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German Pages 298 Year 2014
Stefan Dierbach Jung – rechts – unpolitisch?
Theorie Bilden Band 19
Editorial Die Universität ist traditionell der hervorragende Ort für Theoriebildung. Ohne diese können weder Forschung noch Lehre ihre Funktionen und die in sie gesetzten gesellschaftlichen Erwartungen erfüllen. Zwischen Theorie, wissenschaftlicher Forschung und universitärer Bildung besteht ein unlösbares Band. Auf diesen Zusammenhang soll die Schriftenreihe Theorie Bilden wieder aufmerksam machen in einer Zeit, in der Effizienz- und Verwertungsimperative wissenschaftliche Bildung auf ein Bescheidwissen zu reduzieren drohen und in der theoretisch ausgerichtete Erkenntnis- und Forschungsinteressen durch praktische oder technische Nützlichkeitsforderungen zunehmend delegitimiert werden. Der Zusammenhang von Theorie und Bildung ist in besonderem Maße für die Erziehungswissenschaft von Bedeutung, da Bildung nicht nur einer ihrer zentralen theoretischen Gegenstände, sondern zugleich auch eine ihrer praktischen Aufgaben ist. In ihr verbindet sich daher die Bildung von Theorien mit der Aufgabe, die Studierenden zur Theoriebildung zu befähigen. Die Reihe Theorie Bilden ist ein Forum für theoretisch ausgerichtete Ergebnisse aus Forschung und Lehre, die das Profil des Faches Erziehungswissenschaft, seine bildungstheoretische Besonderheit im Schnittfeld zu den Fachdidaktiken, aber auch transdisziplinäre Ansätze dokumentieren. Die Reihe wird herausgegeben von Hannelore Faulstich-Wieland, Hans-Christoph Koller, Karl-Josef Pazzini und Michael Wimmer, im Auftrag des Fachbereichs Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg.
Stefan Dierbach (Dr. phil.), Diplom-Pädagoge, arbeitet als Lehrer in Hamburg. Der Schwerpunkt seiner bisherigen Forschungstätigkeit liegt in den Bereichen Jugend, Gewalt und Rechtsextremismus.
Stefan Dierbach
Jung – rechts – unpolitisch? Die Ausblendung des Politischen im Diskurs über Rechte Gewalt
Dieser Text ist die bearbeitete Fassung einer Dissertation an der Universität Hamburg, die unter dem Titel »Der Diskurs des ›Jugendlichen‹ – Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der speziellen Problematik eines jugendtheoretischen Konzepts zur Erklärung Rechter Gewalt unter besonderer Berücksichtigung des pädagogischen Theorie-Praxis-Transfers« eingereicht und von Frau Prof. Dr. Faulstich-Wieland betreut wurde. Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein
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© 2010 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat: Stefan Dierbach Satz: Claus Sasse Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1468-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
Inhalt
Vorwort
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Einleitung
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1. Der Diskurs über „Rechte Gewalt“ als Thema der Forschung 1.1 Rechte Gewalt als konkrete gesellschaft liche Problemlage 1.2 Rechte Gewalt und „Jugend“ im Kontext der Forschung 1.3 Ein diskursanalytischer Zugang zum Thema Rechte Gewalt
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2. „Jugend“ als Erklärungsfaktor im Diskurs über Rechte Gewalt 2.1 Die Wahrnehmung rechtspolitischer Gewalttäter als „Jugendliche“ 2.2 Der „Jugendliche“ als Opfer der gesellschaft lichen Verhältnisse 2.3 Der Opferdiskurs als Paradigma der „Akzeptierenden Sozialarbeit“
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3. Die Ausblendung der politischen Prämissen Rechter Gewalt 3.1 Der Fokus auf den Täter als zentrales Dilemma der Forschung 3.2 Der Begriff des „Politischen“ als unterbestimmter Parameter 3.3 Das Fehlen der Opferperspektive als analytisches Defi zit
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4. Drei Vorschläge für die praktische Arbeit gegen Rechte Gewalt 4.1 „Jugend“ als dominanten Erklärungsfaktor in Frage stellen 4.2 Rechtsideologische Täter als politische Subjekte ernst nehmen 4.3 Rechte Gewalt als Erbschaft der NS-Vergangenheit begreifen
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5. Zusammenfassung und Ausblick
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Literatur
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Vorwort
In dem Roman „Der ewige Deutsche“ (vgl. Wolff 1984) lässt Uwe Wolff zwei seiner Protagonisten am Vorabend des deutschen Nationalsozialismus einen Dialog führen über den Charakter der neuen Hitler-Bewegung: Der eine, ein Lehrer namens Jesko, wirbt darin für Toleranz gegenüber den überwiegend jungen Akteuren, denn diese müssten sich als nachfolgende Generation naturgemäß ihre Hörner an den Werten der alten Gesellschaft abstoßen, seien aber als politische Gefahr nicht ernst zu nehmen. Der andere Gesprächspartner, der Heidebauer Ahlrich, ist skeptisch, er hält die stürmische nationale Erneuerung für äußerst problematisch und warnt vor einem schlimmen Ende. Jesko entgegnet ihm darauf hin: „Ahlrich, du dramatisierst! Lass' doch der Jugend ihren Lauf.“ (Wolff 1984, S. 117) Nun, wir als Leser des beginnenden 21. Jahrhunderts wissen natürlich, wer von den beiden Romanfiguren zuletzt Recht behält, denn der Verlauf der deutschen Geschichte hat mehr als deutlich gemacht, dass die Kausalkette „Jung – rechts – unpolitisch“ im Hinblick auf den historischen Rechtsextremismus eindeutig nicht stimmig gewesen ist. Bezogen auf aktuelle rechtspolitische Phänomene erlebt diese jugendsoziologisch unterlegte Formel jedoch besonders seit der Wiedervereinigung in Deutschland eine allgemeine Renaissance, vor allem, wenn es dabei um Rechte Gewalt geht. Innerhalb der Ursachenforschung scheint ein Konsens darüber zu bestehen, dass es sich bei rechtsmotivierten Tätern hauptsächlich um desorientierte Jugendliche handelt, welche diese Form der Gewalt allein deshalb anwenden, weil sie dadurch Probleme kompensieren, deren Ursachen in den gesellschaft lichen Bedingungen des Aufwachsens wurzeln. Rechte Gewalt ist damit nach Meinung eines Großteils der Wissenschaft im Grunde gar keine „echte“ Rechte Gewalt, sondern etwas, was nur zufällig so ähnlich aussieht. Das ist allerdings irritierend, bezieht sich doch die Bezeichnung „rechts“ zunächst einmal in eindeutiger Weise auf eine bestimmte politische Richtung und nicht etwa auf die Beliebigkeit einer Schutzbehauptung zur Legitimation von diff usen Gewaltimpulsen. Wie also kommt es zu solch einer paradox erscheinenden Einschätzung Rechter Gewalt seitens der Forschung? Welche Prämissen werden dabei zu Grunde gelegt? Um die Klärung solcher und ähnlicher Fragen geht es in diesem Buch. Dabei richtet sich das Interesse speziell auf das Risiko einer „Ausblendung des Politischen“ durch das Verfahren, das geringe Alter der Täter als Indiz für die Verneinung eines politischen Hintergrundes Rechter Gewalt zu verwenden. „Jugendliche“ scheinen
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danach in einer besonderen Weise immun zu sein gegen die Entwicklung eines entsprechenden ideologischen Weltbildes. Doch warum sollten nicht auch junge Menschen in der Lage sein, ihre Taten politisch zu legitimieren? Ob sie es im Falle Rechter Gewalt tatsächlich nicht tun, soll Gegenstand der hier eröffneten Diskussion sein. Die zentrale Frage lautet: Sind rechtsextreme Täter wirklich „jung, rechts und unpolitisch“ oder sind es politisch motivierte Personen? Als Grundlage für eine diesbezügliche Erörterung werden ausgewählte Aussagen der bundesdeutschen Forschung über die Ursachen Rechter Gewalt zwischen den Jahren 1990 und 2009 besonders im Hinblick auf explizite und implizite jugendtheoretische Unterlegungen ausgewertet. Es wird mit Hilfe eines diskursanalytischen Zugangs versucht, die jeweiligen Begründungen zu rekonstruieren, mit denen Rechte Gewalt als „Jugendgewalt“ und Rechtsextremismus damit als „Jugendproblem“ zu verstehen wäre. Um es klar zu sagen: Problematisch werden solche Diagnosen, wenn im Zuge dessen die politischen Orientierungen der Täter komplett aus dem Blick geraten, weil z.B. in Bezug auf deren Beweggründe behauptet wird: „Die vorherrschende Motivation der Jugendlichen ist Orientierungslosigkeit.“ (Hanesch 1994, S. 45) In solchen Befunden werden die Opfer Rechter Gewalt als Erklärungsfaktor nicht einmal ansatzweise integriert, was analytisch unzureichend sein dürfte, denn Sinn, Zweck und Richtung einer Handlung sind notwendig zur Beantwortung der Frage, ob es sich dabei um eine politische Tat handelt oder nicht. Zwei zentrale jugendtheoretische Prämissen sollen deshalb als sinnvoller Ausgangspunkt für eine problemorientierte Diskussion über die besonderen Gefahren einer „Ausblendung des Politischen“ zu Grunde gelegt werden: 1. Rechte Gewalt wird nach Meinung vieler Forscher von einer Gruppe namens „Jugendliche“ verübt. 2. Diese „Jugendlichen“ wenden diese Gewalt nicht aus einem ernst zu nehmenden ideologischen Hintergrund an, sondern aus Motiven, die mit einer rechtsgerichteten Gesinnung eigentlich nichts zu tun haben. Auf Basis dieser beiden Grundannahmen wird im Kontext der Ursachenforschung davon ausgegangen, dass Rechte Gewalt als „Jugendgewalt“ hauptsächlich eine Reaktion auf innerpsychisch oder lebensweltlich bedingte Krisen während der Adoleszenz darstellt. Unter Rückgriff auf diese Prämissen wird deshalb Entwarnung gegeben: Die Täter sind keine überzeugten Nazis, sondern nur einige temporär irritierte junge Leute. Für eine zunehmend besorgte Öffentlichkeit dürfte mit dieser Einschätzung sicherlich eine große Entlastung verbunden sein, denn die Vorstellung, dass Jugendliche im Prozess ihrer Entwicklung gerne einmal „über die Stränge schlagen“, ist eine verbreitete Meinung und scheint von daher eine plausible Erklärung für die eventuell doch recht beunruhigende Problematik einer politisch motivierten Rechten Gewalt zu sein. Gleichzeitig ließe sich mit dieser Annahme auch die dunkle Ahnung eines eventuellen Zusammenhangs dieser Thematik mit der deutschen NS-Vergangenheit relativ elegant entsorgen: Jugendgewalt stellt schließlich überall auf der Welt ein allgemeines Problem dar und Deutschland müsste sich nicht verpfl ichtet fühlen, im Hinblick auf dieses Phänomen eine Sonderrolle einzunehmen. Wird aus diesen Gründen die Diagnose einer „Jugendlichkeit“ der Täter so bereitwillig als einleuchtender Beleg für die Nicht-Existenz eines politischen Hintergrundes dieser Taten interpretiert? In einer Anfang der 90er Jahre während der gewalttätigen Ausschreitungen gegen Asylbewerber im sächsischen Hoyerswer-
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da geäußerten Meinung eines Anwohners: „Das sind keine Rechtsradikalen, das sind unsere Kinder!“ (Nach: ZEIT 2006, S. 16) wird diese Position jedenfalls radikal vertreten. Das Problem dabei ist: Eine solche Sicht der Dinge könnte nicht bloß potenziellen Sympathisanten Rechter Gewalt schlüssig erscheinen, sondern durchaus auch für viele Wissenschaft ler ein plausibles Deutungsmuster darstellen, weil die Angriffe gegen Ausländer statistisch gesehen hauptsächlich von Angehörigen jüngerer Altersklassen verübt werden. „Jugend“ wird damit zum entlastenden Erklärungsfaktor: Eine politische Dimension Rechter Gewalt wird mit Verweis auf das Alter der Akteure zurückgewiesen, was die Täter (und damit das ganze Problem) auf einen Schlag weit weniger bedrohlich erscheinen lässt, denn es erlaubt, im Hinblick auf die Jugendlichkeit der Täter ein stark eingeschränktes Konzept von individueller Verantwortlichkeit zu Grunde zu legen, von welchem ausgehend sich deren Aggression in erster Linie als Resultat allgemeiner Defizite und Risiken der Lebensphase „Jugend“ thematisieren lässt. Doch ist solch ein primär jugendbezogener und defi zitorientierter Blick auf Rechte Gewalt tatsächlich in der Lage, die gesellschaft liche Problematik, welche damit besteht, adäquat zu erfassen? Die dauerhafte Existenz Rechter Gewalt innerhalb der bundesdeutschen Realität könnte nämlich nicht allein das Ergebnis von allgemeinen „Jugendproblemen“ sein, sondern auch als Effekt einer bestimmten politisch-ideologischen Formierung gedeutet werden, die bis in die Mitte der Gesellschaft reicht. Wenn das aber der Fall wäre, dann müssten vorbeugende Anstrengungen in diesem Bereich sicher anders konzipiert werden als bisher: Maßnahmen gegen Rechte Gewalt könnten dann unter Umständen nicht wie bislang als „Jugendproblem“ an die dafür vorgesehen Instanzen von Schule und Jugendbildung delegiert werden, sondern wären als gesellschaft liche Querschnittaufgabe zu begreifen und entsprechend zu organisieren. Danach zu fragen, worum es sich bei diesem Phänomen eigentlich ursächlich handelt, kann daher mit einigem Recht als „Gretchenfrage“ der Ursachenforschung bezeichnet werden, deren Beantwortung einen zentralen Stellenwert für die Konzeption von präventiven Ansätzen besitzen könnte. Um einen Beitrag zur Klärung dieser Frage zu liefern, soll sich in diesem Buch deshalb besonders mit denjenigen Erklärungsansätzen auseinander gesetzt werden, die sich bei ihren Analysen stark auf den Faktor „Jugend“ beziehen, weil dieser Bezug seit den 90er Jahren eine dominante Tendenz darstellt, die auch im neuen Jahrtausend nach wie vor relevant ist. Als Kontrast zu dieser Position soll Rechte Gewalt als Form des politischen Handelns ideologisierter Subjekte diskutiert werden, denn von diesem Standpunkt aus lassen sich an die vermeintliche Plausibilität von jugendtheoretischen Deutungen eine Reihe von kritischen Fragen stellen: Warum scheint es beispielsweise ein allgemeiner Konsens zu sein, dass diejenigen, die diese Gewalt verüben, nicht aus einem politisch-ideologischen Kontext heraus handeln? Befi nden sie sich als „Jugendliche“ tatsächlich außerhalb der Sphäre rational begründbarer Handlungen? Mit welchen Argumenten lässt sich eine solche Unterstellung stützen? Welche Auswirkungen hat eine damit verbundene „Ausblendung des Politischen“ im Hinblick auf die gesellschaft liche Bewertung einer eventuellen Verbindung zwischen NS-Ideologie und dem aktuellen Rechtsextremismus?
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Um eventuellen Missverständnissen an dieser Stelle vorzubeugen: Ich möchte im Rahmen meiner durchaus kritischen Auseinandersetzung mit der Gefahr einer Infantilisierung politischer Handlungen nicht die Anti-These zu Grunde legen, dass diejenigen, die Rechte Gewalt verüben, tatsächlich zu 100 Prozent als „Nazis“ anzusehen sind. Ich denke allerdings, dass einige gute Gründe dafür sprechen, den Faktor von entsprechenden ideologischen Orientierungen nicht aus der wissenschaft lichen Problemanalyse auszuschließen. Gerade eine deutsche Rechtsextremismusforschung müsste dafür meiner Meinung nach äußerst stichhaltige Argumente liefern. Pauschal und ohne eine gründliche Prüfung der Einzelfälle davon zu sprechen, dass die Täter hauptsächlich als unpolitische „Jugendliche“ zu begreifen sind, könnte allerdings eine erhebliche Unterkomplexität im Hinblick auf das Problem der Rechten Gewalt darstellen, welche dann als solche entsprechend kritisch zu thematisieren wäre. Der inhaltliche Impuls zu dieser speziellen Art von Fragestellungen entstand bereits vor einigen Jahren, nämlich direkt im Anschluss an die Veröffentlichung „Rechte Gewalt bei Jugendlichen“ (vgl. Dierbach 2001). Das nun vorliegende Buch stellt allerdings einen komplett neuen und davon unabhängigen Zugang dar, mit welchem speziell nach dem Anteil und der Funktion jugendspezifischer Wissensbestände bei der Wahrnehmung von gesellschaft lichen Phänomenen gefragt wird. Dabei handelt es sich vor allem um jene theoretischen Diagnosen im Themenfeld Rechte Gewalt, bei denen „Jugend“ als dominanter analytischer Faktor eine wichtige Rolle spielt. Dass dieses Projekt in der jetzigen Form entstehen und verfolgt werden konnte, ist das Ergebnis einer Vielzahl von begleitenden und unterstützenden Faktoren, was in besonderer Wiese erwähnt werden soll: An erster Stelle gebührt mein Dank dafür Frau Prof. Dr. Faulstich-Wieland, ohne deren geduldige Begleitung und inhaltlich fundierte wie auch gleichzeitig kritische Art der Rückmeldungen diese Untersuchung wahrscheinlich niemals fertig gestellt worden wäre. Die Universität Hamburg ermöglichte mir ein Promotionsstipendium im Rahmen der Graduiertenförderung, wodurch ich finanziell sehr entlastet wurde und wofür ich mich ebenfalls herzlich bedanke. Die Behörden des Landesamtes für Verfassungsschutz und des Bundeskriminalamtes versorgten mich in unkomplizierter und kooperativer Weise mit wichtigen statistischen Informationen. Für fachliche Klärungen, besonders in der Anfangsphase, bedanke ich mich bei meinen (inzwischen allesamt promovierten) KollegInnen Katharina Willems, Simone Tosana, Jürgen Budde, Bettina Suthues, und Marianne Dierks sowie Barbara Scholand vom Forschungskolloquium unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Faulstich-Wieland. Frau Prof. Dr. Vera King, Herrn Prof. Dr. Ulrich Gebhard, Frau Prof. Dr. Anke Grotlüschen und Herrn Prof. Dr. Sturzenhecker möchte ich meinen Dank aussprechen für die kollegiale Art und Weise, wie sie die Arbeit durch ihre kompetenten Anregungen und Hinterfragungen inhaltlich weiter entwickelt haben. Frau Susanne Kleiber beriet mich fachkundig bei der technischen Umsetzung der Graphiken und Herr Claus Sasse hat durch seine unermüdliche Arbeit am Layout dem ganzen Projekt zu seinem endgültigen Aussehen verholfen. Frau Anke Poppen, Frau Johanna Tönsing, Herr Kai Reinhardt und vor allem Frau Christine Jüchter
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vom transcript Verlag danke ich sehr für die professionelle Realisierung und bei meinen FreundInnen, Bekannten und ArbeitskollegInnen möchte ich mich für die manchmal notwendige zwischenmenschliche Nachsicht bedanken. Ein großer und aufrichtiger Dank für die viele Geduld und Unterstützung in dieser Sache gilt ganz zuletzt und trotzdem doch ganz besonders meiner Frau Vera Schürmann, meinen Töchtern Clara und Hannah sowie meinen Eltern Rolf und Jutta Dierbach. Dieses Buch ist aus Gründen der besseren Lesbarkeit durchgängig in der männlichen Form gehalten, womit nicht unterschlagen sein soll, dass vor allem der oft zitierte Begriff des Jugendlichen innerhalb der Ursachenforschung gerne mit dem Anspruch verbunden ist, verallgemeinerbare Aussagen zu generieren, tatsächlich damit aber vornehmlich nur bestimmte Arten der Problemverarbeitung männlicher Jugendlicher reflektiert werden.1
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1 | Zu diesem Sachverhalt schreibt Klaus Jürgen Tillmann: „Jugendliche kommen real als Jungen und Mädchen vor. Dies ist ein trivialer Sachverhalt, der von den Jugendtheorien allerdings seit langem weitgehend ignoriert wird. Die ‚großen Theorien‘ des Jugendalters, ob aus pädagogischer (Spranger 1927), aus psychoanalytischer (Erikson 1966), aus struktur-funktionaler Ebene (Eisenstadt 1966) oder aus kommunikationstheoretischer Sicht (Döbert/Nunner-Winkler 1975), sie alle sprechen überwiegend von den Jugendlichen, um aber – explizit oder implizit – vor allem die jungen Männer zu meinen. Mädchen werden dabei entweder subsumiert, oder sie erscheinen als Abweichung vom männlichen ‚Normalfall‘. Dies ist häufig kritisiert worden – auf die Theorieproduktion hat diese Kritik bisher wenig Einfluss gehabt.“ (Tillmann 1992, S. 7, Herv. i.O.)
Einleitung
In diesem Buch geht es nicht allein um das Phänomen der Rechten Gewalt in Deutschland, sondern um die Art und Weise des Umgangs mit diesem Problem, besonders seitens der Wissenschaft.1 Dieser Umgang, so die hier vertretene These, könnte mit dem speziellen Risiko einer „Ausblendung des Politischen“ behaftet sein, was ausgehend von einer tendenziell unscharfen Diagnostik im Bereich der Ursachenforschung zu einer Reihe von unerwünschten Nebenwirkungen innerhalb der konkreten Prävention von Rechtsextremismus führen kann. Denn wenn die bei einer Problemanalyse zu Grunde gelegten Prämissen ungenau sind, dann hat das aller Wahrscheinlichkeit nach negative Auswirkungen auf die Konzeptionierung und die Durchführung von entsprechenden Gegenmaßnahmen, eben weil diese auf einen möglichst exakten Ausgangsbefund angewiesen sind, um erfolgreich sein zu können. Für eine problembezogene Diskussion über die Bewertung solch eines Risiko ist deshalb grundsätzlich davon auszugehen, dass es für die Wirksamkeit einer adäquaten Praxis „Gegen Rechts“ unbedingt sinnvoll und hilfreich ist, ein Phänomen wie Rechte Gewalt zu aller erst in einer angemessenen und zutreffenden Form zu diagnostizieren: „Denn erst durch den Versuch, Erklärungsansätze für politischgesellschaft liche Erscheinungsformen zu geben, kann ein Weg zur Therapierung des Problems aufgezeigt werden.“ (Sellmeier 2006, S. 18) Ob dieser Anspruch für den Kontext wissenschaft licher Erklärungsansätze zu diesem Thema einzulösen ist, soll in skeptischer Absicht und im Anschluss an kritische Lagebeurteilungen untersucht werden, wie sie beispielsweise im Umfeld von Opferberatungsstellen geäußert werden. Dort heißt es: „Keine Woche vergeht, in der es nicht zu Angriffen von Nazis kommt; vielfach wird jedoch die politische Dimension dieser Angriffe geleugnet und das ganze als ‚normale‘ Jugendgewalt verharmlost.“ (MOBIT 2004, S. 7) Rechte Gewalt, so wird hier nahe gelegt, wird vor allem als unpolitisches Phänomen na1 | Der Begriff „Rechte Gewalt“ ist innerhalb dieses Buches in einer kursiven Schreibweise gesetzt, um zu markieren, dass es sich dabei um einen spezifischen Fachbegriff handelt, dessen Verwendung im wissenschaft lichen Kontext jedoch nicht als allgemeiner Konsens vorausgesetzt werden kann. Zudem ist das Adjektiv „rechts“ groß geschrieben, um damit eine Abgrenzung vom umgangssprachlichen Verständnis des Wortes „rechte“ im Sinne von angemessene oder richtige deutlich machen zu können.
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mens Jugendgewalt wahrgenommen. Ein ernsterer – weil ideologischer – Hintergrund wird im Zusammenhang mit solchen Taten daher oft mals nicht vermutet, sondern der Einsatz von Gewalt wird als jugendtypisch bagatellisiert, indem diese als Ausdruck einer quasi-anthropologischen Konstante einer bestimmten Altersgruppe gilt: „Im Problembereich des Rechtsextremismus in Deutschland fällt den Jugendlichen und jungen Erwachsenen besonderes Augenmerk zu, da Heranwachsende nun einmal besonders ‚extremismusanfällig‘ sind.“ (Karwehl 2006, S. 77, Herv. S.D.) Was aber als Merkmal eines Lebenslaufes erscheint, fällt traditionell in den Zuständigkeitsbereich von Pädagogik und Psychologie und scheint eine genaue Rekonstruktion der spezifischen Handlungsgründe „jugendlicher“ Täter obsolet erscheinen zu lassen. Diese werden einfach als jung und unpolitisch wahrgenommen. Das Risiko besteht, dass dadurch die politische Ideologie, durch welche solche Gewalttaten im Gegensatz zu normaler Kriminalität legitimiert werden, in die wissenschaft liche Analyse dieses Phänomens nicht integriert wird. Mit der Tendenz zu einer jugendtheoretisch unterlegten Wahrnehmung innerhalb der Forschung nach den Ursachen dieser Gewalt könnte deshalb eine Reihe von Problemen verbunden sein, die sich in ungünstiger Art und Weise auf die Entwicklung einer effektiven Präventionsarbeit gegen Rechte Gewalt auswirken. Bereits die Verwendung des Begriffes der „Jugendgewalt“ darf in diesem Zusammenhang als kritisch angesehen werden: „Mit der Bezeichnung Jugendgewalt wird eine Erklärung suggeriert, nämlich eine Beziehung zwischen Alter und Gewalt. Es wird von jugendlicher Gewaltbereitschaft gesprochen. Bemerkenswert ist jedoch, dass eine vergleichbare Kategorie der Erwachsenengewalt nicht existiert. Bei der Beurteilung von Gewalt wird normalerweise nach dem Inhalt der Tat gefragt, der Gesetzesbruch wird auf Willen und Absicht des Täters bezogen. Spricht man von Jugendgewalt, so wird der Tat jedoch ein Nicht-Motiv untergeschoben. Der Gewalttätige hat demnach den Zweck, Gewalt auszuüben, wobei der Grund in der Gewaltbereitschaft liegen soll.“ (Findeisen 2005, S. 35)
Die Anwendung von Gewalt im Jugendalter wird damit zum Indiz für das Vorliegen von Motiven, die sich jenseits der Sphäre rationaler Begründungen zu befi nden scheinen.2 Anders gesagt: Wenn Jugendliche Gewalt anwenden, so handelt es sich dabei offensichtlich nicht um jeweils spezifische Tatbestände, sondern um einen Topos namens „Jugendgewalt“. 2 | Niemand käme beispielsweise bei Erwachsenen zu Recht auf die Idee, dem Strafdelikt der Steuerhinterziehung das Tatmotiv einer „Lust am Verbotenen“ zu Grunde zu legen. Bei Jugendlichen aber werden oft mals eben solche Motive vermutet, mit denen die Existenz einer allgemein-abstrakten Disposition nahe gelegt wird, die mit der konkreten Tat eigentlich nichts mehr verbindet. So lautet z.B. eine Begründung dafür, sich rechtsextremistischen Gruppen anzuschließen: „Häufig sind es auch die entwicklungsimmanente Lust an der Provokation gegenüber Vertretern der Gesellschaft und die Versuchung, etwas Verbotenes oder Konspiratives zu tun, die den entsprechenden Anreiz liefern.“ (Verfassungsschutzbericht 2008, S. 57)
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Die wissenschaft liche Wahrnehmung Rechter Gewalt als Jugendgewalt, so die Vermutung im Anschluss an diese Einschätzung, könnte deshalb zu der problematischen Praxis führen, diese Gewalt nicht als Konsequenz eines politischen Weltbildes, sondern eines spezifisch jugendlichen Sozialverhaltens zu interpretieren, wie es etwa in folgender polizeilichen Einschätzung zum Rechtsextremismus nahe gelegt wird: „Sich hieraus entwickelnde Straftaten sind nicht immer Ausdruck eines geschlossenen rechtsextremistischen Weltbildes. Vielfach liegen ihnen Unwissenheit, Ignoranz, Vorurteile sowie auch jugendtypisches Protestverhalten oder schlicht der Wunsch nach Tabubrüchen zugrunde.“ (Programm Polizeiliche Kriminalprävention 2005, S. 3)
Daraus folgt: Nicht die individuelle Orientierung an rechtsideologischen Prämissen wird im Rahmen einer solchen Charakterisierung als Ursache für entsprechendes Handeln angesehen, sondern eine Reihe von Gründen, die mit dieser Ideologie offenbar nichts zu tun haben. Handlung und Motivation werden dadurch analytisch entkoppelt, Rechte Gewalt stellt keine „echte“ Rechte Gewalt mehr dar. Die Frage stellt sich jedoch, ob eine solche Trennung dem Problem gerecht wird, mit dem man es im Falle dieser Gewalt zu tun hat, denn die Begriff sbezeichnung Rechts verweist zunächst auf den Kontext einer politischen Ideologie, nicht aber auf ein Alterskonzept. In jedem Fall deutet sich mit dieser Art der Diagnose ein Paradox an: Real existierende Gewalttäter üben zwar Rechte Gewalt aus, sind jedoch unter Umständen gar nicht als rechts im Sinne einer entsprechenden Ideologie zu bezeichnen, indem unterstellt wird, diese sei allenfalls „[...] eine oberflächliche rechte Haltung, die nicht ideologisch gefestigt ist und die Gewalt rechtfertigt.“ (Krüger 2008, S. 41) Der Hintergrund solcher Einschätzung ist: Das Niveau der festgestellten Politisierung dieser Tätergruppe befindet sich nach Meinung vieler Forscher unterhalb der Möglichkeit, von ideologisch rechtsmotivierten Orientierungen sprechen zu können.3 Zu fragen wäre deshalb danach, welche analytischen Faktoren eigentlich darüber entscheiden, eine Tat als politisch motiviert zu bezeichnen? Mutmaßungen über den Grad der „Festigkeit“ von Ansichten versuchen hauptsächlich, diese Frage mit ei3 | Vgl. dazu: „Innerhalb der Forschung besteht weitgehend Konsens, dass die von der Polizei in der statistischen Kategorie ‚rechte Gewalt‘ zusammengefassten Straftaten nur zu höchstens einem Fünftel tatsächlich ausdrücklich politisch motiviert sind. Das Gros von 80 bis 85 Prozent dieser Fälle geht auf die Verbindung einer generellen Gewaltbereitschaft in Verbindung mit gruppenbezogenen Vorurteilen zurück.“ (Härtel 2009, S. 5) Dass die Anwendung Rechter Gewalt nicht ohne das Vorliegen einer entsprechenden Handlungsdisposition möglich ist, dürfte sicher einleuchten. Das neutral klingende Merkmal „gruppenbezogenes Vorurteil“ könnte allerdings im Falle Rechter Gewalt eins sein, was sich auf spezifische Merkmale eines rechtsideologischen Weltbildes zurückführen lässt, in welchem die Produktion von Vorurteilen über bestimmte Feindgruppen ein zentrales Element darstellt. Daran wäre dann aber unter Umständen nichts „unpolitisch“.
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ner Untersuchung der sozialen Position des Täters zu beantworten. Dabei wird die Orientierung an extremen Weltbildern als Indiz für psychische Labilität gewertet: „Gerade in ihrer Persönlichkeit noch nicht gefestigte Jugendliche sind leichter für fremdenfeindliche sowie nationalistische Positionen ansprechbar und steigern ihr eigenes Selbstwertgefühl in einer – oft martialisch auft retenden – Gruppe.“ (Verfassungsschutzbericht 2008, S. 57) Solche Charakterisierungen nehmen ausschließlich die Position des Täters in den Blick. Das Problem dabei ist: Die von Rechter Gewalt betroffenen Opfer geraten dadurch ins Abseits der wissenschaft lichen Erkenntnisarbeit, sie sind von derartigen gewalttätigen Angriffen zwar direkt betroffen, aber nicht eben nicht hauptsächlich gemeint und werden aus diesem Grund oft wie ein irrationaler Faktor behandelt. Gefragt werden soll deshalb, ob besonders täterbezogene Analysen die Problematik der Rechten Gewalt nicht ausreichend in den Blick bekommen, weil sie von einem unzureichenden Verständnis der Tatbestände ausgehen, die diesen Phänomenbereich auszeichnen. Es wird auch zu fragen sein, ob die Wahrnehmung Rechter Gewalt als „jugendtypisches Protestverhalten“ nicht einer Logik folgt, bei welcher die vermuteten Eigenschaften einer sozialen Gruppe ohne Prüfung des Einzelfalls als Beweis für die Existenz dieser Merkmale bei den einzelnen Individuen dieser Gruppe angesehen werden, d.h. ob hierbei nicht „[...] von der allgemeinen Gesetzmäßigkeit auf den Einzelfall geschlossen [wird], was einem Fehlschluss entspricht.“ (Dollase 2000, S. 108) Die Tat eines Gewalttäters jugendlichen Alters wäre aufgrund der primären Leitkategorie Alter in dieser Logik damit immer und überall ein Fall von Jugendgewalt, und zwar unabhängig von der Art der jeweils ausgeübten Form der Gewalt. Das erscheint ein relativ unscharfes analytisches Vorgehen zu sein, denn Gewalt ist ein Begriff, mit dem eine Vielzahl von höchst unterschiedlichen Phänomenen gemeint sein kann. Ein differenzierender Blick auf diese Phänomene wäre durch den Faktor Jugend aber unter Umständen verstellt, weil die jeweiligen Gründe zur Anwendung von Gewalt dabei fehlen. Ausgelöst durch eine „Stereotypisierung des Alters“ (Friedan 1997, S. 152) könnte damit eine Rekonstruktion der subjektiven Handlungsgründe rechtspolitischer Täter zugunsten der Konstruktion eines Alterskollektivs in den Hintergrund geraten. Dieses Kollektiv könnte dabei als imaginäre Einheit konstruiert sein, aus welcher heraus kausale Ableitungen bezüglich der Motive jugendlicher Gewaltanwendung vorgenommen werden, die sich politischen Kriterien und historischen Kontextualisierungen tendenziell zu entziehen versuchen. Dieser Ableitungsvorgang wäre deshalb als Problem einer homogenisierenden Konzeption der Kategorie Jugend zu thematisieren. Geprüft werden könnte, ob solche Alterspraktiken beim Thema „Jugend, Gewalt und Rechtsextremismus“ als Wissensbestand innerhalb des wissenschaft lichen Diskurses über Rechtsextremismus zu fi nden sind und ob die entsprechenden theoretischen Bezüge in sich schlüssig sind. Im Rahmen einer solchen Fragestellung wird angenommen, dass besonders jene wissenschaft lichen Erklärungsansätze, die durch die „Fokussierung auf Jugendliche“ (vgl. van Deth 2005, S. 5) das Phänomen namens Rechte Gewalt mit kulturellen Vorstellungen über die gemeinsamen Merkmale bestimmter Altersgruppen in eine kausale Verbindung bringen, unter Umständen selber problematisch sind, weil sie mit Begriffen operieren, deren Eigenschaften inhaltlich unbestimmt sind und deren
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Geltungsbereich unklar ist. Vermutet wird, dass ein solcher Umstand speziell bei der analytischen Fixierung auf die Sozialfigur des Jugendlichen vorliegen könnte, vor allem wenn dabei der Faktor Jugend als maßgebliche Ursache für das Problem namens Rechte Gewalt fungiert. Ob sich dafür Hinweise fi nden lassen, soll im Rahmen dieser Diskussion deshalb unter Einbeziehung verschiedener Gesichtspunkte untersucht werden. Einer derart singulären Gewichtung gegenüber ließe sich dann im Anschluss eine skeptische Haltung einnehmen, weil ein alleiniger Bezug auf Jugend als Erklärungsfaktor zu kurz greifen dürfte: Der gewalttätige Rechtsextremismus könnte ein höchst komplexes gesellschaftspolitisches Phänomen darstellen, welches nicht auf eine einzelne isolierte Bedingung zurückzuführen ist.4 Eine spezifische „Jugendlichkeit der Handelnden“ (vgl. Herz 1996) als mögliche Ursache dieses gesellschaft lichen Konflikts zu favorisieren, liefe vor dem Hintergrund dieser Einschätzung also Gefahr, eine Verkürzung der Problematik von Seiten der Wissenschaft darzustellen, so wie es etwa Albert Scherr kritisiert, wenn er davon spricht, dass sich innerhalb der Ursachenforschung ein eigenständiger „Jugenddiskurs“ herausgebildet hätte (vgl. Scherr 1996). Eine kritische Rekonstruktion von ausgewählten jugendtheoretischen Prämissen, die bei der Interpretation dieser Gewalt im Kontext der Forschung vorausgesetzt werden, soll im Anschluss an diese Diagnose dabei helfen, den Effekten eines solchen „Jugenddiskurses“ nachzugehen, um auf der Handlungsebene zu einer sinnvollen Weiterentwicklung von präventiven Konzepten gelangen zu können. Besonders für pädagogisches Handeln wäre eine solche inhaltliche Auseinandersetzung deshalb sicher direkt relevant.5 Der Ausgangspunkt einer kritischen Diskussion über das Thema Rechte Gewalt lässt sich vor dem Hintergrund dieser Überlegungen demnach wie folgt beschreiben: Zu den zentralen Annahmen innerhalb der deutschen Rechtsextremismusforschung gehört auch im neuen Jahrtausend die Vorstellung, bei den rechtsmotivierten Tätern würde 4 | Christine Krüger lokalisierte beispielsweise in ihrer kriminologischen Abhandlung zum Zusammenhang zwischen „allgemeiner Gewalt-bereitschaft und rechtsextremen Einstellungen“ (vgl. Krüger 2008) bei den 28 von ihr untersuchten Tätern immerhin sieben verschiedene Verläufe von Entwicklungspfaden und vier Arten der konkreten Ausprägung Rechter Gewalt. (Krüger 2008, S. 183) 5 | Vgl. dazu: „Unter Reflektion kann allgemein ein strukturiertes Nachdenken über die Abläufe und Effekte des eigenen Handelns im Nachhinein verstanden werden. [...] Reflektion ist eine Chance, um die eigene Arbeit auf ihre Wirkungen hin zu analysieren, Schwierigkeiten und Widersprüche aufzuzeigen und Ansatzpunkte für eine Weiter- und Neuentwicklung von Konzepten zu finden.“ (Molthagen/Klärner u.a. 2008, S. 21) Im Rahmen dieser Arbeit wird über diese Bestimmung hinaus unter Reflexion eine besondere Form des kritischen Denkens verstanden, die sich wie folgt charakterisieren lässt: „Kritisches Denken ist kein moralisches Prinzip, sondern eine Methode, die unabhängiges Forschen und Selbstbestimmung fördert, aber auch unerlässlich dafür ist.“ (Pally, S. 321) „Kritisches Denken erfordert außerdem eine gewisse Skepsis, angefangen bei der Fähigkeit, Aussagen und deren Bestätigung in Frage zu stellen – zum Beispiel die Verwechslung von Korrelationen mit Kausalzusammenhängen, unzulässige Verallgemeinerungen, die Auswirkung der Form auf den Inhalt und dergleichen.“ (Pally 2003, S. 21)
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es sich vorwiegend um so genannte Jugendliche handeln.6 Ausgehend von dieser Prämisse wird Rechte Gewalt in vielen Erklärungsansätzen als jugendspezifisches Problemlösungs-Handeln analysiert.7 Gleichzeitig findet damit oft mals eine DeThematisierung der politischen Ideologie statt, die solche Taten legitimiert. Das Politische wird ausgegrenzt und der Auseinandersetzung tendenziell entzogen. Zur Begründung stützt sich diese Praxis dabei auf bestimmte Elemente der Jugendforschung, mit denen rechtsideologische Täter ausgehend von einer Theorie der allgemeinen Unreife junger Menschen als defizitäre Subjekte gelten, deren Handlungsbegründungen in diesem Zusammenhang eben nicht als reif angesehen werden, sondern entwicklungslogisch unterlegt sind: „Einen Jugendlichen als „unreif“ zu bezeichnen, heißt daher, ihn in einem unfertigen Entwicklungsstadium wahrzunehmen. [...] Eine Einflussnahme durch den Jugendlichen selbst oder durch die Umwelt wäre nicht möglich.“ (Mienert 2008, S. 32)
Eine weltanschauliche Dimension der Taten wird durch dieses tendenziell deterministische Subjektverständnis neutralisiert und gerät aus dem Blickfeld der Analyse. Zu untersuchen wäre, ob dieses Verständnis seinerseits nicht hauptsächlich auf einen Import von entwicklungspsychologischen Theorien beruht, die bei ihrer Formulierung von Lebensverläufen auf einen hohen Grad von Allgemeingültigkeit zielen, während aber umgekehrt nur ein kleiner Teil aus der Gesamtmenge junger Menschen als rechtspolitische Gewalttäter auff ällig wird.8 Die in vielen Erklärungsansätzen als 6 | Als Beispiel für diese Praxis lassen sich Aussagen anführen wie sie etwa in der Diagnose: „In der Regel handelt es sich bei den Gewalttätern um Jugendliche.“ (Klein 1995, S. 109) zum Ausdruck kommen. Im Gegensatz und als Anti-These dazu werden die Akteure Rechter Gewalt in diesem Buch wahlweise als „rechtsideologische“, „rechtsmotivierte“, „rechtspolitische“ und/oder „rechtsgerichtete“ Täter benannt, Bezeichnungen also, die natürlich zunächst ebenso eine Unterstellung darstellen wie die neutralisierende Bezeichnung „Jugendlicher“, welche aber im Verlauf der Diskussion als plausiblere Bezeichnung zu begründen versucht werden sollen. 7 | So heißt es in einem Sammelband zum Thema Adoleszenz und Rechtsextremismus: „In den Taten rechtsextremistischer Jugendlicher äußert sich also gerade nicht die Kraft politischer Programmatik, sondern ein archaischer Über-Ich-Konfl ikt.“ (Ebrecht 1996, S. 36) Jugendlicher Rechtsextremismus wird als spezifische Verlaufsform einer Adoleszenzkrise interpretiert (vgl. Heim 1996, S. 47ff ) und die Täter generell als psychisch labile, Ich-schwache Persönlichkeiten charakterisiert. In den wenigsten Fällen liegen diesen Einschätzungen allerdings konkrete Fallstudien zugrunde, anhand derer sich solche pauschalen Urteile nachvollziehen ließen. Eine Ausnahme zu dieser Praxis bildet die (allerdings kriminologisch angelegte) Arbeit von Christine Krüger (vgl. Krüger 2008). 8 | Hierzu schreibt der Altersforscher Klaus Göckeljahn: „Der Altersdiskurs thematisiert nicht Vielfalt und Differenziertheit von Lebensformen und sozialen Milieus, auch nicht einzelnes, sondern Gemeinsamkeiten. Alter kennt keine Stände, keine Klassen, keine Geschlechterdifferenzierung, nicht einmal chronologische Zäsuren [...].“ (Göckel-
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Ursache postulierten Probleme des Aufwachsens beträfen also in ihrer Allgemeinheit theoretisch alle Personen der Sozialgruppe Jugend, würden also unter Umständen nicht ausreichend erklären, warum nur ein bestimmter Teil dieser Gruppe seine Entwicklungsprobleme ausgerechnet dadurch zu lösen versucht, dass er andere Menschen als Feindgruppe markiert und tätlich angreift. Die Frage nach der Rolle einer entsprechenden politischen Ideologie, die den handelnden Subjekten eine bestimmte Opfergruppe als Feindbild markiert, wäre deshalb besonders in einem deutschen Forschungszusammenhang explizit zu stellen und nicht auszugrenzen.9 Die unterschiedlichen Strategien einer „Ausblendung des Politischen“ im Kontext der Wissenschaft sollen aus diesem Grund im Rahmen der hier angestrebten Reflexion genauer untersucht werden, denn es scheint gerade bei der hochgradig emotional aufgeladenen Debatte über die Ursachen Rechter Gewalt nicht ausreichend nachvollziehbar zu sein, warum bei der Suche nach Erklärungen ausgerechnet die politisch-ideologischen Komponenten dieses Problems derart unberücksichtigt bleiben sollen, dass sie durch den Fokus auf Jugend und Jugendlichkeit nahezu vollständig aus dem Blickfeld geraten. Die Reichweite von fachlichen Argumentationen, speziell auf Basis jugendtheoretischer Grundannahmen, soll daher im Verlauf dieses Buches intensiv und auch interdisziplinär diskutiert werden. Eine solche Reflexion ist ausschließlich auf der wissenstheoretischen Ebene angesiedelt und nimmt Äußerungen aus den Bereichen Pädagogik, Soziologie, Psychologie, Kriminologie und Politikwissenschaft in den Blick. Die jeweiligen jugendtheoretischen Unterlegungen dieser Fachdisziplinen stehen dabei im Zentrum der Aufmerksamkeit und damit die Hintergrundannahmen, die sie generieren. Es soll vor allem nach Kriterien gesucht werden, die den Terminus des „Jugendlichen“ inhaltlich und zielgruppengerecht festlegen: „Denn es ist für die empirische Forschung und die Theorieentwicklung unverzichtbar, auszuweisen, wer als Jugendlicher gilt und welche Annahmen über die so Bezeichneten damit einhergehen.“ (Schäfers/ Scherr 2005, S. 17) Es wird vermutet, dass mit der semantischen Lokalisierung Jugendlicher im Kontext der Ursachenforschung ein Rückgriff auf Konzepte und Konnotationen verbunden ist, durch welche im Ergebnis eine politische Analyse des Problems Rechte Gewalt erschwert wird, wenn rechtspolitische Täter in erster Linie als Menschen mit besonderen Entwicklungsproblemen wahrgenommen werden. Ein solcher Effekt soll durch Rückgriff auf einen speziellen analytischen jahn 2000, S. 25) Diese Merkmale dürften auch für eine bestimmte Form der Thematisierung von Jugend gelten. 9 | Dazu merkt Gertrud Hardtmann vor dem Hintergrund ihrer therapeutischen Praxis mit rechtsideologischen Jugendlichen kritisch an: „Auch wenn [...] Rechtsradikalismus heute keineswegs nur ein deutsches Phänomen und auch nicht nur ein Relikt aus der NS-Zeit, sondern international in allen hoch industrialisierten demokratischen Gesellschaften zu beobachten ist, ist der Schoß, aus dem er hierzulande wächst, fruchtbar genug, um Anlass zu sein für Fragen nach den spezifisch deutschen, historischen und vor allem aktuellen Ursachen.“ (Hardtmann 2007, S. 30, Herv. S.D.) Diese Position begreift den Ausgangspunkt einer wissenschaft lichen Beobachtung als einen, der unwiderruflich an einen historischen Kontext gebundenen ist.
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Zugang als Wirkung eines spezifischen Diskurses problematisiert werden, der die gesellschaft lichen Akteure mit entsprechenden jugendtheoretischen Deutungselementen versorgt.10 Eine solche Problematisierung arbeitet also mit einer Reihe von spezifischen Vermutungen, die als Ausgangspunkt der Diskussion fungieren. Diese Vermutungen lassen sich wie folgt zusammen fassen: • Rechtsmotivierte Gewalttäter werden oft pauschal als „Jugendliche“ wahrgenommen. • Mit dieser Art der Wahrnehmung wird allein das Alter der Akteure thematisiert. • Dadurch werden vor allem altersspezifische Problemlagen als Ursachen Rechter Gewalt identifiziert. • Eine solche Perspektive vernachlässigt den Aspekt, dass diese Gewaltform aktuell und historisch eine spezifische ideologische Dimension enthalten könnte. • Es besteht damit die akute Gefahr, die politische Qualität Rechter Gewalt mit einem ausschließlich jugendbezogenen Fokus nicht adäquat erfassen zu können. Mit einer Überprüfung dieser Vermutungen steht gleichzeitig die kritische Untersuchung einer pädagogischen Semantik an, die im wissenschaft lichen Betrieb zur Formulierung von Problemlagen und Lösungsvorschlägen verwendet wird, sich dabei aber eventuell nicht ohne Einschränkungen auf fächerübergreifende Kriterien von tatsächlicher Wissenschaftlichkeit stützen kann. Dieses Manko wird vor allem dem analytischen Faktor „Jugend“ unterstellt. Daher ließe sie sich ein solches Vorhaben auch als Beitrag zu einer Proprädeutik wissenschaft licher Theoriebildung beschreiben, die sich speziell auf die Verwendung jugendtheoretischer Begriffe als gültige Hintergrundannahmen richtet, d.h. als „[...] Voraussetzungen, von denen man wie selbstverständlich ausgeht.“ (Berger/Kellner 1984, S. 53) Mit anderen Worten: Wer den Begriff des Jugendlichen benutzt, geht in der Regel davon aus, dass dieser Begriff sich auf ein real existierendes Objekt in der Wirklichkeit bezieht. Diese Annahme ist jedoch aus diskursanalytischer Perspektive zunächst nur als eine spezifische sprachliche Äußerung im Kontext eines Diskurses anzusehen und nicht etwa ein Beweis für die zweifelsfrei existierende Entität des Gemeinten außerhalb des jeweiligen Äußerungszusammenhanges. Anders gesagt: Die Art und Weise, über Dinge zu sprechen, sagt etwas aus über die Regeln, nach denen etwas 10 | Eine solche Form der fachinternen Selbstreferenz lässt sich auf das beziehen, was Niklas Luhmann im Hinblick auf bestehende Reflexionsprobleme im Erziehungssystem als positive Praxis der „Externalisierung“ (vgl. Luhmann/Schorr 1988) bezeichnet hat: „Mit Hilfe dieser [...] Externalisierungen kann die pädagogische Theorie sich im System halten, sich auf Selbstreferenz einlassen. So gewinnt das Erziehungssystem Fähigkeiten, die das Wissenschaft ssystem von außen nie vermitteln könnte: sich in der Art von Theorie auf sich selbst als System in einer gesellschaft lichen Umwelt einzustellen. [...] Über Externalisierungen wird dabei auch der Zusammenhang mit dem Wissenschaftssystem hergestellt.“ (Luhmann/Schorr 1988, S, 342) Es ist deshalb ein besonderes Anliegen dieser Arbeit, durch eine kritische Reflexion einer solchen Selbstreferenz im Hinblick auf ein fachliches Thema die Relevanz der erziehungswissenschaft lichen Theoriebildung für die pädagogische Praxis beleuchten zu können.
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gesagt werden kann und nicht über die Dinge selber. Innerhalb interner Zusammenhänge, wie z.B. fachliche Diskussionen in einem wissenschaft lichen Fachgebiet, werden bestimmte Sprachfiguren allerdings oft mals wie ein Hinweis auf selbstverständliche Tatsachen behandelt: „Es sind dies die vorherrschenden Paradigmen und Axiome, die intradisziplinär kaum hinterfragt werden.“ (Dollase 2000, S. 103) Bei einem kritischen Blick auf diese Grundannahmen geht es nun hauptsächlich um die Frage, ob sich diese begrifflichen Vorstellungen in irgendeiner Art und Weise adäquat zum beobachteten Phänomen verhalten, d.h. ob sich mit ihnen ein als forschungsrelevant erachtetes Problem mit ausreichender Zufriedenheit erklären lässt: „Zufriedenstellen kann eine Erklärung nur, wenn sie einen Verursachungsprozess skizziert, den wir verstehen können. Sie muss nicht nur logisch stimmig und in ihren Tatsachenbehauptungen wahr, sondern auch plausibel sein.“ (Berger/Kellner 1984, S. 51) Vorrangiges Ziel wäre es demnach, durch eine inhaltliche Auseinandersetzung über die verwendeten jugendbezogenen Hintergrundannahmen zu klären, ob der Anspruch einer Erklärung im Hinblick auf das Deutungsmuster einer „Jugendlichkeit“ im Kontext Rechter Gewalt eingelöst werden kann. Somit geht es auch darum, einen Beitrag zur Klärung grundsätzlicher analytischer Herangehensweisen wie auch der inhaltlichen Konventionen innerhalb der fachlich breit gestreuten Forschung zu den Ursachen des rechtspolitischen Extremismus zu liefern und vor allem bezogen auf erziehungswissenschaft liche Ansätze eine Selbst-Sensibilisierung zu erreichen, deren Folgen bis tief hinein reichen in die praktischen Konzepte pädagogischer Prävention:11 „Prävention, als eine vor der Intervention stattfi ndende Maßnahme, will verhindern, was noch nicht eingetreten ist und muss daher definieren, was als Störendes oder Abzuwendendes gilt und enthält ein Bild von dem, was als normal anzusehen ist.“ (Frech/Posselt 2008, 112) Zu fragen wäre also, ob das Bild, welches innerhalb der Ursachenforschung von Rechter Gewalt und deren Verursachern besteht, tatsächlich zur Entwicklung präventiver Maßnahmen geeignet ist. Der folgenreiche Zusammenhang zwischen einer eventuellen Verkennung der Problematik von Rechter Gewalt und den Auswirkungen dieses Defizits könnte sich dabei als systematische Verfehlung professioneller Zielvereinbarungen innerhalb der sozialen Arbeit zeigen, denn: „Um erfolgreich pädagogisch handeln zu können, braucht man eine Diagnose der Situation, in die hinein gehandelt werden soll.“ (Giesecke 1992, S. 54) Bei solchen diagnostischen Prozesses könnten nun besonders die Vorstellungen, die seitens der Pädagogik in Bezug auf so genannte Problemgruppen vorliegen, eine zentrale Rolle spielen: „Das gilt sowohl für den einzelnen Jugendlichen als auch auf zeitlicher (Kohorten) und inhaltlicher (Subkulturen) Ebene für 11 | Zu solch einer Zielsetzung der fachinternen Sensibilisierung kann gesagt werden: „Dieser selbstreflexive Bezug des Jugendforschers auf die Voraussetzungen seiner eigenen Interpretationsleistungen und Erkenntnisgenerierung ist unumgänglich, damit die entworfenen Jugendbilder auch als Ergebnis der Anwendung spezifischer Instrumentarien begriffen werden können. Die jeweiligen methodischen Instrumente vermögen jeweils nur spezifische Bedeutungsschichten der subjektiven und sozialen Welt zu entziffern, während andere Schichten der Bedeutung notwendigerweise vernachlässigt oder nicht erreicht werden.“ (Combe/Helsper 1991, S. 233)
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‚die Jugendlichen‘ im ganzen. Mit welchen Jugendlichen habe ich es eigentlich zu tun?“ (Buderus 1998, S. 51, Herv. S. D.) Die Rekonstruktion der Struktur von Vorstellungen über diejenigen, mit denen man es im Falle von rechtsmotivierten Tätern „zu tun hat“, gerät damit zur Vorbedingung für die Möglichkeit, die Wirksamkeit pädagogischer Praxis erhöhen zu können. Hauptanliegen dieser kritischen Diskussion ist es demnach, einen Erkenntnisgewinn hinsichtlich der wissenschaft lichen Problemdiagnostik in Bezug auf Rechte Gewalt zur Erhöhung der Reichweite von Theorie und Praxis zu erreichen sowie zum Nach- und Weiterdenken über dieses Phänomen anzuregen. Dabei wird der vermuteten Unterkomplexität innerhalb wissenschaft lichen Umgangs mit Rechter Gewalt eine Position entgegengesetzt, die als deutlicher Kontrast zu den jugendtheoretischen Deutungen konzipiert ist. Ziel dieser Polarisierung ist es, durch eine dialektische Art und Weise der Gegenüberstellung von These und Anti-These die Plausibilität jugendtheoretischer Interpretationen dekonstruieren zu können. Zu diesem Zweck ist das Buch in weiten Teilen im Stil einer diskursiven Erörterung verfasst, wo in Form eines problemorientierten Dialogs das Pro und Contra von inhaltlichen Positionen, die Anatomie der jeweiligen theoretischen Axiome sowie die logische Stringenz von Argumentationen zum eigentlichen Thema werden. Insofern handelt es sich nicht um die Entwicklung eines eigenständigen wissenschaft lichen Ansatzes, dessen Argumentation sich auf eine umfassende Systematik stützt, sondern lediglich um den Vorschlag, auf der wissenschaft lichen Meta-Ebene in einer bestimmten Art und Weise über die Wirkung von theoretischen Konzepten nachzudenken. Fachliche Äußerungen aus verschiedenen Disziplinen werden dabei wie Puzzleteile zusammengefügt, um das so entstehende Bild analytisch zu reflektieren und den Umriss eines fachlichen Klärungsbedarfs sichtbar machen zu können. Dabei muss betont werden, dass alle in diesem Zusammenhang zitierten Äußerungen und nachgezeichneten Erklärungsansätze das Ergebnis einer äußerst spezifischen Fokussierung darstellen, welche den dahinter stehenden Theorien der jeweiligen Autoren sicher nicht immer in ihrer gesamten Komplexität gerecht zu werden vermag. Viele inhaltliche Positionen konnten im Rahmen dieser Fachdiskussion nur recht oberflächlich skizziert werden und erscheinen dadurch zwangsläufig oder mutwillig verkürzt dargestellt zu sein. Dieser bedauerliche Umstand ergibt sich hauptsächlich aus der diskursanalytisch inspirierten Absicht einer fächerübergreifenden Problematisierung, die sich in der Hauptsache auf die Struktur von thematischen Verdichtungen bezieht, nicht aber etwa die verschiedenen Diskurspositionen im Einzelnen vollständig rekonstruiert. Lediglich die Ansätze von Helmut Willems (vgl. Willems 1993), Wilhelm Heitmeyer (vgl. Heitmeyer 1992) und Franz-Josef Krafeld (vgl. Krafeld 1994) erfahren als exponierte Vertreter von speziell jugendbezogenen Analysen eine tiefergehende Erörterung, weil sie einen maßgeblichen Einfluss auf die theoretischen Debatten innerhalb des „Diskurses über Rechte Gewalt“ seit den 90er Jahren gehabt haben, der immer noch relevant ist. Weiter muss einschränkend betont werden, dass der real existierenden Bandbreite von wissenschaft lichen Positionen zu diesem Thema nicht in befriedigender Form Rechnung getragen werden konnte. Nicht jede thematisch relevante Theorie innerhalb des „Diskurses über Rechte Gewalt“ konnte angemessen berücksichtigt werden. Zuletzt
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sollte noch betont werden: Ein „Diskurs“ ist kein zweifelsfreies Faktum, sondern zunächst nicht mehr eine Arbeitshypothese, deren Funktion es ist, durch entsprechende Indizien plausibel gemacht zu werden oder aber zurückgewiesen werden muss. Eine Grundlage dafür soll in den folgenden fünf Kapiteln erarbeitet werden: Im ersten Kapitel findet sich zunächst eine Herleitung der zentralen Fragestellungen und des theoretischen Hintergrundes. Als Einstieg ins Thema soll ein Problemaufriss zum aktuellen Ausmaß der Rechten Gewalt erfolgen sowie der Kontext der Steigerungsraten Anfang der 90er Jahre skizziert werden. Im Anschluss daran wird der Gebrauch des Begriffes Rechte Gewalt innerhalb der Ursachenforschung und die wissenschaft liche Debatte des rechtspolitischen Extremismus als Jugendproblem thematisiert. Dabei wird sich vertiefend auf die Mitte der 90er Jahre geäußerte Kritik von Albert Scherr und Thomas A. Herz zum so genannten „Jugenddiskurs“ bezogen. Angenommen wird dabei, dass die damit verbundenen diskursiven Praktiken bis in die heutige Zeit wirksam sind. Ausgehend davon wird dann die eigene Fragestellung, der Bezug auf die Theorie der Diskurse und das methodische Vorgehen präzisiert. Hauptsächlich geht es hierbei um eine spezielle Form der inhaltsanalytischen Textbearbeitung, wo einzelne Äußerungen als Indizien für eine übergeordnete Strukturierung von hegemonialen Sinnbildungsprozessen gelten. Diese, so wird angenommen, lassen sich quer durch die sozialwissenschaft liche Forschung zum Thema Rechte Gewalt auf den zentralen Effekt einer „Ausblendung des Politischen“ beziehen. Für die Untersuchung eines derartigen Diskurseffektes wird auf der Suche nach entsprechenden Belegen deshalb von der hypothetischen Existenz zweier thematischer Verdichtungen ausgegangen, die sich als Strategien der Inklusion und der Exklusion beschreiben lassen: „Mit der Entscheidung für eine bestimmte Beschreibung des Ausgangsproblems werden einzelne Aspekte in den Vordergrund gerückt und andere Aspekte ausgeblendet. Eine solche Kombination von Fokussierung und Peripherisierung [...] lässt sich nicht vermeiden; um so wichtiger ist es, die mit der jeweiligen Entscheidung verbundenen Konsequenz transparent zu machen.“ (Kohlstruck/Krüger/Krüger 2009, S. 9)
Im Anschluss daran geht es zum Einen um den thematischen Bezug auf den Faktor „Jugend“ als Form der Fokussierung und zum Anderen um den Aspekt der Peripherisierung durch die De-thematisierung der politischen Qualität Rechter Gewalt. Handelt es im ersten Fall also um eine bestimmte Form des inhaltlichen AgendaSetting, so geht es im anderen Fall um die Ausgrenzung gewisser analytischer Elemente aus der fachlichen Diskussion. Die Eigenschaften dieser beiden gleichermaßen als „diskursive Effekte“ verstandenen Vorgänge sollen jeweils in einem eigenen Kapitel behandelt werden. Das zweite Kapitel beschäftigt sich im Anschluss an die Überlegungen des ersten Arbeitsschrittes deshalb besonders mit der inneren Struktur jener thematischen Verdichtung, bei welcher es um die Identifi zierung der Täter als Jugendliche geht. Der analytische Faktor der Jugendlichkeit, so die dabei zu Grunde gelegte Prämisse, tritt vor allem dadurch in Erscheinung, als dass er bei der Deutung von sozialen
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Ereignissen dazu geeignet ist, die Rolle des Lebensalters der jeweiligen Akteure zu thematisieren.12 So kann es z.B. zur Bemessung eines juristischen Strafmaßes unter Umständen von entscheidender Bedeutung sein, ob die zu beurteilende Tat vor Gericht aufgrund des vorliegenden Alters als so genannte „jugendtypische Verfehlung“ gelten kann.13 Als solche würde die mit dem geringen Lebensalter verbundene Vorstellung einer eingeschränkten Handlungsverantwortung zu einer Verurteilung nach dem Jugendstrafgesetz führen, welches sich vorwiegend an erzieherischen Leitgedanken orientiert.14 Grundlage dafür ist die Überlegung, dass Personen, die sich noch in der Entwicklung befinden, nicht in vollem Umfang für ihre Taten verantwortlich gemacht werden sollten. Ist ein ähnliches Grundverständnis im Bereich der Ursachenforschung zu Rechter Gewalt aufzufinden, indem die Täter in erster Linie als „unreife“ Jugendli-
12 | Der analytische Faktor Jugendlichkeit wird seitens der Forschung deshalb oft „[...] als Attribut auf die durch den Stammbegriff beschriebene Personengruppe der Jugendlichen in Form einer ‚entschuldigenden Schuldzuweisung‘ eingesetzt, d.h. ‚Jugendliche‘ sind für ihr Handeln nur bedingt verantwortlich.“ (Vatikus 1989, S. 132) In diesem Sinne markiert z.B. ein Fachbeitrag Jugendliche als vermeintlich „rechtsextreme“ Gewalttäter (vgl. Birzer/Gessenharter 1996, S. 191), indem der Zweifel an der politischen Qualität dieser Gewalttaten durch die Setzung von Anführungsstrichen indiziert wird, womit suggeriert sein könnte, dass ein solcher politischer Begriff eigentlich unangebracht ist und es sich sogar um eine unzutreffende Etikettierung handeln könnte. Dieser Zweifel markiert die dahinter liegende Vermutung, dass es bei diesem Phänomen vielleicht (oder hoffentlich?) um etwas ganz anderes gehen könnte. 13 | Der Terminus „Jugendtypische Verfehlung“ stammt aus dem § 105 des JGG und lässt sich wie folgt defi nieren: „Eine Jugendverfehlung kennzeichnet sich dadurch, dass in der Art der Tat in den subjektiven Beweggründen des Täters Verhaltensweisen hervortreten, die für Jugendliche typisch sind. Das sind also Taten, die aus jugendlicher Unüberlegtheit, aus Leichtsinn, Gruppenzwang oder aus Angeberei oder wegen leichter Manipulation begangen werden.“ (Kommentar nach www.jurawiki.de 2009) Dass dieser Terminus vor allem bei der strafrechtlichen Bewertung Rechter Gewalt relevant ist, darauf verweist z.B. der Publizist Michael Möller: „Gerade bei Jugendlichen zeigte die Mehrheit der Richter für rassistisch motivierte Gewalttaten Verständnis [...]. So wertete das Landgericht Frankfurt/Oder den Mord an dem Angolaner Antonio Kiowa als ‚jugendtypische Verfehlung‘.“ (Gillen/Möller 1994, S. 180) Diesen Trend bestätigt auch die Gerichtsgutachterin Ingrid Müller-Münch: „Bei der Beobachtung des juristitiellen Umgangs mit fremdenfeindlicher Gewalt wird deutlich, wie auffallend oft die politische Einstellung [des Täters, Anm. S.D.] aus den Prozessen ausgeklammert wird.“ (MüllerMünch 1998, S. 13) 14 | So wird auch bei tatverdächtigen Personen über 18 und bis 21 Jahren vor der Urteilsfindung generell die Frage geklärt, ob es sich dabei eventuell um einen Menschen handelt, der in seiner sittlichen Reife einem Jugendlichen gleichzustellen sei. Eine solche Gleichstellung begründet in der Regel die Eröffnung eines Verfahrens nach dem Jugendstrafrecht, was bedeutet, dass eine nicht-reife Sittlichkeit bei einem Jugendlichen als konstitutiv und damit strafmildernd zu bewerten ist.
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che wahrgenommen werden, die sich über das Ausmaß ihrer Handlungen nicht im Klaren sind?15 Welches Konzept von Jugend kommt dabei zur Anwendung? Häufig wird aufgrund der „Jugendlichkeit der Handelnden“ (vgl. Herz 1996) angenommen, rechtsideologische Täter würden durch die Anwendung von Gewalt gegen Schwächere vor allem ihre eigenen defizitären Lebensumstände kommentieren. Der Täter wird mit dieser Interpretation als Opfer der gesellschaft lichen Verhältnisse konzipiert. Eine solche Sichtweise findet sich, so soll gezeigt werden, auch in einflussreichen theoretischen Ansätzen wie etwa dem Konzept des „soziologischen Rechtsextremismus“ von Wilhelm Heitmeyer (vgl. Heitmeyer 1989) oder innerhalb der empirischen Analysen von Helmut Willems (vgl. Willems 1993). Besonderes Augenmerk liegt in diesem Kapitel deshalb auf der Frage nach dem grundsätzlichen Zusammenhang zwischen wissenschaft licher Theoriebildung und der konkreten pädagogischen Arbeit: In wie weit wird die Konzeption des Jugendlichen als Opfer in die pädagogische Praxis übernommen? Welche Probleme ergeben sich daraus? Dass diese Probleme hauptsächlich das Ergebnis eines bestimmten hegemonialen Deutungsmusters von Jugendlichkeit sein könnten, wird zentral anhand des populären und immer noch aktuellen Konzeptes der „Akzeptierenden Sozialarbeit mit rechten Jugendlichen“ (vgl. Krafeld 1993) diskutiert. Das dritte Kapitel widmet sich dann in der Hauptsache der De-Thematisierung politischer Handlungsgründe. Leitende Fragestellungen ergeben sich hier aus dem Umstand, die politische Dimension aus der Beschreibung und Interpretation rechtsmotivierter Gewaltanwendung auszugrenzen, bzw. sie als sekundäre Erklärungsfaktoren zu behandeln. Zusammen mit der Thematisierung unpolitischer Motivlagen, so die hier zu Grunde gelegte Vermutung, wird eine De-Thematisierung politischer Handlungsgründe vorgenommen. Diese Praxis der Ausgrenzung soll anhand verschiedener analytischer Praktiken innerhalb des Diskurses über Rechte Gewalt rekonstruiert werden. Dabei steht der Mechanismus im Vordergrund, das subjektive Motiv des Täters abseits politischer Vorstellungen zu konzipieren und damit unpolitische Motive zur Handlungsausführung geltend zu machen, so wie es Mark Terkessidis in kritischer Absicht charakterisiert: „Indem die rassistische und rechtsradikale Gewalt durch ihre relativ einhellige Verlagerung in ein Problem der Jugend von ihrem ausdrücklichen Inhalt entkleidet und dadurch entpolitisiert wird, entlastet sich die Gesellschaft von dem offensichtlichen 15 | Die Publizistin Katharina Rutschky bezeichnet Rechtsradikalismus z.B. als Form von „Jugend-Irresein“ (In: Leggewie 1993, S. 61). Dieser Begriff entstammt einer älteren entwicklungspsychologischen Terminologie und wird im aktuellen wissenschaft lichen Kontext kaum noch verwendet. Er transportiert allerdings eine wichtige Dimension im Hinblick auf den Charakter Rechter Gewalt: Wer als „irre“ gilt, ist in der Regel für seine Taten nur bedingt verantwortlich. In seiner Untersuchung über „Wahnsinn und Gesellschaft“ beschreibt Michel Foucault, dass gerade die Entwicklung einer gesellschaft lichen Vorstellung vom „Wahnsinn“ in Abgrenzung zum „Normalen“ in der Praxis aufzufinden ist, Taten, die von „Irren“ begangen werden, mit dem Argument des Wahnsinns des Täters juristisch der Haftung zu entziehen. (vgl. dazu besonders: Foucault 1969)
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Vorwurf, eine solche Häufung rassistischer Gewalt müsse mit sozialen Strukturen korrespondieren.“ (Terkessidis 1995, S. 3)
Dass diesem Vorgang eine Vorstellung des Politischen zu Grunde liegen könnte, welche zu anspruchsvoll konzipiert sein könnte, um die rechtsideologischen Slogans und Schlagwörter als politisch zu charakterisieren, wird ebenso untersucht wie die Diagnose vom angeblich „Nicht-Geschlossenen Weltbild“ rechtsmotivierter Täter. Als zwingend notwendig wird es anschließend erachtet, die Position der Opfer Rechter Gewalt in die Analyse einzubeziehen, um klären zu können, gegen wen diese Gewalt sich konkret richtet. Erst dieser Blickwinkel, so wird versucht zu zeigen, ermöglicht ein Verständnis dieser Handlungen als politisch motivierte Aktionen. Ein eigener Vorschlag zur Definition Rechter Gewalt schließt das Kapitel ab. Mit ihr soll es möglich werden, dieses Phänomen als ideologisches Richtungshandeln zu begreifen. Da mit dieser Charakterisierung ein grundsätzlich anderes Verständnis vom Subjekt des Täters verbunden ist, als es das Konzept des Jugendlichen vorsieht, wird der Blick gerichtet auf mögliche Folgerungen aus der bisherigen Untersuchung für die praktische Arbeit gegen Rechte Gewalt, was dann im darauf folgenden Kapitel den thematischen Schwerpunkt bildet. Ist der Charakter der ersten drei Kapitel hauptsächlich geprägt durch eine kritische Rekonstruktion von ausgewählten thematischen Positionen innerhalb der Ursachenforschung, so wird sich vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen im vierten Kapitel ausführlich mit den Konsequenzen beschäftigt, die sich aus den bis dorthin herausgearbeiteten Elementen einer „Ausblendung des Politischen“ ergeben. Vor allem im Hinblick auf die Entwicklung von gesellschaftlichen Gegenstrategien finden sich deshalb hier Ansätze und Diskussionen, die eine neuartige Ausrichtung im Blick auf Theorie und Praxis in Bezug auf Rechte Gewalt möglich machen. Dabei sollen zu zentralen Fragestellungen aus der bisherigen Diskussion drei eigenständige Vorschläge entwickelt werden. Der erste Vorschlag ergibt sich aus der Betrachtung eines wesentlichen Elements innerhalb des thematischen Bezuges auf den Faktor Jugend, nämlich auf den Status des Jugend- und Jugendlichen-Begriffes im Kontext der Jugendforschung sowie der Diskussion von wissenschaft lichen Kriterien zur interdisziplinären Anwendbarkeit dieser Terminologie. Der zweite Vorschlag betrifft das grundlegende Verständnis vom Subjekt, welches den Blick auf soziale Handlungen maßgeblich bestimmt und den sich daraus ergebenen Konsequenzen für pädagogische Handlungsfelder. Beim dritten Vorschlag wird dann diskutiert, ob beim Thema Rechte Gewalt nicht grundsätzlich eine notwendige Beziehung zum Kontext der deutschen NS-Vergangenheit vorzunehmen wäre und welche Folgen eine solche Kontextualisierung haben könnte. Zu allen drei Vorschlägen finden sich jeweils am Ende der Abschnitte weiterführende Anregungen zu den Arbeitsfeldern der sozialen Arbeit und der politischen Bildungsarbeit. Abschließend werden im letzten Kapitel dann noch einmal die wesentlichen Elemente der bisherigen Diskussion zusammengefasst und die möglichen Auswirkungen dieser Aspekte für die sozialpädagogische Prävention und die dafür notwendigen fachlichen Bedingungen skizziert.
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Soweit lassen sich die einzelnen thematischen Schwerpunkte der Kapitel als erste Orientierung beschreiben. Zu Beginn jedes Kapitels erfolgt jedoch zusätzlich noch eine kurze inhaltliche Charakterisierung der jeweiligen Abschnitte. Auf den folgenden Seiten findet sich aber nun zunächst wie angekündigt der Versuch, im Rahmen des ersten Kapitels den Diskurs über Rechte Gewalt als Forschungsanlass mit realem gesellschaft lichen Hintergrund zu charakterisieren und mit einer diskursanalytischen Herangehensweise den hier einleitend erörterten Fragestellungen zugänglich zu machen. Parallel dazu werden erste Kriterien entwickelt für eine inhaltliche Position, von der aus sich der Fokus auf eine primär jugendtheoretische Deutung Rechter Gewalt kritisieren ließe.
1. Der Diskurs über „Rechte Gewalt“ als Thema der Forschung
Wie einleitend gesagt wurde, soll in diesem ersten Kapitel der Einstieg ins Thema der Diskussion erfolgen, sowie der theoretische Hintergrund und das methodische Vorgehen erläutert werden. Dabei steht im kommenden Abschnitt (1.1) der Versuch im Vordergrund, die Referenz des Begriffes Rechte Gewalt möglichst genau zu lokalisieren, um klären zu können, über welches gesellschaft liche Phänomen überhaupt gesprochen wird. Dieses Vorhaben wird umzusetzen versucht anhand von Erkenntnissen der polizeilichen Datenerhebungen im Bereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ sowie im Hinblick auf die gesellschaft lichen Rahmenbedingungen der Steigerungsraten dieser Delikte Anfang der 90er Jahre. Im Abschnitt 1.2 gerät dann der Umgang mit diesem Phänomen innerhalb der Ursachenforschung ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Dabei wird der Schwerpunkt auf die inhaltliche Fokussierung wissenschaft licher Analysen auf die Figur des „Jugendlichen“ als Erklärungsfaktor Rechter Gewalt gelegt. Um die Folgen dieses jugendtheoretischen Theorie-Imports auf einer wissenstheoretischen Ebene kritisch erörtern zu können, wird sich im letzten Abschnitts des Kapitels (1.3) auf die Theorie der Diskurse im Anschluss an die Arbeiten von Michel Foucault bezogen, wobei zur konkreten methodischen Umsetzung ein relativ offenes Verfahren in Anlehnung an die diskursanalytische Arbeitsweise von Sigrid Weigel als geeignet angesehen wird. Im folgenden Abschnitt aber soll nun der Blick auf die gesellschaft liche Realität Rechter Gewalt gerichtet werden, wie sie sich in den Erkenntnissen der polizeilichen Behörden seit Anfang der 90er Jahre bis ins neue Jahrtausend zeigt.
1.1 Rechte Gewalt als konkrete gesellschaftliche Problemlage Rechte Gewalt ist ohne Zweifel eine äußerst unbequeme gesellschaft liche Realität. Die Hoffnung, der gewalttätige Rechtsextremismus würde nach den spektakulären Anschlägen Anfang und Mitte der 90er Jahre wie ein Spuk verschwinden, hat sich nicht erfüllt: „Gegenwärtig gibt es die höchste Zahl rechtsextremer Gewalttaten nach dem zweiten Weltkrieg.“ (Wagner 2008, S. 15) Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer rechtsmotivierten Gewalttat zu werden, nicht für alle Einwohner der Bundesrepublik in gleicher Form eine reale Bedrohung darstellt, so markiert doch jedes einzelne Opfer dieser Gewalt eine fundamentale Antithese zu den allgemeinen Grundwerten des fried-
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lichen Zusammenlebens, wie sie nach dem Zusammenbruch des deutschen Faschismus als zivilisatorischer Standard gesamtgesellschaft lich vereinbart worden ist: Sie ist damit zugleich immer auch ein Verweis auf den historischen Kontext, der die Re-installation dieser Standards in Deutschland nach 1945 notwendig gemacht hat: „Die NS-Ideologie ist in ihren Wurzeln menschenfeindlich, weil sie statt Gleichberechtigung und Solidarität Rechtlosigkeit und Hass predigt. Sie ist gewiss nicht die einzige Ideologie dieser Art, aber sie ist unsere spezifisch deutsche, für die wir eine spezifisch deutsche Verantwortung tragen, insbesondere den rechts orientierten Jugendlichen gegenüber.“ (Hardtmann 2007, S. 79)
Jeder aktuelle Bezug auf diese Form der Ideologie könnte also gleichzeitig die Notwendigkeit einer speziellen Art des Umgangs damit deutlich machen, die deren historischen Ursprung in Rechnung stellt. Man könnte daher anschließen: Ein sich aus der Existenz Rechter Gewalt ergebene spezifisch deutscher Verantwortungsbereich sollte sich eben wegen der damit verbundenen historischen Kontextualisierung unbedingt auch auf die Gruppe der von dieser Ideologie betroffenen Opfer erstrecken, denn sie sind es, deren verfassungsrechtlich garantierte Unversehrtheit durch rechtsmotivierte Täter aktiv in Frage gestellt wird. Auf diesen Umstand wird zurück zu kommen sein. Fest steht: Das gewalttätige In-Frage-Stellen eines allgemeinen menschlichen Existenzrechts für bestimmte Menschengruppen berührt die Sphäre der aktuell gültigen sozialen Leitwerte in ganz fundamentaler Art und Weise. Rechte Gewalt kann somit als dringendes Problem von gesamtgesellschaft lichem Interesse bezeichnet werden und bleibt deshalb auch im neuen Jahrtausend eine aktuelle Herausforderung von zentralem Stellenwert.1 In einem Beitrag auf einer Fachtagung zu aktuellen Tendenzen des Rechtsradikalismus in Deutschland äußerte der ehemalige Chef des Hamburger Verfassungsschutzes dazu bereits im Jahre 2001 die pessimistische Einschätzung: „Der Rechtsextremismus wird uns langfristig beschäft igen. Gewalt gegen Fremde hat sich festgesetzt.“ (Uhrlau 2001)2 Dieser Pessimismus wird auch in jüngerer Zeit geteilt: „Die Berliner Republik hat 1 | Entsprechend sprechen Coester/Gossner vom Rechtsextremismus als einer „Herausforderung für das neue Millennium“ (vgl. Coester/Cossner 2002). Dass diese Herausforderung gesamtgesellschaft lich relevant ist, zeigt der Mordversuch am Passauer Polizeichef Mannichl am 13. Dezember 2008 durch einen Neonazi. 2 | Geäußert auf einer Fachtagung des DGB am 21. 06. 2001 in Hamburg. Wenn entsprechende Taten als Gewalt gegen Fremde bezeichnet werden, so bedeutet das eine spezifische inhaltliche Setzung im Sinne einer zuweisenden Charakterisierung dessen, worum es sich bei Rechter Gewalt nach Ansicht des Autors ursächlich handelt, nämlich um einen Fall von Fremdenfeindlichkeit. Dazu ist kritisch anzumerken, dass der Begriff Fremdenfeindlichkeit allgemein auf die Theorie einer anthropologischen Konstante negativer Einstellungen gegen zumeist unbekannte Menschen verweist, unter Umständen aber wenig aussagekräft ig ist im Hinblick auf die spezifischen Antriebe rechtsideologischer Täter, wenn diese ihre Gewalt z.B. nicht ziellos gegen alle möglichen Dimensionen von Fremdheit richten, sondern im Rahmen eines bestimmten politischen Konzeptes handeln.
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sich an den Rechtsextremismus gewöhnt, hat ihn als Alltag akzeptiert. Hakenkreuze, rechtsextreme Ideologie und selbst brutale Gewalt lösen häufig keine Reaktionen mehr aus.“ (Kraske/Werner 2008, S. 9)3 Zur politischen Brisanz dieses Problems hieß es bereits Jahre zuvor aus den Reihen der Wissenschaft: „Im Vergleich zu den Gewaltphänomenen im Konflikt zwischen der ‚Neuen Linken‘, den ‚neuen sozialen Bewegungen‘ und dem Staat erreicht die fremdenfeindliche Gewalt eine neue Dimension, in der sie bereits den Linksterrorismus der siebziger Jahre übertrifft.“ (Willems, et. al. 1993, S. 91) Es lässt sich also sagen: Der gewalttätige Rechtsextremismus ist ein dauerhafter Faktor in der bundesdeutschen Wirklichkeit geworden und stabilisiert sich seit Anfang des neuen Jahrtausends auf durchgehend hohem Niveau.4 Was aber kann unter diesem Phänomenbereich genau verstanden werden? Für eine möglichst wirklichkeitsnahe Charakterisierung des Problemfeldes der Rechten Gewalt soll sich zunächst auf deren statistische Realität bezogen werden, wie sie sich im Rückblick auf die letzten vier Jahre in den Erkenntnissen der Bundesbehörden BKA, LKA und der Landesämter für Verfassungsschutz niederschlägt, auch wenn sich diese traditionell nur auf das so genannte Hellfeld richten.5 Entsprechende Delikte werden unter der Rubrik „Politisch Motivierte Kriminaliät – Rechts“ gesondert ausgewiesen: 3 | Diese Arbeit begreift dagegen die Existenz Rechter Gewalt in Deutschland als dauerhaften Skandal der politischen Kultur und als permanente Provokation der Grundrechte, wie sie im Artikel 1 des Grundgesetzes zum Ausdruck kommen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu schützen ist Verpfl ichtung aller staatlichen Gewalt.“ (GG) Jeder rechtspolitisch motivierte Angriff auf Leib und Leben eines Opfers lässt sich damit als Angriff auf diese Grundrechte verstehen. Solche Handlungen eignen sich damit grundsätzlich nicht zur Entdramatisierung im Rahmen gesellschaft licher Diskurse. 4 | Möller weist für diesen Zusammenhang darauf hin, dass die rechten Gewalttaten sich im Langzeitvergleich seit den 80er Jahren um ein Vierfaches gesteigert haben. (vgl. Möller 2005, S. 465) 5 | Aus dem Umfeld von Opferberatungsstellen wird immer wieder betont, dass diese Zahlen nur die Spitze eines Eisbergs darstellen. Zu den Gründen dafür heißt es in einer Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung: „Die Zahlen lassen die Dimension der Bedrohung nur erahnen. Viele Opfer sind wegen der körperlichen Übergriffe nachhaltig verunsichert. [...] Manche Betroffene melden sich aus Scham, Opfer geworden zu sein, nicht bei der Polizei. Andere fürchten weitere Angriffe, wenn sie Anzeige erstatten. Oft unterbinden Eltern, dass ihre Kinder zur Polizei gehen, um eine weitere Gefährdung zu vermeiden. Auch verbergen sich hinter einigen Übergriffen, die von der Polizei formal richtig als ‚Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen‘ eingestuft werden, Zwischenfälle mit rechtsextremen Motivationen, die nicht sofort offensichtlich sind.“ (Demokratie stärken 2007, S. 31) Besonders der letzte Hinweis ist ein Indiz für die Annahme, dass die Wahrnehmung einer Person als Jugendlicher eine Inklusion politischer Hintergründe offensichtlich deutlich erschwert. Bei der Suche nach den Ursachen für die mangelnde Anzeigebereitschaft muss sicherlich auch in Rechnung gestellt werden, dass die Institution Polizei nicht bei allen Opfern Rechter Gewalt als vertrauenswürdige Anlaufstelle gilt. Besonders Menschen mit Migrationshintergrund und linke Jugendliche stehen aufgrund persönlicher negativer Erfahrungen dieser Behörde kritisch bis ängstlich gegenüber.
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„Es sind Gewalttaten, von denen man annimmt, dass sie nicht mit gewöhnlichen Bereicherungs-, Rache-,Macht-, oder Selbstinszenierungsmotiven im Zusammenhang stehen, sondern Ausdruck einer sozialen Bewegung sind, der es um die Veränderung der gesellschaftlichen und stattlichen Ordnung geht oder um gruppenbezogene Ablehnungen oder Feindschaften.“ (Kohlstruck/Krüger/Krüger 2009, S. 12)
Die Existenz solcher Delikte stellen seit den 90er Jahren ein kriminalpolitisches Kontinuum dar. Deshalb heißt es in einem aktuellen Sammelband zur Rechtsextremismusprävention: „Hieraus wird leider deutlich, dass es seit den 90er Jahren nicht gelungen ist, fremdenfeindliche und rechtsextreme Tendenzen in unserem Land zurück zu drängen.“ (Heiligenthal 2009, S. 7) Bei den Gewaltanwendungen dieser Gruppe handelt es sich überwiegend um das Delikt Körperverletzung. Das macht deutlich, dass es vor allem gezielte Angriffe gegen Leib und Leben der Betroffenen sind, die den Problembereich der Rechten Gewalt auszeichnen: „Innerhalb der rechten Gewaltdelikte dominieren seit Jahren mit Abstand die Körperverletzungsdelikte: Zwischen 2002 und 2008 betrug der Anteil der Körperverletzungsdelikte an den Gewaltdelikten durchschnittlich 85 Prozent.“ (Ziercke 2009, S. 3) Der Anteil dieser Delikte ist für den Zeitverlauf der Jahre 2006 bis 2008 in der unten stehenden Graphik visualisiert: Abbildung 1: Anteil der Körperverletzungen an der Gesamtmenge rechtsmotivierter Gewaltdelikte von 2006 bis 2008 1.047
1.042 919
980
893 845
2006
2007
Gesamt Körperverletzungen
Quelle: Bundesamt für Verfassungsschutz
2008
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Der Anteil der Körperverletzungen ist also zwischen den Jahren 2006-008 insgesamt sehr hoch gewesen und auch für 2009 heißt es „[...] auch im laufenden Jahr liegt hier der Schwerpunkt der Gewaltdelikte.“ (Ziercke 2009, S. 3) Der Bereich der „Gewalttaten“ ist wiederum ein Teilsegment des Tatbestandes der so genannten „Straftaten“, die das Gros der Delikte in diesem Bereich ausmachen. Für das Jahr 2005 wurden beispielsweise in Deutschland insgesamt 15.361 Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund erfasst, im so genannten Bereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ (vgl. Verfassungsschutzbericht 2005, S. 23). Dieser Bereich umfasste bei einer Gesamtmenge von 26.401 Fällen die politisch motivierten Straftaten mit einem Anteil von 58 Prozent6. Davon waren 958 Gewalttaten, was einem prozentualen Anteil von 6,3 Prozent entspricht. Insgesamt bedeutet das einen Anstieg dieser Taten um 23,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Rund 10.400 Personen werden für 2005 als gewaltbereite Rechtsextreme eingestuft.7 Auch im Jahr 2006 gab es für dieses Problemfeld keine Entwarnung, im Gegenteil: „Seit Einführung des Definitionssystems für politisch motivierte Kriminalität im Jahre 2001 ist für das Jahr 2006 in der Tat der bisher höchste Stand politisch rechts motivierter Straftaten zu verzeichnen“ heißt es aus dem Bundesinnenministerium.8 Im Bereich der Gewalttaten war dabei gegenüber dem Jahre 2005 ein Zuwachs von 8 Prozent zu verzeichnen, 1.047 Fälle wurden registriert. Rechte Gewalt ist damit auch im neuen Jahrtausend als gesellschaft liche Realität eine kontinuierlich steigende Bedrohung für die von ihr betroffenen Personengruppen. Nach Angaben von Opferberatungsstellen fielen den Angriffen rechtspolitischer Täter seit der Wiedervereinigung insgesamt 149 Menschenleben zum Opfer.9 In der Forschung ist man daher ebenfalls pessimistisch: „Wir gehen [...] davon aus, dass fremdenfeindliche und rechtsextreme Gewalt ein Phänomen darstellt, das unsere Gesellschaft noch lange begleiten wird.“ (Gamper/Willems 2006, S. 457) Im Jahr 2007 war dann allerdings ein leichter Rückgang der Gewaltdelikte zu verzeichnen, mit 980 Fällen bedeutete dies eine Reduzierung um 6,5 Prozent. Gleichwohl betonte das Landesamt für Verfassungsschutz: „Trotz des im Jahr 2007 zu verzeichnenden Rückgangs verblieb die Zahl rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten [...] auf hohem Niveau.“ (Verfassungsschutzbericht 2007, S. 47) 6 | Im Vergleich dazu entfielen auf den Bereich „Politische Kriminalität – links“ 4.898 Straftaten, was einem Anteil von lediglich 18 Prozent entspricht. 7 | Zahlen nach: „Zahlen und Fakten zum Rechtsextremismus in Deutschland“ (Zafarex 2006), www.verfassungsschutz.de. Hierzu zählen auch Personen, die sich für die Anwendung von Gewalt aussprechen. 8 | Nach: Spiegel online 2007 9 | Zahlen nach: Presseerklärung des Vereins „Cura“ vom 16.12.2009. Diese Zahlen basieren auf Zeitungsrecherchen und den Zählungen von diversen Opferinitiativen und weichen von der offi ziellen Zählung des Bundeskriminalamtes, die nur ca. 47 Opfer erfasst (vgl. Ziercke 2009, S. 3), erheblich ab. Diese Differenz kritisiert die Gruppe „Opferperspektive e.V.“ als interessensgeleitete Entdramatisierung: „Dadurch wird die tödliche Dimension von Rechtsextremismus und Rassismus weiter verharmlost.“ (In: Taz vom 13./14.12.2008)
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Seit 2008 nimmt die Problematik nun wieder leicht zu: Mit insgesamt 1.024 Delikten stieg Rechte Gewalt im Jahre 2008 um 6,3 Prozent und erreichte damit fast wieder das Niveau des Jahres 2006 (vgl. Verfassungsschutzbericht 2008, S. 27): „Das bedeutet im Schnitt zwei bis drei rechte Gewalttaten pro Tag.“ (Ziercke 2009, S. 3) Rechte Gewalt ist also schwankend, zeigt sich im neuen Jahrtausend aber als relativ konstante Größe. Ihre genaue Entwicklung seit dem Jahr 2001 ist in folgender Graphik dargestellt: Abbildung 2: Rechte Gewalt von 2001 bis 2008 1500 1.115 980 1000
1.034 940
845
832
2002
2003
2004
1.042 980
500
2001
2005
2006
2007
2008
Quelle: BKA Diese Übersicht bezieht sich auf die Fallzahlen nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes (BKA) seit Einführung des einheitliches Erfassungssystems „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ (PMK-rechts)10. Der Mittelwert (gepunktete Linie) liegt bei 971 Fällen pro Jahr. Zum Vergleich: Der Mittelwert der Jahre 1990-2000 betrug 1.183 Fälle pro Jahr. Dieser deutlich höhere Wert kommt vor allem durch den starken Anstieg der Fallzahlen innerhalb der Jahre 1991 bis 1994 zustande. Vor 1990 lag der Mittelwert bei ca. 250 Taten pro Jahr. Die obige Darstellung belegt die deutliche Kontinuität rechtsideologisch motivierter Delikte. Dabei ist dieser Problembereich an sich keineswegs ein neues Element innerhalb der politischen Kultur Deutschlands. Im Gegenteil, es lässt sich die Phänomenologie Rechter Gewalt bis auf die Zeit vor und während der Weimarer Republik datieren.11 So 10 | Ab dem Jahr 2001 ist bundesweit eine neue Erfassungsmethodik zur Zuordnung von Delikten aus diesem Bereich eingeführt worden, weshalb die Zahlen ab 2001 nicht direkt mit denen der 90er Jahre zu vergleichen sind. 11 | Dazu schreibt Christoph Butterwege: „Gewalt von rechts ist dabei kein neues Phänomen, sondern bereits aus der Frühzeit der Weimarer Republik bekannt, wo der Terror hauptsächlich den politischen Erzfeinden des Faschismus galt: Sozialisten und Kommunisten. Es waren schon damals jüngere Täter, die zunehmend Militanz ausübten
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wurden allein im Zeitraum zwischen Januar 1919 und Juni 1922 insgesamt bereits 354 politische Morde von rechtsmotivierten Tätern registriert.12 Selbst nach dem Aufstieg und der Niederlage des nationalsozialistischen Regimes begleitete der militante Rechtsextremismus die Geschichte des demokratischen Neubeginns als dauerhafter Faktor, so dass sich keineswegs davon sprechen lässt, hier habe man es gesellschaft lich mit einem völlig unbekannten Themenbereich zu tun, im Gegenteil: „Das rechtsextreme Gewaltpotential war von Beginn an in der Bundesrepublik in so starkem Maße vorhanden, dass man sich eher die Frage stellen müsste, warum der Rechtsextremismus in Deutschland zeitweise nicht sichtbar war.“ (Bielicki 1993, S. 27, Herv. i.O.)13 Spätestens seit 1961 erfasst das BKA systematisch Taten mit rechtsideologischen Hintergrund, und auch in den Jahren bis zum Mauerfall gab es immer wieder Anschläge und Opfer zu beklagen: So gingen zwischen 1980 und 1989 immerhin 36 Tote auf das Konto rechtspolitischer Täter.14 Neu war allerdings die drastische Zunahme dieser Delikte im Zuge der deutschen Wiedervereinigung. Zahl und Opfer der Anschläge stiegen vor allem im Zeitraum 1990 bis 1993 rasant an und bildeten quantitativ und qualitativ eine politische und später in der SA den Straßenkampf führten.“ (Butterwege 2002, S. 76) Der hier getätigte Verweis auf die Jugendlichkeit der Täter soll wahrscheinlich suggerieren, dass das Alter eine zentrale Kategorie zum Verständnis der ausgeübten Militanz sein könnte. Dazu müsste allerdings bewiesen werden, dass es auch später, etwa bei der Durchführung des Holocaust, vor allem Angehörige jüngerer Alterskohorten gewesen seien, welche die radikale Ausrottungsideologie der Nazis umgesetzt haben. Historische Forschungen gehen allerdings eher von einem normalen Altersdurchschnitt der Beteiligten aus. So heißt es in der Analyse einer NS-Tätergruppe aus Hamburg bei Browning: „Goldhagen und ich sind uns darin einig, dass die Männer des Reserve-Bataillons 101 repräsentativ für ‚ganz gewöhnliche Deutsche‘ waren, und dass aufs Geratewohl aus allen Schichten und Berufen eingezogene ‚ganz gewöhnliche Deutsche‘ zu ‚willigen Vollstreckern‘ wurden.“ (Browning 1999, S. 290) Aus historischer Perspektive bietet das Alter somit keinerlei Erklärungskraft im Hinblick auf die Ausübung extremistischer Gewalt: „Das grundlegende Problem besteht vielmehr darin, zu erklären, warum ganz normale Männer [...] unter spezifischen Bedingungen bereitwillig den extremsten Völkermord der Menschheitsgeschichte ausführten.“ (Browning 1999, S. 291) Da der Wille des Täters eine grundlegende Bedingung für die Ausübung von Gewalt darstellt, ist es zentral dieser Wille, der als Indikator für die Existenz eines Weltbildes zu untersuchen wäre, welches entsprechende Taten als normal ausgibt. 12 | Zahlen nach: Bielicki 1993, S. 23 ff. 13 | Vgl. hierzu auch die umfangreichen Recherchen von Jaschke/Rätsch und Winterberg 2001. 14 | Zahlen nach: Bernd Siegler 1994, S. 59. Dabei klingen auch Erkenntnisse der damaligen Forschung aus heutiger Sicht überraschend aktuell. So schreiben Jaschke/Hennig im Jahre 1982 im Hinblick auf den rechten Extremismus: „Die Ende der siebziger Jahre einsetzende Diskussion trägt dagegen aktuellen Entwicklungen Rechnung: Jugendlichkeit, Militanz, Terrorismus und programmatische Veränderungen ließen und lassen einen neuen Typ rechtsextremer Aktivität sichtbar werden, die zugleich von einer neuen Generation getragen wird.“ (Jaschke/Hennig, In: Redaktion Reiner Steinweg 1983, S. 156)
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Größe neuen Typs, so dass sich von einer „[...] Gewalteskalation seit Ende der 80er Jahre.“ (Glaß 2000, S. 107) sprechen lässt. Allein im Jahr 1991 konnte eine fast fünffache Erhöhung des Gewaltniveaus festgestellt werden, eine Entwicklung, die sich in den folgenden Jahren fortsetzen sollte.15 Dabei stellen die politischen Rahmenbedingungen dieser Zeit sicherlich eine wichtige analytische Bezugsgröße dar, denn der Gewalt voran gegangen war, neben der deutschen Wiedervereinigung, auch der Einzug rechter Parteien in verschiedene Landesparlamente. Diese Zusammenhänge sollen hier nur kurz skizziert werden: Die Berliner Wahl im Januar 1989 führte zu einem, in dieser Form von niemandem erwarteten Ergebnis: Die rechtsextremen Republikaner erhielten 7,5 Prozent der Stimmen und zogen mit elf Mandaten in das Berliner Abgeordnetenhaus ein. Bei der ebenfalls 1989 stattfindenden Europawahl erhielten die Republikaner zwei Millionen Stimmen und somit sechs Mandate im Europaparlament. Interne Auseinandersetzungen in der Organisation bremsten diesen Trend nur kurz.16 Bei der bayerischen Landtagswahl 1990 scheiterten sie nur knapp an der 5 Prozent-Hürde und die DVU erobert 1991 in Bremen und 1992 in Schleswig-Holstein je sechs Mandate. 1992 übertrafen die Republikaner bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg das historisch beste Ergebnis der NPD (1968: 9,8 Prozent) und erreichten mit 10,9 Prozent 15 Landtagssitze. Weit entfernt von einem ausgearbeiteten politischen Programm thematisierten Parteien wie Republikaner und DVU vor allem ein Thema: Die Asylantenflut, die Welle von Scheinasylanten, die über das Land hereinbreche. Bemerkenswert war schon die Wortwahl: Eine Flut, bzw. eine Welle war es, die Deutschland zu überrollen drohte. Das Deutsche, so stand zu vermuten, würde verschwinden. Die Flutwelle, eine mythische Naturkatastrophe, verlangte den Einsatz aller, so schien es, um Deiche aufzubauen, der Bedrohung Herr werden zu können. Bis weit in die politische Mitte hinein wurde in der Folge die so genannte Asyldiskussion unter 15 | Zahlen nach: Ruud Koopmanns 2000, S. 11 ff. Koopmanns versucht, die Rechte Gewalt als ursächlich fremdenfeindlich motiviert zu interpretieren. Das Hauptargument dafür bildet der hohe Anteil von Gewalttaten gegen Asylbewerber und Ausländer Anfang der 90er Jahre (1991 bis 1995 zusammen 55,8 Prozent, vgl.: MERCI-Projekt), was Koopmanns zu der These verleitet, bei dieser Gewalt könne man es grundsätzlich „[...] eigentlich mit zwei Phänomenen, die eine jeweils eigene Entwicklungsdynamik besitzen, zu tun haben.“ (Koopmanns 2000, S. 16). Der Phänomenbereich der Fremdenfeindlichkeit wird dabei inhaltlich vom Begriff des klassischen Rechtsextremismus abgespalten, was analytische Trennschärfe suggerieren soll. Allerdings bildet die Konstruktion und die Ablehnung von Fremdgruppen seit jeher ein integrales Element in rechtsextremen Diskursen. Das bedeutet: Auch wer als Fremdenfeind mit Gewalt nur gegen Asylanten vorgeht, steht mit Sicherheit nicht auf dem Boden des Grundgesetzes, sondern könnte vor allem durch das Ziel seiner Gewalt ein originales Produkt rechtspolitischer Agitation realisieren, gemäß dem Slogan „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“. (Vgl. dazu auch die Kritik der entsprechenden Argumentation im Erklärungsansatz von H. Willems in Abschnitt 2.2) 16 | Mit der Abspaltung der Deutschen Liga (DL) fanden diese Auseinandersetzungen innerhalb der Republikaner ein vorläufiges Ende.
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dieser rechtsideologischen Prämisse verhandelt. Es war der Beginn jener parlamentarischen Entwicklung, die mit der Änderung des Artikels 16 des Grundgesetzes, der bis dahin das Recht auf Asyl gesetzlich geregelt hatte, am 28. Juni 1993 ihren vorläufigen Höhepunkt fand. Parallel zu diesen Ereignissen auf der parlamentarischen Ebene fand die bereits angesprochene Gewalteskalation statt: Während in den Jahren von 1987-1990 in der Bundesrepublik ca. 250 fremdenfeindliche Straftaten jährlich gemeldet wurden, stieg diese Zahl im Jahr 1991 im wiedervereinigten Deutschland auf 2427 an. Das bedeutete eine Verzehnfachung der Durchschnittswerte der voran gegangenen Jahre.17 In einer zentralen Studie zum Verlauf dieser Entwicklung heißt es dazu treffend: „Das Jahr 1991 stellt also eine deutliche Zäsur in der Entwicklung fremdenfeindlicher Straf- und Gewalttaten dar [...].“ (Willems et. al. 1994, S. 14). Die Jahre 1992 (6336 gemeldete Strafund Gewalttaten) sowie 1993 (6721) brachten dann eine abermalige Steigerung mit sich. Im Gegensatz zu den Jahren 1987-1990 lässt sich bis dahin also eine dramatische Vervielfachung der Delikte errechnen. Es sind vor allem diese enormen Steigerungen gewesen, welche das Problem der Rechten Gewalt bis heute auf die Agenda politischer Handlungserwartung und wissenschaft lichen Klärungsbedarfs gesetzt haben. Sie sind in der nachfolgenden Graphik deutlich zu erkennen: Abbildung 3: Rechte Gewalt von 1987 bis 2000
Quelle: BKA. (Fallzahlen vor der Einführung eines einheitlichen Erfassungssystems, seit 1991 mit neuen Bundesländern) 17 | Dieser Vergleich kann nur unter Vorbehalten aufgestellt werden, da in den Jahren vor 1991 eine flächendeckende und systematische Erfassung fremdenfeindlicher Straf- und Gewalttaten nicht existierte. Zu den angeführten Zahlen vgl.: Willems u.a. 1994, S. 13, auch: Königsreder 1995.
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Den Terminus Rechte Gewalt für diese Realität zu verwenden, darüber besteht innerhalb der Wissenschaft allerdings keine Einigkeit. Nur vereinzelt taucht dieser Begriff seit Beginn der 90er Jahre im Kontext der Ursachenforschung auf,18 oft mals findet er sich ausdrücklich in Anführungsstriche gesetzt (vgl. z.B. Schroeder 2003, S. 85). Nicht zuletzt im Hinblick auf die von der Gesellschaft präventiv zu ergreifenden Maßnahmen zur Bekämpfung eines Problems scheint es jedoch höchst bedeutsam zu sein, sich darüber zu verständigen, worum es sich dabei genau handelt, setzt man voraus, dass jede Form der Diagnose eine mögliche Therapie in besonderem Maße beeinflusst, denn „[...] die Art und Weise, wie man das zu lösende Problem definiert, bestimmt die Richtung mit, in der nach Lösungen zu suchen wäre.“ (Kalpaka 1994, S. 10) Prävention und Ursache scheinen somit kausallogisch in einem direkten Verhältnis zueinander zu stehen, denn man kann nur dann etwas wirklich sinnvoll verhindern, wenn man auch weiß, worum es sich dabei handelt. Kein verantwortungsvoller Arzt würde ein ernstes Leiden mit einer einfachen Schmerztablette behandeln wollen. Deshalb ist es unabdingbar, dem Vorgang der Diagnose als Vorbedingung zur Prävention besondere Aufmerksamkeit zu schenken, so wie es Sebastian Fischer fordert: „Eine differenzierte Analyse des Rechtsextremismus ist ein notwendiger Schritt, um eine verantwortliche Praxis gegen Rechtsextremismus zu entwickeln.“ (Fischer 2006, S. 1) Auch in einem Arbeitsbuch zur Prävention heißt es dazu: „Das zugrunde liegende Problemverständnis entspricht somit im Umgang mit Rechtsextremismus einer Weichenstellung für die inhaltliche Ausrichtung der Praxis, da die theoretische Perspektive die Ansatzpunkte für die Auseinandersetzung bestimmt.“ (Elverich 2008, S. 15) Übertragen bedeutet das: Die Anwendung abweichender Merkmalsbestimmungen bei der Analyse Rechter Gewalt haben mit großer Wahrscheinlichkeit auch unterschiedlich effektive Strategien ihrer Eindämmung zur Folge. Mit Recht betonte die heutige Bundeskanzlerin und ehemalige Ministerin für Jugend und Soziales deshalb Anfang der 90er Jahre ausdrücklich: „Wenn es um Gewalt, Rechtsextremismus und Jugend geht, dann braucht die Politik die wissenschaft liche Diagnose, um angemessen reagieren und Lösungsmöglichkeiten entwickeln zu können.“ (Merkel 1993, S. 406) Die mit dieser Forderung zusammenhängende gesellschaftspolitische Virulenz lässt sich besonders gut durch die Skizze einer Untersuchung des Instituts für interdisziplinäre Konfl ikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld illustrieren (Strobl/Würtz/Klemm 2003). Während des Untersuchungszeitraums von zwei Jahren (2000 bis 2002) wurden die Strategien zweier deutscher Kleinstädte in Bezug auf das Problemfeld Rechtsextremismus miteinander verglichen. Anhand kontrastierender Fallbeispiele wurde dort heraus gearbeitet, welche zentrale Rolle die Problemdefi nition für den Bereich 18 | So z.B. bei Grimm/Ronneberger 1994, S. 111 oder auch die Publikation „Rechte Gewalt“ von Bündnis 90/Die Grünen aus dem Jahre 1993. Ein Sammelband von 1982 trägt immerhin den durchaus verwandten Begriff „Gewalt von rechts“ im Titel. (Bundesministerium des Inneren 1982) Dort hieß es schon damals zum Ausmaß Rechter Gewalt: „Die Militanz und Unberechenbarkeit rechtsextremer Ausschreitungen und Gewalttätigkeiten hat in den letzten Jahren zugenommen.“ (ebd., Vorwort)
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der Rechten Gewalt spielen kann. Es wurde dabei deutlich, dass sich der verschiedene Umgang mit diesem Thema vor allem in der Art und Weise der getroffenen Ausgangsdiagnose gezeigt hat, welche in der Folge zu divergierenden Maßnahmen führte. Die Autoren beschreiben diesen Zusammenhang mit den Worten: „So vermag eine bestimmte Problemdefinition ein vorhandenes Engagementpotenzial etwa für die Stärkung einer demokratischen Stadtkultur als Ressource für Problemlösungsstrategien in den Vordergrund rücken, während eine andere Rahmung des Rechtsextremismus-Problems dieses möglicherweise gerade verdeckt.“ (Klemm/Strobl/Würtz 2006, S. 117). Der Prozess der so genannten „Rahmung“ wird dabei von den Autoren als bedeutende Voraussetzung demokratischer Präventionsarbeit angesehen, da es dort schwerpunktmäßig um die Bestimmung von inhaltlichen Kriterien geht.19 Wie sahen nun die unterschiedlichen Schwerpunkte einer inhaltlichen Thematisierung von Rechter Gewalt in den beiden Städten konkret aus? Im thüringischen Ort Steinfee wurde das Problem von den politisch Verantwortlichen und der öffentlichen Meinung vorwiegend als „unpolitische Jugendgewalt“ interpretiert (vgl. Klemm/Strobl/Würtz 2006, S. 129), was durch die primäre Orientierung auf die soziologische Variable Alter als Leitkategorie zur Wahrnehmung des Problems möglich wurde. Die Autoren der Untersuchung bestätigen einer solchen Herangehensweise grundsätzlich die Tendenz zur „Entpolitisierung“ des gemeinten Phänomens, da hier der Fokus auf den allgemeinen Begriff der Gewalt eine Differenzierung im Hinblick auf die rechtsideologische Wertorientierung verstelle. Rechtsextremismus werde dadurch als „Jugenddelinquenz“ wahrgenommen, bzw. als „Gerangel unter Jugendlichen“ (Klemm/Strobl/Würtz 2006, S. 120) bezeichnet und entsprechend behandelt. Im brandenburgischen Königsforst hingegen wurde das Problem des gewalttätigen Rechtsextremismus als zentrale Herausforderung eines demokratischen Gemeinwesens begriffen – und dadurch mit politischen Kategorien analysiert. Rechte Gewalt wurde als „Verletzung der Menschenwürde“ verstanden. Im Ergebnis wurde in Königsforst erfolgreich eine lokale Gegenkultur im Rahmen einer breiten Bündnisarbeit entwickelt, während durch die jugendtheoretische Diagnose in Steinfee der Blick auf eine Aktivierung demokratischer Selbstbehauptung verstellt blieb durch die „[...] Rahmung von Rechtsextremismus als allgemeines Gewaltproblem, wodurch die politische Qualität rechtsextremen Handelns verloren geht.“ (Klemm/Strobl/Würtz 2006, S. 122). Dabei ist die Existenz einer politischen Kultur für die Autoren entscheidend für die Qualität der unterschiedlichen Deutungsprozesse: „Die politische Kultur ist ein zentraler Kontextfaktor für den Verlauf des Rahmungsprozesses. Die vorherrschende politische Kultur hat entscheidende Bedeutung dafür, in wie weit sich 19 | Der Begriff der Rahmung stammt aus dem interaktionstheoretischen Konzept von Erwin Goff man (vgl. Goff man 1980) und zielt auf den Vorgang der Deutung von sozialen Ereignissen. Durch einen Rahmen wird eine bestimmte Bedeutung gegen die Möglichkeiten anderer Sichtweisen festgelegt. Dabei erfolgt diese Festlegung in einem Kommunikationsprozess der Selektion, der Verdichtung und der Stärkung bzw. Schwächung inhaltlicher Positionen (vgl. Goff man 1980, S. 9ff ). Eine Rahmung ist also kein statischer Akt, sondern das Ergebnis einer gesellschaft lichen und/oder fachlichen Diskussion.
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eine politische oder unpolitische Rahmung des Rechtsextremismus durchsetzt.“ (Klemm/Strobl/Würtz 2006, S. 139) Diesem Fazit könnte auch im Kontext eines pädagogischen Selbstverständnisses ein wesentlicher Arbeitsauft rag entnommen werden: Insbesondere die Sozialarbeit könnte es als Aufgabe begreifen, sich an gesellschaft lichen Rahmungsprozessen sozialer Probleme aktiv zu beteiligen, um nicht zu einem bloßen Dienstleistungsunternehmen zu verkommen, das ausschließlich auf die inhaltlichen Vorgaben hegemonialer Diskurse zu reagieren vermag. Auch für die politische Bildungsarbeit wäre es relevant, sich mit diesem Aspekt auseinander zu setzen, indem solche Prozesse stärker als bisher in den Fokus genommen werden. Dafür jedoch wäre eine Entwicklung von inhaltlichen Kriterien unerlässlich, mit denen sich seitens der jeweiligen Bildungsträger eine Position erarbeiten und begründen ließe, aus der heraus eine solche Intervention im Hinblick auf den Prozess der „Rahmung“ vorgenommen werden könnte. Die Art und Weise der Defi nition, d.h. worum es sich bei der Rechten Gewalt ursächlich handelt, besitzt damit nicht nur für die Pädagogik eine erhebliche analytische Bedeutung, weil sich in der gewählten Terminologie der dabei zu Grunde gelegte theoretische Bezugsrahmen offenbart. Akzeptanz oder Ablehnung dieses Rahmens entscheidet in der Folge über die fachliche Wahrnehmung eines Problems und seiner Behandlung. Nicht umsonst formulierte die damalige Ministerin für Jugend, Bildung und Familie Anfang der 90er Jahre: „Haben wir es mit kindlichen, wenngleich gefährlichen Wirrköpfen zu tun oder mit politisch hartgesottenen NeoNazis?“ (Merkel 1993, S. 406) Mit anderen Worten: Ist der gewalttätige Rechtsextremismus eine ernst zu nehmende Form des politischen Handelns oder aber ein „Fehltritt“ im Kontext eines problematischen Adoleszensverlaufes? Die Entscheidung über diese Frage prägt den Blick auf das Problem in ganz entscheidender Weise, was sich an folgendem Beispiel zeigen lässt: So behauptet der Soziologe Ulrich Oevermann, bei den Protagonisten Rechter Gewalt würde es sich vor allem um provozierende „Adoleszente“ handeln. Er begründet diese Position mit den Worten: „Es gibt nun ein durchgängiges Phänomen, dass stark für die ‚Provokationsthese‘ spricht: Immer wieder ist davon berichtet worden, dass rechtsextreme Jugendliche auch Behinderte, Alte und Obdachlose brutal angegriffen und verletzt haben. Im Rahmen einer genuin politischen Motivation oder Programmatik macht das keinen Sinn, es sei denn, man griffe zu der ganz und gar unplausiblen Konstruktion, diesen Jugendlichen eine dem nationalsozialistischen Euthanasie-Terror vergleichbare Verfolgung ‚unwerten Lebens‘ zu unterstellen.“ (Oevermann 1994, S. 103)
Warum diese „Unterstellung“ im Problembereich der Rechten Gewalt unplausibel sein sollte, wird leider vom Autor nicht weiter ausgeführt. Dennoch könnten beide Phänomene durchaus etwas miteinander zu tun haben. Natürlich handelt es sich im Falle Rechter Gewalt nicht in vollem Umfang um „Euthanasie“, denn mit diesem Begriff wird in erster Linie ein staatliches NS-Tötungsprogramm bezeichnet und keine individuelle Einstellung. Allerdings sind es ideologische Wertbezüge gewesen, welche dieses Programm gesellschaft lich möglich gemacht haben und insofern
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bieten individuelle Wertbezüge sehr wohl eine Möglichkeit, historische Kontextualisierungen vorzunehmen. Indem die Täter aber als „Adoleszente“ etikettiert werden, ist damit offenbar bereits entschieden, dass sich deren Form der Gewaltanwendung ausschließlich durch ihre Jugendlichkeit erklären lässt und deshalb andere, politische oder eben auch historische Bezüge, einfach unplausibel sind. Diese Einschätzung könnte unter Umständen zu kurz greifen, denn ein positive Bezug auf die NS-Praxis der Euthanasie könnte durchaus innerhalb der Ideologie rechtsmotivierter Täter eine Rolle spielen, wenn auch eine, welche sich nicht direkt auf die historische Praxis von NS-Institutionen beziehen lässt. So heißt es bei einer Analyse der Opfergruppen Rechter Gewalt explizit: „Auch ‚genotypisch Behinderte‘ finde als ‚unwertes Leben‘ keine Gnade.“ (Wagner 2002, S. 114) Behinderte Menschen wären damit nicht trotz, sondern wegen dieser Eigenschaft eine Feindgruppe im Sinne der rechtsextremen Ideologie, gegen die aus Sicht der Rechtsextremen damit „zu Recht“ vorzugehen wäre. Ein solcher Bezug aber scheint für Oevermann eine wesentliche Unterscheidung zu sein, denn anstatt aus den Berichten über Angriffe gegen Behinderte zu folgern, dass diese Menschengruppe offensichtlich zu den erklärten Feinden dieser Ideologie gehört, wird der Umstand als „unplausibel“ dem Bereich jugendtypischer „Provokation“ untergeordnet. Dieses Beispiel macht also deutlich: „Die Wahl der Begriffe, mit denen man operiert, und die Begrenzung ihres Umfangs determinieren in gewisser Weise die Problematik und beeinflussen [...] den Gedankengang.“ (Ossowski 1962, S. 205) Das könnte für den Zusammenhang von Theorie und Praxis bedeuten: Wovon gesprochen wird und auch wovon nicht die Rede ist beim Thema Rechte Gewalt, dem sollte eine besondere analytische Aufmerksamkeit zuteil werden, denn wissenschaft liche Aussagen über soziale Phänomene wirken wie ein selektiver Filter, durch welchen die Art und Weise der gesellschaft lichen Präventionsarbeit inhaltlich vorstrukturiert wird.20 Damit offenbart sich in der Beschaffenheit forschungsrelevanter Terminologie immer auch eine spezifische Konstruktion gesellschaft licher Realität, die in ihrer Ordnungsfunktion grundsätzlich problematisch bewertet werden muss: „Wissenschaft macht sich nicht nur Kategorien zu eigen, die aus Selbstbeschreibungen gesellschaft licher Instanzen kommen, sondern sie versorgt die Gesellschaft auch mit neuen Beschreibungskategorien.“ (Radtke 1993, S. 263)21 Zu fragen wäre also im Anschluss an diese Über20 | Dazu ist auch die Feststellung von so genannten Tatsachen zu zählen, die als solche immer nur „im Lichte einer Theorie“ (Popper 1984) vorkommen. Nach diesem Verständnis „[...] gibt es keine Tatsachenfeststellung ohne bereits in sie eingegangene – bewusste oder unbewusste – Deutungen, insofern Tatsachen nicht nur auf Grund ‚klinisch reiner‘ empirischer Befunde defi niert werden, sondern ebenso sehr gezeichnet sind von lebensweltlichen Prägungen, kulturellen Orientierungen, politischen Überzeugungen, erkenntnisleitenden Interessen und den Wertpräferenzen derer, die sie konstatieren.“ (Knigge/Fries 2005, S. 450) 21 | Aufgrund der generellen Relativität wissenschaft lichen Wissens steht dieses für Radtke generell in Verdacht, als Ideologie zu fungieren: „Man muss sich mit der Tatsache abfinden, dass Wissenschaft wie andere geistige Hervorbringungen auch als ‚Ideologie‘ zu behandeln ist. [...] Gegenstand der soziologischen Analyse wären damit
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legungen: Sind die Erklärungen, mit denen die Wissenschaft dem Phänomen der Rechten Gewalt begegnet, in der Lage, problemadäquat zu beantworten, womit man es zu tun hat? Wie in diesem Abschnitt gezeigt werden konnte, ist die Beantwortung dieser Frage von entscheidender Bedeutung im Hinblick auf die Entwicklung von gesellschaft lichen und besonders auch pädagogischen Gegenstrategien. Wie wird diese Frage innerhalb der Diskussion über die Ursachen Rechter Gewalt beantwortet? Im nächsten Abschnitt soll dafür nach Antworten gesucht werden.
1.2 Rechte Gewalt und „Jugend“ im Kontext der Forschung Im Rückblick auf den letzten Abschnitt lässt sich sagen: Die Begriffe, die zur Benennung eines Problems verwendet werden, entscheiden maßgeblich über die Wahrnehmung desselben und beeinflussen die Suche nach Lösungen. Das gilt besonders für den Terminus der Rechten Gewalt. Dabei zeigt sich: Die Bezeichnung der Probleme im Bereich der „Politischen Kriminalität – rechts“ mit dem Begriff Rechte Gewalt kann nicht ohne Einschränkung als Konsens der Ursachenforschung vorausgesetzt werden. In einer Analyse von Willems und Gamper wird Rechte Gewalt zwar als Fachterminus verwendet (vgl. Willems/Gamper 2006, S. 439-461), ein sich direkt anschließender Kommentar im selben Band möchte diesen Begriff aber ausdrücklich nicht übernehmen, sondern statt dessen lieber von „rechtsextrem motivierter Gewalt“ sprechen (vgl. Möller 2006, S. 462). Eine Ausnahme bilden hier die Studien zu Rechter Gewalt im Auft rag des Berliner Innenministeriums (Berlin 2005 und 2007). Seit Jahren gebräuchlich ist der Begriff dagegen im Zusammenhang mit Präventionsprogrammen (vgl. „Gesicht zeigen“ 2001, S. 8) wie auch in der Praxis von Opferberatungsstellen (vgl. etwa die Internet-Initiative „Mut gegen rechte Gewalt“), anderen zivilgesellschaft lichen Initiativen (vgl. dazu Sanders/Jentsch 2006) sowie in Handreichungen für die fachliche Praxis. (vgl. Molthagen/Klärner/Krogel/ Pauli/Ziegenhagen 2008; BFG 2009) Dennoch muss gesagt werden: „Eine einheitliche Definition der Merkmale, die eine rechte Einstellung kennzeichnen, gibt es jedoch nicht.“ (Krüger 2008) So wird unter dem Label „Rechts“ zumeist eine nicht näher bestimmte Zuordnung der Phänomene „Verfassungsfeindlichkeit“, „Ausländerfeindlichkeit“, „Leugnung des Holocaust“, „Nationalismus“, „Antisemitismus“ und „Rassismus“ vorgenommen. Eine Handlung als „Rechts“ zu charakterisieren die Beschreibungen, die in der Gesellschaft zur Konstruktion z.B. von Fremden benutzt werden.“ (Radtke 1993, S. 261) Da sich allerdings Befürworter und Kritiker von Ideologien seit der Einführung dieses Begriffes jeweils gegenseitig verdächtigten, Ideologie zu betreiben, existiert keine allgemein anerkannte Instanz, die den Begriff (abgesehen von methodischen Überlegungen) inhaltlich zweifelsfrei bestimmen könnte (vgl. dazu besonders: Eagelton 2004, auch: Mills 2007). Der Begriff der „Konstruktion“ ist dagegen neutraler und scheint deshalb für die Analyse von gesellschaft lich und wissenschaft lich generierten Kategorien insgesamt angemessener zu sein. Auf ihn wird sich deshalb an dieser Stelle positiv bezogen.
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würde also bedeuten, dass diese durch ein oder mehrere Elemente dieser thematischen Bereiche wesentlich bedingt wäre. Umstritten ist der Ausdruck Rechte Gewalt aber vor allem aufgrund seiner Eigenschaft, als Oberbegriff diese einzelnen, eventuell inhaltlich divergenten Problembereiche künstlich zu vereinigen und damit einer mangelnden Differenzierungsfähigkeit Vorschub zu leisten. Eine politische Ortsbezeichnung Rechts, deren Geltungsbereich nicht eindeutig festgelegt ist, wäre daher als diff us zu bezeichnen.22 Das muss jedoch nicht unbedingt ein Mangel sein, sondern dürfte auch die Möglichkeit bieten, untereinander verwandte Phänomene klassifikatorisch vereinfacht zusammenfassen zu können. So definiert z.B. Hans-Joachim Jaschke den Komplex „Rechtsextremismus“ in ähnlich umfassender Absicht als „[...] Gesamtheit von Einstellungen, Verhaltensweisen und Aktionen, organisiert oder nicht, die von der rassisch oder ethnisch bedingten Ungleichheit der Menschen ausgehen, nach ethnischer Homogenität von Völkern verlangen und das Gleichheitsgebot der Menschenrechts-Deklaration ablehnen, die den Vorrang der Gemeinschaft vor dem Individuum betonen, von der Unterordnung des Bürgers unter die Staatsräson ausgehen und die den Wertpluralismus einer liberalen Demokratie ablehnen und Demokratisierung rückgängig machen wollen.“ (Jaschke 2001, S. 30)
Im Anschluss an solch eine offene Definition wird in einer Jugend-Studie zum Thema der Begriff „Rechts“ wie folgt zu operationalisieren versucht: „Der breit gefasste Sammelbegriff ‚rechts‘ meint hier definitorisch solche ‚fl ießenden‘ ideologischen Äußerungsformen, Entwicklungen und Bestrebungen, die in einem ‚harten‘ und einem ‚weichen‘ Bereich jugendlicher Mentalitäten und Verhaltensweisen (offene oder latente, vereinzelt oder kontinuierlich, organisiert oder unorganisiert) Hinweise geben, dass Prinzipien des demokratischen Verfassungsstaates und der Grundrechte (Idee der Menschenrechte) in Frage gestellt, gefährdet oder angegriffen werden.“ (Hafeneger/Niebling 1999, S. 74)
In diesen beiden Begriffsbestimmungen wird eine Vielzahl von verschiedenen Phänomenen benannt, die sich innerhalb des gemeinten Problemfeldes finden lassen, was eine flexible Zuordnung dieser Elemente zum Begriff Rechts im Grunde zu vereinfachen scheint, weil der Bereich dessen, worauf sich der Begriff bezieht, nicht zu eng gefasst wird. Dass solche pragmatisch konzipierte Defi nitionen jedoch keinesfalls als interner Konsens vorausgesetzt werden können, wirft einen Blick auf ein zentrales Dilemma der Forschung zu diesem Bereich: Es existiert kaum ein Begriff, der nicht von Meinungsverschiedenheiten über dessen richtige 22 | Sebastian Fischer bemerkt dazu im Hinblick auf den Forschungsstand: „Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es keine eindeutige Defi nition der Begriffe ‚rechts‘ beziehungsweise ‚rechtsextrem‘ gibt.“ (Fischer 2006, S. 7) Gleich lautend heißt es an anderer Stelle: „Rechtsextremismus ist ein vielschichtiges Phänomen, für das es noch keine Definition gibt.“ (Niedermayer 2009, S. 17)
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Verwendung begleitet wäre, und dieses Problem wird bereits bei den verschiedenen Teilsegmenten des Sammelbegriffs Rechts offenbar: „So werden in der wissenschaft lichen, wie auch in der öffentlichen Debatte die Begriffe ‚Rechtsextremismus‘, ‚Faschismus‘, ‚Rassismus‘, ‚Rechtsradikalismus‘, ‚Fremdenfeindlichkeit‘ oder ‚Autoritarismus‘ oft gleichbedeutend verwendet.“ (Decker/Brähler/Geißler 2006, S. 9) Dabei werden nicht nur verschiedene Bezeichnungen für ein und dasselbe Phänomen verwendet, sondern die einzelnen Begriffe selber scheinen nicht trennscharf genug zu sein, um sich zweifelsfrei einem bestimmbaren Inhalt zuordnen lassen zu können. So könnte es nicht ausreichend sein, den Begriff Rechts auf eine dieser Teilbedeutungen zu beziehen, um zu einer inhaltlichen Spezifizierung gelangen zu können. Dazu heißt es in einer Präventionsbroschüre: „Der Begriff ‚rechts‘ wird hier, wie in der öffentlichen Debatte üblich, in Anlehnung an ‚rechtsextrem‘ verwendet. Gemeint ist damit die Nähe zum Rechtsextremismus und nicht zur rechten Mitte.“ (Steinbach 2003, S. 32) Wo genau wäre der Begriff aber einzuordnen, wenn nicht einmal der Terminus Rechtsextremismus eindeutig zu bestimmen ist?23 Diese Frage wird vor allem durch die Ergebnisse einer inhaltsanalytischen Untersuchung aufgeworfen, in deren Verlauf die Verwendung des Fachbegriffs des Rechtsextremismus innerhalb der Ursachenforschung mit abweichenden Bedeutungsgehalten identifiziert werden konnte: „Derselbe Ausdruck wird von verschiedenen Autoren mit unterschiedlichen Bedeutungen defi niert. Bei ‚rechtsextrem‘/ ‚Rechtsextremismus‘ lassen sich insgesamt 37 Bedeutungs-Dimensionen fi nden.“ (Druwe/Mantino 1996, S. 75) Die Autoren kritisierten deshalb vehement die Praxis einer solchen „Mehrdeutigkeit“ innerhalb des wissenschaftlichen Sprachgebrauchs: „Mehrdeutige Ausdrücke erschweren jede wissenschaft liche Diskussion, da jeder inhaltlichen Debatte zunächst eine Erläuterung der Ausdrücke vorangehen muss. Dies setzt voraus, dass sich die beteiligten Wissenschaft ler der Mehrdeutigkeit ihrer Ausdrücke überhaupt bewusst sind.“ (Druwe/Mantino 1996, S. 74) Dabei scheint für die Unter- oder Überbestimmtheit derjenigen fachlichen Begriffe, die üblicherweise zur näheren Charakterisierung eines Phänomens benutzt werden, eben das zu gelten, was sich auch bei der Bestimmungspraxis des Begriffes der „Gewalt“ konstatieren lässt: „Die Bestimmung dessen, was Gewalt ist, wird [...] nicht nur durch wissenschaft liche Objektivierungsprozesse bestimmt, sondern ist unmittelbar immer auch Teil eines politischen und gesellschaft lichen Aushandelungsprozesses.“ (Heitmeyer/Schröttle 2006, S. 17)24 Es ließe sich nun allgemein 23 | So heißt es auch in einer Übersicht über verschiedene Programme Gegen Rechts, dass der Begriff „Rechtsextremismus“ als Sammelbegriff verwendet wird, der sich auf ein diff uses Feld bezieht, welches durch ein breites Spektrum an möglichen Phänomenen gekennzeichnet sei. (vgl. Roth/Von Berg/Benack 2003, S. 9): „Der Begriff ‚rechts‘ bzw. der Wechsel zwischen den Begriffen ‚rechtsextrem‘ und ‚rechts‘ [...] dient dann in der Regel einer Charakterisierung dieses oben beschriebenen diff usen Feldes und dessen gesellschaft licher Verbreitung und ‚Normalisierung‘ [...].“ (Roth/Von Berg/ Benack 2003, S. 9). 24 | Nach Meinung des Soziologen Christoph Liell führt die klassifi katorische
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sagen, dass die Rolle der Wissenschaft bei solchen Prozessen eine besondere Aufmerksamkeit verdient, da die Produktion wissenschaft lichen Wissens traditionell an einen institutionalisierten Wahrheitsnimbus gekoppelt war und ist. Besonders bei der Interpretation sozial problematischer Phänomene ist davon auszugehen, dass wissenschaft lich generierte Aussagen einen höheren Stellenwert besitzen als gewöhnliches Alltagswissen. Pädagogische, psychologische und soziologische Verlautbarungen über den grundsätzlichen Charakter gesellschaft licher Problemlagen wie Rechte Gewalt treffen daher auf einen erhöhten Grad der Aufmerksamkeit: „In modernen Gesellschaften sind die Sozialwissenschaften ein dominierendes Medium der Definition und Konstruktion sozialer Probleme geworden.“ (Radtke 1993, S. 256) Vor allem soziologische Diagnosen scheinen dabei die Rolle einer „Grundlagenwissenschaft der Moderne“ (Papke 1991, S. 12)25 zu übernehmen, die durchaus mit Heilserwartungen seitens einer zunehmend verunsicherten Gesellschaft konfrontiert werden.26 Dieses Grundverhältnis wird innerhalb der Ursachenforschung durchaus vereinzelt als Problem thematisiert: „Dabei steht die Sozialforschung zum Rechtsextremismus unter einem hohen Erwartungsdruck, sowohl von Seiten der Öffentlichkeit als auch von Seiten der Politik. Es wird nicht nur ein Verständnis der Ursachen des Rechtsextremismus erwartet, sondern auch Angebote für mögliche Strategien, dem Rechtsextremismus zu begegnen.“ (Decker/ Brähler/Geißler 2006, S. 9) Analyse von Gewaltbegriffen deshalb notwendig „[...] zu einer unüberschaubaren Vielfalt, die nicht abschließend systematisierbar ist.“ (Liell 2002, S. 6) Den Grund dafür sieht Liell dabei ebenfalls in der unhintergehbaren Verankerung von Begriff und gesellschaft licher Realität: „Welche Ereignisse jeweils als Gewalt thematisiert werden, hängt von deren sozialen, kulturellen und historischen Kontexten ab [...]“ (vgl. Liell ebd, S. 7) Vgl. dazu auch die abschließende Beurteilung von Werbik (vgl. Werbik 1974) am Ende seines Buches über eine Theorie der Gewalt: „Folglich können wir [...] keine Definition des Begriffes ‚Gewalt‘ angeben“. Werbik versucht, den Begriff aus der Illegalität gesellschaft lich sanktionierter Handlungen abzuleiten, kommt aber zu dem Ergebnis, diese Kriterien seien „[...] nicht hinreichend zur Bestimmung des Terminus ‚Gewalt‘. Wir können nicht ausschließen, dass es noch weitere Klassen von Handlungen gibt, welche ebenfalls dem Konfliktlösungsprinzip widersprechen und daher als ‚Gewalt‘ zu bezeichnen sind.“ (Werbik 1974, S. 193) 25 | Nach Ansicht des Soziologen Michael Bock ist es deshalb kein Zufall, dass „[...] die Begriffe, Erklärungen und Deutungen der Sozialwissenschaften, besonders ihrer ‚Grundwissenschaft‘ Soziologie, die zunehmend an die Stelle der Religion als Grundbestand des modernen Wirklichkeitsverständnisses an Bedeutung gewinnen.“ (Bock 1980, S. 17) 26 | Armin Nassehi fragt in seiner Untersuchung des soziologischen Diskurses der Moderne deshalb explizit danach, „[...] inwiefern die soziologische Begriffsarchitektur an einer Imago gesellschaft licher Selbstbeschreibung mitgeschrieben hat und Gesellschaften mit nützlichen Bildern ihrer selbst ausgestattet hat.“ (Nassehi 2006, S. 17)
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Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Wissenschaft auf die Eskalation der Rechten Gewalt Anfang der 90er Jahre mit einem erhöhten Grad an empirischen Forschungsaufkommen und flankierender Theorieproduktion reagiert hat.27 Im Zuge dessen geriet die Trias „Jugend, Rechtsextremismus und Gewalt“ (vgl. Butterwege/Lohmann 2001) recht bald zur allgemeinen Orientierung über diejenigen Gesichtspunkte, unter welchen diese gesellschaft liche Herausforderung thematisiert wurden und die damit nach Ansicht der Ursachenforschung in irgendeiner relevanten Art und Weise miteinander in Verbindung zu stehen schienen: „Nach der Vereinigung Deutschlands war eine regelrechte Welle von Studien zu verzeichnen, welche sich unter anderem mit rechtsradikalen Tendenzen, Ausländerfeindschaft , Gewalt und Gewaltbereitschaft, Devianz und Delinquenz Jugendlicher [...] beschäftigten.“ (Van Deth 2005, S. 4, Herv. S.D.) Die Praxis dieser dreifachen Thematisierung generierte sich dabei offensichtlich quer durch alle Disziplinen der Sozial- und Humanwissenschaften. 28 In diesem Zusammenhang erlangte das Themenfeld Jugend dann bald eine besondere Aufmerksamkeit und eine spezielle Gewichtung, die dazu führte, dass Rechte Gewalt von vielen Forschern als Form der Jugendgewalt angesehen wurde und es zu einer „Fehldeutung des Rechtsextremismus als Jugendprotest“ (vgl. Butterwege 2002, S. 117) kam. Ob Fehldeutung oder nicht, seit Beginn der 90er Jahre wurde jedenfalls das Phänomen des rechtspolitischen Extremismus zunehmend im Kontext der allgemeinen Bedingungen des Aufwachsens diskutiert, mit dem Erfolg, dass auch für den heutigen Stand der Diskussion gesagt werden kann: „Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit werden oft als Problem der ‚Jugend von heute‘ dargestellt.“ (Homm 2007. S. 54)29 Mit der Verknüpfung dieser beiden Themenbereiche ist allerdings eine Kausalität angelegt, bei welcher der Faktor „Jugend“ als mögliche Erklärung des Phänomens „Rechtsextremismus“ gilt. Dabei gerät das Element einer extremistischen Handlungsweise zum sekundären Symptom, indem es zum begleitenden Faktor einer jugendlichen Lebensweise deklariert wird: „Gerade die 27 | So existiert eine Vielzahl von Versuchen, das Problem der Rechten Gewalt durch eine möglichst leicht verständliche und griffige Form der Erklärung handhabbar machen zu können. Die bestehenden Ansätze unterscheiden sich dabei erheblich voneinander, sie schwanken vom Verweis auf fast versöhnlich klingende Etikettierungen dieser Ereignisse als „Normale Pathologie westlicher Industrienationen“ (vgl. Scheuch/ Klingemann 1967) bis hin zu Dramatisierungen als „Gefährdung der Demokratie“ (vgl. Verfassungsschutzbericht 2005), deren Ursprung sich sogar vielleicht direkt in der „Mitte der Gesellschaft“ (vgl. Heitmeyer 1989) befi nden könnte. 28 | Auch innerhalb der parlamentarischen Debatten jener Jahre fanden sich Bestandteile jugendtheoretischer Erklärungsansätze quer durch alle Parteien. (Vgl. dazu besonders: Von Berg 2001) 29 | Dazu schreibt Wolfgang Frindte: „Dabei dürft en sich alltägliche Sprachspiele über Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus, wissenschaft liche Diskurse, politische Äußerungen und mediale Statements wechselseitig durchdringen und beeinflussen. Diese wechselseitige Beeinflussung transparenter zu machen, sollte m.E. auch zur Aufgabe sozialwissenschaft licher Hintergrundforschung gehören.“ (Frindte 1995, S. 23)
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Orientierungsphase des Jugendalters zeichnet sich aus durch ein ausgeprägtes Probierverhalten der Jugendlichen, durch Entdeckungsfreude und Lust am Austesten von Grenzen, so dass extremistische Verhaltensweisen durchaus ohne verfestigte Grundüberzeugungen denkbar sind.“ (Jaschke 2006, S. 26) Daraus folgt, Gewalt nicht als Effekt einer Ideologie, sondern eines Lebensabschnittes zu thematisieren. Diese Form der Thematisierung hat konkrete Auswirkungen für die Entwicklung präventiver Konzepte. In einer Zusammenstellung der Erfahrungen von Opferberatungsstellen heißt es dazu: „Im öffentlichen Diskurs überwiegt für den Bereich der rechtsextrem motivierten Straftaten und hierbei besonders für die Gewaltdelikte nach wie vor die Behauptung, es handele sich um ein ‚jugendtypisches Problem‘ [...]. Vor allem bei der Konzeptionierung von geeigneten Handlungsansätzen gegen Rassismus und Rechtsextremismus dominieren Jugendliche nach wie vor als Zielgruppe.“ (Seyd 2006, S. 13)
Rechte Gewalt scheint also auch aktuell immer noch ein Problem der „Jugend“ zu sein, was man vor allem durch die Konzentration auf die Problemgruppe der „Jugendlichen“ zu lösen versucht. Nun ist der Begriff der Jugend zwar ein Kollektivsingular, könnte aber in der gesellschaft lichen Realität heterogener sein, als es durch die daraus gebildete Sozialfigur des Jugendlichen nahe gelegt wird: „Eine universelle Entwicklung des Jugendlichen an sich gibt es nahezu nicht mehr – es ist zu differenzieren nach Geschlechtsunterschieden, Herkunft aus Stadt oder Land, ob er In- oder Ausländer ist.“ (Mienert 2008, S. 52) Deshalb mahnt der Psychologe Mark Terkessidis: „Es ist unerlässlich, zwischen realen Jugendlichen und der Metapher der Jugend zu unterscheiden.“ (Terkessidis 1997, S. 7) Aussagen über „die Jugend“ sagen also unter Umständen wenig aus über das Verhalten von konkreten Jugendlichen in einer besonderen sozialen Situation. Trotzdem scheint man sich im Kontext der Forschung über die Art der Problemgruppe einig zu sein: „Für eine politische Strategie gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit ist die Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zentral.“ (Schiller-Dickhut 2002, S. 185) Zu fragen wäre jedoch: Wer ist eigentlich mit der Gruppe der Jugendlichen genau gemeint? Alle jungen Menschen? Ist Rechte Gewalt wirklich typisch für die gesamte Jugend? Besteht die anhand dieser Diagnose lokalisierte Zielgruppe wirklich aus der Gesamtheit der mehrere Millionen umfassenden Jugendlichen, die in Deutschland registriert sind?30 Sicher nicht. Das Gegenteil ist der Fall, der hauptsächliche Teil der jugendlichen Bevölkerung wird nicht als rechtsideologische Gewalttäter auff ällig, nur eine kleine Minderheit agiert entsprechend. Warum also wird sich innerhalb wissenschaft licher Erklärungsansätze trotzdem analytisch so zentral auf den Faktor „Jugend“ bezogen? Man würde sich doch z.B. auch nicht auf die allgemeinen 30 | Vgl. dazu die Angaben des „Datenreports 2002“: Ende 2000 hatte Deutschland 82,3 Millionen Einwohner. Der Anteil der unter 20jährigen betrug 21,3 Prozent (Statistisches Bundesamt 2002, S. 35/36). Davon aber wäre die Teilgruppe der Jugendlichen noch gesondert auszuweisen, also die Bevölkerungsgruppe ab 14 und unter 18 Jahren.
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Lebensbedingungen von „Erwachsenen“ beziehen, wenn man ein Phänomen untersuchen möchte, dass nur bei einem sehr geringen Teil dieser Personengruppe auft ritt. Dessen ungeachtet wird Rechtsextremismus weiterhin oft als allgemeines Jugendproblem deklariert und es wird sich bei der Suche nach den Ursachen für rechtsextreme Gewalt auf vermutete Defizite der Jugend von Heute bezogen. Das erscheint problematisch zu sein, weil hierbei eine sehr spezifische Problemlage, wie die Anwendung politischer Gewalt, mit soziologischen Faktoren auf der gesellschaft lichen Makroebene zu erklären versucht wird. Dagegen ließe sich einwenden, dass in der konkreten Situation immer der einzelne Mensch darüber entscheiden muss, welche Form des Handelns er zwecks Umsetzung eines Gestaltungswillens auswählt.31 Diese Wahl, so ließe sich folgern, trifft er gewöhnlich im Kontext von persönlichen Wertmaßstäben und moralischen Maximen, so dass mit einigem Recht vermutet werden könnte: „Die Neigung zu politischer Gewalt hängt [...] weniger von Persönlichkeitsfaktoren wie sozialer Orientierungslosigkeit, als vielmehr von der eigenen politisch-ideologischen Orientierung ab.“ (Hoff mannLange/Schneider/Gille 1993, S. 124) Hinzu kommt, dass zusammen mit einer jugendtheoretischen Umdeutung von politischer Gewalt in Jugendgewalt oft mals eine vorwiegend defizitorientierte Perspektive in Bezug auf die Täter eingenommen zu werden scheint. In einer Diplomarbeit der Universität Rostock heißt es dazu: „Rechtsextrem motivierte Schläger waren auf einmal ‚orientierungslose Jugendliche‘ und ihre Taten wurden als ‚verzweifelte Hilferufe‘ [...] interpretiert. Solche Überlegungen fanden auch Eingang in wissenschaft liche Diskurse.“ (Teichmann 2003, S. 79) So wird beim Problem der Rechten Gewalt nicht nur das Alter der Täter, sondern auch ein damit scheinbar zusammenhängendes mangelndes politisches Bewusstsein derselben thematisiert: „Bei derartigen Einstellungen und Verhaltensweisen unter Jugendlichen handelt es sich also nicht um gefestigte, reflektierte und inhaltlich konsistente Ideologien, sondern um Mentalitäten, die als Ausdruck eines kulturellen Protestes zu verstehen sind.“ (Wagner 2002, S. 139) Warum aber aus diesen angeblich jugendtypischen und ungefestigten Mentalitäten heraus dauerhaft und inhaltlich konsistente Feindgruppen angegriffen werden, muss für diese Art der Interpretation ein Rätsel bleiben. Rechtsideologische Täter gelten diesem Verständnis nach als „Querschläger“ (vgl. Lamnek/Fuchs/Heinrichs 2002)32, deren Merkmal Jugendlichkeit anscheinend 31 | Auf diesen Faktor hat besonders Zygmunt Baumann im Rahmen seiner Untersuchungen über den Holocaust hingewiesen: „Die Tatsache, dass einige wenige widerstanden, entkräftet die Logik der Selbsterhaltung und beweist, dass es immer Entscheidungsmöglichkeiten gibt.“ (Baumann 2002, S. 221) Diese Argumentation dürfte vor allem für diejenigen Analysen relevant sein, wo die Ausübung Rechter Gewalt nicht als individuelle Entscheidung interpretiert wird, sondern mit Hilfe des sozialpsychologischen Faktors „Gruppendruck“ zu erklären versucht wird. 32 | Der Begriff des „Querschlägers“, der hier für eine Jugenduntersuchung zum Thema ‚Gewalt und rechte Ideologie‘ als Überschrift gewählt wurde, stammt aus der Ballistik. Gemeint ist damit dort der Verlauf eines Geschosses, welches sein ursprünglich anvisiertes
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per Zufall entsprechende Opfer generiert, weshalb es die Forschung auch primär interessiert „[...] ob es sich bei diesen Verhaltensweisen um jugendspezifisches Probier- bzw. Provozierverhalten handelt, das in der Regel passager ist oder ob es einen ernsteren Hintergrund insofern hat, als es schon weitgehend in der Persönlichkeit verankerte Handlungsdispositionen sind.“ (Lamnek/Fuchs/Heinrichs 2002, S. 13) Problematisch scheint es also nur zu sein, wenn aus einem zunächst unpolitischem Jugendlichen (der seine Taten nur begeht, um zu provozieren) irgendwann ein (erwachsener) Mensch wird, für den Gewalt gegen Fremde eine dauerhafte Option ist. Erst dann könnte man wohl unter Umständen diese Gewalt als ernst zu nehmendes politisches Handeln bezeichnen. Handelt es sich aber um einen Jugendlichen, so sind die von ihm verübten Handlungen offenbar nicht ernst zu nehmen, sondern im Sinne der Forschung zunächst vorwiegend auf der Deutungsfolie jugendtheoretischer Terminologie zu interpretieren. Eine solche Orientierung auf die in dieser Deutung enthaltenen askriptiven Attribute macht die Lokalisierung der Täter nach soziologischen Variablen in der Folge für viele Forscher durchaus plausibel: „In dem Charakter des Jugendalters als ‚Sturm-und-Drang-Zeit‘ dürfte auch eine Erklärung für den empirischen Befund liegen, dass sich der Kreis rechtsextremer Gewalttäter hauptsächlich aus (männlichen) Jugendlichen zusammensetzt (vgl. Willems et. al. 1993).“ (Nach: Oepke 2005, S. 58) Hier wird deutlich, wie die politische Dimension dieser Gewalttaten insbesondere durch den Verweis auf das jugendliche Alter der Täter in den Hintergrund gerät.33 Dem entsprechend wird auch im Rahmen einer Fachtagung in Bezug auf Rechte Gewalt die Einschätzung vertreten: „Nach wie vor gilt, dass rechtsextreme Gewalt Jugendlicher i.d.R. weniger mit vertieften ideologischen Überzeugungen zu tun hat als vielmehr mit maskulin subkulturellen Jugendszenen. Weniger die politische Überzeugung, sondern gruppendynamische Aspekte sind oft als tatgenerierend anzusehen gerade bei sehr jungen Tätern, die durch ihr kriminelles Verhalten ihre Gruppenzugehörigkeit stabilisieren wollen.“ (Hinrichs 2003, S. 52) Ziel verfehlt hat und anschließend von einem Hindernis (z.B. einer Betonwand) in seiner Flugrichtung umgelenkt wird. Von einem Querschläger wird man also in der Regel zufällig getroffen. Die Wahl dieses Begriffes zur Charakterisierung des Problembereichs „Jugend, Gewalt und Rechtsextremismus“ legt somit nahe, Rechte Gewalt analog dazu als umgelenkte und nicht-zielgerichtete Handlungsform anzusehen. 33 | So versucht Agathe Israel, die gewalttätigen Ausschreitungen von Hoyerswerda im Jahre 1991 durch Rechtsextreme zu einem intergenerativen Kommunikations-Konfl ikt zwischen „rebellierenden Jugendlichen“ einerseits und den Erwachsenen des Ortes andererseits zu deuten. Ihrer Meinung nach sei es ein Erfolg, dass beide Parteien inzwischen wieder miteinander reden würden. Dabei verschweigt sie jedoch, dass Opfer dieses „Mißverständnisses“, die von der Gewalt betroffenen Bewohner der Asylbewerberunterkunft, damals mit Bussen aus der Stadt evakuiert werden mussten und auch nicht zurückkehrten, was de facto im Ergebnis eine geglückte „national befreite Zone“ im Sinne der Rechtsextremen darstellt. (vgl. Israel 2002, S. 212-220) Diese Ausblendung der Opfer vollzieht die Ausgrenzung des Fremden auf einer analytischen Ebene.
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Die Geltung in der Peer-group ist nach dieser Ansicht die hauptsächliche Ursache für die Anwendung Rechter Gewalt, die damit als Effekt eines sozialen Anpassungsvorganges verstanden wird, dem Jugendliche offensichtlich ohne eine Chance zur Entwicklung eigener Kriterien ausgeliefert zu sein scheinen. Je jugendlicher also die Täter sind, desto weniger scheint ihr Handeln rationalen Kriterien zu gehorchen und desto unpolitischer sind sie im Auge des Betrachters. Das ist keinesfalls neu. Bereits Schelsky ging in den 50er Jahren bei seiner Untersuchung über die deutsche Nachkriegsjugend davon aus, dass das gesellschaft liche Engagement Jugendlicher im besten Fall als vorpolitisch (vgl. Schelsky 1984, S. 348) zu bezeichnen sei. Nach Ansicht von Alphons Vatikus ist mit solchen Einschätzung eine spezielle Strategie der jugendtheoretisch inspirierten Entpolitisierung verbunden: „Je eher eine Person das Attribut ‚jugendlich‘ auf sich vereinen kann, desto eher werden Normabweichungen toleriert. Gerade darin dokumentiert sich das Politische der Begriffl ichkeit. Die Rückleitung des politischen Abweichlers in ein noch nicht mit voller Verantwortlichkeit ausgestattetes Jugendlager entschärft seine Kritik, noch bevor überhaupt ein Inhalt wahrgenommen wird.“ (Vatikus 1989, S. 23)34
Wäre eine solche Strategie innerhalb der Ursachenforschung relevant, so könnte die damit zusammenhängende Entpolitisierung durchaus als negativer Effekt kritisiert werden. Es ließe sich damit zeigen, dass Wissenschaft nicht außerhalb des gesellschaft lichen Diskurses über Rechte Gewalt existiert, sondern ihrerseits die gesellschaft liche Diskussion aktiv mit entsprechenden Deutungsmustern35 versorgt: 34 | Diese Praxis beschreibt auch Johannes Agnoli am Beispiel der öffentlichen Meinung über den Studentenprotest der 70er Jahre, der in den Medien oft mals als Aktivitäten jugendlicher Flegel dargestellt worden ist: „Doch ist es üblich geworden, jene, die sich mit der Lage des verlorenen Individuums in einer rasch sich entdemokratisierenden Gesellschaft nicht abfinden können, gerade als unreif zu bezeichnen. [...] Im Vorwurf, Studierende seien ‚unreif‘, spricht sich die ökonomisch nützliche Repression des sich politisierenden Bewusstseins am deutlichsten aus. Reife wird, wo man sie Studierenden aberkennt, als Anpassungssyndrom erkennbar; reif ist, oder wird offensichtlich nur, wer berufstätig ist.“ (Agnoli 1967, S. 126) 35 | Der Begriff des „Deutungsmusters“ stammt aus der empirischen Wissenssoziologie und fi ndet vereinzelt auch innerhalb der Jugendforschung Anwendung, so etwa im Beitrag „Das Deutungsmuster ‚Generation‘ – Fragen an Karl Mannheim“ von Jürgen Zinnecker (vgl. Zinnecker 2002, S. 61) oder bei der hermeneutisch konzipierten Fallstudie zu „sozialen Deutungsmustern“ ostdeutscher Jugendlicher von Thomas Rausch (vgl. Rausch 1999) Weitere Arbeiten, die mit diesem Begriff operieren, finden sich in der Sammelpublikation: „Analyse sozialer Deutungsmuster“ (Meuser/Sackmann 1992). Für den Bereich der Diskursanalyse heißt es dazu bei Reiner Keller: „Der Begriff des Deutungsmusters bezeichnet grundlegende bedeutungsgenerierende Schemata, die durch Diskurse verbreitet werden und nahe legen, worum es sich bei einem Phänomen handelt.“ (Keller 2005, S. 238) In seinem Konzept der „Wissenssoziologischen Diskursana-
D ER D ISKURS ÜBER „R ECHTE G EWALT “ | 51 „Es wird nahegelegt, Rechtsextremismus als Jugendproblem zu betrachten und als Antwort auf spezifische Konflikte in der Adoleszenz zu sehen, wie z.B. Berufsfi ndung und Identitätsentwicklung. [...] Schließlich wird der Blick auf die sozialen Probleme derjenigen gerichtet, die rechtsextreme Ideologien vertreten und Rechtsextremismus wird als Verschiebung und Projektion von Konfl ikten gedeutet, die an anderer Stelle entstehen.“ (Burkert 2006, S. 38)
Das Handeln der Täter, so der hier erhobene Vorwurf, wird von Teilen der Wissenschaft offensichtlich mit theoretischen Elementen zu erklären versucht, die aus dem Bereich der allgemeinen soziologischen Jugendforschung stammen und die dabei helfen, eine Umdeutung der Problematik zu etablieren. Diese Tendenz, so wird vermutet, besteht verstärkt seit den 90er Jahren und ist auch in der heutigen Zeit noch relevant. Allerdings ist die Identifizierung von Rechter Gewalt mit dem Begriffsfeld „Jugend“ innerhalb der Forschung eine vergleichsweise neue Operation, denn noch bis Ende der 80er Jahre wurde in der Regel davon ausgegangen, dass Jugendliche sich vor allem linksalternativ engagieren würden und es wurde vermutet, dass die Jugend im Allgemeinen resistent sei gegen rechtspolitische Ideologien: „Von zunehmenden Tendenzen zum Neonazismus unter Jugendlichen kann [...] überhaupt keine Rede sein.“ (Allerbeck 1984, S. 17). Gleichlautend wurde kurz zuvor in der damals einflussreichen SINUS-Studie festgestellt, „[...] dass die rechtsextreme Ideologie bei den Altersgruppen unter 40 Jahren deutlich weniger Widerhall fi ndet als bei den Älteren.“ (vgl. SINUS 1983, S. 87) Die Verbindung von „Jugend“ und „Rechtsextremismus“ wurde also zu dieser Zeit nicht unbedingt als plausible Zuordnung angesehen: „Der Rechtsextremismus der frühen 80er Jahre war weniger ausschließlich als Jugendproblem definiert, als es später der Fall sein sollte.“ (Hopf 2002, S. 7) Diese Einstellung änderte sich mit Beginn der Gewalt-Eskalation Anfang der 90er Jahre schlagartig. Hieß es zwar noch im Gewaltgutachten der Bundesregierung (vgl. Schwind/Baumann 1990) aus dem Jahre 1990, Rechte Gewalt sei „unbedeutend“ (Nach: Pilz 1994b, S. 22), so erwies sich diese Einschätzung schnell als fehlerhaft, denn rechtsmotivierte Gewalttaten stiegen dramatisch an. Dabei richtete sich der analytische Blick auf dieses Phänomen, inspiriert durch die populären Thesen des Jugendforschers Wilhelm Heitmeyer, verstärkt auf die Gruppe der Jugendlichen.36 In seiner Analyse zum Forschungsbereich des rechtspolitischen lyse“ verankert Keller den Begriff in Abgrenzung zu Definitionen von Oevermann (vgl. Oevermann 2001) als auch zu denen von Meuser und Sackmann direkt als zentralen diskursiven Effekt, d.h. als integrale Funktion eines Diskurses, kollektive Wissensvorräte zu generieren. 36 | Es ist der eindeutige Verdienst Heitmeyers, das Problemfeld Rechtsradikalismus bereits Ende der 80er Jahre zum Forschungsthema gemacht zu haben, und zwar quer zum gesellschaft lichen und auch wissenschaft lichen Mainstream. Das von Heitmeyer entwickelte Erklärungsmodell des Soziologischen Rechtsextremismus ist jedoch von Anfang an darauf ausgerichtet gewesen, rechtsextremes Verhalten als Ausdruck und Umformung problematischer Lebensbedingungen zu interpretieren. Jugend als Lebens-
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Extremismus lokalisierte Thomas A. Herz deshalb bereits Mitte der 90er Jahre die Tendenz, dass für Teile der Wissenschaft der Fokus auf den Faktor Jugend zur Erklärung Rechter Gewalt zunehmende Relevanz besitzt, eine analytische Orientierung, die er als „Jugendlichkeit der Handelnden“ bezeichnet. (vgl. Herz 1996) Diese Orientierung stellt seiner Meinung nach einen der wesentlichen Aspekte einer „politischen Kultur der Basiserzählung“ bundesdeutscher Nachkriegsgeschichte dar. (vgl. Herz 1996) Gemeint ist damit explizit die Deutung rechtsmotivierter Gewaltanwendung als Jugendgewalt. Herz bestreitet in diesem Zusammenhang die Plausibilität des analytischen Faktors Jugendlichkeit und mahnt an, solche Taten nicht im Licht von Jugendtheorien, sondern ausschließlich mit politischen Kategorien zu untersuchen: „Man kann die Taten von Jugendlichen nur angemessen defi nieren und erklären, wenn man sie im Kontext der politischen Kultur interpretiert.“ (Herz 1996, S. 488)37 Verhindert wird nach Herz eine solche adäquate Interpretation durch die Dominanz einer so genannten jugendtheoretischen „Basiserzählung“. Als Basiserzählung versteht Herz unter Bezug auf von Trotha die „[...] Konstruktion der Geschichte einer Gesellschaft“ (vgl. von Trotha 1993, S.6/7, Nach: Herz 1996) und in diesem Zusammenhang vor allem die damit verbundene Praxis der Interpretation sozialer und historischer Begebenheiten: „Mittels der Basiserzählung gibt man Handlungen eine ‚vernünftige‘ Deutung.“ (Herz 1996, S. 488) Solche Deutungen sind nach Herz immer auch an bestimmte Interessen gebunden. Mit Hilfe einer Basiserzählung erhalten gewisse Sichtweisen eine gesellschaft lich anerkannte Plausibilität, während andere Aspekte nicht ins Zentrum der Aufmerksamkeit geraten. Erzählungen können aber auch immer etwas über den Erzähler verraten, d.h. über die Art und Weise, wie er bestimmte Phänomene ordnet, bezeichnet und bewertet. Innerhalb der Bewertungen des gewalttätigen Rechtsextremismus richtet sich nach Herz deshalb nicht zufällig „[...] das Interesse der Wissenschaft, der phase ist in diesem Ansatz vor allem eine Zeit, in der sich eine Reihe unterschiedlicher Probleme bündeln und den einzelnen Jugendlichen tendenziell überfordern und verunsichern. Dieser analytische Fokus hat es nahe gelegt, Rechtsextremismus als Jugendproblem zu deuten. In jüngster Zeit hat Heitmeyer seinen Ansatz jedoch wesentlich erweitert und untersucht nun in einem mehrjährigen Forschungsprojekt deutlich weniger fokussiert und explizit altersübergreifend seit 2002 nach Tendenzen „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.“ 37 | An Herz' Kritik der Dimension Jugendlichkeit als Teil einer Basiserzählung lässt sich nicht umgehen, dass der Begriff des Jugendlichen in seinem Argumentationsverlauf ohne Anführungsstriche benutzt wird und damit als quasi außersprachliche Referenz dieser Erzählung unkritisiert bleibt. Er wird dadurch gleichsam festgeschrieben und erlangt somit den Status einer unhinterfragten Tatsache. Beide Begriffe sind jedoch logisch aufeinander bezogen. Die Frage der vorliegenden Arbeit erweitert den Begriff der Basiserzählung deshalb, indem der Fokus auf jene Vorstellungen gerichtet ist, bei denen der Begriff des Jugendlichen ebenfalls als Teil einer Erzählung anzusehen ist. Diese Erweiterung scheint gerechtfertigt zu sein, denn Herz selber beschreibt eine Basiserzählung als „[...] eine Erzählung, die aus vielen einzelnen Erzählungen sich zusammensetzt.“ (Herz 1996, S. 489)
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Medien und der Tagesgespräche auf Jugendliche.“ (vgl. Herz 1996, S. 488) Dahinter stehe vielmehr das Bedürfnis, diese Taten nicht als bedrohliches Kontinuum dessen wahrzunehmen, „[...] was in Auschwitz sich austobte“ (Adorno 1970, S. 108), sondern eine erfolgreich bewältigte Vergangenheit zu konstruieren und den aktuellen Rechtsextremismus aus diesem Grund einem gesellschaft lich unbelasteten Problembereich zuordnen zu können.38 Der Faktor Jugend wird damit zum Objekt einer spezifisch deutschen Erinnerungspolitik. Rechte Gewalt wäre in einer solchen entlastenden Sichtweise kein primär politisches oder historisches Problem, sondern das Teilsegment einer Generationsthematik. Mutmaßungen über die Jugendlichkeit der Handelnden wären somit das Ergebnis eines spezifischen Ableitungsvorgangs, der ausgehend von imaginären Kollektiveigenschaften einer Altersgruppe, auf die Begründung einer nicht-politischen Motivation zielt: „Das pubertäre Kräftemessenwollen ist wohl das eigentlich erregende Motiv im Komplex der gewalttätigen Auseinandersetzungen, die durch die gesellschaftspolitischen Verweise eine rationalisierende Rechtfertigung erfahren.“ (Klüsche 1994, S. 126) Der Terminus Jugendlichkeit gerät durch diese Art der Zuschreibung von angeblich „pubertären“ Eigenschaften39 zum Instrument einer Wahrnehmung, in welcher menschliches Handeln in erster Linie durch die Lebenslage der Akteure determiniert zu sein scheint. Danach unterstreicht die Basiserzählung einer Jugendlichkeit der Handelnden in diesem Fall die Annahme, wonach das politische Handeln Jugendlicher nicht als politisch im eigentlichen Sinne zu verstehen sei. Existiert eine solche Basiserzählung auch innerhalb der aktuellen 38 | Einen ähnlichen Mechanismus der Verdrängung hatten Alexander und Margarete Mitscherlich Ende der 50er Jahre als „Unfähigkeit, zu trauern“ bezeichnet (vgl. Mitscherlich 1958). Damit war die nicht erfolgte Bearbeitung von Idealisierungen der NS-Ideologie und der Scham darüber nach der militärischen Niederlage Deutschlands gemeint. Vor dem Hintergrund der Kritik von Herz ließe sich diese Diagnose für unseren Zusammenhang eventuell umformulieren zu der Vermutung einer „Unfähigkeit, zu trauen“, nämlich den Jugendlichen seitens der Wissenschaft nicht zuzutrauen, die von ihnen verübten Morde und Verletzungen imaginierter Feinde unter dem politischen Label zu begehen, mit dem solche Taten gewöhnlich zu bezeichnen sind: als Rechte Gewalt. Ist umgekehrt im Hinblick auf die offensichtliche Verdrängung solcher politischer Deutungen vielleicht der Wunsch nach Normalisierung eines Umgangs mit der deutschen NS-Vergangenheit der Grund dafür, warum dieses Zutrauen innerhalb der Ursachenforschung so wenige Anhänger besitzt? Dieser Frage müsste gesondert nachgegangen werden. 39 | Werner Klüsche negiert zwar den Anteil einer politischen Orientierung bei der Ausübung Rechter Gewalt nicht vollständig, schreibt aber dazu einschränkend: „Man kann in dieser Ideologie eine typisch pubertäre Haltung, eine noch unreife Weltsicht erkennen, nach der eine affektive Stimmung einseitig zur Handlungsgrundlage bestimmt wird, wobei ‚das Streben nach einem besseren Morgen zur Ablehnung der Verantwortung für das Gegenwärtige‘ (v. Raff ay 1980, S. 41) führt. Der pubertär ungeduldig Hoffende kann nicht warten und führt für den Augenblick eine Lösung herbei.“ (Klüsche 1994, S. 126)
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wissenschaft lichen Diskussion, so dürfte damit die Wahrnehmung Rechter Gewalt anhand von Kriterien erfolgen, die im Ergebnis eine politische Deutung des Problems jugendtheoretisch umlenken. Dazu ein Beispiel: In einem kriminologischen Fachbuch wird der Brandanschlag von drei rechtsmotivierten Tätern auf ein Asylbewerberheim der Rubrik „Probleme jugendlicher Gewalt“ (vgl. Schneider 1994) zugeordnet, da die gerichtlichen Sachverständigen in dem zitierten Fall der Meinung gewesen sind, „[...] dass alle drei zur Tatzeit in ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung noch Jugendlichen gleichstanden.“ (Schneider 1994, S. 151) Obwohl die Täter also älter als 18 Jahre gewesen sind, waren sie nach Meinung des Gerichtes als „Jugendliche“ anzusehen. Der Vorgang dieser „Gleichstellung“ geschieht zwar nach Maßgabe des JGG, dieses auch auf Personen bis 21 Jahren anzuwenden, orientiert sich in der Praxis aber an Kriterien, die alles andere als klar defi niert sind: „Mit dieser Rechtsvorschrift wird die Möglichkeit der Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende geregelt. Dabei ist als Beurteilungsproblem deutlich geworden, dass objektive Kriterien zur Reifebeurteilung von Heranwachsenden nicht zur Verfügung stehen und Skepsis vorherrscht, ob derartige Kriterien überhaupt zu entwickeln sind.“ (Bach/Geyer/Scholz 2000, S. 392)
Auf dieses Problem wird im Verlauf der Diskussion zurück zu kommen sein. Mit der Wahrnehmung rechtsideologischer Täter als Jugendliche scheint also die Tendenz verbunden zu sein, die politischen Werturteile, die beim Phänomenbereich namens politisch motivierte Gewalt unter Umständen ja durchaus handlungsrelevant sein könnten40, speziell bei dieser Sozialgruppe nicht zum bevorzugten Gegenstand der Analyse zu machen. Im Gegenteil, ein Jugendlicher scheint gegen eine politische Interpretation seiner Taten in besonderer Weise immunisiert zu sein. So äußerte ein Konfliktforscher, befragt nach seiner Meinung über einen politisch motivierten Anschlag: „Ohne präzise zu wissen, was die konkreten Hintergründe dieser Jugendlichen sind, ist davon auszugehen, dass solche Aktionen primär aus der Perspektivlosigkeit von jungen Menschen geschehen.“ (Mansel 2009, S. 15) Die Besonderheit einer jugendtheoretischen Diagnostik zeigt sich also daran, dass bei der Bewertung von Tatbeständen diese unter analytischer Exklusion der jeweiligen Motivationen der Akteure als alleiniger Effekt einer Lebenslage gedeutet werden.41 Ähnlich argumentiert Michael Kohlstruck, wenn 40 | So heißt es bei Jaschke: „Extremistische Einstellungen, Meinungen und Orientierungsmuster können, müssen aber nicht zu entsprechenden Handlungsmustern führen. Umgekehrt sind extremistische Verhaltensweisen ohne die entsprechende Grundüberzeugung nicht vorstellbar [...].“ (Jaschke 2006, S. 26) 41 | Der Anschlag, zu dem der Konfl iktforscher Jürgen Mansel als „wissenschaftlicher Experte“ befragt wurde, richtete sich gegen eine Polizeiwache und wurde am 04.12.2009 vermutlich von linken Autonomen verübt, deren Identität jedoch nicht ermittelt werden konnte. Dass an dieser Tat hauptsächlich „Jugendliche“ beteiligt gewesen sein sollen, ist also eine reine Unterstellung seitens des Forschers. Direkt nach der Tat tauchte allerdings ein Bekennerschreiben auf, in welchem die politischen Gründe für
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er im Bezug auf Rechte Gewalt sagt, „[...] dass die als rechtsextremistisch und fremdenfeindlichen und insofern als politisch klassifi zierten Gewalttätigkeiten Teil des sehr viel umfassenderen Phänomens von Gewalttätigkeiten im Jugendalter sind.“ (Kohlstruck 1999, S. 232) Das jeweils spezifische Gewaltphänomen wird der allgemeinen Matrix von „Jugend“ zu- und damit untergeordnet. Dass einer politisch motivierten Gewalttat jedoch ein spezifisches Urteil des Täters über Sinn und Zweck dieser Handlungsform vorausgeht und darüber hinaus auch einen historischen Kontext besitzen könnte, gerät damit als möglicher Erklärungsfaktor nahezu vollständig aus dem Blick. Zu fragen wäre: Ist es möglich, dass diese Exklusion durch die Annahme plausibel erscheint, politische Überzeugungen seien im Jugendalter ohnehin kaum ausgeprägt und daher nur als eine Art Fassade anzusehen?42 So heißt es dazu in einem soziologischen Lehrbuch: „Aus der Jugendforschung über Rechtsextremismus ist bekannt, wie wenig bei Jugendlichen eine ‚rechte‘ Orientierung der Ausgangspunkt ist. [...] Der Ausgangspunkt ist die Unfähigkeit, mit den gesellschaft lichen Widersprüchen zu recht zu kommen. Die Jugendlichen spüren die Konkurrenz der Erfolgreichen und lenken ihre Aggressionen gegen ‚Sündenböcke‘.“ (Hurrelmann 1994, S. 185)
Rechte Gewalt wird hier in erster Linie als umgelenkte Art der Kritik von Benachteiligten verstanden. Die rechtsgerichtete Ideologie sei deshalb nur als „politische Verirrung“ zu bezeichnen und die Ausübung von Gewalt in diesem Zusammenhang ein „Jugendprotest“ (vgl. Hurrelmann 1994, S. 187). Die Akteure wenden sich dieser Ideologie also nicht aus persönlicher Überzeugung zu, sondern aus Gründen, die ihnen selber nicht klar sind, sondern anscheinend nur dem beobachtenden Forscher. Die Opfer Rechter Gewalt geraten in einer solchen Sicht zu Markierungen gefühlter Unzufriedenheit, da die Aggression gegen sie nicht zielgerichtet sind, sondern ihren Ursprung eigentlich in der Existenz gesellschaft licher Ungleichheit hat. Ähnlich urteilt ein Standardwerk zu „Pädagogischem Grundwissen“ über die Motivationen dieser Jugendlicher: „Rechtsextremismus ist nicht nur Ausdruck mangelnden politischen Bewusstseins, sondern vor allem Ausdruck mangelnden Selbstwertgefühls und latenter Orientierungslosigkeit.“ (Gudjons 1993, S. 132) Der den Anschlag dargestellt wurden. Von der Diagnose einer „Jugendlichkeit“ der Täter bleibt also bei genauem Hinsehen nicht viel übrig. 42 | In einer solchen Perspektive gerät der jeweilige Kontext jugendlicher Gewalt zum sekundären Faktor, weil z.B. die Begründungen, die sich für solche Taten fi nden lassen, schlicht und einfach nicht zugelassen werden: „Dieser ziemlich verbreiteten Logik zufolge gilt es als unvorstellbar, das jemand Gründe für Taten gehabt haben kann, die als unmenschlich gelten. Sie werden als sinnlos charakterisiert, weil sie den gültigen Maßstäben für Politik und Ökonomie widersprechen. Und Menschen, die nicht den gültigen Normen folgen, können – so geht die falsche Logik weiter – keine rationalen Gründe haben. Sie lassen sich bei ihrem Tun von irrationalen Kräften leiten.“ (Gutte/ Huisken 1997, S. 60)
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Umstand einer politischen Orientierung fungiert damit als Beleg für das genaue Gegenteil: Wer sich als „Jugendlicher“ einer Ideologie oder einer Weltanschauung zuwendet, beweist damit also, dass er das nicht etwa tut, weil er von deren inhaltlichen Richtigkeit überzeugt ist, sondern weil er damit seine inneren Zustände stabilisieren möchte. Der Faktor „Ideologie“ besitzt daher aus jugendtheoretischer Perspektive nur den Status eines probaten Mittels zum Zweck der inneren Selbstregulierung, die Inhalte dieser Art der Orientierung (die eben keine „echte“ ist) sind damit analytisch zweitrangig. Was sich in Extremismus als Form politischen Handelns äußert, scheint also dem Wesen nach seinen Ursprung vor allem bei so genannten Jugendlichen in einer psychosozial bedingten Problematik innerhalb der biographischen Entwicklung zu haben, bei welcher eine defizitäre Subjektorganisation zu Grunde gelegt wird, nach der sich ein junger Mensch dem politischen Extremismus ursächlich zur Abwehr eigener Unsicherheiten zuwendet. Als Folge wird sich zur Prävention hauptsächlich auf dieses Subjektverständnis bezogen, um von dort aus „[...] nach Wegen zu suchen, wie zumindest zweifelnden und unerfahrene Menschen wie Jugendliche vor derartig primitiven Erklärungs- und Problemlösungsansätzen geschützt werden können.“ (Moning/Petersen 2009, S. 15) Die Jugendlichkeit der Handelnden wird hierbei durch die jugendtheoretische Unterstellung einer besonderen Anfälligkeit dieser Personengruppe plausibel zu machen versucht, wie es auch Gertrud Hardtmann thematisiert: „Gerade jugendliche und heranwachsende Jungen sind aufgrund ihrer altersbedingten Wachstums- und Reifungskrisen ansprechbar für Schmeicheleien und Größenideen, leicht verführbar und ohne große Mühe zu rekrutieren, wenn sie ohne kritische verlässliche Erwachsene, häufig ohne ihre Väter, sich selbst überlassen sind.“ (Hardtmann 2007, S. 38)
Die Gefahr solcher Einschätzungen ist: Der Sinn von extremistischer Gewaltanwendung verlagert sich aus der Sphäre tendenziell rationaler Begründungen zur psychologischen Ebene, wo diese Gewalt als Ausgleich persönlicher Defi zite fungiert.43 Warum sich jemand für bestimmte politische Ideen interessiert, könnte viel43 | Aufgrund dieser Problemlagen besitzt der psychische Organismus des Jugendlichen offenbar tendenziell eine schwache Abwehr. Als Gegengift für rechtsextreme Anschauungen fungieren deshalb nicht selten arbeitspolitische Empfehlungen zur Stärkung des Immunsystems: „Deshalb sind für Jugendliche das Vorhandensein realer Chancen für angemessene Lebensperspektiven, insbesondere eine abgeschlossene Berufsausbildung und ein gelungener Übergang in den Beruf lebenswichtig.“ (Schubarth 2000, S. 255) Auch die „Berliner Erklärung zu Rechtsradikalismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus“ fordert für den Bereich der Prävention: „Dringend erforderlich ist ein Programm ‚Zukunft für junge Menschen‘, um genügend Ausbildungs- und Arbeitsplätze sowie Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche zu schaffen.“ (In: SPD 1993, S. 10) Haben Jugendliche das alles nicht – so die logische Ableitung – werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtsradikal. Da das Vorhandensein eines ernährenden Berufes aber nicht nur für junge Menschen, sondern für alle Menschen sehr wichtig sind, macht
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leicht in einem nicht geringen Maße auch damit zu tun haben, dass er die darin enthaltenen inhaltlichen Prämissen richtig fi ndet. Rechte Gewalt wird aus einem primär defizitorientierten Blickwinkel heraus jedoch vorwiegend als krisenbedingte Reaktion auf ökonomische, entwicklungsspezifische oder persönliche Probleme behandelt. Angenommen wird dabei implizit ein grundsätzlicher kausaler Zusammenhang zwischen dem gefährdeten Prozess des Heranwachsens auf der einen Seite und der Attraktivität extremistischer Überzeugungen und gewaltförmigen Handlungsweisen auf der anderen Seite. Dabei wird das Vorhandensein einer festen Überzeugung und das Vorliegen eines politischen Extremismus paradoxerweise als Indiz für die eigentliche Nicht-Existenz dieser Elemente im jugendlichen Individuum gewertet: „Insbesondere stellt sich die Frage, ob rechtsextremistische und fremdenfeindliche Äußerungen von Jugendlichen überhaupt stabil ‚politisch‘ motiviert sind oder ob sie auch andere, gerade für die Jugendphase charakteristische Motive ausdrücken.“ (Hopf 2002, S. 8) Wird in diesem Zitat ein Grundverhältnis der Forschung gegenüber ihrem Gegenstand sichtbar, welches man mit dem juristischen Prinzip Im Zweifel für den Angeklagten beschreiben könnte? Die Frage lautet dabei: Wie weit soll diese Unschuldsvermutung eigentlich gehen? Bis vom politischen Subjekt nichts mehr übrig ist? Die Brisanz rechtspolitischer Aktivitäten wird jedenfalls durch den Verweis auf eine vermeintliche Instabilität der dahinter stehenden Überzeugung aufzulösen versucht unter Rückgriff auf angebliche Charakteristika der Jugendphase. Der Befund eines politischen Extremismus wird zu diesem Zweck als lebenslagenspezifische Reaktion des Individuums auf von der Forschung zu bestimmende Umweltfaktoren begriffen, in welcher eine „[...] rechtsextreme Haltung eine jugendliche Durchgangsphase ist, ausgeprägt bei den 16-17jährigen.“ (Noelle-Neumann/Ring 1985, S. 94) Mit solchen Vermutungen wird zur Erklärung Rechter Gewalt auf allgemeine Merkmale einer meist nicht näher spezifizierten Jugendtheorie zurückgegriffen. Wie aber ist zweifelsfrei zu ermitteln, welche Haltungen als charakteristisch für eine Lebensphase zu gelten haben und welche nicht? Sind diese Zuweisungen nicht in erster Linie eine bestimmte Form der Projektion von Erwachsenen, die dadurch eine bestimmte gesellschaft liche Norm etablieren möchten? Wird innerhalb eines solchen Verständnisses deshalb nicht zwangsläufig mit stereotypen „Altersschablonen“ (vgl. Saake 2006) operiert? Auf diese Fragen gibt es sicher keine einfachen Antworten. Die Frage aber, ob die Anwendung politischer Gewalt nicht auch die logische Konsequenz eines ideologischen Weltbildes darstellen könnte, wird mit einer jugendtheoretischer Perspektive jedenfalls nicht thematisiert.44 Im Gegenteil: eine solche Aussage nur Sinn, wenn angenommen wird, dass es einen Zusammenhang von dem Gefühl der Benachteiligung und dem Entstehen von Rechtsextremismus gibt, welches besonders in jungen Jahren ein Problem darstellt. Es geht dabei also um die Konstruktion von Verunsicherungsgefühlen und Orientierungslosigkeit aufgrund einer Lebenslage, die offenbar allgemein von besonderer Benachteiligung gekennzeichnet sein soll. Der Gegenstand Jugend könnte jedoch weitaus heterogener sein als solche negativen Verallgemeinerungen es nahe legen. 44 | Zur Rolle der weltanschaulichen Prägung rechtspolitischer Täter fi ndet sich bei
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Angeblich feststehende Merkmale der Jugendphase sollen dabei helfen, die offenbar unverständliche Rechte Gewalt jenseits politischer Kriterien entschlüsseln zu können.45 Die Opfer Rechter Gewalt geraten dabei jedenfalls vollständig aus dem Blickfeld der Analyse, ihre Existenz wird zum Zufall deklariert und die spezifische Struktur rechtsmotivierter Opferbildung nicht integriert. Dagegen steht die Einschätzung politischer Behörden, wie sie etwa vom Hamburger Verfassungsschützer Manfred Murck formuliert wird: „Die Delikte selbst und auch die Motive der Täter haben eine ‚politische Dimension‘, denn sie fußen zumindest implizit auf einem rechtsextremistischen Weltbild, das auf der Abwertung anderer Völker und Rassen beruht.“ (Murck 1995, S. 161) Die Prinzipien dieser „Abwertung“ wiederum könnten an einen speziellen Kontext gekoppelt sein, in welchem sich durchaus positiv auf das Weltbild der deutschen NS-Vergangenheit bezogen wird. Dazu gibt es einige Hinweise: „In ihren Emblemen und Symbolen, im Habitus und Körperbildern repräsentieren die rechtsextremen Jugendlichen die Ideale ihrer Großvätergeneration und zeigen in den zahlreich dokumentierten Interviews weder ein Gefühl noch ein Bewusstsein ihrer Schuld [...].“ (Van Gistern 1996, S. 105) Das könnte bedeuten: Diese Jugendliche verfügen über eine politische Identität, die sie in aktiver Auseinandersetzung mit aktuellen und historischen Fragestellungen entwickeln und nicht etwa eine, die sich durch einen Mangel an Fakten oder Wissen auszeichnet: „Rechtsextrem orientierten Jugendlichen fehlt nicht einfach das Wissen über Gertrud Hardtmann allerdings der Hinweis: „Für die rechtsradikalen Jugendlichen schloss der Dienst an der Sache gewaltsame Handlungen bis hin zur Körperverletzung und Tötung ein und ließ diese als moralisch akzeptabel erscheinen. [...] Von vornherein, vor allem aber im Moment der Tat, wird verleugnet, dass es sich um Menschen mit den gleichen Rechten auf körperliche und seelische Unversehrtheit handelt, wie der Täter sie für sich selbst in Anspruch nimmt.“ (Hardtmann 2007, S. 56/57) Dabei wurde diese Ungleichbehandlung von rechten Jugendlichen hauptsächlich mit ihrer Identität als „Deutscher“ begründet. Diese Identitätskonzeption kann als genuin politische Komponente mit historischer Prägung bezeichnet werden: „Ihre Identifi kation als Deutsch funktionierte bei diesen Jugendlichen meist über ein Anknüpfen an ausgewählte historische Tatsachen und Traditionen, aber auch klar formulierte aktuelle soziale, politische, kulturelle und ökonomische Interessen. Eine rechtsgerichtete Identität hatten sie mitunter bereits in früher Kindheit dadurch erworben, dass ihre Familien sich mit Teilen der idealisierten nationalsozialistischen Ideologie und Herrschaft immer noch verbunden fühlten.“ (Hardtmann 2007, S. 47/48) 45 | „Lust auf Randale“ heißt beispielsweise ein Sammelband zum Thema „Jugendliche Gewalt gegen Fremde“ (vgl. Breyvogel 1993), „Geil auf Gewalt“ (vgl. Streek-Fischer 1994) seien die Täter. Schon in der Art und Weise der Problembeschreibung ist in diesen Bezeichnungen implizit eine beliebte Erklärung zum Phänomen enthalten, nämlich der Umstand, in der behandelten Gewalt ursächlich einen destruktiven Trieb (Lust) ausmachen zu wollen. Dieser Trieb scheint sich nach Meinung einiger Forscher offensichtlich gerade in der jüngeren Generation oft als Randale zu äußern. Deshalb sind Taten, die im Gefolge dieser Triebentladung geschehen, folgerichtig immer und stets eine Form jugendlicher Gewalt.
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den Nationalsozialismus – selbst Jugendliche in „Kameradschaften“ wissen in der Regel recht genau, was sie sagen.“ (Bölting 2003, S. 204) Die Identität dieser Jugendlichen könnte damit als Ergebnis eines aktiven individuellen Aneignungsprozesses verstanden werden, dessen zentrales Element allerdings in der Verleugnung der persönlichen und der nationalen Schuld besteht. Ein derart politisierter Jugendlicher könnte aber trotzdem durchaus „[...] als ein Akteur verstanden werden, der Einflüsse der Umwelt nicht nur rezipiert, sondern aktiv verarbeitet und Reaktionen der Umwelt auf seine Person auslöst, bzw. modifiziert.“ (Reinders 2002, S. 58) Eine solche Sichtweise wäre überaus bedeutsam für den Prozess der gesellschaft lichen Rahmung des Problems der Rechten Gewalt, weil damit die Kriterien, anhand derer ein Akteur seine politische Sozialisation organisiert, ein wichtiger Faktor zum Verständnis dieses Prozesses werden. Es ließe sich damit sagen: „Die Frage nach der Wiederkehr der rechten Ideologie betrifft daher die Genealogie kultureller Identifikationen und Ideale in der deutschen Nachkriegsgeschichte.“ (Van Gistern 1996, S. 105) Das könnte bedeuten, dass man die Taten dieser Jugendlichen überhaupt erst in angemessener Art und Weise versteht, wenn man den speziellen ideologischen und intergenerativen Kontext ihrer Gewalt berücksichtigt. Auf jeden Fall besteht hinsichtlich des Charakters Rechter Gewalt ein deutlicher Dissens innerhalb der fachlichen Auseinandersetzung, der produktiv aufzuklären wäre. Zu fragen wäre beispielsweise: Ist eine entsprechende Tat in den Augen der Ursachenforschung vielleicht schon unter Umständen „rechtsextrem“, der Täter aufgrund seines Alters eben jedoch nicht? Wäre möglicherweise der Grund dafür in der Vorstellung zu suchen, dass ein bestimmtes Alter den Angehörigen dieser Lebensphase allgemein zur Orientierungslosigkeit disponiert, welche den Bereich des Politischen nahezu vollständig überlagert? Die oft geäußerte Bezeichnung, Jugendliche seien, wenn überhaupt, dann in erster Linie „rechtsextremistisch orientiert“ (vgl. Heitmeyer 1989) trägt genau dieser Annahme Rechnung, denn eine Orientierung ist die Bezeichnung für die Motivation, sich einen Überblick verschaffen zu wollen. Dieser Begriff macht aber nur vor der Grundannahme Sinn, dass man diesen Überblick eben nicht besitzt. Wenn Jugendliche sich orientieren, so lässt sich folgern, dann empfinden sie unbewusst eine Orientierungslosigkeit. Diese seitens der Wissenschaft unterstellte unbewusste Bedürfnislage wird dabei als bedeutsamer Faktor angesehen, der den jeweiligen sozialen Handlungsformen als Ursache unterlegt ist. So legt Jörg Neumann gleich zu Beginn seiner Untersuchung über „Aggressives Verhalten rechtsextremer Jugendlicher“ (vgl. Neumann 2001) die folgende These zugrunde: „Für bestimmte Verhaltensklassen und Altersgruppen muss zudem davon ausgegangen werden, dass Entscheidungen nur eingeschränkt rational getroffen werden und das gezeigte Verhalten nicht immer bewusst intendiert ist.“ (Neumann 2001, S. 22) Es scheint also in Teilen der Forschung eine Art Generalverdacht zu existieren, dass speziell bei einer Gruppe namens Jugendliche unbewusste Anteile das Handeln in einem größeren Ausmaß intendieren, als es ein rational begründetes Verhalten vermag. Das erinnert an die Polemik von Robert Poulet, wo es heißt: „Sämtliche Dramen, Heldentaten, Opfer, Skandale, Verbrechen und Aff ären aller Art, bei denen die Jugend eine Rolle spielt, haben etwas Suspektes an sich.
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Denn meist gibt die Jugend nur einem blinden Impuls nach, ohne zu wissen, was sie tut, ohne zu ahnen, was für Folgen es haben kann.“ (Poulet 1982, S. 41) Dieser Maßstab zum Thema „Jugend“ wird anscheinend auch bei der Anwendung politischer Gewalt zugrunde gelegt, ansonsten würde der Verweis auf eine angeblich jugendtypische Irrationalität in Bezug auf rechtsextreme Täter ja überhaupt keinen Sinn ergeben. Solcher Generalverdacht lässt sich als Teil einer Basiserzählung in einer ganzen Reihe von wissenschaft lichen Interpretationen Rechter Gewalt wieder finden. Sie schlägt sich z.B. nieder in der wiederholten Fragestellung, „[...] ob es sich bei den rechtsextremen Einstellungsäußerungen um ein jugendspezifisches Probier- und Provozierverhalten handelt [...].“ (Fuchs 2003, S. 654) Dass provokante Handlungen auch Teil einer politischen Strategie sein können, wird dabei eben so wenig mitgedacht wie der Umstand, dass der Inhalt einer Provokation nicht vollständig beliebig ist, sondern zuvor strategisch ausgewählt werden muss. Doch erst jenseits dieser Möglichkeiten verlagert sich die Suche nach den Gründen zur Anwendung von Gewalt weg von der sichtbaren Tat zum zunächst unsichtbaren Hintergrund auf Seiten der Täter und kann sich so quasi hinter dem Rücken der Akteure zum Anlass für diverse Deutungsstrategien der Sozialwissenschaft en anbieten.46 Diese jugendtheoretisch unterlegte Schwerpunktsetzung blieb innerhalb der Rechtsextremismusforschung allerdings nicht gänzlich ohne Widerspruch. So kritisierte besonders der Jugendforscher Albert Scherr bereits Mitte der 90er Jahre den Fokus auf den Faktor Jugend vehement. Er präsentiert seine Kritik zentral in seinem Artikel „Zum Stand der Debatte über Jugend und Rechtsextremismus“ (Scherr 1996). Zunächst weist er darin darauf hin, dass „[...] der öffentliche Diskurs über ‚die Jugend‘ wesentlich ein Krisendiskurs“ sei. (Scherr 1996, S. 64) Neben dem politischen und medialen Diskurs sei vor allem „[...] auch der wissenschaft liche Jugenddiskurs der 90er Jahre im Kern auf soziale Probleme von und mit Jugendlichen fi xiert.“ (Scherr 1996, S. 65) Dieser Diskurs hätte unter anderem in der Thematisierung von Aggression, Jugendgewalt, Rassismus und Rechtsextremismus bestanden, wobei in diesem Zusammenhang durch die Modifi zierung der Individualisierungsthese (vgl. Beck 1986) durch Heitmeyer (vgl. Heitmeyer 1989, 1992) der Gedanke problemzentrierter Prävention als Leitbild dominant werden konnte: „Jugend wird in den 90er Jahren vorrangig als ein gefährdete und problematische Sozialgruppe thematisiert, die politischer und pädagogischer Aufmerksamkeit in der Form fürsorglicher Aufmerksamkeit und Kontrolle bedarf.“ 46 | So könnte Rechte Gewalt z.B. vor dem Hintergrund einer primär sozio-kulturellen Wahrnehmung der Tätergruppe seitens der Forschung dazu führen, jenseits politischer Zielbestimmungen von diesen Taten zu behaupten „[...] dass die unmittelbare Motivation der jungen Männer in aller Regel dem Komplex einer maskulinen Selbstdarstellung entspringt.“ (Kohlstruck 2005, S. 5) Der Begriff „Motivation“ wird hierbei auf seine psychologischen Anteile reduziert und von anderen Dimensionen bereinigt. Zu prüfen wäre, ob die Erklärungsformel „Maskuline Selbstdarstellung“ als GewaltBegründung den spezifischen Opferbildungsprozessen seitens rechtspolitischer Täter tatsächlich gerecht werden kann.
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(Scherr 1996, S. 65) Diese krisenzentrierte thematische Fokussierung habe bewirkt, dass die Wahrnehmung Rechter Gewalt als Effekt dieser Problemgruppe gedeutet wurde: „Es hat sich [...] ein Jugenddiskurs entwickelt, in dem Rechtsextremismus sozialwissenschaft lich, politisch und pädagogisch als ein genuines Jugendproblem diskutiert wird.“ (Scherr 1996, S. 97) Scherr betont in diesem Zusammenhang, dass es zwar für manche Jugendliche zutreffend sein mag, die Attraktivität des Rechtsextremismus mit den Besonderheiten der Lebensphase Jugend zu erklären, aber ein Jugenddiskurs in der Ursachenforschung lässt sich seiner Meinung nach damit nicht rechtfertigen. Er schreibt an anderer Stelle dazu: „Zwar kann angenommen werden, dass eine Anzahl von Jugendlichen existiert, für die gilt, dass Ausländerfeindlichkeit und Gewaltbereitschaft zu ihrem verfestigten und stabilen Überzeugungen zu rechnen sind.“ (Scherr 1993, S. 327) Er betont jedoch, dass es sich bei diesen um eine Teilgruppe handele, und es deshalb nicht gerechtfertigt sei, pauschale Etikettierungen vorzunehmen.47 Scherr kritisiert daher die Verwendung von Begrifflichkeiten aus der Jugendtheorie bei der Beurteilung des rechten Extremismus und mahnt an, „[...] die methodologischen und methodischen Verfahren, auf denen solche Zuschreibungen beruhen, transparent zu machen.“ (Scherr 1996, S. 100) Er konstatiert in diesem Zusammenhang die Existenz eines eingrenzbaren, selbständigen Diskurses, der jugendtheoretische Deutungsmuster nahe legt und vorzeichnet, so dass keine anderen Dimensionen außer einer derart präferierten Analyse existieren. Diesen Diskurs nennt er nun „Jugenddiskurs“. Durch diesen werde das Handeln von Jugendlichen vor allem als „jugendliches Handeln“ interpretierbar. Auf der politischen Ebene werde damit eine gesamtgesellschaft liche Brisanz des Themas ausgeklammert. Zur Unterstützung dieser These untersucht Scherr die Ursachenforschung von 1987 bis 1995, wobei er den Schwerpunkt auf solche Untersuchungen legt, die auf der Basis quantitativer Erhebungen fremdenfeindliche, bzw. rechtsextreme Einstellungen und Orientierungen Jugendlicher beschreiben und mit gesellschaft s- und sozialisationstheoretischen Erklärungsmodellen verbinden. In Anschluss an seine Auswertung der Studien von Melzer (1992), Melzer/Schubarth (1993), Birsl (1995), Hoffmann-Lange/Schneider/Gille (1993) Ueltzhöfer (1993) und Willems/Würtz/Eckert 1993/1994) spricht Scherr insgesamt von einem „unscharfen Bild.“ (Scherr 1996, S. 103) So existierten unter den befragten Jugendlichen je nach Studie erheblich unterschiedliche Zustimmungsquoten zu Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, für Scherr ein Hinweis, dass hier eben nicht „[...] der innere Sinnzusammenhang individueller und sozial geteilter Deutungsmuster [...]“ (Scherr 1996, S. 103) abgebildet werde, sondern sich lediglich eine statistische Häufigkeit in Bezug auf eine standarisierte Frage darstellen lasse. Die erhobenen Ergebnisse zu den „rechtsextremen“ Zu47 | Dieser Umstand wird auch von anderen Forschern kritisiert: „Unzulässigerweise neigen viele Sozialforscher in Jugendstudien zu verallgemeinernden Aussagen. Hauptfehler sind Generalisierungen auf der Basis von Stichproben mit begrenzter Repräsentativität, Vergleich mit nichtvergleichbaren anderen Studien, Generalisierung auf der Basis einer geringen Zahl von Items, idealisierter Folien sowie unzulängliche Längsschnittanalysen.“ (Schroeder 2003, S. 242)
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stimmungsquoten (zwischen 10 und 20 Prozent) der befragten Jugendlichen lassen deshalb keinesfalls den Schluss zu, dass es sich bei diesem Problem um ein Thema der Jugendforschung handeln müsste. Der „Jugenddiskurs“ thematisiert den Faktor „Jugend“ also unter Umständen zu Unrecht als hauptsächliches Problem. Argumentativ untermauert wird diese Sicht bei Scherr durch ein Zitat einer Infas-Umfrage aus dem Jahre 1992, in welcher nicht nur 24 Prozent der unter 24jährigen, sondern auch 18 Prozent der Jahrgänge darüber angaben, „[...] eine Partei rechts von der CDU“ gewählt zu haben, bzw. wählen zu wollen (Nach: Leggewie 1993). An diesem Beispiel lässt sich nun eine zentrale Fragestellung entwickeln, die im Kontext von diskurstheoretischen Überlegungen eng mit der Funktion und der Bedeutung von begriffl ichen Elementen verbunden ist und die innerhalb der Analyse von Scherr den Blick lenkt auf die Kriterien, nach denen ein Mensch als „Jugendlicher“ gelten kann. Es scheint innerhalb seiner Argumentation zunächst schlüssig zu sein, die Personengruppen über 24 und unter 24 Jahren im Hinblick auf ihre rechtsextremen Meinungsanteile zu vergleichen, um damit der Ansicht entgegentreten zu können, dass „die Jugend“ extremer eingestellt sei als „die Erwachsenen“. Es wäre aus diskursanalytischer Perspektive jedoch interessant, danach zu fragen, wie genau sich dieser Prozess der Grenzziehung eigentlich inhaltlich begründen lässt, mit dem solche gesellschaft lichen Altersgruppen voneinander unterschieden werden. Diese Frage betrifft die Definitionen von Innen und Außen, die innerhalb einer Gesellschaft als kulturelles Axiom zu Grunde gelegt sind und die innerhalb eines Diskurses als Teil eines Deutungsfundus angesehen werden könnten. Anders gefragt: Wer ist der Jugendliche nach allgemein gültiger Meinung eigentlich genau, wie wird diese Meinung von wissenschaft licher Seite begründet? Zur Praxis der Alterseinteilungen merkt bereits Helmut Schelsky jedenfalls durchaus selbstkritisch an: „Hinter dieser scheinbar rein pragmatischen Festlegung der Altersspanne, die man als ‚Jugend‘ ansehen will, steckt aber jeweils schon eine ganz bestimmte Defi nition und Auffassung vom Wesen des Jugendlichen, insofern die begrenzenden Daten jeweils aus spezifischen Denkweisen stammen und sich auf verschiedene, jeweils wichtig genommene Lebensereignisse oder -erscheinungen beziehen.“ (Schelsky 1984, S. 13)
Auf welche Personengruppe sich ein Diskurs konkret beziehen lässt und welche Wertungen damit verbunden sind, dürfte deshalb speziell für die Diskussion über die Wirksamkeit von jugendtheoretischen Effekten innerhalb des Diskurses über Rechte Gewalt von erheblichem Interesse sein. Eine mögliche Fragestellung könnte deshalb unter Bezugnahme auf die Ergebnisse von Scherr lauten: Ist man mit 24 Jahren tatsächlich noch ein Jugendlicher? Kann der Begriff des Jugendlichen also allgemein bis zum Erreichen des 24. Lebensjahres Geltung beanspruchen? Analog heißt es jedenfalls dazu in einem Fachbuch zum Thema Jugendgewalt: „Im allgemeinen Sprachgebrauch umfasst das Jugendalter die Zeit zwischen der Pubertät und der abgeschlossenen sozialen Reifung, also etwa zwischen dem 12. und dem 25. Lebensjahr.“ (Sachs 2006, S. 14) Für eine wissenschaft liche Terminologie gelten aber unter Umständen andere Kriterien als beim so genannten „allgemeinen Sprachgebrauch“, bzw. müsste der Bezug auf eine
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solche Allgemeinheit jugendtheoretischer Vorstellungen seitens der Wissenschaft unbedingt transparent gemacht werden, zumindest wenn angenommen werden soll „[...] dass die in einer wissenschaft lichen Gemeinschaft verwendeten Ausdrücke bestimmten Bedingungen genügen.“ (Druwe/Mantino 1996, S. 75) Das Problem dabei könnte sein, dass eine solche Transparenz beim Thema Jugend in höchstem Maße uneinheitlich ausfallen würde, wenn z.B. verschiedene Definitionen dieses Begriffes jeweils ein eigenes Recht auf Allgemeingültigkeit beanspruchen. Dieses Phänomen ist innerhalb der Jugendforschung nun allerdings seit langem als Manko bekannt: „Schon die auf den ersten Blick einfache Frage, mit welchen Abgrenzungen empirische jugendsoziologische Untersuchungen eingrenzen, wird in der einschlägigen Literatur uneinheitlich beantwortet. Jeweilige Festlegungen werden in der Regel pragmatisch und ohne theoretische Begründung vorgenommen.“ (Scherr 2003, S. 49) So schreibt auch Trommler in seinem Überblick über die gesellschaft liche Funktion von „Jugendmythen“: „Dass der Jugendbegriff jenseits der Adoleszenzforschung (die das Alter zwischen 15 und etwa 23 Jahren umfasst) zumeist höchst vage blieb und auf die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnitten wurde, braucht nicht eigens betont, sondern muss als historisches Faktum selbst thematisiert werden; seine größten Wirkungen hat dieser Begriff gerade mit diesen Verschwommenheiten gezeitigt, ohne die er [...] in Deutschland nicht zu solcher Prominenz gelangt wäre.“ (Trommler 1986, S. 20)
Diese Einschätzung wäre für den Gebrauch des Faktors Jugend im Bereich der Rechten Gewalt durchaus folgenreich, denn mit einem vagen Begriff ließe sich in einem wissenschaft lichen Kontext nur schwerlich analytisch oder diagnostisch sinnvoll arbeiten. Die damit getätigten theoretischen Aussagen hätten nur eine äußerst begrenzte Reichweite und Vergleiche von empirischen Ergebnissen könnten kaum angestellt werden: „Ohne Zweifel macht es aber einen Unterschied, ob man sich unter Aspekten wie Intimbeziehungen und Sexualität, politische Orientierung und politisches Interesse, Gewaltbereitschaft und Kriminalität mit 16- bis 29jährigen – so das Jugendsurvey des DJI (Gille/Krüger 2000) – oder aber in Anlehnung an rechtliche Vorgaben mit 14- bis 18jährigen befasst.“ (Scherr 2003, S. 49/50) Es wäre daher zu überprüfen, ob die terminologische Unschärfe des Jugendbegriffs als historische Hypothek in der aktuellen Ursachenforschung problematisiert oder aber ignoriert wird. Trifft letzteres zu, dann wäre das als Problem unbedingt zu thematisieren. Auf diesen Aspekt wird aus diesem Grund noch gesondert zurück zu kommen sein. Albert Scherr jedenfalls kritisiert die Vorstellung einer einheitlichen Gruppe der „Jugendlichen“, da es sich dabei um „Generationstypisierungen mit geringer analytischer Schärfe [...]“ handeln würde, die anhand von statistischen Mittelwerten einschlägiger Repräsentativstudien gewonnen werden würden. (vgl. Scherr 1996, S. 105) Für ihn wird innerhalb des „Jugenddiskurses“ von einer kleinen Teilgruppe junger Menschen zu allgemeinen Begriffen wie „Jugend“ oder „Jugendliche“ abstrahiert, die durch dieses induktive Verfahren keinerlei analytische Schärfe mehr besitzen. Diese analytische Unschärfe hat in Bezug auf gesellschaft liche Phänomene
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wie z.B. Rechtsextremismus die Eigenschaft, diese Probleme als jugendspezifisch zu begreifen, ohne das Spezifische daran empirisch verifizieren zu können.48 Das spricht in besonderem Maße für die Einnahme eines Blickwinkels, in welchem das „[...] ‚Reden über Jugend‘, der ‚Diskurs über Jugend‘ und so auch die Jugendforschung und ihre Theorien [...] als ‚soziale Tatsachen‘ selbst zum Gegenstand einer kritisch-selbstreflexiven theoretischen (vgl. Hafeneger 1995) und auch wissenssoziologisch-sozialkonstruktivistischen empirischen Jugendforschung werden. [...]“ (Griese/Mansel 2003, S. 25) Der von Scherr heraus gearbeitete Befund des „Jugenddiskurses“ soll zu diesem Zweck als Ausgangspunkt dienen für die Entwicklung einer eigenen Forschungsperspektive, wobei die wesentlichen Kritikpunkte speziell auf den Diskurs über Rechte Gewalt übertragen werden. Die zentrale Überlegung lautet dabei: Wenn es stimmt, dass ein spezieller Jugenddiskurs analytische Unschärfen produziert, indem die zur Erklärung von Rechter Gewalt übernommenen Axiome selber das Ergebnis eines „Theoriedefizits in der Jugendforschung“ (vgl. Mansel/Griese/Scherr 2004) darstellen, dann scheint es begründet zu sein, das diskursanalytische Interesse noch genauer auf die Anatomie eben dieser importierten jugendtheoretischen Hintergrundannahmen zu lenken, um zu einem klareren wissenschaft lichen Sprachgebrauch in Bezug auf das Problem Rechte Gewalt gelangen zu können. Das wiederum lenkt den Blick auf die innere Dynamik des Jugenddiskurses, die diesen Sprachgebrauch nahe legt, denn für jede Form der pädagogischen Diagnostik fungieren Begriffe, die inhaltlich unterbestimmt sind, als blinde Flecken, die sich in letzter Konsequenz bis in die konkreten Handlungsfelder sozialer Arbeit und politischer Bildung hin auswirken. Vermutet wird, dass eine effektive gesellschaft liche Prävention erschwert wird, wenn unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, um welches Problem es sich beim Thema Rechte Gewalt handelt. Das könnte durch eine veränderte Perspektive auf den Jugenddiskurs deutlich gemacht werden, indem sich auf dessen konkrete Wirkungsweise bezogen kann. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die diversen jugendtheoretischen Wissensbestände innerhalb eines Diskurses vor allem über die Konstruktion einer sozialen Gestalt vermittelt werden. Deshalb wird für diesen Blickwinkel speziell für das Forschungsfeld Rechte Gewalt von der Hypothese verschiedener diskursiver Effekte ausgegangen, die interdiskursiv49 quer durch die Grenzen der verschiedenen Fachdisziplinen hindurch wirksam sind. 48 | An den Schluss seiner wesentlichen Kritik von 1996 stellt Scherr aus diesem Grund ein Zitat des Jugendforscher Arno Klönne: „Solange jugendlicher Rechtsextremismus nicht als Bestandteil der gesellschaft lichen – generationsübergreifenden – Normalität wahrgenommen wird, hat die Auseinandersetzung mit dem Phänomen [...] auch Alibifunktion.“ (Klönne 1994, S. 141) Auch von anderer Seite kam Kritik an der Konzentration auf Jugendliche. Die Soziologin Birgit Rommelspacher sprach aufgrund des forschungsinternen Fokus' auf die Täter beispielsweise von der Strategie einer „Täterentlastung durch die Sozialwissenschaften“ (vgl. Rommelspacher 1994). 49 | Der Begriff des „Interdiskurses“ ist dem theoretischen Ansatz von Jürgen Link entnommen, der davon ausgeht, dass ein solcher Diskurs wesentlich durch die Formulierung von so genannten ‚Kollektivsymbolen‘ die Funktion einer Art Schnittstelle zwischen
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Da es bei dieser Perspektive hauptsächlich um das Interesse an einer terminologischen Klärung der jeweils verwendeten Fachbegriffe geht, lässt sich die unter diesen Vorzeichen geführte Diskussion als interdisziplinärer Beitrag zu einer anwendungsorientierten Wissenschaftstheorie charakterisieren.50 Vom Rahmen her handelt es sich als kritische Auseinandersetzung um eine inhaltliche Diskussion, für deren Verlauf methodisch keine speziellen Vorgaben existieren. Dennoch scheint es sinnvoll zu sein, den dabei zu Grunde gelegten theoretischen Hintergrund zu erläutern sowie die Auswahl des Materials und den Umgang damit transparent zu machen. Auch die Erweiterung und die Abweichung von der von Albert Scherr und Thomas A. Herz aufgeworfenen Problemstellung soll deshalb im nächsten Abschnitt deutlich gemacht werden.
1.3 Ein diskursanalytischer Zugang zum Thema Rechte Gewalt Auf den folgenden Seiten geht es um die Lokalisierung des Forschungsfeldes, die eingesetzte Methode sowie um einen spezifischen Bezug zur wissenschaft lichen Theorie der Diskurse. Zunächst aber soll der thematische Zugang in groben Zügen dargestellt werden. Für den konkrete Impuls zu einer fachlichen Diskussion über den Gegenstandsbereich Diskurs über Rechte Gewalt wird sich hierbei einerseits auf die im letzten Abschnitt hergeleiteten und als skeptisch geltenden Positionen zu einer Basiserzählung namens „Jugendlichkeit der Handelnden“ (vgl. Herz 1996) bezogen, andererseits aber auch die Entwicklung und Begründung einer eigenen Perspektive betont. Dabei geht es darum, die Diagnose eines „Jugenddiskurses“ (Scherr 1996) zum Anlass zu nehmen, die konkreten Auswirkungen dieses Diskurses in einem sehr eingegrenzten Bereich der aktuellen Ursachenforschung zu rekonstruieren, indem dort die Struktur und die Beschaffenheit einzelner Faktoren lokalisiert und analysiert werden. Einen zentralen Stellenwert soll dabei der Begriff des Jugendlichen inne haben. Bezogen auf diesen Faktor kann im Anschluss an den Ansatz von Scherr jedoch eine leicht veränderte theoretische Schwerpunktsetzung vorgenommen werden: Zwar werden dessen Überlegungen zum „Jugenddiskurs“ grundsätzlich geteilt, innerhalb dieses Diskurses wird aber von einer Binnendifferenzierung ausgeganden verschiedenen Spezialdiskursen (z.B. der Wissenschaften) übernimmt: „Aus den verschiedensten Spezialdiskursen sammelt sich nun in den Redeformen mit totalisierendem und integrierendem Charakter [...] ein stark selektives Allgemeinwissen, dessen Gesamtheit hier Interdiskurs genannt wird [...].“ (Link 1986, S. 28, Herv. S.D.) Man könnte sagen: Die in einem Interdiskurs produzierten Symbole diff undieren gewissermaßen durch die verschiedenen Fachdiskurse hindurch und wirken in diese als Sinnbestand hinein. 50 | Dazu heißt es z.B. bei Ritsert: „Damit geht es ihr (der Wissenschaft stheorie, S.D.) beispielsweise um die Klärung der Grundlagen (z.B. der logisch allgemeinsten Voraussetzungen) einzelwissenschaft licher Erkenntnisse und Erkenntnisinteressen, der Erklärungsziele, der Normen vorbildlichen wissenschaft lichen Arbeitens, der Stichhaltigkeit beanspruchter Wahrheiten, und um die logische Konsistenz und Leistungsfähigkeit von Methoden.“ (Ritsert 2003, S. 12)
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gen, die sich in der Existenz verschiedener, voneinander abgrenzbarer Elemente aufzeigen lassen könnte, als „Rekonstruktion der diskursiven Konstruktion von Wirklichkeit.“ (Keller 2005, S. 267) Es soll also gefragt werden: Wie zeigt sich die hegemoniale Dominanz dieses „Jugenddiskurses“ in seiner Wirkung als Ausblendung des Politischen, d.h. welche inhaltlichen Elemente sind dabei analytisch zu lokalisieren? Die Erweiterung zur Kritik von Scherr besteht also hauptsächlich darin, sich auf die konkrete Funktionsweise des „Jugenddiskurses“ innerhalb eines eingegrenzten Forschungsfeldes zu konzentrieren, so wie es etwa im Ansatz der „Wissenssoziologischen Diskursanalyse“ von Reiner Keller (vgl. Keller 2005) vorgesehen ist. Dieser Ansatz soll daher als geeigneter Ausgangspunkt für eine inhaltliche Diskussion verwendet werden. Dabei ist das Thema eines Diskurses generell über die Identifizierung einer inhaltlichen Fokussierung rekonstruierbar: „Die dem kulturellen Wissensvorrat entstammenden oder auch im Diskurs selbst erzeugten Bausteine werden im jeweiligen Diskurs zu einer besonderen ‚Erzählung‘ zusammengeführt, auf einen referentiellen Anlass bezogen und über einen roten Faden, eine story line zu Diskursen integriert.“ (Keller 2005, S. 247, Herv. i.O.) Eine solche Erzählung könnte innerhalb eines Diskurses über die Aktivierung von entsprechenden Darstellern funktionieren, die den Verlauf einer „story“ plausibel machen und entsprechend dramaturgisch eingesetzt werden können: „Kollektive Akteure aus unterschiedlichen Kontexten [...] koalieren bei der Auseinandersetzung um öffentliche Problemdefinitionen durch die Benutzung einer gemeinsamen Grunderzählung, in der die spezifische Vorstellungen von kausaler und politischer Verantwortung, Problemdringlichkeit, Problemlösung, Opfern und Schuldigen formuliert werden.“ (Keller 2005, S. 247) Die Grundthese im Anschluss an diese Charakterisierung lautet deshalb, dass mit der Figur des Jugendlichen ein entsprechender Akteur vorliegen könnte, der innerhalb des Diskurses über Rechte Gewalt die Aktivierung einer jugendtheoretischen Basiserzählung plausibel macht und dadurch bestimmte Effekte in Bezug auf das Problemfeld einer De-thematisierung des ideologischen Hintergrundes Rechter Gewalt generiert. Diese Effekte könnten sich diskursanalytisch auffinden lassen, indem ein mit dieser Sprachfigur verbundener Wirkungsmechanismus anhand verschiedener thematischer Ein- und Ausschlussverfahren rekonstruiert wird. In Folge dessen stehen Fragestellungen im Vordergrund, die sich auf die scheinbare Stimmigkeit jugendtheoretischer Vorstellungen richten: Warum erscheint es für viele Forscher nahe liegend zu sein, zur Erklärung von Rechter Gewalt auf jugendtheoretische Deutungsmuster zurückzugreifen? Wie funktioniert in diesem Zusammenhang die De-Thematisierung von politischen Motiven genau? Solche Fragen beziehen sich auf die internen fachlichen Vorgänge der Thematisierung von Inhalten beim Erstellen von Diagnosen und Befunden. Geklärt werden soll, wie und wo der „Jugenddiskurs“ in diesem Sinne als hegemoniale Deutungsstrategie wirksam wird. Ein konkretes Beispiel soll den Forschungsansatz verdeutlichen: Auf einer Podiumsdiskussion Mitte der 90er Jahre äußerte sich der damalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland über die gesellschaft liche Wahrnehmung rechtsmotivierter Täter: „Und dann sollen dies alles – und so wurde
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es auch von der Justiz dargestellt – Nachahmungstäter, nicht ernst zu nehmende junge Leute, angetrunkene Jugendliche gewesen sein. Das war für mich eine Verharmlosung der Situation.“ (Bubis 1994, S. 254, Herv. S.D.)51 Das, was hier als „Verharmlosung“ kritisiert wird, könnte unter Umständen im Wesentlichen in einer Infantilisierung politischer Überzeugungen durch die Etikettierung der Täter als „Jugendliche“ bestehen. Diese werden dabei in ihrem Handeln nicht als politisch motivierte Personen, sondern als Angehörige einer Altersgruppe klassifiziert. Damit wird der Fokus auf allgemeine „Jugendprobleme“ gelenkt, wodurch die gesellschaft liche Brisanz Rechter Gewalt nicht zum Thema gemacht werden muss. Solche Form der Kritik lenkt den Blick deshalb auf diejenigen Argumente innerhalb des Diskurses über Rechte Gewalt, mit denen sich eine derartige Form der Infantilisierung nahelegen und begründen ließe. Ein derartiger Prozess könnte nun hauptsächlich durch zwei diskursive Strategien im Inneren des Diskurses bedingt sein: Erstens: Rechtsideologische Täter werden innerhalb der Forschung oft mals mit Hilfe der Sprachfigur des so genannten Jugendlichen identifiziert. Diese Identifizierung stellt somit die Grundbedingung dar für jede Form von diskursiven Effekten. Deshalb stellt besonders die Formulierung solcher „typisierbaren Diskursgestalten“ (Keller 2005, S. 267) für eine wissenssoziologisch inspirierte Analyse von Diskursen einen zentralen Aspekt dar, denn die Aktivierung von z.B. jugendtheoretischen Vorstellungen innerhalb eines Themenbereiches wird in der Regel überhaupt erst möglich durch die Kommunikation über ein Objekt, auf welches sich diese Vorstellungen konkret beziehen lassen. 52 Ohne eine allgemein verbindliche gemeinsame Verständigung über die Existenz einer Referenz von Bedeutungen, und seien diese auch noch so diff us, verliert ein Diskurs über soziale Vorgänge seine Funktion, wenn er als eine Form der Organisation von Wissen über eine vorgestellte Entität gelten will. Anders gesagt: Ein Diskurs braucht ein Objekt, er wäre sonst nicht existent. Wenn Scherr also von einem „Jugenddiskurs“ ausgeht, so müsste gefragt werden, wo das Objekt dieses Diskurses eigentlich konkret Gestalt annimmt. Es zeigt sich an dieser Frage, dass ein möglicher Bezug auf den Begriff der Jugend tendenziell ungeeignet zu sein könnte, eine solche Lokalisierung vorzunehmen, denn dieser Begriff ist zwar einerseits ein thematisch äußerst relevanter, aber andererseits auch ein in hohem Maße abstrakter Terminus, der über eine relativ große Bandbreite möglicher Bedeutungen verfügt. Anders gesagt: Was innerhalb einer Gesellschaft 51 | Analog heißt es dazu bei Gössner: „Immer noch werden rechtsterroristische Gewalttaten gerne als Handlungen von isolierten Einzeltätern beziehungsweise von unorganisierten Spontantätern bagatellisiert, allenfalls ist von Jugend-Gangs oder alkoholisierten Jugendlichen die Rede – als gäbe es keinerlei politischen Hintergrund für ihre mörderischen Gewalttaten [...].“ (Gössner 1995, S. 42) 52 | Vgl. dazu: „Das gesellschaft liche Imaginäre oder die instituierende Gesellschaft besteht in der und durch die Setzung/Schöpfung von Gestalten gesellschaft licher imaginärer Bedeutungen und dieser Bedeutungen als instituierter.“ (Castoriadis 1984, S. 603, Herv. S.D.)
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als Jugend gelten kann, ist unter Umständen nicht unbedingt leicht zu ermitteln, wenn sich dieser Begriff zwar als Objekt von Diskursen, aber nicht als konkretes Subjekt beschreiben lässt, zumindest dann nicht, wenn gesagt werden kann: „‚Die Jugend‘ als gesellschaft liche Gruppe ist nicht per se existent.“ (Buderus 1998, S. 22) Was aber nicht als konkrete gesellschaft liche Realität vorhanden ist, entzieht sich der allgemeinen Vorstellung, so dass gesagt werden könnte, „[...] dass die Kategorie ‚Jugend‘ selbst [...] fragwürdig geworden ist und zur Disposition steht.“ (Hornstein 1988, S. 71). Helmut Schelsky spricht in diesem Zusammenhang daher auch von der „Flüchtigkeit des Gegenstandes“. (vgl. Schlesky 1984, S. 8) Es könnte sich deshalb zeigen, dass dieser Begriff aufgrund seiner Unklarheit nicht einem eindeutig zu bestimmenden Phänomenbereich zuzuordnen ist, weil sich beim Reden über Jugend „[...] die Definition ihres Gegenstandes sich im Laufe der Jahre immer wieder gewandelt hat [...].“ (Abels 2000, S. 77) Was „Jugend“ ist, könnte zunehmend als diff us (vgl. Mienert 2008) gelten. Was heißt das aber nun für den Kontext der bisher angestellten Überlegungen? Es könnte bedeuten, dass sich der allgemeine Begriff Jugend wegen seiner Unklarheit nicht zur Verständigung über einen Referenten eignet, der das Sprechen über diesen (als konkreten Träger von Bedeutungen) zum Zwecke einer gesellschaft lichen Vermittlung von diskursiven Sinnbeständen möglich machen würde. Diese Funktion ist am ehesten durch eine Form der Referenz als Gestalt oder einer Figur gewährleistet, die einen abstrakten Begriff innerhalb der Vorstellung zu einem konkreten Objekt der Realität werden lässt. Solche Art der Eigenschaft übernehmen innerhalb einer Gesellschaft sogenannte „Jugendbilder“: „‚Jugendbilder‘ sind an Generationsgestalten und deren (subjektiv wahrgenommenes und/oder mediales) Erscheinungsbild gekoppelt.“ (Griese 2000, S. 241, Herv. i.O.) Mit Hilfe dieser Bilder werden bestimmte gesellschaft liche Phänomene als Ausdruck der sozialen Kategorie „Jugend“ gedeutet. Für eine solche sinnbildnerische Funktion scheint sich die Substantivierung des Begriffes Jugend durch den Jugendlichen nun in besonderer Weise anzubieten: Denn wie sich der abstrakte Begriff England unter Umständen erst in Gestalt eines als Engländers identifizierten Menschen als konkrete Realität realisiert, so kann der Jugendliche als ein für real gehaltener Akteur innerhalb eines entsprechenden Diskurs über Jugend plausibel werden. Der Jugendliche scheint gegenüber dem Begriff der Jugend also festere Konturen zu besitzen. Der von Scherr beschriebene „Jugenddiskurs“ hätte also den zentralen Effekt, dass die Thematisierung von Jugend im Wesentlichen über die Wahrnehmung einer Person als Jugendlicher funktioniert. Der mit dieser Vermutung verbundenen Fokus richtet sich damit also auf die Gestalt des Jugendlichen als verallgemeinerte Figuration, welche sich im Sinne „[...] konstruierter Jugendbilder“ (vgl. Griese/Mansel 2003, S. 25) auf die Formulierung von „[...] ‚Generationsgestalten‘ als Idealtypen subjektiver Verarbeitungsformen“ (vgl. Fend 1988, S. 182) zurückführen lassen. Mehr noch als der Begriff der Jugend scheint derjenige des Jugendlichen im Rahmen eines diskursanalytischen Zugangs dazu geeignet zu sein, die spezifischen Wirkungen, die im Zuge dieses Diskurses hervorgebracht werden, aufzeigen zu können. Denn „Gestalten“ werden durch Aussagepraktiken diskursiv konstruiert und formuliert, d.h. sie sind als beobachterrelative theoretische Fakten markierbar und lassen sich somit als konkrete Indizien für
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das lesen, was als Effekt eines Diskurses fungiert. Attributive Zuweisungen über den Charakter der Jugend realisieren sich sozial demnach erst anhand ihrer Manifestation einer für real gehaltenen Gestalt. Die Effekte dieser Manifestation innerhalb des Diskurses über Rechte Gewalt ließen sich deshalb grob unter der Überschrift einer „Thematisierung von Jugendlichkeit“ diskutieren. Die zweite Gruppe von Effekten betrifft den von Bubis erwähnten Effekt der „Verharmlosung“: Neben der Identifizierung rechtsmotivierter Täter als Jugendliche, so wird hierbei vermutet, existiert eine Tendenz, dieser Form der Identifizierung eine Reihe von Attributen zuzuordnen, die den Blick auf die ideologischen Motive rechtspolitischer Körperverletzungen zu verstellen hilft . Mit anderen Worten: Zeitgleich mit der Art der Benennung eines Täters als Jugendlicher könnte innerhalb des Diskurses über Rechte Gewalt ein Deutungsmuster aktiviert werden, durch welches die Gewaltanwendung von Menschen jüngerer Altersklassen mit dem Vorhandensein unausgereifter Vorstellungen und Meinungen in einen kausalen Zusammenhang gebracht wird. Das Ziel und die gesellschaft liche Funktion der konkret ausgeübten Gewalt würden dabei durch eine solche Interpretation in den Hintergrund geraten. Diese Wirkung einer „Ausblendung des Politischen“ könnte sich also als Wechselwirkung zwischen jugendtheoretischen Thematisierungen und gleichzeitiger De-Thematisierung ideologischer Tatmotive aufzeigen lassen. Die von Scherr kritisierte Verschiebung der Debatte von gesellschaft lichen Problemlagen auf „Jugendprobleme“ könnte ihren Ursprung damit also in der speziellen Verbindung von diskursiver Identifizierung (z.B. die Meinung: „Das sind Jugendliche“) und der Aktivierung von bestimmten jugendtheoretischen Vorstellungen (z.B. die Annahme: „Jugendliche haben keine geschlossenen Weltbilder“) haben, die innerhalb wissenschaft licher Erklärungsansätze als kultureller Deutungsvorrat aktivierbar sind. Dieser spezifische Vorgang, der im Inneren des Diskurses vor sich geht, soll deshalb im Rahmen eines eigenen Untersuchungsansatzes neben der Identifi zierung rechtsideologischer Täter als Jugendliche die zweite wichtige Rolle einnehmen: Denn wenn diese Tätergruppe als junge Leute und Jugendliche bezeichnet werden, sind die von ihnen verübten Taten unter Umständen nicht genauso ernst zu nehmen wie die von Erwachsenen, bzw. speisen sich aus anderen Motivlagen. Es wird dabei also unterstellt, dass eine funktionale Verbindung zwischen der Bezeichnung Jugendlicher und einem Mechanismus der eine Handlung interpretierenden Subjektkonstitution existiert, die als Folge die Handlungen der so konstruierten Subjekte quasi entwertet, mindestens aber spezifiziert. Dieser Effekt soll als „De-Thematisierung des Politischen“ bezeichnet werden. Der diskursanalytische Zugang im Anschluss an diese Überlegungen besteht also darin, die beiden Dimensionen der „Thematisierung von Jugend“ und der „De-Thematisierung des Politischen“ sichtbar zu machen, um die sich daraus ergebenen negativen Auswirkungen im Hinblick auf die sinnvolle Konzeptionierung von gesellschaft lichen Gegenstrategien diskutieren zu können. Dabei kann sich als Orientierung auf das Leitbild der „Wissenssoziologischen Diskursanalyse“ bezogen werden, wo empfohlen wird, „[...] gesellschaft liche Definitions- bzw. Wissensverhältnisse und die sich darin entfaltenden Wissenspolitiken sozialer Akteure als Diskurse, d.h. [...] als Deutungsproblem.“ (Keller 2005, S. 273, Herv. i.O.) zu thema-
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tisieren. Es geht dabei in erster Linie um die Bezugspunkte des Fokus, mit dem von Seiten der Wissenschaft auf das Phänomen der Rechten Gewalt geschaut wird und um die fachlichen Begriffe, die aufgrund dessen zur Beschreibung dieses Problembereichs gewählt werden. 53 Beide Faktoren – die „Jugendlichkeit der Handelnden“ und die „Ausblendung des ‚Politischen‘“ – sollen dabei theoretisch als eigenständige Diskursstränge analysiert werden, die sich in der konkreten gesellschaft lichen Praxis jedoch gegenseitig durchdringen. Im diskursanalytischen Ansatz von Siegfried Jäger heißt es dazu: „Die verschiedenen Diskurse bzw. Diskursstränge sind eng miteinander verflochten und (..) was Diskursanalyse zu entwirren hat, wobei darauf zu achten ist, wie sich die verschiedenen Diskursstränge beeinflussen, welche Überschneidungen und Überlappungen sich dabei ergeben.“ (Jäger 1993, S. 157) Wie kann man sich eine solche „Überlappung“ konkret vorstellen? Einen Hinweis darauf gibt Doris Dracklé, indem sie im Hinblick auf die thematische Verbindung von Rechtsextremismus und Jugend feststellt: „Das Problem des Rechtsextremismus in Deutschland wird dadurch diskursiv entschärft, dass in Medien, Politik und bestimmten Bereichen der Wissenschaften auf die biologischen und/oder kulturellen Kategorien ‚Jugendlicher‘ und ‚Ausländer‘ und die Andersartigkeit beider verwiesen wird.“ (Dracklé 1996, S. 8) Die hier angesprochene diskursive Verzahnung von „Jugendlichkeit“ mit „Andersartigkeit“ generiert also eine gesellschaft liche Vorstellung, die im Ergebnis dazu führt, dass der Rechtsextremismus als Problem zwischen Jugendlichen und Ausländern wahrgenommen wird.54 Rechte Gewalt wäre unter Umständen mit solch einem diskursiven Deutungsmuster also dem Phänomenbereich der Jugendgewalt zuzuordnen und könnte damit als eine „Form der Jugenddelinquenz“ (Berlin 2005, S. 58) angesehen werden. Von der Konstruktion einer soziologischen Struktur wird dabei auf den Charakter und die Eigenschaften der unter diesem Label versammelten Personen geschlossen. Dies wäre als diskursive Verzahnung von Jugendtheorie und Sozialanalyse zu thematisieren. Einer solchen Durchdringung, die im Ergebnis die Existenz einer „Ausblendung des Politischen“ innerhalb der wissenschaft lichen Auseinandersetzung über Rechte Gewalt generiert, soll deshalb eine künstliche Trennung beider Themenbereiche gegenübergestellt werden, wie sie im Schaubild dargestellt ist: 53 | Vgl. dazu: „Die Wahl der sprachlichen Konventionen zur Bezeichnung des rechtsextremistischen Komplexes ist selbst in hohem Maße politisch aufgeladen. [...] Da in der Wahl der Terminologie Grenzen gezogen werden, die darüber entscheiden, welche Formen von Kritik, politischer Praxis, alltäglichen Verhaltensmustern und historischen Bezügen die demokratische Gesellschaft tolerieren will oder welche sie als Bedrohung kennzeichnet, wird auch die wissenschaft liche Diskussion konfl iktreich.“ (Institut für Sozialforschung 1994, S. 4) 54 | In ihren Studien zu Jugend und Wildheit kommt die Autorin zu dem Ergebnis, dass die gesellschaft lich gültigen Vorstellungen über Menschen jüngeren Alters dazu führen, dass „[...] Jugendliche als exotische, eventuell gefährlich werdende Individuen an den Randbereich von Kultur verwiesen werden.“ (Dracklé 1996, S. 18.) Selten dagegen würde davon ausgegangen „[...] dass Jugendliche Protagonisten ihres eigenen Lebens sind und aktiv handeln.“ (Dracklé 1996, S. 18)
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Abbildung 4: Doppeleffekt der diskursiven Thematisierung von „Jugend“
Das Reden über „Jugendliche“ im Diskurs über Rechte Gewalt......
......besteht aus zwei Effekten:
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Thematisierung von Jugendlichkeit = Fokussierung auf Alter und Entwicklungsstand der Täter
De-Thematisierung des Politischen = Ausgrenzung des ideologischen Hintergrundes der Täter
Das führt zu der Deutung: Rechte Gewalt wird aus Gründen verübt, die offenbar nicht aus der politischen Intention der Täter rekonstruierbar sind
Den grundsätzlichen theoretischen Hintergrund für diesen wissenssoziologischen Ansatz bildet die Theorie der Diskurse, wie sie seit der Grundlagenarbeit von Michel Foucault als eigenständige Forschungsperspektive innerhalb der angewandten Sozialwissenschaften existiert.55 Diese Perspektive soll nachfolgend kurz skizziert werden, weil sich daraus auch erste methodische Hinweise ergeben. Der gemeinsame Ausgangspunkt jeder Form von Diskurstheorie lässt sich grundsätzlich als eine Art des Deutung charakterisieren, in welcher bereits die Verwendung des Begriffes Diskurs einen analytischen Akt darstellt, weil damit gesellschaft liche Phänomene unter ganz spezifischen theoretischen Voraussetzungen betrachtet werden.56 Reiner Keller schreibt dazu: „Mit dem Begriff der Diskursanalyse wird [...] kei55 | Die Forschungspraxis der Diskursanalyse ist seit der Grundlegung durch Foucault eine expandierende Praxis mit vielen verschiedenen methodischen Ansätzen. Zur Einführung siehe Keller 2004 und Mills 2007. 56 | Die sprachliche Wurzel des Begriffes Diskurs lässt sich nach Sanders (vgl. Sanders 1991) auf das lateinische Dis-cursus zurückführen, was übersetzt bedeutet: „Hinund Herlaufen, dass heißt, es handelt sich um eine Bewegung, ein Kommen und Ge-
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ne spezifische Methode, sondern eher eine Forschungsperspektive auf besondere, eben als Diskurse begriffene Forschungsgegenstände bezeichnet. Was darunter konkret, im Zusammenhang von Fragestellung und methodisch-praktischer Umsetzung verstanden wird, hängt von der disziplinären und theoretischen Einbettung ab.“ (Keller 2005, S. 8, Herv. i.O.) Etwas als Diskurs zu bezeichnen, bedeutet also die Einrichtung eines analytischen Blickwinkels unter der zentralen Annahme, dass so etwas wie ein Diskurs überhaupt als Faktum existiert. Dieser Auffassung nach werden innerhalb eines Diskurses die wesentlichen Bedingungen und Bedeutungen verhandelt, durch die ein Objekt als Begriff in der gesellschaft lichen Praxis erscheint. Gesellschaft liche Sachverhalte wären damit in erster Linie als Effekt eines Diskurses zu verstehen. Die Soziologin Sara Mills charakterisiert den Begriff des Diskurses unter Bezug auf Foucault daher wie folgt: „Eine der produktivsten Möglichkeiten des Nachdenkens über ‚Diskurs‘ besteht darin, ihn nicht als Gruppe von Zeichen oder ein Stück Text zu begreifen, sondern als „die Gesamtheit der Aussagen, die das Subjekt der Diskurse (ihr eigenes Subjekt) zum ‚Objekt‘ gewählt haben [...]“ (Foucault 1981, S. 46). In diesem Sinne ist ein Diskurs eher etwas, das etwas anderes produziert (eine Äußerung, ein Konzept, einen Effekt), als etwas, das für sich und aus sich heraus existiert und demzufolge isoliert analysiert werden könnte.“ (Mills 2007, S. 18) Als zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft vermittelnde Instanzen strukturieren diskursive Praktiken der Wissensorganisation also die Wahrnehmung des Einzelnen im Bezug auf die Themen Wahrheit und Sinn. Unter einem Diskurs lässt sich damit die Art und Weise verstehen, in welcher innerhalb einer Gesellschaft eine bestimmte Form der Kommunikation über das allgemein gültige Wissen organisiert ist. Das gilt auch für den Bereich der wissenschaft lichen Fachdiskurse. Diskurse sind also ein Ensemble von legitimierten Wissens- und Themenzusammenhängen samt dazugehöriger Gattungen, Darstellungs- und Argumentationsformen. Die jeweiligen Arten deren Legitimation sind dabei auf die Machtkonstellationen zu beziehen, welche deren Gültigkeit durchsetzten oder eben verschweigen. Ein Diskurs ist deshalb in seinem Verhältnis zu diesem Machtkomplex als Legitimationssystem zur Herstellung von Wahrheit zu analysieren, denn Foucault setzt voraus, dass es keine Macht „[...] ohne den korrelierenden Aufbau eines Wissensgebietes gibt, noch irgendein Wissen, das nicht Machtbeziehung voraussetzt und aufbaut.“ (Foucault 1980, S. 27) Die Macht eines Diskurses ist damit stets von den ihn umgebenden gesellschaft lichen Verhältnissen abhängig und für Foucault ist deshalb die Gesellschaft grundsätzlich von Machtbeziehungen geprägt: „Eine Gesellschaft ohne Machtbeziehungen kann nur eine Abstraktion sein.“ (Foucault 1983, S. 125)57 Es ließe sich also auch sagen: Im Diskurs verhen“ (Sanders 1991, S. 1) Im philosophischen Kontext ist damit zumeist eine Erörterung mit dem Ziel der Wahrheitsfi ndung gemeint, eine Verständigung über den Geltungsanspruch von Normen oder eine Verhandlung über Behauptungen (vgl. Habermas/ Luhmann 1970). Der hier verwendete Begriff des Diskurses setzt jedoch wesentlich an dessen gesellschaft licher Funktion an, eine bestimmte Deutung in Bezug auf einen Gegenstand zu etablieren. 57 | Den Begriff der Macht charakterisiert Foucault an anderer Stelle wie folgt: „Die Macht ist der Name, den man einer komplexen strategischen Situation in einer Gesellschaft gibt.“ (Foucault 1983, S. 114/ 123). Synonym für den Diskursbegriff benutzt
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festigen sich Wissensbestände als hegemoniale Fakten analog zu den Kräfteverhältnissen innerhalb einer Gesellschaftsform. So gesehen, markiert der Begriff des Diskurses immer auch eine gültige Grenze von Innen und Außen, weil hier entschieden wird, was in welcher Form zum Thema gemacht wird. Eine der wichtigsten Eigenschaften des Diskurses sieht Foucault deshalb im Hervorbringen einer Ordnung, die auf Klassifikation beruht: „Ein ‚System von Elementen‘, eine Defi nition der Segmente [...] ist unerlässlich für die Errichtung der einfachsten Ordnung. Die Ordnung ist zugleich das, was sich in den Dingen als ihr innerstes Gesetz, als ihr geheimes Netz ausgibt, nach dem sich in gewisser Weise alle betrachten, und das, was nur durch den Raster eines Blicks einer Aufmerksamkeit, einer Sprache existiert.“ (Foucault 1966, Nach: Mazumar 1998, S. 145/146)
Die hegemonialen Ordnungsstrukturen eines Diskurses bewirken demnach die Etablierung einer bestimmten inhaltlichen Position in Bezug auf ein Thema. Diese Wirkung wird Foucault zufolge ermöglicht durch ein Ensemble formativer Aussage-Praktiken, die in wiederkehrender Form in Bezug auf ein Phänomen gerichtet sind: „In dem Fall, wo man in einer bestimmten Anzahl von Aussagen [...] eine Regelmäßigkeit [...] definieren könnte, wird man sagen, dass man es mit einer diskursiven Formation zu tun hat.“ (Foucault 1992, S. 58, Herv. S. D.) Von einem Diskurs zu reden, bedeutet also anzunehmen, dass eine Reihe von bestimmten Aussagen zu einem Thema ein Klassifi kationsschema bilden, mit deren Hilfe die in diesen Aussagen enthaltenen Defi nitionen ihre Gültigkeit erlangen, indem sie die für die Mitglieder einer Sprachgemeinschaft sozial gültigen Kategorien der Wahrnehmung bilden. Diese Funktion erfüllen auch fachspezifische Diskurse. Bezogen auf ein Forschungsobjekt namens Diskurs über Rechte Gewalt wäre also davon auszugehen, dass dieser Diskurs durch das Zusammenwirken verschiedener Disziplinen gebildet wird, die ihr jeweiliges Wissen in Form fachlicher Äußerungen einspeisen. Diese Einspeisungen gruppieren sich dann innerhalb des Diskurses zu thematischen Gruppen, von denen dann einige als hegemoniale Deutungsmuster relevant werden. Die Relevanz dieser Deutungen betrifft die Art und Weise der wissenschaft lichen Definition dessen, was gesellschaft lich als „Problem“ anzusehen wäre. Das ist insofern von Bedeutung, als dass ausgehend von dieser Form der Diagnostik eine Reihe von präventiven Konzepten entwickelt wird, um das Problem zu beheben, bzw. ihm entgegen zu wirken. Der Vorgang der Klassifi kation eines Problems seitens eines wissenschaft lichen Diskurses hat also einen direkten Einfluss auf die Entwicklung eines entsprechenden Problembewusstseins. Wird also Rechte Gewalt als „Jugendgewalt“ angesehen, dann hat diese Diagnose unter Umständen zur Folge, nicht die politischen Ansichten der Täter zum Ausgangspunkt präventiver Konzepte zu machen, sondern deren „Jugendlichkeit“ zu thematisieren. Foucault deshalb auch den Begriff des „Wahrheitsregimes“: „Jede Gesellschaft hat ihr Wahrheitsregime, ihre ‚allgemeine‘ Politik der Wahrheit, dies sind die Diskurstypen, die sie akzeptiert und die sie als wahr fungieren lässt; die Mechanismen und Instanzen, die es einem ermöglichen, zwischen ‚wahren‘ und ‚falschen‘ Aussagen zu unterscheiden [...].“ (Foucault 1980, Nach: Hall 1994, S. 155)
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Wenn in der sozialwissenschaft lichen Forschung also im Hinblick auf Rechte Gewalt von einer „fremdenfeindlichen Jugendgewalt“ (z.B. bei Boehnke/Hagan/Fuß 2002) gesprochen wird, so wird damit vorausgesetzt, dass diese Sprachpraxis einen fachlich adäquaten Ausdruck für das zu untersuchende Phänomen darstellt, d.h. das damit gemeinte Problem für die Wissenschaft tatsächlich existiert. Tatsächlich existiert es für die Analyse eines Diskurses formal zunächst nur als Sprechweise, die in einen Sinnzusammenhang eingebettet ist, dessen generierende Praxis eben Diskurs genannt wird. Deshalb lässt sich ein Diskurs nicht auf eine Praxis falscher Ausdrucksformen über an sich richtige Objekte reduzieren. Vielmehr produziert er seine Objekte selber, mit Hilfe von Ordnungsprinzipien „[...] gemäß denen Objekte, Äußerungen, Begriffe, theoretische Optionen gebildet werden.“ (Foucault 1973 S. 105) Die Bestimmung des Gegenstands Rechte Gewalt ist danach abhängig von denjenigen Bedeutungen, die im Bezug auf ihn gebildet werden und seinen Gebrauch nahe legen. Es geht bei der Analyse eines Diskurses also um die Rekonstruktion einer argumentativen Struktur, die es logisch erscheinen lässt, einen Begriff wie z.B. Jugendgewalt in Abgrenzung zu anderen möglichen Bezeichnungen zu wählen. Die Grenzen der jeweiligen Bedeutungen lassen sich dabei als Differenz zum Vorschein bringen, indem die im Diskurs präferierten Begriffe auf ihre Eigenschaften befragt werden, auf die bewussten und vielleicht auch unbewussten Bedeutungen, die sie transportieren, indem sie bestimmte Phänomene in Rahmen einer begrifflichen Ordnung sortieren. Die gesellschaft lich folgenreichen Relevanz eines solchen hegemonialen Ordnungsschemas für den Zusammenhang von Diagnose und Prävention lässt sich in folgender Abbildung darstellen: Abbildung 5: Pädagogik
Soziologie
Psychologie
Kriminologie
Diskurs über Rechte Gewalt
Problemdefinition
Gegenstrategien
Politik
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Die Produktion von wissenschaft lichem Wissen wird damit als Funktion eines Diskurses interpretierbar, in welchem die jeweils erklärten Phänomene als Konstruktionsleistungen der verschiedenen Disziplinen gelten. Der Blick der Erkenntnis eines Objektes wird für Foucault deshalb grundsätzlich „[...] auf einen Gegenstand gelenkt, den er durch die alleinige Vermittlung einer diskursiven, bereits formulierten Wahrheit erreicht.“ (Foucault 1973, S. 460) Deshalb ist die Wahl der Terminologie seitens der Wissenschaft , die zur Strukturierung eines Gegenstandsbereiches verwendet wird, diskursanalytisch von besonderem Interesse, wenn vorausgesetzt ist, dass diese sich nicht quasi neutral auf Objekte der Wirklichkeit richtet, sondern ihrerseits Teil einer (Fach-)Wirklichkeit darstellen, in der sich eine bestimmte Position der Beobachtung manifestiert und legitimiert. Zu problematisieren wäre deshalb im Anschluss an dieses Grundverständnis nicht nur, warum eine Exklusion politischer Handlungsgründe im Diskurs über Rechte Gewalt unter Umständen eine unzureichende analytische Perspektive darstellen könnte, sondern auch, wie es dazu kommt, dass ein solcher Ausschluss des Politischen vielen Forschern plausibel erschient. Zu fragen wäre weiter, warum die Praxis, das Alter als Indikator für das Vorliegen einer nicht-ideologischen Haltung zu benutzen, so verbreitet zu sein scheint. Warum ist mit dem Verweis auf den Faktor des geringen biologischen Alters die Diagnose verbunden, Taten von Angehörigen dieser Altersklasse als nahezu vollständig determiniert von entwicklungspsychologischen Aspekten zu betrachten? Die Täter sind dabei als eine Art Treibholz konzipiert, welches lebenslagenbedingt quasi hilflos im Strom situativer Gegebenheiten taumelt: „Meist werden die Täter aber nicht als überzeugte Rechtsradikale betrachtet, sondern eher als Mitläufer, Nachahmungstäter oder irregeleitete Jugendliche, die keine gefestigte Ideologie haben und eher ‚apolitisch‘ sind, als eine manifeste politische Überzeugung zu vertreten. [...] So wurden z.B. die Jugendlichen, die den Hechinger jüdischen Friedhof verwüsteten, vom Gerichtspsychiater als ‚unsichere, orientierungslose Heranwachsende‘ bezeichnet. Sie selbst hingegen betrachteten sich als Skins, die den Polizeibehörden bekannt waren.“ (Neiss 2002, S. 173, Herv. S.D.)
Nicht einmal eine eindeutige Eigendeklaration der Täter kann also im Einzelfall die jugendtheoretische Deutungsfolie durchdringen, die zum Zwecke pädagogischer Selbstvergewisserung angelegt zu werden scheint. Grundsätzlich wird diesbezüglich die Einnahme einer kritischen Perspektive vor allem im Hinblick auf die Entwicklung einer angemessenen pädagogischen Prävention für sinnvoll erachtet, denn dadurch könnte im Ergebnis deutlich gemacht werden, „[...] wie zentrale Begriffe der Erziehungswissenschaft einen bis dahin nicht wahrgenommenen Sinn bekommen, wie historische Zusammenhänge neu in den Blick geraten und wie dadurch neue Bezugspunkte für pädagogisches Denken und Handeln entstehen.“ (Wulff 2001, S. 9)58 Da sich der Begriff „Prävention“ zentral 58 | Christoph Wulff bezieht diese Effekte zwar auf das Arbeitsfeld einer „Historisch-pädagogischen Anthropologie“, legt dabei jedoch ebenfalls eine diskursanalytische Perspektive zu Grunde: „Pädagogisch-anthropologisches Wissen konstituiert
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auf die Verhinderung eines unerwünschten Zustandes bezieht, ist eine Diskussion der Bewertungen dessen, womit man es im Falle Rechter Gewalt zu tun hat, für jede Form der Intervention unverzichtbar. Daher wäre diese Diskussion eine Grundlage für das, was Hermann Giesecke als ein wesentliches Element jeder pädagogischen Profession bezeichnet, nämlich das „Repertoire der systematischen Vorstellungen“ über den eigenen Arbeitsbereich beständig „[...] zu erweitern, zu differenzieren, zu korrigieren.“ (Giesecke 1992, S. 37) Für das Problemfeld der Rechten Gewalt bedeutet das in dem hier skizzierten Zusammenhang, besonders die darauf bezogenen jugendtheoretischen Vorstellungen einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Die Suche nach jugendbezogenen Deutungsmustern innerhalb eines Diskurses beinhaltet damit grundsätzlich eine analytische Position, die von einer Meta-Ebene aus auf die Produktion von spezifischen Inhalten gerichtet ist, die innerhalb einer Verständigungsgemeinschaft 59 mit einem Objekt Namens Rechte Gewalt verbunden sind: „Diese Reflektion ist nicht in dem Sinn auf Gegenstände gerichtet wie die Wissenschaft selber, sondern findet auf einer zweiten Ebene statt: es ist Erkenntnis über Erkenntnis.“ (Hüppauf 1991, S. 4)60 Von dieser Ebene aus können neue Erkenntnisse dann als Transfer in die pädagogische und gesellschaft liche Praxis gelangen. sich in verschiedenen, konsistenten, insgesamt jedoch durchaus widersprüchlichen Diskursen, die pädagogische Zusammenhänge in mannigfaltiger Weise in Erscheinung treten lassen. Diese Diskurse tragen bei zur Konstruktion pädagogischer Wahrnehmungen, Sachverhalte, Strukturen und Begriffe. In Ihnen kommen die Machtstrukturen der Gesellschaft, der Wissenschaft und der Institutionen pädagogischen Handelns zum Ausdruck.“ (Wulff 2001, S. 9, Herv. i.O.) Damit scheint eine Übertragung dieser Prämissen auf das hier zu Grunde gelegte Forschungsvorhaben plausibel zu sein: Denn eine Kritik der Exklusion politischer Handlungsgründe in pädagogischen Diskursen könnte so gesehen ein erster sinnvoller Schritt zu einer Prävention Rechter Gewalt darstellen und wäre damit für pädagogisches Handeln direkt relevant. 59 | Der Begriff der „Verständigungsgemeinschaft“ wird hier unter Bezugnahme auf die Theorie des so genannten „Interaktionistischen Konstruktivismus“ von Kersten Reich (1998) in der Bedeutung verwendet, dass eine nicht näher bestimmte Anzahl wissenschaft licher Autoren zu einem gemeinsamen Themenbereich arbeitet, sich austauscht und so diesem Bereich zugeordnet werden kann. Diese Zuordnung setzt eine fachspezifische Form der Verständigung über dieses Thema voraus. Diskurse könnten somit auch als „[...] Verständigungsoptionen auf Zeit in einer und für eine Verständigungsgemeinschaft [...]“ (Reich 1998, S. 289) gelten. Dabei handelt es sich nicht um eine institutionalisierte, sondern eine virtuelle Forschungs-Community, die sich um ein bestimmtes Thema gruppiert: „In Verständigungsgemeinschaften [...] wird durch Konsens entschieden, welche Konstrukte von Wirklichkeit in einer Zeit gelten.“(vgl. Reich 1998, S. 426). Der Physiker Helmut Schwegler empfiehlt, die Charakterisierung einer solchen „Gemeinschaft“ anhand einer Terminologie von Ludwig Wittgenstein vorzunehmen: „Ich schlage deshalb vor, eine Wissenschaft als Sprachspiel und Lebensform einer scientific community zu betrachten.“ (Schwegler 1999, S. 21. Herv. i.O.) 60 | Diese Perspektive kann mit einer Reihe ähnlicher Ansätze im Bereich der Wissenssoziologie in Verbindung gebracht werden, so z.B. mit der „Konstruktivistischen
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Wie lässt sich aber im Hinblick auf ein solches Vorhaben nun eine konkrete Methode finden und begründen? Dazu lässt sich sagen: Grundsätzlich gibt es im Bereich der Diskursanalyse kein standarisiertes Verfahren, welches sich methodisch auf verschiedene Fragestellungen übertragen ließe. Im Konzept der Wissenssoziologischen Diskursanalyse heißt es z.B. recht unspezifisch: „Die Auswahl der konkreten Erhebungs- und Analyseverfahren muss in Abstimmung mit den spezifischen diskurstheoretischen Grundannahmen und den Forschungsinteressen erfolgen.“ (Keller 2005, S. 263) Aus diesem Grund wurden diese beiden Aspekte auf den vorangegangen Seiten etwas ausführlicher behandelt. Nun geht es jedoch darum, vor dem Hintergrund dieses Interesses ein strukturiertes Vorgehen innerhalb eines noch genauer zu bestimmenden Forschungsfeldes zu entwickeln. Dafür wird auf eine spezielle Art der analytischen Textarbeit zurückgegriffen, wie sie etwa in der soziologischen Forschung unter dem Begriff der „Erkundung“ verbreitet ist: „Eine [...] Methode solcher Erkundungsstudien bietet die Literaturanalyse. Dabei wird nicht nur die vorhandene Fachliteratur durchgesehen, sondern es werden auch die Veröffentlichungen von Berufsverbänden, Regierungsstellen oder anderen Organisationen berücksichtigt.“ (Stromberger/Teichert 1992, S. 20) Das Forschungsfeld setzt sich in einem solchen Fall also vorwiegend aus Texten zusammen, und dem entsprechend besteht die grundlegende Methode zur Analyse dieser Texte in einer bestimmten Form des themenbezogenen Lesens. Dabei werden in inhaltlich relevant erscheinenden Beiträgen einzelne Zitate als exemplarische Belege heraus gefi ltert und im Hinblick auf ein besonderes Interesse geordnet. Basis dieser „Erkundung“ wären für den hier interessierenden Zusammenhang also beispielsweise Texte, die sich in wissenschaftlicher Form und Absicht mit dem Problem der Rechten Gewalt seit Beginn der 90er Jahre auseinander setzen. Der Zusammenhang dieser Texte wird dabei durch das Thema gebildet, auf welches sie Bezug nehmen: „Themen sichern, mit anderen Worten, die Anschließbarkeit von Beiträgen lassen, auch wenn man das von den Beiträgen selbst nicht erwarten kann, eine Kontrolle darüber zu, ob sie zu einem Thema gehören oder nicht, ob das Thema sich durch einen Beitrag verschiebt und ob Konsens oder Dissens über die Auffassung des Themas besteht.“ (Luhmann/Schorr 1988, S. 358)
Mit der Wahl eines Themas lässt sich in einer unbestimmten Menge von Texten also gleichsam ein potenzielles Forschungsfeld eingrenzen und strukturieren. Sofern in einzelnen Beiträgen also ein Thema repräsentiert ist, soweit ist es innerhalb dieses Feldes auch der analytischen Rekonstruktion zugänglich.61 Wissenschaftstheorie“ von Paul Lorenzen, der schreibt: „Die kritische Rekonstruktion der Wissenschaftssprachen mit Hilfe einer Analyse der faktisch befolgten linguistischen Normen liefert uns überdies einen paradigmatischen Fall für eine allgemeine Methode, über Systeme von Kulturnormen, z.B. in Wirtschaft , Rechtsprechung und Politik, zu argumentieren.“ (Lorenzen 1974, S. 129/139) 61 | Mit dem theoretischen Rahmen der Diskursanalyse ist unter Umständen schon
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Innerhalb des Forschungsfelds Diskurs über Rechter Gewalt könnte also zur Rekonstruktion der Dimensionen Thematisierung von Jugendlichkeit und De-Thematisierung des Politischen mit einer inhaltlichen Fragestellung gearbeitet werden, die sich aus den spezifischen Eigenschaften dieser beiden thematischen Komplexe gewinnen ließe: „Eine entsprechende Analyse unterschiedlicher Texte dient dazu, für ein spezifisches Forschungsinteresse die im Material enthaltenen Variationen zu rekonstruieren und damit die im entsprechenden Feld vorkommenden Muster – etwa in Gestalt unterschiedlicher ‚Typen‘ zu ermitteln.“ (Keller 2004, S. 106) Im Hinblick darauf könnten innerhalb der Fachliteratur Äußerungen identifiziert und gesammelt werden, die als typische Indizien für einen der beiden Themenbereiche gelten. Dabei verweist der Begriff des Typus auf eine spezielle Form der Anordnung, die von einem Beobachter nachvollzogen werden kann und im Rahmen der theoretischen Hintergrundannahme als Materialisierung eines Diskurses gilt. Diese Materialisierung wäre damit gleichbedeutend mit der Behauptung einer Struktur, nach der sich Gruppen von Aussagen oder Argumenten bilden. Die vom Forscher angenommene Deutung eines typischen Elementes als Teil einer diskursiven Struktur bildet für eine solche Erkundung also eine unhintergehbare Prämisse: „Die Einheit der Struktur, bzw. des Diskurses ist ein notwendiges Hilfskonstrukt der sozialwissenschaft lichen Beobachtung, eine unumgängliche Hypothese zur Erklärung der Typisierbarkeit und des (weitgehenden) Wiederholungscharakters singulärer Ereignisse.“ (Keller 2005, S. 204) Ein Diskurs wird also zunächst als theoretische Möglichkeit zu Grunde gelegt, bevor dann in Form einer Lektürearbeit geprüft wird, ob sich innerhalb der ausgewählten Texte auch tatsächlich Indizien für seine Existenz finden lassen. Es handelt sich bei dieser Form der Erkundung also um einen besonderen Fall von angewandter Diskursforschung, deren Ziel sich wie folgt bestimmen lässt: „Die Angewandte Diskursforschung zielt darauf ab, strukturelle Probleme der Kommunikation zu rekonstruieren und die Handlungsformen zu beschreiben, die den Beteiligten als verfestigte Lösungen für diese Probleme zur Verfügung stehen.“ (Becker-Mrotzek/Meier 2002, S. 19) Zentral betrifft diese Funktion die im Diskurs produzierten Wahrheitstatbestände, also im Anschluss an Foucault: „[...] nicht das Ensemble der wahren Dinge, die zu entdecken oder zu akzeptieren sind, [...] sondern das Ensemble der Regeln, nach denen das Wahre vom Falschen geschieden wird eine einzelne wiederkehrende Aussage repräsentativ, weil sie einen bestimmten Typus von Wissensbeständen artikuliert, d.h. vom Forscher stellvertretend für einen ganzen Diskurs betrachtet werden kann. In diesem Sinne ist der diskursanalytische Blickwinkel natürlich an eine interpretative Textauslegung gebunden. Der Begriff der Repräsentation birgt also hermeneutisch betrachtet eine Stellvertreter-Dimension, welche vor allem qualitativ und nicht nur quantitativ bestimmt ist. Andererseits geht es der Diskursanalyse auch um die Struktur von Aussagen. Man möchte keine Aussage über einen Einzeltext machen, sondern über eine Textmenge. Dazu schreibt Keller: „Welchen Umfang das empirische Material haben sollte, um gültige Aussagen über den oder die spezifisch interessierende(n) Diskurs(e) zu treffen, ergibt sich wesentlich aus den verfolgten Fragestellungen bzw. muss im Hinblick darauf begründet werden.“ (Keller 2004, S. 75)
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und das Wahre mit spezifischen Machtwirkungen ausgestattet wird.“ (Foucault 1978, S. 53) Ein solches Vorhaben ist im Bereich der Rechtsextremismusforschung allerdings mit dem Problem konfrontiert, dass es eine Unzahl von Texten gibt, die nach diesen Kriterien zu untersuchen wären: „Rechtsextremismus ist ein Trendund Modethema der 80er- und 90er Jahre, die Zahl der Publikationen zum Thema ist kaum mehr zu überblicken.“ (Burkert 2006, S. 115) Auch an anderer Stelle heißt es dazu: „Die ‚Fieberkurve des wissenschaft lichen Outputs‘ zum Rechtsextremismus und verwandter Konzepte zeigt seit einigen Jahren steil nach oben.“ (Decker/ Brähler 2005, S. 8)62 Aufgrund der Fülle von Materialien innerhalb dieses Feldes kann daher nicht chronologisch oder quantifizierend vorgegangen werden, sondern ausschließlich selektiv und inhaltsbezogen. Notwendig dafür wäre die Anwendung eines Verfahrens, womit trotz dieser Einschränkung innerhalb der entsprechenden Fachliteratur eindeutige Zuordnungen zu den beiden Arten der thematischen Verdichtung vorgenommen werden könnten. Deshalb wird sich zur Umsetzung einer solchen Zielsetzung auf die Vorgehensweise der diskursgeschichtlichen Arbeiten von Sigrid Weigel zur Schreibweise von Frauen bezogen, deren Forschungsinteresse ebenfalls eher qualitativ als quantitativ ausgerichtet gewesen ist. Sie schreibt zu ihrer Arbeitsweise: „Es wird keine chronologische Entwicklung dargestellt und kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Dieser wäre angesichts der Fülle der Publikationen nicht einzulösen. [...] Die dargestellten Texte haben exemplarischen Charakter [...].“ (Weigel 1989, S. 9) Im Vordergrund der Betrachtung steht bei Weigel also nicht der Vergleich großer Textmengen, sondern vielmehr die Suche nach bestimmten „diskursiven Ereignissen“. Welcher Text und welche Aussage dabei als Ereignis gelten darf, wird bei diesem Verfahren zunächst vom Forscher festgelegt: „Ich fasse jeweils eine Reihe von Texten zusammen, um daran bestimmte, für die behandelte Geschichte signifi kante Problemkonstellationen zu diskutieren, bei denen Gattungsfragen, thematische Motive, Probleme der Schreibweise oder Postulate der ‚Frauenliteratur‘ im Mittelpunkt stehen können.“ (Weigel 1989, S. 16) Verbunden mit diesem Vorgehen, bei dem die Entscheidung zur Auswahl eines Beitrages allein beim Forscher liegt, ist damit gleichzeitig auch die Entscheidung über dessen vermutete Relevanz, weshalb es im Konzept der Wissenssoziologischen Diskursanalyse heißt: „Diskursanalyse ist 62 | Vgl. dazu auch die Einschätzung: „Wegen der Fülle der Veröffentlichungen, der großen Anzahl der betrachteten Objekte und Eigenschaften sowie der vielen Zugangsweisen und Fragestellungen vermag heute jedoch niemand mehr, das Forschungsfeld in seiner gesamten Breite zu überschauen.“ (Winkler 2000, S. 38) Für die Dimension wissenschaft licher Literatur zum Thema Rechte Gewalt mögen die Illustrationen der Forschergruppe Boehnke/Fuß/Hagan (vgl. Boehnke/Fuß/Hagan 2002) darstellen, wie breit das Feld der Forschungsliteratur über Rechte Gewalt tatsächlich sein kann. Untersucht wurde dort die Menge der Einträge sozialwissenschaft licher Publikationen in der WISO-NET Datenbank für diesen Literaturbereich. Erfasst wurden dafür Arbeiten unter den Stichworten „Rechtsextremismus“ und „Jugendgewalt“ des Zeitraumes von 1993 bis 2001. Im Ergebnis lässt sich anhand einer Graphik (Boenke/ Fuß/Hagan 2002, S. 9) eine Gesamtzahl von 1.840 Publikationen errechnen.
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immer und notwendig ein hermeneutischer Prozess der Textauslegung.“ (Keller 2005, S. 268) Bei diesem Prozess ist die Festlegung von gültigen Regeln zur Gewinnung „objektiver“ Deutungen des Materials allerdings nicht zu gewährleisten: „Vielmehr spielen abduktive Schlüsse, also Ideen, Einfälle, Geistesblitze, die aus der Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Datenmaterial entstehen, eine wichtige Rolle. (Reichertz 2002).“ (Keller 2005, S. 269) Für das Projekt einer wissenskritischen Auseinandersetzung mit dem Thema Rechte Gewalt ist dieser Einwand allerdings keine Beschränkung, sondern im Gegenteil: Da es erklärtes Ziel dieser Arbeit ist, zu einer vertiefenden Selbstreflexion innerhalb der pädagogischen Fachkultur anregen zu wollen, ist die individuelle Auslegung von Texten eine Möglichkeit, über die sich daraus ergebene inhaltliche Positionierung eine Diskussion entwickeln zu können. Es handelt sich hierbei also um ein offenes und assoziatives Vorgehen und kein systematisches oder quantitativ ausgerichtetes Konzept. Untersucht werden können deshalb alle möglichen Einzelpublikationen, Sammelbände und Fachkommentare zum Thema Rechte Gewalt, da die Auswahl der Texte bei solch einem Vorgehen ausschließlich anhand des Kriteriums vorgenommen wird, ob ein Beitrag oder ein Zitat eine Relevanz zur leitenden Fragestellung vermuten lässt oder nicht. Dieses Kriterium müsste sich also im Ergebnis auf alle Äußerungen beziehen lassen, die im Verlaufe dieser Diskussion als im Literaturverzeichnis angegebene Quellen zusammengetragen werden konnten und die dann gewissermaßen ein gemeinsames Forschungsfeld bilden, weil sie inhaltlich mit dem Gegenstand Wissenschaftlicher Diskurs über Rechte Gewalt identifiziert werden konnten, bzw. dazu geeignet zu sein schienen, sich einem der beiden thematischen Verdichtungen dieses Diskurses zuordnen zu lassen. Eine solche Zuordnung wird im Rahmen dieses Ansatzes also per Auswahlverfahren dadurch vorgenommen, dass ein Text im Hinblick auf die Dimension einer Thematisierung von Jugendlichkeit der Handelnden oder der DeThematisierung des Politischen durchgelesen und eine Äußerung aus diskursanalytischer Perspektive für entsprechend relevant gehalten wird. Diese Relevanz kann dann anhand der Herkunftsnachweise der einzelnen Äußerungen theoretisch zu jeder Zeit und von jedem möglichen Leser nachvollzogen werden, d.h. auch ohne die hier zu Grunde gelegte Prämisse teilen zu müssen, dass diese Nachweise als Indiz für die Existenz eines Diskurses gelten. Zusammenfassend lässt sich zu der angewandten Methodik sagen, dass sich das hier vorgestellte diskursanalytische Vorgehen aufgrund seiner Offenheit hauptsächlich für solche Projekte eignet, die sich in Form einer inhaltsbezogenen Suche auf die Oberflächenstruktur der Organisation von Wissen richten lassen63, um dort nach Hinweisen zu fahnden, die als erste Indizien für die jeweilige Forschungshypothese gelten können. Dieser Ansatz darf nicht mit textanalytischen Verfahren 63 | So unterscheidet Rainer Diaz-Bone in seiner Charakterisierung der so genannten Interpretativen Analytik „[...] zwischen einer Wissensoberfläche, an der konzeptionelle Sachverhalte und ‚Begreifbares‘ wahrnehmbar auft reten, einer semantischen Grundstruktur (operativen Grundlogik), die die tieferliegende Organisation des Diskurses ist und einer diskursiven Praxis, die letztere in ersteres in der Tiefe-OberflächeRichtung transformiert.“ (Diaz-Bone 2004, S. 2)
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verwechselt werden, welche sich zumeist auf eine umfassende Sinnrekonstruktion kleinerer Textmengen beziehen und deshalb mit einer strengeren Regelhaftigkeit der Zuordnung von thematischen Elementen arbeiten (vgl. etwa Früh 1990). Im nächsten Kapitel steht nun die Forschung nach entsprechenden Hinweisen im Vordergrund, durch welche die Vermutung einer Thematisierung von Jugendlichkeit innerhalb wissenschaft licher Erklärungsansätze zum Thema der Rechten Gewalt plausibel gemacht werden kann.
2. „Jugend“ als Erklärungsfaktor im Diskurs über Rechte Gewalt
In diesem Kapitel geht es hauptsächlich um die Identifizierung von jugendtheoretischen Elementen, die sich analytisch als eigenständiger Diskursstrang ansehen lassen. Dieser Diskursstrang – so die These – formiert sich inhaltlich um den Komplex „Jugend“ und lässt in diesem Zusammenhang besonders den Begriff des Jugendlichen in den Vordergrund treten, von dem angenommen wird, dass er ein relevantes Deutungsarsenal innerhalb des wissenschaft lichen Diskurses über Rechte Gewalt aktiviert. Für diese Annahme sollen Indizien gesammelt werden. Zur Umsetzung dieses Vorhabens strukturiert sich das Vorgehen wie folgt: Im ersten Abschnitt (2.1) geht es um die Praxis, rechtsideologische Straftäter als Jugendliche wahrzunehmen und damit sprachlich als Angehörige einer Altersklasse zu lokalisieren. Die damit zusammenhängenden Probleme werden exemplarisch am Beispiel der Tatverdächtigenanalyse von Helmut Willems diskutiert. Als ein wesentliches Merkmal wird dabei die Konstruktion des Jugendlichen als Opfer der gesellschaftlichen Verhältnisse angesehen. Dieses Opferkonzept wird deshalb im zweiten Abschnitt (2.2) genauer untersucht. Dabei wird die jugendtheoretische Basiserzählung rekonstruiert, welche dieser Problemwahrnehmung zu Grunde liegt. Exemplarisch soll dafür der Ansatz des „soziologischen Rechtsextremismus“ von Wilhelm Heitmeyer nach gezeichnet werden. Welche Auswirkungen dieses Konzept für die Praxis der pädagogischen Prävention hat, wird dann im Abschnitt 2.3 erörtert. Im Zentrum steht dabei vor allem das Bild vom Jugendlichen als homogene Opfergruppe im Arbeitsansatz der „Akzeptierenden Sozialarbeit“ von Franz-Josef Krafeld.
2.1 Die Wahrnehmung rechtspolitischer Gewalttäter als „Jugendliche“ Der Befund der Forschung scheint eindeutig zu sein: „Jugendliche sind häufiger Täter rechtsextrem motivierter Straftaten als ältere Menschen.“ (Limmer/Meuche 2002, S. 58)1 Im Anschluss an diese Diagnose wird die Meinung vertreten, Prävention gegen 1 | Auch an anderer Stelle heißt es, es seien „[...] vorwiegend Jugendliche unter 21 Jahren, die diese Delikte begangen haben.“ (Castner 1993, S. 382) In ihrem Rückblick auf das Jahr 1992 mit insgesamt 2285 rechtsextremen Straftaten und immerhin 17 Todes-
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Rechtsextremismus und Gewalt habe in erster Linie der „[...] Gruppe der Jugendlichen [...]“ (Schiller-Dickhut 2002, S. 33) zu gelten. Ausgehend davon existiert innerhalb der Ursachenforschung eine deutliche Hinwendung zu der so lokalisierten Zielgruppe, so dass gesagt werden kann: „Die Untersuchung von Rechtsextremismus bei Jugendlichen hat Hochkonjunktur.“ (Fischer 2005, S. 7) Im Ergebnis werden fast alle Studien in diesem Problembereich als Jugendbefragungen konzipiert, obwohl oft mals betont wird, dass Rechtsextremismus eigentlich kein Jugendproblem sei.2 Das Kerninteresse lautet dennoch unausgesprochen: „Wie kommt es [...], dass gerade Kinder und Jugendliche solche Taten begehen?“ (Merten 1995, S. 43)3 Die leitende Frage dieses Abschnitts lässt sich dagegen umgekehrt stellen: „Wie kommt es, dass gerade solche Täter als Kinder und Jugendliche wahrgenommen werden?“ Die Bezeichnung Jugendlicher ordnet die Wahrnehmung einer Person nach Kriterien, die das Alter eines Menschen in den Vordergrund der Betrachtung stellen und damit ein bestimmtes soziologisches Merkmal charakterisierend hervorhebt. So heißt es in einem sozialpsychologischen Fachbuch: „Ebenso wie das Geschlecht ist das Alter ein Makroparameter, durch den die Komplexität in einer Gesellschaft reduziert wird. An Personen unterschiedlichen Alters werden von außen unterschiedliche Erwartungen herangetragen, und/oder sie entwickeln selbst für gewisse Altersabschnitte bestimmte Erwartungen.“ (Witte 1989, S. 234) Die Installation eines Makroparameters ist also aus analytischer Perspektive zunächst nicht ungewöhnlich, denn: „Menschen sind einander nie identisch – sie lassen sich nach einer unbegrenzten Menge von Detailkriterien unterscheiden. Aus dieser Menge opfern kommt Anne Schmidt ebenfalls zu dem Urteil: „[...] die meisten Täter sind unter 21 Jahre.“ (Schmidt 1994, S. 396) Das LKA Sachsen schreibt zu diesem Sachverhalt: „Bei den Straftaten handelt es sich überwiegend um Spontanaktionen jugendlicher örtlicher Täter.“ (nach: Seidel-Pielen 1993, S. 365, Herv. S.D.) Eike Hennig spricht angesichts dieser Zahlen von einem „Generationswechsel“ im Bereich des gewalttätigen Rechtsextremismus „[...] weg von den ‚Ewig-Gestrigen‘ hin zu den Jugendlichen [...]“ (Hennig 1993, S. 67, Herv. S.D.) 2 | Vgl. dazu die Einschätzung: „Wir wissen wenig über die fremdenfeindlichen und rechtsextremen Einstellungen erwachsener Deutscher. Die meisten vorliegenden Studien beziehen sich auf die Orientierungen von Jugendlichen.“ (Frindte/Neumann 2003, S. 49) 3 | Zur Erinnerung: Im Rahmen dieser Untersuchung sind solche Äußerungen nicht als Fakten, sondern als spezifische Beobachterstandpunkte zu verstehen, die als diskursive Ereignisse behandelt werden sollen, wo jede Form der Wahrnehmung Rückschlüsse zulässt auf die Struktur der Kriterien, die in Bezug auf ein Objekt zur Anwendung kommen. Ob ich z.B. einen Blitz als Elektrizität wahrnehme oder als Zorn Gottes, ist eine Frage der Gültigkeit meiner Kategorisierung. Welche Kategorisierung im Falle eines Phänomens gewählt wird, sagt also etwas aus über die Art und Weise dessen, worum es sich nach Meinung des Beobachters handelt. In diesem Abschnitt soll es hauptsächlich darum gehen, die Ausgangsprämisse der Ursachenforschung zu untersuchen, dass es sich bei den Tätern eben um so genannte Jugendliche handeln würde. Vermutet wird, dass der Gebrauch dieses Begriffes mehr Fragen aufwirft als dass er Antworten bietet.
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müssen einige mit einer orientierenden Leitfunktion ausgestattet werden, d.h. zu gruppen-konstituierenden Kriterien gemacht werden.“ (Dollase 1994, S. 412) Eine solche Leitfunktion kann in der Regel aber nur dann zur Orientierung dienen, wenn sie originär die zu bildende Menge betrifft – und eben keine beliebig andere.4 Die Möglichkeit der Abgrenzung wäre mit der Leitfunktion als Existenz von inhaltlichen Kriterien zu begründen, mit welchen durch die Zuordnung von klassifi katorischen Merkmalen identifizierbare Elemente gekennzeichnet werden, die dadurch zur Menge gehören oder eben nicht: „Um von einer Menge sprechen, eine Menge denken und wohlunterschiedene und bestimmte Objekte zu einem ‚Ganzen‘ zusammenfassen zu können, braucht man zweifellos auch ein Schema der Vereinigung.“ (Castoriadis 1984, S. 377) Ein solches Schema wird in aller Regel durch die Leitfunktion markiert. Zur sinnvollen Anwendung einer Leitfunktion muss diese jedoch in irgendeiner logischen Beziehung bzw. Absicht zum untersuchten Phänomen stehen. Niemand käme zu Recht auf die Idee, fremdenfeindliche Gewalttäter mit der Leitfunktion Brillenträger zu einer Gruppe zusammenzufassen, selbst wenn das bei zwei Dritteln der Täter empirisch zutreffend wäre. Hinter der Wahl der Leitfunktion Alter steht also die unausgesprochene Annahme, dass mit dieser Form der Charakterisierung ein soziales Phänomen im Hinblick auf eine wesentliche oder mindestens relevante Dimension zu beschreiben wäre, denn ihre Anwendung würde sonst keinerlei Sinn ergeben. Würde man beispielsweise eine Gruppe junger Männer unter 24 Jahren als Jugendliche bezeichnen, auch wenn es sich dabei um Polizeibeamte im Dienst handelt, so würde man wissenslogischen Unfug betreiben. Vielen Autoren scheint es im Fall der Rechten Gewalt also offenbar mit einer gewissen Absicht sinnvoll und nahe liegend zu sein, die Handelnden primär als Jugendliche kenntlich zu machen und damit alternative Möglichkeiten der Bezeichnung nicht zur Charakterisierung heranzuziehen. So heißt es in einer Unterrichtseinheit zum Thema Rechtsextremismus: „Die Anschläge auf Wohnungen und Häuser, in denen ausländische Familien leben, reißen nicht ab. Fast immer sind es Jugendliche, die diese Anschläge verüben.“ (Göttker-Plate/Plate 1997, S. 35) Spontan ließe sich gegen eine solche Beschreibung einwenden, dass bei jemandem, der unschuldige Familien von vermeintlichen Ausländern angreift, indem er ihre Wohnungen anzündet, mindestens eine extrem feindliche Haltung diesen Menschen gegenüber vorliegen könnte und er demnach unter Umständen auch seitens der Forschung gemäß dieser Haltung bezeichnet werden müsste. Fremdenfeindliche 4 | Eine Menge ist damit über die Möglichkeit der Unterscheidung zu anderen Mengen identifizierbar. Eine soziale Formation oder ein Mengen-Begriff hat also immer auch die Funktion, damit eine Grenze zum Nicht-Gemeinten ziehen zu können. Der Soziologe Klaus Holz bezeichnet soziale Begriffe aus diesem Grund als „Figur“, oder „Zwei-SeitenForm“ (Holz 2001, S. 30): „‚Form‘ soll eine Unterscheidung heißen, durch die beide Seiten eindeutig bezeichnet werden. Eine Form hebt also nicht nur irgendetwas unter vielen Möglichkeiten hervor und lässt alle anderen Möglichkeiten mehr oder minder im Halbdunkel. Vielmehr ist eine Form ein fi xiertes Begriffspaar: Arier/Semit, Deutscher/Ausländer, Mann/Frau, Schwarz/Weiss, Freund/Feind, usw.“ (Holz 2001, S. 30)
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Angriffe – so ließe sich folgern – werden demnach aller Wahrscheinlichkeit nach von Fremdenfeinden begangen. Theoretisch könnte man mit einer Defi nition des Verfassungsschutzes solche Handlungen sogar als Form von „Terrorismus“ deuten. Dieser sei: „Der nachhaltig geführte Kampf für politische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie im Strafgesetzbuch stehen, Mord, Totschlag, erpresserischer Menschenraub, Brandstiftung, Herbeiführung einer Explosion durch Sprengstoff oder durch andere Gewalttaten.“ (Verfassungsschutzbericht 1991, Nach: Grimm 1992, S. 91, Herv. S.D.)
Danach wäre ein Mensch, der „Ausländer raus“ brüllt und dabei einen Molotowcocktail in ein Ausländerwohnheim wirft, durchaus nicht nur als Jugendlicher zu begreifen, sondern könnte mit den oben genannten Terrorismus-Kriterien auch als Akteur eines völkisch motivierten Terrorismus angesehen werden. Mit einigem Recht fragte deshalb ein Teilnehmer auf einer Fachtagung Anfang der 90er Jahre: „Und ich wundere mich auch, dass heute noch keine Debatte darüber erfolgt, dass Rechtsradikale eigentlich auch Terroristen sind.“ (Kapust 1992, S. 91) Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Kriterien, nach denen jemand als Terrorist zu bezeichnen wäre, jenseits einzelner Bestimmungsversuche alles andere als klar zu sein scheinen: „Wenngleich das Thema alles andere als neu ist, hat man sich auf eine einheitliche Definition dessen, was Terrorismus eigentlich ist, bisher nicht einigen können.“ (Waldmann 1998, S. 10) Der französische Philosoph André Glucksmann definiert diesen Begriff in einem Interview beispielsweise wie folgt: „Ich definiere als terroristisch alle gewalttätigen Handlungen, die von Bewaff neten gegen Unbeteiligte und Unbewaff nete begangen werden.“ (Glucksmann 2004, S. 115) Danach wären Angriffe mit Brandsätzen und Baseballschlägern gegen nichts ahnende Mitbürger anderer Herkunft oder Glaubens eindeutig als terroristisch zu bezeichnen. Diejenigen, die in dieser Form Gewalt anwenden, könnten also mit einigem Recht als „Terroristen“ bezeichnet werden. Doch Etikettierungen solcher Art finden sich selten im wissenschaft lichen Diskurs, statt dessen wird die vermeintlich neutralere Bezeichnung Jugendlicher als Bestandteil der fachlichen Auseinandersetzung über Rechte Gewalt gewählt. Die Sprachfigur namens Jugendlicher bleibt dabei in der Regel von politologischen Klassifi kationen wie Terrorist, Fremdenfeind oder Militanter Rechtsextremer selbst dann verschont, wenn die Angehörigen dieser Altersgruppe brennende Flaschen in die Schlafzimmer von Frauen und Kindern werfen.5 Eine nähere Bestimmung der spezi5 | Es wäre allerdings zu untersuchen, ob diese Praxis wirklich umstandslos und durchgängig auf alle Angehörigen der Altersklasse Jugend angewendet wird, denn bei so genannten linken Deliktarten wie „Sachbeschädigung“ oder „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ geht man in der Regel davon aus, dass solchen Handlungen eine generelle Systemopposition z.B. als „Linksextreme/r Autonome/r“ zu Grunde liegt und kein Mangel an Sozialarbeitern die Ursache des Handelns ist. Auch bei der Bewertung
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fischen Eigenschaft oder etwa dem Selbstverständnis, mit welchem diese Tätergruppe agiert, ist damit nicht möglich. Das Hauptwort Jugendlicher wird beibehalten und eine spezifische Tatmotivation dadurch eigentümlich neutralisiert:6 Selbst ein fremdenfeindlicher Jugendlicher gälte damit in erster Linie immer noch als Jugendlicher, während ein jugendlicher Fremdenfeind in erster Linie ein Fremdenfeind wäre. Das Merkmal des Lebensalters wäre dann nur noch ein einfaches Attribut, keine Leitkategorie mehr und stünde als solche auch nicht am Ende der Bezeichnung. Es macht also einen Unterschied, welche beschreibenden Ausdrücke man zur Beschreibung der rechtsradikalen Gewalt wählt. Jaques Derrida hat einen solchen Vorgang der „Benennung“ deshalb ausdrücklich als zentralen Aspekt einer analytischen Arbeit bezeichnet:7 „Ich glaube immer noch an die Notwendigkeit, erst einmal aufmerksam zu sein gegenüber diesem sprachlichen Phänomen der Benennung [...] gegenüber dem, was es bedeutet, vermittelt oder verrät.“ (Derrida 2006, S. 121) Die Sprechweise selber, die zur Beschreibung von Objekten benutzt wird, greift nach diesem Verständnis bereits tief strukturierend in jenen Prozess ein, in welchem endgültig über das, was wahr oder falsch ist, entschieden werden soll: „Sprache aber, ob Alltagssprache oder Wissenschaftssprache, ist immer schon theoriegeleitet und präformiert bereits durch die impliziten oder expliziten Weltbildhypothesen die Erfahrungen und Beobachtungen, die in ihr zum Ausdruck kommen sollen.“ (Wermke 1977, S. 16)8 der RAF-Politik spielte die gesellschaft liche Wahrnehmung der Täter als Jugendliche selten eine Rolle, auch wenn diese ähnlich jung gewesen sind wie heutige Rechtsextreme. Hat man ersteren in der Vergangenheit auch juristisch oft unterstellt, ihre Taten als Angehöriger eines politischen Kollektivs verübt zu haben, so werden letztere oft mals immer noch als unpolitische Einzeltäter dargestellt. 6 | Dabei ist dieses Hauptwort das Ergebnis einer so genannten „Substantivierung“, die im Ergebnis eine Übertragung der mit dem Adjektiv verbundenen Deutungen verbunden sein könnte, was Peter Radtke in Bezug auf den Begriff des „Behinderten“ plausibel kritisiert: „Die Substantivierung des Adjektivs ‚behindert‘ zu ‚der Behinderte‘ oder ‚die Behinderte‘ reduziert den Einzelnen ausschließlich auf seine Behinderung – als definiere er sich durch nichts anderes als durch diese. Darüber hinaus konstruiert dieser Vorgang eine Einheit quer durch alle Behinderungsarten und individuellen Eigenschaft en hinweg.“ (Radtke 2003, S. 8) Analog ließe sich zu der Substantivierung des Adjektivs jugendlich sagen, dass durch diesen Prozess eine Homogenisierung quer durch differente Realitäten junger Menschen vorgenommen wird. 7 | Zum Verständnis des analytischen Ansatzes namens „Dekonstruktivismus“ verweise ich auf die diesbezügliche Charakterisierung von Borridari: „Dekonstruktion versucht, jeden Diskurs, der sich als ‚Konstruktion‘ ausgibt, auseinander zu nehmen. [...] Im Unterschied zu einer allgemeinen Methode oder analytischen Prozedur ist Dekonstruktion ein höchst individueller Typus der Intervention mit dem Ziel, die strukturellen Prioritäten jeder besonderen Konstruktion zu destabilisieren.“ (Borridari 2001, S. 179). 8 | Das Instrument Sprache gerät in einer solchen Vorstellung unweigerlich in den Wirkungsbereich gesellschaft lich dominanter Deutungshegemonie und dem Kalkül strategischer Verwendungen. So beschreibt Stuart Hall den Zusammenhang von
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Mit anderen Worten: Als was rechtsideologische Straftäter und die von ihnen verübte Gewalt im Rahmen einer analytischen Diagnostik verstanden werden, lässt sich auf inhaltliche Prämissen beziehen, in denen sich die jeweils präferierten theoretischen Hintergrundannahmen spiegeln.9 Dass dabei die Bezeichnung Jugendlicher im Zusammenhang mit einer wissenschaft lichen Einschätzung des Problembereichs Rechte Gewalt durchaus unscharf sein könnte, wird vielleicht deutlich, wenn man an Stelle dieser Bezeichnung ein anderes soziologisches Merkmal einsetzt, z.B. die Variable Geschlecht: Über die Täter würde es dann in der bereits zitierten Unterrichtseinheit heißen: „[...] fast immer sind es Männer, die solche Anschläge verüben.“ Der Erkenntnisgewinn ist bei einer solchen Formulierung aus wissenschaft licher Perspektive relativ gering, weil nicht spezifizierbar ist, um welche Männer es sich dabei handelt. Diese Information aber könnte allgemein entscheidend sein, wenn man ein Bild der Lage zeichnen möchte, wie es im Kontext der analytischen Sozialwissenschaften durchaus üblich ist.10 Handelt es sich bei den Männern vielleicht um religiöse Fanatiker oder um bezahlte Auft ragskiller? Die soziologische Kategorie „Mann“ vermag darauf keine Antwort zu geben. Bei der Bezeichnung Jugendlicher wird der Mangel an Spezifizierung innerhalb der Ursachenforschung aber kaum thematisiert, im Gegenteil scheint es eine stille Übereinkunft zu geben, dass die Themenbereiche Jugend, Gewalt und Rechtsextremismus schon „irgendwie“ in einem kausalen Zusammenhang stehen werden. So ist die Einschätzung weit verbreitet, aufgrund der hohen Tatbeteiligung „Jugendlicher“ sei die Rechte Gewalt vor allem als Jugendgewalt zu begreifen, von welcher angenommen wird, dass sie eine bestimmte Funktion im Verlauf der Adoleszenzphase einnimmt: „Die Gruppenaktivitäten einschließlich der Randale, der Gewalttätigkeiten gegen ‚Fremde‘, d.h. gegen einzelne Jugendliche, gegen andere Cliquen, gegen Ausländer und gegen die Polizei, lassen sich von diesem Ansatz her in einem gewissem Sinn als Sprachgebrauch und Erkenntnis mit einem Beispiel aus der internationalen Politik: „Zum Beispiel können Palästinenser, die um die Wiedererlangung ihres Landes in der Westbank kämpfen, entweder als ‚Freiheitskämpfer‘ oder als ‚Terroristen‘ beschrieben werden. Es ist eine Tatsache, dass sie kämpfen, aber was bedeutet ihr Kampf? Die Tatsachen allein können nicht darüber entscheiden. Und genau diese Sprechweise, die wir gebrauchen – ‚Freiheitskämpfer/Terroristen‘ – ist Teil der Schwierigkeit.“ (Hall 1994, S. 152, Herv. i.O.). 9 | Dazu ließe sich unter Rückgriff auf die Sprachtheorie von Benjamin Lee Whorf (1956) sagen: „Bekanntlich beeinflusst die Sprache das Denken und dieses wiederum hat Auswirkungen auf unsere Konzeption von Wirklichkeit.“ (Radtke 2003, S. 8) 10 | Zur Rolle der Beurteilung von Gewalt heißt es bei Schneider, diese sei „[...] abhängig von Kennzeichen des zu beurteilenden Verhaltens und des Handelnden, von der Art der Verletzung der Zielperson, von der Absicht des Handelnden, vom sozialen Kontext, in dem sich das Verhalten ereignet, und schließlich von den Persönlichkeitsmerkmalen der Person, die das Verhalten als ‚gewaltsam‘ etikettiert.“ (Schneider 1994, S. 13)
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‚Selbstzweck‘ verstehen: Die Entstehung von Gewalttätigkeiten folgt der Dynamik einer Selbstkonstitution und -reproduktion von Cliquen über außeralltägliche und normbrechende Aktivitäten.“ (Kohlstruck 1999, S. 247)
Für den Autor dieses Zitates ist Rechte Gewalt deshalb explizit nicht die Folge eines bestimmten „Gedankengutes“ (Kohlstruck 1999, S. 227), sondern Teil und Ausdruck einer jugendspezifischen Inszenierung, die er als „doing adolescence“ bezeichnet.11 Rechte Gewalt sei daher vor allem als „Jugendgewalt“ zu verstehen. Der Begriff der Jugendgewalt ist jedoch keine inhaltlich klar spezifizierte, sondern hauptsächlich eine statistische Kategorie, mit deren Hilfe verschiedene Arten von Gewaltdelikten in einer Gruppe zusammengefasst werden, sofern diese von Personen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren begangen wurden. Diese werden allein aufgrund der Zugehörigkeit der Täter zu einer Altersgruppe dann der kriminologischen Kategorie namens Jugendkriminalität zuordnet, welcher sich wie folgt definieren lässt: „Von Jugendkriminalität im engeren Sinne wird bei strafrechtlich relevanten Verfehlungen Jugendlicher im Alter von 14 bis 17 Jahren gesprochen. (vgl. §1 JGG). Der weiter gefasste Begriff der Jugendkriminalität bezieht sich ergänzend auf die strafrechtlichen Verstöße der Heranwachsenden (18 bis 21 Jahre), sofern diese nach §105 JGG in ihrer Reifung Jugendlichen gleichzustellen sind.“ (Trappberger 2003, S. 19)
So gesehen, sagt der Begriff Jugendgewalt zunächst nichts weiter aus, als dass sich damit entsprechende Delikte in der Altersgruppe zwischen 14 und 21 Jahren (in der weit gefassten Defi nition) erfassen lassen.12 Allerdings könnte sich der Verweis einer eventuellen Gleichstellung von Heranwachsenden und Jugendlichen in der Art interpretieren lassen, dass sich „Jugendliche“ anerkannter Maßen noch im Zustand der Reifung befinden, während diese Frage bei „Heranwachsenden“ im Einzelfall zu klären wäre.13 Müsste die Anwendung politisch motivierter Gewalt also generell 11 | Der Begriff Doing stammt aus der feministischen Theoriebildung und bezeichnet dort den Prozess der „Herstellung“ von Gender, d.h. dem sozial konstruierten Geschlecht. (Vgl. dazu einführend: Faulstich-Wieland 2003) 12 | Die Polizeiliche Kriminalstatistik unterteilt die Gruppe der Jugendlichen zum einen in die Gruppe von 14 bis 16 Jahren und zum anderen in die Gruppe 16 bis unter 18 Jahren, nennt dann die „Heranwachsenden“ bis 21 Jahren, die „Jungerwachsenen“ bis unter 25 Jahren und bezeichnet erst die über 25jährigen als „Vollerwachsene“. (PKS 2001, Nach: Heinz 2003, S. 31) 13 | Eine auf die menschliche Entwicklung bezogene Anwendung des botanischen Begriffs der „Reifung“ findet sich z.B. noch in Ausdrücken wie „Reifezeugnis“, die für das Ablegen der Abiturprüfung Verwendung fi nden werden oder im juristischen Diskurs. Verbunden damit ist die Vorstellung, dass sich Menschen in analoger Gesetzmäßigkeit zu Pflanzen und Tiere im Rahmen eines chronologischen Ablaufes entwickeln würden (vgl. etwa Rempelein 1958). Der Pädagoge hat danach die Aufgabe, ausgehend von einem Wissen über diese Gesetzmäßigkeiten, dem „Zögling“ wie ein Gärtner gegen-
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als ein Indiz für einen Mangel an persönlicher Reife interpretiert werden? Würde diese Prämisse aber dann nicht auch bei militanten Globalisierungsgegnern oder islamistischen Terroristen Geltung beanspruchen? Deutlich wird jedenfalls: Wenn man argumentiert, Rechte Gewalt sei eigentlich eine Form von Jugendgewalt, dann macht das als qualitative Aussage im Grunde genommen wenig Sinn, weil man den Faktor Jugend als diesen Delikten übergeordnete Verbindung thematisiert, diese Verbindung jedoch nur im Lebensalter der Täter, nicht aber in den Deliktarten innerhalb der Kategorie Gewalt nachweisen kann: Nur ein relativ kleiner Teil der Delikte im Bereich „Jugendgewalt“ sind rechtsmotivierte Gewalttaten. Der Bezug auf das Lebensalter der Akteure könnte sich also als eine wenig aussagekräft ige Verbundvariable erweisen, zudem im Hinblick auf die Diskussion innerhalb der neueren Gerontologie gesagt werden kann: „Die gerontologische Forschung hat gezeigt, dass es das Altern nicht gibt. Wir müssen zwischen Personen unterscheiden. [...] Das chronologische Alter verliert im Verlauf des Lebens zunehmend an Informationswert hinsichtlich der Eigenschaften [...] der Menschen.“ (Staudinger 2003, S. 36)14 Das würde bedeuten: Wenn ein Begriff wie Jugend im Hinblick auf die Qualität oder die Eigenschaften von Personengruppen analytisch nicht operationalisierbar ist, dann hat das auch Konsequenzen für den Begriff der Jugendgewalt. Dieser wäre jenseits der Alterskategorisierung dann ebenso wenig aussagekräft ig in Bezug auf qualitative Aspekte.15 Diesen Umstand betont Josef Sachs in seinem Fachbuch zu diesem Thema daher ausdrücklich: „Es ist mir ein besonderes Anliegen, aufzuzeigen, dass gewalttätiges Verhalten Jugendlicher ein komplexes Phänomen ist, dem keine einheitliche Ursache zu Grunde liegt. Es gibt deshalb auch keine Präventionsmaßnahmen, mit denen alle Formen von Gewalt verhindert werden könnten. Hinter Brandstift ungen, Vandalismus und sexuellen Übergriffen stecken unterschiedlichste Persönlichkeiten und Motive.“ (Sachs 2006, S. 12)
Es ließe sich anschließen: Hinter verschiedenen Arten von Gewaltanwendung stehen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch jeweils unterschiedliche Begründungen. über zu treten, so etwa wie es Goethe im „Faust“ beschreibt: Gefragt nach seinem Verhältnis zu Faust, antwortet Gott dort im „Prolog im Himmel“: „Weiss doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt, dass Blüt' und Frucht die künft'gen Jahre zieren.“ (Goethe 2007, S. 13) 14 | So wäre die Feststellung natürlich richtig, dass alle Schwäne Vögel sind, aber daraus lässt sich das spezifische Verhalten von Schwänen (d.h. in analytischer Abgrenzung zum Verhalten anderer Vögel) unter Umständen nicht ausreichend herleiten. 15 | Vgl. dazu die Einschätzung von Claire Wallace zur zunehmenden Auflösung der Wirksamkeit von Altersnormenkonzepten: „Wir werden in Zukunft jedenfalls nicht mehr in der Lage sein, irgendwelche gezielten Annahmen aus dem Alter einer Person zu ziehen [...].“ (Wallace 1997, S. 53) Das würde bedeuten, dass das Alter auch keine unbedingt aussagekräft ige Variable ist im Hinblick auf die Qualität der Delikte, die unter dem Begriff der „Jugendkriminalität“ versammelt werden.
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Der Begriff Jugendgewalt besitzt damit unter Umständen keinerlei homogene Semantik, sondern könnte eine ähnlich große Binnendifferenzierung aufweisen wie der Bereich der Erwachsenen-Gewalt. Wenn es sich bei den rechtsmotivierten Jugendlichen aber nur um eine kleine Minderheit innerhalb der gesamten Altersgruppe der Jugendlichen handelt, könnte sich deren Gewalt daher nicht primär aus ihrer Zugehörigkeit zu einer Altersklasse erklären, sondern müsste sich eben aus anderen Merkmalen herleiten wie z.B. spezifischen Handlungsgründen, die dann seitens der Forschung zu rekonstruieren wären, wie es etwa Joachim Kersten fordert: „Junge Gewalttäter haben Orientierungen, die ihre Haltungen und Handlungen legitimieren helfen. Diese muss man freilich anders ergründen als durch Einstellungsmessungen, wenn man der Jugendgewalt sinnvoll präventiv begegnen will.“ (Kersten 2004, S. 15) Er fordert daher „[...] beim Thema Jugendgewalt nach Personen, Gelegenheiten und Schauplätzen zu differenzieren.“ (Kersten 2004, S. 18) Ein spezifisches Phänomen wie das der Rechten Gewalt unter dem allgemeinen Oberbegriff Jugendgewalt zu subsumieren, wäre vor diesem Hintergrund analytisch unergiebig. „Doing adolescence“ (vgl. Kohlstruck 1999) wäre somit keine Erklärungsvariable, die auf der Ebene der gesellschaft lichen Akteure anzusiedeln wäre, sondern welche sich auf die Praxis der wissenschaft lichen Klassifi kation und Interpretation beziehen lassen müsste, die zur Erklärung sozialer Phänomene mit dem Begriff der Jugend operieren. Wie eine solche Strategie des doing adolescence in der wissenschaft lichen Theorieproduktion konkret sichtbar gemacht werden könnte, soll an dieser Stelle exemplarisch anhand einer Untersuchung gezeigt werden, die im Kontext der Ursachenforschung einen hohen Stellenwert besitzt, weil sie erstmals Aufschluss zu geben versprach über die näheren Bedingungen von Taten und Tätern der Rechten Gewalt Anfang der 90er Jahre. Es handelt sich dabei um die Arbeiten der Trierer Forschungsgruppe um Helmut Willems, deren Untersuchung seitens der Ursachenforschung oftmals als Referenz für die Richtigkeit einer „Jugendlichkeit der Handelnden“ in Anspruch genommen wird. So fi ndet man oft unter Bezug auf die Daten dieser Untersuchung die Einschätzung, Rechte Gewalt sei Ausdruck einer „[...] fremdenfeindlichen Gewalt, die hauptsächlich von Jugendlichen ausgeübt wird [...]“ (Erb 1993, S. 277, Herv. S.D.). Ebenso erklärt das Autorenteam Stellmacher, Petzel und Sommer: „Nach Willems (1993) werden ausländerfeindliche und rechtsextreme Gewalttaten besonders von Jugendlichen verübt.“ (Stellmacher/Petzel/Sommer 2003, S. 93, Herv. S.D.) Das Phänomen der Rechten Gewalt scheint also im Anschluss auf die Ergebnisse von Willems besonders durch die „Jugendlichkeit vieler Täter“ (Fijalkowski 1996, S. 228) gekennzeichnet zu sein. Im Folgenden soll diese Untersuchung deshalb als Basiserzählung angesehen und näher untersucht werden. Dabei liegt das Hauptaugenmerk vor allem auf denjenigen Diagnosen, die sich auf die Rechte Gewalt als Jugendgewalt beziehen lassen. Da es mittlerweile eine ähnlich konzipierte Anschlussuntersuchung (Wahl 2001) gibt, werden deren Ergebnisse zusätzlich in die Analyse einbezogen. Das Forschungsprojekt der Trierer Forschungsgruppe um Helmut Willems basiert auf einer Vollerhebung aller Tatverdächtigen im Untersuchungszeitraum vom 1.5.1992 bis zum 31.12.1993, einer Fortschreibung der Analyse fremdenfeindlicher Straftaten des Jahres 1991. Es handelt sich also um zwei Untersuchungen, was es er-
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laubt, auch Veränderungen der Strukturen von Taten und Tätern im Zeitraum von 1991 bis 1993 zu erfassen. Zur Nachzeichnung eines analytischen Befundes namens „Fremdenfeindliche Jugendgewalt“ werden für die Diskussion aber auch Äußerungen herangezogen, die Willems zu anderen Gelegenheiten in Bezug auf die Ergebnisse seiner Untersuchungen getätigt hat. Die Datenbasis bilden (bei der zweiten Studie von Willems) insgesamt 1.398 polizeiliche Ermittlungsakten, deren Inhalt über einen Fragebogen bei den Polizeidirektionen abgefragt wurde. Bei der Anschlussstudie konnten im Rahmen einer Vollerhebung 6.352 Fragebögen ausgewertet werden (vgl. Wahl 2001, S. 25). Wichtig ist dabei festzustellen: Nicht bei allen der hierbei erfassten Personen handelt es sich zweifelsfrei um rechtspolitische Gewalttäter, sondern ausschließlich um so genannte „Tatverdächtige“. Willems selber bezeichnet deshalb den Zusammenhang zwischen dieser Datenbasis und einer daraus ableitbaren Skizzierung von Täterstrukturen als „[...] nach wissenschaftlichen Kriterien nicht unproblematisch.“ (Willems 1993, S. 105) Es handelt sich eben nur um „[...] potenzielle Akteure fremdenfeindlicher Gewalt.“ (Willems 1993, S. 105) Die Sozialforscher Bergmann und Erb weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die polizeiliche Aufk lärungsquote für Gewaltdelikte insgesamt bei 20 Prozent liegt. (vgl. Bergmann/Erb 1994, S. 339) Das würde bedeuten, dass alle Aussagen dieser Studie nur auf ca. 20 Prozent der ermittelten Daten bezogen werden könnten.16 Zunächst ist anhand dieser Daten aber festzustellen, dass in den Jahren 1991 bis 1993 „[...] nahezu jede zweite registrierte fremdenfeindliche Straft at [...] eine Gewalttat [ist]“. (Willems u.a. 1994, S. 51)17 In dem zentralen Kapitel über „Täterstrukturen und Tatmerkmale“ wurde als Zwischenergebnis einer quantitativen Analyse der polizeilichen Ermittlungsakten über die Zusammensetzung der Täter festgehalten: „Der größte Teil der fremdenfeindlichen Straf- und Gewalttäter sind unauff ällige, ‚normale‘ Jugendliche und Ersttäter.“ (Willems 1993, S. 146) Dieser Befund besitzt für die Diagnose der Fremdenfeindlichen Jugendgewalt einen zentralen Stellenwert, da sich hier 16 | Problematisch erscheint im Rückblick auch die Art der Informationen, die der Untersuchung zugrunde liegen, denn sie basieren ausschließlich auf Einschätzungen und Bewertungen der ermittelnden Polizeibeamten. Besonders die Frage nach dem Grad der Organisiertheit der Täter sowie ihrer Gruppenzugehörigkeit ist vor diesem Hintergrund als kritisch zu bewerten, da es den ermittelnden Beamten vermutlich oft an fundiertem Wissen fehlte und die Verdächtigen sicher nicht unbedingt bereitwillig über den Grad ihrer Organisation Auskunft gegeben haben dürften. 17 | Allerdings existierten zum Zeitpunkt des Forschungsprojektes keine eindeutigen Kriterien für die Zuordnung einer Tat als fremdenfeindlich, und die einzelnen Bundesländer sind bei dieser Zuordnung auch unterschiedlich verfahren. Während manche Bundesländer das Prinzip der Opferauswahl anwendeten und somit jede gemeldete Tat, deren Opfer ein Mitbürger ausländischer Herkunft war, in die Statistik einbezogen, gab es andere Bundesländer, die erst aufgrund des Selbstbekenntnisses eines Täters eine entsprechende Zuordnung vornahmen. Es liegt auf der Hand, dass ein solches Bekenntnis nicht in jedem Fall zu erwarten gewesen ist. Trotz dieser methodischen Einschränkungen ist die Untersuchung in Bezug auf die Tatumstände und die täterbezogenen Daten aufschlussreich.
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die analytische Kategorie Jugendlichkeit statistisch zu manifestieren scheint. Den Hintergrund dieser Einschätzung bilden dabei die folgenden Zahlen: 36,2 Prozent aller Tatverdächtigen waren jünger als 18 Jahre, 72 Prozent jünger als 20 Jahre und ca. 90 Prozent waren unter 25 Jahre alt (vgl. Willems 1993, S. 110). Die Folgeuntersuchung von Wahl kommt zu ähnlichen Ergebnissen, wie die Abbildung auf der nächsten Seite zeigt. Deutlich wird bei dieser Darstellung eine Häufung entsprechender Delikte im Altersrahmen der Tatverdächtigen von 15 bis 24 Jahren. Die Gruppe der über 25jährigen lag nach Willems bei 8,3 Prozent, bei Wahl nur leicht höher und spielt von ihrem quantitativen Anteil her tatsächlich eine geringe Rolle. Ein anderer Umstand aber ist ebenfalls unübersehbar: 93,3 Prozent der Tatverdächtigen waren männlichen Geschlechts (Willems 1993, S. 112), auch bei Wahl waren es über 90 Prozent (vgl. Wahl 2001, S. 27). Auf diesen Umstand wird zurückzukommen sein. Abbildung 6: Altersverteilung der Tatverdächtigen 1992/93 und 1997
Quelle: Willems 1993/Wahl 2001 Bei der Fokussierung auf die Jugendlichkeit der Täter ist zunächst anzumerken, dass es bei der Interpretation dieser Daten von entscheidender Bedeutung ist, welche Kriterien für die Wahrnehmung eines Menschen als Jugendlicher zu Grunde gelegt werden. Geht man z.B. wie der Gesetzgeber davon aus, dass es sich bei Jugendlichen um Personen handelt, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, so wären bei Willems und Wahl nur rund 1/3 der Tatverdächtigen als Jugendliche zu bezeichnen. Dazu heißt es in einem Fachbeitrag ausdrücklich: „Hinsichtlich der gesetzlichen Abgrenzungen und Bezeichnungen von Altersabschnitten muss beachtet werden, dass sich die Bezeichnung Jugendliche nur auf den kurzen Zeitraum zwischen dem Beginn des 15. und dem Ende des 18. Lebensjahres bezieht.“ (Specht 1996, S. 22) Willems äußert in Bezug auf seine Ergebnisse
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aber auch an anderer Stelle die Einschätzung, wonach fremdenfeindliche Gewalttaten „[...] eindeutig von männlichen Jugendlichen dominiert“ (Willems u.a. 1994, S. 27, Herv. S.D.) werden würden. Bei Wahl jedoch heißt es dazu: „Am häufigsten haben 1997 Tatverdächtige im Alter zwischen 18 und 20 Jahren Gewaltdelikte begangen.“ (Wahl 2001, S. 52) Diese Uneindeutigkeit der Diagnose einer generellen Dominanz von Jugendlichen wirft also die Frage auf, welches jugendtheoretische Konzept der Kategorisierung hier jeweils zur Anwendung kommt. Wie weit wird der Begriff des Jugendlichen bei Willems gefasst? Gilt er bis 24 Jahre? Wie wird dann die Abweichung zum gesetzlichen Altersgrenzenkonzept begründet, welches die Volljährigkeit bei 18 Jahren ansetzt? Hinweise zur Klärung dieser Fragen sucht man vergebens. Die von Willems gewählte Bezeichnung „männlicher Jugendlicher“ bildet zwar das Bemühen ab, den geschlechtspezifischen Aspekt der gewonnenen Daten zu markieren, lässt sich aber mit einer begriffslogisch inkonsistenten Praxis der Kategorisierung in Verbindung bringen. Diese Praxis kann besonders im Hinblick auf die gewonnenen Daten zum Geschlecht der Tatverdächtigen verdeutlicht werden: Selbst wenn man die Gruppe der unter 18jährigen und unter 20jährigen Verdächtigen wie Willems und Wahl begrifflich als „Jugendliche“ zusammenlegt, um das Adverb „überwiegend“ (im Gegensatz zu den 36,2 Prozent der Tatverdächtigen unter 18 Jahren) rechtfertigen zu können, kommt man auf insgesamt 75 Prozent der Gesamtmenge für die soziologische Kategorie Alter. Das ermittelte Tatverdächtigenstrukturmerkmal Geschlecht erreicht allerdings mit 93,3 Prozent rund 21 Prozentpunkte mehr. Sogar wenn man die Gruppe bis 25 Jahren unter der Kategorie Jugend/Jugendliche zusammenfasst, so erreicht diese Gruppe einen Wert von 90 Prozent in Bezug auf die Gesamtmenge, bleibt also immer noch 3,3 Prozent hinter dem Ergebnis der geschlechtsspezifischen Variable zurück. Es wäre deshalb im Hinblick auf die verwendete Terminologie zu fragen, ob nicht gerade der Hinweis auf die Dominanz von männlichen Tatverdächtigen zur Folge haben könnte, diesen Umstand ebenso zum bestimmenden Merkmal der zu bezeichnenden Sache zu machen wie es zuvor beim Durchschnittsalter praktiziert worden ist. Während aber das Alter in Bezug auf eine Gruppe namens Jugend oder Jugendlicher keine weitere Differenzierung erlaubt, ist das bei der Kategorie Geschlecht durchaus nicht so. Sowohl der Befund für die Jahre 1991/92 als auch für die Jahre 1992/93 ist unmissverständlich: Der Anteil der Frauen an der Gruppe der Tatverdächtigen erhöhte sich in diesem Zeitraum lediglich von 3,7 Prozent auf 5,1 Prozent, bei Wahl lag sie 1997 bei 9 Prozent. Es handelt sich also bei diesem Befund, vor allem in Hinblick auf die Möglichkeit einer Charakterisierung von Gruppen, um eine Kategorie, die eine weiter reichende Differenzierung erlaubt, als es diejenige des Alters es vermag. Es wäre daher für die Begriffsbildung nahe liegender gewesen, für diesen Zusammenhang beispielsweise nicht von „männlichen Jugendlichen“ zu reden, sondern von „jugendlichen Männern“. Man würde ja auch angesichts eines roten Hauses nicht von einem „häuslichen Rot“ sprechen. Trotzdem behält Willems die Leitkategorie der „Jugendlichkeit“ durchgehend bei. In einer anderen Veröffentlichung spricht Willems z.B. als Ergebnis seiner Untersuchungen vor allem von „[...] jugenddominierenden fremdenfeindlichen Kra-
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wallen [...]“ (Willems 1994b, S. 27) Bei den „Jugendlichen“ von Willems handelt es sich aber vor allem um die männlichen Vertreter dieser Gattung, d.h. die erhobenen Daten lassen keineswegs zweifelsfrei den Schluss zu, dass hier allgemein eine Jugend dominant wirken würde, es sei denn, man meint mit diesem Begriff explizit nur den männlichen Teil der ermittelten Tatverdächtigen. Das müsste dann aber transparent gemacht werden. Ein möglicher Grund, warum Willems die Gruppen der unter 18jährigen und diejenige der Personen unter 25 Jahren vor anderen (und eventuell ja sogar eindeutigeren) Klassifikationsmerkmalen unter dem Label des „Jugendlichen“ zusammenfasst, ist in dem theoretischen Ausgangspunkt zu fi nden, von dem aus die gewonnenen Daten interpretiert werden. Er bezeichnet die untersuchten Vorgänge seiner Studie explizit als „Fremdenfeindliche Jugendgewalt“, in deutlicher Abgrenzung von seiner Meinung nach unzutreffenden Bezeichnungen wie etwa einer „[...] rechtsextremistischen, neonazistischen oder faschistischen Gewalt.“ (Willems 1993a, S. 99). Der Schwerpunkt dieser Wortwahl liegt also bei der analytischen Kategorie „Jugendgewalt“, während der Terminus „fremdenfeindlich“ eine attributive Untergruppe dieser Gewalt markiert, d.h. theoretisch noch andere Formen von Jugendgewalt denkbar sind. Die Art der Gewalt wird also in Abhängigkeit von der (zweifelhaften) empirischen Basis der an dieser Gewalt als Täter beteiligten Personen beschrieben. Dieses Verfahren erscheint problematisch, da die Leitkategorie zur Bestimmung unterschiedlicher Arten von Gewalt auf der Täterseite verbleibt und damit die Richtung von Gewalt und ihre Verbindung zum Opfer nur als Attribut geführt werden. Hier zeigt sich jedoch ein begriffl iches Folgeproblem: Jede Form von Gewalt wäre mit dieser Begriffsbildungspraxis theoretisch immer dann als Jugendgewalt zu bestimmen, wenn der Täterkreis aus (wie auch immer) definierten Jugendlichen besteht. So heißt es in einer Definition des Begriffes „Jugendgewalt“ gleich lautend: „Darunter wird von Jugendlichen ausgeübte Gewalt verstanden.“ (Sachs 2006, S. 13) Doch diese Definition hat eine äußerst begrenzte Reichweite. Wäre demnach auch der Anschlag vom 11. September 2001 in New York ein Akt amerikafeindlicher Jugendgewalt, nur weil die Mehrzahl der Täter Studenten unter 25 Jahren waren? Sicher nicht. Es wird damit deutlich, dass die Verfahrensweise, das Alter der an einer Tat beteiligten Personen zur bestimmenden Leitkategorie der von ihnen ausgeübten Gewalt zu erheben, relativ schnell an seine logischen Grenzen stößt. Doch ist es eben nicht nur das Alter, was nach Ansicht von Willems die Interpretation von Rechter Gewalt als „Jugendgewalt“ legitimiert, sondern die Vorstellung, dass in diesem „unreifen“ Alter affektive und emotionale Faktoren das Handeln eher bestimmen als rationale oder politische Motive: „Selbst Jugendliche, die sich zur rechtsradikalen Szene zählen, haben oft eher ausgeprägte fremdenfeindliche Feindbilder und Vorurteile, als dezidiert politische Vorstellungen, Motive und Strategien“ (Willems 1993, S. 175) Hier wird eine zentrale Unterscheidung in Bezug auf die Beziehung zwischen den Begriffen Fremdenfeindlichkeit und Politik deutlich: Es scheint so zu sein, dass Willems den Bereich der Fremdenfeindlichkeit als quasi unpolitisch einstuft, während die Begriffe rechtsradikal oder rechtsextremistisch für ihn mit dem Vorhandensein einer Mitgliedschaft in einem Verein oder einer Organisation mit
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einer ordentlichen Satzung verbunden sind. Nur vor diesem Hintergrund kann überhaupt davon gesprochen werden, dass etwa „ausgeprägte fremdenfeindliche Feindbilder“ ein Gegensatz zu dem Komplex „dezidierte politischer Vorstellungen“ darstellen könnte. Dass es Politikformen gibt, die fast ausschließlich mit Vorurteilen operieren, bleibt dadurch unerkannt.18 Dagegen ließe sich einwenden, dass Feindbilder und Vorurteile, die nach Kriterien der Hautfarbe und des Aufenthaltsstatus eines Menschen entwickelt werden, ohne die Einbeziehung der Dimension des Politischen überhaupt nicht zustande kommen können. Darauf wird noch an anderer Stelle zurück zu kommen sein. Wichtiger ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Etikettierung der Art von Gewalt Bei Willems allein durch eine Charakterisierung der Täter erfolgt und nicht aufgrund einer Typologie der Opfer getroffen wird. Die spezielle Problematik dieses Vorgehens wird noch gesondert zu behandeln sein. Bei der Charakterisierung des Täters nun scheint die Figur des Jugendlichen für Willems geeignet zu sein, die These einer apolitischen Interpretation Rechter Gewalt plausibel machen zu können, wenn man annimmt, dass gerade junge und „unreife“ Leute sich eher an Vorurteilen und Feindbildern orientieren als an echter Politik „vernünft iger“ Erwachsener, die im Gegensatz zu Jugendlichen ihr Handeln nach „dezidierten Vorstellungen“ ausrichten, wie beim zuletzt genannten Zitat von Willems unterstellt wird.19 Die Gleichung „Rechte Gewalt = Jugendgewalt“ verwendet Willems jeden18 | Die analytische Unterscheidung von „echter Politik“und „Fremdenfeindlichkeit“ führt auch in anderen Diagnosen dazu, dass Forscher selbst Befragte mit empirisch nachweisbaren rechtsextremen Einstellungsmustern als „unpolitisch“ einschätzen. So kommt eine Studie zu Rechter Gewalt in Brandenburg zu dem Ergebnis: „Lediglich ein Zehntel der Taten ist als Ergebnis eines zielgerichteten, eines einem politischen Programm verpfl ichtenden Handelns zu werten.“(Kopp/Benz 2007, S. 28) Einige Sätze später bemerken die Autoren jedoch: „Allerdings offenbart die Auswahl der Opfer tendenziell eine fremdenfeindliche Orientierung der Täter.“ (Kopp/Benz 2007, S. 28/29) Wie man als Täter nun das Kunststück vollbringt, zwar einerseits fremdenfeindlich zu agieren, indem man die Opfer zielgerecht aussucht, andererseits aber mit der politischen Strategie dieser Fremdenfeindlichkeit („Ausländer raus!“) trotzdem nichts zu tun zu haben, bleibt mit der in dieser Studie vorgenommenen Trennung von „Fremdenfeindlichkeit“ und „Politischem Programm“ komplett rätselhaft. 19 | Mit Saake (vgl. Saake 2006) lassen sich solche inhaltlichen Vorstellungen von Altersphasen als dichotome Wahrnehmungsmuster oder auch „binäre codes“ verstehen: „Binäre Codes benennen beide Seiten einer Unterscheidung und etablieren so einen Kommunikationszusammenhang, der über die Codereferenzen seine Grenzen bestimmt und seine Geschlossenheit als System erhält.“ Demzufolge sind die Werturteile, die sich in binärer Form als Zuschreibungen auf „Erwachsene“ oder eben „Jugendliche“ beziehen, als Effekt von gesellschaft lichen Altersschablonen anzusehen: „In den Grenzen sozialsystemspezifischer Limitierungen entstehen „altersspezifische“ Zugriffe, die nicht ein bekanntes Phänomen in neuem Licht präsentieren, sondern dieses Phänomen jeweils neu konstruieren. Wir erfahren demzufolge nichts über alte Menschen, wenn wir diesen Kommunikationen folgen, aber viel über die Einmusterung dieses Themas in un-
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falls auch in seiner Analyse verurteilter Gewalttäter, einem weiteren zentralen Aspekt seiner Untersuchung. Bei der von Willems im Kapitel 7 vorgenommenen Analyse von 53 Urteilsschriften von 148 verurteilten fremdenfeindlichen Straftätern handelt es sich, im Gegensatz zu der vorher besprochenen Analyse von Ermittlungsakten, nicht um Verdächtige, sondern um rechtskräftig verurteilte Täter. Zwar beschreibt Willems, dass die zuvor „[...] eruierten Täterstrukturen [...] durch die Aktenanalyse weitgehend bestätigt werden.“ (Willems 1993, S. 150), doch trifft das vor allem für die These, dass es sich bei den Tätern Rechter Gewalt nur um den Teilbereich einer allgemeinen Jugenddelinquenz handeln würde, Kriminelle also, die scheinbar zufällig nun „[...] im Kontext von fremdenfeindlicher Gewalt aktiv geworden sind.“ (Willems 1993, S. 91) gerade nicht zu. Er schreibt dazu explizit: „Die Mehrzahl der fremdenfeindlichen Straf- und Gewalttäter hatte bisher noch keine Vorstrafen.“ (Willems 1993, S. 171) Bei der Einschätzung der Verurteilten unterscheidet Willems nun zwischen verschiedenen Gruppen von Tatmotiven, die er aus den Aussagen der Angeklagten und den Kommentierungen der Justiz „herausgelesen“ hat (vgl. Willems 1993, S. 190). Willems lokalisiert aus diesen Deutungen heraus insgesamt fünf Motivationslagen, denen er vier Tätertypen anbei stellt. Dieses Vorgehen soll im Folgenden nachgezeichnet werden. Dabei bilden diejenigen Interpretationen den Schwerpunkt, die auf jugendtheoretische Deutungsmuster zurückgreifen. Als erstes nennt Willems die Gruppe der „Action-Motive.“ (Willems 1993, S. 191) Hierbei handelt es sich nach Willems um Gewalttaten, die „[...] den Charakter jugendtypischer Verhaltensmuster: die Suche nach Action, nach Abwechslung, nach Konfrontation und Auseinandersetzung [...]“ tragen würden. Willems tätigt in Bezug auf diese Merkmale die Aussage, diese Motive bei dieser Gruppe stünden „[...] jenseits aller Ideologien und Einstellungen – im Vordergrund.“ (Willems 1993, S. 191) Die Ursachen dieser Motive sieht Willems dabei durch einen Alltag begründet, der „[...] eher monoton und wenig abwechslungsreich ist. Die Lust an der Gewalt, die Freude am Zoff und die Suche nach Action, die hier zum Ausdruck kommen, sind z.T. Ersatz für fehlende Freizeitangebote und Möglichkeiten sich auszuprobieren [...]“ (Willems 1993, S. 191). Die Identifi zierung von Begriffen wie „Action“, „Gewalt“ sowie das altertümliche Wort „Zoff “ und die Zuordnung dieser zum Wortpaar „jugendtypische Verhaltensmuster“ soll eine Erklärung in dem Sinne nahe legen, dass eine Gruppe namens „Jugendliche“ allgemein anerkannter Träger eben dieser genannten Eigenschaften sei und deshalb in Kombination mit lebensweltlicher Langeweile zu spontanen und unkontrollierten Gewalt-Aktionen neige. Diese als grundsätzlich markierten Eigenschaften fänden dann in der fremdenfeindlichen Gewalttat scheinbar einen Anlass, aus dem Zustand permanenter Latenz manifest zu werden: „Die Planung und Ausführung des Brandanschlags wird zum gemeinsamen Abenteuer, das terschiedliche soziale Systeme.“ (Saake 2006, S. 145) Das würde bedeuten, dass wir mit Hilfe jugendtheoretischer Zuschreibungen wenig über konkrete „Jugendliche“ erfahren, sondern nur etwas über die Vorstellungen, die sich mit Hilfe dieser Thematisierungen über diese soziale Gruppe gemacht werden.
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Gelingen zum heldenhaften Sieg, zur Selbstbestätigung und zum Fest.“ (Willems 1993, S. 191) Zumindest kann gesagt werden, dass diese Tat von Seiten des Autors in dieser Art bewertet wird, eben unter Rückgriff auf das Vorhandensein jugendtypischer Verhaltensweisen. Dazu gehört die z.B. die Unterstellung, Jugendliche müssten sich „ausprobieren“ und würden allein aus diesem Grund und in Ermangelung geeigneter Entfaltungsräume auf die dumme Idee kommen, andere Menschen zu entwerten und zu verletzen. Die Opfer Rechter Gewalt werden dadurch als ungewollter Effekt eines verhinderten Initiationsritus junger Männer angesehen, denen die Gesellschaft keine ausreichenden Mittel zur Bewältigung ihres krisenhaften Statusübergangs anbietet. Auf welche real existierende Typologie von angeblichen Verhaltensweisen bei Jugendlichen dabei zurückgegriffen wird (z.B. innerhalb der psychologischen Fachdiskussion), wird hierbei jedoch nicht deutlich und dazu werden leider auch keinerlei weiterführende Hinweise gegeben. Ein solcher Bezug könnte aber unter Umständen als Postulat ohnehin keine ausreichende Begründung darstellen: „Denn es gibt kein abschließend gesichertes Wissen der Entwicklungspsychologie, auf dass sich die Jugendsoziologie als fraglos gültigen Erkenntnisstand beziehen könnte. Vielmehr sind Theorien und Forschungsergebnisse auch innerhalb der Entwicklungspsychologie kontrovers und umstritten.“ (Schäfers/Scherr 2005, S. 75) Zu vermuten wäre deshalb, dass Willems hier auf eine relativ stereotype Vorstellung von Jugend Bezug nimmt, die sich ausschließlich aus einer subjektiven Beobachtung männlich-aggressiver Teilpopulationen der gemeinten Gesellschaftsgruppe speist. Durch die offensichtliche Dominanz dieser jugendtheoretischen Vorstellungen auf Seiten der Forschung wird das gemeinschaft liche Anzünden eines von Menschen bewohnten Hauses jedenfalls mit rein sozialpsychologischen Kategorien zu entschlüsseln versucht. Eine fremdenfeindliche Motivation taucht an dieser Stelle nämlich überhaupt nicht erst auf, sie soll laut Willems auch ganz explizit keine Rolle spielen, weil eben im Tatverlauf das angeblich jugendtypische Verhalten im Vordergrund steht. In der Formulierung, diese Taten fänden ausdrücklich „[...] jenseits von Ideologien und Einstellungen“ (Willems 1993, S. 191) statt, wird diese Perspektive ausdrücklich vertreten. In seinem Abschnitt über „Anlässe, Gelegenheitsstrukturen und Tattypen“, der dem Abschnitt über „Tätertypen“ vorgelagert ist, wird eine solche Diagnose bereits vorbereitet. Dort zitiert Willems aus einer Urteilsschrift, in welcher eine Gewalttat vom Richter mit folgenden Worten eingeleitet wird: „Am Abend des 19.08.1991 fand in einer Diskothek [...] eine Disco-Tanzveranstaltung statt. Daran nahmen auch 20 bis 30 Jugendliche und Heranwachsende [...] teil. Ohne besonderen Anlass kam [...] im Verlaufe des Abends der Gedanke auf‚ ‚noch etwas loszumachen‘ und ‚zu den Ausländern‘ hochzugehen.“ (Urteilsschrift Nr. 42, Willems 1993, S. 180) Willems leitet unter Bezug darauf die Einschätzung ab: „Am Anfang steht meist schlicht das Bedürfnis, ‚etwas loszumachen‘ bzw. ‚etwas unternehmen zu müssen‘. Erst im Verlauf dieser Treffen ergeben sich oft die Ideen und konkreten Anlässe für fremdenfeindliche Gewalttaten. Häufig entwickeln sich die Straftaten kurzfristig und spontan als Ergebnis kollektiver Stimulierung und Enthemmung in der Gruppe [...]“ (Willems 1993. S. 181)
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Die subjektive Interpretation des Richters, es gäbe für die Aktionen der Jugendlichen keinen besonderen Anlass, findet sich bedingt durch die unreflektierte Übernahme bei Willems also als sozialwissenschaft liche Verdopplung wieder, sogar unter Beibehaltung der gesetzten Anführungsstriche bei den Aussagen der Tatbeteiligten. Damit geraten der Ort des Brandanschlags und das Ziel dieser Tat zum absoluten Zufall. Es hätte nach dieser Theorie genauso gut das örtliche Schwimmbad treffen können. Die fremdenfeindliche Straftat wird zum Ergebnis der Faktoren „Stimulierung“ und „Enthemmung“, welche als zweifelsfreie gruppenpsychologische Mechanismen eingeführt werden. Die Perspektive, dass eine fremdenfeindliche Straftat das Ergebnis von einer fremdenfeindlichen Einstellung sein könnte, wird nicht eingenommen. Dabei merkt Willems anhand seines Interviewmaterials selber, „[...] dass 1) die Jugendlichen selbst durch ein hohes Maß an Fremdenfurcht und Fremdenhass gekennzeichnet sind und 2) dass sie wie selbstverständlich von einem ausländerfeindlichen Konsens in ihrem Umfeld ausgehen [...]“ (Willems, 1993, S. 180) Diese Wahrnehmungen haben aber keinerlei Auswirkungen auf seine Ausgangsthese, dass bei diesen Taten vor allem jugendspezifi sche „Action-Motive“ im Vordergrund stehen würden. Die zitierte Aussage „etwas loszumachen“ fungiert als Indikator für das Vorliegen einer primär relevanten Bedürfnislage, welcher die fremdenfeindlichen Tatmotive sozialwissenschaft lich untergeordnet werden. Diese Bedürfnislage ist deshalb primär, weil es sich bei den Tätern eben nicht um Fremdenfeinde, sondern um Jugendliche handelt. Die Aussage des Richters, es handele sich bei den Tätern um „Jugendliche und Heranwachsende“ wird durch eine solche Rekonstruktion begründungstheoretisch mit Sinn versehen, aus dem eine fremdenfeindliche Tat quasi-logisch mit der Jugendlichkeit der Tatbeteiligten zu interpretieren wäre. Diese Ansicht vertritt Willems auch in seiner Einleitung der quantitativen Analyse fremdenfeindlicher Straftaten zwischen 1990 und 1993: „Das derzeitige Ausmaß an fremdenfeindlicher Gewalt wird auch durch viele zunächst unpolitische subkulturelle Gruppen von aggressiven Jugendlichen bestimmt, die offensichtlich in den ‚Fremden‘ oder ‚Ausländern‘ lediglich neue Aggressionsobjekte für ihre grundlegende Gewaltbereitschaft und Gewaltakzeptanz finden [...].“ (Willems 1993, S. 93)
Das Opfer gerät in einer solchen Sichtweise aber zur eigentlich nicht gemeinten Zielperson, es erscheint wie jemand, der einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen ist. Neben dem „Jugendlichen“ ist es in diesem Zitat eine Figur namens „aggressiver Jugendlicher“, die dabei als Akteur fremdenfeindlicher Gewalt identifiziert wird. Diese Figur führt Willems in seinem Kapitel „Vorstrafen und Verurteilungen“ (Willems 1993, S. 131) noch ausführlicher ein, indem er die These aufstellt, dass es sich bei der Rechten Gewalt „[...] um diff use Gewaltpotenziale und Gewaltbereitschaften handelt, die nicht spezifisch durch die Fremdenfeindlichkeit begründet und generiert sind.“ (Willems 1993, S. 131) Diese These wird in der Folge damit begründet, dass es einen bedeutenden Teil unter den Straft atverdächtigen gibt, der bereits wegen anderer Delikte polizeilich auff ällig geworden ist. (Willems 1993, S. 131) Die Autoren gelangten nämlich in ihrer Analyse der
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Tatverdächtigen zu dem Ergebnis, dass bei dieser Personengruppe zu 18,1 Prozent polizeiliche Vorerkenntnisse wegen anderer politischer Straftaten vorliegen. Bei Wahl erhöht sich dieser Wert immerhin auf 34 Prozent (vgl. Wahl 2001, S. 43). Nur von dieser Teilgruppe von Mehrfachtätern nehmen die Autoren um Willems deshalb an, dass diese sich deutlich eher rechtsextremistischen Gruppen zuordnen lassen und dort „[...] relativ stark verfestigte, politisch ausgerichtete Bereitschaften zu illegalen und/oder gewaltbereiten Aktionen vorhanden sind.“ (Willems 1993, S. 48) Eine weit größere Überschneidung als zu den Zahlen der polizeilichen Vorerkenntnisse wegen politisch motivierter Straftaten haben die Autoren aber zu den polizeilichen Vorerkenntnissen aufgrund „sonstiger Straftaten“ festgestellt. Für nahezu die Hälfte (43,1 Prozent) aller fremdenfeindlichen Straftatverdächtigen liegen dabei polizeiliche Vorerkenntnisse aufgrund solcher Straftaten vor. Die Autoren schließen nun speziell aus diesem Umstand, dass es „[...] offensichtlich eine deutliche Überschneidung zwischen klassischer Jugenddelinquenz bzw. jugendlicher Bandengewalt und der fremdenfeindlichen Gewalt [gibt].“ (Willems 1993, S. 49) Willems formuliert die Vermutung, hier würden „[...] also zum Teil jene gewaltorientierten und kriminellen Banden aktiv, die auch in anderen Bereichen [...] bereits aufgefallen sind.“ (Willems 1993, S. 132) Anhand dieser statistischen Überlappung wird angenommen, dass es dieser Tätergruppe auch bei der Anwendung Rechter Gewalt um nichts anderes geht als darum, ihre manifeste Kriminalität auszuüben.20 Besonders mit der zusammenfassenden Formulierung „klassische Jugenddelinquenz“ wird die Rechte Gewalt dem Bereich „Jugendliche Bandengewalt“ defi nitorisch zu – und untergeordnet. Die Verwendung des Begriffes „klassisch“ suggeriert die Existenz einer generationsübergreifenden Formation abweichenden Verhaltens, ausgeübt von einer Gruppe namens „Jugend“, die – determiniert durch diese Gruppeneigenschaft – nicht politisch intendiert agiert, sondern aus einer allgemeinen kriminellen Disposition zur Gewaltneigung heraus handelt. Eine statistische Korrelation ist aber noch kein kausaler Zusammenhang. Denkbar ist, dass ein Individuum mit verschiedenen Handlungen auch 20 | Diese Meinung wird auch in anderen Untersuchungen vertreten. So ermittelten Kohlstruck/Krüger/Krüger 2009 im Rahmen einer lokalen Studie, dass der Polizei bei ca. 85 Prozent der Tatverdächtigen Rechter Gewalt bereits Vorerkenntnisse wegen „sonstiger“, d.h. nicht-politischer Straftaten vorlagen. Die Forscher rechnen nun diese Tätergruppe aus der Kategorie „Politisch motivierte Gewalt“ heraus und begründen das damit, dass ausschließlich die Personen, für die keine Erkenntnisse zur Kategorie „Sonstige Straftaten“ vorliegen würden, eine politische Motivation anzunehmen sei. Weil eine solche Motivation nach dieser Art der Defi nition dann nur noch 15 Prozent der Gesamtgruppe ausmachen, kommt die Studie zu dem Schluss: „Die Urheber der als rechte Gewalt klassifizierten Taten sind Personen, deren Beweggründe nur zu einem recht kleine Prozentsatz als politische oder ideologische Motive beschrieben werden können. Das Gros handelt nicht, um ideologische Botschaften zu verbreiten oder um Veränderungen der politisch-rechtlichen Ordnung zu erreichen.“ (Kohlstruck/Krüger/Krüger.) Dass eine vorbestrafte Person zugleich auch (oder später) ein Mensch mit politischen Vorstellungen sein kann, wird dabei nicht in Rechnung gestellt.
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unterschiedliche Zielsetzungen verbindet. Es bleibt deshalb fraglich, ob mit der Argumentation einer statistischen Überschneidung der spezielle Fall der politisch motivierten Rechte Gewalt so ohne weiteres allen anderen Formen von Ordnungsverstößen Jugendlicher zugerechnet werden kann.21 Zudem ist anzumerken: Diese Zahlen fi nden sich in der Analyse von Ermittlungsdaten von Verdächtigen, haben aber keine Gültigkeit für den Bereich der verurteilten Täter. Im Gegenteil: Dort existierte ja gerade kein signifi kanter Zusammenhang zwischen allgemeiner Jugenddelinquenz und Fremdenfeindlichkeit (vgl. Willems 1993, S. 171). Ob also verdächtige „aggressive Jugendliche“ das Ausmaß von Rechter Gewalt tatsächlich offensichtlich „bestimmen“ (vgl. Willems 1993, S. 93), kann bezweifelt werden. Trotzdem erfährt diese These bei Willems keinerlei Modifi kation. In der von Willems verwendeten Formulierung „offensichtlich“ soll dessen Meinung als zweifelsfreies Faktum erscheinen. Schwerpunkt bildet dabei die Erklärungsfigur, wonach die Ursache Rechter Gewalt vor allem einer „[...] generellen Gewaltbereitschaft Jugendlicher“ (vgl. Willems 1993, S. 94) zugerechnet werden kann. Der „Jugendliche“ wird damit zu einer Art spannungsgeladener Zeitbombe, die sich an unterschiedlichen gesellschaft lichen Konflikten entzünden kann. In eine ähnliche Richtung geht auch die zweite Charakterisierung der Motivation fremdenfeindlicher Taten nach Willems: Die „Geltung in der Gruppe“ (Willems 1993, S. 191) Zentral verwiesen wird dort zunächst auf einen psychologischen Tatbestand, den Willems als „[...] prinzipielle Identitätsrelevanz jugendlicher Gleichaltrigengruppen [...]“ (Willems 1993, S. 191) bezeichnet. Diese Relevanz führt ihn zu der These, die fremdenfeindlichen Taten seien „sehr oft“ eine „[...] Mutprobe, die über Zugehörigkeit und Akzeptanz in der Gruppe entscheidet.“ (Willems 1993, S. 192) Besonders betroffen von diesem Mechanismus seien „[...] labile und identitätsschwache Jugendliche [...]“ (ebd.). Nach dieser These ist die gruppenpsychologische Struktur die Hauptursache des fremdenfeindlichen Tatvollzugs. Da der Begriff „Mutprobe“ mit der Existenz stammesgeschichtlicher Initiationsriten konnotativ verbunden sein dürfte, scheint der Anlass für die Gewalt nicht in der Identifizierung von „Feinden“, sondern in der spezifischen Lebenslage der „Jugendlichkeit“ zu liegen. Willems zitiert dafür aus einer richterlichen Urteilsschrift, wo in Bezug auf einen Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft folgende Argumentation auftaucht: „Bei der Tat spielten ferner gruppendynamische Prozesse und auch das jugendliche Alter eine Rolle.“ (Urteilsschrift Nr. 26, Willems 1993, S. 192) Beide 21 | Diese Form der Gewalt könnte sich eben zentral in der Dimension des Politischen von anderen Delikten unterscheiden. Für diesen Zusammenhang betont Klaus Ahlheim: „Doch zur fremdenfeindlichen Gewalt gehört die fremdenfeindliche Ideologie. Dem realen Mord geht die Vernichtung des Fremden und Anderen im Kopf voraus.“ (Ahlheim 2003, S. 25) Es ist daher schwer vorstellbar, dass jemand ohne das Vorhandensein dieser Ideologie überhaupt in der Lage wäre, entsprechende Opfer zu produzieren. Deshalb heißt es in einem Zeitungsinterview anlässlich der Zahlen zur Entwicklung der rechtspolitischen Gewalttaten: „Man sieht an diesen Zahlen auch, dass Gewalt ein zentraler Punkt des sozialdarwinistischen Gesellschaftsbildes der Rechtsextremen ist.“ (Virchow 2009, S. 9)
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Faktoren spielen zunächst insofern eine Rolle, als dass sie die Funktion erfüllen, den Fokus von Erklärungsversuchen stärker auf die inneren Abläufe in der Tätergruppe richten zu können. Der Jugendliche wird hier als reines Gruppenwesen beschrieben, welches sich in seinen Handlungen ausschließlich durch die in dieser Gruppe geltenden Maßstäbe bestimmen lässt. Da es einem solchen Wesen in dieser Vorstellung um nichts anderes geht als um die Mitgliedschaft in einer Gruppe, geraten die Aktivitäten dieser Gruppe zum Nebenschauplatz.22 Wie gewichtig die Rolle der beiden Faktoren Jugend und Gruppendynamik innerhalb einer solchen Analyse tatsächlich ist, wird in der weiteren Beschreibung des Tatgeschehens deutlich: „Als aber die Idee aufgekommen war, man könnte etwas gegen das Asylbewerberheim unternehmen, wollte keiner als ‚Feigling‘ dastehen.“ (Willems 1993, S. 192) Das Ziel der Tat wird hier den Kategorien Jugendlichkeit und Gruppendruck eindeutig untergeordnet. Willems übernimmt hierbei die Bewertung des zuständigen Richters als Beleg für seine eigene These, die im Grunde ja auch derselben Logik folgt. Die Einschätzung der Justiz wird damit einfach unhinterfragt übernommen. Warum aber gerade das Asylbewerberheim ausgesucht wurde, bzw. warum dieses Zielobjekt als „Idee aufgekommen war“, diese Frage wird mit dieser Perspektive gar nicht mehr relevant. Sie ist aber unter Umständen in höchstem Maße entscheidend für die Beurteilung einer Tat als politisch. Ein jugendliches Alter und Prozesse von Gruppendynamik lassen sich in einer Vielzahl von möglichen Konstellationen von Menschen ausmachen, die mit dem Gesetz in Konfl ikt kommen. Nur eine Minderheit davon wird als fremdenfeindlicher Gewalttäter auff ällig. Die Erklärungskraft der von Willems als „Motivation“ bezeichneten Gewaltursache namens „Gruppendynamik“ dürfte damit als eher gering einzuschätzen sein. Erneut führt die Kategorie Jugendlichkeit als unhinterfragter Ausgangspunkt dazu, die Opfer aus der Analyse von fremdenfeindlicher Gewalt vollständig zu eliminieren. Dieser Umstand findet sich auch in der dritten von Willems charakterisierten Gruppe wieder: Hier wird die „Fremdenfeindliche Gewalt als Resultat allgemeiner Frustration und Orientierungslosigkeit“ bezeichnet. Diese Gewalt soll danach ursächlich zurückgehen auf „[...] Probleme und Frustrationen in anderen Bereichen [...].“ (Willems 1993, S. 193) Willems nennt in diesem Zusammenhang die Lebensbereiche Familie, Schule oder Beruf, aber auch gesundheitliche Probleme oder eben „[...] eine jugendtypische Orientierungslosigkeit [...].“ (Willems 1993, S. 193) Dass sich diese Problemlagen zur Gewalt gegen Ausländer verdichten, erklärt Willems wiederum mit einem Verweis auf psychologische Vorgänge auf der Täterseite: „Es handelt sich um den aus der Vorurteilsforschung bekannten Vorgang der Projek22 | Vgl. dazu die Einschätzung von Bernd Wagner: „Gruppen werden in einigen Theorien über den gegenwärtigen Rechtsextremismus oft entideologisiert, was sicher hinsichtlich stringenter politischer Theorien und politischer Strategie durchaus zutreffen kann. Die Funktion von Ideologie wird dabei doch unter tatsächlichem ‚Wert‘ veranschlagt. Das führt zu einem Mangel an Analyse der tatsächlich wirksamen Ideologievalenz in der reichhaltigen Typologie, mit fatalen Folgen weitreichender Verharmlosung und Individualisierung von Problemen.“ (Wagner 2008, S. 15)
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tion von Schuld auf Sündenböcke“ (Willems 1993, S. 193) Leider fehlt an dieser Stelle wieder der Verweis, um welche Theorie dieser Forschung es sich dabei genau handelt. Als Beleg für seine Einschätzung zitiert Willems lediglich erneut aus einer richterlichen Urteilsschrift. Dort heißt es: „Beide Angeklagten haben die Angriffe auf das Asylbewerberheim nicht aufgrund einer ausländerfeindlichen Gesinnung vorgenommen. Hintergrund der Tat sind vielmehr [...] insbesondere sozial- und entwicklungspsychologische Hintergründe.“ (Urteilsschrift Nr. 26, Willems 1993, S. 194) Willems unterstützt diese Einschätzung mit den Worten, gerade in solchen Fällen habe die „[...] Gewaltanwendung oft psychische Funktionen etwa eines ‚Krisenmanagements‘ oder der Entlastung von problemaffi nen Affekten.“ (Willems 1993, S. 193) Diese Einschätzung zeigt eine deutliche Nähe zu der Annahme so genannter expressiver oder lusterzeugender Gewaltmotive, die bei der Anwendung von Gewalt von einer primären Bedeutung der sekundären Erlebnisgewinne auf der Täterseite ausgehen (vgl. Sütterlüty 2002). Das Ziel der Gewalt gerät dabei allerdings leicht aus dem Blickfeld. Dieses Ziel steht auch bei Willems explizit nicht im Vordergrund, die Ursachen sind eine Reihe von Überlastungen aufgrund individueller Problemlagen, von denen eine laut Willems wiederum besonders „jugendtypisch“ ist, nämlich die Orientierungslosigkeit. In seiner Überschrift bezeichnet er fremdenfeindliche Gewalt deshalb explizit als „Resultat“ solcher Problemlagen, als „[...] eigentliche Ursache für die Gewalt, die dann aber gegen Fremde gerichtet wird.“ (Willems 1993, S. 193) Im Vordergrund steht also erneut ein richtungs- und beziehungsloses Verständnis der Kategorie der Gewalt, die im Fremden scheinbar zufällig und nachrangig ein Objekt fi ndet. In der zitierten Formulierung „dann aber“ ist ja angedeutet, dass dieses Objekt nur das Ergebnis einer Verschiebung darstellt, impulsiert durch eigene Ohnmachtserfahrungen, die auf einen Sündenbock übertragen werden. Erst in der vierten Tätergruppencharakterisierung mit Motivationen von „Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit“ vermag Willems dann eine zentrale Handlungsbegründung hinsichtlich der Opferauswahl zu erkennen. Dabei betont er aber, dass es sich dabei nicht um eine „[...] politisch verhärtete, ideologisch eingebundene Ausländerfeindlichkeit“ handele, sondern vielmehr um „[...] diff use emotionale Abneigung, Fremdenfurcht, [...] Vorurteile gegen Fremde, ethnische Feindbilder und Gefühle der Bedrohung durch Ausländer [...].“ (Willems 1993, S. 194) Da Willems offensichtlich auch in diesen Tätern immer noch hauptsächlich Jugendliche erblickt, mag er selbst bei dieser eindeutig fremdenfeindlichen Gruppe nicht von „verhärteten ideologischen Einstellungen“ ausgehen, sondern von primär emotionalen Handlungsantrieben. Die menschenverachtende Orientierung auf Aktionen militanter Ausländerfeindlichkeit ist für ihn damit keinesfalls eine Leistung im Rahmen einer selbstständigen Subjektivität oder etwa ein Hinweis auf eine radikale Politisierung, sondern solche feindlichen Haltungen würden „[...] häufig von der Erwachsenenwelt abgeschaut und gelernt.“ (Willems 1993, S. 194) Willems betont in diesem Zusammenhang damit die Jugendlichkeit der Täter als ein von der Umgebung abhängiges Lernverhältnis. Negative Einstellungen gegen Ausländer sind danach kein Ergebnis aktiver politischer Aneignung, sondern eine außenweltlich bedingte Prägung. Die Begriffe „Abschauen“ und „Lernen“ entstammen einer ima-
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ginären Schüler/Lehrer-Konstellation, ohne dass hinreichend deutlich gemacht ist, welche Theorie vom „Lernen“ hier zugrunde gelegt wird. Erneut spricht Willems außerdem davon, dass Ausländer für persönliche Probleme eine „Sündenbockfunktion“ übernehmen würden. Dazu ist anzumerken, dass diese eine solche Funktion keinesfalls aktiv übernehmen, sondern sie bestenfalls auferlegt bekommen. Sie werden zu Sündenböcken gemacht. Die Frage, warum gerade die sehr spezifische Menschengruppe der Asylbewerber (und nicht etwa irgendwelche anderen Menschen) zu Zielen der Aggression gemacht werden, d.h. warum eine entsprechende Richtung ihrer Gewalt von den Tätern als plausibel angesehen wird, wird auch in dieser Tätercharakterisierung nicht als eigenständige politische Interpretationsleistung anerkannt, sondern durch eine scheinbar unbewusste Übernahme von Vorurteilen und Ängsten ihrer Umgebung erklärt. Es wird deutlich, dass innerhalb des Ansatzes von Willems eine Reihe von problematischen Deutungen getätigt wird, in deren Folge die Tätergruppe nicht als politisch Handelnde, sondern in erster Linie als Angehörige einer Formation namens Jugendliche konzipiert werden, deren Handlungen offenbar nicht von bewussten Motiven, sondern von emotionalen Affekten bestimmt werden. Es scheint so zu sein, dass die Charakterisierung der Tätergruppe als Jugendliche eine Reihe von Eigenschaften nahe legt, mit denen eine verantwortliche Täterschaft der Gewalt-Akteure in Zweifel gezogen wird. Weil einer Gruppe namens Jugendlicher offensichtlich die Eigenschaft zugesprochen wird, ihr Handeln ohne Sinn und Verstand zu strukturieren, sondern dieses an Hand von Kriterien zu orientieren, die als entwicklungsspezifisch vom Forscher festgelegt werden, scheint es möglich zu sein, Rechte Gewalt jenseits von politischen Kategorisierungen zu deuten. Somit operiert der Begriff mit so genannten askriptiven, d.h. assoziierten Vorstellungen über bestimmte Eigenschaften dieser Personengruppe, auf welche sich dann bei einer solchen Exklusion von politischen Handlungsgründen als Begründung bezogen zu werden scheint. 23 Dabei fungiert die deskriptive, also altersgebundene Dimension als Möglichkeit der Zuordnung von askriptiven, ebenso wertegebundenen Attributen, welche dazu geeignet sind, die Wahrnehmung des Tatbestandes Rechte Gewalt jugendtheoretisch zu überlagern. Ein solcher Zusammenhang wird in der linguistischen Forschung als Konnotation bezeichnet.24 Werden die attributiven Kriterien von Jugendlichkeit als Konnotationen in den Prozess der Wahrnehmung eines Problems eingespeist, so könnte das bei der vorgenommenen Klassifizierung der Täter 23 | So fand Alphons Vatikus in einer Untersuchung heraus, dass die Begriffe Jugend und Jugendlichkeit nicht deckungsgleich benutzt werden. Während der Begriff Jugend stärker auf einen relativ fest umrissenen Zeitrahmen bezogen war, wurden mit dem Begriff der Jugendlichkeit vor allem kulturell bedingte Vorstellungen verbunden (vgl. Vatikus 1988). 24 | Vgl. dazu: „Konnotation meint hier [...] den Tatbestand, dass jeder sprachliche Ausdruck in unserer Sprachbiographie durch den Kontext indiziert ist, in dem wir ihn kennen gelernt haben – jenseits seiner im Wörterbuch explizierten Bedeutungen bedeutet/bezeichnet jeder Ausdruck eben immer auch reflexiv die Situation, deren Artikulation er ermöglicht (hat).“ (Maas 1989, S. 168, Herv. i.O.)
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entlang von Alterskriterien dazu führen, dass bestimmte jugendtheoretische Bedeutungsdimensionen dadurch aktiviert werden. Ist es z.B. vor allem das Attribut der Unreife, welches die Rechte Gewalt als unpolitisch erscheinen lässt, wenn man sie in diesem Sinne als jugendliche Gewalt begreift? Rechte Gewalt wäre im Ergebnis dann kaum mehr als das Produkt einer lebenslagenbedingten Tatkonstruktion, deren Motivation sich aus primär unpolitischen Elementen zusammensetzen würde. Rechte Gewalt bei Jugendlichen wird als ein direktes Resultat ihrer Lebenslage interpretiert, deren Opfer sie sind. Doing adolescence scheint damit zum Doing victim zu werden. Auf welches Konzept von Jugend wird sich innerhalb der Forschung dabei bezogen? Das soll im nächsten Abschnitt genauer untersucht werden.
2.2 Der „Jugendliche“ als Opfer der gesellschaftlichen Verhältnisse Stand im letzten Kapitel die Art und Weise der Wahrnehmung rechtsgerichteter Gewalttäter als Jugendliche im Vordergrund, so geht es in diesem Abschnitt um die Frage, welche inhaltlichen Konzeptionen von Jugendlichkeit dazu geeignet sind, die Wahrnehmungen dieser Personengruppe mit einem Fundus an pädagogischen Vorstellungen in Verbindung zu bringen, nach welcher diese als Menschen in ungünstigen Verhältnissen gelten, welche sie nicht beeinflussen können und als deren Opfer sie deshalb zu begreifen und zu behandeln sind.25 Bei dieser Sichtweise wird in der Regel davon ausgegangen, dass für rechtsideologische Täter die Anwendung von Gewalt eine Art der Umformung deprimierender Umweltbedingungen darstellt, denn „[...] in ihrem Verhalten drückt sich in erster Linie nicht eine bewusste Entscheidung für das Verwerfliche oder für das Böse aus, sondern eine instinktnahe Reaktion auf tatsächliche oder vermeintliche Bedrohungen und Beschränkungen.“ (Silbermann/Stoffers 2000, S. 182) Verhalten wird hier als Ausdruck von inneren Zuständen gedeutet, die ihre Ursache in den äußeren Bedingungen haben, wodurch Gewalt als Reaktion auf eben diese erscheinen kann. Die individuelle Motivation zur Gewaltanwendung gerät damit zur sekundären Erscheinung, weil angenommen wird, „[…] dass sich hinter rechtsradikalen Einstellungen zumeist berechtigte, existenzielle Interessen verbergen, die allerdings in falscher, pervertierter Form zum Ausdruck kommen. In rechtsextremen Artikulationsformen äußerst sich ein Hilferuf, ein Bedürfnis nach Veränderung einer als unhaltbar empfundenen Lebenssituation.“ (Hanesch 1994, S. 30) Dabei kann gelten: Wer nach Hilfe ruft, muss sich in großer Not befi nden. Gewalt von Jugendlichen wird 25 | Im Hinblick auf die gesellschaft liche Wahrnehmung rechtspolitischer Täter als Opfer merkt Enzensberger kritisch an: „[...] als mildernder Umstand kam, neben der Unreife der Täter, ihre kulturelle Desorientierung in Betracht. Man habe es alles in allem mit ‚armen Schweinen‘ zu tun, denen mit pädagogischer Geduld begegnet werden müsse. Von derart unterprivilegierten Personen könne man schließlich nicht ohne weiteres die Einsicht erwarten, dass das Verbrennen von Kindern, streng genommen, nicht statthaft ist. Umso dringender müsse auf das mangelnde Freizeitangebot hingewiesen werden, das den Brandstiftern zur Verfügung stehe.“ (Enzensberger 1994, S. 72)
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damit zum Symptom von Ursachen, die in Ängsten und Nöten der Jugendzeit als Sturm und Drang wurzeln und Jugendlichkeit gerät zur Metapher für eine generelle Disposition zur Radikalität. So spricht etwa Ute Benz von einer generellen Neigung Jugendlicher zum politischen Extremismus: „Dieser infantilen Disposition wegen sind Kinder und Jugendliche verführbar und ausbeutbar durch extremistische Politiker mit ihren simplen Welterklärungsmustern, inhumanen Grundhaltungen und intoleranten Einstellungen.“ (Benz 1999, S. 22) Jugend erscheint hier als insgesamt gefährdete Spezies, die den Einflüssen ihrer Umwelt ohnmächtig unterworfen ist und diesen Zumutungen gegenüber mit extremen Neigungen begegnet. Jugendlicher Extremismus folgt damit keiner internen Begründungslogik, sondern wird in der Ursache auf eine pessimistische Diagnose der Lebensbedingungen bezogen. In einem älteren Fachbuch wird dieser Pessimismus wie folgt begründet: „Kinder und Jugendliche gehören nach wie vor zu einem zahlenmäßig nicht unerheblichen Teil unserer Gesellschaft, der weitgehend rechtlos, unmündig und zahllosen, von fremder Seite aus bestimmten Zwängen unterworfen ist.“ (Hohmann 1982, S. 52) Dieser umfassende defizitäre Status führe zu einem Zustand relativer Randständigkeit: „Jugendliche sind gemeinhin hilflos, angreifbar, verwundbar, weitgehend ohne Lobby.“ (Hohmann 1982, S. 184) Die Anwendung von Gewalt gilt vor dem Hintergrund einer derartigen Konzeption oft mals als ein Indikator für das Vorliegen eines gesellschaft lichen Defizits. Mit der Einnahme einer solchen defizitorientierten Perspektive liegt es unter Umständen nahe, Verhaltensweisen dieser Personengruppe generell als Ausdruck einer negativen Position zu begreifen, so wie es Gunther A. Pilz im Hinblick auf die Interpretation Rechter Gewalt vorschlägt: „Dies gilt auch und gerade für die Gewalttätigkeit Jugendlicher, deren personales Gewaltverhalten überwiegend eine Folge gesellschaft lich produzierter, struktureller Gewalt ist.“ (Pilz 1992, S. 20) Warum aber im Kontext solch umfassender Gewaltverhältnisse nur einige wenige Personen zu dieser sehr speziellen Handlungsform greifen, ist mit einer solchen Begründung nicht zu erklären. Denkbar wäre es dagegen, dass innerhalb der Sozialgruppe Jugend durchaus unterschiedliche Positionen existieren, auf welche aber der Blick durch die Formulierung solcher Art von einheitlichen Lagebeschreibungen allerdings verstellt sein könnte.26 So beschreibt die Psychoanalytikerin Seiffge-Krenke die allgemeine psychosoziale Verfassung von Jugendlichen durchaus nicht als alternativlose Festlegung: „Ihr Denken und Handeln ist keineswegs nur von ihrer körperlichen Verfassung determiniert, sondern sie bestimmen selbst mit, welche ‚Entwicklungsaufga26 | Dazu heißt es in einem Fachbuch: „Jugendliche in Deutschland, das sind Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund, Jugendliche mit deutscher, aber auch mit türkischer, serbischer, kroatischer, italienischer usw. Staatsbürgerschaft. Untersuchungen des Freizeitverhaltens, der Studien- und Berufswahl, von Jugendgewalt und Jugendkriminalität sowie zur Übernahme von Pflichten in der Familie weisen immer noch erhebliche Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Jugendlichen nach. In Städten fi nden Jugendliche andere Bedingungen des Heranwachsens vor als in ländlichen Regionen. Insofern ist es plausibel, von sozial unterschiedlichen und ungleichen Jugenden im Plural, statt von ‚der Jugend‘ im Singular auszugehen.“ (Schäfers/Scherr 2005, S. 22)
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ben‘ sie wann, wie und mit welchem Ergebnis realisieren.“ (Seiffge-Krenke 1997, S. 17) Hier wird der Jugendliche als Akteur seiner Biographie verstanden. Das würde bedeuten: Aus der Existenz von übergeordneten Strukturmerkmalen können keine allgemein gültigen Schlüsse gezogen werden, mit denen sich das konkrete Verhalten von Jugendlichen ausreichend erklären ließe, denn „[...] die entscheidende Frage ist, was machen die Jugendlichen aus diesen Bedingungen, wie eignen sie sich die vorhandenen Gegebenheiten an, wie werten und verwerten sie vermeintliche Problemlagen, wie formen sie gegebenenfalls Strukturen um.“ (Kirchhöfer 2002, S. 165) Trotzdem scheint der Ableitungsvorgang, dieses Handeln als einen direkten Effekt ihrer Lebenslage zu thematisieren, innerhalb der Forschung über die Ursachen Rechter Gewalt durchaus eine dominante analytische Relevanz zu besitzen. Solche homogenisierenden Formulierungen sind nach Ansicht von Winfried Ferchhoff dazu geeignet, Aufschluss zu geben über die dahinter stehenden pädagogischen Leitbilder, die festzulegen versuchen, welche Kriterien der Beobachtung gesellschaft liche Gültigkeit besitzen sollen und die deshalb aktuell daraufhin zu befragen seien, „[...] inwieweit auch heute noch historisch belastete Assoziationen und Konnotationen des einheitlichen Jugendkonzeptes mitschwingen.“ (Ferchhoff 2000, S. 37) Als ein solches homogenes Konzept nennt Ferchhoff dabei ausdrücklich die Semantik des „Jugendlichen“, wobei er betont, dass es sich dabei in der Regel um ein Fremdkonzept handelt. Aus historischer Perspektive schreibt Jürgen Roth dazu: „Kein einziges Jugendkonzept ist von jenen geprägt oder entwickelt worden, die es bezeichnete. Ganz krass zeichnet sich das bei den ‚Jugendlichen‘ ab. Von ihnen hat sich seit hundert Jahren kein einziger je selbst als ‚Jugendlicher‘ bezeichnet“ (Roth 1985, S. 141) Geprägt sind solche Konzepte in erster Linie von den normativen Voraussetzungen derer, die sie formulieren, sie sagen also in erster Linie etwas aus über die Position der Beobachtung, von welcher aus defi nitorische Feststellungen getroffen werden. Dabei ist die Praxis, Jugendliche als ein Opfer wahrzunehmen, welches Hilfe nötig hat, im Grunde genommen schon immer ein zentraler Bestandteil einer erziehungswissenschaft lichen Theoriebildung gewesen, deren Praxis sich im Rahmen der staatlich institutionalisierten Jugendpflege zu Beginn des 20. Jahrhunderts entfaltet hat. Darauf haben insbesondere die Arbeiten von Jürgen Roth zur „Erfi ndung des Jugendlichen“ (vgl. Roth 1985) aufmerksam gemacht. Den Untersuchungen von Roth zufolge bildete sich Ende des 19. Jahrhunderts in Abgrenzung zum vormaligen Sprachgebrauch des „Jünglings“ ein neues Konzept von Jugend heraus, welches in der Verwendung des Ausdrucks vom „Jugendlichen“ seinen Begriff fand. Als Ausgangspunkt für seine Forschungen untersuchte Roth Dokumente des juristischen Diskurses, die Gesetzesverfehlungen von „Personen jugendlichen Alters bis unter 18 Jahren“ zum Gegenstand hatten, so z.B. im Sprachgebrauch des Reichsrechts von 1871 (Nach: Roth 1985, S. 101). Auch in den Hauptbüchern der Ludwigsburger oder der Schwäbisch Haller Strafanstalten von 1839 wurden junge Menschen zunächst unter der Bezeichnung „jugendliche Verbrecher“ geführt, „[...] das Substantiv des ‚Jugendlichen‘ hat es offenbar in den 1840er Jahren noch nicht gegeben. Auch in den folgenden Jahrzehnten taucht der Ausdruck nicht auf. Weder in Gerichtsurteilen [...] noch in Gesetzestexten findet sich der ‚Jugendliche‘ vor 1890.“ (Roth 1985, S. 100) Im juristischen Jargon erscheint der Begriff dann
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erstmalig im Jahre 1888 in einem „Handbuch des Gefängniswesens“ (vgl. Holzendorff 1871). Dort finden sich die Ausdrücke „verbrecherische Jugend“, „criminelle Jugend“ und „der Jugendliche“ nebeneinander. Explizit defi niert findet sich der Begriff in einer Ausgabe der „Blätter für Gefängniskunde“ der Strafanstalt Sonnenberg (Brandenburg) von 1875: „Wir zählen zu den so genannten Jugendlichen unter unseren Gefangenen all diejenigen, welche bei ihrer Einlieferung das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.“ (Wiessner 1875, Nach: Roth 1985, S. 146, Herv. i.O.) Der Begriff enthält hier offensichtlich noch nicht die Art von Verallgemeinerung, die für seine Verwendung in der heutigen Zeit charakteristisch zu sein scheint. Er bezeichnete im Gegenteil eine konkrete Personengruppe: „Bei ihrem ersten Auft reten sind also ‚die Jugendlichen‘ die gesellschaft lich Unbrauchbaren, die Untauglichen, die straff ällig Gewordenen, die es in der Regel ‚nicht einmal‘ zum ordentlichen Arbeiter gebracht haben.“ (Roth, 1983, S. 108)27 Dieser Ursprung, so wäre zu vermuten, könnte als substantielle Kernvorstellung bis in aktuelle pädagogische Diskurse hinein wirksam sein. Die Entwicklung zum verallgemeinernden Sprachgebrauch beschreibt Detlef Peukert im Anschluss an die Forschungen von Roth wie folgt: „Es mag interessant sein, zu wissen, dass selbst das Wort ‚Jugendlicher‘ erst damals aufk am. Es ist nämlich ein Neologismus, der sich aus dem häufigen Gebrauch eines altersanzeigenden Adjektives und einer Gruppenbezeichnung herausbildet. Immer häufiger war von ‚jugendlicher Arbeiter‘ oder ‚jugendlicher Krimineller‘ die Rede, bis man das neue Sorgenkind der Pädagogen als ‚den Jugendlichen‘ schlechthin titulierte.“ (Peukert 1990, S. 189)28 27 | Der Bereich der Rechtspflege und die ihn begleitende Praxis der Fürsorge bezeichnen den Umstand, dass mit dem Aufkommen des Begriffes bereits eine abschätzige Bewertung Eingang in die allgemeine Sprachpraxis Einzug hält. So verzeichnet Roth bei einer Analyse eines Bücherverzeichnisses (der „Georg“) des Zeitraums 1883 bis 1912, dass das Stichwort des „Jugendlichen“ zum ersten Mal 1898 dort auftaucht, einzig versehen mit dem Verweis „s. Verbrecher“! Für die folgenden Jahrgänge erweitert sich dieser Verweis noch: „s. Strafrecht-Verbrecher“ für die Jahrgänge 1903 bis 1907 und „s. Jugendstrafrecht-Strafe-Verbrecher-Verwahrlosung“ schließlich für die Jahrgänge 1908 bis 1912. Roth folgert: „Der genaue Entstehungsort des neuen Wortes muss also da zu suchen sein, wo sich Maßnahmen des Jugendstrafvollzuges und Maßnahmen der Jugendfürsorge treffen.“ (Roth 1983, S. 107) Wer Anfang des 19. Jahrhunderts also vom Jugendlichen sprach, meinte damit eine kriminelle oder verwahrloste Person in der Phase zwischen Kind und Erwachsenem. Die Begriffe „Kriminelle“ und „verwahrlost“ bezeichnen dabei stets die institutionell vorgenommene Abweichung von einer bestehenden Ordnung. Mit diesen Konnotationen wurde das neue fachsprachliche Kürzel zunehmend in Bezug auf eine jugendliche Industriearbeiterschaft verwendet, deren Betätigungen mit dem Argument der kriminellen sozialistischen oder sozialdemokratischen Tätigkeit als ordnungsgefährdend gelten musste. 28 | Auf die Problematik einer selektiven geschlechtspezifischen Wahrnehmung des Jugendlichen hat besonders Luise Pusch aufmerksam gemacht. Während man von einer Jugend meistens in der femininen Form redet, scheint sich der Jugendliche häufig in der
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Der Begriff des Jugendlichen ist historisch gesehen also einem Prozess der Verallgemeinerung unterworfen gewesen: „Hatte es bis in das 20. Jahrhundert hinein keinen Universalbegriff gegeben, der alle Angehörigen einer jüngeren Altersklasse umfasst, setzte sich in den Jahren vor Ausbruch des ersten Weltkrieges im Rahmen der Diskussion um die nationale Integration der Arbeiterschaft der Ausdruck ‚der Jugendliche‘ im Sinne eines jungen Staatsbürgers durch.“ (Grotum 1994, S. 21/22, Herv. i.O.) Dabei kann angenommen werden, dass der ursprüngliche Entstehungsort des Begriffes, der eng mit der Notwendigkeit pädagogischer Einflussnahme verknüpft gewesen ist, diese „Bestimmung“ im Sinne einer Tradierung von Bedeutung weiter in sich trägt: „Der erste wissenschaft liche Begriff des ‚Jugendlichen‘, der den früheren ‚Jünglings‘- Begriff des 18. Jahrhunderts ablöste, entstand [...] angesichts der Probleme von Delinquenz und Verwahrlosung, die Ende des 19. Jahrhunderts insbesondere unter Arbeiterjugendlichen anzutreffen waren. [...] Der ‚Jugendliche‘, das war in der Wissenschaft zunächst ein Begriff für einen verwahrlosten und korrektionsbedürft igen jungen Menschen.“ (Geuter 1994, S. 22) maskulinen Form zu finden, obwohl er theoretisch versehen ist mit einem so genannten geschlechtsneutralen Archilexem, welches im Plural Maskulinum und Femininum morphologisch neutralisiert: „Die Geschlechtsspezifi kation geschieht hier allein mittels des Genus; sie ist nicht lexeminhärent. Die Lexeme dieser Gruppe besitzen das so genannte Differentialgenus: die oder der Jugendliche können wir sagen, je nach Geschlecht der jugendlichen Person. Zum Vergleich: Bei Mensch/Person können wir zum selben Zweck nicht zwischen die und der Mensch/Person wechseln.“ (Pusch 1996, S. 52) Als Repräsentationspronomen wird also das Maskulinum gewählt, obwohl theoretisch Archilexeme beiderlei Geschlechtes („Der“ und „Die“) zur Verfügung stünden (vgl. hierzu die Kritik von Pusch an Klaverkämper 1996, S. 22). Bei wirklich geschlechtsabstrahierenden Bezeichnungen wie Säugling oder Kind ist dies nicht der Fall. Beim Jugendlichen gilt also: „Theoretisch hätte auch das Femininum für die Neutralisierungsaufgabe ausersehen werden können, mit demselben Resultat einer asymmetrischen Konfiguration.“ (Pusch 1966, S. 53) Die in diesem Zitat angesprochenen „Asymmetrie“ besteht darin, dass die Bezeichnung für das männliche Individuum einer gemeinten Gattung und eines Individuums gleich welchen Geschlechtes identisch ausfallen. Der Jugendliche kann zum einen ein klassifizierender Oberbegriff sein und zum anderen nur den männlichen Teil der gemeinten Menschengruppe bezeichnen. In der Tat fi nden sich zum Thema der Entwicklung junger Menschen nicht selten Sätze wie: „Der Jugendliche hat die Aufgabe, [...] sich [...] seine eigene Identität aufzubauen.“ (Büttner/ Koschate 2003, S. 9) Die Praxis, vor den Begriff des Jugendlichen beide Personalpronomen, den so genannten Differentialgenus, zu setzen (Der/die Jugendliche) ist allerdings so gut wie nicht existent. Vereinzelt findet man noch die attributive Geschlechtsspezifi kation in Ausdrücken wie „männlicher/weiblicher Jugendlicher“, sie bleibt aber deutliche Ausnahme. Die geschlechtsneutralisierende Wirkung des Archilexems wird deshalb von der feministischen Linguistik als „Pseudo-Geschlechtsneutralisation“ (Pusch 1996, S. 53) bezeichnet: „Wirklich geschlechtsneutral ist ein Ausdruck logischerweise erst dann, wenn er auf rein weibliche [...] und rein männliche und gemischtgeschlechtliche Gruppen [...] referieren kann.“ (Pusch 1996, S. 45)
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Dass Jugendliche eine besonders gefährdete Gruppe sind und daher einer speziellen pädagogischen Zuwendung bedürfen, lässt sich also in Form der Übertragung von Problemen einer zunächst eingrenzbaren Menge auf eine imaginäre Gesamtheit junger Menschen verstehen. Man könnte deshalb sagen: Das aktuelle Sorgenkind der Rechtsextremismusforschung hat unter Umständen schon einige Jahre „auf dem Buckel“. Trotzdem (oder gerade deshalb?) scheint es nichts von seiner Bedeutung für den pädagogischen Diskurs eingebüßt zu haben: Der Jugendliche gilt immer noch als Synonym für eine Form von Krise, die als Risiko für den erfolgreichen Übergang ins Erwachsenenleben angesehen wird:29 „Die Vorstellung, dass es sich bei der Jugend um eine psychisch besonders schwierige Lebensphase handele, war in der Zwischenkriegszeit auf das Bürgertum beschränkt. Inzwischen hat sie sich jedoch tief ins allgemeine Bewusstsein eingegraben. Den Alltagsüberzeugungen heutiger Menschen zum Trotz zeigen neuere soziologische Untersuchungen allerdings, dass es wenig Grund gibt, von einer prinzipiellen Krisenhaftigkeit der Jugendphase auszugehen. Die weitaus meisten Jugendlichen meistern ihre Jugend, ohne in tiefe Depressionen zu fallen, drogensüchtig oder kriminell zu werden.“ (Benninghaus 2001, S. 251)
Daher ist zu bezweifeln, ob Rechte Gewalt unter Verweis auf allgemeine Bedingungen des Aufwachsens ausreichend erklärt werden kann. Der Bezug auf eine krisenhafte Grundverfasstheit von Jugendlichen ist aber innerhalb der Rechtsextremismusforschung ein zentrales Argument, um deren Hinwendung zu politisch rechtsmotivierter Gewalt zu erklären, indem davon ausgegangen wird, „[...] dass die Zunahme von Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland in engem Zusammenhang mit krisenhaften, aktuellen jugendpädagogischen und jugendpolitischen Entwicklungen zu sehen ist.“ (Tonka 2004, S. 4)30 In dieser Vorstellung fehlen den Jugendlichen die notwendigen Voraussetzungen und geeigneten Ressourcen für eine befriedigende Entwicklung, weil sie negativen gesellschaft lichen Umweltbedingungen hilflos gegenüber stehen:31 Aus diesem Grundverständnis ergibt sich ein Blick auf jugendliche Täter, wo deren 29 | Vgl. dazu die Einschätzung: „Jugend wird gewöhnlich als eine hoch dynamische und in besonderer Weise schwierige, durch eine Häufung von inneren Krisen und problematischen Verhaltensweisen gekennzeichnete Phase der individuellen Entwicklung verstanden.“ (Schäfers/Scherr 2005, S. 25) 30 | So heißt es im Abschlussbericht einer Untersuchungskommission des DGB zu diesem Thema: „Inzwischen hat sich ein Diskurs entwickelt, der Rechtsextremismus als ein genuines Jugendproblem behandelt.“ (DGB 2000, S. 10) 31 | Dazu gehört auch die Einschätzung von Rolf Nemitz zum Gegensatzpaar Jugendlicher/Erwachsener: „‚Jugendlicher‘ zu sein, ist also mit gravierenden Inkompetenzen im Bereich von Ökonomie, Staat, Familie, und ‚Kulturgesellschaft‘ verbunden.“ (Nemitz 1983, S. 248/249) Dieser defizitäre Status ist seiner Einschätzung nach maßgeblich für die Wirksamkeit der NS-Semantik vom „jungen Reich“ verantwortlich gewesen.
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Gewalt ausschließlich als Spiegelung gewaltförmiger Lebensverhältnisse begriffen wird: „Gewalt ist nicht das individuelle Problem von Jugendlichen, die Jugendlichen sind lediglich Symptomträger. Strukturelle Gewalt ist die Ursache von gewalttätigen Übergriffen bei Jugendlichen.“ (Seibert 2005, S. 107) Der Einsatz von Rechter Gewalt ist diesem Verständnis nach eine jugendspezifische Art und Weise, aus einer gesellschaft lich defizitären Position heraus auf sich aufmerksam zu machen.32 Auch für Oskar Negt stellt der Rechtsextremismus der Jugendlichen eine solche Krisenreaktion dar, denn „[...] wenn die Jüngeren brüllen: ‚Deutschland den Deutschen!‘, dann ist darin auch der Schrei mit zu hören: ‚Verbessert unsere Lebenssituation!‘“ (Negt 2000, S. 105) Freilich ist dieser stumme Schrei nur dann zu vernehmen, wenn man den Jugendlichen grundsätzlich als Opfer konzipiert, dem geholfen werden muss. Eine solche pädagogische Haltung interpretiert im Grunde jede Form abweichenden Verhaltens als Appell an die Institutionen des Gemeinwesens: „Wenn sich Jugendliche öffentlich auff ällig und gewalttätig verhalten, so kann dies häufig als ein Hilferuf an die Gesellschaft verstanden werden, um Sinn- und Zukunftsperspektiven eröff net zu bekommen und ernst genommen zu werden.“ (Teuber 1993, S. 158) Hilfe scheint demnach der Täter zu benötigen, nicht aber das Opfer. Dass der Täter mit seiner Art des „Nach-Hilfe-Rufens“ das Lebensrecht anderer Menschen aktiv negiert, scheint ein fast lästiger und zufälliger Nebeneffekt zu sein, der offenbar nicht weiter thematisiert zu werden braucht. Ist es aber tatsächlich nur ein unglücklicher Zufall, dass diejenigen Menschen, die aktuell zum Opferschema Rechter Gewalt gehören (wie z.B. Ausländer, Juden, Behinderte), keinesfalls zum ersten Mal in der deutschen Geschichte verfolgt werden? Müsste man nicht wenigstens die Möglichkeit eines ideologischen Hintergrundes dieser Opferauswahl ernsthaft prüfen? Die pädagogische Absichtserklärung, die Protagonisten dieser Gewalt „ernst nehmen“ zu wollen, ist jedoch ausschließlich mit der Perspektive verbunden, deren Gewalt als individuelle Aufmerksamkeitsstrategie zu deuten. Damit werden das Ziel und die Richtung dieser Gewalt aber im Grunde eben nicht ernst – und wahrgenommen, weil ein „ernsterer“, d.h. ideologischer Kontext gar nicht erst untersucht wird. Zentral für den Opferdiskurs ist es demnach offenbar, dass es nicht politische, sondern emotionale und soziale Gründe sind, aus denen heraus sich Jugendliche rechtsextrem orientieren: „Es sind gerade Jugendliche, die aufgrund fehlender Bindungen und daraus resultierender Orientierungslosigkeit für Identifi zierungsangebote empfänglich sind [...] Sie finden im rechten Milieu die Anerkennung und Aufmerksamkeit, die sie ansonsten oft mals entbehren.“ (Klein 1996, S. 109) Anerkennung und Aufmerksamkeit erfahren Jugendliche aber auch in Sportvereinen oder bei den Pfadfindern. Sind rechtsorientierte Jugendliche also in besonderer Weise bedürft ig, so dass sie für die normalen Freizeitangebote nicht erreicht werden Vgl. dazu besonders auch die Forschungen von Ingrid Strombolis zum „Mythos Jugend“ (Strombolis 2001) 32 | So fi ndet sich z.B. bei Gunther A. Pilz eine breite Palette von Gründen, weshalb Jugendliche insgesamt schlechte Bedingungen des Aufwachsens vorfinden würden: „Die Eintönigkeit des Alltags vieler Kinder und Jugendlicher, deren erlebnisarme Wohngebiete, führen zu vermehrten Raten ‚abweichenden Verhaltens‘.“ (Pilz 1994, S. 55)
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können? Das obige Zitat legt diese Sichtweise nahe. Doch gerade für den Bereich der rechtsmotivierten Straftaten, bei denen Jugendliche angeblich dominieren, stellen Jörg Bergmann und Claus Leggewie als Ergebnis einer Untersuchung von 1.400 Gerichtsfällen und Ermittlungsakten fest: „Weder pathologische Einzelfälle noch eine nach rechts verrutsche Arbeitslosenrevolte lassen sich belegen. Vielmehr muss man die auff ällige Normalität der Lebensläufe und die Zugehörigkeit der Täter zum gesellschaftsweiten Mittelstand konstatieren.“ (Nach: Farin 2008, S. 95) Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass rechtsideologische Akteure keineswegs die defizitären Opferexistenzen sind, die in einer bestimmten pädagogischen Sichtweise aus ihnen gemacht werden. Sie suchen sich rechtsextreme Gruppen unter Umständen nicht allein aufgrund mangelnder Alternativen aus, sondern auch, weil sie diese Gruppen aus inhaltlichen Gründen spannend fi nden. Es könnte sich speziell bei diesen Jugendlichen deshalb vielleicht gar nicht um eine besonders benachteiligte Gruppe, sondern um einen Teil des gesellschaftlichen Durchschnitts handeln. Die Anwendung von Gewalt könnte daher auch unter Umständen nicht als Ausdruck von Ohnmacht, sondern als spezifische Form einer Kompetenz gelten, die sich fataler Weise innerhalb eines moralischen Wertsystems entwickelt, welches abweichend vom demokratischen Ethos existiert. Rechtsmotivierte Täter wären danach keine sozialen Außenseiter, sondern sie sehen sich als Vollstrecker eines Volkswillens, eine Rolle, die ihnen unter Umständen auch durchaus vom sozialen und familiären Umfeld nahe gelegt wird. Nach Erkenntnissen von Gertrud Hardtmann „[...] finden rechtsradikale Jugendliche nicht selten moralische Unterstützung in ihrer Familie, ihrem Freundeskreis, ihren Gemeinden und damit in Teilen der Gesellschaft. Sie sind keineswegs überall die Außenseiter, zu denen man sie aus politischen Gründen gern stempeln möchte.“ (Hardtmann 2007, S. 30) Gleich lautend heißt es in einer Studie über das übereinstimmende Selbstverständnis „problematischer“ Jugendgruppen: „Selbst wenn die Gruppen abweichende oder gewaltaffi ne Wege beschreiten, sind die Jugendlichen aus fast allen untersuchten Gruppen ihrem Selbstverständnis nach keine Außenseiter. Die Jugendlichen stehen mit ihren Werten und Lebenszielen also nicht außerhalb der Gesellschaft, sondern orientieren sich an ‚Normalitätsvorstellungen‘, an den allgemeinen kulturellen Zielen.“ (Wetzstein/Eckert 2000, S. 8)
Jugendliche Gewalttäter wären danach also keineswegs als archaische Sonderlinge oder pathologische Persönlichkeiten zu betrachten, die über keinerlei sozialethische Orientierung verfügen.33 Ihre Ethik könnte sich nur eben auf ein anderes, z.B. im 33 | Die Anwendung von Gewalt ist zudem auch in einer demokratischen Gesellschaft keineswegs generell illegitim, sondern sozial geächtet ist nur der Bereich derjenigen Gewaltphänomene, die außerhalb des staatlichen Gewaltmonopols existieren. Dass es aber innerhalb einer Gesellschaft, die unter bestimmten Bedingungen und durchaus auch unter Einsatz militärischer Mittel Gewalt nach innen und nach außen anwendet, einzelnen Mitgliedern dieser Gesellschaft logisch und normal erscheinen könnte, diese Form der Auseinandersetzung auch im zwischenmenschlichen Bereich einzusetzen, ist
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Falle der rechtsgerichteten Täter auf ein nationalrevolutionäres Wertsystem beziehen, welches im Gegensatz zu demjenigen der allgemeinen Menschenrechte von einer völlig anderen inhaltlichen Prämisse ausgeht, die in ihrem Geltungsbereich nicht auf die abstrakte Idee des „Menschen“ als Träger von universalen Rechten bezogen ist, sondern allein auf das „Deutsche Volk“, welches man durch die Anwendung von Gewalt von seinen imaginierten „Feinden“ zu retten versucht. Somit wäre die ethische Orientierung entsprechend motivierter Täter nicht insgesamt und generell unterentwickelt, sondern allenfalls als ideologisch eingeschränkt zu bezeichnen. Eine solche Orientierung wäre damit wie bei religiösen Fanatikern inhaltlich als radikale Antithese zur aktuellen sozialen Grundverfassung der Gesellschaft zu diskutieren und nicht als Ergebnis einer individuellen Deformation abzuwerten. Die Anwendung von Gewalt wäre in diesem Zusammenhang die subjektiv logische Konsequenz einer Ideologie, der es um die Veränderung der gesellschaft lichen Realitäten geht. Trotzdem: Vielen Jugendforschern gilt das Vorhandensein von Gewalt innerhalb der Kategorie Jugend per se als Stichwortgeber für diverse Formen des abweichenden Verhaltens, d.h. als tendenziell pathologische Handlungsoption einer benachteiligten, problembeladenen, gefährdeten und machtlosen Gruppe, die der Erwachsenengesellschaft vor allem deshalb in der Form gewalttätigen Agierens Probleme bereitet, weil sie selber welche hat: „Jugendliche sind von den mit den Modernisierungs- und Individualisierungstendenzen zusammenhängenden Orientierungsschwierigkeiten verschärft betroffen, sind sie es doch gerade, die sich in jener Lebensphase befinden, in der Identität aufgebaut werden soll.“ (Möller 1993, S. 53) Die Anwendung von Gewalt wird hierbei nicht als Effekt einer Ideologie verstanden, sondern die Existenz dieser Ideologie ist selber eine Reaktion auf ein persönliches Defizit angesichts gesamtgesellschaft licher Problemlagen: „Die Entwicklung rechtsextremer Einstellungsmuster kann auf diesem Hintergrund als ein Prozess interpretiert werden, mit Ängsten und Orientierungskrisen fertig zu werden.“ (Hanesch 1994, S. 39) Im Anschluss an solche Diagnosen wird oft ein Zusammenhang vermutet zwischen der Position jugendspezifischer Machtlosigkeit, aus welcher heraus dann Fremde ursächlich allein deshalb angegriffen werden, um sich aus dieser Ohnmachtsposition wenigstens ein Stück weit befreien zu können. Einen eventuellen Zusammenhang dieser Taten mit einem gesellschaft spolitischen Konsens oder aktueller neurechter Diskurse und Strategien wie etwa die NPD-Diskussion über Sinn und Zweck eines „Kampfes um die Strasse“ (vgl. dazu: Heinrich 2008, S. 29 ff ), kann aus dieser Perspektive allerdings nicht wahrgenommen werden. So schreibt der Sozialforscher Detlef Oesterreich: „Übergriffe gegen Ausländer und die Wiederbelebung nationalsozialistischer Ideen müssen auch als ein Versuch von Jugendlichen, sich gegen zunehmende Hoffnungslosigkeit zu wehren, verstanden werden.“ (Nach: Fischer 2006, S. 80) Rechte Gewalt wird somit zur Notwehrreaktion enttäuschter Subjekte deklariert. Der Jugendliche wird im Zuge dessen zur Interpretationsfolie, auf der sich vor allem diejenigen Vorstellungen bündeln lassen, die sich auf dessen Status als Opfer beziehen. Dieser Status beinhaltet offenbar die Komvor diesem Hintergrund unter Umständen nicht so unnormal, wie es zunächst den Anschein hat.
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ponenten Hoff nungs-, Perspektiv- und Orientierungslosigkeit. Jugendliche scheinen aufgrund dieser ihnen unterstellten Defizitposition also besonders anfällig für rechtsextremes Denken und Handeln zu sein. Dagegen kommt eine Jugenduntersuchung von Walter Friedrich (vgl. Friedrich 2002) zu dem Ergebnis, dass es vor allem die politische Orientierung ist, die über den Grad der Gewaltakzeptanz entscheidet: „Die Akzeptanz von gewalttätigen Handlungen ist bei rechtsorientierten Jugendlichen, vor allem bei solchen, die eine Rechtsaußen-Position vertreten, eindeutig am größten.“ (Friedrich 2002, S. 80) Das bedeutet, dass nicht die Jugendlichkeit der maßgebliche Faktor für die Billigung von Gewalt darstellt, sondern eine bestimmte rechtspolitische Ideologie diese wesentlich bedingt. Doch dieser Faktor wird durch den Opferdiskurs oft mals überhaupt nicht in Rechnung gestellt. Besonders deutlich wird dieser Umstand an den Empfehlungen zur Prävention von Wolfgang Redwanz. Unter der Kapitelüberschrift „Pädagogische Antworten auf Rechtsextremismus“ stellt er in einer Tabelle der Landeszentrale für politische Bildung des Landes Rheinland-Pfalz die „Realität der gefährdeten Jugendlichen“ den „Versprechungen der Rechtsextremen“ entgegen, wonach dann in einer dritten Spalte die „Pädagogischen Antworten“ gegeben werden. Unter der Rubrik der „Realität“ der Jugendlichen sind nun die folgenden Begriffe zu finden: „Ohnmacht“, „Vereinzelung“, „einstecken müssen“, „Versager“ „überflüssig“, „Aussichtslose Lage“, „Alles vorgegeben, kein Raum für neue Erfahrungen – tödliche Langeweile“, „Orientierungslosigkeit“, „Alltag – Immer der gleiche Trott“ (Redwanz 1998, S. 149) Suggeriert wird damit, dass bei rechtsgerichteten Jugendlichen generell ein Bündel von entwicklungsspezifischen Problemlagen existiert, durch welche die Hinwendung zum Rechtsextremismus wesentlich bedingt sein könnte. 34 Dass auch andere Jugendliche diesen Verhältnissen ausgesetzt sind, ohne rechtsextrem zu werden, wird dabei nicht wahrgenommen. Dagegen könnte erkenntnislogisch argumentiert werden: „Wenn zwei Dinge gleichzeitig auftreten, wie Arbeitslosigkeit und rassistische Gewalt, dann heißt das noch lange nicht, dass sie kausal miteinander verknüpft sind.“ (Schröder 1992, S. 86) Selbiges könnte auch für den Einsatz der Variable Jugend gelten, denn rechtsextreme Einstellungen sind nicht nur im Jugendalter besonders präsent. So kommt eine Untersuchung zur Verteilung von Fremdenfeindlichkeit im Bevölkerungsdurchschnitt zu dem eindeutigen Ergebnis: „Grundsätzlich variiert über die verschiedenen Altersgruppen der Grad von Fremdenfeindlichkeit nur mäßig, d.h. Fremdenfeindlichkeit lässt sich nicht als spezielles Phänomen einer bestimmten Altersgruppe verstehen.“ (Silbereisen/Hüsers 1995, S. 47, Herv. i.O.) Trotzdem ist die „Besonderheit“ der Zielgruppe in ihrem Verhältnis zum Rechtsextremismus als vermeintliche Lösung ihrer persönlichen Opfererfahrungen eine verbreitete Vorstellung und bildet nicht selten den Ausgangspunkt für alle möglichen Konzepte pädagogischer Prävention, die sich speziell an Jugendliche richten35. 34 | Für wen diese angeblich „tödliche Langeweile“ im realen Leben tatsächlich tödlich ist, nämlich für die Opfer der Gelangweilten, wird dabei gar nicht thematisiert. 35 | Vgl. dazu aus einem Modellprojekt zur Prävention von Fremdenfeindlichkeit und Gewalt: „Allgemeine Zielsetzung des Projektes ist es, Kinder und Jugendliche zu be-
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Es lohnt deshalb, danach zu fragen, worauf sich solche Vorstellungen gründen. Möglich wäre, dass sich für diese Form der Interpretationen eine Art von Basiserzählung finden ließe, auf die sich innerhalb der Forschung immer wieder bezogen wird. Als Beispiel dafür könnte unter Umständen das einflussreiche Konzept des so genannten „soziologischen Rechtsextremismus“ von Wilhelm Heitmeyer gelten, welches seit seinem Bestehen ein prägender Bestandteil innerhalb der Debatte um die Ursachen Rechter Gewalt darstellt. So kann in Bezug darauf gesagt werden: „Die Thesen Wilhelm Heitmeyers [...] prägen weiterhin die Diskussion über pädagogische Gegenstrategien.“ (Verein für Kommunikation 2005, S. 42) Obwohl Heitmeyer inzwischen von einer Fokussierung auf Jugendliche Abstand genommen hat, kann sein Konzept als wissenschaft liche Grundlagenarbeit gelten, anhand derer sich der pädagogische Reflex, Jugendliche als Opfer der gesellschaft lichen Verhältnisse zu begreifen, exemplarisch diskutieren lässt.36 Heitmeyer legte den Grundstein für seine Forschungen bereits in den 80er Jahren, als das Problembewusstsein über rechtspolitischen Extremismus eher marginal war.37 Damals wurde die größte Herausforderung der Gesellschaft im Bereich des linken Extremismus angesiedelt. Mittlerweile werden die Bielefelder Forschungsergebnisse sowohl auf gesellschaft licher, wie auch auf wissenschaft licher Ebene breit rezipiert und kontrovers diskutiert. In Abgrenzung zur damaligen Forschungslandschaft beansprucht Heitmeyer, ein Konzept entwickelt zu haben, welches „[...] explizit sozialisationstheoretisch und jugendtheoretisch in dem Sinne ausgelegt ist, dass die Problemlagen mit der eigenständigen Lebensphase ‚Jugend‘ verbunden werden.“ (Heitmeyer 1989, S. 33).38 Die bisherigen Erklärungsansätze sind für fähigen, auf Gewalt als Mittel zur Lösung von Konfl ikten zu verzichten und Konflikte konstruktiv zu bewältigen.“ (Faller 2000, S. 91) Die Anwendung von politisch motivierter Gewalt wird hier auf das Unvermögen des Subjekts zurückgeführt, Konfl ikte anders zu regeln als mit aggressivem Verhalten. Dieses Verhalten könnte aber unter Umständen überhaupt kein Defizit darstellen, sondern eine individuelle Ressource, die im Rahmen einer politischen Überzeugung eingesetzt wird. Die Anwesenheit von Fremden ist danach nicht automatisch ein Konflikt, sondern abhängig von der jeweiligen Wahrnehmung des Einzelnen im Kontext seiner individuellen Welterschließungsstrategie. 36 | Neben Claus Leggewie und Hajo Funke ist er einer der prominentesten Vertreter der so genannten „Defizit-Theorie“, welche Rechtsextremismus bei Jugendlichen im Wesentlichen aus den negativen Folgen gesellschaft licher Modernisierungsprozesse ableitet. „Der von Heitmeyer entwickelte Ansatz ist nicht unumstritten, hat sich aber durchgesetzt[...]“ beschreibt Jürgen Baensch den Stand der Diskussion innerhalb der Sozialwissenschaften (vgl. Baensch 1993, S. 16). 37 | Eine kritische und ausführliche Würdigung des Ansatzes von Heitmeyer fi ndet sich bei Fischer 2006, S. 25 – 43 38 | Für eine Nachzeichnung der von Heitmeyer entwickelten Grundkategorien seines „soziologischen Rechtsextremismus“ wird sich an dieser Stelle vor allem auf zwei seiner Werke bezogen: Zum einen auf die jugendtheoretische Grundlegung, welche er im Vorwege seiner quantitativen Studie „Rechtsextremistische Orientierung bei Jugendlichen“ entwickelt, die 1987 erstmals veröffentlicht wurde. Diese besteht aus einer
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Heitmeyer im Großen und Ganzen nicht erklärungsadäquat oder haben sich als unbrauchbar erwiesen. Das sozialisationstheoretische Konzept von Heitmeyer verfolgt dagegen den Anspruch, die „[...] ambivalenten Individualisierungsprozesse als Erscheinungsform widersprüchlicher Modernisierung ursächlich mit den Erscheinungsweisen von Ideologien der Ungleichheit und Gewaltakzeptanz in Beziehung zu setzen.“ (Heitmeyer 1992: S. 595) Heitmeyer bemüht sich, die Genese rechtsideologischer Einstellungsmuster im Sozialisationsprozess sichtbar zu machen und nennt sein Erklärungsmodell deshalb den „soziologischen Rechtsextremismus“ (vgl. Heitmeyer 1989, S. 9), wobei er sich dabei explizit auf eine jugendtheoretische Grundlegung, „[...] einen jugendspezifischen Zuschnitt“ (Heitmeyer 1989, S. 61) der Analyse festlegt. Dieser Zuschnitt bezieht sich vor allem auf zwei Elemente: Erstens geht es dabei um die Herausarbeitung von „Voraussetzungen für Widerspruchskonstellationen in der Jugendphase“ (Heitmeyer 1989, S. 22) und zum anderen um die daraus folgenden Konsequenzen für die „Identitätsentwicklung von Jugendlichen“ (Heitmeyer 1989, S. 22) In Abgrenzung zur Definition von Erikson und Baethge von der Jugendphase als psycho-soziales Moratorium formuliert Heitmeyer (vgl. Heimeyer 1989, S. 14) eine Neudefinition dieser Phase. Er postuliert, unter Bezug auf Baake (vgl. Heitmeyer 1989, S. 15), einen Strukturwandel, der von divergenten Merkmalen gekennzeichnet sei: Zum Einen werde durch das Hinauszögern ökonomischer Selbständigkeit die Jugendphase ausgedehnt – zum Anderen werde sie rechtlich verkürzt, ihr zukunftsbezogener Sinn entleert und im politischen Raum nicht programmatisch erfasst. Jugendliche würden auf ein Erwerbsleben vorbereitet, während die ökonomische Entwicklung die Zahl der Arbeitsplätze kontinuierlich verringere. Die daraus entstehenden Widersprüche würden bei den betroffenen Individuen zu Apathie, Identitätszerstörung und Handlungsohnmacht führen, die von keinem funktionierenden Sozialgefüge mehr abgefedert werden könnten. Diese Entwicklung beinhalte einen radikalen Wandel in der Gesellschaftsstruktur, die klassischen soziologischen Kategorien wie „Klasse“ oder „Schicht“ könnten diesen Wandel nicht mehr fassen (vgl. Heitmeyer 1989, S. 16 f). Neue übergreifende Gemeinschaftskonstruktionen würden deshalb gesucht, vom Nationalgefühl bis zu medien-synthetischen Jugendkulturen, um die derart individuell Vereinzelten zusammenzuhalten. Von besonderem Interesse ist deshalb die Fragestellung, ob etwa „[...] die politische Qualität dieser Bearbeitungsprozesse solcher lebenslagenspezifischer Problembelastungen [...] Elemente enthält, die die Jugendlichen anfällig machen für rechtsextremistisch akzentuierte, vorgebliche oder tatsächliche Problemlösungen.“ (Heitmeyer 1989, S. 59 f) Das Argument der „Anfälligkeit“ verweist auf das Bild eines schwachen Organismus, 5jährigen Längsschnitterhebung mit einem Personenkreis, welcher als „arbeitslose Jugendliche“ (Heitmeyer 1989, S. 109) bezeichnet wird. Er umfasst 1.527 deutsche männliche Subjekte (ebd. S. 116) Zum anderen dienen Aussagen und Überlegungen der vielbeachteten Bielefelder Rechtsextremismusstudie (Heitmeyer u.a. 1992) als Grundlage, eine qualitative Untersuchung, welche sich als Nachfolgeuntersuchung der ersten Studie versteht. Heitmeyer u.a. befragten darin u.a. 31 männliche Jugendliche im Alter von 17 bis 21 Jahren im Zeitraum von 1985 bis 1990 in ausführlichen Interviews.
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ein Beispiel, welches nahe legt, dass Jugendliche eine spezifische Schwäche zu eigen ist, die sich aus den geschilderten Belastungen ergeben könnte, aber auch aus den Vorstellungen über die Eigenschaften der Jugendphase selber stammen: „Jugendliche stehen in dieser Lebensphase vor einer Vielfalt neuer Anforderungen in unterschiedlichen Handlungsbereichen, die in der Regel auch unter entspannteren gesellschaft lichen Bedingungen schwierig zu bewältigen sind.“ (Heitmeyer 1989, S. 91) Heitmeyer geht hier also von einer grundsätzlichen Schwierigkeit aus, die mit dem Prozess des Erwachsen-Werdens in Verbindung steht. Der Jugendliche sei in diesem Prozess insgesamt verunsichert: Im Falle von Handlungsunsicherheit entstehe das Bedürfnis nach Sicherung der Normalbiographie und die aus jener sich entwickelnden Gewissheitssuche münde dann in der Instrumentalisierung Anderer mit Hilfe sozialer Vorurteile, die wiederum von rechtsextremistischen Konzepten bereitgestellt würden. Die besonderen Schwierigkeiten des Jugendalters begünstigen also die Orientierung an rechtsideologischen Prämissen, denn bei allen neuen Unsicherheiten und Ambivalenzen, welche die Jugendlichen auszuhalten hätten, besäßen angeblich „[...] naturvermittelte39 Ungleichheiten wie Rasse, Hautfarbe, Geschlecht und Alter wegen [...] ihrer Unentrinnbarkeit, ihrer zeitlichen Konstanz, ihrer Widersprüchlichkeit zum Leistungsprinzip, ihrer Konkretheit und direkten Wahrnehmbarkeit und der damit verbundenen Identifi kationsmöglichkeiten besondere Aktivierungs- und Politisierungschancen.“ (Beck 1983, Nach: Heitmeyer u.a. 1993c, S. 26)
Diese Position integriert eine klassische Behauptung aus der Jugendsoziologie, wonach Jugendliche insgesamt und generell aufgrund einer Situation der Verunsicherung über die Neigung zu extremen Ideologien verfügen würden. Nach der Entwicklungstheorie von Erikson etwa ist die Hinwendung zu radikalen Ideologien ein spezifisches Merkmal der Jugendphase (vgl. Erikson 1977, S. 187ff ). Auch die Psychologin Eva Zeltner meint: „Der junge Mensch, auf der Suche nach seiner Identität, von Selbstzweifeln hin- und hergerissen, ist entwicklungsbedingt geprägt durch eine Anfälligkeit für Macht- und Größenfantasien, die ihn empfänglich machen für das Pathos radikaler Ideologien. Pubertierende sind Opfer verschiedenster Ängste und aufgrund ihrer Identitätsdiff usion manipulierbar durch totalitäres Gedankengut.“ (Zeltner 1996, S. 78)40 39 | Es fehlt bei Beck wie auch bei Heitmeyer leider der genaue Nachweis, in wieweit diese vermeintlich „unentrinnbaren“ Ungleichheiten nicht in erster Linie gesellschaftlich codierten Wahrnehmungsgewohnheiten geschuldet waren und sind. Es würde sich in diesem Fall dann nicht um eine Kategorie der natürlichen sondern der gesellschaftlichen Vermittlung handeln, also keinesfalls um angeblich zweifelsfrei zuordnungsfähige physiologische Merkmale. 40 | Gleich lautend heißt es in einer Handreichung zum „Politischen Extremismus bei Jugendlichen“: „Konfl ikt und Radikalität gelten mithin als hergebrachte Kennzeichen der Jugendphase.“ (Bayerisches Ministerium für Bildung und Kultus 2002, S. 14)
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Heitmeyer teilt die Prämissen dieser Auffassung, indem er ein Bild zeichnet vom Jugendlichen als einer Person unter extremem Anforderungsdruck: Jugendliche hätten die schwere Aufgabe, aus all dem, was ihnen an Normalitätsentwürfen – vor allem medienvermittelt – entgegentreten würde, auszuwählen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Entwicklung einer eigenen Identität. Besonders Jugendliche stünden vor der komplizierten Aufgabe „[...] oft unter z.T. schwierigen persönlichen und sozialen Bedingungen eine eigenständige Identität entwickeln (zu) müssen.“ (Heitmeyer 1989, S. 12) Die Bildung der Identität als zentrale Aufgabe der Jugend ist seit Beginn der Jugendforschung ein feststehender Begriff (vgl. Hurrelmann 1994, Meinert 2008). Dass der Jugendliche eine solche nicht besitzt, sondern in der Pubertät eine krisenhafte Diff usion der Identität erlebt, gehört zu den Axiomen der Theoriebildung und wird dort vor allem als Gefährdung thematisiert.41 Schon im Standardwerk von Rempelein heißt es zum Beginn dieser Krise in der „Vorpupertät“, dort werde: „[...] der Jugendliche entsprechend der noch nicht ausgebildeten Innenwelteinstellung des Willens von den Trieben häufig geradezu überrannt [...]“ (Rempelein 1958, S. 424)42 Diese tendenziell überfordernde Entwicklung erfordere eine neue Form von Organisation der gesamten inneren psychischen Struktur der Selbstvergewisserung. So formulierte z.B. Kurt Lewin, dass der Jugendliche grundsätzlich jemand sei, der „[...] auf der Grenze zwischen zwei Gruppen A und B steht. Sie [die Persönlichkeit, Anm. S.D.] gehört zu keiner von beiden, oder mindestens ist sie über ihre Zugehörigkeit unsicher.“ (Lewin 1982, S. 199) Diese Unsicherheit ist nun für Heitmeyer das zentrale Problem für das jugendliche Subjekt, weil es über keine ausreichende Orientierung verfügt. In dieser Situation bietet der Rechtsextremismus eine scheinbare Lösung an, als äußerer Beitrag zur Verringerung der inneren Ängste. Diese Auffassung wird auch von anderen Autoren geteilt, z.B. von Astrid Lange, die schreibt: „Mit ihren simplen Slogans gelingt es rechten Gruppierungen offenbar zunehmend, Jugendliche und junge Erwachsene anzusprechen und Bedürfnisse nach Gemeinschaft , Identifi kation und Anerkennung zu befriedigen.“ (Lange 1993, S. 10) Die emotionale Bedürft igkeit, die sich aus den Verunsicherungen der Jugendphase ergibt, wird hier als wesentliche Motivation einer Hinwendung zu radikalen Gruppen deklariert. Dass politische „Slogans“ allerdings in der Regel einen 41 | So schreibt Dollase: „Die häufigsten Topoi sind z.B. dass Jugendliche zwischen Kindheit und Erwachsensein angesiedelt werden, dass sie als Marginalpersonen aufgefasst, als in einem psychosozialen Moratorium oder in einem psychopathologischen Grenzbereich befi ndliche eingeordnet werden.“ (Dollase 2000, S. 111) 42 | Obwohl dieser Autor einigen Forschern als Pionier der wissenschaft lichen Begründung der Jugend- und Entwicklungspsychologie gilt (so z.B. bei Fend 1992, erwähnt aber auch bei Flammer 2002) muss gesagt werden, dass sich dessen Betrachtungen zu einem nicht unerheblichen Anteil auf Vorstellungen beziehen, die von einem esoterischen Zusammenhang zwischen Mensch und Kosmos ausgehen. Solche Ansichten stellen jedoch im strengen Sinne keine Wissenschaft dar, weil zur Begründung der darin enthaltenen Behauptungen auf Elemente einer religiösen Welterklärung zurückgegriffen wird.
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inhaltlichen Aspekt haben, wird dabei unterschlagen. Warum jemand aber einen politischen Slogan ansprechend fi ndet, dürfte vor allem mit dem Umstand zusammenhängen, ob er diesen inhaltlich plausibel findet oder nicht. Sonst könnte er mit seinem Gemeinschaftsdefizit auch in den örtlichen Kegelclub gehen. Doch heißt es auch an anderer Stelle: „Viele jugendliche Rechte suchen in der rechten Gruppe keine politische Heimat, sondern eine soziale Heimat sowie ein Forum für Thrill und Action.“ (Wippermann/Zarcos-Lamolda/Krafeld 2002, S. 16) Nach dieser Logik ist das Politische ein relativ zufälliger Faktor. Ob es jemanden nach „rechts“ oder nach „links“ verschlägt, ist danach eine Frage des vorhandenen Angebots. Die Orientierung an rechtsextremen Gruppen wird dabei ausschließlich als Aufwertungsstrategie einer Pseudo-Identität interpretiert, die aus einer schwachen Ich-Stärke resultiert, diese aber nicht aufhebt. Eine solche Argumentation findet sich durchaus auch vereinzelt in wissenschaft lichen Theorien über das Wesen der „Adoleszenz“. So nennen De Witt & van der Veer (1984) in ihrem umfangreichen Katalog über typische Probleme der Adoleszenz neben den Schlagworten „Identitätsprobleme“ und „Devianz“ ausdrücklich auch die „Flucht in Subkulturen“ und die Hinwendung zu „aggressiv-kriminellen“ und „ideologischen“ Gruppen“ (Nach: Stiksrud 1994, S. 80) als besonderes Kennzeichen der Jugendphase.43 Entsprechend dieser Vorstellung heißt es auch in einer Elterninformation zum Thema „Rechtsradikalismus“ einleitend: „Kommen Kinder ins Jugendalter, ergeben sich oft besondere Schwierigkeiten. Jugendliche möchten sich ausprobieren, Grenzen testen und sich in Abgrenzung zu den Eltern zu einer eigenen Persönlichkeit entwickeln.“ (Joelsen/Mooser/Obermair 2001, S. 3) So richtig diese Aussage in ihrer Allgemeinheit ist, so falsch wird sie durch die Unterstellung, damit eine spezifische Aktivität wie Rechte Gewalt hinreichend erklären zu können. Politische Aktivität wird dadurch als Versuch deklariert, mit den jugendspezifischen Entwicklungsaufgaben besser klar zu kommen, die doch aber alle Jugendlichen in ähnlicher Form betreffen. Warum aber wird nur ein kleiner Teil dieser ja offenbar gefährdeten Gruppe zum rechtspolitischen Straftäter? Diese Frage kann mit einem Verweis auf allgemeine Charakteristika der Jugendphase nicht beantwortet werden. Auch Heitmeyer sieht jedoch in rechtsextremer Orientierung vor allem eine Reaktion im Kontext einer speziellen Belastungssituation und stellt deshalb die zentrale Frage, „[...] wie Jugendliche auf dem Hintergrund ihres Lebenskontextes darin eingelagerte lebenslagenspezifische Problembelastungen bearbeiten.“ (Heitmeyer 1989, S. 59) Heitmeyer interpretiert politische Orientierung bei Jugendlichen deshalb in erster Linie als Ergebnis gesellschaft licher Individualisierungstendenzen, als Umformung ihrer problematischen Lebenssituation, die ihnen keine vernünft ige Perspektive bieten würde. Er geht dabei von der zentralen These aus, dass „[...] der 43 | In den aktuellen Nachschlagewerken über Probleme während der Jugendzeit ist eine solche Symptomatik allerdings nicht aufgeführt. So ist z.B. im „Multiaxialen Klassifi kationsschema“ (vgl. Remschmidt/Schmidt/Poustka 2009) für Formen der psychischen Störungen im Kindes – und Jugendalter nach den Prinzipien des ICD-10 und der WHO kein einziger Hinweis namens „Rechtsextremismus“ als Kennzeichen einer Entwicklungsstörung angegeben.
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Arbeit, der Berufstätigkeit und der ökonomischen Selbständigkeit bzw. Selbständigkeitserwartung [...] ein zentrales Gewicht für die Entwicklung des politischen Bewusstseins und der gesamten Sozialisation im Jugendalter zukommt.“ (Heitmeyer 1989, S. 11) Die Ursache von Rechter Gewalt liegt damit nicht in der persönlichen Entscheidung für ihre Anwendung, sondern diese ist primär ein Ausdruck der Gefährdungen der Seelenverfassung und des modernen Arbeitslebens, denen das jugendliche Subjekt zunehmend machtlos und vereinzelt unterworfen ist. Basis dieser theoretischen Überlegungen ist das Individualisierungstheorem des Soziologen Ulrich Beck (vgl. Beck 1986). In diesem wird davon ausgegangen, dass die Gesellschaft heute mehr und mehr gekennzeichnet sei durch ein generalisiertes Auft reten von Individualisierungsschüben, die eine Ausweitung der Konkurrenzbeziehungen zwischen den Individuen und die Endtraditionalisierung und damit Destabilisierung gewachsener sozialer Bezüge und Sicherungssysteme mit sich brächten: „Zur Kennzeichnung der gesellschaft lichen Entwicklung verwende ich den Begriff ‚Risikogesellschaft‘, wie ihn Ulrich Beck (1986a) entwickelt hat. Mir scheint dieses Konzept zur Interpretation der politischen Sozialisation und politischen Gewalt deshalb besonders gut geeignet, weil darin deutlich wird, dass sich soziale Risikolagen für Jugendliche und ökologische Risikolagen umformen können in eine politische Risikogesellschaft, aus der heraus gewaltförmige Auseinandersetzungen erwachsen.“ (vgl. Heitmeyer 1993, S. 17)
Die ausgeübte Gewalt Jugendlicher ist für Heitmeyer also gewissermaßen ein Indiz für den Grad ihres Status als Opfer der Risikogesellschaft . Es zeigt sich: In der von Heitmeyer entwickelten Begriffl ichkeit des „Jugendlichen“ werden verschiedene Elemente diverser Jugendtheorien miteinander verknüpft. Grundsätzlich wird die Zeit des Jugendalters als eigenständige Zeitphase mit besonderen Aufgaben verstanden. Damit wird an die klassische Konzeption dieser Phase als Sammlung von Aufgaben angeschlossen, wie sie z.B. von Havighurst (vgl. Havighurst 1972) begründet wurde. Die Bewältigung dieser Aufgaben erweist sich für Heitmeyer als besonders schwierig, da unter Bezug auf die Theorie von Beck (1986) die Orientierung in einer Gesellschaft mit fundamentaler Werteerosion zunehmend unmöglich werde. Das Instrument der Orientierung, eine stabile Identität, kann nicht erworben werden. Dass überhaupt eine solche Identität erworben werden muss, gehört für Heitmeyer zu den zentralen Aufgaben der Jugendphase, wie sie Hurrelmann und Bündel formulieren: „Insgesamt geht es im Jugendalter darum, eine Identität aufzubauen, die auf einem stabilen Selbstwert beruht, und Kompetenzen zu erwerben, um die anstehenden körperlichen, psychischen, sozialen, intellektuellen und moralischen Lebensaufgaben zu bewältigen.“ (Hurrelmann/Bründel 1997, S. 42) Neuere jugendsoziologische Theorien (vgl. z.B. Meinert 2008) gehen dagegen eher davon aus, dass nicht der einmal erfolgte Abschluss einer stabilen Identität den Eintritt ins Erwachsenendasein markiert, sondern dass dessen Erwerb, bedingt durch die allgemeine gesellschaft liche Diff usion, eine lebenslanges Projekt darstellt.
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Heitmeyer interpretiert den Begriff der „Identität“ jedoch als statischen Kompetenzbereich, der abschließend und dauerhaft erreicht werden muss. Dabei sieht er diese Entwicklungsaufgabe unter den Bedingungen der gesellschaft lichen Modernisierung akut gefährdet: Besonders Jugendlichen drohe eine „Zerrissenheit von Identitätsbemühungen“ (Heitmeyer 1989, S. 91), worauf unter Umständen eben mit der Übernahme von Weltbildern reagiert werde, die klare Gewissheiten vermitteln würden. Damit wird implizit unterstellt, dass Jugendliche aufgrund ihrer psychosozialen Lebenslage in spezifischer und strukturell bedingter Art und Weise eine Möglichkeit des Anschlusses an diese Form von extremer Politik besitzen würden. Dabei findet dieser Anschluss in Form einer „Übernahme“ dieser Inhalte statt: „Da Jugendliche diese autoritär-nationalisierende Sichtweisen weder erfunden haben, noch an ihrer Verbreitung wesentlich beteiligt sind, können wir davon ausgehen, dass ihre Verarbeitung und Übernahme individuell dazu dienen sollen, sich in bestimmten sozialen Bezügen eine gewisse Verhaltenssicherheit zu erwerben.“ (Heitmeyer 1989, S. 168)
Nach diesem Erklärungsmuster stellt politische Orientierung im Jugendalter als primär nur eine strategische Zweckmäßigkeit dar, praktiziert aus einem strukturell bedingten Bedürfnis nach Verhaltenssicherheit. Hinzu kommt eine Unschuldsvermutung bezüglich der wirklichen Beteiligung an rechter Politik, wenn Heitmeyer argumentiert, dass die Jugendlichen diese Art von Orientierungen eben nicht „erfunden“, sondern bloß vorgefunden hätten.44 Von diesem Bezugspunkt aus schlägt Heitmeyer eine Brücke zur generellen Verortung Jugendlicher als einer den gesellschaft lichen Tendenzen ohnmächtig unterworfener Gruppe, wenn er schreibt, dass „[...] Jugendliche gezwungen sind, die objektiven Widersprüche subjektiv in ihrer Lebenswelt verarbeiten zu müssen, obwohl sie als weitgehend machtlose Gruppierung kaum an der Entwicklung gesellschaft licher Problemlagen und Widersprüche beteiligt waren und sind.“ (Heitmeyer 1989, S. 97) In der so verstandenen Ohnmacht des einzelnen Jugendlichen gegenüber den negativen Auswirkungen dieses Wandels sieht Heitmeyer eine Ursache für den Anstieg rechtsradikaler Gewalt, da aufgrund dieser gesellschaft lichen Widersprüchlichkeit soziale Lagen und Situationen entstehen könnten, „[...] in denen für Jugendliche die Identität nur noch über Gewaltanwendung – zumindest surrogathaft – herstellbar scheint, weil sie sichtbare Spuren hinterlassendes Zeichen dafür ist, dass Ohnmacht ein Stück weit überwunden werden konnte.“ (Heitmeyer 1989, S. 17) Die Kategorie der Gewalt bezieht sich hier also nicht auf die politische Orientierung der handelnden Subjekte in Bezug auf ihre Ziele und Opfer, sondern allein auf ihre psycho-soziale Funktion für den Täter. Heitmeyer interpretiert die Gewalttat eines Jugendlichen vor allem deshalb als quasi-identitätsherstellende Handlung, weil sie durch ein konkretes Tun eine Überwindung von Handlungs44 | Diese Argumentation erinnert an den Versuch von Merleau-Ponty, die gewalttätige Praxis der Bolschewiki zu rechtfertigen durch den bekannten Satz: „Die Kommunisten haben die Gewalt nicht erfunden, sie haben sie vorgefunden“. (MerleauPonty 1990, S. 14)
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ohnmacht darstellt. Diese Begründung ist problematisch, denn sie erscheint logisch unzureichend zu sein. Deutlich wird dieser Umstand, wenn man die argumentative Aussage-Struktur des obigen Satzes zur Frage umformuliert: Warum ist für Jugendliche unter bestimmten sozialen Lagen Identität nur noch über Gewaltanwendung erfahrbar? Die Antwort des Satzes würde lauten: Weil sie als sichtbares Zeichen die Ohnmacht überwindet. Der Begriff ist demnach also allein durch die Abwesenheit („Überwindung“) seiner positiven Bestimmung, also seiner Negation definiert. Mit einer solchen Definition könnten jedoch theoretisch alle möglichen Formen menschlichen Handelns erklärt werden. Anders gesagt: Derart bestimmt, kann jede „Handlung“ als Überwindung von „Handlungsohnmacht“ gelten. In diesem Fall geht es aber nicht ganz allgemein um irgendwelche Handlungen, sondern explizit um das Phänomen der Rechten Gewalt. Dass jemand unter Umständen subjektiv plausible Gründe hat, auf einen anderen Menschen einzuschlagen, ist in dem Ansatz von Heitmeyer einfach nicht vorgesehen. Jugendliche sind eben per se „ohnmächtig“ und extreme Handlungen deshalb nur als Ohnmachtsüberwindungsstrategie zu deuten. Die These von der „Machtlosigkeit“ begründet Heitmeyer dabei hauptsächlich mit dem Vorhandensein von Generationen schlechthin: Jugendliche hätten „gezwungenermaßen“ die Aufgabe, eine Realität zu verarbeiten, welche sie „[...] weder erdacht, verbreitet noch durchgeführt“ (Heitmeyer 1989 S. 20) hätten, sondern sie seien vielmehr „[...] in diese [...] Republik hinein geboren [...]“. (ebd, S. 20) Und aus diesem generativen Verhältnis heraus bestimmt er Jugendliche generell als „abhängige Gruppe“ (Heitmeyer 1989, S. 21). Dabei wäre für eine Beurteilung von jugendlichem Handeln gerade die Frage interessant, wo die passive Antizipation endet und wo das aktive Gestalten beginnt. So kommen z.B. andere Jugenduntersuchungen zu dem Ergebnis, dass es gerade die Gruppe der Jugendlichen ist, die im Vergleich zur Gruppe der Erwachsenen besondere Ressourcen besitzt, die es ihnen ermöglicht, innerhalb der gesellschaft lichen Segmentierungsprozesse flexibel und anpassungsfähig zu bleiben (vgl. Held/Horn/Marvarkis 1996). Dem entsprechend wird dort die Hinwendung zum Rechtsextremismus eher als Erfolg versprechende Durchsetzungsstrategie verstanden und nicht als Identitätssicherung von Modernisierungsverlierern.45 Der gewichtigste Einwand an den Fokus auf Jugend als mögliche Erklärungsvariable Rechter Gewalt ist damit benannt: Warum wird nur ein kleiner Teil der männlichen bundesdeutschen Jugendlichen zu rechtsmotivierten Schlägern, während die Risiken der Modernisierung alle (und längst nicht nur) junge Menschen betreffen? Wird die Kategorie Jugend nicht erheblich überstrapaziert, wenn ihre Schlüssigkeit nur bei einem relativ kleinen Teil ihres Geltungsbereiches empirisch einzulösen ist? Auf die Gefahren eines Rückschlusses von individuellem Handeln auf die Zugehörigkeit einer Altersklasse hat besonders Ulrike Jureit hingewiesen: „Generationseinheiten sind aber nicht zwangsläufig auch Handlungseinheiten, daher ist der Anspruch, historischen Wandel durch Rückbindung an die Generationszugehörigkeit der Akteure erklären zu können, durchaus problematisch.“ (Jureit 2006, S. 130) Pro45 | Vgl. zur zitierten Studie ausführlicher: Dierbach 2001
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blematisch erscheint es überhaupt zu sein, die Angehörigen einer Altersklasse insgesamt als benachteiligte Opfer zu konzipieren, ohne die individuelle Verfasstheit der verschiedenen Protagonisten zu berücksichtigen. Die Gefahr besteht, dass dabei „[...] Menschen nicht als Individuen mit Vorder- und Hintergründen, mit vielen und möglicherweise sehr mühsam zu klärenden, spezifisch ausgeformten Eigenschaften interessieren, sondern als Exemplare sozialer und psychischer Typen mit einigen wenigen [...] Allgemeinqualitäten.“ (Günther 1975, S. 234) Zu fragen wäre im Anschluss an diese Überlegungen: Welche Funktion hat die Konzeption eines solchen Opferdiskurses bei Heitmeyer? Ein möglicher Hinweis findet sich bei der Untersuchung der soziologischen Randgruppenpolitik seit den 70er Jahren durch Irmhild Saake. Sie kritisiert in ihrer Reflexion moderner Altersforschung die Tradition, die Kategorie „Alter“ als marginalisierte Gruppe zu bestimmen. Ihrer Meinung nach wurde die Identifi zierung gesellschaft licher Randgruppen durch einen soziologischen Diskurs möglich, dessen zentrales Anliegen in der Kritik vermuteter Herrschaftspraktiken bestand. Das Vorhandensein von „Problemgruppen“ geriet in diesen Theorien zum Indikator für gesellschaft liche Missstände: „Umso wichtiger ist es den Verfechtern dieser Kritik, konkrete ‚Opfer‘ benennen zu können und mit ihnen die Agenten des sozialen Wandels auszumachen.“ (Saake 2006, S. 123) Weiter schreibt sie: „Um Randgruppen identifizieren zu können, muss man also zunächst die ‚Kerngesellschaft‘ bestimmen und dann ergänzen, wer nicht dazugehört.“ (Saake 2006, S. 123) Anhand einer Aufstellung von Krögler aus dem Jahre 1973 konkretisiert Saake diese Praxis der Identifi zierung von „Randgruppen“. Unter ihnen befi nden sich neben Drogensüchtigen und Behinderten an allererster Stelle die „Jugendlichen“! (Saake 2006, S. 123, Herv. S.D.) Der Ansatz von Heitmeyer geht also unter Umständen auf eine bestimmte soziologisch inspirierte Gesellschaftskritik zurück, der es um die Identifizierung von strukturell Benachteiligten geht. Die Deklaration einer sozialen Gruppe als randständige Jugendliche bietet im Anschluss daran auch für die Pädagogik ein klar definiertes Aufgaben- und Tätigkeitsfeld. Ist eine Begründung für die Wahrnehmung rechtsextremer Täter als Jugendliche unter Umständen darin zu sehen, dass diese dadurch einen Status als Opfer erlangen, der eine Auseinandersetzung mit den politischen Implikationen ihres Handelns aus dem Diskurs ausgrenzt? Könnte es umgekehrt möglich sein, dass insbesondere ein pädagogisches Selbstverständnis diese Ausgrenzung als Voraussetzung nötig hat? Wird Rechte Gewalt zum pädagogisch beherrschbaren Problem, weil durch die Diagnose der „Jugendlichkeit“ das bekannte und erprobte Arsenal sozialpädagogischer Beeinflussungsstrategien auf den Plan gerufen werden kann? Soll damit vielleicht in der Gegenwart bewältigt werden, was ansonsten Teil einer als unbewältigbar empfundenen Vergangenheit bleiben müsste? Oder erscheint es Nach Auschwitz einfach leichter zu sein, die Existenz dieser Gewalt zu ertragen, indem man sie als Effekt einer Überlebensstrategie defizitärer Subjekte interpretiert? In jedem Fall tut sich die Wissenschaft offensichtlich schwer damit, die Täter als verantwortlich handelnde Subjekte zu begreifen. Vor diesem Hintergrund könnte sich beispielsweise die Kritik von Werner Helsper an der Position von Birgit Rommelspacher als ein Versuch deuten lassen, den Opferstatus Jugendlicher als konstitutive Grundbedingung für pädagogisches
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Handeln festschreiben zu wollen. Rommelspacher vertritt die These, wonach Rechte Gewalt das Ergebnis einer spezifischen „Dominanzkultur“ sei (vgl. Rommelspacher 2002). Rechtspolitische Jugendliche werden in diesem theoretischen Ansatz als absichtsvolle Täter begriffen, die ihre Vorstellungen von gesellschaft licher Hegemonie in die Tat umsetzen. Helsper argumentiert dagegen, dass es pädagogisch unzulässig sei, Jugendliche derart zu klassifi zieren: „Außerdem ist ihre These, dass Heranwachsende als ‚Täter‘ zu betrachten seien, höchst problematisch. Dies ist letztlich die Anwendung eines rechtlichen Blickes auf Nicht-Erwachsene und müsste – bei stringenter Argumentation – in eine Verschärfung strafrechtlicher Verfolgung münden. Vor allem taugt diese Diagnose in keiner Weise für pädagogisches Handeln. Denn der Handlungsverantwortlichkeit zuschreibende Blick der Täterperspektive verfehlt grundlegend, dass es sich bei Jugendlichen um Subjekte handelt, die sich in zentralen biographischen Entwicklungsprozessen befi nden.“ (Helsper 1993, S. 111)
Für die Kritik von Helsper ist es also offenbar entscheidend, darauf zu bestehen, dass es sich bei den rechtsmotivierten Protagonisten klassifi katorisch um Jugendliche handelt, und um nichts anderes. Als solche dürften sie seitens der Pädagogik nicht mit „voller Verantwortlichkeit“ ausgestattet werden. Ein anderes Referenzsystem würde diesem Verständnis nach eine pädagogische Intervention unmöglich machen. Dass auch ein so genannter Jugendlicher sein Handeln nach weltanschaulichen Gründen ausrichten könnte, ist in dieser Sichtweise also explizit ausgeklammert. Das bringt einige Probleme mit sich: Als handelndes Subjekt wird der Täter dadurch im Grunde nicht ernst genommen, sondern auf seine Existenz als Lebensphasen-Teilnehmer reduziert. Erst nach dieser Halbierung des Subjekts kann Pädagogik offensichtlich wirksam werden, denn Pädagogik möchte helfen, Gutes tun und Menschen nicht ausgrenzen, sondern ihnen eine individuelle Entwicklung möglich machen. Deshalb betonen viele pädagogische Autoren den Aspekt der positiven Einflussnahme durch die soziale Arbeit mit diesem Klientel: „Es wäre ein sträflicher Fehler, gerade Jugendliche auszugrenzen, die noch für pädagogisches Handeln erreichbar sind, deren Einstellungen sich noch nicht verfestigt haben.“ (Baensch 1993, S. 10) Das Pädagogische ist dabei durch eine grundsätzliche Zugewandheit zu den Objekten entsprechender Handlungsintentionen bestimmt: „Der erste Schritt pädagogischen Handelns liegt im Verstehen des Adressaten. [...] Der ‚pädagogische Blick‘ nimmt wahr und sucht nach Ansatzmöglichkeiten, wie Persönlichkeit und Selbstständigkeit der Adressaten gefördert werden können.“ (Sturzenhecker 1995, S. 377) Dabei dienen die verschiedenen Basiserzählungen der Pädagogik als Prämissen, die in der Praxis als Deutungsmuster jugendlichen Verhaltens zur Anwendung kommen: „So müssen die Begriffe von Orientierungslosigkeit, Individualisierung, Ohnmacht usw. entdeckt werden in konkreten Erfahrungen mit den Jugendlichen. [...] Ein solches Verstehen ist die Basis für pädagogische Handlungsansätze, die dann auch tatsächlich die Bedürfnisse und Entwicklungsmöglichkeiten der Jugendlichen treffen.“ (Sturzenhecker 1995, S. 377/378)
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Der Vorgang des „Verstehens“ ist somit niemals objektiv, sondern stellt immer eine Interpretationsleistung des Verstehenden im Hinblick auf den zu Verstehenden dar. Was Ersterer bei Letzterem zu verstehen glaubt, ist damit von den begriffl ichen Komponenten der jeweiligen Hintergrundtheorie abhängig, auf die er sich in Ausübung seines pädagogischen Berufes stützt. Ob die Ausübung Rechter Gewalt dabei als Zeichen von Ohnmacht oder als Zeichen von Machtausübung zu verstehen wäre, wird in erster Linie von der Art und Weise der inneren inhaltlichen Kriterien beantwortet, mit denen ein solches Phänomen analytisch gedeutet wird. Die für die Sozialpädagogik zentrale Frage lautet also, ob man es im Fall derjenigen Personen, die Rechte Gewalt anwenden, nicht mit ohnmächtiger Verzweiflung, sondern mit äußerst verfestigten politischen Einstellungen zu tun hat, weil es eben ein Hinweis auf die Existenz eines extremistischen Weltbildes sein könnte, diese Art von Taten zu verüben. Zu klären wäre also, ob die Anwendung Rechter Gewalt ein Indiz für eine politische Einstellung gelten kann oder nicht. Von der Antwort auf diese Frage dürfte einiges abhängen, denn extrem verfestigte Weltbilder durch pädagogische Maßnahmen ändern zu wollen, erscheint kaum möglich zu sein. So zieht denn auch Benno Hafeneger zu Beginn der 90er Jahre ein deutlich kritisches Resümee im Hinblick auf bisherige sozialkompensatorische Bemühungen: „Es sollte eigentlich nach langjähriger Erfahrung Konsens sein, dass chauvinistisch, rassistisch, rechtsextrem orientierte Jugendliche durch pädagogische Einflüsse nicht erreichbar werden und beeinflussbar sind. Jugendarbeit sollte diese Illusion nicht nähren – auch wenn die Förderung noch so attraktiv und viele Stellen, Publikationen etc. dabei herauskommen.“ (Hafeneger 1993, S. 121)
Müsste aus einer Kritik an der „Ausblendung des Politischen“ also gleichsam die Forderung nach einer „Exklusion des Pädagogischen“ folgen?46 Diese Frage soll an späterer Stelle noch einmal gestellt werden. Zunächst ist festzustellen, dass innerhalb der Ursachenforschung die Tendenz besteht, den Protagonisten Rechter Gewalt einen Status als Opfer zu unterstellen, wodurch deren handlungsbezogene Verantwortlichkeit in Frage gestellt wird. Warum aber sollte man Menschen nicht ihren Taten entsprechend zur Verantwortung ziehen? Weil sie jung sind? Geht es dabei um den Impuls, das Ideal des Guten im Menschen bewahren zu wollen, indem man einfach die moralische Haft ungsfähigkeit per Deklaration herabgesetzt? Dieser Mechanismus könnte natürlich mit einigem Recht als zentraler Bestandteil innerhalb der Entwicklung der modernen 46 | Das „Pädagogische“ lässt sich im Rahmen dieser Diskussion und in praxisbezogener Hinsicht bestimmen als eine institutionalisierte Form des professionell geplanten Handelns, des theoretisch unterlegten Reagierens und der fachlichen Reflexion, die ihn ihrer gemeinsamen Wirkung dazu geeignet sind, innerhalb eines sozialen Kontextes anwendungsorientierte Lernstrategien, gemeinschaft sverträgliche Problemlösungsoptionen, menschenrechtsbezogene Orientierungen und individuelle Entwicklungswege in zielgruppengerechter, transparenter und respektvoller Art und Weise zu fördern und/ oder anzuregen.
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Kulturgeschichte angesehen werden und die Tradition, den Verursacher einer Straftat nicht als Täter, sondern als Opfer darzustellen, ist eine bekannte Strategie der Verteidigung in juristischen Strafprozessen. Als zentrales Element dieser Strategie kann die Argumentation gelten, dass der Täter sich beim Vollzug der Tat nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befunden hätte, sondern die Kontrolle über seine Handlungsplanung verloren hat. Als eine der Begründungen, die solch einen Kontrollverlust plausibel machen, gilt dabei vor allem die Einschränkung der rationalen Reflexionsfähigkeit. In seiner Untersuchung über „Wahnsinn und Gesellschaft“ beschreibt Michel Foucault exemplarisch den Fall eines Mannes mit Nachnamen Gras aus dem Jahre 1792, der seine Geliebte umgebracht hatte, weil sie ihm „untreu“ gewesen ist. Er schreibt zu diesem Fall: „Zum ersten Mal wurde ein Prozess, bei dem es um Leidenschaften geht, in der Öffentlichkeit und von einer Jury verhandelt. Zum ersten Mal drang die große Auseinandersetzung zwischen Verbrechen und Alienation an das große Licht, und das öffentliche Bewusstsein versuchte, die Grenze zwischen der psychologischen Zuweisung und der Verantwortlichkeit für das Verbrechen zu ziehen.“ (Foucault 1969, S. 472/473)
Das Plädoyer der Verteidigung lief darauf hinaus, dass der Angeklagte sich in einem Zustand befunden hätte, in welchem die Emotion der „Leidenschaft“ die primäre Triebkraft zur Verübung der Mordtat gewesen sei. Durch die Existenz dieser Triebkraft verlagert sich die Kategorie der „Verantwortlichkeit“ aus dem Bereich des einzelnen, rational handelnden Subjektes in denjenigen einer Teilhabe an einer allgemeinen überindividuellen Vorstellung, welche eine temporäre Form negierter Zurechnungsfähigkeit aufgrund von Verzweiflung zum Gegenstand hat. Foucault schreibt dazu unter Zitierung der Verteidigung: „Von dem tödlichen Verbrechen von Gras bleibt schließlich nur noch eine leere Geste übrig, die von ‚einer einzigen schuldigen Hand‘ ausgeführt worden ist, und andererseits verbleibt eine ‚unglückliche Fatalität‘, die ‚in der Abwesenheit der Vernunft und in der Qual einer unwiderstehlichen Leidenschaft‘ gespielt hat.“ (Foucault 1969, S. 474) Das Verbrechen entzieht sich der Haftung, weil der Täter sich (angeblich) in einer Art von rauschhaftem Zustand befunden hat. Dabei betont Foucault, dass dieser Mechanismus einer „Kraft der Entschuldigung“ nur funktioniert, wenn die Tat als Ausdruck einer kurzfristigen Verirrung gewertet werden kann und sich auf gesellschaft lich anerkannte „Leidenschaften“ beziehen lässt.47 Diese wirken als gültige Vorstellungen über Vorgänge, über welche der einzelne Mensch in bestimmten Situationen keine Kontrolle mehr besitzt. Seine Handlungen sind damit interpretierbar als Ausprägungen eben dieser Vorstellungen, was Foucault an anderer Stelle als „Einheit der 47 | Vgl. dazu: „So vollzieht sich erneut eine Trennung des Wahnsinns, bei der auf der einen Seite ein seiner Perversion überlassener Wahnsinn verbleibt, den kein Determinismus je entschuldigen kann, während auf der anderen Seite ein Wahnsinn steht, der in Richtung eines Heroismus verläuft, der das umgekehrte, aber komplementäre Bild der bürgerlichen Werte ausmacht.“ (Foucault 1973, S. 477)
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Krankheit“ bezeichnet hat, „[...] als spezifische Entität, auffindbar durch die Symptome, in denen sie sich äußert, aber früher vorhanden als diese und gewissermaßen unabhängig von ihnen [...].“ (Foucault 1968, S. 15) In diesem Hinweis liegt die mögliche Relevanz dieser Überlegungen für die Frage, ob sich in einer bestimmten Konzeption von Menschen jugendlichen Alters nicht ein Ansatzpunkt für eine Form der Entschuldigung angelegt ist, weil er einen grundsätzlichen psychologischen Status der Unmündigkeit dieser Personengruppe behauptet. Als Opfer von Vorgängen, welche diese als einzelne Subjekte nicht beeinflussen können, denen sie also ohne die Möglichkeit einer Beteiligung durch den eigenen Willen unterworfen sind. Ist in der Wahrnehmung solcher (als Jugendliche angesehener) Menschen durch die Sozialpädagogik die Vorstellung über deren Opferstatus als Tendenz zur Entschuldigung ihrer Taten wirksam, mindestens aber in der Interpretation ihrer Handlungen, so als wären diese nur der Ausdruck einer Entität namens Jugend? Eine solche Sicht würde den Vorstellungen entsprechen, wie sie sich in den Vorgaben des modernen Jugendstrafrechts finden lassen: „Das Jugendstrafrecht basiert auf der Vorstellung, dass infolge entwicklungsbedingter Schwierigkeiten und Probleme (die im Regelfall episodenhafter bzw. vorübergehender Art sind) ein voller Schuldvorwurf bei Jugendlichen nicht zu machen ist.“ (Dünkel 1999, S. 269) Es wird dabei davon ausgegangen, dass bei Jugendlichen, durch die Zugehörigkeit zu einer Altersklasse, eine Einschränkung der Schuldhaft igkeit vorliegt, d.h. im Gegensatz zur allgemein üblichen Übernahme der individuellen Verantwortung, auf die sich jede Strafrechtsordnung im Prinzip gründet: „Schuld impliziert Verantwortlichkeit im Sinne einer (bewussten) Entscheidung des Täters gegen das Recht, obwohl er anders hätte handeln können.“ (Dünkel 1999, S. 297) Bei Jugendlichen scheint demnach die Möglichkeit alternativer Handlungsformen nicht angenommen zu werden, weil sie eben nicht Herr ihrer Sinne, sondern Opfer der Verhältnisse und/oder Phasenproblematiken sind. Diese Argumentation zeigt sich auch bei der Diskussion um die Ausdehnung des Jugendstrafrechts auf die Personengruppe der Heranwachsenden bis 21 Jahren. Im § 105 des JGG ist die Gleichstellung beider Altersgruppen gesetzlich geregelt: „Gleicht der Heranwachsende in seiner Person oder seinem Handeln noch eher einem Jugendlichen, soll mit den Mitteln des Jugendstrafrechts erzieherisch auf ihn eingewirkt werden.“ (www.JuraWiki.de 2009, S. 1) Durch diesen Passus wird also die Möglichkeit eingeräumt, dass in Zweifelsfällen die Anwendung des Jugendstrafrechts immer dann praktiziert werden kann, wenn anzunehmen ist, dass „Entwicklungskräfte noch in größerem Umfang wirksam sind.“ (BGHSt, S. 116 ff Nach: Dünkel 1999, S. 302)48 Vor allem bei der Beurteilung von Gewaltdelikten zeigt die 48 | Diese Wertungen könnten allerdings in höchstem Maße ungenau sein, denn ob ein „Heranwachsender“ einem „Jugendlichen“ gleichzustellen ist, ergibt sich aus der Meinung dessen, was als „jugendtypisch“ anzusehen ist. Daraus ergibt sich jedoch ein folgenreiches Problem: „Durch die Unschärfe in der Beurteilung der sittlichen und geistigen Entwicklung eines heranwachsenden Straft äters ergab sich ein relativ großer und heterogener Ermessensspielraum für die verschiedenen Sachverständigen.“ (Bach/
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gerichtliche Praxis, dass eine solche Zuordnung in ca. 90 bis 100 Prozent der Fälle erfolgt (vgl. Dünkel 1999, S. 303). Die Kriterien, nach denen jemand im Handeln oder in seiner Person in einem größeren Umfang von „Entwicklungskräften“ beeinflusst worden sein soll, sind allerdings alles andere als klar definiert.49 Mit den sogenannten „Marburger Richtlinien“ wurde deshalb im Jahre 1954 der Versuch unternommen, eine Reihe von Vorschlägen zur Klärung dieser Frage zu formulieren. In diesen Richtlinien wird empfohlen, dass von einer Reifeverzögerung im Sinne des § 105 JGG beim Vorliegen folgender „jugendlicher“ Merkmale auszugehen sei: Ungenügende Ausformung der Persönlichkeit; Hilflosigkeit, hinter Trotz und Arroganz versteckt; Leben im Augenblick; Starke Anlehnungsbedürftigkeit; Spielerische Einstellung zur Arbeit; Neigung zu Tagträumen; Hang zum abenteuerlichen Verhalten; SichHineinleben in selbstwerterhöhende Rollen; Mangelnder Anschluss an Gleichaltrige. (Nach: Meinert 2008, S. 25) Die Beurteilung, ob jemand als ein „Heranwachsender“ gelten kann, sind dann im Gegensatz dazu mit den jeweils positiv formulierten Aussagen zu treffen.50 Zur Anwendung dieser Kriterien heißt es fast 60 Jahre später: „Das in der Praxis vor den Jugendgerichten bedeutsamste Merkmal ist sicherlich die Frage, wie der Heranwachsende seine Lebensplanung im Griff hat, also ob er zielstrebig und gewissenhaft eine Berufsausbildung verfolgt oder ob er lustlos in den Tag hinein lebt und den Ernst der Aufgabe, sich eine eigene Lebensgrundlage zu schaffen, möglicherweise noch gar nicht begriffen hat.“ (www.JuraWiki.de, 2009, S. 2)
Es sagt sicher einiges über die gesellschaft liche Bewertung von „Reife“ aus, dass dieser Begriff hauptsächlich mit der Fähigkeit verbunden wird, regelmäßig einer Arbeit nach gehen zu können. Bedeutsamer ist die Betonung des Faktors „Arbeit“ Geyer/Scholz 2000, S. S. 392) Mit anderen Worten: Was im einen Fall nach Jugendstrafrecht verhandelt werden konnte, wurde im anderen Fall als Erwachsenenstrafsverfahren eröff net. Verantwortlich dafür ist nicht eine Differenz in der Art der Tatbestände, sondern die jeweils zu Grunde gelegte jugendtheoretische Matrix eines Sachverhalts. 49 | Dünkel kritisiert an dieser Praxis deshalb, dass das dabei oft zu Grunde gelegte Kriterium des „Reifezustands“, wonach eine Tat eben juristisch als „Jugendverfehlung“ gelten könne, empirisch nicht überprüfbar sei, sondern sich allein auf den inkonsistenten Status gesellschaft licher Bewertungen beziehen lassen muss: „Im übrigen zeigt der internationale Vergleich, dass die Altersgrenzen (jugend-)strafrechtlicher Verantwortlichkeit aufgrund gesellschaft licher Wertungen und nicht durch biologische, entwicklungspsychologische oder sonstige sozialwissenschaft liche Erkenntnisse bedingt sind.“ (Dünkel 1999, S. 304, Herv. i.O.) 50 | Dazu schreibt Meinert: „Es wird deutlich, dass ein Jugendlicher hier als ein unfertiges, unvollkommenes Wesen betrachtet wird, und zwar durch alles, was ihm noch zum vollkommenen Menschen fehlt. Heranwachsende hingegen besitzen den Richtlinien gemäß all die Eigenschaften, die wir uns alle wünschen würden: Sie erscheinen uns als vollständig reif.“(Meinert 2008, S 25) Interessant wäre in diesem Zusammenhang sicher die Frage, wie viele Erwachsene heutzutage nach diesen Kriterien als „Jugendliche“ eingestuft werden müssten.
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aber vor allem im Hinblick auf eine mögliche Relevanz der Diagnose einer „Reifeverzögerung“ für die Personengruppe, durch welche Rechte Gewalt angewendet wird. Dazu kann gesagt werden: „Der Anteil der Arbeitslosen unter den rechten Gewalttätern und den rechtsextrem Eingestellten ist nicht besonders hoch. Die meisten von ihnen sind Arbeitnehmer.“ (Jaschke 2003, S. 20) Deutlich wird damit also nicht nur, dass die in den Marburger Richtlinien formulierten Normen einer „ordentlichen“ Lebensführung kaum noch etwas mit den Realitäten von Jugendlichen (und Erwachsenen) in der heutigen Gesellschaft zu tun haben, sondern auch, dass sich unter Berufung auf diese Kriterien speziell für den Phänomenbereich rechtsmotivierter Straftaten keine „jugendtypische Verfehlung“ plausibel machen lässt. Das rückt die zweifelhafte Rolle der normativen Wertungen in den Vordergrund, die sich im Blick auf die Täter als Jugendliche zeigt, denn dabei geht es eben nicht um das Feststellen von zweifelsfreien Einschränkungen, die sich aus deren sozialer, biologischer und der psychologischen Lage ergeben, sondern ausschließlich um jugendtheoretische Postulate, die aber im Fall Rechter Gewalt eindeutig als „irrational“ bezeichnet werden müssen, eben weil sich die internen diagnostischen Kriterien (z.B. „Arbeit haben“), nach denen sich diese Postulate aufstellen lassen, auf die Tätergruppe nicht anwenden lassen. Der besonderen Irrationalität dieser Wertungen soll deshalb im Kontext der Pädagogik nachgegangen werden. Dabei stehen in erster Linie solche Ansätze zur Diskussion, die sich als Interventionen gegen Rechtsextremismus und Gewalt verstehen lassen. In wie weit wird dort von der Prämisse ausgegangen, wonach Rechte Gewalt als eine Art der „jugendtypischen Verfehlung“ gelten kann, die vor dem Hintergrund einer Position des Täters als „Opfer der gesellschaft lichen Verhältnisse“ zu deuten ist? Vor allem auf den Ansatz der „Akzeptierenden Sozialarbeit“ richtet sich dabei das Interesse, weil dieser seit seiner Gründung einen großen Stellenwert innerhalb der Projektlandschaft gegen Rechtsextremismus und Gewalt einnimmt: „Die pädagogische Diskussion wird von der Metapher der ‚akzeptierenden Sozialarbeit‘ dominiert. [...] Mit der Förderpolitik und den Angeboten [...] sollen in der Umwelt der Jugendlichen positive Erfahrungs- und Kräftezentren eingebaut werden, die in deren Entwicklungsprozess korrigierend eingreifen können.“ (Hafeneger 1995, S. 221) Solche Konzepte richten sich vor allem auf die Kompensation von sozialen Problemen und sind seit ihrer flächendeckenden Anwendung Mitte der 90er Jahre im Rahmen des „Aktionsprogramms gegen Aggression und Gewalt“ (AgAG) teilweise stark kritisiert worden.51 Die Handlungsempfehlungen dieses Ansatzes 51 | So spricht z.B. Albert Scherr (vgl. Scherr 2003) im Rahmen einer evaluierenden Studie explizit davon, dass diese Form der Jugendarbeit für die Zielgruppe der rechtsorientierten Jugendlichen nicht geeignet sei, weil das „Einlassen“ auf dieses Klientel die Grundbedingung für eine dauerhafte pädagogische Beziehung darstellt und das im Fall dieser Personengruppe eben auch ein Anknüpfen an die Interessen bedeuten würde. Dem Erfolg einer „Pädagogik“ im Sinne einer positiven Beeinflussung der individuellen Entwicklung wären damit durch die bereits erfolgte Politisierung enge Grenzen gesteckt: „Aus diesem Grund war und ist eine Jugendarbeit mit solchen Jugendlichen, die sich dezidiert als nationale oder rechte Jugendliche defi nieren, sich als Mitglieder
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soll deshalb im Hinblick auf den pädagogischen Blick bezüglich des besonderen Klientels der rechtsmotivierten Gewalttäter näher untersucht werden, um klären zu können, in wie weit hier das Paradigma eines Opferkonzepts zu Grunde gelegt wird und in welcher Weise dieses Paradigma zum Problem geraten kann. Im Vordergrund steht dabei die Modellskizze der „Akzeptierende Sozialarbeit in rechten Szenen“ (vgl. Krafeld 1993), wie sie vor allem von Franz-Josef Krafeld Anfang der 90er Jahre als Reaktion auf den virulenten Problembereich des rechtspolitischen Extremismus entwickelt wurde (vgl. Krafeld 1993a, Krafeld 1993b, Krafeld 1993c).
2.3 Der Opferdiskurs als Paradigma der „Akzeptierenden Sozialarbeit“ Im letzten Abschnitt ging es hauptsächlich um die Herausarbeitung dessen, was als Opferdiskurs die Wahrnehmung rechtspolitischer Täter als Jugendliche wesentlich mitbestimmt. Dabei zeigte sich, dass die defizitorientierte Vorstellung einer homogenen Sozialgruppe namens Jugend dazu beiträgt, die Protagonisten Rechter Gewalt insgesamt als Angehörige einer besonders problembelasteten Spezies zu begreifen, die aus primär unpolitischen Motivlagen heraus handeln. Das Problem dabei könnte sein, dass solche Vorstellungen einen direkten Einfluss haben auf pädagogische Konzepte der Fürsorge, was auf einen Zusammenhang von Theorie und Praxis hindeutet, den Hartmut Griese skeptisch beurteilt: „Wo ‚Jugendbilder‘ entstehen bzw. interessehalber produziert werden, werden in der Regel auch parallel dazu entsprechende Erziehungskonzepte entwickelt [...].“ (Griese 2000, S. 241) In seinen Untersuchungen über den gesellschaft lichen Diskurs über Jugendliche konnte Griese nun besonders das „[...] Bild von der ‚Jugend als Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse‘, eine typische aktuelle gesellschaftskritische sozialpädagogische Version“, finden sowie das „[...] Bild einer ‚Defizit- und Problemjugend‘, das allgemeine pädagogisch motivierte Jugendbild.“ (Griese 2000, S. 242/243) Parallel zu diesen Jugendbildern identifiziert Griese nun vor allem im Hinblick auf das Bild des „Opfers“ eine Praxis, die unter dem Stichwort der „Akzeptierenden Sozialarbeit“ bekannt geworden ist und die deshalb in diesem Abschnitt genauer untersucht werden soll. Dabei steht dieser Ansatz exemplarisch für eine breite Palette von Angeboten, die sich ausdrücklich an das Klientel der rechtspolitischen Jugendlichen richten: „In den letzten Jahren hat die Fachpraxis eine Reihe von Angeboten gerade für rechte Szenen und die Jugendlichen entwickelt. Im Sinne der Zielgruppenorientierung, also einer zunehmenden Spezialisierung der Inhalte und Strukturen auf bestimmte Adressaten wurde versucht, den Besonderheiten dieser Jugendlichen entgegenzukommen.“ (Holthusen/Lüders 2000, S. 105)
Es soll im Anschluss an diese Lagebeschreibung deshalb besonders geprüft werden, ob sich in diesem „Entgegenkommen“ der Sozialarbeit unter Umständen jugendrechter Szenen und Cliquen begreifen sowie für sich selbst eine entschiedene politische Überzeugung beanspruchen, wenig aussichtsreich.“ (Scherr 2003, S. 261)
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theoretische Ansichten über die Zielgruppe verbergen, die deren politisches Engagement als direkte Reaktion auf ihre Lebenslage interpretieren und damit Rechte Gewalt nicht als politisches, sondern als psycho-soziales Problem zu behandeln versuchen. Daher bezieht sich die Kritik innerhalb der Diskussion dieses Konzepts in erster Linie auf diejenigen Jugendlichen, die als Gewalttäter auff ällig werden und nicht auf diejenigen, die sich nur verbal radikal gebären. Besonders ob und in welcher Art innerhalb der „Akzeptierenden Sozialarbeit“ Elemente des Opferdiskurses als Transferleistung zwischen Wissenschaft und Praxis lokalisierbar sind, soll dabei geklärt werden. Die so genannte „Akzeptierende Sozialarbeit mit rechten Jugendlichen“ formierte sich als direkte Reaktion auf die Rechte Gewalt Anfang der 90er Jahre. Ausgangspunkt war die praktische Arbeit mit rechtsorientierten Cliquen durch engagierte Sozialarbeiter (vgl. Krafeld 1993a, S. 91). Mittlerweile existieren eine Reihe von unterschiedlichen Ansätzen, die sich als „akzeptierend“ verstehen.52 Gemeinsam ist allen diesen Projekten jedoch die Orientierung auf die Möglichkeit einer entwicklungsfördernden Einflussnahme im Hinblick auf ihr Klientel: „Zentraler Inhalt ist die Orientierung auf die Entwicklungsfähigkeit von Menschen.“ (LAK 2001, S. 1) Um die Jugendlichen erreichen zu können, ist diese Arbeit bewusst als niedrigschwelliges und/oder aufsuchendes Angebot konzipiert: „Grundsätzlich verstehen wir akzeptierende Jugendarbeit als Ansatz, der das Ziel verfolgt, die Jugendlichen dort abzuholen, wo sie stehen – sowohl im übertragenen, als auch im wörtlichen Sinne. [...].“ (LAK 2001, S. 1) Das „akzeptierende“ Konzept wurde dabei eindeutig auf die Zielgruppe rechtspolitischer Jugendlicher eingegrenzt, wobei jedoch die grundsätzliche Legitimation dieses Ansatzes mit der allgemeinen Gültigkeit des Kinder- und Jugendhilfegesetzes begründet wird: „Im § 1 des KJHG (jetzt SGB 3) heißt es: ‚Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit‘. ‚Jeder‘ heißt: auch jeder junge Straftäter! Und auch jeder junge Rechtsextremist! [...] Die Frage ist also nicht ob, sondern wie soziale Arbeit mit solchen Zielgruppen von Menschen erfolgen kann.“ (Krafeld 2003, S. 143, Herv. i.O.)
Der Faktor Jugend gerät in dieser Argumentation damit zum grundlegenden und alles bestimmenden Handlungsauft rag an die Sozialpädagogik.53 Auch Albert Scherr versteht den Auft rag des KJHG als umfassendes Angebot, welches „ohne Gesinnungsvorbehalt“ auch rechtsmotivierte Extremisten umfassen müsse, solange sie als Jugendliche gelten (vgl. Scherr 2007, S. 105)54. Das KJHG ist der 52 | Unter den Begriff der „Akzeptierenden Sozialarbeit“ fallen mehrere methodische Handlungsansätze, die im Rahmen dieses Abschnitts leider nicht alle im Einzelnen dargestellt und behandelt werden können. Ein Überblick findet sich bei Schmitz 1999. 53 | Mit dieser Bestimmung wäre dann eigentlich wieder eine Einschränkung der betroffenen Personengruppen innerhalb der gesetzlichen Altersnormenkonzepte verbunden, welche zu explizieren wären. 54 | Anderseits wird in einer sozialpädagogischen Handlungsempfehlung aus-
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allgemeine gesetzliche Rahmen für das Recht auf ein Leistungsangebot durch die zuständige staatlichen Institutionen wie auch für verschiedene freie Träger. Alle Kinder und Jugendliche haben danach ein Anspruch auf Leistung nach diesem Gesetz, wenn irgendwelche Probleme oder Gefährdungen des Kindeswohls vorliegen. Ob und in welcher Form aber die verschiedenen Instanzen ein entsprechendes Angebot erstellen, ist im Gesetz nicht festgelegt. Für viele Bedürfnislagen junger Menschen, etwa die Situation minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge, existieren trotz KJHG in der Regel wenig Hilfsangebote. Die Frage stellt sich also, ob sich unter Berufung auf dieses Gesetz tatsächlich ein besonderes sozialpädagogisches Pflichtverständnis gegenüber rechstideologischen Personen begründen lässt. Anders gefragt: Wenn der umfassende Geltungsanspruch des KJHG das zentrale Argument für die Legitimierung pädagogischer Arbeit darstellt, müsste dieses Gesetz dann nicht zuerst in paritätischer Form umgesetzt sein, damit rechtspolitische Gewalttäter mit gleichem Recht eine solche unbedingte Zuständigkeit der Pädagogik beanspruchen dürften wie z.B. unbegleitete Flüchtlingskinder? Diese Frage wird noch zu erörtern sein. Ein Bezug auf das KJHG ist in diesem Zusammenhang natürlich zunächst insofern richtig, als dass die akzeptierende Sozialarbeit Ende der 70er Jahre ursprünglich als Versuch entstand, der allgemeinen gesellschaft lichen Stigmatisierung von ausgegrenzten Jugendlichen offensiv entgegenzutreten, um mit jenen gemeinsam die ihnen vorenthaltenen Rechte gegenüber der Gesellschaft mit Hilfe von Lobbyarbeit geltend zu machen. Die ersten Projekte beschäftigten sich deshalb mit Randgruppen wie Drogenbenutzern, Punks und Trebegängern, seit Beginn der 80er Jahre auch mit Hooligans (vgl. dazu auch: Koch/Behn 1997). Neu an dem damaligen Konzept war, dass die Gruppen an ihren Treff punkten aufgesucht wurden und sich die Sozialarbeiter als parteiliche Ansprechpartner anboten, um einer weiteren Verelendung vorzubeugen. Nach Klawe (vgl. Klawe 1983) lässt sich als Grundsatz dieses Ansatzes eine Haltung lokalisieren, die darum bemüht ist, strukturelle Mängel der Gesellschaft pädagogisch auszugleichen, indem die Sozialarbeiter praktische Unterstützung bei der Bewältigung problematischer Verhältnisse anbieten: „Ausgangspunkt der pädagogischen Arbeit darf deshalb nicht das Freizeitangebot des Pädagogen, sondern muss eine Analyse der Lebenswelt der Jugendlichen und der daraus resultierenden Probleme sein.“ (Klawe 1983, S. 149) Dieser Grundsatz wurde nun durch Krafeld mitsamt der neuen Ausrichtung des Konzeptes auf rechtsideologische Jugendliche übernommen, d.h. die neue Zielgruppe wurde der historischen drücklich die Möglichkeit eingeräumt, dass rechtsextremistischen Jugendlichen die Leistungen des KJHG vorenthalten werden können, wenn diese dadurch nicht mehr erreichbar sind, bzw. das Wohl anderer Jugendlicher durch ihre politischen Aktivitäten gefährden: „Resultat solcher Einschätzung kann sein, dass sich Leiter/innen einer Einrichtung entschließen, rechtsextreme junge Erwachsene [das KJHG gilt für Personen bis 27 Jahren, Anm. S.D.] von dem pädagogischen Angebot auszuschließen.“ (Verein für demokratische Kultur e.V. 2006, S. 91) Das Recht von einzelnen Rechtsextremen auf pädagogische Betreuung kann also durchaus zugunsten des Wohles von anderen Maßnahmenehmern eingeschränkt werden, wenn das fachlich geboten zu sein scheint.
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Tradition dieser pädagogischen Arbeit angepasst: „Jugendarbeit mit so genannten rechtsextremen Jugendlichen hat nur dann eine Erfolgschance, [...] wenn es zentral um die Probleme geht, die diese Jugendlichen haben, nicht um die Probleme, die sie machen.“ (Krafeld 1993a, S. 92) Das bedeutet, der Fokus der „Akzeptierenden Jugendarbeit“ liegt eindeutig im Moment der konkreten Unterstützung von einer als bedürft ig wahrgenommenen Zielgruppe. Die Anwendung von Gewalt wird dabei als jugendtypisches Verhalten vorausgesetzt: „Extreme Auffassungen, Provokationen und besonders Gewalt von Jugendlichen sind [...] in aller Regel nicht primär und vorrangig politisch begründet und an bestimmte politische Positionen gebunden.“ (Krafeld 1992, S. 16) Ob diese Einschätzung richtig ist, d.h. ob eine entsprechende konzeptionelle Passung auch auf Seiten der Betroffenen vorliegt und nicht nur das Ergebnis einer spezifischen sozialpädagogischen Konstruktion darstellt, soll im Folgenden untersucht werden. Zunächst kann gesagt werden: Der Impuls, etwas gegen die zunehmende Rechte Gewalt tun zu wollen, darf als moralischer Ausgangspunkt dieses Handlungskonzeptes gelten, ein Umstand, den die vielfältigen Kritiker dieser Arbeit zumeist übersehen. Die dort aktiven Pädagogen verstehen ihre Arbeit als antifaschistisches Engagement und einen Beitrag zur gesellschaft lichen Prävention von rechtspolitischem Extremismus. Hintergrund ist dabei oft mals die pessimistische Einschätzung, dass traditionelle antifaschistische Ansätze nichts „bewirken“ würden: „Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass Aufk lärung und Belehrung oder dass Ausgrenzung und Bestrafung zwar vielleicht das eigene Gewissen beruhigen können. Aber bewirken tun sie nichts – jedenfalls nicht bei denen, die ausgeprägte rechtsextreme Orientierungen und eine hohe Gewaltbereitschaft entwickelt haben.“ (Krafeld 1993a, S. 92) Dass diese Personen durch herkömmliche pädagogische Angebote nicht zu erreichen sind, wird also nicht als Effekt des Grades ihrer Politisierung begriffen, sondern als besondere Herausforderung der Pädagogik verstanden, bessere Hilfskonzepte zu entwickeln. Wichtiger Ansatzpunkt dafür ist das Aufspüren einer speziellen Bedürft igkeit dieser Zielgruppe, womit diese dann mit besonderen, etwa sozialtherapeutischen Mitteln erreicht werden könnte. Eine entsprechende Wirkung auf das rechtsideologische Klientel wird im Konzept der „Akzeptierenden Sozialarbeit“ deshalb in der Bereitstellung direkter praktischer Hilfestellungen verortet: „Uns muss es darum gehen, sie dabei zu unterstützen, dass sie sich erfolgreichere, befriedigendere und gleichzeitig sozial verträglichere Selbstbehauptungs- und Überlebensstrategien entwickeln.“ (Krafeld 1993a, S. 92) Im Umkehrschluss sind damit die Diagnosen dieses Ansatzes im Hinblick auf die Ursachen Rechter Gewalt deutlich benennbar: Rechte Gewalt ist danach nicht das Ergebnis einer Positionierung von politischen Subjekten, sondern der Ausdruck einer sozial negativen Strategie von Menschen, die massive Probleme mit ihrer Lebensbewältigung haben. Damit liegt diesem Ansatz die zentrale Vorstellung zu Grunde, dass die rechtsmotivierte Gewaltanwendung ihrer Klientel nicht das eigentliche Problem darstellt, sondern als Appell für einen dringenden gesellschaft lichen Handlungsbedarf verstanden werden muss: „Um rechtsextremistische Orientierungen zu bekämpfen, bzw. ihnen vorzubeugen, ist die Verbesserung defizitärer Lebensbedingungen erforderlich.“ (Baensch 1993, S. 151) Der Blick wird da-
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bei primär auf die schlechten Bedingungen gerichtet, denen rechtspolitische Täter unterworfen sind und aus denen heraus sie als Kommentierung dieser Verhältnisse Gewalt anwenden. Die schlechten Lebensverhältnisse fungieren also damit (neben der Jugendlichkeit) als kausale Ursache für die Wahl des Mittels Gewalt: „Von daher ist es auch logisch, wenn zum Beispiel Kinder und Jugendliche, die sich selbst als ausgegrenzt erleben und der sozialen Balance beraubt sind, sich im radikalen Sinne Befreiung zu verschaffen versuchen, indem sie sich selber auf Kosten anderer Aufwertung und Bestätigung verschaffen wollen.“ (Hahn/Posselt 1993, S. 68) Nach dieser Logik müsste es in politisch und wirtschaft lich instabilen Verhältnissen anderer Länder einen erheblich größeren Anstieg rechtsradikaler Gewalt geben als in Deutschland. Das ist aber nicht der Fall. Logisch könnte diese Deutung daher nur sein, wenn die Art und Weise der Opferbildung rechtsideologischer Täter komplett ignoriert und die Gründe für gewalttätiges Handeln vom Anlass der Handlung abkoppelt werden. Eine solche Sichtweise wurde durchaus auch innerhalb des politischen und pädagogischen Mainstreams der 90er Jahre vertreten55: „Versatzstücke des Rechtsextremismus werden vielfach als Provokation verwendet – um also die Aufmerksamkeit anderer, der Öffentlichkeit, auf sich zu ziehen; weil man sich vernachlässigt, unverstanden, ausgeschlossen fühlt. In dieser Provokation steckt in vielen Fällen ein verborgener Hilferuf, sich um die jungen Leute zu kümmern.“ (Merkel 1991, Nach: Buderus 1998, S. 43 f)
Die Annahme, dass es sich bei rechtsmotivierten Jugendlichen um eine Personengruppe handelt, die aus einer gesellschaft lichen Notlage heraus agiert, ist in der theoretischen Grundlegung dieses Ansatzes durch Franz-Josef Krafeld ebenfalls der zentrale Ansatzpunkt. Für die Analyse, auf die sich dieser Befund stützt, wird 55 | Vgl. dazu besonders die Untersuchungen von Lynen von Berg aus dem Jahr 2000. Er identifizierte in seinen Untersuchungen des parlamentarischen Diskurses zwischen 1990 und 1994 eindeutig Elemente, die eine ähnliche jugendtheoretische Argumentationsstruktur aufwiesen: So sagte der Abgeordnete Klose (SPD) über die Täter: „Es sind zumeist haltlose, fehlgeleitete, wertelose junge Menschen, viel zu jung, um eine eigene fundierte Überzeugung zu haben.“ (Nach: von Berg 2000, S. 253) Entsprechende Aussagen fanden sich auch von Abgeordneten anderer Parteien: „Wobei auch hier von den Abgeordneten eine zwangsläufige ‚Anfälligkeit‘ für aggressive Konfl iktlösungen bei den [...] Jugendlichen unterstellt wird“. (von Berg 2000, S. 260) Als zentrales Fazit dieser Untersuchung kann deshalb vor allem im Hinblick auf den Fokus der Debatte auf Jugendliche gesagt werden: „Durch die Verallgemeinerung und Dethematisierung des Gewaltphänomens werden – und dies ist funktional für die Ursachenzuschreibung – auch die konkreten politischen Ursachen ausgeblendet.“ (Von Berg 2000, S. 269) Weiter heißt es dort: „Die spezifische Ausrichtung der fremdenfeindlichen Gewalt sowie deren Motivation werden unter einem allgemeinen Gewaltbegriff subsumiert. Dadurch fi ndet zugleich eine Problemverlagerung und Entpolitisierung der Auseinandersetzung über den Gegenstand statt.“ (Von Berg 2000, S. 269)
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sich dabei explizit auf die bereits behandelte Theorie von Wilhelm Heitmeyer und Ulrich Beck bezogen, aus der heraus sich insbesondere für Jugendliche „Orientierungsschwierigkeiten, Vereinzelungsgefühle und Ohnmachtsgefühle“ ergeben würden: „Mit dem Wachsen der Risikogesellschaft (Beck) erleben wir einen tief greifenden epochalen Wandel.“ (Krafeld 1995, S. 183) Damit einher gehen würde eine allgemeine Orientierungsunsicherheit bezüglich der gesellschaft lichen Zukunftsaussichten. Diese Unsicherheit würde rechtsextreme Orientierungen unmittelbar bedingen: „In so einer Situation gewinnen dann rechtsextremistische Muster ungeheuer an Attraktivität: Denn wo sozio-ökonomische Deutungsmuster die Probleme ‚nicht lösen‘ [...], da scheint der Rückgriff auf Naturkategorien, auf Volk, Rasse, Geschlecht, auf ‚naturhaftes‘ Recht des Stärkeren usw. die scheinbar einzig klaren Wege zu weisen.“ (Krafeld 1995, S. 184)
Die Frage ist aber, für wen sich dieser Rückgriff auf solche Kategorien als logisch und attraktiv darstellt? Für alle Mitglieder der Risikogesellschaft? Oder doch nur für den kleinen Teil derjenigen Menschen, denen rechtsideologische Argumente vor allem auch deshalb schlüssig erscheinen, weil sie aus Gründen der persönlichen Weltanschauung eine Affi nität zu solchen Einstellungen haben?56 Krafeld geht in seinem Konzept jedoch anscheinend davon aus, dass solche Einstellungen nur eine „Umformung“ von Problemen darstellen und nicht etwa ein eigenständiger Faktor von Subjekten ist, der auf politischen Entscheidungen fußt. Eine solche Sichtweise findet sich jedenfalls in einer programmatischen Darstellung zum Konzept der „Akzeptierenden Sozialarbeit“: „Die politischen Orientierungen und das Verhalten der Jugendlichen müssen als politische Umformungen der sozialen Alltagserfahrungen der Jugendlichen begriffen werden. Das Erscheinungsbild der Jugendlichen ist eine Kommentierung ihrer Lebenssituation. Es kommt darauf an, diesen Kommentar zu verstehen, der Ansatzpunkt hierfür sind die Alltagserfahrungen der Jugendlichen.“ (Mücke/Korn 1993, S. 79) 56 | Gerade für ethnische Kategorien gilt, dass diese in hohem Maße eine Produkt kulturell gültiger Konventionen sind, die in erster Linie etwas aussagen über die Struktur dieser Konstruktionen, nicht aber über die Realität der Kategorien in der so genannten ‚Natur‘: „Die natürliche und soziale Umwelt, wie Menschen sie wahrnehmen ist danach nicht ein mehr oder weniger präzises Abbild der ‚realen‘ Welt, sondern Produkt menschlicher Bedeutungszuweisungen und menschlichen Handelns. [...] Wenn soziale Wirklichkeit als derart konstruiert aufgefasst werden muss, dann kann ethnische Vergemeinschaftung nicht kausal aus ‚objektiven‘ Differenzen abgeleitet werden. Vielmehr müssen auch diese wahrgenommenen Differenzen als soziale Konstruktionen begriffen werden. Dies impliziert eine konstruktivistische Bestimmung von Ethnie und Ethnizität, die die Herstellung von Differenz thematisiert.“ (Lentz 1995, S. 29) Aufgabe der Wissenschaft wäre es danach nicht, diese Kategorien als ‚naturvermittelt‘ zu verstehen, sondern ihren Konstruktcharakter zu problematisieren.
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Diese Annahme ist zentral für den pädagogischen Blick auf das Klientel. Die Art der Inszenierung eines Jugendlichen ist demnach eine direkte Reaktion auf seine soziale Situation und nicht etwa der Ausdruck einer individuellen Interpretation der gesellschaft lichen Verhältnisse. Politische Orientierungen können somit als Beweis einer randständigen Existenz fungieren, die der pädagogischen Hilfestellung bedürfen. Dieser Blick führt dazu, dass die soziologische Diagnostik eine besondere Relevanz für das pädagogische Handeln erhält. Die Identifizierung von „Alltagserfahrungen“ Jugendlicher bestimmt Krafeld deshalb durch einen Rückgriff auf die Theorie von Heitmeyer, die von massiven gesellschaft lichen Tendenzen der Individualisierung ausgeht: „Und diese Individualisierung und Vereinzelung trifft die junge Generation besonders massiv, indem sie erleben, dass es die von der Erwachsenengesellschaft immer wieder propagierten, beschworenen und allen Handlungsmaximen zugrunde liegenden ‚Fahrpläne durchs Leben‘ oder die ‚Landkarten‘, um sich im Leben (Fuchs) zurechtzufi nden, so längst nicht mehr gibt [...]“ (Krafeld 1995, S. 185)
Nach dieser Logik fühlt sich ein Subjekt namens junge Generation von der Gesellschaft betrogen, weil die von ihr bereitgestellten Angebote nicht der Wahrheit entsprechen. Ob diese Angebote aber wirklich von allen Mitgliedern einer Generation als gut und erstrebenswert angesehen werden, ist unter Umständen überhaupt nicht zu ermitteln. Die Formulierung einer einheitlichen Krisenreaktion innerhalb der Lebensphase „Jugend“ könnte deshalb eine analytische Unterkomplexität darstellen: „Wenn wir Jugendliche als die Jugend von heute beschreiben und nachvollziehen wollen, wie so eine Entwicklung verläuft, neigen wir dazu, einen universellen Jugendlichen vor Augen zu haben, der einen universellen Entwicklungsweg geht. Der Gedanke, dass es die Jugend von heute gibt, ist jedoch absurd. Die Jugend von heute besteht aus höchst unterschiedlichen Individuen, die ganz unterschiedliche Entwicklungswege einschlagen.“ (Mienert 2008, S. 56)
Anders gesagt: Es ist durchaus für viele junge Menschen ein Leben ohne „Landkarten“ und „Fahrpläne“ vorstellbar, ohne dass sie deshalb in eine Krise geraten. Das ließe sich durch einen Blick auf die vielfältigen Formen alternativer Subkultur verschiedener sozialer Bewegungen in Deutschland zeigen, in denen sich auch zahlreiche junge Menschen engagieren. Die Unterstellung einer homogenen Gestalt namens „junge Generation“ diskutiert Ulrike Jureit deshalb grundsätzlich als Reduzierung: „Diese Beschränkung bedeutet nicht nur, spätere Gemeinschaft sbildungen aus dem Blick zu verlieren, sie bedeutet auch, Homogenität als Strukturmodell zu unterstellen. Die Gemeinsamkeit beruht im Falle der Generation auf der Annahme konformer Einstellungen, und dies durch die schlichte Tatsache, dass eine bestimmte Al-
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terskohorte im gleichen Zeitraum geboren und sozialisiert wurde. Andere Faktoren, die ebenso zahlreich wie uneinheitlich auf Jahrgangsangehörige einwirken, bleiben unberücksichtigt.“ (Jureit 2006, S. 47)57
Der Terminus „Junge Generation“ suggeriert also eine homogene Gestalt, die es im realen Leben nicht gibt, schon gar nicht, wenn man diese Konstruktion mit vermeintlichen emotionalen Diagnosen verknüpft . Allerdings hat eine solche Konstruktion den praktischen Sinn, den Blick auf Jugendliche als Opfer einzurichten, so wie es in der Theorie von Heitmeyer analytisch vorbereitet wurde. Nicht ohne Grund bezieht sich Krafeld deshalb positiv auf diese Grundlegung. Die angeführten gesellschaft lichen Entwicklungen würden bei Jugendlichen zu „Ohnmachtserfahrungen“ führen, welche diese mit ihren Aktionen zu durchbrechen versuchen: „Extreme Auffassungen, Provokation und Gewalt sind denn auch ein ganz wesentliches Mittel, auch dort wahrgenommen zu werden, auch dort ernst genommen zu werden, wo sie es eigentlich nach all ihren Erfahrungen nicht (oder: nicht mehr) erwarten.“ (Krafeld 1995, S. 186) Dieser pädagogische Blick vor allem auf den Faktor Gewalt als Ausdruck von gesellschaft lichen Problemen lässt die Frage zu: Wie ernst nimmt denn die „Akzeptierende Sozialarbeit“ ihr Klientel eigentlich, wenn sie dieses im Grunde ausschließlich als Seismograph von gesellschaft lichen Spannungen klassifiziert? Diese Frage soll im Folgenden diskutiert werden. Das a priori des Handlungsansatzes der „Akzeptierenden Sozialarbeit mit rechten Jugendlichen“ lautet, dass im Fokus der sozialpädagogischen Aufmerksamkeit „[...] nicht die Probleme sind, die (rechtsextreme) Jugendliche machen, sondern jene, die sie offensichtlich haben.“ (Vgl. Buderus 1998, S. 115. Herv. S. D.) Dem entsprechend formuliert auch Krafeld zum hauptsächlichen Interesse seiner Pädagogik: „Die Arbeit bekommt nicht erst einen Sinn dadurch, dass ich die Jugendlichen woanders hinhole, sondern sie hat schon dadurch ihren Sinn, dass ich mich auf Menschen einlasse, die immens große Probleme damit haben, gelingende und befriedigende Wege der Lebensbewältigung zu entfalten.“ (Krafeld 1992, S. 71) In dieser Wahrnehmung offenbart sich die bereits bei Heitmeyer kritisierte Tendenz, den Jugendlichen als Opfer negativer Umweltbedingungen zu verstehen. Mit dieser Interpretationsfolie wird die Zielgruppe diskursiv konstruiert und die damit einhergehenden theoretischen Hintergrundannahmen des Opferkonzepts prägen als Folge den Blick auf das Geschehen. Die Jugendlichen sind eine Gruppe, die Hilfe braucht: „Von dieser Prämisse gehen die Projekte in rechten Szenen aus. Denn sie haben längst erkannt, dass die Ursachen des auff älligen Verhaltens von Jugendlichen nicht primär individuell verankert sind oder ausschließlich in bestimmten psychischen Dispositionen der einzelnen Personen wurzeln.“ (Krafeld 1993, S. 46/47) Diese Erkenntnis betrifft zentral den Mechanismus, das sinnlich Wahrnehmbare („Auff älliges Verhalten“) als verschlüsseltes Zeichen zu lesen, eine Art der pädagogischen Interpretation, die das Handeln von Personen als Chiff re 57 | Zur Konstruktion von Generationen siehe auch die umfangreichen Arbeiten von Abels 1993 und Stiksrud 1996.
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ansieht, deren erfolgreiche Deutung durch den Pädagogen es erst gestattet, hinter die als vordergründig deklarierten Absichten blicken zu können. Das Handeln wird als „Verhalten“ deklariert und dadurch analytisch von dem Begriff der „Person“, der inhaltlich durchaus als verantwortliche Instanz zur Entscheidung über Handlungsoptionen fungieren könnte, abgetrennt. Somit könnte, was sich in pädagogischer Absicht als Aufk lärung deklariert, als Prämisse ein halbiertes Verständnis von Person zur Grundlage haben, welches einen Menschen nicht in vollem Umfang als aktiv realitätsverarbeitendes Subjekt begreift, sondern die Umweltbedingungen zum hauptsächlichen Faktor personaler Aktivität deklariert, um im Rückschluss daraus dann das Handeln von Personen ausschließlich als Reaktion auf diese Bedingungen zu deuten. Es ist für die pädagogische Praxis daher grundsätzlich von entscheidender Bedeutung, welche Vorstellung der Forscher vom Subjekt besitzt und anwendet: Der Soziologe Ulrich Oevermann unterscheidet beispielsweise die Begriffe „Handeln“ und „Verhalten“ als grundsätzliche qualitative Differenz innerhalb einer analytischen Beobachtung von sozialen Phänomenen, die sich jeweils auf unterschiedliche Subjektkonstitutionen beziehen lassen. Worin besteht diese Differenz genau? Wird das Verhalten im allgemeinen Verständnis vor allem durch situative Bedingungen und affektive Instanzen gesteuert, so liegt einer „Handlung“ immer ein normatives Konzept zugrunde, welches in einen subjektiven Sinnzusammenhang eingebettet ist: „Handeln muss, ebenso wie es normativ konstituiert ist, als sinnkonstituiert gelten. Handeln ohne Sinnstrukturiertheit wäre [...] bloßes Verhalten.“58 (Oevermann 2003, S. 186) Es zeigt sich, dass mit dieser Unterscheidung ein wesentliches Kriterium formuliert ist, auf welches verschiedene Ansätze zur Charakterisierung von Rechter Gewalt befragbar zu sein scheinen: Wird diese Gewalt nämlich grundsätzlich als „Verhalten“ interpretiert, so richtet sich die Suche nach Erklärungen fast automatisch auf Variablen wie Grundbedingungen und Auslösereize. Das Subjekt des Täters agiert dabei reaktiv. Legt man statt dessen eine eher handlungstheoretische Perspektive zu Grunde, so spielen Faktoren wie Motivation und Intention eine wichtige Rolle. Hier ist das Subjekt des Täters eine aktive und selbst bestimmte Instanz: „Handeln ist allgemein ein bewusstes und willentliches menschliches Tun, das auf die Gestaltung der Wirklichkeit gerichtet ist; der Handelnde verfolgt dabei bestimmte Ziele und hat dafür bestimmte Motive.“ (Giesecke 1992, S. 18) Eine politische Orientierung wäre danach ein aktiver Prozess der Welterschließung und keine Umformung. Indem aber das Subjekt im Handlungsansatz der „Akzeptierenden Sozialarbeit“ als Instanz der Metamorphose gesellschaft licher Bedingungen gilt, wird die Ori58 | Für den Bereich der Untersuchung menschlicher Handlungen plädiert Oevermann ausdrücklich für die Integration normativer Unterscheidungskriterien in die analytische Arbeit: „Deshalb sind in den Erfahrungswissenschaften, die es mit dem Gegenstand Handeln, bzw. Praxis zu tun haben, analytische und synthetische Urteile ohne die Inklusion normativer Sätze – zumindest auf der deskriptiven Ebene – gar nicht möglich, und eine Methodologie, die solche Sätze aus den Wissenschaften verbieten würde, verdammte diese dazu, ihren Gegenstand zu verfehlen.“ (Oevermann 2003, S. 183)
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entierung auf politische Inhalte im Grunde nicht ernst genommen, weil sie nicht als aktiv erarbeiteter Bestandteil einer selbstbewussten Persönlichkeit, sondern als negativer Effekt einer Reaktion interpretiert wird, bei dem ein Opfersubjekt diesen Effekt im Rahmen einer Behauptungsstrategie produziert. Eine „Handlung“ wird in diesem Kontext damit nicht als persönlich-motivgesteuerter, sondern als unbewusst-affektiver Akt begriffen. Doch funktioniert der pädagogische Zugang der „Akzeptierenden Sozialarbeit“ paradoxerweise ganz besonders über die Anrufung der „Person“, deren grundsätzliche Anerkennung deshalb auch dem gesamten Konzept seinen Namen gibt. So heißt es bei Kurt Faller explizit: „Dabei bezieht sich das ‚Akzeptieren‘ nicht auf irgendwelche politischen Äußerungen, sondern auf die Person. Nicht die Sprüche, sondern der Mensch dahinter muss ernst genommen werden.“ (Faller 1995, S. 327) Allerdings geschieht dieses „Ernstnehmen der Person“ nur in einer reduzierten Form, wo persönliche ideologische Orientierungen als „Sprüche“ abqualifiziert und damit aus dem Begriff der „Person“ ausgegrenzt werden können. Das hat vielleicht auch historische Gründe. Zu Beginn der akzeptierenden Arbeit mit Drogenbenutzerinnen beispielsweise bestand die Strategie der Akzeptanz darin, den gesellschaft lich kriminalisierten Gebrauch der Droge nicht zum Anlass zu nehmen, diesen durch den Sozialarbeiter quasi zu verdoppeln und die Ausgrenzung dadurch festzuschreiben, sondern zu akzeptieren, dass die Droge zum Alltag dieser Menschen gehört.59 Dieses Vorgehen könnte nun in der Neuauflage dieses Ansatzes auf das Klientel der rechtsorientierten Jugendlichen übertragen werden, ohne zu realisieren, dass die Ausgrenzung dieser Jugendlichen gesellschaft lich anders gelagert sein könnte und auch dass die Funktion der Gewalt eine speziellere ist als es bei anderen Formen abweichenden Verhaltens der Fall ist. Man könnte dazu sagen: Durch den Einsatz von Gewalt definiert eine Person sich in extremer und destruktiver Form in ihrem Verhältnis zu einer anderen Person. Im Falle Rechter Gewalt könnte sich dieses Verhältnis nun bedingt und vermittelt durch eine Ideologie zeigen: „Ihr Wesen ist ideologisch als Einheit von Einstellung-Motiv-Tat und Opfer bestimmt und nicht zu verwechseln mit anderen Arten von Gewalt.“ (Wagner 2008, S. 15) Die spezifischen Gründe, weshalb jemand sich zu dieser sehr speziellen Handlungsform entscheidet, ausgerechnet unter Anrufung der „Person“ aus dem pädagogischen Handlungsbereich eliminieren zu wollen, würde bedeuten, den Zusammenhang von rechtsmotivierter Tat und rechtspolitischer Ideologie nicht zur Kenntnis zu nehmen. Der Begriff der „Person“ würde vor allem durch das Ignorieren der Gewalt-Begründungen (z.B. durch die Herabsetzung politischer Äußerungen als „Sprüche“) um die Dimension der sozialen Defi nition gekürzt werden, mit welcher ein Individuum seine Umgebung analysiert. Man könnte deshalb sagen: Das Subjekt wird pädagogisch halbiert.60 Welche Auswirkungen hat diese Halbierung in der Praxis? 59 | Vgl. dazu: Fischer 2006, S. 160 – 162 60 | Der Begriff der „Halbierung“ ist übernommen von einer Kritik an Wilhelm
Heitmeyer durch Hans-Dieter König, der diesem anhand einer Fallrekonstruktion vorwirft, dass er „[...] diesen Jugendlichen einer halbierten Sozialisationstheorie entspre-
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Die Konsequenz aus einer derart reduzierten „Akzeptanz der Person“ im Kontext der Sozialarbeit zeigt sich für Krafeld zunächst einmal ganz praktisch als „Beziehungsarbeit“. Dabei geht es um den Aufbau einer tragfähigen Kooperation zwischen den Beteiligten, die von Achtsamkeit und Vertrauen geprägt ist: „Das Zuhören und die Bereitschaft zur Akzeptanz des Andersdenkens der Jugendlichen sind vielmehr wesentliche Ansatzpunkte für den Aufbau einer Beziehungsarbeit, die Auseinandersetzung über Einstellungen und Meinungen erst ermöglicht.“ (Krafeld 1992, S. 87) Dabei gilt die Prämisse „Nicht auf inhaltliche Auseinandersetzung, sondern auf personales Interesse aneinander kommt es primär an [...]“ (Krafeld 1992, S. 87) Mit dieser Ausgangsbestimmung ist jedoch eine pädagogische Implikation verbunden, die ein Dilemma offenbart: Ich kann im Grunde keine vernünft ige Beziehung aufbauen zu jemandem, den ich ablehne. Das ist für jede therapeutische oder pädagogische Praxis undenkbar. Deshalb ist die Fähigkeit zur Empathie auch in der Beschreibung der Ausgangssituation enthalten, wie sie Krafeld beschreibt: „Zum ersten sieht sich Beziehungsarbeit in besonderer Weise herausgefordert. Wenigstens im Verhältnis von JugendarbeiterIn und KlientIn soll gelten: Wir nehmen uns gegenseitig ernst. „Du bist wichtig für mich. Ich bezeuge dir Respekt.“ Das muss erstmal rüberkommen.“ (Krafeld 1993, S. 75) Das klingt stark nach dem therapeutischen Setting: „Ich bin o.k. – du bist o.k.“ und verweist damit gleichzeitig auf das, was eine erfolgreiche Therapie ausmacht: In der Regel ist nämlich die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehung von Klient und Therapeut ausschlaggebend für ein Gelingen solch eines Prozesses. Damit die gesellschaft lich und moralisch negativ konnotierte Einstellung namens Rechtsextremismus hierbei nicht zum Ausschlussfaktor gerät, ist das Ausblenden solcher Einstellungen aus dem Begriff der Person eine fast notwendige Voraussetzung. Hierbei hilft der zuvor beschriebene Mechanismus, diese politische Orientierung als Umformung zu begreifen, d.h. als Symptom von Problemen zu deuten, die man durch den Aufbau einer authentischen Beziehung zu behandeln hofft. Daraus ergibt sich auch, dass der „[...] akzeptierende Ansatz nicht primär auf die politische Gesinnung ausgerichtet ist. Im Vordergrund stehen soziale Auff älligkeiten, die fatalerweise politisch rechts motiviert sind.“ (Simon 1998, S. 5) Eine pädagogische Wirkungsabsicht richtet sich aus diesem Grund ausschließlich auf die zwischenmenschliche Mikro-Ebene im Rahmen des persönlichen Kontakts von Klient und Mitarbeiter. Dem entsprechend gibt eine Sozialarbeiterin zu Protokoll: chend entsubjektiviert.“ (König 1998, S. 310). Allerdings legt dabei König selber einen Subjektbegriff zu Grunde, der Jugendliche als komplett unterworfen unter Identitätsprobleme in der Jugendzeit konstruiert und behauptet, dass sich diese vor allem aufgrund gesellschaft licher Problemlagen rechtsextrem verhalten würden: „Wo sich hinter dem Rücken eines geschwächten Ichs unterdrückte Impulse der Wut und des Hasses in die Symptombildung umsetzen, dass für das Leiden unter den sozialen Zumutungen die Ausländer verantwortlich sind, da wird deutlich, dass die rechtsextreme Orientierung eine destruktive Verarbeitung der Erfahrung von Arbeitslosigkeit darstellt.“ (König 1998, S. 313) Damit ist der Subjektbegriff von König im Grunde noch halbierter als der von ihm kritisierte bei Heitmeyer.
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„Ich kann nicht sagen, ob wir die Jugendlichen damit von ihrer Motivation oder ihrer ideologischen Anschauung her verändern. Das ist mir erstmal relativ egal. Ich möchte, dass sie erfahren, dass sie Jugendliche sind wie jeder andere, dass sie genauso Hilfe bekommen wie linke Jugendliche, dass sie nicht ständig ausgegrenzt werden, dass wir auch ihnen zutrauen, dass sie für irgendetwas die Verantwortung übernehmen.“ (Günther 1993, S. 291)61
Die Perspektive der Sozialarbeit beschränkt sich also im praktischen Handeln auf die Dimension einer konkreten persönlichen Unterstützung unter Subtraktion einer Wirkung bezüglich der ideologischen Orientierungen dieser Personen. („Das ist mir egal“) Die dabei erfolgte Anrufung der Person erscheint hierbei aber nur durch ihre Realisation als Halbierung einer politischen Subjektivität möglich zu sein, weil die theoretische Grundlegung des Konzeptes den vollständigen Bezug auf eine Person als Ganzheit, d.h. mitsamt ihren politischen Anteilen ausdrücklich verneint und diese als bloßen Hinweis auf das Vorliegen von dahinter stehenden Problemen sekundarisiert. Eine eigenartige Spaltung deutet sich damit an: Einerseits geraten die Jugendlichen gerade wegen ihrer Nähe zu Rechter Gewalt ins Blickfeld pädagogischer Arbeit, andererseits soll dieser Teil von ihnen aber im Ansatz dieser Arbeit erklärter Maßen keine Rolle spielen. Oder bezieht sich diese Arbeit doch insgeheim strategisch auf die Gesinnung ihrer Klientel, nur eben sekundär im Sinne von verdeckt? So sagt Franz Josef Krafeld in einem Interview: „Die Zielsetzung unserer Arbeit ist zunächst einmal, Auffassungen und Verfahrensweisen zu entwickeln, die sozial verträglich sind [...]“ (vgl. Krafeld 1998, S. 15. Herv. S. D.), jedoch um dadurch quasi den Boden zu bereiten für die Ideale der Aufk lärung: „Das Ziel ist, Jugendliche dazu zu bringen, dass sie in ihrem Verhalten und ihrem Denken akzeptieren, dass andere Menschen die gleichen Rechte und Ansprüche haben wie sie. Letztlich sind das die Grundwerte der bürgerlichen Gesellschaft [...].“ (Krafeld 1998, S. 15) Danach wäre sehr wohl die Änderung der Gesinnung ein Bildungsziel dieser Arbeit, vielleicht jedoch der Möglichkeit beraubt, es je erreichen zu können. Denn um es explizit formulieren und durchführen zu können, müsste zumindest die zuvor unternommene Spaltung der Jugendlichen in ihre soziale Auff älligkeit einerseits und deren politische Dimension andererseits rückgängig gemacht werden. Dann aber bräuchte es unter Umständen neben dem pädagogischen Begründungsdiskurs auch einen explizit politischen Diskurs, unter Einbeziehung der Problematik, wie sie bei Hannah Arendt zu Grunde gelegt wird: „In der Politik kann Erziehung keine Rolle spielen, weil wir es im Politischen immer mit bereits Erzogenen zu tun haben.“ (Arendt 1958b, S. 7) Daraus ließe sich im Sinne der akzeptierenden Sozialarbeit jedoch nicht ableiten, dass in der Erziehung Politik keine Rolle spielen dürfe, sondern im Gegenteil: Sie tut es in dem Maße, wie der politische Grad der Erzogenheit diese Jugendlichen als Objekte 61 | Eigentümlicher Weise wird die Kategorie der „Verantwortung“ hier ausschließlich auf die Dimension einer Übernahme derselben im pädagogischen Einflussbereich geltend gemacht und eingefordert, nicht aber auf den Aspekt bezogen, dass auch außerhalb dieses Rahmens besonders von den aktiven Tätern unter den Jugendlichen die Übernahme von Verantwortung, z.B. für die von ihnen begangenen Taten, erwartet werden könnte.
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von Erziehung entzieht. Dieser Aspekt soll anhand der von Krafeld als wesentlich erachteten Handlungsmaximen diskutiert werden. Diese Diskussion kann anhand der Bedingungen geführt werden, die für Krafeld eine grundsätzliche pädagogische Orientierung darstellen. Als erstes wird innerhalb des Konzeptes die „Sozialisations- und Alltagshilfe“ für wichtig erachtet. Dabei geht es darum, die Kinder und Jugendlichen im Verlauf ihrer Sozialisation zu unterstützen. Eine Stabilisierung von Alltagsbewältigung ist dabei vordringliche Aufgabe (Krafeld 1993, S. 37). Hierbei wird zur Begründung in direkter Weise auf das Konzept des „Jugendlichen als Opfer“ Bezug genommen, welches Unterstützung bei der Bewältigung seiner prekären Lebensverhältnisse benötigt: „Das Problem, das diese Jugendlichen haben, ist nicht ihre Auff älligkeit oder das, was sie an politischen Vorstellungen ‚im Kopf‘ hegen, es besteht vielmehr in dramatischen Labilisierungen ihrer materiellen Existenzbedingungen.“ (Krafeld 1993, S. 37) Solche Probleme betreffen nun sicherlich eine ganze Reihe von (nicht nur) jungen Menschen, ohne dass diese deshalb rechtsextrem auff ällig werden. Die von Krafeld gemeinten Jugendlichen befi nden sich aber nicht zufällig in seinem Aktionsradius, sondern eben aus dem speziellen Grund, weil es rechtsgerichtete Jugendliche sind, ein Merkmal, dass sie primär von anderen jungen Menschen in schlechten Lebenslagen unterscheidet. So ergab eine Befragung von 101 rechtsextremen Tätern, die mit Aussagen Jugendlicher anderer Studien verglichen wurden: „Tatsächlich stimmten die von uns interviewten fremdenfeindlichen Gewalttäter ausländerfeindlichen, antisemitischen, nationalistischen und rechtsextremistischen Aussagen eher zu als die Jugendlichen aus den verschiedenen Durschnittsproben.“ (Frindte/Neumann 2003, S. 55)62 Dies wäre ein eindeutiger Hinweis darauf, dass es eben nicht die soziale Lage ist, die einen zum Rechtsextremen werden lässt, sondern die Art und Weise der Interpretation dieser Lage. Diese Einsicht bleibt Krafeld durch seinen Fokus auf das Opferkonzept des Jugendlichen im Grundsatz verstellt. An zweiter Stelle der Handlungsempfehlungen fi ndet sich im Konzept von Krafeld die „Selbstorganisation und -verwaltung.“ Damit ist gemeint, dass durch den Sozialarbeiter die Verfügung über materielle Ressourcen, wie Räume, durch das Einhalten verbindlicher Abmachungen ermöglicht wird: „Die Chance zur freien Verfügung über Räume erweist sich dabei im wörtlichen Sinn als die ‚Schlüssel‘frage.“ (Krafeld 1993, S. 38) Selbstkritisch wird in diesem Zusammenhang auf die Gefahr hingewiesen, die mit dieser Ermöglichung von räumlichen Ressourcen einhergeht: „In der Unterstützung von Selbstverwaltung liegt aber auch das Risiko einer Förderung von rechtsextremen Organisationen.“ Diese Einschätzung kann durch eine Ausweitung des Risikobereiches ergänzt werden: Diese Gefahr könnte 62 | Trotz dieses eindeutigen Befundes einer ideologischen Orientierung gehen die Autoren nicht davon aus, dass die Einstellung ein wesentlicher Faktor zur Erklärung Rechter Gewalt sei. Sie begründen das mit dem biographischen Vorliegen früher familiärer Gewalterfahrungen, was zu ihrer These, rechtsmotivierte Täter seien vorher selber Opfer gewesen, besser passt. Dass auch andere Jugendliche, etwa Migrantenkinder, frühe Gewalterfahrungen gemacht haben, ohne deshalb später rechtsradikal zu werden, wird dabei nicht in Rechnung gestellt.
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sich wie ein roter Faden durch das gesamte Konzept ziehen, zumindest dann, wenn eine rechtsextreme Orientierung als Teil einer inneren Organisation von Persönlichkeit gelten kann und wo die Anwendung von Gewalt eben nicht mehr an die Mitgliedschaft in einer institutionellen Vereinigung gekoppelt ist, sondern über lose Gruppen oder freie Kameradschaften verläuft. Gerade Rechte Gewalt wird oft mals aus solchen Gruppen heraus begangen. Statt aber das Klientel in einem solchen Kontext zu sehen, wird der Ressourcenbegriff im dritten Aspekt des Handlungsansatzes der „Akzeptierenden Sozialarbeit“ um eine zeitliche, eine materielle und eine soziale Ressource erweitert unter der Überschrift „Erschließung von Ressourcen“. (Krafeld 1993, S. 39) Wieder dominieren hier als Begründungen Schilderungen über die defizitären Lebensrealitäten der Jugendlichen, aus denen heraus dann als Aufgabe der Pädagogik gefolgert wird: „Zwischenmenschliche Verhältnisse erfahrbar zu machen, die zu pflegen sich lohnt, ist gerade in der Arbeit mit rechten und rechtsextrem orientierten Jugendlichen angezeigt, weil es bekanntlich in erheblichem Ausmaß Gemeinschaft ssuggestionen und Kameradschaftsofferten sind, mit denen sie durch rechte Organisationen angelockt werden.“ (Krafeld 1993, S. 41)
In dieser Einschätzung erscheinen die Jugendlichen als verführbare Existenzen, die allein aufgrund ihrer schlechten sozialen Lage oder vielleicht auch aufgrund ihrer Jugendlichkeit, die hier unter Umständen zusätzlich mit der Figur des unschuldigen Kindes konnotiert ist, verlockbar durch die Rattenfänger rechtsideologischer Suggestionen, deren Opfer sie werden, wenn die Jugendarbeit hier nicht gegensteuert. Die politische Orientierung Jugendlicher ist hier kein Hinweis auf Erzogenes im Sinne Hannah Arendts, sondern im Gegenteil verweist diese Orientierung auf die Notwendigkeit von Erziehung. Allerdings wird Erziehung dabei nicht primär auf diese Orientierung gerichtet, sondern auf die Defi zite, als deren Symptom sie sich generiert. Dies wird im nächsten Bereich der Handlungsempfehlungen, der „Beziehungsarbeit“, besonders deutlich. Dafür sei es nach Krafeld unerlässlich, „Interesse am Klienten als Person zu zeigen“ durch einfaches Zuhören und Da-Sein: „Dahinter steht die Einsicht, dass zunächst einmal die bloße partielle Teilhabe an der Lebenswelt der Jugendlichen Verstehens- und Verständigungszusammenhänge schafft.“ (Krafeld 1993, S. 41) An anderer Stelle betont Krafeld, dass es ihm dabei um ein Verhältnis geht, welches auf einer Form von gegenseitigem Respekt fußt: „Nicht um sachbezogenes Überzeugen, sondern um personenbezogenen Austausch geht es hier also vorrangig.“ (Krafeld 1995, S. 192) Wie ein Austausch zwischen Personen ohne die Einbeziehung einer Sachdimension funktioniert, d.h. ohne dass dabei wesentliche Elemente dessen, was eine Person unter Umständen ausmacht, ignoriert werden, wird nicht deutlich. Akzeptiert wird dabei also offensichtlich nur ein abstrakter Begriff der Person ohne die reale Dimension der weltanschaulichen Positionierung. Von einer solchen halbierten Akzeptanz der an diesem Austausch beteiligten Personen ist es dann nur ein kleiner Schritt zur letzten Handlungsempfehlung im Ansatz von Krafeld, der „Politischen Einmischung“ (vgl. Krafeld 1993, S. 46), denn hier be-
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tont Krafeld einleitend nochmals, dass dieser Einmischung die Prämisse zu Grunde läge, „[...] dass die Ursachen des auff älligen Verhaltens von Jugendlichen nicht primär individuell verankert sind oder ausschließlich in bestimmten psychischen Dispositionen der einzelnen Personen wurzeln.“ (Krafeld 1993, S. 46/47) In dieser Formulierung wird die bereits herausgearbeitete Halbierung des Subjekts erneut explizit ausgesprochen. Der individuelle Aspekt der „Beziehungsarbeit“ wird hierbei zudem eigentümlich aufgelöst, indem sich der einzelne Jugendliche in einer gruppenhaften Gesamtkonstruktion auflöst, als deren Fürsprecher sich der Sozialarbeiter begreift. Ausgehend davon wird dafür plädiert, dass die Sozialarbeit gegenüber dem Gemeinwesen vor allem die schlechten Lebensbedingungen zu thematisieren habe, in denen diese Jugendliche leben und eben nicht ihre rechtspolitische Gesinnung. Der Ansatz der „Akzeptierenden Sozialarbeit“ lässt sich vor dem Hintergrund der bisher erörterten Probleme im Diskurs über Rechte Gewalt wie folgt bewerten: Dieser pädagogische Ansatz erscheint vor allem wegen seines Bezugs auf das Objekt seiner Bemühungen zu kurz zu greifen. Rechtsorientierte Jugendliche werden dabei hauptsächlich als Opfer schlechter Lebensverhältnisse angesehen, sie leiden unter ungünstigen Umweltbedingungen, die auch als Begründung für die Anwendung Rechter Gewalt fungieren. Diese Sicht lässt sich direkt zurückführen auf die Desintegrationstheorie von Wilhelm Heitmeyer, die annimmt, dass rechtsextreme Einstellungen vorwiegend durch frustrierende Erfahrungen im Alltagsleben bedingt werden (vgl. Kap 2.2). Der Sozialarbeit geht es in Bezug darauf in einer Art Umkehrschluss darum, Räume zu bieten, in denen befriedigende Erfahrungen gewissermaßen nachgeholt werden können, um verloren geglaubte Grundeigenschaften wie soziales Denken, Sensibilität und moralisches Bewusstsein wieder herzustellen. Somit verortet sich die Arbeit in fast therapeutischer Weise in einer Art von prä-gesellschaft lichem Schutzraum. Wirkungen und Tendenzen dieser Arbeit außerhalb dieses Raumes, etwa ihre Funktion als trouble-shooter, als Alibiprojekte oder eine eventuell die rechtsextreme Szene stärkende Funktion können durch diesen Ansatz deshalb nicht in den Blick bekommen werden. Entsprechend lautet das Fazit einer Evaluation von Projekten mit akzeptierendem Ansatz: „Verschiedentlich gelingt es Pädagoginnen und Pädagogen nicht, diese Jugendlichen zu einer Herauslösung aus dieser Szene anzuregen oder kurzfristige Erfolge werden durch spätere Eintritte in andere Organisationen oder erneute politische Auff älligkeiten relativiert: Die Rückfallquote rechtsextrem organisierter Jugendlicher kann nicht genau beziffert werden, ein Pädagoge schätzt sie auf 50 Prozent.“ (Pingel/Rieker 2002, S. 105)
Auch Krafeld selber gesteht ein: „Angetreten mit dem Ziel einer Veränderung der Jugendlichen, betonen heute immer mehr ProjektkollegInnen, dass sie nicht davon ausgehen, minderheitenfeindliche Orientierungen bei den Jugendlichen tatsächlich auflösen zu können.“ (Krafeld 1992, S. 85) Nach Meinung von Krafeld liegt das aber nicht etwa am Grad der Festigkeit der jeweiligen politische Einstellungen von rechtsmotivierten Jugendlichen, sondern an der mangelnden Veränderungsbereitschaft seitens der Umgebung: „Denn mit pädagogischen Maßnahmen Lebenserfah-
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rungen zu bearbeiten innerhalb von Lebensverhältnissen, die von ganz anderer Seite definiert werden, kann immer (nur) begleitende Funktion haben.“ (Krafeld 1992, S. 85) Die schlechten Lebensbedingungen fungieren also nicht nur als Ursache für die rechtspolitische Orientierung der Jugendlichen, sondern sind zusätzlich auch noch ein Argument, für die Unmöglichkeit einer Änderung dieser Einstellungen durch die Pädagogik verantwortlich zu sein. Nach Krafeld bemisst sich der Erfolg pädagogischer Arbeit deshalb auch nicht etwa an der Behebung eines sozialen Problems, sondern daran, ob sich die Pädagogik jugendpolitisch und auf kommunaler Ebene in die Verbesserung der Lebensverhältnisse einmischt oder nicht: „Und an diesem Maßstab ist letztlich auch die jeweilige Effektivität pädagogischer Arbeit zu messen, nicht daran, ob eine Problemlage aus der Welt geschafft wurde.“ (Krafeld 1995a, S. 213) Ein Erfolg dieser Arbeit wird also nicht auf der Ebene von pädagogischen Arbeitsbeziehungen einer möglichen Prüfung unterzogen, sondern von dieser Ebene weg auf die vermeintliche Ursache gelenkt, die den Einsatz dieser Art von Pädagogik nach Ansicht von Krafeld überhaupt erst notwendig gemacht haben: Denn da der rechtsideologische Extremismus im Konzept der „Akzeptierenden Sozialarbeit“ nur als direkte Reaktion auf strukturelle Defizite der Gesellschaft erscheint, ist der Pädagogik ein möglicher Erfolg schon allein dadurch verwehrt, dass den Möglichkeiten zur Beeinflussung dieser Defizite innerhalb eines komplexen gesellschaft lichen Strukturzusammenhangs enge Grenzen gesetzt sein dürften. Mit der Argumentation von Krafeld ließe sich demnach innerhalb der aktuellen gesellschaft lichen Realität jede mögliche Form des pädagogischen Scheiterns an die Adresse der schlechten Lebensverhältnisse zurück verweisen. Schuld haben damit immer nur die anderen oder aber das System als Ganzes. Wenn eine gelingende Präventionsarbeit aber seitens der Pädagogik von der Bereitstellung von strukturellen Ressourcen wie Arbeits- und Ausbildungsplätzen, Freizeitangeboten oder verbesserter gesellschaft licher Teilhabe abhängig gemacht wird, dann ist der damit verbundene Anspruch derart umfassend, dass gefragt werden muss, ob wirklich erst die Risiken der kapitalistischen Leistungsgesellschaft abgeschafft werden müssen, um erfolgreich gegen den gewalttätigen Rechtsextremismus wirken zu können. Unabhängig vom Fokus auf einige ausgewählte Probleme im Ansatz der „Akzeptierenden Sozialarbeit“ muss für den Zusammenhang von Arbeitsauft rag und Erfolgsmessung jedoch insgesamt betont werden:63 Die Frage nach der Wirksamkeit sozialer Konzepte betrifft alle Projekte im Bereich der Prävention von Rechtsextremismus gleichermaßen, zudem gesagt werden kann „[...] dass Wirkungsforschung zum Thema Rechtsextremismusprävention ein Forschungsfeld ist, das praktisch noch ganz am Anfang steht.“ (Schuster 2007, S. 178) Trotz einer Reihe von Handlungsempfehlungen und Praxiserfahrungen ist nicht geklärt, welches 63 | Vgl. dazu: „Der vergleichende Blick belegt, dass die Fachdiskussion weit davon entfernt ist, ein empirisch belastbares Wissen darüber zu besitzen, welche Struktur- und Prozessmerkmale auch nur mittelfristig Erfolg versprechend sein dürften.“ (Lüders/ Haubrich 2007, S. 142)
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sozialpädagogische Konzept dazu geeignet ist, Rechte Gewalt zu verhindern oder zu reduzieren, denn sonst wären die entsprechenden Fallzahlen sicher abnehmend. Bereits Jahre zuvor wurde dieses Manko im Rahmen einer Fachtagung eindeutig festgestellt: „Die Frage, welche Ansätze im Hinblick auf welche Formen des Rechtsextremismus und der Fremdenfeindlichkeit mittelfristig wirksam sein können und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen, bleibt in weiten Teilen unbeantwortet.“ (Lüders/Holthusen 2000, S. 107) Auf der Suche nach geeigneten Ansatzpunkten für eine effektive Praxis gegen Rechte Gewalt scheint es deshalb besonders sinnvoll zu sein, exemplarisch auf etwaige konzeptionelle Mängel aufmerksam zu machen, um nicht von falschen Voraussetzungen auszugehen, die in neuen Praxisansätzen dann zwangsläufig wieder zu Frustrationen führen. Dazu heißt es bei Michaela Glaser: „Über die Bestimmung solcher ‚Stolpersteine‘ konnten dann wiederum – sozusagen im Umkehrschritt – Kriterien gelingender Praxis definiert werden.“ (Glaser 2007, S. 81) Als ein zentraler „Stolperstein“ kann im Ansatz der Akzeptierenden Sozialarbeit der ausschließliche Bezug auf das jugendtheoretische Opferkonzept angesehen werden, weil hiermit von einer Halbierung der Subjektivität ausgegangen wird, die der realen politischen Sozialisation von Jugendlichen unter Umständen nicht gerecht werden kann. Diese Gefahr besteht überall dort, wo in Bezug auf Rechte Gewalt die Einschätzung vertreten wird, „[...] dass derartige Orientierungen sowohl etwas mit der Suche nach Zugehörigkeit, nach Anerkennung und Identitätssuche, also auch mit Gleichaltrigengruppen und Gruppenkulturen zu tun haben.“ (Lüders/Holthusen 2000, S. 104) Wenn aber die rechtsmotivierten Täter in dieser Form als junge Menschen angesehen werden, die an der mangelhaften Befriedigung ihrer Bedürfnisse leiden, an ihren Entwicklungsaufgaben scheitern und die deshalb aus mangelnder Einsicht in diese Zusammenhänge die falschen Wege zur Bewältigung ihrer Probleme beschreiten, dann gerät die Dimension aus dem Blick, dass die Anwendung von Gewalt aus Sicht der handelnden Subjekte eine sinnvolle und erfolgreiche Strategie darstellen könnte, die in eine politische Logik eingebettet ist. Daran wäre daran aber eben nichts mehr besonders jugendspezifisch. Die Konstruktion des Jugendlichen als Opfer von Seiten der sozialen Arbeit könnte damit in gewisser Weise die Selbstinszenierung Rechtsextremer übernehmen und verdoppeln, wie es von Barbara Köster beschrieben wird: „Obwohl die Skins ganz eindeutig Täter sind, stellen sie sich selber immer als Opfer dar, bzw. werden auch immer wieder als solche dargestellt. Opfer sozialer Umstände, Opfer der Arbeitslosigkeit, Opfer verfehlter Jugendpolitik, Opfer der linken Sozialarbeit, die sie rechts liegen gelassen hat. Sie selber sehen sich als Opfer der Überfremdung, bedroht von Asylsuchenden und Ausländern. Man möchte weinen.“ (Köster 1993, S. 52)
Das bedeutet: Rechtsmotivierte Täter könnten eben nicht nur ganz normale Jugendliche mit besonderen Problemen sein, sondern Menschen, die ihre Gewalt als Ressource innerhalb eines bestimmten politischen Konzepts nutzbar machen. Die Frage also, worum es sich bei Rechter Gewalt und ihren Protagonisten genau handelt, darf innerhalb der pädagogischen Praxis als zentraler Erkenntnisschritt
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gewertet werden. Diesen Erkenntnisschritt zu vollziehen, gerät damit zur Grundvoraussetzung für jede Form der pädagogischen Intervention und die Frage, ob grundsätzlich „akzeptierend“, „emanzipatorisch“ oder „konfrontativ“ gearbeitet werden sollte, dürfte danach fast zweitrangig sein. Zentral entscheidend für die Vermeidung einer „Exklusion des Pädagogischen“ scheint der Arbeitsschritt zu sein, zunächst die einzelnen Positionen im sozialen Prozess möglichst genau zu bestimmen und das bedeutet vor allem, eine möglichst genaue Differenzierung der Zielgruppe vorzunehmen: „Mit schwach oder gar nicht ideologisierten Tätern sollte anders verfahren werden als mit ideologisierten.“ (Kohlstruck/Krüger/Krüger 2009, 103) Daher ist es unabdingbar, sich als Sozialarbeiter eine möglichst große Klarheit über das bestehende Problem und die Personengruppen zu verschaffen, die dieses Problem verursachen. Zu klären wäre also, ob bei jenen Jugendlichen, die Rechte Gewalt anwenden, davon gesprochen werden kann, dass es sich dabei um Täter handelt „[...] bei denen eine verfestigte rechtsextreme Ideologiebildung vorliegt und deren Tat als Ausdruck politisch-ideologischen Kalküls zu werten ist.“ (Kopp/Benz 2007, S, 56) Eine solche Form der Bewertung müsste dabei seitens der fachlichen Träger einer Maßnahme unbedingt als Eingangsdiagnose vorgenommen werden, was eine hohe fachliche Kompetenz und eine gute Kenntnis der lokalen Szene voraussetzt. Diese Erkenntnisarbeit wird jedoch durch die in diesem Kapitel kritisierte Halbierung des Subjekts tendenziell erschwert, weil die politische Dimension der Persönlichkeit rechtsorientierter Jugendlicher durch die auf sie gerichtete therapeutische Grundhaltung ignoriert wird, wo sie hauptsächlich und ausschließlich als Seismographen gesellschaft licher Defizite gelten. Damit werden sie als Personen eben nicht ernst genommen und in diesem Sinne auch nicht „akzeptiert“. Zu untersuchen wäre daher, welchen Status die Ideologie für die Anwendung Rechter Gewalt bei den beteiligten Jugendlichen tatsächlich einnimmt. Erst auf dieser Basis könnte eine Form der Prävention entwickelt werden, die ihren Gegenstand problemadäquater zu erfassen vermag als es mit den in diesem Abschnitt diskutierten Handlungsempfehlungen der „Akzeptierenden Sozialarbeit“ möglich zu sein scheint. Diese Frage zu klären ist die zentrale Aufgabe des nächsten Kapitels, denn dadurch gerät die Funktion desjenigen Diskursstrangs in den Vordergrund, der in der Einleitung als „De-thematisierung des Politischen“ bezeichnet worden ist. Dabei geht es um verschiedene Strategien, die den Blick auf Rechte Gewalt als Form des politischen Handelns verstellen und damit eine adäquate Analyse dieses Phänomens unter Umständen deutlich erschweren. Besonders der Blick auf die Opfer Rechter Gewalt soll helfen, die ideologischen Prämissen, die diesen Taten zu Grunde liegen, besser zu lokalisieren. Im folgenden Kapitel sollen deshalb die Merkmale und die Strategien einer Ausblendung der politischen Handlungsbegründungen rechtsmotivierter Täter weiterhin im Kontext der Ursachenforschung untersucht und problematisiert werden. Dass dabei einige der bereits diskutierten Aspekte am Rande erneut zur Sprache kommen, ist der faktischen Durchdringung dieses neuen thematischen Strangs mit der bislang untersuchten Form der Thematisierung von „Jugend“ geschuldet.
3. Die Ausblendung der politischen Prämissen Rechter Gewalt
Stand im letzten Kapitel vor allem ein stark defizitorientiertes Konzept von „Jugend“ und dessen problematische Folgen für eine bestimmte Form der pädagogischen Prävention im Vordergrund, so soll es in diesem dritten Kapitel um die Exklusion politischer Handlungsgründe gehen, einer Strategie, die als zweiter wichtiger Faktor für eine inhaltliche Ausgrenzung eines Zusammenhangs zwischen politischer Tat und der ideologischen Orientierung der Täter vermutet werden kann. Dabei wird in erster Linie untersucht, welche Praktiken eine solche De-Thematisierung des Politischen begünstigen und auf welche Argumente und Konzepte dabei zurück gegriffen wird. Im ersten Abschnitt (3.1) werden dafür zunächst jene analytischen Tendenzen innerhalb der Gewaltforschung untersucht, die von einer nicht-politischen Intention rechtsmotivierter Gewalttaten ausgehen. Hierbei wird sich neben der Nachzeichnung von grundsätzlichen diagnostischen Herangehensweisen in diesem Bereich abermals in kritischer Absicht auf die Studie von Helmut Willems bezogen. Dieser Bezug nimmt allerdings besonders die dort vorgenommene Charakterisierung der Täter in den Blick, die besagt, dass dieser seine Opfer aus primär nicht-politischen Motiven heraus angreifen würde. In Bezug auf diese These wird im Abschnitt 3.2 eine kritische Haltung eingenommen, indem gezeigt wird, dass es vor allem eine bestimmte akademische Definition des Politischen ist, die dafür sorgt, rechtsideologische Täter als „nicht-politisch“ einzustufen. Diese Defi nition setzt zentral an dem Kriterium an, das zweifelsfreie Vorliegen eines so genannten geschlossenen Weltbilds zur Vorbedingung einer politischen Klassifi kation zu machen. So schreibt Chrsitine Krüger: „Ein Herausarbeiten der konkreten Ausgestaltung und subjektive Bedeutung der ‚rechten‘ Einstellung des Einzelnen ist dabei erforderlich, um zu erkennen, ob und in welcher Form sie tatsächlich Auswirkungen auf das Gewalthandeln hat.“ (Krüger 2008, S. 33) Diese täterbezogene Analytik könnte vor allem im Hinblick auf die Besonderheit rechtspolitischer Theorie in Frage gestellt werden, weil es ein generelles Kennzeichen dieser Ideologie sein könnte, inhaltlich fragmentiert zu sein. Dagegen wird exemplarisch unter Rückgriff auf die inhaltliche Grundbestimmung des „Politischen“ durch Carl Schmitt aufgezeigt, was wesentlich für die Erkenntnis rechtsmotivierten Denken sein könnte: eine Unterscheidung von Freund und Feind, wie sie sich
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auch im konkreten Tatvollzug Rechter Gewalt nachweisen lässt. Im Zuge dieser Argumentation rückt die Struktur rechtsideologischer Feindbildungsprozesse ins Zentrum der Aufmerksamkeit, weil sich über die Art der politischen Gegner die Richtung und Logik Rechter Gewalt bestimmen lässt. Der grundsätzlichen Problematik eines Fehlens der Opferperspektive innerhalb der Ursachenforschung wird sich deshalb ausführlich im Abschnitt 3.3 gewidmet. Anhand einer Charakterisierung der Opfergruppen Rechter Gewalt wird darin dafür plädiert, die Art und Weise der Viktimisierung zum primären Ausgangspunkt der Analyse zu erheben. In direkter Verbindung damit steht erneut die Kritik an einer Subjektkonstitution, die von einer Unbewusstheit bei der Ausführung sozialer Handlungen ausgeht. Zunächst aber soll sich mit der analytischen Tradition beschäftigt werden, die Anwendung von Gewalt durch den alleinigen Fokus auf die Person des Täters erklären zu wollen. Welche Probleme daraus speziell für den Bereich der Rechten Gewalt entstehen, soll dabei in besonderem Maße deutlich gemacht werden.
3.1 Der Fokus auf den Täter als zentrales Dilemma der Forschung Die meisten Ansätze im Kontext der Ursachenforschung zum Thema Rechte Gewalt setzen bei der Suche nach einer Erklärung bei der Person des Täters an und lassen sich daher als täterzentriert charakterisieren. In diesem Kapitel wird deshalb zentral die Frage diskutiert, ob innerhalb dieser Praxis unter Umständen einer Tendenz Vorschub leistet, wodurch die Dimension des Politischen als Erklärungsfaktor aus dem Blickfeld der Analyse ausgegrenzt wird.1 Die Annahme einer solchen Problematik erscheint dabei zunächst durchaus paradox zu sein, denn es existiert im Kontext der Ursachenforschung tatsächlich eine ganze Reihe von wissenschaft lichen Bestimmungsversuchen, die mit explizit politischen Begriffen operieren, d.h. sich auch auf unterschiedliche inhaltliche Konzepte beziehen lassen. Rechte Gewalt wird dabei in der Regel adverbial aufgefächert in die Aspekte fremdenfeindliche, rassistische, rechtsradikale, rechtsextreme, faschistische und nationalistische Gewalt (vgl. dazu im Überblick: Jaschke 1994). Diese Differenzierung lässt sich zunächst grundsätzlich darauf beziehen, zur Charakterisierung von Gewalt die vermutete Intention des Täters zu ermitteln, um damit den Grad der Genauigkeit zur Bestimmung der jeweiligen Gewaltphänomene erhöhen zu können. 1 | Die im Rahmen dieser Arbeit bereits geäußerte These, dass eine solche Gefahr in der Rechtsextremismusforschung besteht, soll zunächst erneut anhand von entsprechenden Indizien plausibel gemacht werden. Dabei handelt es sich natürlich um eine interessensgeleitete Selektion, welche nicht dem gesamten Komplex Ursachenforschung gerecht zu werden vermag, sondern die ausgewählten Beispiele im Hinblick auf eine Begründung der in diesem Abschnitt ausgeführten skeptischen Grundannahmen zu verdichten sucht. Im Fokus stehen dabei daher nur diejenigen Beispiele aus dem Kontext der zahlreichen Erklärungsansätze, denen explizit eine analytische Orientierung, jenseits politischer Dimensionen nachgesagt werden kann.
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Eine solche Form der Analyse beginnt ihre Arbeit in der Regel damit, dem Täter eine zu bestimmende Absicht zuordnen zu wollen, welche das jeweils gewalttätige Handeln legitimiert. Zentrale Leitfragen sind hierbei: Wer übt Gewalt aus und warum tut er das? Die Anwendung von Gewalt ist in diesem, auch „instrumentell“ genannten, Verständnis ein Mittel zum Zweck des Täters: „Instrumentell ist Gewalt, sofern sie Mittel zum Zweck ist. Der Zweck dirigiert die Gewalt und rechtfertigt ihren Gebrauch. Er kanalisiert Aktivitäten, gibt Richtung und Ende vor, begrenzt Einsatz und Ausmaß. Jemand verfolgt ein Interesse, trifft auf Widerstreben, und wenn andere Mittel versagen, greift er zur Gewalt.“ (Sofsky 1996, S. 52) Eine solche Art der Definition findet sich auch bereits in der klassischen Charakterisierung des Begriffes der Gewalt durch den Militärtheoretiker Carl von Clausewitz vor über 150 Jahren: „Gewalt, d.h. die physische Gewalt (..) ist also das Mittel, dem Feinde unseren Willen aufzuzwingen, der Zweck.“ (Clausewitz 1985, S. 8) Für Clausewitz war gewalttätiges Handeln deshalb die „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“, also eindeutig verbunden mit den Zielvorgaben des politischen Raumes. Auch bei Hannah Arendt findet sich der Hinweis: „Gewalt ist ihrer Natur nach instrumental; wie alle Mittel und Werkzeuge bedarf sie immer eines Zweckes, der sie dirigiert und ihren Gebrauch rechtfertigt. Und das, was eines anderen bedarf, um gerechtfertigt zu werden, ist funktioneller und nicht essentieller Art.“ (Arendt 1970, S. 52) Der Wille des Täters gerät hier zum primären Bestimmungsmerkmal der von ihm ausgeübten Gewalt, durch den Fokus auf „[...] die in klassischen Theorien zentrale Kategorie der ‚Intention‘, die das Augenmerk auf den Täter lenkt [...]“. (Pilz 1988, S. 10)2 Dieser Aspekt lässt sich durchaus auch in der sprachgeschichtlichen Wurzel des Begriffes Gewalt aufzeigen: Das dem Substantiv zugrunde liegende Verb lautet walten und hat seinen etymologischen Ursprung im Indogermanischen (vgl. dazu: Tymister 1994, S. 97). Sprachlich markiert wird damit eindeutig die Handlungshegemonie innerhalb eines Herrschaftsbereiches, denn wer schalten und walten kann, der hat auch die Macht dazu. Es scheint deshalb nahe zu liegen, den Ort der Ausübung als Ursprung einer Handlung zur Charakterisierung der Tat zu wählen, liegt doch auch die Entscheidung zur Tat eindeutig beim Täter: „Nur der unbedingte Wille lässt ihn auf den anderen losgehen und zuschlagen.“ (Sofsky 1996, S. 31) Der Ansatz, Gewalt als Willensakt zu interpretieren, fi ndet sich deshalb nicht zufällig auch im Ansatz der feministischen Soziologin Susanne Kappeler: „Es ist die Entscheidung zur Gewalttat [...], die einen Menschen zum Täter macht. [...] Denn ohne diese Entscheidung gibt es keine Gewalthandlung [...]“ (vgl. Kappeler 1994, S. 13). Explizit ist in diesem Konzept durch den Bezug auf das Vorhandensein einer willentlichen Motivation im Täter vorausgesetzt, dass diesem neben der Sprache der Gewalt theoretisch auch immer noch eine Handlungsalternative offen steht. Der Begriff der „Entscheidung“ im Zitat von Kappeler verweist also darauf, „Gewalt“ grundsätzlich als subjektive Handlungsoption zu deuten. Als solche wäre ein bedeutender Teil ihrer Entstehung 2 | Dem entsprechend sagt auch der „Erlkönig“ am Ende der Ballade von Goethe zu dem von ihm begehrten Knaben: „Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt, und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt.“ (J. W. Goethe 1979, S. 83)
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eindeutig im tatausführenden Individuum zu verorten, welches diese spezielle Option aus einer Vielzahl von Alternativen auswählt. Diese Auffassung vertritt auch Susanne Mantino in ihrem heuristischen Erklärungsansatz von Rechtsextremismus: „Rechtsextremes Handeln ist zielgerichtet, d.h. auf die Erreichung eines bestimmten Nutzens gerichtet und als ‚rational‘ zu bezeichnen, da der Akteur bestrebt ist, die in der Handlungssituation zur Verfügung stehenden Mittel so in Beziehung zu setzen, dass der mit dem der rechtsextremen Handlung zu erreichende Nutzen maximiert wird.“ (Mantino 1999, S. 134)
Es lässt sich im Anschluss an diese Bezüge festhalten: Als (rechtspolitischer) Täter Gewalt auszuüben, bedeutet im Kern, seinen Willen zur Gewalt im Rahmen einer sozialen Situation als Handlungsmacht durchsetzen zu können.3 Auch in der Definition der WHO wird der Wille zur Gewalt als „[...] intensional use of physical force or power [...]“ (WHO 2002, S. 12) verstanden. Der Zweck der Gewalt, so die bisherige Argumentation, müsste sich demnach hauptsächlich durch die Rekonstruktion der Motivation des Täters bestimmen lassen. Eine solche Praxis wird als täterzentrierte Gewaltanalyse bezeichnet und stellt innerhalb der Wissenschaft eine verbreitete Art des Zugangs zum Thema dar. Die Rechtsextremismusforschung ist aus diesem Grund zu weiten Teilen eine Täterforschung.4 Diese Perspektive lenkt den Blick allerdings auch notwendig auf die Kriterien, nach denen sich sinnvoll von einem intensional use bei der Bestimmung einer TatMotivation sprechen lässt. Das Erstellen von Täterprofi len (vgl. Müller 1996, Krüger 2008) und Tätertypologien (vgl. Willems 1994, Homfeld/Kahl/Schenk 1995, Neumann/Frindte 2002) ist deshalb dem berechtigt scheinenden Interesse geschuldet, Aufk lärung über den wesentlichen Charakter zur Bestimmung der von diesen Tätern verübten Gewalt zu erlangen. Bis hierhin scheint auch noch die Grundlegung eines analytischen Zugangs erkennbar zu sein, wie er von Susanne Kappeller begründet wurde: „Eine politische Analyse der Gewalt muss diesen Willen, die persönliche Entscheidung für die Gewalt, anerkennen – nicht nur Gewalttaten beschreiben, nicht nur die Bedingungen analysieren, die sie ermöglichen, sondern darüber hinaus das Moment der Willensentscheidung erfassen, die erst den wahren 3 | Diese Position lässt sich auch in der Forschung zum Bereich „Gewalt gegen Frauen“ finden. So schreiben Lempert und Oelemann in ihrem Buch über die therapeutische Praxis mit gewalttätigen Männern: „Der Ursprung jeder Gewalttätigkeit ist eine bewusste, vorsätzliche Entscheidung. Wenn der Mann jemanden schlägt, muss er ausholen, und in dem Moment [...] entscheidet er sich bewusst dazu, zuzuschlagen.“ (Lempert/Oelemann 1995, S. 12) 4 | Vgl. dazu Lünse: „Die meisten Analysen beschäft igen sich mit den Tätern, die ihrem Hass freien Lauf lassen. Es geht um psychosoziale Hintergründe u.a. des Milieus, der Erziehung oder der Konsumhaltung der Eltern. [...] Bei all diesen Analysen stehen die Täter im Rampenlicht und nicht die Opfer. Sie sind Zuschauer des Geschehens und stehen im Dunkeln der Betrachtung.“ (Lünse 1993, S. 16/17).
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Antrieb zu gewalttätigen Handlungen gibt. Denn ohne diese Entscheidung gibt es keine Gewalthandlungen, auch nicht in Bedingungen, die Gewalt potentiell ermöglichen.“ (Kappeller 1994, S. 11) Doch lassen sich in dem Bemühen, die Intention des Täters zweifelsfrei ermitteln zu wollen, Indizien für eine Tendenz erkennen, die im Ergebnis den Gegenstand zu verfehlen scheint. Das ist vor allem dann der Fall, wenn von Seiten der Forschung vermutet wird „[...] dass eine Vielzahl der als rechtsradikal eingestuften Gewaltdelikte nicht auf manifester politischer Überzeugung der Täter zu beruhen scheinen, sondern in hohem Maße auf eine (durch Alkoholkonsum angestachelte) Art ‚Gruppenerlebnis‘ hindeutet.“ (Weinhardt 2002, S. 3) und sogar gefolgert wird: „Ich warne davor, die Gewalttätigkeiten gegen Ausländer als Rassismus oder in vollem Sinn Rechtsradikalismus mißzuverstehen.“ (Eckerle 1993, S. 279) Vielmehr handelt es sich nach Ansicht vieler Forscher bei den Tätern um „Jugendliche, die infolge persönlicher Frustration handeln [...] in unmittelbarer Abwehr ihrer Lebensrisiken, auf der Basis einer latenten Gewaltbereitschaft , die sich aus ganz anderen Wurzeln [...] entwickelt hat.“ (Eckerle 1993, S. 279) Diese Einschätzung erinnert stark an das Paradigma, auf dessen Basis die „Akzeptierende Sozialarbeit“ entwickelt wurde. (vgl. Kap. 2.3) Doch wäre es nicht möglich, auch Jugendliche mitsamt ihren Handlungen als politische Subjekte zu begreifen? Wenn nein, warum nicht? Warum scheint im Gegenteil eine Erklärung für das Handeln rechtsmotivierter Täter nur außerhalb von wertebezogenen Deutungsdimensionen auffindbar zu sein? Fest steht: Innerhalb der fachlichen Diskussion scheinen zumindest einige der zahlreichen wissenschaft lichen Erklärungsversuche zu dem abschließenden Ergebnis zu gelangen, dass es sich bei rechtspolitischen Gewalttaten gerade nicht um den Ausdruck einer entsprechenden Intention auf Seiten des Täters handeln würde: „Die Ergebnisse einiger Studien (Frindte 1998 [...]; Möller 2000; Wetzstein u.a. 1999) sprechen dafür, dass es sich zum großen Teil um unpolitische Täter handelt, für die Anerkennungsstreben und eine diff use Aggressivität als Motiv fungieren.“ (Seipel/Rippl 2003, S. 280) Die Tat-Motivation erscheint damit losgelöst vom Tatbestand zu sein, die Täter ohne jeden logisch nachvollziehbaren Bezug zu den von ihnen verübten Taten zu stehen, nach dem Motto: Sie wissen nicht, was sie tun, aber sie tun es. Das Kriterium der Willensentscheidung ist in diesen Ansätzen scheinbar nicht eindeutig als Handlungsvorsatz zu identifizieren, weil nicht mit letzter Sicherheit bestimmt werden kann, ob ein Täter nun aus dezidiert rechtsextremen, jugendlich-unwissenden oder doch vielleicht eher aus gruppenhaft-alkoholbedingten Motiven heraus gehandelt haben könnte. Hinzu kommt, dass sich die Täter selber oft pauschal als Rechte verstehen, ohne sich dabei aber in spezifischer Weise den anspruchsvolleren Sprachkomplexen rechtsradikal oder rechtsextrem zuzuordnen (vgl. dazu Weinhardt 2002, auch Krüger 2008). Rechte Gewalt wird dadurch zu einer Art der Metapher, ein zeichenhafter Hinweis auf etwas anderes, was jenseits der persönlichen Gesinnung zu liegen scheint. So kommt Christine Krüger anhand einer Befragung von 28 jugendlichen Akteuren Rechter Gewalt zu dem Schluss: „Nur selten verbinden die Jugendlichen mit ihrer jeweiligen Einstellung Merkmale einer rechtsextremen Ideologie. In ihren Ausführungen tritt oftmals eine rein ausländerfeindliche Haltung hervor, die allein
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anhand von Floskeln und Vorurteilen erläutert wird.“ (Krüger 2008, S. 16)5 Weil es also Schwierigkeiten zu bereiten scheint, entsprechende Motive mit der wissenschaft lich erwünschten Genauigkeit zu ermitteln, wird im Hinblick auf diese Tätergruppe seitens der Forschung oft erklärt, „[...] dass es sich selten um ideologisch geleitete, rechte Straftäter handelt.“ (Schubje 2000, S. 2) und gesagt, dass „[...] vermeintlich rechte Gewalttaten entweder gar nicht oder nur teilweise durch eine rechte Einstellung motiviert werden.“ (Krüger 2008, S. 16) Die zweifelsfreie Ermittlung einer politischen Einstellung anhand von Befragungen ist generell jedoch nicht so unproblematisch, wie es den Anschein haben könnte. Das Hauptproblem lässt sich dabei vor allem auf die Kriterien der Bewertung beziehen, die seitens der Forschung bei der Auswertung des Materials zur Anwendung kommen. Wenn beispielsweise zu Grunde gelegt wird, dass von einer „Rechten Einstellung“ erst dann gesprochen werden kann, wenn diese Einstellung auch seitens der Befragten akademisch zufriedenstellend, d.h. in einer inhaltlich konsistenten und argumentativ komplexer Form, begründet werden können, so wird diese Grundlegung zu einem anderen Ergebnis führen, als wenn man die Existenz von nur einem rechtsideologischen Element als ausreichend für eine entsprechende Einstellung ansehen möchte. Tatsächlich fungieren die verschiedenen Teilbezeichnungen wie Fremdenfeindlichkeit oder Antisemitismus nicht selten als Argumente zur Begründung für eine immer strengere Anwendung bei der Lokalisierung deren Geltungsbereiche. Das bedeutet, nur wer als Täter die jeweils zu Grunde gelegten Kriterien als Summe oder in Teilbereichen erfüllt, wird in die entsprechende Kategorisierung Rechtsextremer aufgenommen. Zu dem sich daraus ergebenden Folgeproblem im Forschungsbereich Rechte Gewalt schreibt Massing zutreffend: „Je mehr Elemente zur Konstruktion des Rechtsextremismusbegriffes verwendet werden, desto enger wird sein Anwendungsbereich, d.h. umso weniger Personen können als rechtsextrem beschrieben werden. Wenn wir nur dann von rechtsextremen antidemokratischem Denken reden können, wenn alle genannten Elemente [der jeweiligen Definition, Anm. S.D.] zusammenkommen, wäre die Zahl jugendlicher Rechtsextremisten verschwindend gering und wir hätten das Rechtsextremismusproblem in diesem Bereich, zumindest begrifflich, eskamoniert.“ (Massing 2001, S. 73)
Die Gefahr besteht also, dass die Art der begriffl ichen Differenzierungen im Hinblick auf den Charakter der Tatmotivation beim Erfassen des Problems der Rechten Gewalt zu einer Übergenauigkeit führt, die am Ende in einer Diagnose jenseits aller politischen Kriterien mündet: Je spezifischer nämlich die Merkmale einer solchen täterzentrierten Klassifizierung ausfallen, desto weniger eindeutig scheinen die Täter als politisch handelnde Subjekte im Sinne einer instrumentellen Zweck-Mittel-Relation verstanden werden zu können. Gerade unter Verweis auf die zentrale 5 | Dass Floskeln und Vorurteile seit jeher zum Repertoire einer rechtsextremen Einstellung gehören, wird bei dieser Einschätzung allerdings ignoriert. Auf diesen Umstand und dessen Relevanz für eine „Ausblendung des Politischen“ wird deshalb noch genauer einzugehen sein.
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Tätertypologie der bereits behandelten Studie von Willems (vgl. Kap. 2.1), welcher in seiner grundlegenden Analyse rechtspolitischer Gewalttaten die rechtskräft ig wegen dieser Delikte Verurteilten in vier relevante Gruppen ordnete (vgl. Willems 1993), wird von dieser Gewalt häufig behauptet, „[...] dass nur eine Minderheit der ausländerfeindlichen Gewalttaten auf das Konto von eindeutig Rechtsextremen ging.“ (Wendt/Lau/Kröber 2002, S. 216) Der Hintergrund: Willems hatte nur für eine der Tätergruppen die eindeutige Bezeichnung „Politisch motivierter, rechter Gewalttäter“ gewählt, die Mehrzahl der Täter bezeichnete er in Abgrenzung dazu als „Fremdenfeinde“. Das dahinter stehende analytische Verständnis soll an dieser Stelle noch einmal etwas ausführlicher diskutiert werden, um zu zeigen, dass eine solche Einschätzung sich hauptsächlich aus den theoretischen Hintergrundannahmen ableitet, mit denen die Forschung diesem Phänomenbereich gegenüber tritt, die aber nicht zwingend logisch aus den Daten zu entnehmen ist. Da es sich bei der Untersuchung der Wissenschaft ler um Helmut Willems um ein relativ zentrales Projekt zur Erklärung der Ursachen von Rechter Gewalt handelt, scheint dieser erneute Fokus berechtigt zu sein. Zur Erinnerung: Es handelt sich bei dieser Untersuchung um ein länderübergreifendes Forschungsprojekt des Bundesministeriums des Inneren (Willems u.a. 1994), welches eine Vollerhebung aller Straftatverdächtigen im Untersuchungszeitraum von 1991 bis 1993 als Datenbasis benutzt. Daneben fi ndet sich eine Auswertung von Urteilsbegründungen verurteilter Straft äter sowie eine Auswertung verschiedener Jugendstudien, ergänzt um eine Auswertung von Entstehungsbedingungen Rechter Gewalt6. Willems macht in dieser Forschungsarbeit zunächst nicht explizit deutlich, was ihn zu der terminologischen Etikettierung der Rechten Gewalt als „Fremdenfeindlichkeit“ bewogen hat. Eine wesentliche Begründung dafür lässt sich aber aus einer Kritik des Autors am damaligen Definitionssystem von Polizei und BKA rekonstruieren. Nach dieser Defi nition handelt es sich bei all jenen Taten um „fremdenfeindliche Gewalt“, die sich gegen Personen richtet „[...] denen die Täter (aus intoleranter Haltung heraus) aufgrund ihrer Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft [...] ein Bleibeoder Aufenthaltsrecht [...] bestreiten.“ (BKA 15.2.1993, S. 3 In: Willems 1993, S. 107) Willems merkt dazu kritisch an, dass eine solche Bestimmung nicht unbedingt weiterhelfen würde, da es in der Praxis nicht deutlich sei, „[...] wie und nach welchen Kriterien Straf- und Gewalttaten hier zugeordnet werden können (wenn z.B. die Täter nicht ermittelt wurden oder die Tatmotivation und -intention nicht bekannt ist [...]“ (Willems 1993, S. 107, Herv. S.D.) Es ist für Willems also ausdrücklich entscheidend für die Kategorisierung der ausgeübten Gewalt, welche Absicht auf der Täterseite bestanden hat. Dieser analytische Grundsatz hat zur Folge, dass, bevor diese Absicht nicht zweifelsfrei geklärt werden kann, sich keinerlei sinnvolle Aussage über die Art und Weise der Gewalt tätigen lässt. 6 | Dieser knappe Beschreibung lässt es keinesfalls überflüssig werden, die Untersuchung unbedingt im Original zu lesen, was dringend empfohlen wird. Zur Kritik an der dort vorgenommenen Interpretation der erhobenen Daten: Dierbach 2001, Burkhard 2006.
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Um dazu trotzdem eine Diagnose zu präsentieren, entwickelt Willems eine eigene These, mit welcher er diese Gewalt in einen analytischen Rahmen einordnet, wo die Motivation zur Ausübung Rechter Gewalt per Definition jenseits der handelnden Subjekte verortet wird. Diese These geht von einem eher sozio-kulturell bedingten Ursachenkomplex aus, vor dessen Hintergrund die Tat-Motive nicht im Geltungsbereich politischer Handlungsbegründungen zu liegen scheinen: Die Hauptursache sei laut Willems ein Konflikt zwischen Behörden und Bürgern über die zulässige Anzahl aufgenommener Flüchtlinge. In einem Fachbeitrag lieferte er bei der Vorstellung seiner Ergebnisse im Rahmen einer so genannten „Ereignisanalyse“ (vgl. Willems 1993) dazu die Begründung, dass sich die Gewalt in dem von ihm untersuchten Zeitabschnitt (1991-1993) „[...] zunächst gerade nicht auf Basis tradierter, im kollektiven Bewusstsein bereitgestellter gesellschaft licher Vorurteile und Feindbilder des Rechtsradikalismus (Juden, Türken, etc.) entwickelt [...]“ (Willems/Eckert/Würtz 1996, S. 164) habe, sondern anfangs einen ganz spezifischen Kristallisationspunkt und ein klar umrissenes Feindbild und Opferbild gehabt hätte: „Die ‚Asylanten‘ oder [...] das Feindbild vom ‚Scheinasylanten‘, der nicht berechtigt sei, hier zu sein [...]“ (ebd.). In diesem Zitat wird zunächst deutlich, dass Willems vor allem diejenige Gewalt, die sich gegen Asylbewerber richtet, als Kriterium für die Etikettierung von „Fremdenfeindlichkeit“ markieren möchte. Er grenzt zu diesem Zweck die Zielgruppe „Asylbewerber“ als angeblich nicht-tradiert von denen der tradierten Feindbild-Konstruktionen innerhalb des Begriffes „Rechtsextremismus“ ab. Durch diese Trennung ist es ihm möglich, die Taten gegen Asylbewerber als unabhängig zu deklarieren von denen gegenüber tradierten Opfergruppen rechtsextremer Gewalt. Diese terminologische Abspaltung ist aber nicht unbedingt nachzuvollziehen. Spätestens seit den 80er Jahren warben rechtsextreme Parteien wie die DVU und die Republikaner aktiv mit der Parole „Das Boot ist voll“. Gemeint waren mit dieser Kampagne ausdrücklich die Asylanten wie auch das Feindbild kriminelle Ausländer. Auch Agitationen gegen Sozialschmarotzer, Kümmeltürken und den politischen Gegner gehören traditionell zur politischen Propaganda rechtspolitischer Gruppen. Die durch Willems vorgenommene Abtrennung der Asylbewerber von einem als tradiert konstruierten Bereich des politischen Rechtsextremismus wäre demnach also stark zu bezweifeln, ist aber in einem gewissen Sinne notwendig für die dahinter stehende Argumentation: Die Art der Zielgruppe stellt nämlich den Indikator dafür dar, dass es sich bei den Angriffen auf diese Opfer eben nicht um politisch rechts motivierte Gewalt, sondern um eine so genannte „Konfl iktverdichtung aufgrund gesellschaft licher Problemlagen im Zusammenhang mit Maßnahmen der Behandlung von Flüchtlingen“ (vgl. Willems 1996, S. 165) gehandelt haben soll. Diese konfl iktreiche „Verdichtung“ sah Willems begründet in der Zuweisung von Flüchtlingen in ländliche Gemeinden, eine These, die er zentral in dem Kapitel „Interaktions- und Eskalationsprozesse“ (Willems 1993, S. 211 ff ) entwickelt. Dort werden die Entstehungsverläufe von Rechter Gewalt an den Beispielen der Anschläge und Gewalttaten von Hoyerswerda, Rostock, Wismar, Quedlinburg, Hünxe und Saarlouis mit Hilfe von Medienberichten, Experteninterviews, Gesprächen mit Richtern „[...] und vereinzelt auch beteiligter Jugendlicher.“ (Willems 1993, S. 213)
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rekonstruiert.7 Als erste Konsequenz aus dieser Sichtung setzt Willems die Bezeichnungen „Rechte und fremdenfeindliche Gewalt“ präventiv in Anführungsstriche. (Willems 1993, S. 212) Die Setzung von Anführungsstrichen markiert in der Regel den Zweifel, ob es sich bei einem Begriff tatsächlich um eine der Sache angemessene Bezeichnung handelt. Dass dieser Begriff unter Umständen inadäquat sein könnte, bildet somit eine unausgesprochene These von Willems. Den Weg in die fremdenfeindliche Gewalt sieht Willems dabei vor allem durch das Ungeschick staatlicher Maßnahmen geebnet: „Es wurden Entscheidungen getroffen, von denen die ansässige Bevölkerung z.T. in starkem Maße betroffen ist, ohne dass ihr eine Mitsprachemöglichkeit eingeräumt worden wäre.“ (Willems 1996, S. 164) Hier wird zwischen den Faktoren persönlicher Unmut und Aggressionslust ein direkter kausaler Zusammenhang konstruiert.8 Der Umstand einer persönlichen Frustration lässt sich allerdings als Nebenwirkung bei einer Vielzahl von Projekten eines demokratischen Gemeinwesens anführen, ohne dass dabei von den Betroffenen automatisch wehrlose Menschen angezündet werden. Warum aber führt nun ausgerechnet die behördlich verfügte Unterbringung von Asylbewerbern in einigen Gemeinden zu derartigen Spannungen, dass sich diese bis zur direkten pogromartigen Gewaltanwendung gegen die Flüchtlinge steigern? Zur Klärung dieser Fragen benutzt Willems eine besondere Logik: In dieser Logik wird vorausgesetzt, dass ein Verursacher von menschlichem Leid einen emotional außergewöhnlichen und besonderen Grund gehabt haben muss, um eine solch extreme Tat zu begehen. Dieser Grund ist in Bezug auf die konkrete Tat damit ein indirekt wirksamer Faktor, dessen Existenz sich in der Regel in der Monstrosität des jeweiligen Deliktes zeigt: Eine schlimme Tat ist danach ein Indiz für das Vorliegen einer schlimmen Störung oder kränkenden Erfahrung auf Seiten des Täters, z.B. in dessen Biographie. So geht beispielsweise Nele Reuleux (vgl. Reuleux 2006) in ihrer psychologischen Analyse von NS-Tätern davon aus, dass deren offenkundige Gefühlskälte bei der Verübung der Taten ein eindeutiger Hinweis dafür sei, dass in der frühen Kindheit der Täter eine Traumatisierung vorgelegen haben müsste. Dass Menschen im Rahmen ihrer politischen Überzeugungen entsprechende Grausam7 | Dass Willems in diesem Zitat die Tatbeteiligten nicht als Rechtsextreme, sondern eben als „Jugendliche“ bezeichnet, wirft ein Licht auf die von ihm bevorzugte Sicht der Dinge und macht deutlich, warum ihm Rechte Gewalt vor allem als „Jugendgewalt“ erscheinen muss. Die Zugehörigkeit zu einer Alterskohorte entscheidet hierbei offensichtlich über die Zugehörigkeit zur analytisch relevanten Sphäre des Politischen. 8 | Diese Sichtweise lässt sich unter Umständen auf die sogenannte FrustrationsAggressions-Hypothese von Berkovitz (vgl. Berkovitz 1971) beziehen, in welcher davon ausgegangen wird, dass einer aggressiven Handlung in der Regel eine starke Frustration vorausgeht. Ein Täter wendet danach Gewalt und Aggression aus einer Art von emotionalen Stressreaktion heraus an. Obwohl Berkovitz selber später betont hat, dass dieser Zusammenhang nicht bei jeder Form von Aggression zu Grunde gelegt werden kann, blieb im Anschluss an seine Theorie die Anwendung von Gewalt eng verknüpft mit der Suche nach frustrierenden Vorbedingungen und stressgenerierenden Auslösereizen auf Seiten der Täter.
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keit verüben können, d.h. ohne dass dafür bei ihnen eine psychisch verstörende Erfahrung vorangegangen sein muss, ist aus dieser Perspektive schlichtweg nicht vorstellbar.9 Willems argumentiert deshalb der „Traumatisierungsthese“ entsprechend: Er attestiert dem Täterkreis der rechtsideologischen Asylgegner das Vorliegen von schwerwiegenden „Fremdheitserfahrungen“, denen diese Personengruppe in einem besonderem Maße ausgesetzt gewesen sei. Er behauptet, dass die Unterbringung von Flüchtlingen bei vielen Menschen zu massiven „Fremdheitserfahrungen“ und Gefühlen von „Ungerechtigkeit“ geführt hätten und warnt deshalb präventiv vor all jenen Situationen „[...] in denen Fremdheitserlebnisse, Bedrohungs- oder Konkurrenzerfahrungen nicht bewältigt werden [...]“, denn dieses seien die „[...] Entstehungsbedingungen von Fremdenfeindlichkeit.“ (Willems 1996, S. 165) Willems spricht an dieser Stelle ausdrücklich von realen „Erlebnissen“ und konkreten „Erfahrungen“ als ursächliche Bedingungen für die Herausbildung von militanter Gewaltbereitschaft. Das erscheint insofern bedeutsam, als dass diese Begriffe suggerieren, sich als Reaktionen auf das reale Vorkommen konkreter Ereignisse beziehen zu lassen. Sie erscheinen dadurch als emotionales Verhalten auf Tatsachen. Da es sich bei den von Willems festgestellten Tatsachen allerdings vorwiegend um eine Rekonstruktion von subjektiven Interpretationen potentieller Täter handelt, wäre es angemessener, in Bezug auf die Kategorie „Fremdheit“ nicht von tatsächlichen Realitäten, sondern von Gefühlen zu sprechen, denn eine objektive empirische „Fremdheit“ z.B. im Sinne einer Überfremdung kann selbst bei einer seinerzeit erhöhten Auf9 | Nele Reuleux (vgl. Reuleux 2007) kommt bei den beiden von ihr untersuchten NS-Tätern zu dem Schluss, dass bei diesen ein „maligner Narzissmus“ als Resultat einer frühkindlichen Störung vorgelegen hätte. Ob diese von Reuleux herausgearbeitete Pathologie auch im Hinblick auf die große Gruppe aller NS-Täter generalisierbar ist, dürfte anzuzweifeln sein. Unstrittig ist sicher, dass sich von der „Herrenmenschen-Theorie“ der nationalsozialistischen Ideologie psychisch gestörte Persönlichkeiten aller Arten in einem besonderem Maße angesprochen gefühlt haben dürften. Daraus wie Reuleux zu schließen, dass eine psychische Störung daher eine allgemeine Grundbedingung der NS-Gewalt gewesen sein muss, könnte jedoch am Kern der Sache vorbeigehen: Eine der wesentlichen Paradigmen der neueren historischen Täterforschung ist nämlich die Erkenntnis, dass es offensichtlich nicht nur pathologische Persönlichkeiten gewesen sind, die als nationalsozialistische Gewalttäter aktenkundig geworden sind. So kommt etwa Raul Hilberg in seiner umfangreichen Studie über den Nationalsozialismus zu dem abschließenden Ergebnis: „Der deutsche Täter war kein besonderer Deutscher. [...] Alle Berufsstände und Ausbildungsgrade waren vorhanden, ebenso wie jeder soziale Status.“ (Hilberg 1982, S. 686) Dieser Umstand wird als Beleg dafür gewertet, dass es nicht spezifische Formen der Abweichung gewesen sind, die den Holocaust möglich gemacht haben, sondern eine individuelle Identifi zierung mit den politisch durchgesetzten und gesellschaft lich anerkannten Normen der NS-Ideologie. Da eine solche Orientierung aufgrund ihrer damaligen Verbreitung als „normal“ gelten konnte, wird heute davon gesprochen, bei den NS-Tätern habe es sich um „normale“ Männer und Frauen gehandelt.
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nahme von nahezu rechtlosen Flüchtlingen zu keinem Zeitpunkt als objektiv gegeben gelten. Die Erklärungskraft des Zusammenhangs von Fremdheitsgefühlen in Bezug auf die Entstehung Rechter Gewalt ist zudem äußerst begrenzt und das hat historische Gründe: So war die NS-Feindschaft gegen die deutsche Bevölkerung jüdischen Glaubens zwar ein reales Gefühl bei vielen Antisemiten, existierte davon unabhängig jedoch nur als ideologische Imagination, war also keinesfalls eine legitime Reaktion auf eine tatsächliche gesellschaft liche Krisenlage. Die Kategorie der Erfahrung als Bereitschaft zur Anwendung von politischer Gewalt ist danach immer das Ergebnis einer ideologischen Operation und nicht eine kausallogisch bedingte Verhaltensweise auf reale Probleme. Es ist also mehr als gefährlich, zur Erklärung ideologisch motivierter Gewalt auf die Gefühle der Täter als Reaktion auf soziale Tatsachen zurückzugreifen, ohne die Möglichkeit der Irrationalität und damit auch der Illegitimität dieser Empfi ndungen in Rechnung zu stellen. Die Kategorie Fremdheitserfahrung ist also unter Umständen gewiss ein subjektiv bedeutsamer Faktor, durch Ereignisse in der Realität allerdings nicht wirklich zu verifizieren. Anders gesagt: Reaktionen auf Fremde können nicht umstandslos als das natürliche Nebenprodukt der Anwesenheit von unbekannten Menschen interpretiert werden, sondern ein Hinweis darauf sein, dass sich Teile der Bevölkerung aus der Übernahme einer rechtsideologischen Deutungspraxis heraus von gewissen Personengruppen gestört und bedroht fühlen und als Konsequenz diese Menschen als Objekt für ihre Aggressionen auswählen. Deshalb formulierten die Autoren Alexander und Margarete Mitscherlich für diesen Zusammenhang ausdrücklich: „Die Meinung, welche das Vorurteil vertritt, ist das Produkt unbewusst bleibender Realitätsverstellung, nicht der Bewältigung faktischer Konflikte.“ (Mitscherlich/ Mitscherlich 2004, S. 152) Die Entstehungsbedingungen für Fremdenfeindlichkeit verortet Willems fälschlicherweise also nicht etwa in der Art und Weise imaginärer Feindbildorientierung, sondern diese Orientierung ist für ihn Folge einer realen Ursache, in diesem Fall von realer, unbewältigter Fremdenangst, die in diesem ungünstigen Fall von behördlicher Seite auch noch durch die direkte Platzierung von Fremden innerhalb der Gemeinden mit hervorgebracht wurde. Er unterstellt dieser Gewalt aus diesem Grund auch „Protestmotive“ (Willems 1993a, S. 103). Sie ist für Willems damit primär situativ, und nicht ideologisch begründet, sie könne deshalb „[...] keineswegs durchgängig als eine rechtsextremistisch [...] motivierte Gewalt gesehen werden.“ (Willems 1993a , S. 103) Warum allerdings die Praxis der Unterbringung von Flüchtlingen quasi automatisch speziell diesen gewalttätigen und pogromartigen Protest hervorbringt, bleibt mit einer derartigen Diagnose völlig unhinterfragt. Doch wären theoretisch eben auch eine Reihe von vielen anderen möglichen Verhaltensweisen in Bezug auf das angebliche Problem einer Aufnahme von Flüchtlingen denkbar. Es ist in einer Demokratie durchaus möglich, behördliche Vorgänge zu kritisieren, ohne dabei Gewalt gegen Minderheiten anzuwenden.10 Das zeigt die jüngere deutsch-deutsche 10 | Dabei ist festzuhalten, dass die untergebrachten Flüchtlinge sich dort nicht selber einquartiert hatten, sondern unfreiwillig zugewiesen wurden. Wäre die Gewalt also wirklich nur ein Protest gegen eine als ungerecht empfundene Bürokratie gewesen, hät-
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Geschichte um die Wiedervereinigung ebenso wie ein Blick in die Geschichte der sozialen Bewegungen seit der Kampagne gegen die Wiederbewaff nung der Bundesrepublik. Auch Solidarisierungen mit den Flüchtlingen wären eine mögliche Verhaltensweise gewesen. Willems schreibt aber ausdrücklich, dass die „[...] Ängste und Sorgen der Bevölkerung sowie die Probleme der Kommunen, die durch die Aufnahme der Asylbewerber bedingt waren [...]“ (Willems 1993, S. 214) der Ausgangspunkt für die gewalttätigen Angriffe gewesen sei. Die Realität dieser Ängste sind also seiner Meinung nach der „Kristallisationspunkt für den Konfl ikt um das Asylrecht und damit zugleich der Ausgangspunkt für die Entwicklung fremdenfeindlicher Gewalt.“ (Willems 1993, S. 214) gewesen. Was als neutrale Deskription erscheint, enthält aber bereits eine entscheidende definitorische Implikation: Willems vertritt mit dieser Formulierung nämlich die These, dass die Ängste und Sorgen der Bevölkerung tatsächlich durch einen Umstand namens Aufnahme der Asylbewerber bedingt gewesen sei. Diese Bedingung markiert damit quasi-logisch den Ausgangspunkt nachfolgender Gewalt. Eine Kausalität von objektiver Lage und subjektiver Reaktion ist aber keineswegs als Faktum zu behandeln, sondern im Rahmen einer subjektorientierten Perspektive als individuelle Aktivität zu sehen, die sich in der Verarbeitung objektiver Gegebenheiten an bestimmten Kriterien orientiert. Man könnte deshalb auch sagen: Ein derartiger Verarbeitungsprozess führt vielleicht vor allem bei rechtsorientierten Individuen zur Favorisierung von gewaltsamen Lösungen, die eine rechtsextreme Deutung der Welt eben für solche Fälle vorsieht. Zu diesem Schluss kommt auch Lena Inowlocki bei ihrer Analyse rechtsideologischer Argumentationsformen: „Ein ‚unmittelbarer‘ Erfahrungsbegriff legt nahe, rechtsextreme Orientierungen könnten aus erlebten problematischen gesellschaft lichen Entwicklungen heraus erklärt werden. Tatsächlich aber werden, wenn von ‚Erfahrungen‘ erzählt wird, gleichzeitig ‚Erklärungen‘ abgegeben, durch die Einordnung von Erlebtem in bestimmte Sinn- und Begründungszusammenhänge.“ (Inowlocki 2000, S. 27)
Schließlich können auch Ideologien Auslöser für Ängste sein. Wenn z.B. der Behauptung zugestimmt wird, dass es konkurrierende Rassen gibt, dann kann ein Gefühl der Bedrohung unter Umständen subjektiv sehr real sein. Eben darum empfiehlt zum Beispiel Susanne Mantino, zur Erklärung von rechtsextremistischen Handlungsentscheidungen, die subjektive Rationalität (vgl. Mantino 1999, S. 135) zu erschließen, die solche Entscheidungen steuert. te sie sich als Ziel ja vielleicht auch Vertreter der dafür verantwortlichen Institutionen aussuchen können. Dass diese durch die Gewalt gegen Flüchtlinge indirekt gemeint gewesen sind, wie Willems unterstellt, wenn er sagt, die Aktionen seien hauptsächlich ein „Protest“ gegen behördlichen Maßnahmen gewesen, macht diese Form der Angriffe zu anspruchsvollen strategischen Operationen. Als solche wären diese aber unter Umständen sogar noch viel politischer als gedacht, weil sie Rechte Gewalt dann als taktisches Kalkül im Rahmen einer Strategie anwenden, die darauf gerichtet ist, auf politische Missstände aufmerksam zu machen.
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Die Bedingung für Fremdenfeindlichkeit könnte so gesehen vor allem durch die Art und Weise der individuellen Interpretation von gesellschaft lichen Verfahrensweisen bestehen, nicht jedoch durch den Verweis auf Umweltbedingungen ausreichend erklärt werden: „Das Subjekt ist den Bedingungen nicht ausgeliefert, wird nicht allein durch diese Verhältnisse geprägt, sondern sein – aber eben nicht nur sein – Verhalten konstituiert die Verhältnisse.“ (Kirchhöfer 2002, S. 166) Friedhelm Neidhardt hat diese Position im Grundsatz wie folgt begründet: „Das Handeln von Menschen ist nicht von ihrer Situation, sondern von ihrer Definition der Situation bestimmt.“ (Neidhardt 1989, S. 241) Das bedeutet für unseren Zusammenhang: Kein Mensch wird aufgrund schlechter Lebensbedingungen automatisch Flüchtlinge angreifen, nur weil er sich vielleicht über gesellschaft liche Benachteiligungen ärgert, sondern die Entscheidung zu dieser speziellen Art von gewalttätigem Handeln wird allein vom handelnden Subjekt getroffen, das sich dabei an denjenigen Werten orientiert, die es als relevant einstuft: „Die Bewertungen konkretisieren sich in den Motiven, die die angestrebten Ziele der Handlung mit der tatsächlichen Handlungsausführung verbinden, d.h. die Bewertungen verweisen auf Kriterien, nach denen eine Handlung als relevant im Hinblick auf das zu erreichende Ziel eingestuft und damit tatsächlich ausgewählt wird.“ (Mantino 1999, S. 136)
Nach welchen Kriterien wird also eine Entscheidung zu Gunsten der Aktionsform Rechte Gewalt gefällt? Auf welche Art des Wertehaushalts kann solche Gewalt ein Hinweis sein? Das Auft reten dieser sehr besonderen Form von Gewalt gegen andere Menschen könnte zunächst einmal als Beleg dafür gelesen werden, dass den Opfern vom Gewalttäter direkt und unmissverständlich ein Recht auf seine körperliche Unversehrtheit abgesprochen wird, d.h. der allgemein gültige Wert auf Leben für diese Personengruppe von diesem aktiv negiert wird.11 Bei einem solchen Vorgang handelt es sich ohne Zweifel um eine Abweichung von den gesellschaft lich gültigen ethischen Normen, die in ihrer umfassenden Geltung vom Täter radikal relativiert werden. Eine solche Form der Relativierung lässt sich vor allem bei fundamentalistischen Weltbildern oder bei Gesellschaften im Kriegszustand finden. Es wäre deshalb durchaus anzunehmen, dass eine solche Negierung allgemeiner Normen vom Täter durch ein persönliches Weltbild argumentativ abgesichert wird, welches ihm dabei hilft, seine Gewalt als gerechtfertigt und notwendig zu legitimieren. Im Fall der von Willems so genannten fremdenfeindlichen Jugendgewalt bedeutet das, mindestens von einer ideologisch legitimierten Aufteilung der Welt in gute, lebenswerte Deutsche und lebensunwerte Ausländer auszugehen, so wie es auch von rechtsgerichteten Gewalttätern oft skandiert wird: „Deutschland den Deutschen – Auslän11 | Vgl. dazu besonders die Einschätzung des BKA, wo es über die entsprechenden Delikte heißt, dass insbesondere von Seiten rechtsmotivierter Täter Gewalt „[...] lebensbedrohlich eingesetzt wird und es lediglich vom Zufall abhängt, ob es zu tödlichen Verletzungsfolgen kommt oder nicht [...].“ (Ziercke 2009, S. 8)
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der Raus!“ Eine solche Aufteilung ist zwar sprachlich wenig ausdifferenziert, offenbart aber dennoch eine politische Grundkonzeption, denn die Begriffe „Deutscher“ und „Ausländer“ bezeichnen Kategorien, die sich auf bestimmte nationalstaatliche Strategien der Exklusion und Inklusion beziehen lassen. Wer sich als Deutscher berufen fühlt, gegen eine Feindgruppe namens Ausländer vorzugehen, befindet sich damit ganz konkret auf der Matrix des politischen Denkens, er handelt also in diesem Sinne politisch. Eine solche politische Dimension verortet Willems mit seiner interaktionistischen Perspektive jedoch ausschließlich auf der Ebene der Rahmenbedingungen staatlicher Akteure und nicht als Element in der Motivation der handelnden Subjekte. Die Fremdenfeindlichkeit erscheint somit als provozierte Verhaltensdisposition, ein Produkt objektiver Bedingungen. Eine ideologische, d.h. politische Komponente sieht Willems erst durch organisierte rechtsextreme Gruppen in diese lokalen Konflikte hinein getragen: In der Vorstellung seiner Typologie von Eskalationsstufen dieser Konflikte schreibt er als letztes Verlaufsstadium, der fremdenfeindlichen Gewalt, diese werde in ihrer letzten Stufe „[...] über die Asylbewerber hinaus von rechtsextremen Gruppen auf andere Opfergruppen wie Türken, Juden, Behinderte und Homosexuelle generalisiert.“ (Willems 1996, S. 164) War die Gewalt gegen Asylbewerber also noch Ausdruck von Konflikten zwischen betroffenen Bürgern und Verwaltung, so sind es nun „rechtsextreme Gruppen“, die die Opfertypologie im Sinne ihrer Ideologie erweitern.12 Dabei ist die Identifizierung eines Menschen als Asylant ohne der Existenz eines politischen Bewusstseins unter Umständen überhaupt nicht zu treffen. Es erfordert immerhin die Wahrnehmung einer Menschengruppe anhand ihres Aufenthaltsstatus, welcher das Ergebnis einer politischen Maßnahme darstellt. Eine solche Identifi zierung dann zudem als Anlass zu nehmen, gewalttätig gegen diesen Personenkreis vorzugehen, könnte deshalb mit einigem Recht als Hinweis auf die Existenz einer keineswegs unpolitischen Strategie gedeutet werden, zudem sich diese Aktionen in den Kontext der damals öffentlich geführten Asyldebatte einbetten lassen. Einer derart politischen Deutung möchte Willems sich jedoch ausdrücklich entgegenstellen, weshalb er erklärt: „Doch nicht jede gegen Ausländer gerichtete Handlungsweise ist rassistisch motiviert: neben rassistischen Motiven gibt es vielmehr eine Reihe anderer Motive, aus denen heraus z.B. Gewalttaten gegen Asylbewerber und Fremde [...] begangen wurden.“ (Willems 1993a, S. 95) Diese „anderen Motive“ sieht er neben den bereits besprochenen jugendtypischen Faktoren vor allem in einer besonderen Form von emotional bedingten Handlungsgründen an, die mit Politik nichts zu tun haben. Willems übersieht dabei möglicherweise, dass schon der vom Täter identifizierte Anlass für sein nachfolgendes gewalttätiges Verhalten keinesfalls voraussetzungslos ist. Bereits die Wahrnehmung eines potenziellen Opfers Rechter Gewalt impliziert rassistische Kriterien und entscheidet über die Eingruppierung eines Menschen ins 12 | Das Böse scheint in dieser Argumentation von außen über die betroffenen Bürger zu kommen. Realisiert sich hier unbewusst die Wiederholung einer Geschichtsdeutung, in welcher auch Hitler als Verführer eines an sich gutwilligen und anständigen deutschen Volkes galt?
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rechtsideologische Freund-Feindschema. Genau diesen Umstand hatte ja die Definition des BKA in den Blick genommen. Deshalb wurden dort die Kategorien „Rasse“ und „Volkszugehörigkeit“ eindeutig als terminologische Kriterien zur Bestimmung fremdenfeindlicher Gewalt genannt, denn diese Begriffe sind ohne einen Bezug zu einem politischen Koordinatensystem überhaupt nicht denkbar. Zu diesem Zusammenhang schreibt Zygmunt Baumann: „Die defi nierende Kraft der Sprache unterstützt somit die ausgrenzenden, segredierenden und unterdrückenden Faktoren, die den sozialen Herrschafts- und Machtstrukturen immanent sind. Gleichzeitig leitet die Sprache ihre Legitimation und Plausibilität aus diesen Strukturen ab.“ (Baumann 2002, S. 239) Wer einen Menschen also z.B. als Ausländer wahrnimmt und in dieser Form sprachlich markiert, handelt aus dieser Perspektive bereits in einem politisch-ideologischen Kontext, noch bevor er überlegt, ob dieser Mensch für ihn nun ein Anlass zum Zuschlagen ist oder nicht. Für Klaus Holz sind solche kategorischen Einteilungen deshalb kulturelle Konstruktionen, die den Geltungsbereich des „Eigenen“ und des „Fremden“ als festgelegten Sinnvorrat markieren: „Solche Begriffe sind kulturelle Deutungsmuster, ohne die es nicht gäbe, was sie bezeichnen. Deshalb ist die semantische Konstruktion des Eigenen und des Fremden konstitutiv für den Nationalismus, den Antisemitismus und die Xenophobie. Weder die staatliche Ausgrenzungspolitik noch die Gewalt auf der Strasse wäre ohne die semantische Konstruktion möglich. Denn diese Praxen verlören ohne die kulturell fi xierten Selbstund Fremdbilder die Orientierung. Man wüsste nicht, gegen wen vorzugehen ist.“ (Holz 2001, S. 30)
Willems verortet aber eben eine wesentliche Ursache der ausgeübten Gewalt vor allem im „Problem der Aufnahme von Asylbewerbern“ (Willems 1993, Überschrift Kap. 8.3) und damit nicht in den ideologischen Orientierungen der Täter, die bestimmte Menschen als Asylanten wahrnehmen und als Ziele ihrer Gewalt markieren. Er kommt deshalb auch zu dem abschließenden Urteil: „Festzuhalten bleibt, dass die Gewalttätigkeit gegen Fremde in den neunziger Jahren nicht in erster Linie von organisierten rechtsextremistischen Gruppen ausgeht, sondern als eine Form kollektiven Verhaltens sich unter bestimmten Bedingungen und an unterschiedlichen Orten entwickeln kann.“ (Willems 1993a, S. 98) Mit dem Terminus „Kollektives Verhalten“ wird in diesem Zitat eine allgemeine quasi-neutrale Verhaltensdisposition suggeriert, die unter bestimmten Umweltreizen überall zur Ausführung kommen könnte, wenn solche Umweltreize eben z.B. durch lokale Konflikte bereitgestellt wären. Willems benutzt dafür eine Begründungsfigur namens „Fremdheitsgefühle“, die zu einer Art „Stress“ führen würde, worauf im Einzelfall mit ungünstigen Abwehrmaßnahmen reagiert werde. Eine politische Dimension der Taten gerät durch diesen verhaltenspsychologischen Fokus abermals aus dem Blick. Doch sind es wirklich nur einfache Bürger in Stresssituationen gewesen, die sich nicht anders zu helfen wussten, als gewalttätig gegen ausländische Menschen vorzugehen? Dieser Anschein könnte durchaus trügerisch sein, denn Willems selbst zitiert seine Untersuchungsergebnisse zu diesem Punkt wie folgt: „So sind über 90 Prozent der analysierten Fälle Gruppendelikte.“ (Willems 1993a, S. 98) Dabei soll
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es sich allerdings um verschiedene Gruppierungen handeln „[...] seien es rechtsextreme Gruppen, [...] seien es fremdenfeindliche Gruppen wie Skinheads oder Hooligans oder sonstige Freizeit- und Musikcliquen.“ (Willems 1993a, S. 99) Nun scheint die Nennung von rechtsextremen und fremdenfeindlichen Gruppen im Zusammenhang mit der Ausübung von Rechter Gewalt bei einer Quote von 90 Prozent Gruppendelikten ein hinreichender Grund zu sein, an der von Willems zuvor getroffenen Aussage zweifeln zu dürfen, es würde sich bei dieser Gewalt eben nicht um Rechtsextremismus handeln. Die Daten zur Ermittlung der Gruppenzugehörigkeit sollen deshalb anhand der Untersuchung von Willems an dieser Stelle kurz rekonstruiert werden. Sie finden sich im Kapitel über „Tatmerkmale und Täterstrukturen“ (Willems 1993, S. 105 ff ) Dort werden zwei Dimensionen deutlich: Es ergibt sich aus der zitierten Untersuchung zunächst tatsächlich, dass „[...] die Mehrzahl der von der Polizei erfassten Straf- und Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund von Gruppen oder aus Gruppen heraus begangen [wird].“ (Willems 1994, S. 42) Die Praxis der Zuordnung zu diesen Gruppen ist dabei durchaus nicht unproblematisch. Nur ein Drittel der Befragten gab über den Punkt Gruppenzugehörigkeit Auskunft, ein weiteres Drittel wurde von den den Fall bearbeitenden Polizeibeamten eingeschätzt, und zu einem Drittel der Befragten liegen keinerlei Hinweise auf Gruppenzugehörigkeit vor. Die Untersucher unterschieden auf ihren Fragebögen vier Gruppen, denen sich die Tatverdächtigen zuordnen sollten, bzw. nach denen sie von den bearbeitenden Polizisten zugeordnet wurden.13 Im Ergebnis waren dies: Rechtsextreme Gruppe: 18,5 Prozent; Skinheadgruppe: 21,8 Prozent; Fremdenfeindliche Gruppe: 21,4 Prozent; Sonstige oder informelle Gruppen: 51,2 Prozent. Diese Einteilungskategorien erweisen sich ebenfalls als problematisch. Wo zum Beispiel werden sich die Mitglieder rechtsextremer Skinheadgruppen einordnen, ab wann gilt eine informelle Gruppe für ihre Mitglieder als rechtsextrem? Zudem erscheint die Kategorie fremdenfeindliche Gruppe unscharf zu sein. Kann es tatsächlich fremdenfeindliche Gruppen geben, die erwiesenermaßen nur fremdenfeindlich sind? Oder ist Fremdenfeindlichkeit nicht vielmehr ein konstitutives Merkmal einer jeden rechtsextremen Gruppierung und somit vielleicht auch jede fremdenfeindliche Gruppierung rechtsextrem?14 Es lässt sich auf der Basis der zitierten Zahlen jedenfalls feststellen, dass sich immerhin 48,8 Prozent (des Gesamtvolumens) der Befragten entweder selbst zu einer Skinheadgruppe, rechtsextremen bzw. fremdenfeindlichen Gruppe zugehörig erklären, bzw. ihre Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen durch einen mehr oder weniger qualifizierten Beamten festgestellt wurde. Die Brisanz dieser Zahlen wird von den Autoren der Untersuchung 13 | Alle zitierten Zahlen zur Gruppenzugehörigkeit beziehen sich auf Zahlen der Jahre 1992/93. Mehrfachnennungen waren möglich. 14 | Zumindest der Verfassungsschutzbericht Hamburg 1997 mag denn eine derartige Trennung auch nicht mehr aufrecht erhalten und fasst unter die Gesamtzahl aller bundesweiten Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischem Hintergrund vier Tatrichtungskategorien zusammen. Mit 58,5 Prozent ist die mit Abstand größte untersuchte Kategorie die der fremdenfeindlichen Gewalt. (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 1997, S. 34)
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aber nicht gesehen. Sie thematisieren vor allem den großen Anteil an informellen und sonstigen Gruppen, indem sie sagen: „Insgesamt wird jedoch deutlich, in welchem Maße fremdenfeindliche Straf- und Gewalttaten vor allem von Jugendlichen begangen werden, die in wenig organisierten und formalisierten Gruppen mit gezielt oder latent fremdenfeindlichen Einstellungen und Vorurteilen eingebunden sind.“ (Willems u.a. 1994, S. 45) Dieser Befund beruht auf der zuvor getroffenen Unterscheidung zwischen den Gruppenstrukturen rechtspolitischer Täter, kann jedoch nur für die Hälfte der dort getroffenen Zuordnungen Geltung beanspruchen. Eingeleitet wird das Zitat jedoch mit der Formulierung, diese Zahlen würden belegen, dass es sich bei den erhobenen Daten „Insgesamt [...] vor allem [...]“ um Angehörige der als „sonstige“ etikettierten Gruppen handeln würde. Die Unterscheidung zwischen rechtsextremen und fremdenfeindlichen Gruppen wird den Autoren hierbei zum Verhängnis. Ansonsten würden sie bemerken, dass fast die Hälfte der erfassten Tatverdächtigen in eindeutig rechtsextremen, bzw. in Skinheadgruppen15 organisiert sind, es also gerade nicht so ist, dass diese Taten „[...] vor allem von Jugendlichen“ (vgl. Willems 1994, S. 41) begangen werden, die hauptsächlich in nicht-ideologischen Gruppen eingebunden sind. War die Gewalt also zuvor in Abgrenzung zu analytischen Kategorien wie Rassismus oder Rechtsextremismus mindestens noch fremdenfeindlich, so ist selbst dieser Befund an dieser Stelle verwässert. Dieses Deutungsmuster hat konkrete Folgen innerhalb des Diskurses über Rechte Gewalt: Die Urteile vieler Forscher über den genuinen Charakter dieser Taten sind vor allem im Anschluss an solche Einschätzungen zunehmend oft von Unsicherheiten und Zweifeln bestimmt, Suchbewegungen und Mutmaßungen jenseits politischer Kriterien rücken dabei immer stärker in den Vordergrund.16 Klaus Schroeder erklärt z.B.: „Bei den meisten Gewaltakten geht es weniger um politische 15 | Von denen ebenfalls, zumal wenn aus ihnen heraus fremdenfeindliche Gewalttaten verübt werden, angenommen werden kann, dass sie zumindest latent rechtsextremistisch ausgerichtet sind. 16 | So schreibt auch Detlef Oesterreich in einem Sammelband zu den Aufgaben politischer Bildung in Bezug auf die Ergebnisse der Untersuchung von Willems: „Für die Entwicklung politischer Gewalt sind deshalb ideologische Überzeugungen weniger bedeutsam als gruppendynamische Aspekte der Eskalation einer kritischen Situation vor Ort. Diese Annahme konnten die Autoren anhand einer Analyse von Täterprofilen rechtsextremistischer Gewalttäter bestätigen. Eine Auswertung von Gerichtsakten verdeutlichte, dass der Anteil rechtsextremistischer Überzeugungstäter bei Übergriffen gegen Ausländer eher gering ist, während der größere Teil, bei aller Unterschiedlichkeit der Motive, als apolitisch einzustufen ist.“ (Oesterreich 1995, S. 186, Herv. S.D.) Das Fazit einer solchen Sichtweise lautet also: Politische Gewalt ist vor allem eine Form der Gruppendynamik und Gewalt gegen Ausländer fi ndet nicht aufgrund von persönlichen Überzeugungen statt. Das handelnde Subjekt scheint in dieser Konzeption ein willenloses Herdentier zu sein, das nur zufällig an „Ausländer“ gerät. Der Begriff „Ausländer“ ist jedoch eine politische Kategorie. Die zentrale Frage stellt sich deshalb: Wie erkennt denn dieses Tier sein Opfer überhaupt, wenn es doch angeblich völlig apolitisch ist? (vgl.
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Veränderungen als um das Ausleben von Aggressionen.“ (vgl. Schroeder 2004, S. 13) Diese Form der Diagnose kann als De-Thematisierung politischer Handlungsgründe gelesen werden, weil hier ein instrumentelles Verständnis von Gewalt in den Hintergrund tritt, zu Gunsten einer psychologischen Interpretation, wo Gewalt, ausgehend von psychischen Erregungszuständen, als Selbstzweck deklariert wird. Die Gewalttat wird dabei primär interpretiert als expressives Mittel der Selbstentäußerung eines Faktors namens Aggressionstrieb.17 Genau dafür fehlt jedoch im Fall der Rechten Gewalt ein nachvollziehbarer Befund, da die These vom unpolitischen Täter häufig im Zustand der Behauptung ihrer Gültigkeit verbleibt. Zwar wird im Blick auf die Täter „[...] immer darauf hingewiesen, dass es dabei um das Gewaltproblem [...] schlechthin geht, unabhängig von deren politischen Ansichten [...]“ (Wendt/Lau/Kröber 2002, S. 216), eine schlüssige Beweisführung jedoch wird selten vorgelegt. Wenn aber grundsätzlich angenommen wird, dass politische Ansichten bei der Anwendung Rechter Gewalt keine Rolle spielen, erscheinen die Opfer zwangsläufig als irrationaler Faktor innerhalb der Analyse. Sie werden unter dem psychologischen Oberbegriff der Aggression mitsamt der wertorientierten Spezifi k Rechter Gewalt triebtheoretisch neutralisiert, da die Dimension der Richtung und des Objektes der Aggression nahezu vollständig im Dunkeln bleiben. Die Folge dieser Sichtweise ist, dass aus der Motivation der Täter die Anteile des Politischen heraus gekürzt werden und ihr Handeln sich dadurch tendenziell dem Zuständigkeitsbereich politischer Deutungsversuche entzieht. Das Rechts-Sein der Täter wird zur Maske, hinter die zu blicken als wesentlicher Erkenntnisfortschritt gewertet wird. Das vergrößert jedoch den Platz für Spekulationen: „Es ist keine Ideologie, kein bestimmtes Weltbild oder irgendein revolutionäres Ziel, das sie [die rechtsideologischen Täter, Anm. S.D.] zur Gewalttätigkeit veranlasst. Sie dazu besonders die Diskussionen zum Mythos des „Zivilisierten Tieres“ bei Wimmer u.a. 1996) 17 | Solche Formen der Interpretationen lassen sich auf entsprechende Modelle der klassischen Aggressionsforschung beziehen. Dort heißt es z.B. zur Charakterisierung von so genannter expressiver Gewalt: „Schließlich gibt es, wenn man den Zusammenhang der Aggression im Zweck-Mittel-Gefüge betrachtet, die Möglichkeit, dass aggressive Operationen weder durch irgendeinen der zahlreichen Zwecke, die, wenn nicht gebilligt, doch einfühlbar und verständlich erscheinen, noch durch den besonderen Zweck der Vergeltung eine ausreichende Begründung fi nden. In dem Maße jedoch, in dem aggressives Handeln einer plausiblen Erklärung zu ermangeln beginnt, verliert es seinen instrumentellen Charakter als Mittel zum – welchem auch immer – Zweck und wird zunehmend zum Selbstzweck, der Aggressionen aus nicht ersichtlichen Gründen um ihrer selbst willen vollzieht.“ (Becker 1969, S. 34, Herv. i.O.) Es scheint in Teilen der Forschung nun angenommen zu werden, dass ein solcher Tatbestand im Fall der Rechten Gewalt vorliegen könnte. In dem Zitat von Becker wird jedoch ausdrücklich davon gesprochen, dass diese Möglichkeit erst dann in Rechnung zu stellen wäre, wenn andere Interpretationen als nicht ausreichend angesehen werden, eine Gewalttat zu erklären.
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wollen ihrer verzweiflungsvollen Wut und Resignation Luft machen, schockieren um des Schocks willen, zerstören der Zerstörung willen, ohne Programm, ohne Ziel.“ (Patzlaff 1993, S. 424)
Die hier geäußerte Annahme, dass Rechte Gewalt keinen spezifischen Charakter besitzt, steht allerdings im deutlichen Widerspruch zu Einschätzungen der politischen Ermittlungsbehörden, wie sie etwa vom BKA-Abteilungspräsidenten Klaus Neidhardt formuliert werden: „Die Straft aten, um die es hier geht, sind [...] unmittelbare oder mittelbare Konsequenz der Ziele, Programme und Strategien rechtsextremistischer Parteien und Gruppierungen.“ (Neidhardt 2000, S. 94) Ebenso lautet die Einschätzung vom Standpunkt eines anderen Erklärungsansatzes: „Rechtsextremes Handeln basiert auf einer als subjektiv rational bewerteten Entscheidung für eine rechtsextreme Handlungsalternative. [...] Eine rechtsextreme Handlung wird dann tatsächlich gewählt, wenn eine hohe positive Einstellung zu dieser Handlung vorhanden ist, die sich an den Kosten, an den Bezugspersonen und an den Gelegenheiten misst.“ (Mantino 1999, S. 141)
Zu fragen wäre: Wie kommt es zu dieser ungewöhnlich unterschiedlichen Einschätzung hinsichtlich der Zielorientierung Rechter Gewalt? Existiert innerhalb der Forschung unter Umständen eine unbewußte Sorge, dieser Tätergruppe durch eine zu politische Etikettierung Unrecht zu tun? Unsicher sind sich jedenfalls auch die Sozialforscher Bromba und Edelstein im Anschluss an die zutreffende Diagnose ihrer Studie, Rechte Gewalt würde sich hauptsächlich „[...] gegen Asylanten, Fremde und Obdachlose“ richten (vgl. Edelstein/Bromba 2002, S. 22), hinsichtlich des Charakters dieser Taten. Trotz der von ihnen eindeutig festgestellten Richtungsdimension der Gewalt fragen sich die Autoren zweifelnd, ob es gerechtfertigt sei, diese deshalb als rechtsextrem zu etikettieren. Sie schreiben zur Begründung: „Fraglich ist jedoch, ob dem Ansteigen der Gewaltakte auch politisch rechtsgerichtete Einstellungen, also kognitive Rationalisierungen und affektiv aufgeladene Wissensbestände, nachfolgen oder diese motivieren.“ (Edelstein/Bromba 2002, S. 22) Es scheint demnach ausdrücklich vorstellbar zu sein, dass solche Taten nicht unbedingt ein Hinweis auf entsprechende Einstellungen im Täter sein müssen. Vielmehr scheinen diese Einstellungen nur vordergründig zu sein, sie werden deshalb wie schon in der Untersuchung von Willems als Indikatoren für „[...] Rationalisierungen emotional bedingter Strebungen oder Probleme (z.B. Trauer, Angst vor oder Hass auf andere Menschen).“ (Wahl 2000, S. 131) gesehen.18 Auch Peter Struck 18 | Die Praxis, Gewalt unabhängig vom Anlass als Ergebnis einer Triebkraft namens Aggression verantwortlich zu machen, hat besonders Freerk Huisken exemplarisch kritisiert: „Bekanntlich wird für ein und dieselbe aggressive Potenz für jede Sorte – unerwünschter – Gewalt verantwortlich gemacht. [...] Da mögen die Brutalitäten noch so verschieden sein, mögen sich die Gründe der Täter erkennbar unterscheiden, der Wissenschaft ler reduziert sie allesamt auf den einen Trieb.“ (Huisken 1996, S. 68) Allerdings muss man bei den Analysen Huiskens bedenken, dass diese in spezifischer
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äußert sich über rechtsideologische Gewalttäter ähnlich lautend. Er schreibt: „Sie [die rechtsmotivierten Täter, Anm. S. D.] reagieren vor allem ihren Frust ab. Würde es die Ausländer hier nicht geben, müsste eine andere Gruppe als Feindbild herhalten, also beispielsweise Obdachlose, Gymnasiasten, Schwule, Behinderte, Juden oder Autobesitzer.“ (Struck 1994, S. 134) Die Existenz von Feindbildern in diesem Zitat sind eine nahezu beliebige Größe, deren Struktur sich theoretisch bis zur Groteske („Autobesitzer“) steigern ließe. Sie erscheinen damit vollständig losgelöst zu sein von den gesellschaft lichen Diskursen, in die sie normalerweise eingebettet sind.19 Nicht zuletzt durch die Verbreitung solcher Analysen erscheint vielen Betrachtern die Existenz Rechter Gewalt vollständig unverständlich zu sein, eine Art von „neuer Gewalt“, die sich „ziellos“ ausagieren würde (Lamparter 1994, S. 134). Es wird damit nahe gelegt, dass es sich bei dem Problem der Rechten Gewalt um ein Phänomen handelt, welches seinen Ausgangspunkt nicht in der Art und Weise der politischen Orientierung der Täter hat, sondern dass diese Orientierungen ihrerseits nur der Ausdruck eines dahinter liegenden Komplexes sind, „[...] ein Hinweis auf innere Spannungen, an denen die Menschen leiden. In der Regel handelt es sich [bei der Rechten Gewalt, Anm. S. D.] um aufgestaute Aggressivität, die als Ausdruck unbewältigter Konfl ikte im Unterbewusstsein schmort und ein äußeres Ereignis zum Anlass nimmt, um sich dann – scheinbar berechtigt – affektiv abzureagieren.“ (Maaz 1993, S. 28)
Mit anderen Worten: Die Opfer sind im Grunde gar nicht gemeint, sie fungieren nur als Ventil für den Triebstau der Täter.20 Von Politik ist dabei keine Rede mehr, die inneren Zustände der Täter stehen im Mittelpunkt der Analyse. Art und Weise einer bestimmten Form postmarxistischer Kritik verpfl ichtet sind. Dieser Hinweis richtet sich nicht gegen den Inhalt seiner Argumente, eventuell aber gegen deren ideologische Funktion. 19 | Dass in dieser grotesken Zusammenstellung auch die Gruppe der „Juden“ genannt wird, die ja im Gegensatz zu den anderen von Struck vorgestellten Gruppen keine imaginäre, sondern eine sehr reale Opfererfahrung machen mussten, zeugt von einem wenig ausgeprägten Fingerspitzengefühl. 20 | Diese Position vertritt beispielsweise auch Hajo Funke explizit. Seiner Ansicht nach machen rechtspolitische Gewalttäter andere zu Opfern, weil sie selber Opfererfahrungen gemacht haben: „Dies erklärt, warum die leicht attackierbaren Ausländer mit solcher Wutentladung bedacht werden: Sie sind im Kern gar nicht gemeint. Die Wut kommt woanders her. [...] Im Akt der allmächtigen Gewalt wiederholen die Täter am Opfer ihr eigenes Opfersein.“ (Funke 2001, S. 76) Auch für Funke sind die Opfer von Rechter Gewalt also eine primär zufällige Größe, wahllos ausgewählte Menschen, „[...] die als Sündenböcke zur Abreaktion von Wut dienen.“ (Funke 2001, S. 76) Die Opfer Rechter Gewalt werden hier zu einer Art von Blitzableitern für die emotionalen Spannungen anderer Opfer gemacht. Eine sinnvolle Unterscheidung von Täter und Opfer lässt sich damit nicht treffen.
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Wie in diesem Abschnitt gezeigt werden konnte, erweist sich ein solcher Fokus auf den Täter als analytisch unzureichend im Hinblick auf die Möglichkeit, eventuelle Anteile politischer Wertorientierung innerhalb der Tat-Motivation zu ermitteln. Im Gegenteil: Politische Dimensionen werden bei diesem Vorgehen ausgeklammert. Der nächste Abschnitt widmet sich deshalb noch einmal genauer den Strategien, die eine solche Ausblendung des Politischen aus dem analytischen Prozess operativ möglich machen. Dabei stehen vor allem diejenigen Kriterien im Vordergrund, durch welche sich der Begriff des Politischen inhaltlich konkretisieren lässt und deren Unterbestimmtheit als Problem diskutiert werden soll.
3.2 Der Begriff des „Politischen“ als unterbestimmter Parameter Im Anschluss an die im letzten Abschnitt herausgearbeitete De-Thematisierung des Politischen durch das Deutungsmuster vom unpolitischen Gewalttäter in Verbindung mit Anteilen aus der bereits diskutierten Thematisierung von Jugend lässt sich sagen: Es scheint im Ergebnis so zu sein, dass paradoxerweise ein Phänomen namens Rechte Gewalt zwar real existiert, die Täter aber nicht als politisch rechts gelten, sondern als sozial und/oder psychisch deformierte Existenzen, bei denen „[...] die rechtsextremistische ‚Ideologie‘ generell nur als Vorwand einer gemeinen Kriminalität genutzt wird, die auf Persönlichkeitsmerkmalen, sozialen Konstellationen und auf der Kompensation psychologischer Defizite, vor allem Minderwertigkeitserleben oder Traumatisierungs- und permanenten Misserfolgserlebnissen, basiert.“ (Marneros/ Steil/Galvao 2003, S. 371)
Der Begriff der „Ideologie“ wird in diesem Zitat ausdrücklich in Anführungszeichen gesetzt, um deutlich zu machen, dass man im Zusammenhang mit Rechter Gewalt im Grunde nicht von der Existenz weltanschaulicher Handlungsgründe ausgehen könne. Dabei wird eine Konzeption von Subjektivität zu Grunde gelegt, bei der solche Taten ausschließlich als Kompensation von diversen Defi ziten verübt werden, nicht jedoch mit der Existenz eines politischen Bewusstseins erklärbar sind. Implizit wird dabei von einer Theorie des unbewussten Handelns ausgegangen, durch welche sich analytisch auf eine Rekonstruktion der als „vordergründig“ missverstanden Begründungen verzichten lässt. Auf der anderen Seite heißt es im Rahmen der Täteranalyse von Christine Krüger: „Trotz weitgehender Inhaltslosigkeit behaupten viele Jugendliche eine subjektive Wichtigkeit ihrer rechten Einstellung und halten vehement an den vertretenen Elementen und ihren Begründungen fest.“ (Krüger 2008) Könnte es also nicht doch vielleicht so sein, dass sich dieses rätselhafte „Festhalten“ als Hinweis auf die Existenz einer Ideologie interpretieren ließe? Die befragten „Jugendlichen“ (im Alter von 17 bis 25 Jahren) jedenfalls scheinen es so zu sehen, wenn sie die Relevanz ihrer politischen Überzeugungen betonen. Dass die Vorstellung einer Unbewusstheit rechtsmotivierter Täter trotzdem nicht unbedingt marginal ist, zeigt das Beispiel einer Sammelpublikation zum Phänomen des „Modernen Rechtsextremismus“. Dort heißt es im Vorwort: „Hinsicht-
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lich der Beurteilung von Tätern und der Motive von fremdenfeindlichen Straft aten herrscht in der sozialwissenschaft lichen Forschung eine große Übereinstimmung. [...] Demzufolge sind ideologische oder politische Motive nur bei einer kleinen Minderheit von Gewalttätern zu fi nden.“ (Kohlstruck/Münch 2006, S. 302/303) Bei der Mehrheit der Täter gehen Teile der Forschung also scheinbar übereinstimmend von der Prämisse aus, dass die von jenen angewendete Gewalt offensichtlich nicht ausreichend durch eine Rekonstruktion der Motive bestimmbar sei. Das herkömmliche Verständnis von Gewalt als Mittel zum Zweck scheint hier also gewissermaßen an eine analytische Grenze zu stoßen, weil die Ziele des Täters angeblich fehlen. Ein Dilemma deutet sich damit an: Zwar existiert beispielsweise ein Gegenstand namens fremdenfeindliche Straftat, dem Verursacher dieses Tatbestandes wird aber von Seiten der Forschung eine nicht hinreichende Gültigkeit der entsprechenden Motivation attestiert. Tat und Täter driften dadurch im weiten Feld analytischer Möglichkeiten auseinander, und für viele Forscher scheint es in Deutschland quasi ein Rechtsextremismus ohne Rechtsextreme zu geben. So wurde auf einer interdisziplinären Fachtagung zum Thema „Rechtsextremismus“ tatsächlich die Frage aufgeworfen, ob es grundsätzlich zulässig sei „[...] rechtsextreme Gewalttaten als politisch motiviert zu betrachten.“ (Söhn 2003, S. 3) Es scheint also berechtigt zu sein, anzunehmen, dass die Wissenschaft sich tatsächlich schwer damit tut, bezüglich Rechter Gewalt zu eindeutigen Urteilen hinsichtlich der Tatmotivation zu gelangen. Woran liegt das genau? Ist die Motivation rechtspolitischer Täter wirklich kaum zu bestimmen? Um die Klärung dieser Fragen geht es in diesem Kapitel. Der Versuch dieser Klärung kann direkt bei der Prämisse beginnen, welche die meisten der entpolitisierenden Schlussfolgerungen zu Grunde legen und zu deren Funktion an dieser Stelle die folgende These geäußert werden soll: Wäre es möglich, dass die Annahme einer nicht zu identifizierenden politischen Haltung der Tatausführenden ihren Ursprung hauptsächlich in der Einschätzung hat, dass die aufgefundenen Handlungsbegründungen der Täter den allgemeinen Kriterien zur Klassifi kation einer Handlung als politisch nicht genügen? Existiert eine Vorstellung des Politischen, die sich implizit auf Kriterien stützt, die vor allem ein bestimmtes akademisches Bildungsniveau reflektieren, an den konkret handelnden Subjekten aber vollständig vorbeigeht? Indizien dafür lassen sich finden. So schreibt der bereits mehrfach zitierte Michael Kohlstruck über die Motive rechtsideologischer Gewalttäter, diese würden „[...] nicht intentional politisch handeln“ (vgl. Kohlstruck 2005, S. 9)21, da ihren Taten die dafür notwendige systemüberwindende Perspektive fehle. Das Kriterium des Infrage-Stellens der gesamtgesellschaft lichen Grundverfasstheit gerät also bei diesem Ansatz zum Testfall für die Anwendung eines Begriffes des Politischen. Die Gültigkeit dieses Kriteriums könnte aber in Bezug auf rechtsmotivierte Straft aten durchaus als analytische Beschränkung wirken, was ein Blick auf das Verständnis 21 | Das Politische ergibt sich für Kohlstruck nicht primär aus der Opferauswahl, sondern aus der Gefahr für das allgemeine friedliche Zusammenleben, die sich daraus für die Gesellschaft ergibt: „Es handelt sich jedoch in aller Regel nicht um Bestrebungen, die gegen die politisch-rechtliche Grundordnung gerichtet sind.“ (Kohlstruck 2005, S. 9)
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solcher Taten nach der „PMK-Rechts“ zeigt. So begründete der BKA-Vizepräsident Bernhard Falk die Notwendigkeit des seit 2001 neuen Erfassungssystems rechtsextremer Straftaten ausdrücklich mit dem Hinweis, dass der Begriff der „Politischen Motivation“ unbedingt auf diese Straftaten Anwendung finden müsse, auch wenn dieser damit über die bisher gebräuchlichen Definitionen von Extremismus und Terrorismus, welche beide das Element der „Systemüberwindung“ in sich tragen, hinausgeht. (vgl. Falk 2000, S. 51ff ) Das wirft die Frage auf: Wie ist das Wesen des Politischen dem entgegen in jenen wissenschaft lichen Argumentationen bestimmt, die eben die Negation dieses Begriffes in den Aktionen rechter Täter erblicken? Eine solche Bestimmung könnte ja unter Umständen in Abgrenzung zur BKA-Defi nition die These eines nicht-intentional politischen Täters plausibel machen. Leider existieren innerhalb der Ursachenforschung kaum brauchbare Hinweise zur Klärung dieser Frage, die Gültigkeit der Diagnose verbleibt damit oftmals im Status ihrer Behauptung: „So wenn behauptet wird, es handele sich bei den Tätern um asoziale und debile Jugendliche, die isoliert, ohne Arbeit, dem Alkohol verfallen, ziellos Gewalt einsetzten.“ (Demirovic 1994, S. 29) Die Annahme aber, dass eine gesellschaft liche Problemlage wie diejenige der Rechten Gewalt nicht auf der entsprechenden Gesinnung derjenigen beruht, die diese Gewalt praktizieren, sondern sich im Gegenteil aus unpolitischen Motiven herleitet, braucht eine nachvollziehbare Offenlegung des dabei zu Grunde gelegten Verständnisses vom Politischen.22 Welche Merkmale lassen sich für das „Politische“ finden? Bei Andreas Buderus findet sich dazu die folgende Charakterisierung: „Politisch sollen Handlungen genannt werden, die in einem sozialen Verband bindende Entscheidungen herstellen bzw. beeinflussen oder zu verhindern suchen.“ (vgl. Buderus 1998, S. 20) Ein erkennbarer Wille zur Beeinflussung der gesamtgesellschaft lichen Realität ist hierbei das entscheidende Kriterium zu Bestimmung des Politischen. Die Aktionen rechtsideologischer Täter gegen Fremde gemäß der Zielvorgabe „Deutschland den Deutschen“ ließen sich danach ohne Probleme als politische Handlungen klassifizieren, weil sie in Form einer Propaganda der Tat strategisch auf die Durchsetzung der eigenen Vorstellungen gerichtet sind. Der Raum des Politischen lässt sich daher grundsätzlich als Sphäre des Zusammentreffens von verschiedenen Interessen bezeichnen. Dazu heißt es in einer terminologischen Arbeit: „Das Politische kann in einer abstrakten analytischen Bestimmung als das allgemeine ‚Beziehungs- und Spannungsfeld‘ verstanden werden, das immer zwischen Menschen besteht, die in kontingenten Ordnungen leben.“ (Meyer 1994, S. 30) Legt man diese Defi nition zu Grunde, wäre selbst der unpolitischste Mensch in analytischer Perspektive noch 22 | Es soll im Rahmen dieser Diskussion kein eigenes theoretisches Verständnis des „Politischen“ entwickelt werden, denn das würde sicherlich den Umfang sprengen. Deshalb wird sich hauptsächlich darauf beschränkt, ein solches Verständnis immer dann einzufordern, wenn man seitens der Forschung einen Menschen als „unpolitisch“ bezeichnet und seine Handlungen entsprechend bewertet, denn eine solche Bewertung erfordert fairerweise eine Offenlegung der Kriterien, nach denen sie vorgenommen wird. Fehlt diese Transparenz, dann besteht die Gefahr, dass Wissenschaft sich den untersuchten Subjekten gegenüber ohne ein einziges Argument als arrogante Belehrungsinstanz aufspielt.
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„politisch“, da sich seine Verweigerung stets auf die Ordnung beziehen lässt, in der er lebt. Ähnlich wie der Satz „Man kann nicht nicht kommunizieren“ (vgl. Watzlawik 1982, Herv. S.D.) wäre das Politische damit unhintergehbar omnipräsent, der Geltungsbereich des Begriffes theoretisch unendlich. Man bräuchte also dann tatsächlich sehr eindeutige Kriterien, will man markieren, wann eine Handlung nicht politisch ist. Wenn innerhalb der Ursachenforschung solche Kriterien benannt werden, dann lassen sie sich im Einzelfall oft auf zweifelhafte Quellen beziehen. Michael Kohlstruck z.B. stützt seine bereits zitierte Behauptung, bei Rechter Gewalt handele es sich um „nicht intentional politisches Handeln“ unter anderem auf die Arbeiten des Gerichtsgutachters Andreas Marneros. 23 Der zentrale Ansatz von Marneros besteht in der Hauptsache allerdings darin, Rechte Gewalt als normale Kriminalität zu deuten (vgl. Marneros 2005). Seine Einschätzungen gehen dabei auf eigene Befragungen von angeklagten Rechtsextremen in Haftsituationen zurück, bei denen er einen deutlichen Mangel an Begründungsfähigkeit erlebte. Diesen Mangel erklärte er sich nachfolgend mit der These, „[...] dass um die 90 Prozent der rechtsextremistischen Gewalttäter nicht die geringste fundierte Ideologie und kein Hintergrundwissen haben, sondern nur leere Parolen und leere Floskeln von sich geben, die keinem Argument standhalten können.“ (Marneros 2005, S. 198) Um zu diesem Ergebnis gelangen zu können, legt Marneros allerdings implizit Kriterien des Politischen zu Grunde, die sich seinen Angaben zufolge eben auf die Elemente der Diskussionsfähigkeit, einer logischen Konsistenz von Argumenten sowie der Existenz eines ausdifferenzierten Hintergrundwissens beziehen lassen. Dieses äußerst voraussetzungsreiche Verständnis einer politischen Praxis führt in der Wahrnehmung dazu, dass die Aussagen der Täter in einer Art und Weise interpretiert werden, die sich eher auf die impliziten Werturteile des Autors stützen als auf den politischen Gehalt der Begründungen selber. Erst auf diesem Hintergrund kann eine festgestellte Abweichung dann als „nicht-politisch“ klassifi ziert werden. Für diesen Vorgang der Etikettierung dürfte es deshalb von entscheidender Bedeutung sein, was in den Augen des Betrachters als politische Aussage zu gelten hat und was nicht. Um das damit zusammenhängende analytische Problem deutlich zu machen, können eine Reihe von Aussagen der von Marneros befragten Angeklagten zitiert werden. Diese gutachterlichen Befragungen fanden allesamt zeitlich deutlich nach den begangenen Taten statt, d.h. die Täter hatten theoretisch durchaus Zeit, sich über ihr Handeln grundsätzlich Klarheit zu verschaffen oder aber sich entlastende Begründungen einfallen zu lassen. Auf die Frage, warum sie ihre Opfer angegriffen 23 | Bei den Arbeiten von Marneros handelt es sich im eigentlichen Sinne nicht um wissenschaft liche Veröffentlichungen, sondern um journalistisch aufbereitete Erfahrungsberichte („Er kennt die Täter wie kein anderer“ – Klappentext). Dass diese Berichte wegen der berufl ichen Nähe des Autors zum Täterkreis trotzdem wissenschaft lich relevant sind, steht außer Zweifel. Die darin enthaltenen Einschätzungen sind jedoch nicht einfach ohne kritische Prüfung zu übernehmen. Eine Ausnahme bildet die Untersuchung von Marneros/Steil/Galvao 2003, auf die sich deshalb auch Krüger (vgl. Krüger 2008) positiv bezieht.
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haben, antworten die Tatverdächtigen jedoch fast ausnahmslos mit klaren Sätzen wie: „[...] weil er ein Schwarzer war“ (In: Marneros 2002, S. 29); „[...] weil ich den rechtsradikalen Kreisen angehöre [...]“ (In: Marneros 2002 S. 77); „[...] ich habe was gegen Ausländer, Juden und Afrikaner“ (In: Marneros 2005, S. 71); „Ausländer raus“ (In: Marneros 2002, S. 37); „[...] die Asylanten müssen weg, ganz besonders die Scheinasylanten“ (In: Marneros 2002, S. 82); „Weil der Imbissbesitzer ein Türke war“ (befragt nach dem Motiv für einen Brandanschlag, In: Marneros 2005, S. 121); „So sieht es aus, wenn wir Deutschland bereinigen“ (In: Marneros 2002, S. 145); „Sie kommen ins Land rein, nehmen unsere deutschen Frauen und unsere Arbeit weg.“ (befragt nach der Motivation, gegen Ausländer zu sein. Marneros 2002, S. 153); „Ich würde sagen, wir schieben die in eine Gaskammer und vergasen sie dort alle.“ (befragt nach dem Verhältnis zu Juden, In: Marneros 2002, S. 71); „Gegen Ausländer und so. Und für Hitler und so“ (In: Marneros 2005, S. 119); „Ich als Nationalsozialist will ein reines Deutschland haben, für Deutsche.“ (In: Marneros 2002, S. 169); „Die Deutschen gehören zu einer höheren Rasse.“ (In: Marneros 2005, S. 60); „Lebensunwürdig“ (befragt zur Tötung eines geistig Behinderten, In: Marneros 2002, S. 96); „Ich kämpfe für Deutschland“ (In: Marneros 2005, S. 142); „Habe nichts empfunden“ (gefragt nach der Verbrennung einer jungen Vietnamesin. In: Marneros 2002, S. 130); „Weil ich dachte, er sei ein Ausländer“ (befragt nach dem Anlass für einen Messerangriff. In: Marneros 2002, S. 184). Diese Liste ließe sich ohne große Mühe noch deutlich verlängern. Dabei gilt: Alle Aussagen stammen von verschiedenen Tätern und betreffen schwere Gewaltdelikte. Es wird deutlich, dass nahezu alle diese Äußerungen sehr wohl einen Bezug zu ideologischen Bezugssysteme erkennen lassen könnten – wenn man ihn sehen will. Ein Täter ohne politisches Bewusstsein müsste seine Taten wohl kaum ohne Not mit Begründungen ausstatten, die dem politischen Koordinatensystem eines rechtsideologischen Diskurses entstammen.24 Es liegt also nahe, diese Aussagen als Indikatoren für das zu nehmen, was Klaus Holzkamp als „subjektive Handlungsbegründungen“ (vgl. Holzkamp 1994) bezeichnet hat und was im Rahmen einer rationalen Handlungstheorie als „Frame“ rekonstruiert werden könnte: „Der Frame, der in einer spezifi zierten Form als ‚Selbstkonzept‘ definiert werden kann, das Hypothesen enthält, die der Akteur über sich selber hat, dient als Rahmen innerhalb dessen die Bewertungskriterien abgeleitet werden, die der Evaluation einer Handlungsalternative zu Grunde liegen. Um rechtsextremes Handeln erklären zu können, ist es daher notwendig festzustellen, welchen Frame ein Akteur aktiviert, vor dessen Hintergrund die rechtsextreme Handlung einem in der Zielhierarchie angeordneten Ziel dient. Das Wissen darüber gibt Aufschluss über die Wahl der Mittel, die als relevant erachtet werden, um dieses Ziel zu erreichen.“ (Mantino 1999, S. 138) 24 | Für diesen logisch inkonsistenten Zusammenhang stellt Sebastian Fischer die zentrale Frage: „Wenn Jugendliche bei der Ausübung von Gewalt, trotz der Annahme, sie sei ‚Selbstzweck‘, ein Begründungsbedürfnis haben, wieso legitimieren sie sich mit offiziell diskreditierten bis hin zu verbotenen rechtsextremen Argumenten?“ (Fischer 2006, S. 40)
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Eine derartige Relevanz wird dabei in erster Linie vom Subjekt gesetzt und nicht durch den Beobachter normiert oder als unlogisch entwertet. Dessen Aufgabe wäre es vielmehr, die subjektiv relevanten Anteile des „Frames“ als Grundlage einer Analyse des Gesagten zur Kenntnis zu nehmen: So kommt Lena Inowlocki im Rahmen ihrer biographischen Fallanalysen zu dem Ergebnis: „Rechtsextreme Jugendliche mobilisieren sich über die symbolisch zugängliche historische Realität des Nationalsozialismus und sind als Teil der gesellschaft lichen Auseinandersetzung zu dieser Geschichte zu verstehen.“ (Inowlocki 2000, S. 13) Eine kämpferische Identifi kation mit der Idee einer exklusiven deutschen Nation, eine Ablehnung von jüdischen und ausländischen Menschen sowie ein völkischer Rassismus wären deshalb im Falle der von Marneros befragten Täter nahe liegende, analytische Deutungsmuster für eine angemessene Verortung des Gesagten. Allerdings setzt das die Anwendung von Kriterien voraus, durch welche diese sprachlichen Tatbestände eben nicht wegen formeller Fehler aus dem Begriff des Politischen ausgegrenzt werden: „Gerade in den letzten Jahren wurden insbesondere rechtsextreme Täter immer wieder als Einzelne gesehen, die weder Gruppen noch Organisationen angehörten und ideologisch desinteressiert seien.“ (Inowlocki 2000, S. 42) Die Folge ist, nach Inowlocki, ein Verkennen der tatsächlichen Werteorientierung: „Ähnlich eingeschränkt ist auch die Definition der ideologischen Zuordnung rechtsextremer Jugendlicher. Wenn sie ihre Aussagen nicht als ‚ideologische‘ markieren, und dies tun sie im allgemeinen, werden höchstens ihre ‚Schlagwörter‘ als solche erkannt und ansonsten Formen desorientierten, verunsicherten Alltagbewusstseins konstatiert.“ (Inowlocki 2000, S. 42)
Genau das passiert ebenfalls, wenn man das Gesagte einzig aufgrund mangelnder Stringenz und Differenziertheit als Floskeln abqualifiziert. Marneros ist aber vor allem aus diesem Grund der Meinung, die dort zitierte Ideologie sei nur ein „Mäntelchen“ des gewöhnlichen Kriminellen, Rechte Gewalt sei dem entsprechend „blinde Gewalt“ (Marneros 2005). Wer aber in blinder Wut zuschlägt, der wählt seine Opfer nicht gezielt aus und kann diese Opferauswahl im Nachhinein auch nicht noch dezidiert begründen. Das lässt sich nur mit Hilfe einer politischen Ideologie leisten. Diese „Leistung“ aber bleibt Marneros mit seinem ausschließlich formgeleiteten Politikbegriff verborgen. Zwar konstatiert er verwundert, dass nahezu alle Befragten weder Scham noch Mitgefühl zeigten (vgl. Marneros 2002, S. 175, auch S. 194),25 darauf aber, dass dieser Umstand auf ein ganz bestimmtes fanatisches Welt25 | Diesen Umstand bemerkte auch der Psychologe Bielicki in seiner Analyse „Der rechtsextreme Gewalttäter“ (vgl. Bielicki 1992). Der Autor interpretiert die rechtsideologische Gefühlskälte als Zeichen eines fehlenden Gewissens und sieht darin einen Beweis der Existenz einer pathologischen Borderline-Störung. Dass das Gewissen von Rechtsextremen aber nicht einfach „fehlt“, sondern eventuell einfach anderen Kriterien gehorcht als einem normalen Über-Ich, darauf mag Bielicki nicht kommen. Rechtsextreme agieren aber nicht generell gewissenlos, sondern ausschließlich gegen bestimmte Zielgruppen,
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bild zurückzuführen sein könnte, welches bestimmten Menschen das Existenzrecht abspricht, mag er nicht kommen: Seiner Meinung nach produziert Rechte Gewalt ausschließlich „zufällige Opfer“ (Marneros 2006)26 Ein Politikverständnis jedoch, welches nur Äußerungen auf gleichem theoretischem Niveau akzeptieren möchte, verfehlt seinen Gegenstand. Zu fragen wäre deshalb nach weiteren Begründungen für die These, dass die Täter nach „übereinstimmender Meinung“ (Kohlstruck 2006) keine erkennbare politische Motivation für ihre Taten aufweisen würden? Welche Argumente lassen sich dafür fi nden? Hauptsächlich lässt sich zur Beantwortung dieser Fragen innerhalb der Ursachenforschung die zentrale Einschätzung ausmachen, dass diese Tätergruppe nachweislich über kein „geschlossenes rechtsradikales Weltbild“ verfügen würde. Hieß es noch in der einflussreichen SINUS-Studie von 1981, dass „Gewaltsamkeit“ insgesamt ein Wesenszug rechtsextremen Denkens und Handelns sei (vgl. SINUS 1981, Nach: Hole 1995, S. 132), so wird ein kausaler Zusammenhang zwischen Gewalt-Handeln und ideologischem Denken innerhalb der Forschung längst nicht mehr per Rückschluss vorgenommen. Dagegen heißt es in einer Untersuchung über Rechtsextremismus und Jugendgewalt: „Rechtsextremisten neigen überdurchschnittlich häufig auch zu Gewaltanwendung, umgekehrt hat nur eine Minderheit gewalttätiger Jugendlicher ein verfestigtes und geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild.“ (Schroeder 2003, S. 21) Entsprechende Befragungen würden bei Befürwortern oder Protagonisten Rechter Gewalt regelmäßig Lücken in der Kenntnis aktueller rechtsextremer Parteiprogrammatik, mangelndes Wissen über den Nationalsozialismus sowie eine fehlerhafte Einschätzung politischer Zusammenhänge, etwa in der so genannten Ausländerproblematik ergeben.27 Auch bei einer anderen Studie über „Rechtsextremismus bei Jugendlichen“ wird deshalb davon ausgegangen, „[...] dass nur wenige der die vorher per politischer Defi nition aus dem Begriff des Menschen ausgegrenzt wurden. Mitleid aber kann man nur gegenüber Wesen empfi nden, denen man grundsätzlich ein Recht auf Leben zuspricht. Dass dies bei Rechtsextremen nicht umstandslos der Fall ist, zeigen besonders die Erfahrungen von Anetta Kahane. Sie berichtet aus der Praxis mit jungen Rechten: „Die neuen Neonazis leugnen den Holocaust gar nicht mehr. Weil in der Leugnung eine moralische Komponente enthalten ist, nämlich die, dass das Unrecht war. Wenn wir heute mit Neonazis sprechen, sagen die: Sicher habe ich die Leichenberge im Kopf, aber die waren nicht hoch genug.“ (Kahane 2007, S. 35) 26 | Vgl. dazu: „Die ideologischen Mäntelchen Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit, Judenhass, Rassismus werden nur vorübergehend getragen, sind austauschbar und beliebig. Was dahinter steht, richtet sich gegen alle Menschen. Das Opfer ist mehr oder weniger zufällig.“ (Marneros 2005, S. 141) 27 | Vgl. hierzu auch die einflussreiche Untersuchung von Wilhelm Heitmeyer, bei dem genau dieser Umstand als Indiz für die Richtigkeit seines theoretischen Ansatzes des „Soziologischen Rechtsextremismus“ fungierte: „Empirisch zeigt sich, dass viele Jugendliche, die autoritär-nationalistische oder auch explizit rechtsextremistische Positionen vertreten, die Parteiprogramme, Zeitschriften, Propagandamaterialien der einschlägigen rechtsextremen Parteien oder Aktionsgruppen gar nicht kennen.“ (Heitmeyer 1993, S. 135)
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(zumeist jugendlichen) Tatverdächtigen ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild aufweisen.“ (Oepke 2005, S. 33) Aufgrund dieser Fragmentierung des ideologischen Bewusstseins wird seitens der Wissenschaft angenommen, dass der Anwendung Rechter Gewalt kein entsprechendes Gedankengut zu Grunde liegen würde. Im Umkehrschluss bedeutet das: Soll etwas im Sinne der Ursachenforschung als „politische Handlung“ gelten, muss bei den Handelnden eine lückenlose und ausdifferenzierte Einstellung vorliegen. Die Lückenhaftigkeit des rechtspolitischen Bewusstseins ist deshalb auch bei Chrsitine Krüger das zentrale Argument, die Orientierungen der von ihr untersuchten Täter als „unpolitisch“ zu bezeichnen. So ist sie bei ihren Interviews mit 24 Verurteilten fast überall auf die typischen ausländerfeindlichen Vorurteile, Feindbilder und Floskeln rechtspolitischer Propaganda gestoßen, wertet diese Elemente aufgrund einer mangelnden Tiefenstruktur jedoch ausschließlich als Indizien für „Oberflächlichkeit“, da die Täter ihre Positionen nicht mit theoretisch anspruchsvollen politischen Theorien unterlegen würden: „Die rechten Einstellungen der Jugendlichen setzten sich damit aus nichts anderem zusammen als einer oberflächlichen und nicht begründbaren Feindlichkeit und Verachtung gegenüber anderen Menschen. [...] Die vermeintlich ‚rechte‘ Gewalt stellt sich als allgemeine menschenfeindliche und menschenverachtende Gewalt dar. Als ‚rechtsextrem‘ und in diesem Sinne politische Gewalt kann sie nicht bezeichnet werden.“ (Krüger 2008, S. 214)28
Die Taten sind also deshalb nicht politisch, weil die Täter keine akademisch zufriedenstellenden Begründungen abgeben konnten, die diese in einen hinreichend ideologischen Kontext stellen würden. Krüger spricht in diesem Zusammenhang deshalb auch davon, dass viele der Täter kaum dazu in der Lage gewesen seien „[...] ihre rechtsextreme Einstellung zu substanziieren. Sie konnten zwar die einzelnen Elemente ihrer Überzeugung deutlich machen, erläutert wurden diese jedoch ohne Wirklichkeitsbezug anhand von Floskeln, einfachen Stereotypen und inhaltsleeren Phrasen.“ (Krüger 2008, S. 196)
Was aber, wenn mangelnder Wirklichkeitsbezug, Phrasendrescherei und Stereotypisierungen schon immer die wesentlichen Elemente eines solchen Weltbildes gewesen sind?29 Dann wären alle diese Kriterien bei den Akteuren Rechter Gewalt erfüllt. 28 | Diese Charakterisierung legt es nahe, Rechte Gewalt unter dem allgemeineren Begriff der „Vorurteilskriminalität“ zu subsumieren, der sich wie folgt charakterisieren lässt: „Vorurteilskriminalität sind also Gewalttaten gegen Personen oder Sachen, die der Täter vor dem Hintergrund eines eigenen Gruppenzugehörigkeitsgefühls gegen ein Mitglied einer anderen Gruppe aufgrund deren Eigenschaft – wie Rasse, Nationalität, Religion, sexuelle Orientierung oder sonstiger Lebensstile – ausführt und damit beabsichtigt, alle Fremdgruppenmitglieder einzuschüchtern und die Eigengruppe zu entsprechende Taten aufzufordern.“ (Bannenberg/Rössner/Coester 2006, S. 25) Allerdings wäre das noch kein Argument dafür, solche Taten nicht als „politisch“ anzusehen. 29 | Es muss im Grunde nicht eigens betont werden, dass sich die politische Theorie
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Doch wie bereits in den erwähnten Einschätzungen von Marneros fungiert als Hauptargument für die Diagnose des „Nicht-Politischen“ die offensichtlich mangelhafte Differenzierungsfähigkeit der Tatbegründungen durch die Täter. Dabei wird (wie schon beim Begriff des Politischen) jedoch nicht hinreichend erklärt, weshalb dieses Kriterium überhaupt einen Widerspruch zur politischen Theorie des rechtspolitischen Extremismus markieren sollte, denn einfache Slogans und ideologische Propaganda für die eigenen Ziele haben diese (und andere) politische Bewegungen seit jeher begleitet. Die einfache Struktur sprachlicher ideologischer Operationen als Beleg für deren Ausgrenzung aus dem Deutungsraum politischer Analysen zu interpretieren, ist deshalb zumindest stark begründungsbedürftig. Anders gefragt: Warum sollte das sprachliche Niveau einer Aussage über die Gültigkeit der damit vertretenen Wertorientierungen entscheiden? Die im Zusammenhang mit Rechter Gewalt vielfach geäußerte Parole „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ mag vielleicht gerade vielen Wissenschaft lern aufgrund der einfachen Logik nicht unmittelbar einleuchten, es dürfte aber ein kardinaler Fehler sein, sie allein deshalb nicht als Teil einer politischen Strategie einzustufen.30 Vielmehr könnte umgekehrt gerade der Gebrauch eines derart einfach strukturierten Weltbildes ein wesentliches Erkennungszeichen rechtsextremer Politik markieren. Die Existenz eines Bewusstseins, welches in diesem Sinne nicht als „geschlossen“, im Sinne von „konsistent“ zu bezeichnen wäre, würde dann nicht als Indiz für eine Negation des Politischen gelten, sondern als ihr genaues Gegenteil. In seinen Arbeiten über das Phänomen des „Fanatismus“ beschreibt Günter Hole z.B. gerade die Nicht-Existenz programmatischer Ausdifferenzierung als konstitutiv für Täter mit einem fundamentalistischen Weltbild. Seiner Meinung nach darf vom Fehlen dieser Ausdifferenzierung nicht ohne weiteres auf das generelle Fehlen einer politischen Grundhaltung geschlossen werden: „Doch allen, auch den ‚dumpfen‘ fanatischen Einstellungen liegt eine bestimmte Ideenwelt zugrunde. Deren Artikulierung in vereinfachten, plakativen Äußerungsformen und Schlagworten stellt ja auch eines ihrer typischen Wesensdes rechtsideologischen Extremismus seit der Grundlegung durch die Nationalsozialisten besonders in ihrem Kern, dem radikalen Antisemitismus, nicht durch die Elemente „Wirklichkeitstreue“ oder „Differenziertheit“ auszeichnet. 30 | Dagegen kommt eine Forschungsarbeit zu dem eindeutigen Ergebnis: „Jugendliche Gewalttäter verstehen sich als Vollstrecker des Volkswillens und erklären ihre Gewalttaten häufig politisch. Auch hinter der einfachen Parole ‚Deutschland den Deutschen – Ausländer raus‘, die immer wieder auf den Demonstrationen der rechten Gruppierungen skandiert wird, steht eine politisch ernstzunehmende Zielvorstellung.“ (Bernfeldt 2001, S. 10) Die Strategie, rechtspolitischen Extremismus nicht ernst zu nehmen, steht dabei nicht nur zu solchen aktuellen Erkenntnissen im Widerspruch – auch im historischen Rückblick ist es einer der Hauptfehler des aufgeklärten Bürgertums und des damaligen Wissenschaftsbetriebes gewesen, die Bedrohung durch die nationalsozialistische Bewegung nicht richtig eingeschätzt zu haben. Eine solche Einschätzung hätte sich aus der Analyse der Praxis und der Inhalte dieser Ideologie ergeben müssen. Eine derartige Analyse dürfte daher unter keinen gesellschaft lichen Umständen als vernachlässigbar erscheinen.
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merkmale dar.“ (Hole 1995, S. 13) Hole plädiert deshalb auch beim Phänomen des gewalttätigen Rechtsextremismus (für ihn ein Fall von politischem „Gruppen-Fanatismus“) dafür, die jeweils existierenden Tatbegründungen nicht wegen mangelnder Stringenz unbeachtet zu lassen: „Die politischen Überzeugungen, die jeweils als Begründungen deklariert werden, mögen noch so verworren, unrealistisch und extrem erscheinen, sie haben für die Betreffenden subjektiv eminente Bedeutung, wenn nicht Glaubenscharakter.“ (Hole 1995, S. 128) Auch der Politologe Kurt Lenk betont in seiner Analyse rechtsextremer Theoriebildung das Vorhandensein irrationaler Argumentationsmuster als deren zentrales Merkmal: „Politische und soziale Mythen, nicht logisch nachvollziehbare Argumente sind die typischen Kommunikationsformen in rechtsextremen Diskursen.“ (Lenk 2005, S. 19) Für Lenk ergeben sich deshalb aus einer Position, die rechte Politik ausschließlich mit den Maßstäben rationaler Konsistenz analysieren möchte, erhebliche Definitionsprobleme. Diese Probleme macht er ausdrücklich an der begrifflichen Vorstellung eines „geschlossenen Weltbildes“ fest: „Im Blick auf die Gemeinsamkeiten rechtsextremer Einstellungen wird mitunter von der Existenz eines ‚geschlossenen Weltbildes‘ gesprochen, so, als bedürfe es einer systematischen Schulung, um als Rechtsextremist zu gelten. In Wirklichkeit gab und gibt es eine solche Geschlossenheit nicht.“ (Lenk 2005, S. 20) 31 Die in diesem Zitat verwendeten Tempi („gab und gibt“) machen dabei erneut auf den Umstand aufmerksam, dass der Versuch, eine fehlende ideologischer Festigkeit zum analytischen Kriterium zur Beurteilung Rechter Gewalt zu erheben, ausgerechnet im historischen Rückblick problematisch sein könnte: Schon den nationalsozialistischen „Gründungsvätern“ rechtsextremer Gewaltanwendung war eine gewisse ideologische Fragmentierung zu eigen. Bereits die SA verfolgte vorrangig eine Strategie des Kampfes um die Straße und hatte keinen besonderen Schwerpunkt auf der ideologischen Schulung ihrer Mitglieder. So hieß es in einem internen Schriftstück sogar: „Der SA-Mann hat grundsätzlich mit Politik nichts zu tun [...]“ (Longerich 2006, S. 20) Auf die Gefahr einer Vernachlässigung einer solchen geschichtlichen Perspektive bei der Beurteilung heutiger Rechtsextremer, nämlich bei deren Taten nur deshalb „[...] einen politischen Hintergrund zu verneinen, da der Täter zu betrunken gewesen sei oder seine rassistische Einstellung nicht faktenreich begründet werden konnte.“ (Farin 2006, S. 20) weist Klaus Farin besonders hin: „Denn genau dies war ein zentraler Wesenszug der nationalsozialistischen Straßenkämpfer von einst: Die SA verstand sich als trinkfeste, männliche Kameradschafts- und Kampft ruppe, die für die ‚Politischen‘ die Straße eroberte, sich selbst aber nur mäßig für politische Zusammenhänge interessierte und dies aus der Perspektive ihrer politischen Führung auch gar nicht sollte.“ (Farin 2006, S. 20) 31 | Vgl. dazu auch die Analyse von Thomas Grumke: „Über ein in sich geschlossenes, voll entwickeltes Theoriegebäude verfügt der Rechtsextremismus jedoch nach wie vor nicht.“ (Grumke 2007, S. 28) Ist aber die Nicht-Geschlossenheit ein allgemeines Merkmal rechtsextremer Politik, kann das Fehlen dieses Merkmals schlecht als Argument gegen die Etikettierung dieses Denkens als politisch fungieren.
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Schon dieser kurze Blick zurück in die deutsche Geschichte macht also deutlich, dass das Kriterium des Vorhandenseins eines Geschlossenen Weltbildes zur Entscheidung über den politischen Gehalt von Gewalt-Motiven heutiger Täter logisch inkonsistent ist, weil gerade die Nicht-Geschlossenheit und die Verwendung inkonsistenter Begriffe eine rechtsmotivierte Orientierung zentral ausmachen.32 Das bedeutet: Nur wenn das historische Vorbild selber als unpolitisches Phänomen gelten könnte, wäre das Anlegen dieses Kriteriums an die Taten heutiger Rechtsextremer ein zulässiges analytisches Instrument. Wie wenig das Fehlen einer Begründung auf der Täterseite als Argument zur Aufgabe von externen forschungsanalytischen Kriterien tatsächlich zu überzeugen vermag, wird jedoch auch deutlich, wenn man die Gültigkeit dieser Prämisse auf andere Formen interpersonaler Gewalt überträgt: Wäre es beispielsweise anzuzweifeln, dass es sich bei einem schlagenden Ehemann nur deshalb nicht um einen Fall von Gewalt gegen Frauen handelt, weil der Täter das Wort Patriarchat nicht buchstabieren kann oder nur Fragmente einer entsprechenden Theorie zu Protokoll gibt? Sicher nicht. Der Forscher würde bei einer solchen Einschätzung nur eine Verdoppelung strategischer Sprachlosigkeit vornehmen. Für die forschungsinterne Diagnose eines nicht-geschlossenen Weltbildes existiert aber weder eine zufrieden stellende Begründung von Kriterien, nach denen diese Diagnose eben mehr darstellt als die verdoppelnde Übernahme der Tätersprache, noch existiert ein anerkanntes Verfahren, womit Varianzen von politischen Einstellungen etwa derart fi xiert werden könnten, so dass die Begriffe Schließung oder Offenheit von rechtsideologischen Weltbildern nachvollziehbar begründbar wären. Im Gegenteil, die Einschätzung von der Beschaffenheit dieser Weltbilder weisen auch innerhalb der wissenschaft lichen Fachdiskussion einen hohen Grad an inhaltlicher Heterogenität auf: „Von einem konsensualen Verständnis und Gebrauch der Rechtsextremismus-Terminologie kann nicht gesprochen werden.“ (Oepke 2005, S. 29) Dieser Befund ist für die Begründung von Fachtermini aber durchaus folgenreich: Gerade die Begriffe, die zur Begründung einer Unterscheidung etwa von fremdenfeindlicher zu rechtsextremer oder eben zu unpolitischer Gesinnung benutzt werden, sind unter Umständen selber nicht eindeutig genug definiert, um den jeweiligen Geltungsbereich wissenschaft lich exakt begründen zu können: „Aus wissenschaft licher Sicht bleibt aber festzustellen, dass der Rechtsextremismusbegriff sehr unterschiedlich verwendet wird und damit nicht nur der Vielgestaltigkeit des Gegenstands Rechnung getragen wird.“ (Decker/Brähler 2005, S. 9) Diese Unterbestimmtheit der politikwissenschaft lichen Etikettierungen stellt die Ausdifferenzierung in die verschiedenen Spezifi zierungen Rechter Gewalt vor nicht unerhebliche terminologische Probleme. Die gewünschte Präzision, die sich aus einer primären Fokussierung auf die Motivation der Täter ergibt, erscheint an dieser Stelle insgesamt fragwürdig geworden zu sein und ist offenbar abhängig von der jeweiligen Theorie des Forschers über das Wesen des Politischen. 32 | Ristau spricht in seiner historischen Analyse des NS-Sprachgebrauchs vom so genannten „Anti-Begriffen“, die als Schlagwörter ausschließlichen Propagandaeffekt hatten. (vgl. Ristau 1994, S. 166).
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Denn um eine Handlung als nicht politisch motiviert bezeichnen zu können, weil z.B. das Weltbild des Täters in der Formulierung seiner Begründung Lücken aufweist, benötigt man eine entsprechende Theorie, die eben ein solches fragmentarisches Bewusstsein per Definition aus dem Geltungsbereich des Begriffes politisch ausgrenzt. Eine solche theoriegeleitete Definition aber fehlt fast durchgängig. Das ist nicht unbedingt ein Versäumnis, denn eine derartige eindeutige Bestimmung existiert jenseits der Grenzen der Ursachenforschung ebenfalls nicht. Wie sich aber selbst aus einem wenig differenzierten Politikverständnis heraus die Taten angeblich unpolitischer Jugendlicher in einen strategischen Kontext stellen lassen, lässt sich ausgerechnet am Beispiel eines Theoretikers illustrieren, auf den sich nicht ohne Zufall von der so genannten Neuen Rechten aus positiv bezogen werden dürfte. Gemeint ist die Bestimmung des „Politischen“ im Werk des umstrittenen Staatsrechtlers Carl Schmitt. Schmitt definiert politisches Handeln zunächst als „[...] alles, was die Lebensfragen eines Volkes als eines einheitlichen Ganzen betrifft.“ (Schmitt 1969, Nach: Gessenharter 2004, S. 36) Nicht nur ist damit das Politische auf die Anerkennung eines spezifischen Inhaltes einer Politikauffassung verpflichtet, nämlich das „Volk“ als imaginäre Einheit zu begreifen, sondern es ist in diesem definitorischen Rahmen handlungstheoretisch nahezu vollständig auf die Akzeptanz der in der Defi nition enthaltenen Prämisse verwiesen: Jede Handlung wäre danach als politisch zu begreifen, wenn die Inhalte dieser rechtsideologischen Politikauffassung grundsätzlich geteilt werden. Diese Politikauffassung betrifft dabei zentral die durchaus kämpferische Konstruktion des „Volkes“ als einer homogenen Einheit: „Zur Demokratie gehört also notwendig erstens Homogenität und zweitens – nötigenfalls – die Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen.“ (Schmitt 1969, Nach: Gessenharter 2004, S. 36) Nun kann man zwar gewiss diesen Ansatz mit guten Argumenten als irrig, anti-pluralistisch oder fundamentalistisch kritisieren, denn es handelt sich dabei eben um ein stark reduziertes Verständnis von der Art und Weise gesellschaft licher Organisation. Was sich jedoch nicht so ohne weiteres begründen ließe, wäre die Behauptung, dass es sich dabei um ein „unpolitisches“ Modell von Politik handeln würde. Dieses Modell muss an dieser Stelle nicht weiterdiskutiert werden, es sollte mit diesem Exkurs lediglich gezeigt werden, wie selbst mit einem derart unterkomplexen Politikbegriff wie dem von Schmitt eine Klassifi kation Rechter Gewalt als eine Form von Politik gelingen könnte. Dabei sind es vor allem die theoretischen Prämissen dieses Ansatzes, die dabei helfen können, die scheinbar unpolitischen Aktionen sprachloser rechtsextremer Täter zu rekonstruieren, indem diese als hypothetische Voraussetzungen deren Handlungen zu Grunde gelegt werden: So fungiert als internes Kriterium des Politischen für Carl Schmitt die grundsätzliche Fähigkeit, zwischen Freund und Feind unterscheiden zu können. Er schreibt dazu: „Die spezifisch politische Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückführen lassen, ist die Unterscheidung von Freund und Feind.“ (Schmitt 1963, S. 26, Herv. i.O.) Eine laut Schmitt gesellschaft lich notwendige „Vernichtung des Heterogenen“ kann als politisches Projekt deshalb auch nur dann Sinn ergeben, wenn die zu vernichtende Feindgruppe in dieser Hinsicht zieladäquat lokalisiert werden kann. Eine solche Lokalisierung wird in der Regel durch die Formulierung
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entsprechender Feindbilder bereitgestellt (vgl. Jesse 2005). Nach den Erkenntnissen moderner Feindbildforschung sind die inhaltlichen Strukturen dieser Stereotype allerdings nicht komplett beliebig, sondern „[...] beziehen sich vielmehr auf ein bestehendes Wertesystem.“ (Bernhardt 1994, S. 12) Wenn ich also einen Menschen als Feind, als gefährliche oder als lebensunwerte Person wahrnehme, dann ist damit immer ein Bezug auf entsprechende Wertvorstellungen verbunden: „Ein individueller Wert ist das, was als eine Gemeinsamkeit in meinen Einschätzungen von bestimmten konkreten Sachverhalten oder Personen auszumachen ist. [...] Werte sind die Antwort auf die Frage, was mit wichtig ist und was nicht.“ (Meinert 2008, S. 168) „Werte“ sind danach nicht denkbar ohne die Existenz einer Theorie, wodurch sich die Bedeutung dieser Vorstellungen begründen ließe. Die Existenz von Feindbildern gerät damit analytisch gesehen zum wesentlichen Faktor, eine Handlung oder eine Aussage einer entsprechenden Theorie zuordnen zu können, umso mehr, wenn sich diese theoretischen Prämissen ganz praktisch in einer Gewaltaktion gegen Angehörige der ideologisch strukturierten Feindbildgruppe realisieren. Für Günter Hole ist die Existenz von Gewaltausübung gegen eine klar zu defi nierende Feindgruppe deshalb grundsätzlich ein generelles Indiz für das Vorliegen einer fanatischen Theoriebildung, denn: „Fanatische Gewalt, also Gewaltausübung zur Durchsetzung fanatisch besetzter Ziele setzt das Vorhandensein eben solcher Ziele voraus.“ (Hole 1995, S. 134) Diese Ziele sieht Hole im Fall der Rechten Gewalt ausdrücklich durch die Art und Weise rechtsideologischer Politikvorstellungen vorformuliert, „[...] im Herstellen eines ‚ethnisch gesäuberten‘ Landes, einer ‚reinen Nation‘, ebenso in der endlichen Wiederherstellung von ‚Zucht‘, ‚Ordnung‘ und ‚nationaler Größe‘.“ (Hole 1995, S. 134) Auch wenn die Bestimmung des Politischen als „Unterscheidung von Freund und Feind“ ein hohes Maß an Vereinfachung darstellt, so kann doch nicht von der Hand gewiesen werden, dass mit dem Ansatz von Schmitt eine Theorie existiert, mit welcher sich die Aktionen und die Parolen rechtsmotivierter Schläger jenseits der akademischen Kriterien einer anspruchsvollen Sprachkritik als sinnvolles Handeln im Kontext einer politischen Strategie klassifizieren ließen. Um eine Tat von Art und Struktur der Rechten Gewalt also als „politisch motiviert“ einzustufen, wäre demnach nicht unbedingt das Kriterium der Ausdifferenzierung von Weltbildern das entscheidende analytische Instrument, sondern die Frage, ob diese Gewalt sich eventuell gegen Menschen richtet, die durch ihre Eigenschaft als Feindbilder auf eine entsprechende fanatische politische Theorie bezogen werden können. Im nächsten Abschnitt soll deshalb der Versuch im Vordergrund stehen, diese Frage zu prüfen. Dabei wird in diesem Zusammenhang vor allem die Wichtigkeit einer analytischen Integration der Opfer betont: „Zwar ist es richtig, dass eine Täterorientierung zur Reduzierung vorhandener Gewaltpotentiale und zur Verhinderung weiterer Gewalt erforderlich ist, allerdings bedarf dieser Ansatz zwingend der Erweiterung um die Opferperspektive und die Durchdringung der inneren Dialektik des Täter-Opfer-Komplexes“ (Buderus 1998, S. 143) Eine solche Erweiterung soll im nächsten Abschnitt vorgenommen werden.
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3.3 Das Fehlen der Opferperspektive als analytisches Defizit Es konnte in den letzten beiden Abschnitten gezeigt werden, dass eine bestimmte Form der täterzentrierten Diagnostik im Fall der Rechten Gewalt offenbar nicht in der Lage ist, die spezielle Richtung dieser Handlungen ausreichend in den Blick zu bekommen, weil sie mit einem unterbestimmten Parameter des Politischen arbeitet. Für eine möglichst objektive Entscheidung aber, ob es sich bei einer gewalttätigen Handlung um eine politische handelt, könnte der Umstand entscheidend sein, wem denn diese Handlung gilt, setzt man jedenfalls voraus, dass der Begriff der Handlung stets eine Wirkungsdimension besitzt. Eine solche Dimension verweist zentral auf das Ziel einer Handlung, die Frage also, wer von der Gewalt des Täters betroffen ist. Zur Beantwortung dieser Frage ist es unumgänglich, Position und Perspektive des Opfers einer Gewalthandlung in die Analyse mit einzubeziehen. Dieses Verständnis ist innerhalb des Themenfeldes Rechte Gewalt allerdings kein etablierter fachlicher Standard: „Ein wesentliches Problem im Umgang mit rechter Gewalt ist, dass sich die zuständigen Personen [...] fast ausschließlich auf die Täter und deren Motive konzentrieren.“ (Wagner 2000, S. 37) Die bewusste Integration der Richtungsdimension von Rechter Gewalt macht somit unter Umständen einen grundsätzlichen „[...] Perspektivwechsel notwendig, der den Blick auf die Opfer lenkt.“ (Buntenbach 1999, S. 26) Ein solcher Blick verlässt den Ort der Ausübung einer Gewalttat als alleinigen Ausgangspunkt einer wissenschaft lichen Analyse und thematisiert statt dessen den Beziehungsaspekt von Täter und Opfer. Beide sind hierbei als soziale Positionen zu begreifen, die sich in einem besonderen strategischen Verhältnis generieren. Wirkungsausgang und Wirkungsankunft einer Handlung namens Gewalt markieren als Folge die entscheidenden Pole, zwischen denen eine klare Richtung existiert. Ohne das Einbeziehen dieser Dimension fehlt der Analyse Rechter Gewalt methodisch ein entscheidender Blickwinkel, weil die Opfer dann nur als eine Art zufälliges Nebenprodukt erscheinen, wenn die Richtungsdimension nicht in die Untersuchung integriert wird. Was aber sind die Alternativen? Es ließe sich für das Projekt einer Inklusion der Opferperspektive vor allem auf jene analytischen Ansätze zurückgreifen, die im Umfeld der Friedensforschung entstanden sind. So heißt es etwa in der terminologischen Arbeit von Meyers: „Der gesellschaft liche Sachverhalt, den der Begriff der direkten oder psychischen Gewalt umschreibt, ist der einer eindeutig angebbaren Subjekt-Objekt-Beziehung: Gewalt wird ausgeübt von einem Täter (Subjekt); Gewalt wird erlitten von einem Opfer (Objekt).“ (Meyers 1994, S. 35) Eine solche analytische Inklusion der Opferperspektive findet sich vor allem in so genannten interaktionistischen Konzepten zur Bestimmung von Gewalt. Gewalt wird dabei als spezifische Handlungsform im Rahmen einer Beziehung verstanden. Gerade die physische Gewalt ist ja ein Phänomen, welches sich konkret zwischen zwei Positionen abspielt und deshalb auch als Form sozialer Interaktion verstanden werden könnte: „Die interagierenden Einheiten unterscheiden sich durch typische Positionen, die sich aufeinander beziehen [...]: Täter und Opfer.“ (Montau 1996, S. 22) Eine Einbeziehung der Position des Opfers scheint dabei für die Art der Be-
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stimmung von Gewalt vor allem deshalb entscheidend zu sein, weil sich im Opfer ein Phänomen namens Gewalt überhaupt erst logisch sinnvoll realisieren kann. So ist ein Faustschlag in der Regel erst dann eine gewalttätige Handlung, wenn er jemanden trifft oder treffen sollte. Diese Dimension der Realisierung von Gewalt ist dabei vor allem ein körperliches Faktum: „Die physische Gewalt ist der intensivste Machtbeweis. Sie trifft das Opfer unmittelbar, im Zentrum seiner Existenz, in seinem Körper.“ (Sofsky 1996, S. 20) Dabei ist dieser Machtbeweis in seiner Wirkung auf den Körper nicht nur eine unmittelbare, sondern verweist durch die spezifische Qualität der Handlung auf die Möglichkeit einer generellen Beendigung der körperlichen Existenz des Opfers durch den Täter: „Denn die Gewalttat droht immer auch den Tod an – ein weiterer Hieb oder, beim nächsten Mal, ein stärkerer Schlag würde tödlich sein. Gewalttat ist Tötungsgewalt, auch dann, wenn sie nur auf diese Weiterung verweist.“ (Lindenberger/Lüdkte 1995, S. 10, Herv. i.O.) Gewalt ist also immer eine Tat, die ein Opfer produziert, ohne Opfer gibt es demnach keine Gewalt. Eine Gewaltanalyse ohne Opfer ist daher analytisch unbefriedigend. Eine eindeutige Integration der Opferposition lässt sich dagegen in der bekannten Definition des norwegischen Friedensforschers Johann Galtung fi nden. Sie lautet: „Gewalt liegt dann vor, wenn Menschen so beeinflusst werden, dass ihre aktuelle somatische und geistige Entwicklung geringer ist als ihre potentielle Verwirklichung.“ (Galtung 1975, S. 9) Der von der Gewalt betroffene Mensch fungiert hier als eindeutiger Indikator für die Möglichkeit, überhaupt von Gewalt sprechen zu können. Dabei unterscheidet Galtung grundsätzlich analytisch zwischen direkter (personaler) Gewalt und indirekter (oder struktureller) Gewalt. „Den Typen Gewalt, bei dem es einen Akteur gibt, bezeichnen wir als personale oder direkte Gewalt, die Gewalt ohne einen Akteur als strukturelle Gewalt.“ (Galtung 1980, S. 9) Zwei Aspekte scheinen an dieser Definition im Hinblick auf die Möglichkeit der Integration der Opferperspektive wesentlich zu sein. Der erste Aspekt liegt im Sprachgebrauch Galtungs, wenn er schreibt: „Gewalt liegt vor, wenn...“ Der Begriff der Gewalt ist hier grammatikalisch als Verhältnis im Konjunktiv eingeführt, er ist damit bezogen auf konkrete Handlungen oder Unterlassungen. Diese beiden Dimensionen legen fest, dass der Begriff sich eben auf etwas beziehen muss, um manifest in Erscheinung zu treten. Diese Beziehung lässt sich somit einzig und allein im Objekt derartiger Handlungen und Unterlassungen auffinden. Um vorzuliegen, braucht der Begriff der Gewalt also demnach ein konkretes Ziel. Das Opfer ist deshalb wesentlich für die Bestimmung einer Handlung als Gewalt, wobei sogar der Beziehungsaspekt, das Subjekt-Objekt-Verhältnis in den Hintergrund gerät. Das wird besonders beim zweiten Aspekt der Galtung'schen Defi nition deutlich: Mindestens bei dem Begriff der „strukturellen Gewalt“ ist die Person des Täters als Akteur überhaupt nicht mehr vorhanden. Gewalt lässt sich mit Galtung also eigentlich nicht mehr sinnvoll durch den Ort der Ausführung definieren, sondern von dem Ort aus bestimmen, wo die Wirkung einer Handlung oder einer Unterlassung auft ritt. Gewalttätig zu sein, bedeutet demnach also, einen Menschen zum Opfer zu machen. In dieser Charakterisierung ist eine strukturelle Asymmetrie von Täter und Opfer angelegt, die nach Ansicht von Theunert (vgl. Theunert 1996) dazu führt, den Folgen für das Opfer terminologisch einen grundsätzlicheren Stellenwert
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bei der Bestimmung von Gewalt einzuräumen: „Das Ziel der Gewaltausübung tritt gegenüber der Folge in den Hintergrund, es ist sekundäres Bestimmungskriterium.“ (Theunert 1996, S. 40) Theunert charakterisiert deshalb Gewalt als „[...] die Manifestation von Macht und/oder Herrschaft, mit der Folge und/oder dem Ziel der Schädigung von einzelnen oder Gruppen von Menschen.“ (vgl. Theunert 1996, S. 59) Zentral kann diesem Verständnis die Dimension der „Folge“ als bestimmend für den Terminus „Gewalt“ entnommen werden. Eine solche Sichtweise lässt sich als opferzentrierter Blick auf Gewalt charakterisieren und konsequent von allen Versuchen abgrenzen, Gewalt definitorisch durch einen Fokus auf die Täterseite zu reduzieren. Der Gefahr, das Politische durch die Begrenzung auf die Position des Täters aus dem analytischen Blick zu verlieren, kann durch die Erweiterung eines solchen Beobachtungsrahmens sinnvoll begegnet werden. Es erscheint also methodisch adäquat zu sein, zur Bestimmung von Rechter Gewalt eine Perspektive einzunehmen, die zu aller erst nach der Struktur der Menschen fragt, die von diesen Handlungen betroffen sind: „Wenn es typische Opfergruppen gibt, beispielsweise Migranten, Obdachlose, politisch Andersdenkende oder Homosexuelle, muss die Motivation eine spezifi sche sein.“ (Fischer 2006, S. 40) So heißt es auch beim heuristischen Erklärungsansatz von Susanne Mantino: „Um [...] Rechtsextremismus zu erklären, ist es notwendig, den Prozess der Handlungsentscheidung zu analysieren. Die Analyse basiert auf Variablen-Zusammenhängen über die Motive, d.h. über Art und Weise, wie die Entscheidungen für eine rechtsextreme Handlungsalternative getroffen wird.“ (Mantino 1999, S. 140) Die Art und Weise der Opfergruppen könnten in diesem Sinne als Erklärungsvariablen zur Charakterisierung einer Handlung als rechtsextrem dienen, weil in ihnen eine Handlung wie Rechte Gewalt direkt manifest wird, bzw. anhand ihres Erscheinens die Entscheidung für oder gegen eine Realisierung dieser Handlungsform getroffen wird. Allerdings ist dieses Kriterium kein allgemeiner analytischer Standard innerhalb der Ursachenforschung: „Es gibt in der sozialwissenschaft lichen Literatur keine Einigkeit darüber, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit von einer rechtsextremen Gewalttat gesprochen werden kann.“ (John 2008, S. 368) Die zentrale Frage zur Behebung dieses Mankos müsste demnach lauten: Wer sind die Opfer Rechter Gewalt? Dazu lässt sich im Rückblick auf die enormen Steigerungsraten Anfang der 90er Jahre sagen, dass es zunächst vorrangig Asylbewerber gewesen sind, welche sich rechtsmotivierten Attacken ausgesetzt sahen. (vgl. Willems 1993) Dabei waren diese Opfer grundsätzlich nicht nach Alter oder Geschlecht differenziert, weil die Angriffe mit Brandbeschleunigern sich oft mals auf deren Wohnungen und Unterkünfte richteten.33 Dieser Tatbestand ist nicht unbedingt ein Zufall, sondern ließe 33 | Bei den Tatanalysen von Neumann/Frindte heißt es dazu: „In der überwiegenden Mehrzahl (80 Prozent) richteten sich die Taten gegen konkrete Personen, 20 Prozent verübten Taten gegen Einrichtungen wie Asyl- oder Übersiedlerwohnheime.“ (Neumann/Frindte 2002, S. 100) Jede fünfte rechte Tat war damit gegen einen Wohnkomplex gerichtet, was keine Differenzierung nach Alter und Geschlecht zulässt. Die Datenbasis bildete allerdings im Fall der zitierten Untersuchung lediglich 101 Interviews mit verurteilten Straftätern, was keinen direkten Rückschluss von den ermittelten Zahlen auf die
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sich unter Umständen durchaus als ein Hinweis auf die von Carl Schmitt postulierte „Vernichtung der Heterogenität“ interpretieren. Denn bei den Anschlägen auf die Wohnungen von Asylbewerbern oder Ausländern handelte es sich nicht etwa um den Ausdruck einer Form des rivalisierenden Kampfes zwischen zwei gleichstarken Gegnern, sondern eindeutig um eine Strategie zur Dezimierung der Feindgruppe gemäß der politischen Vorgabe „Deutschland den Deutschen – Ausländer Raus!“.34 So lässt sich davon sprechen: „Hinter den rechtsextremistisch motivierten Brand- und Mordanschlägen bzw. Überfällen der letzten Jahre steht immer auch die Absicht, im Sinne einer politischen Ideologie zu handeln. [...] Dahinter ist die Absicht erkennbar, Deutschland von bestimmten, im rechtsextremistischen Weltbild als unwert bezeichnetem Leben, zu befreien.“ (Bernfeldt 2001, S. 22)
Wird ein Opfer aber allein durch die Eigenschaft ausgewählt, Angehöriger einer bestimmten Feindgruppe zu sein, erfüllt sich damit gewissermaßen der Beweis einer Zielbestimmung jenseits seiner individuellen Eigenschaften. Genau diesen Umstand macht beispielsweise die Patennichte von Alfred Herrhausen geltend, wenn sie die tödliche Aktion der RAF gegen ihren Onkel eben nicht als gewöhnliche Kriminalität analysiert: „Nicht weil der Akt als solcher nicht juristisch betrachtet kriminell wäre [...], sondern weil es aus der Perspektive der Täter ein absichtsvoller, gerichteter Mord ist, der sich nicht gegen eine private Person, sondern gegen einen Repräsentanten richtet.“ (Emcke 2007, S. 43, Herv. S.D.)35 Die leitende analytische Frage lautet also hier: In welcher Eigenschaft wird ein Mensch zum Opfer gemacht? Liegt diese Eigenschaft in der Persönlichkeit, dessen konkretem Verhalten oder in der bloßen Faktizität seiner Existenz? Dazu heißt es in der Studie „Rechte Gewalt in Berlin von 2003 bis 2006“ (vgl. Senatsverwaltung für Inneres 2007): „Das Opfer ist für den Täter als persönlicher Repräsentant einer reale Verteilung dieser Straftaten zulässt. Vor allem zu Beginn der 90er Jahre dürfte der Anteil von Angriffen auf Asylbewerberunterkünfte deutlich höher gewesen sein. 34 | Vgl. dazu die Einschätzung zur typischen Tatkonstellation zwischen Tätern und Opfern Rechter Gewalt: „Es handelt sich meist um exzessive Brutalität, die Opfer haben keinen persönlichen Kontakt mit den Tätern, sind austauschbar, und es handelt sich um Situationen, in denen die Täter zahlenmäßig überlegen sind.“ (Sitzer/Heitmeyer 2007, S. 8) 35 | Während der Begriff der Repräsentation auf die generelle Existenz eines Feindbildes verweist, kann damit in Bezug auf die Politik der RAF auch zugleich ein wesentlicher Unterschied zur Praxis Rechter Gewalt markiert werden: Neben dem Umstand, ein Repräsentant des Systems zu sein, waren es vor allem auch die spezifischen beruflichen Tätigkeiten der ausgewählten Opfer, die im Zuge einer linkspolitischen Semantik der Eigenschaft einer Zielbestimmung als Funktionsträger zugeordnet wurden. Dagegen sind die Dimensionen von Repräsentanz und Funktion im Fall des Opfers eines rechtsideologischen Gewaltangriffs nicht zu trennen, sondern die „Funktion“ des Opfers besteht ausschließlich in der Materialisierung des völkisch-rassistischen Feindbildes.
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‚Feindgruppe‘ erkennbar, nicht jedoch als Individuum“ (vgl. Senatsverwaltung für Inneres 2007, S. 65) Die Frage nach der Struktur dieser Feindgruppe gerät damit, neben der Richtung von Gewalt, zum alles entscheidenden Gegenstand im Fall der Rechten Gewalt.36 Ein Blick auf die Entwicklung der Rechten Gewalt zu Beginn der 90er Jahre zeigt dabei deutlich, dass diese weiter expandiert ist, statt sich auf bestimmte Opfergruppen zu beschränken. So erweiterte sich die Feinbildgruppe der Asylanten gemäß den Vorgaben rechtspolitischer Zielvorstellungen kontinuierlich und es musste bald konstatiert werden, dass „[...] mittlerweile auch alteingesessene Minderheiten, insbesondere Menschen türkischer Herkunft, die sich stärker in Großstädten konzentrieren, Opfer von fremdenfeindlichen Straf- und Gewalttaten geworden sind.“ (Willems 1993. S. 71) Nach den Flüchtlingen gerieten also nun auch so genannte Ausländer ins Visier der Täter. Doch die Entwicklung ging noch weiter. Da sich zu den Opfern aus dem zitierten Forschungsprojekt von Willems nichts Näheres entnehmen lässt, auch in anderen Publikationen die Opfer zumeist unberücksichtigt bleiben, wird an dieser Stelle der Arbeit auf die unvollständige Zusammenstellung des Archivs für Sozialpolitik e.V. „Jeder ist uns der Nächste“, veröffentlicht als monatliche Rubrik des Magazins „Konkret“, hingewiesen (vgl. Archiv für Sozialpolitik 1993). Bei der Durchsicht dieser Zusammenstellung ist beobachtbar, dass anfangs tatsächlich ausschließlich Asylbewerberheime Schwerpunkte rechtsgerichteter Taten waren,37 bereits aber auch einzelne Ausländer verschiedenster Nationalitäten – vereinzelt Engländer, Italiener, Amerikaner oder Japaner, in der Regel aber dunkelhäutige ausländische Staatsbürger oder dunkelhäutige deutsche Staatsbürger – Opfer Rechter Gewalt wurden. Ab Dezember 1992 dann musste das Archiv für Sozialpolitik die Rubrik in dem Magazin erweitern. Von nun an berichtete es in einer eigenen monatlichen Rubrik auch über antisemitische Angriffe. Ab Januar 1993 wurde die Rubrik abermals erweitert. Es war deutlich geworden, dass auch andere Gruppen zu den Opfern rechtsextremer Gewalt gehörten. Hier sind vor 36 | So berichtet das Opfer eines rechtsmotivierten Überfalls auf ein Zugabteil, in welchem neben vermeintlichen Linken auch eine Mutter mit ihrem kleinen Kind saßen: „Dann sprang ein Nazi in den Wagen, er war ganz dunkel gekleidet, mit ohrlangen, zurückgegelten Haaren. Sein Blick war purer Hass. Er trat und brüllte wild um sich. Wir schrieen ihn an, dass hier ein Kind sei. Er rief: ‚Scheißegal! Heute seid ihr alle dran!‘“ (Geisler 2007, S. 7) Das Beispiel zeigt, dass es nicht unbedingt ein Zufall ist, dass eine Differenzierung nach Altersgruppen bei der Anwendung von Rechter Gewalt kaum vorgenommen wird. 37 | Vertreter des Bundeskriminalamtes gaben am 8.12.1992 im Innenausschuss des Deutschen Bundestages bekannt, dass für das Jahr 1992 bis zu diesem Zeitpunkt 4587 ausländerfeindliche Straftaten registriert wurden. Darunter waren 548 Brand- und 8 Sprengstoffanschläge (vgl. Archiv für Sozialpolitik 2/93, S. 14). Zur Verdeutlichung der Dimension, welche die Gewalttaten bis zu diesem Zeitpunkt angenommen haben: Am 12.1.1993 teilt das Bundesamt für Verfassungsschutz mit, dass bei den Gewalttaten des Jahres 1992 mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation 17 Menschen getötet wurden. (vgl. Archiv für Sozialpolitik 3/93, S. 25)
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allem Behinderte,38 Homosexuelle oder Obdachlose39 zu nennen. Innerhalb der Ursachenforschung fanden diese Aspekte allerdings bislang wenig Aufmerksamkeit. Eine Untersuchung aus dem Jahre 2002 mit dem Titel „Gewalttaten gegen Fremde“ (Neumann/Frindte 2002) nimmt zwar den Tatverlauf ins Visier, behandelt aber das Opfer nur als unspezifischen Auslösereiz für das Verhalten des Täters.40 Deshalb formulierte eine Studie des LKA Nordrhein-Westfalen und der Universität Trier ausdrücklich, diese Lücke schließen zu wollen und ganz bewusst die Position der Opfer mit einzubeziehen. Die Integration von Täter-Opfer-Konstellationen im Bereich der Rechten Gewalt war dabei ein Novum für die deutsche Forschungslandschaft. Die Autoren schreiben dazu: 38 | Von der zunehmenden Gewalt gegen Behinderte berichtet z.B. die katholische Josefs-Gesellschaft in Köln. In Aachen seien Behinderte in öffentlichen Verkehrsmitteln mit rechtsextremistischen Parolen beschimpft worden. Erzieher einer großen Behinderteneinrichtung wagten es nicht mehr, behinderte Kinder und Jugendliche abends mit der U-Bahn fahren zu lassen. (vgl. Archiv für Sozialpolitik 2/93, S. 15) 39 | Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe in Bielefeld richtet sich die rassistische und neonazistische Gewalt auch gegen deutsche Minderheiten. Im Jahr 1992 seien mindestens sechs Obdachlose Opfer rechtsextremistischer Gewalttaten geworden, in weiteren vier Todesfällen sei ein rechtsextremistischer Hintergrund zu vermuten. (vgl. Archiv für Sozialpolitik 2/93, S. 15) 40 | Bei 83 Prozent der untersuchten Täter nehmen die Autoren so genannte „Selbstrepräsentationsmotive“ an. Die Opfer werden danach vom Täter aus Gründen der Herstellung von Gefühlen wie persönlicher Stärke und Dominanz angegriffen. Sie schreiben zu den Opfern lediglich: „Dieser Argumentation könnte man hinzufügen, dass sich fremde Opfer aufgrund ihres mehr oder weniger sozial wie auch institutionell diskriminierten Status als so genannte ‚leichte Opfer‘ anbieten, um das jugendliche Bedürfnis nach Etablierung einer Identität der Stärke zu befriedigen.“ (Neumann/Frindte 2002, S. 108) Die Struktur der Opfergruppen wird dabei nicht als Folge ideologischer Orientierung thematisiert, sondern allein durch das Anlegen des Kriteriums der Leichtigkeit zum Indikator dafür, dass es sich bei der Rechten Gewalt hauptsächlich um eine Form jugendlicher Identitätsorganisation handeln würde. Doch stellen die Autoren selber fest ,dass die Mehrzahl der untersuchten Gewalttaten einfache, schwere und gefährliche Körperverletzungen gegen Ausländer sowie ‚Linke‘ oder ‚Punks‘ betraf. Einen kausalen Zusammenhang zwischen dieser Opfergruppe und einer entsprechenden ideologischen Orientierung wollen die Forscher aber nicht annehmen. Sie schreiben: „Der vordergründig politische Gehalt ihrer Gewaltausübung ist eher gering [...]“ und „Eine gezielt politische Funktion von Gewalt tritt bei diesen Tätern eher hinter eine jugendkulturelle maskuline Stärkerepräsentation zurück.“ (Neumann/Frindte 2002, S. 109) Was sich als das Politische an diesen Taten äußert, wird unter ausschließlichem Rückgriff auf die Aussagen der Täter rekonstruiert und verworfen, nicht aber mit eigenen analytischen Kriterien zu erklären versucht. Wenn die Erzählungen der Täter aber der Hauptbezugspunkt für eine Etikettierung dafür bestimmend ist, worum es sich bei einer Form von Gewalt handelt, dann können historische Dimensionen und Bezüge nicht in den Blick geraten, weil die Opferposition dabei nicht integriert wird.
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„Nachdem wissenschaft liche Analysen fremdenfeindlicher und rechtsextremistischer Straf- und Gewaltdelikte sich bislang eher auf Tatverdächtige und Täter konzentrierten, beabsichtigt dieses Forschungsprojekt, alle an der Straftat beteiligten Personen in den Blick zu nehmen und neben den Tätern und deren Handlungen auch die Opfer [...] zu analysieren.“ (Willems/Steigleder 2003, S. 2)
Dafür wurden 270 polizeiliche Ermittlungsakten und 35 Akten der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf dieses Vorhaben systematisch ausgewertet. Zudem wurden 35 Einzelinterviews mit verurteilten Tätern geführt. Im Ergebnis lässt sich zu den Opfern Rechter Gewalt sagen, dass eine grundsätzliche Asymmetrie zwischen Täter und Opfer festgestellt werden konnte, die jedoch nicht an eine der bekannten soziologischen Variablen gebunden war: Weder das Alter, noch das Geschlecht, noch der Bekanntheitsgrad oder eine konkrete Eskalationssituation waren danach ausschlaggebend für die Auswahl der Opfer. Die Möglichkeit, ein Opfer Rechter Gewalt zu werden, ließ sich allerdings unmittelbar und direkt aus der Zielmotivation des Täter ableiten: „Die zentrale Ursache für die Gewalttaten liegt in den meisten Fällen meist nicht in einem Interessenkonflikt zwischen Gruppen, einer persönlichen Konfl iktsituation oder in einer vorausgehenden Provokation durch die Opfer begründet, sondern allein in dem Willen der Aggressoren, ihre Macht, ihre Ablehnung und ihren Hass gegenüber meist anonymen Personen zu demonstrieren, sofern sie von ihnen zu bestimmten gesellschaft lichen, politischen oder ethnischen ‚Feindgruppen‘ zugeordnet werden können.“ (Willems/Steigleder 2003, S. 19)
Die These, wonach vor allem die Existenz von Feindbildern das Vorhandensein einer politischen Gesinnung markiert, wäre durch diese Erkenntnisse also gestützt. Dabei waren nur die Hälfte der Opfer so genannte Ausländer (vgl. Willems/Steigleder 2003, S. 20) Es könnte deshalb angenommen werden, dass die vermutete Fremdenfeindlichkeit der Gewalttäter sich nicht nur auf Menschen ausländischer Herkunft bezieht. Betroffen waren und sind auch Menschen, die anders sind, in Bezug auf ihre politische Einstellung, auf die Ausübung ihrer Religion (hier sind besonders Menschen jüdischen Glaubens als historische Feindgruppe einer rechtspolitischen Orientierung zu nennen), auf den Grad ihrer körperlichen oder geistigen Unversehrtheit, in Bezug auf ihre sexuellen Neigungen oder schlicht, weil sie zum Beispiel als Drogenbenutzerinnen oder Obdachlose zum ausgegrenzten Teil der Gesellschaft gehören. So kann gesagt werden: „Flüchtlinge, Menschen nicht-deutscher Herkunft, aber auch Obdachlose und politische Gegner von links sind bis heute die Opfer rechter Gewalt.“ (MOBIT 2004, S. 7) Hier wird deutlich, dass z.B. die Kategorie Fremdenfeindlichkeit alleine nicht ausreicht, die Dimensionen dieser Gewalt hinreichend zu erfassen. Ausgegrenzt, verfolgt, verprügelt, erschlagen, verbrannt und misshandelt wird alles, was anhand gewisser Merkmale als Abweichung der deutschen Homogenität empfunden wird. Die Lokalisierung dieser Merkmale wird dabei eindeutig von einem ideologischen Weltbild geleistet, in dem ausformuliert wird, wer dazugehört und wer nicht. Zu die-
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sem Schluss kommt auch eine Auswertung von Opfer-Beratungsstellen: „Gewaltanwendung gegen Minderheiten oder ‚politische Feinde‘ ist jedoch die logische Konsequenz der menschenverachtenden Grundannahmen rechtsextremen Denkens, das von der grundsätzlichen Ungleichwertigkeit von Menschen ausgeht.“ (Verein für demokratische Kultur 2007, S. 75)41 Welche Merkmale nun müssen erfüllt sein, um ein Opfer von Gewalt gemäß den Grundannahmen eines rechtsideologischen Weltbildes werden zu können? Aufschluss darüber gibt eine Diplomarbeit an der Universität Rostock, wo die Realität Rechter Gewalt aus einer dezidiert viktimologischen Perspektive untersucht wurde (vgl. Teichmann 2003). Dabei wird zunächst deutlich, dass sich Rechte Gewalt als direkte Angriffe auf Leib und Leben der Betroffenen auf das Kriterium richten, Feinde zu sein, d.h. die Opfer werden vom Täter als Angehörige einer im voraus definierten Feindgruppe wahrgenommen: „Die Betroffenen werden aufgrund äußerer Merkmale, wie z.B. eine dunkle Hautfarbe oder eines Outfits, das auf eine linke Gesinnung schließen lässt, angegriffen. Dabei spielen individuelle Merkmale des Opfers für den Täter keine Rolle.“ (Teichmann 2003, S. 21) Wenn die Auswahl der Opfer aber nach solchen überindividuellen Kriterien erfolgt, dann muss eine Instanz existieren, die diese Merkmale als Tatbestand für einen Angriff legitimiert, es sei denn, diese Gewalt beträfe völlig unterschiedslos alle Menschen, die sich gerade in der Nähe des Täters befinden. Das ist jedoch nicht der Fall, im Gegenteil: Aufgrund der Rostocker Studie lässt sich ein genaues Profi l der Opfergruppen erstellen (vgl. Teichmann 2003, S. 40-52), wie auf der nächsten Seite deutlich wird. Betroffen von Rechter Gewalt sind danach: • Menschen (vermeintlich) nicht-deutscher Herkunft • Menschen jüdischen Glaubens • Nichtrechte Jugendliche • Homosexuelle • Obdachlose und andere sozial ausgegrenzte Menschen • Menschen mit Behinderungen Es existiert also mit dieser Zusammenstellung eine klar lokalisierbare Gruppe von Menschen, die durch Rechte Gewalt zum Opfer gemacht werden.42 Dass sol41 | Dabei scheint es wichtig zu sein, anzumerken, dass die Ideologie des rechtspolitischen Extremismus nicht einfach per se menschenverachtend ist, sondern offensichtlich von einem exklusiven Verständnis des Begriffes Mensch ausgeht, welches die Geltung universeller Normen ausschließt. Auf diesen Umstand lässt sich auch das Zitat des Holocaust-Überlebenden Elie Wiesel beziehen: „In Auschwitz, not only men died, but the idea of men.“ (In: Rosenfeld 1980) Die Täter handeln also nicht unbedingt aus dem emotionalen Zustand der Verachtung heraus, sondern aus einem durchaus klinischen Verständnis pflichterfüllender Notwendigkeit gegenüber den für richtig befundenen Normen. Rechtsideologische Täter wären in diesem Sinne eher als politische Soldaten zu verstehen denn als hasserfüllte Amokläufer. 42 | Vgl. dazu auch die Opfertypologie innerhalb der psychiatrischen Untersuchung von Wendt/Lau und Kröber: „Als Gegner kommen in Frage: a) Ausländer, ggf.
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che Angriffe sich nicht jenseits einer Intention beim Täter ereignen, machen folgende Angaben zur Typologie des Ablaufs dieser Gewalttaten deutlich: „Angriffe mit rechtsextremem bzw. rassistischem Hintergrund werden fast immer von Beschimpfungen der Opfer durch die Täter begleitet, die ihnen sehr schnell deutlich machen, warum sie angegriffen werden. Gerade dieses Wissen verstärkt die Ängste der Betroffenen bis hin zur offenen Todesangst.“ (Teichmann 2003, S. 22) Es erfolgt also in der Regel eine direkte verbale Begründung der Täter zur Legitimierung der Tat, die sich ausdrücklich nicht auf die Individualität des Opfers bezieht, sondern auf deren Eigenschaft, Angehöriger der Feindgruppe zu sein, was als „direkte Viktimisierung“ bezeichnet werden kann (vgl. Teichmann 2003, S. 23). Das wird auch durch Erkenntnisse von Opferberatungsstellen bestätigt: „Geradezu typisch ist das rassistische Anpöbeln, das der Gewalttat vorausgeht. [...] Eine persönliche Bekanntschaft zwischen Tätern und Opfern ist nicht Bedingung der Tat, [...] das konkrete Opfer wird als Exemplar der eingebildeten Fremdgruppe behandelt.“ (Opferperspektive Potsdam 2005, S. 1) Es sind also, neben der Auswahl der Opfer, auch die verbal kommunizierten Zielbestimmungen der Tat durch die Täter, welche auf die Existenz eines politischen Koordinatensystems schließen lassen. Denn um einen Menschen überhaupt als Abweichung von einer eingebildeten Norm erkennen zu können, brauche ich sinnvolle Kriterien, die sich in Projektion auf das Opfer anwenden lassen, um ihn dadurch als Ziel zu definieren. Anhand dieser Kriterien muss der Täter aktiv urteilen, ob das Opfer als Ziel fungieren kann und angegriffen wird. Dass eine solche Operation unter keinen Umständen ohne diese Voraussetzungen denkbar ist, machen die Ausführungen von Kwasi Wideru zur generellen Zielbestimmung von sozialen Handlungen deutlich: „Um nämlich etwas als ein X zu erkennen, muss es als ein X und nicht als ein nicht-X erkannt werden.“ (Wideru 2001, S. 78) Nach diesem ersten Schritt der Wahrnehmung einer Person folgt Wideru zufolge die Operation der Handlungsplanung: „Eine Handlung zu beginnen, und zwar eine beabsichtigte, setzt Vorstellungen der Folgen verschiedener Optionen voraus, zumindest aber die zutreffende oder fehlerhafte Beziehung zwischen Mitteln und möglichen Zielen. Hier wird natürlich die Urteilsfähigkeit wichtig und mit ihr die Fähigkeit, zu folgern.“ (Wideru 2001, S. 78) Am Beginn jeder Gewalttat steht also ein konkretes Urteil („Das ist ein Feind“) und nicht nur ein unspezifisches Gefühl. Dabei beginnt die Dimension des Urteilens bereits schon bei der allerersten Wahrnehmung, nämlich wenn ich ein Objekt mit bestimmten Bedeutungen versehe. Sigmund Freud schreibt dazu: „Die Urteilsfunktion hat im Wesentlichen zwei Entscheidungen zu treffen. Sie soll einem Ding eine Eigenschaft zu- oder absprechen, und sie soll einer Vorstellung die Existenz in der Realität zugestehen oder bestreiten.“ (Freud 1982, S. 374) Hinter dem Ergebnis, dass eine Person als Feind wahrgenommen wird, stehen also eine Reihe von durchaus komplexen Vorgängen, auch Frauen, die sich mit Ausländern einlassen, b) Zecken, also sog. Linke, Autonome, Punks, etc. c) Homosexuelle, d) Alkoholiker, Obdachlose, geistig Behinderte, notfalls jedermann, sofern er nur unterlegen erscheint.“ (Wendt/Lau/Kröber 2002, S. 222; vgl. dazu auch Wagner 2007, S. 39) Der größte Teil der dort untersuchten Gewaltdelikte ließ sich allerdings eindeutig auf die Gruppen a) bis d) beziehen.
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in deren Verlauf das Subjekt anhand bestimmter Kriterien Urteile fällt. Von einer Typologie der Opfer auf ein entsprechendes Weltbild zu schließen, in dem diese Opfer als Ziele markiert sind, scheint deshalb eine zulässige analytische Operation zu sein. Daher lässt sich folgern: „Dass sie [die Rechte Gewalt, Anm. S.D.] aber ganz bestimmte Opfergruppen trifft (Migrant/innen, Schwule, Obdachlose etc.) verweist auf die rechtsextreme Orientierung dieser Taten.“ (Verein für demokratische Kultur 2007, S. 81) Im rechtsextremen Denken gehören eben erklärtermaßen nicht nur Ausländer, sondern auch Juden, Behinderte, Obdachlose oder Homosexuelle zu denjenigen Gruppen, denen ein Existenzrecht innerhalb der Imagination namens Deutsches Volk abgesprochen wurde und wird.43 Aus diesem Grund definiert die Opferperspektive Potsdam Rechte Gewalt folgerichtig als „Gewalt, für die eine Motivation aus spezifisch rechten Diskursen die notwendige Bedingung ist.“ (Opferperspektive Potsdam 2005, S. 2) Das bedeutet: Die Radikalität der Täter auf der Handlungsebene lässt sich nicht etwa mit dem allgemeinen und unpräzisen Begriff der Gewalt gegen Fremde erfassen, sondern ist bezogen auf ein bestimmtes politisches Konzept.44 Diagnosen wie die von Eckhard Hammel, der schreibt: „Was der Rechtsradikalismus sich zum ‚Feind‘ erklärt, das ist strange, es entspricht nicht dem klassischen Feindbild, sondern simpler Fremdheit.“ (Hammel 2001, S. 22) sind vor diesem Hintergrund eindeutig nicht auf die spezifische Realität rechtsideologischer Opferbildung zu beziehen, sondern allenfalls auf die Unkenntnis von Opferbildungsprozessen seitens des Forschers. Als Teil einer politischen Strategie agieren rechtsmotivierte Gewalttäter offensichtlich eben nicht ziellos, sondern richten ihre Aktionen ganz bewusst gegen Feinde des deutschen Volkes, d.h. gegen Gebrechliche, die dessen Vitalität bedrohen, gegen sozial Schwache, die dessen Kraft ausnutzen und gegen 43 | Vgl. dazu auch: „Gewalt, die von Rechtsextremen oder ihnen nahe stehenden Gruppierungen ausgeht, ist vorwiegend gegen bestimmte gesellschaft liche Gruppen gerichtet, die von den Tätern aufgrund von vorhandenen oder zugeschriebenen Merkmalen konstruiert werden. Zu den typischen Opfergruppen gehören Migranten, Obdachlose, Aussiedler, Homosexuelle, Menschen mit Behinderungen, Schwarze, Muslime, Juden sowie junge Menschen, die sich in ihrer Symbolsprache [...] nicht den Vorstellungen rechtsextremer Subkulturen anpassen.“ (John 2008, S. 369) 44 | Vgl. für diesen Zusammenhang besonders die Analysen von Klaus Wahl, der durch das Studium von Täterbiographien zu dem Ergebnis kommt: „Fremdenfeindlichkeit scheint auf einer emotionalen Basis zu beruhen, die sich nicht primär gegen kulturell oder ethnisch Fremde richtet, sondern gegen unvertraute Menschen überhaupt. Hinter ‚Ausländerfeindlichkeit‘ steckt allgemeine Furcht vor anderen oder allgemeine Menschenfeindlichkeit.“ (Wahl 2007, S. 29) Von rechter Gewalt sind aber nicht allgemein alle Menschen betroffen, sondern ganz bestimmte Menschengruppen. Dieser Umstand wird durch den alleinigen Fokus auf die „Entwicklungspfade“ (Wahl 2007) der Täter nicht integriert. Nur weil jemand auch in anderen Lebensbereichen Probleme hat oder hatte, heißt das noch lange nicht logisch zwingend, dass die von ihm ausgeübte Gewalt deshalb nicht politisch motiviert sein kann.
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Andersdenkende, die dessen Geschichte in den Dreck ziehen wollen.45 Das dabei zu Tage tretenden Weltbild dürfte dabei aus den gleichen Inhalten bestehen, die sich auch in der Propaganda rechtsextremer Rockmusik finden lassen: „Heldenverehrung und eine klare Einteilung der Welt in Gut und Böse, Liebeserklärungen an Deutschland und Kriegserklärungen an Gruppen, die als Feinde ‚der Deutschen‘ definiert werden sowie Konstruktionen einer germanisch-nordischen Geschichte.“ (Verein für demokratische Kultur 2007, S. 19) Es kann somit auch nicht als Zufall gelten, dass die aktuelle Opferbildung durch Rechte Gewalt nahezu identisch ist mit derjenigen ihres historischen Vorbildes, der nationalsozialistischen Vernichtungspraxis. So existierte bekanntermaßen innerhalb des KZ-Lagersystems die Praxis, Häftlinge aufgrund ihrer vermeintlichen Zugehörigkeit zu von den Nazis konstruierten Feindgruppen mit farbigen Abzeichen zu versehen: „Rote Stoffdreiecke – die auf die Häft lingsjacken aufgenäht wurden – für politische Häft linge, lila für Bibelforscher, schwarz für Asoziale, grün für Kriminelle, rosa für Homosexuelle, blau für zurückgekehrte Emigranten, zeitweilig braun für Zigeuner und gelbe Dreiecke für Juden.“ (Kammer/Bartsch 1992, S. 114) Zählt man zu den hier genannten Menschen dann noch die historisch betroffenen Opfergruppen der Zwangsarbeiter, der Kriegsgefangenen und die Tötung von Behinderten im so genannten Euthanasie-Programm hinzu, so zeigt sich, dass die aktuellen Opfergruppen Rechter Gewalt zu 100 Prozent in der Gewaltpraxis des historischen Rechtsextremismus enthalten sind. Die Täterzentrierung innerhalb der Ursachenforschung führt deshalb eindeutig zu einer Verkürzung der Problematik, wenn formuliert wird, „[...] dass es sich bei den fremdenfeindlichen, antisemitischen und rechtsextremen Tatverdächtigen in erheblichem Maße um ‚gewöhnliche‘ Kriminelle handelt, die vor allem wegen typischer Jugenddelikte [...] auff ällig geworden waren, bevor sie von ihnen selbst politisch-ideologisch verklärte Taten begingen.“ (Wahl 2007, S. 27) Die politische Dimension dieser Taten erscheinen in einer solchen Sichtweise ausschließlich als „Verklärung“ seitens der Täter begreifbar zu sein, die damit vom Zustand ihrer allgemeinen Devianz ablenken möchten, eigene aktive historische Bezüge seitens der Forschung werden dabei jedoch vollständig ausgeblendet. Wie gezeigt werden konnte, ist das politische Moment der ideologischen Zielbestimmung aber nicht etwa hinter, sondern zeitlich vor dem Gewaltakt angesiedelt. Dem entsprechend kommt auch eine Untersuchung zu Rechter Gewalt im Auftrag des Berliner Verfassungsschutzes zu dem klaren Ergebnis: „Die in dieser Studie analysierte Gewalt ist ihrem Charakter nach nicht erratisch, sondern richtet sich gegen klar defi nierte Feindbilder, nämlich gegen Ausländer, ‚Linke‘, Juden 45 | Vgl. dazu: „Die ‚Oberfeinde‘ sind die sogenannten ‚Kanaken‘ und ‚Zecken‘. Die ersten gelten als phänotypische ‚Undeutsche‘, die zweiten als ‚Undeutsche‘ nach Ideologie und Kultur. In jedem Fall ist ihre ‚Bekämpfung‘ in den Augen der Szenevertreter moralisch legitim, weil sie als apokalyptische Verderber des ‚Deutschen‘ gelten. Zu den Feinden gehören weiter: Juden, ‚Popen‘, Schwule, ‚Kinderficker‘, und andere ‚Abartige‘, ‚Assis‘, oder ‚Asseln‘, ‚Mukus‘ (Multikulturelle), ‚Politbonzen‘, und ‚Systembullen‘, ‚Freimaurer‘, und ‚Illuminaten‘. “(Wagner 2007, S. 32)
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oder Vertreter des ‚Systems‘. Diese Feindbildauswahl deutet [...] auf politische bzw. extremistische Einstellungen der Täter hin.“ (Senatsverwaltung für Inneres 2005, S. 58) Wie lässt sich nun aus diesen Faktoren eine wissenschaft liche Definition gewinnen? Bernd Wagner macht den Vorschlag, Rechte Gewalt wie folgt zu definieren: „Rechte Gewalt ist vor allem ein ideologisch und sozialpsychologisch begründeter Handlungskomplex der motivational aus weltbildlichen Defi nitionen entspringt und im Sinne des Rechtsextremismus intendiert und funktional ist.“ (Wagner 2007, zitiert nach: Friedrich-Ebert-Stiftung 2007, S. 32) In dieser Definition ist viel von dem enthalten, worauf sich die bisherige Argumentation zu diesem Thema stützt. Das Vorhandensein eines ideologischen Weltbildes wird als konstitutiv für diesen Phänomenbereich markiert. Vor allem der genannte Faktor der „Funktionalität“ einer Handlung für den ideologischen Bereich des rechtspolitischen Extremismus ermöglicht eine Zuordnung entsprechender Taten als rechts, unabhängig von der Selbstverortung der Täter. Allerdings kommen die Opfer in dieser Charakterisierung leider nicht vor, einer Definition von Gewalt ohne die Integration der Betroffenen fehlt jedoch eine wichtige Perspektive. Jeanette Ennigkeit versucht den Terminus der Rechten Gewalt dagegen wie folgt zu bestimmen: „Rechte Gewalt richtet sich gegen Menschen, meist vermeintlich Schwächere oder Angehörige von Minderheiten, die nicht als gleichwertig angesehen werden und folglich nicht ‚dazugehören‘ sollen. Sie stellt sich gegen ‚Fremde‘, die als Feinde angesehen werden.“ (Ennigkeit 2001, S. 82)46 Die Richtungsdimension Rechter Gewalt ist in diesem Definitionsversuch bereits erfasst, die genaue Zusammensetzung der „Fremde und Feinde“ aber nicht spezifisch genug markiert. Das führt dazu, dass die interne Struktur der Opfergruppen nicht in den Blick geraten kann. Im Rahmen der bereits erwähnten Rostocker Studie zur Viktimisierung lässt sich aber eine Definition finden, in welcher sowohl die Richtung der Gewalt als auch die Struktur der Opfergruppen als Bestimmungskriterium erfasst sind. Sie lautet: „Eine Gewalttat ist dann als rechtsextrem motiviert zu bezeichnen, wenn sie sich gegen Personen richtet, die aufgrund ihrer Hautfarbe, Nationalität, (vermeintlichen) Herkunft, politischen Einstellung, Behinderung, sexueller Orientierung oder ihres geringen sozialen Status angegriffen werden.“ (Teichmann 2003, S. 45) Diese Definition nimmt Vermutungen über die Orientierung des Täters nahezu vollständig aus der Bestimmungsarbeit heraus, bzw. leitet diese aus der Art der Opferbildung ab. 46 | Vgl. dazu: „Nationalismus und Rassismus, beides basierend auf einer ‚Ideologie der Ungleichheit‘, äußern sich vor allem in Wunschvisionen von einem mächtigen Großdeutschland, auf das ‚Mann‘ wieder ungehemmt stolz sein kann und in einer aggressiv-ablehnenden Haltung gegenüber allen ‚Fremden‘, vor allem gegenüber den so genannten Gastarbeitern. Soziale Beziehungen – von der Familie bis zur Menschheit – sind in diesem Weltbild nach dem Modell der ‚natürlichen Hierarchie‘ geordnet, in der der Stärkere sich durchsetzt. Und aus dem ‚Recht des Stärkeren‘ ergibt sich dann ganz ‚logisch‘ die Bejahung gewaltsamer Methoden zur Durchsetzung dieses Rechtes.“ (Pinn 1991, S. 37)
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Eine solche Perspektive wird auch im Bestimmungsversuch von Dominique John zu Grunde gelegt: „Gewalttaten gelten dann als rechtsmotiviert, wenn mit gewisser Sicherheit angenommen werden kann, dass die Handlungen der Täter durch rechtsextreme Ideologie wesentlich bestimmt sind.“ (John 2008, S. 368) Nicht nur das Bewusstsein des Angreifers, sondern vor allem die Art und Weise seines Handelns ist damit ausschlaggebend für eine Bezeichnung dessen, was seine Tat charakteristisch macht. Die Tat defi niert also den Täter, nicht umgekehrt.47 Rechtsmotivierte Gewalttäter agieren deshalb also nicht unbedingt aufgrund einer allgemeinen „Menschenfeindlichkeit“ (vgl. Krüger 2008), sie geraten bei der Ausübung ihrer Gewalt auch nicht an „zufällige Opfer“ (Marneros 2005), sondern sie unterscheiden ihre „Feinde“ in einer ideologischen Denkbewegung vor der Tatausführung ganz gezielt von anderen Menschen. Diese Auswahl macht diese Taten zu politischen Akten und diese lassen sich deshalb über das Kriterium der Opferbildung bestimmen. Ein solcher Definitionsansatz hat nun allerdings erhebliche Folgen für das Verständnis dessen, womit es sozialwissenschaft liche Analysen als Phänomen zu tun haben. Generiert sich ein rechtspolitischer Gewalttäter nämlich allein durch die Art und Weise seiner Opferauswahl, so ist jede Diagnose, die sich argumentativ auf die Verfasstheit der Täterseite stützt, analytisch gesehen eine sekundäre Operation der Erkenntnisgewinnung. Ein „Rechter Gewalttäter“ ist demnach jemand, der Rechte Gewalt in dem Sinne obiger Defi nition ausübt. Innerhalb der deutschen Forschungslandschaft besteht seit dem Jahre 2006 erstmalig ein wissenschaftsrelevantes Beispiel, bei dem der Terminus Rechte Gewalt im obigen Verständnis als zentraler Leitbegriff fungiert, nämlich mit der bereits zitierten Studie im Auftrag des Berliner Verfassungsschutzes (vgl. Senatsverwaltung für Inneres 2006). Das Design dieser Untersuchung orientiert sich dabei ausdrücklich am Definitionssystem des polizeilichen Staatsschutzes, also bei den Kriterien, die vom Meldedienst der Polizei dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – Rechts“ (PMK-Rechts) zugeordnet werden. In dieser Kategorie werden vor allem Taten erfasst „[...] wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie einer ‚rechten Orientierung‘ zuzuordnen sind.“ (Senatsverwaltung für Inneres 2006, S. 9) Anhaltspunkte für eine solche Orientierung liegen dann vor, wenn die Tatausführung darauf schließen lässt, dass diese im Gegensatz zu den Menschenrechten des Art. 3 Absatz 3 des Grundgesetzes stehen, weil sie sich „[...] gegen eine Person aufgrund ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft , sexuellen Orientierung, Behinderung oder ihres äußeren Erscheinungsbildes bzw. ihres gesellschaftlichen Status richtet.“ (Verfassungsschutzbericht 2004, S. 29) Entscheidend bei dieser Definition ist die Verwendung des Wortes „oder“, welches sich zwischen den verschiedenen Begründungen finden lässt, aus denen heraus eine Person von Rechter Gewalt betroffen werden kann. Nicht ein Bündel von Merkmalen muss danach vorliegen, sondern es 47 | Jemand, der einen anderen Menschen umgebracht hat, wird ja auch zu gegebener Gelegenheit als Mörder bezeichnet werden, obwohl er persönlich noch eine Fülle anderer Eigenschaften, Motivationen oder krimineller Vorgeschichten besitzt.
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genügt der Tatbestand auch nur eines der genannten Phänomene, um von Rechter Gewalt sprechen zu können. Damit ist der Begriff pragmatisch als klassifi katorische Oberkategorie bestimmbar, der die Subsumtion verschiedener Tatbestände ermöglicht. Die Einführung dieses Sammelbegriffes im Jahre 2001 war der Einsicht in die Notwendigkeit geschuldet, zur Charakterisierung dieser Gewaltphänomene ein zentrales Erfassungssystem einzurichten, welches bundesweit mit vergleichbaren Kriterien arbeitet. Bis zu dieser Reform wurde für entsprechende Delikte der Begriff „Rechtsextremismus“ verwendet, der allerdings direkt auf die verfassungs- und staatsfeindliche Dimension rechter Taten ausgerichtet gewesen ist. Hintergrund jenes Verständnisses bildete damals die Defi nition des Begriffes „Extremismus“ durch das BVG anlässlich des Verbotes der KPD im Jahre 1956. Das Gericht stützte sich dabei überwiegend auf Kriterien, die sich in organisierter Form gegen die Ordnung des demokratischen Regierungssystems richteten. Der Staat wollte dieses Instrument benutzen, um Gruppen und Parteien zu bekämpfen, die sich programmatisch zur Überwindung der Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekannten. Gemäß dieses Verständnisses äußerte der damalige Bundesanwalt Alexander von Stahl im Bezug auf Rechte Gewalt die Einschätzung: „Ich bin nach dem Willen des Gesetzgebers bei politisch motivierter Kriminalität primär zuständig, wenn es sich um Straftaten einer terroristischen Vereinigung handelt. [...] In den bisher bekannten Fällen gehörten die Täter jedoch nicht einer terroristischen Vereinigung an, die aus politischen Motiven nach einheitlichem Willen Straftaten der schwersten Art begehen will. [...] Die innere Sicherheit ist nur gefährdet, wenn der einzelne Mordanschlag vom Täter dazu bestimmt war und geeignet ist, den Bestand der Bundesrepublik zu beeinträchtigen. [...] Diese Kriterien werden [bei Rechter Gewalt, Anm. S.D.] nicht erfüllt.“ (v. Stahl 1992, S. 22)
Eine große Anzahl der Fälle Rechter Gewalt bis 2001 wurden aus diesen Gründen nicht dem Bereich Rechtsextremismus zugeordnet, weil eben das Moment der systemüberwindenden Perspektive in den Angriffen gegen die von den Tätern gebildete Feindgruppe nicht erkennbar gewesen ist. Mit dem aktuellen Defi nitionsansatz soll im Gegensatz dazu eine Zuordnung erleichtert werden, denn Rechte Gewalt als Oberbegriff erlaubt die Klassifizierung einer entsprechenden Handlung bei allen Taten, die auch nur einen der genannten Aspekte im Widerspruch zu Art. 3 GG vermuten lassen. Die Argumentation zur Bestimmung des Terminus Rechte Gewalt lässt sich an dieser Stelle damit wie folgt zusammenfassen: Wenn Menschen nach Kriterien antiegalitärer Wertorientierungen (Nicht-deutsch, Nicht-weiß, Nicht-ordentlich, Nichtgesund) zu Gruppen konstruiert und wahrgenommen werden, und von Tätern aus diesem Grunde identifiziert und angegriffen werden, dann handelt es sich dabei eindeutig um Rechte Gewalt, denn die rechtsideologische Semantik von Freund und Feind ist an historisch stabile Ausschlusskriterien gekoppelt, denen eine Vorstellung einer national-organischen Leistungsgesellschaft zugrunde liegt, welche mit einem
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historisch einmaligen deutschen Antisemitismus verbunden ist.48 Diese Annahmen beziehen sich auf Modelle und Vorstellungen von Begriffen wie z.B. Volk, Rasse und einem anti-liberalistischen Nationenbegriff. Gesellschaft lich bedingte Formationen, wie etwa die heterosexuelle Familie, erscheinen in solch einer Vorstellung als natürliche Größe, mit deren Hilfe es möglich ist, andere Lebensformen als widernatürlich zu bestimmen.49 Solche Einstellungen basieren auf konkreten Werten, die dem Handeln Ziel und Richtung geben, denn: „Einstellungen regulieren die Wirklichkeit. [...] Diese durch Einstellungen gesteuerte Wirklichkeitswahrnehmung ist deshalb wichtig, weil jeder Mensch so handelt, wie er die Wirklichkeit wahrnimmt. Insofern sind die Einstellungen die Grundlage für das Verhalten.“ (Friedrich-EbertStiftung 2007, S. 17) Man könnte daraus schließen: An der Art der Handlung lässt sich eine dahinter stehende Haltung identifizieren. Vor diesem Hintergrund soll zum Abschluss des Plädoyers für eine opferzentrierte Gewaltanalyse eine Bestimmungspraxis vorschlagen werden, mit deren Hilfe man eine Person als Rechten Gewalttäter einstufen kann, ohne zunächst an der politischen Verfassung des Täters zweifeln oder forschen zu müssen: Ein Mensch kann dann als „rechter“ oder rechtsmotivierter Gewalttäter bezeichnet werden, wenn seine Gewalt gezielt ein Opfer trifft, welches in seiner Eigenschaft als Repräsentant einer so genannten „Feindgruppe“ den Bestimmungskriterien aktueller rechtsideologischer Theoriebildung und/oder einer real-historischen Herrschaftspraxis des rechtspolitischen Extremismus zugeordnet werden kann. Ein nahe liegender Einwand gegen eine solche Definitionspraxis könnte natürlich darin bestehen, zu fragen, ob nicht damit potenziell jeder angegriffene Mensch, der aus formalen Gründen ein Angehöriger im Sinne dieser Opfertypologie wäre, zwangsläufig immer und in jedem Fall als Opfer Rechter Gewalt gelten müsste, weil ja die Motivation des Täters nur ein sekundäres Bestimmungsmerkmal darstellt. Dazu kann gesagt werden, dass die Motivation des Täters natürlich sehr wohl ein Bestandteil zur Bestimmung Rechter Gewalt darstellt, diese Motivation aber ausgehend vom Prozess der Opferbildung analysiert und rekonstruiert wird und nicht von bloßen Vermutungen über die ideologische Verfassung des Täters geleitet wird. Einen zentralen Stellenwert hat dabei die möglichst saubere Indikation der tatauslösenden Eigenschaft des Opfers, um nämlich klären zu können, ob der betroffene Mensch als Projektionsobjekt eines rechtsextremen Feindbildes oder eben aus anderen Umständen heraus angegriffen wurde. Die Zuordnung einer Tat als rechts ist damit natürlich keine einfache, sondern eine komplizierte Operation, weil geklärt werden muss, in welcher Funktion ein Mensch zum Opfer gemacht wurde. Diese 48 | Helmut Moser weist vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der psychologischen Vorurteilsforschung darauf hin, dass speziell nationale Stereotypen sich als äußerst erfahrungsresistent erweisen. (Moser 1988, S. 585) 49 | So wurde im Wahlprogramm der Republikaner von 1987 folgerichtig die „Förderung des Bestandes und der Gesundheit des deutschen Volkes“ gefordert. (In: „Hamburger Rundschau“ vom 15. April 1992)
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Leitfrage setzt aber, und das ist zentral, zuallererst an der Person des Opfers an und nicht beim Täter. Der Täter kann zum Zeitpunkt der Tat über ein verfestigtes, ein fragmentiertes oder auch nur ein temporäres rechtsextremistisches Weltbild aufweisen, entscheidend ist, welche Werte er dadurch realisiert, und diese Frage klärt sich eben zentral durch eine Analyse der Art und Weise der Opferbildung.50 Ein solches opferzentriertes Grundverständnis vom Untersuchungsgegenstand hat jedoch unter Umständen weit reichende Konsequenzen für alle Ansätze, welche die spezifisch politische Dimension der Opferauswahl bewusst nicht integrieren möchten oder können. Mit den hier entwickelten analytischen Kriterien müsste es nämlich möglich sein, diese Ansätze kritisch auf ihre Gültigkeit hin zu befragen. Der Fokus einer Forschung etwa, bei dem politische Dimensionen zum Verständnis dieser Handlungsform explizit ausblendet werden, wäre nach dieser Prämisse nicht ohne Einschränkung als problemadäquat zu bezeichnen, weil durch die Subtraktion politischer Handlungsbegründungen tendenziell auch eine Ausschaltung der politischen Subjektivität innerhalb der theoretischen Erkenntnisarbeit vollzogen werden würde.51 Der Umstand, welche Begründungen sich für die Ausführung einer Handlung finden lassen könnten, wäre bei der Suche nach einer Erklärung für soziale Phänomene der Erkenntnis damit tendenziell entzogen. Wo aber lässt sich innerhalb einer solchen Suche dann überhaupt noch sinnvoll vom Faktor eines grundsätzlich vernunftbegabten Subjektes sprechen, welches mit einem freien Willen ausgestattet ist, dessen theoretische Eigenschaft es ja durchaus sein könnte, sich politisch (auch gewaltsam!) betätigen zu wollen? Anders gefragt: Ist das Handeln von Menschen jenseits des freien Willens allein und hinreichend aus den Umweltbedingungen zu erklären? Mit diesen Fragen kann hinter den verschiedenen Erklärungsansätzen, die eine Ausblendung des Politischen betreiben, ein 50 | Als mutmaßliche Täter kommen damit eben nicht nur „Jugendliche“ in Frage, sondern entsprechende Akteure dürften sich quer durch Altersgruppen, Bildungsgrade oder Berufe finden lassen. Entscheidend ist, dass sie in der dieser Defi nition entsprechenden Art und Weise Opfer produzieren. 51 | Diese Bezeichnung ist einem Brief von Horkheimer an Adorno im Jahre 1944 entnommen, worin der analytischen Operation entgegen getreten wurde, den Nationalsozialismus auf die Herrschaft einer verbrecherischen Clique zu reduzieren. Horkheimer zufolge gerät die deutsche Bevölkerung in einer derartigen Konzeption zur „Viehherde“, die ohne eigenen Willen agiert. (In: Schmitt-Noerr 1997, S. 138) In einem Brief an Paul Massing schrieb Horkheimer deshalb zur analytischen Stellung des Individuums: „Eine gründliche Analyse dieser Begriffe würde dazu führen, im Kollektiv die Gewalttat des Individuums und im Individuum die des Kollektivs zu erkennen – die schlechte Identität, die erst aufgehoben wird, wenn der Gegensatz nicht mehr festgehalten, sondern überwunden wird.“ (In: Schmitt-Noerr 1997, S. 139) Was hier angesprochen wird, ist die Forderung, eine Gewalttat nicht losgelöst vom überindividuellen Kontext zu analysieren, die sie dem tatausführenden Individuum als notwendig, zweckmäßig oder gar sinnvoll erscheinen lässt. Ein solcher überindividueller Aspekt wird im Fall der politischen Gewalt in der Existenz ideologischer Deutungssysteme lokalisiert, die solche Handlungen nahe legen und legitimieren.
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spezifisches Menschenbild vermutet werden, mit dessen Hilfe soziale Handlungen jeweils schlüssig oder eben unverständlich erscheinen müssen. Als was die handelnden Subjekte im Falle Rechter Gewalt verstanden werden, gerät damit zur Gretchenfrage der Pädagogik und der Prävention allgemein. Vor allem über pädagogische Formulierungen von Menschenbildern mit einem defizitären Subjektverständnis könnte im Hinblick darauf kritisch gesagt werden: „Pädagogik ist eine jener Wissens-Macht-Komplexe, aus denen Subjekte hervorgehen. In der Wissenschaft von der Erziehung werden gesellschaft liche Identitäten hergestellt. Pädagogik ist somit produktiv. Sie produziert und extrahiert Wahrheiten über erzieherische Verhältnisse. Der Zusammenhang von Wissenschaft und Praxis in der Pädagogik, also die Generierung von Wissen zum Zweck des Einwirkens auf Subjekte bringt eine moderne Machtformation zum Ausdruck.“ (Messerschmidt 2006, S. 290)
Das bedeutet: Wird etwa ein Menschenbild wie dasjenige des halbierten Subjekts per Wissenstransfer in die pädagogische Praxis übertragen, so könnte dieser Umstand den Erfolg dieser Praxis akut gefährden, weil damit gewalttätiges Handeln als Indiz für eine unpolitische Motivation angesehen wird. So heißt es in einer sozialwissenschaft lichen Analyse: „Nicht politische Theorien sind Ursache für den Schritt zum Terrorismus, sondern im Gegenteil ein Mangel aus ausgeformten politischen Vorstellungen, verbunden mit Sinndefi ziten im Alltag und individueller Perspektivlosigkeit.“ (Redaktion Reiner Steinweg 1982, S. 7) In dieser Position ist gewalttätiges politisches Handeln nur vor dem Hintergrund von Gründen denkbar, die ihre Ursache im persönlichen Scheitern der politischen Akteure haben. Nun sind aber beispielsweise die Attentäter des Anschlags auf das World-Trade-Center am 11. September 2001 sozial und beruflich gut integrierte Personen gewesen. Dass Gewalthandeln deshalb auch und gerade im Rahmen einer ausgeformten politischen Theorie Sinn machen könnte, d.h. Menschen nicht aufgrund eines unter- sondern eben eines voll entwickelten politischen Bewusstsein solche Handlungen begehen, liegt außerhalb einer derartigen Konzeption. Die Vorstellung, dass jemand andere Menschen tatsächlich allein aus ideologischen Gründen umbringt und nicht aufgrund irgendwelcher charakterlicher Mängel, ist offensichtlich zu verstörend. Genau diese Verstörung aber ist eine zentrale Lehre aus der nationalsozialistischen Vergangenheit gewesen! Keiner der Gewaltverbrecher, die im Nürnberger Tribunal verhört und verurteilt worden sind, waren krankhafte Persönlichkeiten im klinisch-pathologischen Verständnis. 52 Daher lautet ein Fazit aus der neueren 52 | Eine Gegenthese dazu wurde unlängst von Nele Reuleux vorgelegt. (vgl. Reuleux 2006) Ihrer Ansicht nach ließen sich bei einigen der von ihr untersuchten Tätern Anzeichen eines „malignen Narzissmus“ finden. Diese Form der Persönlichkeitsstörung ist in der Regel durch eine frühkindliche Traumatisierung bedingt, deren konkretes Vorliegen bei den von Reuleux beschriebenen Personen allerdings nicht rekonstruiert wird. So wird die Plausibilität dieser These vor allem durch das im NS-System aktivierten Grauen zu begründen versucht: Die pathologische Struktur des Gesamtsystems habe die in ihr zur Wirkung kommenden krankhaften Strukturen der Persönlichkeit quasi unsichtbar gemacht, weshalb Reuleux vom Vorliegen einer „systemkon-
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Holocaust-Forschung: „Wir haben es in Massenmorden und genozidalen Prozessen in der Regel nicht mit disponierten Mördern zu tun, sondern mit Menschen, die sich aus Gründen, die ihnen selbst plausibel waren, entschieden haben, zu töten.“ (Welzer 2008, S. 42) Die Anwendung von Gewalt ist damit nur so lange rätselhaft, so lange das ihr zugrunde liegende Legitimationssystem nicht rekonstruiert wird. Im Rahmen eines solchen Systems nämlich erscheint den Akteuren diese Handlungsform unter Umständen sinnvoll, logisch und damit erschreckend „normal“ zu sein. Warum, so ließe sich in Übertragung dieses „Normalitätsparadigmas“ fragen, sollte das im Fall von heutigen politischen Gewalttätern anders sein? Auch im Fall der aktuellen rechtsmotivierten Gewalt haben wir es mit Toten und Verletzten zu tun, deren einziger Fehler es gewesen ist, in die Opferphantasien der Täter zu passen. Natürlich lässt sich bei der Rechten Gewalt nicht von einem Genozid sprechen, aber die Definition eines Opfers ist der zentrale Mechanismus auch bei der Ausübung von ethnisch begründeter Gewalt. Die Markierung eines fremden Menschen als Problem ist ja die notwendige Vorbedingung für gewalttätiges Handeln: „Dieser Vorgang ist [...] die zentrale Voraussetzung genozidaler Prozesse. Denn die Ausschließung verläuft über die Definition, dass die auszuschließende Gruppe an sich, und das heißt: jedes ihrer Mitglieder, eine Bedrohung für das Wohlergehen und letztlich für die Existenz der Mehrheitsgesellschaft ist – die dann folgerichtig ihr Heil darin erblickt, diese als bedrohlich wahrgenommene Gruppe unschädlich zu machen und, in letzter Konsequenz, zu vernichten.“ (Welzer 2007, S. 63)
Was bedeutet das aber für eine wissenschaft liche Analyse von politischer Gewalt? Es könnte bedeuten, dass die Annahme, dass es jemand tatsächlich ernst meint mit der Wahl dieser Handlungsform, einen äußerst zentralen Stellenwert besitzt, weil ohne dieses Grundverständnis der Charakter der daraus entstehenden Gewalt nicht ausreichend in den Blick genommen werden kann. Jedes analytische Unternehmen, welches sich auf die Dimension der Erklärung solcher Taten richtet, wäre mit dem formen Persönlichkeitsstörung“ spricht. Da es sich beim deutschen Faschismus jedoch um ein Phänomen gehandelt hat, welches stark von der Zustimmung und der Mitarbeit großer Teile der Bevölkerung getragen wurde, läuft die Diagnose von Reuleux Gefahr, große Gruppen der Gesellschaft pauschal als gestört zu begreifen. Dabei tritt zu Tage, dass die Kritik von Reuleux an der Position von Harald Welzer auf einem unterschiedlichen Verständnis des Begriffes „Normalität“ beruht: Während Welzer diesen Begriff formal behandelt, d.h. damit die gesellschaft lich gültigen Werte in den Blick nimmt, möchte Reuleux diesen Begriff qualitativ bestimmen und verbrecherische Handlungen definitiv nicht darunter subsumieren: „Sinnvoll und notwendig ist es, ‚normal‘ ausschließlich im Sinne von nicht-zerstörerischen Handlungen zu bezeichnen, da ansonsten die folgenschweren Störungen des ‚pathologischen Narzissmus‘, unerkannt bleiben. Erst eine so modifizierte ‚Normalität‘ erlaubt das Erkennen von unauff älligen Störungen.“ (Reuleux 2006, S. 27) Reuleux geht es also um eine Re-installation des Begriffes der „Normalität“ jenseits der radikal destruktiven Potenziale, die vor allem durch die Realität des Holocaust als Teil einer zuvor nicht für möglich gehaltenen gesellschaft lichen Normalität anerkannt werden mussten.
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Verzicht auf diese Perspektive vor erhebliche Probleme gestellt, weil sie die Taten von dem normativen Rahmen abkoppelt, durch welchen sie legitimiert werden. Mit diesen Überlegungen soll das dritte Kapitel beendet werden. Die Suche nach Indizien für eine „Ausblendung des Politischen“ im Zusammenhang mit dem Faktor „Jugend“ innerhalb des Themenfeldes der „Rechten Gewalt“ ist damit weitestgehend abgeschlossen. Für die diskursiven Formierungen einer Jugendlichkeit der Handelnden sowie einer Ausblendung des Politischen wurden anhand entsprechender Indizien die wesentlichen inhaltlichen Elemente dieser Zugänge zu rekonstruieren und gleichzeitig zu kritisieren versucht. Dieser Versuch mündet nun in der Überleitung zum vierten Kapitel, in welchem vor dem Hintergrund der bisherigen Argumentation drei konkrete Vorschläge dazu entwickelt werden sollen, ob und wie sich diese Kritik in das Leitbild eines sinnvollen pädagogischen TheoriePraxis-Transfers Gegen Rechts integrieren ließe.
4. Drei Vorschläge für die praktische Arbeit gegen Rechte Gewalt
Das vorliegende Kapitel bildet den Abschluss der Erörterungen und Überlegungen über Praxis und Problematik einer „Ausblendung des Politischen“ im Kontext des wissenschaft lichen Diskurses über Rechte Gewalt. Da innerhalb dieses Diskurses hauptsächlich zwei thematische Stränge als Produktionsort bestimmter hegemonialer Deutungsmuster angenommen wurden, soll sich in diesem Kapitel noch einmal auf drei ausgewählte Fragestellungen in Bezug auf die Thematisierung von Jugend und einer De-Thematisierung der politischen Handlungsgründe konzentriert werden, die im Hinblick auf jene Thematisierungen als besonders wichtig erachtet werden. Diese sollen als Vorschläge inhaltlich zugespitzt und in Form von programmatischen Empfehlungen formuliert werden, die als Überschrift zu Beginn der jeweiligen Abschnitte zu fi nden sind. Diese Empfehlungen betreffen sowohl die Ebene der konkreten Prävention, wie auch die Ebene der wissenschaft lichen Theoriebildung. Dabei handelt es sich dabei jedoch in erster Linie um Denkanstöße, die für die Praxis relevant sein könnten und nicht um eine fertige Ausarbeitung von praxisbezogenen Konzepten. Rückblickend lässt sich sagen, dass im Rahmen der bisherigen Ausführungen vor allem Argumente gesammelt wurden für die These, dass Rechte Gewalt nicht von unpolitischen Jugendlichen verübt wird, sondern von Tätern, die im Kontext eines politischen Weltbildes handeln. Eine Argumentation, die dem entgegen von einer Jugendlichkeit der Handelnden ausgeht, um mit dem Verweis auf das junge Alter der Täter einen ideologischen Kontext zu de-thematisieren, kann vor dem Hintergrund der innerhalb der beiden Diskursstränge aufgefundenen Indizien mit einigem Recht als der Effekt eines spezifischen Deutungsmusters bezeichnet werden, welches als zentraler Bestandteil eines Diskurses beschreibbar sein könnte. Deshalb sollen nun die möglichen Konsequenzen diskutiert werden, die sich aus diesem bisher erfolgten Indizienprozess ergeben könnten. Dabei handelt es sich nicht um fertige Konzepte, sondern um Haltungen und Positionen, die einem konkreten Theorie-Praxis-Transfer künft ig als handlungsleitende Prämissen zu Grunde gelegt werden könnten. Die erste Konsequenz ist auf der Ebene der wissenschaft lichen Theoriebildung angesiedelt und ergibt sich dort aus einer kritischen Analyse des Begriffes vom Jugendlichen. Im folgenden Abschnitt (4.1) wird sich deshalb besonders mit den Pro-
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blemen beschäftigt, die sich aus der semantischen Struktur dieses Begriffes ergeben. Dafür wird zwei Schritte zurückgegangen zu der einleitend gestellten Frage, in wie weit eine eventuelle Verschwommenheit des Jugendbegriffs als Theoriedefizit innerhalb der Rechtsextremismusforschung thematisiert oder ignoriert wird (vgl. Kap. 1.3). Die Begriffe von Jugend und Jugendlichkeit werden zu diesem Zweck einer terminologischen Diskussion unterzogen. Die zweite Konsequenz betrifft dann im Abschluss daran mehr die Ebene der praktischen Prävention. Im Hinblick auf die Ausblendung des Politischen wird sich im Abschnitt 4.2 der Begründung einer Position gewidmet, womit im Hinblick auf eine angemessene pädagogische Praxis die Handlungen rechtsmotivierter Täter als Ausdruck politischer Subjektivität interpretiert werden könnten. Dieser Ansatz wird unter besonderem Bezug auf die subjektwissenschaft liche Grundlegung von Klaus Holzkamp zu begründen versucht. Im dritten Abschnitt (4.3) steht abschließend der spezifisch historische Bezug der Rechten Gewalt zur NS-Gewalt im Vordergrund der Überlegungen. Dabei geht es darum, zu einem erweiterten Verständnis dieser Handlungsform gelangen zu können, indem der spezifische geschichtliche Kontext Rechter Gewalt thematisiert wird. Zunächst geht es nun aber auf den kommenden Seiten um die zentrale Frage, ob der Begriff des Jugendlichen überhaupt als geeignet angesehen werden kann, im Rahmen von wissenschaft lichen Analysen Verwendung zu finden. Diese Eignung wird entlang von Kriterien diskutiert, anhand derer sich dieser Begriff inhaltlich bestimmen lässt oder eben auch nicht.
4.1 „Jugend“ als dominanten Erklärungsfaktor in Frage stellen Die Frage, unter welchen Umständen jemand als Teilnehmer einer Phase namens Jugend bezeichnet werden kann, ist im Rahmen der bisherigen Diskussion als von besonderer Wichtigkeit erachtet worden. Doch auch innerhalb angrenzender Forschungsgebiete, wie z.B. der Gerontologie, gilt eine solche Frage als wesentlich: „‚Alter‘ ist ein horizontbildender Begriff, der die ganze Defi nitionsmacht des identifizierenden Denkens mobilisiert: Der Terminus ruft ein weit gefächertes Arsenal von Bildern und Denkfiguren auf, dabei ist sein propositioneller Inhalt diff us: Ab wann ist man/frau alt, was ist alt?“ (Kunow 2005, S. 26) Diese Fragen gilt es in diesem Abschnitt deshalb besonders im Hinblick auf die Konstruktion des Jugendlichen zu klären, um die Vorstellungen über diese Altersfigur möglichst genau zu rekonstruieren und damit auch in Frage stellen zu können.1 1 | Mit Irmild Saake lässt sich eine solcher Ansatz charakterisieren als „[...] Dekonstruktion von Kommunikationen, in denen ‚Alter‘ als Thema verwendet wird, und dies sind sowohl wissenschaft liche Theorien als auch alle Sätze, die im Alltag formuliert werden. Resultat dieses Forschungsinteresses ist eine gehäufte Verwendung von Anführungszeichen, eine Einklammerung all dessen, was zunächst als Wissenschaft oder Wahrheit gelten kann, und eine Rekonstruktion der jeweiligen Plausibilitäten, die hiermit erwirtschaftet werden.“ (Saake 2006, S. 24)
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„Den Jugendlichen gibt es nicht. Er ist eine Verallgemeinerung, und ihr gegenüber hat die Forderung nach stärkerer Differenzierung immer das Recht einer intensiven Annäherung an die Wirklichkeit auf ihrer Seite.“ (Schlesky 1984, S. 23) Mit diesen Zeilen beschrieb Helmut Schelsky im Vorwort zu seiner Untersuchung über die „skeptische Generation“ eine mögliche Gegenposition zu den jugendsoziologischen Entwürfen von Generationsgestalten. Er wollte damit klarstellen, dass es sich bei solchen Erkenntnissen lediglich um die Hochrechnung von Teilsegmenten einer sozialen Realität handelte, die um ein Vielfaches differenzierter sein dürfte als die empirische Basis, aufgrund derer diese Altersklasse z.B. als „Skeptische Generation“ betitelt werden: „Es sind im wesentlichen nur Teile der Jugend gewesen, auf die die Charakterisierung zugetroffen ist.“ (Merkens 2002, S. 347) Trotzdem ist der Begriff des Jugendlichen als Kollektivsingular bis heute ein Schlüsselbegriff der Jugendsoziologie und der Erziehungswissenschaft und wird von dort aus fächerübergreifend importiert, wie besonders am Beispiel der deutschen Rechtsextremismusforschung deutlich zu machen versucht wurde. Es konnte im Rahmen der bisherigen Ausführungen gezeigt werden, dass die Frage, wer als Jugendlicher gelten kann und wer als Erwachsener anzusehen ist, wesentlich ist für den Blick auf das Problemfeld der Rechten Gewalt. Zu fragen wäre deshalb: Wie ist der Begriff des Jugendlichen eigentlich genau defi niert? Zur Klärung dieser Frage soll auf einige Kriterien zurückgegriffen werden, wie sie in der Wissenschaft zur Analyse und Bestimmung von Begriffen zu finden sind. Zunächst kann ein Begriff dabei grundsätzlich als ein spezielles Instrument der Wahrnehmung verstanden werden, welches der Wissenschaft in basaler Art und Weise als Baustein der Erkenntnis (Eckes 1991, S. 3) dient: „Die Bildung von Begriffen ist damit ein grundlegender Teil jedes auf Erkenntnis gerichteten Prozesses. [...] Als strukturelle Einheiten des ‚semantischen Wissens‘ [...] steuern Begriffe die Verarbeitung von Informationen über Personen, kulturelle Gruppen und soziale Interaktionen [...].“ (Eckes 1991, S. 3) Dabei betont Eckes: „Die wichtigste Aufgabe von Begriffen besteht darin, die Zuordnung von Objekten zu Klassen (Kategorien) einander ähnlicher Objekte zu gewährleisten.“ (Eckes 1991, S. 4) Diesen Vorgang bezeichnet man auch als Bestimmung: „Bestimmung eines Begriffes liegt vor, wenn er nach Inhalt und Umfang von anderen Begriffen abgegrenzt ist.“ (Schischkoff 1982, S. 68.) Aus dieser Grundlegung heraus ließe sich für jeden wissenschaft lichen Begriff der Anspruch einer „Terminologiearbeit“2 ableiten, um z.B. eine korrekte Verwendung des Begriffes Jugendlicher gewährleisten zu können. Der Impuls zu solch einer Begriffsarbeit ergibt sich dabei auch aus dem Umstand, dass in den letzten Abschnitten dieses Buches deutlich wurde, mit welcher 2 | Hierzu heißt es in einer Einführung in die Terminologiearbeit: „Terminologie ist der Gesamtbestand der Begriffe und ihrer Benennungen in einem Fachgebiet:“ (Arntz/ Picht 1991, S. 10) Die Autoren begründen die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Bestimmungsarbeit mit der Vermeidung von Verständigungsproblemen: „Es ist daher wichtig, neue Fachwörter möglichst bald nach ihrer Entstehung zu erfassen, ihre exakte Bedeutung zu klären bzw. bald festzulegen und sie den Interessenten zugänglich zu machen.“ (ebd., S. 1)
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Dominanz der Terminus des Jugendlichen innerhalb der Ursachenforschung als wesentliches Element einer wissenschaft lichen Diagnostik fungiert. Für diesen Bereich kann deshalb gelten, was für alle wissenschaft lichen Operationen Geltung hat: „Wissenschaft ist ein primär sprachliches Unternehmen. Ohne klare Begriffe, zusammengefasst in korrekten Sätzen, können weder Beschreibungen, noch Schlussfolgerungen, Erklärungen oder Prognosen formuliert werden.“ (Druwe/Mantino 1996, S. 66)3 Die Klarheit eines diagnostischen Begriffes wie dem des Jugendlichen ist also vor allem im Hinblick auf einen Erkenntnisfortschritt innerhalb der Sozialwissenschaften zu fordern. Klar scheint ein Begriff dann zu sein, wenn alle wissen, was damit gemeint ist: „Die ‚Eindeutigkeit‘ von Begriffen fußt auf einer ‚einheitlichen Verfahrensregel‘ innerhalb einer Sprachgemeinschaft, d.h. der zu definierende Begriff hat für alle Mitglieder einer Sprachgemeinschaft dieselbe Bedeutung.“ (Mantino 1999, S. 88) Es kann vor diesem Hintergrund davon ausgegangen werden, dass die Bedeutung von Fachwörtern eine möglichst klare Basis innerhalb einer wissenschaft lichen Disziplin haben sollte, um Kommunikationsprobleme zu vermeiden und eine korrekte fachliche Benennung zu ermöglichen, denn: „Begriffe haben vor allem die Funktion, auf außersprachliche Entitäten hinzuweisen.“ (Winkler 2000, S. 39) Ähnlich heißt es in der DIN-Norm Nummer 2342 von 1986: „Ein Begriff ist eine Denkeinheit, die diejenigen gemeinsamen Merkmale zusammenfasst, welche Gegenständen zugeordnet werden.“ (Nach: Arntz/Picht 1991, S. 43) Der Begriff „Gegenstand“ bezieht sich dabei laut einem Zusatz zu dieser DIN-Verordnung ausdrücklich auch auf „Vorstellungen“. Um zu klären, wann ein Begriff einem Phänomen in richtiger Weise zugeordnet werden kann, benötigt ein Begriff nun eine nähere Bestimmung, eine „Definition“. Zur Funktion von Definitionen heißt es z.B. in der DIN-Norm 2330: „Defi nitionen dienen dazu, einen möglichst eindeutigen Zusammenhang zwischen Begriffen und Benennung herzustellen. Sie grenzen einen Begriff ab, indem er zu anderen (bekannten oder bereits defi nierten) in Beziehung gesetzt wird.“ (Nach: Arntz/Pich 1991, S. 62) Auch in einem sozialwissenschaft lichen Lehrbuch wird dazu gesagt: „Allgemein wird man fordern, dass Definitionen präzise zu sein haben. Für jede Beobachtung sollte eindeutig entscheidbar sein, ob diese unter die Defi nition fällt oder nicht.“ (Dieckmann 1998, S. 141)4 Nun sind Definitionen vielleicht nicht unbedingt statische Gebilde, sondern im Prozess der Wissensentwicklung eher als eine permanente Präzisionsarbeit zu verstehen.5 Die Eindeutigkeit der Zuordnung von De3 | Auch an anderer Stelle heißt es, dass „[...] wissenschaft liche Erkenntnisse [...] notwendig sprachliche Aussagesysteme sind, und wissenschaft liches Handeln [...] notwendig und zentral (neben anderem) aus sprachlichen Prozessen besteht.“ (Groben/Westmeyer 1975, S. 193) Wissenschaftskritik ist seit ihrem Bestehen daher auch immer Kritik am Sprachgebrauch. 4 | Ähnlich lauten andere Bestimmungen: „Ein Begriff ist dann eindeutig defi niert, wenn Personen einer Sprachgemeinschaft ihn mit einer einheitlichen Verfahrensregel benutzen, d.h. wenn der Begriff für alle Mitglieder der Sprachgemeinschaft die gleiche Bedeutung hat.“ (Druwe/Mantino 1996, S. 75). 5 | So heißt es bereits bei Vermeer zum Kontext linguistischer Begriffsbildung: „Ein
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finition und Phänomen ist daher tendenziell temporär. Allerdings lässt sich sagen: Der intersubjektive Spielraum zur Interpretation sollte durch eine wissenschaft liche Definition so weit wie möglich einzuschränken sein, um einer wissenstheoretisch geforderten Klarheit mindestens nahe kommen zu können.6 Für den Fachbegriff des Jugendlichen sind durch den Bezug auf die Terminologiearbeit einige Kriterien benennbar, die erfüllt sein sollten, um ihn zu Zwecken der wissenschaft lichen Verständigung oder auch im Rahmen einer analytischen Diagnostik einsetzen zu können: Er muss in präziser Art und Weise die Menge der Eigenschaften angeben, die auf einen festzulegenden Objektbereich Geltung beanspruchen. Weiterhin muss er klar von anderen Begriffen abzugrenzen sein. Erfüllt der Begriff diese Kriterien nicht, lassen sich beispielsweise die vermuteten Eigenschaften klassifi katorisch keiner Entität zuordnen, spricht man von einer „Leerformel“: „Falls der Begriff keiner Entität zugehört und von keiner exemplizifiert wird, nennt man ihn manchmal einen leeren Begriff “ (Copi 1975, S. 42) Druwe und Mantino bestimmen diese Kriterien unter Rückgriff auf die Definition des Sozialwissenschaft lers Karl-Heinz Opp (vgl. Opp 1995, S. 129): „Ein Begriff ist dann präzise definiert, wenn alle Personen, die die Bedeutung [...] des Begriffes kennen, bei einem beliebigen vollständigen Ereignis entscheiden können, ob es zu der Extension [d.h. des Umfangs, etwa einer empirischen Menge, Anm. S.D.] gehört oder nicht. Treffen beide Bedingungen zu, dann ist er exakt.“ (Druwe/Mantino 1996, S. 75) Daraus folgt: Es muss eine möglichst große Übereinkunft darüber bestehen, unter welchen Kriterien ein Mensch als Jugendlicher zu verstehen ist, wann er kein Kind mehr ist und noch kein Erwachsener. Die jugendtheoretische Praxis sieht allerdings anders aus, was Amei Koll-Stobbe als „Polysemie und Unschärfe“ (vgl. Koll-Stobbe 2005, S. 238) kritisiert: „Für den Begriff des Jugendlichen werden je nach der verwendeten Theorie der ‚Jugendphase‘ innerhalb der angewandten Sozialforschung Spannweiten vom 14. bis zum 25., nicht selten auch bis zum 30. Lebensjahr angegeben“.7 Es lässt sich damit eine Tendenz Versuch, linguistische Terminologie nach DIN-Normen zu reglementieren, muss schon an der Entwicklungsgeschwindigkeit der Disziplin scheitern.“ (Vermeer 1971, S. 11) Diese Feststellung lässt sich auch auf andere wissenschaft liche Disziplinen übertragen – allerdings bleibt die Forderung nach einer adäquaten Herleitung der jeweils verwendeten Begriffe dadurch unberührt. 6 | Das Leitbild einer größtmöglichen Überschneidung von Bedeutungen, die mit einem Wort assoziiert werden, ergibt sich aus der Funktion von Begriffen, für ein klar umrissenes Gebiet Geltung zu beanspruchen. In seinen begriffslogischen Untersuchungen formuliert Frege unmissverständlich den Anspruch „[...] für die Begriffe [...] die Forderung, dass sie für jedes Argument einen Wahrheitswert als Wert haben, dass für jeden Gegenstand bestimmt werden kann, ob er unter den Begriff falle oder nicht; mit anderen Worten: wir haben für Begriffe die Forderung ihrer scharfen Begrenzung, ohne deren Erfüllung es unmöglich wäre, logische Gesetze von ihnen aufzustellen.“ (Frege 1962, S. 29). 7 | Als Resultat werden in der Jugendforschung Bezeichnungen wie etwa die der „Postadoleszenz“ kreiert, um eine Erweiterung des Jugendbegriffs bis zu 30 Jahren zu ermöglichen. Ortega beispielsweise definiert den Begriff der „Jugend“ als Phase zwischen 15
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zur „Entgrenzung der Jugendphase von ca. 13 bis 14 Jahren bis Ende 20 bzw. Ende dreißig“ (Rink 2002, S. 4) konstatieren, so dass gesagt werden kann: „Alters-StatusÜbergänge sind nach oben hin offen, d.h. sie können sich über längere Zeiträume erstrecken, ohne in einem festen Modell des ‚Erwachsenen‘ anzukommen.“ (SeiffgeKrenke 1997, S. 52) Wie alt der Jugendliche also sein muss, um als solcher zu gelten, darüber scheint keine Einigkeit zu bestehen, im Gegenteil: „Die bisherigen Diskurse um eine Entstrukturierung und Entstandardisierung der Jugendphase [...] stimmten darin überein, dass Jugend nicht mehr als homogene soziale Gegebenheit zu beschreiben ist und der Übergang in das Erwachsensein sich nicht als einheitlicher, nach ähnlichen Strukturmustern verlaufender Entwicklungsprozesse vollzieht, sondern die kollektive Statuspassage Jugend in plurale Verlaufsformen und Zeitstrukturen zerfällt.“ (Kirchhöfer 2002, S. 153)
Doch solch ein „Zerfall“ ist für die Frage, ob eine Person als „Jugendlicher“ einer Klasse oder einer Menge semantisch zweifelsfrei zugeordnet werden kann, in höchstem Maße entscheidend: Denn es eine Forderung an wissenschaft liche Begriffe ist, dass diese eine solche Zuordnung möglich machen sollen, dann erscheint die Diagnose einer terminologischen Diff usion für die klassifi katorische Menge namens „Jugend“ problematisch zu sein: „Eine Menge ist ein Inbegriff oder eine Klasse von Gegenständen, derart, dass von jedem Gegenstand bestimmt ist, ob er ein Element dieser Klasse ist oder nicht.“ (Tugendthat/Wolf 1983, S. 141) Wenn nun die Klasse selber aber unscharfe Ränder besitzt, dann ist eine Zuordnung einzelner Elemente zu dieser Klasse tendenziell erschwert. Die Formel: „a fällt unter den Begriff F = Def. Der generelle Terminus F trifft auf den Gegenstand a zu.“ (Tugendthat/ Wolf 1983, S. 141) kann dann nicht mehr zufriedenstellend angewendet werden, weil F in diesem Fall nicht hinreichend zu bestimmen ist. Es soll deshalb versucht werden, den Inhalt und den Geltungsbereich des Jugendlichen über das Abgrenzungsmerkmal Alter näher zu bestimmen. Dabei wird zunächst deutlich, dass der Begriff eng verknüpft ist mit dem Ursprungswort, dem er als sprachliche Ableitung seine grundsätzliche Existenz verdankt: „Der ‚Jugendund 30 Jahren (Nach: Striksrud 1998, S. 19) Das Dilemma differenziert sich dadurch aber nur noch weiter aus. Deutlich wird dieser Umstand bei Schäfers (1995). Er unterteilt den Phasenbegriff der „Jugend“ in die Kennzeichnung „Jugendlicher“, mit der die 13 bis 18jährigen gemeint sind, weiter die „jugendlichen Erwachsenen“ (18 bis 21 Jahre) und schließlich die jungen Erwachsenen der „Nachjugendphase“, die von 21 bis 25 reichen soll (vgl. Schäfers, Bernhard 1995, S. 12). Eine ähnliche Art der Binnendifferenzierung findet sich bei Ewert 1983 (Nach: Striksrud 1998): Die „Vorpubertät“ betrifft die Altersklassen 10 bis 12 Jahren, die „Trensens“ die 12 bis 14jährigen, in der „Früh-Adoleszenz“ befi nden sich die 14 bis 18 Jahre alten Menschen und die „Spät-Adoleszenz“ reicht bis ca. 25 Jahre. Ewert plädiert allerdings dafür, den Begriff des „Jugendlichen“ nur bis zu Beginn des 21. Lebensjahres zu verwenden. Aber gerade der Verweis auf die Zusammenführung von Entwicklungsphasen und Alterseinteilungen verführt dazu, solche Differenzierungen zugunsten eines gleichsetzenden Sprachgebrauchs von Jugendlichkeit und Adoleszenz aufzugeben.
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liche‘ als Begriff beschreibt nach landläufiger Meinung den Inhaber bzw. Partizipant von Jugend.“ (Vatikus 1988, S. 132) Im Jugendlichen versammeln sich danach also all die Bestimmungen, die im Hinblick auf „Jugend“ getätigt werden. Ähnlich definiert Dieter Baacke den Begriff wie folgt: „Während ‚Jugend‘ eine bestimmte Phase meint, sind ‚Jugendliche‘ diejenigen, die in ihr leben.“ (Dieter Baacke 1990, S. 800) Wer nach dem Jugendlichen fragt, ist also zwangsläufig auf den Begriff der Jugend verwiesen, so wie der Begriff des Engländers nicht ohne das Wort England denkbar wäre. Jemand ist dann ein Jugendlicher, wenn er als Teilnehmer einer Jugendphase identifizierbar ist. In diesem Fall verlagert man das Problem aber nur vom abgeleiteten Begriff auf seinen Ursprung, denn anhand welcher verifizierbarer Altersmerkmale lässt sich eine solche Phase zweifelsfrei ausmachen, wenn Anfang und Ende dieser Phase unscharf sind? Das dieser Fall vorliegen könnte, davon geht auch Vera King aus: „Ehemals festgefügte Differenzen zwischen Lebensphasen, insbesondere zwischen Jugendlichen und Erwachsenen haben sich verwischt [...] so dass ‚moderne‘ Jugendkonzepte in zahlreicher Hinsicht ihre soziostrukturelle Basis verloren haben und sozialwissenschaft liche Jugend- oder Adoleszenzforschung eine Präzisierung ihrer theoretischen Verankerung erfordert.“ (King 2002, S. 12)
Ohne eine eingrenzbare Menge von Merkmalen ergeben sich aber auch Schwierigkeiten für den Träger dieser Merkmale. Wenn es unklar ist, wo Jugend beginnt und wo sie endet, dann ist auch der Begriff des Jugendlichen zwangsläufig unscharf. Diese Unschärfe ist innerhalb der sprachlichen Logik eng mit dem Problem einer mangelnden Deutlichkeit verbunden, so etwa in der Logik von Salmon, der schreibt: „Es gibt jedoch Fälle, in denen ein Wort in einer Weise gebraucht wird, dass wir nicht sagen können, welche seiner verschiedenen Bedeutungen gemeint ist. In solchen Fällen sagen wir, dass das Wort mißverständlich gebraucht wird, denn die Aussage, in der es vorkommt, kann auf wenigstens zwei verschiedene Arten interpretiert werden.“ (Salmon 1983, : 276, Herv. i.O.) Dies wäre beim Jugendlichen mit seiner unklaren Praxis der zeitlichen Markierungen allerdings der Fall. Fachliche Präzisierungen werden jedoch trotz der hier vorgebrachten Problematik nach wie vor unter Rückgriff auf Altersgrenzen zu markieren versucht. So hält auch Dieter Baacke sich zum Zweck der Bestimmung des Jugendbegriff s an die Praxis der Alterseinteilung, nämlich seiner Meinung nach „[...] in der Regel von 13 bis zirka 25 Jahren.“ (Baacke 1990, S. 799) Er bemerkt aber gleichzeitig, dass diese Einteilung „unscharfe Ränder“ besitzt und konstatiert deshalb: „Das in Jahren gemessene Lebensalter zur Kennzeichnung von ‚Jugend‘ ist [...] vage und unbestimmt [...].“ (Baacke 1990, S. 799) Innerhalb der Jugendforschung kann der Versuch einer exakten Begriffsbestimmung daher grundsätzlich als skeptisch bewertet werden: „Gleichwohl ist die Frage nach dem Anfang und Ende von Jugend keineswegs so einfach zu beantworten wie die Frage danach, was Jugend als soziale Gruppe insgesamt, also in Abstraktion von den internen Unterschieden des Lebensalters, der sozialen Lage und des Geschlechts charakterisiert.“ (Scherr/Griese/Mansel 2003, S. 8) So konnte im Bereich der Altersforschung anhand einer Gegenüberstellung
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von Altersgruppenkonzepten nachgewiesen werden, dass die meisten dieser Einteilungen im geschichtlichen Vergleich einen hohen Grad an Heterogenität aufweisen. (Saake 2006, S. 99)8 Als konstant kann daher nur der Versuch gelten, den Bereich der Jugend einzugrenzen, keineswegs aber ist dieser Bereich selber in sich konstant. Gleichwohl hat diese Praxis der Festlegung die Menschen seit jeher stark beschäft igt und kann deshalb als kulturanthropologische Konstante gelten. So ist von Sokrates überliefert, dass er sich vor Gericht rechtfertigen musste, weil er angeblich die Jugend verderben würde. Folgender Dialog mit dem Ankläger Charikles entspann sich: „Da wurde Charikles zornig und sagte: Da du, Sokrates, es nicht weißt, so kündigen wir dir hiermit etwas Verständliches an: Du sollst dich mit den Jünglingen überhaupt nicht unterhalten! Da erwiderte Sokrates: Damit also kein Zweifel darüber herrscht, daß ich etwas anderes als das vorgeschriebene tue, so bestimmt mir, bis zu welchem Jahre man annehmen muß, daß die Leute Jünglinge sind. Und Charikles antwortete: Solange sie noch nicht Ratsherren werden können, weil man annimmt, dass sie noch nicht die nötigen Einsichten besitzen; unterrede also auch du dich nicht mit Leuten unter dreißig Jahren.“ (Xenophon, Memor 1 und 2, Nach: Hübscher 1950, S. 63)
In seiner Antwort warf Sokrates für den Geltungsbereich der „Jünglinge“ also genau diejenige Frage auf, die es auch hier zu beantworten gilt: Wann ist man ein Jugendlicher und wann ist man es nicht mehr? Zwar schreibt der Autor der 12. Schell-Jugendstudie zutreffend: „Nach dem durchschnittlichen Alltagsverständnis wird die Sozialgruppe Jugend vor allem durch ihr Alter bestimmt.“ (Münchmeier 2002, S. 104), allerdings bezeichnet auch dieser Autor es gleichzeitig als die „Hauptfrage“ der Jugendforschung, „[...] wann Jugend beginnt und in welchem Alter sie endet [...]“ (Münchmeier 2002, S. 104) Wie lässt sich trotzdem eine Antwort finden? Am einfachsten erscheint eine solche Suche zu sein, wenn man in den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen nachschlägt: Danach gelten alle unter 14jährigen als „Kinder“, alle über 14 und unter 18 Jahren als „Jugendliche“. Mit Erreichen des 18. Lebensjahres gilt man als „volljährig“. Einzig im Jugendstrafgesetz existiert noch der Passus des „Heranwachsenden“, der alle Personen über 18 und unter 21 Jahren umfasst, weil auf diese unter Umständen der erzieherische Gedanken der Jugendstrafe angewendet werden kann (vgl. Kap. 1.1). So weit, so klar. Diese Bestimmungspraxis ist jedoch nur innerhalb des rechtlichen Diskurses als Standard akzeptiert. Parallel zum biologischen Altersgruppenkonzept existieren aber im Kontext der verschiedenen wissenschaft lichen Disziplinen noch zahlreiche anders lautende Vorstellungen, die von den Defi nitionen des Gesetzge8 | Bei Irmhild Saake heißt es dazu: „Es liegen siebenstufige, vierstufige und dreistufige Modelle vor, die von ihren jeweiligen Vorläufern aufgegriffen wurden und weiterentwickelt worden sind. Die Ergebnisse dieser Modelle verlagern den Höhepunkt ganz unterschiedlich auf die Mitte oder das Ende des Lebens. Die Gründe dafür lassen sich in den jeweiligen theoretischen Zugängen fi nden.“ (Saake 2006, S. 102)
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bers deutlich abweichen. Schon Helmut Schelsky ging in seinem populären Werk über die Jugend der 50er Jahre weit über die gesetzliche Defi nition hinaus, für ihn handelte es sich bei den Jugendlichen „[...] konkret um die Altersstufen zwischen 14 und 25 Jahren [...].“ (Schelsky 1984, Vorwort S. 12) Damit liegen sieben Jahre zwischen dieser und der gesetzlichen Definition. Der Jugendliche ist tendenziell entgrenzt. Dabei scheint es für diese Praxis der Entgrenzung keine Obergrenze zu geben: „Jugend umfasst inzwischen eine Zeitspanne, die von acht bis achtundreißig reichen kann – oder darüber hinaus.“ (In: ApuZ 2002, S. 2) Neben der Vorstellung des biologischen Alterns gibt es deshalb mittlerweile Konzepte, die den Schwerpunkt auf das soziale und das psychologische Altern legen oder aber andere Kriterien zur Definition anlegen wie z.B. den Eintritt ins Erwerbsleben dafür benutzen: „Als Jugendliche gelten hierbei in der BR Deutschland Personen zwischen 15-20 Jahren, mit der von der Arbeitsverwaltung gegebenen Begründung, in der Regel sei für die meisten Jugendlichen im Alter von 20 Jahren [...] nach Erfüllung der Schulpfl icht und anschließender Berufsausbildung, der Eintritt ins Erwerbsleben vollzogen.“ (Meyer's Lexikon Pädagogik 1989, S. 216)9
Nach Ansicht von Rolf Nemitz sind das institutionell und gesellschaft lich vermittelte Gegensätze: „‚Erwachsensein‘ heißt dann im Kern, die Schule zu verlassen und in die Bereiche von Ökonomie, Staat, Familie(ngründung) und ‚Kulturgesellschaft‘ einzutreten. ‚Jugendlicher‘ zu sein ist also mit gravierenden Einschränkungen im Bereich von Ökonomie, Staat, Familie und ‚Kulturgesellschaft‘ verbunden.“ (Nemitz 1983, S. 248) Die Kriterien, entlang derer sich diese Gegensätze voneinander unterscheiden lassen, sind allerdings alles andere als „fest“. Da sich besonders die Erwerbsbiographien zunehmend ausdifferenzieren und keineswegs linear verlaufen, wird z.B. das darauf bezogene Bestimmungskriterium des Gegensatzpaares Jugendlicher/Erwachsener in heutiger Zeit als fragwürdig angesehen: „Angesichts der erheblichen Variabilität der oberen Grenze der Adoleszenzphase (man denke nur an die zunehmende Streuung des Berufseintritts und des Heiratsalters) kommt man immer mehr davon ab, feste Altersmarken anzugeben. Vielmehr geht man dazu über, die obere Grenze nach sozialen Kriterien zu definieren.“ (Remschmidt 1998, S. 3) In der Definition von Rainer Döbert und Gertrud Nunner-Winkler ist deshalb beispielsweise das soziale Merkmal der „gesellschaft lichen Integration“ entscheidend für das Ende der Jugendzeit: „Unter strukturellem Aspekt kann die Phase als beendet gelten, wenn der Jugendliche mit der Übernahme einer Berufsrolle und der Gründung einer eigenen Familie endgültig in die Gesellschaft integriert ist [...]“ (Döbert/Nunner-Winkler 1975, S. 42) Diesem Verständnis nach vollzieht sich der Prozess dieser Integration anhand der Bewältigung bestimmter gesellschaft licher Anforderungen im sozialen Bereich: 9 | Dort heißt es im Zusatz noch: „Eine Ausdehnung des Begriffs ‚Jugendlicher‘ auf die Gruppe der 20-25jährigen scheint jedoch geboten [...]“ (Meyer's 1989, S. 216) da die Ausbildungszeiten sich verlängert hätten.
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„Jugendliche sind demnach jugendlich, wenn sie bereits gelernt haben, mit Altersgenossen zurecht zu kommen, männliches oder weibliches Rollenverhalten erlernt und persönliche Unabhängigkeit erlangt haben. Erwachsene sind sie erst dann, wenn sie die eigenen körperliche Erscheinung akzeptiert und reifere Beziehungen zu Altersgleichen beiderlei Geschlechts aufgebaut haben, ihre Vorbereitung auf Ehe und Beruf abgeschlossen ist, sie von ihren Eltern nicht mehr emotional abhängig sind und sozial verantwortungsvolles Handeln beherrschen.“ (Reinders 2003, S. 21)
Ein Erwachsener ist also dann erwachsen, wenn er sich erfolgreich in die Gesellschaft integriert hat. Ein Jugendlicher ließe sich im Umkehrschluss somit dadurch charakterisieren, dass er gesellschaft lich nicht integriert ist: Vorausgesetzt wird in dieser Sichtweise allerdings, dass ein Topos namens endgültige gesellschaftliche Integration anhand der Merkmale Beruf und Familie und sozial verantwortungsvolles Handeln zweifelsfrei identifizierbar sein könnte, was angesichts einer zunehmenden Komplexität von Lebensformen und der Pluralität moralischer Normen schwerlich möglich sein dürfte. Bei hoher Scheidungsrate, wachsender Arbeitslosigkeit und zunehmender Ausdifferenzierung politischer und ethischer Maßstäbe wäre das Moment einer endgültigen gesellschaft lichen Integration anhand der genannten Merkmale bei Erwachsenen wahrscheinlich ähnlich selten anzutreffen wie bei Jugendlichen: „Damit ist das Phänomen der diff usen Identität nicht auf die Gruppe der Jugendlichen beschränkt. Das Fehlen von Exploration und Verpflichtung zieht sich durch alle Altersgruppen.“ (Meinert 2008, S. 110) Die Vorstellung einer Festigkeit einer Identität im Zusammenhang mit der Übernahme gesellschaft licher Rollen analog zum fortschreitenden Lebensalter formuliert jedoch auch Neidhardt: „Jemand hört auf, Jugendlicher zu sein, wenn er einen festen Beruf ergreift oder heiratet.“ (Neidhardt 1970, S. 14) Was aber, wenn er im Alter von 24 wieder arbeitslos wird, und die mit 18 Jahren geschlossene Ehe nur drei Jahre Bestand hat? Wird aus dem Ende des Jugendlichen dann wieder ein Anfang? Aufgrund dieser Unklarheiten wird inzwischen davon gesprochen, „[...] dass ein traditionelles Verständnis von Jugend als einer Lebensphase, die mit der Pubertät beginnt und mit dem Eintritt in die Arbeitswelt, der Gründung einer eigenen Familie und der Festlegung auf einen privaten und beruflichen Lebensentwurf, nicht mehr angemessen ist.“ (Scherr/Schäfer 2005, S. 21) Welche Kriterien aber lassen sich dann für eine Festlegung des Begriffes vom Jugendlichen finden für all die Konzepte, die sich nicht an den gesetzlichen Vorgaben orientieren möchten? Ergeben sich aus der viel zitierten Entstrukturierung der Jugendphase nicht erhebliche defi nitorische Probleme, wenn gesagt wird: „Es gibt keinen festen Fahrplan durch die Jugendphase mehr.“ (Baake 1997, S. 65) Denn wenn keine allgemeinen Merkmale mehr zu benennen sind, nach denen jemand als Teilnehmer der Phase Jugend markierbar ist, verliert der Begriff des Jugendlichen unweigerlich seine Kontur, er wird zu einem so genannten „fuzzy“-Begriff.10 Damit 10 | Vgl. dazu die Arbeit von Bart Kosko zur „Fuzzy-Logik“: „Eine Menge besteht aus Elementen. Jedes Element gehört entweder zu der Menge oder nicht. Es gibt keine dritte Möglichkeit. Die Menge der geraden Zahlen enthält die Zahl 2, aber nicht die 3.
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werden Begriffe beschrieben, die in sich vage sind oder sich auf vage Mengen beziehen lassen, „[...] grundsätzlich alle Begriffe, die in dem Sinne nicht wohldefiniert sind, als sie nicht durch eine Liste definierender Merkmale adäquat beschrieben werden können.“ (Eckes 1991, S. 38) Wenn der Bestimmungsgehalt des Jugendbegriffs aber „fuzzy“ ist, womit kann dann der Jugendliche identifiziert werden? Diese begriffstheoretische Zwickmühle hat Bernd Pickelt in seiner Untersuchung über „Jugend und Politikverdrossenheit“ deutlich benannt: „Ein tiefgreifendes Problem der empirischen Analyse der Lebensphase Jugend liegt in einem Grunddilemma der sozialwissenschaft lichen Jugendforschung (zur Übersicht Allerbeck/Rosenmayr 1976; Coleman 1976). Es betrifft die präzise Definition des Gegenstandes dieser Forschung. So ist das, was der allgemein verwendete Begriff ‚Jugend‘ (Adoleszenz) bezeichnet und welche Alterskohorten er per Defi nition umfasst, alles andere als klar umrissen.“ (Pickel 2001, S. 23)11
Eine klare Definition für den Jugendlichen kann es danach also ebenfalls nicht geben. Was bleibt, sind junge Menschen, die sich anhand unterschiedlicher Realitäten strukturieren, wie es Albert Scherr konstatiert: „Jugendliche, das sind 15jährige Hauptschüler in der Erwartung einer Industriearbeiterbiografie ebenso wie 23jährige Studierende, deren berufl icher und persönlicher Selbstfindungsprozess noch lange nicht abgeschlossen ist, das sind arme und wohlhabende, männliche und weibliche, einheimische und zugewanderte Jugendliche, subkulturell Orientierte und ‚Stinos‘, Hip-Hop-Jünger und Rechtsradikale usw.“ (Scherr 2001, S. 60)
Wenn eine solche Binnendifferenzierung aber mehr Unterschiede aufweist als Gemeinsamkeiten, dann stellt diese Realität den Gebrauch des Begriffes Jugendlicher vor erhebliche Legitimationsprobleme: Ohne eine einheitliche Definition ergeben Eine Menge ist eine abstrakte binäre Struktur. [...]“ (Kosko 1999, S. 29) Eine Fuzzy-Menge erlaubt aber eine teilweise Zugehörigkeit, indem gesagt wird: „Die Bedeutung eines Konzeptes ist die unschafe Menge, die es definiert.“ (Kosko 1999, S. 29, Herv. i.O) Diese Unschärferelation müsste dann aber ähnlich wie in der Quantenphysik durch die „Theorie der Unschärfe“ von Werner Heisenberg (vgl. Heisenberg 1988) fachintern zur Diskussion gestellt werden. In jedem Fall könnten dann wissenschaft liche Aussagen über solche „Fuzzy“-Mengen ebenfalls nur vage sein. Das hätte erhebliche Konsequenzen für den gesamten Bereich pädagogischer, soziologischer und auch psychologischer Diagnostik. 11 | Zur Begründung seines Studiendesigns schreibt er: „Da für eine empirische Betrachtung politischer Einstellungen aber eine Abgrenzung der Untersuchungsgruppe dringend notwendig ist, muss trotz aller Einschränkungen auf eine einfachere, pragmatischere Form der Analyse von Jugend zurückgegriffen werden.“ (Pickel 2001, S. 27) Für seine Untersuchung berücksichtigt Pickel deshalb neben der „[...] Gruppe der ‚reinen‘ Jugendlichen (13-17 Jahre) [...]“ auch „[...] das Altersspektrum 18-29 Jahre [...]“ (ebd.), mahnt jedoch eine Vereinheitlichung der Untersuchungsgruppen an, um überhaupt die Möglichkeit vergleichender Diskussion innerhalb der Jugendforschung zu schaffen. (ebd. S. 65).
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sich zwangsläufig Unschärfen, die zu erheblichen Kommunikationsproblemen innerhalb der Debatte über Rechte Gewalt führen können. Diese Unschärfen betreffen dann wiederum die konkrete Pädagogik, insofern sie von einer Zielgruppe ausgeht, die in der Realität nicht als homogene Entität existiert. Besonders für die Konzeption von Bildungsangeboten, die sich speziell an Jugendliche richten, bedeutet dieser Umstand eventuell die Notwendigkeit, einen Paradigmenwechsel vorzunehmen: Die Orientierung auf (rechtsextreme) Jugendliche wäre zugunsten einer allgemeinen Perspektive aufzugeben, bei der die Aufgabe der Vermittlung einer demokratischen Basisbildung im Vordergrund stehen könnte, die nicht auf eine bestimmte Zielgruppe beschränkt wäre: „Nur dort, wo sich die Menschen mit der Demokratie und ihren Grundwerten identifizieren und sie in möglichst allen Lebenslagen aktiv verteidigen, wird rechtes Gedankengut und rechte Gewalt keine Chance haben.“ (Rademacher 2005, S. 90) Gegen die Entwicklung von fundamentalistischen Bewegungen gälte es also, jenseits von Altersgrenzen das Fundament einer pluralistischen Zivilgesellschaft zu stärken. Dabei ist die Lokalisierung Rechter Gewalt in der Problemgruppe der Jugendlichen selbst ein Teil des Problems. Diese Gruppe könnte nämlich nur als abstrakte Konstruktion existieren, die nicht klar zu definieren ist, weil gesagt werden muss: „Auch in der Wissenschaft sind die Meinungen über den Beginn und das Ende der Adoleszenz nicht einheitlich. Auf feste Alterszahlen haben sich nur wenige Autorinnen und Autoren festgelegt.“ (Flammer 2002, S. 20) So „erfi ndet“ jeder Autor die Kriterien zur Bestimmung dieser sozialen Gruppe für sich neu: Als Folge finden sich in der gesamten sozialwissenschaft lichen Forschung oft mals völlig unterschiedliche Alterseinteilungen zur Bezeichnung des Jugendlichen. Selbst bei kontinuierlichen Forschungsprojekten wie etwa den alljährlichen Shell-Jugendstudien wechseln mit den Designs auch die Altersmarkierungen.12 Richtete sich 1987 der Fokus auf die 15 bis 20jährigen; so waren 1992 die Befragten 13 Jahre alt und die Ältesten schon 29. Im Jahr 1997 wiederum sank das Alter an der oberen Markierung wieder auf 27 Jahre, und das Eintrittsalter in die Jugend begann mit 14. Im Jahr 2000 untersuchte man dann wieder die Altersgruppe von 15 bis 24 Jahren. (vgl. dazu: Deutsche Schell 2000, S. 353) Das bedeutet: Zwischen den Altersstufen 13 und 16 existiert eine Deckungsungleichheit von drei Jahren, bei der oberen Grenze handelt es sich dabei sogar um einen Wert von fünf Jahren (24 bis 29). 2006 schließlich wurden die 12 bis 25jährigen als Jugend befragt. Eine Überschneidung aller angegebenen Alterswerte existiert dagegen ausschließlich für den Bereich 16 bis 24 Jahre, der damit im oberen Bereich immer noch eine Abweichung von 6 Jahren zur gesetzlichen Volljährigkeit markiert. 12 | Auch Jugendbefragungen zum Thema Rechtsextremismus weisen einen hohen Grad an Heterogenität auf: Bei Heitmeyer umfasst der Altersrahmen der Befragten noch den Zeitabschnitt von 17 bis 21 Jahren (vgl. Heitmeyer 1993), die Untersuchung von Hoff meister und Sills weiten den Begriff schon bis zum 25. Lebensjahr aus (vgl. Hoffmeister/Sills 1994). Die IPOS-Untersuchung aus dem Jahre 1993 befragt die 14 bis 27 Jahre alten Mitbürger und der DJI-Jugendsurvey von 1992 nimmt die Personengruppe von 16-29 Jahren in den Blick.
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Trotzdem werden die Ergebnisse dieser Studien in Form von Generationsgestalten regelmäßig miteinander verglichen. Das Problem wird dadurch offenbar: Die angewandte Sozialforschung praktiziert eine relativ uneinheitliche Alterseinteilung zur Kennzeichnung des Jugendlichen. Dazu kommen noch die bereits erwähnten alternativen Möglichkeiten der Kennzeichnung von Jugendlichkeit: So beschreibt Remschmidt (vgl. Remschmidt 1998, S. 2/3) zusätzlich zur Praxis der Altersmarkierung noch vier weitere Arten zur Kennzeichnungen des „Jugendalters“: „Biologisch gesehen bedeutet der Begriff die Gesamtheit der somatischen Veränderungen, d.h. der körperlichen Entwicklung, besonders der sexuellen Reifung. Psychologisch betrachtet umfasst der Begriff all jene individuellen Vorgänge, die mit dem Erleben der somatischen Wandlungen sowie der Auseinandersetzung mit den sozialen Reaktionen darauf verbunden sind. Soziologisch ist die Adoleszenz als Zwischen- oder Übergangsstadium definiert, welches darauf gerichtet ist, durch Heirat und Berufsfi ndung in den Besitz der allgemeinen Rechte und Pfl ichten zu kommen. Rechtlich bedeutet die Adoleszenz die Zunahme von Teilmündigkeiten.“
Allerdings bemerkt Remschmidt zu allen diesen Dimensionen: „Die zeitlichen Grenzen sind bezüglich aller genannten Kriterien sowohl nach unten als auch nach oben unscharf.“ (Remschmidt 1998, S. 3) So ergeben sich z.B. bezüglich des Beginns der sexuellen Reifung erhebliche Unterschiede, sowohl zwischen Mädchen und Jungen, wie auch innerhalb dieser Gruppen und ebenso zwischen Kohorten und Generationen. Eine Aussage wie: „Heute gilt daher als Jugend die Altersstufe zwischen etwa 12 und 25 Jahren.“ (Massing 2001, S. 5) muss vor diesem Hintergrund die Frage offen lassen: Und was gilt morgen? 13 Fest steht: Der Begriff scheint analytisch nicht trennscharf zu sein und würde damit aufgrund der auf ihn bezogenen Deutungspluralität nicht die Kriterien eines wissenschaft lichen Terminus erfüllen, in eindeutiger Art und Weise auf eine eingrenzbare Menge verweisen zu können. In seiner umfangreichen Arbeit über die Unschärfen des Jugendbegriffs kommt Alphons Vatikus aufgrund dieses Mangels zu dem Urteil: „‚Jugend‘ gibt es nicht.“ (Vatikus 1988) und stellt für die daraus gebildete Ableitung des Jugendlichen fest: „Aufgrund der kritischen, historischen Begriffsladung als auch der extremen Verwandtschaft mit dem Jugendbegriff ist der Jugendlichen-Begriff genauso unbrauchbar wie der Wortstamm.“ (Vatikus 1988, S. 240) Auch der Jugendforscher Hafeneger bezeichnet den Begriff als einen „unscharfen Sammelbegriff “ (vgl. Hafeneger 1994) und Richard Münchmeier kritisiert den darin implizierten Trend zur Vereinheitlichung: „Werden solche ‚Konstrukte‘ dennoch beibehalten und zum 13 | Aus diesem Grund plädieren Rolf Darwis und Gunther Moll in einem Interview dafür: „Aus unserer Sicht sprechen wir gar nicht mehr von Jugendlichen, sondern von jungen Erwachsenen, die eben noch unerfahren sind. Der Begriff Jugendliche ist im Übrigen eine Erfindung der Moderne. Entweder man ist geschlechtsreif oder man ist es nicht. Ein junger unerfahrener Erwachsener hat aber aufgrund seiner biologischen Entwicklung die gleiche Legitimation, Gesellschaft , Familie und Schule mitzugestalten wie der erfahrene ältere Erwachsene.“ (Darwins/Moll 2010, In: E&W 2010, S. 12)
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Orientierungsrahmen von Jugendpolitik und Jugendpädagogik gemacht, entsteht [...] ein Auseinanderklaffen von Lebensrealität und politisch-pädagogischen Programmen, die dadurch ideologisch werden.“ (Münchmeier 1998, S. 106) Die Rechtsextremismusforschung übernimmt und benutzt also den unscharfen Begriff des Jugendlichen, ohne eine klare Definition seines Geltungsbereiches bieten zu können. Das scheint auch überhaupt nicht möglich zu sein, denn eine solche Definition existiert jenseits der gesetzlichen Vorgaben nicht. Bei diesem Begriff könnte deshalb das vorliegen, was man als „Familienbegriff “ bezeichnen könnte. Damit ist gemeint, dass es „[...] Wörter gibt, die so verschiedenen Arten von Gegenständen bezeichnen, dass keine allgemeinen Merkmale der unter den Begriff fallenden Gegenstände angegeben werden können, durch die die Subsumtion der Gegenstände unter den Begriff begründbar wäre. Die Gegenstände weisen vielmehr bloß paarweise gewisse Ähnlichkeiten auf, so wie dies bei den Angehörigen einer Familie zu sein pflegt.“ (Weinberger/Weinberger 1979, S. 176)
Allerdings kann für solche Begriffe angenommen werden, dass sie für den Gebrauch in einem wissenschaft lichen Kontext nicht geeignet sind, denn es stellt sich die Frage: „Wie kann man logisch präzise Aussagen mittels solcher Ausdrücke machen? [...] Man müsste den Familienbegriff erst durch eindeutige Teilbegriffe, die durch klare Merkmale bestimmt sind, ersetzen.“ (Weinberger/Weinberger 1979, S. 176) Es bleiben danach nur zwei Möglichkeiten: Entweder man orientiert sich innerhalb des Diskurses über Rechte Gewalt an den festen Kriterien der Gesetzestexte oder man definiert den Begriff in jeder Veröffentlichung zu diesem Thema neu. Für beide Möglichkeiten lassen sich sicherlich gute Gründe fi nden. Solange es aber keine verbindliche Regelung gibt, wie mit dem Problem der Unterbestimmung verfahren werden soll, könnte der Begriff des Jugendlichen eigentlich nicht ohne diese Einschränkungen in einem wissenschaft lichen Kontext benutzt werden, weil dieser unscharfe Terminus innerhalb der pädagogischen Prävention ein schiefes Bild der Lage vermittelt. Die Thematisierung von Jugend mittels der Sozialfigur des Jugendlichen zeichnet sich deshalb durch einen erheblichen Mangel an semantischer Klarheit aus. Gerade das erhöht jedoch seine Wirksamkeit innerhalb des Diskurses über Rechte Gewalt, denn dieser Mangel erhöht die konnotative Aufladung des Begriffes vom Jugendlichen durch diverse jugendtheoretische Assoziationen, deren Herkunft zweifelhaft bleiben muss.14 Jeder Forscher konstruiert den Jugendlichen anhand einer anderen 14 | Der ursprüngliche Wortstamm dieses Wortes ist wohl beim lateinischen „juvenus“ (=Jugend) zu fi nden. Verwandte Ableitungen, die mit dem deutschen „Jugendlichen“ übersetzt sind (vgl. Fremdwörter-Duden 2000 S. 390/391) wären etwa der „Junior“ als Substantiv (hier wird der Begriff „Jugendlicher“ zusammen mit dem des „Heranwachsenden“ genannt.) oder der Begriff des „juvenilen“ als Adjektiv. Im „Fremdwörterlexikon“ von Gerhard Wahrig findet man unter dem Stichwort „juvenil“ ebenfalls die Erklärung „jugendlich“ (Wahrig 1980, S. 2001), ebenso beim „Junior“. Der „Jugendliche“ taucht aber im Gegensatz zum Duden als eigenes Stichwort auf, bezeichnet als „Junger Mensch im Alter vom 14. bis 18. Lebensjahr“ (Wahrig 1980, S. 2001) Als Adjektiv wird neben der Klassifi kation „Zur Jugend gehörig“ (ebd, S. 2001) eine Reihe von Phä-
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Vorstellung von Jugend, die sich aus jeweils verschiedenen Traditionen speisen kann, wie es Dieter Lenzen in seinem Grundlagenwerk über die „Mythologie der Kindheit“ aufzeigt: „Verfolgt man das Kindheitskonstrukt in den Köpfen der Erwachsenen historisch, dann ist das Ergebnis der Rekonstruktion ein System von Mythen der Kindheit, im besten Fall eine Mythologie der Kindheit.“ (Lenzen 1985, S. 12) Dass eine solche mythologische Konstruktion sich auch beim Begriff des Jugendlichen realisiert, zeigt besonders die Arbeit von Lutz Roth zur „Erfindung des Jugendlichen“ (vgl. Roth 1983). Im Hinblick auf die historische Entwicklung des Begriffes vom Jugendlichen kritisiert er die Funktion von allgemeingültigen pädagogischen Konzepten, die auf eine Normierung der Zielgruppe hinauslaufen: „Das ist dann auch der Hintergrund für eine sich ständig wiederholende Reproduktion von Zerrbildern, von Feindbildern oder auch Idealbildern, nach denen Jugend entweder ‚von Grund auf ungezogen‘ und also korrektionsbedürft ig oder ‚von Natur aus gut‘ und damit ein Garant in einer besseren Zukunft ist.“ (Roth 1983, S. 10) Die Folge ist eine mythologische Aufladung mit willkürlichen Wissensbeständen, die sich auf vermeintliche Eigenschaften einer Sozialgruppe beziehen, die jedoch nicht eindeutig lokalisierbar ist, wie in diesem Abschnitt gezeigt werden konnte. Für die Verbindung der Themenbereiche „Jugend“ und Rechte Gewalt bedeutet das eine zunehmende Konfusion, weil die axiomischen Grundannahmen von Jugend ungeklärt bleiben: „Sind in der Auseinandersetzung mit Begriffl ichkeiten keine klaren und eindeutigen Abgrenzungen möglich, sind subjektiver Wertung Tür und Tor geöff net, was diesem Begriff jede Verwendbarkeit für die wissenschaft liche Diskussion nimmt.“ (Vatikus 1988, S. 23) nomenen beschrieben, um dessen Verwendung zu illustrieren: Genannt sind: „Begeisterung“, „Feuer“, „Frische“, „Naive“, „Sentimentale“, „Verbrecher“. Neben den Altersgrenzen finden sich bei der Beschreibung des Adjektivs also eine Reihe von Eigenschaften wieder, die mit diesem Wort verbunden werden. Unter dem Stichwort „Jungenhaft igkeit“ findet sich bei Wahrig z.B. der Hinweis „Jugendliche Unbekümmertheit“ (ebd. S. 2004). So wird auch der Begriff „Jugendlichkeit“ nicht mit Altersgrenzen beschrieben, sondern mit den Beschreibungen „Jugendliches Wesen, jugendliches Aussehen“ (ebd. S. 2001) Das wirft ein Licht auf die Bedeutung der Praxis, das Adjektiv als Erklärung anderer Begriffe zu verwenden. Wenn nämlich das Adjektiv mit Eigenschaften verbunden wird, so finden sich diese eventuell als Neben-Sinn-Übertragung auf das zu erklärende Wort. So wird das Stichwort „jung“ beispielsweise mit „jugendlichem Alter (..) frisch, mit der Jugend fühlend“ (ebd. S. 2003) erklärt. Das „jugendliche Alter“ ist also nicht gleichbedeutend mit dem Alter des Jugendlichen. Wenn aber „jugendlich“ eigentlich ein Ensemble von Eigenschaften bezeichnen soll, ein „Jugendlicher“ aber nur zwischen 14 und 18 Jahre alt sein darf, existiert zwischen dem Adjektiv und dem Hauptwort begrifflich eine erhebliche Diskrepanz. Unter der Bezeichnung „Jüngling“ fi ndet man bei Wahrig den Hinweis, es handele sich dabei um die Kategorie „Jugendlicher zwischen Pubertät und Reife“ (ebd. S. 2006) Ist damit also nun ein Mensch zwischen 14 und 18 Jahren gemeint? Sicher nicht. So war aber der „Jugendliche“ zuvor als Stichwort selber von Wahrig eingeführt. Auch der Begriff der „Jugend“ wird als „Jugendliches Wesen, Jugendlichkeit“ markiert. (ebd. S. 2001), ebenso auch beim „Jugendalter“.
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Diese Konfusion könnte zu einem verstärkten Import von jugendtheoretischen Mythen führen, was im Ergebnis eine De-Thematisierung politischer Handlungsgründe möglich machen würde, so wie es Albert Scherr beschreibt, für den „[...] ein Folgeproblem der Ausdifferenzierung eines eigenständigen Diskurses darin liegt, dass eine analytische Reduktion ermöglicht wird, auf deren Grundlage Fremdenfeindlichkeit und Gewalt wesentlich als Ausdrucksformen von Entwicklungsproblemen und Sozialisationsdefi ziten bzw. einer adoleszenten Rebellion gegen eine – nach offiziellen Verlautbarungen – ausländerfreundliche Gesellschaft gelten.“ (Scherr 1996, S. 97)
Es steht daher zu vermuten, dass der Faktor Jugendlichkeit innerhalb des Diskurses über Rechte Gewalt als Synonym für spezifische Eigenschaften dient, welches dazu führt, die Plausibilität einer unpolitischen Motivlage zu erhöhen, eben weil die Täter als Jugendliche gelten, denen im Rahmen eines homogenisierenden und damit auch mythologisierenden Verständnisses von Jugend sowieso keine eigenständigen politischen Handlungen zugetraut werden oder die eben als Jugendliche deshalb Gewalt anwenden, weil das in einigen Theorien als jugendtypisch dargestellt wird, wenn z.B. gesagt wird: „Zu solchem für Jugendliche typischen Problemverhalten wird auch die Zugehörigkeit zu extremistischen Gruppen gezählt. (Silbereisen/Kastner 1987)“ (Oepke 2005, S. 106) Wie im Verlauf dieses Buches gezeigt werden konnte, ist die Anwendung extremistischer Gewalt in erster Linie ein politisches Phänomen, was oft jedoch mit Hilfe jugendtheoretischer Deutungsmuster zum Effekt eines Mythos namens „Jugendphase“ gemacht wird, welcher besagt, dass innerhalb dieser Phase eine Reihe von allgemein gültigen Phänomene existieren, die sich deshalb im einzelnen Jugendlichen auffinden lassen und dabei helfen, seine Handlungen zu interpretieren: „Die Jugendphase ist der Lebensabschnitt, in dem typischerweise häufiger Gewalt in den Interaktionen auft ritt als im Erwachsenenalter. Das hängt auch mit dem entwicklungsbedingt höherem Maß an Impulsivität, Spontaneität und Risikobereitschaft zusammen sowie mit dem typischen Austesten und (bewussten) Überschreiten von Grenzen im Rahmen der Identitätsfi ndung.“ (Luedtke 2003. S. 164).15
Bei Jugendlichen, so scheint es, muss deshalb generell mit einem erhöhten Gewaltaufkommen gerechnet werden. Mit Hilfe von solchen soziologischen Einschätzungen lässt sich das Problem der Rechten Gewalt aber nicht ausreichend analysieren, weil die so beschriebenen Merkmale in ihrer hypothetischen Allgemeinheit auf alle (männlichen?) Jugendlichen zutreffen müssten, nur ein kleiner Teil dieser Altersgruppe aber Opfergruppen gemäß rechtsideologischen Zielvorgaben angreift. (vgl. Kap. 3.3.) Zusammenfassend lässt sich deshalb sagen: Es wird deutlich, dass Ju15 | Der gleiche Umstand lässt sich auch in einem Gutachten der Gewaltkommision der Bundesregierung (Schwind/Baumann 1990) nachweisen, wenn dort die Rede ist von „[...] Bewegungsdrang, Abenteuerlust, Aggressionserprobung [...] und anderes, was für ‚Jugendlichkeit‘ kennzeichnend ist.“ (Kerner, u.a. 1990, S. 541)
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gend nicht nur ein unterbestimmtes kalendarisches Datum ist, sondern mit diesem Begriff eine Reihe von zweifelhaften attributiven Zuschreibungen getätigt werden, die sich als Mythen im kollektiven Wissensvorrat befinden. So dient das Attribut jugendlich (wie im obigen Zitat) häufig dazu, einen Zustand von Impulsivität, Aktivität und Offenheit zu beschreiben. Jugendlichkeit steht dabei für eine dynamische Komponente menschlicher Existenz, oft verbunden mit Merkmalen wie Aktivität, Dynamik, Erneuerung, Kraft und Risikofreude.16 Dabei handelt es sich allerdings vorwiegend um gesellschaft liche Vorstellungen und nicht um zweifelsfreie Fakten. In seiner Kritik am modernen Jugendbegriff stellt Alfons Vaitkus dazu fest: „Jugendlich sein heißt dann: vital sein, ein Stück weit den Lebenstraum erfüllen, leger sein, genießen, seinen Emotionen nachgeben und seinen Trieben gehorchen.“ (Vaitkus 1988, S. 230) Er spricht deshalb von einem „Jugendlichkeitsattribut“ als „Wertgefühl“ (Vatikus 1988, S. 205) Auch der Soziologe Iring Fetcher schreibt in einem Fachbeitrag Ende der 80er Jahre: „Jugend und Jugendlichkeit gelten als höchste Werte“ (Fetcher 1988, S. 19) Es existiert aber auch die entgegen gesetzte Praxis: „Das Attribut ‚jugendlich‘ beinhaltet dabei die negativ-diskriminierende Komponente der Unreife, Unvollkommenheit bis hin zur Unterstellung delinquenter Tendenzen genauso wie eine ideal-ästhetische Komponente von fröhlicher Unbeschwertheit, Schönheit bis hin zur sexuellen Attraktivität.“ (Vatikus 1988, S. 132, Herv. S.D.) Der Begriff scheint also nicht so sehr durch die Dimension einer neutralen Deskription bestimmt zu sein, verstanden als die Beschreibung einer Phase des biographischen Lebenslaufes einzelner Individuen. Vielmehr handelt es sich um ein Ensemble verschiedener Zuschreibungen, vorwiegend gesellschaft lich definierter Qualitätsdefi nitionen menschlicher Eigenschaften. Mit den Bezeichnungen Junge Leute oder Jugendliche können also keine Kriterien zur eindeutigen Zuordnung, sondern eine lose und unbestimmte Anzahl bestimmter qualitativer Merkmale assoziiert werden. Damit ist ein schwerwiegendes Problem verbunden, denn diese Merkmale sind in großem Maße durch entwicklungstheoretische Annahmen und gesellschaft liche Vorstellungen des Fehlens charakteristischer Dimensionen von Mündigkeit und Reife gekennzeichnet, die sich aus den verschiedensten Theorien speisen. Diese Theorien wiederum sind Teil der jeweils gültigen gesellschaft lichen Normvorstellungen, von denen aus Kriterien von „Jugendlichkeit“ und „Erwachsen-Sein“ formuliert werden: „Beim Endpunkt der Bestimmung dessen, was soziale Reife sein solle, gibt es [...] keine Kriterien mehr, die nicht teilweise in Zweifel gezogen werden könnten, oder die in ihrer Bedeutung nicht umstritten sind (Silbereisen/Zinnecker 1999).“ (Merkens 2002, S. 345) Diese Merkmale können darüber hinaus nicht in dem Sinne einer Klasse von Objekten zugeordnet werden, wie das eingangs für den Gebrauch wissenschaft licher Definitionen als notwendig erachtet worden ist, weil der Begriff des Jugendlichen keinen festgelegten Geltungsbereich besitzt, der sich innerhalb einer Sprachgemeinschaft als verbindliche Definition lokalisieren ließe. 16 | Vgl. dazu besonders die kulturtheoretischen Arbeiten von Doris Dracklé, die sich kenntnisreich und kritisch mit den Konnotationen der Begriffe „Jugend und Wildheit“ auseinander setzt. (Dracklé 1996)
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Damit sind die Kriterien für den Gebrauch des Begriffs Jugendlicher in einem wissenschaft lichen Kontext nicht einzulösen. Durch die fehlende Präzision des Geltungsbereiches produziert der Diskurs über Jugendlichkeit also zwangsläufig mythologische Vorstellungen in Bezug auf seinen Gegenstand, weil im Dunkeln bleibt, von welcher Theorie über welche Population die jeweiligen Wertattribute wissenschaft lich extrahiert worden sind und für welche Population sie aktuell gelten sollen. Als Mythos lässt sich mit Jan Assmann eine Erzählung begreifen, die ein bestimmtes Phänomen in eine Ordnungsvorstellung integriert: „Mythen beleuchten den Ordnungsaspekt des Gegebenen, indem sie ein Wissen um seine Kontingenz, d.h. des auch anders möglichen, abdunkeln. Sie ‚reduzieren Komplexität‘ wie die Systemtheoretiker sagen würden, indem sie den Horizont des Möglichen eingrenzen.“ (Assmann 1992, S. 39) Die Existenz von Mythen ist so gesehen das Gegenteil einer Vorstellung von Wissenschaft als Aufk lärung und Erkenntnis. Für eine solche Lesart lässt sich für den Begriff des „Mythos“ auf Odo Marquard beziehen, der den „Mythos“ generell als Form des Erzählens von Geschichten auffasst. Er schreibt: „Mythen sind Geschichten“, und legt damit gleichzeitig zugrunde, dass die Abschaff ung von Mythen eine Illusion sei. Doch entlässt er die Aufk lärung deshalb nicht aus der Verantwortung, diese Mythen zu kritisieren: „Angesichts der Mythenpfl ichtigkeit der Menschen wird die Mythenkritik sinnvoll und vernünft ig genau dann, wenn man die Mythen nicht mehr pauschal abwehrt, sondern wenn man bekömmliche und schädliche Mythensorten zu unterscheiden versucht und gegen die schädlichen antritt.“ (Marquard 2000, S. 98) Marquard unterscheidet dabei grundsätzlich zwei Sorten von Mythen: Die so genannten „polymythischen“ Geschichten und die „monomythischen“ Erzählungen. Während erstere durch das Nebeneinander vieler Geschichten gekennzeichnet ist, halten letztere an einer einzigen zentralen Geschichte fest. Es ist dies für Marquard die „schädliche“ Art und Weise des Erzählens. Als Prototyp eines Monomythos bezeichnet Marquard nun interessanterweise vor allem die Praxis der „Singularisierungen“, die aus vielen möglichen Perspektiven eine Identität generiert, welche sich dann im Gebrauch des Personalpronomens ausdrückt. Unter Bezug auf Reinhard Kosellecks begriffsanalytische Untersuchung (vgl. Koselleck bei Marquard S. 94ff ) nennt er als Beispiel die Praxis, aus dem Plural verschiedener Geschichten eben die Geschichte zu formulieren als „Alleinmythos im Singular“ (Marquard 2000, S. 103). So gesehen verliert durch die Installation eines Monomythos im Grunde das, was einen Begriff wie „Geschichte“ überhaupt ausmachen könnte: „Der Mythos entzieht dem Objekt, von dem er spricht, jede Geschichte. Die Geschichte verflüchtigt sich aus ihm.“ (Barthes 1974, S. 141) Man könnte deshalb beim Begriff des Jugendlichen deshalb auch von einem Monomythos reden, weil er den verschiedenen Realitäten und Differenzen realer Jugendlicher eine homogene Erzählung eines Typus mit festgelegten Eigenschaften gegenüberstellt. Abschließend ließe sich sagen: Dieser Monomythos aktiviert als begrifflichen Bedeutungsgehalt unterschiedliche inhaltliche Zuschreibungen im Hinblick auf den Gebrauch der Sozialfigur des Jugendlichen, gleichzeitig ist aber der Geltungsbereich dieser Attribute wissenschaft lich nicht exakt zu bestimmen.
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Im Hinblick auf das Problemfeld der Rechten Gewalt geht es bei dem Gebrauch dieser Figur vor allem um die Konstruktion einer Gruppe junger Menschen als das, was Thomas Link als „Politische (Un-)Person“ bezeichnet hat, nämlich die Annahme, dass Jugendliche im Gegensatz zu Erwachsenen keine „ausgereiften“ politischen Vorstellungen entwickeln würden. Link schreibt dazu „Das zentrale Thema dieses Diskurses ist letztendlich die Grenze zwischen dem vollwertigen Mitglied einer politisch definierten Gesellschaft und einem Barbar.“ (vgl. Link 1999, S. 25) Ein Barbar ist der ursprünglichen Wortbedeutung nach ein Fremder, genauer gesagt einer, der kein Angehöriger einer homogenen Sprachgesellschaft ist. So nannten die Griechen alle jene, die nicht ihrer Sprache mächtig waren, Barbaren. (vgl. dazu: Abels 1994, S. 469) Die Dimension, die Link mit seinem Zitat nahe legt, wird durch die Bedeutung sichtbar, die mit dem Wort Barbar in der Neuzeit verbunden ist. Dabei handelt es sich um eine Person, welche die Regeln der entwickelten Zivilisation nicht beherrscht, bzw. missachtet. Deshalb ist die Metapher vom Barbaren besonders für die Bewertung und Beurteilung von physischer Gewalt geeignet, eine Grenze zu markieren zwischen der Vorstellung eines vernünftigen Erwachsenen und einem Angehörigen der Jugendphase, der seine Taten nicht aus einem Repertoire begründbarer Motive herleitet, sondern diese Handlungen durch eine unbewusste Konfliktdimension bedingt zu sein scheinen. Eine Bildungsarbeit etwa, die von dieser Prämisse aus aufk lärerische Konzepte für die Arbeit mit rechtsideologischen Jugendlichen entwickeln möchte, müsste zunächst also klären, ob es wirklich mangelndes Wissen ist, was diese junge Menschen zu dieser Art der Orientierung führt, oder nicht vielmehr diese Orientierung bereits ein Zeichen dafür ist, dass sich diese Menschen für eine fundamentalistische Weltinterpretation entschieden haben, die nicht auf einem Mangel an Information beruht, sondern auf einer persönlichen Entscheidung der gedanklichen Abschottung gegenüber der restlichen Gesellschaft. Diese Entscheidung gälte es dann vielleicht in erster Linie zu mit solchen Methoden zu bearbeiten, die auf eine Rekonstruktion des Realitätsprinzips gerichtet sind. Mögliche Konzepte dafür wären vielleicht dann Ansätze der so genannten „konfrontativen Pädagogik“ (Osborg 2008) oder der therapeutischen Gruppenarbeit (Hardtmann 2007). In jedem Fall müsste die Vorstellung aufgegeben werde, dass man es beim Klientel der jungen Rechtsextremen in erster Linie mit eigentlich unpolitischen Jugendlichen zu tun habe, denn für eine zweifelsfreie Zuordnung von solchen Akten politischer Gewalt auf eine bestimmte soziale Gruppe durch den Begriff des Jugendlichen existieren keine hinreichenden Kriterien. Es wird daher der Vorschlag gemacht, diesen Terminus nur unter Angabe des jeweils gültigen theoretischen Herkunft snachweises zu benutzen. Fehlt dieser Hinweis, müsste dieses Fehlen unbedingt als Unschärfe-Problem kenntlich gemacht werden, damit nicht innerhalb der fachlichen Kommunikation unterbestimmte theoretische Elemente als Prämissen weiter tradiert werden. Besonders für die beliebt thematische Verbindung von „Jugend“ mit Rechter Gewalt könnte das bedeuten, sich über die mangelnde analytische Klarheit bewusst zu werden, die damit einhergeht, so wie es Winfried Menninghaus kritisiert: „In eilfertigen Verweisen auf irgendwelche ‚Beziehungen‘ zwischen zwei an sich selbst ungeklärten Größen bleibt das Verständnis sowohl des einen als auch des anderen elegant ausgespart.“ (Menninghaus 1980, S. 21) Eine solche Aussparung deutlich zu machen und die real existierende theoretische
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Unterbestimmtheit innerhalb des Begriffsfeldes des Jugendlichen zu thematisieren, ist das hauptsächliche Anliegen dieses Abschnittes gewesen. Als Fazit kann daher der folgende Vorschlag formuliert werden: Der Begriff des ‚Jugendlichen‘ muss im Kontext der Ursachenforschung wie auch innerhalb der gesamten gesellschaftlichen Diskussion unbedingt kritisch auf seine Gültigkeit befragt werden, weil seine inhaltlichen Bedeutungen nicht eindeutig lokalisiert werden können. Deshalb ist bei allen vorgebrachten Positionen eine Herleitung der jeweiligen Ursprungstheorie des ‚Jugendlichen‘ unerlässlich, um den Geltungsbereich dieses Begriffes nachvollziehbar eingrenzen zu können. Fehlt dieser Nachweis, muss dieses Fehlen als analytische Unschärfe thematisiert werden. Diagnosen, die den Begriff des ‚Jugendlichen‘ in einer nicht spezifizierten Form verwenden, besitzen daher einen äußerst geringen Erkenntniswert für das Arbeitsfeld der pädagogischen Prävention. Dieser Umstand müsste auch im Bereich der politischen Bildung integriert werden, indem diese den Aufgabenbereich der Rechtsextremismusprävention nicht länger als speziellen Auft rag von „Jugendbildung“ versteht, ohne dass klar zu benennen wäre, wer mit dem Begriff der Jugend eigentlich genau gemeint ist. Rechte Gewalt ist nicht als Konsequenz aus der fehlenden Bildung Jugendlicher anzusehen, sondern als eine Folge von politischen Einstellungen, die quer zu soziologischen Kategorien durch die gesamte Gesellschaft verlaufen. Positive Ansätze für eine Integration dieser Position finden sich in der Schwerpunktsetzung von aktuellen Bundesprogramme wie „Entimon“, „Civitas“ und „Kompetent für Demokratie“, die auf eine Stärkung zivilgesellschaft licher Initiativen gerichtet sind.17 Damit wird die inhaltliche Orientierung auf die Arbeit mit rechtsideologischen Tätern, wie sie noch für das erste Programm dieser Art, das „Aktionsprogramm gegen Aggression und Gewalt“ (AgAG) kennzeichnend gewesen ist, überwunden zugunsten zivilgesellschaft lichen Initiativen, die auf eine Beschränkung rechtsideologischer Aktivitäten gerichtet sind. Im Anschluss an die in diesem Abschnitt herausgearbeitete Mehrdeutigkeit jugendtheoretischer Konzepte soll deshalb eindringlich dafür plädiert werden, die Täter Rechter Gewalt nicht länger entlang von Alterskonzepten zu charakterisieren, sondern seitens der Forschung und innerhalb präventiver Konzepte anhand von alternativen Kriterien zu bestimmen. Die Frage ist: Welche Kriterien könnten das sein? Im nächsten Abschnitt soll dazu ein Vorschlag gemacht werden. Dieser läuft darauf hinaus, die Richtungsdimension Rechter Gewalt ernst zu nehmen, indem diese als bewusste Entscheidung der Täter verstanden wird.
4.2 Rechtsideologische Täter als politische Subjekte ernst nehmen Was im letzten Kapitel für den Bereich der wissenschaft lichen Jugendforschung erarbeitet wurde, soll nun auf der Ebene der praktischen Beschäft igung mit rechtsideologischen Jugendlichen diskutiert werden. Es wird im Verlauf dieser Diskussion 17 | Eine Übersicht dazu fi ndet sich bei Steil 2008.
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vorgeschlagen, im Hinblick auf die Protagonisten Rechter Gewalt eine Position einzunehmen, die bezogen auf diese Tätergruppe nicht von einer unterentwickelten, sondern von einer bestimmten Form ausgeformter Subjektivität ausgeht. Dabei soll es in diesem Abschnitt auch darum gehen, welche Konsequenzen sich aus diesem veränderten Blick für die pädagogische Prävention ergeben könnten, wenn entsprechende Akteure nicht als unbewusst reagierende Jugendliche, sondern als bewusst handelnde Subjekte angesehen werden. Plädiert wird also für eine veränderte Wahrnehmung in Bezug auf diese Personengruppe und damit auf das Problem, welches durch diese Gruppe verursacht wird. Wie bisher gezeigt werden konnte, besteht innerhalb des Diskurses über Rechte Gewalt eine problematische Art der Wahrnehmung, die sich als Infantilisierung politischer Handlungen aus dem Zusammenwirken zweier thematischer Diskursstränge ergibt: Rechtsmotivierte Täter gelten als Jugendliche, die aufgrund von persönlicher Frustration handeln. Die Täter werden in einer solchen Interpretation nicht als politische Subjekte, sondern primär als Angehörige einer Altersgruppe namens Jugendliche wahrgenommen.18 Anhand dieses Altersklassenmerkmals werden dann die spezifischen Gründe zur Anwendung Rechter Gewalt unter Umgehung einer Rekonstruktion der individuellen Tatbegründungen abgeleitet, wobei eben unterstellt wird, dass diese in erster Linie als „Jugendgewalt“ zu begreifen seien. Dieses Vorgehen lässt sich aus Sicht einer motivationalen Grundlegung von gewalttätigem Handeln analytisch als Reduktion kritisieren, denn es „[…] erscheint kaum möglich, mit Hilfe demographischer Merkmale befriedigend zu erklären, warum bestimmte Verhaltensweisen in einer Bevölkerung relativ häufig auftreten, denn wir betrachten ja Verhalten als motiviertes Handeln und müssen deshalb in einer Erklärung die Motive berücksichtigen. Den demographischen Merkmalen fehlt aber typischerweise eben dieser Motivcharakter; sie bezeichnen eher physische Sachverhalte.“ (Berger/Kellner 1984, S. 49)
Genau diese Form der Reduktion findet jedoch im Kontext der Forschung nach den Ursachen Rechter Gewalt durchaus statt: Als Motivation für deren Taten wird nicht das Vorhandensein einer bestimmten, nämlich rechtspolitischen Ideologie angenommen, sondern die subjektiven Handlungsgründe werden aus den Umständen einer spezifischen Lebenslage zu erklären versucht, die durch das demographische Merkmal „Alter“ angezeigt ist. Deshalb wird innerhalb dieser Lage nach verborgenen Gründen für die Gewalt gesucht, nach dem Motto: „Aber, nicht jeder Jugend18 | Ein ähnliches Deutungsmuster lässt sich auch im medialen Diskurs auffi nden: „Eine Jugendrevolte von rechts erschüttert Deutschland. Halbstarke ermorden Obdachlose, Kinder zünden Asylantenheime an.“ titelte der SPIEGEL im Sommer 1992 (Nach: Castner/Castner 1993, 382), als Reaktion auf den Anstieg rechtsmotivierter Gewalttaten. Das jugendliche Alter der Täter gerät hier zur zentralen Markierung dessen, worum es sich nach Meinung der Journalisten handelt, nämlich um eine Form des altersbedingten Protestes. Dass eine „Revolte der Jugend“ in Deutschland aber ausgerechnet Opfer nach Kriterien einer politisch rechtsextremen Ideologie produziert, scheint Zufall zu sein.
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liche, der sich rechtsextrem gibt oder zu Gewalttätigkeiten sich hinreißen lässt, ist rechtsextrem, ausländerfeindlich und gewalttätig. Häufig versteckt sich hierhinter auch ein Hilferuf an die Gesellschaft und an die Politik [...].“ (Schäfer 1992, S. 286) Nach dieser Sichtweise ist Rechte Gewalt ein Hinweis auf dringenden Hilfebedarf – allerdings hauptsächlich auf Seiten der Täter. Im Kontext eines solchen „Hilfebedarfs“ lassen diese sich offenbar zu Taten hinreißen, die nicht primär rational, sondern eher affektiv gesteuert sind: „Die jugendlichen Brandstifter und Gewalttäter sind keine alten oder neuen Nazis. Dies zu behaupten, ist eine entlastende Vereinfachung. Es geht eher um eine Gewaltbereitschaft, die aus einer moralischen und sozialen Lockerung entsteht […].“ (Breyvogel 1993, S. 13) Die in diesem Zitat bestehende Argumentation läuft im Grunde darauf hinaus, etwaige Verbindungen zwischen „alter“ und „neuer“ Rechter Gewalt analytisch zu negieren zugunsten einer tendenziellen Eliminierung der Handlungsgründe, die eine Entscheidung zur Anwendung dieser spezifischen Gewaltform nahe legen. Die Zurückweisung der im Zitat als „Vereinfachung“ diskreditierte Perspektive soll suggerieren, dass es eine Aufwertung des akademischen Niveaus darstellt, die nationalsozialistische Vergangenheit dabei analytisch nicht integrieren zu müssen. Eine solche Exklusion des historischen Kontextes Rechter Gewalt könnte unter Umständen mit dem Bedürfnis erklärt werden, sich aus dem permanent präsenten Schatten der NS-Vergangenheit befreien zu wollen, um solche Phänomene in einem neutraleren Referenzrahmen behandeln zu können. Dabei besteht neben einer Verkennung dieser Phänomene die akute Gefahr, dass zusammen mit einer Negierung der politischen Intention auf Seiten des Täters einer Subjektkonstitution Vorschub geleistet wird, in welcher das Element eines freien Willens bei der Analyse sozialer Handlungen keine Rolle mehr spielt. Dieser Umstand lässt sich mit Freerk Huisken wie folgt kritisieren: „Ihren Gegenstand haben die Jugendforscher damit so zugerichtet, dass eines auf jeden Fall immer feststeht: Immer dann, wenn sich ‚die Gesellschaft‘ an den unerlaubten Gewalttaten ihrer Heranwachsenden oder fertigen Bürgern stört, dann liegt beim ‚Gewalttäter‘ nicht etwa irgendein Interesse, irgendeine Absicht vor, dann verfolgt der Mensch nicht etwa ein bestimmtes Anliegen, dass er nur mit gewaltsamen Mitteln meint erreichen zu können, sondern dann handelt es sich um das Resultat einer fehlgeleiteten Potenz.“ (Huisken 1996, S. 69, Herv. i.O.)
Rechte Gewalt wird damit jenseits einer Absicht auf Seiten des Täters und jenseits eines historischen Kontextes zum Fehltritt einer jugendbedingten Aggression, die ihrem Wesen nach tendenziell ziellos ist. Der freie Wille des Individuums wird durch eine solche Konstruktion als Instanz zur Klärung einer solchen Entscheidung in der Hintergrund gedrängt, Gewalt wird zum Indikator für das Vorliegen einer persönlichen Frustration und einer Ohnmachtserfahrung oder als letzte Stufe einer verdrängten Aggression verstanden, als Ausbruch ungesteuerter Gefühle. Sicherlich ist es grundsätzlich nicht falsch, davon auszugehen, dass zusätzlich zu jedem Gewaltdelikt beim Verursacher eine Reihe von starken Affekten aktiviert werden. Das ist aber nur eine Facette von „Gewalt“, die zudem für den Bereich der politischen Gewalt nicht unbedingt er-
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klärungsadäquat ist, weil gerade diese Gewalt nicht immer aus starken Gefühlen heraus verübt wird, sondern oft mals als kalte Berechnung erscheint.19 Das zeigt auch ein Blick in die neuere historische Forschung: Der Holocaust wurde eben nicht von Berserkern verübt, sondern von nüchternen Menschen, die sich einer logischen Zweck-Mittel-Relation verpfl ichtet fühlten. Eine Herleitung der Motivation des Täters, der sich möglicherweise aus konkreten Gründen zum Mittel der Gewaltausübung entscheidet, darf deshalb nicht ausgeklammert werden, sondern sie gehört ins Zentrum der Analyse politischer Gewalt, besonders nach den Erfahrungen des deutschen Nationalsozialismus. Oft wird jedoch, anstatt von Rechter Gewalt zu sprechen, davon ausgegangen, dass es sich bei derartigen Phänomenen um eine Form des Ausagierens von innerpsychischen Konflikten handelt und im Zuge dieser Diagnose wird deshalb eine nicht-politischen Subjektivität der Täter zu Grunde gelegt. Dabei wird von der Prämisse ausgegangen, dass der Täter mit seinen Taten kein besonderes Ziel verfolgt, sondern dass es ihm um das Ausleben aggressiver oder sadistischer Impulse geht. Die Frage nach einer spezifischen Motivation zur Tat wird dabei weg vom Opfer gelenkt und auf die innere affektive Realität des Täters gerichtet: Triumphgefühle, Überlegenheitserfahrungen und rauschhaftes Erleben sind dabei zentrale Stichworte (vgl. dazu besonders Sütterlüty 2002). Diese und andere psychische Vorgänge werden in solchen Deutungen aber eben nicht als tatbegleitende, sondern als tatauslösende Ursache angesehen. Gewalt wird um der Gewalt willen angewendet. Das Subjekt des Täters wird dabei auf die affektiven und emotionalen Anteile der Persönlichkeit reduziert, weil der Fokus auf das innere Erleben zum Zeitpunkt der Gewalthandlung gelegt wird. Entsprechend werden besondere Umstände der Tat – wie z.B. eine spezielle Art der Opferbildung – nicht zur Erklärung herangezogen, sondern statt dessen wird von einer generellen Lust auf Gewalt oder Geilheit auf Gewalt gesprochen. Doch ist das Empfinden lusthafter Zustände beim Ausüben von Gewalt eine Beobachtung, die sich historisch durchaus bei vielen unterschiedlichen Formen der Anwendung von Folter, Mord und dem Zufügen von Schmerzen aufzeigen lässt.20 Die Rolle der Affekte sollte deshalb nicht überbewertet werden, 19 | Vgl. dazu die Einschätzung dieser Personengruppe durch entsprechende Fachleute: „Es gibt eine inzwischen nicht ganz seltene Art von Kälte, Zynismus und Distanz, einen Grad an Brutalität in den Worten, der sich auch in den Taten zeigt. Das sieht man an der Art der Gewalt gegen die Opfer. Es wird auf Opfer eingetreten, auch wenn sie bewusstlos sind.“ (Kahane 2007, S. 35) 20 | Vgl. dazu besonders die historischen Analysen von Sofsky 1996 sowie Lindenberger/Lüdtke 1993. Auch im Bereich der Holocaust-Forschung ist unbestritten, dass lusthafte und expressive Momente bei der Anwendung von Gewalt beobachtbar gewesen sind: „Zahlreiche Zeugenberichte belegen, dass die Vollstrecker bei der Ausübung ihrer Verbrechen ein exzessives Genießen empfanden [...]“ (Zizek 1999, S. 95) Dieser Genuss determiniert jedoch in keiner Weise die ausgeübte Gewalt in dem Maße, dass anzunehmen wäre, bei den Tätern habe es sich aus diesen Gründen um psychopathologische Persönlichkeiten gehandelt, im Gegenteil: „Dieselben Menschen, die den Holocaust in die Tat umsetzten, verhielten sich in ihrem Privatleben häufig ‚anständig‘ [...] sie waren in der Regel voll ver-
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wenn es um die Frage geht, mit welcher Form der Gewalt man es genau zu tun hat, denn diese Frage lässt sich mit einer ausschließlich emotionsbezogenen Perspektive kaum beantworten: Theoretisch kann jeder beliebige Schläger von entsprechenden Gefühlen bei der Ausübung seiner Tat berichten. Eine intrinsische Konstruktion von Motiven entzieht sich durch eben diese Allgemeingültigkeit im Grunde gerade jener Intention, die bestrebt ist, sich analytisch auf die Klassifi kation verschiedener Formen von Gewalt zu richten. Freerk Huisken merkt zu dieser analytischen Praxis deshalb an: „An keiner Stelle wird die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dass die inkriminierten Heranwachsenden eine ganze Ansammlung falscher Gedanken über sich und ihre Welt im Kopf haben. Dass ihr rohes Verhalten ihre Leistung ist, die sich auf einen Willensakt gründet, der wiederum auf einem ziemlich komplizierten Urteilsgefüge basiert, wollen die Pädagogen ebenso wenig wahrhaben [...].“ (Huisken 1996, S. 90)
Die Probleme, die sich aus solch einer selektiven Wahrnehmung ergeben, sind in den vorangegangenen Kapiteln bereits ausführlich dargestellt worden.21 Wichtig ist aber an dieser Stelle zu betonen: Ein Diskurs sollte keinesfalls als Einbahnstrasse verstanden werden, sondern als dynamisches Produkt von hegemonialen Deutungsprozessen, die aufgrund dieser Dynamik durch bestimmte Formen der diskursiven Intervention zu beeinflussen sein müssten. Eine solche Form der möglichen Beeinflussung ist das Aufzeigen von alternativen Sichtweisen innerhalb einer thematischen Agenda. Eine Alternative zu den bisher kritisierten Deutungen könnte sich z.B. aus einem Subjektverständnis ergeben, bei dem das Individuum grundsätzlich als sinnbezogener Akteur angesehen wird, für dessen Handlungen sich deshalb auch in der Regel rationale Begründungen finden lassen. Dass ein politisch denkender Mensch unter bestimmten Umständen zum Mittel der Gewalt greift, um seine Ansichten zu realisieren, ist in einem solchen Konzept nicht mehr rätselhaft, sondern selber die Erklärung. Ein derartiges Konzept soll deshalb unter Bezug auf die so genannte „subjektwissenschaft liche Grundlegung“ (vgl. Holzkamp 1995) des Psychologen antwortliche, reife, ‚zivilisierte‘ Deutsche.“ (Zizek 1999, S. 95) Es handelt sich beim Empfi nden von Lust auf Gewalt also eindeutig um ein tatbegleitendes Phänomen. 21 | Mit Luhmann könnte ein derartiger Fokus als spezifische Form der Selektion von Wahrnehmungsdaten verstanden werden: „Jeder komplexe Sachverhalt beruht auf einer Selektion der Relationen zwischen seinen Elementen, die er benutzt, um sich zu konstituieren und zu erhalten. Die Selektion platziert und qualifi ziert die Elemente, obwohl für diese auch andere Relationen möglich wären. [...] Immer dann, wenn die Zahl der zu verknüpfenden Elemente ein geringes Maß überschreitet, und immer dann, wenn Komplexes in der Form von Sinn erfahren wird, entstehen Selektionsnotwendigkeiten, entsteht eine faktische Selektivität all dessen, was realisiert wird. Es wird, ob als Selektion bewusst oder nicht, eine Auswahl getroffen aus der Gesamtheit von Möglichkeiten der Relationierung bzw. der Verweisung auf anderes, die im je aktuell gegebenen Sinn angezeigt ist.“ (Luhmann 1984, S. 47)
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Klaus Holzkamp entwickelt werden. Holzkamp begründet seinen Ansatz ausgehend von dem normativen Postulat, „[...] dass niemand bewusst seinen eigenen Interessen zuwiderhandelt [...].“ (Holzkamp 1995, S. 27) Dieses A priori führt ihn zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit verschiedenen Menschenbildern innerhalb der Lern- und Verhaltenspsychologie, wo dieser Aspekt im Allgemeinen negiert wird und soziale Handlungen aus Randbedingungen abgeleitet werden, die die subjektive Begründungsdimension vernachlässigen. Holzkamp formuliert dagegen einen theoretischen Zugang über so genannte subjektive Handlungsbegründungen: „Dabei gehen ‚äußere‘ Ereignisse zwar auch in Handlungsbegründungen ein, ebenso können dabei kausale Zusammenhänge berücksichtigt werden, aber nicht unter dem Aspekt ihrer direkten Ein- bzw. Auswirkungen, sondern (in der Art, wie ich sie erfahre) als ‚Prämissen‘ für die Begründung meiner Handlungsvorsätze. Derartige Prämissen sind nicht eindeutig von außen determiniert, sondern vom Subjekt im Kontext seiner Handlungen aktiv selegiert bzw. hergestellt, mithin sowohl Voraussetzung wie auch Resultat des Handlungsverlauf.“ (Holzkamp 1995, S. 24, Herv. i.O.)
Aus dieser Grundposition heraus wäre die Vorstellung einer nicht-intendierten Handlung nur dann statthaft, wenn sich keinerlei subjektiver Begründungszusammenhang dafür finden lassen würde. Keinesfalls aber kann das Fehlen eines solchen Zusammenhangs von der Forschung bei der Analyse sozialer Handlungen als vorausgesetzt gelten, im Gegenteil: „Von uns wird [...] angenommen, dass ich von meinem Standpunkt aus nicht ‚begründet‘ gegen meine eigenen Interessen (wie ich sie wahrnehme) handeln kann.“ (Holzkamp 1995, S. 26) Diese Sichtweise hat erhebliche Konsequenzen für die Interpretation menschlicher Handlungen: „‚Ereignisse‘ erscheinen darin nicht als kausale Bedingungen für andere Ereignisse, sondern (wie gesagt) in ihrer Bedeutungshaft igkeit als ‚Prämisse‘ für Handlungsbegründungen. Die Begründungen stehen zu den Prämissen nicht im Verhältnis empirischer Kontingenz, sondern diskursiver Schlüssigkeit. Sie ergeben sich für mich in Ansehung meiner Interessen (wie ich sie wahrnehme) als ‚vernünftige‘ Konsequenz aus den Prämissen.“ (Holzkamp 1995, S. 29, Herv. i.O.)
In diesem Zitat wird die Fruchtbarkeit dieses Ansatzes für die Suche nach Erklärungen rechtsextremen Gewalthandelns deutlich. Wenn ich nämlich als Rechtsextremer eine bestimmte Ideologie besitze, so werde ich gesellschaft liche Problemlagen im Lichte dieser Weltanschauung interpretieren und anhand dieser „Prämissen“ eine subjektive Handlungsorientierung vornehmen. „Schlüssig“ werden diese Prämissen einem Beobachter aber nur dann, wenn er einen solchen Vorgang als interne Möglichkeit im Subjekt voraussetzt. Man könnte deshalb vermuten: Entscheidend für die Einordnung Rechter Gewalt ist vor allem die inhaltliche Struktur der Hintergrundannahmen, mit denen die Forschung diesem Phänomen begegnet. Eine Ursachenforschung, in der rechtsideologische Täter im Grunde als unbewusste Hitzköpfe konzipiert werden, könnte
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damit ihren Gegenstand komplett verfehlen: „So wird menschliche Subjektivität im Prinzip zu einem bloßen Epiphänomen. Das Subjekt als Ursprung von Handlungen [...], ist in diesem theoretischen Rahmen unvorstellbar.“ (Holzkamp 1995, S. 117) Das von Holzkamp entwickelte Subjektverständnis soll vor allem deshalb für ein Verständnis Rechter Gewalt als vernünftige Handlungsform zu Grunde gelegt werden, weil der ideologische und der historische Kontext dieser Gewalt damit in den Blick genommen werden kann. Ein solcher Kontext ließe sich dann nämlich anhand der Wertvorstellungen identifizieren, die innerhalb einer subjektiven „Schlüssigkeit“ rechtspolitischen Gewalthandelns rekonstruierbar sind. Dazu schreibt Werner Klüsche: „Politisch motivierte Gewalttäter sehen oder erleben sich als Handelnde eines übergeordneten Wertes. [...] Dieser übergeordnete Wert für den Rechtsradikalismus ist die Nation oder die Volksgemeinschaft.“ (Klüsche 1994, S. 127). Das bedeutet: Lässt sich der subjektive Begründungsrahmen für eine Handlung einer bestimmten Orientierung an spezifischen Werten, wie etwa denen des Nationalismus zuordnen, so müsste man für diesen Zusammenhang also nicht von diff us emotionalem Verhalten, sondern eher von zweckrationalem Handeln sprechen.22 Vorausgesetzt ist dabei allerdings, dass der Handelnde als mündiges Wesen begriffen wird, welches seine Umgebung gemäß seiner subjektiven Handlungsgründe aktiv zu gestalten versucht. Innerhalb der Rechtsextremismusforschung ist es vor allem das „heuristische“ Erklärungsmodell von Susanne Mantino (Mantino 1999), in dem dieser Aspekt als untersuchungsleitender Faktor integriert ist. Sie schreibt zum Grundansatz ihres Modells: „Wird Rechtsextremismus als Problem der demokratischen politischen Kultur betrachtet und besteht die Notwendigkeit, dieses Phänomen zu bekämpfen, erfordert dies dessen exakte wissenschaft liche Ursachenanalyse.“ (Mantino 1999) Zur Erklärung dieses Phänomens legt sie in der Folge eine Subjektkonstitution zu Grunde, die eine enge Verwandtschaft mit der Theorie „subjektiver Handlungsbegründungen“ in dem Konzept von Holzkamp aufweist. Sie formuliert zur Begründung eines solchen Standpunktes: „Ausgangspunkt jeder Theorie, in deren Zentrum die Erklärung sozialer kollektiver Phänomene steht, die als Folgen individuellen Handelns entstehen, ist eine explizite Vorstellung vom Menschen, d.h. ein Menschenbild. Das Menschenbild, bzw. ein ‚Modell vom Menschen‘ (vgl. Esser 1993; 219ff ) ist aus methodologisch-theoretischen Gründen zur Erklärung sozialer Phänomene wichtig, da es in Form von vereinfachten Typisierungen von Merkmalen der menschlichen Akteure zur inhaltlichen Spezifi kation der Handlungstheorie beiträgt.“ (Mantino 1999, S. 104) 22 | Zu dem Bereich der Wertrationalität schreibt der Soziologe Dirk Kaestler: „Menschen verhalten sich beispielsweise ‚wertrational‘, wenn sie ohne Rücksicht auf voraussehbare Folgen aus normativen Überzeugungen heraus handeln, wie man sowohl an Mutter Teresa als auch an den so genannten Selbstmordattentätern ablesen kann.“ (Kaestler 2008, S. 25) Rechtes Handeln wäre aus dieser Perspektive dem Bereich der „Wertrationalität“ zuzuordnen, denn Rechtsextreme, die aus normativen Überzeugungen heraus handeln, orientieren sich eben auch in der Anwendung von Gewalt gemäß diesen Normen.
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Gehe ich also beispielsweise von der Theorie aus, dass junge Männer Gewalthandlungen vor allem aus Triebüberschuss begehen, dann ist dieses Menschenbild bei der Interpretation Rechter Gewalt unter Umständen ein inhaltlicher Ausschlussfaktor subjektiver Handlungsbegründungen. Im Gegensatz dazu legt Mantino zur Interpretation von Rechtsextremismus ein Konzept vom Menschen zu Grunde, was sie als „RREEM“-Modell bezeichnet und welches sich für unseren Zusammenhang wie folgt explizieren lässt: „Menschen sind nach diesem Konzept restricted men, da Handlungswahlen grundsätzlich die Bedingungen der konkreten Handlungssituation berücksichtigen müssen“ (Kunz 1996, S. 46) Menschliches Handeln fi ndet danach also in einem Rahmen statt, der den Einsatz der Möglichkeiten zunächst begrenzt. Dabei gilt, dass diese Berücksichtigung nicht zu der Annahme führt, dass solche Handlungsrestriktionen im Sinne einer Determination für das Handeln zu interpretieren sind. Weiter heißt es in dem Modell: „Menschen sind resourceful men, da sie die entlastende und insofern produktive Kraft handlungsleitender Regeln zu schätzen wissen, aber nicht auf bestimmte Normen und Institutionen festgelegt sind. Sie können aktiv ihre Zielrealisierung beeinflussen [...]“ (Kunz 1996, S. 46) Hier ist das Verständnis zentral, dass Menschen grundsätzlich die Wahl einer rationalen Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Handeln im Rahmen der vorgefundenen Bedingungen haben. Das wird auch bei der nächsten Grundbestimmung des Modells deutlich: „Menschen sind expecting men, da sie Erwartungen hinsichtlich der Möglichkeiten der Zielerreichung haben.“ (Kunz 1996, S. 46) Soziales Handeln ist danach immer an einem Sinn orientiert, den die Akteure dieses Handelns für sich defi nieren. So heißt es anschließend: „Menschen sind evaluating men, da sie frühere, jetzige und zukünft ige Zustände und Ereignisse bewerten. Bewertungen und Erwartungen schließlich steuern schließlich die Selektion.“ (Kunz 1996, S. 46) Will man also etwas über den Sinn einer gewählten Handlung wissen, so muss man die Wert- und Erwartungsorientierungen kennen oder rekonstruieren, welche der Wahl einer Handlungsform zu Grunde liegen, denn die Dimension einer reflexiven Möglichkeit zur kriteriengeleiteten Analyse des eigenen Handelns ist ausdrücklich in diesem Menschenbild verankert. Abschließend wird gesagt: „Menschen sind maximizing men, sie wollen aus den beschränkten Möglichkeiten noch das Beste machen. Sie wenden mit dem Maximierungskriterium eine feste Entscheidungsregel an und handeln insofern rational.“ (Kunz 1996, S. 46) Der Begriff der „Rationalität“ bezieht sich also hierbei nicht auf die Existenz einer äußerlichen Vernunft, an welcher das Handeln von Subjekten gemessen werden könnte, sondern betrifft allein die Regelung eines inneren Selektionsvorganges, in dessen Verlauf vom Subjekt auf mehreren Ebenen Entscheidungen nach bestimmten (und bestimmbaren) Kriterien getroffen werden. Susanne Mantino empfiehlt im Anschluss an dieses äußerst voraussetzungsreiche Konzept zur Erklärung von Rechtsextremismus, eine Theorie des rationalen Handelns zu verwenden, die es ermöglicht, die dort getroffenen Prämissen auf den Untersuchungsgegenstand zu übertragen, weil damit „[...] die Erklärung sozialer Tatbestände über die Rekonstruktion des ‚subjektiven‘ Sinns, d.h. über die Hand-
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lungsmotive der Akteure möglich ist.“ (Mantino 1999, S. 132)23 Der Verweis auf die Theorien von Holzkamp und Mantino scheint für die Frage nach einer Exklusion politischer Handlungsgründe beim Thema Rechte Gewalt eben deshalb besonders relevant zu sein, weil hier ein Subjektstandpunkt formuliert wird, der es ermöglicht, die ideologischen Motive, die solchen Handlungen zu Grunde liegen, zum Thema zu machen. Rechte Gewalt könnte damit unter Umständen als direkte Folge einer rechtspolitischen Überzeugung verstanden werden, ohne dafür den Umweg über Kategorien zu wählen, für welche diese Handlungsform stets nur ein Ausdruck von etwas jeweils anderem darstellt. Es geht dabei um die hypothetische Annahme, die Protagonisten dieser Gewalt als rational handelnde Subjekte zu begreifen, die für ihr Handeln eine subjektiv sinnvolle Deutung besitzen. Der Referenzrahmen für diese Deutungen ist in diesem Modell eine bestimmte soziale Konstruktion von Wirklichkeit, die als ideologisch bezeichnet werden könnte, weil sie eine geordnete Struktur von Sinnbeständen in Form von spezifischen Werten bereitstellt und vom Charakter der Handlung auf diese Struktur bezogen werden kann.24 Der Täter agiert als Subjekt damit in einem bestimmten normativen Rahmen, welcher eine spezifische Handlungslogik nahe legt. Subjektiv gesehen, empfindet er sein Handeln dann auch nicht als unnormal, weil er ausschließlich Normen verletzt, die außerhalb seines moralischen und politischen Referenzsystems liegen. Diese Sichtweise korrespondiert mit Ergebnissen aus der neueren HolocaustForschung (vgl. etwa Goldhagen 1999, Browning 2001, Aly 2004, Welzer 2007), die, bei aller Unterschiedlichkeit im Detail, zu der Auffassung gelangen, dass es sich bei den NS-Tätern nicht um Vertreter pathologische Randgruppen, sondern in der Mehrzahl um ganz normale Männer gehandelt habe. Damit ist die historische Basisreferenz heutiger Rechter Gewalt keinesfalls ein Phänomen, womit sich in besonderer Weise die Notwendigkeit eines Fokus auf „Devianz“ oder „abweichendes Verhalten“ begründen ließe, sondern eines, welches dringend auf die Einbeziehung einer wertebezogenen Handlungslogik verweist. 23 | Mantino entwickelt aus ihrer Grundlegung den Ansatz, die Propositionen des RREEM-Modelles mit den gesellschaft lichen Randbedingungen rechtsextremen Handelns zu verbinden: „Rechtsextremismus wird im Kontext der Theorie rationalen Handelns aus einer individualistischen Perspektive erklärt, d.h. die Entstehung bzw. die Zunahme von Rechtsextremismus in Form von rechtsextremen Bewegungen wird auf der Basis individueller Handlungsentscheidungen rekonstruiert, die mittels Transformationsregeln zum kollektiven Explanandum aggregiert werden.“ (Mantino 1999, S. 133) 24 | Vgl. dazu die Defi nition von „Ideologie“ nach Sauer: „Im Ideologischen kommt nicht so sehr die Polarität des ‚Wahren‘ und des ‚Falschen‘ zum Ausdruck und auch nicht eine statische Gegenüberstellung einer ‚realen‘ Beschreibung gesellschaft licher Wirklichkeit gegenüber einer ‚ideologischen‘; das Ideologische ist die Sphäre des Nachdenkens über die Formbestimmtheit der sozialen Prozesse und ihrer Veränderung, und es operiert mit Hilfe einer Aneinanderreihung und Neuverknüpfung vorhandener Ideologeme. Ideologeme wie ‚Volk‘, ‚Staat‘, ‚Nation‘, ‚Kultur‘ gehören zur Grundausstattung politischer Willensbildung.“ (Sauer 1989, S. 243)
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Daraus lässt sich der zentrale Schluss ziehen, dass „[...] Erklärungsansätze nicht weiterhelfen, die sich auf die Persönlichkeiten der Täter, ihre Charaktereigenschaften, ihre psychische Verfassung richten.“ (Welzer 2007, Klappentext) Eine solche Einschätzung markiert damit einen deutlichen Widerspruch zu all jenen wissenschaft lichen Analysen, die sich Nach Auschwitz auf eine Spezifizierung von Tätergruppen richten. Denn auch im Fall der Rechten Gewalt können die Täter nicht als emotional stärker belastet gelten als andere Gewalttäter. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine forensisch-psychiatrische Untersuchung der Freien Universität Berlin (vgl. Wendt/Lau/Kröber 2002). Von einem Gutachterkollektiv wurde dort im Zeitraum von 1990 bis 2000 anhand von insgesamt 24 Probanden mit rechtskräftigen Verurteilungen aufgrund rechtsextremer Gewaltdelikte eine Vergleichsstudie durchgeführt mit 44 Probanden einer Personengruppe, die wegen normaler Gewalttätigkeit verurteilt waren. Dabei zeigte sich, dass die rechtsextreme Untersuchungsgruppe eine deutlich niedrigere Quote an Persönlichkeitsstörungen aufwies. Auch die Schuldfähigkeit ist bei dieser Gruppe durchweg allenfalls durch Alkoholisierung beeinträchtigt gewesen. Noch dazu waren rechtsideologische Täter durch so genannte „Broken Home“-Situationen deutlich weniger belastet als die Personen der Vergleichsgruppe (vgl. Wendt/Lau/Kröber 2002, S. 221). Die Autoren der Studie kommen deshalb zu dem abschließendem Ergebnis, bei rechtsmotivierten Straftätern handele es sich eindeutig nicht um ein „[...] psychiatrisches oder psychopathologisches Problem [...]“ (vgl. Wendt/Lau/Kröber 2002, S. 222) Auch für Günther Lempa kann die Anwendung Rechter Gewalt nicht mit einer defizitären psycho-sozialen Grunddisposition der Täter erklärt werden. Bei seiner Untersuchung verurteilter Straftäter aus dem rechtspolitischen Spektrum zeigte sich vielmehr die Gemeinsamkeit, dass diese Personen „[...] ein Wertesystem verwenden, in dem Deutschland durch Fremde bedroht ist und es notwendig und vielleicht sogar erwünscht ist, sich gegen Fremde zu wehren.“ (Lempa 2001, S. 57) Das wäre in etwa die inhaltliche Zusammenfassung des Slogans „Deutschland den Deutschen – Ausländer Raus.“ Nicht in irgendeiner Form der Abweichung oder in der vermeintlichen Irrationalität der gewaltsam Handelnden wäre demnach der Ausgangspunkt analytischer Arbeit zu suchen, sondern in der Lokalisierung des Referenzrahmens, in welchem dieses Handeln mit Sinn versehen wird. Harald Welzer hat z.B. im Rahmen seiner historischen Forschungen als hauptsächliche Funktion eines solchen Referenzrahmens dessen Eigenschaft ausgemacht, für die Täter eine so genannte partikulare Rationalität bereitzustellen. Das soll bedeuten, dass deren Taten in eine normative Begründungslogik eingebettet sind, durch welche diese dem Täter als notwendig oder sogar legitim erscheinen: „Allgemeiner gesagt, geht es in meiner Sicht auf die Täter um die Rekonstruktion eines sozialen Prozesses, in den die Akteure mit spezifischen Wahrnehmungen und Deutungsmustern eintreten und dessen Interpretation sie zu Handlungen veranlasst, die ihnen selbst als sinnhaft erscheinen.“ (Welzer 2007, S. 46) Das würde im Fall der Rechten Gewalt unweigerlich die Rolle der Ideologie in den Vordergrund rücken, durch welche solchen Tätern entsprechende Legitimationen vermittelt werden. Obwohl mit dem Bezug zu dieser Form der historisch konzipierten Täterforschung ausdrücklich nicht vorausgesetzt werden soll, dass
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sich das Ausmaß der partikularen Rationalität von heutigen Rechtsradikalen und damaligen NS-Tätern direkt vergleichen ließe, scheint doch besonders der analytische Ansatzpunkt, im Täter ein normativ orientiertes Subjekt zu sehen, unter Umständen eine Prämisse mit einer höheren Erklärungskraft darzustellen als die verbreitete Forschungspraxis, den rechtsorientierten Tätern irrationale Motive zuzuschreiben. Es lässt sich daher schlussfolgern: Wenn der Täter im Rahmen einer normativen Orientierung handelt, dann ist das Produkt seines Handelns ebenfalls in die Logik dieses Referenzrahmens eingebettet. Legt man diese Prämisse zu Grunde, verändert sich damit aber zwangsläufig der Blick auf den Forschungsgegenstand: Rechte Gewalt wäre zunächst einmal grundsätzlich als Form des politischen Handelns von Subjekten zu verstehen, welche diese Handlungsform als Akt des freien Willens aus einer Reihe anderer möglicher Handlungsoptionen auswählen.25 Es würde sich weiterhin die Prämisse anschließen, dass es sich bei den rechtsmotivierten Angriffen um einen bewussten Akt im Rahmen eines politischen Bewusstseins handelt, weil davon ausgegangen werden kann, dass die Wahl des Mittels Gewalt im Falle politischer Tatmotivationen grundsätzlich innerhalb eines ideologischen Koordinatensystems verankert ist. Konkret bedeutet dieses Verständnis: „Rechtsextreme Gewalt ist ideologisch motivierte Gewalt. [...] Rechtsextreme Gewalttäter haben unter anderem deshalb in der Vergangenheit häufig kein Unrechtsbewusstsein angesichts ihrer Straftaten entwickelt, weil die Opfer in ihren Augen keine gleichwertigen Menschen, sondern qua Ideologie als ‚lebensunwert‘ zur Vernichtung freigegeben waren.“ (Kirschnik 2001, S. 140)
Die Ergebnisse solcher Handlungen wären deshalb seitens der Wissenschaft mit Hilfe von analytischen Instrumenten zu untersuchen, die sich auf jenes Grundverständnis eines kausalen Zusammenhangs von politischer Gesinnung und Tatvollzug beziehen lassen.26 Ein zentrales analytisches Instrument ist dabei die grundsätzliche Vorstellung, dass es sich bei den Protagonisten Rechter Gewalt keinesfalls um Menschen handelt, die nicht Herr ihrer Sinne sind, sondern um politisierte Subjekte. Damit wäre es möglich, die Tat primär als umgesetzten 25 | Zur generellen Relevanz des Rational-Choice-Ansatzes in der Soziologie siehe besonders: Dieckmann/Eichner/Schmidt/Voss 2008. 26 | Ein solcher Bezug fi ndet sich auch in neueren historischen Forschungen zum Verständnis des Holocaust, etwa bei Christopher R. Browning, der zum Leitverständnis seiner Analyse von Täterprotokollen feststellte: „Ich glaube, dass die Täter nicht nur in der Lage waren, zu wählen, sondern von dieser Wahlmöglichkeit auch auf unterschiedliche Art Gebrauch machten, die das ganze Spektrum möglicher Reaktionen abdeckte [...]“ (Browning 1999, S. 289/290) In der Analyse des Tatvollzuges lassen sich also durchaus Anhaltspunkte für die Art und Weise der individuellen Nutzung einer Wahlmöglichkeit in Bezug auf das Mittel Gewalt finden. Die Werte, die eine solche Wahl des Subjekts als wesentlicher Faktor orientierend beeinflussen, sind deshalb grundsätzlich von zentralem Interesse.
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Täterwillen zu verstehen, welcher sich bei Art und Auswahl der Opfer an politischen Kategorien orientiert. Deshalb soll zum Abschluss dieses Abschnittes ein entsprechender Vorschlag für die pädagogische und die bildungspolitische Praxis formuliert werden: Menschliche Handlungen werden verständlich, wenn man die Dimension des subjektiven Sinngehaltes analytisch integriert. Rechtsideologische Gewalttäter sind deshalb als politische Akteure zu begreifen, die im Kontext einer politischen Ideologie tätig werden und nicht als unbewusst handelnde Personen. Sie in dieser Form ernst zu nehmen, würde mindestens bedeuten, dieses Akteurskonzept zum Ausgangspunkt von Maßnahmen der pädagogischen Prävention zu machen und jugendtheoretische Bezüge, die auf eine Halbierung der Subjektivität zielen, aktiv zurück zu weisen. Das bedeutet: Pädagogische und bildungspolitische Bemühungen, die ihre Arbeit hauptsächlich als eine Reparatur defi zitärer Subjektivität verstehen möchten, würden im Fall rechtsmotivierter Gewalttäter ihren Gegenstand tatsächlich komplett verfehlen. Maßnahmen, die zur Bekämpfung Rechter Gewalt ausschließlich auf Jugendliche, verstanden als halbierte Subjekte, zielen, wären also gut beraten, ihren Fokus anhand qualitativer Kriterien zu erweitern und nicht länger von einem überholten Alterskonzept auszugehen. Dabei geht es darum, die präventive Praxis nicht negativ durch die Lokalisierung von Problemgruppen zu legitimieren und auszurichten, sondern im Rahmen eines positiven politischen Selbstverständnisses zu bestimmen, wo Rechte Gewalt als eine zentrale Herausforderung der gesamten Gesellschaft angesehen wird. Zur Entwicklung eines solchen Ansatzes heißt es in einer Praxisempfehlung: „Handlungsleitendes Ziel ist ein qualitativer Demokratiebegriff, der sich an den im Grundgesetz festgelegten unveräußerlichen Menschenrechten orientiert, ihre Verwirklichung anstrebt und ihre Verletzung oder Einschränkung nicht toleriert.“ (Klose/Benzing 2008, S. 208) Rechte Gewalt könnte so als Antithese zur demokratischen Lebensform verstanden werden und Prävention wäre dem entsprechend eine intergenerative Querschnittaufgabe. Das sich aus der Existenz Rechter Gewalt zweifellos ergebende Lernziel einer allgemeinen „Pädagogik menschenrechtlicher Sensibilisierung“ (Brumlik 2000, S. 57) wäre damit keine spezifische Aufgabe der Jugendarbeit, sondern ein Thema generationsübergreifender Bildungsangebote, die über die Erwachsenenbildung bis hin zu Bildungsansätzen im letzten Lebensdrittel reichen. Für einen solchen Ansatz ist es allerdings absolut notwendig, dass „[...] die zentralen gesellschaft lichen Institutionen die Auseinandersetzung mit Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus innerhalb und außerhalb des eigenen institutionellen Kontextes als dauerhaften Bestandteil ihres Kernauft rages anerkennen und darauf ausgerichtete Maßnahmen in ihre Regelstrukturen implementieren.“ (Scherr 2007, S. 57)
Als Vorbedingung müsste die Orientierung auf Problemgruppen aufgelöst werden zugunsten einer Sichtweise, die sich im Ergebnis auf einen Prozess der Bewusstwer-
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dung über die Frage stützt, in welcher Gesellschaft man leben möchte und warum die Existenz Rechter Gewalt nicht nur für deren Opfer, sondern für das gesamte Gemeinwesen eine permanente Provokation darstellt. Ein solcher Ansatz verringert natürlich unter Umständen die Einflussmöglichkeiten herkömmlicher pädagogischer Bemühungen, die von einer grundsätzlichen Bedürft igkeit oder Anfälligkeit der Jugend ausgehen, denn rechtsideologische Gewalttäter befi nden sich danach eben nicht als Jugendliche in einer jugendtypischen Opposition zu Erwachsenengesellschaft, sondern es kann mit einigem Recht davon ausgegangen werden, dass diese Personen aus einer fundamentalistischen Werteorganisation heraus agieren, die im absoluten Widerspruch zu den allgemeinen Grundwerten steht und welche auf deren Abschaff ung gerichtet ist. An dieser Stelle wäre zurückzukommen auf den Auft rag des KJHG, der von vielen Pädagogen als Pflicht verstanden wird, auch Vertreter extremistischer Positionen nicht aus dem pädagogischen Leistungskatalog auszugrenzen. (vgl. Kap. 3.2) Natürlich hat nach dem Gesetz grundsätzlich jeder bedürft ige Mensch bis 27 Jahren ein Recht auf sozialpädagogische Förderung. Zu diskutieren wäre aber, ob nicht eine bestimmte Art von politischem Fundamentalismus unter Umständen auch ein Ausschlusskriterium für solche Leistungen darstellen könnte, denn der Auft rag des KJHG richtet sich, wie alle anderen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen, im Grundsatz auf die Etablierung von Normen eines demokratischen Zusammenlebens, d.h. mit Hilfe zielgruppenbezogener Maßnahmen sollen Kinder und Jugendliche grundsätzlich dazu befähigt werden, erfolgreich am sozialen Gemeinwesen teilzunehmen. Gerade diese Zielbestimmung könnte nun auch so verstanden werden, dass daraus der Auft rag abgeleitet werden könnte, eine umfassende Teilnahme an diesem Leistungsangebot für eine möglichst große Anzahl von potenziellen Klienten garantieren zu wollen. Das aber könnte ebenfalls bedeuten, dass seitens der Pädagogik auch Faktoren lokalisiert werden müssten, die eine größtmögliche Umsetzung einer solchen Teilhabe am Gemeinwesen gefährden, weil durch ihre Existenz z.B. bestimmte Menschen an der Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert werden. Dieses müsste dann als Einschränkung von allgemeinen Grundrechten jugendpolitisch thematisiert werden. Eine solche Gefährdung könnte nun speziell von den Akteuren Rechter Gewalt ausgehen, weil diese von einer Höher- und Unterbewertung menschlicher Lebensformen ausgehen und damit dafür eintreten, dass z.B. bestimmte Maßnahmen und Leistungen explizit „nur für Deutsche“ zu gelten haben. Weil solche fundamentalistische Weltanschauungen grundsätzlich von einer partikularen Geltung menschlicher Grundwerte (z.B. des Rechtes auf Leben nur für Deutsche, nur für Gläubige, etc.) ausgehen, stellen rechtsmotivierte Gewalttäter einen wesentlichen Faktor innergesellschaft licher Exklusion dar, weil sie im Grunde eine umfassende Umsetzung der Geltung des KJHG aktiv gefährden (wollen). Rechtspolitische Täter legitimieren es nämlich ausdrücklich, eine gleichberechtigte Teilnahme aller innerhalb einer Gesellschaft lebenden Kinder und Jugendlichen massiv zu negieren und diese Prämisse durch die Anwendung von Gewalt auch real umzusetzen, wie es das Beispiel der so genannten „No-Go-Areas“ zeigt, die von rechtsideologischen Tätern stolz als „National befreite Zonen“ gepriesen wer-
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den (vgl. Döring 2006). Das Recht solcher Fundamentalisten auf Maßnahmen, die sich mit dem KJHG begründen lassen, könnte daher deshalb begrenzt sein, weil ihr politisches Engagement sich eben darauf richtet, das dahinter stehende gesellschaft liche Leitbild aktiv zu demontieren. Die soziale Arbeit hat demnach spätestens dann ein Problem, wenn das betreute Klientel aktiv darauf hinarbeitet, potenzielle andere Hilfeempfänger aus dem Geltungsbereich sozialpädagogischer Maßnahmen auszugrenzen. Darauf wäre im Kontext eines speziellen Angebotes für rechtsorientierte Jugendliche unbedingt zu achten. Der Anspruch solcher und anderer fundamentalistischer Gruppen auf sozialpädagogische Leistungen wäre deshalb ständig dahingehend zu überprüfen, in welchem Maße diese Gruppen die Geltung allgemeiner gesellschaft licher Standards akzeptieren oder demontieren. Eine solche Prüfung könnte vor allem bei Hinweisen auf die Anwendung Rechter Gewalt durch diese Gruppen die Frage aufwerfen, ob und in welcher Form gerade denjenigen Personen, welche die Prämissen eines sozialen Miteinanders radikal ablehnen, besondere Ressourcen angeboten werden sollten, die dann vielleicht auf Seiten der potenziellen Opfer fehlen. So gesehen sollte sich die Sozialarbeit nicht ohne ein Bewusstsein über die mit dieser Problematik als williger Helfer anbieten, denn die Existenz Rechter Gewalt stellt im Grunde die Antithese des Sozialen dar, wie sie im Leitbild sozialer Berufe zu finden ist. Wenn mit Adorno gesagt werden kann, dass die Forderung, dass „Auschwitz nicht noch einmal sei“ (Adorno 1966), zuallererst eine Forderung sein sollte, die sich an Erziehung richtet, dann richtet das den Blick vielleicht auch auf die Notwendigkeit, ein pädagogisches Selbstverständnis zu entwickeln, bei dem die Defi nition des Sozialen untrennbar an die Geltung demokratischer Werte gekoppelt ist. Eine paritätische Umsetzung von jugendbezogenen Hilfeangeboten, unabhängig etwa vom Geschlecht, von der Nationalität und vom Aufenthaltsstatus junger Menschen, wäre vor diesem Hintergrund unbedingt zu diskutieren. Solange aber die fi nanziellen und personellen Ressourcen keine gleichberechtigte Teilhabe aller potenzieller Hilfsbedürft iger möglich machen, solange kann die Berufung auf einen umfassenden Geltungsbereich des KJHG zur Legitimierung spezifischer Angebote für rechtspolitische Gewalttäter nicht überzeugen. Empfehlenswert scheint es beim Thema Rechte Gewalt zu sein, ein professionelles Bewusstsein zu entwickeln, in welchem die Orientierung an einem demokratischen Wertekanon auch schon während des Studiums innerhalb der sozialpädagogischen und bildungsbezogenen Fachrichtungen zum Thema gemacht wird.27 Dazu würde vielleicht auch die Entwicklung einer fachinternen Kultur der Erinnerung (vgl. Assmann 2008) gehören, die von einer unhintergehbaren und permanenten Relevanz der deutschen Vergangenheit für die gegenwärtige und die zukünft ige Gesellschaft ausgeht. Zu solch einer Erinnerungskultur könnte es unter 27 | Dazu wäre auch eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen notwendig, dass rechtspolitische Akteure in einigen Gebieten ehrenamtlich und alternativ zu staatlichen Angeboten eigene soziale Hilfsstrukturen anbieten und sich in diesem Zusammenhang auch verstärkt für die sozialpädagogischen Ausbildungsberufe interessieren. (vgl. dazu: Borstel/Teune/Klein 2008)
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Umständen gehören, ein Phänomen wie das der Rechten Gewalt nicht ohne die historische Matrix des Holocaust zu diskutieren: „Wenn der Holocaust eine historische Wende in der extremen Gewalt des Massentötens bedeutet, dann stellen sich mit dieser Wende auch ganz neue Herausforderungen an das individuelle Erinnern und kollektive Gedächtnis.“ (Assmann 2008, S. 15) Die Auseinandersetzung mit Rechter Gewalt wäre vor diesem Hintergrund auch eine Auseinandersetzung mit der Notwendigkeit, an einer angemessenen Form der historischen Erinnerung mitzuwirken, um Phänomene der Gegenwart von einer wertegebundenen Position aus betrachten zu können, die sich den verschiedenen Praktiken der De-Thematisierung rechtsextremistischer Ideologie innerhalb der verschiedenen gesellschaftlichen Diskurse aktiv zu widersetzen versucht. Sozialpädagogik und politische Bildungsarbeit wären aus diesem Grund aufgefordert, an einer generellen Debatte über die Geltung von Grundwerten mitzuwirken, die über eine Vermittlung von sozialen Kompetenzen und die Bereitstellung von Informationen über die NS-Zeit hinausgeht, denn: „Die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit braucht [...], um praktisch folgenreich werden zu können, nicht nur Wissen, sondern Wissen in Verbindung mit einem Wertehorizont. [...] Ohne die Einbettung des Wissens in einen Wertehorizont bleibt das Wissen bedeutungslos und ohne praktische Relevanz.“ (Knigge 2005, S. 450)
In diesem Sinne können Ansätze zur Prävention gegen Rechte Gewalt nur dann praktische Relevanz erlangen, wenn sie diese als politisch relevante Handlungen vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte interpretieren. Im Anschluss an diese Überlegungen soll deshalb im nächsten Abschnitt die Möglichkeit diskutiert werden, Rechte Gewalt als Aktionsform zu verstehen, in welche sich auch die historische Dimension der damit zusammenhängenden Ideologie integrieren ließe. Dabei steht vor allem die Möglichkeit einer analytischen Einbettung dieser Handlungen in einen spezifischen geschichtlichen Kontext im Vordergrund. Dieser Kontext wird durch die nationalsozialistische Vergangenheit gebildet. Im Hinblick darauf wird plädiert, Rechte Gewalt nicht abgekoppelt, sondern untrennbar verbunden mit dieser Vergangenheit zu betrachten.
4.3 Rechte Gewalt als Erbschaft der NS-Vergangenheit begreifen Wie in der Überschrift angezeigt, soll in diesem Abschnitt untersucht werden, welche Konsequenzen sich ergeben, wenn man das Phänomen der Rechten Gewalt in einem historischen Kontext analysiert. Dabei geht es um die Prüfung eventueller ideengeschichtlicher Verbindungen der aktuellen rechtsmotivierten Gewalt zu derjenigen des nationalsozialistischen Wertesystems. Eine solche Thematisierung soll durch die Einnahme einer Perspektive erfolgen, die nicht von einer direkten Vergleichbarkeit, sondern von einer möglichen Verwandtschaft sbeziehung beider Phänomene ausgeht. Worum geht es dabei?
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Bisher wurde gesagt: Das Problem einer De-Thematisierung des Politischen beim Thema Rechte Gewalt durch jugendtheoretische Erklärungsansätze könnte vor allem darin bestehen, dass durch die analytische Desintegration eines ideologischen Rahmens der Gegenstand, speziell auch aus historischen Bezügen, gelöst wird. Einer solchen Lösung steht hauptsächlich das Argument entgegen, dass es sich beim Problem der Rechten Gewalt analytisch nicht um ein isoliertes und eigenständiges Phänomen handeln könnte, sondern um eines, was sich direkt oder indirekt auf die Gewalt beziehen lassen muss, die innerhalb und außerhalb des nationalsozialistischen Deutschland als politische Handlungsform auf den ideologischen Gegner gerichtet wurde. Auch wenn der Nationalsozialismus seit mittlerweile 60 Jahren Vergangenheit ist, so stellt er durch das Ausmaß seiner Gewalt für alle zeitlich nachfolgenden gesellschaft lichen Bereiche einen unerlässlichen Bewertungsmaßstab für menschliche Handlungen dar. Das gilt auch und besonders für den Themenbereich der Rechten Gewalt. Der Hauptansatzpunkt für eine solche Argumentation kann dabei auf die Einschätzung von Wolfgang Benz aus dem Jahre 1980 bezogen werden. Er schreibt: „Ohne das Erbe der zwölf Jahre des Dritten Reiches wäre Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik, wie auch in anderen Staaten, in erster Linie eine statistische Größe des politischen Lebens und vermutlich eine eher harmlose Randerscheinung oder bei entsprechender Größenordnung, bei kriminellem, terroristischem Ausmaß also, ein Problem der inneren Sicherheit. Die historische Hypothek macht aber in Deutschland jede Art von rechtem Extremismus [...] zum politischen Problem von unvergleichbarer und einzigartiger Dimension.“ (Benz 1989, S. 23)
Die Dimensionen des „Politischen“ und des „Historischen“ sind nach diesem Grundverständnis analytisch untrennbar verbunden mit dem Untersuchungsgegenstand Rechte Gewalt, das eine also nicht ohne die anderen zu denken. Was kann dieser Zusammenhang für eine Analyse Rechter Gewalt bedeuten? Zunächst ist durch diesen Standpunkt festgelegt, dass Rechte Gewalt trotz der forschungsüblichen Etikettierung als aktuelles Phänomen nachhaltig verstrickt zu bleiben scheint mit jenem Denken, welches historisch im nationalsozialistischen Vernichtungswahn mündete. Diese Verstrickung liegt darin begründet, dass ohne den realen Hintergrund, d.h. den konkreten Anlass für solche historische Assoziationen ein Begriff namens Rechte Gewalt eine vollständig andere politische Semantik besitzen würde. Weder irgendwelche Taten noch irgendeine Gruppe von Tätern würden der Wissenschaft eine Veranlassung dazu geben, unter Umständen historische Bezüge in die Analyse integrieren zu müssen oder dieses auch nur zu diskutieren. So aber gilt: „Wenn aus Deutschland die Nachricht von rechtsradikalen Anschlägen kommt, denkt jedermann an die Vergangenheit.“ (Augstein 2005, S. 255) Die Möglichkeit einer analytischen Ausgrenzung der NS-Vergangenheit beim Gegenstand Rechte Gewalt kann im Anschluss an das Diktum von Wolfgang Benz deshalb grundsätzlich nicht plausibel gemacht werden, sondern es ließe sich im Gegenteil sagen: Die gesellschaft liche Praxis des durch „Hitlers Volksstaat“ (Aly 2003) aktivierten Grauens des Holocaust könnte immer dann den notwendigen Referenzrahmen für jede Form von post-nationalsozialistischer Gewaltanwendung bilden, wenn sich diese auf zentrale
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Aspekte dieser Basisreferenz beziehen lässt. Welche Aspekte könnten das sein? Ein zentraler Faktor ist im Rahmen der hier vertretenen Argumentation in dem Vorhandensein einer gemeinsamen politischen Ideologie zu sehen. Eine Ideologie kann als spezifische Anordnung von Deutungsmustern gelten, die ihren Anhängern eine normative Interpretation der Wirklichkeit bietet. Diese Art der Interpretation führt zu einer subjektiven Wahrnehmungsorganisation, die durch diese Interpretationen gesteuert wird. Wesentlich ist dabei die Funktion einer Ideologie, Innen und Außen zu definieren, also festzulegen, wer dazugehört und wer nicht. Dieser Aspekt ist deshalb auch im Kapitel 3.3 als konstitutives Merkmal Rechter Gewalt herausgearbeitet worden. Die Lokalisierung der Feindgruppe gilt dabei als ein zentraler und sinnstiftender Akt der Zuordnung, der für jede Form von ideologisch motivierter Tat als konstitutive Vorbedingung gelten kann. Die Art und Weise des Vorgangs der Markierung von auszuschließender Fremd- oder Feindgruppe könnte also ein wesentlicher Faktor sein, eine eventuelle Gemeinsamkeit zwischen altem und neuem Rechtsextremismus annehmen zu können. Die Bedeutung dieses Aspektes hat Harald Welzer in seinen Studien über Täterkollektive in Vietnam, Ruanda und dem deutschen Nationalsozialismus wie folgt beschrieben: „Gewalt transformiert das, was anfangs als Verschiebung bzw. als ‚Säuberung‘ gedacht war, mit erschreckender Regelhaft igkeit in die Auslöschung der Nicht-Zugehörigen. Diese Transformation ist in der Definition von Zugehörigkeit selbst schon enthalten – es ist nach einer solchen Defi nition nämlich nur noch eine graduelle, keine prinzipielle Frage, wie mit den Nicht-Zugehörigen zu verfahren sei.“ (Welzer 2007, S. 248)
Bezogen auf die Rolle der Ideologie ist es damit also durchaus denkbar, dass der aktuellen Jagd auf Fremde strukturell gesehen eine recht ähnlich gelagerte Art von Säuberungsphantasie zu Grunde liegen könnte, wie sie auch für die NS-Täter konstitutiv gewesen ist, zumal sie damals wie heute gegen dieselben Gegner gerichtet ist. (vgl. dazu Kap. 3.3) Die Form der Verfolgung ist dabei natürlich eine völlig andere, die Frage richtet sich aber vor allem an die Möglichkeit, solche Taten aufgrund der Existenz eines ideologischen Kontextes als politische Handlung zu charakterisieren. Hinweise lassen sich fi nden: Wolfgang Sofsky beschreibt die organisierte Jagd auf Menschen beispielsweise grundsätzlich als Indiz für das Vorhandensein einer politischen Logik: „Die Menschenjagd ist kein Überbleibsel eines vorsozialen Naturzustands. Und sie ist keineswegs ein Indiz für gesellschaft liche Anomie. Es ist vielmehr die Politik der neuen Ordnung, der Homogenität und Expansion, welche der Menschenjagd das Feld bereitet.“ (Sofsky 1996, S. 172) Das in diesem Zitat verwendete Bild des Jägers lenkt den Blick auf das jeweilige Ziel, welches im Namen einer imaginierten „neuen Ordnung“ verfolgt werden soll. Die Bestimmung eines Ziels wiederum ist das Ergebnis einer Problemdefinition durch den Täter, denn ansonsten wäre dieser ein Amokläufer, und ließe sich keiner Form von politischer Ordnungsphantasie sinnvoll zuordnen. Im Fall derjenigen Phänomene jedoch, die beim polizeilichen Meldedienst unter der Rubrik „Politische Kriminalität – Rechts“ geführt werden, kann jedoch ohne
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Zweifel vermutet werden, dass es dabei nicht willkürlich um feindliche Handlungen gegen irgendwelche Menschen geht, sondern fast ausschließlich um Personen, die durch die Brille einer bestimmten Ideologie als Feinde markiert und allein deshalb zur Jagd freigegeben werden. Dazu muss gesagt werden, dass es sich im Fall der Rechten Gewalt zumeist um eine Treibjagd handelt, denn die Täter sind dabei fast immer in der Überzahl. (vgl. Willems/Steigleder 1998) Besonders der Umstand, dass nahezu alle aktuellen rechtsmotivierten Gewalttaten von Täterkollektiven, d.h. aus Gruppen heraus begangen werden, kann als Hinweis gelten auf die hohe ideologische Wirksamkeit eines von der Mehrheitsgesellschaft abgekoppelten Referenzsystems, welches sich zwar ohne Zweifel in der Quantität, nicht aber unbedingt in der weltanschaulichen Grundstruktur von demjenigen der NS-Tätergeneration unterscheiden könnte.28 Anders gesagt: Heutige Rechtsextreme verorten sich unter Umständen nicht aus Trotz, Unwissenheit oder aus Zufall, sondern gerade wegen Krieg und Holocaust zum Erbe der NS-Generation. Jenes Erbe gilt in entsprechenden Kreisen daher nicht als Mahnung, sondern als Vorbild. Auf dieses Problem macht wiederum eine Studie von Harald Welzer aufmerksam, der seine Auswertung von 182 Interviews in bundesdeutschen Familien wie folgt zusammenfasst: „Die Beispiele mögen einen Eindruck davon vermitteln, wie in den deutschen Familien die nationalsozialistischen Verbrechen erinnert werden: Nämlich durchaus nicht als Verbrechen. Wer nun erwartet, dass die Kinder- und Enkelgeneration kritisch auf die skizzierten Darstellungen reagieren würden, liegt falsch: Denn die Erzählungen und Beschreibungen der Großeltern stoßen nur selten auf Widerspruch, dafür um so häufiger auf Zustimmung.“ (Welzer 2005, S. 372)
Dieses Phänomen lässt sich als intergenerative Tradierung von Geschichte bezeichnen.29 Nun kann aber nur dann etwas als Vorbild dienen, wenn es vom Subjekt mit 28 | Auf Seiten der Täter handelt sich hierbei um einen Vorgang der selektiven Handhabung von sozialen Normen, ein Faktor, der sich grundsätzlich als Hinweis auf eine reale Praxis einer imaginierten Ungleichwertigkeit lesen lässt und damit auf ein zentrales Element fundamentalistischer Theorien verweist: Menschen werden dabei im Namen irgendeines Identitätsmodells in Gut und Böse aufgeteilt, und als dessen Ergebnis hält sich der Täter für gut und das Opfer für böse, die Anwendung von Gewalt wird in diesem Rahmen als legitim empfunden. Für den Blick auf den Täter scheint die Ideologie damit funktional für die Handlungsausführung zu sein, während sie im Blick auf das Opfer eine andere Rolle übernimmt: Hier ist sie konstitutiv, weil jede Ideologie ihre spezifische Feindgruppe generiert und sich über deren Abgrenzung positiv defi niert. Will man also etwas über die Form der Ideologie wissen, lässt sich diese in der durch sie bedingten Praxis aufzeigen. 29 | Der Begriff der „Tradierung“ wird hier vom Konzept der kommunikativen Tradierung nach Domansky und Welzer (vgl. Domansky/Welzer 1999) übernommen, wo es um die bewusste Weitergabe von Wissen geht. Neben dieser kommunikativ offenen Form gibt es aber auch noch die Variante einer unbewussten Tradierung von Erlebten,
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positiven Bedeutungen besetzt wird, und diese positive Besetzung könnte das Ergebnis einer subjektiv empfundenen Verwandtschaft sbeziehung sein. Diese Beziehung, verstanden als Übertragung, ließe sich dann vor allem auf der Ebene der politischen Orientierung lokalisieren, wobei sich diese ideologische Grundauffassung nicht zwangsläufig in der Mitarbeit in einer rechtsradikalen Partei mit Satzung und Mitgliedsbuch äußern muss. Das ist auch bei den Vollstreckern der NS-Ideologie nicht so gewesen. Doch einer der notwendigen Parameter, die zum Beispiel nach Ansicht des Sozialpsychologen Harald Welzer maßgeblich für das verbrecherische Handeln deutscher Soldaten bei der Mitwirkung an der so genannten Endlösung gewesen ist, war das Vorhandensein einer politisch-ideologischen Basisorientierung, nämlich „[...] die normative Hintergrundannahme, dass eine Lösung des ‚Judenproblems‘ sinnvoll und wünschenswert sei.“ (Welzer 2007, S. 263) Dieser Minimalkonsens ist nach Welzer eine der entscheidenden Faktoren für oder gegen eine Beteiligung am massenhaften Töten von Frauen und Kindern gewesen. Hierbei wird erneut deutlich, dass die Entscheidung zu einer politischen Handlung nicht vom Festigkeitsgrad oder der Geschlossenheit eines Weltbildes abhängig ist, sondern dass dazu das Vorhandensein einzelner ideologischer Fragmente genügt. Zu prüfen wäre also, ob sich in der aktuellen Rechten Gewalt ähnliche normative Grundannahmen aufzeigen lassen, wie sie ihrem Vorbild zu Grunde lagen. Nicht was die Formen des aktuellen rechtspolitischen Terrors und der faschistischen Gewaltausübung historisch trennt, sollte man sich im Anschluss an diese Argumentation fragen, sondern was sie verbindet. Ein solcher Standpunkt betont die Rolle des Faktors Ideologie für eine Analyse solcher Taten. Das unbeschreibliche Ausmaß und die qualitative Singularität der staatlich organisierten Gewalt im nationalsozialistischen Deutschland darf aus dieser analytischen Sicht nicht darüber hinweg täuschen, dass am Beginn dieser Entwicklung nichts weiter als eine bestimmte Ideologie gestanden hat, für welche die Anwendung von Gewalt jedoch von Anfang an ein konstitutives Element gewesen ist. Das bedeutet: Eine klinische Trennung von Rechter Gewalt und ihrem Vorgänger, der NS-Gewalt, könnte in der Folge unter Umständen immer dann zu einer Verkennung der politischen Wertanteile führen, wenn die grundsätzliche Rolle von Gewalt als Funktion im Sinne einer die Handlung legitimierenden Ideologie nicht in den Blick genommen wird. Die Akzeptanz der Prämisse, Rechte Gewalt als Form des politischen Handelns zu deuten, könnte daher all jene pädagogischen, psychologischen und soziologischen Ansätze, die diese Gewalt nicht vor diesem Hintergrund der deutschen Geschichte thematisieren möchten (und sei es auch nur als theoretische Option), der akuten welche aber besser mit dem Begriff der „Transmission“ (Reuleux 2006) zu beschreiben wäre. Dabei geht es vor allem um die Fähigkeit des Unbewussten, die emotionalen Botschaften des Gesagten und des Nicht-Gesagten zu entschlüsseln. Enkel können danach z.B. mit Symptombildungen auf die verdrängten Anteile der traumatischen Erlebnisse ihrer Eltern oder ihrer Großeltern reagieren. (vgl. dazu besonders: Gampel 2009) Da auf Seiten der Täter jedoch nicht von einer solchen Traumatransmission ausgegangen werden kann, handelt es sich in diesem Fall eher um eine nicht-verdeckte Tradierung von Gewaltverherrlichung und Machterleben.
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Gefahr aussetzen, ihren Gegenstand und damit sogar sich selber zu enthistorisieren: Nicht zuletzt mahnt die real existierende Vergangenheit Rechter Gewalt ja auch für jede Form des Wissenschaftsbetriebes die historisch-praktische Dimension der Möglichkeit ihrer Aufhebung an, transformiert sich diese Art der Politik in Staatsräson.30 Die zentrale Erfahrung des Holocaust ist es ja gerade gewesen, die diese „Barbarei“ nicht jenseits der „Zivilisation“ ermöglichte31, sondern die sich als gesellschaft liche Tendenz innerhalb eines demokratischen Systems mit humanistischen Bildungsidealen entwickelt hat.32 Hinter diese geschichtliche Erfahrung kann auch 30 | Das Verhältnis von Wissenschaft und Ideologie ist seit der NS-Zeit besonders bedeutsam. Der Historiker Hermann Lübbe schreibt dazu: „Nachdem dieses Bewusstsein zum herrschenden Bewusstsein einer Partei und schließlich zum Bewusstsein einer herrschenden Partei geworden war, wurde die fragliche Ideologie sogar zur etablierten Wissenschaft erhoben. Es gab Lehrstühle für Rassenkunde, einschlägige Publikationsorgane und Fortbildungskurse für Lehrer, Ärzte und Parteikader.“ (Lübbe 2002, S. 51) Dass die Wissenschaft hierbei eben keinen universellen Wert jenseits der ihr zugedachten Eigenschaft als Legitimations- und Effektivierungsbetrieb der Diktatur besaß, zeigt der Kommentar Adolf Hitlers zur vereinzelt geäußerten Besorgnis über negative Effekte innerhalb des wissenschaft lichen Betriebes durch die so genannte Arisierung: „Wenn die Entlassung jüdischer Wissenschaft ler die Auslöschung der zeitgenössischen deutschen Wissenschaft bedeutet, dann werden wir eben einige Jahre ohne Wissenschaft auskommen.“ (Hitler 1934, Nach: Gilbert 2001, S. 14). Zur Beteiligung der Wissenschaften im NS siehe auch: Heuermann 2002. 31 | Zu Recht wird in der neueren Forschung angemerkt, dass die Formulierung des Gegensatzpaares „Barbarei/Zivilisation“ zur Kennzeichnung der NS-Gewalt in die Irre führt: „Der Sachverhalt liegt genau umgekehrt: Das heilsideologisch besetzte Bewusstsein ist ein Bewusstsein absolut dominierender Wertrationalität, die sich aus den Restriktionen des methodischen Objektivismus, desgleichen auch aus den Bindungen sozial kontrollierter Gemeinerfahrungen [...] radikal emanzipiert hat. Um einen ‚Rückfall in die Barbarei‘ handelt es sich somit bei der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gerade nicht. Die Fakten mit dieser leider oft benutzten Formel zu kommentieren, hieße, den Völkern, die in der Frühgeschichte Europas ‚Barbaren‘ tatsächlich genannt worden sind, noch im Nachhinein Unrecht zu tun, und schon aus diesem Grund sollte man den nationalsozialistischen Terror nicht ‚barbarisch‘ nennen.“ (Lübbe 2002, S. 52) 32 | Zu den Folgen einer solchen Analyse als gegenwartsbezogener Impetus der Kritik schreibt Volkard Knigge: „Die Thematisierung von Nationalsozialismus oder Holocaust als solchem bedeutet erstmal gar nichts. Kritisch wird sie erst, wenn man Kernelemente der nationalsozialistischen Verbrechen wie Demokratieverachtung, Antisemitismus, biologisch-politisch oder nationalistisch begründete Überlegenheits- und Machtansprüche, Autoritätsgläubigkeit, blinden Gehorsam, Habgier, wegschauende Indifferenz, mangelnde aktive Mitmenschlichkeit bzw. aktiven Widerstand gegen Bürger- und Menschenrechtsverletzungen in Gestalt des deutschen Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 einerseits für überwunden hält und anderseits – in welcher konkreten Gestalt und wie umfassend verwirklicht auch immer – für eine nach wie vor bestehende historische Möglichkeit.“ (Knigge/Frei 2005, S. 446)
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die aktuelle Ursachenforschung nicht zurück. Alle wissenschaft lichen Erklärungsansätze Rechter Gewalt wären in einer solchen Perspektive vor allem immer auch als eine gesellschaft liche Tätigkeit „Nach Auschwitz“ (vgl. Adorno 1962) zu begreifen, die vielleicht gerade deshalb um so mehr zu prüfen hätte, was diese beiden Phänomene unter Umständen auch heute noch miteinander gemeinsam haben könnten.33 „Niemand ist frei von der Geschichte“ (vgl. Dubiel 1999), 34 das müsste daher vielleicht gerade auch für jene Analysen gelten, die in der Gewalt von „Rechts“ allzu bereitwillig ein verallgemeinerbares soziales Problem erblicken möchten, welches von der Realität negativer Bezugsgrößen historischer Art verschont sein möge. Wenn aber die hauptsächliche semantische Referenz des Phänomens Rechte Gewalt in den Taten der (Ur-)Großväter jener Täter wurzelt, die sich heute positiv dazu bekennen, dann gibt es keinen stichhaltigen Grund, dem Faktor der ideologischen Orientierung keine Beachtung zu schenken, im Gegenteil müsste es darum gehen, diese Orientierung als zentrale Erklärungsvariable zu integrieren.35 Sonst, so konnte gezeigt werden, bleibt die Struktur der Opferbildung zufällig und die Richtung der Gewalt komplett rätselhaft. Innerhalb der Ursachenforschung lassen sich jedoch immer wieder Versuche fi nden, gerade der geschichtlich bedingten Semantik Rechter Gewalt durch die Suche nach anderen Bezugssystemen zur Einordnung dieses Phänomens zu entgehen. Oft wird zum Beispiel gesagt, dass es sich dabei um ein gesamteuropäisches Gewalt-Problem handeln würde. So betonen Decker/Bräh33 | Für den zeitgeschichtlichen Publizisten Niklas Frank stellt sich im Hinblick auf die aktuelle Rechte Gewalt ein solcher Bezug wie folgt dar: „Jeder Vergleich mit anderen Ländern relativiert die deutschen Verbrechen zwischen 1933 und 1945 [...]. Wenn diese Kameradschaften je siegen sollten, hieße das: Ende der Meinungsfreiheit, Bücherverbrennung, Verfolgung Unschuldiger, neue KZ's – all das, was unsere Eltern und Großeltern mit Hitler gestaltet und erlebt haben. Daran muss man immer wieder erinnern.“ (Frank 2007, S. 34) 34 | Vgl. dazu aus einem psychoanalytischen Symposium über die Bedeutung des Holocaust: „Es gibt nun mal in diesem Land einen Fixpunkt, der real ist und bleibt: ‚Auschwitz.‘ Dies nicht anzuerkennen, heißt für mich, immer am Rand der möglichen Desorientierung zu leben, ständig zu schwimmen, in dem Glauben, man habe festen Boden unter den Füßen. Dieser Boden ist glitschig, birgt Zerstörung und Selbstzerstörung. Erst die Anerkennung der Realität von Auschwitz gibt uns allen die Möglichkeit, festen Boden unter die Füße zu bekommen [...]“ (Speier 1992, S. 95) 35 | Zur Relevanz speziell von soziologischen Variablen in Bezug auf die Ausübung der historischen Rechten Gewalt schrieb Welzer: „Eine Sortierung nach den klassischen Stratifi kationsmerkmalen Schicht, Bildung, Geschlecht, Religion ergibt keine relevanten Unterschiede in Bezug auf Tötungsbereitschaft , lediglich in Bezug auf Handlungsrahmen, in denen Potentiale, Dispositionen und Bereitschaften in bestimmte Richtungen aktiv und wirksam werden.“ (Welzer 2002, S. 238) Dieser Befund könnte als Hinweis gelesen werden, das Augenmerk eben auf diejenigen Prozesse zu richten, die im Individuum eine Entscheidung in die eine oder die andere Richtung möglich machen. Eine der Variablen, die solche Prozesse maßgeblich beeinflussen, könnte deshalb die politische Orientierung der Täter sein.
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ler und Geißler in ihrer Studie über rechtsextreme Einstellungen in Deutschland (in welcher ein durchaus besorgniserregender Zuwachs dieser Einstellungen sichtbar wird) einleitend: „Der Rechtsextremismus ist ein europäisches Problem. Rechtsextremismus und rechtsextrem motivierte Gewalt ist, so scheint es, ein Begleiter der Moderne.“ (Decker/Brähler/Geißler 2006, S. 8) Im Fazit eines Hearings des DJI heißt es sogar: „Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus unter Jugendlichen sind kein spezifisch deutsches Phänomen.“ (Lüders/Holhusen 2000, S. 107) Solche Positionen gehen angesichts Rechter Gewalt nicht von einem national besonderen, weil geschichtlich gebundenem Kontext aus, sondern beziehen sich auf die Theorie einer „normalen Pathologie westlicher Industriegesellschaften“ (Scheuch/Klingenmann 1967). Dagegen würde die bisher entwickelte Position davon sprechen, dass solche Form extremer Politik in der Bundesrepublik Deutschland vor allem deshalb ein spezifisch deutsches Problem darstellt, weil nur speziell in Deutschland mit dem NS-Faschismus für heutige Rechtsextreme eine direkte qualitative Referenz gegeben ist, die in anderen Ländern in dieser Form so nicht existiert. Anders gesagt: Nur in diesem Land ist der Holocaust gedacht, geplant und organisiert worden, nämlich von der (Ur-)Großvätergeneration heutiger Rechtsextremer. Diese beiden Formen der Täterschaft analytisch zu entkoppeln, bedeutet, die Möglichkeit intergenerativer ideengeschichtlicher Tradierung komplett zu negieren. Dabei könnte diese Negierung unter Umständen selber eine Symptombildung darstellen, die in der Abwehr einer Übernahme der historischen Erbschaft – und damit auch einer spezifischen Verantwortung – besteht. Wie auch immer: So verständlich der Wunsch im Einzelfall auch sein mag, dass man es bei der Rechten Gewalt in Deutschland mit einem Komplex zu tun habe, der alle Staaten gleichermaßen betreffe, so falsch könnte die Einnahme einer solchen Perspektive vor dem Hintergrund der Erkenntnis erscheinen, dass gerade die Moderne vor allem und allein in Deutschland ein Ausmaß Rechter Gewalt sichtbar gemacht hat, welches im europäischen wie auch im internationalen Vergleich ohne Beispiel ist.36 Rechte Gewalt in Deutschland wäre aus diesem Grund unhintergehbar in die Matrix dieser historischen Erfahrung einzuordnen, als notwendige inhaltliche Beziehung, „[...] ein Zusammenhang, den zu leugnen, gerade auch ein Element neurechter Ideologie ist – und ein Zusammenhang, dem von dem überwiegenden Teil der Rechtsextremismusforschung in der Bundesrepublik nicht genug Beachtung geschenkt wird.“ (Burkert 2006, S. 139). Worauf lässt sich dieser kritische Befund beziehen? Wie in den vorangegangenen Kapiteln deutlich wurde, könnte es tatsächlich eine relevante Praxis sein, dass Teile der Forschung zur Erklärung dieses Pro36 | Die Frage ist, wann für die genannten Autoren die Moderne beginnt und ob sie den historischen Rechtsextremismus dort mit einbeziehen. Auf die bedeutenden Anteile „modernen“ Denkens und Organisationsvermögens haben besonders Zygmunt Baumanns Analysen zur Durchführung des Holocaust exemplarisch aufmerksam gemacht: „Der Holocaust umging nicht auf wundersame Weise die Kollision mit den sozialen Normen und Institutionen der Moderne. Diese Normen und Institutionen machten den Holocaust erst durchführbar. Ohne die moderne Zivilisation und ihre wichtigsten Errungenschaften hätte es den Holocaust nie gegeben.“ (Baumann 2002, S. 102)
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blems geschichtliche oder politische Bezüge explizit nicht integrieren wollen. Vor dem Hintergrund der bisherigen Erörterungen wäre eine solche Tendenz als Gefahr einzuschätzen, weil damit wichtige analytische Dimensionen unterschlagen werden. Eine solche Gefahr könnte z.B. überall dort bestehen, wo Rechte Gewalt wie eine unverständliche Chiff re behandelt wird, die sich einer eindeutigen Klassifi kation zu verweigern scheint. In einer solchen Sicht gerät die Person des Täters zum absoluten Rätsel, weil rechtsmotivierte Schläger angeblich nicht wissen würden, „[...] warum sie dies oder das tun. Dies weiß niemand. Es ist die Sinnlosigkeit der Gewalt und die Gewalt der Sinnlosigkeit.“ (Hammel 1993, S. 26) Gleich lautend schreibt der populäre französische Soziologe Jean Baudrillard über rechtsideologische Täter, deren Gewalt sei „[...] die pure, die reine Form der Gewalt, die gar nicht mehr determiniert ist, beziehungsweise keine historische Gewalt mehr darstellt.“ (Baudrillard 1993, S. 47)37 Von einer angeblich existierenden Unbewusstheit auf Seiten der Täter wird auf das Nicht-Vorhandensein politischer bzw. historischer Bezüge der jeweiligen Taten geschlossen. Der Täter wird dadurch zum magischen, weil rätselhaften und sinnentleerten Forschungsobjekt, die von ihm verübten Taten dabei geraten aus dem Blickfeld und mit ihnen das politische Deutungssystem, welches sie legitimiert. Rechte Gewalt wird aber nicht von willenlosen „Zombies“ verübt. So bemerkt Welzer im Rahmen seiner historischen Täterforschung: „Es handelt sich bei kollektiven Gewalttaten in der Regel nicht um unerklärliche Eruptionen, sondern um wiederkehrende soziale Vorgänge mit einem Anfang, einem Mittelteil und einem Schluss, und diese Vorgänge werden von denkenden Menschen und nicht von Berserkern erzeugt.“ (Welzer 2008, S. 14) Man könnte daher annehmen, dass die Urheber solcher Taten aus einem spezifischen Referenzrahmen heraus agieren, mit dessen Hilfe sie ihre Gewalt logisch schlüssig herleiten und begründen können. Aus welchem Grund also sollte man bei der Analyse von Rechter Gewalt von einer Nicht-Existenz eines solchen Rahmens ausgehen? Das Vorhandenseins eines normativen Referenzrahmens wurde vor allem im Verlauf des Abschnittes 3.3 als konstitutiv für die Handlungsausführung der Täter angesehen, denn er allein legt Ziel und Richtung der Gewalt fest und diese kann aus diesem Grund immer dann 37 | Eine recht ähnliche Argumentation findet sich bei der Analyse von Franziska Meier, die Rechte Gewalt klassifiziert als „[...] Akte reiner und sinnloser Aktivität gegen Schwächere: einzelne Obdachlose, Asylanten und Ausländer oder ‚ausländisch‘ Aussehende. Sie stellen uns weniger vor das Problem der ‚Vergangenheitsbewältigung‘ als vor das der Aggression, der die westlichen Gesellschaften offenbar nicht ausreichend Ventile bietet.“ (Meier 2002, S. 632) Welches Problem sich „uns“ also stellt, scheint in hohem Maße abhängig zu sein von der jeweiligen theoretischen Position, von welcher aus das Phänomen interpretiert wird. Wird die spezifische Dimension der Vergangenheit zugunsten des allgemeinen Erklärungsmusters Aggression vernachlässigt, erscheinen rechtsmotivierte Taten tatsächlich logisch zwingend „sinnlos“ zu sein, weil ja gerade der sinnstiftende Faktor als mögliche Bezugsgröße aus der analytischen Betrachtung heraus gekürzt wurde. Wissenschaft liche Erkenntnis wäre bei einem solchen Vorgehen dann aber nur innerhalb der Grenzen dieses eingeschränkten Rahmens möglich.
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als politisch gelten, wenn die Ziele dieser Gewalt einen Hinweis geben auf ein entsprechendes ideologisches Wertesystem. So berichtet die Psychoanalytikerin Gertrud Hardtmann aus ihrer Praxis mit rechtspolitischen Jugendlichen: „Für die rechtsradikalen Jugendlichen schloss der Dienst an der Sache gewaltsame Handlungen bis hin zur Körperverletzung und Tötung ein und ließ diese als moralisch akzeptabel erscheinen. [...] Das Töten selbst konnte – wenigstens verbal – dazu zu einer höheren Pflicht deklariert werden; diese schloss in der Phantasie auch den eigenen Tod ein, vergleichbar mit dem Tod auf dem Schlachtfeld.“ (Hardtmann 2007, S. 56)
Die „Sache“, das ist die Ideologie, mit der diese Jugendlichen ihre Umwelt interpretieren und ihre Taten rechtfertigen. Es scheint also durchaus plausibel zu sein, dass diese Jugendlichen sich als Soldaten sehen, die in ihrer ideologischen Phantasie einen imaginären Auft rag ausführen, ähnlich wie es für religiös-fundamentalistische Attentäter charakteristisch ist. Rechte Gewalt gerät dadurch in die Nähe zu solchen Definitionen, wie sie traditionell für den Begriff des „Terrorismus“ gegeben werden: „Unter Terrorismus möchte ich verstehen erstens eine Reihe von vorsätzlichen Akten direkter, physischer Gewalt, die zweitens punktuell und unvorhersehbar, aber systematisch drittens mit dem Ziel psychischer Wirkung auf andere als das physisch getroffene Opfer viertens im Rahmen einer politischen Strategie ausgeführt werden.“ (Hess 1988, S. 59). Betrachtet man das Handeln rechtsmotivierter Täter im Lichte dieser Definition, so ist unschwer zu erkennen, dass alle vier Kriterien bei der aktiven Ausübung Rechter Gewalt erfüllt werden, gemäß des imaginierten Auftrages „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“. Das vorherrschende Motiv zur Tatausführung wäre demnach kein innerpsychisches Überforderungsgefühl, sondern ein soldatisches Pflichtbewusstsein als „Kämpfer für eine gerechte Sache“, so wie es schon für ihre (Ur-)Großvätergeneration charakteristisch gewesen ist. Doch wie gezeigt werden konnte, kommt es im Kontext der Ursachenforschung durchaus nicht selten vor, dass ein solcher Zusammenhang schlichtweg geleugnet wird und Rechte Gewalt ausschließlich als Symptom einer übergeordneten Problematik gilt. So ist in einem Fachbuch zum Thema „Rechtsextremismus“ der Hinweis zu lesen: „Will man die politische Aggression als das sehen, was sie ist, nämlich Lust an der Gewalt, dann muss man sich mit der Psychodynamik der ausgelebten Aggression auseinander setzen.“ (Klüsche 1994, S. 142) Dem entsprechend heißt es bei Erich Pommerenke, bei Rechter Gewalt handele es sich nicht um ein politisch bestimmtes Richtungshandeln, „[...] sondern darum, sich mit Hilfe von Gewalt auszudrücken. Dafür spricht auch, dass die Opfer immer beliebiger werden. Neben Asylbewerbern, Türken und anderen Ausländern sind Obdachlose, Behinderte, alte Menschen, Homosexuelle und (vermeintliche) Juden Adressaten jugendlicher Gewalt.“ (Pommerenke 1994, S. 97) Der hier vertretene Fokus auf die „Jugendlichkeit der Handelnden“ bei der Ausübung von Gewalt kann als eine De-Thematisierung des Faktors eines Ziels solcher Handlungen gelesen werden. Wie gezeigt werden konnte, sind die Opfer Rechter Gewalt keineswegs zufällig, sie werden erst durch Teile der Forschung dazu gemacht, indem ihr Status analytisch nicht integriert wird. Im Ergebnis lautet
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eine solche Diagnose: Nicht das Politische der Tat, sondern die Innenwelt des Täters soll primär im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Genau diesen Mechanismus hat die Soziologin Birgit Rommelspacher als „Enthistorisierung und Entpolitisierung“ scharf kritisiert: „Die Ideologie oder der Gewaltakt werden zum Ausdruck unbewältigter Probleme. Der Gewinn auf Seiten des Täters und der Verlust auf Seiten des Opfers spielen keine Rolle mehr.“ (Rommelspacher 1993, S. 170) Aus Sicht einer Forschung nach den Ursachen drängt sich dadurch die Frage auf, wer überhaupt festlegt, ob es für Gewalt unter Umständen historische Vorlagen gibt? Sind es in erster Linie die Täter selber? Oder ist es vielleicht nicht gerade die Aufgabe von Wissenschaft, die Möglichkeit solcher Bezüge mindestens zu überprüfen, bevor in einer solchen Form geurteilt werden kann? Selbst wenn es stimmen würde, dass die aktuellen Protagonisten Rechter Gewalt ihre Taten nicht mit historischen Analogien versorgen oder diese Bezüge in Befragungen nur fragmentarisch auftauchen, so darf doch der Appell an den Gebrauch eines dezidiert geschichtlichen Bewusstseins auf Seiten einer analytischen Untersuchung dieser Gewalt nicht aufgegeben werden. Es sollte nicht ignoriert werden, dass diese Taten unter Umständen eben kein genuin neues, sondern ein ideengeschichtliches Nachfolgeproblem innerhalb der politischen Kultur der deutschen Republik darstellen: „Unter diesem Blickwinkel ist die Auseinandersetzung mit Auschwitz und dem Nationalsozialismus nicht mehr nur eine nach rückwärts gewandte moralische Verpflichtung, sondern ein zivilisatorischer Imperativ“ (Silbermann/Stoffers 2000, S. 192)38 Es gilt also zu bedenken, das Phänomen der Rechten Gewalt in Deutschland nicht unter Ausschluss derjenigen Dimensionen zu betrachten, mit denen es geschichtlich notwendig verbunden ist. Dabei geht bei einer möglichen Anwendung dieser Art von „Imperativ“ innerhalb der Forschung in erster Linie um die Bezugspunkte des Fokus, mit dem von Seiten der Wissenschaft auf das Thema der Rechten Gewalt geschaut wird und um die fachlichen Begriffe, die aufgrund dessen zur Beschreibung dieses Problembereichs gewählt werden.39 38 | Dagegen scheint eine Vernachlässigung möglicher Traditionslinien aktueller und historischer Rechter Gewalt gerade im Hinblick auf eine vergleichende Phänomenologie nicht statthaft zu sein. So lässt sich in der „Enzyklopädie des Holocaust“ unter dem Stichwort „Antisemitismus“ ein Abschnitt fi nden, in welchem, anhand einer Schilderung der Angriffe gegen Ausländer und den Anschlägen auf jüdische Gedenkstätten Anfang und Mitte der 90er Jahre, die Einschätzung getroffen wird: „Diese Vorfälle verdeutlichen, dass weder der im östlichen Deutschland während der letzten 45 Jahre staatlich verordnete ‚Antifaschismus‘ noch die im westlichen Deutschland betriebene ‚Vergangenheitsbewältigung‘ in der Lage waren, in breiteren Bevölkerungskreisen ein hinreichendes Bewusstsein der Ursachen und Folgen des Nationalsozialismus sowie der daraus resultierenden spezifisch deutschen Verantwortlichkeit zu entwickeln.“ (vgl. Gutman/Jäckel/Longerich/Schoeps 1998, Band 1, S. 68) 39 | Vgl. dazu: „Die Wahl der sprachlichen Konventionen zur Bezeichnung des rechtsextremistischen Komplexes ist selbst in hohem Maße politisch aufgeladen. [...] Da in der Wahl der Terminologie Grenzen gezogen werden, die darüber entscheiden, welche Formen von Kritik, politischer Praxis, alltäglichen Verhaltensmustern und hi-
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Mit Baudrillard anzunehmen, die Täter würden nach dem Motto handeln „...denn sie wissen nicht, was sie tun“,40 könnte unter Umständen bedeuten, durch die Ausblendung politischer Bezüge Tat und Täter im Hinblick auf ihre Handlungsmotivation in erheblichem Maße zu trivialisieren.41 Die Täter sind nach diesem Verständnis dann schlichtweg Irre, die aus dem rationalen Begründungsdiskurs herausfallen. Gerade eine deutsche Rechtsextremismusforschung sollte aber auf der Integration historischer Dimensionen des Phänomens Rechte Gewalt nicht ohne Not verzichten, sondern sich daran erinnern, dass selbst bei den größten deutschen Kriegsverbrechern bis auf einige Ausnahmen keine pathologische Störungen diagnostiziert wurden. Die Anwendung extremer Gewalt kann danach nicht umstandslos als Indiz für eine extreme Charakterstörung gelten, sondern muss als direktes Resultat einer weltanschaulichen Orientierung angesehen werden. So kommt eine wissenschaft liche Befragung zu dem Ergebnis: „Je mehr sich Jugendliche sich dem ‚rechten Lager‘ zugehörig fühlen, desto mehr neigen sie auch zur Gewalt, und desto stärker storischen Bezügen die demokratische Gesellschaft tolerieren will oder welche sie als Bedrohung kennzeichnet, wird auch die wissenschaft liche Diskussion konfl iktreich.“ (Institut für Sozialforschung, 1994, S. 4) 40 | Dieses Zitat bezieht sich auf den gleichnamigen Film mit James Dean in der Hauptrolle, der in den 50er Jahren in Deutschland sehr erfolgreich gewesen ist. Im amerikanischen Original heißt der Film allerdings „Rebel without a cause“, was eine erhebliche semantische Differenz markiert. Es ist zu vermuten, dass der anders lautende Titel im deutschen Verleih vor dem gesellschaft spolitischen Hintergrund der so genannten Halbstarken-Krawalle gewählt wurde, um die vorherrschende Meinung zu diesem Problem werbewirksam auf den Punkt zu bringen. Tatsächlich handelt der Film nicht etwa von einer kollektiven Unbewusstheit, sondern von einem Vater-Sohn-Konfl ikt. Zur Wahrnehmung der „Halbstarken“ grundlegend: Grotum 1998 41 | Der Begriff der „Trivialisierung“ entstammt dem konstruktivistischen Ansatz von Heinz von Foerster, der sich damit kritisch gegen eine sozialwissenschaftliche Subjektvorstellung richtet, nach deren Entwurf Menschen wie „triviale Maschinen“ handeln würden: „Die Unterscheidung von trivialen und nicht-trivialen Maschinen bietet die Möglichkeit, jenen Verflachungen, die die Kausalitätsidee erzeugt, deutlich zu machen. [...] Man stelle sich eine Gruppe von Ereignissen vor, die wir formal mit A, B, C und D und mit den Zahlen 1,2,3 und 4 bezeichnen können. Im Fall einer trivialen Maschine zeigt sich, dass es eine gesetzmäßige Beziehung gibt zwischen diesen Ereignissen gibt. Das heißt: Aus einem gegebenen Reiz, einer Ursache, einem Input produziert sie, einer vorgegebenen Regel folgend, verläßlich und stets fehlerfrei eine entsprechende Reaktion, eine Wirkung, einen Output.“ (Von Foerster/Pörksen 2001, S. 54) Von Foerster geht entgegen diesem Modell davon aus, dass der Mensch eine „Nicht-Triviale“ Maschine darstellt, dessen Handlungen nicht in dieser Form vorhersehbar oder determiniert sind. Allerdings gibt es nach Ansicht von Foersters erhebliche Tendenzen dazu, Menschen und ihre Handlungen in diesem Sinne zu trivialisieren. Daher wäre eine solche „Trivialisierung“ eben kein singulärer Denkansatz der Person Baudrillards, sondern es ließe sich damit eine entsprechende Tendenz innerhalb der Ursachenforschung als Problem markieren. (vgl. dazu besonders Abschnitt 1.2. der vorliegenden Arbeit)
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betrachten sie Gewalt als Mittel der Durchsetzung eigener Interessen.“ (Pilz 1994, S. 30) Das würde für die Position sprechen, dass rechtsmotivierte Taten nicht von unpolitischen Personen verübt werden. Eine entsprechende Gegenposition zur Aussage von Jean Baudrillard könnte demnach lauten: Es gibt gute Gründe, bei Rechter Gewalt von einer Tätergruppe auszugehen, die diese Handlungsform als terroristisches Kalkül einsetzt. Entscheidend ist jedoch: Für eine adäquate Einschätzung rechtspolitischer Taten dürften nicht in erster Linie Vermutungen über das Ausmaß und den Grad von Wissen oder Nicht-Wissen auf Seiten der Täter den Gegenstand der Forschung bilden, sondern es sollte die Einnahme einer Perspektive im Vordergrund stehen, bei der durch spezifische Hintergrundannahmen Zusammenhänge mit der NS-Zeit als „[...] historisch letzte große Ausprägung des Rechtsextremismus in diesem Lande“ (Zundel 1982, S. 234) herzustellen wären oder eben nicht. Das wiederum würde jedoch eine Position der Beobachtung notwendig machen, die solche Phänomene auch mit explizit ideengeschichtlichen, d.h. auch politischen Wertbezügen verbindet.42 Rechte Gewalt ist danach als Handlungsform zu begreifen, die mit gesellschaftspolitischen Kriterien in Beziehung gesetzt werden muss, um analysiert werden zu können. Auf diesen Umstand hat besonders Theodor W. Adorno aufmerksam zu machen versucht, als er im Zuge der Auseinandersetzung um die so genannten Schmierwellen 43 Ende der fünfziger Jahre die Position formulierte: 42 | Ein solcher forschungsinterner Bezug auf „Werte“ wird allerdings kontrovers diskutiert und ist innerhalb der verschiedenen Erklärungsansätze und Studiendesigns in der Regel nicht üblich. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet die Untersuchung von Maren Oepke, in welcher die Anwesenheit von rechtem Extremismus (inklusive der damit zusammenhängenden Gewalt) als Problem benannt wird, welches aufgrund seines Widerspruchs zum normativen Ideal eines „demokratischen Ethos“ innerhalb des Forschungsinteresses als negativ bewertet werden muss. Der Schwerpunkt dieses Interesses liegt bei Oepke deshalb auf der pädagogischen Intention, „[...] dass rechtsextreme Einstellungen eine Disposition im Zögling darstellen, deren Entstehung unterbunden werden sollte.“ (Oepke 2005, S. 29) Wichtig bleibt in diesem Zusammenhang die Frage, mit welchen Hintergrundannahmen dieses „Unterbinden“ als eine sinnvolle pädagogische Praxis gestaltet werden soll. Wenn Rechtsextremismus primär nur als Abweichung von einer pädagogischen Norm begriffen wird, verbleibt der „Zögling“ im Status eines zu behandelnden Objektes im Rahmen einer funktionalistischen Anpassungslogik. Rechtsextremismus könnte aber vor allem ein moralisches Problem sein, welches sich direkt im Normenhaushalt der handelnden Subjekte stellt. 43 | In der Weihnachtsnacht 1959 wurde die Kölner Synagoge mit antisemitischen Parolen und Hakenkreuzen beschmiert. Die Täter waren 23 und 25 Jahre alt und Mitglieder der „Sozialistischen Reichspartei“ (SRP). Im Anschluss an diese Tat fanden überall in der Bundesrepublik ähnliche Taten statt. In einer Untersuchung der Ereignisse durch die Bundesregierung wurde festgestellt, dass es sich bei einer großen Zahl der Delikte (48 Prozent) angeblich um „Unpolitische Rowdy- und Rauschtaten“ und nur bei 24 Prozent um „Affektund Rauschtaten aus unterschwellig antisemitischen, nazistischen und antidemokratischen Motiven“ gehandelt habe. Im öffentlichen Diskurs wurde weiterhin spekuliert, ob nicht die DDR diese Aktionen geplant habe, um die BRD in moralischen Misskredit zu bringen. (vgl. dazu: Benz 1993) Zudem wurde versucht, diese Taten als „jugendliche Flegeleien“
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„Insbesondere die immer aufgeworfenen Fragen, ob es sich um ein gesteuertes Unternehmen oder um Streiche derjenigen handelt, die man durch den Namen Halbstarke eigentlich erst zu dem macht, als was sie sich dann betätigen, wird kaum den Ereignissen gerecht. Wenn in der Tat [...] objektive Verhältnisse und Tendenzen den Rückfall ins Unheil produzieren, dann verlieren solche Alternativen doch wohl ihren Sinn.“ (Adorno 1962, S. 816, Herv. S.D.)
Deutlich ist hier als Aufgabe wissenschaft licher Analyse der Anspruch heraus zu lesen, das „Objektive“ dessen zu markieren, was sich in solchen Taten als Ereignis generiert. Um aber unter Umständen das Moment eines „Rückfalls“ in einer rechtsmotivierten Tat erblicken zu können, braucht es auf Seiten der Forschung mindestens das gedankliche Instrument der Vorstellung einer solchen Möglichkeit als notwendige Vorbedingung. Erst dann wäre eine anschließende wissenschaft liche Analyse überhaupt in der Lage, zu prüfen, ob vielleicht im Fall rechter Gewaltphänomene objektiv ein solcher „Rückfall ins Unheil“ vorliegen könnte. Für ein derartiges analytisches Vorhaben wäre aber eine Identifi zierung der politischen Wertanteile, welche in dieser Gewalt unter Umständen enthalten sind, ein maßgebliches Kriterium. Ohne die Fähigkeit zur Bestimmung des eventuell gemeinsamen Wertehaushaltes eines neuen und alten Rechtsextremismus wären nämlich etwaige Verwandtschaftsbeziehungen zwischen diesen beiden Formen politischen Handelns kaum erkennbar. Hinweise auf solch eine Beziehung lassen sich auch im Phänomen der intergenerativen Tradierung aufzeigen. So sind die Täter oft mals durch das familiäre Umfeld von Eltern und Großeltern entsprechend vorgeprägt: „Eine rechtsgerichtete Identität hatten sie mitunter bereits in früher Kindheit dadurch erworben, dass ihre Familie sich mit Teilen der idealisierten nationalsozialistischen Ideologie und Herrschaft immer noch verbunden fühlte. Ihre illusionären Vorstellungen und Wünsche von einem hierarchisch durchstrukturierten, kontrollierten, totalitären und idealisierten NS-Staat, in dem die Welt noch in Ordnung war und in dem jeder seinen Platz hatte, wurde nicht durch die verleugnete Niederlage von 1945 oder durch den ebenfalls verleugneten Holocaust [...] infrage gestellt [...].“ (Hardtmann 2007, S. 48)
Die unkritische Übernahme dieser Erzählungen dient auf Seiten der Täter also dazu, sich eine Identität als Kämpfer für die gleiche Sache aufzubauen, für die schon ihre Vorfahren gekämpft haben. Deshalb kommt Harald Welzer zu dem Schluss: „Vergangenheit und Gegenwart lassen sich weder intra- noch intergenerativ strikt voneinander trennen.“ (Welzer 1999, S. 24) Vor diesem Hintergrund ist es mehr als bedauerlich, wenn in einer Analyse von wissenschaft lichen Erklärungsansätzen des Rechtsextremismus (vgl. Albrecht/ Kilchling 2002, S. 82-93) davon gesprochen wird, dass diese sich vorwiegend auf allgemeine Faktoren wie sozialer Wandel, Desintegration und Beschäft igungslosig(Adenauer) abzuwerten, zur Behandlung der Täter wurde dem entsprechend eine „ordentliche Tracht Prügel“ empfohlen. (vgl. dazu Butterwege 2002, S. 101 ff )
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keit beziehen. Die spezifische Ideologie eines fanatischen deutschen Nationalismus, durch welche die Objekte der Gewalt überhaupt erst als Fremde definiert werden, wird dabei analytisch nicht einbezogen.44 Dagegen lässt sich feststellen: „Es ist offensichtlich, dass sich diese gegen ausländische und ethnische Minoritäten gerichteten Gewaltausbrüche teilweise auf ein ‚kollektives Bewusstsein‘ beziehen, das sich um die Themen der Nation, des Nationalstaats sowie um kulturelles und rassische Unterschiede seit den achtziger Jahren wieder sichtbar entwickelt.“ (Albrecht/Kichling 2002, S. 87) Rechte Gewalt könnte also unter Umständen als Teil eines wieder erwachenden deutschen Nationalismus interpretiert werden, der sich positiv auf seine dunkelste Geschichte bezieht.45 Ein solcher Schluss wäre jedoch nur möglich, wenn innerhalb einer Analyse des Problembereiches Kategorien wie z.B. Nationalismus als politische Deutungsdimension zur Anwendung kommen, die dann in der Folge in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand Rechte Gewalt plausibel gemacht werden könnten. Den historisch-politischen Gehalt von Werten und Leitbildern in der aktuellen Phänomenologie Rechter Gewalt zu lokalisieren und deren Bezüge zu thematisieren, scheint sich für den wissenschaft lichen Anspruch einer Erklärung dieses Phänomens geradezu aufzudrängen. Das wiederum betrifft erneut den Vorgang der sprachlichen Benennung jener Taten, denn markiert wird die Bedeutung einer Sache in der Regel durch die Art des begrifflichen Systems, welches in Bezug auf diese zur Anwendung kommt. Am Ende dieses Arbeit wird deshalb nochmals dafür plädiert, Rechte Gewalt als Form des politischen Handelns zu sehen, welches sich direkt auf ideologisch rechts gerichtete Wertorientierungen bezieht, unter Einschluss der historischen Dimension der NS-Vergangenheit. Als Fazit dieses Abschnittes soll daher der Vorschlag formuliert werden: 44 | Die Autoren schreiben hierzu: „Aus soziologischer Perspektive haben sich in der Erklärung der nach der Wiedervereinigung Deutschlands steigenden Zahl von polizeilich registrierten Vorfällen der Gewalt gegen ethnische Minderheiten vor allem Erklärungskonzepte ergeben, die auf Individualisierung und damit Probleme der Integration in modernen Gesellschaften verweisen.“ (Albrecht/Kichling 2002, S. 86) Die geringe Erklärungskraft dieser Ansätze liegt vor allem darin begründet, dass die dort beschriebenen Tendenzen für eine relativ große Anzahl von Menschen unterschiedliche Problemlagen produzieren. Nur ein kleiner Teil dieser Menschen wird aber gleichzeitig auch als rechter Gewalttäter auff ällig. 45 | Vgl. dazu besonders die Einschätzung von Michael Venner: „Seit jeher ist ‚Nation‘ der ideologische Schlüsselbegriff des Rechtsextremismus. Gleichzeitig bildet er auch eine Verbindung zu Teilen des konservativen Spektrums. Neben der nicht zu unterschätzenden emotionalen Komponente bezieht der Begriff seine überragende Bedeutung für alle Konzepte am rechten Rand aus der ihm hier zukommenden obersten Wertepriorität.“ (Venner 1994 S. 10) Weiter heißt es dort: „Wohin die übersteigerte ‚Nationalisierung‘ politischer Problemlagen führen kann, zeigt sich beispielsweise in den Angriffen auf Asylbewerber und andere Einwanderer nicht nur in Ostdeutschland.“ (Venner 1994, S. 133)
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Rechte Gewalt in Deutschland ist ein Nachfolgeproblem der deutschen NS-Vergangenheit, weil sich in ihr eine intergenerative Tradierung von ideologischen Werten der (Ur-)Großvätergeneration durch die Enkel zeigt. Dieser Kontext ist im Rahmen einer wissenschaftlichen Ursachenforschung und auch innerhalb der praktischen Sozialarbeit unbedingt zu bedenken und zum Thema zu machen. Eine solche Thematisierung bezieht sich dabei in erster Linie auf das Aufspüren von möglichen Verwandtschaftsbeziehungen zwischen diesen beiden Phänomenen und erst in zweiter Linie auf der Betonung von Unterschieden. Wer in Deutschland von Rechter Gewalt sprechen möchte, darf den damit zusammenhängenden Bezug zum deutschen Nationalsozialismus also nicht unterschlagen. Für den Arbeitsauft rag einer gesellschaft lichen Prävention ergibt sich daraus eine dauerhafte Thematisierung dieses Zusammenhangs, eine Aufgabe, die besonders innerhalb der verschiedenen Bildungsinstitutionen von besonderer Wichtigkeit ist. Dazu würde es auch gehören, Konzepte zurück zu weisen, in denen diese Dimension nicht integriert wird. So heißt es in einer Empfehlung der Bundesregierung zum „Stellenwert pädagogischer Prävention“: „Zunächst ist und bleibt die Verhinderung und Bekämpfung von Rechtsextremismus eine politische Aufgabe. Und da spielt die Verringerung von Jugendarbeitslosigkeit, die Stärkung der Familie, die Förderung einer kinder- und jugendfreundlichen Umwelt, die Weiterentwicklung des Generationenvertrages, die Sicherung der sozialen Komponente der Marktwirtschaft unter dem Vorzeichen von Globalisierung und damit die Minimierung von der Zahl der Modernisierungsverlierer eine wichtige Rolle, ebenso Einwanderungsregelungen und die Integration. [...] Dieser Aspekt muss auch Gegenstand unterrichtlicher Behandlung sein, in möglichst konkreter, fall- und erfahrungsbezogener Form.“ (Redwanz 2000, S. 16)
Mit der Aufl istung dieser Themen ist die These zu Grunde gelegt, dass Rechte Gewalt im Ergebnis vor allem eine Reaktion auf gesellschaftliche Gefährdungslagen darstellt, weil davon ausgegangen wird, dass eine positivere Gestaltung dieser Umstände den Gewalttätern ihre Motivation entziehen würde und damit als „Prävention“ zu bezeichnen wäre. Dieser anbiedernde Reduktionismus unterschlägt die Rolle und die Funktion der rechtspolitischen Ideologie bei der Ausübung Rechter Gewalt nahezu komplett und de-thematisiert damit die gesamtgesellschaft liche Aufgabe, das Vordringen dieser Ideologie auf allen Ebenen zur zentralen Angelegenheit zu machen. Zu einer entsprechenden Thematisierung würde eben auch unbedingt die geschichtliche Dimension dieser politischen Orientierung gehören, egal, wie bewusst oder unbewusst sie den Tätern Rechter Gewalt im Einzelfall auch sein mag. Damit ein solcher Zusammenhang von ‚alter‘ und ‚neuer‘ Rechter Gewalt plausibel wird, ist eine historische Kontextualisierung der aktuellen Gewaltphänomene unerlässlich, was eine nachhaltige Kultur der Erinnerung an die Vergangenheit erforderlich macht: „Wer die kulturelle Formung der Erinnerung radikal abwehrt, muss darauf gefasst sein, dass ihn die Vergangenheit in unkontrollierten Schüben heimsucht. Denn eine traumatisierte Vergangenheit, die nicht erinnert wird, fängt
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an zu spuken.“ (Assmann 2007, S. 249) Wo es also um die Darstellung, Deutung und Vermittlung sozialer Vorgänge geht, müsste die Erinnerung an die historischen Bezüge der aktuellen Praktiken Rechter Gewalt als massive Abweichung von einem Leitbild des friedlichen Zusammenlebens ihre feste und nachhaltige Verankerung in gesellschaft liche und institutionelle Lernprozesse finden. Solche Prozesse können jedoch nur dann überzeugend gestaltet werden, wenn sich die daran beteiligenden Pädagogen selber auch aktiv mit einem solchen Leitbild zu verbinden vermögen. Darüber hinaus ist es erforderlich, der Orientierung auf „Werte“ innerhalb der Institutionen einen festen Rahmen zu organisieren, so wie es z.B. die Gewaltkommission der Bundesregierung für den Bereich der schulischen Bildungsarbeit fordert: „Um die Wertorientierung als Bildungsziel und festen Bestandteil der schulischen Bildung zu verstärken, sollten ethische und politische Aspekte der Gewaltproblematik sowie die Förderung von Sozialkompetenz als fächerübergreifende Querschnittaufgabe in die Lehrpläne verschiedenster Fächer integriert werden.“ (Ministerkonferenz 2003, S. 13) Dabei sollte es oberstes Lehr- und Lernziel sein, Rechte Gewalt nicht als Problem der Lebensphase Jugend zu verstehen, sondern als grundlegende Provokation der gesamten Gesellschaft zu thematisieren, die sich aus dem Erbe der deutschen Vergangenheit ergibt. Alle bildungsrelevanten Institutionen wären damit aufgerufen, sich in diesem Sinne an solch einem Prozess zu beteiligen. Ein möglicher Ansatz dazu fi ndet sich bei Bohl, der den gesellschaftlichen Arbeitsauft rag, welcher seitens der Gesellschaft im Zusammenhang mit dem rechtspolitischen Extremismus exklusiv an die Adresse der Pädagogik gerichtet wird, ausdrücklich zurückweist: „Mit Blick auf das Thema Rechtsextremismus heißt das: Pädagogik ist gar nicht in erster Linie dazu da, dem Phänomen Rechtsextremismus zu begegnen, sondern ist dazu da, eine Arbeit zu leisten, die rechtsextremistischen Tendenzen und Phänomenen gar nicht erst Chancen einräumt, gar nicht erst Möglichkeiten zur Entfaltung bietet.“ (Bohl 2007, S. 145)
Eine solche Position geht davon aus, dass es vordringliche Aufgabe ist, den Spielraum rechtsideologischer Gruppen und Positionen kontinuierlich zu beschränken durch den Aufbau und die Förderung einer demokratisch und pluralistisch begründeten Gegenkultur. Dieser Blickwinkel wäre im Rahmen eines pädagogischen Paradigmenwechsels in Bezug auf das Problem der Rechten Gewalt und im Hinblick auf die Entwicklung einer anwendungsorientierten Fachkultur unbedingt weiter zu entwickeln. 46 Ein erster notwendiger Schritt wäre in jedem Fall ein konsequenter Abschied von der Praxis der „Ausblendung des Politischen“ innerhalb der fachlichen Auseinandersetzung über rechtsmotivierte Täter, damit der Blick frei wird auf die Di46 | Dafür wäre es sicher hilfreich, auch jene gesellschaft lichen Initiativen einzubeziehen, die trotz eines hohen und kontinuierlichen Engagements Gegen Rechts innerhalb des Diskurses über gesellschaft liche Gegenmaßnahmen kaum auftauchen, wie z.B. Gruppen und Personen, die im Bereich der so genannten „Antifa“ aktiv sind, aber eben abseits der Aufmerksamkeit und jenseits staatlicher Förderungsprogramme handeln.
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mension der Herausforderung, mit der man es im Fall der Rechten Gewalt und ihren Protagonisten zu tun hat: Mit einer politische Strategie, die durch terroristische Aktionen versucht, den gesellschaft lich gültigen Grundkonsens einer Sicherung der allgemeinen Menschenrechte aktiv zu dekonstruieren. Eine solche Wahrnehmung erfordert jedoch eine eindeutige politische Selbstverortung der pädagogischen Akteure durch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik. Dafür wollte das vorliegende Buch einen konstruktiven Beitrag liefern. Mit diesem Fazit soll dieser Abschnitt und damit auch das vierte Kapitel beendet werden. Der Hauptteil einer kritischen Untersuchung jugendtheoretischer Erklärungsansätze kann somit beendet werden. Das nächste Kapitel soll jedoch in Form eines kurzen Rückblicks und als Zusammenfassung die bisherigen Elemente des Argumentationsverlaufs noch einmal zur Sprache bringen und die Diskussion im Rahmen dieses Buches damit abschließen.
5. Zusammenfassung und Ausblick
Das hauptsächliche Ziel dieser durchaus kritischen Diskussion ist es gewesen, Fragen zu stellen. Wer dagegen beim Lesen des Buches in erster Linie nach Antworten gesucht hat, wird unter Umständen enttäuscht sein: Es ging in erster Linie darum, die hegemonialen Prämissen jugendbezogener Erklärungsansätze Rechter Gewalt zu rekonstruieren, zu kritisieren und damit dekonstruieren zu können. Mit diesem Kapitel soll dieses Vorhaben nun beendet werden. Es soll darin noch einmal abschließend dafür plädiert werden, den Faktor Jugend nicht länger zur Erklärung Rechter Gewalt heranzuziehen. Zu diesem Zweck wird der Verlauf der bisherigen Auseinandersetzung kurz und bündig rekonstruiert sowie im Rahmen einer Schlussbetrachtung die wesentlichen Aufgaben zukünft iger Präventionsansätze skizziert, so dass doch noch ein kleiner Ausblick auf mögliche Antworten realisiert werden könnte. Es ist am Anfang bereits gesagt und auch im Rückblick auf die in diesem Buch geführte inhaltlichen Auseinandersetzung deutlich geworden: Jede gesellschaftliche Praxis ist darauf angewiesen, ein klares Bild vom zu lösenden Problem zu besitzen, will sie ihre Handlungen nicht als zufällige Effekte, sondern als gesteuerte Intervention begreifen. In einem Fachbuch zur „Kriminologie der Gewalt“ heißt es deshalb: „Zur Verhütung und Kontrolle von Gewalt ist es zunächst erforderlich, klar und eindeutig gesellschaft lich zu definieren, was man unter Gewalt versteht [...].“ (Schneider 1994, S 201) Diese Prämisse wurde in den vorangegangenen Kapiteln auch für den Problembereich der Rechten Gewalt zu Grunde gelegt. Das rückte unweigerlich die Relevanz wissenschaft licher Diagnosen in den Mittelpunkt, die für den Blick auf dieses Problem den Einsatz jugendtheoretischer Deutungsmuster in besonderer Weise nahe legen. Die Struktur dieser Diagnosen stellte damit einen besonderen Forschungsgegenstand dar: „Verwendet man Diagnosen mit der gebotenen Skepsis als Hypothesen, die nicht nur etwas über die realisierte Dynamik eines Systems aussagen können, sondern insbesondere auch etwas über die jenseits der Bedeutungsattraktoren der beteiligten Möglichkeiten, so können sie als Denk- und Handlungswerkzeuge nützlich werden. Sie richten den Blick auf das Verhältnis von Attraktoren und den seltener realisierten Bereichen des Möglichen, auf das Verhältnis von Figur und Hintergrund, auf die Grenzen und Strukturen der gesamten Potenziallandschaft .“ (Schiebek 1999, S. 36)
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Diagnostische Aussagen in einem Diskurs können also somit als Deutungen gelesen werden, die etwas über die Praktiken verraten, die innerhalb dieses Diskurses ein Objekt in bestimmter Art und Weise hervorbringen, d.h. der Sprachgebrauch zur Bezeichnung einer Sache, die innerhalb eines Diskurses existiert, gibt Aufschluss über die jeweiligen theoretischen Hintergrundannahmen, die einer Diagnose zu Grunde liegen.1 Mit dieser Charakterisierung lässt sich nun ein gedanklicher Bogen schlagen zur Eingangs erläuterten Funktion gesellschaft licher Diskurse, denn jede Diagnose stellt eine klassifizierende Maßnahme im Rahmen einer Ordnung dar, die sich begrifflich eben auch als Effekt eines Diskurses deuten lässt, weil es als zentrale Funktion eines Diskurses bezeichnet werden kann, solche Defi nitionen festzulegen. Damit sind „[...] Diskurse ein anderer Ausdruck für eine symbolische Ordnung, die Unterschiede schafft, indem sie Unterschiede durch ihre Regeln festsetzt.“ (Reich 1998, S. 288) Die diagnostische Benennung eines Phänomens ist daher aus einer solchen Perspektive zugleich auch immer ein sinnstiftender Akt im Rahmen einer bestimmten Strategie der Welterklärung und repräsentiert ein spezifisches Ordnungssystem hegemonialer Beobachtungsperspektiven.2 Um die Rekonstruktion von solchen Perspektiven zum Zwecke einer fachlichen Reflexion im Hinblick auf das Phänomen der Rechten Gewalt und einer sich daraus ergebenen Kritik an einer De-Thematisierung des politischen Kontextes dieser Taten ging es zentral in diesem Buch. Dieses Vorhaben wurde in vier Arbeitsschritten umgesetzt: Im ersten Abschnitt (1.1) ging es zunächst um das Ausmaß Rechter Gewalt, wie es regelmäßig von den Bundesbehörden des Verfassungsschutzes und des BKA statistisch erfasst wird. Dabei wurde deutlich, dass sich diese Gewalttaten auf einem relativ hohen Niveau von ca. 800-1000 Fällen pro Jahr eingependelt haben und seit 1990 bis zum Jahre 2009 mindestens 149 Menschen das Leben kosteten. Die Benennung dieser Realität mit dem Terminus Rechte Gewalt wurde dann im zweiten Abschnitt (1.2) im Kontext der Forschung als Problem thematisiert. Es zeigte sich dabei, dass über die Benutzung dieses Fachbegriffes keine Einigkeit besteht. Dagegen fanden sich deutliche Hinweise auf Tendenzen, diese Gewalt im Zusammenhang mit allgemeinen Bedingungen des Aufwachsens junger Menschen zu thematisieren. In Folge dessen wird Rechte Gewalt oft als Jugendgewalt klassifiziert. Wer aber zur Jugend gehört, darüber besteht innerhalb der Sozialwissenschaften offenbar kein Konsens. Anschließend an diese Diagnose wurde der grundsätzliche Ansatz einer diskursanalytischen Fragestellung im Bereich Rechte Gewalt unter Rückgriff auf die Annahme der Existenz eines „Jugenddiskurses“ (vgl. Scherr 1996) innerhalb der sozialwissenschaft lichen Ursachenforschung entwickelt. (Abschnitt 1.3) Der analytische 1 | Lexikalisch wird der Begriff angegeben als: „Feststellen, Prüfen und Klassifizieren von Merkmalen mit dem Ziel der Einordnung zur Gewinnung eines Gesamtbildes.“ (In: Zeit-Lexikon 2005, Bd. 3, S. 436) 2 | So heißt es auch bei Keller: „Wie jeder Sprachgebrauch klassifi ziert also auch die Sprachverwendung in Diskursen die Welt, teilt sie in bestimmte Kategorien auf, die ihrer Erfahrung, Deutung und Behandlung zugrunde liegen.“ (Keller 2005, S. 24)
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Fokus auf jugendtheoretische Faktoren wurde dort als unzulässige Verlagerung des Problems des rechtsideologischen Extremismus von der gesellschaft lich-politischen auf die pädagogische, psychologische und soziologische Ebene kritisiert. Im Anschluss an diesen Befund wurde unter Bezugnahme auf die Theorie der Diskurse eine eigene Fragestellung entwickelt, die sich vor allem auf die konkrete Funktionsweise solch eines Diskurses bezog. Vermutet wurde, dass sich die Plausibilität eines Jugenddiskurses ganz zentral über die Deutungsfigur des Jugendlichen herleiten lässt. Diese Figur, so wurde angenommen, wirkt als interdiskursive Formation quer durch die verschiedenen wissenschaft lichen Fachdisziplinen und Erklärungsansätze. Die Wirkung dieser Formation innerhalb des Forschungsfeldes „Diskurs über Rechte Gewalt“ sollte in der Folge im Wesentlichen am Beispiel zweier thematischer Dimensionen besonders deutlich gemacht werden: Zum einen handelte es sich dabei um die Dominanz des Faktors „Jugend“, welchem unterstellt wurde, dass die Wahrnehmung rechtsideologischer Täter als Effekt eines jugendtheoretischen Deutungsmusters in erster Linie über die Angehörigkeit zu einer Altersklasse („Jugendliche“) funktioniert, und nicht über den zu vermutenden politischen Hintergrund dieser Taten. Daran anschließend wurde für den zweiten Diskursstrang, der „De-Thematisierung des Politischen“, vermutet, dass eine solche jugendspezifische Interpretation politischer Gewaltanwendung die Diskussion um die Ursachen jener Handlungen in der Form negativ beeinflusst, dass die Anwendung politischer Deutungskriterien aus der wissenschaft lichen Analysearbeit tendenziell ausgegrenzt werden, was auch die Position der Opfer betrifft. Beide Vermutungen wurden in der Folge als unabhängige Kapitel strukturiert, wenn auch von einer faktischen Durchdringung dieser beiden Diskursstränge in der Realität ausgegangen werden kann. Im ersten Abschnitt des zweiten Kapitels (2.1) lag der Fokus deshalb zunächst auf der semantischen Lokalisierung rechtspolitischer Täter als Jugendliche. Es konnte dabei an mehreren Beispielen deutlich gemacht werden, unter welchen Voraussetzungen eine solche jugendtheoretische Zuordnung möglich wird. Diese Zuordnungen wurden anhand einer zentralen Untersuchung zu den Tätern Rechter Gewalt (vgl. Willems et al. 1993) nach gezeichnet und inhaltlich in Frage gestellt. Es zeigte sich dabei, dass innerhalb einer jugendtheoretischen Interpretationspraxis das Bild des Jugendlichen als Opfer besonders dominant war. Diese Konzeptionierung wurde deshalb im anschließenden Abschnitt genauer untersucht. Es wurde möglich, besonders im Hinblick auf das Opferkonzept des Jugendlichen eine Basiserzählung auszumachen, wo wesentliche theoretische Elemente zum Blick auf „Jugend, Gewalt und Rechtsextremismus“ im Sinne dieses Konzeptes zu Grunde gelegt worden sind. Dabei handelte es sich um das Erklärungsmodell des „soziologischen Rechtextremismus“ von Wilhelm Heitmeyer, welches im Verlauf des Abschnitts 2.2 kritisch auf seine jugendtheoretischen Prämissen befragt werden konnte. Die Auswirkungen dieser theoretischen Grundlegung, besonders im pädagogischen Theorie-Praxis-Transfer, waren das Thema des dritten Abschnitts (2.3), wo die Prämissen zur „Jugendlichkeit der Handelnden“ (vgl. Herz 1996) als Paradigma zur Entwicklung präventiver Ansätze eine direkte Übernahme fanden. Die damit zusammenhängenden Probleme wurden anhand der Praxisempfehlungen der so genannten „Akzeptierenden Sozialarbeit mit rechten Jugendlichen“ (vgl. Krafeld 1993)
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diskutiert. Besonders die Ausgrenzung politischer Handlungsbegründungen im Kontext dieses Ansatzes wurde dabei als pädagogische „Halbierung des Subjekts“ kritisiert. Als wesentlich für den Erfolg von jeder denkbaren Form präventiver Arbeit wurde im Hinblick auf den Komplex Rechte Gewalt deshalb die Erarbeitung einer differenzierten Diagnose des Problems erachtet. Dass diese nicht unter Abstraktion von politischen Kriterien erfolgen sollte, bildete dann das hauptsächliche Thema des zweiten Diskursstrangs, der „Ausblendung der politischen Prämissen Rechter Gewalt“. Dort wurde im ersten Abschnitt (3.1) untersucht, wie es dazu kommen kann, dass trotz eines analytischen Fokus auf die Täter Rechter Gewalt diese nicht als politisch gelten, sondern allgemeine Faktoren wie Frustration und Aggression als mögliche Ursachen thematisiert werden. Das, so die Kritik, birgt das Risiko einer De-Thematisierung der ideologischen Orientierungen, indem davon ausgegangen wird, dass es vor allem soziale Problemlagen sind, aus denen heraus Rechte Gewalt verübt wird. Erneut wurde sich zur Nachzeichnung dieser Position auf die Untersuchung von Willems (vgl. Willems 1993) bezogen, wobei den dort vorgenommenen Deutungen alternative Erklärungsmöglichkeiten entgegen gesetzt werden konnten. Nachfolgend widmete sich der Abschnitt 3.2 dann der Vermutung, dass der DeThematisierung politischer Handlungsbegründungen ein Verständnis vom Wesen des Politischen zu Grunde liegen könnte, welches zu anspruchsvoll konzipiert ist, um die Spezifi k rechtsmotivierter Politik in den Blick bekommen zu können. Vor allem durch einen Rückgriff auf die Bestimmung des Politischen durch Carl Schmitt konnte gezeigt werden, dass es nicht unbedingt das Kriterium eines „geschlossenen Weltbildes“ ist, was über die Klassifi kation einer Handlung als politisch entscheidet, sondern die dabei zu Tage tretende Logik einer Unterscheidung zwischen Freund und Feind. Diese Unterscheidung, so die zentrale Anschlussthese, wird auch im Fall der Rechten Gewalt vor allem entlang politischer Kategorien entwickelt. Der Abschnitt 3.3 legte diese These deshalb als zentrale Prämisse zu Grunde und fragte in Folge dessen nach der Struktur der Opferbildung im Kontext Rechter Gewalt. Diese Frage machte einen grundsätzlichen Perspektivwechsel notwendig, wo innerhalb der Bestimmungsarbeit der Ort der Ausübung einer Gewalttat verlassen wurde, um die Person des Opfers analytisch integrieren zu können. Anhand einer Typologie der von Rechter Gewalt betroffenen Menschen konnte dann herausgearbeitet werden, dass diese Gewalt eben keine „zufälligen Opfer“ (Marneros 2002) generiert, sondern sich auf ganz bestimmte gesellschaft liche Gruppen konzentriert, die im Rahmen einer rechtspolitischen Ideologie als Feindgruppen gelten. So konnte gezeigt werden, dass das Politische an einer rechtsextremen Tat nicht ausschließlich durch die Forschung nach der Motivation des Täters geklärt werden kann, sondern die Art und Weise der Feindauswahl objektiv eine Zuordnung zum Kontext eines entsprechenden Wertesystems erlaubt. Im vierten Kapitel schließlich wurde an die beiden Diskursstränge, der „Thematisierung von Jugend“ zum Einen und der „De-Thematisierung politischer Handlungsgründe“ zum Anderen, noch einmal mit der besonderen Fragestellung nach
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den Konsequenzen für den Transfer von Theorie und Praxis herangegangen. Für den ersten Diskursstrang (Kap. 4.1) wurde dabei ein zentrales Problem erörtert, welches sich bereits einleitend (Kap. 1.1) aus der terminologischen Bestimmung des Jugendbegriffes ergeben hatte. Dabei handelte es sich um den Befund einer grundsätzlichen „analytischen Vagheit“, die es zweifelhaft erschienen ließ, diesen Begriff in einem wissenschaft lichen Kontext zur Deutung und Erklärung von sozialen Phänomenen benutzen zu können. Die Existenz einer solchen begrifflichen Unschärfe konnte im Rahmen dieses Abschnitts dann bestätigt werden. Jeder Form jugendtheoretischer Deutungsarbeit liegt damit eine bedeutende terminologische Problematik der Unschärfe konstitutiv zu Grunde. Es wurde deshalb dafür plädiert, den Begriff des Jugendlichen nicht länger für den Zusammenhang mit wissenschaftlichen Versuchen zur Erklärung Rechter Gewalt zu verwenden. Der Abschnitt 4.2 widmete sich dann gesondert dem Entwurf einer Subjektkonstitution, mit welchem es möglich wäre, Rechte Gewalt nicht als das zufällige Ergebnis unbewusster Handlungen, sondern als Ausdruck einer politischen Subjektivität zu deuten. Dieses Vorhaben wurde durch eine Bezugnahme auf die theoretischen Ansätze von Klaus Holzkamp (Holzkamp 1997) und Susanne Mantino (Mantino 1999) umzusetzen versucht. Es wurde vorgeschlagen, für den Blick auf rechtsideologische Täter von einer besonderen Form der politischen Handlungsrationalität dieser Personengruppe auszugehen. Abschließend wurde im Abschnitt 4.3 dann die Frage erörtert, inwieweit die Rechte Gewalt vor dem Hintergrund der deutschen NS-Vergangenheit interpretiert werden könnte und müsste. Ohne die Einbeziehung dieser historischen Bezugsgröße, so die Argumentation, erscheint es nicht möglich zu sein, die intergenerative ideologische Verbindung aktueller rechtsmotivierter Gewalttäter mit den Vernichtungsphantasien und -praktiken ihrer (Ur-)Großväter erkennen und analysieren zu können. Dies könnte jedoch eine bedeutende Aufgabe im Kontext der deutschen Rechtsextremismusforschung darstellen. Besonders im Hinblick auf die besondere Verantwortung der Wissenschaft dieser Gewalt gegenüber wurde diese Position zu begründen versucht. Was folgt nun aus diesen Erkenntnissen? Es ließe sich vielleicht sagen: Jede Form der gesellschaft lichen Prävention Rechter Gewalt steht vor der Aufgabe, die in diesem Buch heraus gearbeiteten Gesichtspunkte in künft ige Konzeptionen zu integrieren, um nicht am Problem vorbei zu agieren. Besonders im Hinblick auf die Verwendung und Verbreitung der analytischen Kategorie Jugendlichkeit wurde ja argumentiert, dass dieser Begriff innerhalb und auch außerhalb der verschiedenen Erklärungsansätze keinerlei terminologische Klarheit besitzt. Mit Hilfe dieses analytisch unzureichenden Begriffs einen Rückgriff auf vermutete Eigenschaften der unter ihm versammelten Personen zu tätigen, verbietet sich daher von selbst: „Ein sozialwissenschaft licher Jugendbegriff hat [...] zu berücksichtigen, dass Jugend keine homogene Sozialgruppe mit gemeinsamen und einheitlichen Lebensbedingungen und Verhaltensmustern ist [...].“ (Schäfers/Scherr 2005, S. 22) Wenn Jugend als Basisreferenz des Begriffes Jugendlicher also die Eigenschaft besitzt, uneinheitlich und sozial indifferent zu sein, so lassen sich damit eben keine gesellschaft lichen Phänomene als jugendtypisch charakterisieren oder klassifi zieren.
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Diese Erkenntnis ist nun nicht nur im Bereich der Ursachenforschung, sondern auch für den Bereich der pädagogischen Prävention und der politischen Bildung direkt relevant. Die Integration ihrer Prämissen dürfte jedoch eine grundsätzliche Modifi kation der theoretischen Grundlagen praktischer Bildungs- und Sozialarbeit notwendig machen, soweit sie sich im Kontext der Prävention von Rechtsextremismus verorten lassen. Soweit es die Ausübung Rechter Gewalt betrifft, muss nicht diff us von Jugendlichen, sondern von politisch motivierten Tätern ausgegangen werden. Eine Revision des Selbstverständnisses pädagogischer Prävention scheint deshalb aus dieser Perspektive dringend geboten zu sein, um der Realität Rechter Gewalt auch in Zukunft angemessen begegnen zu können: Als politische Herausforderung einer sich als freiheitlich verstehenden demokratischen Gesellschaft , die im Bewusstsein ihrer historischen Verantwortung handelt. Eine Auseinandersetzung über solch ein Selbstverständnis innerhalb der verschiedenen wissenschaft lichen Fachkulturen würde im Grunde all diejenigen Fragen berühren, die im Rahmen der bisherigen Argumentation eine Rolle gespielt haben und deren Behandlung Rudolf Leiprecht in seinem Appell an die Adresse der Pädagogik explizit anmahnt: „Gerade als Fachleute mit unserer Kenntnis in unterschiedlichen Arbeitsfeldern müssen wir das Wort ergreifen und – beispielsweise – Stellung beziehen zu der Tatsache, dass zunehmend soziale Unterschiede als kulturelle umgedeutet werden oder Rassismus auf ein Jugendproblem beschränkt wird.“ (Leiprecht 1999, S. 265) Es ist für die sozialarbeiterische Tätigkeit demnach direkt entscheidend, welches politische und historische Grundverständnis der einzelne Pädagoge im Allgemeinen und vom Problembereich Rechte Gewalt im Speziellen hat. Ein solches Verständnis zu entwickeln, gerät damit zur Grundvoraussetzung für pädagogisch sinnvolles Handeln „Gegen Rechts“. Im Rahmen dieses Buches wurde zu zeigen versucht, dass Rechte Gewalt eine politisch motivierte Handlungsform mit tendenziell terroristischem Charakter darstellt, weil sie sich unter Verwendung einer rechtsideologischen Rechtfertigungslogik („Ausländer raus!“) durch die Strategie auszeichnet, im Sinne dieser Logik scheinbar wahllos und ohne Anlass Opfer zu produzieren. Doch diese Opfer werden gezielt ausgesucht, um durch die an ihnen verübten Handlungen im Sinne einer „Propaganda der Tat“ politisch wirksam zu werden. Rechte Gewalt hat damit eine klare Richtung und eine eindeutige Absicht. Diese beiden Aspekte konnten durch eine Klassifi kation der Opfergruppen Rechter Gewalt eindeutig aufgezeigt werden. Vor diesem Hintergrund kann es als Fehleinschätzung gelten, wenn in Bezug auf dieses Phänomen behauptet wird, „[...] dass hinter fremdenfeindlicher Gewalt eine allgemeine Aggressionsproblematik sichtbar werde, die sich auch gegen andere Opfer richten könne.“ (Wendt/Lau/Kröber 2002, S. 216) Solche Ansichten sind im Verlauf der bisherigen Argumentation ausreichend kritisiert worden. Umgekehrt können jedoch diese Interpretationen den Blick freigeben auf die inhaltlichen Kriterien, nach denen eine „Ausblendung des Politischen“ möglich wird. Deshalb lässt sich eine diskursanalytische Perspektive, wie sie im Rahmen dieser Arbeit zu begründen versucht wurde, grundsätzlich nicht nur als Kritik, sondern auch als Ergänzung zu den in dieser Art wirksamen Erklärungsansätze verstehen. In Bezug auf die Entpolitisierung rechtsextremer Handlungen durch die De-Thematisierung
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der symbolischen Verstrickung der Protagonisten in einen positiven Bezug zur NSVergangenheit schreibt z.B. Lena Inowlocki: „Es geht vielmehr darum, die Dimensionen symbolischen Handelns wahrzunehmen und zu erschließen, und nicht, wie es in vielen Erklärungsansätzen geschieht, zu negieren oder sogar in ihrer Aussagekraft zu bestreiten.“ (Inowlocki 2000, S. 18) Insofern richtete sich der Impuls dieser Untersuchung speziell und fokussiert auf die jugendtheoretische Art der Wahrnehmung, weil besonders der damit zusammenhängende Einsatz von unscharfen Begriffen nicht geeignet zu sein schien, zu klaren und exakten Aussagen in Bezug auf das an einen historischen Kontext gebundene Problem der Rechten Gewalt in Deutschland gelangen zu können. Als ein solcher unscharfer Begriff hat sich der Jugendliche erwiesen, weil die Kriterien, die ihn generieren, entweder extrem variieren oder aber komplett im Dunklen bleiben. Die Verwendung eines ungeklärten Begriffes aber ist in einem wissenschaftlichen Kontext nicht hinzunehmen: „Definitionen sind nicht Selbstzweck. Sie sind dazu da, gebraucht zu werden, zum Beispiel für die treffende Beschreibung der von der Definition erfassten Phänomene oder für die Erklärung gewisser Zusammenhänge oder für die Zuweisung von bestimmten Funktionen.“ (Flammer 2002, S. 34.) Aussagen, die unter Verwendung dieses Begriffes getätigt werden, sind also nach diesem Maßstab ungeeignet zur Erklärung des untersuchten Phänomens. Wenn also im Hinblick auf Teile der Forschung gesagt werden kann: „Meistens wird Rechtsextremismus bei Jugendlichen verortet.“ (vgl. Zinnecker/Merkens 2002, S. 295), so ist damit ein zentrales Problem indiziert. Dieses Problem wiederum besteht seit der sozialpolitisch inspirierten „Erfi ndung des Jugendlichen“ (vgl. Roth 1982) darin, dass zusammen mit der bereits problematisierten (vgl. Kap. 4.1) Unbestimmtheitsrelation dieses Begriffs eine negative Bedeutungsdimension in den Diskurs über Jugend, Gewalt und Rechtsextremismus eingespeist wird: „Das heißt: Mit dem Terminus ‚Jugendlicher‘ wird ein – meist unbewusstes – Negativbild von Jugend in unseren Köpfen reaktiviert, was auch das Verhältnis zwischen den Generationen und zwischen Pädagogen und jungen Menschen beeinflussen kann.“ (Griese 2000, S. 240) Dieser Begriff wird also unter Umständen mitsamt einer negativ aufgeladenen Hypothek als Deutungsmuster für das Phänomen der Rechten Gewalt benutzt, indem davon ausgegangen wird, dass es sich bei den Tätern rechtsmotivierter Gewalt eben ausschließlich um das Problem einer sozialpädagogisch relevanten Gruppe von Personen handelt. Wie gezeigt werden konnte, dürfte diese Sichtweise die Konzeptionierung von sinnvollen pädagogischen Gegenmaßnahmen eher zusätzlich erschweren, als dass es ihr nützt. Eine gelingende Prävention kommt also nicht umhin, die begriffl ichen Instrumente, mit welcher sie das zu lösenden Problem analysiert, radikal in Frage zu stellen: „Die Konsequenz daraus wäre eine permanente diskursive Auseinandersetzung mit Sprache und eine kritische Reflektion unserer Begriffe und Konstrukte im Themenkomplex von ‚Jugend‘ sowie ein bewusster ‚Abschied vom Negativkonzept des ‚Jugendlichen‘.“ (Griese 2000, S. 241) Insofern hat eine Kritik der pädagogischen Prämissen auf der reflexiven Meta-ebene immer auch eine direkte Relevanz für die praktische Arbeit, denn jeder Pädagoge ergreift in der Gegenwart Maßnahmen, von denen er annimmt, dass sie in der Zukunft positive Effekte erbringen. Damit besitzt pädagogisches Handeln unweigerlich eine utopische
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Dimension, weil es durch eine Überzeugung mit Sinn versehen wird, welche sich auf die Richtigkeit einer Wirkung bezieht, die unter Umständen aber erst lange nach dem Ergreifen dieser Maßnahmen verifizierbar sein wird. Solange stützt sich pädagogisches Handeln in weiten Teilen auf Vermutungswissen, denn es basiert auf dem Vertrauen in die Sinnhaft igkeit der jeweiligen aktuellen Tätigkeit, welches sich aber in der Gegenwart allein auf theoretische Hypothesen über unterstellte Effekte bei spezifisch konstruierten Zielgruppen stützt. Jedes pädagogische Handeln ist damit notwendig theoriegeleitet, was es umso wichtiger erscheinen lässt, den normativen Charakter der jeweiligen handlungsleitenden Theorien und der darin enthaltenen Konstrukte im Bezug auf Ziele und Adressaten transparent zu machen und innerhalb der verschiedenen sozialpädagogischen Settings zum Thema zu machen. Was bedeutet das konkret für die Prävention von Rechter Gewalt? Es bedeutet, dass es in Zukunft um nicht weniger gehen sollte als um die Entwicklung eines analytischen Blicks, der differenziert genug ist, um die verschiedenen Phänomene im Problembereich Rechte Gewalt adäquat erfassen zu können. Eine angemessene Position der Beobachtung im Hinblick auf den Gegenstand der Beobachtung zu entwickeln, ist damit eine zentrale Aufgabe präventiver Handlungsansätze in diesem Bereich, denn: „Es gibt kein statisches und einheitliches Interventionsschema in der Auseinandersetzung mit rechtsextremen Phänomenen. Bestimmend für die Form der Auseinandersetzung sind die Problemwahrnehmung der Akteure sowie deren Motivation für das Engagement.“ (Luzar 2008, S. 59) Wesentlich für das Gelingen sozialer Arbeit kann damit also die Erkenntnis darstellen, mit wem ich es genau zu tun habe. Dieses Diktum könnte deshalb als sinnvoller Ausgangspunkt für alle möglichen Formen und Modelle der Rechtsextremismusprävention gelten. Wie könnte solch ein Aspekt nun sinnvoll in ein konkretes Handlungsmodell integriert werden? Eine mögliche Antwort darauf lässt sich in einer aktuellen Empfehlung für die politische Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Tendenzen auf der kommunalen Ebene (vgl. Hafeneger/Schönfelder 2007) fi nden, weshalb dieses Konzept hier kurz vorgestellt werden soll. Es wird darin ein Vier-Phasen-Modell vorgeschlagen, dass folgenden Ablauf vorsieht: Zu Beginn einer Maßnahmeplanung steht zunächst der zentrale Aspekt der Problemdefinition (vgl. Hafeneger/Schönfelder 2007, S. 127) im Vordergrund. Mit diesem Arbeitsschritt ist die Beantwortung der Frage verbunden, mit welchem negativen Phänomen ich es im Kern zu tun habe. Damit wird offenbar, dass auf Seiten der Sozialarbeit eine Reihe von spezifischen Kompetenzen existieren müssen, um im Falle Rechter Gewalt ein genaues Bild der Lage zu erstellen, u.a. einen Überblick über die Opfer der Gewalt und die möglichen Akteure sowie eine Kenntnis der aktuellen rechtspolitischen Ideologie, der subkulturellen Codes und der rechtsextremen Netzwerke in der Region. Auch könnte es notwendig werden, sich mit der Erarbeitung einer eigenständigen Problemanalyse inhaltlich gegen eine eventuelle Dominanz anders lautender Diskurspositionen und gesellschaft licher Interessen stellen zu müssen. Als zweiter Schritt ist in diesem Konzept die Zieldefinition genannt. (vgl. Hafeneger/Schönfelder 2007, S. 131) Dabei geht es um eine Form der Vereinbarung, auf wen sich die geplanten Strategien beziehen sollen. Sollen die Opfer besser versorgt
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werden oder soll sich in erster Linie um die Täter gekümmert werden? Müssten die Täter in der Region ausgegrenzt oder integriert werden? Auch dieser Arbeitsschritt stellt eine Reihe von besonderen Anforderungen an die Sozialarbeit. Es muss eine differenzierte Form der Abwägung von verschiedenen möglichen Zielbestimmung vorliegen sowie eine grobe Kenntnis der unterschiedlichen Interventionsansätze existieren. Des weiteren ist die Fähigkeit zur fachlichen und gesellschaft lichen Positionierung gefordert und die Kompetenz, den eingenommenen Standpunkt theoriegestützt begründen zu können. Drittens wird empfohlen (vgl. Hafeneger/Schönfelder 2007, S. 133), eine Strategieanalyse vorzunehmen. Hierbei geht es um die konkrete Umsetzung dessen, was zuvor als Ziel vereinbart worden ist. Dabei ist vor allem zu entscheiden, welche Methoden im Hinblick auf erwünschte Effekte eingesetzt werden sollen. Die Sozialarbeit muss hier eine Übersicht über sinnvolle und erprobte Handlungserfahrungen und Praxiskonzepte verfügen sowie die Fähigkeit, eine oder mehrere dieser Interventionsformen anbieten zu können.3 Diese Formen müssen zudem in einem nachvollziehbaren und realistischen Verhältnis zur Zielvereinbarung stehen und dem entsprechend vermittelbar sein und kommuniziert werden. Hierfür ist eine aktive und gleichzeitig umsichtige Öffentlichkeitsarbeit unerlässlich. Als letzter Schritt ist in dem Konzept (vgl. Hafeneger/Schönfelder 2007, S. 136) der Arbeitsschritt einer Kooperationsdefinition vorgesehen. Damit ist der Anspruch verbunden, lokale Aktions- und Bündnispartner zu bestimmen und zu gewinnen, die dabei helfen sollen, die geplanten Strategien mit externe Ressourcen zu unterstützen. Das würde es in besonderer Weise notwendig machen, sich Seitens der Sozialarbeit mit einem Konzept der „Zivilgesellschaft“ auseinander zu setzen, wo es inhaltlich um eine qualitative Neuformulierung des sozialen Miteinanders geht und was praktisch bedeutet, Kompetenzen zu entwickeln, mit denen über fachliche, institutionelle und milieubedingte Grenzen hinweg problembezogen und lösungsorientiert agiert werden kann. Dieses modellhafte Vorgehen scheint vor allem wegen seines implementierten Vernetzungsgedankens dazu geeignet zu sein, die soziale Arbeit vor dem (Selbst-?) Verständnis bewahren zu können, kaum mehr als ein kostengünstiger Dienstleistungsbetrieb zur Behebung von gesellschaft lich unerwünschter sozialen Phänomenen darzustellen. Nach der Diskussion, die in diesem Buch geführt wurde, lässt sich jedenfalls dazu sagen: Das Problem der Rechten Gewalt ist ganz gewiss keines, was sich ausschließlich mit Mitteln der Sozialpädagogik beheben ließe, denn die Personen, die dieses Problem verursachen, sind eben nicht „jung – rechts – unpolitisch“, sie sind keine besonders defizitären Subjekte, die aus Versehen einen Fehltritt begehen, sondern politisierte Menschen, die gezielt und absichtsvoll auf ihre Feinde eintreten. Diese Tätergruppen wollen ein anderes Deutschland und sie richten sich mit ihrem Terror deshalb ganz gezielt gegen das Konzept einer pluralistischen Einwanderungsgesellschaft. Sie brauchen aus diesem Grund keine „besondere“ pädagogische Behandlung, sondern eine Gesellschaft, die sich ihnen auf allen Ebenen 3 | Ein guter Überblick dazu fi ndet sich in Kohlstruck/Krüger/Krüger 2009 sowie in Molthagen/Klärner/Ziegler 2008
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entgegenstellt. Wenn man sich trotzdem dafür entscheidet, innerhalb eines sozialpädagogischen Kontextes eine speziell täterbezogene Arbeit zu leisten, dann sollte man zumindest diese Prämisse nicht unter den Tisch fallen lassen (weil sie natürlich unbequem ist), sondern sich damit kritisch auseinander setzen. Die hiermit zu Ende gebrachte Kritik einer „Ausblendung des Politischen“ möchte, trotz oder gerade wegen der vielen skeptischen Einwände und negativen Beispiele in dieser Sache, als konstruktiver Beitrag für solch einen Prozess verstanden werden. Das ganze Ausmaß dieses Problems konnte dabei sicherlich nur gestreift werden. Es ließen sich im Rahmen dieses Buches nicht alle Aspekte angemessen berücksichtigen und vieles konnte im Verlauf der Diskussion leider nur sehr verkürzt und manchmal in recht polarisierender Art und Weise dargestellt werden. Auch ist die eigene Argumentation dabei teilweise redundant geraten. Dafür bitte ich um Nachsicht. Das Hauptinteresse der hier geführten Diskussion bestand jedoch darin, ein kritisches Bewusstsein zu entwickeln im Hinblick auf die jugendtheoretischen Instrumente, die im Kontext von wissenschaft lichen Diagnosen und sozialpädagogischer Konzepte zur Anwendung kommen. Wenn darüber hinaus durch diese Problematisierung erreicht werden konnte, zu einer vertiefenden inhaltlichen Auseinandersetzung über das Thema Rechte Gewalt anzuregen, dann wäre das Ziel dieses Buches mehr als erreicht. Zu hoffen bleibt, dass aus dieser Form der Auseinandersetzung eine gesellschaft liche Praxis entwickelt werden kann, die hilft, weitere Opfer zu verhindern. Dafür jedoch, so wurde deutlich zu machen versucht, ist es notwendig, Abstand zu nehmen von einem Verständnis der rechtsmotivierten Täter als „Jugendliche“. Deshalb soll am Schluss dieses Abschnittes noch einmal Lutz Roth erwähnt werden, der am Ende seiner historischen Studie über die „Erfindung des Jugendlichen“ schreibt: „Wozu, wenn nicht zu einer Gleichrichtung, sollte ein einziges Wort für tausend und eine Erscheinungsform des Jugendlebens gefunden werden? Davon kann auch das harmlos klingende Wort des ‚Jugendlichen‘ nicht frei sein. Darum wird es für Pädagogen Zeit, vom ‚Jugendlichen‘ Abschied zu nehmen und damit auch einige Schritte weit aus der Reproduktion des staatlich erwünschten normierten Charakters auszusteigen.“ (Roth 1983, S. 141)
Die vorliegende Arbeit hat versucht, für einen solchen Abschied im Kontext der wissenschaft lichen Ursachenforschung und der gesellschaft lich notwendigen Prävention gegen Rechte Gewalt Argumente zu fi nden. Ob dieser Impuls aufgegriffen werden wird, hängt sicher in ganz entscheidendem Maße von der fachinternen Bereitschaft zur Entwicklung eines entsprechenden Problembewusstseins ab.
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Hans-Christoph Koller, Winfried Marotzki, Olaf Sanders (Hg.) Bildungsprozesse und Fremdheitserfahrung Beiträge zu einer Theorie transformatorischer Bildungsprozesse 2007, 260 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN 978-3-89942-588-8
Hans-Christoph Koller, Markus Rieger-Ladich (Hg.) Figurationen von Adoleszenz Pädagogische Lektüren zeitgenössischer Romane II 2009, 216 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN 978-3-8376-1025-3
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Theorie Bilden Jürgen Budde Männlichkeit und gymnasialer Alltag Doing Gender im heutigen Bildungssystem 2005, 268 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN 978-3-89942-324-2
Stephanie Maxim Wissen und Geschlecht Zur Problematik der Reifizierung der Zweigeschlechtlichkeit in der feministischen Schulkritik 2009, 306 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1030-7
Frank Elster Der Arbeitskraftunternehmer und seine Bildung Zur (berufs-)pädagogischen Sicht auf die Paradoxien subjektivierter Arbeit
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2007, 362 Seiten, kart., 31,80 €, ISBN 978-3-89942-791-2
2009, 276 Seiten, kart., zahlr. Abb., 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1058-1
Peter Faulstich (Hg.) Öffentliche Wissenschaft Neue Perspektiven der Vermittlung in der wissenschaftlichen Weiterbildung
Karl-Josef Pazzini, Marianne Schuller, Michael Wimmer (Hg.) Lehren bildet? Vom Rätsel unserer Lehranstalten
2006, 196 Seiten, kart., 19,80 €, ISBN 978-3-89942-455-3
Werner Friedrichs Passagen der Pädagogik Zur Fassung des pädagogischen Moments im Anschluss an Niklas Luhmann und Gilles Deleuze 2008, 306 Seiten, kart., 32,80 €, ISBN 978-3-89942-846-9
Hans-Christoph Koller, Markus Rieger-Ladich (Hg.) Grenzgänge Pädagogische Lektüren zeitgenössischer Romane 2005, 178 Seiten, kart., 20,80 €, ISBN 978-3-89942-286-3
Andrea Liesner, Olaf Sanders (Hg.) Bildung der Universität Beiträge zum Reformdiskurs
August 2010, ca. 338 Seiten, kart., ca. 31,80 €, ISBN 978-3-8376-1176-2
Andrea Sabisch Inszenierung der Suche Vom Sichtbarwerden ästhetischer Erfahrung im Tagebuch. Entwurf einer wissenschaftskritischen Grafieforschung 2007, 290 Seiten, kart., 31,80 €, ISBN 978-3-89942-656-4
Simone Tosana Bildungsgang, Habitus und Feld Eine Untersuchung zu den Statuspassagen Erwachsener mit Hauptschulabschluss am Abendgymnasium 2008, 276 Seiten, kart., 27,80 €, ISBN 978-3-89942-798-1
2005, 164 Seiten, kart., 18,80 €, ISBN 978-3-89942-316-7
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