als der, daß die Menschen ihr Potential von Arbeitskraft als Volu.men des potentiellen Kapitals nur dadurch zu optimaler wirtschaftlicher Wirkung bringen können, daß sie mit ihrer ganzen Arbeitskraft beschäftigt werden. Daraus ist der Umkehrschluß zu ziehen, daß überall, wo ein Potential von Arbeitskraft vollbeschäftigungsfähiger Menschen besteht, ein Volumen potentiellen Kapitals gegeben ist und es sich immer nur darum handeln kann, dieses Volumen durch die jeweils geeigneten monetären, quasimonetären und außermonetären Maßnahmen zu optimaler gesamtwirtschaftlicher Wirkung zu bringen. Der erste der beiden Faktoren, aus denen sich das optimale gesamtwirtschaftliche Ergebnis zusammensetzt, errechnet sich somit aus dem Bruttosozialprodukt der voHbeschäftigten Wirtschaft. Demgemäß muß der andere Faktor, der mit dem Pluseffekt erzielte Zugewinn an potentieller wirtschaftlicher Energie, sich in einem Hundertsatz des Bruttosozialprodukts ausdrücken. Es ist dies die Wachstumsrate, auch Zuwachsrate genannt, genauer: der Teil von ihr, um den das Volumen potentieller wirtschaftlicher Energie in einem bestimmten Zeitraum zugenommen hat, die Oberschußrate 38 • Daß sie nur mit dem anderen Teil, der Spannungsrate, zusammen die Wachstumsrate bildet, liegt in der Eigenart des wirtschaftlichen Geschehens, nämlich darin begründet, das ein Zugewinn an potentieller wirtschaftlicher Energie nur als Folge des Rückgewinns der in den Sachgütern konzentrierten wirtschaftlichen Energie entstehen kann. Daß andererseits auch die Spannungs rate Teil der Wachstumsrate ist, erklärt sich - daher ihr Name - aus der Spannung, die zwischen der Gesamtleistung und den Einzelleistungen besteht, und daraus, daß die Gesamtleistung mehr ist als die Summe der 37 Esenwein-Rothe, Ingeborg: Wirtschaftsstatistik, Wiesbaden 1962, S. 165 ff. - Siehe auch mit weiteren Einzelheiten die "Erläuterung von Begriffen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen" im statistischen Anhang der Jahresgutachten des Sachverständigenrates. 38 Siehe hierzu § 1 II 2.
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II. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
Einzelleistungen39 , so daß das Wachstum der Gesamtleistung zwangsläufig zu einem Wachstum der Einzelleistungen führt. Wir haben uns in der Einführung auch bereits die Frage vorgelegt, ob sich ein optimaler Satz für die Wachstumsrate ermitteln läßt, und sind uns darüber klar geworden, daß es ein Satz sein muß, in dem sich das Maß der Beschleunigung widerspiegelt, das der Umsatz der wirtschaftlichen Energie durch den Doppeleffekt, d. h. dadurch erfährt, daß die Akkumulation der Einzelleistungen zum Gesamtgewinn es gestattet, nicht bloß die einfache Reproduktion, sondern auch die "Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter" vorzuverlegen, und wir haben im Diskontsatz das Maß dieser Beschleunigung erkannt. Wir wollen jetzt die Gegenprobe machen, indem wir uns die Frage stellen, ob der optimale Diskontsatz sein Maß in der optimalen Wachstumsrate findet. Die Antwort darauf ergibt sich aus der Feststellung, daß jeder Zins, also auch der Diskontsatz, zur Mehrung von Kapital führt. Wer DM 100000,- zu einem Zinssatz von 7 Ufo ausleiht, vermehrt sein Kapital in einem Jahr um DM 7000, -. Da nun Kapital nichts anderes als wirtschaftliche Energie ist, heißt ein Kapital verzinsen ein Plus an wirtschaftlicher Energie erzielen, und das bedeutet nichts anderes, als daß ein Volumen wirtschaftlicher Energie wächst. Das gilt in gleicher Weise für das mikroökonomische wie für das makroökonomische Bezugssystem. Die Höhe des Zinses bestimmt sich daher nach dem Grad, in dem das auf ihn bezogene Volumen wirtschaftlicher Energie wächst; für den makroökonomischen Bereich will das besagen, daß der Zins in einer Gleichung zur Wachstumsrate steht. Er darf daher nicht willkürlich bemessen werden. Wenn das geschieht, wenn beispielsweise Sätze von 25 Ufo verlangt werden, die Wachstumsrate aber nur 10 Ufo beträgt, so muß das zu Störungen des Wirtschaftsablaufs führen. Wir erlebten das in den zwanzigerJahren. Hergestellt wird die Gleichung zwischen Zins und Wachstumsrate durch den Diskontsatz als den Zins, der sich unmittelbar an sie binden muß, da seine Bemessung ein Mittel für ihre Bemessung ist; denn sie gehört zum Instrumentarium der Konjunktursteuerung. Die Gleichung ist mit bei den Teilen der Wachstumsrate, der Spannungs- und der Überschußrate, gegeben, und da diese Teile ein Produkt des Doppeleffekt sind, den die Akkumulation der Einzelgewinne zum Gesamtgewinn erzielt, müssen sie sich auch untereinander in eine Gleichung bringen lassen, und der Diskontsatz muß jedem dieser Teile entsprechen. Er liefert ja auch das Maß nicht nur für die Habenzinsen (die Verzinsung des aus den Einlagen ersparten Kapitals), sondern auch für die Sollzinsen (die Verzinsung des aus den Krediten geschöpften Kapitals). In der Gleichzeitig39
Siehe hierzu § 1 I 6.
§ 23 Die Wirtschaftsenergiekonstante
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keit von Einlagen und Krediten aber liegt der volkswirtschaftliche Doppeleffekt, und aus ihm erwächst das Doppel von Spannungs- und überschußrate; denn mit dem geschöpften Kapital werden neue Sachgüter hergestellt, die neuen Sachgüter steigern die volkswirtschaftliche Gesamtleistung und damit auch die Einzelleistungen nicht bloß, soweit sie den Sachgütern des neuen "Warenkorbs", sondern auch, soweit sie denen des alten "Warenkorbs" gewidmet sind, so daß deren Preise und die für ihre Herstellung aufgewendeten Löhne "angehoben" werden müssen. Indessen kann das geschöpfte Kapital nur dann eine überschußrate erbringen, wenn das Potential der Arbeitskraft sich vermehrt, insbesondere dadurch, daß die arbeitsteilig tätigen Menschen dank neuer Erfindungen und Produktionsmethoden ein Plus an wirtschaftlicher Energie hervorbringen; das folgt aus der Identität von Kapitalvolumen und Arbeitspotential (der Kapital-Arbeit-Gleichung). Daher ist nicht in jedem Falle der Diskontsatz gleich der Spannungs- und der überschußrate, vielmehr kann es sich nur fragen, ob es ein Optimum von Diskontsatz, Spannungs- und überschußrate gibt, das sich in eine Gleichung bringen läßt. Dieses Optimum kann wegen der Unbeständigkeit des Grades, in dem eine Vermehrung wirtschaftlicher Energie (ein Kapitalzuwachs) eintritt, sowohl beim Diskontsatz als auch bei den beiden Teilen der Wachstumsrate nur Annäherungswerte ergeben, und zwar beim Diskontsatz einen Mittelwert, bei der Spannungsrate einen Höchstwert und bei der Oberschußrate einen Mindestwert. Die Relation zwischen den letzteren beiden ergibt sich daraus, daß eine Steigerung der an die Sachgüter des alten "Warenkorbs" gewendeten Einzelleistungen nur möglich ist als Folge einer Steigerung der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung, diese aber, da sie mehr ist als die Summe der Einzelleistungen, aus denen sie erwächst, die Produktion neuer Sachgüter gestattet und damit erst die Voraussetzung dafür schafft, daß auch die an die Sachgüter des alten "Warenkorbs" gewendeten Einzelleistungen zu Teilen einer gesteigerten Gesamtleistung werden und eine Spannungsrate abwerfen. Deren Optimum kann daher höchstens mit dem Wert angesetzt werden, den mindestens das Optimum der überschußrate erhält. Auf den Diskontsatz bezogen, bedeutet das, daß dieser, um optimal zu sein, sowohl gleich der optimalen Spannungs- als auch der optimalen Oberschußrate sein muß.
§ 23 Die Wirtschaftsenergiekonstante von 3,6 0/0 der optimalen Bank-, Spannungs- und Überschußrate
Daraus ist abzuleiten: Wenn der Diskontsatz der optimalen Spannungsrate (dem "Geldwertschwund") und diese der optimalen überschußrate entspricht, dann zeigt er an, daß die Wirtschaft mit einer konstanten
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Ir. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
Zuwachsrate wächst, und das heißt, daß das Volumen der potentiellen wirtschaftlichen Energie eine konstante Zunahme erfährt. Wir haben aus der Erfahrung einen Satz von 3,6 Ofo jährlich als optimalen Diskontsatz, optimale Spannungs- und optimale Überschußrate ermittelt und können daher diesen Satz dem Wesen der Sache gemäß als Wirtschaftsenergiekonstante bezeichnen. Es gibt keine andere Rechnungsgröße für die Stabilität der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, und es gibt keine andere Stabilität als die durch diese Rechnungsgröße gemessene Zunahme des Volumens der potentiellen wirtschaftlichen Energie um die optimale Zuwachsrate des optimalen Bruttosozialprodukts, insbesondere gibt es wegen der Spannung zwischen Einzel- und Gesamtleistung keine "Lohnstabilität", keine "Preisstabilität", keine "Geldwertstabilität" und keine "W ährungsstabilität". I. In der Wirtschaftsenergiekonstante drückt sich das optimale gesamtwirtschaftliche Ergebnis aus. "Optimal" ist hier so wenig wie sonst gleichbedeutend mit "maximal". Das tatsächliche Ergebnis kann über oder unter der Konstante liegen, und zwar sind folgende Varianten denkbar: (1) Zuwachsrate und Sozialprodukt-Index entfernen sich in gleichem Maße von der Wirtschaftsenergiekonstante; das hat lediglich zur Folge, daß die Spannungsrate sich ausdehnt oder schrumpft; in dem einen Fall entwickelt sie sich expansiv, in dem anderen rezessiv. Was sich hierbei ändert, ist lediglich der Meßwert des Geldes; im ersteren Fall wird alles "teurer", es entsteht eine Expansionsrate; im zweiten wird alles "billiger", es entsteht eine Rezessionsrate. Man kann dabei in beiden Fällen die gleiche Menge von Waren erwerben. (2) Die Zuwachsrate übersteigt den Sozialprodukt-Index40 ; dann ist nicht nur die Spannungsrate gedeckt, sondern es entsteht eine Oberschußrate. (3) Eine Zuwachsrate entsteht überhaupt nicht, sondern das Bruttosozialprodukt schrumpft. Das führt in der Regel auch zu einem Absinken des Sozialprodukt-Index, und es entsteht eine Spannung mit umgekehrten Polen, die nicht ausgeglichen werden kann; die Differenz zwischen den beiden Werten ergibt als Gegenstück einer Spannungsrate eine Deflationsrate. (4) Der Sozialprodukt-Index übersteigt die Zuwachsrate. Hier kann die Spannung nicht voll ausgeglichen werden, in Höhe der Differenz entsteht eine (echte) Inflationsrate. Alle diese aus der Wirtschaftsenergiekonstante abgeleiteten Rechnungsgrößen grenzen die Tatbestände der Gesamtwirtschaftsrechnung, 40 Bei der Bemessung der Lohnzuwachsrate setzen wir, wie wir bereits in der Einführung sagten, an die Stelle des Sozialprodukt-Index den Preisindex für die Lebenshaltung.
§ 23 Die Wirtschaftsenergiekonstante
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auf die sie sich beziehen, voneinander ab, insbesondere den der Inflation von denen der expansiven Spannung und des Spannungsüberschusses. Wir erkennen hier klar, daß der Tatbestand der Inflation erst gegeben ist, wenn das Verhältnis zwischen den vom Sozialproduktsindex erfaßten Preisen des Warenkorbs und dem Bruttosozialprodukt sich verschoben hat, und zwar in einer Richtung, die der entgegengesetzt ist, die es im Falle der Deflation nimmt. Wie immer müssen wir auch hier das aufhellen, was hinter dieser Werteverschiebung steht, und wie immer ist das die Bewegung wirtschaftlicher Energie. Die Preise des Warenkorbs sind die Meßwerte für einen Kreis wirtschaftlicher Einzelleistungen, das Bruttosozialprodukt ist der Meßwert der wirtschaftlichen Gesamtleistung; die Einzelleistungen sind die Bewegung von Quanten wirtschaftlicher Energie durch Einzelträger, die Gesamtleistung ist die Bewegung des Volumens aller potentiellen wirtschaftlichen Energie durch die Gesamtheit aller Energieträger eines Wirtschaftsgebietes (Staates). Das Verhältnis, in dem diese beiden Leistungen zueinander stehen, kann sich dadurch verändern, daß der eine oder der andere der beiden Träger seine Fähigkeit zur Bewegung wirtschaftlicher Energie einbüßt. Im Falle der Deflation ist das der Einzelne, im Falle der Inflation die Gesamtheit. Die erstere, also die Einzelleistungsunfähigkeit, ist dadurch gekennzeichnet, daß ein Volumen potentieller wirtschaftlicher Energie vorhanden ist, das keine Träger findet; nach der Kapital-Arbeit-Gleichung ist das Volumen potentieller wirtschaftlicher Energie identisch mit dem Arbeitspotential der Energieträgergesamtheit; dieses Arbeitspotential ist vorhanden, aber es kann sich wegen einer Störung des Wirtschaftsablaufs, z. B. wegen des Ausfalls auswärtiger Märkte, nicht in Einzelleistungen umsetzen; die Folge davon ist, daß dem Angebot die Nachfrage fehlt, daß die Läger voll, aber die Kassen leer sind. Die Inflation, also die Gesamtleistungsunfähigkeit, trägt die genau entgegengesetzten Züge. Sie ist stets eine Erscheinung politischer Katastrophen, insbesondere eines totalen Krieges; dadurch, daß die Mehrheit der Bevölkerung des kriegführenden Staates dem Wirtschaftsleben entzogen wird, schrumpft das Volumen ihrer wirtschaftlichen Energie, d. h. ihr Arbeitspotential, zusammen, so daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des noch verbliebenen Kreises von Energieträgern zur Bedarfsdeckung nicht ausreicht; ihrer Nachfrage nach Sachgütern steht kein ausreichendes Angebot gegenüber; ihre Kassen sind voll, aber die Läger leer; die Waren des Korbes sind, wenn überhaupt, nur zu " schwarzen " Preisen erhältlich, dadurch übersteigt deren Index die Zuwachsrate, und es entsteht die Inflationsrate. Ganz anders liegen die Dinge bei der expansiven Spannungsrate und der Überschußrate. Bei ihnen verändert sich nicht das Verhältnis zwischen Einzelleistungen und Gesamtleistung, sondern nur dessen Geld-
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H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
meßwert. Auch wenn diese Änderung ein großes Maß annimmt, ist das so lange noch keine Inflation, als das rechnerische Verhältnis zwischen Einzelleistung und Gesamtleistung erhalten bleibt, d. h. solange die Löhne in einem stets gleichbleibenden Verhältnis zu den Preisen ansteigen und deren Anstieg der Wachstumsrate entspricht. Freilich birgt eine solche Entwicklung die Gefahr der (echten) Inflation und damit einer ungesunden Entwicklung in sich. Ob die gesamtwirtschaftliche Entwicklung gesund oder ungesund, die Konjunktur gut oder schlecht ist, das wird an der Wirtschaftsenergiekonstante gemessen. Mit ihr läßt sich der rechnerische Nachweis führen, daß ein übersteigertes Wachstum ebenso schädlich sein kann wie ein Schwund der Zuwachsrate. Daher kann eine hohe Zuwachsrate ebenso zu Eingriffen in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, z. B. durch Kreditrestriktionen, führen, wie umgekehrt Eingriffe, z. B. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, erforderlich werden können, um ein Absinken der Zuwachsrate aufzufangen. Art und Zeitpunkt solcher Eingriffe werden mit der Wirtschaftsenergiekonstante als fixer Rechnungsgröße bestimmt. Durch sie werden die konjunkturpohtischen Konzepte der verschiedenen Willensträger des Staates, insbesondere der Zentralnotenbank auf der einen, des Finanzund des Wirtschaftsministeriums auf der anderen Seite, auf einen Nenner gebracht. Aber auch die Vorhaben der mittleren und unteren Willensträger, der Provinzen, Kreise und Gemeinden, werden durch sie in die Gesamtwirtschaftsrechnung einbezogen. Sie liefert den festen Meßwert für jeden Zeitpunkt des Wirtschaftsablaufs. Die wirtschaftsenergetische Vorausberechnung ist nicht auf einen bestimmten Zeitraum, etwa ein Haushaltsjahr, beschränkt, sie dient auch nicht bloß als Instrument für irgendwelche 3-, 4- oder 5-Jahrespläne, sondern erfaßt das gesamtwirtschaftliche Geschehen in seiner RaumZeit-Kontinuierlichkeit. So liefert sie beispielsweise den Schlüssel zur Beantwortung der Frage, ob und wie sich der Bau von Autobahnen oder Untergrundbahnen in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der nächsten 10 Jahre einplanen läßt; denn das bestimmt sich danach, ob ein solches Vorhaben durch die optimale Zuwachsrate der vollbeschäftigten Wirtschaft gedeckt und damit konjunkturwirksam ist. H. Die Wirtschaftsenergiekonstante dient als fixe Rechnungsgröße für die Konjunktursteuerung, deren es in der vollbeschäftigten Wirtschaft bedarf. 1. In ihr gibt es keine Konjunktur im herkömmlichen Sinne, d. h. kein schicksalhaftes Auf und Ab einer Kurve, dem der Staat durch "Bremsen" und "Ankurbeln" zu begegnen hätte, sondern nur noch eine gesteuerte Schwingung um eine Linie, die rechnerisch durch die Wirtschaftsenergie-
§ 23 Die Wirtschaftsenergiekonstante
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konstante vorgezeichnet ist; Konjunktur ist nichts weiter mehr als diese berechnete Schwingung. Das ist etwas anderes als das, was man die "zyklische" Entwicklung und die "antizyklische" Wirtschafts- und Finanzpolitik nennt. Die mit der Wirtschaftsenergiekonstante vorausberechneten Maßnahmen sind ausschließlich auf den Punkt gerichtet, bei dem die optimale Zuwachsrate gesichert ist, und das ist der Punkt, bei dem die Geldmeßwertdifferenz noch Spannungsdifferenz ist und die Inflation oder ihr Gegenstück, die Deflation, noch nicht beginnt. "Zyklus" darf nur noch in seinem Wortsinn verstanden werden, d. h. als Reihe, Konjunkturzyklus demnach als Schwingungsreihe, d. h. als zeitlich abgegrenzte Schwingungsfolge. Es gibt bei ihr kein "Pro" und "Contra" mehr, sondern nur noch einen Grad der Schwingung, der sich von dem Grad der Schwingung einer anderen Folge abhebt. Als Schwingungsreihe begriffen, ist Konjunkturzyklus ein in seiner Wirkung vorausberechneter Abschnitt der gesamtwirtschaftZichen Entwicklung und der zu ihrer Steuerung erforderlichen Eingriffe. 2. Dieser Steuerung bedarf es, weil die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nicht sich selbst überlassen werden kann; denn sie entspringt individuellen Impulsen, die von den Trägern der auf den Teilfeldern bewegten wirtschaftlichen Energie ausgehen und auf nichts anderes als die Um- und Rückverwandlung von Energie in ihre beiden Erscheinungsformen durch das Mittel der Erwerbsvorgänge gerichtet sind, und die spielen sich auf den Teilfeldern ab. Die Berechnung der wirtschaftlichen Wirkung dieses Um- und Rückverwandlungsprozesses ist daher teilfeldbezogen; es ist die nach betriebswirtschaftlichen Regeln angestellte Rentabilitätsrechnung. Sie steht in keiner unmittelbaren Verbindung zur Berechnung der wirtschaftlichen Gesamtleistung. Dieser Verbindung bedarf es aber, weil die Teilfelder nur Teile des Gesamtfeldes sind und die wirtschaftliche Wirkung der Energiebewegung auf den Teilfeldern nur Teil der wirtschaftlichen Wirkung der Bewegung des Volumens der Energie auf dem Gesamtfeld ist. Die Verbindung zwischen Teilfeld- und Gesamtfeldwirkung erwächst aus den Eingriffen in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Sie äußern sich in den monetären, quasimonetären und außermonetären Maßnahmen und entspringen sozialen Impulsen, die von den Willensträgern des Staates als Repräsentanten der Gesellschaft ausgehen. Sie sind auf die Herbeiführung der optimalen gesamtwirtschaftlkhen Wirkung gerichtet. Deren Berechnung und damit die Berechnung der Eingriffe ist gesamtfeldbezogen; es ist die gesamtwirtschaftlichen Grundsätzen folgende Produktivitätsrechnung. Die "Produktivität" errechnet sich aus dem Bruttoinlandsprodukt, bezogen auf eine Stunde der dafür geleisteten Arbeit (das Arbeitsvolumen und die Arbeitszeit). Die Eingriffe sind dazu bestimmt und geeignet, Grad und Richtung der individuellen Impulse zu
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11. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preis theorie
gestalten und zu gesamtwirtschaftlicher Wirkung zu bringen, so daß dadurch jede Rentabilitätsberechnung zu einer Produktivitätsberechnung wird und man sagen kann: Rentabilität ist Teiljeld-Produktivität. Das ist nicht so zu verstehen, als müsse die Berechnung der Wirkung jedes einzelnen Erwerbsvorganges auch dessen gesamtwirtschaftliche Wirkung einschließen, als müsse jede betriebswirtschaftliche Handlung auch als eine volkswirtschaftliche gewollt sein. Vielmehr ist die volkswirtschaftliche Wirkung der betriebswirtschaftlichen Handlungen (der Erwerbsvorgänge) durch die steuernden Eingriffe des Staates von selbst gegeben. Ihren Gegenstand können entweder die betriebswirtschaftlichen Handlungen in ihrer Gesamtheit oder einzelne von ihnen bilden. Demnach unterscheidet man zwischen Global- und Spezialsteuerung. Das Schwergewicht liegt bei der ersten Gruppe; das sind beispielsweise gesetzgeberische Maßnahmen, die eine erhöhte Abschreibung von Investitionsgütern gestatten (die §§ 7 a, 7 bund 7 c des Einkommenssteuergesetzes der BRD in seinen verschiedenen Fassungen). Hierzu rechnen aber auch alle Maßnahmen, die Arbeitsmöglichkeiten für einen unbegrenzten Kreis von Menschen schaffen, z. B. der Vorgriff auf die Haushaltsmittel künftiger Jahre zur Finanzierung von Bauvorhaben. Die Spezialsteuerung hingegen ist stets auf eine bestimmte betriebswirtschaftliche Maßnahme gerichtet. Beispiele hierfür liefern die Übernahme einer staatlichen Ausfallbürgschaft für einen Betriebsmittelkredit oder die Gewährung eines zinsverbilligten Kredits zur Förderung des Wohnbaues. Die abstrakte Leistung, die hier der Staat als Kreditgeber vollführt, ist die gleiche wie die eines privaten Ausleihers. Was aber die beiden Leistungen voneinander unterscheidet, sind die Bezugsysteme, dem sie angehören. Im Falle des privaten Ausleihers ist das ein Teilfeld, im Falle des zinsverbilligten Staatskredits das Gesamtfeld, und hier beschränkt die Berechnung der abstrakten Leistung sich nicht bloß auf die einzelwirtschaftliche Wirkung der Speicherung und Beschleunigung von Energie, sondern umfaßt auch die gesamtwirtschaftliche Wirkung der Zinsersparnis, die der Empfänger des verbilligten Kredit erzielt, indem er dafür andere Sachgüter erwerben kann. Die "Verbilligung" ist in Wahrheit der rechnerische Ausdruck einer Verlagerung der mit der Kreditgewährung vollbrachten abstrakten Leistung ; diese wird nicht bloß vom (sichtbaren) Kreditgeber, dem Staat oder einem von ihm abhängigen Geldinstitut, sondern auch von einem unbebegrenzten Kreis anderer (unsichtbarer) Menschen (den Herstellern und Verteilern der mit dem ersparten Zins angeschafften Sachgüter) vollführt. Der "verbilligte" Zins ist daher nur ein Teil des Meßwerts der aus einem sozialen Impuls entsprungenen abstrakten Leistung. Ein anderer Teil dieses Meßwerts tritt
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nicht im Zins in Erscheinung, sondern steckt in den Gegenleistungen für jene Sachgüter, so daß wir zwischen offenem und verstecktem Zins zu unterscheiden haben. Hier geht die teilfeldbezogene Berechnung in der gesamtfeldbezogenen auf. Aber das ist die Ausnahme. In der Regel folgen individuelle und soziale Impulse, betriebswirtschaftliche Planung und Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung durch Eingriffe des Staates, Rentabilität und Produktivität ihren eigenen Berechnungen. Zusammengeführt werden sie lediglich durch die Wirtschaftsenergiekonstante. Sie ist die rechnerische Nahtstelle von Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft; denn sie liefert sowohl die Zahl für optimale gesamtwirtschaftliche Ergebnisse, als auch die Zahl für den optimalen Diskontsatz und damit für den optimalen Zins schlechthin, d. h. für den optimalen Meßwert der abstrakten Leistung. Völlig falsch wäre es indessen, zu meinen, der Diskont müsse, um ein optimales gesamtwirtschaftliches Ergebnis zu gewährleisten, auf den Satz von 3,6 Ofo stabilisiert werden. Dieser Satz bezeichnet nur die Linie, um die die Konjunktur schwingt, genauer: die Linie, an die das Volumen der potentiellen wirtschaftlichen Energie in einem ständigen Wechsel von Ausdehnung und Zusammenziehung (Expansion und Rezession) sich hält. In dem Maße, in dem dieses Volumen schwankt, schwankt auch der Diskontsatz, aber er muß sich, soll er konjunkturwirksam sein, immer wieder auf den optimalen Satz von 3,6 Ofo einpendeln. In den seit 1953 abgelaufenen Jahren, die wir als den Anfang der vollbeschäftigten Wirtschaft ansehen dürfen, lag der höchste Diskontsatz bei 5 Ofo, der niedrigste bei 23/4 Ofo; seit 1961 hat diese Spanne sich auf Sätze zwischen 3 und 4 Ofo verengt; das bedeutet aber nur, daß sie näher an die optimale Linie von 3,6 Ofo herangerückt ist. Schwankungen wird es und muß es auch in der Folgezeit geben, mögen sie auch nur noch in Nuancen, wie etwa in der minuziösen Differenzierung der Tagesgeldsätze, spürbar sein. Sie gehören zum Charakterbild des Zinses. Auf ihnen beruht gerade dessen regulierende Funktion, d. h. die Fähigkeit, durch wechselnde Bemessung sowohl eines einzelnen Zinssatzes als auch der verschiedenen Zinssatzarten die Beschleunigung der Bewegung des Kapitalvolumens zu relativieren und damit den Wirtschaftsablauf zu beleben. Aber diese Fähigkeit hat der Zins nicht aus sich selbst heraus, sondern er empfängt sie von der Wirtschaftsenergiekonstante als dem Meßwert der optimalen Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts der vollbeschäftigten Wirtschaft. Diese ist es, die letztendlich den Meßwert für die abstrakte Leistung, den Zins, liefert, und von ihr hängt es ab, ob der einer abstrakten Leistung zugemessene Zins leistungsgerecht ist. Diese Messung mag schwierig sein, unmöglich ist sie nicht. Freilich kann sie wie jede Bestimmung eines künftigen Geschehens nur einen 20 Eekelt
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H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
Wahrscheinlichkeitswert ergeben, aber das nimmt ihr nicht den Charakter und die Bedeutung als Messung. Zuverlässig wird sie sich - davon gingen wir hier aus - nur kybernetisch durchführen lassen. Solange es einen Gesamtwirtschafts-Computer noch nicht gibt, können und müssen wir aber schon so denken und handeln, als gäbe es ihn. Das bedeutet, daß wir den Zins auf eine Zuwachsrate von 7,2 Ofo des Bruttosozialprodukts der vollbeschäftigten Wirtschaft ausrichten müssen, und das bedeutet weiter, daß wir alle monetären, quasimonetären und außermonetären Maßnahmen so koordinieren müssen, daß sie die (ausgewogene) Vollbeschäftigung gewährleisten. Dazu wird es einen besonderen Organs bedürfen, dessen Aufgabe der vergleichbar ist, die den Obersten Rechnungshöfen des Bundes und der Länder gestellt ist. Es sind dies unabhängige Institutionen, die in eigener Verantwortung die Finanzgebarung des Bundes und der Länder überprüfen, indem sie deren Einnahmen und Ausgaben nachberechnen, dabei unterlaufene Fehler aufzeigen und deren Abstellung betreiben. Ihnen hätte ein Organ zu entsprechen, das, ebenfalls unabhängig und in eigener Verantwortung, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die wirtschaftliche Wirkung der zu ihrer Steuerung bestimmten monetären, quasimonetären und außermonetären Maßnahmen vorauszuberechnen hätte. Seine Aufgabe wäre also ebenso wie die der Obersten Rechnungshöfe nicht entscheidender, sondern rein rechnerischer Art. Es wäre eine Stelle, die den Wirtschaftsablauf nicht zu lenken, sondern lediglich auf die optimale Zuwachsrate hin auszurichten hätte.
§ 24 Idee der Einrichtung einer Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle41
1. Die einer solchen Stelle zugedachte Funktion hätte also nichts mit dem zu tun, was man "Dirigismus" nennt. Sie entwirft keine Produktions- und Verteilungspläne, sondern berechnet lediglich den gesamtwirtwirtschaftlichen Gewinn, den die Produktion und die Verteilung der Sachgütergesamtheit innerhalb eines Konjunkturzyklus erbringen soll U Der hier entwickelte Gedanke berührt sich mit dem, den Kälble, Josef, in einer Untersuchung über "Politische Planung als Verfassungsproblem", in: "Welt" Nr. 261 vom 8. XI. 1969 entwickelt hat, und der auch den Ausführungen zugrundelag, die Kandutsch, der Präsident des österreichischen Rechnungshofes, auf dem Kongreß der INTOSAI (Internationalen Organisation der Rechnungshöfe) in Wien am 31. 8. 1970 machte: die Rechnungshöfe sollten als Erhalter des sozialen und wirtschaftlichen Friedens wirken, indem sie sich um eine ordnungsgemäße und sparsame öffentliche Verwaltung bemühten. Das ließe sich nur verwirklichen, wenn sie sich nicht auf die Nachprüfung der Verwendung bewilligter Haushaltsmittel beschränken, sondern eine Vorausberechnung für die Bewilligung von Haushaltsmitteln und damit überhaupt für die Gestaltung des Haushalts liefern würden.
§ 24
Idee der Einrichtung einer Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle 30i
(Produktivitätsberechnung), und die Wirkung der Maßnahmen, durch die die gesamtwirtschaftliche Berechnung sich in die betriebswirtschaftliche umsetzen soll (Rentabilitätsberechnung). Mit einem Wort: die Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle hätte eine dirigometrische Funktion, die in der Kunst der steuernden Messung des Wirtschaftsablaufs bestehen würde. Daß ein Bedürfnis für ein solches Organ besteht, zeigen die Versuche, die der bundesdeutsche Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 14. 8. 1963 über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung unternommen hat. Diese Einrichtung läßt erkennen, was dirigometrisch geleistet werden kann und muß. Ebenso wie wir geht dieses Gesetz davon aus, daß es ein Wechselspiel zwischen gesamtwirtschaftlicher Entwicklung und Eingriffen des Staates in sie gibt und geben muß; denn es weist dem Sachverständigenrat die Aufgabe zu, über die "jeweilige gesamtwirtschaftliche Lage und deren absehbare Entwicklung" ein Gutachten zu erstatten, das die Grundlage bilden soll für "wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen", die aber nicht der Sachverständigenrat, sondern die Bundesregierung zu treffen hat; der Sachverständigenrat soll nicht einemal "Empfehlungen" für solche Maßnahmen aussprechen dürfen, vielmehr soll es ausschließlich Sache der Bundesregierung sein, "die wirtschaftspolitischen Schlußfolgerungen" aus dem Gutachten zu ziehen, die sie für gegeben hält (§§ 1, 2 und 6 des Gesetzes). Es ist eine rechnerische Darstellung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die der Sachverständigenrat zu liefern hat. Das kommt im Gesetz klal" zum Ausdruck; § 2 Satz 2 bezeichnet als Gegenstände der Untersuchung, die der Sachverständigenrat zu führen hat, "Stabilität des Preisniveaus, ho her Beschäftigungsstand und außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wachstum". Mit der in Satz 1 umrissenen Aufgabe, "die jeweilige gesamtwirtschaftliche Lage und deren absehbare Entwicklung" darzustellen, werden die in Satz 2 aufgezählten Gegenstände der Untersuchung durch das Wort "dabei" verbunden. Dieses kann hier nicht im Sinne von "nebenher" verstanden werden, sondern so, als seien die beiden Sätze durch die Worte verbunden: "und zwar, indem er untersuchen soll". Preisniveau, Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und Wachstum aber sind Rechnungsgrößen. Die dem Sachverständigenrat gestellte Aufgabe ist demnach die einer Vorausberechnung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der zur Konjunktursteuerung erforderlichen Eingriffe; die im zweiten Satz aufgeführten Merkmale liefern die Faktoren für eine solche Vorausberechnung. Dem Gesetz liegt die Vorstellung zugrunde, daß diese Faktoren der gesamtwirtschaftlichen Rechnung vier Seiten eines "magischen Vierecks"
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II. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preis theorie
bilden, d. h. sich von Hause aus gegeneinander ausschließen und dennoch "gleichzeitig" gegeben sein sollen. Das aber würde die Kodifizierung eines wirtschaftswissenschaftlichen Irrtums bedeuten und kann so nicht gemeint sein. Daß sie "gleichzeitig" gegeben sein sollen, kann vielmehr nur heißen, daß sie auf einen gemeinsamen Nenner gebracht, genauer: auf eine Rechnungsgröße zurückgeführt werden sollen. Diese eine Rechnungsgröße kann nur die Wirtschaftsenergiekonstante sein, also der Meßwert für die optimale Zuwachsrate des optimalen Bruttosozialprodukts. Da der Zuwachs des Bruttosozialprodukts (das Wachstum der Wirtschaft) auf der Inkongruenz der Bedarfsdeckung beruht und sein Optimum auf der ausgewogenen Vollbeschäftigung, kann es keinen "Vorrang" der Preisstabilität vor dem Wachstum, sondern nur eine Abhängigkeit des Preisniveaus vom Wachstum geben. Praktisch bedeutetdas, daß der sogenannte Geldwertschwund der "Preis für das Wirtschaftswachstum" ist; denn das Wachstum der Wirtschaft führt zu einer Spannung zwischen Gesamtleistung und Einzelleistung, die des Ausgleichs bedarf, und der sogenannte "Geldwertschwund" ist nichts als der Meßwert dieses Spannungsausgleichs. Aufgabe einer wirtschaftssteuernden Institution könnte es nur sein, die Zahlen zu liefern, die ergeben, was jeweils an monetären, quasimonetären und außermonetären Maßnahmen erforderlich ist, um den Spannungsausgleich herbeizuführen und damit eine optimale gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu gewährleisten; es sind das die mit den Maßnahmen erstrebte Wachstumsrate, der durch sie bedingte Index der Lebenshaltungskosten und die durch diesen bedingte Lohnzuwachsrate. H. Die Methode, deren eine solche Institution sich bedienen hätte, ist mit der ihr gestellten Aufgabe gegeben; denn jede Wirtschaftlichkeitsberechnung vollzieht sich in drei Arbeitsgängen: (1) Faktenermittlung (Programmierung), (2) Faktenauswertung (Dateneingabe), (3) Faktenschluß (Datenausgabe). Für die Handhabung dieses Arbeitsschemas ergeben sich nun aber wesentliche Unterschiede zwischen dem Sachverständigenrat und der uns vorschwebenden Einrichtung. Um die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zuverlässig vorausberechnen zu können, müßte der Sachverständigenrat die "gesamtwirtschaftliche Lage", der sie entspringt, in allen Einzelheiten einfangen, d. h. schlechthin alle Fakten, aus denen sie sich gestaltet, ermitteln können. Das Gesetz verweist ihn aber lediglich an das Quellenmaterial des Statistischen Bundesamtes (§ 9), die fachlich zuständigen Bundesminister, die Bundesbank (§ 5) und im übrigen an jeden, der ihm geeignet erscheint, insbesondere an Vertreter von Organisationen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens (§ 4). Der Sachverständigenrat sel-
§ 24 Idee der Einrichtung einer Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle
309
ber nennt darüber hinaus als Informanten Vertreter der EWG-Kommission, des Sozialbeirates, der Sozialpartner, der Wirtschaftswissenschaft an den Hochschulen und in den Forschungsinstituten, er beklagt es aber, daß er zahlreiche wichtige Probleme "aus Mangel an Zeit, an Kräften und an statistischen Unterlagen nicht mit der gebotenen Gründlichkeit untersuchen" könne 42 • Dieser Mangel ist durch die Struktur des Sachverständigenrates bedingt: seine Mitglieder üben das ihnen übertragene Amt nur nebenher und nur für eine auf fünf Jahre begrenzte Dauer aus (§ 7); der Sachverständigenrat ist demzufolge zwar eine ständige, aber keine ständig funktionierende Einrichtung, er erstattet in der Regel jährlich nur ein Gutachten (§ 6). Auch die Vorausberechnung, die er liefert, ist zeitlich begrenzt; im ersten Jahresgutachten für 1964 umfaßte sie nur das erste Halbjahr 1965; da das als unzureichend empfunden wurde, dehnte der Sachverständigenrat im Gutachten 1965 seine Vorausberechnung auf das ganze Jahr 1966 aus. Die Raum-Zeit-Kontinuität des wirtschaftlichen Geschehens erfordert aber eine permanente Vorausberechnung. Dazu würde in erster Linie eine permanente Begutachtung gehören, wie der "Council of Economic" der USA sie praktiziert. Es ist dies ein dreiköpfiges Gremium, das seine Installierung dem im Jahre 1946 ergangenen Beschäftigungsgesetz verdankt; dieses Gesetz überbürdet auf die Regierung die Verantwortung für die Lenkung der Konjunktur mit dem Ziel der Vollbeschäftigung und verpflichtet sie: genauer: den Präsidenten, dem Kongreß jährlich einen Bericht über die Wirtschaftslage zu erstatten und Empfehlungen zu unterbreiten; diesen Bericht hat der "Council of Economic" vorzubereiten, aber nicht in Gestalt eines ad hoc erstellten Gutachtens, sondern durchständige Beratung des Präsidenten. Aber auch mit einer permanenten Begutachtung allein ist es noch nicht getan. Sie setzt, soll sie verläßlich sein, eine permanente Ermittlung der Fakten voraus. Dafür reicht ein drei- oder fünfköpfiiges Gutachtergremium nicht aus, vielmehr bedarf es dazu einer Einrichtung, die nicht bloß periodisch tätig ist und "aus Mangel an Zeit, an Kräften und an statistischen Unterlagen" die der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zugrundeliegende Fakten nur unvollkommen erfassen kann, sondern die befähigt und dazu legitimiert ist, alle Informationsquellen zu erschließen. § 5 des Gesetzes vom 14. 8. 1963 hat den fachlich zuständigen Bundesministern und dem Präsidenten der Bundesbank ein Recht auf Anhörung beigelegt. Aber gerade umgekehrt müßte eine Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle mit dem Recht ausgestattet werden, von jedermann, insbesondere von jedem Bundesministerium und der Bundesbank, jederzeit (2
Jahresgutachten 1964, S. 5 f.
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H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
die Erteilung von Auskünften über alle die gesamtwirtschaftliche Entwicklung gestaltenden Fakten zu verlangen. Erst die ständige Erfassung aller konjunkturwirksamen Fakten schafft die Voraussetzung für eine verläßliche Vorausberechnung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Im zweiten Arbeitsgang sind diese Fakten in ein Zahlenwerk zu übertragen. Es sind das die vom Sachverständigenrat in einer Tabelle zusammengestellten "Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung" , deren wichtigstes die Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts ist. Sie sind der zahlenmäßige Ausdruck der "gesamtwirtschaftlichen Lage und deren absehbarer Entwicklung", die der Sachverständigenrat aufzeigen soll (§ 2); denn "absehbar" ist gleichbedeutend mit "vorausberechenbar". Nichts anderes hätte auch eine Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle zu leisten, nur mit dem Unterschied, daß sie die Daten nicht bloß periodisch, sondern ständig liefern würde. Die in Zahlen verwandelten Fakten müssen wieder zu Fakten werden. Mit der bloßen Vorausberechnung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist es nicht getan, sondern es müssen auch die Eingriffe (Maßnahmen) aufgezeigt und vorausberechnet werden, die möglich sind, um ein optimales gesamtwirtschaftliches Ergebnis, nämlich die optimale Zuwachsrate zu erreichen. Der Faktenschluß, wie wir den dritten Arbeitsgang nennen wollen, ist scharf zu trennen von den Entscheidungen, die die für die Wirtschaftssteuerung zuständigen Stellen zu treffen haben. Für sie liefert der Faktenschluß nur das Material. Läßt beispielsweise die Vorausberechnung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, etwa wegen eines Rückganges der Ausfuhr, eine Rezession befürchten, so gehört es noch zur Aufgabe einer Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle, die Maßnahmen zu bezeichnen und vorauszuberechnen, mit denen ihr begegnet werden kann; denn die Maßnahmen sind ja Eingriffe in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die als solche ebenso vorausberechnet werden müssen, wie die Entwicklung selber. Jeder der möglichen Eingriffe kann sich gesamtwirtschaftsrechnerisch verschieden auswirken, z. B. ein staatliches Bauprogramm anders als eine Senkung der Einkommensteuer. Der Faktenschluß kann und wird in der Regel eine Mehrheit von Eingriffen zur Auswahl stellen. Davon geht auch das Gesetz vom 14. 8. 1963 aus; es gibt dem Sachverständigenrat auf, seinem Gutachten jeweils "verschiedene Annahmen" zugrunde zu legen und deren "unterschiedliche Wirkung" darzustellen und zu begutachten. In dieser Weise ist denn auch der Sachverständigenrat bisher verfahren. Gerade hier zeigt sich aber die Unvollkommenheit dieser Einrichtung. Die Bundesregierungen haben sich von den Gutachten wenig befriedigt gezeigt. Sie vermissen "eine zusammenfassende . .. Darstellung und Beurteilung der gegenwärtigen Wirtschaftslage ... , aus der die Bestim-
§ 24 Idee der Einrichtung einer Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle
311
mungsgründe für die künftige Entwicklung deutlicher hätten abgeleitet werden können" (Stellungnahme zum Jahresgutachten 1964). Das meiste von dem, was der Sachverständigenrat an Eingriffen (Maßnahmen) empfahl, stieß auf Ablehnung bei den Bundesregierungen, insbesondere die von ihm schon im Jahresgutachten 1967 angeratene Einführung flexibler Wechselkurse. Es haben im Grunde nur akademische Streitgespräche zwischen ihnen und dem Sachverständigenrat über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die zu ihrer Steuerung geeigneten Maßnahmen stattgefunden. Einen praktischen Nutzeffekt haben diese Dispute nicht gezeitigt. Der dem Gesetz vom 14. 8. 1963 zugrunde liegende Gedanke ist aber an sich richtig, nur bedarf er einer höheren Form der Verwirklichung, und die kann nur in der Fortentwicklung des Sachverständigenrates zu einer Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle43 und der bloßen Begutachtung zu einer verbindlichen Gesamtwirtschafts-Vorausberechnung gefunden werden. Wir stellen uns das so vor, daß die Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle in die wirtschaftspolitische Gesetzgebung und Verwaltung in der Art eingeschaltet wird wie ein Statiker in die Planung eines Bauvorhabens; wie dieser hat sie die wirtschaftliche Tragbarkeit der geplanten Maßnahmen zu prüfen und gegebenenfalls zu beanstanden. III. Ihre Funktionen wären wie folgt zu umreißen: 1. Sie erfaßt alle Daten der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der
zu ihrer Steuerung von den gesetzgebenden Körperschaften und den Verwaltungsträgern des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände ergriffenen und geplanten Maßnahmen.
2. Ihr sind zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte verpflichtet:
a) die Bundesregierung, die Bundesbank, die Regierungen der Länder sowie alle mittleren und unteren Verwaltungsbehörden, b) alle Unternehmen und Unternehmensverbände, die Gewerkschaften sowie alle Sozialpartner, c) das Bundesamt für Statistik, soweit nicht dessen Abteilung für
volkswirtschaftliche Gesamtrechnung in der Gesamtwirtschaftsrechnungsstelle aufgeht,
d) alle der Konjunkturforschung dienenden öffentlichen und privaten Institute, e) alle wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsstätten. 43 Dasselbe, die Einrichtung einer "ökometrischen Zentralstelle" , empfiehlt sogar eines seiner vier Mitglieder, Narben Kloten (erwähnt, in: "WeIt", "Das Porträt", vom 9. VI. 1969).
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H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
3. Die Bundesregierung und die Regierungen der Länder sind verpflichtet, die von ihnen aufgestellten Finanz-(Haushalts-)pläne mindestens einen Monat vor ihrer Einbringung in den gesetzgebenden Körperschaften der Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle zuzuleiten. Diese ist zur Teilnahme an den Beratungen sowohl im Bundestag und in den Länderparlamenten als auch in den zuständigen Ausschüssen berechtigt. 4. Hält die Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle eine gesetzgeberische Maßnahme zur Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung für erforderlich, so hat sie, falls die Bundesregierung oder die Regierung eines Landes die Einbringung einer entsprechenden Gesetzesvorlage ablehnt, das Recht, diese unmittelbar beim Bundestag oder Länderparlament einzubringen und bei den Beratungen im Plenum und in den zuständigen Ausschüssen zu vertreten. 5. Die Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle hat das Recht, die von der Bundesregierung, den Regierungen der Länder, sowie von den Hoheitsträgern der Gemeinden und Gemeindeverbände zur Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ergriffenen oder geplanten Maßnahmen zu beanstanden, wenn nach den von ihr angestellten Berechnungen eine Maßnahme geeignet ist, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu gefährden. Wenn die Bundesregierung oder die Regierungen der Länder und Gemeindeverbände der Beanstandung nicht abhelfen, sind sie verpflichtet, die Maßnahme dem Bundestag, dem Länderparlament oder den Stadt- und Gemeinde- und Gemeindeverbandsparlamenten zur Beschlußfassung vorzulegen. Für das Recht der Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle zur Teilnahme an den Beratungen gilt das in Ziffer 3 Satz 2 Gesagte. Durch eine solche Regelung würde die Konjunkturpolitik versachtlicht werden. Bisher ist es so, daß jeder der in sie eingeschalteten Hoheitsträger - Bundesbank, Bundesregierung, die Länderregierungen und die Gebietskörperschaften bis herunter zum kleinsten Dorf - seine eigenen Berechnungen über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die zu ihrer Steuerung erforderlichen Maßnahmen anstellt. Diese Berechnungen gehen oft weit auseinander, da jeder seine eigene Vorstellung davon hat, was "Konjunktur" und wie sie zu beeinflussen ist. Nicht nur das: die Maßnahmen, die die einzelnen Hoheitsträger jeweils treffen, insbesondere die der Bundesbank, werden häufig als "nicht konjunkturgerecht" kritisiert, und es wird versucht, ihnen mit anderen Maßnahmen zu begegnen. Dadurch wird eine ständige Unruhe in den Wirtschaftsablauf getragen. Die Einrichtung der Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle würde diese Schwierigkeiten aus dem Wege räumen. Sie brächte die Vorausberechnung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auf einen Nenner
§
24 Idee der Einrichtung einer Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle 313
und ermöglichte dadurch eine sachlich fundierte Konjunkturpolitik, ohne daß sie diese den einzelnen Hoheitsträgern aus der Hand schlägt. Ihre Funktio wäre nicht dirigistischer, sondern rein dirigometrischer Art. Auch die Entscheidungen, die der Bund, die Länder und die Gebietskörperschaften nach dem "Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" vom 8. 6. 1967 zu treffen haben, ließe sie unberührt, würde aber die wirtschafts rechnerischen Voraussetzungen dafür liefern; denn die fünf jährige (mittelfristige) Finanzplanung, auf die die Haushaltswirtschaft des Bundes und der Länder sich gründet, ist eine Darstellung des Umfanges und der Zusammensetzung der voraussichtlichen Ausgaben und ihrer Deckungsmöglichkeiten "in ihren Wechselbeziehungen zu der mutmaßlichen Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Leistungsvermögens" (§§ 9, 14), und das setzt eine Vorausberechnung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der möglichen Eingriffe in sie voraus; die "volkswirtschaftliche Gesamtrechnung" ist denn auch einer der Gegenstände des Wirtschaftsberichts, den die Bundesregierung dem Bundestag und dem Bundesrat alljährlich vorzulegen hat (§ 2 Abs. 1 Ziff. 2). Zu einer alle Daten umfassenden Vorausberechnung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wäre eine Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle freilich nur dann befähigt, wenn man sie personell und technisch entsprechend ausstattet. Ihr technisches Rüstzeug werden Computer sein müssen; denn ohne sie wird sich die Fülle der Daten, von denen die Vorausberechnung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abhängt, nicht verarbeiten lassen. Wir kommen damit an den Ausgangspunkt dieser Untersuchungsreihe zurück, die Überlegung, daß es eines Gesamtwirtschafts-Computers bedarf, um alle wirtschaftspolitischen Ziele so zu koordinieren (zu versachlichen), daß sie eine optimale gesamtwirtschaftliche Wirkung ergeben. Wir verstehen jetzt besser, wie das gemeint ist: der Computer soll und kann nicht die Entscheidung ersetzen, die die wirtschaftspolitischen Willensträger zu treffen haben, aber er kann und soll die Berechnungen liefern, deren es dafür bedarf. Diese Leistung nimmt den Entscheidungen ihren politischen Charakter und macht sie zu reinen Verwaltungsmaßnahmen. Sie trägt dadurch zur Entpolitisierung unseres Daseins bei. Der Gedanke, Politik durch reines Rechnen zu ersetzen, ist nicht neu. Hier verdient ein prophetisches Wort der Madame de Stael zitiert zu werden: "Warum sollte es eines Tages nicht möglich sein, Tabellen zusammenzustellen, die auf statistischen Ergebnissen beruhen und die Antwort auf alle Fragen politischer Natur enthalten. Die Entwicklung der Wahrscheinlichkeitsrechnung und der Statistik macht es möglich, das durchschnittliche Verhalten zu bestimmen und vorauszusagen, je größer die Masse, desto genauer die Berechnung."
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H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
Bei dieser Untersuchungsreihe ging es um die Frage nach dem leistungsgerechten Zins, und das will heißen: nach dem zuverlässigen Meßwert und der zuverlässigen Messung der abstrakten Leistung. Wir haben dabei erkannt, daß der Zins nur scheinbar die Frucht eines Spiels von Angebot und Nachfrage ist, daß er kein "Preis" ist, den man "aushandelt", sondern daß er - in der Gestalt des Diskontsatzes - normiert wird, und zwar als Produkt der volkswirtschaftlichen Gesamtwirtschaftsrechnung. Damit haben wir auch den Ansatzpunkt für die Antwort auf die Frage nach dem leistungsgerechten Lohn gewonnen.
Drittes Kapitel
Der Lohn als Produkt der volkswirtsmaftlimen
Gesamtrechnun~
§ 25 Der Lohn als Meßwert der konkreten Einzelleistung am
Individualprodukt und Mitleistung am Sozialprodukt
1. Um Antwort auf die Frage nach der Leistungsgerechtigkeit des Lohnes zu erhalten, müssen wir uns zunächst daran erinnern, was der Lohn überhaupt ist. Die herrschende Lehre bezieht ihn in ihr Konzept vom Tausch als dem Grundphänomen der Wirtschaft ein und bezeichnet ihn als den "Preis", den der wirtschaftlich Unselbständige "im Tauschverkehr" für die Überlassung seiner Arbeitskraft verlangt und erhält44 • Für uns aber ist die Wirtschaft der Umsatz der als Energie meßbaren Arbeitskraft und ist Lohn nur der Meßwert einer der Leistungen, die diesen Umsatz herbeiführen, der konkreten, d. h. der sichtbar mit der Physis der Menschen vollbrachten, genauer: er ist das Maß aller in den physischen Arbeitsvorgängen bewegten Quanten potentiellen Kapitals, demnach ebenso wie der Zins Meßwert einer kapitalistischen (wirtschaftsenergetischen) Einzelleistung.
"Lohn" ist dabei ebenso wie "Zins" im weitesten Sinn zu verstehen; es fallen darunter nicht nur die Löhne der Arbeiter, sondern auch die Gehälter der Beamten und Angestellten, aber auch die Arbeitsentgelte der freiberuflich Tätigen (der. Künstler, Ärzte, Rechtsanwälte usw.); denn darauf, ob der konkret Leistende "selbständig" oder "unselbständig" ist, kommt es nicht an. Darum liefert der Lohn den Meßwert sowohl für die konkrete Leistung dessen, der erst durch sie als Träger potentiellen Kapitals legitimiert wird (des "Arbeiters" und "Angestellten"), als auch H
eareH, a.a.O., S. 199 f.
§ 25 Lohn: Meßwert konkreter Leistung a. Individual- u. Sozialprodukt
315
dessen, der es schon vor seiner Leistung war oder sein konnte (des "Unternehmers"); auch der "Unternehmerlohn" ist echter Lohn, nur findet hier keine Legitimierung durch Zahlung statt, vielmehr bildet, da das von ihm getragene Quantum potentiellen Kapitals sich durch die feld interne Konzentration in kinetisches verwandelt und diese Erscheinungsform bis zur feldexternen Konzentration beibehält, der "Unternehmerlohn" lediglich einen Posten in der Kalkulation des Preises. Der Unternehmerlohn ist ein im Preis versteckter Lohn. Gegenstand der Messung durch den Lohn ist daher nur die konkrete Einzelleistung der" Unselbständigen". Nur mit ihr haben wir es in diesem Abschnitt zu tun. 11. Wie jede wirtschaftliche Einzelleistung, so steht auch die konkrete in einem Spannungsverhältnis zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung. Das tritt bei ihr und damit bei der Bemessung des Lohnes besonders deutlich hervor. Gerade hier erweist sich die Richtigkeit des Satzes, daß "das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile"; denn die Höhe des Lohnes bestimmt sich nicht nur nach dem, was der Einzelne absolut leistet, sondern auch nach der Relation, in der seine Leistung zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung steht. Nirgends so wie hier bestätigt es sich aber auch, daß die konkrete Einzelleistung nicht einfach als ein unselbständiger Bestandteil der Gesamtleistung genommen werden kann, sondern daß sie als deren "Teil" eine selbständige Größe abgibt. Die Schwierigkeit liegt darin, beide Größen miteinander in Einklang zu bringen. Sie rührt daher, daß die konkrete Einzelleistung, auch wenn sie absolut unverändert bleibt, sich in der Relation zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung verändern kann, und zwar als Folge des Wachstums der Wirtschaft. Mit der Frage nach der Höhe des (absoluten) Lohnes ist daher stets zugleich die nach der Lohnzuwachsrate gestellt. Freilich setzt der "Zuwachs" zunächst einen "Lohn", d. h. einen absoluten Meßwert für die konkrete Einzelleistung voraus. Er kann durch generelle oder spezielle Messung ermittelt werden. Generelle Meßwerte sind es, die uns in den Besoldungsordnungen der staatlichen und kommunalen Beamten45 , in den Tarifen der Arbeiter und Angestellten begegnen. Man kann sie als die normierten Löhne bezeichnen. An ihnen orientieren sich auch die am "Arbeitsmarkt" ausgehandelten, die sogenannten "effektiven" Löhne. Worauf es aber entscheidend ankommt, ist, daß sie ein richtiges Maß für die jeweilige konkrete Einzelleistung abgeben. Von deren richtiger 45 In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden die Beamtengehälter allerdings nicht den Löhnen zugerechnet, überhaupt erscheinen sie nicht in der Nettosozialprodukts-Verteilungsrechnung, sondern in der SozialproduktsVerwendungsrechnung, und zwar als ein Teilposten "Personalausgaben" des Postens "Staatsverbrauch". Der Sache nach haben wir es aber auch bei ihnen mit Löhnen zu tun.
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H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
Messung hängt es ab, ob der jeweils zugemessene Lohn leistungsgerecht ist. Er ist es dann, wenn er in einem richtigen Verhältnis zur jeweiligen volkswirtschaftlichen Gesamtleistung steht. 1. Daß eine Beziehung zwischen der konkreten Arbeitsleistung des Einzelnen und der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung besteht, erkennt auch die herrschende Lehre an. Nach ihr bestimmt die Lohnhöhe sich nicht allein nach dem "Arbeitsaufwand", den der Einzelne als "produktiven Beitrag", d. h. als "Anteil am Produkt" leistet, vielmehr hängt sie "vom Ganzen der Volkswirtschaft", d. h. von deren Produktionsbedingungen (ihrer Ausstattung mit Boden und Kapitalgütern) ab. Carell 46 nennt als Beispiel die unterschiedliche Entlohnung, die - bei gleichem Arbeitsaufwand - ein Maurer in Schweden, Jugoslawien, Ungarn und Rumänien erhält.
Wir stellen, indem wir vom Kapitalbegriff und der Kapital-ArbeitGleichung ausgehen, diese Relation in einen anderen Denkzusammenhang und gelangen dadurch zu anderen Schlußfolgerungen. Für uns stehen "Arbeitsaufwand", "Boden" und "Kapitalgüter" nicht isoliert nebeneinander, für uns sind sie nur verschiedene Erscheinungsformen wirtschaftlicher Energie. Dadurch erlangt der von uns verwendete Begriff der konkreten Leistung einen anderen Inhalt als der herkömmliche des Arbeitsaufwands. Wir haben aufgezeigt, daß sich in jeder konkreten, d. h. jeder physischen Leistung eine abstrakte verbirgt und daß der auf sie entfallende Teil des Lohnes ein versteckter Zins ist. Das Spannungsmodell sagt uns, daß dieser Anteil sich in dem Maße vergrößert, in dem das Sozialprodukt wächst. Wir finden das durch die Beobachtung bestätigt, daß die physische Leistung mehr und mehr hinter der technischen zurücktritt, die konkrete Arbeitsleistung sich dadurch vereinfacht und zeitlich abkürzt, daß sie aber dennoch in gleicher Höhe, ja sogar höher entlohnt wird als früher. Das bedeutet, daß die Arbeitsleistung des Einzelnen sich in zunehmendem Maße abstrahiert und in dieser Abstraktion kollektiviert. Dieser Vorgang ist nur verständlich, wenn man das, was die herrschende Lehre den "Arbeitsaufwand" nennt, als Bewegung von Quanten wirtschaftlicher Energie auffaßt und annimmt, daß jede konkrete Leistung zugleich eine mit dem "Boden" und den "Kapitalgütern" vollführte abstrakte Leistung ist, und zwar als Teil einer alle konkreten und abstrakten Leistungen umfassenden Gesamtleistung. Demnach ist jede Einzelleistung am Individualprodukt zugleich eine Mitleistung am Sozialprodukt; erst aus der Relation zwischen beiden erwächst das Maß für die konkrete Leistung, der Lohn. Die gleiche Einzelleistung kann in verschiedenen Wirtschaftsgebieten unterschiedlich bemessen werden, weil die Gesamtleistung verschieden groß ist. Nur so erklärt sich die 46
a.a.O., S. 200 f., 207.
§ 25 Lohn: Meßwert konkreter Leistung a. Individual- u. Sozialprodukt 317
unterschiedliche Entlohnung der gleichen Arbeitsleistung in dem einen und dem anderen der zum Vergleich herangezogenen Staaten. Aber auch innerhalb eines Wirtschaftsgebietes (Staates) ist der Doppelcharakter, der jeder wirtschaftlichen Leistung innewohnt, von entscheidender Bedeutung für ihre Bemessung; denn wenn bei gleichbleibender Einzelleistung die Gesamtleistung wächst, dann muß es zu einer Spannung kommen. Der Lohn als der Meßwert der konkreten Leistung kann daher nur das Ergebnis einer Rechnung mit zwei Größen sein: der Einzelleistung (Individualleistung) und der Gesamtleistung (Sozialleistung). 2. Die herrschende Lehre verkennt auch nicht, daß die Bemessung des Lohnes unlösbar mit der Frage verknüpft ist, in welchem Maße er eine Erhöhung erfährt. Nach der Definition von Care1l 47 soll der "Lohnpreis ... dem produktiven Beitrag der Arbeit" entsprechen und daher festzustellen sein, "welcher Zuwachs an Produkt (bzw. Produktmenge) sich ... ergibt", d. h. "was die Verwendung eines zusätzlichen Arbeitstages ... an Produktzuwachs (Zuwachs an Produktmenge) einbringt". Indessen ist es damit für die Bemessung der Lohnhöhe nicht getan. Der normierte Lohn, der - in Gestalt von Tariflöhnen, Besoldungsordnungen usw. - heute die Regel ist, wird unabhängig von dem "Zuwachs", den die mit ihm gemessene Leistung für das einzelne Produkt erbringt, gezahlt. Der gleiche Tariflohn kann für ein einzelnes Produkt richtig, für ein anderes falsch sein. Wohl aber schlägt die Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts sich im Lohn nieder. Fehl dagegen geht der Versuch, die Lohnzuwachsrate aus der Produktivitätsrate abzuleiten. Unter "Produktivität" versteht man das Maß, in dem das reale Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigenstunde wächst48 . Die Produktivitätsrate errechnet sich aus der realen Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts zu Marktpreisen, und zwar indem dieses um die vom Ausland bezogenen Erwerbs- und Vermögenseinkommen inländischer Institutionen gekürzt und das so ermittelte "Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen" in die Anzahl der für seine Herstellung aufgewandten Arbeitsstunden umgerechnet wird. Man spricht statt von Produktivität auch von "Arbeitsproduktivität" - im Gegensatz zu "Kapitalproduktivität"49. Das bedeutet aber nicht, daß die "Arbeitsproduktivitätsrate" lediglich die an die Produktion gewendete menschliche Arbeitskraft, wir sagen: die konkreten Leistungen erfassen würde; vielmehr dient sie lediglich als Bezugsgröße für den Ertrag der Produktion50 und hängt 47
48
a.a.O., S. 20l. Jahresgutachten des Sachverständigenrates 1965 Tz. 79, 1966 Tz. 80, 1967
Tz. 76. 49 Jahresgutachten des Sachverständigenrates 1968 Tz. 46, 51; 1969 Tz. 53. 50 Esenwein-Rothe, Ingeborg: Wirtschaftsstatistik, S. 217.
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Ir. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preis theorie
somit nicht allein von den durch den Lohn gemessenen konkreten, sondern auch von den durch Zins und Preis gemessenen abstrakten und gebündelten Leistungen ab. Mit dem Wert, den die Produktivitätsrate liefert, weiß man daher nur, was alle an der Produktion Beteiligten in einer Stunde geleistet haben, aber man erfährt damit nichts über den Anteil, den die konkret Leistenden zur Produktion beigetragen haben, also auch nichts über den Lohnanteil der Produktion. Der muß in eine Relation zum Anteil der anderen wirtschaftlichen Leistungen gebracht werden, und daraus kann es sich ergeben und ergibt es sich erfahrungsgemäß, daß der Hundertsatz der Lohnzuwachsrate sich mit dem der Produktivitätsrate nicht deckt, ihn vielmehr gewöhnlich überschreitet51 • Es ist daher ein aussichtsloses Beginnen, aus der Produktivitätsrate eine "LohnleiUinie" zu entwickeln, wie der Sachverständigenrat das in seinem Jahresgutachten 1966 (Ziffer 244, 290, 294) unternommen hat. Die "Lohnleitlinie" soll das Ergebnis einer Gleichung zwischen der "Produktivitäts- und der Lohnzuwachsrate" sein: die "Nominallöhne" sollen "nicht stärker erhöht werden als um den Hundertsatz, um den sich in der Gesamtwirtschaft das Produktionsergebnis je Stunde ... erhöht" (Jahresgutachten 1964 Ziffer 248 b); er muß diese Gleichung aber sofort einschränken: sie soll nur "dem Grundsatz nach im Durchschnitt" Geltung haben. Was aber hiernach Ausnahme sein müßte, bildet in Wahrheit die Regel. Eine der vermeintlichen Ausnahmen ist der "Anstieg des internationalen Preisniveaus"; ihn berücksichtigt der Sachverständigenrat durch einen Zuschlag zur "Lohnleitlinie". So dürfte diese, wenn sie der Produktivitätsrate entsprechen soll, für das Jahr 1967 nur 4 % betragen; der Sachverständigenrat erhöht sie aber um den "Anstieg des internationalen Preisniveaus" von 2 bis 3 Ofo und gelangt so zu einer "Basis-Leitlinie" von 6 bis 7 Ofo (Jahresgutachten 1966 Ziffer 290). Als eine Ausnahme von seinem "Grundsatz" will er diesen Zuschlag von 2 bis 3 Ofo deshalb angesehen wissen, weil er es für möglich und erstrebenswert hält, das bundesdeutsche Wirtschaftsgebiet gleichsam als eine Insel der Stabilität durch Fixierung eines Normal-Swapsatzes von 2,5 Ofo "gegenüber einem internationalen Preisniveauanstieg von 2 bis 3 Ofo abzuschirmen" (a.a.O., Ziffer 268, 270). Wir lassen dahingestellt, ob der internationale Preisniveauanstieg sich durch eine solche Swapsatz-Politik überhaupt vom bundesdeutschen Wirtschaftsgebiet fernhalten läßt, der nationale Preisniveauanstieg bleibt hiervon unberührt, und der ist ein mit der Inkongruenz der Bedarfsdeckung gegebenes Faktum und damit ein nicht wegzudenkender Faktor der Lohnbemessung. Man kann ihn auch nicht einfach der Produktivitätsrate mit dem Preisindex für die Lebenshaltung zuschlagen, vielmehr muß man auch hier das Verhältnis bestimmen, in dem die durch den Lohn gemessene Leistung zu den anderen wirtschaftlichen Leistungen steht, und in dieser Relation die Rate des (nationalen und internationalen) Preisniveauanstiegs auf die verschiedenen Leistungsarten verteilen. "Lohnleitlinie" könnte die Produktivitätsrate also nie für sich allein, sondern stets nur in Verbindung mit der Preisanstiegsrate "Basis-Lohnleitlinie" sein. Sie kann daher nicht in eine Gleichung zur Lohnzuwachsrate gebracht werden. 51 So betrug im Durchschnitt der Jahre 1955 - 1965 die nominale Lohnzuwachsrate 11,2 Ofo, die nominale Produktivitätsrate hingegen 4,4 + 3,6 = 8 Ofo (Jahresgutachten des Sachverständigenrates 1967, Tab. 33 und 35).
§ 25 Lohn: Meßwert konkreter Leistung a. Individual- u. Sozialprodukt
319
Keine Ausnahme von dem "Grundsatz", sondern die Regel ist es auch, daß "für Lohnerhöhungen ein zusätzlicher Spielraum über den Fortschritt der gesamtwirtschaftZichen Produktivität hinaus gegeben (ist), ohne daß das Kostenniveau steigt" (Jahresgutachten 1964 Ziffer 248 b). Zumindest gilt dies von einem der drei Beispiele, die der Sachverständige dafür anführt: der Abnahme des "Anteils der Kapitalkosten an den Gesamtkosten" durch "kapitalsparenden technischen Fortschritt". Wie der (nationale und internationale) Preisniveauanstieg so ist auch er ein mit der Inkongruenz der Bedarfsdeckung gegebenes Faktum. Aus ihm erwächst ja gerade jene Spannung zwischen Gesamtleistung und Einzelleistung, die des Ausgleichs durch Erhöhung aller Meßwerte, insbesondere des Lohnes bedarf. Wir konnten das am Spannungsmodell ablesen. Die Erhöhung des Lohnes bei verminderter konkreter Leistung ist die natürliche Folge des technischen Fortschritts und da dieser anhält, ein nicht bloß exceptioneller Faktor der Lohnzuwachsrate. Seine Bedeutung nimmt sogar in dem Maße zu, in dem die Technik sich zur Automation hin entwickelt. Das wird nach den Berechnungen von Polak52 dazu führen, daß im Jahre 2000 die Arbeitszeit bis auf 20 Stunden verkürzt, Urlaub bis zu einem halben Jahr gewährt, die Schulzeit verlängert und die Pensionsgrenze herabgesetzt sein wird. Mag das auch übertrieben sein, so ist doch soviel sicher, daß die je Erwerbstätigenstunde vollbrachte Leistung mit fortschreitender Technik nur noch zum geringen Teil konkreter (physischer) Art, dennoch aber höher entlohnt sein wird; das bedeutet, daß ein sich ständig vergrößernder "Spielraum" für eine kostenniveauneutrale überschreitung der Produktivitätsrate entsteht. Die Produktivitätsrate müßte daher, soll sie als "Lohnleitlinie" dienen, stets nicht nur um den "Anstieg des internationalen Preisniveaus", sondern auch noch um einen Satz für den "technischen Fortschritt" erhöht werden; erst dieser doppelte Zuschlag würde sie zu einer "Basis-Lohnleitlinie" machen. Da jedoch die durch den Lohn gemessene (konkrete) Leistung nicht die einzige ist, die am "technischen Fortschritt" Anteil hat, müßte innerhalb des "Spielraumes" der Punkt berechnet werden können, bis zu dem der Lohn sich kostenniveau-neutral soll erhöhen dürfen, und hier scheitert der Versuch, die Lohnzuwachsrate durch eine an die Produktivitätsrate geknüpfte "Lohnleitlinie" zu bestimmen. Es kommt nämlich darauf an, die durch den technischen Fortschritt erzielte Kapitalersparnis zu berechnen und in eine Relation zur Lohnzuwachsrate zu bringen. Diese Ersparnis liegt in der Abnahme des "Anteils der Kapitalkosten an den Gesamtkosten". Aber das ist nur der negativ-rechnerische Reflex einer positiv-wirtschaftlichen Leistung, die das Kapital vollbringt: daß es "erspart" wird, bedeutet, daß es seine Leistung steigert. Wenn beispielsweise 10 konventionelle Maschinen durch einen " Automaten " ersetzt werden, weil das in ihm investierte Kapital weniger an Zinsen und Abschreibungen erfordert als das in den 10 Maschinen steckende und weil sich durch ihn 9 Arbeitskräfte einsparen lassen, so wird mit weniger Kapital mehr geleistet, es tritt eine Kapitalleistungssteigerung ein. Nach der Kapital-Arbeit-Gleichung heißt das, daß der technische Fortschritt die wirtschaftliche Arbeitsleistung steigert, obwohl die physische sich verringert. An dieser Arbeitsleistungssteige52
Polak, Fred: Computer machen noch keine Automation, in: "Welt" vom
18.11.1966.
320
II. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
rung sind aber nicht nur die Hersteller des "Automaten", ist auch nicht nur der eine Arbeiter, der ihn bedient, beteiligt, vielmehr haben an ihr alle Anteil, die den "technischen Fortschritt" unmittelbar oder mittelbar herbeigeführt haben. Es ist dies nicht ein (gar nicht bestimmbarer) Teil ihrer Individualleistung am Einzelprodukt (im Beispielsfall: dem Automaten), sondern ihrer Mitleistung am Sozialprodukt. Mit anderen Worten: die Kapitalleistungssteigerung wirkt sich auf die - mit der Summe der Einzelleistungen nicht identische - Gesamtleistung aus, so daß der Anteil des Einzelnen an der durch den technischen Fortschritt erzielten Abnahme der Kapitalkosten nur aus dem Verhältnis errechnet werden kann, in dem die Gesamtleistung zur Einzelleistung steht. Dasselbe gilt für alle sonstigen Faktoren, die den Anteil der Kapitalkosten an den Gesamtkosten verändern und eine kostenniveau-neutrale Lohnerhöhung gestatten, z. B. für den Fall, daß das Zinsniveau infolge Kapitalreichtums absinkt, oder daß die "Terms of Trade", d. h. die Indices der Durchschnittswerte von Export und Import, sich zugunsten der bundesdeutschen Wirtschaft verbessern (Jahresgutachten 1964 Ziffer 37 und 248 b). Man kann aber die Steigerung einer Leistung nicht nach einer anderen Methode berechnen als die Leistung selber. Wenn es also zur Berechnung der Kapitalleistungssteigerung gleich Arbeitsleistungssteigerung erforderlich ist, das Verhältnis zwischen Gesamtleistung und Einzelleistung zu bestimmen, so muß diese Methode auch bei der Berechnung der Arbeitsleistung selber angewendet werden. Das bedeutet, daß die Lohnzuwachsrate nicht bloß, soweit sie auf der Abnahme von Kapitalkosten beruht (in dem "Spielraum" jenseits der Produktivitätsrate), sondern überhaupt nur aus dem Verhältnis ermittelt werden, in dem die Gesamtleistung zur Einzelleistung steht, demnach nur aus der Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts.
§ 26 Die Bemessung der Lohnzuwachsrate
Zunächst muß dafür eine Rechnungsgrundlage geschaffen, ein "Grundlohn" ermittelt werden. Das geschieht heute durch analytische Arbeitsbewertung, d. h. in der Weise, daß jeder Arbeitsplatz nach Anforderungsarten aufgegliedert wird; das Ergebnis dieser Analyse sind die Besoldungsordnungen und Tarifverträge mit ihrer Fülle von Gruppen und Untergruppen. Diese objektbezogene Bewertung des Arbeitsplatzes schließt es jedoch nicht aus, auch die persönliche Leistung in die Analyse einzubeziehen; das führt dann zu einer "außertariflichen" Lohnbemessung.
§ 26 Die Bemessung der Lohnzuwachsrate
321
Die so normierten Löhne und Gehälter erfahren dann Änderungen in dem Verhältnis, in dem das Bruttosozialprodukt wächst. Das ist nicht so zu verstehen, daß sie automatisch mit dem Hundertsatz der Wachstumsrate "anzuheben" wären, vielmehr liefert die Wachstumsrate lediglich die ~asis für die Errechnung der Lohnzuwachsrate, und zwar gelangt man zu ihr durch Zwischenberechnung des Volkseinkommens, d. h. des Einkommens, das die Gesamtheit aller in einem Wirtschaftsgebiet (Staat) konkret und abstrakt Leistenden erzielt, und dessen Verteilung auf "Selbständige" und "Unselbständige". Der Begriff des Einkommens, auf den wir hier stoßen, bedarf einer kurzen Erläuterung. Man kann ihn nicht einfach als Multiplikation des Lohnes (der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden mit dem Lohnsatz) ansehen 53 • Das träfe allenfalls für das Brutto-Lohneinkommen zu, aber schon nicht mehr für das Netto-Lohneinkommen und erst recht nicht für das Zinseinkommen und das durch den Preis (für Sachgüter) erzielte Einkommen des Unternehmers. Das Einkommen steht freilich in einer Beziehung zu den Begriffen des Lohnes, Zinses und Preises, aber es ist nicht die einer bloßen Multiplikation, sondern die eines Meßwertes zu einem anderen. Lohn, Zins und Preis sind die Meßwerte der wirtschaftlichen Einzelleistungen, Einkommen ist der Meßwert des Ergebnisses dieser Leistungen. Daß das richtig und das Einkommen nicht eine bloße Multiplikation der Einzelleistungs-Meßwerte ist, zeigt sich gerade beim Lohn; denn das aus ihm gebildete Einkommen errechnet sich nicht nur aus der Einzelleistung am Individualprodukt, sondern auch aus der Mitleistung am Sozialprodukt; insoweit ist es Teil des Volkseinkommens und kann als solcher nicht durch bloße Multiplikation der Individualarbeitsleistung, sondern nur als Produkt der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermittelt werden. Was für den Lohn gilt, gilt aber auch für den Zins und den Preis. Auch das aus ihnen entspringende Einkommen ist der Meßwert für das Ergebnis der durch sie gemessenen Einzelleistungen; denn auch sie sind zugleich Mitleistungen am Sozialprodukt. Es kann daher auch nur einen einheitlichen Einkommensbegriff geben, der sowohl im mikro- als auch im makroökonomischen Bezugssystem Geltung hat; Einkommen kann nur der Meßwert des Ergebnisses aller wirtschaftlichen Einzelleistungen sein. Dabei müßte man nach der Art der wirtschaftlichen Einzelleistungen drei solcher Meßwerte unterscheiden: das Lohneinkommen, das Zinseinkommen und das Preiseinkommen. In der gesamtwirtschaftlichen Rechnung faßt man aber die beiden letzteren als "Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen" zusammen und stellt diesem das "Einkommen aus unselbständiger Arbeit" gegenüber. Letzteres bildet einen Teil des "Volkseinkommens" und dieses einen Teil des Bruttosozialprodukts, so daß der Satz, der bei der "Verteilung" 53
21
So eareU, a.a.O., S. 200.
Eckelt
322
11. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
des "Volkseinkommens" auf die "Unselbständigen" entfällt, das Verhältnis ausdrückt, in dem die Lohnzuwachsrate zur Wachstumsrate (Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts) steht. Von dieser her gelangt man zur Lohnzuwachsrate durch die Differenz- und Verteilungsreihe: Bruttosozialprodukt ./. Abschreibungen Nettosozialprodukt zu Marktpreisen ./. indirekte Steuern abzgl. Subventionen Nettosozialprodukt zu Faktorkosten (Volkseinkommen)
Einkommen aus unselbständiger Arbeit 54
Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen
Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer (Durchschnitt der effektiven Löhne und Gehälter) Zahlen für diese Reihe können nur aus der Erfahrung gewonnen werden, und zwar aus dem Durchschnitt, mit dem sie in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung eines entsprechend bemessenen Zeitraums erscheinen. Als solcher bietet sich die Spanne zwischen den Jahren 1954 und 1967 an, da sie verschiedene Grade des Konjunkturauf- und abschwungs umfaßt und sich daher in besonderem Maße für eine Durchschnittsrechnung eignet. Wir legen ihr die Tabellen 26, 27, 28, 60, 61 und 62 des Anhangs zum Jahresgutachten 1968 des Sachverständigenrates zugrunde. Sie ergeben in Mililarden DM und Prozenten: Die Lohnzuwachsrate geht auf keine anderen als die in dieser Tabelle wiedergegebenen Posten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zurück, insbesondere nicht auf die "Produktivitätsrate" und auch nicht auf die "Lohnquote" . Daß und weshalb die erstere auszuscheiden hat, haben wir bereits dargetan. Unter der "Lohnquote" versteht man den in einem Hundertsatz ausgedrückten Anteil des Bruttoeinkommens aus unselbständiger Arbeit am Volkseinkommen. Zwar stieg auch er von 59,4 Ofo 54 Dieser Posten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung umfaßt außer den Bruttolöhnen und -gehältern auch die Arbeitgeberbeiträge zu öffentlichen Einrichtungen der sozialen Sicherung der Arbeitnehmer; diese muß man aber bei der Ermittlung der Lohnzuwachsrate ausscheiden und es auf die effektiven Löhne und Gehälter abstellen.
•
~
157,90
%
121,08 216,92
Nominales Volkseinkommen %
71,87 m~
I
!
Gesamtdurchschnitt 1954-1964
Durchschnitt
1'
26,73
10,9
9
483,90 1 --------187,10 63
296,80
1960
1967 1------Zuwachs
20,30
Durchschnitt
279,80
18,61
10,7
i 8,2
~-----I
362,05 --------------132,25 I 57,5
229,80
85,3 ~
74,12
19,5
I
--------1----
I
114,4!
94,9
4616
- ---
11 491
6875
4 501 6~
12,95
12,9
10,581
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10,9
I 9,80
659
68
9,-
6,9
9,7 I 6,92
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I- Lohn· Brutt oemkommen aus zuwachsunselbstänrate diger Arbeit __ _ _ ____ ~ je durch% I schnittlich % beschäftigt. nomi- real Arbeitn. nal
--~---- ~----------- ----
103,60
243,37
139,77
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1954 1960
Nominales Bruttosozialprodukt
Preisindex Einkommen für die % aus unselb- InomiLebensständiger nal haltung Arbeit i %
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324
H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
im Jahre 1954 auf 66,9 % im Jahre 1967 an55 , das will aber für die Lohnzuwachsrate ebensowenig besagen wie die Höhe des Anteils an einem Aktienkapital für die Bemessung der Dividende; daher kann "eine Einkommensdiskussion nicht von den Quoten der Einkommensverteilung ausgehen"56. Grundlage für die Berechnung der Lohnzuwachsrate kann vielmehr nur die Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts (die Wachstumsrate) sein, und dafür ergibt unsere Tabelle, daß im Durchschnitt der Jahre 1954 bis 1967 die Lohnzuwachsrate 82,6 % der Wachstumsrate betrug.
§ 27 Die optimale Lohnzuwachsrate
I. Der Satz von 9 Ufo nominal = 6,9 Ufo real, den wir als durchschnittliche Lohnzuwachsrate der Jahre 1954 bis 1967 errechnet haben, ist noch nicht der optimale Satz, den wir für eine Vorausberechnung der konjunkturellen Entwicklung, genauer: der monetären, quasimonetären und außermonetären Maßnahmen zur Steuerung der Konjunktur, benötigen. Dieser Satz muß so bemessen sein, daß er die beiden Möglichkeiten eines Anstiegs oder eines Absinkens der Konjunktur offenläßt, demnach das Produkt einer Grenz- und Mittelwertrechnung, bei der der gewonnene Erfahrungssatz eine Rolle nur in seiner Relation zur Wachstumsrate spielt. Von deren Optimum ist er abzuleiten, also dem Satz von 7,2 Ufo jährlich. 82,6 Ufo davon ergeben 5,9470/0, aufgerundet somit einen Satz von 6 Ufo als optimale Lohnzuwachsrate. Dieser Wert stimmt mit dem überein, den der Sachverständigenrat in Tz 193 seines Jahresgutachtens 1965 als "Stabilisierungsnorm" und in Tz. 291 des Jahresgutachtens 1966 als "Basis-Leitlinie" für Lohnerhöhungen errechnet hat. Das Ergebnis seiner Untersuchungen ist also richtig, verfehlt aber die Begründung, die er liefert, ist vor allem sein Bemühen, die Lohnzuwachsrate im Blickwinkel der "Stabilität" zu sehen. Ungewollt zerstört er damit die "Geldwert-Illusion"; denn was nach seiner "Norm" stabil sein soll, ist nicht der Lohn, sondern dessen Zuwachsrate; wenn aber der Lohn sich soll erhöhen dürfen, dann kann der Preis nicht unverändert bleiben, kann es keine "Stabilität" (der Preise) geben. Seine "Stabilisierungsnorm" ist nichts anderes als unsere optimale Lohnzuwachsrate. lI. Fragen kann sich nur, wie sich Lohn- und Preiszuwachs zueinander verhalten, genauer: wie sich die Geldmeßwertdifferenz auf die Lohnzu55
56
Jahresgutachten des Sachverständigenrates 1967, Tab. 84, 1969, Tab. 31. Jahresgutachten 1967 Tz. 98.
§ 27 Die optimale Lohnzuwachsrate
325
wachsrate auswirkt. Das führt zu der Unterscheidung zwischen Lohnspannungs- und Lohnüberschußrate und der Frage ihres rechnerischen Verhältnisses innerhalb der optimalen Lohnzuwachsrate. Es bestimmt sich nach der Wirtschaftsenergiekonstante von 3,6 % jährlich als der einzigen festen Größe, die es gibt. Wir haben diesen Satz als die obere Grenze der Spannungsrate, als einen der Bestandteile der Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts (Wachstumsrate) genommen, weil bis zu ihm der Preisindex des Bruttosozialprodukts im Durchschnitt der Jahre 1955 bis 1965 angestiegen war. Im ganzen von uns erfaßten Zeitraum der Jahre 1954. bis 1967 betrug der Preisindex des Bruttosozialprodukts 3,4 %57. Als Meßwert der Lohnspannungsrate wählen wir hingegen den Preisindex für die Lebenshaltung, weil das Einkommen der Unselbständigen vorwiegend verbrauchsbestimmt ist; überdies folgen wir damit der allgemeinen Praxis. Dieser Index liegt mit 2,19 % unter dem des Bruttosozialprodukts von 3,4 %, beträgt also 64,4 Ofo des letzteren, so daß bei dieser Berechnung die Lohnspannungsrate 2,32 % ausmachen würde. Wir müssen sie aber höher, und zwar mit 3 0/0, ansetzen; denn der Preisindex lag bereits im Durchschnitt der Jahre 1960 bis 1967 mit 2,78 % über dem der Jahre 1954 bis 1960 von 1,6 % und zeigte von 1963 ab eine steigende Tendenz, die lediglich durch die Rezession und deren Folgen in den Jahren 1967 und 1968 unterbrochen wurde, nämlich 58 : 1963 3 % 1964 2,4 Ofo 1965 3,6 % 1966 3,8 Ofo 1967 1,6 Ofo 1968 1,7 Ofo Der Durchschnitt liegt bei 2,7 %, ohne die Jahre 1967/68 bei 3,2 %, so daß wir das Richtige treffen, wenn wir die optimale Lohnspannungsrate mit 3 010, die optimale Lohnüberschußrate demzufolge ebenfalls mit 3 010, nämlich der Differenz zwischen jener und dem Satz von 6 Ofo der optimalen Lohnzuwachsrate, ansetzen. Wir gelangen so zu dem gleichen Verhältnis von 1 : 1 der beiden Raten wie bei der Wachstumsrate. Darin spiegelt sich auch hier der volkswirtschaftliche Doppeleffekt, der sich als Folge der "Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter" einstellt: der Kreis der wirtschaftlichen Einzelleistungen erweitert sich um "neue" Sachgüter; dadurch wächst die volkswirtschaftliche Gesamtleistung, und dadurch steigern sich wiederum auch die auf die Produktion der "alten" Sachgüter gerichteten wirtschaftlichen Einzelleistungen. Daraus können wir auch hier ableiten, daß auch die 57 58
Jahresgutachten des Sachverständigenrates 1968, Tab. 54. Jahresgutachten des Sachverständigenrates 1969, Tab. 67.
326
H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
Lohnspannungsrate eine echte Zuwachsrate ist; allerdings kann sie nur als Folge einer überschußrate entstehen. Freilich gleichen die effektiven Raten sich nicht immer. Innerhalb der optimalen Lohnzuwachsrate bezeichnet ja die Lohnspannungsrate nur einen oberen und die Lohnüberschußrate nur einen unteren Grenzwert. "Optimal" ist hier so wenig wie sonst gleichbedeutend mit "maximal" und "minimal". Insbesondere kann der effektive Satz der Lohnspannungsrate unter dem optimalen und der effektive Satz der Lohnüberschußrate über dem optimalen ilegen, aber nach den optimalen Sätzen entscheidet es sich, ob die effektive Lohnzuwachsrate leistungsgerecht ist; denn um das zu sein, muß sie sich in ein rechnerisches Verhältnis zur optimalen Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts bringen und daher wie diese an der Wirtschaftsenergiekonstante orientieren lassen. Erkennt man das konstante Wachsen des Lohnes als Folge des konstanten Wachstums der Wirtschaft und dieses als Folge der Inkongruenz der Bedarfsdeckung an, dann gelangt man zu einer anderen Art des wirtscha{tlichen Rechnens. Die "Geldwert-Illusion" hat dazu geführt, zwischen "Nominallohn" und "Reallohn" zu unterscheiden. Man arbeitet dabei mit einem Kunstgriff, indem man das Preisniveau eines bestimmten Zeitpunktes, z. B. des 1. Januar 1954, als das normale anspricht, ihm das Preisniveau eines anderen Zeitpunktes, z. B. des 1. Januar 1965, gegenüberstellt und die beiden Preisniveaus in Beziehung bringt zum jeweiligen Lohnniveau. So gelangt man zu der Unterscheidung zwischen den "nominalen" Löhnen beispielsweise des 1. Januar 1965 und den "in den Preisen von 1954" ausgedrückten "realen". Diese Rechnungsweise ist jedoch denkbar unrealistisch; denn bei ihr wird willkürlich irgend ein Zeitpunkt herausgegriffen, obwohl er für die Preisentwicklung nichts besagt, da das Preisniveau des gewählten Zeitpunktes sich ja seinerseits von dem früherer Zeitpunkte in der gleichen Weise unterscheidet wie das späterer Zeitpunkte von ihm. Richtig rechnet man nur, wenn man in zeitlich unbegrenzter Folge den Hundertsatz der jeweiligen Zuwachsraten ermittelt und in Beziehung setzt zu den aus der Wirtschaftsenergiekonstante abgeleiteten optimalen Teilraten und diese wiederum zu den effektiven Teilraten, hier also zu der effektiven Lohnspannungs- und der effektiven Lohnüberschußrate. In dem von uns gewählten Zeitraum der Jahre 1954 bis 1967 haben wir daher gegenüberzustellen: effektiv
+
optimal
Lohnspannungsrate .. . . . . . .. . .... . ........ . Lohnüberschußrate .. ... ..... .. ..... . ....... .
2,19 6,81
%
3%
Lohnzuwachsrate .... . ..... . .............. .. .
9,00 %
60fa
%
3%
327
§ 27 Die optimale Lohnzuwachsrate
Eine solche Gegenüberstellung ermöglicht auch ohne Nominal-RealRechnung eine Analyse der konjunkturellen Entwicklung. Deren günstigen Verlauf zeigt sie an, wenn die Lohnspannungsrate unter, die Lohnüberschußrate über ihrem optimalen Grenzwert liegt. Auf eine Verschlechterung der konjunkturellen Lage deutet es, wenn die beiden Raten sich ihren Grenzwerten nähern. Fehlt es gänzlich an einer Lohnüberschußrate, so zeigt die sich im Preisindex ausdrückende Geldmeßwertdifferenz keine Spannungs-, sondern eine Inflationsrate an. Mit Hilfe der Optimalrechnung ist es daher möglich, die Inflation gegen die normale Spannung, den echten gegen den vermeintlichen "Geldwertschwund" abz~grenzen.
H. In der Nominal-Real-Rechnung nimmt sich dieser wie ein übel aus, das es zu vermeiden gilt. Diese Vorstellung beherrscht insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland das volkswirtschaftliche Denken, wohl eine Folge des Traumas, das hier aus der Erfahrung von zwei Währungsschnitten auf dem Bewußtsein lastet. Das kann aber dazu führen und hat schon dazu geführt, daß wir den Anschluß an die Länder verpassen, die nicht oder weniger von der "Geldwert-Illusion" befallen sind, und das sind gerade die bedeutendsten Industrieländer. In dem Zeitraum von 1964 bis zum 1. Halbjahr 1969 sind die Verbraucherpreise gestiegen59 : in
Bundesrepublik Deutschland
Belgien
Frankreich
um
15 0/ 0
23 0/0
22 0/0
in um
Schweden 25 Ofo
GroßItalien Niederlande britannien 21
0/0
34 0/0
26 Ofo
Schweiz
USA
Kanada
Japan
210f0
18 Ofo
20 Ofo
32 0 / 0
Der Versuch, ein "überschwappen" der vermeintlichen "Inflation" aus den anderen Ländern in die Bundesrepublik Deutschland zu verhindern, löste im November 1969 eine Maßnahme aus, deren Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit sehr umstritten und deren Folgen schwer abzuschätzen waren: die Aufwertung der DM um 9,3 Ofo. Sie hätte sich erübrigt, wenn der Preisanstieg in der Bundesrepublik mit dem der anderen Länder Schritt gehalten hätte. Unvermeidbar wird die Preisangleichung innerhalb der Länder, die der EWG angehören oder ihr noch beitreten, sobald sie sich zu einem geschlossenen Wirtschaftsgebiet mit einheitlicher Währung entwickelt hat. Das bedeutet dann das Ende des Versuchs, die Bundesrepublik Deutschland als eine Insel vermeintlicher "Stabilität" gegen die vermeintliche Inflation der anderen Länder abzuschirmen, und der 59
Jahresgutachten des Sachverständigenrates, Tab. 60.
328
II. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
Blick wird frei für eine wirklichkeitsnahe Betrachtung des Verhältnisses von Preisanstieg und Lohnzuwachs. Sie kann nur einmünden in die Erkenntnis, daß wir, wollen wir realistisch rechnen, an die Stelle der Nominal-Real-Rechnung die Optimal-Rechnung zu setzen haben. Sie dient uns nicht bloß als Mittel für die Analyse einer abgeschlossenen Wirtschaftsepoche, sondern mehr noch als Instrument für die Vorausberechnung der leistungsgerechten Lohnzuwachsrate und damit des leistungsgerechten Lohnes; denn diese Vorausberechnung kann sich nur an der Wirtschaftsenergiekonstante orientieren. Durch sie wird der Lohn wirtschaftsrechnerisch mit dem Zins verknüpft; denn ihr Satz von 3,6 % ist ja der optimale Diskontsatz. Darin zeigt sich, daß Lohn und Zins auf eine Wurzel zurückgehen. Das entspricht dem, was sie sind: Meßwerte zweier Leistungen, die sich zwar ihrer Art nach unterscheiden, sich aber gegenseitig bedingen; denn ohne die abstrakten Leistungen stünden die konkreten in Raum und Zeit isoliert nebeneinander. Die abstrakten Leistungen führen die konkreten aus ihrer Isolierung heraus, sie überwinden den Zeit-Raum, der zwischen den einzelnen konkreten Leistungen liegt. Ohne sie können die konkreten nicht zu wirtschaftlicher Wirkung gelangen. Diese erwächst aber erst aus der Zusammenfassung der beiden Leistungen durch eine dritte.
Viertes Kapitel
Der Preis als Produkt der volkswirtsmafllimen Gesamtremnung Die Zusammenfassung der konkreten und abstrakten Leistungen wird durch deren Bündelung erreicht. Sie ist die konkrete Leistung des Unternehmers, durch die er die feld externe Konzentration der potentiellen wirtschaftlichen Energie in den Sachgütern (ihre Umwandlung in die kinetische Erscheinungsform) herbeiführt. Gemessen wird sie durch den Preis. Dieser ist jedoch ebenso wenig wie der Lohn und der Zins von selbst gegeben, sondern muß wie sie errechnet werden nach einer Methode, die der Leistung entspricht, für die er als Meßwert dient. Diese, die unternehmerische Leistung steht in Beziehung: erstens zu ihrem Gegenstand, der fortlaufenden Kette von Erwerbsvorgängen, in denen der Unternehmer die von ihm gebündelten Quanten wirtschaftlicher Energie zur Wirkung bringt,
§
28 Preis als Meßwert der gebündelten Einzelleistungen
329
zweitens zu dem Teilfeld der Wirtschaft, auf dem sie sich abspielen, dem Unternehmen, drittens zu dem Gesamtfeld der Wirtschaft, dem dieses Teilfeld zugehört, dem Wirtschaftsgebiet eines Staates, gegebenenfalls auch noch zu dem Wirtschaftsgebiet eines anderen Staates. Erwerbsvorgänge, Unternehmen und Staat sind somit drei Wirkungsbereiche der unternehmerischen Leistung, so daß der Preis als deren Meßwert sich aus drei Komponenten zusammensetzt, denen eines gemeinsam ist: die vom Unternehmer gebündelten Quanten wirtschaftlicher Energie. Der Begriff des Preises ist daher ebenso wie die Begriffe Geld, Lohn und Zins ein Satellit des Kapitalbegriffs.
§ 28 Der Preis als Meßwert der in den Erwerbsvorgängen gebündelten Einzelleistungen A. Die herrschende Lehre von der Preis-Kapital-Beziehung (Kostengesetz, Gesetz von Angebot und Nachfrage)
Daß eine Beziehung zwischen Preis und Kapital besteht, verkennt die herrschende Lehre nicht, sie verfehlt aber den Weg, der vom Preisbegriff zum Kapitalbegriff führt. So gelangt Rössle 60 in seinen Untersuchungen über die Kalkulation des Preises zwar zu der Ansicht, daß die Summe der Selbstkosten das in einem Produkt investierte Kapital ausdrücke, die Kosten sonach "eine Erscheinungsform des Kapitals" seien. Da er aber unter Kapital nur "den in Geld ausgedrückten Wert des Werkzeuges (im weitesten Sinne)"61 versteht, deckt sein Kapitalbegriff sich nicht mit der "Summe der Selbstkosten", denn in dieser sind außer den "Materialkosten" (und den "Gemeinkosten ") auch die "Lohnkosten ", also die Entgelte für die Arbeitsleistungen der Menschen enthalten, und diese kann man selbst "im weitesten Sinne" nicht als "Werkzeuge" ansprechen. Wenn es also "Kapital" ist, was sich in den Kosten ausdrückt, dann muß das außer den "Werkzeugen" noch etwas anderes oder überhaupt etwas anderes sein. Für uns ist Kapital die wirtschaftliche Energie, also Arbeit leistende Kraft der Menschen, und sind die "Werkzeuge" nur eine Erscheinungsform dieser Energie. Rössles Ansicht, daß die Kosten eine Erscheinungsform des Kapitals seien, ist somit nur dann richtig, wenn Kapital gleich Arbeit ist. Umgekehrt kann man den Preis nicht in eine begriffliche Verbindung zur Arbeit bringen, ohne zu wissen, daß Arbeit im wirtschaftlichen Sinne 80
81
Rößle, Karl: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 142. a.a.O., S. 61.
330
H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
Kapital ist. An diesem Erkenntnismangel krankt das von den Klassikern entwickelte Arbeitswertgesetz. Ihm liegt der an sich richtige Gedanke zugrunde, daß die Kosten, aus denen sich die Preise zusammensetzen, "Arbeitsleistungen, sonst nichts" sind62 . Damit ergänzen die Klassiker ein anderes Gesetz, das Kostengesetz, wonach der Preis die Kosten decken muß; sie stellen damit klar, daß Kosten nichts als die Aufwendungen für die Arbeitsleistungen sind. Diese "Arbeitswertlehre" ist vielfach bekämpft worden. In neuer Zeit hat Preiser gegen sie eingewendet, sie könne Geltung nur für den Sachgütermarkt beanspruchen63 , denn nur auf diesen beziehe sich das Kostengesetz und es gehe nicht an, auch die Arbeit als ein Gut (eine Ware) anzusprechen, das wie alle Güter einen Tauschwert habe, den man Preis nenne; das aber hätten die Klassiker getan und nur dadurch sei es ihnen möglich gewesen, das Kostengesetz und mit ihm das Arbeitswertgesetz in Beziehung zu bringen zum Gesetz von Angebot und Nachfrage; der Preis bilde sich jedoch nur nach dem letzteren, während Kostengesetz und Arbeitswertgesetz nur dazu dienten, dem Spiel von Angebot und Nachfrage die Richtung zu weisen auf die Deckung der Kosten hin; das Gesetz von Angebot und Nachfrage sei ein Gesetz der Dynamik, das Kostengesetz (und mit ihm das Arbeitswertgesetz) ein Gesetz der Statik; es kennzeichne den Gleichgewichtszustand, auf den das in Angebot und Nachfrage wirkende Spiel der Kräfte hintendiere 64 . Ein weiterer Einwand Preisers gegen die Arbeitswertlehre der Klassiker geht dahin, daß sie freien Wettbewerb voraussetze; denn nur dann, wenn der Preis aus dem freien Spiel der Kräfte auf dem Markt erwachse, stelle sich das Gleichgewicht von Preis und Kosten ein; in der "Welt von Monopolen"65, in der wir heute lebten, gebe es keine Gleichheit von Preis und Kosten, hier herrsche nur noch das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Preiser erläutert das in einem Kapitel, dem er die überschrift gibt: "Die Macht in der Wirtschaft"66. Darin unterscheidet er zwischen Monopol, Oligopol und Polygopol und führt aus: Der Monopolist kann, da er keinen Konkurrenten hat, den Preis manipulieren, d. h. ohne Rücksicht auf die Kosten hoch oder niedrig bemessen; übersteigert er ihn, so kann das zu einem Rückgang der Nachfrage führen; von deren an der "Preis-Absatz-Kurve" ablesbaren Elastizität hängen Umsatz und Gewinn ab; daraus ist zu schließen, daß Angebot und Nachfrage nicht bloß bei freiem Wettbewerb, sondern "immer und überall" gelten; für die beiden anderen Marktformen versteht sich das von selbst; Oligopol ist die Beherrschung des Marktes durch einige wenige Anbieter; diese manipulieren zwar auch die Preise der von ihnen angebotenen Waren (man denke
PreiseT, Erich: Nationalökonomie heute, S. 55. a.a.O., S. 52 ff. 64 Ebenso WebeT, Adolf: Die Preise haben "die Tendenz, sich nach den Produktionskosten ... zu richten" (Kurzgefaßte Volkswirtschaftslehre, S. 120). 65 a.a.O., S. 57. 66 a.a.O., S. 60 ff. 82
63
§ 28 Preis als Meßwert der gebündelten Einzelleistungen
331
an die Preisbildung in der Zigarettenindustrie, der Kraftwagen- und der Elektrogeräteindustrie), sie müssen aber, wollen sie den von ihnen fixierten Preis ändern, eine Reaktion ihrer Konkurrenten einkalkulieren; dadurch werden auch sie dem Gesetz von Angebot und Nachfrage unterworfen; beim Polygopol schließlich, dem Wettbewerb einer Vielzahl von Anbietern, kann der Preis sich gar nicht anders als aus Angebot und Nachfrage, gleichsam "anonym", bilden. Freilich verkennt Preiser nicht, daß bei allen drei Marktformen auch die Kosten eine Bedeutung haben; für ihn sind sie aber nur ein "Datum" neben dem der Reaktion auf die Nachfrager; mit diesem Datum hat nicht nur der Polygopolist, sondern haben auch der Monopolist und der Oligopolist zu rechnen. Eine preis bildende Funktion aber spricht Preiser den Kosten ab; die mißt er ausschließlich dem Gesetz von Angebot und Nachfrage bei. B. Preis im Gefüge der kapitalistischen Theorie (Gesetz vom kosten- und nachfragebedingten Gewinn)
1. Wie steht es nun wirklich mit diesen scheinbar so widersprüchlichen Gesetzen? Ist der Preis ein Spiel von Angebot und Nachfrage oder das Ergebnis einer Rechnung, bei der man "auf die Kosten kommt"? Gilt nur das eine oder das andere dieser beiden Gesetze oder gelten sie beide?
Wir können diese Fragen nicht beantworten, ohne uns zu vergegenwärtigen, was wir unter einem "Gesetz" im wirtschaftlichen Sinne zu verstehen haben. Es kann dies, wie wir in der Einführung (§ 2) darlegten, nur ein Gesetz über die Wirkungsweise der wirtschaftlichen Energie sein, und wir fanden heraus, daß alles wirtschaftliche Geschehen auf ein Gesetz zurückgeht, das Gesetz von der Erhaltung und Mehrung wirtschaftlicher Energie, das wir daher als das Grundgesetz der Wirtschaft bezeichneten. Nur ein Gesetz, das sich aus ihm ableiten läßt, verdient es, ein wirtschaftliches genannt zu werden. Häufig wird diese Bezeichnung für Vorgänge verwendet, die lediglich in einer denkgesetzlichen Verbindung stehen, z. B. die Ergiebigkeit der Arbeit und der für sie gezahlte Lohn; daß dieser als Reallohn nur gesteigert werden kann, wenn die Ergiebigkeit der Arbeit gesteigert wird, ist kein wirtschaftliches Gesetz 67 , sondern einfach ein Denkgesetz. Wie alle Energie, so ist auch die wirtschaftliche als solche nur ansprechbar, weil sie meßbar ist. Demzufolge bedarf jenes oberste Gesetz der Ergänzung durch Gesetze, die ihre Meßbarkeit regeln, und das sind die beiden scheinbar so widersprüchlichen Gesetze, das vom Angebot und der Nachfrage und das Kostengesetz mit dem Arbeitwertgesetz; denn der 87
So Carell, a.a.O., S. 56.
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Ir. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
Preis, um den es bei diesen Gesetzen geht, ist ebenso wie das Geld ein Phänomen, das sich in Zahlen offenbart. Er ist keine autonome Größe, die in sich selbst Leben tragen würde und sich aus sich selbst heraus entfalten und sich wandeln könnte. Es sind nicht die Preise, die "steigen" oder "fallen". Was "steigt" oder "fällt", ist eine Größe, die hinter den Preisen steht; diese sind nur der rechnerische Ausdruck für jene hintergründige Größe; denn wie das Geld so ist auch der Preis nichts als ein Teil der Wirtschaftsrechnung. Das Geld liefert die Recheneinheit für die Anordnung von Zahlen zu einem System der Wirtschaftsrechnung, der Preis ist eine der in diesem System angeordneten Zahlen, und zwar die wichtigste: sie bezeichnet den Vorgang, in dem alles wirtschaftsenergetische Geschehen kulminiert, den Erwerbsvorgang. Er wird im Preis gemessen, und da er Bewegung wirtschaftlicher Energie ist, so ist Preisbildung Messung wirtschaftlicher Energie. II. Jede Messung ist ein Operieren mit Zahlen, aber diese Zahlen lassen sich nicht immer exakt bestimmen, häufig muß man mit nur angenommenen Zahlen rechnen. Danach unterscheidet man zwischen festen Werten und Wahrscheinlichkeitswerten. Die Preisbildung ist eine Messung, die sich beider Werte bedient; denn der durch sie gemessene Erwerbsvorgang ist die sich bei der feldexternen Konzentration vollziehende Umwandlung wirtschaftlicher Energie aus der kinetischen in die potentielle Form. Die zur Konzentration gebrachte Energiemenge steht fest und liefert somit einen exakt bestimmbaren Wert. Dagegen steht nicht fest, was an Energie zurück- und über das Maß der konzentrierten Menge hinaus gewonnen wird; denn die Bahn, die die der Messung unterzogenen Quanten in einem (wirklichen oder gedachten) Sachgut durchlaufen, läßt sich nur als möglich vorstellen. Folglich kann die mit dem Erwerbsvorgang erstrebte Mehrung wirtschaftlicher Energie nur als möglich gemessen, d. h. mit einem Wahrscheinlichkeitswert erfaßt werden. Auszugehen ist vom exakten Wert als demjenigen, der die Energiemenge anzeigt, die zur Konzentration gelangt ist und die es zu erhalten gilt. Dieser Wert erfährt eine Korrektur durch den Wahrscheinlichkeitswert als denjenigen, der die gemehrte Energiemenge anzeigt. Der exakte Wert (Energieerhaltungswert) ist der Wert der auf die Herstellung eines Sachguts verwendeten Arbeitsleistung, wie er sich in den Kosten einschließlich des Unternehmerlohns niederschlägt. Ihn zu berechnen, ist ein Zwang, dem der arbeitsteilig tätige Mensch sich nicht entziehen kann; denn davon hängt die Erhaltung seiner wirtschaftlichen Energie ab. Dieser Zwang ist es, der die Ermittlung der Kosten zu einem wirtschaftlichen Gesetz werden läßt. Der Wert der auf die Herstellung eines Sachguts verwendeten Arbeitsleistung kann aber nicht allein nach der Menge der in einem Sach-
§ 28 Preis als Meßwert der gebündelten Einzelleistungen
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gut konzentrierten Energie berechnet werden, vielmehr muß in diese Berechnung auch das Quantum wirtschaftlicher Energie einbezogen werden, das aus dem hergestellten oder sonst bearbeiteten Sachgut zurückgewonnen werden soll. Der exakte Wert erfährt daher eine Korrektur durch den Wahrscheinlichkeitswert (Energiemehrungswert). Es ist dies also der sich in den Kosten niederschlagende Wert der konzentrierten Energiemenge, vermehrt um den Wert der Menge, die bei einem Erwerbsvorgang als gewinnbar vorausberechnet wird. Auch die Ermittlung dieses Wertes ist ein Zwang, dem der wirtschaftende Mensch unterliegt, und er liefert den Stoff für das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Nur in ihrer Beziehung zum Energiemehrungszwang (Gewinnzwang) werden Angebot und Nachfrage zu Elementen eines Wirtschaftsgesetzes. Für sich allein besagen sie nichts weiter, als daß sie sich gegenseitig bedingen (Nachfrage setzt Angebot und Angebot setzt Nachfrage voraus) und daß beide gemeinsam den Preis bedingen (dieser erwächst aus ihrem "Zusammenspiel"); das alles sind jedoch nur Elemente eines Gesetzes, aber noch nicht das Gesetz selbst. Auch die Mechanik, mit der in der Vorstellung der Klassiker Angebot und Nachfrage sich abwechseln und den Preis ins Gleichgewicht bringen, wäre, wenn es sie gäbe, kein wirtschaftliches Gesetz, sondern lediglich Material für eine registrierend-statistische Feststellung. Ein wirtschaftliches Gesetz liefern Angebot und Nachfrage nur dadurch, daß sie den Stoff abgeben für eine Norm zur Vorausberechnung des bei einem Erwerbsvorgang gewinnbaren Quantums wirtschaftlicher Energie. Dieser Norm ist der unterworfen, der den Energiegewinn zu erzielen hat, der Unternehmer. In seiner, der energialen Sicht sind Angebot und Nachfrage Elemente eines Gesetzes, nach dem sich die Rückgewinnbarkeit der in einem Sachgut konzentrierten Energie bestimmen läßt. Rückgewinnbar ist sie, wenn es gelingt, eine Umwandlung ("Umsatz") von Energie aus der kinetischen in die potentielle Erscheinungsform durch einen Erwerbsvorgang herbeizuführen. Dazu bedarf es des Zusammenwirkens mit einem Träger, der umgekehrt potentielle Energie in kinetische verwandeln will, der also die Erscheinungsform der Energie, die der erste Träger anzubieten hat, nachfragt. Daher muß die Leistung, mit der der erste Träger die in dem Sachgut konzentrierte Energie zurückgewinnen will, nachfragefähig sein; von ihrer Nachfragefähigkeit hängt ihre Rückgewinnbarkeit und darüber hinaus ihre Mehrbarkeit ab. Dadurch dient die Nachfragefähigkeit der angebotenen Leistung als Element für die Bemessung des mit dem Erwerbsvorgang erstrebten Gewinns. Bemessung ist hier gleichbedeutend mit Vorausberechnung, so daß in der energialen Sicht das Gesetz von Angebot und Nachfrage zu verstehen ist als ein Gesetz vom nachfragebedingten Gewinn.
334
H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preis theorie
Der nachfragebedingte Gewinn ist der Teil der beim Erwerbsvorgang zurückgewonnenen Energiemenge, um die die konzentrierte Menge sich vermehrt; die letztere bildet sonach einen Teil der Gesamtmenge und muß als solche mit dem exakten Wert, den die Kosten liefern, in die Vorausberechnung einbezogen werden. In der energialen Sicht erscheint daher das Kostengesetz als ein Gesetz von kostenbedingtem Gewinn. Daraus folgt, daß die beiden Gesetze sich nicht widersprechen, sondern sich ergänzen und aufgehen in einem sie umfassenden Gesetz vom kosten- und nachfrage bedingten Gewinn. Das beiden Gesetzen zugrundeliegende und sie verbindende Element ist der mit dem Erwerbsvorgang erstrebte und durch den Preis gemessene Gewinn an wirtschaftlicher Energie. Das bedeutet, daß .nicht nur das Kostengesetz, sondern auch und gerade das Gesetz von Angebot und Nachfrage ein Gesetz der Vorausberechnung des Gewinns ist. Den kann man nicht, wie Preiser es versucht, ausschließlich auf das Kostengesetz beziehen und als "die Differenz zwischen Umsatz und Kosten" definieren68 ; wenn man ihn nicht einfach aus den Kosten ablesen kann, sondern, um ihn rechnerisch zu ermitteln, den "Umsatz" zu Hilfe nehmen muß, dann läßt er sich nicht, jedenfalls nicht ausschließlich zum Kostengesetz in Beziehung setzen, sondern dann gehört dazu auch das Gesetz von Angebot und Nachfrage; denn umgesetzt wird nur, wo angeboten und nachgefragt wird. Es ist auch nicht so, daß Angebot und Nachfrage den Preis ohne Rücksicht darauf bildeten, ob sich mit ihm ein Gewinn erzielen läßt, und daß, wie Preiser meint, "im langfristigen Gleichgewicht"69 der Preis die Kosten decken und einen Gewinn ermöglichen würde, vielmehr erfordert jede Preisbildung eine Gewinnberechnung, die sowohl auf den Kosten als auch auf der Nachfragefähigkeit der Leistung beruht. Sie vollzieht siCh durch das Operieren mit den beiden Meßwerten, dem durch die Kosten gegebenen exakten Wert und dem durch die Nachfrage bestimmten Wahrscheinlichkeitswert. Diese Werte bilden die beiden Seiten eines Bandes, von denen die eine (die Kostenseite) konstant ist, während die andere (die Nachfrageseite) schwankt, und zwar zwischen einem unteren und einem oberen Nachfragepunkt. Der untere Nachfragepunkt bezeichnet den Zustand, bei dem eine Nachfrage überhaupt nicht oder noch nicht gegeben ist, der obere Nachfragepunkt den Zustand, bei dem eine Nachfrage nicht mehr gegeben ist. Der untere Nachfragepunkt ist erreicht, wenn die in einem Sachgut konzentrierte Energie sich überhaupt nicht zurückgewinnen läßt, z. B. 68
nG
a.a.O., S. 66. a.a.O., S. 52.
§ 28 Preis als Meßwert der gebündelten Einzelleistungen
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bei der Fehlkonstruktion einer Maschine; hier ist ein die Kosten dekkender Preis schlechterdings nicht erzielbar. Der obere Nachfragepunkt ist erreicht, wenn die konzentrierte Energie an sich zurückzugewinnen wäre, aber nicht zurückgewonnen werden kann, weil der Preis über die erzielbaren Kosten hinaus so gesteigert wird, daß die Nachfrage erlischt. Der höchste Preis ist daher nicht immer der beste, vielmehr gilt der Satz: Der optimale Preis wird durch den optimalen Punkt auf dem Band zwischen dem Kostenwert und dem Nachfragewert bestimmt. Er gilt für jeden Preis, nicht bloß für den Monopolpreis; mit ihm befaßt sich die Theorie vom Cournotschen Punkt7°; sie besagt, daß der Monopolist, um den größtmöglichen Gewinn zu erzielen, eine Relation zwischen produzierter (abgesetzter) Menge und Gesamterlös herstellen, d. h. den Preis so festsetzen muß, daß er je produzierter (abgesetzter) Menge ein Maximum an Gewinn erbringt. Preiser nennt diese Theorie "das sicherste Lehrstück der ganzen Preistheorie". Sie ist nichts anderes als eine Theorie vom optimalen Monopolpreis, aber der Satz vom optimalen Preis hat allgemein Geltung; denn er beruht auf dem Gesetz von der Vorausberechnung des kosten- und nachfragebedingten Gewinns, und das gilt, um wiederum mit Preiser zu sprechen, "immer und überall"71, weil Preisbildung stets Vorausberechnung des Gewinns ist. Das bedarf indessen noch einer Reihe von überlegungen. IH. In erster Linie muß man sich darüber klar werden, was es heißt, daß der Gewinn berechnet wird. Es bedeutet, daß das in einem Erwerbsvorgang ablaufende Geschehen in ein System von Zahlen transponiert wird, die in bestimmter Weise angeordnet sind und mit denen in bestimmter Weise operiert wird; in diesen Zahlen muß der wirtschaftende Mensch denken. Das ist auf dem Gebiet der Wirtschaft nicht anders als auf dem der Atomphysik. Was dort die mathematischen Formeln sind, sind hier die Zahlen des Erlöses der produzierten (abgesetzten) Menge und des Gewinns. Das Operieren mit diesen Zahlen ist nicht bloß eine Begleiterscheinung des Wirtschaftens, sondern es ist das Wirtschaften schlechthin. Auf die Nachfrage bezogen bedeutet das, daß die Aufnahmefähigkeit eines Produkts, wie sie sich aus Kopfzahl, Einkommen, Geschmack usw. der Abnehmer ergibt, ebenso in Zahlen transponiert werden muß wie seine Herstellung. 70 Preiser, a.a.O., S. 66 f.; Weber, Adolf, a.a.O., S. 256; Amorso, Luigi: "Die statische Angebotskurve", in: "Preistheorie", herausgegeben von Eugen Ott, Köln - Berlin 1965, S. 181 ff. 71 a.a.O., S. 65.
aa6
II. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
Während nun aber diese sich retrospektiv und daher exakt berechnen läßt - sie ist ja mit den "Kosten" gegeben -, bedarf die Nachfrage einer Vorausberechnung, die als solche zwar nur eine Wahrscheinlichkeitsrechnung sein kann, die aber dennoch eine Berechnung ist, in einer qualifizierten Wirtschaft jedenfalls sein muß. Zu ihr gehört alles, was die Betriebswirtschaftslehre an Daten für die Marktanalyse und Marktbeobachtung, den Vertrieb und seine Organisation, die Werbung und deren Mittel erarbeitet hat und weiterhin erarbeitet. In der qualifizierten Wirtschaft sind somit Angebot und Nachfrage kein "Spiel" - man muß schon hinzufügen: des Zufalls -, sondern ebenso ein Gegenstand der Berechnung wie es die Kosten sind. In diese Berechnung wird auch der Wettbewerb, d. h. die Tatsache einbezogen, daß es außer dem eigenen Angebot auch noch andere Angebote gibt oder geben kann. Die "Reaktion der Konkurrenten" ist nicht, wie Preiser meint, ein drittes Datum der Preisbildung neben der "Reaktion des Käufers" und den Kosten 72 , vielmehr hat man den Wettbewerb ebenfalls der "Reaktion des Käufers" zuzurechnen; er ist nur eine von vielen Bedingungen der Nachfragefähigkeit und damit nur eine Bedingung der Bedingung, die die Nachfrage für den Gewinn liefert; fällt diese Bedingung aus, weil es keinen Wettbewerb gibt (Fall des Monopols), so beseitigt das nicht die Frage, ob die angebotene Leistung nachfragefähig und der optimale Preis (dann der Monopolpreis) erreichbar ist. Es ist eine Tatsache, daß ein Produkt sich vielfach gerade dann schwer absetzen läßt, wenn es konkurrenzlos ist, weil der Abnehmer nicht die Möglichkeit hat, es mit anderen Produkten zu vergleichen. Es ist ferner eine Tatsache, daß der Umsatz eines Unternehmens, beispielsweise des Einzelhandels, sich häufig gerade dann steigert, wenn sich in unmittelbarer Nähe von ihm ein Konkurrenzunternehmen auftut. "Immer und überall" geht es nur darum, den optimalen Preis zu erreichen. Bedarf es dazu des Wettbewerbs, so muß er, wo es ihn nicht gibt, geschaffen werden. Auch ein monopolistisch wirtschaftender Staat kann um der Erreichung des optimalen Preises willen sich genötigt sehen, sein Monopol in ein Oligopol oder Polygopol zu verwandeln, d. h. die Vorausberechnung des Gewinns und damit die Preisbildung in die Hand selbständig entscheidender Betriebsleiter zu legen, die dadurch zu Unternehmern werden; denn darunter haben wir die zu verstehen, die die Konzentration und den Rückgewinn als eine konkrete Leistung vollziehen, bei der sie den Rückgewinn aus Kosten und Nachfrage berechnen und den Preis als Meßwert der konzentrierten und zurückgewonnenen Energie bestimmen. Das unternehmerische Handeln wird durch das Streben nach dem optimalen Preis diktiert. Es trifft diesen Kern der Sache, wenn Schmalenbach 72
a.a.O., S. 63, 66.
§ 29 Die preisbildende Funktion der Unternehmensgewinnplanung
337
die Aufgabe des Unternehmers in der "pretialen Wirtschaftslenkung" erblickF3. § 29 Die preisbildende Funktion der Unternehmensgewinnplanung
Damit ist ein weiteres, und zwar das wichtigste Datum der GewinnVorausberechnung angedeutet. Jeder Erwerbsvorgang ist nur Teil eines Gesamtgeschehens innerhalb der vom Unternehmer gelenkten Wirtschaftseinheit (des Unternehmens), jeder dabei erzielte Gewinn nur Teil des Gewinns dieser Einheit (dieses Unternehmens). Ihn muß die Vorausberechnung mitumfassen. Soweit er nachfragebedingt ist, kann er schon seiner Natur nach nur als Teil des Unternehmensgewinns vorausberechnet werden. Aber auch die Kosten eines Erwerbsvorgangs lassen sich, in der Regel wenigstens, nur als Teil der Kosten aller gegenwärtigen und künftigen Kosten ermitteln. Die Berechnung des Unternehmensgewinns muß der Berechnung des Preises vorangehen. Vor dem ersten Erwerbsvorgang muß der Unternehmensgewinn als das Ergebnis einer alle seine Daten umfassenden Planung feststehen und aus dieser Planung der optimale Preis für den einzelnen Erwerbsvorgang erwachsen, die Preisbildung somit auf einer Unternehmensgewinnplanung beruhen. Diese ist - als Teil einer sie mitumfassenden Unternehmensplanung - eine VorLeistung des Unternehmers74 • Erst über sie gelangen die von der Marktanalyse, dem Vertrieb, der Werbung, dem Wettbewerb usw. gelieferten Daten in die Vorausberechnung des mit dem einzelnen Erwerbsvorgang erstrebten Gewinns und damit in die Preisbemessung. Eine Leistung des Unternehmers ist die Gewinnplanung, weil nur der sie vollbringen kann, der die wirtschaftliche Energie durch Bündelung der konkreten und abstrakten Leistungen in den Sachgütern konzentriert, und das ist der Unternehmer. Eine Unternehmensgewinnplanung ist es, weil sich die Erwerbsvorgänge, aus denen der Gewinn fließt, auf dem Teilfeld eines Unternehmens abspielen. Sie umfaßt den für einen bestimmten Zeitraum vorausrechenbaren Gewinn; das kann ein Jahr, es können aber auch drei, vier und noch mehr Jahre sein; alle Drei-, Vier- usw. -jahrespläne müssen, wenn es Wirtschaftspläne sein sollen, Gewinnpläne sein. Die Unternehmungsgewinnplanung stellt die Verbindung zwischen der durch den Preis gemessenen Einzelleistung und der wirtschaftlichen Gesamtleistung her. Ihrer bedarf es zur Bestimmung des leistungsgerechten Preises; denn wie die konkrete, so ist auch die gebündelte Einzelleistung zugleich Teil der Gesamtleistung, so daß leistungsgerecht nur 73
74
SchmaLenbach, Eugen : Pretiale Wirtschaftslenkung, Band 2, Bremen 1948.
Rößle, a.a.O., S. 103 ff.
22 Eckelt
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II. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preis theorie
ein Preis sein kann, der das Verhältnis zwischen Gesamtleistung und Einzelleistung richtig wiederspiegelt. Zu der Verbindung kommt es dadurch, daß die Unternehmensgewinnplanung die konjunkturellen Schwankungen einschließt: denn diese gehören zu den Bedingungen der Nachfragefähigkeit. Darum hat, wie Rößle75 mit Recht hervorhebt, die Konjunkturforschung wesentlich zur Ausbildung von Wirtschaftsplänen mit ihren Teilplänen, den Liquiditäts-, Finanz-, Kredit- und Produktionsplänen, beigetragen; die konjunkturelle Entwicklung schlägt sich in den "Soll-Daten" dieser Pläne und den sie korrigierenden "Ist-Daten" der Buchhaltung nieder. Indessen ist, wie wir sahen, "Konjunktur" in der auf die Vollbeschäftigung hin gesteuerten Wirtschaft etwas anderes als das, was sie in der nicht gesteuerten war, und damit hat die Bedeutung sich gewandelt, die ihr für die Unternehmensgewinnplanung zukommt. Solange sie ein schicksalhaftes Auf und Ab der Wirtschaftskurve war, führte sie zu einem Auf und Ab auch der Gewinnkurve und einer dem entsprechenden Denk- und Handlungsweise; die Angst vor den "mageren Jahren" ließ die Menschen in den "fetten" an Gewinn alles mitnehmen, was sie erraffen konnten; die Furcht vor der "Baisse" trieb sie zur "Hausse". Heute sind das Anachronismen; denn "Konjunktur" ist nur noch eine meßbare Schwingung um eine meßbare Linie der wirtschaftlichen Entwicklung. Wie sie selbst, verläuft daher auch die Unternehmensgewinnkurve nicht mehr in Sprüngen, sondern nur noch in Schwingungen; dadurch ist es überhaupt erst möglich geworden, den Unternehmensgewinn zu planen und den leistungsgerechten Preis zu bestimmen; denn Preisbildung ist angewandte Unternehmensgewinnplanung.
Es gibt in der Preistheorie keinen Lehrsatz, keinen Begriff, kein Diagramm und keine Formel, die nicht auf die Unternehmensgewinnplanung bezogen werden könnten und müßten76 • Der Preis läßt sich nur in einer Relation zum Unternehmensgewinn und dessen Planung darstellen, und zwar zu der Menge, die "ausgebracht" werden muß, um den "Grenzerlös" zu erzielen. Die Preis-Mengen-Beziehung liefert die Werte für die "Angebots- und Nachfragekurven", in deren Schnittpunkt der Preis liegt und deren "Verschiebung" zur Berechnung eines "neuen" Preises zwingt. Sowohl Preis als auch Menge erfahren relative Veränderungen durch "Elastizität der Nachfrage"; das Ausmaß dieser Veränderung errechnet sich aus dem "Elastizitätskoeffizienten". Preis und Menge stehen aber auch in Beziehung zu den Kosten; auch sie liefern eine Kurve, a.a.O. Zum folgenden Preiser, a.a.O., S. 65; Carell, a.a.O., S. 101 ff., insbesondere 106, 113, 115; Schneider, Erich: Zielsetzung, Verhaltensweise und Preisbildung; Recktenwald, Horst 0.: Zur Lehre von den Marktformen, beide, in: Ott, Eugen: "Preistheorie", S. 47, 66 ff. 75
78
§
29 Die preis bildende Funktion der Unternehmensgewinnplanung
339
die die Grenzkosten aufzeigt und in deren Schnittpunkt mit der Grenzerlöskurve das Gewinnmaximum des Unternehmens liegt. Alle aus diesen Lehrsätzen entwickelten Diagramme und Formeln dienen der Vorausberechnung des Unternehmensgewinns und gelangen erst dadurch zur Berechnung des Preises für eine gegenwärtige Leistung. Auch "Unsicherheit und Risiko" werden in diese Vorausberechnung und damit in die Preisbildung einbezogen; es wird zwischen objektiven und subjektiven Risiken unterschieden; dementsprechend wird die "mathematische Erwartung" der "objektiven" und "subjektiven Wahrscheinlichkeitsverteilung" berechnet; die subjektive Wahrscheinlichkeit wird in einer Tabelle gruppiert, die folgende Werte liefert 77 : Ist ein bestimmtes Ereignis nach dem Urteil des damit Befaßten völlig unmöglich ................................. . außerordentlich unwahrscheinlich ................. . sehr wahrscheinlich ............................... . recht unwahrscheinlich ........................... . unwahrscheinlich ................................. . immerhin möglich ............................... . durchaus möglich ................................. . sehr möglich ........... . ......................... . wahrscheinlich ......... . ......................... . recht wahrscheinlich ............................. . sehr wahrscheinlich ............................... . außerordentlich wahrscheinlich ................... . völlig sicher ..................................... .
dann ist die subjektive Wahrscheinlichkeit in 0/0 15lO2030405060708090-
o
10 20 30 40 50 60 70 80 90 95 99 100
Allemal ist der Preis das Ergebnis solcher Gewinn-Vorausberechnungen, die Preisbildung somit angewandte Unternehmensgewinnplanung. Das ist sie unabhängig davon, ob der Unternehmer den Preis selbst kalkuliert oder ob er ihn als gegeben hinzunehmen hat, bloßer "Preisnehmer"78 ist, denn auch dann entgeht er nicht dem Zwang, den von ihm erstrebten Gewinn vorauszuberechnen; er muß dabei nur anders verfahren, wie er verfahren würde, wenn er den Preis selbständig kalkulieren würde: er muß, um auf die "Kosten" zu kommen und darüber hinaus einen nachfragebedingten Gewinn zu erzielen, die Menge der von ihm produzierten oder verteilten Sachgüter (den Umsatz) bis zum "Grenzerlös" steigern, er muß zum "Mengenanpasser" werden. Auf diese Weise wird auch der "gebundene" Preis zum Ergebnis einer Unternehmensgewinnplanung. 77
Krelle, Wilhelm: Unsicherheit und Risiko, in: Ott, Eugen: "Preistheorie",
78
Carell, a.a.O., S. 168.
S.394.
22·
340
H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
Auf einer solchen beruht der Preis auch unabhängig davon, ob es sich um einen singulären oder seriellen handelt, d. h. ob er nur von Fall zu Fall oder im voraus für eine Reihe von Erwerbsvorgängen berechnet wird. Bei den singulären Preisen für individuelle Leistungen, z. B. den Preisen der Bauvorhaben, ist jede Preisbildung eine partielle Unternehmensgewinnplanung.
§ 30 Die preis bildende Funktion der Gesamtwirtschaftsplanung
Um durch Unternehmensgewinnplanung zum leistungsgerechten Preis zu gelangen, ist es ebenso wie zur Bestimmung des leistungsgerechten Zinses und Lohnes erforderlich, ein rechnerisches Verhältnis zur Gesamtwirtschaftsplanung herzustellen. Nur ist die Methode hier eine andere. Den leistungsgerechten Zins haben wir unmittelbar aus der Wirtschaftsenergiekonstante abgeleitet, den leistungsgerechten Lohn mittelbar aus ihr, indem wir die optimale Lohnzuwachsrate aus der optimalen Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts entwickelten. Der leistungsgerechte Preis kann nur das Ergebnis einer vergleichenden Rechnung sein, bei der sich der gesamtwirtschaftliche Gewinn und die Summe aller Unternehmensgewinne als vergl.eichbare Größen gegenüberstehen, und zwar so, daß jeder Unternehmensgewinn als ein Teil des gesamtwirtschaftlichen Gewinns gedacht wird. Damit wird ein betriebswirtschaftlicher Gedanke zu einem volkswirtschaftlichen fortentwickelt, der Gedanke Schmalenbachs, daß jeder periodische Gewinn Teil eines gedachten Gesamtgewinns ist. Dementsprechend steht dem aus der Unternehmensgewinnplanung entwickelten effektiven Preis ein gedachter gegenüber, den die gesamtwirtschaftliche Gewinnrechnung liefert. Wenn der effektive Preis sich mit dem gedachten deckt, ist er leistungsgerecht. Danach können wir zwischen konkgruenten und inkongruenten Preisen unterscheiden. Kongruent ist ein Preis, wenn die durch ihn gemessene Einzelleistung mit dem Maß übereinstimmt, das diese Einzelleistung als Teil der wirtschaftlichen Gesamtleistung liefert. Dieses Maß kann indessen für jede Einzelleistung nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar bestimmt werden, und zwar dadurch, daß Daten der Gesamtwirtschaftsrechnung in Daten der Einzelwirtschaftsrechnung verwandelt werden, so daß der Preis zum Ergebnis einer von gesamtwirtschaftlichen Daten durchsetzten Einzelwirtschaftsrechnung wird. Das setzt freilich eine durchgebildete Gesamtwirtschaftsrechnung, wie sie mit der Einrichtung einer Gesamtwirtschafts-Rechnungsstelle zu erzielen wäre, voraus. Je mehr sie sich vervollkommnet, je mehr Daten sie also für die Einzelwirtschaftsrechnung liefert, desto enger wird der Rahmen, in dem die Preise sich frei bewegen können. Deren Bemessung
§
30 Die preis bildende Funktion der Gesamtwirtschaftsplanung
341
ist dann nicht mehr ein Akt willkürlicher Entscheidung, sondern steht unter dem Zwang, jede Einzelleistung als einen Teil der Gesamtleistung zu bestimmen. Das führt zu einem Konformismus der Preisbildung, wie er heute schon bei der sogenannten "Preisführerschaft" besteht, bedeutet aber nicht, daß die Preise, um kongruent und damit leistungsgerecht zu sein, auf einen bestimmten Meßwert (Betrag) fixiert werden könnten und müßten. Sie können vielmehr auf vielfältige Weise differieren. Differenzierungen können sich sogar gerade aus der Art ergeben, in der die Daten der Gesamtwirtschaftsrechnung, d. h. die Maßnahmen der konjunkturellen Steuerung, auf die einzelnen Unternehmungen einwirken. Soll beispielsweise die Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts eine Kürzung durch Kreditrestriktionen erfahren, so kann eine solche globale Maßnahme sich auf zinsempfindliche Unternehmungen kostenerhöhend auswirken; bleiben die Kunden dieses Unternehmens von der Kreditrestriktion unberührt, so läßt die Erhöhung der Kosten sich durch eine Steigerung der Preise ausgleichen; werden auch die Kunden von der Kreditrestriktion erfaßt, so mindert das die Nachfragefähigkeit, so daß die Preise nicht angehoben werden können, sondern eher gesenkt werden müssen, und dasselbe spielt sich ab, wenn der Marktanteil durch die Preisstellung der zinsunempfindlichen Konkurrenten gefährdet wird. Jeder der differenzierten Preise ist aber leistungsgerecht, denn jeder spiegelt das Verhältnis der durch ihn gemessenen Einzelleistung zur Gesamtleistung durchaus richtig wider. Mehr noch als globale führen spezielle Maßnahmen zu unterschiedlicher Preisbildung. So löst die Unterbindung öffentlicher Bauvorhaben einen verstärkten Wettbewerb und dadurch eine Differenzierung der Preise in einer Art aus, die wiederum dem Verhältnis zwischen Einzelund Gesamtleistung entspricht. Zu Preisdifferenzierungen kann es aber auch kommen, ohne daß eine bestimmte konjunkturelle Maßnahme dazu nötigen würde. Sie ergeben sich dann, wenn eine Leistung nicht mit dem optimalen Preis bemessen wird, obwohl sie mit ihm bemessen werden könnte, vielmehr entweder oberhalb oder unterhalb des optimalen Punktes gehalten wird. Es sind das die "manipulierten" Preise, die als über- und Unterpreise ein "Lenkungsinstrument" in der Hand dessen bilden, der sie festsetzt. Der "überpreis" soll die Nachfrage von einem Sachgut weg auf ein anderes hin lenken, der "Unterpreis" umgekehrt die Nachfragefähigkeit eines Sachguts erhöhen; der Unterpreis kann sogar, muß aber nicht unter der Kostengrenze liegen. Dieses Manipulieren berührt die Unternehmensgewinnplanung dann nicht, wenn der übergewinn oder Untergewinn, den es hervorruft, durch ein Gegen-Manipulieren der Preise für andere Sachgüter ausgeglichen wird; in einem solchen Falle sind die bei den Preise zwar nicht für sich allein, wohl aber in ihrer Verbindung mit-
342
H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
einander leistungsgerecht; denn dadurch, daß sie sich innerhalb der Unternehmensgewinnplanung ausgleichen, wird deren Verhältnis zur gesamtwirtschaftlichen Gewinnplanung nicht gestört. Einen Unterfall von Manipulation und Gegenmanipulation bilden die vom Staat durch Gesetz oder Vertrag mit anderen Staaten festgesetzten Preise, insbesondere die Preise der landwirtschaftlichen Produkte. Auch sie sind zwar differenziert, aber dennoch kongruent und damit leistungsgerecht. Gerade in der Differenzierung der Preise zeigt sich das Wechselspiel zwischen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und den Eingriffen in sie. Jede monetäre, quasimonetäre und außermonetäre Maßnahme löst eine Reaktion in der Unternehmensgewinnplanung und damit in der Preisbildung aus. Sie tritt aber nicht mit kausalem Zwang ein, sondern kann nur als möglich gedacht und berechnet werden. So können die in unserem Beispiel aufgezeigten Folgen einer Kreditrestriktion ausbleiben, weil die von ihr betroffenen Unternehmungen andere Wege der Finanzierung erschließen. Die Reaktion auf eine Maßnahme kann sich mitunter in dem Bestreben erschöpfen, ihren Auswirkungen zu entgehen. Aber das ändert nichts an dem Wechselspiel zwischen den Maßnahmen und der Entwicklung, der sie gelten. Die negative Reaktion liefert dann nämlich ein Datum für andere Maßnahmen. Das Wechselspiel zwischen diesen und der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung äußert sich in einer Wechselbeziehung zwischen den Daten der Gesamtgewinnplanung und denen der Unternehmensgewinnplanung. Daraus entspringt ein Rhythmus des wirtschaftlichen Geschehens, der von anderer Art ist, als die klassische Volkswirtschaftslehre ihn sah; sie erblickte ihn in dem "Mechanismus", mit dem das Angebot durch die Preise im Gleichgewicht mit der Nachfrage gehalten wird. Gewiß sind Angebot und Nachfrage als Elemente des wirtschaftlichen Geschehens und damit der Preisbildung nicht wegzudenken: da im Zustand der vollkommenden Arbeitsteilung niemand die Sachgüter, deren er für seine Existenz bedarf, selber herstellt und umgekehrt jeder nur einen Teil der Sachgüter herstellt, den andere für ihren Lebensbedarf benötigen, muß ein jeder Sachgüter "nachfragen" und "anbieten", und es müssen jeweils so viel Sachgüter angeboten werden als nachgefragt werden; Angebot und Nachfrage müssen sich auf dem "Markt" treffen und sich ausgleichen. Das geschieht aber durchaus nicht so "mechanisch", wie die klassische Lehre wähnte, nämlich dadurch, daß steigende Nachfrage zu einem Anstieg der Preise, dieser wiederum zu einer Steigerung des Angebots führte, so daß Angebot und Nachfrage durch den "Konkurrenzpreis" im Gleichgewicht gehalten würden. Dieser Lehre widersprach die Erfahrungstatsache, daß es nicht nur den freien Wettbewerb, sondern auch Monopole, außer dem "Konkurrenzpreis" daher auch den "Monopolpreis" gibt. Die neuere Forschung deckte darüber hinaus noch Zwischen-
§ 30 Die preisbildende Funktion der Gesamtwirtschaftsplanung
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formen der "unvollkommenen Konkurrenz" auf, die zwischen dem freien Wettbewerb und dem Monopolliegen7o • Der Erkenntniswert dieser Theorien erschöpft sich jedoch darin, daß es verschiedene Formen gibt, in denen Angebot und Nachfrage zur Begegnung und zum Ausgleich gebracht werden können und daß die jeweilige Marktform zu einer bestimmten Form des Marktverhaltens nötigt. Damit widerlegen diese Theorien aber nur die klassische Lehre vom Mechanismus der Preisbildung, aber sie geben noch keine Antwort auf die Frage nach der Leistungsgerechtigkeit des Preises. Den Schlüssel dafür liefert erst die Erkenntnis, daß Angebot und Nachfrage nur die Elemente des wirtschaftlichen Geschehens sind, die den individuellen Impulsen der arbeitsteilig tätigen Menschen entspringen, daß dieses Geschehen aber auch aus den sozialen Impulsen erwächst, die von der Steuerung der konjunkturellen Entwicklung ausgehen, daß "Preis" deshalb nicht einfach der "Tauschwert" eines Gutes ist, das der eine - gleichviel in welcher Marktform - nachfragt und der andere - gleichviel in welcher Marktform - anbietet, sondern daß er der Meßwert einer Leistung ist, die nicht bloß die des Anbietenden an den Nachfragenden, also eine Einzelleistung, sondern zugleich Teil einer Gesamtleistung ist, daß leistungsgerecht demnach ein Preis ist, bei dem der Meßwert der Einzelleistung kongruent ist mit dem des Gesamtleistungsteils. Inkongruent ist somit ein Preis, bei dem die beiden Meßwerte auseinanderfallen. Dazu kommt es, wenn die Gesamtleistung wächst, ohne daß die Einzelleistung sich verändert. Es entsteht dann jene aus der Inkongruenz der Bedarfsdeckung herrührende Spannung, die des Ausgleichs bedarf, wie bei den Löhnen, so auch bei den Preisen; denn auch die gebündelten Leistungen nehmen, wie am Spannungsmodell abzulesen ist, als Teile der GesamtIeistung an deren Wachstum teil. Blieben die sie messenden Preise unverändert, so würden sie ihre Leistungsgerechtigkeit einbüßen. Wir erkennen daraus und finden bestätigt, daß es zwar "feste" Preise, aber keine Preisstabilität, sondern nur eine Kontinuität der Preisentwicklung gibt, in die auch die festen Preise einbezogen sind. Worauf es ausschließlich ankommt, ist, daß der jeweilige Preis das jeweilige Verhältnis der durch ihn gemessenen Einzelleistung zur Gesamtleistung richtig widerspiegelt. Ein serieller Preis muß daher mit dem Wachstum des Bruttosozialprodukts "angehoben" werden. Soll er trotz gesteigerter Gesamtleistung unverändert bleiben, so ist das nur möglich, wenn die Einzelleistung sich aus sich selbst heraus verändert, z. B. durch Rationalisierung (Technisierung) der Produktionsweise, also durch Verstärkung der abstrakten Leistung auf Kosten der konkreten. 79
Carell, a.a.O., S. 168 ff.; Recktenwald, a.a.O., S. 62.
344
H. 2. Abschn.: Kapitalistische Lohn-, Zins- und Preistheorie
Auch ein singulärer Preis bedarf der Korrektur, wenn Leistung und Bemessung auseinanderklaffen, wie etwa bei der Verrentung eines Grundstückkaufpreises; auch hier entsteht eine Spannung zwischen Gesamtleistung und Einzelleistung, die ausgeglichen werden muß, und es trifft den Kern der Sache, wenn die Vertragsbestimmungen, die einen solchen Ausgleich ermöglichen, "Spannungsklauseln" genannt werden. Da es eine Preisstabilität nicht gibt, kann es auch keinen "Preisstop" geben. Er widerspricht der energetischen Natur des wirtschaftlichen Geschehens und der Rolle, die der Preis als Meßwert einer energetischen Leistung spielt. So wenig man eine Steigerung der Temperatur dadurch unterbinden kann, daß man das Quecksilber im Thermometer blockiert, läßt sich eine Mehrung wirtschaftlicher Energie dadurch verhindern, daß man das Maß ihrer Leistung "stabilisiert". Als Meßwert einer energetischen Leistung ist der Preis, selbst der "feste", den Veränderungen unterworfen, die sich aus der Wirkungsweise der durch ihn gemessenen Energie ergeben. Er ist es sowohl innerhalb eines geschlossenen Wirtschaftsgebiets (einer Volkswirtschaft) als auch im Verhältnis zweier Wirtschaftsgebiete (Volkswirtschaften) zueinander. Greift eine gebündelte Leistung über die Grenzen eines geschlossenen Wirtschaftsgebiets hinaus, so gerät sie in den Wirkungsbereich der wirtschaftlichen Energie eines anderen Wirtschaftsgebiets. Der eine außenwirtschaftliche Leistung messende Preis ist daher den Veränderungen unterworfen, den die Kapitalvolumen zweier Wirtschaftsgebiete erfahren. Seine Leistungsgerechtigkeit ergibt sich demzufolge nicht bloß aus dem Verhältnis, in dem die durch ihn gemessene Einzelleistung zur Gesamtleistung des eigenen Wirtschaftsgebiets steht, vielmehr wird sie durch das Verhältnis mitbestimmt, in dem die Gesamtleistung der bei den Wirtschaftsgebiete zueinander stehen. In Erscheinung tritt das doppelseitige Verhältnis der gebündelten Einzelleistung zu den zwei Gesamtleistungen dadurch, daß der sie messende Preis alternativ in der" Währung" des einen oder anderen Wirtschaftsgebiets fixiert werden muß und nur bezahlt werden kann mit "Devisen" des einen Wirtschafts-(Währungs-)gebiets, die in einem bestimmten rechnerischen Verhältnis, der "Parität" und dem "Wechselkurs", zu den "Devisen" oder "Sorten" des anderen Wirtschafts-(Währungs-) gebiets stehen. "Devisen" sind, zunächst einmal juristisch ausgedrückt, Forderungen, und "Sorten" sind Münzen und Papiergeld in fremder Währung. Zu den "Devisen" zählen sowohl Forderungen aus Bankkonten, die sich in "Buchgeld" (Giro- und Scheckzahlungen) umsetzen lassen, als auch verbriefte Forderungen auf künftige Zahlung insbesondere aus Wechseln in fremder Währung. Meist spricht man nur von den "Devisen", und schließt darin auch die "Sorten" ein.
§ 30 Die preisbildende Funktion der Gesamtwirtschaftsplanung
345
Damit greift unsere Untersuchung über die Frage nach der Leistungsgerechtigkeit des Preises hinaus; denn den Gegenstand außenwirtschaftlicher Leistungen können nicht nur die gebündelten, sondern auch die konkreten und abstrakten bilden; "Devisen" benötigt man nicht nur zur Bezahlung von "Waren", sondern auch zur Bezahlung von "Dienstleistungen" und "Kapitalleistungen". Allerdings kulminiert alles wirtschaftliche Geschehen in den Erwerbsvorgängen, und die "Dienst"- und "Kapitalleistungen" sind nur deren Reflexe. Die "Sorten", die ein Gastarbeiter empfängt oder die auf Auslandsreisen ausgegeben werden, können nur empfangen und ausgegeben werden, wenn auch Sachgüter von einem Währungsgebiet in das andere gelangen. Alle Währungsprobleme sind daher letztendlich Probleme des Sachgüteraustauschs. Dennoch müssen wir sie im ganzen betrachten.
Dritter Abschnitt
Das Geld als Recheneinheit für die Messung wirtschaftlicher Energie im aufienwirtschaftlichen (zwischenstaatlichen) Verkehr (Kapitalistische Währnngstheorie) Erstes Kapitel
Die Rolle des Goldes im zwischenstaatlichen Zahlungsverkehr § 31 Die Zahlung als Vorgang der zwischenstaatlichen Wirtschaftsrechnung - Subsidiarität von Zahlungsarten insbesondere der Zahlung in Gold
Währung, Parität, Wechselkurs und Devisen sind die Komponenten, durch die die Messung einer außenwirtschaftlichen Leistung sich von der einer binnenwirtschaftlichen unterscheidet. "Währung" besagt zunächst nicht mehr, als daß jedes geschlossene Wirtschaftsgebiet seine eigene Recheneinheit hat. Dollar, Pfund, Francs, Mark, Gulden usw. sind nur andere Bezeichnungen für dieselbe Sache: das Geld als Recheneinheit zur Messung wirtschaftlicher Leistungen. Die Verschiedenheit der Recheneinheiten wirkt sich lediglich dahin aus, daß die eine in die andere umgerechnet werden muß. Die herrschende Lehre sieht das anders an. Sie unterscheidet zwischen dem "Geld eines Landes" und dem "Geld außerhalb des Staatsgebiets". Innerhalb der Staatsgrenzen soll es "allgemeines Tauschmittel und allgemeines Wertausdrucksmittel" sein, außerhalb der Staatsgrenzen "eine Ware", die man "kauft" und für die man einen "Preis" bezahlt!. Wir stießen auf diese Frage bereits bei der Untersuchung über den sogenannten "Geldwert" und fanden dabei heraus, daß es Geld als "Ware" nicht gibt, weil es einen Geldwert im Sinne einer Qualität nicht gibt. Jetzt haben wir zu untersuchen, ob das, was sich im außenwirtschaftlichen Zahlungsverkehr abspielt, der "An- und Verkauf" einer "Ware" ist oder ob sich dahinter etwas anderes verbirgt. 1
Carell, a.a.O., S. 354.
§
31 Zahlung als Vorgang zwischenstaatlicher Wirtschaftsrechnung
347
Zweifel an der Richtigkeit der herrschenden Lehre melden sich bereits an, wenn wir einen Vorgang ins Auge fassen, wie er sich alltäglich im zwischenstaatlichen Zahlungsverkehr abspielt: Der Kunde einer Bank erwirbt "Sorten" für E:ine Reise ins Ausland; sie werden ihm am Schalter ausgehändigt, mit ihrem Gegenwert wird sein Konto belastet. Fraglos überträgt hier die Bank ihr Eigentum an den "Sorten" auf den Kunden. Aber dasselbe tut sie auch, wenn sie ihm zu Lasten seines Kontos inländische Banknoten ausfolgt; auch diese stehen bis dahin in ihrem Eigentum. Daß sie den Kunden mit Spesen für den Erwerb der "Sorten" belastet, ist ebenfalls kein spezifisches Merkmal dieses Geschäfts; denn Spesen berechnet sie ihm auch für die sonstigen Geschäfte. Man kann daher das "ausländische" Geld nicht anders behandeln als das "inländische". Entweder sind sie beide eine "Ware" oder beide ein "allgemeines Tauschmittel". Daß sie beide Male den Eigentümer wechseln, nötigt noch nicht zu der Annahme, daß beide Male ein Kauf vorliegt. Die Zweifel verstärken sich, wenn wir bedenken, daß sich der außenwirtschaftliche Zahlungsverkehr zwischen einer Bank und ihrem Kunden nicht auf den Erwerb einzelner "Sorten" oder "Devisen" zu beschränken braucht, sondern daß es möglich ist, diesen Verkehr über Konten abzuwickeln, die in einer ausländischen Währung unterhalten werden; der Kunde kann über solche Konten in gleicher Weise verfügen wie über Konten der Inlandswährung, d. h. durch Erteilung von überweisungsaufträgen oder Ausstellung von Schecks. Diese Konten lassen sich einrichten, ohne daß die Bank dem Kunden Devisen (Sorten) "verkauft", sondern indem der Kunde einen Bestand von Devisen (Sorten), die er nicht "gekauft", sondern durch den Absatz von Waren verdient hat, bei seiner Bank einlegt, während diese, um keinen Wechselkursverlust zu erleiden, in der gleichen Höhe ein Konto bei einer Bank des anderen Währungsgebiets errichtet. Es ist daher falsch, zwischen (inländischem) Geld als "allgemeinem Tauschmittel" und (ausländischem) Geld als "Ware" zu unterscheiden. Man darf, will man erfahren, was die Währung ist, überhaupt nicht nach den Devisen und Sorten, d. h. nach den Beständen ausländischen Geldes fragen, sondern muß beim Zahlungsvorgang ansetzen. Zahlung kann im außenwirtschaftlichen Verkehr nichts anderes sein, als was sie auch sonst ist: eine besondere Art, sich des Geldes als Recheneinheit zu bedienen, und auch hier liegt das Besondere in der Simultanität von Buchungsvorgängen, bei denen zwei Zahlen auf mindestens zwei Konten erscheinen, und auch hier gibt es eine Stufenfolge der Subsidiarität mehrerer Zahlungsarten, und auch hier steht auf der obersten Stufe die Zahlung, die sich als ein Vorgang der Wirtschaftsrechnung durch bloßes Verbuchen vollzieht. Es ist das der Zahlungsverkehr zwischen den Geschäftsbanken zweier Währungsgebiete. Er bildet den größten und
348
11. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
wichtigsten Teil des "Devisenverkehrs" und spielt sich in der Weise ab, daß jede am außenwirtschaftlichen Verkehr beteiligte Bank Konten bei Banken anderer Währungsgebiete unterhält und daß diese Banken bei ihr Gegenkonten unterhalten, zu deren Gunsten und deren Lasten überweisungen durchgeführt und Schecks gezogen werden. Fehlt es an einer unmittelbaren Verbindung zwischen zwei Geschäftsbanken, so kann sie durch die Vermittlung einer dritten hergestellt werden; auch darin unterscheidet sich der außenwirtschaftliche Zahlungsverkehr nicht vom binnenwirtschaftlichen. Nur subsidiär treten an die Stelle dieses DevisenGiralgeldes die "Sorten".
§ 32 Die Entwicklung von der Goldwährung zur abstrakten Währung
Eine subsidiäre Zahlungsart ist auch die Zahlung mit Gold; auch sie dient nur als Ersatz für eine Devisen-Simultanbuchung. Nur scheinbar widerspricht dem, daß es im Gegensatz zu den Banknoten, den Schecks und den überweisungsformularen eine Substanz mit einem durch sich selbst gegebenen Wert hat, ein Edelmetall ist, dem ein Wert im Sinne einer Qualität beikommt und das sich dieses Wertes wegen gegen die Sachgüter "tauschen" läßt. Tatsächlich hat das Gold diese Rolle einmal gespielt, aber das war nur so lange möglich, als sich der Wert der in der Welt produzierten Sachgüter im Gleichgewicht mit dem Wert einer entsprechenden Menge Goldes hielt. Dieses Äquivalenzverhältnis hat indessen nur bis zum Beginn des ersten Weltkrieges bestanden. Seitdem befindet das Gold sich auf einem Rückzug, der noch anhält und an dessen Ende es als Zahlungsart ausscheiden wird. Wir wollen uns die Etappen dieses Weges vergegenwärtigen. An seinem Anfang steht die "Goldumlaufwährung"2. Sie war durch zweierlei gekennzeichnet, einmal dadurch, daß eine bestimmte Menge Goldes in ein stets gleichbleibendes Verhältnis zur Geldrecheneinheit gebracht wurde, z. B. 1 kg zu 2790 Mark, zum anderen dadurch, daß diese Menge Goldes zu Münzen geprägt und in Umlauf gesetzt wurde. Da das in jedem Land mit Goldumlaufwährung geschah, konnte jeder in jedem Staat mit Goldmünzen zahlen, die er sich im Umtausch gegen die seines Heimatstaats beschaffte. Die gleiche Menge Goldes hatte in jedem Land den gleichen Wert. Die Währungen unterschieden sich voneinander nur durch die Menge des Goldes, die in den einzelnen Geldrecheneinheiten, z. B. der Mark, dem Pfund, dem Francs, dem Gulden, ausgeprägt wurde; das nannte man die "Parität" der Währungen. Indessen war die Parität nicht starr, sondern unterlag Schwankungen. Diese hatten ihre Ursache darin, daß die Goldmünzen nicht das einzige Mittel waren, mit dem sich eine Zahlung in fremder Währung leisten ließ. Daneben gab es 2 Zum folgenden Kraus, Otto: Geld, Kredit, Währung, S. 154 ff., 164 f., 168; Lütge, Friedrich: Einführung in die Lehre vom Gelde, S. 89 ff., 106, 117 f., 124 ff.; earell, a.a.O., S. 319 f., 357 f.
§ 32 Die Entwicklung von der Goldwährung zur abstrakten Währung 349
wie im inländischen Zahlungsverkehr so auch im Verhältnis zwischen In- und Ausland Zahlungen mit Devisen, d. h. durch überweisung von Bank zu Bank und vor allem mit Wechseln. Der im Land A ansässige Schuldner X des im Land B ansässigen Gläubigers Y kaufte, um seine Schuld nicht in Goldmünzen des Landes B begleichen zu müssen, einen Wechsel auf, der auf die Währung des Landes B lautete und von dem im Land B ansässigen Schuldner am Verfallt ag im Lande B eingelöst werden mußte. Der Kurs eines solchen Wechsels richtete sich nach dem Betrag, der für die Anschaffung und Versendung von Goldmünzen aufzuwenden war. Lag dieser Betrag über dem Wechselkurs, so war es vorteilhafter, nicht in Gold zu zahlen, der "obere Goldpunkt" war erreicht; im umgekehrten Falle war die Zahlung mit Gold die vorteilhaftere, der "untere Goldpunkt" war gegeben. Nur um diese Goldpunkte (in dieser Bandbreite) schwankten vor dem ersten Weltkrieg die Wechselkurse. Alles bisher Gesagte gilt jedoch mit einer wichtigen Einschränkung: eine
reine Goldumlaufwährung hat es nie gegeben, und konnte es nie geben, da die
Goldmünzen sich nicht bis zu den kleinsten Recheneinheiten stückeln ließen. Es gab vielmehr nur eine gemischte Goldumlaufwährung. Neben dem Gold und sonstigem Metallgeld (den Silber- und Kupfermünzen) wurde sogar Papiergeld in Form von Banknoten ausgegeben. Dabei tauchte die Frage auf, in welchem Ausmaß das geschehen darf, ohne daß die "Parität" gefährdet wird. Die Antwort lautete: Banknoten müssen nur zu einem Drittel durch Gold oder auf das Gold bezogene Zahlungsmittel, insbesondere die dem Gold im "Julisturm" wertmäßig entsprechenden Reichskassenscheine, zu zwei Drittel können sie durch diskontierte Dreimonatswechsel mit mindestens zwei guten Akzeptanten ("guten Adressen") gedeckt sein; das war das klassische Prinzip der Dritteldeckung. Es bedeutete, daß den umlaufenden Sachgütern Zahlungsmittel gegenüberstanden, die nur noch zu einem Drittel durch Gold gedeckt waren. Der Zusammenhang mit dem Gold wurde jedoch dadurch gewährt, daß die Zentralbanken verpflichtet waren, die von ihnen ausgegebenen Banknoten jederzeit in Goldmünzen umzutauschen. Diese Goldeinlösungs- und -ankaufspflicht war unlöslich mit der (gemischten) Goldumlaufwährung verknüpft. Erst sie ermöglichte den Austausch einer Währung gegen eine andere und damit den Goldautomatismus, auf dem der zwischenstaatliche Zahlungsverkehr beruhte. Er hatte im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts den Silberautomatismus abgelöst, der ein Jahrtausend hindurch in Europa bestanden hatte; er selber währte jedoch nur knappe 50 Jahre. Mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges fand er schlagartig sein Ende: am 31. Juli 1914 stellte die Reichsbank die Einlösung ihrer Banknoten in Goldmünzen ein, und durch Gesetz vom 4. August 1914 wurde ihre gesetzliche Einlösungsverpflichtung aufgehoben. Seitdem sind die Goldmünzen aus dem deutschen Währungsgebiet als Zahlungsmittel verschwunden. Aber auch in fast allen anderen Teilen der Welt gibt es kein gemünztes Gold mehr, das zwischen einzelnen Wirtschaftssubjekten (von Person zu Person) frei ausgetauscht werden könnte. Vielmehr wurde die Goldumlaufwährung abgelöst durch verschiedene Arten sogenannter Repräsentativwährungen. Von jener unterscheiden sie sich dadurch, daß das Gold nicht mehr zu Münzen geprägt, sondern in Barren bei den Zentralbanken gehortet wird, und die Goldmünzen durch Münzen aus minderwertigem Metall oder Banknoten ersetzt werden. Zwar stehen auch diese Geldarten in einem bestimmten Deckungsverhältnis zu den von ihnen "repräsentierten" Goldbarren, aber sie lassen sich nicht mehr in Goldmünzen einlösen. In abgeschwächter Form kann jedoch noch eine Einlösungsverpflichtung bestehen, und zwar dergestalt, daß die Zentralbank verpflichtet ist, von
350
II. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
einem bestimmten Mindestbetrag an Goldbarren abzugeben; man spricht dann von "GoZdbarrenwährung". Fehlt es auch daran, so bleibt das Gold auf den "intervalutarischen Verkehr", d. h. den Geldverkehr zwischen den Zentralbanken der verschiedenen Währungsgebiete (Staaten) beschränkt; diese Art der Repräsentativwährung nennt man "GoZdkernwährung" . Den entscheidenden Schritt auf seinem Rückzug aber hat das Gold mit einer dritten Art der Repräsentativwährung, der "GoZd-Devisenwährung", getan. Hier stehen andere Geldarten nicht mehr bloß stellvertretend für das Gold, sondern hier werden sie dem Gold gleichgestellt und in die "Deckung" der Banknoten einbezogen. Das klassische Drittel umfaßt jetzt nicht mehr bloß Barrengold, sondern auch "Gold-Devisen", d. h. Banknoten und Forderungen, insbesondere Wechselforderungen in fremder Goldwährung. Vom Gold her gesehen, kann dadurch der Notenumlauf eine Ausweitung um 50 % erfahren. Kraus 3 erläutert das an dem Beispiel zweier Staaten, die jeder 1 Milliarde in Gold und einen dadurch gedeckten Bestand von je 3 Milliarden Banknoten besitzen, diesen aber durch Zukauf von 1/2 Milliarde Devisen auf der einen, 1/2 Milliarde Gold auf der anderen Seite um je 11/2 Milliarden auf je 4 1/2 Milliarden erhöhen können. Mit der Einführung der "Gold-Devisenwährung" war der Rubicon, der die "Metallwährungen" ("gebundenen" Währungen) gegen "Papierwährungen" ("freie" Währungen) abgrenzt, überschritten; denn wenn etwas dem Golde gleichbehandelt wird, was gar keine materielle Substanz hat, dann hört das Gold auf, "Kern" einer Währung zu sein, sondern dann steckt in dem, was wir Währung nennen, ein anderer Kern und dann kann es sich nur darum handeln, aus diesem Kern ein neues Währungssystem zu entfalten. Ein Zurück zum Goldautomatismus gibt es nicht. Auch wenn der erste Weltkrieg die Staaten nicht dazu genötigt hätte, ihre Goldvorräte zu konzentrieren und die Goldmünzen durch Papiergeld zu ersetzen, hätte das Gold seine valutarische Funktion eingebüßt, einfach als Folge der inkongruenten Bedarfsdeckung und der durch diese bedingten Differenzierung des Geldmeßwerts, des "Geldwertschwundes". Wir haben aufgezeigt, daß dieser seit Mitte des vorigen Jahrhunderts, also gerade etwa seit der Einführung der Goldwährung bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges, 100 Ofo betragen hat und bereits in den letzten Jahren vor 1914, erst recht nach 1918 auf durchschnittlich 3 Ofo jährlich angewachsen ist. Da nun aber die Goldwährung einen stets gleichbleib enden Goldpreis voraussetzt, müßte, wenn man sie beibehalten wollte, die Goldproduktion mit der Güterproduktion und dem durch diese bedingten Anstieg des Preisniveaus Schritt halten, aber das kann sie nicht. Die gesamten Goldbestände der Welt beliefen sich im Jahre 1965 auf 2,1 Milliarden Unzen; davon wurden in den letzten 32 Jahren rund die Hälfte gewonnen. In der gleichen Zeit hatte sich aber der Papiergeldbestand vervielfacht. Noch ungünstiger für das Gold ist seine Relation zum Volumen des Welt3
a.a.O., S. 165.
§
32 Die Entwicklung von der Goldwährung zur abstrakten Währung 351
handels. Dieser hat in den ersten bei den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg um durchschnittlich 6 0/0 jährlich, der Goldbestand aller Notenbanken aber nur um 1 bis 11/2 010 jährlich zugenommen; der Welthandel stieg in dieser Zeit von DM 400 Milliarden auf DM 1300 Milliarden jährlich, während die Goldbestände nur von 150 auf 175 Milliarden DM anwuchsen 4 • Man kann das verschobene Verhältnis auch nicht durch eine Erhöhung des Goldpreises ausgleichen; denn das würde zu einer Erhöhung der Warenpreise führen und das Verhältnis zwischen Welthandel und Goldproduktion abermals ins Wanken bringen5 • Dieses Verhältnis wird sich vielmehr in immer stärkerem Maße zuungunsten des Goldes verschieben, da der ungedeckte Bedarf der unterentwickelten Völker und der permanent steigende Bedarf der entwickelten Völker, angefacht durch eine ständig fortschreitende Technik, das Wachstums der Volkswirtschaften noch mehr beschleunigen wird.
Die Entwicklung führt also zwangsläufig vom Gold weg zu einem von ihm gelösten Währungssystem hin. Seit dem Ende des ersten Weltkrieges befinden wir uns in einem Zwischenstadium. Es ist dadurch gekennzeichnet, daß die Währungen zwar noch "gebunden" sind, aber nicht mehr an das Gold allein, sondern außerdem noch an die dafür bestimmte Währung eines einzelnen Landes, die man um der Führungsrolle willen, die ihr dadurch zukommt, "Leitwährung" nennt. Dieses System hat sich in drei Etappen herausgebildet6 • Die erste reicht vom Jahre 1931 bis zum Ende des zweiten Weltkrieges. Am 21. 9. 1931 hob England die Goldwährung (genauer: die Goldeinlösungsverpflichtung der Bank von England) auf - mit der Folge, daß der Kurs des Pfundes um 41 % absank, und der weiteren Folge, daß das englische Pfund Sterling dem Gold gleichgestellt wurde. Um als "Leitwährung" zu dienen, bedurfte es jedoch eines entsprechenden Abkommens der Staaten, die bereit waren, ihre Zahlungsbilanzsalden nicht bloß in Gold, sondern auch in englischen PfundSterling auszugleichen, und zwar durch Abrechnung über Konten, die sie bei der Bank von England unterhielten, also durch reine Verbuchung. Dieses Abkommen war das "Sterling-Area-Agrement" vom 17. 7. 1940. Ihm waren jedoch außer Großbritannien und Irland nur die Gebiete des Commonwealth (ausgenommen Kanada, Neufundland und Hongkong), des weiteren Ägypten, Sudan und Irak angeschlossen. Zuvor, also in der Zeit von 1931 bis 1939, gehörten dem "Sterling-Block" auch noch eine Reihe anderer europäischer und außereuropäischer Staaten an. Außerhalb des "Sterling-Blocks" bildeten sich drei weitere Gruppen heraus: der "Goldblock" mit Frankreich an der Spitze, Schweiz, Holland, 4
~ 6
Fried, Ferdinand: "Die Zukunft des Goldes", in: "Welt" vom 17. IV. 1965. Es war daher richtig, im Jahre 1968 den Goldpreis zu spalten. Kraus, a.a.O., S. 174 ff.
352
11. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
Belgien, Italien und Polen, die Ostblockstaaten unter der Führung der UdSSR und der Dollar-Block (USA, Kanada). Innerhalb dieser Blocks bestanden Konvertibilität und MuZtilateralität. Erstere bedeutet, daß Zahlungen zwischen Angehörigen des Blocks unbeschränkt geleistet werden konnten. Multilateralität heißt, daß die Salden aus den gegenseitigen Forderungen und Verpflichtungen der Blockländer (die "Zahlungsbilanzsaiden") über ein gemeinschaftliches Bankinstitut ausgeglichen wurden, und zwar in Gold oder der jeweiligen Leitwährung. Staaten, die nicht einem der Blöcke angeschlossen und daher auf den bilateralen Ausgleich ihrer Währung gegen die anderen Staaten angewiesen waren, sahen sich zur Einführung der Devisenzwangswirtschaft genötigt. Zu dieser Gruppe gehörte auch das Deutsche Reich; hier wurde die Devisenzwangswirtschaft im September 1934 eingeführt; später ging auch Italien zu ihr über. Die zweite Etappe begann am 18. September 1950 mit der Begründung der "Europäischen Zahlungsunion (EZU)" . Ihr gehörten alle europäischen Staaten mit Ausnahme der Ostblockstaaten, Spaniens, Finnlands und Jugoslawiens an. Sie bestand bis zum Jahre 1959. Ihr Zweck war es, allen ihr angeschlossenen Staaten die multilaterale Verrechnung und damit den Abbau der Devisenzwangswirtschaft zu ermöglichen. Aber erst in der dritten Etappe gelang es, dieses Ziel zu verwirklichen, d. h. die territorial begrenzten Währungsblöcke durch ein WeZtwährungssystem zu ersetzen, das volle Konvertibilität und multilateralen Zahlungsbilanzausgleich gestattet. Dieses System ist die Frucht einer im Jahre 1944 nach Bretton Woods, einem Badeort in Hampshire (USA), einberufenen Konferenz. Hier standen zwei Vorschläge zur Debatte, die eine Revolutionierung des Weltwährungssystems bedeuteten und es zugleich deutlich werden ließen, daß die Gold-Devisenwährung eine Übergangslösung ist; denn beide zielten darauf, sie durch eine "Verrechnungswährung" mit einer neuen Geldeinheit zu ersetzen 7 • Den einen unterbreitete Keynes; er sah vor, neben das Gold als Zahlungsmittel für den Ausgleich der Zahlungsbilanzsaiden den "Bancor" zu setzen; sein Wert sollte in Gold festgesetzt werden, also wiederum einen Goldersatz darstellen. Er hatte einen Vorläufer in der "Mark Banco"8, einer Währung, die im Stadtstaat Hamburg bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts galt; sie bestand nur als Buchgeldeinheit für den Giroverkehr und repräsentierte ebenfalls eine bestimmte Edelmetallmenge. - Der andere Vorschlag ging von White aus; er wollte als Zahlungsmittel für den internationalen Saldenausgleich die durch Gold voll gedeckte "Unitas" im Wert von 10 US-Dollar eingeführt wissen. 7
8
PentzHn, Heinz: Bewährtes Währungssystem, in : "Welt" vom 17. VII. 1965. Carell, a.a.O., S. 326.
§ 33 Der Internationale Währungsfonds (IWF)
353
Indessen ging keiner dieser beiden Vorschläge durch, man traf vielmehr zwei Abkommen: eines über den "Internationalen Währungsfonds (International Monetary Fund)"; ein anderes über die "Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung" (Weltbank). Ihr Wortlaut gelangte anläßlich des Beitritts der Bundesrepublik Deutschland als Gesetz vom 28. 7. 1952 im Bundesgesetzblatt 1952 Teil II Seite 637 zum Abdruck.
Zweites Kapitel
Die geldtheoretische Bedeutung der Weltwährungs-Institutionen § 33 Der Internationale Währungsfonds (IWF)
1. 1. Art. I des Abkommens über den IWF umschreibt in sechs Ziffern dessen "Ziele". Unter ihnen schälen sich zwei als dem IWF gestellte konkrete monetäre Aufgaben heraus, erstens: "geordnete Währungsbeziehungen zwischen den Mitgliedern aufrechtzuerhalten" , zweitens: "bei der Einrichtung eines Zahlungssystems für die laufenden Geschäftsbeziehungen zwischen den Mitgliedern mitzuwirken".
Ein drittes der "Ziele" bezeichnet den konkret monetären Zweck dieser Aufgaben: "Unausgeglichenheiten in ihren (der Mitglieder) Zahlungsbilanzen zu bereinigen." Die Erfüllung dieser Aufgaben und ihres Zwecks dient den anderen "Zielen", die überhaupt erst diesen Namen verdienen, nämlich "die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Währungspolitik ... durch (einen) Apparat für Beratungen und die Zusammenarbeit bei internationalen Währungsproblemen" zu fördern und vor allem "die Ausweitung und das in sich ausgeglichene Wachsen des Welthandels zu erleichtern und dadurch zur Förderung und Aufrechterhaltung eines hohen Beschäftigungsgrades und Realeinkommens sowie zur Entwicklung der Produktionskraft aller Mitglieder ... beizutragen"; dieses Ziel wird als das "oberste ... aller Wirtschaftspolitik" bezeichnet. Die geldtheoretische Erörterung kann sich nur an die beiden konkreten monetären Aufgaben und deren Zweck halten. 23 Eckelt
354
11. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
2. Sie haben eine Erweiterung erfahren durch "Änderungen und Ergänzungen des Abkommens über den Internationalen Währungsfonds", die das Direktorium des Fonds mit Genehmigung des Gouverneurrates den Mitgliedern zur Beschlußfassung vorlegte und die die erforderliche Mehrheit fanden, so daß sie nunmehr als Teil des Abkommens zu gelten haben 9 • Der geänderte Einführungsartikel weist dem I.W.F. als konkrete monetäre Aufgabe zu: drittens: "eine Fazilität auf der Grundlage von Sonderziehungsrechten zu schaffen". Diese Aufgabe dient dem gleichen konkreten monetären Zweck wie die beiden anderen, dem Ausgleich der Zahlungsbilanzen.
11. Die geldtheoretische Analyse des Abkommens hat daher bei der Frage anzusetzen, welche Bewandtnis es mit den Zahlungsbilanzen hat. Es sind dies Rechenwerke, die den Gewinn oder Verlust ausweisen, der sich innerhalb eines Zeitraumes - es kann dies ein Monat, ein Quartal oder ein Jahr sein - im außenwirtschaftlichen Zahlungsverkehr eines Landes ergibt. Sie erfassen die Zu- und Abgänge an Zahlungsmitteln mit den Salden der wichtigsten Gegenstände dieses Verkehrs nach dem Schema 10 : A. Bilanz der laufenden Posten 1. Handelsbilanz 2. Dienstleistungsbilanz 3. Übertragungsbilanz
B. Kapitalbilanz 1. Langfristiger Kapitalverkehr 2. Kurzfristiger Kapitalverkehr C. Saldo der laufenden Posten und des Kapitalverkehrs (A
+ B)
D. Ausgleichsposten für zugeteilte Sonderziehungsrechte E. Devisenbilanz (Veränderung der Währungs reserven der Bundesbank)
Die "Zahlungsbilanz" ist also nicht der Saldo flüssiger Geldmittel aus Ein- und Ausfuhr; dieser bildet als "Handelsbilanz" nur einen ihrer Posten l1 , vielmehr spiegelt sich in ihr der gesamte Zahlungsverkehr mit 9 Für die Bundesrepublik Deutschland haben die "Änderungen und Ergänzungen" durch Gesetz vom 23. XII. 1968 (BGBl Teil 11, S. 1225) Wirksamkeit erlangt. 10 Monatsberichte der Deutschen Bundesbank 1967 Oktober S. 40, 1968 Oktober S. 42, 1969 November S. 34. - Eine gute Darstellung des Systems der Zahlungsbilanz und ihrer Posten findet sich bei Krelle, Wilhelm: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, S. 65 ff. U Von den beiden anderen erfaßt die "Dienstleistungsbilanz", wie ihr Name
§
33 Der Internationale Währungsfonds (IWF)
355
dem gesamten Ausland wider. Aus ihr ist abzulesen, ob sich der Bestand an Zahlungsmitteln innerhalb des Bilanzzeitraums vergrößert oder verringert hat, und das bedeutet: ob das zahlungsbilanzierende Land Gläubiger oder Schuldner anderer Länder geworden ist. Schuldet es anderen Ländern mehr, als es von ihnen zu fordern hat, dann entsteht in seinen ausländischen Zahlungsmitteln eine Lücke, die geschlossen werden muß. Dazu muß es auf Bestände zurückgreifen, die ihm für diesen Fall zur Verfügung stehen. Mit jeder Zahlungsbilanz wird daher ein Ausweis der "Reservebewegungen" verbunden. Er bezeichnet die Quellen, aus denen etwaige Fehlbeträge der Zahlungsbilanz gedeckt werden können; das sind entweder die eigenen" Währungsreserven" oder Mittel des Internationalen Währungsfonds. Dementsprechend unterscheidet bis zum Jahre 1968 der Ausweis der "Reservebewegungen" : A. Veränderung der Währungsreserven der Deutschen Bundesbank (ihres Nettobestandes an Gold und Auslandsforderungen), B. Veränderung der Ziehungsrechte im IWF. Diese Zweiteilung bedeutet, daß jedes dem IWF angeschlossene Land seine Währungsschuld gegenüber anderen Ländern in erster Linie aus seiner eigenen "Währungsreserve", die man zum Unterschied vom internationalen auch den nationalen Währungsfonds nennen kann, abdecken muß. Fehlt es ihm aber an den dazu erforderlichen Devisen des Gläubigerlandes, so kann es sich diese beim Internationalen Währungsfonds beschaffen, und zwar durch Ausübung der sogenannten "Ziehungsrechte". 1. Nach dem IWF-Abkommen in seiner ursprünglichen Fassung gab es deren zwei, ein "allgemeines" und ein "quasiautomatisches". Das allgemeine Ziehungsrecht definiert Art. V als das Recht jedes Mitglieds, "vom Fonds im Austausch gegen seine eigene Währung die Währung eines anderen Mitglieds zu kaufen". Seine Ausübung ist an eine Reihe von Bedingungen geknüpft, in erster Linie den Nachweis, daß die gewünschte Währung "in Kürze benötigt wird", um in ihr "Zahlungen vorzunehmen, die mit den Vorschriften dieses Abkommens vereinbar sind" (Art. V Abschn. 3 Unterabschn. a I), weiterhin mit den Einschränkungen, daß die Fondsbestände in der Währung des kaufenden Landes innerhalb von 12 Monaten weder um mehr als 25 % seiner Quote steigen, noch 200 Ufo seiner Quote, die sog. "normale Obergrenze" , übersteigen dürfen (Unterabschn. a III). Der Fonds kann jedoch nach seinem Ermessen auf die Einhaltung dieser Bedingungen verzichten (Abschn. 4), andererseits aber einem Mitglied bei abkommenswidrigem Verhalten die Inanspruchnahme der Fondsmittel entziehen (Abschn. 5).
sagt, den Geldstrom für geleistete Dienste, z. B. im Reiseverkehr, die "übertragungsbilanz" den Geldstrom, dem keine Gegenleistungen gegenüberstehen, z. B. Schenkungen.
356
11. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
Das "quasi-automatische" Ziehungsrecht hingegen kann, ohne daß es einer Darlegung des Mitglieds und ihrer Prüfung durch den Fonds bedarf, ausgeübt werden, und zwar im Rahmen der sogenannten "Goldtranche" . Diesen in der Lehre und Praxis ausgebildeten Begriff hat das "Änderungs- und Ergänzungs-Abkommen" übernommen und im Abschnitt J als Zusatz zu Art. XIX definiert als "Kauf der Währung eines anderen Mitglieds durch ein Mitglied mit seiner eigenen Währung ... , der nicht dazu führt, daß die Bestände des Fonds an der Währung des Mitglieds über 100 % seiner Quote steigen"12. Wir werden das später an einem Beispiel erläutern. Die Quasi-Automatik dieser Art von Ziehungsrechten umschreibt Art. V Abschn. 3 (d) letzter Halbsatz mit den Worten: "Anträge auf Käufe in der Goldtranche können jedoch nicht abgelehnt werden." - Man nennt den Betrag, der einem Land zur Ausübung des quasi-automatischen Ziehungsrechts an eigener Währung zur Verfügung steht, die "Reserveposition" (Art. XXXII (c) des IWF-Abkommens in der Fassung vom April 1968). Bis zum Inkrafttreten des Änderungs- und Ergänzungs-Abkommens bildete sie die einzige internationale Währungsreserve, auf die ein Land zurückgreifen konnte, wenn seine eigene (nationale) zum Ausgleich seiner Zahlungsbilanz nicht ausreichte. Die Quote reflektiert sie als eine weitere nationale Währungsreserve. Das drückte sich in dem genauen Wortlaut aus: "B. Veränderung der quasi-automatischen Ziehungsrechte im Rahmen der deutschen IWF-Quote." 2. Das Änderungs- und Ergänzungsabkommen hat dem allgemeinenund dem quasi-automatischen Ziehungs recht mit dem Sonderziehungsrecht ein drittes hinzugefügt, das einen von den beiden anderen grundverschiedenen Inhalt hat. Das kommt bereits in dem Begriff "Fazilität" zum Ausdruck; denn darunter versteht man mehr als die bloße Möglichkeit, eine fremde Währung im Austausch gegen eine andere zu erhalten. "Fazilität" ist die Fähigkeit, fremde Währung ohne eigene zu erwerben; das Mittel dafür könnte ein Kredit sein; dann spräche man von einer "Kreditfazilität". Das Änderungs- und Ergänzungs-Abkommen vermeidet aber diesen Ausdruck und wählt den umfassenderen "Fazilität", und in der Tat ist das, was das Sonderziehungsrecht den Mitgliedern des IWF verschafft, kein Kredit, sondern ein internationales Zahlungsmittel, eine "Verrechnungswährung", wie sie bereits Keynes und White vorschwebte; denn "ein Teilnehmer ist berechtigt, seine Sonderziehungsrechte (zu erDasselbe besagt die Definition von Joerges, Harald und Schleiminger, Internationaler Währungsfonds IFC IDA, Frankfurt/Main 1965, S. 31 ("Goldtranche ist der Betrag ... , um den die jeweiligen Bestände des Fonds in der betreffenden Landeswährung niedriger sind als die Quote dieses Landes. Im Augenblick des Beitritts entspricht sie der Goldsubskription, beträgt also im Regelfa1l25 v. H. der Quote"). 12
Günther:
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§ 33 Der Internationale Währungsfonds (IWF)
gänzen: nichts als diese) zum Erwerb entsprechender Währungsbeträge ... zu verwenden (Art. XXV Absch .2 (a)). IH. Alle Ziehungsrechte beruhen auf dem rechnerischen Verhältnis, in dem die gezogenen Fondsmittel zur Quote des ziehenden Mitglieds stehen. Dabei haben wir wiederum zwischen den allgemeinen- und den quasiautomatischen Ziehungsrechten auf der einen und den Sonderziehungsrechten auf der anderen Seite zu unterscheiden. 1. Der Fonds wurde mit einem Kapital von 8,8 Milliarden US-Dollar gegründet; davon hatte jedes Mitglied eine Quote zu übernehmen (Art. III Abschn. 1), die nicht nach Hundertsätzen, sondern in festen Beträgen bemessen wurde; in der Folgezeit erhöhte sich der Fonds um die Quoten der jeweils neu hinzutretenden Mitglieder, so um die Quote von 330 Millionen US-Dollar, die die Bundesrepublik Deutschland bei ihrem Beitritt zu leisten hatte (Art. 2 des Gesetzes vom 28. 7. 1952). Gegenwärtig gehören dem Fonds 116 Staaten als Mitglieder an. über die Aufbringung der Quoten bestimmt Art. III Abschn. 3: 25 Ofo sind in Gold zu leisten, jedoch kann jedes Mitglied statt dessen auch bloß 10 Ofo seiner offiziellen Nettobestände in Gold und USDollar (der Leitwährung) einschießen; den Rest von 75 zahlen.
%
oder mehr hat es "in seiner eigenen Währung" zu
Daß im Höchstfall nur 25 Ofo in Gold zuleisten sind, hat seinen guten Grund. Die "Währungsreserven" der Mitgliedsländer (ihre nationalen Währungsfonds) bestehen nämlich im Durschnitt zu rund 50 Ofo in Gold, so daß sie mit den 75 Ofo ihrer "eigenen Währung" mittelbar bereits eine Hälfte der in Gold zu erbringenden 25 Ofo leisten und nur noch die andere Hälfte unmittelbar in Gold darzustellen haben. Als Beispiel seien die Zahlen genannt, in denen sich die Währungsreserven der Deutschen Bundesbank nach dem Stande vom 15. 2. 1967 widerspiegeln (in Millionen Deutscher Mark): Gold .............................................. 16893,2 2. Devisen: a) Sorten, Auslandswechsel und Schecks .... 1 030,7 b) Guthaben bei ausländischen Banken und Geldmarktanlagen im Ausland ...... 9 128,7 c) Kredite an internationale Einrichtungen und Konsolidierungskredite . . . . . . . . . . . . .. 3256,1 13415,5
1.
30308,7
55,7 0 /0
44,3 0/0 100
0/0
358
11. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
In der "eigenen Währung" der Bundesrepublik Deutschland stecken somit bereits etwas über 50 % Gold. Nicht mehr als 25 % in Gold hat jedes Mitglied auch bei einer Erhöhung der Quoten aufzubringen; dieser Anteil kann sogar noch herabgesetzt werden, wenn die Währungsreserven eines Mitglieds geringer sind als seine Quote (Art. III Abschn. 4 b). Auch hier beläuft also der Anteil der "eigenen Währung" an der erhöhten Quote sich auf 75 % und mehr. Dieser Anteil - das ist nun die geldtheoretisch interessante Erscheinung - braucht nicht durch Zahlung in Sorten oder durch Überweisung auf ein für den IWF geführtes Konto aufgebracht zu werden, sondern es können dafür "Schuld- oder ähnliche Verpfiichtungsscheine" hingegeben werden, die drei Eigenschaften haben müssen: sie müssen sein a) unübertragbar, b) unverzinslich, c) "zahlbar bei Sicht zum Paritätswert durch Kreditierung des Kontos des Fonds bei der . .. Hinterlegungsstelle" (Art. III Abschn. 5). Die letztere Eigenschaft macht sie zu "Mobilisierungstiteln". Als "Hinterlegungsstelle" fungiert, falls vorhanden, die "Zentralbank" jedes Mitgliedslands (Art. XIII Abschn. 2). Bei ihr wird also das "Konto" eingerichtet, von dem in Art. III Abschn. 5 die Rede ist. Das bedeutet, daß sich die Aufbringung einer erhöhten Quote zu mindestens 75 % durch reine Verbuchung vollzieht, und zwar in zwei Etappen: zunächst erscheint das Mitgliedsland mit dem durch "Schuldschein" ausgewiesenen Teilbetrag der Quote in den Büchern des IWF unter den "Debitoren", in denen des Mitgliedslandes unter den "Kreditoren", bei Sicht, d. h. gegen Präsentation des "Schuldscheins", wird das Konto des IWF bei der Zentralbank des Mitgliedslandes erkannt, das des Mitgliedslandes belastet, und zwar geschieht das, wenn die Währung dieses Landes "gezogen", d. h. von einem anderen Mitgliedsland beansprucht wird; in Höhe des gezogenen Betrages geht dann das bei der Zentralbank geführte Konto des IWF auf das ziehende Land über; zugleich erwächst der Zentralbank daraus eine Forderung gegen ihren eigenen Staat; denn dieser, nicht die Zentralbank, ist ja Mitglied des IWF und als solcher aus dem Schuldschein verpflichtet, den seine Zentralbank für ihn einlöst1 3 • Es entstehen hier also drei ineinandergreifende Kreditverhältnisse: einmal zwischen dem IWF und dem zur Aufbringung der Quote verpflichteten Staat auf der einen und zum ziehenden Staat auf der anderen Seite, sodann zwischen ersterem und seiner Zentralbank. 13
Jörges-SchZeiminger, a.a.O., S. 51.
§ 33 Der Internationale Währungsfonds (IWF)
359
Für die Bundesrepublik Deutschland hat das einen gesetzlichen Niederschlag in § 20 Abs. 1 Ziff. 2 ades Bundesbankgesetzes gefunden. Danach ist die Bundesbank ermächtigt, dem Bund zur Erfüllung seiner Verpflichtung aus seiner Mitgliedschaft beim IWF Kredite bis zum Höchstbetrag von 4 Milliarden 870 Millionen DM14 zu gewähren. Mit diesem Kreditplafond finanziert der Bund seine "Subskriptionsverpjlichtungen" gegenüber dem IWF. Daran hat sich im Grunde auch dadurch nichts geändert, daß der Bund durch Gesetz vom 17. 12. 1970 (BGBl II 1970 S. 1325) im Innenverhältnis alle Rechte und Pflichten aus seiner Mitgliedschaft und alle Ziehungsrechte auf die Deutsche Bank übertragen hat; denn da er nach außen Mitglied des IWF bleibt, bleibt, er auch Schuldner der Bundesbank, jetzt als ihr Auftraggeber. Den Anstoß dazu gab eine Entschließung des IWFGouverneurrates vom 9.2.1970, die den Mitgliedern eine Erhöhung der Quoten um 35 112 Ofo anbot. Von diesem Angebot machte die Deutsche Bundesbank Gebrauch; sie erhöhte die Quote des Bundes um 400 Millionen auf 1,6 Millionen US-Dollar I5 . Was diese Regelung und ihre Handhabung geldtheoretisch so überaus interessant macht, ist die Konfrontation von "gebundener" und "freier" Währung. Es ist in einem doppelten Sinne die Konfrontation von Vergangenheit und Zukunft: einmal drückt sich in ihr die geldgeschichtliche Entwicklung vom Gold weg zu den Devisen hin aus, zum anderen - und das ist das Entscheidende - eine gegensätzliche Einstellung zu dem, was man unter "Währungsreserve" zu verstehen hat. Mit dem Gold verbindet sich die Vorstellung von etwas, das in der Vergangenheit existent geworden ist; Gold ist ersparte Währungsreserve. Beim Schuldschein hingegen dient als Währungsreserve ein erst in der Zukunft eintretendes Ereignis: seine Präsentation und seine Verwandlung in ein Konto, zu dessen Lasten verfügt werden kann; der Schuldschein ist geschöpfte Währungsreserve; denn aus ihm erwächst mit der Präsentation in Höhe der "Goldtranche" das quasi-automatische Ziehungsrecht, die "Reserveposition".
Beispiel: Angenommen Italien hätte zum Ausgleich seiner Zahlungsbilanz nach der im Jahre 1965 erfolgten Erhöhung der Quoten auf 1,2 Milliarden USDollar = 4,8 Milliarden DM beim IWF 1 Milliarde Deutsche Mark gezogen, dann hätte sich um diese Betrag der Bestand des IWF an deutscher Währung vermindert, und in gleicher Höhe wäre für die Bundesrepublik ein quasiautomatisches Ziehungsrecht entstanden; denn der Betrag von 1 Milliarde DM hätte nicht über 100 Ofo der Bestände des Fonds an deutscher Währung gelegen, da die Bundesbank ihrerseits keine fremden Währungen zu Lasten ihres Kontos 14 Auf diesen Betrag wurde die Ermächtigung durch Gesetz vom 12. V. 1966 heraufgesetzt; ursprünglich belief er sich auf 1,5 Milliarden DM, danach wurde er durch Gesetz vom 13. VII. 1959 auf 3,3075 Milliarden erhöht. 15 Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Januar 1971, S. 38 ff.
360
H. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
beim IWF gezogen hatte; wäre das der Fall gewesen, hätte sie beispielsweise für 400 Millionen DM eine fremde Währung gezogen, dann hätte ihr quasi-autolatisches Ziehungsrecht (ihre "Goldtranche") nur 600 Millionen DM betragen. 2. Gänzlich anderer Art ist das rechnerische Verhältnis der Sonderziehungsrechte zu den Quoten. a) Deren Höhe bleibt von ihnen unberührt; es findet keine sie erhöhende - Einzahlung statt, vielmehr werden die Sonderziehungsrechte den Mitgliedern, die es wünschen (Art. XXII Abschn. 1), "zugeteilt", und dafür dienen ihre Quoten lediglich als Verhältniszahlen ("Die Zuteilungen werden in Hundertsätzen der Quoten ausgedrückt ... Die Hundertsätze sind für alle Teilnehmer gleich", Art. XXIV Abschn. 2 b). Die Zuteilungen erfolgen in "Basisperioden mit fünf jähriger Laufzeit" (Art. XXIV Abschn. 2 a). b) Die Zuteilung ist ein reiner Buchungsvorgang: die Beträge der Sonderziehungsrechte werden den Teilnehmern auf einem "Sonderziehungskonto" gutgebracht, das vom "Generalkonto" getrennt ist und über das "alle Geschäfte mit Sonderziehungsrechten abgewickelt" werden (Art. XXI Abschn. 1, XXII Abschn. 1). Auch diese "Geschäfte" spielen sich in reinen Verbuchungen ab. Deren konstitutive Wirkung hebt Art. XXII Abschn. 3 mit den Worten hervor: "Veränderungen in den Beständen an Sonderziehungsrechten werden nur dann wirksam, wenn sie vom Fonds im Sonderziehungskonto verbucht sind." Im Rechenwerk des IWF erscheinen die Sonderziehungsrechte auf beiden Seiten als gleichgewichtige durchlaufende Posten; der IWF wird durch sie nicht ärmer und nicht reicher. Die "Teilnehmer", d. h. die Mitgliedsstaaten, übertragen ihre Sonderziehungsrechte auf ihre Zentralbankinstitute, die Bundesrepublik Deutschland also auf die Deutsche Bundesbank (Art. 3 des Gesetzes vom 23. 12. 1968); in deren Rechenwerk schlagen sie sich auf der Aktivseite als eine die Währungsreserve erhöhende "Fazilität", auf der Passivseite in einer ihr entsprechenden Erhöhung des Kapitals nieder. c) Mit der Zuteilung wird kein Kredit gewährt, den das empfangende Land (in Gold oder Devisen) zurückgewähren müßte, vielmehr wird ein internationales Zahlungsmittel, also Geld, geschaffen, das, einmal existent geworden, existent bleibt und daher nicht bloß wie das allgemeine und das quasi-automatische Ziehungsrecht mit seiner Ausübung erlischt, sondern permanent für Zahlungen, allerdings nur zum Ausgleich von Zahlungsbilanzdefiziten, verwendbar ist. An dem Geldcharakter ändert es nichts, daß der IWF die Einziehung von Sonderziehungsrechten beschließen kann (Art. XXIV) und daß ein Teilnehmer, der mehr als 70 Ofo "des Durchschnitts der kumulativen Nettozuteilung" verwendet hat, den Fehlbestand zu "re konstituieren", d. h. seinen Bestand an Sonderziehungs-
§ 33 Der Internationale Währungsfonds (IWF)
361
rechten "gegen Gold oder eine für den Fonds akzeptierbare Währung" auf 30 % des "Durchschnitts der Nettozuteilung" aufzufüllen hat (Art. XXV Abschn. 6 a mit Anhang G Ziff. 1 a I und IV). Die Einziehung ist der Einziehung von Bargeld vergleichbar, die beim Offenmarktgeschäft stattfindet; wie diese den Geldcharakter des nicht eingezogenen (des umlaufenden) Geldes unberührt läßt, nimmt die Einziehung von Sonderziehungsrechten den nicht eingezogenen Beständen den Charakter eines internationalen Zahlungsmittels. Bei der "Rekonstitution" findet nichts anderes statt, als daß eine Art von Geld gegen eine andere ausgewechselt wird, wie dies ja auch sonst im außen.wirtschaftlichen Verkehr geschieht. d) Mit der Ausübung ihrer Sonderziehungsrechte zahlen die Teilnehmer für den "Erwerb entsprechender Währungsbeträge" (Art. XXV Abschn. 2 a), begleicht beispielsweise die Zentralbank des Landes X die Währungsbeträge des Landes Y, die sie von dessen Zentralbank erwirbt. Diese andererseits erhält "den Gegenwert in Sonderziehungsrechten" (Art. XXV Abschn. 2 cl. Es kann sogar ein Zwang dazu bestehen; denn der Fonds hat das Recht, Teilnehmer zu "designieren", die verpflichtet sind, "de facto konvertierbare Währungsbeträge gegen Sonderziehungsrechte zur Verfügung zu stellen" (Art. XXV Abschn. 4, 5 a, Art. XXXII b). e) Das erst verleiht den Sonderziehungsrechten die Eigenschaft, auf die es entscheidend ankommt: sie "werden der Währungsreserve jedes Mitglieds . .. zugerechnet" (Art. XXV Abschn. 7 a). Es bedarf keines Wortes, daß sie geschöpfte Währungsreserven sind und als solche mit den quasiautomatischen Ziehungsrechten zusammen den Anteil der ersparten Währungsreserven, insbesondere des Goldes, fortschreitend zurückdrängen. Der Bundesrepublik Deutschland wurden am 1. Januar 1970 Sonderziehungsrechte im Betrage von 738 Millionen DM zugeteilt, am 1. Januar 1971 627 weitere Millionen DMI6. Zum 31. 12. 1970 wies die Deutsche Bundesbank ihre Währungsreserven mit folgenden Positionen aus l7 : Gold . .... ... ... . . . ...... .. ....... . ...... .. . . .. . . . ..... .. . . . . 2. Auslandsaktiva a) unbeschränkt verwendbar oder leicht mobilisierbar ..... davon: US-Dollar . ......... ...... ... ... . .... ... .. DM 28 572 sonstige konvertierbare Währungen . .. . . . DM 173 quasi-automatische und Sonderziehungsrechte . .. ...... .... . ... .. . DM 4 300 b) beschränkt verwendbar . . . .. . .. .. . . . .. ... .. ... . ..... . .. . .. . 1.
abzgl. Auslandsverbindlichkeiten
Mill. DM 14565 33045
4218 51828 2810 49018
16
Siehe Anm. 15.
362
11. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie § 34 Die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) Deren und des IWF Schwesterinstitutionen
Der Gegensatz von ersparten und geschöpften Währungsreserven tritt bei der mit dem IWF gekoppelten Weltwährungs-Institution, der WeLtbank, noch schärfer hervor. Ihr "genehmigtes Grundkapital" wurde auf 10 Milliarden US-Dollar, also 1,2 Milliarden höher als das des IWF, festgesetzt (Art. II Abschn. 2 des Weltbank-Abkommens). Darauf hatten aber die - mit den Mitgliedern des IWF identischen - "Stammitglieder" (Art. II Abschn. 1) nur 20 Ofo einzuzahlen (Art. II Abschn. 5), und davon nur 2 % "in Gold oder US-Dollar", weitere 18 % in der eigenen Währung (Art. II Abschn. 7). Am 15. 9. 1959 wurde im Zusammenhang mit der Erhöhung des IWF das Grundkapital der Weltbank um 11 Milliarden US-Dollar, mit Wirkung vom 31. 12. 1963 nochmals um 1 Milliarde US-Dollar erhöht, so daß es jetzt 22 Milliarden US-Dollar beträgt1 8 • Der Anteil der Bundesrepublik Deutschland daran beläuft sich auf 1,050 Milliarden, also rund 5 Ofo. Auf das erhöhte Kapital brauchten Einzahlungen überhaupt nicht geleistet zu werden, erhöht wurde vielmehr lediglich die Haftsumme. Das ist der Betrag der "Haftung aus den Anteilen ... auf den nicht eingezahlten Teil des Ausgabepreise der Anteile" (Art. II Abschn. 6). Er verwandelt sich, sobald er "abgerufen" wird, in eine Forderung der Weltbank, die "nach Belieben der Mitglieder" entweder in Gold oder in US-Dollar oder in der Währung des Landes, für das die Weltbank ihn gerade benötigt, zu erfüllen ist (Art. II Abschn. 7 II), und zwar in einem bis auf 4 Jahre erstreckten Zeitraum (Art. II Abschn. 8). Die Haftsumme ist also eine künftige Forderung und damit das extremste Gegenstück einer in der Vergangenheit aus gespartem Gold gebildeten Währungsreserve; denn eine solche zwar keine nationale, wohl aber internationale, ist neben dem IWF auch das haftende Kapital, da auch der Weltbank "die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts der Zahlungsbilanzen" zur Aufgabe gestellt ist (Art. I Abschn. III); nur soll sie sie in anderer Weise, nämlich "durch die Anregung internationaler Investitionen" bewältigen und zu diesem Zweck Anleihen gewähren oder garantieren (Art. I Abschn. IV). So kann sie etwa den Bau eines Stahlwerks kreditieren, dessen Exporterlös zur Entlastung der Zahlungsbilanz des kreditnehmenden Entwicklungslan17 Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Januar 1971, Statistischer Teil, S. 72. 18 Joerges-Schleiminger, a.a.O., S. 59 ff. Eine weitere Erhöhung erfolgte im Mai 1966, der Anteil der Bundesrepublik Deutschland erhöhte sich dadurch auf 1,280 Milliarden US-Dollar, davon waren nur 1 0/0 durch Zahlung in USDollar und weitere 9 Ofo durch Hinterlegung eines Schuldscheines zu begleichen, die restlichen 90 Ofo stellten lediglich eine Zunahme der Haftsumme dar (Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Mai 1966, S. 50 und August 1966, S. 46).
§ 34 Die Weltbank - Deren und des IWF Schwesterinstitutionen
363
des dienen soll. Der monetäre Zweck des Zahlungsbilanzangleichs wird also erst auf dem Umweg langfristiger Finanzierung eines Investitionsvorhabens erreicht. Dafür reichen die staatlichen Mittel, die der Weltbank zur Verfügung stehen, nicht aus; sie werden ergänzt durch die aus dem privaten Bereich fließenden der "International Finance Corporation (IFC)", einer Schwesterinstitution der Weltbank l9 • Aber auch mit ihnen ist der erstrebte Zahlungsbilanzausgleich noch nicht gesichert, da die mit diesen Krediten verbundene Schuldenlast den für den Ausgleich benötigten Exportüberschuß aufzehrt. Eine zweite Schwesterinstitution der Weltbank, die "International Development Association (IDA)" hat daher die Aufgabe übernommen, für die Ausführung von Entwicklungsprojektionen sehr langfristige Kredite zu sehr günstigen Konditionen auszureichen20 • Das haftende Kapital der Weltbank kann somit im Zusammenwirken mit den Mitteln ihrer Schwesterorganisationen nur als eine fernwirkende Währungsreserve dienen. Der Ausgleich der Zahlungsbilanzen erfordert aber, da er jederzeit akut werden kann, nahwirkende Währungsreserven, aus denen sich kurz- und mittelfristige Kredite schöpfen lassen. Dafür dient in erster Linie der IWF. Indessen ist seinem Wirkungsbereich eine strukturbedingte Grenze gesetzt. Seine Mitglieder sind ja an ihm mit unterschiedlich hohen Quoten beteiligt; am höchsten sind die des Leitwährungslandes, der USA, und die Großbritanniens, das man ebenso wie die USA zu den "Reservewährungsländern" zählt. Die in diesen Währungen aufgebrachten Fondsmittel, insbesondere die US-Dollar-Devisen, werden daher in erheblichem Umfang für Ziehungen verwendet, so daß die Währungshilfe des IWF versagt, wenn diese Länder selber auf sie angewiesen sind. Dazu kommt, daß der US-Dollar gerade weil er die Leitwährung ist, über die internationalen Geldmärkte in die Länder mit weitaus geringeren IWF-Quoten fließt, so daß die Zahlungsbilanz der USA trotz aktiver Handelsbilanz permanent passiv ist 21 . Um als nahwirkende Währungsreserve dienen zu können, mußte daher der IWF eine Ergänzung durch Mittel erfahren, die ihm über die "Subskriptionszahlungen" auf die Quoten hinaus zuflossen. Eine Handhabe dafür bot ihm die Vorschrift des Art. VII Abschn. 2. Danach kann er von einzelnen Mitgliedern Kredite aufnehmen. Auf Grund eines Beschlusses seines Exekutivrats vom 5. Januar 1962 traf er mit den zehn maßgeblichen Industrieländern ein Abkommen, wonach diese Länder ihm zur Stärkung der Fondsmittel (anfänglich bis zu 6 Milliarden US-Dollar) zur Verfügung stellen. Man bezeichnet dieses Abkommen und seine Partner
Joerges-Schleiminger, a.a.O., S. 12 und 80 ff. a.a.O., S. 13 und 86 ff. 21 Das ist auch einer der Gründe, der zur Schaffung der Sonderziehungsrechte geführt hat (Wirtschaftsberichte der Dresdner Bank, September 1967, Nr. 3, 19
20
S.2).
364
11. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
als die "Allgemeinen Kreditvereinbarungen" des "Zehnerclubs". Ihm gehören an: die USA, Großbritannien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Niederlande, Belgien und Schweden. Der Anteil der Bundesrepublik Deutschland betrug anfänglich (am 31. 12. 1964) 720 Millionen DM, stieg am 30. 6. 1968 bis auf 2454 Millionen DM an, sank in der Folgezeit bis auf 1464 Millionen DM ab, um am 31. 10. 1969 wieder 2013 Millionen DM zu erreichen 22 • In dieser Höhe erwuchs ihr, wie wir an anderer Stelle bereits darlegten, ein quasi-automatisches Ziehungsrecht, d. h. eine nationale Währungsreserve als Reflex einer internationalen. Die nahwirkenden Währungsreserven des IWF haben damit eine Erweiterung durch ein bloßes Kreditvolumen erfahren. Nichts anderes als das sind auch die Mittel, mit denen zwei regionale (supranationale) Einrichtungen zur Bildung von Währungsreserven für den Ausgleich der Zahlungsbilanz beitragen: die OEEC (Organisation for European Economic Cooperation) in Paris und die BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) in Basel; sie leisten Devisenhilfe durch Kredite aus Mitteln, die sie sich ihrerseits im Kreditwege beschaffen23 • In der Form bloßer Kreditierung aus dem Volumen eines Landes an ein anderes kann sich auch der bilaterale Zahlungsbilanzausgleich vollziehen. Dafür ein Beispiel, das zugleich einen Einblick in die monetäre Technik gewährt. Einen der Gründe für die permanente Passivität der US-Zahlungsbilanz liefern die Sorten und Devisen, die zur Deckung der Besatzungskosten in die Bundesrepublik Deutschland fließen. Um insoweit einen Ausgleich herbeizuführen, hatte die Bundesbank sich bereit erklärt, für 500 Millionen US-Dollar mittelfristiger Wertpapiere der USA mit einer Laufzeit von 4 bis 41 /2 Jahren zu erwerben, und zwar gegen Hergabe von US-Geldmarktpapieren aus dem Bestand ihrer Währungsreserven; sie wollte sich jedoch das Recht vorbehalten, die Wertpapiere in US-Guthaben einzutauschen (sie zu "mobilisieren"), falls ihre eigene Zahlungsbilanzlage das erfordern würde24 • Die monetäre Bedeutung dieses Planes lag in folgendem: Nach der von uns gegebenen übersicht entfielen von den Währungsreserven, über die die Deutsche Bundesbank am 15. 2. 1967 verfügte, rund 9 Milliarden DM auf "Guthaben bei ausländischen Banken und Geldmarktanlagen". Davon waren allein für rund 8 Milliarden DM in kurzfristigen US-Geldmarktpapieren angelegt, also in Urkunden, vornehmlich oder gar ausschließlich in Wechseln mit der normalen Laufzeit von 3 Monaten, die aus deutschen Exporten in die USA herrührten und von der Deutschen Bundesbank gegen Gutschrift des Gegenwerts in DM 22 Joerges-Schleiminger, a.a.O., S. 37 ff.; Stucken, a.a.O., S. 299; Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Juni 1965, S. 10 ff., August 1967, S. 64 ff., Dezember 1969, Statistischer Teil, S. 8. 23 Stucken, a.a.O., S. 299; Joerges-Schleiminger, a.a.O., S.10. 24 Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, Mai 1967, S. 52.
§
35 Der Charakter des Weltwährungssystems
365
"aufgekauft" waren. Aber schon hier müssen wir feststellen, daß es ein Kredit ist, der als Währungsreserve dient; denn solange die Wechsel nicht eingelöst sind, verbriefen sie lediglich einen Zahlungsanspruch. - Erst recht handelt es sich um Kredite bei den mittelfristigen Wertpapieren, die die Deutsche Bundesbank im Austausch gegen einen Bestand von 500 Millionen US-Dollar (2 Milliarden DM) zu erwerben bereit war. Sie konnte sich dazu erbieten, ohne daß ihre Währungsreserve eine Einbuße erfahren hätte; denn dazu rechnen auch "Kredite an internationale Einrichtungen", so daß sie lediglich eine Umbuchung in ihrer Zahlungsbilanz vorzunehmen hatte. Ihr Vertragspartner, der "Federal Reserve Board" andererseits erreichte die Entlastung seiner Zahlungsbilanz nur, wenn er die US-Geldmarktpapiere (Wechsel) aus dem Portefeuille der Deutschen Bundesbank als Deviseneinnahme verbuchen konnte, und dazu bedurfte es des "Verkaufs" seiner mittelfristigen Wertpapiere. Hier wurden zum Ausgleich der Schuld eines Landes an ein anderes nicht Zahlungsmittel, sondern Forderungen auf erst künftig zu erbringende Leistungen, statt ersparter geschöpfte Währungsreserven hergegeben.
§ 35 Der Charakter des Weltwährungssystems 1. Das Fazit, das wir aus unseren Untersuchungen zu ziehen haben, ist die Erkenntnis, daß die Währungsreserven, soweit sie nicht in Gold bestehen, auf dem Kredit beruhen, den die Länder gegenseitig genießen, so daß man sagen kann:
Das Weltwähungssystem ist ein Weltkreditsystem. Es kann als solches nur funktionieren, wenn die in ihm zusammengeschlossenen Länder sich kreditgemäß verhalten. Diesem Zweck dienen die Verpflichtungen, die Art. VIII des Abkommens über den Internationalen Währungsfonds seinen Mitgliedern für die Gestaltung der Wechselkurse und ihre Devisenpolitik auferlegt (die sog. "kodifizierten Verhaltensregeln ")25. Indessen ist die Erfüllung dieser Verpflichtungen nicht erzwingbar. Es gibt ja kein Organ der Weltexekutive, das wie ein Gerichtsvollzieher die geschuldeten Leistungen beitreiben könnte. Um dennoch das Weltwährungssystem funktionsfähig zu machen, muß die Erfüllbarkeit der Leistungen von vornherein gewährleistet sein. Es kann sich daher nicht auf dem rechtlichen Müssen seiner Mitglieder, sondern nur auf ihrem wirtschaftlichen Können aufbauen. Die "kodifizierten Verhaltensweisen" 25
Joerges-SchZeiminger, a.a.O., S. 10.
366
11. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
bedürfen daher der Ergänzung durch Instrumente zur Messung der Leistungsfähigkeit der Länder. Diese Instrumente sind dem IWF an die Hand gegeben. Dessen Mitglieder sind ihm zur Erteilung von Auskünften über ihre Zahlungsbilanz, ihr Volkse'inkommen und ihre Preisindices verpflichtet (Art. VIII Abschn. 5). Es sind das die Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Nun ist dem IWF die Zusammenarbeit "mit jeder allgemeinen internationalen Organisation" (Art. X), in erster Linie mit der Weltbank und deren Schwesterinstitutionen, aufgegeben, wie umgekehrt die Weltbank mit dem IWF und allen sonstigen internationalen Organisationen kooperieren soll (Art. V Abschn. 8). Die Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen werden auf diese Weise für alle Träger des Weltwährungssystems zu Daten für die Vorausberechnung der Währungsreserven. Aus den Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden insbesondere die Haftsummen, mit denen die Länder am Grundkapital der Weltbank beteiligt sind, und damit ihre künftigen Leistungsverpflichtungen vorausberechnet. Nur mit ihnen läßt sich ein "Contingenty planning" für die Schaffung zusätzlicher internationaler Währungsreserven durchführen. Aber nicht allein die Aufbringung der Weltwährungsreserven, sondern auch ihre Verwendung ist das Ergebnis von Vorausberechnungen aus den Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der einzelnen Länder. Zur Erhöhung des Kapitals der internationalen Währungsinstitutionen kommt es ja nur, weil das erhöhte Kapital für den Ausgleich der Zahlungsbilanzen benötigt wird, und das setzt eine Prüfung der gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch der Mitglieder voraus, die die Mittel der internationalen Währungsreserven in Anspruch nehmen. Das ist bei der Ausübung der allgemeinen Ziehungsrechte ebenso wie bei der Aufnahme eines Weltbankkredits. Die Vorausberechnung der Währungsreserven nach Aufbringung und Verwendung gewinnt in dem Maße an Bedeutung, in dem das Weltwährungssystem sich zum Weltkreditsystem hin entwickelt, und das zeichnet sich seit dem Jahre 1965 deutlich ab. Bis dahin wurden die Währungsreserven in der Hauptsache aus den herkömmlichen Quellen, dem Gold und dem US-Dollar, gespeist, waren es ersparte Währungsreserven. Seitdem aber sind diese versiegt. Die Goldbestände erfuhren eine Schrumpfung durch das Ausbleiben russischer Goldverkäufe; die Dollarbestände verringerten sich infolge des wachsenden Defizits der US-Zahlungsbilanz in einem Ausmaße, daß der Fonds für Ziehungen der Defizitländer nicht mehr US-Dollar, sondern nur noch Währungen anderer Länder zur Verfügung stellen konnte; diesen "überschußländern" erwuchsen daraus quasi-automatische Ziehungsrechte und damit Forde-
§ 35 Der Charakter des Weltwährungssystems
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rungen gegen den IWF, die sie neben ihren Gold- und US-Devisenbeständen in ihrer Zahlungsbilanz als Währungs reserve ausweisen konnten 26 • Noch deutlicher in diese Richtung weist die Schaffung der Sonderziehungsrechte; denn sie sind weder Gold noch Leitwährung noch eigene Währung der Länder noch ein Ersatz dafür, sondern internationales Geld, dessen Schöpfung allein auf der Voraus be rechnung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Länder beruht. Sie werden immer mehr zum tragenden Pfeiler des Währungsreservesystems werden 2 '. Das bedeutet einen Bruch mit herkömmlichen Vorstellungen. "Währungsreserve" im überkommenen Sinne ist eine Anhäufung ersparten Goldes oder ersparter Devisen in einem "Juliusturm", eine "Rücklage", die man "in der Zeit" bildet, um sie "in der Not" einzusetzen. Die Ziehungsrechte hingegen sind keine ersparte, sondern geschöpfte Währungsreserven, und zwar die bloße Frucht des rechnerischen Verhältnisses, in dem die Währungsbestände der einzelnen Währungsgebiete (Staaten) zueinander stehen. II. Entstehung und Ausübung der Ziehungsrechte vollziehen sich in einer Kette von Buchungsvorgängen, die ihrerseits nur Teile von Buchungsvorgängen sind, in denen der gesamte internationale Zahlungsausgleich abläuft. Bei den allgemeinen- und den quasi-automatischen Ziehungsrechten steht am Anfang die Eröffnung zweier Konten bei der Deutschen Bundesbank: eines für die Bundesrepublik Deutschland aufgrund des § 20 Abs. 1 Ziffer 2 ades Bundesbankgesetzes, jetzt des Gesetzes vom 17. 12. 1970 und eines für den IWF aufgrund der Vorschrift des Abschn. XII des Abkommens über die Bestimmung der Bundesbank als Hinterlegungsstelle. Dem letzteren werden zu Lasten des ersteren die 75 % gutgeschrieben, die der Bund als Quote "in seiner eigenen Währung" aufzubringen hat, regelmäßig jedoch nicht sofort, sondern erst wenn ein anderes Land die deutsche Währung zieht; bis dahin existiert nur eine Forderung des IWF gegen den Bund in der Form eines über den Landeswährungsteil der Quote ausgestellten Schuldscheins. Mit der Ziehung durch ein anderes Land aber wird diese Forderung als ein Guthaben existent, das der Fonds auf das Konto überträgt, welches das ziehende Land bei seiner Zentralbank unterhält, nicht anders, als wenn sonst der Inhaber eines Bankkontos zu dessen Lasten einen Betrag auf ein Konto überweist, das der Empfänger bei einer anderen Bank unterhält. Zugleich wird in Höhe der Ziehung das IWF-Konto belastet, das die Bundesbank dem Bund eingerichtet hat, und zugleich entsteht in dieser Höhe das quasi-automatische Ziehungsrecht des Bundes als eine künftige Jahresbericht der Deutschen Bundesbank, 1966, S. 35 ff. Äußerung des Bundeswirtschaftsministeriums in Augsburger Allgemeine Zeitung vom 2. 1. 1970. 26
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368
II. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
Forderung gegen den IWF. übt der Bund später dieses Recht aus, so wiederholen sich die Buchungsvorgänge im umgekehrten Verhältnis. Die Sonderziehungsrechte können gar nicht anders als durch Verbuchung auf dem Sonderziehungskonto entstehen und übertragen werden (Art. XXII Abschn. 1 und 3). Wir sehen uns hier mit der Tatsache konfrontiert, daß wie innerhalb der einzelnen Währungsgebiete (Staaten), so auch im Verkehr zwischen ihnen Zahlungen durch simultane Buchungen geleistet werden, für die das Geld lediglich als Recheneinheit dient. Das bedeutet, daß das Weltwährungssystem nur funktionieren kann, wenn es zu einem Weltwirtschaftsrechnungssystem ausgestaltet wird. Nur in einem solchen System ist eine vom Gold und von goldgleichen Devisen gelöste Währung überhaupt denkbar. Nur ein solches System vermag den Automatismus zu ersetzen, mit dem die Währungen der Länder durch das Gold und die goldgleichen Devisen im Gleichgewicht gehalten werden. Solange aber die Währungsreserven der Länder nicht bloß in den Ziehungsrechten, sondern auch in Gold und US-Dollar-Devisen bestehen, müssen auch sie in das Weltwirtschaftsrechnungssystem einbezogen werden, wenn dieses im ganzen funktionieren soll. Jede Zahlung in Gold oder in der Leitwährung kann daher auch nur als ein Vorgang der Weltwirtschaftsrechnung wirksam werden. Man kann und muß daher den Satz, daß eine vom Gold und gold gleichen Devisen gelöste Währung nur in einem Weltwirtschaftsrechnungssystem denkbar ist, umkehren in den Satz, daß Gold und goldgleiche Devisen als Zahlungsmittel nur in einem Weltwirtschaftsrechnungssystem denkbar sind. Tatsächlich geht auch mit jeder Zahlung in Gold oder goldgleichen Devisen eine entsprechende Buchung einher. Insbesondere finden alle beim IWF vollzogenen "Subskriptionen" und "Währungskäufe in Gold" ihren Niederschlag in den Rechnungswerken des Fonds und der jeweils beteiligten Länder; damit, daß eine bestimmte Menge Goldes (eine bestimmte Anzahl von Goldbarren) den Besitzer wechselt, ist es noch nicht getan; erst die weltwirtschaftsrechnungsmäßige Erfassung dieses Vorgangs macht ihn zur Zahlung. Auch beim bilateralen Zahlungsbilanzausgleich ist das so. Die "An- und Verkäufe" von Währungsgold spielen sich, in der Regel wenigstens, ganz anders ab, als man meinen möchte, d. h. nicht so, daß eine bestimmte Menge Goldes per Bahn, Schiff oder Flugzeug von einem Land in ein anderes überführt wird. Gewiß gibt es auch das noch, gewöhnlich werden aber die "An- und Verkäufe" ohne solche Transporte durchgeführt. Der weitaus größte Teil der Gold-Währungsreserven aller Länder, und zwar (nach dem Stande des Jahres 1965) rund 15 000 Tonnen im Goldwert
§ 35 Der Charakter des Weltwährungssystems
369
von rund 17 Milliarden Dollar, lagert nämlich in den Kellern der Federal Reserve Bank und wird von dieser für die beteiligten Länder verwahrt und verwaltet. Jedem Land ist eine Boxe zugeteilt. Verkauft ein Land eine bestimmte Menge an ein anderes, so wird diese Menge der Boxe des verkaufenden Landes entnommen, abgewogen und in die Boxe des kaufenden Landes umgelagert. Dieser Vorgang spielt sich 40 m unter der Erdoberfläche und 15 m unter dem Meeresspiegel im Fels von Manhatton ab, wird also von den Repräsentanten der beteiligten Länder physisch nicht wahrgenommen 28 • Als Zahlung kann er daher nur wirksam werden, wenn er sich in den Rechenwerken sowohl der Federal Reserve Bank als auch der beteiligten Länder niederschlägt. Auch die auf solche Weise mit Währungsgold geleistete Zahlung erfordert somit eine simultane Buchung. Mit ihr erst tritt die Verlagerung der Goldmenge und damit die Zahlung in Erscheinung. Es läßt sich sogar vorstellen, daß sich die Goldzahlung mit ihr allein vollzieht, die Goldbarren also ihren Standort gar nicht wechseln; deren Gewicht muß ja festgestellt werden, bevor sie in den Keller gelangen; sie könnten daher für alle beteiligten Länder in ähnlicher Weise gemeinschaftlich verwahrt und verwaltet werden, wie das beim Sammeldepot von Wertpapieren geschieht; die Zu- und Abgänge jedes Landes würden sich dann nur noch in den entsprechenden Simultanbuchungen niederschlagen. Dahin könnte und müßte es kommen, wenn der technische Apparat, von dem die Verlagerung des Goldes abhängt, aus irgend einem Grund, etwa infolge einer überflutung des Kellers (die sogar als möglich bedacht ist), versagt oder wenn der Keller durch ein Naturereignis (Erdbeben) oder durch kriegerische Einwirkung (Atombombe) zerstört wird. Mit der Einlagerung des Währungsgoldes in den Kellern der Federal Reserve Bank hat, wenn man diese Dinge zu Ende denkt, das Gold aufgehört, ein Zahlungsmittel zu sein. Verwendung findet es ja nur noch bei Globalzahlungen von Land zu Land; es spielt dabei aber nur noch eine symbolische Rolle. Der eigentliche Zahlungsvorgang liegt in der simultanen Buchung des durch die Goldmenge symbolisierten Geldbetrages, und auch hier ist die Zahlung nichts als eine besondere Art, sich des Geldes als Recheneinheit in einem rechtlich geordneten System der Wirtschaftsrechnung zu bedienen. Den Gegenstand des Systems der Weltwirtschaftsrechnung bilden die gesamtwirtschaftlichen Leistungen der ihm angeschlossenen Mitglieder. Deren volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen werden durch das Weltwährungssystem zur weltwirtschaftlichen Gesamtrechnung zusammengefaßt und liefern in dieser Zusammenfassung die Daten für die Aufbringung und Verwendung der internationalen Währungsreserven, ins28
Augsburger Allgemeine Zeitung vom 8. I. 1965.
24 Eckelt
3iO
11. 3. Absclm.: Kapitalistische Währungstheorie
besondere für die Berechnung der Quoten und der Ziehungsrechte beim IWF, des Grundkapitals und des Kreditvolumens bei der Weltbank und deren Schwesterinstitutionen. II!. Diese Berechnungen sind nicht Selbstzweck, sondern dienen als Mittel zur Steuerung der Weltwirtschaft. Wir haben aufgezeigt, wie die verschiedenen Weltwährungsinstitutionen ineinander greifen, um fern-, nah- und nächstwirkende Währungsreserven hervorzubringen. Auf dieses Ziel sind nicht nur die dem akuten Ausgleich der Zahlungsbilanzen dienenden Maßnahmen des IWF (die Abrufe der Quoten auf der einen, die Kreditausreichungen und die Zuteilung von Sonderziehungsrechten auf der anderen Seite), sondern auch die von der Weltbank und ihren Schwesterinstitutionen gewährten Entwicklungshilfen gerichtet. Die beiden scheinbar so unterschiedlichen Arten internationaler Wirtschaftspolitik sind letztendlich auf einen Nenner zu bringen: die zur Entwicklungsförderung gewährten Kredite steigern die Wirtschaftskraft der empfangenden Länder, aus der verstärkten Wirtschaftskraft erwachsen ihnen Währungsreserven in Gestalt von (erhöhten) Quoten am IWF und von Sonderziehungsrechten, und ebenso vergrößern die auf den Zahlungsbilanzausgleich gerichteten Operationen und Geschäfte die Wirtschafts kraft der empfangenden Länder und fördern damit ihre wirtschaftliche Entwicklung. Wir denken bei dem Ausdruck "Entwicklungshilfe" meist nur an die "unterentwickelten" Völker, an deren Ausstattung mit Krediten zur Industrialisierung und zum Ausbau ihrer Infrastruktur, z. B. zur Verbesserung der Verkehrswege, der Energieversorgung, des Erziehungs- und Unterrichtswesens. "Entwicklung" ist aber jede Art des Fortschritts von einem niederen auf einen höheren Stand, und diesem Prozeß unterliegen alle Volkswirtschaften; sie ist im Grunde nichts anderes als das Wachstum der Wirtschaft. Wenn ein wirtschaftlich hoch entwickeltes Land die Fähigkeit verliert, ein Zahlungsbilanzdefizit aus eigenen Währungsreserven auszugleichen, so ist seine wirtschaftliche Entwicklung (sein Wachstum) gestört, und dann stellt der ihm gewährte Währungskredit ebenso eine Entwicklungshilfe dar, wie der an ein unterentwickeltes Land ausgereichte Investitionskredit. Zahlungsbilanzdefizite sind ja häufig gerade die Folge einer finanziellen Überbeanspruchung durch Investitionen. Daher ist jede Währungshilfe zugleich Entwicklungshilfe und jede Entwicklungshilfe zugleich Währungshilfe. Das Gleichgewicht der Währungen, dem der Zahlungsbilanzausgleich dient, ist der geldzahlenmäßige Ausdruck eines helfenden Eingriffs in die weltwirtschaftliche Entwicklung, mit anderen Worten: die Währungshilfe ist die monetäre Form, in der Entwicklungshilfe geleistet wird. Ein Unterschied besteht lediglich in der Art der Entwicklungshilfeleistung, und zwar hat man zwischen spezieller und genereller Entwicklungshilfe zu unterscheiden. Die erstere wird geleistet, um die Durchführung einer
§
35 Der Charakter des Weltwährungssystems
371
bestimmten volkswirtschaftlichen Aufgabe, z. B. die Errichtung eines Stahlwerks, zu ermöglichen, die letztere ohne Beziehung zu einer bestimmten volkswirtschaftlichen Aufgabe. Die spezielle Entwicklungshilfe gleicht einem zweckgebundenen Bankkredit, beispielsweise dem Baudarlehen eines Hypothekeninstituts, die generelle einem privaten Kontokorrentkredit; sie versieht ein in Währungsnot (Geldnot) geratenes und dadurch in seiner wirtschaftlichen Entwicklung bedrohtes Land mit den Mitteln zur Behebung des Notstandes. Die Maßnahmen der generellen Entwicklungshilfe haben, da sie ausschließlich und unmittelbar "internationale Liquidität" schaffen, rein monetären Charakter, die der speziellen sind, da ihr Ziel ebenfalls die "internationale Liquidität" ist, sie es aber nur mittelbar ansteuern, quasi-monetärer Natur. Außer-monetäre Maßnahmen hingegen sind den Weltwährungsinstitutionen verschlossen, sie gehören dem Wirkungsbereich der nationalen oder supranationalen Souveränität an; ob beispielsweise ein Staudamm gebaut wird, bleibt der wirtschaftspolitischen Entscheidung eines Staates oder mehrerer daran beteiligter Staaten überlassen; die Funktion der WeltwährungsInstitutionen erschöpft sich in der quasi-monetären Maßnahme der Finanzierung eines solchen Vorhabens. Je mehr die heute noch unterentwickelten Volkswirtschaften sich dem Stand der entwickelten annähern, wird das Schwergewicht sich von der speziellen zur generellen Entwicklungshilfe hin verlagern. Die letztere wird es selbst dann noch geben, wenn es der ersteren überhaupt nicht mehr bedarf; denn auch die Wirtschaft der hoch entwickelten Länder unterliegt ständigen Wandlungen technischer und struktureller Art, und dabei wird es immer wieder zu Störungen des Gleichgewichts der Währungen kommen, weil die Inkongruenz der Bedarfsdeckung bestehen bleibt und demzufolge die Spannung zwischen volkswirtschaftlicher Gesamtleistung und Einzelleistung anhält und auf das Verhältnis zwischen den Volkswirtschaften ausstrahlt. Es wird immer wieder des Ausgleichs dieser Spannung, immer wieder einer Entwicklungshilfe bedürfen. Daher werden die durch die Vereinbarungen von Bretton-Woods geschaffenen Institutionen nie mehr zu entbehren sein. Bretton-Woods bezeichnet eines jener Ereignisse, die nicht bloß einen Abschnitt der Geschichte geformt, nicht bloß "Epoche" gemacht haben, sondern die unbegrenzt fortwirken. Man kann es nur mit dem Durchbruch bleibender Erkenntnisse auf mathematischem, physikalischem, chemischem, geographischem oder astronomischem Gebiet vergleichen. Die aus den Vereinbarungen von Bretton-Woods hervorgegangenen Institutionen zur Leistung genereller und spezieller Entwicklungshilfe lassen sich nicht mehr wegdenken; sie machen das Weltwährungssystem zu einem Weltwirtschaftssteuerungssystem. 24'
372
II. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
Den Ansatzpunkt dafür bildet die Bestimmung des Art. III Abschn. 4 (V) des Weltbank-Abkommens, das der Weltbank die Verpflichtung auferlegt, das wirtschaftliche Können eines Darlehensnehmers richtig einzuschätzen ("darauf zu achten, daß der Darlehensnehmer ... voraussichtlich in der Lage sein wird, seinen ... Verpflichtungen nachzukommen"). In Erweiterung dieser Verpflichtung ist die Weltbank aber dazu übergegangen, Einfluß auf die Kreditpolitik der Entwicklungsländer zu nehmen, indem sie darauf hinwirkt, daß diese Länder sich nicht übermäßig verschulden. Aber noch mehr als das: sie fördert die Ausarbeitung allgemeiner Entwicklungspläne; und das heißt nichts anderes, als daß sie die weltwirtschaftliche Entwicklung steuert, denn Förderung bedeutet mehr als bloße Anregung oder Beratung, es ist schon ein Eingriff in die weltschaftliche Entwicklung 29 • Aber auch der IWF steuert die weltwirtschaftliche Entwicklung durch die Befugnisse, die ihm für die Anwendung der "kodifizierten Verhaltensregeln" und die Zuerkennung der Ziehungsrechte beigelegt sind; mit ihnen greift er in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der davon betroffenen Länder und damit in die weltwirtschaftliche Entwicklung ein. Er kann generelle Entwicklungshilfe verweigern und gewähren, ersteres bis zur völligen Entziehung von Fondsmitteln (Art. V Abschn. 5 und Art. VI Abschn. 1 a), letzteres bis zum Verzicht auf alle Bedingungen (Abs. V Abschn. 4). Darüber hinaus wertet der IWF die ihm von den Mitgliedern gemäß Art. VIII Abschn. 5 erteilten Auskünfte zu Beratungen für ein den Zielen des IWF angepaßtes Verhalten aus. Eine Informations- und Konsultationspflicht war den Mitgliedern ursprünglich nur für die übergangszeit der Devisenzwangswirtschaft auferlegt worden (Art. XIV Abschni. 4). Sie wurde aber auch nach Beseitigung der Devisenbeschränkungen beibehalten und zu einem Instrument für die Beratung durch den IWF nicht nur auf dem Gebiet der Devisenpolitik, sondern auch auf denen der Geld-, Finanz- und Wirtschaftspolitik aller Mitgliedsländer ausgestaltet 30 • Den Geschöpfen der Vereinbarungen von Bretton-Woods kommt eine überragende Bedeutung zu. Sie sind geldtheoretisches Neuland, das noch der Erschließung bedarf und auf dem sich noch andere Formen der allgemeinen und speziellen Entwicklungshilfe ansiedeln werden; denn das mit ihnen errichtete Weltwährungssystem trägt seine Dynamik in sich; es wird sich noch wandeln und vervollkommenen. Die in Rio de J aneiro konzipierten "Änderungen und Ergänzungen" sind erst ein Anfang, allerdings ein entscheidender. Sie stehen an Bedeutung nicht hinter den Verträgen von Bretton-Woods zurück. Sie bezeichnen die zweite Zündung, durch die das 1944 geschaffene Weltwährungssystem auf eine Bahn 2G
30
Joerges-Schleiminger, a.a.O., S. 65, 67.
a.a.O., S . 29 f .
§ 35 Der Charakter des Weltwährungssystems
373
gebracht wird, in der es selbsttätig, und das kann nur heißen: losgelöst vom Gold, funktioniert. Denkbar ist, daß auch die allgemeinen- und die quasi-automatischen Ziehungsrechte noch eine Ausgestaltung erfahren oder daß andere Arten geschöpfter Währungsreserven an ihre Seite oder an ihre Stelle treten; denn die Kurven des Wachstums der Weltwirtschaft und der Goldgewinnung werden sich immer mehr voneinander entfernen, und das wird zur Erschließung noch anderer als der heute bekannten Währungsreserven nötigen. Hier hat man anzusetzen, wenn man die Frage nach der Reform des Weltwährungssystems stellt. Für ihre Lösung ist es nicht damit getan, den Goldpreis zu erhöhen oder neben das Gold und die Leitwährung eine wie diese dem Gold gleichgestellte Weltwährung zu setzen. Die Problematik des Weltwährungssystems liegt weniger in der Frage, ob es möglich und geboten ist, ein Weltzahlungsmittel zu schaffen, das wie das Gold und die Leitwährung in allen Volkswirtschaften Geltung hat und ihnen als Währungsreserve dienen kann, als vielmehr in der Frage, ob es möglich und geboten ist, jedem Zahlungsmittel in jeder Volkswirtschaft Geltung zu verschaffen und als Währungsreserve dienstbar zu machen, so daß die Währung jedes Landes zugleich Weltzahlungsmittel ist und es dafür weder des Goldes noch einer Leitwährung bedarf. Das setzt voraus, daß jedes Land, um weltwährungsfähig zu sein, aktiv und passiventwicklungshilfefähig, d. h. fähig sein muß, Entwicklungshilfe zu gewähren und zu empfangen, und das hängt von seiner gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ab. Diese aber entspringt den wirtschaftlichen Einzelleistungen seiner Einwohner und ist das Produkt der von ihnen bewegten wirtschaftlichen Energie, so daß auch die Problematik des Weltwährungssystems in die Frage nach dem Wesen und der Wirkungsweise dieser Energie einmündet. Die" Wirtschaftskraft" eines Landes und seine "außenwirtschaftliche Verflechtung" werden denn auch als die bestimmenden Faktoren für die Zuteilung der Quoten des IWF angesehen31 • Sie sind es aber auch für Entstehung und Ausübung der Ziehungs rechte und darüber hinaus für Leistung und Empfang aller Arten von Entwicklungshilfe. Indessen kann Kraft Wirtschaftskraft nur sein, wenn sie Arbeit leistet und meßbar ist, also Energie ist. Wirtschaftliche Energie aber ist Kapital. "Außenwirtschaftliche Verflechtung" ist demzufolge die kapitalistische Verflechtung eines Landes mit einem anderen, und das ist nach der Kapital-ArbeitGleichung gleichbedeutend mit der Verflechtung der Arbeitsleistung eines Landes mit der eines anderen. Das Weltwährungssystem dient der steuernden Messung dieser Energie, ist demnach, der energetischen Natur allen wirtschaftlichen Geschehens gemäß, ein kapitalistisches System. Nur diese Natur erklärt seinen Aufbau und seine Funktionen. 31
a.a.O., S. 20.
374
1I. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
§ 36 Grundzüge einer kapitalistischen (wirtschaftsenergetischen) Wel twährungstheorie I. Wie alle kapitalistischen Wirtschaftstheorien beruht auch sie auf dem Prozeß der Umwandlung wirtschaftlicher Energie aus der potentiellen in die kinetische Erscheinungsform und der Rückverwandlung in die potentielle, und zwar setzt sie bei einem Punkt an, der der ersten Phase dieses Prozesses vorgelagert ist, bei der Frage nach der Erscheinung potentieller wirtschaftlicher Energie. Wir haben zwischen abgeleitet-potentieller und ursprünglich-potentieller wirtschaftlicher Energie, zwischen "erspartem" und "geschöpftem" Kapital unterschieden. Auch die Währungsreserven kommen in beiden Abarten vor; die "ersparten" sind das Gold, die "geschöpften" die Quoten und die Ziehungsrechte des IWF und die Sonderziehungsrechte sowie die Anteile und die Kredite der Weltbank und deren Schwester-Institutionen, soweit sie in "eigenen Währungen" aufgebracht, gewährt und empfangen werden.
Am stärksten ist der ursprünglich-potentielle Charakter des Kapitals bei der "Haftsumme" der Weltbank ausgeprägt. Sie, aber auch die anderen "geschöpften" Währungsreserven sind der wirtschaftsrechnerische Ausdruck eines Energiepotentials, das nicht aus "vorgetaner Arbeit" erwachsen ist, sondern in der Fähigkeit besteht, künftig Arbeit zu leisten, und zwar sind sie das Ergebnis einer Vorausberechnung der Leistungen, die die einzelnen Volkswirtschaften zu erbringen vermögen, das weltwirtschaftsrechnerische Produkt der Daten, die die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Länder liefern. Diese Daten gehen insoweit in die Weltwirtschaftsrechnung ein, als die "Verflechtung" der Länder es erfordert. Auch diese ist als ein kapitalistischer Vorgang zu begreifen, und zwar als eine Bewegung von Quanten wirtschaftlicher Energie auf Feldern, die sich über die Grenze eines LandeI hinweg auf zwei oder mehr andere Länder erstrecken, so daß es zu Leistungen in diesen anderen Ländern kommt und der Teil des Energiepotentials jedes Landes vorausberechnet werden muß, der auf diese Leistungen entfällt. Dabei spielt es eine entscheidende Rolle, daß im internationalen (zwischenstaatlichen) Wirtschaftsverkehr jede Einzelleistung nur als Teil der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung zu wirtschaftlicher Wirkung gelangen kann, daß es sogar Leistungen von Land zu Land gibt, die überhaupt nicht Einzelleistung, sondern ausschließlich Teile der wirtschaftlichen Gesamtleistung eines Landes sind, z. B. die Zahlung von Besatzungskosten. Die Gesamtleistungszugehörigkeit dieser Leistungen führt zu einer Verschiebung des Verhältnisses zwischen den wirtschaftlichen Gesamtleistungen der Länder, zu Spannungen, die denen gleichen, die innerhalb der einzelnen Volkswirtschaften zwischen Einzelleistung
§ 36 Grundzüge einer kapitalistischen Weltwährungstheorie
375
und Gesamtleistung auftreten, die wie diese des Ausgleichs bedürfen. Wirtschaftsrechnerisch (monetär) tritt der Spannungsausgleich hier aber anders in Erscheinung, und zwar als eine Gesamtleistung eigener Art: einem Land, dessen Energiepotential im Verhältnis zu dem anderer Länder geschrumpft ist (ein Defizitland) wird von einem anderen (einem ÜberschußIand) die zum Ausgleich erforderliche Energie zugeführt. Nach der Kapital-Arbeit-Gleichung bedeutet das, daß das überschußIand in abstrakter Form Fremdarbeit für das DefizitIand leistet, nicht anders, als wenn es ihm seine Einwohner zur Verrichtung konkreter Leistungen zur Verfügung stellt. II. Das Teilpotential wirtschaftlicher Energie, mit dem diese abstrakte Leistung erbracht (diese Fremdarbeit verrichtet) wird, wird weltwirtschaftsrechnerisch (monetär) durch die "Währungsreserven" dargestellt. Dabei sind drei Unterscheidungen zu machen, einmal zwischen internationalen und nationalen Währungsreserven, zum anderen zwischen offenen und. stillen Währungsreserven, schließlich zwischen fern-, nah- und nächstwirkenden Währungsreserven. Offene internationale Währungsreserven sind die Mittel des IWF und der Weltbank mit ihren Schwesterinstitutionen, erstere nah-, letztere fernwirkend. Offene nationale Währungsreserven sind die Bestände der Zentralnoteninstitute an Gold, Devisen, quasi-automatischen Ziehungsrechten und Sonderziehungsrechten. Stille internationale Währungsreserven sind die Mittel, die die beiden Währungsinstitutionen sich über die offenen Währungsreserven hinaus verschaffen, insbesondere die dem IWF aufgrund der "Allgemeinen Kreditvereinbarungen" zufließenden und die von den Schwesterorganisationen der Weltbank aufgebrachten, wiederum erstere nah-, letztere fernwirkend. Stille nationale Währungsreserven sind die allgemeinen Ziehungsrechte beim IWF und die Kreditlinien bei der Weltbank und deren Schwesterorganisationen. Die internationalen und alle nationalen Währungsreserven stehen nicht isoliert im Raum, vielmehr zeigt sich gerade hier die "Verflechtung" der Volkswirtschaften. Bei den Sonderziehungsrechten versteht sich das von selbst; denn sie sind ein internationales Zahlungsmittel, das nur als solches eine nationale Währungsreserve bildet. Das tritt aber auch bei den quasi-automatischen Ziehungsrechten sichtbar in Erscheinung; sie entstehen ja als Folge von Verfügungen des IWF über die Bestände an der "eigenen Währung" eines überschußlandes; es sind also nationale Währungsreserven als Folge des Einsatzes internationaler. Aber auch die anderen nationalen Währungsreserven sind nur im Zusammenhang mit den internationalen denkbar.
376
II. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
Gold ist als ein zu jeder Zeit und an jedem Ort verwendbares Zahlungsmittel allgemein anerkannt und verdankt nur dieser Anerkennung seine Geltung als nationale Währungsreserve; nur deshalb kann es mit Teilen der Quote beim IWF und der Anteile bei der Weltbank auch als internationale Währungsreserve dienen. Seitdem es nicht mehr ausgeprägt, sondern nur noch in Barren vorkommt, hat es sogar ausschließlich internationalen Charakter angenommen; denn es findet Verwendung nur noch für Globalzahlungen eines Landes an ein anderes - im Gegensatz zu den Devisen, die vorwiegend für Individualzahlungen von Einwohnern eines Landes an ein anderes dienen. Auch sie können nationale Währungsreserven nur sein, weil es internationale gibt; denn sie können ihre Aufgabe als internationales Zahlungsmittel nur in einem System erfüllen, das ihren Umtausch gegen ein international anerkanntes Zahlungsmittel ermöglicht, das war bis zur Aufhebung des Einlösungszwanges das Gold, daneben wurden es und sind es bis heute die Devisen der Reservewährungsländer (der USA und Großbritanniens32 ), und das werden morgen die Devisen in den Währungen aller Länder sein. Erst ihre internationale Geltung verschafft den Devisen die Fähigkeit, als nationale Währungs reserve zu dienen. Mit einem Wort: alle nationalen Währungsreserven verdanken ihre wirtschaftliche Wirkung den internationalen. IH. Die Funktion des Weltwährungssystems hängt daher von der richtigen Bemessung der offenen internationalen Währungsreserven, d. h. davon ab, daß Aufbringung und Verwendung der Quoten des IWF exakt vorausberechnet werden. Mit der Festsetzung der Quoten ist zugleich das Maß für die an sie gekoppelten quasi-automatischen - und Sonderziehungsrechte gegeben. Umgekehrt hat aber auch deren Bemessung Einfluß auf die der Quoten; denn 1. das quasi-automatische Ziehungsrecht ist an die "Goldtranche", d. h. daran geknüpft, daß die Quote zu 25 Ofo in Gold aufzubringen ist. Im Grunde ist aber auch dieser Teil "eigene Währung" des aufbringenden Landes; denn es muß ja das Gold zuvor mit seiner "eigenen Währung" erwerben; man kann es daher so ansehen, als würde das Land auch den in Gold aufzubringenden Teil der Quote in seiner eigenen Währung einzahlen und der IWF dafür Gold erwerben, in Höhe der Goldsubskription also über "eigene Währung" des aufbringenden Landes verfügen. Erst 32 Der Begriff der "Reservewährungen" ist scharf zu scheiden von dem der "Leitwährung"; letztere ist nur der US-Dollar als die Währung, nach der sich das Paritätsverhältnis aller anderen Währungen bestimmt (Art. IV Abschn. la), Reservewährungen hingegen sind die Währungen der USA und Großbritanniens als die "de facto konvertierbaren Währungen" im Sinne des Art. XXV Abschn.4.
§ 36 Grundzüge einer kapitalistischen Weltwährungstheorie
377
diese Vorstellung macht es verständlich, daß dem aufbringenden Land daraus ein quasi-automatisches Ziehungsrecht erwächst; denn dieses kann immer nur ein Reflex seiner "eigenen Währung" sein, und zwar der wirtschaftlichen Wirkung, die von ihr dadurch ausgeht, daß der IWF in Höhe der Goldsubskription über sie bereits verfügt hat und in Höhe der restlichen Subskription mit jedem Austausch gegen die "eigene Währung" eines anderen Landes verfügt. Die Reflexwirkung besteht darin, daß das aufbringende Land in gleicher Höhe die Währung eines anderen Landes "ziehen", d. h. dessen Währung erwerben kann, indem es abermals "eigene Währung" beim IWF einzahlt. Diese Wirkung muß ebenso vorausberechnet werden wie die Quote selbst. Das nötigt dazu, die Quote jedes Landes so zu bemessen, daß dem Land noch eine Reserve an "eigener Währung" zur Ausübung seines quasi-automatischen Ziehungsrechts verbleibt; die Berechnung seiner Quote muß somit seine Fähigkeit zur Leistung weiterer "eigener Währung" einschließen; demzufolge muß die Quote unterhalb des Grenzwerts dieser Fähigkeit angesetzt werden. Indessen kann das quasi-automatische Ziehungsrecht noch eine Erweiterung durch das allgemeine erfahren, und zwar bis zu 200 Ofo der Quote (Art. V Abschn. 3 III). Bezieht man auch diese Möglichkeit in die Vorausberechnung ein, so ergibt sich, daß die Quote nur mit einem Drittel des Grenzwertes der Fähigkeit zur Leistung eigener Währung anzusetzen ist. Wir begegnen hier, freilich in abgewandelter Gestalt, dem Prinzip der Dritteldeckung. Es erweist sich als ein Prinzip der Statik des Weltwährungssystems - Statik hier nicht im Gegensatz zu Dynamik, sondern ebenso wie bei einem Bauwerk im Sinne einer Berechnung der Tragfähigkeit, d. h. der Fähigkeit der Länder, Träger eines Potentials wirtschaftlicher Energie zu sein, und das will sagen: ihrer gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, wie sie sich in ihrer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung offenbart. 2. Auch die Verpflichtung, Sonderziehungsrechte gegen "de facta konvertierbare Währungsbeträge zur Verfügung zu stellen", beschränkt sich nicht auf den Bestand der "kumulativen Nettozuteilung" eines designierten Teilnehmers, sondern erstreckt sich darüber hinaus bis auf "das Zweifache der kumulativen Nettozuteilung oder eine ... höhere Grenze. Auch das wirkt sich dahin aus, daß die Quote nur mit der Hälfte oder einem noch niedrigeren Grenzwert der Fähigkeit zur Leistung eigener Währung angesetzt werden darf, und auch dazu bedarf es einer Berechnung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aller am Weltwährungssystem teilnehmenden Länder.
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II. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
Der Zwang hierzu ist bei den Sonderziehungsrechten noch stärker als bei den quasi-automatischen; denn bei diesen ist mit dem Bestand an Gold und Devisen, aus dem sie erwachsen, ein Berechnungsfaktor gegeben. Die Sonderziehungsrechte hingegen müssen unabhängig hiervon allein nach dem bemessen werden, was ein Land erst künftig an Gold und Devisen zu erwirtschaften vermag; nur davon hängt seine "Designierung" ab. Aber nicht nur das, sondern überhaupt die Schöpfung der Sonderziehungsrechte. Der vorhandene Bestand an Gold und Devisen ist für sie nur insofern von Bedeutung, als sie sich in der Quote niederschlagen und durch diese den Schlüssel für ihre Zuteilung liefern (Art. XXIV Abschn. 2 a). In einer unmittelbaren Beziehung zum Gold- und Devisenbestand stehen sie aber nicht. Sie sind auch kein Ersatz dafür, insbesondere nicht für das Gold, kein "papierenes Gold". Um das zu sein, müßten sie einer Einlösungspflicht ähnlich der unterliegen, die zur Zeit der Goldumlaufwährung bestanden hat, und daran fehlt es. Sie sind vielmehr eine neue eigene Art von Geld, das mit dem Gold lediglich gemeinsam hat, daß es wie dieses nur beschränkt, und zwar ausschließlich für den Zahlungsbilanzausgleich, verwendbar ist. Eine Beziehung zwischen den Sonderziehungsrechten und dem Gold besteht nur insofern, als dieses eine" Werteinheit" für sie abgibt; es ist dies die Menge von 0,888 671 Gramm Feingold (Art. XXI Abschn. 2), die gleiche, in der "der Paritätswert der Währung jedes Mitglieds" bemessen wird: der in US-Dollar ausgedrückte Preis des Goldes "im Gewicht und in der Feinheit vom 1. Juli 1944" (Art. IV Abschn. 1 a), also der Preis von 1 US-Dollar für 0,888671 g Feingold oder von 35 US-Dollar für 1 Unze Feingold. Das bedeutet nun aber nicht, daß man für eine Menge von 0,888671 g Feingold eine "Werteinheit" von Sonderziehungsrechten "kaufen" könnte; denn wir haben es bei ihnen nicht mit "Werten" etwa nach der Art von Aktien zu tun. Sie haben daher einen "Wert" nicht im Sinne einer Qualität, sondern einen Meßwert; ihre "Werteinheit" ist eine Geldmeßwerteinheit, d. h. eine in Geld ausgedrückte Recheneinheit von 0,888671 g Feingold. Diese Recheneinheit ist der US-Dollar. Eine Einheit dieser Währung wird, ohne daß auch nur ein Körnchen von Feingoldsubstanz dabei mitspielt, in ein rein rechnerisches Verhältnis zu einer Einheit von Sonderziehungsrechten (in eine Gleichung) gebracht, zunächst für die Vereinigten Staaten selber, dann auch für alle anderen Länder durch Umrechnung in ihre Währung nach einem Schema, das sich für die Bundesrepublik Deutschland wie folgt ausnimmt:
§
36 Grundzüge einer kapitalistischen Weltwährungstheorie 0,888 671 gr Feingold 1 1
US-Dollar US-Dollar 1 DM 1 DM
1
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US-Dollar
1 Werteinheit SZR 3,66 DM 0,24 US-Dollar 0,24 Werteinheit SZR
Das Schema zeigt, daß es für die Umrechnung nicht auf die Feingoldmenge, sondern auf das Verhältnis zwischen dem Dollar und der Deutschen Mark (deren "Parität") ankommt. Die über dem Strich stehende Gleichung von Feingoldmenge und US-Dollar spielt für die Bemessung der Werteinheit der auf die Bundesrepublik Deutschland entfallenden Sonderziehungsrechte keine Rolle; sie ließe sich ohne weiteres entbehren. Entscheidend ist allein die Bindung der Deutschen Mark an den USDollar als Leitwährung, und die besteht unabhängig von dem Verhältnis zwischen Feingoldmenge und US-Dollar. Die Rolle, die dieser als Leitwährung spielt, ist der vergleichbar, die der Sternwarte von Greenwich zukommt; es ist die einer Konvention über eine absolute Rechnungsgröße als Basis für die Berechnung gleichartiger Rechnungsgrößen. Bei der Sternwarte von Greenwich ist dies der Nullmeridian als Basis für die Berechnung aller anderen Meridiane, bei der Leitwährung ist es der USDollar als Basis für die Berechnung aller anderen Währungen. Diese Leitwährungs-Konvention besteht unabhängig von dem Verhältnis des US-Dollars zu der Menge von 0,888671 g Feingold; sie müßte, könnte und würde auch dann bestehen, wenn das Gold als Geldart ausscheiden würde, es kein Währungs-, sondern nur noch ein Warengold gäbe. Eine Beziehung zwischen den Sonderziehungsrechten und dem Gold scheint nur insoweit zu bestehen, als ihre Zuteilung nach den Quoten ausgedrückt wird und diese in der Regel zu 25 Ofo in Gold aufzubringen sind. Aber der Schein trügt. Im Gegensatz zu den quasi-automatischen Ziehungsrechten ist hier die Quote mit ihrer "Goldtranche" keine Existenzbedingung (die quasi-automatischen Ziehungsrechte entspringen ja aus einer Reflexwirkung der "Goldtranche"), vielmehr liefert die Quote lediglich einen ZuteilungsschLüssel. In ihr drückt sich der von den Mitgliedsländern bis zur Gegenwart erreichte Grad wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit aus, der bestimmend ist für die Vorausberechnung der künftigen Wirtschaftskraft und damit für die Schaffung von Sonderziehungsrechten. Dieser Grad ließe sich aber auch auf andere Weise errechnen, z. B. aus dem Bruttosozialprodukt; auch mit ihm wäre ein brauchbarer Zuteilungsschlüssel gegeben. Wir gelangen daher zu dem Schluß, daß die Werteinheit der Sonderziehungsrechte sich gänzlich losgelöst vom Gold bestimmen läßt. Damit erweisen die Sonderziehungsrechte sich als eine internationale Geldart, die nur als Posten der Weltwirtschaftsrechnung zur Entstehung gelangt,
3S0
H. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
deren Existenz also einzig und allein das Produkt einer Berechnung der gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Mitglieder des Internationalen Währungsfonds ist. Das kann nicht ohne Einfluß auf den geldtheoretischen Charakter der nationalen Geldarten und ihr Verhältnis zueinander bleiben; denn in dem Maße, in dem die Sonderziehungsrechte an Bedeutung gewinnen, wandelt sich das System der goldgebundenen Währungen zu einem System abstrakter Währungen ab. In ihm werden die nationalen Geldarten zu Posten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Das nötigt dazu, die vier tragenden Begriffe der Währungstheorie, Währung, Parität, Wechselkurs und Devisen, neu zu durchdenken; denn sie sind, wie wir eingangs sagten, Komponenten zur Messung der außenwirtschaftlichen Einzelleistungen und damit auch zur Messung der volkswirtschaftlichen Gesam tleistungen.
§ 37 Die Begriffe Währung, Parität, Wechselkurs und Devisen in einem System abstrakter Währungen 1. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich:
Währung (Valuta) ist die Recheneinheit für den Meßwert der gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Landes. Der Wert einer Leistung läßt sich nur aus einem Vergleich mit einer anderen gleichartigen Leistung gewinnen. Einen Meßwert erlangt daher die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes nur durch die der anderen Länder. Das Verhältnis der Währungen (Valuten) aller Länder zueinander nennen wir Parität. Darunter haben wir somit zu verstehen das Verhältnis, in dem die Recheneinheiten für die Meßwerte der gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Länder (ihre Währungen, Valuten) zueinander stehen. Dieser Begriff der kapitalistischen (wirtschaftsenergetischen) Parität hebt sich deutlich von denen der Goldparität und der Kaufkraftparität ab. Die Unterschiede liegen in der Art, in der das Verhältnis zwischen den Währungen hergestellt wird. Gold dient als eine dritte Bezugsgröße: alle Währungen stehen in einem bestimmten Verhältnis zu ihm und treten erst durch seine Vermittlung in ein Verhältnis zueinander. Eine "Goldparität" konnte es aber nur geben, solange das Gold ausgeprägt wurde und der Zwang bestand, andere Zahlungsmittel (Banknoten) gegen das gemünzte Gold einzutauschen.
§
37 Parität, Wechselkurs und Devisen bei abstrakten Währungen
381
Mit der Aufhebung des Einlösungszwanges büßte es diese Rolle ein, und man war genötigt, die Währungen unmittelbar in Beziehung zu setzen, indem man jeder von ihnen einen Wert beilegte, der sich mit dem Wert der anderen vergleichen ließ; man begab sich auf die Suche nach einem "Wert", der für den außenwirtschaftlichen Verkehr die gleiche Bedeutung haben sollte, wie für den binnenwirtschaftlichen der "Geldwert", und wie für diesen sollte auch für den "Wert" der Währungen das Preisniveau den entscheidenden Faktor liefern. Das führte zu der von David Hume begründeten und von Cassel ausgebauten "Kaufkraftpari1;ätstheorie"33. Nach ihr wird die Parität durch die Kaufkraft bestimmt, die jeder Währung dadurch innewohnt, daß im außenwirtschaftlichen Verkehr Geld als eine "Ware" angeboten und nachgefragt wird und einen aus Angebot und Nachfrage gebildeten "Preis", den Wechselkurs, hat; da sich nun Angebot und Nachfrage der Währungen nicht immer die Waage halten, kommt es zu Schwankungen des Wechselkurses (zu Abweichungen vom "Parikurs") und zu Differenzierungen zwischen "harten" und "weichen" Währungen: die Valuta eines kaufkraftstarken Landes ist stärker nachgefragt als die eines kaufkraftschwachen. Die Parität erscheint hier als die Frucht des freien Spiels einer ungebändigten und darum unberechenbaren Kraft. Im Gegensatz dazu gehen wir bei unserer kapitalistischen Paritätstheorie davon aus, daß die "Kaufkraft", die den "Wert" der Währungen ausmacht, meßbar und daher zu bändigen ist. Sie wohnt ihnen nicht alg eine Eigenschaft inne, macht sie nicht zu einer "Ware", die ihren "Preis" hat; es gibt im außenwirtschaftlichen Verkehr einen "Wert" der Währung im Sinne einer Qualität so wenig wie es im binnenwirtschaftlichen einen "Geldwert" gibt. Was Wert hat, ist in der Außen- wie in der Binnenwirtschaft lediglich die mit der Arbeitskraft der Menschen vollbrachte Leistung; Währung ist ebenso wie Geld der zahlenmäßige Ausdruck einer solchen Leistung, und zwar das Ergebnis einer Messung der Kraft, mit der sie vollführt wird, der Wirtschaftskraft jedes Landes. Nur wenn sie meßbar und daher Energie ist, kann sie wirtschaftliche Wirkung äußern. Die energetische (kapitalistische) Natur allen wirtschaftlichen Geschehens tritt in dem Verhältnis zwischen den einzelnen Volkswirtschaften Ul~d den sie ausdrückenden Währungen (den Paritäten) besonders deutlich in Erscheinung. Jede Messung steht als ein selbständiger Vorgang neben dem, auf den sie sich bezieht. Demgemäß steht die Messung des Verhältnisses der Währungen zueinander (der Paritäten) als ein selbständiger Vorgang neben den durch die Währungen ausgedrückten gesamtwirtschaftlichen Leistungen der Länder. Sie muß daher unabhängig von diesen durch ein weZtwirtschaftliches Organ mit einem weltwirtschaftlichen Instrumenta33
Lütge, a.a.O., S. 110; Kraus, a.a.O., S.170, 247.
382
11. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
rium vollzogen werden. Das weltwirtschaftliche Organ sind die Institutionen des Weltwährungssystems, insbesondere der IWF, der damit die beiden ihm gestellten konkreten monetären Aufgaben erfüllt, "geordnete Währungsbeziehungen zwischen den Mitgliedern aufrechtzuerhalten" und "bei der Einrichtung eines multilateralen Zahlungssystems für die laufenden Geschäftsbeziehungen zwischen den Mitgliedern ... mitzuwirken" (Art. I (IH) und (IV)). Das weltwirtschaftliche Instrumentarium sind die monetären und quasi-monetären Maßnahmen der beiden Institutionen. Die mit ihnen vollzogene Messung ist eine die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Länder steuernde Messung; deren Ergebnis sind die Währungen der Länder als die Meßwerte ihrer gesamtwirtschaftlichen Leistungen und die Parität als das Verhältnis, in dem diese Meßwerte (die Währungen) zueinander stehen. Dadurch wird keine dritte Bezugsgröße nach Art des Goldes, wohl aber eine Größe geschaffen, die die gleiche Wirkung hat wie jene; denn die steuernde Messung der Wirtschaftskraft jedes Landes vermittelt wie vordem das Gold das Verhältnis zwischen den Währungen. Sie führt zu einem Automatismus, der von anderer Art ist als der Goldautomatismus und der Preisautomatismus; er beruht auf der Erfassung der Daten der gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Länder, wie sie sich in deren volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung darstellt, und in ihrer Verarbeitung zu Daten der generellen und speziellen Entwicklungshilfe für alle Länder; dadurch werden diese Daten wiederum zu Daten der (künftigen) gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und mittelbar zu Daten für die Bemessung der Einzelleistungen durch Lohn, Zins und Preis. Dieser Automatismus wird also durch die im Weltwährungssystem als Energie meßbar gewordene Wirtschaftskraft der Länder genährt; wir können ihn daher als den weltkapitalistischen A utomatism us bezeichnen. Bei ihm ist das Preisniveau nicht Faktor, sondern Folgeerscheinung der Parität; es dient nicht als "Regulator" der Währungen und hat daher auch keinen Einfluß auf deren Wechselkurs. Dieser ist nichts weiter als
die jeweilige Parität zwischen zwei Ländern. Er zeigt das Verhältnis, in dem die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes zu der eines anderen steht, für einen bestimmten Zeitpunkt (Tag) an. Das unterscheidet ihn von der Parität, verbindet ihn aber gleichzeitig mit ihr. Von ihr leitet er sich ab, ist also wie sie das Ergebnis der Messung der gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beider Länder durch die weltwirtschaftlichen Organe mit deren weltwirtschaftlichen Instrumenten. Er kann aber von ihr abweichen; seine Gestaltung ist Sache von Organen der Länder, die der Parität hingegen Sache der Weltwährungsorgane. Paritäts- und Wechselkursgestaltung
§ 37 Parität, Wechselkurs und Devisen bei abstrakten Währungen
383
verhalten sich zueinander wie Strategie und Taktik; die erstere ist auf das Ganze und in die Zukunft gerichtet, die letztere wird für das Einzelne und die Gegenwart getan. Der Wechselkurs kann innerhalb einer in Art. IV Abschn. 3 zugestandenen Bandbreite 34 schwanken, die Parität kann es nicht, weil die Berechnung, auf der sie beruht, die künftige gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit aller Länder einschließt und daher nicht von einem einzelnen Land willkürlich geändert werden kann. Die von vielen geforderte "Flexibilität" der Wechselkurse 35 wäre in Wahrheit eine Flexibilität der Paritäten; als solche aber ließe sie sich nicht in Einklang mit dem Weltwährungssystem bringen, nicht etwa bloß, weil das Abkommen von Bretton Woods sie grundsätzlich verbietet, sondern um des weltkapitalistischen Automatismus willen, der diesem System innewohnt. Dazu kommt, daß der Zusammenschluß vieler Staaten zu "gemeinsamen Märkten" (die supranationale Konzentration) zu einer immer stärkeren Manipulierung der Preise und damit zu fortschreitender Angleichung des Preisniveaus führt, zunächst innerhalb der Marktgemeinschaften, dann aber auch im Verhältnis zwischen ihnen und den Märkten der anderen Staaten. Diese Konzentration schließt eine Flexibilität der Paritäten innerhalb der "gemeinsamen Märkte" aus; sind sie hier aber stabil, dann müssen sie es auch im Verhältnis zu den Ländern sein, die außerhalb der Marktgemeinschaft stehen; denn eine Änderung der Parität könnte sich nicht auf das Verhältnis nur zu einem einzelnen Land beschränken. Wo eine supranationale Konzentration nicht besteht oder eine bestehende noch nicht vollkommen ist, können sich freilich Verschiebungen im Preisniveau einstellen, und dann kommt es wie im binnenwirtschaftlichen, so auch im außenwirtschaftlichen Bereich zu einer Spannung, dort zwischen der Gesamtleistung und den Einzelleistungen innerhalb einer Volkswirtschaft, hier zwischen der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung eines Landes und denen der anderen Länder. Wie dort äußert sie sich in einer Geldmeßwertdifferenz; die Güter und Leistungen, die das betroffene Land von anderen Ländern bezieht, werden, gemessen an der eigenen Währung, "teurer". Ausgleichen läßt die Spannung sich hier nur durch eine Änderung des Geldmeßwertes der eigenen Währung, d. h. der Parität. Aber das kann solange nicht geschehen, als nicht sicher ist, 34 Die Einzelheiten regelt ein von den OEEC-Ländern im Jahre 1955 abgeschlossener Vertrag (DrexZer, Sylvester: Falsch verstandene Geldwert-Stabilität, in: Augsburger Allgemeine Zeitung vom 30. V. 1962. - Am 24. X. 1969 wurde die Bandbreite für den Wechselkurs des US-Dollar auf 2 % festgesetzt (Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, November 1969, S. 43). 35 Verfechter ist insbesondere Lutz, Friedrich A.: Geld und Währung, Tübingen 1962. - Auch der Sachverständigenrat hat sich für sie ausgesprochen (Jahresgutachten 1964 Tz. 240 ff., 1967 Tz. 273, 1968 Tz. 218, 1969 Tz. 243 ff.).
384
11. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
daß die Spannung anhält, es sich um eine auf andere Weise nicht mehr zu beseitigende "Währungskrise" handelt. Das Abkommen von BrettonWoods sieht - wir kommen gleich darauf zu sprechen - die Möglichkeit einer Paritätsänderung vor; aber es ist irreführend, im Hinblick hierauf von einer "Stufenflexibilität" zu sprechen, wie das im Gutachten des Sachverständigenrates für 1964 (Tz 240 d) zu lesen ist. Flexibel heißt biegsam sein, und das sind die Paritäten gerade nicht. Solange ein Spannungsausgleich durch Änderung der Parität sich nicht aufzwingt, kann einer Währungskrise nur durch den Einsatz von Währungsreserven begegnet werden. Diese werden nun aber selber von der außenwirtschaftlichen Spannung erfaßt; denn soweit sie in der "eigenen Währung" des betroffenen Landes bestehen, verändert sich ihr Geldmeßwert um die Geldmeßdifferenz. Das nötigt dazu, nicht die Paritäten, sondern die Währungsreserven flexibel zu gestalten. An sich müßte sich das in einer der Geldmeßwertdifferenz gemäßen Erhöhung der Quoten ausdrücken, dem quasi-automatischen Ziehungsrecht müßte eine quasi-automatische Subskriptionspflicht entsprechen, und die quasi-automatische Erhöhung der Quoten müßte zu einer entsprechenden Erhöhung der Ziehungsrechte führen. Da sich nun aber nach Art. III Abschn. 2 des IWF-Abkommens die Erhöhung der Quoten nicht quasi-automatisch, sondern - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - nur in einem fünf jährigen Turnus vollzieht und an einen Beschluß mit einer Mehrheit von 85 % geknüpft ist, ließe die Geldmeßwertdifferenz sich nur durch Erweiterung der Ziehungsrechte ausgleichen, etwa in der Weise, daß einem Land auch schon vor der Erhöhung seiner Quote ein antizipiertes Ziehungsrecht im Ausmaß der bereits bestehenden Geldmeßwertdifferenz seiner Währung zugestanden wird; ist also beispielsweise das Preisniveau eines Landes im Verhältnis zu dem anderer Länder um 10 % angestiegen, so könnte der IWF es zur Ziehung weiterer 10 % seiner "Goldtranche" ermächtigen. Der Grundsatz von der Stabilität der Paritäten erfährt eine Ausnahme nur dann, wenn das Verhältnis des Geldmeßwertes der Währung eines Landes zu den Geldmeßwerten der Währungen der anderer Länder sich wesentlich verschoben hat, weil seine Leistungsfähigkeit sich im Vergleich zu der der anderen Länder sich wesentlich verändert hat. Diesen Fall hat Art. IV Abschn. 5 des IWF-Abkommens im Auge; danach kann ein Mitglied die Änderung seiner Parität vorschlagen, wenn dies erforderlich ist, "um eine grundlegende Störung des Gleichgewichts zu beheben" (bei "fundamentalem Ungleichgewicht", wie es in wörtlicher Übersetzung aus dem Englischen heißt). Es ist auch an den Fall zu denken, daß die Parität eines Staates bei seiner Gründung oder bei einer von ihm durchgeführten Währungsreform nicht dem Verhältnis seiner Leistungs-
§ 37 Parität, Wechselkurs und Devisen bei abstrakten Währungen
385
fähigkeit zu der der anderen Länder entsprach, so daß sie fehlerhaft bemessen war und korrigiert werden muß. Von diesen Ausnahmen abgesehen baut das in Bretton-Woods geschaffene Weltwährungssystem sich auf einem Verhältnis fester Paritäten auf. Es wird hergestellt durch den "US-Dollar im Gewicht und in der Feinheit vom 1. Juli 1944" (Art. IV Abschn. 1), die bereits genannte Menge von 0,888671 g Feingold; dadurch wird der US-Dollar zur Leitwährung, nach der sich der "Paritätswert der Währung jedes Mitglieds" bemißt. Das bedeutet, daß dem Verhältnis der Währungen zueinander das Verhältnis eines US-Dollars zu der Feingoldmenge von 0,888671 g Feingold vorgelagert ist, so daß der Paritätswert jeder Währung nicht unmittelbar durch den des US-Dollars, sondern nur über den Umweg der Feingoldmenge bestimmt wird. Für die Bundesrepublik Deutschland ergaben sich daraus infolge der zweimaligen Aufwertung folgende Gleichungen36 : seit 28.7.52
seit 6.3.61
seit 27.10.69
1 US-Dollar = 1 Deutsche Mark =
0,888671 gr 0,211588 gr
0,888671 gr 0,222168gr
0,888671 gr 0,242806 gr
1 US-Dollar
4,20 DM
4,-DM
3,66 DM
=
Das Verhältnis wird auch in dem Preis einer Unze Feingold ausgedrückt; das ergibt seit der zweiten Aufwertung, dem 27.10.1969: 1 Unze Feingold = 35 US-Dollar = 128,10 Deutsche Mark Auch hier stellt sich die Frage, ob es dieses Umweges überhaupt bedarf. Wir haben aufgezeigt, daß er sich bei den Sonderziehungsrechten entbehren läßt, weil sie in keiner unmittelbaren Beziehung zu der Feingoldmenge stehen und ihre Zuteilung sich ausschließlich nach der Leistungsfähigkeit der Länder bestimmt. Letzteres gilt aber für das Paritätsverhältnis, wie die Vorschrift des Art. IV Abschn. 5 zeigt, auch, und eine unmittelbare Beziehung der Paritäten zur Feingoldmenge bestand nur solange, als das Gold für sie eine Ware war, die einen bestimmten Preis, den von 1 US-Dollar für die Menge von 0,888671 Gramm, hatte. Seitdem sich aber das Währungsgold vom Warengold gelöst hat37 , hat nur 88 Kraus, a.a.O., S. 168; Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Dezember 1966, S. 103, November 1969, S. 43. 31 Das ist durch den Beschluß geschehen, den die Zentralbank-Präsidenten der Länder des Goldpools am 16.117. März 1968 auf einer Konferenz in Washington faßten. In dem darüber veröffentlichten Kommunique heißt es: "Die Präsidenten sind der Ansicht, daß das offiziell als Reserven gehaltene Gold nur noch zu Transfers zwischen den Währungsinstituten benutzt werden sollte, so daß sie deswegen beschlossen, dem Londoner oder irgendeinem ande-
25 Eekelt
386
II. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
noch das letztere einen Preis, zu dem es auf dem Weltmarkt "gehandelt" wird, das erstere hingegen hat den Charakter einer reinen Recheneinheit angenommen. Freilich bildet es noch eine, allerdings nur beschränkt verwendbare, Geldart, aber nicht mehr mit einem Preis, sondern nur noch mit einem Wert von 0,888671 Gramm für 1 US-Dollar. Es ist dies wie alle Geldwerte ein Meßwert für Zahlungen von Land zu Land, und da Zahlung nur eine besondere Art ist, sich des Geldes als Recheneinheit für die Bewegung unbedingt-potentieller Energie zu bedienen, ist auch der Meßwert von 0,888671 g Feingold nur eine Recheneinheit für ein Quantum solcher Energie. Auf das Paritätsverhältnis übertragen heißt das: eine Recheneinheit für das Maß der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit jedes Landes. Man könnte diese Recheneinheit statt mit 0,888671 g Feingold ebensogut mit 1 x bezeichnen und in eine Relation zum US-Dollar bringen durch die Gleichung: 1 x = 1 US-Dollar Das macht sie aber für die Bestimmung des Verhältnisses des USDollars zu den anderen Währungen entbehrlich; denn da auch deren Parität sich aus der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Länder errechnet, können sie in ein unmittelbares Verhältnis zum US-Dollar als der Leitwährung gebracht werden, so daß sich beispielsweise die Parität der Bundesrepublik Deutschland einfach aus der Gleichung ergibt.
1 US-Dollar
=
3,66 DM
Diese Gleichung bringt die Paritäten ohne Umrechnung über die Feingoldmenge von 0,888671 g Feingold in ein festes Verhältnis zueinander. Es ist eine Konvention, welche die über den US-Dollar als Leitwährung ergänzt und deren es für die Funktion des Weltwährungssystems bedarf, die aber dafür auch genügt38 • Das Weltwährungssystem kann sich nur in dieser Richtung fortentwikkeIn, d. h. zu einem System abstrakter Währungen, in dem die Währungen nur noch das Ergebnis einer Messung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit jedes Landes, d. h. der Fähigkeit seiner Einwohner zu wirtschaftlichem Handeln, sind. Diese vermag durch Gold nicht ersetzt, ren Goldmarkt kein Gold mehr zu liefern. Außerdem, da die gegenwärtigen Reserven an Währungsgold in bezug auf die geplante Schaffung von Sonderziehungsrechten ausreichend sind, halten sie es für nicht erforderlich, auf dem Markt Gold aufzukaufen. Schließlich sind sie übereingekommen, daß sie künftig den Währungsinstituten kein Gold verkaufen werden, um das auf den privaten Märkten verkaufte Gold zu ersetzen." ("WeIt" vom 19. III. 1968.) 3B Der Gedanke, daß eine "Währungsstabilität ohne Gold" möglich ist und die Entwicklung in diese Richtung drängt, liegt auch einem Aufsatz zugrunde, den Herbert Weise unter dieser überschrift in der "Augsburger Allgemeinen" vom 29. III. 1968 hat veröffentlichen lassen.
§ 37
Parität, Wechselkurs und Devisen bei abstrakten Währungen
387
sondern eher gelähmt zu werden; denn Gold bindet wirtschaftliche Kraft, statt sie freizusetzen; es ist "in einem auf Kredit aufgebauten Währungssystem völlig unnötig und stellt einen anachronistischen Fremdkörper dar"39, ein "industriell nicht verwertbares Edelmetall", das man "kaufen und verkaufen" kann 40 . Gegenwärtig hat es aber noch den Doppelcharakter von "Warengold" und "Währungsgold"41. Wenn es nichts als das Metall Gold wäre, müßte es auch für die Währung einen normalen Weltmarktpreis haben; es ist aber als "Währungsgold" an den Zwangspreis von 35 $ pro Unze gekettet. Das Währungsproblem, zu dem es dadurch wird, ist auf keine andere Weise als durch seine völlige Eleminierung aus dem Weltwährungssystem zu lösen. Das bedeutet, daß Gold nur noch als "Warengold" zu produzieren und das vorhandene "Währungsgold" in "Warengold" zu verwandeln ist. Nach einem Plan von Kenen 42 soll das durch Transferierung aller nationalen Goldreserven an den IWF erfolgen; dieser Plan müßte, wenn die im Weltwährungssystem zusammengeschlossenen Nationen sich auf ihn einigen, in der Weise durchgeführt werden, daß der IWF die ihm transferierten Bestände in einem lang bemessenen Zeitraum als "Warengold" verwertet und den Erlös an die beteiligten Staaten in ihren eigenen Währungen ausschüttet; im Vorgriff auf den künftigen Erlös wären den Staaten interimistische Sonderziehungsrechte zuzuteilen. Nur einen ersten Schritt auf diesem Wege bedeutet die am 16./17. März 1968 von den Zentralbankpräsidenten der Länder des Goldpools beschlossene Spaltung des Goldpreises in einen unverändert festen, jetzt marktfreien von 35 $ pro Unze für das "Währungsgold" und einen freien Marktpreis für das "Warengold"43. Diesem ersten Schritt muß und wird der zweite und letzte einer völligen Lösung des Weltwährungssystems vom Gold und der Errichtung eines Systems abstrakter Währungen folgen müssen. Das wird sich nur durch eine Verfeinerung des Meßvorgangs erreichen lassen, d. h. durch immer genauere Erfassung und Verarbeitung der Daten der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung aller Länder. Dazu wird man sich in zunehmendem Maße der Kybernetik bedienen müssen. Die von Computern gespeicherten Daten sind der exakteste rechnerische Ausdruck der in den Ländern gespeicherten wirtschaftlichen Energie. Wir gelangen so zu einem Automatismus, der diesen Namen wirklich verdient; der "Gold"- und der "Preisautomatismus" waren es nur im übertragenen Sinne. 39 Keynes, John Maynard: A Tract on Monetary Reform, zitiert bei Hahn (siehe Anm. 41). 40 Schacht, Hjalmar: So kann unser Geld gerettet werden, in der Zeitschrift "Quick" 1964, Nr. 49. 41 Hahn, Albert L.: Reform des Weltwährungssystems (Sonderdruck der Schweizerischen Handelszeitung vom 23. IX. 1967). 42 Kenen, Peter B.: Zitiert in Süddeutsche Zeitung vom 15.12.1967. 43 Siehe Anm. 37.
25·
388
H. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
In einem System abstrakter Währungen ist Geld nur eine Recheneinheit und Zahlung nur eine besondere Art, sich ihrer zu bedienen. Das erweisen die "Sonderziehungsrechte"; denn sie entstehen als Posten der Weltwirtschaftsrechnung und liefern als solche Zahlungsmittel. Wir finden durch sie auch bestätigt, daß Zahlung das Mittel ist, die Bewegung eines Quantums unbedingt-potentiellen Kapitals zu markieren, und daß ihr eine Zahlungserwartung vorausgeht. Nur markieren beim Sonderziehungsrecht Zahlung und Zahlungserwartung eine andere Art der Bewegung wirtschaftlicher Energie, und zwar die durch einen Akt der Gesamtleistung, und das machen sie hier zur Globalzahlung und Globalzahlungserwartung mit deren Titeln. In. Globalzahlungen sind demnach alle außenwirtschaftlichen Zahlungen, denen ein Akt der Gesamtleistung eines Staates an einen anderen zugrunde liegt; sie werden durch die Zentralbankinstitute der Staaten vermittelt. Globalzahlungstitel sind Goldbarren und Überweisungsträger für Konten, die die Staaten bei ihren Zentralbankinstituten unterhalten. Globalzahlungen sind auch die Zahlungen, die die Staaten an die Weltwährungsinstitutionen leisten oder von ihnen empfangen. Auch ihre Titel sind Goldbarren und Überweisungsträger für Konten, die der IWF bei den Zentralbanken der Staaten und die diese oder deren Zentralbankinstitute bei der Weltbank und deren Schwesterorganisationen unterhalten. Globalzahlungstitel sind bei ihrer Ausübung auch die Sonderziehungsrechte.
Die Globalzahlungserwartung markiert eine Position bedingt-potentieller wirtschaftlicher Energie, die sich quasi-automatisch in eine Position unbedingt-potentieller wirtschaftlicher Energie verwandeln läßt, den Keim der Zahlung also bereits in sich trägt. Globalzahlungserwartungstitel sind das quasi-automatische Ziehungsrecht mit seiner möglichen Erweiterung um das antizipierte und das Sonderziehungsrecht vor seiner Ausübung sowie die verschiedenen Arten von Mobilisierungstiteln und Geldmarkttiteln. Individualzahlungen sind alle Zahlungen im außenwirtschaftlichen Verkehr, denen eine Einzelleistung zugrunde liegt. Ihre Titel sind Stoffgeldstücke, also Münzen oder Banknoten ("Sorten") sowie Schecks und Überweisungsträger für Konten bei allen am internationalen Zahlungsverkehr beteiligten Banken. Die Individualzahlungserwartung spielt im außenwirtschaftlichen Verkehr eine größere Rolle als im binnenwirtschaftlichen, denn hier kommt es in weit stärkerem Maße als dort nicht auf das rechtliche Müssen, sondern auf das wirtschaftliche Können an. Titel der außenwirtschaftlichen Individualzahlungserwartung sind in erster Linie Wechsel und Dokumententratten, sodann alle Forderungen aus kurz- und mittelfristigen
§ 37 Parität, Wechselkurs und Devisen bei abstrakten Währungen
389
Krediten, gleichviel ob sie verbrieft sind oder nicht (streng genommen wäre es auch der Scheck), schließlich ebenfalls Mobilisierungs- und Geldmarkttitel; diese können also den Gegenstand sowohl von Global- als auch von Individualzahlungen bilden; dasselbe gilt von den Guthaben, die die Staaten bei ihren Zentralbankinstituten unterhalten. Die hier vorgenommenen Unterscheidungen zwischen Globalzahlung und Individualzahlung, zwischen Zahlung und Zahlungserwartung und zwischen deren Titeln liefern die Elemente für den Devisenbegriff. Die herkömmlichen Definitionen schöpfen ihn nicht aus. Bezeichnet man (mit Carell)44 Devisen als "ausländisches Geld" oder (mit Lütge)45 als "ausländisches Zahlungsmittel", so erfaßt man nur die Individualzahlungs-, nicht aber die Individualzahlungserwartungstitel, insbesondere nicht die Wechsel, andererseits bezieht man damit auch die Globalzahlungstitel, insbesondere das Gold ein; aber gerade die Wechsel sind den Devisen zuzurechnen, das Gold hingegen nicht. Näher an die Sache führen schon Definitionen, die von den Wechseln als den wichtigsten Devisen ausgehen, und zwar davon, daß Wechsel verbriefte Forderungen sind. Auch wir hatten uns zunächst mit einer juristischen, und zwar zivilrechtlichen Formulierung begnügt und Devisen als "Forderungen in fremder Währung" umrissen, waren uns aber der Unzulänglichkeit dieser Definition bewußt; denn alle Versuche, dem Begriff einen Standort im System des bürgerlichen Rechts zuzuweisen, dringen nicht bis zum Kern vor. So sollen nach einer von Lipfert gewählten und von Kraus 46 übernommenen Fassung Devisen "Ansprüche auf Zahlungen in fremder Währung an einem ausländischen Platz" sein, und zwar in der "Rechtsform von Guthaben bei ausländischen Banken sowie von auf fremde Währung lautenden, im Ausland zahlbaren Wechseln und Schecks". Damit sind aber nicht die Ansprüche gemeint, die dem Inhaber eines Wechsels oder Schecks im Falle der Nichteinlösung gegen den Bezogenen und die Mitverpflichteten zustehen, schon gar nicht die Gutschrift auf einem Konto bei einer ausländischen Bank; denn die ist überhaupt kein "Anspruch" auf Zahlung mehr, sondern schon die Zahlung selbst. Die "Ansprüche", von denen hier die Rede ist, sollen vielmehr die sein, die sich gegen die bezogene ausländische Bank auf Auszahlung des Wechsel-, Scheck- oder des überwiesenen Betrages richten. Sie stehen aber nicht deren Inhabern oder Empfängern, sondern der von ihnen beauftragten inländischen Bank zu. Der Exporteur übergibt ja den Wechsel oder Scheck, den er vom Importeur erhält, seiner Hausbank zum Einzug oder er diskontiert den Wechsel bei ihr, und der Importeur erteilt seiner Hausbank den Auftrag, zu Lasten seines Kontos den Wechsel bei Fälligkeit, 44
45 48
a.a.O., S. 362. a.a.O., S. 126. a.a.O., S. 184.
390
Ir. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
den Scheck sofort einzulösen oder den Rechnungsbetrag auf ein Konto des Exporteurs bei dessen Hausbank zu überweisen. Wenn also, dann kann nur sie durch die Hereinnahme des Wechsels oder Schecks oder des überweisungsträgers einen "Anspruch" erwerben. Indessen ist das gar kein zivil rechtlicher "Anspruch", den sie, wenn er nicht erfüllt wird, gegen die ausländische Bank im Prozeßwege verfolgen wollte oder könnte. Was sie erlangt, ist vielmehr eine wirtschaftsrechnerische und damit wirtschaftsrechtliche Position gegenüber der ausländischen Bank, der eine Position der letzteren gegenüber der ersteren entspricht. Im Rechenwerk der inländischen Bank werden Wechsel, Scheck und überweisungsträger zu Aktiven, im Rechenwerk der ausländischen Bank zu Passiven, und zwar treten sie bei beiden Rechenwerken durch eine Kette simultaner Buchungen in Erscheinung; sie werden so zu Zahlungstiteln; der Wechsel ist bis zu seiner Einlösung ein Zahlungserwartungstitel; hat die inländische Bank ihn "angekauft" (diskontiert), so erscheint er in ihrem Rechenwerk bereits als Forderung. Soweit entsprechen diese Vorgänge denen der binnenwirtschaftlichen Zahlung und Zahlungserwartung. Was sie von diesen abhebt und erst das entscheidende Kriterium außenwirtschaftlicher Zahlung und Zahlungserwartung liefert, liegt darin, daß die inländische Bank durch die Aktiven, die sie mit den Wechseln, Schecks und Überweisungsträgern erwirbt, dazu befähigt wird, eine Gegenposition einzunehmen, d. h. bei ihr zahlbar gestellte Wechsel und auf sie gezogene Schecks und überweisungsträger in ihr Rechenwerk als Passiva einzusetzen. Die durch ihre Rechenwerke ausgewiesenen "kurzfristigen Forderungen und Verpflichtungen der Geschäftsbanken gegenüber dem Ausland" machen ihre "Devisenposition" aus. Dieser hat man auf der Aktivseite auch die "Sorten", also die Münzen und Banknoten in ausländischer Währung zuzurechnen; denn auch sie sind vom Rechenwerk erfaßte Zahlungs titel. Position und Gegenposition erfordern einen Ausgleich. Ihm dient das "Clearing". Darunter haben wir die multilaterale Abrechnung im internationalen Zahlungsverkehr zu verstehen. Es kann sich auf drei Ebenen vollziehen, entweder zwischen den Geschäftsbanken, oder unmittelbar zwischen den Zentralbanken oder zwischen diesen durch Vermittlung des Internationalen Währungsfonds. Ein Clearing zwischen den Geschäftsbanken ist nur möglich, wenn eine Inlandsbank ein Guthaben bei einer Bank in einem fremden Land unterhält, das sie zur Abdeckung eines Debetsaldos bei einer anderen Bank des gleichen Landes verwenden kann. Fehlt es dar an, so bedarf es der Einschaltung der beteiligten Zentralbanken; auch hier ist ein unmittelbarer Ausgleich nur möglich, wenn die Zentralbank des Schuldnerlandes ein Guthaben bei der des Gläubigerlandes unterhält, zu dessen Lasten sie den Schuldsaldo der Geschäftsbank abdecken kann, d. h . wenn
§ 37 Parität, Wechselkurs und Devisen bei abstrakten Währungen
391
sie eigene Reserven in der Währung des Gläubigerlandes besitzt. Fehlt es auch daran, so bedarf es der Einschaltung des IWF, d. h. des Rückgriffs auf die internationalen Währungsreserven durch Ausübung der Ziehungsrechte. Alle Clearing-Zahlungen sind Globalzahlungen, denn sie sind von den Einzelleistungen gelöste Akte der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung. In jeder außenwirtschaftlichen Individualzahlung steckt aber schon der Keim für den Empfang oder die Leistung einer Globalzahlung. Umgekehrt trägt jede Globalzahlung den Keim einer künftigen Individualzahlung in sich. Demnach lassen sich Globalzahlungstitel in Individualzahlungstitel und umgekehrt diese in jene verwandeln. IV. Wir können daher jetzt Devisen definieren als fremdvalutarische Individualzahlungs- und -zahlungserweitungstitel, die sich in fremdvalutarische Globalzahlungs- und -zahlungserwartungstitel verwandeln lassen.
Wir wollen das Verhältnis von Global- und Individualzahlungen und damit den Gehalt des Devisenbegriffs an einem Modell erläutern, das uns zugleich die Funktion der Subskriptionen und Ziehungsrechte vergegenwärtigt. Wir nehmen an, daß die Zentralbanken zweier Länder A und B mit der Parität 1 : 1 über einen gleich großen Bestand von 15 Milliarden an Gold verfügen, die Zentralbank A bei der Zentralbank Bein Devisenguthaben von 200 Millionen und diese bei jener ein solches von 50 Millionen unterhält; daraus ergibt sich folgendes Zahlungsbilanzbild 1 A
B
Aktiva
Passiva
G 15000 D
200
D
50
Passiva
Aktiva G 15000 50
D
D
200
Weiterhin unterstellen wir, daß beide Länder mit einer Quote von 1 Milliarde am IWF beteiligt sind und daß sie diese Quote bei ihren Zentralbanken als "Hinterlegungsstellen" einzahlen; das würde, wenn wir zunächst von dem 25 Ofoigen Goldanteil absehen, in der Weise zu geschehen haben, daß dem IWF bei jeder der beiden Zentralbanken ein Konto von 1 Millarde in der eigenen Währung der beiden Länder eingerichtet wird, und zwar aufgrund eines von jedem der Länder seiner Zentralbank erteilten Kreditauftrages, so daß in Höhe der Quote eine Forderung der Zentral banken an ihre Länder entsteht. Wir erhalten so das
H. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
392
Zahlungsbilanzbild 2 B
A
Passiva
Aktiva G 15000
D L
D 50 IWF 1000
200 1000
Aktiva
Passiva
G 15000 D L
D 200 IFW 1000
50 1000
Um den Goldanteil der Subskription ihrer Länder aufzubringen, müssen die beiden Zentralbanken von ihrem Goldbestand je 250 Millionen an den IWF zu Lasten seines Kontos abgeben, also gleichsam an ihn verkaufen; dieser Vorgang führt zum Zahlungsbilanzbild 3
A
B
Aktiva
Passiva
G 14750 D L
200 1000
Passiva
Aktiva G 14750
D
IFW
50 750
D L
50 1000
D
IWF
200 750
In Wirklichkeit wird der Goldanteil unmittelbar zu Lasten des Landes aufgebracht; wir haben aber, den von uns angestellten Überlegungen folgend, das Zahlungsbilanzbild 2 zwischengeschaltet, weil es uns das Verständnis der "Goldtranche" erleichtert; wir können es auf diese Weise so ansehen, als hätte das Land die gesamte Quote in seiner "eigenen Währung" aufgebracht und als hätte der IWF 25 Ofo davon verwendet, so daß dem Land in dieser Höhe ein quasi-automatisches Ziehungsrecht erwächst. Das Land B tilgt 50 der von ihm geschuldeten 200 Millionen im Clearing, die restlichen 150 Millionen durch sein quasi-automatisches Ziehungsrecht. "Ziehen" heißt, vom IWF fremde Währung gegen eigene erwerben. Dem IWF steht "eigene Währung" der bei den Länder A und B dadurch zur Verfügung, daß er bei ihren Zentralbanken Konten unterhält, auf die sie ihre Quoten zur Einzahlung bringen und über die sie ihre "Geschäfte mit dem Fonds" (Art. V des Abkommens) abwickeln. Dieser kann daher die Zentralbank A beauftragen, zu Lasten seines bei ihr geführten Kontos einen Betrag von 150 Millionen zu dem angenommenen Wechselkurs von 1 : 1 auf das Konto bei der Landeszentralbank B zu überweisen; der Landeszentralbank B räumt er - in Erfüllung des quasi-automatischen Ziehungsrechts - einen "Währungskredit" in dieser Höhe ein. Daraus ergibt sich nunmehr das
§ 37 Parität, Wechselkurs und Devisen bei abstrakten Währungen
393
Zahlungsbilanzbild 4 A
B
Aktiva
Aktiva
Passiva
Passiva
G 14750
G 14750
D
D
L
1000
IFW
600
L
1000
IFW
750
IFW
150
"Ziehen" heißt aber seit der Währungskonferenz von Rio de Janeiro auch, fremde Währung gegen zugeteilte internationale Währung erwerben, und zwar ohne Einschaltung des IWF. Setzen wir im Zahlungsbilanzbild 3 an die Stelle der Subskription der beiden Länder (L 1000) Sonderziehungsrechte von beispielsweise je 500 Recheneinheiten, so ergeben sich, wenn das Land mit dem ihm zugeteilten Sonderziehungsrecht seine Devü;enschuld abträgt, folgende Zahlungsbilanzbilder 3a A
B
Aktiva
Aktiva
Passiva
SZR
500
D
200
Passiva
SZR 500 D
50
D
50
D
200
4a A
Aktiva SZR D
B
Passiva 650
Passiva
Aktiva SZR
350
D
Wir haben in diesen Modellen den Vorgang der "Ziehung" mit dem der Clearingzahlung verbunden; in Wirklichkeit sind es zwei selbständige Vorgänge. Die vereinfachende Darstellung erleichtert uns aber das Verständnis für das, was hier vor sich geht: die Verwandlung eines Individualzahlungstitels in einen Globalzahlungstitel; aus Devisen werden Positionen im weltwirtschaftlichen Rechenwerk; denn das quasi-automatische Ziehungsrecht des Landes A erhöht sich um 150 Millionen, während das des Landes B sich um 150 Millionen verbraucht. Die Verwandlungsfähigkeit der Devisen macht sie zu Nahtstellen der Weltwirtschaft, Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft und damit von
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11. 3. Abschn.: Kapitalistische Währungstheorie
Gesamtleistung und Einzelleistung; denn es sind ja Individualzahlungstitel, sie markieren also Einzelleistungen; deren Besonderheit lediglich darin liegt, daß sie nur als Teile außenwirtschaftlicher Gesamtleistungen zu wirtschaftlicher Wirkung gelangen können. Das Gesamtleistungselement ändert aber nichts daran, daß es ein Einzelner ist, der sie vollbringt; er ist es, der die Quanten wirtschaftlicher Energie in den durch die Devisen markierten Leistungen bewegt: der Unternehmer. Das gilt unabhängig von der Gesellschaftsordnung (dem Wirtschaftssystem) der am Devisenverkehr beteiligten Staaten. Auch zwischen Staaten mit "zentralgelenkter" Wirtschaft, erst recht zwischen einem solcher Staaten und einem Staat mit "freier" Wirtschaft vollzieht der Umsatz wirtschaftlicher Energie sich in einzelnen Erwerbsvorgängen, sind demzufolge Träger dieser Energie einzelne Unternehmer, der Leiter eines volkseigenen Betriebes ebenso wie der Vorstand einer Aktiengesellschaft oder der Inhaber eines Einzelunternehmens. Auch die Sachgüter, die ein VEB von einem ausländischen Produzenten bezieht, muß er in Devisen bezahlen. Daran ändert sich auch dadurch nichts, daß er, da die Währung seines Landes nicht frei konvertierbar ist, sie sich nicht selber beschaffen kann, sondern von der dafür bestehenden Bewirtschaftsstelle zuteilen lassen muß; das kommt aber auch im Bereich der "freien" Wirtschaft vor; freie Konvertierbarkeit der Währungen ist somit kein Wesensmerkmal einer "freien" Wirtschaft. Fragen kann es sich vielmehr nur, ob überhaupt die Gesellschaftsordnung eines Staates Einfluß auf die Wirkungsweise wirtschaftlicher Energie und damit auf den von uns geprägten Kapitalbegriff hat. Aber das greift über die in diesem Abschnitt angestellte Untersuchung der Funktion des Geldes im außenwirtschaftlichen Verkehr hinaus und bedarf einer besonderen und zugleich abschließenden Betrachtung.
Schlufi § 38 Kapital und Gesellschaftsordnung
1. Die Gesellschaftsordnung wird in der herrschenden Vorstellung mit dem Kapital nicht unmittelbar, sondern in ihrer Ausprägung zu einem "Wirtschaftssystem" in Verbindung gebracht, und zwar legt man einem bestimmten Wirtschaftssystem das Prädikat "kapitalistisch" bei und stellt ihm das "kommunistische" als ein auf einer anderen Gesellschaftsordnung beruhendes gegenüber. "Kapitalismus" und "Kommunismus" sind dadurch zu Polen eines politischen Spannungsfeldes geworden.
Der im "kommunistischen" Wirtschaftssystem ausgeprägten Gesellschaftsordnung hat das politische Denken Merkmale beigelegt, die ihr Wesen ausmachen und sie von der "kapitalistischen" unterscheiden soll. An folgenden Kriterien soll sie kenntlich sein: alle Wirtschaftsgüter, soweit sie nicht dem unmittelbaren Verbrauch dienen, demzufolge alle "Produktionsmittel", stehen im Eigentum der Gesellschaft; vorerst, d. h. bis zur Erreichung der letzten Stufe der politischen Entwicklung, wird die Gesellschaft durch den Staat repräsentiert; ihn macht daher die "Sozialisierung" zum Herren über den gesamten Güterproduktions- und verteilungs apparat und über die ihn bedienenden und durch ihn versorgten Menschen; die Beseitigung des Privateigentums an den Produktionsmitteln hebt den Unterschied zwischen der "Klasse" der Besitzenden, der "Kapitalisten", und der "Klasse" der Besitzlosen, der "Proletarier", auf und läßt eine "klassenlose Gesellschaft" mit einem ihr eigenen politischen System, einem ihr eigenen Ethos und einem ihr eigenen Pathos entstehen. Das politische System der klassenlosen Gesellschaft bindet den Einzelnen unmittelbar und ausschließlich an den von ihr getragenen Staat. Unmittelbar ist diese Bindung, weil es Bindungen zwischen Klassen, wie sie in der Feudalzeit zwischen Lehnsherrn und Lehnmann bestanden haben und wie sie im "kapitalistischen" System zwischen dem privaten Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern bestehen, hier nicht gibt; ausschließlich ist sie, weil die vom Staat gesetzte Ordnung alle Bereiche des Lebens erfaßt; denn auf keinem Gebiete kann es etwas geben, was Sache einer einzelnen Klasse wäre. Die Wirtschaft der klassenlosen Gesellschaft ist daher nur denkbar als ein Instrument des Staates: er bestimmt, was, wie und wo produziert
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Schluß
wird und wie die produzierten Güter verteilt werden, und ihm verbleibt der Ertrag der Produktion. Das setzt einen Plan voraus. Der wird von Organen des Staates aufgestellt, ist also ein Verwaltungsakt. Um ihn zu verwirklichen, wendet der Staat seine Machtmittel an: die Erfüllung des Plans ist Rechtspflicht, seine Nichterfüllung strafbarer Rechtsbruch (" Wirtschaftssabotage"). Den Plan (das "Soll") zu erfüllen, ist eine in den Gesetzen und Verordnungen des Staates begründete, zugleich aber auch eine sittliche Verpflichtung des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft. Sie ist der Pflicht vergleichbar, die der Soldat dem Vaterland schuldet. Daraus erklärt sich das besondere Pathos, das dieses System ausstrahlt: es glorifiziert die Arbeit, indem es dem Arbeiter die Rolle eines Soldaten zuweist; wie dieser "kämpft" jener in seiner Einheit (seiner "Brigade") um den "Sieg", d. h. darum, daß er das Soll erfüllt; leistet er mehr als die Masse seiner Mitkämpfer, indem er das ihm gesetzte Soll übererfüllt, so ist er ein "Held der Arbeit". Dieses Ethos und dieses Pathos gehören ebenso zur klassenlosen Gesellschaft wie die Gesetze und Verordnungen ihrer staatlichen Organe. Mit diesen allein ließe die Gesellschaftsordnung sich nicht verwirklichen. Es bedarf daher außer dem Staat noch einer Einrichtung, die zu der durch die Gesetze und Verwaltungsakte vermittelten äußeren Bindung des Einzelnen an den Staat noch eine innere fügt. Diese Einrichtung ist die kommunistische Partei mit ihren alle Bereiche des Lebens der Staatsbürger durchsetzenden Organisationen; es ist die Partei des Staates; denn die klassenlose Gesellschaft duldet keine Vielzahl von Parteien. Von ihr, der einzigen Partei, gehen alle Impulse aus, die die Existenz des Einzelnen mit der Gesellschaft verweben, die künstlerischen und wissenschaftlichen ebenso wie die politischen und wirtschaftlichen, demnach auch die Impulse, die den staatlichen Apparat und mit ihm die staatlich gelenkte Wirtschaft in Gang halten. Auf einen Nenner gebracht, ist Kommunismus eine Form des Zusammenlebens der Menschen in einem Staat, bei der der Einzelne mit seiner gesamten Existenz in der Gemeinschaft mit seinen Mitmenschen (der "Gesellschaft") aufgeht und bei der die einzelnen Staaten eine die gesamte Menschheit umschließende Gemeinschaft bilden. Dieses System ist fraglos von einer imponierenden Geschlossenheit, und das verleiht ihm eine ungemein werbende Kraft. Werbend aber bietet sich der Kommunismus an: als eine Lehre, die allen Völkern die einzig menschenwürdige Gesellschaftsordnung bringt, und als ein an alle Völker gerichteter Appell, diese Lehre anzunehmen, die Herrschaft der " Kapitalisten " zu brechen und den Staat der klassenlosen Gesellschaft aufzurichten.
§ 38 Kapital und Gesellschaftsordnung
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Nicht minder eindrucksvoll aber ist der Damm von Gedanken, den nicht-kommunistische Nationen gegen die ihnen drohende überflutung aufrichten. Für sie ist menschenwürdig nur eine Gesellschaftsordnung, die es dem Einzelnen ermöglicht, sich auf allen Lebensgebieten als Persönlichkeit frei zu entfalten. Das setzt voraus, daß die Sphäre des Einzelnen gegen die der Gesellschaft und des Staates abgegrenzt und gegen übergriffe von dessen Seite abgeschirmt wird; dem Staat wird sogar die Aufgabe zugewiesen, die aus der Abgrenzung des Sphären erwachsende Freiheit der Persönlichkeit des Einzelnen zu schützen. Der Gedanke der Freiheit wird so zum Prinzip einer dem Kommunismus entgegengesetzten Gesellschaftsordnung. Auch die Wirtschaft ist eine der Sphären, in denen sich die Persönlichkeit des Einzelnen unter dem Schutz des Staates frei soll entfalten dürfen. Daher stehen die Produktionsmittel nicht im Eigentum des Staates, sondern in dem des Einzelnen; er, nicht der Staat, bestimmt, was, wo und wie produziert wird; ihm, nicht dem Staat, verbleibt der Ertrag der Produktion. Es gibt keinen vom Staat aufgestellten und mit der Macht des Staates verwirklichten Plan, sondern jeder Einzelne produziert nach einem eigenen Plan; dieser richtet sich nach dem auf einem bestimmten Gebiet herrschenden Bedarf (der "Nachfrage") und der Möglichkeit, ihn zu decken (dem "Angebot"); der Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage vollzieht sich nicht durch einen staatlichen Verwaltungsakt, sondern durch das freie Spiel der Kräfte, d. h. nach dem freien Willen dessen, der die Güter herstellt, und dessen, der sie ihm abnimmt; der Raum, in dem dieses Kräftespiel sich auswirkt, ist der Markt, der sinnlich wahrnehmbare (z. B. Gemüse-, Blumen-, Wochen-Jahrmarkt) ebenso wie der nur gedachte; über ihn gelangen die produzierten Güter an den Verbraucher. Da es nun eine Vielzahl von Produzenten ist, die diese Güter anzubieten haben, entbrennt auch hier ein Kampf; aber er ist von ganz anderer Art als der, den die "Helden der Arbeit" zu bestehen haben: es ist der Kampf der Produzenten und Händler um den Kunden, der "Wettbewerb". Auch und insbesondere er ist eine Frucht des freien Spiels der Kräfte. Auf die wirtschaftliche Existenz des Einzelnen bezogen, scheinen somit staatlicher Zwang auf der einen und Freiheit von diesem auf der anderen Seite die Kriterien zu bezeichnen, durch die sich die kommunistische Gesellschaftsordnung von jener anderen abhebt, die ihre Verfechter konsequenterweise die "freie", ihre Gegner, die Kommunisten, die "kapitalistische" nennen, weil sie die Macht der Klasse, in deren Hand sich die Produktionsmittel konzentrieren, der "Kapitalisten", stabilisiert. Bei näherer Betrachtung müssen wir jedoch feststellen, daß sich für die Frage, wie der Mensch wirtschaftlich existiert, der Gedanke der Freiheit zur Rechtfertigung einer der kommunistischen entgegengesetzten Gesellschaftsordnung nicht eignet; denn es gibt Staaten, deren Gesell-
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schaftsordnung zwar nicht kommunistisch, aber auch nicht freiheitlich ist, weil ihre Verfassung zwar das Privateigentum an den Produktionsmitteln kennt, dennoch aber das Leben ihrer Bürger in ein System äußersten persönlichen Zwanges einfängt. In den Formen der absoluten Monarchie, der Militär- oder Einparteien-Diktatur oder der "gelenkten" Demokratie, heben diese Staaten sich deutlich von jenen ab, deren Verfassung ihren Bürgern ein hohes Maß von persönlicher Freiheit gewährleistet. Dringt dort der Staat bis in das Zentrum aller Lebensbereiche seiner Bürger vor, so zieht er sich hier auf die Peripherie zurück. Der Polizeistaat tritt so dem Rechtsstaat gegenüber. Mit "Kapitalismus" und "Kommunismus" aber hat das nichts zu tun. Polizeistaaten sehen ihre Aufgabe oft gerade darin, das private Eigentum an den Produktionsmitteln zu fördern und alle ihm entgegenwirkenden Kräfte zu unterdrücken, etwa durch ein Verbot des gewerkschaftlichen Zusammenschlusses. Umgekehrt läßt es sich denken, daß ein Staat auf durchaus rechtsstaatlichem Wege alles Privateigentum in Staatseigentum verwandelt, ohne sonst etwas an seinem rechtsstaatlichen Aufbau zu ändern; dieser Aufbau würde vielmehr auch die Methode der Sozialisierung bestimmen: sie würde sich in der Form einer verfahrensrechtlich geordneten Enteignung vollziehen; rechtsstaatlicher Art wären auch die Mittel, deren der Staat sich bedienen würde, um die ihm durch die Vergesellschaftung gestellte Aufgabe zu erfüllen, insbesondere soweit er dabei die Menschen berührt, die die vergesellschafteten Produktionsmittel, sei es leitend, sei es ausführend, zu bedienen haben: deren Stellung im Produktions- und Verteilungsapparat würde er so verankern, daß sie aus keinem anderen als einem rechtlichen Grunde und durch keine andere als eine rechtliche Macht erschüttert werden können. Die Sicherheit, die der Einzelne in einer solchen Gesellschaftsordnung erlangen würde, bedeutete für ihn Freiheit; denn er wüßte sich geschützt gegen Willkür. Diese Freiheit wäre zwar anderer Art als die "kapitalistische", aber Freiheit wäre es auch; denn Freiheit ist etwas Relatives, weil sie sich nur durch ihr Verhältnis zu einer Bindung bestimmen läßt und diese Relation sich nach örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten wandeln kann: was hier und heute als frei gilt, braucht es dort und morgen nicht zu sein. Man gerät also in eine Sackgasse, wenn man "Kommunismus" gleich Zwang und "Kapitalismus" gleich Freiheit setzt. Scheiden aber Zwang und Freiheit als Kriterien des Gegensatzes einer "kommunistischen" und einer "kapitalistischen" Gesellschaftsordnung aus, so bleibt offen, ob das Kapital überhaupt ein Wesensmerkmal nur für eine von zwei denkbaren Gesellschaftsordnungen abgibt. Dagegen spricht schon, daß auch die Wirtschaftssysteme aller kommunistischen Staaten das Geld und damit das Kapital nicht entbehren können.
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Für uns stellt sich aber die Frage, wie sich das Kapital zur Gesellschaftsordnung verhält, wenn es, wie wir meinen, nicht bloß einer von drei Produktionsfaktoren, sondern der die beiden anderen (Boden und Arbeit) mit umfassende Produktionsfaktor schlechthin, nämlich Energie des Menschen ist, die in Sachgütern konzentriert und daraus wieder zurückgewonnen wird und für die das Geld nur als Maßstab dient. II. Wir haben Gesellschaftsordnung definiert als den Inbegriff der Normen für das Zusammenleben der Menschen. Diese Definition ist erschöpfend; denn der Oberbegriff der Ordnung knüpft sich an die Vorstellung von einer Bindung der Menschen an Normen. Gesellschaftsordnung ist somit alles, was es an religiösen, ethischen und rechtlichen Normen für das Zusammenleben der Menschen gibt. Kapital ist keine solche Norm, sondern Energie, d. h. ein Phänomen, das mit der Natur des Menschen und nicht erst mit einer von ihm gesetzten Ordnung gegeben ist. Es kann somit nicht ein Produkt der Gesellschaftsordnung sein, wohl aber ein Faktor, der dazu nötigt, die Normen des menschlichen Zusammenlebens seinem Wesen anzupassen, d. h. so zu gestalten, daß es zu optimaler Wirkung gelangt. Dazu gehört in erster Linie, daß die drei Arten wirtschaftlicher Einzelleistungen, die konkreten, abstrakten und gebündelten, mit ihren Meßwerten, dem Lohn, dem Zins und dem Preis, Schutz und Förderung durch die Gesellschaftsordnung erfahren. Diese muß so beschaffen sein, daß sie jedem jede Art der wirtschaftlichen Einzelleistungsbetätigung ermöglicht, insbesondere dem Unternehmer als demjenigen, der die feld externe Konzentration der wirtschaftlichen Energie durch Bündelung der konkreten und abstrakten Einzelleistungen herbeizuführen hat. In zweiter Linie muß die Gesellschaftsordnung dem Spannungsverhältnis Rechnung tragen, das zwischen den wirtschaftlichen Einzelleistungen und der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung besteht. Sie muß daher dem Staat als dem Repräsentanten der Gesellschaft das Recht verleihen und die Pflicht auferlegen, steuernd in das wirtschaftliche Geschehen einzugreifen. Falsch ist die Meinung, das Kapital gäbe nur einer bestimmten, der "kapitalistischen" Gesellschaftsordnung das Gepräge und es werde seine Rolle als Faktor einbüßen, wenn im weiteren Verlauf der Geschichte die " kapitalistische " Gesellschaftsordnung durch eine andere, die "sozialistische" abgelöst würde. Kapital existiert gegenwärtig und wird künftig existieren, unabhängig von der Entwicklung, die die Geschichte genommen hat und nehmen wird. Fragen konnte es sich nur, ob ein Bedürfnis besteht, die Gesellschaftsordnung dem Wesen des Kapitals gemäß zu gestalten. Diese Frage tauchte in unserem Kulturkreis erst mit der "industriellen Revolution" auf!.
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Bis dahin herrschte in den von Europäern besiedelten Ländern die Agrarwirtschaft vor. Sie diente der unmittelbaren Bedarfsdeckung, anfangs im Familienverband, später in einer erweiterten, aber immer noch geschlossenen Hofgemeinschaft mit nur unvollkommener Arbeitsteilung. Dafür genügte eine Gesellschaftsordnung, die die einzelnen Gemeinschaften unter die wirtschaftliche Führung eines Oberhauptes stellte. Daraus entwickelte sich jenes System von Normen, das wir unter der Bezeichnung "Feudalismus" zusammenfassen. Es war ein System von Stufen der Abhängigkeit zwischen dem König als dem Landesherrn und seinen Vasallen, den Feudalherren (Standesherren) sowie zwischen diesen und ihren "Hintersassen" und "Hörigen". Auf der untersten Stufe standen die "Leibeigenen"; sie waren bloße Werkzeuge in der Hand ihres Herrn; ihre Leistungen hatten demzufolge den Charakter rein technischer Funktionen nach Art der von Tieren oder Maschinen; das unterscheidet sie grundlegend von denen, die heute ein "Unselbständiger" vollbringt; das sind echte wirtschaftliche Leistungen, bei denen der Leistende durch den Lohn, den er empfängt, als Träger wirtschaftlicher Energie legitimiert wird. Im Feudalsystem hingegen war wirtschaftlich Leistender nur der Feudalherr selber - als Träger der mit seinen Hörigen als Sachgütern (Werk zeugen, Produktionsmitteln) bewegten wirtschaftlichen Energie. Die Frage des Verhältnisses von Kapital und Gesellschaftsordnung konnte hier nicht auftauchen. Es gab noch kein Kapitalbewußtsein und demzufolge auch keinen dem heutigen vergleichbaren Kapitalbegriff2 • Auch die Städte waren in die agrarische Struktur des Landes einbezogen. Ihre Einwohner hatten zumeist selber landwirtschaftlichen Besitz, den sie als "Ackerbürger" bearbeiteten, und auch hier gab es einen Feudalismus. Er wurde von den Patriziern verkörpert, die ebenso wie die Standesherren als Großgrundbesitzer eine Herrschaft ausübten, die sie zu Trägern wirtschaftlicher Energie machte. Zwar erwuchs ihnen ein Gegengewicht in den Zünften, aber auch in deren Verfassung war kein Platz für das Kapital. Sie waren Zusammenschlüsse, in denen der Gedanke an die alten Hofgemeinschaften noch wach war. Bei diesen hatte bereits eine Arbeitsteilung stattgefunden, die allerdings noch unvollkommen war, weil der Einzelne zwar arbeitsteilig, aber nicht auf sich selbst gestellt, nicht isoliert für den unmittelbaren Bedarf aller Hofangehörigen tätig war. In den Zünften setzte die Arbeitsteilung sich fort, gewann sie überhaupt erst als ein Faktor der Gesellschaftsordnung 1 Zu dieser siehe von Beckerath, Herbert: Großindustrie und Gesellschaftsordnung. 2 Zu dessen Geschichte Böhm-Bawerk, Eugen: Kapital und Kapitalzins, 2. Abt. 1. Band, S. 17 ff.
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konkrete Gestalt, aber auch hier war der Einzelne noch nicht isoliert tätig; denn von der Zunft hing es ab, ob er sich überhaupt in dem von ihm erwählten Beruf betätigen konnte, und sie bestimmte Preis und Produktionsweise, übernahm vielfach sogar den Absatz seiner Produkte. Von der arbeitsteiligen Tätigkeit in den Hofgemeinschaften unterschied die in den Zünften sich lediglich dadurch, daß sie nur noch der mittelbaren Bedarfsdeckung diente; dennoch blieb auch sie unvollkommen. Der Einzelne konnte demzufolge nur in beschränktem Umfang Träger seiner wirtschaftlichen Energie werden; er war zwar kein Leibeigener, aber auch kein Freier. Das alles änderte sich mit der "industriellen Revolution". Sie verlagerte das Schwergewicht der Wirtschaft vom Lande in die Städte, und hier wurden aus Handwerkern Industrielle. Es entstanden Großbetriebe. Sie zogen die Menschen an, die bisher als Leibeigene oder Halbfreie auf dem Lande und in den Städten lebten und sich nunmehr bestimmten "Berufen" zuwendeten. Aus diesen schälten sich zwei "Gruppen" heraus: die "kaufmännischen" und die "technischen", jede von ihnen aufgegliedert in "Fächer" mit einer unbegrenzten Zahl von "Angestellten" und "Arbeitern". Der Einzelne entwand sich dadurch zwar der Bindung an einen Feudalherren oder eine Zunft, geriet aber, auf sich selbst gestellt, in eine völlige Isolierung. So kam es zur vollkommenen Arbeitsteilung. Dem mußte die Gesellschaftsordnung Rechnung tragen; Leibeigenschaft und Zunftzwang wurden aufgehoben. Dadurch wurde für jeden der Weg in die neuen Großbetriebe frei. Für jeden - damit ist gesagt, daß jedem die Möglichkeit zu jeder der drei Arten wirtschaftlicher Einzelleistungen eröffnet wurde. Das trat zunächst allerdings nur bei zwei von ihnen in Erscheinung: der gebündelten des Inhabers der Großbetriebe (Unternehmers) und der abstrakten eines Systems von Großbanken3 • Nur auf sie, insbesondere die erstere bezog man die "Gewerbefreiheit", d. h. die Lösung aus den Fesseln, die die Zünfte und - mit Reglementierungen verschiedener Art - auch der merkantilistische Staat ihnen anlegten. Gleichzeitig damit entwickelte sich nunmehr ein Kapitalbewußtsein, d. h. das Wissen davon, daß die Wirtschaft sich nicht in dem erschöpft, was die Menschen durch ihre (geteilte) Arbeit dem Boden abringen, sondern daß dazu auch ein Drittes gehört; anfangs sah man es nur im Geld, später auch in den Sachgütern. Zu einem Kapitalbegriff verdichtete sich dieses Bewußtsein gegen Ende des 18. Jahrhunderts bei Hume und Adam Smith 4 •
von Beckerath, a.a.O., S. 16 ff. • Böhm-Bawerk, a.a.O., S. 21 ff.
3
26 Eekelt
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Da es sich aber nur mit den gebündelten und abstrakten Leistungen der Unternehmer und der Großbankiers verband, sah man nur in ihnen "Kapitalisten", die als Nachfahren der Feudalherren und Patrizier die ehemals Leibeigenen und Halbfreien "ausbeuteten". Deren Verhalten schien das zu bestätigen; denn sie fühlten und gaben sich als die "Fabrikherren"5, denen die Arbeiter und Angestellten als Dienende gegenüberstanden. Das führte zu der Meinung, daß die "industrielle Revolution" lediglich das Werk der "Kapitalisten", die Industrialisierung demnach die historische Aufgabe des "Kapitalismus" war 6 • Den Anstoß zu ihr gaben aber nicht die "Kapitalisten", sondern die Techniker. James Watt war Erfinder. Zwar suchte und fand er in Boulton einen Geldgeber, der ihn mit den für die erste Dampfmaschinenfabrik erforderlichen Mitteln ausstattete und mit dem zusammen er sie betrieb. Das ändert aber nichts daran, daß der abstrakten Leistung des Geldgebers die konkrete des Erfinders voranging und diese mit jener zusammen in die gebündelte des Unternehmers einmündete. Die Industrialisierung (die "industrielle Revolution") ging also aus allen darauf gerichteten konkreten, abstrakten und gebündelten Einzelleistungen hervor. Alle Einzelleistungen aber sind Bewegung wirtschaftlicher Energie. Zu deren Trägern wurden nach der Aufhebung von Feudal- und Zunftzwang auch die ehemals Leibeigenen und Halbfreien. Dadurch verwandelten ihre technischen Funktionen sich in wirtschaftliche Leistungen. Das Potential ihrer Arbeitskraft ist, wie wir aufzeigten, identisch mit dem Volumen potentiellen Kapitals, ihre konkrete Einzelleistung demzufolge ebenso eine kapitalistische wie die abstrakte und die gebündelte. Diese Gleichheit der wirtschaftlichen Leistungen ist die Frucht der "industriellen Revolution". Das Kapitalbewußtsein beschränkt sich denn auch durchaus nicht auf die abstrakt und gebündelt Leistenden (die Geldgeber und die Unternehmer), sondern ergreift auch die konkret Leistenden (die Unselbständigen). Offen zu Tage liegt das bei der Leistung der kaufmännischen Angestellten. Der Manager eines Unternehmens kann gar nicht anders als kapitalistisch denken, ebenso der Abteilungsleiter, der Bilanzbuchhalter, der Einkäufer, der Verkäufer; dazu nötigt sie der Zwang, das Kapital (die wirtschaftliche Energie) nicht bloß zu erhalten, sondern zu mehren, das Streben nach dem Pluseffekt. Das Kapitalbewußtsein beherrscht aber auch das Denken und Handeln der technischen Angestellten, vornehmlich der leitenden; denn auch sie müssen die Erfordernisse der Rentabilität in ihre Planungen einbeziehen. - Dabei kann es gar 5 6
von Beckerath, a.a.O., S.ll. So sieht Marx es an (vgl. die Abhandlung im "Spiegel" Nr. 16 vom 13.4.
1970, S.174).
§ 39 Kapitalismus - Einheitliche Kapital- und Geldtheorie
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nicht ausbleiben, daß sich die kapitalistische Denk- und Handlungsweise von dem Gegenstand der Leistung auf diese selbst überträgt, so daß auch sie als eine kapitalistische empfunden und gewertet wird. Das geschieht schon damit, daß sie in Geld gemessen wird, Geld aber nur der Maßstab des Kapitals ist. Das setzt freilich voraus, Kapital als das zu erkennen, was es ist: wirtschaftliche Energie, d. h. das in Geld meßbare Arbeitsvermögen aller arbeitsteilig tätigen Menschen. Diese Erkenntnis wird sich in dem Maße durchsetzen, wie auch die Unselbständigen durch Mitbestimmung und Vermögensbildung zu unternehmerischem Denken gebracht werden.
§ 39 Kapitalismus - Einheitliche Kapital- und Geldtheorie
Nötigt uns die energetische Natur des Kapitals dazu, jede wirtschaftliche Tätigkeit als kapitalistische anzusprechen, dann kann Kapital kein Wesensmerkmal nur für ein bestimmtes "System" des Wirtschaftens und "Kapitalismus" nicht die Bezeichnung für ein solches System und eine nach ihm gestaltete Gesellschaftsordnung sein, sondern nur der Ausdruck für eine dem Kapitalbewußtsein gemäße Verhaltensweise . Die Industrialisierung erscheint dann nicht als eine historische Aufgabe, die dem Kapitalismus gestellt war und mit deren Erfüllung er sich erschöpft hätte, sondern lediglich als das wirtschaftsgeschichtliche Ereignis, das ihn hervorbrachte. Seine Aufgabe ist geschichtslos; sie lag und liegt darin, das Kapital als den Wirtschaftsfaktor im Bewußtsein aller arbeitsteilig tätigen Menschen wirken zu lassen. Er kann sie nur erfüllen, wenn er Kapital als wirtschaftliche Energie und sich selbst als wissenschaftliche Lehre von der Wirkungsweise dieser Energie begreift. Er geht dann auf in einer einheitlichen Kapital- und Geldtheorie, die sich in folgenden Leitsätzen zusammenfassen läßt: 1. Kapital ist die wirtschaftliche Energie der Menschen, d. h. die meßbare Kraft, die sie zu wirtschaftlicher Arbeitsleistung befähigt.
Maßstab des Kapitals ist das Geld. Dessen einzige Funktion ist es, als Recheneinheit für die Leistung wirtschaftlicher Energie (des Kapitals) zu dienen, auch soweit es als Zahlungsmittel verwendet wird. Zahlung ist nur eine besondere Art, sich des Geldes als Recheneinheit zur Messung wirtschaftlicher Energie zu bedienen. 2. Der Kapitalbegriff ist der zentrale Begriff aller Disziplinen der Wirtschaftswissenschaft. Es gibt keinen speziell volkswirtschaftlichen und keinen speziell betriebswirtschaftlichen, sondern nur einen einheitlichen Kapitalbegriff. Der Geldbegriff ist ein Satellit des Kapitalbegriffs. 20·
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3. Kapital hat zwei Erscheinungsformen: die potentielle und die kinetische. Als potentielles ist es die Fähigkeit, wirtschaftliche Energie in Sachgütern zu konzentrieren, als kinetisches die vollzogene Konzentration. Dargestellt wird das potentielle Kapital durch die für Zahlungen bestimmten Recheneinheiten (die "Zahlungsmittel"), das kinetische durch die Sachgüter. Das kinetische Kapital kann zugleich bedingt-potentielles sein, d. h. die Fähigkeit zu erneuter Konzentration in Sachgütern besitzen. Diese doppelte Eigenschaft haben insbesondere die produzierten Produktionsmittel (volkswirtschaftlicher Doppeleffekt). Das wirtschaftliche Geschehen ist demzufolge eine ständige Verwandlung von Kapital aus der potentiellen - in die kinetische und der Rückverwandlung aus der kinetischen - in die potentielle Erscheinungsform. 4. Diese Verwandlung vollzieht sich in einer vorbereitenden und einer ausführenden Stufe. In der vorbereitenden wird wirtschaftliche Energie auf dem ihr zugehörigen Feld in einen verwandlungsfähigen Zustand versetzt. In der ausführenden Stufe wird die Verwandlung unter gleichzeitiger Rückverwandlung der auf einem anderen Feld wirkenden wirtschaftlichen Energie (durch Überschneidung zweier Felder) vollzogen (feldinterne und feldexterne Konzentration). Feld ist das Unternehmen. Jedes Feld (Unternehmen) ist Teil eines Gesamtfeldes von Energie, als welches die Wirtschaft im ganzen anzusehen ist. 5. Bei der feldexternen Konzentration wird auf dem einen Feld ein Quantum potentiellen Kapitals in kinetisches, auf dem anderen ein gleiches Quantum kinetischen Kapitals in potentielles verwandelt (Erwerbsvorgang). 6. Die feldin- und -externe Konzentration erfordert drei Arten wirtschaftlicher Einzelleistungen: konkrete, abstrakte und gebündelte. Einzelleistungen sind es, weil nur der Einzelne mit seiner Arbeitskraft Träger wirtschaftlicher Energie sein kann, nicht dagegen von ihm geschaffene Rechtsgebilde, insbesondere nicht der Staat. Die konkrete Einzelleistung ist jede mit der physischen Kraft vollbrachte Arbeit, die der Konzentration wirtschaftlicher Energie in den Sachgütern dient, die abstrakte ist die Speicherung eines dafür bestimmten Volumens und die Beschleunigung einer konkreten Leistung, die gebündelte ist die Zusammenfassung der konkreten und abstrakten Leistung zur Konzentration eines Quantums wirtschaftlicher Energie; es ist dies die Einzelleistung des Unternehmers. Die konkrete Einzelleistung wird mit dem Lohn, die abstrakte mit dem Zins, die gebündelte mit dem Preis gemessen; da dieser den
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Unternehmerlohn einschließt, dient der Lohn nur als Meßwert für die konkrete Einzelleistung der Unselbständigen. Meßbar ist nur deren einzelne Leistung, nicht das Potential ihrer Arbeitskraft, wohl aber das (gespeicherte) Potential aller arbeitsteilig tätigen Menschen eines Wirtschaftsgebietes (Staates). Es ist identisch mit dem Volumen des potentiellen Kapitals dieses Gebietes (Ka pi tal-Ar bei t-Gleich ung). 7. Jede wirtschaftliche Einzelleistung ist zugleich Teil der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung. Diese ist mit der Summe der Einzelleistungen nicht identisch; denn "das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile", hier in der Art eines volkswirtschaftlichen Doppeleffekts der Summe betriebswirtschaftlicher Einzelleistungen. Daraus erwächst eine Spannung zwischen der Gesamtleistung und den Einzelleistungen, die des ständigen Ausgleichs bedarf, sich aber ständig erneuert. Die Gesamtleistung wird von der Gesamtheit aller in einem Wirtschaftsgebiet (Staat) arbeitsteilig tätigen Menschen vollbracht. Diese Gesamtheit (Gesellschaft) wird durch die Organe des Staates repräsentiert. Maß der Gesamtleistung ist das Bruttosozialprodukt. 8. Die in den Einzelleistungen und der Gesamtleistung bewegte wirtschaftliche Energie bleibt nicht nur erhalten, sondern erfährt einen Zugewinn (Gesetz von der Erhaltung und Mehrung wirtschaftlicher Energie). Demzufolge muß die Unternehmensplanung sowohl auf den Rückgewinn der in den Sachgütern konzentrierten wirtschaftlichen Energie als auch auf einen Zugewinn potentiellen Kapitals (auf die Erzielung eines Plus effekts) gerichtet sein und muß die Gesamtwirtschaftsplanung sowohl den Ausgleich der zwischen ihr und den Einzelleistungen bestehenden Spannung als auch einen Überschuß an wirtschaftlicher Energie anstreben. 9. Spannungsausgleich und Energieüberschuß werden mit der Spannungs- und der Überschußrate als Teile der Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts (Wachstumsrate) gemessen. Die Spannungsrate findet ihren gesamtwirtschaftsrechnerischen Ausdruck in der Geldmeßwertdifferenz. Diese (der sogenannte Geldwertschwund) ist die unausweichliche Folge des Wachstums. 10. Ziel der Gesamtwirtschaftsplanung ist die optimale Wachstumsrate. Diese errechnet sich aus der Wirtschaftsenergiekonstante von 3,6 0 /0 der optimalen Bank-, Spannungs- und Überschußrate. An ihr müssen die auf das Ziel gerichteten monetären, quasimonetären und außermonetären Maßnahmen des Staates sich orientieren.
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11. Diese äußern sich als Eingriffe in die von den Einzelleistungen getragene gesamtwirtschaftliche Entwicklung, vermögen jedoch die Einzelleistungen, insbesondere die des Unternehmers, nicht zu ersetzen und lassen daher die Unternehmensplanung unberührt.
Wohl aber gehen die Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in die Einzelwirtschaftsrechnung ein; sie lassen Lohn, Zins und Preis zu Produkten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden und liefern so den leistungsgerechten Lohn, Zins und Preis. Insbesondere ist dieser nicht bloß ein Produkt des Gesetzes vom kosten- und nachfragebedingten Gewinn, sondern das Ergebnis einer Unternehmensplanung, in die die Elemente der Gesamtwirtschaftsplanung einbezogen sind (Rentabilität ist Teilfeld-Produktivität). 12. Die Gesellschaftsordnung muß dieser Wirkungs- und Berechnungsweise wirtschaftlicher Energie entsprechen. Optimal ist sie, wenn sie die wirtschaftliche Energie (das Kapital) zur größtmöglichen Entfaltung in den drei wirtschaftlichen Einzelleistungen bringt, insbesondere in der gebündelten des Unternehmers. 13. Dazu muß sie diesen mit der erforderlichen Kapitalgewalt, d. h. mit einer Rechtsrnacht ausstatten, die ihn zur Bewegung wirtschaftlicher Energie auf dem ihr zugehörigen Feld des Unternehmens (zum Kapitalumsatz) befähigt. Diese Rechtsrnacht ist nicht mit der identisch, die das Eigentum verleiht. Wirtschaftlich kommt es nicht auf dieses, sondern auf das Kapital an. Ein wirtschaftender Nichteigentümer ist Kapitalist, ein nicht wirtschaftender Eigentümer ist es nicht. Daher bedürfen alle Produktionsmittel, gleichviel wem sie gehören, der Kapitalisation, d. h. der Einbeziehung in die Kapitalgewalt eines Unternehmers, gleichviel ob er ein autonomer oder ein heteronomer ist, und unabhängig von der Gesellschaftsordnung. 14. Kapital, als wirtschaftliche Energie begriffen, ist in jeder Gesellschaftsordnung der alleinige, Boden und Arbeit einschließende Wirtschaftsfaktor.
Li te ra turverzeichnis Amorso, Luigi: Die statische Angebotskurve, in: "Preistheorie", herausgegeben
von Eugen Ott, Köln - Berlin 1965
von Beckerath, Herbert: Großindustrie und Gesellschaftsordnung, Tübingen
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Namensregister Aebersold 133 Amorso 335 Beckerath, von 70, 400, 401 Becqueret 126 Bodinus 197 Böhm-Bawerk 283, 286, 400, 401 Bohr 83,128 Carell 14, 15, 16, 19, 37, 72, 73, 75, 196, 270, 271, 280, 281, 283, 284, 288, 290, 295, 314, 316, 321, 331, 334, 338, 339, 343,346,348,352,389 Dalton 126 Demokrit 125 Drexler 383 Eckelt 63, 65, 227, 252 von Ehrenfels 38 von Eicke 68 Einstein 36, 130 Esenwein-Rothe 297, 317 Eucken 87 Fisher 197 Forstmann 199 Fried 351 Gaettens 76 Gawronski 269 Gleitze 84, 180 Haber 122 Hahn, Albert 276, 387 Hahn, Kar185, 105, 122, 128, 177 Heisenberg 128, 132, 149 Heitler 82, 83, 124, 125 Hensel180 Hueck 15 Hume 58, 401 Joerges-Schleiminger 356, 358, 362 ff., 372,373
Kellerer 292 Kenen387 Keynes 14, 16, 201, 387 Kloten 311 Knapp 14 Köhler 39 Kölble 306 Körner 254 Kopernikus 124 Kosta 179 Kraus 79, 146, 196, 198,209,212, 288, 348,350,351,381,385,389 Krelle 33, 52, 53, 339 Laue, von 86 Leukipp 125 Limmer 75 Littmann 253 Locke 197 Lütge 196, 348, 381, 389 Lutz 383 Marx 14 ff., 27, 29, 31, 37, 38,402 Meimberg 180 Mey 39, 102, 172 Mommsen 100 Muhs 13, 14, 196 Pentzlin 352 Planck 36, 130 Polak 319 Preis er 81,207,210,233,330,335,336, 338 Quesnay 32, 34 Raiser 60, 67, 175, 179, 181 Recktenwald 338 Röpke284 Rößle 253, 278, 329, 337 Rutherford 128
412
Namensregister
Sauermann 233 Smith 401 Sombart 90 ff. Schacht 387 Schiller 44 Schlegelberger 65 Schleiminger: siehe Jörges Schmalenbach 63, 88, 170, 171, 337 Schmidt 174 Schneider 13, 34, 35, 37, 38, 51, 52, 53, 173,209,338 Schrödinger 128 Schumpeter 87 Stucken 47,79,161,289,364
Thalheim 180 Ulbricht 181 Veit 72, 193,261 Weber 22, 29, 72, 73, 81, 85, 88, 150, 154, 157 ff., 270, 282, 284, 330, 335 Weise 386 Weiszäcker, von 122 White 352 Wicksell199 Wies er 199 Zwiedeneck-Südenhorst, von 199
Sachregister Abbuchungsauftragsverfahren 229 Aggregierung 49, 51, 53, 194 Agiotheorie 281 Akkumulation 17, 21, 44,160,255 Aktie 65, 227 f., 279 Aktiengesellschaft 178 Allgemeine Kreditvereinbarungen: siehe Zehnerc1ub Angebot und Nachfrage 54, 330 f., 333,397 - kurven 338 Arbeit 140, 162,406 Arbeitsproduktivität 317 Arbeitsteilung 21, 99, 188 - unvollkommene 100 - vollkommene 14, 99 ff. Arbeitsvermögen 20 ff., 107, 139, 158 - technisches 110 - wirtschaftliches 110 Arbeitswertgesetz 330 Atom 125 ff. kern und -hülle 127 modelle 128 ff. physik 22, 83, 122 ff. verwandlung 128 Automatismus Gold - 58, 349 Preis- 58 -, weltkapitalistischer 58 Bancor352 Banken 43, 160, 278 Bank für Internationalen Zahlungsausgleich 364 Bankkreditäre Geldschöpfung: siehe Geldschöpfung Banknoten 215 ff. Bankrate: siehe Diskontsatz Beschleunigung 24, 36, 106, 146, 228, 283,289
Beschleunigungsfaktor des Zinses 286 Beteiligung 226 Bezugssystem 83 f. Bilanz 235, 252 ff. recht 64, 67, 214 - der Zentralnotenbank 216 - theorie, dynamische 256 f. Bilateralität 352 Boden 13, 406 Bretton Woods 18, 57, 352, 371 Bruttosozialprodukt 41, 49, 53, 200, 278,296,317,322,405 - zuwachsrate: siehe Wachstumsrate Buchführung - doppelte 33, 235 Buchgeld 212 ff., 344 Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen 287 f. Bundesbank, deutsche 287 f. Clearing 59, 390 ff. Computer: siehe Kybernetik Council of Economic 309 Cournot'scher Punkt 335 Deflation 78 ff., 300 f. Devisen 56, 59, 211, 344, 346, 391 - position 59, 390 Dienstleistungen 103, 296 Differentialgewinn 37 Dirigometrik: siehe steuernde Messung Diskontsatz 47,80,84,287 ff., 290 - optimaler 47,296 ff. Dollar: siehe Leitwährung ~ Block 352 Doppeleffekt, volkswirtschaftlicher 43,50,65,67,189,226,279,298 Dritteldeckung 349, 377
414
Sachregister
Dualismus des atomaren Geschehens 131 Dynamische Bilanztheorie: siehe Bilanz Dynamischer Kapitalbegriff 86 ff.
Erwerbsvorgang 27 ff., 148, 152 ff., 165, 221 ff., 328 f. Europäische Zahlungsunion (EZU) 352 Expansion 300
Eigenkapital 27, 176, 187 - zins 27 Eigentum an Produktionsmitteln: siehe Produktionsmittel Eigentumsvorbehalt 176 Eingriffe in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung 302, 307, 310 Einkommen 49, 321 Real- 73, 200 Nominal- 73,200 Einkommenstheorie 199 ff. Einzugsermächtigungsverfahren 229 Elementarteilchen (siehe auch: Teilchen) 127,182 Elektron 127 Elektronische Datenverarbeitung (EDV): siehe Kybernetik Zahlung 236 ff. Energie begriff, allgemeiner 21,86,107, 108, 138 - der klassischen Physik 22, 107 - der Atomphysik 22 elektro-magnetische 107 kinetische 108, 121 - wirtschaftliche 22, 152, 155 mechanische 107 ff. potentielle 108, 121 abgeleitete 161,374 wirtschaftliche 22, 152, 155 - bedingte 225 - unbedingte 225 ursprüngliche 161, 374 quanten 36 sprünge 83 technische 110, 115 wirtschaftliche 21, 110, 115, 406 zustand 133 - Wechsel133 Energiales Denken 83,190 Entwicklungshilfe 370 generelle 370 - spezielle 370
Factoring-System 354 Fazilität 356 Feld (siehe auch Gesamtfeld und Teilfeld) 27, 30,1 02, 172 in- und externe Konzentration: siehe Konzentration theorie, sozi al wissenschaftliche 38 ff., 172 - einheitliche 132 Fernzahler 230 ff. Feudalismus 400 ff. Finalität 189 Finanzierung 24 Flexibilität - der Wechselkurse 58, 383 - der Währungs reserven 59, 384 Forderung - als Zahlungsmittel 211 Fremdkapital176,187 Freiheit 397 ff. Gebrauchsüberlassungsvertrag 60, 175 Ganze - mehr als die Summe seiner Teile 38 f., 315, 405 Geld als Maßstab des Kapitals 15,22 als Recheneinheit 15, 17, 193 als Zahlungsmittel 16, 17, 193 begriff 15, 19 kapital (siehe auch Kapital unbedingt-potentielles) 16, 18,21,259 markt 259, 284 - papiere 59 menge 79 meßwert 19 - differenz 40, 42, 45, 59, 73, 26& - gleichung 264 ff. schöpfung 24, 161, 202, 277 system 15 wert 73, 196 ff., 261 f. schwund : siehe Geldmeßwertdifferenz und Inflation
Sachregister Gesamtfeld 103, 104, 114, 141, 168, 173 Gesamtleistung, volkswirtschaftliche 21,38 ff., 42 ff., 337, 374 Gesamtwirtschaftsplanung 51, 54, 340 ff. Gesam twirtschaftsrechnungsstelle 436 ff. Gesellschaft 67, 396 Gesellschaftsordnung 70, 142,395 ff., 406 Gesellschaftsrecht 65 Gesetz naturwissenschaftliches 82 vom kosten- und nachfragebedingten Gewinn 334 von der Erhaltung der Energie 109 von der Erhaltung und Mehrung wirtschaftlicher Energie 85, 168, 405 Gewerbefreiheit 401 Gewinn gedachter Gesamt- 63,65,170 f. - und Verlustrechnung 210, 252 Giralgeld (siehe auch Buchgeld) 212 ff. - zahlung 214 ff., 237 Gleichheit 70, 402 Globalzahlung(s) 56, 59, 388 - erwartungs titel 58, 59, 388 - titel 58, 59, 388 Gold 16, 18,56,57,348 ff., 376 automatismus: siehe Automatismus barrenwährung 350 block 351 Devisen-Währung 350 kernwährung 350 parität 380 preisspaltung 18, 387 punkt, oberer und unterer 349 tranche 356, 359, 376 umlaufwährung 348 währungsreserven 368 Grundgesetz des (organischen) Lebens 98,188 - der Welt 132 - der Wirtschaft 85, 188, 331 Grundgleichungen des Geldes 201
415
Güter 14, 22, 104 Immobilien - Investment - Zertifikat 260 Impulse 84, 85 Individualzahlung(s) 56, 388 - titel 58, 388 ff. - erwartungs titel 58, 59, 388 ff. Industrieministerium der DDR 181 Industrielle Revolution 401 ff. Inflation 48, 76 ff., 300 gestaute 203 importierte 77 offene 203 schleichende 204, 269 schreitende 204,269 Inhärenzverhältnis des Geldes zum Kapital 260 Inkongruenz der Bedarfsdeckung 37, 266 ff. Input-Output-Analyse 53 International Finance Corporation (IFC) 363 - Development Association (IDA) 363 Internationaler Währungsfonds (IWF) 57, 353 ff. Quoten 357 ff. Subskriptionsverpflichtungen 358 ff. Investition(s) 29, 149 entscheidungen: siehe Marktentscheidungen güter 169, 203, 265 rate 201 Kapital der Bilanzposten 63, 64, 252 kinetisches 21, 22, 23,145,158,404 potentielles 21, 22, 23,145,158,297, 404 abgeleitetes (erspartes) und ursprüngliches (geschöpftes) 23,24,161 bedingtes 23, 278 unbedingtes 23, 278 ursprüngliches: siehe abgeleitetes und Preis 329 Kapitalanteil64, 189,226 ff.
416
Sachregister
Kapitalanteilsrecht 64 Kapitalakkumulation 17 Kapital-Arbeit-Gleichung 21, 22, 185 ff., 273 ff., 297, 299, 301, 319 Kapitalbegriff 13, 15, 16, 17, 19,71, 138,400,406 - dynamischer 86 ff. - statischer 86 Kapitalbeschleunigung 146 f. Kapitalbewußtsein 400 ff. Kapitalbildung (siehe auch Sparen) 145, 147 Kapitalbezogenheit der Bilanzposten 253 ff. Kapitalgesellschaft 183 Kapitalgewalt 60, 173 ff. - mittelbare 61,173,177 - unmittelbare 61, 173, 177 Kapitalgewaltenteilung 61, 177 Kapitalisation 66, 69 Kapitalismus 69, 71, 95 f., 403 ff. - Frühkapitalismus 69, 71 - Spätkapitalismus 69, 71 Kapitalist 37, 395, 406 Kapitalistisch (e, er) 20, 69, 90, 96, 227,314,395 - Paritätstheorie 381 Welt - Automatismus 58, 382 Kapitalmarkt 259, 285 Kapitalrecht 64, 67 Kapitalumschlag 146 Kapitalvolumen: siehe Potential von Arbeitskraft Kartelle 164 f., 205 Kaufkraft 72, 155, 196 - paritätstheorie 58,381 Kausalität 81, 82, 189 - begrenzte 83 Knappheit der Güter 37 Kombinat 164 f., 165 Kommunismus 96, 395 Komplementärität: siehe Dualismus Konjunktur 288, 302 ff. - Maßnahmen: siehe Maßnahmen - steuerung 290 ff., 302 ff. Konsumgüter 169, 203
produktive 203 unproduktive 203 rate 201 Konvertibilität 352 Konzentration der wirtschaftlichen Energie 26 f., 149 ff., 152, 156, 163, 173, 272 feld externe 26, 165, 173,272, 404 feld interne 26, 165, 173,272,404 Mehrfeld - 61, 165, 178 supranationale 383 Konzern 61,163,164 f., 173, 178,181 ff., 205 - sozialistischer 181 ff. Korpuskel: siehe Teilchen Kostengesetz 330 Kraft 72,105,107,138 - feld 97 ff. - wirkungsgesetz 106, 146 Kreditwesen 146 - kontingente 80 Kreislauf 16, 27 ff., 32 ff., 150 ff. - fiktion 32, 150 - theorie 32 ff. Kybernetik 236 ff., 295, 313 Lastschrift-Einzugsverfahren 229 Leasing 60, 68, 175 Leistung abstrakte 25 f. gebündelte 25 f. konkrete 25 f. technische 105, 110 wirtschaftliche 20, 21, 105, 110 Leitwährung 351, 376, 379, 385 Lohn 25 effektiver 315 Grund- 320 leistungs gerechter 49 leitlinie 50 normierter 315 Preis-Spirale 269 quote 322 spannungsrate 49, 325 ff. - optimale 49, 325 überschußrate 49, 325 ff. - optimale 49, 325 versteckter 315
Sachregister zuwachsrate 49, 320 ff. - optimale 49, 324 Magisches Dreieck (Viereck) 207 Manager: siehe Unternehmer, heteronomer Markt - und Investitionsentscheidungen 60,179 Masse 105, 123 - Energie-Gleichung 36, 123, 130, 143, 186 Maßnahmen der Konjunktursteuerung außermonetäre 54, 80, 290, 293 ff., 324 globale 341 monetäre 54, 79, 290, 324 quasimonetäre 54, 80, 290 ff., 324 spezielle 341 Maßstab 191 Materie 125 - Verwandlung von Energie 132 Mehrwert 17, 21, 31, 32 ff. Meßbarkeit 105 Meßwert 15, 18, 19, 191 f. - gleichung: siehe Geldmeßwertgleichung Messung 15, 19, 191 f. - steuernde 55, 289 Metallgeld 212 Mindestreserven 80, 290 Mitbestimmung 60 Mobilisierungstitel 59 Monopol 205, 330 Multilateralität 352 Multiplikator-Theorie 203 Nettosozialprodukt: siehe Volkseinkommen Neues ökonomisches System 66,179 Neutron 127 Nomonal-Real-Rechnung 48, 326 Nominaleinkommen 73, 200 Notalgeld 212 Öffa (Deutsche Gesellschaft für öffentliche Aufgaben) 293
417
Offenmarktgeschäft 80, 290 Oligopol 205, 330 Optimal (e, er) Diskontsatz 47,296 ff., 299 ff. Lohnzuwachsrate: siehe Lohn Preis 335 Rechnung 48, 328 Wachstumsrate: siehe Wachstum Optimierungssystem 295 Organisation für European Economie Cooperation (OEEC) 364 Output 296 Parität (s) 56, 58, 206, 344, 346, 380 - theorie, kapitalistische 381 Photon 128, 131,226 Plan 84, 179, 396 - wirtschaft 84,171,175,177,179 Plus effekt, energetischer 40, 167 ff. Polygopol 391 Potential von Arbeitskraft 23, 25, 297 Preis 27 Absatz-Kurve 330 automatismus: siehe Automatismus Differenzierung 341 führerschaft 341 kongruenter und -inkongruenter 51 ff. leistungsgerechter 51 ff. Konkurrenz - 342 manipulierter 205, 341 serieller 55, 340, 343 singulärer 340, 344 stopp 344 Preisindex - des Bruttosozialprodukts 46, 300 - für die Lebenshaltung 50, 325 Preisniveau 84, 204, 382 Prinzip - wirtschaftliches 85 Privatkapital141 Produktion(s) 14 faktoren 13, 21 kraft 72, 75, 87 mittel 13, 138, 395 produzierte 13, 23 - Eigentum an 68 f., 174,406
418
Sachregister
Produktivität 72, 304, 317 Produktivitätsrate 317, 322 Proton 127 Quanten - theorie 130 - wanderung 132, 136, 142, 144 Quantitätstheorie 197 ff. Radioaktivität 127 Raum-Zeit-Kontinuum 36, 144 f., 151, 159 Realeinkommen 73, 200 Realkapital siehe Kapital (Sachkapital) Recheneinheit 15 Rediskont - kontingente 290 Relativität der wirtschaftsenergetischen Bewegung 84, 289 Relativitätstheorie, spezielle 130 Rentabilität 304 Reproduktion 29 einfache 17, 31, 92, 298 - auf erweiterter Stufenleiter 17, 21, 31,92,298 Reproduktionskraft 76 Reservewährung 376 Residualeinkommen 37 Rezession 300 Rio de Janeiro, Konferenz 18,57 Sachgüter 22, 142 - gedachte 142 Sachkapital15, 259 Sachverständigenrat 307 ff. Sequenzanalyse 209 Sonderziehungsrechte 18, 57, 354, 356, 360 ff., 377 ff. Sorten 59, 344 Sozialisierung 395 Sozialismus 69 Sozialität des Kapitals 141 ff. Soziologie 69 Sozialprodukt 113, 265, 296, 314 ff. Brutto-: siehe Bruttosozialprodukt
-
index: siehe Preisindex Netto - : siehe Volkseinkommen Spannung(s) 40, 42, 263 ff., 405 klausel 55,344 modell 267 rate 41,46,55,297,300 - optimale 47, 298, 299 ff. Sparen 145, 280 Sparrate 201 Speicherung - von Kapital 145, 277, 279 ff. Speicherungsfaktor des Zinses 286 Subsidiarität der Zahlungs arten 240, 259,346 ff. Subskriptionsverpflichtungen : siehe Internationaler Währungsfonds Scheck 212, 389 ff. Scheidemünzen 218 ff. Schuldschein-Kredit 259 Staatskapital141 Stabilität 300, 327, 343 - Gesetz zur Förderung 313 Sterling - Area-Agrement 351 - Block 351 Steuernde Messung 55, 289 Stoff 105 Stoffgeld 212 ff. Strahlung 128 f. Tausch 29,153 fiktion 29, 153, 170, 271 - wert 14, 72 - - summe 14, 18 Technischer Fortschritt 266 Teilbedarfsdeckungsvorgang 98 ff., 114,135 ff. Teilchen 65, 131, 226 Teilfeld 84, 155, 163, 172 - optimales 163 f. Teilzahlungssystem 176 Telefonleser 232 überschußrate 46, 297, 300 - optimale 47, 298, 299 ff., 300 überweisungs auf trag 212 Umlaufgeschwindigkeit 197
Sachregister Umsatz 29, 104, 153 Unitas 352 Unselbständige 49, 322 ff. Unternehmen(s) 30, 67, 84, 163, 171 ff., 329 Grundform 63, 66, 188 gewinnplanung 51, 54,174,340 ff. planung 51, 54, 174, 178, 180 Unternehmer 27,30,60 ff., 71,173,328 autonomer 62, 173, 184 ff. heteronomer 62, 173, 184 ff. lohn 186, 215 risiko 185 Valuta: siehe Währung Vereinigung volkseigener Betriebe (VVB) 61, 177, 181 f. Verkehrsgleichung 197 f. Verkehrswirtschaft 171 Vermögensanteile 63, 226 Vertragsgesetz der DDR 60,175 Volkseigener Betrieb (VEB) 61, 177, 181 f. Volkseinkommen 49, 53, 200, 321 ff. Volkskommune, chinesische 67 Volkswirtschaftliche Gesamtleistung : siehe Gesamtleistung Volkswirtschaftliche Gesamtrech nung 33, 35, 51 ff., 80, 326 Vollbeschäftigung 162, 201, 202, 207, 297 Wachstum(s) 35 ff., 133, 151, 189, 202, 228,283 rate 34, 36, 41, 46, 297, 321 - optimale 46 ff., 296 ff. theorie 35 Währung 56, 58, 206, 344, 380 Währungs gold 17, 18, 385 Währungshilfe 58, 370 Währungsreserven 56, 355 ff. ersparte 359 fernwirkende 59, 363, 375 geschöpfte 359 internationale 59, 362, 375 nahwirkende 59, 363, 375 nächstwirkende 59, 375 nationale 59, 362, 375
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- offene 59, 375 - stille 59, 375 Warengold 17, 18,385 Warenkorb 50, 268 Wechsel 344, 389 f. - diskont 211 - ankauf271 Wechselkurs56,58,206,344,346,382 Welle 65,131,226 Weltbank 58, 362 ff. Weltwährungssystem 57, 352, 365 ff. W el twirtschafts kreditsystem 58, 365 - rechnungssystem 41, 57, 368 - steuerungssystem 58, 371 Wertproduktivitätstheorie 281 Wettbewerb 336, 397 Wirkungsquant 36, 123 Wirtschaftsenergiekonstante 47, 299 ff., 405 Wirtschafts begriff 14, 97, 104 bewußtsein 14, 99, 101 energierecht 64, 65 faktoren 13, 172, 406 kraft 44, 57, 72,114 f., 373, 381 prinzip 85 rechnung 33, 214, 234 ff., 347 - recht 64,67 recht60,64,176,178,214 system 69, 70, 90, 395 verfassung 32 wissenschaft 14 Zahlung (siehe auch Globalzahlung) Zahlungs auslösung 229 elektronische 236 ff. erwartung 225 ff. vorverlegte 241 ff. Zahlungsbilanz 354 ff. Zahlungsmittel 16, 17, 193,221, 224 - gesetzliches 215 Zehnerclub 58, 364 Ziehungsrecht(e) (siehe auch Sonderziehungsrechte) 18,57,355 f., 357 ff.
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Sachregister
allgemeines 355, 357 ff. antizipiertes 384 quasi-automatisches 59, 355, 376 f. Zins 25, 279 ff. - leistungsgerechter 49, 279 ff.
- offener 305 - versteckter 270, 305, 316 Zünfte 400 Zugewinn 167 Zuwachsrate: siehe Wachstumsrate